Theater: Band 19/20 [Reprint 2021 ed.]
 9783112408445, 9783112408438

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Il«g. Will). Iffland. Erste vollständige Ausgabe. Mit -iographie, Portrait und Facsimile des Verfajsers.

Ntun)ehntrr Ban).

Wie«, 1848. Wring von Ignaz Klang, DnchhLndlrr.

Herr Bergma n n, ein Kaufmann.

Seine Frau. Franz Lest. ) ? ihre Söhne erster Ehe. Karl Lest, )

Mamsell Bergmann, de- Kaufmanns Schwester. Herr Lest, Onkel von Franz und Karl. Henriette, in Bergmanns Haufe erzogen. Herr Faß, Buchhalter bei Bergmann.

Klaviermeister Mirkel.

Rath Harber. Ein Bedienter.

Erster A « f z « g. (Zimmer bei Herrn Bergmann mit zwei Seiten- und einer Mittelthüre.) Erster Auftritt.

Herr Faß steht an einem Tische, siegelt eine Menge Briefe, etliche mit Siegellack, die mehresten mit Oblaten. Madame Bergmann tritt ein. Äkad . Bergmann. Herr Faß! Faß. Madame! (Siegelt und fleht fich nicht um.) Mad. Bergmann. Ich habe mit Ihnen zu reden. Faß. So? (Siegelt.) Mad. Bergmann. Ist es Ihnen gefällig, mich anzuh'ören? Faß (tritt zn ihr). Wird das Reden lange dauern? Mad. Bergmann. Nachdem es fällt. Faß. So will ich nur erst hier — (Er löscht das Licht aus.) Die Lichter sind diesen Monat wieder merklich im Preise ge­ stiegen. Mad. Bergmann. Ich bin sehr unjufrieden mit Ihnen. Faß. Wie gewöhnlich. Mad. Bergmann. Weshalb besorgen Sie heute Ihre Korrespondenz hier oben, und nicht im Komptoir? Faß. Dero Herr Gemahl, mein verehrter Herr Prinzi­ pal, haben mich damit hieher beordert. Mad. Bergmann. Und weshalb das? Faß. Vermuthlich deshalb, damit ich ein bischen ein Auge auf den Unfug seiner beiden Herren Stiefsöhne werfen kann.

6 Mad. Bergmann. Was thun meine Söhne? Fass. Allenfalls — nichts! daher kommt das Aergerniß. Mad. Bergmann. Arbeiten nicht Beide so emsig? Fass. Der Herr Franz pinselt, der Herr Karl musicirt! heißt das Arbeiten? Mad. Bergmann (seufzt und schweigt eine Weile). Mein Herr Faß! Sie sind, glaube ich, ein erfahrener Handels­ mann; wenigstens haben Sie Ihren eigenen Geschäften bei uns recht gut zu rathen gewußt; aber von der Kunst verstehen Sie nichts. Fass. Sind Madame mit mir fertig: so will ich mein Licht wieder anzünden, und hier an meine Geschäfte gehen. Mad. Bergmann. Mein Mann war gestern Abend fin­ ster, und sehr rauh mit mir. Fass. Ein armer Hausvater kann heutiges Tages nicht mehr zuni Lachen gelangen. Mad. Bergmann. Es war meine Pflicht, meine Söhne gegen seine bittern Ausfälle zu vertheidigen. Fass. Davon verstehe ich nichts. Mad. Bergmann. Ehedem war mein Mann nicht so sonderbar. Fass. Man wird älter. Mad. Bergmann. Sie bringen ihn gegen meineSöhne auf. Fass. Er sieht selbst was zu sehen ist. Mad. Bergmann. Sie haben keinen Sinn für häus­ liche Freuden und milde Begegnung; Sie Haffen meine Söhne, weil Sie den Frohsinn hassen. Fass. Ihre Söhne lieben mich auch nicht besonders — Mad. Bergmann. Sie haben es darnach gemacht;

7 immer haben Sie die jungen Leute geneckt, verfolgt, ver­ leumdet. Faß. Sie haben Zungen, wie zweischneidige Schwerter. Mad. Bergmann. Lassen wir dies alles! Sein Sie so ehrlich, und sagen mir, was ist die Ursache von dem wider­ wärtigen Humor meine- Mannes? — hat er vielleicht in seinen Handelsgeschäften Verlust gemacht? Faß. Eibewahre! Unsere Geschäfte gehen vortrefflich. Das kann auch nicht ander- sein; denn unsere Spekulationen sind nicht lustig auf Leinwand gemalt, noch fingen wir sie in Arien ab; wir betreiben sie im Schweiß unsers Angesichts. Ja, ja, Madame! Mav. Bergmann. Was verlangt denn mein Mann eigentlich von meinen Söhnen? was will er, daß sie thun sollen? Faß. Sie sollen ihr Stückchen Brot ordentlich erwerben. Mad. Bergmann. Man muß ihnen Ruhe taffen, so werden sie dazu gelangen. DieAuftritte, die feit geraumer Zeit hier im Hause vorgehen, rauben alle Muße und Laune zur Arbeit. Faß. Der Herr Prinzipal und ich, wir haben alle Tage Muße zur Arbeit, und alle Morgen mit dem Schlage sieben Uhr sitzen wir am Schreibpulte, ohne zu fragen, ob wir Laune haben, daran zu sitzen. Mad. Bergmann. Bei der Art Ihrer Arbeit geht das an. Faß. Unsere Herren Korrespondenten fragen nicht, ob wir Laune haben. Die Frachtleute bringen und holen, ohne nach unserer Laune zu fragen. Mad. Bergmann. DaS alles in Ehre und Würden! so

begreifen Sie doch , daß ich für mich um bessere Laune bitten kann. Faß. Bitten? Ja. Mad. Bergmann. Bis jetzt habe ich mich noch nicht auf meine Rechte berufen; aber es wird allmätich Zeit dazu. Faß. Nehmen die werthe Madame nicht ungütig! eS steht geschrieben: er soll dein Herr sein! Mad. Bergmann. Aber es steht nirgend geschrieben: — Dein Herr soll unartig fein. Faß. Der Herr Prinzipal wird dahin gebracht. Mad. Bergmann. Durch Sie, mein Herr! Faß. Geschäftsleute können keine Narrentheidung er­ tragen. Mad. Bergmann. Meine Söhne begegnen ihrem Stief­ vater mit Respekt. Faß. Im Hause sagen sie ihm guten Morgen, und ziehen auf der Straße den Hut vor ihm ab. Mad. Bergmann. Man begegnet ihnen hart und ver­ kehrt in allem waS sie lieben. Faß. Sie lieben verkehrte Dinge. Mad. Bergmann. War eS anständig, daß ihr ehrli­ cher Onkel gestern Abend so angefahren wurde? Faß. Von dem Herrn Onkel wollen wir gar nicht reden; der Onkel muß gar nicht hieher kommen? Mad. Bergmann. Er hat ja seit acht Jahren unser Haus gestern das erste Mal wieder betreten; und weshalb? Faß. Seine 3mfen zu holen. Mad. Bergmann. Nein! bessere Verhältnisse zwischen uns allen zu stiften; darum ist der Ehrenmann gekommen. Faß. Ein schöner Ehrenmann, der Herr Onkel!

s

Mad. Bergmann. Ich verbitte jedes kränkend« Wort

gegen ihn. Faß. Ich weiß wohl, daß er der Onkel der Herren ist; Herr Bergmann weiß e< auch; aber daß mein Herr Prinz!pal sein armseliges Kapital in die Handlung genommen hat,

geschah nur auS Gefälligkeit für Sie, Madame! Mad. Bergmann. Nützt sein Kapital meinem Manne nicht mehr, so muß er eS ihm aufkündrn; ich höre auch, daß

er daS will. Faß. So? wo wird der Herr Schwager denn wieder

fünf Prozent bekommen? Nirgend.

Mad. Bergmann. So wird er von vieren leben. Faß. Von hundert und zwanzig Thalern jährlich? Zwar

er lebt nicht viel besser, al- im Hospital! — Madame! daS sage ich Ihnen,

dieser Schwager ist Ihrem Manne ein

Gräuel. Mad. Bergmann. Leider! Faß. Von Rechtswegen.

Er dient ja für unsere ganze

Stadt zum Spektakel.

Mad. Bergmann. Weil er anders lebt, wie unsere ganze Stadt.

Faß. Hat keinen Dienst — Mad. Bergmann. Keinen Dienst verlangt.

Faß. Kein Geschäft — Mad. Bergmann. Kein öffentliches Geschäft.

Faß. Lebt vier Treppen hoch — Mad. Bergmann.

Wer wenig hat, muß wenig be­

dürfen.

Faß. Er ist eS, der Ihre Söhne in den Grund hinein verderbt hat.

XIX.

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Mad. Bergmann. Ihr Onkel ist der Einzige, der ihnen Erhebung gibt, wenn sie hier im Hause abgetodtet sind. Faß. Mit Einem Worte! der Onkel ist ein Mann, der nichts gilt, nichts ist, nichts vorstellt, nicht-vermag. Mad. Bergmann. Diese Fehler entfernen weder mich, noch meine Kinder von ihm. Faß. Halten Sie daS, wie Sie Lust haben. Mein Herr Prinzipal aber will, daß daS muffige Leben aufhört, daß Ihre Söhne ein festes Einkommen erwerben, oder eS thut nicht gut. So viel sage ich Ihnen jetzt, und nun ertauben Sie, daß ich mein Licht hole, und wieder an meine Arbeit gehe. (Er geht mit dem Licht ab.)

Zweiter

Auftritt.

Madame Bergmann

allein.

Sonderbar! Mein Mann muß eine unbekannte Veran­ lassung zu dem harten Widerwillen gegen meine Söhne haben. — War er auch nie von feiner Empfindung; so war er doch ehedem ein ziemlich gutmüthiger Mann. — Vielleicht gibt meine Schwägerin mir Auskunft! Zwar — die bietet mir nichts, als verkehrtes Wissen, und ein erstorbenes Herz! In­ deß muß es gewagt sein. Kein Mittel soll unversucht bleiben, was den Frieden meines Hauses erhalten kann. (Eie gebt; ihr begegnet Herr Faß mit dem brennenden Lichte. und siegelt weiter.)

Vritter

Er geht an den Tisch

Auftritt.

Herr Faß allein. Fahrt ihr nur stolz daher! Ich gehe hübsch demüthig am Erdboden, und es wird mir doch alles zufallen, was hoch

11 oben hängt. — Dem Herrn Bergmann sind die Jungen zu­ wider, weit sie gar nichts Solides haben. Verwandte hat er nicht------- ich arbeite solide — habe ich die Monsieurs aus dem Hause gebracht — wer ist der Erbe? Ich! Das ist ja natürlich. Dann sehe ich mich nach einem feinen Kinde um, mit einer klaren Haut, solider Denkungsart, und einem hüb­ schen Füßchen nebst Zubehör — und lebe in demüthiger Glo­ rie noch viele Jahre. — Jetzt wird Johann das Spottbild, das im Bilderladen gegen Herrn Bergmann und mich zum Verkauf aushangt, dem Herrn wohl gezeigt haben; — dann schickt er sie gewiß fort. Vierter

Austritt.

Franz mit einer Mappe. raß. Franz (kommt schnell herein, rückt rasch ein Tischchen neben Faß, setzt sich, besieht seine Zeichnung, dann firirt er Faß).

Faß (läßt alle- stehen und liegen, sieht ihn starr an). Franz (zeichnet). Schön ! (Er sieht ihn wieder an, und zeichnet, hort auf, sieht ihn nochmals an.) Göttlich! (Zeichnet.) Faß (ganz starr). Nun sage mir Einer, was da- vorstellt! Franz (betrachtet ihn ernst). Still! (Zeichnet weiter.) Faß. Hahaha! Franz (sieht ihn an). Bravo! (Zeichnet weiter, sieht ihn dann an.) So ! (Sieht die Zeichnung an, dann wieder ihn; mit Feuer und

Noch einmal gelacht! noch einmal! Faß. Nun will ich nicht — Franz. Still! (Erzeichnet.) Faß (steht auf). Bin ich denn hier — Franz (steht auf, tritt einen Schritt zurück, und sieht ihn an),

Ernst ruft er:)

o •

12 r«» (faltet gedankenvoll die Hände, und sieht ihn dumm an). (Pause.) (schlagt feierlich in die Hände, deutet dann mit einer ge­

streckten Hand auf ihn hin, und ruft begeistert): Du bist mein Teu­

fel ! (Setzt sich rasch hin und zeichnet.)

Faß (setzt beide Hände Franz (fonzeichnend,

in die Seite). Ei verflucht — und ohne aufzusehen).

St! St! —

Nur einen Augenblick noch.

Faß

(tritt vor den Tisch zu ihm). Herr! Sie sollen wissen —

(Gr schlägt auf den Tisch.)

Franz (fährt auf). Was wollen Sie denn? Faß. Was malen Sie? — Franz. Es ist nur eine Zeichnung — Faß. Was stellt ste vor? (Gr will hinein sehen.) Franz (hält fie ihm hin). Den Versucher in der Wüste. Faß (sieht es an). Das bin ich. Franz. Richtig! Faß (greift darnach). Her damit — Franz (wendet sich rasch). Nicht doch! Faß. Mich als bösen Feind hinzustellen! der Donner und da- —

Franz (lebhaft). Sie sind eS. Faß (außer sich). Was? Ich wäre so ein Schandgesichr — Franz. Die ganze Stadr gibt mir nicht so das Original dazu.

Faß* Ich zeige es dem Herrn Vater an. Franz. Ich beweise Ihnen ja die größte Ehre damit. (Gr setzt schnell den Tisch weit von ihm, und zeichnet weiter.) Faß (stampft mit dem Fuß). Mich als Luzifer zu malen! Franz (zeichnet). Luzifer ist ein ganzer Kerl! Er hat eine entschiedene Charakteristik.

Faß (heftig). Was heißt das? Franz (sieht ihn an). Bravo — bravo! — dieser Zorn

— Bravo! dieser Ingrimm — bravissimo! (Zeichnet weiter.) Faß. Muß ich das erleben? Kinderspott zu sein! dafür verlange ich Genugthuung, und eine recht kräftige Genug­ thuung — (er heult fast vor Wuth) oder ich räche mich auf eine entsetzliche Manier. Franz (hort auf, sieht ihn an). Faß. Das sage ich Ihnen, (er weint vor Bosheit) recht

gräßlich räche ich mich. Franz (seuftt, steht auf, mit wirft die Mapoe ni). Jetzt ift’5

vorbei. Faß. Was? Franz. Das ist gemein, der Teufel heult nicht. Jetzt

kann ich Sie nicht mehr brauchen. (Ersetzt den Nun gehen Sie nur wieder an IhreArbeit!

Tisch bei Seite)

Faß (sieht ihn an). Franz. Der Augenblick ist vorbei. — Im Ernst! — ar­

beiten Sie nur weiter — Faß. Sind Sie vielleicht — Franz. Was? Faß. Denn, wenn es so wäre — müßte ich Ihnen wie ein Christ vergeben. Franz. Nun? (Er sieht ihn an.) Sapperment! wenden Sie sich von mir weg! Sie verderben mir mein ganzes Ideal — Faß (faltet die Hände). Gerechter, langmüthiger Schöpfer! Franz. Nun ist's für heute ganz aus! Jetzt haben Sie so eine gemeine, jagende, frömmelnde Physiognomie — die ist zu nichts jU gebrauchen. (Er siebt in tie Zeichnung.) S o muß

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er sein — das ist er! hier steht er, der arglistig Gewaltige — sehen Sie her — da den Blick, der es schon ausruft, das Zeter über den angekrallten Raub------ bei Gott! Herr Fast! — so wie Sie hier auf der Zeichnung stehen und blicken und brüten, suchen und fassen, — so, gerade so sehen Sie aus, wenn Sie mir oder dem Bruder ein Bein gestellt, — oder am Posttage, wenn Sie ehrliche Korrespondenten umgangen, eingezäunt, und des Wuchercrtriumphes gewiß, freundlich unter den Seelenverkauf geschrieben haben: Ew. Edlen dienst­ williger Diener. Faß (bei £fitc). Es ist richtig; ich glaube es. (Zn ihm.) Herr Lest — Franz. Nun? Faß. Wie befinden Sie sich ? Franz. Trcellent! (@r faßt ihn an.) Faß (ängstlich). Lassen Sie mich! Franz. Was ist das? (Pause.)

Franz

(lacht auf).

Ich verstehe.

(Lacbt.)

Sie glauben, ich

sei toll? Faß. Manchmal laßt die Vorsicht so Straferempel ein­

treten. Franz. Ich bin wohl und sehr wohl. Wahrhaftig, ich bin nicht toll. Faß (nimmt sich zusammen). Herr! — wenn S i e nicht toll sind, so muß ich toll über Sie werden. Franz. Das verhüte Gott! denn ich kann Ihren Anfall zu nichts brauchen. Faß. Sapperment! noch einmal! die Wuth erstickt mich —

15 Franz (lebhaft). Nein! denn wenn Sie den Anfall bekä­ men — ich wette, nicht eine einzige große, hohe Wirkung, kein« Muskel von Laokoon wäre zu sehen. — Lauter kleine, arme Krümmungen — lauter schlaffe Muskeln des prügel­ bangen Missethäters. Fatz. Erst der Teufel, dann ein Missethäter — fort zum Papa! Franz (hSlt ihn auf). Heda! — Ein Negotium — Faß. Nichts — Franz. ES betrifft die Handlung — Faß. Die geht Sie nichts an — Franz. Sie selbst! Ihr Geld — Faß. Was ist das? Franz. Sie selbst, ja Herr! habe ich Sie auch als schwarzer Engel gemalt, so bin ich doch nicht so schwarz, Ih­ ren Schaden zu wollen. Faß. Zur Sache! Franz. Ich meine, einmal gehört zu haben, daß einer von beiden, mein Stiefvater oder Sie, Geld in Heinig'S Lie­ ferung stecken hätten. Faß (erschrocken). So ziemlich, ja. Nun? Franz. Heinig steht schlecht. Faß. Gerechter — Franz. Leute, die es verstehen, behaupten es für gewiß. Faß. Woher? wie wissen Sie — Franz. Das geht Sie nichts an. Nehmen Sie Ihre Maßregeln, und da mein Stiefvater mich gar nicht mehr an­ hört, so warnen Sie ihn, wenn er dort Geld stehen hat. Faß. Ich bin mehr todt als lebendig — Franz. Sie sind schon lange todt.

16 Faß. Wissen Sie denn etwa, daß Heinig bald brechen wird — Franz. Man fürchtet es, da so viele auswärtige Häuser zu fallen drohen, mit denen er in genauer Verbindung steht. Faß. Auswärtige Häuser wollen fallen? wir habe« keine Briefe. Mein Gott! woher wissen Sie — Franz. Nun lassen Sie mich ungequält! denn derglei­ chen Geschäfte sind mir gewaltig zuwider. Faß. Wenn ich nur wüßte — Franz. Ich muß zu meinem Bruder; ich habe ihm ver­ sprochen, daß wir Musik machen wollen. Fahre wohl, mein Teufel! — Bose bist du, aber doch ein armer Teufel! (Er geht mit der Mappe in Karl « Zimmer.)

Faß. Armer Teufel? Ja wohl! wenn Heinig brechen sollte — der blutärmste Teufel in der ganzen Stadt. Steht doch mein sauer und mühselig erworbene- Hauptkapital bei ihm. —Was mache ich? Mit Herrn Bergmann gemein­ schaftlich agiren? Bewahre! — ich agire allein. Sein Ka­ pital ist zu groß. Wenn ich vor Thorschluß mich klug betrage, so menagiren sie mich, und ich rette, so Gott will, das Mei­ nige. Herr Bergmann mag zusehen. — Kömmt da Jemand — Still! es ist der Alte — richtig. (Er gebt zu den Briefen.) Ich lasse mich gar nichts merken. FA u ft er

Auftritt.

Faß. Herr Bergmann. Bergmann. Heda! wissen Sie eS schon? Faß. Was? Bergmann (gibt ihm ein kleines illnminirtes Bild). Da! wer ist daS?

Fatz. Ei du mein Gott! Bergmann. Das find Sie und ich — Fatz. Auf den Knien vor einem Geldsack — Bergmann. Werden in einem Bilderladen für einen Groschen verkauft. Fatz. Da- ist ja entsetzlich! Welcher Bösewicht hat das anfertigen lassen? Bergmann. Meine Stiefsöhne — Fatz. Ei! das glaube ich doch nicht. So arg — Soll­ ten sie wohl so arg sein können? Zwar — Bergmann. Das hat der Maler angegeben! wer sonst? Fatz. Er malt wohl dergleichen; aber — Bergmann. Ich lasse alle die Dinge auflaufen. Die Kerl sollen den Jubel nicht erleben, daß sie meinen Aerger erblickten. Aber fort, aus meinem Hause müssen sie morgen des Tages. Fatz. Ja! es wäre wohl das Beste. Bergmann. Die Bursche lachen mich aus, treiben ihren Spott mit mir. Fatz. Das wäre doch recht undankbar. Bergmann. Noch neulich war ich bei dem Prahler, dem Kaufmann Gerson — Kaufmann? Es ist auch so ein Kauf­ mann, am Ende —scilicet Bettelmann! Was geschieht? Zerrt und schleppt mich das Volk von einem gemalten, ge­ schnitzten Kopfe zum andern, zeigt mir alle verdammten Sel­ tenheiten. Ich? Nun ich gaffe daS alles an, wie ein mala­ barisch Buch, bis ich auf eine große Wackelpagode von Por­ zellan komme, die ich denn ehrenhalber loben will — so fährt daS Kunstkramgesindel mit einem Teufelslachen auseinander, daß ich nicht weiß, woran ich bin, und da stehe, wie ein Esel.

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Faß (verbeugt sich). Sans comparaison. Bergmann. Der Musje Franz ist in den Zieraffen, die Jungfer Gerson, verliebt — Faß. Ein reiches Kind. Bergmann. Sie geben sie ihm doch nicht. Das ganze Gerson'sche Haus läßt sich umsonst von ihm malen, damit holla! der Andere, der Musikant, ist in meine Pflegetochter, meine Jette verliebt. Faß. Ja, ja! d'rum kann ein anderer honnerer Mann dort kein Gehör finden. Bergmann. Diese Jette ist mein einziger Trost auf der Welt! Gewesen — denn jetzt haben die Bursche eine verdrehte Kunstmamsell aus ihr gemacht. Faß. Sie ist ganz thöricht verliebt in ihn. Bergmann. Sie kriegt ihn nicht. Und er betrügt sie gewiß. Faß. Freilich. Bergmann. Der Mensch seufzt immer in den Mond; der ist gewiß schon in Andere vernarrt. Faß. Die er auch betrügt. Bergmann. Ist Ihnen so was bekannt? Faß. Das will ich meinen. Bergmann. Schaffen Sie mir die Beweise! Faß. O Gott ja. Bergmann. So ist das Mädchen von ihrer Liebe kurirt. (Er geht zu den Briefen.) Da arbeitet man — plagt sich, schafft, denkt, rechnet und trachtet— für wen? für Teufelskinder, die ihr Leben mit Singen, Springen und Pasquillen zubringen. Punktum! — Morgen müssen sie fort. Halten Sie die Kapitale der Bursche in Bereitschaft! Ich will sie auszahlen,

19 damit ich ihrer Mutter beweise, daß ich mehr werth bin, als ihre Rabensöhne. Faß. Geschieht das bald? Bergmann. Heute noch. Faß. Hm! — So? heute? Bergmann. Heute noch — heute! Ach! Gott sucht mich recht heim. Eine Frau, die beständig Bücher liest, Stiefsöhne, die malen und pfeifen, eine Schwester, die unvernünftig ge­ lehrt, reich und geizig ist. Wo ich mich hinwende — Farben­ flecken und alte Pinsel; wo ich hin höre — Gedudel und Po­ saunen. Wenn ich reden will, — dumme Kunstgespräche; wenn ich sparen will, Geld für krummbeinige Noten und Pinsel. Gestern vollend- der Onkel — Faß. Ja, der Onkel! Bergmann. Ich habe mich gestern Abend geärgert über meine Frau, über die Kerl und ihren aberwitzigen Onkel, — daß ich eS noch nicht aus den Gliedern bringen kann. Faß. Und was ist mir arrivirt? Eben hat mich der Aelteste gemalt als Fürst der Finsterniß. Bergmann. Was? Faß. Hier im Zimmer. Bergmann. Vor Ihren Augen? Faß. Wie ich da bei den Briefen war. Die Kleidungs­ stücke waren zwar anders als die meinigen; aber meine Lineamenten waren zu sehen, wozu denn der Pferdefuß gefügt war, nebst denen Hörnern, wie auch dem langen Schweife. Bergmann. Halb todt schlagen hätten Sie ihn sollen, das Tintenfaß in's Gesicht werfen — Faß. Ei nun! Am guten Willen dazu fehlte es mir nicht;------- aber der Herr Franz sind etwas beträchtliches kapabler als ich —

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Bergmann. Aus dem Hause mit den Jungens! (Im Nebenzimmer hört mein vom Klavier und einer Flöte begleitet eine Frauenzimmerstimme singen.) O Freundschaft! erstgeborneS Kind DeS liebevollesten der Wesen! Süß, wie die Träume vom Genesen Dem hoffnungsvollen Kranken sind. O dieses Lebens Labyrinth, Was wär' es ohne dich?

Bergmann

(sagt in derMitte desGesanges).

Die Kerls brin­

gen mich noch um.

Fast

(nimmt die Briefe zusammen). Ja

— wir arbeiten: die

singen — vom liebevollesten Wesen.

Bergmann (gegen das Ende des Gesanges). Schreiben Sie auch dem Onkel, daß ich ihm sein Kapital, seine drei tausend Thaler künde — so bin ich das Volk alles auf einmal los — (Er geht hastig auf das Zimmer zu, will bineinrennen, bleibt flehet:,

ergreift einen Stuhl, der neben der Tbür fleht, wirkt ihn mit aller Ge­ walt vor der Tbür nieder, eilt Zornig durch die Mitte hinaus, indem er

sagt:) Singt, daß ihr toll werdet. Henriette. Mein Gott! I . Franz. Was Teufel! f (3,,ror,mj )

Sechster Auftritt. Karl kommt heraus. Fast. Karl. Was war das? Fast. Das war der Vater. Karl. Das ist nicht wahr — so kann mein Vater nicht thun.

Fast. Hm! Mindere Leute setzen denen, die sie nicht mehr im Hause haben wollen, den Stuhl vor die Thür: Herr

21 Bergmann wirft ihn vor die Thür — der Unterschied ist so groß nicht. Karl (will heftig antworten, faßt sich und sagt, indem er »ach der Thür zurückgeht). Er ist mein Stiefvater. Fast. Hat aber viel wirkliches Geld. Karl (dreht sich an der Thür um). Verlange ich einen Heller von seinem Vermögen? (Er rost in da« Zimmer.) Sein Sie ru­ hig, liebe Henriette! eS war nicht- — (Zn Faß.) Sehen Sie — sehen Sie herein! — das gute Mädchen ist so erschrocken — sehen Sie, wie sie jittert! Fast (sieht hinein). Der Musse Franz ist ja bei ihr — der kann sie ja so malen — wie sie auf dem Stuhle da liegt. Der malt alles — Engel und Teufel! Arme Teufel — und arme Engel. Karl. Erbärmlicher Mensch! (Er geht hinein und schlügt die Thür zu.)

Fast. Erbärmlich! O ja — wenn ich an Heinig's Ban­ kerott denke — sehr erbärmlich! (Er seht sich.) Geschwind dem Herrn Onkel die Aufkündigung geschrieben und dann zu Heinig'S, und wo möglich, mein Geld salvirt. (Er schreitt.) Siebenter Auftritt. Fast. Onkel Lest. Onkel. Guten Morgen, Herr Faß! Fast (sieht auf, ohne umznsehen). Haha! (Er schreibt.) Auch so viel.

Onkel (kommt nüher). Man sieht sonst die Leute an, von denen man begrüßt ist. Fast. Bin sehr preffirt. Onkel. Ich wünsche, Herrn Bergmann zu sprechen.

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Faß. So suchen Sie ihn auf! Cttfcl (er geht, kommt wieder). Herr Fas»! Faß. Nun? -Onkel (kalt). Sie sind mir fatal. Faß. Gleichfalls. Onkel. Gut! wer bei der Wahrheit bleibt, betrügt nicht. Faß. Ich möchte auch wissen, wie man einen betrügen kann, der nichts hat. Onkel. O ja. Man kann ihn um seine Hoffnungen be­ stehlen. Faß (gibt ihm das Papier). Da! hier haben Sie eine Ge­ wißheit. Onkel (liest). Faß (steht auf). Befehlen Sie auch, daß der Brief erst gesiegelt werde? Onkel. Mein Kapital mir aufgekündet? Faß. Ja, wie Sie sehen. Onkel (steckt den Brief ein). Nun, Herr Nefas! ist der gestrige böse Hauszank ausgeglichen? Faß. Wen geht das an — Onkel. Mich. Madame Bergmann war meines seligen Bruders wackere Frau — Faß. Und sie sind der lieben Kinder Herr Onkel — Aber — Onkel. Richtig! Onkel ist leicht besser als ein Titularvater. Faß. WaS? (Erzürnt.) Herr Bergmann ist ein Mann, der — Onkel. Ein Mann, der ein Haus kaufen, Zucker, In­ digo und Reiß kommen und versenden lassen, vor Gericht als

23 Zeuge gelten, ein ehrbares, langweiliges Diner geben kann! Ein Mann, der alles verstellen kann, nur nicht den Vater von guten Künstlern. Faß. Ein Paar künstliche Künstler, die Monsieurs! Onkel. Richtig! mein Schatz! Faß. Vom Vater aus hat jeder zwei tausend fünf hun­ dert Thaler. Herr Bergmann hat das Geld so gedrehet und gewendet, daß jeder nun sechs tausend Thaler hat. Onkel. Brav! Aber für zwölf tausend Thaler kauft man doch noch keine solche Künstler. Faß. So? Ich gebe keine zwölf hundert Pfennige dafür. Onkel. Das noble Dekret steht auf Ihrem Antlitze. Faß. So denken hier mehr Leute. Onkel. Gott sei es geklagt! Faß. Viele und vornehme Leute. Onkel. Philister, wie Sie. Faß. Was? Ich bin ein reputirlicher Mann — Onkel. Den blos reputirlichen Leuten gehe ich auS dem Wege. Faß. Das thun die Herrn Vettern auch. Onkel. Gottlob! Faß. Da haben wir es. Solche Saat, solche Ernte! Nehmen Sie ein Exempel an sich selbst! Sie haben sich nicht nach der Welt richten, nicht im Schweiße Ihres Angesichts arbeiten, nicht gute Worte geben, und um schön Wetter bit­ ten und beten wollen: drum sitzen Sie da, sind ein armer Mann, und der Leute Spott geworden. Warnen Sie Ihre Vettern, daß sie sich bei Zeiten umsehen, Hand anlegen, und Tag und Nacht arbeiten, damit sie ihr Stückchen Brot in der Welt erwerben mögen, sonst —

24 Onkel. Gehen Sie zum Henker!

Faß. Sonst macht der Stiefvater die Gnadenrhür zu, schiebt sie auf die Straße hinaus, und dann hat die Kunst­ herrlichkeit ein Ende. Ja! (Er geht.)

Ächter Äuftritt. Onkel Lest allein. Hm! (Er reibt die Hande.) Wenn mich die Gemeinheit der Menschen noch ärgern könnte, — oder dürfte, — so wäre der Kerl im Stande, mich zu der Uebereilung zu bringen, daß ich meine Hand hart an seine Ohren legte. (Ergeht heftig auf und nieder.) Holla! (Er steht still.) Lang­ sam! — langsam! (Die Hand an den Kopf.) Hat denn dieses Blut in so manchem Sturme, darin die Verkehrtheit der Menschen mich getrieben hat, noch immer nicht ausgetobt? — Ei, ei! — nieder ihr Wellen — nieder mit euch! Freilich — wenn so ein Menschen thi er-------- bei aller Hoffnung und Blüte wackerer Bursche nicht- ander- denken kann, als wie sie mit aller der Kraft, die in ihnen wohnt, ein Stückchen Brot — Brot! — und nur ein Stückchen! erringen mögen: so lebe ich mit einem Male wieder in der Zeit, wo matte dumme Wesen mich mit ihrer niederträchtigen Demuth eingeengt, abgeschätzt — und alle Wege und Stege mir abgegraben haben, daß nichts mir geblieben ist, — als das Erkenntniß, was alles aus mir hätte werden können — was ich aber nicht geworden bin. (3n Gedanken und Unmuth schlagt er mit dem Stocke auf den Tisch, an dem er eben steht.) Ei! — was habe ich da gemacht!

(Er sieht ihm nach.)

Neunter Auftritt. Karl. Franz. Onkel Lest.

Karl. Ach! — Sie sind es! Franz. Ich dachte, der Papa spukte da herum. Onkel. Nein — meine selige Jugend spukte zu guter Letzt noch einmal. — Grüß euch Gott! Karl. Ihr edleS Herz führt Sie her. — Sie wollen uns mit dem Vater ausgleichen? Onkel. Ja. Franz. DaS geht nicht. Karl. Versuchen Sie eS nicht! Onkel. Ich will doch. Karl. Er wird Sie seinen Unwillen empfinden lassen. Onkel. Ich will ihn die Vernunft empfinden lassen. Karl. Wir drei und der Vater, wir sind zu weit aus­ einander — Onkel. Wer weiß! Franz. Weshalb wollen Sie sich Aergerniß zuzieheu? Onkel. Ein Bischen Aerger schadet nicht. Es ist das Salz zum Leben. Karl. Galle macht nichts besser. Onkel. Meine Geschäfte mit der Welt sind vorbei; — aber eure Köpfe sähe ich gern im rechten Lichte aus­ gestellt. Franz. Wird werden, guter Onkel! wird werden. Karl. Wir haben noch keine Forderung zu machen. Onkel. Gute Künstler — müssen wackere Menschen sein — oder ihre bessern Kräfte gedeihen nicht zur Vollen­ dung in der Weihe, die sie für da- Gute und Schöne empfanXIX. 8

26 gen haben, sondern sie berauschen sich, wie gemeine Schwel­ ger, im Freudenketch aufgereizter Gefühle, und taumeln sinnlos durch das Leben, wo nur dann und wann die Spuren wilder Kraft auf ihrer Bahn zurückbleiben. Gute Künstler sind gute Söhne. Franz und Karl. Vater! (Sie umamten ihn.) Onkel. Da- seid ihr eurer Mutter, und mir — seid auch eurem wunderlichen Stiefvater duldsame Freunde! Franz (macht flch los). Es geht nicht an. Karl (an seinem Halse). Wenn Sie alles wüßten, — wenn es das zartere Gefühl verstattete, Ihnen alles zu sagen, wie man un- weh thut, und doppelt weh in denen, die wir lieben, — Sie würden unS selbst aus diesem Hause führen. Franz. Waren wir je fremd, unkindlich gegen Sie? Onkel. Nein! o nein! Sonst lebte ich nicht mehr; denn ich lebe nur in euch. Aber wenn Alles so ist, ihr nun in die Welt zieht, und ich euch nachsehen muß — was kann ich für euch dann noch thun? Wünschen und seufzen! Franz. Wie? so geringen Begriff hätten Sie von Ih­ rer Kraft, und wie Sie unS damit in die Höhe gehalten haben! Onkel. Ich danke — (Er reicht ihm die Hand.) Karl. Was wären wir ohne Sie? Wer gab uns Muth zum Wollen, Glauben an unsere Kraft? Ach! Sie haben jene selige Kindlichkeit unserer Gefühle erhalten und genährt, die Liebe und Glauben an die Menschen und uns selbst gibt. Onkel. Das höre ich gern; das höre ich mit Entzücken. Gebt mir eure Hände! — legt sie auf mein Herz! Franz and Karl (umarmen ihn). Onkel. Euer Vater ivar mein guter, geliebter Bruder

27 — er ist nicht todt — seine braven Söhne ruhen an meinem Herzen. Der ist nicht kinderlos, der anderer Noth und Wonne in seinem Busen trägt — Hört mich an! — Wenn ihr fort seid, so will ich alle Wochen zweimal Briefe von euch! Karl. Ein Tagebuch. Franz. Eine Lebens-- und Herzens-Geschichte sollen Sie haben. Onkel. Schön! Aber ihr bedenkt nicht, daß ich, so gern ich andere Dinge mir dafür versagen wollte, doch mit Mühe das Briefporto dafür aufbringen kann — Karl. Das ist unsere Sache — Franz. Da-, und Ihr bequemeres Leben — Onkel. Nicht doch! Ich habe noch viel Körperkraft, und wenig Bedürfnisse, wie ihr wißt. Es werde nun, wie eS wolle — erlaubt mir, daß ich mit euch ziehe! Wollt ihr? Franz. Auf den Handen wollen wir Sie tragen — Karl. Sie werden wieder jung werden in unserer Mitte. Franz. Der Onkel ist nicht alt — Karl. Nein — denn sein Herz ist ftisch! Onkel. Seid ruhig! — Ihr habt einen so fteudigen Tu­ mult in mir erregt, daß ich gleich mit euch aus dem Thore wallen, am nächsten Ahorn mir eine Flöte schneiden, und was deine Kunst zaubert, mit den reinen Akkorden meines Herzens unter Gottes Himmel begleiten möchte. Karl. Ja, wir gehen zusammen. Da sitzt der müde Vater am Waldbach — wir reden von der heitern Zukunft, die wir erwerben; am Ziele reicht die Mutter den Kranz — mein Lied feiert die Gegenwart, und gießt Muth für die Zu­ kunft über uns aus — vor uns sitzt Franz in einem Busche, 8 *

28 und zeichnet die schöne Gruppe der Brudertreue, vor der nach Jahren die Enkel vom wackern Onkel sich erzählen. Franz. Mein Geräth, deine Flöte, Ihre Hand, der Mutter Segen — fort! Karl. Fort! fort! Onkel. Der Mutter Segen! dem folgt — Trennung von der Mutter. Franz. Ich fühle die Trennung; aber — Karl. Auch ich, ja! Aber auch unsere Vernichtung hier. Onkel. Geduld! Heute noch muß sich alles entscheiden. Wie sich eS entscheide! — ich lasse euch nicht; und das ist euch nöthig- Glaubt ihr das? Karl. Ja wohl! Ich segne Ihren schönen Entschluß. Onkel. Es ist ja so — und kann anders nicht sein, wenn im Künstler der Genius der bessern Kraft sich hebt, und steigt immer höher und höher — daß doch, ihm unbemerkt, ein Faden ihm bleibe, der ihn ankettet an die Jämmerlichkeiten der Lebensverhaltnisse, ihn da verwickelt, im Fluge hemmt, daß er nicht rasch und frei hinan schweben kann zu den lichte­ ren Regionen. Seht Kinder! — diesem Elendsfaden will ich uachspüren für euch, ihn nimmer aus den Augen lassen im dürren Verkehr des unedlem Lebens; jede seiner Verwicklun­ gen auflösen mit gutem Muth, — und freundlicher Hingebung an Thoren und reiche Wagehalse — Karl. Vater — Franz. Lieber Vater! Onkel. Laßt mich enden! — Ein Vater kann das nicht so thun, oder es wird ihm weniger gelingen. Zu kühn wird er sich erheben mit dem Genius seiner Kinder — oder zu bang ihrem Fluge nachsehen. — DaS kann nur Jemand, der allein

29 steht, wie ich, der Menschenmasse weder befiehlt noch gehorcht, der blo- dem allmächtigen Gefühl für das Gute und Schöne lebt — der für euch lebt — weil ihr gut seid. Zehnter

Auftritt.

Herr Bergmann. Vorige.

Bergmann. Nun — da ist ja alles beisammen, was zu­ sammen gehört. Onkel. Bis auf S i e. Bergmann. Gehorsamer Diener. Onkel. Ich wollte, Sie hätten gesagt, nehmt mich in die Reihe! Der Pflegevater gehört wahrlich oben an. Bergmann. Dem Recht und der Natur nach. Aber die Herren Künstler sind über dergleichen Armseligkeiten von Soh­ nes Pflichten und Dänkbarkeit hinaus. Karl. Herr Faß kann das denken. Franz. Aber Sie nicht — Bergmann. Herr Faß ist ein ehrlicher Mann, ein bra­ ver Arbeiter — Karl. Von uns haben Sie eine solche Gefühllosigkeit nicht erfahren. Bergmann. Ja! ich sage ja. Franz. Wann? Bergmann. Ich lasse mich nicht examiniren. Karl. Aber grundlos beschuldigen — sollen wir unS lassen. Bergmann. Grundlos? bin ich ein Narr? wie? Franz. Herr Onkel! ich dächte, wir gingen — Karl. Sie sehen doch, lieber Onkel! — Onkel. Pst! — Wenn Sie es erlauben, Herr Berg­ mann! gehen die beiden jetzt auf ihr Zimmer.

so Bergmann. Glückliche Reise! Franz und Karl (gehen). Bergmann (ihnen nach in die Thüre). Eure Rechnung ist gemacht. Fahrt in eurem Hochmuth, wohin ihr wollt, und wann ihr wollt.

Eilfter Auftritt. Onkel Lest. Herr Bergmann. Bergmann. Unb was nun mit Ihnen hier? Onkel. Sie sind sehr aufgebracht. Bergmann. Vermuthlich. Onkel. Erholen Sie sich erst! denn mit mir werden Sie wohl nicht so reden wollen. Bergmann. Sie haben die Leure verderbt, Sie, mein Herr! Onkel. Weiter! Bergmann. Sie haben solche Kunstnarren aus ihnen gezogen. Onkel. Immer weiter! Bergmann. Sie spielen den Sonderling. Onkel. Das Wort höre ich nichr gern. Bergmann. Sie wollen sich einbilden, die Menschen zu Haffen. Onkel. Ich lache manchmal über sie. Bergmann. Ganz recht. Das ist Künstterwesen und Art. Die lachen und spotten über alles. Aber dafür lacht man denn auch wieder über die Lacher. Glauben Sie mir, Sie werden oft ausgelacht. Onkel. Das schadet weder mir noch Andern. Bergmann. Wer mich auslacht, ist mein Feind.

31

Onkel. Ich bin's zufrieden, wenn's meine Feinde beim

Lachen bewenden lassen. Bergmann. Ihr Eigensinn ist Hochmuth —

Onkel. Weiter —

Bergmann. Mit Ihrer Armuth wollen Sie was Be­ sonder- vorstellen. O, ich kenne Sie —

Onkel. Schwerlich. Bergmann. Aber dergleichen achte ich nicht. Wer nicht arbeitet, ist ein unnützes Glied Vermenschlichen Gesellschaft.

Onkel. Richtig! aber ich arbeite.

Bergmann. Was? Geschreibsel! Onkel. Nun ja.

Bergmann. Schreiben für Geld? Onkel. Ja, wie Sie. Bergmann. Wohl gar, Geburts-, Leichen- und Hoch­

zeit-Karmina. Onkel. Mit unter. Mancher Vogel prangt mit meinen Federn. Bergmann. Wer sieht und ehrt Ihr Schreibwesen?

Niemand. So haben Sie von Kindesbeinen an gelebt, immer in den Boden gewühlt, immer vor sich hingebrütet. Onkel. Darum tauge ich nicht in einen Dienst. Bergmann. Künstler find Sie auch nicht.

Onkel. Leider! der Muth wurde mir dazu benommen.

Bergmann. Danken Sie es denen in der Erde, die es thaten. Onkel. Ich habe es ihnen vergeben.

Bergmann. Nun lesen, und loben, und tadeln, und sehen, und gaffen Sie die sogenannten Kunstwerke an.

Onkel. Ich empfinde sie.

32 Bergmann. Schreiben? hm! Wohin kommt denn das Zeug, was Sie schreiben? Onkel. Nach meinem Tode wird man es sehen. Bergmann. Was geht mich das an, was nach meinem Tode geschieht. Onkel. Man wird mir, hoffe ich, dann recht gut sein, wenn man mich liest. Bergmann. Was, um Vergebung! wird man denn zu lesen bekommen? Onkel (seufzt). Meine Erfahrungen, (zuckt die Achseln) Ver­ irrungen (lächelt) und Thorheiten. Bergmann. Thorheiten! Nun ja. Ich hoffe, die Narr­ heit, daß Sie von allem Verkehr mit den Menschen sich weggemacht haben, steht auch mit darin! Onkel. Warnttl ich dem Tages-Verkehr mit den Men­ schen aus dem Wege gegangen bin, und wie ruhig ich dann in dieser Hütte gelebt habe, das wird mein Nachlaß anzeigen. Bergmann (heftig). Und die Narrheit — Onkel. Pst! Sie sprechen nicht gut — Bergmann. Ich denke richtig. Die Narrheit, daß Sie Ihres Bruders Kinder, meine Stiefsöhne, aus demErwerbsund Geschäfcsteben gerissen haben, die prangt doch oben an. Onkel. Diese wackern Bursche hat ihr Genius geführt — Bergmann. Was GeniuS! Ich kenne keinen Genius — Onkel. Das glaube ich Ihnen. Bergmann. Als den Lehrer mit Buch und Prügel. Hätte der sie besser bearbeitet, so wären sie jetzt in barer Einnahme. Onkel. Sie sind Ihrem Genius gefolgt, das liebe ich. Man muß Charakter haben und beharrlich sein. Mit dem Genius will ich Sie denn nicht mehr quälen —

Bergmann. Gottlob! Onkel. Sondern schlechtweg sagen, da meine Vettern

Talent für die Künste haben — Bergmann. Talent — Künste —! Assignaten gegen klingende Münze! Onkel. So wollten sie nicht den gewöhnlichen Verkehr treiben, und ich sagte ihnen, daß sie daran wohl thäten. Bergmann. Zur Sache! Karl bläst die Flöte — und wie die Leute sagen, mittelmäßig — Onkel. Komposition ist seine Bestimmung, und wahr­ lich ! er komponirt mit wunderbarer Kraft und Eigenheit. Bergmann. Hat noch kein Kapital komponirt. Onkel. Wird es auch vielleicht nie. Bergmann. Das weiß Gott! Onkel. Darauf kommt auch nichts an. Bergmann. Herr! Sie ärgern mich, daß ich zittere und bebe — Onkel. Das will ich nicht. Bergmann. Weiter! — Franz malt. Onkel. Malt. Bergmann. Gesichter — Bäume — Teufelslarven, und — was trägt das ein? Onkel. Noch hat er sich nicht bestimmt, ob er Landschafts--, Historien-- oder Portrait--Maler sein will — aber — Bergmann. Herr Vetter! Herr Onkel! Herr Hütten­ bewohner! Herr — wie soll ich den tituliren, der nichts ist, nichts als verrückt — hiemit deklarire ich; die zwei Kerls sol­ len arbeiten, ein Stück Brot erwerben — Onkel (unmuthig). O weh! o weh! Bergmann. WaS gibt's?

34 Onkel. Mit dem ewigen — Stück Brot! das ist ein sehr unpoetischer Ausdruck. Bergmann. Das Brot nicht poetisch? Was ist das? Onkel. Fahren Sie nur fort, mein lieber Vetter! Bergmann. Nun denn! — sie sollen arbeiten, oder sie sollen aus dem Hause, und das gleich! Amen! Onkel. Sie arbeiten ja. Bergmann. Was? Sie pfeifen, sie singen, malen, dichten und jubeln. In lauter Lachen, Spaß und Fröhlichkeit lebt das Volk. Onkel. Recht, wahr, göttlich! Fröhlichkeit, Fortschreiten in den seligsten Empfindungen, Erhebung und Jubel des reinsten Gefühls, unbekümmert um Form, Gewohnheit und Jammer des Alltagsverkehrs der langweiligen Tagelöhner auf der gemeinen ausgefahrenen Landstraße — das ist das Him­ melsleben des Künstlers! Bergmann. Himmelsleben ohne fire Einkünfte? Ein albernes, gottloses, armseliges Lumpenleben ist das. Fort mit denen, die es treiben, und aus meinem Angesicht mit denen, die es lieben, rathen und empfehlen! (Ergeht.) Onkel. Ein Wort. Bergmann. Da bin ich! Onkel. Wissen Sie, daß jetzt, lange nach seinem Tode, ein Gemälde des großen Korreggio mehrere Tausende kostet? Bergmann. Was der Zentner Kaffee jetzt kostet, davon lebe ich breit und bequem; ober nach meinem Tode zehn Tha­ ler, oder zehn tausend Thaler kosten wird, darum kümmere ich mich nicht eineS Pfennigs werth. (Er gehr.) Onkel. Er ist aufgebracht, — und die Schuld ist mein. Wie kann ich auch einem Manne seiner Art die Ehre, als bare Einnahme, in das Buch eintragen wollen?

SS Bergmann (kommt zurück). Die Briefe will ich besorgen, (er rasst sie zusammen) sonst hätte ich Sie nicht inkommodirt.

Onkel. Herr Bergmann!

Bergmann. Was beliebt? Onkel. Ein freundlich Wort!

Bergmann. Wofür verdienen Sie das? Onkel. Für eine gute Empfindung.

Bergmann. Ich verstehe mich nicht auf Ihren Empfindungskram.

Onkel. Das weiß ich; deshalb kann ich nicht böse auf Sie sein.

Bergmann. Das gilt mir gleich. Onkel. Sie denken anders, als Sie reden.

Bergmann. Wahrhaftig nicht.

Onkel. Sie sind jetzt böse auf mich. Bergmann. Ja. Onkel. Ich bin etwas Schuld daran; mein Gespräch

hat eine verkehrte Wendung genommen; ich habe Sie über­ zeugen wollen, und bin, glaube ich, bitter gewesen.

Bergmann. Es ist mir lieb, wenn Sie es einsehen. Onkel. Es ist mir leid, wenn ich eS war.

Bergmann. Das ist gut.

Onkel. Ich hoffe, Sie noch zu gewinnen — zu einer andern Zeit — Bergmann. Nein. Onkel. Wenn Ihre Laune nicht verstimmt ist.

