Tacitus: Historien 3520299038, 9783520299031, 9783520299918

Mit großer Ausdruckskraft berichten die »Historien« von den blutigen Ereignissen des Dreikaiserjahrs, die das römische I

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German Pages 368 [369] Year 2018

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Kurzbeschreibung
Herausgeber
Titelblatt
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Einleitung in die Historien des Tacitus
TACITUS Historien
Erstes Buch
Zweites Buch
Drittes Buch
Viertes Buch
Fünftes Buch
Anhang
Anmerkungen
Zeittafel
Aufbau der Historien
Stammtafeln
Register
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Tacitus: Historien
 3520299038, 9783520299031, 9783520299918

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KRÖNERS TASCHENAUSGABE BAND 299

Mit großer Ausdruckskraft berichten die Historien von den blutigen Ereignissen des Dreikaiserjahrs, die das römische Impe­rium an den Rand des Abgrunds brachten. In einem unvergleichlich dichten, pointierten, oft ironischen Stil wird die Atmosphäre des Bürgerkriegs und der Diktatur vergegenwärtigt, die Entfesselung unkontrollierbarer Kräfte, die in Zeiten mangelnder Sicherheit aus einem Kollektiv hervorbrechen. Aus jeder Zeile spricht dabei die intime Kenntnis der Epoche, die Tacitus in politisch höchst bewegten Zeiten erworben hatte. Die Übersetzung von Walther Sontheimer (1959) wurde von Meinolf Vielberg behutsam modernisiert, den Text hat er neu eingeleitet und die Anmerkungen aktualisiert. Meinolf Vielberg, Lehrstuhl für Klassische Philologie (Latinistik) an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Sprecher des Graduiertenkollegs 344 »Leitbilder der Spätantike« 2001–08, Gastprofessor HU Berlin (1993), Oxford (2010, 2014), Szeged (2011, 2016), Zürich (2016), ord. Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt.

Tacitus

Historien Deutsche Gesamtausgabe *

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Übersetzt und mit Anmerkungen von Walther Sontheimer Herausgegeben und mit einer neuen Einleitung versehen von Meinolf Vielberg

Dritte, vollständig überarbeitete Auflage

ALFRED KRÖNER VERLAG STUTTGART

Tacitus Historien Übersetzt und mit Anmerkungen von Walther Sontheimer Herausgegeben und mit einer neuen Einleitung versehen von Meinolf Vielberg Dritte, vollständig überarbeitete Auflage Stuttgart: Kröner 2018 (Kröners Taschenausgabe; Band 299) ISBN Druck: 978-3-520-29903-1 ISBN E-Book: 978-3-520-29991-8

Unser gesamtes lieferbares Programm sowie viele weitere Informationen finden Sie unter www.kroener-verlag.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung, die nicht ausdrücklich vom Ur­he­ber­ rechts­gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bear­bei­ tungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Denis Krnajić, www.adenis.de

© 2018 by Alfred Kröner Verlag, Stuttgart Datenkonvertierung E-Book: Alfred Kröner Verlag, Stuttgart

Inhalt Einleitung in die Historien des Tacitus . . . . . . . . . . . . . . . VII TACITUS: Historien Erstes Buch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Zweites Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Drittes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Viertes Buch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Fünftes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Zeittafel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Aufbau der Historien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Stammtafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

Einleitung in die Historien des Tacitus Tacitus wurde um 55 n. Chr. als Sohn eines römischen Ritters und Finanzverwalters der Provinz Gallia Belgica geboren. Über seine Mutter ist nichts bekannt. Im Jahre 77 n. Chr. heiratete er die Tochter des Cn. Iulius Agricola, der damals Gouverneur von Britannien wurde, und der Domitia Decidiana, die aus einer angesehenen Adelsfamilie stammte. Unter den Kaisern Vespasian und Titus schlug Tacitus eine sehr erfolgreiche politische Laufbahn ein und war als Prätor und Mitglied des Priesterkollegiums der quindecimviri sacris faciundis (Fünfzehnmänner zur Durchführung von Opfern) 88 n. Chr. an den Säkularfeiern unter Domitian beteiligt. Mit einem militärischen Kommando betraut, verbrachte Tacitus die Jahre zwischen 90 und 93 n. Chr. außerhalb von Rom und war daher beim Tode seines Schwiegervaters 93 n. Chr. nicht zugegen. Nach Domitians Sturz wurde er im Jahre 97 n. Chr. für kurze Zeit Konsul und hielt als angesehener Redner die Grabrede auf L. Verginius Rufus, der das Amt des Konsuls dreimal innegehabt hatte. Mit Ablauf der damals üblichen Frist von etwa 15 Jahren wurde Tacitus 112 oder 113 n. Chr. Statthalter der bedeutenden und traditionell von Senatoren verwalteten Provinz Asia. Sein Todesjahr ist unbekannt und fällt wohl in die Herrschaft Hadrians (ab 117 n. Chr.). Als so unspektakulär wie das Leben des römischen Geschichtsschreibers, dessen voller Name wahrscheinlich Publius Cornelius Tacitus war, könnte dem oberflächlichen Betrachter auch sein literarisches Werk erscheinen. Erst mit Ende der flavischen Ära brach der Schweigsame sein Schweigen. Unter Trajan veröffentlichte Tacitus 98 die historische Biographie Agricola (De vita Iulii Agricolae) über das Leben des Militärgouverneurs von Britannien. Vielleicht noch im selben Jahr erschien seine ethnographische Schrift Germania (De origine et situ Germanorum liber). Es ist allgemeine Überzeugung, dass zu den sogenannten ›Kleinen Schriften‹ des Tacitus auch der

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anonym überlieferte Rednerdialog (Dialogus de oratoribus) gehört. Der Rednerdialog, der um das Jahr 102 publiziert wurde, sucht den Verfall der römischen Beredsamkeit alternativ aus dem veränderten Publikumsgeschmack, aus dem Versagen der Erziehung oder aus dem Verfassungswandel von der Republik zur Monarchie zu erklären. Damals arbeitete Tacitus schon an den Historien (Historiarum libri), auf die der jüngere Plinius mehrfach in seinen Briefen eingeht. Die Historien haben das Vierkaiserjahr und das Schicksal der flavischen Regenten bis zur Ermordung Domitians zum Gegenstand, d.h. den Zeitraum von 69 bis 96 n. Chr. Doch sind von der Darstellung der flavischen Ära nur die Bücher 1–4 und der Anfang des 5. Buchs bis zur Belagerung Jerusalems durch Titus im Jahre 70 n. Chr. erhalten. In den Historien bekundet Tacitus die Absicht, die Herrschaft Trajans darzustellen (hist. 1,1,4), wandte sich später aber nicht der Zeitgeschichte, sondern der Darstellung der Anfänge der Kaiserzeit zu. Seine Annalen schildern die Geschichte der julisch-claudischen Dynastie vom Tode des Augustus im Jahre 14 n. Chr. bis zum Ende Neros 68 n. Chr. Aus dem Anfangspunkt erklärt sich der in den Handschriften überlieferte Titel Ab excessu Divi Augusti. Auch das letzte Geschichtswerk, an dem Tacitus bis in die Zeit Hadrians gearbeitet haben könnte, ist fragmentarisch überliefert. In der ersten Hexade wird die Herrschaft des Kaisers Tiberius dargestellt. Aus der zweiten und dritten Hexade des nach Angaben des Kirchenvaters Hieronymus auf 30 Bücher angelegten historischen Gesamtwerks, von dem 12 Bücher (bzw. 14) auf die Historien und 18 Bücher (bzw. 16) auf die Annalen entfallen sein könnten, sind von der Regierungszeit des Claudius die Bücher 11–12 und über Neros Herrschaft die Bücher 13–16 überliefert. Die Reden des Tacitus, von denen er eine auch mit dem jüngeren Plinius im S­ trafprozess gegen Baebius Massa hielt, als der korrupte Statthalter im Jahre 100 n. Chr. wegen Erpressung der Bewohner der Provinz Africa vor Gericht stand, sind ebenso verloren wie die Briefe, die er mit dem befreundeten Konsular wechselte. In Antike und Mittelalter hatte Tacitus, von Zitaten und Reminiszenzen bei Sulpicius Severus, Orosius und anderen vor

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allem spätantiken Autoren einmal abgesehen, eine eher geringe Wirkung, die sich auch daraus erklärt, dass die Überlieferung seiner Werke, mit je einem mittelalterlichen Kodex, an einem seidenen Faden hing. In der Moderne hatte er nach seiner Wiederentdeckung durch italienische Humanisten dagegen eine Wirkung, die man nur als elektrisierend bezeichnen kann. Der Humanist Justus Lipsius bekundete in seinem Annalenkommentar von 1581, Tacitus biete »gleichsam ein Szenarium des heutigen Lebens« (velut theatrum hodiernae vitae), und begründete mit seinem kurz Politica genannten Traktat den sogenannten ›Tacitismus‹, der zwischen 1570 und 1670 das intellektuelle Leben in Europa bestimmte. An der Stelle von Cicero avancierte nun Tacitus zum Vorbild des lateinischen Stils und wurde, als Macchiavelli auf dem Index stand und als Bezugsgröße der Politiktheorie daher praktisch nicht mehr genutzt werden konnte, in den Spielarten des tacitismo nero und tacitismo rosso ebenso von republikanischen Denkern wie von den Theoretikern des Absolutismus als Lehrer der politischen Weisheit (prudentia civilis) in Anspruch genommen. Der Aufklärer Georg Christoph Lichtenberg dokumentiert in den Sudelbüchern (entst. ab 1764) seine Wertschätzung für den römischen Historiker, dessen Weisheit sich dem Leser erst mit wachsender Lebenserfahrung erschließe: Ein sicheres Zeichen von einem guten Buch ist, wenn es einem immer besser gefällt, je älter man wird. Ein junger Mensch von Achtzehn, der sagen wollte, sagen dürfte und vornehmlich sagen könnte, was er empfindet, würde von Tacitus etwa folgendes Urteil fällen: Tacitus ist ein schwerer Schriftsteller, der gute Charaktere zeichnet und vortrefflich zuweilen malt, allein er affektiert Dunkelheit und kommt oft mit Anmerkungen in die Erzählung der Begebenheiten herein, die nicht viel erläutern, man muß viel Latein wissen, um ihn zu verstehen. Im Fünfundzwanzigsten vielleicht, vorausgesetzt, daß er mehr getan hat als gelesen, wird er sagen: Tacitus ist der dunkle Schriftsteller nicht, für den ich ihn ehemals gehalten, ich finde aber, daß Latein nicht das einzige ist, was man wissen muß, um ihn zu verstehen, man muß sehr viel selbst mitbringen. Und im Vierzigsten, wenn er die Welt hat kennenlernen, wird

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er vielleicht sagen: Tacitus ist einer der ersten Schriftsteller, die je gelebt haben.1

Der Dichter Robert Graves hatte an den Materialschlachten des Ersten Weltkriegs teilgenommen und war zunächst als war poet bekannt geworden, bevor er zum berühmtesten englischen Liebeslyriker des 20. Jahrhunderts wurde. Das Geld für seine Dichterexistenz verdiente er sich mit dem Schreiben historischer Romane. Sein Bestseller I, Claudius (1934) beruht auf der Darstellung des julisch-claudischen Kaiserhauses durch Tacitus. Nach Art von Shakespeares Königsdramen wurden die ›Memoiren des Kaisers Claudius‹ von der BBC verfilmt und waren eine der erfolgreichsten Fernsehserien im England der 1970er Jahre. Wie erklärt sich die Anziehungskraft, die Tacitus von der Renaissance bis in die Aufklärung auf Europas geistige Elite ausübte? Wieso konnte ein historischer Roman, der die Annalen des Tacitus literarisch verarbeitet, im 20. Jahrhundert zum Bestseller werden und durch die Verfilmung der BBC eine zusätzliche Breitenwirkung erzielen? Wer diese Fragen beantworten will, sieht sich zum einen auf das literarische Profil der Historien, aber auch auf die geistige Physiognomie ihres Autors verwiesen. Die Historien haben als historischer Sachtext und literarisches Oeuvre ein doppeltes Antlitz, und der doppelte Anspruch, der sich mit der historischen und literarischen Natur des Werks verbindet, führt seinen Autor hier und da in Zielkonflikte. Daher begegnen uns innere Widersprüche in der Geschichtserzählung und Antinomien im Denken des Geschichtsschreibers. Als historischer Text dienen die Historien der Konstruktion und Abbildung der geschichtlichen Wirklichkeit. Dazu gehören die Darstellung der Konstellation der politischen Akteure und der Triebkräfte des historischen Geschehens, die Situierung ihres Wirkens in Raum und Zeit sowie die Perspektivierung des sich daraus entwickelnden Geschichtsverlaufs, die sich aus der Ausrichtung auf Vespasian als Begründer des flavischen Kaiserhauses und dessen Söhne Titus und Domitian 1 G. Chr. Lichtenberg: Aphorismen, Essays, Briefe, hg. von K. Batt, Stuttgart 1992, 144–145.

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ergibt. Auf literarischer Ebene scheinen sich dieselben Fragen nach der kunstvollen Gestaltung der historischen Erzählung und der Darstellung von Raum und Zeit zu stellen. So geht es um die Beschreibung von Personen und Kollektiven und ihres Handelns, von daraus resultierenden Geschehensverläufen und des Wirkens natürlicher und übernatürlicher Kräfte in der Geschichte. Die künstlerischen Probleme, die sich dabei ergeben, verlangen aber literarische Lösungen, und die literarischen Lösungen, die von Tacitus gefunden werden, beruhen weniger auf historischen Einsichten als auf rhetorischen und ästhetischen Maximen und Prinzipien der Erzähltechnik. Tacitus entwirft nach dem Urteil römischer Aristokraten, die seine primären Adressaten waren,2 die Meistererzählung der frühkaiserzeitlichen Geschichte, indem er seine Historien auf die Darstellung der Grundlagen römischer Herrschaft und des Imperium Romanum konzentriert, in seiner Darstellung systematisch Mythen der augusteischen und flavischen Propaganda widerlegt und seine Leser so mit der Trennung von Schein und Sein über Gefahren aufklärt, die Rom von den Germanen oder Parthern drohen mochten. Wesentlich für die wirkungsvolle Gestaltung des historischen Narrativs sind die Erzählstrategien des Geschichtsschreibers, aber auch seine Vorstellungen von den politischen Triebkräften und Akteuren des Geschehens, sein Verständnis der individual- und massenpsychologischen Voraussetzungen ihres Handelns, seine Konzeption der Raumund Zeitstrukturen sowie seine corpus-imperii-Theorie, als das diese und andere Faktoren verbindende Element, d.h. das auch von anderen Geschichtsdenkern geteilte Verständnis vom römischen Reich als eines lebenden Organismus. Tacitus berichtet als auktorialer Ich-Erzähler, der am Geschehen, wenngleich aus einiger Entfernung, beteiligt und davon betroffen ist. Dabei spielt es keine Rolle, woher die Gefahren für das römische Reich und seine Bewohner kommen, ob von äußeren Feinden, wie den Germanen, oder von inneren Bedrohungen durch Bürgerkriege, die scheinbar auch von göttlichen 2 Plin. epist. 7,33,1: … auguror nec me fallit augurium tuas historias immortales futuras …

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Mächten zur Bestrafung der Römer genutzt werden können (hist. 1,4,2: non esse curae dis securitatem, esse ultionem). Die Perspektive des Erzählers ist allwissend und universal. Das entspricht der Perspektive eines Magistrats in der römischen Hauptstadt, bei dem die politischen Fäden aus dem gesamten Reich zusammenlaufen und damit auch alle Informationskanäle, so dass sich der jeweils zuständige Beamte ein Gesamtbild von der politischen Lage machen kann. Nach programmatischen Äußerungen des Tacitus in den Proömien zu urteilen, ist seine Erzählhaltung grundsätzlich neutral. Das kommt in dem Sprichwort gewordenen sine ira et studio zum Ausdruck (ann.  1,1). Der Historiker lässt sich weder durch frühere Vergünstigungen regierender Kaiser zu Parteilichkeit verführen, noch schreibt er in blindem Hass, weil er von einem Regenten zuvor geschädigt wurde. Tacitus ist der historischen Wahrheit verpflichtet. Er eruiert und erinnert, was sich mit Sicherheit oder doch mit größter Wahrscheinlichkeit ermitteln lässt. Diese Verpflichtung zur Objektivität enthebt ihn dabei nicht des Urteils und der Stellungnahme zum historischen Geschehen und zu den verantwortlichen Akteuren.3 Tatsächlich enthält sich Tacitus weder des Urteils über den politischen Niedergang Roms noch, aus konservativer Sicht, der Klage über den Verfall der Sitten und die maßlose Unterwürfigkeit seiner Standesgenossen gegenüber wechselnden Machthabern. Vielmehr äußert er sich selbst dann kritisch über Protagonisten des historischen Geschehens, wenn er Widerspruch und Sanktionen von noch lebenden Mitgliedern ihrer Familien zu erwarten hat. Entwi­ ckelt der Geschichtsschreiber eine Phänomenologie autokratischer Schreckensherrschaft, gewinnen ironisch-sarkastische Töne die Oberhand. Werden dagegen die schlimmen Konsequenzen des Bürgerkriegs für die unschuldige Zivilbevölkerung geschildert, wird der Erzählton der Historien zunehmend elegisch-melancholisch, als handle es sich um tragische Geschichtsschreibung oder einen historischen Roman. 3 Vgl. K. Heldmann: Sine ira et studio, Das Subjektivitätsprinzip der römischen Geschichtsschreibung und das Selbstverständnis antiker Historiker, München 2011.



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Tacitus unterscheidet zwischen den Kaisern, Kronprätendenten und führenden Generälen als individuellen Akteuren und Bevölkerungsgruppen und Heeren als kollektiven Trägern des historischen Geschehens. Heere können als Kollektive von den Kaisern und ihren kommandierenden Generälen kontrolliert werden, ihrer Kontrolle aber auch entgleiten. Die wichtigsten kollektiven Akteure befinden sich an den Grenzen, wo die römische Macht mit konkurrierenden Mächten zusammenstößt, in Syrien und Judäa mit den Parthern und in den Rhein- und Donauprovinzen mit den Germanen. Kaiser und Kaisermacher beurteilt Tacitus nach Kriterien wie Herkunft, Alter, Kraft, Intelligenz, Geld- und Machtmittel, im Hinblick auf die Frage, ob sie zur Herrschaft befähigt, d.h. capax imperii, sind. Diese Unterscheidungsmerkmale liegen den Nekrologen zugrunde, die in der antiken Geschichtsschreibung und in den Historien des Tacitus (Galba: hist. 1,49,2–4; Otho: 2,50,1; Vitellius: 3,86,1–2) verwendet werden, worüber schon der ältere Seneca, wie folgt, berichtet hatte (suas. 6,21): Jedesmal wenn der Tod eines bedeutenden Mannes von den Historikern berichtet wird, geben sie fast immer eine kurze Zusammenfassung seines ganzen Lebens und halten gleichsam seine Leichenrede. Diese literarische Technik wurde, nachdem sich Thukydides ihrer ein- oder zweimal bedient hatte, von Sallust nur bei sehr wenigen Personen angewandt, doch Livius war so frei, sie bei allen bedeutenden Männern zu verwenden. Die späteren Historiker sind damit noch weit großzügiger verfahren.

Die Beurteilungskriterien, zu denen Familie und Abstammung (ortus), Ehre und Ruhm (gloria), Besitz (bona), politische und militärische Leistungsfähigkeit (virtus), wirklich vollbrachte Leis­tungen (facta), Freunde und Helfer (amici), die gut oder schlecht gewählt, aber auch gekauft sein können, Verstand und Unverstand (prudentia – imprudentia) sowie Untätigkeit und Energie (segnitia – industria) gehören, werden von Tacitus und vor ihm von Plutarch nach zwei übergeordneten Persönlichkeitskriterien unterschieden, nämlich der natürlichen Anlage (ingenium), die der Physis entspricht, und habituell geworde-

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nen Eigenschaften (mores), die, aus bewusster Rücksichtnahme auf politische Zwänge erwachsen, das Wesen und die wirklichen Motive einer Person verschleiern und so zur Komposition komplexer historischer Porträts genutzt werden können, wie des Porträts des Kaisers Tiberius (ann. 6,51).4 Auf diese Weise entsteht eine eindrucksvolle Porträtgalerie der kaiserlichen Protagonisten und ihrer höfischen Entourage, die in ihren Charakteren nicht immer eindeutig, sondern vielfach gebrochen und ambivalent sind. In staatstheoretischen und rechtsgeschichtlichen Exkursen, die die Entwicklung der römischen Staatlichkeit und ihrer Gesetzgebung seit dem Ende der Republik darstellen und besonders die durch kaiserlichen Einfluss bedingten Veränderungen zum Schlechteren beschreiben, kommt Tacitus wiederholt auf grundlegende Motive menschlichen Tuns zu sprechen. Diese Beweggründe fixiert er in Maximen und infiniten Sentenzen und deutet damit ihre Ursächlichkeit und universale Geltung an.5 Wie vor ihm Thukydides, Poseidonios und Sallust erblickt Tacitus in der cupido potentiae, dem bedingungslosen Streben nach uneingeschränkter Macht, das ursprüngliche Movens menschlichen Handelns im Allgemeinen und der Geschichte des römischen Reiches im Besonderen, ein Streben, das, wenn es nicht kontrolliert wird, selbstzerstörerische Kräfte freisetzt (hist. 2,38,1). Denn die davon beherrschten Gemeinwesen und Staatengruppen wachsen zwar womöglich, befinden sich aber nie in einem Zustand des Gleichgewichts, sondern ermangeln, von Habsucht getrieben, selbst dann des Äquilibriums, wenn unverdorbene Kräfte aus der Provinz die korrumpierten Eliten im Zentrum der Macht ersetzen (ann. 3,55,3). Solange Rom nicht zur unbeschränkten Hegemonialmacht im Mittelmeerraum aufgestiegen war, sondern von Karthago in Schach gehalten wurde, wirkten sich die destruktiven Kräfte des allgemeinen Machtstrebens nicht auf das Innere des Staatswesens aus. Aber seit dem Niedergang Karthagos in den Punischen Kriegen und dem Fall des 4 Vgl. M. Vielberg: »Tacitus als Psychologe«, in: Antike und Abendland 46 (2000), 173–189. 5 Vgl. R. Kirchner: Sentenzen im Werk des Tacitus, Stuttgart 2001.



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letzten ernstzunehmenden Gegners im Jahre 146 v. Chr. wurde Rom von innenpolitischen Krisen heimgesucht, die sich bald in blutigen Bürgerkriegen entluden, auch in der frühen Kaiserzeit nicht enden wollten und, im Vierkaiserjahr der Historien, nur auf einen neuen Höhepunkt des Grauens, der Gräuel und der Grausamkeit zusteuerten. Unter dem einheitlichen Befehl des republikanischen Kollegiums der Konsuln und der auf Zeit ernannten Diktatoren hatten sich römische Soldaten im Kampf gegen äußere Feinde so diszipliniert verhalten, als ob sie keine Individuen seien, sondern als Kollektiv von den militärischen Sig­nalen des Lagerlebens wie von einem übergeordneten einheitlichen Willen gelenkt würden. Die äußere Kontrolle konnte zwar bei ungewöhnlichen und daher unvorhersehbaren Naturereignissen wie Mondfinsternissen verloren gehen und nötigenfalls auch wiederhergestellt werden, musste aber fast unweigerlich selbstzerstörerischer Disziplinlosigkeit und revolutionärer Gewalt weichen, wenn bei der Usurpation kaiserlicher Macht, wie es nach den Historien im Jahr 69 n. Chr. geschah, zwei, drei oder noch mehr legitime Kaiser und illegitime Kronprätendenten mit konkurrierenden ›Donativen‹ und anderen Versprechungen die Loyalität der Soldateska zu gewinnen suchten. Unter dem Kommando von Machthabern gibt es daher kontrollierte Heeresgruppen, wie in Syrien und Palästina, und unkontrollierte Kollektive, wie die Prätorianer in Rom und marodierende Heere in Germanien. Außer Kontrolle geratene Kollektive sind Krisen- oder Krankheitsherde. Entscheidend ist ihre innere Verfasstheit als Ergebnis äußerer Kontrolle, die wirken oder versagen kann. Am Anfang des Vierkaiserjahres ist der Orient immotus (hist. 1,10,1). Die germanischen Heere und die Prätorianer sind hingegen in Aufruhr (sollicitati). Der außer Kontrolle geratene Westen wird als krank, der Osten unter Vespasian und Mucian dagegen als gesund beschrieben (aegrum – validum, hist. 1,4,1). In der Wortwahl spiegelt sich die corpus-imperii-Theorie (hist. 1,16,1): Der regierende Kaiser wird als Arzt gesehen, dessen Aufgabe es ist, kranke Teile des als Organismus verstandenen Reiches zu heilen. Faulendes Fleisch und unheilbar kranke Organe sind dabei weniger mit dem Skalpell des Chirurgen zu entfernen als mit dem Schwert

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des Militärs zu amputieren (hist. 1,14,1). Curtius Rufus vergleicht in seinen Historiae Alexandri Magni, die meist in das 1. Jahrhundert n. Chr. datiert werden, den Tod Alexanders des Großen mit dem Ende der neronischen Schreckensherrschaft und die anschließenden Diadochenkämpfe mit den Auseinandersetzungen der Kronprätendenten im Vierkaiserjahr. Wie Tacitus nutzt er dazu die Metaphorik der corpus-imperii-Theorie, die das Alexanderreich und das Rom der Caesaren als lebende Organismen in Raum und Zeit begreift (10,9,1–6): Doch schon brachte das Schicksal dem makedonischen Volk Bürgerkriege. Herrschaft ist nämlich unteilbar und wurde doch von zu vielen erstrebt. Zuerst also ließen sie ihre Kräfte zusammenstoßen, dann zerstreuten sie diese; und als sie dem Staatskörper mehr Köpfe aufgebürdet hatten, als er fassen konnte, begannen die übrigen Glieder zu erlahmen. So stürzte das Reich, das unter einem einzigen Mann hätte Bestand haben können, zusammen, als mehrere es zu halten suchten. Deshalb bekennt das römische Volk mit vollem Recht, dass es sein Wohlergehen seinem Fürsten verdankt, der in der Nacht, die beinahe unsere letzte gewesen wäre, als neuer Stern erstrahlte. Beim Herakles, nicht das Aufgehen der Sonne, sondern das Aufgehen dieses Sterns hat der im Dunkeln liegenden Welt das Licht wiedergegeben, als die Gliedmaßen kopflos im Streit miteinander lagen und zitterten. Wie viele Brandfackeln hat er damals gelöscht, wie viele Schwerter in die Scheide gesteckt, welch gewaltiges Unwetter durch sein plötzliches Erstrahlen vertrieben! Das Reich kommt also nicht nur wieder zu Kräften, sondern es blüht sogar auf.

Ohne dass den Interpreten des Curtius Rufus ein stringenter Beweis gelungen wäre, wurde der neue Fürst, der hier genannt wird und dem das römische Volk sein Wohlergehen verdanken soll, mit Vespasian identifiziert, da der Kaiser den Römern in der Nacht, die beinahe ihre letzte gewesen wäre, als neuer Stern im Osten aufging. Am Anfang des ersten Buchs der Historien beschreibt Tacitus den Status quo in Rom und den Provinzen zu Beginn des Vierkaiserjahres 69, um unbedarfte Leser seines Werks zu un-



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terrichten und seine scientia rei publicae unter Beweis zu stellen, und unterstreicht so seine Autorität als militärisch geschulter und politisch versierter Geschichtsschreiber (hist. 1,8,1). Tacitus beginnt seinen Lagebericht in Rom und geht die Provinzen zweimal im Uhrzeigersinn durch. Im ersten Umlauf beschreibt er die Lage in den ›bewaffneten‹ Provinzen Spanien, Gallien, Obergermanien, Untergermanien, Britannien, Illyrien, Syrien, Judäa, Ägypten und Afrika. In einem zweiten Umlauf nennt er mit den beiden Mauretanien, Rätien, Noricum und Thrakien die ›unbewaffneten‹ Provinzen, in denen kein Militär stationiert ist und die, wie Italien, als Preis des Krieges dem Sieger zufallen werden (hist. 1,11,3). Tacitus beginnt wohl deshalb mit Spanien, weil Galba als Statthalter dieser Provinz im Jahre 69 n. Chr. zum Kaiser proklamiert wurde. Es könnte sich zugleich um eine versteckte Hommage an den Historiker Cluvius Rufus handeln, der in Spanien zu jener Zeit das Kommando innehatte. Die Wortwahl des Tacitus legt nahe, dass er nur oder doch primär den Status quo am 1. Januar 69 beschreiben will, bevor er mit der nach Jahren gegliederten, d.h. annalistischen Geschichtserzählung beginnt (hist. 1,4,1). Er verstärkt diesen Eindruck beim Leser, indem er sein Werk mit den Namen der beiden eponymen Konsuln beginnen lässt (hist. 1,1,1 initium mihi operis Servius Galba iterum Titus Vinius consules erunt) und seinen Lagebericht am Ende des dritten Einleitungstextes durch Rekurs auf die annalistische Markierung des Jahresbeginns erneut datiert (hist. 1,11,3: hic fuit rerum Romanarum status, cum Servius Galba iterum Titus Vinius consules inchoavere annum sibi ultimum, rei publicae prope supremum). Mit dieser doppelten Markierung erscheint das Vierkaiserjahr als Ausgangs- und auch Endpunkt der Eröffnungssequenz. Tatsächlich blickt der Geschichtsschreiber in seinem Bericht über den gegenwärtigen Zustand Roms aber sowohl in die Vergangenheit zurück als auch weit in die Zukunft voraus. Tacitus greift in die Zeit der julisch-claudischen Dynastie zurück, wenn er das Ende Neros aus der Täuschung der ihm ergebenen Prätorianer durch den Prätorianerpräfekten Nymphidius Sabinus erklärt (hist. 1,4,2: finis Neronis) und den Herrschaftsantritt Galbas in den Etappen iter Galbae (›Weg des Galba‹, hist. 1,6,1), introitus in urbem (hist.

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1,6,2) und Etablierung der nova aula (›des neuen Hofstaats‹, hist. 1,7,3) schildert.6 Die Zukunft kommt stärker mit den Flaviern ins Spiel und das historische Geschehen wird auf die Dynastie hin perspektiviert, die das Imperium Romanum wieder stabilisieren wird. Zusätzlich wird Mucian als Drahtzieher der Usurpation und Kaisermacher vorgestellt, damit Vespasians persönliche Ambition auf die Kaiserwürde relativiert und der Blick auf seine Nachfolger Titus und Domitian vorausgelenkt. Die hierin sichtbare Ausrichtung des Narrativs auf Macht und Herrschaft äußert sich auch in der Perspektivierung der Geschichtserzählung auf Zentrum und Peripherie des römischen Reiches und die Dynastie der Flavier als Garanten seiner Stabilität. Tacitus lebte unter Trajan und Hadrian, unter denen das Imperium Romanum eine wirtschaftliche Blütezeit erlebte und seine größte Ausdehnung erreichte. Doch schon in der Germania wird der Untergang des Reiches in Erwägung gezogen (Germ. 33,2: … urgentibus imperii fatis …), und auch in den Historien wird der Leser zu einem Blick in den historischen Abgrund gezwungen. Die Art und Weise, wie der Brand des Jupitertempels auf dem römischen Kapitol und die Zerstörung des Tempels in Jerusalem literarisch zueinander in Beziehung gesetzt werden,7 kann als unterschwelliger Hinweis auf die allgemeine Vergänglichkeit staatlicher Macht und Größe gelesen werden. Der kapitolinische Tempel ist das Unterpfand des Reiches (pignus imperii, hist. 4,52,2) und der Brand des Kapitols, auf symbolischer Ebene, daher fatal für Rom (fatalis ignis). Im Wes­ ten werden die Grenzen an Rhein und Donau von Germanen bedroht, und Druiden träumen von einem gallischen Reich, das bis zu den Alpen reicht. Verantwortlich für diese und andere Bedrohungen des Reiches ist freilich nicht nur eine oder die eine Bürgerkriegspartei, die Vitellianer, auch wenn parteiliche Geschichtsschreiber wie Flavius Josephus und die Gewährs6 P. Cornelius Tacitus: Die Historien, Kommentar von H. Heubner, Heidelberg 1963, Band I: Erstes Buch, 26. – Band II: Zweites Buch, 1968. – Band  III: Drittes Buch, 1972. – Band IV: Viertes Buch, 1976. – Band V: Fünftes Buch (mit W. Fauth), 1982. 7 Vgl. D. Sailor: Writing and Empire in Tacitus, Cambridge 2008.



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männer Suetons das Geschehen so gedeutet haben mochten, sondern eher noch alle Bürgerkriegsparteien und besonders die Anhänger Vespasians. Unter Führung von dessen Bruder Sabinus Flavius sind sie jedenfalls für die Einnahme und Verteidigung des Kapitols verantwortlich und damit indirekt schuld an seiner gewaltsamen Eroberung durch die nicht mehr kontrollierbare Soldateska des Vitellius und der davon ausgelösten Vernichtung des wichtigsten Symbols römischer Herrschaft.8 Mit dem von Augustus gestifteten Frieden und der Einrichtung des Prinzipats schien die gewonnene Macht in einer Doppelherrschaft von Kaiser und Senat ihre rechtliche Form gefunden zu haben. Aber die Wirren des Vierkaiserjahrs machen die dauerhafte Militarisierung der Politik sichtbar und widerlegen die Einflüsterungen der augusteischen Propaganda, nach denen nicht nur ein universaler Friede gekommen, sondern in diesen Friedenszeiten auch die intellektuelle Entwicklung nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern auf einen neuen Höhepunkt geführt worden sei. In Wirklichkeit, so dekonstruiert Tacitus die augusteische Propaganda, reichen die Kriege der späten Republik freilich bis in die Gegenwart hinein. Die Krise der Bürgerkriege ist nicht nur nicht überwunden, sondern bestenfalls bis zum nächsten Gewaltexzess beim Untergang einer Dynastie oder dem Auftreten eines weiteren Usurpators vertagt.9 Tacitus beschreibt in historischen Exkursen die Entwicklung des römischen Rechts und des mos maiorum (d.i. des Inbegriffs der Sitten der Römer als Quelle ihrer Moral) von der Republik bis in die Kaiserzeit. Damit dokumentiert der Geschichtsschreiber seine grundsätzliche Ausrichtung an der griechischrömischen Kultur und Religion, die sich als überlegen begreift und selbst zugleich andere, auch hoch zivilisierte Völker nach der von den Griechen überkommenen Denkweise als Barba8 Vgl. A. Brießmann: Tacitus und das flavische Geschichtsbild, Stuttgart 1955, 79. 9 Vgl. F. Klingner: »Die Geschichte Kaiser Othos bei Tacitus«, in: V. Pöschl (Hrsg.): Tacitus, Darmstadt 1969, 403; G. Walser: Rom, das Reich und die fremden Völker in der Geschichtsschreibung der frühen Kaiserzeit, Basel 1951.

XX Einleitung

ren betrachtet. Doch Tacitus, dem deswegen Engstirnigkeit, ja geistige Beschränktheit vorgeworfen wurde, wechselt immer wieder seinen Blickpunkt und schildert ausführlich Ursprung, Kultur und religiöse Praxis des Judentums,10 die Lebensgewohnheiten der Ägypter, das Stammesleben der Briten und, mit kulturkritischer Zielsetzung, die Sitten der Germanen und sonstiger ›edler Wilder‹ in ihrer Auseinandersetzung mit der römischen Kultur und in Bezug auf ihr Bedrohungspotential für Rom. Er gründet seine Meistererzählung so auf die Attraktivität des Narrativs der bedrohten, aber überlegenen Macht, beschreibt die erschreckende Verrohung der Bürgerkriegsparteien, dokumentiert die Hekatomben toter Soldaten und ziviler Opfer und erklärt den Aufstieg Roms zur Weltherrschaft aus dem anthropologischen und damit universal gültigen Gesetz des wachsenden Strebens nach überlegener Macht (hist. 2,38,1: vetus ac iam pridem insita mortalibus potentiae cupido cum im­perii magnitudine adolevit erupitque). Der Historiker ruft seinen Lesern, zwischen Innen- und Außenperspektive wechselnd, in Gewalt ästhetisch verherrlichenden Schlachtengemälden nicht nur große Katastrophen römischer Geschichte wie die Schlacht von Bedriacum (hist. 2,70) und die Varusschlacht (ann. 1,61–62) in Erinnerung. Auf maximale Wirkung bedacht, führt der Autor seine Leser absichtlich an den Abgrund und lässt sie einen Blick in die Tiefe tun, wenn er im Gegensatz zur augusteischen Propaganda statt eines imperium sine fine (Verg. Aen. 1,279) die Endlichkeit des römischen Reiches in Raum und Zeit verkündet, das mit den Alpen sogar eine topographische Innengrenze besitzt, die keltische Rebellen zur Außengrenze eines gallischen Imperiums machen wollen (hist. 4,55,4). Aus der Betrachtung des vielschichtigen Werks und seiner vielfältigen Wirkungsgeschichte ergibt sich die Frage nach dem intellektuellen Horizont und dem geistigen Profil seines Autors, der als Redner und Politiker erfolgreich war, bevor er sich der Geschichtsschreibung zuwandte. Dazu musste er den römischen Bildungsgang durchlaufen haben und in der Rhetorik 10 Vgl. R.S. Bloch: Antike Vorstellungen vom Judentum, Der Judenexkurs des Tacitus im Rahmen der griechisch-römischen Ethnographie, Stuttgart 2002.



Einleitung XXI

ausgebildet worden sein. Dokument dieser Ausbildung ist der Rednerdialog, der nicht nur eine intime Kenntnis der Geschichte der griechisch-römischen Beredsamkeit verrät, sondern auch eng an Cicero anschließt und ihn als unbestrittenen Meister römischer Rhetorik feiert. Der Rednerdialog ist im ciceronianischen Stil geschrieben und knüpft auch mit der Wahl des Titels an Ciceros Traktat Über den Redner und durch wörtliche Zitate an die Diktion des frühen Meisterwerks an. Dasselbe gilt für die Gedankenführung und die dialektische Methode, mit welcher Tacitus den Verfall der Rhetorik in der frühen Kaiserzeit erklärt.11 Hier zeigt sich, dass der spätere Historiker, wie gerade französische Gelehrte betont haben,12 nach seinem geistigen Zuschnitt Ciceronianer war und damit nach der Art seines Denkens und Diskutierens Akademiker. Die dialektische Methode war in der platonischen Akademie entwickelt, von Aristoteles aufgenommen worden und wurde mit der Wende zur skeptischen Akademie zur universalen Herangehensweise an philosophische Probleme. Philon von Larisa, Ciceros Lehrer, hatte in seinen in Rom gehaltenen Vorlesungen Philosophie und Rhetorik verbunden und die Methode, zur Feststellung ihrer Wahrheit bzw. Wahrscheinlichkeit das Für und Wider einer Aussage zu erörtern, in beiden Disziplinen etabliert. Zwei Seiten einer Sache zu sehen ist nicht nur bei der Lösung philosophischer Sachprobleme, sondern auch beim Durchdenken verzwickter juristischer Fälle von Vorteil. Den antiken Historiker schützt es davor, sich in das Prokrustesbett einer geschichtlichen Aszendenz-, Dekadenz- oder Kreislauftheorie zu begeben oder, wie in der Moderne, eine feste historische Weltanschauung wie den dialektischen Materialismus anzunehmen. Zwei Seiten einer Sache zu sehen hält dem Historiker den Kopf frei, schützt ihn vor Einseitigkeiten, wie der ihm manchmal unterstellten Engstirnigkeit. Was wir bei Cicero wegen seiner Offenheit für unter11 Vgl. M. Vielberg: »Debatte um den Verfall der Beredsamkeit: Tacitus und Ps.-Longin«, erscheint demnächst in: M. Erler/C. Tornau (Hrsg.): Handbuch Antike Rhetorik, Berlin/Boston. 12 Vgl. J.-M. André: »Tacite et la philosophie«, in: ANRW 2/33.4 (1991), 3101–3154.

XXII Einleitung

schiedliche philosophische Systeme und Theorien avant la lettre eklektisch nennen, begegnet bei dem Geschichtsschreiber Tacitus in mehreren Spielformen. In den Historien bekundet Tacitus unverhohlene Sympathie für den römischen Prätor Helvidius Priscus und lobt ihn, weil er sich mit stoischen Maximen gegen die Unwägbarkeiten des politischen Lebens in der Kaiserzeit gewappnet habe. Er lobt das Haupt der stoischen Opposition aber nicht über den grünen Klee, sondern geht, im Urteil anonymer Kritiker, unmerklich auf Distanz zu dem Politiker und übt sanfte Kritik an seiner Ruhmsucht (hist. 4,6,1). Auf Musonius Rufus, der Helvidius Priscus auf einer diplomatischen Mission in das feindliche Lager der Flavianer begleitete, nimmt er weniger Rücksicht und tadelt ihn wegen unzeitgemäßen Philosophierens über den Weltfrieden, das dem bekannten Philosophen nur Hohn und Spott von römischen Soldaten eingetragen habe (hist. 3,38,1). Bei allem Wohlwollen für die Friedensbemühungen des Stoikers geht Tacitus zwar skeptisch auf Distanz, gegenüber Vertretern anderer Philosophenschulen und ihren Lehren lässt er seine Vorbehalte aber noch deutlicher anklingen. Was für die Philosophie gilt, gilt in anderer Weise auch für die Literatur. Während Tacitus im Rednerdialog vor allem Cicero imitiert, wählt er für den stärker pointierten Stil des Agricola und der Germania vor allem Seneca als Vorbild. Die Inkonzinnität seines manierierten Schreibstils, der parallele Konstruktionen bewusst vermeidet, steigert sich noch in den Historien und erreicht in den ersten Büchern der Annalen ihren Höhepunkt, bevor sie im Spätwerk wieder abnimmt.13 Künstlerischen Gestaltungswillen verrät auch sein eklektischer Umgang mit der lateinischen Dichtersprache von Vergil bis Seneca und die allmähliche Auswahl und Ausscheidung archaischer Wörter der lateinischen Prosa. Erfundene Reden gehören seit Herodot und Thukydides zu den bevorzugten Werkzeugen des antiken His­ torikers, mit denen er, auch in Paaren angeordnet, geschichtliche Entwicklungen von mehreren Seiten beleuchten und durch das sprichwörtliche in utramque partem disserere (das Pro und Contra einer Sache nach beiden Seiten zu erörtern) in ihren 13 Vgl. R. Syme: Tacitus, 2 Bde, Oxford 1958, Bd. 1, 340–363, Bd. 2, 711–745.



Einleitung XXIII

möglichen Konsequenzen erhellen kann. In diesem Sinne dient die freilich fiktive Galbarede bei der Adoption Pisos (hist. 1,15– 16) der Diskussion der staatstheoretischen Voraussetzungen und der praktischen Bedeutung der vorzeitigen Bestimmung des Thronfolgers und des Scheiterns dieser Maßnahme der Herrschaftssicherung im Vierkaiserjahr und zugleich der indirekten Beleuchtung der besseren Bedingungen bei der künftigen Adoption Trajans durch Nerva, die tatsächlich zur Stabilisierung des auch aus Altersgründen schwachen Herrschers führte (Plin. pan. 7). Während frühere Geschichtsschreiber um die oder, besser, um die eine richtige Erklärung des historischen Geschehens ringen – wie Thukydides, wenn er die Ursachen der fortgesetzten Wirren des Archidamischen und des Dekeleischen Krieges in der Konfrontation zwischen Athen und Sparta erkennt und daraus die Einheit des Peloponnesischen Krieges ableitet –, spielt Tacitus, beinahe mutwillig, mit potentiellen Doppel- und Mehrfacherklärungen, in denen durch Aufzeigen von Alternativen mithilfe fester sprachlicher Formeln wie sive – sive oder seu – seu (›sei es dass … oder sei es dass …‹) ungeschehenes Geschehen sichtbar gemacht wird.14 Auf der Klaviatur historischer Möglichkeiten zu spielen gelingt Tacitus besonders an Wendepunkten der Geschichte, wenn er Leser mit der apokalyptischen Denkform des »Was wäre, wenn  …« dazu bringt, einen Blick in den Abgrund der Geschichte zu werfen. »Was wäre, wenn« zum Beispiel Peti­ lius Cerialis versagt hätte, und er war mehrmals dicht davor zu versagen, und den gallischen Vormarsch nicht, wie in Trier, gestoppt hätte und die Alpen damit zur südlichen Außengrenze eines keltischen Landimperiums geworden wären? Solche Gedankenexperimente halten nicht nur römische Leser in Atem, sondern verdeutlichen auch, dass Tacitus für Theoretiker des Imperialismus von Oswald Spengler bis Giorgio Agamben ein Gesprächspartner sein konnte, obwohl er immer wieder auch die 14 P. Riedl: Faktoren des historischen Prozesses. Eine vergleichende Studie zu Tacitus und Ammianus Marcellinus, Tübingen 2002. Weiterführende bibliographische Angaben bei A. Städele, Cornelius Tacitus, Historien, 2 Bde, Darmstadt 2014, Bd. 1, 231–232.

XXIV Einleitung

Phantasien seriöser Gelehrter beflügelte. Auf jeden Fall macht Tacitus kurzen Prozess mit den Mythen augusteischer und flavischer Propaganda, beseitigt den Mythos von der inneren Befriedung Roms in der pax Augusta, untergräbt den Mythos von der unbeeinträchtigten Gedankenfreiheit im Prinzipat, indem er an die verderbliche Wirkung von Zensur und Selbstzensur unter Augustus erinnert, tilgt den Mythos von der Grenzenlosigkeit des römischen Reichs in Raum und Zeit, von dem sich Augustus, im Gegensatz zu Vergil, schon nach der Varusschlacht verabschiedet hatte, und ersetzt also auch hier die konstruierte Wirklichkeit augusteischer Propaganda durch eine wirklichkeitsgetreuere Darstellung des historischen Geschehens. Doch lässt sich an der Behauptung nec omnia apud priores meliora (›nicht alles war in den früheren Zeiten besser‹; ann. 3,55,5) festmachen, dass Tacitus, in seiner Trauer um den Verlust des republikanischen Rom, wenigstens auf bestimmten Feldern kaiserzeitlicher Politik und Gesellschaft an einen Wandel durch Vernunft glaubte? In seinem pessimistischen Weltbild ist kaum ein Fortschrittsgedanke erkennbar. Es scheint, um mit Kohelet zu reden, für den Geschichtsschreiber nichts Neues unter der Sonne zu geben. Es war schon immer so, dass sich Macht über das Recht erhob. Es war schon immer so, dass sich Reiche bildeten, den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreichten und wieder zerfielen. Es war schon immer so, dass die Symbole ihres Bestands, ob Parthenon oder Kapitol, zerstört, wieder aufgebaut und wieder zerstört wurden. Die Stimme der Vernunft verstummt, wenn die Meistererzählung und das Narrativ der Macht zu wirken beginnen. Die Stimme der Vernunft, die sonst Gewalt und Grausamkeit im Bürgerkrieg verurteilt, schweigt vor Entsetzen, wenn den Vater die Hand des Sohnes tötet und den Bruder der Tod von Bruderhand ereilt. Vernunft weicht Unvernunft, wenn Vitellius den Ort der Schlacht von Bedriacum besucht und weder Mitleid noch Entsetzen bekundet, sondern Augenschmaus und Schaulust den Usurpator treiben und damit eine Ästhetisierung der Gewalt einhergeht, die Tacitus durch Selbstimitation in den Annalen wieder aufgreift, als Germanicus den Ort der Varusschlacht besichtigt. Indem Tacitus seine Gedanken, wenn er seine Geschichtswerke schreibt,



Einleitung XXV

selbst fragend und zweifelnd in unterschiedliche und manchmal sogar gegensätzliche Richtungen lenkt, zwingt er seinen Leser nicht nur zum Mitdenken, sondern veranlasst ihn zu sehr persönlichen Antworten auf die Fragen und zu immer neuen Reaktionen auf die Widersprüche und Antinomien in der Geschichtserzählung, was sich in der überaus reichen Rezeptionsgeschichte seiner Werke ausdrückt, die sich in der Moderne auf ganz Europa erstreckt. Jena, im Frühjahr 2018

Meinolf Vielberg



TACITUS Historien

Erstes Buch 1. Ausgangspunkt meines Werkes soll das zweite Konsulat Galbas und das Konsulat des Titus Vinius1 sein. Über die achthundertundzwanzig Jahre der vorausgegangenen Epoche seit der Gründung der Stadt Rom2 haben ja viele Schriftsteller berichtet und zwar mit gleicher Beredsamkeit und Freimütigkeit, wenigstens solange es sich bei ihrer Darstellung um die Geschichte des römischen Volkes3 gehandelt hat. Seit es nach der Schlacht bei Actium4 im Interesse des Friedens lag, die gesamte Macht in die Hände eines einzigen Mannes zu legen, verschwanden jene bedeutenden Talente. Zugleich wurde die Wahrheit auf mehrfache Weise erschüttert, zuerst durch den Mangel an Verständnis für das Gemeinwesen, dem man fremd gegenüberstand, sodann durch die ungehemmte Hingabe an Schmeichelei oder wiederum durch den Hass gegen die Machthaber. So wirkten hier feindselige Einstellung, dort Unterwürfigkeit, und man kümmerte sich auf beiden Seiten nicht um die Nachwelt. Aber von der Liebedienerei eines Schriftstellers mag man sich leicht abkehren, Missgunst und Neid finden offene Ohren. Denn den Schmeichler trifft der hässliche Vorwurf des Kriechertums, dem Böswilligen haftet der trügerische Schein der Freimütigkeit an. Mir sind Galba, Otho und Vitellius weder durch wohltätiges noch durch ungerechtes Handeln bekannt geworden. Dass ich unter Vespasianus in Amt und Würden eingesetzt, unter Titus befördert und unter Domitianus noch weiter erhöht worden bin,5 das möchte ich nicht abstreiten. Doch wer sich zu unverbrüchlicher Treue bekannt hat, der darf bei seinen Ausführungen weder Zuneigung noch Hass walten lassen. Für den Fall, dass mir eine ausreichende Lebenszeit beschieden ist, habe ich das Prinzipat des vergöttlichten Nerva und die Herrschaft des Traianus, einen reichhaltigeren und weniger gefährlichen Stoff, für mein Alter aufgespart. Es sind dies Zeiten, die unter dem seltenen, glücklichen Zeichen stehen, dass man denken darf, was man will, und sagen darf, was man denkt. 2. Das Werk, das ich beginne, enthält eine Fülle von Unglück, berichtet von blutigen Kämpfen, von Zwietracht und Auf­

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Erstes Buch, Kapitel 3 – 4

stän­den, ja sogar von einem grausamen Frieden.6 Vier Fürsten fielen dem Dolch zum Opfer7 drei Bürgerkriege wurden geführt,8 noch mehr Kriege mit auswärtigen Feinden, beide Arten meistens zu gleicher Zeit. Günstig standen die Dinge im Osten, ungünstig im Westen. In Aufruhr war Illyricum, eine schwankende Haltung nahm Gallien ein, Britannien war gänzlich bezwungen und sofort wieder aufgegeben. Es erhoben sich gegen uns die Stämme der Sarmaten und der Sueben, durch beiderseitige Niederlagen machten sich die Daker einen berühmten Namen, beinahe wäre es sogar zu einem Waffengang mit den Parthern gekommen anlässlich des Gaukelspiels des falschen Nero.9 Italien vollends wurde durch Schicksalsschläge, wie sie bisher unerhört waren oder sich nur im langen Ablauf von Jahrhunderten wiederholen, heimgesucht.10 Verschlungen oder verschüttet wurden ganze Städte, verheert wurde die so überaus fruchtbare Küste Campaniens, durch Brände verwüstet die Hauptstadt, wobei die ältesten Heiligtümer in Flammen aufgingen, Feuer wurde von Bürgerhänden sogar an das Kapitol gelegt; entweiht wurden geheiligte Gebräuche, Ehebruch trieben hochgestellte Persönlichkeiten;11 voll war das Meer von Verbannten und besudelt die Klippen mit dem Blut der Ermordeten. Noch grausamer war das Wüten in der Hauptstadt. Adel, Besitz, abgelehnte oder bekleidete Ehrenämter galten als Verbrechen, und geradliniges Handeln brachte ganz sicher das Verderben. Die Denunzianten waren um ihrer Belohnungen nicht weniger als um ihrer Verbrechen willen verhasst, da die einen Priestertümer und Konsulate wie eine dem Feind abgenommene Beute, die anderen Prokuratorenstellen12 und Einfluss im Innern erlangten und in einer wirbelnden Flut von Hass und Schrecken alles mit sich rissen. Sklaven wurden bestochen gegen ihre Herren, Freigelassene gegen ihre Patrone und, wem ein persönlicher Feind fehlte, der wurde ein Opfer seiner Freunde. 3. Freilich war die Epoche auch nicht so arm an Beweisen mannhafter Gesinnung, dass sie nicht auch gute Vorbilder gezeitigt hätte: Mütter begleiteten ihre flüchtigen Kinder, Frauen folgten ihren Männern in die Verbannung; es fanden sich wagemutige Verwandte, charakterfeste Schwiegersöhne, es fanden sich Sklaven, die selbst auf der Folter in unbeugsamer Treue verharrten,



Vorwort · Von Galba bis zum Tod des Domitianus

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berühmte Männer, die, in äußerste Not geraten, selbst die letzte Stunde tapfer auf sich nahmen und einen Tod erlitten, wie er dem gepriesenen Lebensende von Männern der alten Zeiten entsprach. Zu den vielfachen Schicksalsschlägen im menschlichen Bereich gesellten sich am Himmel und auf der Erde Wunderzeichen, warnende Blitzschläge und sonstige Ankündigungen kommender Ereignisse, die teils erfreulich, teils betrüblich, teils zweideutig, teils eindeutig waren. Denn niemals sonst hat es sich durch schrecklichere Schicksalsschläge, die das römische Volk trafen, und durch gültigere Anzeichen erwiesen, dass die Götter nicht an unser Wohlbefinden, wohl aber an unsere Bestrafung denken. 4. Doch ehe ich die beabsichtigte Darstellung gebe, glaube ich weiter ausholen und berichten zu sollen, wie es um die Verhältnisse in der Hauptstadt stand, was für ein Geist bei den Heeren herrschte, in welchem Zustand sich die Provinzen befanden, was sich überall in der Welt als gesund, was als krank erwies, damit man nicht nur die einzelnen Ereignisse für sich und ihren Verlauf, wo ja meistens der Zufall waltet, sondern auch ihren inneren Zusammenhang und ihre Ursachen kennenlerne. War das Ende Neros auf der einen Seite im ersten Sturm der Freude jubelnd begrüßt worden, so hatte es auf der anderen Seite nicht nur in der Hauptstadt Senat oder Volk oder die städtische Garnison, sondern auch alle Legionen und Heerführer in mancherlei Aufregung versetzt, da man das Mysterium des Reiches der großen Masse überantwortet hatte, dass nämlich die Möglichkeit bestehe, auch anderswo als in Rom zum Staatsoberhaupt erhoben zu werden. Doch der Senat gab sich der Freude hin und machte von seiner Freiheit gegenüber dem Fürsten, der ja neu und auch fern war, sofort einen unbeschränkteren Gebrauch. Die führenden Männer der Ritterschaft schlossen sich der Freude des Senats unmittelbar an, ein Teil des Volkes, der sich noch eine unverdorbene Gesinnung bewahrt hatte und in enger Beziehung zu den großen Häusern stand, Klienten und Freigelassene der Verurteilten und Verbannten schöpften neue Hoffnung. Der gemeine Pöbel, an Circus und Theater gewöhnt, zugleich die minderwertigste Sorte der Sklaven oder alle, die ihr Vermögen aufgezehrt hatten und von dem schamlosen

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Erstes Buch, Kapitel 5 – 7

Treiben Neros ihren Unterhalt bestritten, waren in gedrückter Stimmung und liefen allen Gerüchten nach. 5. Die Garnison der Hauptstadt, in langer Dienstzeit an ihren den Cäsaren geleisteten Fahneneid gebunden und zur Preisgabe Neros mehr durch List und äußeren Druck als aufgrund ihrer Gesinnung verführt, musste feststellen, dass ihr weder das im Namen Galbas versprochene »Geschenk«13 ausbezahlt wurde, noch dass für große Verdienste und entsprechende Belohnungen im Frieden sich die gleiche Möglichkeit wie im Kriege bot und dass man ihnen die Gunst des von den Legionen auf den Schild erhobenen Fürsten vorweggenommen hatte. So war sie rasch bei der Hand zu einem Umsturz und wurde zu­dem durch das verbrecherische Verhalten des Präfekten Nym­phidius Sabinus,14 der sich selber die Herrschaft zu ver­schaffen bemühte, in Unruhe versetzt. Nymphidius wurde zwar gleich zu Beginn das Opfer seines Unternehmens. Aber obgleich der führende Kopf der Meuterei beseitigt war, blieb doch bei den meisten Soldaten das Gefühl der Mitwisserschaft bestehen, und es fehlte nicht an Gesprächen, in denen man über das Alter und den Geiz Galbas schimpfte. Seine einst gelobte und in den Erzählungen der Soldaten gerühmte Strenge ängstigte diejenigen, die die alte Zucht ablehnten und von Nero in vier­zehn Jahren daran gewöhnt worden waren, die Laster der Fürs­ten nicht weniger zu lieben, als sie früher deren Tugenden ver­ehrt hatten. Dazu kam noch ein Ausspruch Galbas, der zwar im Hinblick auf das Gemeinwesen ehrenwert war, ihn selbst aber in eine gefährliche Lage brachte: von ihm werde der Soldat ausgehoben, nicht gekauft. Zu dieser Tonart wollte ja sein sonstiges Verhalten nicht passen. 6. Den kraftlosen Greis belasteten Titus Vinius und Cornelius Laco – der eine hatte an moralischer Verkommenheit, der andere an Feigheit nicht seinesgleichen unter den Menschen – mit dem Hass, den ihre Schandtaten hervorriefen, und untergruben seine Stellung dadurch, dass sie ihn durch ihre Untätigkeit verächtlich machten. Galbas Marsch ging nur langsam vor sich und hinterließ blutige Spuren:15 Der designierte Konsul16 Cingonius Varro und der gewesene Konsul Petronius Turpilianus17 wurden ermordet. Jener war als Helfershelfer des Nymphidius, dieser als Heerführer des Nero ohne Verhör und ohne Vertei-



Stimmung in Rom · Die Prätorianer · Fehlgriffe Galbas

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digung, als ob sie unschuldig seien, hingerichtet worden. Der Einzug in die Hauptstadt erweckte durch die Hinrichtung so vieler tausender unbewaffneter Soldaten eine unselige Vorahnung des Kommenden und bei den Mördern selbst ein Grausen. Eine spanische Legion wurde in die Stadt gelegt, die von Nero aus der Flottenmannschaft ausgehobene blieb da. So war die Stadt mit einem ungewöhnlich großen Heer voll belegt. Dazu kamen noch viele Abteilungen aus Germanien, Britannien und Illyricum, die gleichfalls Nero ausgehoben und nach den Kaspischen Pässen zum Einsatz in dem Krieg, zu dem er gegen die Albaner rüstete, vorausgeschickt, aber dann zurückbeordert hatte, um der Unternehmung des Vindex ein Ende zu machen.18 So waren in gewaltigem Umfang Mittel für einen Staatsstreich vorhanden, die allerdings sich nicht ohne Weiteres irgendeinem Einzigen anboten, die aber für den, der mutig zugriff, bereitstanden. 7. Der Zufall hatte es so gefügt, dass gleichzeitig die Nachricht von der Ermordung des Clodius Macer und des Fonteius Capito19 eintraf. Macer, der unzweifelhaft in Afrika Aufruhr stiftete, war von dem Prokurator Trebonius Garutianus auf Befehl Galbas, Capito wegen eines ähnlichen Beginnens in Germanien von den Legionslegaten Cornelius Aquinus und Fabius Valens ermordet worden, noch ehe der Befehl hierzu eintraf. Manche glaubten, Capito habe zwar in gemeiner Weise der Habsucht und sinnlicher Leidenschaft gefrönt, er sei aber dem Gedanken an einen Umsturz ferngestanden. Vielmehr hätten ihm die Legaten zum Krieg geraten und, als sie ihn dazu nicht bringen konnten, obendrein noch diese heimtückische Beschuldigung listig ersonnen, und Galba habe in seinem wankelmütigen Charakter oder auch, um nicht eine tiefergehende Untersuchung anzustellen, das Geschehene, wie immer es auch zugegangen sein mag, da es sich ja doch nicht ändern ließ, gebilligt. Übrigens wurden die beiden Mordtaten übel vermerkt, und mochte der Fürst, der sich nun einmal missliebig gemacht hatte, Gutes oder Schlechtes tun, beides brachte ihm gleichermaßen nur Missgunst ein. Alles war käuflich, allmächtig waren die Freigelassenen, gierig griffen die Hände der Sklaven bei dem plötzlichen Wechsel zu und hatten dabei große Eile, als ob es sich

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Erstes Buch, Kapitel 8 – 10

um einen alten Mann handelte. An dem neuen Hof herrschten die gleichen Missstände, gleich schwerwiegend, aber nicht gleichermaßen entschuldigt. Selbst das Alter Galbas gab Anlass zu verächtlichem Spott, da man an die Jugend Neros gewöhnt war und, wie es ja die Masse des gemeinen Volkes zu tun beliebt, die Imperatoren in ihrer äußeren schönen Erscheinung mit ihm verglich. 8. Dies war die Stimmung in Rom, soweit man bei einer so großen Menschenmenge Feststellungen treffen kann. Was die Provinzen betrifft, so verwaltete Spanien Cluvius Rufus, ein Mann, der über Beredsamkeit verfügte, in den Künsten des Friedens zuhause war, aber keine Kriegserfahrung besaß. Gallien war, abgesehen von der Erinnerung an Vindex, auch noch durch die kürzlich erfolgte Schenkung des römischen Bürgerrechtes und für die kommende Zeit durch eine Steuererleichterung verpachtet. Dagegen maßen die den germanischen Heeren20 zunächstliegenden Gemeinden Galliens, denen nicht die gleiche Ehrung erwiesen, ja denen zum Teil Gebiet weggenommen worden war, gleich schmerzlich die Vorteile der anderen wie die ihnen zugefügten Ungerechtigkeiten. Die germanischen Heere waren – die bedrohlichste Erscheinung bei so großen Kräften – in ebenso besorgter wie erbitterter Stimmung: mit dem Stolz auf ihren kürzlich errungenen Sieg verbanden sie Befürchtungen, weil sie eine andere Partei unterstützt hätten. Nur zögernd waren sie von Nero abgefallen, und Verginius hatte sich nicht sofort für Galba erklärt. Ob er die Herrschaft nicht hatte haben wollen, war zweifelhaft. Darüber, dass ihm von den Soldaten die Herrscherwürde angetragen worden war, herrschte Einigkeit. Auch die Kreise, die sich über die Ermordung des Fonteius Capito nicht beklagen konnten, waren dennoch darüber entrüstet. Es stand kein Heerführer zur Verfügung, da Verginius unter dem Schein der Freundschaft abberufen worden war. Die Tatsache, dass er nicht zurückgeschickt, ja sogar unter Anklage gestellt wurde, betrachteten sie als eine Beschuldigung, die sich gegen sie selbst richtete. 9. Das obergermanische Heer verachtete den Legaten Hordeonius Flaccus, da er altersschwach war und ein Fußleiden hatte, ohne feste Haltung und darum auch ohne Ansehen war. Nicht



Die Lage in den Provinzen

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einmal, wenn die Soldaten in Ruhe lagen, vermochte er sie zu lenken. Ja, der schwächliche Versuch, sie in ihrem Wüten zu zügeln, schürte erst recht das Feuer. Die Legionen von Untergermanien waren längere Zeit ohne einen Konsular,21 bis, von Galba geschickt, A. Vitellius erschien. Er war der Sohn des Censors und dreimaligen Konsuls Vitellius, und dies schien zu genügen. Bei dem britannischen Heere war eine erbitterte Stimmung nicht festzustellen. In der Tat, keine anderen Legio­ nen hatten sich in allen Bürgerkriegen weniger zuschulden kommen lassen, mag sein, weil sie in weiter Ferne und durch den Ozean getrennt waren, oder weil sie in zahlreichen Feldzügen gelernt hatten, ihren Hass lieber gegen den Feind zu richten. Ruhe herrschte auch in Illyricum, obgleich die von Nero aufgebotenen Legionen, solange sie in Italien verweilten, durch Gesandtschaften bei Verginius vorstellig geworden waren.22 Aber die räumlich voneinander getrennten Heere – das heilsamste Mittel, die soldatische Treue aufrecht zu erhalten – konnten sich weder in ihren Lastern noch mit ihren Kräften vermischen. 10. Im Orient herrschte immer noch Ruhe. In Syrien stand mit vier Legionen Licinius Mucianus, ein Mann, der durch sein Glück und sein Unglück gleichermaßen in der Leute Mund war. In seiner Jugend hatte er aus ehrgeizigen Beweggründen freundschaftliche Beziehungen zu hochgestellten Persönlichkeiten unterhalten. Dann hatte er sein Vermögen zerrüttet und den festen Boden unter den Füßen verloren, wobei auch noch der Jähzorn des Claudius23 seinen Argwohn erweckte. So wurde er in das weit entlegene Asien abgeschoben, wo er der Verbannung gleich nahe war, wie später der Herrschaft. Er war eine Mischung von Genusssucht und Betriebsamkeit, von Leutseligkeit und Anmaßung, von schlechten und guten Eigenschaften. Er gab sich allzu sehr den sinnlichen Genüssen hin, wenn er nichts zu tun hatte, so oft er sich aber zu einer Unternehmung aufgemacht hatte, traten seine Tugenden in hohem Maße in Erscheinung. Sein Benehmen in der Öffentlichkeit hätte man loben können; was er im Geheimen trieb, stand in üblem Ruf. Jedoch auf seine Untergebenen, auf seine nächste Umgebung, auf seine Amtsgenossen übte er durch allerlei Verführungskünste einen starken Einfluss aus, und so war er ein Mann, dem es

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Erstes Buch, Kapitel 11 – 13

wohl leichter gefallen wäre, die Herrschaft zu vergeben, als sie zu behaupten. Den jüdischen Krieg führte Flavius Vespasianus – Nero hatte ihn als Heerführer auserlesen – mit drei Legionen. Weder in seinem Wünschen noch in seiner Gesinnung stellte sich Vespasianus gegen Galba. Hatte er doch seinen Sohn Titus geschickt, um ihm seine Ehrerbietung und Ergebenheit zum Ausdruck zu bringen, wie ich an der passenden Stelle berichten werde. Mein Glaube, es liege ein geheimes Walten des Schicksals vor und durch Vorzeichen und Göttersprüche sei Vespasia­ nus und seinen Söhnen die Herrschaft bestimmt worden, ist erst nach seiner Erhebung aufgekommen. 11. Ägypten mitsamt den Truppen, durch die es in Gehorsam gehalten werden sollte,24 ist schon seit dem vergöttlichten Augustus in den Händen von römischen Rittern anstelle der Könige. So erschien es als zweckmäßig, die Provinz dem kaiserlichen Hause vorzubehalten, die schwer zugänglich, reich an Getreide, infolge ihres Aberglaubens und ihres Leichtsinns uneinig und wankelmütig ist, die keine Gesetze und kein Beamtentum kennt. Damals regierte Tiberius Alexander, der zu der dortigen Bevölkerung gehörte. Afrika mit den dort stehenden Legionen25 war nach der Ermordung des Clodius Macer mit jedem Fürsten zufrieden, mochte er sein, wie er wolle, nachdem es seine Erfahrung mit dem kleineren Tyrannen gemacht hatte. Die beiden Mauretanien, Rätien, Noricum, Thracien und die anderen Gebiete, die von Prokuratoren verwaltet werden, ließen sich, wie gerade dieses oder jenes Heer in ihrer Nachbarschaft stand, unter dem Einfluss der Mächtigeren zu Gunst oder Hass verleiten. Die unbewaffneten Provinzen,26 in besonderem Maß Italien selbst, das jeglicher Knechtschaft ausgeliefert war, waren zum Siegespreis im Kriege bestimmt. So stand es um das römische Reich, als Servius Galba zum zweiten Mal und Titus Vinius ihr Konsulatsjahr antraten, das für sie persönlich ihr letztes Lebensjahr, für das Gemeinwesen beinahe das letzte werden sollte. 12. Wenige Tage nach dem ersten Januar lief aus Belgien ein Schreiben von dem dortigen Prokurator Pompeius Propinquus ein, die Legionen von Obergermanien hätten ihren Fahneneid gebrochen und fordern einen anderen Imperator, dessen



Galbas Sorge um die Nachfolge

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Wahl sie dem freien Ermessen von Senat und Volk überlassen. Dadurch sollte die Meuterei eine mildere Aufnahme finden. Dieses Vorkommnis beschleunigte den Entschluss Galbas, der schon lange in der Frage einer Adoption mit sich selbst und mit seiner nächsten Umgebung zu Rate ging. Und in der Tat, nichts war in jenen Monaten in der ganzen Bürgerschaft ein beliebteres Gesprächsthema gewesen, einmal infolge des ungezügelten Hanges, über solche Dinge zu reden, sodann, weil Galba schon altersschwach war. Nur wenige verrieten nüchternes Urteil oder Liebe zum Gemeinwesen. Viele ergaben sich törichter Hoffnung und wiesen bald auf diesen, bald auf jenen hin, je nachdem er ihr Freund oder Schutzbefohlener war, in selbstsüchtigem Gerede. Auch der Hass gegen Titus Vinius spielte eine Rolle, da er in dem Grade, wie seine Macht von Tag zu Tag stieg, sich mehr Feinde machte. Denn die Freunde Galbas, die ohnehin in ihrer hohen Stellung ihre Begierden nicht zügelten, steigerten ihre Ansprüche infolge des nachgiebigen Verhaltens Galbas immer höher, da man bei seiner Willensschwäche und Leichtgläubigkeit für sein eigenes Vergehen weniger zu fürchten und höheren Lohn zu erwarten hatte. 13. Die Macht des Prinzipats war zwischen dem Konsul Titus Vinius und dem Prätorianerpräfekten Cornelius Laco aufgeteilt. In nicht geringerer Gunst stand der Freigelassene des Galba, Icelus; er war mit dem Ring beschenkt worden27 und man nannte ihn mit seinem ritterlichen Namen Marcianus. Sie waren untereinander uneinig und in unbedeutenderen Angelegenheiten hatte jeder seinen eigenen Kopf. Als man daher mit dem Plan umging, einen Nachfolger zu wählen, spalteten sie sich in zwei Parteien. Vinius trat für Otho ein, Laco und Icelus begünstigten nicht so sehr eine bestimmte als überhaupt eine andere Persönlichkeit. Galba war die Freundschaft, die zwischen Otho und Titus Vinius bestand, nicht unbekannt, und von den Gerüchtemachern, die nichts mit Stillschweigen übergehen, wurde Vinius, weil er eine ledige Tochter hatte, zum Schwiegervater und Otho, weil er unverheiratet war, zum Schwiegersohn bestimmt. Ich glaube, dass Galba auch die Sorge um das Gemeinwesen beschlich, das ja von Nero nutzlos übergegangen wäre, wenn es Otho überlassen würde. Denn Otho hatte sich in seinen Kna-

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Erstes Buch, Kapitel 14 – 15

benjahren leichtfertig, in seinem Jünglingsalter liederlich benommen, beliebt bei Nero, dessen ausschweifender Lebensführung er es gleichtat. Deshalb hatte Nero die fürstliche Mätresse Poppäa Sabina bei ihm als dem Vertrauten seiner Ausschweifungen in Verwahrung gegeben, bis er seine Gattin Octavia sich vom Halse schaffe. Bald jedoch erregte er eben wegen dieser Poppäa Verdacht, und Nero entfernte ihn unter dem Vorwand einer Legatenstelle28 in die Provinz Lusitanien. Nachdem Otho in der Provinz eine humane Verwaltung ausgeübt hatte, war er der erste, der zu Galbas Partei übertrat. Er war dabei nicht untätig und, solange der Krieg dauerte, in der Umgebung Galbas die glänzendste Erscheinung. Der Hoffnung auf eine Adoption, die sofort in ihm aufgestiegen war, gab er sich von Tag zu Tag leidenschaftlicher hin, von der Mehrzahl der Soldaten begünstigt, wobei der Hof ihm als einer mit Nero verwandten Natur seine Sympathie bezeugte. 14. Aber obwohl Galba seit den Nachrichten von der Meuterei in Germanien noch nichts Bestimmtes über Vitellius erfahren hatte,29 nahm er die Wahl eines Nachfolgers in der Herrschaft vor,30 die er für das einzige Heilmittel hielt. Er war in banger Sorge, in welcher Richtung sich der Wille der Heere gewaltsam Bahn brechen würde, wobei er nicht einmal der Garnison der Hauptstadt vertraute. Außer Vinius und Laco zog er den designierten Konsul Marius Celsus31 und den Stadtpräfekten Ducennius Geminus hinzu, machte einige einleitende Bemerkungen über sein hohes Alter und ließ dann Piso Licinianus32 herbeiholen, mag er nun diese Wahl selbständig getroffen haben oder, wie manche geglaubt haben, auf Drängen Lacos, der bei Rubellius Plautus33 mit Piso freundschaftlichen Verkehr gepflogen hatte. Doch in schlauer Weise empfahl Laco ihn als einen, der nicht weiter bekannt sei; auch hatte der günstige Ruf, in dem Piso stand, seinem Vorschlag Vertrauen verschafft. Piso war ein Sohn des M. Crassus und der Scribonia und war so beiderseitig von adeliger Abkunft. Er verkörperte in seinen Gesichtszügen wie in seiner ganzen äußeren Erscheinung den Mann alten Schlages. Ein ernsthafter Beurteiler musste ihm ein strenges, wer zu einer missgünstigeren Deutung neigte, ein ziemlich finsteres Wesen zuschreiben. Und diese Seite seines Charakters war



Ansprache Galbas an Piso

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es auch, die dem Adoptierenden umso mehr gefiel, je bedenklicher sie denen vorkam, die besorgt waren. 15. So fasste Galba den Piso an der Hand und, wie berichtet wird, hielt er folgende Ansprache: »Würde ich nur als Privatmann nach dem kuriatischen Gesetz34 vor den Oberpriestern, wie es Sitte ist, dich adoptieren, so wäre es ebenso für mich eine hohe Ehre, einen Nachkommen des Cn. Pompeius und M. Crassus zu meinen Penaten zu berufen, wie für dich eine Auszeichnung, den Glanz des Sulpicischen und Lutatischen Adelsgeschlechtes dem deinigen hinzugefügt zu haben. Nun haben mich Götter und Menschen einmütig zur Herrschaft berufen und deine ausgezeichnete Veranlagung und deine Vaterlandsliebe haben mich veranlasst, das Prinzipat, um das unsere Vorfahren mit den Waffen stritten35 und das ich selbst durch Krieg erlangt habe, dir in der Ruhe des Friedens anzutragen, dem Vorbild des vergöttlichten Augustus folgend, der seinem Schwestersohn Marcellus, dann seinem Schwiegersohn Agrippa, darauf seinen Enkeln36 und zuletzt seinem Stiefsohn Tiberius Nero sich zunächst die höchste Würde zugesprochen hat. Aber Augustus hat sich in seinem eigenen Hause einen Nachfolger gesucht, ich in dem Gemeinwesen, nicht etwa, weil ich keine Verwandten oder Kriegsgefährten hätte, sondern, wie ich die Herrschaft erlangt habe, ohne mich um sie zu bewerben, so sollen als Beweis meiner reiflichen Überlegung nicht nur meine verwandtschaftlichen Bindungen dienen, die ich hinter deine Person zurückgestellt habe, sondern auch die deinen. Du hast einen Bruder, der von gleichem Adel, aber der ältere ist und der diese Stellung verdienen würde, wenn du nicht der berufenere wärest. Du stehst in einem Alter, das über die Leidenschaften der Jugend bereits hinaus ist, und das Leben, das du führst, ist so, dass du nichts, was vergangen ist, zu entschuldigen brauchst. Du hast ein Schicksal getragen, das dir bisher nur Widrigkeiten beschert hat. Wenn es den Menschen gut geht, werden sie schärferen Prüfungen ausgesetzt, da ja das Elend sich ertragen lässt, während uns das Glück schlecht macht. An Treue, Freimut, Freundschaft, den hauptsächlichsten Gütern des menschlichen Herzens, wirst du zwar in gleichbleibender Charakterstärke festhalten, aber andere werden diesen Gütern in ihrer

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Knechtsgesinnung Eintrag tun. Einreißen werden Kriechertum und Schmeichelei und das schlimmste Gift für die Wahrhaftigkeit: der Eigennutz. Auch wenn wir beide, ich und du, heute in aller Schlichtheit miteinander reden, werden die anderen doch lieber mit unserer hohen Stellung als mit uns selbst reden. Denn einem Fürsten das zu raten, was nottut, ist eine recht mühevolle Aufgabe; die Rolle des Jasagers führt man gegenüber jedem beliebigen Fürsten ohne innere Anteilnahme durch. 16. Könnte der unermessliche Organismus des Reiches ohne Lenker auf festen Füßen stehen und sich im Gleichgewicht halten, so hätte ich es verdient, dass mit mir das freie Gemeinwesen seinen Anfang nähme.37 Jetzt aber hat sich schon längst eine solche Zwangslage ergeben, dass weder das hohe Alter, in dem ich stehe, dem römischen Volk mehr erbringen kann als einen guten Nachfolger, noch die Jugend, in der du stehst, mehr als einen guten Fürsten. Unter Tiberius und Gaius und Claudius sind wir Römer gleichsam das Erbgut einer einzigen Familie gewesen. Einen Ersatz für die Freiheit wird es bedeuten, dass man mit uns die Wahl eingeführt hat. Und nachdem das julisch-klaudische Haus erloschen ist, wird man auf dem Wege der Adoption jeweils den besten Mann herausfinden. Denn von Fürsten erzeugt zu werden und ihnen das Dasein zu verdanken, ist eine Zufallserscheinung, und darüber hinaus gibt es keine Bewertung. Adoptieren bedeutet, ein unbestechliches Urteil fällen, und wenn man jemand auswählen will, so gibt die Zustimmung den richtigen Hinweis. Halte dir doch Nero vor Augen, den trotz seinem aufgeblasenen Stolz auf die lange Reihe der Cäsaren nicht Vindex mit seiner waffenlosen Provinz oder gar ich mit einer einzigen Legion, sondern seine eigene Unmenschlichkeit, sein eigener ausschweifender Lebenswandel von dem Nacken des Staates heruntergeworfen haben. Und bis dahin gab es keinen Vorgang für die Verurteilung eines Fürsten. Wir, die wir durch Krieg und durch Leute mit maßgeblichem Urteil berufen worden sind, werden von Missgunst verfolgt werden, mögen wir auch noch so hoch herausragen. Lass dich jedoch nicht erschrecken, wenn jetzt, da die ganze Welt erschüttert bebt, zwei Legionen noch nicht sich ruhig verhalten! Auch ich habe die Regierung nicht in gesicherten Verhältnissen angetre-



Ankündigung der Adoption Pisos

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ten, und, wenn man von der Adoption hört, wird man in mir nicht mehr den Greis sehen, was der einzige Vorwurf ist, den man jetzt gegen mich erhebt. Nero wird stets von den schlechtesten Bürgern zurückgewünscht werden. Ich und du, wir beide, müssen dafür sorgen, dass er nicht auch von den guten Bürgern zurückgewünscht wird. Noch länger zu mahnen, wäre in dieser Stunde nicht am Platz. Auch hat mein ganzes Sinnen und Trachten Erfüllung gefunden, wenn ich mit dir eine gute Wahl getroffen habe. Am zweckmäßigsten und zugleich kürzesten trifft man diese Entscheidung zwischen dem Rechten und dem Schlechten, wenn man darüber nachdenkt, was man selbst unter einem anderen Fürsten gewünscht oder auch abgelehnt hätte. Denn hier handelt es sich nicht, wie bei monarchisch regierten Völkern, um ein bestimmtes Herrscherhaus, dessen Sklaven die übrigen sind, sondern du wirst über Menschen gebieten, die weder totale Knechtschaft noch totale Freiheit ertragen können.« So und ähnlich redete Galba, als ob er ihn erst zum Fürsten machte, während alle übrigen mit ihm redeten, als wäre er es bereits. 17. Piso soll im ersten Augenblick, wie man ihn anschaute, und auch nachher, wie aller Augen auf ihn gerichtet waren, keine Regung von Unruhe oder übermäßiger Freude verraten haben. Seine Redeweise war gegenüber seinem Vater und dem Imperator ehrerbietig und bescheiden hinsichtlich seiner eigenen Person. Nichts hatte sich in seiner Miene und Haltung verändert, als ob seine Fähigkeit zu herrschen größer wäre als sein Wunsch. Hierauf beriet man, ob man die Adoption von der Rednerbühne des Forums aus oder im Senat oder in der Prätorianerkaserne feierlich verkündigen solle. Man beschloss, in die Kaserne zu gehen, was für die Soldaten eine Ehrung bedeuten würde, um deren Zuneigung sich durch freigebiges Schenken und durch Entgegenkommen zu bemühen, zwar nicht wohlgetan, aber auch nicht zu verachten sei, wenn es mit anständigen Mitteln geschehe. Indessen hatte sich um das Palatium38 eine erwartungsvolle Volksmenge versammelt, die keine Geduld gegenüber der Geheimniskrämerei in einer so wichtigen Angelegenheit zeigte. Und indem man das nur schlecht gehütete Gerücht unterdrückte, wurde es nur noch mehr aufgebauscht.

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18. Am zehnten Januar, einem düsteren Regentag hatten Donner und Blitz und sonstige drohende Himmelserscheinungen ungewöhnliche Aufregung gebracht. Obgleich seit alter Zeit der Brauch beachtet wurde, in solchen Fällen die Volksversammlung aufzuheben, ließ sich Galba dadurch nicht abschrecken, in die Kaserne zu gehen, vielleicht weil er Derartiges als Zufallserscheinungen missachtete oder, weil wir dem, was uns nun einmal vom Schicksal erwartet, nicht entgehen, selbst wenn es uns vorher angezeigt wird. Vor einer zahlreichen Soldatenversammlung gab Galba in imperatorischer Kürze bekannt, Piso werde von ihm adoptiert entsprechend dem Vorgang des vergöttlichten Augustus und dem soldatischen Brauch, nach dem ein Mann den anderen sich wähle. Und damit nicht die Meuterei, wenn man so tue, als ob man nichts von ihr wisse, in der Vorstellung der Leute ein übertriebenes Ausmaß annehme, erklärte er von sich aus, die vierzehnte und die zweiundzwanzigste Legion seien von einigen Rädelsführern zu einer Meuterei veranlasst worden; jedoch sei ihre Verirrung nicht über Worte und Zurufe hinausgegangen und binnen kurzem würden sie sich wieder zur Pflichterfüllung zurückfinden. Er fügte seiner Ansprache kein einziges verbindliches Wort oder einen Hinweis auf ein »Geschenk« hinzu. Die Tribunen und die Zenturionen jedoch und die zunächststehenden Soldaten gaben Antworten, die freundlich klangen. Bei allen übrigen herrschte missmutiges Schweigen, als ob sie des sogar im Frieden unumgänglich beanspruchten »Geschenkes« im Kriege verlustig gegangen wären. Fest steht, dass er die Stimmung hätte für sich gewinnen können, wenn der knauserige Greis auch nur ein bisschen Freigebigkeit hätte walten lassen. Doch ihm schadete seine altertümliche Starrheit und die allzugroße Strenge, für die wir jetzt nicht mehr das nötige Verständnis aufbringen. 19. Darauf hielt Galba vor dem Senat eine Rede, die ebenso schlicht und ebenso kurz war, wie die vor den Soldaten. Die Ansprache, die Piso hielt, war leutselig und fand das Wohlwollen des Senats. Vielen Senatoren war es damit ernst; wortreicher ergingen sich diejenigen, die sich ablehnend verhalten hatten, die Mitte, die die Mehrheit bildete, bewies entgegenkommende Willfährigkeit, wobei sie persönliche Hoffnungen nährte,



Wirkung der Adoption · Geldbeschaffung

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ohne sich dabei um das öffentliche Wohl zu kümmern. In den folgenden, zwischen seiner Adoption und seiner Erhebung liegenden vier Tagen enthielt sich Piso jeder weiteren Rede oder Handlung in der Öffentlichkeit. Da die Nachrichten von dem Abfall in Germanien von Tag zu Tag häufiger kamen und da die Bürgerschaft leicht geneigt ist, auf alle Neuigkeiten zu hören und ihnen Glauben zu schenken, wenn sie nur betrüblich sind, hatte sich der Senat dahin entschieden, Gesandte zu den germanischen Heeren zu schicken. In einer Geheimsitzung wurde darüber verhandelt, ob auch Piso mitreisen solle, um der Gesandtschaft eine größere Bedeutung nach außen zu verleihen, wobei die Gesandten das Ansehen des Senats, Piso die Würde des Cäsars mitbringen sollten. Man beschloss, auch den Prätorianerpräfekten Laco mitzuschicken. Doch erhob dieser Einspruch gegen den Beschluss. Auch bei der Benennung der Gesandten – die Auswahl hatte der Senat Galba überlassen – herrschte eine abscheuliche Unschlüssigkeit: sie wurden benannt, sie entschuldigten sich, sie wurden ersetzt, und der einzelne bewarb sich um sein Dableiben oder sein Mitgehen, je nachdem Furcht oder Hoffnung ihn bestimmt hatte. 20. Die nächstliegende Sorge bildete das Geld. Wie man alles untersuchte, schien es am gerechtesten zu sein, die Geldmittel wieder von da zu holen, wo die Ursache des Mangels lag. Zweitausendzweihundert Millionen Sesterzen39 hatte Nero durch Schenkungen verschwendet. Die Beschenkten befahl der Kaiser einzeln gerichtlich vorzuladen und ihnen nur den zehnten Teil der Schenkung zu belassen. Aber diese Leute besaßen kaum noch dieses Zehntel, da sie mit fremdem Gut den gleichen Aufwand trieben, mit dem sie ihr eigenes verschleudert hatten, und da gerade den Raffgierigsten und Verkommensten nicht Landbesitz oder zinstragendes Kapital, sondern nur die Werkzeuge zu ihrem lasterhaften Lebenswandel übrig blieben. Mit der Eintreibung wurden dreißig römische Ritter beauftragt. Dies war eine neue Art von Amt, das mit den Bemühungen um Begünstigung und der großen Zahl der Verfahren belastet war. Überall sah man Spieße und Güterschlächter,40 und die Stadt war in Aufregung infolge der Gerichtsverhandlungen. Und doch herrschte große Freude darüber, dass die von

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Nero Beschenkten nun ebenso arm sein sollten wie die von ihm Beraubten. In diesen Tagen bekamen folgende Tribunen ihre Entlassung: von den Prätorianern Antonius Taurus und Antonius Naso, von den städtischen Kohorten Ämilius Pacensis, von der Nachtwache41 Iulius Fronto. Doch war diese Maßregel kein Mittel, um sich gegen die übrigen zu sichern, sondern nur der Anlass zu Besorgnis, da es so aussah, als würden auf künstlichem Wege und aus Angst einzelne beseitigt, während sich der Argwohn doch gegen alle richtete. 21. Inzwischen putschten Otho, der von geordneten Verhältnissen nichts zu erwarten hatte und dessen ganzes Planen sich auf Unruhen gründete, viele Umstände gleichzeitig auf: sein verschwenderischer Lebenswandel, der sogar für einen Fürsten eine Belastung bildete, seine kaum für einen Privatmann erträgliche Geldnot, seine Erbitterung gegen Galba und sein Neid auf Piso. Auch stellte er sich, als ob er in Furcht schwebe, um seine Wünsche umso höher zu steigern. Schon dem Nero sei er besonders lästig gewesen und er dürfe nicht warten, bis ihm wieder Lusitanien und die Ehre einer abermaligen Verbannung zuteil werde. Mit Misstrauen und Hass würden die Herrschenden immer dem begegnen, der als ihr Nachfolger bestimmt werde. Dies habe ihm schon bei dem alten Fürsten geschadet und werde ihm noch mehr schaden bei dem jungen, der von Natur ungebärdig und infolge seiner langen Verbannung noch wilder geworden sei. Otho könne umgebracht werden. Darum müsse man handeln und wagen, solange Galbas Ansehen schwanke und das des Piso sich noch nicht gefestigt habe. Zeiten des Machtwechsels seien günstig für große Unternehmungen, und man dürfe nicht zögern, wo Stillehalten verderblicher sei als schnelles Zugreifen. Allen sei von Natur gleichermaßen der Tod beschieden, der Unterschied sei nur der, ob man von der Nachwelt vergessen werde oder in rühmlichem Andenken bleibe. Und wenn gleichermaßen den Schuldigen wie den Unschuldigen das Ende erwarte, so sei es die Aufgabe des tatkräftigeren Mannes, nach Verdienst zugrunde zu gehen. 22. Othos Sinn war nicht so weichlich, wie es seiner körperlichen Verfassung entsprochen hätte. Die vertrautesten seiner Freigelassenen und Sklaven, die hier in einer verderbteren Umgebung



Othos Abfall

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sich befanden als in einem Privathause, hielten den Hof Neros mit seinem Wohlleben, seinen Ehebrüchen, seinen Heiraten und allen sonstigen Gelüsten von Monarchen ihm, der nach Derartigem gierig war, vor Augen, indem sie vorwurfsvoll darauf hinwiesen, dies alles falle ihm zu, wenn er nur mutig zugreife, aber anderen, wenn er untätig beiseite stehe. Auch die Mathematiker42 bedrängten ihn und verhießen aus der Beobachtung der Gestirne neue Erschütterungen und zugleich ein für Otho glanzvolles Jahr. Dies ist eine Menschenklasse, die die Machthaber verrät und die Hoffenden betrügt, die in unserem Staat immer wieder ausgewiesen und immer wieder bleiben wird. Bei Poppäa hatten viele Mathematiker – das schlechteste Werkzeug in einer fürstlichen Ehe – geheimen Zutritt gehabt. Einer von ihnen, Ptolemäus, Othos Begleiter in Spanien, hatte ihm zugesichert, er werde Nero überleben, und als sich dies in der Folge bestätigte, hatte er ihn – es ging bereits eine solche Vermutung in dem Gerede der Leute um, die das hohe Alter Galbas und die Jugend Othos berechneten – davon überzeugt, dass er zur Herrschaft berufen würde. Otho nahm die Voraussagen auf, als ob sie von Sachkundigen stammten und als Wink des Schicksals zu gelten hätten, wie es ja menschlichen Wünschen entspricht, dem dunkel Verhüllten eher Glauben zu schenken. Ptolemäus ließ es nicht an sich fehlen. Er spielte bereits den Anstifter zum Verbrechen, wozu man ja vom bloßen Wünschen dieser Art sehr leicht übergeht. 23. Doch ist es ungewiss, ob der Gedanke an das Verbrechen sich plötzlich in ihm geregt hat. Um die Zuneigung der Soldaten hatte er sich schon längst bemüht, sei es in der Hoffnung auf die Nachfolge oder auch, um die Übeltat vorzubereiten: unterwegs, in der Kolonne, auf den Feldwachen sprach er die ältesten Soldaten namentlich an und begrüßte sie in Erinnerung an die Neronische Gefolgschaft als Zeltkameraden. Die einen erkannte er wieder, nach anderen erkundigte er sich und half mit Geld oder anderweitiger Begünstigung. Dabei ließ er öfters Klagen und zweideutige Äußerungen über Galba einfließen, und was sonst noch geeignet ist, die Mannschaften aufzuwiegeln. Die anstrengenden Märsche, der Mangel an Nachschub, die harten Befehle wurden umso erbitterter aufgenommen, als die Leute

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gewohnt waren, die Seen Campaniens und die achäischen Städte mit den Flotten anzulaufen, und nun über die Pyrenäen und die Alpen steigen und gewaltige Wegstrecken waffenbeschwert und mühsam zurücklegen mussten. 24. An die bereits erhitzte Stimmung der Soldaten hatte Maevius Pudens, der zu der nächsten Umgebung des Tigellinus43 gehörte, gleichsam die Brandfackel gelegt. Wer am leichtesten beeinflussbar war, wer Geld brauchte und sich auf neue Gelüste stürzte, den lockte er an sich und ging allmählich soweit, dass er unter dem Schein eines Kostgeldes, sooft Galba bei Otho speiste, an die wachhabende Kohorte Mann für Mann hundert Sesterzen verteilte. Diese gleichsam offizielle Spende erhöhte Otho durch geheimgehaltene Sonderbelohnungen an einzelne und erwies sich in seinen Bestechungen so beherzt, dass er dem Speculator44 Cocceius Proculus, der mit seinem Nachbarn wegen des Anteils an einem Grundstück in Streit lag, den ganzen mit eigenem Geld abgekauften Grundbesitz schenkte. Und dies war nur möglich infolge der Saumseligkeit des Prätorianerpräfekten, der von Bekanntem ebenso wenig etwas merkte, wie von Verborgenem. 25. Jetzt aber beauftragte er mit der Durchführung des geplanten Verbrechens den Onomastus, einen seiner Freigelassenen. Von diesem wurden ihm Barbius Proculus, eine Ordonnanz der Speculatoren, und Veturius, ein Feldwebel aus der gleichen Formation, zugeführt. Und sobald er diese in einer Unterhaltung als schlaue und mutige Leute erkannt hatte, überhäufte er sie mit Geschenken und Versprechungen und gab ihnen Geldmittel, um sich noch an mehr Leute heranzumachen. So unternahmen es zwei einfache Soldaten, die Herrschaft über das römische Volk zu übertragen – und sie haben sie wirklich übertragen. In das Komplott wurden nur wenige Leute eingeweiht. Die übrigen, soweit sie noch unschlüssig waren, putschten sie durch verschiedene Mittel auf: die in höheren Rang aufgerückten Soldaten, als ob sie sich durch die Beförderung seitens des Nymphidius verdächtig gemacht hätten, die Mannschaften und alle sonstigen durch die Erbitterung über den immer wiederholten Aufschub des »Geschenkes« und die Aussichtslosigkeit, es jemals zu erhalten. Bei manchen schürte auch das Andenken



Vorbereitungen zur Beseitigung Galbas

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an Nero und das Verlangen nach der früheren Ungebundenheit das Feuer. Insgesamt erfüllte alle gleichermaßen die Angst, es möchte eine Änderung in ihrer militärischen Dienststellung vorgenommen werden. 26. Dies wirkte wie eine Seuche und steckte auch die Gesinnung der Legionen und der Hilfstruppen an, die bereits in Unruhe waren, seitdem bekannt geworden war, dass die Treue des germanischen Heeres wanke. Die schlechten Elemente hatten die Meuterei schon so weit vorbereitet – auch die noch Unbeteiligten taten so, als ob sie von nichts wüssten –, dass sie schon am vierzehnten Januar Otho bei seiner Rückkehr von einem Essen fortgeschleppt hätten, wenn sie sich nicht vor der Unsicherheit der Nacht und vor den über die ganze Stadt verstreuten Lagerplätzen der Soldaten sowie vor der Schwierigkeit eines einmütigen Vorgehens bei Betrunkenen gefürchtet hätten. Dabei spielte die Sorge um das Gemeinwesen keine Rolle, da sie sich ja anschickten, es im Zustand der Nüchternheit durch das Blut ihres Fürsten zu schänden, sondern sie wollten verhüten, dass in der Dunkelheit der erste beste von dem pannonischen oder germanischen Heer, der den Soldaten in den Weg liefe, an Othos Stelle, den die meisten nicht kannten, erkoren werde. Viele Anzeichen für den Ausbruch der Meuterei wurden von den Eingeweihten unterdrückt. Über manche machte sich der Prätorianerpräfekt Laco vor Galbas Ohren lustig. Denn er kannte die Stimmung unter den Soldaten nicht und war gegen jeden Ratschlag, den er nicht selbst beisteuerte, wenn er auch noch so vortrefflich war, feindselig eingestellt und beharrte gegen erfahrene Leute in seinem Starrsinn. 27. Als am fünfzehnten Januar Galba vor dem Tempel des Apollo45 opferte, kündigte ihm der Opferschauer Umbricius an, dass die Eingeweide Unglück erwarten ließen, ein Anschlag bevorstehe und er den Feind im eigenen Haus habe. Dies hörte Otho – denn er stand dicht neben ihm –, und deutete es umgekehrt für ein erfreuliches Vorzeichen, das seinen eigenen Plänen günstig sei. Und es dauerte nicht lange, da meldete der Freigelassene Onomastus, er werde von dem Baumeister und den Unternehmern erwartet. Dies war als Zeichen dafür verabredet worden, dass die Soldaten sich bereits versammelten und die Vorberei-

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tungen für die Verschwörung getroffen seien. Als man Otho fragte, warum er weggehe, gab er vor, er stehe in Kaufverhandlungen über Grundstücke, die ihm alt und baufällig vorkämen und die er daher erst prüfen müsse. Er ging, auf den Freigelassenen gestützt, durch den Palast des Tiberius46 zum Velabrum47 und dort zum »Goldenen Meilenstein«48 unmittelbar bei dem Tempel des Saturnus. Dort begrüßten ihn dreiundzwanzig Speculatoren als Imperator. Als er über die geringe Zahl der Begrüßenden bestürzt war, setzten sie ihn in aller Eile auf einen Tragsessel und schleppten ihn mit gezückten Dolchen fort. Etwa die gleiche Anzahl Soldaten schloss sich ihnen unterwegs an, die einen als Mitwissende, sehr viele, weil ihnen der Vorgang wunderlich vorkam, ein Teil unter Geschrei, mit ihren Schwertern bewaffnet, ein anderer stillschweigend, um den weiteren Verlauf abzuwarten und dann erst Mut zu fassen. 28. Wachhabender in der Kaserne war der Tribun Iulius Martialis. War er nun betroffen durch die Größe der plötzlichen Freveltat oder glaubte er, die Meuterei habe in der Kaserne schon weiter um sich gegriffen, und fürchtete um sein Leben, wenn er Gegenmaßregeln treffe: jedenfalls erregte er bei den meisten den Verdacht der Mitwisserschaft. Auch die übrigen Tribunen und Zenturionen gaben den augenblicklichen Tatsachen den Vorrang vor zweifelhaften Entwicklungen und einem ehrenhaften Verhalten, und die stimmungsmäßige Lage war so, dass nur eine geringe Zahl diese schändlichste Tat wagte, eine größere sie wünschte und jedermann sie geduldig geschehen ließ. 29. Ohne etwas zu wissen und mit dem Opfer beschäftigt, flehte inzwischen Galba die Götter des Reiches an, das sich bereits in den Händen eines anderen befand, als gerüchtweise verlautete, in die Kaserne werde ein Senator – man wisse nicht, wer es sei – geschleppt. Bald hieß es auch, es handle sich dabei um Otho. Zugleich strömten die Leute aus der ganzen Stadt herbei, und wie sie gerade sich begegneten, übertrieben sie teils aus Angst das wirkliche Geschehen; teils schwächten sie es ab und vergaßen auch jetzt nicht das Schmeicheln. Als man sich daher beriet, kam man zu dem Beschluss, die Stimmung der Kohorte, die als Wachtruppe in dem Palatium lag, zu erkunden, aber nicht durch Galba selbst, dessen noch unangetastetes Ansehen



Ausrufung Othos zum Imperator

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man für wichtigere Gegenmaßnahmen aufsparte. Piso ließ die Leute herbeirufen und hielt auf der Treppe des Palastes folgende Ansprache: »Es sind jetzt sechs Tage her, Kameraden, dass ich als Cäsar berufen worden bin, ohne Ahnung, was die Zukunft bringen wird und ob ich diesen Namen wünschen oder fürchten soll. Welches Schicksal sich daraus für mein Haus oder für das Gemeinwesen ergibt, das ist in eure Hand gelegt, nicht als ob ich befürchte, es könnte sich mein persönliches Geschick zum Schlimmeren wenden, habe ich doch das Unglück gekostet und lerne gerade jetzt, dass auch das Glück nicht weniger Gefahr in sich birgt: meines Vaters, des Senats und des Reiches Lage schmerzt mich, wenn wir heute in die Zwangslage kommen, entweder selbst unterzugehen oder, was in den Augen der Gutgesinnten gleich bejammernswert ist, andere umzubringen. Trost bei den letzten Unruhen fanden wir darin, dass in der Stadt kein Blut floss und sich der Übergang ohne Zwietracht vollzog. Mit der Adoption schien vorgesorgt zu sein, dass auch nach Galba ein Krieg nicht mehr möglich wäre. 30. Keineswegs will ich mich auf meinen Adel oder meine Anspruchslosigkeit berufen. Denn bei einem Vergleich mit Otho braucht man keine Tugenden aufzuzählen. Seine Laster, das einzige, dessen er sich rühmen kann, haben das Reich schon damals ins Verderben gestürzt, als er die Rolle des Freundes des Imperators spielte. Sollte er etwa durch seine äußere Erscheinung, durch sein Einherstolzieren oder durch jenen weibischen Aufzug die Herrschaft verdient haben? Wer sich von Verschwendung, die mit Freigebigkeit getarnt ist, bestechen lässt, der geht in die Irre. Auf das Vergeuden wird ja ein Mensch, wie dieser da, sich verstehen, auf das Schenken nicht. Unzucht, Trinkgelage und Zusammenkünfte mit Weibern liegen ihm jetzt im Sinne. Diese hält er für die Belohnungen, die einem Fürsten zustehen, deren hemmungslosen Genuss er für sich selbst beansprucht, während Schimpf und Schande auf die Gesamtheit fallen sollen. Noch nie hat jemand eine auf verbrecherische Weise erworbene Herrschaft mit anständigen Mitteln ausgeübt. Galba hat die einmütige Berufung der ganzen Welt, mich hat Galba mit eurer einmütigen Zustimmung zum Cäsar ernannt. Wenn schon Gemeinwesen, Senat, Volk leere Namen

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Erstes Buch, Kapitel 31 – 33

sind, so muss es eure Aufgabe sein, Kameraden, zu verhüten, dass nicht die Schlechtesten den Imperator machen. Von Legionen hat man gelegentlich schon gehört, dass sie gegen ihre Führer gemeutert haben. Eure Treue und euer guter Ruf sind bis zu dem heutigen Tag unverletzt geblieben. Und auch Nero hat euch im Stich gelassen, nicht etwa ihr ihn. Werden weniger als dreißig Überläufer und Fahnenflüchtige, die niemand auch nur einen Zenturio oder Tribunen wählen ließe, die Herrschaft vergeben? Lasst ihr einen solchen Vorgang zu und wollt ihr euch durch Schweigen zu Mitschuldigen an dem Verbrechen machen? Diese Zügellosigkeit wird auf die Provinzen übergreifen, und uns werden zum Schluss die Folgen der Verbrechen, euch die der Kriege treffen. Und es ist nicht mehr, was euch für die Ermordung des Fürsten gegeben wird, als was ihr erhaltet, wenn ihr schuldlos bleibt. Vielmehr werdet ihr von uns das ›Geschenk‹ für eure Treue genauso erhalten, wie von anderen für euer verbrecherisches Handeln.« 31. Die Speculatoren machten sich aus dem Staube, und der Rest der Kohorte, der dem Redner ohne Zeichen der Ablehnung zugehört hatte, ergriff, wie es bei Unruhen geschieht, eher zufällig und ohne einen bestimmten Entschluss gefasst zu haben, als, wie man später glaubte, in hinterhältiger Verstellung, eilends die Feldzeichen. Es wurde auch Celsus Marius zu der Abordnung des illyrischen Heeres, die an der Vipsanischen Halle49 lagerte, geschickt. Die Primipilaren50 Amullius Serenus und Domitius Sabinus erhielten den Auftrag, die germanischen Soldaten von dem Vorhof der »Libertas«51 herbeizuholen. Der Legion der Seesoldaten,52 die über die Ermordung ihrer Kameraden durch Galba, unmittelbar bei seinem Einzug, erbittert war, traute man nicht. Sogar in die Prätorianerkaserne begaben sich die Tribunen Cetrius Severus, Subrius Dexter und Pompeius Longinus, um festzustellen, ob die Meuterei, solange sie erst im Entstehen begriffen und noch nicht herangereift war, durch Vorstellungen sich in ein vernünftigeres Fahrwasser leiten lasse. Auf zwei der Tribunen, Subrius und Cetrius, gingen die Soldaten mit Drohungen los, gegen Longinus wurden sie tätlich und entwaffneten ihn, weil er seinen militärischen Rang nicht auf der üblichen Laufbahn, sondern als Freund Galbas



Unentschlossene Haltung Galbas

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erworben hatte, seinem Fürsten treu ergeben war und daher bei den Meuterern verstärkten Argwohn erweckte. Die Legion der Seesoldaten schloss sich ohne jedes Zögern den Prätorianern an. Die Abordnung des illyrischen Heeres erhob drohend ihre Speere und jagte Celsus fort. Die germanischen Abteilungen schwankten lange. Sie waren körperlich immer noch angegriffen und friedlich gestimmt. Nero hatte sie nämlich nach Alexandria vorausgeschickt, dann hatte man sie wieder zurückberufen und, weil sie sich von der langen Seefahrt noch nicht erholt hatten, ließ ihnen Galba eine besonders fürsorgliche Pflege ­angedeihen. 32. Schon füllte der gesamte Pöbel das Palatium. Darunter befanden sich auch Sklaven. Alles schrie durcheinander und verlangte die Hinrichtung Othos und die Vernichtung der Verschworenen, als ob sie im Circus oder im Theater irgendeine Schaustellung forderten. Doch handelte es sich bei ihnen weder um eine richtige Überlegung noch war es ihnen damit wirklich ernst, sollten sie doch noch am gleichen Tage mit dem gleichen Eifer gerade das Gegenteil fordern. Vielmehr ging alles nach dem hergebrachten Brauch: man schmeichelt jedem Fürsten, mag er sein, wie er will, mit ungehemmtem Beifallsgeschrei und mit einer Begeisterung, die ohne innere Anteilnahme ist. Inzwischen wurde Galba durch zwei verschiedene Auffassungen in Zwiespalt versetzt: Titus Vinius meinte, man solle innerhalb des Palastes bleiben, die Sklaven entgegenstellen, die Zugänge abriegeln und sich nicht zu den erbitterten Leuten begeben. Er solle doch den schlechten Elementen Zeit zur Reue und den Anständigen Zeit zu einmütigem Handeln geben. Verbrechen würden durch ungestümes Vorgehen, gute Absichten durch zögerndes Verhalten gefördert. Schließlich habe er nachher immer noch dieselbe Möglichkeit, falls ein vernünftiger Grund dafür spreche, aus eigenem Entschluss dorthin zu gehen; wieder zurückzukehren, wenn er es bereue, liege in der Hand von anderen. 33. Allen anderen schien beschleunigtes Handeln erforderlich, ehe die noch kraftlose und an Zahl unbedeutende Verschwörung ein größeres Ausmaß annehme. Auch Otho werde in Angst geraten. Er sei heimlich weggegangen und habe sich in

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Erstes Buch, Kapitel 34 – 36

die Hand von Leuten gegeben, die ihn gar nicht kennen, wo er jetzt bei saumseligem, zeitvergeudendem Zögern den Fürsten spielen lerne. Man dürfe nicht darauf warten, dass er die Lage in der Kaserne meistere, dann über das Forum herfalle und vor Galbas Augen auf das Kapitol ziehe, während der vortreffliche Imperator mit seinen tapferen Freunden sich nicht weiter als bis zur Tür und Schwelle wage und den Palast abriegle, ohne Zweifel entschlossen, eine Belagerung auf sich zu nehmen. Eine prächtige Hilfstruppe habe man an den Sklaven, wenn der einmütige Wille einer so großen Menschenmenge und, was am schwersten ins Gewicht falle, die erste Entrüstung abflaue. Was gegen die Ehre verstoße, gewähre keine Sicherheit. Und selbst wenn es notwendig wäre, zu fallen, müsse man der Gefahr entgegentreten. Dies würde den Otho noch verhasster machen, ihnen selbst aber Ehre einbringen. Als Vinius dieser Ansicht entgegentrat, ging Laco drohend auf ihn los, und Icelus in seinem hartnäckigen privaten Hass stachelte ihn noch auf – zum öffentlichen Verderben. 34. Ohne lange zu zögern, schloss sich Galba denen an, deren Rat bestechender war. Jedoch wurde Piso in die Kaserne vor­ ausgeschickt, als ein junger Mann mit bedeutendem Namen, der sich neuerdings beliebt gemacht hatte und mit Titus Vinius verfeindet war, sei es weil er es in Wirklichkeit war oder weil es die Leute in ihrer Erbitterung so wünschten. Leichter glaubt man ja an Hass. Kaum war Piso weggegangen, als das zuerst unbestimmte und unsichere Gerücht umging, Otho sei in der Kaserne ermordet worden. Dann, wie es mit lügnerischen Behauptungen bei wichtigen Ereignissen geht, versicherten einige, sie seien dabei gewesen und seien Augenzeugen. Wenn man sich freut und sich um nichts weiter zu kümmern hat, ist man ja gegenüber Gerüchten leichtgläubig. Viele waren der Ansicht, das Gerücht sei ersonnen und weiter ausgeschmückt worden von Anhängern Othos, die sich schon eingeschlichen und, um Galba herauszulocken, diese Freudenbotschaft fälschlich verbreitet hätten. 35. Jetzt vollends erhob sich nicht nur bei dem Volk und dem unkundigen Pöbel ein Beifallssturm und maßlose Begeisterung, sondern auch sehr viele Ritter und Senatoren gaben ihre ängst-



Volk und Senat noch auf der Seite Galbas

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liche Zurückhaltung und jede Vorsicht auf, erbrachen die Tore des Palatiums und stürmten hinein. Sie stellten sich Galba vor und beklagten sich darüber, dass man ihnen die Möglichkeit zur Rache zuvor entrissen habe. Und zwar waren es gerade die Feigsten und diejenigen, die, wie der Verlauf erwies, in der Gefahr nichts wagen wollten, aber mit ihren Worten auftrumpften und ein freches Mundwerk führten. Niemand war im Bilde, und alle stellten Behauptungen auf, bis Galba, dem es an der Kenntnis der wirklichen Lage fehlte, sich dem einhelligen Irrwahn fügte, seinen Panzer anlegte und, da er infolge seines Alters und seiner körperlichen Verfassung sich nicht auf den Beinen halten konnte, von dem anstürmenden Haufen auf einen Tragsessel gehoben wurde. Im Palatium kam ihm der Speculator Iulius Atticus entgegen und zeigte ihm sein blutiges Schwert mit dem Ausruf: »Ich habe Otho getötet!« Und Galba sagte nur: »Kamerad! Wer hat es befohlen?« mit deutlicher Entschlossenheit, die Disziplinlosigkeit der Soldaten einzudämmen, gegenüber Drohungen unerschrocken, gegenüber Schmeicheleien unbestechlich. 36. Bereits war in der Kaserne die allgemeine Stimmung nicht mehr schwankend, ja die Begeisterung so groß, dass die Soldaten, sich nicht mit ihrem Aufmarsch und ihrem persönlichen Einsatz begnügend, auf der Tribüne, wo kurz zuvor sich noch das goldene Standbild Galbas befunden hatte, den mitten zwischen den Feldzeichen stehenden Otho mit ihren Prätorianerstandarten umgaben. Kein Tribun oder Zenturio hatte die Möglichkeit, an ihn heranzukommen. Der gemeine Soldat gab sogar die Anweisung, vor den Vorgesetzten auf der Hut zu sein. Überall ertönte lautes Geschrei, herrschte ein Tumult und machte man sich gegenseitig Mut, nicht etwa, wie bei Versammlungen des Gesamtvolkes oder der Plebs,53 mit allerlei Stimmen müßiger Schmeichelei, sondern einen nach dem andern der herbeiströmenden Soldaten ergriff man, sobald man ihn erblickte, an der Hand, umfasste ihn mit den Waffen,54 stellte ihn neben sich, sprach ihm den Fahneneid vor und empfahl bald den Imperator den Soldaten, bald die Soldaten dem Imperator. Und Otho ließ es nicht an sich fehlen: er streckte die Hände aus und bezeugte damit der Menge seine Ehrerbietung,

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Erstes Buch, Kapitel 37 – 39

warf Handküsse zu und scheute keine Knechtsgebärde, nur um Herrscher zu werden. Als ihm die gesamte Legion der Seesoldaten den Fahneneid geleistet hatte, begann er, im Vertrauen auf seine Macht und in dem Glauben, die Soldaten, die er bisher erst einzeln aufgehetzt hatte, nunmehr alle zusammen anfeuern zu sollen, auf dem Lagerwall der Kaserne folgende Rede. 37. »In welcher Eigenschaft ich vor euch, Kameraden, getreten bin, vermag ich nicht zu sagen, weil ich, von euch zum Fürsten ernannt, es nicht auf mich nehme, mich einen Privatmann oder einen Fürsten zu nennen, solange noch ein anderer Herrscher ist. Auch wie ihr euch nennen sollt, wird nicht feststehen, solange man darüber im Unklaren ist, ob ihr den Imperator des römischen Volkes oder einen Staatsfeind in der Kaserne habt. Hört ihr, wie meine Bestrafung und eure Hinrichtung gleichzeitig gefordert werden? So offen liegt es auf der Hand, dass wir nur gemeinsam untergehen oder gerettet werden können. Und in seiner bekannten Milde hat dies Galba vielleicht bereits versprochen, er, der, ohne dass es irgend jemand verlangt hätte, so viele Tausende gänzlich unschuldiger Soldaten hingeschlachtet hat. Schauder erfasst mich, sooft ich an seinen Einzug über Leichen und an diesen einzigen Sieg denke, den Galba errungen hat, als er vor den Augen der Stadt jeden Zehnten von den Leuten hinrichten ließ, die sich ergeben hatten und die er auf ihre flehentliche Bitte begnadigt hatte. Unter solchen Auspizien ist er in Rom eingezogen. Was Rühmliches hat er denn für das Prinzipat geleistet, es sei denn die Ermordung des Obultronius Sabinus und des Cornelius Marcellus in Spanien, des Betuus Cilo in Gallien, des Fonteius Capito in Germanien, des Clodius Macer in Afrika, des Cingonius auf der Heerstraße, des Turpilianus in der Hauptstadt, des Nymphidius hier in der Kaserne? Wo gibt es eine Provinz, wo ein Lager, das nicht blutbefleckt und besudelt, oder, wie er selbst rühmt, gesäubert und verbessert worden wäre? Denn, was anderwärts als Verbrechen gilt, das nennt er heilsame Maßnahmen, wobei er mit falschen Bezeichnungen Grausamkeit für Strenge, Habsucht für Sparsamkeit, Kriegszucht für Hinrichtungen und schmachvolle Behandlung, die er euch zuteilwerden lässt, ausgibt. Sieben Monate sind seit dem Ende Neros55 vergangen und schon hat Icelus mehr errafft,



Ansprache Othos an die Soldaten

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als Leute wie Polyclitus, Vatinius und Ägialus56 durchgebracht haben. Mit weniger Habsucht und Zügellosigkeit hätte T. Vinius gehaust, wenn er selbst die Herrschaft ausgeübt hätte. So aber hat er uns als Untertanen behandelt, wie wenn wir sein Eigentum wären, und mit einer Geringschätzung, wie wenn wir einem anderen gehörten. Jener eine Palast genügt für das ›Geschenk‹, das euch niemals gegeben und täglich zum Vorwurf gemacht wird. 38. Und damit ihr auch auf den Nachfolger Galbas ja keine Hoffnung setzt, hat er den Mann aus der Verbannung zurückgeholt, den er wegen seines mürrischen und habsüchtigen Gehabens ganz als seinesgleichen betrachtete. Ihr habt es erlebt, Kameraden, wie durch ein auffallendes Unwetter sogar die Götter sich gegen die unglückselige Adoption gestellt haben. Ebenso ist der Senat, ebenso das römische Volk gesinnt. Auf eure mannhafte Haltung wartet man, bei euch liegt der ganze Rückhalt für ehrenhafte Entschließungen, ohne euch haben sie keine Kraft, mögen sie noch so hervorragend sein. Ich rufe euch nicht zum Kriege und auch nicht zu gefahrvoller Tat auf. Alle Soldaten stehen mit ihren Waffen auf unserer Seite. Die einzige ›Kohorte in der Toga‹57 verteidigt jetzt nicht etwa den Galba, sondern sie hält ihn fest. Wenn sie euch erblickt, wenn sie von mir die Parole vernommen hat,58 dann wird der Wettstreit allein darum gehen, wer bei mir am besten angeschrieben ist. Kein Zögern ist am Platz bei einem Entschluss, der erst gelobt werden kann, wenn er zur Tat geworden ist.« Darauf befahl er, das Zeughaus zu öffnen. Sofort schleppte man die Waffen fort ohne Beachtung von militärischer Sitte und Ordnung, so dass sich der Prätorianer oder Legionär durch seine Abzeichen unterschieden hätte. In einem Durcheinander bewaffneten sie sich mit den Helmen und Schilden der Hilfstruppen; kein Tribun oder Zenturio griff mahnend ein, jeder folgte sich selbst und seinem eigenen Drange. Und einen besonderen Ansporn für die schlechtesten Elemente bildete die Niedergeschlagenheit der Gutgesinnten. 39. Schon hatte Piso, aufgeschreckt durch den Lärm des um sich greifenden Aufruhrs und das bis in die Hauptstadt schallende Geschrei, Galba erreicht, der inzwischen herausgekommen war

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Erstes Buch, Kapitel 40 – 42

und sich dem Forum näherte, schon hatte Marius Celsus die recht unerfreuliche Botschaft gebracht, da waren die einen der Ansicht, man solle in das Palatium zurückkehren, die andern, man solle zum Kapitol gehen, sehr viele, man solle schleunigst die Rednertribüne besetzen. Eine größere Anzahl widersprach lediglich den Meinungen anderer, und, wie es bei unglücklichen Überlegungen zu gehen pflegt, das Beste schien das zu sein, wozu die Zeit schon verstrichen war. Laco ist, wie man erzählt, mit dem Plan umgegangen, ohne Wissen Galbas den Titus Vinius zu ermorden, sei es, um mit dessen Bestrafung die Soldaten zu besänftigen oder, weil er glaubte, dieser sei ein Mitverschworener Othos, oder endlich sogar aus bloßem Hass. Zeit und Ort veranlassten ihn zu zögern, weil es schwer ist, dem Morden Einhalt zu gebieten, wenn es einmal begonnen hat. Seinen Entschluss störten auch beunruhigende Nachrichten und das Weglaufen seiner nächsten Umgebung. Der Eifer erlahmte bei all denen, die zuerst begeistert Treue und Mut bekundet hatten. 40. So wurde Galba hin und her getrieben von dem wechselnden Einfluss der unstet wogenden Menge: überall waren die Basiliken und Tempel voll von Menschen, und ein jammervoller Ausblick bot sich von dort aus dar. Nicht ein einziger Zuruf seitens des Volkes oder des Pöbels war zu hören, sondern man sah nur bestürzte Gesichter und nach allen Seiten horchende Menschen. Es herrschte kein Lärmen und auch keine Ruhe, wie sonst das Schweigen bei großer Furcht und großer Erbitterung sich ausprägt. Jedoch wurde dem Otho gemeldet, der Pöbel bewaffne sich. Da befahl er, Hals über Kopf loszumarschieren und der Gefahr zuvorzukommen. Und so geschah es, dass römische Soldaten, als ob sie einen Vologäsus oder Pacorus von dem ererbten Thron der Arsaciden59 stoßen und nicht ihren waffenlosen, greisen Imperator ermorden wollten, den Pöbel auseinanderjagten, die Senatoren niederritten und mit wildem Waffengeklirr auf jagenden Pferden auf das Forum stürmten. Und es schreckte sie nicht der Anblick des Kapitols und die Ehrfurcht vor den nahen Tempeln und der Gedanke an die vor­ ausgegangenen und noch kommenden Fürsten davor zurück, ein Verbrechen zu begehen, zu dessen Rache der Nachfolger aufsteht, wer er auch sein mag.



