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German Pages 580 [608] Year 2018
Torsten Kucharzik, Emile Rijcken, Dominik Bettenworth, Norbert Senninger (Hrsg.) Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen
Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen | Herausgegeben von Torsten Kucharzik, Emile Rijcken, Dominik Bettenworth, Norbert Senninger
Herausgeber Prof. Dr. med. Torsten Kucharzik Klinik für Allgemeine Innere Medizin & Gastroenterologie Klinikum Lüneburg Bögelstr. 1, 21339 Lüneburg [email protected] Priv.-Doz. Dr. med. Emile Rijcken, FEBS Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie Universitätsklinikum Münster Albert-Schweitzer-Campus 1, W1, 48149 Münster [email protected]
Prof. Dr. med. Dominik Bettenworth Medizinische Klinik B für Gastroenterologie und Hepatologie Universitätsklinikum Münster Albert-Schweitzer-Campus 1, 48149 Münster [email protected] Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h.c. Norbert Senninger, FACS, FRCS Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie Universitätsklinikum Münster Albert-Schweitzer-Campus 1, W1, 48149 Münster [email protected]
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ISBN 978-3-11-048542-4 e-ISBN (PDF) 978-3-11-049268-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-049173-9 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Eraxion / iStock / thinkstock Satz: PTP-Berlin, Protago-TEX-Production GmbH, Berlin Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Vorwort Jüngere epidemiologische Daten zeigen, dass Inzidenz und Prävalenz chronisch entzündlicher Darmerkrankungen weltweit zunehmen und sich in allen Altersgruppen manifestieren. Parallel zu der deutlichen Zunahme der Erkrankungen haben sich in den letzten Jahren auch die Erkenntnisse in Bezug auf die Pathogenese sowie auch bezüglich der Diagnostik und Therapie erheblich weiterentwickelt. In der Folge hat in den letzten Jahren auch die Breite an therapeutischen Interventionsmöglichkeiten relevant zugenommen. Insbesondere die zunehmende Verfügbarkeit an Biologika aber auch die Weiterentwicklung von Operationstechniken haben das therapeutische Spektrum deutlich erweitert. Mit der sicherlich zu begrüßenden Zunahme der Therapeutika ist auch die Komplexität der Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen gewachsen. Immer neue Therapieformen erfordern eine ständige Aktualisierung des Wissens. Gerade die komplexeren Krankheitsverläufe, von denen etwa die Hälfte der Patienten betroffen sind, bedürfen einer zunehmend interdisziplinären Behandlung innerhalb eines viszeralmedizinischen Teams, in dem ambulant und stationär tätige Gastroenterologen gemeinsam mit Viszeralchirurgen eng zusammenarbeiten. Ein besonderes Anliegen dieses Buches ist daher, die für die Behandlung von CED-Patienten zunehmend wichtige ärztliche Zusammenarbeit in der Viszeralmedizin in ihrer praktischen Bedeutung und Umsetzung hervorzuheben und näher zu definieren. Eine Vielzahl von Kapiteln ist deswegen als „Tandem-Kapitel“ konzipiert, bei dem das Thema gemeinschaftlich von namhaften Autoren beider Fachbereiche gestaltet wurde. Die Therapieempfehlungen stellen in vielen Fällen einen Konsens unterschiedlicher Fachbereiche dar und ermöglichen damit einen umfassenden Überblick über die gegenwärtigen Behandlungsoptionen. Ziel dieses Buches ist es, möglichst klare und praxisnahe Empfehlungen für den Umgang mit speziellen diagnostischen und therapeutischen Herausforderungen bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zu geben. Aus diesem Grund ist das Buch mit zahlreichen Abbildungen, Tabellen und klinischen Algorithmen versehen. Merksätze heben praxisrelevante Fragestellungen in den einzelnen Kapiteln besonders hervor. Das vorliegende Buch will und kann die aktuellen Leitlinien der DGVS sowie die europäischen ECCO-Leitlinien nicht ersetzen. Es ist vielmehr unser Anliegen, Basiswissen in Bezug auf die aktuelle Diagnostik und Therapie der CED zu vermitteln und die besondere Sichtweise eines viszeralmedizinischen Teams auf relevante Probleme in der CED-Therapie darzustellen.
https://doi.org/10.1515/9783110492682-001
VI | Vorwort
Wir danken allen Autoren, die durch ihre exzellenten Beiträge an diesem Buchprojekt mitgewirkt haben. Nur durch diese breite Unterstützung konnte ein Werk entstehen, das hoffentlich eine wertvolle Hilfe für die klinische Praxis darstellen wird. Die Auflage dieses Buches wäre ohne die hervorragende Unterstützung und professionelle Begleitung des De Gruyter Verlages nicht möglich gewesen. Stellvertretend für das gesamte Team möchten wir Frau Noto und Frau Seitz sehr herzlich für diese Unterstützung danken. Wir wünschen Ihnen, auch im Namen aller Autoren, viel Freude beim Lesen. Mai 2018 Dominik Bettenworth, Münster Torsten Kucharzik, Lüneburg Emile Rijcken, Münster Norbert Senninger, Münster
Inhalt Vorwort | V Autorenverzeichnis | XXV
Teil I: Grundlagen Gheorghe Hundorfean und Markus F. Neurath 1 Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen | 3 1.1 Genetik | 3 1.2 Mukosale Immunphysiologie und intestinale Barrierefunktion | 4 1.2.1 Intestinale Immunzellen | 6 1.2.2 Zytokine und Integrine | 7 1.3 Weitere pathogenetische Faktoren und Hypothesen | 9 1.3.1 Infektiöse Faktoren | 9 1.3.2 Psychische Faktoren | 10 1.3.3 Rauchen | 11 1.4 Fazit | 11 Sandra Plachta-Danielzik, Janna Enderle, Marie Tempel und Wolfgang Lieb 2 Epidemiologie der CED | 17 2.1 Häufigkeitsverteilung von CED | 17 2.1.1 Prävalenz und Inzidenz von CED in Deutschland | 17 2.1.2 Globale Unterschiede in der Erkrankungshäufigkeit | 17 2.1.3 CED in verschiedenen Altersgruppen | 18 2.1.4 Häufigkeitsverteilung verschiedener CED-Phänotypen sowie deren Verlauf | 18 2.2 Ursachen von CED | 19 2.2.1 Familiäre und genetische Faktoren | 19 2.2.2 Umgebungs- und Lebensstilfaktoren | 20 2.3 Fazit | 21
Teil II: Diagnostik Stephan Brand 3 Anamnese, klinische Untersuchung, Labor, Primärdiagnostik, Biomarker für Krankheitsverlauf und -prädiktion sowie Drug-Monitoring | 27 3.1 Diagnose chronisch entzündlicher Darmerkrankungen | 27
VIII | Inhalt
3.2 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.5 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.7 3.7.1 3.7.2 3.7.3 3.7.4 3.7.5 3.8 3.8.1 3.8.2
Anamnese | 28 Klinische Untersuchung | 29 Labordiagnostik | 30 Initiale Labor- und Stuhldiagnostik | 30 Entzündungsparameter | 31 Mikrobiologische Stuhluntersuchungen | 35 Serologische Parameter | 36 Zusätzliche initiale Diagnostik mittels Bildgebung und Endoskopie | 36 Verlaufsmonitoring | 37 Klinik | 37 Labor | 37 Bildgebung und Endoskopie | 38 Drug-Monitoring und Laborparameter zur Überwachung von Therapienebenwirkungen | 39 5-Aminosalicylate | 39 Kortikosteroide | 39 Methotrexat | 39 Thiopurine | 40 Anti-TNF-Antikörper | 41 Prädiktion | 43 Klinische Parameter der Krankheitsprädiktion | 43 Gen- und Biomarker zur Krankheitsprädiktion | 43
Stephan Brand 4 Phänotyp und Verlaufsformen | 51 4.1 Phänotyp | 51 4.1.1 Montreal-Klassifikation der Krankheitslokalisation und des Krankheitsphänotyps | 51 4.1.2 Krankheitsaktivität | 54 4.2 Verlaufsformen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen | 55 4.2.1 Krankheitsverlauf der Colitis ulcerosa | 57 4.2.2 Krankheitsverlauf des Morbus Crohn | 57 4.3 Leitlinien-basierte Definitionen des Krankheitsverlaufs chronisch entzündlicher Darmerkrankungen | 59 4.3.1 Steroidrefraktäre Erkrankung | 59 4.3.2 Steroidabhängige Erkrankung | 59 4.3.3 Immunmodulator-refraktäre Colitis ulcerosa | 60 4.3.4 Refraktäre distale Colitis ulcerosa | 60 4.3.5 Wiederauftreten eines Morbus Crohn nach chirurgischer Resektion | 60
Inhalt
4.3.6 4.4
| IX
Ausdehnung der Erkrankung | 60 Malignome und Mortalität | 61
Ulf Helwig 5 Sonografie | 65 5.1 Einleitung | 65 5.2 Patientensicht | 65 5.3 Kosten | 66 5.4 Darmsonografie beim Morbus Crohn | 66 5.4.1 Darmsonografie in der Primärdiagnostik des Morbus Crohn | 66 5.4.2 Darmsonografie in der Verlaufsdiagnostik | 67 5.4.3 Detektion von Komplikationen beim Morbus Crohn | 67 5.5 Darmultraschall bei Patienten mit Colitis ulcerosa | 68 5.6 Spezielle Techniken des Darmultraschalls | 68 5.6.1 Striktur und Kontrastmittelsonografie | 68 5.6.2 Duplexsonografie | 69 5.6.3 Perinealer Ultraschall zur Detektion von Fisteln und Abszessen | 69 5.7 Technik der Darmsonografie | 70 5.7.1 Vorbereitung | 70 5.7.2 Patientenlagerung | 70 5.7.3 Strukturiertes Vorgehen der Untersuchung | 70 5.7.4 Detektion von Wandverdickungen | 71 5.8 Perineale Sonografie | 74 5.8.1 Technik | 74 5.8.2 Parks-Klassifikation | 74 5.8.3 American Gastroenterology Association(AGA)-Klassifikation | 75 5.9 Fazit | 75 6 Endoskopie | 79 Martin Götz 6.1 Initial, im Verlauf, bei Komplikationen | 79 6.1.1 Endoskopie in der Initialdiagnostik | 79 6.1.2 Endoskopie im Verlauf | 82 6.1.3 Endoskopie bei Komplikationen | 83 6.1.4 Fazit | 84 Johannes Wilhelm Rey und Ralf Kiesslich 6.2 Risiko für Kolonkarzinom und endoskopische Überwachungsstrategien | 84 6.2.1 Risiko für Kolonkarzinom | 84
X | Inhalt
6.2.2 6.2.3
Endoskopische Überwachungsstrategien | 86 Fazit | 88
Jörg Albert 6.3 Endoskopische Diagnostik des Dünndarms beim Morbus Crohn | 89 6.3.1 Dünndarmendoskopie zur Differenzierung einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung und zur Bestimmung der entzündlichen Aktivität | 91 6.3.2 Endoskopische Therapie von Dünndarmstenosen beim Morbus Crohn | 92 6.3.3 Endoskopisches Vorgehen bei der Dilatation einer Dünndarmstenose | 94 6.3.4 Ausblick Dünndarmendoskopie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen | 95 Lothar Veits und Michael Vieth 7 Histologie | 99 7.1 Einleitung | 99 7.2 Histologische Diagnostik bei Entzündungen | 100 7.3 Graduierung der Entzündungsaktivität | 101 7.4 Diagnostik von Neoplasien | 102 7.5 Histologische Diagnose | 103 7.6 Operationspräparate | 104 7.7 Häufigkeiten von Neoplasien | 105 7.8 Histologische Kriterien zur Unterscheidung von sporadischen und Kolitis-assoziierten Neoplasien | 106 7.8.1 Drüsen | 106 7.8.2 Muzinvakuolen | 106 7.8.3 Zellkerne | 106 7.8.4 Mesenchym/Stroma | 106 7.8.5 Proliferationszone | 106 7.8.6 Abgrenzung von der umgebenden Mukosa | 107 7.9 Fazit | 107 Johannes Wessling 8 MRT bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen | 109 8.1 Einleitung | 109 8.2 Technische Durchführung MR-Enterografie und MR-Enteroklysma | 109 8.3 Normalanatomie des Darms und MRT | 112 8.4 Entzündliche Dünndarmerkrankungen | 115 8.5 Morbus Crohn | 115
Inhalt
8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.5.4 8.5.5 8.5.6 8.5.6.1 8.5.6.2 8.5.6.3 8.5.7 8.5.7.1 8.5.8 8.5.9 8.6 8.6.1 8.6.2 8.6.3 8.7
MR-Enterografie und Bildbefunde | 117 Aktiv entzündliche Verlaufsform | 117 Darmwandverdickung | 117 Extramurale Entzündungszeichen | 118 Beurteilung der Entzündungsaktivität | 119 Fistulierende/perforierende Verlaufsform | 120 Sinus tracts | 120 Fisteln | 121 Abszesse | 121 Fibrostenotische Verlaufsform | 122 Stenosen | 122 Beurteilung der Entzündungsaktivität | 122 Reparative/regenerative Verlaufsform | 123 Colitis ulcerosa | 123 Akute Phase | 123 Subakute und chronische Phase | 124 Klinischer Stellenwert der MR-Enterografie | 124 Fazit | 125
Thomas Klag und Jan Wehkamp 9 Krankheitsindizes – klinisch/endoskopisch | 127 9.1 Endoskopische Krankheitsindizes – Morbus Crohn | 127 9.2 Klinische Krankheitsindizes – Morbus Crohn | 128 9.2.1 Patient reported outcome | 129 9.3 Endoskopische Krankheitsindizes – Colitis ulcerosa | 130 9.4 Klinische Krankheitsindizes – Colitis ulcerosa | 131 9.5 Fazit | 132
Teil III: Therapie der Colitis ulcerosa Jürgen Büning, Andreas Sturm und Britta Siegmund 10 Medikamentöse Therapie der Colitis ulcerosa | 137 Jürgen Büning 10.1 Standardtherapie des akuten Schubes | 137 10.1.1 Substanzgruppen und Pharmakologie | 137 10.1.2 Leichte bis mittelschwere Colitis ulcerosa | 142 10.1.3 Schwere Colitis ulcerosa (nicht steroidrefraktär) | 145 10.1.4 Remissionserhaltung | 146
| XI
XII | Inhalt
Andreas Sturm 10.2 Therapie des steroidabhängigen Verlaufs | 148 10.2.1 Definition | 148 10.2.2 Einleitung | 149 10.2.3 Substanzgruppen und Pharmakologie: Medikamente mit einem oft verzögerten Wirkungseintritt (> 4 Wochen) | 150 10.2.4 Substanzgruppen und Pharmakologie: Medikamente mit einem oft kurzfristigeren Wirkungseintritt (< 4 Wochen) | 154 Britta Siegmund 10.3 Therapie des steroidrefraktären Verlaufs | 156 10.3.1 Zusammenfassung | 156 10.3.2 Einleitung | 156 10.3.3 Definition | 156 10.3.4 Substanzgruppen und Pharmakologie | 157 10.3.5 Therapiealgorithmen bei steroidrefraktärem Verlauf | 158 10.3.6 Calcineurin-Inhibitoren oder Tumor-Nekrose-Faktor-α-Antikörper | 159 10.3.7 Operation | 162 10.3.8 Remissionserhaltung | 162 10.4 Fazit | 163 11 Chirurgie | 171 Emile Rijcken und Norbert Senninger 11.1 Technische Aspekte der restaurativen Proktokolektomie bei der Colitis ulcerosa | 171 11.1.1 Ein-, zwei- oder dreizeitiges Vorgehen | 171 11.1.2 Management des Rektumstumpfes bei der subtotalen Kolektomie | 175 11.1.3 Ebene der Dissektion im kleinen Becken | 176 11.1.4 Verschiedene Typen der Pouchkonstruktion | 178 11.1.5 Techniken zur Mobilisation und Verlängerung des Mesenteriums | 179 11.1.6 Indikation der Proktomukosektomie | 181 11.1.7 Anastomosentechnik: Stapler oder Handnaht | 183 11.1.8 Protektives Ileostoma | 185 11.1.9 Fazit | 185
Inhalt
| XIII
Florian Herrle und Peter Kienle 11.2 Minimal-invasive Chirurgie | 188 11.2.1 MIC – Historische Entwicklung und eigene Bewertung | 188 11.2.2 MIC bei Colitis ulcerosa – Indikationen und Eingriffsarten | 190 11.2.3 Laparoskopische restaurative Proktokolektomie mit IPAA – Eigene Technik | 192 Dieter Hahnloser 11.3 Funktion und Lebensqualität nach Proktokolektomie und Ileum-J-Pouch | 198 11.3.1 Stuhlfrequenz und Kontinenz | 198 11.3.2 Lebensqualität | 199 11.3.3 Sexualfunktion | 200 11.3.4 Fertilität | 200 11.3.5 Schwangerschaft | 201 11.3.6 Funktionelle Überlegungen vor Anlage einer IPAA | 202 11.3.7 Operationstechnische Überlegungen | 203 11.3.8 Fazit | 204 Uwe Johannes Roblick und Andreas de Weerth 11.4 Perioperative Komplikationen nach restaurativer Proktokolektomie | 206 11.4.1 Intraoperative Komplikationen | 206 11.4.2 Postoperative Komplikationen | 208 11.4.3 Fazit | 211
Teil IV: Therapie des Morbus Crohn 12 Therapiemaßnahmen beim Morbus Crohn | 215 Bernd Bokemeyer 12.1 Akuter Schub, Krankheitsrezidiv und Remissionserhaltung ohne immunsuppressive oder immunmodulierende Therapiemaßnahmen | 215 12.1.1 Therapie des Morbus Crohn beim akuten Schub und beim Krankheitsrezidiv | 216 12.1.2 Remissionserhaltung | 218 Robert Ehehalt 12.2 Steroidabhängiger Morbus Crohn | 222 12.2.1 Immunsuppressiva | 223
XIV | Inhalt
12.2.2 12.2.3
Biologikatherapie | 224 Prinzipien der Therapie | 226
Klaus Herrlinger 12.3 Remissionsinduktion bei Therapie-/Steroidresistenz | 228 12.3.1 Immunsuppression | 228 12.3.2 Anti-TNF-Antikörper | 229 12.3.3 Infliximab plus Azathioprin | 230 12.3.4 Exit-Strategien bei Doppelimmunsuppression | 230 12.3.5 Anti-Integrin-Antikörper | 231 12.3.6 Ustekinumab | 232 12.3.7 Cyclophosphamid | 233 12.3.8 Fazit | 233 Stefan Fichtner-Feigl und Claudia Ott 12.4 Fistulierender Morbus Crohn (internistisch und chirurgisch) | 237 12.4.1 Häufigkeit | 237 12.4.2 Einteilung und Klinik | 237 12.4.3 Diagnostik intraabdomineller Fisteln | 238 12.4.4 Therapie | 239 12.4.5 Fazit | 242 Dominik Bettenworth und Bodo Schniewind 12.5 Stenosierender Morbus Crohn (interventionelle Therapie) | 243 12.5.1 Chirurgische Therapie des stenosierenden Morbus Crohn | 247 12.5.2 Laparoskopische Chirurgie beim Morbus Crohn | 248 12.5.3 Rezidivierender und komplizierter Morbus Crohn | 248 12.5.4 Darmerhaltende Chirurgie (Strikturoplastiken) | 249 12.5.5 Anastomosentechnik | 251 12.5.6 Resektionsausmaß | 251 12.5.7 Morbus-Crohn-Manifestation im Kolorektum | 252 12.5.8 Fazit | 252 Thorben Möller und Jan-Hendrik Egberts 12.6 Minimal invasive Chirurgie des Morbus Crohn | 257 12.6.1 Einleitung und Stellenwert | 257 12.6.2 Verfahren der minimal-invasiven Chirurgie beim Morbus Crohn | 258 12.6.3 Indikationen der minimal-invasiven Chirurgie beim Morbus Crohn | 261 12.6.4 Limitationen der minimal-invasiven Chirurgie beim Morbus Crohn | 262 12.6.5 Fazit | 263
Inhalt |
XV
Torsten Kucharzik 12.7 Postoperative Rezidivprophylaxe beim Morbus Crohn | 264 12.7.1 Diagnostik zur Abschätzung des postoperativen Rezidivrisikos | 265 12.7.2 Risikofaktoren für Rezidive | 267 12.7.3 Medikamentöse Rezidivprophylaxe | 268 12.7.4 Welche postoperative Strategie ist richtig? | 269 12.7.5 Fazit | 270 Ingrid Schnell und Jörg-Peter Ritz 12.8 Das chirurgische Rezidiv beim Morbus Crohn: Technische Prophylaxe und chirurgisches Vorgehen beim Rezidiv | 272 12.8.1 Einleitung | 272 12.8.2 Häufigkeit und Risikofaktoren von Rezidiven | 274 12.8.3 Technische Rezidivprophylaxe | 275 12.8.4 Chirurgisches Vorgehen beim Rezidiv | 280 12.8.5 Fazit | 283 Andreas Lügering und Rudolf Mennigen 12.9 Medikamentöse und operative Therapie des perianalen Fistelleidens beim Morbus Crohn | 285 12.9.1 Ätiologie, Diagnostik und Klassifikation der Analfistel beim Morbus Crohn | 285 12.9.2 Medikamentöse Therapie | 286 12.9.3 Chirurgische Therapie | 290 12.9.4 Interdisziplinäre Therapiealgorithmen | 291 12.9.5 Fazit | 292
Teil V: Besondere Formen der CED Niels Teich 13 Colitis indeterminata | 297 13.1 Definition | 297 13.2 Epidemiologie | 297 13.3 Diagnostik | 298 13.3.1 Endoskopie und Histologie | 298 13.3.2 Serologie | 298 13.3.3 Kapselendoskopie | 299 13.4 Therapie | 299 13.5 Kolonkarzinom | 300 13.6 Fazit | 301
XVI | Inhalt
Raja Atreya 14 Pouchitis | 303 14.1 Einleitung | 303 14.2 Pathogenese der Pouchitis | 303 14.3 Diagnosestellung einer Pouchitis | 304 14.4 Risiko von Pouchneoplasien | 305 14.5 Therapie der Pouchitis | 306 14.5.1 Akute Pouchitis | 306 14.5.2 Chronische Pouchitis | 306 14.5.3 Remissionserhaltung | 307 14.5.4 Primärprophylaxe | 307 14.6 Fazit | 307 Ahmed Madisch und Stephan Miehlke 15 Mikroskopische Kolitis | 311 15.1 Zusammenfassung | 311 15.2 Definition und Häufigkeit | 311 15.3 Ätiologie und Pathogenese | 312 15.4 Typische Beschwerden bei mikroskopischer Kolitis | 312 15.5 Diagnosesicherung | 313 15.6 Therapeutisches Management | 314 15.6.1 Evidenz-basierte Therapie mit Budesonid | 315 15.6.2 Rezidivquote nach Absetzen der Budesonidtherapie | 316 15.6.3 Empirische Therapieansätze | 317 15.6.4 Therapiealgorithmus bei mikroskopischer Kolitis | 318
Teil VI: Extraintestinale Manifestationen Klaus Fellermann 16 Gelenkmanifestationen, Osteoporose/Osteopenie | 325 16.1 Gelenkmanifestationen | 325 16.1.1 Ursache | 325 16.1.2 Epidemiologie | 326 16.1.3 Periphere Spondylarthritis (SpA) | 326 16.1.4 Enthesitis | 327 16.1.5 Dactylitis | 327 16.1.6 Periphere Arthritis | 327 16.1.7 Axiale Spondylarthritis (SpA) | 328 16.1.8 Isolierte Sakroiliitis | 329 16.1.9 Ankylosierende Spondylitis (AS) | 329 16.1.10 Diagnostik | 329
Inhalt |
16.1.11 16.2 16.2.1 16.2.2 16.2.3 16.3
Therapie | 331 Osteopenie und Osteoporose | 332 Epidemiologie | 332 Ursachen | 332 Diagnostik und Therapie | 333 Fazit | 333
Daniel Baumgart und Sandra Philipp 17 Hautmanifestationen und sekundäre Manifestationen | 337 17.1 Spezifische Hautveränderungen | 337 17.2 Reaktive Dermatosen | 338 17.3 Assoziierte entzündliche Hauterkrankungen | 341 17.4 Sekundäre Hautveränderungen | 342 17.5 Fazit | 343 Tanja Kühbacher 18 Augenmanifestationen | 349 Tanja Kühbacher 19 Hepatobiliäre Manifestationen | 353 Tanja Kühbacher 20 Thromboembolische Komplikationen | 357 Thomas Greuter und Stephan R. Vavricka 21 Anämie | 361 21.1 Anämie als extraintestinale Manifestation bei CED | 361 21.2 Diagnostik der Anämie | 362 21.3 Eisenmangel und Eisenmangelanämie | 362 21.4 Anämie der chronischen Erkrankungen | 364 21.5 Therapie des Eisenmangels und der Eisenmangelanämie | 364 21.6 Screening und Prävention von Eisenmangel und Eisenmangelanämie | 365 21.7 Andere Formen der Anämie bei CED | 367 21.8 Weitere Therapieoptionen | 367 21.9 Fazit | 368 Tanja Kühbacher 22 Seltene extraintestinale Manifestationen | 371
XVII
XVIII | Inhalt
Teil VII: Therapie-assoziierte Komplikationen Andreas Stallmach 23 Infektionen – Prophylaxe und Therapie | 377 23.1 Einleitung | 377 23.2 Pharmakologische Grundlagen der Immunsuppression | 379 23.2.1 Glukokortikoide | 379 23.2.2 Calcineurin-Inhibitoren | 379 23.2.3 Zytostatika | 379 23.2.4 Biologika | 380 23.3 Einzelne Infektionskrankheiten und deren Therapie | 380 23.4 Bakterielle Infektionen | 380 23.4.1 Mycobacterium tuberculosis | 380 23.4.2 Clostridium difficile | 382 23.4.3 Streptococcus pneumoniae | 383 23.4.4 Nokardien | 383 23.5 Virale Infektionen | 384 23.5.1 Herpesviren (HSV, VZV, CMV) | 384 23.5.2 Cytomegalie-Virus (CMV) | 384 23.5.3 Hepatitis B | 385 23.6 Protektion vor Infektionen bei Patienten mit CED durch Impfungen | 385 23.6.1 Standardimpfungen | 386 23.6.2 Indikationsimpfungen | 386 23.7 Fazit | 389 Anton J. Kroesen 24 Operationen bei CED unter Biologika und Immunsuppression | 391 24.1 Grundsätzliche Problematik der Immunsuppression | 391 24.2 Literaturanalyse Morbus Crohn | 392 24.2.1 Anti-TNF-α-Antikörper (Adalimumab, Infliximab) | 392 24.2.2 Immunmodulatoren (Azathioprin, Methotrexat) | 392 24.2.3 Calcineurin-Inhibitoren/Endoxan | 393 24.2.4 Kortison | 393 24.2.5 Anti-Integrine (Vedolizumab) | 393 24.2.6 Anti-Interleukin-12-/-23-Antikörper (Ustekinumab) | 394 24.3 Literaturanalyse Colitis ulcerosa | 394 24.3.1 Anti-TNF-α-Antikörper (Adalimumab, Infliximab) | 394 24.3.2 Calcineurin-Inhibitoren | 395 24.3.3 Immunmodulatoren (Azathioprin/Mercaptopurin, Methotrexat) | 396 24.3.4 Kortikosteroide | 396 24.4 Chirurgische Strategie beim Morbus Crohn | 396
Inhalt | XIX
24.5 24.6
Chirurgische Strategie bei Colitis ulcerosa | 397 Fazit | 397
Oliver Bachmann 25 CED und maligne Erkrankungen | 401 25.1 Einleitung | 401 25.2 Grundsätzliches Tumorrisiko bei CED | 401 25.3 Therapieabhängige Malignome bei CED | 403 25.4 Management bei vorbestehendem Malignom und CED | 404 25.5 Fazit | 405
Teil VIII: Besondere Lebenssituationen Axel Dignaß 26 Reproduktion und Schwangerschaft | 411 26.1 Fertilität | 411 26.1.1 Fertilität bei CED | 411 26.1.2 Einfluss von Medikation und Operationen auf die weibliche Fertilität | 412 26.1.3 Einfluss von Medikation und Operationen auf die männliche Fertilität | 413 26.2 Schwangerschaft | 413 26.2.1 Schwangerschaftsverlauf bei CED | 413 26.2.2 Auswirkung einer CED auf Nachwuchs | 414 26.2.3 Verlauf einer CED während und nach einer Schwangerschaft | 415 26.3 Diagnostische Verfahren während der Schwangerschaft | 415 26.3.1 Labordiagnostik | 415 26.3.2 Bildgebende Verfahren | 416 26.3.3 Endoskopie und Sedierung | 417 26.4 Therapie in der Schwangerschaft | 417 26.4.1 Aminosalicylate | 418 26.4.2 Kortikosteroide | 420 26.4.3 Thiopurine | 420 26.4.4 Methotrexat | 421 26.4.5 Calcineurin-Inhibitoren | 421 26.4.6 Biologika | 422 26.4.7 Management von Komplikationen und Chirurgie in der Schwangerschaft | 424 26.5 Entbindungsmodus bei CED-Patientinnen | 424 26.6 Stillen und CED | 425
XX | Inhalt
Jan Däbritz 27 CED in der Pädiatrie | 435 27.1 Einleitung | 435 27.1.1 Leitlinien | 435 27.1.2 Multidisziplinäres Team | 435 27.1.3 Epidemiologie | 436 27.1.4 Prognose | 436 27.2 Klinik | 437 27.2.1 Symptome | 437 27.2.2 Extraintestinale Manifestationen | 437 27.3 Diagnose | 438 27.3.1 Anamnese und körperliche Untersuchung | 438 27.3.2 Wachstum | 438 27.3.3 Laborchemische Diagnostik | 439 27.3.4 Immun- und Allergiediagnostik | 439 27.3.5 Endoskopie und Histopathologie | 440 27.3.6 Bildgebende Diagnostik | 440 27.3.7 Differentialdiagnosen | 440 27.3.8 Monogenetische CED | 441 27.4 Klassifikation | 441 27.4.1 Morbus Crohn und Colitis ulcerosa | 441 27.4.2 Lokalisation | 442 27.4.3 Paris-Klassifikation | 442 27.4.4 Krankheitsaktivität | 442 27.5 Therapie | 446 27.5.1 Voraussetzungen | 446 27.5.2 Vorbereitung einer immunsuppressiven Therapie | 447 27.5.3 Remissionsinduktion | 448 27.5.4 Remissionserhaltung | 448 27.5.5 Enterale Ernährung beim Morbus Crohn | 451 27.5.6 Schwere akute Colitis ulcerosa | 455 27.5.7 Chirurgie | 457 27.5.8 Therapieoptimierung | 458 27.6 Langzeitbetreuung | 458 27.6.1 Verlaufskontrollen | 458 27.6.2 Wachstum | 459 27.6.3 Ernährung | 459 27.6.4 Knochenstoffwechsel | 460 27.6.5 Infektionen und Impfungen | 460 27.6.6 Extraintestinale Manifestationen | 461 27.6.7 Krebsfrüherkennung | 461
Inhalt | XXI
27.6.8 27.6.9 27.7
Transition | 462 Psychosoziale Betreuung | 462 Fazit | 463
Christian Maaser und Emile Rijcken 28 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen im höheren Lebensalter | 469 28.1 Manifestation und Verlauf | 469 28.2 Besonderheiten bei der Diagnostik | 470 28.3 Besonderheiten der medikamentösen Therapie im höheren Lebensalter | 472 28.3.1 Allgemeines | 472 28.3.2 Besonderheiten einzelner Medikamente im höheren Lebensalter | 473 28.4 Chirurgische Therapie im Alter | 475 28.4.1 Erhöhte allgemeine perioperative Morbidität versus spezifische chirurgische Morbidität | 476 28.4.2 Chirurgie bei Morbus Crohn im Alter | 476 28.4.3 Chirurgie bei Colitis ulcerosa im Alter | 477 28.4.4 Komplikationsvermeidung bei Chirurgie für CED im Alter | 478 28.5 Fazit | 479 Johannes Klose, Lars Fischer, Yakup Kulu und Alexis Ulrich 29 Onkologische Chirurgie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen | 481 29.1 Colitis ulcerosa | 481 29.2 Intraepitheliale Neoplasien/DALM/ALM | 481 29.3 Kolorektales Karzinom | 483 29.4 Morbus Crohn | 485 29.5 Kolorektales Karzinom | 485 29.6 Dünndarmkarzinome | 486 29.7 Fistelkarzinome | 487 29.8 Fazit | 488
Teil IX: Begleittherapie Jürgen Stein, Karima Farrag und Sandra Ulrich-Rückert 30 Ernährungstherapie bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa | 493 30.1 Ernährungsfaktoren in der Ätiopathogenese chronisch entzündlicher Darmkrankheiten | 493
XXII | Inhalt
30.2 30.2.1 30.2.2 30.2.3 30.2.4 30.2.5 30.2.6 30.3 30.3.1 30.3.2 30.3.3 30.3.4 30.4 30.5 30.5.1 30.5.2 30.5.3 30.5.4 30.6 30.7
Mangelernährung und Malabsorption | 494 Durchführung der Ernährungs- bzw. Substitutionstherapie | 495 Durchführung der enteralen Ernährung | 495 Sondennahrungen | 497 Stellenwert einer total-parenteralen Ernährungstherapie (TPE) | 498 Refeeding-Syndrom | 498 Vitamin- und Spurenelementsubstitution | 498 Ernährungstherapie in den einzelnen Krankheitsstadien | 501 Akuter Schub | 501 Prä- und postoperative Ernährung | 503 Diätetische Maßnahmen zur Erhaltung der Remission | 503 Nahrungsmittelunverträglichkeiten | 504 Ernährung bei Stenosen/Fisteln | 505 Ernährung nach Darmresektion, Ileostoma, ileoanalem Pouch | 505 Ileostomie | 505 Kolostomie | 506 Ileoanaler Pouch – Pouchitis | 506 Hyperoxalurie/Oxalatnephrolithiasis | 507 Prä-, Pro- und Symbiotika | 507 Fazit | 508
Jost Langhorst 31 Komplementärmedizin | 513 31.1 Definition | 513 31.2 Inanspruchnahme komplementärer Verfahren bei CED | 513 31.3 Natural-product-based therapies | 514 31.3.1 Phytotherapie | 514 31.3.2 Flohsamen (Psyllii semen) | 514 31.3.3 Weihrauch (Boswellia serrata) | 514 31.3.4 Myrrhe, Kamille, Kaffeekohle (Myrrhinil intest® ) | 515 31.3.5 Heidelbeeren (Vaccinium myrtillus) | 515 31.3.6 Blutwurz (Tormentilla, Potentilla erecta) | 516 31.3.7 Gelbwurz (Curcumae longae rhizoma) | 516 31.3.8 Wermut (Arthemisia absintum) | 516 31.3.9 Aloe-Vera-Gel | 517 31.3.10 Weizengras-Saft (Tritium aestivum) | 517 31.3.11 Indische Echinacea (Andrographis paniculata) | 517 31.3.12 Cannabis | 518 31.4 Alternative medical systems | 518 31.4.1 Akupunktur und TCM | 518 31.5 Mind-body interventions | 519
Inhalt |
31.5.1 31.6
XXIII
Mind-body-Medizin/Ordnungstherapie/MBSR | 519 Fazit | 519
Winfried Häuser 32 Psychosomatik | 523 32.1 Ätiologie: Sind CED psychosomatische Erkrankungen? | 523 32.1.1 CED sind keine psychosomatischen Erkrankungen im engeren Sinne | 523 32.1.2 CED sind somatopsychische Erkrankungen | 524 32.1.3 CED sind psychosomatische Erkrankungen im weiteren Sinne | 524 32.2 Therapie | 525 32.2.1 Psychosomatische Grundversorgung | 525 32.2.2 Selbsthilfe und Internet-basierte Informationen | 527 32.2.3 Psychotherapie | 527 32.2.4 Psychopharmaka | 528 32.3 Fazit | 529 Tilo Andus 33 Schmerztherapie | 533 33.1 Ursachen der Schmerzen | 533 33.2 Pathophysiologie der Bauchschmerzen | 534 33.2.1 Viszerale Bauchschmerzen | 534 33.2.2 Somatisch-parietale Bauchschmerzen | 534 33.2.3 Übertragene Bauchschmerzen | 535 33.3 Faktoren, die die Schmerzen und Schmerzempfindung beeinflussen | 535 33.3.1 Akute Entzündung | 535 33.3.2 Postinflammatorische Effekte | 535 33.3.3 Dysmotilität | 535 33.3.4 Neurobiologische Adaptation | 536 33.3.5 Psychische und psychosoziale Faktoren | 536 33.4 Schmerztherapie | 536 33.4.1 Arzt-Patienten-Beziehung | 536 33.4.2 Spasmolytika | 538 33.4.3 Novaminsulfon | 538 33.4.4 Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) | 538 33.4.5 COX-2-Inhibitoren | 538 33.4.6 Paracetamol/Acetaminophen | 538 33.4.7 Opiate | 539 33.4.8 Trizyklische Antidepressiva | 539
XXIV | Inhalt
33.4.9
33.4.10 33.4.11 33.4.12 33.5
Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren, Serotonin-Norepinephrin-Reuptake-Inhibitoren und Gabapentin/Pregabalin | 539 Stressmanagement | 540 Transkranielle direkte Gleichstromstimulation | 540 Arthralgien | 540 Fazit | 540
Stichwortverzeichnis | 543
Autorenverzeichnis Prof. Dr. Jörg Albert Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie Robert-Bosch-Krankenhaus Auerbachstraße 110 70376 Stuttgart [email protected] Prof. Dr. med. Tilo Andus Klinikum Stuttgart Kriegsbergstraße 60 70174 Stuttgart [email protected] Prof. Dr. Raja Atreya Medizinische Klinik 1 Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Ulmenweg 18, 91054 Erlangen [email protected] PD Dr. Oliver Bachmann Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover [email protected] Prof. Dr. Daniel C. Baumgart, MD PhD AHS Zone Head Edmonton Gastroenterology Inflammatory Bowel Disease Unit Zeidler Ledcor Centre, 8540 112th Street NW University of Alberta Edmonton, AB T6G 2X8 Canada [email protected] Prof. Dr. Dominik Bettenworth Medizinische Klinik B für Gastroenterologie und Hepatologie Universitätsklinikum Münster Albert-Schweitzer-Campus 1, 48149 Münster [email protected]
PD Dr. Bernd Bokemeyer Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis Minden Uferstraße 3, 32423 Minden [email protected] Prof. Dr. Stephan Brand Klinik für Gastroenterologie u. Hepatologie Kantonsspital St. Gallen Rorschacher Str. 95, CH-9007 St. Gallen, Schweiz [email protected] Prof Dr. Jürgen Büning Medizinische Klinik 1 Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck [email protected] Prof. Dr. Jan Däbritz Kinder- und Jugendklinik Universitätsmedizin Rostock Ernst- Heydemann- Str. 8, 18057 Rostock [email protected] Prof. Dr. Axel Dignass Medizinische Klinik I Markus-Krankenhaus Wilhelm-Epstein-Str. 4, 60431 Frankfurt/Main [email protected] Prof. Dr. Jan-Hendrik Egberts Klinik für Allgemeine-, Viszeral-, Thorax-, Transplantations- und Kinderchirurgie Arnold Heller Str. 3, 24105 Kiel [email protected] Prof. Dr. Robert Ehehalt Praxis für Gastroenterologie Burgstraße 61, 69121 Heidelberg [email protected]
XXVI | Autorenverzeichnis
Dr. Janna Enderle Institut für Epidemologie Christian-Albrechts-Universität zu Kiel UKSH, Campus Kiel, Haus 1 Niemannsweg 11, 24105 Kiel [email protected] Karima Farrag Interdisziplinäres Crohn Colitis Centrum Rhein-Main–iCCC Schifferstraße 59, 60594 Frankfurt am Main [email protected] Prof. Dr. Klaus Fellermann Medizinische Klinik I Krankenhaus Freudenstadt Karl-von-Hahn-Straße 120, 72250 Freudenstadt Prof. Dr. Stefan Fichtner-Feigl Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Department Chirurgie Universitätsklinikum Freiburg Hugstetterstraße 55, 79106 Freiburg Stefan.fi[email protected] Prof. Dr. Lars Fischer Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Klinikum Mittelbaden Baden-Baden Bühl Balger Str. 50, 76532 Baden-Baden [email protected] Prof. Dr. Martin Götz Innere Medizin I Universität Tübingen Ottfried-Müller-Str. 10, 72076 Tübingen [email protected] Dr. Thomas Greuter Forschungslabor IBD Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie Universitätsspital Zürich Rämistrasse 100, 8091 Zürich [email protected] Prof. Dr. Dieter Hahnloser Service de chirurgie viscérale Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV) Rue du Bugnon 46, CH-1011 Lausanne, Schweiz [email protected]
Prof. Dr. Winfried Häuser Klinik für Psychosomatik Klinikum Saarbrücken Winterberg 1, 66119 Saarbrücken [email protected] PD Dr. Ulf Helwig Internistische Praxengemeinschaft Oldenburg Neue Donnerschweer Str. 30, 26123 Oldenburg [email protected] PD Dr. Florian Herrle Chirurgische Klinik Universitätsmedizin Mannheim Theodor-Kuter-Ufer 1–3, 68167 Mannheim fl[email protected] Prof. Dr. Klaus Herrlinger Klinik für Gastroenterologie Asklepios Klinik Nord Tangstedter Landstr. 400, 22417 Hamburg [email protected] Dr. Gheorghe Hundorfean Medizinische Klinik 1 Universitätsklinikum Erlangen Maximiliansplatz 2, 91054 Erlangen [email protected] Prof. Dr. Peter Kienle Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Theresienkrankenhaus und St. Hedwig-Klinik GmbH Bassermannstraße 1, 68165 Mannheim [email protected] Prof. Dr. Ralf Kiesslich Klinik für Innere Medizin II Helios Kliniken Ludwig-Erhard-Str. 100, 65199 Wiesbaden [email protected] Dr. Thomas Klag Hepatologie, Gastroenterologie, Infektiologie Innere Medizin 1 Universitätsklinikum Tübingen Otfried-Müller-Str. 10 72076 Tübingen [email protected]
Autorenverzeichnis
Dr. Johannes Klose Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 110, 69120 Heidelberg [email protected] Prof. Dr. Anton Kroesen Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Unfallchirurgie Krankenhaus Porz am Rhein Urbacher Weg 19, 51149 Köln [email protected] Prof. Dr. Torsten Kucharzik Klinik für Allgemeine Innere Medizin & Gastroenterologie Klinikum Lüneburg Bögelstr. 1, 21339 Lüneburg [email protected] Prof. Dr. Tanja Kühbacher Abt. Gastroenterologie Asklepios Westklinikum Hamburg Suurheid 20, 22559 Hamburg [email protected] PD Dr. Yakub Kulu Klinik für Allgemein-, Viszeralund Transplantationschirurgie Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 110, 69120 Heidelberg [email protected] Prof. Dr. Jost Langhorst Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin Kliniken Essen Mitte Am Deimelsberg 34a, 45276 Essen [email protected] Prof. Dr. Wolfgang Lieb Institut für Epidemiologie Universitätsklinikum Kiel Gleueler Str. 176, 50935 Köln [email protected]
|
XXVII
Prof. Dr. Andreas Lügering Medizinisches Versorgungszentrum Portal 10 Albersloher Weg 10, 48155 Münster [email protected] Prof. Dr. Christian Maaser Ambulanzzentrum Gastroenterologie Klinik für Geriatrie Klinikum Lüneburg Bögelstraße 1, 21339 Lüneburg [email protected] Prof. Dr. Ahmed Madisch Medizinische Klinik 1 Klinikum Siloah Roesebeckstr. 15, 30449 Hannover [email protected] Prof. Dr. Rudolf Mennigen Medizinisches Versorgungszentrum Portal 10 Albersloher Weg 10, 48155 Münster [email protected] Prof. Dr. Stephan Miehlke Magen-Darm-Zentrum Facharztzentrum Eppendorf Eppendorfer Landstraße 42, 20249 Hamburg [email protected] Dr. Thorben Möller Klinik für Allgemeine, Viszeral-,Thorax-, Transplantations- und Kinderchirurgie Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Arnold-Heller-Straße 3, 24105 Kiel [email protected] Prof. Dr. Markus Neurath Medizinische Klinik 1 Universitätsklinikum Erlangen Maximiliansplatz 2, 91054 Erlangen [email protected] PD Dr. Claudia Ott Internistisch-gastroenterologische Praxis im Facharztzentrum Regensburg Hildegard-von-Bingen-Str. 1, 93053 Regensburg [email protected]
XXVIII | Autorenverzeichnis
Dr. Sandra Philipp Psoriasis Forschungs- u. Behandlungs-Centrum Campus Charité Mitte Charitéplatz 1, 10117 Berlin [email protected] PD Dr. Sandra Plachta-Danielzik Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde Düsternbrooker Weg 17, 24105 Kiel [email protected] Johannes Wilhelm Rey Klinik für Innere Medizin II: Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie HELIOS Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden Ludwig-Erhard-Str. 100, 65199 Wiesbaden [email protected]
Prof. Dr. Dr. Norbert Senninger Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie Universitätsklinikum Münster Albert-Schweitzer-Campus 1, W1, 48149 Münster [email protected] Prof. Dr. Britta Siegmund Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie Charité Universitätsmedizin Berlin Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin [email protected] Prof. Dr. Andreas Stallmach Klinik für Innere Medizin II Friedrich-Schiller-Universität Jena Erlanger Allee 101, 07747 Jena [email protected]
PD Dr. Emile Rijcken Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie Universitätsklinikum Münster Albert-Schweitzer-Campus 1, W1, 48149 Münster [email protected]
Prof. Dr. Jürgen Stein MVZ Immunologie Krankenhaus Sachsenhausen Schifferstraße 59, 60594 Frankfurt [email protected]
Prof. Dr. Jörg-Peter Ritz Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Helios Kliniken Schwerin Wismarsche Straße 393-397, 19049 Schwerin [email protected]
Prof. Dr. Andreas Sturm Klinik für Innere Medizin DRK Kliniken Berlin Spandauer Damm 130, 14050 Berlin [email protected]
PD Dr. Uwe Johannes Roblick Klinik für Chirurgie Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg Hohe Weide 17, 20259 Hamburg [email protected]
PD Dr. Niels Teich Internistische Gemeinschaftspraxis Nordstraße 21, 04105 Leipzig [email protected]
Dr. Ingrid Schnell Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Helios Kliniken Schwerin Wismarsche Straße 393-397, 19049 Schwerin [email protected] Prof. Dr. Bodo Schniewind Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Klinikum Lüneburg Bögelstraße 1, 21339 Lüneburg [email protected]
Dr. Marie Tempel Institut für Epidemiologie Christian-Albrechts-Universität zu Kiel UKSH, Campus Kiel, Haus 1, Niemannsweg 11, 24105 Kiel [email protected]
Autorenverzeichnis
Prof. Dr. Alexis Ulrich Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 110, 69120 Heidelberg [email protected] Dr. Sandra Ulrich-Rückert Interdisziplinäres Crohn Colitis Centrum Rhein-Main – iCCC Schifferstraße 59, 60594 Frankfurt am Main [email protected]
| XXIX
Prof. Dr. Michael Vieth Institut für Pathologie Klinikum Bayreuth GmbH Preuschwitzer Str. 101, 95445 Bayreuth [email protected] Prof. Dr. Jan Wehkamp Abteilung Innere Medizin I Universitätsklinikum Tübingen Otfried-Müller-Str. 10, 72076 Tübingen [email protected]
Prof. Dr. Stephan Vavricka Abt. Gastroenterologie u. Hepatologie Stadtspital Triemli Birmensdorferstr. 497, CH-8063 Zürich, Schweiz [email protected]
Prof. Dr Andreas de Weerth Innere Medizin Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg gGmbH Hohe Weide 17 20259 Hamburg [email protected]
Dr. Lothar Veits Institut für Pathologie Klinikum Bayreuth GmbH Preuschwitzer Str. 101, 95445 Bayreuth [email protected]
Prof. Dr. Johannes Weßling Klinik für Radiologie Clemens-Hospital Münster Düesbergweg 124, 48153 Münster [email protected]
| Teil I: Grundlagen
Gheorghe Hundorfean und Markus F. Neurath
1 Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) werden definiert als Krankheitsformen, bei denen eine additive aberrante und prolongierte Immunantwort gegenüber mukosalen und mikrobiellen Strukturen der Darmschleimhaut bei polygenetisch prädisponierten Individuen entsteht, die zur Krankheitsprogression und -aufrechterhaltung konvergieren. Dieses ergibt eine stigmatisierende lebens- und aktivitätseinschränkende Erkrankung, die mit Diarrhöen und multiplen, oft operationspflichtigen Komplikationen sowie extraintestinalen Manifestationen einhergeht. Die Pathogenese CED mit den primären Entitäten M. Crohn und Colitis ulcerosa ist trotz signifikanter und rasanter Fortschritte in den letzten 30 Jahren nach wie vor wegen der komplexen multifaktoriellen und interdependenten Zusammenhänge sowie der dominant immungenetischen, aber auch infektiologischen, diätetischen und nicht zuletzt psychosozialen Komponenten und Gegebenheiten unvollständig geklärt [1–5]. Die immunologischen und genetischen Entstehungsmechanismen werden nachfolgend schwerpunktmäßig erläutert.
1.1 Genetik Von allen ätiologischen Faktoren sind die Genetik und die Immunologie bei CED am gründlichsten belegt. In einer Vielzahl von Studien wurde eine eindeutige polygenetische Assoziation und familiäre Prävalenz erwiesen, nicht nur in isolierten Genloci, sondern vielmehr im Sinne von konvergent-additiven Interaktionen. Die familiäre Häufung ist bei mindestens 10 % der Patienten anzutreffen [6], hingegen steigt die genetische Konkordanz bei monozygoten Zwillingen auf ca. 60 %. Das relative Erkrankungsrisiko ist bei Geschwistern von CED-Patienten 10- bis 50-Fach höher als das Risiko in der Gesamtbevölkerung [7]. Im Falle einer CED-Diagnose beider Eltern beträgt das Erkrankungsrisiko der Kinder zwischen 33 und 52 % [8]. Die zahlreichsten genetischen Studien wurden in nordeuropäischen, ostasiatischen, jüdischen und puerto-ricanischen Populationen durchgeführt. Hierbei wurden Gene identifiziert, die „transkontinental“ auftreten (z. B. TNFSF15, FCGR2A, HLAAllele), aber auch populationsspezifische Gene wie z. B. NOD2 und ATG16L1, die keine pathogenetische Relevanz bei M.-Crohn-Formen in Ostasien inkl. Japan haben. Hingegen ist das Gen ATG16L2 bei M.-Crohn-Manifestationen in der koreanischen Bevölkerung involviert, aber nicht bei europäischen CED-Entitäten [9, 10].
https://doi.org/10.1515/9783110492682-002
4 | 1 Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen
Metaanalysen und genomische Assoziationsstudien, sog. GWAS, belegen mehr als 200 Gene und autosomale Risiko-Genloci für M. Crohn und Colitis ulcerosa, die vorwiegend mit Alterationen der Inflammationsprozesse und der epithelialen Barriere zusammenhängen [3, 11, 12]. Von allen individuellen Polymorphismen (SNP) sind jeweilig 13,6 % für M. Crohn und 7,5 % für Colitis ulcerosa [11, 13] allokiert. Hierbei sind die prominentesten Mutationen und Polymorphismen im Zusammenhang mit NOD2/CARD15, IL-23R, ATG16L1 [14–16]. Das bekannteste Gen, NOD2 lokalisiert auf Chromosom 16 ist mit dem Befallsmuster aber auch durch die Interaktion mit dem bakteriellen Zellwandpeptid Muramyldipeptid in die NFkB-vermittelte Immunantwort gegenüber Bakterien involviert [15, 17]. Darüber hinaus werden durch die NOD2/CARD15-Variationen auch die frühe Erstmanifestation sowie Komplikationen wie z. B. Stenosierung und Strikturierung assoziiert und kodiert [15, 17, 18]. Weitere Gene, die mit M. Crohn assoziiert werden wie ATG16L1, IRGM und LRRK, regulieren die Autophagie. Im Rahmen dieses Homöostasieprozesses werden nicht nur zelluläre Organellen recycelt, sondern auch intrazelluläre Mikroorganismen beseitigt [19–21]. NOD2 selbst kann durch ATG16L1 auch Autophagiemechanismen steuern [22]. Verschiedene Gene des adaptiven Immunsystems, die Signalwege für die IL-17- und IL-23-Rezeptoren, aber auch für IL-12B, STAT3, JAK2, TNFSF15 und TYK2 kodieren, sind ebenfalls mit einer hoher CED-Prävalenz verbunden [23, 24]. Gene wie OCTN2, ECM1, CDH1, HNF4A, LAMB1 und GNA12 regulieren die Signalwege der epithelialen Barriere und sind öfter mit der Pathogenese der Colitis ulcerosa assoziiert als mit dem M. Crohn [12]. Xbp-1, NOD2 und ATG16L1 sind wiederum Gene, die die Paneth-Zellen-Funktion und -Biologie bei M. Crohn steuern [25, 26]. Weitere Assoziationsstudien ergaben eine Vielzahl von genetischen Syndromen, die sich mit CED vergesellschaften, bei denen die CED-Manifestationen bereits in der Kindheit in Erscheinung treten [27]. Insbesondere handelt es sich dabei um das Turner-Syndrom, die Hermansky-Pudlak- und die von-Gierke-Krankheit [28, 29].
1.2 Mukosale Immunphysiologie und intestinale Barrierefunktion Die zentrale Krankheitshypothese bei CED ist, dass eine Störung des hochkomplexen und multidifferenzierten intestinalen Immunsystems inkl. Barriere zur Krankheitsbildung führt. Die normale Darmwand wird pausenlos großen Mengen potenziell schädlicher Antigene und Allergene ausgesetzt, sowohl von Nahrungsmittelbestandteilen als auch Bakterien. Um diese Aufgaben zu meistern, hat der Darm ein eigenes hochstrukturiertes, sog. mukosales Immunsystem, das organisierte (z. B. Peyer-Plaques im Dünndarm) und nichtorganisierte (Lamina-propria-Lymphozyten) Strukturen bzw. zelluläre (z. B. antigenpräsentierende Zellen, T-Zellen) und nichtzelluläre (z. B. Zytokine, Antikörper) Bestandteile enthält [3, 30, 31] (Abb. 1.1). Entsprechend ist der Gastrointestinaltrakt auf der einen Seite kompetent, gegenüber Antigenen und Allergenen eine effektive Immunantwort zu erzeugen, auf der anderen Seite jedoch nicht
1.2 Mukosale Immunphysiologie und intestinale Barrierefunktion |
5
Schleim pathogene Bakterien Villus Mikronährstoffe und Allergene
Darmepithelzelle
Becherzelle
dendritische Zelle
IL-12
CXCL1 CXCL8 CCL20 Krypta
Lamina propria
TH1
neutrophiler Granulozyt
kommensalische Bakterien
IL-17A IL-17F TNFα IL21 IL-22 IL-26
IL-25 IL-23
TH17
Makrophage
Abb. 1.1: Bildliche Darstellung der komplexen Interaktionen und Signalwege zwischen den epithelialen Zellen, Immunzellen sowie Stromazellen mit den Komponenten des Darmlumens (kommensale und pathogene Bakterien, Nahrungsmittelbestandteile, Allergene etc.) welches zur Entstehung und Aufrechterhaltung einer chronisch repetitiven Entzündung bei CED führt.
in der Lage, eine proinflammatorische Antwort gegenüber den meisten Antigenen auszubilden (sog. intestinale Toleranz). Dabei werden insbesondere antiinflammatorische Zytokine produziert wie IL-10 und TGF-β (von Lamina-propria-T-Zellen oder Epithelzellen) [32]. Ebenfalls sind Lamina-propria-T-Zellen in der Lage, eine erhöhte Apoptoserate zu generieren im Vergleich zu Zellen aus dem peripheren Immunsystem: d. h. eine erhöhte Bereitschaft nach Aktivierung durch einen programmierten Zelltod (Apoptose) zu sterben [33, 34]. Diese Funktion entspricht der physiologischen „Hyporeaktivität“ des mukosalen Immunsystems und ist synonym mit einer strengen Selektion von Antigenen und Allergenen, gegen die eine Immunreaktion unter physiologischen Bedingungen generiert wird. In einem intakten intestinalen Immunsystem (bei Gesunden) übertreffen antiinflammatorische die proinflammatorischen Zytokine, sodass ein „normaler“, also ein anti- bzw. nichtinflammatorischer Zustand vorherrscht.
6 | 1 Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen
1.2.1 Intestinale Immunzellen Jenseits der scheinbar simplen Transport- und Barrierefunktion besitzen die vormals unterschätzten intestinalen Epithelzellen oder Enterozyten eine wichtige interaktive Rolle innerhalb des Drehbuchs des intestinalen Immunsystems im Zusammenspiel von Mikrobiom/Darmflora und multiplen Antigenen [35, 36] als Antigenpräsentierende Zellen (APC). Obwohl die genauen Prozesse noch unklar sind, scheinen die Toll-like-Rezeptoren (TLR) auf Epithelzellen, wie z. B. der TLR-4 als Rezeptor für bakterielle Lipopolysaccharide, eine Rolle zu spielen [37]. Interessanterweise sind diese TLR-Rezeptoren auf Enterozyten von M.-Crohn- und Colitis-ulcerosa-Patienten unterschiedlich reguliert [38]. Immunreaktionen auf bakterielle Antigene finden selbstverständlich auch ohne Beteiligung durch IEC statt. Darüber hinaus präsentieren IEC MHC-gekoppelte luminale Antigene [35] und synthetisieren ebenfalls zahlreiche Zytokine und Chemokine wie z. B. große Mengen an IL-7 bei CED-Patienten [39], aber auch IL-8, TGF-β1, MCP-1 und GM-CSF [40]. Zusätzlich exprimieren IEC Komplementfaktoren (C3, C4, Faktor B) [41]. IEC können als APC auch autonom CD4+ -T-Zellen in der Lamina propria stimulieren und aktivieren, sodass proinflammatorische Zytokine wie Interferon-γ freigesetzt werden [42]. Paraepitheliale dendritische Zellen sind als professionelle APC ebenfalls für die Präsentation transepithelialer und extrazellulärer Antigene und Allergene an Laminapropria-T-Zellen verantwortlich [43]. Die Makrophagen der Lamina propria können auch Antigene präsentieren und eine Vielzahl von proinflammatorischen Zytokinen produzieren (z. B. IL-1, IL-6,IL-8, IL-12, IL-18 und TNF). Bei CED haben Makrophagen charakteristische pathologisch veränderte Expressionsmuster [44]. Bei Patienten mit Colitis ulcerosa wurden IL-1, IL-6 und IL-8 in entzündeten im Vergleich zu nichtentzündeten Darmabschnitten nachgewiesen. Beim M.-Crohn-Patienten waren diese Zytokine interessanterweise in entzündeten wie nichtentzündeten Darmwandarealen gleichermaßen erhöht, was bedeutet, dass die Colitis ulcerosa im Gegensatz zum M. Crohn eine lokal fortschreitende Entzündung ist und keine Panenteritis. CD4+ -T-Zellen produzieren abhängig von der Antigenpräsentation und Kostimulation zahlreiche pro- oder antiinflammatorische Zytokine (Übersichten in [2, 34, 45]). Nach dem eigens produzierten Zytokinprofil können diese T-Zellen in mehrere Gruppen eingeteilt werden. Während Typ-1-Helferzellen (Th1: IFN-γ, TNF-α) und Typ2-Helferzellen (Th2: IL-4, IL-5, IL-13) v. a. proinflammatorische Zytokine im Darm synthetisieren, produzieren regulatorische T-Zellen (Tr1: IL-10) und Typ-3-Helferzellen (Th3: TGF-β) vorwiegend antiinflammatorische Zytokine (z. B. bei Gesunden) [34]. Hingegen kommt es bei CED zu einer Aktivierung von proinflammatorischen Zytokinprofilen von T-Zellen, die entscheidend zur intestinalen Entzündung bei diesen Erkrankungen beitragen. M. Crohn und Colitis ulcerosa haben aber unterschiedliche Zytokinmuster, sodass CD4+ -T-Zellen in der Lamina propria beim M.-Crohn-Patienten die proinflammatorischen Th1-Zytokine TNF-α und IFN-γ freisetzen [34, 46, 47]. Diese
1.2 Mukosale Immunphysiologie und intestinale Barrierefunktion |
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proinflammatorischen Zytokine führen durch die Aktivierung von Matrixmetalloproteinasen zu einer nachhaltigen Gewebsdestruktion beim M. Crohn. Die Th2-Zytokine IL-4 und IL-5 werden dagegen beim M. Crohn vermindert produziert. Bei Colitis ulcerosa ist die Produktion von IFN-γ von Lamina-propria-T-Zellen dagegen nicht erhöht, jedoch die des Th2-Zytokins IL-5. Die erhöhte Produktion von Th2-Zytokinen, wie IL-5 und IL-6, bei Colitis ulcerosa könnte zur B-Zellaktivierung und Autoantikörperproduktion bei dieser Entität beitragen. Ein weiterer wichtiger T-Zell-assoziierter Pathomechanismus beim M. Crohn ist eine erhöhte Apoptoseresistenz von Laminapropria-T-Zellen, wodurch wahrscheinlich eine T-Zell-Akkumulation im Darm und eine Perpetuierung der Erkrankung vermittelt werden. Lamina-propria-T-Zellen von M.-Crohn-Patienten weisen eine erhöhte Schwelle für die Apoptoseauslösung auf: d. h., diese Zellen sterben seltener durch programmierten Zelltod als T-Zellen von Kontrollpatienten [48, 49]. Hierfür könnte eine vermehrte IL-6-Signaltransduktion beim M. Crohn verantwortlich sein sowie eine vermehrte TNF-Signaltransduktion über den TNF-Rezeptor 2. Die Unterbrechung der IL-6- und TNF-Signaltransduktion führt zu einer Apoptose von T-Zellen im Darm und tierexperimentell zu einer Suppression einer etablierten Darmentzündung [50]. Da mittlerweile bekannt ist, dass auch Anti-TNF-Antikörper sowie Azathioprin durch eine Induktion von T-Zell-Apoptose bei CED zu wirken scheinen, sind selektive Mechanismen zur Apoptoseinduktion im Fokus des therapeutischen Interesses bei CED. Th17-Zellen sind eine weitere T-Zell-Population, die primär das proinflammatorische Zytokin IL-17 produziert (Übersicht in [2]). Th17-Zellen exprimieren den Transkriptionsfaktor ROR-γ und induzieren eine Vielzahl chronischer Entzündungen sowie Autoimmunerkrankungen in Tiermodelle [51, 52]. Die Differenzierung naiver T-Zellen in Richtung Th17 wird durch TGF-β induziert, hingegen werden die Expansion und der Erhalt der Th17-Zellen von IL-23 reguliert [53, 54]. Th9-Zellen sind ebenfalls eine Effektorzell-Subpopulation, die hauptsächlich in der Pathogenese der Colitis ulcerosa involviert ist und typischerweise IL-9 und IL-10 produziert [55, 56].
1.2.2 Zytokine und Integrine Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) ist das prominenteste und am besten untersuchte Zytokin bei CED. Sowohl klinische als auch experimentelle Daten zusammen mit der bekannten therapeutischen Wirkung von Anti-TNF-Antikörpern (Infliximab, Adalimumab, Golimumab) belegen eine zentrale Rolle von TNF in der Pathogenese der CED. TNF liegt in einer membrangebundenen (mTNF) und einer löslichen Form (sTNF) vor. Lamina-propria-T-Zellen von M.-Crohn-Patienten produzieren nach Inkubation mit TNF-α vermehrt die Th1-Zytokine IFN-γ sowie TNF-α selber. Die Stimulation der TNF-α -Sekretion durch TNF-α selbst deutet auf einen positiven Rückkopplungs-
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mechanismus hin, der zur Chronifizierung der Entzündung beiträgt. Ein weiterer Pathomechanismus könnte sein, dass TNF-α endogene Matrixmetalloproteinasen (MMP) aktiviert, die das Darmepithel zerstören [34]. TNF vermittelt seine Wirkung auf zellulärer Ebene durch zwei spezifische Zelloberflächenrezeptoren, TNF-R1 (p60) und TNF-R2 (p80) [57]. Mit der Beobachtung, dass mTNF mit hoher Affinität an TNF-R2 bindet und den Rezeptor aktiviert, könnte der TNF-Signaltransduktion über TNF-R2 jedoch eine besondere Rolle für die parakrine und autokrine Regulation auf lokaler Ebene zukommen [3, 58]. Im Gegensatz zu TNFR1 kann TNF-R2 keine Apoptose induzieren, sehr wohl aber den Transkriptionsfaktor NFκB aktivieren, der Apoptosemechanismen antagonisiert. Die Aktivierung von NFκB spielt eine zentrale Rolle in der Pathogenese der CED sowie als potenzielles Ziel der immunsuppressiven Therapie mit Salicylsäurederivaten und Steroiden [59, 60]. Durch eine vermehrte Rekrutierung von TNF-R2 könnte es zu einer Dysbalance zwischen Auslösung und Hemmung der Apoptose beim M. Crohn kommen. Klinische Untersuchungen ergaben, dass TNF-R2 tatsächlich auf peripheren und mononukleären Zellen der Lamina propria von Patienten im akuten Schub hochreguliert ist [61]. Ein weiteres wichtiges Zytokin, das unterschiedliche Expressionen zwischen M. Crohn und Colitis ulcerosa aufweist, ist das von Makrophagen und dendritischen Zellen produzierte IL-12. Während beim M. Crohn eine erhöhte IL-12-Produktion nachgewiesen werden konnte [62], ist bei Colitis ulcerosa die Produktion des IL-12-antagonisierenden Zytokins EBI3 aktiviert [63]. Die funktionelle Bedeutung dieser Befunde liegt darin, dass IL-12 eine Th1-Zelldifferenzierung induziert, wie sie beim M. Crohn vorliegt, während EBI3 möglicherweise die Bildung von Th1Zytokinantworten antagonisiert. Dass IL-12 eine pathogenetische Schlüsselposition einzunehmen scheint, zeigt sich darin, dass bei Th1-vermittelten experimentellen Kolitismodellen eine Behandlung mit neutralisierenden Anti-IL-12-Antikörpern zu einer Remission der Entzündung führt [63]. Nachdem später IL-23 nachgewiesen wurde, relativierte sich die Bedeutung von IL-12 [64], weil IL-23 die Rolle eines immunologischen Knotenpunkts zwischen angeborenem und erworbenem Immunsystem übernimmt. Dendritische Zellen des terminalen Ileums von M.-Crohn-Patienten produzieren große Mengen an IL-23 [65]. Die Blockade der p19-Untereinheit des IL-23 führt im Kolitis-Mausmodell zu einer deutlichen Besserung der Entzündung durch Hemmung von TNF-α, IFN-γ, IL-1, IL-6 und IL-17 [66]. Mutationen des IL-23-Rezeptors haben einen protektiven Einfluss bzgl. der Entstehung eines M. Crohn [24]. IL-18 wird von IEC produziert und hat eine synergistische Rolle in der Th1Differenzierung indem es Transkriptionsfaktoren wie AP-1 und NFκB in T-Zellen aktiviert. Die Blockade der IL-18-Expression oder -Funktion unterdrückt ebenfalls eine M.-Crohn-spezifische Th1-vermittelte Kolitis [50, 67]. Die eingeschränkte Gültigkeit des Th1/Th2-Paradigmas für die Unterscheidung zwischen M. Crohn und Colitis ulcerosa wird durch die Daten zu IL-6, das als Th2-
1.3 Weitere pathogenetische Faktoren und Hypothesen | 9
Zytokin gilt, deutlich. Lamina-propria-T-Zellen von CED-Patienten produzieren mehr IL-6 im Vergleich zu Zellen von Kontrollpatienten [50, 67]. Bei beiden Krankheitsbildern geht dies mit einer starken Aktivierung des Signaltransduktionsfaktors STAT-3 und der antiapoptotischen Gene wie bcl-2 und bcl-x einher. Die Apoptoseresistenz dieser Zellen kann in vitro durch Blockade der IL-6-Signaltransduktion mit einem Antikörper gegen den IL-6-Rezeptor (IL-6R) aufgehoben werden. Dieser Effekt der IL-6RBlockade konnte in verschiedenen experimentellen Th1-vermittelten Kolitismodellen in vivo bestätigt werden [50]. IL-9 ist auch ein pathogenetisch relevantes Zytokin, weil es sowohl bei Colitis ulcerosa als auch beim M. Crohn verstärkt produziert wird und nachweisbar ist im Vergleich zu Kontrollpatienten über Th9-Zellen [68–70]. Tofacitinib, ein neues Immunsuppressivum aus der Familie der Janus-Kinase-Hemmer, unterdrückt auch IL-9 bei Colitis-ulcerosa-Patienten [71]. Integrine, als Adhäsionsmoleküle im Rahmen des T-Zell-homing-Mechanismus im Darm, wie z. B. Integrin α4/β7 und ihr Ligand MAdCAM-1, wurden bei CEDPatienten ebenfalls vermehrt nachgewiesen [72]. Im Tiermodell resultierte die Hemmung der Bindung von α4/β7 und MAdCAM-1 in einer Entzündungssuppression [73], sodass als Folge humanisierte Antikörper, wie z. B. Vedolizumab, im Sinne von spezialisierten α4/β7-Integrinhemmern entwickelt wurden, die bei Patienten mit CED bereits erfolgreich im klinischen Alltag eingesetzt werden [74, 75].
1.3 Weitere pathogenetische Faktoren und Hypothesen 1.3.1 Infektiöse Faktoren Zahlreiche Studien belegen die Rolle von bakteriellen Antigenen für die Entstehung von CED (Übersicht in [3, 76]). Hierfür spricht nicht nur das Befallsmuster der verschiedenen CED-Entitäten in den Darmarealen mit den höchsten Bakterienkonzentrationen (Ileum, Kolon). So konnte auch in fast allen tierexperimentellen CED-Modellen gezeigt werden, dass die Tiere unter keimfreien Bedingungen keine intestinale Entzündung mehr entwickelten, nach Inokulation mit verschiedenen Bakterienstämmen jedoch wieder Entzündungen in unterschiedlichen Lokalisationen auftraten. Zudem kann die Unterbrechung der Darmpassage durch eine Enterostomie die Darmläsionen beim M. Crohn zur Abheilung bringen, während es nach Wiederherstellung der Passage zu Rezidiven kommen kann [77]. Für den M. Crohn und die Colitis ulcerosa gibt es mannigfaltige direkte und indirekte Hinweise für eine pathogenetische Rolle mikrobieller Faktoren, obwohl bisher keine spezifischen Keime als Krankheitsauslöser identifiziert werden konnten. Nicht nur durch die Nahrung, sondern auch durch die natürliche Darmflora ist der Organismus im Darm physiologischerweise einer extrem hohen Antigenexposition ausgesetzt (über 1.000 Bakterien pro g Faeces im Kolon).
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Weitere Experimente zeigten, dass die Zusammensetzung der Darmflora bei Patienten mit M. Crohn verändert ist. Dabei kommt es neben einer Erhöhung der intestinalen Bakterienkonzentrationen v. a. zu einem vermehrten Eindringen von Bakterien in die Mukosa des Darms [78, 79]. Dies wird insbesondere begünstigt durch eine intestinale Barrierestörung, wobei umstritten ist, ob diese sekundär durch die intestinale Entzündungsreaktion hervorgerufen wird oder ob hier ein primärer, kausaler Faktor in der Pathogenese vorliegt. Zusätzlich wurde nachgewiesen, dass die physiologischerweise bestehende Toleranz des mukosalen Immunsystems gegenüber der autologen Flora des Darms bei CED-Patienten gestört ist, wodurch Immunreaktionen des Darms gegenüber Bestandteilen der Darmflora induziert werden [80]. Dies führt ebenfalls zu einer perpetuierten Aktivierung des mukosalen Immunsystems bei CED. In zahlreichen Untersuchungen wurde versucht, spezifische Bakterien oder Viren als kausale Krankheitserreger bei CED zu identifizieren. So wurde beim M. Crohn eine Infektion mit Mycobacterium paratuberculosis oder Masernviren als Krankheitsauslöser diskutiert, eindeutige Evidenz für diese Hypothesen fehlt jedoch. Bakterien und bakterielle Antigene haben jedoch keinesfalls nur pathogene Eigenschaften für das mukosale Immunsystem, sondern können protektive und antiinflammatorische Effekte bei CED hervorrufen, wie z. B. die Wirkung probiotischer Therapie demonstriert (Übersicht in [81, 82]). Dabei konnte gezeigt werden, dass die Wirksamkeit von E. coli Nissle zur Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa äquivalent zu Mesalazin ist. Das Mischprobiotikum VSL#3 ist wirksam zur Behandlung der akuten Proktokolitis und zur Remissionserhaltung bei chronischer Pouchitis. Mögliche Wirkmechanismen könnten ein Antagonismus gegen pathogene Keime und die Induktion von protektiven Antkörpern sein [83]. Probiotika als lebende, apathogene Bakterien werden heutzutage auch im klinischen Alltag erfolgreich eingesetzt.
1.3.2 Psychische Faktoren Der Zusammenhang zwischen dem psychischen Befinden und der Krankheitsaktivität wird von Patienten mit CED immer wieder betont. Eine prospektive Studie an Patienten in Remission konnte zeigen, dass Langzeitstress, aber nicht kurzzeitige Stressereignisse mit einer erhöhten Schubfrequenz der Colitis ulcerosa einhergehen [84]. Auch tierexperimentelle Daten unterstützen einen möglichen Zusammenhang von Stress und Kolitisentwicklung [85]. Mäuse entwickelten bei Haltung unter Stressbedingungen leichter eine experimentelle Kolitis sowie eine Rezidiventzündung [86].
1.4 Fazit
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1.3.3 Rauchen Zahlreiche Untersuchungen beweisen eine Interaktion zwischen Umweltfaktoren und der Aktivierung des mukosalen Immunsystems bei CED. So zeigte das Rauchen bei der Colitis ulcerosa einen protektiven Effekt, während es für den M. Crohn einen Risikofaktor für einen aggressiveren Krankheitsverlauf und die Entstehung eines postoperativen Rezidivs darstellt. In experimentellen Untersuchungen aktiviert Nikotin die humorale Immunität und erhöht die Schleimproduktion des Kolonepithels [87, 88].
1.4 Fazit Zusammenfassend wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer Erkenntnisse geliefert, die insbesondere eine pathogenetische Dominanz der immungenetischen Faktoren in der Entstehung CED belegen. In der Zukunft werden zunehmende integrativ-praktische Herangehensweisen und Prioritäten sowohl in der Forschung als auch im klinischen Alltag obligat sein, um die bisherig fokussierten oder gering-interdisziplinären Ansätze zu diversifizieren. Dies dient einer einheitlicheren transdisziplinären Vorgehensweise und fördert ein tieferes Verständnis der Pathogenese des M. Crohn und der Colitis ulcerosa.
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Sandra Plachta-Danielzik, Janna Enderle, Marie Tempel und Wolfgang Lieb
2 Epidemiologie der CED 2.1 Häufigkeitsverteilung von CED 2.1.1 Prävalenz und Inzidenz von CED in Deutschland In Deutschland sind ca. 360.000 Menschen von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) betroffen. Aufgeschlüsselt für die beiden wichtigsten CED-Formen und bezogen auf die Einwohnerzahl liegen die Prävalenzen in der Größenordnung von 100–200 Patienten pro 100.000 Einwohnern (für M. Crohn – MC) bzw. 160–250 Patienten pro 100.000 Einwohnern (für Colitis ulcerosa – CU) [1, 2]. Die jährliche Neuerkrankungsrate (Inzidenz) für CED liegt in Deutschland zwischen 9,6 und 10,5 pro 100.000 Personen, wobei jedes Jahr etwa 6,6 Neuerkrankungen pro 100.000 für MC und etwa 3,0–3,9 Neuerkrankungen pro 100.000 für CU berichtet werden [1, 2]. Das bedeutet, dass in Deutschland jedes Jahr zwischen 7.680 und 8.400 Menschen neu an CED erkranken.
2.1.2 Globale Unterschiede in der Erkrankungshäufigkeit Prävalenz und Inzidenz von CED zeigen weltweit große regionale Unterschiede (Tab. 2.1). Insgesamt findet man jedoch in den letzten Jahren eine globale Zunahme in der Prävalenz und Inzidenz der CED in nahezu allen Regionen und Altersgruppen. Es gibt sowohl ein Nord-Süd-Gefälle als auch einen West-Ost-Gradienten [3–5]. In Nordeuropa werden Prävalenzen von CED bis zu 767/100.000 (Norwegen [4]) berichtet, während in Korea Raten um 42/100.000 [4] beobachtet werden. Bei den Neuerkrankungen zeigt sich ein ähnliches geografisches Verteilungsmuster. So variiert die Inzidenz von CED zwischen 1,5 Neuerkrankten in China [4] und 39,4 Neuerkrankten in Kanada pro 100.000 Personen/Jahr. Interessanterweise finden sich deutliche Zunahmen der Neuerkrankungsraten insbesondere in solchen Ländern, in denen sich in den letzten Jahren vermehrt ein industrialisierter Lebensstil durchgesetzt hat. Dies unterstreicht die Bedeutung von Lebensstilfaktoren für die Krankheitsentstehung [6]. Künftig wird es möglich sein, online auf einer interaktiven Karte epidemiologische Daten zur CED-Prävalenz in einzelnen Ländern abzurufen (www.ibdmap.org).
https://doi.org/10.1515/9783110492682-003
18 | 2 Epidemiologie der CED
Tab. 2.1: Höchste Inzidenz- und Prävalenzraten in verschiedenen Regionen Eigene Darstellung nach [4]; MC = M. Crohn; CU = Colitis ulcerosa jährliche Inzidenzraten (Neuerkrankungen) MC:
Europa Nordamerika Asien/mittlerer Osten
12,7/105 20,2/105 5,0/105
CU:
Europa Nordamerika Asien/mittlerer Osten
24,3/105 19,2/105 6,3/105
MC:
Europa Nordamerika Asien/mittlerer Osten
322/105 319/105 53/105
CU:
Europa Nordamerika Asien/mittlerer Osten
505/105 249/105 168/105
Prävalenzen
2.1.3 CED in verschiedenen Altersgruppen Die Erkrankungshäufigkeit variiert auch mit dem Alter. Die höchsten Inzidenzraten für MC werden zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr beobachtet, während der Erkrankungsgipfel für CU zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr liegt [7]. Männer und Frauen sind annähernd gleich häufig von CED betroffen [8, 9]. In einigen Studien wird von einem weiteren Erkrankungsgipfel zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr berichtet [4], bei etwa 10–15 % der Patienten wird die Diagnose CED nach dem 60. Lebensjahr gestellt [10, 11]. In dieser Altersgruppe wird über eine mildere Krankheitsaktivität berichtet [12]. Bei 20–25 % der Patienten beginnt die CED bereits in der Kindheit und Jugend. Bundesweit erkranken in etwa 800–1.470 Kinder und Jugendliche/Jahr an CED, das sind in etwa 5–11 Betroffene/100.000 Kinder und Jugendliche [13].
2.1.4 Häufigkeitsverteilung verschiedener CED-Phänotypen sowie deren Verlauf Während bei MC der gesamte Verdauungstrakt betroffen sein kann, ist bei CU nur das Kolon befallen. Die Lokalisation des Befalls wird bei MC oft mithilfe der MontrealKlassifikation beschrieben: (L1) Terminales Ileum (bei ca. 35 % der Patienten), (L2) Kolon (bei 18 % befallen), (L3) Ileum und Kolon (bei 32 % betroffen) und (L4) der obere Gastrointestinaltrakt (bei ca. 14 % betroffen) [14]. Bei der CU unterscheidet man drei Befallsmuster: (E1) alleiniger Befall des Enddarms (Proktitis; bei ca. 40 % der Patienten), (E2) eine Linksseitenkolitis, die bei 30–40 % der Patienten auftritt und
2.2 Ursachen von CED | 19
(E3) eine ausgedehnte Kolitis (Pankolitis), bei ca. 20 % der Patienten [15]. Des Weiteren werden bei MC drei biologische Verhaltensmuster unterschieden [16]: (B1) nichtpenetrierender, nichtstrikturierender Phänotyp, (B2) strikturierend und (B3) penetrierend/fistulierend. Letzteres biologisches Verhaltensmuster wird insbesondere bei Patientinnen und Patienten, deren Diagnose vor dem 40. Lebensjahr gestellt wurde, beobachtet [14, 17]. Der Krankheitsverlauf kann stark variieren, von einer Remission (nach einigen wenigen Krankheitsschüben) über chronisch intermittierende Krankheitsverläufe bis hin zu persistierender Krankheitsaktivität. Im Rahmen der IBSEN-Studie wurde bei Patienten mit MC im Verlauf von 5 Jahren bei 44 % eine Remission erreicht, während bei 3 % ein Anstieg der Intensität der Symptome, bei 24 % ein chronischkontinuierlicher und bei 29 % ein chronisch intermittierender Verlauf dokumentiert wurde [18]. Bei Patienten mit CU wurden innerhalb von 5 Jahren folgende Verlaufshäufigkeiten beschrieben: 59 % waren in Remission, 1 % hatte einen Anstieg der Schwere der Erkrankung, 9 % hatten einen chronisch-kontinuierlichen und 31 % einen chronisch intermittierenden Verlauf der Erkrankung [19]. Eine Kolektomie ist der häufigste chirurgische Eingriff bei der CU; ihre Häufigkeit variiert in verschiedenen Studien zwischen 8 % und 24 % nach 10 Jahren und kommt am häufigsten bei Patientinnen und Patienten mit Pankolitis vor [15]. Bei MC haben ca. ein Drittel aller Patienten innerhalb der ersten 5 Jahre nach der Diagnose einen chirurgischen Eingriff, wobei die Ileocecalresektion der häufigste Eingriff ist [20]. Bezüglich der Mortalität ist für MC in den meisten Studien eine leicht erhöhte Mortalität im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung beschrieben worden [20], während bei CU so gut wie kein Unterschied in der Mortalität im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung beobachtet wird [15, 21].
2.2 Ursachen von CED Die Entstehung einer CED ist komplex und bislang unvollständig verstanden. Vermutlich spielen zahlreiche genetische, Umgebungs- und Lebensstilfaktoren eine Rolle. Einige wichtige Einflussgrößen sind im Folgenden beschrieben und zusammenfassend in Tabelle 2.2 dargestellt. Im Übrigen sei auf das Kapitel 1 verwiesen, in dem die Pathogenese der CED ausführlicher beschrieben wird.
2.2.1 Familiäre und genetische Faktoren Das Vorkommen einer CED in der Familie ist ein wichtiger Risikofaktor für MC und CU. So weisen sowohl Geschwister als auch Kinder von CED-Patienten ein erhöhtes Risiko auf, ebenfalls an CED zu erkranken [22]. Familien-basierte Studien haben berechnet, wie stark das Erkrankungsrisiko für Geschwister im Vergleich zur Allgemeinbevöl-
20 | 2 Epidemiologie der CED
kerung erhöht ist, wenn bereits ein Geschwister von einer CED betroffen ist: für MC beträgt das altersadjustierte relative Erkrankungsrisiko für Geschwister 25,9 und bei CU 8,6 [23]. Für Kinder von Betroffenen beträgt das altersadjustierte relative Erkrankungsrisiko etwa 8,6 (bei elterlicher MC) und 1,5 (bei elterlicher CU). Monozygote Zwillinge haben in Bezug auf CU eine Übereinstimmung (Konkordanzrate) von 6–13 %, im Hinblick auf MC liegt diese Rate bei 35 % [24]. In den vergangenen Jahren gab es intensive Forschungsaktivitäten, um die genetischen Grundlagen der CED zu untersuchen und so auch besser zu verstehen, wie die Erkrankung entsteht. So wurden bisher über 200 genetische Varianten beschrieben, die die Krankheitsveranlagung (Suszeptibilität) für CED beeinflussen [25–27]. Diese genetischen Analysen deuten darauf hin, dass u. a. eine gestörte Barrierefunktion des Darms für die Krankheitsentstehung von Bedeutung ist.
2.2.2 Umgebungs- und Lebensstilfaktoren Neben erblichen Faktoren beeinflussen auch bestimmte Umwelt- und Lebensstilfaktoren den Krankheitsverlauf einer CED bzw. das Risiko, an CED zu erkranken [6, 8, 9, 28, 29]. Insbesondere die folgenden Faktoren sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung: Sowohl ein früher Kontakt zu Zigarettenrauch (z. B. Passivrauch bei Kindern) als auch Rauchen selbst ist mit einem höheren Erkrankungsrisiko für MC und auch einem deutlich erhöhten postoperativen Rezidivrisiko verbunden [28]. Interessanterweise wurden für CU gegenteilige Beobachtungen gemacht. So weisen Raucher ein geringeres Risiko auf, an CU zu erkranken, und zeigen einen milderen Krankheitsverlauf als Nichtraucher [8]. Während ein Kontakt zu Haustieren in der Kindheit das CED-Risiko mindert, wird es durch (zu) gute Hygiene gesteigert [6]. Auch das Ernährungsverhalten scheint das Erkrankungsrisiko für CED zu beeinflussen [6, 30]. So ist insbesondere ein hoher Verzehr von Fett und von tierischem Protein mit einem höheren Risiko für CED assoziiert, während ein hoher Ballaststoffverzehr mit einem niedrigeren Erkrankungsrisiko verbunden ist. Stillen hat sich als protektiver Faktor für CED gezeigt, wenn die Stilldauer mindestens 3 Monate betrug [8, 31]. Auch einige Erkrankungen und die Einnahme bestimmter Medikamente sind mit dem Auftreten einer CED assoziiert. Personen, die eine akute gastrointestinale Infektion durchgemacht haben, weisen ein doppelt so hohes Risiko auf, zeitnah an CED zu erkranken als Personen ohne solche Infektionen [8, 28]. Es wird vermutet, dass der Grund dafür in einer Veränderung der Darmflora liegt, die den Beginn eines chronisch-inflammatorischen Prozesses bei genetisch disponierten Personen begünstigt [8]. Nach neuester Evidenzbewertung haben Impfungen gegen Kinderkrankheiten keinen Einfluss auf die Entstehung einer CED [32]. Eine Appendektomie vor dem 20. Lebensjahr wirkt protektiv gegen die Entwicklung einer CU, kann aber
2.3 Fazit
| 21
Tab. 2.2: Umgebungs- und Lebensstilfaktoren, die das CED-Risiko beeinflussen können Eigene Darstellung nach [5, 8, 9, 28–30]; MC = M. Crohn; CU = Colitis ulcerosa; ↑= risikoerhöhend; ↓= risikosenkend MC
CU
↑ ↓ ↑
↓ ↓ ↑
↓ ↑ ↓ ↓
↓ ↑ ↓ ↓
↑ – ↑ ↑ ↑
↑ – ↓ ↑ ↑
Lebensstil Rauchen Haustierhaltung Hygiene Ernährungsfaktoren Kaffekonsum Fette/tierisches Protein Ballaststoffe Stillen Krankheiten/Medikamente Gastrointestinale Infektionen Impfungen Appendektomie vor dem 20. Lebensjahr Kontrazeptiva Antibiotika vor dem 15. Lebensjahr
das Risiko für MC erhöhen [8, 28]. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass die Einnahme von Kontrazeptiva und eine Antibiotikabehandlung vor dem 15. Lebensjahr das Risiko für CED leicht erhöhen [8, 28].
2.3 Fazit In den letzten Jahren zeigt sich eine globale Zunahme in der Prävalenz und Inzidenz der CED in nahezu allen Regionen und Altersgruppen, wobei es deutliche regionale Unterschiede in der Krankheitshäufigkeit gibt. Es ist sowohl ein Nord-Süd-Gefälle als auch ein West-Ost-Gradient beschrieben. Die höchsten Neuerkrankungsraten werden für MC zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr beschrieben, für CU zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Neben erblichen Faktoren spielen auch Lebensstilfaktoren, wie Rauchen und Ernährung, bei der Krankheitsentstehung eine Rolle.
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| Teil II: Diagnostik
Stephan Brand
3 Anamnese, klinische Untersuchung, Labor, Primärdiagnostik, Biomarker für Krankheitsverlauf und -prädiktion sowie Drug-Monitoring 3.1 Diagnose chronisch entzündlicher Darmerkrankungen Die Diagnose des M. Crohn und der Colitis ulcerosa, der beiden Hauptformen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED), lässt sich nur anhand einer Kombination von klinischem Erscheinungsbild, dem Krankheitsverlauf sowie den Ergebnissen von endoskopischen, histologischen, laborchemischen und radiologischen Methoden stellen [13, 14, 19, 34, 39]. Auch wenn aktuelle Leitlinien darauf hinweisen, dass es keinen einzelnen „Goldstandard“ bei der Diagnosestellung von CED gibt [19, 39], wird das größte Gewicht der Ileokoloskopie mit histologischer Untersuchung beigemessen, mit der sich in den meisten Fällen die Diagnose stellen lässt. Eine Schwierigkeit der differentialdiagnostischen Zuordnung besteht in der phänotypischen Heterogenität von CED. So können z. B. nur bei etwa 30–40 % aller M.-Crohn-Patienten histologisch Granulome nachgewiesen werden, die als wichtiges Unterscheidungsmerkmal des M. Crohn gegenüber der Colitis ulcerosa gelten. Bei der Diagnosestellung sollten andere entzündliche, infektiöse, toxische, vaskuläre und insbesondere auch maligne Ursachen einer Colitis bzw. Enteritis ausgeschlossen werden. Aktuell gibt es keine CED-spezifische Laboruntersuchung. Die deutsche Leitlinie für den M. Crohn rät davon ab, serologische oder genetische Marker zur primären Diagnosestellung heranzuziehen [39]. Hilfreich zur Abgrenzung von funktionellen Darmerkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom kann aber die Bestimmung des Calprotectinwertes im Stuhl sein, wobei Calprotectin ebenfalls kein CED-spezifischer Marker ist. Sofern keine Remission einer CED besteht, ist das Vorliegen einer CED bei einem normalen fäkalen Calprotectinwert unwahrscheinlich. Der M. Crohn, aber auch die Colitis ulcerosa haben einen sehr heterogenen Phänotyp und ein unterschiedliches Befallsmuster. Während beim M. Crohn alle Abschnitte des Gastrointestinaltraktes befallen sein können, ist die Colitis ulcerosa meist auf das Kolon beschränkt, sie kann aber auch als sog. Backwash-Ileitis den distalen Abschnitt des terminalen Ileums betreffen. Der M. Crohn zeichnet sich in den meisten Fällen durch ein diskontinuierliches Befallsmuster aus. Im Gegensatz dazu breitet sich die Colitis ulcerosa meist kontinuierlich vom Rektum ausgehend auf das Kolon aus. Aber auch bei der Colitis ulcerosa gibt es Sonderformen wie die mit der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) assoziierte Colitis ulcerosa, die verstärkt im rechtsseitigen Kolon auftreten kann und oft eine https://doi.org/10.1515/9783110492682-004
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Aussparung des Rektums aufweist, was im Englischen als rectal sparing bezeichnet wird.
3.2 Anamnese Aufgrund der klinischen Variabilität und der Chronizität von CED kommt bei der Diagnosestellung und Verlaufsbeurteilung einer genauen Anamnese große Bedeutung zu. Wichtig ist auch die Abgrenzung zu funktionellen Erkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom (irritable bowel syndrome – IBS), das deutlich häufiger als eine CED diagnostiziert wird. Bei der Anamneseerhebung sollten genau der Beginn der klinischen Symptome, die Reiseanamnese, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Medikamente (insbesondere Antibiotika und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)) sowie die Raucheranamnese und eine Vorgeschichte bzgl. abdomineller Operationen (insbesondere Appendektomie) erfragt werden [19, 39]. Dies kann manchmal bei der differentialdiagnostischen Zuordnung später hilfreich sein. So können z. B. NSAR CEDSchub-auslösend wirkend. Eine Appendektomie sowie eine Raucheranamnese sind Risikofaktoren für einen M. Crohn, während diese Faktoren eine protektive Wirkung bei der Colitis ulcerosa haben. Wichtig ist eine differentialdiagnostische Abgrenzung von gastrointestinalen Infektionen, sodass diesbezüglich anamnestisch mögliche Risikofaktoren (Reisen, Restaurantbesuche, Kontakt zu Infizierten) ebenfalls erfragt werden sollten. Allerdings kann eine gastrointestinale Infektion im Jahr vor der Erstpräsentation eines M. Crohn auftreten [18]. Daher ist ein detailliertes Erfragen des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Risikofaktoren und Auftreten der Symptomatik wichtig. Im Gegensatz zum abrupten Beginn vieler gastrointestinaler Infektionen treten die Symptome bei CED oft langsamer auf [44]. Da CED-Patienten mit schwerer Erkrankung meist eine immunsuppressive Therapie benötigen, empfiehlt es sich auch, in der Anamnese entsprechende Hinweise auf Risikofaktoren (wie Auslandsaufenthalte oder Herkunft aus Risikoländern, Drogenanamnese, Gabe von Blutprodukten etc.) für eine Tuberkulose (Tbc)-, HepatitisB (HBV)-, Hepatitis-C (HCV)- und Human-Immunodefiency-Virus (HIV)-Infektion zu erfragen. Unter einer immunsuppressiven Therapie, insbesondere bei Mehrfachimmunsuppression ist auch das Risiko für opportunistische Infektionen erhöht, sodass von der DGVS und der ECCO die Erhebung und ggf. Vervollständigung des Impfstatus gefordert wird. Allerdings wird empfohlen, innerhalb von 3 Monaten nach einer Lebendimpfung möglichst keine immunsuppressive Therapie durchzuführen. Bei der Erfragung der klinischen Symptome sollte insbesondere detailliert die Stuhlanamnese erfragt werden, weil v. a. bei der Colitis ulcerosa fast immer auch Diarrhöen auftreten. Während im akuten Schub einer schweren Colitis ulcerosa blutige Diarrhöen von Patienten häufig angegeben werden, sind Blutauflagerun-
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gen seltener beim M. Crohn anzutreffen. Im Gegensatz dazu werden von M.-CrohnPatienten (insbesondere wenn eine Darmstenose vorliegt) als klinische Symptome häufig Meteorismus, Borborygmus, abdominelle Schmerzen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten v. a. für ballaststoffreiche Nahrung angegeben. Auch Zeichen einer schweren Erkrankung wie Gewichtsverlust, Fieber, Schmerzen, blutige Diarrhöen und Tenesmen müssen beachtet und dokumentiert werden. Aufgrund der häufig auftretenden extraintestinalen Manifestationen sollten diese bei der Anamneseerhebung gezielt erfragt werden. Dazu zählen insbesondere Symptome der Mundschleimhaut wie Aphten und Ulzera, Hautsymptome (insbesondere Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum, Neurodermitis und Psoriasis), Gelenksymptome (wie Arthralgien und rheumatoide Arthritis), anale/perianale Probleme (wie Fisteln, Perianalabszesse und Fissuren) [19, 39]. Oft können perianale Fisteln und damit assoziierte perianale Abszesse schon bei der Erstdiagnose eines M. Crohn auftreten. Aktuell sind mehr als 200 Risiko-Genloci für CED bekannt, sodass der Familienanamnese große Bedeutung zukommt. Etwa 10–25 % der CED-Patienten haben einen erstgradigen Verwandten mit M. Crohn oder Colitis ulcerosa. Da es eine erhebliche Überlappung der Risikogene von M. Crohn und Colitis ulcerosa gibt, können in verschiedenen Generationen auch unterschiedliche Formen einer CED auftreten (z. B. Mutter Colitis ulcerosa, Tochter M. Crohn). Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Risikogenen, die sowohl das CED-Risiko als auch das Risiko für andere Autoimmunerkrankungen erhöhen. Ein klassisches Beispiel ist die primär sklerosierende Cholangitis (PSC), die bei ca. 5 % der Colitisulcerosa-Patienten und in geringerem Maße auch beim M. Crohn auftritt, während etwa drei Viertel aller PSC-Patienten an einer Colitis ulcerosa leiden.
3.3 Klinische Untersuchung Bei der klinischen Untersuchung sollte neben den klassischen Vitalparametern (Herzfrequenz, Blutdruck, Körpertemperatur) besonderes Augenmerk auf Symptome wie abdominelle Druckdolenz, palpierbare abdominelle Resistenzen und Konglomerate, die orale und perianale Inspektion sowie die rektal-digitale Untersuchung gelegt werden. Bei der Auskultation des Abdomens ist insbesondere die Darmperistaltik zu beachten. Hochgestellte, „metallische“ oder spritzende Darmgeräusche können einen Hinweis auf einen mechanischen Ileus geben, während eine Aperistaltik auf einen paralytischen Ileus hinweist, dem aber häufig ursprünglich ein mechanischer Ileus zugrunde gelegen haben kann. Ein Teil der Patienten hat extraintestinale Manifestationen, insbesondere an Augen, Mund, Gelenken und Haut, die darum besonders sorgfältig inspiziert werden sollten. So können bei etwa einem Drittel der Patienten eine Anämie und Arthralgien gefunden werden.
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Da bestimmte Immunsuppressiva wie Azathioprin und 6-Mercaptopurin die Hauttumorrate erhöhen, sollte bei der klinischen Untersuchung auch auf auffällige Naevi oder andere Hautauffälligkeiten geachtet und ggf. weiter fachärztlich abgeklärt werden. Bis zu 5 % aller M.-Crohn-Patienten leiden an einer Psoriasis, sodass die dermatologische Untersuchung auch hilfreich bei der Medikamentenwahl sein kann, weil z. B. Anti-TNF-Antikörper und Ustekinumab in Deutschland sowohl für die Therapie des M. Crohn als auch die der Psoriasis zugelassen sind. Andererseits können auch medikamentös bedingt Hautveränderungen bei CED-Patienten auftreten. Ein klassisches Beispiel sind Anti-TNF-Antikörper-induzierte psoriasiforme Hautveränderungen, die besonders häufig palmoplantar und im Bereich der Kopfhaut auftreten [58]. Aufgrund des oft eingeschränkten Ernährungszustandes sollten auch die Körpergröße und das Gewicht gemessen und daraus der Body-Mass-Index (BMI) kalkuliert werden [19]. Dies ist besonders wichtig bei pädiatrischen Patienten, bei denen auch immer eine Einordnung in die altersentsprechenden Körpergrößen- und Gewichtsperzentile erfolgen sollte, um frühzeitig eine CED-assoziierte Wachstums- und Gedeihstörung feststellen zu können.
3.4 Labordiagnostik 3.4.1 Initiale Labor- und Stuhldiagnostik Eine aktuelle DGVS-Leitlinie empfiehlt, zur initialen Labordiagnostik neben dem Blutbild mindestens auch den CRP-Wert, Eisenparameter, Nierenfunktionsparameter, Transaminasen- und Cholestaseparameter zu bestimmen [39]. Bei Diagnosestellung sollten auch relevante Malabsorptionsparameter untersucht werden [19]. Dazu zählen v. a. Parameter des Eisenstoffwechsels (Ferritin, Transferrinsättigung, ggf. Transferrinrezeptor) und bestimmte Vitamine (Vitamin B12 , Folsäure, 25-OH-Vitamin D). Viele CED-Patienten weisen auch einen Mangel an Zink und anderen Spurenelementen auf. Aufgrund von Diarrhöen besteht bei CED-Patienten oft eine Hypovolämie, sodass eine Kreatininkontrolle (zusammen mit dem Serum-Natrium- und Kaliumwert) sinnvoll ist. Die Nierenretentionsparameter sollten auch zwingend vor einem Kontrastmittel-CT bestimmt werden. Da CED-Patienten ein erhöhtes Risiko für bestimmte Lebererkrankungen wie die PSC aufweisen und auch Therapien wie Steroide zu einer Leberverfettung oder Thiopurine zu einer nodulär-regenerativen Hyperplasie (NRH) führen können [45], sollten entsprechend den DGVS-Leitlinien zum initialen Labor bei Diagnosestellung einer CED auch die Leber- und Cholestaseparameter (GOT, GPT, Bilirubin, γ-GT und alkalische Phosphatase) bestimmt werden. Fäkale Entzündungsmarker wie Calprotectin und Lactoferrin können zur differentialdiagnostischen Abgrenzung von nichtentzündlichen Ursachen gastrointestinaler Beschwerden beitragen.
3.4 Labordiagnostik | 31
Außerdem sollte schon bei der Diagnosestellung eine mikrobiologische Analyse auf pathogene Stuhlbakterien wie enteropathogene E. coli, Campylobacter, Yersinia, Salmonella und Shigella erfolgen [39]. Vor allem bei Patienten mit einem Status nach Antibiotikatherapie wird empfohlen, eine Clostridium-difficile (C. difficile)-Infektion über den Toxinnachweis auszuschließen. In den aktuellen Leitlinien werden für die initiale CED-Diagnostik keine serologischen Untersuchungen (wie ASCA- und pANCA-Bestimmung) und auch keine genetischen Untersuchungen empfohlen [19, 39]. Besondere Bedeutung kommt im initialen Labor, aber auch bei der Beurteilung des weiteren Krankheitsverlaufs, den Entzündungsparametern zu, die im Folgenden näher vorgestellt werden. Problematisch ist das Fehlen eines CED-spezifischen Entzündungsmarkers, wobei in den letzten Jahren die Bedeutung des fäkalen Calprotectins bei der Abgrenzung zu funktionellen Darmerkrankungen und in der Verlaufsbeurteilung stark gestiegen ist.
3.4.2 Entzündungsparameter C-reaktives Protein (CRP) Der klassische, auch bei der Beurteilung von CED genutzte Entzündungsparameter ist das C-reaktive Protein (CRP). Das CRP ist ein Akute-Phase-Protein, dessen Produktion in der Leber durch proinflammatorische Zytokine wie IL-1 und IL-6 verstärkt wird. Strukturell handelt es sich dabei um ein 105 kDa großes, aus fünf identischen Untereinheiten bestehendes planares Pentamer. Die CRP-Produktion wird auch durch genetische Faktoren reguliert. Es wird geschätzt, dass bis zu 20 % der Bevölkerung keine starke CRP-Erhöhung bei Entzündung aufweisen [52]. Eine Abhängigkeit der CRP-Spiegel von genetischen Faktoren wurde auch bei M.-Crohn-Patienten beschrieben [55]. Andere Cofounder für die CRPExpression sind das Geschlecht, Alter und der Body-Mass-Index [46]. Allerdings sind bei CED die CRP-Werte oft nicht oder nur gering erhöht, sodass die Bedeutung des CRP-Wertes zur Verlaufsbeurteilung von CED zu Ungunsten des Calprotectinwertes im Stuhl gesunken ist. Besonders hohe CRP-Werte sind bei schwerer Pankolitis und bei Komplikationen des M. Crohn wie der Abszessbildung zu finden. Auch extraintestinale Komplikationen wie starke Gelenk- oder Hautentzündungen können mit hohen CRP-Werten einhergehen. Die Korrelation zwischen mukosaler Entzündung und Höhe des CRP-Wertes ist allgemein besser bei der Colitis ulcerosa als beim M. Crohn. Die CRP-Bestimmung im Serum erfolgt typischerweise immunnephelometrisch oder immunturbidimetrisch mithilfe CRP-spezifischer Antikörper. Die Nachweisgrenze der meisten Assays liegt bei 5 mg/l. Darüber hinaus gibt es hochsensitive, latexverstärkte CRP-Assays mit einer mehr als 10-mal sensitiveren Nachweisgrenze von bis zu 0,1 mg/l.
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Neben der mangelnden Spezifität stellt die relativ langsame Latenz bis zum Ansteigen (bei Erkrankungsbeginn) oder Abfallen des Wertes (bei klinischer Besserung) ein weiteres Problem bei der Beurteilung von CRP-Werten da. Klinische Veränderungen gehen meist mit einer Verzögerung von etwa 24 Stunden im Serum-CRP-Wert einher, was deutlich langsamer als z. B. die Dynamik des Interleukin-6 (IL-6)-Wertes oder des Leukozytenwertes ist.
Procalcitonin (PCT) Procalcitonin (PCT) stellt ein 13 kDa großes, von den C-Zellen der Schilddrüse gebildetes Prohormon (abgeleitet von Calcitonin) dar. Im Gegensatz zum Calcitonin wird PCT unter normalen Umständen nicht in die periphere Blutzirkulation sezerniert. PCT kann insbesondere bei schweren bakteriellen Infektionen, v. a. von gramnegativen Bakterien, im Serum nachgewiesen werden. Vorteil von PCT im Vergleich zum CRP-Wert ist der vergleichsweise schnelle Anstieg. Bereits 2–4 Stunden nach schweren bakteriellen Infektionen lässt sich PCT im Serum nachweisen; ein Plateauwert wird typischerweise nach ca. 8 Stunden erreicht, wobei die Halbwertszeit bei ca. 24 Stunden liegt. Der Normalwert für PCT liegt in den meisten Assays bei unter 0,5 μg/l; bei schweren bakteriellen Infekten werden aber z. T. sogar Werte größer 1.000 μg/l erreicht. Auf der Grundlage der relativ wenigen Studien zu CED erscheint PCT eher ein Marker zur Differenzierung gastrointestinaler Infektionen von CED als ein Verlaufsmarker für CED zu sein [56].
Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) Die BSG nach Westergren ist eine einfach durchzuführende Untersuchungsmethode, die auch ohne laborchemische Bestimmung im ambulanten und stationären Alltag angewendet werden kann. Ihr großer Nachteil ist die fehlende Spezifität. Neben Infektionen führen insbesondere bestimmte Autoimmunerkrankungen, rheumatologische Erkrankungen wie Kollagenosen und Vaskulitiden, aber auch Tumorerkrankungen zu einer BSG-Erhöhung. Besonders hohe Werte („Sturzsenkung“) werden z. B. beim Plasmozytom und der Arteriitis temporalis gemessen. Ein weiterer Nachteil ist die stark verzögerte Reaktionszeit und eine mehrere Tage lange Halbwertszeit. Vor allem bei der M.-Crohn-Kolitis ergibt sich eine gute Korrelation mit der Entzündungsaktivität.
Leukozytenwert Bei der Beurteilung der Entzündungsaktivität von CED wird auch der Leukozytenwert genutzt. Dabei ist zu beachten, dass insbesondere verschiedene CED-Therapeutika den Leukozytenwert beeinflussen können. So kommt es unter einer Thiopurintherapie
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(z. B. mit Azathioprin oder 6-Mercaptopurin) sehr häufig durch eine Apoptose von Lymphozyten zu einem Abfall der Leukozytenwerte, was meist auch ein Hinweis auf eine adäquate Thiopurindosis und ein Therapieansprechen des Patienten ist. Allerdings können unter einer Thiopurintherapie auch schwere Knochenmarksdepressionen bis hin zur Agranulozytose auftreten, sodass das Blutbild (insbesondere bei Therapiebeginn und bei Dosissteigerung) regelmäßig kontrolliert werden sollte. Im Gegensatz dazu sind unter einer Kortisontherapie häufig z. T. deutliche Anstiege der Leukozytenwerte zu verzeichnen, die nicht unbedingt Ausdruck einer schweren systemischen entzündlichen Aktivität sein müssen. Insbesondere unter einer hochdosierten Kortisontherapie (> 20 mg Prednisolonäquivalent/Tag) werden nicht selten Leukozytenwerte > 15 G/l gemessen. Im Differentialblutbild kommt es sowohl bei einer akuten Entzündung als auch nach höheren Kortisondosen zu einer Linksverschiebung mit einer Vermehrung von unreifen, stabkernigen Granulozyten. Eine leichte Leukozytose mit Linksverschiebung kann z. T. auch bei Rauchern und Schwangeren beobachtet werden.
Thrombozytenwert Akute Entzündungen gehen typischerweise mit erhöhten Thrombozytenwerten einher. Meistens ist dieses Phänomen bei der Colitis ulcerosa stärker als beim M. Crohn ausgeprägt; insbesondere bei isolierter Ileitis terminalis (mit deutlich kleinerer betroffener Schleimhautoberfläche als bei der Pancolitis ulcerosa) findet sich eine Thrombozytose seltener als bei der Colitis ulcerosa. Ähnlich wie der Leukozytenwert kann auch der Thrombozytenwert unter einer Kortisontherapie ansteigen. Ein bei CED relativ häufig auftretender Eisenmangel kann ebenfalls zu einer sekundären Thrombozytose beitragen [26]. Dabei ist zu beachten, dass eine Thrombozytose zu einer Verstärkung des bei CED ohnehin erhöhten Thromboserisikos führen kann.
Interleukin-6 (IL-6) IL-6 ist ein proinflammatorisches Zytokin, das insbesondere von Leukozyten gebildet wird. Großer Vorteil der IL-6-Messung ist die schnelle Beurteilung der Krankheitsdynamik. So kann ein Anstieg oder Abfall der systemischen Entzündung fast unmittelbar durch die Serumkinetik dieses Parameters dokumentiert werden. Die IL-6-Messung eignet sich daher v. a. für schwerkranke Patienten z. B. auf der Intensivstation. Leider ist die Messung relativ teuer und bisher nicht flächendeckend etabliert, was ihren Einsatz zur Routinekontrolle bei CED-Patienten einschränkt.
Tumor-Nekrose-Faktor-alpha (TNF-α) TNF-α ist ein stark proinflammatorisches Zytokin, das bei CED in verschiedenen Zellen wie z. B. Monozyten und Enterozyten gebildet wird. Serum- TNF-α-Spiegel sind sowohl
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bei M.-Crohn- als auch bei Colitis-ulcerosa-Patienten deutlich höher als bei gesunden Kontrollen. Die Antagonisierung dieses Zytokins ist das Grundprinzip der Therapie mit AntiTNF-Antikörpern. Eigene Untersuchungen konnten zeigen, dass TNF-α in Enterozyten in vitro die Expression von etwa 1.000 Genen reguliert, während Interleukin-17A (IL17A), ein anderes stark proinflammatorisches Zytokin, im gleichen experimentellen Ansatz lediglich 29 Gene regulierte [17], was die große proinflammatorische Potenz von TNF-α beweist. Ein Abfall der TNF-α-Konzentration im Serum wird z. T. zur Erfolgsbeurteilung einer Anti-TNF-Therapie mit herangezogen, aber ähnlich wie die IL-6-Messung sind TNF-α-Messungen teuer und nicht überall verfügbar, was die praktische Bedeutung dieser Messungen in der klinischen Praxis stark limitiert.
Fäkales Calprotectin Mittlerweile hat die Bestimmung des Calprotectinwertes im Stuhl als Verlaufsmarker für die entzündliche Aktivität bei CED alle anderen Serummarker bzgl. Genauigkeit und biologischer Relevanz abgelöst. Calprotectin ist ein Kalzium- und Zink-bindendes Protein, das in intestinalen Granulozyten vorkommt. Calprotectin (S100A8/A9) gehört zur S100-Protein-Familie und stellt gegenwärtig den prototypischen Entzündungsmarker zum Monitoring der Krankheitsaktivität bei CED-Patienten dar [59]. Allerdings ist bei einem reinen Dünndarmbefall eines M. Crohn der Calprotectinwert im Stuhl oft nicht oder nur gering erhöht [48]. In einer Metaanalyse konnte für das fäkale Calprotectin eine gepoolte Sensitivität von 93 % bei einer gepoolten Spezifität von 96 % für die Differenzierung von CED gegenüber nichtorganischen Darmerkrankungen nachgewiesen werden [59]. Diese Studie projizierte, dass bei einem Einsatz des fäkalen Calprotectinwertes als Screening-Parameter für CED die Anzahl der notwendigen Endoskopien bei Erwachsenen um 67 % gesenkt werden könnte [59]. Problematisch ist die Vielzahl der gegenwärtig verfügbaren Calprotectin-Assays, die z. T. erhebliche Abweichungen voneinander aufweisen. Wird ein Krankheits- und Therapiemonitoring mittels Calprotectinwert angestrebt, ist es daher ratsam, die Messung immer mit dem gleichen Assay durchzuführen. Inzwischen gibt es erste Internet-basierte Programme zum Selbstmonitoring der Krankheitsaktivität durch Patienten, die dabei eine Calprotectin-Messung (oft durch semiquantitative Schnelltests) einschließen.
Fäkales Lactoferrin Lactoferrin ist ein Eisen-bindendes Glykoprotein und Bestandteil der Granula von polymorphkernigen Neutrophilen. Fäkales Lactoferrin und fäkales Calprotectin können Patienten mit intestinaler Entzündung mit ähnlicher Sensitivität identifizieren
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[36], allerdings werden Lactoferrin-basierte Tests aufgrund ihrer geringeren Stabilität bei Raumtemperatur deutlich seltener in der klinischen Routine eingesetzt als Calprotectin-basierte Stuhltests.
Andere Entzündungsmarker im Stuhl Andere Entzündungsmarker im Stuhl, die bei CED beschrieben wurden, sind u. a. Lipocalin, Pyruvatkinase Typ M2 (M2-PK) und S100A12 (Calgranulin C). Wie Calprotectin (S100A8/A9) zählt auch S100A12 (Calgranulin C) zu der S100Protein-Familie. Ursprünglich leitete sich der Name von einer 100%igen Löslichkeit (= soluble) in Ammoniumsulfat ab. S100A12 wird ausschließlich von intestinalen, aktivierten Granulozyten freigesetzt. Sowohl S100A12 als auch Calprotectin wirken antimikrobiell und chemotaktisch. Auch für das neutrophile Gelatinase-assoziierte Lipocalin (NGAL) konnte eine gute Korrelation mit der Krankheitsaktivität der Colitis ulcerosa gezeigt werden [37]. Eigene Untersuchungen demonstrierten, dass auch der Lipocalin-2-Wert im Serum ein guter Aktivitätsmarker für Patienten mit Colitis ulcerosa ist [51].
3.4.3 Mikrobiologische Stuhluntersuchungen Die DGVS-Leitlinie zum M. Crohn empfiehlt bei Diagnosestellung eine mikrobiologische Testung auf pathogene Stuhlbakterien und eine Untersuchung auf C. difficileToxin sowie bei einer entsprechenden Reiseanamnese auch eine erweiterte Stuhldiagnostik [39]. Dabei sollte das Standardprogramm pathogener Stuhlkeime (Campylobacter, C. difficile, E. coli, Salmonella, Shigella und Yersinia) eingeschlossen werden. Eine Cytomegalie-Virus (CMV)-Infektion wird häufiger bei der Colitis ulcerosa als beim M. Crohn beobachtet und sollte insbesondere bei steroidrefraktären Verläufen ausgeschlossen werden [39]. Bei der Erstdiagnose einer CED ist es auch wichtig, chronische Darminfektionen (wie z. B. Lamblien und Amöben) auszuschließen. Eine ganze Reihe von gastrointestinalen Infektionen kann aufgrund eines ähnlichen klinischen Erscheinungsbildes die Abgrenzung zu CED schwierig machen. Darüber hinaus haben CED-Patienten, insbesondere unter einer immunsuppressiven Therapie, ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für intestinale Infektionen, insbesondere für C. difficile und eine CMV-Kolitis. Auch andere Erreger wie Cryptosporidien und atypische Mykobakterien lassen sich manchmal bei immunsupprimierten CEDPatienten nachweisen.
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3.4.4 Serologische Parameter In den letzten Jahren wurde eine ganze Reihe von serologischen Markern und Antikörpern identifiziert, die bei der differentialdiagnostischen Einordnung von M. Crohn und Colitis ulcerosa mithelfen können. Allerdings ist keiner der bisher identizierten Marker hochspezifisch (Tab. 3.1). Aktuelle Leitlinien empfehlen daher diese serologischen Bestimmungen nicht als Bestandteil der Initialdiagnostik [39]. Die kombinierte Bestimmung von ASCA und pANCA kann aber bei der differentialdiagnostischen Zuordnung von M. Crohn und Colitis ulcerosa hilfreich sein. Während ASCA häufiger beim M. Crohn auftreten, sind pANCA häufiger bei Colitis-ulcerosa-Patienten zu finden (Tab. 3.1). Andere serologische Marker, die aber selten in der klinischen Routine bestimmt werden und häufiger bei M.-Crohn- als bei Kolitis-Patienten auftreten sind u. a. AntiCBir1, PAB, GAB, Anti-OmpC, Anti-I2, ACCA und AMCA. Tab. 3.1: Autoantikörper bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Modifiziert nach [6]. Autoantikörper
Colitis ulcerosa
M. Crohn
Kontrollen
Antikörper gegen neutrophile Granulozyten (pANCA) Antikörper gegen Saccharomyces cerevisiae (ASCA) Antikörper gegen intestinale Becherzellen Antikörper gegen Pankreasazinuszellen (PAB) Antikörper gegen Pseudomononas fluorescens (Anti-I2-AK) Antikörper gegen Flagellin (Anti-CBir) Antikörper gegen E. coli outer Membrane Porin C (AntiOmpC)
50–70 % 10–15 % 25–30 % 0–4 % 2% 5–10 % 0–5 %
10–25 % 40–70 % 0–1 % 30–35 % 54 % 50 % 40–50 %
0–5 % 0–6 % 0–1 % 0–1 % 0,5 × 109 /l; MCV < 115 fl) zur Dosisanpassung herangezogen werden. Aufgrund der Hemmung der Xanthin-Oxidase durch Allopurinol mit entsprechend verringertem Thiopurin-Abbau sollte eine kombinierte Thiopurin-Allopurinol-Gabe eher vermieden bzw. nur 25 % der normalen Thiopurindosis bei gleichzeitiger Allopurinolgabe gegeben werden. Darüber hinaus kann es unter einer Thiopurintherapie zu einem Anstieg der Leberwerte und des Lipasewertes kommen. In seltenen Fällen tritt unter einer Thiopurintherapie eine nodulär-retikuläre Hyperplasie der Leber auf, die mittels MRT der Leber und Leberbiopsie diagnostiziert werden kann [45]. Die ECCO empfiehlt bei Thiopurin-behandelten Patienten im 1. Monat wöchentlich, im 2. Monat alle 2 Wochen, danach alle 2–3 Monate ein Blutbild und die Leberwerte, die Nierenwerte sowie die Serumelektrolyte zu messen. Da Thiopurine auch eine Pankreatitis induzieren können, sollte dabei auch der Lipasewert bestimmt werden. Eine aktuelle Studie konnte für einen HLA-Locus (HLA-DQA1*02:01-HLADRB1*07:01-Haplotyp) eine Assoziation mit einer Thiopurin-induzierten Pankreatitis nachweisen [21]. Aufgrund des erhöhten Risikos für den Nicht-Melanom-Hautkrebs (NMSC) unter einer Thiopurintherapie [5] sollte (neben einem entsprechenden Sonnenschutz) auch ein regelmäßiges dermatologisches Screening dieser Patienten erfolgen.
3.7.5 Anti-TNF-Antikörper Vor dem Beginn einer Anti-TNF-Antikörper-Therapie sollten insbesondere eine latente oder aktive Tuberkulose (Tbc) und andere Kontraindikationen (u. a. aktive Infektionen und Abszesse, schwere Herzinsuffizienz und demyelinisierende Erkrankungen wie Multiple Sklerose) ausgeschlossen werden. Dazu sollte ein Tbc-Quantiferontest durchgeführt und ein Röntgenbild der Lunge angefertigt werden. Bei latenter Tbc kann durch eine Isoniazid (INH)-Behandlung mit entsprechender Pyridoxin (Vitamin B6 )Supplementation (z. B. 300 mg Isocid comp) auch eine Anti-TNF-Therapie ermöglicht werden. Die INH-Prophylaxe muss mindestens 4 Wochen vor dem Start der Anti-TNFTherapie begonnen werden und dann über insgesamt 9 Monate durchgeführt werden. Außerdem sollten vor einer Anti-TNF-Therapie eine chronisch-aktive Hepatitis-BVirus (HBV)-Infektion und möglichst auch eine aktive Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion sowie eine HIV-Infektion ausgeschlossen werden. Auch unter einer Anti-TNF-Antikörper-Therapie können – unabhängig von infektiösen Komplikationen – Nebenwirkungen auftreten, auf die besonders geachtet werden sollte.
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Ein relativ seltenes, z. T. aber schweres Krankheitsbild, das bei ca. 2 % aller AntiTNF-Antikörper-behandelten Patienten beobachtet wird, ist das Anti-TNF-Antikörperinduzierte Lupus-like-Syndrom. Charakteristisch für dieses Syndrom ist meist eine Trias von 1. Gelenkbeschwerden, 2. starken ANA-Titer-Erhöhungen und 3. Erhöhungen von dsDNA [4]. Manchmal können auch die Histon-Antikörper erhöht sein. Erschwerend bei der Diagnose dieses Krankheitsbildes ist die Tatsache, dass etwa ein Drittel aller CED-Patienten CED-assoziierte Arthralgien aufweisen, die z. T. nicht einfach von diesem Krankheitsbild zu unterscheiden sind. Darüber hinaus haben CED-Patienten ein erhöhtes Risiko, an einer rheumatoiden Arthritis zu erkranken. Differentialdiagnostisch kann hier die Bestimmung der Rheumafaktoren und von Anti-CCP hilfreich sein. In schweren Fällen eines Anti-TNF-Antikörper-induzierten Lupus können eine Serositis, insbesondere mit Entwicklung eines Pleura- oder Perikardergusses oder Leberwerterhöhungen im Sinne einer medikamentös induzierten Hepatitis auftreten. Bei etwa 5 % der Anti-TNF-Antikörper-behandelnden Patienten kann paradoxerweise eine Anti-TNF-induzierte Psoriasis (typischerweise palmoplantar oder im Kopfbereich) auftreten. Histologisch sind diese Läsionen durch eine vermehrte Infiltration von Th1- und Th17-Zellen gekennzeichnet [58]. Für das Auftreten ist insbesondere eine Raucheranamnese ein wichtiger Risikofaktor. Leichte Fälle können gut mit topischen Steroiden beherrscht werden, während bei schweren Fällen die Anti-TNF-AntikörperTherapie beendet werden muss. Eine Ustekinumab-Therapie hat sich bei schweren Fällen als hocheffektiv erwiesen [58]. Für die Therapie mit Anti-TNF-Antikörpern sind derzeit Assays zur Bestimmung des Talspiegels und zum Nachweis von Anti-Drug-Antikörpern erhältlich. Während sich bei zu niedrigen Talspiegeln eine Intervallverkürzung oder eine Dosiserhöhung des jeweiligen Anti-TNF-Antikörpers empfiehlt, ist beim Nachweis signifikanter AntiDrug-Antikörper ein Wechsel des Anti-TNF-Antikörpers auf einen anderen Anti-TNFAntikörper sinnvoll (Abb. 3.1). Lassen sich bei einem Anti-TNF-Antikörper-Therapieversagen weder Anti-DrugAntikörper noch ein niedriger Drug-Serumspiegel oder infektiöse Ursachen nachweisen, ist ein Therapiewechsel auf ein anderes Therapieprinzip (z. B. Vedolizumab) sinnvoll (Abb. 3.1). Es wurde nachgewiesen, dass hohe Infliximab-Talspiegel und niedrige Anti-DrugAntikörper gegen Infliximab mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine Remission assoziiert sind [61]. Die TAXIT-Studie konnte insbesondere für Infliximab-Spiegel von 3–7 μg/ml einen effizienten Einsatz des Medikaments zeigen [60]. Nach optimierter Dosierungsanpassung war nach 1 Jahr eine fortgesetzte Anpassung der Dosierung an die Infliximab-Talspiegel nicht besser als ein Klinik-basiertes Anpassen der Infliximabdosis, resultierte aber in einer geringeren Anzahl von Schüben während der Therapie [60], was ein Argument für eine proaktive Anpassung der Infliximabdosis sein könnte. Ein reaktives Anpassen der Anti-TNF-Medikation an Talspiegel wird in
3.8 Prädiktion |
43
Wirkverlust des Anti-TNFAntikörpers Zu niedrige Anti-TNFAntikörper-Talspiegel
ADA–
Intervallverkürzung oder DosisErhöhung
ADA+
Wechsel auf anderen AntiTNF-Antikörper
Ausreichende Anti-TNFAntikörper-Talspiegel Endoskopie, Stuhlkultur (C. difficile, CMV)
Wechsel auf ein anderes Therapieprinzip (z.B. Vedolizumab)
Abb. 3.1: Vorgehen bei Wirkverlust von Anti-TNF-Antikörpern. ADA = Anti-Drug-Antikörper (= Antikörper, die gegen den Anti-TNF-Antikörper gerichtet sind).
einer aktuellen AGA-Leitlinie nur bei aktiver CED, nicht aber bei CED in Remission empfohlen [16]. Problematisch ist die Verfügbarkeit der Messungen von Talspiegeln und AntiDrug-Antikörpern, die meist nur an großen universitären Zentren oder Zentrallaboren vorgehalten wird.
3.8 Prädiktion 3.8.1 Klinische Parameter der Krankheitsprädiktion Es gibt eine gute Datenlage, dass sowohl beim M. Crohn als auch bei der Colitis ulcerosa bestimmte klinische Parameter eine gute Voraussage zur Entwicklung eines komplizierten Verlaufs erlauben (Tab. 3.2). Beim M. Crohn ist insbesondere ein stenosierender oder penetrierender Krankheitsphänotyp mit einem schweren Krankheitsverlauf assoziiert. Bei der Colitis ulcerosa konnte eine extensive Krankheitsausdehnung (insbesondere eine Pankolitis) mit einem schweren Krankheitsverlauf assoziiert werden. Während Rauchen den M.-Crohn-Verlauf (auch nach chirurgischen Resektionen) negativ beeinflusst, ist Rauchen ein protektiver Faktor für den Verlauf einer Colitis ulcerosa [12].
3.8.2 Gen- und Biomarker zur Krankheitsprädiktion Für eine Reihe von Biomarkern wurden Prädiktionsmodelle erstellt. Die Mehrzahl der prädiktiven Biomarker-Modelle eignet sich aber noch nicht für die Anwendung im
44 | 3 Anamnese, klinische Untersuchung, Labor
Tab. 3.2: Klinische Prädiktoren für einen schweren Krankheitsverlauf eines M. Crohn und einer Colitis ulcerosa Parameter
Studie
M. Crohn Initiale Notwendigkeit einer Steroidtherapie Alter < 40 Jahre Perianale Fisteln Stenose bei Diagnosestellung Befall des terminalen Ileums Gewichtsverlust > 5 kg bei Diagnosestellung Ausgedehnte tiefe mukosale Ulzera Positiver ASCA-Status Junges Alter bei Diagnosestellung Rauchen
[3], [31] [3], [50] [3], [50], [31], [54] [50], [31] [30], [50] [31] [1] [27] [42] [53], [11], [38]
Colitis ulcerosa Extensive Colitis ulcerosa/Pankolitis Nichtraucher Männliche Patienten Junges Ersterkrankungsalter
[29], [15], [28], [23], [12], [63] [2], [12] [12] [54]
klinischen Alltag. In mehreren Studien wurde die Assoziation zwischen dem CRP-Wert und einem CED-Rückfall (relapse) untersucht. So war in einer Studie mit 351 M.-CrohnPatienten ein erhöhter CRP-Wert ein unabhängiger Risikofaktor für eine Hospitalisation nach 24 Monaten [8]. Eine Reihe von Studien konnte auch den guten Vorhersagewert des fäkalen Calprotectins nachweisen. Tibble et al. zeigten, dass CED-Patienten mit einem hohen Calprotectinwert eine fast 90%ige Relapse-Rate nach 12 Monaten haben [57]. Auch in einer Post-hoc-Analyse von 135 M.-Crohn-Patienten in der POCER-Studie hatten fäkale Calprotectinspiegel von > 100 mg/l eine 89%ige Sensitivität bei einer Spezifität von 58 %, um ein endoskopisches Rezidiv vorauszusagen (negativ prädiktiver Wert von 91 %) [64]. Dies legt nahe, dass der Calprotectinwert auch zur Prädiktion eines postoperativen M.-Crohn-Rezidivs genutzt werden kann. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass der initiale Nachweis von ASCA mit einem stenosierenden bzw. penetrierenden M.-Crohn-Phänotyp 9–10 Jahre nach der Diagnosestellung assoziiert war, was wiederum mit einem erhöhten Risiko für einen chirurgischen Eingriff verbunden war [41]. Auch andere Studien zeigten eine Assoziation eines positiven ASCA-Status mit einem stenosierenden oder penetrierenden M.-Crohn-Phänotyp und einem mindestens 2-fach erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsphänotyp [49].
Literatur
| 45
Interessanterweise scheinen besonders hohe pANCA-Titer bei Colitis-ulcerosaPatienten nach einer Kolektomie mit einem erhöhten Pouchitis-Risiko einherzugehen [25]. Von den derzeit verfügbaren Genmarkern scheint insbesondere eine Homozygotie für die NOD2 p.Leu1007fsX1008-Mutation (rs2066847) einen sehr hohen prädiktiven Wert für einen komplizierten Verlauf eines M. Crohn mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer ilealen Stenose und damit konsekutiv erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine Ileozökalresektion aufzuweisen [22]. In einer großen Multicenterstudie konnte ein genetischer Risiko-Score entwickelt werden, mit dem ein Kolonbefall von einem ilealen Befall unterschieden werden konnte [7]. Auch in diesem Risiko-Score hatte NOD2 einen starken Einfluss. In dieser Untersuchung konnte gezeigt werden, dass sich CED genetisch nicht in zwei, sondern in fünf Subphänotypen klassifizieren lassen: 1. Colitis ulcerosa, 2. Colitis indeterminata, 3. M. Crohn mit Kolonbefall, 4. M. Crohn mit Befall des Ileums und Kolons sowie 5. ilealer M. Crohn [7]. Zusammenfassend ist insbesondere der Calprotectinwert im Stuhl ein guter Verlaufsmarker der intestinalen Entzündungsaktivität bei CED, während die in Tabelle 3.2 aufgeführten Charakteristika Prädiktoren für den CED-Verlauf sind.
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Stephan Brand
4 Phänotyp und Verlaufsformen 4.1 Phänotyp Sowohl der M. Crohn als auch die Colitis ulcerosa sind typischerweise durch einen chronisch rezidivierenden Verlauf charakterisiert. Dabei lassen sich bzgl. Krankheitsphänotyp und Erkrankungslokalisation klassische Subtypen charakterisieren, die im Jahr 2005 in der Montreal-Klassifikation näher definiert wurden [41], wobei diese Klassifikation wiederum auf der sog. Vienna-Klassifikation [13] beruht.
4.1.1 Montreal-Klassifikation der Krankheitslokalisation und des Krankheitsphänotyps Während die Montreal-Klassifikation beim M. Crohn das Alter bei Diagnosestellung, die Lokalisation der Erkrankung und den Erkrankungsphänotyp einbezieht (Tab. 4.1), definiert diese Klassifikation für die Colitis ulcerosa v. a. die Krankheitsausdehnung (Tab. 4.2). Entsprechend dieser Klassifikation fungieren bei der Einteilung des Phänotyps des M. Crohn die Lokalisation im oberen Gastrointestinaltrakt (L4) und ein perianaler Befall (p) als modifizierende Variablen. So bezeichnet z. B. „A1, L1+L4, pB2“ einen Patienten mit einem M. Crohn mit ilealem Befall und Befall des oberen GastrointesTab. 4.1: Montreal-Klassifikation des M. Crohn [41] A: Age – Alter bei Diagnosestellung A1: ≤ 16 Jahre A2: 17–40 Jahre A3: > 40 Jahre L: Localization – Lokalisation der Erkrankung L1: terminales Ileum L2: Kolon L3: Ileum und Kolon L4: oberer Gastrointestinaltrakt B: Behaviour – Krankheitsphänotyp B1: nichtstenosierend/nichtpenetrierend B2: stenosierend B3: penetrierend p: perianaler Befall
https://doi.org/10.1515/9783110492682-005
52 | 4 Phänotyp und Verlaufsformen
Tab. 4.2: Montreal-Klassifikation der Colitis ulcerosa [41] E: Extent – Krankheitsausdehnung
Anatomische Krankheitslokalisation
E1: Ulzerative Proktitis
Ausdehnung auf das Rektum limitiert (d. h., die proximale Ausdehnung ist distal des rektosigmoidalen Übergangs) Ausdehnung ist distal der linken Flexur Ausdehnung auch proximal der linken Flexur
E2: Linksseitige Colitis ulcerosa E3: Extensive Colitis ulcerosa
tinaltraktes mit stenosierendem Phänotyp und perianalem Befall bei einem Ersterkrankungsalter von ≤ 16 Jahren. Andererseits wird ein Patient mit einer ileokolischen Fistel und einer Ileumstenose als „B3“ (= penetrierender Phänotyp) und nicht als stenosierender Phänotyp (B2) eingestuft, weil die ileokolische Fistel zur höherrangigen Klassifikation des penetrierenden Phänotyps führt. Während beim M. Crohn die Lokalisation der Erkrankung relativ stabil ist, kann der Krankheitsverlauf – insbesondere bei unzureichender Therapie – eine zunehmende Dynamik haben. In einer Studie hatten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung über 80 % einen entzündlichen Phänotyp (B1), während 20 Jahre nach Erkrankungsbeginn 18 % einen stenosierenden (B2) und 70 % einen penetrierend-fistulierenden Phänotyp (B3) aufwiesen und nur 12 % einen rein entzündlichen (nichtstenosierenden, nichtpenetrierenden) Phänotyp hatten [6] (Abb. 4.1). 100 kumulative Wahrscheinlichkeit (%)
90 80 70 60
Penetration (Fisteln)
50 40
Entzündung
30
Stenose
20 10 0 0
12 24 36 48 60 72 84 96 108 120 132 144 156 168 180 192 204 216 228 240 Monate
Abb. 4.1: Änderung des Phänotyps des M. Crohn im Laufe der Erkrankungsdauer von einem überwiegend inflammatorischen Phänotyp zu einem stenosierenden und penetrierenden Phänotyp. Originalabbildung aus [6].
4.1 Phänotyp |
53
Auch Louis et al. konnten in einer Studie mit 297 M.-Crohn-Patienten nachweisen, dass die Erkrankungslokalisation stabiler als das Erkrankungsverhalten ist [26]. Nach einer Beobachtungsdauer von 10 Jahren hatten nur 15,9 % eine Änderung der Erkrankungslokalisation, aber 45,9 % eine Änderung des Krankheitsphänotyps. Die dabei am häufigsten beobachteten Phänotyp-Änderungen waren ein Wechsel von einem nichtstenosierenden, nichtpenetrierenden Phänotyp zu einem stenosierenden Phänotyp (in 27,1 % der Fälle) oder zu einem penetrierenden Krankheitsphänotyp (29,4 %) [26]. Interessanterweise hatte in dieser Studie das Alter bei Diagnosestellung keinen Einfluss auf die Lokalisation und den Krankheitsphänotyp [26]. Allerdings war ein ilealer M. Crohn häufiger mit einem stenosierenden Phänotyp assoziiert, während ein M. Crohn mit Befall des Kolons oder Ileokolons häufiger einen penetrierenden Phänotyp aufwies [26]. Obwohl der M. Crohn alle Abschnitte des Gastrointestinaltraktes befallen kann, tritt er am häufigsten im terminalen Ileum und rechtsseitigen Kolon auf (Tab. 4.3). Tab. 4.3: Häufigkeit eines M.-Crohn-Befalls in den verschiedenen Abschnitten des Gastrointestinaltraktes [9] Befallener Abschnitt des Gastrointestinaltraktes
Häufigkeit
Ösophagus Magen Duodenum Proximaler Dünndarm Terminales Ileum Ileum und Kolon Kolon Nur Rektum
0–1 % 2–3 % 2–3 % 5–10 % 25–40 % 40–55 % 15–35 % 15–25 %
In einer Studie von 274 Colitis-ulcerosa-Patienten konnte gezeigt werden, dass nach 5 Jahren in 20 % und nach 10 Jahren in 54 % der Fälle ein Fortschreiten einer Proktitis ulcerosa nach proximal zu beobachten war [29]. Als Risikofaktoren für eine zunehmende Krankheitsausdehnung ermittelten die Autoren die folgenden Charakteristika: Nichtrauchen, mehr als drei Erkrankungsschübe/Jahr und die Einnahme systemischer Steroide oder Immunsuppressiva [29]. Eine aktuelle Studie, die 918 Colitisulcerosa-Patienten über eine mediane Beobachtungszeit von 9 Jahren analysierte, konnte für zwei Drittel der Colitis-ulcerosa-Patienten eine stabile Krankheitslokalisation zeigen, während es bei einem Drittel zu einer Krankheitsprogression oder einer -regression kam [37] (Abb. 4.2).
54 | 4 Phänotyp und Verlaufsformen
linksseitige Colitis
Pancolitis
Krankheitslokalisation nach 9 Jahren
Krankheitslokalisation bei Diagnosestellung
Proktitis
15,6%
16,6% 29,1%
55,3%
71,4% 71,6%
11,8%
19,2%
9,4%
Abb. 4.2: Krankheitsprogression und -regression von Colitis-ulcerosa-Patienten innerhalb eines medianen Beobachtungsintervalls von 9 Jahren. Modizifizierte Originalabbildung aus [37].
4.1.2 Krankheitsaktivität Zur Einschätzung der Krankheitsaktivität wurde eine Reihe von Aktivititätsindizes wie z. B. der Crohn’s Disease Activity Index (CDAI) und der Colitis Activity Index (CAI) entwickelt, die anhand von Klinik, endoskopischer Merkmale und/oder laborchemischer Bestimmungen eine Schweregrad-Einstufung der Krankheitsaktivität von CED erlauben. Eine genaue Übersicht zu den Aktivitätsindizes findet sich in Kapitel 9. Eine gebräuchliche ECCO-basierte Einteilung des M. Crohn in eine leichte, mittlere und schwere Krankheitsaktivität ist in Tabelle 4.4 dargestellt [42]. Als Remission eines M. Crohn wird normalerweise eine Krankheitsaktivität mit einem Crohn’s Disease Activity Index (CDAI) von < 150 definiert. Der CDAI hat eine Reihe von Limitationen, sodass in klinischen Studien zunehmend andere Endpunkte wie z. B. eine endoskopische mukosale Heilung als Therapieziel definiert werden. Entsprechend der Montreal-Klassifikation [41] kann auch die Colitis ulcerosa in drei Schweregrade eingeteilt werden (Tab. 4.5). In einer aktuellen Arbeit klassifizierten CED-Experten verschiedene Variablen bzgl. ihres Einflusses auf den Schweregrad eines M. Crohn und einer Colitis ulcerosa [40]. In dieser Studie waren für die Einstufung des M. Crohn bzgl. Krankheitsschweregrad insbesondere Mukosaläsionen, Fisteln, Abszesse und intestinale Resektionen
4.2 Verlaufsformen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen |
55
Tab. 4.4: Einteilung des M. Crohn entsprechend dem Schweregrad der Erkrankung nach [42]. Leicht
Mittelschwer
Schwer
CDAI: 150–220
CDAI: 220–450
CDAI: > 450
z. B. gehfähige Patienten, die eine orale Nahrungsaufnahme tolerieren, keine Zeichen einer Dehydratation, keine systemische Beteiligung, keine abdominalen Schmerzen und kein tastbares Konglomerat, < 10 % Gewichtsverlust, mit meist erhöhtem CRP
z. B. intermittierendes Erbrechen, Gewichtsverlust von > 10 %, fehlendes Ansprechen auf medikamentöse Behandlung eines leichten M. Crohn oder schmerzhafte Raumforderung, kein Ileus, CRP erhöht
z. B. Kachexie mit BodyMass-Index (BMI) < 18 oder Ileus oder Abszess, anhaltende Symptome trotz intensiver Behandlung, CRPErhöhung
Tab. 4.5: Einteilung der Colitis ulcerosa entsprechend dem Schweregrad der Erkrankung nach [41]. S0
S1
S2
S3
Remission
Leicht
Mittelschwer
Schwer
Asymptomatisch
≤4
>4
≥ 6 und
Blut im Stuhl
Kann vorhanden sein
Ja
Ja
Herzfrequenz
Alle normal
Geringe Veränderungen oder keine Zeichen einer schweren Systemerkrankung
> 90/min oder
Stühle/Tag
Fieber Hämoglobin BSG
> 37,5 °C oder < 10,5 g/dl oder > 30 mm/h
ausschlaggebend, während bei der Colitis ulcerosa dafür v. a. mukosale Läsionen, eine Beeinflussung der täglichen Aktivität, des CRP-Wertes und die Notwendigkeit einer Biologika-Therapie angesehen wurden [40].
4.2 Verlaufsformen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen Der M. Crohn als auch die Colitis ulcerosa sind chronisch rezidivierende Erkrankungen, wobei sowohl lange schubfreie Phasen als auch langanhaltende Phasen chronisch rezidivierender Aktivität auftreten können. Daher lassen sich prinzipiell drei Verlaufsformen unterscheiden: 1. Inaktiver Verlauf 2. Akut-rezidivierender Verlauf 3. Chronisch-aktiver Verlauf
56 | 4 Phänotyp und Verlaufsformen
Beim chronisch-aktiven Verlauf lassen sich wiederum nach dem Ansprechen auf eine Steroidtherapie ein steroidabhängiger und ein steroidrefraktärer Verlauf unterscheiden. In der norwegischen IBSEN-IBD-Kohorte ließen sich nach einem Follow-upIntervall von 10 Jahren (unter Berücksichtigung des Vergleichs mit der initialen Krankheitsaktivität) insgesamt vier verschiedene Verlaufsformen der CED unterscheiden (Abb. 4.3): 1. Remission oder sehr leichte Krankheitsaktivität nach initial hoher Krankheitsaktivität 2. Zunehmende Krankheitsaktivität nach initial sehr niedriger Krankheitsaktivität 3. Chronisch anhaltende Krankheitsaktivität 4. Chronisch intermittierender Krankheitsverlauf
0
10 Jahre
0
10 Jahre
1. Kurve: Remission oder leichte Ausprägung der intestinalen Symptome nach initial hoher Aktivität
2. Kurve: Zunahme der Ausprägung der intestinalen Symptome nach initial niedriger Aktivität
0
0
10 Jahre
3. Kurve: chronische-anhaltende Symptome
10 Jahre
4. Kurve: chronisch-intermittierende Symptome
Abb. 4.3: Beobachtete Verlaufsformen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen in der norwegischen IBSEN-IBD-Kohorte. Originalabbildung aus [32].
4.2 Verlaufsformen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen |
57
Tab. 4.6: Verlauf des M. Crohn nach Diagnosestellung anhand einer Studie von 171 M.-CrohnPatienten, von denen 74 Patienten eine Steroidtherapie erhielten [10]. Kurzzeitverlauf (30 Tage)
Anzahl
Prozentangabe
Inkomplettes Ansprechen Partielles Ansprechen Ansprechen Kein Ansprechen
43/74 19/74 62/74 12/74
58 % 26 % 84 % 16 %
24/74 21/74 28/74
32 % 28 % 38 %
Langzeitverlauf (1 Jahr) Dauerhaftes Ansprechen Steroidabhängigkeit Operation
4.2.1 Krankheitsverlauf der Colitis ulcerosa Langholz et al. konnten zeigen, dass bei der Colitis ulcerosa der Anteil der Patienten mit einer bestimmten Krankheitsaktivität über die beobachtete Zeitperiode von 25 Jahren relativ stabil war [22]. In den meisten Jahren dieser Beobachtungsperiode waren 50 % der in diese Studie eingeschlossenen Kolitis-Patienten in einer klinischen Remission. Die Kolektomierate betrug in dieser Studie nach 10 Jahren 24 % [22]. Die kumulative Wahrscheinlichkeit für einen schubweisen Verlauf war 90 % in dem 25jährigen Beobachtungsintervall [22]. Im 3.–7. Jahr nach der Diagnosestellung waren 25 % der Kolitis-Patienten in Remission, 18 % hatten jedes Jahr eine aktive Erkrankung und 57 % hatten einen intermittierenden, schubweisen Verlauf [22]. Eine hohe Krankheitsaktivität in den ersten zwei Erkrankungsjahren war auch mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine Krankheitsaktivität in den folgenden 5 Jahren assoziiert. Die Studie zeigte bei 92,8 % der Studienteilnehmer nach einer Krankheitsdauer von 10 Jahren eine erhaltene Arbeitsfähigkeit, was einen vergleichsweise guten Wert darstellt, da diese Studie aus der PräBiologika-Ära stammt [22].
4.2.2 Krankheitsverlauf des Morbus Crohn Wie die Studie von Cosnes et al. zeigen konnte, ist für den M. Crohn eine Änderung von einem entzündlichen zu einem stenosierenden oder penetrierenden (fistulierenden) Phänotyp charakteristisch [6]. Die Phänotyp-Kategorisierung in dieser Studie änderte sich von initial > 80 % Patienten mit inflammatorischem Phänotyp zu fast 90 % mit stenosierendem oder penetrierendem Phänotyp nach 20 Jahren [6] (Abb. 4.1). Auch in der Studie von Louis et al. erhöhte sich der Anteil der Patienten mit einem stenosierenden oder penetrierenden Phänotyp von 26,3 % zum Zeitpunkt der Diagnosestellung auf 48 % nach 5 Jahren und auf fast 70 % nach 10 Jahren [26].
58 | 4 Phänotyp und Verlaufsformen
Striktur
Schaden am Verdauungstrakt
Operation
Fistel/Abszess
Striktur
Krankheitsbeginn präklinisch
Diagnose
inflammatorische Aktivität (CDAI, CDEIS, CRP)
Zum Krankheitsverlauf des M. Crohn werden darüber hinaus folgende Zahlen angegeben [24, 34]: M.-Crohn-Patienten, die über 1 Jahr in Remission sind, haben eine 80%ige Wahrscheinlichkeit, auch in den folgenden Jahren in Remission zu sein. M.-Crohn-Patienten mit aktiver Erkrankung im Vorjahr haben ein 70%ige Wahrscheinlichkeit, im nächsten Jahr ebenfalls eine aktive Erkrankung zu haben und eine 50%ige Chance innerhalb der nächsten 3 Jahre in Remission zu gelangen. Insgesamt haben 13 % einen schubfreien Verlauf, während 20 % jährliche Schübe haben. 67 % haben eine Kombination aus schubfreien Jahren mit M.-Crohn-Schüben innerhalb der ersten 8 Jahre nach Diagnosestellung. Weniger als 5 % haben einen kontinuierlichen Verlauf einer konstant aktiven Erkrankung. Insgesamt besteht bei M.-Crohn-Patienten eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit für die Notwendigkeit einer Operation (insbesondere Ileozökalresektion) im Laufe des Lebens, die in den meisten Studien bei > 50 % lag. Von einer Expertengruppe wurde auf der Grundlage der Erkrankungslokalisation, der Krankheitsschwere, der Ausdehnung, der Krankheitsprogression und -reversibilität (quantifiziert durch Bildgebung und Endoskopie) sowie anhand der Vorgeschichte von chirurgischen Resektionen der Crohn’s Disease Digestive Damage Score (sog. Lémann-Score) etabliert. Der Lémann-Score kann auch grafisch präsentiert werden, wobei auf der x-Achse die Krankheitsdauer (Zeit) und auf der y-Achse der Schweregrad der Darmschädigung aufgetragen wird (Abb. 4.4).
Krankheitsbeginn klinisch
Abb. 4.4: Grafische Darstellung der Darmschädigung bei einem theoretischen Patienten mithilfe des Lémann-Scores. Originalabbildung aus [33].
4.3 CED-Definitionen |
59
In einer Studie, in der schon bei 39,4 % strukturelle Darmschäden (wie Stenosen, Fisteln oder Abszesse) bei Diagnosestellung eines M. Crohn gefunden wurden, war ein Strukturschaden des Darms zugleich auch der wichtigste prognostische Risikofaktor für die Notwendigkeit eines darmchirurgischen Eingriffs (Hazard Ratio [HR]: 3,21) [11]. 2–10 Jahre nach der Erstdiagnose hatten fast zwei Drittel der M.-Crohn-Patienten in einer Studie einen substanziellen Mukosaschaden [14]. Ein hoher Lémann-IndexScore bei der ersten Evaluation, die Krankheitsdauer, eine anhaltende klinische Aktivität und intestinale Resektionen waren mit einem Mukosaschaden assoziiert [14]. Die wichtigen Verlaufsbeobachtungen zum M. Crohn [6, 26] und zur Colitis ulcerosa [22] fanden im Wesentlichen in der Prä-Biologika-Ära statt. Inzwischen gibt es umfangreiche Daten, die zeigen, dass eine mukosale Heilung, wie sie z. B. von AntiTNF-Antikörpern induziert werden kann, mit einem günstigen CED-Verlauf und einer geringeren Rate an chirurgischen Eingriffen assoziiert sind [12, 38]. Es ist davon auszugehen, dass Therapiestrategien, die auf eine frühzeitige tiefe mukosale Heilung ausgerichtet sind und Strukturschäden am Darm verhindern können, zu einer signifikanten Verbesserung des natürlichen CED-Verlaufs führen [1]. Allerdings liegen dazu Daten, die wie die Studien von Cosnes [6] und Langholz [22] Beobachtungsintervalle von 20 oder 25 Jahre nach Ersterkrankung haben, noch nicht vor.
4.3 Leitlinien-basierte Definitionen des Krankheitsverlaufs chronisch entzündlicher Darmerkrankungen In den aktuellen ECCO-Leitlinien wurde versucht, die oft arbiträr festgelegten Verlaufsformen durch Definitionen näher einzugrenzen [15, 28].
4.3.1 Steroidrefraktäre Erkrankung Die aktuellen ECCO-Leitlinien definieren eine steroidrefraktäre Erkrankung, wenn trotz einer Steroiddosis von 1 mg/kg/Tag Prednisolon (oder Prednisolonäquivalent) über eine Zeitdauer von 4 Wochen immer noch ein aktiver M. Crohn vorliegt [15]. In der ECCO-Leitlinie für die Colitis ulcerosa aus dem Jahr 2012 wurde Steroidrefraktärität als Krankheitsaktivität trotz einer Prednisolondosis von 0,75 mg/kg/Tag definiert [7].
4.3.2 Steroidabhängige Erkrankung Eine steroidabhängige Erkrankung liegt vor, wenn zumindest einer der beiden folgenden Punkte erfüllt ist [7, 15]: 1. Unmöglichkeit, innerhalb von 3 Monaten die Steroide unter eine ÄquivalenzTagesdosis von 10 mg Prednisolon zu senken (beim M. Crohn auch die Unmöglich-
60 | 4 Phänotyp und Verlaufsformen
2.
keit einer Budesonid-Reduktion unter 3 mg Budesonid/Tag), ohne eine erneute Krankheitsaktivierung auszulösen oder Erneuter Krankheitsschub innerhalb von 3 Monaten nachdem die Steroide beendet wurden.