Bergmann. Ich habe keine Laune. Onkel. Das ist eben Schade! — Sie sind jetzt doch wie­

der gut. Bergmann. Hm! Onkel. Geben Sie mir Ihre Hand!

36

Bergmann. WaS soll das? Onkel. Ich verlasse nicht gern Jemand im Unmuth gegen mich. Ich möchte Sie so gern mit meinen Vettern au-gleichen. Bergmann. Das werde ich schon ohne Sie thun, wenn es sein soll. Onkel. Wahrhaftig! — wenn ich mir das denke, wie unsere ehrlichen, regen Empfindungen Sie nach und nach von Ihrer rauhen Art abbringen, wie Sie uns anerkennen, und die Hand zur Uebereinkunft reichen — ich könnte hoch in die Höhe springen, und — ich möchte Ihnen um den Hals fallen vor Wonne. Bergmann. Lassen Sie mich ungeplagt mit Ihrem ver­ kehrten Wesen. Was ich gesagt habe, dabei bleibt's. Adieu! Gehen Sie! Onkel (tritt einen Schritt zurück). Hm! Bergmann. Was? Onkel (schüttelt den Kopf). Es geht doch nicht an! Bergmann. WaS geht nicht an? Onkel. Meine Vettern können nicht hier im Hause bleiben. Ja! — sie müssen fort. Bergmann. Richtig! Onkel. Sie scheinen beinahe zu geringhaltig! Bergmann. Beim Teufel, Herr! Onkel. Beim Teufel — ja! Sie verderben den Leuten alle Imagination, darum müssen sie hier weg; ich will's ihnen gleich ankündkgen. Sie müssen heute noch aus dem Hause; denn neben so einer zerschlagenen, nichtigen, gemeinen Na­ tur, als Sie aufweisen, da mag der Kuckuck ein honnetes Ideal haben und festhatten. (Ergeht.) Cs wäre ein Todtschlag, wenn die Leute noch eine Stunde hier leben sollten.

Zweiter

A«fzug

(Das vorige Zimmer.)

Erster Auftritt. Mademoiselle Berg«««« kommt aus Äarl’e Zimmer, tn der Hand. Madame Bergmann aus der Mitte;

ein Buch fie geht

schnell auf fie zu, faßt ihre beiden Hände, fieht fie durchdringend an, und seufzt.

Msll. Bergmann

(stutzt, und fieht fie fest an). Was ist

Ihnen?

Mad. Bergmann. Sie wissen ja, was hier im Hause vergeht! mein Mann — meine Söhne — Msll. Bergmann. Ihre Söhne sind wackere Leute. Mad. Bergmann. Gewiß! (gerührt) gewiß! Msll. Bergmann. Da habe ich bei Franj ein Gemälde gesehen, das nach allen Regeln der Kunst und des guten Ge­ schmacks das Prädikat — vortrefflich — verdient. Mad. Bergmann. Nicht wahr! Ach! und sein Herj — Msll. Bergmann. Der Baumschlag ist so — Mad. Bergmann. Seine rege Empfindung für alles Schöne und Gute — Msll. Bergmann. Die Wolken — finde ich etwas zu rosenfarb. Freilich sind wir hier zu Lande durch einen kalten, weiß und blauen Himmel verwöhnt, die Darstellung des war­ men, schönen — Mad. Bergmann. Und mein sanfter guter Karl, ver­ dient er nicht meine ganze Liebe? Msll. Bergmann. Ja! was Karl betrifft — so hängt er in seinen Kompositionen zu schwärmerisch an einer gewissen Melodie der Seele. Ich verlange nämlich —

38 Mad. Bergmann. Daß meine Söhne hier bleiben — ach! daß sie bleiben.

MsU. Bergmann. So? Ich verlange, daß der Satz

der Instrumente — Mad. Bergmann. Mein Mann will sie von hier wehaben — wissen Sie das? Msll. Bergmann.

Mein

Bruder

ist ein

alberner

Mensch — Mad. Bergmann. So darf unser Gespräch nicht an­ fangen.

Msll. Bergmann. Weshalb nicht, da es so enden muß?

Mad. Bergmann. DaS ist kein Trost. Msll. Bergmann. Sie sind zu empfindlich.

Mad. Bergmann. Ich bin Mutter — Msll. Bergmann. Freilich —

Mad. Bergmann. Suche Hilfe bei Ihnen.

Msll. Bergmann. Bei mir?

Mad. Bergmann. Sie sind meine- Mannes Schwe­ ster, er achtet Sie —

Msll. Bergmann. Mich nicht; aber meine Erbschaft.

Mad. Bergmann. Er hört auf Ihren Rath;

wenn

Sie sich verwenden, meiner Söhne sich annrhmen wollten, alles könnte noch gut gehen — Msll. Bergmann. Liebe Frau Schwägerin —

Mad. Bergmann. Bei dem lebhaften Antheil, den Sie

allen Künsten widmen, bitte ich hier gewiß nicht vergeblich. Msll. Bergmann. Erlauben Sie mir, Ihnen darüber mein Sentiment zu sagen —

Mad. Bergmann. Liebe Schwägerin!

ich lasse mich

nicht abweisen; es betrifft ja alles, was meinem Herzen theuer

39 ist. Sie sehen mir es gewiß an, daß meine Seele innig be­ wegt ist — Msll. Bergmann. Und eben Alle- das ist die Folge ir­ riger Prinzipien, von denen ich Sie zurückbringen möchte. Mad. Bergmann. Ist e- möglich? Sollten Sie nicht empfinden — Msll. Bergmann. Frau Schwester! Glauben Sie mir, ich empfinde Alles das, wovon meine Vernunft mir sagt, daß ich e- empfinden darf. Wo aber die Vernunft mir gebietet, da- erste, reinste Prinzip, die Erhaltung meines Ich, erst zu bewirken, da setze ich der unregelmäßigen Em­ pfindung ein festes Raisonnement entgegen; so lebe ich nach Grundsätzen und leide wenig oder nichts auf der Welt. Mad. Bergmann. Trösten Sie mich nicht, helfen Sie mir nicht! denn auf diese Art gelingt es Ihnen nicht. Msll. Bergmann. Ach ja. (Sie setzt fich.) Setzen Sie sich — Mad. Bergmann. Ich bin zu unruhig — ich kann nicht — Msll. Bergmann. Liebe! hören Sie mir zu! — Sie empfinden durchaus unregelmäßig — Mad. Bergmann. Mein Herz sagt, daß ich stark und gut empfinde. Msll. Bergmann. DaS ist eine Gemüthskrankheit, glauben Sie mir — Mad. Bergmann. Lassen Sie mich! (Sie will gehen.) Msll. Bergmann. Nein! (Sie hält sie fest.) Die Unei­ nigkeit mit Ihrem Manne müssen Sie durch die Vernunft auflösen. Mad. Bergmann. Er hört mich nicht an.

40 Msll. Bergmann.

Ihre Empfindungen inkommodi-

ren ihn. Mad. Bergmann. DaS ist, leider! wahr.

Msll. Bergmann.

Sie müssen durch unwiderlegliche

Schlüsse ihm seine Verkehrtheit beweisen.

Mad. Bergmann. DaS mag ich thun! — meine Söhne müssen doch reisen.

Msll. Bergmann. Gut! lassen Sie die Söhne reisen! aber ihm haben Sie doch bewiesen, daß er nicht vernünftig

handelt.

Mad. Bergmann. Ich übe keine Rechthaberei; mein Herz will nur —

Msll. Bergmann. Recht müssen Sie haben! für daS Recht der Vernunft streiten Sie, bis Sie ohnmächtig am

Boden liegen, und wenn Sie wieder aufwachen, schreien Sie noch ärger!

Nicht Recht behaupten, wo man nach klarer

Vernunft Recht hat,----------daS ist das einzige Unglück, was ich als unläugbareS Unglück anerkenne. Mad. Bergmann.

Ich kann mir nicht helfen — ich

muß eS sagen: — in diesem Augenblick scheinen Sie mir noch härter, als mein rauher Mann.

Msll. Bergmann. Sehen Sie, daS ist wieder eine Em­ pfindung, die aus Ihnen spricht; aber keine Vernunft.

Mad. Bergmann.

Soll man denn der Empfindung

gar nicht Gehör geben? Msll. Bergmann. Selten —

Mad. Bergmann. Zu welchem Zweck verbringen Sie

denn Ihr Leben zwischen Büchern

und Gegenständen der

Künste? —

Msll. Bergmann. Hören Sie mich an, meine Liebe!

Mad. Bergmann. Ach! Msll.Bergmann. Sie müssen mich anhören. Alles Wissen ist unnütz, wenn es nicht Lebensklugheit gewährt, ich meine die Klugheit, vermöge deren wir unsere Selbsterhaltung auf daS vortheilhafteste schaffen, und gegen di« Eingriffe, wo­ mit Andere sie verletzen könnten, unS unüberwindlich waffnen. Selbst mit dem Großen und Schönen in den Künsten will ich nicht eine Empfindung nähren und erwecken. Mad. Borgman«. Ich bitte Sie, hören Sie aus! Msll. Bergmann. Nein! keine Empfindung! denn dies« ist mehr oder minder, allzeit eine Kränklichkeit oder Ver­ wöhnung, Mangel an Richtung des Verstandes; daher dient mir der Verkehr mit den Kunstwerken und Künstlern nur zur Uebung einer richtigen BeurtheilungSkraft; die Unterhaltung ist Nebensache. Ich habe «S schon dahin gebracht, daß, wen« ich'ein Kunstwerk betrachte, die Empfindung sich gar nicht mehr in mir regt, sondern daß gleich der Tadel vorauSgeht, welches am sichersten die ruhige Beurtheilung aller Theile an­ gibt. So müssen Sie — Mad. Bergmann. Wenn ich meine Söhne betrachte, fühle ich, daß ich Mutter bin. Der Schmerz, den die Na­ tur mich fühlen läßt, ist rin« Wollust, die ich nicht für die Lebensklugheit hingebe, die Sie zu erringen gewußt haben. Hätten die Künste, denen meine Söhne leben, sie so verbil­ det — ruhig würde ich meinem Manne sagen: — schicke sie fort zu einem Handwerk, damit sie unter rohen, aber voll­ ständigen Menschen wieder Seelengehalt empfangen mögen. Msll. Brrgma««. Sie mögen sagen, was Sie wollen 1 dieses Aufbrausen ist das deutliche Sympton eines unkultivirten Verstandes. Ein kranker Verstand ist unheilbar.

XIX.

4

42 Mad. Bergmann. Ein gesunde- Herz führt durch die Stürme des Leben-. Damit will ich mich in di« Arme Jhres

rauhen Bruder- werfen. Mitten in seinem Starrsinn, bei aller Härte, die er mich empfinden läßt, — hat doch noch nie di« Leben-klugheit ihm befohlen, die Thränen der Mut­ ter für eine Krankheit ju halten.

Zweiter

(Sie geht.)

Auftritt.

Mademoiselle Bergmann

allein.

Die leidenschaftlichen Thorheiten meiner Schwägerin

haben ein verdienstliche- Ansehen; aber nach reifer Ueber!«» gung sind e- denn doch Thorheiten. Den Thorheiten muß

man au- dem Wege gehen. Ziehen die jungen Leute fort, so fällt alle Unterhaltung hier im Hause weg und nicht- bleibt,

al- die Rustizität meines Bruder- und di« kranke Empfin» düng meiner Schwägerin.---------- Beide- ist mir zuwider;

— also werde ich gehen. Wohin? — hm! nach Paris! dort belästigt mich weder die eine Qualität noch die andere.

Dritter Auftritt. Vorige. Herr Faß.

Faß

(sieht herein).

Ah! — ich will nicht stören.

(Er geht.)

Msll. Bergmann. Herr Faß —

Faß. Belieben — (Er kommt.)

Msll. Bergmann. Wie sehen Sie au-? so erhitzt. Fast. So? kann wohl sein; ich habe mich auch gerührt und bin dermaßen in der Stadt herum gallopirt —

Msll. Bergmann. Es könnte kommen, daß ich nach Pari- reise — Fast. So? Ei! Warten Sie doch eine andere Zeit ab! das Postgeld ist jetzt erhöhet —

43 Msll. Bergmann. Mein Geld ist in meines BruderS Handlung, wie Sie wissen — Fass (verlegen). Es — ja. Es ist da. (Seufzt unwillkürlich.) Freilich! Msll. Bergmann. Weshalb seufzen Sie darüber? Fass (noch verlegner). Hätte ich das gethan? Msll. Bergmann (aufmerksam). Allerdings. Fass. So? hm! — Ja — wenn ich ganz und gar nichtdenke, pflege ich zu seufzen! Msll. Bergmann (bedeutend). Ich kann doch ein Kapital haben, wenn ich nach Pari- reise? Fass (nach einer Pause). Ja. Msll. Bergmann (gespanut). Wie? Fass (schnell). Warum das nicht-------- o ja.— ja. Ja freilich. Msll. Bergmann (steht ihn ernst an). Herr Faß! Fass. Wollen Sie denn nicht von Pari- wieder kom­ men? — (Panse.) Wie? gar nicht wieder hieher kommen, in das liebe deutsche Vaterland? he! Msll. Bergmann. Sie wissen, es gibt zwei Dinge, worüber ich mich niemals erkläre — über meinen nächsten Willen und meinen letzten Willen. Fass. Soll der gar in Paris deponirt werden? Msll. Bergmann. Wie fein! wie theilnehmrnd! Fass. Ja wohl! Eben aus — ich bin so erschrocken — in der Fremde — was kann da nicht alle- paffiren — mit der kostbaren Gesundheit nämlich, so meine ich es. Msll. Bergmann. Nun, mein Geld bleibt ja hier. (Pause.) Fass. Ja.

44 Msll. Bergmann. — Ich weiß nicht, was ich aus Ih­ nen machen soll. Faß. Ihren gehorsamsten Diener ju allen Zeiten. Msll. Bergmann. Herr Faß! — sehen Sie mich an! Faß. Ei! — daraus mache ich mir eine Ehre — Msll» Bergmann. Fest sehen Sie mich an! Faß. Und ein Vergnügen. Msll. Bergmann (tritt auf ihn ju). Sie werden von einem Geheimniß zu Grunde gerichtet. Faß. Nein. Ich bin in salvo. Msll. Bergmann. Sagen Sie mir alles — Faß. Herr Gott! Ich — Msll. Bergmann. Sie wissen, ich bin verschwiegen, zuverlässig. Faß. O ja, das sind Sie; aber ich wüßte nicht — Msll. Bergmann. Doch! doch! reden Sie! (Pause.) Faß (will reden, trocknet die Stirne und schweift). Msll. Bergmann. Nun? Faß. Sie ängstigen mich dermaßen — Msll. Bergmann. Das sehe ich! Und nun lass« ich Sie nicht aus der Hand, bis ich alles weiß. Sie wissen, wenn ich mir in den Kopf setze, etwas zu erfahren, so gelingt eS mir allemal. Ich frage, vergleiche, rathe — sprechen Sie lieber gleich! Faß. Ja — es — es ist nämlich — (schnell) es ist seht heiße Witterung. Msll. Bergmann. Abgeschmackt! Faß. Es ist nichts Neues passirt. Msll. Bergmann. Das heißt, es ist etwa- Neues pas-

45 (tri, — etwas Neues, das Sie ängstet. — Zwar Sie sind in salvo, haben Sie gesagt. Wer ist nicht in salvo? He! Faß (angst). Ei Mamsell — was — was denken Sie? Msll. Bergmann. An den ordinären Courant-Lügen fehlt es Ihnen nie; noch weniger an Schwatzhaftigkeit — also muß eine schwere Wahrheit Ihre Lippen versiegeln. Faß (schüttelt de» Kopf und trocknet die Stirne). Msll. Bergmann. Hm! (Nach einer Panse.) Kann ich heute zehntausend Thaler von meinem Kapital haben? Faß. Zehn — Msll. Bergmann. Wie? Faß. So schnell? so — Msll. Bergmann. Bei meinem Kapital ist keine Kün­ digung festgesetzt — Faß. Aber sie stehen doch nun sechs Jahre schon so — Msll. Bergmann. Ich kann ja auch eine Spekulation haben. Nun? Faß. Die leibliche Schwester wird doch — Msll. Bergmann. Hundert Louisd'or für Sie, wenn Sie mir eine heilsame Wahrheit bei Zeiten sagen! Aber gleich — Faß. Gerechter! Ich soll doch etwa gar meinen Herrn Prinzipal — Msll. Bergmann (eindringend). Verrathen? Faß (»och mehr »erlege»). Bewahre! (Er stockt.) Ich will sagen — Msll. Bergmann. Sie wollen lügen. Zu spät! Es gibt hier etwas zu verrathen — das ist mir ganz klar. (Panse.) Vertrauen Sie eS mir! Faß (reibt die Hände). Hm! (Hustet.)

46 Msll. Bergmann (rasch und stark). Nun? Faß (in der Angst herauiplatzend). Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Msll. Bergmann (kalt). Desto besser! — Jetzt vertrauen Sie sich der leiblichen Schwester Ihres Herrn an, oder — ich gehe zu meinem Bruder und sage, Sie hätten mir gera­ then, sogleich mein ganzes Kapiral aus der Handlung zu zie­ hen. Jetzt wählen Sie nach Belieben! Faß. Aber das habe ich ja nicht, mit keinem Worte nicht gesagt. Msll. Bergmann. Mit Worten nicht. Nun? Faß (trocknet die Stirne). Du Barmherziger! Sie sind doch eine verständige Person — Msll. Bergmann. Fort zu meinem Bruder! (Geht.) Faß. Eine Minute nur — Msll. Bergmann. Kein« Minute! Faß. Kommen Sie nur wieder! Msll. Bergmann (kommt zurück). Faß. Gott! weshalb bin ich hieher gekommen? Msll. Bergmann. Wir können unsern Vortheil ver­ binden. Faß (freundlich). Ach je — ein Heiräkhchen? Msll. Bergmann. Abgeschmackt! Faß. Nun, nun! Msll. Bergmann. Den Geldvortheil! Faß. Wir sind hiernicht sicher — es könnte doch — daS Zimmer ist so am Wege — die jungen Herren — da liegt ja deS Monsieurs Karl's Flöte, der konnte — (Er seht sich erschöpft.) Ach Gott! die Zunge ist mir ganz trocken. Msll. Bergmann. Kommen Sie auf mein Zimmer!

47 Tast (steht auf). Aber — Msll. Bergmann. Ohne Aber! Fatz (faltet die Hande). Ich gehe mit Ihnen. Msll. Bergmann. Allons! (Geht zur Seite fort.) Faß. Die — die hätte der Monsieur Franz in die Wüste malen sollen. (Er folgt ihr.)

Vierter Auftritt. Herr Bergmann. (Er kommt durch die Mitte lebhaft herein). Sie reisen! Sie be­ dürfen meiner nicht. — Die Welt gehört ihnen. Und meine sanfte gute Jette, die geht im Hause umher, und weint. Nie­ mals wird sie den — den falschen Karl vergessen. (Panse.) Sie muß ihn vergessen. Es ist Christenpflicht, meine Pflegetoch­ ter zu retten.

Fünfter Auftritt.

Voriger. Madame Bergmann. Mad. Bergmann. Sage mir doch, lieber Mann! — Bergmann. Lieber Mann! lieb? Ich kann rnir's denken, wie lieb!

Mad. Bergmann. Ich habe es nicht vergessen, daß du bei deiner wunderlichen Art — Bergmann. Ich bin wunderlich? Mad. Bergmann (mit sauftrm Vorwmf). Ach 'ja, mein Freund! Bergmann. So? Mad. Bergmann. Ich habe es nicht vergessen, daß du bei dieser wunderlichen Art ehedem — manchen gutmüthigen Augenblick haben konntest.

48

Bergmann. Ja, ich war ein gutmüthiger Narr—ehe­ dem ! Jetzt bin ich anders geworden. Mad. Bergmann. Bist du besser geworden? Bergmann. Ja! Gutmüthigkeit, HerzenSoffenheit— So was versteht ihr weder ju brauchen, noch zu tariren, alS dazu, die Kette noch kürzer zu schließen, an der wir zappeln und bellen. Es ist aus! ich habe meine Ketten zersprengt, ich bin tos. Mad. Bergmann. Dein Herz ist besser, als deine Worte. Deine Werte vergesse ich; dein Herz kann ich nicht vergessen. Bergmann. DaS klingt fein: aber es gilt nichts. Das wird denn so aus einem Buche genommen — Mad. Bergmann (auf das Herz deutend). Es steht hier ge­ schrieben. — Wollte Gott! du könntest hier noch lesen. Bergmann. Auf dergleichen geschraubte Reden weiß ich nicht zu repliziren. — Diese Art kommt von meinen Herren Stiefsöhnen, und die macht mich rasend. Mad. Bergmann. Mein Gott! was ist aus dir ge-worden? Bergmann. Die Herren reisen doch bald? Wie?

Mad. Bergmann (mit unterdrückten Thränen). Ja! Bergmann. Sieh, Pauline! wie die Jungens noch

klein waren — Mad. Bergmann. Wie liebtest du sie — Bergmann. Ja! bis der Kunstteufel in sie gefahren ist.

Wenn sie erst fort sind — ach Gott! wie die Tauben wollen wir leben. Mad. Bergmann. Wir könnten zusammen so glück­ lich sein.

49 Bergmann. Nein! nein! dergleichen Menschen sind un­ zuverlässig , treulos, was sie wollen, geloben, thun, ist Poesie, Dichtung, Lüge. Man kann, man kann, man kann mit ihnen nicht unter Einem Dache leben. Mad. Bergmann. Ach! Bergmann. Ihre Abreise thut dir leid? das ist natür­ lich, du bist ihre Mutter. Mad. Bergmann (setzt sich und weint). Meine Sohne! Bergmann. Dein Mann! Ich bin dein Mann! Mad. Bergmann (reicht die Hand nach ihm). Wenn doch mein Mann wieder mein lieber Freund sein wollte! Bergmann. Was? Ich bin ein lieber Freund! ein silberner, ein goldener Freund bin ich. — Zwölstausend Tha­ ler habe ich dir eben geschickt! Hast du sie empfangen? Mad. Bergmann (steht rasch auf). Deshalb komme ich. Was soll ich mit dem Gelde? Bergmann. Deine beiden Söhne hatten zusammen fünf­ tausend Thaler. Statt des hab« ich dir zwölstausend Thaler geschickt; also habe ich ihnen siebentausend Thaler erspart. Also war ich siebentausendmal ihr, und dein lieber Freund. Du bist die Mutter, dir ist daS Geld geschickt; die Bursche sind mündig, zahle sie auS! gleich heut! laß sie quittiren, und dann — glückliche Reise! Mad. Bergmann. Laß sie den Ertrag hier sparsam verwenden — Bergmann. Reichlich verschwenden! Mad. Bergmann. Gib ihnen nicht- mehr von deinem Vermögen! Bergmann. Keinen Heller! Mad. Bergmann. Da- ist weise und väterlich.

50 Bergmann. Werden schon Geld genug bekommen. Schläfern die Leute ein mit Sang und Klang und Prozenten, daß sie ihnen ihr Geld aufschütten. Solch Kunst- und Weis­ heits-Volk , das laßt uns P'öbelseelen arbeiten, nimmt uns die alten schwarzen Thaler ab, übersetzt sie in Kleider, Lust­ reisen, und läßt sie in Champagnerfantasien verrauschen. Un­ ser eins hat einen ehrlichen Namen zu verlieren — dergleichen har nur den Kunstnamen zu verlieren. Mad. Bergmann. DaS ist zu viel! so sind meine Sohne nicht — Bergmann. Noch nicht ganz. Mad. Bergmann. Nie werden sie so sein. Bergmann. Wird schon werden. Neulich gehe ich mit dem Franz auf der Promenade, kriecht der Schatten einer alten Malers-Witwe an der Wand, und sonnt sich, streckt die hohle Knochenhand gegen meine Geldtasche heraus. Ich gebe ihr ein Zweigroschenstück, bekommt der Herr Franz ein feuerrothes Gesicht, fährt wie ein Blitz in die Westentasche, dreht wie ein Wirbelwind sich auf dem Absatz herum, schleudert et­ was fort; ich sehe nach, so kugelt ein blanker harter Thaler auf dem Steinpflaster herum; die alte Here schreit! benedeit, und segnet; — ich schlage die Hande über dem Kopfe zusam­ men! — »mit Gort, Vater!» ruft der Herr Maler, kehrt um, läßt mich da stehen, daß ich alle meine Flüche in mich hinein würgen mußte. Zu solchem Fürsten-Procedere braucht man fremde Geldbeutel. Mad. Bergmann. Es war gerade die Witwe eines un­ serer besten Maler. Bergmann. D'rum bettelt sie. Wäre sie eine Schnei­ derswitwe, so hätte sie das Handwerk. Hatte ihr Mann ge-

51 hörig gearbeitet, sie bettelte nicht. Aber da hat dergleichen noch Kaprizen: wie der Monsieur Franz. Hat ihm nicht der Rath Harber hundert Thaler, ja zweihundert Thaler gebo­ ten , wenn er ihn malen wollte? Nichts! er thut es nicht. Da heißt es: Harber ist ein Elender; so einen Kerl male ich nicht. Zweihundert ganze Thaler abzuweisen! Aber so ist das Volk. Mad. Bergmann. Rath Harber ist ein Elender, und es ist wacker von Franz, daß er fest bleibt. Doch zur Sache! — Bergmann. Zur Abreise! Mad. Bergmann. Sie müssen sich selbst führen lernen. Bergmann. Jn's Elend! Mad. Bergmann. Würde dich das freuen? Bergmann. Wenn sie recht mitten im Elend sind, we­ der vor- noch rückwärts können, dann will ich sie vom Träbern-Troge wieder in mein Haus, an meinen Tisch reißen. Dann will ich ihnen geben — fürstlich geben; aber eher nicht. Mad. Bergmann. Da finde ich dein Herz wieder neben dem Stolz des reichen Bürgers, der so leicht beleidigt ist, und doch ohne Rücksicht die Meinungen Anderer und ihre Ge­ fühle beleidigt. Bergmann. Meine Christenpflicht soll agiren. Aber erst soll das gediegene Elend alle Kunstnarrheit aus ihnen weg­ beizen. Mad. Bergmann. Dahin kommt es nie. Bergmann. Merke ich, daß du ihnen die Trostaspekten auf meine Geldkasten zur Rekreation mitgibst, — scheiden lasse ich mich. Mad. Bergmann. Sorge nicht. Meine Söhne haben Ehre, und gute Künstler haben edlen Stolz.

52 Bergmann. Aus Stolz haben sie an arme Künstler ihr Taschengeld hinaus pensionirt. Aus Stolz hat der Herr Franz Bilder gemalt, die in der Stadt zum Verkauf hausiren ge­ tragen werden, wovon der Ertrag an reisende Bettelhunde gegeben ist. Aus Stolz komponirt der Herr Karl Lieder, die in den Wochenblättern zum Verkauf angezeigt stehen. Bezahlen, einzeln bezahlen lassen sich die Bursche ihren Narrentand. Mad. Bergmann. Sollten sie das nicht? Bergmann. Nein! nein! Begegnet mir noch einmal so ein Kerl im Hausgange, der nach Landschaften, Liedern fragt, und die Hand zur Tasche führt — ich stehe nicht für einen Skandal. Mad. Bergmann. Mein Freund! das Land bezahlt dem Fürsten seine Sorgen; es lohnt den Muth des Feldherrn, zahlt die Arbeit des Richters, den Fleiß des Kaufmanns. Sott der Künstler seine Arbeit verschenken? Bergmann. Künste sind keine Arbeiten, sind unnütze Zierathen. Wenn morgen alle Künste und alle Künstler zum Lande hinaus gewiesen werden, besteht die Welt doch. Schuhflicker, Nachtwächter, Holzhacker kann man nicht ent­ behren; aber Maler, Musikmacher, und alles, was dazu gehört, die können alle zum Kuckuck gehen. Mad. Bergmann. Lieber Mann! Bergmann. Es wird auch noch dahin kommen. Der Geldmangel ist zu groß; man muß es den Tagedieben neh­ men, und nützlichen Arbeitern verabreichen. Mad. Bergmann. So wünschest du alle Freude ver­ bannt — Bergmann. Man kann seinen Garten anbauen, seinen

53 Arbeitern nachgehen, nützliche Spekulationen ersinnen, neue Maschinen erfinden, allem Verkehr einen rascher» Umtrieb geben, das ist Freude. Aber lieber will ich die Stubenthür knar­ ren, die Hunde heulen lassen, als das verdammte Singen, Pfeifen, Flöten und Dudeln hören. Mad. Bergmann. Nur eine Frage noch! Bergmann. Die letzte. Mad. Bergmann. Womit haben sie dich so unaussprech­ lich beleidigt, daß sie auf einmal auS dem Hause sollen? Bergmann. Ich will dich nicht in die Verlegenheit se­ tzen, für deine Kinder wegen eines Bubenstücks um Verzei­ hung zu bitten. Mad. Bergmann. Was ist das? Bergmann. Genug! Sie verlachen und verspotten mei­ nen Fleiß, meinen Erwerb, meine Spekulationen, meinen würdigen, redlichen Mitarbeiter, den guten geduldigen Herrn Faß. Mad. Bergmann. Das ist nicht — Bergmann. Herr Faß weiß — Mad. Bergmann. Weiß dich zu beherrschen. Bergmann. Herr Faß ist mein einziger Freund, darum wird er auch von euch allen verfolgt. Die Hauptursache aber, weshalb deine Söhne fort sollen, ist die, daß ich nun gewiß weiß, Karl ist in Henrietten verliebt, und sie in ihn. Mad. Bergmann. Zu meiner Freude, ja. Bergmann. Nimmer gebe ich daS zu. Mad. Bergmann. Sind wir Gebieter ihrer Herzen? Bergmann. Ja. Wären wir das nicht? DaS alles kommt aus Gerson's Haus«, wo ich erst neulich ausgespottet wurde. Gerson's HauS ist di« Akademie der Herren Söhne.

54 Dort ist ihr Tempel, ihr Himmel, von daher kommt ihr tol­ ler Hochmuth! Bei Gerson'S stehen Bilder und Musikalien oben an, die Korrespondent, das Negoz hinkt nach. Hinkt! Ja. Es fällt — eS ist gefallen, damit du eS nur wissest. — Morgen wird der große, künstliche, superfeine Herr Ger­ son falliren. Da — daS kommt von dem Malen und Musiziren. Mad. Bergmann. Mein Gott! Bergmann. Wie nun? Jetzt kann der Herr Franz die Kreditoren abmalen, die betrogen werden, und wenn die Jungfer Gerson heult, kann der Monsieur Karl die Flöte da­ zu blasen. Mad. Bergmann. Die armen Leute! Ich bin so er­ schrocken — Bergmann. Ich nicht. DaS habe ich alles voraus gese­ hen. Solche Thaten, solcher Lohn! Mad. Bergmann. Sek nicht ungerecht! Das ist denn doch ein Schicksal, das dem vorsichtigsten Handelsmann be­ gegnen kann. Bergmann. Nein! nein, sage ich. Wer Tag und Nacht simulirt und aufpaßt, wird nicht zu Spott werden. Aber wer die Geschäfte in Miethling- Händen läßt, firnißt, und singt, kutschirt, geigt, soupirt — Mad. Bergmann. Ich gestehe, daß ich diesen würdi­ gen Leuten eine herzliche Thräne weine — Bergmann. Kein Mitleid mit solchen gefürsteten Kauf­ leuten! — Nun genug! Zahle die Herren Söhne aus, und schaffe mir ihre Quittung! Mad. Bergmann. Ich habe nicht geglaubt, daß ich dich mit beklemmterem Herzen verlassen würde, als womit

55 ich gekommen war. Wenn du mich in meinem Kummer abwei­ sest, an wen kann ich mich wenden, als an meine Kinder, und diese Stütze reißest du mir auS den Händen. (Sie geht.)

Sechster Auftritt.

Herr Bergmann allein. Schöne Stütze! — Gott verhüte, daß du sie brauchen müßtest! Dergleichen Menschen hängen an nichts. Die leben lustig und wenn eS den Ihrigen übel geht, — machen sie ein VerSchen — malen auf eine schöne Wiese die Hoffnung auf einen Anker gestützt, oder singen ein Lied. — Gott sei gedankt! ich ruhe auf einem festen Anker, und brauche solche Bursche nicht. Ach, mein Pflegekind!

Siebenter Auftritt. Voriger. Henriette. Henriette (kommt traurig herein). Bergmann. Komm her, Henriette! setze dich ju mir! (Sie setzen fich.)

Henriette. Sie haben befohlen — Bergmann. Du kommst spät genug. Henriette. Ich habe erst in der Küche — Bergmann. Kommst du aus der Küche? Gut! Zur Hausfrau will ich dich erzogen wissen. Sieh mich an! So! sieh mich freundlich an! Weshalb weinst du ? womit habe ich deine Thräne verdient? Henriette. Lieber Vater — Bergmann. Ja, Vaterstelle habe ich bei dir vertreten. Henriette. Ich fühle mich so unglücklich. Bergmann. Davon wollen wir reden.

56

Henriette. Es thut mir so weh, daß ich Sie dadurch betrübe, daß ich traurig bin. Bergmann. Das glaube ich dir, denn du hast ein gutes Herz — Henriette. Mein seliger Vater — Bergmann. Dein Vater war ein — ein Künstler. Henriette. Er ist Ihnen große Summen schuldig ge­ blieben. Bergmann. Diese sind verschmerzt. Aber seinen Cha­ rakter kann ich nicht verschmerzen. Und wo ich einen solchen Charakter wieder finde, — da steht sein Leichtsinn, seine Heuchelei, sein Betrug lebendig vor mir. Henriette. Lieber Vater! (Sie faßt seine Hande.) Reden Sie nicht so! es zerreißt mein Herz. Ach Gott! Bergmann. Ich muß so reden; du stehst am Abgrunde, ich muß ihn dir zeigen. Henriette. Nach meines Vater- Tode war ich eine arme Waise, und hätte mein Brot vor den Thüren suchen müssen; da nahmen Sie mich zu sich, haben mich als Ihre Tochter erzogen und gehalten. Gott lasse mich nie mehr glücklich werden, wenn ich da- je vergesse. Bergmann. DaS traue ich dir zu; — dafür bist du auch mein liebes Mädchen! Aber wenn du ganz meine gute Toch­ ter sein willst, so mußt du von Karl lassen. — Weshalb er­ schrickst du? Henriette. Ist denn Karl Ihrer Liebe unwerth? Bergmann. Höre, mein Töchterchen! ich will nicht mit dir disputiren. Ich frage, ob du als eine dankbare Seele mir gehorchen willst? Nun! Henriette. Sie setzen mich in eine wahre Herzens­ angst —

Bergmann. Du liebst Karl« Henriette. Von ganzer Seele. Bergmann. Ich will's nicht haben. Was sagst du dazu? Henriette. Ich wein«! Ich — ach Gott! Bergmann (steht auf). Trenne dich von ihm, oder von mir! Wähle! Henriette. Warum von ihm? (Steht auf.) Bergmann. Er hat kein Vermögen. Henriette. Ich auch nicht. Bergmann. Du wirst — du wirst vielleicht großes Vermögen haben. Karl soll da- Vermögen nicht haben. Henriette. So muß er doch m i ch behalten. Bergmann. Er betrügt dich. Henriette. Nein, nimmermehr. Bergmann. Künstler sind wortbrüchig« Menschen, ihre Schwüre sind Gedichte, ihre Thränen falsche Wechsel. — Mein Hausbuch kann das beweisen. Henriette. Karl ist ein edler Mensch. Bergmann. Laß ab von ihm! ich setze dich zur Erbin ein — Henriette. Und Karl — Bergmann. Ihn, oder mich — welchen willst du auf­ geben ? sprich! Henriette. Nimmer werde ich Sie vergessen, mein Herz bricht bei dem Gedanken, daß Sie meine kleinen Dienst« sich nicht mehr wollen gefallen lassen. Es wird mir keine Freude rein und ungetrübt mehr werden, wenn ich Sie nicht zu mei­ nem Glück lächeln sehe, das weiß Gott! — Das lesen Sie in meinen Thränen — Bergmaim. Aber dennoch willst du mich aufgeben? XIX. 5

58

Henriette. Diese Frage thut mir so weh! Was in mei­ nem Herjen vorgeht, wissen Sie, lieber Vater! ich weiß Ih­ nen nicht ju antworten. Bergmann. Dennoch willst du mich aufgeben? Henriette (kniet vor ihm). Haben Sie Erbarmen mit mir! Bergmann (tritt zurück). Laß mich allein! Henriette (steht auf). Allein? Bergmann. Geh! Henriette. Ich kann nicht. Bergmann. Herr Karl wird es dich schon lehren. Henriette. Sind Sie dann glücklich, wenn Sie künf­ tig ganz allein sind? Bergmann (heftig). Ja! Henriette. Wenn Sie Jugend, Fröhlichkeit und kind­ liche Liebe von sich gewiesen haben ? Bergmann. Die Heuchelei weise ich von mir. Henriette. Vater! Bergmann. Ich bin nicht dein Vater! daS lassest du mich empfinden. Henriette. Freund! Bergmann. Ein Dichterwort — Henriette. Wohlthäter! Bergmann. Bin ich das? Nun! Ein Wohlthäter muß schenken, nichts wieder haben wollen, auch nicht den Zins eines freundlichen Gesichts. Ich erlasse dir alles. Ich will nicht- von dir, von deinem Karl, als die Gewißheit eures Undanks, — die lebt in mir. Gemalt will ich das Jammer­ bild nicht haben; noch sollt ihr mir diese Litanei des Men­ schenlebens Vorsingen. Geht — seid glücklich auf eure Weise; — aber denk an mich, und daS, was ich dir jetzt sagen werde,

59 wenn ja dem Frieden gestört, dein und Karl's Glück jerriffen, die Verzweiflung euch aus eurem Traume wecken wird, so ge­ schieht dies alles gewiß auch durch — einen Künstler. (Er geht; an der Thür begegnet ihm)

Ächter Auftritt. Karl. Vorige. Karl. Lieber Vater — Bergma««. Wo ist die Quittung? Karl. Die Mutter hat uns die Beweise Ihrer Sorg» falt für unser kleine- Vermögen gegeben, und — Bergmann. Die Quittung — Karl. Ich möcht« Ihnen so gern ein herzliches Wort über diese väterliche Handlung sagen — Bergmann. Ist nicht nöthig. Karl. Ihnen vielleicht nicht; aber mir. So sehr können Sie mich nicht verkennen — Bergmann. Ich kenne die Leute eurer Art; de-halb habe ich da- arme Geschöpf da gebeten, dich reisen zu lassen, und dich zu vergessen: so wie du sie am nächsten Klavier ver­ gessen wirst, vor dem ein Paar hübsch« Augen gegen Himmel lügen, wovon da- Herz nicht- weiß. Jetzt weine ihr vor; mach das arme Ding vollend- toll, reise ab, und betrüge sie! Karl. Hier ist die Quittung! (Er gibt sie.) Meine dank­ bare Empfindung bleibt, obschon Ihr Betragen darüber vor­ aus quittirt hat. Bergmann. Wortspiele, hohe Reden und leer« Herzen — sieh mein Kind! so ist diese leicht« War« gezeichnet. Gott­ lob! ich bin davon erlöset. (Ab.)

60

Neunter Auftritt. Karl. Henriette.

Henriette. Karl! Karl. Henriette! Henriette. Ich bin recht unglücklich. Karl. Willst du mich vergessen? Henriette. Da- kann ich nicht. Karl. Trauest du mir Gute- zu? Henriette. Ja. Aber — Karl. Aber? Henriette. Du wirst weit von hier durch Länder und Städte reisen. Karl. Mit den Gedanken an dich. Henriette. Du wirst gute Mädchen seher, die deiner mehr werth sind, als die arme Henriette, die kon Verdienst hat, als ihre redliche Liebe zu dir. Karl. Willst du ein schriftliches Versprechen meiner Treue von mir annehmen? Henriette. Nein, Karl! Wenn du wieder kämest und ich sähe, daß es dir Mühe machte, dieS Versprühen zu hal­ ten, so würde ich es dir wieder geben. Das weij ich, wenn du mich einst nicht mehr lieben solltest, so ist eS zewiß gegen deinen Willen. Karl. Wenn ich ein Lied empfinde, so empfiide ich Liebe, heimliche selige Wonne, womit unsere Seelen sch begegnet sind. Ich kann nicht dichten, ohne zu lieben, ih finde kein Ideal der Liebe außer dir. Henriette. Daß es ewig so sein möchte! Karl. Die übrigen Menschen mögen forschm, spähen,

61 wähle», prüfen und auf- und abwägen; den Künstler führt rasche» Fluges sein Genius, er erblickt, umfaßt und hält fest. Henriette (sie umarmt ihn). Karl! ich taffe dich nimmer­ mehr. Karl. Nur dem klügelnden Verstände ist es gegeben, den geschürzten Knoten weit und lose zu rücken, bis die schlaffen Bande auseinander lassen. —Des regen Künstlers Herz trifft auf das Gute und Schöne! das wahre Gute bleibt ewig schön. Henriette. Ach lieber Karl! — sieh mich immer prüfend an! ich bin nur gut, schön bin ich nicht. Täusche dich nicht! Karl. Das Gefühl für dich öffnete mir erst das innerste Heiligthum der Kunst. Die reine Kunst erhöhte daS Wesen der Liebe für dich zur göttlichen Flamme. Kunst und Liebe, Liebe und Kunst, Henriette und Harmonie— dies Alles ist einer und derselbe allmächtige Akkord, der mich belebt, hebt und treibt! Man müßte alle meine Kräfte auflösen und ver­ nichten, um auS mir die Besaitung heraus zu ziehen, die ewig nur dir allein wieder tönen wird. Henriette. So ist es auch in mir. Ehe ich dich kannte, sang ich ganz sorglos mein Lied, und hatte Freude an allen den gewöhnlichen Dingen, womit man uns Mädchen beschäf­ tiget. Ich verbrachte emsig mein Tagewerk, schlief ruhig, er­ wachte heiter und fröhlich. Nun ist das Alles anders. Schö­ nere Empfindungen hast du in mir hervor gerufen, die spielen jetzt den Meister über mich. Kein Laut in der Natur ist fortan ohne Bedeutung für mich. Der Flug des Vogels, die Thrä­ nen des Kindes, der ferne Ruf des Feldbauers in der Abend­ stille, das Alles ist eine deutliche Sprache für mich geworden. Nicht alles weiß mein Verstand zu deuten; aber alleö empfin­ det mein Herz, und ihm ist wohl, wenn diese Bilder in süßen

62 Melodien die Vergangenheit ihm jurückrufen. Ach Karl! Wenn dann deine Seele aus der Flöte athmet — dann ver­ nehme ich eine eigne hohe Sprache! so wunderbar tönt dann die Zukunft mir entgegen, daß mein beklommenes Herz Thrä­ nen mir in die Augen bringt. Karl (gerührt). Das ist die Liebe. Henriette. Ja, diese Thränen sind so süß, es ist mir so wohl dabei; ich danke sie dir so innig — sieh — jetzt in dieser Thräne zittert und wankt deine liebe Gestalt vor mir — nein — so kann Kart nie wanken. Karl. Nimmer — o nimmermehr! Henriette (seufzt). Wenn du so schwinden könntest, wie deine Gestalt jetzt schwindet vor meinem Blick, da aus dem bangen Herzen eine volle Thräne mir ins Auge steigt — Karl! wer würde mich in meinem Jammer verstehen und dulden? wer würde mit dieser Thranenmirgabe mich aufneh­ men? Vergiß das nicht! Karl. Laß die zarte Liebe nicht ungerecht werden, gute Seele! Henriette. Du lehrtest mich ja das Gute lieben, warum willst du nicht hören, daß ich es mit der Angst, es zu verlie­ ren, liebe? — Karl! wenn ich dir nur einst deshalb weniger Werth hatte, weit ich dein Werk bin? Karl. Ich leiste dir keine Schwüre, meine Empfindung ist so vollständig, so dauernd, so treu und echt — ich kann sie nicht mit der gemeinen Zierde der Liebeserklärungen ver­ unstalten. Henriette. Braucht doch der Meister nicht sein fertiges Werk zu zertrümmern; aber er kann Gefallen finden an einerneuen Schöpfung, die sein Geist vollendet! O Karl! mein

6$ Karl! sieh mich recht an! — laß mich ganz und für ewig in deinem lieben Auge das Innerste deiner Seele lesen! — laß mich wissen, ob das je möglich wäre! — du weinst? — Nein, o nein! es ist nicht möglich. Ein« Seele, die daS Schöne sucht, kann nicht das Gute d'rum verwerfen. Gut bin ich ja, umarme mich und sage es mir, daß ich gut bin. Karl («mannt fit), Henriette. Nun nicht mehr diese Thräne! Karl. Sie kommen nicht, wenn ich sie ford're; sie ver­ siegen nicht auf mein Geheiß. Henriette. Mit diesem Kusse gebiete ich dieser Quelle. O daß ich das ewig könnte! Karl. Henriette! Ich weiß und bin gewiß, du wirst immer sein, was du mir jetzt bist, — mein guter Genius in den Trauertagen des Lebens, mein lohnender Engel in den schönen großen Augenblicken, darin es uns verstattet wird, über daS Erdengetümmel uns zu erheben! Mit dieser Wahr­ heit im Busen — so scheide ich von dir, so geleitet dein Bild mich durch die Welt, — so sehe ich dich wieder— so! — wenn ich heimkehre, den eignen kleinen Herd mit dir zu bauen. Ich kann nicht an dir zweifeln, warum zweifelst du an mir? Henriette. Ich zweifle nicht. Karl. Gib mir die Hand darauf! Henriette. Meine Hand — mein Herz — mein Leben — da! Ich gebe dir Alles. Karl. Treu will ich jedes Gefühl dir zurück bringen, was jetzt in diesem seligen Augenblicke mich zum glücklichsten Manne weiht. (Sie «mannm sich.) Das Erbe meines kleine» Vermögens, bis auf etwas Wenige- zum erste« Reisegelde, lasse ich dir hier —

64 Henriette. Nimm Alle-! Karl. Nicht doch! Ich werde mich erhalten; die Men­ schen bedürfen Musik, um, verstimmt im Alltagsgewühl, Ton zu empfangen, daß sie Menschheit wieder in sich gewahr wer­ den. Was ich habe, bleibt dein! Reich? werde ich wohl nie wer­ den, denn ich verachte die Charlatanerien der Kunst, die zum Reichthum führen. Aber wir werden genug haben, um in einer Waldhütte, von der Natur geführt, der reinen Kunst zu leben. Henriette. In deiner Abwesenheit will ich die Würde des Frauenberufs erwerben, o du sollst eine gute freundliche Wirthin in mir finden. Gewiß, man kann empfinden und arbeiten. Karl. Der erste Künstler gedieh auf freiem Felde im ehrwürdigen Dienste der großen heiligen Natur! Später erst schuf Weichlichkeit die zahlreichen Bedürfnisse, und Weich­ lichkeit ist ausgeartete Kunst. Henriette. Wir werden uns genügen. Karl. Dann wird die treue Freundschaft uns gern auf­ suchen. Henriette. Mäßigkeit, Frohsinn und Liebe wird jeden Mittags- und Abendtisch zum reichen Gastmahl erhöhen. Karl. Oft werde ich dein Tagewerk theilen. Abends sitzen wir ruhig vor unserer Hütte; meine Flöte tönt über die stille Landschaft —

Henriette.

Ach! (sie sicht aus vollem Herzen umher, erblickt

daß wir heute, daß wir gleich dahin wandeln könnten! Karl. Non dem, was im bunten Gewimmel des Trugs und der Leidenschaften die Menschen in der Welt umher treibt, die Flöte und ergreift sie)

65 werden wir kaum den Nachhall erfahren. Arm in Arm lächeln wir über die Vergangenheit, und träumen sanft über jede Zukunft. Henriette. Was ich nicht verstehe, fühle ich doch. Karl (lebhaft). Wie oft führt das starke Gefühl richtiger als der Verstand! Henriette, llnb sollte ich dann über meinen Alltagsar­ beiten zu geringhaltig für dich geworden sein, — so erhebe mich dein Lied wieder zu dir! Karl. Unsere Seelen empfinden ja denselben Ton. Henriette (gibt ihm sanft die Flöte). Denselben Ton. Karl (sicht sie zärtlich an und bläst ein kurzes Adagio). Mad. Bergmann (Öffnet die Thür, tritt leise näher). Henriette. Das ist dein Abschiedslied, mein Kart! Mad. Bergmann (mit gesenktem trüben Blicke tritt leise näher).

Karl (setzt die Flöte ab). In diesem Liede — (sehr gerührt) rede ich abwesend zu dir. (Er bläst weiter.) Henriette. Immer werde ich das Lied hören. (Sie trock­ net die Augen und lehnt sanft die Hand auf seine Schulter.)

Karl (setzt ab). So rede ich zu dir — (seufzt) und zu mei­ ner guten Mutter. Mad. Bergmann (tritt auf seine andere Seite, sie kann vor Thränen kaum reden). Mein guter — ehrlicher Karl! Karl (umarmt sie feurig). Meine Mutter! Mad. Bergmann. Fahre fort! — laß auch mir dieseLied in der Seele zurück! Karl (will anfangen, setzt ab, sieht beide an). Es wird mir schwer werden. (Er bläst noch einige Takte, hört rasch auf.) Ich kann nicht — ich kann nicht. In meiner Seele wogen zu

66 mächtige Gefühle! die Kunst ist arm gegen die Allmacht der Natur. — Mutter! — Segnen Sie Ihre Kinder! (Beide umarmen die Muller.)

Dritter Aufzug. Erster

Auftritt.

Herr Bergmann notirt etwas in eine Schreibtafel.

So! (Er steckt sie ein.) Ja — der Lebensgenuß wird mir wohl thun. (Denkt nach.) Rasch habe ich freilich heut gehan­ delt; — aber für die Ruhe der übrigen Tage! Genug habe ich gearbeitet und — und will in Frieden enden. (Zieht die Schreibtafcl wieder vor, sieht nach, summirt, steckt fröhlich die Tafel wieder ein.)