Sturm aufs Forum und Ermordung Galbas

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41. Als man den Zug der Bewaffneten in der Nähe sah, riss der Fahnenträger der den Galba begleitenden Kohorte – nach der Überlieferung war es Atilius Vergilio – das Bild Galbas von der Fahnenstange herunter60 und warf es auf den Boden. Auf dieses Zeichen hin erklärten sich alle Soldaten offen für Otho. Das Volk floh, und das Forum lag verlassen da. Wer noch schwankte, wurde mit der blanken Waffe bedroht. Bei dem »See des Cur­ tius«61 wurde Galba infolge der Aufregung seiner Träger aus dem Tragsessel geschleudert und rollte am Boden hin. Sein letztes Wort ist verschieden überliefert, je nachdem man ihm mit Hass oder Bewunderung gegenüberstand. Die einen behaupteten, er habe flehentlich gefragt, was er denn Schlimmes verwirkt habe, und gebeten, man möge ihm einige wenige Tage gönnen, um das »Geschenk« auszubezahlen. Verbreiteter ist die Lesart, er habe den Mördern seine Kehle selbst hingehalten: sie sollten nur gleich zustoßen, wenn es ihnen zum Nutzen des Gemeinwesens zu geschehen scheine. Seinen Mördern war es gleichgültig, was er sagte. Wer der Mörder war, steht nicht fest. Manche nennen einen Freiwilligen,62 namens Terentius, andere einen Läcanius. Häufiger trifft man auf die Überlieferung, Camurius, ein Soldat der fünfzehnten Legion habe ihm mit dem Schwert die Kehle durchstoßen. Die übrigen zerfetzten ihm Beine und Arme – seine Brust war ja durch einen Panzer geschützt – in abscheulicher Weise. Die meisten Wunden wurden seinem Körper, als dieser bereits verstümmelt war, in wilder Grausamkeit beigebracht. 42. Darauf stürzten sie sich auf Titus Vinius. Bei ihm ist gleichfalls die Überlieferung nicht einheitlich, ob ihm die Todesangst die Sprache verschlagen oder ob er ausgerufen hat, von Otho sei kein Auftrag zu seiner Ermordung gegeben. Ob er dies nun erfunden hat in seiner Angst oder, ob er damit bekannt hat, dass er in die Verschwörung eingeweiht war, auf Grund seines Lebens und seines Rufes ist man eher geneigt anzunehmen, dass er in das Verbrechen eingeweiht gewesen ist, zu dem er ja die Veranlassung bildete. Er lag vor dem Tempel des vergöttlichten Iulius, zuerst hatte er einen Hieb in die Kniekehlen erhalten und dann hatte ihm der Legionssoldat Iulius Carus beide Seiten durchstoßen.

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Erstes Buch, Kapitel 43 – 46

43. Einen hervorragenden Mann durfte an jenem Tag unsere Zeit in Sempronius Densus erleben. Dieser, ein Zenturio in einer Prätorianerkohorte, von Galba dem Piso zur Bedeckung mitgegeben, trat mit gezücktem Dolch den Bewaffneten entgegen, schalt sie Verbrecher und ermöglichte dadurch, dass er bald durch Winken, bald durch Rufen die Mörder auf sich zog, dem Piso, obschon er bereits verwundet war, zu entkommen. Piso rettete sich in den Tempel der Vesta,63 wo er von einem mitleidigen Staatssklaven aufgenommen und in dessen Quartier versteckt wurde. Nicht durch die Heiligkeit des Ortes und den Götterdienst, sondern lediglich durch sein Versteck suchte Piso das drohende Verderben hinauszuschieben, als in ausdrücklichem Auftrag des nach Pisos Blut lechzenden Otho Sulpicius Florus von den britannischen Kohorten, der erst kürzlich von Galba mit dem Bürgerrecht beschenkt worden war, und der Speculator Statius Murcus erschienen. Von diesen wurde Piso hinausgeschleppt und an der Tür des Tempels niedergemacht. 44. Keinen Mord hat Otho, wie man erzählt, mit größerer Freude vernommen, kein Haupt mit so unersättlichen Blicken gemustert, mag er jetzt, zum ersten Mal unbeschwert von aller Besorgnis, begonnen haben, sich ganz der Freude hinzugeben, oder hatte die Erinnerung an die hoheitsvolle Würde, die von Galba ausging, und an die Freundschaft, die ihn mit Titus Vinius verband, angesichts des düsteren Bildes ihm trotz seiner Gefühllosigkeit einen Schock versetzt, während er es doch bei Piso vor Gott und Menschen für recht hielt, sich über die Ermordung als eines persönlichen Feindes und Rivalen zu freuen. Auf Stangen aufgespießt, wurden die Köpfe zwischen den Standarten der Kohorten neben dem Legionsadler hergetragen, wobei wetteifernd ihre blutbefleckten Hände diejenigen zeigten, die den Mord verübt hatten, die nur dabei gewesen waren und die mit und gegen ihre Überzeugung mit der Tat als einer schönen und denkwürdigen prahlten. Mehr als hundertzwanzig Bittschriften von Leuten, die wegen eines hervorstechenden Dienstes, den sie an diesem Tag geleistet haben wollten, eine Belohnung forderten, fand Vitellius später vor. Er ließ alle diese Leute zusammensuchen und hinrichten, nicht zu Ehren Galbas,



Ermordung Pisos · Soldatenherrschaft

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sondern entsprechend der bei Fürsten überlieferten Sitte zur Sicherung für die Gegenwart und zur Rache für die Zukunft. 45. Einen anderen Senat, ein anderes Volk hätte man glauben können, vor sich zu haben. Alles rannte in die Kaserne, überholte die Vorderleute, lief um die Wette mit den Vorauseilenden, schimpfte auf Galba, lobte die Entscheidung der Soldaten, küsste Othos Hand und je unaufrichtiger war, was geschah, umso mehr tat man es. Auch wies Otho die einzelnen Leute nicht zurück; er wirkte lediglich auf die gierige und bedrohliche Haltung der Soldaten mit Wort und Blick mäßigend ein. Diese forderten die Todesstrafe für Marius Celsus, den designierten Konsul, der Galba bis in seine letzten Stunden treue Freundschaft bewiesen hatte, und waren aufgebracht über seinen Diensteifer und seine Uneigennützigkeit, gleich als ob dies schlechte Eigenschaften wären. Es war klar, dass man es nur darauf abgesehen hatte, mit Mord und Plünderung und Vernichtung der Besten zu beginnen. Doch hatte Otho noch nicht den Einfluss, Verbrechen zu verhindern, befehlen konnte er sie bereits. So stellte er sich, als ob er wütend wäre, befahl, ihn in Fesseln zu legen, und entzog ihn mit der Versicherung, er werde ihn noch härter bestrafen, für den Augenblick dem Verderben. 46. Von da an spielte sich alles nach der Willkür der Soldaten ab. Die Befehlshaber des Prätoriums wählten sie sich selbst aus, nämlich Plotius Firmus, einen ehemaligen Manipular64 und nachherigen Befehlshaber der Nachtwache,65 der, solange Galbas Stellung noch unerschüttert war, sich der Partei des Otho angeschlossen hatte. Ihm wurde Licinius Proculus beigegeben, der wegen seiner engen Freundschaft mit Otho in dem Verdacht stand, dessen Pläne unterstützt zu haben. Zum Stadtpräfekten66 machten sie Flavius Sabinus und schlossen sich damit dem Urteil Neros an, unter dem er das gleiche Amt bekleidet hatte. Sehr viele nahmen bei seiner Person Rücksicht auf seinen Bruder Vespasianus. Dringend gefordert wurde, die Zahlungen für Urlaub, die gewöhnlich den Zenturionen geleistet wurden, zu erlassen. Denn die Mannschaften entrichteten diese wie eine Jahresabgabe. Ein Viertel von jedem Manipel trieb sich überall auf Urlaub umher oder lungerte in dem Lager selbst herum, wenn man nur den Zenturionen den Preis be-

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Erstes Buch, Kapitel 47 – 49

zahlte, und bei keinem spielte die Höhe dieser Belastung oder die Art und Weise, wie er sich die Mittel dazu beschaffte, eine Rolle. Durch Straßenraub und Plünderung oder durch Sklavendienste erkauften sie sich Befreiung vom militärischen Dienst. Dann wurde den Soldaten, je wohlhabender sie waren, umso mehr durch anstrengenden Dienst und harte Behandlung so lange zugesetzt, bis sie sich den Urlaub erkauften. Wenn dann ein Soldat infolge seiner Aufwendungen ausgebeutet und zudem durch sein Nichtstun energielos geworden war, kehrte er arm, statt wohlhabend, und träge, statt dienstfreudig, wieder zu seinem Manipel zurück. Und so ließen sie sich immer wieder, einer nach dem anderen, unter der gleichen verderblichen Wirkung von Armut und Disziplinlosigkeit in Meuterei und Zwietracht und zuletzt zu Bürgerkriegen hinreißen. Aber, um nicht durch reichliche Spenden an die Mannschaften die Sympathie der Zenturionen zu verlieren, versprach Otho, aus dem Fiskus67 jährlich die Urlaubsgelder zu bezahlen, eine Maßnahme, die zweifellos nützlich war und später auch von guten Fürsten als dauernde militärische Einrichtung beibehalten wurde. Der Präfekt Laco wurde zum Schein auf eine Insel fortgeschafft und von einem von Otho zu seiner Ermordung vorausgeschickten Freiwilligen erstochen. Marcianus Icelus wurde, da es sich um einen Freigelassenen handelte, öffentlich hingerichtet. 47. So verging der Tag unter Verbrechen und, was das schlimmste der Übel war, man freute sich auch noch. Der städtische Prätor68 berief den Senat, die übrigen Beamten wetteiferten miteinander in Schmeicheleien, die Senatoren rannten herbei: die tribunizische Gewalt,69 der Name Augustus sowie alle fürstlichen Ehren wurden Otho zuerkannt, wobei alle sich bemühten, die Schmähungen und Vorwürfe vergessen zu machen, die, wahllos erhoben, ihn tief getroffen hatten, ohne dass es jedoch jemand zu spüren bekommen hätte. Ob er die Kränkungen unbeachtet gelassen oder ihre Ahndung nur aufgeschoben hat, blieb bei der Kürze seiner Regierungszeit ungeklärt. Otho fuhr auf dem noch blutbefleckten Forum über das Leichenfeld zum Kapitol und von dort in das Palatium. Er erlaubte, dass die Toten für die Bestattung freigegeben und verbrannt wurden. Den Piso bestattete seine Gemahlin Verania und sein Bruder Scri-



Soldatenherrschaft · Charakteristik Pisos

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bonianus, den Titus Vinius seine Tochter Crispina. Sie hatten die Köpfe, die von den Mördern zum Verkauf beiseite gebracht worden waren, ausfindig gemacht und ihnen abgekauft. 48. Piso stand im einunddreißigsten Lebensjahr. Sein Ruf war besser als sein Glück. Seinen Bruder Magnus hatte Claudius, seinen Bruder Crassus Nero hingerichtet. Er selbst hatte lange in der Verbannung gelebt, war dann vier Tage Cäsar70 gewesen und durch die übereilte Adoption hatte er nur dies eine vor seinem älteren Bruder voraus, dass er früher umgebracht wurde. Titus Vinius lebte siebenundfünfzig Jahre; seine sittliche Haltung ist nicht eindeutig gewesen. Sein Vater stammte aus einer prätorischen Familie, sein Großvater mütterlicherseits gehörte zu den Proskribierten. Zu Beginn seines militärischen Kriegsdienstes stand er in schlechtem Ruf. Als Legaten hatte er den Calvisius Sabinus gehabt, dessen Gattin, in schlimmer Neugier,71 sich die Verhältnisse im Lager anzusehen, dieses in Soldatenkleidung bei Nacht betrat, mit gleichem Mutwillen Nachtwachen und andere militärische Dienste mitmachte und schließlich im Hauptquartier selbst Hurerei zu treiben wagte. Als schuldig an diesem verbrecherischen Treiben wurde Titus Vinius belangt. Deshalb wurde er auf Befehl des Gaius Cäsar in Ketten gelegt und dann, als sich die Zeiten änderten, wieder entlassen. Er durchlief unangefochten die Reihe der Ehrenämter und wurde nach der Prätur an die Spitze einer Legion gestellt, wobei er Anerkennung fand. Aber in der Folge befleckte er sich mit dem Vorwurf eines Sklavenstreiches, er habe einen goldenen Becher bei einem Gastmahl des Claudius gestohlen. Und wirklich ließ am folgenden Tage Claudius den Vinius allein von allen Gästen mit irdenem Geschirr bedienen. Aber Vinius übte als Prokonsul in dem narbonensischen Gallien eine zwar strenge, aber saubere Verwaltung aus. Später durch die Freundschaft mit Galba ins Verderben gerissen, war er wagemutig, schlau, tatbereit und, je nach Laune, querköpfig oder betriebsam, beides mit gleich starkem Nachdruck. Das Testament des Titus Vinius wurde wegen seines großen Vermögens für ungültig erklärt, den letzten Willen Pisos sicherte seine Armut. 49. Galbas Leichnam blieb lange unbeachtet liegen. Unter dem Schutze der Dunkelheit trieb man mit ihm unter vielfachen

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Misshandlungen sein schnödes Spiel, bis ihm sein Rechnungsführer72 Argius, einer seiner früheren Sklaven, ein Armenbegräbnis in seinem privaten Park bereitete. Sein Kopf wurde, von Marketendern und Trossknechten aufgespießt und zerfetzt, vor dem Grabhügel des Patrobius (es war dies ein von Galba bestrafter Freigelassener Neros gewesen) erst am folgenden Tag aufgefunden und dem schon verbrannten Leichnam beigegeben. Dies war das Ende, das Servius Galba fand. Er hatte in dreiundsiebzig Jahren, vom Schicksal begünstigt, fünf Fürsten überlebt und war unter der Regierung anderer glücklicher gewesen als in seiner eigenen. Alt war der Adel in seiner Familie, groß der Reichtum. Seine Veranlagung wies ihm einen Mittelweg: er stand eher dem Laster fern, als der Tugend nahe. Ruhm war ihm nicht gleichgültig, ohne dass er sich jedoch marktschreierisch um ihn bemüht hätte. Fremdes Geld war ihm nicht begehrenswert, mit seinem eigenen ging er sparsam, mit öffentlichem geizig um. Gegenüber Freunden und Freigelassenen zeigte er, sofern er auf gutgesinnte traf, eine nicht zu tadelnde Fügsamkeit, sofern sie als schlechtgesinnt sich erwiesen, eine geradezu sträfliche Blindheit. Aber der Glanz seiner Ahnen und die beängstigenden Zeitumstände dienten dazu, was Saumseligkeit war, beschönigend für Weisheit zu erklären. Solange er noch in rüstigem Alter stand, genoss er in Germanien militärischen Ruhm; als Prokonsul zeigte er bei der Verwaltung Afrikas besonnenes Maßhalten; bereits älter geworden, verwaltete er das diesseitige Spanien mit gleicher Gerechtigkeit. Er erweckte den Eindruck, über einen Privatmann hinausgewachsen zu sein, solange er nur ein solcher war, und nach einstimmigem Urteil zur Herrschaft fähig zu sein, wenn er nicht Herrscher geworden wäre. 50. Die aufgeregte Hauptstadt, die über das eben erlebte schreckliche Verbrechen und zugleich wegen Othos früheren Benehmens in Angst war, versetzte zudem eine neue Nachricht über Vitellius in Schrecken, die man vor der Ermordung Galbas unterdrückt hatte, damit man glaube, es sei nur das Heer von Obergermanien abgefallen. Jetzt sollten also die beiden Männer, die in ihrer Schamlosigkeit, Feigheit und Genusssucht die Minderwertigsten der ganzen Welt waren, gleichsam vom Schicksal zur Zerstörung des Reiches auserwählt sein. Darüber trauerten



Charakteristik Galbas · Erhebung des Vitellius

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offen nicht nur Senat und Ritterschaft, die wenigstens in einem gewissen Umfang noch teilhatten an dem Gemeinwesen und sich um dieses kümmerten, sondern auch die Masse des Volkes. Und nicht mehr sprach man von den erst jüngst erlebten Vorgängen des blutigen Friedens, sondern, in der Erinnerung weiter auf die Bürgerkriege zurückgreifend, von der so oft von den eigenen Heeren eroberten Hauptstadt, von der Verwüstung Italiens, von den Plünderungen der Provinzen, von Pharsalia und Philippi, von Perusia und Mutina, lauter bekannte Namen für Schicksalsschläge des Staates.73 Auch damals sei die Welt fast eingestürzt, als um das Prinzipat zwischen gutgesinnten Männern gerungen wurde, doch sei das Reich erhalten geblieben nach des Gaius Iulius Sieg, erhalten nach des Cäsar Augustus Sieg, erhalten geblieben wäre auch das Gemeinwesen unter Pompeius und Brutus. Sollten sie jetzt für Otho oder Vitellius in die Tempel gehen? In beiden Fällen seien die Gebete gottlos, in beiden die Gelübde verabscheuungswürdig bei zwei Männern, bei deren Waffengang man nur das eine wisse, dass der Sieger sich als der schlechtere erweisen werde. Manche deuteten dabei prophezeiend auf Vespasianus und eine bewaffnete Erhebung des Orients und, wie man einerseits Vespasianus den Vorzug vor beiden gab, schauderte man andererseits doch vor einem neuen Krieg und neuen Schicksalsschlägen. Und in der Tat, der Ruf des Vespasianus war nicht eindeutig. Doch ist er der einzige unter allen vorausgegangenen Fürsten geblieben, bei dem eine Wandlung zum Besseren erfolgt ist. 51. Jetzt will ich die Anfänge und die Ursachen der Erhebung des Vitellius darlegen. Als Iulius Vindex mit allen seinen Truppen vernichtet war, stand dem Heer, dem durch seine Beute und durch seinen Ruhm der Kamm geschwollen und dem ja der Sieg in einem reichsten Gewinn bringenden Krieg ohne Mühe und Gefahr zugefallen war, eher der Sinn nach einem Feldzug und nach einer Feldschlacht, eher nach Belohnungen, als nur nach Friedenssold. Lange hatten sie einen Kriegsdienst ertragen müssen, der nichts einbrachte und bei der Art des Landes und des Klimas sowie bei der strengen Kriegszucht hart war. Sie, die im Frieden unerbittlich ist, löst ja der Bürgerzwist auf, wenn auf beiden Seiten Verführer am Werke sind und die Treu-

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Erstes Buch, Kapitel 52

losigkeit unbestraft bleibt. Mannschaften, Waffen und Pferde waren mehr als genug für den Bedarf und für den Prunk vorhanden. Aber vor dem Krieg kannte man nur die eigenen Zenturien und Reiterabteilungen. Die Heere waren durch die Grenzen der Provinzen voneinander getrennt. Als die gegen Vindex zusammengezogenen Legionen sich selbst sowie Gal­ lien kennengelernt hatten, suchten sie erneut nach kriegerischer Betätigung und nach neuer Zwietracht, und sie sprachen nicht mehr, wie einst, von Bundesgenossen, sondern von Feinden und Besiegten. Auch der am Rhein liegende Teil Galliens stand nicht zurück; er hatte sich derselben Partei angeschlossen und trieb jetzt die schärfste Hetze gegen die Galbianer. Dies war der Name, den sie ihnen gegeben hatten, als man des Vindex überdrüssig geworden war. So waren sie gegen die Sequaner und Äduer und weiter gegen alle Gemeinden, nach Maßgabe von deren Wohlhabenheit, feindselig eingestellt und schwelgten schon in Gedanken an die Eroberung von Städten, an die Verwüstung von Fluren und die Beraubung von Wohnungen. Abgesehen von ihrer Habsucht und Anmaßung – die besonderen Laster der Stärkeren – waren sie durch die Aufgeblasenheit der Gallier gereizt, die zum Schimpf für das Heer prahlten, es sei ihnen von Galba ein Viertel der Abgaben erlassen und sie seien im Namen des Staates beschenkt worden. Dazu kam das schlau verbreitete und blindlings geglaubte Gerücht, die Legionen würden dezimiert und die tüchtigsten Zenturionen entlassen. Von überall her liefen bedrohliche Nachrichten ein, und schlimme Kunde kam von der Hauptstadt. Eine feindselige Haltung zeigte die Koloniestadt Lugdunum, die bei ihrer unerschütterlichen Treue zu Nero einen fruchtbaren Nährboden für Gerüchte bildete. Aber den meisten Stoff zum Erdichten – und auch Glauben – lieferte das Lager selbst, wobei sich Hass und Furcht und im Hinblick auf die eigene Stärke das Gefühl der Sicherheit auswirkten. 52. Unmittelbar nach dem ersten Dezember des vergangenen Jahres war Aulus Vitellius74 nach Niedergermanien gekommen und hatte die Winterlager der Legionen eingehend besichtigt. Die meisten Leute wurden in ihren früheren Dienstgrad wiedereingesetzt, Ehrenstrafen erlassen und die Disziplinarstrafen



Erhebung der germanischen Legionen

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herabgesetzt, in der Mehrzahl der Fälle geschah dies, ihn sich beliebt zu machen, teilweise auf Grund unbefangenen Urteils, wobei er ein unparteiisches Gegenstück zur schmutzigen Habsucht des Fonteius Capito, mit der dieser militärische Dienstgrade weggenommen oder zugewiesen hatte, aufgestellt hatte. Und man legte bei ihm nicht den Maßstab eines konsularischen Legaten an, sondern alles wurde unter einem höheren Gesichtspunkt betrachtet. Und wie Vitellius einerseits bei strengen Kritikern als Kriecher galt, so nannten es andererseits seine Gönner Leutseligkeit und Güte, dass er ohne Maß und ohne Wahl sein eigenes Vermögen verschenkte und fremdes freigebig spendete. Zugleich legten sie aus Begierde nach Macht gerade seine Laster als Tugenden aus. Dabei gab es in beiden Heeren viele disziplinierte und ruhige Leute, aber auch schlechtgesinnte und tatbereite. Jedoch maßlos in ihrer Gier und hervorstechend in ihrer Verwegenheit waren die Legionslegaten Alienus Cäcina und Fabius Valens. Von diesen war Valens mit Galba verfeindet, weil dieser es mit Undank gelohnt hatte, dass er die Unschlüssigkeit des Verginius enthüllt und die Pläne des Capito vereitelt hatte. So hetzte er Vitellius auf, indem er auf die Begeisterung der Soldaten hinwies. Er für seine Person genieße ja überall einen glänzenden Ruf und von Flaccus Hordeonius sei kein Hemmnis zu erwarten. Britannien werde mitmachen und die germanischen Hilfstruppen würden Gefolgschaft leisten. Schlecht bestellt sei es mit der Treue der Provinzen, auf schwachen Füßen stehe die Regierung des Greises, und bald werde sie an einen anderen übergehen. Er solle nur seine Arme weit ausbreiten und der sich nahenden Glücksgöttin entgegengehen. Mit Recht habe Verginius, der aus einer Ritterfamilie und von einem nicht weiter bekannten Vater abstamme, Bedenken gehabt, er, der der Herrschaft nicht gewachsen war, wenn er sie übernommen, und persönlich nur in Sicherheit war, wenn er sie abgelehnt hätte. Dem Vitellius würden die drei Konsulate seines Vaters, das Zensoramt, die Amtsgemeinschaft mit dem Cäsar schon längst die Würde eines Imperators verbürgen und ihm den Anspruch auf das sorglose Dasein eines Privatmannes entziehen. Dies erschütterte seine Schwerfälligkeit so, dass sein Begehren über sein Hoffen hinauswuchs.

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Erstes Buch, Kapitel 53 – 55

53. Aber in Obergermanien hatte Cäcina sich die Sympathie der Soldaten erworben. Er war ein Bild jugendlicher Schönheit, eine mächtige körperliche Erscheinung, er hatte ein ungezügeltes Temperament, einen geschickten Umgangston sowie einen aufrechten Gang. Diesen Jüngling, der in Bätica als Quästor unbedenklich zu Galbas Partei übergegangen war, stellte Galba an die Spitze einer Legion. Als Cäcina dann überführt wurde, Staatsgelder entwendet zu haben, befahl er, ihn wegen Veruntreuung vor Gericht zu stellen. Darüber war Cäcina entrüstet und beschloss, alles durcheinander zu bringen und seine persönlichen Verluste auf Kosten und zum Schaden des Staates zu sanieren. Es fehlte in dem Heere nicht an Saat zur Zwietracht, weil es in seiner Gesamtheit an dem Krieg gegen Vindex teilgenommen hatte und erst nach Neros Tod zu Galba übergegangen war, auch weil ihm eben bei der damaligen Eidesleistung die Heeresabteilungen von Niedergermanien zuvorgekommen waren. Auch die Trevirer und Lingonen und alle die anderen Stämme, die Galba durch harte Verordnungen oder Gebietsverluste schwer getroffen hatte, traten in engeren Verkehr mit dem Winterlager der Legionen. Daraus ergaben sich aufrührerische Gespräche, und im Verkehr mit dem Landvolk wurden die Soldaten noch mehr verdorben. Dazu kam die Beliebtheit des Verginius, die sich jeder beliebige andere zunutze machen konnte. 54. Die Gemeinde der Lingonen hatte den Legionen, entsprechend einem alten Brauch, als Geschenk »Hände«75 geschickt, das Zeichen eines gastfreundlichen Verhältnisses. Ihre Gesandten hatten Trauerkleidung angelegt und klagten mit betrübten Mienen in den Lagerstraßen und in den Zelten bald über die selbst erlittenen Gewalttaten, bald über die Belohnungen der benachbarten Gemeinden und, sobald sie bei den Soldaten geneigtes Gehör fanden, über die gefährliche Lage und die schmähliche Behandlung des Heeres selbst, und schürten so das Feuer. Sie waren von Meuterei nicht mehr weit entfernt, als Hordeonius Flaccus den Gesandten befahl, abzureisen und, damit die Abreise geheimer vor sich gehe, das Lager bei Nacht zu verlassen. Infolgedessen gingen wilde Gerüchte um, wobei vielfach fest behauptet wurde, die Gesandten seien ermordet worden, und wenn man nicht für sich selbst sorge, würden die



Erhebung der germanischen Legionen

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schneidigsten Soldaten und, wer sich über die gegenwärtigen Zustände beklagt habe, in der Dunkelheit und ohne Wissen der anderen umgebracht. In einem geheimen Abkommen verpflichteten sich die Legionen gegenseitig, wozu auch die Mannschaften der Hilfstruppen hinzugezogen wurden. Man hatte zuerst ihnen Misstrauen entgegengebracht, als ob sie mit ihren Kohorten und Reiterabteilungen Anstalten träfen, die Legionen zu umzingeln und anzugreifen. Bald aber trugen sie sich mit den gleichen Absichten, nur mit größerer Leidenschaft. Leichter finden sich ja die schlechten Elemente zum Krieg zusammen als im Frieden zur Eintracht. 55. Jedoch ließen sich die Legionen von Niedergermanien zu der am ersten Januar üblichen Eidesleistung bewegen und huldigten Galba. Sie zögerten lange, und nur vereinzelt erhoben sich aus den vorderen Reihen Stimmen. Die übrigen standen schweigend da, und jeder wartete auf den Mut seines Nebenmannes, entsprechend der angeborenen menschlichen Natur, eilig sich anzuschließen, wo man selbst nicht den Anfang machen mag. Bei den Legionen selbst herrschte eine unterschiedliche Stimmung. Die erste und fünfte nahmen eine so aufrührerische Haltung ein, dass einige auf die Bilder Galbas Steine warfen. Die fünfzehnte und sechzehnte Legion76 wagten nichts weiter, als drohend zu lärmen; sie warteten auf den Beginn des Losschlagens. Aber bei dem Heere von Obergermanien zertrümmerten die vierte und die zweiundzwanzigste Legion, die in demselben Winterquartier lagen, gerade am ersten Januar die Bilder Galbas. Die vierte Legion zeigte eine größere Entschlossenheit, während die zweiundzwanzigste eine zögernde Haltung einnahm. Bald aber waren sie beide eines Sinnes, und um nicht den Anschein zu erwecken, als hätten sie keine Ehrfurcht mehr vor dem Reiche, setzten sie in ihrer Eidesformel die schon verklungenen Namen »Senat und Volk von Rom« ein, wobei keiner der Legaten oder Tribunen für Galba sich einsetzte, einige dagegen, wie es bei einem Tumult gewöhnlich geht, besonders auffallend als Aufrührer hervortraten. Jedoch hielt niemand wie bei einer richtigen Versammlung oder auf einer Tribüne eine Rede. Es gab ja auch bis jetzt noch niemand, bei dem man so etwas hätte gutschreiben können.

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Erstes Buch, Kapitel 56 – 59

56. Als Zuschauer war bei diesem schändlichen Treiben der konsularische Legat Hordeonius Flaccus zugegen. Er wagte nicht, die Tobenden zu beschwichtigen, die Schwankenden zurückzuhalten, die Gutgesinnten zu ermutigen; vielmehr war er energielos und ängstlich und blieb nur wegen seiner Trägheit frei von Schuld. Vier Zenturionen der zweiundzwanzigsten Legion, Nonnius Receptus, Donatius Valens, Romilius Marcellus und Calpurnius Repentinus, wurden bei dem Versuch, Galbas Bilder zu schützen, von den heranstürmenden Soldaten fortgerissen und gefesselt. Und da gab es nun weiterhin bei niemand mehr das Gefühl für Treue oder das Gedenken an den früheren Fahneneid, sondern, wie es bei Meutereien zugeht, waren sie insgesamt da, wo der große Haufen war. In der Nacht, die dem ersten Januar folgte, brachte der Adlerträger der vierten Legion nach Colonia Agrippinensis77 Vitellius, wie er gerade bei der Tafel war, die Meldung, die vierte und die zweiundzwanzigste Legion hätten die Bilder Galbas zu Boden geworfen und auf Senat und Volk von Rom den Eid geleistet. Diesen Fahneneid betrachtete man als nichtig. Man beschloss, dem noch schwankenden Schicksal zuvorzukommen und einen Fürsten anzubieten. Von Vitellius wurden Boten zu den Legionen und Legaten geschickt, um den Abfall des obergermanischen Heeres von Galba mitzuteilen. Darum müsse man entweder gegen die Abtrünnigen Krieg führen oder, wenn man Eintracht und Frieden haben wolle, einen Imperator einsetzen. Geringer sei die Gefahr, wenn man sich einen Fürsten gleich nehme, als wenn man ihn erst suche. 57. Am nächsten lag das Winterlager der ersten Legion. An Tatkraft ragte unter den Legaten Fabius Valens hervor. Dieser zog am folgenden Tage in Colonia Agrippinensis mit der Reiterei der Legion und der Hilfstruppen ein und begrüßte Vitellius als Imperator. Die Legionen derselben Provinz folgten in einem riesigen Wetteifer. Das obergermanische Heer gab den glanzvollen Namen »Senat und Volk von Rom« auf und trat am dritten Januar zu Vitellius über, woran man hätte erkennen können, dass es diesem Heer an den beiden vorausgegangenen Tagen nicht um das Gemeinwesen gegangen war. An Begeisterung standen den Heeren die Agrippinenser, Trevirer und Lingonen



Vitellius als Imperator begrüßt · Erste Maßnahmen

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nicht nach: sie boten Hilfstruppen und Pferde, Waffen und Geld an, entsprechend der Leistungsfähigkeit eines jeden an physischer Kraft, an Vermögen und an Verstand. Und nicht nur die führenden Männer in den Koloniestädten oder in den Lagern, die in der gegenwärtigen Lage bereits aus dem Vollen schöpfen konnten und nach errungenem Sieg noch viel zu erwarten hatten, sondern auch die Manipel und einzelne gemeine Soldaten gaben ihre Barschaft, ihren Schwert- und Brustschmuck,78 die silbernen Ehrenzeichen an ihrer Rüstung, an Stelle von Geld her, aus äußerem Antrieb, aus innerem Drang – aus persönlicher Habsucht. 58. So lobte denn Vitellius die Soldaten wegen ihrer freudigen Einsatzbereitschaft, verteilte die Hofämter des Prinzipats,79 die gewöhnlich in den Händen von Freigelassenen waren, unter die römischen Ritter, bezahlte die Urlaubsgelder an die Zenturionen aus dem Fiskus,80 gab der wütenden Forderung der Soldaten nach einer umfangreichen Bestrafung wiederholt seine Zustimmung und wich ihr vereinzelt durch Vortäuschung von Inhaftierungen aus. Der Prokurator von Belgien, Pompeius Propinquus, wurde sofort umgebracht. Den Befehlshaber der germanischen Flotte, Iulius Burdo, entzog er ihnen durch eine List: gegen ihn hatte sich die Wut des Volkes entladen, weil er Anklage gegen Fonteius Capito erhoben und dann einen Anschlag auf ihn gemacht habe. Capito stand in gutem Andenken, und es wäre wohl möglich gewesen, angesichts der gegen ihn herrschenden Wut ihn öffentlich hinzurichten, zu verzeihen aber nur, indem man ihn dieser Wut entzog. So wurde er in Gewahrsam gehalten und erst nach dem Sieg, als sich die Hassgefühle der Soldaten bereits gelegt hatten, entlassen. Einstweilen wurde gleichsam als Sühneopfer der Zenturio Crispinus preisgegeben. Er hatte sich mit dem Blute Capitos befleckt, und deshalb war er in den Augen derer, die seine Bestrafung forderten, stärker bloßgestellt, während er für den ihn Bestrafenden von geringerer Bedeutung war. 59. Darauf wurde Iulius Civilis der Gefahr entzogen. Er hatte bei den Batavern eine besonders einflussreiche Stellung, und es sollte durch seine Hinrichtung der leicht entflammbare Volksstamm nicht abspenstig gemacht werden. Es standen in der Ge-

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meinde der Lingonen acht Kohorten der Bataver, Hilfstruppen der vierzehnten Legion. Sie hatten sich in den damaligen Zeiten der Zwietracht von der Legion getrennt und waren, zu welcher Seite sie sich auch bekennen würden, als Bundesgenossen oder als Gegner von schwerwiegender Bedeutung. Die Zenturionen Nonius, Donatius, Romilius und Calpurnius, von denen wir oben berichtet haben, ließ Vitellius hinrichten. Sie wurden verurteilt wegen des Verbrechens der Treue, des schwersten unter Meuterern. Zu Vitellius trat der Legat der Provinz Belgien, Valerius Asiaticus,81 über, den er bald zu seinem Schwiegersohn machte, sowie Iunius Bläsus, der Statthalter von Gallia Lugdunensis, mit der italischen Legion und der taurianischen Reiterabteilung,82 die beide in Lugdunum standen. Und auch die Truppen in Rätien zögerten nicht mit dem sofortigen Anschluss. Nicht einmal in Britannien gab es ein Schwanken. 60. Dort war Trebellius Maximus Befehlshaber.83 Wegen seiner Habsucht und seines schmutzigen Geizes war er bei dem Heere verachtet und verhasst. Den Hass gegen ihn schürte der Legat der zwanzigsten Legion, Roscius Cälius, der schon lange mit ihm entzweit war; aber anlässlich des Bürgerkrieges waren sie noch erbitterter aufeinander losgefahren. Trebellius warf dem Cälius Meuterei und Auflösung der dienstlichen Ordnung vor, Cälius dem Trebellius die Ausbeutung und die armselige Lage der Legionen. Indessen wurde durch die hässlichen Streitereien der Legaten die Disziplin des Heeres untergraben und nahmen die Zwistigkeiten ein solches Ausmaß an, dass Trebellius auch von den Soldaten der Hilfstruppen unter Schmährufen fortgejagt wurde und, da die Kohorten und Reiterabteilungen sich an Cälius anschlossen, verlassen bei Vitellius seine Zuflucht suchte. Die Provinz blieb ruhig, obgleich der Konsular entfernt war. Es regierten die Legaten der Legionen mit gleichen rechtlichen Befugnissen, nur war Cälius infolge seiner mutigen Entschlossenheit der Einflussreichere. 61. Mit dem Anschluss des britannischen Heeres verfügte Vitellius über gewaltige Streitkräfte und Machtmittel. Er bestimmte für die Kriegführung zwei Heerführer und zwei Marschwege. Fabius Valens erhielt den Befehl, Gallien zu gewinnen oder, wenn es sich ablehnend verhalte, zu verwüsten und über die



Anschluss der britannischen Legionen

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kottischen Alpen in Italien einzufallen. Cäcina auf dem näheren Übergang über die pöninischen Höhen hinunter zu marschieren.84 Valens wurde eine auserlesene Truppe des niedergermanischen Heeres mit dem Adler der fünften Legion und den Kohorten und Reiterabteilungen, gegen vierzigtausend Mann in Waffen, gegeben; dreißigtausend Mann, deren Kerntruppe die einundzwanzigste Legion war, führte Cäcina von Obergermanien her. Beiden wurden germanische Hilfstruppen beigegeben, aus denen Vitellius auch seine eigenen Bestände ergänzte, um mit der ganzen Hauptmacht nachzufolgen. 62. Zwischen dem Heer und dem Imperator herrschte ein seltsamer Gegensatz: die Mannschaften drängten und verlangten den Kampf, solange Gallien in Bestürzung sei und Spanien zaudere. Der Winter bilde kein Hindernis, und ein fauler Friede dürfe keinen Aufschub verursachen. Man müsse in Italien einfallen und die Hauptstadt besetzen, nichts sei in Bürgerkriegen, wo Taten nötiger seien als Raten, sicherer als Eile. Vitellius dagegen gab sich lahmer Untätigkeit hin und genoss vorzeitig die hohe Stellung eines Prinzeps in schwelgerischer Trägheit und verschwenderischen Tafelgenüssen. Mitten im Tag war er schon betrunken und hatte sich vollgegessen, während die Mannschaften in ihrer kraftvollen Begeisterung von selbst die Aufgaben des Heerführers erfüllten, als ob der Imperator da wäre und den Tüchtigen oder den Trägen Hoffnung oder Furcht einflöße. Marschfertig und in Spannung forderten sie das Zeichen zum Aufbruch. Sofort wurde dem Vitellius der Name »Germanicus« beigelegt. dass er Cäsar genannt werde, lehnte er auch als Sieger ab. Es war ein glückverheißendes Vorzeichen, als Fabius Valens und dem Heere, das er in den Krieg führte, eben am Tage des Abmarsches ein Adler in langsamem Flug, den Marsch der Kolonne begleitend, gleichsam als Wegweiser vorausflog.85 Eine weite Wegstrecke war der Jubel der Soldaten so groß und so groß die Ruhe des Vogels, der sich nicht schrecken ließ, dass er als ein unzweifelhaftes Vorzeichen einer großen, glücklichen Unternehmung betrachtet wurde. 63. Zu den Trevirern zogen sie als zu ihren Bundesgenossen im Gefühl der Sicherheit. Obgleich sie in Divodurum, einer Stadt der Mediomatriker, mit aller Freundlichkeit aufgenommen

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wurden, erfasste sie eine plötzliche Panik: sie griffen in aller Eile zu den Waffen und richteten ein Blutbad unter der unschuldigen Bürgerschaft an, nicht um Beute zu machen oder aus Lust am Plündern, sondern in einer wütenden Raserei, deren Ursachen nicht erkenntlich waren und der man daher umso schwieriger abhelfen konnte. Es bedurfte erst der Bitten des Heerführers, bis sie sich besänftigen ließen und von der Vernichtung der Bürgerschaft Abstand nahmen. Dennoch wurden gegen viertausend Menschen umgebracht, und ein solcher Schrecken kam über Gallien, dass nachher dem anmarschierenden Heere ganze Gemeinden, mit ihren Behörden an der Spitze, flehend entgegenzogen, Frauen und Knaben sich auf die Straße warfen, und was man sonst noch für Mittel anwandte, um Feinde in ihrem Zorn zu beschwichtigen, ohne dass man sich im Kriegszustand befand, nur um des Friedens willen. 64. Die Nachricht von der Ermordung Galbas und der Machtergreifung Othos erhielt Fabius Valens in der Gemeinde der Leucer. Sie versetzte die Soldaten weder in eine freudige noch angstvolle Stimmung: ihr Sinn stand allein nach Krieg. Die Gallier wurden ihrer Unschlüssigkeit enthoben. Ihr Hass richtete sich in gleicher Stärke gegen Otho wie gegen Vitellius, vor Vitellius hatten sie zudem Furcht. In nächster Nähe lag die Gemeinde der Lingonen, der der Partei treu ergeben war. Sie wurden freundlich aufgenommen und wetteiferten in Disziplin; aber die Freude war nur von kurzer Dauer infolge der Unbeherrschtheit der Kohorten, die, wie oben erwähnt, sich von der vierzehnten Legion getrennt hatten und die dann Fabius Valens seinem Heer angegliedert hatte. Zuerst kam es zu Wortwechseln und dann zu Schlägereien zwischen den Batavern und den Legionssoldaten und, während die Soldaten parteinehmend sich auf diese oder auf jene Seite zusammenscharten, wäre beinahe ein Kampf entbrannt, wenn nicht Valens durch die Bestrafung einiger Leute die Bataver daran erinnert hätte, dass sie unter militärischer Befehlsgewalt stehen, was sie bereits vergessen hatten. Vergebens suchte man nach einem Vorwand zu einem Krieg gegen die Aduer. Auf den Befehl, Geld und Waffen zu liefern, stellten sie zusätzlich Lebensmittel unentgeltlich zur Verfügung, was die Aduer aus Furcht, die Lugdunenser in



Zug des Valens durch Gallien in die Poebene

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freudiger Bereitschaft86 taten. Aber die italische Legion und die taurianische Reiterabteilung wurden abgezogen. Die achtzehnte Kohorte87 beschloss man, in Lugdunum, ihrem gewohnten Winterlager, zu belassen. Der Legat der italischen Legion, Manlius Valens, stand, obgleich er sich um die Partei sehr verdient gemacht hatte, bei Vitellius nicht in Ehren. Fabius hatte ihn durch geheime Beschuldigungen in Verruf gebracht, ohne dass dieser etwas davon merkte, und damit er sich umso sorgloser täuschen ließe, war er öffentlich gelobt worden. 65. Die alte Zwietracht zwischen den Lugdunensern und Vien­ nensern war durch den letzten Krieg geschürt worden. Zahlreich waren die verlustreichen Kämpfe, auf beiden Seiten häufiger und erbitterter, als dass der Kampf nur um Galba und Nero gegangen wäre. Galba hatte die Einkünfte der Lugdunenser, als sich ihm eine günstige Gelegenheit, seiner Erbitterung Luft zu machen, bot, zu dem Fiskus geschlagen, dagegen hatte er den Viennensern88 viel Ehre erwiesen. Daraus entstand Eifersucht und Neid, und da sie nur durch einen einzigen Fluss getrennt waren, stieß ihr Hass unmittelbar aufeinander. Daher wiegelten die Lugdunenser einzelne Soldaten auf und trieben sie zu der Vernichtung der Viennenser an, indem sie erzählten, von diesen sei ihre Koloniestadt belagert und seien die Unternehmungen des Vindex unterstützt worden, und erst kürzlich habe man zur Unterstützung Galbas Legionen ausgehoben. Und wie sie zuerst Gründe für den Hass vorgeschützt hatten, so wiesen sie nun auch auf die große Beute hin. Jetzt begnügten sie sich nicht mehr mit geheimer Aufforderung, sondern gingen zu offiziellen Bitten über: sie sollten zur Rache ausziehen und den Herd des gallischen Krieges vernichten. Die ganzen Verhältnisse dort seien romfremd und staatsfeindlich. Sie dagegen seien eine römische Koloniestadt, ein Teil des Heeres und im Glück und Unglück Bundesgenossen. Falls das Schicksal sich gegen sie stelle, sollte man sie nicht den Erbitterten preisgeben. 66. Mit dieser und noch mehr derartigen Behauptungen hatten sie es erreicht, dass nicht einmal die Legaten und führenden Männer der Partei es noch für möglich hielten, die Erbitterung des Heeres zu ersticken. Da klammerten sich die Viennenser,

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die sich der ihnen drohenden Gefahr wohl bewusst waren, sobald das Heer zum Marsch angetreten war, weiße Binden tragend,89 an die Waffen, die Knie und die Füße der Soldaten und stimmten diese dadurch um. Valens gab zudem jedem Soldaten dreihundert Sesterzen. Jetzt erst kam das Alter und die geachtete Stellung der Koloniestadt zur Geltung, und die Worte des Fabius, der das Wohl und die Unversehrtheit der Vien­nenser empfahl, fanden geneigte Ohren. Jedoch wurde die Stadt mit der Ablieferung ihrer Waffen bestraft, während die Soldaten aus Privatbesitz mit allen möglichen Vorräten unterstützt wurden. Aber hartnäckig hielt sich das Gerücht, Valens sei mit viel Geld gekauft. Dieser hatte lange in ärmlichen Verhältnissen gelebt, war plötzlich reich geworden und verstand es nur schlecht, den Wechsel des Schicksals zu verdecken. Infolge seiner durch lange Entbehrung entflammten Begierden hatte er das Maß verloren, und aus einem armen jungen Mann war nun ein verschwenderischer Greis geworden. In einem gemächlichen Marsch wurde dann das Heer durch das Gebiet der Allobroger und Vocontier geführt, wobei der Heerführer sogar mit der Länge der Tagesmärsche und dem Wechsel der Quartiere Geschäfte machte, indem er mit Grundbesitzern und Gemeindebehörden schamlose Verträge schloss und dabei so drohend auftrat, dass er an Lucus, eine Landstadt der Vocontier, Feuer legte und sich erst durch Geld beschwichtigen ließ. So oft kein Geld zur Verfügung stand, ließ er sich nur durch die Preisgabe von Mädchen und Frauen erbitten. So gelangte man an die Alpen. 67. Noch mehr Beute und Blut verschlang Cäcina. Aufbrausend, wie er veranlagt war, hatten ihn die Helvetier noch gereizt, eine einst durch Waffentaten und Männer, später nur noch durch die Erinnerung an ihren Namen berühmte gallische Völkerschaft. Sie wussten noch nichts von der Ermordung Galbas und lehnten die Herrschaft des Vitellius ab. Den Ausgangspunkt des Krieges bildete die ungeduldige Habsucht der einundzwanzigsten Legion. Leute von ihr hatten das Geld, das für den Sold eines Kastells geschickt worden war, geraubt. Dieses wurde von jeher von den Helvetiern mit eigenen Mannschaften und mit eigener Soldzahlung unterhalten. Darüber entrüstet, fingen die



Zug des Cäcina · Kämpfe mit den Helvetiern

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Helvetier die Briefe ab, die im Namen des germanischen Heeres zu den pannonischen Legionen geschickt werden sollten. Auch behielten sie den Zenturio und einige Mannschaften in Haft. Cäcina, der Krieg haben wollte, machte sich auf, um die erste beste Verfehlung, bevor man sie bereue, zu bestrafen. Eilig marschierte das Heer ab, die Fluren wurden verwüstet, ein Ort, der sich in langer Friedenszeit zu einer Landstadt entwickelt hatte und wegen seiner Heilquellen in anmutiger Lage viel besucht war,90 wurde geplündert. Zu den rätischen Hilfstruppen wurden Boten geschickt, mit der Aufforderung, die Helvetier im Rücken anzugreifen, falls diese sich gegen die Legionen wenden sollten. 68. Diese waren, bevor es ernst wurde, voll Kampfeslust, in der Gefahr selbst voll Angst. Und obgleich sie beim ersten Kriegslärm Claudius Severus zu ihrem Heerführer erwählt hatten, verstanden sie nichts von dem Gebrauch der Waffen, wussten nicht Reih und Glied einzuhalten und kannten kein einheitliches Vorgehen. Verderblich war ein Kampf gegen Veteranen, und gegen eine Belagerung war man nicht geschützt, da im Laufe der Zeit die Mauern verfallen waren. Hier stand Cäcina mit einem starken Heer, dort standen die rätischen Reiterabteilungen und die Kohorten sowie die junge Mannschaft der Räter selbst, waffengewohnt und im Kriegsdienst geübt. Von überall drohte Verwüstung und Blutvergießen. Sie selbst, planlos inmitten umherlaufend, warfen, zum großen Teil verwundet oder zerstreut, die Waffen weg und flüchteten sich auf den Berg Vocetius. Von einer Kohorte der Thraker,91 die gegen sie geschickt wurde, wurden sie sofort von dem Berg wieder heruntergejagt und von den sie verfolgenden Germanen und Rätern in den Wäldern und auch noch in ihren Verstecken niedergemacht. Viele Tausende von Menschen kamen um, viele Tausende wurden in die Sklaverei verkauft. Und als alles zerstört war und man zum Angriff auf Aventicum, die Hauptstadt dieses Stammes,92 losmarschierte, erschien eine Abordnung, die die Stadt übergeben sollte. Die Übergabe wurde angenommen. Den Iulius Alpinus, der zu den führenden Männern gehörte, ließ Cäcina als den Anstifter zu dem Kriege hinrichten. Die übrigen überließ er der Gnade oder der Grausamkeit des Vitellius.

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Erstes Buch, Kapitel 69 – 72

69. Es ist nicht leicht zu sagen, wen die Abordnung in weniger versöhnlicher Stimmung angetroffen hat, den Imperator oder die Soldaten. Diese forderten die Zerstörung der Stadt, zückten die Waffen und ballten die Fäuste gegen die Gesichter der Abordnung. Auch Vitellius enthielt sich nicht der drohenden Worte. Da besänftigte Claudius Cossus, einer von den Gesandten, der durch seine Beredsamkeit bekannt war, aber seine Redekunst hinter einer passenden Schüchternheit verbarg und dadurch umso mehr wirkte, die Soldaten. Wankelmütig, wie das gewöhnliche Volk unter dem Eindruck plötzlicher Ereignisse ist, und ebenso geneigt zu Mitleid, wie es maßlos in seiner Grausamkeit gewesen war, erlangten sie unter einem Strom von Tränen und nur noch beharrlicher eine bessere Behandlung fordernd, Straflosigkeit und die Rettung der Stadt. 70. Während Cäcina sich nur wenige Tage in dem Gebiet der Helvetier aufhielt, bis er von der Entscheidung des Vitellius benachrichtigt werde, und zugleich die Vorbereitungen zum Übergang über die Alpen traf, erhielt er von Italien die erfreuliche Botschaft, auch die am Po stehende Silianische Reiterabteilung93 sei unter die Fahne des Vitellius getreten. Die Silianer hatten Vitellius in Afrika als Prokonsul gehabt. Dann waren sie abberufen worden, um nach Ägypten vorausgeschickt zu werden,94 aber wegen des Krieges mit Vindex hatte man sie zurückgeholt und sie standen damals in Italien. Unter der Einwirkung ihrer Dekurionen,95 die Otho nicht kannten, aber Vitellius verpflichtet waren und die die Stärke der heranrückenden Legionen sowie den Ruhm des germanischen Heeres hervorhoben, traten sie zu der Partei über und brachten, gleichsam als Geschenk für den neuen Fürsten, die stärksten Landstädte der transpadanischen Region: Mediolanum, Novaria, Eporedia und Vercellä,96 zum Anschluss. Dies erfuhr Cäcina von ihnen selbst. Und da durch eine einzige Reiterabteilung als Besatzung der überaus breite Landstrich Italiens sich nicht verteidigen ließ, schickte er die Kohorten der Gallier, Lusitaner, Britanner sowie germanische Heeresabteilungen zusammen mit der Petrianischen Reitertruppe97 voraus. Er selbst überlegte noch eine Weile, ob er nicht über die rätischen Höhen sich gegen den Prokurator Petronius Urbicus wenden solle, den man als Otho ergeben betrachtete.



Cäcina sichert Italien · Otho begnadigt Celsus

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Er hatte die Hilfstruppen unter die Waffen gerufen und die Brücken über die Flüsse abgebrochen. Aber er befürchtete, er könnte die schon vorausgeschickten Kohorten und Reiterabteilungen verlieren, und erwog zugleich, dass er mehr Ruhm ernte, wenn er Italien fest in seiner Hand behalte, und Noricum, wo auch immer der Kampf sich abspielen werde, zu den sicheren Siegespreisen gehöre. Und so führte er die regulären Truppen98 und die Legionen mit ihrem schweren Tross auf der pöninischen Straße99 über die noch winterlichen Alpen. 71. Inzwischen erschlaffte Otho wider aller Erwarten nicht in üppigem Lebensgenuss und Nichtstun: die Lustbarkeiten wurden auf eine andere Zeit verschoben, von Schwelgerei ließ man nach außen nichts merken, und alles wurde auf die äußere Würde der Herrschaft abgestellt. Umso mehr graute man sich vor den falschen Tugenden und vor der zu erwartenden Wiederkehr seiner Laster. Den designierten Konsul Marius Celsus, den er unter dem Vorwand, ihn ins Gefängnis zu werfen, der Wut der Soldaten entzogen hatte, ließ er auf das Kapitol rufen. Nur den Ausweis der Milde wollte er sich durch die Begnadigung des berühmten, der Partei verhassten Mannes verschaffen. Celsus bekannte sich zu dem Verbrechen der standhaft gewahrten Treue gegenüber Galba. Er rechnete sich zudem noch sein Beispiel als Verdienst an. Und Otho nahm ihn, nicht als ob er verzeihe, sondern unter Anrufung der Götter als Zeugen einer gegenseitigen Aussöhnung sofort in den Kreis seiner engsten Freunde auf. Bald darauf wählte er ihn als einen der Heerführer für den Krieg aus. Und Celsus verharrte, wie vom Schicksal bestimmt, auch für Otho in unverbrüchlicher und unglücklicher Treue. Von den führenden Männern der Bürgerschaft freudig begrüßt, von der Masse des Volks gefeiert, war die Rettung des Celsus auch den Soldaten nicht unwillkommen, die nun die gleiche Tugend bewunderten, über die sie erzürnt waren. 72. Gleicher Jubel folgte darauf aus ganz anderen Gründen, als man den Sturz des Tigellinus durchgesetzt hatte. Ofonius Tigellinus war von niedriger Herkunft, hatte eine schandbare Jugend hinter sich und führte als Greis einen liederlichen Lebenswandel. Das Kommando über die Nachtwachen und das Prätorium100 und andere Auszeichnungen für Verdienste hatte

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Erstes Buch, Kapitel 73 – 75

er, weil es so schneller ging, durch Laster erlangt, dann seine Grausamkeit und in der Folge seine Habsucht betätigt, verbrecherisches Tun, wie man es nur bei Männern findet. Nero hatte er zu jeglicher Schandtat verführt, wobei er manches ohne dessen Wissen sich herausnahm und zuletzt ihn auch noch im Stich ließ und verriet. Daher bestanden sie auf keines anderen Bestrafung hartnäckiger, und zwar aus entgegengesetzter Stimmung: die einen, weil sie Nero hassten, die andern, weil sie Nero zurückwünschten. Bei Galba hatte er sich durch den Einfluss des Titus Vinius halten können, der vorschützte, Tigellinus habe ihm seine Tochter gerettet. Und zweifellos hatte er sie auch gerettet, nicht aus Menschenfreundlichkeit – hatte er doch so viele umgebracht –, sondern um sich für die Zukunft eine Zuflucht zu sichern. Denn immer die Schlechtesten, die der augenblicklichen Lage nicht trauen und vor einem Wechsel Angst haben, verschaffen sich gegen den Hass der Öffentlichkeit Gunst im privaten Bereich. Dann kommt es dazu, dass man sich nicht darum bemüht, frei von Schuld zu bleiben, sondern sich gegenseitig Straflosigkeit zu sichern. Umso erbitterter war das Volk, da sich mit dem alten Hass gegen Tigellinus die frische Empörung gegen Titus Vinius verband. Und so kam es aus der ganzen Stadt auf dem Palatium und auf den freien Plätzen zusammen, und wo die Masse sich am zügellosesten gebärdet, im Circus und in den Theatern, und lärmte dort so lange ausgelassen mit aufrührerischem Geschrei, bis Tigellinus in seinem Badeort Sinuessa die Nachricht erhielt, dass er sterben müsse. Da schnitt er sich unter unzüchtigen Umarmungen mit seinen Konkubinen und nach widerlichem Zögern mit einem Schermesser die Kehle durch und schändete so sein verrufenes Leben auch noch durch ein verspätetes, unrühmliches Ende. 73. Um dieselbe Zeit forderte man auch die Hinrichtung der Calvia Crispinilla. Doch wurde sie der Gefahr durch allerlei Täuschungen entrissen, wobei der Fürst so tat, als ob er nichts wisse, und dadurch in ein missgünstiges Gerede kam. Sie, die Lehrmeisterin für Neros sinnliche Genüsse, war nach Afrika hinübergegangen101 um Clodius Macer102 zum Krieg aufzustacheln, und hatte dort ganz unverhüllt auf eine Hungersnot des römischen Volkes hingearbeitet.103 Aber trotzdem erlangte sie



Verhandlungen zwischen Otho und Vitellius

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später104 die Gunst der gesamten Bürgerschaft, gestützt auf ihre Ehe mit einem Konsularen, und auch bei Galba, Otho und Vitellius blieb sie unangefochten. Sie kam dann durch ihr Geld und ihre Kinderlosigkeit zu Einfluss,105 was beides in guten und schlechten Zeiten gleich viel wert ist. 74. Inzwischen boten häufige, mit unmännlichen Schmeiche­ leien durchsetzte Schreiben von Otho an Vitellius diesem Geld und Gunst und einen Ruhesitz an, den er sich nach Belieben für seinen verschwenderischen Lebenswandel aussuchen könne. Gleiche Angebote machte Vitellius. Dabei ging es zuerst in höflicherer Form zu, und beide verstellten sich in törichter und unwürdiger Weise. Dann aber warfen sie sich, wie in einem Wortgezänk, gegenseitig Hurerei und Schandtaten vor, keiner von beiden fälschlich. Otho berief die von Galba abgeordneten Gesandten zurück und schickte wieder andere zu den beiden germanischen Heeren und zu der italischen Legion sowie zu den in Lugdunum stehenden Truppen, scheinbar im Namen des Senats. Die Gesandten blieben bei Vitellius zurück, zu bereitwillig, als dass sie den Eindruck erweckt hätten, sie seien zurückgehalten worden. Die Prätorianer, die Otho unter dem Schein eines Ehrengeleites den Gesandten beigegeben hatte, wurden zurückgeschickt, noch ehe sie sich unter die Legionen mischten. Dazu gab ihnen Fabius Valens im Namen des germanischen Heeres Briefe an die prätorianischen und städtischen Kohorten106 mit, die in großartigen Worten auf die Kräfte der Partei hinwiesen und ein einmütiges Zusammengehen anboten. Zudem machte er heftige Vorwürfe, dass sie die Vitellius schon so lange vorher übertragene Herrschaft Otho zugewendet ­hätten. 75. So machte man sich zugleich mit Versprechungen und Drohungen an sie heran, als ob sie dem Krieg nicht gewachsen wären und im Frieden nichts verlieren würden. Doch auch dadurch änderte sich nichts an der Treue der Prätorianer. Aber Meuchelmörder wurden von Otho nach Germanien, von Vitellius nach Rom geschickt. Beider Abgesandten hatten keinen Erfolg. Die Vitellianer blieben unbestraft, da man sich in einer solchen Menschenmasse nicht kannte und sie daher entkamen, während die Othonianer sich durch ihre ungewöhnlichen Ge-

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sichter – alle kannten ja einander – verrieten. Vitellius verfasste ein Schreiben an Titianus, den Bruder Othos, worin er ihn selbst und seinen Sohn mit dem Tode bedrohte, wenn man ihm nicht seine Mutter und seine Kinder unversehrt lasse. Und so blieben denn wirklich beide Häuser unerschüttert. Ob dies unter Otho aus Furcht geschah, ist ungewiss: der Sieger Vitellius trug den Ruhm der Milde davon. 76. Die erste Botschaft, die Othos Zuversicht stärkte, kam aus Illyricum, die Legionen von Dalmatien, Pannonien und Mösien hätten ihm den Huldigungseid geleistet. Dasselbe wurde aus Spanien gemeldet, und in einem Erlass wurde Cluvius Rufus107 gelobt. Aber gleich darauf erfuhr man, Spanien sei zu Vitellius übergegangen. Nicht einmal Aquitanien blieb lange treu, obgleich es von Julius Cordus auf Otho verpflichtet worden war. Nirgends herrschte Treue oder Zuneigung. Aus Furcht und Zwang schlug man sich bald auf diese, bald auf jene Seite. Die gleiche Angst trieb die Provinz Narbonensis dem Vitellius in die Arme. Leicht ist es ja, zu dem Zunächststehenden und Stärkeren überzugehen. Die entfernten Provinzen und die gesamte militärische Macht, die durch das Meer getrennt ist, blieb in den Händen Othos, nicht aus Sympathie für die Partei, vielmehr fiel der Name der Hauptstadt und die Berufung auf den Senat schwer ins Gewicht, und Otho hatte die Herzen zuerst für sich gewonnen, da man auch früher von ihm gehört hatte. Das in Judaea stationierte Heer vereidigte Vespasianus, die syrischen Legionen Mucianus, zugleich fühlten sich Ägypten und alle anderen östlichen Provinzen an seinen Namen gebunden. Den gleichen Gehorsam leistete Afrika, wozu Karthago den Anstoß gegeben hatte, ohne die Ermächtigung des Prokonsuls Vipstanus Apronianus abzuwarten: Crescens, ein Freigelassener Neros, – auch solche Leute maßen sich ja in schlimmen Zeiten eine Rolle im Staatsleben an – hatte aus Freude über die neue Herrschaft für den Pöbel eine Speisung veranstaltet, während das übrige Volk beflissene Eilfertigkeit bezeugte, ohne Maß zu halten. Dem Bespiel Karthagos schlossen sich die übrigen Stadtgemeinden an. 77. Während die Heere und die Provinzen auf diese Weise auseinandergezogen waren, musste Vitellius, um die Stellung des



Die Parteien in den Provinzen · Regierungsgeschäfte

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Prinzeps zu erlangen, Krieg führen. Otho dagegen besorgte, wie in tiefem Frieden, die Regierungsgeschäfte, zum Teil, wie es der Würde des Gemeinwesens entsprach, sehr häufig aber in einer unwürdigen Eile, die nur dem augenblicklichen Bedürfnis Rechnung trug. Er selbst war zusammen mit seinem Bruder Titianus Konsul bis zum ersten März.108 Die nächsten Monate bestimmte er für Verginius, um irgendwie das germanische Heer zu besänftigen. Beigegeben wurde dem Verginius unter dem Deckmantel der alten Freundschaft Pompeius Vopiscus. Die meisten deuteten es als ein Ehrengeschenk für die Viennenser.109 Die übrigen Konsulate verblieben, wie es Nero oder Galba bestimmt hatte, dem Cälius Sabinus und Flavius Sabinus bis zum ersten Juli, dem Arrius Antoninus und Marius Celsus bis zum ersten September. Gegen die ihnen übertragenen Ehrenstellen erhob nicht einmal Vitellius nach seinem Siege Einspruch. Aber Otho verlieh zusätzlich Pontifikate und Augurate110 Greisen, die schon Ehrenstellen bekleidet hatten, als Höhepunkt ihrer Würde oder erwies ganz jungen Adeligen, die erst kürzlich aus der Verbannung zurückgekehrt waren, durch die Übertragung der großväterlichen oder väterlichen Priesterwürden als Entschädigung erneute Ehrung. Dem Cadius Rufus, Pedius Bläsus, Scävinus Paquius wurde der senatorische Rang wiedergegeben. Sie waren unter der Anklage der Erpressung unter Claudius und Nero gestürzt worden. Denen, die die Amnestie verfügten, beliebte es, mit verändertem Namen, was Habsucht gewesen war, als Majestätsverbrechen erscheinen zu lassen.111 Dem Hass gegen solche Prozesse fielen damals auch gute Gesetze zum Opfer. 78. Mit der gleichen Freigebigkeit suchte er auch die Stimmung der Stadtgemeinden und der Provinzen zu beeinflussen. So wies er den Hispalensern und Emeritensern neue Familien zu, den gesamten Lingonen schenkte er das römische Bürgerrecht und der Provinz Bätica maurische Stadtgemeinden. Neue Rechtsordnungen gab er Kappadozien, neue Afrika, mehr zum äußeren Schein, als dass sie von Dauer sein sollten. Während er diese Maßnahmen traf, die im Hinblick auf die augenblickliche Notlage und die Sorgen um die nächste Zukunft entschuldigt werden mögen, vergaß er auch jetzt nicht seine Liebschaf-

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Erstes Buch, Kapitel 79 – 80

ten und ließ durch einen Senatsbeschluss die Standbilder der Poppäa wieder aufstellen.112 Wie man glaubte, ging er sogar damit um, das Andenken Neros zu feiern in der Hoffnung, damit die große Masse für sich zu gewinnen. Und wirklich gab es Leute, die Bildnisse von Nero aufstellten. Ja sogar Otho riefen an einigen Tagen Volk und Soldaten, als ob sie ihm damit Adel und Ehre erhöhten, »Nero Otho« zu. Er selbst nahm dazu keine Stellung, entweder, weil er sich vor einem Verbot scheute oder, weil er sich vor einer Anerkennung schämte. 79. Während man sich so ganz auf den Bürgerkrieg einstellte, fanden die auswärtigen Ereignisse kein Interesse. Umso kühner waren die Rhoxolaner, ein sarmatischer Volksstamm, die im vorausgegangenen Winter zwei Kohorten niedergemacht hatten. Unter großen Hoffnungen waren sie in einer Stärke von neuntausend Reitern in Mösien eingefallen, jedoch, pochend auf den errungenen Erfolg, waren sie mehr auf Beutemachen als auf Kämpfen aus. Als sie daher unbekümmert umherstreiften, überfiel sie plötzlich die dritte Legion, die durch Hilfstruppen verstärkt war. Bei den Römern war alles zum Kampf bereit: die Sarmaten, die sich in ihrer Gier nach Beute zerstreut hatten oder mit schwerem Gepäck beladen waren und deren Pferden auf den schlüpfrigen Wegen die Beweglichkeit genommen war, wurden wie Gefesselte niedergemacht. Denn – so wunderlich es klingt – die ganze Mannhaftigkeit der Sarmaten liegt gleichsam außerhalb ihrer eigenen Person. Nichts Feigeres gibt es, wenn es zum Kampf zu Fuß kommt. Sobald sie in Schwadronen herangeritten kommen, gibt es wohl kaum eine Kampflinie, die ihnen standhielte. Aber damals herrschte nasses Tauwetter, und so konnten sie weder ihre Spieße noch ihre übermäßig langen Schwerter, die sie mit beiden Händen führen, gebrauchen. Denn die Pferde glitten aus und sie selbst waren durch das Gewicht des Schuppenpanzers belastet. Dies ist die Rüstung, die ihre Häuptlinge und die Vornehmsten tragen. Sie ist aus Eisenblechen oder besonders harten Lederstücken zusammengefügt, undurchdringlich gegen Hiebe, aber auch hinderlich beim Wiederaufstehen, wenn man beim Ansturm der Feinde zu Boden geworfen wird. Zugleich versanken sie in dem tiefen und weichen Schnee. Der römische Soldat, leicht beweglich in



Einfall der Sarmaten in Mösien

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seinem Panzer und mit seinem leicht zu werfenden Speer oder mit seinen Lanzen heranstürmend, durchbohrte, wo es die Lage erforderte, auch mit seinem leichten Schwert den wehrlosen Sarmaten – denn mit einem Schild sich zu schützen, ist nicht Sitte – im Nahkampf, bis schließlich die wenigen, die den Kampf überlebt hatten, sich in den Sümpfen verbargen. Dort erlagen sie der grimmigen Winterkälte oder ihren schweren Verwundungen. Als man dies in Rom erfuhr, wurde M. Apo­ nius, der Mösien verwaltete, durch ein mit den Triumphinsignien geschmücktes Standbild,113 die Legionslegaten Fulvus Aurelius und Iulianus Tettius114 und Numisius Lupus mit den konsularischen Ehrenzeichen115 beschenkt. Otho freute sich und nahm den Ruhm für sich in Anspruch, wie wenn auch er im Kriege Glück gehabt hätte und er mit seinen Feldherren und seinen Heeren das Gemeinwesen gefördert hätte. 80. Inzwischen brach aus einem geringfügigen Anlass und auf einer Seite, von der man nichts befürchtete, eine Empörung aus, die beinahe zur Vernichtung der Hauptstadt geführt hätte. Die siebzehnte Kohorte116 hatte Otho aus der Koloniestadt Ostia in die Hauptstadt rufen lassen. Den Auftrag, sie zu bewaffnen, hatte der Prätorianertribun Varius Crispinus erhalten. Um nun umso ungestörter während der Ruhe im Lager die Befehle auszuführen, ordnete er an, mit Beginn der Nacht das Zeughaus zu öffnen und die Wagen der Kohorte zu beladen.117 Der Zeitpunkt gab Anlass zu Verdacht, der Vorgang selbst zu Beschuldigungen, und das Bemühen, die Sache in der Zeit der Ruhe durchzuführen, führte im Gegenteil zu einem lärmenden Auftritt, wobei der Anblick der Waffen in den Händen von Betrunkenen die Lust erweckte, diese auch zu gebrauchen. Die Soldaten lärmten und beschuldigten die Tribunen und Zenturionen des Verrats, als würden die Sklaven der Senatoren zum Sturze Othos bewaffnet. Ein Teil, der vom Wein betrunken war, wusste nicht, was los war, die schlechtesten Elemente lauerten auf eine Gelegenheit zu plündern, der große Haufe griff, entsprechend seiner Art, jeglichen neuen Aufruhr gierig auf. Und die Dienstbereitschaft der Besseren hatte die Nacht ausgeschaltet. Den Tribunen, der sich den Meuterern in den Weg stellte, und die strengsten Zenturionen machten sie nieder, die Waffen

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wurden geraubt, die Schwerter entblößt. Sie schwangen sich auf die Pferde und ritten zur Stadt und zu dem Palatium. 81. Otho hatte gerade eine zahlreiche Gesellschaft hochgestellter Frauen und Männer zu Gast. Sie waren in ängstlicher Besorgnis, ob das Rasen der Soldaten zufällig sei oder ob es sich um eine List des Imperators handle, ob es gefährlicher sei, zu bleiben und verhaftet zu werden, oder zu fliehen und sich zu zerstreuen. Und so täuschten sie bald eine feste Haltung vor, bald verrieten sie sich durch ihre Furcht und richteten zugleich ihren Blick auf Othos Gesicht. Und, wie es so geht, wenn man einmal zu Verdacht neigt, fürchtete man sich vor Otho, eben weil er selbst in Furcht war. Aber nicht minder durch die Gefahr, die dem Senat, wie durch die, die ihm selbst drohte, erschreckt, hatte er sofort die Prätorianerpräfekten abgeschickt, um die erzürnten Soldaten zu besänftigen, und befahl nun allen seinen Gästen schleunigst die Tafel zu verlassen. Jetzt vollends warfen die Beamten ihre Abzeichen weg, Greise und Frauen vermieden ihre sonstigen zahlreichen Begleiter und Sklaven und eilten nach allen Richtungen durch die finstere Nacht auf abgelegenen Straßen der Stadt vereinzelt nach Hause, größtenteils in die Wohnungen ihrer Freunde und zu dem ärmlichsten Klienten, den jeder gerade hatte, in das Dunkel von Schlupfwinkeln. 82. Die anstürmenden Soldaten ließen sich nicht einmal an den Toren des Palatiums davon zurückhalten, in das Gelage einzubrechen. Sie forderten, Otho solle sich zeigen. Dabei wurden der Tribun Iulius Martialis und der Legionspräfekt Vitellius Saturninus verwundet, als sie den Anstürmenden entgegentraten. Von allen Seiten kamen Bewaffnete und wurden Drohungen laut, bald gegen die Zenturionen und Tribunen, bald gegen den Senat in seiner Gesamtheit. Sie waren wie besessen in ihrem blinden Schrecken und, da sie auf keine bestimmte Einzelperson ihren Zorn richten konnten, forderten sie, ungehemmt gegen alle vorgehen zu dürfen, bis Otho entgegen seiner Würde als Herrscher sich auf ein Polster stellte und sie mit Bitten und Tränen mühsam beschwichtigte. Darauf kehrten sie in das Lager zurück, widerwillig und nicht ohne das Bewusstsein ihrer Schuld. Am folgenden Tage waren, wie in einer eroberten Stadt, die Häuser geschlossen, nur vereinzelt zeigte sich die Be-



Terror der führerlosen Prätorianer

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völkerung auf den Straßen und Niedergeschlagenheit herrschte bei dem niederen Volk. Die Soldaten schlugen ihre Augen zu Boden, was mehr Trauer als Reue bedeutete. In den einzelnen Manipeln redeten zu ihnen die Präfekten Licinius Proculus und Plotius Firmus, jeder, entsprechend seinem Temperament, in milderem oder schrofferem Tone. Die Rede klang dahin aus, dass jedem Soldaten fünftausend Sesterzen ausbezahlt werden sollten. Erst jetzt wagte es Otho, das Lager zu betreten. Um ihn scharten sich die Tribunen und Zenturionen, die ihre militärischen Abzeichen wegwarfen und dringend um ihren Abschied und damit um ihre persönliche Sicherheit baten. Die Soldaten fühlten die darin enthaltene Gehässigkeit, bequemten sich aber zum Gehorsam und forderten zudem noch die Hinrichtung der Rädelsführer der Meuterei. 83. Noch hatte sich der Aufruhr nicht gelegt und war die Stimmung unter den Soldaten uneinheitlich: alle Gutgesinnten verlangten ein Einschreiten gegen die augenblickliche Disziplinlosigkeit, während die Mannschaften – und damit die Mehrheit – sich über die Meutereien und über die Liebedienerei seitens des Herrschers freuten und sich durch Ausschreitungen und Plünderungen umso leichter zum Bürgerkrieg verleiten ließen. Trotzdem hielt Otho, in der Erwägung, es könne das durch ein Verbrechen erworbene Prinzipat nicht durch die plötzliche Forderung von Disziplin und auch nicht durch altertümliche Strenge aufrechterhalten werden, und ängstlich besorgt über die bedrohliche Lage der Hauptstadt und die Gefahr des Senats, zuletzt folgende Ansprache: »Nicht um eure Herzen in Liebe für mich zu entflammen, Kameraden, und auch nicht, um euch zu mannhaftem Verhalten aufzurufen – beides ist euch ja in hervorragendem Maße eigen –, sondern dazu bin ich gekommen, um von euch Beschränkung in eurer Tapferkeit, Maßhalten in eurer Zuneigung zu mir zu verlangen. Der Ausgangspunkt des letzten Aufruhrs lag nicht in Gier oder Hass, die schon viele Heere in Zwietracht gestürzt haben, auch nicht in der Verweigerung des Dienstes oder in der Angst vor Gefahren. In eurer übertriebenen Pflichttreue habt ihr ihn mit mehr hitzigem Mut als Besonnenheit heraufbeschworen. Denn oft haben ehrenwerte Beweggründe, wenn man nicht überlegtes Urteil walten

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Erstes Buch, Kapitel 84 – 85

lässt, einen unheilvollen Ausgang im Gefolge. Wir ziehen in den Krieg. Lässt es denn da die Rücksicht auf die Lage oder das schnelle Ergreifen sich bietender Gelegenheiten zu, alle Nachrichten öffentlich anzuhören, alle zu treffenden Maßregeln in Anwesenheit von allen zu behandeln? Manches müssen die Soldaten ebenso nicht wissen, wie wissen. So verhält es sich mit der Autorität der Heerführer, so mit der Strenge der Manneszucht, dass in vielen Fällen es am Platze ist, wenn man auch den Zenturionen und Tribunen lediglich befiehlt. Sollte es jedem einzelnen freistehen, zu fragen, warum ihm ein Befehl gegeben wird, bricht mit dem Zerfall des Gehorsams auch die oberste Führung zusammen. Oder werden auch da in finsterer Nacht Wachen geraubt werden? Wird der eine oder andere verkommene und betrunkene Kerl – ich möchte ja nicht annehmen, es sei eine größere Anzahl gewesen, die bei dem letzten Krawall in Raserei geraten ist – mit dem Blut eines Zenturio und Tribunen seine Hände bedecken, in das Zelt seines Oberbefehlshabers einbrechen? 84. Ihr freilich habt dies für mich getan. Aber bei dem Umherrennen und in der Finsternis und bei dem allgemeinen Durcheinander kann sich eine günstige Gelegenheit auch gegen mich ergeben. Wenn sich Vitellius und seinen Trabanten die Möglichkeit böte, zu wählen, welche Gesinnung und welche Gedanken sie uns gerne auflüden, was anders würden sie dann wünschen, als dass Meuterei und Zwietracht bei uns herrsche, dass der Soldat nicht dem Zenturio, der Zenturio nicht dem Tribunen gehorche und wir als Folge davon in einer Wirrnis von Fußvolk und Reiterei in unser Verderben stürzen. Auf dem Gehorchen viel mehr, Kameraden, als auf dem Auskundschaften der Befehle der Heerführer beruhen die soldatischen Erfordernisse, und am tapfersten ist in der Stunde der Entscheidung dasjenige Heer, das vor der Entscheidung das ruhigste ist. Ihr sollt die Waffen und den Mut haben. Mir überlasset den planvollen Einsatz und die Lenkung eurer Mannhaftigkeit! Es sind ja nur wenige, die sich schuldig gemacht haben. Zwei wird die Strafe ereilen. Ihr übrigen tilget die Erinnerung an die so abscheuliche Nacht! Und nirgends mehr höre ein Heer jene gegen den Senat gerichteten Stimmen! Das Haupt des Reiches



Es kehrt keine Ruhe ein in Rom

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und die Zierde aller Provinzen zur Bestrafung zu fordern, dürften, wahrhaftiger Gott, nicht jene Germanen wagen, die eben jetzt Vitellius gegen uns aufruft. Sollten je Italiens Söhne und die echte römische Jugend Mord und Blutvergießen für einen Stand fordern, durch dessen Glanz und Ruhm wir den Schmutz und das Dunkel der Vitellianischen Partei überstrahlen? Einiger Völkerschaften hat sich Vitellius vor uns versichert; auch verfügt er über das Schattenbild von einem Heer. Der Senat steht auf unserer Seite. So kommt es, dass hier das Gemeinwesen, dort die Feinde des Gemeinwesens stehen. Wie? Glaubt ihr denn, diese herrliche Stadt bestehe nur aus Palästen, Gebäuden und Steinmassen? Stumm und unbeseelt geht dies alles ohne Unterschied zugrunde und wird wiederaufgebaut. Der ewige Bestand des Reiches, der Friede der Welt, mein Wohlergehen zusammen mit dem eurigen beruhen auf dem unangetasteten Bestand des Senates. Ihn, der unter glücklichen Auspizien von dem Vater und Gründer unserer Stadt eingesetzt worden ist und den wir von den Königen bis zu den Inhabern des Prinzipats fortdauernd und unvergänglich erhalten haben, wollen wir so, wie wir ihn von den Vorfahren übernommen haben, den Nachkommen weitergeben. Und wie aus euch die Senatoren, so erwachsen aus den Senatoren die Fürsten.« 85. Sowohl die Rede, die geeignet war, die Soldaten tief zu beeindrucken und zu besänftigen, wie auch das Maßhalten in der Strenge – er hatte ja die Bestrafung von nicht mehr als zwei Leuten befohlen – wurde beifällig aufgenommen und, wen man nicht auf weiteres im Zaum halten konnte, der wurde wenigstens für den Augenblick beschwichtigt. Dennoch war in der Stadt die Ruhe nicht zurückgekehrt. Waffengeklirr und das Bild des Kriegszustandes! Die Soldaten scharten sich zwar zu keinem gemeinsamen Aufruhr zusammen, doch zerstreuten sie sich verkleidet in die Häuser und richteten bösartig ihre Aufmerksamkeit auf alle, die Adel oder Reichtum oder sonst ein hervorstechendes Merkmal in der Leute Mund gebracht hatte. Sehr viele glaubten auch, Vitellianische Soldaten seien in die Stadt gekommen, um die Stimmung der Partei kennenzulernen. Daher war alles voll Argwohn, und kaum lebte man in der Abgeschlossenheit seines Hauses ohne Angst. Doch die

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größte Aufregung herrschte auf den Straßen, wo man, je nach der Nachricht, die eintraf, Stimmung und Miene wechselte, um nicht bei bedenklichen Nachrichten misstrauisch und bei günstigen zu wenig freudig zu erscheinen. Als vollends der Senat in die Kurie berufen wurde, war die Frage des Verhaltens in jeder Beziehung schwierig: ja kein verstocktes Schweigen, ja kein verdachterregender Freimut! Und Otho war ja, da er noch kürzlich Privatmann gewesen war und als solcher ebenso geredet hatte, Schmeichelei etwas Bekanntes. Daher gaben sie ihren Meinungen allerlei Wendungen und drehten sich bald hierhin, bald dorthin: sie nannten Vitellius Staatsfeind und Vaterlandsverräter, wobei die Vorsichtigsten sich in allgemeinen Schimpfworten ergingen, während manche wahrheitsgemäße Vorwürfe vorbrachten, jedoch von Geschrei begleitet und nur, wenn viele durcheinander lärmten, oder wenn sie sich im Schwall der Worte selbst überschrien. 86. Zudem schreckten Wunderzeichen, die von verschiedenen Seiten verbreitet wurden: in der Vorhalle des Kapitols seien dem Zweigespann, auf dem die Siegesgöttin stand, die Zügel entfallen, aus der Cella der Juno118 sei eine übermenschliche Erscheinung herausgestürzt, das Standbild des vergöttlichten Julius auf der Insel des Tiber119 habe sich an einem heiteren, ruhigen Tag von Westen nach Osten gedreht, in Etrurien habe ein Stier geredet, Tiere hätten ungewöhnliche Junge geworfen, und noch anderes mehr, was man in Zeiten frommer Einfalt selbst im Frieden beachtet hat, worauf man aber jetzt nur noch in Zeiten der Furcht hört. Aber einen ganz besonderen Schrecken, der nicht nur augenblickliches Verderben brachte, sondern auch in die Zukunft wirkte, rief eine plötzliche Überschwemmung des Tiber hervor, der, ungeheuer angeschwollen, die Pfahlbrücke zum Einsturz brachte und, infolge der sperrenden Trümmermassen zurückgestaut, nicht nur die tiefer liegenden und ebenen, sondern auch die gegen solche Ereignisse gesicherten Teile der Stadt überflutete. Sehr viele wurden auf der Straße fortgerissen, noch mehr in ihren Buden und Schlafstellen überrascht. Bei der Masse des Volks entstand infolge der Erwerbslosigkeit und des Mangels an Lebensmitteln eine Hungersnot. Durch das stehende Wasser wurden die Fundamente der Mietshäuser120



Schlimme Vorzeichen

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schadhaft und zerfielen mit dem Abfließen des Wassers. Und, sobald man sich wieder frei fühlte von Gefahr, wurde gerade der Umstand, dass für den sich zum Feldzug rüstenden Otho das Marsfeld und die zum Kriegsschauplatz führende Flaminische Straße versperrt war, nicht mehr in seinen zufälligen oder auch natürlichen Ursachen betrachtet, sondern als ein Vorzeichen und eine Ankündigung bevorstehender Niederlagen gedeutet. 87. Otho entsühnte die Stadt121 und erwog die Maßregeln für den Krieg: weil die pöninischen und kottischen Alpen sowie die übrigen Zugänge nach Gallien von den Vitellianischen Heeren gesperrt waren, beschloss er, das narbonensische Gallien mit seiner starken, der Partei ergebenen Flotte122 anzugreifen. Denn er hatte aus den dem Blutbad an der Mulvischen Brücke entronnenen und von dem grausamen Galba in Gewahrsam gehaltenen Truppen123 Legionsabteilungen gebildet und auch den übrigen Hoffnung auf einen künftigen ehrenvollen Kriegsdienst gemacht. Der Flotte gab er die städtischen Kohorten124 und einen großen Teil der Prätorianer bei; sie bildeten die Hauptmacht und die Kerntruppe des Heeres und für die Führer selbst den beratenden und beschützenden Rückhalt. Die Leitung des gesamten Unternehmens wurde den Primipilaren Antonius Novellus und Suedius Clemens sowie dem Ämilius Pacensis, dem er den von Galba abgenommenen Tribunenrang zurückgegeben hatte, anvertraut. Die Verwaltung der Flotte behielt der Freigelassene Moschus, womit sich seine bisherige Aufgabe, höhergestellte Persönlichkeiten auf ihre Zuverlässigkeit zu bespitzeln, nicht änderte. Zu Befehlshabern des Fußvolks und der Reitertruppen wurden Suetonius Paulinus, Marius Celsus und Annius Gallus125 bestimmt. Aber das größte Vertrauen genoss der Prätorianerpräfekt Licinius Proculus. Dieser, unermüdlich im Garnisondienst, aber an Kriege nicht gewöhnt, setzte das Ansehen und die Tatkraft des Celsus, die reife Einsicht des Gallus, die besondere Eigenschaft eines jeden, herab und suchte dadurch in seiner Schlechtigkeit und Schlauheit den Gutgesinnten und Bescheidenen den Rang abzulaufen. 88. In diesen Tagen wurde Cornelius Dolabella126 in die Koloniestadt Aquinum entfernt. Seine Bewachung wurde nicht streng

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Erstes Buch, Kapitel 89 – 90

gehandhabt und auch nicht geheim gehalten. Es lag gegen ihn keine Beschuldigung vor, sondern er hatte mit seinem alten Namen und seiner Verwandtschaft mit Galba die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Vielen von den Staatsbeamten, einem großen Teil der Konsulare befahl Otho, nicht etwa als Teilnehmer an dem Krieg oder als dienstlich Beauftragte, sondern scheinbar als sein Gefolge mit ihm zu ziehen. Darunter war auch Lucius Vitellius, dem er die gleiche Behandlung zuteilwerden ließ wie den übrigen, ohne ihn als Bruder des Imperators oder des Feindes zu betrachten. Infolgedessen erhoben sich in der Hauptstadt Besorgnisse: kein Stand war frei von Furcht oder außer Gefahr. Die führenden Männer des Senats waren altersschwach und in langer Friedenszeit energielos geworden; schlaff war der Adel und dachte nicht mehr an Kriege. Die Ritterschaft hatte keine Ahnung vom Kriegsdienst. Je mehr man sich Mühe gab, die Angst zu verheimlichen und zu verbergen, umso deutlicher trat sie in Erscheinung. Auch fehlte es als Gegenstück nicht an Leuten, die in törichter Prahlerei in die Augen fallende Waffen, Pferde von hervorragender Schönheit, teilweise auch luxuriöse Tafelaufmachung und Reizmittel für ihre Gelüste, wie eine Kriegsausrüstung, kauften. Die Verständigen waren in Be­sorgnis um die Ruhe und das Gemeinwesen. Die besonders Leichtsinnigen, die sich um das Kommende nicht sorgten, waren geschwollen von eitler Hoffnung. Viele, die infolge ihres zerrütteten Kredits in Friedenszeiten in angstvoller Bedrängnis lebten, waren in den Wirren der Zeit frohgestimmt und fühlten sich in den ungewissen Verhältnissen ganz sicher. 89. Aber die große Masse und die an den gemeinsamen Aufgaben, die einen allzu großen Umfang angenommen hatten, nicht mehr beteiligte Bürgerschaft fühlte allmählich die Leiden des Krieges: das gesamte Geld wurde für die Soldaten verwendet, die Preise für die Lebensmittel zogen an, worunter bei der Erhebung des Vindex das niedere Volk nicht so sehr zu leiden gehabt hatte, weil die Stadt damals in Sicherheit gewesen war und der Krieg selbst sich zwischen den Legionen und Gallien gleichsam im Ausland in der Provinz abspielte. Denn seitdem der vergöttlichte Augustus die Macht der Cäsaren begründet hatte, hatte das römische Volk nur in weiter Ferne Krieg geführt,



Abreise Othos aus Rom

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wobei die Sorge auf einer einzigen Person lastete oder auch diesem allein der Ruhm zufiel. Unter Tiberius und Gaius berührten nur Widrigkeiten, die im Frieden auftraten, das Gemeinwesen. Denn wie man von dem Unternehmen des Scribonianus gegen Claudius127 hörte, war es auch schon niedergeschlagen. Bei Neros Sturz spielten mehr Botschaften und Gerüchte als Waffengewalt eine Rolle. Jetzt aber wurden Legionen und Flotten und, was selten sonst vorkommt, die Prätorianertruppe und die städtische Garnison in die Schlacht geführt. Der Osten und der Westen und die ganzen beiderseitigen Streitkräfte standen im Rücken, ein für einen langen Krieg ausreichendes Arsenal, wenn man unter anderen Führern gekämpft hätte. Manche suchten Otho bei seinem Aufbruch aufzuhalten, indem sie religiöse Bedenken wegen der noch nicht wieder verwahrten Schilde128 vorbrachten. Er lehnte jedes Zögern ab, da es auch für Nero verderblich gewesen sei. Auch dass Cäcina bereits über die Alpen gegangen war, trieb ihn zur Eile an. 90. Am vierzehnten März empfahl er das Gemeinwesen der Obhut der Senatoren und überließ alles, was von den Neronischen Versteigerungen übrig und nicht zum Fiskus geschlagen war, den aus der Verbannung Zurückgerufenen. Dies war nun scheinbar ein höchst gerechtes und großartiges Geschenk; aber es brachte, da die Eintreibung schon längst beschleunigt worden war, in der Praxis nur wenig ein. Dann berief er eine Versammlung und sprach in maßvollem Tone, wobei er die Hoheit der Stadt und die allgemeine Sympathie des Volkes und des Senats für seine Person hervorhob, gegen die Vitellianische Partei. Er rügte mehr die Unwissenheit als die Dreistigkeit der Legionen, ohne irgendwie Vitellius zu erwähnen, mag dies nun auf persönliche Zurückhaltung zurückzuführen sein, oder hat der Verfasser der Rede aus Furcht für seine eigene Person sich der Schmähungen gegen Vitellius enthalten. Man glaubte nämlich, Otho ziehe, wie bei militärischen Beratungen Suetonius Paulinus und Marius Celsus, so bei Fragen der inneren Politik Galerius Trachalus bei. Manche glaubten auch, sogar seinen charakteristischen Redestil wiederzuerkennen, der infolge seines häufigen Auftretens auf dem Forum bekannt war und breit und volltönend dahinfloss, um in den Ohren der Masse voll zu klin-

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Erstes Buch, Kapitel 90

gen. Geschrei und Zurufe des Volkshaufens wurden laut, die in der üblichen Schmeichelei übertrieben und unecht waren. Als ob sie dem Diktator Cäsar oder dem Imperator Augustus das Geleit gäben, wetteiferten sie in Sympathiekundgebungen und guten Wünschen, aber nicht aus Furcht oder Zuneigung, sondern in hemmungslosem Sklavensinn bildete, wie es sonst bei dem Gesinde zugeht, bei jedem sein persönliches Interesse den Ansporn, während die Ehre des Staates nichts mehr galt. Bei seiner Abreise vertraute Otho die Ruhe der Stadt und die Verwaltung des Reiches seinem Bruder Salvius Titianus an.