4.3.3 Immunmodulator-refraktäre Colitis ulcerosa Die ECCO-Leitlinie definiert eine immunmodulatorabhängige Colitis ulcerosa, wenn bei Patienten eine aktive Erkrankung oder ein erneuter Schub trotz Thiopurintherapie in adäquater Dosis (Azathioprin 2,0–2,5 mg/kg/Tag oder Mercaptopurin 1,0– 1,5 mg/kg/Tag) auftritt [7].
4.3.4 Refraktäre distale Colitis ulcerosa Die ECCO-Leitlinie für Colitis ulcerosa definiert eine refraktäre distale Kolitis, wenn trotz oraler und topischer Steroide und 5-Aminosalicylaten nach 4–8 Wochen immer noch eine aktive intestinale Entzündung vorliegt [7].
4.3.5 Wiederauftreten eines Morbus Crohn nach chirurgischer Resektion Das Wiederauftreten eines M. Crohn nach erfolgter chirurgischer Resektion (im Englischen auch als recurrence bezeichnet) ist als Nachweis M.-Crohn-typischer Läsionen nach dem chirurgischen Eingriff definiert, wobei sich dafür die endoskopische Klassifikation nach Rutgeerts et al. [36] etabliert hat, die wie folgt definiert ist: i0: eine Läsionen i1: weniger als fünf aphthöse Läsionen i2: mehr als fünf aphthöse Läsionen mit normaler Mukosa zwischen den Läsionen oder ausgesparten Arealen oder größere Läsionen, die auf die ileokolische Anastomose beschränkt sind i3: diffuse aphthöse Ileitis mit diffus entzündeter Mukosa i4: diffuse ileale Entzündung mit größeren Ulzera, nodulären Strukturen oder Lumeneinengung
4.3.6 Ausdehnung der Erkrankung Entsprechend der Ausdehnung der Erkrankung kann man zwischen lokalisierter Erkrankung und extensivem M. Crohn unterscheiden [15]. Eine lokalisierte Erkrankung liegt vor, wenn weniger als 30 cm erkrankt sind. Dies liegt typischerweise bei einem klassischen M. Crohn vor (< 30 cm Ileum mit oder ohne rechtsseitiges Kolon). Diese
4.4 Malignome und Mortalität
| 61
Bezeichnung wird aber auch bei kurzstreckigem Kolonbefall des M. Crohn oder bei proximalem Dünndarmbefall verwendet [15]. Im Gegensatz dazu wird als langstreckiger M.-Crohn-Befall eine Krankheitsausdehnung von mehr als 100 cm unabhängig von der Lokalisation bezeichnet [15]. Offensichtlich liegt mit diesen Definitionen eine „Grauzone“ für eine Erkrankungsausdehnung zwischen 30 und 100 cm vor, allerdings hat das Vorliegen einer extensiven Erkrankung Auswirkungen auf die medizinische und chirurgische Therapie. Die Colitis-ulcerosa-Ausdehnung wird nach der Montreal-Klassifikation als Proktitis (E1), linksseitige Kolitis (E2) und extensive Kolitis (E3) klassifiziert (s. Kap. 4.1.1).
4.4 Malignome und Mortalität CED-Patienten haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von kolorektalen Karzinomen, wobei das Risiko bei Colitis-ulcerosa-Patienten höher als bei M.-CrohnPatienten liegt. Die wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms bei Kolitis-Patienten sind: 1. Ausdehnung der Kolitis, 2. Erkrankungsdauer, 3. hohe Entzündungsaktivität, 4. Vorhandensein von Pseudopolypen, 5. positive Familienanamnese für ein sporadisches kolorektales Karzinom und 6. gleichzeitiges Vorliegen einer primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) [27]. Bei Vorliegen einer PSC ist das kolorektale Karzinomrisiko etwa um den Faktor 4 erhöht, sodass bei diesen Patienten – trotz der meist eher geringen Kolitisaktivität – jährliche Vorsorgekoloskopien empfohlen werden. Patienten mit einer Proktitis ulcerosa haben wahrscheinlich kein wesentlich erhöhtes Erkrankungsrisiko für ein kolorektales Karzinom. M.-CrohnPatienten haben zusätzlich ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für Dünndarmkarzinome [31]. Auch die CED-Therapie kann das Malignomrisiko erhöhen. So ist z. B. eine Thiopurintherapie mit einem erhöhten Risiko für Non-Hodgkin-Lymphome und NichtMelanom-Hauttumore assoziiert [2, 3, 21], während Anti-TNF-Antikörper das Risiko für eine Melanomentwicklung erhöhen [25]. Die vor Einführung der Steroide noch deutlich erhöhte Mortalität der Colitis ulcerosa hat in den letzten Jahrzehnten massiv abgenommen, sodass heute für Patienten mit Colitis ulcerosa eine nur geringfügig reduzierte Lebenserwartung gegenüber der Normalpopulation angenommen wird [4, 18, 19]. Das Mortalitätsrisiko ist bei alten Colitis-ulcerosa-Patienten (auch wegen Komorbiditäten) und bei Patienten mit extensiver Kolitis (infolge einer erhöhten Operationswahrscheinlichkeit) am höchsten. In einer aktuellen Arbeit zeigte sich über einen Zeitraum von 20 Jahren keine erhöhte Mortalität und – zumindest in dieser Arbeit – auch keine erhöhte Anzahl von Malignom-assoziierten Todesfällen gegenüber der Allgemeinbevölkerung [17].
62 | 4 Phänotyp und Verlaufsformen
Für den M. Crohn gibt es ebenfalls stark schwankende Angaben bzgl. der Mortalität im Vergleich zur Normalbevölkerung. Allerdings gehen auch hier neuere Arbeiten insgesamt von einer fast normalen oder nur gering reduzierten Lebenserwartung aus [5, 20, 39].
Literatur [1] [2]
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Ulf Helwig
5 Sonografie 5.1 Einleitung In den letzten Jahren hat der Stellenwert der Abdomensonografie in der gastroenterologischen Primär- und Verlaufsdiagnostik deutlich zugenommen. Neben der Diagnostik und Verlaufskontrollen der Leber- und Gallenwegserkrankungen sowie Pankreaserkrankungen hat die diagnostische Sicherheit bei der Detektion von entzündlichen Erkrankungen des Dünn- und Dickdarms einen entscheidenen Stellenwert eingenommen. Die spontane und ubiquitäre Verfügbarkeit sowie der patientenfreundliche Zugang tragen zum Erfolg des Einsatzes der Abdomensonografie bei. Ein häufiger Kritikpunkt gegenüber der Sonografie ist allerdings die unterschiedliche Untersucherund Gerätequalität, die unmittelbaren Einfluss auf das Untersuchungsergebnis hat.
5.2 Patientensicht Die Abdomensonografie ist die von Patienten am meisten geschätzte Untersuchungsmethode, weil sie für Patienten mehrere Vorteile bietet: – In vielen gastroenterologischen Praxen und CED-Zentren wird die Sonografie während eines Vorstellungstermines angeboten, sodass keine erneuten Wartezeiten anfallen. – Häufig führt die/der behandelnde Ärztin bzw. Arzt die Sonografie selbst durch, sodass kein erneutes Vertrauensverhältnis aufgebaut werden muss. – Das Ergebnis wird sofort mitgeteilt und diskutiert, sodass keine zeitverzögernde Unsicherheit des Ergebnisses anfällt. – Weiterhin ist die Untersuchungsmethode durch den direkten Kontakt zur/zum behandelnden Ärztin oder Arzt sehr empathisch und es erfolgt eine direkte Interaktion bei Unwohlsein oder Schmerz. – Bei der Abdomensonografie wird der Patient nicht allein gelassen und durch eine teils geschlossene Röhre ohne Beistand durchgeführt. – Die Abdomensonografie bedarf keiner unangenehmen Vorbereitung wie bei der Koloskopie oder der MRT-Sellink-Untersuchung. – Die Abdomensonografie weist keinerlei Risiken auf wie Perforationsgefahr bei der Koloskopie, Obstruktionsgefahr bei der Kapselendoskopie oder Strahlenbelastung bei der Röntgenuntersuchung. Die Sonografie wird als schnittbildgebende Untersuchungsmethode von den Patienten bevorzugt.
https://doi.org/10.1515/9783110492682-006
66 | 5 Sonografie
5.3 Kosten In vielen Zentren wird der Ultraschall bei einer Verlaufsvisite mit angeboten. Die für die Krankenkassen anfallenden Kosten sind denkbar gering: In der KV-organisierten Praxis ist die Sonografie mit 16,38 € taxiert (Abdomensonografie EBM [= Einheitlicher Bewertungsmaßstab] Leistungsziffer 33042), meist ist sie mit dem Regelleistungsvolumen bereits vergütet. Ebenso stellt sich die Vergütungssituation bei einer Institutsermächtigung dar, bei der eine Pauschale für die gesamte Behandlung veranschlagt wird. In der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) wird die Darmsonografie mit 26,81 €(Abdomensonografie eines Organs Ziffer 410 GOÄ, Faktor 2,3) taxiert. Dem stehen Kosten für ein CT im EBM von 101,85 €(inkl. der Kontrastmittelapplikation) und in der GOÄ von 286,19 €(CT-Abdomen + Kontrastmittelgabe Ziffer 5372 GOÄ: 272,78 €– Faktor 1,8; + Ziffer 344 GOÄ Kontrastmittelgabe: 13,41 €– Faktor 2,3) ohne das Kontrastmittel. Die Strahlenbelastung eines CT-Abdomens entspricht 10–25 mSv und ist damit mehr als 500-mal höher als bei einer konventionellen Rö-Thorax-Aufnahme (0,02–0,08 mSv). Das MRT des Abdomens wird mit 142,98 € im EBM und mit 475,05 € (MRT-Abdomen + Kontrastmittelgabe Ziffer 5720 GOÄ: 461,64 €– Faktor 1,8; + Ziffer 344 GOÄ Kontrastmittelgabe: 13,41 €– Faktor 2,3) berechnet. Ein MRT-Sellink wird im EBM ohne zusätzliche Kosten berechnet, in der GOÄ kann diese Untersuchung mit 579,97 € berechnet werden (MRT-Sellink + Kontrastmitelgabe Ziffer 5720 GOÄ: 461,64 €– Faktor 1,8; + Ziffer 5731 GOÄ: 104,92 €– Faktor 1,8; + Ziffer 344 GOÄ Kontrastmittelgabe: 13,41 €– Faktor 2,3). Die Verfügbarkeit ist rar und die Wartezeiten belaufen sich häufig auf mehrere Wochen bis Monate. Die Darmsonografie wird mit einem Bruchteil der anderen Schnittbildverfahren honoriert.
5.4 Darmsonografie beim Morbus Crohn 5.4.1 Darmsonografie in der Primärdiagnostik des Morbus Crohn Misst man die Sensitivität und Spezifität eines diagnostischen Verfahrens bei CED werden als Goldstandard die Endoskopie, die Kapselendoskopie und der chirurgische Befund herangezogen. Auf diesem Weg verhindert man, die Sonografie mit dem „Goldstandard“ des MRT zu vergleichen. Denn auch der „Goldstandard“ ist nicht 100%ig. Bezüglich der Primärdetektion des M. Crohn hat die Sonografie eine Sensitivität von 75–93 % und eine Spezifität von 98–100 %, während das MRT eine Sensitivität von 77–91 % und eine Spezifität von 87–100 % aufweist [1]. Bezüglich der Ausdehnung der Entzündung – ebenso als Standard gemessen an den endoskopischen Befunden – weist die Sonografie eine Sensitivität von 74–96 % und eine Spezifität von 65–98 % auf, während das CT eine Sensitivität von 88 % und eine Spezifität von 88 % hat und
5.4 Darmsonografie beim Morbus Crohn
|
67
für das MRT eine Sensitivität von 38–88 % und eine Spezifität von 91–100 % beschrieben ist. Die Krankheitsaktivität kann ebenso anhand der Sonografie mittels Beschreibung der Wanddicke und des Dopplersignals gut bestimmt werden. So zeigt sich eine Sensitivität des Darmultraschalls von 63–100 % und eine Spezifität von 82–100 %, während das CT nur eine Sensitivität von 60–100 % mit einer Spezifität von 50–100 % aufweist und das MRT 59–100 % bei einer Spezifität von 55–100 % [1] (Tab. 5.1). Tab. 5.1: Normwerte Wanddicke einzelner Darmabschnitte Terminales Ileum: K. ascendens: K. transversum: K. descendens: K. sigmoideum:
< 3 mm < 3 mm < 3 mm < 3 mm < 4 mm
Somit ist die Darmsonografie bzgl. der Sensitivität und Spezifität dem Abdomen-CT und -MRT mindestens gleichwertig, in einigen Studien sogar überlegen. Die häufig kritisierte geringe Interobservervariabilität kann durch gezielte Schulungen in der Darmsonografie verbessert werden (unpublizierte Daten der TRUST-UC-Studie). Die Darmsonografie ist bzgl. Sensitivität und Spezifität der Primärdiagnostik des M. Crohn dem Abdomen-CT und -MRT mindestens gleichwertig.
5.4.2 Darmsonografie in der Verlaufsdiagnostik Es gibt mehrere Fallserien zur Verlaufsdiagnostik des M. Crohn, eine systematische prospektive Studie mit über 240 Patienten ist kürzlich publiziert worden [2]. Hierbei zeigte sich, dass ein sonografisches Monitoring sehr gut mit Beschwerden und Laborergebnissen korreliert. Diese Ergebnisse belegen, dass die bereits in vielen Zentren durchgeführten Therapieverlaufskontrollen mittels Sonografie sinnvoll sind.
5.4.3 Detektion von Komplikationen beim Morbus Crohn Die beim M. Crohn im Verlauf der Erkrankung möglicherweise auftretenden Komplikationen umfassen die Stenosen sowie die extramuralen Komplikationen wie Fisteln und Abszesse. Stenosen des Dünn- und Dickdarms können mittels Darmultraschall mit hoher Sensitivität (72 %) und hoher Spezifität (92 %) detektiert werden [1]. Die Sensitivität zur Erkennung von Abszessen variiert zwischen 81 und 100 % mit einer Spezifität zwischen 92 und 100 % je nach Studie [1, 3]. Die Detektion von Fisteln wird in
68 | 5 Sonografie
Metaanalysen mit einer Sensitivität von 74 % und einer Spezifität von 96 % angegeben [1]. Bei der Detektion von Abszessen kann die Anwendung der kontrastmittelunterstützten Darmsonografie in Einzelfällen hilfreich sein [4]. Komplikationen wie Stenosen, Fisteln und Abszesse können mit einer hohen Sensitivität und Spezifität durch den Ultraschall detektiert werden.
5.5 Darmultraschall bei Patienten mit Colitis ulcerosa Darmultraschall kann klinisch auch sinnvoll in der Primär- und Verlaufsdiagnostik bei Colitis ulcerosa eingesetzt werden, wenngleich die Datenlage hier deutlich geringer ist als beim M. Crohn. Die Sensitivität zur Detektion von Entzündungsaktivität im Kolon bei Colitis ulcerosa wird in der Literatur mit bis zu 90 % angegeben [5], wenngleich die Zahl in der klinischen Praxis vermutlich etwas geringer ausfallen wird. Das typische Zeichen der intestinalen Entzündung bei Colitis ulcerosa ist die Verdickung der Mukosa, aber häufig auch der echoreichen Submukosa infolge von Entzündungsödemen. Manchmal können bei chronischen Verlaufsformen auch Pseudopolypen oder auch ein Verlust der Haustrierung nachgewiesen werden. Da sich die Änderungen der Darmwanddicke unter Therapie sonografisch früh darstellen, stellt der Darmultraschall gerade in der Verlaufsdiagnostik unter Therapie eine wertvolle Methode dar. Erste Daten lassen auch vermuten, dass es eine geeignete Methode darstellt, um den individuellen Krankheitsverlauf zu beurteilen [6].
5.6 Spezielle Techniken des Darmultraschalls 5.6.1 Striktur und Kontrastmittelsonografie Zur Detektion einer Striktur ist die Darmsonografie genauso geeignet wie das MRT oder PET—CT. Die Differenzierung zwischen entzündlicher Striktur oder narbiger Striktur ist im B-Bild und in der Duplexsonografie häufig nicht eindeutig [7]. In der Leberdiagnostik hat die Bestimmung des fibrotischen Umbaus mittels Elastografie nach anfänglichen Unsicherheiten einen bedeutenden Stellenwert eingenommen [8, 9]. Ob in ähnlicher Weise die Elastografie in Zukunft die Unterscheidung der Striktur von der entzündlichen Aktivität in der Darmsonografie differenzieren kann, bleibt noch offen. Erste Studien hierzu sind vielversprechend, weitere Daten sind abzuwarten [10]. Die Anflutung von Kontrastmittel kann eine Differenzierung zwischen entzündlichen und nichtentzündlichen Arealen ermöglichen, was durch eine Vielzahl von Studien belegt wird. Da andere schnittbildgebende Verfahren eine ähnlich geringe
5.6 Spezielle Techniken des Darmultraschalls
|
69
Spezifität aufweisen, muss bei der Einschätzung der Spezifität die Endoskopie und Histologie als vergleichender Standard gelten. Eine kürzlich erschienene Metaanalyse, die nur Studien im Vergleich zur Endoskopie eingeschlossen hat, ermittelt eine Sensitivität von 93 % und eine Spezifität von 87 % [11]. Sicherlich führt die Kontrastmittelsonografie zum Verlust von verschiedenen beschriebenen Vorteilen der Sonografie: Die spontane und ubiquitäre Verfügbarkeit besteht nicht. Durch das Legen eines Venenzugangs verliert das Verfahren an Patientenfreundlichkeit und durch die potenzielle Gefahr der allergischen Reaktion verliert es auch den nebenwirkungsfreien Status. Aufgrund der exzellenten Datenlage muss hier allerdings individuell für jeden Patienten neu entschieden werden, ob die Kontrastmittelsonografie einen bedeutenden diagnostischen Erkenntniszuwachs hat, der eine Therapieentscheidung wie z. B. Eskalation der immunsuppressiven Therapie vs. Operation nach sich zieht. Dann sind sämtliche Nachteile der Kontrastmittelsonografie hinfällig, weil andere diagnostische Mittel wie Endoskopie, CT, MRT oder laparoskopische Exploration ein deutlich größeres Spektrum an Nachteilen aufweisen würden.
5.6.2 Duplexsonografie Die Darstellung des Truncus coeliacus und der A. mesenterica superior kann durch die Duplexsonografie ergänzt werden. Es können höhergradige Stenosen detektiert werden, die differentialdiagnostisch einen Abdominalschmerz erklären könnten [12, 13]. Weiterhin kann versucht werden, durch die Duplexsonografie die Krankheitsaktivität einzuschätzen. Bei hoher Aktivität ist ein erniedrigter RI-Index zu erwarten [14–16]. Klare Angaben zur Sensitivität und Spezifität sind hier nicht gegeben und die Ergebnisse wurden bisher von anderen Arbeitsgruppen nicht validiert.
5.6.3 Perinealer Ultraschall zur Detektion von Fisteln und Abszessen Maconi et al. (n = 46) beschreiben bei der Detektion perianaler und transsphinktärer Fisteln eine Sensitivität von 94,4 %. Anovaginale Fisteln werden mit einer Sensitivität von 90 % und Abszesse mit einer Sensitivität von 47,8 % im Vergleich zum Goldstandard MRT beschrieben. Temacciano beschrieb bei einer Patientenzahl von n = 28, dass die Sensitivität der Fisteldarstellung im Vergleich zum MRT je nach Klassifikation der Fisteln schwankt: die Parks-Klassifikation zugrunde legend wurden 75 % der Fälle, bei der AGA-Klassifikation 86 % der Fälle detektiert (gemessen mit einem 7,5-MHzSchallkopf).
70 | 5 Sonografie
5.7 Technik der Darmsonografie 5.7.1 Vorbereitung Um eine Überlagerung durch Dünndarmfüllung zu vermeiden, wird allgemein empfohlen, die Untersuchung nüchtern oder nach einer Fastenzeit von 6 Stunden durchzuführen. Daten der vergleichenden Qualitätsverbesserung durch Fastenperiode gibt es kaum, eine gerade eingenommene Mahlzeit stellt keine Kontraindikation für eine Darmsonografie dar. In manchen Fällen kann eine Provokationsmahlzeit zur Identifikation von Strikturen und Peristaltikstörungen sogar hilfreich sein. Zur Verbesserung der Darstellung der Dünndarmzotten und zur Optimierung der Darmdistension kann die Präparation mit einer PEG-Lösung hilfreich sein (SICUS = Small intestinal contrast enhanced ultrasonography) [17–19]. Die Datenlage ist allerdings nicht ausreichend, um eine obligatorische Vorbereitung zu empfehlen, zumal hier mehrere Vorteile der Sonografie unterwandert werden würden (Patientenfreundlichkeit, sofortige Verfügbarkeit). Bei klinischem Verdacht eines Dünndarmbefalls kann es hilfreich sein, vor einer Koloskopie die Vorteile einer PEG-Vorbereitung auch in der Sonografie zu nutzen.
5.7.2 Patientenlagerung Die Abdomensonografie wird meist in Rückenlage durchgeführt. Inspiration und Expiration sowie Valsalva-Mannöver können die Darstellung verändern und sollten bewusst eingesetzt werden. Lageabhängige Veränderungen der Luft und der Flüssigkeit lässt jegliche Lageänderung des Patienten zu. So kann die Untersuchung in Linksoder Rechtsseitenlage oder auch im Stehen den Untersuchungsfokus verbessern und sollte, um Verwirrungen zu vermeiden, mit dem Patienten kommuniziert werden.
5.7.3 Strukturiertes Vorgehen der Untersuchung Um Komplikationen in der Tiefe zu detektieren, sollte zunächst eine Übersichtsuntersuchung mit dem Konvexschallkopf mit einer Frequenz von 2,5–6 MHz stattfinden [20]. Der Fokus liegt hier bei der Detektion von freier Flüssigkeit und Füssigkeitsansammlung wie Zysten, aber auch Abszesse im kleinen Becken oder des M. Psoas. Weiterhin dient die Übersicht zur Detektion unerwarteter Strukturen wie Tumore oder Organveränderungen, die im Linearschallkopf nicht immer identifiziert werden können. Die Darmsonografie erfolgt anschließend mit der Linearschallkopfsonde mit hoher Auflösung zwischen 7,5 und 14 MHz [20].
5.7 Technik der Darmsonografie
| 71
Die Untersuchung des terminalen Ileums erfolgt durch Auffinden der Leitstrukturen (Musculus psoas, Iliakalgefäße), dem folgt die segmentale Darstellung des Kolons (K. ascendens, transversum, descendens, sigmoideum und Rektums). Wichtig ist hierbei, dass die Flexuren teils nur von dorsal dargestellt werden können. Bei der Darmuntersuchung liegt das Hauptaugenmerk auf der Wanddicke und der Umgebungsreaktion. Das Duodenum wird nach Aufsuchen des Magens und der Darstellung des Pylorus dargestellt, ggf. kann der Pankreaskopf als Leitstruktur dienen. Die restlichen Dünndarmstrukturen sind nicht strukturiert darstellbar, hier wird mit einem gleichmäßgen Durchmustern des Abdomens nach Störungen der Peristaltik, Wandverdickung und prästenotisch dilatierten Darmsegmenten gesucht.
5.7.4 Detektion von Wandverdickungen Wird eine mutmaßliche Wandverdickung detektiert, erfolgt die weitere Charakterisierung der Wanddicke: – Darstellung der Wanddicke im Längs- und Querformat – Beschreibung der Wanddicke (konzentrisch, nichtkonzentrisch) – Messung der Wanddicke und Abgleich mit Normwerten (Tab. 5.1) – Messung der Länge der Wandveränderung – Beschreibung der Wandstruktur (Aufhebung der Wandschichtung vs. Abgrenzung der Wandschichten möglich; welche Wandschicht erscheint vergrößert) (Tab. 5.2, Abb. 5.1) – Beschreibung des Duplexverhaltens angelehnt an den Limberg-Score (Tab. 5.3) – Beschreibung der Umgebungsreaktion (Pannusbildung, Lymphknoten, Abszesse, Fisteln) (Abb. 5.2 bis 5.5)
Tab. 5.2: Echogenität der Wandschichten Echogenität der Schicht
Anatomische Struktur
Echoarm oder echoreich mit dorsaler Schallauslöschung Echoreich Echoarm Echoreich Echoarm Echoreich
Lumen (Flüssigkeit oder Luft) Eintrittschall/Epithel Mukosa Submukosa Muscularis propria Serosa
72 | 5 Sonografie
Abb. 5.1: Messung der Wanddicke und Stratifizierung der Wand.
Abb. 5.2: Beschreibung der Umgebungsreaktion.
5.7 Technik der Darmsonografie
| 73
Abb. 5.3: Terminales Ileum mit Fistel.
Abb. 5.4: Abszess mit Fistel vom terminalen Ileum ausgehend.
Tab. 5.3: Beschreibung des Duplexverhaltens mittels Limberg-Score LimbergStadium
Duplexverhalten
1 2 3 4
verdickte Darmwand, keine intraluminalen Gefäße, keine Hyperämie in der verdickten Darmwand kurzstreckige Gefäße nachweisbar, Hyperämie Grad I langstreckige Gefäßabschnitte in der Darmwand darstellbar, Hyperämie Grad II langstreckige Gefäße bis in das angrenzende Mesenterium, Hyperämie Grad III
74 | 5 Sonografie
Abb. 5.5: Ileitis terminalis mit erhaltener Wandstruktur und vermehrter Perfusion.
5.8 Perineale Sonografie 5.8.1 Technik Die perineale Sonografie wird meist in Linksseitenlage oder in Steinschnittlage durchgeführt. Es ist in der Literatur der Einsatz von Schallköpfen mit einer Frequenz von 2,5– 7,5 MHz beschrieben. Zur hygienischen Sicherheit sollte ein Schallkopfüberzug verwendet werden. Neben handelsüblichen Schallkopfüberziehern kann der Schallkopf auch mit einem ungepuderten Handschuh überzogen werden. Gepuderte Handschuhe erhöhen die Artefaktrate. Nach Aufsetzen des Schallkopfes erfolgt die strukturierte Untersuchung entlang der Rima ani, wobei die Detektionssicherheit durch drehende Bewegung erhöht werden kann. Bei Fistelostien kann die Applikation von Wasserstoffperoxid, oder einfacher mit kohlensäurehaltigem Mineralwasser, die Sensitivität erhöhen [21–23]. Eine rektale oder vaginale Präparation wird diskutiert. Einige Studien machen keine Angaben zur Präparation, bei anderen wurde Sonogel oder Gastrografin in das Rektum und/oder die Vagina installiert. Fisteln werden klassifiziert nach der Parks-Klassifikation oder AGA-Klassifikation.
5.8.2 Parks-Klassifikation Fisteleinteilung nach: – oberflächlich – intersphinktär – transsphinktär
5.9 Fazit
– –
| 75
extrasphinktär suprasphinktär
5.8.3 American Gastroenterology Association(AGA)-Klassifikation [24] Einteilung nach einfachen Fisteln und komplexen Fisteln: Einfache Fisteln: – tief liegend – ein Fistelostium – keine Schmerzen – keine Sekretion – kein Hinweis auf rekto-vaginale Fistel – kein Hinweis auf anorektale Striktur Komplexe Fisteln: – hoch liegend – mehrere Ostien – schmerzhafte Fisteln – Sekretion oder v. a. perianalen Abszess – Assoziation mit rekto-vaginalen Fisteln – Anorektale Striktur – Anorektale Entzündungsreaktion
Eine ähnliche Vorgehensweise ist auch bei v. a. transkutane Fisteln oder oberflächliche Abszesse in anderen Lokalisationen wie z. B. der Bauchdecke einzuhalten. Die Detektion perianaler und transsphinktärer Fisteln haben sowohl beim transrektalen Ultraschall (TRUS) als auch beim perinealen Ultraschall (TPUS) eine Sensititvät von 94,4 %, bei anovaginalen Fisteln eine Sensitivität von 90 % und bei Abszessen eine Sensitivität von 47,8 % gemessen. Aufgrund der noch mäßigen Datenlage sollte nach einem Versuch der sonografischen Darstellung von perianalen und transanalen Fisteln und Abszessen bei weiterhin bestehendem Verdacht die weitere Diagnostik wie z. B. ein MRT oder eine Endosonografie eingesetzt werden.
5.9 Fazit Die Sonografie hat einen hohen Stellenwert in der Diagnostik der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Sie ist abgesehen von der Kontrastmittelsonografie nebenwirkungsfrei, spontan und ubiquitär verfügbar und hat in den meisten Anwendungsbereichen sowohl beim M. Crohn als auch bei der Colitis ulcerosa eine ähnliche Sensitivität und Spezifität wie andere Schnittbildverfahren.
76 | 5 Sonografie
Die am häufigsten geäußerte Kritik an der hohen Interobservervariabilität der Methode kann durch gezielte Schulungsprogramme in der Darmsonografie ausgeglichen werden.
Literatur [1]
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6 Endoskopie Martin Götz
6.1 Initial, im Verlauf, bei Komplikationen Die endoskopische Untersuchung ist bei den CED stets Bestandteil eines diagnostischtherapeutischen Gesamtkonzepts. Sie stellt den Goldstandard in der Initial- und Verlaufsdiagnostik dar und dient dem Erkennen intraluminaler Komplikationen [1–3]. Die Endoskopie erlaubt Zugang zur histologischen Sicherung, etabliert das Befallsmuster und hilft in der Differentialdiagnose.
6.1.1 Endoskopie in der Initialdiagnostik Bei der Koloskopie muss das terminale Ileum inspiziert werden, weil dieses beim M. Crohn (Abb. 6.1) bevorzugt (mit-)betroffen ist (ileokolischer Crohn). Bei der Colitis (a)
(c)
(b)
(d)
(e)
Abb. 6.1: M. Crohn. (a) Ileitis terminalis mit über mehrere Falten konfluierenden, fibrinbelegten Ulzerationen. (b) Colitis Crohn mit Ulzera ab der Linea dentata (plattenepitheliale Schleimhaut bei 7 Uhr). (c)–(e) Kurzstreckige, weitgehend narbige Stenose am ileozökalen Übergang, die nach Ballondilatation einen typischen oberflächlichen Einriss zeigt (11–2 Uhr).
https://doi.org/10.1515/9783110492682-007
80 | 6 Endoskopie
Crohn ist das Kolon häufig diskontinuierlich betroffen. Spätestens bei der Koloskopie muss auch der Analbereich inspiziert und die rektal-digitale Untersuchung durchgeführt werden, die Aufschluss über perianale Fisteln und Abszesse gibt, die beim M. Crohn mit einer schlechteren Prognose assoziiert sind. Die befallene Lokalisation ist über die Jahrzehnte relativ stabil [4], sodass hier der Initialdiagnostik besondere Bedeutung zukommt.
(a)
(b)
(c)
(d)
Abb. 6.2: Colitis ulcerosa. (a) Proximale Entzündungsgrenze bei milder Colitis ulcerosa, links vorn im Bild typische Kryptenabszesse (als weißliche Punkte) und geringe spontane Blutung, nach proximal zu weitgehend unauffällige Mukosa. (b) Schwere Colitis ulcerosa mit konfluierenden Ulzerationen, Spontanblutung, Verlust der Haustrierung und ödematöser Verdickung der entzündeten Mukosa. (c) Pseudopolypen mit typischem Typ-I- und -II-Pit-Pattern (z. B. 4 Uhr) bei Colitis ulcerosa ohne wesentliche entzündliche Aktivität. d) Atrophisches Kolon bei Colitis ulcerosa mit pergamentartignarbiger Mukosa und komplettem Aufbrauch der Haustrierung.
Bei der Colitis ulcerosa (Abb. 6.2) findet sich das Entzündungsmaximum fast immer im Rektum, mit kontinuierlicher Ausbreitung nach abanal. Im akuten schweren Schub kann zwar vorsichtig eine komplette Koloskopie durchgeführt werden. Die Ausbreitung ist jedoch in der Initialdiagnostik zur Therapiestratifizierung in der Regel nicht erforderlich, sodass die komplette Ileokoloskopie nach Abklingen der akuten Beschwerdesyptomatik ergänzt werden kann. Je nach Entzündungsausbrei-
6.1 Initial, im Verlauf, bei Komplikationen | 81
tung werden die Proktitis ulcerosa (nur über die distalen 15 cm), die linksseitige Colitis ulcerosa (bis zur linken Flexur) und die ausgedehnte Colitis ulcerosa (über die linke Flexur hinaus, bis hin zur Pancolitis ulcerosa) unterschieden. Gelegentlich ist eine nur distale Colitis ulcerosa von einer geringgradigen, umschriebenen Entzündung im Coecum begleitet („cecal patch“), eine Pancolitis ulcerosa von einer milden Ileitis terminalis („backwash ileitis“). Manchmal ist insbesondere in der Initialdiagnose die Differenzierung zwischen M. Crohn und Colitis ulcerosa nicht sicher zu treffen, auch die Unterscheidung zu einer infektiösen Kolitis, die ein ähnliches endoskopisches Bild aufweisen kann, muss gelegentlich erst im Verlauf getroffen werden. Die Verwendung endoskopischer Scoring-Systeme (s. Kap. 9) ist nicht zwingend erforderlich, hilft aber bei der Standardisierung der Befunde. Die am häufigsten verwendeten Scores sind in Tabelle 6.1 und 6.2 wiedergegeben. Auch ohne Verwendung von Scores sollte eine standardisierte Befundbeschreibung Bezug nehmen auf die Lokalisation der entzündeten Areale, Ausbreitung, Schweregrad mit Ödem, Rötung, Kryptenabszesse, Aphten, Erosionen, Ulzerationen (longitudinal, konfluierend, tief?), Blutung (auf Kontakt, spontan?) sowie auf das Vorliegen von Fisteln, Pseudopolypen, Vernarbungen oder neoplasieverdächtigen Läsionen. Zur Initialdiagnostik empfiehlt sich eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie, weil ein Befall des oberen Gastrointestinaltraktes beim M. Crohn mit einer schlechteren Prognose einhergeht. Eine gute Bild- oder Videodokumentation hilft auch bei der Verlaufsdokumentation. Bei Initialdiagnostik sollten aus allen Kolonabschnitten inkl. terminalem Ileum, auch den endoskopisch nicht betroffenen, Biopsie in separaten Gefäßen zur pathologischen Diagnostik versandt werden. Der Endoskopiebefund sollte dem Pathologen mitgeteilt werden. Tab. 6.1: Simple Endoscopic Score – Crohn’s Disease (SES-CD)
Ileum Kolon rechts Kolon trans. Kolon links Rektum
Größe Ulzeration
Ausdehnung Ulzeration
Ausdehnung Läsionen
Stenosen
0–3 0–3 0–3 0–3 0–3
0–3 0–3 0–3 0–3 0–3
0–3 0–3 0–3 0–3 0–3
0–3 0–3 0–3 0–3 0–3
Den Befunden in den einzelnen Segmenten sind folgende Punkte zuzuordnen, die zusammenzuzählen sind: – Größe Ulzeration: keine Ulzera – 0; Aphten – 1; größere Ulzera (bis 2 cm) – 2; sehr große Ulzera (> 2 cm) – 3 – Ausdehnung Ulzeration: keine Ulzera – 0; < 10 % – 1; 10–30 % – 2; > 30 % – 3 – Ausdehnung Läsionen: Segmente nicht betroffen – 0; < 50 % – 1; 50–75 % – 2; > 75 % – 3 – Stenosen: keine – 0; eine, passierbar – 1; multiple, passierbar – 2; nichtpassierbare Stenosen – 3
82 | 6 Endoskopie
Tab. 6.2: Mayo-Score. Kriterium
Punkte
Stuhlfrequenz/Tag
– – – –
normal: 0 1–2 Stühle: 1 3–4 Stühle: 2 > 5 Stühle: 3
Rektaler Blutabgang
– – – –
kein Blut: 0 Blutstreifen bei weniger als 50 % der Stühle: 1 deutliche Blutbeimengung meistens: 2 auch Blut ohne Stuhl: 3
Endoskopischer Befund
– normaler Befund ohne inaktive Erkrankung: 0 – milde Kolitis (Erythem, leicht spröde Schleimhaut): 1 – moderate Kolitis (deutliches Erythem, Erosionen, Gefäßmuster verschwunden): 2 – schwere Kolitis (Ulzerationen, spontane Blutungen): 3
Globale Beurteilung des Arztes
– – – –
normal: 0 milde Erkrankung: 1 moderate Erkrankung: 2 schwere Erkrankung: 3
6.1.2 Endoskopie im Verlauf Die endoskopische Untersuchung im Verlauf dient der Therapieüberwachung und kann indiziert sein insbesondere vor Umstellung, vor Dosisänderung oder vor Beendigung einer Therapie (Exit-Strategie). Sie ist des Weiteren hilfreich bei Diskrepanz zwischen Symptomen und systemischen Erkrankungsmarkern, nach Operationen und zur Neoplasieüberwachung (vgl. Kap. 6.2). Eine Routinekontrolle außerhalb o. g. Aspekte ist in der Regel nicht erforderlich. Das Abheilen der Mukosa unter Therapie wird in den meisten Studien als prognostisch günstiges Zeichen gewertet. Allerdings ist die Definition der Mukosaheilung noch uneinheitlich: Viele Studien bedienen sich eines Scores (Mayo-Score), der vor Einführung der hochauflösenden Endoskope etabliert wurde [5]. Detailliertere Beschreibungen werden gerade evaluiert [6]. Bei der Colitis ulcerosa wird die endoskopische ReEvaluation dadurch erleichtert, dass meist die Sigmoidoskopie, die das am stärksten betroffene distale Kolon visualisiert, ausreichend ist. Zu beachten ist, dass sich die Befunde unter Therapie ändern können, insbesondere kann die distale Betonung bei der Colitis ulcerosa durch Lokaltherapie isoliert gebessert sein, auch das Befallsmuster ist gelegentlich unter Therapie nicht mehr streng kontinuierlich. Eine endoskopische Therapiekontrolle kann bei schwerem Schub der Colitis ulcerosa kurzfristig, z. B. 5– 7 Tage nach Einleitung einer Therapie mit Ciclosporin oder Infliximab, sinnvoll sein, bei weniger schwerem Krankheitsverlauf ist in der Regel die Kontrolle nach 8 Wochen
6.1 Initial, im Verlauf, bei Komplikationen | 83
ausreichend. Das endoskopisch nachweisbare Ansprechen beim M. Crohn ist meist nicht vor 12 Wochen darstellbar, ggf. kann auch durch die Sonografie oder die Calprotectinspiegel weniger invasiv das Ansprechen auf die Therapie objektiviert werden. Wenn Symptomatik und Befund nicht kongruent sind, z. B. fortgesetzte abdominelle Beschwerden bei normalisierten Markern der Entzündung, kann ein unauffälliger endoskopischer Befund die Diagnose eines begleitend vorliegenden Reizdarmsyndroms unterstützen. Postoperativ ist nach Ileozökalresektion beim M. Crohn der Rutgeerts-Score validiert, der das endoskopische Rezidiv graduiert [7]. Ein höherer Score ist mit einem höheren Rezidivrisiko vergesellschaftet, sodass ab Rutgeerts-2b (i2b: Läsionen im neoterminalen Ileum [mit oder ohne Anastomosenbefall], i3: diffus aphthöse Läsionen in diffus entzündeter Schleimhaut, i4: diffuse Entzündung mit Ulzerationen und/oder Stenosierung) meist eine Therapie(intensivierung) empfohlen wird. Postoperative Therapiestrategien werden ausführlich in Kapitel 12.7 besprochen.
6.1.3 Endoskopie bei Komplikationen Bei Cytomegalie-Virus(CMV)-assoziierter Kolitis (oder Verdacht darauf) unter Immunsuppression sichert die Mukosabiopsie die Diagnose in Zusammenschau mit systemischen Markern (vgl. Kap. 23.5.2). Wichtig ist, dass die CMV-Kolitis bei CED oftmals mit unspezifischem endoskopischem Befund einhergeht oder unter dem Bild eines CEDSchubes imponiert. Gleiches gilt für die Clostridium-difficile-Kolitis bei CED, bei der meist die charakteristischen Pseudomembranen fehlen. Bei M.-Crohn-assoziierten Stenosen liegt häufig ein Mischbild aus entzündlichen und narbigen Veränderungen vor. Insbesondere bei den vorwiegend narbigen, kurzen Stenosen stellt die endoskopische Ballondilatation (Abb. 6.1) eine Alternative zur chirurgischen Versorgung dar, mit akzeptabler Komplikationsrate (Blutungen oder Perforationen ca. 1–5 %). In einer kürzlich publizierten Metaanalyse von 1.463 M.-CrohnPatienten, die 3.213 Ballondilatationen hatten, wurde eine technische Erfolgsrate von 90 % bei einer klinischen Erfolgsrate von 80 % angegeben. Komplikationen traten bei 2,7 % der Patienten auf. Innerhalb von 40 Monaten war knapp die Hälfte der Patienten erneut symptomatisch geworden [8]. Die Patientenzufriedenheit mit der Ballondilatation ist hoch [9]. Ob Anastomosenstenosen ein besseres Ansprechen auf die Dilatation zeigen als De-novo-Stenosen und ob entzündliche Veränderungen mit schlechterem Ansprechen assoziiert sind, ist Gegenstand intensiver Diskussionen. Relativ unbestritten ist, dass bei floriden, tiefen Ulzerationen nicht ballondilatiert werden sollte. Ebenfalls ist bei stark gewundenen oder langstreckigen Stenosen die Dilatation technisch meist deutlich schwieriger und mit geringerem klinischen Erfolg assoziiert, sodass hier der endoskopische Ansatz nicht die 1. Wahl ist. Die endoskopische Einlage selbstexpandierender Metall- oder Plastikstents hat sich nicht bewährt, weil die Dislokations- und Okklusionsrate zu hoch sind.
84 | 6 Endoskopie
6.1.4 Fazit Zusammengefasst ist die endoskopische Untersuchung Goldstandard in der Initial- und Verlaufsdiagnostik. Sie ist fest in der Planung eines diagnostisch-therapeutischen Gesamtkonzepts verankert und Bestandteil der minimal-invasiven Therapie in interdisziplinärer Abstimmung.
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Johannes Wilhelm Rey und Ralf Kiesslich
6.2 Risiko für Kolonkarzinom und endoskopische Überwachungsstrategien 6.2.1 Risiko für Kolonkarzinom Für Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) wie dem M. Crohn oder der Colitis ulcerosa besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms im Krankheitsverlauf [1]. Dieser Umstand ist inzwischen lange bekannt und gut untersucht. Daher benötigen diese Patienten eine besondere diagnostische Überwachung. Insbesondere bei der endoskopischen Diagnostik ist es in den vergangenen Jahren durch den Fortschritt der Bildgebung zu einer Verbesserung zur Erkennung von Dysplasien und Tumoren gekommen. Obwohl für beide
6.2 Risiko für Kolonkarzinom und endoskopische Überwachungsstrategien
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Erkrankungen unterschiedliche Befallslokalisationen und histologische Merkmale definiert wurden, ist deren Risiko für die Entstehung eines kolorektalen Karzinoms in epidemiologischen Untersuchungen vergleichbar, auch wenn die meisten Untersuchungen hierzu bei Patienten mit Colitis ulcerosa durchgeführt wurden. So wird in einer Metaanalyse bei Patienten mit einer Colitis ulcerosa ein kumulatives Risiko von 2 % in 10 Jahren Krankheitsdauer angenommen. Dieses Risiko steigt bis auf 18 % nach 30 Jahren [2]. Eine vielbeachtete Studie bei Patienten mit Colitis ulcerosa konnte ein medianes Tumorauftreten ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung nach 23,5 Jahren feststellen [3]. Zum Vergleich: Das Lebenszeitrisiko für die Entstehung eines Kolonkarzinoms in der Normalbevölkerung liegt bei 5,8 % für Frauen und bei 6,2 % für Männer (SEER-Daten). Nicht verwunderlich ist vor diesem Hintergrund, dass Patienten bei Erstdiagnose eines kolorektalen Karzinoms zwischen 40 und 50 Jahre alt sind. Bereits in den letzten Jahren zeichnete sich ein Rückgang der Inzidenz von Kolonkarzinomen bei Patienten mit CED ab. Die Gründe hierfür werden in einer verbesserten immunsuppressiven Therapie sowie effektiven Überwachungsprogrammen mit u. U. auch früheren chirurgischen Therapiemaßnahmen begründet. Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung haben ein erhöhtes Lebenszeitrisiko für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms.
Als wesentlicher Grund für eine erhöhte Inzidenz an kolorektalen Karzinomen bei diesen Patienten wird die chronische, intestinale Inflammation der Mukosa angenommen. Diese kann sowohl endoskopisch als auch histologisch festgestellt und kategorisiert werden. Je nach Ausdehnung der Inflammation können dabei unterschiedliche Risiken für die Tumorentstehung festgestellt werden. So haben Patienten mit einer isolierten Proktitis eine 1,7-fache und solche mit einer Pankolitis ein bis zu 14,8-faches Risiko. Bei Patienten mit einer begleitenden familiären Belastung, ebenso bei einer primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) besteht ein zusätzliches Risiko von bis zu 50 % nach 25 Jahren für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms. Die Pathogenese bei der Karzinomentwicklung ist bis heute nicht ausreichend verstanden. Dabei wurden Risikofaktoren identifiziert, die die Krankheitsentstehung beeinflussen sollen, die insbesondere auf histologischen Untersuchungen und endoskopischen Befunden beruhen (Tab. 6.3). Darüber hinaus sind auch genetische Ursachen beschrieben, die einen Einfluss haben. So findet man bei 40–60 % der Patienten mit sporadischen kolorektalen Karzinomen Mutationen im RAS-Protoonkogen. Im Gegensatz hierzu ist diese Mutation bei Patienten mit Colitis-ulcerosa-assoziiertem Karzinom nur selten zu finden. Bei Patienten mit CED findet man häufig eine Veränderung im p53-Gen und src-Onkogen. Zudem wird auch eine Veränderung des Mikrobioms, ebenso wie einige Bakterien (Enterococcus faecalis u. a.), als begünstigend für die Karzinomentstehung gewertet [4].
86 | 6 Endoskopie
Tab. 6.3: Risikofaktoren für die Entstehung eines kolorektalen Karzinoms bei Patienten mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung. Schweregrad der Inflammation Dysplasien (intraepitheliale Neoplasien) Strikturen Pseudopolypen Verkürztes Kolon
6.2.2 Endoskopische Überwachungsstrategien Bei v. a. eine CED wird eine Ileokoloskopie mit Entnahme von Biopsien aus allen Darmbschnitten zur Feststellung des entzündlichen Befallsmusters empfohlen. Sofern sich Zweifel an einer CED ergeben, ist zunächst eine Wiederholung der Diagnostik im zeitlichen Verlauf empfohlen. Auch wenn in bisherigen Untersuchungen kein eindeutiger Nutzen, insbesondere im Hinblick auf die Mortalität belegt werden konnte, wird für ausgewählte Patienten mit CED eine regelmäßige endoskopische und histologische Überwachung empfohlen [5–9]. Die Empfehlungen der unterschiedlichen Fachgesellschaften zur endoskopischen Überwachung gleichen sich in vielen Aspekten. So wird der Beginn einer endoskopischen Überwachung einheitlich nach 8–10 Jahren Erkrankungsdauer empfohlen. Patienten mit PSC sollten unmittelbar nach Diagnosestellung in ein Überwachungsprogramm aufgenommen werden. Einig sind sich die Fachgesellschaften auch darin, dass die Überwachung des M. Crohn (Crohn-Kolitis) analog zur Colitis ulcerosa erfolgen soll. Im Rahmen koloskopischer Untersuchungen sollten alle 10 cm 2-bis-4-cm-Biopsien entlang der Zirkumferenz entnommen werden. Zusätzlich sollten sichtbare Läsionen gezielt biopsiert werden. Patienten mit langjähriger bestehender CED haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung intraepithelialer Neoplasien und Kolitisassoziierter Tumorerkrankungen. Dabei treten die Dysplasien häufig multifokal und flach im Schleimhautniveau auf, sie sind deshalb nur schwer mit der konventionellen Weißlichtendoskopie zu detektieren und neuerdings wird die Chromoendoskopie als neuer Standard für Überwachungsendoskopien empfohlen. Hierbei wird eine blaue Farblösung auf die Darmschleimhaut gesprüht, um die subtilen Schleimhautveränderungen zu demaskieren. Die Chromoendoskopie ist eine relativ „alte“ endoskopische Technik, die bereits seit Jahrzehnten verwendet wird. Es handelt sich um die topische Anwendung von Farblösungen (wie Methylenblau, Indigocarmin oder Lugol-Lösung) zur Verbesserung der Detektion, Charakterisierung oder Diagnose von Schleimhautläsionen. Dies gelingt insbesondere durch eine verbesserte Kontrastierung zwischen normalen und abnormalen Schleimhautbereichen. Histologisch werden Dysplasien in nichtadenom- und adenomartige Veränderungen unterteilt. Sie werden im englischen Sprachgebrauch als „dysplasia associated mass lesions“ (DALM) oder als „adenomalike mass“ (ALM) bezeichnet.
6.2 Risiko für Kolonkarzinom und endoskopische Überwachungsstrategien |
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Die Chromoendoskopie ist Standard bei Überwachungsendoskopien.
Die Koloskopie mit Inspektion des terminalen Ileums ist das wesentliche Instrument für die Überwachung von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Studien konnten zeigen, dass die Entnahme von 34 ungezielten Biopsien zu einem 90%igen Konfidenzintervall im Hinblick auf eine Dysplasiedetektion führen, 64 Biopsien haben sogar ein 95%-Konfidenzintervall [6]. Eine solch hohe Anzahl an Biopsien ist im klinischen Alltag jedoch kaum umzusetzen und die Massenbiopsien haben sich nicht durchgesetzt. Der Einsatz hochauflösender Endoskope und v. a. die Chromoendoskopie erleichtern die Überwachung und erhöhen die Effizienz. Umschriebene Läsionen können besser erkannt und gezielt biopsiert werden [9] (Abb. 6.3). Dadurch erhöht sich die Detektionsrate von Krebsvorstufen um das 4-Fache. Vor diesem Hintergrund wurde 2015 eine internationale Leitlinie publiziert, die die Chromoendoskopie als neuen Standard empfiehlt [10–12]. Die virtuellen Chromoendoskopieverfahren (NBI, FICE, iScan) erreichen nicht die Effektivität der klassischen Chromoendoskopie und werden daher nicht zur Krebsfrüherkennung bei Patienten mit CED empfohlen. Auch die Endozytologie und die Endomikroskopie sind Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, konnten aber bislang keine ausreichenden Ergebnisse liefern, um in die klinische Routine integriert zu werden [1].
(a)
(b)
(c)
(d)
Abb. 6.3: (a): Narbe im Rektum, (b): Aufsprühen von Methylenblau (Chromoendoskopie), (c): Demaskierung einer umschriebenen, flachen Läsion, (d): Oberflächenanalyse mittels Magnifikationsendoskopie.
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Nach einer Screening-Koloskopie wird eine endoskopische Überwachung der Patienten mit CED grundsätzlich empfohlen. Dabei unterscheiden sich die empfohlenen Vorsorgeintervalle nach dem jeweiligen Risikoprofil. So sollten sich Patienten mit hohem Risiko (schwere entzündliche Aktivität, Strikturen, Dysplasiedetektion innerhalb der letzten 5 Jahre, PSC) nach 12 Monaten zur erneuten Koloskopie vorstellen. Patienten mit mittlerem Risiko (milde oder moderate entzündliche Aktivität, Pseudopolypen, positive Familienanamnese für kolorektale Karzinome vor dem 50. Lebensjahr) wird eine Wiedervorstellung nach 3–5 Jahren empfohlen und Patienten mit niedrigem Risiko sollten nach 5 Jahren zur erneuten Vorsorge erscheinen [13]. Analog zur Vorsorgekoloskopie sollte eine ausreichende Vorreinigung des Kolons erfolgen und die Rückzugszeit während der Untersuchung entsprechend lang sein. Nicht jeder Patient mit einer CED benötigt jedes Jahr eine Koloskopie.
Hochauflösende Endoskope in Kombination mit der Chromoendoskopie sind heutzutage in der Lage, Krebsvorstufen wie intraepitheliale Neoplasien (IEN) mit hoher Zuverlässigkeit zu detektieren. Diese imponieren häufig als irreguläre Mukosa mit oder ohne Schleimhauterhabenheiten und sollten zwingend biopsiert oder idealerweise endoskopisch reseziert werden. Sofern sich im Rahmen gezielter Biopsien aus Läsionen histologisch eine IEN bestätigt, sollte eine Zweitbeurteilung durch einen Referenzpathologen eingeholt werden. Der gesicherte Nachweis einer hochgradigen intraepithelialen Neoplasie oder eines Kolonkarzinoms ist eine Indikation zur (Prokto-)Kolektomie. Scharf begrenzte Läsionen mit intraepithelialen Neoplasien, die vom Pathologen als „adenoma-like mass“ (ALM) klassifiziert sind oder umschriebene, singuläre Kolitis-assoziierte Dysplasien, können endoskopisch entfernt werden. Bestätigt der Pathologe die komplette Entfernung der Läsion und verbleibt keine Krebsvorstufe innerhalb des Kolons, dann ist die alleinige endoskopische Therapie ausreichend. Die lebenslange endoskopische Überwachung muss bei diesen Patienten nicht nur fortgesetzt, sondern auch intensiviert werden [10].
6.2.3 Fazit Patienten mit einer CED haben gegenüber der Normalbevölkerung ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines kolorektalen Karzinoms. Risikostratifizierte Überwachungsendoskopien sollten zu einer verbesserten Prävention beitragen. Dabei hat der Einsatz der Chromoendoskopie einen festen Stellenwert.
6.3 Endoskopische Diagnostik des Dünndarms beim Morbus Crohn
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Jörg Albert
6.3 Endoskopische Diagnostik des Dünndarms beim Morbus Crohn Erst mit dem Beginn der 2000er-Jahre standen zuverlässige, praktikabel handhabbare endoskopische Methoden für die Untersuchung des Dünndarms zur Verfügung. Dabei kommen grundsätzlich zwei verschiedene Techniken zum Einsatz: zum einen miniaturisierte Kamerasysteme, die als Kapselendoskop von der physiologischen Peristaltik durch den Dünndarm transportiert werden, zum anderen überlange und relativ dünne
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Endoskope, die durch Hilfsmittel wie etwa einem Übertubus bzw. von an der Spitze angebrachten Ballons ein Vorspiegeln in tiefere Dünndarmabschnitte erlauben. Die Dünndarmendoskopie bietet eine höhere Nachweisgenauigkeit für mukosale Läsionen des Dünndarms als der perkutane Ultraschall, radiologische Methoden wie die MR-Enterografie, die CT-Enterografie oder das nur noch selten durchgeführte Dünndarm-Kontrastmittelröntgen. Dabei können die Ballon-gestützte Enteroskopie und die Kapselendoskopie eine vergleichbare diagnostische Aussagekraft liefern, wenn auch direkte Vergleichsstudien bei Patienten mit CED rar sind. Die Kapselendoskopie ist dabei deutlich weniger aufwändig als die Ballonenteroskopieverfahren, bei der die Patienten sediert und überwacht werden müssen und die einen ungleich höheren personellen und Geräte-technischen Aufwand darstellen als die Kapselendoskopie. Mit der Ballonenteroskopie gelingt es nur bei einem Teil der Patienten, den gesamten Dünndarm einzusehen, selbst wenn ein perorales Vorgehen mit einer transanalen Enteroskopie kombiniert wird. Allerdings ermöglicht nur die Ballonenteroskopie eine Biopsieentnahme aus Befunden im Dünndarm und kann – beispielsweise mittels Dilatationskathetern – eine Therapie von Dünndarmstenosen anbieten. Die Kapselendoskopie ist eine diagnostische Methode, mit der keine therapeutischen Eingriffe möglich sind. Als unerwünschtes Ereignis kann es im Falle einer hochgradigen Dünndarmstenose zu einer Retention des Kapselendoskops kommen. Daher sollte bei klinischem oder bildgebendem v. a. eine enterale Stenose mit einer sog. , Patency‘-Kapsel, die sich im Falle der Retention auflöst, getestet werden, ob die Darmpassage des Videokapselendoskops sichergestellt ist. Die dargestellten Stärken und Schwächen der jeweiligen endoskopischen Methode führen dazu, dass die Kapselendoskopie primär in der diagnostischen Abklärung eingesetzt wird. Wenn Biopsien aus auffälligen Dünndarmabschnitten entnommen werden sollen oder eine endoskopische Therapie nötig ist, wird diese entsprechend von einer Ballonenteroskopie gefolgt (Abb. 6.4). Im direkten Vergleich der Kapselendoskopie mit radiologischen Schnittbildtechniken zeigte sich eine vergleichsweise zuverlässige Detektion der Ileitis terminalis, jedoch konnten Veränderungen im Dünndarm oralseitig des terminalen Ileums nur von der endoskopischen Technik sicher erkannt werden: In einer Studie an 80 Patienten mit dem intraindividuellen Vergleich von Kapselendoskopie mit CT- und MR-Enteroklysma war eine Entzündung des terminalen Ileums in 100 %, 76 % und 81 % auffällig; Dünndarmläsionen oralseitig des terminalen Ileums wurden mit der Kapselendoskopie mit einer höheren Sensitivität von 75 % erkannt als mit dem CTEnteroklysma (23 %) oder dem MR-Enteroklysma (9 %) [1]. Die einerseits hohe Nachweisgenauigkeit der endoskopischen Methoden geht mit einem hohen negativ prädiktiven Wert des Diagnostikums einher, d. h., ein unauffälliger Befund schließt eine entzündliche Erkrankung des Dünndarms bei guter Untersuchungsqualität zuverlässig aus. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass der endoskopische Befund von Erosionen oder Ulzerationen im Dünndarm nicht zwangsläufig die Diagnose eines M. Crohn bedeutet, weil hier zahlreiche Differenti-
6.3 Endoskopische Diagnostik des Dünndarms beim Morbus Crohn
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91
Tab. 6.4: Mögliche Indikationen für die Dünndarmendoskopie bei CED des Dünndarms. Einsatz einer Kapselendoskopie bei fehlendem klinischen V. a. eine Stenose oder nach Ausschluss einer Stenose durch eine Testkapsel (vgl. Text). In der Regel wird eine initiale Diagnostik mit einer Ileokoloskopie erfolgen. Klinisches Szenario
Endoskopische Modalität
Folgediagnostik
Klinischer V. a. M. Crohn des Dünndarms
Kapselendoskopie
Bei positivem Befund ggf. Ballonenteroskopie
Initiale Diagnosestellung eines M. Crohn in einer Koloskopie zur Feststellung der enteralen Ausdehnung der Erkrankung
Kapselendoskopie
Bei positivem Befund ggf. Ballonenteroskopie
Klinischer V. a. M. Crohn des Dünndarms
Panintestinale Endoskopie mittels Kapselendoskopie (noch nicht durch Studien ausreichend abgesichert)
Unklare Symptomatik bei Patient mit bekanntem M. Crohn
Kapselendoskopie
V. a. aktive Dünndarmblutung
Ggf. Ballonenteroskopie
V. a. Stenose des Dünndarms
Ballonenteroskopie
Bei positivem Befund ggf. Ballonenteroskopie zur Biospieentnahme
Ggf. Ballondilatation der Stenose in gleicher Sitzung
aldiagnosen zu berücksichtigen sind (beispielsweise NSAR-Enteropathie, Ulzera bei Patienten mit Erkrankungen aus dem rheumatologischen Formenkreis, infektiöse Ursachen etc.). So waren in einer Gruppe von 102 Patienten, bei denen der v. a. einen M. Crohn des Dünndarms bestand, in 39 Fällen Ulzera gefunden worden, die mit einem M. Crohn vereinbar waren. Jedoch war nur in 13 Fällen am Ende des Followup eines Jahres die Diagnose „M. Crohn“ gestellt worden. Somit ist die Einordnung des Dünndarmbefundes vor dem Hintergrund der Anamnese, Klinik und weiterer Befunde durch einen erfahrenen Arzt für die korrekte Diagnosestellung entscheidend. Der Nachweis einer Dünndarmläsion lässt nur eingeschränkt einen Rückschluss auf eine spezifische Erkrankung zu und die Dünndarmendoskopie leistet einen Beitrag zur Diagnostik im Sinne eines Bausteins unter mehreren, ohne dass sie in der Regel pathognomonische Befunde erbringen kann (Tab. 6.4).
6.3.1 Dünndarmendoskopie zur Differenzierung einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung und zur Bestimmung der entzündlichen Aktivität Liegt bei einem Patienten eine chronische Kolitis vor, bei der primär keine Zuordnung zu einem M. Crohn oder einer Colitis ulcerosa möglich ist, kann die Dünndarmendo-
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skopie wertvolle Hinweise zur Diagnosefindung geben, einige Fallserien haben hierfür Hinweise geliefert (Tab. 6.4). Falls typische entzündliche Veränderungen im Dünndarm nachweisbar sind, kann dies dazu beitragen, die Diagnose eines M. Crohn zu stellen. Zur Differenzierung einer aktiv-entzündlichen von einer fibrotisch-narbigen Darmwandverdickung bzw. Stenose in der Bildgebung sind einige Anstrengungen unternommen worden. Wenn auch die Stenosedetektion hinlänglich zuverlässig mit der Schnittbildgebung gelang, war eine Bestimmung der entzündlichen Aktivität in der FDG-PET/CT- oder MR-Enteroklyse oder im perkutanen Ultraschall nicht akkurat [2], auch wenn ältere Studien dies erwarten ließen [3]. Entsprechend ist weiterhin der endoskopische Befund in Kombination mit der histopathologischen Diagnostik entscheidend für die Einschätzung der Entzündungsaktivität einer bildgebend nachgewiesenen Darmwandveränderung mit der daraus resultierenden therapeutischen Konsequenz einer immunmodulatorischen Therapie bei aktiver Entzündung vs. einer interventionellen Behandlung bei symptomatischer narbiger Stenose.
6.3.2 Endoskopische Therapie von Dünndarmstenosen beim Morbus Crohn Eine endoskopische Behandlung von Dünndarmstenosen hat zwei Ziele: Die Beseitigung der Schmerzen des Patienten, die durch die Passagestörung des Nahrungsbreis ausgelöst werden, und die Besserung der Verdauungsfunktion. Beide tragen dazu bei, dass der Ernährungsstatus des Patienten normalisiert werden kann. Es handelt sich also um eine Symptom-orientierte (Schmerzen, Malnutrition) Therapie. Liegen klinisch unauffällige Stenosen vor, ist eine endoskopische Therapie in der Regel nicht indiziert. Im Umkehrschluss heißt dies, dass vor der Behandlung einer Stenose möglichst sichergestellt sein muss, dass diese Stenose auch für die Beschwerden des Patienten verantwortlich ist. Das heißt, dass vor einer gezielten Dilatation eine umfassende Diagnostik (z. B. dezidierte MRT mit Enterografie) für eine aktuelle Befunderhebung bei dem Patienten erfolgen und die Anzahl und Lokalisation von Stenosen klar definiert sein sollten. Dann wird vor dem Eingriff in einer interdisziplinären Fallbesprechung in der Abwägung eines endoskopischen mit einem chirurgischen Vorgehen klar, welche Behandlung die besten Aussichten bietet. Die endoskopische Therapie ist in einem hohen Anteil der Therapieversuche technisch und klinisch erfolgreich (Tab. 6.5). Für eine hohe jejunale Stenose kann der Einsatz eines pädiatrischen Koloskops, das als „Push“-Enteroskop eingesetzt wird, als Instrument ausreichen; für tiefere Dünndarmabschnitte ist in der Regel ein Ballonenteroskop nötig. Voraussetzung hierfür ist die Verfügbarkeit von Ballondilatationskathetern, die über Draht und simultan durch das Endoskop an die Stenose gebracht werden können.
6.3 Endoskopische Diagnostik des Dünndarms beim Morbus Crohn
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93
Tab. 6.5: Endoskopisch gesteuerte Therapie von narbigen Stenosen des Dünndarms bei Patienten mit M. Crohn Autor
Jahr
n
Ballondilatation Technischer Erfolg
Klinischer Erfolg
Rezidiv @ Follow-up (n)
6 6 17
100 % 31 % 74 %
8 18 7 52/65
72 % 72 % 58 % 80 %
6 13 2 (Resektion) 4 (Dilatation wiederholt) 2 7 1 @ 2a: 21 % @ 3a: 27 %
Yamamoto Pohl Fukumoto
2004 2007 2007
6 19 23
6 8 22
Despott Hirai Kondo Hayashi
2009 2010 2010 2013
11 25 12 65
9 18 8/12
(a)
(c)
Komplikationen
100 % 42 % 96 %
81 % 72 % 66 %
Keine Keine Keine
Perforation (n = 1) 2 Keine 6/65 (9,2 %)
(b)
(d)
Abb. 6.4: (a) Filiforme, narbige Dünndarmstenose vor einer endoskopischen Ballondilatation mit Retention des Speisebreis (b), In der Nahaufnahme zeigt sich eine kurzstreckige, narbige Stenose, wobei in den nachgeschalteten Dünndarm eingesehen werden kann (c). Damit stellen sich optimale Bedingungen für eine endoskopische Therapie dar, die in gleicher Sitzung mittels hydrostatischer Ballondilatation erfolgt (d).
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In einer Fallserie von 85 Patienten konnten 321 DBE-assistierte Dilatationen im Dünndarm bei Patienten mit M.-Crohn-assoziierten Stenosen bei einem Follow-up von 41,9 Monaten durchgeführt werden. Hierbei war im ersten postinterventionellen Jahr in 87,3 % bzw. in 78,1 % nach 3 Jahren keine Operation nötig. Lediglich die Assoziation mit einer Fistel war mit einer HR von 5,50 (95%-KI 2,16–14,0, p < 0,01) verknüpft, sodass ein chirurgischer Eingriff nötig wurde [4]. Andere Arbeitsgruppen berichten davon, dass in 64 % der Fälle nach 2 Jahren keine Operation erforderlich war [5]. Bei 25 % der Patienten war eine wiederholte Behandlung durch eine Dilatation indiziert und durchgeführt worden. Die Dilatation von Anastomosenstenosen – meist nach Ileozökalresektion – hat einen vergleichbaren Behandlungserfolg. Von 185 M.-Crohn-Patienten waren 462 endoskopische Dilatationen der ileozökalen Anastomose erfolgt. Hierbei war in 3,9 Jahren Follow-up bei 64 % der Patienten keine Operation erforderlich. Im Median wurden zwei Dilatationen durchgeführt. In einer Metaanalyse von 25 Studien und 1.089 Patienten zeigte eine endoskopische Dilatation an Stenosen im gesamten Gastrointestinaltrakt (Anastomosenstenoen und nichtanastomotische Strikturen) eine niedrige Komplikations- (6,4 %) bzw. Perforationsrate (3 %), bei einer hohen Rate eines technischen (90 %) und klinischen (70 %) Erfolgs; nach 5 Jahren waren allerdings 75 % der Patienten an der Stenose chirurgisch behandelt worden [6]. In einem systematischen Review aus Daten von 676 Patienten konnte bestätigt werden, dass ein exzellenter kurzfristiger und ein guter langfristiger Behandlungserfolg und ein akzeptables Risikoprofil des Eingriffs für eine Ballondilatation sprechen [7]. Damit kann ein symptomatischer Erfolg häufig und kurzfristig mit einer endoskopischen Therapie erreicht werden, wobei auch wiederholte Behandlungen erfolgreich möglich sind. Der langfristige Erfolg der endoskopischen Behandlung ist bisher allerdings nicht bewiesen. Metallstents haben keinen Stellenwert bei der Behandlung der benignen M.-Crohn-Stenosen, weil entfernbare, vollummantelte Modelle überwiegend migrieren und nichtentfernbare, nichtummantelte Stents im Langzeitverlauf stets unvertretbar häufig Komplikationen mit sich bringen. Die intraläsionale Injektion von Kortison-Präparaten (z. B. Triamcinolon) kann bei kombiniert entzündlichen/ narbigen Stenosen zusätzlich zur Dilatation versucht werden – eine solide Absicherung durch Studiendaten gibt es für dieses Vorgehen aber nicht.
6.3.3 Endoskopisches Vorgehen bei der Dilatation einer Dünndarmstenose Die kurzstreckige, narbige Anastomosenstenose oder nichtanastomotische Stenose bietet bei M.-Crohn-Patienten die beste Aussicht auf einen Erfolg der endoskopischen Ballondilatation. Im eigenen Vorgehen kombinieren wir eine OTW(„over-thewire“)- und TTS(„through-the-scope“)-Technik bei allen Stenosen. Hierbei wird ein
6.3 Endoskopische Diagnostik des Dünndarms beim Morbus Crohn
(a)
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(b)
Abb. 6.5: Endoskopische Ballondilatation einer filiformen, symptomatischen, nichtentzündlichen Stenose im mittleren Dünndarm über eine Doppelballonenteroskopie und eine hydrostatische Ballondilatation.
Draht-geführter Ballon durch den Arbeitskanal des Endoskops vorgeführt, nachdem der endoskopische Führungsdraht sicher die Stenose passiert und den jenseitigen Darmabschnitt erreicht hat. Wenn die Stenose endoskopisch nicht eingesehen werden kann, d. h. der jenseitige Darmabschnitt nicht sicher visualisiert wird, sollte auch eine Durchleuchtung mit enteraler Kontrastmittelgabe eingesetzt werden, sodass die korrekte Position von Führungsdraht und Ballonkatheter sichergestellt ist. Damit wird das Perforationsrisiko minimiert. Es erfolgt eine hydrostatische Ballondilatation mit bis zu 10–12 bar. Eine intraprozedurale Erfolgskontrolle ist durch einen endoskopischen Einblick in den Ballon bzw. durch ein Röntgenverfahren möglich, wenn der Ballon mit einem Kontrastmittelgemisch gefüllt wird.
6.3.4 Ausblick Dünndarmendoskopie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Derzeit wird die Dünndarmdiagnostik in einer endoskopischen und radiologischen (MRT) Kombination durchgeführt, wobei bei klinischem v. a. einen Befall des Dünndarms die Sequenz: hohe Ileokoloskopie, hierauf Dünndarmendoskopie (Kapselendoskopie), hierauf Schnittbildgebung (MRT) in der aktuellen Leitlinie der „European Society of Gastrointestinal Endoscopy“ [8] vorgeschlagen wird. Bei bekanntem M. Crohn wird die Schnittbildgebung der Dünndarmendoskopie vorgezogen, auch weil für die Kapselendoskopie eine erhöhte Retentionsrate befürchtet und extraintestinale Manifestationen (beispielsweise Abszesse) erkannt werden müssen. Gerade bei dem V. a. eine chronisch entzündliche Darmerkrankung könnte die hohe Sensitivität und der hohe negativ prädiktive Wert der endoskopischen Methoden
96 | 6 Endoskopie
Abb. 6.6: Floride entzündliche Dünndarmstenose beim M. Crohn.
für eine „panintestinale“ Endoskopie sprechen, die beispielsweise mit einem Kapselendoskop bewerkstelligt werden könnte. Allerdings müssen hier zukünftige Studien diesen diagnostischen Ansatz weiter absichern.
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Lothar Veits und Michael Vieth
7 Histologie 7.1 Einleitung Vor nicht allzu langer Zeit, beschränkte sich die Rolle der Histologie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen auf einige wenige Fragen wie beispielsweise, ob eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, ein M. Crohn oder eine Colitis ulcerosa vorliegt und ob eine Neoplasie ausgeschlossen werden kann. In den letzten Jahren sind die Fragen an den Pathologen wesentlich komplexer geworden: Immer noch geht es zwar in der Hauptsache um die Abgrenzung einer Infektion von einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, aber eben auch durch die vermehrte Anwendung sog. Biologika in der immunsupressiven bzw. antientzündlichen Therapie verschiedenster Erkrankungen um die Abgrenzung bzw. die Kombination Medikamenten-induzierter Veränderungen [1]. Diese Medikamente können eine Vielzahl von mehr oder weniger charakteristischen histologischen Veränderungen an der Schleimhaut des Gastrointestinaltraktes bewirken, die ohne Kenntnis der Medikation nicht immer spezifisch zuzuordnen sind. Außerdem sehen wir nun in der Routine beispielsweise beim M. Crohn eine komplette Normalisierung der Schleimhaut unter Biologika, die wir ohne diese Medikamentengruppe vor Jahren noch nicht beobachten konnten. Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist das „mucosal healing“ mittlerweile ein anerkanntes Ziel klinischer Therapie. Allerdings gibt es unterschiedliche Ansätze, wie das „mucosal healing“ definiert ist: z. T. endoskopisch, z. T. histologisch und z. T. in einer Kombination aus Klinik und Histologie. Dies macht die Diagnostik der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wesentlich komplexer, wenn nicht gar unmöglich, wenn nicht entsprechende anamnestische, klinische und endoskopische Befunde inkl. Vorbefunde vorliegen. Darüber hinaus geht es bei der Diagnostik von Neoplasien darum, Kolitis-assoziierte Neoplasien von sporadischen Adenomen abzugrenzen, weil die therapeutischen Konsequenzen durchaus relevant sein können. Bei Kolitis-assoziierten Neoplasien kann eine Kolektomie in Betracht gezogen werden, während bei sporadischen Adenomen eine Polypektomie als ausreichend erachtet wird. Heutzutage werden jedoch immer mehr endoskopische Abtragungen bei Neoplasien – unabhängig davon, ob Kolitis-assoziiert oder nicht – auch von den Leitlinien akzeptiert (Abb. 7.1) [2]. Das Zusammenwirken der verschiedenen Fachdisziplinen von Gastroenterologen, Chirurgen und Pathologen wird als Voraussetzung angesehen. Zwar konnten unterschiedliche molekulare Ereignisse in der Genese von Kolitis-assoziierten und sporadischen Adenomen identifiziert werden, dies muss jedoch im Einzelfall nicht zur Differentialdiagnostik beitragen, zumal die Unterscheidung von Kolitis-assoziierten Karzinomen und sporadischen Karzinomen praktisch noch gar nicht gelingt. Es muss an dieser Stelle die Frage nach der klinischen https://doi.org/10.1515/9783110492682-008
100 | 7 Histologie
K a r z i n o m
HGIEN LGIEN
HGIEN
diagnostisch schwierig
Kolitisassoziiert
LGIEN
sporadisches Adenom
Neoplasie
Abb. 7.1: Neoplasiekonzept bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (LGIEN = geringgradige intraepitheliale Neoplasie, HGIEN = hochgradige intraepitheliale Neoplasie) (modifiziert nach [2]).
Relevanz und Häufigkeit gestellt werden, denn auch hierzu gibt es noch keine dezidierten Empfehlungen. Spezielle Begriffe wie DALM oder ALM sollten sinnvollerweise nicht mehr verwendet werden, weil Gastroenterologen, Pathologen und Patienten durch die Diskussionen eher verunsichert wurden. Empfohlen wird endoskopisch eine Zuordnung der Läsionen nach der Updated Paris Classification [3, 4] und histologisch nach sporadisch und Kolitis-assoziiert [5]. Das Problem liegt darin, dass bei falscher Zuordnung möglicherweise falsche therapeutische Pfade eingeschlagen werden, weil Begrifflichkeiten eine Sicherheit vortäuschen können, die möglicherweise nicht gegeben ist [2]. Kriterien zur Unterscheidung von Kolitis-asszoziierten Neoplasien von sporadischen Neoplasien sind in der Literatur lange bekannt. Wichtig ist, dass kein einzelnes Kriterium herausgegriffen wird, sondern die Kriterien immer nur in der Gesamtheit angewendet werden. Dies ermöglicht eine Unterscheidung für die meisten Fälle in der täglichen Routine in einem akzeptablen Maße [2, 6–8]. Verbesserungen in der Bildgebung und der Ausweitung des histopathologischen Wissens haben zu einer Verbesserung der Detektion von Neoplasien geführt [2, 9].
7.2 Histologische Diagnostik bei Entzündungen Immer noch gilt es in der Hauptsache Infektionen von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen abzugrenzen. Hierbei hilfreich sind die klinischen Angaben von Alter, Länge und Art der Anamnese sowie des genauen endoskopischen Befundes, aber auch eine Biopsieentnahme aus allen Abschnitten des unteren Gastrointestinaltraktes in
7.3 Graduierung der Entzündungsaktivität
| 101
getrennt gesandten Untersuchungsgefäßen, insbesondere das Rektum sollte immer getrennt biopsiert und eingeschickt werden. Nur dann ist eine Unterscheidung der unterschiedlichen Entitäten möglich [10, 11]. Bei Infektionen sollte man eher eine diskontinuierliche Ausbreitung der Entzündung annehmen wollen, oft in Kombination mit sehr großen Kryptenabszessen, wobei die Kryptenarchitektur zumeist noch erhalten erscheint, ein Becherzellverlust allenfalls nur fokal vorliegt und die Muskularis mucosae schmal erscheint. Die Kriterien sind in Tabelle 7.1 dargestellt. Es gilt auch hier, dass alle Kriterien angewendet werden müssen und nicht nur einzelne Kriterien herausgegriffen werden [11]. Beim M. Crohn kann ggf. eine Endoskopie des oberen Gastrointestinaltraktes mit Biopsieentnahme selbst bei endoskopischem Normalbefund fokale M.-Crohn-typische Entzündungen in der Schleimhaut identifizieren und damit die Diagnose eines M. Crohn im unteren Gastrointestinaltrakt im Zweifelsfalle sichern [12–14]. Tab. 7.1: Histologische Kriterien zur Diagnose entzündlicher Veränderungen des Kolons (modifiziert nach [10])
Kryptenarchitektur Irreguläre Oberfläche Basale Fibrose Panethzell-Metapl. Becherzellverminderung Granulozyten bas.Lymph./Plasmazellen verbreiterte Musc. mucosae kontinuierliche Entz. diskontinuierliche Entz. Kryptenmikroabszesse Mukosales Ödem Beteiligung oberer GIT Granulome Riesenzellen
Infektion
Crohn
CU in Remission
CU aktiv
– – – – – +++ +(+) – + ++ ++ ++ –/+ –/(+) –
+ – – –/+ –/+ ++ ++ –/+ – +++ + ++ ++ +++ +++
+(++) +++ +++ +++ – – – +++ – – – (+) (–/+) – –
+++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +(–/+) – (+) (–/+) –/(+) –
7.3 Graduierung der Entzündungsaktivität Der Graduierung der Entzündungsaktivität kommt eine besondere Bedeutung zu, weil man davon ausgeht, dass eine Heilung der Entzündung die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen einer Neoplasie verringert. Für die Colitis ulcerosa gibt es verschiedene Graduierungsysteme (z. B. Riley Score, Geboes Score, Nancy Score, Robarts Score etc.). Gemeinsam ist diesen Systemen, dass grundsätzlich Parameter wie Anzahl und Ausprägung akuter und chronischer Entzündungsinfiltrate, Störungen der Drüsen-
102 | 7 Histologie
architektur sowie die entzündliche Epitheldestruktion graduiert werden. Festzuhalten bleibt, dass alle Scoring-Systeme funktionieren, nicht immer einfach von einem System in das andere überführt werden können, sodass es einfach auf die lokalen Gegebenheiten ankommt, auf welches System sich Pathologen und Kliniker geeinigt haben. Alle Systeme haben leider gemeinsam, dass die klinische Symptomatik und endoskopische Ausprägung der Entzündung nicht immer mit der histologischen Aktivität einhergehen. Dies ist besonders für Fälle unter Therapie mit nur noch fokaler Restaktivität, die dann biopsiert wird, zutreffend. Für den M. Crohn gibt es aufgrund der Diskontinuierlichkeit der Infiltrate noch kein allgemeingültiges Schema, sodass der Pathologe immer nur von einem M. Crohn in einer aktiven Phase spricht und die Aktivität nicht weiter untergraduiert. Empfohlen wird jedoch, zumindest die Entzündungsinfiltrate zu beschreiben [13, 14].
7.4 Diagnostik von Neoplasien Die Assoziation von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie M. Crohn und v. a. Colitis ulcerosa und kolorektalen Neoplasien ist bekannt. Die Risikofaktoren bestehen bekanntermaßen aus der Schwere der Schleimhautentzündung, dem Entzündungsausmaß und der Dauer der Erkrankung [2, 8, 9]. Die molekularen Mechanismen, die die Progression von der intestinalen Entzündung zur Kolitis-assoziierten Neoplasie bewirken sind z. T. aufgeklärt und unterscheiden sich im Vergleich mit sporadischen Neoplasien auch in der zeitlichen Abfolge. Sporadische Neoplasien weisen beispielsweise frühe APC-Mutationen und späte p53- Alterationen auf, während dies bei Kolitis-assoziierten Neoplasien genau anders herum beobachtet werden kann [15] (Abb. 7.2). Ohne Zweifel spielen auch das sog. Mikrobiom und Unterschiede der Schleimhaut bzgl. Struktur und zellulärer Zusammensetzung in der neoplastischen Progression und Transformation von entzündeter Mukosa zur Kolitis-assoziierten Neoplasie eine Rolle. Darüber hinaus scheint nicht nur das Epithel selbst für die Entstehung und Progression von Neoplasien verantwortlich zu sein. Kürzlich konnte gezeigt werden, dass eine erhöhte Expression von Epiregulin (EREG), ein Mitglied der Epidermal-GrowthFactor(EGF)-Familie, bei Kolitis-assoziierten Karzinomen, nicht jedoch in sporadischen kolorektalen Karzinomen, besteht [16]. Hierbei spielen v. a. Fibroblasten eine zentrale Rolle. Diese Erkenntnisse führen dazu, dass der Begriff des sog. mucosal healing in Zukunft auf histologischer Ebene noch genauer definiert werden muss. Die histologische Diagnose von Neoplasien bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen hatte in der Vergangenheit den Nachteil, dass in 40 % der intraepithelialen Neoplasie-/Dysplasiefälle bereits ein Karzinom vorlag, das eben endoskopisch bzw. histologisch möglicherweise nicht erkannt worden war [13, 14]. Dies war auch der Grund, warum Patienten mit intraepithelialen Neoplasien und chronisch entzündlicher Darmerkrankung mehrheitlich operiert worden sind. Die häufigsten chirurgi-
7.5 Histologische Diagnose | 103
sporadisches Karzinom Aneuploidie Methylierung MSI K-ras COX-2
APC
normales Epithel
frühes Adenom
DCC/DPC4
intermediäres Adenom
p53
spätes Adenom
Karzinom
kolitisassoziiertes Karzinom
p53 mut.
Aneuploidie CIN/MSI Methylierung COX-2
normales Epithel
p53 LOH
DCC/DPC4
verdächtig auf Neoplasie
K-ras
geringgradige intraepitheliale Neoplasie
APC
hochgradige intraepitheliale Neoplasie
Karzinom
Abb. 7.2: Pathophysiologie des sporadischen Karzinoms und der Kolitis-assoziierten Neoplasie (modifiziert nach [15]). Unklar bleibt jedoch, was unter der Kategorie „intermediäres Adenom“ und „v. a. Neoplasie“ bzw. „nicht eindeutig für Neoplasie“ verstanden werden muss, weil diese Begriffe diagnostisch nicht klar definiert sind.
schen Operationsindikationen sind allerdings heute wie damals therapierefraktäre Fälle und nicht Neoplasien [17]. In den letzten Jahrzehnten haben sich die endoskopischen Bildgebungstechniken verbessert, und auch die histologischen Kriterien sind weiter verbreitet und verfeinert worden [2, 9]. Durch die bessere Beschreibung und die erhöhte Aufmerksamkeit sind die histologischen und auch die endoskopischen Diagnosen zuverlässiger geworden.
7.5 Histologische Diagnose Die Qualität einer histologischen Diagnose hängt bereits von der Entnahme und der Übersendung und dann in der Pathologie von der Aufarbeitung der Proben und Biopsien ab. Die Proben sollten aus grundsätzlichen Erwägungen in neutral gepuffertem 4%igem Formalin übersandt werden. Bei der Entnahme sollten die Leitlinien zur Biopsieentnahme bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zu Rate gezogen werden [13, 14]. Neben Routinestu-
104 | 7 Histologie
fenbiopsien in getrennten Untersuchungsgefäßen sollten verdächtige Läsionen ebenfalls getrennt biopsiert werden und der endoskopische Befund dem Pathologen auch mitgeteilt werden. Problematisch bei Kolitis-assoziierten Neoplasien ist, dass eine maligne Transformation zuweilen nur an der eindeutigen Invasion in die Submuksoa erkannt werden kann [2, 9]. Durch lokale endoskopische Resektionen konnte die Anzahl der OP-Präparate gesenkt werden. Hier mag es allerdings Zentrum-spezifische Unterschiede geben. Eine Rolle dürfte sicher auch die verbesserte medikamentöse Behandlung spielen. Um eine gute Qualität der Diagnostik zu ermöglichen, muss bereits die Aufarbeitung der Proben auf hohem Niveau durchgeführt werden: (a) Endoskopische Resektion: Alle Proben müssen locker (auf keinen Fall unter Spannung!) auf Kork oder dickem Papier fixiert werden. Nadeln direkt durch eine Läsion sind zu vermeiden. Gewebe schrumpft in Formalin und dies kann bei unter Spannung fixierten Präparaten zu erheblichen Artefakten führen, die eine sichere Beurteilung nicht mehr zulassen. (b) Alle Proben müssen über Nacht in 4%igem neutral gepufferten Formalin fixiert werden. (c) Alle endoskopischen Resektionen werden vor weiterer Aufarbeitung durch ein Auflicht-Mikroskop in der Pathologie betrachtet, um sicherzustellen, den nächstgelegenen Resektionsrand einer möglichen Neoplasie zu identifizieren. (d) Alle Proben werden in Scheiben von etwa 1,5 mm Dicke vollständig eingebettet. (e) Nicht mehr als zwei Scheiben sollten in eine Kassette gelegt werden. (f) Wenn eine Probe größer sein sollte als eine Kassette, dann sollten größere Kassetten verwendet werden (z. B. doppeltgroße Kassetten) oder das Resektat entsprechend aufgeteilt werden.
7.6 Operationspräparate (a) Operationspräparate müssen vor Fixation eröffnet werden und in 4%igem neutral gepufferten Formalin über Nacht fixiert werden. Es sollte vermieden werden, das Präparat durch fragliche Läsionen hindurch zu eröffnen. (b) Verdächtige Läsionen müssen vollständig eingebettet werden. Bei größeren Karzinomen sollten zehn Blöcke von solchen Karzinomen angefertigt werden, um eine korrekte Identifizierung aller relevanten Risikofaktoren, wie beispielsweise Gefäßeinbrüche, zu ermöglichen. (c) Nach Entnahme der verdächtigen Läsionen sollten Routinegewebeentnahmen in 5 cm Abstand im Rektum und Sigma entnommen werden und in 10 cm Abstand im übrigen Kolon einschließlich unterem und oberem Resektionsrand.
7.7 Häufigkeiten von Neoplasien |
105
(d) Alle Lymphknoten müssen bei Karzinomnachweis eingebettet werden, vorzugsweise mit Methoden zum Lymphknoten-Clearing wie beispielsweise Aceton, das selbst sehr kleine Lymphknoten makroskopisch weiß erscheinen lässt. Die technische Aufarbeitung ist nicht anders als jede andere Probenaufarbeitung in der Histopathologie. Anzumerken ist allerdings, dass die Kostenträger den o. g. Aufwand nicht in Gänze abdecken.
7.7 Häufigkeiten von Neoplasien Seit 1987 haben wir in unserem Institut 337 Fälle von Karzinomen bei CED diagnostiziert. In Bayreuth stammt die Mehrzahl der Karzinomfälle von Patienten mit Colitis ulcerosa. Weniger als 10 % der Fälle waren Kolonkarzinome beim M. Crohn (n = 26) im Vergleich zu 311 Fällen mit Colitis-ulcerosa-Karzinomen zwischen 1987 und 2014. Die Häufigkeit der Karzinome schwankt im Jahresvergleich teilweise bis um das 5-Fache [9]. Im Laufe der Jahrzehnte ergibt sich eine Tendenz zu jüngerem Alter bei der Erstdiagnose eines Karzinoms [9] und zu einer Abnahme der Anzahl von T3-Fällen zu weniger invasiven Stufen. Leider ist die Anzahl von T4-Karzinomen konstant geblieben. Die abnehmende Anzahl von T3-Fällen durch bessere klinische, endoskopische und histologische Kriterien und Strategien führt zu einer frühen Erstdiagnose von Neoplasien mit besserer Prognose. Dies wird v. a. deutlich an der stark gestiegenen Anzahl von geringgradigen intraepithelialen Neoplasien bei Colitis ulcerosa (Kolitis-assoziiert und sporadische Adenome) [9] im selben Zeitraum. Die Zahl der sporadischen Karzinome bei Colitis ulcerosa ist in unserem Einsendegut auf wenige Fälle beschränkt und ein klares Zeichen dafür, dass wir noch nicht in der Lage sind, sporadische Karzinome sicher gegen Kolitis-assoziierte Karzinome abzugrenzen. Es stellt sich natürlich die Frage, ob eine derartige Unterscheidung eine klinische Relevanz hätte. Unabhängig von einer Relevanz sollte aus grundsätzlichen Erwägungen natürlich immer in der Histopathologie versucht werden, die Ätiologie einer Erkrankung anzugeben. Aufgrund der noch leicht steigenden bzw. stabilen Anzahl von Neoplasien bei CED in unserem Institut können wir noch keine sichere therapeutische Wirkung der Biologika sehen. Es ist allerdings zu erwarten, dass die Anzahl der Karzinome bald sinkt, so wie dies in England schon beobachtet werden kann [17].
106 | 7 Histologie
7.8 Histologische Kriterien zur Unterscheidung von sporadischen und Kolitis-assoziierten Neoplasien [8] 7.8.1 Drüsen Adenomatöse Drüsen sind üblicherweise rund oder oval und von regelmäßiger Kontur und gleichen Drüsendurchmessern. Kolitis-assoziierte Neoplasien weisen irreguläre Drüsendurchmesser und Drüsenumrisse auf.
7.8.2 Muzinvakuolen Adenome besitzen reguläre Muzinvakuolen in Bezug auf Größe und Konfiguration und sind zumeist streng apikal lokalisiert. Bei Kolitis-assoziierten Neoplasien sind die Muzinvakuolen irregulär im Epithel verteilt und variieren im Durchmesser. Bei hochgradigen intraepithelialen Neoplasien können sog. dystrophe Becherzellen retronukleär gesehen werden.
7.8.3 Zellkerne Adenomatöse Zellkerne sind moderat hyperchromatisch, elongiert und palisadenartig angeordnet. Darüber hinaus weisen sie eine reguläre Konfiguration mit gleichen Durchmessern auf. Bei Kolitis-assoziierten Neoplasien sind die Zellkerne rund bis oval, weniger dicht gepackt und irregulär in Durchmesser und Konfiguration. Bei hochgradiger intraepithelialer Neoplasie sind zudem eine Pleomorphie der Kerne und ein Verlust der Polarität zu beobachten.
7.8.4 Mesenchym/Stroma Zwischen adenomatösen Drüsenabschnitten ist lockeres Stroma vorhanden, während bei Kolitis-assoziierten Neoplasien vermutlich durch eine vermehrte Fibroblastentätigkeit irreguläre, unterschiedliche dichte Mesenchymbänder zwischen den Drüsen liegen. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass dies das subjektivste aller Kriterien ist.
7.8.5 Proliferationszone Bei Adenomen liegt die Proliferationszone in den apikalen Drüsenabschnitten. Hier entwickeln sich dann auch folgerichtig sporadische Adenome. Die Proliferationszone von Kolitis-assoziierten Neoplasien liegt an der Basis der Krypten. Es findet
7.9 Fazit |
107
dann eine Proliferation an die Oberfläche statt. Insgesamt wird die Proliferation bei Adenomen als „top-down“- und bei Kolitis-assoziierten Neoplasien als „bottom-top“Morphologie bezeichnet. Horizontale tubuläre Proliferate sind durchaus typisch für Kolitis-assoziierte Neoplasien. Das Vorhandensein von nichtneoplastischen Drüsen zwischen neoplastischen Drüsen ist nach unserer Erfahrung in der Routine nicht geeignet, zwischen sporadischen und Kolitis-assoziierten Neoplasien zu unterscheiden.
7.8.6 Abgrenzung von der umgebenden Mukosa Adenomatöse Läsionen weisen eine scharfe Abgrenzung zur Umgebung auf, während Kolitis-assoziierte Neoplasien fast immer eine irreguläre, unscharfe Abgrenzung aufweisen. Ganz entscheidend ist hierbei jedoch auch der endoskopische Befund, der unbedingt mitgeteilt werden sollte. Wie bereits geschildert, kann eine Differentialdiagnose zwischen sporadischen und Kolitis-assoziierten Läsionen nur gelingen, wenn die Gesamtheit aller klinischen, anamnestischen (Alter, Dauer der Erkrankung etc.), endoskopischen und histologischen Kriterien angewendet wird. Der Gebrauch einzelner Kriterien oder einer Auswahl ist mit deutlichen diagnostischen Unsicherheiten behaftet.
7.9 Fazit Trotz der Verbesserung der endoskopischen Diagnostik und therapeutischen Verfahren sowie der medikamentösen Therapie zeigen unsere retrospektiven Daten, dass Neoplasien zwar heute häufiger und sicherer diagnostiziert werden, jedoch sporadische Karzinome immer noch nicht sicher von CED-assoziierten Karzinomen insbesondere bei Colitis ulcerosa unterschieden werden können. Die histologische Diagnose der HGIEN ist nach Literaturangaben nicht ausreichend sicher von invasiven Karzinomen in Biopsien zu differenzieren. Es muss immer bedacht werden, dass Biopsiediagnosen nicht immer repräsentativ für eine bestimmte Läsion sein müssen.
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Johannes Wessling
8 MRT bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen 8.1 Einleitung Die Kapselendoskopie und die sog. „Push“-Enteroskopie haben Einzug in die klinische Routine gehalten und vervollständigen das Spektrum der diagnostischen Möglichkeiten bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen [1]. Trotz dieser Entwicklungen haben die radiologischen Verfahren jedoch keineswegs an Attraktivität verloren. So ergänzen – neben den Ultraschall – CT und MRT die Darmdiagnostik insbesondere an den Stellen, wo endoskopische Verfahren ihre Grenzen haben. So tritt bei transmuraler Entzündungsausdehnung die direkte Visualisierung der Darmwand als auch ihrer unmittelbaren Umgebung in den Vordergrund. Die Bestimmung von Lokalisation, Ausdehnung und Verteilung entzündlicher Läsionen mithilfe von CT und MRT können überdies in der ätiologischen Einordnung einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung hilfreich sein. Dabei gehen die Anforderungen an die Bildgebung über die reine Detektion entzündlicher Läsionen hinaus. So werden auch Aussagen zu Aktivität und Schweregrad entzündlicher Läsionen gefordert. Ferner sollen potenzielle extramurale Komplikationen – beispielsweise Fisteln oder Abszesse – sicher erkannt werden. Gleichsam kritisch zu hinterfragen bleibt der Grad der Objektivierbarkeit der erhobenen Befunde und damit die Verlässlichkeit und Aussagekraft der angewendeten Befundungskriterien. Aufgrund des hohen Stellenwertes der strahlenfreien MRT in der Diagnostik und Kontrolle bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen [2], möchte dieser Beitrag auf das sog. MR-Enteroklysma bzw. die MR-Enterografie fokussieren. Dargestellt werden Aspekte der praktischen Durchführung, die Normalanatomie und typische bildmorphologische Befundkonstellationen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Kritisch wird hierbei die Aussagekraft verschiedener Bildkriterien beleuchtet.
8.2 Technische Durchführung MR-Enterografie und MR-Enteroklysma Bei der MR-Enterografie wird das Kontrastmittel oral, bei dem sog. MR-Enteroklysma über eine zuvor platzierte nasojejunale Sonde appliziert. Tabelle 8.1 gibt eine Übersicht über den Untersuchungsablauf der beiden Verfahren einschließlich der verwendeten MR-Sequenzen.
https://doi.org/10.1515/9783110492682-009
110 | 8 MRT bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
Tab. 8.1: Untersuchungsablauf bei MR-Enteroklysma/-Enterografie. Die Untersuchung kann in Rücken- oder Bauchlage durchgeführt werden. Bei den T2w-b-SSFP-Sequenzen handelt es sich herstellerabhängig um true-FISP, Fiesta oder b-FFE, bei den 3D T1w GRE um THRIVE, VIBE oder FAME. Vorgaben in Anlehnung an [3]. Kontrastmittelapplikation oral
oral und rektal
transnasale Sonde
Indikation
Komplikationen bei CED, Ausschlussdiagnostik
Ausbreitungsdiagnostik Dünn- und Dickdarm bei CED
Bevorzugt bei Stenosediagnostik
Phase I: Fluoroskopie
entfällt
entfällt
1. Transnasale 8FTeflon-Sonde bis zum Treit’schen Band 2. Transfer ins MRT
Phase II: MRT
Orale Kontrastmittelapplikation von 1,5 l beginnend 60 Minuten vor Untersuchungbeginn, dann weiter mit Punkt 1, 4–8
Am Tag der Untersuchung reichlich stilles Wasser oder Tee trinken lassen. Zusätzlich auf dem MRT-Tisch rektale Darmfüllung in einer Menge von 1,5–2,0 l, dann weiter mit Punkt 1, 4–8
1. 20 mg Buscopan® i.v. 2. Applikation von 1,5–2,0 l mit einer Flussrate von 120 ml/min 3. T2w-Fluoroskopie (SS-TSE) zur Kontrolle der Darmfüllung und Distension (optional) 4. T2w TSE oder FSE ax/cor ohne FS, ax mit FS 5. T2w (b-SSFP) ax/cor ohne FS 6. DWI axial (B-Faktor: 50, 600, 800), free breathing 7. 20 mg Buscopan® i.v. 8. T1w (3D T1w GRE) axial und koronal mit Fettsättigung nach Gadolinium i.v. (0,1 mmol/kg KG, 2 ml/s), delay: 45 s oder 70 s
Limitationen
Unzureichende Darmreinigung, vorangegangene Kolektomie, Stomapatienten (Stoma blocken)
Auswertung
Axial und koronal sowie Monitor-basiert
8.2 Technische Durchführung MR-Enterografie und MR-Enteroklysma | 111
In der Regel bleiben die Patienten als Vorbereitung auf die Untersuchung mindestens 4 Stunden vor der Untersuchung nüchtern. Auf der Basis einer international angelegten Befragung [4] von Zentren, die regelhaft MR-Enterografien/-Enteroklysmen durchführen und hierüber publizieren sowie dem ersten Konsensuspapier [3] der European Society of Gastrointestinal and Abdominal Radiology (ESGAR) und European Society of Paediatric Radiology (ESPR), lassen sich aktuell folgende Trends ablesen:
Darmkontrastierung Bei der Darmkontrastierung werden abhängig von ihrem Kontrastverhalten in T1wund T2w-Sequenzen sog. negative, biphasische oder positive Kontrastmittel unterschieden (Tab. 8.2). Sogenannte biphasische Kontrastmittel, allen voran Mannitol und Polyethylenglykol, werden dabei bevorzugt [5]. Bei Verwendung negativer und biphasischer Kontrastmittel lässt sich nach i.v. Gabe von Gadolinium entzündlich veränderte signalhyperintense Darmwand sehr gut vom signalarmen Darmlumen abgrenzen. Dieser Effekt kann durch Verwendung sog. fettsupprimierter Sequenzen weiter optimiert werden. Bevorzugt werden etwa 1000–1500 ml Gesamtmenge, die 40–60 Minuten vor Untersuchungsbeginn kontinuierlich verabreicht werden.
Oral versus Sonde Die meisten Zentren bevorzugen die Durchführung einer MR-Enterografie, d. h., auf eine jejunale Sondenplatzierung wird zumeist verzichtet. Dies deckt sich auch mit der aktuellen Literatur, wonach bei den therapierelevanten Befunden kein wesentlicher Unterschied zwischen der oralen und transjejunalen Applikation des Kontrastmittels gesehen wurde [6]. Wir applizieren biphasisches Kontrastmittel oral (0,5 % Methylcellulose) und beginnen etwa 60 Minuten vor Scanbeginn mit kontinuierlichen Gaben. Bei dezidierten Stenosefragen sollte im Einzelfall jedoch die Notwendigkeit einer sondengestützten Applikation erwägt werden. In Analogie zum konventionellen Enteroklysma sollte über eine MR-taugliche Pumpe, alternativ per Hand das Kontrastmittel appliziert werden. Die Dünndarmdistension wird üblicherweise mit einer dynamischen SS-TSE (HASTE) kontrolliert (sog. MR-Fluoroskopie) und die eigentliche Bildgewinnung nach Erreichen des Zökums gestartet. Wenngleich in den meisten Fällen die MR-Enterografie als ausreichend betrachtet werden kann, gilt generell, dass die Form der KM-Applikation (oral bzw. oral/rektal sowie kontinuierlich sondengestützt) der klinischen Fragestellung angepasst werden sollte (Tab. 8.2).
112 | 8 MRT bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
Tab. 8.2: Orale Kontrastmittel in der gastrointestinalen MRT und ihr Kontrastverhalten in T1w- und T2w-Sequenzen. Biphasische Kontrastmittel werden aktuell von den meisten Zentren bevorzugt. Positive Kontrastmittel (Signalreich in T1w und T2w)
Biphasische Kontrastmittel (Signalarm T1w, signalreich T2)
Negative Kontrastmittel (Signalarm in T1w und T2w)
– Gd-DTPA in Dosierungen bis 10 mmol/l – Ölhaltige Substanzen (Maiskeimöl, Nahrungsersatzmittel, Babynahrung) – Bariumsuspensionen in niedrigen Konzentrationen
– Manganhaltige Verbindungen (Blaubeersaft, grüner Tee) – Wasser – Polyethylenglykol – Methylcellulose – Mannitol
– diamagnetische Kontrastmittel (Bariumsulfat in hoher Konzentration) – Substanzen ohne Protonengehalt (Perfluorcarbon und Gase)
MRT-Sequenzen Tabelle 8.3 gibt eine Übersicht über die verwendeten Standardsequenzen. T2w-Fluoroskopie(SS-TSE)-Sequenzen sind optional zur Kontrolle der Darmfüllung und Distension anzuwenden. Standardmäßig [3] werden Bilder in T2w (FSE und b-SSFP) axial und koronal sowie T1w (3D T1w GRE) axial und koronal mit Fettsättigung nach Gadolinium i.v. (0,1–0,2 mmol/kg KG, 2 ml/s) akquiriert. Diffusionsgewichte Bilder (DWI) finden zunehmend Anwendung zur besseren Identifikation entzündlich veränderter Darmabschnitte und Bestimmung der Entzündungsaktivität. Einige Anwender verzichten bereits auf die Akquise von T2w-Bildern zugunsten der DWI. Andere Arbeitsgruppen sehen das Potenzial der DWI insbesondere darin, auf die i.v. Gadoliniumgabe verzichten zu können [7]. Die DWI könnte in dieser Hinsicht insbesondere bei pädiatrischen Patienten einen hohen Stellenwert erlangen [8].
8.3 Normalanatomie des Darms und MRT Die normale Wanddicke beträgt durchschnittlich 2–3 mm. Feingeweblich findet man unterhalb der lumenseitigen Mukosa die Lamina propria. Die Muscularis mucosae trennt diese von der eigentlichen Submukosa. Beide Schichten sind reich an Blut- und Lymphgefäßen sowie Nerven, die bis tief in die Zotten der in Falten aufgeworfenen Mukosa/Lamina propria reichen. Hier finden sich auch reichlich Lymphfollikel, die die herausragende Bedeutung des Darms als Immunorgan des Körpers unterstreichen. Es folgt die Muscularis propria, die sich in eine innere Muskelquerschicht und eine äußere Längsschicht aufteilt, gefolgt von der Subserosa bzw. Serosa. Die Serosa als der sog. peritonealisierte Anteil (Peritoneum viscerale) der Dünndarmschlinge umgibt nicht die gesamte Zirkumferenz, sondern fehlt mesenterialseitig im Eintrittsbereich der Darmwandgefäße und umscheidet die Mesenterialwurzel. Damit ist der Inhalt der Mesenterialwurzel (Gefäße, Nerven, Lymphgefäße und Fettgewebe) eine kontinuierliche Fortsetzung aus dem Retroperitoneum. Dies erklärt, warum intraperitonealer Aszites
Diffusionsrestriktion
Geringe Restriktion
Keine Restriktion
Signalangehoben durch Submukosaödem
Intermediär
Intermediär
Dreischichtung
Zweischichtung keine Schichtung/ homogen
Keine Schichtung, homogen/inhomogen durch eingelagerte reparative Fibroseareale insbesondere an der Darmaußenseite
Mittelgradig aktiv
Leicht aktiv
DWI
Aktiv entzündlich Hoch aktiv
T2w
Wandmuster
Crohn-Subtyp
MRT Befunde
Tab. 8.3: MR-Enterografie und Bildbefunde beim M. Crohn
Homogenes Enhancement Inhomogenes Enhancement
Mukosales Hyperenhancement oder homogenes Enhancement
Mukosales Hyperenhancement, Muscularis propria mit Enhancement, Submukosa ausgespart
Post Gd
Eher kein comb sign, keine wesentliche extramurale Entzündung
Geringes comb sign, keine wesentliche extramurale Entzündung
Vasa recta dilatiert (comb sign) Lymphadenopathie (< 8 mm Kurzachse, größer: CAVE Lymphom!) Imbibierung des mesenterialen Fettgewebes: in T2w Ödem, post Gd Enhancement
extraintestinal
8.3 Normalanatomie des Darms und MRT | 113
Wandmuster
Lineare Bänder
Homogen oder Zweischichtung
Dreischichtung Pseudopolypen mit geringer Signalintensität
Crohn-Subtyp
Fistulierend/ abszedierend
Fibrostenotisch
Reparativ/ regenerativ
Tab. 8.3: (fortgesetzt)
Submukosaverfettung
Hypointens bis intermediär
Fisteln: lineare signalreiche Bänder Abszesse: signalangehoben
T2w
MRT Befunde
Keine Diffusionsrestriktion
Keine Diffusionsrestriktion, ADC-Absenkung in Fibroseareale beschrieben [12] Wenn doch Diffusionsrestriktion: superimponierende aktive Entzündung wahrscheinlich
Fisteln: Diffusionsrestriktion, wenn räumlich abgrenzbar Abszesse: über Diffusionsrestriktion gut abgrenzbar zu flüssigkeitshaltigen Darmschlingen
DWI
Kein Hyperenhancement
Mukosales Hyperenhancement, insgesamt Darmwandenhancement geringer als bei aktiver Entzündung, ggf. Spätaufnahme (7 Minuten): hier verstärktes Enhancement der Firboseareale
Fisteln: Sinus tracts und Fisteln reichern Gd an Abszesse: Randenhancement
Post Gd
Vasa recta nicht dilatiert Keine Lymphadenopathie
Vasa recta nicht dilatiert, keine Lymphadenopathie: wenn diese Zeichen dennoch vorliegen, sollte eine superimponierende aktive Entzündung angenommen werden
Sinus tracts: enden blind Fisteln: entero-kutan, enteroenteral, perianal und rektovaginal
extraintestinal
114 | 8 MRT bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
8.5 Morbus Crohn
| 115
den Inhalt der Mesenterialwurzel als solchen immer ausspart und dem Peritoneum viscerale frei auslaufend folgt. Zeigt sich also Flüssigkeit innerhalb der Mesenterialwurzel ist von einem Mesenterialödem und keinesfalls von Aszites zu sprechen. Diese Unterscheidung erlangt bildgebend wichtige differentialdiagnostische Bedeutung.
In der koronalen Schichtführung unterteilt eine gedachte diagonale Linie vom Leberzentrum zum linken Femurkopf zwischen Jejunum (oberhalb der Linie) und Ileum (unterhalb der Linie). Das Ileum lässt sich in einen proximalen Anteil (rechter oberer Quadrant) und in einen distalen Anteil (untere Quadranten bds.) gliedern. Im distalen Ileum unterscheidet man den terminalen Abschnitt (etwa die letzten 20–30 cm vor der Bauhin’schen Klappe) vom präterminalen Abschnitt (unmittelbar proximal hiervon). Wenngleich diese gedachte Linie einer erheblichen Variation unterliegt (horizontaler bis senkrechter Verlauf sind möglich), nimmt die Faltendichte von proximal nach distal beim Gesunden immer ab. Für das Jejunum gilt im MRT hierbei die sog. „3er-Regel“ (Durchmesser 3 cm, Wanddicke 3 mm, Faltenhöhe 3 mm, Faltendichte 3 pro cm). Abhängig vom Grad der Distension kann die Wanddicke jedoch zwischen 1 und 10 mm variieren. In der T1w stellt sich die normale Darmwand im Vergleich zu Skelettmuskulatur mit intermediärem bis hypointensem Signal dar, in der T2w leicht signalreicher als die Skelettmuskulatur. Nach Kontrastmittelgabe kommt es zu einem physiologischen Enhancement, das seinen Gipfel im Mittel nach ca. 45 p. i. (30–60) Sekunden (sog. splanchnic transit time) erreicht und etwa 50–100 % des Ausgangswertes in der T1w aufweisen kann. Der angehobene Kontrast lässt sich am besten bei Verwendung eines negativen oder biphasischen oralen Kontrastmittels und fettsupprimierten T1w erkennen. Eine suffiziente Abgrenzbarkeit der verschiedenen Darmwandschichten im Gesunden ist aber aufgrund der reduzierten räumlichen Auflösung nicht möglich.
8.4 Entzündliche Dünndarmerkrankungen Die meisten entzündlichen Darmerkrankungen sind akute Enteritiden, die keine Indikation für eine Dünndarmbildgebung darstellen und sich an Schleimhaut und oberflächlichen Wandschichten des Dünndarms unspezifisch manifestieren. Chronische Beschwerden erfordern hingegen eine exakte Diagnosestellung. Der M. Crohn stellt in der westlichen Welt mit 7–8 Neuerkrankungen/100.000 hierbei die chronische Darmentzündung mit der größten Bedeutung dar.
8.5 Morbus Crohn Obschon diese diskontinuierlich segmental (sog. skip lesions) auftretende Entzündung aller Wandschichten des gesamten Gastrointestinaltraktes an jeder Stelle des Verdauungstraktes vom Mund bis zum Anus vorkommt, überwiegt in etwa der Hälfte
116 | 8 MRT bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
der Fälle die Lokalisation im terminalen Ileum und proximalen Kolon (30 % der Fälle betreffen nur den Dünndarm mit Bevorzugung des Ileums) mit fakultativem Nachweis von Epitheloidzellgranulomen und mehrkernigen Langerhans-Riesenzellen auch in den regionalen Mesenteriallymphknoten. Auf dem Boden einer genetischen Suszeptibilität und als Folge einer noch nicht hinreichend geklärten mukosalen Barrierestörung mit sekundärem Immunphänomen finden sich auch extraintestinale Schädigungen an der Haut (z. B. Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum), an den Augen (z. B. Uveitis, Episkleritis), an den Gelenken (z. B. Arthritis, in 3–16 % der Fälle ankylosierende Spondylitis) und der Leber (z. B.in 10 % der Fälle primär sklerosierender Cholangitis). Klinisch kennzeichnend sind Abdominalschmerzen und chronische Durchfälle mit (eher okkult) und ohne Blutbeimengungen. Komplizierend beobachtet man Darmstenosen mit Ileus, Fisteln (40 %) und anorektale Abszesse (25 %) sowie Folgen der Malabsorption (megaloblastäre Anämie, Cholesterin-Gallensteine, OxalatNierensteine). Patienten mit M. Crohn erkranken nach einer Latenzzeit von etwa 25–30 Jahren gegenüber der Normalbevökerung 4- bis 20-mal häufiger an einem kolorektalen Adenokarzinom [9]. Unter Therapie mit Thiopurinen wurde ferner ein erhöhtes Lymphomrisiko beschrieben [10]. Die Pathomorphologie bzw. Physiologie trägt zum Verständnis der zu erwartenden Bildbefunde bei und soll deshalb hier kurz erläutert werden. Im Frühstadium finden sich infolge eines Lymphödems unspezifisch verdickte Falten mit den geschwollenen Lymphfollikeln benachbarten Aphten und ein vergröbertes Zottenmuster. Eine zunehmende lymphoplasmazelluläre Infiltration führt bevorzugt zu mesenterialseitiger Darmwandverdickung mit Sklerosierung und nachfolgender Retraktion des angrenzenden Mesenteriums. Dadurch stülpt sich die relativ lange antimesenteriale Seite divertikelartig aus. Reaktive spastische Kontraktionen („string sign“) verursachen zunächst charakteristischerweise reversible Stenosen ohne prästenotische Dilatation. Die Ulzera beim M. Crohn zeigen typischerweise eine eher länglich longitudinale als kraterförmig rundliche Form. Ulzerationen in longitudinaler und transversaler Richtung zwischen nodulär-ödematöser Schleimhaut prägen das fortgeschrittene Stadium im Sinne eines Pflastersteinreliefs. Diese Ulzerationen können säbelhiebartig bis in die tiefen Wandschichten und darüber hinaus vordringen (sog. intramurale Fissuren). Derartige Wanddefekte greifen auf die Umgebung über (sog. Sinus tracts) und sind damit Wegbereiter der Fistel- und Abszessbildung. Die begleitende reaktive Proliferation von mesenterialem Fett- und Bindegewebe („creeping fat“ oder Sklerolipomatose) führt bei fortgeschrittenen Formen zu einer Distanzierung von Dünndarmschlingen oder einer Zökumimpression. Entzündlich bedingte Stenosen gehen mit einer nur geringen Erweiterung des vorgeschalteten Darmsegments einher. Die zunehmende Fibrosierung der Darmwand verursacht schließlich fixierte Stenosen mit prästenotischer Dilatation. Endzustand ist die Schleimhautatrophie mit strukturloser glatter Oberfläche des atonen und bei fehlender Füllung kollabierten Darmsegments („Fahrradschlauch“), ähnlich wie das Erscheinungsbild einer Strahlenenteritis oder Tuberkulose.
8.5 Morbus Crohn
| 117
8.5.1 MR-Enterografie und Bildbefunde Der M. Crohn zeigt sich in verschiedenen klinischen Verlaufsformen, die sich in die Subtypen aktiv entzündlich, fistulierend/perforierend, fibrostenotisch und reparativ/regenerativ klassifizieren lassen (Tab. 8.3). Diese Stadien gehen nicht zwangsweise ineinander über, sondern können auch – bezogen auf die betroffenen Darmsegmente – unabhängig voneinander in ein und demselben Patienten existieren. Der radiologische Befundbericht sollte beim M. Crohn standardisiert auf eine Reihe von therapieentscheidenden Kriterien eingehen.
8.5.2 Aktiv entzündliche Verlaufsform Frühveränderungen auf Schleimhautniveau wie Aphten und aphthöse Ulzera lassen sich nicht mittels MRT darstellen und sind gerade in der Frühdiagnose des M. Crohn Domäne der Endoskopie. Fokus der MRT ist die durch das entzündliche Infiltrat und das Ödem eintretende Darmwandverdickung, die im Dünndarm oberhalb von 2 mm, im Dickdarm oberhalb von 3 mm angenommen werden darf.
8.5.3 Darmwandverdickung Wandverdickungen stellen sich in T1w hypointens und in T2w intermediär bis leicht hyperintens dar. Nach Kontrastmittelgabe kommt es regelhaft zu einem deutlichen muralen Enhancement. Wenngleich das murale Enhancement grundsätzlich mit Krankheitsaktivität assoziiert ist, sind Versuche, die Kontrastmittelaufnahme der Wand quantitativ mit der Krankheitsaktivität zu korrelieren bislang gescheitert. Bedeutsamer scheint vielmehr die Betrachtung der Kontrastmittelmuster zu sein. So lassen sich qualitativ bei der aktiv entzündlichen Verlaufsform drei Grundmuster differenzieren: 1. Homogen, 2. Zweischichtung mit nur mukosalem Hyperenhancement und 3. Dreischichtung mit mukosalem Enhancement und Submukosaödem (Abb. 8.1). Bei der letzteren Form zeigen sich korrespondierend in der T2w mit Fettsättigung eine signalarme Mukosa, intermediäre bis signalangehobene Submukosa umgeben von muskelisointenser Muscularis propria und Serosa (Abb. 8.2). Wenngleich dieses Zeichen auch bei anderen benignen Veränderungen wie bei der akuten Enteritis, Ischämie oder Graft-versus-Host-Erkrankung beobachtet wird, ist die Ödembildung in der Submukosa beim M. Crohn durch das begleitende lymphoplasmazelluläre Infiltrat geringer ausgeprägt, sodass über die Signalintensität in der T2w eine Abgrenzung zu den o. g. Erkrankungen möglich erscheint. Erst mit zunehmender Wandfibrose nimmt das Wandsignal in der T2w ab und wird homogener, d. h., das „target-sign“ verschwindet. Mit weiterer Progression der Erkrankung treten transmurale lineare Ulzerationen auf, die in ihrer koaleszierenden Form zusammen mit geschwollener
118 | 8 MRT bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen homogen
Zweischichtung
Dreischichtung
MRTT1w KM
Abb. 8.1: Schematische Abbildung verschiedener Muster bei aktiv entzündlicher Verlaufsform des M. Crohn in der MRT (T1w nach i.v. Gadolinium und Fettsättigung).
Abb. 8.2: M. Crohn mit signalreichem Wandödem der Submukosa in der T2w mit Fettsättigung. Das Ödem ist Ausdruck einer hohen Entzündungsaktivität.
nicht-ulzerierter Mukosa das Pflastersteinrelief ausbilden. Das Pflastersteinrelief lässt sich gut in den T2w-Sequenzen oder nach Kontrastmittelgabe als noduläraufgeworfene Mukosa abbilden.
8.5.4 Extramurale Entzündungszeichen Die MRT zeigt gegenüber der Endoskopie insbesondere Vorteile, wenn es um die Beurteilung des angrenzenden extramuralen Mesenteriums geht. Als typischer Begleitbefund wird bei der aktiven Verlaufsform neben einer entzündlich bedingten Vasodilatation der Vasa recta im Sinne des Comb-Zeichens (Abb. 8.3) eine Proliferation von mesenterialem Fett- und Bindegewebe (Sklerolipomatose) in der Nähe entzündlicher Darmveränderungen ebenso wie eine reaktive Lymphadenopathie beschrieben. In der T2w mit Fettsättigung zeigt sich überdies häufig auch eine entzündlich phlegmonöse Imbibierung des mesenterialen Fettgewebes, gelegentlich auch mit streifigem Enhancement nach i.v. Gadolinium-Applikation.
8.5 Morbus Crohn
| 119
Abb. 8.3: M. Crohn mit Darmwandverdickung und entzündungsbedingter Dilatation der Vasa recta im Sinne eines sog. Comb sign im MRT.
8.5.5 Beurteilung der Entzündungsaktivität Neben der exakten Lokalisation ist die Graduierung der Entzündungsaktivität in den betroffenen Segmenten notwendig. Studien [11], die die bekannten MR-Zeichen unmittelbar histologisch korrelieren, zeigen, dass insbesondere Schichtungsphänomene bzw. das zugrunde liegende T2w-Wandödem mit einer hohen Krankheitsaktivität assoziiert sind. Allerdings ließ sich weder für die Lymphadenopathie noch die Kontrastmittelaufnahme der Wand oder das Comb-Zeichen bzw. C-reaktive Protein (CRP) eine Korrelation ableiten. Ein chronisch aktives Entzündungsgeschehen geht immer auch mit reparativen Prozessen im Sinne einer Fibrosierung einher, sodass man gerade bei chronischem Verlauf eine aktive Entzündung in „Reinform“ nur bedingt erwarten darf und ein „Nebeneinander“ beider Komponenten wahrscheinlicher ist. Während also das absolute Maß des Kontrastmittelenhancements wenig tauglich zur Beschreibung der Entzündungsaktivität scheint, ist das Enhancement-Muster – wie o. g. – vielversprechender. Bei Vorliegen einer Dreischichtung mit Submukosaödem in der T2w ist eher von einer hohen Entzündungsaktivität auszugehen (Abb. 8.4). Beim homogenen transmuralen Enhancement nimmt hingegen die ganze Wand verhältnismäßig gleichmäßig Kontrastmittel auf. Dieser Typ korreliert offenbar gut mit einer eher gering bis mäßig aktiven chronischen Entzündungsaktivität. Vereinzelt sieht man auch ein inhomogenes transmurales Enhancement möglicherweise als Ausdruck intramuraler Fibrosierungen mit mukosalen Hyperenhancement. Ob sich die Entzündungsaktivität zwischen den letztgenannten Formen unterscheidet ist bislang nicht hinreichend untersucht. Neben dieser qualitativen Betrachtung der Darmwand erscheint uns die synoptische Betrachtung weiterer Parameter in der Beurteilung der Entzündungsaktivität sinnvoll. Hierzu zählen auch der Nachweis muraler fissuraler Ulzerationen in der T2w und extramurale Entzündungszeichen. Einige dieser Parameter haben Einzug gehalten in MRT-scoring-Schemata, namentlich der CD MR imaging index und der MR imaging index of activity. Die Korrelation zu endoskopischen Indizes wie beispiels-
120 | 8 MRT bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
(a)
(b)
(c)
Abb. 8.4: M. Crohn mit Submukosaödem in der T2w (a). Die DWI (b) zeigt korrespondierend eine deutliche Diffusionsrestriktion. Nach Kontrastmittelgabe (c) zeigt sich überwiegend eine Zweischichtung mit mukosalem Hyperenhancement vereinbar mit aktiver mittel- bis höhergradiger Entzündung.
weise der CD endoscopic index of severity ist aber eher als moderat einzustufen [12], die interdisziplinäre Kommunikation von reinen Punktewerten aus unserer Sicht zudem häufig erklärungsbedürftig.
8.5.6 Fistulierende/perforierende Verlaufsform Bei etwa einem Drittel der M.-Crohn-Patienten führt die transmurale Entzündung mit tiefen penetrierenden fissuralen Ulzerationen zu einer Überschreitung der Muscularis propria bzw. Serosa [9]. Die extramurale Entzündungsausdehnung ist der Wegbereiter zur Ausbildung von Sinus tracts und Fisteln.
8.5.6.1 Sinus tracts Sinus tracts sind blind endende Verbindungen, z. B. in das mesenteriale Fettgewebe (Abb. 8.5) oder in die Bauchwand. Sie sind häufig mit einer mesenterialen Phlegmone assoziiert. In ihrer Folge lassen sich als Komplikation häufig Abszesse nachweisen.
Abb. 8.5: M. Crohn des präterminalen Ileums (T1w GD und Fettsättigung). Sinus tract bei ca. 10:00 Uhr nach dorsal ziehend.
8.5 Morbus Crohn
(a)
(b)
| 121
(c)
Abb. 8.6: Pararektale Flüssigkeitsansammlungen bds. In der T2w (a) sind beide Flüssigkeitsverhalte signalreich. Die Diffusionsbildgebung (b) zeigt bei hohem B-Faktor eine deutliche Diffusionseinschränkung des Verhaltes linksseitig, bei erhaltener Diffusion der Flüssigkeit pararektal rechtsseitig. Der Befund ist vereinbar mit einem pararektalen Abszess links. Dieser wurde CTgrafisch drainiert (c).
8.5.6.2 Fisteln Anders als die blind endenden Sinus tracts finden Fisteln Anschluss an andere epithelialisierte Oberflächen (entero-kutan, entero-enteral, perianal und rekto-vaginal). Aus therapeutischer Sicht müssen operativ anzugehende enterokolische von konservativ zu behandelnden interenterischen Fisteln abgegrenzt werden. Wenngleich sich endoskopisch der Ursprung von Fisteln und Sinus tracts – in Abhängigkeit von Größe und Lage – abgrenzen lässt, ist eine genaue Differenzierung der beiden Formen bei fehlender Information zum extramuralen Verlauf nicht möglich. Die hier vorteilig einzusetzende MRT zeigt die Sinus tracts und Fisteln in der T2w und in der T1w mit Fettsättigung nach Kontrastmittelgabe signalreich (Abb. 8.5).
8.5.6.3 Abszesse Die zwischen 3 und 7 mm breite Abszessmembran nimmt deutlich Kontrastmittel auf. Die entzündliche Begleitreaktion im angrenzenden Mesenterium lässt sich am besten in fettsupprimierten T1-gewichteten Sequenzen erkennen. Bisweilen kann die Abgrenzbarkeit von signalreicher Abszessflüssigkeit vom signalreichen Darmlumen in der T2w allerdings erschwert sein. Dies gilt insbesondere für kleine intramurale Abszesse und Schlingenabszesse. Bei entsprechendem Verdacht hilft hier bisweilen der Wechsel des oralen Kontrastmittels von biphasisch auf negativ oder positiv. Bei Gabe eines positiven Kontrastmittels demarkiert sich in der T1-Gewichtung die dunkle Abszessflüssigkeit vom hellen Darmlumen bzw. bei Gabe eines negativen Kontrastmittels in der T2-Gewichtung das dunkle Darmlumen von der hellen Abszessflüssigkeit. Vorteile sehen wir in der Verwendung der Diffusionsbildgebung. Abszesse zeigen oftmals eine Diffusionsrestriktion und lassen sich entsprechend bei hohem B-Faktor signalangehoben abgrenzen (Abb. 8.6).
122 | 8 MRT bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
8.5.7 Fibrostenotische Verlaufsform Langzeitstudien zeigen, dass etwa 18–27 % der M.-Crohn-Patienten im Verlauf von 10–20 Jahren nach Diagnosestellung Fibrostenosen entwickeln [13]. Überschießende reparative Prozesse als Antwort auf die entzündliche Schädigung führen zu einer transmuralen Fibrosierungsreaktion (verstärkte Bildung extrazellulärer Matrix mit Typ-III-Kollagen) und konsekutiver Narbenkontraktion sowie Ausbildung charakteristischer Strikturen. Reine Strikturen zeigen endoskopisch keine aktiven Entzündungszeichen der Mukosa.
8.5.7.1 Stenosen In der MRT imponieren die kurz- oder langstreckigen Stenosen in der T2w signalarm bzw. mit intermediärem Signalverhalten. Abhängig vom Grad der Stenose kommt es zu prästenotischen Dilatationen. Während aktiv entzündliche Stenosen („string sign“) in der Regel mit eher geringer Erweiterung des vorgeschalteten Darmsegments einhergehen, führt die zunehmende Fibrosierung der Darmwand – abhängig vom Stenosegrad – zu einer prästenotischen Dilatation. Fibrostenosen sind wenig vaskularisierte Stenosen und zeigen gegenüber der aktiven Entzündung quantitativ eine geringere Kontrastmittelaufnahme der Wand. Qualitativ beobachtet man häufig eine Zweischichtung mit mukosalem Hyperenhancement, aber auch homogene Enhancementmuster treten gelegentlich auf. Die fehlende Diffusionsrestriktion unterstützt die Diagnose einer Fibrostenose ebenso wie der fehlende extramurale Nachweis einer Dilatation der Vasa recta bzw. eine mesenteriale Lymphadenopathie. Im Rahmen der Diffusionsbildgebung wurden in Abhängigkeit vom Fibrosegrad reduzierte ADC-Werte (apparent diffusion coefficient) gefunden [12]. Auch ein „late-enhancement“ der Fibroseareale etwa 7 Minuten nach der Gadolinium-Gabe wird beschrieben [14].
8.5.8 Beurteilung der Entzündungsaktivität Symptomatische Patienten mit reiner Fibrostenose werden vorzugweise operativ oder mittels Strikturoplastik versorgt. Superimponierende entzündliche Veränderungen mit Stenosesymptomatik eröffnen die Möglichkeit einer medikamentösen Therapie. MR-tomografisch zeigt sich in solchen Fällen – abweichend von der reinen Fibrostenose – eine in der T2w angehobene Signalintensität, ein stärkeres Kontrastmittelenhancement und eine Diffusionsrestriktion in der DWI, letztere manchmal als einziger Hinweis auf Entzündungsaktivität. Insgesamt ist gerade bei superimponierenden aktiven Entzündungsanteilen auf dem Boden fibrotischer Wandveränderungen die Bewertung und Differenzierung einer Stenose rein bildgebend sehr schwierig. Entsprechend ist aus unserer Sicht in diesen Fällen eine interdisziplinäre Festlegung erforderlich.
8.6 Colitis ulcerosa | 123
(a)
(b)
(c)
Abb. 8.7: Terminales Ileum mit Dreischichtung in der T2w und v. a. signalreiches Submukosaödem (links). Die DWI zeigt keine wesentliche Diffusionsstörung, sondern einen Signalabfall in der Submukosa (Mitte). In der T1w post Gd (rechts) mit Fettsättigung ebenfalls Signalabfall der Submukosa ohne wesentliches Enhancement. Der Befund entspricht einer Submukosaverfettung im Sinne eines reparativ/regenerativen Stadiums.
8.5.9 Reparative/regenerative Verlaufsform Endoskopisch im Vordergrund steht in diesem Stadium die Mukosaatrophie mit regenerativer Polypenbildung. In der MRT zeigt sich bisweilen eine Dreischichtung. Anders als bei der aktiven Entzündung mit Submukosaödem wird diese aber durch eine Verfettung der Submukosa verursacht (Abb. 8.7). Entsprechend fehlen alle anderen Zeichen der Entzündungsaktivität (kein murales Enhancement, keine Diffusionsstörung, keine extramuralen Entzündungszeichen).
8.6 Colitis ulcerosa Anders als beim M. Crohn handelt es sich bei der Colitis ulcerosa um eine Entzündung der Mukosa und Submukosa ausgehend vom Rektum mit kontinuierlicher Ausdehnung im Kolon und gelegentlicher Beteiligung des terminalen Ileums als sog. Backwash-Ileitis [15]. Diagnose und Management der Erkrankungen fußen in der Regel auf den Befunden der Endoskopie. Bildgebung – außerhalb von Komplikationen – ist in der Regel nicht erforderlich.
8.6.1 Akute Phase Diese ist histologisch geprägt durch eine ödematöse, granuläre und hyperämische Mukosa. Das entzündliche Infiltrat sammelt sich an der Kryptenbasis mit Ausbildung von Kryptenabszessen. Ausdehnung der Entzündung in die Submukosa, Ulzerationen bis in die Lamina propria und nachfolgend Submukosa sowie mukosale Blutungen kennzeichnen den weiteren Verlauf. Nichtbetroffene Schleimhautareale wölben sich in Form inflammatorischer Pseudopolypen hervor.
124 | 8 MRT bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
MR-tomografisch lassen sich die frühen Veränderungen auf Schleimhautniveau nicht abgrenzen. Bei Fortschreiten der Entzündungsreaktion lassen sich – in Analogie zum M. Crohn – ein mukosales Hyperenhancement (T1w nach Gadolinium) und Submukosaödem in der T2w abgrenzen.
8.6.2 Subakute und chronische Phase Der Wechsel von Entzündungs- und Remissionsphasen verändert im langjährigen Verlauf der Erkrankung den Durchmesser des Kolons und die Darmwandmorphologie. Der Dickdarm zeigt sich zunehmend wandverdickt, strukturlos und verkürzt. Histologisch im Vordergrund stehen die neuronale Hypertrophie sowie fibromuskuläre Hyperplasie der Muscularis mucosae mit Kontraktion und konsekutiver Darmverkürzung und Lumeneinengung [16]. Wie in der reparativen Phase des M. Crohn kommt es auch bei der Colitis ulcerosa zu Fetteinlagerungen in der Submukosa, die neben fibrotischen Veränderungen zu einer Darmwandverdickung beitragen. Entsprechend lassen sich MR-tomografisch Dreischichtungsphänomene ableiten. Perirektal und insbesondere präsakral lässt sich ebenfalls eine Fettgewebsvermehrung in der MRT mit konsekutiver Lumeneinengung des Rektums beobachten. Der Grad der mukosalen Entzündungskomponente ist hingegen variabel, die Mukosa kann gelegentlich pseudopolypenartig überwachsen und regenerieren.
8.6.3 Klinischer Stellenwert der MR-Enterografie Zur Indikation der Bildgebung des Dünndarms spielt v. a. die zuletzt im Jahr 2014 aktualisierte S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn“ (AWMF 2014) eine entscheidende Rolle. Dabei fordert die Leitlinie, dass bei Patienten mit klinischen Zeichen einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung zunächst eine hochauflösende transabdominelle Sonografie und eine Ileokoloskopie mit Stufenbiospie erfolgen sollen. Für die initiale Dünndarmdiagnostik wird empfohlen, eine MRT des Dünndarms (Enterografie bzw. Enteroklyse) zu verwenden. Für den weiteren Verlauf der Erkrankung wird zur Aktivitätsbeurteilung als primäres Verfahren die Sonografie empfohlen, bei schlechter Beurteilbarkeit wird nach der aktualisierten Version der Leitlinie jedoch abhängig von der Primärlokalisation eine Endoskopie bzw. eine MRT empfohlen. Wie bereits in der Vorversion der Leitlinie wird eine konventionell durchgeführte Enteroklyse in den Modifikationen nach Herlinger und Sellink nicht mehr empfohlen bzw. nicht mehr als primäre Modalität erwähnt. Die aktualisierte Version der S3-Leitlinie stellt sogar, aus Gründen des Strahlenschutzes, die CT-Untersuchung zur Beurteilung des Dünndarms eher zurück. So geht die aktuelle Version so weit, dass sie zur Diagnostik extramuraler Komplikationen wie Fisteln und Abszesse eine hochauflösende Sonografie bzw. MRT empfiehlt, wobei eine Computertomografie nach der
Literatur
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125
neuen Leitlinie wegen der Strahlenexposition nur im Notfall oder bei Versagen anderer Diagnostikverfahren eingesetzt werden sollte.
8.7 Fazit Trotz unbestrittener Vorteile des konventionellen Enteroklysmas haben Schnittbildverfahren das Enteroklysma in der Dünndarmdiagnostik verdrängt. Überdies liegt in vielen Instituten bei jüngeren Radiologen kein ausreichendes Erfahrungsniveau mehr vor, das den primären Einsatz des Enteroklysmas rechtfertigen könnte. Die Bedeutung der strahlenfreien MRT als sog. Enterografie oder Enteroklysma liegt in der direkten Beurteilung der Dünndarmwand und in der Erfassung extraintestinaler Manifestationen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Sie liefert damit auch in Ergänzung zur Enteroskopie sowie der Kapselendoskopie wichtige und oftmals therapieentscheidende Zusatzinformationen und erleichtert die differentialdiagnostische Zuordnung der jeweiligen Veränderungen. Die aktuelle S3-Leitlinie belegt überdies den Stellenwert der MRT in der Diagnostik- und Verlaufskontrolle des M. Crohn.
Literatur [1]
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126 | 8 MRT bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
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Thomas Klag und Jan Wehkamp
9 Krankheitsindizes – klinisch/endoskopisch In diesem Kapitel werden verschiedene klinische und endoskopische Scores zur Beurteilung der Entzündungs- bzw. Krankheitsaktivität bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) erläutert. Allgemein ist festzuhalten, dass sich beim M. Crohn als auch bei der Colitis ulcerosa unterschiedliche Indizes bzw. Scores etabliert haben. Daher sollen die Möglichkeiten zur Aktivitätsbestimmung für beide Krankheitsentitäten nachfolgend getrennt erläutert werden. Beiden Entitäten gleich ist jedoch, dass eine objektivierbare Bestimmung der Krankheitsaktivität wünschenswert ist, um das Therapieansprechen zu beurteilen und dementsprechend eine bestmögliche Therapiesteuerung zu gewährleisten, wenngleich keiner der nachfolgenden Scores dies in vollständigem Maße bieten kann. Allen Indizes gemein ist, dass eine Objektivierbarkeit zwar angestrebt wird, sich jedoch die Einschätzung von z. B. Intensität einer Schleimhautrötung einer subjektiven Einschätzung schwerlich entziehen kann. Im klinischen Alltag werden diese Scores darum nicht flächendeckend eingesetzt. Sie sind jedoch essenziell im Studien-Setting, um eine weitgehend standardisierte Beurteilungsbasis zu geben und sind somit Teil der Diagnostik bei CED [18].
9.1 Endoskopische Krankheitsindizes – Morbus Crohn Der „Crohn’s Disease Endoscopic Index of Severity“ (CDEIS) war der erste rein auf der Endoskopie basierende Aktivitätsindex, der für die Beurteilung der Krankheitsaktivität des M. Crohn entwickelt wurde [1]. Er wurde in zahlreichen klinischen Studien als Basis der Aktivitätsbestimmung verwendet [2]. Beurteilt wird der Schweregrad in verschiedenen Kategorien wie tiefe/oberflächliche Ulzerationen, betroffene Oberfläche mit Ulzerationen/Rötung (cm) und ulzerierende bzw. nichtulzerierende Stenosen in fünf definierten Darmabschnitten (Rektum; Sigma und Colon descendens; Colon transversum; Colon ascendens; Ileum) [3]. Aufgrund der Komplexität des Scores ist er für den klinischen Alltag nur sehr zeitaufwändig einsetzbar und somit in der Routine von mangelhafter Handhabbarkeit. Zudem fehlt eine ausreichende statistische Korrelation mit der klinischen Aktivitätsbestimmung [2]. Es wurde daher der einfacher zu bestimmende „Simple Endoscopic Score for Crohn’s Disease“ (SES-CD) entwickelt [4]. Dieser Score basiert ebenfalls auf der Beurteilung der fünf o. g. Darmabschnitte. Beurteilt werden das Vorhandensein und die Größe von Ulzerationen, das Ausmaß betroffener Fläche (Ulzerationen/allgemeiner M.-Crohn-Befall) und Stenosen, jeweils bezogen auf die fünf definierten Darmsegmente. Graduiert werden die Veränderungen auf einer Skala von 0–3 und zu einem Gesamtscore addiert (Tab. 9.1) [4]. Der SES-CD zeigt eine sehr gute Korrelation mit dem CDEIS bei besserer Anwendbarkeit und guter Reproduzierbarkeit und hat darum den CDEIS weitgehend abgelöst [2]. https://doi.org/10.1515/9783110492682-010
128 | 9 Krankheitsindizes – klinisch/endoskopisch
Tab. 9.1: „Simple Endoscopic Score for Crohn’s Disease“ (SES-CD) [3, 4] Schweregrad
0
1
2
3
Ulzerationen Ulzerierte Oberfläche Entzündete Oberfläche Stenose
keine keine keine keine
aphthoid < 0,5 cm < 10 % < 50 % singulär, passierbar
0,5–2 cm 10–30 % 50–75 % multipel, passierbar
> 2 cm > 30 % > 75 % nicht passierbar
Der Rutgeerts-Index wurde speziell zur Beurteilung des postoperativen Verlaufs bei Resektionen (Ileozökalresektion) entwickelt. Er wird gebildet auf dem Boden der Beurteilung von ulzerierenden/aphthoiden Schleimhautläsionen im Anastomosenbereich. Wichtig zu erwähnen ist, dass die Rekurrenz entzündlicher Läsionen prädiktiv ist für den klinischen Verlauf. Zeigen sich Läsionen, so haben z. B. Patienten mit einem „milden Relapse“ (< 5 Läsionen) (Tab. 9.2) mit einer Wahrscheinlichkeit von 9 % einen klinischen Relapse innerhalb von 7 Jahren, wohingegen Patienten mit einem höheren Score innerhalb von 4 Jahren einen Relapse erleiden [2, 5]. Der Rutgeerts-Score ist darum weiterhin der Goldstandard zur Evaluation nach Resektion bei M. Crohn. Tabelle 9.2 gibt einen Überblick über die Abstufungen des Scores. Tab. 9.2: „Rutgeerts-Score“ zur postoperativen Beurteilung bei M. Crohn [2, 5] Schweregrad
Endoskopischer Befund
i0 i1 i2
keine Läsionen < 5 aphthoide Läsionen im neoterminalen Ileum > 5 aphthoide Läsionen; oder tiefe Ulzerationen (skip lesions); oder Läsionen im Bereich der Anastomose diffuse Ileitis diffuse Ileitis mit tiefen Ulzerationen und/oder Stenose
i3 i4
9.2 Klinische Krankheitsindizes – Morbus Crohn Der „Crohn’s Disease Activity Index“ (CDAI) und „Harvey-Bradshaw-Index“ (HBI) haben sich zur Bestimmung der Krankheitsaktivität auf Grundlage klinischer Faktoren etabliert [6]. Beide korrelieren sehr stark miteinander [2]. Angewendet werden sie v. a. im Rahmen von Studien, allerdings auch teils im klinischen Alltag. Bei beiden Indizes werden subjektive Parameter (Schmerz, Allgemeinbefinden) mit quantifizierbaren Beschwerden (Zahl der Stuhlgänge) bzw. Messparametern (Gewicht, Hämatokritwert [nur bei CDAI]) und das Vorhandensein von Komplikationen über ein Punktesystem addiert (unterschiedliche Gewichtung einzelner Parameter). Für den CDAI ist in Tabelle 9.3 die Berechnungsgrundlage zusammengefasst [2, 7].
9.2 Klinische Krankheitsindizes – Morbus Crohn
|
129
Tab. 9.3: „Crohn’s Disease Activity Index“ (CDAI) [2, 7] Kategorie
Klinische Faktoren/Definition
Faktor x
Stuhlgang Bauchschmerzen Allgemeinbefinden Extraintestinale Manifestationen
Anzahl der ungeformten Stuhlgänge der letzten 7 Tage Summe der letzten 7 Tage (0 = keine; 3 = starke Schmerzen) Summe der letzten 7 Tage (0 = sehr gut; 4 = schrecklich) Vorhandensein von Komplikationen (jede Komplikation 1 Pkt.): Arthritis/Arthralgie; Hautbeteiligung; Augenbeteiligung; anale/r Fissur/Fistel/Abszess; Fieber > 37,8 °C (in den letzten 7 Tagen) Antidiarrhoika in den letzten 7 Tagen; ja = 1; nein = 0 0 = nein; 3 = fraglich; 5 = sicher Abweichung zum Normwert; Männer 47-Wert; Frauen 42-Wert Abweichung vom Standardgewicht in %
2 5 7 20
Durchfallbehandlung Abdominale Resistenz Hämatokrit Körpergewicht
30 10 6 1
Bei einem CDAI > 150 ist von einem Erkrankungsschub auszugehen, bei > 350 von einem schweren Schub [2, 6]. Insgesamt liegen dem CDAI allerdings teils stark subjektive Kriterien (Allgemeinzustand, Schmerz) zugrunde, weswegen die Reproduzierbarkeit und interindividuelle Vergleichbarkeit vorsichtig zu interpretieren ist. Wenngleich der Score einige Schwächen aufweist, so ist er dennoch als Goldstandard des klinischen Assessments beim M. Crohn anzusehen [6]. An dieser Stelle soll zusätzlich erwähnt werden, dass bei einem fistulierenden Verlauf des M. Crohn der CDAI möglicherweise eine verfälschte/niedrige Krankheitsaktivität ausdrückt, allerdings eine durch den fistulierenden Verlauf definierte aktive Erkrankung vorliegt. Daher wurde der „Perianal Crohn’s Disease Activitx Index“ (PDAI) zur Beurteilung der Aktivität bei fistulierendem Verlauf entwickelt [8]. Grundlage zur Berechnung des PDAI sind die Fistelsekretion, Schmerzen, Einschränkung der Sexualität, Anzahl und Art der Fistel(n) und Induration. Jede Kategorie wird mittels 5-Punkte-Likert-Skala gewertet und addiert. Dieser Index wurde beispielsweise als sekundärer Endpunkt in Therapiestudien mit Infliximab verwendet [2, 19].
9.2.1 Patient reported outcome In jüngster Vergangenheit rückt allerdings zunehmend die Bedeutung der Messung von „Patient reported outcomes“ (PRO) in den Vordergrund bei der Bestimmung z. B. eines Therapieansprechens innerhalb von Studien. Die amerikanische „Food and Drug Administration“ (FDA) beispielsweise sieht die Messung von PROs, als Surrogatparameter für Krankheitsaktivität, als zukünftig wichtige Basis anstatt oder zusätzlich zum CDAI. PROs beinhalten z. B. die Messung der Lebensqualität, Einschränkungen durch die Erkrankung, Arbeitsfähigkeit oder Fatique. Verschiedene etablierte Scores wie z. B. der „Inflammatory Bowel Disease Questionnaire“ (IBDQ) können hierzu
130 | 9 Krankheitsindizes – klinisch/endoskopisch
genutzt werden, allerdings ist noch unklar, wie gut diese Messparameter mit der klinischen Aktivität korrelieren. Darum sind weitere Studien notwendig, um PROs als Standardassessment in klinischen Studien verwenden zu können [16].
9.3 Endoskopische Krankheitsindizes – Colitis ulcerosa Zum endoskopischen Assessment der Krankheitsaktivität bei Colitis ulcerosa wurden mehrere Indizes entwickelt. Grundsätzlich gilt, dass die Schwere des endoskopischen Befundes bei der Colitis ulcerosa besser mit dem klinischen Bild korreliert als beim M. Crohn [3]. Zu nennen sind beispielhaft der „Ulcerative Colitis Endoscopic Index of Severity“ (UCEIS), der Baron-Score und der Mayo-Score. Der UCEIS ist dabei der Score, der von den drei genannten am besten zum Assessment von Therapieansprechen im Studien-Setting verwendet werden kann, weil er gut mit den klinischen Symptomen korreliert und prädiktive Eigenschaften hinsichtlich des Therapieverlaufs aufweist [9]. In den Score gehen die Gefäßzeichnung, Blutung und Erosionen/Ulzerationen ein (Tab. 9.4) [12]. Tab. 9.4: „Ulcerative Colitis Endoscopic Index of Severity“ (UCEIS) [12] Kategorie (schwerwiegendste Veränderung wird gewertet)
Definition (Likert-Skala)
Gefäßzeichnung
1 = normal 2 = teilweiser Verlust 3 = vollständiger Verlust
Blutung
1 = keine 2 = mukosal 3 = luminale Blutung (mild) 4 = luminale Blutung (stark)
Erosionen/Ulzerationen
1 = keine 2 = Erosionen 3 = oberflächliche Ulzerationen 4 = tiefe Ulzerationen
Ein weiterer einfach zu bestimmender und daher auch häufig in Studien verwendeter Score ist der Baron-Score. Dieser teilt mukosale Veränderungen in einer Skala von 0–3 ein (0 = normale Mukosa; 1 = entzündliche Veränderungen ohne Hämorrhagie; 2 = Blutung bei leichter endoskopischer Manipulation und 3 = Spontanblutung) [13]. Eine Remission ist definiert als Baron-Score ≤ 1. Dieser Score wurde 2005 modifiziert. In diesen modifizierten Baron-Score gehen Ulzerationen in ein insgesamt verändertes Bewertungssystem (Score 0–4) ein. Als Kritikpunkt bleibt weiterhin jedoch die nicht
9.4 Klinische Krankheitsindizes – Colitis ulcerosa
| 131
Tab. 9.5: „Mayo-Score“ [6, 10]
Stuhlfrequenz (über normal) Rektaler Blutabgang Sigmoidoskopie Gesamtbeurteilung des Arztes Alltagsbelastbarkeit
0
1
2
3
0 kein inaktiv normal normal
1–2 wenig mild mild leicht eingeschränkt
3–4 Blutbeimengung moderat moderat deutlich eingeschränkt
>5 immer blutig schwer schwer massiv eingeschränkt
tiefergehende Beurteilung von Ulzerationen bestehen. Eine Stärke liegt allerdings in der einfachen Handhabbarkeit [11]. Der Mayo-Score stellt eine Hybridform zwischen klinischen und endoskopischen Variablen dar und wird häufig innerhalb von Studien verwendet [11]. Beurteilt werden Stuhlfrequenz, Blutung, Aktivität in der Sigmoidoskopie, Gesamtbeurteilung des Arztes und die Alltagsbelastbarkeit des Patienten (Addition der Kategoriepunkte) (Tab. 9.5) [10]. Eine Reduktion des Scores um 3 Punkte wird beispielsweise als Therapieansprechen interpretiert, bei einem Score von 0 Punkten liegt eine Remission vor. In Bezug auf die bereits diskutierten PROs wurden die Unterkategorien des MayoScores (Stuhlfrequenz, Blutung) als „PROs-Messinstrumente“ innerhalb der PURSUITStudie (Golimumab bei Colitis ulcerosa) als Surrogatparameter zur Beurteilung des kontinuierlichen klinischen Ansprechens untersucht. Hier zeigte sich, dass Stuhlfrequenz und Blutung jeweils eine vergleichbare Genauigkeit mit dem (partiellen) MayoScore zeigen und so z. B. zur Fernüberwachung des Therapieansprechens/der Krankheitsaktivität verwendet werden könnten [17].
9.4 Klinische Krankheitsindizes – Colitis ulcerosa Für die Einschätzung der Krankheitsaktivität anhand klinischer (und teils laborchemischer) Parameter sind zahlreiche Indizes entwickelt worden: Truelove & Witts Severity Index , Lichtiger Index, St. Mark’s Index, Clinical Activity Index (CAI), Ulcerative Colitis Clinical Score (UCCS), Powel-Tuck-Index (+ Endoskopie optional), Simple Clinical Colitis Index (SCCAI) [6, 15]. Im Wesentlichen ist allen Indizes gemein, dass Faktoren wie z. B. Allgemeinbefinden, Abdominalschmerz, Stuhlfrequenz/-konsistenz, Inkontinenz, rektaler Blutabgang, Gewicht, etxraintestinale Manifestationen, Temperatur, Hb-Wert, Puls etc. in unterschiedlicher Gewichtung und Definition in die Bildung des jeweiligen Scores eingehen [6]. Aufgrund der Vielfältigkeit soll hier exemplarisch der häufig in klinischen Studien verwendete SCCAI tabellarisch dargestellt werden (Tab. 9.6) [14].