Zweiter

Austritt.

Voriger. Herr Faß. Bergmann. Kommen Sie zu mir, Herr Faß? — Fast (gezwungen freundlich). Ja, za, bin im Begriffe — Bergmann. Von jetzt an wollen wir es uns recht wohl

sein lassen. Fast (faltet die Hände). Geliebt es Gott! Bergmann (lebhaft). Es geliebt mir. (Pause.) Und —

ich bin ein ehrlicher Mann, ein Gutthäter der Armuth, ein treuer Eheherr, ein fleißiger Arbeiter — also — darf ich hoffen, es wird Gott auch gelieben. Fast. Nun ja. Ja. (Lächelt.) Man sagt nur so — haha! Wie ich so äußerlich vernommen habe, reisen die Herren Söhne denn in GotteS Namen morgen früh um vier Uhr von hier ab.

66 mächtige Gefühle! die Kunst ist arm gegen die Allmacht der Natur. — Mutter! — Segnen Sie Ihre Kinder! (Beide umarmen die Muller.)

Dritter Aufzug. Erster

Auftritt.

Herr Bergmann notirt etwas in eine Schreibtafel.

So! (Er steckt sie ein.) Ja — der Lebensgenuß wird mir wohl thun. (Denkt nach.) Rasch habe ich freilich heut gehan­ delt; — aber für die Ruhe der übrigen Tage! Genug habe ich gearbeitet und — und will in Frieden enden. (Zieht die Schreibtafcl wieder vor, sieht nach, summirt, steckt fröhlich die Tafel wieder ein.)

Zweiter

Austritt.

Voriger. Herr Faß. Bergmann. Kommen Sie zu mir, Herr Faß? — Fast (gezwungen freundlich). Ja, za, bin im Begriffe — Bergmann. Von jetzt an wollen wir es uns recht wohl

sein lassen. Fast (faltet die Hände). Geliebt es Gott! Bergmann (lebhaft). Es geliebt mir. (Pause.) Und —

ich bin ein ehrlicher Mann, ein Gutthäter der Armuth, ein treuer Eheherr, ein fleißiger Arbeiter — also — darf ich hoffen, es wird Gott auch gelieben. Fast. Nun ja. Ja. (Lächelt.) Man sagt nur so — haha! Wie ich so äußerlich vernommen habe, reisen die Herren Söhne denn in GotteS Namen morgen früh um vier Uhr von hier ab.

Bergmann. Gut! wie reisen sie? Faß. Per pedes — Bergmann. Handwerksbursche — Faß. Ein Felleischen auf dem Rücken. Bergmann. Und im ersten Nachtquartier für fünf Tha­ ler Punsch! — so ist's recht. Wo geht die Reise hin? Faß. Habe nicht nachgefragt. Bergmann. Hm! — den Franz — den konnte ich sonst wohl leiden. Faß. War doch immer ein boshaft Kind. Bergmann. Lebhaft — lustig! Faß. Und listig! das ist ja der, der mir die Frösche in's Bett gesetzt hat, worüber ich mich dermaßen alterirt habe — Bergmann (lacht). Das war ein toller Einfall. Faß. Wie ich auf Dero Geburtstag mich etwas in hitzi­ gen Getränken übernommen hatte — Bergmann. Sie waren ganz von Sinnen — Faß. So war es auch der Monsieur Franz, der mich in ein Betttuch genährt und auf den Markt, unter den Gal­ gen getragen, dahin gelegt hat — Bergmann (ernst). Das war abscheulich. Faß. Wo mich die Leute am hellen Tage gefunden und für einen Narren gehalten haben; aber die Strafe Gottes bleibt nicht auS. So sage ich. Bergmann. Also zu Fuße reisen sie? Faß. Mit wenig Gelde. Haha! Bergmann. Sie haben ja ihre zwölf tausend Thaler. Faß. Jeder will nur zwei hundert Thaler mitnehmen. Das Andere lassen sie hier. Bergmann. Wie? wo? bei wem?

68 Faß. Weiß nicht. Ich habe nur das Stolziren vernom­ men, daß sie nichts brauchten, Niemand nöthig hätten, und dergleichen Uebermuth mehr. Bergmann. Hm! (Pause.) Punktum! — Hier im Hause soll nun künftig fröhlich gelebt werden. Faß. Schön! Bergmann. Ich werde des Rath Harber's Garten kaufen. Faß. Harber ift ein Wucherer; wie hoch hält er den Garten? Bergmann. Sieben tausend Thaler. Faß. Ist viel Geld. Bergmann. Ist auch ein schöner Garten. Faß. Liegt plaisirlich. Bergmann. Wenn Franz den Rath Harber malen wollte, kriegte ich den Garten wohlfeiler. Indeß — thut nichts. Der Handel ist so gut als abgeschlossen. Faß. Aus purem Hochmuth hat er immer refüsirt, den Mann zu malen. Ja, daran ist der Onkel Schuld. Er ist auch da gewesen, der Herr Onkel, hat seine drei tausend Tha­ ler geholt. Bergmann. Gut! Faß. Der zieht mit denen Monsieurs in die Welt. Bergmann. So? tolle Geschichtchen! Indeß —Gott­ lob! Sie gehen. Nun fange ich erst an zu leben. Faß. Wir haben nun heute ausbezahtt, an die Stief­ söhne zwötftausend, an den Onkel dreitausend, macht fünf­ zehntausend Thaler. Wenn nun der Garten noch mit sieben­ tausend Thalern dazu komme — Bergmann. Der muß dazu kommen. Mit dieser Aus-

69 gäbe will ich meiner Frau wieder ein Vergnügen machen. Sie weiß eS auch schon. Faß. AlSdann haben wir zwei und jwanjig tausend Tha­ ler auSgegeben. Bergmann. Es ist viel Geld. Ich habe aber vor der Hand keine Zahlungen zu machen. Faß. Wenn nur nichts so querfeldein kommt. Bergmann. Das ist eben meine Klugheit, daß ich im­ mer so gehandelt habe, daß mir nichts unvermuthet kommen kann, daß ich von den Spekulationen mich so nach und nach zurückgezogen habe. Mein großer Hauptbestand ist bei Heinig'S angelegt. Dort steht mein Geld gut, ich laufe keine Gefahr, habe wenig Arbeit davon, und den sichern Gewinn. Die sieben tausend Thaler für den Garten werden von mei.nem großen Kapital bei Heinig's genommen, besorgen Sie das! Faß. ES ist doch aber ein sehr starkes Kapital, waS wir bei Heinig'S haben. Bergmann. Heinig's sind gut, keine Müssiggänger, keine Prahlnarren. Faß. Haben aber seit kurzem auch starke auswärtige Ge­ schäfte unternommen. Bergmann. Ei? das höre ich nicht gern. Indeß — Gott wird sie segnen, wie er den Fleiß immer segnet. Ich will zwar ein Auge auf Heinig's haben, wenn sie nun auch andere Geschäfte treiben, als ihre hiesige einträgliche, sichere Lieferung; allein auf fleißige, treue Leute muß man mit Gott und Klugheit wagen. Faß. Wagen? — Ja. Bergmann. An den zwei starken Partien von Kaffee und Zucker, die ich in London übernommen, werde ich nun beträchtlich gewinnen.

70 Faß. Beträchtlich! Dazu ist aber auch der Demoiselle Schwester ganzes, sehr starkes Kapital genommen. Bergmann. Ich bin ja auf allen Fall mit der Ware ge­ deckt. Faß. Hm! Wir haben doch heute so — so im Zorn be­ trächtliche bare Kapitalien hinausgezahlt. Bergmann. Haben Sie mir nicht, und mit Recht — selbst gerathen, die Bursche loS zu werden? Faß. Nur ohne Geld. Ein Handelsmann muß gar keine Gemüthsbewegungen haben, meine ich. Bergmann. Kann ich denn kalten Blutes bleiben, wenn mich das Volk todt ärgert? Faß. Hätten ja reisen, aber ihr Geld da lassen können. Bergmann. Nichts. Fortgejagt; aber vorher auSbezahlt. In Kaffe haben wir noch bar zwei tausend fünfhundert und vierzig Thaler. Faß. Ja; auf gewisse Weise. Bergmann. Wie? auf sehr gewisse Weise. Faß. Von neulich kommen mir noch sieben hundert drei und dreißig Thaler zu, wegen — Bergmann. Ich weiß, ganz recht. Faß. Dürfte ich die etwa mir ergebenst ausbitten? Bergmann. Meinetwegen! aber wozu? Faß. Ich habe so eben für daS Magazin eine Lieferung von dreizehn tausend Säcken auf eigene Rechnung übernom­ men — Bergmann. Ich gratulire. Faß. Danke ergebenst. Also siebenhundert drei und drei­ ßig Thaler für mich, bleibt bar in Kaffe tausend achthundert und sieben Thaler.

Dritter

Auftritt.

Vorige. Onkel Lest. Onkel. Auf ein paar Worte, meine Herren! — t Bergmann (bei Seite). Wenn ihn doch — sFaß (bei Seite). Nun kommt der wieder! Onkel. Sein Sie ruhig! — es ist bald abgethan, dann gehe ich wieder. Bergmann (zu Faß). Der Herr ist doch ausbezahlt? Faß. Ei freilich. (Er will gehen.) Onkel. Sie müssen bleiben, Herr Faß! denn ich will von Ihnen sprechen. Bergmann. Ehrlich und kurz! da wir beide nicht für einander paffen, weshalb kommen Sie ju mir? Onkel. Nun — ich komme denn auch allenfalls nicht aus Neigung; aber meine Charge treibt mich zu Ihnen. Faß (für sich). Charge? (Er lacht.) Bergmann. Seit wann haben Sie eine Bedienung? Onkel. Sie lassen diese Bedienung nicht gelten, weil sie nicht im Staats- und Adreßkalender nachzuschlagen ist. Bergmann. WaS? was soll das heißen? Onkel. Aber meine Stelle fordert ihren Mann, und es ist d'rum ein ehrlich Stück Arbeit — Bergmann. Verse? moralische Erzählungen — nicht wahr? Onkel. Nicht doch! Bergmann. Nun! worin besteht denn das neue Offi­ cium ? Onkel. ES ist alt, Herr Bergmann! Mit der ersten Thräne, die ich weinen mußte, ward mir auch die Bestallung schon übertragen.

72 Bergmann. Wer zahle Ihnen die Besoldung dafür aus? Onkel. Wer für gehemmte Thränen mir einen Hände­ druck gibt. Bergmann (will gehen). Für hohe Reden habe ich keine Zeit zu verlieren. Onkel. Sie haben Glück zu verlieren. Bergmann. WaS? (Bleibt stehen.) Onkel. Lebensruhe! Bergmann. WiedaS? Onkel. DaS ist die Sache, der ich bedient sein will. Bergmann. Sprechen Sie gerade au-! Onkel. Recht gern. Bergmann. Ohne hochtrabende Reden. Onkel. Gerade aus denn: dieser niedrig kriechende Mensch (auf Faß deutend) ist ein Taugenichts. Ich? ^Bergmann. Herr! ich vergreife mich. Onkel. Mit Herrn Faß haben Sie sich vergriffen. Faß. Ich klage recta bei dem Hofgericht über Jnjuriirung — ' Onkel. So thun Sie denn zum ersten Male in Ihrem Leben etwas recta. Bergmann. Sagen Sie heraus, was Siegegen den Ehrenmann haben — sagen Sie, wenn Sie das Herz haben. Onkel. Daß er kein Ehrenmann ist — habe ich gesagt, und wiederhole es. Das ist vor der Hand nöthig, Sie auf­ merksam zu machen. Ferner warne ich Sie — kaufen Sie den Garten noch nicht, und wenn Sie mit der Mamsell Schwe­ ster zu sprechen kommen — so denken Sie an uns beide, an Herrn Faß und mich. Mehr kann ich noch nicht sagen, ohne Ihnen durch Ihre eigene zügellose Heftigkeit zu schaden.

Bergmann. Sie sind ein Verleumder. -Onkel. Morgen werden Sie mich Ihren Freund nen­ nen ; also höre ich heut Ihre Schmähung nicht. Bergmann. Herr Faß', verlassen Sie sich auf mich! Onkel. Herr Faß! thun Sie das nicht! denn morgen wirft er Sie auS dem Hause. Fass. Ei du gerechter — Bergmann. DaS soll nicht ungerochen bleiben, so wahr — Onkel. Probiren Sie eS doch, ob Ihr Freund mir in die Augen sehen kann. Fass. O ja, o ja! (Er sieht ihn an.) 9?un ? Onkel. Still gestanden! — fest den Blick —fest in meine beiden Augen! — So! — Nun geben Sie Acht! — wie er blinzelt — das Auge ist «nstät — es senkt sich — fort mit der elenden Maschine! sie taugt nichts. Fass. Nein! in ein so freches Gesicht will ich nicht sehen. Bergmann. Verlassen Sie mich! Gleich! Onkel. Ihr Zimmer? ja! das können Sie fordern. Ihr Schicksal verlasse ich nicht; denn Sie sind «in armer Mann, der Hilfe braucht. Bergmann. Ich ein armer Mann? Wie viel sind Sie denn besser als ein Bettler? Onkel. Ich kann das vermissen, was ich nicht bedarf. Sie müssen Ihr Geld festhalten, denn: würde Ihr bares Heil Ihnen aus den Händen gewunden, so ist auch die Seele von dannen, und wer kann dann dem Leichnam wieder einen lebendigen Athem einhauchen? (Er geht.)

XIX.

6

74

Vierter

Auftritt.

Bergmann. Faß. Bergmann. Wüthen möchte ich — Fatz. Und ich-ann! Meinen verehrten Herrn Prinjipal einen Leichnam zu nennen! Bergmann. Ich weiß, daß alles, was er thut, nur Spiegelfechterei ist — Faß. Er will Sie überrumpeln. Bergmann. Weshalb soll ich den Garten nicht kaufen? Was will er mit meiner Schwester? Faß. Dort hat er gewiß etwa- inkaminirt. Geben Sie nur Acht! Bergmann. Wa- hat er gegen Sie? Faß. Liebster Herr! Ich sage eS Ihnen, sie ruhen nicht, die Kinder und die Madame, bis sie mich von Ihnen wegge­ trieben haben. Bergmann. Nimmermehr! Faß. Ach ja! Ich Habemir durch Ihre Hilfe und Con­ silia einen Sparpfennig hier erworben. Das will man mir nicht gönnen. Ich bin ein armer einfältiger Mann, ich kann nichts offeriren, als meine getreuen Dienste. Bergmann. Die ich vergelten will. Faß. Mein redliches Gemüth ju Ihnen. Bergmann. Ja, Herr Faß! Sie leiden um meinet­ willen. Aber Sie sollen dafür belohnt werden. Faß. Ach nicht doch! Bleiben Sie mir nur gewogen! lassen Sie mich ziehen, und behalten Sie die Herren Söhne -ei sich — Bergmann. Fort! fort!

75 Faß. Dann haben Sie Ruh« — so lange das nicht ge­

schieht, werden Sie doch gemartert. Bergmann. Ich lasse mir nichts mehr gefallen. Dies Volk muß alles fort! Und gegen den Narren — den On­

kel —

Faß (seufzt). Ach! das ist ein boshafter Narr. Lassen Sie

mich von sich, so geben sich die Leute, und Sie haben Frie­ den. So lange ich da bin, quälen und verfolgen sie uns beide,

lachen Sie auS, und machen Sie vor der Stadt ju Spott. Bergmann. Jetzt ist die Reihe an mir. Faß. Juden, Wucherer — dumme Geldsäcke nennen sie

uns, lassen unS in Kupfer stechen. Und — nun, Sie haben

«S ja gehört—wie er Sie einen Leichnam titulirte! Geschieht das in's Gesicht — Bergmann. Sie haben Recht. Faß. So läßt sich leicht erachte« —

Bergmann. Ich lege mich nicht schlafen, bis ich an dem Gesindel unS gerächt habe. Faß. WaS wollen wir machen? Die antworten auS Bü­

chern — da können wir auf tausend nicht eins Vorbringen.

Malen uns ab mit gräßlichen Geberden, — daß wir in der Stadt zur Schau herum getragen werden.

Bergmann. Die Bösewichter! Faß. Singen Spottlieder auf unS ab — und der Herr

Onkel ist im Stande, und maltraitirt mich einmal für meine simple Redlichkeit auf der Landstraße.

Bergmann. Geben Sie mir Ihre Hand! Faß. WaS befehlen —

Bergmann. Nimmermehr lasse ich Sie von mir! Und heute räche ich uns beide für den Affront, der unS wider-

6 *

76 fahren ist. Jetzt gehen Sie, und nehmen Sie ein niederschla­ gendes Pulver —

Faß. Ach nein!

Bergmann. Sie haben sich geärgert. Faß. So so! ES paffirt —

Bergmann. Nehmen Sie ein Pulver — Faß. Nun denn! daß ich nur mein mühselig bischen LebenS-Portion für den Herrn Prinjkpal noch konservire. Ich

für mein Theil bin es herzlich zufrieden, wenn ich eS meinem Schöpfer abliefern kann. (Er geht.) Bergmann. Nimmermehr sollen diese Leute über mei­ nen Entschluß etwaS gewinnen. Sie sind abgenutzt in Kün­

sten und Künsteleien, mein ehrlicher Sinn soll am Ende oben stehen.

Fünfter

Austritt.

Bergmann. Franz.

Franz. Gut! daß ich Sie allein finde.

Bergmann. Allein,

ja. Dann ist mir ganz wohl zu

Muthe.

Franz. Lieber Vater! Erlauben Sie mir, daß ich ein

vertraulich Wort mit Ihnen reden darf! Bergmann. 0 ja! nach Belieben. Franz. Sehen Sie mich freundlich an!

ich bitte Sie

recht von Herzen darum.

Bergmann. Freundlich? Ei ja! (Er lacht im Zorne.) War­ um das nicht? Franz. Denken Sie, daß wir morgen scheiden.

Bergmann. Gott sei Dank! ja.

Franz. Drum lassen wir den alten Streit! Anfangs war mir eS gar nicht lieb, daß wir fort sollen.

Bergmann. So? Franz. 216er — nach einiger Ueberlegung finde ich, es ist

daö Beste für uns. Bergmann. Für alle. Franz. Wir muffen die Welt sehen, andere Menschen, anders Thun und Kunstwerke. Bergmann. Das kostet Geld. Franz. Bringt dann auch Geld. Bergmann. Wann? Franz. Wenn unsere Arbeiten gut sind. Bergmann. Wer kauft Gemälde? Franz. Wer sie versteht. Bergmann. Dergleichen kann man ja heutiges Tages für einen Louisd'or in Kupfer gestochen haben, so scharmant und so bunt, als du es auf die Leinewand für zehn Louisd'or nur bringst. Franz. Man har den Cichorien--Kaffee viel wohlfeiler, als den Mokka--Kaffee; aber es gibt Leute, die doch die edlen Cichorien nicht kaufen. Bergmann. Wo wirst du denn seiner Zeit deine Ware aushangen? Franz. Ich hoffe, hier. Bergmann. Hier? ha! So? wegen der Mamsell Gerson? Franz. Ja; aber ganz vorzüglich wegen meiner guten Mutter. Bergmann. Du denkst die Mamsell Gerson zu heirathen? Franz. Ja. Ich komme Ihnen zu sagen, daß wir ver­ sprochen sind. Bergmann. Gerechter Gott! wann?

78 Franz. Vor einer Stunde. Bergmann. Franz! Ich will dir noch einen Beweivon Vaterliebe geben, ob du ihn gleich nicht verdienst. — Sieh! du denkst da mit der Mamsell Gerson eine reiche Heirath zu thun? Franz. Nein! das denke ich nicht. Bergmann. Gerson's sind sehr reich ausgeschrien, wa­ ren es auch — Franz. Sie sind es nicht mehr. Bergmann. Richtig! Ich kann dir noch mehr sagen. — Morgen müssen sie fallen. Franz. Sie werden sich setzen und forrhandeln können. Bergmann. Glaube das nicht! danke Gott, daß du mich gesprochen hast! Reise ab, mache dich nach und nach von deinem einfältigen Verbrechen los! — Laß sie sitzen! Franz. Pfui! Bergmann (heftig). Franz! Franz. Vergeben Sie mir das Wort! ich will dafür Ihren Rath vergessen. Bergmann. Der Vater macht Bankerott. Franz. Was geht daS die Tochter und meine Liebe an? Bergmann. Wovon wollt ihr leben? Franz. Der Mann erhalt die Frau. Bergmann. Denk an dein Glück! Franz. Drum denke ich an die Tochter. Bergmann. Du wirst einst anders denken. Franz. Dann wäre ich weniger werth als jetzt. Bergmann. Es ist doch nicht möglich, daß du vor dei­ nem Eheversprechen die üble Lage von Geri'on's gewußt? Franz. Nachdem der Vater mir fein Elend geklagt hat-

79 te, habe ich um die Tochter angehalten, und dann haben wir Ringe gewechselt. Bergmann. Es ist rasend. Ist denn etwa noch mütter­ liches Vermögen da? Franz. Nein. Die Frau hat mit unterschrieben. Bergmann. Armuth, — Hunger, Kummer, Spott, Schande, Versiegelung — aber der Monsieur gibt die Hand zu'.- Vermählung — das ist denn so ein hohes Gemälde, das ist so Maler und Kunstherren Manier. Das dich alle Wetter — Franz. Es ist ehrliche Manier und das Andenken an des Vacers Schluchzen, der Mutter Thränen, meines Mädchens Blick — Vater! wenn ich den Blick malen konnte — wie er an den Himmel hinan — in den Himmel hinein sah — von da auf mich herab sich senkte — feines Roth das Gesicht zur Engelsprache erhöhte, die edle Figur sich zu mir herüber bog, wie dann aus diesem Auge eine Perle herabrollte — wenn ich das so malen könnte, wie ich es gefühlt habe, — was kostet das Herzogthum, würde ich ausrufen. Bergmann. Lege einen baren Groschen bei Seite zu einem Bettelstäbe, dessen bist du gewiß. Franz. Wie ich nach dem Versprechen hieher kam, und die sechstausend Thaler, die Ihre Vatergüte mir ausgezahlt hat, bei der Mutter vorfand — Bergmann (wüthend). Ich witt's nicht hoffen, Franz! sprich nicht weiter! Franz. So habe ich sie den Augenblick zu dem Vater Gerson getragen — Bergmann. Gott steh mir bei! — ich bin der Mann des Todes. Franz. Der dringendste Wechsel, der boshafteste Schreier ist damit bezahlt —

80 Bergmann. Mit meinem Gelde — der Prahler der — Franz. Die andern Gläubiger sind Ehrenmänner. Mein Beispiel, Gersons Lage hat sie gerührt, die Bücher haben sie überzeugt, die Effekten decken vieles — das Meiste; sie sind ein Arrangement mit Gerson eingegangen, er wird nicht Bankerott machen, forthandeln, und dieses Glück hat er und ich Ihrer Güte für mich zu danken. Bergmann. Geh zum Teufel! Franz. Vater! zürnen Sie nicht! Bergmann. Ich rase. Den Großthuer, den vornehmen Narren! Franz. Den unglücklichen Mann — den unglücklichen — wenn Sie ihn so nennen, wird es ruhiger und freundlich in Ihrer Seele werden. Bergmann. Gerson reißt sich nimmermehr heraus — Franz. Jedermann hoffe es — Bergmann. Mein Geld ist zum Henker! deines mit! So wahnsinnig zu handeln! so albern, so toll, ohne mich zu fragen — Franz. Sie hätten mir unmöglich anders rathen kön­ nen — Bergmann. Wahrhaftig! das hätte ich gethan! darauf verlaß dich! Franz. So würde ich Ihrem Rathe nicht gefolgt sein; denn mein Herz sagte mir recht stark und deutlich, das Geld ist dein, die Menschen sind gut und unglücklich, raffe auf deine Thaler, laufe geschwind und trage sie zu Gerson hin! Bergmann. Ich kann mich gar nicht erholen von dem abgeschmackten, tollen Streiche. Ich zittre an Arm und Bei­ nen. Dummer, alberner Mensch!

81 Franz. Vater! wenn ein ehrliches Herz die todten, kal­ ten Silberrollen stumm und schwer da vor sich liegen hat, sieht dann die Angsttropfen auf der offnen Stirne eines wa­ ckern grauen Vaters, sieht die Silberthränen der jammern­ den Tochter aus dem großen blauen Auge, das unstät umher nach Hilfe blickt, aber überall versiegelte Herzen findet, ge­ schlossene Lippen! Bergmann. Verschlossenes Komtoir, versiegelte Thüren wirst du Prahler bald genug dort erblicken. Franz. Sieht eine ganze unschuldige Familie sich im Marterkampfe sträuben gegen das Todeswort: Bankerott, dies Signal zu Hohn, Armuth und Schande— sieht dies Alles, und säet nicht gleich aus mit voller Hand die todte Sil­ bermasse, aus der Frieden, Dank, Glück, Rettung und Ehre aufgehen kann — der ist an Geist und Herz bankerott, und es würde mir unheimlich zu Muthe sein, sollte ich mit ihm unter einem Dache mein Leben enden. (Er geht.) Bergmann. Haha! haha! haha! da zieht der Bursche von dannen und geht umher, wie der Storch auf der Wiese. Das stolzirt, raisonnirt, bramarbasirt, — wirft hinaus mein Geld— liest dem besorgten Vater den Leviten, fährt hoch­ mächtig zur Thüre hinaus und läßt mich dastehen wie einen gemeinen Bettelkerl. Ei so hole euch der Teufet und nun und nimmermehr will ich für das hochmüthige Gesindel einen gu­ ten Gedanken wieder in mir aufkommen lassen, und sollten sie darüber zu Grunde gehen.

Sechster -Auftritt. Bergmann. Mamsell Bergmann. Msll. Bergmann. Höre, lieber Bruder! Bergmann. Was gibt's?

82 Msll. Bergmann. Du bist verdrießlich? Bergmann. Ja. Msll. Bergmann. Ich bin sehr eilig und kann nicht

abwarren, bis du eS nicht mehr sein wirst. Bergmann. So sage, was ich hören muß. Msll. Bergmann. Ich reise nach Paris. Bergmann. Was ist das? Msll. Bergmann. Das habe ich so beschlossen. Bergmann. Reisest du mit den Kunst-Monsieurs? Msll. Bergmann. Bewahre! Ich werde einen kleinen alten Gelehrten mit einpacken. Einen Bedienten nehme ich dann weiter nicht mir. Bergmann. Du bist doch genug in der Welt herum kurschirt. Msll. Bergmann. Es wird hier im Hause langweilig werden, und ohnehin muß ich über einige Dinge meine Sisteme durch eigne Erfahrung berichtigen; deshalb gehe ich selbst nach Paris. Bergmann. Was willst du zu Paris thun? Msll. Bergmann. Sehen, hören und judiziren. Bergmann. DaS kannst du ja hier auch. Msll. Bergmann. Es gehört doch dazu, daß man dorr war. Bergmann. Nun so zieh hin! Glückliche Reise! Msll. Bergmann. Wir müssen uns über das Geld ver­ einigen. Bergmann. Ja so. Wie viel brauchst du Reisegeld? Msll. Bergmann. Mein Vermögen macht neun und zwanzig raufend Thaler, so steht es bei dir. Bergmann. Ja.

83 Mfll. Bergmann. Du wirst so gut sei» und es mir nun zurück zahlen. Bergmann. Willst du denn ewig in Paris bleiben? Msll. Bergmann. Nein! Wenn ich etliche Explosionen in der Nähe belebt habe, ziehe ich von da nach Barcellona. Bergmann. Und dann — Msll. Bergmann. Das Ende eines Lebensplans zu kalkuliren, fatigirt mich. Also das Geld, lieber Bruder — Bergmann. Willst du es wirklich haben? Msll. Bergmann. Ja. Bergmann. Alles? Mfll. Bergmann. Ja. Bergmann. Auf einmal? Msll. Bergmann. Warum nicht? Bergmann. Wie kommst du dazu? Msll. Bergmann. Weshalb sollte ich eS nicht thun? Bergmann. Jedermann ist Herr über sein Eigenthum. Msll. Bergmann. Deshalb — Bergmann. Aber eine so große Summe auf einmal auS einer Handlung zu geben — Msll. Bergmann. Lieber Bruder! es war gar nicht vorsichtig, daß ich alles in Ein Haus riskirt habe. Bergmann. Riskirt? Msll. Bergmann. Nun ja! Bergmann. Ich gestehe dir, daß dein« Forderung mich eben in dem Augenblick in einige Verlegenheit setzt — Msll. Bergmann. Das hat man mich vermuthen las­ sen — Bergmann. Wer? Msll. Bergmann. Der Name thut nicht- zur Sache, deshalb bestehe ich darauf, lieber Bruder!

84 Bergmann. Du weißt vielleicht, daß ich heute große Zahlungen gemacht habe — Msll. Bergmann. Ja! daß weiß ich. Bergmann. Sie waren unvermeidlich. Msll. Bergmann. So? Die Zahlung an mich ist ganz und gar unvermeidlich. Bergmann. Ich will mich umsehen, will Anstalten treffen — Msll. Bergmann. Nur bald — Bergmann. Ja, ja! doch nicht heute? Msll. Bergmann. Nein. Aber du wirst mir heute doch noch sichere Nachricht geben, wann und wie du die Zahlung bestimmt leisten willst? Bergmann. In Gottes Namen, ja! Msll. Bergmann. E6 ist mir leid, wenn dich das de rangiren sollte — Bergmann. Sage mir! findest du deine Handlungs­ weise verantwortlich? Msll. Bergmann. Allerdings. Bergmann. Bist du nicht meine Schwester? meine leibliche Schwester? Msll. Bergmann. O mein Freund! über dergleichen Verhältnisse hat man freilich von der christlichen Lehrart noch gewisse unberichtigte Begriffe, die lange ankleben. Sie sind auch an sich unschädlich, und es liegt eine gewisse poetische Erhebung in der Sache. Aber das kann doch nicht bis in die Geschäfte gehen sollen? Bergmann. Wärest du wirklich im Stande, es mit mir um deines Geldes Willen auf's äußerste kommen zu taffen? Msll. Bergmann. Mein lieber Bruder! es kommt al-

85 les auf die eignen Begriffe an, die man mit gewissen Worten verbindet. Eine Sache kann vor der Vernunft durch alle Rubriken zu rechtfertigen, ja nach den unbestreitbaren Grund­ sätzen der Erhaltung nothwendig sein, die vor dem, was man daS Gefühl zu nennen pflegt, eine nicht angenehme, wenig­ stens unpoetische Seite zu bekommen scheinen kann — Bergmann. Deine Sprache verstehe ich nicht — sage mir kurz und gut! — ob du es im schlimmsten Falle mit mir aufs äußerste kommen lassen würdest? Msll. Bergmann. Der schlimmste Fall! WaS ist daS? Bergmann. Wenn ich kein Geld habe. Msll. Bergmann. Dieser für dich schlimme Fall ist für mich der noch schlimmere Fall, weil ich alsdann kein Geld habe. Wenn das, was für mich daS Schlimmste ist, dir meinerseits das sogenannte Aeußerste zuzieht: so ist daS nicht die Folge eine- Unwillens, den ich gegen dich hätte, sondern die Nothwehr zur Selbsterhaltung. Bergmann. Wärest du wohl im Stande, mich bankerott erklären zu lassen? Msll. Bergmann. Mein lieber Bruder! Gerichtsformen sind abgedrungene Hilfsmittel. Freilich führt eine ange­ nommene Form nothwendig zu der andern. Was alsdann in allen diesen gerichtlichen Formen nach Vernunft und Gerech­ tigkeit daS Aeußerste heißt — ist mir nicht bekannt; doch werde ich es geschehen lassen müssen, zu dem Eigenthum zu gelangen, das mir nothwendig ist. Bergmann. Es ist noch nicht so weit mit mir, du liebe Seele! Gott stärke dich in deiner Sanftmuth! — ich werde dich bezahlen können. Msll. Bergmann. Ich weiß nicht, ob diese Worte eine

86 andere Meinung anzeigen sollen; die Klugheit rath mir, sie für daS zu nehmen, waS mir das wenigst Beunruhigende ist, und somit verlasse ich dich ganz zufrieden. (Eie geht.) Bergmann. Was ist das? Sie ist gelehrt, kalt und hart; — aber so teuflisch hart war sie noch nie. — Dahinter steckt etwas. — Das ist eine angelegte Karte von der Fami­ lie. Weil meine Schwester sich auch so um die Kunstpoffen bekümmert, so hat man die aufgehetzt, ich soll zu Kreuze krie­ chen, wenn ich das Kapital nicht schaffen kann, der Bücher­ prinzessin sagen: — ich will die Kerls da lassen, habe nur Geduld mit mir! Nicht-! Nun müssen sie erst fort.

Siebenter -Auftritt. Voriger. Klaviermeister Mlrkel. Mirkel. Daß Gott im Himmel erbarm! da ist er ja wohl. Bergmann. WaS? was wollen Sie? Mirkel. Sind Sie Herr Bergmann? Bergmann. Ja! wer sind Sie? Mirkel. Herr Faß, Gott segne den Kautz dafür! hat mich an Sie gewiesen. Mirkel heiße ich — bin Klaviermei­ ster — bin der große Mirkel. Bergmann. Ich nehme keine Lektion. Mirkel. Dazu haben Sie auch gar die Gelenkigkeit nicht mehr in den Fingern. Aber — mir hat der Herr Stief­ sohn eine Lektion gegeben. Wer bin ich, Herr? der große Mirkel bin ich. Mir das? mir? Es schreit zu Gott. Bergmann. Denn schreien Sie an, aber mich nicht — (Er will gehen.) Adieu! Mirkel. Nicht vom Platze —

Bergmann (heftig). Herr! was ist das? Mirkel. Reißen Sie nur die Augen auf! es kommt noch besser. Bergmann. Sind Sie rasend? Mirkel. Ja! der Herr Prahler, der Sohn Karl will verreisen? von hier fortgehen? Ist daS so? Bergmann. Ja. Mirkel. Sie dürfen es nicht leiden, sage ich Ihnen. Bergmann. Morgen geht er; er muß gehen. Mirkel. Das wollen wir sehen, Herr! Nehmen Sie sich vor Jakob Mirkel in Acht! Wer einmal mit mir zu thun gehabt hat — wem ich einmal in'S Ohr gesagt habe: — ich bin der große Mirkel, und habe ihm dazu die Hand ge­ drückt — Herr! kennen Sie meinen Händedruck? (Er faßt ihn.) Bergmann (schreit). Nein! Mirkel. Wer mich nur gesprochen hat, der geht mir länderweit aus dem Wege. Ich verlange gegen Ihren Ra­ bensohn Gerechtigkeit! Gerechtigkeit! oder ich prostituire daS ganze Haus, drücke Vater und Sohn an der Wand todt. Bergmann. Ist Ihnen der Bursche schuldig? Mirkel. Das will ich meinen. Bergmann. Wie viel? Mirkel. Es ist nicht zu tariren. Ich bin nicht zu tariren; mein Talent ist in der Welt nicht mehr. Bergmann. Herr! sind Sie der erste Künstler in der Welt, so sein Sie nicht der erste Grobian! — Zur Sache! kurz und vernünftig! oder ich lasse Sie stehen. Mirkel. Sie müssen Ihren Sohn zur Raison bringen, loskaufen, — oder Sie sollen Ihre blutigen Thränen vergie­ ßen über mich. Setzen Sie sich!

88

Bergmann. Nein —

Mirkel. Ich habe eine Tochter — Bergmann. Haha! eine Tochter. Weiter — Mirkel. Ach ich armer geschlagener Mann! ich betro­

gener Vater. Bergmann.

Armer

geschlagener Mann?

betrogener

Vater? durch den Kart? bravo! jetzt errathe ich alle-. — Setzen Sie sich, Herr Mirkel! erzählen Sie mir Alles! (Sie setzen sich.)

Mirkel. Wir sind arme Leute — nehmen Sie sich un­

ser an! Bergmann. Ja! Ihre Tochter —

Mirkel. Ich bin ein Künstler — Bergmann. Davon sein Sie ganz still! (Steht auf.)

Mirkel (steht auch auf).

Sie werden von mir gehört

haben —

Bergmann. Nein! keine Silbe — Mirkel. Sie mü ssen von mir gehört haben! besinnen

Sie sich nur! — von Mirkes- Sonaren? Bergmann. Bekümmere mich nichts um dergleichen —

Mirkel. Lesen Sie keine Journale? Bergmann. Bewahre Gott!

Mirkel. Von meiner Bataille bei Lodi? haben Sie da­

von nicht- gehört? Bergmann. Nichts. Mirkel. Die habe ich komponirt.

Bergmann. Die Bataille?

Mirkel. Herr! wenn ich Ihnen meine Bataille von Lodi Vorspiele — von Sinnen kommen Sie.

Bergmann. Aber jetzt sagen Sie mir nur erst —

89 Mirkel. Die Angst verzehrt Sie. Sie fallen um. Da ist alles vorgestellt. Die Vorposten — die Kavallerie — die Rekognoszirungen — das kleine Gewehrfeuer — der Kriegs­ rath vor der Bataille — die Hauptattake — das Einstürzen der Brücke — die Kanonade — die Verwundeten — die flüchtige Bagage — die Retirade — die Plünderung — das Lazareth — Alles habe ich komponirt — Bergmann. Und Ihre Tochter und Karl — Mirkel. Meine Tochter, ja! das Kind ist ein großeTalent — das erste Talent in Europa — Bergmann. Und Karl? Mirkel. Ist oft zu mir gekommen, ist zu meiner Toch­ ter gekommen — Bergmann. So recht! Mirkel. Hat ihr tausend schöne Sachen gesagt — Bergmann. Hat sie betrogen. Mirkel. Jawohl, jawohl! Bergmann. Künstler-Humor, Herr Künstler! Weiter— Mirkel. Hat ihr monatlich vier Thaler gegeben, unter dem praetext, daß sie in andern Wissenschaften sich qualifiziren sollte — Bergmann. Weiter! Mirkel. Hat sie spielen und singen lassen, hat mit ge­ sungen— hat sie einmal über's andere einen Engel genannt — Bergmann. Da- thun die Teufel! Mirkel. So habe ich und jedermann geglaubt, das geht auf eine Heirath aus. Denn wie wird sonst ein Künstler mei­ ner Art von so einem Anfänger eine Pension von vier Tha­ lern annehmen? Ich bin zwar blutarm, daran ist die gott­ lose Kabale Schuld, und weil ich al- ein wahrer Künstler XIX. 7

90

mir nicht- gefallen lasse, jedermann Widerpart halte,

und

alle- gehörig kritisire.

Bergmann» Also hat mein Stiefsohn Ihre Tochter ge­

liebt?

Mirkel. Natürlich. Sie sind ja eine verständige Per­ son. Weshalb wäre er denn sonst tagtäglich zu uns gekommen? Unterricht gebe ich besser al- er; denn ich bin der erste Künst­ ler weit und breit. Seit acht Wochen ist er weggeblieben, hat aber da- Geld geschickt. Mein arme- Mädchen grämt sich die

Zeit her fast zu Tode. Heute schickt er nochmal vier Thaler,

schreibt, da- wäre das letzte Geld,

er verreiste auf lange

Zeit —

Bergmann. Hat er ihr die Ehe versprochen? Mirkel. Wohl nicht gerade zu. Aber was kann so ein junger Mensch für Absichten haben, wenn er täglich zu einem jungen schönen Mädchen kommt, al- eine Ehe, oder ein Un­

glück? Bergmann. Unglück! Unglück! Mirkel. Meine Tochter ist in dem Gerede der Leute —

Bergmann. Versteht sich — Mirkel. Sie ist rasend in den Menschen verliebt, da­

leide ich nicht, daS leide ich nicht, und sollte Mord und Todt­ schlag darau- entstehen. Gerechtigkeit —

Bergmann. Sind Briefe von ihm da? Mirkel. Briefe, Verse, Billete; ein ganzer Kasten voll.

Bergmann. Die bringen Sie her!

Ist Ihre Tochter

ein ehrlich Mädchen? Mirkel. Fragen Sie doch unsere ganze Stadt, die für

die brillantesten Lästerungen weit und breit renommirt ist, ob sie etwa- gegen meine Tochter aufbringen kann.

Bergmann. Schicken Sie Ihre Tochter daher! Mirkel. Wann?

Bergmann. In — einer Stunde. Mirkel. Ich will mit kommen.

Bergmann. Wozu? Mirkel. Herr! Wenn Sie einen rechten Spektakel er­ leben wollen, daß alles jittert, und die Nachbarn zu Hilfe

laufen, — lassen Sie mich auftreten. Vor mir kommt er nicht ju Worte, nicht zu Athem. Ich komponir« Fugen in die

Gespräche. Er ist verloren, wenn ich komme. Bergmann. Adieu! In einer Stunde erwarte ich Sie. Mirkel. Gott segne Sie, verehrtester Menschenfreund!

Sie sind ein Mann —

Bergmann. Adieu! Mirkel. Nach meinem Herzen. ES ist auf Ihrem An­

gesichte «in« Mischung von Wehmuth und Hoheit — Bergmann. In einer Stunde — Mirkel. In Ihrer Stirne ist eine Zartheit, die bestimmt

dir weich besaitete Seele anzeigt.

Bergmann. Herr! komponiren Sie mich nicht! Mirkel. Sie nicht; — aber ich setze jetzt einen Patriar­

chen bei — bei — wie will ich sagen, so eine« Patriarchen in seinen Empfindungen bei — bei Sonnen-Untergang — in

Musik! daS sind Sie!

(Er zieht ein Papier heran».)

Darf ich?

Bergmann. Was ist das ? Mirkel. Meine Bataille bei Lodi zum Andenken! Gott

sei mit Ihnen — in einer Stunde stiege ich in Ihre Arme, (er eilt ab)

und da soll der Tanz losgehen.

Bergmann. DaS ist der saubere Sänger, dem ich meine ehrliche Jette geben soll? dort betrogen, anderwärts gelie-

7 *

92 belt, hier di« ewige Treue geschworen!

So sind diese Art

Menschen. Weder Treue, noch Glauben!

Endlich werde ich

doch meiner Frau die Ueberzeugung geben können, daß ihre Kunstpflanzen Tollkraut sind, und daß — haha! da ist sie.

Achter Auftritt. Bergman n. Madame Bergmann. Nachher Karl unb Franz. Zuletzt

Henriette.

Mad. Bergmann. Franz ist bei dir gewesen?

Bergmann. O ja. Mad. Bergmann. Du bist sehr unzufrieden mit ihm.

Bergmann. Ach ja, so ziemlich. Mad. Bergman«. Lieber Mann! — bist du noch auf­ gebracht?

Bergmann. Ja, da- bin ich. Mad. Bergmann. Franz hat freilich etwa- schnell ge­

handelt — Bergmann. Und Karl etwa- teuflisch.

Mad. Bergmann. Wa- ist mir Karl?

Bergmann. Du sollst die Kerl-noch kennen lernen. Mit trockenen Augen wirst du die Höllenbrände abreisen sehe».

Mad. Bergmann (geht gegen He Thür). Kinder! Franz! Karl!

Bergmann. Was soll das? Franz

und

Karl

(treten ein).

Mad. Bergman«. Ich vermag hier nicht-. Ihr seid ja

gilt« Menschen —

(Z, Bergmann.)

Laß dein Herz reden, wie

e- sonst gegen meine Kinder war — (Zu söhnt euren Vater!

Franz und Karl.)

(Tie »mannt Herrn Bergmann.)

Ver­

Ich halte

e- nicht au-, wenn ihr in Mißverstand au- einander geht.

SS Franz. Vergeben Sie die Heftigkeit, womit ich Sie vorhin verlassen habe! Ich erkenne dieses Unrecht. Mad. Bergmann. Sei gut mit meinen Söhnen! laß mir doch den Trost, daß ich in ihrer Abwesenheit vertraulich mit dir von dem sprechen kann, was mir so lieb ist. Bergmann. Angestelltes Spiel mich zu fangen. Karl. Verwerfen Sie nicht den Versuch auf Ihr Herj. Bergmann. Bist du auch da? Mad. Bergmann. Zürne! Sage alles heraus! was dich gegen sie aufbringt, und gegen mich, wir wollen unser Unrecht ehrlich bekennen, wo du uns überführst, daß wir gefehlt haben. Nur laß uns nicht mit kaltem Herj auseinan­ der gehen! Lieber Mann! — der Augenblick jetzt entscheidet alles für meine Zukunft! Ist sie dir gleichgiltig geworden? Bergmann (nachdenkend, nachdem er alle imb Karl sehr fest an­ gesehen). Ja. Dieser Augenblick kann vieles entscheiden. Karl. Sie geben einer sanften Empfindung wieder Ge­ hör? Wie mich das so glücklich macht! Franz. Ja! Lassen Sie Ihr Herz walten, d-swirnie verkannt haben — Bergmann. Wahrhaftig? i Karl vnd Franz. Nie. l Mad. Bergmann. Gewiß, gewiß nicht. Franz. Gott segne diese Stunde, wo Sie nicht unter fremdem Einfluß handeln! Bergmann (zornig). Ich stehe nie unter fremdem Einfluß — das merkt euch! Mad. Bergmann. Vergib der schönen kindlichen Auf­ wallung, wenn sie dir ohne Vorsicht entgegenströmt! Bergmann ($u Madame Bergmann). Geh hin! — Hole Henrietten daher!

94 Mad. Bergmann. Lieber, guter, ehrlicher Mann! darf ich mich der Hoffnung überlassen — Bergmann. Was kannst du von denen da hoffen? Mad. Bergmann (erschrocken). Wie? Bergmann. Thu, waS ich dir sage —hole Henrietten! Mad. Bergmann (geht). Sogleich! Karl. Ihr Blick, der zornig auf mir ruht, gewährt mir keine Hoffnungen! Sie verbergen mit Mühe den heftiasten Unwillen. Womit verdiene ich ihn? Bergmann. Bist du ein ehrlicher Mann? Karl. Ja. Bergmann. So! Karl. Das geht zu weit. Ich bin mit dem versöhnlich ­ sten Herzen zu Ihnen gekommen. Bergmann. Darf der Sohn zu dem Vater von Ver ­ söhnlichkeit reden? Karl. Darf der Sohn gegen den Vater kein Ehrgefühl haben? Franz. Karl! antworte jetzt nicht! Bergmann. Warum nicht? Franz. Nein! er soll um keinen Preis diesen Augenblick verderben. Es ist das letzte Mat, daß wir Ihnen gegenüber stehen. Bergmann. Laß ihn in seiner Art vollenden! laß ihn ganz sein Herz herauskehren! daß ich als Vater gehandelt habe, waS gilt das? Ich heiße ja nur Stiefvater. Karl. Lassen Sie mich nicht fühlen, daß Sie es sind? Mad. Bergmann (mitHenrietten). Wirfdich deinem Woht-thäter in die Arme, liebe Jette! bitte den Vater um das Wort für daS Glück deines HerzenS!

SS Bergmann. Komm in meine Arme, ehrliches Mädchen! ih will dich retten. Henriette. Retten? Karl! waS ist das? Bergmann (zu Karl). Liebst du diese- Mädchen? Karl. Ja. Bergmann. Du hast ihr gesagt, du wolltest sie heirathen? lHenriette. Ich habe sein heiliges Wort. jKarl. Ja. Bergmann. Betrüger! Mad. Bergmann. Um Gotteswillen! Henriette. Karl! waS ist daS? Bergmann (gibt Fra«, da» Kupfer). Pasquillant! Franz (steht erstaunt da» Kupfer an). Bergmann. Einer Andern gehört feine Treue. Henriette «nd Mab. Bergmann. Karl! Karl. Wem? Bergmann (,« Henrietten). Ich werde sie dir vorstellen, (zu Karl) dich zu Schanden machen. Franz. Vater ! was bedeutet dies schändliche Bild? Bergmann. Deine Dankbarkeit, schändlicher Mensch! (Zu Madame Bergmann.) Muß ich deine thörichte, blinde Mut­ terliebe beschämen, so soll dir mein ehrliches Herz Ersatz für die erlogene Liebe ausgearteter Söhne darbieten. — Wenn ich aber eurer ehrlichen schwachen Mutter nichts mehr gelten kann, — so will ich doch dieS unglückliche Opfer der heillo­ sen Künstler-Moral vor der Verzweiflung schützen. Komm, mein Kind! und weine dich bei mir aus! dieser Mensch braucht deine Thränen, um dich tiefer noch zu verderben. (Er geht mit

)

Henrietten.)

96 Mad. Bergmann. Karl! weißt du dich schuldig? Karl. Nein! bei Gott nicht! Franz (gibt ihr m Bild). An dieser Büberei habe ch nicht Theil. Mad. Bergmann. Darauf deuteten seine Red«? da­ her sein Zorn? Karl. Ich bin mir nichts bewußt. Mad. Bergmann. Es ist eine fürchterliche Gwißheir in seinen Worten. Karl. Mutter! Wir sind schuldlos; aber hier st nun nichts mehr gut zu machen, wir sind am Ende. Fran;! laß unS heute unsere Wallfahrt noch antreten. Mutter! E halten Sie mir Henrietten! Der Mann ist nicht zu überzeugn, bis die Zukunft ihn beschämt. Was hadern wir, um seiw Liebe zu gewinnen! warum vertrauern wir neben seinem witerwärtigen Humor Tage, die dem reinsten Kunstgenuß gevidmer sein sollten? Mad. Bergmann. Ihr gehr; auf euch warten bessere Tage. Ich bleibe allein hier. Karl. Wohl macht mir das den Abschied bitter; — doch muß es sein! geneckte Bursche verlassen Sie, geachtete Man­ ner kommen zurück. Hier fällt mit jedem Tage der rauhe Nachtfrost auf den zarten Keim. Auswärts soll milde Därme und die innere Kraft der Liebe für Mutter und Gekielte eine Frucht reifen lassen, bei deren Anblick sie alle diese Stürme vergessen. Fort! daß neue Kraft uns vollende. Mad. Bergmann. Lieben Söhne! wo ist das Land, wo der Künstler aussäen kann in bearbeiteten Bolen? Franz. Laß unS es suchen! da wir wissen, daß es hier nicht ist.