Zweites Buch 1. Schon schuf das Schicksal in einem ganz anderen Teil der Welt die Ausgangspunkte und die Grundlagen einer Herrschaft, die in wechselndem Geschick für das Gemeinwesen erfreulich oder unheilvoll, für die Fürsten selbst günstig oder verderblich gewesen ist. Titus Vespasianus war, als Galbas Stellung noch unerschüttert war, aus Judäa von seinem Vater abgeschickt worden und gab als Grund der Reise die Huldigung für den Fürsten und sein zur Ämterbewerbung bereits reifes Alter an.1 Allein die große Masse, die auf Erdichtungen aus ist, hatte ausgestreut, er sei zur Adoption herbeigerufen worden. Stoff zu diesem Gerede lieferte das hohe Alter des Fürsten und die Ungeduld der Bürgerschaft, mit der viele ausersehen werden, bis endlich einer ausgewählt wird. Das Gerede über ihn fand noch weitere Nahrung durch die Veranlagung des Titus,2 die jeder noch so hohen Stellung gewachsen war, durch die Schönheit seiner Gesichtszüge, die sich mit einer gewissen Hoheit verband, durch die Erfolge des Vespasianus, durch Orakelbescheide, wie überhaupt durch die Neigung der Menschen, statt der Vorbedeutungen auch an reine Zufälligkeiten zu glauben. Sobald er in Korinth, einer Stadt Achaias, sichere Nachrichten von dem Ende Galbas erhielt und sich Leute einfanden, die bestätigten, Vitellius greife zu den Waffen und es komme zum Kriege, prüfte er unter Beiziehung weniger Freunde beklommenen Herzens die Lage nach beiden Seiten: reise er wirklich in die Hauptstadt weiter, werde er keinen Dank ernten für die der Ehre eines anderen zugedachte Huldigung, und Vitellius oder Otho nur als Geisel dienen, kehre er aber zurück, so werde der Sieger zweifellos gekränkt sein. Aber wenn der Sieg noch ungewiss sei und der Vater der Partei beitrete, so werde der Sohn damit entschuldigt sein. Wenn jedoch Vespasianus die Regierung übernehme, so habe man nur an den Krieg zu denken und nicht mehr an Dinge, mit denen man Anstoß erregt habe. 2. Während er in diesen und ähnlichen Erwägungen zwischen Hoffnung und Furcht hin und her geworfen wurde, siegte die

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Zweites Buch, Kapitel 3 – 5

Hoffnung. Manche glaubten, er sei aus Sehnsucht nach der Königin Berenike3 umgekehrt. Und wirklich, er schwärmte in seinem jugendlichen Herzen für Berenike, was aber kein Hindernis für sein tatkräftiges Handeln bildete. Er verbrachte eine frohe, genussreiche Jugend und zeigte sich maßvoller unter seiner eigenen Regierung als unter der seines Vaters. Und so fuhr er denn an der Küste von Achaia und Asien der linken Meeresseite entlang und nahm Kurs auf die Inseln Rhodus und Cypern und von da an in kühneren Routen4 auf Syrien. Dabei wandelte ihn die Lust an, den Tempel der Paphischen Venus,5 der bei Einheimischen und Fremden Berühmtheit genoss, zu besuchen und zu besichtigen. Es dürfte nicht zu weitläufig sein, über die Anfänge des Kultes, den Tempelbrauch, die Gestalt der Göttin – nirgends sonst findet man sie ja so – kurz zu berichten. 3. Eine alte Erinnerung nennt als Gründer des Tempels den König Aërias – manche behaupten, dies sei der Name der Göttin selbst –, während eine jüngere Sage berichtet, der Tempel sei von Cinyras geweiht und die Göttin selbst sei, meergeboren, hier ans Land getrieben worden. Aber das Wissen und die Kunst der Opferschauer habe man von draußen geholt, und zwar habe sie der Kilikier Tamiras eingeführt. Man habe eine Abmachung dahingehend getroffen, dass die Nachkommen beider Familien die gottesdienstlichen Handlungen verrichten sollten. Später traten die Fremdlinge eben das Wissen, das sie eingeführt hatten, ab, damit in jeglicher Ehre das königliche Geschlecht dem fremden Stamm vorangehe. Nur ein Priester aus der Familie des Cinyras wird noch befragt. Die Wahl der Opfertiere steht im Belieben des Weihenden, aber es werden nur männliche Tiere ausgewählt. Den sichersten Glauben schenkt man den Eingeweiden der Böcke. Blut auf den Altar zu gießen, ist verboten. Unter Gebeten lodert das reine Feuer auf den Altären empor, und kein Regen benetzt diese, obgleich sie im Freien stehen. Das Bild der Göttin stellt keine menschliche Gestalt dar, sondern ist ein zusammenhängender Kreis, der mit einer breiten Grundfläche beginnt und in seinem Umfang nach oben abnehmend wie eine Spitzsäule aufragt. Seine Bedeutung liegt im Dunkeln. 4. Titus schaute sich den Reichtum und die Geschenke der Könige an, sowie, was sonst das sich an Altertümern freuende griechi-



Verhalten der Heere und Führer im Orient

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sche Volk einer ungewissen Vorzeit zudichtet, und erkundigte sich zuerst über seine Fahrt. Er erfuhr, der Weg stehe offen und das Meer sei günstig. Dann schlachtete er mehrere Opfertiere und fragte in verblümten Worten über seine eigene Person. Als Sostratus – dies war der Name des Priesters – sah, dass die Eingeweide glückverheißend und entsprechend seien und somit die Göttin großen Plänen zustimme, gab er für den Augenblick nur eine kurze Antwort in der üblichen Weise. Dann bat er Titus um eine Unterredung unter vier Augen und enthüllte ihm die Zukunft. Titus fuhr in gehobener Stimmung zu seinem Vater, womit er die noch schwankenden Provinzen und Heere in ihrem Vertrauen auf die Lage gewaltig stärkte. Vespasianus hatte den jüdischen Krieg fast schon beendigt. Nur noch die Belagerung von Jerusalem war übrig, eine Aufgabe, die mehr wegen der Beschaffenheit des Berges und des religiösen Fanatismus als deshalb hart und schwierig war, weil die Belagerten noch über genug Kräfte verfügt hätten, um die Bedrängnisse auszuhalten. Über drei kriegsgeübte Legionen verfügte, wie oben gesagt, Vespasianus selbst, vier unterstanden im Friedenszustand Mucianus. Aber das Bemühen, es gleichzutun, und der Ruhm des zunächststehenden Heeres hatten das schlaffe Verhalten beseitigt und so viel an Kraft, wie jenen Gefahren und Strapazen, hatte diesen an Frische die ungestörte Ruhe und das Verschontsein vom Kriege, mit dem sie noch nicht in Berührung gekommen waren, verschafft. An Hilfstruppen hatten beide Kohorten und Reiterabteilungen, ferner verfügten sie über Flotten und Könige6 sowie über einen berühmten Namen, wobei sie aber in ungleichem Rufe standen. 5. Vespasianus war ein schneidiger Soldat, marschierte an der Spitze des Heeres, wählte selbst den Platz für das Lager aus und trat bei Tag und Nacht mit kluger Überlegung und, falls es die Lage erforderte, mit der Faust den Feinden entgegen. Er aß, was sich ihm gerade bot, und unterschied sich in seiner Kleidung und in seinem ganzen Auftreten kaum von einem gemeinen Soldaten, kurz, wenn er nicht habgierig gewesen wäre, hätte er den Feldherren der alten Zeit geglichen. Den Mucianus dagegen hob sein prunkvolles Auftreten, sein Reichtum und alles Sonstige, was das einem Privatmanne gesetzte Maß überstieg,

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Zweites Buch, Kapitel 6 – 8

heraus. Er war ein gewandterer Redner, erfahren in der Organisation und der Planung öffentlicher Angelegenheiten, und sie hätten einen hervorragenden Fürsten zusammen ergeben, wenn man ihre beiderseitigen Fehler weggenommen und nur die Vorzüge gemischt hätte. Im Übrigen war dieser in Syrien, jener in Judäa Statthalter, und da sie benachbarte Provinzen verwalteten, herrschte zwischen ihnen Neid und Zwietracht. Erst mit dem Tode Neros legten sie ihre Hassgefühle ab und verständigten sich, zuerst durch Vermittlung von Freunden, dann hatte Titus, als eine besondere Bürgschaft der Eintracht, die schlimmen Streitereien zugunsten des gemeinsamen Nutzens beseitigt, da er von Natur aus und durch seine Bildung wie geschaffen war, selbst einen Mann von dem Wesen des Mucianus für sich einzunehmen. Tribunen und Zenturionen und die Masse der Mannschaften wurden, indem man die Zügel fest anzog oder auch lockerließ, durch den Appell an ihre Tugenden oder durch Nachgiebigkeit gegenüber ihren Gelüsten, je nach der Veranlagung jedes einzelnen, gewonnen. 6. Noch bevor Titus ankam, hatten beide Heere den Fahneneid auf Otho geleistet, da, wie gewöhnlich, sich die Nachrichten überstürzten, während der Bürgerkrieg nur langsam und schwerfällig in Gang kam, zu dem sich der in langer Eintracht ruhige Orient jetzt zum ersten Mal rüstete. Denn einst hatten die Bürgerkriege mit stärkstem Einsatz in Italien oder Gallien mit den Streitkräften des Westens begonnen; und für Pom­peius, Cassius, Brutus und Antonius, denen allen der Bürgerkrieg über das Meer nachfolgte, war jeweils das Ende nicht glücklich gewesen. Von den Cäsaren hatte man in Syrien und Judäa öfters gehört, als sie gesehen. Es hatte keine Meuterei der Legionen gegeben, gegen die Parther war es nur zu Drohungen gekommen und dies mit wechselndem Erfolg. Und während im letzten Bürgerkrieg anderwärts Aufruhr herrschte, blieb dort der Friede unerschüttert, und in der Folge stand man in Treue zu Galba. Als sich dann die Kunde verbreitete, dass sich Otho und Vitellius anschickten, mit ruchlosen Waffen das römische Reich an sich zu reißen, gaben die Soldaten ihrer Empörung darüber Ausdruck, dass alle anderen über die Belohnungen der Herrschaft verfügten, während auf ihnen nur der Zwang der



Vespasianus und Mucianus

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Knechtschaft laste, und hielten Umschau nach ihren eigenen Kräften. Sieben Legionen standen sofort zur Verfügung und mit gewaltigen Hilfstruppen Syrien und Judäa. Hier schloss sich Ägypten mit zwei Legionen unmittelbar an, dort Cappadocien und Pontus7 und alle die Heerlager, die sich an Arme­ niens Grenze hinziehen. Asien und die übrigen Provinzen waren nicht arm an Mannschaften und verfügten auch über reiche Geldmittel. Das ganze Inselgebiet, das vom Meer umschlossen ist, lag günstig für eine einstweilige Kriegsvorbereitung, und das Meer selbst war sicher. 7. Die Heerführer täuschten sich nicht über den ungestümen Kampfwillen der Soldaten. Aber man beschloss zuzuwarten. In einem Bürgerkrieg würden Sieger und Besiegte nie in fester Treue zusammenwachsen, und es komme nicht darauf an, ob das Schicksal Vitellius oder Otho überleben lasse. Im Glück würden auch hervorragende Heerführer übermütig: durch die Zwietracht der Soldaten, durch Feigheit, Genusssucht und durch seine eigenen Laster werde der eine noch im Krieg, der andere als Sieger zugrunde gehen. Deshalb verschoben sie die bewaffnete Auseinandersetzung auf eine günstige Gelegenheit, wobei Vespasianus und Mucianus erst kürzlich, die übrigen schon längst sich verständigt hatten, die Besten aus Liebe zum Gemeinwesen, viele von dem Reiz des Beutemachens, andere wieder durch die Unsicherheit ihrer häuslichen Verhältnisse aufgestachelt: so wünschten die Guten und die Schlechten aus verschiedenen Gründen, aber mit gleichem Eifer, alle den Krieg. 8. Um die gleiche Zeit wurden Achaia und Asien grundlos aufgeschreckt, als ob Nero ankäme. Es gingen allerlei Gerüchte über seinen Tod um; umso häufiger stellte man die erdichtete Behauptung auf, er lebe noch, und glaubte es auch. Über die Schicksale und die Unternehmungen der übrigen werde ich im Laufe meines Werkes berichten. Damals ging ein Sklave aus Pontus oder, nach einer anderen Überlieferung, ein Freigelassener aus Italien, auf See. Er war des Zitherspiels und des Gesanges kundig, was neben der Ähnlichkeit seiner Gesichtszüge es ihm noch erleichterte, für seinen Betrug Glauben zu erwecken. Auch hatte er Deserteure beigezogen, die mittellos und heimatlos waren und die er mit riesigen Versprechungen

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Zweites Buch, Kapitel 9 – 11

bestochen hatte. Er wurde durch starke Stürme nach der Insel Cythnus verschlagen und zog einige Soldaten, die aus dem Orient kamen, an sich oder ließ sie, wenn sie sich ablehnend verhielten, hinrichten. Auch plünderte er Kaufleute aus und bewaffnete deren kräftigste Sklaven. An den Zenturio Sisenna, der »rechte Hände«, das Zeichen der Eintracht,8 im Namen des syrischen Heeres, zu den Prätorianern brachte, machte er sich mit allerlei Mitteln heran, bis dieser heimlich die Insel verließ und in angstvoller Eile aus Furcht vor Gewalt entfloh. Darauf griff der Schrecken weit und breit um sich. Bei vielen wurden, wie sie den berühmten Namen hörten, Hoffnungen erweckt, da sie einen Umsturz wünschten und die augenblicklichen Verhältnisse ihnen verhasst waren. Das von Tag zu Tag weiter um sich greifende Gerücht zerschlug ein Zufall. 9. Die Verwaltung der Provinzen Galatien und Pamphylien hatte Galba dem Calpurnius Asprenas übertragen. Als Geleit waren ihm aus der misenischen Flotte zwei Dreiruderer gegeben, mit denen er Kurs auf die Insel Cythnus nahm. Es kamen gleich Leute, die die Kapitäne im Namen Neros herbeiriefen. Aspre­ nas setzte eine traurige Miene auf, und, an die Treue der Soldaten, die einst die Seinigen gewesen waren, appellierend, bat er sie, ihn in Syrien oder in Ägypten an Land zu setzen. Die Kapitäne erklärten, sei es, weil sie unschlüssig waren, oder auch aus List, sie müssten zuerst mit den Soldaten sprechen, und wenn alle dazu bereit seien, würden sie umkehren. Aber Asprenas wurde alles getreulich gemeldet. Auf seine Aufforderung hin wurde das Schiff gekapert und jener Mensch, wer er auch gewesen sein mag, getötet. Sein Haupt, das durch die Augen, das Haar und den grimmigen Gesichtsausdruck auffallend war, wurde nach Asien und von da nach Rom gebracht. 10. In der zerrissenen Bürgerschaft, die wegen des häufigen Fürstenwechsels zwischen Freiheit und Zügellosigkeit hin und her schwankte, schlugen auch unbedeutende Ereignisse hohe Wellen. Vibius Crispus, der auf Grund seines Geldes, seines Einflusses und seiner Begabung mehr zu den berühmten als zu den gutgesinnten Leuten gehörte, lud den Annius Faustus, einen Mann aus dem Ritterstande, der zur Zeit Neros das Geschäft eines Denunzianten betrieben hatte, zu einer Untersuchung vor



Ein falscher Nero · Verurteilung des Faustus

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den Senat. Denn gleich zu Beginn von Galbas Prinzipat hatten die Senatoren beschlossen, es sollten gegen gewerbsmäßige Ankläger gerichtliche Untersuchungen durchgeführt werden. Dieser Senatsbeschluss wurde unterschiedlich gehandhabt und, je nachdem eine einflussreiche oder machtlose Person der Anklage verfallen war, schwächer oder stärker wirksam, behielt er immer noch seine Schrecken. Aber Crispus hatte sich darauf verlegt, mit eigener Kraft den Denunzianten seines Bruders zu Fall zu bringen, und hatte einen großen Teil des Senats dazu gebracht, zu verlangen, dass er ohne Verteidigung und Verhör hingerichtet werde. Dagegen war bei anderen dem Angeklagten nichts so nützlich wie der allzu große Einfluss des Anklägers. Sie stimmten dafür, ihm Zeit zu lassen, die Beschuldigungen offen vorzubringen, auch sei er, so verhasst und schuldig er auch sei, entsprechend dem Brauch anzuhören. Sie setzten sich auch anfangs durch, und die Untersuchung wurde einige Tage aufgeschoben. Nachher wurde Faustus verurteilt, jedoch keineswegs mit einer solchen Zustimmung der Bürgerschaft, wie er sie mit seinem schändlichen Charakter verdient hätte. Denn man erinnerte sich, dass Crispus selbst die gleiche Angeberei um Belohnung getrieben hatte, und es war nicht die Strafe für das Verbrechen, sondern die Person, die die Bestrafung betrieb, die Missfallen erregte. 11. Inzwischen gestaltete sich der Beginn des Krieges für Otho dadurch erfreulich, dass sich auf seinen Befehl hin die Heere von Dalmatien und Pannonien in Bewegung setzten. Es waren vier Legionen, von denen je zweitausend Mann vorausgeschickt waren. Sie selbst folgten in mäßigen Abständen, die siebte Legion, von Galba ausgehoben, die elfte und dreizehnte Veteranenle­ gion und die vierzehnte, die sich durch die Niederwerfung des Aufstandes in Britannien einen hervorragenden Ruf erworben hatte. Ihren Ruhm hatte Nero noch dadurch erhöht, dass er sie als die Tüchtigsten auserwählt hatte. Daher rührte auch die langjährige Treue gegenüber Nero und ihre aufgeschlossene Sympathie für Otho. Aber je größer ihre Stärke und Kraft war, desto größer war infolge ihres Selbstvertrauens ihre Saumseligkeit. Der Kolonne der Legionen voraus zogen die Reiterabteilungen und Kohorten. Auch aus der Hauptstadt kam ein

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Zweites Buch, Kapitel 12 – 14

nicht zu verachtender Heerhaufen. Fünf Kohorten und Reiterabteilungen der Prätorianer mit der ersten Legion und dazu eine irreguläre Hilfstruppe: zweitausend Gladiatoren, wie sie aber in Bürgerkriegszeiten auch von ernsthaften Heerführern in Anspruch genommen worden ist. Zum Befehlshaber über diese Truppe wurde Annius Gallus gemacht und mit Vestri­cius Spurinna zur Besetzung des Poufers vorausgeschickt, weil ja der Kriegsplan in seinem ersten Teil gescheitert war. Denn Cäcina hatte schon die Alpen überschritten, und Galba hatte gehofft, ihn im Raume von Gallien stellen zu können. Otho selbst begleitete eine auserlesene Truppe von Spekulatoren mit den übrigen Prätorianerkohorten, ferner die Veteranen der Prätorianer sowie eine riesige Zahl Seesoldaten. Und sein Marsch stand nicht unter dem Zeichen von mangelnder Energie oder verderblicher Schlemmerei, sondern er trug einen eisernen Panzer und ging zu Fuß vor den Fahnen einher, struppig und ohne Schmuck, ganz anders, als sein Ruf war.9 12. Seinem Beginnen war das Glück hold: dadurch, dass er durch die Flotte auf dem Meere Herr war, beherrschte er auch den größeren Teil Italiens bis unmittelbar an den Fuß der See­alpen. Mit der Aufgabe, diese zu gewinnen und die narbonensische Provinz anzugreifen, hatte er Suedius Clemens, Antonius No­ vellus, Ämilius Pacensis als Heerführer beauftragt. Allein Pa­ censis hatten seine disziplinlosen Soldaten in Fesseln gelegt, und Antonius Novellus genoss kein Ansehen. Suedius Clemens übte ein um Gunst bemühtes Regiment aus, als ein Mann, der gegenüber der Forderung strenger Disziplin ebenso haltlos, wie auf der anderen Seite kampfbegierig war. Es schien, als ob man sich nicht Italien nähere, nicht den Gegenden und Wohnstätten des Vaterlandes. Als wären es fremde Gestade und feindliche Städte, verbrannte, verwüstete, plünderte man sie, und dies wirkte sich umso furchtbarer aus, als man nirgends gegen solche Schreckenszeiten Vorkehrungen getroffen hatte. Alles war draußen auf den Feldern, offen die Häuser, die Gutsbesitzer kamen mit Frauen und Kindern entgegen und, während sie sich in der Sicherheit des Friedens wiegten, fielen sie dem Unheil des Krieges anheim. Die Verwaltung der Seealpen lag damals in den Händen des Prokurators Marius Maturus. Dieser



Die Othonianer an der ligurischen Küste

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rief das Volk zu den Waffen – an junger Mannschaft fehlt es ja nicht – und ging damit um, die Othonianer von den Grenzen der Provinz abzuwehren. Aber beim ersten Angriff wurden die Bergbewohner niedergemacht und zersprengt, da sie, planlos zusammengeholt, kein Feldlager, keine Führung kannten und in dem Sieg keine Ehre, wie auch in der Flucht keine schmähliche Handlung sahen. 13. Gereizt durch dieses Gefecht, wandte sich die Erbitterung der Soldaten gegen die Landstadt Albintimilium. Denn auf dem Schlachtfeld hatte sich keine Beute gefunden. Es handelte sich um arme Bauern und um wertlose Waffen, und man konnte sie auch nicht gefangen nehmen, da sie flink und dabei ortskundig waren. So sättigte man seine Habgier an dem Unglück von Unschuldigen.10 Noch mehr böses Blut machte das hervorragende Vorbild einer ligurischen Frau: Sie hatte ihren Sohn verborgen, aber die Soldaten glaubten, sie habe auch Geld versteckt, und befragten sie daher unter schweren Misshandlungen, wo sie ihren Sohn verborgen halte. Da antwortete sie, auf ihren Leib deutend: »Hier ist er verborgen.« Und durch keine weiteren Einschüchterungen, auch nicht durch den Tod konnte sie zu einer Änderung ihrer Standhaftigkeit, die sie in ihrem schönen Wort zum Ausdruck gebracht hatte, bewogen werden. 14. Alarmierende Nachrichten meldeten Fabius Valens, vor der narbonensischen Provinz, die Vitellius den Treueid geleistet hatte, liege die Flotte Othos. Auch fanden sich Abordnungen der Koloniestädte ein, die um Hilfe baten. Er schickte zwei Kohorten der Tungrer, vier Schwadronen und das gesamte berittene Aufgebot der Trevirer unter dem Präfekten Iulius Classicus ab. Ein Teil davon wurde in der Koloniestadt Forum Iulii zurückbehalten, damit nicht die Flotte, wenn alle Truppen sich landeinwärts gewendet hätten,11 auf dem freien Meer beschleunigt herbeieile. Zwölf Schwadronen und auserlesene Mannschaften aus den Kohorten zogen gegen den Feind. Ihnen war eine Kohorte der Ligurer beigegeben, eine Hilfstruppe, die mit der Gegend wohlvertraut war, und fünfhundert Pannonier, die noch nicht in das Heer eingereiht waren.12 Ungesäumt schritt man zum Kampf. Doch wurde das Heer zur Schlacht so aufgestellt, dass ein Teil der Flottenmannschaften, mit Leuten aus

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dem Landvolk vermischt, sich auf die dem Meere naheliegenden Hügel hinaufzog, während die Prätorianer das ganze ebene Gelände zwischen den Hügeln und dem Strand besetzten und auf dem Meere selbst, gleichsam in engem Anschluss, die Flotte, klar zum Gefecht und drohend gegen den Feind aufmarschiert, den Strand umsäumte. Die Vitellianer, deren Fußvolk schwächer war und deren hauptsächlichste Kampfkraft in der Reiterei lag, stellten die Alpenbewohner auf den nächstgelegenen Hügeln, die Kohorten in dichten Reihen hinter der Reiterei auf. Die Schwadronen der Trevirer stürmten unvorsichtig dem Feind entgegen, von den ihnen gegenüberstehenden altgedienten Soldaten wurde ihr Angriff aufgefangen, und zugleich bedrängte sie von der Seite durch Steinwürfe die im Werfen geübte Schar der Landbevölkerung, die, je nachdem tapfer und feige, unter die Soldaten gemischt, als der Sieg errungen war, alle gleich mutig waren. Bestürzung und Schrecken vermehrte noch die Flotte, die im Rücken der Kämpfenden aufgefahren war. So waren sie von allen Seiten eingeschlossen, und sämtliche Truppen wären vernichtet worden, hätte nicht das Dunkel der Nacht, in dessen Schutz sie entfliehen konnten, das siegreiche Heer aufgehalten. 15. Obgleich die Vitellianer besiegt waren, gaben sie sich doch keiner Ruhe hin. Sie holten Hilfstruppen heran und griffen den Feind an, der sich in Sicherheit wiegte und angesichts seines Erfolges noch sorgloser war. Sie machten die Nachtwachen nieder und brachen in das Lager ein. Bei den Schiffen brach eine Panik aus, bis sich allmählich die Angst legte und man sich auf einem nahegelegenen Hügel zur Verteidigung einrichtete, um dann zum Angriff überzugehen. Da gab es nun ein schreckliches Blutbad, und die Befehlshaber der Tungrischen Kohorten wurden, nachdem sie lange im Kampf ihren Mann gestellt hatten, von Geschossen überschüttet. Auch für die Othonianer war der Sieg nicht unblutig. Wer von ihnen unvorsichtig die Verfolgung aufnahm, wurde von den kehrtmachenden Reitern umzingelt. Und als ob man einen Waffenstillstand geschlossen hätte, traten die Vitellianer, damit nicht auf der einen Seite die Flotte, auf der anderen die Reiterei einen plötzlichen Schrecken verursache, wieder den Rückmarsch nach Antipolis, einer Landschaft im



Sieg der Othonianer und Aufruhr auf Korsika

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narbonensischen Gallien, die Othonianer nach Albingaunum, im Inneren Liguriens, an. 16. Korsika und Sardinien und die übrigen Inseln des nächstgelegenen Meeres hielt die Kunde von der siegreichen Flotte bei der Partei Othos. Aber Korsika hätte beinahe des Prokurators Decumus Pacarius Unbesonnenheit ins Unglück gestürzt. Sie hätte zwar in einem mit so wuchtigem Einsatz geführten Krieg für die Hauptentscheidung keine weitere Bedeutung gehabt, aber ihm selbst sollte sie Verderben bringen. Denn aus Hass gegen Otho beschloss er, Vitellius mit den Streitkräften der Korsen zu unterstützen, eine nutzlose Hilfeleistung, auch wenn sie erfolgreich zur Ausführung gekommen wäre. Er berief die Häuptlinge der Insel und eröffnete ihnen seinen Plan. Den Trierarchen der dortigen Liburnerschiffe,13 Claudius ­Pyrrichus und den römischen Ritter Quintius Certus, die es wagten, Widerspruch zu erheben, ließ er hinrichten. Durch ihren Tod erschreckt, leisteten die Anwesenden14 sowie der unwissende und von der Furcht der anderen angesteckte Haufe der Unerfahrenen den Eid auf Vitellius. Aber als Pacarius begann, eine Aushebung durchzuführen und die ungeschulten Leute mit militärischen Übungen zu plagen, da dachten sie in tiefem Widerwillen gegen die ungewohnte Anstrengung an ihre Ohnmacht: es sei eine Insel, die sie bewohnen, weit fern seien Germanien und die Kräfte der Legionen. Geplündert und verwüstet durch die Flotte seien sogar die Gebiete derer, die unter dem Schutz von Kohorten und Reiterabteilungen stünden. So schlug plötzlich ihre Stimmung um, ohne dass es jedoch zu offener Gewalt gekommen wäre. Sie wählten sich einen passenden Zeitpunkt zu einem Anschlag aus. Als die Leute, die Pacarius gewöhnlich umgaben, sich entfernt hatten, wurde er nackt und hilflos im Bade umgebracht. Auch sein Gefolge wurde ermordet. Die Köpfe brachten die Mörder, als wären sie von Feinden, persönlich zu Otho. Weder belohnte sie Otho, noch bestrafte sie Vitellius. In dem wilden Chaos der Ereignisse verschwand ihre Tat hinter noch größeren Verbrechen. 17. Schon war, wie oben erwähnt, von der silianischen Reiterabteilung das Tor zu Italien erschlossen und der Krieg hin­ übergespielt, ohne dass Otho bei irgendeinem Gunst genossen

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Zweites Buch, Kapitel 18 – 20

oder dass man Vitellius ihm vorgezogen hätte. Vielmehr hatte der lange Friede für jede Knechtschaft fügsam gemacht, so dass man für den Zugriff des ersten besten eine leichte Beute war und sich darum, ob es Bessere gebe, gar nicht kümmerte. Der blühendste Landstrich Italiens, die gesamten Ebenen und Städte zwischen Po und Alpen unterstanden der bewaffneten Macht des Vitellius; denn auch die von Cäcina vorausgesandten Kohorten waren eingetroffen. Bei Cremona war eine Kohorte der Pannonier gefangengenommen und hundert Reiter und tausend Flottensoldaten waren zwischen Placentia und Po abgeschnitten worden. Nach diesem Erfolg ließen sich die Truppen des Vitellius nicht mehr durch den Fluss und das Ufer zurückhalten. Ja, gerade der Po reizte die Bataver und die Truppen von jenseits des Rheins. Sie überschritten ihn plötzlich gegenüber von Placentia, schleppten einige Kundschafter mit fort und versetzten die übrigen in einen solchen Schrecken, dass sie in ihrer Aufregung fälschlich meldeten, das ganze Heer Cäcinas sei da. 18. Für Spurinna stand es fest – Placentia war nämlich in seiner Hand –, Cäcina sei noch nicht gekommen und im Falle seines Heranrückens werde er die Truppe innerhalb der Festungswerke zurückhalten und nicht drei prätorische Kohorten und tausend Vexillarier15 mit wenigen Reitern einem Veteranenheer entgegenstellen. Aber die Soldaten, die sich nicht bändigen ließen und den Krieg noch nicht kannten, ergriffen die Feldzeichen und Fahnen, stürzten los und bedrohten ihren Führer, der sie zurückhalten wollte, mit ihren Waffen, ohne sich um ihre Zenturionen und Tribunen zu kümmern. Ja, sie schrien, Otho werde verraten, und man habe Cäcina herbeigeholt. Dem unbesonnenen Vorgehen der anderen schloss sich Spurinna an, zuerst gezwungen, dann tat er so, als ob er es selbst wolle, damit seinen Maßregeln größeres Gewicht beigelegt werde, wenn sich der Aufruhr lege. 19. Als der Po in Sicht kam und die Nacht hereinbrach, beschloss man, ein Lager mit einem Wall zu schlagen. Diese Arbeit, die den aus der Stadt stammenden Soldaten ungewohnt war, machte sie mürbe. Da tadelten die Ältesten ihre Leichtgläubigkeit, wiesen auf die schwierige Lage hin, die man zu befürchten habe,



Ringen um Placentia

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wenn Cäcina mit seinem Heer in dem offen daliegenden weiten Gelände so wenige Kohorten umzingelt habe. Schon wurden im ganzen Lager die Stimmen kleinlaut, und von den Zentu­rio­ nen und Tribunen, die sich unter die Mannschaften mischten, wurde die Vorsicht des Führers gelobt, weil er eine durch ihre Kräfte und durch ihren Reichtum starke Kolonie als Stützpunkt und Schauplatz für den Krieg ausgewählt habe. Zuletzt führte Spurinna selbst, indem er weniger ihnen ihr schuldhaftes Verhalten vorwarf, als auf sein eigenes vernünftiges hinwies, unter Zurücklassung von Kundschaftern die übrigen, die sich nun weniger aufrührerisch gebärdeten und den Befehlen nachkamen, nach Placentia zurück. Die Mauern wurden verstärkt, Brustwehren hinzugefügt, die Türme erhöht und nicht nur für die Bereitstellung von Waffen gesorgt, sondern es herrschte auch Unterordnung und freudiges Gehorchen, was allein jener Partei fehlte, während man mit ihrer Mannhaftigkeit durchaus zufrieden sein konnte. 20. Aber Cäcina zog, als ob man Grausamkeit und Zügellosigkeit hinter den Alpen gelassen hätte, in diszipliniertem Marsche durch Italien. Seinen äußeren Aufzug legten die Landstädte als Hochmut aus, weil er in einem buntfarbenen Mantel, in Hosen, einer fremdländischen Bekleidung, Leute, die die Toga anhatten,16 anredete. Auch an seiner Frau Salonina nahmen sie heftigen Anstoß, als ob sie persönlich beleidigt würden, weil sie – was doch für niemand eine Kränkung bedeutete – auf einem herrlichen Pferde und einer Purpurdecke ritt. Doch liegt es ja in der menschlichen Natur, andere in ihrem neuen Glück mit scharfen Augen zu betrachten und Maßhalten in einer gehobenen Stellung von niemand mehr zu fordern, als von dem, dem man sich gleichgestellt gesehen hat. Cäcina überschritt den Po und suchte die Othonianer in Unterredung und durch Versprechungen in ihrer Treue wankend zu machen. Das gleiche versuchte man bei ihm. Nachdem man von Frieden und Eintracht in schönklingenden und nutzlosen Worten hin und her geredet hatte, richtete er seine Absichten und Bemühungen auf die Bestürmung von Placentia, was großen Schrecken verursachte. Er war sich dabei bewusst, dem Erfolg, den die ersten Schritte im Kriege zeitigen, werde der Ruf für die übrigen entsprechen.

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Zweites Buch, Kapitel 21 – 23

21. Aber der Verlauf des ersten Tages stand mehr im Zeichen des ungestümen Angriffswillens als der Künste eines Veteranenheeres. Ungedeckt und unvorsichtig rückten sie an die Mauern heran, übervoll von Essen und Trinken. Bei diesem Kampf brannte das herrliche Werk des Amphitheaters, das außerhalb der Mauern lag, nieder.17 Entweder war es von den Sturmkolonnen angezündet worden, indem diese Fackeln, Kugeln und Feuerbrände auf die Belagerten schleuderten, oder von diesen selbst bei der Erwiderung der Beschießung. Die große Masse der Stadtbevölkerung, zu Argwohn geneigt, glaubte, es sei heimtückischerweise Brennmaterial von einigen Leuten aus den benachbarten Koloniestädten aus Neid und Eifersucht hin­ eingeworfen worden, weil es in Italien kein einziges so geräumiges Bauwerk gab. Wie es auch dabei zugegangen sein mag, solange man noch Schrecklicheres befürchtete, nahm man die Sache nicht schwer. Erst als man sich wieder in Sicherheit wiegte, trauerte man darüber, als ob kein schwereres Unglück über sie hätte kommen können. Unter schweren blutigen Verlusten auf seiner Seite wurde Cäcina geschlagen. Die Nacht wurde zur Bereitstellung des Belagerungsgerätes verwendet. Die Vitellianer schafften Schirmdächer, Flechtwerke und Laufhallen herbei, um die Mauern zu untergraben und die Stürmenden zu decken, die Othonianer Pfähle und gewaltige Massen von Steinen, Blei und Erz, um die Feinde zu zerschmettern und zu überschütten. Beide Parteien waren von Ehrgefühl, beide von Ruhmbegierde erfüllt, und man suchte, auf verschiedene Weise Mut zu machen, indem man hier die Kraft der Legionen und des germanischen Heeres, dort die Ehre des Dienstes in der Hauptstadt und der prätorianischen Kohorten hervorhob. Jene schimpften auf die schlaffen und faulen, im Circus und im Theater heruntergekommenen, diese auf die fremden und ausländischen Soldaten. Zugleich priesen oder beschuldigten sie Otho und Vitellius und spornten sich reichlicher mit gegenseitigen Schmähungen als mit Lobsprüchen an. 22. Kaum hatte der Tag begonnen, da standen auch schon die Verteidiger überall auf den Mauern, in den Feldern blitzte es von Waffen und Männern. In dichter Formation rückten die Legionen heran, in aufgelöster die Hilfstruppen, bewarfen mit



Vergeblicher Sturm Cäcinas auf Placentia

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Pfeilen oder Steinen die höheren Teile der Mauern und griffen die vernachlässigten oder im Laufe langer Zeit baufällig gewordenen Stellen im Nahkampf an. Von oben herab warfen die Othonianer mit größerem Schwung treffsicher ihre Wurfspeere auf die blindlings heranrückenden Kohorten der Germanen, die unter wildem Gesang nach heimischer Sitte mit entblößtem Oberkörper über ihren Schultern die Schilde zusammenschlugen. Die Legionäre, durch Sturmdächer und Faschinen gedeckt, brachten von unten die Mauern zum Einsturz, errichteten einen Damm und suchten die Tore aufzubrechen. Dagegen wälzten die Prätorianer Mühlsteine von gewaltigem Gewicht, die eben zu diesem Zweck überall bereitgelegt waren, unter großem Krachen herunter. Ein Teil der Heranrückenden wurde verschüttet, ein anderer wurde zerschmettert und verblutete oder wurde verstümmelt. Da als Folge der Bestürzung die Niederlage ein größeres Ausmaß annahm und die verlustreiche Beschießung von den Mauern her umso stärker einsetzte, zogen sie sich zurück, wodurch der Ruf ihrer Partei einen schweren Stoß erlitt. Cäcina schämte sich der so unbesonnen begonnenen Bestürmung und überschritt, um nicht, als eitler Prahler verspottet, in dem gleichen Lager liegen zu bleiben, wieder den Po in der Absicht, Cremona zu erreichen. Es ergaben sich ihm, als er abzog, Turullius Cerialis mit einer größeren Anzahl Flottenmannschaften und Iulius Briganticus18 mit wenigen Reitern, dieser Präfekt einer Reiterabteilung, ein geborener Bataver, jener ein Primipilar, der Cäcina nicht fremd war, weil er in Germanien als Zenturio gedient hatte. 23. Als Spurinna von dem Marsch der Feinde erfuhr, klärte er Annius Gallus19 über die Verteidigung von Placentia, über die einzelnen Vorgänge und über die weiteren Absichten Cäcinas brieflich auf. Gallus war mit der ersten Legion unterwegs, um Hilfe für Placentia zu bringen. Er war besorgt um die geringe Zahl der Kohorten, sie könnten einer längeren Belagerung und der Stoßkraft des germanischen Heeres nicht recht standhalten. Als er vernahm, Cäcina sei geschlagen und marschiere auf Cremona zu, ließ er seine Legion, die er nur mit Mühe im Zaum hielt und die in ihrer Kampfbegier sich bis zum Aufruhr verleiten ließ, in Bedriacum haltmachen. Dies ist ein Dorf

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Zweites Buch, Kapitel 24 – 25

zwischen Verona und Cremona, das nunmehr durch zwei römische Niederlagen bekannt und berüchtigt ist.20 In den gleichen Tagen wurde von Martius Macer nicht weit von Cremona erfolgreich gekämpft. Denn der entschlossene Martius ließ seine Fechter auf das gegenüberliegende Ufer übersetzen und dort plötzlich ausschwärmen. Dort wurden die Hilfstruppen der Vitellianer in Verwirrung gebracht. Wer Widerstand leistete, wurde niedergemacht, während die übrigen nach Cremona flohen. Doch wurde der Schwung der Sieger gedämpft, damit nicht die Feinde, durch neue Reserven verstärkt, das Schicksal der Schlacht wandelten. Dies erweckte den Verdacht der Othonianer, die alles, was ihre Heerführer taten, verkehrt auslegten. Gerade die Leute, die in ihrem Herzen feige, aber mit ihrem Mundwerk frech waren, griffen um die Wette Annius Gallus, Suetonius Paulinus und Marius Celsus – denn auch diese hatte Otho zu Befehlshabern gemacht21 – mit allerlei Beschuldigungen an. Die Mörder Galbas, die gefährlichsten Aufwiegler zu Meuterei und Zwietracht, die infolge ihrer Verbrechen und ihrer Angst wie von Sinnen waren, brachten alles durcheinander, bald offen durch aufrührerische Redensarten, bald durch geheime Schreiben an Otho. Dieser war umso leichtgläubiger, je niederträchtiger man sich benahm, vor den Gutgesinnten fürchtete er sich und war er in ängstlicher Unruhe, in günstiger Lage fehlte es ihm an Sicherheit, während er in misslicher Lage sonst sich besser anließ. Und so rief er seinen Bruder Titianus herbei und beauftragte ihn mit der weiteren Führung des Krieges. 24. Unterdessen verliefen die Operationen unter der Führung von Paulinus und Celsus erfolgreich. Cäcina bedrückte es, dass all sein Beginnen vergeblich gewesen war und der Ruf seines Heeres schwand. Von Placentia war er zurückgeworfen, seine Hilfstruppen waren kürzlich niedergemacht worden, auch beim Zusammenstoß mit Aufklärungsabteilungen, in Gefechten, die eher häufig als erwähnenswert waren, hatte er den Kürzeren gezogen. So beeilte er sich beim Heranrücken des Fabius Valens, um nicht an diesen die ganze Ehre des Krieges abzutreten, mit mehr Hast als Besonnenheit, seinen Ruhm wieder zu gewinnen. Zwölf Meilen von Cremona – der Ort heißt



Weitere Gefechte bei Cremona und Castores

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Castores – stellte er die mutigsten Kämpfer seiner Hilfstruppen in Lichtungen dicht am Wege versteckt auf. Die Reiterei erhielt den Befehl, weiter vorzurücken, den Feind zum Kampf herauszufordern und dann in freiwilliger Flucht den Feind zu eiliger Verfolgung zu verleiten, bis die Truppe aus dem Hinterhalt hervorbreche. Dies wurde den Heerführern Othos verraten, und so übernahm Paulinus die Führung des Fußvolkes, Celsus die der Reiterei22 Eine Abteilung der dreizehnten Legion, vier Kohorten Hilfstruppen und fünfhundert Reiter nahmen auf der linken Seite Aufstellung, den Straßendamm besetzten die Prätorianerkohorten in tiefer Gliederung. Auf der rechten Seite marschierte die erste Legion mit zwei Kohorten Hilfstruppen und fünfhundert Reitern auf. Zu diesen hinzu wurden noch tausend Reiter aus den Prätorianern und Hilfstruppen nachgeführt, um einen etwaigen günstigen Verlauf zu krönen oder im Falle einer Notlage als Rückhalt zu dienen. 25. Als die Vitellianer, noch ehe es zu einem Zusammenstoß der beiden Heere kam, sich zur Flucht wendeten, hielt Celsus, der von dem Hinterhalt wusste, seine Leute zurück. Die Vitellianer dagegen brachen unbesonnen aus dem Hinterhalt hervor und, während Celsus allmählich zurückwich, folgten sie ihm zu weit und stürzten sich selbst in einen Hinterhalt. Denn auf den beiden Flanken standen die Kohorten, gerade gegenüber stand die Front der Legionen und durch eine plötzliche Schwenkung hatten sie die Reiterei im Rücken eingekreist. Das Zeichen zum Kampf wurde nicht sofort von Suetonius Paulinus dem Fußvolk gegeben. Er war seiner Natur nach ein Zauderer, dem eher vorsichtige, überlegte Maßnahmen als Zufallserfolge gefielen. Und so befahl er, die Gräben aufzufüllen, das Feld freizumachen und ließ das Heer sich entfalten. Dabei ging er von der Erwägung aus, man beginne rasch genug mit dem Siege, wenn man Vorsorge dafür treffe, dass man nicht besiegt werde. Dieses Zaudern gab den Vitellianern Zeit, sich in die Weinpflanzungen zu flüchten, deren Rankengeflecht Hindernisse bildeten. Auch ein kleiner Wald schloss sich an, aus dem sie sich wieder herauswagten, wobei sie die beherztesten der prätorianischen Reiter töteten. Verwundet wurde der Prinz Epiphanes,23 als er tatkräftig zum Kampf für Otho aufrief.

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Zweites Buch, Kapitel 26 – 29

26. Jetzt brach das Othonianische Fußvolk hervor. Niedergeworfen wurde die feindliche Kampflinie und auch die herbeieilenden Reserven wurden in die Flucht geschlagen. Denn Cäcina hatte die Kohorten nicht alle auf einmal, sondern einzeln herbeigeholt, eine Maßnahme, die die Bestürzung in dem Gefecht nur noch vermehrte, da die Panik der Fliehenden die zerstreuten Leute, die nirgends einen starken Rückhalt fanden, mit fortriss. Auch brach eine Meuterei aus, weil nicht alle zusammen ins Gefecht geführt würden. Der Lagerkommandant Iulius Gratus wurde gefesselt mit der Beschuldigung, er betreibe für seinen bei Otho dienenden Bruder Verrat, während die Othonianer diesen Bruder, den Tribunen Iulius Fronto, unter derselben Beschuldigung gefesselt hatten. Übrigens herrschte überall sowohl bei denen, die flohen, als auch bei denen, die sich dem Feind entgegenwarfen, auf dem Kampfplatz, vor dem Walle ein solcher Schrecken, dass bei beiden Parteien das Gerede sich verbreitete, Cäcina hätte mit seinem gesamten Heere vernichtet werden können, wenn nicht Suetonius Paulinus zum Rückzug hätte blasen lassen. Paulinus gab als Grund an, er habe, zu der Anstrengung und dem Marsch hinzu, noch befürchtet, es könnten die Vitellianischen Soldaten mit frischen Kräften aus dem Lager hervorbrechen, den erschöpften Gegner angreifen und diesem möchte, wenn er geschlagen sei, kein rückwärtiger Stützpunkt zur Verfügung stehen. Nur bei wenigen fand diese Begründung des Heerführers Billigung, die große Masse lehnte sich gegen dieses Gerede auf. 27. Diese Schlappe versetzte die Vitellianer nicht so sehr in Furcht, wie sie von ihr zum Maßhalten zurückgeführt wurden. Und dies war nicht nur bei Cäcina der Fall, der die Schuld auf die Soldaten zu schieben versuchte, die eher zu Meuterei als zum Kampf bereit seien; auch die Truppen des Fabius Valens – schon war er ja nach Ticinum gekommen24 – gaben es auf, den Feind zu verachten, und gehorchten in dem Wunsche, ihre Ehre wiederherzustellen, ehrerbietiger und ausgeglichener ihrem Heerführer. Es war übrigens ein schwerer Aufruhr aufgeflammt, den ich weiter ausholend – denn es wäre nicht am Platze gewesen, die Reihenfolge von Cäcinas Taten zu unterbrechen – von seinem Anfang an darlegen will. Die Kohor-



Valens kommt in die Poebene · Meuterei des Heeres

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ten der Bataver, die, wie ich berichtet habe, im Kriege Neros sich von der vierzehnten Legion getrennt und beim Zuge gegen Britannien auf die Kunde von dem Aufstand des Vitellius in der Gemeinde der Lingonen sich dem Fabius Valens angeschlossen hatten, benahmen sich übermütig und prahlten bei jeder Legion, zu deren Zelten sie kamen, von ihnen seien die Vierzehner gebändigt und Italien Nero entrissen worden, und es liege das ganze Schicksal des Krieges in ihrer eigenen Hand. Schmachvoll war dies für die Soldaten, erbitternd wirkte es auf den Heerführer, und durch Zank und Streit wurde die militärische Disziplin zerrüttet. Zuletzt argwöhnte Valens hinter dem frechen Gebaren auch noch Verrat. 28. Als nun die Meldung eintraf, die Reiterabteilung der Trevirer und die Tungrer seien von Othos Flottenmannschaft geschlagen und das narbonensische Gallien werde eingekreist, befahl er einem Teil der Bataver, zu Hilfe zu kommen. Er wollte damit für den Schutz der Bundesgenossen sorgen und zugleich in Anwendung einer schlauen militärischen Maßregel die aufrührerischen, im Falle ihres weiteren Zusammenbleibens zu starken Kohorten auseinanderziehen. Sobald man davon hörte und sich die Kunde weiterverbreitete, waren die Bundesgenossen niedergeschlagen, und es murrten die Legionen, sie würden der Hilfe der tapfersten Männer beraubt; jene altgedienten Soldaten, die in so vielen Kriegen gesiegt hätten, würden jetzt, da man den Feind vor Augen habe, gleichsam mitten vom Schlachtfeld abgezogen. Wenn eine Provinz mehr wert sei als die Hauptstadt und das Wohl des Reiches, so sollten alle dorthin mitziehen; wenn aber die sicherste Gewähr des Sieges auf Italien beruhe, dürfe man nicht, wie von einem Körper, die stärksten Glieder wegreißen. 29. Unter solchen herausfordernden Reden drangen sie auf Valens persönlich ein, als er Liktoren gegen sie geschickt hatte und die Meuterei einzudämmen begann, warfen Steine und verfolgten ihn, als er floh. Unter dem Geschrei, er halte die Beute von Gallien und das Gold von Vienna, den Lohn für ihre Strapazen, versteckt, plünderten sie sein Gepäck und durchsuchten das Feldherrnzelt, ja sogar den Fußboden unter Verwendung von Speeren und Lanzen. Denn Valens hielt sich in der Tracht eines

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Zweites Buch, Kapitel 30 – 32

Sklaven bei einem Decurio der Reiterei versteckt. Da griff der Lagerkommandant Alfenus Varus, als der Aufruhr allmählich abebbte, zu einer klugen Maßregel: er verbot den Zenturionen, bei den Nachtwachen die Runde zu machen, und ließ mit den Trompeten kein Signal mehr geben, mit dem sonst der Soldat zu seinem Dienst im Kriege gerufen wird. Nun waren sie alle wie gelähmt, starrten einander in heller Bestürzung an und waren gerade darüber in Angst, dass niemand mehr das Kommando führte. Und so suchten sie mit Stillschweigen und Fügsamkeit und zuletzt durch Bitten und Tränen Verzeihung zu erlangen. Als nun vollends Valens in seinem entstellten Aufzug, weinend und wider Erwarten unversehrt, hervortrat, da regte sich Freude und Mitleid und Wohlwollen. Zu jubelnden Kundgebungen umgestimmt – wie ja die große Masse nach der einen oder anderen Seite kein Maß kennt –, lobten und beglückwünschten sie ihn und trugen ihn inmitten der Adler und Fahnen auf das Tribunal. Er forderte in nützlichem Maßhalten keines einzigen Hinrichtung und, um sich nicht dadurch, dass er so tue, als ob er nichts wisse, noch mehr verdächtig zu machen, schob er die Schuld auf einige wenige, überzeugt, dass sich in Bürgerkriegen die Soldaten mehr erlauben dürfen als die Heerführer. 30. Als sie bei Ticinum ein befestigtes Lager schlugen, kam die Nachricht von der unglücklichen Schlacht Cäcinas, und beinahe wäre die Meuterei erneut ausgebrochen, als ob die Böswilligkeit und das dauernde Zögern des Valens daran schuld gewesen seien, dass sie nicht am Kampf teilgenommen hätten; sie wollten kein Ausruhen mehr, warteten nicht auf den Heerführer, liefen den Fahnen voraus, drängten die Fahnenträger vorwärts und vereinigten sich in schleunigstem Marsche mit Cäcina. Valens stand bei dem Heere Cäcinas in keinem günstigen Rufe: die Soldaten beklagten sich, dass sie in so verminderter Stärke den ungeschwächten Streitkräften der Feinde ausgesetzt worden seien, wobei sie sich selbst entschuldigten und zugleich die Stärke der Heranrückenden in berechnender Weise übertrieben, um nicht als Besiegte und Feiglinge verachtet zu werden. Und obgleich Valens über mehr Streitkräfte, fast über die doppelte Zahl von Legionen und Hilfstruppen, verfügte, so neigten doch die Sympathien der Soldaten Cäcina zu. Dies verdankte er



Vereinigung der beiden vitellianischen Heere

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nicht nur seinem gütigen Wesen, das ihn zugänglicher erscheinen ließ, sondern auch seinem jugendlichen Temperament, seiner hochgewachsenen Erscheinung, kurz einer gewissen Zuneigung, die keinen tieferen Grund hatte. Daraus ergab sich zwischen den Heerführern Eifersucht: Cäcina verspottete Valens als abscheulich und anrüchig, Valens den Cäcina als aufgeblasen und hohl. Aber sie ließen ihren Hass nicht merken, und es verbanden sie die gleichen Interessen. In häufigen Briefen machten sie ohne Rücksicht auf Verzeihung Otho bittere Vorwürfe, während die Heerführer auf Othos Seite, trotz dem sehr reichhaltigen Stoff zum Schimpfen auf Vitellius, von diesem keinen Gebrauch machten. 31. Allerdings fürchtete man vor beider Lebensende, durch das Otho einen hervorragenden, Vitellius einen überaus schändlichen Ruf sich verdiente, weniger die tatenlose Genusssucht des Vitellius als die glühende Sinnlichkeit Othos. Diesen hatte die Ermordung Galbas nur noch gefürchteter und verhasster gemacht, dagegen legte jenem niemand die Schuld am Ausbruch des Krieges zur Last. Vitellius galt als ein Mann, der durch sein Prassen und Schlemmen sich selbst Unehre machte, aber Otho erschien eher verderblich für das Gemeinwesen durch seinen üppigen Lebenswandel, seine Grausamkeit und seine Verwegenheit. Als sich die Truppen Cäcinas und des Valens vereinigt hatten, gab es bei den Vitellianern kein Zögern mehr, mit den gesamten Streitkräften den Kampf aufzunehmen. Otho beratschlagte noch, ob man besser den Krieg in die Länge ziehen oder das Glück versuchen solle. 32. Jetzt glaubte Suetonius Paulinus, es entspreche seinem Rufe,25 der ihn zum kriegserfahrensten Manne seiner Zeit stempelte, über das gesamte Gebiet der Kriegsführung seine Meinung zu äußern, und setzte auseinander, dass Eile den Feinden, ihnen selbst Zögern nützlich sei. Das gesamte Heer des Vitellius sei gekommen, aber er habe nicht viel Streitkräfte im Rücken, da es in Gallien gäre und es nicht ratsam sei, das Rheinufer angesichts des drohenden Einfalls so feindseliger Völkerschaften preiszugeben. Die Truppen in Britannien würden durch den Feind und das Meer ferngehalten. Spanien habe nicht gerade Über-

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Zweites Buch, Kapitel 33 – 34

fluss an Streitkräften, die narbonensische Provinz habe durch den Angriff der Flotte und durch die unglückliche Schlacht einen Schock erlitten, durch die Alpen sei das transpadanische Gallien ohne die Möglichkeit einer Unterstützung von der Seeseite abgesperrt und allein schon durch den Durchmarsch des Heeres verwüstet. Nirgends gebe es Getreide für das Heer und ein Heer ohne Vorräte könne man nicht fest in den Händen halten. Dazu würden die Germanen, die gefährlichste Klasse von Soldaten bei den Feinden, wenn man den Krieg in den Sommer verschleppe, in ihrer körperlichen Widerstandskraft geschwächt, den Wechsel des Bodens und des Klimas nicht ertragen. Vieler, mit kraftvollem Schwung begonnener Kriege sei man, weil sie sich zu lange hinzogen, überdrüssig geworden. Ihnen selbst dagegen stehe alles in Hülle und Fülle zuverlässig zur Verfügung: Pannonien, Mösien, Dalmatien, der Orient mit unversehrten Heeren, Italien und Rom, die Hauptstadt des Reiches, Senat und Volk, Namen, die niemals das Dunkel umhülle, auch wenn manchmal sich Schatten auf sie lege; ferner staatliche und private Vermögen und gewaltige Geldsummen, die in Bürgerkriegen stärker seien als das Schwert, endlich Soldaten, die körperlich an Italien oder auch an Hitze gewöhnt seien. Vor ihnen fließe der Po, vor ihnen liegen durch Mannschaften und Mauern geschützte Städte, von denen keine dem Feind sich fügen werde, wie die Verteidigung von Placentia erwiesen habe. So möge er denn den Krieg hinhaltend führen!26 In wenigen Tagen werde die vierzehnte Legion, der an sich schon ein guter Ruf vorausgehe, mit den Truppen aus Mösien zur Stelle sein. Dann werde er nochmals beraten und, wenn man sich zum Kampf entschließe, werden sie mit verstärkten Kräften in die Schlacht ziehen. 33. Der Ansicht des Paulinus trat Marius Celsus bei, dass Annius Gallus, der einige Tage zuvor mit seinem Pferde gestürzt war, ebenfalls dieser Ansicht sei, hatten die Leute berichtet, die man geschickt hatte, um seinen Rat einzuholen. Otho neigte dazu, die Entscheidung herbeizuführen; sein Bruder Titianus und der Prätorianerpräfekt Proculus, die in ihrem Mangel an Erfahrung für beschleunigtes Handeln waren, versicherten feierlich, das Glück und die Götter und Othos Genius begünstigen seine Ab-



Kriegsrat Othos und Abgabe des Oberbefehls

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sichten und werden seine Unternehmungen auch künftig begünstigen. Damit ja niemand es wage, ihrer Ansicht entgegenzutreten, hatten sie sich aufs Schmeicheln verlegt. Als man sich für den Kampf entschlossen hatte, war man im Zweifel, ob es besser sei, wenn der Imperator an der Schlacht teilnehme oder sich von ihr fernhalte. Da Paulinus und Celsus jetzt keine Einwendungen mehr erhoben, um den Anschein zu vermeiden, als ob sie den Fürsten Gefahren aussetzen wollten, bestimmten ihn eben diejenigen, welche ihm den schlechteren Rat eingegeben hatten, dazu, sich nach Brixellum zu begeben und abseits der Zufälligkeiten der Kämpfe sich selbst für die Gesamtheit der Aufgaben und für die Leitung des Reiches aufzusparen. Dies war der erste Tag, der Othos Partei einen schweren Schlag versetzte. Denn mit ihm selbst zog ein starker Heerhaufen ab, der sich aus prätorianischen Kohorten, Spekulatoren und Reiterei zusammensetzte, und zugleich war der Mut der Zurückbleibenden gebrochen, da man den Heerführern nicht mehr traute und Otho, der allein das Vertrauen der Soldaten genoss, während er seinerseits auch nur den Soldaten vertraute, die Befehlsbefugnisse der Heerführer im Ungewissen gelassen hatte. 34. Nichts davon blieb den Vitellianern verborgen, da es – es war ja Bürgerkrieg – zahlreiche Überläufer gab. Und die Kundschafter verbargen, in dem Bemühen, die Verhältnisse bei dem Gegner auszuforschen, ihre eigenen nicht. Mit ruhiger Aufmerksamkeit warteten Cäcina und Valens, da ja der Feind in seiner Unklugheit losbrechen würde, die Torheit der anderen ab, was an die Stelle von eigener Weisheit tritt. Sie begannen mit dem Bau einer Brücke und taten so, als ob sie über den Po gegen den ihnen gegenüberstehenden Gladiatorenhaufen ziehen wollten. Zugleich sollten die eigenen Truppen nicht in müßigem Nichtstun die Zeit vergeuden. Schiffe wurden in gleichem Abstand voneinander durch starke Balken beiderseits verbunden und gegen die Strömung gerichtet, nachdem man weiter oben Anker ausgeworfen hatte, um die Brücke fest zusammenzuhalten. Jedoch waren die Ankertaue nicht festgespannt, sondern bewegten sich locker, damit mit dem Steigen des Flusses sich auch die Schiffsreihe ungefährdet erhebe. Die Brücke sperrte ein auf ihr errichteter Turm ab, der auf dem äußersten Schiff

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Zweites Buch, Kapitel 35 – 38

aufgeführt war, damit man von da aus mit Wurfgeschützen und Maschinen die Feinde zurückschlage. Die Othonianer hatten am Ufer einen Turm errichtet und schleuderten Steine und Feuerbrände. 35. Nun war in der Mitte des Flusses eine Insel, an die sich die Gladiatoren mühsam auf Schiffen heranarbeiteten, während die Germanen leichthin auf sie zuschwammen. Und als gerade eine größere Anzahl hinübergekommen war, bemannte Macer Liburnerschiffe und griff sie mit den entschlossensten Gladiatoren an. Aber Gladiatoren haben im Kampf nicht die gleiche Standhaftigkeit wie Soldaten, und sie konnten auch nicht hinund herschaukelnd von den Schiffen ebenso sicher ihre Hiebe führen wie beim festen Stand von dem Ufer aus. Und als durch das Hin- und Herschwanken in der Aufregung Ruderer und Kämpfer durcheinander und in Verwirrung kamen, sprangen die Germanen auch noch in das seichte Wasser, hielten die Schiffe hinten fest, stiegen in die Schiffsgänge oder brachten die Schiffe nach einem Handgemenge zum Sinken. Dies alles spielte sich vor den Augen beider Heere ab27 und je erfreulicher es für die Vitellianer war, umso erbitterter verwünschten die Othonianer die Ursache und den Urheber dieses Unheils. 36. Der Kampf selbst wurde zwar durch die Flucht abgebrochen, wobei man eilends die noch übrig gebliebenen Schilfe abschleppte. Man verlangte Macers Hinrichtung. Und schon waren sie auf ihn, der durch den Wurf einer Lanze verwundet war, mit dem blanken Schwert losgegangen, als er durch das Dazwischentreten von Tribunen und Zenturionen geschützt wurde. Bald darauf kam auf Befehl Othos Vestricius Spurin­na – er hatte nur eine kleine Besatzung in Placentia zurückgelassen – mit seinen Kohorten zu Hilfe. Darauf schickte Otho den designierten Konsul Flavius Sabinus als Befehlshaber der bisher von Macer kommandierten Truppen. Die Soldaten freuten sich über den Wechsel der Heerführer, während die Heerführer selbst wegen der häufigen Meutereien von dem so gefährlichen Kriegsdienst nichts mehr wissen wollten. 37. Ich finde bei einigen Gewährsmännern, die Heere hätten aus Furcht vor dem Kriege oder aus Abneigung gegen beide Fürsten, deren Untaten und Würdelosigkeit täglich offener bespro-



Kämpfe am Po · Frühere Bürgerkriege

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chen und bekannt wurden, überhaupt überlegt, ob sie nicht nach Aufgabe des Kampfes entweder selbständig eine Übereinkunft treffen oder dem Senat die Wahl eines Imperators überlassen sollten. Deshalb hätten die Othonianischen Heerführer zu Zeitgewinn und zögerndem Verhalten geraten. Dabei habe sich Paulinus in erster Linie Hoffnung gemacht, weil er, als der älteste der Konsularen und hervorragender Soldat sich in den britannischen Feldzügen einen ruhmvollen Namen erworben habe. Ich möchte zwar zugeben, dass es einige gegeben hat, die sich im Stillen Ruhe statt Zwietracht und einen guten und schuldlosen Fürsten statt so schlechte und schandbare gewünscht haben, glaube aber andererseits nicht, dass Paulinus bei der Klugheit, die er besaß, in einer so heruntergekommenen Welt von der großen Masse ein so weitgehendes Maßhalten erwartet hat, dass diejenigen, die aus Lust am Kriege den Frieden gestört hatten, den Krieg aus Liebe zum Frieden aufgeben würden. Ich glaube auch nicht, dass Heere, die in Sprache und Sitten so wenig Einklang hatten, zu einer solch einheitlichen Gesinnung hätten zusammenwachsen können, oder dass die Legaten und Heerführer, die zum großen Teil ihrer Verschwendung, ihrer Armut und ihrer Verbrechen sich bewusst waren, einen anderen als einen schuldbefleckten und ihren Verdiensten verpflichteten Fürsten geduldet hätten. 38. Die alte, von jeher den Menschen angeborene Herrschsucht ist mit der Größe des Reiches herangereift und zum Durchbruch gekommen. Denn in bescheidenen Verhältnissen war es leicht, Gleichheit walten zu lassen. Aber als nach der Unterwerfung der Welt und nach der Vernichtung der rivalisierenden Städte28 oder Könige dem Wunsche nach gesicherter Macht der Weg offenstand, da entbrannten die ersten Auseinandersetzungen zwischen den Senatoren und der Plebs. Bald traten aufrührerische Tribunen, bald besonders mächtige Konsuln auf, und in der Hauptstadt sowie auf dem Forum spielten sich die ersten Proben der Bürgerkriege ab. Dann verwandelten der aus der Hefe der Plebs stammende C. Marius und der grausamste unter dem Adel L. Sulla den mit Waffengewalt besiegten Freistaat in eine Zwingherrschaft. Nach diesen kam Cn. Pompeius, der dies zwar versteckter betrieb, aber nicht besser gesinnt war. Und

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Zweites Buch, Kapitel 39 – 41

niemals ging es später um etwas anderes als um das Prinzipat. Nicht legten bei Pharsalus und Philippi die Legionen der Bürger die Waffen nieder, geschweige denn, dass die Heere eines Otho und Vitellius den Krieg freiwillig beigelegt hätten. Es war der gleiche Zorn der Götter, die gleiche Raserei der Menschen, die gleichen Veranlassungen zu Verbrechen, die jene zu Zwietracht getrieben haben. Wenn gleichsam durch einzelne Schläge die Kriege abgeschlossen worden sind, so geschah dies nur infolge der Feigheit der Fürsten. Doch, es hat mich die Betrachtung der alten und neuen Sitten zu weit abgeführt. Jetzt nehme ich den Faden meiner Darstellung wieder auf. 39. Nach dem Abzug Othos nach Brixellum lag die Ehre des Oberbefehls in den Händen seines Bruders Titianus, die tatsächliche Gewalt und Amtsbefugnis aber in denen des Präfekten Proculus. Celsus und Paulinus, von deren Klugheit niemand Gebrauch machte, dienten unter dem nichtssagenden Titel von Heerführern nur als Deckmantel für die Schuld anderer. Die Tribunen und Zenturionen nahmen eine schwankende Haltung ein, weil man die Besseren ablehnte und die Schlechtesten in Geltung standen. Die Soldaten waren voll frischen Mutes, doch wollten sie lieber die Befehle der Heerführer ausdeuten, als ausführen. Man beschloss, bis zum vierten Meilenstein vor Bedriacum vorzurücken, und bewies dabei einen solchen Mangel an Erfahrung, dass man trotz dem Frühling und den zahlreichen Flüssen ringsum unter Wassermangel litt. Dort überlegte man, ob man sich auf einen Kampf einlassen solle. Otho verlangte dringend in einem Schreiben beschleunigtes Handeln, die Soldaten forderten die Teilnahme des Imperators an der Schlacht. Die meisten wollten, dass man die jenseits des Po stehenden Truppen herbeirufe. Jedoch lässt es sich nicht so leicht entscheiden, was das Beste gewesen wäre, wie, dass das, was man wirklich tat, das Schlechteste gewesen ist. 40. Nicht wie zu einer Schlacht, sondern wie zum Kriege brachen sie auf und marschierten auf den Zusammenfluss von Po und Adua zu, wohin sie sechzehn Meilen zurückzulegen hatten. Celsus und Paulinus lehnten es ab, die von dem Marsch ermüdeten und mit ihrem Gepäck belasteten Soldaten dem Feind entgegenzuwerfen, der mit seinen leichtbewaffneten Truppen



Schlacht bei Bedriacum

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nach einem Marsch von kaum vier Meilen nicht säumen werde, sie entweder, wenn sie ohne Ordnung auf dem Marsch sich befänden, oder wenn sie zerstreut mit dem Bau eines Walles sich abmühten, anzugreifen. Titianus und Proculus griffen, sooft sie mit der Stimme der Vernunft nicht durchdringen konnten, zu ihrem Recht als Oberbefehlshaber. Allerdings war ein Numider im Galopp herangesprengt und hatte schroffe Anweisungen Othos gebracht, in denen er die Saumseligkeit der Heerführer schalt und befahl, eine Entscheidung herbeizuführen. Er war verstimmt über das Zögern und des bloßen Hoffens müde. 41. An dem gleichen Tage kamen zu Cäcina, der mit dem Brückenschlag beschäftigt war, zwei Tribunen der Prätorianer­ kohorten und verlangten eine Unterredung. Er war eben im Begriff, ihre Vorschläge anzuhören und die seinigen bekanntzugeben, da stürzten Hals über Kopf Aufklärer mit der Meldung herbei, der Feind sei da. Die Unterredung mit den Tribunen wurde abgebrochen, und es ist ungewiss geblieben, ob sie einen Anschlag oder Verrat beabsichtigt hatten oder irgendwie in ehrlicher Absicht gekommen waren. Cäcina entließ die Tribunen und ritt ins Lager zurück. Dort fand er bereits das auf Befehl des Fa­bius Valens gegebene Zeichen zur Schlacht29 und die Soldaten in Waffen vor. Während die Legionen noch um ihre Einordnung beim Aufmarsch losten, brach die Reiterei los, und – es klingt sonderbar – nur die Mannhaftigkeit der italischen Legion bewahrte sie davor, von den zahlenmäßig unterlegenen Othonianern gegen den Wall geworfen zu werden. Diese ­Legion zwang mit gezückten Schwertern die Reiterei, als sie zurückgeworfen war, zurückzukehren und den Kampf wiederaufzunehmen. Die Vitellianischen Legionen wurden nun ohne jede Beunruhigung zur Schlacht aufgestellt. Denn trotz der Nähe des Feindes verhinderte dichtes Buschwerk, dass man die Waffen erblickte. Bei den Othonianern waren die Heerführer voll Angst, die Mannschaften über die Heerführer erbittert. Wagen und Marketender befanden sich unter der kämpfenden Truppe und, da sich auf beiden Seiten der Straße abschüssige Gräben befanden, war diese auch für ein in aller Ruhe marschierendes Heer zu ­schmal. Die einen drängten sich um ihre Feldzeichen, die anderen suchten nach diesen. Von überall her

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Zweites Buch, Kapitel 42 – 44

ertönte verworrenes Geschrei von Herbeirennenden und Zurufenden. Je nachdem Mut oder Furcht den einzelnen beseelte, stürzte er in die vorderste Kampflinie vor oder verzog sich in die hinterste. 42. Waren sie von dem plötzlichen Schrecken wie betäubt, so versetzte sie nunmehr eine fälschliche Freude in einen Zustand müder Schlaffheit, da sich Leute fanden, die die Lüge verbreiteten, das Heer sei von Vitellius abgefallen. Ob dieses Gerücht von Kundschaftern des Vitellius ausgestreut worden war oder in Othos Partei selbst aus List oder aus Zufall aufgekommen war, hat man nicht sicher feststellen können. Die Othonianer gaben ihre Kampfbegeisterung auf und ließen sich zudem zu einer Begrüßung herbei. Aber sie wurden mit feindseligem Murren aufgenommen und, da sehr viele ihrer eigenen Leute nicht wussten, was diese Begrüßung zu bedeuten habe, erweckten sie nur Furcht vor Verrat. Da drang das feindliche Heer in geordneten Linien, an Kampfkraft und Zahl überlegen, auf sie ein. Die Othonianer nahmen, wenngleich sie ohne feste Ordnung, geringer an Zahl und erschöpft waren, dennoch den Kampf mutig auf. In dem Gelände, in dem Bäume und Weinpflanzungen Hindernisse bildeten, ergab sich kein einheitliches Bild der Schlacht: es kam zum Fernkampf und zum Nahkampf, zu Zusammenstößen in losen Scharen und in geschlossenen Sturmkolonnen. Auf dem Straßendamm stemmte man sich im Handgemenge Mann gegen Mann mit den Leibern und den Schildbuckeln, gab das Speerwerfen auf und durchschlug mit Schwert und Beil Helme und Panzer; einander bekannt, rangen sie vor den Augen aller übrigen30 um den Ausgang des ganzen Krieges. 43. Zufällig stießen zwischen dem Po und der Straße im offenen Felde zwei Legionen zusammen. Für Vitellius kämpfte die einundzwanzigste, mit dem Beinamen »Rapax«, ausgezeichnet durch alten Kriegsruhm, auf Othos Seite kämpfte die erste Legion »Adiutrix«,31 die bisher noch in keine Schlacht geführt worden war, aber kampfmutig und begierig nach den ersten Lorbeeren war. Die erste Legion rannte das Vordertreffen der einundzwanzigsten über den Haufen und erbeutete deren Adler. Erbittert über diesen schmerzlichen Verlust warf die Legion ihrerseits wieder die erste Legion zurück, wobei der Legat Or-



Schlacht bei Bedriacum und Flucht der Othonianer

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fidius Benignus fiel, und entriss den Feinden sehr viele Feldzeichen und Fahnen. Auf der anderen Seite wurde durch den Ansturm der fünften Legion die dreizehnte zurückgeschlagen und die vierzehnte durch das Herbeieilen eines überlegenen Gegners umzingelt. Und, während die Heerführer Othos schon längst sich auf der Flucht befanden, verstärkten Cäcina und Valens die Ihrigen durch Reserven. Als frische Hilfe kam Varus Alfenus mit seinen Batavern hinzu, die den Gladiatorenhaufen geschlagen hatten: bei der Überfahrt hatten die ihm entgegengestellten Kohorten ihn noch im Flusse niedergemacht. So fielen sie dem Feind siegend in die Flanke. 44. Als auch der Durchbruch durch das Zentrum erfolgt war, flohen die Othonianer überall in Richtung auf Bedriacum. Dies war eine sehr weite Strecke, und Haufen von Gefallenen versperrten die Wege, was das Morden nur noch vermehrte. Denn in Bürgerkriegen lassen sich die Gefangenen nicht als Beute verwenden. Suetonius Paulinus und Licinius Proculus schlugen abgelegene Wege ein und wichen dem Lager aus. Den Legaten der dreizehnten Legion Vedius Aquila führte seine kopflose Angst den erbitterten Soldaten in die Hände. Als er noch am hellen Tag die Umwallung betrat, umtobte ihn das Geschrei der flüchtigen Meuterer. Nicht der Schimpfworte und nicht der Tätlichkeiten enthielten sie sich. Sie schalten ihn einen Deserteur und Verräter, nicht weil ihn eine persönliche Schuld getroffen hätte, sondern weil nach der Gepflogenheit der großen Masse jeder seine eigene Schandtat anderen vorwarf. Titianus und Celsus kam die Nacht zugute. Es waren schon die Wachen ausgestellt und die Soldaten wieder zur Ordnung gebracht. Annius Gallus hatte sie durch Rat, Bitten und durch sein persönliches Ansehen umgestimmt, sie sollten doch zu den Verlusten in der unglücklichen Schlacht hinzu nicht auch noch gegeneinander mit Blutvergießen wüten. Gleichgültig ob das Ende des Krieges gekommen sei oder ob sie wieder lieber zu den Waffen griffen, die einzige Möglichkeit für die Besiegten, ihr Los zu erleichtern, sei von ihrer Einmütigkeit zu erwarten. Der Mut der übrigen war gebrochen. Nur die Prätorianertruppe schimpfte laut, sie sei nicht durch Tapferkeit, sondern durch Verrat besiegt worden. Auch für die Vitellianer sei der Sieg nicht unblutig gewesen,

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Zweites Buch, Kapitel 45 – 47

ihre Reiterei sei geschlagen, ihr Legionsadler weggenommen worden. Übrig geblieben seien mit Otho selbst die Truppen, die jenseits des Po gestanden seien, im Anmarsch befänden sich die Legionen aus Mösien, ein großer Teil des Heeres sei in Be­driacum zurückgeblieben. Diese seien gewiss noch nicht besiegt und, sollte es so kommen, würden sie in ehrenvollerer Weise auf dem Schlachtfelde sterben. In solchen Überlegungen zwischen Trotz und Angst hin- und hergeworfen, wurden sie doch in äußerster Hoffnungslosigkeit öfters zum Zorn aufgestachelt, als in Furcht versetzt. 45. Doch das Vitellianische Heer machte fünf Meilen vor Be­ driacum halt, ohne dass die Heerführer an dem gleichen Tage die Bestürmung des Lagers32 gewagt hätten. Zugleich hoffte man auf eine freiwillige Übergabe. Da sie aber ohne Sturmgerät und nur zur Schlacht ausgezogen waren, mussten sie mit ihren Waffen, ohne sonstigen Schutz, den Sieg erringen. Am folgenden Tag schwankte das Othonianische Heer nicht mehr in seiner Gesinnung, und auch diejenigen, die sich trotziger gebärdet hatten, waren zu Reue geneigt. Und so schickte man eine Abordnung. Auch bei den Vitellianischen Heerführern zögerte man nicht, in einen Frieden einzuwilligen. Man hielt die Abordnung eine Zeitlang zurück. Dies erregte bei ihr Bedenken, da sie noch nicht wusste, ob ihre Bitten Erfolg gehabt hatten. Dann wurde die Abordnung zurückgeschickt und die Umwallung stand offen. Da brachen Sieger und Besiegte in Tränen aus und in einer jämmerlichen Freude verwünschten sie das Los des Bürgerkrieges. In den gleichen Zelten verbanden sie einander, der eine seines Bruders, der andere seines Verwandten Wunden. Hoffnungen und Belohnungen lagen im Ungewissen, gewiss waren nur Leichen und Trauer. Und keiner war so unbeteiligt an dem leidvollen Geschehen, dass er nicht irgendeinen Toten zu betrauern gehabt hätte. Man suchte den Leichnam des Legaten Orfidius auf und verbrannte ihn mit der üblichen Ehre. Einige wenige wurden durch ihre eigenen Verwandten bestattet, den übrigen großen Haufen ließ man unbestattet auf dem Boden liegen. 46. Otho wartete auf eine Nachricht von der Schlacht. Dabei war er keineswegs in ängstlicher Unruhe, sondern sein Entschluss



Meuterei und Kapitulation

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stand fest. Was zuerst nur gerüchtweise verlautete, war schon betrüblich. Dann machten Leute, die aus der Schlacht entronnen waren, bekannt, es sei alles verloren. Die Soldaten warteten in ihrer leidenschaftlichen Erregung nicht auf eine Äußerung des Imperators. Sie hießen ihn guten Mutes sein. Immer noch seien neue Streitkräfte vorhanden, und sie selbst würden das Äußerste erdulden und wagen. Und darin lag keine Schmeichelei. Sie brannten in geradezu rasender Begeisterung danach, in die Schlacht zu ziehen und das Glück ihrer Partei wiederaufzurichten. Wer von ihnen entfernt stand, streckte die Hände gegen ihn aus, diejenigen, die zunächst standen, umfassten seine Knie, am beflissensten Plotius Firmus. Dieser, Präfekt der Prätorianer, bat immer wieder, er solle nicht das ihm so treu ergebene Heer, die Soldaten, die sich so verdient gemacht hätten, im Stiche lassen. Es gehöre größerer Mut dazu, ein widriges Geschick auf sich zu nehmen, als ihm den Rücken zu kehren. Tapfere und tüchtige Soldaten würden auch dem Geschick zum Trotz auf der Hoffnung beharren, furchtsame und feige eilfertig in Angst sich der Verzweiflung in die Arme werfen. Je nachdem Otho bei solchen Worten in seiner Miene Nachgiebigkeit oder Unbeugsamkeit erkennen ließ, ertönten Freudenrufe oder Seufzen. Und es waren nicht nur die Prätorianer, Othos eigene Soldaten, auch die Leute, die aus Mösien vorausgeschickt worden waren, meldeten, das im Anmarsch befindliche Heer sei von der gleichen festen Entschlossenheit beseelt und die Legionen seien bereits in Aquileia einmarschiert. Und so ist kein Zweifel, dass ein blutiger, tränenvoller Krieg, ungewiss in seinem Ausgang für Besiegte und Sieger, hätte wiederaufgenommen werden können. 47. Er selbst aber, abhold allen kriegerischen Absichten, sagte: »Diesen euren Mut, diese eure Tapferkeit fernerhin Gefahren auszusetzen, erachte ich als einen allzu hohen Preis für mein Leben. Je mehr Hoffnung ihr zeigt, falls ich mich entschließen würde, weiter zu leben, umso schöner wird der Tod für mich sein. Wir haben uns gegenseitig gründlich kennengelernt, ich und das Glück. Und rechnet mir die Zeit nicht vor! Schwieriger ist es, Maß zu halten im Glück, das man nicht lange zu genießen glaubt. Der Bürgerkrieg ging von Vitellius aus, und wenn wir mit Waffengewalt um das Prinzipat stritten, so ist damit auf

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Zweites Buch, Kapitel 48 – 49

seiner Seite begonnen worden. Dass wir nicht öfter als einmal streiten, darin will ich für meine Person mit gutem Beispiel vor­ angehen. Danach soll die Nachwelt Otho beurteilen! Vitellius wird sich seines Bruders, seiner Gattin, seiner Kinder erfreuen. Ich brauche weder Rache noch Trost. Andere mögen die Herrschaft länger in Händen gehabt haben; keiner soll sie so tapfer aufgegeben haben. Oder sollte ich es zulassen, dass so viele hervorragende Heere wiederum zu Boden gestreckt und dem Gemeinwesen entrissen werden? Möge mich dieses Bewusstsein begleiten, dass ihr bereit gewesen wäret, für mich zu sterben! Aber ihr sollt mich überleben! Und wir wollen nicht länger einander im Wege stehen, ich eurem gesicherten Dasein, ihr meinem festen Entschluss. Mehr über die letzten Stunden zu reden, gehört in das Gebiet der Feigheit. Als den Hauptbeweis meines festen Willens nehmt es, dass ich mich über niemand beschwere. Denn Götter oder Menschen anzuklagen, ist Sache dessen, der leben will.« 48. Nach dieser Ansprache richtete er an sie einzeln, je nach Alter oder Rang, freundliche Worte, sie sollten sich beeilen und nicht durch ihr Bleiben den Sieger in seinem Zorn noch mehr erbittern. Auf die jungen Leute machte er durch das Gewicht seiner Persönlichkeit, auf die alten durch seine Bitten Eindruck. Mit Ruhe in seinen Gesichtszügen und mit Unerschrockenheit in seinen Worten gebot er den unpassenden Tränen der Seinen Einhalt. Er befahl, den Abziehenden Schiffe und Wagen zu geben; Eingaben und Briefe, die durch Ergebenheit ihm gegenüber oder Schmähungen gegen Vitellius besonders auffielen, vernichtete er. Geld teilte er spärlich aus und nicht wie einer, der den Tod vor Augen hat. Dann tröstete er noch obendrein Salvius Cocceianus, den Sohn seines Bruders, der, in den ersten Mannesjahren stehend, verzagt und betrübt war, indem er ihn wegen seiner treuen Anhänglichkeit lobte und wegen seiner Furcht tadelte. Ob denn Vitellius so hartherzig sein werde, dass er ihm für die Erhaltung seines ganzen Hauses nicht einmal diese Gunst erweisen werde? Durch die Beschleunigung seines Endes verdiene er die Milde des Siegers. Denn nicht in letzter Verzweiflung, sondern trotz der Forderung des Heeres nach einer Schlacht habe er dem Gemeinwesen diesen letzten Schick-



Ansprache Otohs an seine Soldaten · Tod Othos

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salsschlag erspart. Groß genug sei der Name, den er sich selbst, hoch genug der Adel, den er für seine Nachkommen erworben habe. Nach den Juliern, Claudiern, Serviern33 sei er der erste gewesen, der die Herrscherwürde in eine nicht dem Adel zugehörige Familie gebracht habe. Daher solle er aufrechten Mutes das Leben anpacken und, dass Otho sein Onkel gewesen sei, weder jemals vergessen, noch allzu sehr daran denken.34 49. Hierauf hieß er alle sich entfernen, und begab sich zu einer kurzen Ruhe. Und wie er schon seine letzten Aufgaben überlegte, störte ihn ein plötzlicher Lärm auf. Man meldete ihm, die Soldaten seien bestürzt und ließen sich nicht mehr halten. Denn sie drohten, die Abziehenden umzubringen, wobei sie am gewalttätigsten gegen Verginius vorgingen, den sie in seinem verschlossenen Haus belagerten. Er machte den Rädelsführern des Aufruhrs heftige Vorwürfe, kehrte dann zurück und nahm sich noch Zeit, mit den Abziehenden zu sprechen, bis alle unbehelligt sich entfernten. Als der Tag sich neigte, stillte er seinen Durst mit einem Schluck kalten Wassers. Dann ließ er sich zwei Dolche bringen, versuchte beide und legte dann den einen unter seinen Kopf. Als er ermittelt hatte, dass seine Freunde nunmehr abgereist waren, verbrachte er eine ruhige Nacht, die, wie man versichert, nicht schlaflos war. Dann stieß er sich bei Tagesanbruch den Dolch in die Brust. Auf das Stöhnen des Sterbenden hin kamen seine Freigelassenen und Sklaven und der Prätorianerpräfekt Plotius Firmus herein und fanden nur eine einzige Wunde. Das Leichenbegängnis fand beschleunigt statt. Er hatte dringlich darum gebeten, damit man ihm nicht den Kopf abhaue und mit diesem Spott treibe. Die prätorianischen Kohorten trugen den Leichnam unter Lobpreisungen und Tränen und küssten seine Wunde und seine Hände. Einige Soldaten töteten sich neben dem Scheiterhaufen, nicht etwa aus Schuldbewusstsein, auch nicht aus Furcht, sondern in nacheifernder Ehrsucht und in Anhänglichkeit an ihren Fürsten. Und später war es in Bedriacum, Placentia und in anderen Lagern eine nicht seltene Erscheinung, diese Todesart zu wählen. Man errichtete für Otho ein Grabmal, das zwar bescheiden war, aber von Dauer sein sollte. Dieses Ende fand Otho im siebenunddreißigsten Lebensjahr.

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Zweites Buch, Kapitel 50 – 53

50. Er stammte aus der Landstadt Ferentium. Sein Vater war Konsul, sein Großvater Prätor gewesen. Das mütterliche Geschlecht war zwar nicht ebenbürtig, aber auch nicht ohne Glanz. Als Knabe und junger Mann war er, wie ich ihn geschildert habe.35 Durch zwei Handlungen, eine überaus schändliche und eine vortreffliche, hat er sich bei der Nachwelt ebenso viel gute wie üble Nachrede verdient.36 Wie ich einerseits glauben möchte, es sei mit dem Ernst meines begonnenen Werkes nicht vereinbar, Märchen zusammenzusuchen und mit Erdichtungen meine Leser zu unterhalten, so möchte ich doch auch nicht wagen, dem, was im Volksmund verbreitet und weitergegeben worden ist, den Glauben abzusprechen. An dem Tage, an dem bei Bedriacum gerungen wurde, ließ sich, wie die dortigen Einwohner erzählen, ein Vogel von nie zuvor gesehener Gestalt bei Regium Lepidum in einem vielbesuchten Hain nieder. Er ließ sich von da weder durch die Ansammlung von Menschen noch durch die um ihn herumfliegenden, lärmenden Vögel erschrecken oder verscheuchen, bis Otho sich selbst tötete. Dann sei er den Augen entschwunden. Und wenn man die Zeiten nachrechne, so sei Anfang und Ende der Wundererscheinung mit Othos Tod zusammengefallen. 51. Bei seinem Leichenbegängnis kam es erneut infolge der Trauer und des Schmerzes der Soldaten zu einer Meuterei. Und es war niemand da, der sie eingedämmt hätte. An Verginius sich wendend, baten sie einmal unter Drohungen, er solle die Herrschaft übernehmen, dann wieder er solle als Gesandter zu Cäcina und Valens gehen. Verginius entfernte sich heimlich durch eine Hintertür seines Hauses und entging so den Eindringenden. Die Bitten der Kohorten, die in Brixellum gestanden hatten, überbrachte Rubrius Gallus. Und er erlangte sofort Verzeihung, da auch auf Veranlassung von Flavius Sabinus die bisher von ihm befehligten Truppen zu dem Sieger übertraten. 50. Als überall der Krieg beigelegt war, geriet ein großer Teil des Senates, der mit Otho aus der Hauptstadt ausgezogen und dann in Mutina zurückgelassen worden war, in die äußerste Gefahr. Dorthin kam die Nachricht von dem unglücklichen Ausgang der Schlacht. Aber die Soldaten wollten davon, als von einem falschen Gerücht, nichts wissen und, weil sie glaub-



Rückblick auf Otho · Ratlosigkeit der Senatoren

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ten, der Senat sei Otho feindlich gesinnt, überwachten sie die Gespräche und gaben jeder Miene und jeglichem Auftreten eine nachteilige Deutung. Zuletzt suchten sie durch Schimpfworte und Schmähungen einen Anlass zum Beginn des Mordens, während auf den Senatoren zudem noch die andere Befürchtung lastete, man möchte von ihnen glauben, sie hätten bei dem bereits vorhandenen Übergewicht der Partei des Vitellius nur zögernd den Sieg anerkannt. So waren sie in Aufregung und in doppelter Angst und traten zusammen; keiner rückte persönlich mit einem Vorschlag heraus, sondern jeder fühlte sich unter den vielen anderen in der Gemeinsamkeit der Schuld sicherer. Die Sorgen der Verängstigten belastete noch der Magistrat von Mutina dadurch, dass er Waffen und Geld anbot. Und er begrüßte sie in unzeitigem Ehrenerweis als »versammelte Väter«.37 53. Bemerkenswert war ein Wortstreit, in dem Licinius Cäcina über Marcellus Eprius38 mit dem Vorwurf herfiel, er nehme in seinen Darlegungen eine zweideutige Haltung ein. Die übrigen ließen zwar auch nicht erkennen, was sie dachten. Aber der Name des Marcellus, der infolge des Gedenkens an seine Denunziationen verhasst und auch sonst der Missgunst ausgesetzt war, hatte Cäcina als einen Mann, der noch ohne Adel und erst kürzlich in den Senat aufgenommen worden war, dazu gereizt, durch persönliche Feindschaft mit einer hochgestellten Persönlichkeit sich einen berühmten Namen zu machen. Durch den mäßigenden Einfluss der besser Gesinnten wurden sie auseinandergebracht. Alle kehrten nach Bononia zurück, um sich dort erneut zu beraten. In der Zwischenzeit hoffte man zugleich auf weitere Nachrichten. In Bononia stellte man, auf den einzelnen Straßen verteilt, Leute auf, die jeden gleich bei seiner Ankunft ausfragen sollten und, als ein Freigelassener Othos nach dem Anlass seines Weggehens befragt wurde, antwortete er, er habe die letzten Aufträge Othos. Dieser sei zwar bei seinem Weggehen noch am Leben gewesen, aber er habe sich um nichts weiter mehr gekümmert als um sein Andenken bei der Nachwelt und habe mit allen Verlockungen des Daseins gebrochen. Man war darüber verwundert, aber schämte sich, mehr zu erfragen, und alle schwenkten zu Vitellius über.

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Zweites Buch, Kapitel 54 – 57

54. An den Beratungen nahm sein Bruder L. Vitellius teil, und schon stellte er sich den Huldigungen zur Verfügung, als plötzlich Cönus, ein Freigelassener Neros, mit einer frechen Lüge alle in Bestürzung versetzte, indem er versicherte, die vierzehnte Legion sei unvermutet erschienen, habe sich mit den Streitkräften von Brixellum vereinigt und die Sieger seien niedergemacht worden. Das Glück der Partei habe sich gewendet. Der Anlass zu dieser Erdichtung war, es sollten die Geleitbriefe39 Othos, die nicht mehr anerkannt wurden, durch eine günstigere Nachricht wieder wirksam werden. So ritt denn Cönus rasch nach Rom. Aber dort ereilte ihn schon nach wenigen Tagen auf Befehl des Vitellius seine Strafe. Die gefährliche Lage der Senatoren erhöhte sich noch dadurch, dass die Othonianischen Soldaten glaubten, die Mitteilungen entsprächen der Wahrheit. Ihre Angst steigerte der Gedanke, es könnte nach außen so aussehen, als ob sie auf Grund eines offiziellen Beschlusses weggegangen seien und die Partei im Stich gelassen hätten. Fernerhin hielten sie keine gemeinsamen Zusammenkünfte mehr ab, sondern jeder sorgte für sich selbst, bis ein Brief von Fabius Valens sie von ihrer Angst erlöste. Und je rühmlicher der Tod Othos war, umso rascher hörte man von ihm. 55. Aber in Rom zeigte sich keine Spur von Aufregung. Man schaute den Cerealischen Spielen40 ganz wie sonst zu. Als zuverlässige Gewährsmänner in das Theater die Nachricht brachten, Otho sei verschieden und von dem Stadtpräfekten Fiavius Sabinus sei die ganze Garnison der Stadt auf Vitellius vereidigt worden, klatschte man für Vitellius41 Beifall. Das Volk trug die mit Lorbeer und Blumen geschmückten Bilder Galbas bei den Tempeln umher, und Kränze wurden wie zu einem Grabhügel neben dem »See des Curtius« aufgehäuft an der Stelle, die Galba sterbend mit seinem Blut gefärbt hatte. Im Senat wurden alle Ehren, die man sonst in langen Regierungszeiten anderer Fürsten angeordnet hatte, sofort bewilligt. Man fügte Lob und Dank an das germanische Heer hinzu und schickte eine Gesandtschaft: ab, die der Freude Ausdruck verleihen sollte. Der an die Konsuln in maßvollem Tone geschriebene Brief des Valens wurde verlesen. Angenehmer berührte die Bescheidenheit Cäcinas – er hatte überhaupt nicht geschrieben.



Ruhe in Rom und Plünderung Italiens

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56. Übrigens wurde Italien schwerer und bitterer heimgesucht als durch den Krieg. In den Landgemeinden und Koloniestädten trieben sich überall die Vitellianer herum, raubend und plündernd und sie mit Gewalttaten und Schändungen besudelnd. Auf alles, mochte es vor den Göttern recht oder unrecht sein, stürzten sie sich in ihrer Gier oder Käuflichkeit und schonten weder göttliches noch menschliches Gut. Manche brachten ihre persönlichen Feinde um und taten so, als ob dies eine militärische Aktion sei. Und die Soldaten selbst, soweit sie ortskundig waren, bestimmten volle Felder42 und reiche Grundbesitzer für ihre Beutezüge oder, falls man ihnen Widerstand leistete, zur Vernichtung, während die Heerführer ihnen willfährig waren und sie nicht zu hindern wagten. Weniger Habsucht zeigte Cäcina, aber desto mehr bemühte er sich um Gunst. Valens war wegen seiner Gewinnsucht und seiner Erwerbsgier berüchtigt und deshalb wollte er auch von der Schuld anderer nichts wissen. Da Italien in seinem Wohlstand schon längst heruntergekommen war, bildeten eine solche Masse Fußvolk und Reiterei und die dadurch bedingten Schädigungen und Gewalttaten eine kaum erträgliche Belastung. 57. Inzwischen zog Vitellius, ohne etwas von seinem Siege zu wissen, als hätte der Krieg erst begonnen, die übrigen Streitkräfte des germanischen Heeres heran. Nur wenige von den alten Mannschaften wurden in den Winterlagern belassen, die Aushebungen in Gallien eiligst durchgeführt, um die Bestände der zurückbleibenden Legionen zu ergänzen. Das Kommando über das Rheinufer wurde Hordeonius Flaccus anvertraut. Er selbst verstärkte sich mit achttausend auserlesenen Mannschaften von dem britannischen Heere. Als er einige Tagemärsche vorgerückt war, vernahm er den Erfolg von Bedriacum und den Tod Othos, durch den der Krieg sein Ende gefunden habe. Da berief er eine Heeresversammlung und überhäufte die Soldaten mit Lobsprüchen wegen ihres tapferen Verhaltens. Als das Heer verlangte, er solle seinen Freigelassenen Asiaticus mit der Ritterwürde beschenken, unterdrückte er diese unwürdige Schmeichelei. Dann aber schenkte er, wankelmütig, wie er war, was er in der Öffentlichkeit abgelehnt hatte, in vertrautem Kreise bei Tisch in freigebiger Weise und beehrte mit dem Ringe

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Zweites Buch, Kapitel 58 – 60

Asiaticus,43 einen abscheulichen Sklaven, der mit verwerflichen Mitteln sich beliebt zu machen suchte. 58. In denselben Tagen kamen Nachrichten, beide M ­ auretanien seien nach der Ermordung des Prokurators Albinus zu der Partei des Vitellius übergetreten. Lucceius Albinus, von Nero zum Statthalter von Mauretania Cäsariensis gemacht, hatte durch Galba die Verwaltung der tingitanischen Provinz noch hinzu erhalten und verfügte so über eine nicht zu verachtende Streitmacht. Neunzehn Kohorten, fünf Reiterabteilungen, eine gewaltige Zahl von Mauren waren zur Stelle, eine im Straßenraub und Plündern geübte und für den Krieg brauchbare Horde. Nach der Ermordung Galbas neigte er zu Otho hin und, mit Afrika nicht zufrieden, hatte er es auf das nur durch eine schmale Meerenge getrennte Spanien abgesehen. Dies erweckte bei Cluvius Rufus Furcht, und er befahl der zehnten Legion, gegen die Küste vorzurücken, als wolle er übersetzen. Vorausgeschickt wurden Zenturionen, um die Mauren für Vitellius zu gewinnen. Und dies war nicht schwierig, da das germanische Heer in den Provinzen in hohem Rufe stand. Zudem wurde das Gerücht verbreitet, Albinus maße sich, den Titel eines Prokurators verachtend, das Abzeichen eines Königs und den Namen Juba44 an. 59. So schlug die Stimmung um, und Asinius Pollio, der Befehlshaber einer Reiterabteilung, der zu den getreuesten Freunden des Albinus gehörte, sowie die Prätorianerpräfekten Festus und Scipio wurden aus dem Wege geräumt. Albinus selbst wurde, als er von der tingitanischen Provinz nach dem cäsariensischen Mauretanien fuhr, bei der Landung niedergemacht. Als seine Gemahlin sich den Mördern in den Weg stellte, wurde sie zusammen mit ihm getötet. Dabei fragte Vitellius nach nichts von all dem, was vor sich ging. Auch über noch so wichtige Angelegenheiten ging er nach flüchtigem Anhören hinweg, unfähig sich ernsteren Aufgaben hinzugeben. Dem Heer befahl er, auf dem Landweg weiterzumarschieren. Er selbst fuhr den Arar hinunter, ohne jede fürstliche Aufmachung, vielmehr durch seine altbekannte Ärmlichkeit auffallend, bis Iunius Bläsus, der Statthalter des lugdunensischen Galliens, der aus vornehmem Geschlecht stammte und dem das Schenken Freude machte  –



Maßnahmen gegen Anhänger Othos

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wozu er auch die erforderlichen Mittel hatte –, den Fürsten mit einer Dienerschaft versorgte und ihm großzügig das Geleit gab. Doch gerade dadurch machte er sich missliebig, obwohl Vitellius seinen Hass hinter sklavischer Schmeichelei verhüllte. In Lugdunum waren die Heerführer der siegreichen und besiegten Partei zur Stelle. Valens und Cäcina lobte er vor der Heeresversammlung und ließ sie zu beiden Seiten seines kurulischen Sessels45 Platz nehmen. Dann befahl er dem gesamten Heere, seinem noch ganz jungen Sohne entgegenzuziehen. Man brachte diesen, hüllte ihn in einen Feldherrnmantel und, ihn auf seinem Schoß haltend, nannte er ihn Germanicus und umgab ihn mit allen Abzeichen fürstlicher Hoheit. Dies war eine allzu hohe Ehrung im Glück, sie sollte ihm zum Trost im Unglück werden.46 60. Dann wurden die tapfersten Zenturionen der Othonianer umgebracht. Dies in erster Linie war es, was die illyrischen Heere dem Vitellius entfremdete. Zugleich wurden die übrigen Legionen angesteckt und sannen in ihrem Neid gegenüber den germanischen Soldaten auf Krieg. Suetonius Paulinus und Licinius Proculus ließ er lange in jämmerlicher Weise warten und hielt sie im Anklagezustand, bis sie endlich bei einem Verhör sich einer Verteidigung bedienten, die mehr durch die Not geboten war, als dass sie ihnen zur Ehre gereicht hätte. Sie rechneten sich sogar den Verrat als Verdienst an, wobei sie den weiten Marsch vor der Schlacht, die Ermüdung der Othonianer, die Marschkolonne, in die sich der Fuhrpark eingedrängt habe, und eine Menge Zufälligkeiten als eine von ihnen beabsichtigte List ausgaben. Und Vitellius glaubte an ihre Treulosigkeit und – sprach sie von der Beschuldigung der Treue frei. Salvius Titianus, der Bruder Othos, wurde nicht gefährdet. Ihn entschuldigte seine Bruderliebe und seine Feigheit. Marius Celsus behielt sein Konsulat. Doch glaubte man, wie gerüchtweise verlautete und bald auch im Senat Cäcilius Simplex vorgeworfen wurde, er habe diese Ehre um Geld erkaufen wollen, und zwar nicht ohne Celsus ins Verderben zu stürzen. Vitellius widersetzte sich und gab später Simplex das Konsulat, ohne dass dieser sich schuldig gemacht oder es erkauft hätte. Den Trachalus schützte gegen seine Ankläger Galeria, die Gattin des Vitellius.47

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Zweites Buch, Kapitel 61 – 64

61. Während sich so hochgestellte Männer in Gefahr befanden, wagte es – man schämt sich, es auszusprechen –, ein gewisser Mariccus, der zu dem Pöbel der Boier gehörte, sich in eine hohe Stellung einzudrängen und unter Vorspiegelung göttlicher Berufung die römischen Waffen herauszufordern. Schon hatte er als Erretter Galliens und Gott – diesen Namen hatte er sich nämlich beigelegt – achttausend Menschen auf die Beine gebracht und verheerte die nächstgelegenen Gebiete der Äduer, als diese höchst ehrwürdige Volksgemeinde mit auserlesener Mannschaft, die von Vitellius durch Kohorten verstärkt war, den fanatisierten Haufen auseinanderjagte. In diesem Gefecht wurde Mariccus gefangen. Er wurde den wilden Tieren vorgeworfen und, weil er nicht zerrissen wurde, glaubte die törichte Menge, er sei unverletzlich, bis er vor den Augen des Vitellius umgebracht wurde. 62. Weiterhin wurde nun nicht gegen die Abtrünnigen oder gegen das Vermögen irgendeines von ihnen unbarmherzig vorgegangen. Die Testamente derer, die in Othos Heer gefallen waren, behielten ihre Gültigkeit, oder in Fällen, wo kein Testament vorlag, trat das Gesetz in Kraft.48 Überhaupt, hätte er sich in seinem ausschweifenden Lebenswandel Maß auferlegt, vor seiner Habgier hätte man sich nicht zu fürchten brauchen. Nur im Essen betätigte er eine hässliche, unersättliche Unbeherrschtheit. Aus der Hauptstadt und aus Italien wurden Leckerbissen herbeigeschleppt und von beiden Meeren her waren die Straßen voll von Lärm.49 Die führende Schicht der einzelnen Gemeinden wurde durch die Bereitstellung der Mittel für die Festgelage ausgesogen, die Gemeinden selbst wurden gebrandschatzt. Die Soldaten wurden der körperlichen Anstrengungen und mannhaftem Verhalten entfremdet, da sie sich daran gewöhnten, das üppige Leben zu genießen und – ihren Heerführer zu missachten. In die Hauptstadt schickte er einen Erlass voraus, in welchem er erklärte, er nehme den Titel Augustus vorläufig nicht und den Titel Cäsar überhaupt nicht an. Doch verzichtete er dabei in keinem Punkt auf seine Machtbefugnis. Aus Italien wurden die Mathematiker50 ausgewiesen und strenge Maßregeln dagegen getroffen, dass römische Ritter sich durch Beteiligung an der Fechterschule und durch ihr Auf-



Mariccus · Schlemmerei des Vitellius

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treten in der Arena entwürdigten. Von den früheren Fürsten waren sie dazu durch Geld und öfters auch durch Gewalt gebracht worden, und sehr viele Landstädte und Koloniestädte lockten um die Wette die verkommensten jungen Leute durch Belohnungen an. 63. Aber Vitellius, der durch das Eintreffen seines Bruders und durch die Lehrmeister des Despotentums, die sich bei ihm einschlichen, noch hochmütiger und hartherziger geworden war, befahl, Dolabella umzubringen, der, wie ich berichtet habe, von Otho in die Koloniestadt Aquinum abgeschoben worden war.51 Als Dolabella von dem Tode Othos gehört hatte, war er in die Hauptstadt gekommen. Dies warf ihm der gewesene Prätor Plancius Varus, der zu den nächsten Freunden Dolabellas gehörte, bei dem Stadtpräfekten Flavius Sabinus vor, als ob er seine Haft gebrochen und sich der besiegten Partei als Heerführer vorgestellt habe. Er fügte hinzu, er habe versucht, die in Ostia stehende Kohorte zu beeinflussen. Da er für so schwerwiegende Beschuldigungen keinen Beweis erbringen konnte, bekam er es mit der Reue zu tun und suchte nach seiner verbrecherischen Handlung Verzeihung zu erlangen, wozu es jedoch zu spät war. Den Flavius Sabinus, der bei einer so wichtigen Angelegenheit zögerte, schreckte Triaria, die Gattin des L. Vitellius, eine ungewöhnlich leidenschaftliche Frau, davon zurück, auf Gefahr des Fürsten sich um den Ruf der Milde zu bemühen. Sabinus, der von Haus aus gutmütig war, aber, wenn ihn Angst beschlich, leicht sich umstimmen ließ und, wenn ein anderer in Gefahr war, gleich für sich selbst zitterte, führte vollends seinen Sturz herbei, um nicht den Anschein zu erwecken, als ob er ihm Hilfestellung gegeben habe. 64. Vitellius ließ ihn daher unter dem Einfluss von Furcht und Hass, weil Dolabella seine Gattin Petronia nach kurzer Zeit geheiratet hatte,52 in einem Schreiben zu sich kommen und befahl, ihn unter Vermeidung der belebten Flaminischen Straße auf Nebenwegen nach Interamnium zu führen und dort umzubringen. Doch schien dies dem beauftragten Mörder zu umständlich. Unterwegs warf ihn dieser in einer Herberge zu Boden und erwürgte ihn. Dies führte zu heftiger Empörung gegen das neue Prinzipat, deren erstes Probestück man darin

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erkannte. Und die Zügellosigkeit Triarias wirkte noch schlimmer angesichts eines Vorbildes maßvoller Haltung in ihrer unmittelbaren Umgebung: es war Galeria, die Gattin des Imperators, die sich nicht in diese unseligen Verhältnisse einmischte. Und die gleiche charakterliche Anständigkeit zeigte die Mutter der Vitellier, Sextilia, eine Frau von alter Sittenstrenge. Ja, man erzählte sogar, sie habe bei dem ersten Brief ihres Sohnes erklärt, sie habe nicht einen Germanicus, sondern einen Vitellius geboren.53 Und auch später ließ sie sich durch keine Lockungen des Glücks oder durch die Huldigungen der Bürgerschaft in eine frohe Stimmung versetzen; vielmehr bekam sie nur das Unglück ihres Hauses zu kosten. 65. Vitellius war schon von Lugdunum abgereist, als ihn Cluvius Rufus einholte, der Spanien verlassen hatte. Er erschien mit der Miene eines freudig Glückwünschenden, war aber in seinem Herzen voll Angst, da er wusste, dass man gegen ihn Verleumdungen gerichtet hatte. Hilarus, ein Freigelassener des Cäsars,54 hatte ihn angezeigt, er habe auf die Nachricht von dem Prinzipat des Vitellius und des Otho für seine eigene Person eine Machtstellung und den Besitz von Spanien erstrebt und deshalb auch vor die Geleitbriefe keinen Fürstennamen gesetzt. Auch legte er einige Bemerkungen in dessen Reden dahin aus, als ob sie Schmähungen gegen Vitellius enthielten und ihn selbst volkstümlich machen sollten. Aber der Einfluss des Cluvius bekam so sehr das Übergewicht, dass Vitellius befahl, obendrein seinen Freigelassenen zu bestrafen. Cluvius wurde unter das Gefolge des Fürsten eingereiht und ihm Spanien nicht weggenommen, das er in Abwesenheit verwaltete nach dem Vorgang des L. Arruntius.55 Aber den Arruntius hielt Tiberius Cäsar aus Furcht, Vitellius den Cluvius ohne jede Angst zurück. Nicht gleiche Ehre ward Trebellius Maximus zuteil. Er war aus Britannien wegen der Erbitterung der Soldaten geflohen und an seiner Stelle wurde Vettius Bolanus56 aus der Zahl der unmittelbaren Anwärter geschickt. 66. Vitellius ängstigte der Umstand, dass der Mut der besiegten Legionen noch keineswegs gebrochen war. Über Italien zerstreut und mit den Siegern vermischt, ergingen sie sich in feindseligen Redensarten, wobei die Soldaten der vierzehnten



Hinrichtungen und Begnadigungen · Truppenverlegung

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Legion einen besonders drohenden Ton anschlugen und es nicht wahrhaben wollten, dass sie besiegt seien. Denn in der Schlacht bei Bedriacum seien nur die Vexillarier57 geschlagen worden, während die Legion selbst mit ihren Streitkräften nicht zugegen gewesen sei. Man beschloss, sie nach Britannien zu schicken, von wo sie Nero hergerufen hatte, und einstweilen sollten die Kohorten der Bataver mit ihnen zusammen wegen ihrer alten Händel mit der vierzehnten Legion ein gemeinsames Lager beziehen. Wo so tiefe Hassgefühle unter Bewaffneten lebendig waren, dauerte die Ruhe nicht lange. Als in Augusta, der Stadt der Tauriner, ein Bataver einen Handwerker als einen Betrüger verfolgte und diesen ein Soldat der Legion als seinen Quartierwirt beschützte, scharten sich die Kameraden jeder um seinen Mann und von Schimpfworten kam es zu einer blutigen Schlägerei. Und ein erbitterter Kampf wäre entbrannt, wenn nicht zwei Prätorianerkohorten die Partei der vierzehnten Legion ergriffen und diesen Selbstvertrauen, den Batavern Furcht eingeflößt hätten. Diesen befahl Vitellius als einer zuverlässigen Truppe, sich seiner Marschkolonne anzuschließen, die Legion dagegen befahl er auf einem Umweg unter Vermeidung von Vienna über die Graischen Alpen58 zu führen. Denn auch vor den Viennensern fürchtete man sich. In der Nacht, da die Legion abmarschierte, ließ sie überall Wachtfeuer zurück, was zur Folge hatte, dass ein Teil der Taurinischen Koloniestadt niederbrannte, ein Verlust, der, wie so vieles sonstige Unglück im Kriege, über dem größeren Unheil anderer Städte in Vergessenheit geriet. Als die vierzehnte Legion von den Alpen her­ unterkam, brachten die unbotmäßigen Elemente die Fahnen nach Vienna. Aber durch die einmütige Haltung der Besseren wurden sie in die Schranken gewiesen, und die Legion wurde nach Britannien hinübergeführt. 67. Die nächste Befürchtung ging für Vitellius von den Präto­ ria­nerkohorten aus. Sie wurden zuerst voneinander getrennt. Dann fügte man, um sie zu begütigen, die ehrenvolle Entlassung hinzu,59 und sie lieferten ihre Waffen bei ihren Tribunen ab, bis sich die Kunde verbreitete, Vespasianus habe den Krieg begonnen. Da nahmen sie ihren Kriegsdienst wieder auf und bildeten die Kerntruppe der Flavianischen Partei. Die erste

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Flottenlegion wurde nach Spanien geschickt, damit im Frieden und in der Ruhe ihre Leidenschaft sich lege. Die elfte und siebte Legion wurden wieder in ihre Winterquartiere zurückverlegt, die dreizehnte erhielt den Befehl, Amphitheater zu bauen. Denn Cäcina traf in Cremona, Valens in Bonona Anstalten, ein Gladiatorenspiel zu veranstalten. Vitellius ließ sich ja von seinen Regierungsaufgaben nie so in Anspruch nehmen, dass er seine Lustbarkeiten darüber vergessen hätte. 68. Und so hatte er zwar die Kräfte der besiegten Partei in schonender Weise verteilt, bei den Siegern aber brach ein Aufruhr aus, der seinen Ausgang von einem Kampfspiel nahm. Er wäre bedeutungslos geblieben, wenn nicht die Zahl der Opfer die Erbitterung gegen Vitellius vermehrt hätte. Vitellius hatte in Ticinum getafelt und zu dem Essen Verginius beigezogen. Die Legaten und Tribunen eifern je nach der Lebensweise ihrer Imperatoren deren strenger Haltung nach oder geben sich fröhlichen Gelagen hin, die schon früh am Tage beginnen. Danach richten sich dann die Mannschaften in ihrem zuchtvollen oder undisziplinierten dienstlichen Verhalten. Bei Vitellius spielte sich alles ohne jede Ordnung ab, herrschte überall Trunkenheit und das ganze Tun und Treiben kam den Nachtfeiern und den Bacchanalien60 näher als der Disziplin in einem Feldlager. So ließen sich zwei Soldaten, der eine von der fünften Legion, der andere von den gallischen Hilfstruppen, in ihrer Ausgelassenheit zu einem Ringkampf hinreißen. Als der Legionssoldat stürzte, verhöhnte ihn der Gallier. Da spalteten sich die Leute, die nur zum Zuschauen zusammengekommen waren, in zwei Parteien. Die Legionssoldaten stürmten auf die Hilfstruppen los, um sie totzuschlagen. Zwei Kohorten wurden dabei niedergemacht. Diesem Tumult half nur ein anderer ab: in der Ferne erblickte man eine Staubwolke und Waffen. Und plötzlich ertönte der Ruf, die vierzehnte Legion habe kehrtgemacht und ziehe zum Kampf heran. Aber es war nur der Nachtrab. Als man sie erkannte, beseitigten sie die Besorgnis. Inzwischen wurde ein Sklave des Verginius, der ihnen zufällig in den Weg kam, beschuldigt, er wolle Vitellius ermorden. Da stürzten die Mannschaften zu dem Gelage hin und forderten den Tod des Verginius. Nicht einmal Vitellius, der doch sonst bei allen ver-



Aufruhr in Ticinum · Truppenverlegungen

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dächtigen Anzeichen in Angst geriet, zweifelte an seiner Unschuld. Trotzdem konnte man die Leute kaum bändigen, die stürmisch die Hinrichtung des gewesenen Konsuls und ihres einstigen Heerführers verlangten. Niemand wurde so oft wie Verginius von jeglicher Art Meuterei bedroht. Bestehen blieb die Bewunderung und der gute Ruf, den der Mann genoss, aber sie hassten ihn, weil er sie verächtlich abgewiesen hatte.61 69. Als am folgenden Tage Vitellius die Gesandtschaft des Senats, die er dort hatte warten lassen, angehört hatte, ging er in das Lager hinüber und lobte sogar die Anhänglichkeit der Soldaten, während die Hilfstruppen ihrem Unwillen darüber laut Ausdruck gaben, dass man den Legionssoldaten in solchem Umfang Straflosigkeit zugebilligt und sie in ihrem anmaßenden Wesen so bestärkt habe. Die Kohorten der Bataver wurden nach Germanien zurückgeschickt, damit sie sich nicht zu noch gefährlicheren Wagnissen hinreißen ließen, wobei das Schicksal die Fäden zum Beginn eines inneren und zugleich äußeren Krieges spann.62 Den gallischen Gemeinden wurden ihre Hilfstruppen zurückgegeben, eine gewaltige Zahl, die gleich bei Beginn des Abfalls als nutzloses Kriegsmaterial beigezogen worden war. Übrigens befahl er, damit die bereits stark mitgenommenen Mittel des Reiches für die Schenkungen ausreichten, die Bestände der Legionen und Hilfstruppen zu beschneiden, und verbot, Ergänzungen vorzunehmen. Auch wurden ohne Unterschied Entlassungen angeboten. Dies war eine für das Gemeinwesen verderbliche Maßnahme, auch war sie den Soldaten nicht willkommen, da sie die gleichen Dienstleistungen, jedoch bei verminderter Zahl, auf sich zu nehmen hatten und sich so der Gefahren- und Arbeitseinsatz für den einzelnen häufiger wiederholte. Auch untergrub das Wohlleben ihre Kräfte im Gegensatz zu der alten Kriegszucht und den Grundsätzen der Vorfahren, bei denen sich die römische Sache besser auf Tüchtigkeit als auf Geld stützte. 70. Von da bog Vitellius nach Cremona ab, wo er sich das Fechterspiel des Cäcina anschaute. Dann bekam er Lust, auf den Gefilden von Bedriacum haltzumachen und die Spuren des frischen Sieges in Augenschein zu nehmen, ein abscheulicher und grässlicher Anblick. Vierzig Tage lag die Schlacht zurück und

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Zweites Buch, Kapitel 71 – 74

immer noch sah man zerfleischte Körper, verstümmelte Glieder, verwesende Gestalten von Männern und Pferden umherliegen, der Boden war von Moder verpestet, die umgelegten Bäume und die niedergetretenen Feldfrüchte boten ein Bild schrecklicher Verwüstung. Und nicht weniger grässlich für menschliches Fühlen war das Aussehen der Straße, wo die Einwohner von Cremona Lorbeer und Rosen gestreut, Altäre errichtet und Opfertiere geschlachtet hatten, wie es in monarchischen Ländern Sitte ist. Dies wurde zwar im Augenblick mit Wohlgefallen aufgenommen, schlug ihnen selbst aber bald zum Verderben aus.63 Valens und Cäcina waren dabei und zeigten die Brennpunkte der Schlacht: von hier sei die Kolonne der Legionen in den Feind eingebrochen, von dort sei die Reiterei vorgestürmt, dort hätten die Abteilungen der Hilfstruppen die Umgehung durchgeführt. Dann brachten auch die Tribunen und Präfekten, jeder seine eigene Heldentaten hervorhebend, Falsches und Wahres oder Übertriebenes durcheinander vor. Auch die Masse der Mannschaften bog schreiend und jubelnd von der Straße ab. Sie vergegenwärtigten sich die ausgedehnten Kampfplätze und beschauten staunend den Waffenhaufen und die Leichenberge. Manche gab es auch, die im Gedenken an das wechselvolle, menschliche Schicksal von Tränen und Mitleid übermannt wurden. Aber Vitellius wandte seinen Blick nicht ab und schauderte nicht vor so vielen Tausenden unbegrabener Mitbürger. Ja, er freute sich sogar und ohne Ahnung von dem so nahen Schicksal, veranstaltete er ein Opfer für die Götter der Gegend. 71. Darauf wurde in Bononia von Fabius Valens das Fechterspiel veranstaltet, nachdem die Ausrüstung dazu von der Hauptstadt herbeigeholt worden war. Je mehr er sich ihr näherte, desto verkommener wurden die Zustände auf dem Marsche: Schauspieler und Scharen von Eunuchen sowie das ganze übrige Gesindel des Neronischen Hofes hatten sich dazugesellt. Denn auch den Nero selbst bewunderte und pries Vitellius. Er hatte ihn, wenn er sang, gewöhnlich begleitet, nicht aus Zwang, wie es bei ganz anständigen Leuten der Fall war, sondern, weil er sich dem Wohlleben und der Völlerei zu eigen gegeben und verkauft hatte. Um für Valens und Cäcina den einen oder anderen Monat, in dem das Ehrenamt nicht besetzt wäre, offen zu halten, wurde



Das Schlachtfeld von Bedriacum · Ämtergeschacher

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das Konsulat anderer zeitlich beschränkt, Martius Macer als ein Heerführer der Partei Othos übergangen. Valerius Maximus, den Galba zum Konsul bestimmte hatte, vertröstete er, nicht etwa weil dieser bei ihm Anstoß erregt hätte, sondern weil er als ein friedfertiger Mensch erwarten ließ, dass er das Unrecht gelassen hinnehmen würde. Pedanius Costa wurde ausgeschaltet, da er dem Fürsten nicht genehm war, als ein Mann, der es gewagt hatte, gegen Nero aufzutreten, und Verginius aufgehetzt hatte. Aber er schützte andere Gründe vor. Überdies dankte man Vitellius, wie es eben bei sklavischer Gesinnung üblich ist. 72. Obgleich der Schwindel einen bedrohlichen Anfang genommen hatte, hielt er sich nicht länger als einige Tage: es war ein Mann aufgetreten, der sich für Scribonius Camerinus64 ausgab. Dieser hatte sich in der neronianischen Schreckenszeit in Histrien verborgen, weil dort die Klientelschaften und der Grundbesitz der Crasser noch fortbestanden und die Anhänglichkeit an den Namen sich erhalten hatte. Als er nun die verworfensten Elemente als Mitspieler in seiner Komödie beigezogen hatte, scharten sich der leichtgläubige Volkshaufen und auch einige Soldaten, sei es in Unkenntnis der Wirklichkeit oder auch aus Neigung zu Aufruhr, um die Wette um ihn. Da wurde er vor Vitellius geschleppt und befragt, wer in aller Welt er denn sei. Als seine Aussagen keinen Glauben erweckten und er von seinem Herrn als ein Sklave namens Geta erkannt wurde, der aus seiner Stellung davongelaufen war, wurde er nach Sklavenart hingerichtet.65 73. Es klingt kaum glaubhaft, in welchem Maß der Hochmut und die Sorglosigkeit des Vitellius wuchs, seitdem er von Spekulatoren aus Syrien und Judäa die Meldung erhalten hatte, der Orient habe ihm den Treueid geleistet. Denn waren auch die Berichte noch unstet und unklar, so spielte Vespasianus doch im Gerede der Leute eine bedeutende Rolle, und gar oft wurde Vitellius aufgeschreckt, wenn er den Namen Vespasianus hörte. Jetzt aber hatte er selbst und sein Heer, als gäbe es keinen Rivalen mehr, grausam, wollüstig und raubgierig sich in Sitten gestürzt, wie sie nur bei auswärtigen Völkern üblich sind. 74. Vespasianus dagegen richtete seinen Blick auf den Krieg, auf die Waffen und auf die fern- oder naheliegenden Streitkräfte.