132 | 9 Krankheitsindizes – klinisch/endoskopisch
Tab. 9.6: „Simple Clinical Colitis Index“ (SCCAI) [6, 14] 0
1
2
3
1–3
4–6
7–9
>9
Stuhlfrequenz (nachts)
1–3
4–6
Stuhldrang
schnell
sofort
Inkontinenz
wenig
z. T. deutlich
deutlich
leicht eingeschränkt
eingeschränkt
sehr schlecht
Stuhlfrequenz (tags)
Blut im Stuhl Allgemeinbefinden Extraintestinale Manifestationen
sehr gut
4
extrem schlecht
Je 1 Punkt für: – Arthritis – Pyoderma gangraenosum – Erythema nodosum – Uveitis
9.5 Fazit Verschiedene klinische und endoskopische Krankheitsindizes mit unterschiedlichen Schwerpunkten, Stärken und Schwächen sind für beide Entitäten, M. Crohn und Colitis ulcerosa, im Einsatz. Die Einteilungen können insbesondere helfen einen Verlauf über die Zeit zu kategorisieren oder Gruppen zu vergleichen. Die wichtigste Anwendung dieser „Scores“ sind deshalb klinische Studien. Das Patientengespräch und die individuelle Gesamteinschätzung und -bewertung können sie nicht ersetzen und die Indizes sollten trotz wichtiger Funktion in ihrer Bedeutung für den allgemeinen klinischen Gebrauch nicht überbewertet werden.
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| Teil III: Therapie der Colitis ulcerosa
Jürgen Büning, Andreas Sturm und Britta Siegmund
10 Medikamentöse Therapie der Colitis ulcerosa Noch in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts betrug die Mortalität der Colitis ulcerosa im ersten Krankheitsjahr über 20 % [1]. Die Einführung der Steroide hat die Therapie der Colitis ulcerosa noch in demselben Jahrzehnt revolutioniert. Durch systemische Steroide konnte die Mortalität von 24 % unter Placebo auf 7 % gesenkt werden [2]. Inzwischen stehen uns zur Behandlung der Colitis ulcerosa neben den Steroiden eine Vielzahl unterschiedlicher Substanzen zur Verfügung. Die Optionen reichen von 5-ASA-Präparaten und Probiotika, den Thiopurinen als klassiche Immunsuppressiva, den Biologika (Anti-TNF- und Anti-Integrin-Antikörper) bis hin zu den Calcineurin-Inhibitoren Tacrolimus und Ciclosporin. Bei dem großen Spektrum an Möglichkeiten muss die Therapiestrategie für den individuellen Patienten insbesondere den Schweregrad der Entzündung und die Entzündungsausdehnung berücksichtigen. Bei der Beurteilung der Erkrankungsaktivität kommt der Identifikation des schweren Schubes (mit Evaluation einer Operationsnotwendigkeit) in Abgrenzung zum leichten bis mittelschweren eine besondere Bedeutung zu. Die Ausdehnung der Kolitis bestimmt die Anwendbarkeit lokaler Therapiemaßnahmen (Proktitis, distale Kolitis) bzw. das Erfordernis systemisch wirksamer Präparate (Pankolitis). Für die Festlegung des Therapiekonzepts sollten darüber hinaus individuelle Charakteristika des Erkrankungsverlaufs bedacht werden. Hierzu zählen die Häufigkeit der Schübe, die Vormedikation mit Effektivität und Nebenwirkungen, extraintestinale Manifestationen oder Komorbiditäten der Patienten. Die folgenden Ausführungen zur medikamentösen Therapie der Colitis ulcerosa richten sich in ihrer Abfolge nach dieser Systematik zur Festlegung eines Therapiealgorhythmus. Zu Beginn der Kapitel werden jeweils die pharmakologischen Aspekte der relevanten Medikamente erläutert, bevor auf die Therapie des akuten Schubes und die nachfolgende Remissionserhaltung eingegangen wird.
Jürgen Büning
10.1 Standardtherapie des akuten Schubes 10.1.1 Substanzgruppen und Pharmakologie Aminosalicylate 5-Aminosalicylsäure (5-ASA, Mesalazin) wird seit mehr als 30 Jahren mit guter Evidenz zur Therapie der akuten Colitis ulcerosa und zum Remissionserhalt eingesetzt. Dabei kam initial Sulfasalazin zum Einsatz, eine Sulfonamid(Sulfapyridin)-Verbindung mit 5-ASA. Nachfolgend entwickelte Präparate beinhalten nicht mehr das Sulfonamid, https://doi.org/10.1515/9783110492682-011
138 | 10 Medikamentöse Therapie der Colitis ulcerosa
sondern lediglich den antiinflammatorisch entscheidenden Bestandteil 5-ASA. Diese wird, oral verabreicht, größtenteils im Jejunum resorbiert. Für eine effektive Therapie der Colitis ulcerosa sind hohe mukosale Konzentrationen im Kolon erforderlich, die bei einer jejunalen Resorption nicht zu erzielen sind. Daher wurde eine Vielzahl von Präparaten entwickelt, die galenisch eine Sulfapyridin-unabhängige Freisetzung im terminalen Ileum und Kolon gewährleisten. So kommt es Eudragit-ummantelt pH-abhängig (pH ≥ 6 Claversal® , Salofalk® ; pH ≥ 7 Asacol® ) gezielt zur luminalen Freisetzung von 5-ASA im unteren Gastrointestinaltrakt. Mikropellets mit einer semipermeablen Ethylcellulose-Membran (Pentasa® ) und Multimatrix-Systeme (MMX, Mezavant® ) geben 5-ASA kontinuierlich im gesamten Dickdarm ab. Für die topische Anwendung der 5-ASA bei der distalen Kolitis und Proktitis stehen Formulierungen als Klysma, Schaum oder Suppositorien zur Verfügung. Durch die topischen Applikationen werden 100-fach höhere Konzentrationen von 5-ASA in der Mukosa erreicht als bei oraler Einnahme. Klysmen erreichen das distale Kolon oralseitig bis etwa zur linken Flexur. 5-ASA-Schaum ist nach oral gut bis ins Sigma wirksam, wohingegen Suppositorien für den Einsatz bei isolierter Proktitis vorgesehen sind [3]. Die antientzündliche Wirkung von 5-ASA basiert u. a. auf der Synthesehemmung von Prostaglandinen und Leukotrienen. Hierdurch werden z. B. die Mediatoren NFκB, TNF-α, Interleukin-1, WNT/β-Catenin und PPAR-γ beeinflusst und so inflammtorische Signalkaskaden in der Mukosa günstig moduliert. 5-ASA wirkt als Radikalfänger und hemmt darüber hinaus die Chemotaxis von Leukozyten [3]. Wenngleich die Wirksamkeit von 5-ASA bei der Colitis ulcerosa auf der lokalen Freisetzung im Kolon mit hohen intramuralen Konzentrationen beruht, werden etwa 50 % der oral und 25 % der topisch verabreichten Dosis resorbiert. Somit werden, unabhängig von der Galenik, stets relevante Mengen von 5-ASA systemisch aufgenommen, was entsprechend zu Nebenwirkungen führen kann [3]. Die Nebenwirkungsrate für Sulfasalazin wird bis zu 45 % angegeben, während sie für 5-ASA Mono bis 15 % beträgt [4]. Bei Unverträglichkeiten gegenüber Sulfasalazin werden die anderen 5-ASA-Therapien bei ca. 90 % der Patienten gut vertragen. Unter Sulfasalazin kann es aufgrund des Sulfrapyridins zu Komplikationen wie der allergischen Agranulozytose oder auch zu hämolytischen Anämien kommen. Bei 5-ASA finden sich häufiger Kopfschmerzen, abdominelle Schmerzen oder auch Diarrhö. Seltener treten Myalgien, Athralgien, Perimyokarditiden, Pankreatitiden und interstitielle Nephritiden (auch noch nach längerzeitiger Einnahme) auf. Letztgenannte Komplikationen rechtfertigen 6-monatliche Laborkontrollen unter 5-ASA inkl. der Nierenretentionsparameter. Impfeinschränkungen sind unter 5-ASA nicht erforderlich. In der Schwangerschaft und Stillzeit scheinen 5-ASA-Präparate sicher zu sein [3]. Die Indikation für 5-ASA-Präparate basiert auf zahlreichen prospektiven, kontrollierten Studien. Dies betrifft die oralen Substanzen und die topische Anwendung.
10.1 Standardtherapie des akuten Schubes | 139
Ein eindeutig signifikanter Benefit von 5-ASA-Präparaten gegenüber Placebo konnte sowohl für die Remissionsinduktion (klinisch, endoskopisch und histologisch) bei aktiver Colitis ulcerosa und die Remissionserhaltung nachgewiesen werden.
In der oralen Anwendung zeigen sich Sulfasalazin und 5-ASA-Präparate gleich effektiv. Bei den oral verabreichten 5-ASA-Substanzen scheint die Wirksamkeit unabhängig von der galenischen Formulierung zu sein. In systematischen Reviews zur Therapie der Colitis ulcerosa wird die „number needed to treat“ (NNT) mit 6 angegeben. Dies gilt gleichermaßen für die Remissionsinduktion und Remissionserhaltung [5].
Glukokortikoide (Kortiko-)Steroide bezeichnen als Überbegriff die Gruppen der Gluko- und Mineralokortikoide. Nach Entdeckung der Steroide im Jahr 1935 wurden nachfolgend insbesondere Glukokortikoide aufgrund ihrer antiinflammatorischen Wirksamkeit zur Therapie einer Vielzahl von Erkrankungen eingesetzt, so auch bei der Colitis ulcerosa. Zur Therapie der Colitis ulcerosa werden oral wirksame Formulierungen wie auch topisch verabreichte Präparate verwendet. Bei der oralen Gabe wird zwischen den klassisch systemisch wirksamen Steroiden (häufigst Prednison/Prednisolon) und der lokal begrenzten Freisetzung im Ileum bzw. Kolon (Budesonid) unterschieden. In der topischen Anwendung können Klysmen oder Schäume zur Behandlung des linksseitigen Befalls genutzt werden (z. B. Hydrokortison, Betamethason, Budesonid). Im schweren/fulminanten Schub werden Steroide auch als Bolustherapie intravenös eingesetzt (z. B. Prednisolon). Systemisch wirkende Glukokortikoide wie Prednisolon weisen eine hohe orale Bioverfügbarkeit auf. Im Gegensatz dazu hat Budesonid aufgrund eines ausgeprägten hepatischen First-pass-Effekts eine orale Bioverfügbarkeit von nur ca. 15 % [6]. Dies soll Nebenwirkungen durch reduzierte Plasmaspiegel minimieren. Gleichzeitig sollen ausreichende Konzentrationen im Darm und eine sehr hohe Affinität zum Steroidrezeptor die Effektivität gewährleisten. Seit 2015 ist Budesonid MMX (Cortiment® ) für die orale Therapie der milden/moderaten Colitis ulcerosa zugelassen. Die Multimatrixstruktur sorgt nach pH-abhängiger (pH ≥ 7) Freigabe der Ummantelung für eine kontinuierliche Freisetzung im gesamten Kolon [6]. Jede Zelle des Menschen besitzt Steroidrezeptoren [7]. Zahlreiche inflammatorische Signalwege werden auf Ebene der Genexpression, der Translation, aber auch der Enzymaktivität inhibiert. Der wenig selektive Wirkmechanismus spiegelt sich in häufigen und vielfältigen Nebenwirkungen wider. Die Wesentlichen sollen hier kurz aufgeführt werden. Es treten Nebenwirkungen an der Haut (u. a. Steroidakne), am Knochen (Osteoporose), im Glukosestoffwechsel (steroidinduzierter Diabetes mellitus) und an der Muskulatur (Myopathie) auf. An den Augen kann es zu Glaukom und Katarakt kommen. Peptische Ulzera im oberen Gastrointestinaltrakt sind ebenso beschrieben wie eine arterielle Hypertonie und psychiatrische Komplikationen (u. a. Schlaflosig-
140 | 10 Medikamentöse Therapie der Colitis ulcerosa
keit, Depressionen). Die immununterdrückende Wirkung der Steroide ist mit einem erhöhten Infektrisiko verbunden und bedingt u. a. das gesteigerte Risiko postoperativer septischer Komplikationen [4]. Wenngleich auch unter niedrigen Dosen systemischer Steroide Nebenwirkungen auftreten können, korellieren letztere eindeutig mit der Dosis und Dauer der Therapie. Klare Cut-offs lassen sich diesbezüglich nicht festlegen. Dennoch ist anzustreben, die Therapiedauer auf ca. 3 Monate zu begrenzen. Tagesdosen von mehr als 15–20 mg Prednisolonäquivalent scheinen mit einem erhöhten Infekt- und postoperativen Komplikationsrisiko assoziiert zu sein. Diese Kenngrößen sind im klinischen Alltag zu berücksichtigen. Nach mehr als 7- bis 14-tägiger Therapie mit systemisch wirksamen Steroiden sollte diese zur Vermeidung einer sekundären Nebennierenrindeninsuffizienz nicht abrupt beendet, sondern schrittweise reduziert und ausgeschlichen werden [4]. Bei gegebener Indikation können Steroide (auch systemische) in der Schwangerschaft und Stillzeit mit adäquater Überwachung eingesetzt werden. Unter Dosen von ≥ 20 mg Prednisolonäquivalent/Tag sollten keine Lebendimpfungen vorgenommen werden (erst 4 Wochen nach Beendigung der Therapie). Grundsätzlich eignen sich Steroide zur Remissionsinduktion bei aktiver Colitis ulcerosa, sie haben jedoch keinen Stellenwert in der Remissionserhaltung.
Die Evidenzlage zur Therapie der aktiven Kolitis ist sehr gut. Die jeweils erforderlichen Dosierungen richten sich nach Art der Applikation (oral vs. topisch) und der eingesetzten Substanz. Zur Therapie mit systemischen Steroiden wird im Regelfall eine Dosis von 1 mg Prednisolonäquivalent/kg/Tag oder 60 mg/Tag verwendet (für die weiteren Substanzen s. Tab. 10.1). In Placebo-kontrollierten Studien wird die „number needed to treat“ (NNT) für das Erreichen einer Remission durch systemische Steroide bei milder/moderater Colitis ulcerosa mit 2 angegeben [8]. Nach einem Steroidstoß profitieren etwa die Hälfte der Patienten dauerhaft über 1 Jahr, ca. 20 % sind steroidabhängig (s. Kap. 10.2) und weitere 20 % weisen einen primär steroidrefraktären Verlauf (s. Kap. 10.3) auf.
Probiotika Nach WHO-Definition sind Probiotika lebende apathogene Mikroorganismen, die dem Wirtsorganismus einen gesundheitlichen Nutzen bringen, wenn sie in ausreichender Zahl verabreicht werden. Für die Remissionserhaltung bei der Colitis ulcerosa, nicht aber die Akuttherpie, gibt es eine ausreichende Evidenz für Probiotika. Randomisierte Studien zeigen, dass neben E. coli Nissle 1917 auch VSL#3, Lactobacillus johnsonii und Lactobacillus GG remissionserhaltende Effektivität aufweisen. Da alleinig E. coli Nissle 1917 (Mutaflor® ) als Probiotikum für diese Indikation zugelassen ist, wird im Folgenden nur auf dieses Präparat eingegangen.
10.1 Standardtherapie des akuten Schubes | 141
Tab. 10.1: Medikamente in der Therapie der Colitis ulcerosa Medikament
Remissionsinduktion
Remissionserhaltung
5-ASA oral 5-ASA topisch
≥ 3 g/d 1 g/d (Supp./Schaum/Klysma)
1,2 g/d 3 g/w bis max. 1 g/d
E. coli Nissle 1907 Budesonid MMX oral Budesonid topisch Prednisolon leichte/mittelschwere Colitis ulcerosa schwere Colitis ulcerosa
Tag 1–4: 100 mg/d ≥ Tag 5: 2-mal 100 mg/d 9 mg/d 2 mg/d 40 mg/d oder 0,5–1 mg/d p. o. 60 mg/d oder 1 mg/kg/d p.o./i.v.
Azathioprin 6-Mercaptopurin
2–2,5 mg/kg/d 1–1,5 mg/kg/d
2–2,5 mg/kg/d 1–1,5 mg/kg/d
Vedolizumab
300 mg i.v. Woche 0, 2, 6 [10]
300 mg i.v. alle 4–8 Wochen
Infliximab Adalimumab
5 mg/kg i.v. Woche 0, 2, 6 160 mg/80 mg/40 mg s.c. Woche 0, 2 bzw. 4 200 mg/100 mg s.c. Woche 0 bzw. 2
5 mg/kg alle 8 Wochen 40 mg s.c. alle (1–)2 Wochen
Golimumab Ciclosporin A Tacrolimus
50 mg alle 4 Wochen (< 80 kg) 100 mg alle 4 Wochen (≥ 80 kg)
2(–4) mg/kg/d i.v. kontinuierlich 5 (4–8) mg/kg/d p.o. 0,01–0,02 mg/kg/d i.v. kontinuierlich 0,1–0,2 mg/kg/d p.o.
Mutaflor® Kapseln enthalten 2,5–25 × 109 lebende E. coli vom Stamm Nissle 1917, ein nichtpathogener Bakterienstamm humanen Ursprungs, in vermehrungsfähiger Form. Die Kapseln werden oral eingenommen und lösen sich im terminalen Ileum auf. E. coli Nissle besiedelt als physiologischer Keim das Kolon, wird nicht resorbiert und mit den Faeces ausgeschieden. Die Keime besitzen spezielle Haftorganellen, mit deren Hilfe sie sich an der Mucinschicht des Kolons anheften und einen Biofilm ausbilden. Die Effektivität von E. coli Nissle bei der Colitis ulcerosa beruht auf verschiedenen Mechanismen. Sie fördern die Intergrität der Darmbarriere, hemmen u. a. das Eindringen von pathogenen Keimen und deren Wachstum. Zudem weist dieses Probiotikum pleitrope modulierende Effekte auf die adaptive (humorale und zelluläre) und innate Immunität auf. E. coli Nissle haben keine toxischen Eigenschaften. Als Nebenwirkungen sind lediglich verstärkte Blähungen zu verzeichen. Weitere unspezifische gastrointestinale Symptome oder unkomplizierte Hauteffloreszenzen treten nur sehr selten auf. Impfungen sind nicht eingeschränkt. In einer Schwangerschaft oder in der Stillzeit kann E. coli Nissle eingesetzt werden.
142 | 10 Medikamentöse Therapie der Colitis ulcerosa
Aus den vorliegenden Studien liegen Daten zu einer Anwendungsdauer von 12 Monaten vor. Nach einer Startdosis von 1 Kapsel/Tag in den ersten 4 Tagen sollten 2 Kapseln/Tag (2-mal 100 mg/Tag) kontinuierlich eingenommen werden. Für den Remissionserhalt ist unter E. coli Nissle von einer Effektivität vergleichbar der von Mesalazin (1,5 g/Tag) auszugehen [9].
10.1.2 Leichte bis mittelschwere Colitis ulcerosa Proktitis Der auf das Rektum beschränkte Befall der Colitis ulcerosa hat gegenüber den ausgedehnteren Formen grundsätzlich eine günstigere Prognose. Dennoch kommen trotz der nur kurzstreckigen Entzündungsaktivität teils schwere und auch refraktäre Formen vor, die therapeutisch eine Herausforderung darstellen. Bei leichter bis mittelschwerer Aktivität stehen primär lokale Therapiemaßnahmen im Vordergrund. 5-ASA ist das Mittel der Wahl und sollte als Suppositorium, nicht als Klysma oder Schaum angewendet werden [10]. In einer Cochrane-Analyse wird die pooled odds ratio (POR) für 5-ASA für die klinische Remission mit 8,3 angegeben. Auch bzgl. der endoskopischen und histologischen Remission ist 5-ASA Placebo signifikant überlegen [11]. Eine Tagesdosis von 1 g als Suppositorium ist für 5-ASA maximal effektiv. Dosissteigerungen über 1 g/Tag sind nicht wirksamer. Die 1-mal tägliche Gabe ist 2 Einzeldosen nicht unterlegen und sollte aus Compliancegründen angestrebt werden [12, 13]. Die orale Applikation von 5-ASA, allein oder in Addition zur Lokaltherapie, bringt nach aktueller Datenlage keine Vorteile [14]. Im Vergleich zu topischen Steroiden zeigen 5-ASA-Präparate doppelt so hohe Remissionsraten [15]. Im Falle eines nichtadäquaten Ansprechens der Proktitis auf 5-ASA sollte ergänzend mit topischen Steroiden therapiert werden. Die kombinierte topische Therapie (5-ASA + Steroide) ist effektiver als eine Monotherapie mit 5-ASA [16]. Steroide sind derzeit kommerziell als Klysma oder Schaum, nicht jedoch als Suppositorien erhältlich. Abhilfe kann hier die individuelle Herstellung in der örtlichen Apotheke schaffen (z. B. Budesonid- oder Beclometason-Suppositorien). Versagt auch die kombinierte Lokaltherapie, ist eine Therapieeskalation auf systemische Steroide geboten (s. Kap. 10.1.3). Der steroidrefraktäre Verlauf wird analog den anderen Befallsmustern behandelt und rechtfertigt den Einsatz von TNF-Blockern oder Calcineurin-Inhibitoren (s. Kap. 10.3). Letztere können, individuell hergestellt, auch als Suppositorien appliziert werden (z. B. Tacrolimus, Prograf® ).
10.1 Standardtherapie des akuten Schubes | 143
Distale Kolitis Im Gegensatz zur isolierten Proktitis sind Suppositorien bei einer Entzündungsausdehnung höher als der rektosigmoidale Übergang nicht ausreichend. Vielmehr müssen lokaltherapeutische Maßnahmen mit Klysmen (flüssige Formulierung) oder Schäumen eingesetzt werden (s. Kap. 10.1.1). Die beiden letztgenannten Applikationsformen scheinen vergleichbar wirksam zu sein [17]. First-line-Substanz bei leichten bis mittelschweren Schüben ist 5-ASA. Hiermit werden 8 Wochen nach Therapiebeginn Remissionsraten von 40–80 % erzielt [18, 19]. Im Vergleich der neuen, retardiert im Kolon freigesetzen oralen 5-ASA-Formulierungen mit topisch verabreichten Präparaten lässt sich keine Überlegenheit einer Applikationsform nachweisen. Beide sind in Bezug auf die klinische und endoskopische Remission signifikant effektiver als Placebo [5, 11]. Die beste Effektivität zeigt die Kombination der oralen und topischen Gabe von 5-ASA [20]. Sie ist der jeweiligen Monotherapie auch im Hinblick auf die Zeit bis zur Symptomfreiheit klar überlegen und sollte bei gegebener Verträglichkeit und Compliance angestrebt werden. Sollte eine rektale Verabreichung nicht umsetzbar sein, ist die alleinige orale 5-ASA-Therapie zunächst ausreichend. Eine klare Dosis-Wirkungsbeziehung lässt sich für 5-ASA nicht herstellen. Die orale Therapie sollte mit einer Dosis ≥ 3 g/Tag und die topische mit einer Dosis von ≥ 1 g/Tag durchgeführt werden [21]. Wenngleich für die kombinierte Therapie keine separaten Studiendaten vorliegen, ist aufgrund der Daten zur oralen Monotherapie, die 1-mal tägliche Einnahme der aufgeteilten Dosis vorzuziehen. Sulfasalazin ist nicht weniger wirksam als 5-ASA, sollte aber infolge der häufigeren Nebenwirkungen nicht den Vorzug erhalten (s. Kap. 10.1.1) [19]. Wenn 5-ASA nicht eingesetzt werden kann, sollte eine topische Therapie mit steroidhaltigen Klysmen oder Schäumen (z. B. Budesonid, Betamethason, Hydrokortison) durchgeführt werden.
Die Datenlage zur Effektivität topischer Steroide im Vergleich zur 5-ASA-Therapie ist uneinheitlich [11, 22, 23]. Scheinbar kann von einer etwa vergleichbaren Wirksamkeit ausgegangen werden. Führt eine kombinierte 5-ASA-Therapie bei der distalen Colitis ulcerosa nach 2–4 Wochen zu keinem Ansprechen oder ist nach spätestens 8 Wochen keine Remission erreicht, kann bei milder Aktivität eine Lokaltherapie mit Steroiden hinzugefügt werden. Zur Therapieeskalation nach 5-ASA ist der Stellenwert von oral verabreichtem Budesonid MMX im Vergleich zur topischen Steroidbehandlung unklar. Budesonid MMX in Kombination mit 5-ASA ist der alleinigen 5-ASA-Therapie zur Remissionsinduktion überlegen [24]. Vor allem für Patienten mit fehlender Compliance in der rektalen Applikationsform ist Budesonid MMX darum eine gute Alternative. Eine Therapieausweitung auf systemische Steroide ist bei einem Nichtansprechen auf die vorgenannten Maßnahmen indiziert. Der Zeitpunkt des Steroideinsatzes richtet sich dabei nach dem Schweregrad der Colitis ulcerosa im klinischen Verlauf.
144 | 10 Medikamentöse Therapie der Colitis ulcerosa
Pankolitis Viele Therapiestudien der aktiven Colitis ulcerosa haben Patienten mit distaler und Pankolitis eingeschlossen und zusammen ausgewertet. Die Evidenz zur Therapie der beiden Entitäten ist somit weitgehend deckungsgleich und die Therapieprinzipien sind vergleichbar. Orale 5-ASA-Präparate in einer Dosis von ≥ 3 g/Tag sind Goldstandard der Therapie.
Im leichten bis mittelschweren Schub sind sie zur Induktion der klinischen und endoskopischen Remission Placebo signifikant überlegen [5, 19, 25]. Die Wahl der oralen 5-ASA-Substanz ist dabei von untergeordneter Bedeutung [26]. 5-ASA sollte bei gleicher Wirksamkeit und weniger Nebenwirkungen gegenüber Sulfasalzin bevorzugt werden. Auch bei ausgedehntem Befall des Kolons kann die Effektivität der oralen 5-ASA-Gabe durch die additive topische Applikation (Klysma/Schaum) gesteigert werden [27]. Es scheint sinnvoll, die jeweilige Tagesdosis als Einmalgabe zu verabreichen [28, 29]. Bei Nichtansprechen auf die 5-ASA-Therapie sind Steroide indiziert.
Im Vergleich zur distalen Kolitis sollte der Steroideinsatz bei der Pankolitis mit 5-ASAVersagen eher früher erfolgen. Nach Möglichkeit sollten dabei 14 Tage nicht überschritten werden. Das 2015 zugelassene Budesonid MMX mit kontinuierlicher Freisetzung im Kolon sollte bei milder bis mittelschwerer Aktivität dem Prednisolon vorgezogen werden.
In zwei Placebo-kontrollierten Studien konnte eine signifikante Effektivität von 9 mg Budesonid MMX/Tag in der Remissionsinduktion bei sehr günstigem Nebenwirkungsprofil nachgewiesen werden [24, 30]. Im Falle eines ausbleibenden Ansprechens auf Budesonid MMX oder primär bei sehr aktiver Erkrankung sollte mit Prednisolon begonnen werden. Als Dosis sind 0,5–1 mg/kg/Tag zu wählen. Mit einer Dosis von 40 mg Predisolon/Tag konnte eine Remission bei 76 % der Patienten mit leichter bis mittelschwerer Colitis ulcerosa bereits nach 2 Wochen erzielt werden [31]. Tagesdosen ≤ 15 mg Prednisolon sind bei aktiver Erkrankung nicht effektiv [32]. Ein klar definiertes und in Studien evaluiertes Schema zur Steroidreduktion gibt es nicht. Ein Ausschleichen in weniger als 3 Wochen ist mit einem erhöhten Risiko früher Rezidive verbunden [32]. Als orientierende Maßgabe scheint das Ausschleichen in 5- bis 10-mgSchritten/Woche über einen Zeitraum von 2–3 Monaten sinvoll. Nach dem Erreichen einer Tagesdosis von 10 mg kann in 2,5-mg-Schritten reduziert werden. Die klinische Situation des schweren Schubes (s. Kap. 10.1.3) und des refraktären Verlaufs gegenüber systemischen Steroiden (s. Kap. 10.3) wird nachfolgend diskutiert.
10.1 Standardtherapie des akuten Schubes | 145
10.1.3 Schwere Colitis ulcerosa (nicht steroidrefraktär) Die schwere Colitis ulcerosa ist unabhängig von der Ausdehnung der Entzündung definiert. Etwa 18 % der Colitis-ulcerosa-Patienten präsentieren sich bei dem ersten Schubereignis mit einer schweren Krankheitsaktivität [33]. Weitere 17 % erfahren dieses im späteren Krankheitsverlauf. Die Beurteilung des schweren Verlaufs richtet sich nach dem klinischen Ermessen und kann mithilfe verschiedener Indizes vorgenommen werden (s. Kap. 9). Im klinischen Alltag hat sich der Truelove- und Witts-Index durchgesetzt und etabliert. Der Nachweis eines schweren Schubes identifiziert auch heute noch eine potenziell lebensbedrohliche Situation. Eine stationäre Diagnostik und Therapie ist hier unbedingt geboten. Durch eine interdisziplinäre Betreuung im stationären Kontext liegt die Mortalität in spezialisierten Zentren inzwischen bei < 1 %. Vor Therapiebeginn sollten diagnostisch unter Einbeziehung der Endoskopie die Entzündungsaktivität und -spezifität evaluiert und infektiöse Ursachen wie z. B. die Clostridium-difficile- oder Cytomegalie-Virus(CMV)-assoziierte Kolitis ausgeschlossen werden. Die Therapie sollte hierdurch nicht unverhältnismäßig verzögert werden. Mittel der 1. Wahl sind systemisch wirksame Steroide, z. B. Prednisolon.
Prednisolon sollte in einer Dosis von 1 mg/kg/Tag oder 60 mg/Tag eingesetzt werden. Höhere Dosen sind erwiesen nicht wirksamer. Jedoch zeigen niedrigere Dosen, anders als beim milden Schub, eine schlechtere Effektivität und sollten daher vermieden werden [34, 35]. Die Steroide können intravenös oder oral verabreicht werden. Die Wahl der Anwendung sollte vom Einzelfall abhängig gemacht werden. Bei z. B. nicht sicherer enteraler Resorption oder einem kritisch kranken Patienten sollte die intravenöse Anwendung bevorzugt werden. Eine Aufteilung der Dosen oder eine kontinuierliche Gabe ist nicht erforderlich. Unter systemischen Steroiden kann bei der akuten, schweren Colitis ulcerosa mit einem Therapieansprechen von ca. 67 % und, wie o. g., einer Mortalität von ≤ 1 % gerechnet werden [34]. Dem frühzeitigen Erkennen eines steroidrefraktären Verlaufs kommt eine besondere Bedeutung zu. Ein protrahierter Verlauf unter nichteffektiver Steroidbehandlung ist mit einer erheblichen Morbidität vergesellschaftet und muss vermieden werden [36, 37]. Ein angemessener Zeitraum zur Evaluation der Therapieeffektivität nach Initiierung der Steroide sind 3 Tage. Zur Beurteilung sollte insbesondere die Besserung der Frequenz blutiger Durchfälle sowie des C-reaktiven Proteins (CRP) herangezogen werden. Bei ausbleibender klinischer und laborchemischer Besserung kann ein steroidrefraktärer Verlauf angenommen und die Therapie medikamentös bzw. chirurgisch eskaliert werden (s. Kap. 10.3). Im Falle eines Ansprechens und einer guten Verträglichkeit sollten die Steroide für ca. 1 Woche in der gewählten Startdosis fortgesetzt und anschließend nach einem vor Ort etablierten Schema ausgeschlichen werden. Hierzu sei auf das vorstehende Kapitel 10.1.2 verwiesen. Kann die Steroiddosis innerhalb von 3 Monaten nicht unter eine Tagedosis von 10 mg Prednisolonäquivalent reduziert werden, liegt gemäß Definition der ECCO
146 | 10 Medikamentöse Therapie der Colitis ulcerosa
eine Steroidabhängkeit vor (s. Kap. 10.2). Weitere Therapiemaßnahmen flankieren den Einsatz systemischer Steroide und tragen relevant zur Verbesserung der Prognose der Patienten bei. Der Volumen- und Elektrolytausgleich ist dabei ebenso von Bedeutung wie die Gabe von niedermolekularem Heparin zur Prophylaxe thromboembolischer Komplikationen [38]. Der Hb sollte im Regelfall, auch durch den Einsatz von Erythrozytenkonzentraten, auf einem Niveau von ≥ 8 gehalten werden. Der grundsätzliche Einsatz von Antibiotika bei einem schweren Schub ist nicht gerechtfertigt [39]. Die Anwendung von Antibiotika sollte auf vermutete oder nachgewiesene Infektkomplikationen begrenzt werden. Eine Ausnahme stellt der schwere Verlauf mit toxischem Megakolon dar.
leichte bis mittelschwere Aktivität Proktitis
5-ASA topisch: 1g/d (Supp.)
distale Colitis
Pancolitis
5-ASA Kombination oral: 3g/d + topisch: 1g/d (Schaum/Klysma)
schwere Aktivität jede Ausdehnung
Prednisolon 60mg/d oder 1mg/kg/d p.o./i.v.
kein Ansprechen
+ topische Steroide z. B. Budesonid 2mg/d
+ Budesonid MMX® 9mg/d p.o./ topische Steroide
kein Ansprechen Prednisolon 40mg/d oder 0,5-1mg/kg/d p.o. Remission
Rezidiv
kein Ansprechen
Remissionserhaltung
steroidabhängiger Verlauf
steroidrefraktärer Verlauf
Abb. 10.1: Therapiealgorithmus bei Colitis ulcerosa.
10.1.4 Remissionserhaltung Nach einem akuten Schub der Colitis ulcerosa kommt es bei über der Hälfte der Patienten zu einem Rezidiv innerhalb 1 Jahres.
10.1 Standardtherapie des akuten Schubes | 147
In einer Placebo-kontrollierten Studie zur Remissionserhaltung zeigte sich ein erneutes Schubereignis in 76 % der placebobehandelten Patienten [40]. Diese Zahlen verdeutlichen anschaulich die generelle Empfehlung einer remissionserhaltenden Therapie nach aktiver Colitis ulcerosa. Die Auswahl der geeigneten Präparate hängt entscheidend davon ab, ob das betreffende Schubereignis therapienaiv oder unter fortlaufender Erhaltungstherapie aufgetreten ist.
Zudem gilt es, die medikamentöse Strategie zur Remissionsinduktion zu berücksichtigen. Dieses Kapitel fokussiert sich auf Therapieprinzipien nach dem ersten Schub bzw. einem Schub in der therapienaiven Situation, der durch 5-ASA oder Steroide in eine Remission überführt werden konnte. Konzepte für die remissionserhaltende Medikation bei steroidabhängigen und -refraktären Patienten werden in den Kapiteln 10.2 bzw. 10.3 adressiert. Nach einer effektiven Schubtherapie mittels 5-ASA sollte diese über einen Zeitraum von 2 Jahren fortgesetzt werden.
5-ASA ist für die Aufrechterhaltung der Remission mit einer NNT von 6 Placebo signifikant überlegen [41]. Ob bei stabiler Remission eine darüber hinausgehende „unbefristete“ Anwendung von 5-ASA zur Remissionserhaltung und/oder Karzinomprophylaxe sinnvoll ist, bleibt unklar. 5-ASA sollte zum Remmissionserhalt auch nach einmaliger, effektiver Steroidtherapie zum Einsatz kommen. Im Falle einer Proktitis ulcerosa kann 5-ASA langfristig ausschließlich topisch in Form von Suppositorien verabreicht werden. Häufig reicht eine Dosis von 1 g jeden 2. Tag (minimal 3 g/Woche). Teils ist eine tägliche Gabe notwendig, wobei Dosen von > 1 g/Tag nicht wirksamer sind [42]. Bei der distalen und Pancolitis ulcerosa können grundsätzlich topische (Klysma, Schaum) und orale Formulierungen von 5-ASA eingesetzt werden. Dabei gilt es zu bedenken, dass eine fehlende Adhärenz der wichtigste Risikofaktor für ein Versagen der remissionserhaltenden Therapie ist [43]. Da die Akzeptanz für die langfristige Anwendung von Klysmen oder Schäumen nicht hoch ist, ist die orale Einnahme zum Remissionserhalt zu favorisieren. Die minimale effektive Dosis ist dabei 1,2 g/Tag, wenngleich aufgrund der besseren Wirksamkeit eine Tagesdosis von 2 g (als Einmalgabe) bevorzugt werden sollte [44, 45]. Auch wenn für die Remissionserhaltung mit 5-ASA keine eindeutige Dosis-Wirkungsbeziehung nachgewiesen werden konnte, kann eine höhere Dosis von oralem 5-ASA oder die Kombination mit einer topischen Gabe erforderlich sein [46, 47]. Das Probiotikum E. coli Nissle 1917 kann bei Unverträglichkeiten gegenüber 5-ASA zum Remissionserhalt eingesetzt werden. Kontrollierte Studien zeigen die Nichtunterlegenheit von E. coli Nissle gegenüber 5-ASA in dieser klinischen Situation über einen Zeitraum von 12 Monaten [9]. Nach einer Startdosis von 100 mg/Tag für 4 Tage werden bei gegebener Verträglichkeit 2-mal 100 mg/Tag als kontinuierliche Therapie verabreicht. Kommt es unter einer Dauertherapie mit 5-ASA in adäquater
148 | 10 Medikamentöse Therapie der Colitis ulcerosa
Dosis, bei guter Therapieadhärenz und ohne vermeidbaren Trigger zu einem Schub, der mit Steroiden behandelt wird, sollte 5-ASA nicht zum Remissionserhalt fortgesetzt werden. Hier kommen z. B. Thiopurine oder Vedolizumab als Alternativen infrage, auf die im Kapitel 10.2 näher eingegangen wird. Zusammenfassend stellen 5-ASA den Standard in der Therapie der leichten bis mittelschweren Colitis ulcerosa dar. 5-ASA kommen bei der Remissionsinduktion und -erhaltung zum Einsatz. Die Art der bevorzugten 1-mal täglichen Anwendung (topisch oder oral) richtet sich nach der Ausdehnung der Entzündung. Mit Ausnahme der Proktitis sind Kombinationen beider Applikationswege durchaus sinnvoll. Bei nicht ausreichendem Ansprechen auf 5-ASA oder bei der schweren Colitis ulcerosa sollten Steroide verabreicht werden. Beim Versagen von 5-ASA zum Remissionserhalt stehen neben Thiopurinen auch Biologika wie Vedolizumab oder TNF-Blocker zur Verfügung.
Andreas Sturm
10.2 Therapie des steroidabhängigen Verlaufs 10.2.1 Definition Der Verlauf einer Steroidtherapie kann klinisch unterschieden werden in ein rasches, vollständiges Ansprechen (ca. 50 %), ein partielles Ansprechen (ca. 30 %), entweder klinisch und/oder endoskopisch oder ein Therapieversagen (ca. 20 %) sowie einen steroidrefraktären Verlauf [48, 49]. Kommt es bei einem Patienten initial unter einer höher dosierten Steroidmenge zu einem Ansprechen auf die Therapie, vollständig oder partiell, aggravieren sich die Beschwerden, egal welcher Natur, aber beim Ausschleichen des Kortisons, spricht man von einem steroidabhängigen Verlauf. Wenn auch die ECCO-Leitlinie für diese Definition die Dosis von 10 mg Prednisolonäquivalent/Tag voraussetzt [50], ist das Ziel jeder Colitis-ulcerosa-Behandlung das Beenden jeglicher Steroidmedikation. Die typische Dosis, bei der nach einer initial hochdosierten Steroidmedikation die Beschwerden wieder Auftreten liegt bei ca. 20 mg/Tag [49]. Ein steroidabhängiger Verlauf einer Colitis ulcerosa liegt dann vor, wenn bei einem relativ beschwerdearmen Patienten die Steroiddosis nicht beendet werden kann, ohne dass es zu einer Aggravierung der Erkrankungsaktivität kommt.
Per Definition zeichnet sich der steroidabhängige Patient dadurch aus, dass es durch die Kortisontherapie zu einer für ihn erträglichen Krankheitsaktivität gekommen ist. Eine komplette klinische oder endoskopische Remission ist für diese Definition nicht notwendig [50].
10.2 Therapie des steroidabhängigen Verlaufs |
149
10.2.2 Einleitung Obwohl laut DGVS-Leitlinie zur Beurteilung des Ansprechens auf eine systemische Steroidtherapie neben dem klinischen Bild der Verlauf objektivierbarer Parameter (wie z. B. Stuhlfrequenz, Calprotectinverlauf, Blutbeimengungen im Stuhl, Hb-Wert, Ultraschallbefund, Endoskopiebefund) herangezogen werden sollen [51], sind für den Patienten eher der Grad der verbleibenden Entzündungsaktivität, Komplikationen der Erkrankung, der Erfolg und die Nebenwirkungen der bisherigen Therapie sowie die Einschränkung seiner Lebensqualität für das weitere Vorgehen entscheidend. Dabei müssen die begleitenden, bereits schon vorhandenen antientzündlichen, immunsuppressiven und/oder immunmodulatorischen Medikamente, ihr bisheriges Ansprechen und ihre Nebenwirkungen bei der Entscheidung über das Ausmaß der medikamentösen und ggf. operativen Therapieeskalation berücksichtigt werden. Während die Kolektomie sicherlich die radikalste, aber schnellste Remission induziert, ist bei der medikamentösen Therapie die Schnelligkeit des Wirkungseintritts und die Effektivität der Therapie individuell oft sehr unterschiedlich. Dabei sollte bei der weiteren Therapieentscheidung der erwartete Zeitpunkt des Wirkungseintritts, die Nebenwirkungsrate und der anzunehmende therapeutische Effekt für den Patienten im Mittelpunkt der Entscheidung stehen und nicht die Tatsache, ob es sich um ein Biologikum oder klassisches Immunsuppressivum handelt. steroidabhängige Colitis ulcerosa die Steroiddosis kann nicht weiter abgesenkt werden Ausschluss Infektionen Abschätzung der notwendigen Therapie-Eile (slow-acting oder fast-acting Therapie) Start der medikamentösen Therapie individuelle Abwägung • Azathioprin (2–2,5 mg/kg KG) • TNF-α-Blockade • Vedolizumab Beurteilung des Ansprechens und des klinischen Zustandes des Patienten fehlendes Ansprechen
Ansprechen
Therapieerweiterung Operation Studieneinschluss
weitere Steroidreduktion remissionserhaltende Therapie
Abb. 10.2: Therapiealgorithmus der steroidabhängigen Colitis ulcerosa.
150 | 10 Medikamentöse Therapie der Colitis ulcerosa
Bei der Entscheidung, ob eine Slow-acting- oder Fast-acting-Therapie gewählt wird, muss zunächst die Intensität der verbleibenden Krankheitsaktivität und die Höhe der zur Erreichung der „relativen“ Remission notwendigen Steroiddosis berücksichtigt werden. So wird ein Patient, der bereits unter 40 mg Steroid/Tag eine belastende Erkrankungsaktivität aufweist, mit einem Medikament behandelt werden müssen, das seine Wirkung rasch entfalten kann (z. B. mit einem Biologikum), während ein Patient, der erst bei einer deutlich niedrigeren Steroiddosis nur eine latente Erkrankungsaktivität zeigt, auch mit Thiopurinen behandelt werden könnte (Abb. 10.2). Vor dem Einleiten einer immunmodulatorischen Therapie sollte aber in jedem Falle die Mesalazindosis in ihrer Höhe optimiert werden und, falls nicht schon erfolgt, lokal ergänzt werden. Auch eine lokale Steroidtherapie (z. B. Einläufe) sollte in Erwägung gezogen werden, um die systemische Steroiddosis evtl. reduzieren zu können [52].
10.2.3 Substanzgruppen und Pharmakologie: Medikamente mit einem oft verzögerten Wirkungseintritt (> 4 Wochen) Thiopurine Die Datenlage zur Wirksamkeit der Thiopurine in der Behandlung der akuten Colitis ulcerosa ist begrenzt. Die Therapieprinzipien entsprechen denen in der Behandlung des M. Crohn. Wirkprinzip: Bei Azathioprin (Aza) handelt es sich um ein Imidazolderivat und Prodrug von Mercaptopurin (MP). Es wird in die sich teilende DNA eingebaut und blockiert so die Purinsynthese. Thiopurine entfalten ihre immunsuppressive Wirkung über die Hemmung der T- und B-Zellproliferation [53] bzw. über eine Apoptoseinduktion in T-Zellen durch die Abbauprodukte 6-TGN. Beide Substanzen werden über die Thiopurin-Methyltransferase (TPMT) abgebaut. Bei einer verminderten Aktivität der TPMT tritt unter Therapie mit Azathioprin häufig im Verlauf eine schwere Leukopenie auf [54, 55]. Dies ist insbesondere der Fall bei einer homozygoten Mutation im TPMT-Gen, die bei ca. 0,25 % der Bevölkerung auftritt. Auf das Vorliegen dieser Mutation kann genetisch getestet werden. Beim Vorliegen einer heterozygoten Mutation (5 % unserer Bevölkerung), muss man mit einer verstärkten Toxizität der Substanz bei der Standarddosierung rechnen, eine Dosisanpassung ist häufig notwendig [56]. Effektivität und Dosierung: Bei der Remissionsinduktion einer steroidabhängigen Colitis ulcerosa ist Azathioprin einer ausschließlichen Mesalazintherapie mit einer odds ratio von 4,8 (95%-CI 1,6–14,5) deutlich überlegen [57]. In der prospektiven, kontrollierten SUCCESS-Studie hatte Azathioprin aber bei einem mit Mesalazin vorbehandelten Kollektiv mit moderater bis schwerer Colitis ulcerosa nur bei ca. 25 % der
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Patienten nach 12 Woche eine Remission erreichen können [58]. Trotz der relativ geringen Ansprechraten von Azathioprin liegt der Stellenwert der Therapie aber neben den geringen Therapiekosten in der niedrigen Wirkverlustrate von ca. 5 %/Jahr [59], die deutlich unter denen von Biologika liegt [60]. Der Wirkeintritt von Azathioprin ist, bedingt durch verschiedene immunologische Phänomene [61], verzögert, sollte aber nach 12–24 Wochen zu erwarten sein. Spätestens nach dieser Zeitspanne sollte eine unwirksame Thiopurintherapie beendet und eine weiterführende Behandlung begonnen werden [62]. In der Regel sollte Azathioprin in einer körpergewichtsadaptierten Dosierung von 2–2,5 mg/kg KG täglich p.o. und Mercaptopurin in einer Dosis von 1–1,5 mg/kg KG täglich p.o. verabreicht werden. Dabei hat die körpergewichtsadaptierte Dosierung gegenüber einer 6-TGN(aktive Metaboliten des Azathioprins)-Spiegel-adaptierten Dosierung keine Nachteile [63, 64]. Es gibt zahlreiche Empfehlungen zum Einschleichen einer Thiopurintherapie (innerhalb von ca. 4 Wochen), auch abhängig davon, ob der TPMT-Status bekannt ist. Praktische Anleitung geben hier auch die ECCO-Toolkits (https://www.ecco-ibd.eu/index.php/publications/toolkits.html). Patienten, bei denen es unter einer Thiopurintherapie zu einer Leukopenie kommt, haben eine bessere Ansprechrate. Bei einer Leukopenie von < 1.000 oder weniger als 500 Lymphozyten sollte man die Therapie aber pausieren und dann mit einer geringen Dosis bei Normalisierung der Werte wieder fortführen [65]. Das erhöhte MCV unter einer Thiopurintherapie zeigt die Compliance des Patienten an [66]. Bei einer gleichzeitigen Allopurinolgabe, was früher als kontraindiziert bei der gleichzeitigen Gabe von Thiopurinen galt, heute aber z. T. therapeutisch genutzt wird zur Wirkungsverstärkung, muss die Dosis der Thiopurine reduziert werden. 6-MPSpiegelkontrollen sind hier sinnvoll, weil der Thiopurinmetabolismus individuellen Schwankungen unterliegt [67]. Die Therapie mit Thiopurinen sollte über einen längeren Zeitraum erfolgen. Vermutlich ist auch bei einer über 4 Jahre hinausgehenden Therapie noch ein positiver Effekt der Substanzen zu verzeichnen [68–70]. Nebenwirkungen: Thiopurine haben eine Vielzahl von potenziellen Nebenwirkungen, wobei zwischen akut auftretenden und verzögert auftretenden Nebenwirkungen zu unterscheiden ist, Details sind der Produktinformation zu entnehmen. Die häufigsten akut auftretenden Nebenwirkungen sind die allgemeine Übelkeit, Bauchschmerzen und Erbrechen, über die ca. 15 % der Patienten berichten. In den allermeisten Fällen muss die Therapie mit Azathioprin dann abgebrochen werden. Wie bei einigen anderen Indikationen lohnt sich dann aber oft die Umstellung auf Mercaptopurin [71], die aber erst nach Abklingen der Beschwerden gestartet werden sollte. Bei etwa 3 % tritt eine Pankreatitis auf. Da es bei CED, sowohl im Rahmen einer extraintestinalen Manifestation, aber auch unspezifisch ohne Krankheitswert, zu einer Lipasämie kommen kann, ist der Nachweis einer erhöhten Lipase unter Thiopurinen ohne entsprechende klinische Symptome nicht beweisend. Liegt eine Azathioprin-induzierte
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Pankreatitis vor, empfehlen die Leitlinien keine Umstellung auf Mercaptopurin [72]. Diese Empfehlung basiert aber weniger auf einer klinischen Erfahrung als auf pathophysiologischen Überlegungen. Besteht eine strenge Indikation für den Einsatz von Thiopurinen und stehen keine Alternativen zur Verfügung, kann darum auch beim Auftreten einer Pankreatitis eine Therapieumstellung auf Mercaptopurin gerechtfertigt sein, zumal eine Thiopurin-induzierte Pankreatitis oft mild verläuft [73]. Die FDA klassifiziert die Sicherheit von Azathioprin in der Schwangerschaft mit D. In der Nutzen-Risiken-Abwägung wird Schwangeren aber in der Regel dazu geraten, eine begonnene Thiopurintherapie in der Schwangerschaft nicht zu pausieren. Die Vorstellung in einem spezialisierten CED-Zentrum wird aber in jedem Falle empfohlen. Bei ca. 5 % der Patienten tritt unter einer Thiopurintherapie eine Leberwerterhöhung auf. Während Erhöhungen bis auf das 3-Fache über dem Normwert erhöht häufig toleriert werden, kann auch eine Umstellung auf Mercaptopurin versucht werden. Ob und wann eine Thiopurintherapie bei einer Leberwerterhöhung abgebrochen werden muss, hängt sicherlich auch von möglicherweise bestehenden Leberparenchymveränderungen ab. Daten hierzu liegen nicht vor. Eine Leukopenie unter Thiopurinen kann unabhängig von der Therapiedauer auftreten und ist in 80 % der Fälle unabhängig vom TPMT-Genotyp [74]. Die auslösenden Faktoren sind hierbei unbekannt, weswegen bei einer neu begonnenen Komedikation (z. B. Fettsenker) oder bei einem schweren Infekt, wie auch zu Beginn einer Thiopurintherapie eine engmaschige Blutbildkontrolle erfolgen sollte. Die genauen Intervalle sind dabei nicht wissenschaftlich valide festgelegt. Es erscheint aber eine initiale Blutbildkontrolle alle 2 Wochen, dann nach 3 Monaten alle 2–3 Monate sinnvoll. Die ECCO hat hierzu, wie auch zum Einsatz anderer CED-Therapeutika, praktische Anleitungen erarbeitet (https://www.ecco-ibd.eu/index.php/publications/toolkits.html). Während der Grad der unter einer Thiopurintherapie beobachteten MCV-Erhöhung keine Rückschlüsse auf die Serumkonzentration erlaubt, implizieren Gesamtleukozyten unter 2.500/µl oder Lymphozyten unterhalb von 1.000/µl kritisch hohe Wirkspiegel, die in der Regel eine Dosisreduktion erfordern. Im Zweifelsfall kann aber auch die Bestimmung der 6-MP-Serumkonzentration hilfreich sein. Die gefürchtesten Komplikationen einer Thiopurintherapie sind Infektionen und Malignome, insbesondere Lymphome, die besonders ältere Menschen betreffen, und der weiße Hautkrebs (Non-Melanoma-Scin-Cancer – NMSC). Eine strenge Lichtschutzprophylaxe und eine jährliche dermatologische Überwachung sollte den Patienten empfohlen werden [75].
Methotrexat Wirkmechanismus: Methotrexat (MTX) gehört als Folsäureanalogon in die Reihe der Antimetabolite. Es hemmt kompetitiv das Enzym Dihydrofolatreduktase, das eine zentrale Rolle in der Folsäurebiosynthese besitzt. Der genaue immunsuppressive Wirkme-
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chanismus ist noch nicht vollständig aufgeklärt. MTX hat eine Halbwertszeit von 12–24 Stunden. Circa 5–35 % der Substanz werden als Polyglutamatderivat in Hepatozyten und Erythrozyten über mehrere Monate gespeichert [76, 77]. Nebenwirkungen: Circa 20–35 % der CED-Patienten berichten über MTX-assoziierte Nebenwirkungen. Zu den häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen gehören gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Durchfall und Bauchbeschwerden und eine Stomatitis. Gefürchtet ist eine Myelosuppression [78]. Eine Reduktion der Nebenwirkungsrate kann durch die Gabe von Folsäure erreicht werden, welche am Folgetag der MTX-Applikation mit 5 mg p.o. erfolgen sollte. Effektivität: Die orale Gabe von MTX hat bei Patienten mit aktiver Colitis ulcerosa in einer Placebo-kontrollierten Studie mit 67 Patienten, die bereits Kortikosteroide und/oder Immunsuppressiva erhalten hatten, in einer Dosis von 12,5 mg 1-mal wöchentlich keinen Vorteil gegenüber Placebo gezeigt [79]. In einer anderen, allerdings auch kleinen Studie wurde 6-MP (1,5 mg/kg KG/Tag), MTX (15 mg/Woche) und 5-ASA (3 g/Tag) zur Therapie eines steroidabhängigen Verlaufs verglichen. Die Remissionsraten unterschieden sich nicht signifikant [80]. In einer kürzlich publizierten Studie zur Effektivität von MTX bei steroidabhängiger Colitis ulcerosa (Induktionsdosis 25 mg/Woche, Erhaltungsdosis 15 mg/Woche) wurde der primäre Endpunkt einer klinischen Remission zwar knapp verfehlt, in anderen sekundären Endpunkten zeigte sich jedoch ein signifikantes Ergebnis [81]. Dosierung: Die in den Studien angewendeten Dosierungen waren mit 15 mg sicherlich zu gering, sodass zusammenfassend keine überzeugende Datenlage vorliegt, die den Einsatz von MTX in dieser Dosierung bei einer Colitis ulcerosa befürworten kann. Die Dosierung sollte sich darum bei einem Einsatz dieses Medikaments an der Dosierung orientieren, die beim M. Crohn empfohlen wird: 25 mg subkutan oder intramuskulär 1-mal die Woche für 15 Wochen, dann 15 mg s.c. oder i.m. 1-mal/Woche. Eine Kontrolle von Blutbild, Nieren- und Leberwerten sollte alle 4–12 Wochen erfolgen. Letztendlich bleibt der therapeutische Stellenwert von MTX als Zweitlinientherapie nach der Anwendung von Thiopurinen bei Colitis ulcerosa aufgrund der vorliegenden Daten umstritten [81].
Antiadhäsion – Vedolizumab Nach ihrer Aktivierung verlassen Lymphozyten den Lymphknoten und kehren als gereifte und antigendifferenzierte Lymphozyten in die Darmwand zurück. Hier sezernieren sie proinflammatorische Zytokine und Chemokine, die den Entzündungsprozess in der Darmwand unterhalten. Vedolizumab (Entyvio® ) bindet ausschließlich an das α4β7-Integrin, ein Adhäsionsmolekül, das von darmspezifischen T-Lymphozyten exprimiert wird. Die α4β7-Inhibition durch Vedolizumab verhindert die Transmigration
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dieser Lymphozyten in die Darmmukosa und somit eine Perpetuierung des Entzündungsgeschehens [82]. Vedolizumab ist zugelassen für die Behandlung erwachsener Patienten mit mittelschwerem bis schwerem M. Crohn und Colitis ulcerosa, die auf konventionelle Therapeutika oder einen TNF-α–Blocker nicht oder unzureichend ansprechen oder eine solche Therapie nicht vertragen (s. Fachinformation). Das Problem ist der etwas verzögerte Wirkeintritt, der teilweise erst nach 10–14 Wochen zu erwarten ist [83]. Die empfohlene Dosis beträgt 300 mg Vedolizumab i.v. über 60 Minuten, das initial in Woche 0, 2 und 6 appliziert wird und dann in der Erhaltungstherapie alle 8 Wochen gegeben wird (s. Fachinformation). Die Verträglichkeit von Vedolizumab ist in der Regel gut, die am häufigsten beklagten Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen und Erkältungen [84].
10.2.4 Substanzgruppen und Pharmakologie: Medikamente mit einem oft kurzfristigeren Wirkungseintritt (< 4 Wochen) Calcineurin-Inhibitoren Zu Dosierung und Nebenwirkungen siehe bitte Kapitel 10.3 „Therapie des steroidrefraktären Verlaufs“.
Anti-TNF Zu Infliximab, Adalimumab und Golimumab siehe bitte Kapitel 10.3.4.
Weitere bzw. neue Substanzen und Therapieansätze Ozanimod (RPC1063) ist ein oral zu applizierender Agonist der Sphingosine-1-phosphatase-Rezeptorsubtypen 1 und 5, der die Anzahl von zirkulierenden, aktivierten Lymphozyten vermindert. In Phase-II-Studien konnte gezeigt werden, dass Ozanimod in einer Dosierung von 1 mg im Vergleich zur Placebogruppe innerhalb von 8 Wochen bei Patienten mit einer aktiven Colitis ulcerosa zu einer signifikant höheren Remissions- und Mukosa-Heilungsrate führt [85]. Die Therapie mit Etrolizumab, einem molekularen Antikörper, der die β7-Untereinheit von α4β7 und αEβ7 blockiert, befindet sich im Augenblick ebenfalls in klinischer Erprobung. In den bisher vorliegenden Daten zeigt sich zumindest für die Induktionstherapie noch kein überzeugender Benefit [86]. Eine weitere Antiadhäsion von Leukozyten an der Darmwand gelingt durch einen Anti-MadCAM-1-Antikörper PF-00547659 (PF). Bei der Colitis ulcerosa zeigte sich in einer Phase-II-Studie mit 350 Patienten eine deutlich über der Placeborate liegende Remissionsrate. Die Studiendauer war allerdings nur auf 12 Wochen begrenzt [87].
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Ustekinumab (Handelsname STELARA® ) blockiert als humaner monoklonaler Antikörper die Zytokine Interleukin(IL)-12 und IL-23. Es ist zur Behandlung erwachsener Patienten mit moderatem bis schwerem aktivem M. Crohn zugelassen (s. Fachinformation) [88, 89]. Die Studiendaten zur Wirksamkeit bei der Colitis ulcerosa werden erwartet. Apherese: Die selektive Depletion von peripheren Granulozyten, Monozyten und Makrophagen durch eine extrakorporale Adsorption (GMA) wird in Japan bei Patienten mit einem steroidabhängigen oder -refraktären Verlauf einer Colitis ulcerosa oder eines M. Crohn eingesetzt. Bei einer Kohorte von bislang therapierefraktären Patienten mit Colitis ulcerosa konnten Remissionraten von 30 % erzielt werden [90]. Die weitere Datenlage zu ihrer Effektivität ist aber nicht eindeutig, die geringe Nebenwirkungsrate rechtfertigt ggf. ihren Einsatz in Einzelfällen, vorzugsweise nach Genehmigung durch die Krankenkasse. Remissionserhaltung: Eine ideale Remission der Colitis ulcerosa umfasst eine anhaltende klinische Beschwerdefreiheit, die Abwesenheit von mukosalen Entzündungszeichen, die histologische Remission und eine biochemische Normalisierung der Serum- und Stuhlmarker. Dieser auch als „deep sustained remission“ bezeichnete Zustand sollte das Ergebnis einer effektiven Colitis-ulcerosa-Therapie sein. Realistischerweise lässt sich dieser Zustand aber oft nur partiell erreichen. Die mukosale Heilung ist negativ assoziiert mit der Wahrscheinlichkeit einer Kolektomie und eines entzündlichen Rezidivs, die histologische Heilung ist mit einer geringeren Prävalenz von kolorektalen Karzinomen assoziiert und die biochemische Remission mit der Wahrscheinlichkeit einer langandauernden Remission. Während die Notwendigkeit einer klinischen und mukosalen Remission berechtigterweise gefordert wird, ist unklar, inwieweit bei einem beschwerdefreien oder -armen Patienten das Erreichen einer vollständigen mukosalen Heilung durch eine Therapieeskalation erzwungen werden muss. Oft ist es dabei so, dass der Patientenwunsch und die Nebenwirkungsrate der möglichen weiteren Medikamente den weiteren Therapiealgorithmus maßgeblich beeinflusst. Ein Ausschleichen der Steroidmedikation sollte aber in jedem Fall erreicht werden [50]. Alle o. g. Medikamente bis auf die vorgestellten neuen Therapieansätze sind zur Remissionserhaltung der Colitis ulcerosa zugelassen. Ob und wieweit im Falle einer langanhaltenden Remission das Absetzen der Therapie oder eine Deeskalation bei einer Medikamentenkombination möglich und nötig ist, muss individuell festgelegt werden. Prädiktive Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs nach Reduktion oder Absetzen einer immunsuppressiven Therapie vorhersagen, werden im Kapitel 12 „Morbus Crohn“ besprochen und unterscheiden sich wahrscheinlich nicht signifikant von der Colitis ulcerosa.
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Britta Siegmund
10.3 Therapie des steroidrefraktären Verlaufs 10.3.1 Zusammenfassung Die Therapie des steroidrefraktären Verlaufs bei der Colitis ulcerosa bezieht sich auf ein Patientenkollektiv, das häufig hospitalisiert werden muss und damit eine Risikogruppe darstellt. In diesem Kapitel soll das Thema wann welche medikamentöse Therapie sinnvoll ist und wann auch die Operation in Erwägung gezogen werden sollte systematisch, basierend auf aktuellen Studien sowie Leitlinien, dargestellt und ein Therapiealgorithmus für die Praxis entwickelt werden.
10.3.2 Einleitung Therapie der Colitis ulcerosa bleibt insbesondere in der Gruppe der steroidrefraktären Verläufe eine Herausforderung. Im folgenden Abschnitt soll auf die Gruppe der steroidrefraktären Colitis ulcerosa mit moderater bis schwerer Krankheitsaktivität eingegangen werden, d. h. auf Patienten, die in der Mehrheit aufgrund ihrer Erkrankung hospitalisiert werden. Demnach ist auch die nachfolgende Standarddefinition des steroidrefraktären Verlaufs nicht mehr zeitgemäß. Eine 4-wöchige Therapie mit Steroiden ohne ein Ansprechen ist aus meiner Sicht fast obsolet. Daher ist eine zweite Definition angeschlossen, die vielmehr das Nichtansprechen in der kritischen Erkrankung definiert. Um diese Patienten soll es in diesem Kapitel vorwiegend gehen. Bei diesem Patientenkollektiv, das sich neben der klassischen Schubsymptomatik meist mit Fieber, erhöhtem CRP und niedrigem Albumin vorstellt, handelt es sich um Patienten, die sich meist in einem kritischen Zustand befinden, der häufig auch ein interdisziplinäres Vorgehen zwischen Viszeralchirurgen und Gastroenterologen in einem eingespielten Team erfordert. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2007 weist in dieser Situation eine mittlere Proktokolektomierate von 27 % und eine Mortalitätsrate von 1 % auf [91].
10.3.3 Definition Steroidrefraktärer Verlauf – 1 Die Leitlinien der Europäischen Crohn & Colitis Organization (ECCO) definiert den steroidrefraktären Schub als eine aktive Erkrankung, die trotz einer Gabe von bis zu 0,75 mg/kg/Tag Prednisolon über 4 Wochen anhält [92].
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Steroidrefraktärer Verlauf – 2 In der Akutsituation, d. h. in einem akuten Schub, der eine Hospitalisierung erfordert, würde man die Definition in Anlehnung an die nationalen Leitlinien umformulieren. Steroidrefraktäre Patienten sind hier jene, die nach 7 Tagen auf eine intravenöse Steroidtherapie (1 mg/kg/Tag) nicht ansprechen [93].
Es soll nachfolgend zunächst auf die Pharmakologie und Wirkmechanismen der beiden relevanten Substanzklassen eingegangen werden. Im Anschluss wird dann unter Berücksichtigung der relevanten klinischen Studien und nationalen sowie europäischen Leitlinien ein Therapiealgorithmus entwickelt.
10.3.4 Substanzgruppen und Pharmakologie In der Therapie der steroidrefraktären Colitis ulcerosa spielen aktuell insbesondere zwei Substanzklassen eine kritische Rolle, hierzu gehören Calcineurin-Inhibitoren, also Ciclosporin und Tacrolimus, sowie TNF-α-Antikörper. Auf die Pharmakologie und die Wirkmechanismen beider Substanzklassen soll im Folgenden eingegangen werden.
Calcineurin-Inhibitoren Calcineurin-Inhibitoren vermitteln ihre immunsuppressive Wirkung über eine Inhibition der Kalzium-abhängigen intrazellulären Signaltransduktion. Zwei Vertreter werden bei der Colitis ulcerosa eingesetzt: das Ciclosporin und das Tacrolimus.
Ciclosporin Ciclosporin wird in der Leber metabolisiert und biliär eliminiert. Es weist eine Plasmaeliminationshalbwertszeit von etwa 10 Stunden auf. Kontraindikationen sind eine Nieren- und/oder Leberfunktionsstörung. Bei Adipositas sollte die Dosierung auf das Idealgewicht bezogen werden. Ein wesentlich limitierender Faktor für beide Calcineurin-Inhibitoren ist die Interaktion mit anderen Medikamenten, hier sollte in jedem Fall die entsprechende Fachinformation geprüft werden. Nebenwirkungen, die durchaus beobachtet werden können sind Nephrotoxizität, Hypertonie und Cholestase. Bei längerer Gabe kann es zu Übelkeit, Diarrhö, Neurotoxizität, Hypertrichose, Gingivahyperplasie sowie zu einer Hyperurikämie kommen. Selten sind allergische Reaktionen, Elektrolytstörungen, Hyperglykämien und Krampfanfälle.
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Tacrolimus Tacrolimus wird ebenfalls hepatisch metabolisiert und hat eine vergleichbare Halbwertszeit. Es gelten dieselben Kontraindikationen und Bemerkungen bzgl. der Fachinformation. Bei den Nebenwirkungen stehen hier die Neurotoxizität, Nephrotoxizität, Hypertonie und Cholangitis/Hepatitis im Vordergrund. Zu beachten ist, dass unter einer Therapie mit Tacrolimus bei bis zu 20 % der Fälle ein Diabetes mellitus auftreten kann, der meist auch nach Absetzen bestehen bleibt. Bei längerer Gabe können Nebenwirkungen wie Anämie, Thrombopenie, Leukozytose, Elektrolytstörungen, Arthralgien, Pruritus, Übelkeit und Juckreiz auftreten.
TNF-α-Antikörper Es stehen grundsätzlich mehrere Strategien zur Blockade des proinflammatorischen Zytokins TNF-α zur Verfügung. Jedoch nur komplette IgG1-TNF-α-Antikörper induzieren eine komplette klinische, biochemische und endoskopische Remission. In einer kürzlich publizierten Übersicht werden die verantwortlichen Mechanismen dargelegt [94]. Zwei Effekte scheinen hier für die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen von besonderer Bedeutung zu sein: (a) eine schnelle Induktion von Apoptose, also einer besonderen Form des Zelltodes, in proinflammatorischen Zellen der Lamina propria und (b) die Induktion von regulatorischen Makrophagen, die die Gewebeheilung maßgeblich unterstützen.
Auf die pharmakologische Besonderheit bei Hypalbuminämie wird in den nachfolgenden Abschnitten eingegangen. Kontraindikationen sind eine aktive oder nichttherapierte latente Tuberkulose (dies wird hier besonders hervorgehoben, gilt aber für alle Immunsuppressiva), eine Herzinsuffizienz NYHA III–IV und eine demyelinisierende Erkrankung. Das Nebenwirkungsspektrum ist vielfältig und reicht von Infektionen über Hautnebenwirkungen bis hin zu Lupus-ähnlichen Komplikationen. Bei Infliximab und zukünftig auch für andere Biologika kommt eine zweite Diskussion hinzu, nämlich die Frage, ob das Originalprodukt in der Wirksamkeit den sog. Biosimilars als überlegen oder als gleichwertig einzustufen ist. In einer kürzlich publizierten Übersicht sind die verfügbaren Daten zu dem ersten Biosimilar (CT-P13) zusammengefasst, die darauf hindeuten, dass es über eine vergleichbare Wirksamkeit verfügt [95]. Ob diese Daten auf zukünftige Biosimilars übertragen werden können ist Inhalt einer aktuellen kontroversen Diskussion.
10.3.5 Therapiealgorithmen bei steroidrefraktärem Verlauf Wir sprechen hier über steroidrefraktäre Patienten, trotzdem muss man sich vor Augen halten, dass Steroide für die Therapie der Colitis ulcerosa erst Mitte der 1950er-
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Jahre durch Truelove und Witts eingeführt wurden. Auch wenn wir heute versuchen insbesondere die längerfristige Therapie mit Steroiden zu vermeiden, so waren es die Steroide, durch die erstmals die Mortalität der Erkrankung gesenkt werden konnte [96]. Das verdeutlicht aber auch, um welches Risikokollektiv es sich bei Patienten mit aktiver Colitis ulcerosa handelt, wie einleitend bereits hervorgehoben sind hier durchaus Komplikationen wie Infektionen, das klassische toxische Megakolon oder auch Thrombosen möglich. Das bedeutet, dass wir bei allen Patienten in einer steroidrefraktären Situation vor einer Therapieeskalation diese Sondersituationen bedenken sollten. Wesentlich ist der Ausschluss infektiologischer Komplikationen, d. h. klassische Durchfallerreger, aber auch Clostridium difficile. Hierbei ist hervorzuheben, dass im Schub die sonst charakteristischen endoskopisch sichtbaren Pseudomembranen häufig fehlen [97].
Darüber hinaus werden relevante intestinale CMV-Infektionen in dieser Patientengruppe beobachtet. Beweisen kann man dies nur in einem zweistufigen Verfahren: 1) Zunächst muss ein CMV-Nachweis, als CMV-Kopien im peripheren Blut oder der direkte Nachweis im Gewebe mittels Immunhistochemie oder PCR, erfolgen. 2) Nur wenn die Patienten unter einer antiviralen Therapie mit Ganciclovir eine klinische Besserung zeigen, war die CMV-Infektion für die klinische Verschlechterung verantwortlich. Häufig wird eine Virusreplikation als Bystander-Effekt beobachtet, die dann keine antivirale Therapie erfordert [98]. Abschließend sollte die Reiseanamnese erhoben werden, um bei uns seltenere intestinale Infektionen, wie z. B. Amöben, als Ursache für den Schub ausschließen zu können.
10.3.6 Calcineurin-Inhibitoren oder Tumor-Nekrose-Faktor-α-Antikörper Ciclosporin war die erste Substanz, die in der Therapie der steroidrefraktären Colitis ulcerosa untersucht wurde [99]. In der initialen Arbeit wurden jedoch 4 mg/kg KG eingesetzt, die mit erheblichen Nebenwirkungen assoziiert waren. Es folgte dann 2003 die Arbeit der Leuven-Gruppe, die bei diesem Patientenkollektiv 2 mg/kg vs. 4 mg/kg KG verglich [100]. Primärer Endpunkt der Studie war das klinische Ansprechen. An Tag 8 hatten 84,2 % der 4-mg/kg- und 85,7 % der 2-mg/kg-Gruppe angesprochen. Diese Arbeit definierte damit die heute eingesetzte Ciclosporindosis von 2 mg/kg. Für die 2-mg/kg-Gruppe wurden Ciclosporinserumspiegel von 237 ± 33 ng/ml gemessen. Der therapeutische Zielbereich wurde damit zwischen 150 und 400 ng/ml festgelegt. Aus Japan liegt eine Placebo-kontrollierte, doppelblinde Studie vor, die den Einsatz von Tacrolimus in 62 Patienten mit steroidrefraktärer, moderater bis schwerer Colitis ulcerosa untersucht hat [101]. Der Zielbereich für den Tacrolimusspiegel in die-
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ser Studie lag bei 10–15 ng/ml. Tacrolimus wurde 2-mal täglich gegeben und sollte mit 0,1–0,2 mg/kg KG/Tag in zwei Gaben dosiert werden. War der Spiegel außerhalb des Zielbereichs, erfolgte eine Anpassung. Nach 2 Wochen war die Ansprechrate in der Tacrolimusgruppe 50 % (16/32) vs. 13,3 % (4/30) in der Placebogruppe. Eine klinische Remission wurde bei 9,4 % in der Tacrolimus- vs. 0,0 % in der Placebogruppe beobachtet [101]. Daraus kann geschlossen werden, dass beide Calcineurin-Inhibitoren in dieser Situation gleichermaßen eingesetzt werden können. Für die TNF-α-Antikörper stehen für die Population der kritisch kranken Patienten mit Colitis ulcerosa nur Daten mit Infliximab zur Verfügung, darum wird nachfolgend auch nur auf Infliximab eingegangen. Bereits 2005 wurde in einer ersten Pilotstudie Infliximab als Rescue-Strategie bei Patienten mit therapierefraktärer Colitis ulcerosa untersucht. Es wurden Patienten mit moderater bis schwerer Colitis ulcerosa eingeschlossen, die auf intravenöse Steroide nicht angesprochen hatten. Die Patienten erhielten nach Randomisierung entweder Infliximab oder Placebo. Primärer Endpunkt war Kolektomie oder Tod 3 Monate nach Randomisierung. 7 Patienten in der Infliximab- und 14 Patienten in der Placebogruppe wurden in den 3 Monaten kolektomiert (p = 0, 017). Es traten keine Todesfälle auf. Die Aussagekraft der Studie ist sicherlich limitiert durch die niedrige Patientenzahl (n = 24 Infliximab; n = 21 Placebo). Nach dieser ersten Publikation zur Therapie der steroidrefraktären Colitis ulcerosa mit TNF-α-Antikörpern stellte sich die Frage, ob die „klassische“ medikamentöse Therapie, also Ciclosporin, den TNF-α-Antikörpern unterlegen ist. Die Frage wurde von der französischen Studiengruppe GETAID in eine Studie umgesetzt [102]. Die Patienten mussten einen akuten Schub mit einem Lichtiger-Score > 10 haben und auf intravenöse Steroide nicht ansprechen. Alle Patienten waren naiv in Bezug auf Ciclosporin bzw. Infliximab. Diese Patienten wurden 1 : 1 randomisiert und erhielten entweder Ciclosporin (2 mg/kg/Tag für 1 Woche, im Anschluss bis Tag 98 folgte eine orale Gabe) oder Infliximab (5 mg/kg an Tag 0, 14 und 42). In beiden Gruppen wurde an Tag 7 bei allen Patienten mit einem klinischen Ansprechen zusätzlich eine Therapie mit Azathioprin eingeleitet. Der primäre Endpunkt war das Therapieversagen, definiert durch die Abwesenheit eines klinischen Ansprechens an Tag 7, einen erneuten Schub zwischen Tag 7 und 98, Abwesenheit einer steroidfreien Remission an Tag 98 oder ein unerwartetes Ereignis, das eine Unterbrechung der Therapie, eine Kolektomie oder den Tod zur Folge hatte. Ein so definiertes Therapieversagen trat bei 60 % der Patienten mit Ciclosporin und bei 54 % der Patienten mit Infliximab auf (absolute Risikodifferenz 6 %; 95%-Konfidenzintervall –7 bis 19; p = 0, 51). Unerwartete Ereignisse traten bei 16 % der Ciclosporin- und bei 25 % der Infliximabgruppe auf. Basierend auf dem Studiendesign folgerten die Autoren, dass Infliximab dem Ciclosporin bei Patienten mit Colitis ulcerosa, die auf intravenöse Steroide nicht ansprechen nicht unterlegen ist [102]. Die im letzten Jahr publizierte CONSTRUCT-Studie bestätigt diese Daten und kann ebenfalls keinen Unterschied zwischen Ciclosporin und Infliximab
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aufzeigen [103]. Wie sollen wir nun vorgehen, bzw. wie entscheiden wir uns und welche weiteren Faktoren müssen wir beachten? Vergleichbar mit anderen Substanzen sind eine frühe Erkrankung, keine vorherige Exposition zu Thiopurinen und ein CRP-Abfall nach Induktion mit Infliximab Prädiktoren für ein Ansprechen [104]. Die Arbeit von Seow et al. trägt weitere Informationen zur Beurteilung des möglichen Therapieansprechens auf die Infliximabtherapie bei. In der Arbeit wurde der Zusammenhang zwischen messbaren Infliximab-TroughLeveln und dem klinischen Verlauf untersucht. Hierfür wurde bei einer Kohorte von 115 Patienten mit Colitis ulcerosa eine Therapie mit Infliximab gestartet und im Anschluss eine Erhaltungstherapie fortgesetzt. Die Raten der klinischen Remission, Kolektomien, Antikörper gegen Infliximab und Infliximab-Trough-Level wurden erhoben [105]. Bei 32 % der Patienten konnte in Woche 10 und bei 37 % in Woche 54 eine Remission erzielt werden. Konnten keine Infliximabserumkonzentrationen gemessen werden, so war dies mit einem höheren Risiko für eine Kolektomie (55 % vs. 7 %, OR 9,3; 95%-CI 2,9–29,9; p < 0, 001) assoziiert. Umgekehrt war ein messbarer Infliximabspiegel mit einer höheren Remissionsrate (69 % vs. 15 %; p < 0, 001) und einer endoskopischen Verbesserung assoziiert (76 % vs. 28 %; p < 0, 001). Dieser Zusammenhang bestand unabhängig von der An- oder Abwesenheit von Infliximab-Antikörpern. In dieser Arbeit konnte darüber hinaus eine Gruppe mit einer schweren Erkrankung (hospitalisiert, refraktär auf mindestens 7 Tage intravenöse Steroide, Mayo-Score > 10) von einer Gruppe mit einer moderaten Erkrankung (kein Ansprechen auf 40 mg Prednisolon über 10 Tage und ein Mayo-Score > 7) unterschieden werden. Bemerkenswert ist im Vergleich der beiden Gruppen, dass bei der Gruppe mit der schweren Erkrankung nach 1 Jahr mehr als 50 % kolektomiert waren [105]. Welche Faktoren beeinflussen die Infliximabserumkonzentrationen? Eine bereits 2010 publizierte pharmakologische Analyse an 728 Patienten aus zwei klinischen Studien konnte bereits einen höheren Serumalbuminspiegel mit höheren Infliximabserumkonzentrationen, einer niedrigeren Clearance und einer längeren Infliximabhalbwertszeit assoziieren [106].
Im Gegensatz dazu gab es keine Korrelation mit dem Serumkreatinin, also der Nierenfunktion oder der GOT. Diese Daten konnten in einer unabhängigen israelischen Studie bestätigt werden [107]. Was ist die praktische Konsequenz? Bei Patienten mit einem schweren Schub sollte das Albumin mit bestimmt werden, um einen weiteren Risikofaktor vor Beginn der Therapie mit im Auge zu haben und möglicherweise bei Nichtansprechen auch lieber früher die Entscheidung für die Operation zu treffen. Ob es in dieser Situation, also einem akuten Schub mit einem erniedrigten Albumin, sinnvoller ist, primär die Remissionsinduktion mit einem Calcineurin-Inhibitor durchzuführen ist nicht untersucht und bleibt damit unbeantwortet.
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10.3.7 Operation Für viele Patienten ist der Gedanke an eine Operation und dem damit verbundenen vorübergehenden Stoma unvorstellbar. Umso wichtiger ist es, dieses Thema rechtzeitig anzusprechen, um im Falle des Therapieversagens bereits Vorarbeit geleistet zu haben. Es gibt keine klaren Regeln, wann ein Patient in einer kritischen Situation operiert werden muss, außer der Perforation. Die Leitlinie sagt hier, dass „bei schwerer Colitis ulcerosa die Notwendigkeit einer Proktokolektomie bei einem fehlenden Therapieansprechen nach spätestens 4–7 Tagen sehr wahrscheinlich ist“ [93]. In der klinischen Praxis handelt es sich hier häufig um eine eng abgestimmte Entscheidung zwischen Viszeralchirurg und Gastroenterologe. Darum ist es durchaus sinnvoll, Patienten in dieser Situation in ein erfahrenes Zentrum zu verlegen. Es sollte gleichermaßen vermieden werden, um jeden Preis alle medikamentösen Optionen nacheinander zu versuchen und dabei den Patienten in einen immer schlechteren Ausgangszustand für eine Operation zu bringen. Deswegen würden wir auch aktuell nur in Ausnahmefällen nach Ciclosporin noch Infliximab und vice versa einsetzen. Man sollte sich hier die Daten der o. g. Arbeit mit der über 50%igen Kolektomierate innerhalb des 1. Jahres vor Augen führen, die klar aufzeigen, dass das Risiko der Kolektomie in dieser Situation per se sehr hoch ist. Zusammenfassend sollte bei diesem kritisch kranken Patientenkollektiv die Entscheidung für die eine oder andere medikamentöse Therapie individuell gestellt werden und die o. g. Punkte sollten dabei mit einbezogen werden. Die gemeinsame Evaluation dieser Patienten, insbesondere wenn sie hospitalisiert sind, mit den chirurgischen Kollegen sollte den Standard darstellen.
Ein Algorithmus, wie in der steroidrefraktären Situation vorgegangen werden sollte ist in Abbildung 10.3 dargestellt.
10.3.8 Remissionserhaltung Wie gehen wir mit den Patienten um, nachdem die Remission induziert ist? Ist die Remissionsinduktion mit Infliximab erfolgt, dann kann hiermit auch die Remissionserhaltung weiter fortgeführt werden. Wurde jedoch ein Calcineurin-Inhibitor für die Remissionsinduktion verwendet, ist das auf lange Sicht nicht sinnvoll bzw. meist durch die auftretenden Nebenwirkungen limitiert. In der o. g. Studie, die zur Einführung der 2-mg/kg-Dosis Ciclosporin geführt hat, wurde bei Ansprechen an Tag 8 parallel eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin eingeleitet, Ciclosporin oralisiert und diese Therapie noch für 3 Monate fortgeführt [100]. Das sind die Daten der verfügbaren Studien. Es ist natürlich gleichermaßen vorstellbar, dass man nach Remissionsinduktion mit Ciclosporin ein Biologikum zu Remissionserhaltung verwendet.
10.4 Fazit
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steroidrefraktäre Colitis ulcerosa kein Ansprechen nach 7 Tagen intravenöse Steroide (1 mg/kg KG) Ausschlussinfektionen klassische Diarrhöerreger, Reiseanamnese, Clostridium diff., Zytomegalievirus (Nachweis Kopien im Blut/ Gewebe/ positive Immunhistochemie und Ansprechen auf eine antivirale Therapie) Risikoevaluation Hospitalisierung, Serumalbumin, Mayo Score >10, toxisches Megakolon → interdisziplinäre Beurteilung des Patienten
Start der medikamentösen Therapie individuelle Abwägung • Ciclosporin (2 mg/kg KG) • Infliximab (5 mg/kg KG)
Beurteilung des Ansprechens und des klinischen Zustandes des Patienten fehlendes Ansprechen
Ansprechen
Operation
remissionserhaltende Therapie
Abb. 10.3: Therapie- und Entscheidungsalgorithmus für die steroidrefraktäre Colitis ulcerosa.
Grundsätzlich erscheinen hier sowohl Vedolizumab als auch ein TNF-α-Antikörper geeignet. Die Auswahl sollte von der klinischen und medikamentösen Vorgeschichte des individuellen Patienten abhängig gemacht werden.
10.4 Fazit Der steroidrefraktäre Verlauf einer Colitis ulcerosa stellt eine interdisziplinäre Herausforderung dar. Es sollte daher strukturiert nach dem vorgeschlagenen Schema in Abbildung 10.3 vorgegangen werden. Die beiden aktuell verfügbaren Arbeiten zeigen keinen Unterschied in der Wirksamkeit von Ciclosporin und Infliximab in dieser Situation auf. Das heißt, hier kann unter Berücksichtigung der oben ausgeführten Überlegungen eine individuelle Entscheidung getroffen werden. Sprechen Patienten auf diese medikamentöse Therapie nicht an, stellt die Operation das therapeutische Vorgehen der Wahl dar.
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11 Chirurgie Emile Rijcken und Norbert Senninger
11.1 Technische Aspekte der restaurativen Proktokolektomie bei der Colitis ulcerosa Die vollständige Entfernung des erkrankten Kolons und Rektums ist das Grundprinzip der chirurgischen Behandlung der therapierefraktären oder kompliziert verlaufenden Colitis ulcerosa (Tab. 11.1). Dabei kann die Stuhlpassage durch die Anlage einer ileo-pouch-analen Anastomose (IPAA) wiederhergestellt werden (Abb. 11.1). Die Operation kann konventionell-offen oder laparoskopisch-assistiert erfolgen. Seit der Erstbeschreibung der restaurativen Proktokolektomie durch Parks und Nicholls [24] hat die Operation multiple Variationen erhalten. Obwohl die wesentlichen Schritte der Operation inzwischen weitestgehend etabliert sind, bestehen weiterhin Kontroversen in den Details der operativen Technik. Im Folgenden sollen anhand der aktuellen Literatur diverse Fragestellungen zu technischen Aspekten der restaurativen Proktokolektomie dargestellt werden. Tab. 11.1: Indikationen zur restaurativen Proktokolektomie bei Colitis ulcerosa. Dringlich/Notfall
Elektiv
Therapierefraktärer fulminanter Schub Freie/gedeckte Perforation Toxisches Megakolon Rezidivierende transfusionspflichtige Blutung
Therapierefraktäre Kolitis Steroidabhängige Colitis ulcerosa Schwere Nebenwirkungen von Medikamenten Nachweis von intraepithelialen Neoplasien (IEN) (low grade/high grade) Colitis-ulcerosa-assoziiertes kolorektales Karzinom Unklare Stenosen Wachstumsverzögerung bei Kindern und Jugendlichen
11.1.1 Ein-, zwei- oder dreizeitiges Vorgehen Die restaurative Proktokolektomie kann ein-, zwei- oder dreizeitig erfolgen (Abb. 11.2). Unter der einzeitigen Vorgehensweise versteht man die komplette Proktokolektomie und die Rekonstruktion der Stuhlpassage durch Anlage eines Ileum-Pouches in einer einzigen Operation. Auf ein protektives Ileostoma wird dabei verzichtet. Das zweizeitige Vorgehen beinhaltet die komplette Proktokolektomie und Anlage eines IleumPouches unter Schutz eines doppelläufigen Ileostomas. Dieses wird zu einem zweiten Zeitpunkt, in der Regel nach ca. 3 Monaten, in einer zweiten Operation zurückverlagert. Das dreizeitige Vorgehen bedeutet zunächst eine (laparoskopische) subtotale https://doi.org/10.1515/9783110492682-012
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(a)
(b)
Abb. 11.1: IPAA in Double-stapling-Technik. Der Ileum-J-Pouch wird nach Umschlagen des Ileums mit einer Schenkellänge von ca. 15 cm und Inzision des Apex mit zwei Magazinen eines Linearstaplers gebildet (a). Die Staplernaht liegt strikt antimesenterial. Die Stapler können von distal oder von proximal eingeführt werden. Die Insertionsstelle wird bei Einführen von proximal per Hand- oder Staplernaht verschlossen. Bei Einführen von distal kann über die Insertionsstelle die Andruckplatte des Zirkularstaplers eingeführt werden und anschließend mit einer Tabaksbeutelnaht verschlossen werden. Dann wird nach vorsichtigem Einführen des Zirkularstaplers über den After der Dorn des Staplers nahe der Klammernaht durch den kurzen Rektum-Cuff geführt und es erfolgt die Konnektion mit der Andruckplatte und dem behutsamen Annähern des Pouches zum RektumCuff unter sorgfältiger Schonung des umgebenden Gewebes (b). Insbesondere soll die Schonung der Vagina stets kontrolliert werden. Anschließend wird die ileo-pouch-anale Anastomose vollendet. Die Anastomosenringe werden zur histologischen Untersuchung eingeschickt.
Kolektomie mit Blindverschluss des Rektums und endständiges Ileostoma, gefolgt von einer Restproktokolektomie mit Anlage eines Ileum-Pouches unter Schutz eines doppelläufigen Ileostomas nach Rekonvaleszenz des Patienten. Diese zweite Operation erfolgt in der Regel ca. 6 Monate nach der ersten Operation. Das protektive Ileostoma wird dann in der dritten Operation nach ca. 3 Monaten zurückverlagert. Das einzeitige Vorgehen wird inzwischen auch bei Elektivoperationen nur noch sehr selten und nur in sorgfältig selektionierten Fällen durchgeführt. Es kann nur
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3 Monate
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11.1 Technische Aspekte der restaurativen Proktokolektomie bei der Colitis ulcerosa
6 Monate
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3 Monate
Abb. 11.2: Mehrzeitige restaurative Proktokolektomie. Bei der einzeitigen restaurativen Proktokolektomie erfolgt die komplette Resektion und die Rekonstruktion in einer einzigen Operation. Bei der zweizeitigen restaurativen Proktokolektomie wird in der ersten Operation komplett reseziert und rekonstruiert, die IPAA aber mit einem doppelläufigen Ileostoma geschützt. Das protektive Ileostoma wird in der Regel nach 3 Monaten in einer zweiten Operation zurückverlagert. Beim dreizeitigen Verfahren wird zunächst nur kolektomiert und das terminale Ileum endständig ausgeleitet. Das Rektum wird blind verschlossen. In einer zweiten Operation nach ca. 6 Monaten erfolgt die Restproktokolektomie mit Anlage der IPAA, die erneut mit einem Stoma geschützt wird. Dieses wird in der dritten Operation nach ca. 3 Monate zurückverlagert.
dann angewendet werden, wenn sowohl präoperativ als auch intraoperativ keine Risikofaktoren für postoperative Komplikationen vorliegen und die Patienten keine Steroide oder immunsuppressiven Medikamente zu sich nehmen. Insgesamt besteht keine Empfehlung mehr zum einzeitigen Vorgehen. Dagegen ist das zweizeitige Vorgehen sicherlich weiterhin das Standardvorgehen in der Elektivsituation. In Notfallsituationen, z. B. bei einem toxischen Megakolon oder bei einer perforierten Kolitis, wird in der Regel zunächst die subtotale Kolektomie durchgeführt, während die Rekonstruktion erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Bei der subto-
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talen Kolektomie sollen die Arteria ileocolica und auch nach Möglichkeit die Arteria rectalis superior erhalten bleiben. Es zeigt sich in letzter Zeit aber, dass das dreizeitige Vorgehen auch in Elektivsituationen bei Patienten mit einer schweren oder fulminanten Entzündung sinnvoll sein kann. Diese Patienten sind häufig anämisch und hypalbuminämisch und weisen häufig eine langzeitige Behandlung mit multiplen Immunsuppressiva und/oder Biologika bis zum Zeitpunkt der Operation auf. Die Rationale des dreizeitigen Vorgehens besteht darin, zum Zeitpunkt des schlechten körperlichen Zustandes die riskante pouch-anale Anastomose und die komplexe Dissektion im kleinen Becken zugunsten eines späteren Zeitpunktes zu vermeiden. Hierdurch können bei der Erstoperation Operationszeiten verkürzt, der intraoperative Blutverlust reduziert und septische Komplikationen verhindert werden. Obwohl keine Ergebnisse aus prospektiv-randomisierten Studien vorliegen, wird in der Leitlinie und im chirurgischen Konsensusstatement der ECCO das dreizeitige Vorgehen bei Patienten mit einer Risikokonstellation empfohlen [4, 22]. Als Risikofaktoren werden Notfalloperationen bei fulminanter Kolitis, langzeitige therapierefraktäre Kolitis, hochdosierte Steroide (≥ 20 mg/Tag für > 6 Wochen) und Mangelernährung angesehen. Die Daten aus retrospektiven Studien sind bislang allerdings kontrovers und fallen aufgrund des Selektionsbias nicht eindeutig zugunsten des dreizeitigen Verfahrens bei Risikopatienten aus, denn auch zusätzliche Operationen können spezifische Risiken bergen. Es konnte aber gezeigt werden, dass Colitis-ulcerosa-Patienten mit hohem präoperativen Risikoprofil bei einer dreizeitigen Operation ähnliche perioperative und funktionelle Ergebnisse aufweisen wie die weniger risikobehafteten Patienten beim zweizeitigen Vorgehen [16, 23]. Es wird im Umkehrschluss argumentiert, dass diese Ergebnisse bei diesen Risikopatienten im zweizeitigen Vorgehen schlechter ausgefallen wären. Das dreizeitige Vorgehen führte aber zu einer verlängerten kumulativen Operationszeit und Liegedauer. Kritiker befürchten, dass das dreizeitige Verfahren inzwischen zu häufig durchgeführt wird und die Ergebnisse der IPAA v. a. durch die Erfahrung des Chirurgen bestimmt werden [8]. Eine modifizierte zweizeitige Vorgehensweise wurde von Swenson et al. vorgeschlagen: Hier wurde zunächst eine subtotale Kolektomie mit Rektumblindverschluss vorgenommen, um dann nach Rekonvaleszenz die Rekonstruktion ohne Stomaschutz durchzuführen. Im retrospektiven Vergleich mit dem klassischen dreizeitigen Vorgehen stellten die Autoren äquivalente postoperative Verläufe bei einer verkürzten kumulativen Krankenhausaufenthaltsdauer und einer Reduktion der Behandlungskosten bei der modifizierten zweizeitigen Gruppe fest [28]. Die dreizeitige Operationsstrategie setzt sich derweil aber zumindest bei Hochrisikopatienten durch. Angesichts der eingeschränkten postoperativen Funktion des Pouches nach septischen Komplikationen muss die Verfahrenswahl individuell erfolgen und im Zweifel dem mehrzeitigen Vorgehen der Vorzug gegeben werden.
11.1 Technische Aspekte der restaurativen Proktokolektomie bei der Colitis ulcerosa
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11.1.2 Management des Rektumstumpfes bei der subtotalen Kolektomie In Notfallsituationen und bei Patienten mit einem hohen Risikoprofil wird in der Regel wie oben ausgeführt zunächst eine subtotale Kolektomie durchgeführt. Die Patienten befinden sich oft in einem kritischen Allgemeinzustand, sodass Operationszeiten so gering wie möglich gehalten werden sollen und postoperative Komplikationen vermieden werden sollen. Wenn die fulminante Kolitis die Erstmanifestation der Erkrankung ist und eine exakte Einordnung der Kolitis noch nicht erfolgt war, kann durch das bei der subtotalen Kolektomie gewonnene Resektat eine Klärung durch den Pathologen herbeigeführt werden. Dies ist entscheidend, weil Patienten mit einer Colitis Crohn in der Regel eine Rekonstruktion nicht durch Anlage eines Pouches, sondern durch eine Ileorektostomie erfahren. Das Absetzen und Verschließen des Rektumstumpfes erfolgt bei der Colitis ulcerosa immer in einem stark entzündeten Bereich, sodass ein deutlich erhöhtes Risiko einer Stumpfinsuffizienz besteht. Es stellt sich somit die Frage nach der optimalen Länge des Rektumstumpfes, um einerseits einen bestmöglichen Umgang mit der Stumpfinsuffizienz zu erreichen, aber anderseits auch die Rekonstruktionsoperation optimal vorzubereiten. Es bestehen folgende Möglichkeiten (Abb. 11.3): Der ultralange Stumpf (a) birgt ein nur geringes Komplikationsrisiko, während die Entzündung persistiert. Der ultrakurze Stumpf (c) erzielt eine maximale Reduktion der Entzündung, kann aber Schwierigkeiten bei der Rekonstruktion bewirken. Der mittellange Stumpf bis zum Promontorium (b) scheint eine gute Kompromisslösung zu sein. – – –
(a)
ultralanger Stumpf mit Subkutanverlagerung der Klammernahtreihe, mittellanger Stumpf mit Absetzen in Höhe des Promontoriums, sehr kurzer Stumpf von wenigen Zentimetern.
(b)
(c)
Abb. 11.3: Management des Rektumstumpfes bei der subtotalen Kolektomie.
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Der sehr kurze Stumpf von wenigen Zentimetern führt zu einer maximalen Reduktion der kolorektalen Entzündung. Er hat aber den Nachteil, dass in der Akutsituation eine Dissektion im kleinen Becken erfolgen muss, und dass die Restproktokolektomie mit Anlage des Pouches deutlich erschwert sein kann. Das Wiederauffinden und Nachkürzen des Stumpfes ist mühsam und eine Schonung des pelvinen Nervenplexus ist durch die Verwachsungen der Disseketionsschichten beschwerlich. Eine Insuffizienz führt zu einer pelvinen Sepsis, die einen starken negativen Einfluss auf die spätere Pouchfunktion haben kann. Das Belassen eines mittellangen Stumpfes von ca. 12–18 cm mit Absetzen des Rektums auf Höhe des Promontoriums ist technisch einfacher durchzuführen. Bei der Restproktokolektomie sind die Schichten im kleinen Becken unberührt. Allerdings verbleiben Absetzungsrand und Stapler- bzw. Nahtreihe intraperitoneal, sodass bei Stumpfinsuffizienz die Gefahr einer intraabdominellen Sepsis besteht. Des Weiteren können Blutungen über die verbliebene Mukosa auftreten [7, 30]. In angelsächsischen Schulen wird häufig der ultralange Stumpf mit Subkutanverlagerung des Stumpfendes propagiert [30]. Bei dieser Technik kann eine intraabdominelle und intrapelvine Sepsis vermieden werden; eine Stumpfinsuffizienz zeigt sich als Bauchdeckenabszess, der einfach eröffnet werden kann. In manchen Fällen wird das Rektosigmoid auch als Schleimfistel ausgeleitet. Nachteil des ultralangen Stumpfes ist die persistierende starke Entzündungsaktivität, die eine Fortführung der immunsuppressiven Therapie nach sich ziehen kann. Vergleichende retrospektive Studien konnten bei geringen Fallzahlen und eingeschränkten Follow-up-Daten keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich Stumpfinsuffizienz, Stumpf-assoziierter Blutung, pelviner Sepsis oder Wundinfektion aufzeigen [7, 30]. Die Leitlinien der ECCO empfehlen das Absetzen des Kolons am rektosigmoidalen Übergang auf Höhe des Promontoriums [22]. Bei der Entscheidung der Stumpflänge soll auch in Betracht gezogen werden, dass bei bis zu einem Drittel der Patienten aus verschiedenen Gründen keine Rekonstruktion im Sinne einer Pouchanlage erfolgt [19]. Der verbliebene Rektumstumpf kann aber aufgrund von Schmerzen oder Sekretabgängen erhebliche Einschränkungen der Lebensqualität bewirken und muss engmaschig endoskopisch auch in Bezug auf die Entstehung maligner Tumoren nachgesorgt werden.
11.1.3 Ebene der Dissektion im kleinen Becken Die Dissektion des Rektums im Rahmen der Proktokolektomie kann darmwandnah durch das perirektale Fettgewebe oder in der gefäßfreien Schicht analog der totalen mesorektalen Exzision (TME) erfolgen (Abb. 11.4). Eine Übergangsform beider Ansätze ist die partielle TME unter Erhalt des anterolateralen Mesorektums. Bei v. a. Vorliegen einer Malignität muss die Dissektion grundsätzlich im Sinne einer kompletten TME erfolgen. Wenn dies nicht der Fall ist, sind beide Vorgehensweisen möglich. Die Dis-
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Abb. 11.4: Dissektionsebene im kleinen Becken bei der Proktokolektomie. Die Dissektion kann darmwandnah durch den mesorektalen Fettkörper erfolgen (grüne Linie), oder darmwandfern analog der totalen mesorektalen Exzision (TME) entlang der mesorektalen Faszie (blaue Linie). Die schwarze Linie markiert die Absetzungshöhe unter Erhalt eines kurzen Rektum-Cuffs (Doublestapling-Technik).
sektion in der TME-Schicht ist technisch einfacher, weist aber ein höheres Risiko für eine Verletzung nervaler Strukturen im kleinen Becken auf. Folgen einer solchen Nervenschädigung können neben Störungen der Blasenentleerungsfunktion auch Einschränkungen der Sexualfunktion bei beiden Geschlechtern sein. Die darmwandnahe Dissektion ist technisch aufwändiger und benötigt eine längere Operationszeit, das Risiko der Nervenverletzung fällt aber vermeintlich geringer aus [3, 34]. Es wurde postuliert, dass der Erhalt des Mesorektums auch die Rate septischer Komplikationen nach IPAA reduzieren könnte [26]. Ebenso stellt sich die Frage, ob die Compliance des Pouches durch den erhaltenen pararektalen Fettkörper eingeschränkt sein kann. Bartels et al. untersuchten in einer prospektiv-randomisierten Studie 58 Patienten mit IPAA. Die TME-Gruppe zeigte zwar eine höhere Rate an Grad-IIIA- und -IIIB-Komplikationen (Klassifikation nach Dindo und Clavien), aber die Inzidenz von Anastomoseninsuffizienzen war in beiden Gruppen gleich. Die Lebensqualität gemessen per SF 36, GIQLI (GastroIntestinal Quality of Life Index) und COREFO (COloREctal Functional Outcome) war in einzelnen Parametern, aber nicht in allen, in den ersten 6 Monaten nach dem Eingriff besser in der Gruppe mit der darmwandnahen Dissektion. Nach 12 Monaten waren aber keine Unterschiede mehr feststellbar [3]. Die Daten zur Pouchfunktion und Sexualfunktion, die die eigentlichen primären Endpunkte der Studie darstellten,
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wurden leider noch nicht publiziert, sodass eine abschließende Bewertung zurzeit anhand dieser Studie noch nicht möglich ist.
11.1.4 Verschiedene Typen der Pouchkonstruktion Bei ihrer Erstveröffentlichung 1978 wurde von Parks und Nicholls bei der Wiederherstellung der ileoanalen Stuhlpassage ein S-Pouch beschrieben [24]. Mit der Zeit wurde im Bestreben, die Pouchfunktion zu optimieren, eine Fülle von verschiedenen Pouchtypen entwickelt. Zu den bekanntesten Modifizierungen des Ileum-Pouches zählen der H-Pouch [5], der W-Pouch [20] und der J-Pouch [33], wobei der Ileum-J-Pouch heutzutage sicherlich mit Abstand der am weitesten verbreitete Pouchtyp ist (Abb. 11.5). Obwohl sich der J-Pouch durchgesetzt hat, bestehen hier noch unterschiedliche Meinungen bzgl. der idealen Schenkellänge des Pouches: Die Angaben in der Literatur variieren hier von 10 bis 20 cm. Bei der Entscheidung, welcher Pouchtyp anzulegen ist, kommen Aspekte der Sicherheit der Operation und der Funktion des Pouches zum Tragen. Mechanische Faktoren, die die Funktion eines gesunden Pouches beeinflussen, sind u. a. die Pouchkapazität (Größe des Pouches), die Compliance des Pouches und das maximal tolerierbare Füllungsvolumen des Pouches. Hinzu kommen die Sphinkterfunktion, die Darmmotilität, Stuhlkonsistenz sowie physische und emotionelle Eigenschaften des Patienten. J-Pouches weisen eine höhere Stuhlfrequenz auf, wohingegen bei S-Pouches eher Entleerungsstörungen auftreten. Während der W-Pouch das größere Volumen aufweist, ist der J-Pouch der Typ, der am leichtesten anzulegen ist [10]. Der S-Pouch kann heute noch als Reservetechnik dienen, weil er mit einer geraden ileoanalen Anastomose angeschlossen werden kann und so ca. 2–4 cm zusätzliche Länge aufweist, die bei kurzem Mesenterium eine pouch-anale Anastomose noch ermöglichen kann [10]. In einer prospektiv-randomisierten Studie bei Colitis-ulcerosa-Patienten verglichen McCormick et al. 49 Patienten mit einem J-Pouch und 45 Patienten mit einem WPouch. Während die Operationszeit bei der J-Pouch-Konfiguration signifikant kürzer war, waren die postoperativen Liegezeiten in beiden Gruppen gleich. Die Follow-upUntersuchungen erfolgten nach 1 und 9 Jahren. Nach 1 Jahr war die Stuhlfrequenz beim W-Pouch signifikant besser (5- vs. 7-mal/Tag gesamt, 4- vs. 6-mal über Tag), während nach 9 Jahren die Stuhlfrequenz in beiden Gruppen gleich war (Gesamtstuhlfrequenz 6- vs. 6,5-mal/Tag, 5- vs. 5,5-mal über Tag). Es konnten keine Unterschiede bei der Verwendung von Vorlagen, Drangsymptomatik, Inkontinenz oder Lebensqualität festgestellt werden [15]. In einer Metaanalyse wurden mit dem J-Pouch, dem S-Pouch und dem W-Pouch die drei häufigsten Pouchtypen miteinander verglichen [14]. Insgesamt konnten 18 Studien mit 1.519 CED- oder FAP-Patienten eingeschlossen werden. Die perioperative Komplikationsrate war zwischen den drei Pouchtypen nicht unterschiedlich. Bezüglich der postoperativen Funktion war die Kontinenzleistung in allen drei Grup-
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J - Pouch
S- Pouch
W - Pouch
Abb. 11.5: Auswahl verschiedener Pouchtypen. Der Ileum-J-Pouch (a) mit einer Schenkellänge von ca. 15 cm ist der heutzutage bei der Colitis ulcerosa am weitesten verbreitete Pouchtyp. Er bietet die beste Evakuationsleistung während die Stuhlfrequenz geringfügig höher ist als bei den beiden anderen Pouchtypen. Der Ileum-S-Pouch (b) kann als Reservetyp angesehen werden, wenn bei kurzem Mesenterium eine zusätzliche Länge erzielt werden soll. Der Ileum-W-Pouch (c) ergibt zwar das größte Pouchvolumen, dies kann aber mit Entleerungsstörungen einhergehen.
pen gleich. Die Stuhlfrequenz und die Einnahme stuhlregulierender Medikamente waren in der J-Pouch-Gruppe signifikant höher, während der J-Pouch die beste Evakuationsleistung aufwies.
11.1.5 Techniken zur Mobilisation und Verlängerung des Mesenteriums Die Spannungsfreiheit der Anastomose ist neben der adäquaten Durchblutung und der primären Dichtigkeit der Anastomose eine der Grundvoraussetzungen für eine suffiziente Heilung der ileo-pouch-analen Anastomose. Gerade bei Patienten mit deutlicher Adipositas, engem männlichen Becken oder bei Patienten mit vorangegangener Dünndarmresektion kann es schwierig sein, den Pouch spannungsfrei bis zum Beckenboden zu führen. Deswegen muss das Dünndarm-Mesenterium mit der Arteria mesenterica superior bis zur Pars horizontalis des Duodenums und dem Processus uncinatus maximal mobilisiert werden. Zusätzlich kann das Peritoneum des DünndarmMesenteriums vorsichtig entlang der Achse der Arteria mesenterica superior beidseitig schachbrettartig inzidiert werden, um weitere 2–3 cm Länge zu gewinnen [32]. Nach Anschlingen des vermeintlichen Apex des Pouches mit einem Zügel kann die Länge weiter geprüft werden. Manchmal erscheint es sinnvoll, den vermeintlichen Apex des Pouches weiter nach proximal zu verlagern, sodass zwar ein Pouchschenkel länger als 15 cm resultiert, dafür aber der Apex besser nach distal geführt werden kann. Das terminale Ileum kann dann entsprechend auf eine Schenkellänge von meistens 15 cm
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nachgekürzt werden [29]. Die Arteria ileocolica bleibt initial bei der Kolektomie in ihrer ganzen Länge erhalten. Eine weitere Möglichkeit der Mobilisation besteht jedoch darin, die Arteria ileocolica abgangsnah zu durchtrennen. Hierzu muss unter Diaphanoskopie geprüft werden, ob am terminalen Ileum eine ausreichende Gefäßarkade besteht (Abb. 11.6). Es empfiehlt sich, die Arteria ileocolica vor Durchtrennung probatorisch mit einer Bulldog-Klemme auszuklemmen und dann die Durchblutung des terminalen Ileums zu prüfen. In manchen Fällen ist die letzte Arterie des terminalen Ileums kürzer als die Arteria ileocolica. Dann bietet es sich an, dieses Gefäß anstelle der Arteria ileocolica nach Überprüfen der adäquaten Perfusion zu durchtrennen. In der Regel ist ebenfalls die schrittweise Durchtrennung mehrerer mesenterialer Gefäßarkaden möglich, solange eine ausreichend starke Randarkade am terminalen Ileum bestehen bleibt. Dabei können weitere 2 cm gewonnen werden [29]. Auf diese Weise ist eine spannungsfreie IPAA bei nahezu allen Patienten möglich. Ein Hinweis für eine adäquate Länge des Mesenteriums ist es, wenn sich der Apex der Schlinge, aus der der Ileum-Pouch gebildet werden soll, bequem zwei bis drei Querfinger (3–4 cm) unterhalb der Symphyse führen lässt. Wenn alle diese Verlängerungstechniken nicht ausreichend sind für eine spannungsfreie Naht, kann die Anlage eines S-Pouches erwägt werden, weil dieser mit seinem Pouchausgang nochmals ca. 2 cm tiefer reichen kann [32]. In sehr seltenen Fällen ist dennoch die ileoanale Pouchanlage aufgrund eines zu kurzen Mesenteriums technisch nicht möglich. Das terminale Ileum muss dann, je nachdem ob der Pouch bereits formiert wurde, mit oder ohne Pouch als terminales Ileostoma ausgeleitet werden. Nach erfolgreichen gewichtsreduzierenden Maßnahmen kann in manchen Fällen gegebenfalls die Pouchanlage nach 1 Jahr noch einmal angegangen werden. Es empfiehlt sich, die Patienten vor der Operation über die Möglichkeit eines zu kurzen Mesenteriums aufzuklären.
Abb. 11.6: Verlängerung des Mesenteriums. Darstellen des Mesenteriums des terminalen Ileums unter Diaphanoskopie. Wenn eine kräftige Randarkade besteht und die Perfusion nach probatorischem Ausklemmen der Arteria ileocolica bestehen bleibt, kann die Arteria ileocolica durchtrennt werden, um weitere Länge des Mesenteriums zu erhalten.
11.1 Technische Aspekte der restaurativen Proktokolektomie bei der Colitis ulcerosa | 181
11.1.6 Indikation der Proktomukosektomie Unter der Proktomukosektomie versteht man die komplette Entfernung der Mukosa des Rektums beginnend direkt an der Linea dentata. Hierbei wird nach Anhebung der Mukosa durch Unterspritzung mit verdünnter Suprareninlösung 1 : 100.000 die Mukosa transanal über eine Strecke von 2–3 cm entfernt und nach Durchtrennung der muskulären Rektumwand und Absetzen des Präparats ein kurzer muskulärer Cuff stehen gelassen. Die pouch-anale Anastomose wird dann in transanaler Handnahttechnik angelegt. Diese wird nach Vorlegen der Fäden unter Zuhilfenahme eines LonestarRetraktors mit 3-0 Polyglactin-Fäden allschichtig einzelknöpfig durchgeführt, wobei distal der Sphinkter externus nicht mitgegriffen werden soll (Abb. 11.7). Manche Autoren empfehlen bei der Colitis ulcerosa die generelle Durchführung einer radikalen Mukosektomie aus onkologisch-prophylaktischen Gründen. Die Befürworter führen dabei an, dass die belassene Rektummukosa eine Entzündungspersistenz bedeutet, die funktionelle Probleme bereitet oder auch eine Fistelentstehung begünstigen würde (s. Kap. 11.4). Des Weiteren begründen sie die radikale Mukosektomie mit dem Risiko der Entwicklung von intraepithelialen Neoplasien
Abb. 11.7: Technik der Proktomukosektomie. Bei der Proktomukosektomie wird die Mukosa des distalen Rektums komplett abgetragen unter Belassen eines kurzen muskulären Rektumschlauches. Hierzu wird der Anus mit einem Lonestar-Retraktor aufgespannt und die Mukosa mit verdünnter Suprareninlösung 1 : 100.000 unterspritzt. Anschließend kann die Mukosa beginnend an der Linea dentata abpräpariert werden. Die IPAA erfolgt anschließend in Handnahttechnik.
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und Kolitis-assoziierten Karzinomen im Bereich der verbliebenen Schleimhaut. Das kumulative Risiko, nach 10, 20 und 25 Jahren Krankheitsdauer ein Karzinom zu entwickeln, wurde bei Patienten mit einer IPAA auf 0,7 %, 1,8 % bzw. 1,8 % geschätzt [2]. Das tatsächliche Risiko der Entstehung von (prä)malignen Läsionen nach IPAA ist jedoch bei der Colitis ulcerosa schwer zu beziffern und wahrscheinlich überschätzt. Dabei gilt es zwischen einem Karzinom in der Mukosa des Ileum-Pouches oder in der verbliebenen Rektummukosa zu unterscheiden. Eine retrospektive Studie aus der Cleveland Clinic überblickte 289 Patienten mit IPAA in Staplertechnik mit einer Nachbeobachtung mit strukturierten Überwachungsbiopsien über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren: Bei 6 Patienten entwickelten sich Low-grade-Dysplasien, bei 2 Patienten High-grade-Dysplasien. Die Entwicklung eines invasiven Karzinoms in der verbliebenen Rektummukosa wurde nicht beobachtet. Das Risiko, eine Dysplasie zu entwickeln, korrelierte eng mit dem Vorhandensein von Dysplasien im Operationspräparat [25]. Eine weitere retrospektive Studie aus dem Mount Sinai Hospital in Toronto analysierte 81 Patienten mit Colitis ulcerosa und IPAA mit intraepithelialen Neoplasien (n = 52) oder kolorektalem Karzinom (n = 29) zum Zeitpunkt der Operation, wovon 59 eine Anastomose in Staplertechnik und 22 mit Mukosektomie und ileoanaler Handnaht erhielten. Bei 2 Patienten aus der Handnaht-Gruppe entwickelte sich während des Follow-up ein metastasierendes kolorektales Karzinom (KRK), aber bei keinem Patienten aus der Staplergruppe. Statistisch signifikante Unterschiede in der 5-Jahres-Überlebenszeit konnten jedoch nicht festgestellt werden [1]. Die Autoren folgerten, dass die Staplertechnik zumindest bzgl. der Prävention eines KRK nicht schlechter war als die Handnahttechnik. Ein systematisches Review der englischsprachigen Weltliteratur aus dem Jahr 2011 identifizierte 43 Fälle, in denen sich nach restaurativer Proktokolektomie bei Colitis ulcerosa ein Adenokarzinom entwickelt hatte. Dabei war das Karzinom bei 11 Patienten im Ileum-Pouch selbst lokalisiert und bei 32 Patienten in der anorektalen Transitionszone [31]. 30 Patienten hatten jedoch bei der Primäroperation eine Proktomukosektomie mit Handnaht erhalten und 13 eine Anastomose in Staplertechnik. Die Autoren stellten fest, dass die Entwicklung eines Adenokarzinoms nach IPAA nicht komplett vermeidbar ist und dass die Mukosektomie hiergegen keinen absoluten Schutz bietet. Dies wird auch von anderen Autoren bestätigt [9] und in internationalen Leitlinien angeführt [4, 22]. Vermutlich verbleiben auch bei adäquater Technik nach Proktomukosektomie kleine Inseln rektaler Mukosa, wogegen eine Regeneration der rektalen Mukosa nach Mukosektomie unwahrscheinlich ist [21]. Die Inzidenz der Entwicklung von Dysplasien oder Karzinomen nach IPAA bei Colitis ulcerosa ist stark assoziiert mit der Dauer der Erkrankung und mit dem Vorhandensein von Dysplasien oder Karzinomen zum Zeitpunkt der Operation [1, 9, 31]. Weitere Risikofaktoren für die Entstehung (prä)maligner Läsionen im Ileum-Pouch selbst sind die PSC sowie die langjährige chronische Entzündung im Sinne einer Pouchitis, Proktitis oder Cuffitis [31]. Es besteht demnach starker Konsens, dass die Proktomukosektomie bei der restaurativen Proktokolektomie bei Colitis ulcerosa nicht standardmäßig durchge-
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führt werden soll, wohl aber bei Patienten mit nachgewiesenem Colitis-ulcerosaassoziierten Rektumkarzinom oder bei bekannten intraepithelialen Neoplasien des mittleren und unteren Rektumdrittels [14, 22]. Ein weiterer Grund für eine Proktomukosektomie ist die sehr starke, therapierefraktäre Entzündung der letzten 2 cm des Enddarms. In den meisten Fällen zeigt sich aber, dass die Entzündung im distalsten Bereich des Rektums etwas schwächer ausgeprägt ist. Bei Nachweis von intraepithelialen Neoplasien in der verbliebenen Rektummukosa nach Stapleranastomose im Rahmen der Nachsorge ist eine nachträgliche transanale Abtragung mit oder ohne eine Neuanlage der ileo–pouch-analen Anastomose möglich.
11.1.7 Anastomosentechnik: Stapler oder Handnaht Die ileoanale Anastomose kann in Staplertechnik oder per transanaler Handnaht durchgeführt werden (Tab. 11.2). Bei der Staplertechnik, die als double stapling oder als single stapling mit transanaler Tabaksbeutelnaht durchgeführt werden kann, bleiben die für die Stuhldiskrimination äußerst wichtige, hochsensible anokutane Transitionszone und der interne Sphinkter intakt. Dagegen verbleibt bei der Stapleranastomose ein kleiner Rest der Mukosa des distalen Rektums, der sog. Rektum-Cuff. Dieser Cuff darf nicht mehr als 1 bis maximal 2 cm lang sein. Längere Cuffs führen zu einer schweren Entzündung der verbliebenen Rektummukosa (Cuffitis) mit deutlichen Einschränkungen der Pouchfunktion und einer Persistenz des Dysplasierisikos [22]. In mehreren Kohortenstudien wurden Vorteile der Staplertechnik gegenüber der Handnaht beschrieben, die neben der einfacheren Durchführbarkeit v. a. funktionelle Aspekte und damit auch die Lebensqualität betrafen. Diese Vorteile wurden auf den Erhalt der ano-kutanen Transitionszone und eine bessere Schonung des Sphinkters zurückgeführt [11, 14]. In einer großen Kohortenstudie der Cleveland Clinic mit 3.109 Patienten mit einem medianen Followup von 7 Jahren zeigte die Handnaht-Gruppe gegenüber der Staplernaht-Gruppe signifikant mehr septische Komplikationen und Anastomosenstenosen. Des Weiteren war die Rate des Pouchversagens in der Handnaht-Gruppe höher, während die Pouchitisrate in beiden Gruppen gleich war. In Hinblick auf die Pouchfunktion zeigte die Handnaht-Gruppe ein signifikant höheres Vorkommen von Inkontinenz, Vorlagengebrauch, diätetischer Einschränkungen oder sozialer und beruflicher Einschränkungen, wobei die postoperative Lebensqualität in der Staplernaht-Gruppe gemessen am Cleveland Global Quality of Life Score signifikant besser war [11]. Eine Metaanalyse von Lovegrove et al. mit 4.183 Patienten aus 21 Studien, wovon sechs prospektiv-randomisiert waren, zeigte keine Unterschiede bei den postoperativen Komplikationsraten für beide Techniken, aber die Staplernaht-Gruppe wies im Langzeitverlauf eine geringere Rate nächtlichen Stuhlschmierens und Vorlagenge-
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Tab. 11.2: Vergleich der transanalen Handnaht mit der Staplertechnik bei der IPAA. Handnaht
Stapler
Vorteile Gute Langzeitfunktion Keine Entzündungspersistenz Geringeres Dysplasierisiko
Gute Langzeitfunktion Höherer Ruhedruck des Sphinkters Verbesserte nächtliche Kontinenzleistung Weniger Manipulation des Analkanals Einfachere Operationstechnik Leichte Überwachung
Nachteile Anspruchsvollere Technik Längere Operationszeit Höheres Risiko der Sphinkterverletzung Potenziell schlechtere Ergebnisse durch Selektionsbias
Verbleib rektaler Mukosa Entwicklung einer Cuffitis Risiko eines zu langen Rektum-Cuffs
Generelle Einschränkungen Postoperative Komplikationsraten in beiden Techniken ähnlich Keine Auswirkung auf die Pouchverlustrate Regelmäßige Überwachungsendoskopie des Pouches bei beiden Techniken erforderlich Dysplasie- oder Karzinomentwicklung in beiden Techniken möglich
brauchs auf. Unterschiede bzgl. der Stuhlfrequenz und des Gebrauchs stuhlregulierender Medikamente bestanden nicht [14]. Eine kleinere Metaanalyse hingegen, die nur vier prospektiv-randomisierte Studien mit insgesamt 184 Patienten berücksichtigte, konnte keine funktionellen Unterschiede zwischen beiden Techniken aufzeigen [27]. Die ECCO-Leitlinie empfiehlt dennoch klar die Staplertechnik für die IPAA [22]. Nichtdestotrotz muss die Technik der transanalen Handnaht von allen Chirurgen, die eine IPAA durchführen, beherrscht werden, weil die Handnaht bei Versagen der Staplertechnik zur Anwendung kommen muss. Die klinischen Konsequenzen von Anastomoseninsuffizienzen nach transanaler Handnaht sind häufig limitiert, solange ein protektives Stoma angelegt wurde. Sie drainieren sich in der Regel transanal, sodass sich meist keine größeren Abszesse im kleinen Becken entwickeln. Ebenso können Anastomosenstenosen in der Regel im Rahmen der Stomarückverlagerung aufgedehnt werden. Die Größe des verwendeten Zirkular-Staplers bei der IPAA scheint hinsichtlich des Auftretens postoperativer Komplikationen und der Langzeitergebnisse eine untergeordnete Rolle zu spielen. Kirat et al. konnten in einer großen Kohorte von 2.120 Patienten keine Unterschiede bzgl. Stenoserate, Anastomoseninsuffizienzrate oder späterer funktioneller Ergebnisse bei der Anwendung von 28/29-mm- oder 31/33-mm-ZirkularStaplern aufzeigen [12].
11.1 Technische Aspekte der restaurativen Proktokolektomie bei der Colitis ulcerosa
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11.1.8 Protektives Ileostoma Die septische Komplikation bei der Anlage des Pouches ist der wichtigste Risikofaktor für das Pouchversagen [6]. Septische Komplikationen können die Funktion des Pouches verschlechtern und damit die postoperative Lebensqualität erheblich einschränken. Neben der Anastomoseninsuffizienz umfassen typische septische Komplikationen auch peripouchale Fisteln und Abszesse. Die Insuffizienzrate variiert in der Literatur um die 10 % [14, 35]. Durch die Anlage eines protektiven Ileostomas kann die Insuffizienzrate bei ileo-pouch-analen Anastomosen in Staplertechnik signifikant gesenkt werden [35]. Des Weiteren kann durch die Anlage eines protektiven Ileostomas die Re-Operationsrate signifikant reduziert werden [18]. Zudem reduziert ein protektives Stoma das Ausmaß der septischen Folgeerscheinungen im Falle einer Anastomoseninsuffizienz. Anhand einer umfangreichen Metaanalyse konnten Weston-Petrides et al. darstellen, dass die Insuffizienzrate nach IPAA durch die Anlage eines protektiven Ileostomas von 9,4 % ohne Stoma auf 4,3 % mit Stoma (OR 2,37 [1,39–4,04], p = 0, 002) gesenkt werden konnte [35]. Obwohl hierzu keine prospektiv-randomisierten Studien vorliegen, scheint die Anlage eines protektiven Ileostomas mit einer erhöhten Rate an Anastomosenstenosen einherzugehen. Nicht außer Acht zu lassen sind die Komplikationen der Ileostomarückverlagerung (ISRV). Obwohl diese in vielen Studien nicht mitberücksichtigt werden, treten sie in 10–40 % der Fälle auf. Diese Komplikationen nach ISRV bestehen neben der Anastomoseninsuffizienz und der Anastomosenstenose auch in Blutungen, Wundheilungsstörungen oder Passageproblemen im Kurzzeitverlauf bzw. Narbenhernien, Adhäsionen an der ehemaligen Stomaaustrittsstelle oder Anastomosenstenosen im Langzeitverlauf. Auch an der IPAA können trotz vorheriger Pouchoskopie oder Kontrastmitteldarstellung nach ISRV noch Anastomoseninsuffizienzen oder Fisteln auftreten. Insgesamt liegt die Morbidität der ISRV bei 16,5 % [17]. Die Häufigkeit von Komplikationen nach ISRV ist unabhängig von der verwendeten Technik, z. B. Vorderwandnaht vs. Dünndarmsegmentresektion oder Handnaht vs. Staplernaht. Durch das Auftreten der beschriebenen Komplikationen wird häufig der Vorteil eines mehrzeitigen Verfahrens reduziert.
11.1.9 Fazit Die restaurative Proktokolektomie mit Anlage eines Ileum-Pouches ist das Verfahren der Wahl für die chirurgische Therapie der Colitis ulcerosa. Das protektive Ileostoma reduziert die Rate septischer Komplikationen und soll deswegen angelegt werden. Bei Hochrisikopatienten wird ein dreizeitiges Verfahren durchgeführt. In der Regel wird ein J-Pouch mit einer Schenkellänge von 15 cm gebildet und in Staplertechnik angelegt. Die Stapler-basierte ileo-pouch-anale Anastomose ist die am weitesten verbreitete Technik. Für die Proktomukosektomie mit ileoanaler Handnaht bestehen spezielle Indikationen, sodass diese Technik weiterhin von allen Pouchchirurgen beherrscht
186 | 11 Chirurgie
werden muss. Die Komplexität des Eingriffs und die vielen individuellen Faktoren des Patienten erfordern viel Erfahrung, sodass die Operation in spezialisierten Zentren erfolgen soll. Unabhängig von der Operationstechnik ist die regelmäßige Nachsorge ein wesentlicher Bestandteil des Behandlungskonzepts.
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188 | 11 Chirurgie
Florian Herrle und Peter Kienle
11.2 Minimal-invasive Chirurgie 11.2.1 MIC – Historische Entwicklung und eigene Bewertung Die minimal-invasive chirurgische Therapie der Colitis ulcerosa verläuft parallel zur Entwicklung der laparoskopischen kolorektalen Chirurgie seit Beginn der 1990erJahre. Bereits 1991 wurde die Machbarkeit und frühpostoperative Sicherheit laparoskopischer Kolektomie-Eingriffe gezeigt [1]. Kurz darauf publizierte Wexner eine prospektiv-vergleichende Serie von je 5 Patienten mit offener vs. laparoskopischassistierter Kolektomie mit ileoanaler Pouchanlage oder Ileoproktostomie bei FAP, Colitis ulcerosa oder Colitis indeterminata [2]. Trotz der Lernkurve in einer frühen Phase der laparoskopischen Chirurgie zeigte dieser Vergleich außer 35 % längerer Operationsdauer in der minimal-invasiven Gruppe keine weiteren auffälligen signifikanten Unterschiede bei frühpostoperativen Endpunkten. Die weitere historische Entwicklung nach Aufzeigen der Machbarkeit und Sicherheit minimal-invasiver Kolektomien und Pouchanlagen ist einerseits geprägt durch die Verbreitung und Etablierung der kolorektalen MIC-Chirurgie weltweit, andererseits durch das Erreichen immer weniger invasiver Zugangswege und Minimalisierung der sichtbaren Narben und technische Verbesserungen der Instrumente. Zudem wurden Techniken entwickelt, einen Bergeschnitt zur Präparatebergung im Sinne eines NOTES-Ansatzes zu vermeiden und stattdessen den Darm durch vorhandene Körperöffnungen zu entfernen. Klinisch bewährt und in den „high-volume“-Zentren inzwischen am weitesten verbreitet ist die total-laparoskopische restaurative Proktokolektomie mit kleinem Bergeschnitt zur Präparatextraktion und extrakorporaler Pouchanlage. Unser eigenes Vorgehen bei der laparoskopischen restaurativen Proktokolektomie mit ileoanaler Pouchanlage wird in Kapitel 11.2.3 detailliert geschildert. Wahrscheinlich wird in Zukunft die Minimalisierung des Zugangs, Operationsund Bergetraumas weiter voranschreiten. Die transanale Chirurgie (TAMIS-Chirurgie) mag für selektionierte Patienten (v. a. enges Becken, adipöse Patienten) auch bei der ileoanalen Pouchanlage und Proktokolektomie in Zukunft eine Rolle spielen. Inwiefern aber die erhebliche Sphinkterdehnung über eine längere Operationszeit und auch die unterschiedliche Art der Anastomosenanlage (kein klassisches Double-stapling mehr) im Sinne der späteren Kontinenzleistung wirklich sinnvoll ist, bleibt durch Studien zu belegen. Einem NOTES-Ansatz stehen wir beim transanalen Vorgehen aus gleichem Grund noch kritisch gegenüber, einen transvaginalen Zugang halten wir für prinzipiell kontraindiziert, weil pouch-vaginale Fisteln nach Pouchanlage bei bis zu 10 % der Patientinnen auftreten und möglicherweise durch einen transvaginalen Zugang noch begünstigt werden könnten. Die „Single incision“-Chirurgie hat wahrscheinlich nur den Vorteil einer marginal besseren Kosmetik, wobei es sich hier ja in der Regel nur um die Vermeidung weniger zusätzlicher 0,5–1,2 cm großer Narben
11.2 Minimal-invasive Chirurgie
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189
Tab. 11.3: Erläuterung der verschiedenen minimal-invasiven Zugangs- und Extraktionsverfahren sowie gängige Abkürzungen in der einschlägigen kolorektalen Literatur. Verfahren/Abkürzungen
Erklärung
Referenzen
Hand-assistierte laparoskopische Chirurgie HALS (“hand-assisted laparoscopic surgery”)
Einführen einer Hand ins Abdomen via SpezialPort/Handschuh und parallele Präparation mit Hand und laparoskopischen Instrumenten. Zugang für die Hand und Präparatextraktion üblicherweise über PfannenstielSchnitt.
[2, 3]
(Total) Laparoskopische Chirurgie (“total laparoscopic ileoanal pouch procedure”)
Präparation komplett laparoskopisch und lediglich kleiner Bergeschnitt (Mc Burney, linker Unterbauch, kleiner Pfannenstiel-Schnitt oder kleine Erweiterung umbilikaler Trokarzugang) für Präparatextraktion und ggf. Anastomosen-/Pouchanlage extra-abdominell.
[4, 5]
Rein laparoskopische Chirurgie (“pure laparoscopic”)
Präparation und Anastomosen- bzw. Pouchanlage komplett intrakorporal. Vermeidung Bergeschnitt. Präparatextraktion z. B. transanal oder transvaginal (s. NOSE).
[6]
SILS (Single-incision laparoscopic surgery)
Ein Spezial-Port mit multiplen Trokarzugängen, der über eine Inzision (häufig Nabel- oder Ileostoma-Zugang bei zweizeitiger IAP-Anlage) eingeführt wird. Präparatextraktion transanal.
[7, 8]
MINI-LAPAROSKOPIE “mini-laparoscopy”
Minimalisierung der Trokarnarben durch MiniInstrumente (3- bzw. 5-mm-Trokare statt 5- bzw. 10-mm-Trokare).
[9]
ROBOTER-MIC “robotic assisted laparoscopic surgery”
Operation durch laparoskopische Trokare mit Operationsroboter (Da Vinci) – z. B. kombiniert mit Pfannenstiel-Schnitt oder NOSE-Technik zur Präparatextraktion; selten auch als SILS-Eingriff.
[8, 10]
NOTES (natural orifice transluminal endoscopic surgery) NOS(natural orifice surgery) NOSE (natural orifice specimen extraction)
Häufigste Eingriffe: Cholezystektomien (89 %), Appendektomien (6 %), Kolon-Teil-Eingriffe (5 %). Operieren und Entfernung von Präparaten über Körperöffnungen (transvaginal, transrektal, transgastrisch) im Rahmen von rein laparoskopischer Chirurgie.
[11] [6, 11, 12]
TAMIS (transanal minimalinvasive surgery) TaTME (transanal total mesorectal exzicion)
Einführen eines Single-Port-Systems (SILS-Prinzip) transanal mit Insufflation und darüber intersphinkterer Zugang zur mesorektalen Präparation. Transanale onkologische TME (z. B. mit Rendez-vousVerfahren von kranial-laparoskopisch).
[13]
HYBRID-MIC-Verfahren
Kombinierung zweier Verfahren: z. B. SILS und TAMIS bei (onkologischer) Proktokolektomie/Pouchanlage oder Roboter-Chirurgie und Hand-assistierte Präparation. MANOS: Minilaparoscopy-assisted natural office surgery.
[10, 11, 13, 14] [9, 12]
190 | 11 Chirurgie
handelt, die bei der klassischen laparoskopischen Vorgehensweise entstehen. Wird noch die Narbe der Stomaaustrittsstelle berücksichtigt – und die allermeisten Patienten mit Colitis ulcerosa werden mit einem protektiven Stoma versorgt –, erscheint dieser „Vorteil“ wenig bedeutsam. Vor allem auch, wenn die ergonomischen Nachteile und auch die möglicherweise inadäquatere distale Absetzung mit potenziell mehr Restrektumschleimhaut berücksichtigt wird. Die Roboter-assistierte Chirurgie bei der Colitis ulcerosa ist technisch möglich und bisher in verschiedenen Hybrid-Varianten in kleineren Serien publiziert. Der mögliche ergonomische Operationsvorteil für den Chirurgen erscheint unserer Einschätzung nach aktuell noch nicht in einem adäquaten Verhältnis zu den hohen Kosten und dem zeitlichen Mehraufwand zu stehen.
11.2.2 MIC bei Colitis ulcerosa – Indikationen und Eingriffsarten Inzwischen können alle standardisierten chirurgischen Eingriffe bei Colitis ulcerosa laparoskopisch sicher und mit guten Ergebnissen durchgeführt werden. Das umfasst sowohl elektive als auch dringliche Indikationen. Es gilt ebenso für die onkologischradikale Präparationstechnik (TME, CME) bei Colitis-ulcerosa-assoziiertem Karzinom oder High-grade-Dysplasien als auch für nichtonkologische Präparation des Mesokolons und -rektums bei Patienten ohne Dysplasien. Zudem betrifft es sowohl einzeitige, zweizeitige oder auch dreizeitige Vorgehensweisen bei der Proktokolektomie mit ileoanaler Pouchanlage. Zusammenfassend zeigt die aktuell verfügbare Evidenz im Wesentlichen die Gleichwertigkeit für das laparoskopische Vorgehen sowohl in der dringlichen Operationssituation (subtotale Kolektomie/Hartmann-Operation) als auch bei der elektiven IPAA-Operation. Allerdings enthalten die fünf bisher vorhandenen Metaanalysen [15, 18–21] nur zwei RCTs [4, 17] und sonst großteils nichtrandomisierte vergleichende kleine Studien. Zudem sind beide RCTs hinsichtlich der relevanten Endpunkte in ihrer statistischen Power inadäquat. Die längere Operationsdauer für das laparoskopische Operieren beim IPAA relativiert sich im Verlauf der Lernkurve. In einzelnen Studien zeigen sich signifikante Vorteile für das laparoskopische Vorgehen hinsichtlich der weiblichen Fertilität, des Auftretens von Adhäsionen und auch der Inzidenz von Narbenhernien [28]. Die Machbarkeit und Hinweise auf gewisse frühpostoperative Vorteile der MICChirurgie selbst bei der fulminanten Kolitis mit Notfallindikation sind in spezialisierten Zentren gezeigt worden [16, 29–31]. Allerdings steht in der Notfallsituation eine rasche und sichere Durchführung der Operation im Vordergrund, sodass ein MICVorgehen hier nur bei adäquater Expertise empfohlen wird. Als relative Kontraindikationen zur elektiven MIC-IPAA-Operation gilt ein Zustand nach größerer abdomineller Voroperation. Im eigenen Vorgehen wird bei großer medianer Laparotomie in der Regel über die gleiche Narbe erneut laparotomiert,
11.2 Minimal-invasive Chirurgie
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191
Tab. 11.4: Gängige Indikationen und Eingriffsarten bei Colitis ulcerosa mit Vorteilen und Nachteilen und insbesondere Aspekte der minimal-invasiven Technik. Totale Kolektomie mit Proktokolektomie mit ileoileorektaler Anastomose pouch-analer Anastomose (IPAA) (IRA) [26] Subtotale Kolektomie mit Hartmann-Situation und Ileostoma als Eingriff bei dringlicher/Notfallindikation (dreizeitig) [5, 15–25]
Totale Proktokolektomie (TPK) (perineale Exstirpation) und endständiges Stoma [27]
– Funktion Sphinkter – Niedriges Malignitätrisiko – (Cuff) im Verlauf und Rektumreservoir – erhalten – Nur eine Operation – Geringes Risiko für Störungen der Sexualfunktion/Miktion – – Mehrere Operationen Nachteile – Rezidivierende – (zwei-/dreizeitig) Entzündung – Malignitätsrisiko im – Erhöhtes Risiko für Störungen der SexualfunkVerlauf (Restrektum) – tion/Miktion – Reduzierte Fertilität MIC– Dringliche Operation Aspekte subtotale Kolektomie/ Hartmann-Operation: Frühpostoperativ bessere Ergebnisse bei laparoskopischer als bei offener subtotaler Kolektomie mit Hartmann/Ileostomie bei akuter Kolitis (Klinikaufenthalt, Wundinfekte, intraabdominelle Abszesse) [15, 16]. – Elektive Operation IPAA: Frühpostoperative Ergebnisse: MIC-IPAA dauert länger (ca. 70 min) und ist teurer als offen [5, 17]. Je nach Studieneinschluss der Metaanalysen schnellere Erholung der Darmfunktion, kürzerer Klinikaufenthalt (ca. 2 Tage), weniger Gesamtkomplikationen und Verwachsungen [18–22]. Vorteile
Kein Malignitätsrisiko im Verlauf Nur eine Operation
Permanentes Stoma Erhöhtes Risiko für Störungen der Sexualfunktion/Miktion Perineale Wundheilungsstörung
192 | 11 Chirurgie
Tab. 11.4: (fortgesetzt) Totale Kolektomie mit Proktokolektomie mit ileoileorektaler Anastomose pouch-analer Anastomose (IPAA) (IRA) [26] Subtotale Kolektomie mit Hartmann-Situation und Ileostoma als Eingriff bei dringlicher/Notfallindikation (dreizeitig) [5, 15–25] MICAspekte
Totale Proktokolektomie (TPK) (perineale Exstirpation) und endständiges Stoma [27]
– IPAA: Langzeitverlauf: Besseres Körperbild/kosmetisches Ergebnis bei MIC-IPAA [23]. Fertilität bei IPAA mit MIC-Technik besser als bei offener Operation [24, 25]. Funktionelle Ergebnisse teils besser bei MIC (Einlagen, Stuhlfrequenz nachts) [21]. Sonst vergleichbare Ergebnisse (Pouchitis, Pouchversagen) [18, 19].
nur bei explizitem Patientenwunsch wird laparoskopiert und dann ggf. bei moderaten Verwachsungen die Operation minimal-invasiv fortgeführt. Fortgeschrittene T4-Karzinome gelten als absolute Kontraindikation. Als Kontraindikation für MICKolektomie in der Notfallsituation wird in erfahrenen Zentren das toxische Megakolon angesehen, weil hier schlechte Übersicht und die Gefahr der Kolonperforation besteht sowie die Notwendigkeit einer möglichst raschen Operation [16]. In spezialisierten Zentren mit ausgewiesener Expertise und abgeschlossener Lernkurve sehen wir daher das minimal-invasive Operieren sowohl bei elektiver restaurativer Proktokolektomie als auch bei dringlicher subtotaler Kolektomie mit endständigem Ileostoma als Standard.
11.2.3 Laparoskopische restaurative Proktokolektomie mit IPAA – Eigene Technik Die prinzipielle Technik der restaurativen Proktokolektomie mit IPAA wurde bereits im Kapitel 11.1 ausführlich beschrieben. Daher beschränken wir uns auf die Erläuterung der minimal-invasiv-relevanten Überlegungen und auf praktische Aspekte. Lagerung: Unsere Standardlagerung ist die französische Lagerung (Abb. 11.8 (a)), weil hier das Risiko eines Kompartmentsyndroms nahezu ausgeschlossen ist. Die
11.2 Minimal-invasive Chirurgie
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193
Steinschnittlagerung ist einzusetzen, wenn aufgrund hochgradiger Dysplasien im Rektum eine komplette Mukosektomie und perianale Handnaht notwendig ist. Um Kompartmentsyndromen der Unterschenkel bei Risikopatienten (Adipositas, anzunehmende lange Operationszeit) vorzubeugen, beginnen wir dann den abdominellen Teil in französischer Lagerung und lagern intraoperativ für den perinealen Operationsabschnitt auf Steinschnittlagerung um. Trokare und Positionierung (Abb. 11.8 (b)): Wir verwenden standardmäßig vier Trokare: Einen 10-mm-Kameratrokar paraumbilikal links. Diese Inzision wird später nach kaudal und kranial als Bergeschnitt erweitert. Zwei 5-mm-Trokare: einer wird ca. 3 cm medial der linken Spina iliaca anterior superior (SIAS) gesetzt. Ein weiterer 5-mmTrokar wird pararektal ca. 2–3 cm unterhalb Nabelhöhe in der Regel im Bereich der präoperativen Ileostoma-Markierung gesetzt. Ein 13-mm-Hybrid-Trokar wird ca. 3 cm medial der rechten SIAS positioniert; hierüber wird die Rektumdissektion bis zum Beckenboden durchgeführt und schließlich der ENDO-GIA-Stapler zum Absetzen des Rektums eingeführt. Ein zusätzlicher 5-mm-Hilfstrokar kann epigastrisch gesetzt werden, um das Ablösen des Omentum majus vom Kolonrahmen zu erleichtern. Bei Patienten, die dreizeitig operiert werden, wird beim zweiten Eingriff nach Auslösen des Stomas und Abstaplen des distalen Ileums in der Regel über die Stomainzision ein Refraktor mit Kappe eingebracht, über den dann ein 13-mm-Trokar, ggf. noch ein weiterer 5-mm-Trokar eingebracht wird. Nach Setzen eines umbilikalen 10-mm-Trokars und ggf. eines weiteren 5-mm-Trokars im linken Unterbauch durch die Inzisionen der Voroperation kann die Operation dann ohne Setzen weiterer, neuer Trokare durchgeführt werden.
(a)
(b)
Abb. 11.8: (a): Französische Lagerung und (b): Trokarpositionen (1: 10-mm-Kameratrokar paraumbilikal links [spätere Erweiterung zum Bergeschnitt]. 2: 5-mm-Trokar ca. 3 cm medial der linken Spina iliaca anterior superior [SIAS]. 3: 13-mm-Hybrid-Trokar [passend für späteren Endo-GIA-Stapler] ca. 3 cm medial der rechten SIAS. 4: 5-mm-Trokar pararektal ca. 3 cm unterhalb Nabelhöhe).
Technisches Zubehör/Hilfsmittel zur minimal-invasiven-Operation: Wir verwenden Versiegelungsgeräte für die Dissektion des Kolons und Rektums, resorbierbare
194 | 11 Chirurgie
Hemoclips für die zentralen Gefäße (nur bei onkologischer Indikation), einen RingRetraktor (Small) für die Bergeschnitt-Inzision und ENDO-GIA Violett (45 mm oder 60 mm) Stapler (Tristapling-Technik) zum Absetzen des Rektums. Minimal-invasive Operationsschritte mit PRAXIS-TIPPS: Abbildung 11.9 zeigt exemplarisch wesentliche Operationsschritte bei der minimal-invasiven Operationstechnik. – Laparoskopische Mobilisation und Resektion des Kolons und Rektums: Je nach Vorliegen und Lage von Karzinomen oder Dysplasien muss hier onkologischradikulär präpariert werden. Ansonsten sollte im Verlauf der Kolonresektion und v. a. der Rektummobilisation auch tubulär bzw. rektumnah vorgegangen werden, was mit den modernen Versiegelungsgeräten sehr blutarm durchgeführt werden kann. Hier liegen mehrere Fallkontrollstudien vor, die hinsichtlich Nervenläsionen und Anastomoseninsuffizienz Vorteile für die rektumnahe Präparation gezeigt haben, weswegen dieses auch in den neuesten ECCO-Leitlinien empfohlen wird [28]. – Absetzen des Rektums auf Beckenbodenhöhe mit dem abwinkelbaren Stapler. PRAXISTIPP: Zuvor wird durch transanales Gegentasten mit einem Finger auf einen laparoskopischen Stieltupfer, der ventral und dorsal auf die Ebene der tiefsten Präparation positioniert wird, die ausreichende Tiefe der Rektummobilisation geprüft. Ziel ist ein Restrektum von maximal 2 cm, besser < 1 cm. Optimalerweise sollte das Rektum mit einem einzigen Stapler-Magazin durchtrennt werden, um eine gerade Staplerreihe zu erreichen. Wir verwenden ENDO-GIA Ultra Stapler mit 60 mm oder 45 mm lila Magazinen, weil diese besonders weit abknickbar sind. Dieses gelingt aber in der Mehrheit der Fälle nicht, sodass in der Regel mindestens zwei Magazine verwendet werden. – Ileo-pouch-anale Anastomose: Im Fall einer onkologisch radikalen Rektumpräparation führen wir diese Anastomose als perianale Handnaht in Steinschnittlage und mit kompletter Mukosektomie durch. Im Falle der häufigeren nichtonkologisch-radikalen Rektumpräparation führen wir eine zirkuläre EndEnd-Stapleranastomose mit dem 29er CEEA-Stapler durch. PRAXISTIPP: Beim Ausfahren des Dorns darauf achten, dass dieser direkt an der Kreuzungsstelle der Staplerreihen ausgefahren wird. Somit kann diese potenzielle Schwachstelle beim Stapeln entfernt werden. CAVE: Vor dem Stapeln sollte intraabdominell gesichert worden sein, dass keine Torsion des Pouchmeso vorliegt und dass evtl. unter dem Pouchmeso durchgerutschte Dünndarmschlingen reponiert werden, weil diese später ggf. zu einem Ileus führen können. – Drainage: Wir legen transanal eine 8F-Easy-flow-Drainage ein, um den Aufstau von Luft/Sekret bei selten möglichem postoperativem Sphinkterhypertonus zu gewährleisten und somit die Anastomosenheilung zu sichern. Intraabdominell legen wir eine 10F-Easy-flow-Drainage laparoskopisch dorsal in die Nähe der Anastomose und leiten diese über den 5-mm-Trokarzugang im linken Unterbauch aus.
11.2 Minimal-invasive Chirurgie
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(a) Situs vor OP-Beginn
(b) Rektumpräparation
(c) Rektumdurchtrennung
(d) Präparatextraktion
(e) Diaphanoskopie Ileum-Meso
(f) Mesopräparation
(g) Pouchbildung
(h) Pouchstapeln
195
(i) Drainage abdominell
(j) Situs am OP-Ende Abb. 11.9: Operationsschritte der laparoskopischen Proktokolektomie mit ileoanaler Pouchanlage. (a): Situs vor Operationsbeginn bei dreizeitigem Vorgehen (initiale Operation: lap. subtotale Kolektomie mit endständigem Ileostoma). (b): Zunächst Mobilisation des Kolonrahmens* und dann zirkuläre, in der Regel tubuläre, rektumnahe Rektumpräparation** (dorsal, lateral, ventral) bis zum Beckenboden mit digitalem Gegentasten von anal vor dem Abstapeln. (c): Durchtrennen des Rektums ca. 2 cm oberhalb des Analkanals (späterer Rektum-Cuff) mit ENDO-GIA Violett. (d): Extraktion des Proktokolektomiepräparats durch den umbilikalen Bergeschnitt mit vorher eingebrachtem Alexis-Retraktor. (e): Exploration der Ileum-Gefäßversorgung durch Diaphanoskopie. (f): Je nach Bedarf Meso-Inzisionen und Ligaturen zur Verlängerung. (g): Pouchbildung (12–15 cm Länge) mit Linearstapler. (h): Pouch-Stapler mit 29-er CEEA-Zirkuklarstapler. (i): Einbringen 10er Easy-flow-Drainage und Platzieren dorsal der Anastomose. (j): Situs am Operationsende nach Ileostoma-Einnähen. * radikulär-onkologische mesokolische (CME) Präparation bei HIEN-Dysplasien oder Karzinom in der präoperativen Koloskopie; ansonsten auch tubuläre Resektion des Kolonrahmens. ** onkologische TME bei HIEN-Dysplasien oder Karzinom im Rektum.
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–
Die transanale Drainage bleibt in der Regel 5 Tage liegen, die intraabdominelle bei unauffälligem Verlauf/Sekret 1 Tag länger. Protektive Ileostomaanlage: Die Position des auszuleitenden Ileumsegments wird nach erfolgter Stapleranastomose und Sortierung des Dünndarmpaketes so gewählt, dass beim Luxieren vor die Bauchdecke möglichst wenig Spannung auf den nachgeschalteten Pouch entsteht. Zudem sollte das Ileostoma mesogerecht, d. h. ohne Rotation, angelegt werden. Dies wird nach Hautexzision und Faszieninzision sowie Durchziehen mittels Gummizügel nochmals laparoskopisch kontrolliert und dann erst das Pneumoperitoneum definitiv abgelassen.
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Dieter Hahnloser
11.3 Funktion und Lebensqualität nach Proktokolektomie und Ileum-J-Pouch „Eine Chirurgische Intervention sollte so geplant werden, dass jeder Patient mit einem möglichst geringen Risiko und wenig Zeitverlust, den grösst möglichen Benefit erhält.“ Charles H. Mayo
Durch totale Proktokolektomie und Ileum-J-Pouch oder ileo-pouch-anale Anastomose (IPAA) ist der Patient von der Krankheit geheilt, die Möglichkeit der malignen Transformation ist eliminiert, die Kontinenz bleibt erhalten, ein definitives Stoma wird vermieden und insbesondere wird die Lebensqualität verbessert. Diese Operation hat eine Langzeiterfolgsrate von 96 % auf 5 Jahre und über 92 % nach 20 Jahren [1]. Funktion und Lebensqualität nach IPAA sind vergleichbar mit derjenigen der Allgemeinbevölkerung.
11.3.1 Stuhlfrequenz und Kontinenz Die rationalen Überlegungen für eine IPAA sind die totale Entfernung des Kolons, Rektums und der proximalen Analschleimhaut, die Konstruktion eines adäquaten Reservoirs, und die Anastomosierung des Pouches zum After mit Erhalt der analen Defäkation sowie akzeptabler Kontinenz. Ein definitives Stoma wird somit vermieden, was wiederum die Lebensqualität verbessern wird.