97 Karl. Unter milderem Himmel gedeiht die mildere Em­ pfindung. Mad. Bergmann. Und werdet ihr einst wiederkehren wollen in das Land, wo ihr kein Gedeihen finden konntet? Karl. Wiederkehren mit der Fülle der empfangenen Wärme, die von unS ausgehen soll auf enge Seelen! Franz. Wiederkehren zu der Mutter, der Geliebten — Karl. Und dann im kalten Vatertande beweisen, daß echter Kunstgeist jedes Naturgefühl zu allmächtiger Kraft veredelt und erhebt. Franz. Daß für die Liebe der Künstler opfern kann, was der gemeine Geist nach Maß und Loth auskaufen will. Mad. Bergmann. Nun dann! Ich will mich an diese Hoffnungen halten. Aber wenn auch dann doch noch der Va­ ter störrisch der bessern Empfindung für euch sich verschlösse? Karl (wendet sich ab). Ach! Franz. Er wird nicht. Ist doch keine Freude dabei, lange zu hassen! Mad. Bergmann. Die Geliebte wird euch dann folgen unter den bessern Himmel! die arme Mutter muß auSharren — und ihre einsame Thräne empfängt nur da- Zeitungsblatt, das ihrer Söhne Werth verkündet. Karl (reicht ihr die Hand). So soll's nicht sein! Franz (eben so). Bei Gott nicht! Mad. Bergmann. Und könnte ich es anders fordern? die alte Mutter endet still am Herde, der ihre Pflichten for­ dert; — die Söhne üben ihren schönen Beruf da, wo ihr Genius sie hinführt. Es sei! — nur das gelobt mir, und bleibt des Gelübdes eingedenk! — Je höher ihr euch in den Künsten schwingt, je fester und beharrlicher haltet euch im

98 Werth der Bürgertreue und Kindespflichten— sonst — glaubt eS mir — steht ihr einsam und trübe auf einer Hohe, wo ihr euch nicht glücklich fühlen könnt. Karl und Franz. Wir geloben. Mad. Bergmann. Nun laßt das Schicksal walten! seid auch nicht ängstlich bekümmert meinetwegen! Das Weib lernt früh entsagen. Gern entsagt die Mutter für ihrer Kin­ der Wohl. (Sie küßt Franz.) Mein Franz! (Sie küßt Karl.) Mein Karl! — jetzt laßt mich einen Augenblick mit mir allein! Ich werde wohl eine Thräne weinen; — doch sie schmerzt nicht, wenn ich in euch meine Hoffnungen überzähle. Wenn ihr mich nun wieder sehet, bin ich gefaßt, und wenn ihr rei­ set, — hört ihr mich nicht schluchzen. Wollte des Weibes Wehmuth nicht von euch lassen, — so rufe der Mutter Stolz: — zieht hin! kehrt wieder einst als große Männer und gute Kinder! — daS ist die Kraft, in der wir scheiden und uns wieder sehen. (Sie geht.) Franz (lehnt sich auf den Stuhl und trocknet die Augen). Welch eine Frau! Karl (steht eingewurzelt da und sieht ihr nach, dann sagt er mit Innigkeit): Welch eine Mutter! Franz. Jede schöne Empfindung in uns hat sie genährt. Karl. Sie gab uns Zartheit ohne Weichlichkeit — Franz. Vieles von dem, was wir sind, ist doch auch ihr Werk. Karl. Ich fühle es recht kräftig, nie werden wir ihrer unwerth sein; immer wird die Liebe für sie uns zu außeror­ dentlichen Dingen erheben. Wie hat sie das schöne Band un­ ter uns beiden bewacht und geheiligt! Franz. Welchen Reichthum legte sie damir in uns nie-

99 der! — Ja, Karl! du bist sanfter als ich — reizbarer als ich. Aber du weißt es doch, daß mein Leben nicht bestehen würde ohne dich. Karl. Wohl weiß ich es, und das hält mich aufrecht, wenn ich, leider! in stürmischen Augenblicken weiter gehe als ich sollte. Franz. Laß das so sein! Freilich wohl sind diese stürmi­ schen Momente dem Tagewerkervolk ein Aergerniß; — aber in diesen Stürmen entwickelt sich die höhere Kraft in uns. Vergreifen wir hie und da uns öfter als das gewöhnliche Ge­ schlecht: so geht doch von uns auch eine bessere Schöpfung aus, daraus die abgemergelten Seelen sich wieder Nahrung holen. Karl. Ja, bei Gott! Es ist so, wie der Onkel sagt, erst Rauch, dann Feuer. Aus unsern Fehlern steigt daS klare Gute auf. Bleib immer mein Geleitsmann, Franz! wenn der reizbaren Empfindung Uebermaß mich über die Grenze führt! Franz. Und wecke du die höhere Empfindung in mir, wenn meine frohe Laune ausarten will in Muthwillen, der in allen Künsten und Verkehr des Lebens ausartet in Klein­ lichkeit! Karl. Dicht neben einander stellte uns wohl die Natur; — aber gleicher Sinn für Wahrheit und für Schönheit gab der Verbrüderung das Leben im Heiligthum der Kunst! Franz. Und ewige Dauer. (Sie fallen sich in die Arme.) Karl. Ewige — ewige Dauer!

100

Neunter Austritt. Franz. Karl. Onkel Lest. Onkel. Ganz recht so! lieben Leute! — habt ihr noch Raum — so nehmt mich in di« Mitte! Franz und Karl. Den Vater! Onkel. Soll er jetzt Vaterrechte üben dürfen? Franz und Karl. Ja. Onkel. So gebe jeder mir die Hand darauf! Franz nn» Karl (thun es). Karl. Ich solle eine Andere lieben, sagt der Vater — Franz. Ich dieS Pasquill gemacht haben — Onkel (sieht es an). Bübisch! — hm! beides glaube ich nicht; doch — zu ernsteren Dingen! Franz! dein Geld ist untergebracht. — Kart! darf ich deines unterbringen? Karl, Unbedingt. Onkel. Auch wagen? Karl. Was Sie wagen wollen, wage ich mit. Onkel. Auch an Jemand, den du nicht eben zu lieben Ursache hast? Karl. Meine Meinung von dem Manne gehört nicht mit zum Wagestück; für sein Unglück! Onkel. Dein Stiefvater steht am Bankerott — Franz. Mein Gott! Karl (zugleich). Mein Geld ist sein. (Er will gehen.) Onkel (halt ihn). Das versteht sich. Aber du mußt erst wissen, wie du wagen sollst — Karl. Nein, nein! Onkel. Heinig wird fallen. Franz. Ich sagte es — Onkel. An Faß! der hat auch sich selbst so halb und halb

101 gerettet; aber Euern Stiefvater nicht gewarnt, eben um sich zu konserviren. Franz. Schändlicher Bube! Onkel. Geduld! Aufsehen stürzt alle Theile in's Ver­ derben. Karl. Aber indeß — Onkel. Hört mich an! (Zu Franz.) Ich werde dir sagen, wie du den Faß bearbeiten sollst. — Die Schwester — ist der Hauptfeind, den nehme ich auf mich. Indeß gib mir alle -ein Geld, ich will versuchen, Heinig zu retten. So — Karl (geht). Onkel. Wohin? Karl. Das Geld holen; waS kann nicht in einem Augen­ blick, waS kann nicht jetzt geschehen, das wir nicht mehr gut machen können! Onkel. Braver Mensch! Wackere Vettern! — säet im­ mer so rasch aus und voll! die Ernte der ehrlichen Kerl ist immer- hundertfältig: der angstvoll Vorsichtige säet dürftig, erntet kümmerlich, und wer mag mit ihm wandeln auf dem Steinacker, wo er nur um die gemeine Nothdurft der Leibesnahrung sich plackt, bis auf seinem vergessenen Grabe die Disteln hin und her wehen! Zur Sache denn! Franz und Karl. Gleich! Onkel. Eurer ehrlichen Mutter spart den Gram und gebt ihr die Freude nach der Rettung! Der Stiefvater darf jetzt nicht seine Gefahr wissen, denn seines Herzens Härtigkeit würde ihn zu toller Unbändigkeit verleiten, die alles verder­ ben müßte. — Es ist auch zu fürchten, daß sein Hochmuth im ersten Anfall deine Hilfe verwerfen würde, und wenn nicht diesen Augenblick geholfen wird, ist alles verloren.

102

Karl. So kommen Sie doch! Onkel. Bei Heinig's kann vielleicht dein und mein Geld­ retten, wenn es g le i ch gegeben wird. Besteht aber die Schwe­ ster auf der Zahlung: so ist dennoch seine Rettung unwahr­ scheinlich. Das ist also die Frage, ob du dein Geld auf diese Ungewißheit und auf die Bedingung wagen willst, daß der Alte jetzt noch nicht- von deinem guten Willen weiß? Karl. Das will ich. Onkel. Recht so! Setze ein in diese ehrliche Lotterie!: Retten wir den ungezogenen ehrlichen Kerl, — so schenkst du ihm den Dank, und wir ziehen mit dem Reisepaß in der Brust in GotteS Namen fürbaß in ferne Lande. Retten wir ihn nicht: so bleibt ihr, glaube ich, noch hier, — matt, setzt Melodien — für Geld, um die Mutter zu erhalten; aber auch, wenn ich alter werde, mich mit. Wollt ihr das so? Franz (reicht die Hand). Es ist verhandelt. Karl (reicht die Hand). Bedungen! Onkel (schlagt ein). Und abgeschlossen. (Er zieht beide an sich und geht mit ihnen.)

Dierter Aufzug. Erster Auftritt.

Herr Fast.

(Ergehtunruhig umher, reibt die Hande, trocknet die

Stirne, bleibt stehen, geht noch hastiger und hat alle Kennzeichen eines furchtsamen, beängstigten Menschen.)

Da- wird einen Lärmen geben. Wäre ich nur mit Ehren aus dem Hause! Sie kommen in'S Elend, nimmermehr gibt es hier zu erben. — Was helfen mir nun alle meine feinen Anstalten, die Bursche weg zu bringen?

102

Karl. So kommen Sie doch! Onkel. Bei Heinig's kann vielleicht dein und mein Geld­ retten, wenn es g le i ch gegeben wird. Besteht aber die Schwe­ ster auf der Zahlung: so ist dennoch seine Rettung unwahr­ scheinlich. Das ist also die Frage, ob du dein Geld auf diese Ungewißheit und auf die Bedingung wagen willst, daß der Alte jetzt noch nicht- von deinem guten Willen weiß? Karl. Das will ich. Onkel. Recht so! Setze ein in diese ehrliche Lotterie!: Retten wir den ungezogenen ehrlichen Kerl, — so schenkst du ihm den Dank, und wir ziehen mit dem Reisepaß in der Brust in GotteS Namen fürbaß in ferne Lande. Retten wir ihn nicht: so bleibt ihr, glaube ich, noch hier, — matt, setzt Melodien — für Geld, um die Mutter zu erhalten; aber auch, wenn ich alter werde, mich mit. Wollt ihr das so? Franz (reicht die Hand). Es ist verhandelt. Karl (reicht die Hand). Bedungen! Onkel (schlagt ein). Und abgeschlossen. (Er zieht beide an sich und geht mit ihnen.)

Dierter Aufzug. Erster Auftritt.

Herr Fast.

(Ergehtunruhig umher, reibt die Hande, trocknet die

Stirne, bleibt stehen, geht noch hastiger und hat alle Kennzeichen eines furchtsamen, beängstigten Menschen.)

Da- wird einen Lärmen geben. Wäre ich nur mit Ehren aus dem Hause! Sie kommen in'S Elend, nimmermehr gibt es hier zu erben. — Was helfen mir nun alle meine feinen Anstalten, die Bursche weg zu bringen?

Zweiter Auftritt. Herr Faß. Mamsell Bergmann.

Msll. Bergmann. Nun Herr Faß! wie gehen die Dinge? Faß. Miserabel. Msll. Bergmann. WaS heißt das? Faß. Es sollen Nachrichten da sein,------- ganz gewisse Nachrichten von reicher Zuckerernte, und eben so vom Kaffee; diese Artikel sind so groß, breit und hoch, wie ganze Gebirge, angekommen; sind also entsetzlich im Preise gefallen. Herr Bergmann hat vorher große Partien aufkaufen lassen. Alle Ihr Geld steckt darin — Msll. Bergmann. Und Heinig's? Faß. Da ist vor der Hand schwer auf Gewißheit zu kommen; denn eS ist kein entschiedenes Fallissement, sondern ein muthmaßlicheS Unglück, was etwa so aus der Ferne her zu berechnen ist. Ich wollte zu Heinig's gehen; — aber — den­ ken Sie doch um Gorreswillen! indem ich um die Ecke und hineingehen will, so geht der Onkel Lest mit dem Kadl hinein. Msll. Bergmann. Was haben die da zu thun? Faß. Das weiß Gott! der Onkel macht sich ja überall

zu thun. Msll. Bergmann. Wird mich mein Bruder bezahlen können? Faß. Jetzt, auf einmal? Gewiß nicht. Wenn sich Hei­ nig's halten, wird er eS vielleicht so nach und nach können. Msll. Bergmann. Das ist nichts. Unabhängigkeit ist das höchste Gut deS Lebens. Ohne Geld ist man abhängig, also verlange ich mein Geld sogleich. Gehen Sie zu Heinig's! schaffen Sie sich sogleich Gewißheit, wie die stehen!

104 Faß. Das geht nicht. Mein Gott! unter der Bedin­ gung, mich ganz ruhig ju halten, hat mir Madame Heinig auf mein klägliches Lamentiren, und weil ich ganj desperat that, mit ihrem Eingebrachten mein halbes Kapital garantirt. Wegen der andern nicht garantirten Hälfte bin ich ja doch nun zu Treue und Glauben gezwungen. Msll. Bergmann. Wofür habe ich Ihnen hundert LouiSd'or gegeben? Faß. Für die Warnung — Msll. Bergmann. Nichts. Sie sind bezahlt, Sie sind ein Knecht und müssen jetzt gehorchen, oder ich gehe auf der Stelle zu meinem Bruder und erzähle ihm Alles. Faß« Ich darf ja nicht hier weggehen. Es kommt ein Klaviermeister her, den Herr Bergmann bestellt hat, auch seine Tochter, die soll ich hier abwarten. Msll. Bergmann. Nichts! Sie müssen auf der Stelle fort zu Heinig's. Faß. So wird alles an den Tag kommen. Msll. Bergmann. Freilich. Faß. Dann werde ich dermaßen prostituirt — Msll. Bergmann. Natürlich. Faß. Geben Sie mir nur einen Rath! wie verhalte ich mich unter solchen Umständen? Msll. Bergmann. Sie lassen sich prostituiren — Faß. Ach! Msll. Bergmann. Dazu sind Sie eingerichtet. Die Pflichtmäßigkeit hätte Ihnen nimmermehr Ihr Geld konservirt, die Arglist hat es gethan. Dabei bleiben Sie nun offen­ herzig, lassen Siesich schimpfen; aber halten Sie Ihr Geld fest! Ein kleiner Theil Menschen wird Sie tadeln, der grö­ ßere Theil nennt Sie einen klugen Mann.

Fast. Ja, ja! das sind wohl so auch meine Gesinnungen;

aber — dergleichen Sachen gehen mündlich — Msll. Bergmann. Nun ja! Faß. Da könnten mir auf dergleichen Repliken — es

könnten mir leibliche Stöße applijirt werden. Msll. Bergmann. Je nun — Faß. Man ist dergleichen nicht mehr gewohnt. Es ist

denn doch — Msll. Bergmann. Darauf entrire ich nicht. Ich ver­

lange jetzt genaue Nachricht durch Sie, oder ich werde so ge­ gen Sie verfahren, daß Sie nicht mit Ehren in der Stadt

bleiben können. Vritter -Auftritt.

Vorige. Alaviermeister Mtrkel.

MirVet

(mit filtern Kasten unter dem Arm).

Hier bin ich mit

der ganzen heillosen Korrespondenz. Das Kind, meine Toch­

ter habe ich zu der Mamsell hier im Hause befohtnermaßen gebracht. Was wird's nun weiter geben? Faß. Kommen Sie, ich werde Sie zu Herrn Bergmann

führen. Merkel. Nur geschwinde! denn meine Zeit ist kurz. Faß. Ja, ja! — kommen Sie nur!

Vierter

Auftritt.

Vorige. Onkel Lest. Onkel (jit Faß). Ha Spitzbube? — bist du noch in dei­ ner Werkstatt?

r-st. So? Spitzbube? —Ich habe Zeugen. Ein SpitzXIX.

8

106 bube kostet sieben Thaler. Kommen Sie, Herr Mirkel. (Er eilt fort.) Mirkel. Ich weiß nicht, wie viel Provision Ihr Zorn bedarf, und ob Sie gehörig unterrichtet sind. — Eine Tracht Prügel kostet auch nicht mehr als zwanzig Thaler. (Er geht.) Msll. Bergmann (will folgen). Onkel. Mit Erlaubniß — (Er nöthigt sie zurück^ Mfll. Bergmann. Ich habe Geschäfte — Onkel. Sanfte, heilsame Geschäfte — ohne Zweifel. Msll. Bergmann. Wie die Umstande denn das so ver­ statten wollen. Onkel. Sie waren eben in sehr schlechter Gesellschaft. Msll. Bergmann. Man kann nicht immer die schlechte Gesellschaft vermeiden, besonders in diesem Hause. Onkel. Ich gehöre zu den vergessenen Bekannten, also präsentire ich mich Ihnen selbst. Mamsell Bergmann! — der Onkel der beiden jungen Lest. Msll. Bergmann (mit einem Kopfnicken). Ich erinnere mich. Auch habe ich es derAnkündigung nach vermuthet. Onkel. Viele Menschen sind ganz anders, cl- sie sich ankündigen. Msll. Bergmann. O ja. Onkel. Sie bringen Ihr Leben in der Lektüre zu, und widmen Ihre reichliche Muße den Künsten un) Wissen­ schaften. Msll. Bergmann. Ohne deswegen unter meinen Mit­ bürgerinnen durch affektirte Sonderbarkeiten mich auszeichnen zu wollen. Onkel. Ihre Gesinnungen zeichnen Sie schoi hinläng­ lich aus.

107 Msll. Bergmann. Wollen wir uns komplimentiren? Onkel. Nein. Ich bin in der That sehr geneigt, Ihnen Wahrheiten zu sagen. Msll. Bergmann. Damit werden Sie mich nicht über­ raschen, wie es denn doch Ihre Absicht sein mag, wenn ich anders die Wortsprache von der Sprache auf Ihrem Gesichte zu scheiden verstehe. Onkel. Es ist nicht so leicht, eine Dame zu überraschen, die gelehrte Zirkel hält, an den schwierigsten physikalischen Untersuchungen Theil nimmt, in dem beständigen Umgang mit Künsten und Künstsern ihre Empfindungen verfeinert, veredelt, und so ihren Verstand gebildet hat. Msll. Bergmann. Wozu soll dieser Eingang führen, mein Herr? Onkel. Zum Triumph der schönen Empfindung, darin Sie sich gleich zeigen werden. Msll. Bergmann. Vor allen Dingen verdanke ich mei­ nen Erfahrungen und Kenntnissen eine Festigkeit der Grund­ sätze und Meinungen, welche nach gerade eine Seltenheit wird. Der Mangel an Festigkeit ist die Ursache des Elends, darunter die Menschen seufzen. Onkel. Festigkeit ist die Zierde des Mannes; Milde — Milde ist die süße unwiderstehliche Herrschaft des Weibes. Es bringt großen Zwiespalt in das Leben, wenn beide Theile ihre charakterische Eigenheit verwechseln. Vielleicht ist es Ihnen gelungen, was ich bis jetzt noch nicht beisammen fand, in sich zu vereinen, und das ist dann der Triumph des Schö­ nen, dem Sie leben. Msll. Bergmann. Ist es Ihnen gefällig, zur Sache zu kommen? 8 •

108

Onkel. O ja. Doch — Ihre Farbe wechselt einmal um das andere. — Sie scheinen Ihren Zügen eine offenbare Gewalt anzurhun. — Das Feuer Ihrer Blicke wechselt schnell; — Ihr Athem ist beklemmt, und ich erstaune über die Selbstgewalt, womit Sie dennoch mich unverwandt an­ sehen. — Es ist Ihnen doch wohl? Msll. Bergmann (stark). Ja. Onkel. Sie sind gleichwohl in einer sichtbaren Be­ wegung — Msll. Bergmann. Das mag sein; aberdarankehren Sie sich ganz und gar nicht! meiner Aeßerungen bin ich Meister, wie meines Willens. Onkel. Nun denn! — Sie haben daS Glück, Ihre Tage an der Seite JhreS Bruders, in einer achtbaren Fa­ milie zu verleben — Msll. Bergmann. Um Vergebung! halten Sie mei­ nen Bruder für achtbar? Onkel. Für einen achtbaren Bürger, ja. — Aber für keinen angenehmen Gesellschafter. Msll. Bergmann. Nun fahren Sie fort — Onkel. Diesem Bruder droht ein Unglück, davon sein Vertrauter Sie unterrichtet hat. Ehrliche Leute sind beschäf­ tigt, es ohne sein Wissen von ihm abzuwenden. Msll. Bergmann. So. Wie denn? Onkel. Es würde ein Vergehen an Ihrer feinen Em­ pfindung, an Ihrem Verstände, an den heiligen Rechten der Blutsfreundschast sein, wenn wir nicht Sie eintaden wollten, an die Spitze dieses wackern Unternehmens zu treten. Ihrem Bruder droht der Bankerott. Msll. Bergmann. So höre ich.

Onkel. Und waS empfinden Sie? Msll. Bergmann. Bei allem Verlust, den mein Bru­

der leiden konnte, würde ihn das am meisten schmerzen, wenn ich durch ihn um das Meinige, das in seiner Handlung steht, kommen sollte. Sagen Sie also den ehrlichen Leuten, die für ihn beschäftigt sind, daß sie sich die Mühe nehmen mögen, mir das Meinige zu schaffen, oder zu sichern! so werden Sie von der Seele meines Bruders einen grossen Kummer abgewälzt haben. Onkel. So? Msll. Bergmann. Glauben Sie, dass das angeht? Onkel. Was werden Sie thun, wenn es nicht angehr? Msll. Bergmann. Ich sollte meinen, darüber wäre ich Ihnen keine Rechenschaft schuldig. Onkel. Ich bescheide mich. Aber ich bin Ihnen eine Re­ chenschaft schuldig. Die Unternehmer des guten Vorhabens haben beschlossen, diejenigen, welche sich kalt geweigert haben, einen ehrlichen Mann zu retten, an alle gelehrte Zirkel in und außer Deutschland nach dem Leben gemalt, treulich anzuzeigen. Msll. Bergmann. Gehört das zum Bankerott? Onkel. Zum Seelenbankerott, ja! damit Menschen, die in der Arroganz eines höhern Berufs, den sie nicht empfin­ den, ihre Seelenkräfte durch schiefe Richtung verringern, mit diesem Gaukelspiel der guten Sache nicht mehr schaden, und von den bessern Seelen ausgestoßen werden. Msll. Bergmann. Das ist ja recht originell. Aber da­ zu gehört Vertag; denn diese Anzeigen in und außer Deutsch­ land werden viel Briefporto kosten. Onkel. Die Unkosten der Figur im Holzschnitt, der je­ dem Briefe beigelegt werden soll, nicht gerechnet.

110 Msll. Bergmann. Holzschnitt! das ist impertinent — Onkel. Einen ehrlichen Mann zu Grunde richten ist un­

würdig. Msll. Bergmann. Herr! wenn Sie sich das unterste­ hen — ich kratze Ihnen die Augen aus. Onkel. Nicht doch! Sie sind ja Ihrer Aeußerungen Meister. Msll. Bergmann. Gehen Sie mir aus den Augen, nichtswürdiger Mensch! Onkel. Ist das so die Korwersationslranier Ihres Zirkels? Msll. Bergmann. Nun werde ich erst de Sache aufs äußerste treiben — Onkel. Das ist Festigkeit in Meinunger und Grund­ sätzen. Msll. Bergmann, Und wenn mein Eigenthum erst ge­ rettet ist, dann werde ich mich großmüthig zeizen. Onkel. Nein. Hochmüthig werden Sie üch zeigen — das können Sie mit einem starken Almosen in leichtem Golde. Großmüthig sein — fordert Aufopferung. Zur Äroßmuth ge­ hört ein Herz, das haben Sie sich mit Sisternen längst bequemlich wegraisonnirt. Msll. Bergmann. So bin ich nicht zu fthren. Schaf­ fen Sie mir mein Eigenthum, — so werde ih etwas thun, was zufrieden stellt — Onkel. Sie haben bei Gott eine ärgere Börsenseele, als Ihr Bruder — Msll. Bergmann. Thun Sie das nicht, so folge ich meiner Ueberzeugung, und Sie mögen dann tönn und schrei­ ben, was Sie wollen ! — das ist mein letztesWort. (Pauft.) Das ist mein letztes Wort, läge ich.

Cuftl (verneigt sich, und bleibt stehen).

Msll. Bergmann. Weshalb antworten Sie nicht? Onkel. Ich lasse Ihnen das letzte Wort. (Er lächelt.) Msll. Bergmann. Worüber lachen Sie? Onkel. Entweder muß man in dieser Sache ohne Sie fertig werden — oder — werden Sie nicht ungehalten! — man muß Sie zwingen. Msll. Bergmann. Zwingen? Mich? meinen freien, festen Willen zwingen? Wer will das? wer kann mich zwingen? Onkel (reibt die Hände, sieht sie an, nnd sagt bedeutend). Die Umstände. (Er verneigt sich kurz, und geht.)

Fünfter Auftritt. Vorige. Karl. Karl

(führt den Onkel Lest eine halbe gimmerlänge vor).

Wo ist

Franz?

Onkel. Wie geht es dort, von wo du her kommst? Karl. Nicht ganz schlecht, nicht ganz gut. — Wo ist Franz?

Onkel. Ich weiß es nicht. Karl. Wissen Sie nichts von ihm, Tante? Msll. Bergmann. Nein. Onkel (tritt näher z» Karl). Was willst du mit ihm? Karl. Das ist weitläufkig. Aber Alles kommt jetzt dar­ auf an, daß ich Franz finde. Zu Gerson's gehe ich, — dort wird er sein. (Er geht, eilt zurück.) Wie steht eS hier? Onkel. Sistematisch. Karl. O weh! fort zu Franz! (Er geht.) Msll. Bergmann. Tie Herren scheinen sehr eilig vor-

112

wärts ju treiben. So ist ja auch mir Eile nöthig, um das Meinige zu retten. (Sie geht schnell fort.) Onkel. Es wird fehl schlagen, was wir redlich wellen. — So ist es denn wohl nöthig, dem alten Bergmann nun Alles zu entdecken, was um ihn her vorgeht. (Er sinnt einen Augenblick nach.) Nein! (Mit Muth.) Nein, noch nicht. — Er kann für sich weder vorsichtiger noch emsiger handeln, als wir es jetzt für ihn thun. — Fort zu Heinig's! (er geht, ihm be­ gegnen Madame Bergmann und Henriette.)

Sechster Auftritt. Voriger. Henriette. Onkel. Er Henriette.

Madame Bergmann. Heiriette.

Ist Kart nicht hier? ist ausgegangen — Ach! nun ist meineFreude verdorben. Wenn er doch da wäre! Mad. Bergmann. Sage mir nur, war du in deiner Freude vor hast! was ist geschehen? — Henriette (zu Onkel Lest). Er müßte hier stin — ach! — lieber Herr Lest! — Mutter! So kann ich es ihm wohl nie wieder sagen, wie ich ihn liebe, was er mir ift------ Karl ist ein herrlicher Mensch. Onkel. Was ist denn vorgefallen? Henriette (zu Onkel Lest). Karl ist unschuldig. (Zu Ma­ dame Bergmann.) Er ist ganz unschuldig. Onkel. Wer hat ihn beschuldigt ? Wessen ist er beschuldigt ? Henriette. Herr Bergmann — ach! es nar ein boshaf­ tes Komplot, geglaubt habe ich es nicht; abe' ich habe doch viel darüber gelitten, weil die Andern es geglmbt haben,— er sollte einer Mamsell Mirke! Liebe gelobt habm — sagten sie.

Onkel. Abgeschmackt! Henriette. Ich habe sie selbst gesprochen, ich weiß alles,

was geschehen ist; es ist Alles anders, als es die Menschen begreifen. Onkel. Auf Wiedersehen denn! Henriette. Und Sie freuen sich nicht? — Sie wollen nicht hören, was Karl gethan hat? da Untersuchung dieser Beschuldigung ihm einen noch höhern Werth gibt? Onkel. Sein Verdienst um das Mädchen kenne ich. — Laßt mich auch suchen, ein Verdienst zu erwerben.—Adieu! (Er geht.) Mad. Bergmann. Lieber Bruder! Was ist denn für ein wunderbares Treiben in alle Menschen gekommen? — was geht vor? — ich ahne etwas Böses in den Geschäften meines Mannes — zum Theil vermuthe ich es auch. Aber Niemand spricht mir davon — Onkel. Das ist ganz gut so — Mad. Bergmann. Man vermeidet mich beinahe — Onkel. Ungestört muß der Nachtwandler auf der steilen Hohe gehen. Wir setzen zur Rettung an, und klimmen mit Gefahr ihm nach. Haben wir ihn erreicht und geführt, daß er wieder sicher da steht auf gleichem Boden, — dann rufen, wecken wir ihn ans dem schweren Traume; — er bleibt in Ihren Armen, und wir verschwinden. (Ergeht.) Siebenter Auftritt. Madame Bergmann. Henriette. Henriette. Das arme Mädchen! — sie ist recht un­

glücklich. Mad. Bergmann. Wer?

114

Henriette. Fn'edn'ke Wirket. Eine gute Seele in stiller hoher Empfindung für die Kunst. Aber auch für die Liede — sie liebt Karl von ganzem Herzen — ich habe viel mt ifrr ge­ weint. Ich kann es ganz empfinden, was es sein miß, mei­ nen Karl zu lieben, und nicht von ihm geliebt zu werden! Kein Künstler ist ihr Vater, und auch kein guter Mensch. Ihren Fingern gab er Fertigkeit, und ließ die Srele leer. Mit diesem Vater sollte sie umherziehen, und durch Chartatanerien ihm eine Kaffe schaffen, um üppiger zu leb-n. Karl hörte sie, entdeckte die Anlagen zur echten Künstlern in ihr, gewann den Vater mit seiner Freundlichkeit, that ewas für den Eigennutz, und so ist es sein Werk gewesen, raß diese schöne Knospe nicht der Mehlthau traf. Mad. Bergmann. Es ist schön, es ist edel, '^ber dies genaue Bekümmern um eine Fremde — Henriette. Dem wahren Künstler ist nichts frend. Mad. Bergmann. Das wird mein Mann niht fassen können — Henriette. Nur die Liebe kann die hohe Güte fassen. Sie und ich, wir fassen uns. Mad. Bergmann. Die Welt wird es mißdeutn — Henriette. Wer das Beste will, dem ist Mißdeutung eine todte Sprache. Mad. Bergmann. Wenn nur Karl die Vorscht dabei gebraucht hätte — Henriette. Der Vorsichtige bleibt zurück, quäl: sich vor dem Hinderniß, wenn der starke Wille schon oben st ht, und die Palme schwingt. Mad. Bergmann. Wahr! Nur glaube mv, mein Kind —

115 Henriette. Ich glaube Karl's Glauben. Kann die Gar-

rin des Künstlers nicht mit ihm handeln, so kann sie doch mir ihm fühlen. Nie hat Karl von dieser Friedrike mit mir ge­ sprochen — Mad. Bergmann. Das war ein Fehler. Henriette. Machen Sie, daß ich das glaube. — Manch­ mal möchte ich wohl an Karl einen Fehler finden. Mad. Bergmann. Künstler haben Humor — Henriette. Milde Schatten im Gemälde! — Und — sehen Sie— Karl hat mir auf gewisse Weise doch von dieser Friedrike gesagt, — darum verstand ich die gure Seele so früh — Mad. Bergmann. Wann war es, daß er dir — Henriette. Oft habe ich ihn sagen hören: — Wenn auf dem Wege zum Heiligthum der Kunst der ganze Künstler das unverdorbene Herz, den reinen Sinn, das kräftige Ge­ fühl erblickt, unwissend, wie es wandeln soll, — so reißt seine sichere Hand das junge schöne Leben aus dem Gewühl des Vorhofs, führt es durch falsche Priester und Bacchanten zu dem Altar der reinen Kunst. Dann gedeiht aus fremder Entwicklung eine eigene Vollendung. Unbekümmert um das Jauchzen, wie um das Angrinzen der Menge, wallt so der Künstler seine schöne Bahn! so geht sie, Karl, und ich mit ihm. Nie soll daS gemeine Spielwerk der Eifersucht in seinem Flug ihn hemmen. (Sie gehen; von der Seite der kommt Herr Bergmann.) Achter

-Austritt.

Herr Bergmann. Vorige. Bergmann (den Kasten, den Mirkel vorhin brachte,

Ist Herr Faß zu Hause?

haltend).

116 Mad. Bergmann. Nein. Kann ich dir daS abnehmen? Bergmann. Possen sind es. Es kann sie nehmen, wer will. Eine Menge Geschriebenes, über Jugend, Kunst, Kom­ positionen — Moral sogar — was weis; ich', da, Henriette! nimm den Kram zu dir! (Zu Madame Bergmann.) Sein Geld hat der Herr Sohn monatlich hinausgeworfen — Henriette. Für eines wackern Mädchens Bildung treu­ lich angewendet — Bergmann. Das geht mich nichts an. Der Vater ist — Mad. Bergmann. Ein boshafter Verleumder — Bergmann. Mag sein! Ich wäre ihn noch nicht tos, hatte ich ihn nicht zur Thür hinaus gekauft. Henriette. Und Karl? Vater! Ich will ja keine Ge­ wißheit, nur Hoffnung — Bergmann. Ich bin eben jetzt nicht sehr reich in Hoff­ nungen. Mad. Bergmann. Rede zu mir! du konmest ja sonst manche Last bei mir niederlegen — Bergmann (unruhig). Weiß denn Niemand, wann Herr Faß wieder kommt? Mad. Bergmann. Nein. Henriette. Sie haben Kummer, lieber Barer! — das Recht, ihn zu theilen, gehört der Mutter. Ich gebe. (Sie geht.) Ur unter Auftritt.

Herr und Madame Bergmann. Hernach ein Bedienter.

Bergmann. Es steht schlimm! Mad. Bergmann. Was? Bergmann. Ich kann sehr unglücklich werden — Mad. Bergmann. Wodurch?

Bergmann. Heinig's sind im Begriff zu brechen — Mad. Bergmann. Mein Gott! Bergmann. Eben schreibt man mir------- da lies! — (Wahrend Madame Bergmann liest.) Meine Schwester fordert ihr Geld aus der Handlung — Mad. Bergmann. Armer Mann! Bergmann. Ich habe viel bares Geld heut auSgegeben — Mad. Bergmann. Hätte Franz nur noch sein Kapital — Bergmann. Kein Wort! Mad. Bergmann. Aber was du Karl gegeben hast — Bergmann. Still! Mad- Bergmann. Hub meines Schwager-Kapital — Bergmann. Keine Silbe davon, wenn du mich nicht toll machen willst! Mad. Bergmann. Herr Fas; — Bergmann. Wird auch bei Heinig's verlieren. Ein paar tausend hat er wohl noch; an Kredit fehlt es mir nicht. In Hamburg liegen starke Verrathe für mich; wenn meine Schwester Vernunft annimmr, so denke ich mich noch heraus zu reißen, sollten auch Heinig's fallen. Ich gehe zu ihnen; eS sind ehrliche Leute, sie werden mir alles entdecken. — Be­ antworte mir eine Frage! aber aufrichtig! Mad. Bergmann. Frage! Bergmann. Weißt du um die Forderung meiner Schwester? Mad. Bergmann. Ich habe sie davon reden hören — Bergmann. Ihre Forderung ist veranstaltet. Mad. Bergmann. Von wem? Bergmann. Von deinem Schwager. Mad. Bergmann. Der Kummer macht mißtrauisch.— Sek auf deiner Hut gegen ungerechten Argwohn!

118

Bergmann. Muß ich fallen — so überlebe ich die Schande nicht.

Mad. Bergmann. Ein Unglück ist nicht deine Schuld. Bergmann. Den Hohn deiner Söhne, des Herrn Schwagers — nicht eine Stunde überlebe ich das. Ein Bedienter. Herr Notarius Färber ist unten, und fragt nach Ihnen. Bergmann. Ich komme, geht nur! — Bedienter (gebt ab). Bergmann. Das ist der süße Freund meiner Schwester! ich will ihn hören, ((fr geht.) Mad. Bergmann. Ich gehe nicht aus deiner Nähe. (Sie folgt.)

Zehnter Auftritt. Franz allein. Daß ich den Faß nicht erhaschen kann! Er muß helfen, und sollte ich ihn umbringen.

Eilst er

Auftritt.

Karl. Franz.

Karl. Endlich finde ich dich! Wie bin ich gelaufen! — Franz. Du bist ja ganz außer Athem — setz' dich. Karl. Nein, nein ! es gilt jetzt. Franz. Reißen Heinig'S sich heraus? Karl. Bis auf einen Posten. Franz. Bei wem? Karl. Bei dem Rath Harber. Franz. O weh! der ist ohne Herz und Sinn — wie stark der Posten?

Karl. Sieben tausend. Franz. DaS ist viel Geld. Karl. Und wird der nicht befriedigt, sind Hrinig's ohne Rettung verloren , und dann auch der Vater. Franz. Ist denn kein Mittel, den Wucherer zu besänf­ tigen ? — habt ihr alles versucht? Karl. Es gibt ein Mittel, und eS steht in deiner Hand. — Franz. Wie? Karl. Aber es ist ein harteS Mittel. Harber verlangt es — Du mußt ihn malen. Franz (lebhaft). Ahl Karl. Ich habe das zugesagt — Franz (heftig). Lieber Sacke tragen — Karl. Er kommt daher — Franz. Karl! was hast du versprochen? Wie konntest du das? Karl. Er wird bald hier sein. Franz. ES ist über mein Vermögen — Karl. Wenn du das thust, will er drei Wochen warten — Franz. Drei Wochen? wie barmherzig! Karl. Dann gehen Heinig's neue Quellen deS Kredits auf — Franz. Du weißt nicht, was du von mir forderst. Karl. Es gilt dem Vater — Franz. Wie mich der Kerl schon insultirt hat! Karl. Es gilt der Mutter Ruhe — Franz. Ich schlug es ihm schon dreimal ab, ihn zu malen. Karl. Er bot dir zwei, dreihundert Thaler; du wiesest sie ab —

120 Franz. Er sagte an offener WirthStafel: für Geld müsse der Maler Lest kommen, und ihn malen, so wie für Geld der Schneider ihm sein Kleid machte. Karl. Es wurden grosse Wetten angestelt, dass du ihn nicht malen wurdest — Franz. Hundert Thaler, und sein Reitprrd setzte er da­ gegen, und verlöre-, weil ich fest blieb, menen Pinsel nicht zu führen für einen Elenden. Karl. Nachher sagte er, es wird doch wch in ein paar Jahren eine Zeit kommen, wo er Bedürfnisse laben, und Gott danken wird, wenn er mich nur noch malen mrd. — Er setzte darauf eine Wette aus. Sieh! ich verkleinere )ie Gründe dei­ ner Weigerung nicht! Franz. Der Kerl lasst ja ein Hau- baun — sein HauS will ich anstreichen; aber ihn will ich nicht naten. — Karl! Karl! wa- hast du gemacht? was hast du fir mich gelobt? Karl. Was ich an deiner Stelle thun wirbt — Franz. E- ist mein Ehrgeiz — mein St»lz; dass ich ihm widerstanden habe; — ach! du weisst es loch nicht, was alles für mich und meine Ehre darauf beruht. Karl. Franz! dein Pinsel vertheilt bü Sturmwolken über biesem Hause — beine Kunst zaubert bei Frieben hernie­ der! — Male! — ein Engel hält dir die Päette. Franz. Ja doch, ja! ich will malen. (Er geht umher.) Laßt mich die Dummheit malen, nur nicht du Niederträchtig­ keit — Ich höre einen Wagen kommen — Karl. Er wird es sein. Franz. Ich nehme kein Geld von ihm — ich schenke ihm seine Larve. Karl. Geld mußt du nehmen. Franz. Nimmermehr!

Karl. Das ist die Bedingung. Franz. Du hast mich verkauft — nein — malen will ich; — aber sein Geld nehme ich nun und nimmermehr. Karl. Ich bitte dich. FraNZ. Nein! Karl. Ich fordere es. Franz. Karl! du erwürgst meine Ueberzeugung. Karl. In meinen Armen! (Er fällt ihm um den Hal-.) An meinem Herzen ersticke ich deinen Eigensinn, und bettle bei dir für unsere arme Mutter. Franz. Ich weiß, daß ich nicht recht daran thue—aber ich thue es. Gedemüthigt bin ich vor der ganzen Stadt; — aber — damit ich bei dir oben stehen bleibe — sei e- denn — ja! Ich will ihn malen, ich will sein Geld nehmen, ich will ihm eine Quittung dafür geben — bist du denn nun aber auch recht mit mir zufrieden? Karl. Ich preise dich hoch und heute beneide ich deine Kunst. Franz. Ich will ihn in einer reichen Weste malen — das Haar stark in Puder gesetzt — ich will ihn malen, wie er ist — mit allen diesen ausgebrochenen, verfahrenen Landstraßen im Gesicht — diesen Kreuzwegen auf der Stirne! — der Behemoth soll lebendig dastehen, und ohne daß man weiß, daß er einst im Kriege beim Proviant war — soll jeder sagen — der ihn sieht — dies Gesicht ließ ein Volk verhungern. Karl. Ich höre einen Wagen — Feauz. So geh! — du ersparst mir damit eine Verle­ genheit. Karl. Auch muß ich auf die Mamsell Tante noch zu wir­ ken suche«. — Franz! — ich rechne fest auf dich. (Ab.) XIX. 9

122 Kranz. Ich will es; — wie ich es aber ausholten soll, dem Räuber stundenlang in's Gesicht zu sehen — das weiß Gott.

Zwölfter Auftritt. Kranz. Rath Harber. Kranz. Gott steh mir bei! da ist er — Harber. Nun! Ihr Diener, Herr Maler — Kranz (seufzt). Ihr Mater, Herr Harber! Harber. Haha! was habe ich gesagt! — er »alt mich doch noch — das macht sich alles in der Welt. Kranz. Sie wissen doch die Bedingung? Harber. Daß ich bei Heinig's mir den siebentausend Thalern noch drei Wochen warte? Ja, das hatte ich! Und für da- Gemätde zahle ich raisonnabel. Kranz. Hm! Harber. Das Getd können Sie auf der Reiseirauchen, besonders in Italien. Da war ich auch — zu Triest', wo der Rosoti verfertigt wird. Kranz. W i e wollen Sie gemalt sein? Harber. Sie verreisen also? Es ist doch ein saier Stück Brot, so daS Reisen, und Begucken, was die Meter thun! Nicht wahr, daS Reisen bringt das Handwerk so mc sich ? Kranz. Setzen Sie sich! — ich hole—mein Eeräthe — Harber. Nun sagen Sie mir aber, warum laben Sie mich denn nicht malen wollen? Das war doch ein rerdamm-ter Eigensinn! Ich bin, wie Sie wissen, reich —und habe nun meine Kaprize darauf gesetzt, von Ihnen gemät zu sein — eben von Ihnen. Kranz (stampft mit dem Fuß).

123 Harber. Maler und Musiker—das Volk hat alle- einen Sparren zu viel. Was hilft das Wüthen, mein Kind? Noth kennt kein Gebot, und wer Geld hat, der bändigt alle Ka­ prizen von hübschen Mädchen, Künstlern et caetera. Franz. Ich verbitte mir alle Konversation, während ich male — Sprechen Sie kein Wort. Harber. Kann ich Tabak dabei rauchen? Franz. Rauch und Flammen paffen zu Ihrem Ge­ mälde — Harber. Wegen des kriegerischen Wesens? Franz. Wegen der Hölle! Harber. Nun, nun! Franz. Wie wollen Sie gemalt sein? Harber. En fainille. Franz. Mit dem train? Harber. Ja! ganz recht. Franz. WaS ist das? Harber. Ich verlange ein große- Gemälde,—wir müs­ sen die Wand in meinem Kabinet messen. Die wird etwa breit sein — so — ja! machen Sie mir das Gemälde — vier Ellen breit, sechs Ellen hoch. Franz. Will denn Ihre Figur überall um sich greifen? Harber. Nun will ich Ihnen erst die Passage erzählen, die ich gemalt verlange. Sehen Sie! es fehlte der Armee ein­ mal in den dritten Tag toraliter an Brot. Franz. Aber Ihnen gewiß nicht an Gelde. Harber. Die armen Teufel fraßen Wurzeln, GraS, und Gott verzeih mir's! beinahe da- Laub von den Bäumen. Franz. Bravo! Ich weiß, wie Sie da- veranstaltet ha­ ben, daß es drei Tage fehlen mußte. Ich weiß auch, mit 9 «

124 wem Sie in Kompagnie waren, der Sie der Strafe entzog — eS ist bekannt genug. Harber. Geht! Ihr habt ein gottloses Naul. Nun — endlich komm' ich denn an mit meinen Wagen—und das sol­ len Sie malen. Franz. Was? Harber. Meine Ankunft mit dem Prwiant, ja. Vor mir liegt nun die Armee in einer Ebene. Ken Stroh, kein Brot, verfaulte Zelte — das halbe Volk in Atzten Zügen — die noch herum kriechen konnten — zappelnde Schotten. Oben von einer Höhe herunter komme ich nun gefahren in einer neuen Chaise mit vier Mohrenköpfen. Die Henerolität mir entgegen — Franz. Warum nicht gar — Harber. Der Kommandirende hebt miy aus dem Wa­ gen — Franz. Pfui! Harber. Weiß Gott! AlleS Uebrige hatieinahe die Hüte ab. — Es war ein magnifiker Augenblick. Kur müssen Sie das Alles recht lebendig malen, die Pferde ir neuen englischen Geschirren — prächtige Livreen — Sie missen e- aber so malen, verstehen Sie mich, daß die Sonrr eben auf mich, und die Chaise scheint. — Ich habe einen mgarischen Pelz an mit goldenen Troddeln; — über meinen Haupte malen Sie so aus den Wolken einen Engel mit B ot unter den Ar­ men, der hält mir einen Kranz über den Korf, und aus mei­ nem Munde gehen die Worte: Omnia cun Deo, etnihil sine eo! So verlange ich es. Franz. Das male ich nicht. Harber. Haben Sie nicht gesagt —

125 Franz. Daß ich Sie malen will, Sie allein! Aber jene

verfluchte Komposition mag ein Kutschenmaler zur Welt brin­ gen , ich kann es nicht. Harber. Ist denn das nicht schön? Franz. Lassen Sie mich in Ruhe! ich male das nicht. Harber. So hört auch meine Bedingung auf; unb Do­ minus Heinig muß zahlen. Franz. In Gottes Namen! aber ich kann keine Nieder­ trächtigkeit begehen. Thun Sie, was Sie wollen! — aber ich kann es wahrhaftig nicht. Harber. Bleibt eS dabei? Franz. Ihr Gesicht — oder ich male nicht. Harber. Das Bild wie ich es bestelle — oder ich warte mit dem Gelde nicht. Franz. Ich male keine Niederträchtigkeit. Harber. Ja, wenn man nur so einen bezahlten Wech­ sel dahin malen könnte! das wäre eine Malerei! Adieu! (Er geht.)

Franz. Gerson habe ich gerettet, und den Vater nicht — Herr Rath! Harber (kommt zurück). Nun? Franz. Auf Bedingung will ich malen — Harber. Haha! Nun? Franz. Ich bringe mich selbst in das Gemälde, und setze unter die Figur, weshalb ich es gemalt habe. Harber. Bewahre! Sie waren ja nicht bei jener Sache! Franz. Es ist wahr. Aber es war ja auch kein Engel mit Ihnen. Harber. Hahaha! freilich! die Gitani saß in der zwei­ ten Kutsche —

126

Franz. Fort! Harber. Ehe wir auf die Höhe kamen, ließ ich sie auS meinem Wagen steigen. Franz. Nicht! weder Sie noch die Karikatur — ich male nichts. Harber. Was? Franz. Nein! ich bin fest entschlossen. Meine Freude, mein Leben kann ich hingeben; meine Ehre nicht. Gott wird helfen. WaS der Kunst nicht gelingt, mag dem geraden Sinne gelingen ! —Gehen Sie! ich male Sie nimmermehr. Harber. Aber was ist das? Sie sollen da ein bischen Farbe auf die Leinwand bringen — Franz. Und viel Schande auf die Nachwelt. — Lassen Sie mich in Ruhe! es geht nicht an. Harber. Meinetwegen! aber in Ruhe bleiben Sie nun nicht; denn jetzt setze ich mich in Bewegung, (tfr geht.)