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Zweites Buch, Kapitel 75 – 76

Die Soldaten waren ihm so zugetan, dass sie ihn schweigend anhörten, als er ihnen den Fahneneid vorsprach und für Vitel­ lius alles Glück erflehte. Mucianus war in seiner Gesinnung dem Vespasianus nicht abgeneigt, mehr aber für Titus eingenommen. Der Statthalter von Ägypten, Ti. Alexander, hatte mit ihm gemeinsame Sache gemacht. Die dritte Legion zählte er als die seinige, weil sie aus Syrien nach Mösien hinübergegangen war. Von den übrigen Legionen Illyricums hoffte man, sie würden sich anschließen. Denn sämtliche Heere hatten die Anmaßung der von Vitellius kommenden Soldaten in helle Empörung versetzt, weil sie in ihrer wilden Erscheinung und in ihrer abstoßenden Ausdrucksweise alle anderen als minderwertig verspotteten. Aber bei einer solch schweren Kriegsaufgabe geht man meistens nur zögernd zu Werke. Und so war Vespasianus einmal in gehobener, hoffnungsfreudiger Stimmung, erwog aber auch bisweilen die Möglichkeiten eines Misslingens: was würde das für ein Tag sein, an dem er seine sechzig Lebensjahre und zwei junge Söhne dem Krieg anvertraute? Bei privaten Planungen sei die Bahn nach vorwärts frei und, je nachdem man wolle, trage man mehr oder weniger dem Glück Rechnung. Wen es aber nach der Herrschaft gelüste, für den gebe es keinen mittleren Weg zwischen Gipfel und Abgrund. 75. Vor Augen schwebte ihm die Stärke des germanischen Heeres, die ihm als dem Kriegsmann bekannt war. Seine eigenen Legionen hätten noch keine Erfahrung im Bürgerkrieg, die des Vitellius aber seien siegreich gewesen, und bei den Besiegten gebe es mehr Klagen als Kräfte. Infolge der Zwietracht habe die Treue der Soldaten keinen festen Halt und jeder einzelne bilde eine Gefahr. Was würden denn die Kohorten und Reiterabteilungen nützen, wenn der eine oder andere, mit einer Untat, die der Augenblick eingebe, nach der von der Gegenseite ausgesetzten Belohnung greife? So sei Scribonianus66 unter Claudius ums Leben gekommen, so sei sein Mörder Volaginius vom gemeinen Mann zum höchsten Dienstgrad aufgestiegen. Leichter sei es, alle zusammen umzustoßen, als einzelnen auszuweichen.67 76. Wie er in solchen Befürchtungen hin und her schwankte, suchte ihm unter anderen Legaten und Freunden auch Mucianus Mut zu machen, der nach vielen geheimen Besprechungen



Mucianus als Berater des Vespasianus

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nunmehr auch in aller Öffentlichkeit folgendes sagte: »Alle, die mit Plänen für große Unternehmungen umgehen, müssen erwägen, ob ihr Beginnen dem Gemeinwesen Nutzen bringt, ob es für sie selbst rühmlich, leicht ausführbar oder wenigstens nicht zu schwierig ist. Zugleich muss man den, der rät, kritisch prüfen, ob er auch sein eigenes Risiko mit seinem Rat verbindet und, falls das Glück dem Beginnen hold gewesen ist, für wen dann die höchste Ehre erworben wird. Ich bin es, der dich, Vespasianus, zur Herrschaft ruft. Welches Heil sie dem Gemeinwesen bringt, welchen hohen Glanz dir selbst, das ist nächst den Göttern in deine Hand gelegt. Fürchte dich nicht vor gleißnerischer Schmeichelei! Der Schande dürfte es näherliegen als der Ehre, nach einem Vitellius erwählt zu werden. Nicht gegen des vergöttlichten Augustus so scharfen Verstand, nicht gegen das so überaus vorsichtige Alter des Tiberius, auch nicht gegen des Gaius oder Claudius oder Neros in langer Regierungszeit fest gegründetes Haus erheben wir uns. Du bist auch vor den Ahnenbildern Galbas zurückgetreten. Weiterhin in Stumpfheit zu verharren und das Gemeinwesen der Schändung und dem Verderben preiszugeben, würde als verschlafene Trägheit und als Feigheit erscheinen, selbst wenn dir die Knechtschaft ebenso viel Sicherheit bieten würde, als sie dir Schande bringt. Entschwunden und vergangen ist jetzt die Zeit, da du den Anschein hättest erwecken können, als habest du nur Wünsche gehabt. Zur Herrschaft musst du jetzt deine Zuflucht nehmen. Oder ist dir entfallen, dass Corbulo ermordet worden ist.68 Er war von glänzenderer Abkunft als wir. Das gestehe ich. Aber auch Nero übertraf an Adel seines Geschlechtes den Vitel­lius. Berühmt genug ist in den Augen dessen, der fürchtet, der Gefürchtete, wer er auch sei. Und dass die Möglichkeit besteht, vom Heer zum Fürsten erhoben zu werden, dafür liefert Vitel­lius sich selbst den Beweis: ohne irgendeinen Kriegsdienst, ohne irgendwelchen militärischen Ruhm ist er nur dadurch hochgekommen, dass Galba gehasst wurde. Auch Otho ist nicht durch Feldherrnkunst oder Heeresmacht, sondern nur durch dessen übereiltes Verzweifeln an seiner Sache von ihm besiegt worden. Und schon hat er ihn zu einem großen Fürsten gemacht, den man sich zurückwünscht, während er inzwischen überall die

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Zweites Buch, Kapitel 77 – 79

Legionen verteilt, die Kohorten entwaffnet und täglich neuen Samen für den Krieg ausstreut. Wenn der Soldat noch einen Funken von Begeisterung und Draufgängertum gehabt hat, so wird dieser durch Schlemmerei, Trinkgelage und durch das Bemühen, es dem Fürsten gleichzutun, zum Erlöschen gebracht. Dir stehen von Judäa, Syrien und Ägypten neun frische, von keiner Schlacht erschöpfte, durch keine Zwietracht verdorbene Legionen, vielmehr eine im Dienst gestählte Truppe zur Verfügung, die einen Krieg im Ausland niedergezwungen hat, die starken Kräfte der Flotten, der Reiterabteilungen, der Kohorten und deine allen übrigen überlegene Erfahrung. 77. Für mich nehme ich nichts weiter in Anspruch, als dass man mich nicht hinter Valens und Cäcina stelle. Doch verschmähe nicht Minucius als deinen Bundesgenossen, weil du in ihm keinen Nebenbuhler erlebst! Mich selbst stelle ich über Vitellius, dich über mich. Dein Haus hat bereits durch Triumphe einen Namen, es hat zwei Jünglinge, von denen der eine schon zur Herrschaft reif ist und in den ersten Jahren seines Kriegsdienstes bei den germanischen Heeren Berühmtheit erlangt hat.69 Es wäre töricht, dem die Herrschaft nicht zu überlassen, dessen Sohn ich adoptieren würde, wenn ich selbst Herrscher wäre. Übrigens wird unter uns der Ablauf von Glück und Unglück nicht der gleiche sein. Denn, siegen wir, werde ich die Ehre haben, die du mir gibst. Not und Gefahr werden wir zu gleichen Teilen zu tragen haben. Vielmehr, wie es auch besser ist, führe du deine Heere, mir überlass den Krieg und die Ungewissheit der Schlachten! Größere Disziplin als die Sieger lassen heute die Besiegten walten. Diese feuern Zorn, Hass, Rachbegierde zur Tapferkeit an, jene erschlaffen in ihrem aufgeblasenen Dünkel. Aufdecken und bloßlegen wird die verdeckten, schwellenden Wunden der siegreichen Partei der Krieg selbst. Und ich baue auf deine Wachsamkeit, Sparsamkeit und Weisheit nicht mehr als auf des Vitellius Stumpfheit, Unwissenheit und Grausamkeit. Aber die Sache, die wir vertreten, steht im Kriege besser als im Frieden. Denn wer überlegt, hat sich bereits losgesagt.« 78. Nach seiner Rede umringten Mucianus die übrigen und zeigten größeren Mut. Sie redeten zu und wiesen auf Sehersprüche und Bewegungen von Gestirnen hin. Und solcher Aberglauben



Günstige Vorzeichen für Vespasianus

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ließ ihn nicht unberührt. Hat er doch bald nachher als Herrscher des Reiches sich in aller Öffentlichkeit einen Mathematiker, einen gewissen Seleucus, gehalten, von dessen Prophezeiungen er sich leiten ließ. Die alten Vorzeichen traten ihm wieder ins Bewusstsein: ein Zypressenbaum von beträchtlicher Höhe war auf seinen Feldern plötzlich zusammengebrochen, und am folgenden Tag erhob er sich wieder an der gleichen Stelle, schlank und noch üppiger grünend. Nach der übereinstimmenden Deutung der Opferschauer war dies etwas Gewichtiges und Günstiges, das dem noch ganz jungen Vespasianus höchste Berühmtheit in Aussicht stellte. Doch vorderhand schienen die Triumphinsignien,70 das Konsulat und der ruhmvolle Sieg in Judäa den Glauben an das Vorzeichen bestätigt zu haben. Sobald er dies erreicht hatte, glaubte er, es kündige sich ihm die Herrschaft an. Zwischen Judäa und Syrien liegt der Karmel. So nennt man den Berg und auch den Gott. Aber es gibt dort kein Bild für den Gott oder einen Tempel – so lautet die Überlieferung der Vorfahren –, sondern nur einen Altar und kultische Verehrung. Als Vespasianus dort opferte und er dabei geheime Hoffnungen in seinem Herzen nährte, beschaute der Priester Basilides wiederholt die Eingeweide und sagte dann: »Was du vorhast, Vespasianus, sei es, dass du ein Haus bauen oder deine Felder ausdehnen oder die Zahl deiner Sklaven vermehren willst, gegeben wird dir ein großer Wohnsitz, ein gewaltiges Gebiet und eine große Menge Menschen.« Diese zweideutigen Redensarten hatte das Gerede der Leute gleich aufgegriffen und fand jetzt die Deutung. Und von nichts wurde in dem Volke mehr gesprochen. Umso häufiger war die Unterhaltung darüber auch vor ihm selbst, da man ja gegenüber solchen, die Hoffnungen hegen, gesprächiger wird. In fester Entschlossenheit trennten sie sich, Mucianus ging nach Antiochia, Vespasianus nach Cäsarea. Jenes ist die Hauptstadt von Syrien, dieses von Judäa. 79. Der Anstoß, Vespasianus die Herrschaft zu übertragen, ging von Alexandria aus, wo Tiberius Alexander71 in aller Eile am ersten Juli die Legionen auf ihn den Fahneneid schwören ließ. Dies wurde auch in Zukunft als der Tag seines Regierungsantritts gefeiert, obgleich das in Judäa stationierte Heer auf ihn erst am dritten Juli geschworen hatte, und dies mit solcher Be-

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Zweites Buch, Kapitel 80 – 82

geisterung, dass man nicht einmal mehr auf seinen Sohn Titus wartete, der auf dem Rückweg von Syrien sich befand und die Abmachungen zwischen Mucianus und seinem Vater vermittelte. Alles spielte sich unter dem stürmischen Drängen der Soldaten ab, ohne dass man eine Soldatenversammlung veranstaltet und die Legionen zusammengezogen hätte. 80. Während man noch über die Frage von Zeit, Ort und – was in einer solchen Lage das Schwierigste ist – darüber beriet, wer das erste Wort sprechen solle, während Hoffnung und Furcht, kühle Berechnung und etwaige Zufallsmöglichkeiten die Gedanken beschäftigen, trat Vespasianus aus seinem Schlafgemach heraus. Da begrüßten ihn einige wenige Soldaten, die in der für die Morgenbegrüßung eines Legaten üblichen Ordnung angetreten waren, als Imperator. Dann liefen auch die übrigen herbei und überschütteten ihn mit den Zurufen »Cäsar« und »Augustus« und allen anderen Titeln eines Prinzeps. Seine Stimmung war von Besorgnis in den Glauben an seine Berufung umgeschlagen. Dabei zeigte er keine Spur von Dünkel, Anmaßung oder von einem angesichts der neuen Lage veränderten Wesen, sobald er den Nebel, der sich bei einer solchen Erhöhung vor seine Augen legte, zerstreut hatte, sprach er in soldatischem Tone und konnte von allen Seiten ihm reichlich zuströmende Freudenkundgebungen entgegennehmen. Denn eben darauf hatte Mucianus nur gewartet, um die in gehobener Stimmung befindlichen Soldaten auf Vespasianus zu vereidigen. Darauf ging er in das Theater von Antiochia, wo die Antiochener ihre Beratungen abzuhalten pflegen, und hielt an die zusammenströmende und sich in überströmenden Huldigungen ergehende Bevölkerung eine Rede, und zwar mit griechischer Beredsamkeit, in der er ebenfalls recht glänzte, wie er überhaupt bei all seinem Reden und Handeln eine gewisse künstlerische Art zur Schau trug. Nichts brachte die Provinz und das Heer so in Aufregung, als die Versicherung von Mucianus, Vitellius habe beschlossen, die germanischen Legionen nach Syrien zu einem einträglichen und geruhsamen Kriegsdienst und dafür die syrischen Legionen in die germanischen Winterlager mit ihrem harten Klima und ihren schweren Strapazen zu verlegen. Denn auch die Provinzialen freuten sich über das Zusammen-



Vespasianus wird zum Imperator ausgerufen

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leben mit den Soldaten, an das man sich schon gewöhnt hatte, und sehr viele enge, freundschaftliche und verwandtschaftliche, Beziehungen bestanden zwischen ihnen. Auch liebten die Soldaten ihr Lager, das ihnen in langen Dienstjahren bekannt und vertraut geworden war, wie ihr eigenes Heim. 81. Noch vor dem fünfzehnten Juli hatte ganz Syrien den gleichen Treueid geschworen. Dazu trat noch Sohämus72 mit seinem Königreich und nicht zu verachtenden Streitkräften und Antiochus73 mit seinem alten, riesigen Reichtum, der reichste unter den Vasallenkönigen Roms. Bald war auch, von der Hauptstadt durch geheime Boten seiner Leute abberufen, Agrippa74 in schneller Fahrt herbeigeeilt, noch ehe Vitellius davon erfahren hatte. Und mit nicht geringerer Anteilnahme wurde die flavische Partei von der Königin Berenike, einer jungen, schönen Erscheinung, die auch bei dem greisen Vespasianus durch ihre prächtigen Geschenke Gefallen fand, unterstützt. Das ganze Küstengebiet der Provinzen bis nach Asien und Achaia hin und das ganze Land, das sich landeinwärts nach Pontus und Armenien hin ausdehnt, leistete den Eid. Aber die Legaten regierten ohne bewaffnete Macht, da Cappadocien noch keine Legionen erhalten hatte. Über die Gesamtlage wurde in Berytus eine Beratung abgehalten. Dorthin kam Mucianus mit den Legaten und Tribunen und auch mit den angesehensten Zenturionen und Mannschaften sowie die Elite aus dem in Judäa stationierten Heer. Soviel Fußvolk und Reiterei und ein solcher Aufzug untereinander rivalisierender Könige hatte die Vorstellung fürstlicher Hoheit erweckt. 82. Die erste Kriegsaufgabe bestand darin, Aushebungen zu veranstalten und die Veteranen wieder unter die Waffen zu rufen. Wirtschaftlich starke Gemeinden wurden dazu bestimmt, Waffenfabriken in Betrieb zu setzen. In Antiochia wurde Gold und Silber geprägt, und alle diese Maßnahmen wurden, jede an dem für sie bestimmten Platz, durch geeignete Hilfskräfte beschleunigt. Vespasianus machte dabei persönliche Besuche, gab Ermahnungen, spornte die Tüchtigen durch Lob, die Trägen öfters durch sein Vorbild als durch Zurechtweisung an und übersah an seinen Freunden eher die Fehler als die Tugenden. Viele ehrte er mit Präfekturen und Prokuraturen, die meisten

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Zweites Buch, Kapitel 83 – 85

mit der Würde des Senatorenranges, lauter hervorragende Männer, die bald zu den höchsten Ämtern gelangten. Bei einigen ersetzte das Glück die Verdienste. Was das »Geschenk« an die Soldaten betraf, so hatte es Mucianus gleich in der ersten Soldatenversammlung nur in bescheidenem Rahmen in Aussicht gestellt, und auch Vespasianus bot im Bürgerkrieg nicht mehr an als andere im Frieden. Er zeigte eine außerordentliche Festigkeit gegenüber Spenden an die Soldaten, wodurch er auch das bessere Heer hatte. Zu den Parthern und Armeniern wurden Gesandte geschickt und Vorsorge getroffen, dass nicht die Legionen im Rücken ungedeckt seien, wenn sie sich dem Bürgerkrieg zugewendet hätten. Man beschloss, Titus solle Judäa in Schach halten, Vespasianus die Zugänge zu Ägypten besetzen. Gegen Vitellius schien ein Teil der Truppen und an ihrer Spitze Mucianus, der Name des Vespasianus und der Glaube, dass es für das Schicksal nichts Unüberwindliches gäbe, auszureichen. An alle Heere und Legaten wurden Sendschreiben erlassen mit der Anweisung, die gegen Vitellius aufsässigen Prätorianer durch Belohnungen zur Wiederaufnahme ihres Dienstes einzuladen. 83. Mucianus, an der Spitze von leichten Truppen, spielte mehr die Rolle eines Mitregenten als eines Gehilfen des Herrschers. Er marschierte nicht gemächlich, um nicht den Eindruck des Zögerns zu erwecken, aber auch nicht in Eile, und ließ seinen Ruf durch die bloße Entfernung wachsen, wobei er sich bewusst war, dass er nur über eine bescheidene Truppenmacht verfügte und man sich von dem, was man nicht vor Augen hat, größere Vorstellungen macht. Aber die sechste Legion und dreizehntausend Vexillarier folgten ihm in einer mächtigen Marschkolonne. Er hatte befohlen, die Flotte aus Pontus nach Byzantium zu führen, noch unschlüssig, ob er nicht Mösien beiseitelassen und Dyrrhachium mit seinem Fußvolk und seinen Reitern und zugleich mit den Kriegsschiffen das Meer gegen Italien hin sperren solle. Es sollte so im Rücken Achaia und Asien gesichert werden, Gebiete, die dem Vitellius waffenlos preisgegeben würden, wenn man sie nicht durch Besatzungen abschirmen würde. Und Vitellius selbst werde so in Unsicherheit darüber sein, welchen Teil Italiens er schützen solle, wenn



Mucianus zieht nach Westen

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ihm Brundisium, Tarent und die Küsten von Calabrien und Lucanien durch feindliche Flotten bedroht würden. 84. So waren denn die Provinzen erfüllt von dem Lärm, den die Bereitstellung von Schiffen, Soldaten und Waffen verursachten. Aber nichts bereitete so große Schwierigkeiten, wie die Beitreibung der Gelder. Während Mucianus immer wieder erklärte, diese seien die Nerven des Bürgerkrieges, schaute er bei den richterlichen Untersuchungen nicht auf Recht und Wahrheit, sondern allein auf die Größe des jeweiligen Vermögens.75 Überall gab es Denunziationen, und gerade auf die reichsten Leute stürzte man sich als geeignete Beute. Diese Vorgänge waren bedrückend und unerträglich, aber durch den harten Zwang des Krieges entschuldigt, und sie dauerten auch im Frieden noch fort, obwohl Vespasianus zu Beginn seiner Regierung sich nicht sonderlich darauf versteifte, ungerechte Forderungen durchzusetzen, bis er, durch das Glück verwöhnt, es von schlechten Lehrmeistern lernte und dazu auch den Mut fand. Auch mit seinem eigenen Vermögen steuerte Mucianus zu den Kriegskosten bei, freigebig als Privatmann spendend, was er dafür desto gieriger von dem Gemeinwesen wieder nahm. Die übrigen folgten seinem Beispiel im Beisteuern von Geld, aber nur ganz selten stand einem die gleiche ungehemmte Freiheit offen, es wiederzubekommen. 85. Inzwischen wurde das Unternehmen des Vespasianus dadurch beschleunigt, dass das illyrische Heer zu seiner Partei übertrat. Die dritte Legion lieferte für die übrigen Legionen Mösiens den Vorgang. Es waren dies die achte und die siebte Claudianische, die ganz für Otho eingenommen waren, obwohl sie an der Schlacht nicht teilgenommen hatten. Sie waren nach Aquileia vorgerückt und hatten die Boten, die Othos Tod meldeten, fortgejagt, die Fahnen, die den Namen Vitellius trugen, zerrissen, zuletzt die Kriegskasse geplündert und das Geld unter sich verteilt, wobei sie sich wie Feinde benommen hatten. Daraus ergaben sich Befürchtungen und aus diesen wiederum die Überlegung, man könnte sich das bei Vespasianus gutschreiben, wofür man sich bei Vitellius entschuldigen musste. So wollten die drei mösischen Legionen durch Sendschreiben das pannonische Heer zu sich herüberziehen oder, falls dieses

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Zweites Buch, Kapitel 86 – 87

eine ablehnende Haltung einnehmen sollte, Gewalt gebrauchen. Während dieses Aufruhrs wagte Aponius Saturninus, der Statthalter von Mösien, eine äußerst verwerfliche Tat: er schickte einen Zenturio zur Ermordung von Tettius Iulianus, dem Legaten der siebten Legion, ab, und zwar war der Beweggrund persönliche Feindschaft, die er hinter dem Deckmantel des Eintretens für die Partei verbarg. Iulianus erfuhr von der drohenden Gefahr und mit Hilfe von ortskundigen Leuten, die er beizog, floh er durch unwegsame Gegenden Mösiens über das Hämusgebirge. Er beteiligte sich darauf nicht am Bürgerkriege und zog, bald hier, bald dort sich aufhaltend, die zu Vespasianus unternommene Reise in die Länge, wobei er, je nachdem die Nachrichten lauteten, zögerte oder sich auch beeilte. 86. Aber in Pannonien schlossen sich die dreizehnte und die siebte Galbianische Legion, die von ihrem Schmerz und ihrer Erbitterung über die Schlacht bei Bedriacum nicht loskamen, ohne Zögern an Vespasianus an, wobei besonders Primus Antonius die treibende Kraft bildete. Dieser, den Strafgesetzen verfallen und zu Neros Zeiten wegen einer Fälschung verurteilt, hatte – zu den übrigen unglückseligen Auswüchsen des Krieges zählte auch dieser – die Senatorenwürde wiedererlangt. Von Galba an die Spitze der siebten Legion gestellt, schrieb er, wie man glaubte, wiederholt an Otho und bot sich als Heerführer für dessen Partei an. Aber er wurde von diesem nicht weiter beachtet und fand in dem Othonianischen Krieg keine Verwendung. Als die Sache des Vitellius ins Wanken kam, schloss er sich Vespasianus an und legte damit ein bedeutendes Gewicht in die Waagschale. Er war ein tüchtiger Haudegen, ein gewandter Redner, ein Meister in der Kunst, Missstimmung gegen andere zu erregen, vielvermögend, wo Zwietracht und Meuterei sich geltend machten, räuberisch, verschwenderisch, im Frieden ein ganz verworfener Mensch, im Kriege nicht zu verachten. Als sich dann die mösischen und pannonischen Heere zusammengeschlossen hatten, zogen sie auch die dalmatischen Truppen auf ihre Seite, obwohl die konsularischen Legaten in keiner Weise aufrührerisch eingestellt waren. Tampius Flavianus stand in Pannonien, Pompeius Silvanus in Dalmatien; beides waren reiche Greise. Aber als Prokurator war Cornelius Fuscus da, ein



Weitere Legionen für Vespasianus

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Mann im besten Alter und aus berühmtem Geschlecht. Noch in ganz jungen Jahren hatte er in dem Wunsch nach Ruhe die Senatorenwürde abgelegt;76 sodann übernahm er für Galba die Führung seiner Koloniestadt77 und erlangte durch diese Dienstleistung die Stellung eines Prokurators. Als er die Partei des Vespasianus ergriffen hatte, trug er am leidenschaftlichsten die Fackel des Krieges voran. Er hatte nicht so sehr Freude an Belohnungen für die Gefahren, wie an den Gefahren selbst. Und dem sicheren und schon längst erworbenen Besitz zog er das Neue, Unsichere und Gefahrvolle vor. So machte man sich also daran, wo sich irgendetwas Ungesundes zeigte, daran zu rühren und zu rütteln. Nach Britannien wurden an die vierzehnte, nach Spanien an die erste Legion Sendschreiben gerichtet, weil beide Legionen auf Othos Seite und gegen Vitellius gestanden hatten. In Gallien wurden überall Schriften verbreitet. Im Nu loderte ein gewaltiger Kriegsbrand, da die illyrischen Heere offen abfielen, während die übrigen Miene machten, dem Glück zu folgen. 87. Während diese Maßnahmen in den Provinzen von Vespasianus und den Heerführern seiner Partei getroffen wurden, zog Vitellius,78 von Tag zu Tag verächtlicher und träger, haltmachend, wo ihm die Anmut einer Landstadt oder eines Landhauses vor Augen trat, mit einer schwerfälligen Marschkolonne auf die Hauptstadt zu. Sechzigtausend Bewaffnete zogen hinter ihm her in disziplinloser Verkommenheit. Die Zahl der Trossknechte war noch größer. Dazu kamen die Marketender, die in ihrer frechen Wesensart sich noch vor den Sklaven hervortaten. Ferner zog ein Gefolge von so vielen Legaten und Freunden mit, dass es unfähig zum Gehorsam war, auch wenn man es mit straffster Disziplin gelenkt hätte. Noch mehr belasteten diesen Haufen die Senatoren und Ritter, die aus der Hauptstadt entgegengekommen waren, teils aus Angst, viele, um ihre Schmeicheleien anzubringen, die übrigen und allmählich alle, um nicht selbst zurückzubleiben, während andere sich auf den Weg machten. Dazu gesellten sich scharenweise aus dem Pöbel Leute, die Vitellius durch schändliche Willfährigkeit bekannt waren: Possenreißer, Schauspieler, Wagenlenker, an deren entehrender Freundschaft er eine sonderbare Freude fand. Und

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Zweites Buch, Kapitel 88 – 91

nicht nur die Koloniestädte oder Landstädte wurden durch das Herbeischaffen von Vorräten, sondern die Bauern selbst mit ihren Feldern, auf denen die Früchte schon reif waren, wie in Feindesland heimgesucht. 88. Unter den Soldaten kam es zu vielen schrecklichen Mordtaten, weil seit der in Ticinum ausgebrochenen Meuterei die Zwietracht zwischen den Legionen und Hilfsvölkern nicht aufhörte und nur, wenn man mit der Landbevölkerung zu kämpfen hatte, Einmütigkeit herrschte. Doch das größte Blutbad gab es bei dem siebten Meilenstein vor Rom. Dort hatte Vitellius für jeden Soldaten eine Mahlzeit richten lassen und ließ sie austeilen wie einen Gladiatorenfraß. Und der herbeigeströmte Pöbel hatte sich über das ganze Lager verbreitet. Einige Leute, die sich nach Sklavenart einen Scherz erlauben wollten, nahmen arglosen Soldaten ihre Waffe weg, nachdem sie ihnen heimlich das Wehrgehenk abgeschnitten hatten, und fragten, ob sie denn ein Schwert hätten. Die Soldaten ließen sich, da sie an Beschimpfungen nicht gewöhnt waren, den Spott nicht gefallen und stürzten sich mit ihren Schwertern auf das unbewaffnete Volk. Unter anderen wurde auch der Vater eines Soldaten erschlagen, als er seinen Sohn begleitete. Als man ihn dann erkannte und sich der Mord herumsprach, verschonte man die Unschuldigen. Jedoch in der Hauptstadt gab es große Unruhe, da überall einzelne vorauseilende Soldaten auftauchten. Ihr Weg führte sie hauptsächlich zum Forum, weil sie den Platz zu sehen wünschten, an dem Galba gelegen habe. Und sie selbst boten ein nicht weniger wildes Schaustück, da sie mit ihren schaudererweckenden Tierfellen und ihren mächtigen Wurfwaffen, wenn sie in ihrer Ungeschicklichkeit dem Gedränge des Volkes nicht recht auswichen oder, wo sie auf dem schlüpfrigen Boden oder bei dem Zusammenstoß mit einem Entgegenkommenden stürzten, nach anfänglichem Wortwechsel zum Handgemenge und schließlich zum Waffengebrauch übergingen. Ja, auch Tribunen und Präfekten rannten mit Scharen von Bewaffneten umher und verbreiteten Schrecken. 89. Vitellius selbst ritt von der Mulvischen Brücke aus auf einem prächtigen Pferd, im Feldherrnmantel mit dem Schwert umgürtet heran, Senat und Volk vor sich hertreibend. Durch



Einzug des Vitellius in Rom und Rede vor dem Senat

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den Rat seiner Freunde ließ er sich davon abschrecken, wie in eine eroberte Stadt einzuziehen: er legte die Prätexta79 an und rückte in geordnetem Zuge ein. Vorn wurden die Adler von vier Legionen getragen, flankiert von ebenso vielen Fahnen anderer Le­gio­nen, dann kamen die Feldzeichen von zwölf Reiterabteilungen und hinter den Reihen des Fußvolkes die Reiterei. Es folgten vierunddreißig Kohorten, gesondert nach den Namen der Völkerschaften oder den Waffengattungen. Vor den Adlern gingen die Lagerpräfekten, Tribunen und Zenturio­ nen erster Klasse im weißen Gewand, von den übrigen jeder bei seiner Zenturie im schimmernden Schmuck der Waffen und Auszeichnungen. Auch die Soldaten hatten ihren glänzenden Brustschmuck und ihre Halsketten80 angelegt. Es war ein prachtvolles Bild und ein Heer, eines jeden Fürsten würdig, nur nicht des Vitellius. So zog er auf das Kapitol, und dort umarmte er seine Mutter und ehrte sie mit dem Titel Augusta. 90. Am folgenden Tag hielt er, als wäre es vor dem Senat und dem Volk einer fremden Gemeinde, eine hochtrabende Rede über seine eigene Person, in der er seine Tatkraft und sein Maßhalten lobend hervorhob, während doch gerade die Anwesenden und ganz Italien, durch das er in schwelgerischer Trägheit als eine beschämende Erscheinung gezogen war, sich seines schändlichen Treibens bewusst waren. Die große Masse jedoch, die unbekümmert zwischen Wahrem und Falschem keinen Unterschied machte und auch in den üblichen Schmeicheleien bewandert war, ließ sich mit Geschrei und Zurufen lärmend vernehmen. Und als er den Titel Augustus ablehnte, drängten sie ihn dazu, ihn anzunehmen, obgleich dies ebenso zwecklos war, wie seine frühere Weigerung.81 91. Bei der Bürgerschaft, die allem eine Ausdeutung gab, wurde es als ein unglückbringendes Vorzeichen aufgefasst, dass Vitellius nach der Erlangung des Amtes als Oberpriester für die öffentlichen Feierlichkeiten den achtzehnten Juli angeordnet hatte, einen Tag, der durch die Niederlagen an der Cremera82 und an der Allia83 seit alters als unheilvoll galt. So unkundig in allem menschlichen und göttlichen Recht benahm er sich, während seine Freigelassenen und Freunde sich der gleichen Stumpfheit hingaben, wie unter Betrunkenen. Aber die Wahl

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Zweites Buch, Kapitel 92 – 93

der Konsuln hielt er mit den von ihm bezeichneten Kandidaten in anspruchsloser Weise ab, wobei er sich um jede Zustimmung des niedrigsten Pöbels bemühte, so wie er auch im Theater als Zuschauer, im Circus als Gönner sich zeigte, was freilich anerkennenswert und volkstümlich gewesen wäre, wenn es edlen Motiven entsprungen wäre. Es wurde aber in Erinnerung an seinen bisherigen Lebenswandel als unanständig und ordinär empfunden. Er kam oft in den Senat, auch wenn die Senatoren über unbedeutende Angelegenheiten befragt wurden. Und zufällig hatte einmal der designierte Prätor Priscus Helvidius84 einen ihm nicht genehmen Antrag gestellt. Zuerst kam Vitel­ lius in Erregung. Doch ging diese nur soweit, dass er die Volkstribunen zu Hilfe für seine missachtete Amtsbefugnis85 aufrief. Als ihn dann seine Freunde, die seinen tiefergehenden Groll befürchteten, zu beschwichtigen suchten, antwortete er, es bedeute kein ungewöhnliches Ereignis, wenn zwei Senatoren in den Fragen der Politik verschiedener Meinung seien. Er sei ja gewohnt, auch Thrasea zu widersprechen. Die meisten spotteten über diesen unverfrorenen Versuch, sich gleichzustellen. Anderen wieder gefiel eben dies, dass er keinen von den besonders einflussreichen Persönlichkeiten, sondern Thrasea als Muster für wahren Ruhm auserlesen habe. 92. Er hatte Publilius Sabinus, der bisher eine Kohorte befehligt hatte,86 und den damaligen Zenturio Iulius Priscus zu Befehlshabern der Prätorianer gemacht. Priscus hatte Einfluss, weil er bei Valens, Sabinus, weil er bei Cäcina in Gunst stand. Solange diese in Zwietracht lebten, hatte Vitellius nichts zu sagen. Die Regierungsgeschäfte besorgten Cäcina und Valens, schon seit langem voll Angst in ihren gegenseitigen Hassgefühlen, die, im Kriege und im Feldlager nur schlecht verhehlt, durch die Schlechtigkeit der Freunde und durch die Bürgerschaft, die einen fruchtbaren Nährboden für die Erzeugung von Feindschaften bildete, noch gesteigert waren. Dabei suchten sie einander, in ihrem Bemühen um Beliebtheit durch ihr Gefolge und durch die riesigen Scharen von Leuten, die ihnen ihre Aufwartung machten, den Rang streitig zu machen und sich gegenseitig auszustechen, wobei Vitellius abwechselnd bald diesem, bald jenem sich zuwandte. Und nie steht Macht auf richtig zuver-



Cäcina und Valens · Disziplinlosigkeit im Heer

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lässiger Grundlage, wo sie allzu groß ist. Zugleich achteten und fürchteten sie Vitellius selbst, da er zwischen plötzlichem Beleidigtsein und unzeitiger Schmeichelei hin und her schwankte. Doch waren sie darum um nichts saumseliger gewesen, wo es galt, sich auf Häuser, Gärten und auf das Vermögen des Reiches zu stürzen, während der bejammernswerte, verarmte Haufe der Adeligen, die Galba mitsamt ihren Kindern dem Vaterland wiedergegeben hatte, in keiner Regung des Mitgefühls seitens des Fürsten Unterstützung fand. Den führenden Männern der Bürgerschaft willkommen und auch von dem niederen Volk gebilligt, war die Maßregel, dass er den aus der Verbannung Zurückgekehrten den rechtlichen Anspruch auf ihre Freigelassenen zugebilligt hatte, obgleich die Sklavenseelen diesen auf jede Weise hinfällig zu machen suchten. Sie ließen ihr Geld in geheime Verstecke oder in Taschen von Leuten verschwinden, die der Bestechung zugänglich waren. Manche traten sogar in das Haus des Cäsars über und wurden dort mächtiger als ihre Herren selbst. 93. Aber da die Kasernen voll waren und die große Menschenmasse nicht mehr fassten, trieben sich die Soldaten in den Säulenhallen oder Tempeln und sonst in der ganzen Stadt herum, ohne ihren Antrittsplatz zu kennen, ohne ihre Wache zu beziehen und sich durch körperliche Übung zu kräftigen. Durch die Verführungen der Hauptstadt und durch Dinge, von denen anständige Menschen nicht sprechen, schwächten sie sich körperlich bei ihrem Nichtstun, seelisch durch ihre Ausschweifungen. Schließlich schlug ein großer Teil ohne Rücksicht auf seine Gesundheit in der berüchtigten Gegend des Vaticanus87 seine Zelte auf, was zur Folge hatte, dass zahlreiche Todesfälle unter den Mannschaften vorkamen. Das gierige Trinken aus dem Fluss – der Tiber lag ja in der Nähe – und die unerträgliche Hitze untergrub die Gesundheit der ohnehin für Krankheiten anfälligen Germanen und Gallier. Zudem kam infolge von verkehrten Maßnahmen oder Begünstigung die militärische Ordnung durcheinander: sechzehn prätorische und vier städtische Kohorten, die eine Stärke von je tausend Mann haben sollten, wurden ausgehoben.88 Dreister ging bei dieser Aushebung Valens vor, als habe er Cäcina selbst aus der Gefahr befreit. Al-

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Zweites Buch, Kapitel 94 – 96

lerdings war ja mit seinem Erscheinen die Partei erstarkt und das abträgliche Gerede über seinen langsamen Marsch hatte sich durch ein glückliches Gefecht gewandelt. Auch gehörte die gesamte Mannschaft von Niedergermanien zu den Anhängern des Valens; und von da an, glaubte man, sei zuerst Cäcina in seiner Treue wankend geworden. 94. Wenn im Übrigen Vitellius gegenüber den Heerführern nachgiebig war, so billigte er den Mannschaften noch größere Freiheiten zu. Jeder nahm seinen Kriegsdienst, wo es ihm passte. Wollte einer zu der städtischen Truppe, so wurde er dieser zugeschrieben, auch wenn er noch so unwürdig war. Den tüchtigen Leuten andererseits wurde es freigestellt, wenn sie wollten, in der Legion oder in der bundesgenössischen Reiterei zu bleiben. Und es fehlte nicht an solchen, die dies wollten, da sie von Krankheiten mitgenommen waren und sich über das ungesunde Klima beklagten. Jedoch wurden den Legionen und Reiterabteilungen die Kerntruppen entzogen und die Ehre des Dienstes bei der Prätorianertruppe dadurch untergraben, dass man zwanzigtausend Leute aus dem ganzen Heere eher daruntermengte, als dafür auswählte. Als Vitellius eine Heeresversammlung abhielt, wurde die Hinrichtung der Heerführer in Gallien, des Asiaticus, Flavus und Rufinus, verlangt, weil sie für Vindex Krieg geführt hätten. Und Vitellius hemmte solche Stimmen nicht. Zu der seinem trägen Wesen angeborenen Feigheit kam hinzu, dass er sich sagte, es sei das »Geschenk« an die Soldaten für ihn fällig, aber es fehle das Geld dazu, weshalb er alles andere den Mannschaften in reichlichem Maße bewilligte. Den Freigelassenen der früheren Fürsten wurde befohlen, entsprechend der Zahl ihrer Sklaven eine Art Tribut beizusteuern. Er selbst, nur darauf bedacht, Geld zu verschleudern, errichtete Ställe für Wagenlenker und füllte den Circus mit den Vorführungen von Gladiatorenkämpfen und Tierhetzen. So vergeudete er das Geld, als ob er es in höchstem Überfluss habe. 95. Ja sogar den Geburtstag von Vitellius feierten Cäcina und Valens, indem sie in den verschiedenen Bezirken der ganzen Hauptstadt Gladiatorenspiele abhielten, in einer riesigen Aufmachung, wie man sie bis zu diesem Tag nicht gesehen hatte. Mit Freude wurde es von dem niedersten Pöbel, mit Empörung



Verschwendung am Hof des Vitellius

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von den anständigen Kreisen aufgenommen, dass er auf dem Marsfeld Altäre hatte errichten lassen und für Nero eine Totenfeier veranstaltet hatte. Im Namen des Staates wurden Opfertiere geschlachtet und verbrannt. Das Feuer zündeten die Augustalen an, eine Priesterschaft, die, wie Romulus sie für den König Tatius, so Cäsar Tiberius für das julische Geschlecht gestiftet hat.89 Noch nicht vier Monate waren es seit dem Siege und schon suchten es Asiaticus, der Freigelassene des Vitellius, Leuten wie Polyclitus, Patrobius und anderen früheren Trägern verhasster Namen gleichzutun. Niemand wetteiferte an jenem Hofe in anständigem Benehmen oder ernsthafter Tätigkeit. Den einzigen Weg zur Macht sah man darin, dass man durch verschwenderische Mahlzeiten und kostspielige Schlemmerei die unersättliche Gier des Vitellius zu stillen suchte. Er selbst glaubte, übergenug getan zu haben, wenn er die Gegenwart genieße, ohne für die weitere Zukunft zu sorgen, und man nimmt an, dass er neunmal hundert Millionen Sesterzen in ganz wenigen Monaten durchgebracht hat. Aber die große, unglückliche Bürgerschaft, die im gleichen Jahr Otho und nun Vitellius über sich ergehen lassen musste, lebte zwischen Gestalten wie Vinius und Fabius, Icelus und Asiaticus in einem Los, das ebenso wechselvoll wie schimpflich war, bis Mucianus und Marcellus90 an ihre Stelle traten, eher andere Personen als andere ­Charaktere. 96. Zuerst wurde Vitellius der Abfall der dritten Legion gemeldet, und zwar durch einen Brief, den er von Aponius Saturninus91 erhielt, noch ehe auch dieser sich der Partei des Vespa­ sia­nus anschloss. Aber Aponius hatte in der Bestürzung über das plötzliche Ereignis nicht alles genau geschrieben, und die schmeichelnden Freunde gaben dem Schreiben eine harmlosere Auslegung: es handle sich lediglich um die Meuterei einer einzigen Legion, während die übrigen Legionen in unerschütterlicher Treue verharren würden. In diesem Sinne sprach auch Vitellius vor den Soldaten, zog gegen die kürzlich verabschiedeten Prätorianer mit der Erklärung los, von diesen würden falsche Gerüchte ausgestreut, und behauptete, es bestehe keinerlei Bürgerkriegsgefahr. Dabei unterschlug er den Namen des Vespasianus, und es mussten Soldaten in der Stadt patrouillieren,

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Zweites Buch, Kapitel 97 – 100

um das Gerede des Volkes einzudämmen. Dies war ein ausgezeichnetes Mittel, dem Gerücht Stoff zuzuführen. 97. Dennoch rief er die Hilfstruppen aus Germanien, B ­ ritannien und Spanien auf, aber in lahmer Form und seine Notlage verheimlichend. Gleichermaßen zögerten die Legaten und Provinzen. Hordeonius Flaccus war, weil man den Batavern schon nicht mehr trauen konnte, in Ängsten wegen eines Krieges in seinem eigenen Bereich, Vettius Bolanus, weil Britannien nie so recht zur Ruhe gebracht worden war. Zugleich waren beide in ihrer Haltung schwankend. Auch in Spanien fühlte man sich zu keiner Eile veranlasst, weil damals sich dort kein Konsular befand.92 Die Legaten der drei Legionen, die, in ihren Rechten gleichgestellt, um die Wette Gehorsam bezeugt hätten, wenn die Sache des Vitellius günstig gestanden wäre, lehnten es gleichermaßen ab, sich in sein Unglück hineinziehen zu lassen. In Afrika nahmen die Legion und die Kohorten, die Clodius Macer ausgehoben und dann Galba entlassen hatte, auf Befehl des Vitellius ihren Kriegsdienst wieder auf. Zugleich meldete sich tatbereit die übrige junge Mannschaft. Denn Vitellius hatte dort als Prokonsul eine saubere, ihn empfehlende, Vespasianus eine berüchtigte und verhasste Verwaltung ausgeübt. Daraus zogen die Bundesgenossen ihre Schlüsse auf die Regierungsweise von beiden. Aber die Erfahrung sprach dagegen. 98. Zuerst förderte der Legat Valerius Festus in redlicher Weise die Bestrebungen der Provinzialen. Doch bald trieb er ein doppeltes Spiel, indem er öffentlich in Briefen und Erlassen sich auf die Seite des Vitellius, in geheimen Botschaften auf die des Vespasianus stellte. Dabei hatte er die Absicht, diese oder jene Sache zu verfechten, je nachdem sie erstarkt wäre. Mit Briefen und Erlassen des Vespasianus wurden einige Soldaten und Zenturionen in Rätien und Gallien aufgegriffen und vor Vitellius gebracht, der sie hinrichten ließ. Eine größere Anzahl schlug sich unbemerkt durch, da sie dank der treuen Freunde oder dank ihrer eigenen Schlauheit sich verbergen konnten. So wurden die Vorbereitungen des Vitellius bekannt, während die Maßnahmen des Vespasianus zum größten Teil unbekannt blieben. Fürs erste war daran die Sorglosigkeit des Vitellius schuld, sodann hielten die Besatzungen, die an den Übergängen über



Agitationen der Flavier in Gallien und Rätien

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die pannonischen Alpen standen, die Boten zurück. Auch war das Meer infolge des Wehens der Etesien93 für die Fahrt in den Osten günstig, während dies umgekehrt nicht der Fall war. 99. Endlich befahl er, bei dem Einfall der Feinde durch bedrohliche Nachrichten, die von überall her einliefen, aufgeschreckt, Cäcina und Valens, sich zum Krieg bereit zu machen. Cäcina wurde vorausgeschickt, den Valens, der eben zum ersten Mal nach einer schweren Krankheit wieder aufstand, hemmte seine körperliche Schwäche. Ein ganz verändertes Bild bot das germanische Heer bei seinem Aufbruch aus der Hauptstadt: keine körperliche Frische, kein seelischer Schwung, eine träg dahinschleichende Kolonne, in der sich Lücken zeigten, die Ausrüstung schlotterte den Soldaten am Leibe, die Pferde waren matt, und die Soldaten selbst waren an Sonne, Staub und Wetter nicht gewöhnt, und je schwächlicher sie sich gegenüber dem Ertragen von Anstrengungen zeigten, um so bereiter waren sie zu Zwietracht. Dazu trat der alte Ehrgeiz und die neuerliche Erschlaffung Cäcinas, der sich allzu sehr seinem Glücksgefühl hingab und sich in ein hemmungsloses Wohlleben stürzte. Vielleicht ging er auch schon mit dem Gedanken an Verrat um und gehörte dies zu seinen Kunstgriffen, mit denen er die Tüchtigkeit des Heeres untergrub. Meistens nahm man an, durch des Flavius Sabinus94 Ratschläge sei Cäcinas Gesinnung erschüttert worden, wobei Rubrius Gallus95 die Rolle des Gesprächsvermittlers gespielt habe. Dieser habe erklärt, Vespasianus werde die Abmachungen über einen Übertritt anerkennen. Zugleich erinnerte man ihn an seine Hassausbrüche und an seine Erbitterung gegenüber Fabius Valens: er solle, da er bei Vitellius eine nachgeordnete Rolle spiele, sich Gunst und Einfluss bei dem neuen Fürsten verschaffen. 100. Cäcina zog unter zahlreichen Ehrenerweisungen ab, wobei ihn Vitellius umarmte. Er schickte einen Teil der Reiterei zur Besetzung von Cremona voraus. Dann folgten die Veteranenabteilungen der ersten, vierten, fünfzehnten und sechzehnten Legion, und darauf die fünfte und zweiundzwanzigste Legion. Als Nachhut traten die einundzwanzigste Rapax und die erste italische mit den Veteranenabteilungen der drei britannischen Legionen und mit auserlesenen Hilfstruppen an. Als Cäcina ab-

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Zweites Buch, Kapitel 101

marschiert war, schrieb Fabius Valens an das Heer, das er selbst geführt hatte, es solle unterwegs auf ihn warten. So habe er es mit Cäcina verabredet. Dieser, der persönlich anwesend war und daher den stärkeren Einfluss besaß, gab vor, dieser Plan sei geändert worden, damit man dem drohenden Krieg mit der gesamten Kriegsmacht entgegentrete. So wurde befohlen, die Legionen sollten in Eilmärschen, ein Teil auf Cremona, der andere auf Hostilia, losmarschieren. Er selbst bog seitwärts nach Ravenna ab, unter dem Vorwand, an die Flotte eine Ansprache zu halten. Dann suchte er in Patavium eine geheime Zusammenkunft zu veranstalten, um die näheren Verabredungen über den Verrat zu treffen. Denn Lucilius Bassus, der nach einem Kommando über eine Reiterabteilung von Vitellius zum Befehlshaber der Flotten in Ravenna und zugleich in Misenum gemacht worden war,96 suchte sich dafür, dass er nicht sofort die Präfektur über die Prätorianer erhalten hatte, in unberechtigtem Groll durch schändliche Treulosigkeit zu rächen. Man kann nicht feststellen, ob er Cäcina zu sich herübergezogen hat oder ob – was zwischen schlechten Menschen und ihresgleichen vorkommt – bei jenen beiden die gleiche Charakterlosigkeit die Triebfeder gebildet hat. 101. Die gleichzeitigen Geschichtsschreiber, die die Denkwürdigkeiten dieses Krieges beschrieben haben, als das flavische Haus sich der Herrschaft bemächtigt hatte, haben in schmeichlerischer Verfälschung als Beweggründe die Sorge für den Frieden und die Liebe zum Gemeinwesen überliefert. Wie es mir scheint, haben sie,97 abgesehen von der ihnen eigenen Leichtfertigkeit und sodann, weil sie mit der Treue nach dem Verrat an Galba es nicht ernst nahmen, auch aus Eifersucht und Neid, um nicht anderen in der Gunst bei Vitellius den Vortritt zu lassen, Vitellius selbst gestürzt. Als Cäcina die Legionen wieder eingeholt hatte, suchte er die Gesinnung der Zenturionen und Mannschaften, die hartnäckig für Vitellius eintraten, durch allerlei Machenschaften zu erschüttern: Bassus hatte bei dem gleichen Bemühen geringere Schwierigkeiten zu überwinden, da die Flotte in Erinnerung an den erst kürzlich für Otho geleisteten Kriegsdienst leicht dazu zu bringen war, das Treuverhältnis zu ändern.

Drittes Buch 1. Unter einem günstigeren Stern und im Zeichen besserer Treue standen die Kriegsberatungen der Heerführer der flavianischen Partei. Sie waren in Pötovio, dem Winterlager der dreizehnten Legion, zusammengekommen. Dort verhandelten sie, ob man die pannonischen Alpen solange sperren solle, bis im Rücken die gesamten Streitkräfte sich in Bewegung setzen würden, oder ob es größere Festigkeit verriete, wenn man dem Feind entgegenrücke und vor Italien den Kampf aufnehme. Diejenigen, die es für richtig hielten, die Hilfstruppen abzuwarten und den Krieg hinhaltend zu führen, lobten die Schlagkraft und den Ruf der germanischen Legionen; auch seien bereits mit Vitellius die Kerntruppen des britannischen Heeres eingetroffen, während ihnen selbst die kürzlich geschlagenen Legionen zahlenmäßig nicht gewachsen seien und trotz der herausfordernden Sprache bei den Besiegten der Mut geringer sei. Doch, wenn man einstweilen die Alpen besetzt halte, werde Mucianus mit den Truppen des Ostens erscheinen. Zur Verfügung stünden ja Vespasianus auch das Meer, die Flotten sowie die Zuneigung der Provinzen, mit deren Hilfe er gleichsam einen zweiten Kriegssturm heraufzubeschwören vermöge. So würden dank einem heilsamen Zögern neue Streitkräfte zur Stelle sein und von den augenblicklich verfügbaren nichts verloren gehen. 2. Dagegen legte Antonius Primus – er war der schärfste Kriegstreiber – dar, Eile sei ihnen selbst nützlich, für Vi­tel­lius verderblich. Bei den Siegern habe die Sorglosigkeit stär­ker zugenommen als die Zuversicht. Denn man habe sie nicht kampfbereit im Feldlager gehalten, vielmehr in allen Land­städten Italiens hätten sie nichts tuend, nur für ihre Quar­tier­leute gefährlich, je wilder sie sich vorher gebärdet hätten, um so gieriger in den ihnen ungewohnten Genüssen geschwelgt. Auch durch den Circus und das Theater sowie durch die Reize der Großstadt seien sie verweichlicht oder durch Krankheiten geschwächt. Doch, lasse man ihnen noch mehr Zeit, werde auch ihnen in Besinnung auf den Krieg ihre Kampfkraft wiederkehren. Auch

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Drittes Buch, Kapitel 3 – 5

liege Germanien, ihre Kraft­quelle, nicht ferne. Britannien sei nur durch die Meerenge getrennt, ganz in der Nähe seien Gallien und Spanien, und von beiden Seiten kämen Mannschaften, Pferde und Tribute. Dann sei doch Italien selbst noch da, und dazu kämen die reichen Mittel der Hauptstadt. Und falls sie ihrerseits gar angreifen wollten, so stünden zwei Flotten und das freie illyrische Meer zur Verfügung. Wozu sollte dann die Sperrung der Ge­birgs­übergänge nütze sein? Wozu die Verschleppung des Krieges in einen zweiten Sommer? Woher sollten inzwischen Geld und Zufuhr kommen? Nein, sie sollten sich eben den Umstand zu Nutzen machen, dass die pannonischen Legionen, eher getäuscht als besiegt, sich beschleunigt wieder zur Rache erheben und dass die in Mösien stehenden Heere unverbrauchte Kräfte herangeführt hätten. Wenn man eher die Zahl der Soldaten als die der Legionen in Rechnung setze, verfüge man auf der eigenen Seite über größere Kampfkraft, und dabei zeige sich keine Spur von Ausschweifungen. Und die Schande selbst habe auf die Disziplin günstig eingewirkt. Die Reiterei vollends sei auch damals nicht besiegt worden; trotz der Ungunst der Lage sei das Heer des Vitellius von ihr zersprengt worden. »Zwei pannonische und mösische Reiterabteilungen«, fuhr er fort, »sind damals durch den Feind durchgebrochen. Jetzt werden mit vereinten Fahnen sechzehn Reiterabteilungen bei dröhnendem Hufschlag schon mit ihrer Staubwolke die der Schlachten entwöhnten Reiter und Rosse zudecken und über sie dahinfluten. Wenn mich nicht jemand zurückhält, werde ich, der ich zu dem Plan geraten habe, auch sein Vollstrecker sein. Ihr, deren Lage gesichert ist, haltet eure Legionen fest, mir werden die leichten Kohorten genügen. Bald werdet ihr hören, dass Italiens Tore für den Soldaten aufgeschlossen sind und des Vitellius Lage erschüttert ist. Dann werdet ihr gerne folgen und in die Fußstapfen der Sieger treten.« 3. Dieses und ähnliches schüttete er mit flackernden Augen und mit grimmiger Stimme, um auf eine weitere Entfernung gehört zu werden – denn es hatten sich auch Zenturionen und einige Mannschaften in den Kriegsrat eingemengt –, in einer Weise aus, dass er auch auf die Bedächtigen und Vorsichtigen Eindruck machte, aber der große Haufe und alle übrigen, un-



Kriegsrat der flavianischen Führer

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ter Verachtung der Tatenlosigkeit anderer, ihn als den einzigen Mann und Heerführer priesen. Eine solche Meinung hatte er von seiner Person gleich in diesem Kriegsrat erweckt, in dem er nach Verlesung des Briefes von Vespasianus nicht wie die meisten sich nur unbestimmt aussprach, um dann nachher seinen Äußerungen bald diese, bald jene Auslegung geben zu können, wie sie gerade nützlich sein konnte: vielmehr schien er offen Stellung bezogen zu haben, und deshalb hatte er bei den Soldaten umso größeres Gewicht, da er mit ihnen Schuld oder Ruhm teilte. 4. Zunächst stand ihm an Ansehen der Prokurator Cornelius Fus­ cus.1 Auch er pflegte schonungslos gegen Vitellius loszuziehen und hatte dadurch im Falle eines unglücklichen Ausgangs für seine Person keine Hoffnung übriggelassen. Tampius Flavianus,2 von Natur aus und auch infolge seines Alters schwerfällig, forderte den Argwohn der Soldaten heraus, als ob ihm seine Verwandtschaft mit Vitellius im Sinne liege. Auch glaubte man von ihm, weil er zu Beginn des Aufstandes der Legionen sich geflüchtet hatte und dann freiwillig zurückgekehrt war, er habe dabei treulose Absichten verfolgt. Denn Flavianus hatte Pannonien aufgegeben, war dann nach Italien gegangen und hatte sich dem Gefahrenbereich entzogen. Dann hatte ihn seine Freude an unruhigen Zeiten veranlasst, wieder den Titel eines Legaten anzunehmen und sich in den Bürgerkrieg einzumischen. Dazu hatte ihm Cornelius Fuscus geraten, nicht etwa weil er der tätigen Mitwirkung des Flavianus bedurft hätte, sondern nur damit der Titel eines Konsulars die eben jetzt im Aufstreben begriffene Partei mit seinem achtbaren Glanz verbräme. 5. Um jedoch ohne Gefahr, aber mit Erfolg nach Italien hinüberzugehen, schrieb man an Aponius Saturninus, er solle sich mit dem mösischen Heere beeilen. Und damit nicht die wachenlosen Provinzen barbarischen Völkern preisgegeben würden, nahm man die Häuptlinge der sarmatischen Jazygen, in deren Händen auch die Führung des Stammes lag, in die Heeresgefolgschaft auf. Auch gewöhnliches Volk und berittene Streitmacht, ihre einzige Stärke, wollten sie zur Verfügung stellen. Auf dieses Anerbieten verzichtete man, damit sie nicht während der inneren Auseinandersetzungen auch noch auswärti-

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Drittes Buch, Kapitel 6 – 8

ge Interessen förderten oder um einen höheren Lohn seitens der Gegenpartei menschliches und göttliches Recht preisgäben. Sido und Italicus, Könige der Sueben, die von jeher gegenüber den Römern Ergebenheit zeigten und deren Volk eher Treue hält als Befehle hinnimmt, veranlagte man zum Beitritt zu der Partei. Auf die Flanke wurden Hilfstruppen gestellt, da Rätien, wo Porcius Septimius, ein Mann von unbestechlicher Treue gegenüber Vitellius, Prokurator war, eine feindliche Haltung zeigte. Daher wurde Sextilius Felix mit der Aurianischen Reiterabteilung3 und acht Kohorten sowie der jungen Mannschaft der Noriker zur Besetzung des Ufers des Änus, der zwischen Rätien und Noricum fließt, abgesandt. Da aber weder diese noch jene zu einer Schlacht sich herbeiließen, entschied sich das Schicksal der Parteien anderwärts. 6. Als Antonius die Vexillarier der Kohorten und einen Teil der Reiterei beschleunigt zum Angriff auf Italien führte, war sein Begleiter Arrius Varus, ein tüchtiger Kriegsmann, ein Ruhm, den ihm der Heerführer Corbulo und Erfolge in Armenien verschafft hatten. Man sagte aber auch von ihm, er habe in geheimen Gesprächen bei Nero Corbulos Verdienste in ein schlechtes Licht gesetzt. Daher habe er auch durch schmachvolle Begünstigung den Rang eines Zenturio erster Klasse erlangt. Doch der erfreuliche Gewinn, den er für den Augenblick auf üble Weise sich verschafft habe, sei ihm bald zum Verderben ausgeschlagen. Aber Primus und Varus wurden nach der Besetzung von Aquileia in der nächsten Umgebung, in Opitergium sowie in Altinum, freudig aufgenommen. In Altinum wurde eine Besatzung gegen etwaige Unternehmungen der Flotte von Ravenna zurückgelassen, von deren Abfall man noch nichts gehört hatte. Darauf brachte man Patavium und Ateste zum Anschluss an die Partei. Dort erfuhr man, drei Vitellianische Kohorten und die sogenannte Sebosianische Reiterabteilung4 hätten bei Forum Alieni eine Brücke geschlagen und sich dort gelagert. Man begrüßte die Gelegenheit, über sie herzufallen, solange sie sorglos seien. Denn auch dies wurde gemeldet. Bei Tagesanbruch wurden sie – zum größten Teil waren sie unbewaffnet – überfallen. Es war dabei die Anweisung ergangen, nur wenige niederzumachen, die übrigen in Angst zu versetzen und



Einfall in Italien und Zug gegen Verona

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sie so dazu zu zwingen, ihre Fahne zu wechseln. Einige ergaben sich sofort. Die Mehrzahl brach die Brücke ab und schnitt damit dem nachdringenden Feind den Weg ab. 7. Als sich die Kunde von dem Sieg verbreitete und sich so der Beginn des Krieges für die Flavianer günstig gestaltet hatte, kamen die beiden Legionen, die siebte Galbianische und die dreizehnte Gemina mit dem Legaten Vedius Aquila in gehobener Stimmung nach Patavium. Dort legten sie einige Rasttage ein. Der Lagerpräfekt der siebten Legion, Minicius Iustus, wurde aus dem Bereich der erbitterten Soldaten entfernt: er führte im Verhältnis zu einem Bürgerkrieg ein zu straffes Regiment. Nun wurde er zu Vespasianus geschickt. Ein Vorgang, der schon lange erwünscht war, bekam durch ruhmredige Auslegung eine übertriebene Bedeutung: Antonius befahl, die Bilder Galbas, die in den Zeiten der Zwietracht umgestürzt worden waren, in allen Landstädten wiederaufzurichten. Er betrachtete es für die Flavianische Sache als ehrenvoll, wenn man glaubt, man sei mit Galbas Prinzipat einverstanden und dessen Partei lebe wieder auf. 8. Darauf untersuchte man, welchen Kriegsschauplatz man wählen solle. Verona schien den Vorzug zu verdienen, da die Ebenen ringsum für eine Reiterschlacht – und darin lag ihre Stärke – frei dalagen. Zugleich schien es ihrer Sache und ihrem Rufe zu dienen, Vitellius die Koloniestadt mit ihren reichen Mitteln wegzunehmen. Schon beim Durchmarsch besetzte man Vicetia. Dieser Ort war an sich klein – denn als Landstadt verfügte er nur über bescheidene Kräfte –, bekam aber große Bedeutung, wenn man bedachte, dass es Cäcinas Geburtsort und dass dem Heerführer der Feinde die Vaterstadt entrissen sei. Die Veronenser bedeuteten einen großen Gewinn: sie unterstützten die Partei durch ihr Beispiel und durch ihren Reichtum. Auch stand so zwischen Rätien und den Iulischen Alpen ein Heer und hatte dort den Durchmarsch für die germanischen Heere versperrt. Davon wusste entweder Vespasianus nichts oder es geschah gegen seinen Befehl. Denn dieser lautete, in Aquileia mit den Feindseligkeiten haltzumachen und auf Mucianus zu warten. Und er gab neben dem Befehl auch noch zu erwägen, da man ja Ägypten, den Schlüssel für die Getreideversorgung,

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Drittes Buch, Kapitel 9 – 10

und die Einkünfte der reichsten Provinzen in Händen habe, könne das Heer des Vitellius aus Mangel an Geld für die Soldbezahlung und an Getreide zur Übergabe gezwungen werden. Gleiche Vorstellungen erhob auch Mucianus in häufigen Briefen, wobei er einen unblutigen Krieg ohne Leid und anderes derartiges vorschützte. Aber in Wirklichkeit kam es ihm nur auf den Ruhm an und beanspruchte er die ganze Ehre des Krieges für sich allein. Im Übrigen trafen von den so weit entfernten Ländern die guten Ratschläge erst nach den Ereignissen ein. 9. Antonius brach also in einem plötzlichen Angriff in die feindliche Postenkette ein. Es kam zu einem leichten Gefecht, in dem man die beiderseitige Stimmung abtastete, und trennte sich dann ohne eine Entscheidung. Hiernach schlug Cäcina zwischen Hostilia, einem zu Verona gehörigen Dorfe, und den Sümpfen des Tartarus-Flusses ein befestigtes Lager, durch dessen natürliche Lage er geschützt war. Denn im Rücken deckte es der Fluss, auf den beiden Seiten der davorliegende Sumpf. Hätte er es wirklich redlich gemeint, hätten, da sich das mösische Heer noch nicht mit ihnen vereinigt hatte, die beiden Legionen5 durch den gesamten Einsatz der Vitellianischen Streitkräfte entweder überwältigt werden können oder hätten, zurückgetrieben, in schmählicher Flucht Italien im Stich gelassen. Aber Cäcina gab in mancherlei Zögern den Feinden die ersten günstigen Augenblicke des Krieges preis, schimpfte in seinen Briefen auf die, die mit Waffen zu verjagen ein Leichtes gewesen wäre, bis er endlich durch Kuriere die Abmachungen für seinen Verrat festgelegt hatte. Inzwischen traf Aponius Saturninus mit der siebten Claudianischen Legion ein. An ihrer Spitze stand der Tribun Vipstanus Messala, ein Mann mit berühmten Ahnen, selbst eine hervorragende Persönlichkeit, der einzige, der in diesen Krieg die Grundsätze anständiger Gesinnung mitgebracht hatte.6 An diese Truppen, die keineswegs den Vitellianern gewachsen waren – es waren ja erst drei Legionen –, schickte Cäcina ein Schreiben, in dem er sich über den großen Leichtsinn ausließ, für eine verlorene Sache weiter zu kämpfen. Zugleich wurde die Mannhaftigkeit des germanischen Heeres lobend hervorgehoben, während Vitellius nur in zurückhaltenden und in allgemeinen Ausdrücken Erwähnung



Cäcinas Verhalten · Belagerung Veronas

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fand und gegen Vespasianus keine beleidigende Äußerung fiel: kurz, kein Wort fand sich darin, das den Feind entweder hätte verführen oder abschrecken sollen. Die Heerführer der Flavianischen Partei gaben es auf, sich wegen ihres früheren Missgeschickes zu rechtfertigen und nahmen es sich heraus, in großartigen Worten für Vespasianus, zuversichtlich für ihre Sache, unbesorgt um das Heer, wie persönliche Feinde gegen Vitellius zu reden. Dabei machten sie den Tribunen und Zenturionen Hoffnung, zu behalten, was Vitellius bewilligt hatte, und ihrerseits richteten diese an Cäcina selbst in aller Deutlichkeit die Aufforderung zum Übertritt. Die vor der Heeresversammlung verlesenen Briefe erhöhten noch das Selbstvertrauen, weil Cäcina unterwürfig, wie wenn er befürchte, bei Vespasianus Anstoß zu erregen, aber ihre eigenen Heerführer verächtlich, als ob sie Vitellius verhöhnten, geschrieben hatten. 10. Als dann noch zwei Legionen eintrafen, von denen die dritte Dillius Aponianus, die achte Numisius Lupus7 führte, beschloss man, seine Kräfte zu zeigen und Verona mit einem kriegsmäßigen Wall zu umgeben. Zufällig war der Galbianischen Legion auf der dem Feind zugekehrten Seite die Befestigungsarbeit an dem Wall zugefallen. Als man nun in der Ferne Reiterei der Bundesgenossen erblickte, kam es zu einer blinden Angst, als ob es sich um Feinde handle. Überstürzt griff man zu den Waffen, weil man Verrat befürchtete. Der Zorn der Soldaten richtete sich gegen Tampius Flavianus, ohne dass sie irgendeinen Beweis für seine Schuld gehabt hätten. Vielmehr war dieser schon längst verhasst, und so wurde wie in einem Taumel seine Hinrichtung gefordert. Sie schrien, er sei ein Verwandter von Vitellius, ein Verräter Othos und er habe ihnen das »Geschenk« unterschlagen. Er hatte keine Möglichkeit, sich zu verteidigen und streckte nur demütig bittend seine Hände aus, lag meistens auf dem Boden, sein Gewand war zerrissen und er schlug sich schluchzend Brust und Gesicht. Gerade dies reizte die Erbitter­ten noch mehr, als ob seine übertriebene Angst sein Schuldbe­wusstsein verrate. Aponius wurde von den Soldaten überschrien, als er zu reden begann. Mit Lärmen und Brüllen wiesen sie alle übrigen zurück. Nur Antonius fand bei den Soldaten Gehör. Denn er verfügte auch über eine Rednergabe

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Drittes Buch, Kapitel 11 – 13

und über die Mittel sowie das Ansehen, auf die Masse beruhigend einzuwirken. Als der Aufruhr immer mehr tobte und sie vom bloßen Schimpfen und Schmähen zum Waffengebrauch und zu Tätlichkeiten übergingen, befahl er, Flavianus in Ketten zu legen. Jedoch merkten die Soldaten, dass man sie zum Besten habe. Sie jagten die Wache des Tribunals auseinander und wollten zu äußerster Gewalt schreiten. Da hielt Antonius seine Brust dem gezückten Schwert entgegen und beteuerte, entweder werde er von den Händen der Soldaten oder von seinen eigenen sterben. Wo er jemand erblickte, den er kannte oder der irgendeine ehrenvolle Auszeichnung trug, den rief er bei Namen an, ihm zu helfen. Dann wandte er sich zu den Fahnen und an die Götter des Krieges8 und bat sie, dieses Rasen, diese Zwietracht lieber in die feindlichen Heere zu tragen, bis endlich die Meuterei abflaute und jeder – es war schon am Ende des Tages – sich in sein Zelt verzog. Noch in der gleichen Nacht reiste Flavianus ab und wurde durch ein Schreiben des Vespasianus, das ihn unterwegs erreichte, der Gefahr entrückt. 11. Umso bedrohlicher griffen die Legionen, wie von einer Seuche angesteckt, Aponius Saturninus,9 den Legaten des mösischen Heeres, an. Sie waren nicht, wie früher, durch anstrengende Arbeit ermüdet, sondern mitten im Tage in Wut geraten, als Briefe bekannt wurden, die, wie man annahm, Saturninus an Vitellius geschrieben hatte. Wie einst in Tüchtigkeit und Disziplin, so wetteiferte man jetzt in Frechheit und Leichtfertigkeit und forderte ebenso gewaltsam die Hinrichtung des Aponius wie des Flavianus. Denn die mösischen Legionen berichteten, es sei von ihnen die Vergeltung der Pannonier unterstützt worden, und die Pannonier selbst, als ob sie durch die Meuterei anderer freigesprochen würden, hatten ihre Lust daran, ihr schuldhaftes Verhalten zu wiederholen. Sie zogen zu den Gärten, wo sich Saturninus aufzuhalten pflegte. Doch retteten ihn weniger Primus und Aponianus und Messalla, obgleich sie sich alle mögliche Mühe gaben, als vielmehr das dunkle Versteck, in dem er sich verborgen hielt: es war der Ofen eines gerade unbenützten Bades, wohin er sich verkrochen hatte. Dann verzog er sich unter Verzicht auf seine Liktoren nach Patavium. Durch den Weggang der Konsulare10 hatte Antonius allein die Gewalt und



Meuterei gegen die Verräter · Abfall der Flotte

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Amtsbefugnis über beide Heere. Seine Amtsgenossen traten hinter ihn zurück und die Zuneigung der Soldaten wandte sich ihm zu. Und es fehlte auch nicht an Leuten, die glaubten, beide Meutereien hätten ihren Ursprung in der Arglist des Antonius gehabt, der allein die Früchte des Sieges ernten wollte. 12. Auch bei der Partei des Vitellius herrschte keine ruhige Stimmung. Nicht die argwöhnischen Befürchtungen der großen Masse, sondern die Treulosigkeit der Heerführer war es, durch die sie in die Wirren einer noch verderblicheren Zwietracht gestürzt wurden. Lucilius Bassus,11 der Befehlshaber der Flotte von Ravenna, hatte die schon schwankenden Soldaten – sie stammten zum großen Teil aus Dalmatien und Pannonien, zwei in der Hand des Vespasianus befindlichen Provinzen – dessen Partei zugeführt. Eine Nacht wurde für den Verrat bestimmt, damit die Abtrünnigen allein ohne Wissen der übrigen auf dem Hauptplatz sich versammelten. Bassus wartete aus Ehrgefühl oder auch aus Besorgnis, wie das Unternehmen ausgehen würde, zu Hause. Die Trierarchen stürzten sich unter großem Lärmen auf die Bilder des Vitellius. Als einige wenige, die ihnen Widerstand leisteten, niedergemacht waren, neigte die übrige Masse, leicht zum Umsturz geneigt, sich Vespasianus zu. Da trat Lucilius hervor und bekannte sich offen als Anstifter. Die Flotte bestimmte zu ihrem Präfekten den Cornelius Fuscus, der eilig herbeigelaufen kam. Bassus wurde unter ehrenhaftem Gewahrsam auf Liburnerschiffen12 nach Atria gebracht und von dem Befehlshaber einer Reiterabteilung Vibennius Rufinus, der dort in Garnison lag, gefesselt. Doch wurden ihm durch das Dazwischentreten des Hormus,13 eines Freigelassenen des Cäsars, die Fesseln sofort wieder abgenommen. Auch diesen rechnete man unter die Heerführer. 13. Aber Cäcina berief, als sich die Kunde von dem Abfall der Flotte verbreitete, die Zenturionen erster Klasse und wenige Soldaten – die anderen Soldaten hatten sich wegen ihres Dienstes zerstreut und so war entsprechend seinem Wunsche sonst niemand da – zum Hauptplatz. Dort hob er die Tüchtigkeit des Vespasianus und die Stärke seiner Partei rühmend hervor: die Flotte sei übergegangen, beschränkt sei die Verpflegung, feindlich eingestellt Gallien und Spanien, in der Hauptstadt

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Drittes Buch, Kapitel 14 – 16

sei niemand zu trauen. Und alles, was sich auf Vitellius bezog, setzte er herunter. Dann machten die Eingeweihten, soweit sie anwesend waren, den Anfang, und er vereidigte auch die übrigen, die von dem unerwarteten Vorgang ganz benommen waren, auf Vespasianus. Zugleich riss man die Bilder des Vitellius herunter und schickte Boten an Antonius mit entsprechender Meldung ab. Aber als der Verrat im ganzen Lager ruchbar wurde, liefen die Soldaten zu dem Hauptplatz zurück und sahen hier den Namen des Vespasianus angeschrieben und die Bilder des Vitellius auf den Boden geworfen. Zuerst herrschte ödes Schweigen, dann brach mit einem Mal der ganze Sturm los: Sei so tief der Ruhm des germanischen Heeres gesunken, dass sie ohne Kampf, ohne Wunden ihre Hände den Fesseln und ihre Waffen als Beute ausliefern? Was für Legionen stünden ihnen denn gegenüber? Doch wohl besiegte! Und fern sei noch die einzige Kerntruppe des Othonianischen Heeres, die erste und die vierzehnte Legion, die sie doch auf diesen selben Ebenen geschlagen und niedergeworfen hätten. Damit so viele tausend Bewaffneter, wie eine Herde für den Sklavenmarkt, dem verbannten Antonius zum Geschenk gemacht würden? Freilich, acht Legionen14 sollten das Anhängsel einer einzigen Flotte bilden. So sei es einem Bassus, so einem Cäcina als richtig erschienen, nachdem sie dem Fürsten Häuser, Gärten, Vermögen weggenommen hätten, auch noch den Soldaten den Fürsten wegzunehmen. Ohne eine Einbuße erlitten und ohne Blut vergossen zu haben, selbst von der flavianischen Partei verachtet, was sollten sie da denen sagen, die von ihnen Rechenschaft über Erfolg oder Misserfolg fordern? 14. Solche Stimmen wurden bald von einzelnen, bald von allen zusammen laut, wie jeden gerade seine Erbitterung antrieb. Man stellte die Bilder des Vitellius wieder auf, wobei die fünfte Legion den Anfang machte, und legte Cäcina in Fesseln. Den Legaten der fünften Legion Fabius Fabullus und den Lagerkommandanten Cassius Longus wählten sie zu ihren Heerführern. Die Soldaten von drei Liburnerschiffen, die ihnen zufällig in den Weg liefen und die von nichts wussten und unschuldig waren, brachten sie um. Dann verließen sie das Lager, brachen die Brücke ab und marschierten wieder nach Hostilia zurück



Cäcina gefesselt · Vereinigung der Vitellianer

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und von da nach Cremona, um sich mit den beiden Legionen, der ersten »Italischen« und der einundzwanzigsten »Rapax«, zu vereinigen. Diese hatte Cäcina mit einem Teil der Reiterei vorausgeschickt, um Cremona in seiner Hand zu behalten. 15. Als Antonius dies erfuhr, beschloss er, die feindlichen Heere, die zwiespältiger Gesinnung waren und dazu noch ihre Streitkräfte geteilt hatten, anzugreifen, bevor die Heerführer wieder ihr Ansehen gewonnen sowie die Soldaten sich wieder zu Gehorsam zurückgefunden hätten und sich auch bei den vereinigten Legionen wieder Selbstvertrauen einstellen würde. Denn er vermutete, Fabius Valens sei von der Hauptstadt aufgebrochen und werde auf die Kunde von dem Verrat Cäcinas sich beeilen. Fabius war Vitellius treu ergeben und ein erfahrener Kriegsmann. Zugleich fürchtete man in ganz Rätien die gewaltige Macht der Germanen. Auch aus Britannien, Gallien und Spanien hatte Vitellius Hilfstruppen geholt, und es hatte sich damit ein Kriegsgewitter von riesigem Ausmaß zusammengeballt, hätte nicht Antonius in eben dieser Befürchtung die Schlacht beschleunigt herbeigeführt und so den Sieg vorweggenommen. Mit seinem gesamten Heer kam er in zwei Tagemärschen von Verona nach Bedriacum. Tags darauf behielt er die Legionen zur Anlegung von Befestigungswerken zurück, während die Kohorten der Hilfstruppen in das Gebiet von Cremona geschickt wurden, damit die Soldaten unter dem Vorwand der Beschaffung von Vorräten in das Beutemachen bei Mitbürgern eingeweiht würden. Er selbst rückte mit viertausend Reitern bis auf acht Meilen vor Bedriacum, damit sie umso ungehemmter plündern könnten. Die Kundschafter dehnten, wie es so Sitte ist, ihre Streifzüge noch weiter aus. 16. Es war etwa die fünfte Tagesstunde, als ein Reiter mit der Meldung heransprengte, der Feind rücke mit einer kleinen Vor­ ausabteilung heran, aber man höre in breiter Front Bewegung und Lärm. Während Antonius überlegte, welche Maßnahmen zu treffen seien, stürmte Arrius Varus in seinem Tatendrang mit den entschlossensten Leuten der Reiterei los und warf die Vitellianer zurück, wobei diese nur unbedeutende Verluste erlitten. Denn da Verstärkung herbeieilte, wandte sich das Glück, und die am hitzigsten bei der Verfolgung gewesen waren, wa-

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Drittes Buch, Kapitel 17 – 19

ren nun die hintersten bei der Flucht. Doch dieses rasche Vorstürmen war nicht im Sinne von Antonius gewesen und, was geschehen war, kam ihm auch nicht unerwartet. Er ermahnte seine Leute, getrosten Mutes in die Schlacht zu ziehen, zog die Reiterabteilungen seitwärts auseinander und ließ in der Mitte einen Weg frei, um Varus und seine Reiterei aufzunehmen. Dann befahl er den Legionen, sich zu bewaffnen. Über die Felder hin erging das Signal, jeder solle seine Beute liegen lassen und sich auf dem kürzesten Weg auf den Kampfplatz begeben. Kopflos mischte sich inzwischen Varus in den Haufen seiner Leute, womit er nur erreichte, dass sie von seiner Angst angesteckt wurden. Sie wurden geschlagen, Verwundete und Unverwundete wurden ein Opfer ihrer eigenen Furcht und zugleich der engen Wegeverhältnisse. 17. In dieser höchst kritischen Lage versäumte Antonius keine Aufgabe eines unerschütterlichen Heerführers oder eines tapferen Soldaten: er warf sich den angsterfüllten Leuten entgegen, hielt die Weichenden zurück. Wo der Kampf am heißesten tobte, wo nur irgendeine Hoffnung sich zeigte, da machte er sich mit Rat, mit persönlichem Eingreifen und mit Zurufen den Seinen bemerkbar. Zuletzt ging er so weit in seinem leidenschaftlichen Einsatz, dass er einen Fahnenträger, der floh, mit der Lanze durchbohrte, die Fahne ergriff und sie gegen den Feind wandte. Beschämt über diesen Vorgang leisteten die Reiter – es waren nicht mehr als hundert – Widerstand. Das Gelände war dabei günstig. Der Weg verengte sich dort, und die Brücke über den die Straße schneidenden Bach war eingestürzt. Das Flussbett selbst war nur unsicher zu durchschreiten und die abschüssigen Ufer bildeten ein Hindernis für die Flucht. Diese Zwangslage – man könnte es auch einen Glücksfall nennen – half der schon ins Wanken geratenen Partei wieder auf. Sie machten sich gegenseitig Mut und empfingen die Vitellianer, die blindlings ohne jede Ordnung heranstürmten, in dicht geschlossenen Reihen. Und sofort gerieten diese in Verwirrung. Während sie bestürzt waren, drang Antonius auf sie ein und schlug nieder, wer ihm in den Weg kam. Zugleich machten die übrigen, je nach ihrer Veranlagung, Beute und Gefangene und schleppten Waffen und Pferde weg. Durch das Siegesgeschrei



Antonius als umsichtiger Heerführer · Reitergefechte

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herbeigerufen, mengten sich die, die eben noch flüchtig sich auf den Feldern herumtrieben, unter die Sieger. 18. Beim vierten Meilenstein vor Cremona blitzten die Feldzeichen der Legionen, der »Rapax« und der »Italica«. Da der Kampf ihrer Reiterei erfolgreich begonnen hatte, waren sie so weit vorgerückt. Aber sobald sich das Glück wandte, lockerten sie nicht Reih und Glied, nahmen die durcheinander Geratenen nicht auf, machten auch keine Gegenbewegung, um ihrerseits den Feind anzugreifen, der durch das Laufen über eine so weite Strecke und durch den Kampf erschöpft war. Sie hatten sich vom Zufall leiten lassen und hatten sich im Glück nicht so sehr einen Heerführer gewünscht, wie sie jetzt im Unglück merkten, dass er ihnen fehle. Auf die wankende Kampflinie stürmte die siegreiche Reiterei los. Auch erreichte sie der Tribun Vipstanus Messala mit seinen mösischen Hilfstruppen, mit denen viele Legionssoldaten Schritt hielten, obgleich diese im Eiltempo herangeführt worden waren. So durchbrach Fußvolk und Reiterei durcheinander die Marschkolonne der Legionen. Und je größere Hoffnung die Nähe der Mauern von Cremona erweckten, dort eine Zuflucht zu finden, umso mehr setzte sie auch den Mut zum Widerstand herab. Doch drängte Antonius nicht weiter nach. Er war sich der Anstrengungen und Verluste bewusst, mit denen das so schwankende Schlachtenglück trotz dem erfolgreichen Ausgang Reitern und Pferden schwer zugesetzt hatte. 19. Mit einbrechender Dunkelheit traf die gesamte Flavianische Streitmacht ein. Als sie über die Leichenhaufen und über die noch frischen Spuren des blutigen Geschehens zogen, verlangten sie, als ob der Krieg beendigt wäre, man solle nach Cremona weitermarschieren und dort die Übergabe der Besiegten entgegennehmen oder zum Sturm antreten. So redete man offen heraus, und dies hörte sich ganz schön an. Das andere sagte jeder bei sich selbst: es könne die in der Ebene gelegene Koloniestadt im ersten Ansturm genommen werden. Wenn sie in der Dunkelheit eindringen, würde es nicht mehr Mut erfordern und würden sie uneingeschränkter plündern können. Wenn sie aber warten, bis es Tag wäre, würde es gewiss Frieden, gewiss Bitten und als Lohn für ihre Mühen und Wunden

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Drittes Buch, Kapitel 20 – 22

für sie nur Milde und Ruhm, leere Redensarten geben, aber die Reichtümer von Cremona würden den Präfekten und Legaten in den Schoß fallen. Würde die Stadt erobert, werde die Beute den Soldaten zufallen, lasse man es zu einer Übergabe kommen, den Heerführern. Die Zenturionen und Tribunen fanden keine Beachtung mehr, und damit sich niemand mehr mit seiner Stimme vernehmlich mache, schlugen sie die Waffen aneinander, entschlossen, den Gehorsam aufzukündigen, wenn man sie nicht marschieren ließe. 20. Da besuchte Antonius die Manipel und, als er durch seine Erscheinung und durch sein Ansehen Stille hergestellt hatte, versicherte er, er entreiße nicht die Ehre und nicht den Lohn Leuten, die sich so verdient gemacht hätten, aber die Aufgaben seien zwischen Heer und Heerführern geteilt. Den Soldaten komme das Verlangen nach Kampf zu, die Heerführer würden durch Vorausschauen, Beraten und öfters durch Bedächtigkeit als durch vorschnelles Handeln Nutzen stiften. Wie er, soweit es eben in eines Mannes Kräften liege, mit den Waffen in der Hand zum Siege verholfen habe, so werde er mit Verstand und Klugheit, den besonderen Eigenschaften eines richtigen Heerführers, weiterhin nützen. Es sei ja nicht zweifelhaft, was sie zu erwarten hätten: die Nacht, die Lage einer unbekannten Stadt, drinnen die Feinde und überall günstige Gelegenheiten zu einem Hinterhalt. Nicht, wenn die Tore offen stünden, dürfe man ohne vorherige Erkundung, ohne dass es Tag sei, einziehen. Oder wollten sie etwa mit der Bestürmung beginnen, wo keine Möglichkeit bestehe, durch Augenschein festzustellen, wo eine günstige Stelle sich befinde, wie hoch die Mauern seien, ob man die Stadt mit Wurfmaschinen und Fernwaffen oder mit Hilfe von Sturmbauten und Laufhallen angreifen müsse? Dann wandte er sich an einzelne und fragte sie, ob sie auch Beile und Äxte und das übrige, für die Eroberung einer Stadt notwendige, Gerät mitgebracht hätten. Und als sie es verneinten, sagte er: »Kann man denn irgendwie mit Schwertern und Spießen in der Hand Mauern durchbrechen und unterwühlen? Sollte es nötig werden, einen Damm zu bauen und sich mit Schirmdächern und Faschinen zu decken, sollen wir dann, wie argloses Volk, ohne etwas ausrichten zu können, dastehen und die Höhe



Ansprache des Antonius an seine Truppen

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der Türme sowie die Verschanzungen der anderen anstaunen? Warum sollen wir nicht lieber eine einzige Nacht warten können, um Geschütze und Maschinen heranzubringen und damit Kraft und Sieg mit uns führen?« Zugleich schickte er die Marketender und die Trossknechte mit den zuletzt eingetroffenen Reitern nach Bedriacum, um Lebensmittel und, was man sonst noch brauchte, heranzuschaffen. 21. Dies nahmen die Soldaten vollends übel, und es wäre beinahe zu einer Meuterei gekommen, als Reiter, die bis unter die Mauern vorgerückt waren, einzeln sich herumtreibende Einwohner von Cremona aufgriffen. Durch deren Aussage erfuhr man, dass sechs Vitellianische Legionen und das ganze Heer, das in Hostilia gestanden war, eben an diesem Tage auf die Kunde von der Niederlage der Ihrigen nach einem Marsch von dreißig Meilen sich zur Schlacht bereitmachten und bald eintreffen würden. Dieser Schrecken öffnete die verstockten Herzen für die Maßnahmen des Heerführers. Der dreizehnten Legion gab er den Befehl, sich unmittelbar auf dem Damm der Postumischen Straße15 aufzustellen. Im Anschluss links von ihr stand die siebte Galbianische im offenen Felde, dann kam die siebte Claudianische, durch einen Feldgraben – dem Gelände entsprechend – nach vorn gedeckt. Rechts stand die achte, entlang eines freien Feldwegs. Dann kam die dreizehnte, durch dichtes Buschwerk abgeschirmt. So war die Ordnung der Adler und Fahnen. Die Soldaten waren in der Dunkelheit durcheinandergekommen, wie es der Zufall mit sich gebracht hatte. Das prätorianische Aufgebot16 stand zunächst der dritten Legion, die Kohorten der Hilfstruppen standen auf den Flügeln, die Rücken- und Flankendeckung bildete Reiterei. Die beiden Sueben Sido und Italicus weilten mit einer auserlesenen Mannschaft ihrer Landsleute vorn in der Kampflinie. 22. Aber das Vitellianische Heer hätte sich vernünftigerweise in Cremona ausruhen, durch Essen und Schlafen seine Kräfte wiedergewinnen und dann den durch Kälte und Hunger mitgenommenen Feind am folgenden Tag niederschlagen und über den Haufen werfen sollen. Stattdessen prallte es ohne Führung und kopflos etwa um die dritte Nachtstunde auf die schon zum Kampf bereiten und in Ordnung aufmarschierten Flavianer.