Mayo Clinic In einer Studie der Mayo Clinic von 1.885 Patienten mit einem durchschnittlichen Alter von 34 Jahren bei der Operation und einer Nachbeobachtungszeit von 20 Jahren war die IPAA-Erfolgsrate nach 5, 10, 15 und 20 Jahren 96 %, 93 %, 92 % respektive 92 % [1]. Die durchschnittliche Stuhlfrequenz stieg tagsüber von 5,7 auf 6,4 und nachts von 1,5 auf 2. Inkontinenzepisoden stiegen von 5 % auf 11 % tagsüber und von 12 % auf 21 % nachts. Die Anzahl Patienten mit stuhlregulierenden Medikamenten (meist Loperamid) blieb jedoch über die Jahre konstant bei 50 % und 75% der Patienten konnten klar Luft- von Stuhlabgang differenzieren. In einer anderen Studie derselben Klinik mit 409 Patienten mit einem kompletten 15-jährigen Follow-up stieg die Stuhlfrequenz von 5,5 auf 6,2 Stuhlgänge/Tag und von 1,1 auf 2,0 nachts [2]. Dieser Anstieg war statistisch signifikant, ist jedoch klinisch wahrscheinlich nicht relevant. Die Kontinenz bleibt erhalten und Inkontinenzepisoden sind selten. Inwiefern sich die Kontinenz nach 20 Jahren verändern wird, ist bis jetzt noch unklar. Bekannt ist, dass mit zunehmendem Alter die Sphinkterstärke abnimmt [3], okkulte geburtshilflich bedingte Sphinkterläsionen symptomatisch werden
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[4] und die Frequenz von Reizdarm (Irritable Bowel Syndrome – IBS) mit dem Alter zunimmt [5]. Inkontinenz für Gas und Stuhl stieg in dieser Studie von 1 % auf 10 % tagsüber und von 2 % auf 24 % nachts [2].
Cleveland Clinic Auch in Studien der Cleveland Clinic mit 3.707 Patienten war die durchschnittliche Stuhlfrequenz 6 tagsüber [6]. Ungefähr 20 % der Patienten trugen tagsüber Einlagen, nachts stieg dies auf 25 %, jedoch war eine Inkontinenz selten in über 80 % der Patienten. 37 % der Patienten beschrieben Stuhlschmieren.
Andere Zentren In einer belgischen Studie von 250 Patienten, operiert zwischen 1990 und 2010, hatten 29 % der Patienten weniger als 6 und 68 % weniger als 8 Stuhlgänge/Tag nach durchschnittlich 11 Jahren [7]. 82 % berichteten eine gute Kontinenz und 90 % eine bessere Lebensqualität. 205 von 1.112 Patienten mit einer Nachbeobachtungszeit von 20 Jahren in einer italienischen Kohorte hatten stabile Stuhlfrequenzen tagsüber (4,8) mit leichtem Anstieg nachts (von 0,8 auf 1,2) und einer Dranginkontinenz in 9 % der Fälle [8]. Tabelle 11.5 zeigt eine Zusammenfassung der zu erwartenden funktionellen Resultate nach IPAA bei Colitis ulcerosa. Tab. 11.5: Funktionelle Resultate Stuhlfrequenz Perfekte Kontinenz Leichte Inkontinenz Stuhlschmieren Diskrimination Luft-Stuhl Tragen von Einlagen Stuhlregulierende Medikamente
5–6/Tag 0–2/Nacht 60–80 % 10–20 % 15–30 % 75 % 25–50 % 50 %
Dyspareunie, sexuelle Dysfunktion Retrograde Ejakulation
bis zu 25 % 10–20 %
11.3.2 Lebensqualität Die Lebensqualität nach IPAA ist stark von der Stuhlfrequenz abhängig. Leider sind die Studien zur Lebensqualität sehr heterogen und werden mit unterschiedlichen Fragebögen durchgeführt (u. a. Short Form Health Survery [SF-36], Inflammatory Bowel Disease Questionnaire [IBDQ], Cleveland Global Quality of Life questionnaire).
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Die Mayo Clinic war 1989 eines der ersten Zentren, die verbesserte Lebensqualität in täglichen Aktivitäten nach IPAA im Vergleich zur End-Ileostomie zeigte [9]. 2003 berichtete die Universität von Chicago eine verbesserte Lebensqualität 5 Jahre nach IPAA in 81 % der Patienten und eine hohe Satisfaktion von 96 % [10]. In einer kürzlich veröffentlichten Studie der Cleveland Clinic von 2013 mit 3.707 Patienten war die Lebensqualität gemessen mit dem Cleveland Global Quality of Life Instrument gut oder ausgezeichnet in 95 % der Patienten [6]. Trotz postoperativer Langzeitkomplikationen in 58 % waren 94 % der Patienten der Lahey-Klinik mit ihrer Lebensqualität zufrieden [11]. Interessanterweise berichtete eine kürzlich publizierte systematische Übersichtsarbeit (13 Studien mit 1.604 Patienten) vergleichbare Lebensqualität bei Patienten mit IPAA oder End-Ileostomie [12]. Die Autoren kommentierten korrekterweise, dass die analysierten Studien heterogen waren und mit unterschiedlicher Nachbeobachtungszeit. Jedoch besteht hier ein Argument, dass bei Patienten, die für einen Pouch ungeeignet sind (s. Kap. 11.3.6 und 11.3.7) die End-Ileostomie eine valable Alternative sein kann. Trotz Veränderung der Stuhlfrequenz und der Kontinenz mit der Zeit bleibt die Lebensqualität generell ausgezeichnet [1]. Die Einhaltung einer strikten Diät scheint hier einer der wichtigsten Faktoren zu sein. Die Zunahme von nächtlichem Stuhlabgang und Inkontinenzepisoden bei Patienten älter als 65 Jahre hatte keinen Einfluss auf die Lebensqualität verglichen mit Patienten unter 45 Jahren [13].
11.3.3 Sexualfunktion Die Sexualfunktion kann durch eine IPAA negativ beeinflusst sein. Dies scheint bei Frauen öfter aufzutreten als bei Männern [14], verbessert sich jedoch nach 1 Jahr [15]. Der operative Zugang, laparoskopisch oder offen scheint hier keinen Einfluss zu haben [14, 16]. Sexuelle Dysfunktion und Dyspareunie nach Proktektomie werden in bis zu 30 % der Frauen beschrieben. Impotenz und retrograde Ejakulation treten in 26 % der Männer auf [17]. Die sexuelle Befriedigung, das Verlangen und die Möglichkeit zum Orgasmus sowie die Frequenz des Geschlechtsverkehrs bleiben nach IPAA erhalten bzw. sind sogar verbessert. Dies hängt hauptsächlich mit der Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität zusammen [16, 18]. Eine Korrelation mit der Pouchfunktion scheint nicht zu bestehen.
11.3.4 Fertilität Infertilität nach IPAA wird in 39 % der Frauen beschrieben und ist somit 3- bis 4-mal höher als in der normalen Population [16, 18]. Viel wichtiger ist der Prozentsatz der
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Frauen, die nach einer IPAA schwanger werden. 56 % der Frauen waren erfolgreich, wobei sich 30 % einer Infertilitätsbehandlung unterzogen haben [18]. Verwachsungen im Becken und Verklebungen der Tuben scheinen für die Infertilitätrate verantwortlich zu sein [16]. Bei jungen Frauen im gebärfähigen Alter kann eine ileorektale Anastomose und ggf. später eine IPAA oder direkt eine laparoskopische IPAA in Betracht gezogen werden. Beim zweizeitigen Verfahren mit Kolektomie und ileorektaler Anastomose wird der ileale Pouch erst nach Abschluss der Familienplanung durchgeführt, weil es bei der Dissektion im kleinen Becken zu Verwachsungen kommen kann. Schon ältere Studien konnten verminderte Verwachsungen nach einer laparoskopischen IPAA aufzeigen. In einer holländischen und belgischen Studie versuchten 50 von 179 Frauen mit einer IPAA vor dem Alter von 41 Jahren schwanger zu werden [19]. 54 % hatten eine laparoskopische IPAA und konnten in 70 % auf natürliche Weise schwanger werden, im Vergleich zu nur 39 % nach offenem Eingriff. Mit einer In-vitroFertilisation wurden weiter 1 Patientin nach laparoskopischer respektive 4 Patientinnen nach offener Operation schwanger. Die Schwangerschaftsrate der normalen Bevölkerung bei 29-jährigen Frauen in Holland liegt im Vergleich bei 64 % nach 6 Monaten und bei 85 % nach 12 Monaten [19]. Andere Studien konnten bestätigen, dass die Fertilitätsrate nach laparoskopischem Eingriff höher ist als nach offener Chirurgie [20].
11.3.5 Schwangerschaft Die Mayo Clinic untersuchte funktionelle Resultate nach IPAA und Schwangerschaft. In 37 Patientinnen war die Schwangerschaft vor und nach IPAA bzgl. Schwangerschaftskomplikationen, Dauer der Geburt, Geburtskomplikationen, Geburtsart (vaginal oder ungeplante Sektio) sowie Geburtsgewicht nicht unterschiedlich [18]. Eine Schwangerschaft nach IPAA ist somit sicher und die meisten Kinder können ausgetragen werden [18, 21]. Ungefähr ein Drittel der Frauen beschreiben funktionelle Veränderungen, hauptsächlich im letzten Trimester [21]. Diese Störungen normalisieren sich nach der Geburt wieder zu präoperativen Werten. Es fand sich ein nichtsignifikanter Anstieg der Stuhlfrequenz von 5,4 vor auf 6,4 nach der Geburt, jedoch kein Unterschied bzgl. der funktionellen Resultate bei Frauen mit oder ohne Schwangerschaft. Über 50 % der Frauen konnten vaginal gebären ohne Beeinträchtigung der funktionellen Resultate. Die Art der Geburt (vaginal oder per Kaiserschnitt) sollte aufgrund geburtshilflicher Kriterien erfolgen und nicht weil eine IPAA vorhanden ist.
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11.3.6 Funktionelle Überlegungen vor Anlage einer IPAA Stuhlinkontinenz Eine symptomatische Stuhlinkontinenz ist per se keine Kontraindikation für eine IPAA. Die Stuhlinkontinenz ist bei Patienten mit Colitis ulcerosa multifaktoriell und kann meistens mit einer schweren Proktitis in Zusammenhang gebracht werden. Präoperative Ruhedrücke des Sphinkters von > 40 mmHG sind mit einer besseren Pouchfunktion und Lebensqualität vergesellschaftet [22], jedoch schließt ein tiefer Ruhedruck eine gut funktionierende IPAA nicht aus [23]. Ein endoanaler Ultraschall (Sphinkterläsion?) und eine Manometrie (Hypotonie? Koordination der Beckenbodenmuskulatur?) können im Entscheidungsprozess helfen.
Alter bei der Operation Initial wurden nur junge Patienten mit einer IPAA operiert. Jedoch konnten mehrere Studien zeigen, dass auch ältere Patienten (> 55 Jahre vs. < 45 Jahre bei der Operation) keine signifikant unterschiedlichen funktionellen Resultate und Pouch-assoziierten Komplikationen haben [2, 24–26]. Eine Studie konnte sogar darstellen, dass bei gesunden, motivierten Patienten über 70 Jahren die IPAA eine gute Option darstellt [27].
Adipositas Bei adipösen Patienten mit verkürztem Mesenterium kann es technisch sehr anspruchsvoll sein den Pouch zum After zu bringen. Postoperativ haben adipöse Patienten vermehrt septische Komplikationen wie Strikturen, Entzündungen und Fisteln, was wiederum die Funktion negativ beeinflussen kann. Jedoch ist die Adipositas per se kein Risikofaktor für schlechte funktionelle Resultate. Eine endständige Ileostomie ist insbesondere bei übergewichtigen Patienten mit einer erhöhten Rate von parastomialen Hernien vergesellschaftet (evtl. prophylaktische Netzeinlage).
Kontraindikationen Absolute Kontraindikation für eine IPAA aus funktioneller Sicht ist ein Karzinom im Rektum/Anus mit postoperativer Radiotherapie oder der Notwendigkeit einer partiellen Sphinkterexzision. Die Bestrahlung schwächt den Sphinkter und das terminale Ileum des Pouches ist sehr radiosensitiv. Eine terminale Ileostomie kann hier eine gute Alternative sein. Neoadjuvante Therapie ist keine Kontraindikation für eine IPAA.
Morbidität und protektive Ileostomie Die Sepsis im kleinen Becken ist eine der schwerwiegendsten und auch häufigsten Komplikationen. Durch einen Abszess oder eine Anastomoseninsuffizienz kommt es
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zu Vernarbungen im kleinen Becken und zu Stenosen, die die Hauptursachen für signifikant schlechtere funktionelle Resultate, Inkontinenz und verminderte Lebensqualität sind.
11.3.7 Operationstechnische Überlegungen Pouchtyp Die Erstbeschreibung einer IPAA war mit einem Hand-genähten S-Pouch. Die S-Pouches haben jedoch vermehrt Entleerungsstörungen und benötigen in 50 % der Patienten Selbstkatheterisierungen. Aus diesen Gründen wird die S-Konfiguration heutzutage fast nie mehr angewendet. John Nichols hat 1985 erstmalig den W-Pouch zur Vermeidung dieser Katheterisierung beschrieben. W-Pouches haben gute funktionelle Resultate mit einer Stuhlfrequenz von 3,3/24-h, nächtlichem Ausfluss in 14 % und normale Kontinenz in 92 % der Patienten [28]. Im Vergleich zu S-Pouches haben W-Pouches größere Stuhlvolumen und bessere Entleerung. Im Vergleich zu J-Pouches haben W-Pouches gleich gute funktionelle Resultate insbesondere im Langzeitverlauf in einer prospektivrandomisierten Studie mit gleich guter Lebensqualität [29]. Der J-Pouch ist einfach zu konstruieren, benötigt 30–40 cm terminales Ileum im Vergleich zu 50 cm für den W- oder S-Pouch und erfordert keine Katheterisierung.
Laparoskopie Potenzielle Langzeitvorteile nach laparoskopischer Operation sind eine verminderte Adhäsionsbildung, weniger Narbenhernien, eine verbesserte Fertilität und bessere Lebensqualität [30]. Durch die Laparoskopie kommt es zu geringeren Verwachsungen im kleinen Becken und kann potenziell die Fertilität von jungen Frauen erhöht werden. Auch bei der Laparoskopie muss auf eine nervenschonende Dissektion geachtet werden, denn in einer kürzlich publizierten Studie waren die funktionellen Orgasmen-Scores bei Männern nach laparoskopischer IPAA signifikant niedriger als nach offener Operation. Frauen zeigten generell niedrigere Scores als Männer, jedoch blieben Body-Image-Scores und Lebensqualität-Scores, im Vergleich zur Normalbevölkerung der USA, gleich oder sogar erhöht [14].
Ileorektale Anastomose Die totale Kolektomie und ileorektale Anastomose können potenziell ein Stoma vermeiden, haben eine geringere Komplikationsrate, bessere funktionelle Resultate und beeinträchtigen weniger die Fertilität als eine IPAA. Jedoch bleibt ein Teil der erkrankten Schleimhaut in situ, wodurch das Risiko einer malignen Transformation besteht [31]. In einer Studie mit 11 Jahren Nachbeobachtungszeit entwickelten 17 % der Patien-
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ten eine Dysplasie im Rektum und 8 % ein Karzinom [32]. In 53 % der Patienten musste das Rektum reseziert werden (53 % wegen Proktitis, 32 % Dysplasie und 15 % Karzinom). Bei einem Karzinom kann ggf. eine neoadjuvante Therapie notwendig sein. Insbesondere die Radiotherapie kann die funktionellen Resultate einer IPAA negativ beinträchtigen. Die kumulative Wahrscheinlichkeit einer gut funktionierenden ileorektalen Anastomose war 74 % nach 10 und 46 % nach 20 Jahren. Patienten hatten weniger Stuhlgänge/Tag (p = 0, 02) und vermehrten Stuhldrang (p < 0, 001) als IPAA-Patienten bei vergleichbarer Lebensqualität. Eine engmaschige lebenslange endoskopische Überwachung des Rektums ist zwingend. Das Karzinomrisiko steigt signifikant im Verlauf auf über 20 %.
11.3.8 Fazit Die ileo-pouch-anale Anastomose (IPAA) ist eine sichere und dauerhafte Operation. Die Lebensqualität der Patienten ist im Vergleich zu einer endständigen Ileostomie deutlich verbessert. Die Pouchfunktion und die Kontinenzrate sind auch mit zunehmendem Alter ausgezeichnet und resultieren in einer hohen Patientenzufriedenheit. Die laparoskopische Operation zeigt viele Vorteile, hat ein gutes kosmetisches Resultat und das Potenzial, durch weniger Verwachsungen intraabdominell, die Infertilitätsrate bei Frauen zu reduzieren und die Notwendigkeit von Reinterventionen bei chronischem Subileus zu verringern.
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Uwe Johannes Roblick und Andreas de Weerth
11.4 Perioperative Komplikationen nach restaurativer Proktokolektomie Die ileo-pouch-anale Anastomose (IPAA) ist die präferierte Methode der Rekonstruktion nach Proktokolektomie wegen Colitis ulcerosa. Im Rahmen der chirurgischen Pouchkonstruktion stehen wir immer wieder technisch-spezifischen Komplikationen gegenüber. Kommt es zu Komplikationen nach Pouchanlage, können die konsekutiven Probleme die Lebensqualität der betroffenen Patienten wegweisend beeinflussen. Es bedarf einer großen Erfahrung in der Pouchchirurgie, um die Komplikationsrate klein zu halten. Im Rahmen der präoperativen Risikoabschätzung spielen die Anastomosentechnik (Hand- vs. Stapleranastomose) und generelle Komorbiditäten der Patienten eine führende Rolle [1–4]. Auch zeigen verschiedene Studien, dass ein Body-Mass-Index (BMI) höher als 30 ebenso mit einer signifikant gesteigerten Komplikationsrate in der Pouchchirurgie vergesellschaftet ist [5, 6]. Natürlich haben auch die unterschiedlichen konservativen Therapieregime (Kortikoide und Antikörper), die Dauer der Behandlung und der Zeitpunkt des präoperativen Absetzens der Substanzen Einfluss auf die postoperativen Verläufe [7]. Bei konservativer Therapie bis kurz vor der geplanten Operation wird darum häufig die dreizeitige Operationstechnik favorisiert. Generell unterscheiden wir intraoperative und postoperative Pouchprobleme. Bei Letzteren wird zusätzlich in septische und nichtseptisch-korrelierte Komplikationen differenziert.
11.4.1 Intraoperative Komplikationen Die am häufigsten konfigurierte ileo-pouch-anale Anastomose ist die Anastomosierung mit einem J-Pouch. Dies ist v. a. der Tatsache geschuldet, dass der J-Pouch technisch sehr gut und unkompliziert anzulegen ist. In den meisten Fällen wird der JPouch heute mit einem Linearstaplerinstrument angefertigt.
11.4 Perioperative Komplikationen nach restaurativer Proktokolektomie | 207
Tab. 11.6: Komplikationen bei ileo-pouch-analer Anastomose Intraoperative Komplikationen
Postoperative Komplikationen
Pouch unter Spannung Durchblutungsstörung des Pouches Probleme mit dem vorgeschalteten protektiven Ileostoma Probleme mit der (Stapler-)Anastomose
Anastomoseninsuffizienz (ggf. mit konsekutiver Sepsis) Pouchblutung pouch-vaginale Fistel fäkale Kontinenzstörung Pouchitis/Cuffitis Anastomosenstenose Sexualfunktionsstörungen
Pouch unter Spannung Wenn die IPAA konfiguriert wird, ist es v. a. wichtig, dass kein Zug auf die pouchanale Anastomose kommt. Um dies technisch zu erreichen, ist meist die Dissektion und Durchtrennung der Arteria und Vena ileocolica notwendig. Dies ist besonders bei schlanken männlichen Patienten mit langem Analkanal von großer Bedeutung. Selten kann es sein, dass Entlastungsinzisionen im Bereich des Peritonealüberzugs zusätzlich nötig werden, um den Dünndarm noch weiter mobil zu bekommen [8].
Durchblutungsstörung des Pouches Natürlich muss beachtet werden, dass der mesenteriale Blutfluss zur Versorgung des Pouches nicht kompromitiert wird. Vor Anlage der Anastomose muss dringend geprüft werden, dass keine Fehlrotation des Pouches vorliegt, der die Passage und den arteriellen und venösen Fluss der zuführenden und abführenden Gefäße drosseln würde. Dies kann geprüft werden, indem die Dissektionslinie vom Duodenum bis zur letzten Dünndarmschlinge klar identifiziert wird und somit eine Fehlrotation des Dünndarmkonvolutes um die Mesenterialachse ausgeschlossen wird. Eine Nahtfixation des Pouches am Peritoneum hilft eine sekundäre postoperative Fehlrotation zu verhindern.
Probleme mit dem protektiven Stoma Die Anlage des doppelläufigen Ileostomas ist normalerweise technisch unproblematisch und wird heutzutage auch laparoskopisch durchgeführt. Bei hohem BMI des Patienten sowie kurzem Mesoansatz kann es jedoch mitunter schwierig werden, das Stoma spannungsfrei durch die Bauchdecke zu führen. Es ist dabei wichtig, darauf zu achten, die kreuzförmige Inzision der vorderen und hinteren Faszienblätter des Musculus rectus abdominis so groß zu wählen, dass es hier auf keinen Fall zu einer Einengung kommen kann. Die Prolaps-/Herniengefahr bei größerer Inzision, bei diesen für einen limitierten Zeitraum angelegten protektiven Ileostomata, ist vernachlässigbar. Viel schwieriger ist die Behandlung von Ileuszuständen, bedingt
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durch einen zu engen Fasziendurchtritt. Besonderes Augenmerk in der postoperativen Phase gilt dem Problem des sog. High-output-Stomas. Auf diese Problematik muss der Patient hingewiesen werden. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und ggf. Substitution ist notwendig, um Exsikkosezustände bis hin zum prärenalen Nierenversagen zu präventieren.
Probleme mit der Anastomosierung Die Anastomosierung kann mit transanaler Handnaht oder in Double-Staplertechnik erfolgen. Bei der häufig angewendeten Staplertechnik wird der J-Pouch an seinem Scheitel inzidiert und mithilfe einer Tabaksbeutelnaht der Staplerknopf eingeknotet. Der kurze Rektumstumpf wird dann mit dem Staplerschaft und dem Dorn penetriert. Der Dorn wird mit der Andruckplatte des Pouches konnektiert. Das Ganze wird approximiert und der Stapler dann abgefeuert und transanal mit Andruckplatte geborgen. Die Dichtigkeit der Anastomose kann dann z. B. im sog. Fahrradreifentest geprüft werden: Hierzu wird der Dünndarm proximal der Anastomose zugehalten und transanal werden etwa 100 ml Luft zügig insuffliert. Das kleine Becken wird mit Flüssigkeit gefüllt und es wird darauf geachtet, ob sich hier Luftblasen entleeren. Sollte dies der Fall sein, kann die Anastomose ggf. transanal übernäht werden. Bei kleineren Dehiszenzen kann es durch die Loop-Ileostomie zu einer Abheilung kommen. Bei einer MajorLeckage (> 1/3 der Zirkumferenz) muss geprüft werden, ob hier eine Übernähung suffizient möglich ist oder eine Neuanlage der Anastomose erfolgen sollte. Dies ist in vielen Fällen dann nur noch durch eine transanale Handnaht möglich. Vor einer Ileostomarückverlagerung, die bei uns ca. 2–3 Monate nach Anlage des protektiven Ileostomas stattfindet, muss auf jeden Fall die Suffizienz der Anastomose geprüft werden [8].
11.4.2 Postoperative Komplikationen Anastomoseninsuffizienz (ggf. mit konsekutiver Sepsis) Bei einer Anastomoseninsuffizienz mit Peritonitis ist die operative Exploration mit entsprechender Lavage und Drainage notwendig. Eventuell muss in Etappen lavagiert werden. Kleinere lokalisierte Abszesse/Verhalte können ggf. CT-gesteuert perkutan drainiert werden. Natürlich muss die Ursache der Peritonitis behandelt werden. Dies sollte von einer entsprechenden antibiotischen Behandlung flankiert werden. Für den Einzelfall muss beurteilt werden, ob der Pouch unter Stomaschutz erhalten werden kann oder reseziert werden muss [1, 2, 4, 8, 9].
Pouchblutung Diese Komplikation ist eher selten. In den meisten Fällen kann sie über eine flexible Pouchoskopie diagnostiziert und behandelt werden. Bei Blutungen im Bereich der
11.4 Perioperative Komplikationen nach restaurativer Proktokolektomie | 209
Anastomose sollte idealerweise eine Clip-Applikation erfolgen. Von einer Kauterisation respektive einer Injektion von vasoaktiven Substanzen sollte wegen der möglichen lokalen Ischämie im Anastomosenbereich abgesehen werden [10].
Pouch-vaginale Fistelbildung Bei weiblichen Patienten kann es zu einer pouch-vaginalen Fistel kommen. In der Literatur wird diese in bis zu 15 % der Fälle beschrieben. Die am häufigsten gesehenen Symptome sind persistierender vaginaler Ausfluss und rekurrierende Harnwegsinfekte. Diagnostisch stehen hier die Pouchoskopie sowie die gynäkologische Abklärung im Vordergrund. Dies kann durch ein MRT ergänzt werden, um extraluminale Befunde beurteilen zu können. Häufig liegen der Fistelbildung Komplikationen septischer Art (z. B. Anastomosen-/Pouchinsuffizienz) zugrunde, die natürlich vor der Fisteltherapie behoben werden müssen. Zur Therapie der pouch-vaginalen Fistel stehen uns heute verschiedene Techniken zur Verfügung. Die Einlage eines Fistel-Loops ist bei den kurzen pouch-vaginalen Fisteln nicht zielführend. Auch für den analen Fistelplug ist die „Verankerungszone“ (Fistellänge) meist unzureichend Es stehen aber Verfahren wie die Läppchenplastik respektive die Interposition eines Surgisis-Netzes zwischen Vaginalhinterwand und Pouch zur Verfügung, um solche Fisteln zu therapieren. Auch eine Interposition des Musculus gracilis stellt eine Alternative zur Behandlung der pouch-vaginalen Fistel dar. Bei Vorliegen einer solchen Fistel und intendierter chirurgischer Operation sollte natürlich der Stomaschutz weiter gewährleistet sein. Als Ultima ratio kann bei entsprechender Analsphinkterkompetenz auch die Neuanlage der ileo-pouch-analen Anastomose erwägt werden.
Neuanlage des Pouches Hierbei handelt es sich um sehr anspruchsvolle Eingriffe. Die Anastomosierung muss üblicherweise transanal mittels Handnaht erfolgen. Um eine erneute Fistelung vom Pouch zur Vagina zu vermeiden, kann eine Omentum-Netzplastik als Interposition erwägt werden [11–13]. Dies ist natürlich nur möglich, wenn das Omentum bei der Kolonresektion erhalten wurde. Pouchneuanlagen sind meist mit schlechteren funktionellen Ergebnissen als nach einer primären Pouchanlage vergesellschaftet [9, 14, 15].
Inkontinenz Wegen der Tiefe der Anastomosen nach ileo-pouch-analer Anastomose stellt die anale Inkontinenz mit v. a. nächtlichen Inkontinenzepisoden für etwa 20–30 % der Patienten ein Problem dar. Vor allem Patienten, die bei Pouchanlage älter als 50 Jahre sind, zeigen eine höhere Rate an postoperativer Inkontinenz/Dysfunktion nach IPAA. Vor
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allem die sensorischen Fähigkeiten wie Diskrimination und Perzeption sind durch die tiefe Präparation und Anastomosierung in vielen Fällen herabgesetzt. Vor allen Dingen Patienten mit Pouchitis, Cuffitis oder einer postoperativen Anastomoseninsuffizienz sind hier betroffen. Vor ileo-pouch-analer Anastomose sollte eine funktionelle Evaluation der Sphinkterfunktion sowohl klinisch als auch manometrisch erfolgen [9, 14, 15]. Bei schon vorbestehender Inkontinenz muss von einer IPAA abgesehen werden.
Pouchitis und Cuffitis Etwa 40 % der Colitis-ulcerosa-Patienten entwickeln nach ileo-pouch-analer Anastomose eine Pouchentzündung. Die Diagnose erfolgt durch flexible Pouchoskopie und ggf. Entnahme von Gewebeproben, um die Pouchitis auch histologisch zu verifizieren. Hier werden typischerweise Ulzerationen, entzündliche Areale und Schleimhautödeme gesehen. Konsekutiv geht die Pouchitis meist mit einer erhöhten Stuhlfrequnz, sowie perianalen Blutabgängen, Schmerzen und Fieber einher. Die Behandlung der Pouchitis respektive Cuffitis ist primär medikamentös durch Antibiotika, Probiotika und antiinflammatorische Präparate. Auch Steroide können oral und/oder transanal appliziert werden. Ist die Pouchitis therapierefraktär, muss über eine Pouchresektion nachgedacht werden. Die Cuffitis, also die Entzündung eines belassenen RestmukosaCuffs (meist nach Stapleranastomose), wird durch eine Mukosektomie behandelt. Die typischen Symptome von Pouchitis und Cuffitis sind transanale Blutabgänge, Tenesmen, Urge-Inkontinenz und hohe Stuhlfrequenzen. Bei der Pouchitis handelt es sich um die häufigste Komplikation nach IPAA [16–21]. Sie ist jedoch in vielen Fällen konservativ gut behandelbar [20].
Anastomosenstenose Eine postoperative Outlet-Problematik wird in den meisten Fällen durch eine Anastomosenenge oder ein Kinking des J-Pouches hervorgerufen. Das Kinking kann durch eine Nahtfixierung des Pouches bei Anlage vermieden werden. Die Anastomosenstenose kann mit vorsichtiger Bougierung/Analdehnung therapiert werde. Rezidive sind jedoch häufig. In ausgeprägten Fällen wird die Funktion so schlecht, dass der Pouch dilatiert und die Defäkationsfunktion massiv eingeschränkt ist. In manchen Fällen kann hier eine Biofeedback-Therapie über mindestens 3 Monate Abhilfe schaffen. Auch eine regelmäßige Irrigationsbehandlung zur Pouchentleerung kann unterstützend sein. In manchen Fällen muss der Pouch/die Anastomose reseziert werden.
Sexualfunktionsstörungen Die sexuelle Dysfunktion nach IPAA betrifft etwa 30 % der weiblichen und etwa 20 % der männlichen Patienten. Bei den männlichen Patienten steht vor allen Dingen die
Literatur
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erektile Dysfunktion im Vordergrund. Auch retrograde Ejakulation wird beschrieben [22]. Bei den weiblichen Patienten ist v. a. die Dyspareunie für die Patientinnen extrem unangenehm. Die Ätiologie der Sexualfunktionsstörung beider Geschlechter wird sicherlich durch Schädigung der autonomen Nerven bei tiefer Präparation bis zum Beckenboden hervorgerufen [18, 23–25]. Bei den häufig jungen Patienten kommt sicherlich die Störung des Körperbildes, insbesondere in der Zeit, in der das Ileostoma besteht, als negativer Faktor hinzu. Insgesamt ist die laparoskopische Proktokolektomie und Pouchanlage durch schnellere Rekonvaleszenz und bessere Kosmetik für die oft jungen Patienten sehr vorteilhaft. Die höhere Fertilitätsrate nach laparoskopischen Operationen ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass durch das laparoskopische Vorgehen weniger Verwachsungsbeschwerden im kleinen Becken entstehen [26].
11.4.3 Fazit Die pouch-anale Anastomose gehört in die Hände erfahrener Operateure. Mit entsprechender Expertise sind die funktionellen Ergebnisse gut und die Komplikationsrate kann gering gehalten werden. Die Pouchneuanlage zeigt meist schlechtere postoperative Ergebnisse.
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| Teil IV: Therapie des Morbus Crohn
12 Therapiemaßnahmen beim Morbus Crohn Bernd Bokemeyer
12.1 Akuter Schub, Krankheitsrezidiv und Remissionserhaltung ohne immunsuppressive oder immunmodulierende Therapiemaßnahmen Eine kausale Therapie des M. Crohn ist weder mit medikamentösen noch mit chirurgischen Maßnahmen möglich. Umso wichtiger ist es, bei der Auswahl der medikamentösen Therapie des akuten Schubes und der erforderlichen Remissionserhaltung die verschiedenen Kriterien wie die Krankheitsaktivität, das Befallsmuster, die extraintestinalen Manifestationen, das Alter des Patienten und den Ernährungszustand sowie das Ansprechen auf vorherige Therapiemaßnahmen, auch im Hinblick auf potenzielle Nebenwirkungen, zu bedenken. Eine klare Trennung zwischen remissionsinduzierender und remissionserhaltender Therapie ist bei den aktuellen Therapieansätzen in vielen Situationen nicht sinnvoll, weil bei beiden Therapieansätzen die gleichen Medikamente eingesetzt werden und die Remissionserhaltung häufig mit dem erfolgreichen Medikament der Remissionsinduktion fortgesetzt wird. Der Einsatz von verschiedenen Medikamentengruppen, auch im Hinblick auf die Häufigkeit des Einsatzes, unterscheidet sich dabei teilweise in der Real-Life-Praxis von den in den Leitlinien vorgeschlagenen Therapieoptionen. Eine nordkalifornische Untersuchung aus den Jahren 1998 bis 2005 zeigte trotz eines deutlichen Anstiegs der Anwendung von Infliximab in der CED-Therapie eine völlig konstante, relativ hochfrequente Anwendung von Mesalazin (5-ASA) sowohl bei Patienten mit Colitis ulcerosa als auch mit M. Crohn. Es findet sich hier keine Veränderung dieser 5-ASA-Medikation durch die häufigere Anwendung der Biologikatherapien [1]. In einer anderen Untersuchung in verschiedenen europäischen Zentren zeigte sich eine Anwendung von 5ASA bei M.-Crohn-Patienten in den ersten 3 Monaten der Therapieinduktion in Westeuropa bei 18 % und in Osteuropa bei 31 % der Patienten, wohingegen – möglicherweise durch überwiegend mildere M.-Crohn-Verlaufsformen in der breiten Behandlungswirklichkeit – Steroide nur in gut der Hälfte der Fälle angewendet wurden [2]. Zusammenfassend spielen bei der Auswahl der angewendeten Therapieoptionen bei der Remissionsinduktion und Remissionserhaltung des M. Crohn insbesondere der Grad der Aktivität und die Lokalisation der betroffenen Magen- und Darmabschnitte eine entscheidende Rolle bei der Auswahl der medikamentösen Therapiestrategien.
https://doi.org/10.1515/9783110492682-013
216 | 12 Therapiemaßnahmen beim Morbus Crohn
12.1.1 Therapie des Morbus Crohn beim akuten Schub und beim Krankheitsrezidiv Als häufigste verwendete Medikamente stehen bei diesen Krankheitssituationen im Sinne einer Remissionsinduktion v. a. systemische Glukokortikosteroide, Budesonid und 5-ASA zur Verfügung.
Leichte bis mäßige Entzündungsaktivität des Morbus Crohn Die Therapie hängt auch hier von der Lokalisation ab. Bei dem häufigsten Befallsmuster mit einem Befall der Ileozökalregion und/oder des rechtsseitigen Kolons verspricht bei einer leichten bis mäßigen Entzündungsaktivität eine Induktionstherapie mit Budesonid eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit. Die Therapie mit 9 mg Budesonid/Tag (als Einmalgabe oder verteilt über 3 Einzeldosen) ist hier hocheffektiv [3]. Unter der Budesonidtherapie wird in 49–69 % der Patienten innerhalb von 8–10 Wochen eine Remission erreicht [3]. Die Budesonidtherapie ist nebenwirkungsarm und Steroidnebenwirkungen treten signifikant seltener auf als dies bei der systemischen Glukokortikosteroidtherapie der Fall ist. Kommt es unter der Budesonidtherapie zu keiner Remission oder ist die Lokalisation der Entzündung mehr auf den Kolonbereich ausgedehnt im Sinne einer M.-Crohn-Kolitis oder kommen z. B. auch Beteiligungen des oberen Gastrointestinaltraktes hinzu, dann sollte die Therapie mit einem systemischen Glukokortikosteroid in einer Dosierung von 1 mg/kg KG/Tag eingeleitet werden. Beim ösophago-gastroduodenalen Befall kann zusätzlich ein Protonenpumpenhemmer (PPI) verordnet werden. Mit der Steroidtherapie kann dabei innerhalb von 6 Wochen bei bis zu 92 % der Patienten eine Remission erreicht werden [4, 5]. Gerade bei den M.-Crohn-Verläufen mit einer eher milden Entzündungsaktivität kommt in der Behandlungsrealität, wie oben schon gezeigt, immer wieder in breitem Umfang auch 5-ASA (Mesalazin) zur Anwendung. Für die Remissionsinduktion bei der M.-Crohn-Kolitis ist die Effektivität von 3–6 g Sulfasalazin/Tag gut dokumentiert [6, 7]. Bei diesen hohen Dosierungen von Sulfasalazin kommt es aber doch zu häufigeren Nebenwirkungen, die bei über 30 % der Patienten zum Abbruch dieser Therapie führen und so die Anwendung einschränken. Eine weitere mögliche Indikation für Sulfasalazin ist das Vorliegen einer extraintestinalen Beteiligung im Sinne von Arthralgien/Arthritiden, weil hier die zusätzliche antirheumatische Wirksamkeit von Sulfasalazin genutzt werden kann [8]. Für die Induktionstherapie mit 5-ASA-Präparaten beim M. Crohn liegen im Verhältnis zu der relativ häufigen Anwendung wenige positive Studienergebnisse vor. In Analogie zur nachgewiesenen Wirksamkeit von Sulfasalazin kann man davon ausgehen, dass Mesalazin ebenfalls bei der M.-Crohn-Kolitis wirksam sein sollte. Allerdings existieren zu dieser Untergruppe keine guten Studiendaten. Zum Einsatz von 5-ASA beim M. Crohn gibt es verschiedene Metaanalysen. Die einzige Metaanalyse, die auch alle unveröffentlichten Daten mit einbezieht, zeigt für 5-ASA (4 g/Tag) im Vergleich zu Placebo bei den Patienten mit einem ileozökalen Be-
12.1 Akuter Schub, Krankheitsrezidiv und Remissionserhaltung
| 217
fallsmuster zwar einen statistisch signifikanten Effekt, der aber relativ gering ausgeprägt ist und damit im Hinblick auf seine klinische Bedeutung auch nach dieser Metaanalyse unklar bleibt [47]. Eine neuere Vergleichsstudie zwischen 5-ASA und Budesonid beim milden bis moderaten M.-Crohn-Verlauf [9] zeigte allerdings eine vergleichbare Wirksamkeit von 5-ASA, insbesondere bei milder bis moderater Krankheitsaktivität im Hinblick auf den CDAI. In dieser Studie war 5-ASA bei dieser Patientengruppe im Vergleich zu Budesonid nicht schlechter wirksam (Abb. 12.1). Hiernach könnte es auch gerechtfertigt sein, bei einem eher leichteren Verlauf des M. Crohn in der Ileozökalregion einen Therapieversuch mit 5-ASA in einer Dosierung von 4 g/Tag durchzuführen. 100
Remission (%)
80
70,5 % 66,7 %
60
Budenofalk Salofalk Tbl. 65,6 % 48,7 %
40 20 0
CDAI < 300
CDAI > 300
Abb. 12.1: Wirksamkeit im Hinblick auf die Remissionseinleitung von Mesalazin und Budesonid beim aktiven M. Crohn im Vergleich [9].
Hohe Entzündungsaktivität des Morbus Crohn Bei einer hohen Krankheitsaktivität steht die Anwendung von systemischen Glukokortikosteroiden auch unabhängig von der Krankheitslokalisation zur Remissionsinduktion klar im Vordergrund. Hier sollte die schon beschrieben Prednisolondosierung von 1 mg/kg KG/Tag zur Anwendung kommen. Insbesondere vor einer Therapieeskalation sollte immer auch eine chirurgische Intervention als Alternative geprüft werden. In der Situation einer hohen Krankheitsaktivität ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Diskussion für den weiteren Krankheitsverlauf sehr wichtig, um so chirurgische Optionen frühzeitig im Behandlungskonzept auch berücksichtigen zu können. Gerade bei einem isolierten Ileozökalbefall mit hoher Krankheitsaktivität kann eine primäre Operation als Alternative zur konservativen Therapie in Erwägung gezogen werden, weil durch eine solche Resektion langfristige Remissionsphasen von über 10 Jahren bei bis zu 50 % der Patienten berichtet wurden [10–15]. Zu dieser Fragestellung läuft aktuell in den Niederlanden eine randomisierte, kontrollierte Studie, die in dieser Situation die laparoskopische Ileozökalresektion mit der medikamentös intensivierten Therapie mit Infliximab vergleicht [16]. In einer ersten 1-Jahresanalyse zeigt sich, dass sich zwar die krankheitsspezifische, nicht jedoch die allgemeine Lebensqualität in der Gruppe der operierten Patienten von den medikamentös behandelten Patienten unterscheidet. Allerdings zeigt sich nach 1 Jahr ein deutlicher Kostenvorteil in der chirurgisch behandelten Gruppe. Eindeutige Kriterien, die für oder gegen eine Operation sprechen liegen aber auch mit diesen Daten noch nicht vor.
218 | 12 Therapiemaßnahmen beim Morbus Crohn
Besonderheiten bei der Remissionsinduktion des Morbus Crohn in der Pädiatrie Grundsätzlich gelten für Kinder und Jugendliche die gleichen Therapieoptionen wie für erwachsene Patienten. Für die Behandlung der Kinder und Jugendlichen gibt es allerdings häufig keine eigenen Studien an pädiatrischen Patienten, hier müssen die Ergebnisse aus kontrollierten Studien mit erwachsenen Patienten auf die Situation bei Kindern und Jugendlichen übertragen werden. Eine besondere Berücksichtigung verdienen hierbei die Auswirkungen auf das Wachstum und die psychosoziale Entwicklung. Hier ist die Einbindung eines Kinder- und Jugendarztes mit der Expertise Gastroenterologie (Kindergastroenterologie) hilfreich. Gerade im Wachstumsalter ist eine intensivierte Einleitung einer Remissionsphase von hoher Wichtigkeit, um es nicht zu einer Wachstumsverzögerung kommen zu lassen. Hier kann auch eine schnellere Eskalation der Therapie als im Erwachsenenalter notwendig werden, um die negativen Einflüsse der aktiven Erkrankung z. B. auf das Wachstum einzugrenzen. Als Alternative gibt es bei den pädiatrischen Patienten auch gute Ergebnisse zur Wirksamkeit der Ernährungstherapie. In einer hierzu vorliegenden Metaanalyse von fünf randomisierten kontrollierten Studien konnte die Effektivität einer enteralen Ernährungstherapie im Vergleich zu einer systemischen Glukokortikosteroidtherapie als gleichwertig nachgewiesen werden [17]. Die Datenlage zur Effektivität der enteralen Ernährung bei der Remissionsinduktion bei den erwachsenen Patienten ist hingegen eher als begrenzt anzusehen.
12.1.2 Remissionserhaltung Nach der Einleitung einer Remissionsphase durch die Therapie des akuten Schubes besteht grundsätzlich das Risiko eines erneuten Schubes. Dieses Risiko ist für den individuellen Patienten letztlich schwer abzuschätzen. Die Rezidivhäufigkeit lag in verschiedenen klinischen Studien im 1. Jahr bei 30–60 % und im 2. Jahr bei 40–70 % [6, 7]. Dabei scheint es so zu sein, dass frühere Rezidive eher einen komplexen Verlauf anzuzeigen scheinen. In einer dänischen Kohorte lag der Anteil der Patienten mit einem schubfreien Verlauf nach 5 Jahren ohne remissionserhaltende Therapie bei 22 % und nach 10 Jahren bei 12 % [18]. Besser als einzelne Ergebnisse aus meist tertiären Behandlungszentren, in denen eher schwer verlaufende M.-Crohn-Erkrankungen behandelt werden, zeigen die Ergebnisse von populationsbasierten Studien eher den wirklichen Verlauf an. Die prospektive Ibsen-Studie aus Südnorwegen könnte in diesem unselektierten Patientengut von M.-Crohn-Patienten zeigen, dass im Verlauf über 10 Jahre häufiger auch relativ milde Verläufe auftraten [19, 20]. Es fand sich, dass nach einem ersten Schub 44 % der Patienten einen eher ruhigen Langzeitverlauf hatten und nur 24 % der M.-CrohnPatienten eine chronische Aktivität bzw. 29 % einen sonst als typisch beschriebenen Verlauf mit einem Wechsel zwischen Schüben und Remissionen aufwiesen. 72 % der Patienten in der Ibsen-Studie benötigten während der ersten 5 Jahre Glukokortikos-
12.1 Akuter Schub, Krankheitsrezidiv und Remissionserhaltung
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teroide, was aber auch heißt, dass 28 % dieser Patienten in den ersten 5 Jahren ohne systemische Steroidtherapie, also eher im Sinne eines milden Verlaufs, auskamen. Diese Kennzahlen zum spontanen Therapieverlauf sind wichtig, um die Prinzipien der Remissionserhaltung einordnen und abschätzen zu können. Eine Metaanalyse zum natürlichen Verlauf des M. Crohn in populationsbasierten Studien zeigte bei der Zusammenfassung der Daten, dass der M. Crohn in der Langzeitbetrachtung insgesamt doch eher einen komplexeren Verlauf (disabling condition) [21] hat. In dieser Untersuchung zeigte ein Drittel der Patienten schon bei der Diagnosestellung einen strikturierenden oder penetrierenden Verlauf und nur 10 % der Patienten wiesen in der Beobachtungszeit von bis zu 20 Jahren eine prolongierte klinische Remission auf. 50 % der Patienten mussten innerhalb von 10 Jahren operiert werden. Bei dieser Betrachtung spielt auch immer, wie beschrieben, die Auswahl der Patientenkohorte eine wichtige Rolle. In einer französischen Arbeit von Beaugerie [22] zeigte sich, dass dabei über 80 % der Patienten über 5 Jahre einen komplexen Verlauf (disabling disease) zeigten. In einer retrospektiven Erhebung in gastroenterologischen Praxen in Deutschland zeigte sich allerdings bei 29 % der M.-Crohn-Patienten ein eher milder Verlauf unter einer Therapie mit Mesalazin (5-ASA), wobei diese Patienten allenfalls bei der Remissionsinduktion zu Beginn bei Diagnosestellung 1-mal kurzfristig systemische Steroide erhalten hatten und sonst nur mit 5-ASA weiterbehandelt worden waren [23]. Alle diese Betrachtungen zum spontanen Krankheitsverlauf gehen in die Auswahl im Hinblick auf die Notwendigkeit der Einleitung einer remissionserhaltenden Therapie, der Wahl des anzuwendenden Medikaments und der Dauer der Therapie unter Berücksichtigung des individuellen Krankheitsverlaufs und des spezifischen Risikoprofils des Patienten mit ein. Ein wichtiges Therapieziel ist hierbei nicht nur die Remissionseinleitung gemessen anhand von Aktivitätsindizes (CDAI, HBI), sondern das Ziel der Langzeittherapie soll neben der Erhaltung der klinischen Remission auch darin bestehen, eine Normalisierung der Lebensqualität zu erreichen [24]. Darüber hinaus kann ebenso die Abheilung der Mukosa als prognostisch günstiges Zeichen gewertet und deshalb auch als Therapieziel im Hinblick auf die Remissionserhaltung angestrebt werden. Allerdings sollte eine Therapieeskalation nur anhand von endoskopischen Kriterien bei klinischer Beschwerdefreiheit sehr kritisch abgewägt werden. Zudem gibt es verschiedene Prädiktoren, die bei der Diagnosestellung oder im Verlauf eher für die Notwendigkeit einer remissionserhaltenden Therapie sprechen, wobei es sich hierbei allerdings öfter um Beobachtungsstudien als um kontrollierte klinische Studien handelt [25]. Folgende Krankheitssituationen machen eine remissionserhaltende Therapie eher notwendig und sinnvoll: – Steroidrefraktärer Verlauf – Steroidabhängiger Verlauf
220 | 12 Therapiemaßnahmen beim Morbus Crohn
– – – – – – – –
Komplizierter Verlauf in der Vergangenheit (Operation, penetrierendes Verhalten) [18] Ausgedehnter Dünndarmbefall [20, 26] Symptomatischer Befall des oberen Gastrointestinaltraktes [26] Symptomatische Fisteln Schwerer aktiver Krankheitsschub Häufige Schübe (> 2/Jahr) Hohe entzündliche Aktivität/tiefe Ulzera endoskopisch [27, 28] Hohes Risiko bei Diagnosestellung für einen komplizierten Verlauf
Gerade bei diesen beschriebenen Krankheitssituationen besteht die Indikation zur Einleitung einer immunsuppressiven/immunmodulierenden Therapie zur Remissionserhaltung, wobei die Risiken einer immunsuppressiven/immunmodulierenden Therapie demgegenüber abgewägen werden müssen [29]. Ein erhöhtes Risiko für Komplikationen besteht insbesondere bei der immunsuppressiven Therapie in Kombination mit einer lange dauernden Steroideinnahme, bei älteren Patienten und bei kombinierter Immunsuppression [29–32]. Finden sich die oben beschriebenen Kriterien für einen eher komplexen Verlauf nicht, kann unter der Berücksichtigung der beschriebenen, doch häufigen Rezidivfrequenz des M. Crohn auch bei Patienten ohne diese Kriterien eine remissionserhaltende Therapie notwendig und nützlich sein. Als Basis einer jeden remissionserhaltenden Therapie ist zunächst eine Abstinenz vom Tabakgebrauch zu fordern. Es gibt klare Studienergebnisse dazu, dass die Beendigung des Rauchens die langfristige Rezidivrate des M. Crohn nahezu halbieren kann [33–39]. Daher soll die Diskussion mit dem Patienten über die Auswirkung des Rauchens schon früh in der Krankheitsdiskussion in Besprechungen mit eingeschlossen werden. Aktive Programme zur Rauchentwöhnung sollen empfohlen werden. Zur Remissionserhaltung sind systemische Glukokortikosteroide und Budesonid einerseits aufgrund ihrer fehlenden Langzeitwirksamkeit und andererseits wegen der Steroidnebenwirkungen nicht geeignet [6, 7, 40–42].
Aber auch bezogen auf die klinische Wirksamkeit in der Remissionserhaltung zeigte eine Metaanalyse der vorliegenden Studien zu Budesonid in der Langzeitremissionserhaltung keine klinische Effektivität [43]. Aufgrund der Studienergebnisse kann Budesonid den Rückfall bei einer längeren Therapie über Monate etwas verzögern, aber keine effektive Remissionserhaltung über einen Zeitraum von 12 Monaten erreichen. Beim Auftreten von Komplikationen und insbesondere bei einem erneuten Schub ist jeweils eine Re-Evaluation der Krankheitssituation vorzunehmen. Hierbei sind auch chirurgische Optionen als mögliche Alternative jeweils mit zu bedenken.
12.1 Akuter Schub, Krankheitsrezidiv und Remissionserhaltung
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In der klinischen Praxis werden bei unkompliziertem Verlauf häufig auch Aminosalicylate zur remissionserhaltenden Therapie beim M. Crohn verwendet [44]. Die Datenlage zur Verwendung von 5-ASA in der Remissionserhaltung ist dabei aber nicht ganz einheitlich. In einer Cochrane Systematic Review [45], die in der primären Gesamtbetrachtung der 5-ASA-Studien (Intention-to-treat-Analyse – ITT) keine Effektivität für 5-ASA in der Remissionserhaltung nachweisen konnte, zeigte sich bei Einschluss nur der Teilnehmer, die die Studien komplett abgeschlossen („per-protocol“-Analyse – PP) hatten, für sechs Studien mit einer Laufzeit von 12 Monaten ein signifikanter remissionserhaltender Effekt für 5-ASA (RR 0,74 [CI 0,57–0,96]). Eine weitere Metaanalyse von Steinhart [46] fand bei einer etwas unterschiedlichen Auswahl der Arbeiten auch in der PPAnalyse der eingeschlossenen Arbeiten einen signifikanten therapeutischen Vorteil in der Remissionserhaltung für Mesalazin gegenüber Placebo (OR 0,70 [CI 0,52–0,93]). Die NNT in dieser Metaanalyse für 5-ASA war 16. Eine weitere Metaanalyse von Ford [47] zeigte in einer Analyse von elf unterschiedlichen Studien bei ITT-Betrachtung keine statistische Signifikanz für die Wirksamkeit von 5-ASA in der Remissionserhaltung (RR 0,4 [CI 0,87–1,01]). Wenn allerdings in dieser Metaanalyse wieder die „per protocol“-Analyse der RCTs angewendet wurde, fand sich erneut ein Nutzen von Mesalazin gegenüber Placebo in der Remissionserhaltung von statistischer Signifikanz (RR 0,79 [CI 0,66–0,095]). Somit sind die Ergebnisse für 5-ASA in der Remissionserhaltung nicht einheitlich. Die Metaanalysen ergeben nicht durchgehend eine Wirksamkeit, wogegen andere Analysen (PP) eine statistische Signifikanz [48] zeigen. Das Problem aller dieser Studien dürfte es sein, dass hierbei jeweils alle M.-Crohn-Patienten unterschiedlicher Aktivität eingeschlossen wurden. Würde man dahin gehend eher die leichteren M.-Crohn-Verläufe betrachten, wie sie auch in der Ibsen-Studie [19] beschrieben wurden, dürfte sich eher die Wirksamkeit von Mesalazin in der Remissionserhaltung zeigen lassen. Eigene prospektiv-randomisierte Studien zur 5-ASA-Therapie bei der Untergruppe der M.-Crohn-Patienten mit den Prädiktoren eines leichteren Verlaufs gibt es aber bisher nicht. Es gibt aber hierzu erste Hinweise aus der Analyse solcher Patienten mit einem günstigeren Verlauf [49] und aus der Tromm-Studie [9]. Ergibt sich bei Patienten mit einem eher milden Verlauf ohne die beschriebenen Hinweise für eine komplexe Erkrankung aufgrund der Gesamtkonstellation eines möglichen erneuten Schubes der Erkrankung und der individuellen Situation die Indikation zur Einleitung einer remissionserhaltenden Therapie, kann, auch wenn letztlich eine klare Evidenz in der Literatur hierzu fehlt, eine Therapie mit 5-ASA (Mesalazin) unter der Berücksichtigung der verschiedenen Aspekte wie Nebenwirkungsprofil, Patientenwunsch und eher günstigem Krankheitsverlauf in Betracht gezogen werden. In der postoperativen Remissionserhaltung gibt es Daten zu Mesalazin, die bei nicht zu komplexen Verläufen eine Remissionserhaltung mit 3–4 g 5-ASA/Tag über
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einen Zeitraum von bis zu 3 Jahren als signifikant besser gegenüber Placebo erscheinen lassen [50, 51]. Die remissionserhaltende Therapie soll bei einer entsprechenden Indikationsstellung langfristig über Jahre durchgeführt werden.
Hierzu gibt es insbesondere Daten zu positiven Effekten der immunsuppressiven Therapie, die danach zumindest über 4 Jahre [52, 53] evtl. aber auch länger (in den Studien dann wegen der geringen Fallzahl teils nicht mehr fassbar) nachweisbar sein könnten. In einer stabilen Remissionsphase ohne Steroidabhängigkeit kann allerdings bei einem fehlenden Nachweis einer vorliegenden Entzündung oder bei sonstigen Beschwerden die Beendigung der remissionserhaltenden Therapie erwägt werden.
Robert Ehehalt
12.2 Steroidabhängiger Morbus Crohn Von einem steroidabhängigen M. Crohn spricht man, wenn es nach einem initialen Ansprechen auf eine Glukokortikoidtherapie unter Reduktion der Steroide zu einem klinischen Rezidiv kommt oder wenn mehr als einmal im Jahr eine Glukokortikoidtherapie erforderlich ist (Preiss et al., DGVS-Leitlinie). Da die Glukokortikoide aufgrund ihres Nebenwirkungsspektrums (z. B. M. Cushing, Osteoporose u. v. m.) keine Option in der Dauertherapie darstellen, ist in einem solchen Fall eine steroidsparende Basistherapie mit einem Immunsuppressivum (Azathioprin, 6-Mercaptopurin und Methotrexat) oder einem Biologikum erforderlich. In Tab. 12.1 sind in Deutschland verfügbare Biologika und Immunsuppressiva und deren Dosierungen aufgeführt. Manche Kollegen propagieren Immunsuppressiva und Biologika früher einzusetzen, bevor die Patienten möglicherweise steroidabhängig werden (Step-down ApTab. 12.1: Immunsuppressiva und Biologika – Dosierung und Applikationsweg. MTX Azathioprin 6-MP
25 mg, ggf. Dosisreduktion auf 12,5 mg 2–2,5 mg/kg KG 1–1,5 mg/kg KG
s.c. oder i.m. oral oral
Infliximab
5 mg/kg KG zu Woche 0, 2 und 6; dann alle 8 Wochen: Dosissteigerung auf maximal 10 mg/kg KG alle 4 Wochen möglich 160 mg zu Woche 0, 80 mg zu Woche 2; dann 40 mg alle 2 Wochen; maximale Dosierung 40 mg wöchentlich
i.v.
Adalimumab
s.c.
Vedolizumab
400 mg zu Woche 0, 2 und 6; dann alle 4–8 Wochen
i.v.
Ustekinumab
6 mg/kg KG i.v. Woche 0; dann 90 mg s.c. alle 8–12 Wochen
i.v. und s.c.
12.2 Steroidabhängiger Morbus Crohn
| 223
proach). Eine solche Therapie wird aber aufgrund der Datenlage nicht favorisiert. Welches Basistherapeutikum zuerst eingesetzt werden soll, ist Gegenstand der aktuellen Diskussion. Gute prospektive Vergleichsstudien („head to head“), die die Medikamente direkt in ihrer Wirksamkeit miteinander vergleichen, fehlen. Daher werden die einzelnen therapeutischen Optionen individuell, d. h. an den einzelnen Patienten angepasst, eingesetzt. Im Folgenden werden die verschiedenen Therapeutika für die Indikation Steroidabhängigkeit vorgestellt.
12.2.1 Immunsuppressiva Azathioprin und 6-Mercaptopurin Die Therapie mit Azathioprin ist über 30 Jahre bekannt. Insgesamt ist ein Ansprechen in 60–70 % der Fälle zu erwarten. Die Behandlung kann mit 50 mg/Tag begonnen werden. Bei guter Verträglichkeit sollte die Dosis auf 2–2,5 mg/kg KG/Tag angehoben werden. Die Dosierung für 6-Mercaptopurin (6-MP), das ein aktiver Metabolit des Azathioprins ist, ist 1,0–1,5 mg/kg KG. Eine klinische Verbesserung wird gewöhnlich nach 8–12 Wochen eintreten. Während dieser Zeit ist darum in der Regel zur Überbrückung („Bridging“) die Steroidtherapie fortzuführen bzw. während dieser Zeit sind die Steroide langsam zu reduzieren. Grundsätzlich zeigt sich, dass Thiopurine in der Induktionstherapie beim M. Crohn meist nur in Kombination mit schnell wirksamen Substanzen wie Steroiden oder Anti-TNF ausreichend wirksam sind. Patienten, die Azathioprin oder 6-Mercaptopurin erhalten, müssen regelmäßig auf die Toxizität dieser Substanzen hin untersucht werden. In Einzelfällen gibt es bei Patienten mit Azathioprinnebenwirkungen in bis zu 50 % eine Verträglichkeit unter 6-MP (dies gilt allerdings nicht für die Azathioprinpankreatitis). Empfohlen sind zunächst wöchentliche, dann monatliche Laborkontrollen mit Untersuchung des Blutbildes, der Nieren- und der Leberwerte. Nach einigen Monaten kann bei guter Verträglichkeit das Intervall auf eine 3-monatige Kontrolle verlängert werden. Die Wirkspiegel von Azathioprin (6-TGN) bzw. dessen Metabolite können im Serum zur Therapieanpassung quantifiziert werden, korrelieren aber nicht immer gut mit dem Therapieansprechen. Sie können aber eine mögliche Non-Compliance im Hinblick auf die Azathioprineinnahme nachweisen (6-TGN). Die Messung der Thiopurin-Methyltransferase-Aktivität (TPMT) vor Beginn einer Therapie kann hilfreich sein, um homozygote TPMT-Mutationen (0,3 %) zu finden, die bei der normalen Azathioprindosierung hochgradig gefährdet sind, eine schwere Knochenmarkstoxizität zu entwickeln. Eine Messung der TPMT wird aber nicht generell empfohlen, weil die TPMT-Bestimmung auch nicht von regelmäßigen Laborkontrollen entbindet.
224 | 12 Therapiemaßnahmen beim Morbus Crohn
Methotrexat Methotrexat (MTX) ist eine Alternative für Patienten, die Azathioprin nicht vertragen oder für Patienten, die zusätzlich eine rheumatische Erkrankung haben. In der Regel werden 25 mg subkutan oder intramuskulär 1-mal/Woche gegeben. Auch bei Methotrexat ist mit einem Wirkeintritt erst nach 8–12 Wochen zu rechnen. Es wird empfohlen, zusätzlich zum MTX am Tag nach der Injektion Folsäure einzunehmen. Bei gutem Ansprechen kann im weiteren Verlauf das MTX ggf. auf 15 mg/Woche reduziert werden. Die befürchtete Lebertoxizität (Leberfibrose) ist deutlich seltener als früher angenommen, sodass routinemäßige Leberbiopsien nach 5-jähriger Therapie nicht mehr empfohlen werden [54].
12.2.2 Biologikatherapie Mittlerweile stehen Antikörpertherapien mit drei unterschiedlichen Wirkprinzipien zur Verfügung. Hierzu zählen Antikörper gegen TNF, Integrine sowie Interleukin-12 und -23.
Anti-TNF-Therapien Die Anti-TNF-Therapie ist die etablierteste Biologikatherapie beim M. Crohn [55]. Zugelassen sind in der EU die Präparate Infliximab und Adalimumab. Erfahrungen bestehen seit mehr als 15 Jahren. Certulizumab Pegol ist in der EU für die rheumatoide Arthritis, nicht aber für den M. Crohn zugelassen. In einer Metaanalyse von 2011 zeigte sich, dass eine Behandlung mit Anti-TNF zur Remissionsinduktion erfolgreicher ist als Placebo (RR 0,87) (95%-CI 0,80–0,94). Die Number Needed to Treat (NNT) liegt in dieser Analyse bei 8 [56]. Bei Patienten, die in Remission sind und bei denen das Präparat zur Remissionserhaltung eingesetzt wird, liegt das relative Risiko für ein Rezidiv bei 0,71 (95%-CI 0,65–0,76), dies entspricht einer NNT von etwa 4. Es gibt keine direkten prospektiven Vergleiche der zugelassenen Anti-TNF-Antagonisten Infliximab (IFX) und Adalimumab. Indirekte Vergleiche zeigen, dass wahrscheinlich keine wesentlichen Unterschiede in der Effizienz zu erwarten sind. Wann welches Medikament eingesetzt wird, hängt im Wesentlichen vom Applikationsweg ab (während Adalimumab subkutan appliziert wird, erfolgt die Gabe von Infliximab intravenös). Die Kombination aus Azathioprin und Infliximab erscheint effizienter zu sein als die alleinige Therapie mit nur einer Substanz. In einer randomisierten kontrollierten Studie (SONIC) an 508 Patienten mit moderatem bis schwerem M. Crohn, die zuvor weder ein Immunsuppressivum noch ein Biologikum erhalten hatten, erfolgte eine Randomisierung in eine Therapie mit Infliximab, Azathioprin oder eine Kombinationstherapie aus beiden Präparaten [57]. Zur Woche 26 zeigte sich, dass betreffend des Endpunktes der steroidfreien klinischen Remission die Behandlung mit In-
12.2 Steroidabhängiger Morbus Crohn
| 225
fliximab in Kombination mit Azathioprin gegenüber der Infliximabmonotherapie oder der Azathioprinmonotherapie signifikant überlegen war (44 %, 57 % und 30 % Remissionsraten in den jeweiligen Gruppen). Die Kombinationstherapie wird in der Regel aber eher zurückhaltend angewendet aufgrund des erhöhten Nebenwirkungsrisikos und eines wenn auch sehr seltenen Auftretens von hepato-splenischen T-Zell-Lymphomen sowie einer erhöhten Inzidenz von opportunistischen Infektionen. Daher wird empfohlen, zunächst die Monotherapie mit einer Substanz durchzuführen. Zur Überwachung und ggf. Therapieoptimierung können Wirkspiegel (Plasmakonzentrationen des Biologikums) und neutralisierende Antikörper gegen Anti-TNF quantifiziert werden. Patienten, die nicht auf eine Anti-TNF-Therapie ansprechen oder die eine Anti-TNF-Therapie nicht vertragen und Patienten, bei denen die AntiTNF-Therapie ihre Wirksamkeit verliert, können ggf. auf einen zweiten Anti-TNFAntikörper umgestellt werden („Switching“). Allerdings scheint dann die Effizienz gerade bei den Primärversagern deutlich niedriger zu sein. Auch ein Umstellen auf einen alternativen Anti-TNF-Antikörper bei Patienten, die unter einer Anti-TNFTherapie in anhaltender Remission sind, ist nicht zu empfehlen. In diesem Fall ist mit vermehrten Rezidiven zu rechnen [58].
Anti-Integrin – Vedolizumab Vedolizumab ist ein humanisierter Antikörper, der gegen das α4 β7 -Integrin an der Oberfläche von Leukozyten gerichtet ist und der die Migration der Leukozyten in die entzündete Mukosa verhindert. In einer randomisierten kontrollierten Studie an 368 Patienten mit moderatem bis schwerem M. Crohn konnte eine Effektivität gezeigt werden. Nach 6 Wochen waren signifikant mehr Patienten in Remission als in der Placebogruppe (14 % vs. 7 %). Allerdings zeigte sich betreffend des Endpunktes Ansprechen (CDAI-Abfall um 100 Punkte) kein signifikanter Unterschied im Vergleich zu Placebo. Eine Folgestudie mit dem Endpunkt nicht schon in Woche 6, sondern erst in Woche 10 erbrachte deutlich bessere Ergebnisse im Hinblick auf die Remissionsinduktionsraten [59]. In einer weiteren randomisierten kontrollierten Studie wurde Vedolizumab zur Remissionserhaltung verwendet. Hier wurden 461 Patienten, die nach 6 Wochen auf Vedolizumab angesprochen hatten, auf eine Erhaltungstherapie (Vedolizumab alle 4 oder alle 8 Wochen) gesetzt. Nach 1 Jahr waren mehr Patienten in der Vedolizumabgruppe in Remission als unter Placebo (39 % vs. 22 %). Signifikant vermehrte Nebenwirkungen waren in der Vedolizumabgruppe nicht zu verzeichnen [60]. Patienten, die bereits mit einem Anti-TNF vorbehandelt waren, zeigten ein geringeres Ansprechen. Ähnlich wie bei Azathioprin dauert es allerdings Wochen bis zum vollen Wirkeintritt des Präparats, sodass teilweise erst nach 3 Monaten mit einem ausreichenden Ansprechen zu rechnen ist. Aufgrund dessen ist oft ebenfalls eine Überbrückungstherapie („Bridging“) z. B. mit Steroiden erforderlich.
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Anti-Interleukin-12/-23 – Ustekinumab Ustekinumab ist ein monoklonaler Antikörper, der gegen Interleukin-12 und -23 gerichtet ist. In Phase-III-Studien konnte eine signifikante Wirksamkeit sowohl bei Biologika-naiven als auch bei zuvor mit Biologika exponierten Patienten nachgewiesen werden [61]. Das Präparat ist bereits zur Behandlung der Psoriasis zugelassen. Eine Zulassungserweiterung erfolgte für den M. Crohn Ende 2016. Das Ansprechen auf die Therapie scheint ähnlich schnell zu sein wie unter einem Anti-TNF-Antagonisten, Remissionsraten liegen in der Induktionstherapie bei ca. 30–40 % [62]. Der Applikationsweg zur Induktion ist intravenös. Nach Erstgabe wird die Therapie dann als subkutane Therapie fortgesetzt. Auch bei Ustekinumab zeigen Patienten mit einem vorherigen Anti-TNF-Versagen ein schlechteres Ansprechen.
12.2.3 Prinzipien der Therapie Leider gibt es aktuell keine wirklichen Prädiktoren, die uns helfen vorherzusagen, welcher Patient auf welches der Präparate anspricht. Auch gibt es mit Ausnahme der o. g. Vergleichsstudie von Infliximab und Azathioprin (SONIC) keine weiteren Studien, die die verschiedenen Medikamente direkt miteinander „Head to Head“ vergleichen. Nach aktueller Zulassung sind in Deutschland nach einem primären Steroidversuch beim erwachsenen Patienten alle o. g. Therapeutika verwendbar. Welche Therapie bei welchem Patienten eingesetzt wird hängt daher individuell von der Entscheidung des Patienten und der Erfahrung des Arztes ab. Die längste klinische Erfahrung haben wir mit Azathioprin, die geringste Erfahrung mit Ustekinumab.
Faktoren, die in die individuelle Entscheidung einfließen und bei der Auswahl beachtet werden sollen, sind u. a. Kinderwunsch (Methotrexat ist kontraindiziert, noch unzureichende Daten für Vedolizumab und Ustekinumab), extraintestinale Manifestationen (Präparatauswahl in Abhängigkeit vom Symptom), Z. n. Malignom (Präparatauswahl in Abhängigkeit von der Tumorentität [63], Patientenwunsch, Applikationsweg (oral, i.v. oder s.c.), Vorerkrankungen (z. B. kein Anti-TNF bei Multipler Sklerose, Herzinsuffizienz, zurückhaltender Einsatz von Anti-TNF bei Z. n. Tbc oder möglicher Tbc-Exposition), Vortherapien und Befallsmuster (Bevorzugung von Anti-TNF [IFX] bei perianalem Befall). Sobald eine Entscheidung für eine Therapie getroffen wird, ist es wichtig, dass Zeitlimits für eine Re-Evaluation des Ansprechens gesetzt werden.
Dies ist nicht einfach, weil die Zeiten bis zum Ansprechen individuell unterschiedlich sind. Bei Vedolizumab kann z. B. auch noch mit einer relevanten Zahl an LateRespondern innerhalb des 1. Jahres gerechnet werden. Die Festlegung von Zeitlimits
12.2 Steroidabhängiger Morbus Crohn
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scheint gerade deshalb notwendig, weil es bei einer länger anhaltenden Entzündung zu einem narbig-fibrotischen Umbau des Darms kommt, der mit irreversiblem Funktionsverlust, Fisteln und Stenosen einhergeht. Daher ist das Therapieziel die möglichst frühzeitige und weitgehende Beherrschung der Entzündung. Grundsätzlich sollte man sich beim zeitadaptierten Vorgehen immer zwei Fragen stellen: 1. Wie lange muss ich warten, bis ich eine Therapie als nicht erfolgreich werte, um dann diese zu intensivieren bzw. umzusetzen (Remissionsinduktion)? 2. Wenn ich einmal eine Remission induziert habe, wie lange muss ich die Therapie fortsetzen (Remissionserhaltung)?
Die Zeiten sind von Präparat zu Präparat verschieden und in der Tabelle 12.2 orientierend aufgeführt. Falls durch ein Präparat in den angegebenen Zeiten kein Ansprechen oder keine Remission erzielt wird, ist die Therapiedosis zu intensivieren oder die Therapie sollte auf ein anderes Präparat umgestellt werden. In der Regel führt man dann einen Wirkprinzipwechsel durch, d. h., man geht in eine andere Substanzklasse. Kommt ein Patient unter der immunsuppressiven/Biologikatherapie in Remission, sollte diese Medikation bei einem zuvor steroidabhängigen Patienten in der Regel für längere Zeit fortgesetzt werden. Vor einem Absetzen eines Präparats sollte mindestens 6 Monate eine dauerhafte klinische Remission vorliegen. Zur Hilfestellung in der Therapieentscheidung sollte vor Absetzen einer Dauertherapie einmalig eine Endoskopie erfolgen, um auch eine endoskopische Mukosaheilung zu objektivieren. Wird ein Präparat bei noch aktiver Entzündung abgesetzt, ist mit einer hohen Rezidivrate zu rechnen [64]. Für eine Zeitangabe wie lange eine Therapie zur Remissionserhaltung fortgeführt wird, gibt es in der Literatur nur wenige Daten. Lediglich für Azathioprin gibt es Hinweise, die für eine sinnvolle remissionserhaltende Dauertherapie für mindestens 4 Jahre sprechen. Da auch nach dieser Zeit noch schwere Rezidive auftreten können, ist die Dauer der remissionserhaltenden Therapie hier individuell festzulegen. Auch bei den anderen Präparaten würde man über die Länge einer remissionserhaltenden Therapie von Fall zu Fall entscheiden, in Abhängigkeit vom klinischen Verlauf Tab. 12.2: Orientierende Zeiten, zu denen spätestens ein Ansprechen oder eine Remission unter der jeweiligen Therapie auftreten sollte.
Glukokortikosteroide Anti-TNF-α Azathioprin/6-MP Vedolizumab Ustekinumab
Ansprechen
Remission
1 Woche 2–3 Applikationen 8 Wochen 8 Wochen 3 Wochen
4 Wochen 12 Wochen 12–16 Wochen 14 Wochen 12 Wochen
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und vom endoskopischen Befund. Biologika werden in der klinischen Praxis meist mindestens 1–2 Jahre eingesetzt, bevor Exit-Strategien individuell diskutiert werden.
Klaus Herrlinger
12.3 Remissionsinduktion bei Therapie-/Steroidresistenz Die erste Schubtherapie wird immer noch überwiegend durch systemische Steroide erfolgen. Unter dieser Therapie ist nach 4–6 Wochen eine Remission in 60–92 % der Fälle zu erreichen. Wird unter der hochdosierten Steroidtherapie keine Remission erreicht, sollte zunächst an die Möglichkeit von Komplikationen der Erkrankung wie narbige Stenosen und Abszesse gedacht werden, auf die die persistierende Beschwerdesymptomatik zurückzuführen sein könnte. Nach Ausschluss dieser Möglichkeit und der Diskussion chirurgischer Optionen ist die Indikation zu einer immunsuppressiven/immunmodulierenden Therapie gegeben. Angesichts des anhaltenden Beschwerdebildes sind die Anforderungen an die potenziellen Substanzen v. a. eine schnelle Wirksamkeit. Eine wissenschaftliche Evidenz für die konkrete Therapiesituation „Steroidresistenz“ liegt praktisch nicht vor. In der Regel sind in die Zulassungsstudien der entsprechenden Studien Patienten mit sehr unterschiedlichen Vortherapien („Therapieresistenz“) eingeschlossen worden. Im Folgenden sollen die für die klinische Situation „Steroidresistenz“ geeigneten Substanzen und die jeweilige Studienlage zur Wirksamkeit anhand der vorhandenen Studien vorgestellt werden. Die Steroidresistenz wird als eine aktive Erkrankung trotz hochdosierter (1 mg/kg KG Predisolonäquivalent) systemischer Steroidtherapie definiert.
12.3.1 Immunsuppression Die bei den o. g. Situationen angesprochenen Immunsuppressiva Azathioprin, 6-Mercaptopurin und Methotrexat haben hier als Monotherapie keinen wesentlichen Stellenwert, weil ihre Wirkung erst verzögert eintritt. Ihre Rolle kommt eher in der Kombination mit den Anti-TNF-Antikörpern zum Tragen (s. u.) bzw. als remissionserhaltende Langzeittherapie, wenn die schnell wirksamen Medikamente als Bridging verstanden werden. Als eher nicht wirksam haben sich die bei der Colitis ulcerosa sehr effektiven Calcineurin-Inhibitoren erwiesen. Zu Ciclosporin liegt eine Metaanalyse von vier kontrollierten Studien vor. Drei von vier großen kontrollierten Studien zur Therapie des M. Crohn mit oralem Ciclosporin bei dieser Indikation zeigten ein negatives Ergebnis [65]. Zu Tacrolimus existiert eine kontrollierte Studie bei refraktärem Fistelleiden, auch diese fällt negativ aus [66]. Die Calcineurin-Inhibitoren sind somit bei refraktärem M. Crohn allenfalls als Reservetherapeutika indiziert.
12.3 Remissionsinduktion bei Therapie-/Steroidresistenz |
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12.3.2 Anti-TNF-Antikörper Für die Behandlung des M. Crohn sind zwei Anti-TNF-Antikörper zugelassen, das intravenös zu applizierende hybride Infliximab mit 25 % murinem Anteil und das subkutan wirksame humane Adalimumab. Daten zu Infliximab wurden zuerst 1997 publiziert. Dabei gibt es im eigentlichen Sinne keine Studien an einem reinen Kollektiv von (steroid)refraktären Patienten. In einer doppelblinden Placebo-kontrollierten 12-Wochen-Studie an 108 Patienten mit mittelschwerem oder schwerem Schub eines M. Crohn konnte durch eine einzige Infusion (5 mg/kg KG) bei über 80 % ein Ansprechen der Erkrankung erreicht werden (Placebo 17 %). Eine Remission erreichten 33 % der Patienten im Vergleich zu 4 % in der Placebogruppe [69]. Wird diese Therapie bei den Respondern über 52 Wochen weitergeführt, befinden sich nach 58 Wochen noch 38 % der Patienten in Remission [70]. Die Selektion der Responder für eine weitere Therapie stellt natürlich einen „Bias“ in der Darstellung der Gesamteffektivität dar. Real wird die Remission nur bei etwa einem Viertel der behandelten Patienten langfristig erhalten werden können [71]. Trotzdem zeigen diese Daten eindrucksvoll die Wirksamkeit von Infliximab. Diese kann wahrscheinlich gut nach 2–3 Infusionen abgeschätzt werden und so können diejenigen Patienten identifiziert werden, die von der Therapie langfristig profitieren. Ein Problem des chimären Antikörpers Infliximab ist die körpereigene Antikörperbildung gegen die murinen Anteile dieses Peptids. Diese ist auch verantwortlich für einen Teil des Wirkungsverlustes dieser Substanz in der Langzeittherapie. Aus diesem Grund wird häufig die Infliximabtherapie mit Azathioprin kombiniert (s. u.). Adalimumab ist ein komplett humaner Anti-TNF-Antikörper, der eine vergleichbare Wirkung wie Infliximab zeigt. In der ersten Studie (CLASSIC I) wurden 299 Patienten randomisiert, drei verschiedene Dosen Adalimumab oder Placebo zu erhalten [72]. Nach 2 Injektionen mit der optimalen Dosierung (160/80 mg) erreichten 36 % der Patienten eine Remission der Erkrankung. Eine Follow-up-Studie an Patienten, die auf die initialen Injektionen angesprochen hatten, konnte zeigen, dass diese Remission bei den meisten der Patienten durch 2-wöchentliche Injektionen erhalten werden kann. Nach 54 Wochen waren etwa 80 % der selektierten Patienten noch in Remission [73]. Auch hier muss nach den ersten 2–3 Injektionen eine Bestandsaufnahme erfolgen, weil auf die Gesamtpopulation bezogen weniger als 30 % aller Patienten eine Langzeitremission erreichen. Diese Daten wurden in einer weiteren Studie an Patienten mit chronisch aktivem M. Crohn (CHARM) bestätigt. In einem selektierten Patientenkollektiv von Respondern, die über 54 Wochen weiterbehandelt wurden, lag die Remissionsrate nach 56 Wochen bei knapp 40 % [74]. Bezogen auf die Ausgangspopulation aller behandelten Patienten ergeben sich Langzeitremissionsraten von 20–25 %. Damit ist die Effektivität von Infliximab und Adalimumab vergleichbar. Gibt es Argumente für die eine oder andere Substanz? Einen direkten Vergleich beider Wirkstoffe gibt es nicht. Ein Argument kann die Notwendigkeit einer Kombination mit Azathioprin bei der Therapie mit Infliximab zur Vermeidung der Antikör-
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perbildung sein. In den Adalimumabstudien war allerdings auch ein gewisser Prozentsatz der Patienten parallel mit klassischen Immunsuppressiva behandelt worden. Letztendlich wird die Entscheidung nach Patientenpräferenz für den intravenösen oder subkutanen Applikationsweg fallen. Allerdings sollte nach der Entscheidung an dem gewählten Therapeutikum festgehalten und nicht ohne Grund gewechselt werden. In einer Studie an 73 Patienten in stabiler Remission unter Infliximab führte der Wechsel auf Adalimumab bei der Hälfte der Patienten zu einer Verschlechterung der klinischen Situation [58]. Versagt allerdings der eine Antikörper, dann kann es durchaus berechtigt sein, den anderen Antikörper noch zu testen. In einer Studie an Infliximabversagern brachte der Wechsel auf Adalimumab immerhin 21 % der Patienten wieder in Remission im Vergleich zu nur 7 % unter Placebo [75].
12.3.3 Infliximab plus Azathioprin Die Rationale für eine Kombinationsimmunsuppression liegt in erster Linie in der Vermeidung der Antikörperbildung gegen das chimäre Infliximab. Die entscheidende Studie zur Wirksamkeit der Kombinationstherapie ist die oben schon erwähnte SONIC-Studie. In dieser wichtigen Studie wurden 508 Patienten mit einem Schub eines frühen M. Crohn randomisiert, entweder Infliximab, Azathioprin oder die Kombination beider Substanzen zu erhalten [57]. Alle Patienten waren naiv für Immunmodulatoren und Biologika. Den primären Endpunkt einer steroidfreien Remission erreichten signifikant mehr Patienten unter der Kombinationstherapie (56 %) als unter Infliximab allein (44,4 %) oder Azathioprin allein (30,6 %). Auch wenn diese Studie zu Recht kritisiert wurde, weil aufgrund des Studiendesigns ein Großteil der Patienten nicht ausbehandelt war (z. B. hatte nur ein Teil der Patienten zuvor eine adäquate Steroidtherapie) und demnach nicht unbedingt eine aggressive (Doppel-)Immunsuppression benötigt hätte, zeigt sie doch die Effektivität der Kombinationsimmunsuppression. Wenn die Infliximabtherapie indiziert ist, dann sollte in der Initialtherapie zur Steigerung der Wirksamkeit eine Kombination mit Azathioprin erwogen werden (z. B. für 6 Monate), langfristig ist allerdings, wie oben beschrieben, wegen der Risiken der Doppelimmunsuppression eine Monotherapie anzustreben.
12.3.4 Exit-Strategien bei Doppelimmunsuppression Unabhängig vom Zeitpunkt und von der Indikationsstellung stellt sich nach erfolgreicher Remissionsinduktion z. B. mit einer Kombinationsimmunsuppression von Infliximab und Azathioprin die Frage, wie die Remissionserhaltung fortgeführt werden soll. Van Assche et al. untersuchten diese Fragestellung bei 80 Patienten mit stabiler Remission unter einer Kombinationstherapie von Infliximab und Im-
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munsuppressiva (Azathioprin, 6-MP oder Methotrexat). Bei der einen Hälfte der Patienten wurde die Kombination weitergeführt, bei der anderen Hälfte die Immunsuppressiva gestoppt und nur mit Infliximab therapiert [76]. Beide Patientengruppen unterschieden sich anschließend nicht, was die Notwendigkeit von zusätzlichen Infliximabgaben oder das Absetzen von Infliximab anging. Allerdings benötigte in beiden Gruppen etwa die Hälfte der Patienten im folgenden Jahr zusätzliche Infliximabgaben, überwiegend wegen erneuter Krankheitsschübe. Bei etwa jedem vierten Patienten musste die Infliximabtherapie wegen Wirkungsverlust oder Unverträglichkeit gestoppt werden. Die Autoren folgern, dass bei Weiterführen der Infliximabtherapie eine Kombination mit Immunsuppressiva für länger als 6 Monate keinen wesentlichen Benefit zu bringen scheint. Stoppt man in dieser Kombinationsimmunsuppression das Infliximab, so stellt sich ein ähnliches Bild dar. In einer Studie an 115 Patienten in stabiler (6 Monate) steroidfreier klinischer Remission unter Infliximab und Azathioprin wurde das Infliximab gestoppt und die Azathioprintherapie weitergeführt [64]. Auch in diesem Studiendesign erlitt innerhalb des 1. Jahres knapp die Hälfte (43,9 %) der Patienten einen Rückfall. Allerdings konnten 88 % dieser Patienten mit einer erneuten Gabe von Infliximab wieder in Remission gebracht werden. Die dargestellten Daten kann man sicherlich unterschiedlich interpretieren. Angesichts einer stabilen Remission bei der Hälfte der Patienten und den sehr guten Remissionsinduktionsraten unter erneuter Infliximabgabe scheint der zweite Ansatz mit der alleinigen Fortführung der Azathioprintherapie möglicherweise vorteilhaft zu sein, auch weil bei einem Rezidiv mit der Option der erneuten Infliximabgabe weiterhin eine suffiziente, schnell wirksame Re-Induktionstherapie zur Verfügung steht.
12.3.5 Anti-Integrin-Antikörper Vedolizumab, ein Anti-Integrin-Antikörper, ist seit kurzem auch zur Behandlung des therapierefraktären M. Crohn zugelassen. Eine Integrinblockade verhindert die Migration von Inflammationszellen aus der Blutbahn in das Gewebe. Die erste Substanz, die beim M. Crohn eingesetzt wurde, Natalizumab, ist ein Anti-α4-Antikörper, der relativ unspezifisch wirkt und u. a. auch die Migration in das ZNS blockiert. Dies führte zum Auftreten von zerebralen Infektionen mit dem JC-Virus mit der Folge einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) bei etwa 1/500 behandelten Patienten. Trotz einer gewissen Wirksamkeit wurde für Natalizumab in Europa keine Zulassung erteilt. Vedolizumab ist die folgerichtige Weiterentwicklung dieser Substanz mit einer Spezifität für das α4β7-Integrin und damit einer Selektivität für den Gastrointestinaltrakt. Das Risiko für eine PML scheint unter Vedolizumab nicht erhöht zu sein. In der Zulassungsstudie für den M. Crohn erreichten nach 6 Wochen 14,5 % der Patienten eine Remission (Placebo 6,8 %) [60]. Unter Umständen ist dieser Zeitraum für die Beurteilung der optimalen Wirksamkeit zu kurz gewählt worden. Auch in die-
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ser Studie wurden die Responder für eine Langzeittherapie ausgewählt. Knapp 40 % der weiterbehandelten Patienten waren nach 52 Wochen noch in Remission im Vergleich zu 21,6 % unter Placebo. Bei etwa 30 % Respondern nach 6 Wochen profitieren damit rechnerisch weniger als 20 % aller Patienten langfristig von dieser Therapie. Auch wenn formal die Zulassung für das Versagen der Standardtherapie erfolgt ist, scheint das Vedolizumab für die klinische Situation der Steroidresistenz nicht ideal geeignet. Die vorliegenden Daten lassen vermuten, dass die Stärke des neuen Wirkstoffs eher nicht in der kurzfristigen Remissionsinduktion liegt. Insbesondere beim M. Crohn scheint eine deutliche Latenz bis zum kompletten Wirkeintritt gegeben zu sein, sodass diese Substanz in der Situation des refraktären akuten Schubes keinen Stellenwert hat. Das Nebenwirkungsprofil scheint allerdings vorteilhaft und wird auf Placeboniveau beschrieben.
12.3.6 Ustekinumab Ustekinumab ist der neueste zugelassene Antikörper für die Therapie des refraktären M. Crohn. Dieser Antikörper ist gegen die Interleukine IL-12 und IL-23 gerichtet und es liegen bereits mehrjährige Erfahrungen für die Indikation Psoriasis vor. In einer großen Studie an 526 Anti-TNF-refraktären Patienten wurde nach 6 Wochen bei knapp 40 % ein Ansprechen erreicht im Vergleich zu nur 23,5 % in der Placebogruppe [62]. Allerdings waren die Remissionsraten zwischen beiden Gruppen nicht signifikant verschieden. Nach 22 Wochen waren 41,7 % der initialen 147 Responder unter fortgesetzter subkutaner Therapie in Remission (Placebo 27,4 %). Die beiden Zulassungsstudien zu dieser Substanz (UNITI-1 und UNITI-2) wurden kürzlich publiziert [77]. Eingeschlossen wurden insgesamt 1.409 M.-Crohn-Patienten. UNITI-1 untersuchte Anti-TNF-refraktäre Patienten, UNITI-2 Patienten, die auf eine konventionelle Therapie nicht angesprochen hatten. Naturgemäß waren die Ergebnisse von UNITI-2 besser, hier erreichten 40,2 % der Patienten eine klinische Remission nach 8 Wochen. Im TNF-refraktären Kollektiv von UNITI-1 waren dies immerhin auch noch 20,9 % der Patienten. In einer Follow-up-Studie wurden die Responder der beiden Induktionsstudien alle 8 bzw. alle 12 Wochen weiterbehandelt. Nach 52 Wochen lag die Rate an klinischer Remission bei ca. 50 %. Das Ergebnis bedeutet, dass auch bei dieser Substanz – wie bei den anderen Biologika auch – bezogen auf die Gesamtpopulation langfristig nur ein kleiner Teil (20–25 %) aller behandelten Patienten in dem Zulassungsstudiendesign profitiert haben. Der Vorteil von Ustekinumab liegt einerseits im schnellen Wirkeintritt, mit dem man nach wenigen Wochen rechnen kann, und andererseits in der vergleichsweise großen Erfahrung mit der Substanz aus dem Gebiet der Psoriasis. Damit hätte Ustekinumab eine ähnliche Indikation wie die Anti-TNF-Antikörper. Auch wenn Ustekinumab formal eine recht breite Zulassung erhalten hat (Versagen der konventionellen Therapie oder Versagen von Anti-TNF) wird man zu Beginn der Zulassung zunächst
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eher die Patienten behandeln, die Anti-TNF-Versager sind. Es wird in Zukunft wichtig sein, die optimalen Patienten für das eine oder andere Wirkprinzip frühzeitig zu identifizieren, um zu entscheiden, ob Ustekinumab in der refraktären Situation für die Primärtherapie geeignet ist. Das Verträglichkeitsprofil von Ustekinumab scheint aus den vorliegenden Daten vorteilhaft zu sein, ein erhöhtes Risiko für (auch opportunistische) Infektionen wurde in den Zulassungsstudien nicht beschrieben.
12.3.7 Cyclophosphamid Eine leider nicht durch kontrollierte Studien belegte immunsuppressive Therapiealternative ist das Cyclophosphamid (750 mg/Monat). Bisher existierten nur kleine Fallserien, die bis dahin größte mit 16 eingeschlossenen Patienten berichtete über eine exzellente Wirksamkeit mit einer Remissionsrate von 80 % [67]. Aus einer aktuellen Fallserie aus Deutschland an 41 refraktären Patienten (78 % Thiopurine, 90 % AntiTNF-Antikörper) wird über ein Ansprechen bei 68 % der Patienten und eine Remission bei immerhin noch 32 % berichtet [68]. Nebenwirkungen, insbesondere Übelkeit, sind allerdings häufig. Bei der Mehrfachimmunsuppression ist ein besonderes Augenmerk auf infektiöse Komplikationen zu richten. Das Cyclophosphamid ist im Grunde nicht zur Langzeittherapie geeignet, sondern wird als „Bridging“-Maßnahme zu einer langfristigen Immunsuppression gesehen. Damit muss bei den Patienten, die Cyclophosphamid erhalten sollen, allerdings auch noch eine potenzielle Therapieoption für die Remissionserhaltung vorhanden sein. Aus den genannten Gründen ist die klinische Situation der Steroidresistenz beim M. Crohn eine klassische Indikation für den Einsatz von Biologika.
12.3.8 Fazit Zu Beginn der Behandlung eines M. Crohn lässt diese sich theoretisch noch gut in abgestuften Therapiealgorithmen darstellen. Insbesondere bei der Entwicklung der komplizierten Verlaufsformen werden aber häufig alle vorhandenen Therapieoptionen allein oder ggf. in Kombination ausgeschöpft werden müssen. Damit entwickelt sich die medikamentöse Behandlung des M. Crohn zunehmend zu einer lebenslangen individualisierten Therapie, bei der die persönliche Erfahrung des Therapeuten ebenso wie die Präferenzen des Patienten großen Einfluss auf die Therapieentscheidungen haben.
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Stefan Fichtner-Feigl und Claudia Ott
12.4 Fistulierender Morbus Crohn (internistisch und chirurgisch) 12.4.1 Häufigkeit Einen fistulierenden Krankheitsverlauf entwickelten in verschiedenen epidemiologischen Studien zwischen 17 und 50 % der Patienten mit M. Crohn [1–3]. Im Rahmen der Nachbeobachtung einer populationsbasierten Kohorte aus Olmsted County, Minnesota, zwischen 1970 und 1995 wurde bei 35 % aller Patienten zumindest eine Fistel diagnostiziert. Dabei traten bei 54 % der Patienten perianale Fisteln auf, bei 24 % entero-enterische Fisteln, 9 % hatten rekto-vaginale Fisteln und insgesamt 13 % entero-vesikale, entero-kutane bzw. intraabdominelle Fisteln. Rezidivierende Fisteln wurden bei über 30 % der betroffenen Patienten beobachtet [2].
12.4.2 Einteilung und Klinik Generell werden Fisteln der Perianalregion und abdominelle Fisteln unterschieden. Die spezielle Situation des perianalen Fistelleidens ist in Kapitel 12.9 gesondert dargestellt.
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Abdominelle Fisteln stellen Verbindungen zwischen zwei Darmabschnitten (entero-enterische Fistel) oder zwischen Darm und benachbarten Organen dar (rektovaginale Fistel, entero-vesikale Fistel und entero-kutane Fistel). Zudem treten „blind“ endende Fisteln im Retroperitoneum auf. Dabei liegt der Ursprung der abdominalen Fistel (primäre Fistelöffnung) in der Regel in einem entzündlich veränderten Darmabschnitt mit Mündung der Fistel (sekundäre Fistelöffnung) in einen vonseiten des M. Crohn nicht befallenen Darmabschnitt bzw. ein Nachbarorgan wie Blase, Uterus oder Haut. Die Fistelmündung in das gesunde Organ oder den nichtentzündeten Darmabschnitt wird als „Einschussfistel“ bezeichnet. Prinzipiell kann bei jeder abdominellen Fistel eine Abszedierung als Komplikation auftreten, die besonderer Beachtung bedarf. Entero-enterische Fisteln können häufig asymptomatisch verlaufen, insbesondere wenn kurz hintereinander liegende Darmabschnitte verbunden sind. Liegt der Entstehungsort der Fistel jedoch im proximalen Dünndarm, kann ein funktionelles Kurzdarmsyndrom entstehen, das sich klinisch durch heftige Diarrhö, Elektrolytentgleisung und Mangelernährung präsentiert. Eine derartige Situation ist ebenso bei entero-kutanen Fisteln möglich. Aufgrund der mit einem funktionellen Kurzdarmsyndrom assoziierten Morbidität und Mortalität stellen derartige Fisteln eine absolute Operationsindikation dar. Dagegen sind weiter distal im Darm gelegene entero-kutane Fisteln mit kleiner Fistelöffnung häufig weniger symptomatisch und verursachen individuell unterschiedliche Sekretionsmengen. Die rekto-vaginale Fistel präsentiert sich mit Abgang von Luft oder Stuhl vaginal und kann zu vermehrtem Ausfluss und vaginalen Infektionen führen. Bei der entero-vesikalen Fistel besteht neben Pneumaturie und rezidivierenden Harnwegsinfekten das Risiko der Urosepsis mit konsekutiver Gefahr des Nierenversagens, sodass auch diese Fistel eine dringende und in vielen Fällen absolute Operationsindikation darstellt. Auch retroperitoneal endende Fisteln („blinde Fisteln“) können asymptomatisch verlaufen, bergen jedoch die hohe Gefahr der Abszessbildung und Sepsis, sodass auch diese Fisteln operativ saniert werden sollten.
12.4.3 Diagnostik intraabdomineller Fisteln Um die therapeutische Strategie intraabdomineller Fisteln zu optimieren, muss zunächst eine eingehende Diagnostik erfolgen. Dabei sollten: 1. der genaue Ursprungsort der Fistel bekannt sein, 2. die Frage beantwortet sein, ob im Bereich des Entstehungsortes entzündliche Darmveränderungen vorliegen, 3. ein Abszess nachgewiesen bzw. ausgeschlossen sein, 4. alle involvierten Organe identifiziert sein.
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Als diagnostische Möglichkeiten stehen hierzu die bereits in Kapitel 5, 6 und 8 beschriebenen bildgebenden Optionen mit Sonografie, Endoskopie und Schnittbildgebung mittels MRT und CT zur Verfügung. Bei entero-enterischen Fisteln kann eine Sonografie erfolgen, aufgrund der häufig jedoch schwer darzustellenden Lagebeziehung sollte bei v. a. ein Fistelleiden eine MRT des Abdomens angeschlossen werden. Auch bei Fisteln im Bereich des kleinen Beckens (rekto-vaginal, entero-vesikal) hat die MRT einen hohen Stellenwert, sie sollte jedoch um eine prokto-rektoskopische Untersuchung inkl. anorektale Endosonografie und gynäkologische bzw. urologische Untersuchung ergänzt werden. Bei v. a. einen Abszess kann zudem die CT auch aufgrund der breiten Verfügbarkeit hilfreich sein, wobei jedoch die Strahlenbelastung insbesondere bei den zumeist jüngeren Patienten nicht außer Acht gelassen werden darf.
12.4.4 Therapie Generell ist aufgrund der Komplexität der Erkrankung und der sehr individuellen Verlaufsformen bei fistulierendem M. Crohn eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Gastroenterologen, Radiologen, Chirurgen und ggf. Gynäkologen bzw. Urologen dringend nötig. Dabei sollte nach einer gemeinsamen Strategieplanung bei Erstdiagnose des Fistelleidens auch im Behandlungsverlauf eine gemeinsame Re-Evaluation regelmäßig erfolgen, um das Outcome der Patienten zu optimieren.
Therapie retroperitonealer Fisteln Eine nach retroperitoneal blind-endende Fistel stellt trotz ihres oft asymptomatischen Verlaufs aufgrund der Gefahr der Abszessentwicklung immer eine absolute Operationsindikation dar, bei welcher das Fistel-tragende Darmsegment entfernt werden und die nach retroperitoneal reichende Fistel exzidiert/kürretiert werden sollte.
Therapie entero-enteraler Fisteln Bei asymptomatischen, kürzerstreckigen entero-enteralen Fisteln kann initial ein konservativer Therapieversuch eingeleitet werden. Dabei steht die medikamentöse Therapie der entzündlichen Darmabschnitte im Vordergrund, wie in Kapitel 12 beschrieben. Der Einsatz von Aminosalicylaten scheint bei fistulierendem M. Crohn jedoch ohne Effekt zu sein [4]. Auch Kortikosteroide sollten bei fistulierendem Verlauf vermieden werden, weil unter einer derartigen Behandlung das Risiko für Komplikationen insbesondere hinsichtlich der Notwendigkeit einer Operation in zwei unkontrollierten Studien erhöht war [5, 6]. Immunsuppressiven Medikamenten wie Azathioprin oder Anti-TNF-Antikörpern sollte daher entsprechend den Anwendungs-
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empfehlungen in Kapitel 12 bei unkomplizierten entero-enteralen Fisteln der Vorzug gegeben werden. Bei entero-enterischen Fisteln, die sich weit proximal im Dünndarm manifestieren, kann wie oben beschrieben ein funktionelles Kurzdarmsyndrom mit massiven Diarrhöen, Elektrolytentgleisungen und Mangelernährung entstehen. Eine derartige Fistel stellt eine absolute Operationsindikation dar, um langfristige Komplikationen und Begleiterkrankungen zu vermeiden. Die operative Strategie bei entero-enteralen Fisteln umfasst die Resektion des entzündeten Darmabschnitts mit der primären Fistelöffnung und den Fistelverschluss der sekundären Fistelöffnung nach Exzision des sekundären entzündlichen Fistelgewebes. Eine oftmals auftretende Sondersituation bei entero-enteralen Fisteln besteht bei Ausbildung eines intraabdominellen oder manchmal retroperitoneal liegenden Abszesses. Hier ist zunächst – wenn möglich – eine interventionelle Drainage mit einer antibiotischen Therapie von Nöten, wobei primär aufgrund der zu erwartenden Erreger und aufgrund der zudem häufig gleichzeitig notwendigen immunsuppressiven Therapie entsprechend den aktuellen Leitlinien der DGVS eine Therapie mit einem Aminopenicillin plus Beta-Laktamase-Inhibitor bzw. mit einem Chinolon der Gruppe IV eingeleitet werden sollte [7]. Bei einer operativen Therapie erhöht sich die Komplikationsrate bei Vorliegen von intraabdominellen Abszessen, Fisteln, schlechtem Ernährungszustand und der Einnahme von immunsupprimierenden Medikamenten. Um eine Reduktion der perioperativen Komplikationen erreichen zu können, sollten aus diesem Grund kleinere Abszesse präoperativ antibiotisch vorbehandelt, größere Abszesse zusätzlich präoperativ interventionell drainiert werden. Dieses Stufenkonzept der antibiotischen Therapie mit interventioneller Drainage und nachfolgender Operation ist nicht durch prospektive, randomisierte Studien nachgewiesen, jedoch ist die klinische Erfahrung diesbezüglich eindrücklich, sodass diese Herangehensweise von nationalen und internationalen Leitlinien empfohlen wird. Durch eine präoperative Infektkontrolle kann die Rate an primären und sekundären Stomaanlagen bei penetrierendem M. Crohn signifikant gesenkt werden und gleichzeitig das Resektionsausmaß reduziert werden. Hierbei ist die präoperative interventionelle Abszesskontrolle nach Möglichkeit anzuwenden und die operative Abszesskontrolle aufgrund ausgeprägter Morbidität zu vermeiden. Eine suffiziente interventionelle Drainage reduziert in der Regel nicht die Notwendigkeit der sekundären operativen Therapie, sondern erlaubt es, den Operationszeitpunkt ideal zu planen und supportive Maßnahmen, wie z. B. Ernährungstherapie und Reduktion der immunsuppressiven Therapie, einzuleiten.
Therapie entero-kutaner Fisteln Gering symptomatische entero-kutane Fisteln können ebenso wie entero-enterale Fisteln konservativ therapiert werden. Die Studienlage hinsichtlich medikamentöser Therapien bei entero-kutanen Fisteln ist sehr begrenzt. Randomisiert-kontrollierte
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Daten diesbezüglich liegen nicht vor. Lediglich in kleinen Fallserien wurde die Anwendung von Infliximab bei entero-kutanen Fisteln mit jedoch widersprüchlichen Ergebnissen bewertet [8, 9]. Sinnvoll erscheint jedoch wie bei entero-enteralen Fisteln im Falle entzündlicher Aktivität des Fistel-tragenden Segments eine immunsuppressive Therapie zu sein. Auch bei der entero-kutanen Fistel kann sich bei Ursprung der Fistel im proximalen Dünndarm ein Kurzdarmsyndrom ausbilden, was wiederum eine absolute Operationsindikation darstellt. Die operative Therapie ist bei entero-kutanen Fisteln analog zu den weit häufiger vorkommenden entero-enteralen Fisteln anzuwenden. Auch bei dieser Form des penetrierenden M. Crohn kann durch eine präoperative Infektsanierung eine Reduktion des Resektionsausmaßes und der perioperativen Komplikationen erreicht werden und sollte somit durchgeführt werden.
Therapie entero-vesikaler Fisteln Aufgrund der Gefahr einer Urosepsis müssen entero-vesikale Fisteln und Fisteln zu allen Anteilen des harnableitenden Systems einer chirurgischen Therapie zugeführt werden. Diese dringliche Operationsindikation erfordert exakte präoperative Planung. Insbesondere die anatomische Lagebeziehung der entzündeten intestinalen Strukturen zu den ableitenden Harnwegen ist zu beachten, um Verletzungen im Urogenitalsystem vermeiden zu können. Sekundäröffnungen der Fistel zur Blase können in der Regel exzidiert und primär wieder suffizient vernäht werden. Es empfiehlt sich perioperativ eine intravesikale Druckreduktion mittels transurethralem oder suprapubischem Blasenkatheter durchzuführen.
Therapie rekto-vaginaler Fisteln Auch zur medikamentösen Therapie rekto-vaginaler Fisteln liegen lediglich wenige kleine Studien vor. Eine systematische Aufarbeitung dieser Studien zeigte ein vollständiges Ansprechen auf Anti-TNF-Therapien mit komplettem Fistelverschluss bei 41 % von insgesamt 78 Patientinnen, ein teilweises Ansprechen bei 21,8 % und fehlendes Ansprechen bei 37,2 % [10]. Durch die Kombination einer medikamentösen und chirurgischen Therapie konnte das vollständige Ansprechen in dieser Analyse geringfügig verbessert werden. Als mögliche chirurgische Optionen stehen eine Reihe von Techniken zur Verfügung, die situativ eingesetzt werden müssen. Operationen aufgrund entero-vaginaler Fisteln müssen an Zentren mit entsprechender Expertise durchgeführt werden. Zur präoperativen Planung sind mehrere Aspekte zu berücksichtigen. Hierzu gehören die Lokalisation der Fistel, die Ausprägung der zugrunde liegenden Entzündungsaktivität und auch die daraus resultierende Lebensqualität. Aufgrund der komplexen operativen Rekonstruktion und auch der hohen Rate an nicht erfolgreichen Operationen muss die chirurgische Therapie bei rekto-vaginalen
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Fisteln sehr kritisch indiziert werden und bei Symptomlosigkeit ggf. zurückgestellt werden. Die erfolgreiche operative Therapie einer rekto-vaginalen Fistel beim M. Crohn kann nur durchgeführt werden, wenn lokal die Entzündungsreaktion kontrolliert ist. Hierbei können transperineale, transvaginale und auch transanale Prozeduren angewendet werden, wobei die Indikation patientenspezifisch und auch in Abhängigkeit von der Schließmuskelintegrität und -funktion zu treffen ist. Sicherlich muss bei diesen Überlegungen erwähnt werden, dass eine Fadendrainage bei rekto-vaginalen Fisteln auch dauerhaft angewendet werden kann. Es ist bis dato immer noch unklar, ob und in welchen Situationen eine Diversion mit proximaler Stomaanlage einen Benefit bringt. Diese Entscheidung sollte gemeinsam mit der Patientin getroffen werden. Bei Re-Operationen und technisch schwierigen Operationen erscheint eine Diversion sinnvoll zu ein, ohne dafür Evidenz vorweisen zu können. Als Ultima ratio kann bei Patientinnen mit rekto-vaginaler Fistel eine Rektumexstirpation durchgeführt werden. Diese definitive Operationsstrategie ist bei zusätzlich ausgeprägtem perinealen Befall zu diskutieren, wobei erwähnt werden muss, dass diese Operationen mit einer relativ hohen Rate an postoperativen Wundheilungsstörungen einhergeht und oftmals eine plastisch-rekonstruktive Deckung des Operationsdefekts benötigen.
12.4.5 Fazit Bis zu 50 % der Patienten mit M. Crohn entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung Fisteln. Bei intraabdominellen Fisteln ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Gastroenterologen, Radiologen, Chirurgen und ggf. Gynäkologen bzw. Urologen dringend nötig. Vor einer Therapieentscheidung muss eine exakte Diagnostik der Fistelsituation erfolgen. Bei unkomplizierten Fisteln kann ein konservatives Procedere mit in der Regel Einleitung einer immunsuppressiven Therapie versucht werden. Komplizierte abdominelle Fisteln sollten operativ versorgt werden, wobei insbesondere bei gleichzeitig vorliegendem Abszess, wenn möglich, eine präoperative Abszessentlastung und antibiotische Therapie erfolgen sollte.
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12.5 Stenosierender Morbus Crohn (interventionelle Therapie) |
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Dominik Bettenworth und Bodo Schniewind
12.5 Stenosierender Morbus Crohn (interventionelle Therapie) Neben inflammatorischen Läsionen und Fistulierungen sind intestinale Stenosen ein klassisches Krankheitscharakteristikum des M. Crohn. Während in der Vergangenheit z. T. unterschiedliche Definitionen einer M.-Crohn-bedingten Stenose vorgeschlagen wurden, wird heute eine Stenose allgemein als dauerhafte Verengung des Darmlumens definiert, die obstruktive Symptome verursachen kann [1]. Der stenosierende Phänotyp kann sich bei M.-Crohn-Patienten prinzipiell zu jeder Zeit des Krankheitsverlaufs manifestieren [2], findet sich jedoch häufiger bei Patienten mit längerer Erkrankungsdauer. Eine populationsbasierte Studie aus Minnesota, USA, konnte zeigen, dass ca. 20 % der analysierten M.-Crohn-Patienten in den ersten 20 Jahren nach Diagnosestellung stenosierende Komplikationen entwickeln [3], an tertiären Referenzzentren werden sogar bereits nach 10 Jahren bei 30 % der M.-Crohn-Patienten Stenosen dokumentiert [2, 4]. Die zugrunde liegenden histopathologischen Veränderungen eines stenotischen Darmsegments sind charakterisiert durch eine inflammationsgetriebene, überschießende Produktion extrazellulärer Matrixproteine durch Myelofibroblasten und durch eine Expansion von mesenchymalen Zellpopulationen [5]. Eine detaillierte Beschreibung der pathophysiologischen Veränderungen bei intestinaler Fibrose findet sich an anderer Stelle [6, 7]. In der Summe können die profibrotischen Veränderungen zu einer Verdickung aller Darmschichten führen und bei den betroffenen Patienten das klinische Bild einer intestinalen Obstruktion auslösen. Während für das Auftreten von schweren, komplizierten Verläufen des M. Crohn bestimmte klinische und laborchemische prädiktive Faktoren, wie beispielsweise perianale Läsionen, tiefe Kolonulzerationen, ein erhöhter C-reaktiver-Protein(CRP)-Wert u. a. identifiziert werden konnten [8, 9], sind bislang keine spezifischen Faktoren be-
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kannt, die in der klinischen Routine geeignet sind, um das spätere Auftreten von stenotischen Komplikationen vorauszusagen [1]. Ebenso sind keine bildgebenden oder endoskopischen Befunde prädiktiv für das Auftreten des stenosierenden Phänotyps beim M. Crohn [10, 11]. Formalistisch betrachtet können M.-Crohn-bedingte Stenosen in entzündliche oder narbige Typen eingeteilt werden. Dieser Unterteilung liegt die Vorstellung zugrunde, dass rein entzündliche Stenosen von einer antiinflammatorischen Therapie profitieren, während narbige Stenosen primär interventionell (endoskopisch oder chirurgisch) therapiert werden sollten. Die verfügbaren Studien zeigen jedoch, dass in der Mehrzahl der Fälle M.-Crohn-bedingte Stenosen einen gemischt entzündlichnarbigen Charakter aufweisen [12, 13]. Die entzündlichen bzw. fibrotischen Veränderungen eines stenotischen Darmsegments können aufgrund des transmuralen Schädigungsmusters des M. Crohn die gesamte Darmwand betreffen. Daher ist die Endoskopie zwar zum endoluminalen Stenosenachweis geeignet, kann jedoch das Ausmaß und die Schwere des fibrotischen Umbaus nicht vollständig erfassen. Im Gegensatz dazu erlauben schnittbildgebende Verfahren (Magnetresonanztomografie [MRT], Computertomografie [CT] oder Ultraschall) eine Beurteilung von transmuralen Veränderungen und besitzen eine hohe Sensitivität und Spezifität für den Stenosenachweis sowohl im Dünndarm wie auch im Kolon. Eine systematische Übersichtsarbeit, die 68 Originalpublikationen analysierte, fand eine ähnlich gute diagnostische Genauigkeit von MRT, CT und Ultraschall [14]. Der sonografische Nachweis von intestinalen Stenosen kann durch eine z. T. unvollständige Darstellbarkeit des gesamten Dünndarm-/Dickdarmverlaufs limitiert sein [14]. Darüber hinaus sollte die MRT-Diagnostik dem CT nicht nur aufgrund der fehlenden Strahlenbelastung vorgezogen werden, sondern auch angesichts des besseren Weichteilkontrastes, der eine genauere Beurteilung der Darmwand ermöglicht. Vielversprechende Ansätze wie z. B. der Einsatz von Gadolinium als Kontrastmittel für die MRT [15] oder die Elastografie [16] müssen zunächst noch weiter validiert werden, bevor sie Einzug in den klinischen Alltag finden können. Derzeit ist keine bildgebende Modalität in der Lage, die klinische Relevanz einer detektierten M.Crohn-bedingten Stenose zu quantifizieren, sodass die klinische Präsentation und die anamnestischen Angaben des Patienten ebenfalls relevant für die weitere Therapieplanung sind.
Bei M.-Crohn-Patienten mit klinisch apparenter Stenosesymptomatik ist eine umgehende bildgebende Diagnostik und bei Stenosenachweis eine stationäre Aufnahme ratsam. Die weiteren Therapieentscheidungen sollten dann gemeinsam mit einem Viszeralchirurgen getroffen werden [17]. Die Anlage einer Magensonde, adäquate Volumentherapie und ggf. eine parenterale Ernährungstherapie können hilfreiche Basismaßnahmen darstellen [1]. Zudem ist im Rahmen der weiteren Therapieevaluation eine aktuelle endoskopisch/bildgebende Diagnostik hilfreich, um die Länge sowie die Lokalisation und eine entzündliche Komponente der Stenose zu erfassen. Außer-
12.5 Stenosierender Morbus Crohn (interventionelle Therapie) |
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dem sollten ein Abszess, eine Phlegmone und Zeichen für Malignität ausgeschlossen werden. Auch wenn das pathophysiologische Verständnis für die Mechanismen der intestinalen Fibrogenese in den letzten Jahren deutlich verbessert werden konnte, existiert weiterhin keine medikamentöse Option für eine rein antifibrotische Therapie von M.-Crohn-bedingten Stenosen [18]. Bei Stenosen mit einer relevanten entzündlichen Komponente wurde traditionell häufig eine hochdosierte Prednisolontherapie initiiert. So fand eine Studie von Yaffe et al. bei 26 Patienten mit symptomatischer M.-Crohn-bedingter Stenose des Dünndarms ein kurzfristiges Therapieansprechen bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten. Innerhalb eines mittleren Beobachtungszeitraums von 52 Monaten erlitten jedoch 75 % der Patienten eine weitere Episode einer Stenosesymptomatik und 46 % wurden schließlich operiert [19]. Die kürzlich von der GETAID durchgeführte prospektive Observationsstudie CREOLE überprüfte die Wirksamkeit des Anti-TNF-α-Antikörpers Adalimumab bei M.-Crohn-Patienten mit symptomatischer Dünndarmstenose. 24 Wochen nach Studienbeginn waren 61 % der behandelten Patienten steroidfrei und hatten sich zudem zwischenzeitlich weder einer endoskopischen Ballondilatation (EBD) oder einer operativen Therapie unterziehen müssen [20]. Sollte eine medikamentöse Therapie nicht zum Therapieerfolg führen oder eine erneute Stenosesymptomatik in kurzfristigem Intervall auftreten, so ist – ebenso wie beim Vorliegen einer überwiegend narbigen Stenose – eine chirurgische Intervention oder eine EBD mit dem Patienten zu besprechen. Endoskopisch erreichbare Stenosen mit einer Länge von weniger als 5 cm ohne Nachweis einer Fistel, eines Abszesses oder von Malignität sind prinzipiell für eine EBD geeignet [21].
Idealerweise sollte die Intervention bei einem angemessenen Allgemeinzustand des Patienten, im elektiven Setting und mit der Möglichkeit zur umgehenden chirurgischen Therapie bei Auftreten von Komplikationen erfolgen. Zudem sollte die Endoskopie unter Applikation von CO2 und mit der Möglichkeit zur Fluoroskopie (Durchleuchtung) erfolgen. Eine periinterventionelle Antibiose wird nicht generell empfohlen [22]. Die praktische Durchführung der EBD ist in Abbildung 12.2 und 12.3 dargestellt. Eine gepoolte Analyse von 1.463 M.-Crohn-Patienten aus 33 Studien ergab eine technische Erfolgsrate von 90 % und belegte bei 80,3 % aller Patienten auch eine Besserung der klinischen Beschwerdesymptomatik [21]. Schwerwiegende Komplikationen wie Blutungen, Perforationen oder interventionsassoziierte Operationen traten bei 2,7 % der Patienten auf. In der mittleren Nachbeobachtungszeit von 12 bzw. 24 Monaten entwickelten 62,1 % bzw. 75,9 % ein klinisches Rezidiv. Darüber hinaus wurde in diesem Zeitraum bei 51,8 % bzw. 73,5 % der Patienten eine erneute EBD notwendig, während 30,1 % bzw. 42,9 % der Patienten letztlich einer operativen Therapie zugeführt wurden.
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Abb. 12.2: Bei endoskopisch nicht passierbaren Stenosen wird zunächst ein Führungsdraht durch das Orificium vorgeschoben. Ein Vorschub des Führungsdrahtes ohne Widerstand gilt dabei als Hinweis auf eine korrekte Drahtlage innerhalb des Darmlumens und kann helfen, stumpfe Traumata oder eine Perforation durch die Ballonspitze zu vermeiden. Anschließend wird über den Führungsdraht ein Dilatationsballon unter Sicht bzw. unter fluoroskopischer Kontrolle über der Stenose positioniert und insuffliert (Abb. modifiziert nach [22]).
(a)
(b)
(c)
Abb. 12.3: Bei einer symptomatischen M.-Crohn-Patientin mit kurzstreckiger, überwiegend narbiger Anastomosenstenose bei Z. n. nach Ileozökalresektion (a) erfolgt eine endoskopische Ballondilatation (b) mit postinterventionell deutlich geweitetem Anastomosenlumen (c) und klinischer Beschwerdefreiheit.
Ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Durchmesser des verwendeten Ballons (in der Literatur finden 8–25 mm messende Dilatationsballons Verwendung), der Insufflationszeit sowie der Genese der Stenose (naiv vs. anastomotisch) und der Erfolgs- bzw. Komplikationsrate fand sich nicht [21]. Nach erfolgter EBD ist das Risiko für ein klinisches Rezidiv bzw. die Notwendigkeit einer erneuten EBD oder einer Operation bei naiven Stenosen und Anastomosenstenosen vergleichbar [21].
Eine serielle Durchführung mehrerer EBD kann in Anbetracht des Krankheitsverlaufs und der Dauer des rezidivfreien Intervalls erwägt werden. Eine erhöhte Komplikationsrate bei seriellen Dilatationen ergab sich im Rahmen klinischer Studien nicht [23].
12.5 Stenosierender Morbus Crohn (interventionelle Therapie) |
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Die intraläsionale Injektion von Glukokortikoiden (z. B. Triamcinolon) oder Anti-TNFAntikörpern kann in Anbetracht der begrenzten, publizierten Evidenz derzeit nicht empfohlen werden [24, 25]. Ebenso sind eine Stentimplantation und der Einsatz eines Sphinkterotoms zur endoskopischen Therapie von M.-Crohn-bedingten Stenosen zurzeit für die klinische Routine nicht hinreichend etabliert [17, 26].
12.5.1 Chirurgische Therapie des stenosierenden Morbus Crohn Die chirurgische Intervention kann ein wichtiges Element im Rahmen der Behandlung des M. Crohn sein. Sie kommt komplementär zur medizinischen Behandlung zum Einsatz, wenn diese nicht oder nicht ausreichend wirkt oder keine sinnvolle Therapie darstellen. Typische komplizierte Verläufe können Strikturen, Abszesse, Fisteln, Blutungen oder maligne Transformationen sein. Moderne chirurgische Techniken haben den Erhalt der größtmöglichen Darmlänge und die niedrigstmöglichen Komplikations- und Rezidivraten der Grunderkrankung zum Ziel. Circa 80 % aller M.-Crohn-Patienten benötigen im Laufe ihres Lebens eine chirurgische Intervention [27]. Circa 15–20 % der Patienten werden bereits innerhalb des 1. Jahres nach Diagnosestellung operiert. Von den primär operierten Patienten benötigen etwa 50 % weitere operative Eingriffe innerhalb der nächsten 10–15 Jahre [28, 29]. Der Zeitpunkt der Intervention wird v. a. bei kompliziert verlaufender Erkrankung kontrovers diskutiert. Dieses gilt v. a. für die penetrierende Erkrankung im Sinne von Abszedierungen und Fistelbildungen oder bei rezidivierendem Verlauf. Die rezidivierende Erkrankung stellt auch für den Chirurgen eine besondere Herausforderung dar. Die typischen pathologischen Veränderungen einer komplizierten Grunderkrankung, im Sinne von schweren intraabdominellen Adhäsionen und das inflammatorisch veränderte Gewebe, können für den Chirurgen eine erhebliche Herausforderung darstellen. Die Eingriffe sind technisch erschwert und haben u. a. deshalb eine erhöhte Morbidität. Die Wahl des optimalen Zeitpunktes für die chirurgische Intervention im Rahmen des Gesamtmanagements des Patienten stellt einen entscheidenden Faktor für das Gelingen der Therapie dar. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit vor allen Dingen zwischen den Fachdisziplinen der Gastroenterologie und der Viszeralchirurgie von entscheidender Bedeutung. Die Indikation zur chirurgischen Intervention wird in der Regel begründet durch das fehlende bzw. unzureichende Ansprechen auf eine medizinische Therapie, durch das Auftreten relevanter medikamentöser Nebenwirkungen, durch eine komplette bzw. partielle intestinale Obstruktion, durch Fistelbildung (intestinal bzw. perineal), Abszedierung, Blutung und/oder die nachgewiesene bzw. vermutete maligne Transformation in einem Darmabschnitt [30]. Eine verspätete chirurgische Intervention kann zu einer relevanten Verschlechterung der Ergebnisse führen [31]. Für die Auswahl der chirurgischen Strategie ist das Ausmaß und die Anzahl der betroffenen intestinalen Segmente von großer Bedeutung.
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12.5.2 Laparoskopische Chirurgie beim Morbus Crohn Die Ileozökalresektion stellt, entsprechend dem häufigen Krankheitsbefall dieser Region, die am häufigsten durchgeführte chirurgische Maßnahme bei Patienten mit einer refraktären Obstruktion nach initialer medizinischer Therapie dar [32]. Der Stellenwert und die Expertise der minimal-invasiven laparoskopischen Chirurgie hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter erhöht. Sie gehört heutzutage zweifelsohne in das Repertoire der Chirurginnen und Chirurgen. Eine Vielzahl von Untersuchungen hat die konventionelle, offene Chirurgie mit minimal-invasiven Verfahren bei der Behandlung des M. Crohn verglichen und analysiert. Die grundsätzliche Indikation ist selbstverständlich für beide Zugangsverfahren identisch. In der aktuellen Literatur finden sich u. a. zwei prospektiv-randomisierte Studien, zwei systematische Reviews und vier Metaanalysen, die sich mit dieser Fragestellung auseinandersetzen [33– 38]. Insgesamt weisen diese Untersuchungen bei vergleichbaren Komplikationsraten einen verkürzten Krankenhausaufenthalt, z. T. weniger postoperative Verwachsungen und eine schnellere Erholung nach, bei gleichzeitig verbesserten kosmetischen Ergebnissen. Diese Tatsachen münden in dem ECCO-Leitlinien-Statement: Ein laparoskopischer Zugang für die Ileocoecalresektion bei M. Crohn sollte bevorzugt werden, sofern eine adäquate Expertise verfügbar ist [6].
Dieses wird in einer großen vergleichenden populationsbasierten Studie und in der aktuellsten Metaanalyse von Patel et al. bestätigt [39, 40].
12.5.3 Rezidivierender und komplizierter Morbus Crohn Eine einheitliche Konsensusdefinition bzgl. eines komplizierten bzw. eines komplexen Darmbefalls des M. Crohn gibt es nicht [41]. Einflussfaktoren können das Ausmaß und die Ausdehnung des Darmbefalls, Langzeitsteroidmedikation und andere Immunmodulatoren oder eine hohe Rezidivneigung mit zahlreichen vorausgegangenen Behandlungen sein, die in einer erheblichen chirurgisch-technischen Herausforderung münden. Einer chirurgischen Behandlung einer Abszesskomplikation kann ein antibiotischer bzw. ein bildgesteuerter Drainageversuch vorausgehen [42, 43]. Versagen diese Methoden, ist ein chirurgischer Ansatz in der Regel unumgänglich. Er beinhaltet die Entfernung des Abszesses und die segmentale Resektion des betroffenen intestinalen Segments mit einer primären Anastomose. Je nach Ausprägung des Befundes kann eine temporäre Deviation des Intestinaltraktes erwägt werden. Notfallresektionen sollten vermieden werden, um unnötige Darmresektion zu vermeiden [42]. Hinsichtlich der penetrierenden bzw. rekurrierenden Grunderkrankung können minimal-invasive Techniken an Grenzen stoßen. Dieser Umstand erfordert natürlich
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eine verantwortungsvolle Nutzen-Risiko-Abwägung des Operateurs. Nichtsdestotrotz konnten Studien auch unter diesen Voraussetzungen vergleichbare Ergebnisse für laparoskopische und offene Operationen zeigen. Diese gingen jedoch mit einer erhöhten Konversionsrate und Stomaanlagen einher [41, 44]. Letztlich ist der laparoskopische Ansatz in einem komplexen und rezidivierenden Krankheitsverlauf im Einzelfall abzuwägen und erheblich von der individuellen Expertise des Behandlers abhängig.
12.5.4 Darmerhaltende Chirurgie (Strikturoplastiken) Wenigstens 15 verschiedene Strikturoplastiktechniken sind in der Literatur publiziert. Die verschiedenen Techniken der Strikturoplastik können beim M. Crohn im Verlauf das Risiko, einen Kurzdarm zu verursachen, reduzieren.
Folgende Kriterien können eine Indikation für eine Strikturoplastik darstellen: 1. eine diffuse Jejuno-Ileitis mit einer oder mehreren kurzen fibrotischen Strikturen, 2. Strikturen mit vielfachen Darmresektionen in der Vorgeschichte, 3. kurzfristige Strikturrezidive innerhalb 1 Jahres nach vorausgegangener Resektion, 4. isolierte Stenosen im Bereich einer ileokolischen oder ileorektalen Anastomose und 5. selektive Duodenalstenosen [45]. Die am häufigsten durchgeführte Technik ist die Strikturoplastik nach Heinecke-Mikulicz (Abb. 12.4 (a)). Die Strikturoplastik findet Anwendung bei kurzstreckigen Strikturen bis ca. 8– 10 cm. Für längere Strikturen (ca. 10–20 cm) kommt häufig eine Strikturoplastik nach Finney zur Anwendung. Diese Formen der Strikturoplastik werden auch als konventionelle Strikturoplastiken bezeichnet, die jedoch nur für eine begrenzte Striktur- bzw. Stenoselänge geeignet sind [46]. Für einen längeren Dünndarmbefall sind die sog. nicht-/unkonventionellen Strikturoplastiken geeignet. Die bekannteste ist die Seit-zuSeit-isoperistaltische Strikturoplastik (SSIS) nach Michelassi (Strikturlänge > 25 cm) (Abb. 12.4 (b)). Sie ist auch für sequenzielle Strikturen geeignet ist. Neuere Techniken, wie z. B. von Fazio und Tjandra publiziert, kombinieren die Techniken von HeineckeMikulicz und Finney [47]. Poggioli stellt eine Strikturoplastik durch eine Seit-zu-SeitAnastomose zwischen einem erkrankten Darmsegment mit einem gesunden Darmsegment vor [48]. Es finden sich zahlreiche Studien in der Literatur, inkl. verschiedener systematischer Review-Analysen, die die Strikturoplastik mit der Darmresektion vergleichen [49]. Das systematische Review von Reese et al. belegt die grundsätzliche Sicherheit der darmsparenden Strikturoplastik im Dünndarmbereich im Vergleich zur Darmresektion beim M. Crohn mit vergleichbaren postoperativen Komplikationsraten mit geringen Vorteilen für die Strikturoplastiken [50]. Für die Darmresektion war jedoch der rezidivfreie Krankheitsverlauf signifikant länger im Vergleich zu der Strikturoplastik. Ein weiteres Review von Yamamoto et al. zeigte eine niedrige perioperative Komplika-
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(a)
(b)
Abb. 12.4: (a) Transmurale, antimesenteriale Längsinzision der Darmwand über die kurzstreckige Darmstenose hinaus. Anschließend Querverschluss der Darmwand durch Einzelknopfnähte. (b) Antimesenteriale Längseröffnung der Darmwand über den gesamten Verlauf der langstreckigen Stenose. Dissektion des Darms und des Mesenteriums in der Mitte des betroffenen Darmabschnitts. Isoperistaltische Seit-zu-Seit-Anastomosierung der beiden längseröffneten Darmteile.
tionsrate von 4 % [51], aber innerhalb von 5 Jahren entwickelten 90 % der Patienten ein Rezidiv. Dieses Rezidiv war jedoch nur in 3 % der Fälle an der zuvor durchgeführten Strikturoplastik-Region lokalisiert. Natürlich stellt eine karzinomatöse Entartung, eine aktive Blutung oder eine phlegmonöse Gewebeveränderung eine Kontraindikation für die Durchführung einer Strikturoplastik dar. Darüber hinaus ist das Bewusstsein über eine mögliche Karzinomentwicklung im Bereich der ehemaligen Strikturoplastik-Region wichtig, weil verschiedene Fallberichte auf diesen Umstand hinweisen [32]. Die ECCO-Leitlinien-Empfehlung leitet u. a. hieraus ab, dass eine Strik-
12.5 Stenosierender Morbus Crohn (interventionelle Therapie) |
251
turoplastik eine sichere Alternative zur Resektion im Dünndarm, aber auch beim ileokolischen Rezidiv darstellt (Statement 7C), mit vergleichbaren Langzeit- und Kurzzeitergebnissen.
12.5.5 Anastomosentechnik Die exakte Konfiguration der Anastomosen ist ebenfalls Gegenstand intensiver Diskussionen. Grundsätzlich, so die Hypothese, kann die Anastomosenkonfiguration möglicherweise die Passage des Darminhalts in der Art beeinflussen, dass beispielsweise durch eine bakterielle Überwucherung, Verletzungen der Mukosa oder durch eine auftretende Stase einem Rezidiv Vorschub geleistet werden könnte [52]. Aktuelle Metaanalysen ergeben ein inhomogenes Bild hinsichtlich der möglichen Vor- bzw. Nachteile der verschiedenen Techniken. So zeigt die Metaanalyse von He et al. einen leichten Vorteil für die Seit-zu-Seit-Klammernahtanastomose im Vergleich zur Handnaht-End-zu-End-Anastomose hinsichtlich auftretender postoperativer Komplikationen und Lokalrezidiven im Anastomosenbereich nach Ileozökalresektion [53]. Ältere Metaanalysen bzw-. prospektiv-randomisierte Studien können diese Unterschiede nicht nachweisen [54, 55]. Auch eine Cochrane-Datenbankanalyse konnte für eine Subgruppe, die auch M.-Crohn-Patienten enthielt, nach Ileozökalresektion mit Handnahtanastomose im Vergleich zur Klammernahtanastomose hinsichtlich der postoperativen Komplikationsraten und der Rezidivraten keine Unterschiede ermitteln [56]. Eine spezielle Anastomosentechnik, die sog. Kono-S-Anastomose (funktionelle, antimesenteriale End-zu-End-Handanastomose), hat in ersten Vergleichsuntersuchungen zur konventionellen Anastomosentechnik vergleichbare Ergebnisse hinsichtlich postoperativer Komplikationen gezeigt, aber niedrigere ReStenose und Re-Operationsraten im Langzeitverlauf. Weitere Untersuchungen zur Bewertung dieser Technik stehen aus [57, 58]. Letztlich kann aus der Literatur keine eindeutige Empfehlung bzgl. einer bestimmten Anastomosentechnik abgeleitet werden. Ein individueller Ansatz, den lokalen Erfordernissen des Patienten und den Erfahrungen des Operateurs angepasst, scheint auf dem Boden der aktuellen Literatur angemessen.
12.5.6 Resektionsausmaß Die Rezidivraten sowohl nach Resektion als auch nach Strikturoplastik sind anerkanntermaßen hoch. Untersuchungen aus den 1980iger-Jahren zeigten, dass es bei ca. einem Drittel der Patienten nach Ileozökalresektion im Verlauf der Erkrankung zu einem symptomatischen Anastomosenrezidiv kam, das letztlich in einer neuerlichen Operation mündete [59]. Endoskopisch nachweisbare Rezidive im Bereich der Anastomose fanden sich bei bis zu 90 % der Patienten nach 1 Jahr [60]. Aktuelle
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Untersuchungen weisen allerdings eine deutlich niedrigere Rezidivrate nach. So zeigen Riss et al. lediglich eine operationspflichtige Rezidivrate von 8,6 % nach 10 Jahren [61]. Ebenfalls noch in den 1980iger-Jahren wurde postuliert, dass ein großer Sicherheitsabstand zum Resektionsrand des betroffenen Darmabschnitts das Rezidivrisiko senken könnte [62]. Die randomisierte Studie von Fazio et al. hat diese Überlegungen im Wesentlichen widerlegt, weil sich hier die verglichenen Gruppen mit einem klinisch knapp freien (ca. 2 cm) Resektionsrand und einem weiten (ca. 12 cm) Resektionsrand hinsichtlich der klinischen und chirurgischen Rezidivraten nicht unterschieden. Darüber hinaus hatte auch der mikroskopische Befall des Resektionsrandes ebenfalls keinen Einfluss auf die Rezidivraten [63]. Beim M. Crohn ist die histologisch nachgewiesene Entzündung im Bereich der Absetzungsränder möglichweise mit einer erhöhten Anastomoseninsuffizienzrate assoziiert [64, 65].
12.5.7 Morbus-Crohn-Manifestation im Kolorektum In ca. einem Drittel der Fälle manifestiert sich die M.-Crohn-Erkrankung auch im Kolon [66]. Grundsätzlich gelten beim Kolon vergleichbare Einflussfaktoren bei der Therapieentscheidung wie beim Dünndarmbefall. So sind Dringlichkeit (Notfall-/ Elektivoperation) und das Ausmaß des Dickdarmbefalls (lokalisiert, bi- bzw. multisegmental, diffus) wichtige Aspekte. Es konnten in einer Metaanalyse keine Unterschiede hinsichtlich der Kurzzeit- und (chirurgischen) Langzeitrezidivraten beim Vergleich der segmentalen Kolonresektion mit der subtotalen/totalen Kolektomie nachgewiesen werden [67]. Lediglich die rezidivfreie Zeit nach limitierter Resektion (Segmentresektion) war signifikant kürzer. Hinsichtlich des Einsatzes der laparoskopischen Chirurgie werden bei Kolonresektionen und im Dünndarmbereich vergleichbare Ergebnisse erzielt wie beim offenen Vorgehen mit den bekannten Vorteilen des minimal-invasiven Operierens [68–70]. In den ECCO-Leitlinien wird bei einem lokalisierten Befall (weniger als ein Drittel) des Kolons eine limitierte Resektion des betroffenen Dickdarmabschnitts empfohlen. Bei dem Befall von zwei entfernten Kolonsegmenten wird als chirurgischer Ansatz zum einen eine 2-fach-segmentale Resektion mit zwei Darmanastomosen und zum anderen eine subtotale Kolonresektion mit Ileorektostomie diskutiert [32].
12.5.8 Fazit M. Crohn bedingte Stenosen können sich zu jedem Zeitpunkt der Erkrankung manifestieren. Eine primär antifibrotische medikamentöse Therapie existiert nicht. Während überwiegend entzündliche Stenosen mittels eskalierter antiinflammatorischer Therapie behandelt werden können, kann
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bei vorwiegend fibrotischen Stenosen mit einer Länge von weniger als 5 cm ohne Nachweis einer Fistel, eines Abszesses oder von Malignität eine endoskopische Ballondilatation erwägt werden. Die endoskopische Ballondilatation hat eine hohe und andauernde technische und klinische Erfolgsrate verbunden mit einer niedrigen Komplikationsrate. Ist ein interventioneller Ansatz nicht durchführbar bzw. nicht erfolgversprechend, ist die Darmteilresektion, wenn möglich minimal-invasiv, notwendig. Das Resektionsausmaß sollte auf die betroffenen Darmabschnitte beschränkt bleiben und kann durch die Anwendung verschiedener Strikturoplastiktechniken weiter reduziert werden. Bezüglich der Anwendung der verschiedenen Anastomosentechniken besteht kein Konsens,deshalb sollte sich die zu wählende Technik im Wesentlichen aus den individuellen Vorgaben des Patienten und den Erfahrungen des Behandlers ableiten.
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12.6 Minimal invasive Chirurgie des Morbus Crohn |
257
Thorben Möller und Jan-Hendrik Egberts
12.6 Minimal invasive Chirurgie des Morbus Crohn 12.6.1 Einleitung und Stellenwert Wenngleich die primäre Therapie des M. Crohn medikamentös ist, so bedürfen jedoch insgesamt bis zu 80 % der Patienten im gesamten Krankheitsverlauf einer operativen Intervention [1]. Patienten mit M. Crohn, die eine chirurgische Therapie benötigen, bilden aus mehreren Gründen ein besonderes Patientenkollektiv innerhalb der Viszeralchirurgie. Zum einem sind besonders Patienten jüngeren Alters betroffen, zum anderen zeichnet sich das Patientenkollektiv durch eine hohe Rezidivquote mit der Notwendigkeit wiederholter chirurgischer Eingriffe aus [2]. Zusätzlich begründet die Pathophysiologie des M. Crohn als Erkrankung mit transmuraler Darmwandentzündung ein erhöhtes Risiko auftretender postoperativer Komplikationen [3]. Da die Indikation zur operativen Therapie oft in Situationen gestellt wird, in denen das konservativ-medikamentöse Erkrankungsmanagement keine Verbesserung der Symptome erreichen konnte, sind viele Patienten zum Zeitpunkt der Operation unter immunsuppressiver Therapie. Auch dieser Umstand sollte als grundlegende Überlegung stets berücksichtigt sein und lässt die Wahl eines nur minimal traumatisierenden operativen Zugangsweges sinnvoll erscheinen. Hieraus ergeben sich die Besonderheiten dieses Patientenkollektivs: – meist Berufstätigkeit bzw. berufliche Ausbildung mit Wunsch zur Minimierung der Hospitalisierungsdauer – ästhetischer Anspruch – potenzielle Notwendigkeit einer wiederholten operativen Therapie über Jahrzehnte – begleitende medikamentöse Therapie (Immunsuppression) Neben diesen generellen Überlegungen hat die Indikationsstellung zum minimalinvasiven Vorgehen natürlich immer individuell an die Situation des Patienten angepasst zu erfolgen. Zudem eignen sich einige operative Prozeduren besser für ein minimal-invasives chirurgisches Vorgehen als andere. Weiterhin gibt es klinische Situationen, in denen ein primär offen-chirurgisches Vorgehen zu favorisieren ist. Besonders nach wiederholten operativen Eingriffen, kompliziertem Krankheitsverlauf mit z. B. Ausbildung eines Konglomerattumors und/oder einer chronisch fistulierenden („fuchsbauartigen“) Verlaufsform der Erkrankungen bedarf es in ausgewählten Situationen eines primär konventionell-offenen Vorgehens. Auf diese tiefergehenden Aspekte soll in den folgenden Kapiteln näher eingegangen werden. Im Folgenden werden die verschiedenen operativen Verfahren der minimal-invasiven Chirurgie beim M. Crohn vorgestellt und etablierte Entscheidungswege im eigenen Vorgehen dargestellt.
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12.6.2 Verfahren der minimal-invasiven Chirurgie beim Morbus Crohn Die Entwicklung der minimal-invasiven Chirurgie ist in der gesamten Allgemeinund Viszeralchirurgie rasant. Im Laufe der Zeit wurden auch verschiedene minimalinvasive Methoden in der Chirurgie des M. Crohn verwendet. Einige stellen heute als etablierte Methoden wichtige Grundpfeiler der chirurgischen Therapie des M. Crohn dar.
Konventionell-laparoskopische Chirurgie Zu den Vorteilen der laparoskopischen Chirurgie im Bereich der kolorektalen Resektionen sind vielfältige Studien hoher Qualität veröffentlicht worden, hier ist mit einem hohen Evidenzgrad von der Überlegenheit eines laparoskopischen Vorgehens auszugehen. Konventionell-laparoskopische Chirurgie meint hier einen laparoskopischen Zugang zur Bauchhöhle durch Platzierung mehrerer herkömmlicher Trokare. Insbesondere für das kurzfristige Outcome, perioperative Schmerzen und Dauer des Krankenhausaufenthalts konnte bei gleicher onkologischer Qualität eine Überlegenheit gezeigt werden [4]. Langfristig konnte bisher keine sichere Überlegenheit nachgewiesen werden [5]. Für die minimal-invasive Chirurgie beim M. Crohn ist die Datenlage ungleich schlechter. Es sind nur wenige prospektiv-randomisierte Studien veröffentlicht worden. Eine Cochrane-Übersichtsarbeit konnte für laparoskopische im Vergleich zu offenen Dünndarmresektionen beim M. Crohn eine Überlegenheit in verschiedenen Aspekten nachweisen, insbesondere die Wundinfektionsraten und Re-Operationsraten waren, wenngleich nicht statistisch signifikant, reduziert [6]. Die heterogenen Krankheitsmanifestationen beim M. Crohn und die damit einhergehenden sehr unterschiedlichen operativen Prozeduren erschweren jedoch im Vergleich zu anderen Krankheitsbildern die Durchführung großer Studien von guter Datenqualität. Es existieren darüber hinaus jedoch eine Reihe von Fallkontrollstudien und retrospektiven Analysen, die die Überlegenheit eines laparoskopischen Vorgehens auch beim M. Crohn nachweisen konnten [7–9]. Insbesondere für die am häufigsten durchgeführten Ileozökalresektionen sind einige retrospektive Studien mit einer hohen Fallzahl publiziert worden. Hier werden wiederholt niedrigere Komplikationsraten, weniger postoperative Schmerzen und ein kürzerer Krankenhausaufenthalt berichtet. Bei der Betrachtung der minimal-invasiven Methoden in der Chirurgie des M. Crohn sind natürlich neben den o. g. Aspekten auch die Konversionsraten auf ein offenes Vorgehen zu betrachten. Die Raten schwanken hier in der Literatur zwischen 5 % und bis über ein Drittel der laparoskopisch begonnenen Operationen [10–12]. Bei Letzteren handelte es sich jedoch um ein Kollektiv von Patienten mit vorausgegangenen Bauchoperationen. Außerdem wurde in Studien versucht, Ursachen und Risikofaktoren für eine Konversion auszumachen. Hier sind insbesondere Adhäsionen, ausgedehnte entzündliche Situationen, große Konglomerattumoren
12.6 Minimal invasive Chirurgie des Morbus Crohn |
259
und eine unübersichtliche Anatomie zu nennen [13]. Dies unterstreicht die kritische Indikationsstellung bei der Operationsplanung.
Hand assisted laparoscopic surgery (HALS) Unter dem Gedanken die Vorteile der offenen Chirurgie mit gutem taktilem Feedback und die Vorteile der minimal-invasiven Chirurgie zu vereinen wurde die Handassistierte laparoskopische Chirurgie entwickelt. Hierbei wird ein Handport eingebracht (meist in den Bereich des geplanten Bergeschnittes) und erlaubt somit die manuelle Assistenz einer laparoskopischen Resektion. Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist eine Verkürzung der Operationsdauer im Vergleich zur konventionellen laparoskopischen Chirurgie [14]. Im eigenen Vorgehen ist aber die HALS-Chirurgie nahezu komplett zugunsten der konventionell-laparoskopischen oder SILS-Chirurgie bzw. Roboter-assistierten Chirurgie aufgegeben worden. Die HALS-Chirurgie kann jedoch bei komplexen Fällen oder intraoperativen Komplikationen als Alternative zur Konversion auf ein offenes Vorgehen eine sinnvolle Ergänzung der primär durchgeführten Methoden darstellen.
Single incision laparoscopic surgery (SILS) Ziel der Single incision laparoscopic surgery ist die Reduzierung des operativen Traumas, hier insbesondere durch Minimierung der abdominellen Inzisionen. Hierbei werden die notwendigen laparoskopischen Instrumente über einen einzigen speziell hierfür entwickelten Port in das Abdomen eingebracht. Es existieren hier verschiedene Systeme unterschiedlicher Hersteller. Für einige häufig durchgeführte Operationen der Viszeralchirurgie (z. B. Sigmaresektionen und Cholezystektomien) gibt es Evidenz, dass das Verfahren in Bezug auf die postoperativen Schmerzen der Patienten überlegen ist und keinerlei Nachteile im Bereich der postoperativen Komplikationen oder Operationsdauern gezeigt werden konnten [15]. Insgesamt ist der Evidenzgrad jedoch nur gering und einige Autoren empfehlen eine strenge Patientenselektion sowie ausreichende Expertise und Praxis des Operateurs [16]. In der eigenen Klinik werden häufig SILS-Operationen, insbesondere bei Ileozökalresektionen durchgeführt. Bei entsprechender Erfahrung des Operateurs ergeben sich in Bezug auf die intraoperativen Möglichkeiten keine wesentlichen Einschränkungen. Eine SILS-assistierte Ileozökalresektion zeigen die Abbildungen 12.5 (a)–(d), hierbei wurde die Anastomose extrakorporal durchgeführt.
Natural orifice transluminal endoscopic surgery (NOTES) Selbst bei Durchführung einer laparoskopischen intrakorporalen Anastomose muss zur Bergung des Resektats ein Bergeschnitt durchgeführt werden. Zur Lösung dieses Problems wurden Strategien zur Bergung des Resektats über natürliche Körperöff-
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nungen entwickelt. Im Speziellen wurde für Ileozökalresektionen eine Technik mit transkolischer Bergung des Präparats mittels intraoperativer Endoskopie veröffentlicht [17]. Die Vorteile für den Patienten bleiben aber unklar, zudem wurde eine relativ hohe Rate an Abszedierungen beschrieben. Andere Ansätze sehen hier eine Bergung des Präparats über einen transvaginalen Zugang vor [18]. Der Stellenwert dieser Verfahren bleibt also abzuwarten und ist im Moment noch als eher kritisch zu werten.
Robotik Nach bereits erfolgter fester klinischer Etablierung in den asiatischen Ländern ist die robotische Chirurgie auch auf dem europäischen Kontinent zunehmend auf dem Vormarsch und als eine der wichtigsten Technologien in der Chirurgie der Zukunft zu werten. Aufgrund der noch nicht ubiquitären Verfügbarkeit der noch kostenintensiven Systeme und der vergleichsweise kurzen Zeitspanne des klinischen Einsatzes ist der Evidenzgrad zu dieser Entwicklung erwartungsgemäß gering. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich diese Situation in den nächsten Jahren aufgrund der zunehmenden Verbreitung und intensiven Beforschung deutlich verändern wird.
(a)
(b)
(c)
(d)
Abb. 12.5: (a) Über eine umbilikale Inzision eingebrachter SILS-Port. (b) Ringsperrer zur extrakorporalen Anastomose. (c) Situs nach Hautverschluss des singulären umbilikalen Zugangs. (d) Vergleich zur Hautsituation einer konventionell-laparoskopisch-assistieren Ileozökalresektion.
12.6 Minimal invasive Chirurgie des Morbus Crohn
| 261
Die großen Vorteile der robotischen im Vergleich zur konventionell-laparoskopischen Chirurgie sind v. a. eine Zunahme der intrakorporalen Beweglichkeit mit mehreren Freiheitsgraden und die optimale Sicht. Gerade bei komplizierten klinischen Situationen mit der Notwendigkeit einer intrakorporalen Naht könnte dies in der Zukunft einen deutlichen Vorteil bedeuten. Prinzipiell sind die gängigen Prozeduren natürlich robotisch durchführbar, auch robotische Strikturoplastiken sind in der Literatur beschrieben worden [19]. Im eigenen Vorgehen ist die robotische Chirurgie in der onkologischen Rektumchirurgie als klinisch gut etabliertes Standardverfahren anzusehen. Aus diesem Grund werden auch Rektumresektionen und komplexere Kolonresektionen beim M. Crohn zunehmend auf diese Weise durchgeführt. Insgesamt erscheint die robotische Chirurgie des M. Crohn genauso wie in anderen Bereichen der Viszeralchirurgie als eine der wichtigsten Methoden der Zukunft.
12.6.3 Indikationen der minimal-invasiven Chirurgie beim Morbus Crohn In einer großen amerikanischen Studie wurden alle Patienten mit M. Crohn zwischen 2000 und 2004 erfasst. 12 % aller Patienten unterzogen sich einer operativen Therapie, Prädiktoren für ein minimal-invasives Vorgehen waren hier: Alter < 35 Jahre, weibliches Geschlecht, niedrige Krankheitsaktivität und das Vorliegen einer ileozökalen Beteiligung. In der Studie mit insgesamt fast 400.000 Menschen war ein minimalinvasives Vorgehen in Bezug auf postoperative Komplikationen, Hospitalisierungsdauer und Mortalität überlegen [8]. Die Tabelle 12.3 zeigt häufige operative Prozeduren und die jeweils hierzu klinisch etablierten Operationsverfahren. Im eigenen Vorgehen wird soweit möglich eine extrakorporale Anastomose durchgeführt, dies ist meist ohne zusätzliches operatives Trauma möglich. Tab. 12.3: Häufige operative Prozeduren und hierzu etablierte Operationsverfahren. Operative Prozedur
Etablierte Operationsverfahren
Ileozökalresektion Kolonteilresektion Rektumresektion Strikturoplastik Komplexe Operation Stomaanlage
konventionell-laparoskopisch, SILS konventionell-laparoskopisch, SILS Robotik, offene Chirurgie, konventionell-laparoskopisch offene Chirurgie, Robotik konventionell-laparoskopisch, offene Chirurgie (Robotik, HALS) konventionell-laparoskopisch, SILS
Häufige Indikationen zur operativen Therapie sind eine konservative therapierefraktäre Ileitis terminalis mit Stenose oder entzündliche Stenosierungen anderer Lokalisationen. Hieraus ergeben sich die am häufigsten in der Chirurgie des M. Crohn
262 | 12 Therapiemaßnahmen beim Morbus Crohn
durchgeführten Prozeduren: Ileozökal- und Kolonteilresektionen. Für Ileozökal- und Kolonteilresektionen ist ein minimal-invasives Vorgehen als das Standardverfahren anzusehen. Sowohl die laparoskopische Ileozökalresektion mit intra- oder extrakorporaler Anastomose als auch die laparoskopischen Kolonteilresektionen stellen etablierte klinische Verfahren dar und sollten auch bei Patienten mit M. Crohn beim Fehlen von Kontraindikationen primär zur Anwendung kommen. Auch entzündliche Dünndarmstenosen treten häufig auf, führen jedoch seltener zur operativen Indikationsstellung, weil sie häufig ein gutes Ansprechen auf medikamentöse Therapien zeigen. Die hier oftmals angewendeten Strikturoplastiken werden eher extrakorporal und hier meist als simultanes Verfahren im Rahmen einer anderen Operation durchgeführt. Auch für die im Falle ausgeprägter perirektaler und perianaler Fistelleiden als Ultima ratio anzusehende Rektumexstirpation stellt ein in der minimal-invasiven Chirurgie etabliertes Operationsverfahren dar. Im eigenen Vorgehen werden diese Operationen aufgrund der besonderen Vorteile in der Chirurgie des kleinen Beckens bevorzugt robotisch durchgeführt. Oftmals wird die Indikation zu dieser Operation jedoch erst im fortgeschrittenen Krankheitsstadium gestellt und die Patienten sind in vielen Fällen bereits multipel voroperiert oder leiden an fistulierenden Prozessen anderer Lokalisation. In diesen Fällen sollte ein primär offen-chirurgisches Vorgehen favorisiert werden.