Dreizehnter Auftritt. Vorige. Karl. Harber. Er will nicht — nun greife ich Heinig frisch an. (Er gebt.) Da wird's dann ein Lamentabile geben. — Das mögen Sie malen — Heinig's Auszug aus der Bankerottirbude. — Das wird aussehen, wie der Auszug von Be­ thesda. (Er geht.) Karl. Franz! Franz. Ich kann nicht. Karl. Du hast es mir versprochen. Franz. Ein großes Gemälde — ein Lager, daS er ver­ hungern ließ------- Engel, die ihn kränzen — verlangt der Kerl gemalt. Ich male keine Lüge. Nie werde ich einen Für-

127 sten im Harnisch malen, der den Krieg nicht gesehen hat; wie soll ich ein Heer malen, daS einen aufgeblähten Wicht anbetet, der es gemordet hat? Ich kann daS nicht. Karl. Nun — so ist denn alles verloren — Franz. Was thut die Tante? Karl. Einen Notarius hat sie dem Vater geschickt — es fehlt nur noch, daß Harber Heinig's einklagt: so brechen die und dann ganz gewiß der Vater. Franz (in wahrer Angst). Mein Gort! — aber dein Geld — Karl. Mußte auf der Stelle an Heinig's gegeben wer­ den mit des Onkels Gelde. — Soll ich denn langsamer han­ deln, als du bei Gerson's? Franz. Unglücklich — schrecklich trifft das AlleS zu­ sammen. Vierzehnter -Auftritt

Vorige. Onkel Lest. Onkel (umarmt ihn). Laß dich küssen, glücklicher Mensch! Harber war hier — du malst ihn — Franz. Ach! Onkel. Thu es guten Muthes! Wir beide geben nur Geld zur Beisteuer; du rettest durch deine Kunst. Franz. Ich kann nicht — zürnen Sie! — ich kann nicht, Onkel. Karl hat mich hoffen lassen — Karl. Da nun aber Harber statt eines Portraits ein großes historisches Gemälde verlangt — Franz. Unsinnige Karikatur aus dem strafbarsten Augen­ blick seines SchandlebenS verlangt er in der ganzen Würde der ernsten Kunst verewigt.

128 Onkel. Dein Opfer wäre groß; — deine Weigerung ist kleinlich. Sie ist der Todesstoß für zwei Familien. Franz. Was der Mensch in mir leiden kann, — nennen Sie eS! ich bin dazu bereit. Den Künstler kann ich nicht frei­ willig schänden. Onkel. Kunstehre geht nicht über Menschenpflicht. Karl (umfaßt ibn schnell). Laß die Mutter dir gegenüber sitzen, wenn du malst! — Franz, lieber sie hervor ragt der Spott der Nachwelt — Onkel. Erhebe dich dieAchtung und Liebe der Zeitge­ nossen! Franz. Wer achtet den Unverstand? Onkel. Das Opfer der Sohnestreue achter jeder. — Karl. Wirf eine Karikatur auf die Leinwand hin! — und rette damit deine Mutter! Onkel. Franz! Karl. Die Verzweifelnden bitten um einen Tropfen aus deiner reichen Ouelle. — 0 schöpfe doch mit freigebiger Hand, spende damit Leben aus an alle, die du retten kannst! kehre dann dich ab von der Posse und male die Gruppe der Geret­ teten ! Onkel. Das ist eine Verklärung, darin dein Genius seine Unsterblichkeit verkünden wird zu allen Zeiten. Karl. Dein Herz hat schon gewährt, dem folge! Oft kostet die Erklärung mehr als die That. — Sage nichts und handle! Es ist dein Bruder, dein Kunstfreund, der dich bittet. Dankbarkeit ist die erste Tugend, verherrlichen kann sie die Kunst, nie aber kann sie ihr ein Opfer bringen, das zu kostbar wäre. Fort zu Harber, wir alle drei — Vollherzig­ keit und Kunst sind eins. — Fort!

Franz (ergreift beide). Fort! Karl und Onkel. Du willst? Franz. Ich will — ja! Karl. Bruder! (Er umarmt ihn.) Onkel (nimmt mit starkem Au-druck seine Hand). Künstler I (Umarmt ihn.) Sohn! — Nur wenn ein kindliches reges Herz lebendig sich erzeigt in hoher Kunst, hat sie die Kraft und Macht, Stürme zu beschwören, die um das Leben wogen. Schön leuchtet dein heller Stern dir auf der Bahn, die du jetzt wandeln willst. Komm! laß uns die Wellen brechen! d'rauf fluten wir von dannen auf stiller Flache; du trägst den Kranz — mich lohnt das Mitgefühl — wofür wir keine Sprache haben, das strömt aus Karl in einer Hymne aus. (Sie gehen, ihnen begegnen Herr und Madame Bergmann.)

Fünfzehnter Auftritt. Herr und Madame Bergmann. Vorige. Bergmann. Faß ist ein Schurke. Onkel. Sehen Sie das ein? Bergmann. Herr! gehen Sie — ich habe mit denen da zu reden — zwar bleiben Sie nur — ich bin nun bald so weit, daß ich Niemand weder gehen noch kommen heißen kann. — Karl. Wie ist Ihnen, Vater! Mad. Bergmann. Wir sind zu Grunde gerichtet. — Briefe aus London und Hamburg — Bergmann. Still! Ich hatte wenig hazardirt — meine Handelsfreunde desto mehr — eine reiche Ernte auSwarts gibt unS hier den Hagetschtag. Indeß, Gott sei Dank! ihr seid bezahlt — geht! Eure Gesichter waren mir zuwider; von nun an sind sie mir schrecklich.

130 Mad. Bergmann. Laß doch Karl thun, naS er vermag! Bergmann. Nein. Geht— quält mich nicht durch euren

Anblick! Morgen bricht alleS aus, d'rum gebt heute noch. Onkel. Haben Sie denn versucht, ob nicht etwa — Bergmann. Nichts mit Ihnen! Nie mit Ihnen etwas! Franz und Karl. Vater! Bergmann. Fort! (Ergeht.) Niemand folge mir nach! — mein Haus hört auf — geht, ehe eS zvsammenstürzt! Lebt wohl, recht wohl! — keine Umarmung — bleibt dort! Mein Herz ist in Galle ertränkt. — Karl! ich habe kein Brot mehr für Henrietten; dennoch gebiete ich dir, steh ab von ihr! laß sie arm sein! —aber nicht betragen! Nimmst du von ihrer Armuth den Vorwand, sie zu betrügen, so treffe dich der Fluch eines Verzweifelnden! (Er geht. Mad. Bergmann. Denkt nach statt meiner! — ich darf in diesem Unglück ihn nicht aus den Augen lassen. (Sie fvlgt.) Onkel. Der schöne Traum seiner Rettunc ist nun dahin. Karl. Schrecklich dahin! (Ersinnt.) Franz (lehnt sich traurig auf den Stuhl). Dahm! (Pause.)

Karl. In unsere Mitte, Vater! — hieher! — zum

Zeugen rufe ich Sie auf. Onkel (tritt in die Mitte). Karl. Franz! reiche mir die Hand! — reiche sie mir

mit der Kraft zum Guten, die in dir wohnt, wie in mir, und verbinde dich mit mir zu gleichem Zweck! Wir müssen — wir — den Vater retten — Onkel. Wie? Karl. DaS weiß ich nicht; doch ist es inner Wille, nicht

abzulassen, bis das geschehen ist: so werden wir eS auch vollenden.

131 Franz. Du hast mich. Führe mich! — reiß mich hinan

zu deinem Ziese! —ich lasse dich nicht! Vorwärts, immer vorwärts! und sieh nach mir dich nicht mehr um! mein Wille ist in deiner Hand und meine Kraft. Karl. Du, Franz! und ich — wir vermögen beide nicht zu leben ohne Kunst. — Wohl! — In Ihre Hände, Vater! legen wir den heiligen Eid, — nicht eher den Pinsel zu er greifen — keine Note zu setzen, noch zu sehen, — unwerth uns zu achten der Liebe, die uns beglückt — bis durch uns, durch unser Thun und Streben, Sergen, Unternehmen und kühnes Wagen dies Haus gerettet ist, und die Thräne der Freude in Ihrem und der MutterAuge glänzt. Franz und Karl. Wir schwören. (Sie umarmen sich.) Vrrkel. Gott segne euren Bund! Franz. Es gelte! Karl. Laß uns nun zeigen, ob wir mit dem Gefühl des Schönen blos getändelt haben, oder Kraft errungen, die in die Brust der Uebrigen den Götterfunken wirft, der uns beseelt.

Fünfter Aufzug. Erster Auftritt.

Madame Bergmann geht in tiefer Traurigkeit umher. Henriette steht hinter einem Stuhle und folgt ihr mit wehmüthigem Blick.

Henriette. Liebe — liebe Mutter! Aufrecht! Mad. Bergmann. Kann ich das sein? Mein Mann

nicht da, meine Söhne nicht, noch der Schwager, und auch Faß nicht da.

131 Franz. Du hast mich. Führe mich! — reiß mich hinan

zu deinem Ziese! —ich lasse dich nicht! Vorwärts, immer vorwärts! und sieh nach mir dich nicht mehr um! mein Wille ist in deiner Hand und meine Kraft. Karl. Du, Franz! und ich — wir vermögen beide nicht zu leben ohne Kunst. — Wohl! — In Ihre Hände, Vater! legen wir den heiligen Eid, — nicht eher den Pinsel zu er greifen — keine Note zu setzen, noch zu sehen, — unwerth uns zu achten der Liebe, die uns beglückt — bis durch uns, durch unser Thun und Streben, Sergen, Unternehmen und kühnes Wagen dies Haus gerettet ist, und die Thräne der Freude in Ihrem und der MutterAuge glänzt. Franz und Karl. Wir schwören. (Sie umarmen sich.) Vrrkel. Gott segne euren Bund! Franz. Es gelte! Karl. Laß uns nun zeigen, ob wir mit dem Gefühl des Schönen blos getändelt haben, oder Kraft errungen, die in die Brust der Uebrigen den Götterfunken wirft, der uns beseelt.

Fünfter Aufzug. Erster Auftritt.

Madame Bergmann geht in tiefer Traurigkeit umher. Henriette steht hinter einem Stuhle und folgt ihr mit wehmüthigem Blick.

Henriette. Liebe — liebe Mutter! Aufrecht! Mad. Bergmann. Kann ich das sein? Mein Mann

nicht da, meine Söhne nicht, noch der Schwager, und auch Faß nicht da.

132 Henriette. Die Männer handeln,— besser, als daß sie mit uns klagten. Mad. Bergmann. Meine Söhne und der Schwager vermögen nichts, als angstvoll zu forschen, wie nahe unS das Gewitter rückt. — Faß handelt für sich, mein armer Mann tragt allein. Henriette. Mutter! (Tie tritt zu ihr.) Ist es denn auch wirklich ein so arges Unglück, wenn wir künftig weniger Geld haben? Mad. Bergmann. Wir werden vielleicht gar nichts haben. Henriette. Nun denn! Karl und Franz werden doch nicht bankerott, und mein Herz auch nicht. Mad. Bergmann. Mein Mann wird diese Schmach nicht überleben. Henriette. Und haben es nicht beide gelobt, Franz und Karl, nicht eher der Kunst zu leben und der Liebe, bis durch sie beide der Frieden wieder in dies Haus gebracht worden ist. Mad. Bergmann (gebeugt). Ach! Henriette. Sie werden ihr Gelübde lösen. Mad. Bergmann. Womit? — Das Unglück ist zu groß. Verlust in Hamburg, hier, und die Zahlung an meine Schwägerin. Es war wacker gedacht von den jungen Leuten und kindlich empfunden; aber wir müssen auf die Ausführung — nicht hoffen. Henriette (muthig). Fest hoffen. Mad. Bergmann. Die rege Fantasie, das wallende Herz — vermögen nicht dies große Unglück abzuwenden. Dazu gehört Kredit, Jahre und Vermögen. Die guten Söh­ ne — ihr Feuereifer wird auf kalte, feste Leute gerathen. Sie

133 empfinden — jene rechnen. Wer den ungestümen Gläubigern nur Bitten vorzulegen hat — was kann der erreichen?

Iw eiter

Auftritt.

Vorige. Herr Bergmann. Bergmann. Es kann gut werden,— eS ist noch Hilfe möglich. IMad. Bergmann. Durch wen? ^Henriette. Gott sei Dank! Bergmann. Faß ist ängstlich; aber er ist doch ein ehrli­ cher Kerl. «Henrirtte. Wirklich? sMad. Bergmann. Gott gebe eS! Bergmann. Ich komme jetzt von Heinig's — Mad. Bergmann. Mir guter Nachricht? Bergmann. Kurz und gut habe ich zu wissen verlangt, wie alles steht. — Man sah sich an — man drückte mir die Hand — war gerührt — aber was kam heraus? Mit schö­ nen Worten, mit Bitte um Geduld wurde ich abgefertigt. Mit dunkelm Gewäsch — mit Planen — mit Zurückhaltung — mit geheimnißvollen Reden bin ich hingehalren. Mad. Bergmann. Ach! Bergmann. Ich seufze nicht, ich donnere. Auch die Leute find nicht zuverlässig. Hm! Wer ist jetzt zuverlässig? Punktum! hast du mit meiner Schwester gesprochen? Mad. Bergmann. Ja. Bergmann. Und nichts ausgerichtet? Mad. Bergmann (zuckt die Achseln). Bergmann. Die Schwester stürzt den Bruder ins Elend? — Zwar fie hat Bücher und Sisteme, die ihr für

134 gewissenlose Dinge hohe Namen leihen. Siehst du nun, wo­ hin eure Bildung euch verkrüppelt hat. Gur! — Ihr muß Recht werden, es koste, was es wolle! Aber so wie ich ge­ trieben werde, so muß ich Andere treiben. In einer Stunde kommt der ?ldvokat Seetmann, dann will ich die Heinig's Mores lehren. Mad. Bergmann. Wenn indes — Bergmann. Indes? was? — he! Indes meine Schwe­ ster klagt, die Hamburger Wechsel mir prasentirt werden! wie? Soll ich barmherzig sein, damit Andere mich desto ge­ mächlicher aufs Blut peinigen können? Nichts! Alle diese Menschen taugen nichts. — Faß ist aber doch ein ehrlicher Kerl. Mad. Bergmann. Wie? Er wusste, daß Heinig'S be­ droht sind — Henriette. Und sagte Ihnen kein Wort. Bergmann. Er wußte, daß ich desAergerS genug habe; er wollte mich nicht noch mehr beugen. Mad. Bergmann. Er ließ sein Kapital sich sichern — Bergmann. Die Hälfte. Mad. Bergmann. Unb warnte dich nicht mir einem Wort. Bergmann. Er ist ängstlich, hat mühselig erworben; er sorgte zuerst für sich, daS thut jeder. Mad. Bergmann. Nein! daS thut — Bergmann. Ich war heute Morgen viel reicher als er; er hatte sein Hauptvermögen dort stehen; es war billig, daß er erst Wasser auf das eigene brennende Dach trug, ehe er meines löschen wollte. Mad. Bergmann. Sein Vermögen ist bei dir erwor­ ben. Die Welt sagt, von dem deinigen.

Bergmann. Es ist nicht wahr. Mad. Bergmann. Warum thut er jetzt nicht- für dich? Bergmann. Er thut, sage ich! In seiner Art — thut er viel. Mad. Bergmann. Was? Bergmann. Er ist der einzige, der etwas thut, wäh­ rend alle übrigen die Raketen ihrer prächtigen Reden in der Luft verpuffen, uns im Elend lassen, da- Gesicht von dem Jammer abkehren, ihr Lied singen, und — spaziren gehen. Mad. Bergmann. Wird das, was er thut, dir heil­ sam sein? Bergmann. Er ist der einzige ehrliche Mann, der bei meinem Unglück sich, so viel er kann, als Ehrenmann beweiset. Mad. Bergmann. Wie gern will ich ihm dann mein Unrecht abbitten! Henriette. Vater, wenn Faß an Ihnen etwas Ehrli­ ches thut — küssen will ich ihn von ganzer Seele. Bergmann (umarmt sie). Tochter! Ich küsse dich von ganzer Seele. Henriette. Ach Gott! wenn ich Sie doch ruhig sehen könnte, was wollte ich nicht Alles darum thun und leiden! Bergmann. Willst du mich ruhig sehen? Soll ich glau­ ben, daß es dir Ernst damit ist? So rette mich, du kannst eS. lHenriette (freundlich). Ich? jMad. Bergmann (erstaunt). Sie? Bergmann. Du und Niemand sonst. Faß will etwas Namhaftes wagen, damit ist mir geholfen. Anm Lohne da­ für verlangt er deine Hand. (Henriette (steht versteinert da). ^Mad. Bergmann. Mein Gott!

136 Bergmann. Es ist wahr. Er ist nicht jung; aber dn bist arm. Er ist nicht hübsch; aber was ist eines armen Mäd­ chens Los, und er ist ein fleißiger, ehrlicher Mann, der sein Auskommen hat. Henriette. Aber mein Herz — Bergmann. Mein Unglück! Henriette. Meine Liebe — Bergmann. Meine Vatertreue! Henriette. Karl! Karl! Bergmann. Bankerott! Bankerott! Mad. Bergmann. Lieber Mann — Bergmann. Nicht die frage ich, noch deine Söhne. Sie frage ich, mein Kind, das Geschöpf meiner Liebe, mei­ ner Güte, meine- Mirleidens — Sie, die ich dem Hunger­ tods beinahe entrissen habe, frage ich — der Vater — ob Sie mich der Schande Preis geben oder retten will? Henriette. Ja! Mein Leben danke ich Ihnen; waSie nun dafür fordern, ist mein Leben. Bergmann. Recht so! das ist eure Art, statt Pflich­ ten, schöne Worte! — Weine, ringe deine Hände! — es ist immer leichter, einen Fußfall zu thun, in Ohnmacht zu fal­ len, als den Vater durch ein kleines Opfer dem Elend zu ent­ reißen. Mad. Bergmann. Wer seine Jugend auf ewig verkau­ fen soll, dem muther man kein kleines Opfer zu. Bergmann. Fordere ich eS mit Härte? Will ich sie zwingen? Habe ich eine Drohung ausgestoßen, wenn sie es nicht will? Sie lag da, als ihr heilloser Vater mich betrogen hatte und von ihr weggelaufen war, auf dem verbrauchten Stroh lag sie, in einen alten Ueberrock gewickelt, — sie konnte

137 nicht sprechen, nur lallen — nur Jammertöne in die Welt schreien. — Wer zwang mich, wer überredete mich, sie alS Tochter aufzunehmen?— ihr Unglück sprach — mein Herz verstand ihr Lallen — mein Herz gab ihr Tochterrechte. — Nun ist mein Unglück da — nun werde i ch niedergeworfen auf das Stroh — hier sendet Gott in ihr mir einen Retter! Ich kann über mein Unglück reden; aber meine Worte und mein Unglück treffen ihr Herz nicht, obschon ihr Lallen mein Herz getroffen hatte. Es sei — du bist ein freies Geschöpf — sprich es aber jetzt aus — willst du dich meiner erbarmen oder nicht? Henriette. Vater! (Sie stürzt vor ihm nieder und umfaßt ihn.) Bergmann. Henriette — Tochter, die mein Wille für daS Gute mir zur Tochter gab — du bist da- einzige Geschöpf, dem ich gern etwas verdanken will. Es soll mir süß fein, von dir eine Wohlthat zu empfangen — Mad. Bergmann. Laß mich deinen ganzen Unwillen empfinden! aber laß mich reden, »he sie geopfert wird — Bergmann. Sie soll entscheiden. Mad. Bergmann. Jetzt nicht. Bergmann. Jetzt. Mad. Bergmann. Nein! Bergmann (macht sich »on Henrietten Io-, und wendet sich hef­ tig gegen seine Frau). Kein Wort mehr! Mad. Bergmann. Es ist meine Pflicht. Bergmann. Soll ich zum ersten Male dir sagen: Geh! Henriette (wirft sich zwischen beide). Vater! um Gottes­ villen ! Mutter! — lassen Sie mich enden! Mad. Bergmann. Das ehrliche volle Herz kann ein Ja XIX. 10

138 auf deine Lippen bringen, was dich und unS auf ewig unglück­ lich macht — Bergmann. Was Karl eine halbe Thräne kostet. — Von Kart ist die Rede — Mad. Bergmann. Jetzt ist die Rede von Pflicht, und Menschlichkeit, und davon, daß uns nicht verstattet ist, für Nahrung, Unterricht und Kleidung ein Menschenleben an einen Nichtswürdigen zu verkaufen, der nach einem jeden Bu­ benstücke, das er an dir begeht, dich mehr und mehr Ver­ btender. Bergmann. Verloren bin ich, und er will mich retten; arm ist sie, und er will sie glücklich machen. Den Lohn ver­ langt er für seine Treue. Tochter! — antworte du mir, was dein Herz dir eingibt! Ist Dankbarkeit deS Kindes eine Tu­ gend, oder hat dein hoher Karl den Undank als eine göttlich schöne Kraft geschildert? Jetzt antworte mir; denn nimmer frage ich dich wieder. Henriette. Ich werde — Mad. Bergmann. Tochter! — Henriette. Ich werde niemals Karl vergessen. Ich werde ihn denken, ihn, und solange, so lebendig allgegen­ wärtig ihn! bis mein verweintes Ange, Freuden, Menschen, Leiden, Leben und Tod so starr ansiehr, wie meine Seele todt sein soll für alles — was nicht Karl ist. Das hat mein banges Herz auf Ihre Frage zu erwiedern. Aber — Bergmann. Vollende! Mad. Bergmann. Mann! Nur wenn dein Herz vom Unglück nicht erniedrigt wird, kannst du auf Glück noch hof­ fen. Reiche ihr die Hand als Vater, und laß sie nicht vol­ lenden !

139 Bergmann. Ich will wissen, wie ich stehe. Sprich, liebe Jette! — Henriette. Aber — (Sie zittert.) Mad. Bergmann (umfaßt sie). Henriette. Wenn Karl — Ach Gott! — (Sie verbirgt sich in der Mutter Busen.) Wenn Karl — (sie richtet sich auf, unk sieht ihn an) mich abtreten kann — (sie sieht die Mutter an und schluchzt) so sei das Opfer meine- Lebens dem Vater gebracht! Bergmann. Henriette! sieh mich an! Henriette (sieht ihn an). Bergmann. ES ist ja nicht von mir allein die Rede; diese Frau, die jetzt mein gemarterte- Herz zur Verzweiflung treibt, kann Witwe werden, und ich wünsche ihr, daß sie eS wird, damit sie mich nicht mehr sieht, sondern nur ihre Söhne — Mad. Bergmann. Macht da- Unglück so hart? Bergmann. Damit sie dann nicht darben muß, bettle ich jetzt bei dir. Henriette (setzt sich). Mein Herz hat gesprochen, es weiß nichts mehr zu sagen. Bergmann (zu Madame Bergmann). Nun dann! Jetzt wende ich mich an dich. Dein Karl ist ja dein liebster Sohn. Die Künstler, sagte er oft, sind weiche, gute Menschen. Wer seine Eltern vom Verderben rettet, der ist gut. Er zeige nun, was seiner Mutter Glück ihm gilt. Mad. Bergmann. Nie werde ich für einen kurzen Rest vonTagen dies Opfer von ihm fordern, Henriette! dein Wort hast du an einen Vater gegeben, nicht einem unbarmherzigen Richter. Bergmann. Wo ist er denn auch dieser geliebte Sohn? 10 *

140 Er wird erscheinen, wie der Regenbogen, bunt und prächtig; aber eher nicht, bis der Sturm vorüber ist. Haha! laßt Un­ glück kommen! so weichen Künste und Künstler. — Ihr alle befremdet mich nicht. Hier bei euch finde ich, was ich erwartet habe — gewohnheitsmäßige Thränen — schöne Worte — und kein Herz. Auf eine Stütze darf ich noch rechnen. — Der Kaufmann Felser ist es. Vor sechs Jahren habe ich ihn vom Untergange gerettet, er kann mir jetzt vergelten, und das wird er; dann fort auS meinem Angesichte mit euch allen! Henriette. Vater! Bergmann. Ach! ich weiß eS ja, und habe eS in mei­ nem Leben genug erfahren, wer eine Hand sucht, daß sie wohlwollend sein Auge schließe vor dem Grauelbilde der Welt, der verunreinige sie nicht vorher mit Golde, denn diese Verdorrung zehrt bis in das Leben des Herzens. Den freund­ lichen Rathgeber, den vertrauten Gesellen geleitet die Thräne in'sGrab; den ernsten Wohlthäter legen die Gepflegten ganz ruhig in die tiefe Grube. Die letzte Schaufel Erde auf sein Haupt, quittirt über den lästigen Schein der Dankbarkeit, womit sie Wohlstands halber sich ermüden mußten. Ich er­ lasse euch That und Schein, und will Erkenntlichkeit bei Fremden suchen. Fände ich auch da sie nicht — so brauche ich Niemand mehr. (Geht.)

Dritter Auftritt. Madame Bergmann. Henriette. Henriette. Mutter! wie wird daS enden — Mad. Bergmann. Wie Gott will, doch ohne ein Un­ glück muß eS enden. Henriette. Vertreten Sie mich bei Karl —

141 Mad. Bergmann. Als deine Mutter. Henriette. Sagen Sie ihm — Mad. Bergmann. Was das Herz mir eingibt!

Vierter

Auftritt.

Vorige. Karl. Faß. Henriette. Nein, nein! du gibst deine Rechte auf mich

nicht auf — (Sie fällt ihm um den Hals.) Das kannst du nicht. Karl. Was ist daS? Mad. Bergmann. Des Mannes Werk. Faß (will gehen). Karl. Bleiben Sie! Faß. Wir sind hier nicht allein, Herr Lest — Henriette. Bleiben Sie, und vernehmen das ehrliche Gestandniß, daß ich Sie nie lieben kann. Karl. Haben Sie lzu Faß) ihre Liebe verlangt? Mad. Bergmann. Um diesen Preis will er retten mit dem, was er durch meines Mannes Güte hier erworben. Henriette. Dein Vater fordert es — Karl. Mein bist du, mein! wer will dich mir entreißen? Mad. Bergmann. Des Vaters Bitten — Henriette. Sein Unglück! Mad. Bergmann. Seine Verzweiflung — Henriette. Meine Kindespflicht! Karl. Habe ich nicht dein Wort? Henriette. Du hast es, und ich beschwöre dich, erlaß es mir nicht! Nur wenn du zurücktreten könntest— so sprach dieAngst aus mir — könnte ich mich vermählen mit dem Tode. Karl. Nimmermehr! Gehen Sie, liebe Mutter! —

142

Henriette, geh! Ich habe ein Wort an ihn, der es mit dir, und mit uns allen so überschwenglich gut gemeint. Henriette. Hast du Hoffnungen, mein Karl! — o so belebe mich mit einem Blick, daß ich dem Jammer nicht er­ liege, in dem ich von dir scheide. Karl. Mein bist du, wenn du mein fein willst! Sein wirst du nicht, auch wenn du selbst es wolltest. Henriette (^ibt rasch bcr Mutter ihre Hand lttd geht mit ihr),

/finster Äuftritt. Karl. Fast.

Karl. Zum Ende, Herr! Sie sind in meiner Hand. Fast. Das ich nicht glaube. Wie so? Karl. Errathen Sie es mir Zittern! Fast. So gar leicht zittre ich d'rum doch ror solchen Her­

ren nicht. Karl. Ihr Bubenstück bei Heinig's ist am Tage. Fast. Die Rettung des Meinigen weiß der Papa und

findet sie gerecht. Karl. Sie haben Mirkel aufgehetzt, mich wegen seiner Tochter zu verleumden und zu verfolgen. Fast. Weil ich die Mamsell zärtlichst.'Lebe, ward ich aufmerksam auf diesen Handel. Auch das weiß der Papa. Karl. Die Welt weiß noch nicht, wer Sie sind; die Welt soll Sie kennen lernen. Fast. Wollen Sie mich in einem Journale antasten? Was mache ich mir aus der gelehrten Tortur! Ich bin schlecht und recht, ein ehrliebender Handelsmann. Braucht die Wett meine Ware, muß sie mir ihr Geld bringen, weiter kümmert sie mich nicht.

Karl. Die Schande kümmert Sie doch? FaH. Will dies Haus keine Schande beleben, bedarf es meiner. Ich muß gesucht werden; ich suche nichts. Karl. WaS Sie haben, ist hier im Hause erworben. Faß. Ja! daraus folgt noch keineswegs, daß ich es jetzt herausgeben muß. Karl. Können Sie Ihren Wohlthäter zu Grunde gehen sehen, ohne mit dem zu retten, waS Sie nur durch ihn besitzen? Faß. Auf Bedingung will ich retten. Karl. Aus der Bedingung wird nichts. Faß. So behalte ich mein Geld. Karl. Aber wenn Ihre Bubenstücke bekannt werden, die Sie hier vollführt haben, behalten Sie kein ganzes Gebein am Körper. (Er dreht ihn um.) Faß» Ich reiße daS Fenster auf — Karl. Nicht von der Stelle! Faß. Ich rufe Feuer. Karl. Still, still und stumm! Das Schandgemätde, worauf mein Vater und Sie abgebildet sind, das für fünf Dreier verkauft, meinem Bruder Schuld gegeben wird, wes­ halb der Vater auf uns so erbittert ist, daS ist von Ihnen bestellt und bezahlt, Herr! Faß. Was? Karl, lins haben Sie damit bei dem Vater gestürzt, und vom Verkauf Ihrer Larve nehmen Sie noch die Hälfte. Faß. Wer — wer sagt das? Karl. Der Verfasser. Da! — lesen Sie das Zeugniß eines Mannes, der so frivol ist, als Sie nichtSwürdig. (Gr halt es ihm hin.) Was sagen Sie nun? Faß (nach einer Pause). Nichts.

144 Karl. Was kann ich nun gegen Sie thun? Faß. Wenig. Karl. Sie sind ein PaSquillant. Faß. Ich zahle meine Strafe. Karl. Damit kommen Sie nicht durch. Faß. Ich sitze bei Wasser und Brot. Nun? Karl. Scheusal! Faß. Hier im Hause ist weder mehr zu gewinnen, noch zu vertieren. Was kümmert es mich, was Sie gegen mich treiben? Karl. Ich lasse die Geschichte drucken — Faß. So mache ich einen Spaß daraus. Karl. Lasse sie in der ganzen Stadt ausgeben — Faß. Ich lasse sie selbst nachdrucken und packe die Ware darin ein, das zieht mir viel Kundleute zu. Bin ich nur jetzt erst hier aus dem Hause, dann komme ich nicht wieder herein, und dann machen Sie, was Sie wollen! Karl (ergreift ihn an der Gurgel). Ungeheuer! Reize mich nicht! Faß. Mein Gott! Karl. Ich verlasse dich nicht; ich gehe dir nicht von der Seite, weder Tag noch Nacht. Unb reizt mich deine Bos­ heit zu einer schrecklichen That, so nimm's und habe deinen Lohn! Dein Schatten bin ich von diesem Augenblick an. Blei­ be, geh, kehre wieder — gleich viel! aber aus diesem Hause kommst du nicht, und mich wirst du nicht eher los, bis die Todesangst dich zu einer ehrlichen Handlung für meinen Va­ ter vermocht hat. Faß. Das ist ja wahrhaft entsetzlich. (Gebt.) Karl (geht mit).

FaH (kommt toterer). Äatl (ebenfalls).

Faß. Warten Sie nur bis morgen! Karl (verneint es). Faß. Ich bin kränklich — ich will zu Bette gehen. (Geht.) Karl (folgt). Faß (steht). Karl (steht). Faß. Mein Gorr! waS werden Sie denn an meinem

Bette wollen? Karl. Deine Furie sein in deinen Träumen, dein Teufet beim Erwachen. Indeß sotten Sie nicht von der Stelle, bis mein Vater kommt, und alles Herr und liefet, was er wis­ sen muß. Faß. Hm! der Pava ist heftig. Ich mache mir aus al­ lem nichts; — aber Thätlichkeiten furchte ich. — WaS wol­ len Sie denn haben für das Papier? Was muß ich Ihnen geben, daß es in meine Hand kommt? Karl. Mein Vater muß wissen, daß Franz nicht der Verfasser des Spottgemaldes ist, und retten, helfen müssen Sie ihm. Faß. Womit? Karl. Heinig's werden, hoffe ich, nicht brechen. Faß. Nicht? Karl. Für die laufenden Wechsel haben der Onkel und ich unser Vermögen hingegeben. Faß. Das war unklug. Karl. Still! — Den Versuch, ihn völlig zu retten, macht Franz. Faß. Womit? Hat ja nichts mehr.

146 Karl. Silber kann man einschmelzen, Landgüter ver­ kaufen , Hausrath versiegeln: — die Kunst schwebt wie ein guter Geist über der Tiefe deS Unglücks. Aus ihrem Füllhorn geht die neue Schöpfung wieder hervor in der Wüste. Faß. Das verstehe ich nicht. Karl. Was auch mein Vater an der Lond'ner Speku­ lation verliert — vieles deckt die Ware selbst. Nur Verini — der Todfeind meines Vaters wird ihm heut einen Wechsel von fünf tausend Thalern präsentiren. — Der wird ihn ohne Erbarmen stürzen. Zahlen Sie den, — so bleiben Sie bei Ehren — i ch Ihr Schuldner, und gegen dieses Zeugniß —geben Sie zur Sicherheit den Wechsel an den Vater! Faß. Wenn Heinig's sich halten — Karl. Das erfahren wir gleich. Faß. Und ich das Papier in die Hände bekomme — Karl. Sobald Sie gezahlt haben. Faß. Sie sich als Selbstschuldner unterschreiben — Karl. Mit Leib und Leben — Faß. Nebst dem Bruder! Karl. Auch — Faß. Niemand erfährt, daß ich gezwungen bin — Karl. Niemand als der Vater. Faß. Sie mir einen ruhigen Abzug aus diesem Hause verschaffen — Karl. Den verschaffe ich. Faß. Mich nie wieder besuchen wollen — Karl. Nie. Faß. Außer etwa, um mich zu bezahlen; und ich dann erfahre, wie Sie das Papier da von dem Kupferstecher be­ kommen haben — was Sie dafür dem wortbrüchigen Kerl gegeben haben —

147

Karl. Zwei Konzerte für die Flöte — hat er gefordert. Fatz. Es ist erschrecklich wenig. Karl. Nicht das Wenige habe ich dafür gegeben; ein fester Blick in den Steckbrief seines Gesichts, ein Druck mei­ nes entschiedenen Willens auf seine Schulter — haben ihn mir ausgeliefert. — Fort zu Heinig's, daß Sie sich über­ zeugen ! Faß. Ein Wort noch! Karl. Kurz! Faß. Meinen üblen Namen können Sie nicht brauchen, wenn ich zahle — Karl. Weder Sie noch Ihren Namen. Faß. So taffen Sie mich bei Ehren! Karl. So viel Sie selbst sich dabei erhalten können — ja. Die Zeit ist theuer; der Augenblick entscheidet, Mutter und Geliebte leiden; es verlangt mich nach des Vaters Se­ gen; das Ziel ist nahe. —Fort, daß es errungen sei! (Siegehen.) Sechster Auftritt. Vorige. Onkel Lest. Mamsell Bergmann. Onkel. Nun da ist ja alle Sünde beisammen!

(Er nimmt

Wer von Ihnen beiden (er sieht Mamsell Bergmann an) ist das mindere Arge? Karl. Dieser ist nicht übel. Tante! Sie müssen wahrlich besser sein, als er — eilen Sie damit! einen starken Vor­ sprung hat er — denn er zahlt Verini's Wechsel. (Er geht Faß bei der Hand.)

mit Faß.)

148

Siebenter Auftritt. Onkel Lest. Mamsell Bergmann. Onkel. Ich ehre Ihren Namen und die Zartheit Ihres Geschlechts, die Sie weder ehren noch besitzen; darum habe ich mit dem Schurken Faß Sie noch nicht Stirne an Stirne zu Rede und Antwort bringen wollen. Erkennen Sie die Schonung! Msll. Bergmann. Ich verlange keine Schonung. Onkel. Das ist eben nun die Frage. Msll. Bergmann. Ihr hoher Ernst kann mich wohl amüstren; doch schrecken kann er mich nicht, da meine Partie genommen ist, wie Sie wohl wissen. Onkel. Behutsam — bitte ich, sehr behutsam! Msll. Bergmann. Warum das, wenn ich fragen darf? Onkel. Was wir gemeine Menschen Ehre nennen, — darüber ist ein Geist von Ihrer Art nun freilich weg. Sie haben Ihre eigene Lebensfreude und Ihre eigene Ehre. Msll. Bergmann. Also! — Onkel. Denke ich, Sie thun das Nöthige, dies arme Gut, daran Sie hangen, und was Sie mühsam genug zu­ sammen trugen, beisammen zu erhalten. Msll. Bergmann. Wer kann mir rauben, waS er mir nicht gegeben hat? Onkel. Niemand. Wer Ihnen aber gegeben hat, was Sie sehr dreist und laut für Eigenthum ausgaben, der kann es rektamiren — Msll. Bergmann. Was ist das? Onkel. Etwas, was Sie, wie ich meine, wohl in einige Verlegenheit versetzen könnte. Msll. Bergmann. Erklären Sie sich!

149 Onkel. Seit zwei Jahren haben Sie durch die Reden, Aufsätze und Kritiken in dem gelehrten Zirkel, den Sie zie­ ren, sich den ersten Platz erworben. Diese Arbeiten sind sammt und sonder- nicht von Ihnen. Msll. Bergmann. Sie unterfangen sich, das zu be­ haupten? Onkel. Weil ich es bin, der sie verfertigt hatMsll. Bergmann. Ha! schändliche Verleumdung! Onkel. Ich weiß, daß alle diese Dinge Ihrem Freunde dem Notar Herrn Färber von Ihnen aufgetragen waren. Der wunderliche Zufall führt den armen Mann zu mir; Sie zah­ len ihm die Mühe, mich amüsirt das Wesen und der Gedanke mit diesem Zeitvertreib, dem armen Manne Erwerb zu ge­ ben. Hier — sehen Sie! — sind die Manuskripte von mei­ ner Hand. Msll. Bergmann. Mein Herr! — ich hatte Herrn Färber — Onkel. Ja, bei Färber haben Sie bestellt, — der bei mir. Ich will Sie nicht kompromittiren, noch um Ihr Ver­ mögen bringen. Ich will im Gegentheil in Zukunft fleißig und gratis für Sie schreiben. Ich rathe, ziehen Sie nach und nach Ihr Geld aus Ihres Bruders Handlung! nur sei es nach und nach! drängen Sie ihn nicht! Nur zeigen Sie bei vollem Anspruch auf hohe Wissenschaft ein wackereS Herz — Msll. Bergmann. Ich übersehe Ihre Bosheit — Onkel. Sehen Sie meinen guten Willen ohne Bosheit und handeln Sie als Schwester! Lassen Sie diese Würde gelten — sonst nehme ich Ihnen jede Andere, womit Sie prunken, mache diese Kleinigkeiten, die mein unbestrittenes eigenes Gut sind, jedermann bekannt, und dann — das sehen

150 Sie wohl — ist es mit Ihrem Ruf der hohen Wissenschaft vorbei! vorbei mit dem gelehrten Zirkel und mit dem Glau­ ben der Populäre an die ernste Posse, die Sie dort treiben. Msll. Bergmann. Was haben Sie für ein Recht, sich in meine Angelegenheit zu mischen? Onkel. Die Papiere sind meine Angelegenheit; jedeS nicht verdiente Leiden ist meine Angelegenheit, und das er­ kläre ich Ihnen rund — Msll. Bergmann. Sie haben schon zu viel sehr rund erklärt — Onkel. Wenn Künste und Wissenschaften die Menschen, die ihnen leben, nicht milder machen, besserund gerechter — wenn unverdaute Abstraktionen dienen sollen, laue Seelen noch kälter zu machen, mangelnde Naturgefühle für erkämpfte Würde der Philosophie den Menschen aufzudringen — so künde ich diesem Wesen Krieg an, Krieg auf Tod und Leben, wo und in welcher Form ich's finden mag. Msll. Bergmann. Ich will mich besinnen. Jetzt kann ich nichtS entscheiden.

Ächter

-Auftritt.

Vorige. Franz. Franz. Onkel! Umarmen Sie mich von ganzer Seele! von Harber komme ich — (er breitet die Mappe aus) da! — sehen Sie — die Skizze ist entworfen. Er ist zufrieden — wartet mit Heinig's, thut vielleicht noch mehr. Ich male sein gan­ zes Haus.------- Gerettet habe ich Heinig's — bare Wonne ist meine Kunst. (Er nimmt ein großes Blatt heraus und geht damit in's Zimmer.) Fort! daß ich den Entwurf noch mehr in's Reine bringe!

151

Onkel. Sein Kunstgefühl hat er dem Kummer Ihres

Bruders jum Opfer dargebracht, ich meine Armuth — Karl waS er hat. Was thut die Schwester? Msll. Bergmann. Die Schwester als Schwester?

Nichts. Onkel (gehr). Genug nun —

Msll. Bergmann. Lassen Sie mich vollenden! Allein die Menschenkennerin thut etwa- — thut sogar viel — Onkel. Gott segne Sie!

Msll. Bergmann. Sie thut es, weil nun das Spiel so stehet, daß der Art etwa- wohl geschehen muß — thut eS

auch — in Ihnen den Moralisten — die, Eins für Alles,

Menschen ohne Grundsatz und Charakter sind — zu strafen.

Onkel. Nun, was geschieht denn? Msll. Bergmann.

Mit meiner Forderung — warte

ich noch. Onkel. Gorrtob!

Msll. Bergmann. Ich dränge meinen Bruder nicht —

Onkel. Geben Sie daS schriftlich? Msll. Bergmann. Ja! sogleich.

Onkel. Gebrauchen Sie meine Manuskripte zur Unter­ lage der Segensschrifr!

Ich weiß nichts mehr davon, daß

Sie mein Werk für JhreS ausgegeben.

Msll. Bergmann. Versteht sich.

(Sie steckt die Papiere

ein.) Doch thue ich dies Alles auf die Bedingung, daß Sie nun meine Augelegenheit bei meinem Bruder treiben, und zu dem

Meinen mir nach und nach behilflich sind — sonst revozire ich Alles. Onkel. Gehr auf die Bedingung alles Advokatenwesen

Ihrer Seits von Ihrem Bruder sogleich zurück?

152

Msll. Bergmann. Zurück. Onkel. Ich nehme das Amt an, und mein Herz soll da­ bei Ihrem Verstände die Rechnung immer so ablegen — daß — ich hoffe eS, in dem Verkehr die abgestorbenen Saiten Ihres Herzens auf's neue Ton empfangen.

Neunter Auftritt. Herr und Madame Bergmann. Vorige. Bergmann (tritt heftig in das Zimmer). Siehst du, da sind sie beisammen? Niemals haben sich die beiden gesprochen; zu meinem Verderben erst bieten sie sich die Hande. Fort, Nat­ terbrut! Msll. Bergmann (zu Onkel Lest). Verdient der Mann eine Aufopferung? Onkel. Seine Sitten laden nicht dazu ein; sein Herz ist der Prüfung werth. Sein Unglück fordert einen Bruder, der Hand anlegt. Bergmann. Ja. Ich bin unglücklich — ich bin verloren ohne Rettung. — Weidet euch an der Gewißheit, feiert sie mit Gesang und Klang! Mad. Bergmann. Lieber Mann! ich beschwöre dich um Fassung. Bergmann. Aber heute ist dies HauS mein, heute bin ich noch Herr darin, und, somit fordere ich es, laßt mich eure hohnsprechenden Gesichter nicht mehr hier sehen! Onkel. Lassen Sie sich nur erst sagen, daß Ihre Lage — Bergmann. Kein Wort! (Zu Madame Bergmann.) Bitte du sie um da- Mitleid, mich mit dir einen Augenblick zu lassen.

Msll. Bergmann (geht). Cela ne finit pas.

153

Bergmann. Ja! sprich mit fremder Zunge! dein Herz hat nie einen eigenen guten Gedanken; dein falscher Ver­ stand ist kalt, wie ein Fieber. Onkel. Fühlen Sie das Bedürfniß, von dieser schönen Seele Trost zu empfangen? Dies Gefühl ist eine Tugend, die ich ehre, und ich scheide. (Geht.) Bergmann (wirft sich in einen Stuhl, und bedeckt dar Gesicht). Ach Gott! Mad. Bergmann. Armer, guter Mann! Bergmann. Schändlich bin ich betrogen, schändlich! du kannst eS kaum denken. Mad. Bergmann. Auf s neue? Bergmann. Bei dem Herrn Nachbar Felser war ich. Ihm klagte ich meine Noth; — was gab er mir, der Mann, den ich vom Untergange in die Höhe gerissen habe? Achselzu­ cken — eine kalte, gerunzelte Stirne. (Er steht rasch auf.) Ich hätte nicht so hazardiren sollen — man müsse in jetzigen Um­ ständen auf seiner Hut sein — man bedaure von Herzen — brauche aber daS Seine — die Klugheit gebiete — die Klug­ heit? Gott! Ich gerathe jetzt auf so viel kluge Menschen, daß ich darüber verzweifeln muß. Führe doch, barinherziges Schicksal, einen einfach guten Menschen mir in den Weg! Mad. Bergmann. Findest du ihn nicht, so nimm mich dafür an! Bergmann (reicht ihr die Hand). Mad. Bergmann. Ich kann freilich nicht helfen; aber ich kann Unglück ohne Murren freundlich mit dir tragen. Bergmann. Ich bin es, ich! der Felser's gerettet hat. Mad. Bergmann. Keine gute That bleibt unvergolten.

XIX.

11

154

Bergmann. Nun denn. Es ist Zeit — heule, jetzt muß mir vergolten werden, morgen ist alles zu spar. Mad. Bergmann. Meine Söhne — Bergmann. Hast du mich lieb: so sprich von denen kein Wort! Mad. Bergmann. Mit ganzer Kraft bewerben sie sich um deine Rettung. Bergmann. Ja doch! mit schönen Worten, aus eige­ nem Hochmuth. Mit prächtiger Bettelei, die meine Schmach der Stadt verkündet? der schnellen Wallungen sind sie wohl fähig; Ausdauer kennen sie nicht. Gib doch die Hoffnung auf! sie ist noch schrecklicher, als das gewisse Unglück. — Eins ist und daS hebt mich über sie und meine Feinde — ich habe wohl hart gesprochen, aber kräftig gehandelt; — jene reden süß und schön, handeln aber schlecht an mir und lieblos. Mad. Bergmann. Nur mit einiger Gelassenheit höre mich an! Bergmann. Ich will es, r-de! Mad. Bergmann. Vom ersten Augenblick an, wo sie deine Lage nur murhmaßen konnten — B-rgmann (der sie nicht beachtet hat). Gedenke meiner Worte! So wie unser Schicksal entschieden sein wird, werden sie auch d i ch verlassen. Mad. Bergmann. Nimmermehr. Bergmann. Auch dich! die Künste verlangen Heiter­ keit; — eine reiche Mutter — mm die hononrt man, und rreibt damit Parade. Eine arme Mutter wird ekelhaft; — das Jammerbild stört die Imagination; — man läßt es ste­ hen— stürzt sich in der Welt Herrlichkeit, und mit einem wilden Walzer betäubt inan sich über das Winseln der verlas­ senen Mutter. O Gott! Gott!

Mad. Bergmann. Lieber Mann! Bergmann. Wenn ich nur etwas für dich retten konnte! nur etwas! das beugt mich so. Mad. Bergmann. Habe Glauben an mich! — habe den Glauben, daß die Kinder, die ich geboren habe, deren Wohlthäter du bist, deine treuen Freunde sind — im Namen aller heiligen Rechte der Frau auf dein Unglück und deine Liebe — laß mich jetzt auSreden! Bergmann (hätt das Gesicht zu). Rede! Mad. Bergmann. Ware unser Unglück gewiß — Bergmann. Es ist gewiß. Mad. Bergmann. So habe den Glauben, daß wir nur in uns Rettung finden können, und sie nirgend anders suchen müssen — so sehe ich dein Vermögen ohne Ver­ zweiflung schwinden, und durch das Unglück das Glück mei­ nes Herzens wiederkehren. Bergmann. Wer ist denn hier gewesen, während ich nach Hilfe umher irrte, um deine Thränen zu trocknen, dir ein Wort des Trostes zu sagen? (Er sich um.) Wo sind diese treuen Söhne? (Er erblickt die Mappe.) Da liegt das Gaukel­ spiel ihres Kunstverkehrs offen ausgebreitet; der Acker wird frisch bestellt; aber unser Jammerfeld mag Dornen und Disteln tragen, wir darauf verhungern — was kümmert das sie! (Er ergreift die Mappe.) Fort mit dem heiltosen Tand! fort mit diesen Künstlern I — ich will ein gemeiner Arbeiter wer­ den, so werde ich dich erhalten, ohne diese Söhne. (Er wirft Mappe in Franzens Zimmer.) Sieh her! — Franz (inwendig). Vater! Bergmann. Zurück! Mad. Bergmann. Ist Franz da? li *

156

Bergmann. Zurück, sage ich, ich will dich nicht. Sieh her! wie er da so ruhig saß, und sein Gewerbe trieb! wäh­ rend wir verzweifeln. Mad. Bergmann. Hast du recht gesehen? (Außer sich.) Er malt? Er arbeitet wieder? Ist das gewiß? (Sie umarmt ihn feurig, und stürzt an ihm vorbei in die Thür) so ist auch dein gu­ tes Los gefallen; und unsere Rettung da! Bergmann. Mich läßt sie stehen in meinem Jammer, und liebkosend wirft sie sich denen in die Arme, die sie und mich verhöhnen.

Zehnter Auftritt. Bergmann. Onkel Lest. Karl. Onkel (nicht ihm ein Papier). Bergmann. Meine Schwester durch Sie bewogen, will warten? E- ziemt Ihnen das Uebel zu hemmen, was Sie herbei gerufen haben. Karl (reicht ihm eia Papier). Lesen 'SC’it! Onkel (geht zu Franz). Ber-mann. Ein Zeugniß des Kupferstechers, daß Faß da» Spottbild auf mich bestellt hat, und bezahlt? Karl! — ist das echt? Karl. So wahr ich vor Wonne bebend in Ihr Angesicht sehe. Niedergrworfen von der Angst vor Strafe, die ich ihm schwur, gibt Faß die Befriedigung von Verini's Wechsel als Darlehen. Bergmann (steht sprachlos da, und läßt da- Papier fallen).

Eilfter Auftritt. Vorige. Madame Bergmann.

Franz.

Onkel Lest.

Mad. Bergmann. Nicht aus Uebermuth — er malt für dich. Seine Kunstist es, dieHeinig's Aufschub schafft. (Auf Karl deutend.)

Sein Herz zu dir, hieß ihm sein Geld in

Hast zu Heinig's tragen; so wehrt er ihrem Sturze. Vater!