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Drittes Buch, Kapitel 23 – 25

Über die Gliederung des Aufmarsches des Heeres bestimmte Angaben zu machen, möchte ich nicht wagen, da dieses sich infolge der erbitterten Stimmung, wozu noch die nächtliche Dunkelheit kam, zersplittert hatte. Allerdings haben andere überliefert, die vierte mazedonische Legion habe auf dem rechten Flügel der Ihrigen, die fünfte und fünfzehnte mit Abteilungen der neunten, zweiten und zwanzigsten britannischen Legionen im Zentrum, die sechzehnte, zweiundzwanzigste und erste auf dem linken Flügel gestanden. Die Mannschaften der Legion »Rapax« und der »Italica« hatten sich auf alle Manipel verteilt. Die Reiterei und die Hilfstruppen wählten sich ihren Platz selbst aus. Die ganze Nacht tobte der Kampf, wechselvoll, ohne Entscheidung, erbittert, bald diesen, bald jenen Verderben bringend. Nichts halfen Mut oder Kraft, nicht einmal der Augen Sicht. Beide Heere gebrauchten im Kampf die gleichen Waffen. Dadurch, dass sie häufiger einander anriefen, wurde die für die Schlacht ausgegebene Parole erkannt; durcheinander kamen die Feldzeichen, wie sie gerade ein Haufe dem Feind entriss und hinüber oder herüber schleppte. In größte Bedrängnis geriet die kürzlich erst von Galba ausgehobene siebte Legion. Sechs Zenturionen erster Klasse fielen, einige Fahnen gingen verloren. Den Adler selbst hatte Atilius Verus, ein Zenturio des ersten Manipels,17 nachdem er viele Feinde erschlagen hatte, zuletzt sterbend gerettet. 23. Die wankende Linie brachte Antonius dadurch zum Stehen, dass er die Prätorianer herbeiholte. Diese nahmen den Kampf auf und warfen den Feind zurück. Sie wurden dann ihrerseits wieder zurückgeworfen. Denn die Vitellianer hatten auf dem Damm der Straße ihre Wurfmaschinen aufgefahren, um die Geschosse vom freien und offenen Raum aus zu schleudern, während diese zuerst zerstreut und ohne Verluste für den Feind in dem Buschwerk aufgeprallt waren. Eine Schleudermaschine der fünfzehnten Legion von außerordentlicher Größe schmetterte mit gewaltigen Steinen die feindliche Linie nieder. Und sie hätte weit und breit Verderben gebracht, hätten nicht zwei Soldaten eine herrliche Tat gewagt. Sie nahmen die Schilde von Gefallenen an sich und blieben dadurch unerkannt.18 So hieben sie die Stränge und Schwungriemen der Wurfmaschinen



Nächtlicher Kampf

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durch. Sie wurden auf der Stelle niedergemacht, weshalb auch ihre Namen unbekannt geblieben sind. Über die Tat selbst besteht keinerlei Zweifel. Zu keiner von beiden Parteien hatte sich das Glück geneigt, bis schon spät in der Nacht der aufgehende Mond die beiderseitigen Kampflinien sichtbar machte und zugleich irreführte. Doch war es für die Flavianer günstiger, dass er in ihrem Rücken stand. Die Schatten, die er von hinten warf, waren bei Mann und Ross größer und, fälschlich auf die Schatten geworfen, als wären es die Körper, fielen die Geschosse zu kurz nieder. Die Vitellianer dagegen strahlte das Mondlicht von vorne an und so standen sie den wie aus einem Versteck schießenden Feinden ungeschützt gegenüber. 24. Sobald nun Antonius seine Leute erkennen und selbst von ihnen erkannt werden konnte, feuerte er die einen durch einen Appell an ihr Ehrgefühl und durch Vorwürfe, viele durch Lob und mahnenden Zuspruch und alle dadurch an, dass er bei ihnen Hoffnung erweckte und ihnen Versprechungen machte. Und so fragte er die pannonischen Legionen, warum sie denn wieder die Waffen erhoben hätten. Dies seien doch die Kampfgefilde, auf denen sie den früheren Schandfleck austilgen, wo sie ihren Ruhm wiedergewinnen könnten. Dann zu den mösischen Truppen gewandt, nannte er sie die Anstifter und Urheber des Krieges: vergeblich habe man mit Drohungen und leeren Worten die Vitellianer herausgefordert, wenn sie deren Fäuste und Blicke nicht ertrügen. So sprach er, wie er gerade an jeden einzelnen herangetreten war. Ausführlicher wandte er sich zu den Mannschaften der dritten Legion, indem er sie an alte und neue Taten erinnerte, wie sie unter M. Antonius die Parther, unter Corbulo die Armenier und erst kürzlich die Sarmaten geschlagen hätten. Dann sprach er erbittert die Prätorianer an: »Wenn ihr nicht siegt, ihr Spießbürger, welcher andere Imperator, welch anderes Lager wird euch dann aufnehmen? Dort sind eure Fahnen und Waffen,19 und der Tod, wenn ihr euch besiegen lasst. Schande habt ihr ja genug auf euch geladen.« Da erhob sich überall der Kampfruf, und die dritte Le­gion – so ist es in Syrien Sitte – begrüßte die aufgehende Sonne.20 25. Darauf ging ein unbestimmtes Gerücht um – vielleicht war es auch von dem Heerführer absichtlich aufgebracht worden –,

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Drittes Buch, Kapitel 26 – 27

Mucianus sei eingetroffen und die Heere hätten einander begrüßt. Da zogen sie los, wie wenn sie durch frische Hilfstruppen verstärkt wären, während die Kampflinie der Vitellianer schon größere Lücken aufwies, da bei dem Fehlen einer Führung jeden sein Angriffsgeist oder auch seine Angst zusammenscharte oder auseinanderführte. Als Antonius merkte, dass sie zum Weichen gebracht waren, warf er sie vollends in dicht geschlossener Formation über den Haufen. Die gelockerten Reihen wurden durchbrochen und konnten sich nicht wieder zusammenschließen, da die Fahrzeuge und Wurfmaschinen im Wege standen. Dem Fußsteig der Heerstraße entlang schwärmten die Sieger zu eiliger Verfolgung aus. Das Morden war deshalb umso denkwürdiger, weil ein Sohn seinen Vater tötete. Hergang und Namen will ich im Anschluss an den Bericht des Vipstanus Messalla überliefern. Iulius Mansuetus aus Spanien, der der Legion »Rapax« zugeteilt war, hatte zu Hause einen unmündigen Sohn zurückgelassen. Als dieser dann herangewachsen war, wurde er von Galba zur siebten Legion ausgehoben. Zufällig traf er nun auf seinen Vater und brachte ihm eine Verwundung bei, die diesen niederstreckte. Während er den Halbtoten durchsuchte, erkannten sie sich. Da umarmte er den Verblutenden und flehte mit jammernder Stimme seines Vaters Manen um Versöhnung an, sie möchten ihn nicht als Vatermörder verwerfen. Diese Tat falle der Allgemeinheit zur Last. Den wievielten Teil denn ein einziger Soldat im Bürgerkriege bilde! Zugleich hob er den Leichnam auf, machte eine Grube und erfüllte die letzte Pflicht gegenüber seinem Vater. Zuerst bemerkten es nur die Zunächststehenden, dann eine größere Anzahl. Darauf ging durch die ganze kämpfende Truppe betroffenes Erstaunen und Klagen sowie Verwünschung des so grausamen Krieges. Aber sie ließen darum nicht nach im Hinmorden und Berauben von Verwandten, Angehörigen und Brüdern. Ein Verbrechen sei begangen, sagten sie, und – begingen es. 26. Als sie nach Cremona kamen, erwartete sie ein neues, gewaltiges Befestigungswerk. Im Othonianischen Kriege hatten die germanischen Truppen um die Mauern von Cremona ihr Lager angelegt, um das Lager einen Wall gebaut und diese Fes-



Sieg des Antonius · Sturm auf Cremona

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tungsanlagen wiederum vergrößert. Bei ihrem Anblick stutzten die Sieger, und die Heerführer wussten nicht, was sie befehlen sollten. Mit der Bestürmung zu beginnen, war bei einem Heer, das die Strapazen eines Tages und einer Nacht hinter sich hatte, schwierig und ohne eine in der Nähe befindliche Unterstützung gewagt. Wenn sie aber nach Bedriacum zurückmarschierten, konnte man einen so langen, anstrengenden Marsch nicht aushalten und der Sieg erwies sich als nutzlos. Also ein festes Lager aufschlagen! Auch davor hatte man bei der Nähe der Feinde ein Grausen; diese könnten ja plötzlich einen Ausfall machen und über die zerstreuten und mit der Schanzarbeit beschäftigten Leute herfallen. Jedoch mehr als dies alles schreckten sie die eigenen Mannschaften, die eher Gefahren auf sich nahmen, als Warten sich gefallen ließen. Denn, was sie als sicher hatten, das war nicht willkommen, verwegenes Zugreifen war aussichtsreich, und alles Morden, Blut und Wunden wog die Gier nach Beute auf. 27. Darauf stellte sich Antonius ein, und so befahl er, den Wall ringsum einzuschließen. Zuerst blieb der Kampf auf Pfeilschüsse und Steinwürfe aus der Ferne beschränkt. Er brachte den Flavianern größeres Verderben, da auf sie die Geschosse von oben heruntergeschleudert wurden. Dann wies er den einzelnen Legionen die Wallabschnitte und die Tore zu, damit die Teilung der Kampfesmühe die Tapferen und die Feigen unterscheide und sie schon der Wettstreit um die Ehre anfeuere. Die Strecke zunächst der Straße nach Bedriacum übernahmen die dritte und die siebte Legion, die des Walles mehr nach rechts die achte und die siebte Claudianische, die dreizehnte führte ihr Kampfgeist zu dem Brixianischen Tor. Darauf gab es noch einen kurzen Aufenthalt. Sie holten erst noch aus den nächstgelegenen Feldern teils Hacken und Äxte, teils Sicheln und Leitern zusammen. Dann rückten sie mit Schilden, die sie über ihre Köpfe hielten, unter einem dichten Schutzdach heran. Auf beiden Seiten wandte man römische Kriegskünste an: Gewichtige Steine rollten die Vitellianer herunter und wühlten mit Spießen und Stangen in das auseinandergesprengte, schwankende Schilddach, bis sich das Gefüge der Schilde gelöst hatte und sie die Angreifer, verblutend oder verstümmelt,

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Drittes Buch, Kapitel 28 – 31

unter schweren Verlusten zu Boden streckten. Da wäre nun der Angriff ins Stocken geraten, wenn nicht die Heerführer die erschöpften Mannschaften, die auf ihr Zureden, als wäre es ja doch ­zwecklos, nicht hören wollten, auf Cremona hingewiesen hätten. 28. Ob dieser Einfall von Hormus ausging, wie Messalla überliefert, oder ob C. Plinius die glaubwürdigere Quelle ist,21 der Antonius beschuldigt, könnte ich nicht ohne weiteres entscheiden. Nur so viel sei gesagt, dass weder Antonius noch Hormus nach ihrem Ruf und ihrem Lebenswandel einer noch so verwerflichen Tat nicht fähig gewesen wäre. Nun hielten sie weder Blut noch Wunden davon ab, den Wall zum Einsturz zu bringen, die Tore zu zerschmettern, sich auf die Schultern zu stemmen, auf ein verdoppeltes Schilddach zu steigen und die Waffen und Arme der Feinde zu packen. Unverletzte mit Verwundeten, Halbtote mit Sterbenden wälzten sich herunter. Das Sterben prägte sich in mannigfachen Formen aus, und der Tod zeigte sich in allen möglichen Bildern. 29. Am erbittertsten tobte der Kampf bei der dritten und der siebten Legion. Auch der Heerführer Antonius hatte sich mit auserlesenen Hilfstruppen eben dorthin geworfen. Als die Vitellianer den verbissen Kämpfenden nicht mehr standhalten konnten und die von oben herabgeschleuderten Geschosse an dem Schilddach abglitten, warfen sie zuletzt die Wurfmaschine selbst auf die herandringenden Feinde herunter. Dadurch wurden zwar diese für einen Augenblick auseinandergesprengt, auch wurde unter ihr begraben, auf wen sie gefallen war. Aber sie riss auch in ihrem Sturze die Brustwehr und den obersten Rand des Walles mit sich in die Tiefe. Zugleich gab der anschließende Turm den Steinwürfen nach, und während hier die siebte Legion in Keilformation einzudringen versuchte, schlug die dritte mit Beilen und Schwertern das Tor ein. Dass C. Volusius, ein Soldat der dritten Legion, als erster eingedrungen ist, darüber sind sich alle Schriftsteller einig. Er erstieg von innen den Wall, warf jeden, der noch Widerstand leistete, herunter und schrie, indem er durch Gesten und Zurufe die Aufmerksamkeit auf sich lenkte: »Das Lager ist genommen!« Nun brachen die übrigen durch, da die Vitellianer bereits in heller Angst sich



Kampf um die Mauern von Cremona

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aus der Umwallung davonstürzten. Der ganze Raum zwischen Lager und Mauern füllte sich an mit Erschlagenen. 30. Und wiederum ergab sich ein neues Bild der Kampfesmühen:22 steil die Mauern der Stadt, die Türme aus Stein gebaut, die Torriegel aus Eisen, Geschosse schwingende Soldaten, das Volk von Cremona, zahlreich und der Vitellianischen Partei verpflichtet, ein großer Teil Italiens versammelt an dem in diesen Tagen regelmäßig stattfindenden Jahrmarkt. Dies bedeutete für die Verteidiger wegen der Menschenmenge Hilfe, für die Stürmenden wegen der Beute einen Ansporn. Antonius ließ Feuerbrände herbeischleppen und an die schönsten Gebäude außerhalb der Stadt Feuer legen, ob etwa durch den Verlust ihres Besitztums die Cremonenser veranlasst würden, die Fahne zu wechseln. Die Gebäude nahe den Mauern, die über diese hin­ausragten, besetzte er mit den tapfersten Soldaten. Diese trieben mit Balken, Ziegeln und Feuerbränden die Verteidiger von den Mauern herunter. 31. Schon scharten sich die Legionen zusammen, um ein Schilddach zu bilden, während andere Geschosse und Steine schleuderten, als allmählich der Kampfgeist der Vitellianer erlahmte. Je höher einer im Rang stand, desto rascher fügte er sich dem Schicksal in der Befürchtung, es möchte, wenn auch noch Cremona vernichtet würde, weiterhin keine Gnade walten und sich der ganze Zorn des Siegers nicht gegen die mittellose Menge, sondern gegen die Tribunen und Zenturionen wenden, bei denen sich das Morden eher lohnte. Der gemeine Soldat, der sich nicht um die weitere Zukunft kümmerte und der sicherer war, da man ihn ja nicht kannte, blieb halsstarrig. Sie zogen auf den Straßen umher, verbargen sich in den Häusern und baten auch jetzt nicht um Frieden, da sie den Krieg aufgegeben hatten. Die Offiziere des Lagers beseitigten den Namen und die Bilder des Vitellius. Cäcina – er war immer noch gefesselt – nahmen sie die Ketten ab und baten ihn, als Fürsprecher in ihrer Sache ihnen zur Seite zu stehen. Als er dies aufgebracht zurückwies, bestürmten sie ihn unter Tränen, wobei so viele äußerst tapfere Männer – o allerschlimmstes Unglück! – die Hilfe eines Verräters anriefen. Dann zeigten sie oben auf den Mauern Tücher und Binden.23 Als Antonius die Beschießung einzustellen

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Drittes Buch, Kapitel 32 – 34

befahl, trugen sie die Feldzeichen und Adler hinaus. Hinter diesen kam ein trauriger Zug von Waffenlosen, die die Blicke zu Boden gesenkt hatten. Umher standen die Sieger. Zuerst bedachten sie sie mit Schimpfworten und bedrohten sie mit Tätlichkeiten. Dann, als sie sich schmählich ins Gesicht schlagen und nach Aufgabe jeglicher trotzigen Haltung als Besiegte sich alles gefallen ließen, stellte sich die Erinnerung ein, dass dies ja die Leute seien, die kürzlich bei Bedriacum so maßvoll als Sieger gewesen seien. Aber als sich Cäcina in der Prätexta und mit den Liktoren zeigte, die die Menge zur Seite drängten, und als Konsul daherschritt, da flammte der Grimm der Sieger auf: seinen Hochmut und seine Grausamkeit – so verhasst sind Freveltaten  –, ja sogar seine Treulosigkeit warfen sie ihm vor. Antonius trat ihnen entgegen, gab ihm ein schützendes Geleit und entließ ihn zu Vespasianus. 32. Das niedere Volk von Cremona war inzwischen inmitten der Bewaffneten in einer höchst bedrängten Lage; und schon war es nicht mehr weit von Blutvergießen, als durch die Bitten der Heerführer die Soldaten sich besänftigen ließen. ­Antonius berief sie zu einer Versammlung und hielt eine Ansprache, die sich großspurig an die Sieger, nachsichtig an die Besiegten richtete und in der er hinsichtlich Cremonas weder nach der einen, noch nach der anderen Seite Stellung nahm. Das Heer drängte, abgesehen von der angeborenen Gier nach Beute, aus altem Hass auf die Vernichtung von Cremona. Man glaubte von den Cremonensern, sie hätten die Vitellianische Partei auch im Krieg mit Otho unterstützt. Dann hatten sie auch die Soldaten der dreizehnten Legion, die man zum Bau des Amphitheaters zurückgelassen hatte, frech, wie der städtische Pöbel veranlagt ist, in herausfordernden Zänkereien verspottet. Die Erbitterung vermehrte ein Gladiatorenschauspiel, das Cäcina dort gegeben hatte, ferner der Umstand, dass zum zweiten Mal hier der Kriegsschauplatz war, dass man den Vitellianern auf das Schlachtfeld Verpflegung gebracht hatte und einige Frauen getötet worden waren, die sich in ihrer Begeisterung für die Partei in den Kampf vorgewagt hatten. Auch gab die Zeit des Jahrmarktes der ohnehin schon reichen Koloniestadt das Bild eines noch größeren Reichtums. Die übrigen Heerführer fielen nicht



Zerstörung der Stadt Cremona

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weiter auf, den Antonius hatte sein Glück und sein Ruf in den allgemeinen Blickpunkt gerückt. Er eilte in ein Bad, um sich das Blut abzuwaschen und, als er sich darüber beklagte, dass das Wasser nur lau sei, fing man den Ausspruch auf: »Gleich wird es heiß werden!« Diese Angabe eines Haussklaven lenkte allen Hass auf ihn, als ob er das Zeichen gegeben hätte, Cremona in Brand zu stecken, das doch schon in Flammen stand. 33. Vierzigtausend Bewaffnete stürzten sich in die Stadt, eine noch größere Zahl von Trossknechten und Marketendern, die in ihrem hemmungslosen Wüten einen noch schlimmeren Grad von Verdorbenheit darstellten. Nicht Stand, nicht Alter bot Schutz davor, dass sich Vergewaltigung zu Mord, Mord zu Vergewaltigung gesellte. Hochbetagte Greise, am Ende ihres Lebens stehende Frauen, die als Beute keinen Wert darstellten, schleppten sie mit sich und trieben ihren Spott mit ihnen. Wo eine erwachsene Jungfrau oder ein wohlgestalteter Mann die Augen auf sich zog und ihnen in den Weg lief, riss man sich um ihn unter Gewaltanwendung und im Handgemenge, um ihn fortzuschleppen, bis er zuletzt die Plünderer selbst dazu brachte, sich gegenseitig umzubringen. Während sie, jeder für sich, Geld oder schwergoldene Tempelgeschenke fortschleppten, wurden sie von anderen, die stärker waren, niedergehauen. Manche ließen, was am Wege war, liegen und forschten, während sie die Besitzer schlugen und folterten, nach verstecktem Gut, wühlten heraus, was vergraben war, mit Fackeln in der Hand, die sie, sobald sie die Beute herausgeschafft hatten, in ihrem Mutwillen in die leeren Häuser und in die ausgeplünderten Tempel warfen. Und da es sich um ein Heer handelte, das verschiedene Sprachen und Sitten hatte und bei dem Bürger, Bundesgenossen und Ausländer sich befanden, nahm jeder in unterschiedlicher Gier ein anderes Recht für sich in Anspruch, und so gab es nichts, was nicht erlaubt gewesen wäre. Vier Tage bot Cremona dem Feuer Nahrung. Als alles Heilige und Profane in Asche gesunken war, blieb allein der Mefitistempel,24 der sich vor den Mauern befand, stehen, sei es, dass sein Standort oder die Gottheit ihn geschützt hatte. 34. Dies war das Ende von Cremona im zweihundertsechsundachtzigsten Jahre nach seiner Erbauung.25 Es war gegründet

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Drittes Buch, Kapitel 35 – 37

worden unter dem Konsulat des Ti. Sempronius und P. Cornelius bei dem Einbruch Hannibals in Italien als Bollwerk gegen die jenseits des Po wohnenden Gallier und für den Fall, dass irgendeine andere Heeresmacht über die Alpen hereinbräche. Und so wuchs und blühte es auf durch die Zahl seiner Kolonisten, die günstige Flusslage, den fruchtbaren Boden und durch die engen Verbindungen und Ehegemeinschaften mit anderen Völkerschaften, unberührt von auswärtigen Kriegen, aber ins Unglück gestürzt durch die Bürgerkriege. Antonius schämte sich über das schändliche Geschehen und, da die Erbitterung wuchs, gab er bekannt, es solle niemand einen Cremonenser als Gefangenen behalten. Der einmütige Wille Italiens, das den Kauf solcher Sklaven ablehnte, hatte die Beute für die Soldaten wertlos gemacht. Da begann man, diese umzubringen. Doch, als dies bekannt wurde, wurden sie von Angehörigen und Verwandten heimlich losgekauft. Später kehrte die übriggebliebene Bevölkerung nach Cremona zurück. Die öffentlichen Plätze und Tempel wurden dank der Freigebigkeit der Bürger wiederhergestellt. Dazu forderte auch Vespasianus auf. 35. Übrigens erlaubte es der Boden, über dem der giftige Dunst der Verwesung lag, nicht, lange vor den Ruinen der in Asche begrabenen Stadt zu lagern. Man rückte bis zum dritten Meilenstein vor und stellte die voller Angst sich umhertreibenden Vitellianer, jeden bei seinem Manipel, wieder ein. Die besiegten Legionen wurden, damit sie bei dem immer noch fortdauernden Bürgerkrieg nicht eine unzuverlässige Haltung einnähmen, über Illyricum verteilt. Dann schickte man nach Britannien und Spanien Boten und ließ die Kunde von dem Geschehen verbreiten, nach Gallien den Tribunen Iulius Calenus, nach Germanien den Führer einer Kohorte, Alpinius Montanus,26 damit sie sich dort zeigen, weil dieser ein Trevirer, Calenus ein Häduer und beide Vitellianer gewesen waren. Zugleich wurden Truppenabteilungen an die Alpenpässe gelegt, da man Germanien nicht traute und vermutete, es rüste sich zur Unterstützung des Vitellius. 36. Aber Vitellius hatte wenige Tage nach der Abreise Cäcinas Fabius Valens in den Krieg getrieben und suchte nun seine Sorgen hinter einem ausschweifenden Lebenswandel zu verbergen:



Würdelose Haltung des Vitellius

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er stellte keine Waffen bereit, stärkte nicht die Mannschaften durch Ansprachen und dienstliche Übungen, machte nicht bei den Leuten von sich reden, sondern in den Lauben seines Parkes verborgen, hatte er, wie das träge Vieh, das stumpf daliegt, wenn man ihm Futter hinwirft, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichermaßen vergessen und abgetan. Da traf ihn, der im Hain von Aricia nichts tuend dahinvegetierte, der Verrat des Lucilius Bassus und der Abfall der Flotte von Ravenna wie ein Schlag. Und bald darauf kam die teils schmerzliche, teils erfreuliche Nachricht über Cäcina, er sei abgefallen und er sei von dem Heer in Fesseln gelegt worden. Die Freude überwog in seinem harmlosen Gemüt die Sorge. Unter lautem Jubel fuhr er in die Hauptstadt zurück, und in einer zahlreich besuchten Versammlung überhäufte er die Soldaten mit Lobsprüchen über ihre Anhänglichkeit und ließ den Prätorianerpräfekten Publilius Sabinus27 wegen seiner Freundschaft mit Cäcina in Fesseln legen. An dessen Stelle setzte er Alfenus Varus. 37. Dann hielt er an den Senat eine hochtrabende Ansprache, worauf ihn die Senatoren mit ausgesuchten Huldigungen beehrten. Der erste, der eine scharfe Äußerung gegen Cäcina abgab, war L. Vitellius. Dann taten auch die übrigen so, als wären sie entrüstet, dass er als Konsul das Gemeinwesen, als Heerführer den Imperator und, trotzdem er mit so viel Reichtum, so viel Ehren überhäuft worden sei, den Freund verraten habe. So taten sie, als ob sie sich mit ihren Beschwerden für Vitellius einsetzten, während sie nur ihrem persönlichen Unmut Luft machten. Kein einziger ließ in seiner Rede ein missgünstiges Wort gegen die flavianischen Heerführer verlauten. Sie schoben die Schuld auf die Verirrung und die Unwissenheit der Heere und umgingen den Namen des Vespasianus mit ängstlichen Ausflüchten. Und es fehlte nicht der Mann, der den einzigen, noch übrigen Tag des Konsulats – denn ein solcher war für Cäcinas Stelle noch übrig – sich erschmeichelte, wobei der Geber und Empfänger sich in gleich großem Maße lächerlich machten. Am 31. Oktober trat Roscius Regulus sein Amt an – und legte es nieder. Sachkundige Leute machten dabei die Bemerkung, niemals zuvor habe man eine Ergänzungswahl vorgenommen, ohne dass man das Amt aberkannt und ohne

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Drittes Buch, Kapitel 38 – 40

dass man einen Gesetzesvorschlag eingebracht habe. Denn einen Konsul mit der Amtsdauer von einem einzigen Tag habe es auch zuvor gegeben, und zwar Caninius Rebilus28 unter dem Diktator C. Cäsar, als man nicht rasch genug die Belohnungen für den Bürgerkrieg ernten konnte. 38. In diesen Tagen wurde der Tod des Iunius Bläsus bekannt und viel besprochen. Darüber habe ich folgendes erfahren: Vitellius war schwer erkrankt und lag in dem Servilianischen Park. Da bemerkte er, dass in einem in der Nähe gelegenen Palast die Nacht hindurch zahlreiche Lichter brannten. Als er sich nach dem Anlass erkundigte, wurde ihm mitgeteilt, bei Cäcina Tuscus29 finde ein Essen mit vielen Gästen statt, und dabei werde Iunius Bläsus besonders geehrt. Alles Übrige wurde übertrieben, sowohl was die Aufmachung betraf, wie die ausgelassene Fröhlichkeit. Es fehlte auch nicht an Leuten, die Tuscus selbst und auch andere, aber besonders belastend Bläsus beschuldigten, er feiere fröhliche Feste, während der Fürst krank sei. Als nun die Kreise, die ein scharfes Auge dafür hatten, was bei Fürsten Anstoß erregt, klar genug erkannten, dass Vitellius aufgebracht war und man Bläsus stürzen könne, wurde L. Vitellius mit der Rolle des Angebers betraut. Jener war mit Bläsus aus bösartiger Eifersucht verfeindet. Denn er hatte vor ihm, der sich auf jegliche Weise schandvoll befleckt hatte, einen ausgezeichneten Ruf voraus. Und so schloss er das Schlafgemach des Fürsten auf, umarmte dessen Sohn und kniete vor ihm nieder. Als dieser ihn nach dem Grund seines verstörten Gehabens fragte, sagte er, nicht aus Befürchtung für seine Person und nicht um sich selber in Angst, sondern für den Bruder, für die Kinder des Bruders sei er bittend und weinend hergekommen. Grundlos sei die Furcht vor Vespasianus, den so viele germanische Legionen, so viele Provinzen durch ihre Tapferkeit und Treue, ja so weite Länder und Meere durch ihre gewaltigen Räume fernhalten. In der Hauptstadt und im eigenen engen Bereich müsse man sich vor dem Feind hüten, der sich mit Iuniern und Antoniern30 als seinen Ahnen brüste, der sich, als imperatorischem Stamm entsprossen, leutselig und in großer Aufmachung den Soldaten zeige. Auf ihn seien alle Blicke gerichtet, während Vitellius, unbekümmert um Freund und Feind, den Nebenbuhler



Bläsus ermordet

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begünstige, der von einem Gastmahl aus auf die Leiden des Fürsten schaue. Das unzeitgemäße Freudenfest müsse man ihm mit einer Nacht der Trauer und des Todes vergelten, die ihn wissen und fühlen lasse, dass Vitellius noch lebe und seine Regierung noch ausübe und dass er, sollte ihm, vom Schicksal bestimmt, etwas zustoßen, auch noch einen Sohn habe. 39. Während er so in aufgeregter Unruhe zwischen dem Entschluss zum Verbrechen und der Furcht hin und her schwankte, es möchte ihn der Aufschub des Todes des Bläsus in baldiges Verderben stürzen, aber ein offener Befehl ihm erbitterten Hass zuziehen, beschloss er, mit Gift vorzugehen. Den Glauben, dass er wirklich die Schandtat verübt hat, bestärkte er noch dadurch, dass er bei einem Besuch bei Bläsus auffallende Freude erkennen ließ. Ja, man hörte ein gar grausames Wort des Vitellius, mit dem er – ich will seine eigenen Worte berichten – sich brüstete, der Anblick seines toten Freundes sei ihm eine Augenweide gewesen. Bläsus war, abgesehen von seiner vornehmen Abstammung und seiner feinen Lebensart, ein Mann von unerschütterlicher Treue. Auch als die Macht des Vitellius noch ungeschwächt war, wurde er von Cäcina und den Spitzen der Partei, die von Vitellius schon nichts mehr wissen wollten, umworben. Aber er lehnte diese Bemühungen beharrlich ab. Moralisch unantastbar, friedliebend, ohne Verlangen nach einer unerwarteten Ehrung, geschweige denn nach dem Prinzipat, hatte er sich zu wenig davor bewahren können, dass man ihn dessen für würdig hielt. 40. Indessen bekam Fabius Valens, der, begleitet von einem zahlreichen und liederlichen Schwarm von Konkubinen und Eunuchen langsam und nicht, als ob es in den Krieg ginge, daherzog, durch Eilboten die Nachricht, Lucilius Bassus habe die Flotte von Ravenna verraten. Und wenn er den schon begonnenen Marsch beschleunigt hätte, hätte er dem noch unschlüssigen Cäcina zuvorkommen oder vor der entscheidenden Schlacht die Legionen einholen können. Und verschiedentlich mahnte man ihn, mit seinen zuverlässigsten Leuten auf geheimen Fußpfaden unter Umgehung von Ravenna nach Hostilia oder Cremona zu eilen. Andere hielten es für ratsam, die Prätorianerkohorten aus der Hauptstadt heranzuziehen und mit einer starken Truppen-

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Drittes Buch, Kapitel 41 – 43

macht durchzubrechen. Er selbst vertrödelte indessen in unnützem Zögern die Stunde des Handelns mit Beratungen. Dann lehnte er beide Vorschläge ab und, während er den Mittelweg einschlug – in einer gefahrvollen Lage das Schlimmste – zeigte er weder genug Kühnheit noch genug Vorsicht. 41. Er schickte ein Schreiben an Vitellius und forderte Unterstützung. Es kamen auch drei Kohorten mit einer britannischen Reiterabteilung, ein Aufgebot, das sich weder dazu eignete, sich unbemerkt durchzuschleichen, noch sich durchzuschlagen. Aber auch in einem solch entscheidenden Augenblick bewahrte sich Valens nicht vor Schande. Wie man von ihm glaubte, stürzte er sich auf verbotene Ausschweifungen und befleckte die Häuser seiner Gastgeber mit Ehebruch und Unzucht. Er war gewalttätig und verfügte über Geld und gab sich einem Sinnengenuss hin, der bei dem Zusammenbruch zu den letzten Mitteln greift. Erst als das Fußvolk und die Reiterei eintraf, zeigte es sich, wie verkehrt seine Maßnahme war. Denn mit einer so kleinen Schar konnte er sich durch die Feinde nicht durchschlagen, auch wenn sie noch so treu gewesen wäre. Und – man konnte sich auf ihre Treue nicht unbedingt verlassen. Doch hielt sie ihr Ehrgefühl und die Ehrfurcht vor dem anwesenden Heerführer noch zurück, Bande, die nicht dauerhaft waren bei Leuten, die vor Gefahren in Angst und gegenüber Schande sich gleichgültig zeigten. In solcher Besorgnis schickte er die Kohorten nach Ariminum voraus. Der Reiterabteilung befahl er, den Rücken zu decken. Er selbst bog mit wenigen Begleitern, die die missliche Lage in ihrer Haltung nicht verändert hatte, nach Umbrien und von da nach Etrurien ab. Dort erfuhr er den Ausgang der Schlacht von Cremona und fasste den so gar nicht feigen, und, wenn er zur Ausführung gekommen wäre, schrecklichen Entschluss, eilends Schiffe aufzubringen, in dem ersten besten Teil der narbonensischen Provinz zu landen, Gallien, Heere und die Völker Germaniens aufzurufen und so einen neuen Krieg heraufzubeschwören. 42. Nach dem Abzug des Valens führte Cornelius Fuscus sein Heer an Ariminum heran, dessen Besatzung in Ängsten war, schickte an die nächstgelegenen Küstengebiete Liburnerschiffe und schloss die Stadt zu Wasser und zu Lande ein. Das flache



Fuscus an der adriatischen Küste · Valens gefangen

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Land Umbriens und die von dem Adriatischen Meer bespülte Flur von Picenum wurde besetzt und ganz Italien durch die Berghöhen des Apennin zwischen Vespasianus und ­Vitellius geteilt. Fabius Valens wurde aus der Bucht von Pisa durch Windstille oder auch durch widrigen Wind in den Hafen des Hercules Monoecus abgetrieben. Nicht weit davon stand der Prokurator der Seealpen Marius Maturus,31 der Vitellius treu war. Er hatte ihm den Eid noch nicht gebrochen, obgleich das ganze Gebiet ringsum bereits feindlich gesinnt war. Er nahm Valens freundlich auf und schreckte ihn warnend davor zurück, auf gut Glück nach dem narbonensischen Gallien zu gehen. Zu gleicher Zeit hatten alle übrigen bereits aus Angst ihre Treue gebrochen. 43. Denn die umliegenden Gegenden hatte der Prokurator Valerius Paulinus,32 ein tüchtiger Kriegsmann, der mit Vespasia­ nus schon vor dessen Erhebung befreundet war, auf diesen den Treueid schwören lassen. Er hatte alle, die, von Vitellius verabschiedet, freiwillig den Kriegsdienst wiederaufnahmen, aufgerufen und legte sie als Besatzung nach der Foroiuliensischen Koloniestadt, die den Schlüssel zum Meere bildete. Er hatte dabei umso größeres Gewicht, da Forum Iulii seine Heimatstadt war und er bei den Prätorianern, bei denen er früher Tribun gewesen war, in Ehren stand. Auch gab sich die Landbevölkerung selbst aus Zuneigung für ihren Landsmann und in Hoffnung auf die künftige Machtstellung Mühe, die Partei zu unterstützen. Als diese Maßnahmen, die durch entsprechende Vorkehrungen gesichert, aber auch durch das Gerücht übertrieben waren, bei den hin und her schwankenden Vitellianern bekannt wurden, kehrte Fabius mit nur vier Spekulatoren, drei Freunden und ebenso viele Zenturionen zu den Schiffen zurück. Maturus und die übrigen blieben freiwillig und leisteten auf Vespasianus den Treueid. Aber war für Valens einerseits das Meer sicherer als die Küstengebiete oder die Städte, so war er andererseits unschlüssig, was er nun tun solle, und war sich mehr darüber im Klaren, was er vermeiden, als worauf er sich verlassen solle. Durch ein Unwetter wurde er an die zu Massilia gehörigen Stöchadischen Inseln verschlagen. Dort überfielen ihn Liburnerschiffe, die Paulinus ausgesandt hatte.

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Drittes Buch, Kapitel 44 – 47

44. Als Valens gefangengenommen war, wandte sich alles der Macht des Siegers zu. Den Anfang machte in Spanien die erste Legion »Adiutrix«. Sie zog, im Gedenken an Otho gegen Vitellius feindlich eingestellt, auch die zehnte und die sechste nach. Britannien brachte die Sympathie für Vespasianus – er war dort von Claudius an die Spitze der zweiten Legion gestellt worden33 und hatte sich im Kriege rühmlich bewährt – zum Anschluss. Dies geschah nicht ohne Beunruhigung der übrigen Legionen, in denen sehr viele, von Vitellius beförderte Zenturionen und Mannschaften den Fürsten nur mit ängstlicher Besorgnis wechselten. Denn sie hatten ihn bereits kennengelernt. 45. Bei dieser Zwietracht und den zahlreichen Gerüchten, die über den Bürgerkrieg umgingen, erhoben die Britanner ihr Haupt auf Anstiften von Venutius,34 der, abgesehen von der angeborenen Wildheit und dem Hass gegen den römischen Namen, noch durch persönlichen Groll gegen die Königin Cartimandua35 aufgestachelt wurde. Cartimandua war die Herrscherin über die Briganten und übte auf Grund ihrer vornehmen Abstammung einen großen Einfluss aus. Auch hatte sie noch ihre Macht verstärkt, seitdem sie den König Caratacus durch List in ihre Hand gebracht hatte36 und sich den Anschein gab, als ob sie dadurch Claudius Cäsar den Triumph verschafft habe.37 So kam sie zu Reichtum und trieb einen ausschweifenden Missbrauch mit ihrem Glück. Sie verstieß Venutius – dies war ihr Mann –, heiratete seinen Schildträger Vellocatus und setzte ihn auf den Thron. Diese üble Handlung erschütterte sogleich ihr Haus. Auf der Seite ihres Mannes stand die Gunst der Bürgerschaft, auf der Seite des Ehebrechers die wilde Leidenschaft der Königin. Und so rief denn Venutius Hilfstruppen herbei und, da zugleich die Briganten selbst abfielen, brachte er Cartimandua in äußerste Gefahr. Da bat sie die Römer um Waffenschutz. Es kam zu wechselvollen Kämpfen mit unseren Kohorten und Reiterabteilungen. Jedoch entrissen sie die Königin der persönlichen Gefährdung. Der Thron blieb dem Venutius – und uns der Krieg. 46. In denselben Tagen kam es zum Aufruhr in Germanien. Durch die Nachlässigkeit der Heerführer, durch den Aufstand der Legionen, durch gewaltsame Eingriffe von außen und durch die Treulosigkeit der Bundesgenossen hätte die römische Macht



Cartimandua · Einfall der Daker abgewiesen

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beinahe einen schweren Schlag erlitten. Von diesem Krieg, seinen Ursachen und seinem Verlauf will ich später berichten. Denn er hat sich über einen weiteren Zeitraum erstreckt. Auch das Volk der Daker geriet in Bewegung. Es war nie zuverlässig gewesen und hatte damals nichts zu befürchten, da das Heer von Mösien abgezogen worden war. Doch schauten sie den ersten Ereignissen ruhig zu. Als sie aber vernahmen, dass der Kriegsbrand in Italien aufloderte und alles feindselig einander gegenüberstand, eroberten sie das Winterlager der Kohorten und Reiterabteilungen und bemächtigten sich beider Donauufer. Und schon trafen sie Anstalten, das Lager der Legionen zu vernichten. Doch stellte ihnen Mucianus die sechste Legion entgegen. Er wusste über den Sieg bei Cremona Bescheid und befürchtete, es möchte von außen her auf zwei Seiten lastende Kriegsnot hereinbrechen, wenn aus verschiedenen Richtungen Daker und Germanen einen Einfall machten. Wie auch sonst oft, half das Glück des römischen Volkes. Es führte Mucianus und die Streitkräfte des Ostens eben dorthin, auch brachten wir inzwischen die Entscheidung bei Cremona hinter uns. Fonteius Agrippa, der aus Asien kam – er hatte diese Provinz ein Jahr als Prokonsul mit den Befugnissen eines Oberbefehlshabers38 verwaltet –, wurde über Mösien gesetzt, wobei er zur Verstärkung Truppen aus dem Vitellianischen Heere erhielt, das über die Provinzen zu zerstreuen und in einen auswärtigen Krieg zu verwickeln, ein Gebot kluger Überlegung und des Friedens war. 47. Auch die übrigen Völkerschaften blieben nicht ruhig. Im Pontusgebiet hatte plötzlich ein Barbarensklave, der früher Befehlshaber der königlichen Flotte gewesen war, die Waffen erhoben. Es war dies Anicetus, ein Freigelassener Polemos,39 einst ein sehr mächtiger Mann, der sich nach der Umwandlung des Königreiches in eine römische Provinz in die veränderten Verhältnisse nicht fügen konnte. Deshalb zog er in des Vitel­ lius Namen die am Pontus wohnenden Völkerschaften an sich, verführte den besitzlosen Teil der Bevölkerung zur Hoffnung auf Beute und brach als Anführer eines nicht unansehnlichen Heerhaufens plötzlich in Trapezunt ein, jene altberühmte, von den Griechen am äußersten pontischen Küstengebiet gegründete Stadt. Dort wurde eine Kohorte niedergemacht. Einst hatte

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Drittes Buch, Kapitel 48 – 50

sie die königliche Schutztruppe gebildet; dann war sie mit dem römischen Bürgerrecht beschenkt worden und hatte ihre Fahnen und Waffen so, wie wir sie haben, behalten, aber auch die Faulheit und die Disziplinlosigkeit der Griechen. Auch die Flotte steckte er in Brand, da er auf dem freien Meer ungestört sein freches Spiel treiben konnte. Denn die auserlesensten Liburnerschiffe und die gesamte Mannschaft hatte Mucianus nach Byzanz verbracht. Ja, auch die Barbaren fuhren ohne jede Scheu auf Schiffen, die sie sich in aller Eile gezimmert hatten, umher. Diese nennen sie »Camaren«. Sie haben schmale Seitenwände, einen weiten Schiffsbauch, der ohne eherne oder eiserne Verstrebungen zusammengefügt ist. Geht die See hoch, so erhöhen sie je nach dem Steigen der Wogen den Bordrand durch Bretter, bis sich diese wie zu einem Dach zusammenschließen. So treiben sie zwischen den Wogen, wobei der Bug gleichermaßen vorn und hinten ist und das Ruderwerk umgewechselt werden kann, weil, mit der einen oder anderen Seite zu landen, für sie einerlei ist und dabei niemand zu Schaden kommt. 48. Dieser Vorfall lenkte die Aufmerksamkeit des Vespasianus auf sich, und er sah sich veranlasst, Vexillarier aus den Legionen unter Führung des bewährten Kriegsmannes Virdius Geminus auszuwählen. Dieser griff den ohne Ordnung beutegierig umherziehenden Feind an und trieb ihn auf die Schiffe. Er ließ in aller Eile Liburnerschiffe anfertigen und holte Anicetus in der Mündung des Flusses Chobus ein, wo dieser sich unter dem Beistand des Königs der Sedochezen40 sicher fühlte. Denn er hatte ihn durch Geld und Geschenke veranlasst, mit ihm ein Bündnis einzugehen. Und zuerst schützte ihn auf seine flehentlichen Bitten hin der König, indem er mit Waffengewalt drohte. Als er nun vor die Wahl einer Belohnung für einen Verrat oder eines Krieges gestellt wurde, da wurde er, wie es Barbaren so geht, in seiner Treue wankend, verpflichtete sich, Anicetus umzubringen, und lieferte die Flüchtlinge aus, womit dieser Sklavenkrieg sein Ende fand. Vespasianus freute sich über diesen Sieg, da ja alles noch besser, als er es wünschte, verlief. Da erreichte ihn in Ägypten die Nachricht von der Schlacht bei Bedriacum. Mit umso größerer Eile marschierte er nach Alexandria weiter, um die zusammengebrochenen Heere des Vitellius



Empörung in Pontus · Vespasianus in Ägypten

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und die auswärtiger Hilfe bedürftige Hauptstadt durch Hunger in eine bedrängte Lage zu versetzen. Denn er traf Vorbereitungen, auch das an der gleichen Küste gelegene Afrika zu Wasser und zu Lande anzugreifen, um durch Abschnürung des Getreidenachschubes bei dem Feind Not und Zwietracht zu erwecken. 49. Während so die ganze Welt ins Wanken kam und sich ein Wechsel in dem Geschick des Reiches vollzog, trug das Wirken des Primus Antonius seit den Tagen von Cremona keineswegs so, wie vorher, den Stempel der Uneigennützigkeit. Er glaubte, genug für den Krieg getan zu haben, und alles Weitere auf die leichte Schulter nehmen zu können. Es mag auch sein, dass das Glück bei einer solchen Veranlagung Habsucht, Übermut und alle sonstigen schlechten Eigenschaften, die bisher in ihm schlummerten, zum Vorschein brachte. Er durchstreifte I­ talien, als ob er es erobert hätte, und machte den Legionen den Hof, als ob es die seinigen wären. Alle seine Reden und Taten waren darauf abgestimmt, sich den Weg zur Macht zu bahnen. Und um die Mannschaften mit dem Geist der Disziplinlosigkeit zu erfüllen, machte er den Legionen das Angebot, dass sie selbst die Stellen der gefallenen Zenturionen besetzen sollten. Durch eine damit bedingte Abstimmung wurden gerade die am meisten aufrührerischen Elemente gewählt. Die Mannschaften waren nicht mehr in der festen Hand der Heerführer, sondern die Heerführer befanden sich im Schlepptau gewalttätiger Mannschaften. Dieses aufrührerische Treiben, das die Diszi­ plin untergraben musste, nützte er bald dazu aus, Beute zu machen. Dabei hatte er keine Besorgnis vor dem Herannahen des Mucia­nus, was noch verderblicher war, als Vespasianus nicht beachtet zu haben. 50. Übrigens marschierte das Heer ohne Tross, da der Winter vor der Türe stand und die Felder vom Po überschwemmt waren.41 Die Fahnen und Adler der siegreichen Legionen, die Soldaten, die infolge Verwundung oder altershalber schwer beweglich waren, auch sehr viele, die voll dienstfähig waren, blieben in Verona zurück. Die Kohorten und die Reiterabteilungen und aus den Legionen auserlesene Mannschaften schienen zu genügen, für einen Krieg, der bereits so gut wie beendigt war. Die elfte Legion hatte sich angeschlossen, anfangs nur zögernd, aber dann doch

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Drittes Buch, Kapitel 51 – 53

in der ängstlichen Besorgnis, wenn sich die Lage günstig entwickeln würde, nicht dabei gewesen zu sein. Sechstausend Dalmatier, die neu ausgehoben waren, zogen mit. Ihr Führer war der Konsular Pompeius Silvanus,42 die planende Macht war in der Hand des Legionslegaten Annius Bassus. Er lenkte Silvanus, der keine Tatkraft im Kriege zeigte und die Tage des Handelns mit Geschwätz vertrödelte, in scheinbarer Unterordnung und hatte bei allem, was zu tun war, mit ruhiger, aber beharrlicher Betriebsamkeit seine Hand im Spiele. Zu diesen Truppen wurden von den Flottenmannschaften in Ravenna, die den Dienst in den Legionen verlangten, die besten Leute hinzugenommen, während die Dalmater die Flotte ergänzten. Das Heer mit seinen Führern machte bei Fanum Fortunae halt. Sie waren unschlüssig, welche entscheidenden Maßnahmen sie treffen sollten, da sie von dem Abmarsch der Prätorianer aus der Hauptstadt gehört hatten und glaubten, die Apenninen seien von Truppenverbänden besetzt. Auch schreckte sie selbst der Mangel in der durch den Krieg schwer heimgesuchten Gegend und das aufrührerische Gerede der Soldaten, die das »Nagelgeld« – es ist dies die Bezeichnung für ein »Geschenk« – verlangten. Sie hatten auch für Geld oder Getreide nicht vorgesorgt, und hemmend wirkte die gierige Hast, mit der man an sich raffte, was man ohne weiteres hätte in Empfang nehmen können. 51. Es stehen mir die namhaftesten Quellen dafür zur Verfügung, dass die Sieger so ehrfurchtslos gegenüber Recht und Unrecht gewesen sind, dass ein gemeiner Reiter mit der offenen Erklärung, er habe in der letzten Schlacht seinen eigenen Bruder getötet, von den Heerführern eine Belohnung erbat. Ihn jedoch für diesen Mord auszuzeichnen, erlaubte ihnen das Menschenrecht nicht, ihn dafür zu bestrafen, duldete die Rücksicht auf die Kriegsverhältnisse nicht. Sie hatten ihn auf später vertröstet, als habe er eine Belohnung verdient, die für eine sofortige Ausbezahlung zu hoch sei. Doch wird über den Vorfall nichts weiter überliefert. Übrigens hatte sich auch in den früheren Bürgerkriegen ein ähnlicher Frevel ereignet. In der Schlacht, in der bei dem Janiculum gegen Cinna gekämpft wurde,43 tötete ein pompejanischer Soldat seinen Bruder, und dann, als er seine Untat erkannte, sich selbst, wie Sisenna44 berichtet. So viel



Sittenverfall im Heer · Antonius wird gebremst

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ausgeprägter war bei den Alten auf der einen Seite das Gefühl für Ruhm, den sie mannhaften Taten zollten, auf der anderen Seite die Reue, die sie bei Freveltaten empfanden. Solche und andere Erscheinungen, die der alten Geschichte entnommen sind, künftig zu erwähnen, sooft Umstände und Ort Beispiele für das Rechte oder Trost für das Böse erfordern, wird nicht unpassend sein. 52. Antonius und die Heerführer der Partei beschlossen, Reiterei vorauszuschicken zur Erkundung von ganz Umbrien, ob vielleicht an irgendeiner Stelle ein bequemerer Anstieg zu den Höhen des Apennin sich finde, ferner die Adler und Fahnen und sämtliche Truppen von Verona herbeizuholen, und auf dem Po sowie zur See Nachschub in Fülle herbeizuführen. Es gab unter den Heerführer einige, die für ein zögerndes Vorgehen eintraten. Denn Antonius war schon zu groß geworden und zudem setzte man auf Mucianus bestimmtere Erwartungen. Mucianus war nämlich besorgt, weil der Sieg so rasch errungen worden war, und glaubte, wenn er nicht persönlich sich der Hauptstadt bemächtige, werde er vom Krieg und vom Ruhm ausgeschlossen bleiben. Deshalb schrieb er an Primus und Varus in zweideutigen Wendungen, in denen er darlegte, man möge das Begonnene weiter betreiben, oder auch wieder sich über die Vorteile eines hinhaltenden Verfahrens erging. Dabei ging er so berechnend vor, dass er je nach dem Verlauf der Ereignisse die Schuld an einem Misslingen von sich abschieben oder das Verdienst an einem Gelingen für sich in Anspruch nehmen konnte. Gegenüber Plotius Grypus, der kürzlich von Vespasia­ nus in den Senatorenstand erhoben und an die Spitze einer Legion gestellt worden war,45 und seinen übrigen Getreuen war er mit seinen Ermahnungen offenherziger. Diese alle äußerten sich in ihren schriftlichen Antworten ungünstig über die Eile des Primus und Varus und ganz im Sinne des Mucianus. Diese Briefe hatte er an Vespasianus geschickt und dadurch erreicht, dass die Vorschläge und Handlungen des Antonius nicht die Würdigung fanden, die dieser erhofft hatte. 53. Darüber war Antonius verstimmt und schob die Schuld auf Mucianus, durch dessen Anschuldigungen seine gewagten Unternehmungen an Wert eingebüßt hätten. Er mäßigte sich nicht

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Drittes Buch, Kapitel 54 – 55

in seinen Gesprächen, unbeherrscht in seinen Worten und nicht gewöhnt, sich unterzuordnen. Er verfasste ein Schreiben an Vespasianus, das gegenüber einem Fürsten zu großsprecherisch und nicht ohne versteckte Ausfälle gegen Mucianus war: er habe die pannonischen Legionen ins Feld geführt, auf seinen Antrieb hin seien die Heerführer in Mösien in Bewegung gesetzt worden, dank seiner Tatkraft sei der Durchbruch durch die Alpen erfolgt, Italien besetzt und seien die Hilfstruppen der Germanen und Räter abgeschnitten worden. dass er die uneinigen und zerstreuten Legionen des Vitellius durch den Ansturm der Reiterei und dann durch den machtvollen Einsatz des Fußvolkes am Tage und bei Nacht geschlagen habe, sei die herrlichste Tat und ganz sein eigenes Werk. Der Fall von Cremona komme auf Rechnung des Krieges; größeren Verlust, mehr zerstörte Städte hätten die früheren Bürgerkriege dem Gemeinwesen gekostet. Er leiste seinem Imperator nicht mit Botschaften und Briefen, sondern mit der Faust und mit den Waffen Kriegsdienst, und er stelle sich dabei nicht dem Ruhm derer in den Weg, die inzwischen in Mösien die Ordnung wiederhergestellt hätten. Diesen sei nur der Friede in der Provinz Mösien am Herzen gelegen, ihm die Rettung und die Sicherheit Italiens. Auf seine Mahnungen hin seien Gallien und Spanien, der kraftvollste Teil der Welt, auf die Seite des Vespasianus getreten. Aber alle diese Mühen seien ja umsonst gewesen, wenn die Belohnungen für Gefahren nur die erlangen, die sich an den Gefahren gar nicht beteiligt haben. Dies blieb Mucianus nicht verborgen; es war der Anlass zu schwerer Verfeindung, die Antonius mit größerer Offenheit, Mucianus schlau und umso unversöhnlicher nährte. 54. Aber Vitellius verheimlichte nach dem Zusammenbruch bei Cremona die Nachrichten von der Niederlage und schob durch dieses törichte Totschweigen mehr die gegen das Unheil erforderlichen Maßnahmen als das Unheil selbst auf. Hätte er sie nämlich eingestanden und sich beraten, wären immer noch Aussichten und auch entsprechende Kräfte reichlich vorhanden gewesen. Während er aber im Gegenteil so tat, als ob alles erfreulich gut stehe, gestaltete sich infolge dieser Unwahrheiten seine Lage immer schlimmer. Um ihn selbst herum war es



Mucianus und Antonius · Vitellius zögert

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erstaunlich stille vom Kriege, in der Bürgerschaft wurden Gespräche darüber unterbunden, wodurch nur umso mehr Menschen, und zwar solche, die im Falle der Erlaubnis die Wahrheit erzählt hätten, eben wegen des Verbotes umso schrecklichere Übertreibungen verbreitet hatten. Auch die feindlichen Heerführer taten alles, die Gerüchte zu vergrößern: die Kundschafter des Vitellius, die gefangengenommen worden waren, führten sie umher, damit sie die Kampfkraft des siegreichen Heeres kennenlernten, und schickten sie dann wieder zurück. Sie alle fragte Vitellius unter vier Augen aus und ließ sie dann hinrichten. Ein Mann von bemerkenswert fester Haltung, der Zenturio Iulius Agrestis, erreichte endlich nach vielen Unterredungen, in denen er Vitellius vergeblich zu einer mannhaften Haltung anzuspornen suchte, dass er selbst, um sich ein Bild von den feindlichen Streitkräften und den Vorgängen bei Cremona zu machen, abgesandt wurde. Doch versuchte er nicht, die Erkundung geheim und unbemerkt von Antonius vorzunehmen, sondern er bekannte sich offen zu den Aufträgen des Imperators und zu seiner persönlichen Gesinnung und verlangte, man solle ihn alles sehen lassen. Es wurden ihm auch wirklich Leute mitgegeben, die ihm das Schlachtfeld und die restlichen Spuren von Cremona sowie die gefangenen Legionen zeigen sollten. Agrestis kehrte zu Vitellius zurück und, als dieser seinen Bericht nicht für wahr halten wollte und ihn sogar beschuldigte, bestochen zu sein, sagte er: »Weil du denn einen schlagenden Beweis brauchst und dir weder mein Leben noch mein Tod weiterhin zu nützen vermag, so werde ich dir einen Zeugen stellen, dem du glauben sollst.« Damit ging er weg und besiegelte seine Worte durch einen freiwilligen Tod. Manche haben auch überliefert, er sei auf Befehl des Vitellius umgebracht worden. Hinsichtlich seiner Treue und Charakterstärke gibt es nur eine einzige Lesart. 55. Vitellius befahl wie vom Schlaf aufgescheucht Iulius Priscus und Alfenus Varus46 mit vierzehn Prätorianerkohorten und allen Reiterabteilungen den Apennin zu besetzen. Eine aus Flottenmannschaften gebildete Legion folgte. So viele tausend Bewaffnete, auserlesene Mannschaften aus Reiterei und Fußvolk, wären stark genug gewesen, den Krieg sogar offensiv zu

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Drittes Buch, Kapitel 56 – 57

führen, hätten sie nur einen anderen Führer gehabt. Die übrigen Kohorten unterstellte er seinem Bruder L. Vitellius zum Schutz der Hauptstadt. Er selbst ließ in keiner Weise von seiner ausschweifenden Lebensführung ab und, in seinem Mangel an Selbstvertrauen voreilig, hielt er in aller Hast die Wahlen ab, in denen er die Konsuln auf viele Jahre hinaus bestimmte. Er teilte freigebig vertragliche Begünstigungen Bundesgenossen zu und beschenkte Ausländer mit dem latinischen Bürgerrecht.47 Den einen erließ er Abgaben, anderen half er durch Gewährung von Privilegien: kurz, ohne irgendwie für die Zukunft zu sorgen, riss er das Reich in Stücke. Aber die Masse des Volkes stand da und sperrte den Rachen nach so großen Wohltaten auf; die größten Toren waren es, die sich diese um Geld erkauften, während die klugen Leute für Trug hielten, was man weder geben, noch nehmen konnte, ohne das Wohl des Gemeinwesens zu gefährden. Endlich kam er auf Verlangen des Heeres, das Mevania besetzt hatte, mit einem großen Zug Senatoren, von denen er viele, weil sie um Gunst buhlten, den größeren Teil, weil sie Angst hatten, mit sich schleppte, in das Lager, unsicher in seiner inneren Haltung und treulosen Ratschlägen preisgegeben. 56. Als er in der Soldatenversammlung sprach, flog über ihn – eine kaum auszusprechende schlimme Vorbedeutung! – eine solche Menge hässlicher Vögel weg, dass sie den Tag mit einer schwarzen Wolke verhüllten. Dazu gesellte sich ein anderes schreckliches Vorzeichen: ein Stier stürzte von dem Altar weg, warf die Opfergeräte auseinander und wurde dann abgestochen, fern von dem Altar und nicht, wie es bei Opfertieren üblich ist, durch einen Schlag auf den Kopf. Doch das eigentliche Unglückszeichen stellte Vitellius selbst dar: er kannte sich im Kriegswesen nicht aus, war unfähig, einen Entschluss zu fassen, musste immer andere fragen, wie man das Heer zum Marsch anordnen, wie man für eine Erkundung sorgen müsse, wie weit man gehen dürfe, wenn man den Krieg mit Nachdruck führen oder ihn in die Länge ziehen wolle. Und bei jeder Nachricht verriet er auch in seiner Miene und in seinem Gang seine nervöse Unruhe und war dann betrunken. Schließlich bekam er den Aufenthalt im Lager satt und kehrte auf die Kunde von dem Abfall der Flotte in Misenum nach Rom zurück, wobei



Schlechte Vorzeichen · Abfall der Flotte von Misenum

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er sich immer nur über den zuletzt erlittenen Schlag ängstigte, aber sich um die Gesamtentscheidung nicht weiter kümmerte. Denn während er freie Bahn gehabt hätte, den Apennin mit der ungeschwächten Kampfkraft seines Heeres zu überschreiten und die durch den Winter und den Mangel erschöpften Soldaten anzugreifen, zersplitterte er seine Kräfte und überantwortete die tapfersten und zum äußersten entschlossenen Mannschaften der Niedermetzlung und der Gefangenschaft, während die erfahrensten Zenturionen anderer Ansicht waren und bereit gewesen wären, die Wahrheit zu sagen, wenn man sie um Rat gefragt hätte. Doch den Zutritt verwehrten ihnen die vertrautesten Freunde des Vitellius, wobei des Fürsten Ohr so verwöhnt war, dass er, was nützlich war, unwirsch aufnahm und nur, was angenehm war und was ihm Verderben bringen musste, zu ihm drang. 57. Aber die Flotte von Misenum – solchen Einfluss übt in Bürgerkriegen die Kühnheit sogar von einzelnen Personen aus – brachte der Zenturio Claudius Faventinus, der von Galba seine unehrenhafte Entlassung erhalten hatte, zum Abfall, wobei er mit einem gefälschten Brief des Vespasianus eine Belohnung für den Verrat in Aussicht stellte. Befehlshaber der Flotte war Claudius Apollinaris, der weder in der Treue beständig, noch in der Treulosigkeit tüchtig war. Und Apinius Tiro, ein gewesener Prätor, der damals gerade in Minturnä sich aufhielt, bot sich den Abtrünnigen als Führer an. Von diesen wurden Landstädte und Koloniestädte dazu gebracht, ihre lokale gegenseitige Eifersucht in den Bürgerkrieg hineinzutragen. Dabei zeigten besonders die Einwohner von Puteoli Sympathie für Vespasianus, während Capua Vitellius treu blieb. Dieser las Claudius Iulianus – er hatte erst kürzlich bei seinem Kommando über die Flotte von Misenum eine milde Hand gezeigt – für die Aufgabe aus, die Gemüter der Soldaten zu beschwichtigen. Zur Unterstützung erhielt er eine städtische Kohorte und die Gladiatoren, die Iulianus befehligte. Als beide Lager vereinigt waren, zögerte Iulianus nicht lange, zur Partei des Vespasianus überzugehen. Sie besetzten Tarracina, das mehr durch seine Mauern und seine Lage als durch die Gesinnung der Bevölkerung gesichert war.

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58. Als Vitellius dies erfuhr, ließ er einen Teil der Truppen in Narnia mit den Befehlshabern des Prätoriums zurück und stellte seinen Bruder L. Vitellius mit sechs Kohorten und fünfhundert Reitern der durch Campanien andringenden Kriegsmacht entgegen. Er selbst ließ sich trotz seiner Niedergeschlagenheit durch die Zuneigung der Soldaten und das Geschrei des Volkes, das Waffen forderte, wiederaufrichten, während er dem Haufen von Feiglingen, dessen Wagemut in Worten sich erschöpft, in einer trügerischen Vorstellung die Bezeichnung Heer und Legionen gab. Auf die Aufforderung seiner Freigelassenen hin – denn je berühmter einer seiner Freunde war, umso weniger konnte er sich auf diesen verlassen – befahl er, die Tribus zusammenzurufen,48 und, wer sich meldete, den vereidigte er. Da aber die Menge, die herbeiströmte, zu groß war, verteilte er die Aufgabe der Aushebung unter die Konsuln. Den Senatoren trug er auf, eine Anzahl von Sklaven zur Verfügung zu stellen und ein bestimmtes Gewicht Silber beizusteuern. Die römischen Ritter boten ihren Dienst und Geld an, und auch die Freigelassenen forderten ihrerseits dringend die gleiche Leistung für sich. Diese vorgetäuschte Beflissenheit, die ihren Ausgang von der Furcht nahm, hatte sich in freudige Teilnahme verwandelt. Die meisten äußerten ihr Mitleid weniger über Vitellius als über die unglückliche Lage des Prinzipats. Er selbst ließ es nicht an sich fehlen, durch seine Miene, seine Stimme, seine Tränen Mitleid zu erwecken, weitherzig in Versprechungen und, wie es dem Wesen aufgeregter Leute eigen ist, ohne Maß. Ja, er wollte sogar Cäsar genannt werden, was er früher weit von sich gewiesen hatte, aber jetzt maß er eine abergläubische Bedeutung dem Titel zu, wie man ja überhaupt in der Angst auf das Gerede der Menge gleichermaßen hört, wie auf die Ratschläge der Verständigen. Wie übrigens alles, was man unberaten in einem stürmischen Drang begonnen hat, kraftvoll einsetzt und dann im Laufe der Zeit erlahmt, verliefen sich allmählich die Senatoren und Ritter. Zuerst ging dies nur zögernd vor sich und nur da, wo er selbst nicht zugegen war, dann ohne jede Scheu und ohne Unterschied, bis sich Vitellius seines fruchtlosen Beginnens schämte und auf das verzichtete, was man ihm doch nicht gab.



Vitellius in Bedrängnis

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59. Wie die Besetzung von Mevania und der gleichsam neu aufgelebte Krieg über Italien Schrecken verbreitet hatte, so verstärkte der so angsterfüllte Abzug des Vitellius unzweifelhaft die Zuneigung für die Flavianische Partei. Die Samniter, Päligner und Marser zeigten in eifersüchtiger Erregung, weil ihnen Campanien zuvorgekommen sei, für alle Kriegsleistungen begeisterte Bereitschaft, wie es bei einem neuen Untertanenverhältnis gewöhnlich der Fall ist. Aber durch ein abscheuliches Winterwetter wurde das Heer beim Übergang über den Apennin schwer mitgenommen, und da man sich, obwohl auf dem Marsch vom Feind unbehelligt, kaum durch den Schnee durchzukämpfen vermochte, zeigte es sich, welche Gefahr man zu bestehen gehabt hätte, wenn nicht das Glück Vitellius zur Umkehr bewogen hätte. Dieses ist ja den Flavianischen Heerführern nicht weniger oft zur Seite gestanden als kluge Berechnung. Dort kam ihnen Petilius Cerialis49 entgegen, der in der Kleidung eines Bauern dank seiner Ortskenntnis den Posten des Vitellius entkommen war. Cerialis war mit Vespasianus nahe verwandt und, auch seinerseits nicht ohne Kriegsruhm, wurde er unter die Heerführer eingereiht. Viele haben überliefert, auch Flavius Sabinus und Domitianus habe sich die Möglichkeit zur Flucht geboten, und wirklich kamen auch Kuriere von Antonius dank allen möglichen Täuschungsmitteln bis zu ihnen durch und wiesen ihn auf eine Möglichkeit, sich zu retten, und auf ihren Schutz hin. Sabinus schützte seinen Gesundheitszustand vor, der ihn solche Anstrengungen und ein solch gewagtes Unternehmen nicht aushalten lasse. Domitianus hätte den Mut dazu gehabt. Aber er fürchtete, die ihm durch Vitellius beigegebenen Wachen möchten ihm eine Falle stellen, obwohl sie versprachen, ihn auf der Flucht zu begleiten. Und Vitellius selbst hegte aus Rücksicht auf seine eigenen Angehörigen keine grausamen Absichten gegen Domitianus. 60. Als die Führer der Partei nach Carsulä kamen, gönnten sie sich einige Rasttage, bis die Adler und die Feldzeichen der Legionen nachkämen. Auch sagte ihnen der Lagerplatz an sich zu, da er eine weite Aussicht gewährte, die Vorräte sicher hergeführt werden konnten und im Hinterland die blühendsten Landstädte lagen. Zugleich setzte man seine Hoffnung auf Ge-

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spräche mit den Vitellianern, die nur zehn Meilen entfernt waren, und auf Verrat. Darüber waren die Soldaten unwillig, da sie lieber den Sieg als Frieden haben wollten. Nicht einmal auf die eigenen Legionen wollten sie warten, da sich diese ja doch mehr am Beutemachen als an den Gefahren beteiligen würden. Antonius berief sie zu einer Versammlung und wies sie darauf hin, dass Vitellius immer noch Streitkräfte zur Verfügung habe, die, im Stadium des Bedenkens unzuverlässig, aber gefährlich in der Verzweiflung seien. Die Anfänge von Bürgerkriegen müsse man dem Glück anheimstellen, der Sieg werde nur durch überlegte Maßnahmen errungen. Schon sei die Flotte in Misenum und das so schöne Küstengebiet Campaniens abgefallen. Und von dem ganzen Erdkreis sei Vitellius nichts mehr übriggelassen als das zwischen Tarracina und Narnia liegende Gebiet. Genug Ruhm habe man in der Schlacht bei Cremona geerntet und mit dem Untergang von Cremona allzu viel Hass. Sie sollten lieber Rom zu retten als zu erobern wünschen. Größere Belohnungen stünden ihnen dann in Aussicht und weitaus die größte Ehre, wenn sie ohne Blutvergießen Senat und Volk von Rom in ihrem unversehrten Bestand erhalten hätten. Durch solche und ähnliche Worte ließen sich die Gemüter besänftigen. 61. Nicht viel später kamen die Legionen. Wie die erschreckende Kunde von der Verstärkung des Heeres eintraf, da wurden die Vitellianischen Kohorten wankend. Niemand ermutigte sie zum Krieg, viele zum Überlaufen, die um die Wette ihre eigenen Zenturien und Reiterabteilungen auslieferten, um dem Sieger ein Geschenk zu machen und um sich selbst Dank für die Zukunft zu sichern. Durch sie erfuhr man, dass Interamna in den zunächstgelegenen Ebenen mit einer Besatzung von vierhundert Reitern belegt sei. Sofort wurde Varus mit leichten Truppen ausgeschickt, der einige wenige, die Widerstand leisteten, tötete. Die Mehrzahl warf die Waffen weg und bat um Gnade. Einige, die in das Lager50 zurückflohen, verbreiteten überall Schrecken, da sie in ihren Erzählungen die Tapferkeit und die Truppenstärke der Feinde übertrieben, um so die Schande, dass sie den Stützpunkt verloren hatten, zu mildern. Es gab bei den Vitellianern keine Strafe für eine Schandtat, und es hatte sich auch durch die Belohnungen für die Abtrünnigen die Treue



Ermordung des Valens · Übertritt seiner Legionen

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bereits gewandelt. Übrig war nur noch der Wetteifer in der Untreue. Zahlreich liefen die Tribunen und Zenturionen über, während die Mannschaften unverrückt an Vitellius festhielten, bis Priscus und Alfenus das Lager im Stich ließen, zu Vitellius zurückkehrten und allen zusammen die Schande des Verrats ersparten. 62. In denselben Tagen wurde Fabius Valens in Urbinum im Gefängnis umgebracht. Sein Kopf wurde den Vitellianischen Kohorten gezeigt, damit sie fernerhin keine Hoffnung mehr hegten. Denn sie glaubten, Valens sei nach Germanien geflüchtet und bringe dort alte und neue Heere auf die Beine. Als sie nun die Mordtat greifbar vor Augen hatten, fielen sie einer verzweifelten Stimmung anheim. Und das Flavianische Heer vernahm mit gewaltig gehobenem Mut den Untergang des Valens, als ob er das Ende des Krieges bedeute. Geboren war Valens in Anagnia. Er stammte aus ritterlichem Geschlecht. Er hatte ein freches Wesen und war nicht ungeschickt veranlagt. Nur suchte er den Ruf eines Weltmannes durch Frivolität zu erreichen. Bei dem Festspiel der Iuvenalien unter Nero51 trat er erst, wie wenn er dazu gezwungen würde, und dann auch freiwillig als Schauspieler auf, und dies mit mehr Geschick als Anstand. Als Legionslegat hielt er es mit Verginius und brachte ihn in üblen Ruf. Fonteius Capito52 brachte er um, nachdem er ihn verführt hatte oder auch, weil er ihn nicht hatte verführen können. Galba verriet er, Vitellius blieb er treu, und dadurch, dass andere treulos waren, wurde er selbst berühmt. 63. Da ihnen die Hoffnung allerseits abgeschnitten war, waren die Mannschaften des Vitellius entschlossen, zur Gegenpartei überzugehen. Auch dies ging nicht ohne äußere Würde vor sich. Vielmehr unter ihren Fahnen und Standarten stiegen sie in die unterhalb Narnia liegenden Gefilde hinab. Das Flavianische Heer hatte sich, wie zum Kampf bereit und ausgerüstet, rings am Wege in dichten Reihen aufgestellt. Man nahm die Vitellianer in die Mitte und bildete einen Kreis um sie. Dann hielt Primus Antonius eine freundliche Ansprache an sie. Der eine Teil erhielt den Befehl, in Narnia, der andere in Interamna haltzumachen. Zugleich ließ man einige der siegreichen Legio­ nen zurück, die für die Vitellianer, falls sie sich ruhig verhiel-

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ten, keine Belastung bedeuteten, aber stark genug waren, gegen Widerspenstige einzuschreiten. In diesen Tagen unterließen es Primus und Varus nicht, durch häufige Botschaften Vitellius Sicherheit, Geld und einen abseits liegenden Aufenthaltsort in Campanien anzubieten, falls er die Waffen niederlege und sich sowie seine Kinder in die Hand des Vespasianus gebe. In dem gleichen Sinne verfasste auch Mucianus Briefe. Ihnen schenkte Vitellius meistens Glauben und sprach bereits über die Zahl der Sklaven und über die Wahl unter den Küstenplätzen. Eine solche Stumpfheit hatte sich seiner bemächtigt, dass er es sogar vergessen hätte, Fürst gewesen zu sein, wenn nicht die anderen daran gedacht hätten. 64. Aber die führenden Männer der Bürgschaft trieben den Stadtpräfekten Flavius Sabinus durch vertrauliche Gespräche dazu, sich seinen Anteil an dem Siege und dem Ruhm zu sichern. Über die Mannschaften der städtischen Kohorten verfüge er ja persönlich und die Kohorten der Wachtruppe würden es nicht an sich fehlen lassen. Ihre eigenen Sklaven, das Glück der Partei, und überhaupt alles wende sich den Siegern zu. Er solle doch auf seinen Ruhm nicht zugunsten von Antonius und Varus verzichten. Vitellius habe nur noch einige wenige Kohorten und, da von überall her betrübliche Nachrichten einlaufen, seien sie in Angst und Sorge. Die Stimmung des Volkes sei wandelbar, und, wenn er sich erst als Heerführer gezeigt habe, so würden die gleichen Huldigungen, wie für ihn, auch für Vespasianus gelten. Vitellius selbst habe sich nicht einmal dem Glück gewachsen gezeigt, um so hilfloser sei er jetzt, da sein Stern sinke. Das Verdienst, den Krieg zu Ende geführt zu haben, falle dem zu, der die Hauptstadt besetzt habe. Sabinus komme es zu, die Herrschaft für seinen Bruder zu bewahren, Vespasianus aber, allen anderen den Platz hinter Sabinus anzuweisen. 65. Solche Worte vernahm er als ein altersschwacher Mann keineswegs in gehobener Stimmung. Aber manche richteten insgeheim den Verdacht gegen ihn, er hintertreibe aus Neid und Eifersucht die Erhebung seines Bruders. Denn Flavius Sabinus war der ältere und überragte Vespasianus, solange beide noch in privaten Lebensverhältnissen sich befanden, an Ansehen und Geld. Auch glaubte man von ihm, er habe sich bei der Un-



Flavius Sabinus · Vitellius will abdanken

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terstützung seines Bruders, als dieser in Kreditschwierigkeiten geraten war, insofern schäbig benommen, dass er sich Haus und Landbesitz habe als Pfand überschreiben lassen. Zwar blieb die Eintracht zum Schein aufrechterhalten, aber man befürchtete, es bestünden infolge davon unter der Decke Misshelligkeiten. Besser war folgende Deutung: der Mann verabscheue in seiner sanften Gemütsart Blut und Mord und verhandle daher in häufigen Gesprächen mit Vitellius über den Frieden und die Niederlegung der Waffen, die auf vertraglicher Grundlage erfolgen solle. Oft kamen sie in ihren Wohnungen zusammen. Zuletzt schlossen sie im Tempel des Apollo, wie die Rede ging, ein Abkommen. Für den Wortlaut des Abkommens und ihre mündlichen Äußerungen hatten sie nur zwei Zeugen, Cluvius Rufus53 und Silius Italicus.54 Beobachter aus der Ferne stellten ihren Gesichtsausdruck fest: der des Vitellius war niedergeschlagen und gemein, Sabinus zeigte sich nicht hochfahrend und sah eher danach aus, als ob er Mitleid habe. 66. Wenn Vitellius den Sinn seiner eigenen Leute so leicht gelenkt hätte, wie er selbst sich gefügt hatte, wäre das Heer des Vespasianus ohne Blutvergießen in die Hauptstadt eingerückt. Aber, je treuer sie Vitellius waren, desto entschiedener lehnten sie Frieden und Bedingungen ab. Sie wiesen auf die gefährliche Lage und die Schande hin und darauf, dass das Worthalten der Willkür des Siegers anheimgestellt sei. So törichten Hochmut habe Vespasianus nicht, dass er Vitellius als Privatmann dulde, nicht einmal die Besiegten würden ihn als solchen hinnehmen. So würde aus Mitleid Gefahr erwachsen. Dieser selbst sei allerdings ein Greis und habe Glück und Unglück zur Genüge über sich ergehen lassen müssen. Aber welchen Namen, welche Stellung werde sein Sohn Germanicus erhalten? Jetzt verspreche man Geld, Gesinde und die gesegneten Buchten von Campanien. Aber sobald Vespasianus die Regierung an sich gerissen habe, werde nicht für ihn selbst, nicht für seine Freunde, auch nicht für die Heere das Gefühl der Sicherheit wiederkehren, es sei denn, dass der Nebenbuhler beseitigt wäre. Fabius Valens, den man als Gefangenen für Notfälle aufgespart habe,55 sei eine überaus schwere Belastung gewesen, umso weniger würden Primus und Fuscus und Mucianus, das Glanzstück der Partei,

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irgendeine andere Handlungsfreiheit gegenüber Vittellius haben, als ihn umzubringen. Nicht sei Pompeius von Cäsar, nicht Antonius von Augustus am Leben gelassen worden, es müsste denn sein, dass Vespasianus eine hochherzigere Gesinnung habe, er der Schützling eines Vitellius, als Vitellius Amtsgenosse des Claudius war.56 So möge er denn, wie es dem Zensoramt seines Vaters, wie es dessen drei Konsulaten und so vielen Ehrenstellen in dem erlauchten Hause gezieme, wenigstens aus Verzweiflung sich zu kühner Tat aufraffen. Die Mannschaften stünden fest zu ihm, noch verfüge er über die Sympathie des Volkes. Schließlich werde kein schlimmeres Unglück eintreten, als in das sie von selbst sich stürzten. Sterben müssten sie als Besiegte, sterben, wenn sie sich ergeben. Nur darauf komme es an, ob sie den letzten Atemzug unter Spott und Schmach oder in mannhafter Haltung tun. 67. Gegenüber mutigen Ratschlägen waren die Ohren des Vitellius taub. Sein Herz war von Jammer und Sorge übermannt, er könnte bei beharrlichem Festhalten an den Waffen einen Sieger hinterlassen, der seiner Gattin und seinen Kindern sich weniger versöhnlich erweise. Auch hatte er eine altersschwache Mutter. Doch kam diese dem Sturz ihres Hauses durch einen rechtzeitigen Tod um wenige Tage zuvor, ohne durch das Prinzipat ihres Sohnes etwas anderes erlangt zu haben als Trauer und – einen guten Ruf. Am achtzehnten Dezember ging er auf die Kunde von dem Abfall der Legionen und der Kohorten, die sich in Narnia ergeben hatten, in dunkler Kleidung vom Palatium her­ unter, umgeben von seiner trauernden Dienerschaft. In einer kleinen Sänfte trug man seinen kleinen Sohn wie bei einem Leichenzug. Das Volk erging sich in unzeitgemäßen, huldigenden Zurufen, die Soldaten standen in drohendem Schweigen da. 68. Und niemand war so wenig eingedenk des menschlichen Geschicks, dass ihn nicht jenes Bild bewegt hätte: der römische Fürst, der kurz zuvor noch der Herr über die Welt gewesen war, verließ seine Residenz und schritt durch das Volk, durch die Hauptstadt, um von seiner Herrschaft Abschied zu nehmen. Nichts Derartiges hatte man erlebt, nichts gehört. Plötzliche Gewalttat hatte den Diktator Cäsar57 beseitigt, geheime Hinterlist Gaius,58 das Dunkel der Nacht und ein Landgut, das man



Die Abdankung des Vitellius wird nicht angenommen

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nicht kannte, hatte die Flucht Neros verborgen,59 Piso und Galba fielen gleichsam in einer Schlacht. In der von ihm einberufenen Versammlung, inmitten seiner Soldaten, wobei sogar Frauen zuschauten, sprach Vitellius kurze Worte, die dem traurigen Augenblick angemessen waren: er trete ab um des Friedens und des Gemeinwesens willen; man solle lediglich sein Andenken bewahren und mit seinem Bruder, seiner Gattin und dem unschuldigen Alter seiner Kinder Mitleid haben. Zugleich hielt er ihnen seinen Sohn entgegen, indem er ihn bald einzelnen, bald der gesamten Versammlung empfahl. Zuletzt wollte er, während Weinen seine Stimme erstickte, seinen von der Seite gelösten Dolch dem neben ihm stehenden Konsul (es war Cäcilius Simplex60), gleichsam als Zeichen des Rechtes über Leben und Tod der Bürger, zurückgeben. Als der Konsul sich widersetzte und alle, die in der Versammlung sich aufgestellt hatten, lauten Widerspruch erhoben, ging er weg, wie um im Tempel der Concordia61 die Zeichen der Herrschaft niederzulegen und die Wohnung seines Bruders aufzusuchen. Da erhob sich ein noch lauteres Geschrei. Man wollte ihn nicht in eine private Wohnung gehen lassen und rief: »In das Palatium!« Ein anderer Weg war versperrt, nur der eine war noch frei, der ihn auf die Heilige Straße kommen ließ. Da kehrte er ratlos in das Palatium zurück. 69. Schon vorher hatte sich das Gerücht verbreitet, er lege die Regierung nieder, und Flavius Sabinus hatte den Tribunen der Kohorten geschrieben, sie sollten die Mannschaften zusammenhalten. Und so füllten, als ob das ganze Gemeinwesen schon in die Hände des Vespasianus übergegangen wäre, die führenden Männer des Senats, ein großer Teil des Ritterstandes und die gesamte Garnison der Hauptstadt sowie die Wachtruppe den Palast des Flavius Sabinus. Dorthin kam die Nachricht von den Sympathiekundgebungen der Volksmenge und den Drohungen der germanischen Kohorten. Sabinus war schon zu weit gegangen, als dass er vor ihnen hätte zurückweichen können. Jeder hatte für seine Person Angst, die Vitellianer möchten ihn verfolgen, wenn sie zerstreut und daher in geringerer Stärke seien. So trieben sie ihn, der noch unschlüssig war, dazu, die Waffen zu ergreifen. Aber, wie es in solcher Lage geht,

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Drittes Buch, Kapitel 70 – 71

Ratschläge gaben alle, die Gefahr nahmen nur wenige auf sich. Als die Begleiter des Sabinus bei dem Brunnen des Fundanius62 bewaffnet herunterkamen, traten ihnen die entschlossensten Vitellianer entgegen. Es entspann sich ein Gefecht, das an sich unbedeutend war, da es sich nur um einen unvorhergesehenen Zusammenstoß handelte, aber es verlief günstig für die Vitellianer. Sabinus besetzte angesichts der beunruhigenden Lage, was für den Augenblick die sicherste Maßnahme war, die Burg des Kapitols mit einem Gemisch von Mannschaften, wobei sich einige Senatoren und Ritter befanden, deren Namen zu überliefern nicht leicht ist, weil ja nach dem Siege des Vespasianus viele dieses Verdienst um die Partei heuchlerisch für sich in Anspruch nahmen. Die Belagerung nahmen auch Frauen auf sich. Unter ihnen zeichnete sich besonders Verulana Gratilla aus, die weder ihren Kindern noch ihren Verwandten gefolgt war, sondern sich den Kriegsleuten angeschlossen hatte. Die Vitellianischen Soldaten umstellten die Eingeschlossenen, aber führten die Bewachung nur lässig durch. Deshalb ließ Sabinus in tiefer Nacht seine eigenen Kinder und Domitianus, den Sohn seines Bruders, auf das Kapitol kommen, nachdem er an einer nachlässig bewachten Stelle zu den Flavianischen Heerführern einen Boten geschickt hatte mit der Meldung, sie selbst würden belagert und, wenn keine Hilfe käme, würde sich eine drangvolle Lage ergeben. Die Nacht verbrachte er so ungestört, dass er ohne Gefährdung hätte abziehen können. Denn die Soldaten des Vitellius zeigten zwar in Gefahren wilden Mut, waren aber auf körperliche Anstrengungen und auf Nachtwachen nicht recht eingestellt. Auch hinderte sie der Winterregen, der sich plötzlich über sie ergoss, am Sehen und Hören. 70. Bei Tagesanbruch schickte Sabinus vor der Eröffnung der gegenseitigen Feindseligkeiten den Primipilaren Cornelius Mar­ tia­lis mit dem Auftrag zu Vitellius, sich über den Vertragsbruch zu beschweren. Die Niederlegung der Herrschaft sei lediglich Heuchelei und Trug gewesen, mit der Absicht, so viele erlauchte Männer zu täuschen. Warum er denn von der Rednerbühne lieber in die Wohnung seines Bruders gegangen sei, die unmittelbar bei dem Forum liege und darum geeignet sei, die Augen der Leute auf sich zu ziehen, als auf den Aventin, wo sich das



Straßenkampf · Beschwerde des Sabinus

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Haus seiner Gattin befinde? So hätte es sich für einen Privatmann, der jeden äußeren Schein einer fürstlichen Stellung vermeiden wollte, geziemt. Dagegen sei Vitellius in das Palatium, das eigentliche Bollwerk der Herrschaft, zurückgekehrt. Von dort habe man eine Schar Bewaffneter ausgesandt, den belebtesten Teil der Stadt habe man mit den Leichen unschuldiger Menschen bedeckt und nicht einmal von dem Kapitol halte man sich zurück. Er sei doch nur ein Bürger im Friedenskleid und ein Senator, wie die andern auch. Während zwischen Vespasianus und Vitellius durch die Kämpfe der Legionen, durch Eroberung von Städten, durch die Kapitulation von Kohorten entschieden werde, während bereits Spanien, Germanien, Britannien abfallen, habe er, der Bruder des Vespasianus, die Treue gehalten, bis man ihn ohne sein Zutun zu Unterhandlungen hergeholt habe. Friede und Eintracht seien für die Besiegten nützliche, für die Sieger lediglich schöne Begriffe. Wenn er die Übereinkunft bereue, so möchte er doch nicht auf ihn, den er treulos getäuscht habe, mit dem Schwerte losgehen, nicht auf den kaum erwachsenen Sohn des Vespasianus. Was für einen Erfolg bedeute es, einen einzigen Greis und einen einzigen Jüngling umgebracht zu haben? Er solle den Legionen entgegenziehen und dort um die Entscheidung ringen. Alles Übrige werde sich entsprechend dem Ausgang des Kampfes dann von selbst ergeben. Bestürzt hierüber gab Vitellius nur eine kurze Antwort zu seiner Rechtfertigung. Er schob die Schuld auf die Soldaten, deren allzu großen Kampfeseifer er mit seinen beschränkten Kräften nicht einzudämmen vermöge. Und er riet Martialis, auf einer abgelegenen Seite des Hauses heimlich wegzugehen, um nicht von den Soldaten als Vermittler des verhassten Friedens umgebracht zu werden. Er selbst, weder zu gebieten, noch zu verbieten fähig, war schon nicht mehr der Imperator, sondern nur noch der Anlass zum Kriege. 71. Kaum war Martialis auf das Kapitol zurückgekehrt, da war auch schon die rasende Soldateska zur Stelle, ohne einen Führer, jeder nach seinem eigenen Ermessen handelnd. Eilends setzte sich der Zug in Bewegung, an dem Forum und an den anliegenden Tempeln vorbei, und sie stellten sich zum Kampf mit Front über den Hügel hin bis zu den vordersten Toren der

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Drittes Buch, Kapitel 72 – 73

kapitolinischen Burg63 auf. Es befanden sich seit alters auf der Seite des Abhanges rechts, wenn man hinaufgeht, Säulenhallen. Auf deren Dach stiegen sie hinauf und überschütteten die Vitellianer mit Steinen und Ziegeln. Diese hatten in ihren Händen keine anderen Waffen als Schwerter. Wurfmaschinen herbeizuholen oder Wurfgeschosse, erschien zu umständlich. Sie warfen Feuerbrände auf den vorspringenden Teil der Säulenhalle, und sie wären dem Feuer gefolgt und durch die halb verbrannten Tore des Kapitols eingedrungen, wenn nicht Sabinus die Sta­ tuen, Ehrenmale der Vorfahren, überall heruntergerissen und unmittelbar am Eingang an Stelle einer Mauer entgegengetürmt hätte. Dann stürmten sie auf die entgegengesetzten Zugänge zum Kapitol los, neben dem Hain des Asyls und da, wo man auf den hundert Stufen den Tarpeischen Felsen hinaufsteigt. Unerwartet kam der Sturm von beiden Seiten. Aus geringerer Entfernung und mit größerer Wucht brach er über das Asyl herein. Man konnte sie nicht aufhalten, wie sie über die aneinanderstoßenden Gebäude stiegen, die – es war ja tiefer Friede gewesen – hoch aufgebaut worden waren und gleiche Höhe mit dem Boden des Kapitols erreichten. Hier nun schwankt man, ob die Sturmtruppe Feuer auf die Dächer geworfen hat oder ob, wie die häufigere Überlieferung lautet, von den Belagerten die Angreifer, die bereits bei ihrem Emporklimmen eine ziemliche Höhe erreicht hatten, hinuntergeworfen worden sind. Von dort griff das Feuer auf die Säulenhallen über, die an die Tempel anstießen. Sodann erfasste die Flamme die den Giebel stützenden Adler und fand hier in dem alten Holz reiche Nahrung. So brannte das Kapitol bei verschlossenen Toren nieder, ohne dass es verteidigt und geplündert worden wäre. 72. Diese Freveltat war die trauervollste und schändlichste, die seit der Gründung der Stadt das Gemeinwesen des römischen Volkes betroffen hat: ohne einen auswärtigen Feind, während die Götter, soweit es unsere sittlichen Zustände überhaupt zuließen, uns huldvoll gesinnt waren, wurde der Sitz des Iuppiter Optimus Maximus durch fürstlichen Wahnwitz vernichtet. Er war unter Einholung der Auspizien von unseren Vorfahren als Unterpfand der Herrschaft gegründet worden, und weder Porsenna64 nach der Übergabe der Stadt, noch die Gallier nach



Sturm auf das Kapitol und dessen Brand

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deren Eroberung hatten ihn entweihen können.65 Auch vorher schon hatte das Kapitol im Bürgerkrieg66 gebrannt; aber da war die heimtückische Hand von Privatpersonen im Spiele gewesen. Nun war es ganz offen belagert, ganz offen in Brand gesteckt worden. Welche Veranlassung gab dazu der Krieg? Welchen Gewinn versprach man sich von einem solchen Unglück? »Ja freilich! Für das Vaterland haben wir Krieg geführt!« Gelobt hatte den Tempel der König Tarquinius Priscus im Sabinerkrieg und die Fundamente gelegt mehr in der Hoffnung auf die künftige Größe als im Hinblick darauf, dass die damals noch bescheidenen Mittel des römischen Volkes ausgereicht hätten.67 Aufgebaut hat ihn dann Servius Tullius mit eifriger Beteiligung der Bundesgenossen, nach ihm Tarquinius Superbus nach Eroberung von Suessa Pometia aus der Beute der Feinde. Aber die eigentliche Berühmtheit des Werkes blieb dem Freistaat vorbehalten. Nach Vertreibung der Könige weihte ihn Horatius Pulvillus in seinem zweiten Konsulat68 in einer solchen Großartigkeit, dass ihn später die unermesslichen Mittel des römischen Volkes eher ausschmückten, als erweiterten. Nach demselben Grundriss wurde er, als er nach Verlauf von vierhundertundfünfzehn Jahren69 unter dem Konsulat des L. Scipio und C. Norbanus abgebrannt war, wiederaufgebaut. Die Aufgabe übernahm der Sieger Sulla. Jedoch hat er ihn nicht eingeweiht: es war das einzige, was seinem Glück versagt blieb.70 Der Name des Lutatius Catulus71 erhielt sich unter so großen Bauwerken der Cäsaren bis auf Vitellius. Dieser Tempel wurde jetzt eingeäschert. 73. Aber in größeren Schrecken als die Belagerer wurden die Belagerten dadurch versetzt. Denn den Vitellianischen Soldaten fehlte es in gefahrvollen Lagen weder an Schlauheit noch an fester Haltung. Auf der Gegenseite waren die Mannschaften verängstigt. Der Heerführer hatte keine Entschlusskraft und war, wie betäubt, seiner Zunge und seiner Ohren nicht mehr mächtig. Er ließ sich weder von den Ratschlägen anderer leiten, noch konnte er seine eigenen zur Geltung bringen. Von dem Geschrei der Feinde ließ er sich bald hierhin, bald dorthin jagen, verbot, was er befohlen, und befahl, was er verboten hatte. Dann ging es wie auch sonst in einer verlorenen Lage: alle

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Drittes Buch, Kapitel 74 – 76

ordneten an, niemand führte aus. Zuletzt warfen sie die Waffen weg und schauten sich nach einer Gelegenheit zur Flucht und der Möglichkeit, unbemerkt zu entrinnen, um. Die Vitellianer brachen ein und schufen ein allgemeines Chaos von Blut, Feuer und Schwert. Nur wenige alte Kriegsleute, unter denen sich besonders Cornelius Martialis, Ämilius Pacensis,72 Casperius Niger, Didius Scäva heraushoben, wagten den Kampf und wurden niedergemacht. Flavius Sabinus, der ohne Waffen war und keinen Versuch machte, zu fliehen, wurde umstellt, zugleich auch der Konsul Quintius Atticus,73 nur noch ein Schattenbild seiner Würde, der in seiner persönlichen Eitelkeit die Aufmerksamkeit dadurch auf sich gezogen hatte, dass er großsprecherischen Verlautbarungen zugunsten des Vespasianus und solche mit Schmähungen gegen Vitellius auf das Volk losgelassen hatte. Die anderen entkamen auf mancherlei Weise, einige als Sklaven verkleidet, andere unter dem Schutz ihrer Klienten und unter Gepäck verborgen. Manche hatten auch die Losung der Vitellianer, mit der sie sich gegenseitig zu erkennen gaben, aufgefangen, und konnten dadurch, dass sie von sich aus nach der Losung fragten und ihrerseits sie wiedergaben, sich hinter ihrer Kühnheit verstecken. 74. Domitianus hatte sich gleich, wie der Einbruch erfolgte, bei einem Tempeldiener versteckt. Dank der Schlauheit eines Freigelassenen hatte er sich in einen Leinenumhang gehüllt74 und sich unter die Schar der Opferdiener gemischt. So wurde er nicht erkannt und konnte sich bei Cornelius Primus, einem Klienten seines Vaters, bei dem Velabrum verstecken. Als sein Vater die Macht in Händen hatte, ließ er die Behausung des Tempeldieners abtragen und erbaute an ihrer Stelle dem »Erretter Iuppiter« eine kleine Kapelle und einen Altar, auf dessen Marmor seine Erlebnisse dargestellt waren. Dann, selbst zur Herrschaft gelangt, weihte er dem »Behüter Iuppiter« einen gewaltigen Tempel und die Abbildung seiner eigenen Person auf dem Schoß des Gottes. Sabinus und Atticus wurden in schweren Ketten zu Vitellius geführt, aber von ihm durchaus nicht mit feindseliger Rede und Miene empfangen. Dies erregte den lauten Unwillen derer, die das Recht, sie umzubringen, und den Lohn für ihre Dienstleistungen forderten. Als sich bei den Zu-



Sabinus wird ermordet · Domitianus entkommt

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nächststehenden ein Geschrei erhob, verlangte der gemeine Teil des Pöbels die Hinrichtung des Sabinus, wobei sie durchein­ ander in Drohungen und Huldigungen sich ergingen. Vitellius, der auf der Treppe des Palatiums stand und sich zum Bitten anschickte, brachten sie dazu, dass er dies aufgab. Dann wurde Sabinus niedergestoßen und zerfleischt, und man schleppte seinen verstümmelten Körper, dem der Kopf abgeschlagen war, in die Gemonien.75 75. Dies war das Ende eines durchaus nicht zu verachtenden Mannes. Fünfunddreißig Jahre hatte er als Soldat in dem Gemeinwesen gedient und im Krieg und Frieden sich rühmlich hervorgetan. Gegen seine Uneigennützigkeit und seine Gerechtigkeit könnte man keine Einwendungen erheben. Dagegen war er allzu gesprächig. Das ist auch das einzige, was in den sieben Jahren, in denen er Statthalter in Mösien war, und in den zwölf Jahren, in denen er die Präfektur der Hauptstadt76 innehatte, das Geschwätz der Leute an ihm aussetzte. Am Ende seines Lebens hielten ihn die einen für einen energielosen, viele für einen maßvollen Menschen, der mit Bürgerblut sparsam umging. Was bei allen feststehen dürfte, war, dass vor dem Prinzipat des Vespasianus die Zierde des Hauses Sabinus verkörperte. Wie wir erfahren haben, war seine Ermordung Mucianus willkommen. Sehr viele äußerten sich dahin, es sei auch für den Frieden förderlich gewesen, dass die Eifersucht zwischen zwei Persönlichkeiten, von denen sich die eine als den Bruder des Imperators, die andere als den Mitregenten betrachtete, beseitigt worden sei. Als aber das Volk die Hinrichtung des Konsuls verlangte, widersetzte sich Vitellius. Er war versöhnlich gestimmt und leistete gleichsam einen Gegendienst dafür, dass auf die Frage, wer das Kapitol in Brand gesteckt habe, Atticus sich als Täter bekannt hatte und durch dieses Geständnis – es mag auch eine Notlüge gewesen sein – die Erbitterung über das Verbrechen und die Schuld auf sich genommen und so die Partei des Vitellius davon entlastet zu haben schien. 76. In denselben Tagen bedrohte L. Vitellius, der bei dem Heiligtum der Feronia77 ein Lager geschlagen hatte, Tarracina mit der Zerstörung. Dort waren die Gladiatoren und Ruderknechte eingeschlossen. Sie wagten es nicht, herauszukommen aus den

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Drittes Buch, Kapitel 77 – 78

Mauern und der Gefahr in offenem Gelände zu begegnen. Befehlshaber der Gladiatoren war, wie oben erwähnt, Iulianus, der der Ruderknechte Apollinaris, beide in ihrer Leichtfertigkeit und Sorglosigkeit mehr den Gladiatoren als soldatischen Führern ähnlich. Sie stellten keine Nachtwachen aus und sicherten auch nicht die schwachen Stellen der Mauern. Bei Tag und Nacht ein lockeres Leben führend und an den lieblichen Plätzen der Küste umherlärmend, redeten sie vom Krieg nur noch bei ihren Gelagen, während die Soldaten, um ihrer Schwelgerei zu frönen, sich überall zerstreut hatten. Wenige Tage zuvor war Apinius Tiro weggegangen und gewann durch die rücksichtslose Beitreibung von Geschenken und Geld in den Landstädten für die Partei mehr Hass als Kräfte. 77. Inzwischen floh zu L. Vitellius ein Sklave des Vergilius Capito und versprach, wenn er eine Truppe mitbekäme, die unbesetzte Burg zu übergeben. In tiefer Nacht brachte er leichte Truppen ganz oben auf den Berghöhen zu Häupten der Feinde in Stellung. Von dort stürmten die Soldaten mehr zum Morden als zum Kämpfen herunter. Sie schlugen die einen, die ohne Waffen waren oder sie eben ergriffen, manche auch, die erst aus dem Schlaf aufgeschreckt waren, nieder, da sie infolge der Dunkelheit, der Angst, des Klanges der Trompeten und des feindlichen Kriegsgeschreies ganz außer Fassung gerieten. Nur wenige der Gladiatoren leisteten Widerstand und fielen, nicht ohne blutige Gegenwehr. Die übrigen stürzten auf die Schiffe, wo sie alles in die gleiche Panik verwickelten. Auch Einheimische befanden sich darunter, die von den Vitellianern ohne Unterschied erschlagen wurden. Sechs Liburnerschiffe entkamen zu Beginn des Tumultes, mit ihnen der Flottenbefehlshaber Apollinaris. Die übrigen wurden am Strand erbeutet oder versanken infolge der Überbelastung, da sich alles auf sie stürzte, im Meer. Iulia­ nus wurde vor L. Vitellius geführt, durch Schläge schrecklich zugerichtet und vor seinen Augen umgebracht. Manche haben gegen Triaria, die Gattin des L. Vitellius, den Vorwurf erhoben, sie habe, mit einem Soldatenschwert umgürtet, sich inmitten des traurigen Geschehens und den Opfern der eroberten Stadt Tarracina übermütig und grausam gebärdet. Er selbst schickte einen Lorbeerkranz als Botschaft von der geglückten Unterneh-



Tarracina von L. Vitellius erobert · Zögern der Flavianer

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mung an seinen Bruder und ließ anfragen, ob er seine sofortige Rückkehr oder die Fortführung der Bezwingung von Campanien befehle. Dies war nicht nur für die Partei des Vespasianus ein Glück, sondern auch für das gesamte Gemeinwesen. Denn wären die Soldaten noch unter dem frischen Eindruck des Sieges und, abgesehen von ihrer angeborenen Starrköpfigkeit, auf ihren Erfolg pochend, nach Rom marschiert, so hätte das Ringen schwere Mühe gekostet und wäre für die Stadt verhängnisvoll geworden. Denn so schlecht auch der Ruf war, in dem L. Vitellius stand, so groß war seine Tatkraft, und seine Stärke lag nicht in seinen Tugenden, wie bei den Gutgesinnten, sondern in seinen Lastern, wie immer bei den Schlechtgesinnten. 78. Während dieser Vorgänge bei der Partei des Vitellius marschierte das Heer des Vespasianus von Narnia ab und verbrachte die Tage des Saturnalienfestes78 in Ocriculum in Ruhe. Der Anlass zu dem so törichten Verzug lag darin, dass man auf Mucianus wartete. Und es fehlte nicht an Leuten, die Antonius gegenüber argwöhnisch waren und ihn beschuldigten, als zögere er arglistig im Anschluss an ein geheimes Schreiben des Vitellius, in dem dieser ihm das Konsulat und seine heiratsfähige Tochter sowie eine reiche Mitgift als Preis für den Verrat anbot. Andere behaupten, dies sei nur erdichtet und Mucianus zu Gefallen ersonnen worden, wieder andere, es sei der Plan aller Heerführer gewesen, der Hauptstadt eher den Krieg zu zeigen, als wirklich ihn zu bringen, da ja die stärksten Kohorten von Vitellius abgefallen seien, und es wirklich so aussah, als ob er die Regierung niederlegen werde, da er von jeglicher Unterstützung seitens seiner Truppen abgeschnitten war. Aber alle diese Pläne seien an der Hast und sodann an der Feigheit des Sabinus gescheitert, der unüberlegt zu den Waffen gegriffen habe und dann die so stark befestigte Burg des Kapitols, die nicht einmal für große Heere bezwingbar war, gegen drei Kohorten nicht habe schützen können. Man dürfte nicht leicht einer einzigen Person die Schuld aufbürden, die alle teilten. Denn Mucianus hielt durch zweideutige Briefe die Sieger hin, und Antonius zog sich durch falsch angebrachte Willfährigkeit oder dadurch, dass er den Hass ablenkte, berechtigten Vorwurf zu. Und auch die übrigen Heerführer gaben dem Schluss des

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Drittes Buch, Kapitel 79 – 82

Krieges, dadurch dass sie ihn für beendigt hielten, ein besonderes Gepräge.79 Nicht einmal Petilius Cerialis, der mit tausend Reitern vorausgeschickt war, um auf Seitenwegen durch das sabinische Gebiet in die Hauptstadt auf der Salarischen Straße80 einzumarschieren, hatte sich sonderlich beeilt, bis die Kunde von der Belagerung des Kapitols alle zugleich aufscheuchte. 79. Als Antonius auf der Flaminischen Straße – es war schon tief in der Nacht – an die »Roten Felsen« kam,81 war es schon zu spät, um noch Hilfe zu bringen. Dort vernahm er, Sabinus sei getötet, das Kapitol sei in Flammen aufgegangen, die Hauptstadt zittere, überall herrsche Niedergeschlagenheit. Es wurde gemeldet, auch der Pöbel und die Sklaven würden für Vitellius bewaffnet. Auch hatte Petilius Cerialis ein unglückliches Reitertreffen geliefert. Denn da er unvorsichtig und, wie wenn er es mit bereits Besiegten zu tun hätte, losstürmte, empfingen ihn die Vitellianer mit einer Truppe, die sich aus Fußvolk und Reiterei zusammensetzte. Nicht weit weg von der Stadt spielte sich der Kampf zwischen Gebäuden und Gärten und Straßenbiegungen in einer Gegend ab, in der sich die Vitellianer auskannten, während sie den Feinden fremd war und daher Furcht erweckt hatte. Auch war die ganze Reiterei nicht einhelliger Gesinnung. Es befanden sich in ihren Reihen einige, die kürzlich bei Narnia sich ergeben hatten und immer noch abwarteten, welcher Partei sich das Glück zuwende. Der Reiterführer Iulius Flavianus wurde gefangengenommen, die übrigen wurden schimpflich in die Flucht geschlagen, wobei ihnen die Sieger nicht über Fidenä hinaus folgten. 80. Dieser Erfolg steigerte den Eifer des Volkes: Die Massen in der Stadt griffen zu den Waffen. Nur wenige hatten kriegsmäßige Schilde, die Mehrzahl ergriff, was jedem gerade an Wurfgeschossen in die Hände kam, und verlangte das Zeichen zur Schlacht. Vitellius sprach seinen Dank aus und befahl, zum Schutze der Stadt vorzustoßen. Dann berief man den Senat und wählte eine Abordnung zu den Heeren aus, um unter dem Deckmantel der Fürsorge für das Gemeinwesen zu Eintracht und Frieden zu raten. Die Abgeordneten gingen einem unterschiedlichen Schicksal entgegen. Diejenigen, die auf Petilius Cerialis gestoßen waren, gerieten in die äußerste Gefahr, da die



Vordringen der Flavianer · Volksbewaffnung

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Mannschaften Friedensvorschläge zurückwiesen. Der Prätor Arulenus Rusticus82 wurde verwundet. Die Erbitterung wuchs noch, abgesehen davon, dass die Person eines Gesandten und Prätors verletzt worden war, im Hinblick auf die persönliche Achtung, die der Mann genoss. Das Gefolge lief auseinander, der ihm zunächststehende Liktor wurde getötet, als er es wagte, den Haufen auf die Seite zu schieben. Und wenn ihnen nicht der Heerführer eine Bedeckung gestellt hätte und sie so geschützt worden wären, wären sie in ihrem Parteifanatismus so weit gegangen, das Gesandtenrecht, das sogar unter fremden Völkern heilig ist, unmittelbar vor den Mauern der Vaterstadt durch einen Mord zu besudeln. In gelassenerer Stimmung empfing man diejenigen, die zu Antonius gekommen waren, nicht etwa, weil bei den dortigen Soldaten größere Disziplin geherrscht hätte, sondern weil der Heerführer über mehr Ansehen verfügte. 81. Unter die Abordnung hatte sich Musonius Rufus83 gemengt, ein Mann aus dem Ritterstand, dessen Ehrgeiz sich auf die Beschäftigung mit der Philosophie und auf die stoischen Lehrsätze richtete. Er begann, sich bei den Manipeln herumtreibend und über das Glück des Friedens und die Gefahren des Krieges sich ergehend, die bewaffneten Leute zu belehren. Darüber machten sich sehr viele lustig, noch mehr aber empfanden es als eine Belästigung. Und manche jagten ihn weg und gaben ihm Fußtritte. Doch auf Zureden der disziplinierten Elemente und auf Drohungen anderer hin, gab er es auf, seine Weisheit, die hier nicht am Platze war, weiter zu verkündigen. Auch die Vestalischen Jungfrauen84 kamen des Wegs mit einem Brief des Vitellius an Antonius. Er stellte die Forderung, den Entscheidungskampf einen Tag auszusetzen. Lege man eine Pause ein, würde man über alles leichter einig werden. Die Jungfrauen wurden in Ehren entlassen, und Vitellius erhielt die schriftliche Antwort, durch die Ermordung des Sabinus und die Einäscherung des Kapitols seien Unterhandlungen über den Krieg abgebrochen. 82. Jedoch machte Antonius den Versuch, die zu einer Versammlung berufenen Soldaten zu beschwichtigen und zu veranlassen, bei der Mulvischen Brücke ein Lager zu schlagen und erst am darauffolgenden Tage in die Stadt einzumarschieren. Der

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Drittes Buch, Kapitel 83 – 84

Grund des Zögerns lag in der Befürchtung, die infolge des Gefechtes erbitterten Soldaten möchten weder gegenüber dem Volk noch gegenüber dem Senat, ja nicht einmal gegenüber den Tempeln und Heiligtümern der Götter Schonung walten lassen. Aber gegen jeden Aufschub waren sie misstrauisch, als ob er den Sieg beeinträchtige. Zugleich hatten die überall auf den Hügeln blitzenden Standarten, obgleich hinter ihnen nur unkriegerisches Volk einherzog, das Bild eines feindlichen Heeres erweckt. In drei Kolonnen traten sie an: ein Teil auf der Flaminischen Straße, in der Formation, in der er dort sich aufgestellt hatte, ein weiterer neben dem Tiberufer, der dritte rückte auf der Salarischen Straße an das Collinische Tor heran. Der Pöbel stob vor den herangaloppierenden Reitern auseinander. Die Vitellianischen Mannschaften zogen auch ihrerseits in drei Heerhaufen entgegen. Vor der Stadt entwickelten sich viele wechselvolle Kämpfe. Doch waren sie für die Flavianer öfter erfolgreich, da diese dank der Umsicht ihrer Führer überlegen waren. Nur diejenigen kamen in schwerere Bedrängnis, die sich auf die linke Seite der Stadt zu den Sallustianischen Gärten85 hin über schmale und schlüpfrige Wege gewendet hatten. Die Vitellianer wehrten, auf den Gartenmauern stehend, bis zum späten Abend die Heranstürmenden mit Steinen und Speeren ab, bis sie von den Reitern, die durch das Collinische Tor eingebrochen waren, umzingelt wurden. Auch auf dem Marsfeld kam es zu feindlichen Zusammenstößen. Auf der Seite der Flavianer stand das Glück und das Bewusstsein des schon so oft errungenen Sieges, die Vitellianer stürzten sich in den Kampf in reiner Verzweiflung und sammelten sich, obgleich geschlagen, erneut in der Stadt. 83. Bei dem Kampfe war als Zuschauer das Volk zugegen und, wie bei einem Kampfspiel, bezeugte es bald der einen, bald der anderen Partei durch Geschrei und Beifallklatschen seine Gunst. Sooft die eine Partei wich, forderte man, die in Buden Versteckten und in irgendein Haus Geflüchteten herauszuholen und umzubringen, und bemächtigte sich des größeren Teils der Beute. Denn da die Soldaten ganz mit dem Blutvergießen und Morden beschäftigt waren, fiel dem Pöbel die Beute in die Hände. In der ganzen Stadt bot sich das Bild wilden Grau-



Kampf um Rom

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ens: hier Kämpfende und Verwundete, dort Bäder und Kneipen, zugleich Ströme von Blut und Haufen von Leichen, und gleich dabei Huren und ihresgleichen! Alles, was es in üppiger Friedenszeit an Ausschweifungen gibt, alle Verbrechen, die bei einer schonungslosen Eroberung vorkommen! Kurz, man hätte glauben können, die gleiche Bürgerschaft sei von Raserei erfasst und gebe sich gleichzeitig ausgelassener Fröhlichkeit hin. Auch früher schon hatten bewaffnete Heere in der Stadt gekämpft, zweimal als Lucius Sulla, einmal als Cinna Sieger war, und damals war die Grausamkeit nicht geringer gewesen. Jetzt aber herrschte eine unmenschliche Gleichgültigkeit, und auch nicht einen einzigen Augenblick hielt man mit den Lustbarkeiten inne. Wie wenn zu den Festtagen auch noch dieses Vergnügen gehören würde, tanzte, genoss und kümmerte man sich überhaupt nicht um die Parteien, fröhlich bei dem Unglück, das über das Gemeinwesen gekommen war. 84. Die schwierigste Aufgabe bildete der Sturm auf die Kaserne, die von den Tapfersten als letzte Hoffnung noch gehalten wurde. Umso eifriger führten die Sieger – die alten Kohorten legten sich dabei besonders ins Zeug – alle Kriegsmittel zugleich heran, die man je zur Zerstörung der festesten Städte erfunden hatte: ein Schilddach, Wurfmaschinen, einen Damm und Fackeln. Dabei riefen sie, allen Strapazen und Gefahren, die sie in so vielen Kämpfen durchgemacht hätten, würde durch diese Arbeit auf einmal ein Ende gemacht. Die Stadt sei dem Senat und dem römischen Volke, die Tempel seien den Göttern wiedergegeben. Seine persönliche Ehre liege für den Soldaten in der Kaserne, dort sei sein Vaterland, dort seien seine Penaten. Würde sie nicht sofort erobert, müssten sie die Nacht unter den Waffen zubringen. Auf der Gegenseite klammerten sich die Vitellianer, obwohl sie sich zahlenmäßig und, was die Fügung des Schicksals anbelangte, nicht messen konnten, an den letzten Trost, der den Besiegten geblieben war: sie fügten sich nicht in die Rolle des Besiegten, verzögerten den Frieden und befleckten Häuser und Altäre mit Blut. Viele, schon halbtot, hauchten auf den Türmen und Schutzwehren der Mauern ihr Leben aus. Als die Tore aufgerissen waren, stürzte der restliche Haufe den Siegern entgegen. Alle fielen mit Wunden auf der Brust, gegen

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Drittes Buch, Kapitel 85 – 86

den Feind gewendet. So sehr waren sie auch im Sterben auf ein ehrenvolles Ende bedacht. Vitellius wurde nach der Eroberung der Stadt durch die Rückseite des Palatiums zum Aventin in das Haus seiner Gemahlin in einem kleinen Tragsessel gebracht. Er hatte die Absicht, sich dort tagsüber zu verbergen und dann nach Tarracina zu den Kohorten und zu seinem Bruder zu flüchten. Dann kehrte er in seinem Wankelmut und, wie es die Angst so mit sich bringt, – da er sich vor allem fürchtete, gefiel ihm das Zunächstliegende am wenigsten – in das Palatium zurück, das öde und verlassen dalag. Selbst die Geringsten unter den Sklaven hatten sich davongemacht oder vermieden es, ihm zu begegnen. Es schreckte ihn die Einsamkeit und das Schweigen in den Räumen. Er versuchte, in die verschlossenen Räume zu kommen, und schauderte vor ihrer Leere. Erschöpft von dem jämmerlichen Umherirren verbarg er sich in einem schimpflichen Versteck, aus dem er von Iulius Placidus, dem Tribunen einer Kohorte, hervorgezogen wurde. Die Hände wurden ihm auf dem Rücken gefesselt. Mit zerrissenem Gewand wurde er, ein hässliches Schaustück, abgeführt. Viele beschimpften ihn, niemand beweinte ihn. Die Abscheulichkeit seines Endes hatte das Mitleid ausgelöscht. Ein ihm begegnender germanischer Soldat wollte auf Vitellius einhauen – ob es im Zorn geschah oder ob er ihn damit rascher der Verspottung entziehen wollte, oder auch, ob er nur den Tribunen hat treffen wollen, ist nicht feststellbar gewesen – kurz: er hieb dem Tribunen ein Ohr ab und wurde sofort niedergestoßen. 85. Vitellius zwang man mit gezücktem Schwert, bald sein Angesicht zu erheben und den entehrenden Misshandlungen preiszugeben, bald dem Herunterstürzen seiner Statuen, zumeist der Rednerbühne oder der Stelle, wo Galba ermordet worden war, seinen Blick zuzuwenden. Zuletzt jagten sie ihn zu den Gemonien, wo der Leichnam des Flavius Sabinus gelegen hatte. Als einziges Wort, das eine nicht entartete Gesinnung verriet, vernahm man die Antwort an einen ihn verhöhnenden Tribunen: »Und doch bin ich dein Imperator gewesen!« Darauf brach er unter den Hieben, die auf ihn niederprasselten, zusammen. Und der Pöbel vergriff sich an dem Ermordeten mit der glei-



Ende des Vitellius

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chen Verworfenheit, mit der er ihm in seinem Leben gehuldigt hatte. 86. Seine Vaterstadt war Luceria. Er stand im siebenundfünfzigsten Lebensjahr.86 Konsulat, Priestertümer, Namen und Stellung unter den führenden Männern hat er nicht durch persönliche Leistung, sondern alles nur durch die Berühmtheit seines Vaters erlangt. Das Prinzipat haben ihm Leute übertragen, die ihn selbst gar nicht kannten. Die Sympathie des Heeres hat wohl selten jemand, der sich um sie mit anständigen Mitteln bemühte, in dem Maße genossen, wie er, der ein schwächlicher Mensch war. Doch besaß er eine Veranlagung zu Harmlosigkeit und Freigebigkeit, Eigenschaften, die zum Verderben ausschlagen, wenn man dabei nicht Maß hält. Um Freundschaften hat er sich mehr beworben, als sie wirklich besessen, da er glaubte, sie beruhen auf der Größe von Geschenken und nicht auf einem festen Charakter. Für das Gemeinwesen war es ohne Zweifel gut, dass Vitellius besiegt wurde. Aber ihre Untreue können sich nicht diejenigen als Verdienst anrechnen, die Vitellius an Vespasianus verraten haben, da sie ja schon vorher von Galba abgefallen waren.87 Der Tag ging rasch zur Neige, und es konnte wegen der Angst der Beamten und der Senatoren, die aus der Stadt entwichen waren oder sich in den Häusern ihrer Klienten versteckt hielten, der Senat nicht einberufen werden. Als keine feindselige Handlung mehr zu befürchten war, ging Domitianus aus seinem Versteck zu den Heerführern der Partei. Er wurde von den Soldaten als Cäsar begrüßt, die ihn in großer Zahl und bewaffnet, wie er war, zu den väterlichen Penaten geleiten.