12.6.4 Limitationen der minimal-invasiven Chirurgie beim Morbus Crohn Auch bei der Chirurgie des M. Crohn gelten die allgemeinen Kontraindikationen laparoskopischer Chirurgie wie in anderen Bereichen. Hierzu zählen als relative Kontraindikationen Voroperationen mit dem v. a. Adhäsionen, Schwangerschaft im dritten Trimenon, schwere kardiopulmonale Erkrankungen und Gerinnungsstörungen. Auch bei dem klinischen Vollbild eines Ileus sollte ein primär offen-chirurgisches Vorgehen bevorzugt werden. Zudem ist natürlich eine laparoskopische Expertise des Operateurs erforderlich. Weiterhin gerät die laparoskopische Chirurgie bei dem Vollbild eines fistelnden M. Crohn mit hoher Krankheitsaktivität an ihre Grenzen. Jedoch kann im eigenen Vorgehen in vielen Fällen, gerade im Hinblick auf das besondere Patientenkollektiv, mit einem minimal-invasiven Zugang begonnen werden. Hier sollte eine mögliche Konversion allerdings nicht als Komplikation, sondern als Änderung der Operationsstrategie aufgefasst werden.
Literatur
| 263
12.6.5 Fazit Insgesamt ist die minimal-invasive Chirurgie des M. Crohn genauso wie in anderen Bereichen der Viszeralchirurgie deutlich auf dem Vormarsch und für die meisten Indikationen als Goldstandard anzusehen. Die klinische Relevanz einiger neuer Verfahren wie der NOTES-Chirurgie ist noch nicht hinreichend durch Studien belegt, sodass deren Potenzial in der Zukunft noch nicht abschließend zu bewerten ist. Hier ist eine Festigung des Evidenzniveaus dringend erforderlich. Ähnliches gilt für die robotische Chirurgie, die als eine der größten Innovationen in der Chirurgie in den letzten Jahren mit einem großem Potenzial anzusehen ist, wenngleich die Entwicklung im Bereich des M. Crohn noch ganz am Anfang steht.
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Torsten Kucharzik
12.7 Postoperative Rezidivprophylaxe beim Morbus Crohn Endoskopische und klinische Rezidive treten häufig nach Dünn- und Dickdarmresektionen auf. Die Frage nach der Notwendigkeit bzw. Intensität einer medikamentösen Prophylaxe nach Ileum- oder ileokolischen Resektionen beim M. Crohn wird daher seit langem intensiv und z. T. kontrovers diskutiert. Endoskopische und klinische Rezidive bei Zustand nach M.-Crohn-Resektionen können unabhängig von der verwendeten Resektionstechnik auftreten und stellen ein relevantes klinisches Problem dar. Bis heute gibt es keine verlässlichen Daten, die belegen, dass eine laparoskopische vs. eine offene Resektion, eine Handnaht vs. eine Staplernaht oder eine End-zu-End- vs. End-zu-Seit- bzw. Seit-zu-Seit-Anastomose einen relevanten Einfluss auf das Auftreten eines postoperativen Rezidivs haben. Bekannt sind lediglich die Häufigkeit der postoperativen Rezidive nach Ileum- und ileokolischen Resektionen. Daten zur Beantwortung dieser Frage liefert u. a. eine retrospektive Studie aus den 1980er-Jahren, die aufzeigt, dass es bereits im 1. Jahr postoperativ bei ca. 75 % der Patienten zu endoskopischen Rezidiven kommt und schon bei etwa 20 % der Patienten in diesem Zeitraum ein klinisches Rezidiv auftritt [1] (Abb. 12.6). Die klinischen Rezidivraten nehmen im weiteren Verlauf jährlich um etwa 10 % zu, sodass nach 5 Jahren bereits bei etwa 50 % der Patienten unter Berücksichtigung dieser Studie mit einem klinischen Rezidiv gerechnet werden muss. Unabhängig davon, ob Patienten in randomisierten Studien behandelt oder in klinischen Referenzzentren beobachtet werden, ergibt sich in Metaanalysen verfügbarer Studien nach 1 Jahr eine mittlere klinische Rezidivrate von 26 bzw. 28 % und nach 5 Jahren eine Rezidivrate von 41 % [2].
12.7 Postoperative Rezidivprophylaxe beim Morbus Crohn | 265
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Abb. 12.6: Rutgeerts-Score.
12.7.1 Diagnostik zur Abschätzung des postoperativen Rezidivrisikos Den Goldstandard in der postoperativen Diagnostik stellt die Endoskopie dar. Zur Beurteilung der postoperativen Rezidivrate und zur Abschätzung des Rezidivrisikos hat Paul Rutgeerts in den 1990er-Jahren einen endoskopischen Score entwickelt, der von i0 (keine Läsion) bis i4 (Anastomosenstenose bzw. diffuse Entzündungen im Bereich der Anastomose) reicht und der uns eine gute Abschätzung des Risikos der klinischen Rezidivrate erlaubt [1] (Abb. 12.6, Abb. 12.7 und Tab. 12.4). Dieser validierte Score zeigt auf, dass bis zu einem Score von i2 die klinische Rezidivrate mit 20 % nach 5 Jahren relativ gering ist, ab i3 (diffuse aphthoide Ileitis) jedoch sprunghaft ansteigt. Innerhalb der ersten fünf postoperativen Jahre liegt die klinische Rezidivrate zwischen 50 und 100 % und ist mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in Bezug auf die Notwendigkeit einer Re-Operation verbunden. Der Rutgeerts-Score weist aber offensichtlich auch Schwächen auf, weil er das Rezidivrisiko bei aphthoiden Läsionen im Bereich der Anastomose, die durchaus auch trophischen Störungen entsprechen können, überschätzt. Darüber hinaus differenziert er nicht eindeutig zwischen Rezidiven der Anastomose und des neoterminalen Ileums, weswegen in einer bisher nicht validierten Modifizierung des Scores ein zusätzliches Stadium i2a (mehr als fünf aphthoide Läsionen im Bereich der Anastomose einschließlich Anastomosenstenose) und i2b (mehr als fünf aphthoide Läsionen oder größere Läsionen im neoterminalen Ileum mit unauffälliger Mukosa zwischen Anastomose und den Läsionen) vorgeschlagen wurde [3]. Dieser modifizierte Score wird jedoch derzeit noch nicht flächendeckend angewendet. Aufgrund der eindeutigen Korrelation zwischen den endoskopischen Befunden und der Anzahl klinischer Rezidive bildet die endoskopische Diagnostik in der postoperati-
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100 90 % der Patienten
80 70 60 50 40
Überleben ohne Operation Überleben ohne labordiagnostischem Wiederauftreten Überleben ohne Symptome Überleben ohne endoskopische Läsionen
30 20 10 0 0
1
2
3
4 Jahre
5
6
7
8
Abb. 12.7: Postoperative Rezidivrate nach Ileum- und ileokolischen Resektionen. Nach: Rutgeerts P, Gastroenterology, 1990.
Tab. 12.4: Abhängigkeit der klinischen Rezidivrate vom Rutgeerts-Score. Nach Rutgeerts P, Gastroenterology, 1990. Rutgeerts-Score
Läsionen
Klinische Rezidivrate
i0 i1 i2
Keine Läsion 5 aphthoide Läsionen im Bereich der ileokolischen Anastomose Diffuse aphthoide Ileitis
< 10 % in 10 Jahren
i3 i4
20 % in 5 Jahren 50–100 % über 5 Jahre mit hohem Risiko einer Re-Operation
Diffuse Entzündung mit größeren Ulzerationen oder Anastomosenstenose
ven Prädiktion des klinischen Rezidivrisikos nach wie vor den Goldstandard. Aktuelle deutsche und europäische Leitlinien empfehlen eine endoskopische Kontrolle nach Ileum- bzw. Ileozökalresektion nach 6–12 Monaten, um, basierend auf dem Ergebnis und anderen klinischen Faktoren, die Strategie einer medikamentösen Prophylaxe festzulegen [4, 5]. In den letzten Jahren wurde viel über diagnostische Alternativen zur endoskopischen Diagnostik in der postoperativen Phase diskutiert und es wurden verschiedene alternative Verfahren evaluiert bzw. vorgeschlagen. Diese reichen von der MR-/CTEnterografie über Darmultraschall mit oder ohne Kontrastmittel, eine Videokapselendoskopie bis hin zu fäkalen Laborparametern [6–9]. Insbesondere für die Sonografie konnten nach Verwendung oraler Kontrastmittel in einer Studie gute Ergebnisse mit hoher Sensitivität erzielt werden mit einem positiven prädiktiven Wert und der Erkennung eines postoperativen Rezidivs in 89 % der untersuchten Fälle [6]. Zur
12.7 Postoperative Rezidivprophylaxe beim Morbus Crohn
| 267
Verwendung von Calprotectin zur Vorhersage des postoperativen Rezidivs liegen divergierende Zahlen vor. Die Sensitivität von Calprotectin in der Poker-Studie (n = 136 Patienten) zur Vorhersage des postoperativen Rezidivs wurde mit 89 % angegeben und mit einem negativen prädiktiven Wert von 91 % bei einem cut-off level von 100 µg/g Calprotectin [8]. In der TOPPIC-Studie, die die Bedeutung von Azathioprin in der postoperativen Rezidivprophylaxe untersuchte, konnte bei 182 Patienten eine Sensitivität von 72 %, eine Spezifität von 62 % und ein negativer prädiktiver Wert von 76 % bei einem cut-off level von 100 µg/g Calprotectin ermittelt werden [10]. Die Sensitivität der alleinigen Verwendung des Calprotectinwertes scheint daher vermutlich zu gering zu sein. Möglicherweise kann jedoch eine Kombination verschiedener nichtinvasiver Verfahren, beispielsweise durch Bestimmung des Calprotectinwertes kombiniert mit einer Darm-Sonografie, zukünftig sinnvoll sein, um die Patienten zu definieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit kein relevantes endoskopisches Rezidiv erleiden und darum nicht unbedingt einer endoskopischen Kontrolle bedürfen. Die kombinierte Anwendung dieser diagnostischen Verfahren in der postoperativen Situation muss durch Studien jedoch noch evaluiert werden.
12.7.2 Risikofaktoren für Rezidive Die Risikofaktoren, die ein postoperatives Rezidiv begünstigen, wurden in der Vergangenheit vielfach untersucht und die Ergebnisse sind z. T. uneinheitlich. Als relevantester, patientenbezogener Risikofaktor für das Auftreten eines Rezidivs wird immer wieder der Nikotinkonsum hervorgehoben. Die bisherige Datenlage zeigt einheitlich, dass Rauchen als Hochrisikofaktor für ein endoskopisches und klinisches Rezidiv anzusehen ist. Verschiedene krankheitsbezogene Ursachen wurden darüber hinaus zusätzlich definiert. Hierzu zählen der perianale Befall, vorherige Operationen, der penetrierende Verlauf, Alter bei Erstmanifestation, Krankheitsdauer und eine veränderte Mikrobiota. In verschiedenen Studien konnte wiederholt bestätigt werden, dass der perianale Befall, vorherige Operationen sowie der penetrierende Verlauf Hochrisikofaktoren für die Entstehung eines Rezidivs darstellen [11]. Bei den operationsbezogenen Risikofaktoren wurden in erster Linie ausgedehnte Resektionen, das bedeutet ein Resektionsausmaß > 50 cm, als Risikofaktor ermittelt. Ob ein Befall der Resektionsränder oder postoperative Komplikationen ebenfalls Risikofaktoren darstellen, wird kontrovers diskutiert. Weder die verwendete Operationstechnik noch die Durchführung einer laparoskopischen vs. offenen Operation konnten bisher als relevanter Risikofaktor für ein postoperatives Rezidiv definiert werden. Die Evaluation individueller Risikofaktoren ist für die Entwicklung einer Strategie zur medikamentösen Rezidivprophylaxe von großer Bedeutung. Die genannten Hochrisikofaktoren werden darum auch in den deutschen und europäischen Leitlinien explizit benannt.
268 | 12 Therapiemaßnahmen beim Morbus Crohn
12.7.3 Medikamentöse Rezidivprophylaxe Mesalazin Verschiedene Therapeutika wurden in der Vergangenheit und werden aktuell bzgl. der Wirksamkeit in der postoperativen Rezidivprophylaxe evaluiert. Verschiedene Studien haben sich mit der Frage der Effektivität einer Rezidivprophylaxe mit Mesalazin beschäftigt. Eine Cochrane-Analyse aus dem Jahr 2009 zeigte, dass in den meisten Studien, in denen die Rolle von Mesalazin zur Rezidivprophylaxe untersucht wurde, eine zumindest geringe Wirksamkeit zur Verhinderung eines klinischen und eines endoskopischen Rezidivs nach 12 Monaten nachgewiesen werden konnte. Die number needed to treat (NNR) zur Verhinderung eines klinischen Rezidivs nach 12 Monaten wurde mit 12 ermittelt, zur Verhinderung eines schweren endoskopischen Rezidivs nach 12 Monaten betrug in dieser Metaanalyse die NNR 8 [12]. Offensichtlich spielt die Galenik des verwendeten Mesalazins eine besondere Rolle bei der Lokalisation der Anastomose. Die Verwendung der pH-unabhängigen Form des Mesalazins scheint insbesondere durch die kontinuierliche Freisetzung im Dünndarm eine Rolle bei isolierten Dünndarmresektionen zu spielen. In einer retrospektiven Analyse konnte gezeigt werden, dass Patienten, die mit Pentasa behandelt wurden, 18 Monate postoperativ signifikant weniger klinische Rezidive aufwiesen [13]. Patienten mit einer ileokolischen Anastomose sollten eher mit der Eudragit-verkapselten Form von Mesalazin mit pH-abhängiger Wirkstofffreisetzung behandelt werden.
Metronidazol In wenigen Studien wurde auch die Wirksamkeit einer Rezidivprophylaxe mit Metronidazol zur Verhinderung eines klinischen Rezidivs untersucht. Auch diese Ergebnisse wurden in einer Cochrane-Analyse zusammengefasst. Da Metronidazol v. a. in der Langzeittherapie z. T. erhebliche Nebenwirkungen aufweist, betrug die Dauer der Prophylaxe in den Studien nie mehr als 3 Monate. Hierbei konnte zumindest gezeigt werden, dass ein klinisches Rezidiv nach 1 Jahr durch die Gabe von Metronidazol von 25 % auf 4 % gesenkt werden kann (p = 0, 044) [14]. Dieser Effekt ist jedoch in den Folgejahren zwei und drei nach der Operation allenfalls noch tendenziell, aber nicht mehr signifikant nachweisbar.
Thiopurine Mehrere Studien haben sich mit der Frage der Wirksamkeit von Thiopurinen in der Rezidivprophylaxe bei postoperativem M. Crohn beschäftigt. Metaanalysen aus dem Jahr 2009 zeigen in mehreren Studien eine Verhinderung eines klinischen Rezidivs nach 1 Jahr mit einer NNR = 8. In diese Metaanalyse sind mindestens vier randomisierte Studien eingegangen [15]. Eine kürzlich publizierte Placebo-kontrollierte Studie zur Wirksamkeit von 6-Mercaptopurin in der postoperativen Prophylaxe, die in 23 Zentren
12.7 Postoperative Rezidivprophylaxe beim Morbus Crohn
| 269
in England und Schottland durchgeführt wurde und die 182 Patienten eingeschlossen hat (TOPPIC-Studie), zeigte eine Tendenz zur Wirksamkeit mit allenfalls schwacher Signifikanz (Unadjusted Hazard Ratio 0,527 [0,28–0,99], p = 0, 046) [10]. In dieser Studie zeigte sich, dass ausschließlich die Raucher von einer postoperativen Rezidivprophylaxe mit 6-Mercaptopurin profitierten. Bei allen anderen Subgruppen mit bekannten Risikofaktoren zeigt sich kein signifikanter Effekt in Bezug auf die Verhinderung eines klinischen Rezidivs. Interessanterweise ergab sich auch kein Hinweis auf eine signifikante Verhinderung des endoskopischen Rezidivs nach 3 Jahren. Die Rolle von Thiopurinen in der medikamentösen Rezidivprophylaxe beim M. Crohn sollte auf der Basis dieser bisher größten Studie mit Thiopurinen noch einmal kritisch überdacht werden.
TNF-Antagonisten Zur Wirksamkeit von Anti-TNF in der Rezidivprophylaxe liegen mehrere Studien vor. In einer ersten Pilotstudie, die nur 24 Patienten nach ileokolischer Resektion eingeschlossen hat, zeigte sich eine Risikoreduktion eines endoskopischen Rezidivs nach 1 Jahr von etwa 75 %. Die Verhinderung eines klinischen Rezidivs im Vergleich Infliximab vs. Placebo von 80 % vs. 54 % erwies sich jedoch als nicht signifikant [16]. Die auf der Basis dieser Daten durchgeführte Prevent-Studie bei 290 Patienten zeigte im sekundären Endpunkt zwar eine signifikante Reduktion des endoskopischen Rezidivs nach 76 und 104 Wochen. Der primäre Endpunkt, nämlich die Verhinderung des klinischen Rezidivs, das im Rahmen eines sog. Composite-Endpunktes ermittelt wurde, wurde jedoch nicht erreicht [17]. Da sich auch im primären Endpunkt ein klarer Trend zur Verbesserung der klinischen Rezidivrate in den Zeiträumen 76 und 104 Wochen postoperativ zeigte, wird diskutiert, ob möglicherweise der Evaluationszeitpunkt zur Ermittlung des klinischen Rezidivs zu einem zu frühen Zeitpunkt gewählt wurde. Verschiedene andere randomisierte, jedoch nicht Placebo-kontrollierte Studien ergeben Hinweise für eine Wirksamkeit von Anti-TNF zur klinischen Rezidivprophylaxe, u. a. eine Studie mit 51 Patienten, die signifikant weniger endoskopische Rezidive unter Therapie mit Adalimumab im Vergleich zu Azathioprin und Mesalazin aufwies [18].
12.7.4 Welche postoperative Strategie ist richtig? Unter Berücksichtigung der heterogenen Studienlage mit z. T. grenzwertigen bzw. geringfügig signifikanten Vorteilen einer immunsuppressiven Therapie oder einer Therapie mit Biologika stellt sich die Frage, welche Strategie die Richtige ist. Sollte eher eine aggressive medikamentöse Prophylaxe mit dem Risiko eines Kollateralschadens im Sinne von potenziellen Nebenwirkungen durchgeführt werden oder sollte abgewartet und ggf. das Risiko einer Rezidivoperation in Kauf genommen werden? Einer der
270 | 12 Therapiemaßnahmen beim Morbus Crohn
Resektion (ileo-colisch) hohes Rezidivrisiko Nikotinkonsum beenden Aza/6-MP
niedriges Rezidivrisiko keine Therapie, ggf. 5-ASA
Ileocoloskopie nach 6–12 Monaten
Ileocoloskopie nach 6–12 Monaten
i0-i2 Aza/6-MP weiter
i3-i4 Anti-TNF
i0-i2 Keine Änderung
i3-i4 Aza ggf. anti-TNF
Abb. 12.8: Mögliche postoperative Therapiestrategie.
Nachteile einer aggressiven postoperativen Therapie besteht darin, dass etwa 50 % der Patienten keine aggressive Therapie im Verlauf benötigen, weil kein relevantes Rezidiv eintritt. Diese Patienten werden möglicherweise einem unnötigen Nebenwirkungsrisiko ausgesetzt. In dieser Patientengruppe werden dadurch hohe Kosten verursacht mit einer geringen Kosten-Nutzen-Relation. Die Frage, ob eine aggressive postoperative Strategie einem abwartenden Vorgehen überlegen sein könnte, wurde kürzlich in der Poker-Studie adressiert. In dieser Studie wurden die Patienten postoperativ in eine Hochrisiko- und eine Niedrigrisikogruppe unterteilt und in zwei Gruppen randomisiert. In der einen Gruppe wurde keine Endoskopie durchgeführt und die Patienten erhielten risikoadaptiert in der Hochrisikogruppe eine medikamentöse Rezidivprophylaxe. In der zweiten Gruppe erfolgte eine Koloskopie 6 Monate nach der Operation mit einer medikamentösen Anpassung in Abhängigkeit vom Rutgeerts-Score [8]. Nach 18 Monaten zeigte sich in der endoskopisch kontrollierten Patientengruppe mit Anpassung der Medikation in Abhängigkeit vom endoskopischen Befund eine geringere Rezidivrate im Vergleich zur Kontrollgruppe (70 % vs. 50 %, p = 0, 03). In einer Subgruppenanalyse zeigten die Patienten, die direkt mit Adalimumab behandelt wurden, keinen signifikanten Vorteil im Vergleich zu den Patienten, die initial mit Thiopurinen und erst später mit Adalimumab behandelt wurden. Aus den Studiendaten wurde geschlossen, dass eine endoskopische Kontrolle 6 Monate postoperativ mit Anpassung der Medikation Vorteile gegenüber einem rein abwartenden Verhalten liefert.
12.7.5 Fazit Es besteht ein relevantes Risiko für Patienten mit M. Crohn nach einer Darmresektion ein postoperatives Rezidiv zu erleiden. Risikokonstellationen, die mit einem besonders hohen postoperativen Rezidivrisiko einhergehen, schließen insbesondere den Nikotinkonsum, aber auch den perianalen Befall, intestinale Voroperationen und die penetrierende Verlaufsform der Erkrankung
Literatur
| 271
ein. Basierend auf den Studiendaten empfehlen die aktuellen deutschen und europäischen Leitlinien eine Kontrollkoloskopie als aktueller diagnostischer Goldstandard nach intestinaler Resektion innerhalb des 1. Jahres. Bei Patienten mit mindestens einem Risikofaktor sollte in Analogie zu den Leitlinien eine Therapie mit Azathioprin bzw. mit 6-Mercaptopurin durchgeführt werden [4, 5]. In allen anderen Fällen ist ein abwartendes Verhalten oder auch eine Prophylaxe mit Mesalazin möglich. Da der Nikotinkonsum ein besonderer Risikofaktor zu sein scheint, sollte der Nikotinentwöhnung in der postoperativen Rezidivprophylaxe eine besondere Bedeutung zukommen. Wenngleich die Daten zu TNF-Antagonisten noch keine abschließende Schlussfolgerung zulassen, scheint Anti-TNF in der Verhinderung des endoskopischen und klinischen Rezidivs doch auch eine wichtige Rolle zu spielen und kann daher bei Vorliegen besonderer Risikokonstellationen als Therapieoption angesehen werden. Eine mögliche postoperative Therapiestrategie könnte daher den in Abbildung 12.8 dargestellten Algorithmen folgen, wenngleich nicht alle dort vorgeschlagenen Strategieoptionen Evidenz-basiert sind. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand scheint jedoch ein risikoadaptiertes Vorgehen sowie eine am endoskopischen Befund orientierte medikamentöse Behandlungsstrategie sinnvoll zu sein.
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Ingrid Schnell und Jörg-Peter Ritz
12.8 Das chirurgische Rezidiv beim Morbus Crohn: Technische Prophylaxe und chirurgisches Vorgehen beim Rezidiv 12.8.1 Einleitung Durch die medikamentöse Therapie steht heutzutage eine große und kontinuierlich steigende Auswahl an Therapeutika für die primäre Behandlung und Rezidivprophylaxe des M. Crohn zur Verfügung. Neben der medikamentösen Therapie gehören endoskopisch-interventionelle und chirurgische Verfahren zu den Grundsäulen der Therapie dieser Erkrankung. Jeder dieser therapeutischen Ansätze verfolgt dabei drei wesentliche Ziele: – Verbesserung von krankheitsbedingten Symptomen – Verbesserung der Lebensqualität – Vermeidung von Rezidiven
Der chronische Verlauf der Erkrankung, das hohe Rezidivrisiko und die fehlende Möglichkeit zu einer Kuration machen ein Ineinandergreifen von konservativ-medikamentöser und interventionell-chirurgischer Therapie in besonderem Maße notwendig. Die niedrigschwellige Kooperation zwischen Gastroenterologen und Viszeralchirurgen muss heute als Behandlungsstandard angesehen werden. Interdisziplinäre CEDBoards ermitteln den bestmöglichen Behandlungsweg für den individuellen Patienten analog dazu wie es bei onkologischen Erkrankungen schon lange der Fall ist. Durch
12.8 Das chirurgische Rezidiv bei M. Crohn
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273
Tab. 12.5: Studien zum Operationsrisiko 5 bzw. 10 Jahre nach Erstdiagnose eines M. Crohn (geordnet nach Erhebungszeitraum). Autor
Erhebungszeitraum (Jahr)
Fälle (n)
OP-Risiko 5 Jahre nach Diagnose (%)
OP-Risiko 10 Jahre nach Diagnose (%)
Bernell [5] Jess [28] O’Keefe [29] Peyrin-Biroulet [30] Lakatos [31] Ramadas [32] Nguyen [33] Peneau [35] Henriksen [36] Solberg [37] Peyrin-Biroulet [30] Jess [28] Wolters [38] Ramadas [32] Heresbach [39] Benchimol [40] Nguyen [33] Ramadas [32] Peyrin-Biroulet [30] Nguyen [34]
1955–1989 1962–1987 1970–1979 1970–1989 1977–2008 1986–1991 1988–1995 1988–2004 1990–1993 1990–1993 1990–1999 1991–1993 1991–1993 1992–1997 1994–1997 1994–2004 1996–2000 1998–2003 2000–2004 2001–2008
1.921 361 72 136 501 105 1.364 538 200 197 100 58 316 99 63 1.662 920 137 74 1.119
61 47 45,8 39,4 30,1 57,1 30 31 28 – 34,6 52 – 34 21 21,1 22 25,5 33,8 18
71 63 67,9 53 51,6 – 38 44 – 37,9 43,4 – 40 – – 28,8 29 – – –
diese multimodale und interdisziplinäre Therapie gelingt es heute, vielen Patienten eine langfristige Symptomfreiheit bei guter Lebensqualität zu ermöglichen. Ziel dieses Kapitels ist es, die chirurgischen Therapieoptionen im Hinblick auf das drittgenannte Therapieziel „Vermeidung von Rezidiven“ darzustellen. Dabei muss unterschieden werden zwischen der chirurgischen Technik bei einem Ersteingriff (Rezidivprophylaxe) und den chirurgischen Maßnahmen bzw. der chirurgischen Technik bei einem Rezidiveingriff (Rezidivtherapie). Auch wenn die moderne medikamentöse Therapie für viele Patienten eine Symptomfreiheit erzielt, bleibt das Risiko zur Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs im Langzeitverlauf unverändert hoch [1]. Schon 5 Jahre nach der Erstdiagnose beträgt dieses Risiko 18–61 % und steigt auf 28– 71 % nach 10 Jahren an (Übersicht in Tab. 12.5). Im weiteren Verlauf wird dann bei ca. 20–40 % der Patienten ein weiterer Eingriff erforderlich [2]. Aufgrund dieser Häufigkeit von Primär- und Rezidiveingriffen beim M. Crohn muss der Viszeralchirurg bei jedem Eingriff bereits die Rezidivprophylaxe im Blick haben. Welche Technik sollte angewendet werden, wie sollte die Anastomose angelegt werden, wie viel Darm sollte entfernt werden, was sollte im postoperativen Verlauf beachtet werden? Jeder erfahrene CED-Chirurg wird sich mit diesen und weiteren Fragen vor, während und nach einem operativen Eingriff auseinandersetzen.
274 | 12 Therapiemaßnahmen beim Morbus Crohn
Tab. 12.6: Studien zum Risiko eines zweiten chirurgischen Eingriffs 5 und 10 Jahre nach Primäroperation beim M. Crohn (geordnet nach Erhebungszeitraum). Autor
Erhebungszeitraum (Jahr)
Fälle (n)
Risiko Zweitoperation nach 5 Jahren (%)
Risiko Zweitoperation nach 10 Jahren (%)
O’Keefe [29] Peyrin-Biroulet [30] Boualit [41] Nguyen [33] Benchimol [40] Nguyen [34]
1970–1979 1970–2004 1988–2004 1988–2008 1994–2007 1996–2007
82 310 535 3.403 1.917 2.943
22,6 30,8 17 23 25 24,3
42,1 44,9 29 34 36 32
12.8.2 Häufigkeit und Risikofaktoren von Rezidiven Formal muss zwischen einem histologischen, einem endoskopischen/radiomorphologischen Rezidiv und einem klinisch-symptomatischen bzw. operationspflichtigen Rezidiv unterschieden werden. Endoskopische Rezidive sind deutlich häufiger als klinisch relevante oder operationspflichtige Rezidive. Sie treten bei einem Drittel der Patienten bereits nach 3 Monaten und bei bis zu 70–80 % der Patienten nach 1 Jahr im Anastomosenbereich nach resezierenden Verfahren auf [3] (Übersicht in Tab. 12.6). Durch die heute übliche frühzeitige endoskopische Kontrolle nach Operationen werden endoskopische Rezidive leichter identifiziert und dienen dann als Basis zur Festlegung der weiteren medikamentösen Therapie bevor eine klinische Symptomatik auftritt oder eine Re-Operation erforderlich wird. Das Risiko eines sekundären chirurgischen Eingriffs wurde von einer kanadischen Arbeitsgruppe in einer systematischen Analyse untersucht. Hierbei wurden nach 5 Jahren 24,2 % und nach 10 Jahren 35 % der Patienten einem zweiten chirurgischen Eingriff unterzogen [2]. Es zeigte sich ein deutlicher Unterschied der Operationsrate zwischen älteren (vor 1980) Studien (44,6 %) und aktuellen (nach 1980) Studien (33,2 %), was die These eines positiven Einflusses der medikamentösen Rezidivprophylaxe unterstützt. Ein positiver Einfluss der Immuntherapie mittels Anti-TNF-Antikörpertherapie (Infliximab) auf chirurgische Interventionen konnte ebenfalls in der Auswertung von Costa bestätigt werden [4]. In den Ergebnissen aus neun randomisierten Studien reduzierte die Gabe von Infliximab das Risiko eines Krankenhausaufenthaltes (OR = 0,31) und der Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs (OR = 0,51) signifikant. Wesentliche Faktoren zur Verhinderung des Rezidivs sind Nikotinkarenz und eine medikamentöse Rezidivprophylaxe. Daneben existiert eine ganze Reihe an weniger evidenten Risikofaktoren wie das Ausmaß oder die Anzahl der Resektionen beim Ersteingriff, ein junges Erstmanifestationsalter und ein fistulierender M.-Crohn-Typ [2, 3, 5]. Welchen Einfluss die chirurgische Technik auf das Rezidiv hat wird in den folgenden Abschnitten dargestellt.
12.8 Das chirurgische Rezidiv bei M. Crohn |
275
Tab. 12.7: Grundprinzipien der chirurgischen Therapie des M. Crohn Chirurgische Technik
Ziel
Komplette Auflösung von Konglomerattumoren
Vermeidung der Resektion gesunder Darmabschnitte
Intraoperative Inspektion und Vermessung gesamter Dünndarm (Treitz bis Bauhin)
Erkennung M.-Crohn-befallener Areale und Dokumentation Darmlänge
Darmwandnahe Skelettierung ohne Lymphadenektomie
Erhalt der Blutversorgung und Minimierung Resektionsausmaß
Übernähung von Einschlussfisteln ohne Resektion
Darmsparende Chirurgie im M.-Crohn-freien Darm
Debridement von Fisteln und Abszessen
Beseitigung von Fistelgewebe und Abszessmaterial
Strikturoplastik statt Resektion bei kurzstreckigen Stenosen
Darmsparende Chirurgie
Absetzungsrand knapp im makroskopisch entzündungsfreien Bereich
Weitgehender Erhalt gesunder Darmabschnitte
Vermeidung von Drainagen
Fehlende Evidenz und fragliche Förderung der Fistelbildung
12.8.3 Technische Rezidivprophylaxe Grundprinzipien chirurgischer Technik Wie eingangs beschrieben gelten sowohl für den Primäreingriff als auch für den Rezidiveingriff Grundprinzipien der Therapie (Tab. 12.7). Diese Prinzipien sollten bei jedem intestinalen M.-Crohn-Eingriff eingehalten werden und verfolgen im Wesentlichen zwei Ziele [6, 7]: 1. Entfernung symptomverursachender Pathologien 2. Darmsparende Chirurgie zur Verhinderung eines Kurzdarmsyndroms
Dies gelingt durch verschiedene Maßnahmen: – Entzündliche Konglomerattumore sollten immer komplett aufgelöst werden. Dadurch werden die tatsächlich krankheitsbefallenen Darmabschnitte erkennbar. Diese werden reseziert und die gesunden Darmabschnitte bleiben erhalten. So kann das Resektionsausmaß auf das notwendige Maß beschränkt werden. – Nach Auflösung und kompletter Adhäsiolyse sollte der Dünndarm in gesamter Länge inspiziert vermessen werden. Durch den diskontinuierlichen Befall des M. Crohn sind häufig mehrere Darmabschnitte befallen, ohne dass dies im Vorfeld der Operation bekannt war [6]. Die Dokumentation der Darmlänge und
276 | 12 Therapiemaßnahmen beim Morbus Crohn
–
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Befallslänge ist relevant für Folgeeingriffe und die Abschätzung des Risikos eines Kurzdarmsyndroms. Durch die darmwandnahe Skelettierung, die Resektion knapp im makroskopisch gesunden Darmabschnitt und die Verwendung von Strikturoplastiken bei kurzstreckigen Stenosen wird nur der tatsächlich betroffene Darmabschnitt entfernt und es bleibt möglichst viel gesunder Darm erhalten. Dieses Ziel verfolgt auch die Übernähung sog. Einschlussfisteln. Bei interenterischen Fisteln ist nur die Resektion des M.-Crohn-tragenden Darmabschnitts als Fistelursprung erforderlich. Das Zielorgan der Fistel ist typischerweise nicht vom M. Crohn befallen und kann somit erhalten bleiben [8]. Die Einlage von Drainagen galt lange als obsolet nach operativen Eingriffen beim M. Crohn, weil eine Förderung der Fistelbildung vermutet wurde. Für diese Aussage gibt es keine Evidenz. Dagegen existiert ein sehr hoher Evidenzlevel aus Metaanalysen randomisierter Studien, die belegen, dass die Einlage von Drainagen nach kolorektalen Resektionen keinerlei Nutzen besitzt [9].
Resektionsausmaß Kennzeichnend für das Rezidiv ist dessen häufiges Auftreten im Bereich der Anastomose, sodass die Frage nach dem Ausmaß der Resektion bereits in den 1990er-Jahren Thema intensiver Forschung war. Analog zu onkologischen Resektionen wurde diskutiert, ob eine weite Resektion das Rezidivrisiko senkt. Neben vielen retrospektiven Studien konnte Fazio in einer prospektiv-randomisierten Studie letztlich zeigen, dass Rezidive in der M.-Crohn-Chirurgie dem panenterischen Charakter der Krankheit geschuldet sind und eine Resektion „weit im Gesunden“ die Häufigkeit des Anastomosenrezidivs nicht beeinflusst [10]. Selbst bei einem mikroskopischen Befall der Absetzungsränder war die Rezidivrate im Vergleich zur weiten Resektion nicht erhöht. Somit gilt für die Resektion heutzutage die knappe Resektion im makroskopisch gesunden Darm als ausreichend. Weite Resektionsränder bergen nur das Risiko unnötiger Verluste gesunder Darmabschnitte.
Anastomosentechnik – Handnaht versus Stapler Die Anastomosenregion bleibt weiterhin der Prädilektionsort für Rezidive (Abb. 12.9). Dementsprechend stellt sich die Frage nach der technischen Durchführung der Anastomose und ggf. nach deren Auswirkung auf die Rezidivhäufigkeit. Lange Zeit galt die End-zu-End-Anastomose mittels Handnaht als das Verfahren der Wahl für eine Anastomose nach Resektion eines M. Crohn. Hierdurch sollte das Rezidivrisiko durch die Vermeidung eines Blindsacks und die Ausbildung von Fisteln durch die Verwendung von nichtresorbierbarem Material (Klammern) reduziert werden. Diese Vermutung lässt sich nach mehreren Publikationen in den letzten Jahren nicht mehr aufrechterhalten. Mittlerweile wurden acht Studien (drei prospektiv-randomisiert) mit
12.8 Das chirurgische Rezidiv bei M. Crohn
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277
Abb. 12.9: Kurzstreckiges Anastomosenrezidiv nach ileozökaler Resektion mit mesenterialseitiger Fistelbildung (Pinzettenspitze).
insgesamt 821 Patienten zur Fragestellung der Anastomosentechnik publiziert. Die Ergebnisse dieser Studien wurden in einer Metaanalyse erfasst und ausgewertet [11]. Die Seit-zu-Seit-Anastomose mittels Stapler wies im Vergleich zur handgenähten End-zuEnd-Anastomose Vorteile auf im Hinblick auf die Faktoren Anastomoseninsuffizienz (OR = 0,45), Erkrankungsrezidiv (OR = 0,2) und Re-Operation bei Rezidiv (OR = 0,18). Der positive Einfluss auf die Rate an Anastomoseninsuffizienzen durch die Verwendung von Staplern im Vergleich zur Handnaht (OR = 0,48) konnte ebenfalls in einem Cochrane-Review aus dem Jahr 2011 nachgewiesen werden, in dem 1.125 ileokolische Anastomosen unabhängig von der zugrunde liegenden Diagnose ausgewertet wurden [12]. Welchen Einfluss neuere Anastomosentechniken wie beispielsweise die KonoS-Anastomosentechnik auf das Rezidivrisiko haben, muss abgewartet werden. Erste Multicenterstudien mit dieser Technik an 187 Patienten belegen in 98,6 % eine chirurgische Rezidivfreiheit nach 65 Monaten Nachbeobachtungszeit [13]. Letztendlich ist die Evidenz für den Einfluss der Anastomosentechnik auf die Rezidivbildung noch nicht ausreichend sicher untersucht. Es gibt aber leichte Vorteile für die Seit-zu-Seit-Anastomose. Somit kann die Anastomosenanlage prinzipiell gleichwertig als End-zu-End- oder Seit-zu-Seit-Anastomose erfolgen, letztere bietet jedoch einige Vorteile außerhalb des Rezidivrisikos. Die früher befürchtete Verwendung von
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Klammernahttechnik beim M. Crohn hat insgesamt keinen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung sofern die Bildung eines Blindsackes vermieden wird.
Anastomosentechnik – Strikturoplastik Da sowohl das Ausmaß der Resektion als auch die Technik der Anastomosenanlage keinen signifikanten Einfluss auf die Rezidivhäufigkeit haben, stellt sich die Frage, ob durch die Technik der Strikturoplastik die o. g. Ziele der M.-Crohn-Therapie ausreichend erreichbar sind ohne gleichzeitig das Rezidivrisiko zu erhöhen oder negativ zu beeinflussen. Eine Strikturoplastik ist bei einer Stenoselänge von 3–5 cm leicht möglich (Abb. 12.10). Typischerweise erfolgt die Plastik durch eine Längsinzision und quere Vernähung des Darmlumens [14]. Daneben existieren multiple Varianten dieser Technik mit denen längere Stenosestrecken überwunden werden können (siehe auch Kapitel 12.5.1). Zur Bewertung der Strikturoplastik sind überwiegend retrospektive Studien mit teilweise geringen Fallzahlen publiziert. Das potenzielle Risiko einer chirurgischen Re-Intervention wurde von Li in einem retrospektiven Vergleich an 194 Patienten untersucht [15]. Verglichen wurden Patienten mit primärer chirurgischer Strikturoplastik vs. postinterventioneller Salvage-Strikturoplastik. In der Gruppe der SalvageOperationen fanden sich kürzere Stenosen, ein erhöhtes Risiko von oberflächlichen und tiefen Wundinfektionen (OR = 3,16) und die Notwendigkeit zur Anlage eines Diversionsstomas (OR = 3,16). In einer weiteren retrospektiven Analyse an 79 Patienten wurde das Langzeit-Follow-up nach endoskopischer und chirurgischer Therapie untersucht [16]. Hier zeigte sich ein signifikant niedrigeres Risiko für Re-Interventionen (OR = 5,6) oder weitere chirurgische Eingriffe (OR = 3,5) nach Chirurgie. Die kalkulierten 5-Jahres-Ergebnisse für das interventionsfreie Überleben (endoskopisch oder chirurgisch) betrugen 48 % nach Ballondilatation und 85 % nach chirurgischer Resektion. Die Vorteile einer Strikturoplastik liegen damit in einer komplikationsarmen Therapie, in der problemlosen Erreichbarkeit aller intestinalen Stenosen, der Möglichkeit zur simultanen Behandlung multipler Stenosen und in einer langen Interventionsfreiheit bei komplettem Darmerhalt.
Laparoskopischer Zugangsweg Die minimal-invasive Chirurgie hat mittlerweile ihren festen Stellenwert in der Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen. Die Minimalisierung des Zugangstraumas durch laparoskopische Eingriffe erlangt immer größere Bedeutung. Nahezu das gesamte Spektrum der chirurgischen Therapiemaßnahmen ist mittlerweile in dieser Technik durchführbar. Die Vorteile des Verfahrens liegen in erster Linie in den frühpostoperativen Ergebnissen. Zur Untersuchung des Einflusses der Laparoskopie auf die Vermeidung eines Rezidivs liegen bisher nur wenige prospektiv-randomisierte Studien vor. Da die o. g. chirurgischen Grundprinzipien zur Rezidivprophylaxe sowohl
12.8 Das chirurgische Rezidiv bei M. Crohn
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279
Abb. 12.10: Kurzstreckiges Anastomosenrezidiv im Jejunum mit prästenotischer Dilatation.
für das offene als auch für das laparoskopische Vorgehen gelten und umsetzbar sind, ist auch kein wesentlicher Unterschied zu erwarten. Die bislang vorliegenden zwei randomisierten Studien konnten keine Unterschiede in den perioperativen Komplikationen und Langzeitergebnissen nachweisen. Da insgesamt nur 120 Patienten in beiden Studien eingeschlossen wurden, sind jedoch die statistische Power und damit die Aussagekraft gering [17]. Um diese geringe Fallzahl auszugleichen führte Patel eine Metaanalyse durch, in die neben den drei randomisierten Studien insgesamt 31 nichtrandomisierte Studien eingeschlossen wurden [18]. 22 dieser Studien befassten sich ausschließlich mit Ileozökalresektionen als häufigstem Eingriff bei intestinalem M.-Crohn-Befall. Insgesamt zeigte die Metaanalyse eine reduzierte perioperative Komplikationsrate bei laparoskopischem Vorgehen (Risk Ratio RR = 0,71). Zusätzlich waren die frühpostoperativen Ergebnisse in der Gruppe der laparoskopischen Resektionen signifikant besser als in der offenen Vergleichsgruppe (Kostaufbau: RR = 1,29, Zeit bis Stuhlgang: RR = 0,68, stationäre Liegedauer: RR = 2,24). Im Langzeitverlauf fanden sich keine Unterschiede im Hinblick auf die chirurgische Rezidivrate, jedoch Evidenz für eine geringere Rate an Narbenhernien. Bei eingeschränkter Aussagekraft durch die überwiegend retrospektiven Studien gibt es somit Anzeichen für Vorteile des laparoskopischen Vorgehens in
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Tab. 12.8: Übersicht zu Evidenz und Nutzen chirurgischer Maßnahmen zur Rezidivprophylaxe Technische Maßnahme
Evidenz
Nutzen für Rezidivprophylaxe
Resektion knapp im Gesunden Auflösung Konglomerattumor Seit-zu-Seit-Anastomose Verwendung Klammernahtgerät Laparoskopie Darmwandnahe Skelettierung Einlage von Drainagen
1 RCT Fehlt RCTs, Review RCTs, Review 2 RCTs, Metaanalyse Fehlt RCTs
Geringer Einfluss (darmsparend) Kein Einfluss (darmsparend) Einfluss fraglich positiv Kein Einfluss (gleichwertig zu Naht) Kein Einfluss (Vorteile früh postoperativ) Kein Einfluss (darmsparend) Kein Einfluss
der frühen postoperativen Phase, jedoch keinen Hinweis auf die Beeinflussung des Rezidivgeschehens.
12.8.4 Chirurgisches Vorgehen beim Rezidiv Die eingangs genannten chirurgischen Grundprinzipien (Tab. 12.8) gelten sowohl beim Primäreingriff als auch bei jedem Rezidiveingriff. Besonders beim Rezidiveingriff gilt aber die Maxime, so viel gesunden Darm wie möglich für den Patienten zu erhalten. Durch Narbenbildungen und Adhäsionen steigt mit jedem abdominellen Rezidiveingriff das Risiko von intraoperativen Verletzungen und mit jeder Resektion das Risiko eines Kurzdarmsyndroms. Die Indikationsstellung ist prinzipiell unverändert, jedoch spielt bei diesen Eingriffen die Expertise des Operateurs eine deutlich größere Rolle als bei einem Primäreingriff. Wie bei anderen komplexen viszeralchirurgischen Prozeduren existiert auch für die Ergebnisqualität beim M. Crohn eine Abhängigkeit von der Häufigkeit des Eingriffs. In einer Analyse von 2.842 M.-CrohnEingriffen in Toronto zeigte sich eine 3-fach erhöhte Letalität und eine signifikant erhöhte Wiederaufnahmerate bei Chirurgen mit wenig Erfahrung in der M.-CrohnChirurgie. Ein Einfluss auf die Rezidivrate der Erkrankung bestand dabei nicht [20]. Entsprechend sollten besonders Rezidiveingriffe bei Patienten mit M. Crohn nur in Zentren durchgeführt werden, die über eine ausreichende auch interdisziplinäre Expertise in der Behandlung dieser Erkrankung verfügen. In den folgenden Abschnitten werden die möglichen spezifischen Maßnahmen bei einem Rezidiveingriff dargestellt (s. Übersicht in Tab. 12.9).
Maßnahmen beim Rezidiveingriff – Ernährung und Medikation Bei der Vorbereitung zu einem Rezidiveingriff sollte ein besonderes Augenmerk auf die Optimierung der Ernährungssituation und die weitgehende Reduktion der immunusuppressiven Therapie gelegt werden. Sowohl eine Mangelernährung als auch eine
12.8 Das chirurgische Rezidiv bei M. Crohn
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281
Tab. 12.9: Therapeutische Maßnahmen vor/bei Rezidiveingriffen Spezifische Maßnahmen bei Rezidiveingriffen Indikationsstellung interdisziplinär (Expertise vorhanden?/interventionelle Therapie?) Präoperative Reduktion immunsuppressiver Medikation Präoperative Optimierung des Ernährungszustandes Indikation zum laparoskopischen Vorgehen kritisch stellen (Expertise/Art der Voroperation) Intraoperative Auflösung Verwachsungs-/Entzündungskonglomerate Kritische Vermessung der Dünndarmlänge vor/nach Resektion Darmsparende Chirurgie (knappe Resektion/Strikturoplastik/Übernähung Einschlussfistel) Anastomosentechnik wie beim Primäreingriff (ggf. protektive Stomaanlage) Geplanter Second-Look nach ausgedehnter Adhäsiolyse/Übernähungen
Kortikoidmedikation [21] und Biologika [22] sind mit einer Erhöhung an septischen intraabdominellen Komplikationen oder Wundinfektionen assoziiert. Die Metaanalyse von Huang über 15 Studien mit 3.807 Patienten und 4.189 Operationen bestätigte den niedrigen Albuminstatus (OR = 1,93) und die präoperativen Steroidmedikation (OR = 1,99) als Risikofaktoren für septische intraabdominelle Komplikationen [21]. Der Einfluss von Biologika wurde in der Metaanalyse von Waterland untersucht. In 14 Studien mit 5.425 Patienten war durch den Einsatz von Biologika ein signifikanter Anstieg von infektiösen Komplikationen (OR = 1,52) und Wundinfektionen (OR = 1,73) nachweisbar [22]. Dies gilt zwar in gleicher Weise für Primär- wie Rezidiveingriffe, durch die zumeist komplexen Konstellationen bei einem Rezidiveingriff muss hier aber mit einer erhöhten Rate an intraoperativen und postoperativen Komplikationen gerechnet werden. Entsprechend sollte in der elektiven Vorbereitung des Patienten versucht werden, den Ernährungsstatus durch hochkalorische ggf. parenterale Zusatznahrung zu optimieren. Die Medikation sollte in interdisziplinärer Absprache angepasst bzw. reduziert werden.
Laparoskopie beim Rezidiv Die oben beschriebenen Vorteile des laparoskopischen Vorgehens beziehen sich nahezu ausschließlich auf Ersteingriffe und Ileozökalresektionen. Evidente Aussagen zu Rezidiveingriffen lassen sich hieraus nicht ableiten. In den letzten Jahren sind einige retrospektive Single-Centerstudien publiziert worden, die belegen, dass laparoskopische Rezidiveingriffe sicher durchführbar sind. Die Operationszeiten sind durch die notwendige Adhäsiolyse verlängert, jedoch fanden sich keine Unterschiede in der Komplikationsrate [23, 24]. Hier wird die individuelle Expertise des Operateurs und des Zentrums über die Wahl des Zugangsweges von Fall zu Fall entscheiden.
282 | 12 Therapiemaßnahmen beim Morbus Crohn
Intraoperatives Vorgehen beim Rezidiveingriff Besonders beim Rezidiveingriff manifestiert sich häufig eine Stenose oder Fistelbildung als Konglomerattumor mit adhäsions- und entzündungsbedingt verklebten Darmschlingen bei gesunder Schleimhaut. Hier verbietet sich die großzügige Resektion. Nur ein kleiner Teil dieser Darmabschnitte ist tatsächlich befallen und kann durch eine sorgfältige Präparation und Adhäsiolyse erhalten bleiben. Der betroffene Darm muss daher zunächst komplett separiert und adhäsiolysiert werden. Erst nach kompletter Präparation werden die betroffenen, makroskopisch entzündeten Segmente identifizierbar. Die Vermessung der gesunden und befallenen Länge des Dünndarms ist beim Rezidiveingriff besonders hilfreich, um abzuschätzen, ob dem Patienten ausreichend funktioneller Restdarm postoperativ verbleibt und ob spezifische Therapie- oder Ernährungsmaßnahmen eingeleitet werden müssen. Die Resektions- und Anastomosentechnik unterscheidet nicht zwischen Primär- und Rezidiveingriff bis auf die Tatsache, dass der darmsparenden Chirurgie und dem Erhalt von möglichst viel gesundem Darm eine noch größere Bedeutung zukommt [25].
Intraoperative Komplikationen beim Rezidiveingriff Durch die vorausgegangene Operation ist bei jedem Rezidiveingriff mit Adhäsionen und einer notwendigen Adhäsiolyse zu rechnen. Eine Adhäsiolyse verlängert nicht nur die Operationsdauer, sondern steigert auch das Risiko von intraoperativen Darmverletzungen auf 3,8–13,6 % [26]. Diese Verletzungen können bereits bei Eröffnung des Abdomens auftreten. Häufig sind Darmschlingen durch Entzündungen oder Voroperationen an die Bauchwand herangezogen und verklebt. Bei jedem Rezidiveingriff sollte daher überlegt werden, ob die Inzision außerhalb der Narbe erfolgen kann. Bei laparoskopischen Eingriffen gilt die erste Trokarplatzierung als Risiko für Organverletzungen. Durch das offene Einbringen des ersten Trokars, die Platzierung der Inzision außerhalb der Narben und die Anlage einer ausreichend großen Inzision der Cutis kann dieses Risiko vermindert werden. Jede Darmverletzung sollte bereits intraoperativ gesucht, erkannt und unmittelbar therapiert werden, weil eine Verzögerung zum unbemerkten Austritt von intestinalem Sekret mit konsekutiver Peritonitis führt. Somit empfiehlt es sich – besonders nach ausgedehnten Adhäsiolysen – vor dem Bauchdeckenverschluss den Darm noch einmal vollständig und sorgfältig zu inspizieren. Im postoperativen Verlauf ist die Diagnose einer intraoperativ übersehenen Darmläsion ungleich schwieriger, zumal die Symptomatik bei Dünndarmverletzungen häufig schleichend verläuft und mit dem scheinbar normalen Verlauf nach einer Darmoperation verwechselt werden kann. Entsprechend dauert es 2–13 Tage bis zur Diagnosesicherung [27]. Besonders bei multiplen Läsionen ist daher eine geplante Second-Look-Operation zu erwägen, damit evtl. übersehene Läsionen früh erkannt und behandelt werden können, bevor bei immunsupprimierten Patienten eine ausgeprägte Peritonitis entsteht.
Literatur
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12.8.5 Fazit Der M. Crohn ist eine zu Rezidiven neigende chronische Erkrankung, die bei vielen der betroffenen Patienten mit der Notwendigkeit einer chirurgischen Therapie einhergeht. Sowohl beim Ersteingriff als auch bei jedem Rezidiveingriff werden an den Chirurgen besondere Anforderungen gestellt, die dem rezidivierenden und panenterischen Charakter der Erkrankung Rechnung tragen. M.-CrohnChirurgie ist spezialisierte Viszeralchirurgie, die immer in einem interdisziplinären Kontext mit der Gastroenterologie steht. Die präoperative Anpassung der Ernährungssituation und der immunsuppressiven Medikation erlauben eine Reduktion postoperativer Komplikationen. Die intraoperative Beachtung chirurgischer Prinzipien ermöglicht primär und beim Rezidiv eine geringe Invasivität, den weitgehenden Erhalt gesunden Darmes, einen komplikationsarmen Verlauf und die Reduktion von Rezidiven.
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Andreas Lügering und Rudolf Mennigen
12.9 Medikamentöse und operative Therapie des perianalen Fistelleidens beim Morbus Crohn 12.9.1 Ätiologie, Diagnostik und Klassifikation der Analfistel beim Morbus Crohn Perianale Fisteln sind eine typische Manifestation des M. Crohn. Die kumulative Häufigkeit nach 20 Jahren Erkrankungsdauer liegt bei 26 %, bei primär kolorektalem M.-Crohn-Befall steigt diese Rate bis 92 % [1]. Perianale Fisteln und Abszesse können oft auch erste klinische Manifestation eines bisher unbekannten M. Crohn sein. Anders als die nicht mit M. Crohn assoziierte Analfistel, die von einer Infektion der Proktodäaldrüsen ausgeht, entsteht die Fistel beim M. Crohn wahrscheinlich in entzündeter Rektumschleimhaut knapp proximal der Linea dentata. Sie hält sich häufig nicht an die typischen Grenzlamellen des Sphinkterapparates, hat häufiger Nebenäste und Verzweigungen und ist daher oft schwieriger zu klassifizieren, als die kryptoglanduläre Fistel. Die Symptomatik der M.-Crohn-assoziierten Analfistel hängt vom Ausmaß der Fistel und von der Entzündungsaktivität ab. Blande, einfache Fisteln können durch störende Sekretion, Störung des analen Feinabschlusses, Fremdkörpergefühl oder auch gelegentliche Blutungen auffallen, während infizierte, evtl. mit einem Abszess einhergehende Fisteln häufig zu Schmerzen und lokalem Druckgefühl führen. Die Diagnostik beinhaltet primär die lokale Inspektion mit der Erfassung und Sondierung äußerer Fistelostien, die Palpation insbesondere im Hinblick auf mögliche Abszesse, und die Proktoskopie, die mögliche innere Fistelostien sowie eine Proktitis
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nachweisen kann. Um den genauen Verlauf der Fistel in Bezug auf den Sphinkterapparat und den Beckenboden zu erfassen, stehen im Prinzip drei Methoden zur Verfügung: die anale Endosonographie, die Untersuchung in Narkose mit Sondierung und Anspritzen der Fistel und das MRT. Alle drei Modalitäten erreichen eine vergleichbare Genauigkeit von rund 90 % [2], wobei die Kombination von zwei Modalitäten diese auf 100 % steigert. In unserem eigenen Vorgehen führen wir immer eine anale Endosonografie durch unter Anspritzen des äußeren Fistelostiums mit Wasserstoffperoxid, was eine optimale Kontrastierung des Fistelverlaufs erlaubt. Ein ergänzendes MRT führen wir immer dann durch, wenn besonders hohe Fistelverläufe mit möglicher Penetration des Beckenbodens oder bisher unerkannte Nebenäste vermutet werden. Die o. g. Diagnostik muss schließlich zu einer exakten Beschreibung und Klassifikation des Analfistelleidens führen. Die gebräuchlichste Klassifikation ist die von Parks (Abb. 12.11), die den Fistelverlauf in Relation zum Sphinkterapparat beschreibt. Allerdings sind M.-Crohn-assoziierte Fisteln oft nicht eindeutig in dieses Schema einzuordnen, weil sie sich nicht an diese typischen Verläufe halten oder mehrere Nebenäste oder weitere externe Öffnungen aufweisen. Die American Gastroenterological Association (AGA) hat eine simplere Klassifikation in „einfache“ und „komplexe“ Analfistel vorgeschlagen. Dabei ist die einfache Analfistel submukös oder intersphinktär (nach Parks-Klassifikation), sie hat nur ein einzelnes äußeres Ostium und sie weist keine perianalen Komplikationen auf. Die komplexe Analfistel hingegen umfasst alle anderen Parks-Klassen mit höherem Fistelverlauf, oder sie hat ein inneres Fistelostium oberhalb der Linea dentata, sie hat mehrere äußere Ostien oder Nebenäste, und sie ist häufig mit Komplikationen vergesellschaftet, wie Abszess, Analstenose oder Anschluss an Blase oder Vagina. Die Klassifikation des Fistelleidens muss zwei Aspekte klären: 1. Vor Beginn einer immunmodulatorischen oder -suppressiven Therapie müssen einerseits floride Infektionen und Abszesse ausgeschlossen bzw. saniert werden. 2. Für die weitere chirurgische Therapie ist andererseits wichtig, wie groß der von der Fistel betroffene Sphinkteranteil ist (tiefe vs. hohe Fistel); dies entscheidet, ob eine Fistulotomie möglich ist, oder ob sphinktererhaltende Operationstechniken verwendet werden müssen. Perianale Fisteln sind ein Prädiktor für einen komplizierten Verlauf des M. Crohn und sollten vor einer Therapie durch eine adäquate Untersuchung und Bildgebung charakterisiert werden.
12.9.2 Medikamentöse Therapie Eine Vielzahl medikamentöser Therapieoptionen des M. Crohn wurden bereits bzgl. ihrer Wirkung auf perianale Fisteln hin untersucht; leider sind die Daten jedoch häufig aus unkontrollierten Beobachtungen entnommen, weisen kleine Patientenzahlen auf oder sind sekundäre Endpunkte von Medikamentenstudien, sodass kaum eindeu-
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LA
3
5 2
1
4
Abb. 12.11: Klassifikation der Analfisteln nach Parks. 1: Subkutane Fistel, 2: Intersphinktäre Fistel, 3: Transsphinktäre Fistel, 4: Suprasphinktäre Fistel, 5: Extrasphinktäre Fistel. LA = M. levator ani.
tig Evidenz-basierte Empfehlungen bzw. Behandlungsalgorithmen bestehen. Weitere Problemstellungen sind in dieser Hinsicht, dass perianale Manifestationen bzw. Fisteln der klinischen Aktivität der Grunderkrankung lange vorausgehen können, aber auch als wenig entzündliches Residualstadium nach langer Krankheit vorliegen; ferner unterscheiden sie sich in ihrer Komplexität derart signifikant, sodass klinische Studien unter Verwendung definierter, v. a. klinisch bedeutsamer Endpunkte immer schwierig bleiben werden. Eine spontane Abheilung von perianalen Fisteln wurde in Placebo-kontrollierten Studien bei ca. 10 % der Patienten berichtet, sodass eine abwartende Haltung in einigen Fällen als gerechtfertigt erscheint. Auf der anderen Seite wurden perianale Manifestationen als Prädiktor für einen komplizierten Verlauf des M. Crohn identifiziert, sodass diese Vorgehensweise eher zurückhaltend bzw. in begründeten Fällen angewendet werden sollte. Eine anhaltende entzündliche Aktivität der Erkrankung im (distalen) Rektum sollte v. a. Anlass geben, die aktuell bestehende Therapie auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen bzw. zu modifizieren. Insbesondere konnte wiederholt gezeigt werden, dass Kortikosteroide für den weiteren Verlauf der Fistelaktivität keine positive, wenn nicht sogar eine negative Wirkung haben und das Risiko von Komplikationen erhöhen, sodass gerade bei komplizierten perianalen Fisteln und signifikant aktiver Grunderkrankung auf eine Steroidtherapie verzichtet werden sollte und nach Ausschluss von Abszessen andere Therapieformen angewendet werden. Für die Gabe von Mesalazin (5-Aminosalicylsäure) liegen ebenso keine positiven Daten vor [3].
Antibiotika Obwohl es keine großen kontrollierten randomisierten Studien gibt, gelten Antibiotika als First-line-Therapie der medikamentösen Fisteltherapie. Die orale Therapie mit 1,5 g Metronidazol in 2 bzw. 3 Dosen/Tag kann bereits nach wenigen Tagen eine klinische Besserung der Schmerzen bzw. Sekretion erzielen. Unter fortgeführter Therapie kann ein Fistelverschluss in etwa 50 % der Fälle erwartet werden, jedoch treten nach Absetzen der Therapie in über 80 % der Fälle Rezidive auf, sodass eine langfristige Therapie über Monate oder Jahre mit reduzierter Dosis (z. B. 2- bis 3-mal 250 mg/Tag) von einigen Autoren empfohlen wird. Aufgrund der häufig auftretenden Nebenwir-
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kungen (u. a. metallischer Geschmack, Neuropathien) sind diese Ansätze jedoch nicht regelhaft anwendbar. Alternativ wurde in einer Placebo-kontrollierten Studie gezeigt, dass auch die lokale Anwendung von Metronidazol in einer 10%igen Salbe 3-mal/Tag über Wochen eine Besserung erreichen kann, der Effekt scheint jedoch eher marginal [4]. Für Ciprofloxacin als alternatives Antibiotikum liegen ebenso spärliche Daten vor. Ähnlich wie für Metronidazol zeigen sich gute primäre Ansprechraten; die Anwendung wird aber durch die hohe Rezidivneigung bzw. die eingeschränkte Langzeitverträglichkeit limitiert. Auch die kombinierte Gabe von Ciprofloxacin und Metronidazol bringt grundsätzlich keine signifikant besseren Ergebnisse [5]. Symptomatisch für die spärliche publizierte Datenlage für die Anwendung von Antibiotika konnten in einer 2009 erschienenen Arbeit lediglich 25 Patienten in eine dreiarmige Studie rekrutiert werden; der direkte Vergleich zeigt einen Vorteil für die 10-wöchige Anwendung von 2-mal 500 mg Ciprofloxacin gegenüber der gleichen Dosis Metronidazol bei insgesamt schlechten Daten für den Fistelverschluss als primärem Endpunkt (30 % Ciprofloxacin, 0 % Metronidazol, 12,55 % Placebo), wobei 5 von 7 Patienten in der Metronidazolgruppe die Therapie vorzeitig abbrachen [6].
Calcineurin-Inhibitoren Orales Tacrolimus wurde in einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Studie bzgl. der Wirksamkeit bei perianalen Fisteln getestet. Nach 10-wöchiger Anwendung konnte ein deutlicher Effekt auf den primären Endpunkt der Studie gezeigt werden (Verbesserung um > 50 %), jedoch konnte eine Remission nur in wenigen Fällen erzielt werden (10 % Verum, 8 % Placebo, nicht signifikant). Der hier gewählte Zielspiegel von 10–20 ng/ml führte erwartungsgemäß zu signifikanten Nebenwirkungen, die neben dem Off-label-Zustand das Hauptproblem in der mittel- bis langfristigen Therapie darstellen [7]. Die lokale Therapie war in einer kleinen Serie nicht erfolgreich [8]. Die intravenöse Gabe von Ciclosporin war ebenso in kleinen unkontrollierten Beobachtungsstudien erfolgreich. Unter Dosen von 4 mg/kg KG konnte in vielen Fällen eine Verbesserung der Symptomatik erzielt werden, jedoch entwickelten sich relativ häufig Rezidive bei fallenden Serumspiegeln, sodass diese Therapieform aufgrund der signifikanten Langzeitnebenwirkungen nur in Ausnahmesituationen eine Alternative darstellt [9, 10].
Thiopurine Azathioprin und 6-Mercaptopurin sind seit Jahrzehnten Standards in der Therapie des M. Crohn, allerdings liegen keine Studien mit einem primären Fokus auf die Wirkung bei Fisteln vor. Aufgrund des nur langsamen Wirkungseintritts der Substanzen, ihres signifikanten Nebenwirkungsprofils mit Abbruchraten um 30 % in den ersten 12 Wochen sowie der damit regelhaft verbundenen Begleittherapien ist der genaue
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Stellenwert schwer abzuschätzen. In einer Metaanalyse von fünf Studien zeigten sich Ansprechraten von 54 % gegenüber 21 % bei Placebo; auch komplette Abheilungen wurden in signifikanten Raten beobachtet [11]. Daher kann Azathioprin als Langzeitoption auch beim fistulierenden M. Crohn erwägt werden.
TNF-Antagonisten Die Wirksamkeit von Infliximab in der Therapie des fistulierenden M. Crohn konnte in zwei kontrollierten, randomisierten Studien nachgewiesen werden; Infliximab ist die einzige Substanz mit einer spezifischen Zulassung zur medikamentösen Therapie des fistulierenden M. Crohn. Eine Besserung der Fistelsymptomatik nach Induktionstherapie wurde bei 68 % beobachtet (Placebo 26 %), ein Verschluss aller Fisteln bei 55 % (Placebo 13 %). In der Erhaltungsstudie waren bei 36 % zu Woche 54 noch alle Fisteln verschlossen im Gegensatz zu 19 % in der Placebogruppe. Bemerkenswert ist in diesen Studien das relativ häufige Auftreten von Abszessen, das möglicherweise durch einen vorzeitigen Verschluss des externen Fistelporus begünstigt wird wie auch durch die Reduktion der lokalen Infektabwehr [12, 13]. Zu Adalimumab gibt es keine gezielten Studien im Hinblick auf die Wirkung bei perianalen Fisteln. Jedoch stehen Daten aus Subgruppen der Zulassungsstudien zu Verfügung, die eine ähnliche Wirksamkeit vermuten lassen. Eine Wirksamkeit konnte auch bei 39 % von Infliximabversagern (primär und sekundär) beobachtet werden [14]. Anti-TNF-Strategien stellen darum gerade beim perianal fistulierenden Verlauf, der als Risikofaktor für einen langfristig komplizierten Verlauf gilt, eine sinnvolle Therapieoption dar. Die Möglichkeit von akuten perianalen Abszedierung sollte bedacht und ggf. eine begleitende Drainage (oder antibiotische Therapie) erwägt werden.
Medikamentöse Kombinationstherapien Die Kombinationstherapie einer Antibiotikagabe mit einem TNF-Antagonisten wurde in zwei randomisiert-kontrollierten Studien untersucht. In der ersten Studie an 24 Patienten erfolgte zunächst eine 6-wöchige Ciprofloxacintherapie, die kein verbessertes Ansprechen gegenüber Placebo zeigte. Im Anschluss wurde unter fortgesetzter antibiotischer Therapie eine Infliximabinduktionstherapie gestartet, unter der es zu einem zahlenmäßig deutlichen, statisch nicht signifikant besseren Ansprechen zu Woche 18 (73 % vs. 39 %) kam. In der zusätzlichen Endosonografie waren jedoch bei fast allen Patienten weiterhin Fistelgänge nachweisbar [15]. In der zweiten Studie wurde die Adalimumabtherapie gleichzeitig mit Ciprofloxacin bzw. Placebo über 12 Wochen gestartet und im Anschluss die Adalimumabtherapie 14-täglich fortgesetzt. Hier zeigte sich eine statistische Überlegenheit der Therapie zu Woche 12 (70,6 % vs. 47,2 %) bzgl. der verbesserten Symptomatik; der Effekt war
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jedoch nach Absetzen der antibiotischen Therapie in den drei Folgemonaten deutlich rückläufig [16]. Die Kombination von antibiotischer Therapie mit einem TNF-Blocker scheint daher eine mögliche Therapie v. a. zur infektiösen Kontrolle nach Start einer Anti-TNFTherapie zu sein; wie lange die antibiotische Therapie begleitend gegeben werden soll bzw. kann, muss – ähnlich wie in der Therapie der Pouchitis – individuell abgewägt werden. Die antibiotische Behandlung von perianalen Fisteln stellt aufgrund des sehr hohen Rezidivrisikos nur eine temporäre Lösung dar. Aufgrund des häufig komplizierten Verlaufs sollte die Indikation zur Gabe eines TNF-Blockers geprüft werden.
12.9.3 Chirurgische Therapie Bei einer infizierten Analfistel ist die erste chirurgische Maßnahme die Entlastung möglicher Abszesse und die Anlage einer Fadendrainage. Dabei handelt es sich um einen Faden oder auch einen Gummizügel, der als Endlosdrainage durch die Fistel verläuft und mit sich selbst verknotet ist (Abb. 12.12 a). Diese Drainage verhindert den Verschluss des kutanen Ostiums und reduziert damit das Risiko einer erneuten Abszedierung, ferner fördert die Bewegung des Fadens die Reinigung des Fistelkanals. Das einfachste und gleichzeitig effektivste Verfahren der Fistelchirurgie ist die Fistulotomie. Dabei wird die Fistel mit einer Sonde aufgeladen und das bedeckende Gewebe durchtrennt, sodass die Fistel offengelegt wird. Dies führt zu Heilungsraten von über 90 % [17]. Limitierend für dieses Verfahren ist allerdings der Sphinkteranteil, der durchtrennt werden muss, es kommt nur bei submukösen, intersphinktären und ggf. tief transsphinktären Fisteln infrage. Das Inkontinenzrisiko liegt bei 0–45 %, wobei das Risiko bei M.-Crohn-Patienten eher im oberen Bereich liegt [17]. Wenn größere Schließmuskelanteile durch die Fistel erfasst sind (hohe oder komplexe Fistel), ist ein sphinktererhaltendes Verfahren notwendig. Bei der Anlage eines Mukosa-Submukosa-Flaps (Mucosal Advancement Flap) wird der Fistelkanal debridiert, das äußere Ostium zur Drainage erweitert und das innere Ostium mit einem mobilisierten Mukosa-Submukosa-Lappen verschlossen. Dieses Verfahren führt bei M.-Crohn-assoziierten Fisteln zu einer Heilungsrate von 64 % bei einer Inkontinenzrate von 9,4 % [18]. Es ist allerdings nur durchführbar, wenn keine Proktitis vorliegt. Ein Verschluss des Fisteltraktes durch Auffüllen mit eingebrachten Substanzen und Materialien ist eine weitere Strategie. Dazu zählt z. B. die FibrinkleberInstillation (in der Literatur sehr heterogene Erfolgsraten). Relativ gute Ergebnisse mit Verschlussraten von über 50 % [19] erzielt die Implantation eines Anal-FistulaPlugs. Dabei wird aus Schweinen gewonnene intestinale Submukosa als Plug in den Fisteltrakt eingebracht, um diesen auszufüllen. Auch dieses Verfahren hat ein
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(a)
(b)
(c)
Abb. 12.12: Chirurgische Fisteltherapie. (a) Endlosdrainage einer infizierten Analfistel mittels Gummizügel. (b) OTSC-Proctology-Verschluss eines inneren Fistelostiums. Das Anoderm im Bereich des inneren Ostiums wurde entfernt, zwei kreuzförmig gestochene Nähte durch das innere Ostium wurden durch das Handstück ausgeleitet und dienen als Führung für die Clip-Platzierung. (c) Der platzierte OTSC Proctology verschließt das innere Ostium.
sehr geringes Inkontinenzrisiko. Wichtig ist dabei, keine möglichen Seitenäste zu verschließen, die fortan keine Drainage mehr hätten. Eine relativ neue Methode ist der Verschluss des inneren Fistelostiums mit einem OTSC (Over-the-Scope Clip) Proctology. Dabei wird der aus der Endoskopie bekannte Clip mit einem speziellen Handgriff auf das innere Fistelostium platziert, um dieses dauerhaft zu verschließen (Abb. 12.12 b+c). In unserer eigenen Serie erreichten wir in 5 von 6 Patienten mit einer komplexen M.-Crohn-assoziierten Analfistel einen dauerhaften Fistelverschluss [20]. Im Falle von fuchsbauartigen ausgedehnten Fistelsystemen, Destruktion des Sphinkters, therapierefraktärer Infektion oder begleitenden Komplikationen, wie einer Analstenose, kann die temporäre Anlage eines Deviationsstomas in mehr als 50 % eine zumindest partielle Remission erzielen [21]. Bei auch unter Stuhldeviation therapierefraktären Fällen ist die Proktektomie mit Anlage eines definitiven endständigen Stomas eine Ultima ratio.
12.9.4 Interdisziplinäre Therapiealgorithmen Die Kombination einer Fadendrainage mit einer Anti-TNF-α-Therapie hat sich als sehr effektiv herausgestellt. Dabei kann der Faden nach Komplettierung der Anti-TNFα-Induktion entfernt werden, was in verschiedenen Serien zu Fistelverschlussraten
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von ca. 60–70 % führt, mit allerdings deutlich schlechteren Langzeitergebnissen [22]. Alternativ kann nach Abklingen der Infektion auch eine chirurgische Sanierung mit einem der o. g. Verfahren geplant werden. In einer großen retrospektiven Beobachtungsstudie wurde bei über 200 Patienten verglichen, ob die zusätzliche perioperative Gabe von Infliximab das Outcome bei perianalen Fisteln verbessern kann. In der Tat wurde das Ergebnis multipler operativer Eingriffe (z. B. Drainage, Mukosa-Flap, Fistulotomie u. a.) durch die zusätzliche medikamentöse Therapie positiv beeinflusst; das klinische Ansprechen verbesserte sich von 35,9 % auf 71,3 % [16]. In einem systematischen Review konnten acht Studien identifiziert werden, die die medikamentöse oder chirurgische Monotherapie (insgesamt 448 Patienten) mit der Kombinationstherapie (349 Patienten) verglichen. Während in der Monotherapiegruppe 43 % eine komplette Remission aufwiesen, zeigte sich in der Kombinationsgruppe mit 52 % ein deutlich besserer Wert. Ein fehlendes Ansprechen zeigt sich dagegen bei 34 % bzw. 23 % [23]. Im Hinblick auf neue alternative Therapieformen zeigt sich ein sehr interessanter Ansatz in der Verwendung von allogenen mesenchymalen Stammzellen aus Fettgewebe [24]: In der bemerkenswerten multizentrischen, Placebo-kontrollierten Studie wurden Patienten mit therapierefraktären, komplexen Fisteln eingeschlossen. Es erfolgte 2 Wochen vor Applikation der Zellsuspension eine systematisch chirurgische Vorbereitung und Begleittherapie. Zu Woche 24 zeigte sich ein Therapieerfolg in 50 % gegenüber 34 % (p = 0,024). Das Ergebnis unterstreicht die Wertigkeit einer systematischen, qualifizierten chirurgischen Aufarbeitung, aber auch die Notwendigkeit einer zusätzlichen, medikamentösen Komponente.
12.9.5 Fazit Insgesamt zeigen die verfügbaren Therapieoptionen, dass der perianal fistulierende M. Crohn eine gemeinsame Aufgabe von Chirurgen und Gastroenterologen ist. Weiterhin besteht jedoch ein signifikanter Bedarf für neue Therapieformen, um eine permanente fäkale Inkontinenz bzw. ein Stoma zu verhindern.
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| Teil V: Besondere Formen der CED
Niels Teich
13 Colitis indeterminata 13.1 Definition Zwischen der Erstbeschreibung der Colitis indeterminata (CI) im Jahr 1978 und der Listung mit einer eigenständigen ICD-Nummer K52.3 im Januar 2009 vergingen 31 Jahre (vgl. AIDS: Erstbeschreibung 1983 – ICD 1986). Das belegt einerseits die nachrangige Bedeutung dieser Erkrankung unter globalen Gesichtspunkten, zum anderen hält die Diskussion über eine exakte Definition bis heute an. In den frühen 1970er-Jahren wurde die Diagnose einer CI gestellt, wenn der Pathologe überlappende Charakteristika von M. Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU) im Kolektomiepräparat fand [1]. Spätere Autoren schlugen vor, eine CI auch dann zu diagnostizieren, wenn bei Patienten mit erhaltenem Dickdarm keine eindeutigen oder auch überlappende klinische, endoskopische und histologische Kriterien für MC und CU nachweisbar sind [2]. Dieser Definitionsvorschlag fand sich auch in den Diagnosekriterien der IBD Working Group der ESPGHAN bei ihrer Konsensuskonferenz im Jahr 2003 [3]. Die Working Party des Montreal World Congress of Gastroenterology im Jahr 2005 schlug erneut vor, eine CI nur nach histologischer Aufarbeitung des Kolektomiepräparats zu diagnostizieren. Bei Patienten mit endoskopischen, histologischen und ggf. auch serologischen Überlappungen von MC und CU sollte hingegen eine „Colonic inflammatory bowel disease unclassified“ (IBDU) diagnostiziert werden [4]. Auch dieser Vorschlag fand bislang keinen breiten Eingang in den klinischen Alltag. Aus klinischer Sicht ist es sinnvoll, eine patientenspezifische Präzisierung der CI zu formulieren [5]. Sinnvolle Differenzierungen sind u. a.: Colitis indeterminata – nach Proktokolektomie, – unter absoluter Aussparung des Rektums, – mit kleinen Ileumulzera ohne Strikturen, – mit habitueller – nicht M.-Crohn-typischer – Analfistel, – mit Backwash-Ileitis bei Linksseitenbefall, – mit Wachstumsverzögerung.
13.2 Epidemiologie Eine Metaanalyse von 14 pädiatrischen Studien (n = 6.262) und von 18 Studien mit erwachsenen CED-Patienten (n = 15.776) fand eine CI bei 12,7 % der Kinder und 6 % der Erwachsenen. Diese Zahlen lagen in prospektiven Studien teils deutlich höher und https://doi.org/10.1515/9783110492682-014
298 | 13 Colitis indeterminata
in retrospektiven Datensammlungen deutlich niedriger [6]. Im längerfristigen Verlauf der Erkrankung wird die Diagnose einer CI bei ca. 40 % der Patienten zugunsten einer sicheren CED-Diagnose oder aber einer restitutio ad integrum fallen gelassen [7]. In einer Multicenterstudie der NASPGHAN fand sich – bei Verwendung einer erneut veränderten Definition – in sogar 30 % der untersuchten Kinder eine „Kolonerkrankung, die nicht sicher der CU oder dem MC zugeordnet werden kann“ [8]. Pädiatrische Patienten mit CI sind im Vergleich mit CU-Patienten bei der Erstdiagnose jünger (insbesondere in der Altersgruppe < 2 Jahre), hatten einen schweren erster Schub und in 80 % schon primär eine Pankolitis [9, 10]. Gegenüber mehreren epidemiologischen Studien im Kindesalter gibt es nur limitierte epidemiologische Daten für erwachsene Patienten mit CI. Die Italian Group for IBD berichtete über 1.711 Patienten mit CED aus 22 Zentren. Von diesen hatten 50 % einen MC, 46 % eine CU und 4 % eine CI [11].
13.3 Diagnostik 13.3.1 Endoskopie und Histologie Die primäre Diagnostik erfolgt in erster Linie mit einer Koloskopie. Diagnostische Probleme der Abgrenzung insbesondere zur CU sind z. B., dass bei einer endoskopisch schwerwiegenden Kolitis – insbesondere mit entzündlicher Sigmastenose – nur eine unvollständige Erstkoloskopie insbesondere ohne Intubation des Ileums erfolgt. Bei sich dann anschließender immunsuppressiver Therapie mit z. B. Steroiden ist es möglich, dass eine Reduktion der Entzündungsintensität und -ausdehnung eine spätere Zuordnung zu CU, MC oder CI erschwert. Falls bis zum Koloskopietermin bereits eine topische Therapie z. B. mit Mesalazin- oder Budesonidsuppositorien bzw. -rektalschaum erfolgt, ist dadurch eine Aussparung der Entzündung des Rektums möglich. Bei klinisch längerfristigem Krankheitsverlauf mit partieller Atrophie der Kolonmukosa kann es sein, dass in verbliebenen Mukosainseln keine klare histologische Diagnostik mehr möglich ist. Die histologische Interobserver-Variabilität hinsichtlich der Diagnostik einer CI stellte sich in der diesbezüglich größten prospektiven Studie mit 518 CU-, 221 MCund 40 CI-Patienten als hoch dar: So stimmten die beteiligten Pathologen aus 14 norwegischen Krankenhäusern bzgl. eines mononukleären Infiltrats in 50 % und eines Granuloms in 90 % überein, aber nie bzgl. einer CI [12].
13.3.2 Serologie In einigen Studien wurde versucht, durch eine frühzeitige Bestimmung serologischer Marker eine Prognose hinsichtlich des weiteren Verlaufs einer CI zu entwickeln. Falls Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ASCA- oder pANCA-positiv sind, ist die
13.4 Therapie | 299
Wahrscheinlichkeit einer späteren definitiven Zuordnung zu MC oder CU signifikant höher als bei ASCA-/pANCA-negativen Patienten [13].
13.3.3 Kapselendoskopie In einer prospektiven Studie wurde untersucht, ob mittels Kapselendoskopie eine bessere Zuordnung einer CI zu MC oder CU möglich ist. Bei 18 Patienten mit CI wurde zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eine Kapselendoskopie durchgeführt; die Nachbeobachtungszeit betrug 32 ± 10 Monate. Bei 7 Patienten wurden – teils sehr kleine – M.-Crohn-typische Läsionen identifiziert. Die Detektion dieser Läsionen hatte jedoch individuell keine therapeutische Konsequenz [14]. Ein eigenes Beispiel eines klinisch bislang nicht relevanten Kapselendoskopiebefundes zeigt Abb. 13.1.
(a)
(b)
Abb. 13.1: Bei einer Patientin mit neu diagnostizierter Proktosigmoiditis ulcerosa bis 15 cm ab ano und diesbezüglich inadäquat ausgeprägter Eisenmangelanämie (Hb 5,6 mmol/l, Ferritin 11 μg/l) wurde nach unauffälliger Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) eine Kapselendoskopie des Dünndarms durchgeführt. Diese ergab ca. zehn MC-verdächtige Erosionen, sodass eine CI vermutet wurde. Nach einer 4-wöchigen Therapie mit Mesalazinklysmen kam es zu einer kompletten klinischen Beschwerdefreiheit und das Hämoglobin stieg unter oraler Eisensubstitution auf 7,4 mmol/l an. Es bestanden nun keinerlei klinische Symptome mehr und die Sonografie des Dünndarms war unauffällig. Daher sahen wir keine Indikation für eine ballonenteroskopische Untersuchung mit Probengewinnung für die histologische Untersuchung und ggf. anschließende immunmodulierende Therapie.
13.4 Therapie Es gibt keine prospektiven randomisierten Studien zur medikamentösen oder chirurgischen Therapie der CI. Zudem gilt die CI bzw. allein der v. a. eine CI häufig als Ausschlusskriterium bei Therapiestudien des MC oder der CU.
300 | 13 Colitis indeterminata
Die individuelle Therapie der CI orientiert sich an den für MC und CU empfohlenen Therapiealgorithmen.
Da für kein einziges Medikament eine formale Zulassung für die CI besteht, ist in jedem Falle eine Off-label-Therapie erforderlich. Berichte über dadurch verhängte Arzneimittelregresse liegen nicht vor. Nur wenige Studien adressierten konkret die Wirksamkeit eines für andere CED zugelassenen Medikaments für die CI. In einer retrospektiven Studie zur Wirksamkeit von Infliximab zeigte sich z. B. im Vergleich der CI zur CU, dass die Wirksamkeit von Infliximab bei CI sowohl bzgl. des Ansprechens als auch der Remissionsinduktion zu den Zeitpunkten 1 Woche und 1 Monat geringer war [15]. Der ileoanale Pouch ist die chirurgische Therapie der Wahl bei schwerer CI.
In einer retrospektiven Analyse zeigte sich, dass bei „M.-Crohn-artiger“ CI im Vergleich zur „CU-artigen“ CI eine höhere Rate an Anastomoseninsuffizienzen, Pouchversagen, notwendiger Zweitoperation und Inkontinenz bestand [16]. Auch in anderen Studien zeigte sich eine erhöhte Rate von schwerwiegenden kurzfristigen Pouchkomplikationen bei CI im Vergleich zur CU, aber eine geringere Rate als bei Patienten mit MC [17, 18]. Im langfristigen Verlauf sind hingegen bislang keine Unterschiede nachweisbar. In einer monozentrischen Studie mit einem medianen Follow-up von 26 Monaten zeigte sich bei 236 Patienten mit CU oder 98 Patienten mit CI kein Unterschied bzgl. der langfristigen Komplikationsraten. Allerdings bestanden nach primär erfolgreicher Pouchoperation bei 37 % Komplikationen. Das waren bei 53 Patienten eine akute Pouchitis, bei 37 eine chronische Pouchitis und bei 40 Patienten ein „De-novo-Crohn“ [19].
13.5 Kolonkarzinom Es liegt nur eine einzelne retrospektive Analyse von 19 Patienten mit CI und kolorektalem Karzinom vor. Das Karzinom wurde 19 Jahre (Median) nach der CI-Diagnose immer in vormals oder aktuell entzündeten Darmsegmenten diagnostiziert. Bei 3 Patienten wurden multiple Karzinome und bei 10 Patienten zusätzliche Dysplasien im Kolektomiepräparat diagnostiziert. Das individuelle Risiko eines Patienten mit CI für ein Kolonkarzinom bleibt unklar [20].
Literatur
| 301
13.6 Fazit Die CI sollte als „Interims“diagnose vermittelt werden. Bei rezidivierenden Schüben, bei chronisch-aktivem Verlauf oder vor evtl. notwendiger Operation sollte eine erneute endoskopische Diagnostik erfolgen. Für Patienten mit CI muss ein individualisiertes Therapiekonzept in Anlehnung an die Therapiealgorithmen bei CU und M. Crohn entwickelt werden. Besondere Sorgfalt gilt bei Anlage eines ileoanalen Pouches, weil gegenüber der CU ein höheres Risiko von postoperativen Komplikationen besteht.
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Raja Atreya
14 Pouchitis 14.1 Einleitung Die restaurative Proktokolektomie mit Anlage einer ileo-pouch-analen Anastomose (IPAA) stellt das Verfahren der Wahl bei Colitis-ulcerosa-Patienten mit therapierefraktärem Verlauf oder Nachweis von entsprechenden dysplastischen Läsionen dar [1]. Die Pouchitis stellt dabei eine nichtspezifische, idiopathische Entzündung des ilealen Reservoirs dar, die als die am häufigsten auftretende Komplikation nach IPAA-Anlage angegeben wird. Eine ausgedehnte Colitis ulcerosa, extra-intestinale Manifestationen, Vorhandensein einer PSC, pANCA-Nachweis, sowie die Einnahme von NSAR, möglicherweise Nikotinabstinenz und Mutationen des NOD2/CARD15Gens wurden als Risikofaktoren für die Entstehung einer Pouchitis beschrieben [2, 3]. Die kumulative Prävalenz der Pouchitis bei Colitis-ulcerosa-Patienten nach erfolgter IPAA wurde nach 1, 5 und 10 Jahren mit 15,5 %, 36 % und 45,5 % angegeben [4]. Eine Chronifizierung der Pouchitis wurde bei 5–19 % der Fälle beschrieben und das diesbezügliche Risiko steigt mit der Zeit nach Anlage des Pouches an [5]. Die kumulative Inzidenz der Pouchitis bei Patienten mit familiärer adenomatöser Polyposis (FAP) wird dagegen mit einer Häufigkeit von 0 % bis maximal 10 % deutlich niedriger beschrieben. Die genaue Ursache für diesen deutlichen Unterschied ist nicht bekannt [6]. Die kumulative Prävalenz der Pouchitis bei Colitis-ulcerosa-Patienten nach erfolgter IPAA wird mit 15–45 % angegeben. Eine Chronifizierung der Pouchitis wird bei 5–19 % der Fälle beschrieben.
14.2 Pathogenese der Pouchitis Die Pathogenese der Pouchitis ist noch immer unklar. Es werden unterschiedliche Mechanismen diskutiert, die bei der Pathogenese der Pouchitis beteiligt sein könnten und zu dessen heterogenem Krankheitsbild beitragen [2]. Diesbezüglich wird diskutiert, ob die Pouchitis eine Wiederkehr der Colitis ulcerosa innerhalb des Pouches darstellen könnte. Es konnte im ilealen Pouch gezeigt werden, dass es im Verlauf zu einer Metaplasie der Mukosa mit Atrophie der Villi und Hyperplasie der Krypten kommt. Bei Patienten mit Pouchitis wurde eine höhere Rate dieser Kolonmetaplasie nachgewiesen, bei der es dann zu einer der Colitis ulcerosa entsprechenden Entzündung kommt [7]. Fördernd könnte diesbezüglich auch eine bestehende Störung der epithelialen Barriere im Ileum bei Colitis-ulcerosa-Patienten sein [2]. https://doi.org/10.1515/9783110492682-015
304 | 14 Pouchitis
Weiterhin wird eine verminderte Diversität der intestinalen Mikrobiota diskutiert. Die Veränderung der bakteriellen Flora könnte dabei durch die Stase der Faeces im ilealen Pouch bedingt sein [8]. Eine durch die Dysbiose bedingte verminderte Produktion von kurzkettigen Fettsäuren (Butyrate, Propionate) könnten an der Perpetuierung der Pouchitis beteiligt sein [2]. Hinweisend für die entscheidende Beteiligung der luminalen Mikrobiota ist die therapeutische Effektivität der Antibiotikabehandlung, die remissionserhaltende Wirkung von Probiotika und die Manifestation der Pouchitis erst nach Rückverlagerung des Stomas. Weiterhin zeigt sich eine Assoziation zwischen Genvarianten (NOD2, TLR9CD14, IL-1R), die an der Erkennung von bakteriellen Komponenten beteiligt sind und dem Risiko an einer Pouchitis zu erkranken [9]. Bei Patienten mit entsprechender genetischer Prädisposition könnte es damit durch die veränderte kommensale Flora zu einer anhaltenden Aktivierung des angeborenen und erworbenen Immunsystems kommen, die zu der entzündlichen Reaktion führt [2]. Ein Zusammenspiel dieser Faktoren scheint zur Manifestation der Pouchitis zu führen, wobei der jeweilige relative Beitrag von Patient zu Patient variieren kann.
14.3 Diagnosestellung einer Pouchitis Die Pouchitis ist klinisch gekennzeichnet durch das variable Auftreten einer erhöhten Stuhlfrequenz, wässriger Stuhlkonsistenz, abdomineller Tenesmen, erhöhter Dringlichkeit des Stuhlgangs bis hin zu fäkaler Inkontinenz, sowie diffusen Druckgefühls im Bereich des Beckenbodens [1, 3]. Die Diagnosestellung der Pouchitis basiert auf einer Kombination aus Klinik, endoskopischem und histologischem Befund und muss differentialdiagnostisch von alternativen Ursachen abgegrenzt werden. Zur Quantifizierung der Pouchitis-bedingten Beschwerden wird der Pouchitis Disease Activity Index (PDAI) verwendet [10]. Die serielle Messung von fäkalem Calprotectin oder Lactoferrin kann als unspezifischer Indikator für die inflammatorische Komponente der Beschwerdesymptomatik dienen [11]. Die endoskopische Diagnostik des Pouches (Pouchoskopie) ermöglicht oftmals eine differentialdiagnostische Abgrenzung und stellt einen unverzichtbaren Bestandteil in der Diagnosestellung dar. Sie ermöglicht weiterhin eine Beurteilung des Schweregrades und der Ausdehnung der Entzündung. Bei einer akuten Pouchitis weist die Mukosa endoskopisch ein Ödem, eine gesteigerte Granularität und erhöhte Vulnerabilität, sowie Erosionen oder Ulzerationen auf. Auch bei makroskopisch unauffällig imponierender Mukosa sollten mehrere Biopsien zum Ausschluss einer histologisch nachweisbaren Entzündungsaktivität genommen werden. Histologisch zeigen sich im Rahmen einer aktiven Pouchitis nichtspezifische Zeichen der Inflammation mit neutrophiler Infiltration, Kryptenabszessen und mukosalen Ulzerationen. Zur Abgrenzung von strukturellen Ursachen der Beschwerden (Fisteln, Verwachsungen, Abszesse) kann bei Bedarf auch die Durchführung einer Pouchografie, einer CT oder MRT des Beckens und einer Defäkografie indiziert sein [12].
14.4 Risiko von Pouchneoplasien |
305
Zu den inflammatorischen Differentialdiagnosen der Pouchitis gehört die Cuffitis, als persistierende Manifestation der Colitis ulcerosa in der rektalen Schleimhaut des Cuffs. Bei 10–15 % der Patienten wird nach Anlage der IPAA die Diagnose eines M. Crohn gestellt. Hinweisend dafür sind eine Ileitis oberhalb des Pouches, Strikturen außerhalb der Anastomose, Fisteln oder der bioptische Nachweis von Granulomen [13]. Differentialdiagnostisch sollte das Vorliegen infektiöser Komplikationen ausgeschlossen sein. Hierzu zählen insbesondere eine Cytomegalie-Virus(CMV)- oder Clostridium-difficile-induzierte Kolitis. Non-inflammatorische Differentialdiagnosen stellen eine verminderte Pouch Compliance, eine Dysfunktion des Beckenbodens, anatomische Taschen (Sinuses), Strikturen und ein Reiz-PouchSyndrom (Irritable pouch syndrome – IPS) dar. Beim IPS handelt es sich um funktionelle Darmbeschwerden im Bereich des Pouches ohne diagnostisch erfassbare Ursachen. Weiterhin sollte ein Schlingensyndrom (Efferent limb syndrome) als Ausdruck einer funktionellen Obstruktion durch einen langen efferenten Schenkel ausgeschlossen werden. Alternative Ursachen für eine erhöhte Stuhlfrequenz (Laktoseintoleranz, Zöliakie, bakterielle Überwucherung) sollten in der Differentialdiagnostik ebenfalls beachtet werden [12].
14.4 Risiko von Pouchneoplasien Die Manifestation einer Neoplasie nach durchgeführter IPAA wurde sowohl für den Pouch, die anale Transitionszone als auch für den rektalen Cuff beschrieben. Kariv et al. [14] gaben eine kumulative Inzidenz für eine Pouchneoplasie nach durchgeführter IPAA von jeweils 1,3 und 4,2 % nach 10 und 20 Jahren an. Derekx et al. [15] berichteten kürzlich über eine Inzidenz von 2,0 und 6,9 % nach 10 und 20 Jahren. Es gibt aktuell keine Konsensusempfehlungen hinsichtlich der optimalen Selektion von Patienten, des Kontrollintervalls oder des anzuwendenden endoskopischen Verfahrens für entsprechende Surveillance-Pouchoskopien. Retrospektive Studien haben den präoperativen Nachweis einer Dysplasie oder Neoplasie mit einem 4- bzw. 25-fach erhöhten Risiko für eine Pouchneoplasie assoziiert [15]. Eine begleitende PSC, eine chronische Pouchitis oder Cuffitis und eine villöse Atrophie mit schwerer Inflammation (Typ-C-Pouch-Mukosa) wurden als weitere mögliche Risikofaktoren für eine Neoplasie im Bereich des Pouches nach IPPA identifiziert. Auch bei Patienten mit ausgedehnter Colitis ulcerosa, einer Backwash-Ileitis und familiärer Disposition für ein kolorektales Karzinom wurde eine Risikokonstellation beschrieben. Bei diesen Patienten sollte darum eine jährliche SurveillancePouchoskopie mit Entnahme von Biopsien aus dem Pouch und dem Cuff erwägt werden [12].
306 | 14 Pouchitis
Bei Patienten mit ausgedehnter Colitis ulcerosa, Backwash-Ileitis, präoperativem Nachweis einer Dysplasie, PSC, chronischer Pouchitis, villöser Atrophie mit schwerer Inflammation und familiärer Disposition für ein kolorektales Karzinom sollte eine jährliche Surveillance-Pouchoskopie erwägt werden.
14.5 Therapie der Pouchitis Die aktive Pouchitis kann in eine akute und chronische Form abhängig von der Dauer der Symptome eingeteilt werden. Der Schwellenwert für diese Differenzierung liegt bei 4 Wochen. Bei 10 % der Pouchitispatienten entwickelt sich ein chronischer Verlauf und bei einer kleinen Subgruppe zeigt sich eine therapierefraktäre Situation. Weiterhin wird zwischen seltener (< 3 Episoden p.a.) und häufig rezidivierender Pouchitis (> 3 Episoden p.a.) unterschieden. Aus klinischer Sicht hat sich außerdem eine Unterteilung in eine Antibiotika-sensible, -abhängige und -refraktäre Pouchitis bewährt [3]. Auf dem Gebiet der Pouchitistherapie gibt es nur wenige randomisierte und Placebo-kontrollierte Studien. Die bestehenden Therapieempfehlungen beruhen darum im Wesentlichen auf empirischen Erfahrungen und keines der angegebenen Medikamente ist zur Behandlung der Pouchitis zugelassen.
14.5.1 Akute Pouchitis Antibiotika stellen die Therapie der Wahl in der Behandlung der akuten Pouchitis dar. Empfohlen wird hier eine 14-tägige Gabe von Ciprofloxacin (2-mal 500 mg) oder Metronidazol (3-mal 400 mg), wobei Ciprofloxacin im direkten Vergleich eine etwas bessere Wirksamkeit zeigte. Weitere Studien zeigten eine vergleichbare Effektivität von Metronidazol- und Budesonideinläufen. Zu Rifaximin gibt es einzelne kleine Studien, die eine therapeutische Effektivität nachweisen. Bei milder Pouchitis zeigte die hochdosierte Gabe eines Probiotikums (VSL#3) einen Benefit [3].
14.5.2 Chronische Pouchitis Bei Patienten mit chronischer Pouchitis und Antibiotika-resistentem Verlauf sollten mögliche sekundäre Ursachen der Pouchitis ausgeschlossen werden. Eine antibiotische Kombinationstherapie über 4 Wochen mit Ciprofloxacin und Metronidazol bzw. Rifaximin zeigte hierbei einen therapeutischen Erfolg in Studien mit kleiner Fallzahl. Aufgrund einer möglicherweise bestehenden autoimmunologischen Komponente bei den chronischen, Antibiotika-resistenten Verläufen, kann auch orales Budesonid über 8 Wochen eingesetzt werden [3]. Bei Budesonid-abhängigen Verläufen wurde auch Azathioprin erfolgreich eingesetzt. In einer retrospektiven multizentrischen
14.6 Fazit
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Studie wurde die erfolgreiche Applikation des Anti-TNF-Antikörpers Infliximab bei refraktärer Pouchitis beschrieben. Hier konnte bei 63 % der Patienten ein partielles und bei 21 % ein komplettes klinisches Ansprechen verzeichnet werden [16]. Auch bei dem Anti-TNF-Antikörper Adalimumab konnte eine kleine Fallserie eine klinische Wirksamkeit aufzeigen. Der mögliche therapeutische Stellenwert der Mikrobiomtransfers muss in kontrollierten, klinischen Studien evaluiert werden. Bei einer chronischen Pouchitis sollte die Durchführung einer jährlichen endoskopischen Surveillance-Pouchoskopie angestrebt werden. Antibiotika stellen die Therapie der Wahl bei einer akuten Pouchitis dar. Bei chronischer Pouchitis sind eine Kombination von Antibiotika, topische Kortikoide, Immunsuppressiva oder Anti-TNFAntikörper als Therapie zu erwägen.
14.5.3 Remissionserhaltung Bei Patienten mit chronischer Pouchitis sollte die Einleitung einer remissionserhaltenden Therapie erwägt werden. Kleine randomisierte Studien konnten die Effektivität einer Behandlung mit dem Probiotikagemisch VSL#3 nachweisen. Die Gabe von 6 g/Tag VSL#3 konnte bei 85 % im Vergleich zu 0 % der Placebo-behandelten Patienten (n = 40) eine klinische und endoskopische Remission innerhalb von 9 Monaten erzielen. In der Studie wurde die klinische Remission mittels 4-wöchiger antibiotischer Kombinationstherapie erzielt [17].
14.5.4 Primärprophylaxe Hinsichtlich der primären Prävention einer Pouchitis konnte in einer kontrollierten Studie gezeigt werden, dass eine innerhalb 1 Woche nach IPAA-Anlage initiierte VSL#3-Therapie (3 g/Tag) nach 1 Jahr zu einer signifikant geringeren Rate an Pouchitis führt (2/20; 10 %) als bei Placebo-behandelten Patienten (8/20; 40 %) [18]. Bei Risikopatienten kann darum eine Primärprophylaxe mit VSL#3 erwägt werden, wobei eine generelle Empfehlung für einen Einsatz aufgrund der limitierten Studienlage nicht gegeben werden kann.
14.6 Fazit Die Pouchitis stellt bei Colitis-ulcerosa-Patienten nach restaurativer Proktokolektomie und Anlage einer ileo-pouch-analen Anastomose die am häufigsten auftretende Komplikation dar. Die genaue Pathogenese ist noch immer unklar, scheint aber multifaktoriell bedingt zu sein. Die Pouchitis kann in einer akuten oder auch chronisch persistierenden Form auftreten. Grundsätzlich stellen
308 | 14 Pouchitis
Antibiotika die Therapie der Wahl in der Behandlung der akuten Pouchitis dar. Bei chronischer Pouchitis und Antibiotika-resistentem Verlauf können neben der längerfristigen Kombination verschiedener Antibiotika auch topische Kortikoide, Immunsuppressiva oder Anti-TNF-Antikörper eingesetzt werden. Hierbei sollten mögliche Differentialdiagnosen sicher ausgeschlossen werden.
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Ahmed Madisch und Stephan Miehlke
15 Mikroskopische Kolitis 15.1 Zusammenfassung Die mikroskopische Kolitis mit dem klinischen Leitsymptom der chronisch-wässrigen Diarrhö zählt zu den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und umfasst die beiden Entitäten der kollagenen und lymphozytären Kolitis. Da die Endoskopie bei Patienten mit mikroskopischer Kolitis in der Regel unauffällig ist, gelingt die Abgrenzung zum Reizdarmsyndrom und somit die Diagnosesicherung nur durch die Histopathologie der entnommenen Stufenbiopsien. Die Akuttherapie der Wahl ist Budesonid 9 mg/Tag für 6–8 Wochen, wodurch bei über 80 % der Patienten eine Remission erzielt werden kann. Ein großer Teil der Patienten erleidet jedoch ein Rezidiv, wenn die Budesonidtherapie abgesetzt wird, sodass eine Langzeitbehandlungsstrategie bei vielen Patienten erforderlich ist. Vor dem Hintergrund Placebo-kontrollierter Studien ist auch in der Langzeitbehandlung Budesonid mit 4,5 oder 6 mg/Tag effektiv.
15.2 Definition und Häufigkeit Nach der Erstbeschreibung der kollagenen und lymphozytären Kolitis 1976 respektive 1989 werden heute die kollagene und die lymphozytäre Kolitis unter dem Oberbegriff „mikroskopische Kolitis“ zusammengefasst. Durch die Chronizität der Beschwerden und des Entzündungsinfiltrats der Darmmukosa ist die mikroskopische Kolitis mittlerweile als chronisch entzündliche Darmerkrankung anerkannt [1–4]. Die Häufigkeit der mikroskopischen Kolitis ist vergleichbar mit der des M. Crohn und der der Colitis ulcerosa [5]; die Erkrankung wird bei 4–13 % der Patienten mit nichtblutiger, chronischer Diarrhö diagnostiziert [5]. In Europa liegt die Inzidenz altersabhängig für die kollagene Kolitis zwischen 0,6 und 5,2/100.000, die Prävalenz bei 10–15,7/100.000. Die respektiven Werte für die lymphozytäre Kolitis liegen bei 3,7– 4,0/100.000 für die Inzidenz und bei 8–14,2/100.000 für die Prävalenz [6–8]. Populationsbasierte Studien aus Nordamerika zeigen zudem über einen Zeitraum von 6 Jahren eine deutliche Zunahme der Inzidenz der mikroskopischen Kolitis bis zum Jahr 2000 mit anschließend stabiler Inzidenz in den letzten Jahren [9]. Die mikroskopische Kolitis mit den Entitäten kollagene und lymphozytäre Kolitis zählt zu den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.
https://doi.org/10.1515/9783110492682-016
312 | 15 Mikroskopische Kolitis
15.3 Ätiologie und Pathogenese Die Ätiologie und Pathogenese der mikroskopischen Kolitis ist bis heute nur unzureichend geklärt. Zahlreiche Befunde deuten auf eine pathologische Immunreaktion auf ein bisher unbekanntes luminales Antigen hin. Bei beiden Formen der mikroskopischen Kolitis liegt eine chronische Entzündungsreaktion mit Vermehrung von intraepithelialen Lymphozyten vor. Zum anderen sprechen die Assoziation der mikroskopischen Kolitis mit anderen Autoimmunerkrankungen, das gute therapeutische Ansprechen auf eine Steroidtherapie und eine spontane Besserung der Symptomatik in der Schwangerschaft für eine autoimmune Komponente [4]. Mittlerweile gibt es auch aktuelle Hinweise für eine mögliche Rolle von genetischen Faktoren, die die Suszeptibiltät bei der Entstehung der mikroskopischen Kolitis erhöhen können [10]. Einige Untersuchungen deuten auch auf den Einfluss von Gallensäuren in der Pathogenese der mikroskopischen Kolitis hin. So konnten durch Absorptionstest (SeHCAT) eine Malabsorption von Gallensäuren bei Patienten mit mikroskopischer Kolitis nachgewiesen werden [11, 12]. Darüber hinaus wurde ein klinisches Ansprechen auf Cholestyramin beobachtet, kontrollierte Studien, die diesen Effekt untersuchen, fehlen jedoch bis heute. Weiterhin wird der Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) eine Rolle in der Pathogenese der kollagenen Kolitis zugeschrieben [13]. In Fallkontrollstudien war neben der NSAR-Einnahme auch die Einnahme von Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI), β-Blockern, Statinen und Protonenpumpenblockern mit der mikroskopischen Kolitis assoziiert [14, 15]. Aktuell deuten auch zahlreiche Untersuchungen darauf hin, dass Rauchen das Risiko für die Entstehung einer mikroskopischen Kolitis erhöhen kann, gleichwohl Interventionsstudien dazu fehlen [16–18, 21, 22]. Eine aktuelle Post-hoc-Analyse bei 202 Patienten zeigt zusätzlich, dass Rauchen nicht nur die Symptome bei mikroskopischer Kolitis, sondern auch das Therapieansprechen auf Budesonid verschlechtert [20]. Während die Ätiologie der mikroskopischen Kolitis bisher weitgehend ungeklärt ist, konnte der Pathomechanismus der chronischen Diarrhö bei kollagener Kolitis weitgehend aufgeklärt werden [23]. Es konnte gezeigt werden, dass es aufgrund defektiver Transportermechanismen und der Dicke des Kollagenbandes zu einer reduzierten Absorption von Na+ - und Cl- -Ionen kommt. Des Weiteren spielen eine aktive Sekretion von Cl-Ionen und eine sog. Leak-flux-induzierte Diarrhö, bedingt durch eine verminderte Funktion von Tight-junction-Molekülen, eine wichtige Rolle.
15.4 Typische Beschwerden bei mikroskopischer Kolitis Die mikroskopische Kolitis betrifft überwiegend Patienten im höheren Lebensalter, wobei v. a. Frauen betroffen sind [5].
15.5 Diagnosesicherung | 313
Das Leitsymptom der mikroskopischen Kolitis ist die chronische, wässrige nichtblutige Diarrhö. Die Diarrhö ist definiert mit einer durchschnittlichen Stuhlfrequenz > 3/Tag von wässriger bis weicher Konsistenz. Die Stuhlfrequenz kann bei einer mikroskopischen Kolitis in Extremfällen 20/Tag betragen [4]. Der Beginn der Symptomatik bei mikroskopischer Kolitis kann akut oder schleichend sein [26, 27]. Häufig klagen die Patienten mit mikroskopischer Kolitis über begleitende abdominelle Schmerzen und Gewichtsverlust. Die begleitenden abdominellen Schmerzen erschweren klinisch häufig die Abgrenzung zum viel häufigeren Reizdarmsyndrom vom Diarrhötyp. In mehreren kontrollierten Studien konnte gezeigt werden, dass Patienten mit einer nachgewiesenen mikroskopischen Kolitis in bis zu 50 % der Fälle die Rome-II-Kriterien für ein Reizdarmsyndrom erfüllen, und 30 % der Patienten vor Diagnosesicherung der mikroskopischen Kolitis wie die mit einem Reizdarmsyndrom behandelt wurden [28–30]. Die Differenzierung gelingt darum nur durch eine komplette Koloskopie mit Stufenbiopsien. Insgesamt führt die Symptomatik der mikroskopischen Kolitis zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität, was kontrollierte Untersuchungen anhand validierter Lebensqualitätsscores zeigen konnten [31, 32]. Das Leitsymptom der mikroskopischen Kolitis ist die chronische Diarrhö.
Die Tabelle 15.1 zeigt an einem Kollektiv von 494 Patienten die typische klinische Symptomatik der kollagenen und lymphozytären Kolitis [26]. Tab. 15.1: Klinische Symptomatik der kollagenen und lymphozytären Kolitis
Mittleres Alter (Jahre) Weibliches Geschlecht (%) Mittlere Stuhlfrequenz Monate bis zur Diagnose Abdominelle Schmerzen (%) Gewichtsverlust (%) Autoimmunerkrankungen (%)
Kollagene Kolitis n = 287
Lymphozytäre Kolitis n = 207
65 76 7 37 34 49 48
61 76 6 24 26 48 39
15.5 Diagnosesicherung Die diagnostische Abklärung entspricht der einer chronischen Diarrhö. In der aktuellen S3-Reizdarmleitlinie der DGVS wird festgelegt, dass bei Vorliegen einer chronischen Diarrhö immer eine diagnostische Abklärung erfolgen muss. Die unauffällige körperliche Untersuchung, die unauffälligen Stuhlproben ohne Hinweis auf eine
314 | 15 Mikroskopische Kolitis
infektiöse Genese der Diarrhö und die selten veränderten Laborwerte entfallen als entscheidender Parameter in der Diagnostik. Den wichtigsten Schritt in der Diagnosesicherung der mikroskopischen Kolitis stellt die hohe Koloskopie mit der Entnahme der Stufenbiopsien dar, wobei der endoskopische Befund bei Patienten mit mikroskopischer Kolitis typischerweise bei ca. 70 % der Patienten unauffällig ist. Etwa 30 % der Patienten weisen minimale, unspezifische Veränderungen wie Schleimhautrötungen, Ödem, eine abnorme Gefäßzeichnung oder eine granulierte Schleimhaut auf. Die Diagnose der mikroskopischen Kolitis wird anhand der histologischen Begutachtung der Kolonschleimhaut gestellt. Bei beiden Formen der mikroskopischen Kolitis ist eine Vermehrung der intraepithelialen Lymphozyten ein typisches morphologisches Korrelat [22]. Das entzündliche Infiltrat in der Lamina propria wird von Lymphozyten und Plasmazellen dominiert. Bei der lymphozytären Kolitis wird zur Diagnosesicherung ein Anteil an intraepithelialen Lymphozyten von mehr als 20/100 Epithelzellen gefordert. Als weiteres diagnostisches Kriterium findet sich nur bei der kollagenen Kolitis ein subepithelial verbreitertes Kollagenband mit einer Dicke von mindestens 10 µm. Die Breite des Kollagenbandes im Kolon variiert stark und zeigt keine kontinuierliche Ausbreitung im Kolon. Das Kollagenband ist in der Regel in den proximalen Kolonabschnitten stärker ausgeprägt als in den distalen und kann bis zu 100 µm betragen. Aufgrund des diskontinuierlichen Befalls der Mukosa können durch eine alleinige Rektosigmoidoskopie bis zu 40 % der mikroskopischen Kolitiden unerkannt bleiben, sodass zum sicheren Ausschluss einer kollagenen Kolitis eine hohe Koloskopie mit v. a. Biopsien aus dem rechten Kolon erforderlich sind [4, 19]. Zunehmend mehren sich in der Literatur die Hinweise, dass sich Patienten, bei denen die o. g. histologischen Kriterien für eine mikroskopische Kolitis nicht erreicht werden, klinisch und im therapeutischen Ansprechen nicht von denen unterscheiden, die histologisch das Vollbild der mikroskopischen Kolitis erreichen. Diese Patientenuntergruppe, deren Erkrankung mittlerweile als inkomplette mikroskopische Kolitis bezeichnet wird, ist aktuell Gegenstand von Therapiestudien. Die Abbildung 15.1 gibt einen Überblick der histologischen Kriterien für die drei Entitäten der mikroskopischen Kolitis. Die Diagnose der mikroskopischen Kolitis gelingt durch Histopathologie, die im Rahmen der hohen Koloskopie mit Stufenbiopsie entnommen wird.
15.6 Therapeutisches Management Die Therapie der mikroskopischen Kolitis orientiert sich an dem Schweregrad der Symptome, dem Leidensdruck des Patienten und der Verfügbarkeit von Effektivitätsdaten aus randomisierten, kontrollierten Studien. Das primäre Therapieziel ist die Induktion einer klinischen Remission und die Verbesserung bzw. Normalisierung der Lebensqualität. Bei Patienten mit rezidivierender Krankheitsaktivität sollte eine
15.6 Therapeutisches Management | 315
kollagene Kolitis
lymphozytäre Kolitis
inkomplette mikroskopische Kolitis
Lamina-propria-Inflammation, Epitheldegeneration
Kollagenband >10 μm IEL normal/leicht erhöht
IEL >20/100 EC Kollagenband normal
Kollagenband verdickt (5–10 μm) IEL erhöht (5–20/100 Epi)
Abb. 15.1: Mikroskopische Kolitis: eine histologische Diagnose.
effektive Remissionserhaltung angestrebt werden. Ob eine histologische Remission für das langfristige Management der Erkrankung von Bedeutung ist, ist gegenwärtig unklar.
15.6.1 Evidenz-basierte Therapie mit Budesonid Budesonid ist bislang die einzige Substanz, deren Wirksamkeit in der Remissionsinduktion und Remissionserhaltung der kollagenen Kolitis und in der Remissionsindukton der lymphozytären Kolitis überzeugend belegt ist. Bereits Ende der 1990er-Jahre wiesen erste Pilotstudien auf eine hohe Effektivität des topischen Glukokortikoids Budesonid in der Behandlung der kollagenen Kolitis hin. Mittlerweile liegen insgesamt sieben randomisierte, Placebo-kontrollierte Studien [33–39] und mehrere Metaanalysen [41] zur Therapie der kollagenen und lymphozytären Kolitis mit Budesonid vor (Abb. 15.2). In einer Cochrane-Analyse zur Therapie der kollagenen Kolitis wurde auf der Basis dieser Studien berechnet, dass die Odds-Ratio (OR) für ein klinisches Ansprechen auf eine Therapie mit Budesonid bei 12,3 (95%-CI 5,5–27,5) liegt entsprechend einer Number-needed-to-treat (NNT) von 2 Patienten [42]. Dieses unterstreicht die hohe Effektivität dieser Therapie. In Analogie zur kollagenen Kolitis zeigen bei lymphozytärer Kolitis zwei Placebokontrollierte Studien und eine Metaanalyse ein Ansprechen auf Budesonid 9 mg/Tag von über 80 % [38, 39] (Abb. 15.2).
316 | 15 Mikroskopische Kolitis
Budesonide 9 mg/d für 6–8 Wochen Placebo 100
% Remission/Response
100 80
80
77
73
60 38
40 25
20
20
12
0 Baert 2002 (n = 23)
(a)
Miehlke 2002 (n = 51)
Bonderup 2013 (n = 20)
Miehlke 2014 (n = 67)
Budesonide 9 mg/d für 6–8 Wochen Placebo 100
91
% Remission/Response
86
79
80 60
48
42
40 25 20 0
(b)
Miehlke 2009 (n = 42)
Pardi 2009
Miehlke 2017 (n = 15)
Abb. 15.2: Kurzzeittherapie (a) der kollagenen Kolitis [33–35, 40] und (b) der lymphozytären Kolitis mit Budesonid [43].
Budesonid 9 mg/Tag ist die einzige Evidenz-basierte und zugelassene Akuttherapie bei mikroskopischer Kolitis.
15.6.2 Rezidivquote nach Absetzen der Budesonidtherapie Nach Absetzen der Budesonidtherapie erleiden mehr als 60 % der Patienten mit kollagener und lymphoztärer Kolitis ein klinisches Rezidiv innerhalb von 3 Monaten [45, 46]. Die hohen Rezidivraten nach Beendigung einer Budesonidtherapie legen nahe, dass für einen Großteil der Patienten eine Langzeitstrategie erforderlich ist. Aus diesem Grund hat die Arbeitsgruppe um Miehlke eine multizentrische, doppelblinde,
15.6 Therapeutisches Management | 317
Placebo-kontrollierte Studie durchgeführt, in der die Effektivität einer Langzeittherapie mit Budesonid 6 mg gegen Placebo über 6 Monate untersucht wurde [36]. Insgesamt konnten 51 Patienten in die Studie eingeschlossen werden. Nach 6 Monaten lagen die Remissionsraten für Budesonid bei 74 % und für Placebo bei 35 %. Eine weitere Studie von Bonderup et al. aus Dänemark kam zu vergleichbaren Remissionsraten [37]. Eine kombinierte Post-hoc-Analyse dieser beiden Studien hat ergeben, dass durch die remissionserhaltende Therapie mit Budesonid 6 mg/täglich die Zeit bis zum Rezidiv signifikant verlängert wird (146 vs. 51 Tage) und signifikant mehr Patienten (71 % vs. 25 %) nach 6 Monaten in Remission waren. In einer aktuellen CochraneMetaanalyse wurde auf Grundlage dieser beiden Studien eine OR von 8,8 und eine NNT von 2 errechnet, was die Effektivität von Budesonid in der Erhaltungstherapie bei kollagener Kolitis ebenfalls deutlich unterstreicht [42]. In einer aktuellen multinationalen, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie konnte zusätzlich gezeigt werden, dass auch eine niedrigdosierte Budesonidtherapie von 4,5 mg (umtägige Einnahme von 6 und 3 mg Budesonid) in der Lage ist, Patienten über 12 Monate in klinischer Remission zu halten [44]. Die Remissionsrate nach 12 Monaten betrug in der Budesonidgruppe 61,4 %, in der Placebogruppe 16,7 % (p < 0, 001). Budesonid in den Dosen 4,5–6 mg ist auch in der Langzeittherapie wirksam.
15.6.3 Empirische Therapieansätze Ein kausales Therapieprinzip zur Behandlung der mikroskopischen Kolitis auf der Basis pathogenetischer Überlegungen existiert bislang nicht. In der Vergangenheit wurde daher neben Budesonid auch eine Vielzahl anderer Substanzen weitgehend empirisch in der Behandlung von Patienten mit mikroskopischer Kolitis eingesetzt, die z. T. auch heute noch in der klinischen Praxis Anwendung finden (systemische Steroide, Mesalazin, Azathioprin, Cholestyramin, Wismut). Der genaue Stellenwert dieser Substanzen ist jedoch weitgehend unklar, weil sie größtenteils nicht in Placebokontrollierten Studien geprüft wurden bzw. in solchen Studien keinen Benefit gezeigt haben [25]. Dieses gilt auch für die Immunmodulatoren und TNF-α-Blocker, auch wenn Fallsammlungen für die oben aufgeführten Substanzen gewisse Therapieeffekte andeuten [49, 50]. In einer aktuellen Placebo-kontrollierten Studie wurde untersucht, inwieweit Mesalazin bei kollagener Kolitis wirksam ist [51]. Nach 8 Wochen betrug die Remissionsrate unter Budesonid (9 mg/Tag) 80 %, unter Mesalazin (3 g/Tag) 44 % und unter Placebo 59,5 %. Die kontrollierte Studie belegt zum wiederholten Mal die Wirksamkeit von Budesonid bei der kollagenen Kolitis, zeigt aber auch, dass Mesalazin entgegen den Fallberichten bei kollagener Kolitis nicht wirksam ist [51].
318 | 15 Mikroskopische Kolitis
15.6.4 Therapiealgorithmus bei mikroskopischer Kolitis Ein Algorithmus zum therapeutischen Vorgehen bei mikroskopischer Kolitis fasst die Abbildung 15.3 zusammen. Nach der Diagnosesicherung der mikroskopischen Kolitis entscheidet die Symptomatik über das weitere Vorgehen. Beschwerdefreie Patienten benötigen keine weitere Therapie. Bei Patienten mit milder Symptomatik, d. h. Stuhlfrequenz < 3/Tag, kann bei entsprechender Medikamentenanamnese ein Auslassversuch der Medikamente unternommen werden mit anschließender symptomatischer Therapie mit Antidiarrhöika oder Cholestyramin bei Nichtansprechen auf den Auslassversuch. Bei Patienten mit moderater bis schwerer Diarrhösymptomatik sollte eine Therapie mit Budesonid 9 mg/Tag über 6–8 Wochen erfolgen. Nach Remission kann die Therapie abgesetzt werden. Patienten mit einem Rezidiv können intermittierend oder mit einer kontinuierlichen Budesonidtherapie (z. B. 6 mg oder 3 mg/Tag) behandelt werden. Bei Nichtansprechen der initialen bzw. der Budesonidtherapie im Verlauf kann eine Therapie je nach Beschwerdegrad mit Mesalazin mit oder ohne Cholestyramin, oder mit Immunsuppressiva (Azathioprin, Methotrexat) versucht werden [47, 49, 50]. Die aktuellen AGA-Guidelines stehen im Einklang mit dem beschriebenen Algorithmus und betonen nochmals die zentrale Rolle der Therapie mit Budesonid [52]. aktive Mikroskopische Kolitis Medikamenten-assoziiert? Rauchstop? Loperamid Cholestyramin Mesalazin Wismut
Budesonid 9 mg/Tag, 6–8 Wochen Nonresponse/Intoleranz Überprüfen der Diagnose, Differentialdiagnosen?
Rezidiv
Budesonid 9 mg/Tag, dann niedrig dosiert (bis 6 mg/Tag) + Calcium/Vitamin D evidenz-basiert empirisch
Nonresponse/Intoleranz
Ileostomie
Azathioprin/6-MP, Methotrexat, Adalimumab, Infliximab
Abb. 15.3: Therapiealgorithmus für die Behandlung der mikroskopischen Kolitis nach den Empfehlungen der EMCG [47].
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| Teil VI: Extraintestinale Manifestationen
Klaus Fellermann
16 Gelenkmanifestationen, Osteoporose/Osteopenie 16.1 Gelenkmanifestationen Die Gelenkbeteiligung zählt zu den häufigsten extraintestinalen Manifestationen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) [1–3]. Hierbei muss zum einen zunächst zwischen Veränderungen unterschieden werden, die eindeutig auf den Krankheitsprozess zurückgeführt werden können und solchen, die als Nebenwirkung der CED-Therapie aufgefasst werden müssen. Die CED-assoziierten Gelenkmanifestationen können dabei der Darmerkrankung vorausgehen, diese begleiten oder erst im Verlauf entstehen. Zum anderen gilt es zu entscheiden, ob die Beschwerden rein reaktiver Natur sind (Arthralgie) oder eine entzündliche Komponente aufweisen (Arthritis). Auch andere begleitende Erkrankungen wie eine Psoriasis (PsA) oder Spondylarthritis (SpA), die auch eigenständig auftreten können, bestimmen im Zusammenhang mit einer CED Ausprägung, Aktivität und Lokalisation der Gelenkmanifestation. Demnach lassen sich folgende Typen unterscheiden: – Arthralgie – Periphere Spondylarthritis (SpA) – Enthesiopathie, Tendinopathie, Dactylitis – Mon-/Oligo-/Polyarthritis – Axiale Spondylarthritis (SpA) – Sakroiliitis – Ankylosierende Spondylitis Merke Unterscheidung von Nebenwirkung der Therapie und CED-assoziierter Arthropathie.
16.1.1 Ursache Die Zusammenhänge sind unklar, aber es ist eindeutig, dass sowohl bei CED als auch bei entzündlichen Gelenkerkrankungen ähnliche, wenn nicht sogar dieselben Entzündungsmechanismen zum Tragen kommen. So gibt es Gemeinsamkeiten in der Rekrutierung zellulärer Elemente wie den Untertypen CD4-positiver T-Zellen (Th1, Th2, Th17 und Treg). Auch das zentrale proinflammatorische Zytokin TNF-α spielt bei beiden Erkrankungen eine herausragende Rolle. Die genetischen Grundlagen zeigen Überschneidungen. So gibt es Bezüge zu bestimmten HLA-Merkmalen nicht nur bei https://doi.org/10.1515/9783110492682-017
326 | 16 Gelenkmanifestationen, Osteoporose/Osteopenie
der SpA. Letztere ist klassischerweise mit HLA-B27 assoziiert, hingegen die Typ-1Arthropathie bei CED mit HLA-DRB1*0103, B34, B27 und die Typ-2-Arthropathie mit HLA-B44. Die Mutation im CARD15(NOD2)-Gen, der bedeutsamsten Mutation beim M. Crohn, ist auch bei der HLA-B27-assoziierten SpA mit subklinischer intestinaler Manifestation überrepräsentiert. Weitere gemeinsame genetische Bezüge bestehen zu IL-23R und ORMDL3. Interessanterweise findet sich auch eine intestinale Permeabilitätsstörung vermehrt bei CED als auch bei SpA.
16.1.2 Epidemiologie Arthralgien werden von Patienten mit CED am häufigsten beklagt. So berichten bis zu 40 % der Patienten im Krankheitsverlauf über Gelenkbeschwerden. Eine eindeutige entzündliche Erkrankung wie eine periphere Arthritis wird bei 17–20 % der Patienten beschrieben. Populationsbasierte Studien ermittelten eine Prävalenz von 6–10 % für eine bestehende periphere Arthritis bei CED, wobei nahezu ein Drittel der Patienten anamnestisch eine aufwiesen [4–6]. Eine Achsenbeteiligung ist ebenfalls nicht ungewöhnlich. So wird eine Sakroiliitis mit einer Prävalenz von 10–20 % angegeben, die ankylosierende Spondylitis mit 7–12 %. Die Zahlen fallen geringer aus, wenn objektivierbare radiologische Kriterien herangezogen werden. Wenn man Kriterien eines entzündlichen Rückenschmerzes zugrunde legt, wird man bei allerdings bis zu einem Drittel der Patienten mit CED fündig. Eine aktuelle Metaanalyse aus 71 Studien, die sich mit dem Thema befassen, fasst die Häufigkeiten wie folgt zusammen [7]: periphere Arthritis 13 %, Sakroiliitis 10 % und ankylosierende Spondylitis 3 %. Generell sind extraintestinale Manifestationen mit Beteiligung der Gelenke und/oder des Achsenskeletts häufiger bei einer Dickdarmbeteiligung zu beobachten, zudem zeigt sich eine Prädominanz für den M. Crohn. Merke Arthralgien sind die häufigsten extraintestinalen Beschwerden bei CED, eindeutige Arthritiden hingegen deutlich seltener.
16.1.3 Periphere Spondylarthritis (SpA) Nach rheumatologischen Gesichtspunkten zählen hierzu unterschiedliche Formen, die mit einer Vielzahl anderer Erkrankungen, u. a. CED, vergesellschaftet sein können. Etablierte Kriterien zur Festlegung einer peripheren SpA sind in Tabelle 16.1 zusammengefasst.
16.1 Gelenkmanifestationen |
327
Tab. 16.1: Kriterien zur Klassifikation der peripheren Spondylarthritis (SpA) mit ausschließlich peripherer Manifestation [8]. Arthritis oder Enthesitis oder Dactylitis plus ≥ 1 SpA-Merkmal oder
≥ 2 andere SpA-Merkmale
Uveitis Psoriasis M. Crohn/Colitis ulcerosa Vorausgehende Infektion HLA-B27 Sakroiliitis (bildgebend)
Arthritis Enthesitis Dactylitis Entzündlicher Rückenschmerz (jemals) Familiäre Häufung von SpA
16.1.4 Enthesitis Eine Entzündung der Sehnen und Sehnenansätze findet sich v. a. an der unteren Extremität und wird in 5–10 % der Krankheitsfälle beschrieben. Als Hauptlokalisation werden v. a. die Achillessehne und die Plantarfaszie genannt. Schwellung und Entzündung können dabei zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung führen.
16.1.5 Dactylitis Diese Form der Entzündung eines Fingers im Strahl findet sich im Zusammenhang mit einer CED deutlich seltener als bei der Psoriasis (< 4 % der CED-Patienten). Ursächlich ist eine Tendosynovitis der Flexoren mit entsprechender Schwellung und Funktionseinschränkung.
16.1.6 Periphere Arthritis Diese Form der Entzündung bei CED wurde von einer Arbeitsgruppe aus Oxford genauer klassifiziert, sie findet allerdings in den rheumatologischen Fachgesellschaften keinen Niederschlag [6]. Unterschieden wird bei der enteropathischen Arthritis ohne Achsenbeteiligung eine pauciartikuläre Form (Typ I) von der polyartikulären Form (Typ II), eine Zusammenstellung ist in Tabelle 16.2 gegeben. Während der Typ I einen eindeutigen Zusammenhang zur intestinalen Krankheitsaktivität aufweist, verläuft der Typ II zumeist unabhängig von der CED. Andere extraintestinale Manifestationen sind mit dem Typ I vergesellschaftet. Der Typ II kann chronisch verlaufen und einen destruktiven Charakter annehmen. Beide Formen können der Manifestation einer CED um Jahre vorausgehen.
328 | 16 Gelenkmanifestationen, Osteoporose/Osteopenie
Tab. 16.2: Periphere Arthritis bei CED [6]. Typ I – pauciartikulär
Typ II – polyartikulär
< 5 Gelenke
≥ 5 Gelenke
Asymmetrische Verteilung
Symmetrische oder asymmetrische Verteilung
Untere Extremität bevorzugt
Betrifft große und kleine Gelenke erosive Entzündung
Selbstlimitierender Verlauf Dauer < 10 Wochen
Persistierende Entzündung über Monate/Jahre
Assoziation mit CED-Aktivität
Unabhängig von CED-Aktivität
Assoziation mit anderen extraintestinalen Manifestationen
Seltene Assoziation mit Uveitis
Merke Zwei Formen einer peripheren Arthritis mit unterschiedlicher Assoziation zum intestinalen Krankheitsgeschehen.
16.1.7 Axiale Spondylarthritis (SpA) Alle entzündlichen Gelenkerkrankungen, die eine Achsenbeteiligung aufweisen, werden dieser Gruppe zugeordnet. Gemeinsam ist allen ein entzündlicher Rückenschmerz, der z. B. von degenerativen Veränderungen oder mechanischer Fehlbelastung abgegrenzt werden muss. Zweckdienlich ist dabei der Kriterienkatalog in Tabelle 16.3, der eine Sensitivität von 80 % und Spezifität von 72 % aufweist. Tab. 16.3: Entzündlicher Rückenschmerz (inflammatory back pain – IBP, Assessment of SpondyloArthritis International Society) [9]. Kriterien bei Dauer > 3 Monate – Alter zu Beginn < 40 Lebensjahre – Plötzlicher Beginn – Besserung bei Bewegung – Keine Besserung in Ruhe – Nächtlicher Schmerz (Besserung bei Aufstehen) positiv bei 4 von 5 Kriterien
16.1 Gelenkmanifestationen |
329
Tab. 16.4: Kriterien zur Klassifikation der axialen Spondylarthritis (SpA) mit entzündlichem Rückenschmerz (Beginn im Alter < 45 Lebensjahren) [10]. Sakroiliitis* plus ≥ 1 SpA-Merkmal
HLA-B27 plus ≥ 2 SpA-Merkmale (außer HLA-B27) MERKMALE
Entzündlicher Rückenschmerz Arthritis Enthesitis Uveitis Dactylitis Psoriasis
M. Crohn/Colitis ulcerosa Gutes Ansprechen auf NSAR Familiäre Häufung von SpA HLA-B27 Erhöhtes CRP
* Sakroiliitis – hochverdächtig gemäß MRT oder radiologisch gesichert
16.1.8 Isolierte Sakroiliitis Neben dem klinischen Bild des entzündlichen Rückenschmerzes geht hier zudem eine positive Bildgebung mittels MRT oder anderer radiologischer Verfahren ein. Sie zeigt bestenfalls in den Anfängen ein Ödem, später erst treten Erosionen oder eine Osteodestruktion hinzu. Weitere Kriterien helfen bei der Einordnung als axiale Spondylarthritis (Tab. 16.4).
16.1.9 Ankylosierende Spondylitis (AS) Die AS im Zusammenhang mit einer CED unterscheidet sich generell nicht von einer AS ohne extraartikuläre Manifestation. Durch Entzündung, Erosion und Sklerose kommt es zu einer fortschreitenden Verkalkung und Funktionseinschränkung der unteren Wirbelsäule nebst Ileosakralgelenk (Abb. 16.1). Die diagnostischen AS-Kriterien sind dieselben (Tab. 16.5). Eine Prädominanz für das männliche Geschlecht fehlt allerdings. Der Krankheitsverlauf der AS gestaltet sich unabhängig von der CED und kann dieser zeitlich um Jahre vorausgehen. Operative Interventionen am Darm nehmen auf den Verlauf der AS keinen Einfluss, ähnlich wie es für die polyartikuläre Form der peripheren Arthritis gilt.
16.1.10 Diagnostik Die Arthralgie kann allein klinisch durch die Schmerzhaftigkeit und das Fehlen von Schwellung und Entzündung ausgemacht werden. Laborparameter bei Gelenkbeteiligung im Rahmen einer CED sind von untergeordneter Bedeutung. Eine unspezifische Erhöhung der Entzündungsparameter erlaubt keine Differenzierung zwischen intestinaler und extraintestinaler Aktivität. Lediglich erkennbar ist, dass Antikörper gegen
330 | 16 Gelenkmanifestationen, Osteoporose/Osteopenie
Abb. 16.1: Röntgenaufnahme einer ankylosierenden Spondylitis.
Tab. 16.5: Modifizierte New-York-Kriterien für die ankylosierende Spondylitis (AS) [11] Klinische Kriterien
Radiologische Kriterien
Unterer Rückenschmerz > 3 Monate Besserung mit Bewegung Keine Besserung in Ruhe
Bilaterale Sakroiliitis Grad ≥ 2 oder einseitige Sakroiliitis Grad 3–4
Eingeschränkte Beweglichkeit der LWS in frontaler und sagittaler Ausrichtung Eingeschränkte Brustkorbexpansion (im Vergleich zu Alters-/geschlechtskorrigierten Normalwerten) Definitive AS, wenn radiologisches Kriterium und mindestens ein klinisches Kriterium erfüllt sind.
Saccharomyces cerevisiae (ASCA) häufiger bei Gelenkbeteiligung gefunden werden können. Allerdings ist auch eine Assoziation zum Dickdarmbefall evident, sodass ein Zusatznutzen der Diagnostik verwischt. HLA-B27 ist bei Spondylitis im Rahmen einer CED deutlich seltener (25–75 %) als bei reinen Formen einer AS (> 90 %) nachweisbar, bei isolierter Sakroiliitis findet sich keine Abweichung gegenüber der Normalpopulation. Die radiologische Diagnostik bei CED mit Gelenkmanifestation unterscheidet sich nicht grundlegend von der bei rein rheumatologischen Grunderkrankungen. Das MRT hat hier eine herausragende Bedeutung. Insbesondere Veränderungen
16.1 Gelenkmanifestationen |
331
des Ileosakralgelenks sind deutlich besser und früher als in der konventionellen radiologischen Bildgebung darstellbar. Zur weiteren Diagnostik zählen auch die Gelenksonografie und -punktion zwecks Ausschluss anderweitiger Ursachen. Es sei auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen. Merke Es gelten dieselben diagnostischen Vorgaben wie bei rheumatologischen Patienten.
16.1.11 Therapie Die Maßnahmen richten sich nach der Schwere des Krankheitsbildes und reichen von lokalen Anwendungen bis hin zu systemischen Therapien, entsprechende Empfehlungen sind aktualisiert [12]. Als lokale Maßnahmen zählen die Anwendung von Kälte oder Wärme, Physiotherapie und die Instillation von Pharmaka wie Glukokortikoide. Symptomatisch wirksam sind nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), sie bergen aber das Risiko unerwünschter gastrointestinaler Arzneimittelwirkungen. Hierzu zählen Gastritis bis hin zur Ulkuskrankheit und nicht zuletzt die Möglichkeit, einen Schub der CED auszulösen. COX2-Hemmer, die im Kontext einer CED als sicher zu betrachten sind, wirken hier ebenfalls, womit der Nachteil der klassischen NSAR umgangen werden kann [13, 14]. Ansonsten gilt, die Therapie – wenn indiziert – mit der minimal erforderlichen Dosis zu befristen und parallel die Verabreichung eines Protonenpumpenhemmers zu erwägen. Aminosalicylate und ebenso das ältere Präparat Salazosulfapyridin sind in der Lage, eine moderate Aktivität einer peripheren Arthritis zu dämpfen, speziell im Kontext einer Colitis ulcerosa. Weniger Daten existieren für den M. Crohn, der Effekt von Aminosalicylaten auf die intestinale Aktivität bei dieser Entität ist bekanntermaßen limitiert. Keinen Effekt haben diese Präparate auf die Progression einer erosiven oder destruktiven Arthritis, ebenso keine im Falle einer Achsenbeteiligung. Die Wirkung nachfolgender Therapien wird dadurch nicht beeinträchtigt. Glukokortikoide sind nicht in allen Belangen ein Garant für eine Symptomreduktion. So ist bei der Monarthritis, die mit der Krankheitsaktivität der CED im Einklang steht, ein deutlicher Effekt gegeben. Hingegen ist die Wirkung bei der SpA und AS eher limitiert. Generell sollte eine langfristige höherdosierte Anwendung zugunsten weiter unten aufgeführter Therapieprinzipien vermieden werden Klassische Immunsuppressiva wie Purinanaloga, Calcineurin-Inhibitoren, Methotrexat oder Leflunomid sind vermeintlich wirksam und finden ihren Einsatz auch im Kontext einer CED. Allerdings existieren einerseits keine kontrollierten Studien zu Gelenkbeteiligungen bei CED, sodass deren Wirksamkeit aus unkontrollierten Arbeiten oder Fallserien extrapoliert werden muss. Andererseits liegen Erfahrungen aus der Rheumatologie vor, sodass Daten in einem gewissen Maße übertragen werden
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können. Eine nennenswerte Bedeutung haben hier Methotrexat und in zweiter Instanz Purinanaloga erlangt. Der Effekt im Kontext einer axialen SpA ist jedoch gering. Bedeutend ist die Entwicklung der TNF-Blocker nicht nur im Bereich CED. Auch bei der SpA und AS findet die Therapie ihren Niederschlag. Alle gängigen TNF-Blocker sind zugelassen, ebenfalls das Fusionsprotein Etanercept, das im Kontext einer CED allerdings keine Wirkung aufweist [15–18]. Für die auf dem Markt befindlichen Biosimilars zu Infliximab ist eine Gleichwertigkeit anzunehmen, für CT-P13 ist dies bereits am Beispiel der axialen SpA gezeigt worden [19, 20]. Merke Bei entzündlicher Gelenkbeteiligung sind Aminosalicylate weniger wirksam als systemische Glukokortikoide. Einen besonderen Stellenwert nehmen TNF-Blocker bei der SpA und AS ein.
16.2 Osteopenie und Osteoporose 16.2.1 Epidemiologie Eine verminderte Knochendichte findet sich bei ca. 60 % der Patienten mit CED, auch ein erhöhtes Frakturrisiko geht hiermit einher. Das Risiko für eine Osteopenie bei CED steigt u. a. mit der Krankheitsaktivität, einem perianalen Befall, niedrigem Körpergewicht, Rauchen und vorausgehendem Steroidgebrauch [21, 22].
16.2.2 Ursachen Die Kalksalzminderung ist die Vorstufe einer manifesten Osteoporose und kann sich im Rahmen einer CED einstellen. Hier spielen unterschiedliche Faktoren wie dietätische Belange, die entzündliche Konstellation mit stimulierendem Einfluss proinflammatorischer Zytokine auf Osteoklasten, vorausgegangene Operationen mit Malassimilation oder auch verabreichte Medikamente eine Rolle. Aufgrund der Kalziumresorption im oberen Dünndarm ist v. a. der M. Crohn von einer Osteopenie begleitet. Hier spielt eine Laktoseintoleranz oder anderweitige Maldigestion mit hinein. Wesentlich ist aber trotz innovativer Therapieprinzipien immer noch die Glukokortikoid-induzierte Osteoporose. Glukokortikoide führen zu einer vermehrten Expression von RANK-Ligand (RANKL) in Osteoblasten mit konsekutiver Aktivierung und Differenzierung der Osteoklasten sowie Verhinderung der Apoptose. Dieses resultiert letztlich in einer gesteigerten Knochenresorption. Gleichzeitig ist die Osteoblastogenese gehemmt und deren verfrühte Apoptose induziert, was einen verminderten Knochenanbau bedingt. Weiterhin beeinträchtigen Steroide die Sexualhormone, die am Knochenaufbau beteiligt sind, auf der hypothalamisch-
16.3 Fazit
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333
hypophysär-gonadalen Achse, und führen über eine renale Exkretion und verminderte enterale Resorption zu einer negativen Kalziumbilanz.
16.2.3 Diagnostik und Therapie Basistherapie zur Osteoporoseprophylaxe sollte der frühzeitige Einsatz von Vitamin D und Kalzium sein. Bei einer Glukokortikoidtherapie sollten prophylaktisch Vitamin D3 (400–1.200 IE/Tag) und Kalzium (1000–1500 mg/Tag) verabreicht werden. Bedacht werden sollte, dass selbst unter langfristiger Einnahme eines niedrigdosierten Steroids wie auch topisch wirksamen Glukokortikoids (z. B. Budesonid) eine Osteopenie in Erscheinung treten kann. Standard zum Nachweis einer Osteoporose ist die Densitometrie (Dual-energy-Xray-Absorptiometrie – DXA). Sollte eine dauerhaft angelegte Steroidtherapie erfolgen (≥ 7,5 mg Prednisolonäquivalent über > 3 Monate) und der T-Score < –1,5 an der LWS liegen oder eine Osteoporose bereits manifest sein (z. B. Fraktur) wäre eine Behandlung mit einem Bisphosphonat zusätzlich angezeigt (z. B. zyklisch Etidronat 400 mg/Tag für 14 Tage, gefolgt von 76 Tagen Kalzium in einer Dosis von mindestens 500 mg/Tag oder dauerhaft Risedronat 5 mg/Tag). Eine wöchentliche Gabe ist dabei alternativ möglich (z. B. Risedronat 30 mg 1-mal/Woche). Bei Steroiddosen < 7,5 mg Prednisolonäquivalent über mehr als 3 Monate sind die T-Werte altersentsprechend in Abhängigkeit vom Vorliegen weiterer Risikofaktoren anzupassen. Genau genommen gelten diese Empfehlungen für postmenopausale Frauen, für prämenopausale Frauen und Männer ist die Verabreichung von Bisphosphonaten als „off-label“ einzustufen. Sollte der T-Score > –1,5 liegen, ist eine densitometrische Kontrolle nach 6–12 Monaten unter Wahrung der prophylaktischen Maßnahmen ausreichend. Bei entsprechender Notwendigkeit sollte die Therapie über einen Zeitraum von 2–3 Jahren beibehalten werden und sich zunächst nach der Knochendichte richten. Letztere dient auch als Verlaufsparameter, eine Kontrolle ist frühestens nach 1 Jahr angezeigt. Diese Empfehlungen spiegeln im Wesentlichen die Empfehlungen des Dachverbandes Osteologie von 2006 wider [23], auf andere Empfehlungen zur Anhebung der Knochendichte bei CED sei verwiesen [24].
16.3 Fazit Osteopenie ist bei CED häufig. Die Summation von Therapie und Krankheit steigert das Risiko für eine Osteoporose.
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Daniel Baumgart und Sandra Philipp
17 Hautmanifestationen und sekundäre Manifestationen Hautmanifestationen sind bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) nicht selten und wurden in zwei aktuellen Untersuchungen bei 5,8 bzw. 14 der Patienten berichtet [1, 2]. In der Literatur finden sich Häufigkeitsangaben zwischen 4,4 % und 23 % für M. Crohn (MC) bzw. zwischen 1,3 % und 19 % für Colitis ulcerosa (CU) [3, 4]. Kutane Manifestationen bei CED umfassen ein großes Spektrum an unterschiedlichen Hautveränderungen, die man in vier Gruppen einteilen kann [3, 5–7].
17.1 Spezifische Hautveränderungen Spezifische Hautveränderungen weisen pathogenetisch weitgehend identische Entzündungsmechanismen wie im Darm [8, 9] auf, histologisch zeigt sich dies in einer granulomatösen Entzündung in der Dermis. Sie finden sich nur beim MC (transmurale Entzündung), weil sich die Entzündung bei der CU auf die Darmschleimhaut beschränkt. Dazu zählen perianale sowie peristomale Fissuren, Fisteln und Ulzerationen, oraler MC und metastatischer MC [10].
Ein perianaler M. Crohn ist nicht selten. In einer aktuellen großen Studie fand sich bei 30,4 % der Patienten eine perianale Beteiligung [11]. Typisch sind perianale Abszesse, Fissuren, Fisteln, Ulzerationen und ödematöse Marisken. Bei ca. 5 % der Patienten können die kutanen Läsionen auch vor den Darmbeschwerden auftreten. Ein oraler M. Crohn findet sich bei ca. 8–9 % der Patienten [3, 10], er kann sich als Lippenschwellung mit Fissuren, in retikulären weißlichen Schleimhauttaschen, Gingiva- und Mukosaschwellung mit und ohne Ulzerationen und als typisches „Pflasterstein“-Muster (geschwollene Wangenschleimhaut mit Fissuren, Furchen und hyperplastischen Arealen) präsentieren. Oft machen die oralen Veränderungen keine Beschwerden, sie können aber auch schmerzhaft sein und dann zu Problemen beim Essen und Sprechen führen. Neben der Behandlung der Grunderkrankung können topische Glukokortikoide oder Lidocain zur Schmerzreduktion zur Anwendung kommen [12]. Eine Verbindung von orofazialer Granulomatose (OFG, granulomatöse Schwellung von Lippen, Wangen, Gesicht mit mukosalen Fissuren und Ulzerationen, Abb. 17.1 (b) und (c)) und MC wird kontrovers diskutiert. In einer Fallserie wurde berichtet, dass 4 von 6 Kindern mit OFG im Verlauf einen MC entwickelten [12]. Aktuelle Daten legen verschiedene Entitäten nahe: oraler MC mit intestinaler Beteiligung, OFG mit subklinischen endoskopischen gastrointestinalen Veränderungen bzw. ohne
https://doi.org/10.1515/9783110492682-018
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gastrointestinale Beteiligung. Jedoch sollte man bei Kindern mit OFG an das Auftreten eines MC im Verlauf denken und je nach Symptomen eine weiterführende Diagnostik in Betracht ziehen [13]. Ein metastatischer M. Crohn (MMC, Abb. 17.1 (a)) äußert sich in Form solitärer oder disseminierter Knoten, Plaques und Ulzerationen v. a. an den Extremitäten, bei Kindern auch genital, kann aber prinzipiell überall am Körper auftreten. In der Literatur gibt es nur ca. 100 Fallbeschreibungen, allerdings wird die Inzidenz wahrscheinlich unterschätzt, weil es aufgrund des variablen und unspezifischen klinischen Bildes zu Fehldiagnosen kommen kann. Kurtzman et al. empfehlen deshalb, dass bei Patienten mit MC, v. a. bei Kolonbeteiligung, jede persistierende oder ungewöhnliche Hautläsion zur Diagnosesicherung bioptiert werden sollte. Aufgrund des seltenen Auftretens gibt es bisher keine Standardtherapie, abhängig von Lokalisation und Anzahl der Läsionen können topisch Glukokortikoide und Tacrolimus sowie systemisch Metronidazol, Glukokortikoide oder andere Immunsuppressiva wie Azathioprin, Methotrexat, Ciclosporin und TNF-α-Inhibitoren angewendet werden [14].
17.2 Reaktive Dermatosen Reaktive Dermatosen finden sich bei MC und CU. Sie werden durch die Darmerkrankung induziert, möglicherweise durch gemeinsame Antigene von Darmmukosa (Bakterien) und Haut [7]. Ihr Auftreten korreliert häufig mit der Aktivität des Darms. Dazu gehören das Erythema nodosum, die aphthöse Stomatitis und neutrophile Dermatosen wie das Pyoderma gangraenosum, die Pyostomatitis vegetans oder das Sweet-Syndrom.