— erkenne meine Söhne!

Onkel. Auf Mannes Wort! Heinig hält sich — Sie haben nun nichts mehr zu fürchten. Karl und Franz. Mutter! Karl. Gelöst sind unsere Gelübde — Franz. Gerettet ist der Vater — Karl und Franz. Umarmen Sir uns! Mad. Bergmann (umarmt sie). Wie reich bin ich! — wie selig!

Onkel. Vaterfreude macht Sie heut reicher, als Sie niemals waren.

Bergmann

(ergreift Karls Hand — laßt sie wieder fahren —

geht zitternd zu Franz — kehrt um — sieht alle an — reißt seine Frau

an sich, und ruft aus der vollen Kraft des Herzen-).

Sag ihnen, daß

ich fühle, was sie thaten.

Karl. Ihre Hand an mein Herz! Franz. Ein Segenswort über uns! (Sie umarmen ihn.) Onkel (klovst ihm auf die Schulter). Einen freundlichen Blick

{

auf mich!

Bergmann (der kaum reden kann). Herr Lest! — und ihr beiden! — ist Alles das ganz gerade aus wahr? )Mad. Bergmann und Onkel. Ja. Karl und Franz. Wahr.

158

Bergmann (bedeckt das Gesicht, faßt feine beklemmte Brust und stürzt hinaus). Karl (zum Onkel). Onkel! Ihr Werk ist dieser Augenblick.

Onkel. Ich empfinde ihn.

Zwölfter Austritt. Vorige. Herr Bergmann mit Henrietten. Bergmann. Tochter! auf deine Lippen wurde die An­ weisung gelegt, mich Vater zu nennen. Ich habe sie redlich geehrt. — Allen diesen Leuten habe ich Unrecht bewiesen. — Mache du es wieder gut! — (yr gibt ihre Hand an Karl.) Karl ist nun belohnt; — für die Uebrigen — (er fahrt die Hände) habe ich nichts. Ihr seid ja gute Seelen! —findet euer Gluck in dem Seinen.

Henriette (kniet vor ihm). Die Uebrigen (dringen mit offenen Armen auf ibn ein). Bergmann (tritt zurück). Nein! (Ernst.) So kann es noch nicht sein. Herr Lest! — haben Sie auch für mich gegeben? Karl. Alles, was er hat. Franz. Mit leichtem Herzen.

Bergmann (bedeckt das Gesicht, und wankt etwas zurück). Mad. Bergmann (gibt ihm einen Stuhl). Onkel. In einem halben Jahre können Sie alles zurück­ geben.

Bergmann. Herr Lest — (Reicht ihm die Hand.) Onkel (tritt ZU ihm). Bergmann. Geben Sie mir meine Worte gegen Sie zurück!

Onkel. So ein Händedruck des Mannes verdient wohl, daß man ihn mit ein paar rauhen Morten erwirbt.

159 ^Bergmann (die Hände auf die Brust gelegt). Ich schäme mich, Vie ein ehrlicher Mann. (Er steht Franz und Karl an.) Ich war hatt gegen euch! vergebt mir daS! Franz und Satl (küssen seine Hand). Bergmann (zu Madame Bergmann). Grollen kannst du nicht, — kannst du auch vergessen? Mad. Bergmann (umarmt ihn, und stnkt in der Umarmung auf die Knie). Onkel und Fran; (geben ibr einen Ztubl, und setzen sie; ste lebnt den Kopf an ihren Mann). Bergmann. Es ist mir sonderbar zu Muthe — so enge! du weinst, Henriette? — du bist sehr glücklich! Wenn ich doch weinen konnte — so würde mir leichter tun daS Herz. — Ich bin viel betrogen, — das macht rauh; — aber böse bin ich nicht. Karl und Franz (umarmen ihn). Baker! Mad. Bergmann. Mein Mann in meiner Söhne Ar­ men! — Ihres BruderS Söhne — meines Mannes Retter! Onkel. Umgeben von Liebe, Kindestreue und Freund­ schaft — wie wird Ihnen? Bergmann (hebt dir Arme, und läßt ste finken). Ich kann'nicht aussprechen.— (Ersieht alle an, und sagt freundlich lächelnd.) So tmis; uns Franz einst malen — wie wir jetzt hier sind. Franz. Das werde der Triumph der Kunst! das Herz schafft das Gemälde. Bergmann. Und so erhalte uns daS Schicksal noch bei­ sammen ! — daß ich doch etliche harte Stunden gut machen kann. (Seufzt.) Meine Brust — mein Herz; Wenn ich nur weinen könnte! — die Wohlthat einer Thräne gib mir, guter Gott!

160 Karl (nimmt die Flöte, stellt sich an Herrn Bergmann'- Stuhl und blast einige Takte).

Onkel (nimmt Herrn Bergmann - Hand). Franz (sieht zwischen der Mutter und Herrn Bergmann herzlich herein).

Henriette (kniet vor der Mutter, und sieht an ihr hinauf). Bergmann. Schön! — Noch etwas, lieber Karl! Karl (bläst weiter). Bergmann. Ei! wie machst du mir mir deiner Flöte heute Freude! Es wird mir sanft — gut und wohl. —Noch einmal, lieber Karl! — Aber — aber küsse mich erst! Karl. Mein Vater! Bergmann (winkt). Ach Franz! du mußt uns so malen; — und ihr müßt nicht weggehen! Ihr drei müßt nicht weg­ reisen. Onkel. Wiederkehren wollen wir! Milden Sinn geben die Künste den besseren Menschen, Vollherzigkeit und Ver­ trauen. Sie führen den Frieden ein unter das Menschenge­ schlecht, und die hohe Liebe. Alle. Die Liebe! Karl (bläst. Der Vorhang senkt sich sanft herab).

Personen. Oberförster Warberger.

Die Oberförsterin. Forstmeister Warberger, ihrSobn.

Friedrike, seine Fran.

Gottfried, ihr Sohn. Pastor Seebach. Der Schul;.

Herr von Zeck. Rudolph, \ x Jäger des Oberförster-. Hans,

f

(5 hretien, Jäger des Forstmeisters

Ein Bauer. Ein Knecht.

Erster A u f z « g. (In des Oberförsters Haufe.)

Erster Auftritt. Hans. Rudolph kommt hernach dazu. HstNs kommt von der Seite und bringt ein Paar altvaterische Gemälde, die er abstäubt; er besteht eines. ist, glaube ich, der Vater von der Oberförsterin? Eine stattliche Person! Dlun — es sei einer nun lebendig oder ge­ malt, es kann doch niemand wissen, was ihm noch paffirt, ehe er ganz aus der Welt tritt. Der alte Herr, der hier ab­ gemalt ist, hat lange neben des Herrn Oberförsters Bette gehangen, ohne daß ein Mensch sich um ihn bekümmert hätte. Anfeinmal kommen Fremde, da muß der Papa von der Wand herunter, ob er will oder nicht — in eine andere Stube marschiren und dort noch was Rechtes vorstellen. (Er lehnt das Ge­ mälde an einen Stuhl, stellt fich-davor hin und lacht aus vollem Halse.) Mein Seel! Der alte Herr sieht Mich recht listig an. —(Nimmt das andere Gemälde.) Die ist wohl seine Madame gewesen. (Stellt fie daneben.) DaS ist ein häßlich Schätzchen 7 Nacht.) Rudolph. Hans, was machst du denn hier? HanS. Ei ich spreche mit den beiden da — Rudolph. Bist du toll? Hans. Mein Seel! Ich spreche gern mit ihnen. Sie lassen mich alles reden, waS mir einfällt, und die Gesichter da sind die einzigen, die mich noch nicht angefahren haben. Rudolph. Die Frau Oberförsterin hat dich schon drei­ mal gerufen. — Hans (dehnt sich). Heute ist sie nun gar vor Tage aufge-

164 standen. (Es schlägt fünf Uhr. Dehnt fich.) Horch! Ts schlägt erst fünf Uhr. Rudolph. Ei sie hantirt ja schon seit drei Uhr im Hause herum. HanS. Den alten Herrn har sie Punkt vier Uhr aus dem Bette disputirt, da hat er gleich mit herum rumoren sollen. Ja — daS hat er wohl bleiben lassen. Sie? ist um zwei Uhr aufgestanden. Um drei Uhr war sie schon angezogen, und nun ging's in Küche und Keller, in die Obstkammer, in's Back­ haus, durch alle Stuben heraus und herein. Kathrine, Hans, Rudolph — das war ein Getöse! Rudolph. Ei nun das begreift sich wohl. Ihr Sohn kommt zum Besuch, die Schwiegertochter, da- Großkind! In fünf Jahren haben sie sich alle einander nicht gesehen. Mein Seel! Mir wird auch ganz wunderlich zu Muthe, wenn ich daran denke, daß ich den jungen Herrn heute wiedersehe. Hau-. Ja du hast dich gut freuen, du warst auch sonst ein Spezial vom Herr Anton. Was war ich? Ein Esel. Ja, ja, mich hat er immer einen Esel genannt. Wie soll ich mich denn freuen? Oberf-rsterirr (draußen). HanS! Rudolph. Hörst du, sie ruft schon wieder. HanS. Ja. Sie hat heute schon oft gerufen, ich bin aber auch schon oft gekommen.

Zweiter Auftritt. Vorige. Oberförsterin. Obrrförsterin. Da gehe ich, da laufe ich, da suche ich, da frage ich, da rufe ich — Hans! Hans! Und da steht der Hans Ungeschickt und schwazt! Ist das Manier?

165 Haus. Ei ich habe mich hier ein wenig ausgeruhet; nun wollte ich eben — Oberförster!«. AuSruhen? Habe ich ausgeruhet? Heute muß Niemand auSruhen. Bin ich nicht die erste gewesen? Habe ich nicht die Mägde geweckt? Haben nicht die Knechte noch auf dem Ohre gelegen ? Der Rudolph war der einzige Mensch im Hause, der wach war, der Rudolph ist ein wack­ rer Mensch — Ra-olph. Er hat eben hinaufgehen wollen. Oberförsterin (zu Hans). Ein langsamer träger Mensch seid Ihr! Im Hause lehnt Ihr Euch überall an und sperrt das Maul auf, in der Kirche schlaft Ihr, an der Suppen­ schüssel kommt Ihr um Euer beschieden Theil, auf der Jagd seht Ihr auch zuletzt, was zu sehen ist, und hier im Hause schwazt Ihr. Von waS habt Ihr gesprochen, waS gibt'S wie­ der zu erzählen? He, Rudolph, sage mir, was hat er dir erzählt? Rudolph. Ei nun, wir sprachen beide vom jungen Herrn — Oberförsteri«. Von meinem Sohne? Nun das mag allenfalls paffiren, von meinem Sohne könnt ihr reden, da­ gegen habe ich nichts. Aber spreche ich denn nicht auch von ihm? Spreche ich nicht den ganzen Tag von ihm? Bleibt deshalb etwas liegen? Man kann reden und sehen und hören und thun. Ich sehe gern, daß die Leute sprechen, wenn ich schon selbst eben keine große Liebhaberin vom vielen Sprechen bin. Aber man muß sorechen und arbeiten. Die beiden Bil­ der gebt her. Hans (gibt sie ihr). Oberförster»«. Mein lieber seliger Vater und Mutter!

166 Brave Leute waren's! das kann ich euch sagen. Der selige Mann war erster Bürgermeister und meine selige Mutter — das war eine Frau! lieb und werth bei jedermann, bei Ho­ hen und Niedern, ach, und so redsprachig! HanS. Das steht man ihr jetzt nicht an. Öberförsterin (Hebt das Bild an und seufzt). Jetzt — ja du lieber Gott! jetzt fingt sie mit den lieben Engeln, und da hört man sie gewiß durch alle hindurch: denn bei ihrem Leben hat sie auch in der Kirche so einen hellen Triller geschlagen, daß man sie vor der ganzen Gemeinde allein hören konnte — Die sollen auf das Zimmer für den fremden Herrn, den die Kin­ der mitbringen. Den seligen Vater nagle rechter Hand, und die selige Mutter hänge linker Hand auf, wo der Fleck in der Tapete ist. (Eie seufzt.) Ach! du lieber Gott! — die selige Frau konnte bei ihrem Leben auch keine Unordnung und keine Flecken leiden. Tragt sie hinauf, HanS!

Hans (geht). Oberförsterin. Hans! Heda, Hans! — Bleib noch da, Rudolph! Mit dir will ich auch reden. Hans, wenn mein Sohn kommt, so seid hübsch manierlich. Hört Ihr? HanS. WaS soll ich denn thun? Öberförsterin. Ihr sollt nicht Anton sagen.

HanS. Herr Förster? Oberförsterin. Seht Ihr, wie dumm! Vor drei Jah­ ren war er ja schon Oberförster! Herr Forstmeister müßt Ihr sagen —

HanS. Wie? Öberförsterin. Herr Forstmeister und Frau Forstmei­ sterin— Habt Jhr's begriffen? HanS. Ja! Herr Forstmeister und Fran Forstmeisterin soll

167 ich zu ihnen sagen. Ich begreife alles, ich muß mir nur Zeit dazu nehmen. (Geht.) -O-erfSrsterin. Man muß sich vor den Gästen schämen, so dumm ist der Kerl. Aber, lieber Gott! — wenn wir ihn nicht behalten, nimmt ihn gar kein Mensch mehr. Rudolph. Ich will schon Acht geben. Oberförster!«. Geh zum Herrn Pastor, und bitte ihn zu mir. Mit dem muß ich noch in Ueberlegung nehmen, wie eS mit dem fremden Herrn zu halten ist, den die Kinder mit­ bringen. Rudolph. Wer ist eS denn? Oberförster!«. Ich weiß es nicht! Aus dem Briefe der Kinder kann ich es nicht recht nehmen, was es mit dem für eine Bewandtniß hat. Anton schreibt -- ich bringe Jemand mit, den sie Anfangs nicht gern haben, zuletzt vielleicht un­ gern verlieren werden. Friedrike schreibt gar nichts von ihm. Der Alte will gar nicht recht damit zufrieden sein. Aber mein Mann ist manchmal wunderlich. — Die Kinder wissen, was recht ist, und wen sie mitbringen, der muß hier willkommen sein. (Man hört pfeifen.) Das ist der Alte! Mach, daß du hin­ unter kommst!

Rudolph (geht). Oberförster!«. Vergiß mir den Herrn Pastor nicht. Und sag ihm — (Man hört wieder pfeifen.) Ja ja ! (Hält ihn fest.) Mach, daß du hinunter kommst—geh auch gleich hin zu dem Schulz und sag ihm, mein Mann wollte den Kindern absolut nicht entgegen reiten, aber er möchte sich nur bereit halten, ich wollte es schon dahin bringen, daß er eS doch thäte. Oberförster (von außen). Rudolph! Rudolph. Ich muß fort, es thut sonst weiß Gott! kein Gut — (Lauft ab.)

168 Oberförster!«. Ja, wenn ich nicht oi alle- dächte! Wenn ich nicht alles schlichtete und richtete, nie es sein muß,

und waS per lionneur geschehen muß, wir wollten doch se­ hen, was da heraus kommen würde? Du liver Gott — er denkt nur an den Wein! Der Wein ist gut.

man will doch auch essen.

llles gut; aber

Vor und nach demLffen will man

doch auch ein Wort reden,

und wenn man ein vernünftig

Wort gesprochen hat, dann — ja — dann — (fie gähnt) will man doch auch sonst einen Zeitvertteib haben. Ou lieber Gott!

Ich bin doch auch gar zu früh aufgestanden, die Augen wer­

den mir gegen Abend gewaltig früh zufallen, du mein Gott!

Was thut man nicht für seine Kinder! (Sie geht, ihr begegnet der Oberförster.)

Dritter Auftritt. Oberförster. Oberförstern.

Oberförster. Frau! WaS ist dir zu .topfe gestiegen, daß du alle meine Hunde hast einfangen lass« und —

Oberförster»»«. Daran hast du miede' nicht gedacht! Aber ich — Gottlob! ich denke so ziemlich m alleS. Daran habe ich Recht. DaS mit den Hunden, das it sehr klug auS-

gedacht.

Oberförster. Komme ich hinunter,

wll die ehrlichen

Bursche betrachten, und mein Gespräch mit hnen halten — finde keinen einzigen. Der Mustapha liegt a> der Kette, der Phylar schleppt einen Kloh am Halse zwei !llen lang, di«

Favorite, der Melac, die Diane und der Aeckauf, sind in den Stall gesperrt, und meine kleinen Tackt — Frau, wo

sind meine Tackel?

Oberförster!««. Die sind oben auf dem Soden.

Oberförster. Den Augenblick citire sie herunter. Oberförsterin. Die Tackel habe ich selbst dahinauf ge­ tragen. Oberförster. Warum sollen denn die Hunde so auS dem Wege? Oberförsterin. So? Können sie nicht daS Kind anfal­ len , unsern Gottfried — unser Großkind — Oberförster. Bist nicht gescheit. Oberförsterin. Vorgethan und nachbedacht, hat man­ chen in groß Leid gebracht. Oberförster. Da hast du Recht. Jetzt hast du dich in daS Leid gebracht, eigenhändig die Tackel wieder herunter zu tragen. Oberförsterin. WaS? Ich sollte — Oberförster. Die Tackel müssen herunter — dafür hilft nichts. Oberförsterin. Wenn die Kinder ankommen — die Leute, die Pferde, die Koffer abgepackt werden, die Postil­ lone blasen — Ach Gott! Wenn ich die Postillone blasen höre, falle ich der Länge nach in Ohnmacht — Oberförster. Nun und wenn du wieder zu dir gekom­ men bist — Oberförsterin. Geh! (Weinerlich.) Du hast gar kein väterlich Gemüth! Wie kannst du an die Postillone denken, ohne bitterlich zu weinen — Oberförster. Bist nicht gescheit — Oberförsterin. Wenn da mein Sohn mir in die Arme fällt, mein hübscher Sohn, den Gott zu Ehren gebracht hat, und mein Riekchen und der kleine Gottfried — und wenn ich denn denke, daß mir Gott die Gnade gethan hat, daß ich dich XIX. 12

170 noch so handfest daneben stehen sehe — da soll uir nicht daS Wasser in die Augen kommen? Oberförster. Frau! Auf den Gottfried frme ich mich von Herzen, und jeden Tag, wo ich mein Mirgentied an­ hebe, sehe ich nach deinem Tischchen hinüber und freue mich, daß du noch da bist, ob du mich gleich in dem Norgenliede durch dein Hühnerfüttern mit dem hellen tu, tu, rü, tu, nicht wenig unterbrichst? Ich freue mich auch, den Atton und die Friedrike wieder einmal recht fest an mein Herz zu drücken; aber wenn daS geschehen ist, so wäre es vielleicht am besten, sie ließen uns den Großsohn da, stiegen in den Wagen und führen in GotteS Namen wieder in ihr Wesen zuück. Oberförsterin. Ei du gerechter Gott! was ind das für Gedanken? Oberförster. Ich denke, Anton ist nun en hochstudirter Jäger geworden, lebt da in der Residenz an einen flio« ßen Fuß; wie es innerlich um ihn steht, das w-iß ich nicht. Oberförsterin. Ich weiß wohl, du bist ärgerlich, daß er Forstmeister geworden ist — Oberförster. Es war mir leid, als er vor Drei Jahren schon Oberförster ward. Oberförsterin. Du mein Gott! Alles, wis ihm Gu­ tes paffirt ist, und daß er in andere Dienste gekonmen ist! — Oberförster. Das habe ich nicht gern, er bitte im Va­ terlande dienen sollen. Oberförsterin. Das war ja offenbar GnteS Wille! Damals vor siebentehalb Jahren, wie daS Unglick mit dem Matthes vorgefallen war, sprach die ganze Gqend davon. Sein gnädiger Fürst hört auch von unsers Antor's Unglück, sieht ihn, er gefällt ihm. Gott gibt es dem Hrrn in den

171 Sinn, daß er ihn für die Trübsale belohnen kann. Er nimmt ihn herein nach Hofe, er gefällt ihm immer mehr und mehr, er muß mit ihm auf die Jagden, mit ihm reisen — Oberförster. Ja ja! Auf den Jagden und Reisen ist’# toll hergegangen, da ist gesprochen, getrunken, gelebt und so verkehrt, daß das bischen gerader Sinn und Gottesfurcht, was wir so treulich in ihn gebracht und beisammen erhalten hatten, nach dem ersten Jahre schon mehrentheils von ihm genommen ward. Es ist überhaupt da drüben an dem Hof« eine lustige Wirthschaft. — Oberförsterin. Je nun sein gnädigsterFürst ist ein jun­ ger Herr. Oberförster. Da gibt's die Menge junge Diener, junge Anstalten — alle Tage was anders. Oberförster!«. Hat der Anton nicht schon viel Geld und Gut geschenkt bekommen? Oberförster. Was nicht erworben ist, wird nicht ge­ achtet. Oberförster!«. Die hochfürstllche Gnade nimmt ju. Oberförster. Der Dünkel auch. Jetzt ist er Herr Forst­ meister, lacht über die gesunde Erfahrung alter Männer, hört das Gras wachsen und schreibt nur Briefe, die so kurj sind, wie ein allergnädigstes Reskript, und unverständlich, wie manche von den neuen Büchern, die er schickt. Oberförster!«. Seine Briefe, di« Wahrheit ju sagen, verstehe ich nicht allemal—aber sie mögen doch recht schön sei«. Oberförster. Mit der Friedrike steht es gewiß auch nicht

zum Besten. Oberförster!«. Ei der Pastor sagt ja, «S ging« alle­

recht wohl. 18 *

172 Oberförster. Das sagt er so. — Hm — ich habe eS längst gemerkt, daß er mit der Sprache nicht recht heraus will. Oberförsterin. Du mein Gott! ES ist jetzt alles anders worden in der Welt. Wir sind alte Leute, leben hier hinterm Walde, haben nicht viel erfahren von dem, waS so paffirt.— Oberförster. Ich wollte, der Anton mit der Friedrike wären hier bei unS hinterm Walde geblieben und hätten nicht gar zu viel von dem erfahren, waS in der Welt paffirt. Ich meine, es stände dann besser um sie und uns — und um mein Großkind. Oberförsterin. Ich hätte sie (seufzt) auch gern hier be­ halten! Aber du lieber Gott! — Zeit bringt Ehre, und wer weiß, was der liebe Gott aus dem Mn ton noch machen will. Habe ich es nicht immer zum Herrn Pastor gesagt, das Kind hat eine vornehme Nase? Oberförster (lacht). Oberförsterin. Und weißt du wohl noch, an dem Tage, wie er konfirmirt wurde, hatte den neuen grünen Rock an — war so schön weiß gepudert, hatte den Hut unterm Arm und ging vor uns her zur Kirche, weißt du noch, wie ich damals mit thränenden Augen zu dir gesagt habe — »Vater, sieh unsern Anton an, geht er nicht daher wie ein Junker? Wir sollten ihn doch was anders lernen lassen, als die Jagerei." Oberförster. O ja! Und weißt du noch, daß ich des­ halb von dir und voraus allein in die Kirche gegangen bin, wo ich zu thun hatte, daß ich während deS ganzen ersten Gesan­ ges den Zorn über dich zu Boden brachte. Oberförsterin. Nun — laß es gut sein, laß mich nur heute nicht allein gehen, und freue dich mit mir auf meine Weise. Das ganze HauS ist geweißt, gewaschen, geputzt. Alls Betten sind im schönsten Schmuck.

173

Oberförster. Hoch, daß man mit der Leiter hinaufsteigen muß. — Oberförsterin. Alle Schränke und Kammern sind voll

Vorrach, alle Spiegel geputzt, alle Vorhänge weiß wie der

gefallene Schnee, alle Schränke und Stähle gebahnt, dar Kupfer und Zinn glänzt, blank und hell wie neu.

Oberförster.

Ja und meine Tackel sind eingesperrt!

Frau, laß »mir die Täckel herunter. Oberförster!«. Lieber Mann, dar geht nicht an. —

Oberförster. Die Hunde gehören zur ehrlichen Freude! Denk dir, wenn der Wagen vorfährt. —

Oberförsterin. Ach du lieber Gott!

Wenn du davon

sprichst, kommt das Herzklopfen wieder.

Oberförster. Alle, die d'rin sitzen,

schreien heraus.—

Oberförsterin. Und der kleine Gottfried mit der schwa­ chen Stimme — der Anton, der Gottfried, die Friedrik« —

lieber Gott, nvem gebe ich zuerst die Hand, wen soll ich zuerst ansehen — weiß gar nicht, was daraus werden soll. — Oberförster. Nun und da stehen wir beiden alten Leute

an der Thür, und haben Wasser in den Augen, und das volle Herz bringt michts über die lallende Zunge, hinten steht der

Rudolph und neigt sich! WaS ist daS für ein Empfang? Wenn

aber der alt« Mustapha hoch an seinen Freund Anton herauf­ steigt, und diie Diane zwischen uns herum läuft, der Weckauf in di« Pferd«! fällt, der Melac im Kreise herumbrällt, und die

Täckel anschlagen —(Gerührt.) Ja! dann sieht eS doch aus, als wenn jemand kommt, der nicht alle Tage da ist — Oberförster!«. Aber das Kind. — Oberförster. Ja, gib Acht — der Junge reicht seine

Arme zuerst mach dem Großvater, und ich trage ihn hoch über

euch alle in's HauS herein!

174

Oberförsterin. Aber, man wird sein eigen Wort nicht hören!

Oberförster. Du schreist gewiß über Tackel und Men­ schen hinaus, daS verbürge ich. Oberförsteri«. Non, wenn du mir versprechen willst— (Man hört eine Kurierpeitsche.) i Oberförsteri«. Ach du lieber Gott! — (Oberförster. Was ist das? Oberförsteri«. DaS werden sie sein — ich kann nicht auS der Stelle — Oberförster (reißt das Fenster auf, sieht herein). Sie sind's nicht. (Spricht hinaus.) Guten Morgen! — sind das Pferde von meinem Sohn? Oberförsterin (fleht mit hinaus). Guten Morgen! Sind das Pferde von meinem Anton? Schöne liebe Pferde, gehö­ ren sie denn meinem Anton? Stimme (von außen). Ja! Oberförster. Hübsche Pferde — nur in den Stall ge­ zogen. Oberförsteri«. Wie weit sind die Kinder noch von hier? Stimme. Ich weiß eS nicht. Oberförster. Nun, nur in den Stall. (Er geht vom Fenster.) Oberförsteri» (geht). Ach! du mein lieber Gott — Oberförster. Wo willst du hin, Alte? Oberförsteri«. Ich will die Pferde ansehen. — Oberförster. Und fragen, wa- Riekchen für ein Kleid an hat — Oberförsteri«. Ach! (Sie geht.) Laß mich doch gewähren. Oberförster. Alte! da komm her! — (Er herst sie.) Gott

175 erhalte dich in alle deinem Thun und Lassen. — Ich bin dir von Herjen gut. Du sollst auch vier und jwanjig Stunden lang sprechen, waö, wie viel und wie lange du willst, und das verspreche ich dir hiemit, die ersten vier und zwanzig Stunden soll nichts geschehen als da-, was du kommandiren wirst. Oberförster!«. Ein Wort? Oberförster. Ein Mann! Oberförster!«. Nun sieh nur, aus dem Kommandiren mache ich mir nichts. — Oberförster. Du bist doch eine Ehefrau? Oberförsterin. Aber bei solchen Gelegenheiten spreche ich gern ein Wort mit. — Oberförster. Bei allen Gelegenheiten. Oberförsterin. Wahrlich nicht um meinetwillen. Alles um deinetwillen, damit die Leute sehen, daß du mich estimirst, wie ein christlicher HauSvater seine Frau estimiren soll. Der Mann soll das Haupt sein — o ja — sein und bleiben. Aber die Frau ist das Herz, und es kommt all mein Lebtage nichtGutes heraus, wenn daS Haupt ohne daS Herz handelt. — Doch wieder auf meine Rede zu kommen — Oberförster. Ich habe nicht gemerkt, daß du die Rede verloren hättest. Oberförsterin. — Nun da ich denn einmal was zu sa­ gen haben soll — Oberförster. Einmal? Du sagst oft etwas? Oberförsterin. Und da denn einmal das geschehen soll, was ich sage — so thu' mir dies zu Liebe, reit' den jungen Leuten entgegen. Oberförster. Nicht gern —

176 Oberförster!». Warum? Oberförster. Soll ich denn nur eine Hand in den Wa­

gen reichen, wo ich gern die Menschen mit Leib und Seele

umarmen möchte? Oberförsterin. Das mußt du thun. Ich habe schon den Schulzen bestellt, daß er mitreiten soll —

Oberförster. Ja, eure geheimen Anstalten sind immer

fertig —

Oberförsterin.

Denk,

wie das so schön lassen wird,

wenn der alte Vater durch's Dorf vorausreitet, der Freund

an der Seite, und wenn ihr denn so den Hof herein reitet.

Oberförster. Ich will's thun!

Aber — diesmal hast

du doch nicht alles bedacht. —

Oberförsterin. WaS? WaS habe ich vergessen? Wann

habe ich nicht an alles gedacht? Oberförster. Wenn die Begleitung des ehrlichen Schul­ zen dem Herrn Forstmeister nicht gut genug wäre? he? Oberförsterin. Alter? Hat denn unser Anton nicht daHerz von Vater und Mutter?

Oberförster. Darauf hoffe ich noch fest! Sonst, wenn der Mann wäre wie seine Briefe, müßte der Schulz zu Hause bleiben.

Oberförsterin. Wenn Anton so geändert wäre, käme er gar nicht daher. Oberförster. Darum habe ich mehrmals gebeten, und

eigentlich hat eS die Rieke noch durchgesetzt, sonst wäre er nicht gekommen — Nun — es sei d'rum. Laß den Schulzen anreiten.

Oberförsterin. Jaja, den Augenblick. (Geht.) Oberförster. Der Knecht soll den Schimmel vorfüh­

ren —

Oberförsterin. Ja, ja. (Geht.) Oberförster. Höre! Oberförsterin. Nun? (Steht an der Thür.) Oberförster. Schicke gleich zum Schulzen — Oberförsterin. Zu dem gehe ich selbst. Noch gestern hat er zu mir gesagt: Sie bringen es nimmermehr dahin. Da habe ich meinen Kopf darauf gesetzt und er hat immer ge­ lacht und gesagt, eS würde nichts daraus. Nun sieht er's. WaS wir wollen, das geschieht allemal, denn wir wissen, was wir wollen. Es geschehe heute oder morgen, so oder anders. Wir nehmen uns Zeit, probiren es auf allerlei Weise; ihr verhudelt alles und gebt nicht recht Acht; so müßt ihr doch unsern Willen thun, und daS ist ganz recht, denn unser Wille ist der beste Wille. (Geht.) Oberförster. DaS plappert und plappert! Aber man muß sie gewahren lassen, wenn sie eS nicht übler meinen als die Alte. Rudolph — he! Rudolph! — (Er Pfeift aus der Thür.) Ich glaube, die Frau hat heute alles in Beschlag genommen — nun meinetwegen — heute soll's denn einmal nach ihrem Sinne gehen.

Vierter Auftritt. Oberförster. Rudolph. Rudolph. Herr Oberförster — Oberförster. Im ganzen Sonntagsputz? Bist du nicht «ug? Rudolph. Die Frau Oberförsterin hat es so befohlen. Die Knechte, die Mägde — es ist alles so angezogen — Oberförster. Nun, wenn sie es befohlen hat, so mag eS so sein. Ich will den Schimmel haben — und leg unten

178 meine ungarische Pfeife zurecht. Du sorgst dafür, daß die Leute, die mir meinem Sohne kommen — (Lacht.) Nein, du sorgst für nichts. Vielleicht vergißt die Alte eine Kleinigkeit, und das gäbe einen Hauptspaß.

Fünfter Auftritt. Oberförster. Schulz. Oberförster. Ach, grüß Ihn Gott, He7r Schulz! — Nun geh, Rudolph! Rudolph (geht). Oberförster. Er ist mit meiner Alten in Komplot ge­ wesen? Schulz. In d em Komplot bin ich von Herzen gern. Oberförster. Nun, reiten wir? Schulz. Mein Pferd wird gleich gebracht werden. Oberförster. Ich kann's ihm gar nicht sagen, wie mir zu Muthe ist. Schulz. Gut und fröhlich! Nicht wahr? Oberförster. Ach ja! Aber — mein Anton ist ein Stadt­ herr geworden. Schulz. Nun das mußte er auch in der Sradt werden — Oberförster. Ganz recht. Cs freut mich auch, wenn er sich in die neue Weise hat schicken lernen, darein er gekom­ men ist. Aber wenn sein Herz nicht mehr vollwichtig wäre— daS — könnte ich nicht ertragen! Schulz. Ei was — davon ist ja gar keine Rede. Oberförster. Ts sind da drüben bei ihm so Dinge passirt, mit dem Förster zu Grünthal — Schulz. Was denn? Oberförster. Er ist abgesetzt!

179

Schulz. Was? Unser ehrlicher Grenznachbar, der alte

Coder? Den kenne ich auch. Er ist ein Ehrenmann. Oberförster. Sie haben ihm da so ein neue- verkehrte-

Machwerk zugeschickt. Eichen hat er auf Flugsand anpflanzen sollen. Der Mann hat erst ein wenig lebendig geantwortet, hat sich vernünftig geweigert, und — Knall und Fall ist er

vom Dienst gethan.

Schulz. Das ist ja unerhört — Oberförster. Der behauptet nun, der Anton habe da

besonder- die Hand mit im Spiel gehabt. Schulz. DaS glaube ich nicht. Oberförster. DaS werde ich gleich herausbringen. Wäre

mein Sohn rin Mann der Art geworden — beim Element,

wir bekämen einen harten Stand mit einander! Schulz. Seinen Hut und seinen Rock mag er tragen wie

er will, und eS der große Brauch etwa mit sich bringt; aber daS Vaterherz und die gute ehrliche Zucht auS diesem Hause kann er nicht verläugnen.

Oberförster. Wer weiß!

Schulz. Dagegen wollte ich ja HauS und Hof setzen. Oberförster. Die Welt ist rund umgedreht. Wie ich

da vor drei Jahren daS letzte Mal in der Stadt bei ihm ge­

wesen bin, ich weiß selbst gar nicht, wie mir zu Muthe war. Ueberall war ich zu lang oder zu kurz. Seine Gesellschaft

gab auf meine Reden keine Antwort, oder «ine Antwort, die ich nicht verstehen konnte. ES war mir, als hätte ich hundert

Jahr geschlafen, und käme unter ganz neue Menschen mit ganz andern Sitten und Gebräuchen. Ich hielt eS nur drei Tag« aus.

Schulz. Ja ja! ES ist seit einer Reihe Jahren viel ge­

schehen —

180

Oberförster. Gottlob! Mancher Nebel ist gefallen, manche Dummheit zu Schanden gemacht, und der holprichte Weg ist eben und glatt. Aber — weil er so sehr glatt ist — sollte man uns nicht den Stab aus der Hand zerschlagen ha­ ben , bis ein sichre- Geländer am Wege ist, woran man sich halten kann. Schulz. Wenn ich bedenke, wie seit jenem Unglücksfalle der Anton zu Glück und Ehren gestiegen, und der Amtmann immer tiefer und tiefer gefallen ist, so daß er jetzt von Almo­ sen lebt, so muß ich an eine Vergeltung glauben. Oberförster. Wenn ich die glaube und sollte sehen, daß mein Sohn in amtmännischen Gesinnungen verkehrte—Herr Schulz! was müßte ich für ihn fürchten? Schulz. Ei dafür behüte unS Gott! Oberförster. Ich schrieb neulich an meinen Sohn. — Du hast gesehen, wie eS dem Amtmann ergangen ist. Vom Hochmuth kam er zum Unrecht, von da zur Ungerechtigkeit, — die Sachen schrien laut, er ward untersucht, sein ganzes Vermögen konnte kaum ersetzen. Er ist kaffirt, bettelt hier umher. Die Tochter dient, der Sohn ist in alle Welt gegan­ gen. Dich hat daS Glück erhoben, handle immer strenge red­ lich , daß du des Glücks werth bist. Schulz. Was hat der Anton darauf geantwortet? Oberförster. Herr Schulz — ich mag'S Ihm kaum sa­ gen. Er hat mir eine Antwort darauf gegeben, die mir man­ che schlaflose Nacht gemacht und mich heute beinahe vollends um die Freude des Wiedersehens gebracht hat. Schulz. Ei du mein Gott — Oberförster. »Der Amtmann» — so schrieb er mir — »Der Amtmann war ein Dummkopf, der seine Leute und

181 seine Hilfsmittel nicht kannte. Er that auffallende Sachen

ohne Zweck und sicheren Erwerb. Er verdient den Bettelstab,

und die Schellenkappe o&enein.” Schulz. Die Antwort will mir nicht gefallen.

Oberförster. — Ich gäbe viel darum,

er hatte das

nicht geschrieben und ich könnte eS heut vergessen. Schulz. Hm! Er hat's auch wohl nur so geschrieben —

— es soll wohl nur was Großes vorstellen — Oberförster. So hoffe ich. Ich muß Ihm nur sagen —

daß ich mit dem Gedanken umgehe, ob ich nicht den Anton dahin bringen könnte, wieder in unsere Dienste zu gehen.

Schulz. Er steht da drüben sehr angeschrieben! Oberförster. Es wechselt manchmal schnell an dem Hofe.

Hier stände er sicherer. Nun ich werde ja sehen, wie ich ihn finde. Ein wenig Windbeutelei---------- nun die verliert sich

wieder! Aber ein abgestorbnes Herz — lieber sähe ich den Sohn ganz und gar gestorben!

Sechster

Auftritt.

Vorige. Rudolph.

Rudolph. Beide Pferde sind da, der Schimmel und —

Schulz. Meines auch? Rudolph. Ja!

Oberförster. Nun dann in GotteSnamen fort!

Siebenter Auftritt. Vorige.

Oberförsterln, mit einem Tische,

worauf vielerlei

Spielzeug, den sie mit Hau» hereinträgt).

Oberförster. Was ist das? Oberförsteri«. Meinst du, ich hätte was vergessen?

182 Mit den Großeltern spielen die Kinder wohl nicht gern lange — sie verlangen nach ihrer bunten Welt, und die soll er gleich hier finden. Oberförster. Meinst du, daß du mir den Rang abtau fen wolltest? Nein, da habe ich besser bedacht, waS daS Dichten und Trachten der Knaben ist. (Ergeht in s Nebenzimmer.) Oberförsteriu. Was hat er denn, Rudolph? Was ist

es denn? Rudolph. Ich weiß es nicht. Oberförsterin. Hole ihm den Sonntagsrock, Rudolph! Er soll auch geputzt sein — Lauf! Rudolph (geht). Oberförfterin (zum Schulz). Alle Jäger auS der Gegend kommen heute Nachmittag zu uns. — Und etliche haben ihre Leute geschickt; wenn der Wagen in den Hof kommt, sollen sie die Kinder begrüßen. Jedermann hat sie gern — ach — wie sie das erfreuen wird! Oberförster (mit einem Wiegenpferd). Da! Das ist ein Spietwerk für einen Jungen! Oberförsterin. O daran habe ich auch gedacht! (Sie nimmt rin Steckenpferd vom Tisch und schiebt den daneben liegenden

Siehst du? Oberförster. Das ist nichts! Oberförfteriu. Waö? Oberförster. Seit die Erwachsenen schwadronenweise öffentlich auf ihren Steckenpferden einhertraben, haben die Kinder das aufgegeben. Schulz (ernsthaft). Thun sie das jetzt in der Stadt? Oberförster (lacht). Nun vorwärts! Stock hinein.)

Achter Auftritt. Vorige. Rudolph mit der Sonntagsuniform. Oberförster!«. Recht so! Da ist der Rudolph mit dem

Sonntagsrocke, den mußt du anjiehen. Oberförster. Warum nicht gar!

Oberförster!«. Hast du nicht gesagt, alles, was ich kommandire, sollte geschehen? Oberförster. Ein Wort, ein Mann! — Ich ziehe den

Sonntagsrock an. Oberförster!« (hält den Rock). Rudolph (zieht den andern au»).

Oberförster. Die nächsten vier und zwanzig Stunden kommandire ich!

Oberförster!«. DaS sollst du —

Oberförster. Und der erste Befehl an dich ist — daß du in vier und zwanzig Stunden kein Wort reden darfst. Oberförster!«. So spreche ich durch Zeichen.

Ueuuter Auftritt. Vorige. Ha«S. HanS. Herr Oberförster — welches Wege- sollen denn

die Fremden kommen? Oberförster. Siehst du waS kommen?

{

Oberförsterin. Gerechter Gott!

HanS. Sagen Sie mir nur erst,

welche- Weges sie

kommen werden, da- muß ich wissen.

Oberförster. Den breiten Weg, über Graurode herein

müssen sie kommen. HauS. So? Ja wenn sie de- WegeS kommen, so wer­ den sie wohl gleich im Hofe sein —

184

Schul) sie sind's!

(der zum Fenster hinausgesehen hat).

Sie sind's —

(Der Postillon bläst.)

Oberförster. Hinaus, hinaus! Oberförsterin. Ach du allmächtiger Gott! (Sie geht mit -em Steckenpferde.)

Schulz. Willkommen, willkommen! (Alles stürzt hinaus.)

Hans (tritt ans Fenster). Das ist eine schöne Kutsche. Sapperment, wie rennen die Pferde zum Hofe herein! — Ach! — da halten sie — (Lacht.) Mein Seel, die Alte will in den Wagen klettern. Jetzt habe ich es doch gewiß klug ge­ macht, denn ich habe es ihnen gesagt, daß sie kommen. (Man hört eine Musik von Waldhörnern.) DaS sind unsere Jäger. (Man hört durch einander die Stimmen von:)

(Mein Vater! Anton! (Liebe Mutter! Willkommen! HanS. Sie kommen herein. — Ich bleibe da. Jetzt sind sie vergnügt, sie werden mich jetzt nicht ausschelten.

Zehnter Auftritt. (Der Oberförster mit seinem Großsohn auf dem Arm, die Oberförsterin, von Friedriken und Anton geführt, treten ein, denen folgt der Schul-, Rudolph und Bediente.) (Wie man die Oberförsterin sieht nnd die Kinder, fällt der Vorhang. Die Musik auf dem Theater fährt fort; wie der Vorhang sanft gefallen ist, setzt eine ähnliche Musik im Orchester verstärkt ein.)

Zweiter Aufzug. (Das vorige Zimmer.)

Erster Auftritt. So« bet Seite kommt Rudolph mit gebrauchtem lkaffeezeuge. Wul der Mitte kommt Chretie», de« Forstmeister« Säger. Chretien. Ach! Kaffee! Gott sei Dank! (Er nimmt Rudolph mit vor.) So gelange ich doch endlich einmal ju einem ver­ nünftigen Frühstück! (Er seht sich mit dem Gerath vor» «n den Tisch und bedient sich.) Rudolph (steht erstaunt zu). Wohl bekomm's! Chretien (trinkt). Will Er mittrinken? Rudolph. Ihr Frühstück ist schon lange auf Ihre Stube gebracht. Chretien. Stube? Meine Stube? — Hat sich noch niemand darauf erhangen? Die Gedanken kommen einem darin. (Trinkt.) Es ist so eine Art von Rüstkammer, jwei Treppen hinan, über einen langen Gang, der oben mit Hirsch­ geweihen und am Boden mit Mausefallen geziert ist, eine hohe Wendeltreppe hinauf, wo man sich erst durch alle Vorräthe von Erbsen, Haber, Päcken, Spinnrädern, Wiegen, ge­ trockneten Obsthaufen und Backtrögen durcharbeiten muß, ehe man in das Nest gelangen kann. Rudolph. Ehedem hat Ihr Herr darin gewohnt. Chretien. Außer Schlafenszeit werde .ich nicht hinauf­ kommen. Rudolph. Aber Ihr Frühstück — Chretien. Ja ja. Ich tzab's gesehen. Ein Krug klarer unschuldiger Landwein, ein rundes Brot, so groß wie eine

XIX.

18

186 Schießscheibe, Butter auf eine ganje Woche, ein Käse wie ein Mauerstein. Ich habe den Jockei daran gesetzt, der mag sich hinein arbeiten! Rudolph (ärgerlich). Ländlich, sittlich! Chretien. Zu Hause wird mir mein Kaffee vor 6 Bett gebracht. Mittags — ein Essen wie die Herrschaft. Abends — ein Spiel bei dem Herrn oben, Kartengeld in Ueberfluß — dann Nachts ein Spielchen bei uns. — Nun nehmt kein Aergerniß an unS — wir bleiben nur jwei Tage hier. Rudolph (traurig). Nur zwei Tage? Chretien. Ja, du mein Gott! Alle Tage muß der Herr zum Fürsten. Abends ist der Oberjägermeister bei unS, oder wir bei ihm. Sein Sohn, der Jagdjunker — der macht nun alle- in allem mit dem alten Oberjägermeister — der ist den ganzen Tag bei uns, den ganzen Tag! Rudolph. Aber da der junge Herr so lange nicht hier war — Chretien. Das hilft nichts! (Dehnt sich.) Was zum Teu­ fel soll man denn hier? Wenn man ein paarmal mit euch ge­ gessen und getrunken hat, so ist die Pracht vorbei. Bäume, Korn und Kohlfeld gibt eS bei unS auch. In die Kirche gehen wir nicht, und Schnippschnapp spielen wir nicht. — Rudolph. Die junge Madame sieht nicht sehr vergnügt aus — Chretien. Da hat sie Unrecht. Der gcht nichts ab, die wird so angebetet und beschenkt — Rudolph. Aber sagen Sie mir nur, varum der Herr Forstmeister den jungen Herrn von Zeck mitzebracht hat — Chretien. Der ist bei dem Herrn wie daS Kind vom Hause. Er wird ihn bei unS in Dienste bringen.

187 Rudolph. Der Vater ist hier mit Schimpf und Schande aus den Diensten — Chretie«. Ich weiß. WaS geht das dem Sohne an? Rudolph. Der war des ValerS rechte Hand. Er hat hier viel Böses gestiftet. Chretien. Ein paar Lieblingsgeschichten! Rudolph. Hat sich Urtheile bezahlen lassen, die Gerech­ tigkeit verhandelt! Chretie». Bieten macht den Kauf. Für Geld ist allezu haben. Rudolph. Hat ehrliche Leute um Haus und Hof ge­ bracht — Chretie«. Ah! hat er einen reichen verdrießlichen Bauer gerupft, so hat er einem hübschen armen Mädchen gegeben— daS ist Manier! Rudolph. Daß der Mann sich nicht schämt herzukom­ men , da sein Vater nicht weit von hier im Elend lebt — Chretie«. Geht, geht! Ihr seid von der alten Welt. Mit Euch ist nicht zu leben. Rudolph. Da kommt er. (Nimmt da» Frühstück.) Ich kann (für sich) dem Taugenichts die Zeit nicht bieten. (S«ht.) S « eitrr

Auftritt.

Do« Zeck. Chretie«. ». Zeck. Der alte Papa ist so grob gegen mich, wie ein

Stadtsoldat. Chretie«. Warum kamen sie auch hieher? v. Zeck. Habe ich nicht dem Jagdjunker fest versprochen, g'rade hier seine glühende Liebe zu der Forstmeisterin zu be­ fördern ? 13 •

188

Chretien. Damit werden Sie hier so wenig was bei ihr ausrichten, als in der Stadt. v. Zeck. Ich muß! Mache ich ihn nicht zum glücklichen Liebhaber: so schafft er mir keinen Dienst, und ich muß einen Dienst haben. Chretien. Sie riskiren, daß der alte Landknecht, der Papa, Sie todt schlägt, v. Zeck. Pah! Die alte Mama hat schon wieder einge­ lenkt. Kaum hatte sie vernommen, daß ich der tägliche Ge­ sellschafter unseres Oberjägermeisters bin, so fingen schon die Knixe an. Sie hat mich einmal gnädiger Herr genannt, aber der alte Bär warf ihr so einen zweischneidigen Blick zu, daß ihr beinahe die große Dresdner blau und weiße Kaffeekanne aus der Hand geglitscht wäre. Der hat denn schon seine Lita­ nei angestimmt —»von dem Dienst im lieben Vaterlande, von der hiesigen Herrlichkeit, und daß doch sein Anton ihm hier noch die Augen zudrücken müsse.» Chretien. Die Augen wollen wir ihm zudrücken, o ja; aber der Herr Forstmeister wird sich doch nicht bereden lassen, aus unsern Diensten zu gehen, und hier in dem Waldneste zu bleiben? v. Zeck. Golt bewahre! Ehe der Abend noch einbricht, muß die ganze Familie, jung und alt, schon so hintereinander gehetzt sein, daß ich zu Gott hoffe, statt übermorgen früh soll die Reise morgen vor Sonnenaufgang schon angetreten sein. — Dazu brauche ich Sie. Sie sind ein guter Kopf! Chretien. Nun, wenn man, wie ich, zehn Jahre bei einem Hofmarschall gedient hat — v. Zeck. Ich glaube, daß die Forstmeisterin den Jagd­ junker liebt.