Viertes Buch 1. Mit der Ermordung des Vitellius hatte der Krieg mehr aufgehört, als der Friede begonnen. Bewaffnet verfolgten die Sieger in unversöhnlichem Hass die Besiegten in der ganzen Hauptstadt. Voll von Erschlagenen waren die Straßen, blutbefleckt die öffentlichen Plätze und die Tempel, da sie überall jeden, den der Zufall ihnen in den Weg geführt hatte, erschlagen hatten. Als dann die Zügellosigkeit noch weiter um sich griff, machten sie sich auf die Suche nach den Versteckten und schleppten sie heraus. Hatten sie einen hochgewachsenen jungen Mann erblickt, ermordeten sie ihn ohne Unterschied, mochte er nun Soldat oder Zivilist sein. Dieses Wüten fand, solange noch die Hassgefühle frisch waren, am Blut seine Sättigung, dann war es in Habgier umgeschlagen. Nirgends gab es einen Raum, den sie abseits liegen ließen oder der verschlossen blieb, wobei sie als Vorwand nahmen, es seien dort Vitellianer versteckt. Das war der Beginn zum Einbrechen in die Häuser oder, falls sie Widerstand fanden, der Anlass zum Morden. Und auch der ärmste Schlucker aus dem Volk und die schlechtesten Elemente aus dem Sklavenstand waren zur Stelle, um ihre reichen Herren ohne weiteren Anlass zu verraten. Andere wiederum wurden von ihren Freunden angezeigt. Überall ertönte Jammern und Wehklagen und trat das Schicksal einer eroberten Stadt in Erscheinung; und dies ging so weit, dass man sich wieder nach der früher so verhassten Frechheit der Othonianischen und Vitellianischen Soldaten sehnte. Die Heerführer der Parteien, leidenschaftlich bemüht, den Bürgerkrieg zu entflammen, zeigten sich unfähig, die Sieger in Schranken zu halten. In Zeiten des Aufruhrs und der Zwietracht verfügt ja der Schlechteste über die größte Gewalt, während der Friede und die Ruhe anständige Mittel und Wege erfordern. 2. Den Namen und die Residenz eines Cäsars hatte Domitianus erhalten. Noch fehlte ihm der nötige Ernst für die Regierungsaufgaben, dafür spielte er auf dem Gebiet der Unzucht und des Ehebruches die Rolle des Fürstensohnes.1 Die Prätorianerprä-



Nachwehen des Bürgerkriegs · Domitianus

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fektur lag in den Händen von Arrius Varus, den größten Einfluss hatte Primus Antonius. Dieser raffte das Geld und die Dienerschaft aus dem Hause des Fürsten an sich, als wäre es die Beute von Cremona. Die anderen bekamen, als bescheidene oder unbekannte Leute, so wie sie im Kriege im Schatten gestanden hatten, auch an den Belohnungen keinen Anteil. Die Bürgerschaft lebte in Angst und, zur Knechtschaft bereit, verlangte sie, man solle dem von Tarracina mit den Kohorten zurückkehrenden L. Vitellius2 zuvorkommen und die Reste des Kriegsbrandes zum Erlöschen bringen. Man schickte Reiterei nach Aricia voraus, während die Marschkolonne der Legionen diesseits Bovillae haltmachte. Und Vitellius zögerte nicht, sich und seine Kohorten der Willkür des Siegers auszuliefern, und die Mannschaften warfen die unseligen Waffen ebenso aus Erbitterung wie aus Furcht weg. Ein langer Zug von Gefangenen bewegte sich, von Bewaffneten eskortiert, durch die Hauptstadt. Kein einziger zeigte eine demütig bittende Miene, sondern sie sahen finster und trotzig drein und waren gegenüber den Beifallskundgebungen und der Frechheit der höhnenden Volksmenge unbewegt. Einige wenige, die auszubrechen wagten, wurden umringt und niedergestoßen. Die übrigen wurden in Gewahrsam genommen, wobei keiner ein unwürdiges Wort verlauten ließ. Trotz allem Unglück wahrten sie den Ruf ihrer Tapferkeit. Darauf wurde Lucius Vitellius ermordet. Er war in seinen Lastern seinem Bruder ebenbürtig, hatte aber in dessen Prinzipat eine größere Tatkraft entwickelt und weniger an seinem Glück Anteil, wurde aber dafür um so mehr in dessen Unglück hineingerissen. 3. In denselben Tagen wurde Lucilius Bassus mit leichter Reiterei abgeschickt, um die Ruhe in Campanien wiederherzustellen, wo die Landstädte mehr unter sich Händel hatten, als dass sie aufsässig gegen den Fürsten gewesen wären. Als man die Soldaten sah, trat Ruhe ein. Die kleineren Koloniestädte blieben unbestraft. Nach Capua wurde die dritte Legion in die Winterquartiere gelegt und die vornehmen Häuser schwer in Mitleidenschaft gezogen, während hingegen die Tarracinenser keinerlei Unterstützung fanden.3 So sehr ist man eher geneigt, Unrecht als Wohltat zu vergelten, weil man Dank als Last empfindet, Ra-

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Viertes Buch, Kapitel 4 – 6

che als Gewinn betrachtet. Tröstlich war es, dass der Sklave des Vergilius Capito, den ich als Verräter der Tarracinenser erwähnt habe, ans Kreuz geschlagen wurde, und zwar trug er die gleichen Ringe, die er als Geschenk des Vitellius sonst zu tragen pflegte. Aber in Rom beschloss der Senat alle üblichen fürstlichen Ehren für Vespasianus4 in freudiger und zuversichtlicher Stimmung. Denn es sah so aus, als ob der Bürgerkrieg in Gallien und Spanien, der auf Germanien und dann auf Illyricum übergegriffen und schließlich Ägypten, Iudäa, Syrien und alle Provinzen und Heere durchwandert hatte, sein Ende gefunden habe, wie wenn nun die Welt endlich entsühnt wäre. Die frohe Stimmung wurde noch durch Briefe des Vespasianus erhöht, die lauteten, als ob der Krieg noch andaure.5 Diesen ersten Eindruck erweckte seine Ausdrucksweise. Im Übrigen sprach er als Prinzeps, schlicht über seine eigene Person, voll Würde über das Gemeinwesen. Und der Senat ließ es an Unterwürfigkeit nicht fehlen. Ihm selbst wurde mit seinem Sohne Titus das Konsulat, Domitianus die Prätur und die konsularische Gewalt zuerkannt.6 4. Auch Mucianus hatte ein Schreiben an den Senat gerichtet, das Stoff zu allerlei Gerede bot: Wenn er ein Privatmann sei, wa­ rum er dann als Amtsperson rede? Man hätte das Gleiche einige Tage später, wenn die Abstimmung an ihn gekommen wäre, sagen können. Auch eben sein Angriff auf Vitellius kam verspätet und entbehrte des Freimutes. Vollends war es gegenüber dem Gemeinwesen ein hochmütiges, gegenüber dem Prinzeps ein schmähliches Vorgehen, sich zu brüsten, in seiner Hand sei die Herrschermacht gelegen und er habe sie Vespasianus geschenkt. Im Übrigen hielt man mit der Entrüstung hinter dem Berge, die Schmeichelei trat offen in Erscheinung. Unter einem ehrenden Wortschwall wurden Mucianus die Triumphinsi­ gnien wegen des Bürgerkrieges7 verliehen, dabei aber sein Feldzug gegen die Sarmaten zum Vorwand genommen.8 Dazu verlieh man Primus Antonius die konsularischen, Cornelius Fuscus und Arrius Varus die prätorischen Abzeichen. Dann richtete man den Blick auf die Götter und beschloss, das Kapitol wiederaufzubauen. Dies alles beantragte der designierte Konsul Valerius Asiaticus. Die übrigen gaben mit ihren Mienen und einer Handbewegung, einige wenige, die mit ihrem hohen



Senat huldigt Vespasianus · Helvidius Priscus

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Rang in Erscheinung traten oder die ihren Geist in Schmeichelei geschult hatten, in wohlgesetzten Reden ihre Zustimmung. Als die Abstimmung an den designierten Prätor Helvidius Pricus kam, tat er eine Meinung kund, die gegenüber dem neuen Fürsten ebenso ehrend wie frei von Falschheit war, und er wurde durch die Sympathiekundgebungen des Senats hoch gefeiert. Dieser Tag vor allem war es, der für ihn den Beginn großer Ungnade und großen Ruhms bedeutete. 5. Weil nun zum zweiten Mal die Rede auf diesen Mann gekommen ist und wir ihn noch öfters erwähnen müssen, scheint es die Sachlage zu erfordern, einiges über sein Leben, sein Streben und über das Schicksal, das ihn getroffen hat, nachzuholen. Helvidius Priscus stammte aus der Landstadt Cluviä, die zu Caracina gehörte. Sein Vater hatte den Rang eines Primipilus bekleidet. Schon als ganz junger Mann widmete er seine hervorragende Begabung höheren Studien, nicht, wie die meisten, um mit einem großartigen Namen9 bequemes Nichtstun zu verhüllen, sondern um, gesicherter gegen die Zufälligkeiten des Daseins, die politische Laufbahn einzuschlagen. Er schloss sich den Lehrern der Weisheit an, die für das einzige Gut das Moralische und für das einzige Übel das Unmoralische halten und die Macht, Adel und alles Übrige, was außerhalb des geistigen Bereiches liegt, weder als ein Gut noch als ein Übel betrachten. Er war kaum erst Quästor gewesen, als ihn Pätus Thrasea10 als Schwiegersohn auserlas, und er nahm von dem Charakter seines Schwiegervaters nichts so sehr in sich auf wie den Sinn für Freiheit, als Bürger, Senator, Gatte, Schwiegersohn, Freund in allen Pflichten des Lebens sich stets gleichbleibend, ein Verächter von Reichtum, hartnäckig für das Rechte eintretend, standhaft gegenüber allen Einschüchterungen. 6. Manchen schien er allzu sehr auf Geltung bedacht zu sein. Auch für die Weisen ist ja der Ruhm die letzte Begierde, von der sie sich freimachen. Durch den Sturz seines Schwiegervaters verbannt, machte er sich nach seiner Rückkehr unter dem Prinzipat Galbas an die Aufgabe, Marcellus Eprius, den Angeber Thraseas, anzuklagen. Diese Racheaktion – ich weiß nicht, ob sie mehr einer Dringlichkeit als einem Gerechtigkeitsgefühl entsprang – hatte den Senat in zwei Parteien gespalten. Denn sollte

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Viertes Buch, Kapitel 7 – 8

Marcellus fallen, musste er einen ganzen Haufen von Schuldigen mit sich ins Verderben stürzen. Anfangs nahm das Ringen Formen an, als ob es hart auf hart ging. Davon gaben die hervorragenden Reden, die beide hielten, Zeugnis. Dann zeigte sich Galba in seiner Einstellung schwankend und, da viele Senatoren sich mit Bitten dagegen wandten, ließ Priscus die Anklage fallen, was – entsprechend der Veranlagung der Menschen – in den Gesprächen verschieden beurteilt wurde. Die einen lobten sein Maßhalten, die anderen vermissten an ihm eine feste Haltung. Übrigens hatte man an dem Tag, da man über die Herrschaft des Vespasianus abstimmte, beschlossen, an den Fürsten Gesandte zu schicken. Darüber erhob sich zwischen Helvidius und Eprius ein scharfer Wortwechsel. Priscus forderte, die Wahl solle mit Namensaufruf durch vereidigte Beamte vorgenommen werden, während Marcellus geheime Abstimmung verlangte, was auch die Meinung des designierten Konsuls gewesen war. 7. Aber die Triebfeder für die Beflissenheit des Marcellus war seine persönliche Eitelkeit: er wollte nicht, dass man von ihm glaube, er sei hinter andere Auserwählte zurückgestellt worden. Und allmählich verstiegen sie sich im Verlauf ihres Wortwechsels zu zusammenhängenden, erbitterten Reden: Helvidius stellte die Frage, warum Marcellus sich so sehr vor dem Urteil der Beamten fürchte. Er habe doch Geld und Beredsamkeit, wie viele andere nicht, es müsste denn sein, dass er sich durch die Erinnerung an seine Schandtaten belastet fühle. Durch Los und Urne werde nicht über den Charakter entschieden. Stimmabgabe und Beurteilung durch den Senat habe man erfunden, um jeden einzelnen in seinem Lebenswandel und seinem Ruf zu durchleuchten. Der Nutzen des Gemeinwesens, die Ehre des Vespasianus erfordern es, dass ihm die makellosesten Männer, über die der Senat verfüge, entgegenträten, die die Ohren des Imperators an Gespräche über das sittlich Gute gewöhnten. Vespasianus sei mit Thrasea, Soranus11 und Sentius befreundet gewesen. Wenn man deren Ankläger auch nicht zu bestrafen brauche, so dürfe man sie doch auch nicht zur Schau stellen. Durch das jetzige Urteil des Senats werde der Fürst gleichsam mahnend darauf hingewiesen, welche Personen er anerkennen und vor welchen er zurückschrecken solle. Kein wirksameres



Helvidius Priscus gegen Eprius Marcellus

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Werkzeug gebe es für eine treffliche Herrschaft als gute Freunde. Marcellus möge sich damit begnügen, den Nero dazu getrieben zu haben, so viele unschuldige Menschen zu vernichten. Er solle seine Belohnungen und seine Straflosigkeit genießen, Vespasianus jedoch den Besseren überlassen. 8. Marcellus pflegte zu sagen: es sei nicht seine Meinung, die man bekämpfe, sondern der designierte Konsul habe einen Antrag gestellt, der den alten Vorgängen entspreche. Diese hätten die Form der Auslosung bei Gesandtschaften bestimmt, damit sich nicht Begünstigung oder persönliche Feindschaften auswirkten. Nichts sei geschehen, weshalb die seit alters gültigen Gebräuche abgeschafft werden sollten oder eine Ehrung des Fürsten irgendeinem als Schande ausgelegt werden sollte. Ihm zu huldigen, seien sie alle gut genug. Mehr müsse man sich davor hüten, dass durch die Starrköpfigkeit gewisser Leute der neue Fürst, der in seiner noch schwankenden Haltung auch die Mienen und die Gespräche eines jeden genau beobachte, gereizt werde. Er gedenke der Zeiten, da er geboren sei, an die Verfassung, die die Väter und Großväter eingeführt hätten. Er bewundere, was hinter ihm liege, und schließe sich dem an, was die Gegenwart fordere. Nach guten Imperatoren stehe zwar sein Wunsch; aber, wie sie eben seien, so nehme er sie hin. Weniger durch seine eigene Rede als vielmehr durch das Urteil des Senats sei Thrasea gestürzt worden. Nero habe in seiner Grausamkeit mit derartigen Scheinprozessen sein schnödes Spiel getrieben. Für ihn sei eine solche Freundschaft nicht weniger beängstigend gewesen als für andere die Verbannung. Kurz: Helvidius möge an fester Haltung und Tapferkeit Männern wie Cato und Brutus an die Seite gestellt werden; er sei nur einer von jenem Senat, der mit ihm zusammen das Joch der Knechtschaft getragen habe. Er rate auch Priscus, sich nicht über den Fürsten zu erheben, nicht Vespasianus, den triumphgeehrten Greis, den Vater bereits erwachsener Kinder, durch Vorschriften zu bevormunden. Wie den schlechtesten Imperatoren eine Tyrannei ohne Ende, so gefalle auch noch so vortrefflichen das Maßhalten in der Freiheit. Dies wurde von beiden Seiten in leidenschaftlichen Ausein­ andersetzungen vorgetragen und fand eine geteilte Aufnahme. Diejenige Partei trug den Sieg davon, die die Gesandten lieber

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Viertes Buch, Kapitel 9 – 12

durch das Los bestimmen lassen wollte. Auch die Mitte des Senats trat dafür ein, an der Sitte festzuhalten. Und gerade die angesehensten Senatoren neigten zu der gleichen Anschauung: sie fürchteten sich vor dem zu erwartenden Neid, falls sie selbst erwählt würden. 9. Es schloss sich ein anderer Streit an: Die Prätoren des Staatsschatzes – damals wurde der Staatsschatz von Prätoren verwaltet12 – hatten Klage über die Armut des Staates geführt und verlangt, man solle die Ausgaben beschränken. Die Erledigung ­dieser Frage wollte der designierte Konsul wegen der großen Reichweite der Aufgabe und der Schwierigkeit einer Abhilfe dem Fürsten vorbehalten. Helvidius beantragte, die Angelegenheit der Entscheidung des Senats vorzubehalten. Als die Konsuln zur Abstimmung schritten, erhob der Volkstribun Vul­ca­cius Tertullinus Einspruch mit der Begründung, es dürfe in einer so wichtigen Angelegenheit in Abwesenheit des Fürsten kein Beschluss gefasst werden. Helvidius hatte beantragt, das Kapitol solle auf Staatskosten wiederaufgebaut werden und Vespasianus solle dazu einen Beitrag geben. Über diesen Antrag gingen alle maßvollen Senatoren mit Stillschweigen hinweg; dann geriet er in Vergessenheit. Manche behielten ihn auch im Gedächtnis. 10. Darauf ging Musonius Rufus13 gegen Publius Celer14 vor. Er beschuldigte ihn, er habe Barea Soranus durch ein falsches Zeugnis ins Verderben gestürzt. Es sah so aus, als ob durch eine solche Untersuchung der alte Hass gegen das Denunziantenunwesen wieder auflebe. Aber der Angeklagte, der ohne Einfluss und zugleich schuldig war, konnte nicht geschützt werden. Denn Soranus stand in einem unantastbaren Andenken. Celer, der als Vertreter der Philosophie sich ausgab, dann als Zeuge gegen Barea auftrat, wurde so zum Verräter und Totengräber der Freundschaft, deren Lehrer zu sein er sich brüstete. Der kommende Tag wurde für den Prozess bestimmt. Aber man wartete gespannt nicht so sehr auf Musonius oder Publius, wie auf Priscus und Marcellus und die anderen alle, da die Gemüter auf Rache gestimmt waren.15 11. Bei einer solchen Sachlage, da Zwietracht unter den Senatoren, Erbitterung bei den Besiegten herrschte, da die Sieger über



Musonius Rufus gegen Publius Celer · Mucianus in Rom

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kein Ansehen verfügten, keine Gesetze vorhanden waren und kein Fürst in der Stadt war, rückte Mucianus in Rom ein und zog alle Fäden zugleich an sich: gebrochen war die Macht des Primus Antonius und Varus Arrius, nur schlecht verhehlt des Mucianus Zorn gegen sie, wie sehr er auch ihn hinter seiner Miene verbarg. Aber die Bürgerschaft mit ihrem scharfen Blick, wo es Missstimmungen zu erspähen gilt, hatte sich gewandelt und hatte sich umgestellt. Er war der einzige, den man umwarb und den man verehrte. Und er selbst ließ es nicht an sich fehlen: umgeben von einem Haufen Bewaffneter baute er seine Häuser und Gärten von Grund aus um, nahm in seinem Hofstaat, seinem Auftreten, seinen Leibwachen das Gehabe des Fürsten an, wobei er lediglich auf den Titel verzichtete. Den größten Schrecken verursachte die Ermordung des Calpurnius Galerianus. Dies war der Sohn des Gaius Piso.16 Er selbst hatte sich nicht hervorgewagt; aber der berühmte Name und seine jugendliche Schönheit spielten eine große Rolle in den Gesprächen der Leute, und es fanden sich in der noch aufgewühlten und sich an neuem Gesprächsstoff freuenden Bürgerschaft Stimmen, die um ihn das grundlose Gerede von dem Prinzipat verbreiteten. Auf Befehl des Mucianus von einer militärischen Wache umringt, wurde er, damit sein Tod, wenn er unmittelbar in der Hauptstadt erfolge, nicht zu großes Aufsehen errege, beim vierzigsten Meilenstein von Rom auf der Appischen Straße17 durch Öffnung der Adern umgebracht. Iulius Priscus, der ehemalige Präfekt der Prätorianerkohorten unter Vitellius beging Selbstmord, mehr weil er sich schämte, als weil er dazu gezwungen gewesen wäre. Alfenus Varus überlebte seine Feigheit und Schande, Asiaticus18 – er war ja Freigelassener – büßte seine unselige Machtstellung mit der Hinrichtung nach Sklavenbrauch. 12. In denselben Tagen vernahm die Bürgerschaft das immer mehr um sich greifende Gerücht von der Niederlage in Germanien, worüber sie nichts weniger als betrübt war: die Heere seien vernichtet, die Winterlager erobert, Gallien sei abgefallen; über all dies redete man nicht, als ob es ein Unglück wäre. Aus welchen Gründen dieser Krieg ausbrach, wie sehr sein Aufflackern die ausländischen und verbündeten Völker in Bewegung gebracht hat, will ich ausführlicher berichten.

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Viertes Buch, Kapitel 13 – 14

Solange die Bataver noch jenseits des Rheins wohnten, bildeten sie einen Teil der Chatten. Dann durch einen inneren Aufruhr vertrieben, besetzten sie das äußerste Küstengebiet Galliens, das noch unbesiedelt war, und zugleich die unmittelbar danebenliegende Insel, die der Ozean vorn, der Rhein im Rücken und an den Seiten umspült.19 Ohne von ihrer Macht eingebüßt zu haben – eine Seltenheit, wenn man mit Stärkeren verbündet ist –, liefern sie dem Reiche nur Mannschaften und Waffen. Lange hatten sie sich in den germanischen Kriegen geschult. Dann erhöhte sich ihr Ruhm in Britannien, als ihre Kohorten dorthin geschickt wurden, an deren Spitze nach altem Brauch die vornehmsten Männer aus ihrem Volke standen. Sie hatten auch in der Heimat auserlesene Reiterei, die mit besonderem Eifer es betrieb, ihre Waffen und Pferde festhaltend, in geschlossenen Abteilungen schwimmend den Rhein zu durchqueren. 13. Iulius Civilis und Claudius Paulus, beide von königlichem Geschlecht, standen hoch über allen anderen. Den Paulus ließ Fonteius Capito20 unter der falschen Beschuldigung einer Empörung hinrichten, Civilis wurde in Ketten gelegt und zu Nero geschickt, dann von Galba freigesprochen und geriet unter Vitellius erneut in Gefahr, da das Heer seine Hinrichtung verlangte. Darüber war er erbittert, und unser Unglück erweckte in ihm Hoffnungen. Aber Civilis war für einen Barbaren ungewöhnlich gerissen. Er spielte sich als ein Sertorius21 oder Hannibal auf, da er ein ähnlich entstelltes Gesicht hatte. Und damit man ihm nicht als Feind entgegentrete, wenn er offen von dem römischen Volk abfalle, schützte er Freundschaft mit Vespasianus und seine Sympathie für dessen Partei vor. Und wirklich war auch ein Schreiben des Primus Antonius an ihn geschickt worden, in dem ihm befohlen wurde, die von Vitellius herbeigerufenen Hilfstruppen anderweitig zu verwenden und unter dem Vorwand von Unruhen in Germanien die Le­ gio­nen zurückzuhalten. Die gleiche Anweisung hatte Hordeonius Flaccus22 ihm persönlich gegeben, da dieser zu Vespasianus hinneigte und zugleich um das Gemeinwesen besorgt war, dessen Verderben er kommen sah, falls es erneut zum Kriege käme und so viele Tausende Bewaffneter in Italien einbrächen.



Krieg in Germanien · Civilis und die Bataver

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14. Und so begann Civilis, fest zum Abfall entschlossen und einstweilen seine tiefere Absicht verbergend, um alles andere von dem weiteren Verlauf abhängig zu machen, auf folgende Weise den Aufruhr. Auf Befehl des Vitellius wurde die batavische Jugend zur Aushebung beordert. Diese bildete schon an und für sich eine schwere Last, wirkte aber infolge der Habgier und des verschwenderischen Lebenswandels der mit der Aushebung Beauftragten noch drückender, da diese Greise oder Kranke zusammensuchten, um sie dann gegen Bezahlung wieder laufen zu lassen. Auf der anderen Seite wurden noch nicht Erwachsene und durch ihre äußere Erscheinung in die Augen Fallende – die meisten haben schon als Knaben einen schlanken Wuchs – zur Schändung fortgeschleppt. Daraus erwuchs Erbitterung, und die Anstifter des verabredeten Aufstandes bewirkten, dass man sich der Aushebung widersetzte. Civilis berief die Häuptlinge des Stammes und die entschlossensten Leute aus dem Volk unter dem Vorwand eines Festmahles in einen heiligen Hain. Sobald er sah, dass sie im Laufe der nächtlichen Fröhlichkeit in eine erhitzte Stimmung kamen, begann er den Ruhm des Stammes zu preisen, und zählte die Gewalttaten, Plünderungen und alle übrigen Heimsuchungen eines Sklavendaseins auf. Denn nicht als Bundesgenossen, wie einst, behandle man sie, sondern wie Kaufsklaven. Wann komme ein Legat, so lästig und hochmütig auch sein Gefolge sei, der die Befugnis eines Oberkommandierenden habe? Präfekten und Zenturionen würden sie preisgegeben. Wenn sie diese mit Beute und Blut gesättigt hätten, tausche man sie aus und suche neue Schliche und allerlei Bezeichnungen für das Plündern. Eine Aushebung stehe bevor, durch die Kinder von Eltern, Brüder von Brüdern gleichsam auf Nimmerwiedersehen getrennt würden. Nie sei die römische Sache in größerer Bedrängnis gewesen und in den Winterlagern sei nichts mehr vorhanden als Beute und Greise. Sie sollten nur die Augen aufmachen und vor dem leeren Namen der Legionen nicht in Angst geraten. Sie dagegen würden über eine Kerntruppe zu Fuß und zu Pferd verfügen. Die Germanen seien ihre Blutsverwandten und die Gallier würden die gleichen Ziele verfolgen. Selbst den Römern sei ein solcher Krieg nicht unerwünscht, dessen Verlauf, falls

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er sich ungünstig gestalte, sie auf Rechnung des Vespasianus setzen könnten, während man für den Sieg keine Rechenschaft abzulegen brauche. 15. Er wurde mit lautem Beifall angehört. Dann vereidigte er sie alle zusammen nach barbarischem Brauch und unter den landesüblichen Verwünschungen. Man schickte zu den Canninefaten, um mit ihnen gemeinsame Sache zu machen. Dieser Volksstamm bewohnt einen Teil der Insel und gehört nach Abstammung, Sprache und Tüchtigkeit zu den Batavern. Doch wird er an Zahl von diesen übertroffen. Dann verlockte er durch geheime Botschaften die britannischen Hilfsvölker, Kohorten der Bataver, die wie oben berichtet, nach Germanien geschickt worden waren und damals in Mogontiacum standen. Bei den Canninefaten befand sich Brinno, ein Mann von törichter Dreistigkeit, aber von besonders vornehmer Herkunft. Sein Vater hatte viele feindselige Handlungen gewagt und ungestraft das Blendwerk der Feldzüge des Gaius23 missachtet. So hielt man ihn schon wegen des Namens seiner aufsässigen Familie für den richtigen Mann und, nach der Sitte seines Volkes auf den Schild erhoben und auf den Schultern seiner Träger hin und her geschwenkt, wurde er zum Heerführer auserwählt. Sofort rief er die Friesen, einen rechtsrheinischen Volksstamm, herbei und stürmte das Winterlager von zwei Kohorten, das unmittelbar am Ozean angelegt war. Auf den feindlichen Ansturm waren die Soldaten nicht gefasst, auch standen ihnen, wären sie es gewesen, nicht genügend Streitkräfte zur Verfügung, um ihn abzuwehren. So wurde denn das Lager erobert und geplündert. Darauf überfielen sie die umherziehenden und wie im Frieden zerstreuten römischen Marketender und Händler. Zugleich drohten sie, die Kastelle zu zerstören. Diese wurden von den Präfekten der Kohorten in Brand gesteckt, weil man sie nicht verteidigen konnte. Die Fahnen und Feldzeichen und sämtliche verfügbaren Mannschaften wurden in dem oberen Teil der Insel unter Führung des Primipilaren Aquilius zusammengedrängt, mehr dem Namen nach ein Heer als eine wirkliche Kampfkraft. Denn nach Abzug der Streitkräfte der Kohorten hatte Vitellius aus den zunächst gelegenen Gebieten der Nervier und Germanen einen lahmen Haufen mit Waffen belastet.



Offener Aufstand · Ein römisches Heer wird besiegt

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16. Civilis machte in dem Glauben, mit List vorgehen zu sollen, sogar noch den Präfekten Vorwürfe, sie hätten die Kastelle im Stich gelassen. Er werde mit der von ihm befehligten Kohorte den Aufruhr der Canninefaten ersticken. Sie selbst sollten sich in ihre Winterquartiere zurückbegeben. Dass hinter diesem Rat List steckte – die Kohorten würden ja, wenn sie zerstreut wären, leichter überwältigt werden – und dass nicht Brinno, sondern Civilis der Führer in diesem Krieg war, wurde offenbar, da allmählich Beweise zutage traten, die das kriegslustige Volk der Germanen nicht lange geheim gehalten hatte. Als List keinen rechten Erfolg hatte, ging er zu Gewaltanwendung über und bildete aus Canninefaten, Friesen und Batavern je eine eigene Kampfgruppe. Ihnen gegenüber stellte sich das römische Heer in gerader Front nicht weit vom Rhein entfernt zur Schlacht auf, wobei die Schiffe, die nach der Einäscherung der Kastelle dort gelandet waren, Richtung auf den Feind nahmen. Nach kurzem Ringen ging die Kohorte der Tungrer mitsamt ihren Fahnen zu Civilis über, und die römischen Soldaten wurden in ihrer Bestürzung über den unvorhergesehenen Verrat von Bundesgenossen und Feinden niedergemacht. Der gleiche Verrat spielte sich auch bei den Schiffen ab. Ein Teil der Ruderknechte, aus Batavern bestehend, hinderten wie aus Ungeschicklichkeit die Schiffsleute und die Kampfbesatzung an der Durchführung ihrer Aufgaben. Dann leisteten sie offenen Widerstand und ließen die Schiffe mit dem Hinterdeck auf dem feindlichen Strand auflaufen. Zuletzt machten sie die Steuerleute und die Zentu­ rionen nieder, wenn sie sich nicht mit ihnen einig zeigten, bis die gesamte aus vierundzwanzig Schiffen bestehende Flotte entweder überging oder erbeutet wurde. 17. Dies war für den Augenblick ein glänzender Sieg, und er war auch für die Zukunft von Nutzen. Man erlangte Waffen und Schiffe, woran man Mangel hatte, und man genoss in ganz Germanien und Gallien den gefeierten Ruhm, die Fahne der Freiheit erhoben zu haben. Germanien schickte sofort Gesandte und bot Hilfstruppen an. Um ein Bündnis mit Gallien bemühte sich mit List und Geschenken Civilis, indem er die gefangenen Kohortenpräfekten in ihre Gemeinden zurückschickte und es den Kohorten freistellte, ob sie lieber abziehen oder bleiben

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wollten. Wer blieb, dem wurde ehrenvoller Dienst, wer abzog, dem wurde römische Beute angeboten. Zugleich erinnerte er sie in vertraulichen Gesprächen an die Leiden, die sie in so vielen Jahren erduldet hätten, wobei sie eine erbärmliche Knechtschaft fälschlich als Frieden bezeichneten. Die Bataver hatten, obwohl sie mit Tributen noch nichts zu tun gehabt hätten, die Waffen gegen die gemeinsamen Zwingherren erhoben. Schon in der ersten Schlacht seien die Römer geschlagen und besiegt worden. Wie, wenn Gallien das Joch abwerfe? Wieviel bleibe da noch in Italien übrig? Mit dem Blut von Provinzen besiege man die Provinzen. An das Heer des Vindex sollten sie nicht denken: die batavische Reiterei habe die Aduer und Averner24 niedergestampft. Unter den Hilfstruppen des Verginius seien Belger gewesen und, wenn man es richtig erwäge, so sei Gallien durch seine eigenen Kräfte zusammengebrochen. Jetzt hätten sie alle die gleiche Sache zu verfechten und dazu komme noch die Kenntnis des Kriegswesens, soweit sie in den römischen Feldlagern wirksam gewesen sei. Auf ihrer Seite stünden doch altgediente Kohorten, vor denen kürzlich sich Othos Legionen gebeugt hätten. Sklavendienst mögen Syrien und Asien und der an Könige gewöhnte Orient leisten. Noch immer würden in Gallien viele Leute leben, die geboren seien, noch ehe es dort Tribute gegeben habe. Jedenfalls sei es noch nicht lange her, dass Quintilius Varus getötet und die Knechtschaft in Germanien beseitigt worden sei,25 und da habe man nicht einen Fürsten wie Vitellius, sondern Cäsar Augustus zum Krieg herausgefordert. Freiheitssinn sei von der Natur sogar den stummen Tieren gegeben und Mannhaftigkeit sei ein besonderes menschliches Gut. Die Götter stünden auf der Seite der Mutigeren. Daher sollten sich die, die ihre Maßnahmen noch frei treffen könnten, auf die bereits ihrer Handlungsfreiheit Beraubten, die frische Kräfte haben, auf die bereits Erschöpften stürzen. Während es die einen mit Vespasianus, die anderen mit Vitellius halten, habe man freie Bahn gegenüber beiden. So den Blick auf Gallien und Germanien gerichtet, stand er, falls seine Absichten gelungen wären, unmittelbar vor der Königsherrschaft über die stärksten und reichsten Völkerschaften. 18. Aber Hordeonius Flaccus förderte die ersten Unternehmungen des Civilis dadurch, dass er so tat, als merke er nichts da-



Hordeonius Flaccus · Erneute Niederlage der Römer

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von. Als die bestürzenden Nachrichten einliefen, das Lager sei erobert, die Kohorten vernichtet, und, was zu den Römern sich rechne, von der Insel der Bataver vertrieben, befahl er dem Legaten Munius Lupercus – er war der Befehlshaber des Winterlagers, in dem zwei Legionen standen26 – gegen den Feind auszurücken. Lupercus ließ die Legionssoldaten der augenblicklich verfügbaren Truppen, die Ubier27 der nächsten Umgebung und die nicht weit entfernt stehende Reiterei der Trevirer in aller Eile übersetzen und fügte noch eine batavische Reiterabteilung hinzu, die, schon lange bestochen, Treue heuchelte, damit ihre Flucht größeren Gewinn bringe, wenn sie mitten in der Schlacht die Römer verrieten. Civilis, umgeben von den Feldzeichen der gefangenen Kohorten, damit seinen eigenen Mannschaften der frisch erworbene Ruhm vor Augen geführt werde und die Feinde durch die Erinnerung an ihre Niederlage erschreckt würden, befahl seiner Mutter, seinen Schwestern und zugleich den Gattinnen von allen, mit ihren kleinen Kindern sich hinter der Front aufzustellen, damit sie zum Siege mahnen oder damit die Besiegten sich schämen müssten. Als der Kriegsgesang der Männer und das Geheul der Frauen in der Kampf­ linie ertönte, wurde keineswegs in gleicher Stärke der Kampfruf seitens der Legionen und Kohorten erwidert. Den linken Flügel hatte die batavische Reiterabteilung dadurch entblößt, dass sie zum Feind überging und sich sofort gegen uns wandte. Aber die Legionssoldaten hielten, wiewohl sie in bedrängter Lage waren, die Waffen fest in ihrer Hand und Reih und Glied ein. Die Hilfstruppen der Ubier und Treverer liefen schmählich davon und zerstreuten sich über die ganzen Felder hin. Auf diese Hilfstruppen warfen sich die Germanen und unterdessen konnten sich die Legionen in das Lager flüchten, das Vetera heißt. Der Präfekt der batavischen Reiterabteilung, Claudius Labeo, der Rivale des Civilis, was von kleinstädtischen Streitigkeiten herrührte, wurde in das Gebiet der Friesen abtransportiert, damit nicht seine Ermordung bei seinen Landsleuten Erbitterung oder seine Zurückbehaltung die Saat der Zwietracht liefere. 19. In denselben Tagen holte die Kohorten der Bataver und Canninefaten, als sie auf Befehl des Vitellius sich auf dem Marsch in die Hauptstadt befanden, ein von Civilis abgesandter Bote ein.

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Sogleich schwoll ihnen der Kamm in Übermut und Trotz, und sie verlangten als Belohnung für den Marsch das »Geschenk«, doppelten Sold und Vermehrung der Reiterei – was ihnen freilich Vespasianus versprochen hatte –, nicht etwa, um es wirklich zu erlangen, sondern nur um einen Grund zum Aufruhr zu haben. Flaccus hatte durch seine vielfachen Zugeständnisse nichts anderes erreicht, als dass die Forderungen, die sie stellten, nur noch schärfer wurden; sie wussten ja, dass er sie doch ablehnen werde. Sie nahmen von Flaccus keine weitere Notiz und machten sich auf den Marsch nach Niedergermanien, um sich mit Civilis zu vereinigen. Hordeonius beriet unter Beiziehung der Tribunen und Zenturionen, ob er nicht gegen die Gehorsamsverweigerer mit Gewalt einschreiten solle. Dann aber beschloss er in der ihm eigenen Feigheit und angesichts der Verzagtheit seiner Gehilfen, die infolge der zweideutigen Haltung der Hilfstruppen und im Hinblick darauf, dass die Legionen durch eine plötzliche Aushebung ergänzt waren, sich in Angst befanden, die Mannschaften im Lager zusammenzuhalten. Dann bekam er wieder Reue, und als sogar die, die dazu geraten hatten, ihm Vorwürfe machten, schrieb er, als ob er nachsetzen wolle, an den Legaten der ersten Legion, Herennius Gallus, der Bonna besetzt hielt, er solle den Batavern den Durchmarsch verwehren; er selbst werde sich mit seinem Heer an ihre Fersen heften. Und wirklich hätte man sie überwältigen können, wenn sie, hier Hordeonius, dort Gallus, beiderseits ihre Truppen in Bewegung gesetzt und sie in der Mitte eingeschlossen hätten. Aber Flaccus gab das Unternehmen auf und wies in einem zweiten Schreiben Gallus an, sie vor dem Abzug nicht zurückzuschrecken. So kam der Verdacht auf, der Krieg werde mit Willen der Legaten entfacht und alles, was sich schon ereignet oder, was man erst noch zu befürchten hatte, sei nicht eine Folge der Saumseligkeit der Soldaten und auch nicht auf feindliche Einwirkung, sondern auf die Böswilligkeit der Heerführer zurückzuführen. 20. Als die Bataver sich dem Lager von Bonna näherten, schickten sie einen Mann voraus, der Herennius Gallus die Aufträge der Kohorten auseinandersetzen sollte: sie würden keineswegs Krieg gegen die Römer führen, für die sie so oft gekämpft hätten. Durch langen, fruchtlosen Kriegsdienst erschöpft, hätten



Bataver siegen bei Bonna

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sie Sehnsucht nach der Heimat und nach Ruhe. Wenn sich niemand ihnen entgegenstelle, werde auf ihrem Marsch auch niemand zu Schaden kommen; wenn man ihnen aber mit den Waffen entgegentrete, würden sie mit dem Schwert ihren Weg finden. Den noch zögernden Legaten hatten die Soldaten dazu gebracht, das Kriegsglück zu versuchen. Dreitausend Legionssoldaten und in aller Eile zusammengeraffte belgische Kohorten und zugleich der feige, aber vor der Gefahr freche Haufen der Landbevölkerung und der Marketender brachen aus allen Toren hervor, um die zahlenmäßig schwächeren Bataver zu umzingeln. Jene, altgediente Kriegsleute, scharten sich in einzelnen Keilen zusammen, nach allen Seiten dicht aufgeschlossen und vorn, im Rücken sowie in der Flanke gesichert. So brachen sie durch die dünne Kampflinie der Unsrigen durch. Da die Belger wichen, wurde die Legion zurückgeworfen und, in Schrecken versetzt, suchte man den Wall und die Tore zu erreichen. Dort traten die größten Verluste ein. Die Gräben füllten sich mit Leichen; nicht nur niedergeschlagen und verwundet, sondern schon durch den Sturz in den Graben und durch ihre eigenen Waffen kam eine große Zahl um. Die Sieger mieden Colonia Agrippinensis und wagten auf dem weiteren Marsch keine Feindseligkeiten mehr. Die Schlacht bei Bonna entschuldigten sie damit, sie hätten um Frieden gebeten und hätten sich erst, als ihnen dieser verweigert wurde, ihrer Haut gewehrt. 21. Civilis war nach der Ankunft der Veteranenkohorten der Anführer eines nunmehr regelrechten Heeres. Aber er war noch unschlüssig und dachte an die Macht Roms. Daher vereidigte er alle Anwesenden auf Vespasianus und schickte eine Abordnung zu den beiden Legionen, die, in dem vorausgegangenen Kampf geschlagen, nach Castra Vetera abgezogen waren, und ließ sie auffordern, den gleichen Eid auf sich zu nehmen. Sie erhielten folgende Antwort: sie würden sich weder die Vorschläge eines Verräters noch die der Feinde zu eigen machen. Ihr Fürst sei Vitellius, für ihn würden sie an ihrer Treue und an ihren Waffen bis zum letzten Atemzug festhalten. Darum solle der davongelaufene Bataver sich nicht als Schiedsrichter über die römischen Angelegenheiten aufspielen, sondern auf die verdiente Strafe für sein Verbrechen warten. Als dies Civi-

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Viertes Buch, Kapitel 22 – 24

lis berichtet wurde, rief er wutentbrannt das gesamte Volk der Bataver eilends zu den Waffen. Die Brukterer und Tencterer schlossen sich an, und durch Boten wurde auch Germanien aufgerufen, sich Beute und Ruhm zu holen. 22. Gegen dieses sich zusammenballende Kriegsgewitter verstärkten die Legionslegaten Munius Lupercus und Numisius Rufus den Wall und die Mauern. Die Festungsanlagen, die in einer langen Friedenszeit entstanden waren und sich nicht weit vom Lager zu einer Art Landstadt entwickelt hatten, wurden eingerissen, damit sie nicht den Feinden zustatten kämen. Aber man traf zu wenig Vorsorge, um Vorräte in das Lager zu schaffen. Man erlaubte, sie im Wege der Plünderung zu beschaffen. So vergeudete man disziplinlos in wenigen Tagen, was gegen etwaige Notlagen auf lange Zeit genügt hätte. Civilis, der mit der Kerntruppe der Bataver in der Mitte seines Heereszuges marschierte, besetzte beide Ufer des Rheins dicht mit Scharen von Germanen, um so noch bedrohlicher zu erscheinen, während seine Reiterei über die Felder heransprengte. Zugleich wurden Schiffe flussaufwärts geführt. Hier hatten die Feldzeichen der altgedienten Kohorten, dort die aus den Wäldern und Hainen herabgenommenen Bilder von wilden Tieren,28 wie es eben bei jedem Volk Sitte ist, wenn man in den Kampf zieht, die Belagerten in Bestürzung versetzt, da sich ihnen durcheinander das Bild eines Bürgerkrieges und eines mit auswärtigen Feinden geführten Krieges bot. Und die Hoffnung der Angreifer vermehrte noch der Umfang des Walles, der für zwei Legionen angelegt war, während kaum fünftausend bewaffnete Römer ihn verteidigten. Aber eine Menge Marketender hatte sich dort, als die Friedensruhe gestört war, zusammengeschart und stand als Helfer im Kriege zur Verfügung. 23. Ein Teil des Lagers zog sich an einem leicht ansteigenden Hügel hinauf, der andere war auf ebenem Boden zugänglich. Denn Augustus hatte angenommen, durch jenes Winterlager werde Germanien im Zustand der Belagerung und unter Druck gehalten werden und es werde nie zu einer so schlimmen Lage kommen, dass man sogar zum Sturm gegen unsere Legionen antrete. Deshalb hatte man sich weder um die Wahl des Ortes, noch um die Anlage von Befestigungen bemüht: Macht und Waffen



Civilis belagert Vetera

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schienen zu genügen. Die Bataver und die Rechtsrheinischen stellten sich, jeder Stamm für sich, auf, damit durch die Trennung ihr Tapferkeit umso deutlicher in Erscheinung trete, und forderten nur aus der Ferne zum Kampf heraus. Als dann die meisten Geschosse an den Türmen und Brustwehren erfolglos hängen blieben und sie durch herabgeschleuderte Steine Verluste erlitten, da stürmten sie unter Geschrei in schwungvollem Angriff auf den Wall los. Viele legten Leitern an, andere stiegen über das Schilddach, das ihre Leute bildeten. Und schon stiegen einige hinauf, als sie durch die Schwerter und durch den Stoß mit den Schilden kopfüber hinuntergestürzt und von Schanzpfählen und Wurfspießen überschüttet wurden, sie, die anfangs sich besonders wild gebärdet hatten und, solange es ihnen gut ging, kein Maß kannten. Doch jetzt in ihrer Gier nach Beute hielten sie auch das Missgeschick aus, ja sie wagten sich sogar an Wurfmaschinen heran, die ihnen bisher etwas Ungewohntes waren. Doch zeigten sie dabei keine Spur von Geschicklichkeit. Überläufer und Gefangene lehrten sie, aus Bauholz eine Art Brücke29 zu bauen, diese dann auf untergelegten Rädern vorwärts zu bewegen, damit die einen, darauf stehend, wie von einem Damm aus kämpfen und die anderen, im Inneren versteckt, die Mauern untergraben sollten. Aber Steine, die aus Ballisten geschleudert wurden, zerschmetterten das ungefüge Werk und, als man Faschinen und Laufhallen bereitstellte, wurden aus den Wurfmaschinen brennende Speere dagegen geschleudert, und so wurden die Stürmenden ihrerseits zudem durch Feuer bedroht. Endlich gaben sie die Hoffnung auf, mit Gewalt etwas zu erreichen, und entschlossen sich zum Abwarten. Sie wussten wohl, dass die Lebensmittel nur für wenige Tage reichten und dass viel kampfunfähiges Volk drinnen sei. Zugleich setzte man die Hoffnung auf Verrat als Folge des Mangels, auf die Unzuverlässigkeit der Sklaven und auf die Zufälligkeiten des Krieges. 24. Inzwischen hatte Flaccus von der Einschließung des Lagers Kenntnis erhalten und in Gallien Boten umhergeschickt, um Hilfstruppen auf die Beine zu bringen. Dem Legaten der zweiundzwanzigsten Legion Dillius Vocula übergab er eine aus den Legionen auserlesene Truppe mit dem Auftrag, in möglichst großen Eilmärschen dem Rheinufer entlangzuziehen, wäh-

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Viertes Buch, Kapitel 25 – 26

rend er selbst zu Schiff fuhr, krank und seinen Soldaten verhasst. Denn diese gaben ihrer Missstimmung unzweideutig Ausdruck: die Bataverkohorten habe man von Mogontiacum fortziehen lassen, man habe so getan, als ob man von den Unternehmungen des Civilis nichts wisse, und die Germanen hole man als Bundesgenossen herbei. Nicht durch die Hilfe von Primus Antonius noch von Mucianus sei Vespasianus mehr erstarkt. Offenen Hass und offene Waffengewalt könne man in aller Öffentlichkeit abweisen, Betrug und Hinterlist würden im Dunkeln wirken und man könne ihnen daher nicht ausweichen. Gegenüber stehe Civilis und stelle sein Heer zur Schlacht auf. Hordeonius gebe Befehle vom Schlafzimmer und Bett aus, wie sie nur den Feinden Nutzen brächten. So viele bewaffnete Hände der tapfersten Männer würden sich von einem einzigen kranken Greis lenken lassen. Nein, vielmehr sollte man den Verräter umbringen und ihr Schicksal und ihre Tapferkeit von der üblen Vorbedeutung30 lösen. Durch solches Gerede, das sie untereinander verführten, wurden sie in gereizte Stimmung versetzt, und zudem brachte sie ein Brief von Vespasianus in Wallung, den Flaccus, da man ihn nicht geheim halten konnte, vor versammelter Mannschaft vorlas. Die Überbringer schickte er gefesselt zu Vitellius. 25. So beruhigten sich die Gemüter, und man kam nach Bonna in das Winterlager der ersten Legion. Dort war die Stimmung der Soldaten, die die Schuld an der Niederlage auf Hordeonius schoben, noch erbitterter; auf seinen Befehl sei das Heer zum Kampf gegen die Bataver angetreten in der Annahme, die Legionen kämen von Mogontiacum nach, auf seinen Verrat hin sei es zu dem Blutbad gekommen, ohne dass irgendwelche Hilfstruppen erschienen seien. Dies sei den übrigen Heeren unbekannt und werde auch nicht ihrem Imperator gemeldet. Und doch hätte durch die rasche Hilfe so vieler Provinzen der neuerliche Treuebruch im Keim erstickt werden können. Hordeonius las Abschriften von allen Briefen, in denen er in Gallien, Britannien und Spanien Hilfstruppen erbat, dem Heer vor und führte damit den ganz verwerflichen Missbrauch ein, dass Briefe den Adlerträgern der Legionen ausgehändigt und von diesen dann den Mannschaften eher vorgelesen wurden als den Offizieren.



Der Aufstand des Civilis breitet sich aus

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Dann befahl er einen von den Aufrührern zu fesseln, mehr, um von seinem Recht Gebrauch zu machen, als weil dieser eine schuldig gewesen wäre. Darauf brach das Heer von Bonna nach Colonia Agrippinensis auf, während die Hilfstruppen der Gallier herbeiströmten, die anfangs angelegentlich die römische Sache unterstützten. Dann, mit dem Erstarken der Germanen, erhoben die meisten Gemeinden gegen uns die Waffen, in der Hoffnung auf Unabhängigkeit und in der Begierde, selbst zu herrschen, wenn sie das Joch der Knechtschaft abgeschüttelt hätten. Die Erbitterung der Legionen wuchs und die Fesselung eines einzigen Soldaten hatte nicht als Einschüchterung gewirkt. Ja, eben dieser Mann erhob noch obendrein gegen den Heerführer die Beschuldigung der Mitwisserschaft, als ob man ihn, den Kurier zwischen Civilis und Flaccus, als Zeugen des wahren Sachverhaltes durch eine falsche Anschuldigung beseitige. Da bestieg Vocula mit einer erstaunlich festen Haltung die Rednerbühne und befahl, den Soldaten zu ergreifen und trotz seines Schreiens zur Hinrichtung zu führen. Und während die Schlechtgesinnten in Angst waren, befolgten die Gutgesinnten die Befehle. Als man dann einstimmig Vocula als Heerführer verlangte, überließ ihm Flaccus den Oberbefehl. 26. Aber vieles trug dazu bei, die zwieträchtigen Gemüter in wilde Erregung zu bringen: der Mangel an Geld für die Soldzahlungen und an Getreide, zugleich die Widerspenstigkeit Gal­ liens gegen die Aushebung und gegen die Tribute, ein in jenem Himmelsstrich unbekannter niederer Wasserstand des Rheins, der kaum schiffbar war, die Knappheit des Nachschubs, die Aufstellung von Wachkommandos dem ganzen Ufer entlang, die die Germanen von den Furten fernhalten sollten, und aus eben diesem Grunde eine Verminderung der Feldfrüchte und eine Vermehrung der Verbraucher.31 Bei den Ungebildeten galt eben der Mangel an Wasser als eine schlimme Vorbedeutung, wie wenn uns auch die Flüsse und die alten Schutzwehren des Reiches im Stiche ließen: was man im Frieden Zufall oder natürliche Erscheinung nennt, das nannte man jetzt Fügung und Zorn der Gottheit.32 Nach ihrem Einzug in Noväsium schloss sich ihnen die sechzehnte Legion an. Vocula erhielt zur Unterstützung in seinem

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Viertes Buch, Kapitel 27 – 29

Dienstbereich den Legaten Herennius Gallus. Aber man wagte nicht, gegen den Feind weiter vorzurücken, sondern schlug an einem Ort namens Gelduba ein Lager. Dort suchte man durch Schanz- und Wallarbeiten und sonstige Kriegsübungen den Mannschaften einen festen Halt zu geben. Und um durch Beutemachen seine Tapferkeit zu vergrößern, wurde das Heer von Vocula in die nächstgelegenen Gebiete der Cugerner, die sich zu dem Bündnis mit Civilis herbeigelassen hatten, geführt. Ein Teil blieb unter Herennius Gallus zurück. 27. Zufällig lief nicht weit vom Lager entfernt ein schwer beladenes Getreideschiff in seichtem Wasser auf Grund, und die Germanen suchten, es an ihr eigenes Ufer zu schleppen. Das duldete Gallus nicht und schickte eine Kohorte zu Hilfe. Auch die Zahl der Germanen wuchs, und da sich allmählich immer mehr Verstärkung ansammelte, kam es zu einer richtigen Schlacht. Die Germanen schleppten unter großen Verlusten auf unserer Seite das Schiff ab. Die Besiegten gaben, was damals so üblich geworden war, nicht ihrer eigenen Feigheit, sondern dem Verrat des Legaten die Schuld. Man schleppte ihn aus dem Zelt heraus, zerriss ihm seine Kleider, verprügelte ihn und befahl ihm, zu sagen, wie hoch der Lohn für seinen Verrat an dem Heere und wer sonst noch in diesen eingeweiht sei. Der Hass gegen Hordeonius lebte wieder auf. Jenen bezeichneten sie als Urheber des Verbrechens, diesen nur als sein Werkzeug, bis er, mit dem Tode bedroht, in seiner Angst nun auch seinerseits dem Hordeonius Verrat zum Vorwurf machte. Er wurde gefesselt und erst durch das Erscheinen Voculas befreit. Dieser ließ am folgenden Tage die Rädelsführer des Aufstandes hinrichten. Solche schroffen Gegensätze herrschten in jenem Heere: heute Disziplinlosigkeit, morgen Gefügigkeit. Unzweifelhaft war der gemeine Mann Vitellius treu, während die hohen Offiziere zu Vespasianus hinneigten. Daher kam die Folge von Freveltaten und Hinrichtungen und die Mischung von Gehorsam und Raserei, so dass man die nicht im Zaum zu halten vermochte, die man hätte bestrafen können. 28. Aber das gesamte Germanien lieferte einen gewaltigen Machtzuwachs und erhöhte das Selbstgefühl des Civilis, während das Bündnis noch durch Geiseln aus den vornehmsten



Machtzuwachs des Civilis · Erneuter Sturm auf Vetera

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Geschlechtern gesichert wurde. Er befahl, das Gebiet der U ­ bier und Trevirer, wo es für jeden am nächsten lag, zu verwüsten. Eine andere Abteilung ließ er über die Mosa gehen, um die Menapier, Moriner und überhaupt die äußersten Gebiete von Gallien zu brandschatzen. Auf beiden Seiten brachte man Beute ein. Brutaler ging man im Gebiet der Ubier vor, weil dieser Volksstamm trotz seiner germanischen Abstammung seinem Vaterland abgeschworen hatte und sich den römischen ­Namen Agrippinenser beilegte. Ihre Kohorten wurden in dem Dorf Marcodurum niedergemacht, wo sie allzu sorglos lagen, weil sie vom Ufer entfernt waren. Doch auch die Ubier blieben nicht ruhig, sondern holten Beute aus Germanien, zuerst ungestraft, dann wurden sie überwältigt, wie es überhaupt in diesem ganzen Krieg um ihre Treue besser bestellt war als um ihr Glück. Nach der Zerschmetterung der Ubier bedrängte Civilis in stärkerem Maße, durch den erfolgreichen Verlauf seiner Unternehmungen noch frecher geworden, die belagerten Le­gio­nen, wobei die Wachen genau darauf achteten, dass keine geheime Nachricht von dem Herannahen der Hilfe durchdringe. Die Handhabung der Belagerungsmaschinen und den Bau von Befestigungen wies er den Batavern zu; den Rechtsrheinischen, die eine Schlacht verlangten, befahl er, auszurücken, um den Wall einzureißen, und wenn sie zurückgeworfen würden, den Kampf wiederaufzunehmen. Es fehlte ihm ja nicht an Mannschaften, und Verluste wogen leicht. 29. Doch die Nacht setzte dem Kampf kein Ende. Sie hatten ringsum Holz aufgehäuft und angezündet, und, eben noch beim Essen sitzend, stürzten sie, wie jeden gerade der Wein in Hitze gebracht hatte, in den Kampf in törichter Verwegenheit. Denn ihre eigenen Geschosse verfehlten in der Dunkelheit ihr Ziel, die Römer dagegen konnten auf die in ihrer Sicht liegende Kampflinie der Barbaren und dabei auf jeden einzelnen Mann, der sich mutig hervorwagte oder durch seine glänzenden Abzeichen hervorstach, zielen. Dies merkte Civilis, und so ließ er das Feuer löschen und das Chaos eines Kampfes in der Dunkelheit heraufführen. Da vollends lärmte alles durcheinander, stieß man, ohne zu wissen, was los war, aufeinander und konnte weder beim Zuschlagen noch beim Ausweichen sich richtig vor-

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Viertes Buch, Kapitel 30 – 32

sehen. In der Richtung, aus der Geschrei kam, machte man mit seinem Körper eine Ausweich- oder mit seinen Glied­maßen eine Ausfallbewegung.33 Nichts nützte Mannesmut, der Zufall brachte alles durcheinander, und oft fielen durch die Fernwaffen der Feigsten die Tapfersten. Bei den Germanen herrschte blinde Wut. Die kampferprobten römischen Soldaten warfen mit eisenbeschlagenen Pfählen und schweren Steinen nicht aufs Geratewohl. Wo das Geräusch der sich emporarbeitenden Angreifer oder das Anlegen von Leitern ihnen den Feind in die Hände führte, stießen sie ihn mit den Schildbuckeln hinunter und warfen ihre Speere hinter ihm her. Viele, die die Mauer bereits erstiegen hatten, stachen sie mit dem Dolche nieder. So mühte man sich die Nacht hindurch ab, und das Tageslicht eröffnete einen neuen Abschnitt der Schlacht. 30. Die Bataver hatten einen zweistöckigen Turm aufgeführt. Als sich dieser dem prätorischen Tore34 näherte – denn dort war das Gelände am ebensten – trieb man gegen ihn starke Stangen vor, erschütterte ihn mit Balken und zerschmetterte ihn, wobei viele, die oben auf ihm standen, umkamen.35 Als nun die Bataver bestürzt waren, ging man zum Kampf gegen sie los und machte plötzlich einen erfolgreichen Ausfall. Zugleich griffen die an Erfahrung und Geschicklichkeit überlegenen Legionssoldaten zu weiteren Kriegsmitteln. Besonderen Schrecken verursachte eine schwebende, auf und ab sich bewegende Maschine, die, plötzlich niedergelassen, vor den Augen der Ihrigen einzelne oder mehrere Feinde zugleich durch die Verlagerung des Schwergewichtes in die Höhe riss und sie in das Lager schleuderte. Civilis gab die Hoffnung auf, das Lager im Sturm zu nehmen und blieb wieder untätig sitzen. Er suchte nur durch Boten und Versprechungen die Legionen in ihrer Treue zu erschüttern. 31. Dies spielte sich in Germanien vor der Schlacht von Cremona ab. Über deren Ausgang gab ein Brief von Primus Antonius, dem ein Erlass Cäcinas beigefügt war, Auskunft. Alpinius Montanus,36 ein Kohortenpräfekt der Besiegten, räumte persönlich das Missgeschick der Partei ein. Die Wirkung auf die Gemüter war unterschiedlich: die Hilfstruppen aus Gallien, die weder Liebe noch Hass für die Partei empfanden und keine Neigung



Der Angriff wird abgeschlagen · Klage des Civilis

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zum Kriegsdienst hatten, fielen, von den Präfekten aufgefordert, sofort von Vitellius ab. Die alten Soldaten zögerten. Aber als sie Hordeonius Flaccus schwören ließ, leisteten sie zwar auf Drängen der Tribunen den Fahneneid, ohne ihn jedoch in ihren Mienen oder Herzen recht zu bejahen. Und während sie die übrigen Worte der Eidesformel nachsprachen, gingen sie über den Namen des Vespasianus stockend oder mit leisem Murmeln, meistens aber stillschweigend hinweg. 32. Darauf las man vor versammelter Mannschaft den Brief des Antonius an Civilis vor, der die Soldaten zu der argwöhnischen Vermutung reizte, er sei an einen Angehörigen der Partei gerichtet und verrate eine feindselige Einstellung gegen das germanische Heer. Als dann Nachrichten in das Lager nach Gelduba kamen, redete und tat er das gleiche und schickte Montanus zu Civilis, den er aufforderte, von dem Krieg abzustehen und nicht ausländische Machenschaften mit trügerischen Waffen zu verhüllen. Wenn es sein Vorhaben gewesen wäre, Vespasianus zu unterstützen, so habe er ja für sein Beginnen genug getan. Darauf antwortete Civilis zuerst in schlauer Weise. Als er aber dann sah, dass Montanus ein ganz unbeherrschter Mensch und zu einem Aufruhr entschlossen war, verlegte er sich auf Klagen und wies auf die Gefahren hin, die er fünfundzwanzig Jahre lang im römischen Feldlager ausgestanden habe. »Einen herrlichen Lohn«, sagte er, »habe ich für meine Mühen geerntet, die Ermordung meines Bruders, meine Fesseln und das wilde Geschrei dieses Heeres, mit dem man meine Hinrichtung forderte und wofür ich nach allgemeinem Menschenrecht Genugtuung verlange. Ihr aber, Trevirer, und ihr übrigen Sklavenseelen, welchen anderen Lohn erwartet denn ihr für so oft vergossenes Blut als einen undankbaren Kriegsdienst, ewige Steuern, Ruten, Beile37 und Tyrannenlaunen? Ich, der Präfekt einer einzigen Kohorte, und die Canninefaten sowie die Bataver, ein armseliger Teil Galliens, wir haben doch jene prahlerisch ausgedehnten Lager zerstört oder halten sie eingeschlossen unter dem Druck von Schwert und Hunger. Und endlich: haben wir Mut, so wird uns die Freiheit zufallen oder wir werden, wenn wir unterliegen, das gleiche sein, wie zuvor.« So hetzte er ihn auf und entließ ihn mit der Weisung, seinem Bericht eine mildere Form

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Viertes Buch, Kapitel 33 – 34

zu geben. Er kehrte zurück und tat so, als ob die Gesandtschaft vergeblich gewesen wäre. Alles Übrige verheimlichte er; aber trotzdem trat es bald an das Tageslicht. 33. Civilis behielt einen Teil seiner Truppen zurück. Die altgedienten Kohorten samt den kampfkräftigsten Truppen der Germanen schickte er gegen Vocula und dessen Heer unter der Führung von Iulius Maximus und Claudius Victor, dem Sohn seiner Schwester. Sie überfielen beim Durchmarsch das Winterlager einer Reiterabteilung in Asciburgium. Dabei stürmten sie so unerwartet in das Lager, dass Vocula seine Leute weder ansprechen, noch sie richtig zum Kampf aufmarschieren lassen konnte. Nur die eine Anordnung traf er wie bei einem plötzlichen Überfall, mit den regulären Truppen38 eine starke Mitte zu bilden, während die Hilfstruppen rings auf beiden Seiten sich lose aufstellten. Die Reiterei stürmte vor. Aber da sie auf die geordneten feindlichen Glieder stieß, floh sie auf die Ihrigen zurück. Da kam es zu einem Morden, nicht zu einem Kampf. Die Kohorten der Nervier entblößten, aus Furcht oder Treulosigkeit, die Flanken der Unsrigen. So kam man bis zu den Legionen, die ihre Fahnen verloren und innerhalb des Walles niedergemacht wurden, als plötzlich durch unerwartete Hilfe das Glück der Schlacht sich wandelte. Die von Galba aufgebotenen und jetzt herbeigeholten Kohorten der Vasconen näherten sich dem Lager und, als sie das Geschrei der Kämpfenden vernahmen, griffen sie die Feinde, die durch den Kampf voll in Anspruch genommen waren, im Rücken an und verursachten einen Schrecken, der einen größeren Umfang annahm, als er ihrer Zahl entsprach. Denn die einen glaubten, die gesamten Truppen seien von Noväsium, die anderen, diese seien von Mogontiacum eingetroffen. Dieser Irrtum stärkte den Mut der Römer und, während sie auf fremde Kräfte vertrauten, gewannen sie ihre eigenen wieder. Die Tapfersten der Bataver, das gesamte Fußvolk, wurden geschlagen. Die Reiterei entrann mit den Feldzeichen und den Gefangenen, die gleich zu Beginn der Schlacht in ihre Hand gefallen waren. An diesem Tage zählte man auf unserer Seite mehr Gefallene. Doch waren es die weniger Kriegstüchtigen, während es bei den Germanen die Kerntruppen selbst waren.



Schlacht bei Asciburgium

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34. Beide Heerführer waren gleichermaßen schuld an dem Unglück und nutzten das Glück, das sich ihnen bot, nicht aus. Denn hätte Civilis stärkere Truppen in den Kampf geworfen, hätten ihn so wenige Kohorten nicht umzingeln können und er hätte das Lager, in das er schon eingebrochen war, zerstört. Vocula erkundete den Anmarsch des Feindes nicht, und daher wurde er gleich bei seinem Ausrücken auch schon besiegt. Nachher baute er zu wenig auf seinen Sieg, vergeudete nutzlos einige Tage und brach dann erst gegen den Feind auf. Hätte er ihn sofort vollends niedergeworfen und wäre er dem Gang der Dinge beschleunigt gefolgt, hätte er in einem Schwung die belagerten Legionen entsetzen können. Inzwischen hatte sich Civilis an die Belagerten herangemacht, als ob die Sache bei den Römern bereits verloren und den Seinigen der Sieg zugefallen sei. Man trug die Feldzeichen und Standarten39 umher, sogar die Gefangenen wurden zur Schau gestellt. Einer von diesen wagte eine herrliche Tat: er verkündigte mit lauter Stimme, was wirklich vorgefallen war, und wurde sofort von den Germanen niedergestoßen. Dadurch fand seine Aussage nur noch größeren Glauben, und zugleich merkte man an der Verwüstung und den Flammen der brennenden Gehöfte, dass das siegreiche Heer im Anmarsch war. Vocula befahl, in Sicht des Lagers die Feldzeichen aufzustellen und rings um sie Graben und Wall aufzuführen: sie sollten den Tross und das Gepäck abstellen, um für den Kampf frei beweglich zu sein. Darauf schrien sie auf den Heerführer ein und forderten, in den Kampf geführt zu werden. Sogar zu drohen hatten sie sich angewöhnt. Man nahm sich nicht einmal die Zeit, das Heer richtig aufzustellen, und nahm ungeordnet und erschöpft den Kampf auf. Denn Civilis war schon zur Stelle, nicht weniger auf die Fehler der Feinde als auf die Tapferkeit seiner Leute vertrauend. Wechselnd war das Glück bei den Römern, und je aufrührerischer einer war, desto feiger zeigte er sich. Manche wichen eingedenk ihres kürzlichen Sieges nicht von der Stelle, schlugen auf den Feind ein, sprachen sich selbst und ihrem Nebenmann Mut zu, stellten die Kampflinie wieder her und streckten die Hände zu den Belagerten aus, sie möchten den günstigen Augenblick nicht versäumen. Jene sahen dies alles von den Mauern aus und

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Viertes Buch, Kapitel 35 – 37

brachen aus allen Toren hervor. Und als zufällig das Pferd des Civilis stürzte und er zu Boden geworfen wurde, fand in beiden Heeren das Gerücht Glauben, er sei verwundet oder getötet. Gewaltige Angst erweckte dies bei seinen eigenen Leuten und erhöhte die Kampffreudigkeit bei den Feinden. Aber Vocula unterließ die Verfolgung der Fliehenden und verstärkte den Wall und die Türme des Lagers, als ob eine erneute Belagerung drohte, und erweckte so den Verdacht, der nicht unbegründet war, er wolle lieber den Krieg, da er ja auch so oft schon den Sieg verspielt hatte. 35. Nichts nahm unser Heer so sehr mit wie der Mangel an Lebensmitteln. Den Tross der Legionen schickte man mit dem Haufen der Nichtkämpfer nach Noväsium, um von dort aus auf dem Landwege Getreide herbeizuschaffen. Denn der Fluss war in der Hand der Feinde. Das erste Kommando trat den Marsch ungefährdet an, da sich Civilis noch nicht wieder recht bei Kräften fühlte. Als er aber erfuhr, es sei ein zweites Verpflegungskommando nach Noväsium geschickt und man habe Kohorten, die wie im tiefsten Frieden daherzögen, als Geleitschutz mitgegeben, da fiel er über die Soldaten, die nur vereinzelt bei ihren Feldzeichen waren, ihre Waffen auf Fahrzeugen mit sich führten, und sich alle, wie es ihnen gerade passte, herumtrieben, in geschlossener Ordnung her. Vorher hatte er noch eine Abteilung vorausgesandt, um die Brücken und die Wegengen40 zu besetzen. Die Kolonne war während des Kampfes weit auseinandergezogen, und dieser selbst verlief ohne Entscheidung, bis die Nacht die Kämpfenden trennte. Die Kohorten marschierten nach Gelduba weiter, wo das Lager, das mit einer Besatzung aus den dort zurückgelassenen Mannschaften belegt war, sich noch in dem früheren Zustand befand. Es herrschte kein Zweifel darüber, in welch gefährlicher Lage das Verpflegungskommando mit seinen Lasten bei dem Rückmarsch, wenn es auch noch von Schrecken erfasst würde, geraten musste. Vocula verstärkte sein Heer mit tausend auserlesenen Leuten aus der fünften und der fünfzehnten Legion, die bei Vetera belagert worden waren. Es war eine unbändige, gegen ihre Heerführer aufsässige Mannschaft. In größerer Zahl, als befohlen war, setzten sie sich in Marsch und gaben ihrem Unwillen in der Kolonne of-



Gefechte bei Noväsium · Hordeonius wird ermordet

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fenen Ausdruck: sie würden fernerhin nicht mehr den Hunger und die Heimtücke der Legaten sich gefallen lassen. Aber die Zurückgebliebenen beklagten sich, sie seien verlassen und verraten, nachdem man einen Teil der Legionen abgezogen habe. Daraus ergab sich eine doppelte Aufsässigkeit: die einen riefen Vocula zurück, die andern lehnten es ab, in das Lager zurückzukehren. 36. Inzwischen schloss Civilis zum zweiten Mal Vetera ein. Vocula rückte nach Gelduba und von da nach Noväsium.41 Civilis eroberte Gelduba. Dann lieferte er nicht weit von Noväsium ein erfolgreiches Reitergefecht. Aber die Mannschaften wurden gleichermaßen in guten wie in schlechten Zeiten42 dazu aufgehetzt, ihre Heerführer ins Verderben zu stürzen, und die Legio­ nen, durch das Eintreffen der fünften und fünfzehnten Legion verstärkt, verlangten das »Geschenk«, als sie erfahren hatten, das Geld sei von Vitellius geschickt worden. Hordeonius zögerte auch nicht lange und zahlte es im Namen des Vespasianus aus. Und dies gab der aufsässigen Haltung in erster Linie Nahrung. Man gab sich unmäßig der Schwelgerei und Gelagen hin und veranstaltete nächtliche Zusammenkünfte, wobei man den alten Groll gegen Hordeonius neu belebte. Und da keiner der Legaten oder Tribunen dagegen aufzutreten wagte – alles Schamgefühl hatte ja die Nacht ausgelöscht –, schleppten sie ihn aus seinem Schlafzimmer heraus und brachten ihn um. Das gleiche plante man gegen Vocula. Aber er entkam in Sklavenkleidung unerkannt in der Dunkelheit. 37. Als sich der Sturm gelegt hatte, kehrte die Furcht zurück. Man schickte Zenturionen mit Briefen an die Gemeinden Galliens mit der Bitte um Hilfstruppen und Mittel für die Soldzahlung. Sie selbst griffen überstürzt, verängstigt und stupide, wie der große Haufen nun einmal ohne Führung ist, bei dem Anmarsch des Civilis ohne Überlegung zu den Waffen, warfen sie sofort wieder weg und wandten sich zur Flucht. Infolge der unglückseligen Lage kam es zu Zwietracht: die Leute, die zu dem obergermanischen Heer gehörten, sonderten sich ab. Doch wurden die Bilder des Vitellius in dem Lager und in den zunächstgelegenen Gemeinden der Belger wieder aufgestellt, während freilich Vitellius schon den Tod gefunden hatte. Dann

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Viertes Buch, Kapitel 38 – 40

bekamen die erste, vierte und zweiundzwanzigste Legion Reue und schlossen sich Vocula an. Dieser führte sie, nachdem er sie erneut auf Vespasianus vereidigt hatte, zum Entsatz von Mogontiacum. Die Belagerer, ein aus Chatten, Usipern und Mattiacern gemischtes Heer, waren bereits abgerückt. Sie hatten genug Beute gemacht, was freilich nicht ohne Blutvergießen abgegangen war, weil unsere Leute über sie hergefallen waren, als sie nichtsahnend sich zerstreut hatten, ja sogar eine Schutzwehr und einen Wall errichteten die Trevirer entlang ihren Grenzen und kämpften mit den Germanen unter großen Verlusten auf beiden Seiten, bis sie bald ihre hervorragenden Verdienste um das römische Volk als Aufrührer zuschanden machten. 38. Inzwischen traten in Abwesenheit Vespasianus zum zweiten Mal und Titus das Konsulat an. Die Bürgerschaft war in niedergeschlagener Stimmung und schwebte in vielfacher Furcht, da sie sich abgesehen von dem wirklich drohenden Unheil noch unbegründeten Ängsten hingegeben hatte, Afrika sei abgefallen und L. Piso bereite dort einen Umsturz vor. Er war Prokonsul der Provinz und keineswegs ein aufrührerischer Mensch. Aber weil die Schiffe wegen des stürmischen Winterwetters ferngehalten wurden, fürchtete – und glaubte es auch – die Masse des Volkes, die gewohnt war, ihre Lebensmittel von einem Tag zum andern einzukaufen, und deren Sorge um das Gemeinwesen nicht weiter als bis zum täglichen Brot reichte, die Küste sei gesperrt und man halte die Zufuhr zurück. Dabei verstärkten die Vitellianer das Gerücht, da sie noch nicht ihre Begeisterung für die Partei abgelegt hatten. Auch den Siegern war das Gerücht nicht unwillkommen; denn sie sind ja in ihrer Gier schon in auswärtigen Kriegen nicht zufriedenzustellen, und noch nie hat diese ein Sieg im Bürgerkrieg befriedigt. 39. Am ersten Januar wurde im Senat, den der städtische Prätor Iulius Frontinus43 einberufen hatte, den Legaten, Heeren und Königen Lob und Dank zuerkannt. Tettius Iulianus44 wurde die Prätur, weil er seine zu Vespasianus übertretende Legion im Stich gelassen habe, aberkannt und auf Plotius Grypus45 übertragen. Hormus46 wurde die Ritterwürde verliehen. Und da Frontinus bald darauf sein Amt niederlegte, übernahm der Cäsar Domitianus die Prätur. Sein Name wurde an die Spitze



Konsulat des Vespasianus und des Titus

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der Briefe und Erlasse gesetzt, die wirkliche Macht war freilich in den Händen von Mucianus. Allerdings nahm sich Domitia­ nus auf Anstiften seiner Freunde oder auch in persönlicher Willkür gar vieles heraus. Aber ganz besonders fürchtete sich Mucianus vor Primus Antonius und Varus Arrius, die, noch im frischen Ruhmesglanz ihrer Taten stehend und der Sympathie der Soldaten sich erfreuend, auch beim Volk beliebt waren, weil sie gegen niemand außerhalb des Schlachtfeldes sich grausam erwiesen hatten. Dazu erzählte man, Antonius habe Scribonianus Crassus,47 einen Mann mit hervorragenden Ahnen, auf den auch der Glanz von dem Bild seines Bruders fiel, aufgefordert, sich an die Spitze des Gemeinwesens zu stellen. Und es hätte ihm nicht an einer Schar von Eingeweihten gefehlt, wenn nicht Scribonianus abgelehnt hätte, da er ein Mann war, der sich schon nicht zugänglich zeigte, wenn die Vorbereitungen bereits getroffen waren, geschweige denn, wo er ungeklärte Verhältnisse zu befürchten hatte. Weil so Antonius offen nicht beseitigt werden konnte, überschüttete ihn Mucianus im Senat mit einer Fülle von Lobsprüchen und belastete ihn mit geheimen Versprechungen, indem er ihm das diesseitige Spanien in Aussicht stellte, das durch den Abgang des Cluvius Rufus frei war. Zugleich verteilte er unter dessen Freunden freigebig Tribunen- und Präfektenstellen. Als er ihm dann in seiner Eitelkeit reichlich Hoffnung gemacht und seine Begierde erweckt hatte, lähmte er seine Kräfte dadurch, dass er die siebte Legion, die von leidenschaftlicher Liebe zu Antonius erfüllt war, in ihr Winterlager wegschickte. Auch die dritte Legion, deren Mannschaften zu Arrius in einem engen Verhältnis standen, wurde weggeschickt und zwar zurück nach Syrien. Ein anderer Teil des Heeres befand sich auf dem Marsch nach Germanien. Als so alle aufrührerischen Elemente weggeschafft waren, gewann die Hauptstadt ihre eigentliche Gestalt wieder mit Gesetzlichkeit und der Amtstätigkeit der Behörden. 40. An dem Tage, da Domitianus im Senat erschien, hielt er eine kurze, anspruchslose Ansprache über die Abwesenheit seines Vaters und seines Bruders sowie über sein jugendliches Alter, wobei er eine edle Haltung zeigte, und, da man seinen Charakter noch nicht kannte, nahm man sein häufiges Erröten für

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Viertes Buch, Kapitel 41 – 42

Bescheidenheit. Als der Cäsar über die Wiederherstellung der Ehren Galbas Bericht erstattete, beantragte Curtius Montanus,48 es solle auch das Andenken an Piso gefeiert werden. Die Senatoren stimmten beiden Anträgen zu. Aber hinsichtlich Pisos kam der Beschluss nicht zur Ausführung. Dann loste man eine Kommission aus, durch die das im Krieg geraubte Gut zurückerstattet werden sollte, sowie eine weitere, die den Text der verwitterten ehemaligen Gesetzestafeln feststellen und wieder anschlagen sollte. Auch sollten sie den durch die zeitbedingten Schmeicheleien entstellten Kalender säubern49 und ein bestimmtes Maß für die Staatsausgaben festsetzen. Tettius Iulianus erhielt die Prätur zurück, nachdem man in Erfahrung gebracht hatte, er habe sich zu Vespasianus geflüchtet, Grypus behielt seine Ehrenstelle. Darauf beschloss man, den Prozess zwischen Musonius Rufus und Publius Celer wiederaufzunehmen. Publius wurde verurteilt und den Manen50 des Soranus Genugtuung geleistet. Dem Tag, der sich durch eine ernsthafte Behandlung der öffentlichen Angelegenheiten auszeichnete, fehlte es auch an dem Lob von Einzelpersönlichkeiten nicht. Musonius schien ein gerechtes Gericht vollzogen zu haben, während Demetrius, der sich zu der kynischen Schule bekannte, eine gegenteilige Beurteilung fand, weil seine Verteidigung des offensichtlich Schuldigen mehr den Stempel des Ehrgeizes als der Rechtlichkeit getragen hatte. Publius selbst verfügte in Prozessen weder über Mut noch Redegewandtheit. Als das Signal zur Rache an den Anklägern gegeben war, bat Iunius Mauricus51 den Cäsar, dem Senat die Möglichkeit zur Einsicht in die Kabinettsakten zu geben, um daraus zu ermitteln, wen jeder einzelne sich zur Anklage ausbedungen habe. Er antwortete, in einer so wichtigen Angelegenheit müsse man den Fürsten befragen. 41. Der Senat fasste nach dem Vorgang seiner führenden Mitglieder eine Eidesformel ab, nach der alle Staatsbeamten um die Wette, alle sonstigen Mitglieder nach der Reihenfolge, in der sie zur Abstimmung aufgerufen wurden, die Götter zu Zeugen anriefen, dass nichts mit ihrer Hilfe geschehen sei, wodurch irgend eines Menschen Wohlergehen beeinträchtigt wurde, und dass sie keine Belohnung oder Ehrenstelle erhalten hätten,



Domitianus im Senat · Vipstanus Messalla

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durch die einem Mitbürger Schaden zugefügt worden sei. Dabei waren diejenigen, die sich einer Schandtat bewusst waren, in nervöser Unruhe und suchten die Eidesformel mit allerlei Kunstgriffen zu verändern. Die Gewissenhaften fanden die Billigung der Väter, die Meineidigen wurden gerügt. Und diese Art von Sittengericht traf mit größter Schärfe Sariolenus Vocula, Nonius Attianus und Cestius Severus, die durch ihre häufigen Denunziationen unter Nero berüchtigt waren. Auf Sariolenus lastete auch noch die neue Beschuldigung, dass er es unter Vitellius nicht anders getrieben habe. Und der Senat hörte nicht auf, Vocula tätlich zu bedrohen, bis er die Kurie verließ. Dann ging man zu Paccius Africanus über und drängte auch ihn hin­ aus, weil er bei Nero die beiden Brüder Scribonius,52 die sich durch ihre Eintracht und ihren Reichtum auszeichneten, angezeigt habe, um sie zu stürzen. Africanus fand weder den Mut zu einem Geständnis, noch konnte er leugnen. Er wandte sich nun seinerseits gegen Vibius Crispus,53 durch dessen Fragen er in die Enge getrieben wurde, und suchte ihn in Dinge hineinzuziehen, gegen die er sich nicht verteidigen konnte. Und so lenkte er die gehässige Beschuldigung von sich dadurch ab, dass er einen anderen als Mitschuldigen belastete. 42. An diesem Tage erwarb sich Vipstanus Messalla54 den hohen Ruhm der Bruderliebe und der Beredsamkeit: er hatte noch nicht das Senatorenalter erreicht und wagte es, für seinen Bruder Aquilius Regulus55 als Fürsprecher aufzutreten. Regulus hatte der Sturz des Hauses der Crasser und des Orfitus56 in höchstem Grade verhasst gemacht. Aus eigenem Antrieb schien er noch als ganz junger Mann die Rolle des Anklägers übernommen zu haben, und zwar nicht, um einer Gefahr vorzubeugen, sondern weil er sich der Hoffnung hingab, zu Macht zu gelangen. Auch Sulpicia Prätextata, die Gattin des Crassus, war mit ihren vier Kindern da, um Rache zu nehmen, falls der Senat in die Untersuchung eintreten würde. Und so vertrat Messalla nicht die Sache an sich und auch nicht den Angeklagten, sondern stellte seine eigene Person vor seinen gefährdeten Bruder, und er hatte auch schon einige Senatoren umgestimmt. Gegen ihn trat mit einer erbitterten Rede Curtius Montanus auf und ging so weit, dass er den Vorwurf erhob, nach der Ermor-

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Viertes Buch, Kapitel 43 – 44

dung Galbas habe Regulus dem Mörder Pisos Geld gegeben und in dessen Haupt gebissen. »Dazu«, sagte er, »hat Nero dich sicherlich nicht gezwungen, und durch diese Grausamkeit hast du dir weder Rang noch Leben erkauft. Mögen wir immerhin die verteidigenden Erklärungen dieser Leute da hinnehmen, die lieber andere ins Verderben stürzen, als selbst in Gefahr geraten wollten. Dich hat dein Vater dadurch ohne Sorgen zurückgelassen, dass mit seiner Verbannung das Vermögen unter die Gläubiger aufgeteilt wurde, während du selbst noch nicht in dem zur Bekleidung von Ehrenämtern erforderlichen Alter standest, Nero an dich keinerlei Wünsche zu stellen und nichts von dir zu befürchten hatte. Blutdürstig und nach Belohnungen lechzend, hast du dein bis dahin noch unbekanntes Talent, das sich noch an keiner Verteidigung erprobt hatte, mit adeligem Blute eingeweiht, als du die von einem gewesenen Konsul gemachte Beute von dem Grabe des Gemeinwesens an dich gerissen hast, als du, mit sieben Millionen Sesterzen gemästet und zugleich im Glanze deines Priestertums, unschuldige Knaben, erlauchte Greise, angesehene Frauen in das gleiche Verderben gestürzt hast, als du Nero Tatenlosigkeit vorwarfst, weil er nur eine Familie nach der anderen sich vornehme und damit sich und den Denunzianten große Mühe mache: er könne doch den ganzen Senat mit einem einzigen Wort ins Verderben stürzen. Haltet den Menschen fest, versammelte Väter, und spart ihn, der so rasch mit seinem Rat bei der Hand ist, euch auf, damit jede Generation ihren Lehrmeister habe, und wie unsere Greise Marcellus und Crispus, so unsere Jugend Regulus sich zum Vorbild nehme! Es findet ja die Liederlichkeit Nachahmer, auch wenn sie unter einem Unstern steht. Wie erst, wenn sie in kraftvoller Blüte sich auslebt? Und werden wir gegen den, bei dem wir – er ist zwar erst Quästor gewesen – keinen Anstoß zu erregen wagen, dies dann wagen, wenn er die Prätur und das Konsulat bekleidet hat? Oder glaubt ihr, Nero sei der letzte der Tyrannen gewesen? Das gleiche hatten die geglaubt, die Tibe­ rius und Gaius überlebt haben, und doch hat sich inzwischen ein Tyrann erhoben, der noch abscheulicher und grausamer war. Wir haben von Vespasianus nichts zu befürchten. Dafür bürgt das Alter des Fürsten, dafür seine maßvolle Besonnen-



Montanus klagt Aquilius Regulus an

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heit. Aber exemplarische Bestrafungen wirken länger als einzelne Persönlichkeiten.57 Schlaff sind wir geworden, versammelte Väter, und wir stellen nicht mehr jenen Senat dar, der nach dem Tode Neros forderte, dass die Denunzianten und ihre Helfershelfer nach der Sitte der Vorfahren bestraft werden. Der erste Tag nach einem schlechten Fürsten ist der beste«. 43. Mit so weitgehender Zustimmung hörte man im Senat Montanus an, dass in Helvidius die Hoffnung aufstieg, man könnte auch Marcellus stürzen. So begann er denn mit einer Lobrede auf Cluvius Rufus, der, gleichermaßen reich wie durch seine Beredsamkeit berühmt, nie jemand unter Nero den Prozess gemacht habe, und versetzte zugleich durch die Anschuldigung und die Gegenüberstellung Eprius in Bedrängnis, wobei die Väter in leidenschaftliche Erregung kamen. Als dies Marcellus merkte, tat er so, als wolle er die Kurie verlassen und sagte: »Wir gehen, Priscus, und überlassen dir deinen Senat. Spiele du den König in Anwesenheit des Cäsars!« Vibius Crispus folgte ihm, beide voll Erbitterung, aber mit verschiedenem Gesichtsausdruck: Marcellus mit drohenden Blicken, Crispus mit spöttischem Lächeln, bis sie von ihren herbeieilenden Freunden zurückgeholt wurden. Während der Streit weiter um sich griff und auf der einen Seite eine Mehrheit von Gutgesinnten, auf der anderen eine Minderheit von Einflussreichen in hartnäckigen Hassausbrüchen sich betätigten, zerrann der Tag im Hader. 44. In der nächsten Senatssitzung begann der Cäsar davon zu sprechen, dass man allen Unmut und Groll und alles, was die vergangenen Zeiten an Notständen mit sich gebracht hätten, vergessen müsse. Darauf brachte Mucianus einen weitherzigen Antrag zugunsten der Ankläger ein. Zugleich ermahnte er diejenigen, die eine schon begonnene, dann wieder aufgegebene Untersuchung wieder aufgreifen wollten, in einer milden Rede und im Tone eines Bittenden. Die Senatoren gaben den eben erst eingeschlagenen Weg zu freimütigem Handeln gleich wieder auf, sobald man ihnen entgegentrat. Um nicht den Anschein zu erwecken, als ob man das Urteil des Senats missachte und für alle Missetaten unter Nero Straffreiheit gewährt habe, verwies Mucianus die Senatoren Octavius Sagitta58 und Antistius Sosianus,59 die ihren Verbannungsort verlassen hatten, auf

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Viertes Buch, Kapitel 45 – 47

die gleichen Inseln zurück. Octavius hatte Pontia Postumina, die, der Unzucht überführt, eine Ehe mit ihm ablehnte, in seiner unbeherrschten Liebe umgebracht, Sosianus hatte in seiner sittlichen Verdorbenheit vielen den Untergang bereitet. Beide waren durch einen strengen Senatsbeschluss verurteilt und verbannt worden, und die gleiche Bestrafung wurde bei ihnen aufrechterhalten, obwohl anderen die Rückkehr gestattet wurde. Aber darum wurde die Erbitterung gegen Mucianus nicht gemildert. Denn Sosianus und Sagitta würden selbst im Falle ihrer Rückkehr keine bedeutende Rolle spielen. Man fürchtete die geistigen Fähigkeiten, den Reichtum und die in der Anwendung verwerflicher Mittel geübte Macht der Ankläger. 45. Eine Zeitlang wirkte auf die Einstellung der Senatoren versöhnend eine Untersuchung, die man im Senat nach der alten Sitte durchführte. Der Senator Manlius Patruitus beklagte sich, er sei in der Koloniestadt Sena von einer versammelten Volksmenge geschlagen worden und zwar auf Geheiß der Behörden. Dabei sei das gewalttätige Vorgehen nicht stehengeblieben. Totenklage und Jammern und das Scheinbild einer Leichenfeier habe man rings um seine Person vorgeführt unter Schmähungen und Schimpfworten, die sich gegen den Senat in seiner Gesamtheit richteten. Die Beschuldigten wurden vorgeladen und nach Durchführung der Untersuchung diejenigen, die überführt waren, bestraft. Hinzugefügt wurde ein Senatsbeschluss, in dem man den Pöbel von Sena zur Ordnung rief. In denselben Tagen wurde Antonius Flamma auf Grund einer Klage der Einwohner von Cyrene zu Schadenersatz und wegen seiner Grausamkeit zu Verbannung verurteilt.60 46. Inzwischen wäre beinahe unter den Soldaten ein Aufruhr aufgeflammt. Die von Vitellius entlassenen und für Vespasianus wieder zusammengeholten Mannschaften verlangten, wieder in die Prätorianertruppe eingestellt zu werden, und die aus den Legionen mit der gleichen Aussicht ausgelesenen Soldaten forderten den versprochenen Sold.61 Nicht einmal die Vitellianer62 hätte man ohne großes Blutvergießen abweisen können. Aber es erforderte eine ungeheure Geldsumme, sollte eine solche Menschenmasse beibehalten werden. Mucianus begab sich in das Lager, um sich einen genaueren Einblick in die Dienstverhältnisse



Beschluss gegen Sena · Unzufriedenheit im Heer

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jedes einzelnen zu verschaffen, und ließ die Sieger mit ihren Auszeichnungen und ihren Waffen in mäßigen Abständen voneinander Aufstellung nehmen. Dann führte man die Vitellianer, deren Unterwerfung man, wie oben erwähnt, bei Bovillae angenommen hatte, und alle übrigen, die man in der Hauptstadt und in deren Umgebung zusammengesucht hatte, fast unbekleidet vor. Mucianus befahl, sie auseinandertreten zu lassen, die germanischen und die britannischen sowie die zu anderen Heeren gehörigen Mannschaften ließ er getrennt Aufstellung nehmen. Gleich der erste Anblick hatte sie in Bestürzung versetzt, als sie gleichsam eine in Wehr und Waffen starrende Kampflinie drohend sich gegenüber, sich selbst aber eingeschlossen, nackt und von Schmutz starrend erblickten. Als man vollends anfing, sie hierhin und dorthin auseinanderzuschleppen, da ergriff alle Furcht und besonderes Entsetzen die germanischen Soldaten, als ob sie durch diese Aussonderung zum Tode bestimmt würden. Sie sanken ihren Manipelkameraden an die Brust, hingen sich an ihren Hals, baten um den Abschiedskuss, man möge sie doch nicht im Stich und sie nicht, wo ihre Sache doch die gleiche sei, ein ungleiches Schicksal erleiden lassen. Bald beschworen sie Mucianus, bald den abwesenden Fürsten, zuletzt den Himmel und die Götter, bis Mucianus sie alle durch den gleichen Eid dem gleichen Imperator verpflichtete Soldaten nannte und so der unbegründeten Furcht entgegentrat. Denn auch das siegreiche Heer unterstützte durch sein Zurufen ihre Tränen. So endigte jener Tag. Einige Tage nachher nahmen sie eine Ansprache des Domitianus schon in gefestigter Haltung auf. Sie wollten von dem Angebot von Ländereien nichts wissen und baten um Kriegsdienst und Sold. Es waren zwar nur Bitten, aber solche, denen man nicht hätte widersprechen können. Und so nahm man sie denn in das Präto­rium auf. Dann entließ man alle, die das entsprechende Alter und die vorgeschriebene Dienstzeit hatten, ehrenvoll, andere als Bestrafung, diese jedoch nur nach und nach und einzeln, was das sicherste Mittel ist, die Einmütigkeit der Menge zu schwächen. 47. Übrigens wurde aus wirklicher Armut oder auch nur, um eine solche nach außen in Erscheinung treten zu lassen, in dem Senat darüber verhandelt, bei Privatpersonen eine Anleihe von

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Viertes Buch, Kapitel 48 – 49

sechzig Millionen Sesterzen aufzunehmen. Pompeius Silvanus betraute man mit dieser Aufgabe. Doch bald darauf verschwand die Notlage oder auch, man gab es auf, eine solche vorzutäuschen. Dann wurden durch eine Gesetzesvorlage, die Domitianus einbrachte, die Konsulate aberkannt, die Vitellius verliehen hatte63 und für Flavius Sabinus ein zensorisches Leichenbegängnis64 veranstaltet, eindrucksvolle Beweise für die Unbeständigkeit des Glücks, das das oberste zuunterst kehrt. 48. Um dieselbe Zeit wurde der Prokonsul L. Piso ermordet. Über diese blutige Tat will ich möglichst wahrheitsgetreu berichten, wenn ich einiges weiter Zurückliegende nachgetragen habe, das mit dem Beginn und mit den Ursachen solcher Übeltaten in ganz enger Beziehung steht. Die Legion in Afrika und die Hilfstruppen, deren Bestimmung war, die Grenzen des Reiches zu schützen, unterstanden während der Regierung des vergöttlichten Augustus und des Tiberius einem Prokonsul. Dann nahm Gaius Cäsar in seinem unsteten Geist und aus Furcht vor Marcus Silanus,65 der Afrika verwaltete, dem Prokonsul die Legion weg und überwies sie einem zu diesem Zweck dorthin gesandten Legaten. Beiden wurde die gleiche Zahl von Beförderungsstellen zugeteilt und dadurch, dass die beiderseitigen Aufgaben einander überschnitten, suchte man Zwietracht zu stiften, die noch infolge eines unsinnigen Rangstreites sich verschärfte. Die Gewalt der Legaten wuchs, weil ihr Amt von längerer Dauer war66 oder auch, weil die niedrigeren Dienstgrade Ehrgeiz betätigten, während gerade die angesehensten Prokonsuln mehr auf ihre Sicherheit als auf ihre Macht bedacht waren. 49. Aber jetzt befehligte die Legion in Afrika Valerius Festus,67 der in seinen jungen Jahren ein verschwenderisches Leben geführt hatte, in seinen Wünschen nicht bescheiden war und infolge seiner Verschwägerung mit Vitellius in Ängsten lebte. Ob dieser in häufigen Gesprächen Piso zu einem Umsturz hat veranlassen wollen oder ob Piso den Verführer spielte und er ihm Widerstand geleistet hat, ist ungeklärt. Bei ihren heimlichen Verhandlungen war nämlich niemand anwesend, und nach dem Tode Pisos neigten die meisten dazu, zu dem Mörder in einem guten Verhältnis zu stehen. Darüber herrscht kein Zweifel, dass die Provinz und die Soldaten von Vespasianus nichts



Lucius Piso wird ermordet

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wissen wollten. Und einige aus der Hauptstadt geflüchtete Vitellianer wiesen Piso auf die schwankende Haltung Galliens, auf die Bereitschaft Germaniens, auf seine persönlichen Gefahren und auf den Krieg hin, der für einen im Frieden verdächtigen Mann größere Sicherheit biete. Indes kam Claudius Sagitta, der Befehlshaber der Petrianischen Reiterabteilung infolge günstiger Fahrt dem von Mucianus geschickten Zenturio Papirius zuvor und versicherte, der Zenturio habe den Auftrag erhalten, Piso zu ermorden. Schon sei sein Vetter und Schwiegersohn Galerianus gefallen. Von kühnem Handeln allein sei noch Rettung zu erhoffen, aber es gebe dazu zwei Wege: entweder sofort zu den Waffen zu greifen oder zu versuchen, zu Schiff Gallien zu erreichen und sich den Vitellianischen Heeren als Führer zu zeigen. Doch Piso ließ sich dadurch nicht bewegen. Wie der von Mucianus geschickte Zenturio den Hafen von Karthago erreichte, brachte er fortwährend mit erhobener Stimme lauter Heilrufe auf Piso wie auf den Fürsten aus, und, wer ihm begegnete und über die absonderliche Überraschung verblüfft war, den forderte er auf, in seine Rufe lärmend einzustimmen. Das leichtgläubige Volk stürzte zum Marktplatz und verlangte, Piso solle persönlich erscheinen. Freudenrufe und Geschrei ertönten überall durcheinander. Man kümmerte sich nicht um das wirkliche Geschehen, sondern erging sich in ungehemmten Huldigungen. Piso ging infolge eines Winkes von Sagitta oder in der ihm angeborenen Bescheidenheit nicht auf die Straße und gab sich den Huldigungen der Masse nicht preis. Er verhörte den Zenturio und, als er erfuhr, man habe versucht, ihn eines Verbrechens zu beschuldigen und ihn zu ermorden, befahl er, ihn hinzurichten. Weniger hoffte er damit, sein eigenes Leben zu retten, vielmehr war er auf den gedungenen Mörder wütend, weil er auch zu den Mördern des Clodius Macer68 gehörte und hergekommen war, um mit seinen von dem Mord an dem Legaten noch blutigen Händen den Prokonsul umzubringen. Darauf machte er in einem Edikt, das von seiner Angst zeugte, den Karthagern Vorwürfe und übte nicht einmal mehr seine gewöhnlichen Amtsgeschäfte aus, sondern schloss sich in seiner Wohnung ein, damit nicht wieder ein Anlass zu neuer Unruhe entstehe, und wäre es auch nur zufällig.

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Viertes Buch, Kapitel 50 – 52

50. Als aber Festus von der Bestürzung der Menge, von der Hinrichtung des Zenturio, von Wahrem und Falschem, wie es eben bei Gerüchten zu gehen pflegt, in Übertreibung erfuhr, schickte er zur Ermordung Pisos Reiter aus. Diese ritten eiligst los und drangen noch in der Morgendämmerung in die Wohnung des Prokonsuls mit gezückten Schwertern ein. Ein großer Teil kannte Piso gar nicht, da Festus punisches Hilfsvolk und Mauren zu dieser Mordtat ausgewählt hatte. Nicht weit von dem Schlafgemach begegnete ihnen zufällig ein Sklave, den sie fragten, wer hier Piso sei und wo er sich befinde. Der Sklave antwortete in einer edelmütigen Lüge, er sei Piso, und wurde sofort niedergehauen. Bald darauf wurde auch Piso ermordet. Denn es war einer dabei, der ihn erkannte, Bäbius Massa,69 einer der Prokuratoren Afrikas, der es schon damals auf das Verderben gerade der besten Männer abgesehen hatte und unter den Urhebern des Unheils, das wir nachher zu ertragen hatten, öfters wiederkehren wird. Festus eilte von Adru­ metum, wo er sich auf die Lauer gelegt hatte, zu der Legion und ließ den Lagerpräfekten Cätronius Pisanus in Fesseln legen, und zwar geschah dies wegen persönlicher Zwistigkeiten. Er nannte ihn aber einen Spießgesellen Pisos. Dann bestrafte er einige Soldaten und Zenturionen und belohnte andere, in beiden Fällen nicht nach Verdienst, sondern nur damit man von ihm glaube, er habe einen Krieg erstickt. Bald darauf legte er die Streitigkeiten zwischen den Öensern und Lepcitanern bei, die anfangs unbedeutend gewesen waren, da es sich nur um den gegenseitigen Raub von Feldfrüchten und Vieh der Landbevölkerung gehandelt hatte, die aber nun bereits mit Waffen und in richtigen Schlachten ausgetragen wurden. Denn das Volk der Öenser, das zahlenmäßig schwächer war, hatte die Garamanten aufgerufen, einen wilden Volksstamm, der sich von den Raubzügen zu den Anwohnern nährte. Dadurch kamen die Lepcitaner in eine bedrängte Lage und, da weit und breit ihre Felder verwüstet waren, befanden sie sich innerhalb ihrer Mauern in ängstlicher Besorgnis, bis durch das Einschreiten der Kohorten und der Reiterabteilungen die Garamanten geschlagen wurden und man die ganze Beute wiedergewann, ausgenommen diejenige, die sie an die Bewohner



Treue eines Sklaven · Der Orient für Vespasianus

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weiter landeinwärts in deren unzugänglichen Hütten als Hausierer verkauft hatten. 51. Aber bei Vespasianus70 liefen nach der Schlacht bei Cremona von überall her günstige Nachrichten ein. Viele Leute jeglichen Standes, die mit ebenso viel Mut wie Glück sich auf das winterliche Meer gewagt hatten, meldeten den Tod des Vitellius. Es hatten sich auch Gesandte des Königs Vologäsus eingefunden, die vierzigtausend parthische Reiter anboten. Großartig und erfreulich war es, durch das Angebot so vieler bundesgenössischer Hilfstruppen umworben zu werden, ohne dieser zu bedürfen. Vologäsus sagte man Dank und trug ihm auf, Gesandte an den Senat zu schicken und davon Kenntnis zu nehmen, dass Friede sei. Vespasianus, der seine Aufmerksamkeit auf Italien und auf die Verhältnisse in der Hauptstadt richtete, vernahm, was über Domitianus Abträgliches geredet wurde, dass er die ihm durch sein Alter gesetzten Grenzen und die Vorrechte eines Sohnes überschreite. Und so übergab er den stärksten Teil des Heeres Titus, damit dieser den jüdischen Krieg vollends zu Ende führe. 52. Titus bat, wie man erzählt, vor der Abreise in einem ausgedehnten Gespräch mit seinem Vater, er solle sich nicht ohne weiteres durch verleumderische Berichte aufbringen lassen und sich unbeeinflusst und versöhnlich gegenüber seinem Sohne zeigen. Nicht Legionen, nicht Flotten seien gleich starke Stützen einer Herrschaft wie die Zahl der Kinder. Denn Freundschaften würden durch Zeit, Glück, manchmal auch durch Begierden oder Irrtümer geschwächt, wechseln von einem zum anderen und hörten schließlich ganz auf. Das eigene Blut sei für jeden untrennbar, am wenigsten aber für die Fürsten, deren Glück auch andere genießen, während das Unglück nur die Allernächsten treffe. Auch unter Brüdern habe die Eintracht keinen Bestand, wenn nicht der Vater mit gutem Beispiel vorangehe. Vespasianus, der weniger mit Domitianus ausgesöhnt, als über die Bruderliebe des Titus erfreut war, hieß ihn guten Mutes sein und durch Krieg und Waffen das Gemeinwesen heben. Ihm würden der Friede und seine Familie am Herzen liegen. Dann schickte er schnelle Schiffe, mit Getreide beladen, auf das noch stürmische Meer hinaus. Denn die Hauptstadt schwebte

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Viertes Buch, Kapitel 53 – 55

in so großer Gefahr, dass für nicht mehr als zehn Tage Getreide in den Speichern lag, als von Vespasianus die Zufuhr eintraf. 53. Die Aufgabe, das Kapitol wiederherzustellen, übertrug er L. Vestinus.71 Dieser gehörte dem Ritterstand an; aber hinsichtlich seines Ansehens und seines Rufes stand er unter den ersten Männern. Die von ihm zusammengeholten Opferschauer mahnten dazu, den Schutt des früheren Heiligtums in die Sümpfe wegzuführen und den Tempel wieder nach dem gleichen Grundriss zu errichten: die Götter würden keine Veränderung der alten Form wollen. Am einundzwanzigsten Juni wurde bei heiterem Himmel der ganze Platz, den man für den Tempel weihte, mit Binden und Kränzen umwunden. Dann betraten ihn Soldaten, die glückbedeutende Namen hatten, mit heilverkündenden Zweigen.72 Darauf sprengten die Vestalischen Jungfrauen nebst Knaben und Mädchen, deren Väter und Mütter noch am Leben waren, Wasser, das aus Quellen und Flüssen geschöpft war. Dann sühnte der Prätor Helvidius Priscus unter Vorantritt des Priesters Plautius Älianus mit einem Eber-, Widder- und Stieropfer den Bauplatz, brachte die Eingeweide auf einem Rasenaltar dar und betete zu Iuppiter, Iuno, Minerva und zu den Schutzgöttern des Reiches, sie möchten das begonnene Werk segnen und ihre mit menschlicher Frömmigkeit begonnenen Wohnsitze mit göttlicher Hilfe in die Höhe führen. Dann berührte er die Binden, mit denen der Grundstein umschlungen war und die Seile verknüpft waren. Zugleich zogen auch die übrigen Beamten, die Priester, der Senat, die Ritterschaft und ein großer Teil des Volkes, in freudigem Eifer sich mühend, den gewaltigen Stein. Von allen Seiten warf man in die Fundamente Gaben aus Silber und Gold sowie rohe Metallstücke, die in keinem Ofen geschmolzen waren, noch in ihrer ursprünglichen Gestalt hinein. Die Opferschauer erklärten vorher, man dürfe das Werk nicht durch Gestein oder Gold, das schon für einen anderen Zweck bestimmt war, entweihen. Das Gebäude selbst wurde höher aufgeführt. Dies war das einzige, was, wie man glaubte, die religiöse Scheu zulasse, und was an der Pracht des früheren Tempels noch gefehlt habe. 54. Inzwischen hatte die in Gallien und Germanien verbreitete Kunde von dem Tod des Vitellius den Krieg verdoppelt. Denn



Wiederaufbau des Kapitols · Gallien im Aufstand

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Civilis warf nun die Maske ab, um sich auf das römische Volk zu stürzen, während die Vitellianischen Legionen lieber die Knechtschaft durch Fremdvölker als Vespasianus als Imperator haben wollten. Die Gallier hatten ihr Haupt erhoben in dem Glauben, überall drohe unseren Heeren das gleiche Schicksal, da das Gerücht umging, von den Sarmaten und Dakern seien die mösischen und pannonischen Winterlager eingeschlossen. Gleiches erdichtete man über Britannien. Aber nichts hatte so sehr zu dem Glauben geführt, das Ende des Reiches sei gekommen, als der Brand des Kapitols: einst sei die Hauptstadt zwar von den Galliern erobert worden; aber da der Sitz Iuppiters unversehrt geblieben sei, habe auch das Reich weiterbestanden. Jetzt sei durch das verhängnisvolle Feuer ein Zeichen des himmlischen Zornes gegeben worden und der Besitz der Welt sei den jenseits der Alpen wohnenden Völkern verkündet: so wenigstens lauteten die eitlen, abergläubischen Prophezeiungen der Druiden. Es hatte sich auch das Gerücht verbreitet, die gallischen Häuptlinge seien von Otho gegen Vitellius geschickt worden und sie hätten sich vor ihrem Aufbruch verpflichtet, die Sache der Freiheit nicht im Stich zu lassen, wenn unter der ununterbrochenen Reihe der Bürgerkriege und des Unheils im Innern das römische Volk zusammengebrochen sei. 55. Vor der Ermordung des Flaccus Hordeonius trat nach außen nichts in Erscheinung, woran man die Verschwörung hätte erkennen können. Nach dem Tode des Hordeonius gingen Kuriere zwischen Civilis und Classicus, dem Präfekten der Reiterabteilung der Trevirer,73 hin und her. Classicus überragte durch seinen Adel und seinen Reichtum andere. Er stammte aus königlichem Geschlecht, und seine Ahnen waren in Krieg und Frieden berühmt gewesen. Er selbst prahlte damit, von seinen Vorfahren her selbst mehr ein Feind des römischen Volkes zu sein, als dass diese Bundesgenossen wären. Dazu gesellte sich Iulius Tutor und Iulius Sabinus, der eine ein Trevirer, der andere ein Lingone. Tutor hatte von Vitellius das Kommando über das Rheinufer erhalten. Sabinus stachelte, abgesehen von seiner angeborenen Eitelkeit, der Ruhm seiner vermeintlichen Abstammung auf. Seine Urgroßmutter habe dem vergöttlichten Iulius Cäsar bei seinem Krieg in Gallien durch ihre Schönheit ins

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Viertes Buch, Kapitel 56 – 57

Auge gestochen und sich ihm hingegeben. Diese forschten in geheimen Unterredungen die Gesinnung der übrigen aus und, wo sie Leute für brauchbar hielten, verpflichteten sie diese sich dadurch, dass man sie zu Mitwissern machte. Sie kamen dann in Colonia Agrippinensis in einem privaten Hause zusammen. Denn die Bürgerschaft als solche wollte von derartigen Unternehmungen nichts wissen. Und doch waren einige Ubier und Tungrer dabei. Aber das Übergewicht lag bei den Trevirern und Lingonen, die sich nicht durch Beratungen aufhalten lassen wollten. Um die Wette schrien sie: besessen sei von Zwietracht das römische Volk, vernichtet die Legionen, verwüstet Italien, eben jetzt werde die Hauptstadt erobert und jedes Heer durch seinen eigenen Krieg in Anspruch genommen. Sichere man die Alpen durch Truppen, so würde mit dem Erstarken der Freiheit Gallien darüber entscheiden, welche Grenze es seinen Kräften setzen wolle. 56. Kaum war dies gesagt, und schon war es auch gebilligt. Nur hinsichtlich der Reste des Vitellianischen Heeres war man noch nicht schlüssig. Die meisten waren dafür, sie als aufrührerisch, treulos und mit dem Blut ihrer Heerführer befleckt umzubringen. Doch siegte die vernünftige Überlegung, und man ließ Schonung walten, damit man nicht ihren Trotz schüre, wenn ihnen jegliche Hoffnung auf Gnade genommen würde. Man solle sie lieber dazu verlocken, Bundesgenossen zu werden. Brächte man nur die Legionslegaten um, könne man den übrigen Haufen angesichts des Bewusstseins seiner Verbrechen und seiner Hoffnung auf Straflosigkeit leicht zum Anschluss bringen. Dies war der Verlauf der ersten Versammlung. Durch ganz Gallien wurden Agenten geschickt, um zum Kriege zu hetzen. Sie selbst taten so, als ob sie fügsam wären, damit Vocula umso argloser sei, wenn man über ihn herfalle. Es fehlte auch nicht an Leuten, die Vocula darüber unterrichteten. Aber es standen keine Kräfte zur Verfügung, um dagegen einzuschreiten, da die Legionen nicht aufgefüllt und auch nicht treu waren. Mitten unter unzuverlässigen Soldaten und heimlichen Feinden hielt er es bei den augenblicklichen Verhältnissen für das Beste, auch seinerseits mit Verstellung und mit den gleichen Mitteln vorzugehen, die man ihm gegenüber anwandte. Und so zog er nach Colonia



Pakt gegen Rom: Civilis, Classicus und Tutor

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Agrip­pinensis hinunter. Dorthin floh Claudius Labeo, nachdem er seine Wächter bestochen hatte. Wie wir berichtet haben, hatte man ihn gefangengenommen und zu den Friesen außer Landes geschickt. Er versprach, wenn man ihm eine Truppe zur Verfügung stelle, zu den Batavern zu gehen und den bedeutenderen Teil des Stammes wieder zum Bündnis mit Rom zurückzuführen. Er erhielt auch eine nicht zu große Abteilung zu Fuß und zu Pferd, wagte aber nichts weiter bei den Batavern, veranlasste nur wenige Nervier und Bätasier, zu den Waffen zu greifen, und machte Einfälle in das Gebiet der Canninefaten und Marsacer, die mehr Raubzügen als einem wirklichen Krieg glichen. 57. Vocula, durch die List der Gallier verlockt, zog gegen den Feind. Er war nicht weit weg von Vetera, als Classicus und Tutor, die unter dem Vorwand einer Erkundung vorausgezogen waren, mit den Führern der Germanen ein festes Abkommen schlossen. Jetzt sonderten sich diese zum ersten Mal von den Legionen ab und umgaben ihr Lager mit einem eigenen Wall, obwohl Vocula beteuerte, Roms Macht sei nicht derart durch die Bürgerkriege in Verfall geraten, dass sie sogar Trevirern und Lingonen verächtlich sei. Noch stünden treue Provinzen, siegreiche Heere, das Glück des Reiches und die rächenden Götter zur Verfügung. So seien einst Sacrovir74 und die Äduer, kürzlich erst Vindex und Gallien je in einer einzigen Schlacht zusammengebrochen. Auf dasselbe göttliche Walten, auf dasselbe Geschick sollten sich wieder die gefasst machen, die einen Vertrag brechen. Besser sei dem vergöttlichten Augustus, besser dem vergöttlichten Iulius ihre Gesinnung bekannt gewesen. Seit Galba und der Entlastung von dem Steuerdruck hätten sie sich einem feindseligen Hochmut hingegeben. Jetzt seien sie Kriegsfeinde, weil sie nur ein sanftes Joch zu tragen hätten. Wenn man sie ausgeplündert und beraubt habe, würden sie zu Freunden werden. So äußerte er sich in brutaler Weise. Als er dann sah, dass Classicus und Tutor von ihrer Treulosigkeit nicht abzubringen waren, machte er kehrt und rückte nach Noväsium ab. Die Gallier lagerten sich in einer zwei Meilen davon entfernten Ebene. Dorthin gingen Zenturionen und Mannschaften und ließen sich kaufen, so dass – eine bisher unbekannte Schandtat – das römische Heer Ausländern einen Eid

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Viertes Buch, Kapitel 58 – 59

leistete und ihren schweren Frevel mit der Verpflichtung besiegelte, die Legaten zu ermorden oder wenigstens in Fesseln zu legen. Obgleich man allgemein zur Flucht riet, glaubte Vocula, etwas wagen zu müssen. Er berief eine Versammlung und hielt folgende Rede: 58. »Nie war ich, sooft ich vor euch sprach, bekümmerter um euch oder weniger besorgt um mich. Denn dass man mir nach dem Leben trachtet, das höre ich gerne, und dem Tode sehe ich in so viel Unglück wie dem Ende des Elends entgegen. Um euch, gegen die man nicht in offenem Kampfe und mit richtigen Heeren vorgeht, empfinde ich Scham und Mitleid. Das wäre Kriegsbrauch und Feindrecht. Vielmehr hofft Classicus, mit euren Händen Krieg mit dem römischen Volk zu führen, und prahlt mit der Herrschaft und dem Eid Galliens. Fehlen uns so sehr, wenn schon uns in der Gegenwart Glück und Tapferkeit verlassen haben, auch die alten Vorbilder, wo so oftmals römische Legionen lieber zu Grunde gehen wollten, um nur nicht von ihrer Stellung vertrieben zu werden. Oft haben sogar unsere Bundesgenossen es hingenommen, dass ihre Städte vernichtet wurden und sie mitsamt ihren Frauen und Kindern verbrannten, ohne einen anderen Lohn für ihren Tod als den Ruhm der Treue. Eben jetzt ertragen die Legionen bei Vetera Not und Belagerung und lassen sich weder durch Schrecken noch Versprechen in ihrer Haltung erschüttern. Wir haben, abgesehen von Waffen und Mannschaften und ausgezeichnet befestigten Lagern, Getreide und Nachschub, die für einen noch so langen Krieg ausreichen. Und das Geld hat kürzlich sogar für die Ausbezahlung des ›Geschenkes‹ ausgereicht. Möget ihr es auslegen, als ob es von Vespasianus oder lieber von Vitel­ lius gegeben wurde, sicherlich habt ihr es von dem römischen Imperator erhalten. Wenn ihr, die Sieger in so vielen Kriegen, die ihr den Feind bei Gelduba, bei Vetera so oft in die Flucht geschlagen habt, vor einer Feldschlacht Angst habt, so ist dies zwar unwürdig. Aber es gibt ja einen Wall und Mauern und Mittel, einen Krieg so lange hinzuziehen, bis von den nächsten Provinzen Hilfstruppen und Heere zu Hilfe kommen. Sollte ich allerdings euch nicht genehm sein, es gibt ja auch noch andere Legaten, Tribunen, schließlich auch einen Zenturio oder einen



Ansprache Voculas an das römische Heer · Sein Tod

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gemeinen Soldaten, dass wenigstens die ungeheuerliche Nachricht sich nicht in der ganzen Welt verbreite, ihr würdet die Rolle von Trabanten des Civilis und Classicus bei ihrem Einfall in Italien spielen. Oder wollt ihr etwa, wenn vor die Mauern der Hauptstadt Germanen und Gallier gezogen sind, gegen die Vaterstadt die Waffen erheben? Man schaudert schon vor dem bloßen Gedanken an eine solche Schandtat. Soll man für den Trevirer Tutor Wache stehen? Soll ein Bataver die Losung für den Krieg geben? Und werdet ihr die germanischen Heerscharen ergänzen? Wie soll dann das Verbrechen enden, wenn römische Legionen sich zum Kampf entgegengestellt haben? Sollt ihr, zum zweiten Mal Überläufer und Verräter geworden, zwischen dem neuen und dem alten Eid, den Göttern verhasst, keinen Ausweg finden? Dich, Iuppiter Optimus Maximus, den wir in achthundertundzwanzig Jahren75 in so vielen Triumphen gefeiert haben, dich, Quirinus, Stammvater der römischen Stadt, flehe ich in heiliger Verehrung an, möget ihr, wenn schon euch nicht daran gelegen ist, unter meiner Führung dieses Lager unbedeckt und unentweiht zu bewahren, es doch wenigstens nicht von einem Tutor und Classicus entweihen lassen, möget ihr den römischen Soldaten ihre Schuldlosigkeit bewahren oder sie zu einer baldigen Reue führen, ohne dass Unheil entstanden ist!« 59. Die Aufnahme, die die Rede fand, war nicht einheitlich und schwankte zwischen Hoffnung, Furcht und Scham. Als Vocula weggegangen war und schon mit Todesgedanken umging, hinderten ihn seine Sklaven und Freigelassenen, einem schmählichen Tod mit eigener Hand zuvorzukommen. Da schickte Classicus den Ämilius Longinus, einen Fahnenflüchtigen der ersten Legion, ab, um ihn schleunigst zu ermorden. Die Legaten He­ren­nius und Numisius zu fesseln, erschien als ausreichend. Hier­auf legte er sich die Abzeichen eines römischen Oberfeldherrn an und kam in das Lager. Zwar hatte er zu jeder Freveltat die Stirne; aber er kam in seinen Worten doch nicht über das Verlesen des Fahneneides hinaus. Die Anwesenden76 leisteten den Eid auf die Herrschaft Galliens. Den Mörder Voculas zeichnete er mit einem hohen Rang und die übrigen mit Belohnungen aus, die dem schändlichen Treiben jedes einzelnen entsprachen. Tutor und Classicus verteilten dann die Aufgaben. Tutor

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ließ die von einer starken Heeresgruppe umzingelten Agrippinenser und alle Garnisonen am oberen Rheinufer den gleichen Eid schwören, nachdem man in Mogontiacum die Tribunen ermordet und den Lagerpräfekten davongejagt hatte, die den Eid verweigert hatten. Classicus befahl den verkommensten Elementen aus der Zahl derer, die sich ergeben hatten, zu den Belagerten zu gehen und Gnade in Aussicht zu stellen, wenn sie den gegebenen Verhältnissen sich fügten. Anders gebe es keine Hoffnung, und Hunger, Schwert und das Äußerste werde über sie kommen. Die Abgesandten wiesen dazu noch auf sich selbst als warnendes Beispiel hin. 60. Auf der einen Seite stand bei den Belagerten die Treue, auf der anderen Seite die Not, und so wurden sie zwischen Ehrgefühl und Schandtat hin und her gerissen. Während sie so zögerten, gingen ihnen die gewöhnlichen und auch die ungewöhnlichen Lebensmittel aus, nachdem sie die Zugtiere, Pferde und alle übrigen Tiere, unreine und widerliche, wie sie die Notlage zu verwenden zwang, aufgezehrt hatten. Zuletzt rissen sie Strauchwerk, Wurzeln und zwischen den Steinen wachsende Kräuter heraus und boten so ein sprechendes Bild von Elend und Dulden, bis sie ihr hervorragend rühmliches Verhalten zuletzt schimpflich befleckten: sie schickten Gesandte an Civilis und baten um ihr Leben. Aber man nahm ihre Bitten nicht eher an, als bis sie auf Gallien den Eid abgelegt hatten. Dann bedang er sich die Plünderung des Lagers aus und gab ihnen Wachmannschaften bei, die Geld, Trossknechte und Gepäck zurückbehalten, sowie solche, die sie selbst, ohne dass sie davon etwas mitnehmen durften, bei ihrem Abzug geleiten sollten. Etwa beim fünften Meilenstein brachen Germanen hervor und griffen die arglos Daherziehenden an. Die tapfersten Leute fielen an der Stelle, wo sie Widerstand leisteten, eine große Zahl zerstreute sich und fand dabei den Tod. Die übrigen flohen in das Lager zurück, wobei sich allerdings Civilis über die Germanen beklagte und sie beschimpfte, als ob sie auf verbrecherische Weise ihr Wort brächen. Ob dies Verstellung war oder ob er sie in ihrem Wüten nicht zurückhalten konnte, steht nicht recht fest. Man plünderte das Lager, steckte es in Brand und alle, die den Kampf überlebt hatten, kamen in den Flammen um.