Das Erythema nodosum (EN) (Abb. 17.2 (a)) ist die häufigste kutane extraintestinale Manifestation bei CED und wird bei CU in 3–10 % und bei MC in 4–15 % der Fälle berichtet. Die Erkrankung tritt v. a. bei jungen Frauen zwischen 25 und 40 Jahren auf. Typischerweise kommt es zu druckschmerzhaften rötlich-lividen subkutanen Knoten, v. a. an den unteren Extremitäten, seltener an Armen oder Rumpf. Assoziierte Symptome wie Fieber, Schüttelfrost oder Arthralgien können auftreten. Man nimmt an, dass es sich beim EN um eine verzögerte Hypersensitivitätsreaktion handelt, die außer mit CED auch assoziiert mit Infektionen (z. B. Streptokokken), Sarkoidose, Schwangerschaft, Medikamenten (Antikonzeptiva) oder Malignomen auftreten kann. Histologisch zeigt sich eine septale Pannikulitis. Das Auftreten eines EN spiegelt i. A. die Aktivität der CED wieder. Die Behandlung besteht deshalb neben symptomatischen Maßnahmen v. a. in der Therapie der Grunderkrankung [10]. Das Pyoderma gangraenosum (PG) (Abb. 17.2 (b)) ist eine neutrophile Dermatose, die bei ca. 0,6–2,2 % der Patienten mit CED auftritt, in einigen Studien liegt die Häufigkeit bei CU deutlich höher als bei MC [3]. Das PG beginnt oft nach einem Trauma mit einer kleinen Papel oder Pustel und bildet dann sich schnell vergrößernde schmerzhafte
17.2 Reaktive Dermatosen | 339
(a)
(b)
(c)
(d)
Abb. 17.1: (a) 45-jähriger Mann mit MC seit 16 Jahren, schmerzhafte flache Knoten, Erosionen am Unterschenkel, metastatischer M. Crohn. (b) und (c) 21-jähriger Mann, MC-Kolon, schmerzhafte Ulzerationen der Mundschleimhaut, Stomatitis aphthosa. (d): 39-jähriger Mann mit orofazialer Granulomatose, persistierende Schwellung der Unterlippe seit ca. 1 Jahr, Z.n. 2x Trigeminusneuralgie.
340 | 17 Hautmanifestationen und sekundäre Manifestationen
(a)
(b)
(c)
Abb. 17.2: (a): 16-jährige Frau mit erythematösen, lividen schmerzhaften Knoten an den Unterschenkeln, Erythema nodosum. (b): 76-jähriger Mann mit schmerzhaftem Ulkus am linken Unterschenkel, Pyoderma gangraenosum. (c): 30-jährige Frau mit schmerzhaften Knoten, Abszessen anogenital und inguinal, Acne inversa.
Ulzera mit typischem entzündlichem (violettem) unterminiertem Randsaum. Das PG ist i. A. eine Ausschlussdiagnose. Die Histologie (Ödem, massive Infiltrate von Neutrophilen, Thrombosierung kleiner und mittlerer Gefäße, Nekrosezonen) ist nicht spezifisch, kann aber andere Ursachen wie Infektionen, Vaskulitiden, Malignome ausschließen. Bei Patienten mit CED gibt es zwei Sonderformen, das peristomale PG nach Abdominalchirurgie (Ileostoma, Kolostoma) und das sog. pustulöse PG, assoziiert mit aktiver CED. Klinisch sieht man multiple sterile Pusteln mit rotem Hof, oft symmetrisch und mit Fieber oder Arthralgien kombiniert [15]. Bei kleinem lokalisiertem PG kann neben einer adäquaten Wundversorgung und Schmerztherapie eine topische Therapie mit Glukokortikoiden oder Tacrolimus erfolgreich sein, bei aktiver CED, rezidivierendem oder großflächigem PG ist jedoch eine frühzeitige systemische Therapie mit TNF-Inhibitoren, Glukokortikoiden, Ciclosporin oder anderen Immunsuppressiva notwendig. Bei Patienten mit CU kann in schweren Fällen eine Kolektomie erwägt werden, allerdings korreliert die Aktivität des PG nicht immer mit der Aktivität der Darmerkrankung [3, 15]. Die Pyostomatitis vegetans wird von einigen Autoren als orales PG betrachtet. Hier zeigen sich pustulöse und/oder ulzerierte Läsionen, die sich zu vegetierenden Manifestationen entwickeln, v. a. im Mund [16]. Das Sweet-Syndrom tritt meist im Rahmen einer zugrunde liegenden Erkrankung auf, z. B. Infektion, Malignom oder CED. Die Inzidenz bei CED ist im Vergleich zum PG deutlich niedriger, häufiger bei MC und bei Frauen, auch ist es häufig mit der Aktivität korreliert. Charakteristisch sind ein abrupter Beginn mit Fieber, peripherer Neutrophilie, und das Auftreten druckschmerzhafter erythematöser Plaques und Kno-
17.3 Assoziierte entzündliche Hauterkrankungen | 341
ten, die meist im Bereich des Gesichts, Halses und der oberen Extremität lokalisiert sind [16]. Aphten (Abb. 17.1 (b) und (c)) sind runde bis ovale schmerzhafte Ulzera mit gelblicher oder grauer Basis und einem rötlichen Randsaum, die typischerweise an Wangen oder Lippen lokalisiert sind. Sie finden sich häufig bei Patienten mit CED; in einer Schweizer Untersuchung litten 10 % der Patienten mit MC und 4 % mit CU an oralen Aphten [17]. Sie sind nicht spezifisch für CED, sondern können auch bei anderen Erkrankungen (z. B. Behçet) und in bis zu 20–25 % der normalen Bevölkerung auftreten [12]. Meist reicht die Therapie der Grunderkrankung. Zur Schmerzreduktion können topisch Lidocain und Glukokortikoide eingesetzt werden. Systemische Glukokortikoide sollten therapierefraktären Fällen vorbehalten bleiben [12].
17.3 Assoziierte entzündliche Hauterkrankungen Assoziierte entzündliche Hauterkrankungen treten unabhängig von den Entzündungsprozessen im Darm auf, kommen aber im Vergleich zur Gesamtbevölkerung bei betroffenen Patienten gehäuft vor. Möglicherweise reflektiert dies eine erhöhte Empfänglichkeit für Autoimmunogenität. Beispiele sind Psoriasis, Vitiligo, Acne inversa, Epidermiolysis bullosa aquisita, Alopecia areata, leukozytoklastische Vaskulitis oder Lupus erythematodes.
Die Psoriasis ist eine chronisch entzündliche Hauterkrankung mit einer Prävalenz von 2–3 % in der Bevölkerung. Am häufigsten ist die Plaque-Psoriasis (Abb. 17.3 (a), (c), (d)) mit typischen scharf begrenzten schuppenden erythematösen Plaques an Kopf, sakral, perianal und an den Streckseiten der Extremitäten. Es gibt als Unterformen die Psoriasis guttata mit kleineren „tropfenförmigen“ Läsionen v. a. nach Infektionen, die intertriginöse Psoriasis mit erythematösen mazerierten Plaques submammär, inguinal und in großen Hautfalten sowie pustulöse Formen palmoplantar (Abb. 17.3 (b)) oder generalisiert. Zwei ältere Studien zeigen eine Assoziation von Psoriasis und CED. Die Prävalenz der Psoriasis lag bei MC mit 11,2 % und bei CU mit 5,7 % deutlich höher als in der Kontrollgruppe mit 1,5 % bzw. bei Patienten mit MC bei 9,6 % vs. 2,2 % [18, 19]. Genetische Marker, die mit beiden Erkrankungen verknüpft sind, wurden auf den Chromosomen 16, 6, 4 und 3 identifiziert, auch teilen sie gemeinsame pathogenetische Muster (überschießende Aktivierung von Th1-Lymphozyten, wichtige Rolle von TNF-α, sowie Th-17-Zellen) [10]. Therapeutisch werden topische Glukokortokoide, Vitamin-D-Analoga und salicylhaltige Externa, Ultraviolett-Phototherapie sowie systemisch Methotrexat, Retinoide, Ciclosporin A, TNF-Inhibitoren, IL-12-/-23(p40)Inhibitoren (Ustekinumab) und Anti-IL-17-Antikörper (Secukinumab, Ixekizumab) eingesetzt. Die Acne inversa (Hidradenitis suppurativa) (Abb. 17.2 (c)) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Haarfollikels, die meist nach der Pubertät beginnt und mit schmerzhaften Knoten, Abszessen und Fisteln in Arealen mit apokrinen
342 | 17 Hautmanifestationen und sekundäre Manifestationen
(a)
(b)
(c)
(d)
Abb. 17.3: 66-jährige Frau mit CED und Therapie mit TNF-Inhibitor. (a): Psoriasis capitis; (b): palmoplantare pustulöse Psoriasis; (c): Plaque-Psoriasis in Abdominalfalte; (d): Plaque-Psoriasis peristomal.
Schweißdrüsen, v. a. Axillen, inguinal und anogenital, einhergeht [20]. Rauchen ist einer der wichtigsten Risikofaktoren von Acne inversa und CED. In einer gepoolten Analyse von vier Studien ergab sich bei Patienten mit CED eine Prävalenz für Acne inversa von 12,8 % (95%-Cl: 11,7–13,9 %), Läsionen fanden sich bei 17,3 % (95%-CI: 15,5–19,1 %) der Patienten mit MC und bei 8,5 % (95%-CI: 7,0–9,9 %) der Patienten mit CU [21]. Therapeutisch werden topisches Clindamycin, systemisch Clindamycin kombiniert mit Rifampicin und Adalimumab eingesetzt sowie chirurgische lokale bis großflächige Exzisionen [20]. Die Epidermiolysis bullosa aquisita (EBA) wurde in Fallberichten ebenfalls mit CED assoziiert, man vermutet einen Zusammenhang mit dem Ankerfilament (NC1Domäne vom Typ-7-Kollagen), das das Zielantigen für die Antikörper bei der EBA darstellt und auch intestinal exprimiert wird. Die EBA führt zur Bildung subepidermaler Blasen mit folgender Vernarbung an leicht verletzlichen Arealen wie Händen, Füßen, Knien oder Ellenbogen [3].
17.4 Sekundäre Hautveränderungen (a) Malnutrition oder Malabsorption können Ursache sekundärer kutaner Manifestationen einer CED sein, wie z. B. Purpura/Hämorrhagien (Vitamin-K-/-CMangel), Cheilitis/Mundwinkelrhagaden (Vitamin-B-, Vitamin-C- und Biotinmangel), Haar- und Nagelveränderungen (u. a. Vitamin-C-, Biotinmangel) oder
17.5 Fazit
(a)
(b)
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(c)
Abb. 17.4: (a): 23-jährige Frau mit MC, Exazerbation eines Ekzems unter Therapie mit Infliximab. (b): 22-jährige Frau mit MC, Ekzem unter Therapie mit Adalimumab. (c): 27-jährige Frau mit superinfiziertem Ekzem retroaurikulär unter Therapie mit Infliximab.
Glossitis (Vitamin-B2, 3, 6, 9, 12 -, Biotin- oder Eisenmangel). Am häufigsten ist die Acrodermatitis enterohepatica bei Zinkmangel, die sich in erosiven, krustig belegten scharf begrenzten erythematösen Makeln, Vesikeln oder Pusteln perioral oder perianal sowie an den Extremitäten zeigt [6, 7]. Durch medikamentöse Therapien der CED können kutane Manifestationen in Form von Arzneimittelexanthemen, neutrophilen Dermatosen, immunvermittelten Komplikationen wie Psoriasis oder Ekzeme sowie ein arzneimittelinduzierter Lupus erythematodes ausgelöst werden.
(b) Hier kann man ggf. auch die durch die Therapie induzierten Hautinfektionen oder Hauttumoren hinzurechnen. Eine Auswahl der Medikamente mit den entsprechenden kutanen Manifestationen ist zur besseren Übersicht in Tabellenform dargestellt (Tab. 17.1).
17.5 Fazit Zusammenfassend sind kutane Manifestationen bei CED häufig und vielfältig, sodass die interdisziplinäre Zusammenarbeit wichtig ist, um eine optimale Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Bei den meisten extraintestinalen Manifestationen steht sicherlich die Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund, jedoch kann der Dermatologe sowohl zur Diagnosestellung beitragen (z. B. metastatischer M. Crohn oder Pyoderma gangraenosum) als auch die Behandlung symptomatisch unterstützen. Bei Hautveränderungen, die sich unter Therapie entwickeln, ist die korrekte Diagnose sehr wichtig, denn nicht immer muss die Therapie der Grunderkrankung umgestellt wer-
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Tab. 17.1: Auswahl dermatologischer Manifestationen unter medikamentösen CED-Therapien CED = chronisch entzündliche Darmerkrankung, MC = Morbus Crohn, CU = Colitis ulcerosa), NMSC = Non-Melanoma-Skin-Cancer, MM = malignes Melanom, HV = Hautveränderungen, GC = Glukokortikoide. Medikament Hautmanifestation
Behandlung/Empfehlung
TNFInhibitoren
Paradoxe Hautveränderungen – Psoriasis (Abb. 17.3 A–D): In einer aktuellen großen Studie in Spanien wurde eine Psoriasis-Inzidenzrate bei CED-Patienten unter Anti-TNFTherapie von 0,5 %/Patientenjahr (95%-CI: 0,4–0,6) ermittelt, die kumulative Inzidenzrate lag im 1. Jahr bei 1 %, bei 2,5 % nach 5 Jahren und bei 4,5 % nach 10 Jahren [22]. Andere berichten über psoriasiforme Hautveränderungen bei 2 % der Patienten in einem Zeitraum von 5 Jahren [23], bei 4,8 % in 1,75 Jahren [24] bzw. 12 % innerhalb von 1 Jahr [25]. – Am häufigsten zeigte sich eine palmoplantare Lokalisation, gefolgt von Kopf und Extremitäten, alle Subtypen der Psoriasis waren dabei, mit 34 % war die palmoplantare pustulöse Psoriasis jedoch am häufigsten [22].
– Die Behandlung der Psoriasis mit topischen Glukokortikoiden war bei einem Großteil der Patienten ausreichend wirksam. – Bei 37 % musste die Anti-TNF-Therapie beendet werden [22], bei Rahier et al. waren es 40 % [23]. – Bei Patienten mit Switch des TNFInhibitors zeigten 60 % ein erneutes Auftreten von Psoriasis-Läsionen, sodass ein Switch auf einen anderen TNF-Inhibitor evtl. eine Option für Patienten mit milder Psoriasis darstellt [22]. – 6 von 8 Patienten, die auf Ustekinumab umgestellt wurden zeigten ein gutes Ansprechen [22]. Tillack et al. berichten über 7 erfolgreich auf Ustekinumab umgestellte Patienten [24]. – Ustekinumab kann eine Option bei schwerer Psoriasis unter Anti-TNFTherapie sein, größere Studien fehlen jedoch noch. – Ein einzelner Fallbericht beschreibt bei Psoriasis unter Anti-TNF-Therapie eine erfolgreiche Umstellung auf Vedolizumab [26]. – Eine Kombination mit MTX zeigte sich nicht sehr erfolgreich zur Therapie paradoxer Psoriasis bei CED [27].
Ekzematöse Hautveränderungen – (Abb. 17.4 (a)–(c) fanden sich bei ca. 2 % der Patienten [23, 24, 28], in einer weiteren Untersuchung entwickelten 9 von 50 Patienten ein Ekzem [25]. Seltener beschriebene Hautveränderungen unter Anti-TNF-Therapie sind z. B. Granuloma anulare, Lichen ruber, Alopecia areata, Vitiligo [29].
– Ekzematöse Hautveränderungen sind häufig gut topisch behandelbar [23, 28].
Weisenseel et al. [29] schlagen vor, bei milden Formen von Ekzemen, Granuloma anulare, Lichen ruber, Alopecia areata, Vitiligo etc. zunächst eine topische Therapie einzuleiten, falls keine Besserung eintritt, Eskalation zu systemischer Therapie, dann Therapiewechsel.
17.5 Fazit
| 345
Tab. 17.1: (fortgesetzt) Medikament
Hautmanifestation
Behandlung/Empfehlung
TNFInhibitoren
Selten können unter Anti-TNF-Therapie auch Vaskulitiden, bullöse Dermatosen, generalisierte pustulöse Psoriasis (GPP), Lupus-like-Syndrome auftreten [29].
CAVE: Bei generalisierter pustulöser Psoriasis, Blasenbildung, Vaskulitis oder Lupus-like-Syndrom Stopp der Anti-TNFTherapie und Start einer Behandlung [29]. → Prävention: Sonnenschutz (Sonnencreme, textiler Sonnenschutz) Jährliches Hautkrebs-Screening für Patienten, die mit Anti-TNF-Inhibitoren behandelt werden.
Erhöhtes Risiko für Hauttumore? – Literatur z. T. widersprüchlich: Daten aus Kanada konnten kein erhöhtes Risiko für NMSC oder MM nachweisen [30], die FDA-Datenbank zeigte jedoch ein erhöhtes Risiko für NMSC oder MM bei Patienten unter Anti-TNF-Monotherapie oder in Kombination mit Thiopurinen [31]. Azathioprin (Thiopurine)
Erhöhtes Risiko für Hauttumore – Daten aus Kanada, Holland, Frankreich und eine Metaanalyse sprechen für ein erhöhtes Risiko von NMSC bei Thiopurinen [30, 32–34].
→ Prävention: Sonnenschutz (Sonnencreme, textiler Sonnenschutz) Jährliches Hautkrebs-Screening für Patienten, die mit Thiopurinen behandelt werden.
TNFInhibitoren
Es gibt nur wenige publizierte Daten zu Hautinfektionen bei CED unter AntiTNF-Therapie. Freling et al. berichten über eine kumulative Inzidenz kutaner Infektionen von 1,1 % nach 1 Jahr, 6,4 % nach 5 Jahren und 17,6 % nach 10 Jahren, am häufigsten bakterielle Infektionen 60 % (Follikulitis/Furunkel, nasale Staphylokokkeninfektion je ca. 20 %), Pilzinfektionen 24,5 % (seborrhoische Dermatitis 11,1 %, Dermatophyteninfektion 9 %), virale Infektionen 13,3 % (Warzen 7,8 %, Herpes zoster, Herpes simplex je 2,2 %) [28].
Behandlung meist topisch (71,1 %), systemisch bei 29,9 %, bei 91,2 % keine Änderung der Anti-TNF-Therapie notwendig.
Vedolizumab
Hautveränderungen unter Vedolizumab: – am häufigsten Akne. – Bei n = 97 MC- und 115 CU-Patienten zeigten n = 15 Akne, n = 2 Xerosis, n = 2 Ausschlag, n = 2 Herpes labialis, n = 2 AGEP und n = 1 Juckreiz) [35].
Bisher keine Angaben über Therapie der kutanen Manifestationen publiziert.
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den – v. a. nicht, wenn diese eine gute Wirkung auf die Darmsymptomatik zeigt. In vielen Fällen kann durch die dermatologische Behandlung die Therapie fortgeführt werden. Ausnahmen sind schwere ausgeprägte, therapieresistente immunvermittelte Komplikationen, ein arzneimittelinduzierter Lupus erythematodes, blasenbildende Hauterkrankungen oder Vaskulitiden. Und nicht vergessen werden sollte das jährliche Hautkrebs-Screening zur frühen Erkennung von möglichen Hauttumoren unter Therapie mit Azathioprin oder TNF-Inhibitoren.
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Tanja Kühbacher
18 Augenmanifestationen Extraintestinale Manifestationen können bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) auch die Augen betreffen. Patienten sind oft sehr erstaunt, wenn der Arzt/die Ärztin sie bereits bei Eintritt ins Behandlungszimmer auf einen Entzündungsschub der CED anspricht und äußert, dass dies an den Augen ablesbar sei. Augenmanifestationen gehen häufiger mit einer erhöhten Entzündungsaktivität der CED-Patienten einher. Darum ist die beste Therapie eine suffiziente Behandlung der zugrunde liegenden CED. Das Spektrum der entzündlichen Manifestationen am Auge kann von einer harmlosen Episkleritis bis zur Augenlicht-gefährdenden Uveitis reichen. Deshalb ist eine interdisziplinäre Behandlung mit einem Ophthalmologen unabdingbar. Die Pathogenese der okulären Manifestationen ist noch unklar. Eine genetische Veranlagung und die gestörte Barrierefunktion der Mukosa bei CED scheinen verantwortlich zu sein für Mechanismen wie zirkulierende Antigen-Antikörper-Komplexe, die sowohl mit der extraintestinalen Manifestation als auch dem Darm korrespondieren [1, 2]. Okuläre Manifestationen sind seltener beschrieben als Gelenk- oder hepatobiliäre Manifestationen. In der Literatur finden sie sich eher bei M. Crohn (3,5–6,3 %) als bei Colitis ulcerosa (1,6–4,6 %) und häufiger bei Patienten, die ebenfalls eine Gelenkbeteiligung aufweisen (bis zu 33 % erhöhtes Risiko) und bei denen eine Entzündung im Kolon und Ileum nachzuweisen ist. Die Inzidenz schwankt je nach Literatur von 4– 10 % [1–5]. Extraintestinale Manifestationen am Auge sind zu unterscheiden von sekundären Augenerkrankungen, die als Komplikationen bei CED-Patienten durch Mangelerscheinungen oder als Nebenwirkungen von Medikamenten auftreten [1, 2]. Solche sekundären Augenerkrankungen sind z. B. Katarakt durch Steroide, Keratoconjunctivitis sicca durch Vitamin-A-Mangel oder als Nebenwirkung von Medikamenten wie z. B. Biologika oder auch Konjunktivitis oder Skleritis verursacht durch Viren oder Bakterien aufgrund von Immunsuppression [1–3, 5]. Bei CED-Patienten werden folgende Augenmanifestationen nachgewiesen: Episkleritis, Skleritis, Keratitis, anteriore Uveitis (Iritis, Iridozyklitis), Retinitis, Neuritis der Nervi optici, Inflammation der Orbita und vasculäre Verschlüsse der Retina [1]. Am zahlreichsten werden die Episkleritis und die anteriore Uveitis bei CED-Patienten beschrieben.
Die Episkleritis ist eine Entzündung der Bindegewebsschicht unterhalb der Sklera. Sie ist von allen Augenmanifestationen die, die am häufigsten bei CED-Patienten diagno-
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350 | 18 Augenmanifestationen
stiziert werden kann und ist in der Regel assoziiert mit einer aktiven CED. Symptome sind eine erhöhte Gefäßinjektion, die diffus oder in Sektoren auftreten kann. Ein oder auch beide Augen können betroffen sein. Die Patienten beschreiben, dass sich die Augen schmerzhaft und sehr drucksensibel anfühlen. Ein Visusverlust geht nicht mit einer Episkleritis einher. Es findet sich auch keine anormale Pupillenreaktion. Die Therapie ist die Behandlung der CED. Häufig ist die Episkleritis selbstlimitierend. Je nach Schweregrad erfolgt eine Behandlung mit künstlichen Tränen oder in schwereren Verläufen die topische Therapie mit NSAR oder Steroiden [1, 6, 7]. Von der Episkleritis ist die Skleritis zu unterscheiden. Diese kommt sehr viel seltener bei CED-Patienten vor und kann auch unabhängig vom aktiven Krankheitsverlauf der CED auftreten. Die betroffenen Patienten äußern sehr starke Schmerzen. Es finden sich massivere Gefäßinjektionen. Die Sklera kann bläulich oder violett imponieren. Unbehandelt kann die Sklera ausdünnen und perforieren. Die Therapie muss immer systemisch mit Steroiden oder einer immunsuppressiven/immunmodulatorischen Therapie (z. B. Azathioprin, Biologika) erfolgen [1, 6–8]. Hornhauterkrankungen wie eine epitheliale Infiltration der Hornhaut oder subepitheliale Infiltrationen finden sich selten bei CED-Patienten. Die Patienten beschreiben Augenschmerzen und nur in wenigen Einzelfällen eine verminderte Sicht. Eine systemische Therapie der CED, häufig mit Immunsuppressiva, ist notwendig [1]. Die anteriore Uveitis (Iritis oder Iridozyklitis) ist eine sehr schwerwiegende Augenmanifestation, die unabhängig von der Entzündungsaktivität der CED auftreten und bei nicht ausreichender Behandlung zur Erblindung führen kann. Bei der anterioren Uveitis ist die vordere Kammer entzündlich verändert. Die Patienten berichten über starke Augenschmerzen, Kopfschmerzen, eine verschwommene Sicht und hohe Lichtempfindlichkeit. In der Literatur ist eine Assoziation mit Erythema nodosum, Arthralgien, M. Crohn und Sakroiliitis beschrieben. Häufig findet sich ein positiver HLA-B27-Status. Ältere Patienten, über 40 Jahre, sind mehr betroffen. Die Uveitis imponiert bilateral und symmetrisch. In der Untersuchung mit der Spaltlampe ist häufig das typische perilimbische Ödem zu sehen. Andere Formen der Uveitis sind die intermediäre Uveitis (Inflammation im Glaskörper), die posteriore Uveitis (Inflammation in der Retina und Aderhaut) und die Panuveitis (Inflammation in vorderer Augenkammer, Glaskörper, Retina und Aderhaut). Therapiert wird mit topischen Steroiden, systemischen Steroiden, Immunsuppressiva (Ciclosporin A) und Biologika [1, 2, 6–8].
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Tanja Kühbacher
19 Hepatobiliäre Manifestationen
Im engeren Sinne sind hepatobiliäre Manifestationen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) besser als Komorbiditäten bzw. mit CED assoziierte Erkrankungen zu verstehen. Zu diesen zählen die Cholelithiasis, Autoimmunhepatitis, primär sklerosierende Cholangitis (PSC), primär biliäre Zirrhose (PBC), das Overlap-Syndrom (Autoimmunhepatitis und PSC), die Granulomatose der Leber, nichtalkoholische Fettleber, Amyloidose der Leber und der Leberabszess [1–3].
Davon unterschieden werden müssen die medikamenteninduzierten hepatobiliären Manifestationen, die in diesem Kapitel nicht erörtert werden. Insgesamt werden bei 11–50 % der CED-Patienten im Verlauf der Erkrankung Auffälligkeiten der biochemischen Leberparameter festgestellt. Generell gilt, alle Erhöhungen von Transaminasen und Cholestaseparametern müssen abgeklärt werden. Dabei muss immer eine komplette Abklärung gemäß der Diagnostik unklarer Leberwerterhöhungen bzw. erhöhter Cholestaseparameter durchgeführt werden. Dazu gehören die Bestimmung der Hepatitisserologie, die Autoantikörperdiagnostik, Serologie der hepatotrophen Viren und eine apparative Diagnostik mit Sonografie, Endosonografie, MRCP ggf. ERCP und ggf. Leberbiopsie. Allerdings sollte immer auch eine ausführliche Anamnese mit Fragen nach Medikamenten, Reisetätigkeit und Hobbys erfolgen. Die Prävalenz der Cholelithiasis ist im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung nur bei M.-Crohn-Patienten mit 11–34 % erhöht. Für die Colitis-ulcerosa-Patienten liegt die Prävalenz in der Literatur bei 4,6–36,4 %. Die Ursache für die erhöhte Gallensteinbildung ist unklar und scheint multifaktoriell zu sein. Neben der genetischen Veranlagung wird eine veränderte Zusammensetzung der Galle bei CED-Patienten und eine Malabsorption mit einem Gallensäurenverlust und einem gestörten enterohepatischen Kreislauf diskutiert. Von Relevanz für die Gallensteinentstehung sind auch die bei CED-Patienten häufigen Nahrungskarenzen und die parenterale Ernährung. M.-Crohn-Patienten mit Ileumbefall und/oder Ileozökalresektionen leiden häufiger an Gallensteinen. Diätetische Maßnahmen sind nicht ausreichend. Bei Beschwerden und Komplikationen sollte eine Cholezystektomie erfolgen [1–5]. Die Autoimmunhepatitis kommt selten eigenständig bei CED vor. Sie findet sich häufig in Kombination mit einer PSC als Overlap-Syndrom. Die Behandlung erfolgt gemäß den Therapierichtlinien zur Autoimmunhepatitis [6]. Selten sind Leberabszesse bei CED beschrieben. Diese sind dann vorhanden, wenn es zu einer bakteriellen Aussaat über die Pfortader durch die gestörte Darmbarriere kommt, oder sie sind mit Fistelbildungen assoziiert. Die Therapie wird mit Antibiotika nach Antibiogramm und Drainagen ggf. operativ durchgeführt [1, 3, 4, 7].
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354 | 19 Hepatobiliäre Manifestationen
Die PBC ist eine weniger häufige Manifestation bei CED-Patienten. In der Literatur finden sich nur einzelne Fallberichte. PBC werden meistens bei Colitis-ulcerosaPatienten mit einem jüngeren Lebensalter diagnostiziert [1, 3, 4, 7]. Die Amyloidose der Leber stellt eine sehr seltene Manifestation dar (0,9 % bei M. Crohn, 0,07 % bei Colitis ulcerosa). Die Diagnose wird mittels Leberbiopsie gestellt. Bei Patienten mit einer Hepatomegalie und CED sollte die Amyloidose als Differentialdiagnose dennoch nicht übersehen werden. Die Therapie entspricht der Therapie der CED. Mit Anti-TNF-Antikörpern wurde ein Effekt auf die Amyloidproteinwerte im Serum erreicht [1, 3, 4, 7, 8]. Die Granulomatose der Leber ist ebenfalls selten und wurde bei M.-Crohn-Patienten beschrieben. An andere entzündliche Erkrankung sollte differentialdiagnostisch gedacht werden [1, 3, 4, 7]. Die Prävalenz der nichtalkoholischen Fettlebererkrankungen liegt für Colitisulcerosa-Patienten bei 1,5–55 % und bei M.-Crohn-Patienten bei 1,5–39,5 %. Somit handelt es sich um eine häufiger zu diagnostizierende Manifestation bei CED. Als Risikofaktoren werden das metabolische Syndrom, Vorhandensein von Fistel, der Schweregrad der Darmentzündung, aber auch Mangelernährung und Eiweißverlust beschrieben. Auch hier ist die Anamnese der eingenommenen Medikamente wichtig, um einen medikamentösen Einfluss auszuschließen. Die Behandlung von Patienten mit CED und nichtalkoholischer Fettleber unterscheidet sich nicht von der Therapie, die Patienten ohne zugrunde liegende CED erhalten [1, 3, 4, 7]. Die mit Abstand am häufigsten bei CED-Patienten diagnostizierte hepatobiliäre Manifestation ist die PSC. Betroffen sind mehr Colitis-ulcerosa- als M.-CrohnPatienten. In der Literatur schwankt die Angabe der diagnostizierten PSC bei Colitis ulcerosa zwischen 2,4 und 10 % und für M. Crohn zwischen 0,7 und 3,4 %. Im Umkehrschluss liegt allerdings der prozentuale Anteil der PSC-Patienten, die auch von einer Colitis ulcerosa betroffen sind bei 70–80 %. Das bedeutet, bei Vorliegen einer PSC sollte immer auch eine CED ausgeschlossen werden. Die Genese ist noch nicht gänzlich geklärt, obgleich in den letzten Jahren durch große genomweite
a)
b)
Abb. 19.1: (a) PSC mit Gallengangsstenosen und konsekutiver Cholestase in der MRCP. (b) PSC mit Gallengangsstenosen und konsekutiver Cholestase in der ERC.
19 Hepatobiliäre Manifestationen |
355
Assoziationsstudien (GWAS) weitere neue Genloci entdeckt werden konnten, die die These einer genetischen Veranlagung verstärken. Klinische Symptome der PSC können Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Pruritus und Ikterus sein; aber zu bedenken gilt, dass 15–70 % der Patienten asymptomatisch sind. Auffallend sind initial meistens jedoch nicht die klinischen Symptome, sondern die klinisch-chemischen Laborparameter. Bei einer erhöhten alkalischen Phosphatase bei CED-Patienten sollte immer eine PSC ausgeschlossen werden. Die Transaminasen sind mit Werten unter 300 IE/l in der Regel nicht deutlich erhöht. Da die PSC eine stark progressiv verlaufende Erkrankung mit einer mittleren Überlebenszeit nach Diagnosestellung von ca. 12 Jahren (ohne Lebertransplantation) ist, sollte jeder Verdacht zügig abgeklärt werden. Das Ausbreitungsmuster der Entzündung im Kolon bei Patienten mit PSC und Colitis ulcerosa ist eher untypisch mit einem rechtsseitigen Befall. Es finden sich vermehrt Pankolitiden in 55–95 % der Fälle mit einem nichtentzündeten Rektum und eine Backwash-Ileiitis bei 20–51 % der Patienten. Meistens ist die Schwere der Entzündung dabei gering. Eine PSC verhält sich im Krankheitsverlauf unabhänigig zum Aktivitätsgrad der CED. Eine Kolektomie verhindert einen PSC-Progress nicht. Neben der gängigen Differentialdiagnostik unklarer Leberwerterhöhungen sollte zusätzlich zu einer Sonografie und Koloskopie eine MRCP durchgeführt werden (Abb. 19.1 (a)). Eine ERC sollte nur noch ergänzend zur MRCP erfolgen, wenn mittels MRCP keine klare Diagnose gestellt werden konnte und der klinische Verdacht weiterhin besteht (Abb. 19.1 (b)). Eine Leberbiopsie kann zur Diagnostik einer sogenannten „small duct PSC“ oder ergänzend zur Stadieneinteilung der PSC erfolgen, insbesondere dann, wenn der v. a. ein Overlap-Syndrom besteht. Komplikationen der PSC stellen Stenosen der Gallengänge intra- und extrahepatisch, Cholangitis, Cholezystolithiasis, Choledocholithiasis, Leberzirrhose, cholangiozelluläres Karzinom (CCC) und kolorektale Karzinome dar. Die jährliche Inzidenz für ein CCC liegt bei 1,5 %. Die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms ist für CED-Patienten mit PSC 10-fach erhöht gegenüber der Allgemeinbevölkerung. Nach einer Lebertransplantation vermindert sich das kolorektale Karzinomrisiko für Patienten mit PSC nicht. Zur Karzinomsurveillance sollten jährliche Koloskopien mit Chromoendoskopie und Stufenbiopsieentnahme erfolgen. Die Therapie der PSC: Ursodesoxycholsäure (UDC) wird in einer Dosierung von 15–20 mg/kg/Tag verabreicht, hohe Dosen sind zu vermeiden (erhöhte Mortalität in klinischen Studien gegenüber Placebo). UDC senkt die Transaminasen im Serum. Klinische Studien konnten aktuell für keine medikamentöse Therapie eine Verbesserung der Mortalität, eine Verhinderung des Auftretens eines CCC oder eine verlängerte Zeitspanne bis zu einer Lebertransplantation nachweisen. Für eine Therapie mit Anti-TNF-Antikörpern oder Vedolizumab bei PSC liegen noch keine ausreichenden Studien vor. Stenosen der Gallengänge sollten endoskopisch mittels Dilatationen und ggf. Stentimplantationen behandelt werden. Bei Stenosen ist immer mittels Bürstenzytologie ein CCC auszuschließen. Bei endoskopischen Interventionen an den Gallengängen bei PSC-Patienten ist eine antibiotische Prophylaxe durchzuführen, um Cholangitiden und Septitiden zu ver-
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hindern. Eine Lebertransplantation ist bei schweren Verläufen das letzte therapeutische Mittel. Es ist zu bedenken, dass Patienten mit der Diagnose einer PSC immer rechtzeitig an ein Transplantationszentrum angebunden werden müssen [1– 10].
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Tanja Kühbacher
20 Thromboembolische Komplikationen
Thromboembolische Komplikationen bei CED-Patienten werden häufig unterschätzt, führen aber zu einer erhöhten Morbidität und Letalität, was bei einer per se nicht erhöhten Letalität der Grunderkrankung und den häufig noch sehr jungen Patienten fatal ist.
Es besteht zudem sehr oft eine große Unsicherheit bei ambulanten Patienten eine Prophylaxe von thromboembolischen Komplikationen durchzuführen, weil bei vielen Patienten bereits eine Anämie oder Blutungen aus dem Darm vorhanden sind und eine Therapie mit Antikoagulanzien zu einer Verschlechterung der Symptome führen kann. Das Risiko für thromboembolische Komplikationen wie eine tiefe Beinvenenthrombose oder Lungenarterienembolie ist bei Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) 3-fach erhöht gegenüber dem Risiko der gesunden Bevölkerung. Das absolute Risiko ist dabei für stationäre Patienten noch weitaus größer als für ambulante Patienten mit CED (25,2/100 Personenjahre gegenüber 1,8/1.000 Personenjahre). Dieses Risiko besteht unabhängig von anderen Risikofaktoren wie Krankheitsaktivität, Immobilität, Operationen, Infektionen, Nikotinabusus, orale Kontrazeptiva oder der Gebrauch von Steroiden. Diese stellen zusätzliche Risikofaktoren dar [1–8]. Bei Patienten mit einem fistulierenden oder stenosierenden M. Crohn ist das Risiko für thromboembolische Komplikationen ebenfalls erhöht [9]. Patienten mit moderatem bis schwerem aktiven Entzündungsverlauf sind deutlich gefährdeter als Patienten in Remission. Dabei erhöht sich das Risiko eine thromboembolische Komplikation zu erleiden für Patienten mit aktivem Entzündungsverlauf, die stationär behandelt werden müssen, gegenüber den ambulanten Patienten um das 6-Fache [1–8]. Am häufigsten werden die Venenthrombose in den tiefen Beinvenen und die Lungenarterienembolie bei CED-Patienten diagnostiziert. Seltener sind zerebrovaskuläre Ereignisse, eine Milzvenenthrombose, Portalvenenthrombose oder eine Thrombose oder Embolie der Mesenterialgefäße [1–8].
Die Pathogenese für thromboembolische Komplikationen ist nicht gänzlich geklärt. Es werden verschiedene Faktoren diskutiert. Bei Patienten mit CED besteht häufig eine Hyperhomocysteinämie aufgrund eines Vitamin-B6 - und -B12 -Mangels und/oder eines Folsäuredefizits. Es besteht bei vielen CED-Patienten eine Hyperkoagulabiliät mit einer Erhöhung der Aktivitäten der Gerinnungsfaktoren II, V, VII und VIII sowie Fibrinogen. Bei 10 % der CED-Patienten https://doi.org/10.1515/9783110492682-021
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findet sich eine Hyperfibrinolyse und die Faktor-XIII-Aktivität ist erniedrigt. Des Weiteren werden Endothelläsionen durch zirkulierende Immunkomplexe und Endotoxinvermittelte intravaskuläre Gerinnung diskutiert [1, 5–8, 11]. Zudem findet sich bei ca. 9 % der CED-Patienten eine Thrombozytose über 500.000/μl, die mit einer erhöhten Entzündungsaktivität einhergeht. Die Genese dieser Thrombozytose ist noch unklar. Sie scheint eine Folge der Anämie und des Eisenmangels zu sein. Diskutiert wird ein gesteigerter Thrombozytenumsatz bei einer verminderten Thrombozytenüberlebenszeit. Werden zu diesen aktivierten Thrombozyten noch Steroide eingenommen, steigert sich das Risiko thromboembolischer Ereignisse enorm. Diese Patienten sollten eine Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin erhalten. Präoperative Risikofaktoren für die Entwicklung von thromboembolischen Komplikationen sind Malnutrition, Anämie und zentrale Venenkatheter bei CED-Patienten und sollten, wenn möglich, behandelt oder vermieden werden [1, 5–8, 11].
CED-Patienten ohne eine schwere Blutung, die stationär aufgrund eines akuten Schubes oder einer anderen als der Grunderkrankung behandelt werden, sollten eine Thromboseprophylaxe erhalten. Die Prophylaxe kann mit niedermolekularem Heparin, „low dose“-Heparin oder Fondaparinux durchgeführt werden. Die Prophylaxe sollte bei CED-Patienten nach Operationen und aktiver Entzündung auch nach Krankenhausentlassung vorerst fortgeführt werden [1, 9–11]. Eine grundsätzliche Thromboseprophylaxe bei ambulanten Patienten im akuten Schub ohne Risikofaktoren oder Thrombozytose unter 500.000/μl wird derzeit nicht empfohlen [1, 11]. Wird bei CED-Patienten eine tiefe Beinvenenthrombose und/oder Lungenarterienembolie oder ein anderes thromboembolisches Ereignis diagnostiziert, erfolgt die Therapie gemäß den aktuellen hämostaseologischen Leitlinien. Eine Ausnahme stellt die Lysetherapie dar, die nicht bei schwerer, florider, blutender CED durchgeführt werden sollte [1, 9–11]. Eine Antikoagulation aufgrund von thromboembolischen Komplikationen sollte mindestens über 3 Monate erfolgen, danach sollte eine Re-Evaluation der Notwendigkeit der Antikoagulation erfolgen, wenn keine genetischen Risikofaktoren vorliegen [1, 9, 11]. Eine Antikoagulation kann mit niedermolekularen Heparinen, Vitamin-K-Antagonisten und oralen Non-Vitamin-K-Antagonisten erfolgen. Zu bedenken ist, dass eine gleichzeitige Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten und Thiopurinen zu einer herabgesetzten Wirksamkeit des Vitamin-K-Antagonisten führt [1, 9, 11]. Eine gute Entzündungskontrolle der CED ist immer anzustreben. Diese vermindert das thromboembolische Risiko von CED-Patienten.
Literatur
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So konnten z. B. Untersuchungen zeigen, dass eine Behandlung mit Anti-TNF-Antikörpern Koagulationsbiomarker reduziert und die Fibrinolyse aktiviert [8–11].
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Thomas Greuter und Stephan R. Vavricka
21 Anämie 21.1 Anämie als extraintestinale Manifestation bei CED Extraintestinale Manifestationen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sind mit einer Prävalenz von 6–47 % häufig und haben einen relevanten Einfluss auf Morbidität und Mortalität [1]. Neben den klassischen extraintestinalen Manifestationen, die Gelenke (Arthritis, Spondylarthropathie), Haut (Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum), Augen (Uveitis, Episkleritis) und Gallengänge (primär sklerosierende Cholangitis) betreffen, zählen zum weitergefassten Begriff der extraintestinalen Manifestationen auch Osteoporose/Osteopenie, Amyloidose und Anämie. Bei der Anämie handelt es sich dabei – obwohl oft verkannt – um die häufigste systemische Komplikation und somit extraintestinale Manifestation bei M. Crohn und Colitis ulcerosa. Die Prävalenz beläuft sich je nach Studie auf 9–74 % [2]. Meist verläuft eine Anämie asymptomatisch oder unspezifisch. Zu den häufigsten Symptomen zählen Müdigkeit, Blässe, Kopfschmerzen und Anstrengungsdyspnoe. Zur typischen Manifestation mit Tachykardie, Schwindel und Prä- bis Synkopen kommt es nur in sehr fortgeschrittenen Stadien. Bei CED-Patienten gelten die gleichen Hämoglobingrenzwerte wie bei anderen Erkrankungen, wobei diese je nach Alter, Geschlecht, Schwangerschaft, Wohnort (Höhe ü. d. Meeresspiegel), Raucheranamnese und Ethnie variieren. Die WHO-Richtwerte sind bei Kaukasiern auf Meereshöhe < 12 g/dl (nichtschwangere Frauen) und < 13 g/dl (Männer). Obwohl sich eine Anämie meist unspezifisch präsentiert, sind Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit deutlich eingeschränkt, die Hospitalisationsraten erhöht und die Gesundheitskosten höher als bei CED-Patienten ohne Anämie [2–4]. Die Lebensqualität ist sogar mit jener von Krebspatienten vergleichbar [4]. Die Anämie bei CED kennt zwei Hauptformen: die Eisenmangelanämie und die Anämie der chronischen Erkrankungen (anemia of chronic disease). Wobei die Abgrenzung häufig schwierig ist und die beiden Formen überlappen. Andere Ursachen der Anämie sind Vitamin-B12 - und Folsäuremangel, Toxizität durch CED-Medikamente, autoimmune Hämolyse und Knochenmarkspathologien (myelodysplastisches Syndrom). Die Therapie besteht primär in einer Substitution des Mangelzustandes (also meist eine Eisensubstitution) und in der adäquaten Kontrolle der intestinalen CED-Aktivität. Die folgenden Empfehlungen zu Screening, Diagnostik, Therapie und Prävention der (Eisenmangel-)Anämie basieren hauptsächlich auf der aktuellen Version der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO) Guidelines, die 2015 im Journal of Crohn’s and Colitis publiziert wurden [3].
https://doi.org/10.1515/9783110492682-022
362 | 21 Anämie
21.2 Diagnostik der Anämie Da sich eine Anämie häufig asymptomatisch oder unspezifisch präsentiert, ist eine detaillierte Laboranalytik in der Diagnostik essenziell. Ein möglicher Abklärungsalgorithmus ist in Abbildung 21.1 dargestellt. Zur Basisabklärung gehört neben einem Differentialblutbild die Bestimmung der Erythrozytenindizes (MCV, MCH und MCHC), die die Einteilung der Anämie in mikro-, normo- und makrozytär respektive hypo-, normo- und hyperchrom erlauben. Die Bestimmung von Retikulozytenzahl, Ferritin, Transferrinsättigung und C-reaktivem Protein (CRP) stellt eine sinnvolle Ergänzung in der differentialdiagnostischen Anämieabklärung dar. Bleibt die Anämie ungeklärt, sind je nach Anämietyp folgende weitere Abklärungen indiziert: Substrate (Vitamin B12 , Folsäure), Kreatinin, Hb-Elektrophorese, Hämolyseparameter (Haptoglobin, LDH, Harnsäure, Bilirubin, Coombs-Test). Bei weiterhin unklarer Anämie muss an eine Knochenmarkspathologie oder auch an seltenere hereditäre Anämieformen gedacht werden. In Anbetracht der häufig eingesetzten immunsuppressiven Therapie bei CED-Patienten ist eine ausführliche Medikamentenanamnese unerlässlich, um eine medikamentös-toxische Ursache als wichtige Differentialdiagnose nicht zu verpassen (s. Abschnitt 21.7 „Andere Formen der Anämie bei CED“). Hb < 12g/dl (Frauen), < 13g/dl (Männer) Ec-Indices (MCV, MCH, MHCH), Hämatokrit, Differentialblutbild, Ferritin, Tf-Sättigung, CRP mikrozytär
normozytär
makrozytär
Retikulozyten DD Eisenmangel DD Thalassämie (Hb-Elektrophorese)
Retikulozyten DD KM-Pathologie DD Hämolyse (Hämolyseparameter) DD Blutungsanämie
Retikulozyten DD B12-, Folsäure-Mangel DD KM-Pathologie DD Toxisch DD Hämolyse (Hämolyseparameter)
Abb. 21.1: Abklärungsalgorithmus Anämie bei CED.
21.3 Eisenmangel und Eisenmangelanämie Im physiologischen Zustand halten sich Eisenangebot und Eisenbedarf knapp die Waage. Der Eisenspeicher beträgt zwar 3–5 g und die 20–25 mg Eisen, die für die Erythropoiese sowie den Zellmetabolismus benötigt werden, können primär durch das Recycling von alten Erythrozyten gedeckt werden. Die 1–2 mg, die über die Abschilferung von intestinalen Epithel- und Hautzellen sowie bei Frauen via Menstruationsblu-
21.3 Eisenmangel und Eisenmangelanämie | 363
Ferroportin DMT1
Fe
Fe Hepcidin Enterozyt
Ferroportin
Hepatozyt Abb. 21.2: Eisenstoffwechsel.
tungen verloren gehen, müssen jedoch rein intestinal wieder aufgenommen werden. Dieser Vorgang ist engmaschig reguliert (Abb. 21.2): Eisen wird an der apikalen Bürstenmembran der Dünndarmenterozyten via das Transportprotein (DMT1) aufgenommen. Fe3+ , das im Gegensatz zu Fe2+ v. a. in vegetarischer Nahrung vorkommt, muss hierfür zuerst durch eine Membran-assoziierte Ferrireduktase reduziert werden. An der basolateralen Membran erfolgt die Freisetzung von Eisen via Ferroportin in die systemische Zirkulation, wo es an Transferrin bindet. Hauptregulationsprotein im Eisenstoffwechsel ist Hepcidin, das von Hepatozyten als Antwort auf eine erhöhte Eisenkonzentration gebildet wird und im Sinne eines negativen Feedback-Loops Ferroportin hemmt. Neben dieser physiologischen Stimulation von Hepcidin, die eine Eisenüberladung verhindert, können auch chronische Entzündungszustände (wie autoimmune Erkrankungen, Tumoren oder Infektionen) eine erhöhte Hepcidinproduktion triggern. Dieser Mechanismus erklärt zumindest teilweise die Überlappung von Eisenmangelanämie und Anämie der chronischen Erkrankungen. Eisenmangel ist die häufigste Ursache der Anämie bei CED-Patienten. Die Prävalenz beläuft sich auf 36–90 % [5]. Die Diagnose wird anhand eines erniedrigten Hämoglobinwertes und eines tiefen Ferritins gestellt. Ein Eisenmangel kann bei einem Ferritinwert von < 30 μg/l diagnostiziert werden. Da es sich bei Ferritin um ein Akutphasenprotein handelt, das bei Entzündungszuständen und/oder Infektionen erhöht ist, gestaltet sich die Diagnostik im Falle einer aktiven Entzündung – wie sie bei CED-Patienten häufig vorkommt – schwieriger. Ferritin sollte nie isoliert, sondern immer zusammen mit weiteren Entzündungsparametern (CRP, Blutsenkungsgeschwindigkeit und Leukozytenzahl) sowie Indizes der Krankheitsaktivität (Crohn’s Disease Activity Index – CDAI, Crohn’s Disease Endoscopic Index of Severity – CDEIS), Mayo Score bei Colitis ulcerosa) bestimmt werden. Der absolute Ferritinwert ist bei aktiver Entzündung nicht
364 | 21 Anämie
verwertbar, ein Ferritin von > 100 μg/l macht aber einen Eisenmangel sehr unwahrscheinlich. In der weiteren Diagnostik können die Transferrinrezeptorkonzentration im Serum (gelöste Form, sTfR) und der sTfR/log-Ferritin-Index hilfreich sein [3].
21.4 Anämie der chronischen Erkrankungen Zu einer Anämie der chronischen Erkrankungen (anemia of chronic disease) kommt es im Kontext von akuten oder chronischen Entzündungen (Infektionen, autoimmune Erkrankungen, Tumorleiden). Trotz an sich ausreichender Eisenspeicher entsteht aufgrund einer verminderten Mobilisierung des gespeicherten Eisens und einer reduzierten Aufnahme von Eisen aus dem Duodenum ein funktioneller Eisenmangel. Die Pathophysiologie ist komplex, kann aber zumindest teilweise durch eine Erhöhung von Hepcidin im Rahmen von Entzündungen erklärt werden. Hepcidin hemmt das Transportprotein Ferroportin in Makrophagen und Enterozyten. Während Ersteres zu einem verminderten Recycling durch das retikuloendotheliale System führt, bedingt Letzteres eine Reduktion der intestinalen Eisenabsorption. Weiter kommt es über freigesetzte Zytokine zu einer verminderten Erythropoietinproduktion. Die Diagnose kann bei Vorliegen eines Entzündungszustandes anhand eines Ferritinwertes von > 100 μg/l und einer Transferrinsättigung von < 20 % gestellt werden [3]. Bei Ferritinwerten von 30–100 μg/l besteht sowohl ein funktioneller als auch ein absoluter Eisenmangel. Liegt zusätzlich ein solcher absoluter Eisenmangel vor, profitieren Patienten mit einer Anämie der chronischen Erkrankungen von einer Substitutionstherapie. Aufgrund der erniedrigten Erythropoietinproduktion sind auch Erythroyzten-stimulierende Präparate eine wichtige Therapieoption.
21.5 Therapie des Eisenmangels und der Eisenmangelanämie Alle CED-Patienten mit diagnostizierter Eisenmangelanämie sollten behandelt werden, weil eine Therapie nicht nur das Hämoglobin erhöht und die Eisenspeicher auffüllt, sondern auch einen signifikanten Einfluss auf die Lebensqualität hat [3]. Ziel einer Behandlung ist primär die Normalisierung von Hämoglobin und Ferritin. Bei intravenöser Eisensubstitution ist Ferritin aufgrund falsch-hoher Resultate innerhalb der ersten 8 Wochen nach der letzten Applikation nicht verwertbar. Obwohl die Gefahr einer Eisenüberlagerung vernachlässigbar ist, gelten eine Transferrinsättigung von > 50 % und ein Ferritin > 800 μg/l als obere Grenzwerte während einer Supplementationstherapie. Inwiefern ein Eisenmangel ohne Anämie therapiert werden sollte, wird kontrovers diskutiert. Zwar gibt es einige positive Daten bei anderen chronischen Erkrankungen (u. a. Herzinsuffizienz), weil aber zurzeit Studien bei CED-Patienten fehlen, kann aktuell keine allgemeingültige Empfehlung gegeben werden. Zudem konnte in einer randomisiert-kontrollierten Studie bei nichtschwangeren Frauen nur
21.6 Screening und Prävention von Eisenmangel und Eisenmangelanämie |
365
für Ferritinwerte von < 15 μg/l ein Benefit gezeigt werden [6]. Risiko und Nutzen sowie die fehlende Datenlage sollten individuell mit den Patienten besprochen werden. Ist eine Substitutionstherapie indiziert, stehen zwei Applikationsformen zur Verfügung. Die intravenöse Eisengabe zeigte sich dabei als effizienter, schneller in der Wirkung und mit weniger Nebenwirkungen als die orale [7]. Sie ist bei den meisten, aber nicht allen CED-Patienten zu bevorzugen. Die orale Applikationsform wird aufgrund der niedrigeren Kosten aktuell empfohlen bei milder Anämie, fehlender CED–Aktivität und wenn orales Eisen bisher gut toleriert wurde [3]. Aufgrund der potenziellen gastrointestinalen Nebenwirkungen sind Tagesdosen von 100 mg nicht zu überschreiten. Die Effizienz von solch niedrigdosiertem Eisen ist zudem in Studien belegt [8]. Auf dem Markt sind verschiedene Präparate erhältlich, sie unterscheiden sich bzgl. Dosis, Reduktions-/Oxidationszustand von Eisen und in der galenischen Form: Eisen(II)-Sulfat, Eisen(II)-Fumarat, Eisen(II)-GlycinSulfat, Eisen(II)-Succinat, Eisen(II)-Glukonat und Eisen(III)-Hydroxid-Polymaltose. Da Eisen(III) vor der intestinalen Aufnahme in Eisen(II) reduziert werden muss, ist dessen Absorption limitiert. Typische Nebenwirkungen von Eisen(II)-Präparaten sind Übelkeit, Diarrhö/Obstipation und Dyspepsie. Bei klinisch aktiver CED, ausgeprägter Anämie (Hb < 10 g/dl), Unverträglichkeit gegenüber oralen Präparaten und/oder zeitgleicher Therapie mit Erythrozyten-stimulierenden Substanzen ist die intravenöse Applikationsart Mittel der Wahl [3]. Hierfür stehen sechs verschiedene Präparate zur Verfügung (Tab. 21.1). Aufgrund des Risikos anaphylaktischer Reaktionen ist eine engmaschige Überwachung während der Applikation und bis 30 Minuten nach Verabreichung notwendig. Die Inzidenz schwerwiegender Reaktionen ist aber relativ gering: so z. B. 0,01 % bei Venofer® [9]. Die benötigte Eisendosis kann mit der sog. GanzoniFormel (auf Basis von Gewicht und Ausgangshämoglobinwert) errechnet werden: Gewicht in kg × 2,3 × (Ziel-Hämoglobin – Ausgangswert) + 500 bis 1000 mg Eisen. Auch vereinfachte, validierte Schemata stehen zur Verfügung (FERGIcor Trial) [10].
21.6 Screening und Prävention von Eisenmangel und Eisenmangelanämie Die aktuellen ECCO-Leitlinien empfehlen ein Anämie- und Eisenmangel-Screening für alle CED-Patienten. Dieses beinhaltet die Bestimmung von Blutbild, Ferritin und CRP. Ein solches Screening sollte je nach CED-Aktivitätsgrad in regelmäßigen Abständen wiederholt werden: alle 6–12 Monate bei CED-Patienten in klinischer Remission, mindestens alle 3 Monate bei CED-Patienten mit aktiver Erkrankung [3]. Da der intestinale Aktivitätsgrad und die Ausprägung der Anämie stark miteinander korrelieren, ist eine adäquate CED-Therapie in der Prävention und Therapie einer Anämie essenziell. Zudem sollte bei persistierender Anämie trotz Supplementationstherapie und klinischer Remission an die Möglichkeit einer intestinalen Krankheitsaktivität ge-
366 | 21 Anämie
Tab. 21.1: Intravenöse Therapie der Eisenmangelanämie. Eisenpräparate adaptiert von Greuter und Vavricka [18] Molekulargewicht (kDa)
Testdosis
Konservierungsstoffe
Maximale Einzeldosis
Höhere Dosis (off-label)
Eisen(III)Dextran (CosmoFer® )
165
Ja (25 mg, 15–30 min)
Keine
100 mg (> 30 s)
Totalmenge als Infusion über 4 h
Eisen(III)Saccharose (Venofer® )
34–60
Nein
Keine
200 mg (2– 5 min)
300 mg über 1 h
Eisen(III)Glukonat (Ferrelcit® )
289–444
Nein
Benzylalkohol
125 mg (10 min)
250 mg (15 min)
Ferumoxytol (Feraheme® )
750
Nein
Keine
510 mg (< 1 min)
Nein
Eisen(III)Carboxymaltose (Ferinject® )
150
Nein
Keine
750 mg langsam als Bolus oder Kurzinfusion über 15 min)
Nein
Eisen(III)Isomaltosid (Monofer® )
150
Nein
Keine
20 mg/kg (30–60 min)
Nein
dacht werden. Da die Anämie bei CED eine hohe Rezidivrate aufweist, sollte im 1. Jahr eine 3-monatliche Kontrolle von Blutbild, Ferritin und CRP erfolgen, anschließend alle 6–12 Monate wie im Primär-Screening empfohlen. Neuere Daten zeigten die Effizienz von proaktiven Ansätzen in der Nachsorge von Anämiepatienten: 1) Ferritinwerte von > 400 μg/l sind mit einer geringeren Rezidivrate assoziiert [11], 2) Wiederbeginn der Eisensupplementation bei Ferritinwerten < 100 μg/l, die alle 2 Monate kontrolliert werden, führt zu weniger Rezidivfällen [12] und 3) eine frühzeitige Wiederaufnahme der Eisensubstitution scheint kostensparend [13]. Der FERGImain Trial konnte zudem zeigen, dass durch die frühzeitige Substitutionstherapie nicht nur die Rezidivrate gesenkt wird, sondern auch seltener gastrointestinale Beschwerden und CED-Schübe auftreten [12].
21.8 Weitere Therapieoptionen |
367
21.7 Andere Formen der Anämie bei CED Neben den zwei Hauptformen Eisenmangelanämie und Anämie der chronischen Erkrankungen muss in der Differentialdiagnostik eines erniedrigten Hämoglobinwertes bei CED an alle anderen Anämieursachen (s. Abschnitt 21.2 „Diagnostik der Anämie“) gedacht werden. Gewisse Ursachen sind dabei relativ häufig anzutreffen: Da Vitamin B12 und Folsäure im terminalen Ileum absorbiert werden, kann es nach Ileumresektion oder bei aktiver Ileitis gehäuft zu Mangelzuständen kommen. Die Bestimmung von Vitamin B12 und Folsäure ist bei CED-Patienten jährlich indiziert, bei Vorliegen der o. g. Risikosituation häufiger. Bei tiefnormalen Vitamin-B12 -Werten (200–400 μg/l) kann ein Mangel nicht ausgeschlossen werden, hier hilft die Bestimmung von Holotranscobalamin respektive der Methylmalonsäure. Zeigt sich in der Routinediagnostik eine Makrozytose, ist die frühzeitige Bestimmung der Substrate ebenfalls indiziert. Eine Substitutionstherapie ist bei der Anämie aufgrund VitaminB12 - respektive Folsäuremangel immer empfohlen. Für den Folsäuremangel stehen orale Präparate zur Verfügung (5 mg/Tag). Bei der Vitamin-B12 -Substitution sollte trotz Vorliegens einer Metaanalyse, die keinen Nachteil einer oralen gegenüber einer intramuskulären Applikation zeigen konnte [14], die intramuskuläre (oder tief subkutane) Verabreichung bevorzugt werden, weil im Falle einer Ileitis respektive nach Ileumresektion die intestinale Absorption deutlich reduziert ist. Unterschiedliche Schemata sind vorhanden, u. a. Cobalamin 1000 μg i.m. an Tag 1, 3, 7, 10, 14, 21, 30, 60 und 90. Die Supplementationstherapien sollten bis zur Normalisierung von Hämoglobin und der Substrate weitergeführt werden. Da auch gewisse CED-Therapien eine Anämie bedingen können, ist eine gründliche Medikamentenanamnese unerlässlich. Klassische Beispiele für eine medikamentös-toxische Genese sind Sulfasalazine (aufgrund der Antifolataktivität) und Thiopurine (aufgrund der direkten Knochenmarkstoxizität). Interessanterweise erklärt eine verminderte Thiopurin-Methyltransferase(TPMT)Aktivität jedoch nur einen Teil der Anämien. Weitere Anämieursachen sind Knochenmarkspathologien (myelodysplastisches Syndrom), autoimmune Hämolyse, aplastische Anämie und Hämoglobinopathien (Thalassämie) oder Enzymmangelzustände (Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel).
21.8 Weitere Therapieoptionen Neben den bereits erwähnten Supplementationstherapien sollte sich der behandelnde Arzt primär immer fragen, ob 1. die CED-Aktivität adäquat kontrolliert ist und ob 2. die CED-Therapie eine Mitursache der Anämie sein könnte (wie am Beispiel der Thiopurine erläutert). Eine persistierende Anämie trotz Supplementation ist immer ein Hinweis auf eine nicht ausreichend kontrollierte Krankheitsaktivität und ein Ausbau der immunsuppressiven Therapie ist u. U. sinnvoll. Randomisiertkontrollierte Studien mit Infliximab konnten bei Patienten mit Spondylitis ankylosans
368 | 21 Anämie
und rheumatoider Arthritis einen positiven Einfluss auf die Hämoglobinwerte zeigen [15, 16]. Anti-TNF-Präparate scheinen den negativen Zytokineffekt auf Erythropoietin zu minimieren (Effekt von Anti-TNF auf das Knochenmark). Im Falle einer Anämie der chronischen Erkrankungen hat die Therapie mittels Erythrozyten-stimulierenden Präparaten ihre Berechtigung. Da diese Anämieform häufig mit einem gewissen Eisenmangel einhergeht, ist die Kombination von Erythropoietin und intravenöser Eisensubstitution sinnvoll. Erythropoietin hat sowohl einen Einfluss auf die Anämie als auch auf die Lebensqualität [17]. In Anlehnung an Studien mit Tumorleiden und Niereninsuffizienz sollte jedoch ein Hämoglobinwert von 12 g/dl nicht überschritten werden. Die Transfusion von Erythrozytenkonzentraten ist sehr restriktiv einzusetzen, und wenn, dann immer in Kombination mit einer Eisensubstitution und/oder Erythropoietingabe. Der Effekt einer Transfusion ist nicht anhaltend und schweren Anämieformen mit hämodynamischer Instabilität, fehlendem Ansprechen auf andere Therapieformen und einem Hämoglobinwert unter 7 g/dl vorbehalten. Bei Komorbiditäten (z. B. koronare Herzerkrankungen) gelten andere Transfusionsgrenzwerte.
21.9 Fazit Eisenmangel und Eisenmangelanämie gehören zu den häufigsten extraintestinalen Manifestationen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen. Weitere Formen der Anämie beinhalten die Anämie der chronischen Erkrankungen sowie Folsäure- und Vitamin-B12 -Mangel. Die Anämie präsentiert sich meist asymptomatisch oder unspezifisch. Ein Anämie-Screening ist bei allen CEDPatienten indiziert und sollte alle 6–12 Monate (im Falle einer klinischen Remission) respektive alle 3 Monate (bei aktiver Erkrankung) wiederholt werden. Eine Therapie der Eisenmangelanämie ist bei allen CED-Patienten unabhängig von der Klinik empfohlen. Die intravenöse Eisensubstitution ist die Therapie der Wahl.
Merke – Ein Anämie-Screening ist bei allen CED-Patienten indiziert und sollte alle 6–12 Monate (bei klinischer Remission) und alle 3 Monate (bei aktiver Erkrankung) wiederholt werden. – Eisenmangel ist die häufigste Ursache einer Anämie bei CED.
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Tanja Kühbacher
22 Seltene extraintestinale Manifestationen Bestimmte extraintestinale Manifestationen sind im klinischen Alltag rar, nichtsdestotrotz ist es wichtig sie zu erkennen, um geeignete Behandlungskonzepte für diese speziellen Formen der CED zu erstellen und so lange frustrane Therapieversuche zu vermeiden. Orale Manifestationen werden seit vielen Jahren beschrieben, die aphthöse Stomatitis mit Ulzerationen im Mundraum als Nachweis einer Entzündungsaktivität eines M. Crohn ist dabei die bekannteste. Zahnmediziner erkennen diese Ulzerationen häufig als initiale Symptome einer M.-Crohn-Erkrankung und weisen diese Patienten Gastroenterolog(inn)en zu. Paradontitis wird bei CED-Patienten mit einer erhöhten Prävalenz beschrieben [1].
Die aphthöse Stomatitis, die Pyostomatitis und Parodontitis können bei ca. 10 % der CED-Patienten nachgewiesen werden. Die aphthösen Ulzerationen sind häufig schmerzhaft und imponieren an der Wangeninnenseite, können aber auch auf der Zunge oder an anderen Stellen des Mundraumes auftreten. Pflastersteinreliefs durchzogen von Fissuren und pustulösen, hämorrhagischen Veränderungen kennzeichnen die Pyostomatitis. Die Behandlung sollte eine antiinflammatorische Therapie der CED als auch topische Steroide und aseptische Mundspülungen beinhalten. Auch gingivale und mukosale Hyperplasien werden bei CED-Patienten als orale Manifestationen beschrieben [1–3]. Teilweise extreme Lippenschwellungen und Schwellung der Wangenschleimhaut, des Skrotums, Penis oder der Vulva finden sich vereinzelt bei CED-Patienten, vermutlich granulomatös bedingt. Diese Schwellungen sind für die Betroffenen sehr belastend und beeinträchtigen die Lebensqualität. Sehr oft ist begleitend ein perianales Befallsmuster vorhanden. Die Therapie gestaltet sich komplex. Der Einsatz von Immunsuppressiva und/oder Biologika ist in vielen Fällen notwendig [4]. Extraintestinale Manifestationen der Nase: Im Rahmen von metastatischen M.-Crohn-Verläufen wurden in seltenen Fällen eine Entzündung der nasalen Mukosa und sogar Nasenseptumabszesse beschrieben, die (ohne Keimnachweis) aseptisch verliefen [1, 4]. Neurologische Manifestationen treten ebenfalls selten auf, können aber dramatische Komplikationen nach sich ziehen und müssen deshalb zügig diagnostiziert und therapiert werden. Zu ihnen wird die periphere Polyneuropathie gezählt, die allerdings meistens alimentär durch Vitamin- oder Spurenelementmangel erklärbar und nicht primär CED-assoziiert ist. Zentralnervöse Manifestationen werden bei CED-Patienten im Vergleich zur gesunden Bevölkerung vermehrt beschrieben. Zu
https://doi.org/10.1515/9783110492682-023
372 | 22 Seltene extraintestinale Manifestationen
ihnen gehören demyelinisierende Erkrankungen, die Multiple Sklerose, Epilepsie, Vaskulitiden, Takayasu-Arteriitis und die akute disseminierende Encephalomyelitis. Auch an eine Sinus-Venenthrombose sollte bei CED-Patienten mit aktiver Entzündung gedacht werden und eine entsprechende Diagnostik eingeleitet werden, wenn anhaltende Kopfschmerzen von den Patienten beklagt werden. CAVE: Anti-TNFAntikörper sind kontraindiziert bei demyelinisierenden Erkrankungen und können Trigger für eine demyelinisierende Erkrankung sein. Symptome, bei denen immer eine weitere neurologische Diagnostik interdisziplinär mit einem Neurologen/einer Neurologin erfolgen sollte sind Schwäche in den Armen und Beinen, Doppelbilder, Sensitivitätsverlust und kognitive Störungen [1, 4]. An eine pulmonale Beteiligung der CED wird im klinischen Alltag nicht oft genug gedacht, obwohl sich die Beschreibungen in der Literatur in den letzten Jahren mehren und die Auswahl des antiinflammatorischen Therapeutikums entscheidend für den Therapieerfolg der intestinalen und pulmonalen Entzündung ist. Die Symptome, die die Patienten äußern, sind eine eingeschränkte Lebensqualität und eine verminderte Belastbarkeit. Veränderungen der Lungenfunktion können bereits vorliegen, auch wenn noch keine Symptome geäußert werden. Interstielle Lungenerkrankungen werden weniger häufig beschrieben als tracheobronchiale Veränderungen (Bronchitis, Bronchiolitis, Tracheobronchitis und Bronchiektasien). Die Symptome kommen oft verspätet und sind nicht mit der intestinalen Krankheitsaktivität assoziiert. Die Patienten berichten über produktiven oder auch nichtproduktiven Husten, Kurzatmigkeit, Giemen, Auswurf und eine verminderte Leistungsfähigkeit. Die Diagnostik sollte zusammen mit einem Pulmologen/einer Pulmologin erfolgen und beinhaltet eine Lungenfunktionstestung, Röntgen-Thorax, ggf. HR-CT des Thorax und ggf. Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage, ggf. mit transbronchialer Biopsie. Behandelt wird mit systemischen Steroiden und Inhalationen [1, 4, 5]. Interstitielle Veränderungen der Lunge sind ebenfalls nicht mit der intestinalen Krankheitsaktivität assoziiert. Die Symptome sind unspezifisch, Fieber, Krankheitsgefühl, Gelenkschmerzen und Gewichtsverlust werden berichtet. Die Diagnostik entspricht der bereits genannten. Die Therapie wird mit systemischen Steroiden durchgeführt, eine weiterführende immunmodulatorische Therapie mit Anti-TNFAntikörpern kann effektiv sein, allerdings sollte beachtet werden, dass unter einer Anti-TNF-Therapie auch interstitielle Pneumonien, als „drug-induced“ auftreten können [1, 4, 5]. Extraintestinale Manifestationen/Komplikationen der Nieren: Die Nephrolithiasis ist im eigentlichen Sinne keine extraintestinale Manifestation der CED, sondern entspricht eher einer Komplikation. 2–6 % der CED-Patienten sind betroffen, Morbus-Crohn-Patienten häufiger als Colitis-ulcerosa-Patienten. Die Mehrheit der Nierensteine stellen Kalziumoxalatsteine dar. Ursächlich für die Bildung von Kalziumoxalatsteinen ist eine Hyperoxalurie mit einer erhöhten intestinalen Absorption von Oxalat. Die Folgen sind schmerzhafte Nierensteine mit Koliken und einer Hämaturie.
Literatur
| 373
Um die Bildung von Nierenoxalatsteinen zu vermeiden, sollten CED-Patienten eine oxalatarme Diät einhalten [6–8]. Eine primäre renale Amyloidose ist hingegen eine eher seltene Manifestation. Einzelne Arbeiten weisen auf einen Therapieerfolg mit Anti-TNF-Antikörpern hin [4, 9].
Literatur [1] Danese S, Semeraro S, Papa A, et al. Extraintestinal manifestations in inflammatory bowel disease. World J Gastronterol. 2005; 11: 7227–7236. [2] Vavricka SR, Manser CN, Vögelin M, et al. Periodontitis and gingivitis in inflammatory bowel disease: a case-contro study. Inflamm Bowel Dis. 2013; 19: 2768–2777. [3] Lira-Júnior R, Figueredo M. Peridontal and inflammatory bowel disease: is there evidence of complex pathogenic interactions. World J Gastroenterol. 2016; 22: 7963–7972. [4] Harbord M, Annese V, Vavrick SR, et al. The first eurpean evidence based consensus on extraintestinal manifestations in inflammatory bowel disease. J Crohns Colitis. 2016; 10: 239–254. [5] Majewski S, Piotrowski W. Pulmonary Manifestations of inflammatory bowel disease. Arch Med Sci. 2015; 11: 1179–1188. [6] Worcester EM. Stones from bowel disease. Endocrinol Metabol Clin North Am. 2002; 31: 979– 999. [7] Lieske JC, Tremaine WJ, De Simone C, et al. Diet but not oral probiotics, effectively reduces urinary oxalate excretion and calcium oxalate supersaturation. Kidney Int. 2010; 78: 1178–1185. [8] Caudarella R, Rizzoli E, Pironi L, et al. Renal stone formation in patients with inflammatory bowel disease. Scanning Microscop. 1993; 7: 371–379. [9] Fernandez-Castrogudin J, Brage Varela A, Lens Neo XM, et al. Renal amyloidosis as initial clinical manifestation of Crohn’s disease. Gastroenterol Hepatol. 2002; 25: 395–397.
| Teil VII: Therapie-assoziierte Komplikationen
Andreas Stallmach
23 Infektionen – Prophylaxe und Therapie 23.1 Einleitung Das Verständnis der Pathogenese der CED hat sich in den letzten Dekaden deutlich erweitert. Kausal für diese Erkrankungen ist eine gastrointestinale Barrierestörung bei gleichzeitiger Fehlregulation des Immunsystems.
Es gibt aber keine Befunde, die belegen, dass Patienten selbst einen Immundefekt mit daraus resultierenden bakteriellen oder viralen Infektionen entwickeln. Vielmehr bedingt die Therapie mit immunsuppressiven Medikamenten Funktionsverluste im angeborenen und erworbenen Immunsystem, die zu den gehäuft auftretenden typischen und opportunistischen Infektionen führen können (Tab. 23.1). Tab. 23.1: Mögliche klassische und opportunistische Infektionen bei Patienten mit CED, insbesondere unter einer immunsuppressiven Therapie (modifiziert nach [1]). Virale Infektionen durch
Bakterielle Infektionen durch
Pilz- und parasitäre Infektionen durch
Varicella-zoster-Virus (VZV) Herpes-simplex-Virus (HSV) Cytomegalie-Virus (CMV)
E. coli Salmonella spp. Mycobacterium tuberculosis/ Mycobacterium avium spp. Clostridium difficile Streptococcus pneumoniae Staphylococcus spp. Legionella pneumophila Listeria monocytogenes Nocardia
Candida spp. Pneumocystitis Aspergillus spp.
Ebstein-Barr-Virus (EBV) Humane Papilloma-Viren Hepatitis-B-Virus
Histoplasmose Toxoplasma gondii Coccidioides immitis Leishmania donovani Blastomycoses
Bei schweren Krankheitsverläufen, insbesondere bei Patienten mit M. Crohn, kann die daraus resultierende Mangelernährung die Medikamenten-induzierte Immundefizienz verstärken. Auch Operationen stellen einen krankheitsabhängigen Risikofaktor für Infektionen da. Darüber hinaus bedingen ein höheres Alter der Patienten, Komorbiditäten wie z. B. Nierenfunktionsstörungen oder ein Diabetes mellitus, und aus der Anamnese zu erfragende durchgemachte schwere Infektionskrankheiten (Hinweis für eine genetisch-determinierte Suszeptibilität für schwere Infektionskrankheiten) weitere Risikofaktoren für Infektionen. So ist für Patienten mit einer CED, die älter als https://doi.org/10.1515/9783110492682-024
378 | 23 Infektionen – Prophylaxe und Therapie
Risikofaktoren: • Alter > 50 Jahre • Komorbiditäten (z.B. Nieren- oder Leberfunktionsstörungen, Diabetes mellitus, etc.) • Mangelernährung • medikamentös induzierte Immundefizienz • durchgemachte schwere Infektionskrankheiten
Abb. 23.1: Risikopatient für (opportunistische) Infektionen.
50 Jahre sind, ein 3-fach höheres Risiko beschrieben, an Infektionen zu erkranken als Patienten, die jünger als 25 Jahre alt sind. Alle über die Basismedikation (5-ASA/Budesonid) hinaus eingesetzten Medikamente, auch die klassischen Prednisonpräparate, erhöhen das Risiko für Infektionen.
Über die Einzelsubstanz hinaus sind dabei insbesondere Kombinationstherapien mit einer deutlichen Risikosteigerung verbunden (Tab. 23.2). Grundsätzlich gilt, dass das Risiko für Infektionen bei Patienten mit Immunsuppression aus dem Differentialblutbild bzw. der Lymphozytenzahl oder der CD4+ Lymphozyten relativ einfach abgeschätzt werden kann. So ist eine CD4+ -LymphozytoTab. 23.2: Relatives Risiko für die Entwicklung von schweren Infektionskrankheiten in Abhängigkeit von der Medikation zur Behandlung der CED [2]
Keine Medikation 5-ASA Prednison AZA/6-MP MTX Infliximab 2 oder 3 Immunsuppressiva Alter über 50 Jahre
Relative Risikoerhöhung
p-Wert
= 1,0 1,0 3,3 3,8 4,0 4,4 14,5 3,0
0,94 < 0,001 < 0,001 0,26 0,03 0,001 < 0,05
23.2 Pharmakologische Grundlagen der Immunsuppression | 379
penie < 250/μl ein Prädiktor für Infektionen mit einem positiven prädiktiven Wert von 0,53 und einem negativen prädiktiven Wert von 0,97 [3]. Trifft dieses zu oder wird eine Dreifachimmunsuppression durchgeführt, sollte eine Infektionsprophylaxe mit Cotrimoxazol (960 mg/Tag) 3-mal/Woche durchgeführt werden.
23.2 Pharmakologische Grundlagen der Immunsuppression 23.2.1 Glukokortikoide Steroide inhibieren die Produktion proinflammatorischer Zytokine, sie beeinträchtigen die Chemotaxis, Zelladhäsion und Phagozytose und vermitteln durch eine Anergie der Lymphozyten eine Immunsuppression [4].
23.2.2 Calcineurin-Inhibitoren Ciclosporin und Tacrolimus binden an zytoplasmatische Proteine der ImmunophilinFamilie, die Calcineurin blockieren und so in aktivierten T-Zellen die Dephosphorylierung von NF-AT verhindern. Dieser Transkriptionsfaktor ist für die Aktivierung zahlreicher Gene der proinflammatorischen Zytokine (u. a. Interleukin-2 und Interferon-γ) und Zelloberflächenrezeptoren verantwortlich. Der wesentliche Vorteil dieser Substanzgruppe ist die fehlende Suppression der Funktion von Makrophagen und neutrophiler Granulozyten. Bei Verwendung dieser Medikamente dominieren Infektionen des Respirationstraktes und virale Hautinfektionen.
23.2.3 Zytostatika Azathioprin/6-Mercaptopurin, Methotrexat und das gelegentlich als Reservemedikament eingesetzte Cyclophosphamid werden zur Therapie von Autoinflammationserkrankungen verwendet. Im Allgemeinen hemmen sie die T- und B-Zell-Proliferation und somit die zelluläre und humorale Immunantwort des erworbenen Immunsystems; die Funktionen des angeborenen Immunsystems (vermittelt über Granulozyten, Monozyten/Makrophagen etc.) werden weniger beeinträchtigt. Der Wirkungsmechanismus von Azathioprin ist in den letzten Jahren besser verstanden worden: Das aus der Metabolisierung des Azathioprins entstandene Thio-GTP verringert die Menge an aktiviertem GTP-gebundenem Rac in T-Zellen. Rac gehört in die Familie der kleinen Guanin-Nukleotid-Bindeproteine (G-Proteine), die MAP-Kinasen aktivieren können und somit über AP-1 die Zellteilung fördern. Thio-GTP vermindert die Aktivierung von Rac und erzeugt so eine Apoptose der T-Zellen. Durch die pharmazeutische
380 | 23 Infektionen – Prophylaxe und Therapie
Modulation von Azathioprin, sog. Thiopurinanaloga, kann diese Wirkung theoretisch gesteigert werden [5].
23.2.4 Biologika In der Therapie der CED werden unterschiedliche Biologika eingesetzt. Entweder sind diese gegen proinflammatorische Zytokine oder gegen Zelladhäsionsmoleküle gerichtet. Die Biologika der ersten Generation, die klassischen TNF-Antikörper, sind gegen Tumor-Nekrose-Faktor-α gerichtet; neuere Biologika wie das Ustekinumab bzw. Risankizumab neutralisieren IL-12/IL-23 bzw. IL-23. Andere Biologika wie Vedolizumab/Etrolizumab blockieren Zelladhäsionsmoleküle und inhibieren die Migration von Lymphozyten in den Gastrointestinaltrakt. Wichtig ist, dass das Nebenwirkungsprofil der Biologika durchaus unterschiedlich ist. Die häufigsten Nebenwirkungen von TNF-Antagonisten sind Infektionen, v. a. bakterielle oder virale Infekte der unteren und oberen Atemwege. Auch schwere Infektionen mit z. T. lebensbedrohlichem oder tödlichem Verlauf wie Sepsis, Tuberkulose oder opportunistische Infektionen können vermehrt auftreten. Für Ustekinumab sind bei Patienten mit Psoriasis weniger Infektionen beschrieben als für Patienten, die mit z. B. Infliximab oder Adalimumab behandelt werden [6].
23.3 Einzelne Infektionskrankheiten und deren Therapie Eine umfassende Darstellung aller Infektionskrankheiten, die unter einer Immunsuppression auftreten können, würde den Umfang dieses Kapitel sprengen. Hier sei auf die entsprechenden Leitlinien der Fachgesellschaften, u. a. auf die der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO) [7] hingewiesen.
23.4 Bakterielle Infektionen 23.4.1 Mycobacterium tuberculosis Weltweit sind etwa 2 Milliarden Menschen mit Mycobacterium tuberculosis infiziert; 5–10 % entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Tuberkulose. 2010 erkrankten ca. 8,8 Millionen neu; daraus folgten ca. 1,1 Millionen Todesfälle. In Deutschland wurden 2015 insgesamt 5.865 Patienten mit einer Tuberkulose registriert, was einer Inzidenz von 7,3 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner entspricht.
23.4 Bakterielle Infektionen |
381
Die Fallzahlen lagen um 29 % höher als die aus dem Jahr 2014 und sind somit deutlich angestiegen. TNF-α hat eine zentrale Rolle in der Immunantwort auf Mycobacterium tuberculosis. Es ist essenziell für die Aktivierung von Makrophagen und die Formation von Granulomen mit Sequestrierung der Bakterien [8]. Logischerweise geht die medikamentöse Inhibition/Neutralisation von TNF-α mit einem 5- bis 10-fach erhöhten Risiko für eine Reaktivierung einer Tuberkulose einher; häufig sind dieses disseminierte oder extrapulmonale Erkrankungen. Obwohl die Bedeutung von TNF-α für die Kontrolle einer Infektion mit Mykobakterien aus Tierexperimenten lange bekannt war, mussten erst mit Infliximab behandelte Patienten an einer Tuberkulose erkranken, um eine entsprechende Aufmerksamkeit für dieses Problem zu schaffen [9]. Somit ist eine der wichtigen Maßnahmen, vor Einleitung einer Biologikatherapie ein TuberkuloseScreening durchzuführen.
Hierzu kann ein Intrakutantest nach Mendel-Mantoux durchgeführt werden. Nachteilig ist, dass Patienten mit BCG-Impfung als positiv identifiziert werden. Als bessere Alternative hat sich ein sog. Interferon-γ-Test (IFN-γ) etabliert. Der QuantiFERON-TB® weist die Produktion von IFN-γ mittels ELISA nach, während der T SPOT.TB® ebenfalls die Produktion von IFN-γ und die Anzahl produzierender T-Lymphozyten mittels einem ELISPOT-Verfahren erfasst. Diese Tests sind dem Tuberkulin-Hauttest bzgl. Sensitivität und Spezifität überlegen; ihre Sensitivität liegt zwischen 82 und 100 %, bei einer Spezifität von 98 %. Problematisch bei der Interpretation der Befunde sind Testergebnisse mit dem Befund „nicht eindeutig“ oder „unklar“. Einer Metaanalyse nach wird dieses in 5 der Fälle beschrieben [10]. Hier kann die Wiederholung helfen; zusätzlich sollte mittels einer Röntgen-Thorax-Aufnahme nach spezifischen Residuen der Tuberkulose gesucht werden. Wichtig zu betonen ist aber, dass alle Screening-Verfahren „falsch-negative“ Befunde ergeben können.
So beschreibt die französische GETAID-Gruppe 44 Patienten mit negativem Screening, die im weiteren Verlauf eine Tuberkulose entwickeln (Abb. 23.2) [11]. Patienten mit einer latenten Tuberkulose müssen mindestens 9 Monate mit INH behandelt werden; die Biologikatherapie sollte erst 4–8 Wochen nach Einleitung der Therapie durchgeführt werden. Insgesamt muss trotz medikamentöser Prophylaxe mit einer Reaktivierung einer Tbc gerechnet werden; so sind Raten bis 19 % beschreiben worden [12]. Auch das (jährliche) Wiederholen des Tuberkulose-Screenings bei Patienten mit Biologika, die einem erneuten Infektionsrisiko ausgesetzt sind (z. B. Fernreisende in Länder mit hoher Tbc-Prävalenz, arbeitsplatzbedingte Kontakte), ist zu bedenken [13].
382 | 23 Infektionen – Prophylaxe und Therapie
25 (57%) TST 44 Patienten
12 (27%) IGRA
14,5 Monate (14 % innerhalb der 3 Monaten)
INH Rifa Ethambutol Pyrazinamid
1 Todesfall
7 (16%) TST + IGRA Abb. 23.2: Patienten, die trotz negativen Screenings eine Tuberkulose entwickeln.
23.4.2 Clostridium difficile In den letzten zwei Dekaden haben Infektionen mit Clostridium difficile (CDI) [14], auch bei Patienten mit CED, deutlich zugenommen (zur Übersicht siehe [15]). Dabei sind Patienten mit Colitis ulcerosa häufiger betroffen als Patienten mit M. Crohn. Eine CDI scheint einen ungünstigen Einfluss auf den kurz- und langfristigen Verlauf der CED zunehmen; so werden u. a. längere Krankenhausaufenthalte mit höheren Kolektomie- und Mortalitätsraten bei Patienten mit CDI beschrieben [16–18]. Bei Erstdiagnostik einer CED ist eine CDI auszuschließen; in ca. 5 % der Fälle findet sich ein positiver Befund [19]. Im weiteren Verlauf sollte die Diagnostik bei schweren oder refraktären Verläufen oder bei einem Schub nach Antibiotikaeinnahme veranlasst werden [20]. Zur Diagnostik einer CDI ist ein zweistufiges Vorgehen sinnvoll; findet sich im Screening-Test z. B. mittels GDH-Nachweis ein positiver Befund, ist dieser durch ein geeignetes zweites Verfahren mit Nachweis der Toxine mittels ELISA, Amplifikationstest oder Kultur zu bestätigen. Die Behandlung der CDI orientiert sich am Schweregrad des Krankheitsbildes; häufig ist es jedoch schwierig die „CED-Komponente“ von der „CDI-Komponente“ zu differenzieren. Neben Metronidazol (3-mal 400–500 mg/Tag für 10 Tage) für leichte Krankheitsschübe steht Vancomycin p.o. (4-mal 125–250 mg/Tag für 10 Tage) zur Verfügung. Einzelne Daten belegen, dass insbesondere Patienten mit Colitis ulcerosa unabhängig vom Schweregrad mit Vancomycin therapiert werden sollten [21]. Die Therapie der rezidivierenden CDI ist schwierig; Fidaxomicin ist bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zur Therapie der CDI nicht zugelassen. Als Alternative zu einem Vancomycin-Taper-Schema ist bei der rezidivierenden CDI der fäkale Mikrobiomtransfer (FMT) etabliert [22]. Der Behandlungserfolg bei CEDPatienten mit CDI ist etwas niedriger (ca. 80 %) als bei CDI-Patienten ohne CED. In einem relevanten Anteil ist auch mit einer Verschlechterung der Grundkrankheit zu rechnen (Abb. 23.3).
23.4 Bakterielle Infektionen |
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0
383
CED-Aktivität?
25 37% 20 37% keine C. diff.
9 13%
Abb. 23.3: Effektivität des FMT bei CED-Patienten mit CDI und Einfluss auf die Grunderkrankung. Der grüne Pfeil symbolisiert eine Verbesserung, der gelbe Pfeil einen unveränderten und der rote Pfeil eine Verschlechterung.
23.4.3 Streptococcus pneumoniae Neben Infektionen des oberen Respirationstraktes und pulmonalen Infektionen können durch Pneumokokken Meningitiden und Septikämien verursacht werden. Pneumokokken sind für 70–80 % aller bakteriell bedingten Pneumonien verantwortlich. Bei schwerem Verlauf stirbt etwa jeder Zehnte der Erkrankten an den Folgen der Pneumokokkeninfektion. Bei Immunsupprimierten sind es sogar bis zu 30 %. Bakterielle Pneumonien gehören zu den häufigsten Infektionen bei CEDPatienten mit Immunsuppression [23]. CED-Patienten werden signifikant häufiger wegen Pneumokokkeninfektionen als wegen einer Influenza- oder H.-influenzaebedingten Erkrankung hospitalisiert [24]. Bei der Pneumokokkenpneumonie stellt Amoxicillin das Mittel der Wahl dar. Bei Penicillinallergie oder -unverträglichkeit kann ein Fluorochinolon (Moxifloxacin oder Levofloxacin) eingesetzt werden. Wichtig ist, dass Pneumokokkeninfektionen bei CED-Patienten durch Impfungen verhindert werden können (s. u.).
23.4.4 Nokardien Nokardien sind stäbchenförmige, grampositive Bakterien und teilweise ähnlich wie Mykobakterien säurefest. Nokardien kommen ubiquitär im Erdboden und in Feuchtbiotopen vor. Die Nokardiose ist eine seltene lebensbedrohliche Infektion. Bei immunkompromittierten Patienten kommt es zu einer granulomatösen Entzündung von Lunge, Gehirn oder Haut. Eine Nokardiose kann unter einer Anti-TNF-Therapie auftreten, z. T. aber auch „nur“ unter einer Kombinationstherapie mit Steroiden und Azathioprin [25]. Eine Co-Infektion mit atypischen Mykobakterien ist relativ häufig 28 % [26]. Beide Infektionen bedingen eine lange Therapiedauer von 12 Monaten, was die weiterführende immunsuppressive Behandlung erschwert, insbesondere weil aufgrund der geringen Fallzahlen hierfür nicht ausreichende Erfahrungen vorliegen.
384 | 23 Infektionen – Prophylaxe und Therapie
23.5 Virale Infektionen 23.5.1 Herpesviren (HSV, VZV, CMV) Die primäre Infektion mit Herpes-simplex-Viren (HSV) ist meist eine selbstlimitierende oral-labiale (HSV Typ 1) oder genitale (HSV Typ 2) Erkrankung mit latenter Persistenz der Viren in Spinal- und Hirnnervenganglien. Serologisch kann bei Erwachsenen eine HSV-Typ-1- bzw. -Typ-2-Prävalenz von ca. 85 % bzw. 16 % nachgewiesen werden. Bei Immundefizienz kann es zur Reaktivierung mit Entwicklung eines disseminierten Zoster und sekundär zu hämatogener, lebensgefährlicher Generalisierung (Enzephalitis, Meningitis, Pneumonie, Ösophagitis, Kolitis oder Hepatitis) kommen (https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Varizellen. html). Eine Prophylaxe ist nicht etabliert; bei manifester Erkrankung kann mit dem Nukleosidanalogon Aciclovir bzw. seinem Prodrug Valaciclovir behandelt werden; bei schweren Verläufen ist oft eine Unterbrechung der Immunsuppression notwendig. Die Infektion mit dem Varicella-zoster-Virus (VZV) führt meist in der Kindheit zu Windpocken; das VZV persistiert nach der akuten Infektion. Eine Reaktivierung findet sich bei Immunsuppression und/oder älteren Menschen; generalisierte Krankheitsbilder (s. HSV) können auftreten. Entsprechend den allgemeinen Impfempfehlungen wird im Alter von 12–18 Monaten und 11–12 Jahren eine Impfung bzw. Boosterimpfung durchgeführt. Nichtgeimpfte, immunkompetente Patienten mit CED sollten nachgeimpft werden. Bei Exposition nichtimmunisierter CED-Patienten mit Immunsuppression durch Patienten (z. B. Mutter-Kind-Situation) mit florider VZV-Erkrankung kann eine passive Immunisierung durchgeführt werden.
23.5.2 Cytomegalie-Virus (CMV) Die primäre CMV-Infektion verläuft meist asymptomatisch; apparente Krankheitsbilder sind die der infektiösen Mononukleose. Nach Infektion persistiert das Virus in hämatopoetischen Stammzellen und Monozyten; die Seroprävalenz in Deutschland liegt bei ca. 50 %. Eine Immunsuppression ist häufig mit einer subklinischen Reaktivierung einer latenten CMV-Infektion verbunden. Eine Prophylaxe zur Vermeidung einer Reaktivierung existiert nicht. Es ist wichtig, zwischen der CMV-Infektion und der CMV-Erkrankung (mit Endorganschaden wie z. B. der CMV-Kolitis) zu unterscheiden. Zahlreiche Studien beschreiben eine Assoziation zwischen einer CMV-Infektion und steroid- oder therapierefraktären Verläufen bei CED-Patienten bis hin zur Entwicklung eines toxischen Megakolons [27]. Eine CMV-Erkrankung soll behandelt werden, wenn klinische Symptome bestehen und mindestens einer der folgenden Parameter erfüllt ist: (a) positive CMV-PCR aus Vollblut oder Gewebe mit signifikanter Viruslast, (b) positive Immunhistologie bzw. (c) klassische Histologie („Eulenaugenzellen“).
23.6 Protektion vor Infektionen bei Patienten mit CED durch Impfungen |
385
Wichtig ist, dass die Wahrscheinlichkeit eines Virusnachweises in Darmbiopsien ansteigt, wenn aus mehreren Segmenten einschließlich des rechten Kolons Biopsien entnommen werden. Die Standardsubstanz zur Therapie der CMV-Erkrankung ist derzeit Ganciclovir (5 mg/kg i.v. alle 12 h), die bei systemischen CMV-Erkrankungen Erfolgsraten von 70– 80 % erzielt. Die Substanz weist mehrere, potenziell schwere Nebenwirkungen auf. So können bei bis zu 40 % der Patienten Nierenfunktionsstörungen und eine Myelosuppression auftreten. Neuerdings steht als oral applizierbares Derivat von Ganciclovir, Valganciclovir (2-mal täglich 900 mg p.o.) zur Verfügung, das in einer randomisierten Studie zur CMV-Retinitis in der Initialtherapie ebenso gute Behandlungsergebnisse ergab wie das parenteral zu verabreichende Ganciclovir. Bei durchgemachter CMVErkrankung ist bei einer erneuten immunsuppressiven Therapie eine präemptive Prophylaxe mit Valganciclovir indiziert.
23.5.3 Hepatitis B Die Hepatitis B ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten überhaupt. Weltweit haben etwa 2 Milliarden Menschen eine HBV-Infektion durchgemacht oder durchlaufen aktuell eine Infektion; ca. 3 % der Weltbevölkerung (ca. 240 Millionen Menschen) sind chronisch mit HBV infiziert. In Deutschland wurde eine Prävalenz von akuten oder chronischen Infektionen (Anti-HBc- und HBsAg-positiv) von 0,3 % gefunden. Bei ca. 5 % der deutschen Bevölkerung sind Anti-HBc-Antikörper als Merkmal einer klinisch ausgeheilten oder aktiven HBV-Infektion nachweisbar. Die Auswirkungen einer immunsuppressiven Therapie auf eine Hepatitis-B-Infektion bei CED-Patienten kann nur in Analogie zu tumorkranken Patienten abgeschätzt werden. Bei HBsAg+ Patienten mit Malignomen kommt es in 20–50 % der Fälle unter einer Chemotherapie oder immunsuppressiven Therapie zur Reaktivierung [28]. Meist treten milde Verläufe auf; schwere Dekompensationen mit Todesfällen wurden aber auch beschrieben. Für CED-Patienten ist diese Komplikation bei Behandlung mit Anti-TNF-Antikörpern bekannt. Bei chronischen HBsAg+ -Trägern bzw. Patienten mit nachweisbarer HBVDNA (Anti-HBcAK-positiv) ist deshalb eine antivirale Behandlung mit Nukleotid-/ Nukleosidanaloga notwendig, die am besten 2 Wochen vor Beginn der Therapie mit Steroiden, Azathioprin oder Anti-TNF aufgenommen wird [7].
23.6 Protektion vor Infektionen bei Patienten mit CED durch Impfungen Impfungen besitzen bei CED-Patienten mit Immunsuppression eine besondere Bedeutung, weil verschiedenen Infektionen damit vorgebeugt werden kann. Grundlage für Impfempfehlungen bei Patienten mit CED sind die von der Ständigen Impfkommis-
386 | 23 Infektionen – Prophylaxe und Therapie
sion (STIKO) des Robert Koch-Instituts empfohlenen Impfungen, die in einem jährlich aktualisierten Impfkalender aufgelistet sind (https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/Aktuelles/Impfkalender.html). Verschiedene Arbeiten aus der Versorgungsforschung zeigen jedoch, dass die Adhärenz zu Impfprogrammen bei Patienten mit CED zu niedrig ist [29]. Grundsätzlich ist zwischen Standard-, Auffrisch- und Indikationsimpfungen zu unterschieden.
23.6.1 Standardimpfungen Vor Einleitung einer immunsuppressiven Therapie soll ein Standardimpfschutz bestehen; empfehlenswert ist die Kontrolle des Impfpasses des Patienten. Bestehen Defizite, sollten möglichst frühzeitig die notwendigen Impfungen durchgeführt werden. Dabei wird der Einsatz von Kombinationsimpfstoffen gegen mehrere Erreger empfohlen.
23.6.2 Indikationsimpfungen Indikationsimpfungen sind Impfungen, die – außerhalb des Standardimpfkalenders – bei einer besonderen Gefährdung, wie z. B. bei Patienten mit CED, durchgeführt werden sollten. So rät die STIKO z. B. für Menschen ab einem Alter von 60 Jahren zu zusätzlichen „Standardimpfungen“ gegen Grippe und Pneumokokken.
Für die Impfung gegen Pneumokokken stehen in Deutschland zwei Impfstoffe zur Verfügung. Der eine ist eine Pneumokokken-Konjugat-Vakzine, die gegen 13 Serotypen (z. B. Prevenar 13® ) gerichtet ist. Bei Impfung mit diesem Impfstoff kann eine Reduktion der Inzidenz invasiver Pneumokokkeninfektionen bei geimpften Kindern und ungeimpften Erwachsen („Herdenschutz“) erreicht werden. Es verbleiben invasive Pneumokokkeninfektionen durch Serotypen, die durch PCV-Impfung nicht abgedeckt sind. Der andere Impfstoff ist eine Pneumokokken-Polysaccharid-Vakzine (Pneumovax 23® ), die gegen 23 Serotypen gerichtet ist. Nachteil ist, dass bei wiederholter Impfung kein Booster-Effekt nachzuweisen ist. Bei Patienten mit Immunsuppression, die wiederholt gegen Pneumokokken geimpft werden sollten, kann zunächst mit dem Konjugatimpfstoff und bei Wiederholung mit dem 23-valenten Konjugatimpfstoff geimpft werden.
Totimpfstoff
Totimpfstoff
Totimpfstoff
Totimpfstoff
Lebendimpfstoff
Hämophilus influenzae Serotyp B Hepatitis A
Hepatitis B
Influenza
Masern, Mumps, Röteln (Kombinationsimpfstoff) Meningokokken Serotyp C Pertussis
Grundimmunisierung/Auffrischimpfung/berufsbedingte Impfung (medizinisches Personal, sofern in den letzten 10 Jahren keine Impfung stattgefunden hat)
Lebendimpfstoff
Gelbfieber
Totimpfstoff
Totimpfstoff Totimpfstoff
Diphtherie FSME
Grundimmunisierung, ggf. Nachholimpfung
Reiseimpfung (Aufenthalte in Infektionsgebieten, speziell unter mangelhaften Hygienebedingungen bei aktuellen Ausbrüchen, z. B. in Flüchtlingslagern oder bei Naturkatastrophen) Grundimmunisierung/Nachholimpfung, ggf. Auffrischimpfung Indikationsimpfung (Personen, die in FSME-Risikogebieten möglicherweise mit Zecken in Kontakt kommen (FSME-Risikogebiete in Deutschland) Reiseimpfung (einmalige Impfung in einer von den Gesundheitsbehörden zugelassenen Gelbfieber-Impfstelle) Grundimmunisierung/Nachholimpfung/Indikationsimpfung (Asplenie/ Immunsuppression) Indikationsimpfung (Personen mit häufiger Übertragung von Blutprodukten)/ berufsbedingte Impfung/Reiseimpfung Grundimmunisierung/Indikationsimpfung (Immunsuppression)/ berufsbedingte Impfung/Reiseimpfung Standardimpfung ab 60 Jahre/Indikationsimpfung (Immunsuppression)/ berufsbedingte Impfung (medizinisches Personal) Grundimmunisierung, ggf. Nachholimpfung
Totimpfstoff
Cholera
Totimpfstoff
Charakter der Impfung
Art des Impfstoffes
Notwendige Impfungen basierend auf den Empfehlungen der STIKO
ja
ja
nein
ja
ja
ja
ja
nein
ja ja
ja
Impfung auch während immunsuppressiver Therapie möglich
Tab. 23.3: Empfohlene Impfungen entsprechend der STIKO (s. a. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2017/Ausgaben/34_17.pdf?__ blob=publicationFile und https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2005/Ausgabenlinks/39_05.pdf?__blob=publicationFile)
23.6 Protektion vor Infektionen bei Patienten mit CED durch Impfungen |
387
nein (unter bestimmten Bedingungen möglich)
Grundimmunisierung/Nachholimpfung/Indikationsimpfung (seronegative Patienten vor Immunsuppression)
Varizellen
ja/nein
Totimpfstoff Totimpfstoff Totimpfstoff Totimpfstoff Lebendimpfstoff, Totimpfstoff (Vi KapselPolysaccharidVakzine) Lebendimpfstoff
Poliomyelitis Tetanus Tollwut Tuberkulose Typhus
ja ja ja
ja
Grundimmunisierung/Standardimpfung ab 60 Jahre/Indikationsimpfung (Immunsuppression) Grundimmunisierung/Nachholimpfung, ggf. Auffrischimpfung Grundimmunisierung/Auffrischimpfung, ggf. Nachholimpfung Berufsbedingte Impfung (z. B. Tierärzte, Jäger)/Reiseimpfung Impfung mit dem derzeit verfügbaren Impfstoff wird nicht empfohlen. Reiseimpfung (Reisen in Endemiegebiete)
Totimpfstoff
Pneumokokken
Impfung auch während immunsuppressiver Therapie möglich
Charakter der Impfung
Art des Impfstoffes
Notwendige Impfungen basierend auf den Empfehlungen der STIKO
Tab. 23.3: (fortgesetzt)
388 | 23 Infektionen – Prophylaxe und Therapie
Literatur
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23.7 Fazit Infektiöse Komplikationen sind insbesondere bei CED-Patienten mit immunsuppressiver Therapie durch ein vielfältiges klinisches Bild gekennzeichnet; ihre Kenntnis ist wichtig, weil diese Komplikationen Mortalität auslösen können. Insbesondere bei therapierefraktären Verläufen oder bei untypischen Symptomen ist eine sorgfältige klinische Diagnostik notwendig und eine Anpassung der Therapie der Grunderkrankung notwendig.
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Anton J. Kroesen
24 Operationen bei CED unter Biologika und Immunsuppression Die medikamentöse Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen erfuhr in den letzten 20 Jahren eine drastische Veränderung. Nach Aminosalicylpräparaten, Kortison und Azulfidine zur konservativen Behandlung ergänzen heute Anti-TNFα-Antikörper, Anti-Integrine, Calcineurin-Inhibitoren, Anti-Interleukin-Antikörper, Thiopurine, Plasmapherese und einige experimentelle Ansätze die therapeutischen Optionen. Die Therapie hat sich enorm gewandelt. Dieser Wandel verändert aber auch die Voraussetzungen im Falle eines notwendigen chirurgischen Eingriffs. Der Einfluss der Immunsuppression wird im Folgenden ausgeführt werden. Ein anderer Aspekt verschlechtert die Ausgangssituation der Patienten aber noch mehr. Das Problem ist eine zu lange konservative Therapie, selbst wenn die Operationsindikation schon zweifelsfrei gegeben ist. Die Gründe hierfür liegen im „Nichtloslassen-Können“ des Therapeuten und in der Angst des Patienten vor der Operation. Das Ausreizen und Ausschöpfen aller möglichen Therapieoptionen birgt aber v. a. eine große Gefahr: Durch jeden erfolglosen Therapieansatz verschlechtert sich die Ausgangssituation des Patienten dramatisch. Der Ernährungszustand nimmt ab, die Erkrankungsschwere nimmt zu, als Ultima ratio wird der für die Operation besonders gefährliche Therapieansatz Prednisolon gesteigert. Der Chirurg soll die Situation dann retten. Womit wir das Thema eröffnen.
24.1 Grundsätzliche Problematik der Immunsuppression Die Problematik einer Immunsuppression ist nichts Neues. Die Immunsuppression führt zu einer erhöhten Komplikationsrate. Wie eine Case-match-Studie aus Cleveland zeigt, beträgt für transplantierte Patienten (n = 37: 37) mit Sigmadivertikulitis in der Notfallsituation die 30-Tage-Mortalität 19 % und die Gesamtmorbidität 51 %. In der Elektivsituation zeigt diese Studie allerdings keine Unterschiede [1]. Neben dieser mit 37 Patienten größten Analyse sind eine Vielzahl von weiteren Beobachtungen und kleinen Fallserien publiziert, die alle eine erhöhte Mortalität und Morbidität für diese Patientengruppe aufweisen [2–5]. So lässt sich aus diesen Daten schlussfolgern, dass schon die Immunsuppression nach Transplantation einen Risikofaktor für kolorektale Eingriffe darstellt. Kolorektale Komplikationen stellen eine häufige Todesursache nach Transplantation dar. Lässt sich diese Feststellung für die Chirurgie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen extrapolieren?
https://doi.org/10.1515/9783110492682-025
392 | 24 Operationen bei CED unter Biologika und Immunsuppression
24.2 Literaturanalyse Morbus Crohn Der Einfluss von Anti-TNF-α-Antikörpern (Adalimumab, Infliximab), Immunmodulatoren (Azathioprin, Methotrexat), Calcineurin-Inhibitoren (Ciclosporin A, Tacrolimus), Anti-Integrine (Vedolizumab), Anti-Interleukin-12-/-23-Antikörper (Ustekinumab), Endoxan und Kortison auf postoperative Komplikationen soll untersucht werden. Dabei ist es schwierig, zu unterscheiden, ob die Monotherapie oder die Summation mehrerer Therapien Komplikationen verursacht.
24.2.1 Anti-TNF-α-Antikörper (Adalimumab, Infliximab) Die Literaturlage für diese Fragestellung ist sehr divergent. Innerhalb der vergangenen 6 Jahre wurden sieben Metaanalysen zum Einfluss der perioperativen Gabe von TNF-α-Antikörpern bei Morbus-Crohn-operierten Patienten publiziert. Fast alle aktuellen Auswertungen zeigten einen Einfluss auf die perioperativen Komplikationsraten. Eine Metaanalyse von 14 nichtrandomisierten Studien mit insgesamt 679 Patienten zeigte eine erhöhte Rate an Anastomosenkomplikationen in den „low risk of bias“-Studien für Patienten, die perioperativ TNF-α-Antikörper erhielten. Zudem ergab sich über alle Studien hinweg ein signifikant erhöhtes Risiko auch für nichtchirurgische Komplikationen und chirurgische Komplikationen ohne Bezug zur Anastomosenheilung [6]. Zu vergleichbaren Ergebnissen gelangte eine noch aktuellere Metaanalyse von 18 Kohortenstudien mit insgesamt 5.769 Morbus-Crohn-Patienten. Hier ergab sich eine signifikant erhöhte Rate sowohl an infektiösen (Odds-Ratio [OR] = 1,47; 95%-Konfidenzintervall [CI]: 1,08–1,99, zehn Studien mit 2.116 Patienten) als auch an nichtinfektiösen (OR = 2,29; 95%-CI: 1,14–4,61, drei Studien mit 729 Patienten) postoperativen Komplikationen [7]. Ebenso zeigen auch die Metaanalysen von Kopylov et al. und Narula et al. eine gesteigerte postoperative Morbidität unter perioperativer TNF-α-Hemmer-Therapie [8, 9], die Metaanalysen von Huang et al. und Rosenfeld et al. hingegen fanden keine erhöhten Komplikationsraten [10, 11]. Yang et al. wiederum zeigten eine Erhöhung der Komplikationsrate [7].
24.2.2 Immunmodulatoren (Azathioprin, Methotrexat) Auch der Einfluss von Thiopurinen auf postoperative Komplikationen wurde in zahlreichen Publikationen analysiert. Die Arbeit von Colombel et al., 2004, zeigt keine erhöhte Komplikationsrate unter Azathioprin und schien zunächst einen Freibrief für den Einsatz von Azathioprin zu erteilen [12]. Die genauere Analyse zeigt jedoch, dass die Mehrzahl der Patienten unter Stomaschutz operiert wurde und somit eine saubere Analyse nicht möglich ist. Die weitere Entwicklung der Literatur beschreibt einen ähnlichen Weg wie bei den Anti-TNF-α-Antiköpern. Studien in beide Richtungen sind
24.2 Literaturanalyse Morbus Crohn
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393
publiziert. Myrelid et al. aus Schweden weisen ein signifikant erhöhtes Risiko für eine intraabdominelle Sepsis nach Azathioprin/Mercaptopurin nach [13]. Eine Studie mit deutlich kleinerer Fallzahl (65 Infliximab, 85 Immunsuppression [Azathioprin u. a.], 75 keine Medikation) findet keine erhöhte Komplikationsrate [14]. Ebenso können auch Indar et al. bei 112 Patienten (39 mit Azathioprin/5Mercaptopurin) keine erhöhte Komplikationsrate aufzeigen [15]. Die Publikationen sind nicht sehr zahlreich. Allerdings besteht bei drei von vier hier aufgeführten Publikationen kein Anhalt für eine deutlich erhöhte Komplikationsrate nach dem Einsatz von Immunmodulatoren. Dennoch betonen die Autoren, dass auch in diesen Subgruppen in allen Analysen die meisten Komplikationen bei penetrierendem Erkrankungstyp, bestehender Immunsuppression und jungem Alter bevorzugt auftreten.
24.2.3 Calcineurin-Inhibitoren/Endoxan Diese Substanzen werden vorwiegend im Rahmen der Therapie der fulminanten Colitis ulcerosa eingesetzt. Bei der Therapie des M. Crohn werden diese Medikamentengruppen nur in Ausnahmefällen an besonderen Zentren angewendet. Somit gibt es keine aussagekräftigen Daten im Hinblick auf postoperative Komplikationen. Aber auch hier sei erwähnt, dass nur Patienten in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien überhaupt für solche Endlinienkonzepte infrage kommen. Daher müssen besondere chirurgische Strategien auch für Patienten nach diesen Substanzen berücksichtigt werden.
24.2.4 Kortison Kortikosteroide waren und sind seit Jahrzehnten das Kernstück in der Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen. Alle bisher in dieser Arbeit zitierten Publikationen weisen als Nebenziel Kortison als Hauptrisikofaktor für vermehrte postoperative Komplikationen aus. Mehrere multivariate Analysen haben dies belegt. Allen voran die Arbeit von Yamamoto et al. aus dem Jahr 2000 [16–18].
24.2.5 Anti-Integrine (Vedolizumab) Zu Vedolizumab liegen lediglich Daten aus einer publizierten Studie vor. Lightner et al. analysierten die Daten von 392 CED-Patienten, die zwischen Mai 2014 und Dezember 2015 an der Mayo Clinic, Rochester, Minnesota, abdominal operiert worden waren. 94 Patienten hatten innerhalb von 12 Wochen präoperativ Vedolizumab erhalten, 126 TNF-α-Hemmer und 172 gar keine Biologika. Sowohl in der uni- als auch in der
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multivariaten Analyse stellte sich heraus, dass die Vedolizumabgruppe signifikant mehr postoperative Komplikationen erlitt. Bei 50/94 [53 %] trat eine Komplikation auf vs. 33 % bzw. 28 % in der TNF-α-Hemmer-Gruppe bzw. in der Gruppe ohne Biologika, p < 0, 001). Auch postoperative Wundinfekte waren mit 37 % signifikant häufiger in der Vedolizumabgruppe als in den beiden anderen Gruppen (10 % bzw. 13 %, p < 0, 001) [19]. Allerdings muss diese Studie mit Vorsicht interpretiert werden, weil es sich hier um eine retrospektive Studie handelt und in der Vedolizumabgruppe wesentlich mehr Patienten zusätzlich Steroide erhalten hatten. Zudem waren die Operationsindikationen und -verfahren in den verschiedenen Gruppen unterschiedlich verteilt. So hatten in der Vedolizumabgruppe nur 37 % der Patienten mit Darmresektion eine Anastomose erhalten, während dieses in den anderen beiden Gruppen bei 63 % bzw. 54 % der Fall war. So waren in dieser Gruppe v. a. therapierefraktäre Patienten, denen man als letzte Option Vedolizumab gab.
24.2.6 Anti-Interleukin-12-/-23-Antikörper (Ustekinumab) Ustekinumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper gegen die Zytokine Interleukin-12 und Interleukin-23, der seit 2009 in Europa für die Behandlung der PlaquePsoriasis, der psoriatischen Arthritis und des M. Crohn zugelassen ist. Daten zum perioperativen Management von M.-Crohn-Patienten oder zu postoperativen Komplikationen unter Ustekinumab liegen bisher nicht vor. Eine Studie, die retrospektiv den Effekt von Ustekinumab auf postoperative Komplikationen beim Einsatz wegen Psoriasis untersucht hat, suggeriert keine Erhöhung der Komplikationsrate [20]. Bei einer Halbwertszeit von 21 Tagen und üblichen Dosierungsintervallen von 8– 12 Wochen sollte man analog zu Vedolizumab verfahren.
24.3 Literaturanalyse Colitis ulcerosa Genauso wie beim M. Crohn werden Anti-TNF-α-Antikörper (Adalimumab, Infliximab), Calcineurin-Inhibitoren, Anti-Integrine (Vedolizumab), Immunmodulatoren (Azathioprin/Mercaptopurin, Methotrexat), 5-ASA (für postoperative Komplikationen nicht bedeutsam), Azulfidine (für postoperative Komplikationen nicht bedeutsam) und natürlich nach wie vor Kortikosteroide breit eingesetzt.
24.3.1 Anti-TNF-α-Antikörper (Adalimumab, Infliximab) Aus den gängigen Datenbanken (Pubmed, Embase) lassen sich insgesamt 13 Studien extrahieren, die sich mit dem Einfluss von Anti-TNF-α-Antikörpern auf postoperative
24.3 Literaturanalyse Colitis ulcerosa |
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Komplikationen befassen. Yang et al. haben im letzten Jahr die zweite Metaanalyse zu diesem Thema publiziert. Kamen die Autoren 2010 noch zu dem Schluss, dass durch den Einsatz von Anti-TNF-α-Antikörpern postoperative Komplikationen erhöht sind, so kommen die Autoren nach weiteren acht Publikationen zu dem Schluss, dass sich die Komplikationsrate nicht erhöht [21, 22]. Wie entstand nun dieser Sinneswandel der Autoren? Alle Studien, die in diese Metaanalysen eingeschlossen wurden, waren retrospektiv. Mehrere Fakten lassen aufhorchen: 1. Die Definition postoperativer Komplikationen ist sehr heterogen unter den Studien. Anastomoseninsuffizienzen als schwerste Komplikationsform werden nur in einem Teil der Studien explizit aufgeführt. 2. Die Dauer zwischen der letzten Infliximab-Infusion und dem Eingriff ist variabel. Manche Patienten haben die Infusion mehr als 12 Wochen vor dem Eingriff erhalten, eine andere Gruppe weniger als 12 Wochen. Um diese genauer zu evaluieren, müsste der Serumspiegel präoperativ gemessen werden. 3. Malnutrition, der Einsatz von anderen Immunsupressiva und Kortison sind in den Studien uneinheitlich angegeben. 4. Die hinzugekommenen Studien, die bis auf eine alle Anti-TNF-α-Antikörper nicht als Risikofaktor für infektiöse und nichtinfektiöse Komplikationen identifizieren, haben mit einer Fallzahl von 275 gegenüber 711 Patienten der ersten Metaanalyse deutlich weniger Patienten. 5. Drei Studien, die in die Analyse mit einbezogen wurden, erscheinen nicht unter den Ergebnissen für infektiöse und nichtinfektiöse Komplikationen. Seit dieser Metaanalyse ist eine weitere prospektive Studie hinzugekommen, die ebenfalls keinen Einfluss durch Anti-TNF-α-Antikörper auf postoperative Komplikationen sieht. Wieder dominieren die Erkrankungsschwere, Dauer und Kortikosteroide als Risikofaktoren. Selbst eine Mehrfachtherapie mit Kortison, Immunmodulatoren und Anti-TNF-α-Antikörpern stellt keinen Risikofaktor dar [23]. Die zweite Metaanalyse von Yang et al. ist aus den angeführten Gründen nicht aussagekräftig genug. Erneut zum Ergebnis, dass eine Anti-TNF-α-Antikörper-Therapie die postoperative Komplikationsrate erhöht, kam auch die Metaanalyse von Selvaggi aus dem Jahr 2015 [24]. Vor allem im Zeitraum < 12 Wochen vor Operation stellen AntiTNF-α-Antikörper nach wie vor einen Risikofaktor für infektiöse und nichtinfektiöse Komplikationen dar.
24.3.2 Calcineurin-Inhibitoren Für die Auswirkungen von Calcineurin-Inhibitoren auf die postoperative Morbidität existieren nur zwei Studien. In einer Studie aus Oxford aus dem Jahr 2001 mit 44 Patienten wurden 25 mit i.v. Prednisolon und 19 mit Ciclosporin präoperativ
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behandelt. In diesem Kollektiv fand sich keine erhöhte Morbidität unter der Kombination von Steroiden und Ciclosporin verglichen mit alleinigen Steroiden [25]. In einer weiteren Studie aus dem Jahr 2007 hingegen fand sich nach sequenzieller Therapie mit Infliximab und Ciclosporin eine Erhöhung der Komplikationsrate von 80 % vs. 29 % [26]. Für Tacrolimus finden sich keine Daten. Auch hier muss berücksichtigt werden, dass es sich um eine relativ seltene Indikation handelt, weil diese Stoffgruppe hauptsächlich bei der fulminanten und toxischen Kolitis Anwendung findet.
24.3.3 Immunmodulatoren (Azathioprin/Mercaptopurin, Methotrexat) Zu dieser Substanzgruppe existiert nur eine Publikation aus der Mayo Clinic, in der Azathioprin als Nebenziel als Risikofaktor in der univariaten Analyse identifiziert wurde [27]. Für Methotrexat gibt es keine Daten.
24.3.4 Kortikosteroide Wie auch beim M. Crohn wird in allen Analysen zu Risikofaktoren, die unter dem Absatz 24.3.1 „Anti-TNF-α-Antikörper“ aufgeführt sind, Kortison als wesentliche anzuschuldigende Substanz herausgearbeitet. Heuschen zeigte in seiner multivariaten Analyse die besondere Bedeutung als Risikofaktor und erkannte 20 mg als die kritische Schwelle [28].
24.4 Chirurgische Strategie beim Morbus Crohn Wie alle Studien zu Risikofaktoren für postoperative Komplikationen aufzeigen, ist die Komplikation immer ein multifaktorielles Geschehen. Ernährungszustand (Albumin, BMI), präoperative Prednisolondosis und -dauer, Erkrankungsschwere, junges Alter, Nikotin und penetrierender Typ sind Risikofaktoren. Diese Faktoren sind nur bedingt beeinflussbar. Wie auch in der Arbeit von Myrelid aufgeführt, verfolgen wir folgendes Konzept [29]: 1. Optimierung des Ernährungsstatus durch eine 10-tägige parenterale Zusatzernährung. 2. Herabsetzen der Prednisolondosis möglichst < 20mg/Tag. 3. Möglichst > 4 Wochen Absetzen von Immunsuppressiva und Biologika. 4. Begleitende antibiotische Therapie mit z. B. Ciprofloxacin/Metronidazol. 5. Interventionelle Drainage von intraabdominellen Abszessen und zweizeitige Resektion. 6. Nikotinkarenz.
24.6 Fazit
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Bei unvermeidbarer Operation und > 20 mg Prednisolon, Mehrfachimmunsuppression, makroskopisch Kortison-geschädigtem Gewebe Sicherung der Anastomose durch ein Stoma oder Ausleiten der beiden Darmenden als Split-Stoma.
24.5 Chirurgische Strategie bei Colitis ulcerosa Die chirurgische Strategie bei der Colitis ulcerosa hat für die stark immunkompromittierten Patienten Eingang sowohl in die europäische Colitis-ulcerosa-Leitlinie (ECCO) als auch in die deutsche Leitlinie gefunden [30, 31]. Patienten mit einer Prednisolondosis > 20 mg/Tag und/oder einer zusätzlichen Immunsuppression oder Anti-TNF-α-Antikörper-Therapie sollen nicht ein- oder zweizeitig, sondern sollten durch ein dreizeitiges Vorgehen restaurativ proktokolektomiert werden. Das heißt: Erster Schritt: subtotale Kolektomie mit endständigem Ileostoma, Rektumblindverschluss (oder Sigmaschleimfistel). Zweiter Schritt: Restproktokolektomie, Ileum-J-Pouch-Anlage und protektives LoopIleostoma. Dritter Schritt: Ileostomarückverlagerung. Wie eine Publikation unserer Arbeitsgruppe unlängst aufgezeigt hat, lässt sich durch diese Strategie ein besseres Outcome erzielen [32]. Neben dieser Strategie gelten die folgenden Punkte: 1. Optimierung des Ernährungsstatus durch eine 10-tägige parenterale Zusatzernährung. 2. Herabsetzen der Prednisolondosis möglichst < 20 mg/Tag. 3. Möglichst > 4 Wochen Absetzen von Immunsuppressiva und Biologika. 4. Begleitende antibiotische Therapie mit z. B. Ciprofloxacin/Metronidazol.
24.6 Fazit Trotz uneinheitlicher Literatur sind Immunsuppressiva und Biologika Risikofaktoren für die Entstehung von postoperativen Komplikationen. Daneben beeinflussen weitere Faktoren, allen voran der Ernährungszustand und die individuelle Erkrankungsschwere, den Ausgang der Operation. Wichtig ist es, den Patient nicht erst so weit kommen zu lassen, nicht jede zur Verfügung stehende Variante auszuprobieren und die Therapie abzubrechen, wenn sich nicht schnell ein Durchbruch erzielen lässt. Der Dialog zwischen Chirurg und Gastroenterologe ist hier essenziell. Ein verpasster optimaler Operationszeitpunkt kann über das Schicksal des Patienten entscheiden.
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Oliver Bachmann
25 CED und maligne Erkrankungen 25.1 Einleitung Die Koinzidenz von chronisch entzündlicher Darmerkrankung (CED) und malignen Erkrankungen wird zukünftig häufiger werden. Als Grund werden verschiedene Faktoren diskutiert: Die Lebenserwartung und die Prävalenz von Krebs sowie auch die der CED sind ansteigend, sodass allein ein zufälliges Zusammentreffen wahrscheinlicher wird. Es gibt zudem Daten, dass bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ein erhöhtes Risiko für solide Tumoren und zumindest ein Trend hin zu mehr hämatologischen Malignomen besteht. Nicht zuletzt werden auch Komponenten der medikamentösen CED-Therapie mit der Entstehung von Malignomen in Verbindung gebracht. Die genannten Überlegungen sorgen nicht selten für Verunsicherung bei Behandler und Patient, sodass in diesem Abschnitt die zur Verfügung stehenden Daten zum Zusammenhang chronisch entzündlicher Darmerkrankungen mit malignen Erkrankungen kritisch beleuchtet werden sollen.
25.2 Grundsätzliches Tumorrisiko bei CED Zwei jüngere Metaanalysen haben das erhöhte Kolorektalkarzinom(CRC)-Risiko bei CED bestätigt [1, 2].
Einflussfaktoren bei Colitis ulcerosa sind Ausbreitung, Dauer der Erkrankung, eine Familienanamnese für CRC und die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) [3], allerdings nicht eine vorhergehende Lebertransplantation. Dem höchsten Risiko sind Patienten mit nachgewiesenen intraepithelialen Neoplasien (IEN) im Kolon ausgesetzt, woraus die in nationalen und internationalen Leitlinien niedergelegten Überwachungsempfehlungen resultieren [4–6]; das Thema „Überwachungsstrategien“ wird in Kapitel 6.2 behandelt. In einer Metaanalyse lag die gepoolte SIR für ein CRC bei allen CED-Patienten bei 1,7 (1,2–2,2) und war somit signifikant [7], aber niedriger als zuvor berichtet. Bei Diagnosestellung eines CRC sind die Betroffenen tendenziell jünger als beim sporadischen CRC, einen konsistenten Effekt auf das Überleben hat die CED nicht. Die Proktokolektomie eliminiert das CRC-Risiko, nicht jedoch das Risiko von Neoplasien der analen Transitionszone (ATZ), der Rektummanschette oder des IleumPouches. Das Risiko für eine Neoplasie für Patienten mit Pouch ist sehr klein und liegt in großen Studien zwischen 1,13 und 1,19 % [8, 9]. Eine präoperative IEN erhöht https://doi.org/10.1515/9783110492682-026
402 | 25 CED und maligne Erkrankungen
das Risiko um den Faktor 4 und ein präoperatives CRC um den Faktor 25 [10]. Die Evidenz ist unzureichend für eine allgemeine Überwachungsempfehlung, Kontrollen sollten individualisiert nach Risikokonstellation erfolgen. Bei M. Crohn kann es selten zu Adenokarzinomen als Komplikation perianaler oder entero-kutaner Fisteln kommen, wobei die Inzidenz in einer Metaanalyse bei 0,2/1.000 Patientenjahre lag [11]. Persistierende chronische Fisteln, insbesondere bei jungen Frauen, wurden als potenzielle Risikofaktoren für eine maligne Transformation beschrieben [12]. Aufgrund der oft unspezifischen Symptome ist auf eine Änderung der Klinik, wie z. B. neu auftretende Schmerzen, zu achten, und verdächtige Fistel-assoziierte Läsionen sollten niederschwellig biopsiert werden [13]. Der M. Crohn des Dünndarms erhöht das Risiko für Adenokarzinome, typischerweise in entzündeten Segmenten, wohingegen eine Assoziation der CED mit Karzinoiden oder gastrointestinalen Stromatumoren nicht belegt ist [13]. In großen Studien lag das relative Risiko zwischen 18,7 und 34,9 % [11, 14], wobei das absolute Risiko sehr niedrig ausfällt. Ein langjähriger strikturierender Verlauf scheint mit der Entstehung von Dünndarmkarzinomen assoziiert zu sein, sodass insbesondere symptomatische Strikturen nach Remissionsphasen und Strikturen ohne Ansprechen auf medikamentöse Behandlung mittels Kapselendoskopie, Ballonenteroskopie oder MRT abgeklärt werden sollten. Eine entsprechende Überwachungsstrategie ist nicht etabliert. CED-Patienten – insbesondere bei Vorliegen einer Colitis ulcerosa – sind weiterhin einem erhöhten Risiko für Cholangiokarzinome ausgesetzt [15], das sich vorwiegend aus der Assoziation mit der PSC (s. Kap. 19) ergibt. Für andere extraintestinale Malignome besteht kein generell erhöhtes Risiko, jedoch zeigte sich in einer Metaanalyse bei separater Betrachtung verschiedener Krebsarten eine Risikoerhöhung bei M. Crohn für Malignome des oberen Gastrointestinaltraktes, der Lunge, der Harnblase, für Nicht-Melanom-Hautkrebs (NMSC) und bei Colitis ulcerosa für Leber-/Gallenwegsmalignome und Leukämie [16]. Für M.-Crohn-Patienten wurde in mehreren populationsbasierten Studien und Metaanalysen zusätzlich ein erhöhtes Risiko für Lymphome, insbesondere Non-Hodgkin-Lymphome beschrieben [16], das von einer Thiopurintherapie unabhängig war [17]. In einer Fallkontrollstudie ergaben sich früher Krankheitsbeginn, männliches Geschlecht und Alter > 65 Jahre als Risikofaktoren [18]. Wenngleich spezifische Symptome fehlen, sollte bei jedem CED-Patienten mit therapieresistenten hämatologischen Veränderungen, Fieber oder Lymphknotenbzw. hepatosplenischer Vergrößerung an ein hämatologisches Malignom gedacht werden [13]. Kürzlich wurde aus der IBSEN-Kohorte (20-Jahre Follow-up) eine erhöhte SIR für das Mammakarzinom bei CED berichtet [19]. Schätzungen zufolge beträgt das Lebenszeitrisiko für Hauttumoren in der Allgemeinbevölkerung 20 %, für Melanome 2 %. Die meisten populationsbasierten Studien haben eine erhöhte Inzidenz von NMSC bei CED-Patienten gefunden, am häufigsten treten hier Basaliome und Spinaliome auf [20, 21]. Eine erhöhte Melanominzidenz wurde nicht gefunden [21], wobei aufgrund der geringen Häufigkeit der Erkrankung eine sehr große Kohorte notwendig wäre. CED-spezifische Risikofaktoren abseits der
25.3 Therapieabhängige Malignome bei CED | 403
therapieabhängigen sind möglicherweise genetischer Natur. Jährliche Vorsorgeuntersuchungen sind für CED-Patienten empfehlenswert, insbesondere unter Therapie mit Immunsuppressiva (s. u.) und bei fortgeschrittenem Alter (> 50 Jahre) [13].
25.3 Therapieabhängige Malignome bei CED Im Vergleich zu medikamentenunabhängigen Malignomen sind durch Immunsuppressiva verursachte Malignome bei CED als selten anzusehen [22].
Thiopurine (Azathioprin, 6-Mercaptopurin) werden während der DNA-Replikation der Zelle inkorporiert und können mutagen wirken, die Immunosurveillance behindern, die Funktion EBV-infizierter Immunzellen stören und mikrosatelliteninstabile Zellen begünstigen. Eine Risikoerhöhung durch Thiopurine für Krebserkrankungen gilt als gesichert und liegt – abhängig von der Berücksichtigung von NMSC – bei 41 bzw. 68 % [23, 24], ist jedoch nicht bei zurückliegender Thiopurintherapie nachzuweisen. Für eine Monotherapie mit TNF-Inhibitoren besteht nach aktuellem Wissensstand keine generelle Risikoerhöhung [25], für Methotrexat und die (bei CED übliche Kurzzeittherapie mit) Calcineurin-Inhibitoren (CNI) liegen keine ausreichenden Daten vor. In einer kürzlich publizierten Metaanalyse lag die SIR für Lymphome bei CEDPatienten unter Thiopurintherapie bei 5,7 (3,2–10,1), nicht jedoch bei vorangegangener Behandlung; das höchste Risiko bestand bei Patienten > 50 Jahre und bei Männern < 30 Jahren [26]. Eine zusätzliche oder alleinige Anti-TNF-Therapie scheint das Lymphomrisiko – abgesehen vom hepatosplenischen T-Zell-Lymphom – nicht zu erhöhen [25, 27]. Nahezu alle Thiopurin-assoziierten Lymphome bei Patienten > 30 Jahre sind „post-transplant-like“-Lymphome, die mit einer EBV-Reaktivierung assoziiert sind [28], eine Präventionsstrategie ist nicht etabliert. Eine seltene Form mit hoher Mortalität stellen die Post-Mononukleose-Lymphome dar, sodass bei EBV-seronegativen jungen Männern Alternativen zur Thiopurintherapie gesucht werden sollten [29]. Da das ebenfalls seltene hepatosplenische T-Zell-Lymphom insbesondere bei jungen Männern unter Kombinationstherapie mit Thiopurinen und Anti-TNF-Antikörpern auftritt, empfiehlt sich eine Begrenzung der kombinierten Therapie auf maximal 2 Jahre [29]. Thiopurine führen zu einer Risikoerhöhung für NMSC, insbesondere Spinaliome. In einer jüngeren Metaanalyse wurde eine HR von 2,3 gefunden [30]. Unklar ist, ob das Risiko nach Absetzen fortbesteht und ob eine TNF-Monotherapie eine Risikoerhöhung bewirkt [13]. Was Melanome angeht, so wurde für Thiopurine keine Risikoerhöhung beobachtet [20, 31], während TNF-Antikörper unabhängig mit einem erhöhten Melanomrisiko von ca. 1,3 assoziiert sind [20]. Für Methotrexat und CNI existieren keine Daten in CED-Kollektiven, sondern lediglich Hinweise auf eine Risikoerhöhung aus Rheumatoide-Arthritis(RA)- und Transplantationskollektiven.
404 | 25 CED und maligne Erkrankungen
Im Rahmen der Therapieplanung bei CED sollte das Hintergrundrisiko für Hautkrebs (Rauchen, fortgeschrittenes Alter, männliches Geschlecht, helle Haut, kumulative Sonnenexposition, schwere Sonnenbrände in der Kindheit, Außentätigkeit, Familiengeschichte etc.) berücksichtigt werden. Alternativen zu Anti-TNF und CNI sollten bei Melanomanamnese bzw. erhöhtem Risiko, zu Thiopurinen bei NMSC-Anamnese gesucht werden.
Sonnenschutzmaßnahmen und regelmäßige Hautuntersuchungen sollten nach individuellem bzw. Therapie-assoziiertem Risiko erfolgen [6, 13]. Aus einer dänischen Studie ergab sich ein 2,4-fach erhöhtes Risiko für Karzinome der ableitenden Harnwege bei CED-Patienten unter Thiopurintherapie [24]. Für einen Zusammenhang zwischen CED-Therapie und Zervixkarzinomen liegen widersprüchliche Ergebnisse vor; als Präventivmaßnahmen stehen die HPV-Impfung und Screening mittels Zervixabstrichen zur Verfügung, die andernorts ausführlich diskutiert sind [32].
25.4 Management bei vorbestehendem Malignom und CED Aus dem SEER (Surveillance, Epidemiology, and End Results)-Programm geht hervor, dass das Risiko für eine erneute Krebserkrankung bei Überlebenden einer Krebserkrankung um 14 % erhöht ist. Bei CED-Patienten mit Tumoranamnese ist eine individuelle, interdisziplinäre Betreuung durch Gastroenterologen und Onkologen wünschenswert, die sich insbesondere den Fragen widmet, wie die CED bei Patienten mit vorangegangener, neu diagnostizierter oder rezidivierter Krebserkrankung behandelt werden soll, und welchen Einfluss ggf. die tumorspezifische Therapie auf die CED haben kann. Aus der CESAME-Kohorte ergab sich in der multivariaten Analyse eine HR von 1,9 für eine neue oder erneute Tumorerkrankung bei CED-Patienten mit – verglichen mit Patienten ohne vorherige Tumorerkrankung [23]. Eine Risikomodifikation durch Immunsuppressiva wurde in dieser Studie nicht nachgewiesen, wobei zu beachten ist, dass dieses Ergebnis im Widerspruch zu den Resultaten aus Transplantationskohorten steht [33] und die Zahl der erneut an Krebs Erkrankten relativ klein war, sodass auch zu Risiken durch verschiedene Immunsuppressiva keine verlässlichen Schlüsse gezogen werden können [23]. Das Risiko einer erneuten Tumorerkrankung durch Anti-TNF wurde in mehreren, relativ kleinen Studien mit RA- und CED-Patienten untersucht, und diese vorläufigen Daten zeigen keine offensichtliche Risikoerhöhung für diese Medikamentenklasse [13]. In einer kürzlich publizierten Metaanalyse (11.702 Patienten mit Immunerkrankung und vorheriger Krebserkrankung) wurden vergleichbare Rekurrenzraten ohne Immunsuppression, Anti-TNF, Immunmodulatoroder Kombinationstherapie berichtet [34].
Literatur
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Generell gilt, dass bei früherem Malignom der Nutzen einer immunsuppressiven Therapie sorgfältig gegen das potenzielle Risiko einer erneuten Tumorerkrankung abgewägt werden sollte; bei vorangegangenem Melanom ist eine Anti-TNF-Therapie definitiv zu vermeiden.
Wenngleich kaum belastbare Daten zum Management einer CED im Zusammengang mit einer vorangegangenen oder aktuellen Tumorerkrankung existieren, sollte bei Auftreten einer Tumorerkrankung die immunsuppressive Therapie der CED zumindest bis zum Abschluss der Tumorbehandlung unterbrochen werden. Bei NMSC sollten Thiopurine abgesetzt und nur bei sporadischen, nichtaggressiven Basaliomen unter Abwägung der Alternativen fortgeführt werden [13]. Bei aktiver CED und Malignomanamnese sind Therapien mit 5-ASA, Ernährungstherapie und topischen Steroiden als sicher anzusehen. Bei schwereren oder refraktären Schüben können Anti-TNF, Methotrexat, kurzeitige systemische Steroide oder chirurgische Maßnahmen erwägt werden. Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus den Transplantationskohorten sollte eine immunsuppressive Therapie der CED möglichst erst 2–5 Jahre nach Abschluss der Tumorbehandlung nach individueller Entscheidung fortgesetzt werden, hierbei spielen auch das Rezidivrisiko der jeweiligen Tumorentität [33] und das medikamentöse Risiko [35] eine Rolle.
25.5 Fazit Das Zusammentreffen von chronisch entzündlicher Darmerkrankung und malignen Erkrankungen wird an Relevanz zunehmen. Ein personalisiertes Vorgehen bei Medikamentenauswahl und Überwachungsstrategie unter Berücksichtigung der individuellen und therapieabhängigen Risikofaktoren erscheint notwendig, um dieser Herausforderung zu begegnen.
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| Teil VIII: Besondere Lebenssituationen
Axel Dignaß
26 Reproduktion und Schwangerschaft Colitis ulcerosa (CU) und M. Crohn (MC) betreffen junge Menschen oftmals in einer Lebensphase der Familienplanung. Der natürlicherweise chronische und schubförmige Verlauf chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED), der Einsatz von Medikamenten und die evtl. Notwendigkeit chirurgischer Eingriffe verunsichern sowohl die betroffenen Patientinnen und Patienten als auch deren Partner beim Thema Kinderwunsch. Viele Patienten befürchten einen negativen Einfluss der CED auf den Schwangerschaftsverlauf und umgekehrt. Es bestehen Ängste, inwieweit mit negativen Konsequenzen durch eine medikamentöse Therapie auf den Nachwuchs zu rechnen, ob unter antientzündlicher Therapie eine Schwangerschaft möglich ist und auf welche Art entbunden werden kann. Nicht selten werden diese Sorgen, unabhängig davon, ob begründet oder nicht, von Patienten als Gründe für eine gewollte Kinderlosigkeit angeführt. Die Betreuung von CED-Patienten vor, während und nach einer Schwangerschaft stellt darum eine Herausforderung dar, bei der es auch darum geht, die oft unbegründeten Ängste und Sorgen abzubauen.
26.1 Fertilität 26.1.1 Fertilität bei CED Viele Patienten fürchten Infertilität infolge ihrer CED. Eine allgemein gültige Definition von Infertilität existiert jedoch nicht. Es wird aber allgemein angenommen, dass es bei regelmäßigem Geschlechtsverkehr innerhalb von 1–2 Jahren zu einer Schwangerschaft kommt, folglich kann das Ausbleiben einer Schwangerschaft nach dieser Zeit als sinnvolle Definition von Infertilität angesehen werden [1]. Von Infertilität abzugrenzen ist die bewusste Kinderlosigkeit. Konzeption spiegelt dabei einen komplexen Ablauf mehrerer koordiniert ablaufender biologischer Prozesse wider, die durch verschiedene Faktoren bei beiden Geschlechtern gestört werden können. Besteht bei CED-Patienten keine entzündliche Aktivität ihrer Erkrankung, wird keine spezifische antientzündliche Medikation eingenommen und sind in der Vergangenheit keine chirurgischen Eingriffe aufgrund der CED erforderlich gewesen, unterscheidet sich die Fertilitätsrate von weiblichen und männlichen CED-Patienten nicht von der der Normalbevölkerung [2, 3]. Dennoch tendieren CED-Patienten dazu, weniger Kinder zu haben als die Normalbevölkerung [4]. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass Infertilität allein hierfür nicht verantwortlich zu sein scheint [5], sondern auch Überzeugungen, Hoffnungen und Erfahrungen mit der eigenen Erkrankung eine Rolle bei der Familienplanung spielen [6] und dann in bewusster Kinderlosigkeit resultieren. Im Gegensatz zur CU hat der aktive MC einen https://doi.org/10.1515/9783110492682-027
412 | 26 Reproduktion und Schwangerschaft
negativen Effekt auf Fertilitätsraten [2, 7]; eine Schädigung der Eileiter, ovarielle Dysfunktion und Dyspareunie infolge entzündlicher Aktivität sind denkbare Ursachen [8, 9].
26.1.2 Einfluss von Medikation und Operationen auf die weibliche Fertilität Standardmedikamente wie Mesalazin, Sulfasalazin und Kortikosteroide haben keinen nachweisbaren Einfluss auf die weibliche Fertilität, weder bei CU noch bei MC [10]. Während Thiopurine (Azathioprin und 6-Mercaptopurin) keinen relevanten Einfluss auf die weibliche Fertilität zu haben scheinen und ihr Einsatz in der Schwangerschaft als sicher gilt [11–13], stellt eine Therapie mit Methotrexat (MTX) aufgrund dessen teratogener Effekte [14–16] eine Kontraindikation für eine Schwangerschaft dar und muss bei Frauen und Männern mindestens 3 Monate vor Planung einer Schwangerschaft beendet sein. Die meiste Erfahrung zu Calcineurin-Inhibitoren (Tacrolimus und Ciclosporin) und deren Einfluss auf Fertilität und Schwangerschaft stammt aus der Organtransplantationsmedizin (vorwiegend Leber- und Nierentransplantation). Generell scheinen Schwangerschaften unter Calcineurin-Inhibitoren möglich und der Schwangerschaftsverlauf meistens nicht nachteilig, teilweise vergleichbar mit der Normalbevölkerung [17–19]. Daten zum Einfluss von Anti-TNF-α-Inhibitoren fehlen gänzlich, aus unserer eigenen klinischen Erfahrung können wir nicht von einer merkbaren Reduktion der Fertilität unter dieser Therapie berichten. Daten zum Einfluss von Vedolizumab und Ustekinumab auf die Fertilität liegen bisher nicht vor. Scheinen die Standardmedikamente keinen oder lediglich einen sehr geringen Einfluss auf die Fertilitätsrate zu haben, führen operative Eingriffe in Abdomen oder Becken definitiv zu einer Reduktion der Fertilität. Insbesondere bei CU muss mit den Patientinnen besprochen werden, dass eine Proktokolektomie mit Anlage einer ileo-pouch-analen Anastomose (IPAA) mit einer deutlich herabgesetzten Fertilität assoziiert ist (3- bis 4-fach erhöhtes Infertilitätsrisiko) [20–23]. Eine laparoskopische Durchführung der Protokolektomie sollte aufgrund der im Vergleich zum klassischen Verfahren erhöhten Schwangerschaftsraten bevorzugt werden [24, 25]. In Einzelfällen kann mit den Patientinnen die Möglichkeit einer Kolektomie mit ileorektaler Anastomose erörtert werden, weil dieses Verfahren die Fertilität kaum zu beeinflussen scheint, jedoch muss das Risiko der entzündlichen Aktivität im verbliebenen Kolon berücksichtigt werden [26, 27]. Der Einfluss ausgedehnter Dünndarmresektionen auf die Fertilität ist unklar, Schwangerschaften sind in der Literatur jedoch beschrieben. Patientinnen mit Kurzdarmsyndrom, die dauerhaft parenteral ernährt werden, können ebenfalls unauffällige Schwangerschaften erfahren [28], Malnutrition wird jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu herabgesetzter Fertilität führen und birgt das Risiko fetaler Fehlbildungen. Auch nach Anlage eines Stomas sind Schwangerschaften möglich, der weitere Schwangerschaftsverlauf ist meist ungestört. Jedoch
26.2 Schwangerschaft | 413
muss berücksichtigt werden, dass ein Stoma von CED-Patientinnen unterschiedlich toleriert und bewertet wird [29] und einen Einfluss auf Sexualverhalten und Fertilität haben kann. Im Falle einer weiterhin bestehenden Kinderlosigkeit sollte mit den Patientinnen auch die Möglichkeit einer In-vitro-Fertilisation (IVF) besprochen werden. Die Rate an erfolgreichen Schwangerschaften nach IVF ist vergleichbar mit denen von Patientinnen ohne CED [30], scheinbar selbst nach Proktokolektomie mit IPAA [31].
26.1.3 Einfluss von Medikation und Operationen auf die männliche Fertilität Mit Ausnahme von Sulfasalazin haben Standardmedikamente keinen negativen Einfluss auf die männliche Fertilität. Sulfasalazin führt zu einer verminderten Spermaqualität, die nach Absetzen oder Wechsel auf Mesalazin vollständig reversibel ist [10, 32, 33]. Mesalazin, Steroide und Thiopurine [34] scheinen keinen negativen Effekt auf die Fertilität zur haben. Die Datenlage zur Beeinflussung der männlichen Fertilität durch Methotrexat ist teilweise widersprüchlich, wobei die meisten Arbeiten keinen negativen Einfluss nachweisen konnten [14–16, 35, 36]. Aufgrund des klaren teratogenen Potenzials von Methotrexat empfehlen wir jedoch auch männlichen Patienten eine Beendigung dieser Therapie mindestens 3 Monate vor Planung einer Schwangerschaft. Unter einer Therapie mit dem Anti-TNF-α-Inhibitor Infliximab (IFX) wurden qualitative und quantitative Verschlechterungen des Spermas berichtet [37], dies scheint klinisch infolge normaler Fertilität bei männlichen Patienten, die wegen ankylosierender Spondylitis oder Psoriasis mit IFX behandelt wurden, nicht relevant zu sein [38–40]. Daten zu Calcineurin-Inhibitoren (Tacrolimus, Ciclosporin) stammen erneut überwiegend aus der Transplantationsmedizin. Eine Langzeittherapie mit Ciclosporin hatte keinen relevanten Effekt auf die Fertilität bei Männern nach Nierentransplantation [41]. Tierexperimentell besteht unter Tacrolimus eine Oligospermie mit zugleich verminderter Motilität [42]; mittels Umfrage an 164 Patienten unter Tacrolimustherapie nach Nierentransplantation konnte bei 167 Schwangerschaften keine reduzierte Fertilität dokumentiert werden [43]. Der Einfluss von Operationen auf die Fertilität ist bei Männern im Vergleich zu Frauen deutlich geringer ausgeprägt, in einer Umfrage nach Proktokolektomie mit IPAA berichtete 1 von 44 Männern von retrograder Ejakulation und 6 Männer berichteten von erektiler Dysfunktion [20].
26.2 Schwangerschaft 26.2.1 Schwangerschaftsverlauf bei CED Schwangerschaften verlaufen bei ca. 80 % der CED-Patientinnen unauffällig [44] (Tab. 26.1), die Datenlage zur Wahrscheinlichkeit von Schwangerschaftskomplikationen ist jedoch widersprüchlich. In einer aktuellen Metaanalyse aus dem Jahr 2015
414 | 26 Reproduktion und Schwangerschaft
Tab. 26.1: Schwangerschaftsverlauf und Krankheitsaktivität (nach [45]).
Normalbevölkerung MC, in Remission MC, aktive Erkrankung CU, in Remission CU, aktive Erkrankung
Normaler Verlauf (%)
Kongenitale Fehlbildungen (%)
Frühgeburt (%)
Spontanabort (%)
83 82 (71–93) 54 84 (76–97) 65
2 1 (0–6) 1 1 (0–3) 2
6 7 25 6 12
9 10 (3–27) 20 9 (1–16) 21
wurden Daten aus insgesamt 23 Studien von 1980 bis 2014 bei 5.449 MC- und 6.559 CU-Patientinnen ausgewertet, berichtet werden erhöhte Raten für Frühgeburt (Odds Ratio 1,85), niedriges Geburtsgewicht (Odds Ratio 1,36), Totgeburt (Odds Ratio 1,57) und kongenitale Fehlbildungen (Odds Ratio 1,29) [45]. Einerseits muss einschränkend berücksichtigt werden, dass in praktisch allen Studien die Krankheitsaktivität nicht beachtet wurde und sich im Zeitraum von 1980 bis 2014 sowohl die verfügbaren Medikamente (insbesondere Biologika) als auch ihr jeweiliger Einsatz in der Schwangerschaft gewandelt haben. Andererseits ließ sich in einer kontrollierten, prospektiven Studie zwischen 2003 und 2006 an 145 MC- und 187 CU-Patientinnen im Vergleich zu 332 Non-CED-Patientinnen keine erhöhte Rate für Fehlgeburt, Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht und kongenitale Fehlbildungen nachweisen [46]. Inwieweit die Krankheitsaktivität Einfluss auf den Verlauf einer Schwangerschaft hat, erscheint weiterhin unklar. Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht und kongenitale Fehlbildungen scheinen mit erhöhter Krankheitsaktivität assoziiert zu sein [47, 48], insbesondere eine mütterliche Gewichtszunahme von < 12 kg in der Schwangerschaft geht offenbar mit einer erhöhten Komplikationsrate einher [49], wie wir es bei schwerem, medikamentös nicht gut beherrschbarem Verlauf beobachten. Im Kontrast zu diesen Daten steht eine Arbeit, die den Schwangerschaftsverlauf bei Frauen vor und nach Manifestation einer CED verglich. Hinsichtlich Frühgeburt, niedrigem Geburtsgewicht, kongenitaler Fehlbildungen oder Abort fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen 70 Schwangerschaften vor und 97 Schwangerschaften nach Manifestation [50]. Dies könnte Ausdruck der verbesserten medikamentösen Therapieoptionen sein, da in einer prospektiven Studie in 298 Schwangerschaften bei 229 CED Patientinnen unter Einsatz der aktuell verfügbaren Medikamente exzellente Geburtsergebnisse berichtete wurden [51].
26.2.2 Auswirkung einer CED auf Nachwuchs Viele Patienten fürchten, die eigene Erkrankung an ihre Kinder zu vererben, weil eine positive Familienanamnese einen wichtigen Risikofaktor für CED darstellt. In einer Befragung an 527 amerikanischen CED-Patienten (hiervon 291 Juden) berichteten
26.3 Diagnostische Verfahren während der Schwangerschaft | 415
17,5 % der CU- und 23,3 % der MC-Patienten, mindesten einen erstgradig Verwandten mit CED zu haben [52]. Hieraus errechnete sich für Kinder mit mindestens einem erkrankten Elternteil ein CED-Lebenszeitrisiko von 1–7 % (Risiko für MC größer als CU) und für Geschwister von CED-Patienten ein Lebenszeitrisiko von 2–6 %. Dabei erkrankten die meisten Patienten an der gleichen Erkrankung wie ihre Verwandten.