Chretien. Das glaube ich nicht, v. Zeck. Seine Anbetung dauert doch schon volle zwei Jahre. Chretien. Er liebt in demüthiger Stille. Der Forst­ meister darfs mit dem Hause nicht verderben, da geht's denn so hin — v. Zeck. Wäre der Jagdjunker muthiger, so wäre er der erklärte Liebhaber. Hier will ich einen Schritt für ihn thun. Chretien. Wie ist das möglich? v. Zeck. Erstens müssen die Alten die Liebe des Jagd­ junkers erfahren. Dadurch wird sie verdächtig, und das hin­ dert Erklärungen. Die Frau muß ihres Mannes Intrigue mit der Bosetti erfahren. Chretien. Heult sie nicht genug über seine Liebschaften? v. Zeck. Diese weiß sie noch nicht. Die Bosetti kommt eine Stunde von hier nach Lichfeld. Chretien. Wahrhaftig? v. Zeck. Die Juno hat es mir sauer genug gemacht. (Sieht nach der Uhr.) Sie muß schon dort sein. Diese Artigkeit der Bosetti schmeichelt seinem Hochmuth — sie wird ihn ver­ langen, er geht hin. Das erfahren die Frau nebst Papa und Mama. Die Alten werden dann in's Gelag hinein wüthen; damit reizen sie seine Heftigkeit. Der Mann wird unartig. Der Jagdjunker bleibt leidend — er ist hübsch, sanft, un­ glücklich —- sie wird ihn bald bedauern — und wenn sie weißdaß der Mann treulos ist — Chretien. Ja, ja — v. Zeck. Der Jagdjunker wird glücklich, ich bekomme den Dienst — Sie, mein Herr Chretien, einen Forst, und der Forstmeister — tröstet sich mit der Bosetti, mit seiner

190 tollen Eitelkeit, die der Jagdjunker schon amusiren wird. Heißt er nur der Günstling und der erste Forstmann im Lande — so ist alle- gut. Chretien. Es kann so kommen, ja. Wenn es aber an­ ders kommt, was machen wir dann? Wenn er die Italiene­ rin abfahren ließe, ohne sie zu sprechen? v. Zeck. Bin ich nicht hier? Chretien. Er ist nun hierunter denRübenbauern. Wenn die sein altes Ehrgefühl in die Höhe raffen — ihn dahin brin­ gen könnten, eifersüchtig zu werden, allen Verkehr mit dem Jagdjunker ganz aufzuheben? v. Zeck. Jagt er nicht nach Glanz und Einfluß, kann er beides ohne den Oberjägermeister haben? Nur hier muß es Sturm und Donnerwetter geben, so geht alle-, wie eS soll. — Denn bleiben wir in Ruhe: so ist die verdammte Treuher­ zigkeit der Alten unser gefährlichster Feind. Chretien. Ach, der alte Kerl ist zu dumm! v. Zeck. Vorhin noch hielt er dem Forstmeister einen Sermon über die Gewissen-ruhe. Da legte sich die alte Hexe von Endor dem Sohn auf die Schulter, die junge Frau weinte — mein Herr Forstmeister rieb die Hände, und sah starr auf den Boden — Chretien. Verdammter alter Herr! v. Zeck. Es wurde mir angst und bange — da kam glücke licherweise die ungezogene Range, da- zarte Großkind aus dem Grase und der frischen Gartenerde herein, spazirte auf dem Festagsüberzuge vom Kanapee gelassen auf und ab. Darüber bekam die Alte — Beklemmungen. Seine Mutter verbot ihm die Promenade, da- Teufelskind nach seiner übergenialischen Erziehung ließ sich nicht irren. —

191 Ehreti««. Ich sollte meinen, das liebe Kind wäre allein hinreichend, das Dorf jur Desperation ju bringen, v. Zeck. Ich lobte die Beharrlichkeit des WechselbalgS und die freie Erziehung, die ihm fein toller Vater geben läßt, über alles. Der Zunder fing Feuer, sie zanken sich über die Kinderzucht, wie rasende Menschen — da machte ich mich hinaus. Komm, laß uns in den Garten gehen, und daS Wie und Wann? unsere- Projekt- genau festsetzen. (Tie gehen.)

Dritter Liu stritt. Oberförster. Pastor. Oberförster (geht hastig vor). Nein, das halte ich nun und nimmermehr aus. Pastor. Mäßigung, lieber Freund! Mäßigung! Oberförster. Ich muß mit meinem Sohne reden, und daS auf der Stelle. Pastor (hält ihn zurück). Noch nicht — Oberförster. Daher will ich ihn rufen. Pastor. Sie werden alle- verderben. Oberförster. Es ist ja schon alle- verdorben. Ist das eine Erziehung, die sie ihrem Kinde geben? Und dann mein Sohn! — Ich kenne ihn ganz und gar nicht mehr. Habe ich denn so ein kaltes, stolzes, liebloses Geschöpf aus ihm ge­ macht? Pastor. Pst! Er könnte es hören — Oberförster. Er soll e< hören. Er muß mich hören. Pastor. Nur jetzt in dieser ersten Stunde noch nicht. Oberförster. Sie wissen eS nicht, wie einem Vater zu Sinne ist, der feine Nachkommenschaft so heillos zu Grunde gerichtet sieht.

192 Pastor. Ihr Sohn mißfällt mir — ja. Aber ich halte ihn nur für sehr verwohnt, noch nicht für verderbt. Oberförster. Wie kann er mit dem Bösewicht, mit dem Zeck in Verkehr leben? Pastor. Mißverstandner Ehrgeiz: der Mensch war sein Feind, ist nun arm, sucht seine Protektion — Oberförster. Dem redlichen Armen Hand, Börse und Dach, dem schlechten armen Teufel ein Abmosen vor die Füße. Pastor. Wie ich sagte, mißverstandner Ehrgeiz — Oberförster. Zum Henker mit dem Ehrgeiz ohne Ehre! Pastor. Es ist eine Stadtsitte, daß schr beschäftigte Leute sich einen Mitläufer halten. Sie packen ihm ihre klei­ nen Kommissionen auf, er schwatzt ihnen die üble Laune weg. Oberförster. Der Kerl hat hier verfolgt und geraubt; wie kann mein Sohn in seinem Geleit seinen Geburtsort be­ treten ? Pastor. Lebhafte Menschen gefallen sich, wenn sie mei­ nen, ein Vorurtheit zu bekämpfen — Oberförster. Seit wann ist ein ehrliher Name ein Vorurtheil? Ich kleide den gebrechlichen Vairr — aber sein Sohn darf unter meinem Dache nicht schla-en. Der Kerl muß fort. Pastor. Das geht nicht so an. Oberförster. Ich bin Herr in meinem Hause. Pastor. Sie demüthigen Ihren Sohn zt sehr damit. Oberförster. Jn'S Wirthshaus mit lem Burschen. Wie er den Schritt auS dem Hause thut, fhlagen ihn die Bauern tobt! Pastor. Eben darum muß er im Hause beiden.

ISS

Oberförster. Ringe trägt der Mensch, und sein Vater

hat kein Brot! Vierter

Austritt.

Vorige. Oberförster!«. Oberförsterin (au« der Thür, die sie zumacht). Pst, pst!

— Lieber Alter! Oberförster. Liebe Alte! Wenn du

ihn noch einmal

gnädiger Herr nennst — so soll eine Ungnade losbrechen, daß

ihr euch verwundern werdet! Oberförsterin. Habe doch Geduld! Man muß seinen Feinden vergeben. Nicht wahr, Herr Pastor? (Eie zupft den

Pastor.)

Junges Blut thut selten gut. (Zum Oberförster.) Sieh

Alter — der Zeck ist nun in sich gegangen, hat dem Anton alle- wehmüthig abgrbete». ES ist ja doch dem Anton allezu Glück geschlagen —

Oberförster. Das ist nicht wahr!

Oberförsterin (,um Pastor). Gott vergibt ja, sollen wir e- denn nicht auch? (Zum Oberförster.) Er gilt sehr viel da drü­ ben bei Jhro Excellenz, Herrn Oberjägermeister — Oberförster. Das ist mir Leid für Jhro Excellenz,

Herrn Oberjägermeister.

Oberförsterin. Wird bei Jhro Hochfürstlichea Durch­

laucht ja auch zugelaffen. Oberförster. Schone Wirthschaft da drüben! — Geh

deiner Wege!

Oberförster!«. Nicht eher, biS du wieder gut bist. Oberförster. Ich bin gut.

Oberförsterin.

Bis du wieder freundlich bist. (Deutet

auf die Thür.) Ach die lieben Seelen! — eben nehmen sie ein

194 Gläschen Mallaga, und haben die Gläser angestrßen. Haben deine Gesundheit getrunken, und alles Liebe urd Gute von dir gesprochen. Ich habe ja meinen Anton so laige nicht ge­ sehen , und wer weiß, ob ich ihn wieder sehen fol. Jetzt sehe ich sie noch alle, den Vater, die Kinder, die gite Friedrike — ach Herr Pastor, reden Sie ihm doch zu, das er sich gibt

— (Man hört die Gläser anstoßen. Sie wendet sich rach der Thür.) Ich danke euch — denn da- wird wohl mein« Gesundheit gewesen sein — ich danke euch! — Nun muß ich hinein, und die Danksagung thun — Komm mit — Alter! :hu den Kin­ dern Bescheid! komm — Oberförster. Galle im Herzen, Wein auf der Zunge? Nicht- da'. Oberförster!«. Es ist die letzte Bouteille ton dem kost­ baren Mallaga, den dir der Anton geschickt hat. — Du willst nicht? — Ja so muß ich doch hineingehen, ein wenig Wein in den Mund nehmen, — mich herzlich zu bedaiken. (Seht.)

Fünfter

Äu ft ritt.

Oberförster. Pastor. Pastor. Ehren Sie da- alte Gastrecht. Oberförster. An einem Spitzbuben? Pastor. An dem, den Ihr Sohn mitgebrocht hat. Das Unrecht, wa- er damit begangen hat, will ich ihm darhalten. Bei unserer Freundschaft, guter Vater, das wll ich! Dem Freunde läßt eS wohlan, darüber mehr zu sazen, als der Vater heute sagen soll. Der Vater muß ihn g e v i n n e n. Oberförster. Dahin ist es gekommen! Pastor. Der angesehen« fürstliche Diener — der Mann nach der Welt — trägt nicht wohl mehr die väterliche Gewalt.

195

Er muß hier unter unS erst wieder An ton werden — un­

ser al ter Anton. Er selbst muß sich erst wieder dahin finden. Ach! — Auf diesem Wege hemme ihn kein Vorwurf, schrecke

ihn keine Härte: sonst antwortet der verzogene Städter rasch, wirft sich in den Wagen, stürzt sich in den Taumel zurück, und wir erreichen nichts! Oberförster. Was — was soll ich denn thun?

Pastor. Vor der Hand? Nichts.

Oberförster. Er will ja nur zwei Tage bleiben! Pastor. Nur ein paar Stunden noch sein Sie der treue

gutmüthige Vater. Haben Sie dann noch keine Spur, daß

er nach und nach sich wieder findet —

Oberförster (Schüttelt den Kopf.)

Pastor

(faltet die Hande).

Und meine Friedrike!

Was sagen Sie von der?

(verlegen).

Freilich —

Oberförster. DaS arme Weib ist unglücklich, sehr un­

glücklich, glaube ich! — Nicht wahr?

Pastor. Ich glaube, sie hat Kummer.

Oberförster

(heftig).

Er soll sie

glücklich machen —

oder ich reiße sie ihm weg , und will mit ihr über Elend wei­

nen, bis Gott mir die Augen schließt. Pastor. Vorsichtig! Vorsichtig, lieber Freund!

Oberförster. So? die ehrlichen Leute sollen immer Ge­

duld haben, sich vorsichtig thun,

grämen,

und die andern sollen

was ihnen einfällt, und richten das Glück und die

Ehre der wackern Menschen zu Grunde? Pastor.

Wenn

Sie

jetzt auf FriedrikenS

Kummer

grade losgehen, und den Schleier plötzlich wegreißen — wen würden Sie strafen?

Oberförster. Meinen Sohn! Hat er nicht vor Gott

gelobt, sie glücklich zu machen? Sie ist es nicht.

196 Pastov (die Hand auf seine Schulter gelegt). Friedriken wür­ den Sie strafen. Sie liebt Ihren Sohn, sie hängt an seinem Blicke. Ein Wort von ihm gibt ihr Wonne oder Schmerz. Oberförster. Wie kann sie einen wortbrüchigen Ehe­ mann lieben? DaS begreife ich nicht! Pastor. Stark und heftig ist die Liebe deö Mannes, die Liebe des Weibes ist unendlich. Sie trägt, erträgt, sie hofft, harret aus. Wo sie mit Verzweiflung ringen muß, gibt sie es nicht auf, den erstorbenen Keim in's Leben zurück zu brin­ gen, bis das ausgeweinte Auge erloschen ist. Oberförster. Soll ich denn warten, bis eS so weit mit ihr gekommen ist? (Er greift hastig seine Hand.) Ich habe so manche Vermuthungen wohl gehabt nun sehe ich heller. Pastor. Ich nehme Ihre Sorgen auf mich. Aber in diesem Augenblick unterstützen Sie mich damit, daß Sie Ih­ rem Sohne Vertrauen beweisen und Freundlichkeit. Oberförster. Ich will's! Das heißt, ich will alles thun, was ich kann. Ich gehe einen Gang in den Garten — vielleicht kömmt er mir dahin nach. (Er kömmt wieder^ und fleht den Pastor an.) Pastor. Was noch? Oberförster. Wenn ich mir es so denke — wie vor zwölf Jahren der gute frische Knabe mit mir dort umherge­ gangen ist, — fragte nach allem, nahm Wort, Lehre und Liebe an. Wenn ich ihn so arbeiten, klettern, jauchzen und springen sah — dachte, hier wird nach deinem Abscheiden er und die Seinigen im Schatten der Bäume wandeln, die ich für sie gesetzt habe — und sehe nun dafür den kalten fremden Mann, der nichts mehr von mir hat als den Namen — Gott — dann bricht mir das Herz! (Er wirst fich ihm in die Arme.)

197 Pastor. Vater! Er wird sich wieder finden. — Neben so einem Vater muß der Sohn sich wieder finden. Oberförster. — Vielleicht kömmt er mir nach. Ach daß er da- thäte, weit es ihm um's Herz ist! Er wird dort die Spielwerke seiner Knabenzeit sehen, die wir alle sorgfäl­ tig gepflegt haben — Guter Gott! — laß es über ihn kom­ men, daß er wieder wird, waS er ehedem gewesen ist, dann nimm mich weg, und gib meine Tage ihm, alle ihm! (Er geht.) Pastor. Das liebet sitzt tief — die Zeit ist kurz. Wenn es mir gelingen könnte, diesen guten vollherzigen Menschen den Frieden der Seele wieder zu geben — daS wäre eine ge­ segnete Seelensorge.

Sechster Auftritt. Pastor. Oberförsterin und Gottfried. Oberförsterin. Es ist ja hier still worden! Ach er ist weg! (Laßt das Kind, und geht emsig auf den Pastor zu.) Lieber Pastor, daS muß ich wohl auch sagen — (Auf die Thür weisend.) ES ist nicht alleS richtig. Denn sehen Sie nur erstlich — Pastor (auf daS Kind deutend). Dort — Oberförsterin. Ich verstehe. (Hält den Mund zu.) Wegen (zeigt auf Gottfried) der Pflanze da? Jaja. Ich muß an mich halten. (Geht zu Gottfried.) Komm, liebe Seele, jetzt sollst du alle deine Herrlichkeiten zu dir nehmen. Gottfried. Wo sind Herrlichkeiten? Oberförsterin. Hier die schonen Spielsachen. Da ist eine Mühle — und hier — da — sieh nur den schönen Gar­ ten an.

Gottfried. Das ist kein Garten. DaS ist nur ein ange­ maltes Bret mit Moos.

198 Oberförsterin (zum Pastor). Gott! Wie klug ist das Kind! (Zu Gottfried.) Ein bischen ungeschickt ist die liebe Seele, aber doch gewaltig klug. Mein seliger Vater auch. Der soll in seinem achten Jahre schon Exercilias gemacht haben, daß die Herren Rectorums sich gewaltig verwundert haben. Ja so waS ist erblich! Gottfried (lacht laut). Großmutter, du sprichst dumm Zeug! Oberförsterin (lacht). Ach du kleiner Schelm! Bist du so verwegen? Was habe ich denn dumme- gesagt? Gottfried (geht spaziren). Es heißt — Exercitia und Rectores. Oberförsterin (Zum Pastor.) Ist das wahr? Pastor. Nun ja — Oberförsterin. O du kleiner Engel! (Sie küßt ihn.) Du Zuckerenget du! (Sie setzt sich vor ihm in die Knie.) Sieht er nicht aus wie ein Engel? Gottfried (geht von ihr). ES gibt keine Engel. Oberförsterin (springt ans). Kind! was hast du da gespro­ chen? Keine Engel? — Gott steh' uns bei! Pastor. Willst du nicht spielen, mein Sohn? Gottfried. Hast du ein Klavier? so spiele ich dir eine Sonate von Pteyel. Pastor. Die will ich von dir Horen. Recht gern. Oberförsterin (schiebt den Pastor bei Seite). Ach Gott! Keine Engel? Haben Sie das vernommen? Wie steht es da mit dem Glauben? Pastor (lächelt). Das findet sich denn schon — Oberförsterin. Nein! das muß sich gleich finden. Höre einmal, Gottfriedchen —

Pastor. Jetzt nicht, liebe Frau —

Oberförsterin (zum Pastor). Die arme Seele geht allem vor. Kind,

hast du

denn auch deinen Katechismus

wohl

inne? Gottfried. Um das Ding bekümmere ich mich nicht. Öberförsterin. Ich falle in Ohnmacht — ich bin todt

— ich sehe und höre nicht mehr!

Der arme Junge fährt

g'rade in die Hölle — Gottfried. WaS willst du mit der Hölle? DaS ist der

Platz hinter dem Ofen. Öberförsterin. Dich lasse ich nicht von mir weg. Du mußt bei mir bleiben,

damit du Engel und Hölle kennen

lernst. Gottfried. Das will ich nicht.

Öberförsterin. Du sollst zu Kirche und Schulen gehal­ ten werden —

Gottfried (lacht). Ich gehe nicht in die Schule — Oberförsterin. Wo lernst du denn was?

Gottfried. Wenn ich spaziren gehe. Pastor. Kleiner! Wer ist dein Lehrer?

Gottfried.

Ich habe keinen Lehrer,

ich habe

einen

Freund! Oberförsterin. Armes verlorne- Kind! (Sie faßt seine Hande.) Und was das arme Blut für Händchen hat! Wie ein

Bauernkind! Arbeitest du denn im Garten?

Gottfried. Ich liege

den ganzen Tag

mit meinem

Freunde im Garten auf der Erde.

Oberförsterin. Unb das leidet deine Mutter? Gottfried. Mutter Natur ist meine Mutter. Oberförsterin. Gerechter!

Vernehmen Sie denn die

200 Worte? Ach Gott, da- arme Kind ist nicht recht bei sich.

Kannst du vielleicht da- Fahren nicht vertragen? Gottfried. Gib mir ju essen. Oberförsterin. Da — (gibt ihm Kuchen) iß. Iß immer und sprich nicht! (Zum Pastor.) Ach — ich bin todt!

Gottfried. Du bist nicht todt, (er ißt) denn du sprichst

viel. Ich will trinken! Oberförsterin. Ja, — waS willst du denn trinken? Gottfried (im Essen). Gib mir Liqueur!

Oberförfterin.

Liqueur?

Ein

Kind

Branntwein?

Junge, bist du von Sinnen? Gottfried. Er schmeckt mir nicht,

aber ich muß ihn

trinken. Mein Freund will das so haben. Oberförsterin. Wenn dein sauberer Freund hier wäre,

dem wollte ich die Meinung verkündigen, daß ihm die Ohren

gellen sollten.

Gottfried. Er würde dich auSlachen. Oberförster!«. Junge!

Gottfried. Er lacht manchmal über die Mutter!

Oberförfterin.

Ach du Brut!

lachst

du über deine

Mutter?

Gottfried. Nein. Noch ist es mir nicht eingefallen. Ich

thue nur, was mir eben einfällt — das ist der freie Wille,

sagt mein Freund. Oberförfterin. Wenn dir eS nun einfiete, da- Hau-

anzustecken? Gottfried (ißt und besinnt sich). Das Haus stecke ich nicht

an, weil ich dann auch verbrannt würde, und verbrannt will ich nicht sein, weil es wehe thut, also nicht angenehm ist.

Oberförfterin. Gott bewahre deinen Freund, daß er

201 nicht dein Großpapa in die Hände fällt, denn der würde ihn in den Stall sperren zum unvernünftigen lieben Vieh. Gottfried. Du hast einen schlechten Freund gehabt, Großmutter. Du weißt nicht, daß das Vieh Vernunft hat. Das Thier hat eine Seele. Oberförster!«. Das gibt mir den Gnadenstoß! (Zum Pastor.) Ich will ihn ein bischen in die Nachbarschaft schicken, daß er meinem Manne aus den Augen kömmt, denn (ju@»tt« stirb) der hätte den Tod von deiner Wissenschaft! Komm! du armer verlorner kleiner blinder Heide! (Sir geht mit ihm ab.)

Siebenter Jin stritt. Vaftor gebt an da- Zimmer. Friedrike kommt heraus. Frtedrike. Haben Sie Gottfried nicht gesehen, lieber Herr Pastor?

Pastor. Er ist mit seiner Großmutter gegangen. Ein lebhafter Knabe — aber ich muß sagen, daß ich — Friedrike. Ich verstehe Sie. Seine Erziehung beküm­ mert mich sehr. Mein Mann ist sehr beschäftigt, und der Mehrer, dem man ihn anvertraut hat, verfährt nach einer Weise, die man bei uns liebt — wie man dort alles Neue liebt. Pastor. Dagegen werde ich ernstlich zu Ihrem Manne sprechen. Friedrike (lkbbast und bcnlich). Ach! thun Sie es ja! Pastor. Liebe Tochter! Sie sind sehr gerührt — Friedrike. Ueber die schöne vergangene Zeit, die ich hier mit Anton gelebt habe. Ach! daß ich hier mit ihm die künftige leben könnte! Pastor. Sollte das nicht möglich werden können? MX.

U

202 Friedrike. Niemals! Pastor. Nach Jahren? Friedrike. Mein Mann liebt nun einen großen Ge­ schäftskreis. Er hat Einfluß, er ist dort sehr geliebt, er ge­ fallt sich dort — Pastor. Liebe Tochter! Sie sind nicht glücklich! Friedrike (will antworten, halt inne, weint, sieht nach der Thür, ergreift seine Hand). Ihren Segen! (Eie -eugt sich dar­ auf hin.)

Pastor (küßt ihre Stirne). Von ganzer Seele! Friedrike. Daß ich Muth behalte und Ausdauer — Pastor. Arme Friedrike! Friedrike. Mein Mann ist gut. O gewiß, er ist noch recht gut! Einen Augenblick lang ist er zuweilen noch derselbe gute vollherzige Anton. Aber die Zerstreuungen, sein Um­ gang — der gute Augenblick ist dann gleich verwischt! Pastor. Er liebt Sie doch? Friedrike. Könnte ich sonst noch leben? Ja, er liebt mich! (Sie sieht sich um.) Aber so wie er mich hier geliebt hat, (sie sieht mit Thränen in die Höhe) so ist es nicht mehr! Pastor. Wird er seinem Aufenthalte nicht einige Tage zusetzen? Friedrike. Schwerlich! — Ach wenn nur Herr von Zeck nicht wäre! Verliere ich jemals die Liebe meines Man­ nes : so verliere ich sie durch diesen. Pastor. So muß Ihr Mann den Herrn von Zeck verlie­ ren. Und ich — Friedrike. Versuchen Sie es nicht. Mein Mann findet ihn amüsant — er hört sehr auf ihn. Pastor. Doch nicht auf seine Grundsätze?

203 Friedrike. Mein Mann ist gut — bei Gott! er ist gut

— aber er hätt manches für klug, und manchen Menschen für sehr unterrichtet; er glaubt seinen Verhältnissen Rücksichten schuldig zu sein. — Sagen Sie ihm nichts gegen Zeck. Er würde es für mein Werk hatten, für meine Klage — Pastor. Aber etwas muß doch in der Sache geschehen. Wählen Sie — Friedrike. Ich habe längst gewählt — die Geduld! Pastor. Die Geduld endet — Friedrike. Die Liebe nicht! Pastor. Aber das Leben? Friedrike. Wie Gott will! (Tie geht.) Ächter Äu ft ritt.

Vorige. Oberförster begegnet ihr. Oberförster. Meine Friedrike! (Er umarmt

und führt sie

Sieh doch — da ist eine Thräne auS deinem Auge auf mein Gesicht gefallen. (Er läßt sie aus fei­ nen Armen, und trocknet die Augen.) Müssen wir uns so Wieder­ sehen? Friedrike. Wir sprachen von den alten Zeiten, lieber Vater — Oberförster. Mit diesem Andenken bin ich vorhin auch in den Garten hinunter gegangen, aber der Kerl, der Zeck, ist dazu gekommen, dem gehe ich auS dem Wege. — Wollen wir beide eine Weile vor das Dorf gehen? Was meinst du, Riekchen? Friedrike. Ich habe meine liebe Mutter noch nicht allein gesprochen. Sie wissen, Vater, daß wir Frauen unsere Er­ fahrungen gegen einander eintauschen, unsere Männer mit tV 11 •

vor. Er faßt nach seiner Wange.)

204

was Großthun loben — das; wir freilich uns das Verdienst von dem Allen beimeffen — und zu diesem Rache lassen wir niemand zu! (Sir küßt den Oberförster und geht.) Oberförster. Sie ist dieselbe noch! Pastor. Und er kann es wieder werden. (Ab.)

Neunter ^Auftritt. Vorige. Forstmeister. Schulz. Forstmeister. Die ganze Zeit rede ich mit dem Schulzen

von unsern neuen Einrichtungen, aber er ist und bleibt un­ gläubig. Oberförster. Ja ja, mein lieber Schulz, da d'rüben gibt's ganz andere Forstmänner. Unser eins ist dagegen nur ein armer Sünder! Schulz. Man denke! Forstmeister. Lieber Vater! Praktische Forstkennrniffe spreche ich Ihnen nicht ab. Aber Sie sind bei Ihrem alren Schlendrian stehen geblieben, wissen nichts von den Fort­ schritten, die man hin und wieder in der Forstwissenschaft ge­ macht hat. Oberförster. Doch wohl nicht da, wo das Holz jetzt so theuer sein soll? Forstmeister. Das thut nichts zur Sache. Oberförster. Da hast du Recht. — Also meine Wirth­ schaft hier hat nicht deinen Beifall? Forstmeister. Lieber Vater! — Nein! Oberförster. Warst doch sonst noch so ziemlich mit mir zufrieden. Forstmeister. Ehemals, ja. Aber was habe ich seitdem gesehen, gelesen, gehört —-

205 Oberförster. Schon recht! Hat man mir's doch erzählt, daß man jetzt die forst- und hotjgerechten Jäger in der Stube beim warmen Ofen erzöge. Zu meiner Zeit erzog man sie im Walde, und fragte nicht nach Sturm und Regen. Forstmeister. Sie werden mir doch gestehen, daß, um eine Sache gründlich zu erlernen, Vorkenntnisse und Hilfs­ wissenschaften dazu gehören. Oberförster. Gut rechnen und schreiben, das versteht sich von selbst. Forstmeister. Weiter nichts? Die Mathematik, beson­ ders die Geometrie, auch zeichnen muß man können. Fremde Sprachen, vorzüglich die Englische — Oberförster. Nicht auch die Arabische — Forstmeister. Allerdings, wenn man über die dortigen Holzarten schon gedruckte Werke hätte, so wie über die in Nordamerika. Oberförster. So, so! Forstmeister. In unsern Forsten gehen Sie keine tau­ send Schritte, so stoßen Sie auf den Virgini'schen wilden

Kirschbaum, the wild cherry-tree of Virginia, oder nach Linnäus, Prunus Virginiana, floribus racemosis, foliis deciduis, basi antice glandulosis. Schulz. Das muß ein schrecklich hoher Baum sein! Forstmeister. Sie gehen abermals tausend Schritte, wer steht vor Ihnen? The black sugar tree, with oval shaped leaves, oder nach Linnäus, Betula nigra foliis rhombeo - ovatis, acuminatis, duplicato-serralis, zu Deutsch: die schwarze Zuckerbirke mit ovalen Blättern. Oberförster. Was sagt er nun, Schulz? Schulz. Ja, ja. Ich höre —

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Forstmeister. Sie lieben die Eiche? Besuchen Sie mich, so zeige ich Ihnen : the chesnuloak, oder nach dem Linnäus, Quercus prinus foliis obovatis, utrinque acuminatis , sinuatoserratis, denüculis rotundatis uni-

formibus, zu Deutsch: die Kastanieneiche. Und so treffen Sie viele fremde Holzarten bei uns an. Oberförster. Kommen denn die bei euch fort? Forstmeister. Damir— ist es freilich nur so, so! Die mehrsten wollen in unserem Klima und Boden nicht fort. Allein wir helfen uns. Wir haben von diesen Hölzern große Samenvorräthe, und bauen in jedem Jahre von neuen da­ von an. Oberförster. Das macht ihr schlau. Aber man hat mir gesagt, man fände bei euch wenig Anlagen von Eichen, Kiehnen und Birken. Forstmeister. An diesem Holze möchten wir wohl in der Folge großen Mangel haben. Oberförster. Was liegt daran? Ihr habt ja den Pru­ nus Virginiana floribus racemosis------- wie war es, Schulz? Schulz. Ach ich habe die barbarischen — arabischen Na­ men wollte ich sagen — ja was wollte ich sagen? Forstmeister. Ich verstehe Sie, lieber Vater! Oberförster. Ich wollte, du verstandest mich, Anton! — Was unsern Bedürfnissen, unserm Boden und Klima an­ gemessen ist — wie reichlich bringt die Natur das hervor! Aberdas mögen wir weder pflegen noch warten, holen auentfernten Welttheilen, dessen wir nicht bedürfen, uns wider­ fahrt daher Recht, daß wir an dem Mangel leiden, was uns unentbehrlich ist.

207 Forstmeister. Ja, wenn Sie die Sache aus dem Ge­ sichtspunkte nehmen — Lberf-rster. Gib mir einen andern, der sich mit mei­ ner Vernunft verträgt, und ich will ihn gelten lassen. Forstmeister. Bei alle dem ist bei Ihrer Bewirthschaftung der Forst — Sie können freilich nicht für die Vorschrift — vieles auszusetzen. Oberförster. Das wäre? Forstmeister. Wissen Sie, wie viel Holz Sie in Ihren Forsten haben? Oberförster. DaS müßte schlecht sein, wenn ich daS nicht wüßte. Forstmeister. Woher? Mir ist von ehedem bekannt, daß Sie davon keine schriftlichen Nachweisungen haben. Oberförster. Das wohl, aber ich habe deswegen doch irgendwo beinahe jeden Baum, groß und klein, ausgezeichnet. Forstmeister. Wo? wenn ich fragen darf? Oberförster (auf die Stirne deutend). Hier stehen sie alle. Und meine Forst ist doch so klein nicht. — Eure Bäume habt ihr also auf dem Papier? Forstmeister. Allerdings. Oberförster. Wie habt ihr denn das angefangen? Forstmeister. Wir haben sie Stück für Stück gezählt. Oberförster. DaS ist leicht genug! Forstmeister. Nur ein wenig kostbar. Schulz. Ja ja, daS Zählen mag was gekostet haben. Oberförster. Dafür wißt ihr nun aber auch jeden Baum, den ihr habt. Forstmeister. Wußten es — aber da führt daS Unglück den großen Sturm herbei, und der wirft uns viele tausend Stämme, und so unsere ganze Berechnung über den Haufen!

208 Oberförster. Hahaha! Ich hätte nicht lachen sollen, denn so ein Unglück, wenn es öfters kommt, kann Holznoth herbeiführen, und die kommt gleich nach Brotnoth. Schulz. Sie werden also nun wohl von neuen gezählt haben? Forstmeister. Ganz recht. Wir zählten, was der Sturm umgeworfen hatte. Da kamen gleich die verwünschten Rau­ ven, und machten uns einen neuen Strich durch die Rechnung. Oberförster. Ich habe sie hier auch gehabt. Forstmeister. Anfänglich achteten wir nicht darauf. Als sie überhand nahmen, so konnten wir erst nicht einig werden, was für eine Raupe eS eigentlich sei. Viele von uns wollten behaupten, es sei die Monacha oder die Nonne, andere mein­ ten, es sei die sogenannte Prozeffionsraupe. Endlich versicher­ ten uns Leute vom Lande, daß es die gemeine Kiehnraupe sei. Oberförster. Was anders? Schulz. Der Herr Oberförster wurde ihrer aber hier bald gewahr. Flugs ließ er auf der Seite, wo sie sich einge­ stellt hatten, ein paar hundert Baume niederhauen, und so kamen wir gut weg. Oberförster. Hin und wieder mögen wohl noch einige geblieben sein, die überlasse ich meinen Vögeln und Ameisen. Du siehst, daß eS bei meinem alten Schlendrian mit meiner Forst noch ganz gut steht. An Hetz fehlt es uns Gottlob! noch nicht, denn ich habe von der Zeit an, wie ich auf den Dienst kam, weit mehr gesaet und gepflanzt, als ich herausgenom­ men habe; leere Flecke dulde ich nicht, und gegen Holzdiebe bin ich früh und spat bei der Hand. So habe ich's immer ge­ trieben, so treibe ich's noch. So alt ich bin, habe ich noch kei­ nen Verweis erhalten. Da nun meine Vorgesetzten mit mir zufrieden sind: so dächte ich, mein Sohn! du wärst es auch.

209 Forstmeister. Aber eine gehörige Eintheitung der Forst ist —

Oberförster. Ist nothwendig — allerdings. Ist denn die meinige etwa nicht auch eingetheilr? Und weiß ich nicht den Flächeninhalt? Nur von den Spielereien bin ich kein Freund. Forstmeister. Auch würde es hier für das Auge ein weit schönerer Anblick sein, wenn es da auf Pappeln und Akazien stieße, wo es jetzt nur alte, krumme und schiefe Weiden an« trifft. Oberförster. Laß mir meine krummen und schiefen Wei ­ den unangetastet. Wo hätte ich Faschienen hernehmen sollen, als wir vor'm Jahre hier am Teich den starken Durchbruch hatten. Sieh die herrlichen Flechtzäune an, die hierim Dorfe stehen. Behalte du deine Pappeln und Akazien. Mir sind und dleibrn die Bäume am liebsten, deren Nützlichkeit mir gleich beim erstenAnblick in's Auge springt.

Zehnter Auftritt. Vorige. Hans.

H«ns

(ein Billet in der Haue,

ras in der bekannten Schleifen­

form zusanmenqelegt ist, v.tnt Oberförster).

Sapperment, da ist ein

Schreibe.

Oberförster. 2(n mich? Woher denn? Eine wunder liche Gestalt von einem Briefe. Rieft die Aufschrift.) Wer hüt' es gedacht? HmS. Der Bote von Lichfeld. Er ist noch unten zu sehen.

Forstmeister (siebt nach rem Briefe hinüber). Oberförster. A Monsieur — — Das ist nicht an mich

(Gibt es rem Forstmeister.)

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Forstmeister. Es ist an mich. (Liest.) HanS. Der Bote sagt, das Weibsbild, was ihm den

Brief gegeben hätte, wäre gewaltig schön, aber sie spräche kein Wort Deutsch — Oberförster. ES wohnt doch niemand der Art in Lichfeld — Forstmeister. Ein höflicher Bettelbrief, weite7 nichts. HanS. Ihre Leute sprechen auch kein Deutsch — Forstmeister. Sagt nur dem Boten, es wäre gut, ich wollte hernach etwas schicken. HanS. Sie sotten in einer — Forstmeister. Da ist der Botenlohn, macht, daß der Mann fort kommt — HanS. Ja. (Geht.) Forstmeister. Eine Person, die ich hin und wiede." bei Hofe gesehen habe, die schnell aus dem Dienst der Fürstin entlasten ist, durchreiset — Oberförster. Es gehr doch keine Landstraße durch Lichfeld — Harr- (kommt wieder). Sie sind in einer prächtigen Kutsche gekommen — sagt der Bote. Oberförster. Und schicken dir Bettelbriefe? Forstmeister. Nun man weiß ja, was solche Leu? präch­ tig nennen. Oberförster. Hm! der Lichfetder Bote stand uner der Garde, hat doch zu seiner Zeit Kutschen gesehen — Forstmeister. Die Fürstin ist sehr gnädig — velleichr ist ihr auf ein paar Stationen eine Hofequipage erlaub — Oberförster. So? — Nun dann wird man ihr roch einen Reisevfennig mitgegeben haben?

211 Forstmeister. Allerdings sollte man das glauben. Ich

begreife selbst nicht — Schulz. Soll ich den Boten einmal fragen — Oberförster. Wozu das? Wenn sie denn aber bei dir bettelt und nur durchreist, — so laß sie nicht lange auf deine Hilfe warten. Schicke ihr gleich, was du geben willst. Forstmeister. Jaja, das wird das beste sein. (Gebt.) Oberförster. Hier ist ja Schreibzeug. Forstmeister. Auch das — (Er setzt sich zum Schreiben.) Oberförster. So kann sie gleich in Gottes Namen wei­ ter reisen. HanS. Sie bleibt zu Lichfeld, sie hat im goldenen Engel das ganze, ganze Haus genommen. Oberförster. Und bettelt? (Er gibt dem Schul; ein Zeichen, dieser geht; — Zu Hans.) Mein Sohn wird die Antwort brin­ gen, oder Ihr könnt sie hernach hier holen. HanS (geht). Oberförster. Anton'. Forstmeister. Lieber Vater! (Steht auf.) Oberförster. Du weißt, daß ich den Argwohn nicht bei

mir herbergen kann — sage mir rund und ehrlich, waS will diese Fremde mit dir. Forstmeister. Sie könnten den Brief lesen, aber er ist Französisch — Oberförster. Ich lese dein Gesicht — Forstmeister. Sie denken — Oberförster. Ich lese dein Gesicht, und es gefällt mir — denn ich meine, deine Seele hat darauf geschrieben — ich schäme mich! Forstmeister. Lieber Vater, ich betheure Ihnen —

212 Oberförster. Halt! — Anton — hier lege deine Hand in diese Vaterhand, die ich zum Segen auf dein Haupt legen will, ehe du von mir gehst, und nun sage mir, wie ein ehrli­ cher Mann — kann ich ruhig sein? Forstmeister (bat ihm dir Hand gegeben, schlägt die Augen Nie­ ter und sagt). Ja!

Oberförster. Gut. (C*r nimmt Geld ans dem Beulet.) Ist sie arm, so lege diesen Thaler mit bei. Schickt sich das nicht — so behalte ihn zum Gedächtniß an den ehrlichen Hausstand deiner Eltern. Und so oft du darauf das Brustbild unseres Fürsten siehst — sage dir, er ist der sittlichste treueste Ehe­ mann im Lande und folge seinem Beispiel. (Gebt.)

Forstmeister (ftcbt eine Weile eingewurzelt da. Dann wirft er sich auf den Stuhl und stürzt, das Gesicht auf die Arme gelegt, auf den Tisch). Hatt- (tritt ein, neben ibn, rührt ibn an). ^Oind Sie fertig? Forstmeister (springt auf, packt ihn an der Brust und wirft ibn i'oii sich). Schurke! (Gr gebt.)

HanH Gttenbogen).

(bleibt an dem Boden sitzen, siebt ihm nach und reibt den Das war grob. (Gr steht aus.) Wie er noch För­

ster war — nannte er mich nur einen Esel und ließ mich stehen. Nun er vornehmer geworden ist, heißt er mich einen Schur­ ken und wirft mich auf Gottes Erdboden. Ein Schurke muß also wohl mehr sein, als ein Eset. Wenn aber das Umwerfen dazu gehört, so verlange ich meinen Esel wieder. (Geht.)

Dritter Aufzug Erster

Auftritt.

HanH und Rudolph tragen einen Korb mit Tellern durch das Zim­

mer in das andere.

Die Oberförsterin folgt.

Oberförsterin. Nehmt euch in Acht. Setzt mir die Tel­ ler gleich aus dem Korbe, hört ihr? (Tie geht nach der Mitte zurück und ruft hinaus.) Anton! (Sie gebt an das Seitenzimmer.) Deckt die Gläser mit einer reinen Serviette zu. (Sic gebt wieder an die Mitte.) Nun — Anten! Komm doch herein. (An das Seitenzimmcr.) Nehmt von den Servietten linker Hand — so! Wo habe ich denn nur — (Sie geht vor.)

Iweitrr Auftritt. Forstmeister, Hui in ter Hand, vberförstcrin. Forstmeister. Was ist, liebe Mutter? Oberförsterin. Gleich! Wo hab» ich nur den Hirsch hingesetzt?

Forstmeister. Den Hirsch! Oberförsterin. Rudolph! Rudolph! Rudolph (mit einer Serviette in der Hand,

ficht ans der Thür).

WaS befehlen Sie?

Oberförsterin. Weißt du nicht, wo der Hirsch steht? Weißt du denn das nicht mehr? Ja seit deiner Zeit ist er nicht mehr gebraucht — Forstmeister. Ach Sie meinen den großen Pokal? Oberförsterin. Richtig, der muß heute umhergehen. Rudolph. Der Pokal mit dem Hirschkovfe steht oben in dem grünen Eckschranke —

(Zum Forstmeister.)

214 Oberförstertn. Richtig! In des Herrn von Zeck seiner Grube. Den holt hernach herunter und tragt ihn behende, das rathe ich euch. Setzt ihn auf den Schenktisch — Rudolph. Sehr wohl. (Geht hineir.) Oberförsterin. Ja man vergißt denn eins über das an­ dere. Man wird alt — man hat in seinem Leben viel zu den­ ken gehabt. Mancherlei zu schlichten, zu thun und zu besorgen. Aber d u hättest dich wohl daran erknnem können. Forstmeister (eilig, aber nicht unfreundlich). Es war mir entfallen. Oberförstern!. Mir ist nichts entfallen, waS dich an­ gehr. Alle deine Leibgerichte kommen heute auf den Tisch. Heute! Morgen kommen die Leibgerichte von Riekchen. Du mußt von allen essen, das sage ich dir, von allen. Forstmeister. Mit Vergnügen — und mit großem Ap­ petit. Meine Mutter ist eine vollkommene Köchin — (Vr will gehen.)

Qöerforsterin (halt ihn an der Haw). Vollkommen? nun eben nicht. Ei, man sei noch so alt, man lernt doch nicht aus. So wirst du finden, mein Blätterteig, du weißt, mein Blätterteig ward immer sehr gerühnrr— nicht wahr? Forstmeister. O ja, recht sehr. Ommer eiliger.) Oberförstern!. Nun, jetzt mache ich ihn doch noch bes­ ser wie sonst, viel besser. — Davon kann auch der kleine Gottfried essen. Blätterteig darf er essen. Aber (sie dreht ihn gan; zu sich her) mir seinem Katechismus muß eine Anstatt ge­ troffen werden, sonst habe ich im Grebe keine Ruhe, lieber Anton — Forstmeister. Wir reden schon noch davon — (Geht.) Adieu Mutter.

Oberförsterin. Wo willst du denn hin? Forstmeister. Ein wenig auSreiten — Oberförster!« (sie holt ihn zurück). Ei was, das leide ich nicht! Du bist gekommen, deine Eltern zu besuchen. Forstmeister. Ich muß mich doch ein wenig im Forst umsehen — Oberförsterin. Ach, der Forst wird noch lange stehen, aber wir nicht. Laß die Bäume ihre Zweige im Walde aus­ breiten , jetzt breiten wir unsere Arme aus nach dir. Forstmeister (umarmt sie und sagt recht freundlich). Meine gute Mutter! Oberförsterin. Ja, wenn ich nicht so gut wäre, (sie droht ihm freundlich mit dem Finger) sollte ich dir wohl ein wenig die Meinung sagen, daß du den Hans so auf die Erde hin­ geworfen hast — Forstmeister (etwa- verlegen). Der Kerl ist so ärgerlich dumm! Oberförsterin. Ei was? Er ist ein Menschenkind, ein biSchen dumm, ja, da hast du Recht. Aber vom Umwerfen wird er nicht klüger. Forstmeister. Ich war eben verdrießlich — Oberförsterin. Ja, daS hast du vom Vater. Abet wenn er auch wohl die Leute anfährt, so wirft er sie doch nicht um. Das ist nicht recht von dir, Anton. Sieh, wenn sie mir heute auch noch so verkehrte Sachen angeben wollten, ich könnte gar nicht verdrießlich werden. Ich denke an meine Kinder, und dabei ist mir so gut zu Muthe, daß ich aller Welt dumme Streiche vergeben konnte. — Nun — laß ab­ satteln, Anron — Thu mir und dem Alten das Herzeleid nicht an, daß du jetzt spaziren rittest — hörst du, Anton, rufe da aus dem Fenster und laß absatteln.

216 Forstmeister. Nur auf eine Stunde will ich wegreiten — Oberförsterin. Nur auf eine Stunde? Nach fünf Jah­ ren sehen wir dich nur auf zwei Tage. Ach Anton — alle Abend sage ich mir — wer weiß, wie nahe mir mein Ende? Sieh mich an und denke das auch. In meinem Alter kann man keine Stunden mehr verschenken. Forstmeister (seufzt, sieht vor sich hin). Oberförsterin. Ich bin sonst noch erträglich bei Kräf­ ten, ich thue noch alles selbst — du mußt es dir nicht so sehr zu Herzen nehmen. Ein paar Jahre möchte es doch noch wohl dauern können — ich meine nur so — weil wir doch alle in Gottes Hand stehen. Forstmeister (umarmt sie lebhaft). Meine gute Mutter! Oberförsterin. So! Ja, das war ein Wort! das war mein alter Anton, dasmal war dein Herz in deinen Armen! Forstmeister. Ich liebe Sie von ganzer Seele. Oberförsterin. Das kann ja auch gar nicht anders sein. Ja nun — ich merke wohl, das Ausreiten macht dir ein be­ sonderes Vergnügen. Nun — so ganz kann ich dir eS nicht verdenken, du willst sehen, wie der Alte gewirthschaftet hat — gut, das kann ich dir sagen. Die hochfürstliche Kammer hat ihm auch neulich eine Belobung zugeschickt und ein Prä­ sent von hundert Thalern. Denk einmal! Ja der Alte macht seine Sachen gut! DaS mußt du ihm aber auch sagen, hörst du? Forstmeister. Sehr gern. Oberförsterin. Wenn du denn doch ausreiten willst — ei nun, so bitte deinen Vater, daß er mitreitet. Forstmeister (sehr verlegen). Die Sonne steht schon ziem­ lich hoch. Er wird jetzt nicht Lust haben. —

217 Oberförsterin. O gewiß! Ich will's ihm sagen, daß du das wünschest, und wenn ihr dann beide so neben einander die Straße hinunter reitet, so will ich mich in's Fenster le­ gen, euch nachsehen und meine Freude daran haben. Soll ich's dem Alten sagen? Forstmeister. — Wenn Sie — wenn er — (Mit Gutmüthigkeit.) Ja bitten Sie ihn darum. Oberförsterin. Das wird dem alten Gast eine Freude machen! Er sagt so immer: mein Anton ist nicht mehr wie er war! Nun sieh, Anton — anders bist du freilich. Aber ich denke, das kommt mit den Jahren, und die Stadt macht denn auch vieles. Aber zu klein ist dir unser Haus nicht, und deine alten Eltern sind wohl nur schlecht und recht, aber du hast doch manche gute Lehre mit dir von hier genommen, und zuweilen, wenn's bei dir unruhig hergeht, denkest du doch wohl recht gern an uns beide. Forstmeister. Gern, oft und von Herzen! Oberförsterin. Nicht wahr? Ja, wenn wir so Abends da sitzen, jeder in seinem Sorgestuhl, und der Alte liest die Kriegsbegebenheiten aus dem Postreiter vor, ich stricke deinem Gottfried Strümpfchen — sage ich ihm oft — hör' auf, Al­ ter. Ich Marschir nicht mehr mit — ich denke an Anton! Gleich legt er die Zeitung weg, stützt wohl den Kopf auf die Hand und sagt — WaS er doch jetzt macht! Dann sprechen wir bis in die tiefe Nacht von euch. — Manchmal werden wir recht wehmüthig dabei. Es ist uns wohl schon passirt, daß der Wächter eilf Uhr geblasen hat, und wir hatten's gar nicht gemerkt, weil wir in Gedanken bei euch waren. Ja, das sind unsre besten Tage! Das glaub mir nur, Antönchen. (Sie streichelt ihn.) Nun will ich den Alten holen. (Geht.) XIX. 15

218

Forstmeister

(mit dem lauten Ausbruch bei innigsten Empfin­

Ach! ihr guten ehrlichen Eltern! — 5. Zeck. Sie kennen den Eigensinn der Bosetti, aber man muß eS versuchen. (Geht.) Forstmeister. Wann werde ich sie sehen können? Und wenn ich sie nicht sehe — was wird daraus werden?

Vierter Auftritt. Oberförsterin. Oberförster.

Oberförstert«. Hier bringe ich deinen Vater, er will gleich mitgehen. Oberförster (nickt freundlich mit dem stopfe). Zum Ausrei­ ten wird es zu spät vor Tische, wenn wir ander- die Sachen ein wenig in der Ordnung sehen wollen; aber ist dir's recht, so besuchen wir hier im Orte einige alt« Bekannte. Oberförsterin. Ach da sollte ich doch mit gehen — aber die Küche — die Anstalten und ich muß mich doch auch «twaander- anziehen — ich kann denn auch nicht so hurtig mit euch fortkommen-------- nein, geht nur allein. Oberförster. Ja, wenn du Lust hast — so gehen wir jetzt. — Forstmeister. Was Sie wollen, alles waS Sie wol­ len. (An da« Fenster.) Absatteln, ich reite jetzt nicht, ich gehe mit dem Vater. (Zum Oberförster, dem er beide Hönde reicht.) Da bin ich. Nun gehör« ich ganz Ihnen. Nun führen Sie mich, lieber Vater, wohin Sie wollen. Oberförster. Wahrhastig? (Sieht ihn fest an und schüttel, herzlich Anton'« Hönde.) So gehen wir nicht weit. Anton , so führe ich dich da zu deiner ältesten Freundin. (Führt ihn zur Mutter.) Mutter, halte ihn fest an deinem Herjen! Anton, ich schlage meinen Arm um dich, und wir beide alten Leute wollen dich in unserer Mitte behalten. Glanz und Gold 15 *

220 können wir dir nicht bieten, aber Ehre im Vaterlande, Aus­ kommen unter des Vaters Dache, einen Nothpfennig für den armen Bruder und ein ruhiges Gewissen. Forstmeister. Vater — Mutter! Ich bin innig er­ schüttert. — Oberförster. Was ich dir hier biete, das kann ich ver­ bürgen, und mehr kann der vernünftige Mann nicht brau­ chen. Was er mehr hat, macht ihm Unlust. Anton, schlag ein — bleib bei uns, nimm meinen Dienst! Ich weiß, unser Fürst gibt ihn dir gern. .Oberförsterin. Ach Anton — lieber Anton! kannst du das thun, so bin ich eine glückliche Frau. Forstmeister. Ich kann nicht — ich kann nicht. Wo denken Sie hin! Oberförster. Ich habe in meinem Leben noch um nichts den Herrn gebeten — aber wenn du hier bleiben willst — will ich bitten, daß dein Titel bei der Stelle bleibt — Oberförsterin. Ach welche Freude wäre das im ganzen Orte — Oberförster. Ich habe hier niemanden weh gethan, habe manchem auf die Beine geholfen, habe meine Lebens­ kräfte in dem Forst treulich angewendet. Laß nicht einen Frem­ den niederreißen, was ich gebauet habe, laß mein Herz und mein Thun in meinem Sohne fortleben; so schlafe ich einst ruhig hinüber und es blühet heute meinem Leben ein neuer Frühling. Forstmeister. Ach daß ich könnte, was Sie wünschen! Was soll ich Ihnen antworten, was ich dagegen einwenden muß — es wird Ihnen alles so kalt scheinen, und doch bin ich von Ihrer Liebe so innig, so herzlich bewegt, daß ich laut weinen könnte!