Plünderung Veteras · Zerstörung der römischen Lager

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61. Civilis hatte sich entsprechend einem bei den Barbaren üblichen Gelübde nach dem Beginn des Krieges gegen die Römer das Haupthaar lang wachsen lassen und rot gefärbt. Erst nachdem die Vernichtung der Legionen durchgeführt war, schnitt er es ab. Wie man erzählte, hatte er auch seinem noch ganz kleinen Sohn einige der Gefangenen zugeführt, damit dieser ein Ziel für sein Schießen mit Knabenpfeilen und Knabenspeeren habe. Übrigens leistete weder er selbst noch irgendein Bataver auf Gallien den Eid. Er vertraute auf die Macht der Germanen und war überzeugt, sein Name würde berühmt und er selbst der Stärkere sein, wenn es zu einem Machtkampf mit den Galliern komme. Der Legionslegat Munius Lupercus wurde unter anderen Geschenken der Veleda77 zugeschickt. Diese, eine Jungfrau aus dem Stamme der Brukterer, übte eine weitreichende Herrschaft aus entsprechend einer alten Sitte bei den Germanen, wonach sie viele Frauen für Prophetinnen und, mit dem Wachsen des Aberglaubens, sogar für Göttinnen halten. Und damals wuchs das Ansehen Veledas. Denn sie selbst hatte prophezeit, die Sache stehe für die Germanen günstig und die Legionen würden vernichtet werden. Aber Lupercus78 wurde unterwegs ermordet. Nur wenige in Gallien geborene Zenturionen und Tribunen wurden als Unterpfand des Bündnisses verschont. Die Winterlager der Kohorten, Reiterabteilungen und Legionen wurden eingerissen und verbrannt, nur die in Mogontiacum und in Vindonissa befindlichen blieben erhalten. 62. Die sechzehnte Legion mit den Hilfsvölkern, die sich gleichzeitig mit ihr ergeben hatten, erhielt den Befehl, von Noväsium nach der Koloniestadt der Trevirer sich in Marsch zu setzen. Der Termin für das Verlassen des Lagers wurde im Voraus festgelegt. Die ganze Zwischenzeit verbrachten sie unter allerlei Besorgnissen: die größten Feiglinge dachten angstvoll an den blutigen Vorgang von Vetera, der bessere Teil, vor sich selbst und vor anderen sich schämend, stellte die Frage: »Was ist das für ein Marsch? Wer wird uns den Weg führen?« Alles sei ja der Willkür derer anheimgestellt, die sie zu Herren über Leben und Tod gemacht hätten. Die einen bepackten sich, unbekümmert um ihr schändliches Gebaren, mit ihrem Geld oder, was ihnen sonst am liebsten war, die anderen brachten ihre Abwehrwaf-

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fen in Ordnung und hingen sich ihre Kampfwaffen um, als ob es zu einer Schlacht ginge. Unter solchen Beschäftigungen kam die Stunde des Abmarsches. Sie ließ sich noch trauriger an, als man erwartet hatte. Denn innerhalb des Walles waren die abscheulichen Zustände nicht in dem Maße in Erscheinung getreten. Jetzt, da man am hellen Tag in das freie Feld zog, enthüllte sich erst die ganze Schmach. Abgerissen waren die Bilder der Imperatoren, ohne Schmuck die Feldzeichen, während überall die Fahnen der Gallier glänzten. Schweigend zog die Kolonne dahin wie ein langer Leichenzug. Führer war Claudius Sanctus, der mit seinem ausgestochenen Auge ein grässliches Gesicht hatte, während der Verstand, den er hatte, noch kläglicher war. Das schändliche Geschehen verdoppelte sich, als sich eine zweite Legion, die das Lager bei Bonna verlassen hatte, dazu gesellte. Und da sich die Gefangennahme der Legionen herumgesprochen hatte, kamen alle, die kurz vorher noch vor dem bloßen Römernamen schauderten, von ihren Feldern und Gehöften gelaufen und strömten von überall herbei, um sich nur allzu sehr an dem ungewöhnlichen Schauspiel zu weiden. Die Picentinische Reiterabteilung79 ertrug die Freude der höhnenden Volksmenge nicht. Sie schlug die Versprechungen oder Drohungen des Sanctus in den Wind und zog nach Mogontiacum ab. Und zufällig begegnete ihnen Longinus, der Mörder Voculas. Sie warfen auf ihn mit Speeren und machten so den Anfang zu der künftigen Sühnung ihrer Schuld. Die Legionen setzten ihren Marsch unverändert fort und lagerten sich vor den Toren der Trevirerstadt. 63. Civilis und Classicus schwankten im Hochgefühl ihrer Erfolge, ob sie Colonia Agrippinensis ihren Heeren zur Plünderung überlassen sollten. Ihre Veranlagung zu Grausamkeit und ihre Beutegier zog sie zwar zur Vernichtung der Stadt hin, aber allgemeine Gründe der Kriegsführung und der Wunsch, in den für die Begründer einer Herrschaft nützlichen Ruf der Milde zu kommen, sprachen dagegen. Civilis ließ sich auch durch das Gedenken an die Wohltat, die ihm die Agrippinenser erwiesen hatten, bestimmen: sie hatten beim ersten Ausbruch der Unruhen seinen in Colonia Agrippinensis verhafteten Sohn in ehrenvollem Gewahrsam gehalten. Aber den rechtsrheinischen



Beratungen über das Schicksal von Köln

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Völkerschaften war die Stadt wegen ihres Wohlstandes und ihres Wachstums verhasst. Auch glaubten sie, der Krieg sei erst dann zu Ende, wenn hier ohne Unterschied der Wohnsitz für alle Germanen wäre oder mit seiner Zerstörung auch die Ubier zerstreut würden. 64. Deshalb schickten die Tencterer, ein durch den Rhein von ihnen getrennter Volksstamm, Gesandte mit dem Befehl, vor der Versammlung der Agrippinenser ihre Aufträge bekanntzugeben. Diese trug der unbändigste unter den Gesandten folgendermaßen vor: »Dass ihr in den Verband Germaniens zurückgekehrt seid und euch wieder zu seinem Namen bekennt, dafür danken wir den gemeinsamen Göttern und deren oberstem, dem Mars,80 und wir wünschen euch Glück, dass ihr endlich frei unter Freien sein werdet. Denn bis zu dem heutigen Tag hatten die Römer Flüsse und Länder, ja gewissermaßen den Himmel selbst verschlossen, um uns zu hindern, uns zu besprechen und zusammenzukommen, oder, was noch schmachvoller ist für Männer, die zu dem Waffenhandwerk geboren sind, uns nur ohne Waffen und fast nackt unter Aufsicht und gegen Bezahlung zusammenkommen zu lassen. Aber damit unsere Freundschaft und unser Bündnis auf ewig Gültigkeit habe, verlangen wir von euch, dass ihr die Mauern eurer Koloniestadt, das Bollwerk der Knechtschaft, niederreißt – auch wilde Tiere vergessen ihren Mut, wenn man sie eingeschlossen hält –, ferner, dass ihr alle Römer in eurem Gebiet umbringt – nicht leicht verträgt sich ja Freiheit und Gewaltherrschaft –; endlich soll das Besitztum der Getöteten Gemeingut werden, damit niemand etwas verheimlichen oder sich in Selbständigkeit absondern kann. Es soll uns und euch, wie einst unseren Vorfahren, freistehen, an beiden Ufern zu wohnen. Wie Licht und Tag allen Menschen, so hat tapferen Männern die Natur auch den Zugang zu allen Ländern geöffnet. Nehmt wieder die Gebräuche und die Lebensformen eurer Väter an und brecht mit den Genüssen, mit denen die Römer stärker als mit den Waffen auf die Unterworfenen einwirken! Als ein reines, unverdorbenes Volk, das die Knechtschaft vergessen hat, werdet ihr entweder gleichberechtigt mit anderen leben oder auch über andere gebieten.«

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65. Die Agrippinenser nahmen sich Bedenkzeit und, da die Furcht vor der Zukunft weder sich Bedingungen unterwerfen, noch die augenblickliche Lage solche offen zurückweisen ließ, antworteten sie folgendermaßen: »Die erste Gelegenheit zur Freiheit, die sich uns geboten hat, haben wir mit mehr Begierde als Vorsicht ergriffen, um uns mit euch und den übrigen Germanen, unseren Blutsverwandten, zu verbinden. Da sich eben jetzt Heere der Römer zusammenscharen, ist es für uns sicherer, die Mauern der Stadt zu verstärken, als sie einzureißen. Wenn aus Italien oder den Provinzen Ausländer in unserem Gebiet gewesen waren, so hat sie der Krieg weggerafft oder sie sind in ihre jeweilige Heimat zurückgeflohen. Für die einst hierher Geführten und mit uns in Ehegemeinschaft Lebenden sowie für deren Nachkommenschaft ist hier das Vaterland. Und wir halten euch nicht für so ungerecht, dass ihr wollt, wir sollten unsere Eltern, Brüder und Kinder töten. Zoll und sonstige Lasten, die auf dem Handel ruhen, heben wir auf. Herüberkommen sollt ihr ohne Aufsicht, aber bei Tage und ohne Waffen, bis die neuen, noch frischen Rechtsbestimmungen im Laufe der Zeit zur Gewohnheit geworden sind. Schiedsrichter werden uns Civilis und Veleda sein. Durch sie sollen die Abmachungen ihre feierliche Bestätigung erhalten.« Als man so die Tencterer beschwichtigt hatte, wurden Gesandte zu Civilis und Veleda mit Geschenken geschickt. Sie setzten alles entsprechend den Wünschen der Agrippinenser durch. Aber persönlich Veleda aufzusuchen und sie gar anzureden, blieb ihnen versagt. Man hielt sie von ihrem Anblick fern, damit man umso größere Ehrfurcht vor ihr habe. Sie selbst wohnte in einem hohen Turme. Ein Auserwählter aus ihren Verwandten brachte die Anfragen und Antworten wie eine Mittelsperson der Gottheit. 66. Civilis, durch das Bündnis mit den Agrippinensern gestärkt, beschloss, sich an die nächstgelegenen Stämme heranzumachen oder diese, falls sie eine ablehnende Haltung einnähmen, zu bekriegen. Er hatte das Gebiet der Sunucer besetzt und aus ihrer jungen Mannschaft Kohorten gebildet. Jedoch trat seinem weiteren Vordringen Claudius Labeo mit einem in Eile zusammengerafften Heerhaufen aus Bätasiern, Tungrern und Nerviern entgegen, wobei er auf die von ihm bezogene Stellung



Botschaft mit Geschenken an Civilis und Veleda

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vertraute, da er ihm mit der Besetzung der Brücke über die Mosa zuvorgekommen war. In der Enge der Brücke verlief der Kampf ohne Entscheidung, bis die Germanen über den Fluss schwammen und Labeo in den Rücken fielen. Zugleich stürzte sich Civilis – in plötzlichem Wagnis oder auch nach vorheriger Verabredung – unter die Kolonne der Tungrer und rief mit heller Stimme: »Nicht dazu haben wir den Krieg auf uns genommen, damit Bataver und Trevirer über die Völker gebieten. Fern liegt uns eine solche Anmaßung. Nehmt das Bündnis mit uns an! Ich gehe zu euch über, möget ihr mich nun als Heerführer oder als gewöhnlichen Soldaten haben wollen.« Dies machte auf die Mannschaften Eindruck, und sie steckten die Schwerter ein, als Campanus und Iuvenalis, die zu den Häuptlingen der Tungrer gehörten, ihm den gesamten Stamm übergaben. Bevor Labeo umzingelt wurde, entfloh er. Civilis nahm auch die Unterwerfung der Bätasier und Nervier an und reihte sie unter seine Truppen ein. So verfügte er über eine gewaltige Macht. Die Stämme waren entweder in Schrecken versetzt oder fielen von selbst ihm zu. 67. Inzwischen hatte Iulius Sabinus die Mahnmale des Bündnisses mit Rom umgestürzt und befahl, ihn als Cäsar zu begrüßen. Er marschierte eilends mit einem großen, ungeordneten Haufen seiner Landsleute in das Gebiet der Sequaner, eines angrenzenden Volksstammes, der uns treu war. Die Sequaner wichen dem Kampf nicht aus, und das Glück stand auf der Seite der Bessergesinnten. Die Lingonen wurden geschlagen. So unbesonnen und voreilig Sabinus den Kampf begonnen hatte, so angstvoll ließ er das Schlachtfeld im Stich. Und um das Gerücht von seinem Ende zu verbreiten, steckte er das Landhaus in Brand, in das er sich geflüchtet hatte; und wirklich glaubte man auch, er habe dort in freiwilligem Tod sein Ende gefunden. Aber mit welchen Listen und in welchen Verstecken er sein Leben in den nächsten neun Jahren gefristet hat, zugleich welche standhafte Treue seine Freunde bewiesen haben und welch leuchtendes Beispiel seine Gemahlin Epponina gegeben hat, das werde ich an geeigneter Stelle berichten.81 Durch die glückliche Schlacht der Sequaner kam der Kriegssturm zum Stehen. Die Gaue kamen allmählich wieder zur Besinnung und achteten wieder auf

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Recht und Verträge. Voraus gingen die Remer, die in Gallien verkündigten, man solle Gesandte schicken und eine gemeinsame Beratung abhalten, ob man lieber Freiheit oder Frieden haben wolle. 68. Aber in Rom gab man allem, was man hörte, ein schlimmeres Gesicht, und es erfüllte Mucianus mit der beklemmenden Sorge, es möchten selbst die hervorragendsten Heerführer – schon hatte er ja Gallus Annius82 und Petilius Cerialis83 auserwählt – der Führung des Krieges sich als nicht gewachsen erweisen. Und man durfte auch die Hauptstadt nicht ohne Leitung lassen. Zugleich fürchtete man sich vor den unbeherrschten Begierden des Domitianus, während man, wie wir gesagt haben, Primus Antonius und Varus Arrius nicht recht traute. Varus, an die Spitze der Prätorianer gestellt, suchte Gewalt und Waffen fest in seiner Hand zu behalten. Mucianus enthob ihn seiner Stellung, beauftragte ihn aber mit der Leitung der Getreideversorgung, um ihn nicht ohne Trost zu lassen. Und um auch Domitianus zu beschwichtigen, der, dem Varus mit entschiedener Zuneigung gegenüberstand, stellte er Arrecinus Clemens,84 der mit dem Hause des Vespasianus durch Verschwägerung verbunden und bei Domitianus sehr beliebt war, an die Spitze der Prätoria­ ner. Er erklärte dabei, sein Vater habe schon unter Gaius Cäsar diese Aufgabe hervorragend erfüllt, die Namensgleichheit werde von den Soldaten freudig begrüßt und er sei, obwohl zum Senatorenstand gehörig, beiden Aufgaben zugleich gewachsen. Hinzugenommen wurden die angesehensten Leute aus der Bürgerschaft, manche auch, die sich darum bewarben. Gleichzeitig rüsteten sich Domitianus und Mucianus zum Abmarsch. Sie hatten ein ungleiches Temperament: Domitianus konnte, da ihn Hoffnung und Jugend antrieb, alles nicht schnell genug gehen, Mucianus versuchte, Hemmnisse einzuschalten, um dadurch seinen Feuereifer einzudämmen und zu verhüten, dass er sich in seinem jugendlichen Ungestüm und unter dem Einfluss schlechter Ratgeber auf das Heer stürze und so als schlimmer Sachwalter des Friedens und des Krieges sich betätige. Von den siegreichen Legionen wurden die siebte Claudianische, die elfte und die achte und von den Vitellianischen die einundzwanzigste, von den frisch ausgehobenen die zweite über die Pönini-



Rom macht mobil · Zwietracht in Gallien

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schen und Cottischen Alpen, ein Teil über das Graius-Gebirge geführt, die vierzehnte Legion wurde aus Britannien, die sechste und erste aus Spanien herbeigerufen. So kamen denn auf das Gerücht von dem Herannahen des Heeres und, da sie auf Grund ihrer Veranlagung zu weniger scharfen Maßregeln neigten, die gallischen Stämme im Gebiet der Remer zusammen. Dort wartete schon eine Gesandtschaft der Trevirer, bei denen Iulius Valentinus am leidenschaftlichsten zum Kriege hetzte. Dieser schüttete in einer vorbereiteten Rede alle Vorwürfe, die man gewöhnlich gegen große Reiche erhebt, in hasserfüllten Schmähungen über das römische Volk aus, ein unruhiger Kopf, der alles in Aufruhr durcheinanderbrachte und bei den meisten wegen seiner besessenen Beredsamkeit beliebt war. 69. Aber Iulius Auspex, einer der Häuptlinge der Remer, redete von der römischen Macht und den Wohltaten des Friedens. Auch der Feigling fange Krieg an, geführt werde er aber unter dem gefahrvollen Einsatz gerade der Tüchtigsten, und schon säßen auch die Legionen ihnen im Nacken. So hielt er die verständigen Leute durch die Achtung, die man vor ihm hatte, und durch den Appell an ihr Pflichtgefühl, die Jüngeren durch den Hinweis auf die Gefahr und durch Furcht in Schranken. Und man lobte des Valentinus Mut und befolgte des Auspex Rat. Es steht fest, dass den Trevirern und Lingonen in Gallien der Umstand hinderlich war, dass sie es bei der Erhebung des Vindex mit Verginius gehalten hatten. Sehr viele schreckte die Eifersucht der Provinzen ab: wer solle das Haupt des Krieges sein? Woher solle man das Recht und den Segen der Götter holen? Und wo solle man, wenn alles gut gegangen sei, den Sitz für die Herrschaft auswählen? Noch war der Sieg nicht errungen, aber schon war die Zwietracht da. Zankend prahlten die einen mit ihren Bündnissen, die anderen mit ihrem Reichtum und ihren Kräften oder mit dem Alter ihres Stammbaums. Da man gegen das, was kommen mochte, einen Widerwillen hatte, fand man sich mit dem augenblicklichen Zustand ab. Man schrieb an die Trevirer im Namen Galliens Briefe, sie sollten die Waffen niederlegen, man könne Verzeihung erlangen und Fürsprecher stünden schon bereit, wenn man nur Reue zeige. Wieder war

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es Valentinus, der Widerstand leistete und die Ohren seiner Volksgenossen taub machte. Er war aber weniger bemüht, zum Krieg zu rüsten; vielmehr betätigte er sich häufiger als Redner in Volksversammlungen. 70. So entsprach weder bei den Trevirern noch bei den Lingonen oder bei den übrigen aufsässigen Stämmen der wirkliche Einsatz der Größe des gefahrvollen Unternehmens. Nicht einmal bei den Heerführern kam es zu einem einheitlichen Vorgehen, sondern Civilis zog in den unwegsamen Gegenden Belgiens umher und mühte sich dabei ab, Claudius Labeo gefangen zu nehmen oder ihn wenigstens zu verjagen. Classicus gab sich meistens faulem Nichtstun hin, als ob er bereits im Genusse der erworbenen Herrschaft wäre. Auch Tutor beeilte sich nicht, das obergermanische Rheinufer und die Alpenhöhen mit Truppen zu sperren. Inzwischen brach die einundzwanzigste L ­ egion von Vindonissa her, Sextilius Felix85 mit den Kohorten der Hilfstruppen über Rätien ein. Hinzu trat die Reiterabteilung der Singularen,86 die einst von Vitellius aufgestellt und dann zu der Partei des Vespasianus übergegangen war. An ihrer Spitze stand Iulius Briganticus, ein Schwestersohn des Civilis,87 der – wie ja der Hass zwischen den nächsten Angehörigen in der Regel am erbittertsten ist – seinem Oheim verhasst und mit ihm verfeindet war. Tutor verstärkte die Truppen der Trevirer, deren Zahl durch eine frische Aushebung bei den Vangionen, Cäracaten und Tribocern vermehrt war, durch altgediente Mannschaften zu Fuß und zu Pferd, indem er die Legionssoldaten durch Erweckung von Hoffnungen verleitete, oder sie auch durch Einschüchterung dazu zwang. Diese rieben zuerst eine von Sexti­lius Felix vorausgeschickte Kohorte auf. Als dann die Heerführer mit dem römischen Heer im Anmarsch waren, liefen sie in einer Regung von Ehrgefühl über und kehrten zurück. Die Tribocer, Vangionen und Cäracaten schlossen sich an. Tutor zog, begleitet von den Trevirern, nach Bingium ab, wobei sie Mogontiacum vermieden. Er vertraute auf die dortige Stellung, weil er die Brücke über die Nava abgebrochen hatte. Aber weil die von Sextius geführten Kohorten einen Angriff machten und sich eine Furt fand, sah er sich verraten und wurde in die Flucht geschlagen. Diese Niederlage versetzte die Trevirer in



Die Lage in Gallien · Cerialis in Mainz

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Schrecken. Die Mannschaften warfen die Waffen weg und zerstreuten sich über das Land hin. Einige der Häuptlinge flohen, um sich den Anschein zu geben, als hätten sie die Waffen zuerst niedergelegt, zu den Stämmen, die die Bundesgenossenschaft mit Rom noch nicht aufgegeben hatten. Die Legionen, die, wie oben erwähnt, von Noväsium und Bonna in das Gebiet der Trevirer geführt worden waren, vereidigten sich selbst auf Vespasianus. Dies ging in der Abwesenheit von Valentinus vor sich. Als dieser herankam, wütend und entschlossen, alles wieder in Aufruhr und Verderben zu stürzen, rückten die Legionen in das Gebiet der Mediomatriker, eines verbündeten Stamms, ab. Valentinus und Tutor brachten die Trevirer wieder unter die Waffen, nachdem sie die Legaten Herennius und Numisius ermordet hatten, damit das Verbrechen sie fester aneinander kette, wenn die Hoffnung auf Verzeihung schwinde. 71. So stand es um den Krieg, als Petilius Cerialis nach Mogontiacum kam. Sein Erscheinen richtete die Hoffnungen wieder auf. Er selbst, kampflustig und eher dazu veranlagt, den Feind zu verachten, als sich vor ihm in acht zu nehmen, entflammte durch herausfordernde Worte die Mannschaften, er werde, sobald sich die Gelegenheit zu einem Treffen ergebe, unverzüglich eine Schlacht liefern. Die in Gallien ausgehobenen Truppen schickte er zu ihren Stämmen zurück und befahl ihnen, zu melden, das römische Volk verfüge über genug Legionen, um seine Herrschaft zu sichern. Die Bundesgenossen sollten unbesorgt zu ihren Friedensbeschäftigungen zurückkehren, wie wenn der Krieg beendigt sei. Dessen Führung hätten die Römer in ihre Hand genommen. Dies erhöhte die Fügsamkeit der Gallier. Denn da sie ihre junge Mannschaft wiedererhalten hatten, nahmen sie die Steuern leichter auf sich und waren geneigter zu Dienstleistungen, weil man solche gar nicht haben wollte. Aber als Civilis und Classicus vernahmen, Tutor sei geschlagen, die Trevirer aufgerieben und alles stehe für die Feinde günstig, zogen sie bestürzt in aller Eile die zerstreuten Truppen der Ihrigen zusammen und warnten inzwischen durch wiederholte Absendung von Boten Valentinus, sich auf einen entscheidenden Kampf einzulassen. Umso rascher zog Cerialis, der Leute in das Gebiet der Mediomatriker gesandt hatte, die auf einem

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Viertes Buch, Kapitel 72 – 73

kürzeren Weg die Legionen gegen den Feind führen sollten, die gesamte Garnison von Mogontiacum und alle Truppen, die er mit sich herübergebracht hatte, zusammen und kam in drei Tagesmärschen nach Rigodulum. Valentinus hatte diesen Platz, der teils durch Berge teils durch die Mosella umschirmt war, mit einer großen Schar Trevirer besetzt. Zudem hatte er noch einen Graben und Steinbarrikaden angelegt. Doch schreckten diese Befestigungen den römischen Heerführer nicht davor zurück, dem Fußvolk den Befehl zu geben, sie zu erstürmen. Die Reiterei sollte sich einen Hügel hinaufziehen und zwar in Kampfformation. Dabei schätzte er den Feind gering in der Meinung, diesem komme, da es sich um eine planlos zusammengeraffte Truppe handle, sicher das Gelände nicht in dem Maße zustatten, dass nicht seine eigenen Leute auf ihre Tapferkeit nicht noch mehr bauen könnten. Bei dem Hinaufreiten kam es zu einer kurzen Stockung, während sie noch vor der feindlichen Schusslinie ritten. Als es dann zum Handgemenge kam, wurden sie hinuntergeworfen und fielen wie bei einem Einsturz kopfüber hinunter. Und ein Teil der Reiterei, der um die Berghöhen, wo sie flacher waren, herumgeritten war, nahm die Vornehmsten der Belger, darunter auch den Heerführer Valentinus, gefangen. 72. Als Cerialis am folgenden Tage in die Koloniestadt der Trevirer einrückte, wollten seine Soldaten durchaus die Stadt zerstören. Hier sei die Heimat des Classicus, hier die des Tutor. Deren Verbrechen sei schuld daran, dass die Legionen eingeschlossen und niedergemacht wurden. Was habe Cremona so Schlimmes verschuldet, dass man es aus dem Schoß Italiens herausgerissen habe, lediglich weil es die Sieger eine einzige Nacht aufgehalten habe? In dem Grenzgebiet Germaniens stehe unversehrt das Bollwerk von Leuten, die über die unseren Heeren weggenommenen Waffen und über die Ermordung der Heerführer frohlocken. Die Beute solle man dem Fiskus zuweisen, ihnen selbst würden die Einäscherung und die Trümmer der aufsässigen Koloniestadt genügen, mit denen die Vernichtung so vieler Lager aufgewogen würden. Cerialis unterdrückte ihre Erbitterung aus Furcht vor übler Nachrede, wenn man von ihm glaube, er erfülle die Mannschaften mit dem Geist der Willkür



Cerialis siegt und hält eine Rede

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und der Grausamkeit. Und wirklich gehorchten sie, da sie nach Beilegung des Bürgerkrieges auch in auswärtigen Kriegen sich disziplinierter benahmen. Darauf zog der klägliche Anblick der aus dem Gebiet der Mediomatriker herbeigerufenen Legionen die Aufmerksamkeit auf sich. Sie standen da, niedergeschlagen im Bewusstsein ihres schändlichen Verhaltens, die Augen zu Boden gesenkt. Zwischen den sich begegnenden Heeren fand keine Begrüßung statt und die Mannschaften der herbeigerufenen Legionen gaben auf Tröstung und Zuspruch keine Antwort. In ihren Zelten blieben sie verborgen und mieden sogar das Tageslicht. Und nicht so sehr war es Gefahr oder Furcht, sondern das Gefühl der Scham und der Schande, das sie so betroffen gemacht hatte. Auch die Sieger waren tief bestürzt und wagten nicht, sich zu einem Zuruf und zu Bitten herbeizulassen, sondern sie forderten nur in stillem Weinen Gnade. Endlich beschwichtigte sie Cerialis, indem er erklärte, das Schicksal habe bei allem, was durch die Zwietracht der Soldaten und Heerführer oder durch die List der Feinde geschehen sei, seine Hand im Spiele gehabt. Sie sollten diesen Tag als den ersten ihrer Dienstzeit und ihres Eides betrachten. An die früheren schlimmen Taten denke fernerhin weder der Imperator noch er selbst. Dann nahm man sie in dasselbe Lager auf, und in den Manipeln wurde verkündigt, keiner solle im Streit oder Zank einem Kameraden Aufruhr oder Niederlage zum Vorwurf machen. 73. Dann berief er die Trevirer und Lingonen zu einer Versammlung und hielt an sie folgende Ansprache: »Nie habe ich mich in Beredsamkeit geübt, dafür habe ich meinerseits die Tüchtigkeit des römischen Volkes mit den Waffen unter Beweis gestellt. Aber da auf euch Worte den größten Eindruck machen, und man das Gute und das Schlechte nicht nach seinem eigentlichen Wesen, sondern nach dem Geschrei von Aufrührern einschätzt, habe ich beschlossen, kurz auseinanderzusetzen, was nach der Beendigung des Krieges für euch nützlicher ist, wenn ihr es gehört habt, als für mich, wenn ich es gesagt habe. In eurem und der übrigen Gallier Land sind die römischen Heerführer und Imperatoren eingerückt ohne irgendein selbstsüchtiges Wollen, vielmehr weil eure Vorfahren sie herbeigerufen haben. Denn unter den inneren Zwistigkeiten hatten diese bis zur Ver-

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Viertes Buch, Kapitel 74 – 76

nichtung zu leiden, während die zu Hilfe gerufenen Germanen ihren Bundesgenossen, gleich als wären es ihre Feinde, das Joch der Knechtschaft auferlegt hatten. Wie viele Kämpfe sie gegen die Cimbern und Teutonen ausgefochten, welche Strapazen unsere Heere auf sich genommen haben, um die germanischen Kriege zu führen, und welchen Erfolg sie dabei hatten, ist rühmlich genug bekannt. Und nicht dazu stehen wir am Rhein, um Italien zu schützen, sondern damit nicht ein zweiter Ariovistus sich des Thrones in Gallien bemächtige. Oder glaubt ihr etwa, ihr wäret bei Civilis, den Batavern und den rechtsrheinischen Völkerschaften beliebter, als es eure Väter und Großväter bei deren Vorfahren gewesen sind? Der Anlass, nach Gallien herüberzukommen, ist für die Germanen immer der gleiche: ungehemmte Gier, Habsucht und Lust am Wechsel des Wohnsitzes, um ihre Sümpfe und Einöden zu verlassen und von diesem fruchtbarsten Boden, ja von euch selbst Besitz zu ergreifen. Allerdings schützt man Freiheit und sonstige schönklingende Worte vor. Aber noch nie hat jemand Knechtschaft für andere und Gewaltherrschaft für sich selbst gewünscht, ohne dass er eben diese Ausdrücke für sich in Anspruch genommen hätte. 74. Despotentum und Krieg hat es in Gallien immer gegeben, bis ihr unserem Rechtsbereich euch angeschlossen habt. Wir haben, obgleich so oft herausgefordert, nach dem Recht des Siegers nur das für euch hinzugefügt, womit wir den Frieden sichern wollten. Denn man kann nicht ohne Waffen die Ruhe der Völker, auch nicht die Heere ohne Sold und den Sold ohne Steuern haben. Alles Übrige habt ihr mit uns gemeinsam: ihr selbst steht zum größten Teil an der Spitze unserer Legionen, ihr selbst verwaltet diese und andere Provinzen.88 Von nichts seid ihr getrennt, nichts ist euch verschlossen. Und von gepriesenen Fürsten habt ihr gleichermaßen Nutzen, wenn ihr auch fern von ihnen lebt. Grausame Fürsten stürzen sich auf die zunächst Erreichbaren. Wie Dürre oder allzu häufiger Regen und alle übrigen Heimsuchungen der Natur, so ertraget eben die Schwelgerei oder die Habsucht der Despoten! Laster wird es immer geben, solange es Menschen gibt. Doch bestehen sie nicht ununterbrochen und werden durch das Dazwischentreten der Bessergesinnten wieder aufgewogen, es müsste denn



Rede an die Trevirer und Lingonen · Brief an Cerialis

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sein, dass ihr, wenn ein Tutor und Classicus König ist, eine maßvollere Regierung erhofft oder dass mit geringeren Tributen als jetzt Heere künftig beschafft werden, mit denen man Germanen und Britanner abwehren kann. Denn – mögen es die Götter verhindern! – werden die Römer vertrieben, was wird dann anderes entstehen als Kriege unter allen Völkern? In dem Glück und in der Zucht von achthundert Jahren ist dieses Gefüge zusammengewachsen. Man kann es nicht einreißen, ohne dass diejenigen, die es einreißen, mit ins Verderben gerissen werden. Aber ihr seid in der gefährlichsten Lage, da ihr über Gold und Schätze, die wesentlichsten Ursachen der Kriege, verfügt. Darum liebt und ehrt den Frieden und die Stadt, die ihr Besiegte und wir Sieger unter gleichem Recht in Besitz haben! Warnen mögen euch die Lehren des Schicksals des einen wie des anderen, Trotz mit Verderben der Unterordnung in Sicherheit vorzuziehen!« 75. Noch hielt das siegreiche Heer das Gebiet der Trevirer besetzt, als Civilis und Classicus an Cerialis einen Brief folgenden Inhalts schickten: Vespasianus sei gestorben. Man halte zwar die Nachrichten geheim. Die Hauptstadt und überhaupt Italien ­seien durch den Bürgerkrieg erschöpft. Die Namen Mucianus und Domitianus seien ohne jede Bedeutung und hinter ihnen stünden keine Kräfte. Wenn Cerialis die Herrschaft über Gal­ lien haben wolle, so würden sie selbst sich mit den Gebieten ihrer Gemeinden begnügen. Wolle er lieber den Kampf, so schlügen sie ihm auch diesen nicht ab. Darauf gab Cerialis an Civilis und Classicus keine Antwort. Den Überbringer des Briefes und den Brief selbst schickte er an Domitianus weiter. Die Feinde trafen in geteilten Heerhaufen von überall her ein. Sehr viele machten Cerialis Vorwürfe, er habe zugelassen, dass diejenigen sich vereinigen, die man hätte getrennt abfangen können. Das römische Heer legte um sein Lager, in welchem es bisher leichtfertig und ohne Schutzmaßnahmen gestanden hatte, Wall und Graben an. 76. Bei den Germanen gab es infolge von Meinungsverschiedenheit Streit. Civilis war der Auffassung, man solle auf die rechtsrheinischen Stämme warten. Die Kräfte des römischen Volkes seien schon gebrochen und würden, wenn noch dieser Schre-

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cken über sie komme, vollends aufgerieben werden. Was seien die Gallier anders als die Beute der Sieger? Und doch standen ihre Kerntruppen, die Belger, offen oder wenigstens mit ihren Wünschen auf seiner Seite. Tutor dagegen behauptete, wenn man zögere, wachse die römische Macht, da sich die Heere von überall her sammelten. Eine Legion sei von Britannien her­ übergebracht, andere seien aus Spanien herbeigerufen, wieder andere seien im Anmarsch aus Italien. Und zwar handle es sich dabei nicht um eiligst zusammengeraffte Mannschaften, sondern um altgediente, kriegserprobte. Die Germanen, auf die sie selbst ihre Hoffnung setzten, ließen sich ja nicht kommandieren und nicht lenken, sondern würden in allem nach Willkür handeln. Über Geld und sonstige Geschenke, die einzigen Mittel zu ihrer Bestechung, würden die Römer in reicherem Maß verfügen, und niemand habe eine solch ausgesprochene Neigung zum Krieg, dass er sich nicht lieber für ein geruhsames als für ein gefahrvolles Leben bezahlen ließe. Komme es aber zu einem sofortigen Zusammenstoß, stünden Cerialis keine anderen Legionen zur Verfügung als die aus den Resten des germanischen Heeres gebildeten, durch das Bündnis mit Gallien verpflichteten. Eben die Tatsache, dass sie kürzlich den ungeordneten Haufen des Valentinus entgegen ihrer eigenen Erwartung geschlagen hätten, gebe ihrer Verwegenheit und der ihres Heerführers neue Nahrung. Sie würden zu einem neuen Wagnis schreiten und würden nicht einem unerfahrenen, ganz jungen Menschen, der mehr an Reden und Versammlungen als an Schwert und Waffen denke, in die Hände fallen, sondern einem Civilis und Classicus. Sobald sie diese zu Gesicht bekommen hätten, werde in ihnen wieder die Erinnerung an Angst, an Flucht und Hunger und an ihr Leben aufsteigen, das sie, so vielfach als Gefangene, sich erbettelt hatten. Auch die Trevirer oder Lingonen könne man nicht durch Entgegenkommen an sich binden: sie würden wieder zu den Waffen greifen, sobald die Furcht verschwunden sei. Schließlich schlichtete Classicus die widerstreitenden Meinungen dadurch, dass er die Auffassung Tutors billigte, und so schritten sie sofort zu deren Ausführung. 77. Das Mitteltreffen wurde den Ubiern und Lingonen zugewiesen. Auf dem rechten Flügel standen die Kohorten der Bataver,



Blutiger und wechselnder Kampf bei Trier

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auf dem linken die Brukterer und die Tencterer. Ein Teil stürmte über die Berge, ein anderer zwischen der Straße und der Mosella so unerwartet heran, dass Cerialis in seinem Schlafzimmer und in seinem Bett – er hatte nämlich die Nacht nicht im Lager zugebracht – zugleich hörte, man kämpfe und seine Leute würden besiegt. Er schimpfte auf die verängstigten Boten, bis die Niederlage in ihrem ganzen Ausmaß in Erscheinung trat: der Feind war in das Lager der Legionen eingebrochen, die Reiterei in die Flucht geschlagen, die Brücke über die Mosella, die die Verbindung des jenseitigen Gebietes mit der Koloniestadt herstellt, in der Mitte vom Feinde besetzt. Cerialis verlor, als es drunter und drüber ging, die Ruhe nicht und zog die Fliehenden handgreiflich zurück, stürzte sich ohne Deckung in den Geschosshagel, eroberte in glücklichem Draufgängertum, unterstützt durch die tapfersten Leute, die herbeieilten, die Brücke zurück, die er dann durch eine auserlesene Schar sicherte. Darauf kehrte er in das Lager zurück und sah, dass die Manipel der Legionen, die bei Noväsium und Bonna gefangengenommen worden waren, sich davonmachten, die Mannschaften nur noch vereinzelt bei ihren Fahnen blieben und die Adler bereits umzingelt waren. Da rief er zornentbrannt: »Nicht Flaccus, nicht Vocula lasst ihr im Stich. Hier handelt es sich nicht um Verrat. Nichts sonst habe ich zu entschuldigen, als dass ich leichtfertig geglaubt habe, ihr hättet das gallische Bündnis vergessen und die Erinnerung an den römischen Eid sei in euch wieder lebendig geworden. Man wird mich zu Leuten wie Numisius und Herennius89 rechnen, damit doch ja alle eure Legaten entweder von der Hand ihrer eigenen Soldaten oder der der Feinde gefallen sind. Geht, meldet Vespasianus oder, was näherliegt, Civilis und Classicus, dass ihr auf dem Schlachtfeld euren Heerführer im Stich gelassen habt! Kommen werden Legionen, die weder mich ungerächt noch euch unbestraft lassen.« 78. So war es auch in Wirklichkeit, und von den Tribunen und Präfekten wurden die gleichen Vorhaltungen gemacht. Man stellte sich geordnet nach Kohorten und Manipeln auf. Denn das Heer konnte nicht regelrecht zur Schlacht aufmarschieren. Der Feind stürmte überall heran, und Zelte und Gepäck bildeten Hindernisse, da man ja innerhalb des Walles kämpfte. Tutor

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und Classicus riefen, jeder an seiner Stelle, zum Kampfe auf und spornten die Gallier an, sich für die Freiheit, die Bataver sich für den Ruhm, die Germanen sich für das Beutemachen einzusetzen. Und alles war für die Feinde günstig, bis die einundzwanzigste Legion, die sich in einem weiteren Raum als die übrigen zusammengeschart hatte, die Heranstürmenden aufhielt und bald auch zum Weichen brachte. Und es geschah nicht ohne göttliche Hilfe, dass plötzlich die Stimmung umschlug und die Sieger sich zur Flucht wandten. Sie selbst gaben an, der Anblick der Kohorten habe sie erschreckt; diese sammelten sich, beim ersten Angriff zersprengt, ganz oben auf den Höhen wieder und hatten den Anschein erweckt, als ob neue Hilfe käme. Aber den Siegern stand ihr eigenes verkehrtes Verhalten im Wege: sie ließen vom Feinde ab und machten um die Wette Jagd auf Beute. Wie aber Cerialis durch seine Sorglosigkeit beinahe eine Katastrophe verschuldet hätte, so stellte er die Lage durch seine feste Haltung wieder her: Er folgte seinem Stern und eroberte und zerstörte das feindliche Lager noch am gleichen Tage. 79. Doch den Mannschaften gönnte man keine lange Ruhepause. Die Agrippinenser baten um Hilfe und boten die Gemahlin und die Schwester des Civilis sowie die Tochter des Classicus, die man als Unterpfand des Bündnisses bei ihnen gelassen hatte, an. Inzwischen hatten sie die in den Häusern zerstreuten Germanen ermordet. Daher waren sie in Angst, und ihre Bitten, Hilfe zu senden, noch ehe die Feinde mit erneuerten Kräften wieder Hoffnung schöpften oder gar zu einem Rachezug anträten, hatten allen Grund. Denn auch Civilis hatte dorthin seine Blicke gerichtet, und er war dafür nicht zu schwach, da seine feurigste Kohorte, die aus Chauken und Friesen bestand, und in Tolbiacum im Gebiet der Agrippinenser lag, noch ungeschwächt war. Aber die betrübliche Nachricht, die Kohorte sei durch die Hinterlist der Agrippinenser vernichtet, brachte ihn davon ab. Diese hatten die Germanen, die reichlich gegessen und Wein getrunken hatten und dadurch eingeschläfert waren, verbrannt, nachdem die Türen zugesperrt und Feuer hineingeworfen worden war. Zugleich kam Cerialis in Eilmärschen zu Hilfe. Auch die weitere Besorgnis hatte Civilis bedrängt, es



Wechselndes Kriegsglück · Umtriebe des Mucianus

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möchte die vierzehnte Legion im Zusammenwirken mit der britannischen Flotte die Bataver an der Seite, wo sie der ­Ozean umschließt, heimsuchen. Doch die Legion führte auf dem Landweg der Legat Fabius Priscus in das Gebiet der Nervier und Tungrer. Diese Völkerschaften unterwarfen sich. Die Flotten griffen ihrerseits die Canninefaten an, wobei die Mehrzahl der Schiffe versenkt oder weggenommen wurde. Ein großer Heerhaufen Nervier, die aus eigenem Entschluss für die Römer Krieg führten, wurde gleichfalls von den Canninefaten geschlagen. Auch Classicus lieferte gegen die von Cerialis nach Noväsium vorausgeschickte Reiterei ein erfolgreiches Gefecht. Dies waren zwar unbedeutende Schlappen, aber sie wiederholten sich und ruinierten den Ruhm des kürzlich errungenen Sieges. 80. In denselben Tagen90 ließ Mucianus den Sohn des Vitellius umbringen. Er schützte dabei vor, die Zwietracht werde weiterbestehen, wenn er nicht den Krieg im Keime ersticke. Er ließ auch nicht zu, dass Domitianus den Antonius Primus in sein Gefolge berief. Er war durch die Anhänglichkeit der Soldaten und den Hochmut des Mannes in Angst versetzt, da dieser keinen Gleichgestellten, geschweige einen Höhergestellten neben sich duldete. Antonius reiste zu Vespasianus ab, wo er zwar nicht so, wie er erwartet hatte, aufgenommen wurde, aber auch seitens des Imperators keine Ablehnung fand. Vespasianus war in einer zwiespältigen Lage: auf der einen Seite standen die Verdienste des Antonius, unter dessen Führung der Krieg unbestreitbar beendigt worden war, auf der anderen die Briefe des Mucianus. Zugleich zogen die übrigen gegen ihn als einen gehässigen, aufgeblasenen Menschen los und brachten dabei Beschuldigungen aus seinem früheren Lebenswandel bei. Auch ließ er es seinerseits nicht daran fehlen, bei anderen durch sein anmaßendes Wesen Anstoß zu erregen, indem er seine eigenen Verdienste übertrieben hervorhob. Andere wieder beschimpfte er als Feiglinge, Cäcina als einen Gefangenen und einen Menschen, der sich auf Gnade und Ungnade ergeben habe. Daher büßte er an Gewicht und Wert allmählich immer mehr ein. Doch blieb zum Schein das freundschaftliche Verhältnis bestehen. 81. In diesen Monaten, in denen Vespasianus in Alexandrien die periodischen Sommerwinde91 und sichere Seefahrt erwar-

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tete, geschahen viele Wunder, durch die des Himmels Gunst und eine gewisse Zuneigung der Götter für Vespasianus sich kundtat. Ein Mann aus dem niederen Volk von Alexandria, der durch den Verlust seines Augenlichtes bekannt war, wälzte sich zu seinen Knien hin und bat stöhnend um ein Mittel gegen seine Blindheit. Der Gott Serapis92 habe ihm dazu geraten; ihn verehrt das abergläubischen Vorstellungen hingegebene Volk vor allen anderen. Er flehte den Fürsten an, er möge geruhen, seine Wangen und seine Augen mit Speichel zu bespeien. Ein anderer, dessen Hand gelähmt war, bat auf Veranlassung des gleichen Gottes, der Cäsar möge ihn mit Fuß und Fußsohle treten. Vespasianus spottete zuerst und verhielt sich ablehnend. Als aber jene ihn bestürmten, fürchtete er einerseits, sein vergebliches Bemühen möchte in das Gespräch der Leute kommen, andererseits ließ er sich durch ihre beschwörende Bitten und durch die schmeichelnden Zurufe dazu bestimmen, die Sache nicht für aussichtslos zu halten. Zuletzt ließ er sich von den Ärzten ein Gutachten geben, ob eine solche Blindheit und Lähmung durch menschliche Hilfe heilbar sei. Die Ärzte gaben unterschiedliche Erklärungen ab: bei dem einen sei die Sehkraft nicht ganz erloschen und werde wiederkehren, wenn die Hemmnisse beseitigt würden, bei dem anderen seien die Glieder nur verrenkt und könnten wieder in einen normalen Zustand gebracht werden, wenn man eine entsprechende Kur anwende. Vielleicht sei dies der Wunsch der Götter und der Fürst sei zu einem göttlichen Dienst auserkoren. Im Übrigen werde der Ruhm, wenn das Heilmittel Erfolg habe, dem Cäsar zufallen, wenn es erfolglos bleibe, der Spott die beiden Unglücklichen treffen. Und so führte Vespasianus, in dem Glauben, seinem Glücke stehe alles offen und es gebe fernerhin nichts mehr, was man ihm nicht zutraue, selbst mit freudiger Miene und unter gespannter Erwartung der herumstehenden Menge aus, wozu man ihn aufforderte. Sofort wurde die Hand wieder benutzbar und dem Blinden kehrte das Tageslicht zurück. Beides erzählen die Augenzeugen auch heute noch,93 wo sie doch von einer Lüge nichts mehr zu gewinnen haben. 82. Ein tiefergehendes Verlangen ergriff darauf Vespasianus, die heilige Stätte zu besuchen, um über die Lage des Reiches sich



Vespasianus in Alexandria und im Serapistempel

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zu befragen. Er befahl seinem ganzen Gefolge, von dem Tempel wegzubleiben. Dann trat er ein, und ganz der Gottheit hingegeben, sah er hinter seinem Rücken Basilides, der zu den vornehmsten Ägyptern gehörte. Von diesem wusste er bestimmt, dass er mehrere Tagereisen von Alexandria entfernt sei und dort durch eine Erkrankung festgehalten werde. Er befragte die Priester, ob an diesem Tage Basilides den Tempel betreten habe, er befragte auch die Leute, die ihm begegneten, ob man ihn in der Stadt gesehen habe. Zuletzt schickte er Reiter ab und stellte fest, dass dieser zu dem fraglichen Zeitpunkt achtzig Meilen weit weg gewesen sei. Da deutete er es als eine göttliche Erscheinung und schloss aus dem Namen Basilides94 auf die Bedeutung eines Götterspruches. 83. Die Herkunft des Gottes ist von unseren Schriftstellern noch nicht behandelt worden. Die Priester der Ägypter geben folgende Darstellung: Dem König Ptolemäus, der als erster der Mazedonen die Macht Ägyptens gestärkt hat,95 sei, als er dem frisch gegründeten Alexandria Mauern, Tempel und Götterkulte gab, im Schlaf ein Jüngling von ausnehmender Schönheit und über­ menschlicher Gestalt erschienen. Dieser habe ihn aufgefordert, die treuesten seiner Freunde nach Pontus zu schicken und von dort sein Bild holen zu lassen. Dies bringe dem Königreich Glück, und groß und berühmt werde die Stätte werden, die es aufnehme. Zugleich habe man gesehen, wie der gleiche Jüngling in einem gewaltigen Feuer zum Himmel sich erhoben habe. Ptolemäus eröffnete, durch die wunderbare Erscheinung erregt, den ägyptischen Priestern, die solches zu deuten pflegten, das nächtliche Gesicht. Und da jene im Pontus und überhaupt im Ausland sich nicht recht auskannten, befragte er den Athener Timotheus aus dem Geschlecht der Eumolpiden,96 den er in seiner Eigenschaft als Vorsteher des heiligen Mysteriendienstes von Eleusis hergerufen hatte, was denn dies für ein Kult und was es für eine Gottheit sei. Timotheus befragte Leute, die schon nach Pontus gereist waren, und erfuhr, dort sei die Stadt Sinope und nicht fern ein in der Gegend altberühmter Tempel des Iuppiter Dis.97 Es stehe auch eine weibliche Figur da, die man allgemein Proserpina nenne. Aber Ptolemäus, wie nun einmal Könige veranlagt sind, hatte es mit der Angst zu

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tun. Als er seine Ruhe wiedergefunden hatte, verlor er, mehr auf Vergnügungen als auf religiöse Verpflichtungen bedacht, die Sache allmählich aus den Augen und wandte sein Interesse wieder anderen Aufgaben zu, bis die gleiche Erscheinung, nun bereits schrecklicher und dringlicher, ihm selbst und seinem Reiche das Verderben ankündigte, wenn man das Befohlene nicht durchführe. Da befahl er, Gesandte mit Geschenken zu dem König Skydrothemis – dieser herrschte damals über Sinope – abzufertigen, und wies sie, als sie im Begriffe waren, abzufahren, an, den pythischen Apollo zu befragen. Sie hatten günstige Seefahrt, und der Orakelspruch war unzweideutig: sie sollten gehen und das Bild ihres Vaters heimbringen, das ihrer Schwester zurücklassen. 84. Als sie nach Sinope kamen, brachten sie Geschenke, Bitten und Aufträge ihres Königs vor Skydrothemis. Dieser war in einem inneren Zwiespalt: er fürchtete sich einerseits vor der Gottheit, andererseits ließ er sich durch die drohende Haltung der Bevölkerung einschüchtern. Oft ließ er sich auch durch die Geschenke und die Versprechung der Gesandten wieder umstimmen. So vergingen inzwischen drei Jahre, und Ptolemäus setzte nicht seine Bemühungen und nicht seine Bitten aus. Er schickte Gesandte mit höherem Rang, er erhöhte die Zahl der Schiffe, das Gewicht des Goldes. Da erschien dem Skydrothemis eine drohende Gestalt und verkündigte, er solle die Erfüllung des göttlichen Gebotes nicht weiter hinauszögern. Als er aber immer noch zögerte, brachten ihn allerlei Heimsuchungen, Krankheiten und der offensichtlich täglich zunehmende Zorn der Götter in große Not. Er berief eine Volksversammlung und legte das Gebot der Gottheit, die ihm und Ptolemäus zuteil gewordenen Erscheinungen und das drohende Unheil dar. Aber die große Masse wollte nicht auf den König hören. Sie war neidisch auf Ägypten, fürchtete für sich selbst und umlagerte den Tempel. So nahm das Gerede einen nur noch weiteren Umfang an, der Gott sei mit den am Strand liegenden Schiffen von selbst abgefahren. Und dann – es klingt wundersam – landete man nach drei Tagen Fahrt über eine so weite Meeresstrecke in Alexandria. Ein Tempel, der der Größe der Stadt entsprach, wurde an dem Platz erbaut, der Rhacotis98 heißt. Dort hatte eine seit



Gott Serapis · Domitianus und Mucianus in Gallien

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alters her dem Serapis und der Isis geweihte Kapelle gestanden. Soweit die verbreitetste Kunde von dem Ursprung und der Ankunft des Gottes! Es ist mir aber nicht unbekannt, dass manche behaupten, der Gott sei aus Seleucia, einer Stadt Syriens, unter der Regierung des Königs Ptolemäus, der der dritten Generation angehörte,99 geholt worden. Andere wieder geben an, es sei zwar der gleiche Ptolemäus, der dies veranlasst habe, aber der Sitz, von dem der Gott herübergekommen sei, sei Memphis, eine einst berühmte Stadt und der Hort des alten Ägyptens. In dem Gott selbst vermuten viele Äsculapius, weil er Kranke heile, manche Osiris, die älteste Gottheit bei jenen Völkern, sehr viele Iuppiter als den Herrscher über die Welt, die meisten aber Dispater auf Grund seiner Attribute und der an ihm selbst erkennbaren Merkmale, oder auch anderweitiger dunkler Deutungen. 85. Aber bevor Domitianus und Mucianus sich den Alpen näherten, erhielten sie die günstigen Nachrichten von den Geschehnissen in dem Lande der Trevirer. Eine besondere Bestätigung des Sieges stellte der feindliche Heerführer Valentinus dar, der keineswegs kleinmütig war, vielmehr in seiner Miene die stolze Gesinnung zur Schau trug, die er betätigt hatte. Man hörte ihn nur dazu an, seine Wesensart kennenzulernen. Als er verurteilt wurde, gab er einem, der ihm gerade bei der Hinrichtung vorwarf, seine Vaterstadt sei erobert worden, zur Antwort, er nehme dies als Trost im Tode. Mucianus aber rückte mit einem lange verborgen gehaltenen Gedanken, als wäre er etwas ganz Neues, heraus: weil durch die Gnade der Götter die feindlichen Kräfte gebrochen seien, wäre es für Domitianus nicht recht schicklich, nachdem der Krieg nahezu beendigt sei, den Ruhm eines anderen in den Schatten zu stellen. Wenn der Bestand des Reiches oder das Wohl Galliens auf dem Spiel stehe, so wäre es die Pflicht des Cäsars gewesen, auf dem Schlachtfeld seinen Mann zu stehen, und man hätte die Canninefaten und Bataver untergeordneten Heerführern als Aufgabe zuweisen sollen. Er selbst solle in Lugdunum Macht und Glanz des Prinzipats aus nächster Nähe zeigen, ohne sich in kleinere Gefahren zu mischen und ohne in größeren künftig zu fehlen. 86. Man erkannte seine Schliche. Aber es gehörte zur Willfährigkeit, dass man so tat, als bemerke man sie nicht. So kam man

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Viertes Buch, Kapitel 86

nach Lugdunum. Von dort aus – so glaubt man – stellte Domitianus durch geheime Boten an Cerealis dessen Treue auf die Probe, ob er ihm bei seinem persönlichen Erscheinen das Heer und das Oberkommando übergeben werde. Ob er mit diesem Plan einen Krieg gegen seinen Vater oder die Beschaffung von Mitteln und Streitkräften gegen seinen Bruder betrieben hat, ließ sich nicht feststellen. Denn Cerialis wich ihm mit vernünftiger Zurückhaltung aus, als ob es sich bei seinem Wunsche um eine bedeutungslose Kinderei handle. Da Domitianus sah, dass er von den Älteren wegen seiner Jugend nicht beachtet werde, gab er auch die unbedeutenden und bisher in Anspruch genommenen Regierungsbefugnisse auf. Er zog sich unter der Maske bescheidener Einfachheit ganz in sich selbst zurück und schützte wissenschaftliche Beschäftigung und Liebe zur Dichtung vor, um seine Gesinnung zu verhüllen und sich der Eifersucht seines Bruders zu entziehen, dessen verschiedenes und milderes Wesen er in entgegengesetztem Sinne auslegte.

Fünftes Buch 1. Zu Beginn des gleichen Jahres ging der Cäsar Titus, den sein Vater auserlesen hatte, Judäa vollends zu bezwingen, und der sich schon einen Namen als Kriegsmann zu der Zeit gemacht hatte, da beide noch im Privatleben standen, nunmehr mit größerer Tatkraft und erhöhtem Ruf1 zu Werke, während die Provinzen und die Heere um die Wette ihm ihre Zuneigung bezeugten. Und er selbst stellte sich, um den Glauben zu erwecken, er sei über seine hohe Stellung noch hinausgewachsen, stattlich und tatbereit in seiner Rüstung zur Schau und weckte durch Leutseligkeit und persönliche Ansprache den Diensteifer, mischte sich meistens bei der Schanzarbeit und auf dem Marsch unter die Mannschaften, ohne dabei seiner Würde als Heerführer Eintrag zu tun. Drei Legionen erwarteten ihn in Judäa, die fünfte, zehnte und fünfzehnte, eine altgediente Truppe des Vespasianus. Er fügte noch die zwölfte aus Syrien und die aus Alexandria herbeigeholte zweiundzwanzigste und dritte Legion hinzu. Mit ihm zogen zwanzig Kohorten der Bundesgenossen, acht Reiterabteilungen, zugleich die Könige Agrippa und Sohämus sowie die Hilfstruppen des Königs Antiochus2 und ein starker Heerhaufen Araber, die in ihrem unter Anwohnern üblichen Hass mit den Juden verfeindet waren, endlich viele, wie jeden eben die Hoffnung, den noch unvoreingenommenen Fürsten für sich zu gewinnen, aus der Hauptstadt und aus Italien hergeführt hatte. Mit diesen Truppen marschierte er in geschlossener Ordnung in das feindliche Land ein, alles auskundschaftend und entschlossen zum Entscheidungskampf. Nicht weit von Hierosolyma schlug er ein Lager. 2. Doch, da ich im Begriff bin, von dem letzten Tag der berühmten Stadt zu berichten, scheint es mir angemessen, ihre Ursprungsgeschichte darzulegen.3 Wie man erzählt, sind die Juden von der Insel Kreta geflohen und haben sich in den äußersten Gebieten Libyens4 niedergelassen. Dies geschah zu der Zeit, da Saturnus, von Iuppiter mit Gewalt vertrieben, ihm seine Reiche abtrat.5 Der Beweis wird von dem Namen abgeleitet:

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Fünftes Buch, Kapitel 3 – 5

in Kreta gebe es einen berühmten Berg Ida, und die an ihm wohnenden Idäer nenne man in einer fremdartigen Erweiterung des Namens Judäer. Manche berichten auch, unter der Königin Isis habe sich ein Menschenstrom, geführt von Hierosolymus und Judas, in die nächstgelegenen Länder entladen. Sehr viele reden von einer Nachkommenschaft der Äthiopier, die unter dem König Cepheus6 Furcht und Hass zum Wechsel des Wohnsitzes veranlasst habe. Manche überliefern, es habe sich hergelaufenes assyrisches Volk, das kein Ackerland besaß, eines Teiles von Ägypten bemächtigt und dann eigene Städte und die hebräischen Gebiete sowie die Syrien näherliegenden Gegenden besiedelt. Andere wiederum geben den Juden einen rühmlichen Ursprung: die Solymer, ein in den Gesängen Homers gefeierter Volksstamm,7 hätten die Stadt gegründet und nach ihrem eigenen Namen Hierosolyma genannt. 3. Die meisten Quellen stimmen in folgendem überein: Als in Ägypten eine Seuche ausbrach, die den menschlichen Körper entstellte, habe der König Bocchoris8 sich an das Orakel des Hammon9 gewendet und um ein Heilmittel gebeten. Da sei er aufgefordert worden, sein Königreich zu säubern und diese Menschenklasse, als den Göttern verhasst, in andere Länder fortzuschaffen. So habe man das Volk zusammengesucht und gesammelt und es in der Wüste seinem Schicksal überlassen. Während nun die übrigen sich stumpfsinnigem Weinen hingaben, habe sie Moyses, einer der Vertriebenen, gewarnt, von Göttern oder Menschen irgendeine Hilfe zu erwarten, da sie von beiden verlassen seien. Vielmehr sollten sie auf sich selbst unter der Führung des Gottes vertrauen, mit dessen Hilfe sie zuerst die augenblicklichen Mühsale abgewehrt hätten. Sie stimmten zu und, gänzlich unkundig, begannen sie ihre Wanderung aufs Geratewohl. Aber unter nichts litten sie so sehr wie unter Wassermangel, und schon waren sie, dem Verschmachten nahe, überall in den Ebenen umgesunken, als eine Herde Wildesel10 von der Weide auf einen im Schatten eines Hains liegenden Felsen lief. Moyses folgte und schloss aus dem grasbewachsenen Boden auf reiche Wasseradern, die er auch wirklich fand. Daran erquickten sie sich, und nach einem ununterbrochenen Marsch von sechs Tagen besetzten sie am siebten nach



Titus Feldherr in Judäa · Ursprung der Juden

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Vertreibung der Bewohner die Gebiete, in denen eine Stadt gegründet und ein Tempel geweiht wurde. 4. Moyses gab, um sich des Volkes für die Zukunft: zu versichern, ihm Gebräuche, die neu waren und denen aller übrigen Menschen zuwiderliefen. Unheilig ist dort alles, was bei uns heilig ist, wiederum bei ihnen erlaubt, was bei uns als unrein gilt. Das Bild des Tieres, durch dessen Hinweis sie dem Umherirren und dem Durst ein Ende gemacht hatten, weihten sie in dem Innern ihres Heiligtums, nachdem sie, gleichsam um Hammon zu verhöhnen, einen Widder geschlachtet hatten. Auch der Stier wird geopfert, da ja die Ägypter den Apis verehren. Schweinefleisch essen sie nicht. Denn sie erinnern sich an die Plage, da sie selbst einst der Aussatz entstellt hatte, dem dieses Tier ausgesetzt ist. Zu der einstigen langen Hungerzeit bekennen sie sich heute noch durch häufiges Fasten, und als Zeugnis für die gierig zusammengerafften Feldfrüchte enthält das jüdische Brot keinen Sauerteig. Am siebten Tage, sagt man, haben sie einen Ruhetag eingelegt, weil dieser Tag ihren Mühen ein Ende gemacht habe. Als ihnen dann das Nichtstun behagte, habe man auch das siebte Jahr dem Müßiggang geweiht. Andere erklären, dies sei eine Ehre, die Saturnus erwiesen werde, sei es, dass die Idäer, die, wie wir vernommen haben, mit Saturnus vertrieben und die Gründer des Volkes wurden, ihnen den Ursprung des Kultes überlieferten, oder weil von den sieben Gestirnen,11 die über den menschlichen Dingen walten, der Stern des Saturnus im höchsten Kreis und mit besonderer Macht umlaufe und die meisten Himmelskörper ihren Weg und ihren Umlauf im Rhythmus der Siebenzahl machen. 5. Wie immer diese Gebräuche eingeführt worden sind, sie finden ihre Rechtfertigung in ihrem hohen Alter. Alle übrigen Einrichtungen sind widerwärtig, abscheulich und haben nur durch ihre Widernatur Geltung erlangt. Denn es waren gerade die schlechtesten Elemente, die unter Verleugnung ihrer heimischen religiösen Gebräuche Tribute und Gaben dort zusammentrugen. Davon wuchs die Macht der Juden. Einen weiteren Grund hierfür bildete die Treue, die sie einander unverbrüchlich halten, sowie das Mitleid, das sie bereitwillig walten lassen, während sie gegen alle anderen einen feindlichen Hass betäti-

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Fünftes Buch, Kapitel 6 – 7

gen:12 sie speisen getrennt und schlafen abgesondert, und während sie ein Volk sind, das sich sinnlichem Genuss ganz hingibt, halten sie sich dem Beischlaf mit fremdbürtigen Frauen fern. Unter sich selbst kennen sie nichts Unerlaubtes. Sie haben die Sitte der Beschneidung eingeführt, um durch diese Verschiedenheit sich kenntlich zu machen. Ihre Proselyten nehmen denselben Brauch an, und nichts wird ihnen früher beigebracht, als ihre Götter zu verachten, ihr Vaterland zu verleugnen, Eltern, Kinder, Brüder gering zu achten. Doch wird für den Bevölkerungszuwachs Sorge getragen. Denn es gilt als Sünde, einen von den Nachgeborenen zu töten,13 und die Seelen der im Kampf oder durch Hinrichtung Umgekommenen halten sie für unsterblich. Daher stammt die Lust zum Kinderzeugen und die Todesverachtung. Nach ägyptischer Sitte begraben sie ihre Toten, anstatt sie zu verbrennen. Sie haben auch den gleichen Bestattungsritus und die gleiche Vorstellung von der Unterwelt, während die Anschauungen von den himmlischen Dingen entgegengesetzt sind. Die Ägypter verehren viele Tiere und selbstgefertigte Bilder, bei den Juden liegt nur eine Erkenntnis im Geiste vor, die sich auf ein einziges göttliches Wesen bezieht. Gottlos seien alle, die sich Götterbilder in menschlicher Gestalt aus irdischen Stoffen schaffen; jenes höchste und ewige Wesen sei weder nachahmbar noch vergänglich. Daher stellen sie auch keine Götterbilder in ihren Städten, geschweige denn in ihren Tempeln auf. Nicht Königen wird eine solche Huldigung zuteil, nicht den Cäsaren solche Ehre. Aber weil ihre Priester Flötenspiel mit Paukenbegleitung erschallen ließen, sich mit Efeu bekränzten, und weil man im Tempel eine goldene Rebe fand,14 glaubten einige, es werde Vater Liber, der Bezwinger des ­Orients, verehrt, obgleich die kultischen Einrichtungen keineswegs damit übereinstimmen. Denn die Gebräuche, die Liber15 eingesetzt hat, tragen ein festliches, fröhliches Gepräge, während die Sitte der Juden widerwärtig und hässlich ist. 6. Das Land wird im Osten von Arabien begrenzt, im Süden stößt es an Ägypten, im Westen an die Phöniker und das Meer, nach Norden zieht es sich lang hin in Richtung auf Syrien. Die Menschen sind körperlich gesund und können Strapazen ertragen. Regen ist selten, der Boden fruchtbar. Die Erzeugnisse sind die



Gebräuche der Juden · Beschreibung Judäas

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gleichen wie bei uns, zusätzlich gibt es Balsam und Palmen. Die Palmenwälder sind hoch und schön gewachsen. Der Balsam ist ein mäßig hoher Baum. Sobald in einem Zweig der Saft angeschwollen ist und man mit einem Messer in ihn kräftig schneidet, stocken die Gefäße. Mit dem Bruchstück eines Steines oder mit einem Scherben ritzt man sie. Der Saft wird als Heilmittel verwendet. Als Hauptgebirge erhebt sich der Libanon. Die Luft ist dort seltsamerweise mitten in einem solch heißen Klima kühl, und der Schnee bleibt liegen. Er speist auch den Jordan und verleiht ihm die Strömung. Doch wird der Jordan nicht vom Meer aufgenommen, sondern er durchströmt den ersten und einen zweiten See, ohne sich mit ihnen zu vermischen. Im dritten kommt er nicht weiter. Der See hat einen gewaltigen Umfang und das Aussehen eines Meeres. Doch ist der Geschmack seines Wassers widerlicher, und durch seinen Gestank bringt er den Anwohnern schwere gesundheitliche Schäden. Er wird durch keinen Wind bewegt, und es können sich in ihm keine Fische oder Wasservögel halten. Die träge Wasserfläche trägt, was man auf sie wirft, wie auf festem Boden. Des Schwimmens Kundige und Unkundige werden gleichermaßen auf ihr getragen. Zu einer bestimmten Jahreszeit wirft er Erdharz16 aus. Die Art und Weise, wie man es sammelt, hat man aus der Erfahrung gelernt, wie auch die anderen Fertigkeiten. Die Flüssigkeit ist ursprünglich schwarz. Wenn man Säure auf sie gießt, wird sie dick und schwimmt obenauf. Die damit Beschäftigten fischen diese mit der Hand auf und ziehen sie auf die höchste Stelle des Schiffes hinauf. Von dort gleitet sie ganz von selbst in das Schiff hinein und bleibt dort als Ballast, bis man sie weghaut. Doch kann man dies nicht mit Erz oder Eisen tun. Sie weicht zurück vor frischem Blut und einem von der monatlichen Regel der Frauen befleckten Kleid. So berichten die alten Schriftsteller. Aber die ortskundigen Leute überliefern, man treibe die schwimmenden Massen von Erdharz an das Ufer und ziehe sie dann mit der Hand heraus. Sobald sie darauf durch die Hitze des Bodens und durch die Kraft der Sonne getrocknet seien, würden sie mit Beilen und Keilen wie Balken oder Steine auseinandergehauen. 7. Nicht weit davon befinden sich Ebenen, die, wie man erzählt, einst fruchtbar waren und in denen große bewohnte Städte la-

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Fünftes Buch, Kapitel 8 – 10

gen, die aber durch einen Blitzstrahl in Flammen aufgegangen seien. Noch seien Spuren vorhanden, aber der Boden selbst sehe ausgedörrt aus und habe seine fruchtbringende Kraft verloren. Denn alles, was von selbst wächst oder was Menschenhand pflanzt, mag es nun nur bis zum Kraut oder auch zur Blüte oder gar zu einer festen Frucht herangewachsen sein, wird schwarz und taub und löst sich gleichsam in Asche auf. So möchte ich zwar meinerseits zugeben, dass einst berühmte Städte von himmlischem Feuer verzehrt worden sind, glaube aber andererseits, dass durch die Ausdünstung des Sees der Boden vergiftet und die Atmosphäre darüber verpestet wird und dass deshalb die Sommer- und die Herbstfrüchte verfaulen, da für sie der Boden und das Klima gleichermaßen schädlich sind. Der Belius-Fluss mündet in das jüdische Meer. An seiner Mündung sammelt man Sand, dem man Salpeter beimischt, um es dann zu Glas auszuglühen. Es handelt sich dabei nur um eine kurze Strecke des Strandes, die aber für die Ausbeutung unerschöpflich ist. 8. In einem großen Teil Judäas17 finden sich zerstreute Dörfer, doch gibt es auch Städte. Hierosolyma ist die Hauptstadt des Landes. Dort befindet sich ein Tempel von unermesslichem Reichtum. Die äußersten Befestigungsanlagen umschließen die Stadt, die zweiten die Königsburg, die innersten den Tempel. Nur bis an dessen Tore durfte ein Jude gehen, an der Schwelle wurden sie, abgesehen von den Priestern, zurückgehalten. Solange der Orient in der Hand der Assyrer, Meder und Perser war, waren sie der verachtetste Teil der Geknechteten. Als aber die Mazedonier die Vorherrschaft erhielten, versuchte der König Antiochus,18 den Aberglauben zu beseitigen und die Sitten der Griechen einzuführen. Aber durch den Partherkrieg wurde er daran gehindert, das so abscheuliche Volk zum Besseren zu wandeln. In dieser Zeit nämlich war Arsaces19 abgefallen. Da setzten sich die Juden, weil die Macht der Mazedonier geschwächt und die der Parther noch nicht erstarkt war – die Römer waren fern –, sich selbst Könige20 ein. Diese wurden von dem wankelmütigen Volk vertrieben, setzten sich aber dann wieder mit Waffengewalt in den Besitz der Herrschaft, nahmen es sich heraus, Mitbürger zu verbannen, Städte zu zerstören,



Hauptstadt Hierosolyma · Geschichte des Volkes

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Brüder, Gattinnen, Eltern umzubringen und anderes, was so bei Königen üblich ist, pflegten aber den Aberglauben, weil man die Ehrenstellung des Priestertums als Stütze der Macht beizog. 9. Als erster Römer hat Cn. Pompeius21 die Juden bezwungen und mit dem Recht des Siegers den Tempel betreten. Seitdem verbreitete sich die Kunde, drinnen befinde sich kein Götterbild, die Stätte sei leer, und mit ihrem Geheimkult habe es nichts auf sich. Die Mauern von Hierosolyma wurden niedergerissen, nur das Heiligtum blieb stehen. Als dann in unserem Bürgerkrieg die Provinzen des Orients in die Hand des M. Antonius übergegangen waren,22 bemächtigte sich der Partherkönig Pacorus Judäas, wurde aber von P. Ventidius Bassus getötet, und die Parther wurden über den Euphrat zurückgeworfen.23 Die Juden unterwarf C. Sosius,24 die Königsherrschaft wurde von Antonius an Herodes übergeben und von dem Sieger Augustus erweitert. Nach dem Tode des Herodes hatte, ohne erst den Cäsar abzuwarten, ein gewisser Simo sich den Königstitel angemaßt.25 Er wurde von Quintilius Varus, der Syrien verwaltete, bestraft, und über das gemaßregelte Volk regierten nach der Aufteilung des Landes in drei Bezirke die Söhne des Herodes. Unter Tiberius26 herrschte Ruhe. Dann befahl ihnen C. Cäsar, sein Bild im Tempel aufzustellen. Aber sie griffen lieber zu den Waffen. Diesen Aufstand beendigte der Tod des Cäsars. Claudius überließ nach dem Tode der Könige oder nach der Einschränkung ihrer Stellung die Provinz Judäa römischen Rittern oder Freigelassenen, von denen Antonius Felix in jeglicher Form von Grausamkeit und Willkür das Recht eines Königs in dem Geiste eines Sklaven ausübte:27 er nahm Drusilla, die Enkelin Cleopatras und des Antonius, zur Frau, so dass dieser Felix der Mann der Enkelin eben des Antonius und Claudius der Enkel war.28 10. Dennoch hielten die Juden geduldig bis zu dem Prokurator Gessius Florus aus. Unter ihm brach der Krieg aus. Als Cestius Gallus, der Legat von Syrien, ihn zu unterdrücken suchte, sah er sich wechselvollen Kämpfen, die öfters auch ungünstig verliefen, gegenüber. Dieser starb eines natürlichen Todes oder beging Selbstmord aus Lebensüberdruss.29 Darauf schickte Nero den Vespasianus, und dank seinem Glück, seinem Ruf und sei-

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Fünftes Buch, Kapitel 11 – 13

nen hervorragenden Helfern hatte dieser innerhalb von zwei Sommern das ganze offene Land und alle Städte, außer Hierosolyma, mit seinem siegreichen Heere fest in der Hand. Das nächste Jahr war durch den Bürgerkrieg in Anspruch genommen und verging, soweit es die Juden betraf, in Ruhe. Als der Friede in Italien errungen war, kehrten auch die ausländischen Sorgen wieder. Die erbitterte Stimmung wurde noch durch den Umstand erhöht, dass die Juden allein nicht nachgegeben hatten. Zugleich erschien es für alle Erfolge oder auch Misserfolge des neuen Prinzipats nützlich, wenn Titus bei den Heeren blieb. 11. So schlug er also, wie wir gesagt haben, vor den Mauern von Hierosotyma sein Lager auf und stellte seine Legionen in Schlachtordnung zur Schau. Die Juden stellten sich unmittelbar vor den Mauern zur Schlacht, um im Falle eines glücklichen Verlaufs sich weiter vorzuwagen oder, falls sie geschlagen würden, gleich eine sichere Zuflucht zu haben. Man schickte Reiterei mit leichten Kohorten gegen sie vor. Jedoch kämpften diese ohne Entscheidung. Dann aber wichen die Feinde, und in den folgenden Tagen fand nacheinander eine Reihe von Gefechten vor den Toren statt, bis die Juden unter andauernden Verlusten hinter die Mauern zurückgeworfen wurden. Dann traten die Römer zum Sturm an. Denn es erschien nicht als würdig, auf eine Hungersnot bei den Feinden zu warten, und man verlangte den Kampf, teils, um seine Tapferkeit zu beweisen, viele von Draufgängertum und der Gier nach Belohnungen besessen. Titus selbst schwebte Rom mit seinen Schätzen und Vergnügungen vor Augen, die, wie es schien, ihm vorenthalten würden, wenn Hierosolyma nicht sofort fiele. Aber man hatte die schon vorher auf steiler Höhe gelegene Stadt noch durch gewaltige Befestigungswerke verstärkt, die sogar für ebenes Gelände ausreichenden Schutz geboten hätten. Denn zwei riesige Hügel waren von Mauern umschlossen, die schräge oder einspringende Winkel bildeten, damit die Sturmtruppen gegen Geschosse von der Seite her ungedeckt seien. Der äußere Rand des Felsens fiel steil ab, und die Türme erhoben sich, wo der Berg mithalf, sechzig Fuß hoch, in den Einsenkungen einhundertzwanzig Fuß30 hoch. Sie boten einen bewundernswerten Anblick, und wenn man sie von weitem sah, erschienen sie alle gleich hoch. Eine



Belagerung von Hierosolyma

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andere Mauer weiter innen umschloss die Königsburg. Von beträchtlicher Höhe war der Antonius-Turm, so zu Ehren des M. Antonius von Herodes genannt.31 12. Der Tempel erhob sich wie eine Burg. Er hatte eigene Mauern, ein Werk, an das man ganz besondere Mühe gewendet hatte. Selbst die Säulenhallen, die sich rings um den Tempel hinzogen, bildeten ein hervorragendes Bollwerk. Eine Quelle mit fließendem Wasser, unterirdische Gelasse im Berge, Fischteiche und Zisternen zur Aufbewahrung des Regenwassers waren vorhanden. Die Erbauer hatten infolge der Verschiedenheit der Sitten mit häufigen Kriegen gerechnet. Daher war alles auf eine noch so lange Belagerung abgestellt. Und seit der Eroberung durch Pompeius hatten ihnen Furcht und Erfahrung vielfache Wege gewiesen. Die Habsucht der Zeiten eines Claudius hatte es ihnen ermöglicht, sich das Recht zur Anlage von Befestigungen zu erkaufen, und so hatten sie im Frieden Mauern erbaut, als ob diese für den Krieg bestimmt wären. Dabei war nach der Zerstörung der übrigen Städte durch den großen Menschenzustrom die Bevölkerung gewachsen. Denn gerade die hartnäckigsten Widerstandskämpfer hatten sich dorthin geflüchtet, und umso größer war die Aufsässigkeit. Drei Heerführer und ebenso viele Heere hatten sie. Die äußerste und umfangreichste der Mauern hatte Simo, die mittlere Ioannes, den sie auch Bargioras nannten, den Tempel Eleazarus gesichert. Die Stärke des Ioannes und des Simo lag in der Zahl ihrer Mannschaften und in deren Bewaffnung, die des Eleazarus in der Lage seines Befehlsabschnittes. Aber unter ihnen wüteten Kämpfe, Hinterlist und Brandstiftung, durch die eine große Menge Getreide in Flammen aufging. Dann schickte Ioannes unter dem Vorwand, zu opfern,32 Leute aus, die Eleazarus und seine Schar ermordeten, und bemächtigte sich des Tempels. So spaltete sich die Bürgerschaft in zwei Parteien, bis mit dem Herannahen der Römer der Krieg mit dem äußeren Feind die innere Eintracht wiederherstellte. 13. Es waren Wunderzeichen eingetreten. Doch hat das dem Aberglauben ergebene, heiligen Verpflichtungen ­ abgeneigte Volk nicht das Recht, solche durch Opfer von Tieren oder durch Gelübde zu sühnen. Am Himmel sah man Heerscharen

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Fünftes Buch, Kapitel 14 – 16

im Kampfe aufeinanderstoßen, rotleuchtende Waffen und in einem plötzlichen Feuer der Wolken den Tempel aufleuchten. Mit einem Schlag öffneten sich die Tore des Tempels, und man vernahm eine übermenschliche laute Stimme: »Die Götter ziehen aus!« Zugleich spürte man die gewaltige Bewegung eines Auszuges. Das deuteten nur wenige als einen Anlass zur Furcht. In der Mehrzahl lebte die Überzeugung, in den alten Priesterschriften sei es enthalten, dass eben zu dieser Zeit der Orient erstarken werde und von Judäa Leute ausgehen werden, die sich der Weltherrschaft bemächtigen. Diese zweideutigen Worte hatten sich auf Vespasianus und Titus bezogen. Aber die große Masse deutete entsprechend dem üblichen menschlichen Wünschen den so weitreichenden Schicksalsspruch auf sich selbst und bekehrte sich auch im Unglück nicht zu der Erkenntnis der Wahrheit. Die Menge der Belagerten jeglichen Alters, männlichen und weiblichen Geschlechts, betrug, wie wir vernommen haben, sechshunderttausend. Waffen hatten alle, die solche tragen konnten, und es waren derer, die sie zu ergreifen wagten, mehr, als es ihrer Zahl entsprochen hätte. Gleich hartnäckigen Widerstand leisteten Männer und Frauen, und wenn man sie zwingen würde, ihre Wohnsitze zu verlegen, hätten sie größere Furcht vor dem Leben als vor dem Tode. Das war die Stadt und war das Volk, gegen das der Cäsar Titus, weil die örtliche Lage eine Bestürmung und auch plötzliche Überfälle nicht zuließ, mit der Aufführung von Dämmen und der Anlage von Sturmdächern zu kämpfen beschloss. Die Aufgaben wurden unter den Legionen verteilt, und es wurde eine Kampfpause eingelegt, bis alle zu der Eroberung einer Stadt benötigten Mittel, die schon von den Alten erfunden oder neu ersonnen waren, fertiggestellt wurden. 14. Aber Civilis hatte nach der unglücklichen Schlacht im Trevirerlande sein Heer in Germanien ergänzt und lagerte sich bei Castra Vetera, geschützt durch das Gelände und in dem Wunsche, der Mut der Barbaren möge sich durch die Erinnerung an die dortigen Erfolge heben. Cerialis folgte ihm dorthin. Seine Truppen hatten sich durch das Eintreffen der zweiten, sechsten und vierzehnten Legion verdoppelt. Auch die Kohorten und Reiterabteilungen, die man schon längst herbeigerufen hatte,



Civilis bei Vetera · Kampf am Rheinufer

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hatten sich nach dem Siege beeilt. Keiner von den beiden Heerführern war ein Zauderer. Doch bildeten die weiten, von Natur aus feuchten Ebenen ein Hindernis. Dazu hatte Civilis quer in den Rhein einen Damm aufführen lassen, durch dessen Widerstand der Fluss zurückgestaut und das angrenzende Gelände überschwemmt werden sollte. So sah die Gegend aus: sie war tückisch mit ihren unsicheren Untiefen und für uns ungünstig. Denn die römischen Soldaten sind schwerbewaffnet und haben Angst vor dem Schwimmen, die Germanen sind an Flüsse gewöhnt, und mit ihren leichten Waffen und ihren schlanken Körpern können sie sich über Wasser halten. 15. Als daher die Bataver unsere Leute herausforderten, begannen die Tapfersten unter den Unsrigen den Kampf. Daraus ergab sich eine beängstigende Lage: Waffen und Pferde versanken in den sehr tiefen Sümpfen. Die Germanen ritten durch die ihnen bekannten Furten, gaben im Wesentlichen den Frontalangriff auf und umzingelten die Unsrigen auf den Flanken und im Rücken. Nicht wie in einer Schlacht von Truppen zu Fuß kämpfte man Mann gegen Mann, sondern wie in einer Seeschlacht trieb man in den Wogen umher oder, wo man festen Boden fand, stemmte man sich mit dem ganzen Körper hinauf; Verwundete und Unverwundete, des Schwimmens Kundige und Unkundige zogen sich gegenseitig ins Verderben. Doch waren die blutigen Verluste geringer, als es dem Getümmel entsprochen hätte, weil die Germanen aus dem Sumpfgelände nicht herauszukommen wagten, sondern in das Lager zurückkehrten. Der Ausgang dieses Kampfes trieb beide Heerführer aus verschiedenen Beweggründen dazu, die Entscheidung beschleunigt herbeizuführen: Civilis wollte sich dem Glück nicht versagen, Cerialis wollte die Schande austilgen; die Germanen pochten auf ihr Glück, die Römer hatte ihr Ehrgefühl angespornt. Die Nacht verlief bei den Barbaren unter Gesang oder Geschrei, bei den Unsrigen in einer erbitterten Stimmung, die sich in Drohungen Luft machte. 16. Am folgenden Morgen füllte Cerialis die vordere Linie mit Reiterei und Kohorten der Hilfstruppen auf, in die zweite Linie wurden die Legionen gestellt, für sich selbst hatte der Heerführer für unvorhergesehene Fälle eine auserlesene Truppe zurückgehalten. Civilis stellte seine Truppen nicht in einer lang-

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Fünftes Buch, Kapitel 17 – 18

gezogenen Linie, sondern in einzelnen Keilen auf. Die Bataver und Cugerner standen rechts, links näher am Fluss die Rechtsrheinischen. Die ermahnenden Worte der Heerführer richteten sich nicht, wie sonst bei einer Soldatenversammlung an die Gesamtheit, sondern an die einzelnen Gruppen ihrer Leute, wie sie gerade an diese heranritten. Cerialis sprach von dem alten Ruhm des römischen Namens, von den früheren und den neuen Siegen. Sie sollten den treulosen, feigen, besiegten Feind für immer vernichten. Man brauche eher Rache als Kampf. Als Minderheit hätten sie kürzlich mit einer Übermacht gerungen, und doch seien die Germanen in die Flucht geschlagen worden, und zwar mit ihren Kerntruppen. Es seien nur solche noch übrig, die Fluchtgedanken in ihren Herzen und Wunden auf ihrem Rücken trügen. Darauf suchte er die Legionen, jede an ihrer besonderen Eigenart packend, anzuspornen, wobei er die Leute der vierzehnten Legion »Bezwinger von Britannien« nannte; durch das Ansehen der sechsten Legion sei Galba zum Fürsten erkoren worden; die zweite Legion würde in dieser Schlacht zum ersten Mal ihre neuen Feldzeichen und ihre neuen Adler weihen. Von da ritt er vor das germanische Heer und rief mit ausgestreckten Armen, sie sollten ihr Ufer, ihr Lager mit dem Blut ihrer Feinde wiedergewinnen. Freudiger erklang das Kriegsgeschrei bei allen, die entweder nach langem Frieden den Kampf wünschten oder sich kriegsmüde nach Frieden sehnten; man erhoffte auch für die Zukunft Belohnungen und Ruhe. 17. Auch bei dem Heer des Civilis ging es nicht still zu, während er es zum Kampf aufstellte: er rief den Kampfplatz als Zeugen ihrer Tapferkeit an: die Germanen und Bataver stünden auf den Spuren ihres Ruhmes und sie träten auf die Asche und die Gebeine der Legionen mit ihren Füßen. Wohin der Römer seine Blicke richte, schwebe ihm das Bild von Gefangenschaft, Niederlage und allen möglichen Schrecknissen vor Augen. Sie sollten sich durch den nicht eindeutigen Ausgang des Kampfes mit den Trevirern nicht schrecken lassen. Ihr eigener Sieg sei dort den Germanen im Wege gewesen, während sie ihre Waffen beiseiteließen und ihre Hände mit der Beute behinderten. Aber alles habe sich bald zum Heil gewendet und sei dem Feind zum Unheil ausgeschlagen. Wofür der Heerführer mit Klugheit habe



Blutige Schlacht und Flucht der Germanen

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Vorsorge treffen müssen, das sei von ihm besorgt worden: matschige Ebenen, die ihnen selbst bekannt, Sümpfe, die den Feinden nachteilig seien. Der Rhein und die Götter Germaniens stünden ihnen vor Augen. Ihr Walten solle sie begleiten, wenn sie den Kampf aufnehmen, eingedenk ihrer Frauen, Eltern und des Vaterlandes. Dieser Tag werde entweder der ruhmreichste sein unter allen, die ihre Vorfahren erlebt hätten, oder ein solcher der Schande bei der Nachwelt. Sobald mit Waffengeklirr und Tanz im Dreischritt – dies ist so bei ihnen Sitte – seinen Worten Beifall gespendet worden war, wurde der Kampf mit Steinen, Kugeln und den anderen Wurfgeschossen begonnen. Doch unsere Soldaten betraten das Sumpfgelände nicht, und die Germanen reizten sie auch nicht, um sie hervorzulocken. 18. Als die Geschosse aufgebraucht waren und der Kampf heißer tobte, machten die Feinde einen schärferen Vorstoß. In ihrer gewaltigen Körpergröße stachen sie mit ihren überlangen Lanzen aus der Entfernung auf unsere Leute ein, die keinen festen Stand hatten und wankten. Zugleich schwamm von dem Damm, der, wie wir berichtet haben, in den Rhein hinein aufgeführt war, eine Abteilung der Brukterer in Keilform hinüber. Dort kamen die Römer in große Bestürzung, und schon wurde die Linie der verbündeten Kohorten zurückgeworfen, als die Legionen den Kampf auffingen, dem wilden Angriffsgeist der Feinde Einhalt geboten und der Kampf gleich auf gleich sich stellte. Inzwischen kam ein batavischer Überläufer zu Ceria­lis und versprach, ihn dem Feind in den Rücken zu führen, wenn am Rande des Sumpfes Reiterei losgeschickt würde. Dort sei fester Boden und stünden die Cugerner, denen die Bewachung zugefallen sei, ohne dass sie jedoch recht auf der Hut seien. Zwei Reiterabteilungen wurden mit dem Überläufer abgesandt und umzingelten den arglosen Feind. Als man dies an dem Geschrei erkannte, drangen die Legionen in der Front vor. Die Germanen wurden geschlagen und suchten auf der Flucht den Rhein zu erreichen. An diesem Tage hätte man den Krieg zu Ende führen können, wenn die römische Flotte rasch genug gefolgt wäre. Nicht einmal die Reiterei blieb dem Feind auf den Fersen, da es plötzlich in Strömen regnete und die Nacht schon nahe war.

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Fünftes Buch, Kapitel 19 – 22

19. Am folgenden Tage wurde die vierzehnte Legion dem Gallus Annius in die obergermanische Provinz zugeschickt. Des Ce­ ria­lis Heer wurde durch die zehnte Legion aus Spanien ergänzt, zu Civilis kamen die Hilfstruppen der Chauken. Dennoch wagte er es nicht, den Hauptort der Bataver mit Waffen zu schützen, sondern er raubte alles, was man forttragen konnte, steckte den Rest in Brand und zog sich auf die Insel zurück. Er war sich bewusst, dass Schiffe zur Herstellung einer Brücke fehlten und er auf andere Weise das Heer nicht hinüberführen könne. Ja, er zerstörte sogar den von Drusus Germanicus erbauten Damm und ließ den Rhein, der in natürlichem Gefälle Gallien zueilt, nach Zerstörung der seinen Lauf verzögernden Anlagen abströmen.33 So wurde der Fluss gleichsam abgeleitet, und das schmalgewordene Flussbett hatte das Bild zusammenhängenden Landgebietes zwischen der Insel und den Germanen geschaffen. Über den Rhein34 gingen auch Tutor und Classicus und einhundertunddreizehn Senatoren der Trevirer. Unter ihnen befand sich Alpinius Montanus,35 der, wie weiter oben berichtet, von Primus Antonius nach Gallien geschickt worden war. In seiner Begleitung befand sich sein Bruder D. Alpinius. Zugleich suchten die übrigen, durch Erregen von Mitleid und durch Geschenke unter den kriegslustigen Stämmen Hilfstruppen auf die Beine zu bringen. 20. So wenig hatte der Krieg sein Ende gefunden, dass Civilis die Stützpunkte der Kohorten, Reiterabteilungen und Legionen an einem einzigen Tage in vier Heerhaufen überfiel: die zehnte Legion in Arenacum, die zweite in Batavodurum, und die Lagerplätze der Kohorten und Reiterabteilungen in Grinnes und Vada,36 wobei die Truppen so geteilt waren, dass er selbst und Verax, sein Schwestersohn, und Classicus sowie Tutor ihren eigenen Heerhaufen mit sich führten. Allerdings trauten sie sich nicht zu, alles durchzuführen. Aber sie sagten sich, dass denen, die vieles wagen, wenigstens in dem einen oder anderen Falle das Glück zur Seite stehen werde. Zugleich könne Cerialis, der nicht genügend auf der Hut sei und auch unter dem Eindruck sich häufender Meldungen bald hierhin, bald dorthin laufe, unterwegs abgefangen werden. Diejenigen, denen der Angriff auf das Lager der zehnten Legion zugefallen war, glaubten, ein



Überfall auf Lager und Flotte der Römer

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Sturm auf die Legion sei zu schwierig. Sie machten Störangriffe auf die Mannschaften, die ausgerückt und mit Holzfällen beschäftigt waren, wobei der Lagerpräfekt und fünf Zenturionen der oberen Rangstufen sowie einige Mannschaften fielen. Die übrigen verteidigten sich hinter den Befestigungen. Inzwischen bemühte sich eine Schar Germanen, in Batavodurum die begonnene Brücke zum Einsturz zu bringen. Das Treffen fand mit der Nacht sein Ende, ohne dass es zu einer Entscheidung gekommen wäre. 21. Gefährlicher ging es bei Grinnes und Vada zu. Vada wurde von Civilis, Grinnes von Classicus bestürmt. Und man konnte sie nicht zum Stehen bringen, da die tapfersten Leute gefallen waren. Darunter befand sich auch Briganticus, der Befehlshaber einer Reiterabteilung, der, wie berichtet, den Römern treu und mit seinem Oheim Civilis verfeindet war. Aber als Ceria­ lis mit einer auserlesenen Reiterschar zu Hilfe kam, wandte sich das Glück: die Germanen wurden kopfüber in den Fluss getrieben. Während Civilis die Fliehenden zurückhielt, wurde er erkannt. Man schoss auf ihn, er ließ sein Pferd zurück und schwamm über den Fluss. Auf gleiche Weise entkam Verax. Tutor und Classicus kamen auf Kähnen, die man herangeführt hatte, hinüber. Auch jetzt nahm die römische Flotte an dem Kampf nicht teil, obwohl es befohlen war; die Furcht hinderte sie und zugleich die Abwesenheit der Rudermannschaft, die, mit anderen dienstlichen Aufträgen beschäftigt, sich zerstreut hatte. Allerdings gab Cerialis zu der Ausführung seiner Befehle immer zu wenig Zeit: er fasste plötzliche Entschlüsse und – der Erfolg gab ihm recht. Das Glück stand ihm zur Seite, auch wo er es an der Betätigung seiner Fähigkeiten hatte fehlen lassen. Daher kam es auch, dass er sowohl wie sein Heer sich nicht so sehr um die Disziplin kümmerten. Und nach wenigen Tagen entzog er sich zwar der Gefahr der Gefangenschaft, aber der üblen Nachrede entging er nicht. 22. Er war nach Noväsium und Bonna gereist, um die Lager zu besichtigen, die für die Legionen zum Überwintern errichtet wurden, und befand sich auf der Rückreise zu Schiff. So war sein Heer auseinandergerissen, und zudem ließen es die Wachmannschaften an der nötigen Aufmerksamkeit fehlen. Dies be-

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Fünftes Buch, Kapitel 23 – 24

merkten die Germanen und setzten einen Überfall ins Werk. Sie wählten eine wolkendunkle Nacht aus, wurden von der starken Strömung flussabwärts getrieben und drangen dann, ohne Widerstand zu finden, in die Umwallung ein. Beim ersten blutigen Zusammenstoß half ihnen eine List: sie hieben die Seile der Zelte durch und machten die unter ihren eigenen Zelten Begrabenen nieder. Eine zweite Abteilung stürzte sich auf die Flotte. Sie warf Schlingen auf das Hinterdeck der Schiffe und schleppte diese fort. Und wie sie zuerst, um nicht bemerkt zu werden, in aller Stille vorgegangen waren, so erfüllten sie jetzt, als das Morden begonnen hatte, um größeren Schrecken zu verbreiten, alles mit ihrem Geschrei. Die Römer, erst durch die Verwundungen aufgeweckt, suchten nach ihren Waffen, rannten durch die Lagergassen, nur wenige in ihrer Kriegsausrüstung; die meisten hatten ihr Gewand um die Arme geschlungen und nur das Schwert aus der Scheide gezogen. Der Heerführer, noch halb im Schlaf und fast unbekleidet, rettete sich durch einen Irrtum der Feinde: sie schleppten das an seiner Flagge kenntliche Befehlshaberschiff in dem Glauben ab, der Heerführer befinde sich darauf. Cerialis hatte anderwärts die Nacht zugebracht, um, wie die meisten glauben, bei einer verheirateten Ubierin, namens Claudia Sacrata, zu schlafen. Und die Wachen suchten ihr Vergehen mit dem unehrenhaften Verhalten ihres Heerführers zu entschuldigen, als ob man ihnen zu schweigen befohlen habe, um nicht des Cerialis Ruhe zu stören. So ­seien Signal und Postenrufe unterblieben, und sie seien ebenfalls eingeschlafen. Am hellen Tage fuhren die Feinde mit den erbeuteten Schiffen zurück. Das Befehlshaberschiff, einen Dreiruderer, schleppten sie auf dem Flusse Lupia als Geschenk für Veleda fort. 23. Civilis wandelte die Lust an, seine Kriegsflotte vorzuführen. Er bemannte sämtliche Zweiruderer und auch die Fahrzeuge, die eine einfache Ruderreihe hatten. Hinzugefügt wurde eine gewaltige Menge Kähne, die je dreihundert und vierhundert Mann führten. Die Ausrüstung war die bei den Liburnerschiffen übliche. Zugleich wurden erbeutete Kähne zur Beschleunigung der Fahrt mit buntfarbenen Tüchern als Ersatz für die Segel versehen, was ihnen ein recht stattliches Aussehen gab.