26.2.3 Verlauf einer CED während und nach einer Schwangerschaft Der Verlauf der CED während der Schwangerschaft hängt stark von der Krankheitsaktivität zum Zeitpunkt der Konzeption ab. Tritt eine Schwangerschaft während einer stabilen Remission ein, bleibt es zu 70 % bei einer Remission, 30 % der Patientinnen werden einen Schub erleiden, was in etwa dem natürlichen Verlauf einer CED in einem Zeitraum von 9 Monaten entspricht [46, 53–55]. Ein akuter Schub zum Konzeptionszeitpunkt führt bei 2 von 3 Patientinnen zu einer persistierenden Krankheitsaktivität, bei denen wiederum in zwei von drei Fällen eine weitere Verschlechterung der Krankheitsaktivität eintreten wird [53, 54, 56]. Statistisch sinkt nach einer Schwangerschaft die Frequenz an akuten Schüben sowohl bei MC als auch bei CU [57, 58]. Da allerdings viele Frauen während einer Schwangerschaft aufhören zu rauchen, bleibt zumindest für MC-Patientinnen unklar, ob dieser positive Effekt nicht durch den beendeten Nikotinabusus bedingt ist. Insgesamt sollte Patientinnen die Angst genommen werden, dass eine Schwangerschaft den Verlauf ihrer CED verschlechtert. Wie bereits zuvor erwähnt raten wir Patientinnen mit Kinderwunsch jedoch, eine Schwangerschaft möglichst in einer Phase der Remission und nicht während erhöhter Krankheitsaktivität zu planen.
26.3 Diagnostische Verfahren während der Schwangerschaft 26.3.1 Labordiagnostik Während einer Schwangerschaft gibt es einige Besonderheiten, dennoch bleiben die Kriterien bzgl. Art der CED und Aktivitätsbeurteilung unverändert. Unterschiedliche Mechanismen wie Hämodilution, anabole Stoffwechsellage und Veränderungen der renalen und hepatischen Clearance führen zu physiologischen Veränderungen laborchemischer Parameter wie beispielsweise Albumin, Hämoglobin oder Leukozytenzahl (für Details s. Tab. 26.2).
416 | 26 Reproduktion und Schwangerschaft
Tab. 26.2: Typische Änderung von Laborparametern in der Schwangerschaft. Parameter
Änderung
Albumin Hämoglobin
Reduktion um bis zu 1 g/dl Reduktion um bis zu 1 g/dl; mögliche Verschlechterung und schwere Anämie durch gestörte intestinale Eisenresorption Beschleunigung um den Faktor 2–3 Physiologische Leukozytose bis zu 15.000/µl
Blutsenkungsgeschwindigkeit Leukozytenzahl
26.3.2 Bildgebende Verfahren Die sonografische Beurteilung des Abdomens ist die Methode der Wahl in der Schwangerschaft. Allerdings erschweren Wachstum von Fötus und Uterus im Verlauf der Schwangerschaft die Anwendbarkeit. Sollten die Untersuchungsergebnisse nicht eindeutig oder relevante Abschnitte des Abdomens nicht beurteilbar sein, werden alternative bildgebende Verfahren erforderlich. Aufgrund der Strahlenbelastung muss der Einsatz einer Computertomografie auf Einzelfälle und Notfallsituationen nach sorgsamer Abwägung beschränkt werden, eine Alternative kann die Magnetresonanztomografie sein. Die in tierexperimentellen Studien berichtete erhöhte Rate an kongenitalen Fehlbildungen nach Exposition gegenüber starken elektromagnetischen Feldern [59–61] konnte an humanen Zellen nicht reproduziert werden [63–65]. Neben der elektromagnetischen Feldstärke fürchten viele Patienten einen akustischen Schaden für das ungeborene Kind. Dieses wird als nicht relevant eingeschätzt [65], zudem konnte an einem Freiwilligen demonstriert werden, dass im flüssigkeitsgefüllten Magen die akustische Intensität mit 90 dB unterhalb der kritischen Grenze liegt [66]. Scheinen weder die elektromagnetische Feldstärke noch die akustische Intensität der MRT einen negativen Einfluss auf den Fötus zu haben, sind die Daten zum Einsatz von Kontrastmitteln unklar. Für das am häufigsten eingesetzte Kontrastmittel Gadolinium existieren widersprüchliche tierexperimentelle Daten, die teils keinen teratogenen Effekt [67–71] und teils erhöhte Raten an Fehlbildungen und Wachstumsverzögerung beschrieben [72]. Aus kleineren Fallserien zum Einsatz von Gadolinium-verstärkter MRT an 26 Schwangeren im ersten Trimester [73] und 6–11 Schwangeren im zweiten bis dritten Trimester [74–76] wurden unauffällige Schwangerschaftsverläufe berichtet. Zusammengefasst scheint anhand der verfügbaren Datenlage eine MRT im zweiten und dritten Trimester ohne Komplikationen möglich, auf den Einsatz von Gadolinium sollte nach Möglichkeit jedoch verzichtet werden.
26.4 Therapie in der Schwangerschaft | 417
26.3.3 Endoskopie und Sedierung Gastroskopie, Sigmoidoskopie und Ileokoloskopie werden in den Händen eines erfahrenen Untersuchers, bei klarer Indikation und Beachtung der Besonderheiten hinsichtlich Lagerung, Sedierung und Monitoring als sicher angesehen [9]. In einer kontrollierten, prospektiven Studie an 42 schwangeren CED-Patientinnen fanden sich keine signifikanten Unterschiede zur Kontrollgruppe, die nicht endoskopiert wurde [77]. Mit Beginn des zweiten Trimesters sollten alle Patienten in Linksseitenlage unter kontinuierlichem Monitoring untersucht werden. In der gastrointestinalen Endoskopie soll allen Patienten eine Sedierung angeboten werden. Wir empfehlen auch in der Schwangerschaft die Verwendung von Propofol. Propofol passiert die Plazentaschranke und erreicht im fötalen Blut Spiegel von ca. 70 % der maternalen Serumkonzentration [78]. Postpartal konnten bei Verwendung von Propofol im Rahmen einer Sectio im Vergleich zu Thiopental keine relevanten Unterschiede hinsichtlich des APGAR-Scores und des neurologischen Status dokumentiert werden [79]. Die zur Sedierung erforderlichen Dosen Propofol sind in der Regel geringer als in anästhesiologischen Protokollen, sodass der Einsatz von Propofol in der Schwangerschaft als sicher angesehen wird. Benzodiazepine sollten aufgrund widersprüchlicher Daten zu evtl. erhöhten Raten an kongenitalen Fehlbildungen (Herzfehler, Lippen-KieferGaumenspalte, Leistenhernie) nicht eingesetzt werden [80–82], weil mit Propofol eine sichere und breit verfügbare Alternative zur Verfügung steht.
26.4 Therapie in der Schwangerschaft Viele Patienten mit Kinderwunsch fürchten negative Effekte einer medikamentösen Therapie für den Nachwuchs und die eigene Fertilität. Da diese Furcht als Hauptgrund für eine Non-Adhärenz der Therapie berichtet wird [83, 84], bedarf es einer detaillierten Beratung und Aufklärung dieser Patienten. Da die meisten Medikamente keine offizielle Zulassung für einen Einsatz in der Schwangerschaft haben, wird die Auswahl einer angemessenen Therapie in der Schwangerschaft deutlich erschwert. Als Orientierungshilfe können jedoch die Empfehlungen der European Crohns And Colitis Organisation (ECCO) und die Risikobewertung der Amerikanischen Zulassungsbehörde (Food And Drug Administration – FDA) dienen. Von 1979 bis 2015 wurden die Medikamente in die Risikokategorien A, B, C, D und X eingeteilt (Tab. 26.3). Seit dem 30. Juni 2015 wurde diese Einteilung durch die „Pregnancy and Lactation Labeling Rule“ (PLLR) ersetzt, statt einer Bewertung in Risikokategorien wird es für jedes neu zugelassene Medikament eine detaillierte, regelmäßig aktualisierte Risikobewertung in den Kategorien „Schwangerschaft“, „Stillzeit“ und „Patienten in fortpflanzungsfähigem Alter“ geben. Bis 2018 soll sukzessive für alle vor dem 30. Juni 2015 zugelassenen Medikamente eine Umstellung erfolgen. Im Allgemeinen wird für die meisten etablierten Medikamente, mit Ausnahme von Methotrexat und Thalidomid, die beide
418 | 26 Reproduktion und Schwangerschaft
Tab. 26.3: FDA-Schwangerschaftsrisikokategorien Kategorie A
Kategorie B Kategorie C
Kategorie D
Kategorie X
Adäquate und gut kontrollierte Studien zeigten kein Risiko für den Fetus im ersten Trimester der Schwangerschaft (und es gibt keine Anzeichen für eine Gefährdung in späterem Trimester). Tierexperimentelle Daten ohne Nachweis eines teratogenen Effekts; keine adäquaten, kontrollierten Studien an Schwangeren. Tierexperimentelle Daten mit teratogenem Effekt; keine ausreichenden und gut kontrollierten Studien an Schwangeren, aber potenzielle Vorteile können die Verwendung des Arzneimittels bei schwangeren Frauen trotz möglicher Risiken rechtfertigen. Anzeichen für fetale Schädigung basierend auf Daten über Nebenwirkungen von Prüfpräparaten oder Marketingerfahrung oder Studien am Menschen, aber potenzielle Vorteile können die Verwendung des Arzneimittels bei schwangeren Frauen trotz möglicher Risiken rechtfertigen. Studien bei Tieren oder Menschen haben fetale Anomalien nachgewiesen und/oder es gibt positive Anzeichen für menschliches fetales Risiko basierend auf Daten über Nebenwirkungen von Prüfpräparaten oder Marketingerfahrung, und die Risiken der Anwendung des Medikaments bei Schwangeren überwiegen eindeutig die potenziellen Vorteile.
in der Schwangerschaft streng kontraindiziert sind, kein erhöhtes Risiko für das ungeborene Kind angenommen. Allgemein sollten für die CED-Therapie vor und während einer Schwangerschaft folgende Prinzipien gelten: – Eine Konzeption sollte möglichst nicht während eines akuten Schubes, sondern optimalerweise in einer Phase der stabilen Remission erfolgen. – Eine effektive, remissionserhaltende Therapie sollte nicht beendet werden, außer bei entsprechender Kontraindikation. – Ein akuter Schub sollte umgehend und effektiv behandelt werden. – Der individuelle Verlauf der Erkrankung und die bisher eingesetzten Medikamente müssen bei der Therapieplanung berücksichtigt werden. – Die medikamentöse Therapie in der Schwangerschaft muss ausführlich mit der Patientin besprochen werden. – Stehen mehrere Therapieoptionen zur Verfügung, sollte das Medikament mit dem geringsten Risiko und der größten Studienlage eingesetzt werden.
Eine Übersicht über den möglichen Einsatz von CED-Medikamenten in Schwangerschaft und Stillzeit gibt Tabelle 26.4.
26.4.1 Aminosalicylate Der Einsatz von Aminosalicylaten in der Schwangerschaft wird als sicher angesehen, in einer Metaanalyse mit Auswertung von 642 schwangeren CED-Patientinnen konnte
26.4 Therapie in der Schwangerschaft
| 419
Tab. 26.4: Anwendung ausgewählter Medikamente zur Therapie von CED (in üblicher Dosierung) in Schwangerschaft und Stillzeit (modifiziert nach [9]). Medikament
Einsatz während Schwangerschaft
Einsatz während Stillzeit
Mesalazin (oral und topisch) Sulfasalazin
möglich
möglich
möglich; Folsäuresubstitution empfohlen möglich; Risiko für Lippen-KieferGaumenspalte unklar möglich möglich
möglich
Prednisolon Budesonid (oral) Thiopurine (Azathioprin, Mercaptopurin) Methotrexat Infliximab Adalimumab Golimumab
Natalizumab Vedolizumab Ustekinumab
Ciclosporin/ Tacrolimus Metronidazol Ciprofloxacin Probiotika Flohsamenschalen
kontraindiziert möglich; evtl. Pause im letzten Trimester möglich; evtl. Pause im letzten Trimester möglich, allerdings sehr geringe klinische Erfahrung; evtl. Pause im letzten Trimester Daten begrenzt; vermutlich möglich Daten begrenzt; nicht empfohlen Daten begrenzt, Extrapolation aus Psoriasispopulation (geringere Dosis);, vielleicht möglich möglich als Reservemedikamente möglich, begrenzte Therapiedauer möglich, nur als Reservemedikament möglich möglich
möglich; nur geringe Muttermilchkonzentrationen unklar; vermutlich möglich möglich kontraindiziert unklar, begrenzte Daten; vermutlich möglich unklar, begrenzte Daten; vermutlich möglich unklar, keine Daten vorhanden
unklar, keine Daten vorhanden unklar, keine Daten vorhanden unklar, keine Daten vorhanden
möglich, Daten begrenzt, sorgfältige Indikationsstellung möglich, CAVE Fallbericht von kindlicher Diarrhö möglich, CAVE Fallbericht von kindlicher Diarrhö möglich möglich
keine signifikant erhöhte Rate an kongenitalen Fehlbildungen, Todgeburt, Spontanabort, Frühgeburt und niedrigem Geburtsgewicht gezeigt werden [85]. Da Sulfasalazin als Folsäureantagonist wirkt, wird eine zusätzliche Folsäuresubstitution mit 2 mg täglich empfohlen, um mögliche negative Defekte zu minimieren [86]. Andererseits steht mit Mesalazin eine sichere Alternative zu Verfügung und sollte bevorzugt werden.
420 | 26 Reproduktion und Schwangerschaft
26.4.2 Kortikosteroide Steroide werden als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung eines akuten Schubes in der Schwangerschaft angesehen [9]. Steroide passieren problemlos die Plazentaschranke, insbesondere Prednison und Prednisolon werden durch die plazentare 11β-Hydroxylase größtenteils inaktiviert. Während tierexperimentelle Daten eine erhöhte Rate an Lippen-Kiefer-Gaumenspalten nach Steroidexposition berichteten [87, 88], sind die Daten aus menschlichen Studien inkonsistent [89–92]. Nichtsdestotrotz kann ein geringes Risiko für eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte nach Steroidexposition im ersten Trimester nicht ausgeschlossen werden und muss mit den Patientinnen besprochen werden. Wir halten das Risiko durch einen nichtbehandelten Schub jedoch für größer als das Risiko durch einen Steroideinsatz. Eine Nebennierensuppression und -insuffizienz sind mögliche Folgen einer Steroidtherapie. Eine Nebennierensuppression bei Neugeborenen wurde in einzelnen kleinen Fallserien beschrieben [92–96], bisher ist lediglich ein einziger Fall von neonataler Nebennierensuppression nach Steroidtherapie bei einer schwangeren CED-Patientin beschrieben [97], wobei erwähnt werden muss, dass die Patientin 1 Monat lang eine Therapie mit oralem Methylprednisolon (32 mg Tagesdosis) und 100-mg-Hydrokortisoneinläufen täglich erhielt. Insgesamt scheint die neonatale Nebennierensuppression oder -insuffizienz eine seltene Komplikation nach maternaler Steroidtherapie zu sein, insbesondere bei hochdosierter Therapie im letzten Trimester, und muss dies mit den behandelnden Gynäkologen vor der Entbindung besprochen werden.
26.4.3 Thiopurine Die Erfahrung zum Einsatz von Thiopurinen in der Schwangerschaft ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen und in Studien mit mehreren Hundert Patientinnen, die in der Schwangerschaft Thiopurine erhielten, konnte keine erhöhte Rate für Spontanabort, kongenitale Fehlbildungen und Frühgeburt im Vergleich zu nichtThiopurin-exponierten Schwangerschaften gefunden werden [12, 13, 98–100]. Diese Daten stehen im Kontrast zu Studien mit niedriger Fallzahl, die erhöhte Raten an Frühgeburt, Fehlbildungen und niedrigem Geburtsgewicht berichteten [101, 102]. Interessanterweise konnten Casanova et al. in einer kontrollierten Studie nach maternaler Thiopurinexposition eine signifikant niedrigere Rate an neonatalen Komplikationen nachweisen [13]. Der Einsatz von Thiopurinen in der Schwangerschaft scheint sicher, wie auch eine weltweite Umfrage unter CED-Spezialisten widerspiegelt, wonach ca. 89 % der Befragten eine Therapie mit Thiopurinen in der Schwangerschaft fortführen [103].
26.4 Therapie in der Schwangerschaft | 421
26.4.4 Methotrexat Methotrexat (MTX) gilt aufgrund seines teratogenen und mutagenen Potenzials [104, 105] als streng kontraindiziert in der Schwangerschaft und Patienten, Frauen und Männer, sollen angewiesen werden eine sichere Methode der Kontrazeption zu verwenden. Da MTX intrazellulär glutaminiert wird, hat es eine sehr lange Wirkdauer, sodass vor Planung einer Schwangerschaft eine MTX-Therapie für mindestens 3 Monate unterbrochen werden sollte. Kommt es dennoch zu einer Schwangerschaft, muss die Therapie sofort beendet und eine hochdosierte Folsäuresubstitution eingeleitet werden. Ein induzierter Abort ist nicht generell zu empfehlen, das teratogene Risiko muss jedoch mit den Betroffenen besprochen und eine Ultraschallfeindiagnostik zur Erkennung möglicher Fehlbildungen angeboten werden.
26.4.5 Calcineurin-Inhibitoren Daten zum Einsatz der Calcineurin-Inhibitoren Tacrolimus und Ciclosporin stammen fast ausschließlich aus der Transplantationsmedizin. Eines der größten Register ist das Schwedische Nationale Transplantation Schwangerschaft-Register, in dem seit 1991 mehr als 2.000 Schwangerschaften nach Organtransplantation erfasst sind [106]. 76 % der Patientinnen hatten eine Nierentransplantation und wurden überwiegend entweder mit Tacrolimus oder mit Ciclosporin jeweils in Kombination mit Steroiden behandelt. Mit Ausnahme von Mycophenolatmofetil konnte kein erhöhtes Risiko für kongenitale Fehlbildungen nachgewiesen werden, auch die Nachbeobachtung der exponierten Kinder erbrachte keine Hinweise für nachteilige Effekte. Die Sicherheit von Tacrolimus hinsichtlich kongenitaler Fehlbildungen konnte zudem in einer prospektiven Studie an 37 Schwangeren nach Lebertransplantation belegt werden [107]. In vielen Studien zum Einsatz von Tacrolimus bei organtransplantierten Schwangeren werden erhöhte Raten fetaler Komplikationen berichtet (Abort 15 %, intrauterine Wachstumsverzögerung 23 %, Frühgeburt 23 %) [108]. Dies könnte v. a. an der zur Organtransplantation führenden Grundkrankheit und deren Komplikationen und weniger an der Medikation liegen, wie eine Studie aus dem Jahr 2005 vermuten lässt. 152 Neugeborene von organtransplantierten Müttern wurden mit 980 Geschwisterkindern, die vor der Organtransplantation derselben Mütter geboren wurden, retrospektiv verglichen [109]. Ein Unterschied hinsichtlich Präeklampsie, Frühgeburt, niedrigen Geburtsgewichts und „small for gestational age“ konnte nicht nachgewiesen werden. Die Europäische Leitlinie empfiehlt den Einsatz von Calcineurin-Inhibitoren als Rescue-Therapie der steroidrefraktären CU mit einem Evidenzlevel Ib für Ciclosporin und IV für Tacrolimus [110]. Die Datenlage zum Einsatz von Ciclosporin bei schwangeren CUPatientinnen ist gering und beschränkt sich auf eine retrospektive Studie an 8 Patientinnen [53] sowie eine kleine Fallkontrollstudie, in der eine Subgruppe von
422 | 26 Reproduktion und Schwangerschaft
5 Patientinnen Ciclosporin erhielten [54]. In beiden Arbeiten werden hohe Ansprechraten bei steroidrefraktärer Kolitis berichtet. Der erfolgreiche Einsatz von Tacrolimus bei einer Schwangeren mit steroidrefraktärer CU wurde bisher nur in Form eines Fallberichts beschrieben [111]. Ciclosporin und Tacrolimus sollten darum nur im Falle eines steroidrefraktären Schubes in ausgewählten Zentren eingesetzt werden.
26.4.6 Biologika War bis vor wenigen Jahren der Begriff Biologika ein Synonym für TNF-α-Inhibitoren (Infliximab [IFX], Adalimumab [ADA], Golimumab [GOL], Certolizumabpegol [CZP]), zählen hierzu aktuell u. a. Anti-Integrine (Vedolizumab, Natalizumab) und der AntiIL-12-/-IL-23-Antikörper Ustekinumab. Werden Biologika und somit Immunglobuline in der Schwangerschaft eingesetzt, muss berücksichtigt werden, dass für Immunglobuline der Klasse G ein aktiver diaplazentarer Transport existiert, der im Laufe der Schwangerschaft zunimmt mit einem Maximum im dritten Trimester [112–115]. Innerhalb der G-Subgruppe der Immunglobuline wird IgG1 am stärksten diaplazentar transportiert, gefolgt von IgG4, IgG3 und IgG2 [115]. Mit Ausnahme von CZP (Fab-Fragment) sind die anderen genannten Biologika Immunglobuline der Gruppe G und gehören bis auf Natalizumab (IgG4) zur Subgruppe IgG1. Folglich ist anzunehmen, dass, bis auf CZP, die neonatalen Konzentrationen der Biologika die maternalen Plasmaspiegel übersteigen müssten und es zu einer relevanten fetalen Exposition kommt. Dies konnte für IFX und ADA gezeigt werden, die neonatalen Spiegel lagen bei 160 % (IFX) bzw. 153 % (ADA) der maternalen Plasmaspiegel nach Behandlung in der gesamten Schwangerschaft [116]. IFX und ADA besitzen in Deutschland eine Zulassung sowohl für MC als auch CU, mit GOL steht ein dritter zugelassener Anti-TNF-α-Antikörper für die Therapie der CU zur Verfügung. Certolizumabpegol besitzt nur in der Schweiz eine Zulassung für die Therapie bei MC. Die größte Erfahrung zum Einsatz von Anti-TNF-α-Antikörpern liegt für IFX vor [13, 117, 118], insbesondere durch das TREAT-Register [119], eine erhöhte Rate an kongenitalen Fehlbildungen konnte nicht nachgewiesen werden. Die meisten Studien zu diesem Thema beinhalten eine Studienpopulation, die mit unterschiedlichen Anti-TNF-α-Antikörpern und teilweise in Kombination mit Thiopurinen in der Schwangerschaft behandelt wurde, dabei ist der Anteil von ADA, GOL und CZP sehr gering und umfasst für CZP und ADA teilweise nur zehn, für GOL teilweise 1–2 Patientinnen [116, 120]. Bisher wurden keine erhöhten Raten an Frühgeburt, niedrigem Geburtsgewicht oder kongenitalen Fehlbildungen berichtet [13, 118, 121, 122], nur in einer einzigen Studie konnte eine erhöhte Rate für Spontanaborte in der Gruppe der TNF-αInhibitor-exponierten Schwangeren dokumentiert werden [122]. IFX und ADA lassen sich nach Exposition in utero 6 bis maximal 12 Monate nach Geburt im Blut der betroffenen Kinder nachweisen [116, 123], dabei wurde IFX von den Kindern langsamer als
26.4 Therapie in der Schwangerschaft | 423
ADA abgebaut mit einer medianen Clearance von 7,3 Monaten für IFX und 4,0 Monaten für ADA (p < 0,001) [123]. Das Risiko für neonatale Infektionen steigt dabei deutlich an im Falle einer Kombinationstherapie von Thiopurinen mit IFX oder ADA (relatives Risiko 2,7) im Vergleich zur Anti-TNF-α-Monotherapie [123]. Trotz des diaplazentaren Transports von Anti-TNF-Antikörpern und des Nachweises dieser Substanzgruppe im kindlichen Blut von bis zu 12 Monaten fanden sich in zwei prospektiven Arbeiten mit 12 [124] bzw. 25 Kindern [125] keine Hinweise für eine Beeinträchtigung des zellulären Immunsystems, nach Standardimpfungen (inaktivierte Impfstoffe) lag ein regelhafter Impferfolg vor. Auf Lebendimpfungen sollte im Falle einer fetalen Exposition gegenüber Anti-TNF-α-Antikörpern jedoch verzichtet werden. Eine Nachbeobachtungsstudie an 278 Kindern, die in utero Anti-TNF-α-Antikörpern-exponiert waren, erstreckt sich über fast 18 Jahre und erbrachte keine Hinweise für eine Langzeitkomorbidität im Vergleich zur Kontrollgruppe [126]. Zusammenfassend scheint der Einsatz von AntiTNF-α-Antikörpern in der Schwangerschaft sicher zu sein, im Falle der Notwendigkeit eine solche Therapie in der Schwangerschaft zu beginnen, empfehlen wir aufgrund der größeren Datenlage die Verwendung von IFX, sollte eine Patientin unter bestehender Therapie mit ADA oder GOL in guter Remission sein, halten wir einen Wechsel auf IFX für nicht zwingend erforderlich. Oftmals wird eine Anti-TNF-α-Therapie im letzten Trimester pausiert, obwohl es hierfür keine gesicherte Evidenz gibt. Einerseits besteht eine inverse Korrelation zwischen den neonatalen Plasmaspiegeln von IFX und ADA zum Abstand der letzten Anti-TNF-α-Exposition in utero [123]. Andererseits erhielten die Patientinnen in einigen Studien eine Anti-TNF-α-Therapie während der gesamten Schwangerschaft ohne Hinweis für ein erhöhtes neonatales Risiko. In der Praxis besprechen wir mit den Patientinnen die Option, diese Therapie im letzten Trimester im Falle einer zuvor lange bestehenden Remission zu pausieren. Wurde die Therapie kurz vor oder aufgrund eines akuten Schubes während der Schwangerschaft eingeleitet, empfehlen wir die Fortführung auch im letzten Trimester. Publizierte Daten zum Einsatz von Antiadhäsionsmolekülen in der Schwangerschaft existieren bisher nur für Natalizumab, das keine Zulassung in der CED-Therapie in Deutschland besitzt. In einer prospektiven Studie an 34 Patientinnen mit Encephalitis disseminata, die unter Therapie mit Natalizumab ungeplant schwanger wurden, kam es zu fünf Fehlgeburten und einer kongenitalen Fehlbildung (Hexadaktylie), bei ansonsten 28 gesunden Neugeborenen [127]. Im Rahmen der Zulassungsstudie für VDZ kam es zu 27 Schwangerschaften (25 Patientinnen mit CED, zwei freiwillige Probandinnen) bei VDZ-exponierten Frauen und 16 Schwangerschaften, bei denen der Kindsvater mit VDZ behandelt wurde [128]. Insgesamt kam es bei den 27 Schwangerschaften zu fünf induzierten Aborten, sechs spontanen Aborten, zwölf Lebendgeburten, hiervon eine kongenitale Fehlbildung mit Aplasie des Corpus callosum, wobei es sich hier um eine freiwillige Probandin handelte, die mehrere zurückliegende Aborte und VDZ nur einmalig 79 Tage vor errechneter Konzeption erhalten hatte. Gemäß den Studienprotokollen wurde mit Bekanntwerden der Schwangerschaft die VDZ-Gabe beendet. Unter VDZ sollten aufgrund der mangelnden Sicherheitsdaten keine Schwan-
424 | 26 Reproduktion und Schwangerschaft
gerschaft geplant, die Therapie bei Feststellung der Schwangerschaft beendet und den Patientinnen eine Fehlbildungsfeindiagnostik angeraten werden. Die erfolgreiche Verwendung von Ustekinumab bei MC in der Schwangerschaft ist bisher nur in Form eines Einzelfallberichts [129] dokumentiert. Die weitere Datenlage beschränkt sich auf den Einsatz bei Psoriasispatientinnen, insgesamt sind in einer Registerstudie und mehreren unkontrollierten Fallserien 108 Schwangerschaften unter Ustekinumab beschrieben [130]. Bezogen auf alle verfügbar dokumentierten Schwangerschaften ergab sich eine Rate für Fehlgeburten von 13,9 % und für kongenitale Fehlbildungen von 1,7 % [130]. Im Weiteren muss berücksichtigt werden, dass die Ustekinumabdosen bei Psoriasis deutlich unter denen bei MC liegen. Derzeit empfiehlt eine Taskforce der Europäischen Liga gegen Rheumatismus (European League Against Rheumatism – EULAR) den Einsatz von Ustekinumab nur bei nicht anders kontrollierbarer Erkrankung [130].
26.4.7 Management von Komplikationen und Chirurgie in der Schwangerschaft Die Therapieprinzipien von intraabdominellen Abszessen, intestinalen Stenosen oder eines Ileus sind in der Schwangerschaft unverändert und erfordern in der Regel einen operativen Eingriff, weil das Hauptrisiko für Mutter und Kind durch die nichtkontrollierte Erkrankung zu bestehen scheint. So konnte bei akuter Appendizitis in der Schwangerschaft gezeigt werden, dass eine nichtperforierte Appendizitis mit einer maternalen und fetalen Mortalität von 0 % assoziiert ist und dass im Falle einer Perforation die Mortalität für Mutter (17 %) und Fötus (43 %) deutlich steigt [131], sodass notwendige Operationen frühzeitig erfolgen sollten. Bei klarer Indikation und Betreuung durch ein multidisziplinäres Team werden operative Eingriffe in der Schwangerschaft als sicher angenommen. Dies konnte für die CU in einer kleinen Studie mit neun schwangeren CU-Patientinnen demonstriert werden, es kam selbst bei Proktokolektomie zu keinen letalen Komplikationen bei Mutter oder Kind [132]. Im Weiteren konnte in einer retrospektiven Analyse von 77 Schwangeren, die wegen akuter Appendizitis, Cholezystitis bzw. komplikativer Cholezystolithiasis oder Raumforderung der Adnexe operiert wurden, eine maternale und fetale Mortalität von 0 % dokumentiert werden [133]. Aufgrund des Risikos von vorzeitigen Wehen im dritten Trimester und der Gefahr eines Spontanaborts im ersten Trimester infolge eines operativen Eingriffs wird empfohlen, einen planbaren Eingriff im zweiten Trimester durchzuführen [133].
26.5 Entbindungsmodus bei CED-Patientinnen Die Entscheidung über den Geburtsmodus sollte primär durch die Geburtshelfer getroffen werden, es besteht keine generelle Empfehlung für eine Sectio bei CEDPatientinnen. Eine Ausnahme besteht im Falle eines MC mit aktiver perianaler Er-
26.6 Stillen und CED |
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krankung. Diesen Patientinnen soll gemäß der europäischen Leitlinie eine Sectio empfohlen werden [9]. Zum einen ist die Wahrscheinlichkeit von Geburtsverletzungen erhöht, insbesondere das Risiko für viertgradige Dammrisse ist bei perianaler Beteiligung um mehr als das 10-Fache erhöht [134]. Zum anderen kommt es oftmals zu einer Verschlechterung der entzündlichen Aktivität. Besteht Unsicherheit bzgl. der perianalen Aktivität empfehlen wir eine Rektoskopie. Liegt keine perianale Aktivität vor, bestehen aus gastroenterologischer Sicht keine Bedenken bzgl. einer vaginalen Entbindung, explizit ist nicht mit einer erhöhten Rate an perianalen Komplikationen (Fisteln, Abszesse) zu rechnen [135]. Eine Episiotomie sollte nach Möglichkeit vermieden werden, weil hierdurch eine perianale Beteiligung verschlechtert werden könnte [136]. Nach Proktokolektomie mit IPAA sind die Patientinnen sehr auf einen intakten analen Sphinkter angewiesen, sodass diesen Patientinnen eine Sectio empfohlen werden sollte, um das Risiko einer Geburtsverletzung des analen Sphinkters zu vermeiden [137]. Allen Patientinnen mit CU, die in der Zukunft evtl. einer Proktokolektomie mit IPAA bedürfen, pauschal eine Sectio zu empfehlen, halten wir jedoch nicht für angebracht.
26.6 Stillen und CED Stillen wird als ideale Ernährungsform der Neugeborenen angesehen mit zahlreichen positiven Effekten für Mutter und Kind [138]. Die Datenlage zum Einfluss des Stillens auf den weiteren Verlauf der CED ist überwiegend positiv. Die Rate an akuten Schüben bei den Müttern scheint sich zu reduzieren [139], für die gestillten Kinder könnte es einen protektiven Effekt gegenüber der Manifestation einer CED geben [140]. Lediglich in einer retrospektiven Auswertung der Fragebögen von CED-Patientinnen in Frankreich wurde ein erhöhtes Risiko für MC bei gestillten Kindern berichtet [141]. Insgesamt ermutigen wir die Patientinnen, die gern stillen möchten, in ihrem Vorhaben. Der Anteil der stillenden Mütter unter CED-Patientinnen ist jedoch immer noch deutlich geringer als der in der Normalbevölkerung [142]. Die meisten Medikamente, die zur CED-Therapie eingesetzt werden, können zwar in der Muttermilch nachgewiesen werden, ihre Konzentration ist allerdings überwiegend niedrig, sodass Standardtherapeutika als sicher angesehen werden [142]. Eine Übersicht über den möglichen Einsatz von Medikamenten während der Stillzeit findet sich in Tabelle 26.4. Mesalazin und Sulfasalazin erreichen in der Muttermilch niedrige Konzentrationen und werden als sicher erachtet [143–147]. Prednisolon ist ebenfalls in der Muttermilch nachweisbar, dabei hängt die Konzentration direkt von der Serumkonzentration der Mutter ab, allerdings wurden selbst bei Tagesdosen von 80 mg Prednisolon nur niedrige Milchkonzentrationen berichtet [148]. Ähnliche Daten wurden auch für Asthmapatientinnen berichtet, die täglich 50 mg Prednisolon einnahmen, die Autoren erachteten Prednisolon in der Stillzeit als sicher [149]. Wie auch bei nichtschwangeren Patientinnen sollten Steroide möglichst rasch reduziert werden und die gestillten Kinder sich in
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pädiatrischer Kontrolle befinden. Sofern dies im Rahmen der Stillabstände möglich ist, sollte bei Prednisolondosen von 20 mg und mehr zwischen letzter Einnahme und nächstmaligem Stillen eine Zeitspanne von ca. 4 Stunden liegen. Auch Thiopurine sind in der Muttermilch in geringer Konzentration nachweisbar, in kleineren Kohortenstudien ließen sich keine nachteiligen Effekte für die gestillten Kinder finden [150– 154], Stillen unter Thiopurinen erscheint somit möglich. Aufgrund seiner teratogenen Wirkungen ist MTX, das in der Muttermilch nachweisbar ist [155], vor und während einer Schwangerschaft kontraindiziert, dies wird auch für die Phase des Stillens empfohlen [156], wobei keine ausreichenden Daten für die Effekte von MTX während des Stillens existieren. Unter den Biologika werden praktisch alle verfügbaren Anti-TNFα-Inhibitoren in geringer Menge in der Muttermilch gefunden, Nachteile für die gestillten Kinder konnten nicht dokumentiert werden [157–160]. Allerdings handelt es sich insgesamt um wenige Studien mit sehr geringen Fallzahlen, sodass der biologische Effekt auf die gestillten Kinder nicht sicher abgeschätzt werden kann und dies mit den Patientinnen besprochen werden muss. Daten zu Natalizumab, Vedolizumab und Ustekinumab sind aktuell nicht verfügbar, sodass ein Einsatz in der Stillzeit nicht empfohlen werden kann. Die bei CU als Reserve eingesetzten Calcineurin-Inhibitoren Ciclosporin und Tacrolimus konnten ebenfalls in der Muttermilch von Organtransplantierten in geringer Menge nachgewiesen werden, der Einsatz dieser Medikamente während der Stillphase wird als möglich angesehen [161–168], in einer Nachbeobachtungsstudie an gestillten Kindern von Müttern unter Tacrolimustherapie konnten keine unerwünschten Ereignisse gefunden werden [169].
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Jan Däbritz
27 CED in der Pädiatrie 27.1 Einleitung 27.1.1 Leitlinien Das Vorgehen bei Kindern und Jugendlichen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) unterscheidet sich hinsichtlich der Diagnostik, Klassifikation und Therapie von den Handlungsempfehlungen für betroffene Erwachsene [1–3].
Es stehen nationale bzw. internationale Leitlinien der pädiatrischen Fachgesellschaften zur Diagnostik [4, 5], Klassifikation [6], Aktivitätsbestimmung [7–9], Transition [10] und Therapie [11–13] des M. Crohn und der Colitis ulcerosa speziell für betroffene Kinder und Jugendliche zur Verfügung. Die Betreuung von Patienten unter 18 Jahren mit Verdacht auf oder mit gesicherter CED sollte durch erfahrene Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit der Zusatz-/Schwerpunktbezeichnung Kindergastroenterologie erfolgen. Eine Übersicht der Kindergastroenterologen findet sich auf der deutschsprachigen Website www.gpge.de der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung e. V. (GPGE).
27.1.2 Multidisziplinäres Team Die Betreuung und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit CED sind komplex, sodass ein interdisziplinäres Behandlungsteam erforderlich ist [14]. Bei der ganzheitlichen Betreuung dieser Patienten in einem entsprechenden Zentrum ist zudem die Abstimmung und Kooperation der Behandlung mit dem niedergelassenen Kinder- und Jugendarzt von besonderer Bedeutung. Ferner empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen. Der multidisziplinäre Betreuungsansatz setzt u. a. die Verfügbarkeit folgender Subdisziplinen voraus: – Kindergastroenterologen – Kinderrheumatologen – Kinderendokrinologen – Kinderradiologen – Kinderimmunologen/-allergologen – Dermatologen – Augenärzte – Chirurgen – Pathologen – CED-Fachpflegekräfte (inkl. Endoskopie, Stomapflege) https://doi.org/10.1515/9783110492682-028
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Ernährungs-/Diätfachkräfte Physiotherapeuten Kinder- und Jugendpsychologen/-psychiater Sozialarbeiter/-pädagogen Pädiatrische Intensivmediziner/- Anästhesisten Pharmakologen Ambulanter Pflegedienst
27.1.3 Epidemiologie Die Diagnose CED wird bei ca. 25 % aller Patienten bereits vor dem 18. Lebensjahr gestellt. Aktuelle Studien gehen von Inzidenzraten von ungefähr 5–11/100.000 Kinder und Jugendliche (Alter < 18 Jahre) aus. Die meisten Kinder mit CED werden während der späten Kindheit und im Jugendalter diagnostiziert. Bei betroffenen Kindern und Jugendlichen liegt im Vergleich zu Erwachsenen häufiger eine positive Familienanamnese hinsichtlich CED vor, was für eine stärkere genetische Komponente von CED bei Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu Erwachsenen spricht [15]. Nach dem 8. Lebensjahr ist der M. Crohn die häufigere Form der CED im Kindes- und Jugendalter und macht ca. zwei Drittel der Fälle aus.
27.1.4 Prognose Der natürliche Verlauf von CED zeigt, dass ein sehr früher Manifestationszeitpunkt im Kindes- und Jugendalter mit einer schlechten Prognose korrespondiert. Betroffene Kinder und Jugendliche haben bei Diagnosestellung im Vergleich zu Erwachsenen häufiger bereits einen ausgeprägten intestinalen Befall und eine rasche Krankheitsprogression [17]. Weitere Risikofaktoren für einen ungünstigen Verlauf bzw. für Komplikationen bei betroffenen Kindern und Jugendlichen sind: tiefe Ulzerationen im Kolon, ausgedehnter Befall (des gesamten Kolons), anhaltende hohe Entzündungsaktivität trotz adäquater Therapie zur Remissionsinduktion, deutliche Wachstumsretardierung, Pubertätsverzögerung, schwere Osteoporose, Gelenk- und/oder Hautbeteiligung, persistierende nutritive Defizite, strikturierende oder penetrierende Erkrankung sowie ein ausgeprägter perianaler Befall [11]. Kinder und Jugendliche mit M. Crohn haben in ca. 30 % der Fälle einen strikturierenden und/oder penetrierenden Phänotyp, wobei insbesondere Patienten mit einem schweren und/oder refraktären Krankheitsverlauf sowie Patienten mit Erstmanifestation der Erkrankung im Jugendalter betroffen sind.
27.2 Klinik |
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27.2 Klinik 27.2.1 Symptome Das klinische Erscheinungsbild von CED bei Kindern und Jugendlichen kann dem bei Erwachsenen zwar ähnlich sein, allerdings unterscheidet sich der Phänotyp der Erkrankung z. T. deutlich von dem bei Erwachsenen, z. B. durch (alters)spezifische Komplikationen wie Wachstumsretardierung oder Pubertätsverzögerung [18]. Daher liegt das Augenmerk bei Kindern und Jugendlichen mit CED nicht nur auf der Behandlung der Grundkrankheit und deren Komplikationen, sondern auch auf der Überwachung der nutritiven Situation sowie von Körperlängenwachstum, Skelettentwicklung und Pubertät. Zu den möglichen Beschwerden bzw. Zeichen bei Krankheitsbeginn gehören neben Allgemeinsymptomen wie Fieber, Abgeschlagenheit und Blässe von Haut und Schleimhäuten auch gastrointestinale Symptome (dünne Stühle oder blutige Diarrhö, Bauchschmerzen oder Tenesmen), Verzögerung von Wachstum und Entwicklung, abdominelle/-r Resistenz oder Druckschmerz (insbesondere im rechten Unterbauch), perianaler Befall (Fisteln, Fissuren, Abszesse), okkultes Blut im Stuhl sowie extraintestinale Manifestationen (insbesondere Haut-, Gelenk-, Augenund Leber-/Gallenwegsbeteiligung). Besonders der M. Crohn zeigt im Kindes- und Jugendalter eine ausgesprochen hohe interindividuelle Variabilität. Die Symptome treten oft nur sehr schleichend auf und können aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausprägung und Intensität im Einzelfall leicht mit unspezifischen oder funktionellen Beschwerden verwechselt werden [19, 20]. Der konsequenten Ursachenforschung chronischer bzw. chronisch rezidivierender Bauchschmerzen, einer länger andauernden (Eisenmangel-)Anämie, der Stagnation der Gewichts- und Längenentwicklung oder einer verzögert eintretenden oder gar ausbleibenden Pubertät kommt daher ein hoher Stellenwert zu. Gleiches gilt für suspekte Laborbefunde, die im Rahmen der Routinediagnostik erhoben werden.
27.2.2 Extraintestinale Manifestationen Bei der Diagnose einer CED im Kindes- und Jugendalter ist eine Wachstumsstörung/ -verzögerung insbesondere bei Kindern und Jugendlichen mit M. Crohn die häufigste extraintestinale Manifestation der Erkrankung (10–30 % der Fälle). Anfänglich kommt es dabei zu einer Abnahme der Wachstumsgeschwindigkeit und im Verlauf zu Kleinwuchs, verzögertem Knochenalter und/oder Pubertätsverzögerung. Die Ursachen dafür sind vielfältig und komplex und umfassen in erster Linie den Entzündungsprozess an sich, aber auch seine Folgen wie Malnutrition und Hypogonadismus sowie u. U. die Behandlung mit Glukokortikoiden. Weitere typische extraintestinale Manifestationen einer CED im Kindes- und Jugendalter (ca. 10 % der Fälle bei Diagnose) betreffen die Mundhöhle (aphthöse Stomatitis), die Haut (Erythema nodosum), die Augen
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([Epi-]Skleritis), die Gelenke (Arthritis, Arthropathie), die Gallenwege (primär sklerosierende Cholangitis, Gallensteine), die Leber (Autoimmunhepatitis), die Blutgefäße (venöser Thromboembolismus), die Nieren (Nephrolithiasis) und das Pankreas (Pankreatitis) [21, 22]. In seltenen Fällen betrifft der M. Crohn auch die Lunge und die Atemwege. Diese extraintestinalen Symptome sind vermehrt mit einem Kolonbefall beim M. Crohn als auch per definitionem bei der Colitis ulcerosa vergesellschaftet. Mundaphthen, Erythema nodosum, Trommelschlegelfinger und Arthritis kommen hingegen beim M. Crohn häufiger vor als bei der Colitis ulcerosa.
27.3 Diagnose Der Verdacht auf das Vorliegen einer CED bei Kindern und Jugendlichen ergibt sich, ähnlich wie bei Erwachsenen, aus der Kombination von Symptomen und auffälligen Laborparametern bei der Basisdiagnostik. Die Diagnose wird bei auffälliger Anamnese und körperlicher Untersuchung mittels radiologischer und endoskopischer Verfahren einschließlich der histopathologischen Beurteilung von Stufenbiopsien aus dem Gastrointestinaltrakt gestellt [4].
27.3.1 Anamnese und körperliche Untersuchung Besondere Bedeutung kommt der gründlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung zu. Die Anamnese muss Art, Schwere und Verlauf intestinaler sowie ggf. extraintestinaler Symptome, Auslandsreisen, Kontakte mit infektiösen (Durchfall-) Erkrankungen, Medikamenteneinnahme, Ernährungsgewohnheiten, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Risikofaktoren (z. B. positive Familienanamnese bzgl. einer CED), Impfstatus sowie psychosoziale Aspekte berücksichtigen. Die komplette körperliche Untersuchung muss auch eine orale und perianale Inspektion (ggf. auch eine rektale Untersuchung) sowie die Beurteilung von Körperhöhe und -gewicht mittels alters- und geschlechtsspezifischer Perzentilenkurven sowie der Pubertätsentwicklung (Stadien nach Tanner) beinhalten.
27.3.2 Wachstum Ein z-Wert für die Körperhöhe unter –2,5 weist auf eine signifikante Wachstumsstörung/-verzögerung hin. Auf der Grundlage anthropometrischer Daten werden zusätzlich Body-Mass-Index (BMI) und Wachstumsgeschwindigkeit (in cm/Jahr) berechnet. Ein BMI unterhalb der 10. Perzentile und/oder eine Wachstumsgeschwindigkeit von weniger als 5 cm/Jahr (bei Kindern älter als 2 Jahre) deuten auf eine signifikante Wachstumsstörung/-verzögerung hin. Zusätzliche Methoden zur Beurteilung
27.3 Diagnose
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der Körperzusammensetzung wie z. B. die Messung der Trizeps-Hautfaltendicke, die bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) oder die Knochendichtemessung mittels Zwei-Spektren-Röntgen-Absorptiometrie (DEXA) spielen im klinischen Alltag eine untergeordnete Rolle, weil ihr Mehrwert bei der Diagnose einer CED im Kindes- und Jugendalter nicht eindeutig belegt ist.
27.3.3 Laborchemische Diagnostik Die Diagnose einer CED beinhaltet Blut- und Stuhluntersuchungen. Normale Ergebnisse der laborchemischen Untersuchungen schließen das Vorliegen einer CED allerdings nicht aus. Die Blutuntersuchungen sollten Blutbild (inkl. Differentialblutbild), Entzündungsmarker (C-reaktives Protein, Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit), Nierenfunktionsparameter (Kreatinin, Harnstoff, Elektrolyte), Leberfunktions-/Cholestaseparameter (Transaminasen, Blutzucker) und Albumin umfassen. Zu den Stuhluntersuchungen gehören die mikrobiologische Testung auf pathogene Stuhlbakterien (Salmonellen, Shigellen, Yersinien, Campylobacter, Clostridium difficile/Toxin), die Bestimmung fäkaler Neutrophilen-/Entzündungsmarker (Calprotectin) sowie ggf. ein fäkaler okkulter Bluttest und zusätzliche Stuhluntersuchungen auf Viren, Parasiten und Pilze bei Besonderheiten in der Reise- und/oder Umgebungsanamnese. Bei Kindern und Jugendlichen mit Wachstumsverzögerung und/oder nichtblutigen Durchfällen muss eine Zöliakie ausgeschlossen werden (zunächst Bestimmung von GesamtIgA und Gewebstransglutaminase Typ-2-IgA) [23]. Bei speziellem Verdacht auf einen Mangel an Mikronährstoffen sollten auch die Vitamine A, D, E und B12 , Folsäure, Eisen und Zink im Serum bestimmt werden. Der Stellenwert von serologischen Markern (pANCA und ASCA) zur Unterscheidung der einzelnen CED-Formen ist nicht gut validiert und wird darum auch bei betroffenen Kindern und Jugendlichen nicht generell empfohlen [4].
27.3.4 Immun- und Allergiediagnostik Bei Kindern innerhalb der ersten 2 Lebensjahre mit Verdacht auf eine CED muss zusätzlich ein primärer Immundefekt ausgeschlossen werden [24]. Dazu empfiehlt sich die Bestimmung von Immunglobulinen (IgG, IgM, IgA und ggf. IgE), Lymphozytensubpopulationen (T-, B-, NK-Zellen), (Lymphozyten-)Funktionstests sowie ggf. genetische Untersuchungen und die Bestimmung von speziellen Autoantikörpern [5]. Die Diagnostik einer möglicherweise zugrunde liegenden Nahrungsmittelallergie sollte durch eine empirische Eliminationsdiät erfolgen. Im Rahmen der Allergie- bzw. Immundiagnostik sollten ein pädiatrischer Allergologe bzw. Immunologe und ggf. eine Kinderernährungs-/Diätfachkraft involviert werden.
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27.3.5 Endoskopie und Histopathologie Bestätigt sich auf Grundlage der Anamnese, körperlichen Untersuchung und laborchemischen Untersuchungsbefunde der Verdacht auf das Vorliegen einer CED sollte der Patient durch einen Kindergastroenterologen weiterbetreut werden. Die Diagnose muss dann mittels radiologischer, endoskopischer und histopathologischer Verfahren gesichert werden. Von besonderer Wichtigkeit ist, dass auch bei fehlenden oberen gastrointestinalen Symptomen sowohl eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie als auch eine Ileokoloskopie durchgeführt werden, um die Unterscheidung zwischen dem Vorliegen eines M. Crohn und einer Colitis ulcerosa zu erleichtern. Die Endoskopien werden in der Regel in Analgosedierung (oder in Narkose) durchgeführt. Im Rahmen der Endoskopien werden Stufenbiopsien aus allen (auch makroskopisch unauffälligen) Abschnitten des Gastrointestinaltraktes entnommen (Ösophagus, Magen, Duodenum, Rektum, Sigma, Colon ascendens/transversum/descendens, Zökum, terminales Ileum) und jeweils separat histopathologisch beurteilt.
27.3.6 Bildgebende Diagnostik Zur Abschätzung eines Dünndarmbefalls werden zusätzlich zur Endoskopie entweder die Magnetresonanz(MR)-Enterografie mit ausschließlich oraler Kontrastierung (per os oder Nasogastralsonde) oder die hochsensitive Videokapselendoskopie eingesetzt [4]. Die MR-Enterografie kann ab dem 4.–5. Lebensjahr eingesetzt werden und ist wegen der fehlenden Strahlenexposition gegenüber der Röntgen- und Computertomografie (CT) der Vorzug zu geben [25, 26]. Bei der Videokapselendoskopie ist das Risiko einer Kapselretention ohne das Vorliegen von Symptomen einer Obstruktion und ohne die Vorgeschichte einer Stenose oder Dünndarmresektion gering. Ansonsten ist die hochauflösende transabdominelle Sonografie mit Farbdoppler als Screening- und Verlaufsuntersuchung sehr gut geeignet, um entzündete Dünn- und Dickdarmsegmente, Stenosen und Abszesse zu identifizieren. Konventionelle Röntgenuntersuchungen kommen bei v. a. (Sub-)Ileus, toxisches Megakolon oder zur Skelettalterbestimmung (linke Hand) zur Anwendung. Die CT kommt aufgrund der Strahlenbelastung nur im Notfall oder bei Versagen anderer Diagnostikverfahren zum Einsatz. Bei spezifischen Fragestellungen (z. B. Verdacht auf Leber-/Gallenwegsbeteiligung) wird bei Kindern und Jugendlichen die MR-Cholangiopankreatikografie (MRCP) eingesetzt.
27.3.7 Differentialdiagnosen Zu den wichtigsten Differentialdiagnosen einer CED bei Kindern und Jugendlichen gehören funktionelle Magen-Darm-Erkrankungen (z. B. Reizdarmsyndrom) [19, 20], Kuhmilchproteinallergie [27], Kohlenhydratmalabsorption, infektiöse (Entero-)Koli-
27.4 Klassifikation
|
441
tis, Zöliakie [23], Purpura Schoenlein-Henoch (IgA-Vaskulitis), Appendizitis, Analfissur, intestinale Polypen, Hämorrhoiden, Invagination, Meckel-Divertikel, Darmtuberkulose und Medikamenten-assoziierte Beschwerden. Abzugrenzen sind ansonsten gastrointestinale Manifestationen einer primären Immundefizienz wie bei primärem Antikörpermangel (variables Immundefektsyndrom [CVID], Agammaglobulinämie, Hyper-IgM-Syndrom, selektiver IgA-Mangel), kombinierten Immundefekten (schwerer kombinierter Immundefekt [SVID], DiGeorge-Syndrom, MHC-II-Defizienz), speziellen Syndromen (Wiskott-Aldrich-Syndrom, Hyper-IgE-Syndrom, Ataxia teleangiectatica, multiple intestinale Atresien), Phagozytendefekten (chronische Granulomatose), Defekten der angeborenen Immunantwort (chronische mukokutane Candidiasis, NEMODefekte) oder im Rahmen einer Immundysregulation (IPEX-Syndrom, Interleukin-10 (-Rezeptor)-Defekte, Hermansky-Pudlak-Syndrom, Chediak-Higashi-Syndrom).
27.3.8 Monogenetische CED Die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines genetisch bedingten Immundefekts mit CED-typischer intestinaler Entzündung ist insbesondere bei sehr frühem Krankheitsbeginn gegeben. Folgende Faktoren sind mit monogenetischen Formen von CED assoziiert: Beginn der Erkrankung vor dem 6. Lebensjahr, positive Familienanamnese hinsichtlich CED und/oder Immundefizienz, häufige Infektionen oder Fieber unklarer Genese, assoziierte Autoimmunphänomene (Arthritis, primär sklerosierende Cholangitis, Anämie, endokrine Störungen), sehr schwere CED und/oder ausbleibendes Ansprechen auf konventionelle Therapieoptionen bei CED, hämophagozytische Lymphohistiozytose, Haut-/Nagel- oder Haarläsionen und/oder Tumoren.
27.4 Klassifikation 27.4.1 Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Für das Vorliegen eines M. Crohn sprechen eine perianale und/oder Dünndarmbeteiligung sowie die typischen makroskopischen und mikroskopischen Zeichen, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll [28]. Eine Beteiligung des oberen Gastrointestinaltraktes spricht zwar an sich für das Vorliegen eines M. Crohn, allerdings sind unspezifische Gastritis oder Duodenitis bei Kindern und Jugendlichen sowohl beim M. Crohn als auch bei der Colitis ulcerosa beschrieben. Die Colitis ulcerosa präsentiert sich bei der Koloskopie mit einer diffusen, kontinuierlichen Entzündung ganz überwiegend ausgehend vom Rektum und mit unterschiedlich proximaler Fortsetzung in das Kolon. Auch für die Colitis ulcerosa gibt es typische makroskopische und mikroskopische Zeichen, die an anderer Stelle detailliert beschrieben werden [28–30]. Patienten mit Kolitis und atypischen oder kombinierten makroskopischen
442 | 27 CED in der Pädiatrie
und mikroskopischen Befunden und Symptomen für einen M. Crohn oder eine Colitis ulcerosa werden als nicht zu klassifizierende CED bezeichnet [30].
27.4.2 Lokalisation Bei Kindern und Jugendlichen mit M. Crohn ist in lediglich ca. 15 % der Fälle ausschließlich der Dünndarm (in der Regel das terminale Ileum) betroffen. Ein isolierter Kolonbefall kommt mit ca. 25 % der Fälle häufiger vor und ein kombinierter Befall von Dünn- und Dickdarm betrifft mit ca. 60 % der Patienten die überwiegende Mehrheit der Patienten. Bei Kindern und Jugendlichen mit Colitis ulcerosa ist in ca. 60 % der Fälle das gesamte Kolon betroffen (Pankolitis), bei ca. 25 % sind Teile des Kolonrahmens mitbetroffen und bei ca. 5 % findet sich eine isolierte Proktitis [31]. Bei Kindern und Jugendlichen mit Colitis ulcerosa kann es neben der typischen Lokalisation der Erkrankung (kontinuierliche Entzündung ausgehend vom Rektum) auch atypische Phänotypen geben. Dazu gehören die Aussparung des Rektums, kurze Dauer mit fokalem Befallsmuster, Linksseitenkolitis mit isoliertem Zökumbefall, Beteiligung des oberen Gastrointestinaltraktes und die akute schwere Kolitis mit transmuraler Entzündung. Diese individuellen atypischen Phänotypen allein sollten nicht zu einer ReKlassifizierung der Erkrankung als M. Crohn führen [4].
27.4.3 Paris-Klassifikation Die Paris-Klassifikation der CED im Kindes- und Jugendalter ist an die MontrealKlassifikation für Erwachsene mit CED angelehnt und dient u. a. der Risikostratifizierung vor Therapiebeginn. Die Paris-Klassifikation umfasst zusätzliche Kategorien für das Alter (A1a: 0 bis < 10 Jahre, A1b: 10 bis < 17 Jahre) sowie für das Wachstum (G0: keine Wachstumsverzögerung; G1: Wachstumsverzögerung). Die Ausbreitung der Erkrankung wird zudem primär über das makroskopische Erscheinungsbild und weniger über histopathologische oder radiologische Kriterien definiert (Tab. 27.1) [6].
27.4.4 Krankheitsaktivität Zur Abschätzung der Krankheitsaktivität haben sich insbesondere im Rahmen von Studien klinische Indizes bewährt, die speziell für Kinder und Jugendliche mit M. Crohn (Pediatric Crohn’s Disease Activity Index – PCDAI) und Colitis ulcerosa (Pediatric Ulcerative Colitis Activity Index – PUCAI) entwickelt wurden. Der PCDAI erfasst klinische Symptome (Bauchschmerzen, Allgemeinbefinden, Stuhlgang), körperliche Untersuchungsbefunde (Wachstum, Abdomen, Perianalbereich, weitere extraintestinale Symptome) und Laborwerte (Hämatokrit, Albumin, Blutkörperchen-
27.4 Klassifikation
|
443
Tab. 27.1: Paris-Klassifikation von CED im Kindes- und Jugendalter. Kategorie
Definition
A1a A1b A2 L1 L2 L3 L4a L4b B1 B2 B2B3 P G0 G1
0 bis < 10 Jahre 10 bis < 17 Jahre 17 bis 40 Jahre Befall des distalen Ileumdrittels mit/ohne Zökumbefall Kolonbefall Befall von Kolon und Ileum Befall proximal des Treitz’schen Bandes Befall zwischen Treitz’schem Band und distalem Ileumdrittel Nichtstrikturierend, nichtpenetrierend Strikturierend Penetrierend und strikturierend Perianaler Befall Keine Wachstumsverzögerung Wachstumsverzögerung
A1a A1b A2 E1 E2
0 bis < 10 Jahre 10 bis < 17 Jahre 17 bis 40 Jahre Ulzeröse Proktitis Ulzeröse Linksseitenkolitis (mit Ausbreitung distal der linken Kolonflexur) Extensiver Befall (mit Ausbreitung distal der rechten Kolonflexur) Pankolitis (einschließlich Darmabschnitte proximal der rechten Kolonflexur) Niemals schwere Aktivität Schwere Aktivität Keine Wachstumsverzögerung Wachstumsverzögerung
Morbus Crohn Alter bei Diagnose
Lokalisation
Verhalten
Wachstum Colitis ulcerosa Alter bei Diagnose
Lokalisation
E3 E4 Schweregrad Wachstum
S1 S0 G0 G1
senkungsgeschwindigkeit) (Tab. 27.2). Ein Gesamtwert von < 11 Punkten spricht für eine inaktive Erkrankung (Remission), 11–30 Gesamtpunkte deuten auf eine milde Aktivität des M. Crohn hin und ein Gesamtpunktwert von > 30–100 Punkten weist auf eine moderate bis schwere Krankheitsaktivität hin. Ein Abfall des PCDAI um mindestens 12,5 Punkte entspricht einem klinischen Ansprechen. Der PUCAI erfasst bei Kindern und Jugendlichen mit Colitis ulcerosa Bauchschmerzen, rektale Blutungen, Stuhlgang und Aktivitätseinschränkungen (Tab. 27.3). Eine Gesamtwert von < 10 Punkten spricht für eine inaktive Erkrankung (Remission), 10–40 Gesamtpunkte deuten auf eine milde Aktivität der Colitis ulcerosa hin und ein Gesamtpunktwert von > 40–65 bzw. 65–85 Punkten weist auf eine moderate bzw. hohe Krankheitsaktivität
444 | 27 CED in der Pädiatrie
Tab. 27.2: Bestimmung der klinischen Krankheitsaktivität beim M. Crohn (Pediatric Crohn’s Disease Activity Index) Kriterium
Merkmale
Punktwert
Klinische Symptomatik Bauchschmerzen
Stuhlgang
Allgemeinzustand
Keine Gering, kurz, die täglichen Aktivitäten nicht störend Moderat bis schwer, täglich, nachts, die tägliche Aktivität beeinträchtigend 0–1 wässriger Stuhl am Tag, nichtblutig Bis 2 geformte und blutige oder 2–5 wässrige Stühle am Tag Blutige oder ≥ 6 wässrige Stühle am Tag oder nächtlicher Stuhlgang Gut, keine Einschränkungen der Aktivität Leicht reduziert, gelegentliche Einschränkungen der Aktivität Schlecht, deutliche Einschränkung der Aktivität
0 5 10 0 5 10 0 5 10
Körperliche Untersuchung Entwicklung des Körpergewichts während 4–6 Monaten
Entwicklung der Körperlänge während 6–12 Monaten
oder Entwicklung der Wachstumsgeschwindigkeit während 6–12 Monaten
Abdomen
Gewichtszunahme, gewollt gleichbleibendes Gewicht oder gewollter Gewichtsverlust Ungewollt gleichbleibendes Gewicht oder ungewollter Gewichtsverlust von 1–9 % Gewichtsverlust von ≥ 10 % Absinken um < 1 Hauptperzentile Absinken um ≥ 1 Hauptperzentile, jedoch < 2 Hauptperzentilen Absinken um ≥ 2 Hauptperzentilen oder Verminderung um ≤ 1 Standardabweichung Verminderung um > 1 Standardabweichung, jedoch < 2 Standardabweichungen Verminderung um ≥ 2 Standardabweichungen Unauffällig, keine Resistenz, keine Abwehrspannung Schmerzhafte Abwehrspannung oder schmerzlose Resistenz Schmerzhafte Resistenz
0
5
10 0 5 10 0 5
10 0 5 10
27.4 Klassifikation
| 445
Tab. 27.2: (fortgesetzt) Kriterium
Merkmale
Perianalbereich
Unauffällig, asymptomatische Anhängsel 1–2 indolente Fisteln, wenig sezernierend; keine Druckdolenz Aktive Fisteln, deutlich sezernierend; Druckdolenz oder Abszess Keine 1 ≥2
Extraintestinale Manifestationen – Fieber ≥ 38,5 °C für 3 Tage in der vorangegangenen Woche – Arthritis – Uveitis – Erythema nodosum – Pyoderma gangraenosum
Punktwert 0 5 10 0 5 10
Laborbefunde Hämatokrit
≤ 10 Jahre
Mädchen, 11–19 Jahre
Jungen, 11–14 Jahre
Jungen, 15–19 Jahre
BSG (mm/h)
Albuminkonzentration (g/dl)
< 20 20–50 > 50 ≥ 3,5 3,1–3,4 ≤ 3,0
> 33 28–32 < 28 ≥ 34 29–33 < 29 ≥ 35 30–34 < 30 ≥ 37 32–36 < 32
0 2,5 5 0 2,5 5 0 2,5 5 0 2,5 5 0 2,5 5 0 5 10
hin. In der Langzeitbetreuung von Kindern und Jugendlichen sind PCDAI und PUCAI nützliche Hilfsmittel, die allerdings nicht überschätzt werden dürfen, weil zum einen die Diskriminierung z. B. der Stuhlfrequenz und -qualität unscharf ist und zum anderen wichtige moderne Biomarker wie C-reaktives Protein (CRP) und fäkales Calprotectin keine Berücksichtigung finden.
446 | 27 CED in der Pädiatrie
Tab. 27.3: Bestimmung der klinischen Krankheitsaktivität bei Colitis ulcerosa (Pediatric Ulcerative Colitis Activity Index) Kriterium Bauchschmerzen
Rektale Blutung
Überwiegende Stuhlkonsistenz
Anzahl der Stühle (in 24 h)
Nächtlicher Stuhlgang Aktivitätsgrad
Punkte Keine Können ignoriert werden Können nicht ignoriert werden Keine Nur kleine Mengen mit < 50 % der Stühle Kleine Mengen mit den meisten Stühlen Große Mengen (> 50 % der Stuhlmenge) Geformt Teilweise geformt Komplett ungeformt 0–2 3–5 6–8 >8 Nein Ja Keine Einschränkungen Gelegentliche Einschränkungen Schwere Einschränkungen
0 5 10 0 10 20 30 0 5 10 0 5 10 15 0 10 0 5 10
27.5 Therapie 27.5.1 Voraussetzungen Die Therapie der CED bei Patienten unter 18 Jahren unterscheidet sich von den Handlungsempfehlungen aus der Erwachsenenmedizin u. a. hinsichtlich der Therapieintensität und Medikamentenzulassung zum Teil erheblich [1–3]. Die Behandlung muss bei betroffenen Kindern und Jugendlichen manchmal intensiv und meist multimodal erfolgen, d. h. nötigenfalls mehrere Therapiemethoden gleichzeitig umfassen (medikamentöse Therapie, chirurgische Verfahren, Ernährungstherapie, psychologische Betreuung) [32, 33]. Ziel der Therapie ist die klinische und laborchemische Remission mit mukosaler Heilung, um langfristig eine Darmschädigung bzw. Komplikationen und eine Progression der Erkrankung zu verhindern [34, 35, 38]. Gleichzeitig sollen Nebenwirkungen von Medikamenten minimiert, die Notwendigkeit von chirurgischen Eingriffen und Krankenhausaufenthalten reduziert und durch eine gute psychosoziale Begleitung die Lebensqualität verbessert werden. Die Dauer der Erhaltungstherapie beträgt in der Regel mehrere Jahre bzw. bis zum Abschluss der Pubertät. Die Therapie von Kindern und Jugendlichen mit CED erfordert eine Fokussierung auf den Patienten sowie seine Familie, einen multidisziplinären Ansatz und eine entsprechende interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die Diagnostik und Therapie von CED bei Kindern und
27.5 Therapie | 447
Jugendlichen soll dabei primär durch einen Kindergastroenterologen und in einem entsprechenden Zentrum erfolgen. Es stehen ausführliche schriftliche Informationen zu allen Aspekten von CED speziell für Kinder, Jugendliche, Eltern, Lehrkräfte und Erzieher zur Verfügung. Eltern- und Selbsthilfevereine geben im Einzelfall wichtige Unterstützung, die sich günstig auf die Verbesserung der Lebensqualität auswirkt. Arzt-Patienten-Eltern-Seminare sowie CED-Schulungsprogramme für Kinder und Jugendliche ergänzen das ganzheitliche Betreuungskonzept in der Pädiatrie. Epidemiologische Daten von Kindern und Jugendlichen mit CED in Deutschland werden im pädiatrischen Register CEDATA® der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung e. V. (GPGE) erfasst (www.cedata-register.de) [31, 39].
27.5.2 Vorbereitung einer immunsuppressiven Therapie Vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie sollten der Impfstatus der Patienten und vorangegangene Infektionen erfasst werden. Der serologische Status sollte für Hepatitis A, Hepatitis B (HBsAg, Anti-HBc, Anti-HBs), Mumps, Masern, Röteln, Varizellen, Cytomegalie- und Ebstein-Barr-Virus bestimmt werden. Bei fehlendem Impfschutz sollten dem Alter der Patienten und den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (www.rki.de) entsprechend folgende Impfungen vor Beginn der immunsuppressiven Therapie durchgeführt werden: Haemophilus influenza Typ B, Hepatitis A, Hepatitis B, Humane Papillomaviren, Influenza, Polio, Mumps, Masern, Röteln, Meningokokken, Pneumokokken, Tetanus, Diphtherie, Pertussis und Varizellen. Besondere Bedeutung kommt den Lebendimpfungen zu (Mumps, Masern, Röteln, Varizellen), weil diese zu einem späteren Zeitpunkt, d. h. während der immunsuppressiven Therapie, in der Regel kontraindiziert sind. Des Weiteren muss vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie (insbesondere vor einer Therapie mit TNF-α-Antikörpern) eine latente Tuberkulose mittels Röntgen-Thorax und Tuberkulose-Blut-Test (QuantiFERON) ausgeschlossen werden. Vor einer Therapie mit Thiopurinen sollte der Genotyp (oder die Aktivität) der Thiopurinmethyltransferase (TPMT) bestimmt werden, weil bei vererbter geringer oder fehlender TPMT-Aktivität das erhöhte Risiko einer schweren Thiopurinvergiftung besteht [40]. Ungefähr 90 % aller Personen verfügen über eine normale TPMT-Aktivität; 10 % aller Patienten haben ein nicht funktionsfähiges TPMT-Allel (Dosisreduktion für Thiopurine) und 0,3 % aller Patienten haben zwei nicht funktionsfähige Allele (Kontraindikation für eine Therapie mit Thiopurinen). Unauffällige Laborergebnisse schließen eine Knochenmarksdepression unter Thiopurintherapie allerdings nicht aus. Kinder ab etwa dem 5. Lebensjahr müssen in der Einnahme von Tabletten angeleitet bzw. trainiert werden; zu Übungszwecken sind dabei Nahrungsmittel oder Süßigkeiten von der Größe ähnlich der Tablettengröße geeignet. Ansonsten müssen die Tabletten in Rücksprache mit einer sachkundigen Apothekenfachkraft in alternativen Darreichungsformen angeboten werden.
448 | 27 CED in der Pädiatrie
27.5.3 Remissionsinduktion
Therapie der 1. Wahl zur Remissionsinduktion bei Kindern und Jugendlichen mit M. Crohn ist die ausschließliche enterale Ernährungstherapie mit einer Trink-/Sondennahrung über 6–8 Wochen.
Bei Versagen oder Ablehnung der enteralen Ernährungstherapie kommen in der Regel Kortikosteroide zum Einsatz. TNF-α-Blocker (Adalimumab, Infliximab) sind für Patienten ab dem vollendeten 6. Lebensjahr für die Behandlung des M. Crohn zugelassen und sollen insbesondere bei Vorliegen von Risikofaktoren rechtzeitig, d. h. oft bereits initial zur Remissionsinduktion, eingesetzt werden. Zu den prognostischen Risikofaktoren bei Kindern und Jugendlichen mit M. Crohn zählen: – tiefe Ulzerationen im Kolon, – ausgedehnter Befall (Pankolitis), – anhaltende hohe Entzündungsaktivität trotz adäquater Therapie zur Remissionsinduktion, – deutliche Wachstumsretardierung, – Pubertätsverzögerung, – schwere Osteoporose, – Gelenk- oder Hautbeteiligung, – strikturierende oder penetrierende Erkrankung und – ausgeprägter perianaler Befall. Die Remissionsinduktion bei Kindern und Jugendlichen mit Colitis ulcerosa erfolgt in der Regel mit 5-Aminosalicylaten oder Kortikosteroiden. Kortikosteroide sollte man bei Kindern und Jugendlichen mit CED möglichst zurückhaltend bzw. nur initial zur Remissionsinduktion und zur Schubkontrolle einsetzen. Eine langfristige und/oder oft wiederholte Anwendung von Steroiden bei dieser Patientengruppe ist u. a. aufgrund der gravierenden Nebenwirkungen auf das Wachstum und die körperliche Entwicklung obsolet.
27.5.4 Remissionserhaltung Zur Remissionserhaltung werden bei Kindern und Jugendlichen mit M. Crohn regelmäßig Immunmodulatoren (Thiopurine, Methotrexat) und/oder Biologika (Adalimumab, Infliximab) eingesetzt. Budesonid und Aminosalicylate kommen selten und nur bei ausgewählten M.-Crohn-Patienten unter 18 Jahren zum Einsatz. Die remissionserhaltende Therapie bei Kindern und Jugendlichen mit Colitis ulcerosa erfolgt mit 5-Aminosalicylaten, bei ausgedehntem und schwerem Befall in Kombination mit Thiopurinen oder Biologika (Adalimumab, Infliximab). Chirurgische Verfahren gehören im Langzeitverlauf zum festen Therapierepertoire schwerer bzw. komplizierter Ver-
Remissionsinduktion bei Ablehnung/Versagen der enteralen Ernährungstherapie und ausschließlichem mildem/moderatem Ileozökalbefall
Remissionsinduktion bei Ablehnung/Versagen der enteralen Ernährungstherapie und moderatem/schwerem Kolonbefall
Remissionsinduktion bei Versagen von Prednisolon bzw. bei schwerem Dünnund Dickdarmbefall
Remissionserhaltung bei moderater bis schwerer Erkrankung und bei prognostischen Risikofaktoren
Remissionserhaltung bei moderater bis schwerer Erkrankung und bei prognostischen Risikofaktoren
Budesonid (BUD)
Prednisolon (PRD)
Methylprednisolon (MEP)
Azathioprin (AZA)
6-Mercaptopurin (6-MP)
Methotrexat (MTX)
Indikation
Medikament
Wirkung Nach 7–21 Tagen
Nach 3–14 Tagen
Nach 3–7 Tagen
Nach 3–4 Monaten wie bei AZA
Nach 7–21 Tagen
Dosierung 9 mg/kg KG/d p.o. für 4 Wochen
1(–1,5) mg/kg KG/d in 1 morgendlichen ED (max. 40–60 mg/d) p.o.
1,5 mg/kg KG/d in 2 ED (max. 40– 60 mg/d) i.v.
1,5–2,5 mg/kg KG/d in 1 ED (max. 200 mg/d) p.o. 1–1,5 mg/kg KG/d in 1 ED (max. 150 mg/d) p.o. 15 mg/m2 KOF/Woche (max. 25 mg/Woche) s.c.
Tab. 27.4: Übersicht über die zur Therapie des M. Crohn bei Kindern und Jugendlichen zugelassenen Medikamente
zusätzlich Folsäure 5 mg/Woche p.o. 1–3 Tage nach MTX-Gabe
wie bei AZA
Dosisreduktion bei geringer TPMT-Aktivität erforderlich
bei fehlendem Therapieansprechen frühzeitige Therapieeskalation mit TNFα-Blockern
Dosisreduktion s. Tabelle 27.5; ggf. Kombination mit Omeprazol (1–2 mg/kg KG/d) für 2–4 Wochen
Dosisreduktion über bis zu 12 Wochen in 3-mgSchritten
Bemerkungen
27.5 Therapie | 449
ggf. postoperative Gabe für 3 Monate
KG: Körpergewicht; KOF: Körperoberfläche; p.o.: per os; i.v.: intravenös; s.c.: subkutan; ED: Einzeldosis; TPMT: Thiopurinmethyltransferase.
Nach 3–7 Tagen
Nach 3–7 Tagen
Zusatztherapie bei perianaler Beteiligung mit Fisteln/Abszessen
Ciprofloxacin (ABX) Metronidazol (ABX)
20 mg/kg KG/d in 2 ED (max. 1,5 g/d) p.o. 20 mg/kg KG/d in 3 ED (max. 1,5 g/d) p.o.
Nach 7–14 Tagen
50–75 mg/kg KG/d in 3 ED (max. 4 g/d), p. o.
Remissionserhaltung nur bei ausgewählten Patienten mit sehr mildem/isoliertem Kolonbefall
5Aminosalicylate (5-ASA)
Nur in Kombinationstherapie empfohlen, weil 5-ASA keine mukosale Heilung induziert.
bei Therapieversagen von IFX bzw. ADA ggf. Wechsel von IFX auf ADA bzw. von ADA auf IFX oder Dosiserhöhung und/oder Intervallverkürzung
Nach 7–21 Tagen
KG < 40 kg: 80-/40-/20 mg s.c. in Woche 0, 2 und 4 und dann alle 2 Wochen 20 mg s.c. KG ≥ 40 kg: 160-/80-/40 mg s.c. in Woche 0, 2 und 4 und dann alle 2 Wochen 40 mg s.c.
Remissionsinduktion und -erhaltung bei Versagen von (Methyl-)Prednisolon bzw. Immunmodulatoren sowie bei prognostischen Risikofaktoren; Zulassung ab dem 6. Lebensjahr (davor Off-label-Gebrauch)
Adalimumab (ADA)
in der Regel Kombinationstherapie mit AZA, 6-MP oder MTX zumindest für die ersten 6 Monate
Nach 7–21 Tagen
5(–10) mg/kg KG i.v. in Woche 0, 2 und 6 und dann alle 8 Wochen
Remissionsinduktion und -erhaltung bei Versagen von (Methyl-)Prednisolon bzw. Immunmodulatoren sowie bei prognostischen Risikofaktoren; Zulassung ab dem 6. Lebensjahr (davor Off-label-Gebrauch)
Infliximab (IFX)
Bemerkungen
Wirkung
Dosierung
Indikation
Medikament
Tab. 27.4: (fortgesetzt)
450 | 27 CED in der Pädiatrie
27.5 Therapie | 451
Tab. 27.5: Empfohlene Dosisreduktion für Prednison bzw. Prednisolon Woche Woche Woche Woche 1 2 3 4
Woche Woche 5 6
Woche 7
Woche 8
Woche Woche 9 10
Woche 11
60 mg 50 mg 45 mg 40 mg 35 mg 30 mg 25 mg 20 mg 15 mg
30 mg 30 mg 30 mg 25 mg 25 mg 20 mg 20 mg 15 mg 10 mg
20 mg 20 mg 20 mg 20 mg 15 mg 15 mg 15 mg 10 mg 7,5 mg
15 mg 15 mg 15 mg 15 mg 15 mg 10 mg 10 mg 7,5 mg 7,5 mg
10 mg 10 mg 10 mg 10 mg 10 mg 10 mg 5 mg 5 mg 5 mg
0 mg 0 mg 0 mg 0 mg 0 mg 0 mg 0 mg 0 mg 0 mg
50 mg 40 mg 40 mg 40 mg 35 mg 30 mg 25 mg 20 mg 15 mg
40 mg 40 mg 40 mg 30 mg 30 mg 30 mg 25 mg 20 mg 15 mg
35 mg 35 mg 35 mg 30 mg 30 mg 25 mg 20 mg 15 mg 12,5 mg
25 mg 25 mg 25 mg 25 mg 20 mg 15 mg 15 mg 12,5 mg 10 mg
5 mg 5 mg 5 mg 5 mg 5 mg 5 mg 5 mg 2,5 mg 2,5 mg
läufe. Letztlich sind aufgrund von Studienlage und Medikamentenzulassungen bei Kindern und Jugendlichen mit CED oft Off-label-Gebrauch bzw. individualisierte Therapieansätze z. B. unter Einsatz anderer Biologika (z. B. Vedolizumab, Ustekinumab, Golimumab) notwendig. Eine Übersicht über die in der Pädiatrie zur Therapie der CED zugelassenen Medikamente geben die Tabellen 27.4 und 27.6. Die Empfehlungen für die Dosisreduktion von Prednison bzw. Prednisolon finden sich in Tabelle 27.5. Die Therapiealgorithmen für Kinder und Jugendliche mit CED sind zudem in Abbildung 27.1 zusammengefasst.
27.5.5 Enterale Ernährung beim Morbus Crohn Die exklusive enterale Ernährungstherapie (EEET) stellt die Therapie der 1. Wahl zur Remissionsinduktion bei Kindern und Jugendlichen mit M. Crohn aller Schweregrade dar [11, 41]. Nur bei ungünstigen prognostischen Risikofaktoren (s. Abschnitt 27.5.3 „Remissionsinduktion“) wie z. B. bei Wachstumsverzögerung und/oder perianalem Befall bei Diagnose eines M. Crohn kommen primär Biologika (Infliximab) zur Remissionsinduktion zum Einsatz. Bei Ablehnung oder Versagen der EEET sind Glukokortikoide die Therapie der 2. Wahl. Es gibt keine guten Daten/Studien zum Einsatz der EEET bei isolierter Pankolitis und bei isoliertem oralem oder perianalem Befall. Bei der EEET erhält der Patient über 6–8 Wochen eine Elementar-/oder Polymärdiät. Die Formulanahrung kann entweder per os, via Nasogastralsonde oder Gastrostoma verabreicht werden. Die Menge der Formula richtet sich nach den Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr von den Gesellschaften für Ernährung in Deutschland, Österreich und der Schweiz (D-A-CH) und der wiederholten Bestimmung von Körpergewicht und -höhe im Verlauf. In der Regel werden 120–150 % der empfohlenen täglichen Energiezufuhr verabreicht. Die EEET unterdrückt die Darmentzündung und fördert die mukosale Heilung [42, 43]. Der genaue Wirkmechanismus der EEET ist derzeit noch nicht bekannt. Vermutet wird eine Stabilisierung
452 | 27 CED in der Pädiatrie
Tab. 27.6: Übersicht über die zur Therapie der Colitis ulcerosa bei Kindern und Jugendlichen zugelassenen Medikamente Medikament
Indikation
Dosierung
Wirkung
Bemerkungen
Mesalazin (MES)
Remissionsinduktion und -erhaltung bei milder bis moderater Krankheitsaktivität
Nach 1–2 Wochen
Sulfasalazin (SUL)
Remissionsinduktion und -erhaltung bei milder bis moderater Krankheitsaktivität und assoziierter Arthropathie
Oral: 60–80(– 100) mg/kg KG/d in 1–2 ED (max. 4,8 g/d); Rektal: 25 mg/kg KG/d in 1 ED zur Nacht (max. 4 g/d) 60–80 mg/kg KG/d in 3 ED (max. 4 g/d) p.o.
Prednisolon (PRD)
Remissionsinduktion bei moderater Krankheitsaktivität, bei hoher Krankheitsaktivität ohne systemische Symptome oder bei fehlendem Ansprechen auf 5-ASA Remissionsinduktion bei Versagen von Prednisolon bzw. bei schwerer akuter Kolitis mit systemischen Symptomen (s. Abschnitt 27.5.6 „Schwere akute Colitis ulcerosa“)
1(–1,5) mg/kg KG/d in 1 morgendlichen ED (max. 40–60 mg/d) p.o.
Nach 1–2 Wochen
1,5 mg/kg KG/d in 2 ED (max. 40–60 mg/d) i.v.
Nach 3–7 Tagen
Remissionserhaltung bei hoher Krankheitsaktivität, ausgedehntem Befall, extraintestinalen Manifestationen und/oder Alter < 10 Jahre sowie bei 5ASA-Intoleranz, bei mehr als 2–3 Rezidiven/Jahr, bei steroidabhängiger Erkrankung trotz maximaler 5-ASA-Therapie und/oder nach akuter schwerer Kolitis
2–3 g/kg KG/d in 1 ED (max. 200 mg/d) p.o.
Nach 3–4 Monaten
Besonders effektiv in Kombination von oraler und rektaler Applikation (max. Kombinationsdosis 6,4 g/d) Startdosis 25 mg/kg KG/d und Steigerung auf volle Dosis über 1–2 Wochen; zusätzliche tägliche Gabe von Folsäure (1 mg/d) Dosisreduktion s. Tabelle 27.5; in der Regel Kombinationstherapie mit 5-ASA Vorgehen bei fehlendem Therapieansprechen siehe Abschnitt 27.5.6 „Schwere akute Colitis ulcerosa“ ggf. Kombinationstherapie mit 5-ASA; Dosisreduktion bei geringer TPMT-Aktivität erforderlich
Methylprednisolon (MEP)
Azathioprin (AZA)
Nach 1–2 Wochen
27.5 Therapie | 453
Tab. 27.6: (fortgesetzt) Medikament
Indikation
Dosierung
Wirkung
Bemerkungen
6-Mercaptopurin (6-MP)
Remissionserhaltung bei hoher Krankheitsaktivität, ausgedehntem Befall, extraintestinalen Manifestationen und/oder Alter < 10 Jahre sowie bei 5ASA-Intoleranz, bei mehr als 2–3 Rezidiven/Jahr, bei steroidabhängiger Erkrankung trotz maximaler 5-ASA-Therapie und/oder nach akuter schwerer Kolitis bei anhaltend aktiver oder steroidabhängiger Erkrankung trotz adäquater Therapie mit 5-ASA und AZA/6-MP sowie als Zweitlinientherapie bei akuter schwerer Kolitis (s. Abschnitt 27.5.6 „Schwere akute Colitis ulcerosa“), Zulassung ab dem 6. Lebensjahr (davor Off-label-Gebrauch)
1–1,5 mg/kg KG/d in 1 ED (max. 150 mg/d) p.o.
Nach 3–4 Monaten
ggf. Kombinationstherapie mit 5-ASA; Dosisreduktion bei geringer TPMT-Aktivität erforderlich
5(–10) mg/kg KG i.v. in Woche 0, 2 und 6 und dann alle 8 Wochen
Nach 7–21 Tagen
Kombinationstherapie mit 5-ASA sinnvoll; bei Intoleranz oder Therapieversagen von IFX Wechsel auf Adalimumab (ADA) bzw. Erwägung einer Kolektomie Gefahr der Sepsis bei stark immunsupprimierten Patienten oder Patienten mit zentralen Venenkathetern
Infliximab (IFX)
VSL#3; Escherichia coli Nissle (ECN)
keine routinemäßige Anwendung; Gabe ggf. bei milder Erkrankungsaktivität und Intoleranz gegenüber 5-ASA oder als Ergänzung bei milder residualer Krankheitsaktivität trotz Standardtherapie
KG 17–23 kg: 1 Beutel (450 Mrd. Bakterien/d); KG 24–33 kg: 2 Beutel (900 Mrd. Bakterien/d); KG 34–53 kg: 3 Beutel (1.350 Mrd. Bakterien/d); KG 54–66 kg: 4 Beutel (1.800 Mrd. Bakterien/d)
KG: Körpergewicht; p.o.: per os; i.v.: intravenös; ED: Einzeldosis; 5-ASA: 5-Aminosalicylate; TPMT: Thiopurinmethyltransferase.
454 | 27 CED in der Pädiatrie
Colitis ulcerosa leichte/moderate Aktivität
hohe Aktivität siehe Abschnitt zur akuten schweren Colitis ulcerosa
MES PRD + AZA/6MP fehlendes Ansprechen
MEP + AZA/6MP SUL
IFX ± 5ASA
Arthropathie
ADA ± 5ASA OP 5ASA ± ECN Remissionserhaltung
(a)
Morbus Crohn leichte Aktivität EEET
moderate/hohe Aktivität EEET + AZA/6MP/MTX PRD + IM
Risikofaktoren
ausgedehnter (Kolon-)Befall
MEP + IM ADA ↔ IFX ± IM
BUD isolierter Befall der Bauhin-Klappe
BIO ± IM OP
PEET ± 5ASA (b)
IM Remissionserhaltung
Abb. 27.1: Therapiealgorithmus für Kinder und Jugendliche mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung. EEET = exklusive enterale Ernährungstherapie; PEET = partielle enterale Ernährungstherapie; BUD = Budesonid; MTX = Methotrexat; MES = Mesalazin; SUL = Sulfasalzin; 5 ASA = 5-Aminosalicylate; ECN = Escherichia coli Nissle; PRD = Prednison/Prednisolon; MEP = Methylprednisolon; AZA = Azathioprin; 6 MP = 6-Mercaptopurin; IM = Immunmodulator (AZA, 6 MP, MTX); IFX = Infliximab; ADA = Adalimumab; OP = Operation/Chirurgie; BIO = andere Biologika (Off-label-Gebrauch); grüne Pfeile: Therapieansprechen; rote Pfeile: kein Therapieansprechen oder Ablehnung der Therapie; Risikofaktoren: tiefe Ulzerationen im Kolon, ausgedehnter Befall (Pankolitis), anhaltende hohe Entzündungaktivität trotz adäquater Therapie zur Remissionsinduktion, deutliche Wachstumsretardierung, Pubertätsverzögerung, schwere Osteoporose, Gelenk- oder Hautbeteiligung, strikturierende oder penetrierende Erkrankung und/oder ausgeprägter perianaler Befall.
27.5 Therapie | 455
oder/und Diversifizierung des intestinalen Mikrobioms und die damit eingehende Regulation der mukosalen Barrierestörung. Es gibt Hinweise darauf, dass die EEET, im Vergleich zur Remissionsinduktion mit Glukokortikoiden, auch einen positiven Effekt auf das Körperwachstum der betroffenen Kinder mit M. Crohn hat [44]. Daher ist sie insbesondere bei betroffenen Kindern mit Wachstumsverzögerung und/oder steroidrefraktärem Verlauf indiziert. Die Wirksamkeit der EEET bei der Remissionsinduktion ist ähnlich der von Glukokortikoiden oder Biologika [45, 46]. Allerdings bringt die EEET aufgrund des Geschmacks der Formula, durch den Verzicht auf die normale Ernährung und durch die evtl. notwendige Anlage einer Nasogastral- oder perkutanen endoskopischen Gastrostomie(PEG)-Sonde oft Adhärenzprobleme mit sich. Vor diesem Hintergrund ist u. a. eine enge und engagierte Zusammenarbeit von Patient, Eltern, Betreuern, Kindergastroenterologe, CED-Fachpflegepersonal und Ernährungs-/Diätfachkraft von entscheidender Bedeutung für den Therapierfolg der EEET. Grundsätzlich gilt, dass das Therapieansprechen der EEET nach 1–2 Wochen evaluiert und bei ausbleibendem Effekt zu diesem Zeitpunkt die Therapie auf Glukokortikoide umgestellt werden sollte. Die EEET ist nicht zur Remissionserhaltung geeignet. Daher sollten bei moderatem bis schwerem M. Crohn bereits mit Beginn der EEET zur Remissionsinduktion Immunmodulatoren (d. h. Thiopurine) zur Remissionserhaltung verabreicht werden. Nach 6- bis 8-wöchiger EEET wird die Trink-/Sondennahrung in der Regel über 2–3 Wochen schrittweise ausgeschlichen und wieder auf eine normale Nahrung umgestellt. Eine partielle enterale Ernährungstherapie (PEET) kann bei gutem Ansprechen der EEET und initial nur milder Aktivität des M. Crohn und ggf. in Kombination mit 5-Aminosalicylaten zur Erhaltungstherapie eingesetzt werden. Auch bei initial mittlerer oder schwerer Aktivität des M. Crohn kann die PEET als supportive Maßnahme zusätzlich zur medikamentösen Erhaltungstherapie eingesetzt werden.
27.5.6 Schwere akute Colitis ulcerosa Bei Kindern und Jugendlichen mit Verdacht auf eine schwere akute Colitis ulcerosa erfolgt eine stationäre Aufnahme und die Sicherung der Diagnose in erster Linie über Anamnese bzw. Vorgeschichte, Befunde von mikrobiologischen Stuhlkulturen sowie fäkale Neutrophilenmarker, Bildgebung, Endoskopie und Histopathologie [13]. Der Schweregrad wird mittels PUCAI abgeschätzt (Tab. 27.3), wobei ein PUCAI > 65 Punkte die schwere akute Colitis ulcerosa anzeigt [9]. Neben der Kontrolle der Vitalzeichen (Blutdruck, Herzfrequenz, Atemfrequenz, Körpertemperatur) sind verschiedene Blutuntersuchungen ([Differential-]Blutbild, CRP, BSG, Elektrolyte, Harnstoff, Kreatinine, ASAT, ALAT, γ-GT, Bilirubin, Albumin) und Stuhluntersuchung (Clostridium-difficile-Toxine A und B in insgesamt vier bis fünf Stuhlproben, Standardstuhlkulturen auf bakterielle Erreger, zusätzliche virologische Stuhldiagnostik bei Fieber, Erbrechen und nichtblutigen Durchfällen) indiziert. Außerdem
456 | 27 CED in der Pädiatrie
sollten Medikamenten-induzierte Durchfälle (z. B. durch 5-ASA-Präparate oder Antibiotika) ausgeschlossen werden. Bei systemischen Zeichen von Darmperforation bzw. toxischem Megakolon (z. B. Fieber, Tachykardie, Dehydratation, Hypotension) ist ein Röntgen-Abdomen indiziert, das bei einer Erweiterung des Kolon transversums (Durchmesser ≥ 56 mm bzw. > 40 mm bei Kindern < 10 Jahre) den radiologischen Nachweis liefern kann. Bei steroidresistenter Erkrankung sollte eine CMV-Kolitis mittels Sigmoidoskopie und Biopsien (Immunhistochemie) ausgeschlossen werden. Zur Therapie der schweren akuten Colitis ulcerosa im Kindes- und Jugendalter wird Methylprednisolon eingesetzt (1–1,5 mg/kg KG/Tag i.v. in 2 Einzelgaben mit max. 60 mg/Tag). Die orale und/oder rektale Gabe von 5-ASA-Präparaten sollte während der akuten Erkrankungsphase pausiert werden. Eine normale Ernährung sollte fortgeführt werden, solange keine Hinweise auf ein toxisches Megakolon bzw. eine Indikation für eine chirurgische Therapie bestehen. Eine antibiotische Therapie sollte nur bei Infektionsverdacht/-nachweis (z. B. 10 Tage Vancomycin p.o. bei Infektion mit Clostridium difficile bzw. alternativ Metronidazol intravenös) oder bei toxischem Megakolon (Ampicillin, Gentamycin und Metronidazol intravenös) erfolgen. Eine Kolektomie sollte bei toxischem Megakolon mit Verschlechterung oder ausbleibender Besserung nach 48–72 Stunden erwägt werden. Alternativ kommen ansonsten konservative Maßnahmen mit antibiotischer Therapie, Nahrungskarenz, Korrektur von Elektrolytstörungen etc. in Betracht. Die Gabe von NSAIDs oder Narkotika sollte vermieden werden. Das Therapieansprechen wird mittels täglicher Bestimmung des PUCAI (Tab. 27.3) beurteilt: Bei mehr als 45 Punkten am 3. Tag sollte eine Zweitlinientherapie diskutiert werden (s. u.); bei mehr als 65 Punkten am 5. Tag sollte mit der Zweitlinientherapie begonnen werden und bei 35–60 Punkten am 5. Tag sollte die Therapie mit Methylprednisolon für weitere 2–5 Tage fortgesetzt werden. Bei weniger als 35 Punkten am 5. Tag ist eine Zweitlinientherapie kaum erforderlich. Zusätzlich zur täglichen Bestimmung des PUCAI dienen Körpergewicht, C-reaktives Protein, Serumelektrolyte und Hämoglobin als zuverlässige Verlaufsparameter. Beträgt der PUCAI am 3. Tag mehr als 45 Punkte sollte eine Sigmoidoskopie zum Ausschluss von CMV-Kolitis, chronischen Veränderungen und einer granulomatösen Entzündung durchgeführt werden. Zur Zweitlinientherapie bei akuter schwerer Colitis ulcerosa sollte eine subtotale Kolektomie mit Ileostoma erwägt werden. Mit Hinblick auf die Entwicklung eines toxischen Megakolons besteht zur Entscheidung für diese chirurgische Option ein vergleichsweise nur kleines Zeitfenster. Konservativ kommen Calcineurin-Inhibitoren (Ciclosporin A, Tacrolimus) und TNF-α-Blocker (Infliximab) in Betracht. CalcineurinInhibitoren werden für 3–4 Monate bis zum Wirkeintritt von Thiopurinen gegeben, wobei sie aufgrund ihrer Toxizität nicht zur Erhaltungstherapie geeignet sind. Für ein Therapieansprechen spricht eine Abnahme des PUCAI um mindestens 20 Punkte am 5.–7. Tag. Ciclosporin A wird zunächst mit 2 mg/kg KG/Tag als kontinuierliche i.v. Infusion gegeben (Ziel-Talspiegel 150–300 ng/ml) und bei Erreichen einer Remission auf orale Applikation (5–8 mg/kg KG/Tag) umgestellt (Ziel-Talspiegel 100–200 ng/ml).
27.5 Therapie | 457
Tacrolimus wird oral mit 0,1 mg/kg KG 2-mal täglich appliziert. Der Ziel-Talspiegel beträgt dabei initial 10–15 ng/ml und dann bei Erreichen der Remission 5–10 ng/ml. Wie bereits erwähnt, werden sowohl Ciclosporin A als auch Tacrolimus nach 3–4 Monaten abgesetzt. Infliximab stellt eine mögliche Option zur Erhaltungstherapie bei Patienten mit fehlendem Ansprechen auf Thiopurine, bei Steroidintoleranz oder bei vermehrter Ciclosporin-A-Toxizität dar. Von einem Therapieansprechen ist bei ausbleibender Verschlechterung des PUCAI am 7. Tag und bei Rückgang des PUCAI um mindestens 20 Punkte innerhalb von 2 Wochen auszugehen. Kriterien für die Entlassung in die ambulante Weiterbehandlung ist ein PUCAI von weniger als 35 Punkten (milde Erkrankungsaktivität), kein Fieber, stabile Vitalzeichen, adäquate orale Nahrungsaufnahme, adäquater Hydratationszustand, keine Schmerzmedikation und ein stabiler Hämoglobinwert. Die Steroidtherapie wird auf orale Prednisolongaben umgestellt (initial 20 % höhere Dosis als die Methylprednisolondosis vor Entlassung) und über 10 Wochen schrittweise reduziert (Tab. 27.5). Zusätzlich muss eine Therapie mit Thiopurinen (Azathioprin) erwägt werden. Diese sollte 2 Wochen nach der stationären Entlassung oder, im Falle einer Therapie mit Calcineurin-Inhibitoren, wenn die Prednisolondosis 20 mg/Tag beträgt, begonnen werden. Letztlich wird bei der Entlassung in die ambulante Betreuung die orale/rektale Gabe von 5-Aminosalicylaten fortgeführt.
27.5.7 Chirurgie Chirurgische Interventionen folgen bei Kindern und Jugendlichen mit CED de facto demselben Indikationsspektrum wie in der Erwachsenenmedizin. Ungefähr 25 % der im Kindesalter diagnostizierten Fälle von M. Crohn benötigen innerhalb von 5 Jahren nach der Diagnose eine chirurgische Resektion, wobei die ileozökale Resektion die Hälfte der Fälle ausmacht. Nach gründlicher Re-Evaluation einschließlich wiederholter Ileokoloskopie ist bei Patienten mit aktiver oder steroidabhängiger Colitis ulcerosa trotz maximaler Therapie mit 5-Aminosalicylaten, Thiopurinen und TNF-αBlockern bzw. bei Nachweis einer Dysplasie im Kolon u. U. eine elektive Kolektomie indiziert. Das kumulative Risiko einer Kolektomie bei pädiatrischen Patienten mit Colitis ulcerosa liegt nach 1 Jahr bei 8 %, nach 2 Jahren bei 15 % und nach 5 Jahren bei 20 % [47]. Die restaurative Proktokolektomie mit ileoanalem Pouch und Ileostoma stellt das Standardverfahren für eine elektive Kolektomie bei Colitis ulcerosa dar. Bei endoskopisch bzw. histologisch nachgewiesener Pouchitis erfolgt eine Therapie mit Ciprofloxacin (30 mg/kg KG/Tag p.o. in 2 Einzelgaben, max. 1 g/Tag) für 14 Tage, ggf. mit zusätzlicher Gabe von Metronidazol (20–30 mg/kg KG/Tag p.o. in 3 Einzelgaben). Bei rezidivierender Pouchitis kommt eine Therapie mit Budesonid, Immunsuppressiva oder Infliximab in Betracht. Zur Erhaltungstherapie nach Antibiotika-induzierter Remission kann die Gabe von VSL#3 erwägt werden. Die Therapie einer Cuffitis erfolgt mit topischem Mesalazin (s. Kap. 14).
458 | 27 CED in der Pädiatrie
27.5.8 Therapieoptimierung Bei jedem Verdacht auf ein Therapieversagen bzw. vor jeder Therapieeskalation sollte zunächst die bisherige Therapie – soweit möglich – optimiert werden. Dazu gehört die Überprüfung der Medikamentenadhärenz, -dosierung und -wirksamkeit. Bei Kindern und Jugendlichen muss beispielsweise die körpergewichtsbezogene Dosierung der verschiedenen Immunsuppressiva, Immunmodulatoren und Biologika im Verlauf aufgrund des physiologischen Wachstums und der Körpergewichtszunahme angepasst werden. Adhärenzprobleme hinsichtlich der Therapie sind insbesondere während der Pubertät bzw. bei Jugendlichen nicht selten [48]. Angaben zur empfohlenen Standarddosierung von Medikamenten zur Behandlung von CED in der Pädiatrie und zur Dauer bis zu einer signifikanten Medikamentenwirkung finden sich in Tabelle 27.4 (M. Crohn) und Tabelle 27.6 (Colitis ulcerosa). Ansonsten spielt bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit CED und hier insbesondere bei klinischem Wirkverlust von Thiopurinen (Azathioprin, 6-Mercaptopurin) und/oder Anti-TNF-α-Blockern (Infliximab, Adalimumab) auch das therapeutische Drug-Monitoring mit Bestimmung der Thiopurinmetabolite (6-TGN und 6-MMP) bzw. der Talspiegel und Anti-DrugAntikörper für Infliximab und Adalimumab eine wichtige Rolle [49, 50].
27.6 Langzeitbetreuung 27.6.1 Verlaufskontrollen Der natürliche Verlauf von CED zeigt, dass ein sehr früher Manifestationszeitpunkt im Kindes- und Jugendalter und eine inadäquate initiale Therapie mit einer schlechten Prognose korrespondieren. Die Dauer der Erhaltungstherapie beträgt daher in der Regel mehrere Jahre, auf jeden Fall aber bis zum Abschluss der Pubertät. Kinder und Jugendliche mit CED sind aufgrund der medizinischen und chirurgischen Interventionen insbesondere der Gefahr von Wachstumsstörungen, Pubertätsverzögerung und Ernährungsdefiziten ausgesetzt [51].
Bei den Betroffenen besteht zudem das Risiko von Komplikationen auch außerhalb des Gastrointestinaltraktes wie z. B. an den Augen (Iritis, Uveitis), der Leber/Gallenwege (primär sklerosierende Cholangitis) oder der Haut (Erythema nodosum). Darüber hinaus besteht bei den Patienten durch die immunsuppressive Therapie die Gefahr von Nebenwirkungen und ein erhöhtes Risiko für (opportunistische) Infektionen [52]. Insbesondere bei einer Therapie mit Thiopurinen sind zumindest zu Beginn der Therapie engmaschige Laborkontrollen obligat. Im weiteren Verlauf sind Kontrolluntersuchungen beim Kindergastroenterologen in der Regel mindestens alle 3 Monate sinnvoll (häufiger bei komplizierten oder therapierefraktären Verläufen).
27.6 Langzeitbetreuung | 459
So kann auch bei Kindern und Jugendlichen in klinischer Remission durch die regelmäßige Abschätzung der Krankheitsaktivität (z. B. mittels PCDAI und PUCAI) und die Kontrolle von Biomarkern der Entzündung (z. B. C-reaktives Protein, fäkales Calprotectin, Hämoglobin, Hämatokrit, Albumin) ein Schub der Erkrankung rechtzeitig erkannt und die Therapie frühzeitig optimiert oder ggf. umgestellt werden [53]. Smartphone-/Tablet-Anwendungen oder ein CED-Pass speziell für Kinder und Jugendliche mit CED unterstützen u. a. die regelmäßige Dokumentation von Beschwerden durch den Patienten bzw. die Eltern und erleichtern somit die Arzt-Patienten-ElternKommunikation. Das regelmäßige therapeutische Drug-Monitoring bei Therapie mit Anti-TNF-α-Blockern (Infliximab, Adalimumab) erfolgt mittlerweile zunehmend routinemäßig. Die Bestimmung der Thiopurinmetabolite erfolgt in der Regel bei klinischem Wirkverlust der Thiopurintherapie oder bei Verdacht auf mangelnde Patientenadhärenz, Unter- oder Überdosierung. Endoskopische bzw. histopathologische Untersuchungen des Gastrointestinaltraktes oder auch die MR-Enterografie sind vor größeren Therapieumstellungen und bei fraglichem Therapieansprechen indiziert. Die Indikationsstellung für solche Untersuchungen wird durch den Einsatz moderner Biomarker der (intestinalen) Entzündung wesentlich erleichtert.
27.6.2 Wachstum Eine Wachstumsstörung ist die häufigste extraintestinale Manifestation bei Kindern und Jugendlichen mit CED (insbesondere beim M. Crohn). Auch eine leichte, aber chronische Anorexie kann zu einer unzureichenden Gewichtszunahme und einer verlangsamten Wachstumsgeschwindigkeit führen. Wachstumsstörungen lassen sich durch rasche Diagnose, adäquate/intensive Therapie mit zurückhaltendem Einsatz von Glukokortikoiden und durch ausreichende Energie-/Nährstoffversorgung verhindern oder verbessern. Körpergewicht und -höhe (inkl. der genetischen Zielgröße), BMI, Wachstumsgeschwindigkeit und Pubertätsstadien (nach Tanner) sollten mindestens alle 3–6 Monate bestimmt und in entsprechende Wachstums-/Perzentilenkurven eingetragen werden. Die Bestimmung des Skelettalters (Röntgenuntersuchung der linken Hand) kann bei der Abschätzung einer Wachstumsstörung hilfreich sein und der Befund sollte zusammen mit Kinderradiologen und -endokrinologen besprochen werden.
27.6.3 Ernährung Zur Abschätzung der Versorgung mit Mikronährstoffen sollten bei Kindern und Jugendlichen mit CED jährlich Serumeisen, Vitamin D und ggf. Vitamin B12 bestimmt werden. Bei Hinweisen auf Malnutrition, Malabsorption, Mangelzustände oder bei spezifischen Risikofaktoren (wie z. B. bei parenteraler oder enteraler Ernährung)
460 | 27 CED in der Pädiatrie
sind häufigere sowie zusätzliche Kontrollen von Kalzium, Phosphat, Magnesium, Folsäure, Vitamin A und E, Zink, Prothrombinzeit und ggf. eine DEXA-Untersuchung indiziert. Mangelzustände sind entsprechend auszugleichen. Zur Behandlung von häufig nachweisbaren Eisenmangelzuständen wird bevorzugt Eisencarboxymaltose intravenös eingesetzt, weil orale Eisenpräparate oft unwirksam sind bzw. von den Patienten nicht vertragen oder abgelehnt werden. Eine Einzeldosis sollte 1.000 mg Eisen/Tag und 20 mg/kg KG nicht überschreiten. Die maximale wöchentliche Gesamtdosis beträgt 1.000 mg; ggf. muss die kumulative Eisendosis in mehreren Dosen in wöchentlichen Intervallen verabreicht werden. Während akuter Infektionen darf Eisen nicht intravenös verabreicht werden.
27.6.4 Knochenstoffwechsel Eine verminderte Knochenstoffdichte (Osteopenie) wird bei ca. 30 % aller Kinder und Jugendlichen mit CED beobachtet. Ursachen sind Vitamin-D-Mangel, Kalziummalabsorption, Pubertätsverzögerung, krankheitsbedingte Entzündungsaktivität und/oder Therapie mit Glukokortikoiden [57]. Daher sind engmaschige Kontrolluntersuchungen (inkl. Pubertätsentwicklung), die Optimierung der Ernährung und der möglichst zurückhaltende Einsatz von Glukokortikoiden von besonderer Wichtigkeit. Die Vitamin-D-Zufuhr sollte bei Kindern und Jugendlichen mit CED wie auch bei Gesunden bei 600 IE/Tag liegen; die empfohlene Kalziumzufuhr beträgt 1.000 mg/Tag für 4- bis 8-Jährige und 1.300 mg/Tag für 9- bis 18-Jährige. Da diese Empfehlungen durch eine normale Ernährung oft nicht erreicht werden, ist bei Kindern und Jugendlichen mit CED regelmäßig eine Vitamin-D- und Kalziumsupplementation erforderlich. Alternativ kann auch eine orale Einzelgabe von Vitamin D3 ausreichen (< 3 Jahre: 200.000 IE, 3–12 Jahre: 400.000 IE, > 12 Jahre: 800.000 IE) [58]. Ziel ist eine Serumkonzentration des 25-Hydroxy-Vitamin D (25-OHD) von > 30 ng/ml. Darüber hinaus kann eine DEXA-Untersuchung zur Evaluation der Knochendichte herangezogen werden. Ihre Interpretation ist aufgrund fehlender Standardwerte für Kinder und Jugendliche z. T. problematisch. Sie ist daher v. a. Risikopatienten (z. B. bei Wachstumsstörung, Amenorrhö, Pubertätsverzögerung, refraktärer CED, Langzeittherapie mit Glukokortikoiden, Knochenfrakturen) vorbehalten. Eine Therapie mit Bisphosphonaten wird bei Kindern und Jugendlichen nicht empfohlen.
27.6.5 Infektionen und Impfungen Eine immunsuppressive Therapie mit Glukokortikoiden (> 2 mg/kg KG/Tag bzw. > 20 mg/Tag für mindestens 1–2 Wochen), Azathioprin (> 3 mg/kg KG/Tag), 6-Mercaptopurin (> 1,5 mg/kg KG/Tag), Methotrexat (> 0,4 mg/kg KG/Tag) und Biologika (Infliximab, Adalimumab, Vedolizumab) geht mit einem erhöhten Risiko für bakterielle, vi-
27.6 Langzeitbetreuung | 461
rale und Pilzinfektionen einher [52]. Unter einer solchen Therapie (und bis zu 3 Monate danach bzw. bis zu 1 Monat nach Monotherapie mit Glukokortikoiden) sind Lebendimpfungen (z. B. Mumps, Masern, Röteln, Varizellen) in der Regel kontraindiziert. Lebendimpfungen sollen, wenn noch nicht erfolgt, möglichst mindestens 4 Wochen vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie verabreicht werden, was allerdings in der Praxis kaum umsetzbar sein dürfte. Familienangehörige bzw. Kontaktpersonen im Haushalt von immunsupprimierten Patienten können ohne Bedenken Lebendimpfungen erhalten. Sollte sich darunter allerdings beim Impfling ein mit der Impfung assoziierter Hautausschlag entwickeln, ist der Kontakt mit der immunsupprimierten Person zu vermeiden. Totimpfstoffe können auch bei immunsupprimierten Kindern und Jugendlichen angewendet werden, allerdings sollten diese Impfungen, wenn sie laut Impfkalender gegeben bzw. aufgefrischt werden müssen, für eine optimale Wirksamkeit idealerweise mindestens 2 Wochen vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie bzw. während stabiler Krankheitsphasen verabreicht werden. Ansonsten sind auch unter der immunsuppressiven Therapie alle erforderlichen Totimpfungen zu verabreichen (insbesondere Influenza, Hepatitis A, Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Haemophilus influenzae Typ B, Pneumokokken, Meningokokkenund humane Papillomaviren).
27.6.6 Extraintestinale Manifestationen Extraintestinale Manifestationen einer CED bei Kindern und Jugendlichen können Leber, Gallenwege, Haut, Mund, Gelenke, Augen und selten auch andere Organe betreffen. Daher sind regelmäßige Vorsorge- und Laboruntersuchungen erforderlich. Dies beinhaltet die regelmäßige Überprüfung der Leberfunktionsparameter (ASAT, ALAT, AP, γ-GT); jährliche hautärztliche und augenärztliche Kontrolluntersuchungen alle 1–2 Jahre oder früher bei entsprechenden Beschwerden (Brennen, Juckreiz, Sehstörung, Photophobie, Augen- oder Kopfschmerzen), Auffälligkeiten der Sklera (Infektion, Knötchen) oder bei Langzeittherapie mit Glukokortikoiden.
27.6.7 Krebsfrüherkennung Kolitis-assoziierte Krebserkrankungen kommen bei CED-Patienten auch schon vor dem 18. Lebensjahr vor, wobei das Risiko mit zunehmender Erkrankungsdauer und dem Ausmaß der Kolitis steigt. Grundsätzlich wird ein Beginn der Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung 7–10 Jahre nach der Diagnose empfohlen. Die Häufigkeit der Vorsorgekoloskopien hängt von den Befunden der initialen Endoskopie ab; in der Regel sollte die Koloskopie aber alle 1–3 Jahre wiederholt werden. Bei CED-Patienten mit primär sklerosierender Cholangitis sollten jährliche Vorsorgekoloskopien durchgeführt werden; zusätzlich sollten jährliche Ultraschalluntersuchungen zur Beurteilung
462 | 27 CED in der Pädiatrie
der Gallenwege mit Bestimmung des Tumormarkers CA 19-9 im Serum erfolgen. Bei allen Kindern und Jugendlichen mit CED sollten wegen des erhöhten Hautkrebsrisikos jährliche Vorsorgeuntersuchungen beim Hautarzt erfolgen; zugleich sind die Patienten auf einen konsequenten Lichtschutz und die Gefahren exzessiver Sonnenlichtexpositionen hinzuweisen. Das Lymphomrisiko ist bei CED-Patienten gegenüber der Normalbevölkerung vermutlich nicht signifikant erhöht; allerdings kann eine Therapie mit Thiopurinen (Azathioprin, 6-Mercaptopurin) und/oder Biologika zu einer Erhöhung des Lymphomrisikos führen [59, 60].
27.6.8 Transition Kinder und Jugendliche mit CED haben einen besonderen Bedarf an Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung [61, 62]. Eine besonders kritische Phase stellt dabei der Übergang in die Erwachsenenmedizin im Alter zwischen 16 und 21 Jahren dar.
Versorgungsdefizite in dieser Transitionsphase äußern sich in Therapieabbrüchen, unzureichender Medikamentenadhärenz und dem gehäuften Auftreten von – möglicherweise vermeidbaren – Komplikationen [63]. Eine interdisziplinäre und ganzheitliche Transition von chronisch kranken Jugendlichen in die Erwachsenenmedizin ist dabei unabdingbar [64, 65]. Im Vordergrund jeder erfolgreichen Transition steht, die betroffenen Jugendlichen zur selbstbestimmten Krankheitskontrolle zu befähigen. Dies ist durch eine enge Zusammenarbeit von Patienten, Familien, Ärzten, Fallmanagern, Psychologen, Sozialarbeitern, Diätberatern, Fachgesellschaften, Selbsthilfegruppen und Kostenträgern möglich [10, 66]. Eine begleitete Transition von der Jugend- in die Erwachsenenmedizin sollte im Rahmen eines strukturierten Transitionsprogramms erfolgen (z. B. Berliner Transitionsprogramm – BTP) [67, 68]. Solche Transitionsprogramme koordinieren die einzelnen Transitionsgespräche und -sprechstunden und stellen spezielle Informationsmaterialien, Fragebögen, Checklisten und Epikrisen für den Transfer in die Erwachsenenmedizin zur Verfügung.
27.6.9 Psychosoziale Betreuung Bei Kindern und Jugendlichen mit CED besteht ein erhöhtes Risiko für psychosoziale Probleme und psychiatrische Erkrankungen, die negative Einflüsse auf Schule und Ausbildung, Freizeitaktivitäten und die Medikamentenadhärenz haben können [69].
Derartige Probleme sind oft durch Unterschiede gegenüber gesunden Gleichaltrigen bedingt (z. B. Wachstumsstörung, Pubertätsverzögerung, häufige Toilettengänge,
27.7 Fazit |
463
Gastrostoma, Narben, Nasogastralsonden) [70]. Kinder und Jugendliche und deren Eltern können zudem durch die häufigen Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte sowie die langfristige und z. T. häufig notwendige Einnahme oder Verabreichung von Medikamenten stark belastet sein. Zukunftsängste, familiäre Belastung sowie interfamiliäre Konflikte aufgrund der Erkrankung sind nicht selten und können einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensqualität haben [71]. Das Auftreten von Depressionen und Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen mit CED korreliert mit der Krankheitsaktivität sowie psychosozialen und sozioökonomischen Faktoren [72]. Daher empfiehlt sich bei allen Kindern und Jugendlichen mit CED eine psychologische Mitbetreuung oder zumindest eine regelmäßige psychosoziale Anamnese hinsichtlich familiären/häuslichen Umfelds, Schule/Ausbildung, Ess- und Schlafgewohnheiten, Freizeitaktivitäten, Alkohol-/Drogenkonsum, Sexualität, Suizidalität, Depression und sonstiger Verhaltensauffälligkeiten. In der Früherkennung und Prävention dieser Problemkonstellation kann die Mitgliedschaft in Selbsthilfevereinen wie der Deutschen Crohn und Colitis Vereinigung e. V. (DCCV) sehr hilfreich sein (www.dccv.de).
27.7 Fazit Die Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit CED oder mit Verdacht auf CED sollte durch Kindergastroenterologen in einem Zentrum erfolgen. Dabei ist die individualisierte Therapie mit multidisziplinärer und familienfokussierter Langzeitbetreuung besonders wichtig. Arzneimittelstudien im Kindes- und Jugendalter sind notwendig, um den Off-label-Gebrauch bei Kindern und Jugendlichen zu reduzieren [73, 74].
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Christian Maaser und Emile Rijcken
28 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen im höheren Lebensalter Chronisch entzündliche Darmerkrankungen werden häufig als Erkrankungen der ersten Lebenshälfte angesehen. Während dies für einen Großteil der Erstmanifestationen des M. Crohn gilt, so scheint die Inzidenz der Colitis ulcerosa über die verschiedenen Lebensdekaden relativ gleichmäßig verteilt zu sein und somit stellt auch im höheren Lebensalter die Erstmanifestation einer Colitis ulcerosa kein seltenes Ereignis dar. Neben der tatsächlichen Inzidenz ist aber auch die Prävalenz zu bedenken. Hier ist aufgrund der Alterspyramide mit einer deutlichen Zunahme zu rechnen, weil immer mehr CED-Patienten ein höheres Lebensalter erreichen, sodass Schätzungen für das kommende Jahrzehnt von einem Anteil der über 60-Jährigen am Gesamtkollektiv von 30 % ausgehen [13]. Dabei sollte bei der Bewertung von Daten die Definition „Alter“ kritisch betrachtet werden. Häufig werden bereits Patienten jenseits des 50. Lebensjahres als „alte Patienten“ definiert, während die Geriatrie den geriatrischen Patienten aktuell als Menschen mit einer geriatrietypischen Multimorbidität und höherem Lebensalter (überwiegend 70 Jahre oder älter) bzw. Menschen mit einem Alter 80+ aufgrund der alterstypisch erhöhten Vulnerabilität definiert.
28.1 Manifestation und Verlauf Das bislang größte untersuchte Kollektiv von Patienten > 60. Lebensjahr bei Erstmanifestation zur Frage Manifestation und Verlauf findet sich im EPIMAD-Register [6]. Hier zeigt sich für M. Crohn im Wesentlichen ein Kolonbefall, während in der ersten Lebenshälfte der ileozökale Befall überwiegt. Der Erkrankungsverlauf scheint im höheren Lebensalter moderater zu sein, zumindest findet sich ein geringerer Anteil an penetrierenden, strikturierender und fistulierenden Verläufen. Als Erstsymptome stehen im höheren Lebensalter eher rektale Blutabgänge als abdominelle Schmerzen im Vordergrund, während sich die klinische Manifestation bei Colitis ulcerosa unabhängig vom Lebensalter zeigt [22]. Für die Colitis ulcerosa findet sich im EPIMADRegister als vorherrschendes Befallsmuster im höheren Lebensalter der linksseitige Kolonbefall, während die reine Proktitis deutlich seltener auftritt. Auch die Colitis ulcerosa scheint milder zu verlaufen. Gleichzeitig gibt es Hinweise, dass bei den älteren CED-Patienten eine höhere Krankenhausmortalität vorliegt, mit Risikofaktoren höheres Alter, Komorbiditäten, fistulierender Verlauf, Malnutrition und Notwendigkeit zur Darmresektion [1].
https://doi.org/10.1515/9783110492682-029
470 | 28 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen im höheren Lebensalter
Zusammenfassend nimmt trotz eines eher milderen Verlaufs der Erkrankung im höheren Lebensalter das Risiko für Morbidität und Mortalität eher zu, sodass die CEDTherapie im höheren Lebensalter somit einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf. Trotz eher milderen Verlaufs einer CED im höheren Lebensalter steigt das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko.
28.2 Besonderheiten bei der Diagnostik Im Unterschied zum überschaubaren differentialdiagnostischen Spektrum im jugendlichen oder jüngeren Erwachsenenalter, ist dieses im höheren Lebensalter deutlich umfangreicher (Tab. 28.1). Während einige Differentialdiagnosen relativ sicher durch die Diagnostik ausgeschlossen werden können, so ist z. B. die Unterscheidung einer Proktosigmoiditis von einer Divertikel-assoziierten Kolitis nicht immer einfach möglich. Die Art der Diagnostik unterscheidet sich prinzipiell nicht von der im jüngeren Lebensalter. Krankheitsbedingte Begleiterscheinungen wie z. B. implantierter Schrittmacher können Methoden wie die Durchführung eines MR-Enteroklysmas einschränken. Auch sollte die Indikation zur Durchführung endoskopischer Diagnostik im höheren Lebensalter kritisch überdacht werden. Sarkopenie einhergehend mit vermehrter Gebrechlichkeit (Frailty) und häufig bestehender Osteoporose erhöhen das Risiko für Komplikationen. So ist das Sturzrisiko generell bei älteren Menschen erhöht, was durch eine Vorbereitung zur Koloskopie mit der Gefahr der Elektrolytverschiebung einschließlich der häufig eingesetzten Sedierung noch erhöht wird. Kommt es zu einem Sturz im höheren Alter, so ist wiederum das Risiko für das Eintreten einer Komplikation wie Fraktur deutlich höher als bei jüngeren Menschen. Besteht die Indikation zur Durchführung einer Endoskopie, so sollten neben Aspekten wie der postinterventionellen Betreuung auch die Einnahme von Begleitmedikationen beachtet werden. Muss evtl. eine Antikoagulation pausiert werden, sollten bestimmte Medikamente auch am Morgen der Untersuchung noch eingenommen werden? Liegt ein Insulin-pflichtiger Diabetes mellitus vor, sollte mit dem Patienten genau besprochen werden, wann und welches Insulin appliziert werden sollte. Auch sollte das Endoskopieteam über die Erkrankung informiert sein und ein entsprechendes Monitoring durchgeführt werden. Erfolgt eine gute periinterventionelle Betreuung, so konnte selbst für komplexere Untersuchungen wie die ERCP nachgewiesen werden, dass diese auch im hohen Lebensalter sicher durchgeführt werden können [19]. Ein weiterer Aspekt ist die Frage nach Durchführung von Koloskopien im Rahmen des Dysplasie-Screenings wie generell von der DGVS-Leitlinie empfohlen [10]. Hier sollten bei einem höherbetagten Patienten trotz Erfüllung der genannten Vorsorgekriterien kritisch Nutzen und mögliche Risiken gegeneinander sehr individuell abgewogen werden.
28.2 Besonderheiten bei der Diagnostik | 471
Tab. 28.1: Differentialdiagnosen CED im Alter Klinik
Unterscheidungsmöglichkeiten
Medikamentös, allgemein Medikamentös, speziell NSARKolitis Reizdarmsyndrom vom Diarrhö-Typ Infektiöse Gastroenteritis
Diarrhöen Blutige Diarrhöen
Anamnese nach Auftreten von Symptomen und Änderung der medikamentösen Therapie Positive Medikamentenanamnese
Nichtblutige Diarrhöen
Ausschlussdiagnose
Akut beginnende Diarrhöen
Pseudomembranöse Kolitis
Akut beginnende Diarrhöen, häufig blutig, häufig eingeschränkter Allgemeinzustand
Divertikelassoziierte Kolitis
Rezidivierende Diarrhöen, teils mit leichten Blutbeimengungen, gelegentlich leichte Schmerzen im linken Unterbauch Blutige Diarrhöen, ggf. abdominelle Schmerzen
Anamnese des Erkrankungsbeginns, ggf. positive Umgebungsanamnese; Stuhluntersuchungen Anamnestisch Antibiotikabehandlung, Nachweis Clostridium-difficile-Antigen und -Toxin, endoskopisch Nachweis von Pseudomembranen (CAVE: können insbesondere bei CED fehlen) Endoskopisch Nachweis von Divertikeln mit umgebender entzündlicher Schleimhautverquellung, ggf. erosiven Veränderungen unter Aussparung des Sigmas. CAVE lokale Vorbehandlung Sigmoidoskopie: typisch Befall linksseitiges Kolon unter Aussparung Rektum; Histologie zur Sicherung Laborchemisch unauffällige Entzündungsparameter, Endoskopisch makroskopisch meist unauffällig, Diagnosesicherung histologisch durch Stufen-PEs Anamnestisch Z. n. Bestrahlung im Abdomen/Becken; bei unklarem Befund Histologie Komplette Koloskopie
Ischämische Kolitis
Mikroskopische Kolitis
Nichtblutige Diarrhöen
Strahlenkolitis
Diarrhöen, ggf. abdominelle Schmerzen
Kolonkarzinom
Wechselnde Stuhlkonsistenz, gelegentlich mit Blutbeimengung, ggf. BSymptomatik
Aufgrund des erhöhten Risikos für periinterventionelle Komplikationen im Alter u. a. durch Sarkopenie und Frailty einhergehend mit erhöhtem Sturzrisiko sowie Komorbiditäten sollte auf eine gute periinterventionelle Betreuung geachtet werden.
472 | 28 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen im höheren Lebensalter
28.3 Besonderheiten der medikamentösen Therapie im höheren Lebensalter 28.3.1 Allgemeines Im Gegensatz zum jungen liegt beim älteren CED-Patienten bedingt durch Multimorbidität häufig eine Polypharmazie vor, sodass bei der Wahl der Therapie unbedingt auf mögliche Interaktionen geachtet werden muss. Auch besteht bei einer Polymedikation ein erhöhtes Risiko für die Entstehung einer Verschreibungskaskade. Dies bedeutet, dass die Nebenwirkung eines Medikaments nicht als eine solche erkannt, sondern als neue/-s Symptom/Erkrankung interpretiert und mit einer weiteren Maßnahme, häufig einem zusätzlichen Medikament, behandelt wird. Somit sollte bei jedem neuen Symptom immer zunächst sehr kritisch überlegt werden, ob es sich hierbei nicht um eine Nebenwirkung handeln könnte, wie z. B. eine Metformin-bedingte gastrointestinale Nebenwirkung, bevor die CED-Therapie intensiviert wird. Eine genaue Anamnese sämtlicher eingenommener Medikamente sollte somit essenzieller Bestandteil sein. Dabei sollte auch nach den sog. OTC-Medikamenten (over-the-counter drugs) gefragt werden. Eine Selbstmedikation mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) z. B. aufgrund von vermehrten Gelenkschmerzen ist kein seltenes Ereignis, sodass bei nicht ausreichender Nachfrage möglicherweise NSAR-bedingte blutige Stuhlgänge als vermehrte Entzündungsaktivität fehlinterpretiert werden. Generell stellt höheres Alter an sich schon einen Risikofaktor für das Auftreten von Infektionen dar. So ist nicht nur die Prävalenz einer Clostridium-difficile-Infektion im höheren Lebensalter deutlich erhöht, sondern auch die Morbidität und Mortalität [15]. Da ein wesentliches Prinzip der derzeitigen CED-Therapie auf einer Immunsuppression beruht, bedeutet der Einsatz von Immunsuppressiva im Alter eine Steigerung des Risikos für infektiöse Komplikationen [23]. Somit sollte die Primärprävention im höheren Lebensalter unbedingt ein ganz wesentlicher Bestandteil in der Betreuung sein. Hierzu gehört eine regelmäßige Aktualisierung des Impfstatus, wie Influenza- und Pneumokokkenimpfung, unter Berücksichtigung der aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (www.rki.de). Aber auch durch Vorbeugung einer Mangel/Unterernährung, was per se das Risiko für infektiöse Komplikationen erhöht, und durch Vermeidung von „Risiko“-Nahrungsmitteln wie Rohmilchprodukten kann Primärprävention erfolgen. Da selbst durch die konsequenteste Primärprävention das Auftreten infektiöser Komplikationen nicht komplett verhindert werden und schwere infektiöse Komplikationen einschließlich Mortalität z. B. unter Anti-TNF-Therapie im Wesentlichen für das ältere Patientenkollektiv gezeigt werden konnten, muss sichergestellt werden, dass diese, sollten sie auftreten, rasch erkannt und behandelt werden. Hierbei kommt erschwerend hinzu, dass sich Infektionen im höheren Lebensalter häufiger mit unspezifischen Symptomen wie vermehrter Abgeschlagenheit präsentieren – also Sympto-
28.3 Besonderheiten der medikamentösen Therapie im höheren Lebensalter |
473
men, die schnell auf das höhere Lebensalter geschoben werden und somit die Gefahr einer verzögerten Diagnosestellung bergen. Fieber als Warnsymptom tritt im höheren Lebensalter deutlich seltener auf. Ältere Patienten sollten darum unbedingt darauf hingewiesen werden, sich bei Auftreten neuer Beschwerden an ihren betreuenden Arzt zu wenden. Neben dem erhöhten Infektionsrisiko im Alter steigt auch das Risiko einer malignen Erkrankung. Somit sollte auch die Einhaltung etablierter Krebsvorsorgeuntersuchungen empfohlen werden. Hierzu gehört unter immunsuppressiver Therapie insbesondere auch eine regelmäßige Hautkrebsvorsorge, was eine gute Protektion vor intensiver Sonneneinstrahlung einschließt. Unter Berücksichtigung des erhöhten Risikos für schwere Komplikationen im höheren Lebensalter könnte man zu dem Schluss kommen, leichte Entzündungsaktivität eher zu tolerieren, statt eine Eskalation der immunsuppressiven Therapie durchzuführen. Hierdurch würde man aber zum einen eine Einschränkung der Lebensqualität in Kauf nehmen, zum anderen legen Untersuchungen nahe, dass eine chronische Entzündungsaktivität das Risiko für Begleiterkrankungen wie kardiovaskuläre Erkrankungen möglicherweise erhöht [16]. Auch sollte das generell erhöhte Risiko für thromboembolische Komplikationen bei Patienten mit einem akuten Schub einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung bedacht werden. Trotz bislang mangelnder Daten muss davon ausgegangen werden, dass dieses Risiko im höheren Lebensalter mit Komorbiditäten und häufig eingeschränkterer Mobilität noch steigt und somit unbedingt eine Thromboseprophylaxe bei akuter Entzündungsaktivität in Betracht gezogen werden sollte. Ein wesentliches Risiko einer medikamentösen Therapie im Alter ist das erhöhte Infektionsrisiko einhergehend mit erhöhter Morbidität.
28.3.2 Besonderheiten einzelner Medikamente im höheren Lebensalter Leider stellen Patienten mit einem höheren Lebensalter auch in den aktuelleren Studien, wenn überhaupt, einen sehr kleinen Anteil der Studienpopulation dar. Wissenschaftlich fundierte Aussagen zur Sicherheit einzelner Medikamente sind häufig nicht zu machen.
Mesalazin Zu beachten ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Nieren- oder Lebererkrankung, die eine Kontraindikation darstellt. Auch sollten mögliche Interaktionen insbesondere mit blutverdünnenden Medikamenten wie Warfarinen beachtet werden. Da dieser Wirkstoff auch im Alter meist relativ unproblematisch eingesetzt werden kann, erscheint gerade bei Vorliegen einer Linksseitenkolitis eine intensivierte Lokal-
474 | 28 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen im höheren Lebensalter
therapie sehr sinnvoll. Dabei muss aber bedacht werden, dass diese aufgrund einer möglicherweise vorliegenden zunehmenden Sphinkterinsuffizienz erschwert gehalten werden, sowie die praktische Anwendung aufgrund zunehmender körperlicher Einschränkungen erschwert sein könnte.
Steroide Da Störungen des Glukosestoffwechsels, arterieller Hypertonus und Osteoporose häufige Komorbiditäten im Alter sind, birgt eine Steroidtherapie das Risiko einer deutlichen Verschlechterung dieser Begleiterkrankungen. Sollte trotzdem die therapeutische Wahl auf eine Steroidtherapie fallen, sollten regelmäßige Kontrollen von Blutzucker und Blutdruck durchgeführt und auf eine suffiziente Kalzium- und Vitamin-D-Supplementation geachtet werden. Da bei älteren Patienten häufiger eine Komedikation mit Plättcheninhibitoren vorliegt und die gleichzeitige Einnahme mit Steroiden ein erhöhtes Risiko einer gastrointestinalen Blutung bedingt, erscheint in diesem Fall die vorübergehende Einnahme eines Protoneninhibitors sinnvoll. Auf das erhöhte Infektionsrisiko wurde bereits hingewiesen.
Azathioprin/Purinethol Bedingt durch seine hepatische Metabolisierung birgt die Verschreibung von Azathioprin im höheren Lebensalter aufgrund der häufig vorliegenden Komedikation das Risiko für Interaktionen, die zu einer signifikanten Veränderung von Medikamentenspiegeln und somit zum Auftreten von signifikanten Nebenwirkungen führen können. Hier ist v. a. die Interaktion mit Allopurinol zu nennen. Eine gleichzeitige Einnahme in der Standarddosierung führt durch die Blockade des Schlüsselenzyms Xanthinoxidase zu einem Anstieg der Azathioprinmetabolite in den toxischen Bereich mit nachfolgend u. a. Myelosuppression und dem Risiko für letal verlaufende Infektionen. Als weitere Besonderheit des Einsatzes im Alter > 65. Lebensjahr ist das signifikant erhöhte Risiko einer Lymphomentstehung [21]. Da sich dieses erhöhte Risiko nach Beendigung wieder normalisiert, sollte bei Patienten im höheren Lebensalter in Erwägung gezogen werden, ob eine langjährige Azathioprintherapie möglicherweise beendet werden kann. Zum anderen konnte für Azathioprin eine Steigerung des Auftretens von Basaliomen nachgewiesen werden. Da diese eher im höheren Lebensalter auftreten, sollte Patienten unbedingt eine jährliche Hautkrebsvorsorgeuntersuchung empfohlen werden.
28.4 Chirurgische Therapie im Alter
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Ciclosporin Bei prinzipiell schon sehr eingeschränktem Indikationspektrum in der CED-Therapie sollte aufgrund seines nicht unerheblichen Nebenwirkungsspektrums wie Nephrotoxizität und arterielle Hypertonie eine Verwendung von Ciclosporin im höheren Lebensalter kritisch gesehen werden.
Anti-TNF-Therapie (Adalimumab, Golimumab, Infliximab) Für eine Anti-TNF-Therapie konnte ein erhöhtes altersspezifisches Risiko für infektiöse Komplikationen nachgewiesen werden. Hierbei handelt es sich zwar aller Wahrscheinlichkeit nach nicht um einen rein Anti-TNF-spezifischen Effekt. Da aber das erhöhte Infektionsrisiko mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko einhergeht, sollte bei Einsatz von Anti-TNF o. g Primärprophylaxe empfohlen und zudem auch bei neu auftretenden unspezifischen Symptomen immer eine infektiöse Komplikation in die differentialdiagnostischen Überlegungen mit aufgenommen werden. Zudem ist der Einsatz bei schwerer Herzinsuffizienz kontraindiziert.
Vedolizumab Daten zur Anwendung im höheren Lebensalter liegen bislang nur unzureichend vor. Das Risiko für infektiöse Komplikationen scheint aber relativ gering zu sein, wobei das untersuchte Kollektiv im Wesentlichen < 60. Lebensjahr gewesen ist [7].
Ustekinumab Daten zum Einsatz von Ustekinumab bei M.-Crohn-Patienten im höheren Lebensalter liegen bislang nicht vor. Bei Vergleich mit Daten aus anderen Indikationsgebieten müssen die unterschiedlichen Dosierungen bedacht werden.
28.4 Chirurgische Therapie im Alter Die Steigerung der allgemeinen Lebenserwartung in den westlichen Industrienationen bedeutet, dass mehr ältere CED-Patienten elektiv oder notfallmäßig operiert werden. Die Indikationen zur Operation sind dabei unabhängig vom Alter. Das höhere Alter muss bei der chirurgischen Therapie jedoch berücksichtigt werden, weil sich zeigt, dass ältere Patienten mit CED spezifische Besonderheiten aufweisen. Dennoch ist das rein kalendarische Alter an sich keine Kontraindikation für komplexe chirurgische Eingriffe.
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28.4.1 Erhöhte allgemeine perioperative Morbidität versus spezifische chirurgische Morbidität Mehrere Studien zeigten eine erhöhte perioperative Mortalität und Morbidität bei älteren CED-Patienten. Es gilt aber zwischen einer allgemeinen Morbidität und einer operationsspezifischen Morbidität zu differenzieren. Ebenso muss der Risikofaktor „Alter“ unterschieden werden von einer spezifischen Morbidität des älteren CEDPatienten. Hieraus ergeben sich die Schwierigkeiten für ein geeignetes Studiendesign, das diese Aspekte zu unterscheiden vermag. In einer umfangreichen NSQIP-RegisterStudie wiesen ältere Patienten (> 65. Lebensjahr) beim M. Crohn und bei Colitis ulcerosa eine signifikant höhere postoperative Mortalität auf als jüngere Patienten. Nach Risikoadjustierung war das Risiko der perioperativen Mortalität bei älteren Patienten für M. Crohn 11,7-fach und für Colitis ulcerosa 4,4-fach erhöht. Das Risiko, irgendeine Komplikation zu erleiden, war nach Adjustierung bei älteren Patienten mit M. Crohn 1,4-fach und mit Colitis ulcerosa 1,7-fach erhöht [4]. Komplikationen waren dabei v. a. infektiöse und kardiopulmonale sowie Thrombosen. Das Operationsspektrum wurde jedoch nicht aufgeschlüsselt und z. B. Anastomoseninsuffizienzen wurden nicht erfasst. Bei dieser Betrachtung muss aber die Komplexität des chirurgischen Eingriffs berücksichtigt werden. Daher ergibt die Studie keine Hinweise für ein operationsspezifisches Risiko des älteren CED-Patienten. So stellt sich für den Chirurgen die Frage, ob ebenfalls die sog. chirurgischen Komplikationen bei älteren CED-Patienten vermehrt vorkommen. In einer retrospektiven Studie waren MajorKomplikationen inkl. Anastomoseninsuffizienz bei Patienten mit M. Crohn > 50 Jahre signifikant erhöht [2]. Obwohl ältere CED-Patienten ebenfalls mehr Komorbiditäten aufwiesen, blieb in einer Matched-pair-Analyse die Rate postoperativer Komplikationen bei älteren CED-Patienten auch nach Adjustierung erhöht [18]. Das höhere Alter war in der Multivarianzanalyse ein unabhängiger Risikofaktor für postoperative Komplikationen. Ältere CED-Patienten werden häufiger konventionell-offen operiert und haben eine erhöhte Rate an Notfalleingriffen im Vergleich zu jüngeren CED-Patienten. Auch morbiditätsbedingte Folgen sind bei älteren CED-Patienten ausgeprägter als bei jüngeren. So weisen z. B. ältere CED-Patienten eine längere Operationsdauer, eine längere Krankenhausaufenthaltsdauer und auch höhere Behandlungskosten auf [1, 4, 11, 18].
28.4.2 Chirurgie bei Morbus Crohn im Alter Bei älteren M.-Crohn-Patienten kommen die gleichen chirurgischen Eingriffe wie bei jüngeren zur Anwendung. Grundsätzlich gilt auch im höheren Alter eine darmsparende Vorgehensweise, um Resorptionsstörungen bis hin zum Kurzdarmsyndrom zu vermeiden. Strikturoplastiken können auch bei älteren Patienten sicher durchgeführt werden, allerdings scheint das Komplikationsrisiko zumindest bei Strikturoplastiken
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im Kolon bei älteren Patienten erhöht zu sein [24]. Ältere Patienten sind häufiger bereits aufgrund der Darmerkrankung oder auch aus anderen Gründen abdominell voroperiert. Postoperative Adhäsionen können Folgeoperationen erschweren, insbesondere wenn zuvor ein komplizierter Verlauf eintrat. Ausgeprägte Adhäsionen sind ein bedeutsamer Grund für Konversionen bei laparoskopischen Eingriffen. Bei älteren Patienten liegt häufig eine langjährige anti inflammatorische Therapie mit Steroiden und Immunsuppressiva vor, die als Risikofaktor für Anastomosen- und Wundheilungsstörungen nach kolorektalen Resektionen gesehen werden. Ebenso sind Mangelernährungszustände beim älteren M.-Crohn-Patienten keine Seltenheit. Obwohl Rezidive nach Ileozökalresektion im höheren Alter seltener vorkommen, treten die Rezidive, wenn sie auftreten, nach kürzerer Zeit als bei Jüngeren auf [11].
28.4.3 Chirurgie bei Colitis ulcerosa im Alter Ältere Patienten mit Colitis ulcerosa weisen ein höheres Risiko auf wegen ihrer Erkrankung operiert zu werden [17]. Dabei ist das Outcome nach Notfalleingriffen bei Colitis ulcerosa bei älteren CED-Patienten deutlich schlechter als nach Elektivoperationen [12]. Hingegen zeigte sich für die elektive Kolektomie eine verbesserte Überlebensrate im Vergleich zu einem vergleichbaren Kollektiv älterer Kolitis-Patienten, die eine langjährige medikamentöse Therapie erhielten [3]. Die Anastomoseninsuffizienzrate oder die Inzidenz Pouch-bezogener septischer Komplikationen bzw. die Langzeitpouchverlustrate ist bei älteren Patienten mit Colitis ulcerosa nicht erhöht [8]. Das höhere Alter ist keine Kontraindikation für ein minimal-invasives Vorgehen. Die Überlegung, dass Patienten älter als 50 Jahre keine restaurative Proktokolektomie mit Ileum-J-Pouch mehr erhalten sollen, hat heute keinen Bestand mehr. Ältere Patienten haben zwar initial eine höhere nächtliche Stuhlfrequenz und eine höhere Inzidenz von Stuhlschmieren, aber diese scheinen sich im Verlauf einiger Jahren denen der jüngeren Patienten anzugleichen [20]. Entscheidend bei der Wahl der Rekonstruktionsart sollte v. a. die Sphinkterfunktion sein, die im Alter eingeschränkt sein kann [11]. Bei Patienten mit einem neben dem Alter erhöhten Risikoprofil hat sich ein dreizeitiges Vorgehen bei der restaurativen Proktokolektomie bewährt, sodass dies auch bei älteren Patienten zu erwägen ist. Es hat sich gezeigt, dass bei der ileo-pouch-analen Anastomose die Kontinenzleistung nach Double-stapling-Technik besser konserviert werden kann als nach Proktomukosektomie und Handnaht. Deswegen ist die Double-stapling-Technik mit Erhalt der analen Transitionszone bei älteren Patienten zu bevorzugen. Das Risiko, dass sich im kurzen verbliebenen Rektum-Cuff ein Malignom entwickeln könnte, scheint sich bei älteren Patienten aufgrund der verkürzten Gesamtüberlebensdauer zu relativieren. Aus dem gleichen Grund kann bei älteren Patienten, die eine niedrige entzündliche Aktivität ohne intraepitheliale Neoplasien im Rektum aufweisen, durchaus noch eine Indikation zur Ileorektostomie bestehen [21]. Bei Patienten mit einer eingeschränkten Sphinkterfunktion sollte allerdings eine Proktokolektomie mit Anlage
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eines terminalen Ileostomas präferiert werden. Dabei kann der Beckenboden im Sinne eines ultratiefen Hartmann-Stumpfes erhalten bleiben. Ein gut funktionierendes Ileostoma bewirkt bei diesen Patienten eine bessere Lebensqualität als ein Ileum-J-Pouch mit schlechter Funktion und Inkontinenz. Dennoch ist der Wunsch nach einem Erhalt der natürlichen Stuhlpassage auch bei älteren Patienten ausgeprägt: In einer Studie der Cleveland Clinic zeigte sich, dass 89 % der Patienten, die zum Zeitpunkt der Operation älter als 65 Jahre waren, sich, wenn nötig, der IPAA noch mal unterziehen würden, und 93 % konnten diese Operation anderen in gleicher Lage empfehlen [9]. Alle chirurgischen Therapieoptionen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen stehen auch im Alter zur Verfügung. Aufgrund eines erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisikos spielt das perioperative Management zur Risikoreduktion im Alter eine ganz wesentliche Rolle.
28.4.4 Komplikationsvermeidung bei Chirurgie für CED im Alter Angesichts des erhöhten Komplikationsrisikos erscheint eine adäquate Selektion und eine präoperative Optimierung korrigierbarer Risikofaktoren bei Elektiveingriffe gerade bei älteren Patienten mit CED eine vernünftige Vorgehensweise (Tab. 28.2). Immunsuppressiva können pausiert, Steroide reduziert, eine Eisenmangelanämie durch präoperative Eisensubstitution gemildert und ein Mangelernährungszustand durch präoperative Ernährungstherapie verbessert werden. Durch die konsequente Anwendung von perioperativen ERAS-Konzepten (Enhanced Recovery after Surgery) bei elektiven kolorektalen Resektionen kann das Auftreten allgemeiner postoperativer Komplikationen reduziert werden. Dabei kommen der frühen Entfernung von Kathetern, raschen Mobilisation und intensivierten Atemtherapie große Bedeutung zu. Es zeigt sich aber, dass ein höheres Patientenalter einen negativen Einfluss auf das Einhalten von ERAS-Programmen hat [5]. Demnach sollte den älteren CED-Patienten ein intensiviertes physio- und ergotherapeutisches Angebot zur Verfügung gestellt werden. Ältere Patienten mit CED und insbesondere mit Colitis ulcerosa haben ein sehr hohes Risiko für venöse Thrombosen [14]. Deswegen soll die konsequente Thromboseprophylaxe mit niedermolekularen Heparinen nicht nur während des stationären Aufenthalts erfolgen, sondern auch mehrere Wochen darüber hinaus fortgeführt werden. Durch die großzügige Anlage protektiver Stomata kann insbesondere bei distalen Resektionen das Risiko einer Anastomoseninsuffizienz reduziert werden. Dabei ist die Stomaanlage nicht völlig unbedenklich. Grundsätzlich soll darauf geachtet werden, keine entzündeten Darmabschnitte auszuleiten, um Stoma-assoziierte Komplikationen zu vermeiden. Bei älteren Patienten ist aber insbesondere aufgrund hoher Flüssigkeits- und Elektrolytverluste bei Ileostomata ein protektives Kolostoma wenn möglich zu bevorzugen. Die fachgerechte Versorgung des Stomas muss gewährleistet sein. Häufig sind ältere Patienten dabei auf Hilfe anderer angewiesen.
Literatur
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Tab. 28.2: Perioperative Risikofaktoren des älteren CED-Patienten Das hohe Alter bei CED ist ein nichtmodifizierbarer Risikofaktor für – Infektionen – Thrombembolien – Malignität – längere Krankenhausaufenthaltsdauer – Steigerung des Risikos von Heilungsstörungen durch langjährige Immunsuppression und Steroidgebrauch
Tab. 28.3: Nicht-CED-bedingte Risikofaktoren beim älteren Patienten mit CED Medizinische Komorbidität: Herzinsuffizienz, Nierenerkrankungen, COPD etc. Polypharmazie Mangelernährung mit Hypalbuminämie und Anämie Immunoseneszenz Reduzierter funktioneller Status Demenz
– – – – – –
28.5 Fazit Die Diagnostik und Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen im hohen Lebensalter sind aufgrund von Komorbiditäten und Polypharmazie sowie erhöhtem Risiko für das Auftreten von Komplikationen eine therapeutische Herausforderung. Dabei sollten auch bei Patienten im höheren Lebensalter die Symptomfreiheit und Verbesserung der Lebensqualität die Therapieziele sein und persistierende Symptome aus Sorge vor Therapie-assoziierten Nebenwirkungen nicht akzeptiert werden. Hierbei stellt neben der konservativen Therapie auch die Chirurgie eine bedeutsame Option dar, wobei hier zur Reduktion des erhöhten Komplikationsrisikos ein gutes präoperatives geriatrisches Assessment und postoperativ eine rasche Mobilisation erfolgen sollten.
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Johannes Klose, Lars Fischer, Yakup Kulu und Alexis Ulrich
29 Onkologische Chirurgie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie die Colitis ulcerosa (CU) und der M. Crohn (MC) können die Entstehung eines Karzinoms begünstigen. Daher sollte einerseits durch Detektion von Karzinomvorstufen bzw. die prophylaktische Proktokolektomie bei CU (s. u.) das Auftreten eines invasiven Karzinoms verhindert werden. Andererseits gilt es bei Vorliegen eines Karzinoms, die richtigen therapeutischen Konsequenzen zu ziehen. Es kann zwischen kolorektalen Karzinomen (KRK), die gehäuft bei CU und gelegentlich beim MC auftreten, sowie dem Adenokarzinom des Dünndarms und dem Fistelkarzinom unterschieden werden. Letztere sind insbesondere mit MC assoziiert. Im Folgenden sollen die chirurgisch-onkologischen Therapiestrategien sowohl für Karzinomvorläuferstadien als auch für invasive Karzinome bei CU und MC diskutiert werden.
29.1 Colitis ulcerosa Neben der Dauer und dem Ausmaß der entzündlichen Aktivität stellen bei der CU insbesondere eine zeitgleich bestehende primär sklerosierende Cholangitis und eine positive Familienanamnese unabhängige Risikofaktoren für die Entstehung eines kolorektalen Karzinoms dar [1, 2]. Die Gesamtinzidenz für die Entstehung eines KRK liegt bei 3,7 % und steigt bei Vorliegen einer Pankolitis auf 5,4 % [2]. Die kumulative Inzidenz für die Entstehung eines kolorektalen Karzinoms liegt nach einer Erkrankungsdauer von 10 Jahren bei 2 %, nach 20 Jahren bei 8 % und nach 30 Jahren Erkrankungsdauer bei 30 % [2]. Ein Karzinom kann dabei in allen Abschnitten des Kolons vorkommen, wobei im Falle einer CU mehr Tumore distal der linken Flexur im Vergleich zum sporadischen KRK gefunden wurden [3]. Die Tumorlokalisation korreliert dabei mit dem Verteilungsmuster bzw. der Aktivität der Kolitis [3].