221

Oberförster. Hast du noch ein Herz für deine Eltern, so hast du auch noch ein Herz für das Gute! Gott sei dafür gelobt — Gott erhalte es in dir kräftig und lebendig! Das ist genug für meine Angst um dich! —DaS Uebrige wird Gott fügen. Komm, mein Sohn! lD. Zeck. Ihre herrlichen Aussichten — Forstmeister. Wer den Schurken trägt, hat keine Aus­ sichten mehr —

v. Zeck. Die Gnade deS Fürsten — Forstmeister. Zieht sich vom Poltron zurück. Es ist ge­ nug. Ich bringe meine Pistolen in Ordnung, gehen Sie auf Ihr Zimmer. Wenn Sie einer Seele plaudern, so schwöre ich Ihnen, bei allem was heilig ist, Sie müssen mir blutige Genugthuung geben. (Geht ab.)

Dreizehnter Auftritt. Don Zeck allein. Ich darf wahrhaftig mit niemanden reden, denn er wäre im Stande, hielte Wort und machte mich zum Krüppel! — Es ist eine ganz entsetzliche Sache! — Wenn er nur meine Anstellung erst in Ordnung gebracht hätte! — Hm! Sollte er bleiben — so hat der Jagdjunker freilich bei einer Witwe bessere Aussicht. Aber die würde auf eine Vermählung beste­ hen, und das leidet der Oberjägermeister nicht. Dann wird daS Aufsehen und das Gerede, waS der plötzliche Fall machen würde — mich und alle andern hindern, meine Beförderung schnell zu betreiben; so muß ich ohne Geld wieder warten. Er­ führe man, daß ich die Sache gewußt und nicht gehindert habe, so werde ich verhaßt, und das bringt mich wieder um den Dienst. Rede ich, so bin ich der Rache deS fürchterlichen Menschen ausgesetzt — es ist die ängstlichste Lage, darin ich je gewesen bin. —Ich gehe ihm nach, ich bitte ihn noch ein­ mal — aber da könnte er gar auf den tollen Einfall gerathen, mich zum Sekundanten haben zu wollen — das geht auch nicht. — Die Zeit ist kurz, was fange ich nur an? — Ich gehe zum Vater, sage ihm, daß die Eintracht der Leute mich gerührt habe, lasse mir sein Wort geben zu schweigen, und entdecke ihm, er wollte jetzt doch noch zur Bosetti reiten. Sie

262 lassen ihn nicht weg, er merkt nicht, daß ich das veranstaltet habe, der Aufschub kühlt ihn ab, und zu dem tollen Grafen — da mögen sie hernach den Pastor hinschicken, ihm eine Rede zu halten! So geht alles gut.

Vierzehnter JluftritL HanS. Don Zeck.

HanS (bringt eine große Baßgeige, und lehnt sie im Hinter­ gründe an einen Stuhl). Sehen Sie wohl das Ding da? Das wird einen höllischen Lärm machen. v. Zeck (unruhig in Gedanken). Ja wohl! ja wohl! HanS. Der alte Martin wird sich damit vernehmen las­ sen. Er ist unten zu einem Trunk gesetzt. Seine Kameraden kommen hernach auch noch mit den andern Dingen. Sapper­ ment, da wird der Tanz losgehen! v. Zeck. Wo ist der Herr Oberförster — HanS. Er kömmt gleich. Ich sage, es geht nichts über daS Hackbret — wenn ich das nur auS der Ferne höre — so zieht mir es in den Knien und Absätzen, daß ich gleich her­ umspringen muß. Fünfzehnter Änftritt. Vorige. Oberförster. Ha«-. Da steht's, Herr Oberförster. Ich habe es rich­ tig und ganj abgeliefert. (Geht ab.) Oberförster (sehr freundlich). Nun — was spajiren Sie denn hier so allein herum? Es sind schon etliche Gäste unten angekommen, machen Sie sich dazu. — ». 3«f (»erlegen). Ich möchte nur vor allen Dingen erst -

263 Oberförster. ES geht jetzt alles gut mit den Kindern: so wollen wir unS daS Leben auch weiter nicht sauer machen. Sie tanzen ja wohl gern? Nun so haben Sie heute Gelegen­ heit dazu. Aber wo bleibt denn nur der Anton? Alle Leute fra­ gen nach ihm, und — v. Zeck (ängstlich). Herr Oberförster, ich muß Ihnen et­ was vertrauen. (Führt ihn bei Seite.) Oberförster. Sie thun ja so ängstlich — v. Zeck. Wollen Sie das Glück Ihrer Schwiegertoch­ ter — so lassen Sie jetzt Ihren Sohn nicht mehr auS gehen. Oberförster. Will er denn auSgehen? v. Zeck. Eben jetzt. Oberförster. Er will jetzt auSgehen? Wohin? Ge­ schwind ! v. Zeck. Um GotteS willen, verrathen Sie mich dem hef­ tigen Mann nicht — Oberförster. Wo will er denn hin? v. Zeck. Nach Lichfeld. Oberförster (erschrocken). DaS ist nicht wahr.' v. Zeck. Gleich wird er fortgehen — Oberförster. Wo ist er? v. Zeck. Da auf seinem Zimmer. Oberförster. DaS ist nun und nimmermehr möglich? (Will dahin.) v. Zeck. Um alles in der Wett nicht! Bleiben Sie, er kann ja nirgend anders aus-dem Hauses als über den langen Gang, hier durch das Zimmer. Oberförster. Richtig! (Geht zurück.) v. Zeck. Verrathen Sie mich nicht — Oberförster. Nein! (Geht lebhaft umher.)

264 v. Zeck. Warten Sie ihn hier ab. Oberförster. DaS will ich. Er soll auf mich treffen. (Er geht heftig umher, wobei man ihm anfleht, daß er einen Entschluß gefaßt hat.)

v. Zeck. Und lassen Sie ihn nicht fort.

Sechzehnter Auftritt. Vorige. Schulz. Schulz. Ich stehe draußen an der Ecke, so werde ich ge­ wahr, wie jemand den Sattel des Herrn Forstmeister- durch das Stallfenster reicht — und ein Junge geht damit fort, v. Zeck. Sehen Sie — Schulz. Auf meine Frage sagt er, daß er ihn vor's Dorf auf den Lichfetder Weg tragen muß. v. Zeck. Der Chretien wird gleich sein Pferd nach­ führen — Schulz. Ganz recht. Wie ich auf den Hof komme, um nachzufragen, begegnet mir des Forstmeisters Jäger mit dem großen Engländer, er wollte ihn nach der Schmiede führen — wie er sagt — v. Zeck. Vor den Ort, auf den Lichfetder Weg führt er ihn. Lassen Sie Ihren Sohn nicht fort, Sie sind nun ehrlich gewarnt, ich habe ihm geloben müssen, nichts zu verrathen — ich kann nicht hier bleiben, (ich gehe auf mein Zimmer. (Geht ab.)

Oberförster. Nun ist alles aus und vorbei. Schulz. Sollte er denn — zu ihr wollen? Oberförster (ergreift heftig des Schulzen Hand). Das will er, ja! Nun der Bösewicht das zu thun im Stande ist — weg mit ihm auS meinen Augen, und aus meinem Herzen auf ewig!

265 Schulz. Behalten Sie ihn mit Gewalt hier—leiden Sie

es nicht. Siebzehnter Auftritt.

Vorige. Obrrförstcrin und Friedrike. Oberförsterin. Nun, wo bleibt ihr denn zusammen?

Frieörtke. Sehen Sie, lieber Vater, wie ich mich habe

putzen müssen. Oberförster. Ach du

gutes Weib! — (Drückt ihr dir

Hünde, und fleht »on ihr weg.) Oberförster!« l,um Schul,). Habe ich sie doch beinahe da­ zu zwingen müssen. (Zum Oberförster.) Sieh nur, den schönen

Ring hat ihr der Anton an ihrem Geburtstage verehrt.

Friedrike. Was ist Ihnen, lieber Vater? Sie scheinen

sehr aufgebracht. Oberförster. Geht hinunter, Weiber — wir kommen

nach — geht. Oberförsterin. Der Pastor ist bei der Gesellschaft — aber lieber Alter, waS ist dir denn?

Oberförster. Jetzt laßt mich ungefragt—und nun geht — ich befehle es euch — fort!

lFrie-rike. Mein Gott! Warum?

sOberförsterin. Lieber Mann!

Oberförster. Fort! Ich sage eS zum letzten Male. Frieörike. Kommen Sie, liebe Mutter.

Achtzehnter Vorig«.

Auftritt.

Der Forstmeister.

Forstmeister (im llebcrrocke; den Hut auf dem Kopfe. Er tritt

heftig ei», erschrickt, nimmt den Hut ab, faßt stch etwas). XIX

18

266 Oberförster. Halt da! Wohin?

Forstmeister (entschlossen). Ich muß ausgehen. Oberförster (führt ihn heftig »or). Wo hinaus?

Forstmeister (schnell). Lieber Vater — Oberförster (schleudert seine Hand von sich). Wo hinaus, ehrlicher Mann?

Forstmeister. Der ehrliche Mann muß hinaus. (@t will gehen.)

«Friedrike. Anton! > Oberförsterin. Lieber Sohn! (Sie treten ihm in den Weg.) Forstmeister. Nur auf eine Stunde!

Oberförster. Geh', wohin du willst, Schurke! Forstmeister. Der Schurke treibt mich fort! Ja, Vater, um deS Schurken willen muß ich fort — Leb wohl, Friedrike!

(Er will sie umarmen.)

Oberförster (hält ihn zurück). Nichts mehr! Das Weib hast du aufgegeben, und sie lebt nicht mehr für dich!

l Friedrike. Anton! Anton! vOberforfterin. Kinder — um Gottes willen —

Forstmeister. Nein, da ist keine Gewalt auf Erden, die mich halten soll, ihr jetzt ein Lebewohl zu geben. (Er wendet de»

Vater bei Seite, und stürzt in ihre Arme.) Leb wohl, Gott sei mit

dir! Leb wohl, mein Weib, meine Freude, mein Riekchen — leb wohl! (Er hat sie geküßt, und stürzt fort.)

Friedrike. Ich lasse dich nicht aus meinen Armen! (Sie umschlingt ihn.)

Forstmeister. Ich muß — der Schurke muß fort — sorgt für sie — fort!

(Er legt sie der Mutter in die Arme, und

stürzt ab.)

Friedrike (auf den Vater zu). Wo geht er hin?

Ml Oberförster. Nach Lichfeld, zu seiner Buhlerin. Friedrtke. Nein, nein, eS ist nicht möglich!

Oberförster. Frag den Mann dort. Friedrike. Und wenn eS tausend Zeugen mit einem Eide

bekräftigten — so rufe ich über alle hinaus — nein, nein! ES kann nicht, kann nicht sein — eS ist kein Fatsch in ihm!

Oberförster!«. Und daS sage ich auch. Er kann fehlen, aber betrügen kann er nicht.

Oberförster. Laß dein Herz brechen,

armeS Weib —

gib ihn auf, er ist für dich und mich verloren! Schulz. Man hätte ihn nicht forttaffen sollen. Oberförster. Kann er sie und unS alle heute betrügen,

kann er auS meinen Armen, die ich zum Segen eben über ihn ausgebreitet habe — kann er in diesem Augenblicke in

Arme deS Lasters stürzen: so ist nimmer eine Rückkehr zu hof­ fen. — Tochter, du bist auch Mutter — reiß ihn auS deinem

Herzen, scheide dich von dem Laster —ich werfe ihn aus HauS und Herzen, und gebe dem unredlichen Manne meinen Fluch! Friedrike. Vater!

Oberförsterin. Um Gottes willen! Friedrike. Ich trenne mich nicht von ihm, und wenn er mich mißhandelte!

Sind dieseArme ihm verschlossen,

an

meinem Herzen findet er Vergebung und Mitleid. —

Neunzehnter

Auftritt.

Dorige. Nou Zeck. v. Zeck. Und Sie haben ihn doch fortgelaffen?

Oberförster. Auf ewig! v. Zeck. Mein Gott,

ich Sie nicht so sehr —

waS haben Sie gethan? Bat

$68 Friedrike. Nicht wahr, man thut ihm Unrecht? Re­ den Sie für ihn — entschuldigen Sie ihn — geben Sie ihm

den Vater wieder, und vergessen sei alle- Leid, waS Sie mir angethan haben.

v. 3

Eduard, Frau Drackenburg kommen in lebh-fm» Gespräch herein.

Eduard. Das; die Saling angenehmer ist, räume ich ein; aber denken Sie nur an das Vermögen der Schab! Frei­ lich weiß Sabine von der Welt und ihrem Wesen wenig; aber sie ist doch brav und hübsch! Der Onkel kennt das Mäd­ chen nicht; er muß sie sehen, sprechen. Fr. Draekb. (erschrocken). Wie soll das angehen? Eduard. Wenn Sabine Sie besucht — und — damit Sie es wissen, sie kommt, sie macht Ihnen einen Besuch! Fr. Drackb. (verlegen). DaS wird dem Onkel auffatten.

76 Eduard. Machen Sie nur, daß er sie spricht. Ich hatte Sie schadlos gegen Alles! Fr. Drackb. Gegen Mißdeutung des redlichen Mannes kann mich nichts und Niemand schadlos halten. Eduard. Quälen Sie mich nicht! DaS Mädchen kommt, die Tante will es, sie hat mir geschrieben, und sie ist kluger, wie alle. Ich habe aus Vorsicht die Schab's noch nicht ge­ sprochen.

Neunter

Auftritt.

Vorige. Herr Müller.

Müller. Da ist Mamsell Schab angekommen, fragt nach Frau Drackenburg. Der alte Herr ist auch wieder da, sieht aber starr in eine Ecke und hat sie gottlob nicht bemerkt. Fr. Drackb. Ich spreche sie, aber ich stehe nicht für den Erfolg. (Grht.) Eduard (ihr nachrufrnd). Empfehlen Sie mich indeß be­ stens! — Soll ich gehen — bleiben — am Ende werde ich es doch auf einer Seite verderben muffen! (Er sieht vor sich hi» und sinnt nach.)

Müller. Mir Ihrer Schwester und Ralling, das ist nichts. Er ist leichtfertig und arm. (Stößt ihn an.) Sehen Sie einmal mich an! Eduard (ohne hinzusehen). Scharmant, auf Ehre! Müller. Lienand? Ist reich genug, aber nicht jung und gelehrt genug! Ich bin nur zehn Jahr älter, als der. Zehn Jahre machen 3653 Tage, 3653 Tage machen 87,672 Stunden. Nun, und wie bald vergeht eine Stunde? D'rum reden Sie der Schwester zu, daß sie mich nimmt. Eduard

(wie aufwachcnd). Sie?

77 Müller. Sie kann sprechen, wie sie will, wenn ich da­ bei bin, und gehen, wohin sie will, wenn ich mitgehe. Eduard. Wie viel Vermögen besitzen Sie? Müller. Dreißigtausend Reichsthaler und gewiß für eitfhundert Reichsthaler Leinenzeug. Ich brauche, so lange ich lebe, kein Kleid mehr machen zu lassen. Sterbe ich unbeerbt, fällt alles der Mamsell Schwester zu. Eduard. So? Ei! Ja — Sie haben sehr redliche Ab­ sichten. Sie lieber, braver Freund! (Er umarmt ihn.) Eine gute Frau ist das Beste, womit ein Prinzipat, der über die­ selbe disponiren darf, einen braven Freund lohnen kann. Müller. Das ist honnet gedacht! Eduard. Sagen Sie nur das Einzige, was ich nie mit Gewißheit habe erfahren können: wie hoch beläuft sich denn des Onkels Vermögen? Müller. Ich habe dem alten Herrn mein Wort gege­ ben, daS Niemand zu sagen, und wir halten uns Beide Wort! Eduard. Schön! So will ich auch nichts wissen. (Lacht.) Aber nicht wahr, eS beläuft sich doch über hundert fünfzig­ tausend Reichsthaler? Ja! Nicht wahr? O gewiß! Müller. Sie sind in der Gegend.

Zehnter Auftritt. Vorige. Frau Drackenburg. Sabine. Sabine. Ach Jemine! — Ihre Dienerin! Freut mich, Sie gesund und wohl zu sehen. Eduard. Gleichfalls; (Küßt ihr die Hand.) Sie waren in­ deß stets wohl auf? Sabine. Vor drei Monaten hatte ich das Nesselfieber. XX. 6

78

Da sah ich poffirlich aus. Lauter rothe Flecken. — Nun, haben Sie an mich gedacht? Was haben Sie mir mitge­ bracht? Eduard. Ein goldenes Etuis! Fr. Drackb. Ich will indeß mit dem Onkel reden. (Ab.) Eduard. Ich rechne auf Sie, Frau Drackenburg! Müller. Soll der Onkel daher kommen, so gehe ich meiner Wege! (Ab.) Eilfter

Auftritt.

Eduard. Sabine.

Sabine. Mein Papa ist ganz von Ihnen eingenommen. Er läßt drei Zimmer neu meubliren. Eduard

(in großer Unruhe, die er mit Freundlichkeit verbergen

Ich hoffe ja zu Gott, eS soll Alles gut gehen. O Theure! Sabine. Reden Sie nur nicht etwa mit der dummen Saling! Eduard (betroffen). Ach nein! Sabine. Ehegestern habe ich sie in der Kirche gesehen. Sie hatte ein grobesMouffetinKleid an, das war gewiß schon dreizehnmal gewaschen. Eduard (ernsthaft). Sie ist freilich arm. Sabine (lacht). Ich habe sie recht geärgert. Während der ganzen Predigt bin ich aufrecht stehen geblieben, damit sie meine prächtigen Kanten sehen mußte und die brillantenen Ohrringe. Einmal that ich, als wenn ich einen Brief läse, da ward sie feuerroth, sah gar nicht mehr her. (Lacht.) Sie muß auch geweint haben; denn sie hat immer das Tuch am Gesicht gehabt. (Lacht.) mochte).

79 Eduard (fast verdrießlich). Wenn der Onkel kommt — bitte ich — lachen Sie ja nicht viel! Sabine (bringt ihre Kleider in Ordnung). Schon recht! (Be­ sinnt sich eine Weile.) Aber weinen kann ich nicht. Eduard (verbeißt den Aerger). Das ist auch nicht nöthig. Sabine. Ich wüßte die Zeit nicht, daß ich geweint hätte! (Plötzlich.) Doch vor jwei Jahren — auf Weihnachten — da mußte ich recht weinen. Da hatte mein Papa meiner Mama viel mehr zum Weihnachten gegeben, als mir. Sonst ist mir es eben nicht vorgekommen. Eduard (dringend). Vom Gelde und vom Handel müssen Sie dem Onkel auch nichts sagen. Sabine. Nicht? Wovon denn? Eduard. Von — von — von der menschlichen Glückse­ ligkeit. Sabine. Aha! Schon recht. Eduard. Von der Liebe — Sabine. Nun ja! Eduard. Von guten Schriften und Gedichten. — Sabine. Für wen halten Sie mich denn? Ich werde schon alles machen, wie es sich gehört.

Zwölfter Auftritt. Vorige. Bartmann. Eduard. Herr Onkel — Sie — ich — di« Mademoi­ selle — zufällig höre ich — Bartm. Das ist die Mademoiselle Schab? Eduard. Ja! Sabine (einen Jtnir). Ganz ergebene Dienerin! Ich habe mir die Ehre gegeben, die Frau Drackenburg zu besuchen, 6 •

80 weil ich mir Muster zum Sticken von ihr ausbitten will. Meine Frau Muhme hat mich begleitet und geht noch vor dem Hause unter der Allee auf und nieder. Bartm. (bietet ihr Platz). Setzen Sie sich! Eduard (setzt dem Onkel einen Stuhl). Sabine (einen Knir). Nach Ihnen. Bartm. Sie kennen die Frau Drackcnburg — ? Sabine. Vom Markt her — Eduard (trocknet sich die Stirne). Bartm. Sie ist eine sehr brave Frau. Sabine. Sie hat wohl nicht- in Vermögen? Das ist recht schön, daß Sie sich so der Armen annehmen. (Wahrend Beide sich setzen, geht Eduard ängstlich hinaus.)

Dreizehnter Austritt. Sabine. artmann. Bartm. Sie — Sie sind, wie ich höre, ein recht flei­ ßiges Frauenzimmer — Sabine (steif). Ls geht an. So, so! Bartm. Müssen dem Herrn Vater von großem Nu­ tzen sein? Sabine. Ich habe die Augen überall. Bartm. Machen also dem Herrn Vater viele Freude? Sabine. Ich erspare ihm einen Diener. (Hastig.) Ein Stück falsch Geld erkenne ich, wenn ich eS nur ansehe. Bartm. Wenn man falsche Menschen auch so kennen könnte—! Sabine. DaS wäre gut! (Plötzlich.) Für die menschliche Glückseligkeit! Bartm. Haben Sie über diese wohl recht nachgedacht?

81 Sabine. Bewahre Gott! — Ich war jederzeit glücklich. Bartm. Das ist viel. DaS kann ich von mir nicht sagen. Sabine. Man hat doch niemals gehört, daß Sie wo zu kurz gekommen wären. Bartm. Bei Ihren vielen Arbeiten werden Sie aber wenig für das Vergnügen Ihrer Seele thun können? Sabine. Doch! Ich lese gewaltig, und kleide mich manchen Tag zweimal, wenn ich schon gar nicht ausgehe. Bartm. Was pflegen Sie zu lesen — ? Sabine. DaS Modejournal — Bartm. Ja nun — Sabine. Schnurren und Schwänke — Spieß Gei­ stergeschichten. — Papa liest den Student an der Plesse. Aber über die Fidibus haben wir alle miteinander recht ge­ lacht! Bartm. Das stelle ich mir vor. Sabine. Die Arienbücher von der Komödie weiß ich aus­ wendig. Bartm. Sie sind wohl nie traurig? Sabine. Ach ja! (Seufzt.) Sonntag- unter der Kirche, da ist ohnedies der Laden geschloffen. Da singe ich bewegliche Lieder: »Komm, Ritter, kehre bei mir ein!» und dergleichen — (Lacht.) Jetzt bin ich aber vergnügt — wegen — der Liebe. Bartm. Wahre Liebe beglückt allerdings! Sabine. O ja! Man kann dann auch gleich sein eigen Hauswesen haben. Eignen Handel und Gewinn, und — Bartm. Sie halten auf den Gewinn? Sabine (rasch). 2 ja! (Besinnt sich.) So, so! — (gleich giltlg ) Nur auS Kuriosität.

82

Bartm. Für den Herrn Vater sind Sie ein wahres Kleinod. Sabine (lacht). ES paffirt! Ich habe wohl oft den Papa abgehalten, wenn er so leicht was unternehmen will. Ich sage so: wenn man nicht gleich das Doppelte gewinnen kann, verlohnt es sich nicht der Mühe. Bartm. Sie sind also noch einmal so viel werth, als der Papa. Sabine. Mich gehorsamst zu bedanken. — Ja, es wird spät — (Steht auf.) Ich empfehle mich bestens. Haben Sie was an Papa zu bestellen? Bartm. Nein! Sabine. Ich meine nur — Papa würde es gerne sehen. Bartm. Ich habe mich gegen ihn bereits erklärt — Sabine. So empfehle ich mich in das geneigte Anden­ ken. Ich ästimire Sie al- einen klugen, großmüthigen Mann, der bei Hohen und Niedern in Ehre und Würden steht! Ma­ chen Sie doch mein Kompliment an die Frau Drackenburg! (Geht.) Bartm. Sie ist hübsch, aber doch zu dumm! Eduard muß Widerwillen an ihr haben. Nur ihr großes Vermögen kann ihn betäubt haben. Ich habe also nicht sein Herz zu be­ kämpfen , sondern seine Habsucht. Sein Betragen dabei — ist der Prüfstein, ob er meiner Sorge werth ist, oder nicht! —

Vierzehnter -Auftritt. Bartmanu. Frau Drackenburg. Fr. Drackb. Sie haben meiner Bitte nachgegeben, ha­ ben die Schab gesprochen. Werden Sie meine Zumuthung mir vergeben?

83 Bartm. Sie meinen es zum Besten Aller. Habe ich,

Friedrich zu Liebe, den Geheimerath gesehen, so mußte ich, Eduard zu gefallen, die Schab sehen. — Geduld mit der

Jugend, erwirbt dem Alter Geduld!

Das Leben ist ein

Tauschhandel.

Fr. Drackb. WaS denken Sie, daß mit der Angelegen­

heit Ihres Neffen Friedrich werden soll? BartM. (seufzt schwer, geht etliche Schritte). Darüber kann

ich mit mir nicht einig werden! Daß aber Eduard die Sabine nimmer heirathen muß, darüber bin ich einig. Fr. Drackb. Sie ist freilich —

Bartm. Aergerlich arg! (Er geht etliche Schritte, geht bann'

jit ihr.) Frau Drackenburg — binnen kurzem werden Sie ge­

wahren, daß ich — seltsam zu Werke gehe! — (Lacht.) Hal­ ten Sie mich dann nur nicht für närrisch! Fr. Drackb. Was Sie thun, — ist stets edel und gut. Bartm. Ich denke ja, wir sollen aus der Dunkelheit

in's Helle gerathen! (Er geht. An der Thür.) Dem Eduard antworten Sie nur, das Mädchen mißfalle mir ganz. Noch

mehr, als der Vater. (Er ist hinein.) Fr. Drackb. Was hat er im Sinne? Ich begreife nicht

— er sprach so sonderbar — zwischen Ernst und Lachen! Fünfzehnter Auftritt.

Fra« Drackenburg. Eduard.

Eduard (tritt erhitzt herein). Wissen Sie es — ? Fr. Drackb. Wie ich vorhergesehen, Mamsell Schab mißfällt dem Onkel, und — Eduard. Das ist jetzt wenig. Aber der Onkel will hei­ rathen.

84 Fr. Drackb. Sie scherzen — Eduard (lacht). Ich verzweifle!! Fr. Drackb. Der Onkel — heirathen — wen denn? Eduard. Das weiß ich nicht. Sie wissen es gewiß!

Sagen Sie es mir! Fr. Drackb. Nicht eine Silbe habe ich — Eduard. Ich bitte Sie um GotteS willen, verhindern Sie es! Fr. Drackb. (im Nachdenken). Freilich hat er eben ganz sonderbar gesprochen — Eduard (nun ganz außer sich). Ach, ach, ach! Es iss alles richtig; die Tante schreibt es mir eben, es ist eine Jnklinations-Heirath. Fr. Drackb. Ich begreife es nicht! Eduard (hin und her laufend). Wir flnd verloren, er ist verloren, ich bin verloren, alles ist verloren! Sechzehnter Auftritt. Vorige. Friedrich. Eduard (rennt auf ihn ZU, umfaßt und zieht ihn vor). Der-

Onkel heirathet. Friedrich (verwundert, aber ruhig). Der Onkel — Eduard. Ja, ja, ja! Herzensbruder, es ist ganz gewiß. Friedrich. Mir ist es nicht wahrscheinlich. Fr. Drackb. Ich halte es nicht für unmöglich; allein — Friedrich. Ist es — (herzlich) so gebe Gott eine Wahl,

die seine Tage beglückt! Eduard. Beglückt? Er ist unglücklich, ruinirt — todt! Die Ausgaben, die Jalousie, sein Atter — Bruder, es muß verhindert werden!

Friedrich (mit Feuer). In keinem Falle. Eduard. Ich habe auf allen Fall die Schab und die Tante; — aber du — Friedrich. Laß mir die Dankbarkeit den Onkel, keine Erbschaft. Eduard. Frau Drackenburg! Sie sind eine kluge Frau — wenn der Onkel heirathet — wo bleiben Sie, wo Ihre Ruhe, Ihr Gehalt, Ihre Zukunft? Hindern Sie die Heirath, so wollen wir Ihnen ein nettes Schicksalchen machen. Es soll Ihnen alles von uns unterschrieben werden. Wir wol­ len uns Ihnen verbürgen, Einer für den Andern, — ach Gott — und Alle für Einen! Fr. Drackb. Ich? Des wackern ManneS Glück hindern? Eduard. Unser Unglück, den Vertust — Friedrich. Aber wir haben doch etwas gelernt, und — Siebzehnter Auftritt

Vorige. Therese. Eduard. Schwester! Denk um Gotteswillen — der Onkel heirathet — Friedrich. Und Eduard verliert den Verstand darüber. Therese (nach kurzer Pause). Der Onkel ist im ungehinder­ ten Gebrauch der Seelenkräfte, welche aus dem Vergleich seines gegenwärtigen Zustandes mit einem andern und entge­ gengesetzten Zustande, das Resultat hervorbringen können, was ihm das geltende ist. Seine Vernunft hat entschieden; dieser folgt er, und daran thut er recht! Eduard. Ich bin im ungehinderten Gebrauch der Seetenkräfte, welche aus dem Vergleich eines ansehnlichen Ver­ mögen- mit der Armuth, das Resultat hervorbringen, waS

86 mir das geltende ist: daß ich nicht arm sein will, so lange ich es verhindern kann. Das ist meine Vernunft, der folge ich und daran thue ich recht. (Geht.) Gleich zur Tante! Friedrich (hält ihn ans). Keine Thorheit! Fr. Drackb. Es ist gleich ein Uhr — sollten Sie bei Tische fehlen, so würde es dem Onkel — Eduard. Ich kann weder essen, trinken, schlafen, wa­ chen, denken, leben noch sterben! — (($r gebt umher.) Friedrich. So laß uns für dich denken. — Soll ein Augenblick deiner fehlgeschlagenen Erwartungen, mit hartem Undank die Liebe des väterlichen Freundes vergelten? Eduard. Ich will ihn nicht betrüben; (herzlich) so wahr ich lebe, nicht! Ich will nur nichts verlieren! (Zn Thcresc.) So gebrauche doch deine ärgerliche Vernunft und hilf uns heraus! Therese. Zur List habe ich mich nie erniedrigt. Eduard. Dir geht nichts ab! Du hast zwei reiche Lieb­ haber, den Rath und Herrn Müller! Therese (erstaunt). Müller. ^Friedrich (lacht). Herr Müller!

Drackb. Unser alter Herr Müller? Eduard. Da ist nichts zu lachen. Müller hat dreißig tau­ send Thaler und will ihr alles vermachen! Nur zugegriffen,

ehe die Heirath des Onkels bekannt wird! Ist die erst bekannt, so treten alle Liebhaber zurück. Erkläre dich für Einen von Beiden — mache alles fest und gleich schriftlich! Therese. Daher die komische Wuth des alten Mannes gegen Ralling. Eduard. Mit Ralling ist es gar nichts. Der ist arm. Weise ihn ab!

Achtzehnter Auftritt. Vorige. Bartmann.

StUe (sind etwas verlegen). Bartm. (sieht sie an und lächelt,

dann zur Frau Drackenburg).

Wenn ich die Küchenordnung nicht störe — und dein Gericht nicht verderbe, liebe Therese — so möchte ich — da mir ver­ weile etwa- vorgefallen ist — daß heute eine Stunde später —• also um zwei Uhr gegessen würde. Fr. Drackb. Wie Sie befehlen. Therese. Ohne Anstand. Eduard. So — darf ich — gehorsamst bitten, noch einen Gang auszugehen. (Zwischen Lachen und Verlegenheit.) Ich bin oh nedies noch nicht vor der Thüre gewesen. (@r empfiehlt sich.) Bartm. Du wirst deine alte Bekannte, die Saling be­ suchen — Eduard. Nein, lieber Onkel — Bartm. So erzeige mir den Gefallen, sie zu besuchen. Lade sie in meinem Namen ein, mit unS zu essen und bringe sie daher! Eduard (erschrocken). Aber — Bartm. Sie ist mein Gast. Eduard (verlegen und lachend). Die Saling? Bartm. (ernst). Die Saling. Eduard. Der Herr Onkel haben zu befehlen. (Er geht nach der Seite.)

Bartm. Ei, Eduard — weißt du seit sechs Monat Ab­ wesenheit die Thüre nicht mehr zu finden? Dahin geht ja der Weg! Eduard. Es ist wahr! (Geht aus der Mitte. Eine Pause.)

88

Bartm. Wohl! — Aber — ihr scheint mir so fremd.— Was habt ihr denn? Friedrich (legt Bartmann's Hand an sein Herz). Den redlich­ sten Glückwunsch meine- Herzens! Bartm. Wozu? Friedrich. Gefallt eS Ihnen nicht, sich jetzt schon mitzutheilen — so ehre ich Ihre Gründe, wenn es mir auch wehe thut, daß Sie uns nicht vertrauen! Meine Empfindung für Sie ist stets dieselbe — und meine Wünsche für Ihr Glück sind aus der Fülle meines Herzens! (Gehe.) Therese. Meine kindliche Achtung und Liebe! (Sie küßt seine Hand.) Der Mutter, welche Sie uns zuführen wollen, der treueste Sinn für Ihr Glück, ohne welches für unS nmunvollkommene Zufriedenheit ist! (Geht.) Bartm. (die Hände in die Seite gestellt, sieht er ihr nach). Was? (Zu Frau Drackenburg, die er anfaßt.) Was soll das — was wollen die? Fr. Drackb. (mit Rührung). Herr Bartmann! Bartm. (dem etwas plötzlich beifällt). Aha? — (Er nimmt sich zusammen.) Ja so! Ist es das? Hm! (Gutlaunig.) Nun, nun! (Zu Frau Drackenburg, ernsthaft.) Sie wissen es also schon? Hm! — Ich bin zufrieden von den Kindern! (Gerührt.) Wahr­ haftig ! (Sieht nach der Thüre.) Eduard — (er geht etliche Schritte) der ist wohl vor Schreck ausgegangen? Nun — (Lächelt.) Die Sache verdient einen kleinen Schreck! Fr. Drackb. (herzlich). Sie thun, was Sie längst hät­ ten thun sollen. Bartm. (sieht sie an). Meinen Sie? (Faßt ihre Hand.) Bedanke mich! Fr. Drackb. (gerührt). Die Kinder werden Sie doch nicht verlassen, daS weiß ich.

89 Bartm. Verlassen? (Fest.) Nein! (Mit Laune.) Aber klei­ nere Theile wird es geben. (Geht umher.) Das ist nun nicht zu andern. (Er bleibt vor ihr stehen.) Sie fragen nicht, wen ich ins Herz geschlossen? Fr. Drackb. Weil ich gewohnt bin, daß Sie stets das Gute mit Wahl thun. Bartm. (sehr heiter). Was? Eine Frau und keine Neugier ? Fr. Drackb. Nun — ich will eS nicht läugnen — wenn es Ihnen gelegen wäre, und Sie wollten mir sagen, wer — Bartm. Da liegt eS eben! ES darf mir noch nicht ge­ legen sein. Fr. Drackb. So habe ich nicht gefragt. Bartm. Daß ich über alle Bedenken gerade weggehe, da ß ich heirathen will — darauf gebe ich Ihnen mein Wort! Seit einer Stunde achte ich mich als Bräutigam; heute noch ist meine Verlobung. Mit wem? DaS erklärt der Augenblick, wo Tugend, Schönheit und Jugend mir zur Seite stehen! (Er geht zur Seite.) — Schlag zwei llfrr essen wir! Fr. Drackb. Sehr wohl. (Geht nach der Mitte.)

Dierter Aufzug. (In Bartm ann's Hause.)

Erster Auftritt.

Bartmann ftyt, das Haupt auf der Hand gestützt, in unruhigem Hinnnd Herfinnen. Lienand steht ihm gegenüber und liest Briefe. Man fieht, daß der Inhalt ihm Besorgniß macht.

Bartm. Wer begreift eS mehr, als ich, daß die 83er-nünfteleien, die Anmaßungen meiner Nichte zu weit gehen? Aber verdiene ich deshalb diesen harten Brief deS Präsidenten?

89 Bartm. Verlassen? (Fest.) Nein! (Mit Laune.) Aber klei­ nere Theile wird es geben. (Geht umher.) Das ist nun nicht zu andern. (Er bleibt vor ihr stehen.) Sie fragen nicht, wen ich ins Herz geschlossen? Fr. Drackb. Weil ich gewohnt bin, daß Sie stets das Gute mit Wahl thun. Bartm. (sehr heiter). Was? Eine Frau und keine Neugier ? Fr. Drackb. Nun — ich will eS nicht läugnen — wenn es Ihnen gelegen wäre, und Sie wollten mir sagen, wer — Bartm. Da liegt eS eben! ES darf mir noch nicht ge­ legen sein. Fr. Drackb. So habe ich nicht gefragt. Bartm. Daß ich über alle Bedenken gerade weggehe, da ß ich heirathen will — darauf gebe ich Ihnen mein Wort! Seit einer Stunde achte ich mich als Bräutigam; heute noch ist meine Verlobung. Mit wem? DaS erklärt der Augenblick, wo Tugend, Schönheit und Jugend mir zur Seite stehen! (Er geht zur Seite.) — Schlag zwei llfrr essen wir! Fr. Drackb. Sehr wohl. (Geht nach der Mitte.)

Dierter Aufzug. (In Bartm ann's Hause.)

Erster Auftritt.

Bartmann ftyt, das Haupt auf der Hand gestützt, in unruhigem Hinnnd Herfinnen. Lienand steht ihm gegenüber und liest Briefe. Man fieht, daß der Inhalt ihm Besorgniß macht.

Bartm. Wer begreift eS mehr, als ich, daß die 83er-nünfteleien, die Anmaßungen meiner Nichte zu weit gehen? Aber verdiene ich deshalb diesen harten Brief deS Präsidenten?

90

Lienand. Sie wissen, daß er, die Ripping und Schab in einem Aktienwesen verwickelt sind — Bartm. Der bösen Tante zu gefallen, weiset man Fried­ rich, der um eine Mittelstelle sich bewirbt, bei all seinem Ta­ lent und sittlichem Verdienst mit Bitterkeit ab? Das thut mir weh! — WaS mich aber auS der Fassung bringt, ist das Spottgedicht auf Theresen. Lienand. Vielleicht thut der widrige Umstand heilsame Wirkung auf Theresen. Bartm. Ist ein Mädchen lächerlich gemacht, so ist ihre Bahn vernichtet. — Mein armer Friedrich!

Zweiter Auftritt Vorige. Frau Drackenburg. Fr. Drackb. (einen Teller mit einer Taffe und etwas Weißbrot tragend). Da Ihre Eßstunde verschoben ist — nehmen Sie, denke ich, eine Stärkung. Bartm. (zu Lienand). Der Mensch kommt um alles, um die Stelle und um das Mädchen! (Geht umher.) Es ist arg! Lienand. Die Heirath haben Sie ja nicht gewollt! Bartm. Und wollte ich nun nachgeben, so ist es ja der Geheimerath und sein Anhang, die nicht wollen. Lienand. Offenherzig, Herr Bartmann — Ihre Heirath — die ich gewiß herzlich billige, macht doch in der Lage Ihrer Neffen, für gewisse Leute bedeutende Aenderungen. Bartm. Die Leute, bei welchen meine Heirath eine Aenderung macht, — sind nicht die rechten Leute! Fr. Drackb. Wenn Sie nur die Sache Ihrer Neffen minder schnell angreifen wollten! — Bartm. Wie lange lebe ich denn noch? — Wo die Bö­ sen eilen, müssen ehrliche Leute nicht zaudern.

Fr. Drackb. Allerdings! Daß es gerade heute — Bartm. Gerade heute! Viele Jahre AuSsaat sind wil­ lig hingegeben. Die Leute sind da, die Früchte sind überreif, ich will die Ernte einziehen. Auch Therese muß sich entscheiden. Fr. Drackb. Sie ist unruhig — fast betrübt — Bartm. Es ist Zeit, daß sie mir ihr Herz gewahr wer­ den läßt. Lienand (zu Frau Drackenburg). Bewirken Sie mir eine Unterredung mit ihr!

Fr. Drackb.

(bejaht cs. und indem sie die von Herrn Bartmann

Solche Dinge kann ich nur anbie­ ten — aber Sie versagen sich alles! Bartm. Heur' ist mir damit nicht geholfen, gute Fran! Reden Sie mit Therese — ich antworte derweilen dem Präsi­ denten. Ueber den Schab und die Ripping will ich endlich allenfalls lachen. (Geht.) Fr. Drackb. Der gute Mann! — Wenn er nur diesen Tag nicht mit seiner Ruhe bezahlen muß! (Geht.) Lienand. Ich hoffe jetzt alles für mich! DeS OnketS Heirath trübt Theresens Zukunft. Sie hat mir weit eher Zuneigung, als Abneigung bewiesen. Ralling's Zuversicht hat ihre Eitelkeit gekränkt. Meine innige Ergebenheit kann sie nicht in Zweifel ziehen, da ich mich in diesem Augenblick dar­ biete, wo das Glück ihr von so mancher Seite treulos er­ scheint. unberührte Tasse wegnimmt).

Dritter Austritt. Lienand. Therese. Therese. Der Onkel ist unruhig, er scheint sogar be­ kümmert. Er hat Briefe empfangen; diese Briefe sind au6 der Stadt —

92 Lienand. Er sieht darin sich verkannt und die Seinen — Therese (theilnehmend). Friedrich ist sehr gebeugt. Sein Schicksal beschäftigt mich. Lienand. Ihm ist alles vereitelt, was Ehre und Liebe zu wünschen haben. Therese. Seine schwärmerische Liebe wird ihn vernich­ ten! — (Fest.) Es muß etwas für ihn geschehen. Lienand. Was meine Verwendung vermögen kann — will ich redlich thun. Schenken Sie mir daS schöne Recht, diese in Ausübung zu bringen! Sie bedürfen eines Beschü­ tzers, nehmen Sie den redlichen Freund dafür an! Therese. ES —liegt etwas in der Beschützung, was ich mir nicht erlauben kann zu benutzen. Lienand. Mademoiselle, Sie kennen Ihre Lage nicht! Therese. Das glaube ich doch. Lienand (vom Gefühl hingerissen). Fühlen Sie, was ich und der Onkel bei Dingen dieser Art leiden müssen! (Gibt ihr ein Papier.) Therese (sieht es an). Ein Spottgedicht auf mich? (Lächelt.) Raisonnement oder Spott ist der Geist der Zeit. Lienand. Der Onkel liebt Sie — er wird alt— er sieht Sie allein — Therese. Ich habe Sinn für Freundschaft. Schutz — verwerfe ich, denn ich fühle Kraft zum Widerstande. Lienand. DaS heißt — Sie verwerfen mich! Therese. Meine Lage ist der Ihrigen nicht mehr gleich. Lienand. WaS Sie Gleichheit der Lage benennen —ist Liebe für Ralling! Therese. In diesem Augenblicke habe ich nicht an ihn gedacht. (Lebhaft.) Ueberhaupt bin ich jetzt nicht mit mir be-

93 schäftigt. Bei allem, waS mit uns vorgegangen ist und ver­ gehen soll, wird nur Friedrich unglücklich. Seine Hingebung macht ihn jum Opfer; und daS gebe ich nicht zu.

Lieuaud. Es ist der Gehrimerath,

der weigert, nicht

mehr Ihr Onkel! Therese (mit Feuer). Nicht der Onkel?

Lienand. Nein. Da aber der Geheimerath —

Therese. Kann ich die Sinnesänderung des OnkelS mei­ nem Bruder melden? Lienand. Ganz gewiß!

Therese. Ich danke Ihnen für daS Geschenk, und werde es nie vergessen! (Sie geht entschlossen und schnell fort.) Lienand. WaS will sie?

Was

kann damit erreicht

werden?

Vierter Auftritt. Lienand. Ralling. Ralling (sieht zur Thür herein). Ist Herr Bartmann nicht

hier? Lienand. Was ist vorgefallen — ?

Ralling (rasch). Nicht viel Kluges. Laß sehen, ob eS bes­

ser zu machen ist.

Fünfter

Auftritt.

Vorige. Bartmann. Bartm. (zu Ralling). Sie haben nach mir gefragt, Herr

Ralling? —

Ralling (mit Leben und Laune).

Glückwunsch zu Ihrer Heirath — Bartm. Den nehme ich an.

XX.

Freilich! Erstens meinen

94 Ralling. Außerdem, die Bitte, meine Vermittelung zu Friedrich'- Heirath anzunehmen. Sie wollen sie doch? Ja, Vater Bartmann, Sie müssen Friedrich'- Glück wollen. Bartm. Das weiß Gott! Aber der Geheimerath — Lienand. Da wird schwerlich etwa- zu thun sein, fürchte ich. Ralling. Daß doch di« gescheiten Leute am ersten die rechte Straße verlieren! Lienand. Wissen Sie darauf zu führen? Ralling. Topp! Ich führe. Wollen die Herren folgen?

Sechster Auftritt. Vorig«. Friedrich. Friedrich (,u Bartmann). Lieber Onkel, Therese hat mir Ihren liebevollen Willen zu meinem Glück erklärt — Bartm. Ich bi» dir Vergeltung schuldig. Du hast dich zu wenig in Rechnung gebracht. — Friedrich. Liebevoller Vater! Was soll ich auf Ihre Güte antworten! Was kann ich thun — Ralling. Kourage behalten. Bartm. Ralling! Haben Sie einen Plan, der zu ftü nem Glücke führt? Ralling. Der feste Wille, daß eine Sache sein muß, ist der beste Plan. UebrigenS habe ich ein Subjekt vor diesem Hause herumwandeln und hereinlauern sehen, dessen habe ich mich bemächtigt, und ihn jart eingeführt. Bartm. Wer ist es? Ralling. Namen geben Vorurtheil. Erlassen Sie mir die Präsentirung und ertauben Sie mir etwas Geld zu ver­ wenden. Ich will nicht- verschwenden.

Bartm. Keine Uebertistung! Ralling. Geraden Weg! Auf dem Wege suche ich mein eigenes Glück; Sie sollen nicht schlechter bedient werden.

Siebenter Auftritt. Vorige. Müller. Müller. Hähähä! Ist denn des Herrn Prinzipals Heirath dergestalt nahe, daß schon der Küster gerufen wird? Ralling. Küster Grellau will Sie sprechen. Ich habe ihn eingeführt. Bartm. Den Augenblick soll er sich fortpacken, oder — Ralling. Fünf Minuten muß ich ihn sprechen. (Zu Herrn Müller.) Er soll mich bekehren. Müller (grämlich). Da ist Hopfen und Malz verloren. Friedrich (zu Vartmann). Lassen Sie ihn gewähren. Müller (zu Bartmann). Vom Sekretär und der Mamsell ist doch nicht die Rede? Bartm. Noch zur Zeit — von Niemand! Müller. So lasse ich mir eS gefallen. (Geht.) Lienand (zu Ralling). Sie scheinen Ihrer Sache sehr gewiß! Bartm. Ich bin etwas — verdrießlich geworden. Führt Ihr heiterer Sinn an daS Ziel — so rechnen Sie auf unsern Dank! (Geht.) Lienand. Auch auf den meinen — waS er mich auch ko­ sten mag ! (Folgt mit Friedrich.) Ralling. Glück! Sei mir günstig! Nach deinen Schä­ tzen grabe ich nicht. Aber daS Mädchen will ich besitzen, und ich denke ja, ich bin auf dem Wege, der dazu führen kann.

96

Ächter

Auftritt.

Ralling. Küster Grcllau.

Grellan. Da warte ich, und — am Ende ist Herr Bart­ mann nicht einmal hier? Ralling. Ich stell« ihn vor. Grella». Nicht füglich. Mit Ihnen habe ich es nicht vor. Ralling. Aber ich mit Ihnen. Holde Seele, nehmen Sie mit mir vorlieb. Ich verstehe allenfalls Spaß, — aber der alte Herr nicht. Grellau (ärgerlich). Ei — ich bin so spaßhaft nicht! Ralling (schlägt ihn derb auf die Schulter). Und doch ver­ dammt possirlich! Grellau (aufgebläht). Dergleichen Reden — Ralling. Manierlich, o du, mein Küster! sonst fährst du erbärmlich. — Mein Thema lautet: —»Sie sind ein Spitz­ bube!» Grellau (drohend). Herr Sekretarius! (Faßt sich.) — Nun — man gebraucht das Wort auch in der Naivität, so — gegen Lieblinge. Sonst — Ralling. Der erste Theil handelt von Ihrem bösen Ge­ wissen, was Sie daher führt — Grellau (altenrt). Ich bin ein Mann in Amt und — Ralling. Ohne Würden. Der zweite Theil handelt, wie Sie aus Angst Ihre albernen Streiche gut machen, aber doch noch davon gewinnen möchten. Die Applikation soll fest­ setzen, wie Sie wirklich noch etwas gewinnen können, wenn Sie der guten Sache ehrlich dienen wollen; oder — (fest) wie Sie der Teufel holt, wenn Sie unS betrügen !

@teU