29.2 Intraepitheliale Neoplasien/DALM/ALM Die einzige Möglichkeit der Früherkennung liegt in der Detektion von intraepithelialen Neoplasien durch Biopsien während der Vorsorgekoloskopie. Dabei muss zwischen der hochgradig intraepithelialen Neoplasie (high-grade intraepithelial neoplasia – HGIEN), der niedriggradig intraepithelialen Neoplasie (low-grade intraepithelial neoplasia – LGIEN), der Dysplasie-assoziierten Läsion oder Masse (dysplasia associated lesion or mass – DALM) und der Adenom-assoziierten Masse (adenoma-like https://doi.org/10.1515/9783110492682-030
482 | 29 Onkologische Chirurgie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
mass – ALM) unterschieden werden. Die Biopsien sollten während der Krankheitsremission entnommen werden, weil die Differenzierung zwischen entzündlich bedingten Veränderungen und dysplastischen Läsionen mitunter schwierig sein kann. Die histologische Einteilung der Neo- bzw. Dysplasie wird gegenwärtig kontrovers diskutiert. Während im deutschsprachigen Raum aktuell noch an der o. g. Einteilung festgehalten wird [4], wird in einem europäischen Konsensus empfohlen, von dieser Nomenklatur abzukehren [5]. Die Autoren favorisieren eine mikroskopische Einteilung in niedrig- und hochgradige Dysplasien sowie eine makroskopische Einteilung in polypoide, nichtpolypoide und endoskopisch sichtbare Läsionen [5]. Im Folgenden wird das in Deutschland gängige Konzept der intraepithelialen Läsionen vorgestellt. Eine HGIEN ist mit einem Risiko zur Entstehung eines KRK von 25–67 % verbunden [6–8]. Daher besteht bei Vorliegen einer HGIEN die Indikation zur Operation [4, 5, 9]. Im Ausmaß der Operation unterscheiden sich die deutsche Leitlinie und ein Konsensuspapier der European Crohn’s and Colitits Organization (ECCO). Während hierzulande Leitlinien-gerecht eine restaurative Proktokolektomie mit Anlage eines ileoanalen Pouches favorisiert wird [4], lautet die ECCO-Empfehlung, wenn möglich eine Kolektomie mit Ileorektostomie durchzuführen [9]. Die Resektion sollte immer unter onkologischen Kautelen mit adäquater Lymphadenektomie und zentralem Absetzen der Gefäße erfolgen [9]. Auch herrscht keine Einheitlichkeit bzgl. der Frage, ob bei Vorliegen einer intraepithelialen Neoplasie außerhalb des Rektums eine komplette Mukosektomie im Bereich der Linea dentata durchgeführt werden sollte. Die deutsche Leitlinie empfiehlt, dass sowohl bei einer intraepithelialen Neoplasie wie auch bei einem manifesten Karzinom eine komplette Entfernung der restlichen Rektummukosa sowie eine Hand- oder Stapleranastomose an der Linea dentata indiziert sind [4]. Dabei wird Bezug genommen auf die in der Literatur beschriebenen Fälle von Pouchkarzinomen, die aufgrund einer belassenen Rektummukosa entstanden sind [10]. Allerdings handelt es sich hierbei eher um eine Rarität. Die Inzidenz wird mit 1,9 % 15 Jahre nach Pouchanlage und 5,1 % 25 Jahre nach Pouchanlage beziffert [11]. Basierend auf einer Studie wird vermutet, dass Patienten, die aufgrund eines KRK operiert wurden, ein bis zu 25-fach erhöhtes Risiko haben, ein Pouchkarzinom zu entwickeln [12]. Bei Auftreten eines Pouch-assoziierten Karzinoms sollte ein radikales Vorgehen mittels abdominoperinealer Resektion erfolgen [13]. Anders wird im ECCO-Konsensuspapier argumentiert. Hier wird angeführt, dass keine ausreichenden Daten vorliegen, die eine Überlegenheit einer Mukosektomie und handgenähten Anastomose an der Linea dentata gegenüber der gestapelten Ileorektostomie belegen [9]. Demnach kann in einem individualisierten Therapieansatz bei Vorliegen einer HGIEN im proximalen Kolon und milder Kolitisaktivität im Rektum nach ausführlicher Aufklärung des Patienten eine gestapelte Ileorektostomie durchgeführt werden. Das Risiko für die Entstehung eines Karzinoms in der restlichen Rektummukosa nach Stapleranastomose liegt bei 8,7 % nach 25 Jahren Erkrankungsdauer im Vergleich zu 1,8 % nach ileoanaler Pouchanlage [14].
29.3 Kolorektales Karzinom
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483
Weniger eindeutig ist die Datenlage zur Behandlung der LGIEN. Hier liegt eine relative Operationsindikation vor und das Vorgehen sollte mit dem Patienten individuell besprochen werden. In knapp unter einem Drittel der Patienten, die aufgrund einer LGIEN operiert wurden, wurde im Resektat ein invasives Karzinom gefunden [8]. Ferner ist strittig, inwieweit aus einer LGIEN eine HGIEN entstehen kann. Der positive prädiktive Wert für eine solche Progression beträgt 14,6 % [15]. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit einer LGIEN keine raschere Progression im Vergleich zu Patienten ohne Dysplasie zu beobachten ist [16]. Bei Vorliegen einer DALM sollte einerseits eine onkologische restaurative Proktokolektomie in Erwägung gezogen werden [4, 6], weil sich bei 43 % der Patienten statt der präoperativ diagnostizierten DALM ein invasives Karzinom in der Läsion nachweisen ließ. Andererseits wurde in mehreren retrospektiven Studien berichtet, dass bei 12–48 % der Patienten im Resektat neben der präoperativ diagnostizierten DALM an einer anderen Stelle ein synchrones invasives Karzinom vorlag [3, 7]. Eine DALM muss histologisch von solchen Läsionen unterschieden werden, die sporadischen Adenomen ähneln (ALM). Diese Läsionen können meist endoskopisch reseziert werden, vorausgesetzt, dass eine vollständige Entfernung möglich ist und sich in der Umgebung respektive im restlichen Kolon keine intraepithelialen Neoplasien nachweisen lassen. Wenn alle drei Kriterien erfüllt sind, muss keine Kolektomie erfolgen. Rein endoskopisch therapierte Pateinten sollten engmaschig nachkontrolliert werden [4]. Dieses Vorgehen wird durch eine aktuelle Metaanalyse bestätigt, die zeigt, dass nur 2,4 % der Patienten nach vollständiger endoskopischer Resektion einer ALM ein kolorektales Karzinom entwickeln [17].
29.3 Kolorektales Karzinom Im Falle eines histologisch nachgewiesenen Karzinoms auf dem Boden einer CU sollte die onkologische Proktokolektomie erfolgen [4, 9]. Auch hier gibt es analog zur Resektion bei Vorliegen einer HGIEN Uneinheitlichkeit, ob die Resektion eine komplette Entfernung der restlichen Rektummukosa mit einschließen sollte (s. o.). Eine onkologische Proktokolektomie bei rechtsseitigem KRK beinhaltet immer eine Resektion des terminalen Ileums mit zentralem Absetzten der A. ileocolica. Hier kann es in Einzelfällen zu Schwierigkeiten bei der Bildung eines ileoanalen Pouches kommen [9]. Das zentrale Absetzen der A. ileocolica ist aber nicht generell eine Kontraindikation zur Bildung eines ileoanalen Pouches. Eine Proktokolektomie mit ileoanaler Pouchanlage stellt bei Patienten mit einem KRK eine technisch machbare, sichere und onkologisch gleichwertige Rekonstruktionsmöglichkeit dar [18]. Bei Patienten mit einem histologisch nachgewiesenen Karzinom oder einer Dysplasie proximal des Rektums, mit unauffälligen Rektumbiopsien bzgl. dysplastischer Veränderungen und einer geringen Entzündungsaktivität im Rektum, kann auch eine Kolektomie erfolgen, weil das Rektum weiterhin einer guten endoskopischen Begut-
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achtung zugänglich ist [9]. Eine limitierte Kolonresektion (z. B. eine Hemikolektomie) kann in einem individuellen Vorgehen für eine bestimmte Subgruppe von Patienten erwogen werden. Ältere Patienten (> 70 Jahre) bei Diagnosestellung eines isolierten KRK können einer limitierten Resektion unterzogen werden. Nach einem medianen Beobachtungszeitraum von 7 Jahren kam es bei keinem der Patienten zu einem metachronen Karzinom [19]. Abweichende Empfehlungen gibt es für Patienten mit einem Rektumkarzinom auf dem Boden einer CU. Im UICC-Stadium II/III empfehlen die deutschen sowie ECCO-Leitlinien (analog dem sporadischen CRC) eine neoadjuvante kombinierte Radio-/Chemotherapie. Allerdings ist diese bei Vorliegen einer aktiven Kolitis mit vermehrten Blutungskomplikationen verbunden [20]. Die adjuvante Behandlung – also nach Rekonstruktion eines Pouches – kann ebenfalls mit spezifischen Komplikationen assoziiert sein und sollte darum eher restriktiv eingesetzt werden. Es kann zu einer eingeschränkten Heilung bzw. Integrität des Pouches unter Chemotherapie kommen. Ferner kann die Strahlentherapie zu einer eingeschränkten Sphinkter- und Sexualfunktion führen [21]. Einzelne Gruppen favorisieren in diesen Fällen ein mehrstufiges Therapiekonzept. Nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie wird zunächst eine Kolektomie mit Anlage eines Hartmann-Stumpfes und protektivem Ileostoma durchgeführt. Nach Abschluss der postoperativen Chemotherapie (innerhalb des Konzepts der kombinierten Radio-/Chemotherapie) erfolgen die Restproktektomie und Anlage eines ileoanalen Pouches, in der Regel mit protektivem Ileostoma [9]. Bei einem tiefsitzenden Rektumkarzinom mit Infiltration des Levators oder Sphinkter externus sollte nach Radio-/Chemotherapie eine Proktokolektomie mit abdominoperinealer Resektion erfolgen [9]. Die adjuvante Chemotherapie ist bei Patienten mit einer CU vermehrt mit dem Auftreten von Diarrhoen assoziiert. Daher wird auch zur bestmöglichen Versorgung die Anlage eines protektiven Ileostomas nach Proktokolektomie bis zum Abschluss der Chemotherapie empfohlen [9]. Eine Übersicht über die therapeutischen Strategien abhängig vom histologischen Ergebnis – basierend auf der deutschen Leitlinie [4] – findet sich in Abbildung 29.1. Die Tatsache, dass es international unterschiedliche Konzepte gibt, zeigt, dass die chirurgische Therapie bei Patienten mit einer CU häufig eine Individualentscheidung ist und die Indikation im engen Konsens zwischen Patient, Chirurg und Gastroenterologe zu treffen ist. Die standardisierte Proktokolektomie mit ileoanaler Pouchanlage bei entsprechender Expertise sowohl offen wie auch laparoskopisch durchgeführt werden kann [4]. In den letzten Jahren hat sich allerdings das laparoskopische Vorgehen immer mehr durchgesetzt. Für die onkologischen Eingriffe gibt es zwar in Bezug auf die Gleichwertigkeit der Laparoskopie bislang keine Evidenz, die Therapie erfolgt aber analog der für Patienten mit CRC ohne CU. Die Prognose der Patienten mit einem CU-assoziierten kolorektalen Karzinom und einem sporadischen Karzinom scheint sich nicht wesentlich zu unterscheiden. Eine jüngst publizierte Analyse wies ein 5-Jahresüberleben von 63,2 % für Patienten mit einem CU-assoziierten Karzinom
29.5 Kolorektales Karzinom
LGIEN
ALM
individualisierte intensivierte Vorsorge
endoskopische Resektion
HGIEN
DALM
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Karzinom
onkologische Proktokolektomie
wenn R1/Rx, IEN in Umgebung oder im Rest-Kolon individualisiertes Vorgehen
Abb. 29.1: Histologie-abhängiges Vorgehen bei Läsionen im Kolon bei Patienten mit einer Colitis ulcerosa oder einem M. Crohn. Basierend auf den deutschen Leitlinien zur Colitis ulcerosa [4] bzw. zum M. Crohn [22]. IEN = intraepithelial neoplasia; LGIEN = low-grade intraepithelial neoplasia; ALM = adenoma-like mass; HGIEN = high-grade intraepithelial neoplasia; DALM = dysplasiaassociated lesion or mass).
im Vergleich zu 65,7 % für Patienten mit einem sporadischen Karzinom auf. Eine Subgruppenanalyse zeigte, dass insbesondere männliche CU-Patienten mit einer kürzeren Erkrankungsdauer eine schlechtere Prognose aufweisen [23].
29.4 Morbus Crohn Auch für Patienten mit MC gilt – analog zur CU –, dass ihr Risiko an einem Malignom zu erkranken, erhöht ist. Es können drei verschiedene Tumorentitäten unterschieden werden: das kolorektale Karzinom, das Dünndarmkarzinom und das Fistelkarzinom [24]. Die Entstehung eines Karzinoms korreliert beim MC mit einem frühen Krankheitsbeginn, langer Erkrankungsdauer und dem Vorliegen einer Colitis Crohn [25].
29.5 Kolorektales Karzinom Auch die Therapie des MC-assoziierten KRK wird kontrovers diskutiert. Es gibt wenig Evidenz über das Ausmaß der Resektion bei Dysplasien im Kolon. In den deutschen Leitlinien wird eine onkologische Resektion basierend auf dem Befallsmuster und analog der Leitlinien bei CU empfohlen. Ähnliche Empfehlungen wurden auch durch die British Society of Gastroenterology, die American Gastroenterology Association sowie das British National Institute of Health and Clinical Excellence gegeben [22]. Dabei gilt auch für den MC, dass bei Vorliegen einer HGIEN oder einer DALM im Kolon die Indikation zur onkologischen Resektion, ggf. auch als Proktokolektomie besteht. Eine LGIEN kann nach endoskopisch-bioptischer Kontrolle alle 3 Monate engmaschig beobachtet, oder chirurgisch reseziert werden. Eine ALM sollte, wenn möglich, zunächst endoskopisch abgetragen werden [22] (s. Abb. 29.1).
486 | 29 Onkologische Chirurgie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
Bei Vorliegen eines nachgewiesenen Karzinoms ist insbesondere bei Crohnbefall des gesamten Kolons eine onkologische Proktokolektomie anzustreben [22]. Hier kann bei Vorliegen einer isolierten Colitis Crohn ohne Dünndarm- und perianalen Befall auch die Anlage eines ileoanalen Pouches erwägt werden. Allerdings sind die Patienten auf das erhöhte Risiko einer Pouchitis (bis zu 32 %) bzw. eines M.-Crohn-Rezidivs im Bereich der pouch-analen Anastomose aufzuklären [3, 22]. Kolonstenosen unklarer Dignität sollten ebenfalls operiert werden, weil sich insbesondere bei Vorliegen einer Colitis Crohn hinter Stenosen ein Karzinom maskieren kann [22]. Es besteht jedoch kein eindeutiger Konsens bzgl. des Ausmaßes der Resektion. Generell sollten Strikturoplastiken am Kolon vermieden werden. In den meisten Klinken werden Kolonsegmentresektionen durchgeführt, v.a. vor dem Hintergrund der möglichst darmsparenden M.-Crohn-Chirurgie. Es gibt jedoch auch Kliniken, in denen ein deutlich aggressiveres Therapieregime bevorzugt wird. Die Gruppe von Remzi et al. berichtet in einer aktuellen Studie, dass bei Patienten mit einem MC und einem KRK in der Regel eine totale Kolektomie oder eine Proktokolektomie durchgeführt wurde, weil 15 % der Patienten nach einer segmentalen Kolonresektion einen metachronen Tumor innerhalb von 4 Jahren entwickelten [26]. Ein derartiges operatives Vorgehen wird auch von anderen Gruppen propagiert [27]. Beim MC sollte ein auf den jeweils betroffenen Patienten individuell festgelegtes Vorgehen erfolgen. Auch hier sollte die Entscheidung über eine Operation und das Resektionsausmaß soweit möglich im interdisziplinären Konsens getroffen werden. Es gilt insbesondere beim MC zwischen der bestmöglichen Lebensqualität und dem onkologischen Risiko abzuwägen. Sofern eine problemlose endoskopische Überwachung möglich ist, kann auch ein weniger aggressives Vorgehen legitim sein, z. B. eine Hemikolektomie rechts bei Vorliegen einer isolierten HGIEN im Colon ascendens ohne Anhalt für weitere Dysplasien im restlichen Kolon. Die Prognose von Patienten mit einem MC-assoziierten Karzinom ist vergleichbar mit der von Patienten mit einem sporadischen kolorektalen Karzinom [3, 28].
29.6 Dünndarmkarzinome Da es sich bei einem kumulativen Risiko von 0,2 % nach 10 Jahren bzw. 2,2 % nach 25 Jahren Erkrankungsdauer insgesamt um eine seltene Komplikation handelt [29], besteht keine Empfehlung für die Überwachung des Dünndarms zur Karzinomprophylaxe [22]. Das liegt auch daran, dass keine zufriedenstellenden diagnostischen Maßnahmen zur Früherkennung bzw. Detektion von Tumoren zur Verfügung stehen. Lediglich der Befall im terminalen Ileum ist endoskopisch gut zu beurteilen. Aufgrund der erhöhten Obstruktionsgefahr wird bei Patienten mit einem MC auch keine Kapselendoskopie empfohlen. Zudem lässt sich die Symptomatik nur schwer von der eines MC-Schubes unterscheiden. Generell sollte jedoch im Falle eines therapierefraktären MC bei zuvor klinisch eher unauffälligem Verlauf an das Vorliegen eines
29.7 Fistelkarzinome
| 487
MC-assoziierten Dünndarmkarzinoms gedacht werden [30]. Bei Patienten mit einem MC finden sich Adenokarzinome des Dünndarms sowohl im Jejunum als auch im Ileum, wobei das (terminale) Ileum mit 75 % am häufigsten betroffen ist [25, 31]. Dabei muss das Karzinom nicht zwangsläufig mit einer entzündlichen Stenose assoziiert sein, es wird aber gehäuft im Bereich einer chronisch entzündeten Darmschleimhaut gefunden [32]. Ebenso kann ein Dünndarmkarzinom im Bereich interenterischer Fisteln entstehen. Die genaue molekulare Pathogenese ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch vermutet, dass es ähnlich wie beim KRK durch die dauerhafte Entzündung zu einer Dysplasie und schließlich zu der Entwicklung eines Karzinoms kommt [32]. Die Patienten sind bei der Diagnosestellung in der Regel deutlich jünger als Patienten mit einem sporadischen Adenokarzinom des Dünndarms [31]. Aufgrund der diagnostischen Schwierigkeiten weisen 30–35 % der betroffenen Patienten bei Diagnosestellung bereits ein T4-Stadium auf [33]. Die chirurgische Therapie des histologisch gesicherten DünndarmAdenokarzinoms bei MC obliegt den allgemeinen Kautelen der onkologischen Chirurgie und ist abhängig von der Lokalisation des Befundes. Bei einem Tumor im terminalen Ileum sollte eine onkologische Hemikolektomie rechts durchgeführt werden. Ein Tumor in einem Jejunum- oder Ileumsegment ist mit ausreichendem Sicherheitsabstand und mesenterialer Lymphadenektomie zu therapieren. Da die meisten Dünndarmkarzinome jedoch erst im Resektat als Zufallsbefund entdeckt werden, sollte bei jeder MC-assoziierten Dünndarmresektion die Operationsstrategie auch ein potenzielles Malignom berücksichtigen. Eine Konsequenz daraus ist, dass bei Patienten mit MC während einer Operation der gesamte Dünndarm durchzumustern ist. Sollte zudem nach einer Ileozökalresektion ein Malignom im Präparat durch den Pathologen nachgewiesen werden, wäre eine Nachresektion mittels Hemikolektomie rechts indiziert.
29.7 Fistelkarzinome Bei den MC-assoziierten Fistelkarzinomen muss zwischen den Tumoren, die aus interenterischen Fisteln (s. o.) und aus perinealen Fisteln entstanden sind, unterschieden werden. Auch die Fistelkarzinome stellen eine seltene Komplikation des MC dar und die aktuelle Literatur beruht auf kleinen Fallserien oder Einzelfallbeschreibungen [34]. Wie auch beim KRK oder dem Dünndarmkarzinom ist das Auftreten eines Fistelkarzinoms mit der Dauer des Fistelleidens assoziiert [35]. Bei den meisten Patienten liegt bereits vor Diagnosestellung ein Fistelleiden über mehr als 10 Jahre vor. Es muss auch hier davon ausgegangen werden, dass es über den chronischen Entzündungsprozess zu einer Dysplasie und schließlich zur Karzinom-Entstehung kommt. Histologisch kann es sich bei den Tumoren sowohl um Adenokarzinome als auch um Plattenepithelkarzinome handeln. Auch beim Fistelkarzinom ist die Diagnosestellung erschwert, weil es keine spezifischen Symptome gibt und bildgebende Verfahren eine niedrige Sensitivität aufweisen. Daher werden die Fistelkarzinome häufig erst in ei-
488 | 29 Onkologische Chirurgie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
nem fortgeschrittenen Stadium detektiert. Deshalb sollte bei der Verschlechterung eines MC-assoziierten Fistelleidens immer an ein Fistelkarzinom gedacht und der Fistelgrund biopsiert werden [34]. Zu beachten ist ferner, dass Frauen im Vergleich zu Männern ein signifikant kürzeres Fistelleiden vor Entstehung eines Karzinoms aufweisen (8,3 vs. 16 Jahre) [36]. Die chirurgische Therapie muss bei Vorliegen eines Fistelkarzinoms radikal sein. Eine lokale Exzision ist nicht sinnvoll und ein Sphinktererhalt in der Regel nicht möglich. Daher ist die abdominoperineale Rektumexstirpation meist die einzig potenziell kurative Option. Diese kann im Falle einer Colitis Crohn auch mit einer Proktokolektomie kombiniert werden [34].
29.8 Fazit Die Komplexität der CED erschwert die Diagnostik und Therapie und erfordert daher häufig individuelle Therapieentscheidungen. Diese sollten nach Möglichkeit im interdisziplinären Konsens getroffen werden. Im Vordergrund steht die kurative Resektion, aber das Ausmaß der Operation, und damit das verbleibende Restrisiko eines Rezidivs, müssen mit dem Patienten besprochen und nach seinem Wunsch nach bestmöglicher Lebensqualität abgewogen werden. Bei Patienten mit einem CU-assoziierten kolorektalen Karzinom sollte eine onkologische Proktokolektomie durchgeführt werden. Eine limitierte Resektion ist bei älteren Patienten (> 70 Jahre) vertretbar. MC-assoziierte kolorektale Karzinome sollten bei hoher Entzündungsaktivität bzw. einer Colitis Crohn einer Kolektomie zugeführt werden. Bei limitiertem MC-Befall ist eine limitierte Resektion möglich. Fistelund Dünndarmkarzinome bedürfen einer radikalen Resektion, um den betroffenen Patienten die bestmögliche Prognose zu ermöglichen.
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| Teil IX: Begleittherapie
Jürgen Stein, Karima Farrag und Sandra Ulrich-Rückert
30 Ernährungstherapie bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Die Beziehungen zwischen Ernährung und chronisch entzündlichen Darmkrankheiten reichen von einer möglichen Beteiligung in der Ätiopathogenese der Krankheit über die krankheitsbedingte Mangelernährung bis hin zur ernährungstherapeutischen Intervention in den verschiedenen Krankheitsstadien (Abb. 30.1). Genetik „Umweltfaktoren“ intestinale Flora Nahrung?
CED
Inflammation Anorexie Hypermetabolismus Malabsorption Therapiefolge
Ernährung als Therapie?
Mangelernährung Abb. 30.1: Mögliche Interaktionen von Ernährung und chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.
30.1 Ernährungsfaktoren in der Ätiopathogenese chronisch entzündlicher Darmkrankheiten Die Beobachtung, dass chronisch entzündliche Darmkrankheiten (CED) bis zum Ende der 1950er-Jahre extrem selten waren und seit dieser Zeit in allen westlichen Industrieländern erheblich zugenommen haben, veranlasste zu der Annahme, dass Änderungen in der Ernährung eine mögliche Ursache für die Häufigkeitszunahme, insbesondere für M. Crohn darstellen. Angeschuldigt wurden der nach Kriegsende angestiegene Konsum von raffinierten Kohlenhydraten und chemisch aufbereiteten Fetten, die Abnahme des Verzehrs von Ballaststoffen sowie allergische Reaktionen auf Bäckerhefe [1]. Neuere Studien zeigten eine mögliche Assoziation mit dem vermehrten Verzehr von tierischem Eiweiß. Die Daten für den M. Crohn (MC) und die Colitis ulcerosa (CU) sind aber inkonsistent [2]. Lediglich für das Stillen lässt sich einer Metaanalyse zufolge eine signifikante Risikominderung für CED belegen, die für MC 33 % und für CU 23 % beträgt [3]. In einer nachfolgenden systematischen Analyse konnte dies nur für MC bestätigt werden [4].
https://doi.org/10.1515/9783110492682-031
494 | 30 Ernährungstherapie bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Abgesehen vom Stillen gibt es derzeit keine spezifischen Ernährungsempfehlungen zur Primärprophylaxe von CED [5].
30.2 Mangelernährung und Malabsorption Chronisch entzündliche Darmerkrankungen gehen aufgrund einer direkten Beteiligung des Darms und der damit verbundenen Beeinflussung der Nahrungsaufnahme häufig mit einer Nährstoffdepletion einher. Da die durch Malnutrition hervorgerufenen Komplikationen den Patienten oftmals mehr schwächen können als der zugrunde liegende entzündliche Prozess selbst, sind Prävention und Behandlung der Malnutrition obligatorische Bestandteile der Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen. Ein Gewichtsverlust findet sich bei 54 % (ambulant) bis 75 % (stationär) der Patienten. Etwa 25–80 % weisen erniedrigte Albuminspiegel auf. In Abhängigkeit von der Krankheitsaktivität und -dauer liegt bei 20–85 % der Patienten eine negative Stickstoffbilanz vor. Exzessive Proteinverluste über die entzündete Darmmukosa – mittels fäkalem α1 -Antitrypsin bestimmt – scheinen dabei der Hauptverursacher der Gesamtkörperproteindepletion zu sein. Eine Proteinmalabsorption könnte zusätzlich dazu beitragen. Die negative Stickstoffbilanz kann außerdem auf dem katabolen Effekt von Medikamenten wie Antibiotika und Steroiden beruhen, die bei CED regelmäßig eingesetzt werden [6] (Abb. 30.2). Eine Anämie, definiert als Hämoglobin < 12 g/dl (< 13 g/dl, |) wird je nach untersuchtem Kollektiv bei 45–60 %, ein Eisenmangel bei 55–70 % gefunden. Weitere Man-
erhöhter Nährstoffbedarf Entzündung, Fieber, Infektion medikamentöse Therapie Medikamenten-NährstoffInteraktionen: Kortikoide Sulphasalazin, Cholestyramin
reduzierte Nahrungsaufnahme abdominelle Schmerzen, Übelkeit, Anorexie, mangelnder Appetit
Ursachen der Mangelernährung bei CED
Prävention/Therapie Erfassung des Ernährungsstatus und suffiziente Intervention als Teil einer multidisziplinären Behandlung von ED
Abb. 30.2: Ursachen der Mangelernährung bei CED.
erhöhte Nährstoffverluste Malabsorption, Durchfall, Erbrechen, Fisteln, intestinaler Eiweißverlust Chirurgie reduzierte absorptive Oberfläche, Kurzdarmsyndrom
30.2 Mangelernährung und Malabsorption
| 495
gelzustände sind je nach gewähltem Cut-off-Wert, Patientenkollektiv und Krankheitsaktivität für 25-OH-Vitamin-D (40–60 %), Folsäure (5–10 %), Vitamin B12 (25–30 %), Zink (20–30 %) und Selen (20–30 %) beschrieben [6, 7]. Zur Diagnose von etwaigen Mangelzuständen sollen das Körpergewicht, der Body-Mass-Index (BMI) bzw. bei Kindern die Gewichts- und Längenperzentilen erhoben und das Blutbild bestimmt werden. Im akuten Schub sollen zusätzlich das Albumin und bei klinischem v. a. Elektrolytstörungen Natrium, Kalium und ggf. Magnesium bestimmt werden. Die Bestimmung von Vitaminen und Spurenelementen sollte bei Erstdiagnose bzw. v. a. spezifische Mangelsymptome erfolgen (s. u.) Bei Verschlechterung des Krankheitsbildes, Gewichtsverlust und v. a. bei selektiven Mangelzuständen sollte zusätzlich auch eine Diätanamnese (Ausschluss von Außenseiterdiäten) durchgeführt werden [8].
30.2.1 Durchführung der Ernährungs- bzw. Substitutionstherapie Wie bei allen Erkrankungen gelten auch bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen die ernährungstherapeutischen Grundsätze einer Stufentherapie: Ernährungsberatung, zusätzliche Ernährung durch Trinknahrung, Sondennahrung und parenterale Ernährung [5]. Aber: Eine alleinige Ernährungsberatung/Diätberatung ist nicht effektiv zur Behandlung einer Mangelernährung und/oder spezifischer Mangelzustände bzw. zur Behandlung des Wachstumsrückstandes bei Kindern [5].
Bei nachgewiesenem Mikronährstoffmangel kann in der Remissionsphase primär oral substituiert werden. Bei Unverträglichkeit oraler Präparate (z. B. Eisen) oder unzureichender Resorption (Eisen, Vitamin B12 ) insbesondere bei ausgeprägter entzündlicher Aktivität ist eine parenterale Substitution erforderlich (s. u.). Eine generelle Vitamin- oder Spurenelementsubstitution ist bei CED nicht sinnvoll. Die Vitamin- und Spurenelementsubstitution sollte gezielt bei Vorliegen eines Mangels bzw. nach den entsprechenden Empfehlungen erfolgen [8] (Tab. 30.1 und s. u.).
30.2.2 Durchführung der enteralen Ernährung Eine längerfristige enterale Ernährung kann entweder additiv zur normalen Ernährung in Form von Trinknahrung oder bei ausgeprägter Mangelernährung und/oder ausgeprägter Krankheitsaktivität als alleinige Sondenernährung durchgeführt werden. Die Applikation der Sondennahrung ist sowohl nasogastral als auch perkutan-
496 | 30 Ernährungstherapie bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Tab. 30.1: Symptome, (Prävention) Supplementierung und Therapie häufiger (kritischer) Nährstoffmängel bei CED Nährstoff
Mangelerscheinungen
Normalwerte Ergänzende (Blut/Serum) Laborwerte
Kalzium
Neuromuskuläre 1,15– Übererregbarkeit, 1,3 mmol/l kardiovaskuläre Symptome, Osteopathie
Prävention
↑ alkalische Kalziumcitrat, Phosphatase oral 1200– 2000 mg/d ↑ intaktes PTH ↓ Knochendichte (DEXA)
Therapie bei Mangel Bisphosphonate bei einem T-Score < 2,5
↓ Magnesium Magnesiumcitrat, 10–15 mmol Magnesium Neuromuskuläre 0,75– oral 300 mg/d Magnesium z. B. Übererregbarkeit, 1,15 mmol/l im Urin in 1.000 ml NaCl Osteopathie 0,9 % (PTH-Wirkung ↓) Vitamin D
Osteopathie, Wundheilungsstörungen, Störung der Immunabwehr, erhöhte CEDPrävalenz
< 20 µg/l: Mangel 20–30 μg/l: Insuffizienz > 30 µg/l suffiziente Versorgung
Vitamin B12 Megaloblastäre 156– 675 pmol/l Anämie, Glossitis, Blässe der Haut und Schleimhäute, Parästhesien, Polyneuropathie, funikuläre Myelose
↑ alkalische Phosphatase ↑ intaktes PTH ↓ Knochendichte (DEXA)
oral: Vitamin D 400–800 E./d (Ergocalciferol [Vitamin D2 ] oder Cholecalciferol [Vitamin D3 ]) oder 100.000 E./ 3–6 Monate
50.000–150.000 E. oral 3- bis 5mal/Woche ggf.: Calcitriol [1,25(OH)2D] oral
↓ Holo-TC ↓ MMA ↑ Homocystein
oral: 1.000 μg/Woche oder 250– 350 μg/d; i.m./s.c.: 1.000 μg/Monat oder 3.000 μg alle 6 Monate
1.000 μg/d über 5 Tage, gefolgt von einer wöchentlichen Gabe von 1.000 µg i.m./s.c. über 1 Monat
ohne gastrointestinalen Verlust: 3–4 mg; bei Vorliegen von Fisteln, Diarrhö und Stomata: 12 mg
30–45 mg (als Zinkhistidin), 220–440 mg (als Zinksulfat); pro 8–15 mg elementarem Zink sollte 1 mg Kupfer substituiert werden
Zink
11–23 mol/l ↓ Zink im Urin Wundheilungsstörungen, Haarausfall, Geschmacksstörungen, Infektanfälligkeit
Eisen
Anämie, Haarausfall, kognitive Störungen, Infektanfälligkeit
CRP < 5 µg/l: > 30 µg/l CRP ≥ 5 µg/l: ≥ 100 μg/l
↓ Transferrin- oral: max. 100 mg elemensättigung tares Eisen ↑ löslicher Transferrinrezeptor ↑ Zinkprotoporphyrin
parenteral nach Eisenstatus: Ziel: Hb-Normalisierung plus Transferrinsättigung 35–50 % (Berechnung nach Tabelle 30.5)
30.2 Mangelernährung und Malabsorption | 497
gastral (PEG-Sonde) möglich [9–11]. Die Überlegenheit einer nasoenteralen gegenüber einer nasogastralen Applikation ist nicht belegt.
30.2.3 Sondennahrungen Die Vielfalt der heute verfügbaren Trink- und Sondennahrungen ermöglicht eine bedarfsgerechte Ernährung von Patienten, denen eine ausreichende orale Nahrungsaufnahme nicht möglich ist. Für die Ernährung über enterale Zufuhrwege stehen industriell gefertigte bilanzierte Diäten zur Verfügung, die in ihrer Zusammensetzung weitestgehend dem als RDA(„recommended daily allowances“)-definierten Tagesbedarf entsprechen. Die bilanzierten Diäten können nach ihren Nährstoffkomponenten und ihrem Anwendungsbereich unterteilt werden in hochmolekulare, nährstoffdefinierte (NDD), niedermolekulare, chemisch definierte Diäten (CDD) und nährstoffmodifizierte Spezialdiäten (Tab. 30.2) [12]. Modifizierte Spezialdiäten mit abweichender Nährstoffzusammensetzung orientieren sich an den Erfordernissen bei speziellen Erkrankungen (z. B. Spezialdiäten für Patienten mit Diabetes mellitus, Nieren- oder Leberinsuffizienz). Tab. 30.2: Einteilung definierter bilanzierter Diäten zur enteralen Ernährung Nährstoffdefinierte Diäten (NDD) Hochmolekulare Substrate 1. Standarddiät: intaktes Protein, Poly-, Oligosaccharide, LCT 1kcal/ml ballaststofffrei 2. Modifizierte NDD: ballaststoffhaltig Energiedichte > 1,5 kcal/ml Proteingehalt > 20 % der Gesamtenergie MCT-haltig erhöhter Gehalt verzweigtkettiger Aminosäuren erhöhter Fettgehalt (> 45 % der Gesamtenergie) fettsäuremodifiziert (Omega-3-Fettsäuren) glutaminhaltig Chemisch definierte Diäten (CDD) Niedermolekulare Substrate 1. Oligopeptiddiät: Oligopeptide, Oligo-, Monosaccharide, MCT 1 kcal/ml ballaststofffrei 2. Modifizierte CDD: krankheitsadaptiert durch Modifikation der Kohlenhydrat-, Fett- oder Proteinkomponente (z. B. nierenadaptiert: eiweißarm, elektrolytarm)
498 | 30 Ernährungstherapie bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
30.2.4 Stellenwert einer total-parenteralen Ernährungstherapie (TPE) Durch den Einsatz von TPE als perioperative Maßnahme kann eine Verbesserung des Ernährungszustandes und somit eine Verminderung postoperativer Komplikationen erzielt werden [13]. Präoperativ sollte darum bei Patienten mit schwerer Mangelernährung (Gewichtsverlust > 10 % in den letzten 6 Monaten vor der Operation und/oder Serumalbumin < 30 g/l) oder Anorexie eine parenterale und/oder enterale Ernährung erfolgen [5]. Wegen der höheren Komplikationsrate und des negativen Effekts auf die intestinale Mukosa sollte sich die Indikation zur parenteralen Ernährung auf Patienten beschränken, bei denen eine enterale Ernährung wegen intestinaler Komplikationen nicht gerechtfertigt ist [13, 14].
30.2.5 Refeeding-Syndrom Ein bekanntes Phänomen einer forcierten enteralen oder parenteralen Ernährungstherapie bei extrem mangelernährten Patienten ist das sog. Refeeding-Syndrom [15]. Hierbei handelt es sich um einen Zustand komplexer metabolischer Störungen, die aus einer exzessiven Nährstoffzufuhr mit dem Ziel einer schnellen Repletion der Organspeicher und der Körperzellmasse resultieren, und die in extremer Ausprägung auch zum Tod durch Herz- und Lungenversagen führen können. Zur Vermeidung eines „Refeeding“-Syndroms sollte eine ausführliche Patientenanamnese mit Kontrolle der Serumelektrolyte vor Beginn der Ernährungstherapie erfolgen, zudem die Ernährungstherapie langsam eingeführt (die initiale Zielsetzung der Ernährungstherapie sollte 20–30 kcal/kg KG/Tag und 0,8–1,0 g [ggf. dann langsame Steigerung auf 1,2–1,5 g] Protein/kg KG/Tag nicht überschreiten) und über eine engmaschige Kontrolle von Laborparametern, Flüssigkeitsbilanzierung und Gewichtszunahme überwacht werden [16].
30.2.6 Vitamin- und Spurenelementsubstitution Therapie des Eisenmangels Eine Eisensupplementierung sollte auf jeden Fall erfolgen, wenn eine manifeste Anämie besteht. Eisenmangel ohne manifeste Anämie erfordert ein individualisiertes Vorgehen. Die Entscheidung über den Zeitpunkt und die Art der Therapie wird dabei von Symptomatik, Ätiologie, Schweregrad, Dynamik des Hb-Abfalls, Komorbidität und Risiken der Therapie bestimmt. Behandlungsziele bei Eisenmangelanämie sind die Anhebung des Hb-Wertes um mehr als 2 g/dl oder auf normale Werte innerhalb von 4 Wochen sowie die Erhöhung des Ferritinspiegels auf > 100 µg/l. Zur Berechnung der notwendigen Eisenmenge ist
30.2 Mangelernährung und Malabsorption | 499
bei CED-Patienten die „FERIcor“-Formel der Berechnung nach Ganzoni vorzuziehen [17, 18]. Grundsätzlich stehen zwei Applikationswege zur Eisensubstitution zur Verfügung, die orale Gabe von geeigneten Eisen(II)-/Eisen(III)-Verbindungen oder die intravenöse Applikation von Eisen(III)-Komplexen [17]. Eine absolute Indikation für eine intravenöse Eisentherapie sind [18]: – Schwere Anämie (Hb-Wert < 10 g/dl) – Unverträglichkeit von oralem Eisen oder unzureichender Hb-Anstieg (< 2 g/dl) innerhalb der ersten 2 Wochen – Ausgeprägte Krankheitsaktivität – Begleitende Therapie mit Erythropoeitin-stimulierenden Substanzen – Entsprechende Patientenpräferenz In Deutschland sind gegenwärtig fünf intravenös applizierbare Eisenpräparate verfügbar. Es handelt sich dabei regelhaft um kolloidale Systeme, die aus einem Eisen(III)oxyhydroxid-Kern (FeOH) und einer Kohlenhydrathülle (Tab. 30.3) bestehen. Tab. 30.3: In Deutschland verfügbare Präparate zur intravenösen Eisentherapie (Stand 01/2012) Eisen(III)Isomaltose
Eisen(III)hydroxidDextran
Eisen(III)Natriumglukonat
Eisen(III)hydroxidSaccharat
Eisen(III)Carboxymaltose
Molekulargewicht
165 kD
37,5 kD
43,3 kD
150 kD
Komplexstabilität
hoch
gering
mäßig
hoch
hoch
Akute Toxizität
gering
gering
mittel
gering
gering
Maximale Tagesdosis
20 mg/kg KG
62,5 mg
500 mg
1.000 mg
1.000 mg
Maximale Infusionsdauer
360 min
30 min
210 min
15 min
15 min
Maximale Einzeldosis bei Injektion
200 mg
62,5 mg
200 mg
500 mg
500 mg
Anaphylaxierisiko
ja
nein
nein
nein
nein
Nebenwirkungen
Anaphylaxie, Übelkeit, Exanthem, Hitzegefühl, verschwommenes Sehen
Übelkeit, Erbrechen, Blutdruckabfall, Diarrhö
Geschmacksstörungen, Übelkeit, Blutdruckabfall
Kopfschmerzen, Parästhesien, Blutdruckabfall, Übelkeit, Exanthem
verschwommenes Sehen, Benommenheit, Dyspnoe, Hitzegefühl
500 | 30 Ernährungstherapie bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Tab. 30.4: Dosierungsschema für eine i.v. Eisengabe (nach Evstatiev et al., 2011) Hb-Wert1 ≥ 10 g/dl < 10 g/dl < 7 g/dl
Körpergewicht2 35 bis < 70 kg
≥ 70 kg
1.000 mg 1.500 mg 2.000 mg
1.500 mg 2.000 mg 2.500 mg
1 Hb-Wert ≥ 14 g/dl => initial 500 mg 2 Körpergewicht < 35 kg => max. Dosis 500 mg
Therapie des Zinkmangels Mit Durchfall (Stuhlvolumina > 300 g/Tag) bzw. Stoma-Output gehen erhebliche Mengen Zink verloren, wobei pro Liter Stoma-Output mit einem Verlust von 12 mg elementarem Zink zu rechnen ist. Dies liegt deutlich über dem normalen Zinkbedarf und über dem Gehalt üblicher Spurenelementpräparate. Bei Vorliegen eines Zinkmangels sollten 30–45 mg Zink in Form von Zinkhistidin oder -glukonat oral (ca. 1 Std. vor dem Frühstück!) eingenommen werden [19]. Da Zink mit der intestinalen Eisen- und v. a. Kupferresorption interferiert, sollte eine orale Supplementierung nicht länger als 2–3 Wochen durchgeführt werden [20], bei längerfristiger Einnahme sollte pro 8–15 mg elementarem Zink 1 mg elementares Kupfer substituiert werden. Bei (oftmals) nicht ausreichendem Ansprechen sollte Zink parenteral substituiert werden [21, 22]. Parenterale Zinkpräparate liegen als Zinkchlorid (Zusatz zur Infusionslösung), oder Zinkaspartat (Monoinjektion oder als Infusionszusatz) vor. Empfohlene parenterale Dosis: bis 5 mg/Tag (Tab. 30.4).
Therapie des Vitamin-B12 -Mangels Aufgrund der nur geringen Resorption von 1–3 % bei oraler Einnahme von Cyanocobalamin wird in der Regel die parenterale Applikation bevorzugt. Leider sind die Therapieempfehlungen hinsichtlich der Dosierung und Anwendung der Vitamin-B12 Substitution weithin uneinheitlich und meist unterdosiert. Um leere Körperdepots so schnell wie möglich aufzufüllen, wird die folgende Vorgehensweise empfohlen: Man verabreicht in der 1. Woche an 5 Tagen 1.000 μg Hydroxycobalamin i.m./s.c. (davon werden etwa 45 %, d. h. 450 μg aufgenommen – gegenüber von nur 16 % bei Cyanocobalamin), im Folgemonat werden 1.000 μg wöchentlich injiziert. (alternativ täglich 500 μg Hydroxycobalamin an 5 Tagen der Woche über 1 Monat). Zur Überwachung der Vitamintherapie erweist sich die Messung der Homocystein- bzw. MMA-Spiegel als hilfreich [17].
30.3 Ernährungstherapie in den einzelnen Krankheitsstadien | 501
Tab. 30.5: Dosierungsschema für eine orale Vitamin-D-Supplementierung in Abhängigkeit vom 25OH-Spiegel (nach Garg et al., 2012) 25-OH-Vitamin-Serumspiegel (ng/ml)
Vitamin-D-Dosis (IE/d)
75 nmol/l (> 30 ng/ml). In bestimmten Situationen, beispielsweise bei Adipositas, bei Einnahme von Antikonvulsiva oder unter Glukokortikoidtherapie, kann diese Dosis verdoppelt oder sogar verdreifacht werden. Gerade unter einer Glukokortikoidtherapie kann der Vitamin-D-Spiegel sinken, sodass er entweder kontrolliert oder täglich 1.000 IE 25-OH-Vitamin D oral supplementiert werden sollten [23]. Garg et al. [24]. empfehlen je nach Serumspiegel 1.000–5.000 IE/Tag mit einem Multiplikator von 1,5–20 bei M.-Crohn-Patienten mit Dünndarmbefall und/oder Adipositas (Tab. 30.5). Um eine möglichst schnelle Normalisierung der 25-OH-Spiegel zu erzielen (innerhalb von 2 Wochen) schlagen Van Groningen et al. [25] eine initiale Aufsättigungsdosierung (IE) = 40 × (75-Serum-25-OHD3 ) × KG vor. Die errechnete Dosis wird an drei Wochentagen (Mo./Mi./Fr.) zu jeweils 20.000 IE, gefolgt von einer 1-wöchigen Erhaltungsdosis mit 20.000 IE verabreicht. Generell sollte Cholecalciferol (Vitamin D3 ) aufgrund der besseren Bioverfügbarkeit gegenüber Ergocalciferol (Vitamin D2 ) bevorzugt werden [26]. Nach 3 Monaten Kontrolle Ziel 30–40 ng/ml. Bei einer Einnahme von bis zu 4.000 IE Vitamin D3 /Tag ist eine Kontrolle des Vitamin-D-Spiegels nicht regelhaft erforderlich. Eine Vitamin-D-Intoxikation ist erst bei dauerhaften Spiegeln > 150 ng/ml (> 375 nmol/l) zu erwarten [27, 28].
30.3 Ernährungstherapie in den einzelnen Krankheitsstadien 30.3.1 Akuter Schub Eine Reihe von prospektiven, z. T. randomisierten und kontrollierten Studien sowie mehrere Metaanalysen [29–32] belegen, dass bei erwachsenen Patienten enteral verabreichte bilanzierte Diäten wirksam sind zur Behandlung von Krankheitsschüben
502 | 30 Ernährungstherapie bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
eines M. Crohn, jedoch als Monotherapie einer Steroidtherapie unterlegen sind. In der Gesamtbetrachtung lagen die Remissionsraten für enteral ernährte Patienten bei 58 % und für steroidbehandelte Patienten bei 85 % [29]. Allerdings basieren die Aussagen auf einer Intention-to-treat-Analyse: Patienten der Per-Protocol-Analyse, d. h., die die total-enterale Ernährung (TEE) komplettierten, zeigten Kortikoisteroiden vergleichbare Remissionraten [33]. Aufgrund der geringeren Kosten und besseren Verträglichkeit (Akzeptanz) sollten nährstoffdefinierte hochmolekulare Diäten bevorzugt werden, weil der Einsatz von CDD oder nährstoffmodifizierten Spezialdiäten hinsichtlich der Effizienz keinen Vorteil brachte [39, 44, 45]. Die therapeutische Überlegenheit glutaminreicher Diäten und/oder sog. immunmodulierender Diäten ist beim Erwachsenen bisher nicht gesichert. Eine evtl. Überlegenheit ist wiederholt für Kinder beschrieben [34], bedarf aber größerer kontrollierter Studien. Eine Kombination von enteraler Ernährung mit medikamentöser Therapie wurde bisher nicht ausreichend untersucht, erscheint jedoch u. U. sinnvoll bei Patienten mit Malnutrition, Stenosen in der präoperativen Phase [35] sowie zur Remissionsinduktion und -erhaltung [36]. Dagegen ist die TEE bei Kindern und Jugendlichen in mehreren Metaanalysen [29, 32, 37] sowie zweier neuerlich publizierter RCTs mit jeweils mehr als 100 Patienten [38, 39] zufolge unabhängig vom Befallsmuster, der Kortikosteroidtherapie mit Remissionsraten von bis zu 80 % mindestens ebenbürtig, im Hinblick auf mukosale Heilungsraten sogar deutlich überlegen [40, 41]. Eine TEE sollte besonders bei Kindern mit Malnutrition und/oder Wachstumsverzögerung als Therapie der 1. Wahl gelten [5].
Eine orale Trinknahrung erwies sich einer kontinuierlichen nasogastralen Sondenernährung als ebenbürtig [38]. Eine Steroidtherapie zur Remissionsinduktion bei Kindern mit moderatem bis schwerem aktiven M. Crohn sollte darum nur dann durchgeführt werden, wenn eine ausschließlich enterale Ernährung nicht möglich ist [42].
Die Dauer der TEE liegt in den meisten pädiatrischen Zentren bei 6–8 Wochen [42, 43]. Wie bei Erwachsenen findet sich auch bei Kindern und Adoleszenten nach Beendigung der TEE eine hohe Rezidivrate (> 50 % innerhalb von 6 Monaten). Die ESPGHAN empfiehlt darum eine allmähliche Nahrungsaufnahme bei gleichzeitiger Reduktion der Formula-Diät alle 2–3 Tage über einen Zeitraum von 2–3 Wochen [42]. Daten bzw. Empfehlungen für Erwachsene fehlen. Dagegen ist der Einfluss ernährungstherapeutischer Maßnahmen (Diätberatung, Trinknahrung, enterale Ernährung oder parenterale Ernährung) auf die Krankheits-
30.3 Ernährungstherapie in den einzelnen Krankheitsstadien | 503
aktivität in der akuten Phase oder bei chronisch-aktiver Colitis ulcerosa wenig oder nicht belegt. Trotzdem kann die total-parenterale oder -enterale Ernährung insbesondere bei fulminanter Colitis ulcerosa mit einem Standardregime zur Sicherstellung einer adäquaten Nährstoffversorgung indiziert sein. Der Wert spezifischer Substrate wie Omega-3-Fettsäuren, Glutamin oder Butyrat auf die Krankheitsaktivität ist weder bei Colitis ulcerosa noch beim M. Crohn belegt [3, 44–47].
30.3.2 Prä- und postoperative Ernährung Seit ihren Anfängen gilt die künstliche Ernährung (enteral/parenteral) nach mittleren und großen abdominal-chirurgischen Eingriffen als ebenso notwendige wie sinnvolle Routine zur perioperativen Betreuung des Patienten. Ziel ist es, der postoperativen Katabolie mit negativer Stickstoffbilanz, der erforderlichen Nahrungskarenz und der Darmatonie entgegenzuwirken. Dennoch existieren trotz einer überproportional hohen Operationsinzidenz bei M.-Crohn-Patienten keine gesicherten Standards für den Einsatz der perioperativen Ernährungstherapie bei dieser Patientengruppe [42]. Präoperativ liegt eine Indikation zur Ernährungstherapie vor, wenn ein Gewichtsverlust von mehr als 10 % in den letzten 6 Monaten vor der Operation stattgefunden hat und das Serumalbumin unter 30 g/l liegt [5, 48]. Postoperativ erscheint eine parenterale oder/und enterale Ernährung bei Vorliegen nach ausgedehnten Darmresektionen (KDS) oder schweren metabolischen Entgleisungen sinnvoll [11].
30.3.3 Diätetische Maßnahmen zur Erhaltung der Remission Für die Wirksamkeit einer speziellen Diät oder Ernährungstherapie zur Remissionserhaltung liegen zwei Metaanalysen bzw. systematische Reviews vor, die einen Benefit einer enteralen Ernährung für die Remissionserhaltung beim M. Crohn belegen [49, 50]. Trotz methodischer Schwächen (ausführliche Darstellung in [5]) des Großteils der zusammengefassten Studien kommt die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM) in ihrer S3-Leitlinie zu dem Schluss, dass eine enterale Ernährung (total oder partiell) oder Trinknahrung (orale bilanzierte Diäten) beim M. Crohn zur Remissionserhaltung durchgeführt werden kann (EG C; starker Konsens) [5]. Zwar zeigen kleinere z. T. unkontrollierte Studien mit Omega-3-Fettsäuren angereicherte Supplementnahrungen einen remissionserhaltenden Effekt, eine generelle Therapieempfehlung kann daraus jedoch derzeit nicht abgeleitet werden. Gleiches gilt für die Mitte der 1990er-Jahre für Colitis-ulcerosa-Patienten vorgeschlagene sulfitarme Kost, die das Meiden von Lebensmitteln, die reich an schwefelhaltigen Aminosäuren sind, vorsieht [47, 51].
504 | 30 Ernährungstherapie bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
30.3.4 Nahrungsmittelunverträglichkeiten Etwa 5–20 % der erwachsenen Personen und ca. 5–8 % der Kinder und Jugendlichen leiden an funktionellen Darmbeschwerden im Sinne eines Reizdarmsyndroms. Bei CED-Patienten in Remission wird je nach Studie eine Prävalenz von 35–57 % beschrieben [52]. Die überwiegende Mehrzahl der Patienten assoziiert derartige Beschwerden mit dem Verzehr bestimmter Lebensmittel (u. a. Gemüse, Früchte, Milch, Brot, Fleisch) [53]. Typische Symptome waren abdominelle Krämpfe, Meteorismus („Trommelbauch“), Durchfall und Flatulenz (Übersicht bei [54]). Eine entsprechende Eliminationsdiät kann die Beschwerden lindern und sollte darum bei nachgewiesener Nahrungsmittelunverträglichkeit – unter Anleitung einer Ernährungsfachkraft – empfohlen werden [5]. Ein gehäuftes Auftreten der Laktose- und/oder Fruktosemalabsorption in der Remission wird insbesondere bei Colitis ulcerosa konträr diskutiert [55, 56]. Dagegen gilt eine erhöhte Laktoseintoleranz im Schub als gesichert und sollte in entsprechenden ernährungstherapeutischen Maßnahmen berücksichtigt werden. Hierbei ist insbesondere auf eine ausreichende Vitamin-D- und Kalziumsupplementierung (1.000– 1.200 mg) zu achten [57, 58].
FODMAP-Diät Analog zum RDS wird auch bei CED-Patienten mit funktionellen Beschwerden eine Unverträglichkeit gegen kleinmolekulare Zucker und Zuckeralkohole, sog. fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole (FODMAPs), die im Dünndarm nicht oder nur unzureichend (passiv) resorbiert werden, osmotisch aktiv sind und im Dickdarm schnell fermentiert werden, angenommen. Gearry et al. berichteten 2009 [21] erstmals von einer positiven Wirkung einer FODMAPs-armen Ernährung auf die Symptomatik von bei CED-Patienten mit funktionellen Darmbeschwerden im entzündungsfreien Krankheitsintervall. Aufgrund der aktuell noch inkonsistenten Datenlage sollte bei CED-Patienten, die per se häufig einen schlechten Ernährungszustand aufweisen, der Einsatz der meist sehr restriktiven FODMAPs-Diät nur unter einer sorgfältigen Risiko-Nutzen-Abwägung und unter engmaschiger ernährungstherapeutischer Kontrolle erfolgen.
Glutenfreie Diät Die Studienlage zum Erfolg glutenfreier Diäten bei CED ist widersprüchlich, sodass hier derzeit keine klaren Empfehlungen ausgesprochen werden können [59, 60].
30.5 Ernährung nach Darmresektion, Ileostoma, ileoanalem Pouch |
505
30.4 Ernährung bei Stenosen/Fisteln Bei Vorhandensein von Passagebehinderungen aufgrund von Stenosen ist eine ballaststoffarme Kost indiziert. Insbesondere faserreiche Gemüse wie Spargel, Fenchel, grüne Bohnen und Blattspinat, hartschaliges oder faseriges Obst, durchwachsenes Fleisch und Ballaststoffpräparate sollten gemieden werden. Gegebenenfalls muss eine passierte Kost und/oder Nährstoffsupplemente in Form von Trink- oder Sondennahrung gegeben werden [5, 48, 61]. Die bisher publizierten Daten zum Einfluss einer enteralen Ernährung auf das Fistelleiden bei M. Crohn sind uneinheitlich und aufgrund kleiner Fallzahlen (z. T. Kasuistiken), unterschiedlicher Therapieregime und -dauer kaum vergleichbar. Die Rate der kompletten Fistelverschlüsse liegt im Mittel über alle Studien bei etwa 40 % (vgl. TPE). Dabei scheinen postoperativ entstandene Fisteln auf eine Behandlung deutlich besser anzusprechen. Einheitliche Vorstellungen über die erforderliche Dauer (je nach Studie 1–56 Wochen) existieren nicht. Die Rezidivrate bei Absetzen der Ernährung und erneutem Schub der Krankheit liegt bei nahezu 100 % [62]. Die Aussagen zur Wirksamkeit einer total-parenteralen Ernährung auf den Verschluss entero-kutaner Fisteln sind ebenfalls uneinheitlich. Langzeitverläufe sind kaum dokumentiert. Ein permanenter Fistelschluss wird in ungefähr 40 % der Fälle gesehen [63, 64].
30.5 Ernährung nach Darmresektion, Ileostoma, ileoanalem Pouch Eine Einheitsdiät für Stoma- und Pouchträger gibt es nicht. In Abhängigkeit von der Restdarmfunktion muss für jedes Nahrungsmittel und jede Zubereitungsform die individuelle Toleranz ausgetestet werden. In der Phase des Kostaufbaus sollte pro Tag höchstens ein neues Nahrungsmittel in nicht zu großer Menge eingebaut werden (Tagebuch führen).
30.5.1 Ileostomie Ziel der Ernährungstherapie bei Ileostomie ist es, in Abhängigkeit vom Restdarm den Wasser- und Elektrolytverlust, aber auch eine chemische Reizung des Stomas durch Lebensmittel zu vermeiden. Erst nach etwa 8 (ggf. auch bis 12) Wochen kommt es zur Stabilisierung der Stuhlbeschaffenheit, die jedoch flüssig bis breiig bleibt. In der Adaptationsphase (s. o.) wirkt sich der Einsatz von „stopfenden“ Lebensmitteln wie Kartoffel, Reis, Haferflocken, Bananen positiv aus. Gegebenenfalls ist auch der Einsatz quellender Lebens-
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mittel und flüssigkeitsbindender Präparate wie Pektine zur besseren Eindickung des Stuhls hilfreich. Grundlage der Ernährungstherapie bei Ileostomie, Kostaufbau und Adaptationsphase ist eine ausreichende Flüssigkeits- und Kochsalzaufnahme. Für den Ileostomieträger ist wichtig zu wissen, dass jede Nahrungsaufnahme zu einer Entleerung des Stomas führt. Der Flüssigkeitsbedarf liegt bei ca. 3 Liter/Tag. Als Richtwert für eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme gilt eine Urinmenge von mindestens 1 Liter/Tag (regelmäßige Kontrolle des Urinvolumens!). Eine Kochsalzaufnahme von 6–9 g/Tag wird empfohlen (z. B. gesalzene Fleisch- und Gemüsebrühen). Der empfohlene Ballaststoffanteil liegt bei 25–30 g/Tag [65].
30.5.2 Kolostomie Behandlungsziel sind eine normale Stuhlkonsistenz und Defäkationsfrequenz sowie Minimierung von Windabgang, Geruchsentwicklung und peristomaler Hautreizung unter einer bedarfsgerechten, weitestgehend bläharmen Vollkost. Zu Beginn des Kostaufbaus sind die Stühle häufig flüssig und weich. Nach einer etwa 2-wöchigen Adaptationsphase wird im funktionsfähigen Dünndarm eine normale Stuhlbeschaffenheit erreicht. Grundlage der Ernährungstherapie bei Kolostomie, nach Kostaufbau und Adaptationsphase, bilden regelmäßige Essenszeiten (geregelter Tagesablauf) und langsames Essens. Die Stuhlregulierung erfolgt nach den Gesichtspunkten des Darmgesunden.
30.5.3 Ileoanaler Pouch – Pouchitis Als Kontinenz-erhaltendes Standardverfahren nach totaler Kolektomie hat sich die Reservoirbildung aus Schlingen des terminalen Ileums als kontinente Ileostomie oder pouch-anale Anastomose etabliert. Allerdings entwickelt sich bei etwa 40 % der Patienten, meist innerhalb der ersten beiden Jahre nach Pouchanlage, eine symptomatische Entzündung des Pouches (Pouchitis). Im Verlauf der Chronifizierung kommt es zur Beeinträchtigung typischer Transportfunktionen sowie zur fast regelhaft auftretenden bakteriellen Fehlbesiedlung des Ileums. Im Vergleich zu Ileostomaträgern finden sich vielfach deutlich erniedrigte Serumspiegel für Vitamin B12 [66], Eisen und die fettlöslichen Vitamine A, D, E. Die zusätzlich chologen bedingten Diarrhöen können mit Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes einhergehen. Im Vergleich zu Patienten mit Ileostomie berichten Pouchträger überproportional häufig über neu aufgetretene Nahrungsmittelunverträglichkeiten.
30.6 Prä-, Pro- und Symbiotika
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30.5.4 Hyperoxalurie/Oxalatnephrolithiasis Neben einer Reduktion der oralen Oxalatzufuhr auf ca. 50 mg/Tag (< 10 mg Oxalat pro Mahlzeit) durch Meiden oxalatreicher Lebensmittel (Rhabarber, Spinat, Sauerampfer, Kakao, Schokolade, Colagetränke), gilt als effektivste Maßnahme die orale Kalzium(1.000–1.200 mg/Tag) bzw. Kalzium-Magnesiumgabe als Zitratkomplex [67, 68]. Die parenterale Applikation von Vitamin C sollte 100 mg/Tag dauerhaft nicht überschreiten, weil überschüssige Ascorbinsäure über Glyoxalat zu Oxalat abgebaut wird [69, 70]. Basierend auf der nachgewiesenen Wirksamkeit bei primärer Hyperoxalurie Typ I [71], wird die Einnahme von 40–60 mg Vitamin B6 empfohlen, dem als Cofaktor im Glyoxalatstoffwechsel eine Schlüsselrolle zukommt [71, 72]. Der Stellenwert einer fettmodifizierten Ernährung ist nicht eindeutig erwiesen [72]. Bei Harnsäuresteinen wird eine medikamentöse und/oder diätetische Alkalisierung des Urins empfohlen [73].
30.6 Prä-, Pro- und Symbiotika In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Studien mit verschiedensten Probiotikastämmen durchgeführt, die nahezu alle belegen, dass zur Erhaltung der Remission bei Colitis ulcerosa eine Therapie mit Probiotika geeignet ist. Die mit Abstand besten Ergebnisse (Anzahl der Patienten und Laufzeit der Studien, Design und Methodik) liegen derzeit für das Probiotikum E. coli Nissle 1917 vor, das in begründeten Fällen als Alternative zu Aminosalicylaten eingesetzt werden kann (DGVS-Leitlinie Colitis ulcerosa – Update 2018). Zwar liefern v. a. neuere Studien zum Einsatz von Probiotika bei aktiver Colitis ulcerosa erste Hinweise zur Wirksamkeit in Kombination mit konventioneller Therapie, dennoch erlaubt die derzeitige Datenlage (noch) keine Empfehlung zum Einsatz probiotischer Keime in der Remissionsinduktion der aktiven Colitis ulcerosa [74, 75]. Auch bei Pouchitispatienten konnte in verschiedenen Studien ein erneutes Auftreten der Entzündung durch den Einsatz von Probiotika signifikant verhindert werden. Ähnlich wie bei der Colitis ulcerosa erscheint die Datenlage zur Wirksamkeit bei einer akuten Pouchitis derzeit noch uneinheitlich. Zumindest scheint die zusätzliche Applikation (topisch oder per os) zur Standardtherapie (Mesalazin) hierbei als erfolgversprechender Ansatz [76, 77]. Beim M. Crohn konnte allerdings keine der mit den verschiedensten Probiotika durchgeführten Studien einen hinreichenden Beweis für die Wirksamkeit von Probiotika und/oder Prebiotika belegen [78], weder in der Remissionsinduktion oder -erhaltung noch in der postoperativen Rezidivprophylaxe.
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30.7 Fazit –
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Für die Wirksamkeit einer speziellen Diät oder Ernährungstherapie zur Remissionserhaltung liegen derzeit immer noch keine überzeugenden Daten vor. Wie bei allen anderen Krankheiten gelten auch bei M. Crohn und Colitis ulcerosa die ernährungstherapeutischen Grundsätze einer Stufentherapie: Ernährungsberatung, zusätzliche Ernährung durch Trinknahrung (Supplemente), Sondennahrung, parenterale Ernährung. Grundsätzlich ist eine Ernährungsberatung zur Empfehlung einer ausgewogenen und ausreichenden Kost entsprechend der leichten Vollkost (DGE) sowie zum Ausschluss einseitiger Ernährung sinnvoll. Auf individuelle Nahrungsunverträglichkeiten ist zu achten. Die Ernährungstherapie im akuten Entzündungsschub gestaltet sich in Abhängigkeit vom Schweregrad der Entzündung und von den Begleiterscheinungen wie beispielsweise Stenosen und Maldigestion von Nährstoffen. Wenn keine besonderen Komplikationen vorliegen, wird mit einer leichten Vollkost ernährt. Bei Vorhandensein von Passagebehinderungen aufgrund von Stenosen ist eine ballaststoffund faserarme Kost indiziert. Bei Vorliegen einer Malnutrition (gleichgültig ob es sich um eine generelle oder Mangelernährung oder spezifische Mängel handelt) ist eine Supplementierung mit einer nährstoffdefinierten Kost zu empfehlen. Hinweise, dass Elementardiäten oder Spezialprodukte einen Vorteil gegenüber hochmolekularen Standarddiäten böten gibt es nicht. Präoperativ liegt eine Indikation zur Ernährungstherapie vor, wenn ein Gewichtsverlust von mehr als 10 % in den letzten 6 Monaten vor der Operation stattgefunden hat und das Serumalbumin unter 30 g/l liegt. Die parenterale Ernährung ist auf den schweren Schub mit Unmöglichkeit der adäquaten oralen Ernährung bzw. auf ausgeprägte perioperative Mangelernährung beschränkt. Eine generelle Vitamin- oder Spurenelementsubstitution ist beim komplikationslosen Krankheitsverlauf nicht sinnvoll. Eine Substitution von Eisen ist in jedem Fall indiziert bei Vorliegen einer Eisenmangelanämie, bei einem Eisenmangel ohne Anämie erfolgt die Substitution individuell in Abhängigkeit von den klinischen Symptomen. Bei langfristiger Steroidtherapie sollte Vitamin D und bei nachgewiesener Laktosemalabsorption Kalzium substituiert werden.
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Jost Langhorst
31 Komplementärmedizin 31.1 Definition Für den Begriff komplementäre und alternative Medizin (KAM) gibt es keine einheitliche Definition. Im deutschsprachigen Raum wird zwischen komplementären Verfahren, die ergänzend zur konventionellen, sog. Schulmedizin, eingesetzt werden und alternativen Verfahren, die alternativ zu den Standardverfahren eingesetzt werden, unterschieden. Alternative Verfahren sind bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen abzulehnen. Die Cochrane Collaboration hat eine eigene Definition entwickelt. Demnach fallen alle Therapien, die nicht auf dem westlichen Theoriesystem basieren, unter KAM, sowie alle Therapien, die zwar auf der westlichen Wissenschaft basieren, aber nicht allgemein anerkannt sind [2]. Die Einteilung erfolgt in die folgenden fünf Bereiche: – Natural-product-based therapies – Alternative medical systems – Mind-body interventions – Energy therapies – Manipulative and body-based methods
31.2 Inanspruchnahme komplementärer Verfahren bei CED In international repräsentativen Studien liegt der Anteil an CED-Patienten mit eigenen Erfahrungen im Bereich der Komplementärmedizin bei 21–60 %. In Deutschland geben über 50 % aller Patienten mit CED eigene Erfahrungen mit naturheilkundlichen oder komplementärmedizinischen Therapieverfahren an [3]. Als Gründe für den Einsatz naturheilkundlicher oder komplementärmedizinischer Therapieverfahren werden v. a. die Suche nach der optimalen Therapie, ein ganzheitlicher Therapieansatz und die Stärkung der Eigenaktivität sowie der Eigenverantwortung genannt. Aber auch Nebenwirkungen oder Erfolglosigkeit der konventionellen Therapie sind als Beweggründe von Bedeutung.
https://doi.org/10.1515/9783110492682-032
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31.3 Natural-product-based therapies 31.3.1 Phytotherapie Die relevanteste Therapieform für CED aus dem Bereich der „natural-product-based therapies“ ist die Phytotherapie. Etwa jeder vierte Patient mit einer CED in Deutschland berichtet über eigene Erfahrungen mit dem komplementären Einsatz von pflanzlichen Medikamenten [4].
Zum überwiegenden Teil der komplementär eingesetzten Phytotherapeutika wurden bisher keine oder nur wenige Studien zum Einsatz bei Patienten mit CED durchgeführt. Pflanzen aus dem Bereich der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) wurden nicht berücksichtigt. Als Selbsthilfestrategie ist der Gebrauch von Tees mit verschiedenen Kräutermischungen von großer Bedeutung. Zu den folgenden Phytotherapeutika liegen erste klinische Studien für CEDPatienten vor.
31.3.2 Flohsamen (Psyllii semen) Gemahlene Flohsamenschalen – Quellmittel bzw Gelbildner – dürfen bei bekannten Stenosen nicht eingesetzt werden. Es besteht eine mögliche Bindung und damit Wirkungsherabsetzung gleichzeitig eingenommener Medikamente, deshalb sollte hier mindestens 1 Stunde zeitlicher Abstand bei der Einnahme erfolgen. Als Nebenwirkungen können Blähungen, Völlegefühl, in seltenen Einzelfällen Überempfindlichkeitsreaktionen auftreten. Dosierung zur Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa: (z. B. Flosa® ; Muco® falk ) 1- bis 3-mal täglich 1 Beutel à 5 g. Eine klinische Studie in der Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa liegt vor. Entsprechend den AWMF-Leitlinien für Colitis ulcerosa von 2011 kann Plantago ovata in der remissionserhaltenden Behandlung bei Colitis ulcerosa eingesetzt werden. Zulassung als Arzneimittel: Erstattungsfähig bei M. Crohn (hier jedoch keine Studie!).
31.3.3 Weihrauch (Boswellia serrata) Es handelt sich um Trockenextrakt aus dem Harz der Rinde, als Hauptwirkstoff wird die Boswelliasäure beschrieben. Nebenwirkungen: gutes Verträglichkeitsprofil, selten gastrointestinale Beschwerden, allergische Reaktionen. Dosierung: 3-mal täglich (1–)2 Tabletten (400 mg/Tablette).
31.3 Natural-product-based therapies |
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Folgende In-vitro-Studien sowie klinische Studien liegn vor: zwei offene, nichtrandomisierte klinische Studien zu Weihrauch bei chronischer Kolitis und Colitis ulcerosa sowie eine klinische Studie bei M. Crohn im akuten Schub und eine zur Remissionserhaltung liegen vor. In Leitlinien gibt es keine entsprechende Empfehlung. In Deutschland ist Weihrauch nur als Nahrungsergänzungsmittel verfügbar.
31.3.4 Myrrhe, Kamille, Kaffeekohle (Myrrhinil intest® ) Myrrhetrockenextrakt wird aus dem Harz der Rinde gewonnen. Bei dem Wirkstoff handelt es sich um Commiphora-Säure. Es besteht eine sehr gute Verträglichkeit, allergische Reaktionen treten selten auf. Bei Kamilleextrakt handelt es sich um ein Trockenextrakt aus Kamilleblüten. Allergische Reaktionen werden selten beschrieben. Über den Coumaringehalt besteht ein theoretischer Einfluss auf die Thrombozytenaktivität sowie auf den Zytochrom-P450Stoffwechsel. Kaffeekohle besteht aus den gemahlenen, bis zur Schwarzbräunung und Verkohlung der äußeren Samenpartien gerösteten grünen, getrockneten Früchten von Coffea arabica. Sämtiche genannte Substanzen können in Kombination wie folgt angewendet werden: Myrrheharz (100 mg), Trockenextrakt aus Kamilleblüten (70 mg) und Kaffeekohle (50 mg). Dosierung: 3-mal täglich 4 Tabletten; Myrrhetinktur zur Therapie oraler Aphten oder einer Stomatitis. Eine klinische Studie zur Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa liegt vor. In Deutschland besteht eine Zulassung als traditionelles Arzneimittel.
31.3.5 Heidelbeeren (Vaccinium myrtillus) Der Wirkstoff von Heidelbeeren ist u. a. reich an Anthocyaninen. Heidelbeeren eignen sich besonders für den Einsatz bei akuten Schüben mit Diarrhöen, z. B. in Form von kalt gepresstem Muttersaft. Dosierung: 1- bis 3-mal 100 ml/Tag, oder getrockneten Früchten. Erste Grundlagenstudien sowie klinische Proof-of-principle-Studien bei Colitis ulcerosa liegen vor. Eine Fallserie für Colitis ulcerosa liegt vor. Es zeigten sich keine relevanten Nebenwirkungen. Theoretisch sind Wechselwirkungen mit verstärkter Wirkung von Antikoagulanzien nicht auszuschließen.
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In Leitlinien besteht bisher keine Empfehlung zum Einsatz. In Deutschland als Nahrungs(ergänzungs)mittel verfügbar.
31.3.6 Blutwurz (Tormentilla, Potentilla erecta) Blutwurz ist reich an Tanninen; die Darreichung erfolgt in Form von Tee, Tinktur oder als Fertigpräparat. Mittlere Tagesdosis: 1,5–3 g Droge; Fertigpräparat: 3-mal 2 Kapseln/Tag (200 mg standardisiertes Extrakt). Eine Open-label-Dosis-Eskalationsstudie bei aktiver Colitis ulcerosa liegt vor. In der Regel liegt eine gute Verträglichkeit vor. Gelegentlich tritt Sodbrennen oder eine milde Dysphagie vor. In Leitlinien bisher keine entsprechende Empfehlung. In Deutschland ist Blutwurz Nahrungsergänzungsmittel verfügbar. Verwendung findet es in der Regel als Tee oder Tinktur.
31.3.7 Gelbwurz (Curcumae longae rhizoma) Gelbwurz liegt als Trockenextrakt vor und besteht aus Curcuma-Wurzelstock-Wirkstoffen einschließlich Curcuminoiden (Turmeric) und ätherischen Ölen. Die mittlere Tagesdosis beträgt: 1,5–3 g Drogenpulver; Tinktur; 2-mal 1 Kapsel/Tag (81 mg standardisiertes Extrakt) als Fertigpräparat. Eine klinische Studie in der Remissionserhaltung und eine klinische Studie bei aktiver Colitis ulcerosa liegen vor. Es besteht eine Indikationseinschränkung bei Gallengangsobstruktion, Gallenoder Nierensteinen, Hyperacidität oder Magenulcera. Selten werden allergische Reaktionen beschrieben. Wechselwirkung: theoretisch Einfluss auf Thrombozytenaktivität mit erhöhter Blutungsneigung; Einfluss auf Zytochrom-P450 -Stoffwechsel; Wechselwirkungen mit verschiedenen Zytostatika, Norfloxacin, Amphotericin B, Verapamil, NSAID beschrieben. Entsprechend den Leitlinien der DGVS für Colitis ulcerosa kann Curcuma in der remissionserhaltenden Behandlung komplementär zu einem Aminosalicylat eingesetzt werden. Allerdings liegt kein Präparat als Arzneimittel vor. In Deutschland ist Curcuma Nahrungs(ergänzungs)mittel verfügbar.
31.3.8 Wermut (Arthemisia absintum) Wermut wirkt über Bitterstoffe, u. a. Artemisinin.
31.3 Natural-product-based therapies |
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Als komplementäre Therapie zur Steroidtherapie ist Wermut im akuten Schub Placebo in zwei kleineren Studien überlegen. Seltene Nebenwirkungen sind gastrointestinale Beschwerden oder die Senkung der Krampfschwelle. Das in den Studien untersuchte Präparat ist in Deutschland nicht zugelassen, es kann jedoch als Tee verwendet werden, schmeckt allerdings sehr bitter. In Leitlinien gibt es hierzu bisher keine Empfehlung.
31.3.9 Aloe-Vera-Gel Eine kleine klinische Studie bei aktiver Colitis ulcerosa liegt vor, bei der sich ein klinisches Ansprechen im Vergleich zur Placebogruppe zeigte. Es zeigten sich keine relevanten Nebenwirkungen. Das Präparat ist in Deutschland nicht zugelassen. Bei oraler Applikation von Aloe vera, bei der gastrointestinale Symptome und Elektrolytentgleisungen beschrieben wurden. In den Leitlinien gibt es bisher keine Empfehlung und klinisch spielt die Substanz derzeit keine Rolle.
31.3.10 Weizengras-Saft (Tritium aestivum) Die Wirkstoffe von Weizgras-Saft sind Vitamine und Mineralien. Der Wirkmechanismus ist jedoch unklar. Eine kleine klinische Studie bei aktiver Colitis ulcerosa liegt vor. Es zeigten sich keine relevanten Nebenwirkungen. In Leitlinien gibt es hierzu bisher keine Empfehlung. Weizengras-Saft spielt klinisch aktuell keine große Rolle.
31.3.11 Indische Echinacea (Andrographis paniculata) Bei der Indischen Echinacea handelt es sich um eine bitter schmeckende 1-jährige Pflanze, die in großen Teilen Asiens verbreitet ist. Die bekannten Wirkstoffe sind Diterpene und Lactone. Als Nebenwirkungen wurden Kopfschmerzen, Müdigkeit, allergische Reaktionen, Lymphknotenschwellungen, Schmerzen in den Lymphknoten, Übelkeit, Durchfall und Geschmacksveränderungen beschrieben. Fälle von Hautausschlag oder anaphylaktische Reaktionen sind gemeldet. Zwei klinische Studien bei aktiver Colitis ulcerosa liegen mit Hinweisen auf eine Wirksamkeit vor. In Leitlinien gibt es hierzu bisher keine Empfehlung.
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Andrographis paniculata spielt in Deutschland für die Indikation CED aktuell keine klinische Rolle.
31.3.12 Cannabis Bei den in Cannabis enthaltenen Wirkstoffen handelt es sich um eine Vielzahl an Cannabinoiden, v. a. 9-Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol. Als Rauschmittel fällt Cannabis unter das Betäubungsmittelgesetz. Eine retrospektive Beobachtungsstudie und eine kleine klinische Studie bei aktivem M. Crohn liegen vor. Es zeigten sich in diesen Studien keine relevanten Nebenwirkungen bei sehr guter Verträglichkeit. In Leitlinien gibt es hierzu bisher keine Empfehlung. Cannabis fällt unter das Betäubungsmittelgesetz. Es liegt in Deutschland keine Zulassung für die Indikation M. Crohn vor. Seit März 2017 ist die Verschreibung in Einzelfallentscheidungen erstattungsfähig.
31.4 Alternative medical systems In den Bereich „alternative medical systems“ gehören u. a. auch die Anthroposophische Medizin, die Kampomedizin oder auch die Homöopathie, für die bisher keine klinischen Studien für CED vorliegen.
31.4.1 Akupunktur und TCM Akupunktur wird seit Tausenden von Jahren verwendet, um verschiedene Krankheiten zu behandeln. Sie hat sich als wirksam zur Behandlung von verschiedenen Schmerzensyndromen und gastrointestinalen Störungen, insbesondere perioperative Übelkeit, Chemotherapie, Schwangerschaft und Reisekrankheit, gezeigt. In zwei deutschen Studien mit ansprechender Methodik zu Akupunktur und Moxibustion bei CED zeigten sich erste Hinweise auf eine komplementäre therapeutische Wirkung im Hinblick auf die Krankheitsaktivität beim aktiven M. Crohn sowie bei aktiver Colitis ulcerosa [24, 25]. Eine Metaanalyse einer chinesischen Arbeitsgruppe gibt einen Überblick über 43 Studien, davon 37 in der chinesischen Sprache [26], die aber größtenteils als methodisch nicht ausreichend bewertet wurden. Entsprechend den AWMF-Leitlinien für Colitis ulcerosa von 2011 kann Akupunktur (mit Moxibustion) bei Colitis ulcerosa komplementär im akuten Schub eingesetzt werden.
31.5 Mind-body interventions
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31.5 Mind-body interventions 31.5.1 Mind-body-Medizin/Ordnungstherapie/MBSR Es gibt mittlerweile solide Hinweise darauf, dass der Krankheitsverlauf von CED durch Faktoren wie Stress, Bewegung und Ernährung beeinflusst wird. Während die medikamentöse Therapie von CED in den letzten Jahren weiter verbessert wurde, wird die Bedeutung von Faktoren des Lebensstils für den Krankheitsverlauf zwar zunehmend wissenschaftlich anerkannt, jedoch nicht gezielt für die Therapie genutzt. Definitionsgemäß handelt es sich heute bei der modernen Ordnungstherapie um eine multimodal zusammengesetzte Therapieform aus der klassischen Naturheilkunde mit dem Schwerpunkt der Lebensstilveränderung und der dauerhaften Integration gesundheitsfördernder Elemente aus den Bereichen Ernährung, Bewegung, Hydrotherapie, Entspannung und Stressbewältigung in den Alltag sowie die Förderung der Eigenkompetenz. Ein wichtiges Ziel ist die Förderung der Eigenkompetenz und des sog. internalisierten Kontrollverhaltens, d. h. dem Bewusstsein des Patienten aktiv sein Krankheitsgeschehen beeinflussen zu können. Es liegen erste klinische Studien für Colitis-ulcerosa- und gemischte CED-Kollektive vor. Für die in den Einzelmodulen repräsentierten Inhalte Ernährung, Bewegung, Entspannungsverfahren und Stressreduktion liegen auch für CED verschiedene Publikationen vor. Empfohlene Therapieformen zur Stressbewältigung sind z. B.: Diaphragmales Atmen, Meditation, Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation, Yoga, Qigong und Achtsamkeitstraining (Mind/Body Medicine, MBSR). Von Bedeutung sind außerdem naturheilkundliche Selbsthilfestrategien wie Kräutertees oder Bauchwickel. Entsprechend wird in den Leitlinien der Einfluss psychosozialer Faktoren auf den Verlauf von CED bestätigt, wobei insbesondere die subjektiv empfundene chronische Stressbelastung als ein Faktor bei der Krankheitsaktivierung gewertet wird. MindBody-Therapie kann komplementär zur Verbesserung der Lebensqualität eingesetzt werden.
31.6 Fazit Während die verschiedenen naturheilkundlichen und phytotherapeutischen Ansätze wichtige Impulse im Bereich der Selbsthilfestrategien geben können, erweitert v. a. auch die Mind-BodyMedizin das Spektrum und fügt einem multimodalen integrativen Behandlungsansatz eine Ressourcen-orientierte salutogenetische Dimension zu. Zwischen CED-Betroffenen und Ärzten sollte ein offener Dialog über die Möglichkeiten und Grenzen von komplementären Methoden geführt werden. Wie von der WHO vorgeschlagen, sollten supportive und die Lebensqualität verbessernde Maßnahmen in einem gemeinsam getragenen Gesamtkonzept ihren Einsatz und Stellenwert erhalten.
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Darüber hinaus ist die Selbsthilfe in den nationalen Selbsthilfeorganisationen von zentraler Bedeutung. In Deutschland spielt die Deutsche M. Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung – DCCV – e. V. die tragende Rolle.
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Winfried Häuser
32 Psychosomatik 32.1 Ätiologie: Sind CED psychosomatische Erkrankungen? 32.1.1 CED sind keine psychosomatischen Erkrankungen im engeren Sinne Der Namensgeber des M. Crohn charakterisierte die Patienten als unreif-abhängig, ängstlich, emotional labil, aggressionsgehemmt und pseudonormal [1]. CED wurden darum in der psychosomatischen Medizin als psychosomatische Erkrankungen im engeren Sinne angesehen: Psychische Faktoren wie spezifische Persönlichkeitsstrukturen bzw. psychodynamische Konflikte wurden als ätiologische Faktoren angesehen. CED gehörten zu den „Holy Seven“ der psychosomatischen Medizin [2]. Auch heute werden CED von manchen Vertretern der psychosomatischen Medizin als psychosomatische Erkrankungen im engeren Sinne angesehen, für die die Bedeutung psychischer Faktoren als „klare ätiologisch-kausale […] wissenschaftlich belegt sind […] mit empirisch belegten Modellen der pathophysiologischen Kaskaden“ [3]. Für diese Behauptung findet sich jedoch kein eindeutiger Beleg durch prospektive Studien. Persönlichkeitsstruktur: Eine systematische Übersichtsarbeit von 23 unkontrollierten Fallserien aus den Jahren 1939 bis 1994 zeigte uneinheitliche Ergebnisse bzgl. der Persönlichkeitsstruktur. Zehn Fallkontrollstudien aus den Jahren 1970 bis 1995 ergaben keinen Unterschied zwischen CED-Patienten und Patienten mit anderen chronischen körperlichen Erkrankungen [4]. CED-Patienten mit aktiver Erkrankung unterscheiden sich auch nicht in ihren Partnerstrukturen von Menschen mit anderen chronischen körperlichen Erkrankungen [5]. Stress: Bisher wurde keine prospektive Studie zu der Frage durchgeführt, ob „Stress“ (belastende Lebensereignisse, Alltagsstress) das Risiko, an einer CED zu erkranken, erhöht [6]. Angst und Depression: Laut einer systematischen Übersicht von drei retrospektiven Fallkontrollstudien gibt es keine überzeugenden Daten, dass Angst und Depression das Risiko für die Entstehung einer CED erhöhen [8]. CED sind keine psychosomatischen Erkrankungen im engeren Sinne.
https://doi.org/10.1515/9783110492682-033
524 | 32 Psychosomatik
32.1.2 CED sind somatopsychische Erkrankungen Angst und Depression: Eine systematische Übersichtsarbeit von Fallkontrollstudien zeigte, dass die Rate von Angststörungen und depressiven Störungen bei CEDPatienten mit aktiver Erkrankung im Vergleich zu gesunden Kontrollen bzw. Personen der allgemeinen Bevölkerung erhöht ist (Angststörung: 19,1 % vs. 9,6 %, Depression: 21,2 % vs. 13,4 %), aber im Vergleich zu Personen mit anderen chronischen körperlichen Erkrankungen eher niedriger ist (Angststörung: 41,9 % vs. 48,2 %, Depression: 14,5 % vs. 28,4 %). Angst und Depression sind im akuten Krankheitsschub höher als in Remission (Angst: 66,4 % vs. 28,2 %, Depression: 34,7 % vs. 19,9 %) [8]. Das Ausmaß von Angst und Depressivität deutscher CED-Patienten in Remission unterschied sich nicht von dem alters- und geschlechtsgematchter Kontrollen der allgemeinen Bevölkerung [9]. Berufliche Tätigkeit: Eine systematische Übersichtsarbeit fand eine höhere Rate von Krankschreibungen, nicht jedoch von vorzeitigen Berentungen von CED-Patienten im Vergleich zu Kontrollen [10]. Sexualität: In einer Befragung gaben 21 % (Spannweite 9–42 %) von 1.032 deutschen CED-Patienten aus Schwerpunktpraxen sexuelle Probleme an [11]. Merksatz Aktive CED können einen negativen Einfluss auf das seelische Befinden und die soziale Situation der Betroffenen haben.
32.1.3 CED sind psychosomatische Erkrankungen im weiteren Sinne Psychosoziale Faktoren haben – wie bei vielen anderen körperlichen Erkrankungen auch – einen Einfluss auf den Krankheitsverlauf (psychosomatische Erkrankung im weiteren Sinne) (Tab. 32.1). Tab. 32.1: Einfluss psychischer Faktoren (Angst, Depression, Stress) auf den Krankheitsverlauf Klinisches Outcome
Referenzen
Erhöhtes Rezidivrisiko Schwererer Krankheitsverlauf (Dauer und Schwere der Schübe) Verringerte Therapieadhärenz Geringere Ansprechraten auf Biologika Reduzierte gesundheitsbezogene Lebensqualität
[7, 13, 38] [38] [39] [7] [40]
32.2 Therapie | 525
Tab. 32.2: Feststellungen der deutschen CED-Leitlinien zu psychosozialen Aspekten der CED [15, 16] Feststellungen
Evidenzklasse und Konsensstärke
Belastende Lebensereignisse, psychologischer Stress und psychische Störungen sind nicht ursächlich für die Entstehung (der CED). Subjektive Stressbelastung und affektive Störungen können einen negativen Einfluss auf den Verlauf (der CED) haben. Eine hohe Krankheitsaktivität kann mit vermehrter psychischer Symptombelastung einhergehen. Psychische Störungen können einen negativen Einfluss auf den Krankheitsverlauf und die Lebensqualität haben.
II, starker Konsens II, starker Konsens II, starker Konsens II, starker Konsens
Stress: In einer systematischen Übersichtsarbeit fanden 13 von 18 Kohortenstudien, die 10–155 CED-Patienten aus den Jahren 1990 bis 2008 einschlossen, einen Zusammenhang zwischen „Stress“ und CED-Aktivität bei Patienten mit bereits diagnostizierter CED [6]. Die Aussagekraft des Reviews ist durch die unterschiedliche methodische Qualität der eingeschlossenen Studien (Erfassung von Stress und CED-Aktivität, Kontrolle von anderen Variablen wie Medikation) eingeschränkt. Aktuelle prospektive Studien zeigten in multivariaten Analysen unter Einschluss somatischer Variablen, dass subjektive Stressbelastung das Risiko eines Krankheitsschubes erhöht [12, 13]. Krankheitsbewältigung: Eine systematische Übersichtsarbeit von 39 Studien fand, dass emotionsbezogene Krankheitsbewältigung mit einem schlechteren psychologischen Ergebnis assoziiert war. Problembezogene Bewältigungsstrategien waren weniger konsistent mit einem besseren psychologischen Ergebnis assoziiert [14]. Die Aussagen der deutschen CED-Leitlinien [15, 16] zu psychosozialen Aspekten der CED sind in Tabelle 32.2 zusammengefasst. CED sind psychosomatische Erkrankungen im weiteren Sinne.
32.2 Therapie 32.2.1 Psychosomatische Grundversorgung Die Fähigkeiten, eine basale psychosoziale Diagnostik durchzuführen, den Patienten über seine Erkrankung und ihre Behandlungsmöglichkeiten angemessen zu informieren und mit ihm Entscheidungsprozesse, stützende Gespräche durchzuführen sowie in fachpsychiatrische bzw. fachpsychotherapeutische Behandlung weiterzuvermitteln, sind Bestandteile der psychosomatischen Grundversorgung. Diese kann von Ärzten aller Gebiete mit Patientenbezug erbracht werden [17].
526 | 32 Psychosomatik
Tab. 32.3: Psychosoziale Screening-Fragen für die gastroenterologische Sprechstunde [41] Dimension
Fragen
Lebensqualität
„Haben Ihre Beschwerden Auswirkungen auf Ihren Alltag?“ (Arbeit, Freizeit, Familienleben, Sexualität)
Stress
„Haben Sie in der letzten Zeit Probleme mit Stress oder Sorgen gehabt?“ „Haben sich diese Probleme auf ihre CED ausgewirkt?“
Seelisches Befinden
„Waren Sie in der letzten Woche häufig“ – niedergeschlagen oder schwermütig? – ohne rechten Schwung und Energie? – unruhig und nervös? „Konnten Sie Ihre Sorgen in der letzten Woche häufig nicht stoppen?“
Notwendigkeit Psychotherapie
„Benötigen Sie Hilfe bei der Bewältigung Ihrer Probleme/Sorgen?“
Erfassen psychosozialer Belastungen und psychologischer Behandlungswünsche Die deutschen [15, 16] und die meisten internationalen CED-Leitlinien [18] empfehlen für betreuende Ärzte ein regelmäßiges Erfassen psychosozialer Belastungen und psychologischer Behandlungswünsche von Patienten mit aktiver Erkrankung. Weiterhin empfehlen die deutschen Leitlinien, Patienten mit anhaltenden Bauchschmerzen oder Durchfällen, die nicht durch die Krankheitsaktivität bzw. Krankheitskomplikationen erklärt werden können, auf das Vorliegen eines Reizdarmsyndroms (RDS) oder einer depressiven Störung zu untersuchen [15, 16]. Die in Tabelle 32.3 aufgeführten Screening-Fragen sollen auch von Gastroenterologen gestellt werden (Tab. 32.3). Weiterhin wird für betreuende Ärzte der Aufbau einer tragfähigen und vertrauensvollen Arzt-Patient-Beziehung und die Einbeziehung des Patienten in die medizinischen Entscheidungsprozesse empfohlen [15]. Eine gute Arzt-Patient-Beziehung ist mit einer hohen Therapieadhärenz verbunden [19]. Gastroenterologen sollen psychosoziale Belastungen durch die CED und psychologische Behandlungswünsche der Patienten erfassen.
Schulungsprogramme Das Informationsbedürfnis der meisten CED-Patienten ist groß, und ein Teil ist mit der ärztlichen Information unzufrieden [20]. Die Effekte von Informations- und Schulungsprogrammen sind jedoch gering. Das CED-bezogene Wissen nahm in einer Studie zu, blieb jedoch nicht über längere Zeit erhalten [21]. Im Vergleich zu Kontrollpatienten verbesserte sich durch Patientenschulung die krankheitsbezogene Lebensqualität nicht [22] oder verschlechterte sich sogar [23].
32.2 Therapie | 527
Raucherentwöhnungsprogramme Der negative Einfluss von Tabakrauchen und der positive Effekt des Rauchstopps auf den Verlauf des M. Crohn sind gesichert [24, 25]. Die Empfehlung von Rauchstopp beim M. Crohn wird in den meisten internationalen CED-Leitlinien empfohlen [18]. Trotzdem rauchen bis zu 40 % der M.-Crohn-Patienten [26]. Die Mehrzahl berichtet, von Ärzten nicht auf den negativen Effekt des Rauchens hingewiesen worden zu sein [27] bzw. keine ärztliche Unterstützung beim Versuch des Rauchstopps erhalten zu haben [26]. Neben der Leitlinien-empfohlenen klaren Empfehlung an M.-Crohn-Patienten, den Tabakkonsum einzustellen [18], ist eine motivierende Gesprächsführung bei nichtentwöhnungswilligen M.-Crohn-Patienten bzw. eine medikamentöse Unterstützung (z. B. Nikotinpflaster) oder eine Weitervermittlung in kognitiv-verhaltenstherapeutische Raucherentwöhnungsprogramme von nichtentwöhnungswilligen M.-Crohn-Patienten eine ärztliche Aufgabe.
32.2.2 Selbsthilfe und Internet-basierte Informationen Die deutschen CED-Leitlinien empfehlen, dass die behandelnden Ärzte auf die Selbsthilfe hinweisen und die Patienten über ihre Krankheit informieren sollen [15, 16]. Internet-Seiten (z. B. von Patientenselbsthilfeorganisationen wie der Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung – DCCV – e. V. oder von pharmazeutischen Firmen) sind zu einer wichtigen zusätzlichen Informationsquelle für Patienten geworden [28].
32.2.3 Psychotherapie Die deutschen CED-Leitlinien empfehlen, dass bei Patienten mit CED und psychischen Störungen eine Psychotherapie durchgeführt werden (Evidenzklasse II, Empfehlung) und dass Kindern und Jugendlichen und ihren Familien eine psychosoziale Unterstützung angeboten werden (Evidenzklasse II, Empfehlung) soll [15, 16]. Ein Cochrane-Review (Literatursuche bis 2010) schloss 1.745 Teilnehmer in acht randomisierten kontrollierten Studien, vier quasi-randomisierten Studien und acht nichtrandomisierten kontrollierten Studien mit verschiedenen psychologischen Verfahren ein. Nur eine Studie stellte die Indikation für eine Psychotherapie aufgrund psychischer Komorbidität. In den 19 Studien mit Erwachsenen fanden sich keine signifikanten positiven Effekte auf den emotionalen Status, die gesundheitsbezogene Lebensqualität und die Anzahl der Patienten in Remission. Bei den beiden Studien mit Jugendlichen zeigten sich positive Effekte auf den emotionalen Status und die gesundheitsbezogene Lebensqualität [29]. Eine aktuellere systematische Übersichtsarbeit führte eine qualitative Analyse, stratifiziert nach psychotherapeutischen Methoden, unter Einschluss kontrollierter
528 | 32 Psychosomatik
Tab. 32.4: Wirkung verschiedener Psychotherapieverfahren auf einzelne Dimensionen der CED (modifiziert von [41] nach [31]) Intervention
Anzahl Therapiedauer der Sitzungen Dauer Studien (min)
Stressmanagement 5 Kognitive Verhal5 tenstherapie Psychodynamische 4 Psychotherapie Bauchhypnose
2
6–12 6–12 10–52, z. T. LZAnalysen* 12
120–180 60–300 50
60
Wirkungen auf Länge (Wochen) 6–26 8–12
CEDPsychische LebensSymptome Symptome qualität (+) inkonsistent –
10–52, z. T. LZAnalysen* 12 +
(+) +
(+) (+)
+
–
(+)
+
* = Langzeit-Psychoanalysen, + = deutliche Verbesserung, (+) = moderate Verbesserung, – = keine Verbesserung
und nichtkontrollierter Studien, mit den in Tabelle 32.4 dargestellten Ergebnissen durch [30]. Psychotherapeutische Interventionen zeigten sowohl im Einzel- als auch im Gruppen-Setting unterschiedliche Wirkungen auf körperliche und psychische Symptome (Tab. 32.4). Die Ergebnisse der beiden systematischen Übersichtsarbeiten [29, 30] unterstreichen die Empfehlung der deutschen CED-Leitlinien, eine Psychotherapie nur bei einer entsprechenden Indikation durchzuführen [15, 16]. Mögliche Indikationen sind: – psychische Störungen (z. B. Angststörungen, depressive Störungen, posttraumatische Belastungsstörungen), – psychische Verhaltenseinflüsse (z. B. Stress, Angst) mit einem negativen Einfluss auf die CED-Symptomatik, – körperliche Symptome mit psychischen Einflüssen (z. B. Durchfälle, Bauchschmerzen), die nicht ausreichend auf Medikamente ansprechen. Kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren können psychische Symptome und psychische Verhaltenseinflüsse und die Bauchhypnose kann körperliche Beschwerden reduzieren (Tab. 32.4).
32.2.4 Psychopharmaka Die europäische Leitlinie empfiehlt, eine Therapie mit Psychopharmaka bei „definierten Indikationen“ in Erwägung zu ziehen [31]. Die im Folgenden referierten Studien stützen die Empfehlung, Patienten mit komorbiden psychischen Störungen auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass eine psychiatrische Behandlung nicht nur die seelischen, sondern auch CED-Beschwerden bessern kann.
32.3 Fazit |
529
Am häufigsten werden bei CED-Patienten bei komorbider Angst und Depression trizyklische Antidepressiva und Serotoninwiederaufnahmehemmer eingesetzt. An weiteren Substanzklassen werden Serotonin- und Noradrenalinwiederaufnahmehemmer und Mirtazapin, ein noradrenerges und spezifisch serotonerges Antidepressivum, auch zur Behandlung körperlicher Symptome wie Schmerzen, Appetitlosigkeit und Übelkeit genannt [32]. Eine systematische Literaturrecherche fand nur eine randomisierte kontrollierte Studie mit Psychopharmaka zur Beeinflussung von Angst und Depression bei CEDPatienten. Lorazepam führte im Vergleich zu Placebo zu einer stärkeren Angstreduktion [33]. Nicht berücksichtigt wurde eine iranische RCT, in der 44 Patienten mit aktiver Erkrankung Duloxetin 60 mg/Tag oder Placebo zusätzlich zu Mesalazin erhielten. Die psychischen und körperlichen Beschwerden reduzierten sich in der Duloxetingruppe stärker als in der Placebogruppe [34]. In einer nichtkontrollierten Studie mit 67 türkischen CED-Patienten mit psychischen Komorbiditäten verbesserte eine Therapie mit Antidepressiva und Neuroleptika nicht nur Angst und Depression, sondern auch die CED-Aktivitätsscores [35]. Fallserien beschreiben einen positiven Effekt von trizyklischen Antidepressiva auf Restsymptome (z. B. Bauchschmerzen, Durchfälle) bei schon wirksamer antiinflammatorischer Kontrolle [36]. Merksatz Eine psychotherapeutische und/oder psychopharmakologische Behandlung soll CED-Patienten mit psychischen Begleiterkrankungen empfohlen und aktiv vermittelt werden.
32.3 Fazit CED sind keine psychosomatischen Erkrankungen (psychische Faktoren sind Mitursache der Erkrankung) im engeren Sinne. Der Krankheitsverlauf und die Therapie können zu psychischen und sozialen Belastungen der Patienten führen. Gastroenterologen sollen psychosoziale Belastungen durch die CED und psychologische Behandlungswünsche der Patienten erfassen. Eine psychotherapeutische und/oder psychopharmakologische Behandlung soll CED-Patienten mit psychischen Begleiterkrankungen empfohlen und aktiv vermittelt werden. Eine Kooperation von Gastroenterologen und ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten mit Erfahrung in der psychosozialen Betreuung von CED-Patienten ist sinnvoll.
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Tilo Andus
33 Schmerztherapie
Schmerzen sind ein häufiges Symptom bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED).
Sie können zu einer sehr starken Beeinträchtigung der Lebensqualität führen. Aufgrund der Chronizität der Erkrankungen können auch die Schmerzen chronisch und sehr schwer therapierbar werden. Die Schmerzen können an verschiedenen Stellen auftreten. Meist sind sie im Bauchbereich lokalisiert (Tab. 33.1). Bei extraintestinalen Manifestationen wie z. B. Arthralgien oder Arthritiden treten aber auch häufig Gelenkschmerzen auf (Tab. 33.2). Die Bauchschmerzen können unterschiedliche pathophysiologische Ursachen und Mechanismen haben.
33.1 Ursachen der Schmerzen Bauchschmerzen können durch die Entzündung der Darmschleimhaut entstehen. Auch bei Stenosen kommt es zu Bauchschmerzen. Es gibt auch Bauchschmerzen ohne dass Entzündung oder Stenosen vorliegen wie z. B. bei der bakteriellen ÜberTab. 33.1: Bauchschmerzursachen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Entzündungsbedingte Schmerzursachen
Nichtentzündungsbedingte Schmerzursachen
Schleimhautentzündung Abszess/Fistel Analfissur Ulcera auf NSAR Postoperativ
Striktur Adhäsionen Bakterielle Fehlbesiedlung „Narcotic bowel syndrome“ Medikamentennebenwirkungen Gallensäurenmalabsorption Neuropathie bei Vitamin-B12 -Mangel
Tab. 33.2: Extraintestinale Schmerzursachen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Entzündungsbedingte Schmerzursachen
Nichtentzündungsbedingte Schmerzursachen
Arthralgie/Arthritis Erythema nodosum Pyoderma gangraenosum Iritis/Uveitis
Cholelithiasis Nephrolithiasis
https://doi.org/10.1515/9783110492682-034
534 | 33 Schmerztherapie
wucherung des Dünndarms. Postoperativ können Wundschmerzen auftreten. Es gibt auch Medikamenten-induzierte Schmerzen wie z. B. beim „narcotic bowel syndrome“ und auch als Nebenwirkung bei Thiopurinen.
33.2 Pathophysiologie der Bauchschmerzen Pathophysiologisch werden Bauchschmerzen in drei Kategorien eingeteilt: viszerale Bauchschmerzen, somatisch-parietale Bauchschmerzen und übertragene Schmerzen [1].
33.2.1 Viszerale Bauchschmerzen Viszerale Schmerzen entstehen in der Mukosa v. a. durch Dehnung von Nozizeptoren. Diese werden z. B. durch eine rasche intestinale Distension, eine starke Muskelkontraktion, ein Zug oder eine Verdrehung am Mesenterium aktiviert. Die viszeralen Nozizeptoren senden ihre Schmerzsignale über nichtmyelinisierte Typ-C-Fasern in die dorsalen Ganglien afferenter Nerven des Rückenmarks. Die noxischen Reize aktivieren dann über aufsteigende Bahnen nozizeptive Neurone im Thalamus (Nucleus ventralis lateralis) und in der Formatio reticularis. Vom Thalamus gehen Signale zum somatosensorischen Cortex, wo der Schmerz räumlich zugeordnet wird. Von der Formatio reticularis gehen Signale zum limbischen System und in den Frontallappen, wo die emotionale Schmerzkomponente (Leiden) entsteht. Viszerale Bauchschmerzen werden im Vergleich zu somatischen Schmerzen typischerweise als dumpf, krampfartig, schlecht lokalisierbar, andauernd und langsamer beginnend empfunden. Die schmerzleitenden Nervenfasern der viszeralen Bauchschmerzen laufen mit den Nerven des autonomen Nervensystems parallel, was erklärt, dass viszerale Bauchschmerzen z. B. zu Übelkeit und Erbrechen führen können.
33.2.2 Somatisch-parietale Bauchschmerzen Somatische Bauchschmerzen entstehen in der Haut und in den Muskeln, die über dem Magen-Darm-Trakt liegen. Parietale Bauchschmerzen entstehen im Peritoneum viscerale und parietale. Diese Schmerzen sind intensiver und genauer lokalisierbar als die viszeralen Schmerzen. Somatisch-parietale Bauchschmerzen entstehen durch eine Stimulation im Peritoneum und werden durch myelinisierte, somatosensorische A-delta-Fasern ins Rückenmark geleitet, von wo aus sie in Hirnareale geleitet werden, die zu den entsprechenden Dermatomen gehören. Dies führt zu einem scharfen, plötzlichen und
33.3 Faktoren, die die Schmerzen und Schmerzempfindung beeinflussen |
535
gut lokalisierbaren Schmerz. Neuere Daten zeigen, dass auch diese Schmerzen eine emotionale Komponente entwickeln können [2].
33.2.3 Übertragene Bauchschmerzen Dieser Typ von Bauchschmerzen kann sich über verschiedene Organe oder Bereiche erstrecken. Er entsteht dadurch, dass viszerale Typ-C-Fasern und/oder somatische Typ-A-delta Fasern in einem zweiten afferenten Neuron im Rückenmark oder an einer höheren Stelle im Gehirn konvergieren. Übertragene viszerale Bauchschmerzen werden meist in die korrespondierende Bauchwand oder in benachbarte Bauchorgane projiziert.
33.3 Faktoren, die die Schmerzen und Schmerzempfindung beeinflussen Die Schmerzempfindung kann durch periphere Faktoren, zentrale Faktoren und Umweltfaktoren beeinflusst werden.
33.3.1 Akute Entzündung Verschiedene Zytokine wie Interleukin-1 (IL-1), Interleukin-6 (IL-6) und Tumor-Nekrose-Faktor-alpha (TNF-α) können die Schmerzschwelle der afferenten Nervenfasern senken und Schmerz auslösen [3].
33.3.2 Postinflammatorische Effekte Verschiedene zentrale und periphere Adaptationsmechanismen (z. B. veränderte N-methyl-D-Aspartat-Rezeptorfunktionen spinal und zentral und Glia-Aktivierung zentral) können auch nach einem akuten Schub die Schmerzempfindung verstärken [4].
33.3.3 Dysmotilität Bei Patienten mit CED kann durch die Entzündung eine Darmhypomotilität auftreten, die ihrerseits durch eine Darmdistension Schmerzen auslöst [5]. Die Entzündung führt auch zur Zerstörung von interstitiellen Cajal-Zellen und durch proinflammatorische Zytokine (IL-1, TNF-α) und induzierbare NO-Synthase (iNOS) zu einer Beeinträchtigung der glatten Muskulatur.
536 | 33 Schmerztherapie
33.3.4 Neurobiologische Adaptation Wiederholte Schmerzen führen durch periphere und zentrale Mechanismen zu einer Intensivierung der Schmerzempfindung [1].
33.3.5 Psychische und psychosoziale Faktoren Psychische und psychosoziale Faktoren wie Angststörungen, Depressionen, akuter und chronischer Stress können v. a. die Schmerzempfindung und emotionale Bewertung stark beeinflussen [1].
Das Verständnis der verschiedenen Ursachen und Einflussfaktoren hilft bei der Anamnese und der Therapie der Bauchschmerzen sowie bei erklärenden Patientengesprächen.
33.4 Schmerztherapie Bauchschmerzen sind ein häufig (50–70 %) vorkommendes und typisches Symptom eines akuten Schubes bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. In den meisten Fällen hilft daher die CED-spezifische Therapie mit z. B. Aminosalicylaten, Glukokortikoiden, Immunsuppressiva, TNF-Antikörpern, Integrinantikörpern und/oder die chirurgische Therapie sowohl gegen die Entzündung als auch gegen die Schmerzen.
Wenn die CED-spezifische Therapie nicht ausreichend ist oder die Schmerzen initial stark sind werden Spasmolytika und/oder Analgetika oder andere Medikamente oder Maßnahmen benötigt (Tab. 33.3). So nehmen Patienten mit CED signifikant häufiger Opiate (48,1 % vs. 34,1 %), Nicht-Opiat-Analgetika (12,8 % vs. 8,1 %), Anxiolytika/Sedativa/Hypnotika (25,8 % vs. 16,7 %) und Antidepressiva (28,3 % vs. 19,4 %) ein [6].
33.4.1 Arzt-Patienten-Beziehung Von entscheidender Bedeutung für eine effektive und sichere Schmerztherapie ist eine gute ArztPatienten-Beziehung.
Das bedeutet: Dem Patienten aktiv zuhören, die Sorgen und Bedenken des Patienten erkennen und würdigen, den Patienten und seine Beschwerden ernst nehmen, psychische Komorbiditäten erkennen und den Patienten schulen, den Schmerz zu bewältigen.
33.4 Schmerztherapie | 537
Tab. 33.3: Exemplarische Schmerztherapien bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Substanzklasse
Substanz
Spasmolytika
Butylscopolaminiumbromid
Nicht-OpioidAnalgetika
Nichtsteroidale Antirheumatika (nicht vollständig) COX-2Inhibitoren (nicht vollständig)
Startdosis
20–40 mg
Maximaldosis Nebenwirkungen (Erwachsene (nicht vollständig) ohne Leberoder Nierenfunktionsstörungen) 100 mg
Tachykardie, Augendruckerhöhung, Harnverhalt, Mundtrockenheit, Schwindel KI: Myasthenia gravis 3-mal 135 mg Allergische Reaktionen, Schwindel, Benommenheit, Verwirrtheit und Übelkeit
Mebeverinhydrochlorid
135 mg
Paracetamol
1g
3g
Novaminsulfon
0,5–1 g
5g
Ibuprofen
400–800 mg 1.200– 2.400 mg
Diclofenac
50 mg
150 mg
Celecoxib
100 mg
200 mg
Hypotonie, bei Überdosis Leberversagen Hypotonie, selten Agranulozytose und Stevens-Johnson-Syndrom Ulzera, Blutungen, Auslösen von CED-Schüben, Verschlechterung der Nierenfunktion Ulzera, Blutungen, Auslösen von CED-Schüben, Verschlechterung der Nierenfunktion
Etoricoxib
30 mg
60–120 mg
Tramadol
50 mg
keine absolute Höchstdosis
Atemdepression, Obstipation, Übelkeit, Erbrechen, Sedierung
Tilidinhydrochlorid/ Naloxonhydrochlorid
50–100 mg
Hochpotente Opioide (nicht vollständig)
Morphin
10 mg
Trizyklische Antidepressiva
Amitriptylin
25 mg
100 mg
Mundtrockenheit, Schwindel, Sedierung, Gewichtszunahme
Nortriptylin
10 mg
150 mg
Niedrigpotente Opioide
538 | 33 Schmerztherapie
33.4.2 Spasmolytika Spasmolytika sind v. a. bei Krämpfen aufgrund partieller Obstruktionen und bei funktionellen Beschwerden hilfreich [7]. Leider gibt es dazu im Gegensatz zur Situation beim Reizdarm keine kontrollierten Studien. Cave: Kontraindikation beim toxischen Megakolon.
33.4.3 Novaminsulfon Novaminsulfon hat eine analgetische und eine krampflösenden Wirkung. Es kann oral und intravenös eingesetzt werden. Cave: Selten Agranulozytose, darum regelmäßige Blutbildkontrollen. Keine Studien bei CED verfügbar.
33.4.4 Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) Nichtsteroidale Antirheumatika werden wegen des erhöhten Risikos (20–30 %) einer Verschlechterung der Grunderkrankung und des Risikos einer NSAR-Kolitis nicht allgemein empfohlen [8]. In einer neueren Studie bestand allerdings nur ein Risiko für Patienten mit M. Crohn, die mehr als 5-mal im Monat NSAR einnahmen (23 % vs. 15 %, p = 0, 04). Kein erhöhtes Risiko bestand bei Patienten mit Colitis ulcerosa [9].
33.4.5 COX-2-Inhibitoren Auch für COX-2-Inhibitoren besteht ein Risiko bzgl. einer gastrointestinalen Toxizität [10]. In einigen Studien wurden auch Krankheitsexazerbationen beschrieben. Allerdings fand eine kürzlich publizierte Metaanalyse kein signifikant erhöhtes Rückfallrisiko unter COX-2-Inhibitoren [11]. Es gibt keine kontrollierten Studien zur Wirkung der COX-2-Inhibitoren bzgl. der Bauchschmerzen, weil die vorliegenden Studien v. a. zur Therapie von Arthralgien durchgeführt wurden.
33.4.6 Paracetamol/Acetaminophen In einer Metaanalyse von drei Studien zur Therapie mit Acetaminophen wurde ein 1,5- bis 3,4-fach erhöhtes Rückfallrisiko beschrieben [12]. Auch in der Studie von Long et al. fand sich bei den Patienten mit M. Crohn nach der Einnahme von Acetaminophen ein erhöhtes Rückfallrisiko [9].
33.4 Schmerztherapie | 539
Die Autoren diskutierten, dass evtl. die Schmerzen in der Remission ein Zeichen einer sonst nicht erkennbaren Krankheitsaktivität sind. Somit wäre die erhöhte Rückfallhäufigkeit nicht Folge der Medikation, sondern der zugrunde liegenden Krankheitssituation. Leider ist in den meisten dieser Studien nicht beschrieben, gegen welche Art von Schmerzen die Analgetika eingesetzt wurden und wie gut sie gewirkt haben. Zusammenfassend ist die Datenlage bzgl. der Spasmolytika, NSAR, COX-2-Inhibitoren und von Paracetamol leider schlecht. Ein Therapieversuch unter engmaschiger klinischer Überwachung ist aber möglich.
33.4.7 Opiate Opiate werden v. a. postoperativ und bei sehr starken Schmerzen eingesetzt. Risikofaktoren für eine Langzeittherapie sind starke Schmerzen, eine Vorgeschichte eines Abusus, weibliches Geschlecht sowie Angststörungen und Depressionen [13]. Typische Nebenwirkungen sind: Müdigkeit, Sedierung, Atemdepression, Übelkeit, Obstipation. Problematisch sind Opioide bei Ileus und toxischem Megakolon. Eine relativ seltene Komplikation ist das „narcotic bowel syndrome“, eine bei ca. 2–4 % der chronisch Opioide einnehmenden Patienten auftretende paradoxe Verschlechterung der Schmerzen auf Opiate [14], bei der die Opiate wieder abgesetzt werden müssen.
33.4.8 Trizyklische Antidepressiva In einer retrospektiven Kohortenstudie konnte gezeigt werden, dass trizyklische Antidepressiva Bauchschmerzen bei CED-Patienten lindern können [15]. Die trizyklischen Antidepressiva waren Amitriptylin (23,5 %), Nortriptylin(66,7 %) und Desipramin (9,9 %). Eine Verbesserung fand sich bei 59,4 % der Patienten (mehr bei Colitis ulcerosa [83 %] als beim M. Crohn [50 %].
33.4.9 Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren, Serotonin-Norepinephrin-Reuptake-Inhibitoren und Gabapentin/Pregabalin Es gibt zwar Studien zur Wirksamkeit bei Reizdarm und Pankreatitis, aber leider liegen keine Studien zu diesen Substanzen bei CED vor.
540 | 33 Schmerztherapie
33.4.10 Stressmanagement Eine prospektive Studie untersuchte die Wirksamkeit einer Stressmanagementtherapie (acht Sitzungen) auf die Bauchschmerzen bei Patienten mit CED [16]. Die Therapie führte zu einer signifikanten Verbesserung der Bauchschmerzen nach 2, 26 und 52 Wochen (s. a. Kap. 31.5).
33.4.11 Transkranielle direkte Gleichstromstimulation Eine interessante aktuelle randomisierte, Sham-kontrollierte Studie aus Berlin konnte an 20 Patienten mit CED durch eine 5-malige transkranielle direkte Gleichstromstimulation eine signifikante Reduktion der Bauchschmerzen erzielen [17].
33.4.12 Arthralgien Bei peripheren Arthritiden bzw. Arthralgien kann Sulfasazin (einschleichend dosieren) versucht werden (s. a. Kap. 16).
33.5 Fazit Die Schmerztherapie bei Patienten mit CED kann sehr komplex sein. Bei Schmerzen durch einen akuten entzündlichen Schub ist die Standardtherapie mit oder ohne begleitende analgetische Therapie meist schon erfolgreich und ausreichend. Bei Strikturen, Stenosen oder Adhäsionen kann eine mechanische Therapie wie die endoskopische Ballondilatation oder eine chirurgische Lösung des Problems erfolgreich sein. Bei einer bakteriellen Fehlbesiedlung kann eine antibiotische Therapie helfen. Bei peripheren Arthritiden oder Arthralgien kann Sulfasalazin eingesetzt werden. Leider gibt es zur symptomatischen Schmerztherapie nur wenige kontrollierte Studien. Spasmolytika, Paracetamol und Novaminsulfon können bei abdominellen Krämpfen eingesetzt werden. COX-2-Inhibitoren gelangen v. a. bei Gelenkschmerzen zur Anwendung. Hier besteht ein geringes Risiko der Schubauslösung bzw. Verschlechterung der Darmentzündung. Opiate sind bei stärkeren Schmerzen einzusetzen, wobei Kontraindikationen (Ileus, toxisches Megakolon) zu beachten sind.
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Stichwortverzeichnis α4 β7 -Integrin 153, 225, 231 5-ASA 39, 137, 142, 147, 215, 221, 270, 378, 394, 405, 450 6-Mercaptopurin 40, 141, 150, 223, 268, 288, 379, 403, 412, 453, 460 6-TGN 151, 223, 458
A Abdomensonografie 65 Abgrenzung 27, 107,137, 298, 304 Abszess 29, 41, 67, 69, 109, 121, 176, 203, 208, 228, 238, 240, 248, 285, 290, 337, 353, 396, 437 Acne inversa 341 Acrodermatitis enterohepatica 343 Adalimumab 7, 224, 229, 270, 289, 307, 380, 392, 394, 422, 448, 475 Adaptationsphase 505, 506 Adenoma-like mass (ALM) 86, 88, 100, 481 Adhärenzprobleme 455, 458 Adipositas 157, 179, 193, 202, 501 Akupunktur 518 Allopurinol 41, 151, 474 Aloe-Vera-Gel 517 Alter 18, 202, 462, 469 Alternative medical systems 518 alternative Medizin 513 Aminosalicylate 39, 137, 221, 331, 418, 448 Amyloidose 354, 361 Analabszess 29, 285 Analfistel 285, 286 Anämie 37, 361, 362, 498 Anämie der chronischen Erkrankungen 361, 364 Anamnese 28, 35, 61, 88, 353, 367, 401, 414, 438, 472 Anastomosenbefall 83 Anastomoseninsuffizienz 177, 185, 202, 208, 277, 395, 476 Anastomosenstenose 83, 94, 183, 210, 246, 265 Anastomosentechnik 183, 206, 251, 276, 278 Angst 411, 523 Angststörungen 524, 528, 539 Ankylosierende Spondylitis 116, 326, 329, 413 Ano-kutane Transitionszone 183, 305, 401, 477 Anorexie 459, 493, 498 anteriore Uveitis 132, 327, 349, 350, 458 anthroposophische Medizin 518
Anti-Integrin-Antikörper 137, 231, 393 Anti-TNF-α-Antikörper 41, 42, 224, 245, 269, 392, 394, 422, 475 Antiadhäsion 423, 153, 154 Antibiotika 21, 28, 146, 210, 287, 306, 353, 382, 456, 494 – Analfisteln 287 Antikoagulanzien 357 Antikörperbildung 229, 230 APC Mutation 102 Apherese 155 Aphten 29, 81, 117, 341, 515 aphthöse Stomatitis 338, 371, 437 Apoptose 5, 7, 33, 40, 150, 332, 379 Appendektomie 20, 28, 189 Appendizitis 424, 441 Arteria ileocolica 174, 180 Arteria mesenterica superior 179 Arthralgien 29, 42, 158, 216, 326, 338, 533, 540 Arzt-Patienten-Beziehung 536 ASCA 36, 44, 298, 330, 439 Asplenie 387 Auflicht-Mikroskop 104 Augenerkrankungen 349 Ausdehnung der Erkrankung 60 Autoantikörper 7, 36, 353, 439 Autoimmunhepatitis 353, 438 Axiale Spondylarthritis 325, 328 Azathioprin 30, 40, 60, 141, 150, 160, 223, 230, 239, 288, 306, 345, 350, 379, 392, 396, 403, 412, 452, 458, 474 – Analfisteln 288
B Backwash ileitis 27, 81, 123, 297, 305, 355 Baron-Score 130 Basaliom 402, 405, 474 Bauchschmerzen 437, 424, 433, 444, 526, 533, 534 Becherzellen 36, 106 Berliner Transitionsprogramm 462 Bildgebung 36, 38, 58, 84, 109 bioelektrische Impedanzanalyse 439 Biologika 55, 99, 105, 137, 151, 158, 174, 222, 224, 227, 230, 269, 281, 349, 371, 380, 391, 394, 397, 414, 422, 448, 451, 460, 524 Biomarker 37, 43, 445, 459
544 | Stichwortverzeichnis
Biopsien 36, 81, 86, 87, 101, 103, 182, 304, 311, 440, 456, 481 Biosimilar 158, 332 Bisphosphonat 333, 460 Blasenentleerungsfunktion 177 Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) 32, 363, 416 Blutwurz 516 Body-Image-Scores 203 Boswellia serrata 514 Bridging 223, 225, 228, 233 Budesonid 60, 139, 142, 216, 306, 311, 315, 333, 419, 448
C C-reaktives Protein (CRP) 31, 44, 55, 145, 362, 445 Calcineurin-Inhibitoren 157, 159, 228, 288, 379, 393, 395, 412, 421, 456 – Analfisteln 288 Calprotectin 27, 30, 34, 44, 149, 267, 304, 439, 459 Cannabis 518 Cecal patch 81 CED-Definitionen 59 CED-Pass 459 CEDATA® 447 Certulizumab Pegol 224 Cheilitis 342 chirurgisches Rezidiv 272, 280 cholangiozelluläres Karzinom (CCC) 355, 402 Cholelithiasis 353, 533 Chromoendoskopie 39, 86, 87, 355 chronisch entzündliche Darmerkrankungen 99, 107, 368 – Aufklärung/Schulung 526 – Persönlichkeitsstruktur 523 – psychische Faktoren 523 – psychosomatische Grundversorgung 526 Ciclosporin 141, 157, 159, 228, 288, 379, 395, 412, 421, 475 – Analfisteln 288 Ciprofloxacin 288, 306, 396, 419, 457 – Analfisteln 288 Cleveland Global Quality of Life 183, 199 Clostridium difficile 31, 83, 145, 159, 305, 377, 382, 439, 455, 472 CME 190, 195 CMV-Kolitis 35, 83, 145, 384, 456 Colitis Crohn 79, 175, 485
Colitis indeterminata 45, 297 Colitis ulcerosa 84, 99, 123, 142, 145, 303, 481 – Aufklärung/Schulung 526 – Persönlichkeitsstruktur 523 – psychische Faktoren 523 – psychosomatische Grundversorgung 526 Colitis-assoziierte Neoplasie 99 COX-2-Inhibitoren 538 Crohn’s Disease Activity Index 37, 54, 128 Crohn’s Disease Endoscopic Index of Severity (CDAI) 127, 363 Crohn-Krankheit – Aufklärung/Schulung 526 – Persönlichkeitsstruktur 523 – psychische Faktoren 523 – psychosomatische Grundversorgung 526 CT-Enterographie 90 Cuff 177, 181, 183 Cuffitis 182, 210, 305, 457 Cyclophosphamid 233, 379 Cytomegalie-Virus (CMV) 35, 83, 145, 159, 305, 377, 384, 456
D DALM 86, 100, 481 Darmkontrastierung 111 Darmsonografie 66, 68, 70 Darmwandverdickung 92, 117, 124 De-novo-Crohn 300 Dendritische Zellen 6, 8 Densitometrie 333 Depression 140, 463, 523 Depressive Störungen 524 Deviationsstoma 291 Diaphanoskopie 180, 195 Diarrhö 29, 311, 313, 471, 484, 506 Diätberatung 495, 502 Differentialdiagnose 79, 107, 305, 440, 471 DiGeorge-Syndrom 441 Double-stapling-Technik 172, 188, 477 Dranginkontinenz 199 dreizeitiges Vorgehen 171, 195, 397, 477 Drüsendurchmesser 106 Dual energy X-ray Absorptiometrie 333 Dünndarm-Kontrastmittelröntgen 90 Dünndarmendoskopie 90, 91 Dünndarmkarzinom 61, 402, 486 Dünndarmstenose 36, 92, 245, 262 Duplexsonografie 68, 69 Dysbiose 304
Stichwortverzeichnis
Dyspareunie 199, 200, 211, 412 Dysplasie 38, 84, 86, 102, 182, 190, 203, 305, 457, 481, 485
E Efferent limb syndrome 305 einzeitiges Vorgehen 172 Eisenmangel 299, 343, 361, 362, 460, 478, 498 Elastografie 68, 244 Elementar-/oder Polymärdiät 451 Eliminationsdiät 439, 504 End-Ileostomie 200 Endomikroskopie 87 Endoskopie 38, 79, 90, 127, 265, 417 endoskopische Überwachung 84, 86, 88 endoskopische Resektionen 104 Endoskopische Rezidive 269, 274 endoskopischen Ballondilatation 79, 83, 93, 245 Endosonografie 75, 286 Endoxan 393 Endozytologie 87 Enhanced Recovery after Surgery (ERAS) 478 Entbindungsmodus 424 enterale Ernährung 451, 495 Enteroklysma 109, 125 Entzündungsaktivität 101, 119, 122 Entzündungsparameter 31, 329 Epidermiolysis bullosa aquisita 342 EPIMAD-Register 469 Episkleritis 349, 350 Epitheloidzellgranulomen 116 ERC 355 Erkrankungsgipfel 18 Ernährung 493 Ernährungsberatung 495 Ernährungstherapie 493, 501 Ernährungsverhalten 20 Ernährungszustand 30, 215, 240, 396, 477, 504 Erythema nodosum 29, 338, 340, 437, 533 Exit-Strategien 82, 228, 230 exklusive enterale Ernährungstherapie (EEET) 451 extraintestinale Manifestationen 29, 129, 226, 326, 338, 349, 361, 371, 437, 459 extrakorporale Anastomose 261
F Fadendrainage 242, 290 Fahrradreifentest 208
| 545
Familienanamnese 29, 61, 401, 414, 436, 441 Fertilität 190, 200, 203, 411 Fibrostenose 122 Finney-Strikturoplastik 249 Fistelkarzinom 487 Fisteln 67, 69, 121, 237, 425, 437, 487, 505 Fistelostium 75, 285, 291 Fistelplug 209 Fistulierender Morbus Crohn 237 Fistulotomie 286, 290 Flohsamen 419, 514 Fluoroskopie 110, 245 FODMAP-Diät 504 Folsäure 153, 357, 361, 367 Formalin 104 Frailty 470
G Gastrointestinale Stromatumoren 402 Geboes Score 101 Gebrechlichkeit 470 Gelbwurz 516 Gelenkmanifestationen 325 Gene 4 Genetik 3 Genetische Faktoren 19 Geriatrie 469 Glossitis 343 Glukokortikosteroiden 217 glutaminreicher Diäten 502 Glutenfreie Diät 504 Golimumab 7, 131, 141, 422, 475 Granulomatose der Leber 354
H H-Pouch 178 Hand assisted laparoscopic surgery (HALS) 259 Handnaht 182, 183, 193, 208, 251, 276, 477 Handport 259 Harvey-Bradshaw-Index 128 Hautkrebs-Screening 346 Hautkrebsvorsorge 473 Hautmanifestationen 337 Heidelbeeren 515 Heinecke-Mikulicz-Strikturoplastik 249 Hepatitis B 41, 377, 385 Hepatobiliäre Manifestationen 353 Hepatosplenisches T-Zell-Lymphom 225, 403 Herpes simplex-Virus (HSV) 377, 384 Herpesviren (HSV, VZV, CMV) 384
546 | Stichwortverzeichnis
HGIEN 100, 107, 182, 481, 485 Hidradenitis suppurativa 341 High-output-Stoma 208 Homöopathie 518 Hyperenhancement 113, 117, 119 Hyperhomocysteinämie 40, 357 Hyperoxalurie 372, 507 Hypogonadismus 437
I IBSEN-Kohorte 19, 56, 218, 221, 402 Ileo-pouch-anale Anastomose 171, 194, 198, 206, 303 ileoanaler Pouch 178, 188, 300, 457, 482, 505 Ileocoecalresektion 45, 58, 83, 94, 217, 248, 251, 258–260, 281, 353, 457, 477 Ileorektale Anastomose 201, 203 Ileorektostomie 175, 252, 477, 482 Ileostoma 173, 185, 193, 196, 202, 207, 397, 456, 478, 484, 505 Ileostomarückverlagerung 185, 208, 304, 397 Ileum-J-Pouch 178, 198, 203, 206, 397, 478 Immunantwort 3, 4, 379, 381, 441 Immundefizienz 377, 384, 441 Immunmodulatoren 60, 149, 230, 286, 350, 392, 396, 404, 448, 455 Immunmodulator-refräktäre Colitis ulcerosa 60 immunmodulierender Diäten 502 Immunsuppression 220, 228, 230, 257, 349, 379, 387, 391, 472 Immunsuppressiva 30, 137, 222, 223, 228, 331, 338, 397, 404 Impfstatus 28, 438, 447, 472 Impfungen 20, 140, 385, 386, 423, 447, 460 Indikationsimpfungen 386 Indische Echinacea 517 Infektionen 28, 35, 377, 460 Infektionskrankheiten 377, 380 Infektiöse Faktoren 9 Inflammatory Bowel Disease Questionnaire 129, 199 Infliximab 7, 42, 158, 160, 224, 229, 274, 300, 307, 367, 392, 394, 413, 422, 453, 475 – Analfisteln 289 Infliximab-Talspiegel 42 Inkontinenz 131, 198, 202, 209, 290, 300, 478 Integrine 7, 9, 224, 393 Interdisziplinäre Therapiealgorithmen – Analfisteln 291 Interferon-gamma-Test 381
Interleukin-6 (IL-6) 6, 7, 8, 33, 535 Interleukin-9 (IL-9) 7, 9 Interleukin-18 (IL-18) 6, 8 Interleukin-23 (IL-23) 4, 7, 8, 155, 326, 380, 422 interventionelle Therapie 243 Intestinale Epithelzellen (IEC) 6, 8 intestinales Mikrobiom 6, 85, 102, 307, 382, 455 intra- oder extrakorporaler Anastomose 262 intraabdominelle Abszesse 191, 396 Intraepitheliale Neoplasien 86, 100, 102, 181, 477, 481 Inzidenz 17, 18, 85, 177, 305, 311, 338, 335, 380, 401, 436, 477, 481 IPEX-Syndrom 441 Iridozyklitis 349, 350 Iritis 349, 350, 458, 533
K Kaffeekohle 515 Kaiserschnitt 201 Kalziumoxalatsteine 372 Kamille 515 Kampomedizin 518 Kapselendoskopie 37, 90, 95, 266, 299, 402, 440, 486 Karzinoiden 402 Karzinom 38, 61, 84, 102, 105, 147, 182, 192, 202, 250, 300, 355, 401, 481, 483, 485 Keratitis 349 Kindergastroenterologie 218, 435, 447 Kinderwunsch 226, 411, 417 Kindes- und Jugendalter 436,442 Kinking 210 Klammernahtanastomose 251 klinische Untersuchung 29 Klysmen 138, 143, 147, 299 Knochenalter 437 Knochenstoffwechsel 460 Kolektomie 57, 191, 192, 457 kolitis-assoziierte Karzinome 84, 105, 483 kolitis-assoziierte Neoplasie 99, 102, 106, 481 Kolonkarzinom 84, 105, 300, 471 Kolonresektion 194, 209, 252, 261, 262, 484 kolorektales Karzinom 38, 61, 84, 171, 182, 305, 401, 483, 485 Koloskopie 27, 36, 61, 79, 298, 313, 417 Kolostomie 506 Kombinationstherapie 224, 230, 289, 306, 378, 403, 450 Kompartmentsyndrom 193
Stichwortverzeichnis
Komplementärmedizin 513 Komplikationsrate 83, 178, 203, 206, 240, 258, 300, 391, 392, 414, 498 Konglomerattumor 257, 275, 282 Kono-S-Anastomose 251, 277 Kontinenz 178, 183, 198, 200, 207, 290, 300, 477 Kontraindikation 192, 262 Kontrastmittelenhancement 119, 122 Kontrastmittelsonografie 69 Konversion 249, 258, 262, 477 Kortikosteroide 39, 216, 239, 287, 393,396, 412, 420, 448 – Analfisteln 287 Krankheitsaktivität 54, 56, 59, 67, 117, 127, 128, 130, 156, 215, 261, 314, 363, 414, 442, 459, 494, 518 Krankheitsbewältigung 525 Krankheitslokalisation 51, 53 Krankheitsphänotyp 51–53 Krankheitsprädiktion 43 Krankheitsprogression 3, 53, 58, 436 Krankheitsrezidiv 216 Krankheitsverlauf 44, 52, 56, 57, 59 Krankschreibungen 524 Krebsfrüherkennung 87, 461 Kryptenabszess 80, 101, 123, 304 Kurzdarmsyndrom 238, 240, 275, 280, 412
L Labordiagnostik 30, 415 Lagerung 70, 192, 417 Lactoferrin 34, 304 Lamina propria 4, 5, 7, 112, 123, 158, 314 Laparoskopie 189, 203, 248, 278, 281, laparoskopische Proktokolektomie 192, 211 Lebendimpfungen 140, 423, 447, 461 Lebenserwartung 61, 401, 475 Lebensqualität 129, 176, 177, 183, 198–200, 478, 486, 519, 525, 533 Lebensstilfaktoren 17, 20 Leberbiopsie 41, 224, 355 Lémann-Score 58 Leukozytenwert 32, 40 LGIEN 100, 481 Limberg-Score 71, 73 Lungenarterienembolie 357 Lupus erythematodes 341, 343 Lymphadenopathie 113, 119, 122 Lymphom 61, 116, 152, 225, 402, 403, 462, 474
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M Magnetresonanz(MR)-Enterografie 440 Malabsorption 30, 116, 342, 459, 494, 504 Malignome 61, 152, 401, 403 Malnutrition 92, 342, 395, 437, 459, 494, 502 Mangelernährung 174, 238, 280, 354, 377, 478, 494, 508 Mannitol 111 Manometrie 202 Mayo-Score 82, 131, 161 Medikamentenadhärenz 458, 462 Medikamentöse Rezidivprophylaxe 268, 274 Medikamentöse Therapie – Analfisteln 286 Melanom 61, 344, 402, 403, 405 Mercaptopurin 40, 141, 150, 223, 268, 288, 379, 403, 412, 453, 460 Mesalazin 137, 150, 215, 216, 219, 221, 268, 298, 317, 412, 425, 452, 473, 507 – Analfisteln 287 Mesenchymbänder 106 Mesenterium 179, 202, 534 Mesorektum 176 metastatischer M. Crohn 338 Methotrexat 39, 152, 224, 226, 318, 379, 392, 396, 412, 421, 448 Methylprednisolon 420, 449, 452, 456 Metronidazol 268, 306, 338, 382, 396, 419, 450 – Analfisteln 287 MIC-Chirurgie 188, 257 Michelassi-Strikturoplastik 249 Mikrobiom 6, 85, 102, 307, 382, 455 Mikrobiota 267, 304 mikroskopische Kolitis 311–318 Milzvenenthrombose 357 Mind-body interventions 519 Minimal-Invasive Chirurgie 188, 257, 258, 278 Monogenetische CED 441 Montreal-Klassifikation 18, 51, 52, 54, 61, 442 Morbidität 145, 185, 202, 240, 247, 357, 361, 391, 392, 476 Mortalität 19, 61, 86, 137, 156, 238, 261, 355, 382, 391, 469, 476, MRCP 355, 440, 533 MRT 36, 66, 109 MRT-Enterographie 90, 109, 209, 244, 286, 329, 402, 416 MRT-Enteroklysma 90, 109, 470 MRT-Sequenzen 112 mucosal healing 99, 102, 446, 451, 502
548 | Stichwortverzeichnis
Mukosa 4, 10, 38, 60, 80, 85, 102, 107, 112, 130, 181, 298, 303, 311, 482, 498, 494, 534 Mukosa-Submukosa-Flap 290 Mukosaatrophie 123 Mukosaheilung 38, 54, 82, 154, 155, 219, 227 Mukosektomie 181, 193, 210, 477, 482 Multimorbidität 469, 472 Mundwinkelrhagaden 342 Muscularis propria 71, 112, 117 Muzinvakuolen 106 Mycobacterium tuberculosis 377, 380 Myrrhe 515
Opportunistische Infektion 28, 233, 377, 380, 458 oraler M. Crohn 337 orofaziale Granulomatose 337 Ösophago-Gastro-Duodenoskopie 36, 81, 299, 440 Osteopenie 332, 460 Osteoporose 139, 222, 325, 332, 436, 470, 474 Osteoporoseprophylaxe 333 OTSC (Over-the-Scope Clip) Proctology 291 Overlap-Syndrom 353 Oxalatnephrolithiasis 507 Ozanimod 154
N nährstoffdefinierte hochmolekulare Diäten 502 Nahrungsmittelallergie 439 Nahrungsmittelunverträglichkeit 28, 438, 504, 506 Narbenhernien 185, 190, 203, 279 Narcotic bowel syndrome 539 Natural orifice transluminal endoscopic surgery 188, 259 Natural-product-based therapies 514 Neoplasie 88, 99, 102, 105, 305, 401, 477, 481 Nephrolithiasis 372, 438, 507 Neurobiologische Adaptation 536 Neurologische Manifestationen 371 Nicht-Melanom-Hautkrebs 402, 405 Nichtsteroidale Antirheumatika 28, 331, 538 nichtalkoholische Fettleber 353, 354 Nikotinkarenz 274, 396 Nikotinkonsum 267, 270 NOD2 3, 4, 45, 303, 326 nodulär-regenerativen Hyperplasie (NRH) 30 Nokardien 383 Non-Hodgkin-Lymphom 61, 402 Normalanatomie 112 NOSE 189 NOTES 188, 259 Notfalleingriff 477 Novaminsulfon 538 NSAID 456, 516 NSAR-Enteropathie 91
O Okuläre Manifestation 349 Onkologische Chirurgie 481 Operationspräparate 104 Opiate 536, 539
P p53 85, 102 Pädiatrie 218, 435 pANCA 31, 36, 45, 298, 303, 439 Pancolitis ulcerosa 33, 81, 147, 442 Pankreatitis 41, 151, 223, 438, 539 Pannikulitis 338 Paracetamol 538 Paradontitis 371 parastomale Hernien 202 Paris-Klassifikation 100, 442, 443 Parks-Klassifikation 69, 74, 286 Pathogenese 3, 7, 19, 85, 303, 312, 349, 357, 377, 487 PBC 354 Pediatric Crohn’s Disease Activity Index 442, 444 Pediatric Ulcerative Colitis Activity Index 442, 446 Perforierte Colitis 173 Perianal Crohn’s Disease Activitx Index 129 perianaler M. Crohn 285, 337 perinealer Ultraschall 69, 75 Periphere Arthritis 326, 327 Periphere Spondylarthritis 325, 326 Persönlichkeitsstrukturen 523 Phänotyp 18, 27, 40, 43, 45, 51, 53, 57, 243, 436, 442 Phytotherapie 514 Polyethylenglykol 111 Polymedikation 472 Polypharmazie 472 Portalvenenthrombose 357 Post-Mononukleose-Lymphom 403 Post-transplant-like-Lymphom 403
Stichwortverzeichnis
postoperative Komplikationen 173, 208, 261, 267, 392, 393, 467 Postoperative Rezidivprophylaxe 264 postoperative Strategie 269 Pouch 178, 198, 208, 300, 303, 401, 457, 477, 482, 505, 506 Pouch-Funktion 183, 198 pouch-vaginale Fistel 188, 209 Pouchblutung 208 Pouchitis 182, 210, 290, 300, 303, 457, 486, 506 Pouchkarzinom 482 Pouchneuanlage 209 Pouchoskopie 185, 208, 210, 304 Pouchversagen 185, 192, 300 Prä- und postoperative Ernährung 503 Präbiotika 507 Prädiktion 27, 43, 266 Prävalenz 3, 17, 303, 311, 326, 341, 353, 361, 381, 385, 401, 469, 504 Prednisolon 39, 59, 139, 217, 333, 396, 397, 420, 452 primär biliäre Zirrhose (PBC) 353 Primär Sklerosierende Cholangitis (PSC) 29, 85, 353, 354, 401, 438, 481 Primärprävention 472 Probiotika 140, 210, 304, 419, 507 Probiotikum E. coli Nissle 147, 507 Procalcitonin (PCT) 32 Prognose 80, 105, 436, 484 Proktektomie 200, 291 Proktitis 18, 52, 61, 81, 142, 182, 202, 285, 442 Proktitis ulcerosa 53, 61, 81 Proktokolektomie 162, 171, 188, 198, 206, 297, 397, 401, 412, 457, 477, 483 – restaurative 171, 182, 477 Proktokolektomie mit ileo-pouch-analer Anastomose (IPAA) 171, 191, 192, 198, 206, 303, 412 Proktomukosektomie 181, 477, 482 Proliferationszone 106 Protektives Ileostoma 171, 185, 196, 207, 397 Pseudopolyp 38, 61, 80, 123 Psoriasis 29, 30, 42, 226, 232, 327, 341, 380 Psychische Störungen 527 Psychische Verhaltenseinflüsse 528 Psychodynamische Konflikte 523 Psychopharmaka 528 Psychosomatische Grundversorgung 525 Psychosozialer Belastungen 526
| 549
Pubertätsverzögerung 437, 448, 460 PUCAI 442, 455 Purinethol 474 Purpura 342, 441 Pyoderma gangraenosum 29, 132, 338, 445, 533 Pyostomatitis 340, 371 Pyostomatitis vegetans 340
Q Quantiferon 41, 381, 447
R Radiotherapie 202 Rauchen 11, 20, 43, 220, 267, 312, 342, 527 Raucherentwöhnungsprogramme 527 reaktive Dermatose 338 Refeeding-Syndrom 498 Reiz-Pouch-Syndrom 305 Reizdarmsyndrom 28, 83, 199, 313, 440, 504 Rektumexstirpation 242, 262, 488 Rektumresektion 261 Rektumstumpf 175, 208 Remissionserhaltung 146, 155, 162, 215, 218, 221, 307, 448, 503 Remissionsinduktion 140, 218, 228, 315, 448, 451 Reproduktion 411 Resektionsausmaß 241, 251, 267, 276 restaurative Proktokolektomie 171, 192, 457, 482 Restproktokolektomie 172, 176, 397 Retinitis 349, 385 Rezidiveingriff 273, 280, 282 Rezidivprophylaxe 264, 275, 278 Rezidivraten 247, 251, 264, 316 Rezidivrisiko 20, 83, 252, 265, 270, 272 Rezidivtherapie 273 Rifaximin 306 Riley Score 101 Risikofaktoren 28, 53, 61, 102, 173, 267, 274, 303, 358, 378, 395, 396, 402, 436, 478, 539 Risikogene 29 Roboter-assistierte Chirurgie 190 robotische Chirurgie 260, 261 Rutgeerts-Index 128 Rutgeerts-Score 83, 128, 265, 266
S S-Pouch 178, 203 Sakroiliitis 326, 329
550 | Stichwortverzeichnis
Sarkopenie 471 Schäumen 143 Schleimfistel 176, 397 Schmerztherapie 533, 536 Schub, akuter – Colitis ulcerosa 137 – Morbus Crohn 216 Schulungsprogramme 447, 526 Schwangerschaft 201, 262, 411, 413 Schweregrad der Erkrankung 55 Screening-Koloskopie 38, 88 Second-Look-Operation 282 Sedierung 417, 440, 470 Selbsthilfevereinen 463 Septische Komplikation 174, 185, 202 serologische Parameter 36 Serotoninwiederaufnahmehemmer 529 Sexualfunktion 177, 191, 200, 210, 484 sexuelle Dysfunktion 199, 200, 210 Short Form Health Survery 199 SICUS (Small intestinal contrast enhanced ultrasonography) 70 Sigmastenose 298 Sigmoidoskopie 82, 131, 417, 456, 471 Single incision laparoscopic surgery (SILS) 189, 259 Simple Clinical Colitis Index 131 Simple Endoscopic Score for Crohn’s Disease 127 Sinus tracts 120 Skelettalter 440, 459 Skleritis 349, 350 Smartphone-/Tablet-Anwendungen 459 Somatisch-Parietale Bauchschmerzen 534 Sondenernährung 495, 497, 502 SONIC-Studie 226, 230 Sonografie 65, 299, 440 SpA 325 Spasmolytika 536, 538 Spinaliom 402, 403 Split-Stoma 397 Spondylarthritis 325, 326, 329 sporadische Neoplasie 102 sporadischen Karzinome 99, 105 Sporadisches Adenom 99 Spurenelementsubstitution 495, 498 Stammzellen, allogene mesenchymale 292, 384 Standardimpfungen 386, 423 Ständige Impfkommission (STIKO) 386 Stapler 172, 183, 193, 206, 208, 276, 482
Stapler-Technik 182, 183 Stapleranastomose 183, 194, 206, 210, 482 Stenose 36, 52, 67, 79, 83, 92, 122, 127, 210, 243, 265, 275, 505 Stenosierender Morbus Crohn 243 steroidabhängige Erkrankung 59 Steroidabhängiger Morbus Crohn 222 Steroidabhängiger Verlauf 148, 219 Steroide 39, 139, 228, 379, 393, 396, 420, 474 Steroidreduktion 144, 149 Steroidrefraktäre Colitis ulcerosa 163 steroidrefraktäre Erkrankung 59 Steroidrefraktärer Verlauf 56, 145, 156, 219 Steroidresistenz 228 Stillen 425 Stomaanlage 196, 242, 261, 478 Streptococcus pneumonia 377, 383 Stress 519, 523, 525, 536 Stressmanagement 528, 540 Strikturoplastik 122, 249, 261, 262, 276, 278 Stufenbiopsien 36, 313, 440 Stuhldiagnostik 30, 31, 35, 455 Stuhlfrequenz 82, 131, 178, 198, 199, 203, 304 Stuhlinkontinenz 202 Stuhluntersuchungen 35, 439 Stumpfinsuffizienz 176 Submukosa 68, 112, 117, 123, 290 Subphänotypen 45 subtotale Kolektomie 173, 175, 191, 192, 397, 456 Sulfasalazin 137, 143, 216, 367, 412, 425, 452 Suppositorium 142 Surveillance-Pouchoskopie 305 Sweet-Syndrom 340 Switching 225 Symbiotika 507
T T-Zellen 4, 6, 150, 325, 379 Tacrolimus 141, 158, 228, 338, 379, 396, 412, 421, 457 – Analfisteln 288 TAMIS 188 Tanner-Stadien 438, 459 TaTME 189 TCM 518 Technische Rezidivprophylaxe 275 Th-17-Zellen 7, 341 Th-9-Zellen 7, 9 Th1-Zellen 6, 7
Stichwortverzeichnis
Th2-Zellen 6, 7 Therapiealgorithmus 146, 149, 318, 454 Therapieoptimierung 225, 458 Thiopurin-Methyltransferase 150, 223, 367 Thiopurin-Methyltransferase-Aktivität (TPMT) 223 Thiopurine 40, 41, 150, 223, 268, 288, 345, 392, 403, 420, 477 thromboembolische Komplikationen 357, 473 Thromboseprophylaxe 358, 478 Thrombozytenwert 33 Thrombozytose 33, 39, 358 tiefe Beinvenenthrombose 357 TNF-α 7, 33, 138, 325, 341, 381, 535 TNF-α-Antikörper 158, 160, 392, 447 TNF-Antagonisten 269 – Analfisteln 289 TNF-Inhibitoren 344, 403 total-enterale Ernährung (TEE) 502 total-parenterale Ernährungstherapie 498 totale mesorektale Exzision (TME) 176, 195 Totimpfstoff 387, 461 toxisches Megakolon 163, 173, 456 TPMT 40, 150, 223 TPMT-Aktivität 40, 367, 447 Transition 435, 462 Transkranielle direkte Gleichstromstimulation 540 Transmurales Enhancement 119 transrektalen Ultraschall (TRUS) 75 Triamcinolon 94, 247 Trinknahrung 495, 502 Trizeps-Hautfaltendicke 439 Trizyklische Antidepressiva 529, 539 Trommelschlegelfinger 438 Trough-Leveln 161 Truelove & Witts Severity Index 131 Tuberkulose 28, 41, 116, 158, 380, 441, 447 Tuberkulose-Screening 381 Tumormarker 462
U Übertragene Bauchschmerzen 535 Ulcerative Colitis Endoscopic Index of Severity 130
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Umgebungsfaktoren 20 Ursachen von CED 19 Ustekinumab 42, 155, 226, 232, 341, 380, 394, 422, 475 Uveitis 132, 327, 349
V variables Immundefektsyndrom [CVID] 441 Varicella-Zoster-Virus (VZV) 377, 384 Vedolizumab 9, 43, 141, 153, 225, 231, 345, 380, 393, 412, 426, 475 Verlaufsformen 55 Verlaufsmonitoring 37 Videokapselendoskopie 37, 266, 440 Virale Infektionen 377, 384 Viszerale Bauchschmerzen 534 Vitamin B12-Mangel 38, 368, 500, 533 Vitamin D-Mangel 460, 501 Vitaminsubstitution 498 VSL#3 10, 140, 306, 307, 453, 457 – Escherichia coli Nissle 453
W W-Pouch 178, 203 Wachstum 218, 438 Wachstumsretardierung 437, 448 Wachstumsstörung 437, 459, 462 Weihrauch 514 Weißlichtendoskopie 86 Weizengras-Saft 517 Wermut 516
X Xanthinoxidase 474
Z Zellkerne 106 Zervixkarzinom 404 Zinkmangel 343, 500 Zirkular-Stapler 184 Zöliakie 305, 439 Zwei-Spektren-Röntgen-Absorptiometrie 439 Zweitlinientherapie 153, 456 Zweizeitiges Vorgehen 171