Schaugefecht der Flotte des Civilis

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Eine meerähnliche Wasserfläche wurde ausgewählt, wo die Mündung der Mosa den Rhein in den Ozean einströmen lässt.37 Der Anlass zur Aufstellung dieser Flotte lag, abgesehen von der dem Volk angeborenen Eitelkeit, in dem Wunsche, mit diesem Schreckbild die aus Gallien ankommenden Zufuhren abzufangen. Cerialis ließ mehr verwundert als erschrocken seine Flotte auslaufen. Sie war an Zahl unterlegen, aber hinsichtlich der Übung der Ruderer und der Geschicklichkeit der Steuerleute sowie der Größe der Schiffe überlegen. Die einen fuhren mit der Strömung, die anderen ließen sich von dem Winde treiben. So fuhren sie gegeneinander vor, versuchten sich gegenseitig mit leichten Schusswaffen zu beschießen und trennten sich dann wieder. Civilis wagte keine weitere Unternehmung und zog sich über den Rhein zurück. Cerialis verwüstete in feindlicher Weise die Insel der Bataver und ließ die Felder und Landhäuser des Civilis mit einer bekannten Feldherrnlist38 unversehrt, während inzwischen mit dem zu Ende gehenden Herbst infolge der häufigen Regengüsse zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche der Fluss über die Ufer trat und die niedrig gelegene Insel so überschwemmte, dass sie wie ein See aussah. Und es war weder eine Flotte noch Nachschub da, und das Lager, das auf flachem Boden lag, wurde von der gewaltigen Strömung des Flusses fortgeschwemmt. 24. Dass man die Legionen hätte aufreiben können – und dies auch die Germanen wollten –, dass er sie aber durch eine List davon abgebracht habe, schrieb sich Civilis als Verdienst zu. Und dies steht zu der Wirklichkeit nicht im Widerspruch, da ja wenige Tage später die Übergabe folgte. Denn Cerialis bot durch geheime Unterhändler den Batavern Frieden an, stellte Civilis Verzeihung in Aussicht und mahnte Veleda und ihre Verwandten, das Schicksal des Krieges, das sich in so vielen Niederlagen gegen sie gestellt habe, jetzt im richtigen Zeitpunkt durch einen Dienst gegenüber dem römischen Volk zu wenden: geschlagen seien die Trevirer, wiedergewonnen die Ubier, entrissen den Batavern ihre Heimat. Und nichts anderes hätten sie durch ihre Freundschaft mit Civilis gewonnen als Wunden, Flucht und Trauer. Ein Verbannter und Landflüchtiger sei er und falle denen zur Last, die ihn aufnehmen. Auch hätten sie

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Fünftes Buch, Kapitel 25 – 26

schon genug damit gefehlt, dass sie so oft über den Rhein gegangen seien. Bei jeder weiteren Unternehmung werde Unrecht und Schuld auf ihrer Seite, auf der anderen Rache und die Götter sein. 25. Unter die Drohungen mengte man Versprechungen. Und da die Treue der Rechtsrheinischen erschüttert war, wurden auch bei den Batavern Stimmen laut: man dürfe den Zusammenbruch nicht länger aufschieben und es könne auch nicht von einem einzigen Volk die Knechtschaft der ganzen Welt beseitigt werden. Was habe man anderes mit Mord und Brand bei den Legionen erreicht, als dass immer mehr und immer stärkere herbeigerufen wurden. Hätten sie sich im Krieg für Vespasianus eingesetzt, hätte dieser jetzt die Macht in Händen. Wenn sie aber das römische Volk mit den Waffen herausfordern, der wievielte Teil der Menschheit seien denn die Bataver? Sie möchten doch auf die Räter, Noriker und die Lasten der übrigen Bundesgenossen ihren Blick werfen. Ihnen selbst mache man nicht Tribute, sondern Tapferkeit und mannhafte Bewährung zur Auflage. Dies komme der Freiheit am nächsten, und wenn es sich darum handle, sich einen Herrn zu erwählen, so sei es ehrenhafter, wenn man die Fürsten der Römer als die Frauen der Germanen ertrage. So lauteten die Stimmen aus dem Volke. Die Vornehmen führten eine schärfere Sprache: Civilis habe sie mit seinem Rasen in den Krieg getrieben. Er habe vor das Unglück seines Hauses die Vernichtung des Volkes gestellt. Da hätten die Götter allerdings sich feindlich gegen die Bataver erwiesen, als die Legionen umlagert, die Legaten ermordet wurden und der Krieg, der nur für ihn allein notwendig war, für sie alle aber den Untergang bedeutete, begonnen wurde. Nun sei es zum Äußersten gekommen, wenn sie nicht wieder zur Vernunft kämen und durch die Bestrafung des Schuldigen ihre Reue bezeugten. 26. Civilis täuschte sich über diese schwankende Stimmung nicht und er beschloss zuvorzukommen. Er war des vielfachen Missgeschickes müde und hegte die Hoffnung, sein Leben zu retten, eine Hoffnung, die meistens auch starke Seelen schwach macht. Er bat um eine Unterredung, und man brach die Brücke über den Fluss Nabalia in der Mitte ab. An die beiden abgebro-



Unterredung zwischen Cerialis und Civilis

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chenen Enden traten die Heerführer vor, und Civilis begann folgendermaßen: »Hätte ich mich vor einem Legaten des Vitellius zu verteidigen, würde weder meinem Handeln Verzeihung, noch meinen Worten Glauben geschuldet. Alles zwischen uns war mit persönlicher Feindschaft belastet. Die Feindseligkeiten im Kriege waren von ihm begonnen und von mir verstärkt weitergeführt worden. Für Vespasianus empfand ich von alter Zeit her Hochachtung und, als er noch im Privatleben stand, nannten wir uns Freunde. Darüber weiß Primus Antonius Bescheid. Seine Briefe haben mich in den Krieg getrieben, um zu verhindern, dass die germanischen Legionen und die gallische Jungmannschaft die Alpen überschreiten. Wozu Antonius in Briefen, dazu forderte Hordeonius Flaccus persönlich auf. Ich habe in Germanien die Waffen erhoben, wie Mucianus in Sy­ rien, Aponius in Mösien, Flavianus in Pannonien39…«

Anmerkungen (Zur Erläuterung der Ortsnamen s. Register)

Erstes Buch 1 2

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Das erste Konsulat trat Galba im Jahre 33, das zweite im Jahre 69 an. Hier spielt T. auf den Titel des Geschichtswerkes des Livius »ab urbe condita« an. Die achthundertundzwanzig Jahre seit 753, d.h. von der Gründung der Stadt bis zum Ende des iulisch-klaudischen Hauses teilt T. in die Epoche der Republik und der Monarchie, deren Vertreter er als princeps und als imperator, gelegentlich auch in der Mehrzahl als Cäsares bezeichnet. Sonst bezeichnet Cäsar den Stellvertreter des Fürsten bzw. den in Aussicht genommenen Nachfolger. Der Begriff »Kaiser« als Übersetzung für imperator wird vermieden, da er der Vorstellung des T. nicht entspricht. Res publica wird mit »Gemeinwesen« wiedergegeben, um das den römischen Begriff von r. p. nicht wiedergebende deutsche Wort »Staat« zu vermeiden. In spezieller Bedeutung gebraucht T. r. p. auch im Sinne von libera res publica, Republik. Also um die Geschichte der Republik und nicht der Herrschaft eines Einzelnen. Siehe Zeittafel S. 313. Die genaue Bestimmung der Ämterlaufbahn des T. begegnet Schwierigkeiten. Sicher ist nur, dass T. im Jahre 88 n. Chr. Prätor und 112/13 Prokonsul war. Das Konsulat hat er nach dem Sturz des Domitianus erlangt. Vermutlich war er unter Vespasianus Quästor, unter Titus Ädil oder Volkstribun. Siehe auch Einl. S. IX. Gemeint ist die Herrschaft des Domitianus, die besonders durch das Denunziantenunwesen und die Prozesse wegen Majestäts­ver­ bre­chen gekennzeichnet war. Da die »Historien« bis zum Jahre 96 gereicht haben, sind mit den vier Fürsten Galba, Otho, Vitellius und Domitianus gemeint, der im Jahre 96 ermordet wurde. Die beiden ersten Bürgerkriege sind in dem erhaltenen Werk geschildert. Der dritte wurde von Domitianus mit dem Statthalter von Obergermanien, L. Antonius Saturninus, im Jahre 93 geführt. Es handelte sich um einen Betrüger, der zwanzig Jahre nach Neros Tod bei den Parthern eine Rolle spielte.

284 Anmerkungen 10 Durch den Vesuvausbruch im Jahre 79, bei dem Pompeii, Herculanum und Stabiä verschüttet wurden. 11 Vermutlich deutet T. hier auf den Ehebruch des Domitianus mit der Tochter seines Bruders Titus hin. 12 Prokurator ist der Titel der meist dem Ritterstand angehörigen Statthalter in den Provinzen. 13 Unter dem donativum ist eine auch in republikanischer Zeit übliche Spende an das Heer zu verstehen. Sie wurde aus der Beute bestritten und gewöhnlich beim Triumph verteilt. In den Zeiten der Gewaltherrschaft bildete sie ein wesentliches Mittel, sich die Gunst der Soldaten zu erkaufen. Die Spende wurde auch bei dem Regierungsantritt des Prinzeps, meist aus der Hinterlassenschaft des Vorgängers, verteilt. 14 Nymphidius Sabinus, der sich fürstlicher Abstammung rühmte, hatte von Nero die konsularischen Insignien und den Rang eines Gardepräfekten erhalten. Nach Neros Tod stellte er sich anfangs auf Galbas Seite und machte, angeblich in dessen Namen, große Versprechungen. Später, als die Erhebung Galbas beim Heer und beim Volk keinen Anklang fand, ließ er sich zu dem Plan verleiten, sich selbst der Herrschaft zu bemächtigen. Die Prätorianergarde bestand aus neun cohortes praetoriae zu je tausend Mann, die unter zwei Präfekten standen. Ihr Hauptquartier waren die Castra praetoria vor dem Viminalischen Tor in Rom. 15 Galba zog von dem diesseitigen Spanien, wo er Statthalter war, von Stadt zu Stadt und brauchte, bis er in Rom ankam, zwei Monate. 16 Cingonius Varro hatte dem Nymphidius eine Rede verfasst, die dieser halten sollte, um die Prätorianer zum Abfall von Galba zu bewegen. Nymphidius fand jedoch das Tor der Kaserne verschlossen und, als er trotzdem eindringen wollte, wurde er erschlagen. Cingonius kostete die Autorschaft der nicht gehaltenen Rede noch vor der Ankunft Galbas das Leben. Als designiert wird der Konsul in der Zeit zwischen seiner Wahl und seinem Amtsantritt am 1. Januar be­zeichnet. 17 Noch unterwegs hatte Galba die Hinrichtung des Petronius Turpilia­ nus befohlen, der im Jahre 61 nach Britannien gesandt worden war und den dortigen Aufstand mehr durch Nachgiebigkeit als durch Gewalt beschwichtigt hatte. 18 Der Aquitaner Vindex, der aus altem keltischem Adel stammte und von Nero zum Legaten in Gallien ernannt worden war, wollte, erbittert über die Greuel der Herrschaft Neros und zugleich in der Hoffnung, für Gallien bei einem Machtwechsel größere Selbständigkeit zu erlangen, Galba, der damals Statthalter in Gallien war, auf den Thron erheben und rief seine Landsleute zum Kampf



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Erstes Buch 285 gegen den Tyrannen auf. Während Galba noch zögerte, wurde er von dem Heere zum Imperator ausgerufen. Vindex suchte indessen, sich mit L.  Ver­ginius Rufus, dem Statthalter von Obergermanien, zu verständigen. Diesem war seinerseits von seinen Truppen die Herrscherwürde angeboten worden. Verginius schwankte anfangs. Als aber Vindex mit seinen Truppen aufbrach, um Vesontio (Besançon), die wichtigste Verbindungsstelle zwischen Rhein und Rhone, zu besetzen, führte Verginius Rufus seine Truppen gegen Vindex, der die Schlacht verlor und selbst fiel. Obgleich Verginius erneut zum Herrscher ausgerufen wurde, lehnte er ab und stellte sich Galba, dem inzwischen viele Teile des Reiches gehuldigt hatten, zur Verfügung. Galba, der nunmehr den Titel Cäsar annahm, war damals schon dreiundsiebzig Jahre alt. Fonteius Capito war Legat in Untergermanien, L. Clodius Macer Legat in Afrika. Gemeint sind die in Germanien stehenden Heere. Konsular ist gleich Legat in konsularischem Rang, der also nicht Konsul gewesen sein musste. Sie wurden in der kaiserlichen Zeit als Statthalter in die Provinzen geschickt. Siehe Anmerk. 18. Des Kaisers Claudius Nero, siehe Zeittafel S. 313. Die Provinz Ägypten, wie auch Afrika, war durch ihre Getreidelieferungen für Italien und Rom von besonderer Wichtigkeit. Seit Augustus war Ägypten kaiserliche Provinz, deren Verwaltung römischen Rittern übertragen wurde, die es durch Besatzungstruppen kontrollieren sollten. Als ständige Besatzungstruppe lag in Afrika die dritte Legion, legio Augusta. Im Jahre 68 hatte Clodius Macer eine neue Legion gebildet, die legio Macriana, deren Auflösung Galba gleich nach Macers Tod befahl. Gemeint sind die Senatsprovinzen. Die Ritter trugen als Abzeichen ihres Standes einen purpurgestreiften Umwurf, einen schmalen Purpurstreifen an der Tunika und einen goldenen Fingerring. In dieser Stellung war er der Stellvertreter und Gehilfe des Statthalters und diesem unterstellt. Damit knüpft T. wieder an den Anfang von Kap. 12 an. Comitia imperii: der Ausdruck enthält zwei sich ausschließende Begriffe in ironischer Zusammenstellung, comitia bezeichnet die einstigen Volksversammlungen in der Republik, imperium die autoritäre Herrschaft. P. Marius Celsus, Befehlshaber der fünfzehnten Legion, die im Jahre 63 zur Unterstützung Corbulos aus Pannonien nach Syrien ge-

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schickt worden war. Er überstand alle Gefahren der Bürgerkriege als ein seinen Fürsten stets getreuer Soldat und bekleidete im Jahre 105 zum zweiten Mal das Konsulat. C. Calpurnius Frugi Licinianus war durch seine Mutter Scribonia ein Urenkel des Sex. Pompeius. Sein Vater war von M. Licinius Crassus adoptiert worden. Rubellius Plautus, mit dem julisch-klaudischen Hause verwandt. Er wurde im Jahre 62 auf Befehl Neros ermordet. Adoptionen durch Privatleute wurden durch den Pontifex Maximus vor der Kurienversammlung (comitia curiata) vollzogen, wobei der Pontifex die Gründe für den Austritt aus der gens nachprüfte und durch einen Beschluss der dreißig Kurien die Adoption bestätigt werden musste. Auch als die Kurien ihre Bedeutung in Rom längst verloren hatten, blieben die Förmlichkeiten einer solchen Adoption erhalten. Galbas Vater hatte gegen Pompeius gestritten, dessen Nachkomme Piso war. Siehe Anmerk. 32. Die Söhne des Agrippa und der Iulia, C. und L. Cäsar, die beide in jugendlichem Alter starben. Galba will zum Ausdruck bringen: Von Rechts wegen stirbt mit dem Prinzeps das Prinzipat aus und die frühere Konsularherrschaft tritt wieder an seine Stelle. Ich hätte es nach meinem ganzen Verhalten verdient, dass das freie Gemeinwesen wiederbegönne. Aber das weitreichende römische Imperium erfordert, dass das Prinzipat weiterbestehe. Als die großen Palastbauten des Tiberius, Caligula und Nero fast den ganzen palatinischen Hügel (mons Palatinus) in Anspruch ge­ nommen und die Mehrzahl der anderen Bauten, außer den Heiligtümern verdrängt hatten, fielen die Lokalität ›Palatium‹ und die ›kaiserliche Residenz‹ in der Sache und im Sprachgebrauch zusammen. In dieser Bedeutung gebraucht T. in der Regel das Wort Palatium; wenn er den Flügel meint, auf dem sich das Palatium befand, sagt er mons Palatinus. Den eigentlichen Kaiserpalast innerhalb des Palatiums bezeichnet er mit domus. Ein Sesterz entspricht dem heutigen Geldwert von wenigen Cents im zweistelligen Bereich. Die hasta (Spieß) war das Zeichen einer öffentlichen Versteigerung. Die sectores (Güterschlächter) waren mit dem Verkauf staatlich beschlagnahmter Güter oder deren Parzellierung beauftragt. Für den Sicherheitsdienst in der Hauptstadt waren als Brand- und Nachtwachen sieben cohortes vigilum aufgestellt, die meistens aus Freigelassenen und Fremden bestanden und dem praefectus urbis unterstellt waren.



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42 Unter den mathematici sind die Astrologen zu verstehen, die in Rom auch Chaldaei genannt wurden. Seit Augustus waren sie schon vier Mal ausgewiesen worden. Aber es war ihnen immer wieder gelungen, in Rom festen Fuß zu fassen. Insbesondere Tiberius hatte sie in seinen späteren Regierungsjahren konsultiert. 43 Näheres über seinen Charakter berichtet T. I 72. 44 Die speculatores nahmen in dem stehenden Heer der Kaiserzeit eine besondere Stellung ein. Es waren zehn in jeder Legion, die, dem Hauptquartier des Legionsführers oder auch des Statthalters zugeteilt, zu deren Dienstpersonal gehörten. In der römischen Garde traten sie als eine besonders ausgewählte Truppe in Erscheinung, auch als eine Art Leibwache des Herrschers, und spielten bei der Erhebung Othos eine große Rolle. 45 Es ist der von Augustus auf dem Palatin gebaute, an den kaiserlichen Palast anstoßende Tempel. 46 Der Palast des Tiberius lag an der Nordostecke des Palatin gegenüber dem Kapitol. 47 Das Velabrum war das Geschäftsviertel Roms zwischen Forum, Palatin, Kapitol und dem Rindermarkt (Forum boarium). 48 Das miliarium aureum war eine mit vergoldetem Erz bekleidete Säule, die Augustus zwischen dem Tempel des Saturnus und den Rostra (der Rednerbühne auf dem Forum) errichtet hatte. Sie war der allgemeine Meilenzeiger für die großen Straßen des Römischen Reiches. 49 Die Vipsania Porticus, nach dem Erbauer Vipsanius Agrippa genannt, stand auf dem Marsfeld. 50 Primipilaris war der Titel für den Zenturio des ersten Manipels der Triarier, der erprobten altgedienten Soldaten des dritten Gliedes. 51 Das Heiligtum der ›Libertas‹ (Göttin der Freiheit) war von Ti. Sempronius Gracchus auf dem Aventin erbaut worden. 52 Nero hatte eine große Anzahl Seesoldaten (classiarii) nach Rom beordert und aus einem Teil von diesen eine legio classica gebildet. 53 Es gab in der republikanischen Zeit zwei Sonderversammlungen, die comitia curiata für die Patrizier und die concilia plebis für die Angehörigen der Plebs, und zwei Versammlungen für das Gesamtvolk: die comitia centuriata und die comitia tributa. Diese letzteren Versammlungen blieben auch in der Kaiserzeit bestehen, wenn auch mit stark verminderter Bedeutung. 54 Entweder ist der Nominativ armi, dann ist zu übersetzen »mit den Armen umfassen« (wofür allerdings T. stets das Wort bracchia gebraucht) oder arma, dann ist die bei der Begrüßung der Soldaten übliche Geste gemeint, bei der man den Schild in der Linken und das Schwert in der Rechten hielt (wogegen aber spricht, dass die

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städtischen Kohorten nur Lanze und Schwert hatten, wenn sie die Wache bezogen). Also seit Juni 68. Kreaturen von Neros Hofhaltung. Über Polyclitus vgl. Tac. ann. XIV 39, über Vatinius ann. XV 34. Die Toga ist Sinnbild des Friedens, die Kohorte in der Toga ist nicht feldmäßig, sondern nur friedensmäßig ohne Panzer und Schild ausgerüstet. Die Parole wurde jedes Mal von dem Tribunen der wachhabenden Prätorianer unmittelbar bei dem Prinzeps abgeholt. Vologaesus ist der Name mehrerer Könige der Parther aus dem Geschlecht der Arsakiden. Der Prinz Pacorus wurde von dem römischen Feldherrn Ventidius Bassus, dem Legaten des Antonius, im Jahre 38 im Partherkrieg besiegt und fiel. Ein Medaillonbildnis, das an dem Schaft der Fahne befestigt war. Der lacus Curtius lag mitten auf dem Forum, ursprünglich ein Brunnen oder kleiner Teich. Im Anfang der Kaiserzeit bestand nur noch eine Brunneneinfassung. Evocatus (Freiwilliger) konnte seit Augustus nur der werden, der in einem hauptstädtischen Truppenteil, in erster Linie in einer prätorianischen Kohorte 16 Jahre gedient hatte. Statt entlassen zu werden, konnte der Soldat weiterdienen. Die Evocati hatten einen gehobenen Dienstrang. Galba verwendete sie als persönliche Ehrenwache. Der Vesta-Tempel lag an der Grenze zwischen Velia und Forum. Es war ein Rundtempel von bescheidenem Ausmaß, dessen Inneres jedem profanen Zutritt entzogen war und die Stätte des vestalischen Feuers enthielt. Manipularis ist ein dem Mannschaftsstand angehöriger Soldat. Siehe Anmerk. 41. Die Stadtpräfektur war seit Tiberius ein ständiges Amt. Der Inhaber war einer der hohen Hilfsbeamten des Prinzeps, der nicht nur in Abwesenheit des Herrschers von Rom dessen Regierungstätigkeit ausübte, sondern überhaupt den Herrscher in der Verwaltung der Hauptstadt zu vertreten hatte. Fiscus bezeichnet die kaiserliche Privatkasse, die aber während der beiden ersten nachchristlichen Jahrhunderte immer mehr die Funktion der Staatskasse (aerarium) übernahm. Es gab einen praetor urbanus und einen pr. peregrinus, ersteren zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen römischen Bürgern, letzteren von solchen zwischen einem Bürger und einem Fremden. Der Niedergang der republikanischen Magistratur mit der Begründung des Prinzipats ergriff auch die Prätur, da der Prinzeps selbst einen Teil der Rechtsprechung an sich zog.



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69 Die Bedeutung, die das Volkstribunat sich allmählich erworben hatte, zeigt nichts deutlicher, als die Tatsache, dass Augustus seine Alleinherrschaft wesentlich auf die tribunicia potestas gründete und sich nach der Niederlegung des Konsulats durch die tribunicia potes­tas die volle Zivilgewalt auf Lebenszeit übertragen ließ, nach der er auch die Jahre seiner Regierung zählte. 70 Die Zwischenzeit zwischen der Adoption und seinem Tode. 71 Dass Statthalter ihre Frauen in die Provinz mitnehmen durften, wurde erst in der Zeit des Prinzipats gestattet. An militärischen Übun­gen, Paraden und dgl. durften auch Frauen hochgestellter Per­ sönlichkeiten nicht teilnehmen. 72 Zu diesem Amt wurden vielfach besonders intelligente Sklaven und Freigelassene beigezogen, die damit eine einflussreiche Stellung einnahmen. 73 Die genaue zeitliche Reihenfolge wäre: Schlacht bei Pharsalus (Caesar und Pompeius) im Jahre 48, Mutina (der Senat und Octavian gegen Antonius) im Jahre 43, Philippi (Tod des Brutus und Cassius) im Jahre 42, Perusia (Belagerung durch Octavian) im Jahre 41/40. 74 Aulus Vitellius war von Galba an Stelle des ermordeten Fonteius nach Niedergermanien geschickt worden. Sein Vater L. Vitellius war Freund und Mitzensor des Kaisers Claudius. Durch die väterliche Stellung, nicht auf Grund eigener Fähigkeiten kam der Sohn in die hohen Staatsämter: 58 war er Konsul, dann Statthalter in der Provinz Afrika (eine Charakteristik gibt T. ann. XIV 49). 75 Verschlungene Hände aus Silber oder Bronze galten als Symbol der Gastfreundschaft. 76 Die erste Legion hatte ihr Standquartier in Bonna, die fünfte und fünfzehnte in Castra Vetera und die sechzehnte in Noväsium. 77 Zuvor Civitas Ubiorum genannt, unter dem Kaiser Claudius sodann zu Ehren seiner Gemahlin in Colonia Agrippinensis umbe­ nannt (heute Köln). 78 Balteus ist das Wehrgehenk und im engeren Sinne der Riemen, der über die linke Schulter läuft und an dem das Schwert hängt. Es wurde, mit Silber und Gold beschlagen, oft als Auszeichnung verliehen. Phalerae sind Zierscheiben für das Pferdegeschirr, dann auch eine Art Orden auf der Brust der Soldaten, die auf einem Riemenviereck mit Querriemen getragen wurden. 79 Dies waren die Staatskanzlei (ab epistulis), die Rechnungskammer (a rationibus), und die Kanzlei für Bittschriften (a libellis). Diese Ämter wurden anfangs mit kaiserlichen Freigelassenen besetzt und erlangten später die Bedeutung von richtigen Staatsämtern, in die auch Beamte ritterlicher Herkunft eingesetzt wurden. 80 Siehe Anmerk. 67.

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Er war als legatus der Stellvertreter des Statthalters und militärischer Befehlshaber. So hieß die Abteilung nach ihrem Begründer Statilius Taurus, vermutlich dem Konsul des Jahres 44 und dem späteren Statthalter von Afrika. Trebellius Maximus, im Jahre 58 Konsul zusammen mit Seneca. Im Jahre 64 erhielt er das Kommando in Britannien. Valens sollte also über den Mt. Genevre, Cäcina über den Gr. St. Bern­hard ziehen. Der Adler wird als ein den Legionen besonders glückbringender Vogel betrachtet. Der Legionsadler genoss als numen legionis, in einer Kapelle des Lagers aufgestellt, besondere Verehrung. Weil sie von Nero, als im Jahre 58 ihre Stadt gänzlich niedergebrannt war, mit Geld unterstützt worden waren und sie nun Vitellius als Rächer Neros betrachteten. Sie zählte zu den zweiunddreißig Kohorten der römischen Bürger (cohortes civium Romanorum), die außerhalb des Legionsverbandes und der Prätorianerkohorten standen. Viennenses, die Einwohner der Stadt Vienna, der Hauptstadt der Allobroger, von Caligula zur colonia civium Romanorum erhoben. Infulae sind weiße (oder rote) wollene Kopfbinden, die den Bittenden als unter dem Schutz der Gottheit stehend bezeichnen sollten. Gemeint ist der Vicus Aquensis, heute Baden an der Limmat im schweizerischen Aargau. D.h. eine in Thrakien ausgehobene Kohorte. Aventicum (heute Avenches) lag auf dem Marschweg Cäcinas. Die Reiterabteilungen und Kohorten, die in den Provinzen ausgehoben wurden, erhielten spezielle Bezeichnungen, entweder nach der dortigen Bevölkerung (z. B. ala Thracum) oder zu Ehren eines Kaisers oder hohen Beamten (siehe Anmerk. 82), des Provinzialstatthalters, unter dem das Korps aufgestellt wurde. (Vielleicht hier nach dem Konsul des Jahres 7 n. Chr. Aulus Licinius Silianus.) Vgl. I 31. Decuriones hießen die Unterführer von Reiterabteilungen. Der Name leitet sich von dem Zahlwort decem ab, wie centurio von centum, und bedeutet ursprünglich den Führer von zehn Mann. Transpadana regio: nach der Einteilung des Augustus die regio XI Italiens, nördlich des Po, westlich und nördlich begrenzt durch die Alpen, östlich durch eine von der Mündung der Adda in den Po nördlich verlaufene gerade Linie; innerhalb dieses Vierecks lagen die angeführten Städte. Die ala Petriana hatte ihren Namen von ihrem Standort Petrianae, einem römischen Kastell in Britannien. Siehe Anmerk. 93.



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98 Subsignanus miles bezeichnet, im Gegensatz zu den Kohorten der Hilfstruppen, den zu der regulären Legion gehörigen Soldaten, der sub signo, d.h. unter dem Legionsadler oder der Standarte der einzelnen Legionskohorte, steht. 99 Vgl. Anmerk. 84. 100 Praetorium ist ursprünglich der in der Mitte des römischen Lagers für das Feldherrnzelt ausgesparte Platz, dann dieses selbst. Auch in der Kaiserzeit blieben beide Bedeutungen, wobei praetorium spe­ ziell das Hauptquartier der Prätorianer und diese selbst, die Garde in Rom, bezeichnet. 101 Nach Neros Tod, weil sie ein scharfes Vorgehen Galbas wegen ihrer Beteiligung an der Misswirtschaft unter Nero und als Komplizin des Polyclitus befürchtete. 102 Siehe I 7. 103 Die Provinz Afrika war nächst Ägypten für die Getreidezufuhr nach Rom am wichtigsten, weshalb Vespasianus sie zu besetzen gedachte. 104 Mox, d.h. unter den Flavischen Kaisern. 105 D.h. durch die Erbschleicherei, die in dem damaligen Rom eine große Rolle spielte. 106 Die Prätorianer, die Garde, siehe Anmerk. 14 und 100. Es lagen außerdem in Rom noch die drei cohortes urbanae und die sieben cohortes vigilum. 107 Siehe I 8. 108 Seit Cäsars Diktatur war die Zeitdauer des Konsulats auf sechs und dann auf vier Monate beschränkt worden, wobei weiterhin nur die Namen derjenigen Konsuln in die Fasten aufgenommen wurden, die das Amt am 1. Januar angetreten hatten. Galba und Vinius hatten das Jahr 69 als Konsuln eröffnet; für den Rest des Januar und Februar wurden Otho und sein Bruder consules suffecti. Für den März und April wies Galba das Konsulat dem Verginius und Vopiscus zu. 109 Weil Vopiscus vermutlich aus Vienna gebürtig war. 110 Diese Priesterämter wurden zusätzlich zu den höchsten Ämtern an gewesene Konsuln verliehen. 111 Als Majestätsverbrechen galt jede Schädigung des Staatswohls oder der Person des Staatsoberhauptes. Die Häufung dieser Art von Prozessen in der Zeit des Prinzipats und der Missbrauch, der mit ihnen getrieben wurde, hatte diese in Verruf gebracht und bewirkt, dass Freisprechungen und Begnadigungen sich häuften. 112 Die Standbilder waren schon im Jahre 62 bei der Zurückführung der Octavia vom Volk umgestürzt, dann vermutlich, als der Pop­ paea göttliche Ehren zugebilligt wurden, wiederaufgerichtet und nach Neros Tod erneut umgestürzt worden.

292 Anmerkungen 113 Seit Augustus wurde der Triumph das alleinige Vorrecht des Staatsoberhauptes. Die siegreichen Feldherren erhielten als Ersatz eine statua triumphalis, die mit Lorbeer bekränzt und mit dem Gewand des Triumphators geschmückt war. 114 Fulvus Aurelius war der Großvater des späteren Kaisers Antoninus Pius, unter Corbulo Legat (64). Über Tettius Iulianus und Numisius Lupus vgl. II 85; IV 39, 40; III 10. 115 Sie bestanden in der toga praetexta, dem Amtsgewand der römischen Magistrate, und der sella curulis, der von den Etruskern entlehnte, mit Elfenbein ausgelegte Amtssessel des Konsuls, des Prätors und der kurulischen Ädilen, die daher ihre Bezeichnung hatten. 116 Siehe Anmerk. 87. 117 In das Zeughaus, das zu der Prätorianerkaserne gehörte, mussten auch die nur vorübergehend in Rom befindlichen Truppen ihre Waffen abliefern. Die Kohorten, die in kleineren Garnisonen lagen, waren in der Regel nicht feldmarschmäßig ausgerüstet und muss­ ten daher ihre zusätzliche Feldausrüstung aus dem Zeughaus em­p­ fangen. 118 Der Iuppitertempel auf dem Kapitol hatte eine dreiteilige Cella mit den Bildnissen der kapitolinischen Göttertrias Iuppiter, Iuno und Minerva. Er war der Versammlungsort des Senats für die erste feier­ liche Sitzung zu Beginn jeden Jahres und für die Sitzungen, in denen über Krieg oder Frieden beraten wurde. 119 Die Tiberina insula lag zwischen Ianiculum und Kapitol. Auf ihr befand sich eine Kultstätte des Flussgottes Tiberinus. 120 Insulae sind die durch die Straßen begrenzten Komplexe von Mietshäusern, die vielfach von Spekulanten schlecht gebaut waren. 121 Um die Wirkung von schlimmen Vorzeichen abzuschwächen oder zu beseitigen, brachte man feierliche Sühneopfer dar. Bekränzte Opfertiere, insbesondere Rinder, wurden in Prozessionen um die Stadt geführt und dann den Göttern geopfert. 122 Dieser Teil der Flotte war in Forum Iulii (heute Frejus) stationiert. Die Hauptstützpunkte waren Misenum für das westliche und Ravenna für das östliche Mittelmeer. Kleinere Abteilungen lagen außerdem an der Küste von Britannien, Pontus, Ägypten und Syrien. 123 Vgl. I 6f. 124 Der niedere Rang, den die Offiziere der Flottenmannschaften bekleideten, war dadurch bedingt, dass diese sich zu einem großen Teil aus Freigelassenen und Fremden zusammensetzten und dass zwischen den Soldaten und Rudermannschaften kein wesentlicher Unterschied bestand. 125 Marius Celsus vgl. I 71. Annius Gallus war im Jahre 61 consul suffectus gewesen.



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126 Cn. Cornelius Dolabella, zu dem altberühmten Geschlecht der Cornelier gehörig. Nach dem Tode Othos kehrte er nach Rom zurück und wurde dann auf Befehl des Vitellius, der auf seine Beliebtheit beim Heer eifersüchtig war, umgebracht. 127 M. Furius Camillus Scribonianus hatte im Jahre 42 als Statthalter von Dalmatien sich gegen Claudius erhoben, wurde aber wenige Tage darauf von einem Soldaten ermordet. 128 Die Priesterschaft der Salier begann Anfang März mit ihren Prozessionen. Dabei wurden die heiligen zwölf Schilde unter Anrufung des Mars aus dem Heiligtum des Gottes herausgeholt und feierlich in der Stadt umhergetragen. Ende März wurden die Schilde wieder in die auf dem Palatin gelegene Curia Saliorum zurückgebracht. Im Herbst fand ein armilustrium statt, nach welchem die heiligen Schilde (ancilia) für den Winter in das Heiligtum zurückgebracht wurden. An diesen Umzugstagen durfte keine wichtige öffentliche oder private Arbeit verrichtet werden.

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T. Flavius Vespasianus, aus Reate im Sabinerland von einer dort begüterten Familie stammend, ist im Jahre 9 n. Chr. geboren. Seine ersten Kriegsdienste leistete er in Thrakien, er durchlief dann die übliche Ämterlaufbahn, diente unter Claudius in Germanien und Britannien, wo er als Führer der zweiten Legion sich auszeichnete und sich besondere Beliebtheit erwarb. Bei der Rückkehr nach Rom wurde er durch die Triumphinsignien und durch Verleihung von Priesterämtern belohnt und erhielt im Jahre 51 das Konsulat. Später wurde ihm die Statthalterschaft in Afrika übertragen. Im Jahre 67 erhielt er die Verwaltung von Judäa mit dem Auftrag, den judäischen Aufstand niederzuschlagen. Titus Flavius Vespasianus, der ältere von den beiden Söhnen des Vespasianus, gewöhnlich nur mit dem Namen Titus genannt, wurde im Jahre 41 n. Chr. geboren. Er leistete zuerst unter seinem Vater Kriegsdienst in Germanien und Britannien und begleitete dann seinen Vater nach Judäa, wo er das Kommando über eine Legion innehatte. Berenike war die Schwester des judäischen Königs Herodes Agrippa (geb. 24 n. Chr.); sie war berühmt wegen ihrer Schönheit. Zuerst mit ihrem Oheim Herodes, dem König von Chalkis, dann mit dem König Polemo von Kilikien vermählt. Sie folgte später Titus nach Rom. Titus steuerte in möglichst gerader Richtung auf Cypern und Sy­ rien zu, wobei er die Sporaden und auch die Küste Kleinasiens links liegen ließ.

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In Paphos, auf der Westseite von Cypern, lag das mit einem Orakel verbundene Heiligtum der Venus-Aphrodite, die dort aus dem Meere aufgestiegen sein soll. Gedacht ist an die Könige Antiochus von Kilikien, Agrippa von Judäa und Sohämus von Sophene. Das ehemalige große Pontus-Reich, das dann verkleinert worden war und im Jahre 63 n. Chr. von Nero zur römischen Provinz gemacht wurde. Siehe Anmerk. S. 289 Nr. 75. Sueton berichtet von Otho, dass er auf sein Äußeres sonst sehr bedacht, immer glatt rasiert war und eine Perücke trug. Im Agricola (Kap. 7) berichtet T., dass die Mutter seines Schwiegervaters Agricola in ihrem Landhaus bei Albintimilium von plündernden Soldaten des Othonianischen Heeres umgebracht worden ist. Der Weg führte von Forum Iulii über Antipolis (Antibes), Nicaea (Nizza), Monoecus (Monaco) nach Albingaunum (Albenga). Die pannonischen Mannschaften waren kurz zuvor aus Pannonien nach dem narbonensischen Gallien gebracht worden, um von da zu dem germanischen Heer weitergeleitet zu werden. Es handelt sich um kleine Schnellsegler, die bei den illyrischen Liburnern im Gebrauch waren und bei der römischen Flotte besonders als Wachtschiffe verwendet wurden. In der Kaiserzeit wird damit vielfach ganz allgemein das Kriegsschiff bezeichnet. Damit sind die dem Pacarius untergeordneten Beamten gemeint. Vexillarii sind in der Kaiserzeit Soldaten, die nach zwanzig Dienstjahren ihres Eides entbunden wurden und als exauctorati (Ausgediente) bis zu ihrer völligen Verabschiedung in besonderen Veteranenformationen (vexillum = Fahne) vereinigt wurden. Damit gaben sie sich als römische Bürger zu erkennen. Das Amphitheater war also aus Holz gebaut. Iulius Briganticus war ein Neffe des Claudius Civilis und dessen Gegner, vgl. IV 70. Vgl. I 87. »Nunmehr« vom Standpunkt des Erzählers aus betrachtet. Vgl. II 43–45 und III 15. Damit meint T. nur die beiden Letztgenannten. Gallus war zum Schutz der Polinie vorausgeschickt worden (vgl. II 11). Der dritte Heerführer A. Gallus hatte den Befehl über Bedriacum und das dortige Lager, in dem ein wesentlicher Teil des Heeres zurückgeblieben war. Epiphanes, Sohn des Königs Antiochus von Commagene (mit der Hauptstadt Samosata am Euphrat).



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24 Valens war über die Kottischen Alpen und über Turin entlang dem linken Poufer ostwärts marschiert. 25 Suetonius Paulinus hatte sich in Afrika (vgl. Tac. ann. XIV 23) und in Britannien (vgl. Tac. Agr. 14) ausgezeichnet. 26 Subjekt ist Otho. 27 Von den Vitellianern waren nur die Gladiatoren und die zum Brü­ ckenbau abgestellten Mannschaften da. Die Hauptmacht stand bei Cremona und Bedriacum. 28 T. knüpft hier an die besonders von Sallust vertretene Geschichtsauffassung an, dass mit der Zerstörung Karthagos (im Jahre 146 v. Chr.) der Niedergang Roms begonnen habe (vgl. Sall. Cat. 10, 1–3). In das gleiche Jahr fällt auch die Zerstörung von Korinth. 29 Das Zeichen zur Schlacht wurde durch das Hissen einer roten Fahne auf dem Feldherrnzelt gegeben. 30 Weil sie ja auf dem erhöhten Damm der Straße kämpften. 31 Rapax bedeutet die ›Reißende‹. Cäcina hatte sie aus Obergermanien mitgeführt. Adiutrix 1. bedeutet die ›Hilfslegion‹. Sie war mit den regulären Legionen nicht gleichberechtigt, da sie aus Flottenmannschaften sich zusammensetzten, die das Bürgerrecht erst bei der Entlassung erhielten. 32 Es handelt sich um das bei Bedriacum befindliche alte Lager, das unter dem Befehl von Annius Gallus stand. Das Lager, das in Kap. 39 erwähnt wird, hatte man aufgegeben. 33 Unter Beziehung auf Servius Sulpicius Galba, der mit Livia, der Gemahlin des Augustus, verwandt war. 34 Salvius Cocceianus erweckte später den Argwohn des Domitianus, weil er den Geburtstag seines Oheims feierte, und wurde von Domitianus aus dem Wege geschafft. 35 Siehe I 13. 36 Einerseits durch seinen Verrat an Galba, andererseits durch seinen freiwilligen Tod, durch den er weiteres Blutvergießen verhinderte. 37 Patres conscripti: ›Versammelte Väter‹ war die förmliche Anrede bei der Senatssitzung in Rom. 38 Marcellus Eprius war unter Nero als Ankläger in Hochverratsprozessen hervorgetreten. Er hatte noch unter Vespasianus großen Einfluss, machte aber eine Verschwörung gegen ihn, die misslang, und endete im Jahre 79 durch Selbstmord. 39 Diploma war ein vom Prinzeps oder auch von einem Provinzialstatthalter ausgestellter Geleitbrief (Pass), der dem Inhaber die nötige Unterstützung auf Reisen, insbesondere Pferdegespanne und Quartier auf den Stationen der Staatsstraßen durch die Munizipalbehörden sicherte. Nach einer Anordnung von Augustus durfte kein Senator ohne seine Genehmigung außerhalb Italiens reisen.

296 Anmerkungen 40 An den ludi Ceriales, einem der Göttin Ceres gewidmeten Frühlingsfest, das vom 12.–19. April gefeiert wurde, fanden neben festlichen Prozessionen auch Schauspiele aller Art, besonders Pferderennen im Circus Maximus, statt. 41 Vitellius befand sich zu der Zeit auf dem Wege aus Germanien nach Lugdunum. 42 Gemeint sind nicht nur die Felder, sondern vor allem die gefüllten Scheunen und Keller der Gutshäuser. 43 Über ihn vgl. II 95, IV 11. Als Mucianus gegen Ende des Jahres 69 nach Rom kam, ließ er den Asiaticus ans Kreuz schlagen. 44 Also einen bei den Königen von Numidien häufigen Namen. 45 Sella curulis siehe Anmerk. zu I 115 46 Über sein Schicksal berichtet T. IV 80. 47 Galeria, die zweite Gemahlin des Vitellius, war mit Trachalus verwandt. 48 Hinterlassenschaften, über die kein Testament verfügte, fielen bei dem Fehlen von Verwandten des Erblassers der Staatskasse zu. 49 Nämlich durch die Wagen, die die Zufuhr für die Befriedigung der Privatgelüste des Vitellius zu besorgen hatten. 50 Über die mathematici vgl. Anmerk. S. 287 Nr. 42. 51 Siehe I 88. 52 Petronia, die erste Gemahlin des Vitellius, war von diesem verstoßen worden. 53 Sextilia ahnte das Schicksal ihres Hauses voraus und der Name Germanicus erweckte in ihr die Erinnerung an das tragische Ende, das die Träger dieses Beinamens im julisch-klaudischen Hause gefunden hatten. 54 Hilarius muss eine höhere Stellung in der Provinz Spanien eingenommen haben, vermutlich die eines Prokurators. 55 L. Arruntius hatte Hispania Tarraconensis als kaiserliche Provinz von dem Jahre 25 n. Chr. ab längere Zeit durch Legaten verwalten lassen, weil ihn Tiberius in Rom zurückhielt. 56 Von Tac. Agr. Kap. 16 als Prokonsul in Asien erwähnt. 57 Vexillarii siehe Anmerk. Nr. 15. 58 Er zog also über den Kl. St. Bernhard. 59 Es wurden jedem Mann 20.000 Sesterzen ausbezahlt. 60 Die Bacchanalia waren ursprünglich das Fest einer Kultvereinigung zu Ehren des Bacchus-Dionysos, nur an drei Tagen im Jahre begangen und nur Frauen zugänglich. Dann wurde das Statut der Vereinigung geändert, es wurden auch Männer aufgenommen und die Zusammenkünfte auf fünf in jedem Monat erhöht. Zugleich wurden auch Nachtfeiern eingeführt. Seitdem beschuldigte die öffentliche Meinung diese Konventikel der größten Schandtaten, auch



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Zweites Buch 297 geschlechtlicher Ausschweifungen, Morde usw., bis im Jahre 186 v. Chr. die Staatsbehörden alle diese Vereinigungen auflösten und eine große Zahl ihrer Mitglieder hinrichten ließ. Den Grund siehe I 8, II 51. Mit dem äußeren Krieg ist der Bataveraufstand des Iulius Civilis gemeint. Siehe III 32. Er war mütterlicherseits mit der Familie der Crasser verwandt und hatte unter Nero infolge einer Anklage seinen Tod gefunden. Er wurde ans Kreuz geschlagen. Siehe I 89. T. gebraucht hier Ausdrücke, die der Fechtersprache entnommen sind. Corbulo hatte sich im Kampf gegen die Parther als Legat ausgezeichnet und wurde dann auf Befehl Neros im Jahre 67 umgebracht. Titus war im Alter von siebenundzwanzig Jahren Militärtribun in Germanien unter dem Oberbefehl seines Vaters. Triumphinsignien siehe Anmerk. S. 292 Nr. 113. Siehe I 11. Sohämus, König von Emesa. Es ist fraglich, ob er mit dem Sohämus identisch ist, dem Nero im Jahre 54 die Landschaft Sophene mit den königlichen Insignien übertrug. Er leistete später in dem judäischen Krieg wiederholt den Römern Gefolgschaft. Antiochus, König von Commagene, aus dem Hause der Seleukiden, von Vespasianus im Jahre 72 abgesetzt und sein Land zur Provinz gemacht. Siehe II 25. Agrippa, Sohn des 44 n. Chr. gestorbenen Herodes Agrippa, der Bruder der Berenike. Siehe II 2. Gemeint sind die Gerichtsverhandlungen, die Mucianus bei seinem Durchmarsch durch die Provinzen an Stelle der lokalen ordentlichen Behörden durchführte. Den Senatoren war es verboten, sich an Handelsgeschäften, wie die Ritter, zu beteiligen. Der Wunsch nach Ruhe ist, falls die Lesart quie­tis richtig ist, wohl ironisch gemeint, da diese Ruhe nur dazu die­nen sollte, sich möglichst rasch viel Geld zu verschalten, um auf die­sem Wege eine politische Rolle zu spielen. Welche colonia damit gemeint ist, ist nicht klar. Damit knüpft die Erzählung wieder an das Kap. 71 berichtete schändliche Treiben des Vitellius an. Vitellius legte den Feldherrnmantel ab (einen kurzen, weißen Umwurf, der an der rechten Schulter mit einer Spange festgehalten wurde) und vertauschte ihn mit der praetexta, die von den Konsuln bei ihren zivilen Amtshandlungen getragen wurde und auch von dem

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Imperator, wenn er sich in Rom öffentlich zeigte. Auch beim Auszug in den Krieg legte der Oberfeldherr die praetexta an, sobald die Auspizien eingeholt waren. Siehe Anmerk. S. 289 Nr. 78. »Zwecklos«, weil ja seine Ermordung unmittelbar bevorstand. Cremera, ein Flüsschen in Etrurien, wo – durch die Sage ausgeschmückt – im Jahre 447 v. Chr. die dreihundert Angehörigen des Geschlechtes der Fabier fielen. Schulbeispiel bei den Römern für die Opferung für das Vaterland. Allia, Nebenflüsschen des Tiber, wo die Römer 387 v. Chr. von den Galliern geschlagen wurden. Daraufhin Einnahme und Einäscherung von Rom. Über Helvidius Priscus, den Schwiegersohn des Philosophen Pätus Thrasea, siehe IV 4–6, 9, 43. Er wird von T. auch im Dialogus Kap. 5 erwähnt. Unter der Amtsbefugnis ist die tribunicia potestas zu verstehen, die sich schon Augustus auf Lebenszeit beigelegt hatte, ein Vorgang, dem sich alle folgenden Fürsten anschlossen. Er übersprang also die Stelle eines Legionstribunen oder eines Reiterpräfekten, Zwischenstufen, die ein Zenturio oder Präfekt einer Reiterabteilung in der Regel durchlaufen musste. Es ist die Ebene, die sich von dem Fuß des Vatikanischen Hügels bis zum Tiber hinzieht (der heutige Stadtteil Borgo). Die Zahl der Kohorten war also wesentlich erhöht worden. Die der prätorischen Kohorten betrug in der Regel neun (vorübergehend auf zwölf erhöht), die der städtischen Kohorten drei, wozu noch die für den Sicherheitsdienst und die Brandwache bestimmten sieben Kohorten der Garnison in Rom kamen. Augustales (sodales), eine Priesterschaft, zu der einundzwanzig vornehme Senatoren und vier Ehrenmitglieder aus dem kaiserlichen Hause gehörten. Das Heiligtum mit dem Standbild des Augustus und einem jährlichen Totenopfer befand sich in Bovillae. – Die Priesterschaft der Sodales Titii (Titus Tatius, der mythische Sabinerkönig und Mitregent des Romulus) hatte nach dem Tode des Königs die Aufgabe, das Andenken des Königs durch jährliche Totenfeiern wachzuhalten. Siehe II 53. Siehe II 85. Siehe II 65: Cluvius verwaltete seine Provinz ausnahmsweise von Rom aus. Etesien sind periodische Nordwestwinde, die in den Hundstagen in der Regel vierzig Tage lang im Agäischen Meer wehen. Siehe II 1.



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95 Siehe II 51. 96 Zu Flottenkommandanten nahm man Offiziere des Landheeres: Pri­ mipilare, Legionstribunen, Reiterpräfekten, die dann später meis­ tens als Prokuratoren in den Provinzen Verwendung fanden. Dass beide Flotten unter ein Kommando gestellt wurden, war eine Aus­ nahme. 97 Gemeint sind Lucilius Bassus und Cacina.

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Über Cornelius Fuscus vgl. II 86; III 12, 42, 66; IV 4. Über Tampius Flavianus vgl. II 86; III 10. Über die Namengebung vgl. Anmerk. S. 290 Nr. 82. Die Herkunft des Namens ist nicht bekannt. 4 Die Reiterabteilung ist nach einem Sebosius genannt, vollständiger hieß sie ala Gallorum Sebosiana. Demnach war sie vornehmlich in Gallien ausgehoben. 5 Nämlich die VII. Galbiana und die XIII. Gemina. 6 Vipstanus Messalla wird von T. in seinem »Dialogus« als eine durch Geburt und Gesinnung sowie durch Gelehrsamkeit ausgezeichnete Persönlichkeit vorgeführt, die über einen damals selten gewordenen Freimut verfügte. Er machte den Feldzug des Vespasianus als Militärtribun der siebten Legion mit, und so war es naheliegend, dass T. von dessen historischen Aufzeichnungen über diesen Feldzug in seinem Werk Gebrauch machte. 7 Über Numisius Lupus vgl. I 79. 8 Gemeint sind die Bronzebilder von Göttern (Mars, Bellona usw.) an den Fahnenschäften. 9 Über Aponius Saturninus vgl. I 79; II 85, 96; III 5. 10 Des Flavianus und Saturninus. 11 Über Lucilius Bassus vgl. II 100; III 36, 40; IV 3. 12 Siehe Anmerk. S. 294, Nr. 13. 13 Über Hormus vgl. III 28; IV 39. 14 Die sieben germanischen Legionen und die I. Italica. Vgl. 161; II 89, 100. 15 Sie führte von Cremona über Bedriacum nach Mantua. 16 Nämlich die von Vitellius verabschiedeten und von Vespasianus wieder einberufenen Prätorianer. Vgl. II 61. 17 Seit der Heeresreform des Marius stand der Adler der Legion unter der Obhut des Zenturio der ersten Kohorte. 18 Die Prätorianer hoben sich durch ihre Rüstung und durch ihren Schild von den übrigen Truppen ab. Dadurch dass sie die Schilde

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von gefallenen Vitellianern an sich nahmen, machten sie sich als Prätorianer unkenntlich. Nämlich auf der Seite des Vitellius, da sie bei der Auflösung ihres Truppenverbandes (vgl. II 67) ihre Waffen und Feldzeichen hatten abgeben müssen. Die dritte Legion hatte ihren Standort in Syrien. Der Kult des syrischen Sonnengottes Elagabal, der mit dem des persischen Mithras und des griechischen Apollo-Helios identisch war, fand bei den römischen Truppen, die im Orient standen, rasch Eingang und verbreitete sich in Italien und dem Westen. T. will hier auf das Unrömische hinweisen. C. Plinius Secundus (der Ältere), geboren im Jahre 23 in Comum,  umgekommen als Opfer seiner Wissbegierde bei dem Ausbruch des Vesuv am 24. August 79, hat außer anderen zahlreichen Schriften ein Werk über sämtliche bis zu seiner Zeit geführte Germanenkriege »Bella Germaniae« in zwanzig Büchern und eine erst nach seinem Tode veröffentlichte Geschichte der Kaiser von Nero an in einunddreißig Büchern herausgegeben als Fortsetzung der  Kaisergeschichte des Aufidius Bassus (daher »A fine Aufidii Bassi«), die Tacitus gelegentlich benutzt hat. Beide Werke sind verloren. Damit leitet T. den zweiten Teil der Schlachtschilderung ein. Nach der Eroberung des Lagers kommt nun der Sturm auf die Stadt selbst. Vgl. Anmerk. S. 290 Nr. 89. Die Göttin hatte auch auf dem Esquilin in Rom, der alten, wenig gesunden Begräbnisstätte der Stadtbevölkerung, einen Hain und begegnet auch sonst in Italien, insbesondere an Stellen, wo sich Schwefelquellen und ungesunde Ausdünstungen des Bodens finden. Über seine Gründung berichtet Liv. XXI 25. Sie erfolgte im Jahre 218 v. Chr. gleichzeitig mit Placentia als Militärkolonie im Lande der Insubrer. Über Alpinius Montanus vgl. IV 31, 35. Über Publilius Sabinus vgl. II 92. Caninius Rebilus war im Jahre 45 v. Chr. nach dem am 31. Dez. erfolgten Tode des Q. Fabius für die letzten Stunden des Jahres zum Konsul gewählt worden. Über Cäcina Tuscus vgl. Tac. ann. XIII 20 und Sueton Nero 30. Bläsus leitete seine Abkunft von Antonia, der Schwester des Augustus, ab. Über Marius Maturus vgl. II 12. Valerius Paulinus hatte im jüdischen Krieg gedient und war später praefectus Aegypti. Im Jahre 43 n. Chr.



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34 Venutius: über ihn sagt Tac. ann. XII 40, dass er zu dem Stamme der Briganten gehörte und sich durch Kenntnis des Kriegswesens auszeichnete. 35 Über die Königin Cartimandua siehe Tac. ann. XII 36, 40. 36 Er wurde von dem Statthalter Ostorius Scapuia besiegt und durch Cartimandua verräterischerweise im Jahre 51 ausgeliefert. Der Triumph des Claudius fand bereits im Jahre 44 statt. 37 Der aber im nächsten Jahre bereits sein Ende fand. 38 Die Bezeichnung pro consule wurde in den Zeiten des Prinzipats zu einem Titel für die Statthalter der Senatsprovinzen, gleichgültig, ob diese das Konsulat begleitet hatten. Fonteius hatte die Provinz ein Jahr lang mit den Befugnissen eines militärischen Befehlshabers verwaltet. 39 Polemo II., der König von Ostpontus, der im Jahre 63 n. Chr. sein Reich freiwillig an Nero abgetreten hatte. 40 Ein sonst nirgends genannter Volksstamm des Kaukasus. 41 Durch die Herbstregen waren die Wege der Poebene für den Fuhrpark nicht passierbar und der baldige Einbruch des Winters drängte zur Eile. 42 Über ihn vgl. II 92; III 36. 43 Im Jahre 87 v. Chr., als die Marianer gegen Rom zogen, hielt der Konsul Octavius das Ianiculum besetzt, das von den Truppen des Marius und des Cinna bestürmt wurde. 44 L. Cornelius Sisenna, Pätor 78, gest. 67 behandelte in seinen (verlorenen) »Historiae« in breiter, mit Anekdoten durchsetzter Weise die Zeit Sullas. 45 Über Plotius Grypus vgl. IV 39, wo er bereits im Rang eines Prätors erscheint. 46 Iulius Priscus und Alfenus waren die beiden Präfekten der Prätorianer. Vgl. II 92; III 36. 47 Anfangs bildeten die latinischen Städte mit Rom einen Städtebund, der Rom nur die Führung sicherte, den Latinern aber in Rom die gleichen Rechte bot, wie den Römern in einer latinischen Gemeinde. Nach dem letzten Latinerkrieg (340–330 v. Chr.) wurde ihnen die Civitas, aber sine suffragio (Bürgerrecht ohne Stimmrecht) be­ lassen, so dass sie nur zum Schein Bürger, in Wirklichkeit Untertanen waren. In Italien gab es, seit Cäsar den transpadanischen Gemeinden das volle römische Bürgerrecht gegeben hatte, keine Städte mit dem ius Latinum mehr, dagegen war für die auswärtigen Gebiete ein neues ius Latii geschaffen worden. 48 In der republikanischen Zeit bestanden als Vollversammlungen des Volkes die comitia tributa und die comitia centuriata. Die Bedeutung der comitia tributa (Versammlung der 35 tribus) war in den

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Zeiten des Prinzipats geschwunden, und sie wurden nur noch bei besonderen Gelegenheiten, wie Getreideverteilung, Spendenempfang, zu feierlichen Aufzügen oder, wie hier, zum Zweck einer Aushebung berufen. Petilius Cerialis war im Jahre 60 Legat der neunten Legion in Britannien. Im Jahre 70 wurde er consul suffectus und führte den Oberbefehl gegen die Bataver. Dann wurde er Statthalter in Britannien und nach seiner Rückkehr zum zweiten Mal consul suffectus. Gemeint ist das Lager der Vitellianer bei Narnia, wohin von Mevania aus das Lager zurückverlegt worden war (vgl. II 58). Iuvenalia waren Spiele, die Nero im Jahre 59 zur Feier des Tages einsetzte, an dem er den Bart abnahm. Die Spiele trugen privaten Charakter und fanden in dem fürstlichen Park jenseits des Tiber statt, wobei u.a. griechische und lateinische Mimen, Einzel- und Chorgesänge aufgeführt wurden. Über Fonteius Capito vgl. I 7. Über Cluvius Rufus vgl. I 8; II 58; IV 43. T. Catius Silius Italicus (ca. 25–101 n. Chr.) wurde im Jahre 68 von Nero zum Konsul gemacht, befleckte seinen Ruf als Ankläger, führte dann aber als Prokonsul eine glänzende Verwaltung von Klein­ asien durch. Später zog er sich zu literarischer Beschäftigung auf seine Landgüter, besonders in Campanien, zurück und schrieb unter anderem ein Epos »Punica«, in dem er in Anlehnung an Vergil, aber auch an Homer, die Geschichte des zweiten punischen Krieges, vorzugsweise Livius folgend, schrieb. Man wollte ihn im Falle des Scheiterns als Vermittler bei Vitellius benützen. Der Vater L. Vitellius gehörte dem höchsten Adel an und war Freund und Mitzensor des Kaisers Claudius sowie drei Mal Konsul. Unter Claudius wurde Vespasianus durch die Vermittlung des L. Vitellius Befehlshaber einer Legion in Britannien. Am 15. März 44 v. Chr. Gaius Caligula fiel im Jahre 41 dem Anschlag einiger Prätorianeroffiziere zum Opfer. Nach dem Abfall der Prätorianer ritt Nero mit verhülltem Gesicht auf das in der Nähe der Hauptstadt gelegene Landgut seines Freigelassenen Phaon, wo er sich durch Gestrüpp in ein unterirdisches Versteck verkroch, ehe er wagte, das Landgut zu betreten. Dort gab er sich selbst den Tod, um nicht in die Hände seiner Feinde zu fallen. Über Cäcilius Simplex vgl. II 60. Der Tempel der Concordia war nicht selten der Versammlungsort des Senats. Den ersten Tempel gelobte im Jahre 367 v. Chr. der Diktator M. Furius Camillus (zur Erinnerung an die wiederhergestellte



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Drittes Buch 303 Eintracht der Stände nach dem Kampf um die Licinischen Gesetze) an der Nordwestecke des Forums. Unter Augustus erfuhr er eine großartige Umgestaltung und Erweiterung und wurde später zu einer Art Museum für die herrlichsten Werke der Malerei und Bildhauerkunst. Der Brunnen lag am Quirinal. Der mons Capitolinus hatte zwei Höhen, auf der nördlichen lag die arx, auf der südwestlichen der Iuppitertempel, zwischen beiden in einer Senkung lag das Asyl. Der Angriff ging vom Forum aus und richtete sich auf den südöstlichen Zugang zum Kapitol. Die nordöstliche Abdachung war mit Häusern bedeckt, die in Flammen aufgingen. Der andere Angriffspunkt war an der steileren Westseite, wo vermutlich auch die Treppe zu der rupes Tarpeia hinaufging. Der in der römischen Überlieferung als vergeblicher Krieg mit Rom erscheinende Zug des Porsenna, des Königs von Clusium, war in Wirklichkeit eine Eroberung oder Wiedereroberung und eine wenn auch vielleicht nur episodische Epoche etruskischer Herrschaft über Rom. Er wird auf das Jahr 507 angesetzt und gab den Hintergrund für eine Anzahl von Legenden, wie z.B. von Horatius Cocles. Der Galliereinfall im Jahre 387 mit der Eroberung Roms und der Rettung des Kapitols durch die heiligen Gänse. In dem Bürgerkrieg zwischen Marius und Sulla im Jahre 83 v. Chr. Darüber berichtet Livius I 38. Im Jahre 507 v. Chr. Wenn T. den Anfangs- und Endtermin einrechnet, würden sich von dem Konsulat des Horatius (507) bis zu dem des Scipio und Norbanus (83) 425 Jahre ergeben. Es liegt also wohl ein Schreibfehler der Überlieferung vor. Sulla hatte den Beinamen ›Felix‹, der Glückliche. Lutatius Catulus, der Sohn des Besiegers der Cimbern, weihte den neuen Tempel im Jahre 69 v. Chr. ein. Ämilius Pacensis hatte als Tribun einer städtischen Kohorte von Galba den Abschied erhalten und war von Otho wieder eingestellt worden mit dem Kommando eines Heerführers in dem narbonensischen Gallien. Quintius Atticus war zusammen mit Cäcilius Simplex für die beiden letzten Monate des Jahres 60 n. Chr. als Konsul eingesetzt worden. Das damals schon in Rom sehr zahlreiche Tempelpersonal für den Isiskult trug, wie auch die Priester selbst, Überwürfe aus weißem Leinen. Gemoniae (scalae), die Treppe, die am Fuße des Kapitolinischen Felsens war. Dorthin wurden die Leichen der hingerichteten Ver-

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brecher von den Henkern an einem Haken geschleift, eine Weile liegengelassen und der öffentlichen Beschimpfung preisgegeben. Die Stadtpräfektur war seit Tiberius ein ständiges Amt, der Inhaber einer der hohen Hilfsbeamten des Prinzeps, der nicht nur im Falle der Abwesenheit des Herrschers von Rom dessen Regierungstätigkeit zu ersetzen, sondern überhaupt den Herrscher in der Verwaltung der Hauptstadt zu vertreten hatte. Feronia, eine altitalische Göttin, wahrscheinlich etruskischen Ursprungs, deren kultischer Hauptsitz, auch lucus Feroniae genannt, der heilige Hain der Göttin bei Soracte im südlichen Etrurien gewesen zu sein scheint. Die Saturnalien waren ein dem Saturnus, dem Gott der Ernte, gewidmetes Fest, das vom 17.–23. Dez. gefeiert wurde, in einer Art antiken Karnevals mit Schul- und Gerichtsferien und gegenseitigen Bewirtungen und Beschenkungen. Weil sie durch ihre Saumseligkeit das Unglück über Rom gebracht hatten. Die Straße führte von Rom entlang dem Tiber über Fidenä, dann nordöstlich durch das Sabinerland nach Picenum. Saxa rubra (Rote Felsen) ist eine Station an der Flaminischen Straße, jenseits der Mulvischen Brücke. Arulenus Rusticus, ein Philosoph der Stoischen Schule. Er wurde im Jahre 94 auf Befehl des Domitianus umgebracht, weil er sich für Thrasea Pätus und Helvidius Priscus eingesetzt und diese unsträfliche Männer genannt hatte. Musonius Rufus, Lehrer der stoischen Philosophie, im Jahre 65 von Nero verbannt. Vgl. IV 10, 40. Die sechs Priesterinnen der Vesta in dem kleinen Rundtempel der Göttin. Sie hatten das heilige Feuer zu unterhalten und täglich Sühn­opfer für die Gesamtheit des Volkes darzubringen und für diese ein Gebet zu verrichten. Sie stehen seit Augustus unmittelbar unter der Aufsicht des Prinzeps. Hier kommen sie auch in unmittelbarem Auftrag des Vitellius. Die Sallustiani horti sind ein Park im Norden der Stadt, von dem Historiker Sallust erworben und dann im Jahre 20 n. Chr. in den Besitz des Tiberius übergegangen. Nach Sueton Vitell. 3 ist Vitellius im Jahre 15 geboren. Der Gedanke ist: wo doch Galba ein Herrscher war, der solche Untreue nicht verdient hätte.



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Domitianus war damals achtzehn Jahre alt. Tarracina siehe III 57. Der Bestrafung des dem Vespasianus feindlichen Capua hätte auf der anderen Seite eine angemessene Entschädigung an Tarracina entsprochen, das wegen des Anschlusses an die Partei des Vespasianus durch die Vitellier schwer heimgesucht worden war, aber nichts erhielt. Vgl. III 77. 4 Beim Regierungsantritt des Prinzeps übertrug diesem der Senat die seit Augustus üblichen Befugnisse, von denen ein Teil bereits dem in Aussicht genommenen Nachfolger zuerkannt worden war. Galba, Otho und Vitellius erhielten alles, was die Früheren gehabt hatten, auf einmal übertragen. Vgl. I 47; II 53. 5 Vespasianus war darauf bedacht, die Empfindlichkeit des Senats zu schonen, indem er nicht den Ton eines Siegers, der den Krieg bereits beendigt hatte, anschlug und dementsprechende Forderungen erhob, sondern, als ob die Entscheidung noch nicht gefallen wäre, um die Unterstützung des Senats bat. 6 Das consulare Imperium erhielt Domitianus, um seinen Vater und Bruder als Konsul vertreten zu können. Die Besetzung der Konsulate durch Senatsbeschluss galt nur für die Angehörigen des regierenden Hauses. Alle anderen Konsuln wurden seit Nero durch die Empfehlung des Prinzeps bestimmt und von der Volksversammlung nur formell genehmigt. 7 Dies war ungewöhnlich, da man die Triumphinsignien nur nach einem iustum bellum mit einem auswärtigen Feind verlieh und nicht nach einem Bürgerkrieg. 8 Es handelt sich um einen Einfall der mit den Sarmaten verbündeten Daker, den Mucianus bei seinem Marsch aus dem Orient nach Italien zurückschlug. Vgl. II 33; III 46. 9 T. meint die Bezeichnung philosophus, mit der offenbar damals von eingebildeten Leuten Missbrauch getrieben wurde. 10 P. Pätus Thrasea aus Padua, wurde im Jahre 66 durch eine falsche Beschuldigung unter Nero zum Selbstmord gezwungen. Vgl. Tac. ann. XIII 49; XVI 21 f. Siehe auch Anmerk. S. 298 Nr. 84. 11 Servilius Barea Soranus, war unter Nero Prokonsul in Asien und wurde dann auf das Zeugnis seines früheren Freundes, des P. Celer, hin verurteilt und mit seiner Tochter Servilia in den Tod getrieben. 12 In der Republik war das aerarium von Quaestoren im Namen des Senats verwaltet worden, in der Zeit des Prinzipats ging es mehr und mehr in die Hände des Prinzeps über und unter die Obhut von eigenen Beamten, die wechselnde Titel hatten. Nero setzte im Jahre

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56 zwei Prätoren mit dem Titel praefecti aerarii Saturni ein, nachher hießen sie nur praetorii. Musonius Rufus vgl. III 81. – P. Egnatius Celer siehe Anmerk. 11. Rache an den Anklägern. C. Calpurnius Piso Galerianus war der Stiefsohn des bekannten C.  Calpurnius Piso, der im Jahre 65 nach der Entdeckung seiner Verschwörung gegen Nero umgebracht worden war. Die Via Appia, von Appius Claudius Caecus im Jahre 318 v. Chr. begonnen, führte von der porta Capena über Capua durch Samnium bis Brundisium. Vgl. II 67, 93. Vgl. II 57. Mit der insula ist die vom Rhein und der Waal gebildete Insel gemeint. Vgl. I 7, 58; III 62. Q. Sertorius, der als Gegner der bestehenden Regierung in Spanien kämpfte und schließlich im Jahre 72 v. Chr. von seinen Offizieren ermordet wurde. Die Beendigung des Krieges erfolgte durch Pompeius. Hordeonius Flaccus war von Galba zum Statthalter von Obergermanien ernannt worden. Ihm hatte Vitellius bei seinem Abzug nach Italien das Kommando über die Rheinfront übertragen. Gaius Caligula (s. Zeittafel S. 313) hatte in den Jahren 39/40 von Gallien aus großartige Rüstungen zu Feldzügen an den Rhein gegen die Germanen und an den Ozean gegen Britannien getroffen. Es kam aber nur zu Scheinunternehmungen. Die Äduer und Arverner waren auf der Seite des Vindex gestanden und waren bei Vesontio von Verginius Rufus, in dessen Heer auch Truppen der Bataver standen, besiegt worden. Siehe auch Anmerk. S. 284 Nr. 18. Es waren immerhin sechzig Jahre seit der Varusschlacht vergangen. Gemeint ist das Lager von Castra Vetera, auf dem sog. Fürstenberg bei Xanten am linken Rheinufer. Die Ubier saßen zur Zeit Cäsars noch am rechten Rheinufer und wurden von Agrippa im Jahre 39 v. Chr. auf das linke Ufer verpflanzt. Unter Claudius wurde die Civitas Ubiorum zu Ehren seiner Gemahlin in Colonia Agrippinensis (heute Köln) umbenannt. Darunter sind Bilder von den Göttern heiligen Tieren zu verstehen, wie Widder, Wolf, Eber u.a. Vgl. auch Tac. Germania Kap. 7: effigies et signa quaedam. Wie wir dem römischen Schriftsteller Vegetius (seinem Werk »de re militari«) entnehmen können, handelt es sich wohl um eine Art Gerüst, das im unteren Teil einen Sturmbock und in dem mittle-



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ren, entsprechend der Höhe der feindlichen Mauer, eine Fallbrücke enthielt. Auf dem obersten Teil standen die Angreifer. 30 Weil flaccus schlapp, welk bedeutet. 31 Die Dürre und Trockenheit hatte den niederen Wasserstand hervorgerufen und zugleich eine schlechte Ernte und eine verminderte Getreidezufuhr. Die Zahl der Verbraucher hatte sich deshalb vermehrt, weil wegen der leichteren Möglichkeit, seitens der Germanen in die römische Provinz einzufallen, eine stärkere Besatzung dorthin gelegt werden musste. 32 Womit wohl der Flussgott des Rheins gemeint ist. 33 T. gebraucht hier Fachbegriffe der Fechtersprache. 34 Die porta praetoria lag in der Mitte der gegen den Feind gewendeten Seite des Lagers. 35 Es ist hier an einen Schwungbalken gedacht. 36 Er war von der Flavianischen Partei nach der Auflösung des Heeres nach der Schlacht bei Vetera als Zeuge des Sieges nach Germanien geschickt worden. Vgl. III 35. 37 Die fasces der Liktoren, die mit den Beilen das Recht der römischen Konsuln über Leben und Tod demonstrierten. 38 Subsignani heißen die unter den Fahnen stehenden Soldaten der regulären Legionen. 39 Signa sind gewöhnlich die Fahnen des Fußvolks (mitunter auch die Abteilungen des Fußvolkes), vexilla die Standarten der Reiterabteilungen. 40 Nämlich die schmalen, durch die Sumpfgebiete führenden Bohlen­ wege. 41 In Noväsium befand sich das Hauptquartier des Hordeonius. Vgl. IV 31. 42 Mit secundis meint T. den Erfolg bei Vetera (siehe IV 34), mit adversis das für die Römer ungünstige Treffen bei Noväsium. 43 Iulius Frontinus (ca. 40–103 n. Chr.): er legte die Prätur am 1. Jan. 70 nieder und bekleidete dann mehrere Male das Konsulat. Als Nachfolger des Cerialis war er 76–78 in Britannien. Ein charaktervoller, gebildeter Soldat und Staatsmann. Verfasser eines verlorenen Werkes »de re militari« (über die Theorie des Kriegswesens), sowie von drei Büchern »Strategemata« (Sammlung von Kriegslisten), einer Beschreibung der Bewässerungsanlagen Roms und einer Schrift über die Feldmesskunst. 44 Tettius Iulianus, einer der Sieger über den Stamm der Rhoxolaner (vgl. I 79); er flüchtete, von dem Statthalter Mösiens verfolgt, zu Vespasianus (II 85). 45 Plotius Grypus siehe III 52. 46 Über Hormus vgl. III 12.

308 Anmerkungen 47 Scribonianus Crassus war der ältere Bruder des von Galba adoptierten Piso (vgl. I 47). 48 Curtius Montanus, unter Nero als Verfasser eines berüchtigten Gedichtes angeklagt, aber begnadigt. 49 Die alten Monatsnamen sollten wieder in Kraft gesetzt werden. Sie wa­ren, insbesondere unter Nero, geändert worden (z.B. Neroneus für Mai, Claudius für Juni), außerdem waren in den Kalender die jähr­ lichen Opfer und Festspiele für den Herrscher eingetragen w ­ orden. 50 Seelen der Verstorbenen, die nach Meinung der Römer in der Unterwelt als Schatten weiterleben. 51 Iunius Mauricus, der Bruder des Arulenus Rusticus. Er wurde im Jahre 93 verbannt und von Nerva wieder zurückberufen. 52 Die beiden Brüder Scribonius, Rufus und Proculus, wurden im Jahre 67 von Nero wegen ihres Reichtums zum Selbstmord getrieben. 53 Vibius Crispus vgl. II 3. 54 Vipstanus Messalla siehe S. 299 Anmerk. 6. 55 Aquilius Regulus war ein unter Nero gefürchteter Denunziant und auch später noch wegen seiner Beredsamkeit berüchtigt. 56 Ser. Cornelius Orfitus, im Jahr 51 mit Claudius zusammen Konsul. Vgl. Tac. ann. XVI 12, wo er als Antragsteller für die Umänderung des Monatsnamens Mai in Claudius und des Juni in Germanicus genannt wird. Siehe Anmerk. 49. 57 T. will zum Ausdruck bringen: die exemplarische Bestrafung des Regulus wirkt länger als das Vorbild des Vespasianus, bei dem man nicht weiß, ob es durch einen Nachfolger verdunkelt wird (Domi­ tianus). 58 Octavius Sagitta war unter Nero Volkstribun. Über den Mord berichtet Tac. ann. XIII 49 Näheres. 59 Antistius Sosianus wurde im Jahre 62 wegen Majestätsbeleidigung bestraft. Vgl. Tac. ann. XIV 48 f. 60 Antonius Flamma war Statthalter von Kreta und Kyrene. Er hatte sich durch Bestechung zur Verhängung von Todesstrafen bewegen lassen. Weil er sich somit des Verbrechens gegen das Leben schuldig gemacht hatte, wurde die Angelegenheit vor dem Senat verhandelt. 61 Die Soldaten der prätorischen Kohorten genossen eine Vorzugsstellung: sie hatten bei kürzerer Dienstzeit höheren Sold als die übrigen Truppen. 62 Gemeint sind die Angehörigen der prätorianischen Truppen, die bei Narnia und Bovillae sich ergeben hatten. Vgl. III 63; IV 2. 63 Vitellius hatte auf zehn Jahre die Konsulate im Voraus verteilt. 64 Funus censorium = funus publicum: ein Staatsbegräbnis. Censorium deshalb genannt, weil in den Zeiten der Republik die Zensoren mit der Durchführung solcher Begräbnisse beauftragt waren.



Viertes Buch 309

65 Marcus Silanus, Konsul 19 n. Chr., berühmt als Redner, Vertrauter des Tiberius, der die Ehe zwischen Claudia, der Tochter des Silanus und Caligula stiftete. Caligula zwang später seinen Schwiegervater zum Selbstmord. 66 Die Legaten behielten ihr Amt, solange es dem Prinzeps gefiel, während die Amtsdauer der Prokonsuln nur ein Jahr betrug. 67 Valerius Festus, Befehlshaber einer Legion im Jahre 69 und 70, dann Konsul und in den Jahren 79/80 Legat in Pannonien und Spanien. Vgl. II 98. 68 Über Clodius Macer vgl. I 7, 73; II 97. 69 Bäbius Massa war einer der berüchtigsten Delatoren unter Domitia­ nus. Im Jahre 93 wurde er von den Bewohnern der Provinz Bätica angeklagt und wegen Erpressung verurteilt, erlangte aber später seinen unheilvollen Einfluss wieder. Vgl. Tac. Agr. 45. 70 Vespasianus befand sich damals in Alexandria. 71 L. Vestinus, vermutlich aus Ravenna gebürtig, war Finanzberater des Claudius. 72 Von bestimmten Bäumen, wie z.B. Eiche, Buche, Lorbeer usw., die als glückbedeutend galten. 73 Über Classicus vgl. II 14. Die ala Trevirorum gehörte zum regulären römischen Heer. Während des Aufstandes im Jahre 21 n. Chr. blieb sie im Wesentlichen den Römern treu. 74 Iulius Sacrovir war der Führer des gallischen Aufstandes im Jahre 21 n. Chr. 75 820 Jahre sind eine abgerundete Zahl. 76 Damit sind die Reste der I. und XVI. Legion gemeint. 77 Veleda auch von Tac. Germ. Kap. 8 erwähnt. Sie bewohnte einen Turm an der unteren Lippe. Bei einem späteren Aufstand wurde sie von den Römern gefangengenommen und nach Rom verbracht. Vgl. auch IV 61, 65. 78 Über Lupercus s. IV 18. 79 Siehe zu I 70. 80 Interpretatio Romana für den germanischen Gott Ziu. 81 Die Bücher, in denen T. dies berichtete, sind verlorengegangen. 82 Über Gallus Annius vgl. I 87. 83 Über Petilius Cerialis vgl. III 59. 84 Arrecinus Clemens war einer der Vertrauten und Spitzel des Domitianus, der ihn schließlich umbringen ließ. 85 Über Sextilius Felix vgl. III 5. 86 Singulares bezeichnet in der Kaiserzeit militärische Einzelpersonen, die höheren Offizieren zugeteilt und zu Ordonnanzdiensten verwendet wurden. Bei den den Provinzialstatthaltern zugeteilten Singulares equites oder pedites handelt es sich um eine größere Anzahl

310 Anmerkungen

87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

Reiter bzw. Fußsoldaten, die für die Statthalter aus den Hilfstruppen der Provinzialen ausgewählt und in das Hauptquartier abkommandiert wurden, wo sie dann eigene Abteilungen bildeten. Iulius Briganticus (vgl. II 22) war Präfekt einer Reiterabteilung. Seinen Tod s. V 21. Im Jahre 48 n. Chr. hatte Claudius den primores der Gallier das ius honorum zugebilligt, wobei es sich zunächst um die Möglichkeit der Aufnahme in den Senat handelte. Über Numisius und Herennius vgl. IV 22, 26, 59, 70. T. verlässt hier (bis V 14) den Kriegsschauplatz am Rhein, um von den Vorgängen in Rom und im Orient zu berichten. Siehe zu II 98. Mit dem griechischen Heilgott Asklepios gleichgesetzt. Also in der Zeit Traians, in der T. die »Historien« schrieb. Der Name hängt mit dem griechischen Wort für König (Basileus) zusammen. Ptolemäus, mit dem Beinamen Soter (der Retter), Sohn des Lagos und der Arsinoe, einer der Feldherrn Alexanders, gründete nach dessen Tod die Dynastie der Lagiden (im Jahre 306 v. Chr.). Die Eumolpiden sind das vornehmste eleusinische Priestergeschlecht, das etwa ein Jahrtausend lang das Amt der Hierophanten in Eleusis versehen hat. Iuppiter Dis = Pluto. Rhacotis heißt der südwestliche Stadtteil von Alexandria mit der Akropolis und dem Serapeion. Ptolemäus Euergetes, der von 247–222 regierte.

Fünftes Buch 1 2 3

4 5 6 7

Weil sich Titus nun als Cäsar, d. h. als Nachfolger fühlen konnte. Siehe über Agrippa, Sohämus und Antiochos II 81. Der Bericht des T. über die Herkunft und die ersten Schicksale des jüdischen Volkes ist unhistorisch. Er hat zudem judenfeindliche, wohl von ägyptischen Volksüberlieferungen beeinflusste Quellen benützt. D.h. die vom Meer am weitesten abgelegenen Teile. Saturnus wurde in Rom schon früh mit dem griechisch-mythischen Kronos gleichgesetzt und ging dann als König des goldenen Zeitalters in die römische Poesie ein. Cepheus ist nach der griechischen Sage der Vater der Andromeda, vgl. Ovid. met. IV 378. Vgl. Homer II. VI 184. Od. V 282.

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23 24

Fünftes Buch 311 Bocchoris, der etwa in der Mitte des 8. Jahrhunderts regierte. Das Orakel befand sich in der Oase Siva, westl. von Unterägypten. Bekannt durch den Besuch Alexanders d. Gr. Der Esel war das dem ägyptischen bösen Gott Typhon heilige Tier. Gemeint sind die sieben Planeten: Saturn, Iuppiter, Mars, Venus, Merkur, wozu noch Sonne und Mond gerechnet werden. Vgl. dagegen die Anweisung II. Mos. 22, 21. Als »Nachgeborene« werden die Kinder gerechnet, die über eine gewisse Zahl hinaus geboren waren oder aus 2. Ehe stammten oder erst nach Abfassung des Testaments geboren wurden. Vgl. Tac. Germ. 19. Herodes d. G. hatte einen Rebstock, an dem vergoldete Trauben hingen, an dem Tempeleingang anbringen lassen. Liber ist ursprünglich ein altitalischer Gott, der später mit Dionysos gleichgesetzt wurde und dann ganz in die Reihe der aus dem Osten gekommenen Mysteriengötter eingereiht wurde. Name für Naturasphalt von zähflüssiger Konsistenz, vgl. dazu Plin. nat. VII 65. Unter Judäa versteht T. ganz Palästina. Antiochus IV. Epiphanes (176–164 v. Chr.). Auf dem Rückweg von Ägypten nach Syrien zog Antiochus nach Jerusalem, das er mit Gewalt hellenisieren wollte. Die orthodoxen Juden, die es immer mit Ägypten gehalten hatten, wurden umgebracht oder vertrieben und an ihre Stelle griechische Kolonisten gesetzt und eine mazedonische Besatzung nach Jerusalem gelegt. Die weitere Durchführung seiner Maßregeln überließ er seinen Unterbeamten und zog nach Antiochia, wo er die geraubten Gelder verprasste. Arsaces gründete um das Jahr 250 das Partherreich. Unter den Königen sind die Makkabäer zu verstehen. In Judäa hob im Jahre 63/62 Pompeius, von der Pharisäerpartei um die Schlichtung des Thronstreites zwischen den Brüdern Hyrkanos und Aristobulos gebeten, das Makkabäische Fürstentum auf und führte die Hohepriesterverfassung wieder ein. Aristobulos fügte sich, während der Tempelberg seinen Truppen in dreimonatiger Belagerung entrissen werden musste. Hyrkanos wurde als Hohepriester abgesetzt. Nach der Schlacht bei Philippi trennten sich Antonius und Octa­ vian, Antonius, um die asiatischen Verhältnisse im Sinne der Sieger zu ordnen, Octavian, um in Italien die Belohnung der Veteranen vorzunehmen, die weitgehende Landanweisungen erforderte. Vgl. I 40. P. Ventidius Bassus, 43 Konsul, Günstling Cäsars, kämpfte als Legat siegreich gegen die Parther. Siehe Anmerk. S. 288 Nr. 59. C. Sosius, Feldherr des Antonius, bekam von Antonius den Auftrag, den vertriebenen König Herodes nach Jerusalem zurückzuführen,

312 Anmerkungen

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wozu Herodes zwei Legionen zur Verfügung gestellt bekam, da Sosius in seiner Provinz Syrien durch Aufstände in Anspruch genommen war. Herodes zog im Jahre 37 in Jerusalem ein. Simo, ein Freigelassener des Herodes, hatte sich an die Spitze von Aufständischen gestellt und sich sogar den Königstitel beigelegt. Er wurde geschlagen und kam auf der Flucht um. Siehe die Zeittafel S. 313. Antonius Felix war um 52–60 Prokurator in Judäa, ein Bruder des Pallas, des mächtigen Freigelassenen des Nero. Er ließ den Apostel Paulus gefangennehmen (Apostelgesch. 24, 10). Aus der Ehe des Antonius mit Octavia stammte die Tochter Antonia, die mit Drusus Germanicus verheiratet war, deren Sohn Claudius war. Aus der Ehe des Antonius mit Cleopatra stammte die Tochter Kypros, die mit Herodes Agrippa I. verheiratet war. Die Tochter aus dieser Ehe Drusilla wurde die Frau des Antonius Felix. Cestius Gallus: ihm übertrug im Jahre 63 Nero die Zivilverwaltung der Provinz Syrien. Im Jahre 66 griff er in den jüdischen Aufstand ein und rückte bis Jerusalem vor, das er zum Teil anzündete, aber nicht ganz zu erobern vermochte. Er hob die weitere Belagerung auf, und der Rückzug artete in Flucht aus, die den Römern schwere Verluste kostete. Ein Fuß ist gleich 0,30 m. Turris Antonia ist die Tempelburg auf dem Moriahberg, nordwestl. vom Tempel, unter den Makkabäern errichtet. Am Osterfest wurden die Tore des Tempelhofes geöffnet. Drusus (der Ältere) hatte den Damm am linken Rheinufer angelegt, um die Wassermassen von der Waal ab zum rechten Rheinarm hinzulenken. Um die Chauken angreifen zu können, ließ er einen Kanal bauen, der vom Rhein zur Issel, in die Zuydersee und weiterhin in die Nordsee führte (Fossa Drusiana). Es ist die Strecke zwischen Rhein und Issel, die von Westervoort bis Doesborgh reicht. Der Durchstich durch den Deich bezweckte, den Wasserstand der Waal zu senken und den des sog. alten Rheins zu heben. Rhenum, womit die Waal gemeint ist. Alpinius Montanus: vgl. III 35; IV 31. Die genannten Orte sind nicht weiter bekannt. D.h. ihr eigenes Wasser und das des Rheins zusammen. Wie es z.B. Coriolanus mit dem Besitztum der Senatoren oder Hannibal mit dem Landgut des Fabius Maximus machte, vgl. Liv. II 39; XXII 3. Civilis unterwarf sich. Die Bataver selbst büßten ihre bevorzugte Stellung unter den römischen Bundesgenossen nicht ein. Vgl. Tac. Germ. Kap. 29.

Zeittafel Der Kampf um die Alleinherrschaft 60 v. Chr. 59 58–49 53 49 48 47 46 45

Das sog. erste Triumvirat (Pompeius, Cäsar und Crassus). Cäsar Konsul Cäsar in Gallien Niederlage des Crassus bei Carrhä im Kampf gegen die Parther. Tod des Crassus. Bruch zwischen Cäsar und Pompeius. Cäsar überschreitet den Rubicon. Beginn des Bürgerkrieges. Schlacht bei Pharsalus (Griechenland). Tod des Pompeius. Sieg Cäsars bei Zela (Kleinasien) über Pharnakes, den Sohn des Mithridates. Schlacht bei Thapsus (Afrika), Sieg Cäsars über die Reste der Pompeianischen Partei. Selbstmord Catos. Numidien unter dem Namen Africa nova römische Provinz. Schlacht bei Munda (Spanien), Sieg Cäsars über die Pompeianer. Tod des Cn. Pompeius. Cäsars Alleinherrschaft

46–44

44

Übertragung der Diktatur auf Lebenszeit, des Konsulats auf zehn Jahre, der praefectura morum (Zensur), der tribu­ nizischen Gewalt und des Oberpriesteramtes. Wieder­her­ stellung der Ordnung im Innern. Ver­söh­nung der Par­teien. Kolonisation in Italien und den Pro­vinzen (Vete­ra­nen­an­ siedlung). Neuordnung der Ge­trei­deverteilung. Ver­leihung des Bürgerrechtes an die Be­wohner des nördlichen Polandes. Kalenderreform. Pfle­ ge der öffentlichen Wohlfahrt, Bau­ten (Forum Iulii, Ba­silica Iulia, Curia Iulia). Ermordung Cäsars an den Iden des März. Die Kämpfe um das Erbe Cäsars

43

Der Mutinensische Krieg (Octavianus stellt sich mit seinem angeworbenen Heer dem Senat zur Verfügung und zieht mit den beiden Konsuln Hirtius und Pansa gegen Antonius, der D. Brutus in Mutina eingeschlossen hat).

314 Zeittafel

42 40 36 31

Zweites Triumvirat: Octavianus, Antonius, Lepidus. Proskriptionen. Tod Ciceros. Schlacht b. Philippi (Thrakien). Tod des Brutus und Cas­sius. Übereinkunft von Brundisium: Antonius wird der Osten, Octavian der Westen (mit Illyricum), Lepidus Afrika zugesprochen. Auflösung des Triumvirats. Ausscheiden des Lepidus. Antonius und Octavianus im Kampf um die Alleinherrschaft. Schlacht bei Actium. Antonius von Agrippa, dem Feldherrn des Octavianus, besiegt. Das iulisch-claudische Haus

27 v. Chr. – 14 n. Chr. Augustus Neuordnung der Provinzialverwaltung. Vorrücken der Reichsgrenze bis an die Donau. Neue Provinzen: Rätien, Vindelicien, Noricum, Pannonien. 9 n. Chr. Sieg des Arminius über Varus. 14–37 Tiberius Claudius Nero 14–16 Germanenkriege des Germanicus gegen die Marser, Chatten und Cherusker. Christus in Jerusalem auf Verlangen des Hohen Rates durch den Landpfleger Pontius Pilatus zum Tode verurteilt. 37–41 Gaius Cäsar Caligula 39/40 possenhafte Unternehmungen von Gallien aus an den Rhein gegen die Germanen und an den Ozean gegen Britannien. 41–54 Tiberius Claudius Germanicus Verbesserung des Gerichtswesens. Fürsorge für die Provinzen, besonders für Gallien, Verleihung des ius honorum, der Berechtigung zu allen römischen Ämtern und damit des Zutritts zum Senat, einer der wichtigsten Schritte zur Romanisierung der Provinzen. Beginn der Eroberung des keltischen Britanniens 43. 54–68 Nero Claudius Cäsar Aufstand in Britannien, durch den Statthalter Suetonius Paulinus niedergeworfen 60/61. Brand Roms und Christenverfolgung 64. Versuch des keltischen Statthalters von Gal­lien C. Iulius Vindex, sich zum Herrscher aufzuwerfen. Nero Juni 68 durch Selbstmord geendet. Erlöschen des iulisch-claudischen Hauses.



Zeittafel 315

Das Ringen um die Herrschaft im Bürgerkrieg 69

Galba, Otho, Vitellius

69–79

Titus Flavius Vespasianus Bau des Tempels der Friedensgöttin und des Amphitheaters (Kolosseum). Aufstand der Bataver unter Iulius Civilis und Niederwerfung durch Petilius Cerialis 69. Fortsetzung und Beendigung des Jüdischen Krieges durch den Cäsar Titus, Jerusalem erobert und zerstört. Judäa als besondere Provinz von Syrien abgetrennt. Zerstreuung des jüdischen Volkes 70. Titus Flavius Vespasianus Ausbruch des Vesuv 24. Aug. 79. Untergang der Städte Pompeii, Herculaneum und Stabiae. Große Feuersbrunst in Rom. Domitianus Flavius Vespasianus Erweiterung der römischen Herrschaft in Britannien durch Iulius Agricola. Kämpfe an der unteren Donau mit dem Dakerfürsten Decebalus. Erfolge gegen die rechtsrheinischen Germanen, insbesondere Kämpfe mit den Chatten. Vorschieben des römischen Machtbereiches bis in das Neckargebiet (Einbeziehung der Decumates agri und Begründung der durch Türme und Erdkastelle gesicherten Reichsstraße, aus der sich dann der ›Limes‹ entwickelte).

Die flavischen Kaiser

79–81

81–96

Die sogenannten Adoptivkaiser 96–98 98–117

M. Cocceius Nerva Imperator Cäsar Nerva Traianus Unterwerfung der Daker 105–107. Fortsetzung des Limes vom Main bis zum oberen Neckar (Verbindung mit der Provinz Rätien). Größte Ausdehnung des Imperium Romanum

Aufbau der Historien (nach Städele, 2014, 233f.) Erstes Buch 1. 1. – 15. 3. 69 n. Chr. 1–11

Einleitung: Proömium, Status quo in Rom und den Provinzen 12–50 Galbas Sturz durch Otho; Pisos Adoption; Galbas und Pisos Ermordung 51–70 Aufstand des Vitellius in Germanien 71–90 Othos Herrschaft bis zu seinem Aufbruch aus Rom Zweites Buch 16. 3. – Anfang Oktober 69 n. Chr. 1–10 Die Lage im Osten des Reiches 11–51 Der Bürgerkrieg zwischen Otho und Vitellius 52–73 Vitellius’ Zug nach Italien 74–86 Abfall Vespasians 87–101 Vitellius Kaiser in Rom Drittes Buch Anfang Oktober – 20./21. 12. 69 n. Chr. 1–35 Kämpfe zwischen Vitellianern und Flavianern bis zur Zerstörung Cremonas 36–86 Vorrücken der Flavianer bis zur Einnahme Roms; Ermordung des Vitellius Viertes Buch 20./21. 12. – Anfang Januar 70 n. Chr. 1–11 Wüten der Flavianer in Rom 12–37 Beginn des Bataveraufstands (Sommer 69) 38–47 Ereignisse in Rom (Anfang 70) 48–53 Ereignisse in Africa; Vespasian in Alexandria; Wiedererrichtung des Kapitolinischen Tempels



Aufbau der Historien

317

54–79 Bataveraufstand, Sieg des Cerialis bei Trier 80–86 Mucian, Domitian und ihr Zug nach Gallien; Vespasian in Alexandria Fünftes Buch Anfang 70 n. Chr. 1–13 Titus vor Jerusalem; Judäa – das Land und seine Bewohner 14–26 Ende des Bataveraufstands

Sex. Appuleius cos. 14 ∞ Fabia Numantina

Iulia † 54 ∞ Cn. Pompeius Magnus 106–48

C. Iulius CAESAR (Divus Iulius) 100–44 ∞ Cornelia

Iulia † 68 ∞ C. Marius 156–86

C. Iulius Cäsar

Atia

Octavia minor (C. Octavius) 69 (?) – 11 C. Iulius Caesar ∞ a. ca. 54– ? C. Marcellus Octavianus cos. 50, † 40 (Imperator Caesar Sex. Appuleius ∞ b. 40–32 M. Antonius Divi filius AUGUSTUS) cos. 29 triumvir 82–30 63–14 s. Tafeln 2 und 3 ∞ a. 43–41 Clodia ∞ b. 40–39 Scribonia ∞ c. 38–14 Livia Drusilla Appuleia Varilla s. Tafel 5

Octavia maior ∞ Appuleius (?)

Kursiv gesetzte Jahreszahlen bezeichnen die Jahre vor Christi Geburt

Iulia minor † 51 ∞ M. Atius Balbus praet. 62

Ancharia ∞ C. Octavius ∞ praet. 61 † 58

Iulia maior

C. Iulius Cäsar † 85 ∞ Aurelia † 54

Tafel 1: Haus der Iulier

318 Stammtafel 1: Haus der Iulier

∞ M. Antonius 40–32 triumvir 82–30

siehe Tafel 3

∞ Octavia minor ca. 54–? 69 (?) – 11

Valeria Messalina † 48 ∞ Tib. CLAUDIUS Nero Caesar † 54

Quinctilius Varus

L. Antonius † 25

Iullus Antonius cos. 10, † 2 ∞ Claudia Marcella maior

∞ a. Fadia ∞ b. Antonia ∞ c. 46–40 Fulvia

Kursiv gesetzte Jahreszahlen be­zeich­ nen die Jahre vor Christi Geburt

Claudia Marcella maior Claudia Marcella M. Claudius Marcel∞ a. ca. 28–21 M. Vipsanius Agrippa minor lus 42–23 62–12 ∞ a. Paullus Aemilius ∞ Iulia Augusti filia s. Tafel 4 Lepidus cos. 34 39–14 ∞ b. Iullus Antonius ∞ b. M. Valerius Mess. Tafel 4 cos. 10, † 2 sala Barbatus Appia? filia nus cos. 12, † 12 ∞ D. Haterius † 26 M. Valerius Messala Claudia Pulchra D. Haterius Barbatus ∞ P. Quinctilius Varus Agrippa cos. 22 ∞ Domitia Lepida cos. 13, † 9 s. Tafel 3

C. Claudius Marcellus cos. 50, † 40

Tafel 2: Haus der Octavia und des Marcellus

Stammtafel 2: Haus der Octavia und des Marcellus 319

Claudia Livilla = Livia Iulia ca. 12–31 ∞ a. C. Caesar † 4 ∞ b. Drusus Tiberii filius † 23

Tib. CLAUDIUS Nero 10–54 ∞ a. Plautia Urgulanilla ∞ b. Aelia Paetina

Antonia minor 36 v. –37 n. Chr. ∞ Nero Claudius Drusus 38–9

Kursiv gesetzte Jahreszahlen be­zeich­ nen die Jahre vor Christi Geburt

∞ c. Valeria Drusus Aeliae Domitia Claudia Domitia Cn. Domitius Ahenobarbus Messalina † 48 Iunillae Seiani ∞ C. Passienus Lepida cos. 32, † 40 ∞ d. Iulia filiae Seiani Crispus Antonia ∞ M. Valerius ∞ Iulia Agrippina Germanici Agrippina filiae desticos. I 27 ∞ Faustus Messala filia ca. 16–59 (minor) natus cos. II 44 Cornelius Barbatus L. Domitius Ahenobars. Tafel 5 Sulla Felix s. Tafel 2 bus = NERO Domitius cos. 52 37–68 NERO Valeria Messalina † 48 ∞ a Claudia Octavia Claudia Octavia Claudius Britannicus ∞ Tib. CLAUDIUS ∞ b. Poppaea Sabina 40–62 41–55 Nero Caesar † 54 ∞ c. Statilia Messalina

Antonia maior 39–25 ∞ L. Domitius Ahenobarbus cos. 16, † 25 Germanicus Iulius Caesar 15–19 ∞ Agrippina maior s. Tafel 5

Fulvia ∞ M. Antonius ∞ Octavia minor Tafel 2 46–40 triumvir 82–30 40–32 69 (?) – 11

Tafel 3: Haus deR OCTAVIA UND DES ANTONIUS

320 Stammtafel 3: Haus der Octavia und des Antonius

Iulia ∞ b. 21–12 M. Vipsanius Agrippa 39–14 62–12

∞ a. Caecilia Attica (Pomponia)

T. Pomponius Atticus † 32

∞ b. ClauVipsania ?–20 dia Marcella maior ∞ a. 16–12 ∞ b. 12–20 s. Tafel 2 TIBERIUS C. Asinius Caesar Gallus 40–33 C. Caesar Iulia L. Caesar Agrippina M. Agrippa 42–37 cos. 8 20–4 ca. 19–28 17–2 maior Postumus ? filia ? ∞ Livia ∞ ∞ ca. 14–33 12–14 ∞ Iulia L. Aemilius Aemiliae ∞ C. Asinius Pollio Q. Haterius Claudii Paullus Lepidae Germanicus cos. 23 † 26 Drusus Drusi filia cos. 1 sponsus s. Tafel 5 M. Asinius Agripca. 15–23 s. Tafel 3 pa cos. 25, † 26 s. Tafel 5 D. Haterius Ser. Asinius Celer Aemilia Lepida Agrippa cos. suff. 38 ∞ M. Iunius Silacos. 22 nus cos. 19 Asinius Gallus Asinius Saloninus † 22 Kursiv gesetzte JahresM. Iunius L. Iunius Iunia Iunia D. Iunius zahlen be­zeich­nen die Silanus Silanus Lepida Calvina Silanus TorJahre vor Christi Geburt cos. 46 Torquatus quatus cos. 53

∞ a. 25–23 M. Claudius Marcellus s. Tafel 2 ∞ c. 11–2 TIBERIUS Caesar s. Tafel 5

C. Iulius Caesar Octavianus (Imperator Caesar Divi filius AUGUSTUS) 63–14 ∞ b. 40–39 Scribonia

Tafel 4: Haus des AUGUSTUS

Stammtafel 4: Haus des Augustus 321

Germanicus Iulius Claudia Livilla = Tiberius Livia Iulia Caesar 15–19 CLAUDIUS ca. 12–31 ∞ Agrippina maior Nero ca. 14–33 s. Tafel 4 ∞ a. C. Caesar † 4 10–54 ∞ b. Drusus Tibes. Tafel 3 rii filius † 23

Nero Claudius Drusus 38–9 ∞ Antonia minor 36 v. –37 n. Chr.

Drusus Nero 6–31 Gaius Gaius Caesar Iulia Agrippina (minor) ca. 16–59 Iulia Drusilla 17–38 Iulia Livilla 8 –33 ∞ a. Caecilia Iunia 11–? ›CALIGULA‹ ∞ a. 28–40 Cn. Domitius ∞ a. 33–37 L. Cassius 18–42 ∞ Aemilia 12–41 Cret. Silani Ahenobarbus † 40 Longinus cos. 30 ∞ M. ViniLepida † 36 ∞ a. Claudia filia sponsa ∞ b. C. Passienus Crispus ∞ b. M. Aemilius cius cos. 30 Silana † 36 ∞ b. Iulia Drusi filia † zw. 44 und 48 Lepidus † 39 ∞ b. Lollia ∞ c. 49–54 CLAUDIUS imperator † 54 s. Tafel 3

Rubellius Plautus † 62 ∞ Antistia Pollitta

∞ a. 16–12 Vipsania Agrippina, s. Tafel 4 ∞ b. 12–20 Drusus ca. 15–23 ∞ Livia Iulia Asinius Gallus † 33 Claudii Drusi filia (Livilla) s. Tafel 4 Germanicus Tiberius Iulia ca. 3–43 ∞ a. Nero Germanici filius Gemellus Gemellus 19–23 19–37 ∞ b. Seianus sponsus ∞ c. Rubellius Blandus

b. 11–2 Iulia ∞ TIBERIUS Claudius Nero 39–12 s. Tafel 4 42–37

C. Iulius Caesar Octavianus ∞ 38–14 Livia Drusilla ∞ ?–38 Tib. Claudius Nero (Imperator Caesar Divi filius AUGUSTUS) (Iulia Augusta) 58–29 praet. 42 † 33 ∞ Scribonia

Tafel 5: Haus der Livia

322 Stammtafel 5: Haus der Livia

T. Flavius Sabinus ∞ Flavia Iulia Aug.

T. Flavius Clemens ∞ Flavia Domitilla (III)

Flavius Liberalis

(1) Flavia Iulia Aug. ∞ T. Flavius Sabinus

Flav. Vespasianus

5 Kinder

Flavia Domitilla (III) ∞ T. Flavius Clemens

Flavia Domitilla (II)

Flav. Domitianus

Flavius puer (früh verstorben)

Imp. Caesar DOMITIANUS (51–96) ∞ Domitia Longina

Imp. Caesar VESPASIANUS (9–79) ∞ Flavia Domitilla (I)

nach Bengtson, 1979, 291

Imp. Caesar TITUS (39–81) ∞ 1. Arrecina Tertulla ∞ 2. Marcia Furnilla

Flavius Sabinus praef. urbi (um 8–69 n. Chr.)

Flavius Sabinus ∞ Vespasia Polla

T. Flavius Petro ∞ Tertulla

Tafel 6: Haus der Flavier

Stammtafel 6: Haus der Flavier 323

Register Achaia, mit Asia zusammen genannt. Achaia seit 146 v. Chr. römische Provinz (Griechenland). Asia seit 133 v. Chr. römische Pro­ vinz (westliche Hälfte von Klein­ asien) II 2.8.81.83 Adria III 42 Adrumetum, Küstenort südlich von Karthago, alte phönizische Kolonie IV 50 Adua (Addua), Nebenfluss des Po II 40 Äduer (Haedui), keltischer Volksstamm zwischen Arar und Liger I 51,64; II 61; III 35; IV 17 Aërias, Gründer des Tempels der Venus auf Paphos II 3 Aesculapius, Gott der Heilkunde IV 84 Afrika, das Gebiet Karthagos (römische Provinz) I 7.11.37.70.73 (m. Anm. 103) 76.78; III 48; IV 38.48. 49.50 Africanus s. Paccius Ägialus, Freigelassener Neros I 37 Agrippa, König der Juden II 81 (m. Anm. 74); V 1 M. Agrippa, Schwiegersohn des Augustus I 15 Agripinnensis colonia (h. Köln) I 56 (m. Anm. 77) I 57; IV 20.25. 28. 55. 56.59.63.64.65.66.79 Ägypten I 11 (m. Anm. 24); I 70. 76; II 6.9.74.76.82; III 8.48; IV 3. 83.84; V 2.3.6 Ägypter IV 81.82.83; V 4.5 Albaner, Bewohner einer Landschaft im Westen des Kaspischen Meers I 6 Albingaunum, Hauptort des ligurischen Volks der Albingauni II 5

Albintimilium, Ort am Fuß der Seealpen (h. Ventimiglia) II 13 Albinus s. Lucceius Tib. Alexander, Statthalter in Ägyp­ ten, Anhänger des Vespa­sianus I 11; II 74.79 Alexandria, Stadt in Ägypten I 31; II 79; III 48; IV 81.84; V 1 Alfenus Varus, Lagerkommandant und Heerführer der Vitellianer II 29.43; III 36.55.61; IV 11 Alieni Forum s. Forum Alienus s. Cäcina Allia II 91 (m. Anm. 83) Älianus s. Plautius Allobroger, Volk in Gallia Narbonensis I 66 Alpen I 23.66.70.89; II 11.17.20.32. 66; III 1.34.35.53; IV 55.70.85; V 26 Cot­ tiae (Cottianae) Grenze zwischen Italien und Gallien mit der Pass­straße über den Mt.  Genèvre I 61.87; IV 68 Graiae (vgl. Graius Mons IV  68) mit der Passstraße über den Kl.  St. Bernhard II 66 Iuliae, südliche Schlusskette der A., die Krain von Italien scheidet III 8 Maritimae, Die Seealpen II  12; III 42 Pannonicae, die nördlich nach Pannonien sich hinziehenden Zweige der Dalmatischen Höhenzüge II 98, III 1 Poeninae, der Gr. St. Bernhard und das Gebirge bis zum St. Gotthard I 61.70.87; IV 68 Alpenbewohner II 14 Alpinius Montanus, Trevirer Ko­ hor­tenpräfekt III 35; IV 31; V 19 sein Bruder D. Alpinius V 19 Alpinus s. Iulius Altinum, Küstenort an der Piavemündung III 6

326 Register Ämilius Longinus, Deserteur der ersten Legion IV 59.62 Ämilius Pacensis, Tribun der städ­ tischen Kohorten I 20.87; II 12; III 73 (m. Anm. 72) Amullius Serenus, Primipilar I 31 Anagnia, Stadt im Gebiet der Her­ niker an der via Latina, südöstl. von Rom III 62 Anicetus, Freigelassener des Polemo III 47.48 Annius Bassus, Legat der 11. Le­gion III 50 Annius Faustus, Denunziant unter Nero II 10 Annius Gallus, Heerführer Othos I 87 (m. Anm. 125); II 11.23.33.44; IV 68; V 19 Antiochia (s. II 79) Hauptstadt Syriens II 80.82 Antiochos, König von Commagene (nordöstlichster Teil von Syrien) und Cilicien II 81 (m. Anm. 73); V 1 Antipolis, Landstadt in Gallia Narbonensis (Kolonie von Massilia) bei Nizza II 15 Antistius Sosianus, Senator IV 44 (m. Anm. 59) Antonia turris in Jerusalem V 11 (m. Anm. 31) Antonius s. Arrius Antonius Felix, Prokurator in Judäa V 9 (m. Anm. 27) Antonius Flamma IV 45 (m. Anm. 60) Antonius Naso, Tribun der Prätoria­ ner I 20 Antonius Novellus, Heerführer Othos I 87; II 12 Antonius Primus II 86 (ausführlich); III 2.6ff.10.11.17.24.28.29.31. 32.53.60.63.78.80.82; IV 2.4.11.13. 32.49.68. 80; V 26 Änus, der Inn, Grenzfluss zwischen Rätien und Noricum III 5

Apinius Tiro III 57.76 Apis, der heilige Stier(gott) der Ägypter V 4 Apollinaris s. Claudius Apollo Pythicus, der Gott der Weissagung mit dem Tempel in Delphi IV 83 Aponianus s. Dillius M. Aponius Saturnius, Statthalter in Mösien I 79; II 85.96; III 5.9. 11; V 26 Apenninen III 42.50.52.55.56.59 Appia via IV 11 (m. Anm. 16) Apronianus s. Vipstanus Aquila s. Vedius Aquileia, Stadt in Oberitalien II 46.85; III 6.8 Aquilius, Primipilar IV 15 Aquilius Regulus, Denunziant IV 42 (m. Anm. 55) Aquinum, Koloniestadt nicht weit von Arpinum im Volskerland I 88; II 63 Aquinus s. Cornelius Aquitanien, Landschaft im südwestl. Gallien I 76 Araber V 1 Arabien V 6 Arar, Fluss in Gallien (h. Saône) Arenacum, Ort, vermutlich in der Nähe von Cleve V 20 Argius, Rechnungsführer Galbas I 49 Aricia, Stadt an der Appischen Straße in der Nähe von Bovillae, mit Hain und Heiligtum der Diana Aricina III 36; IV 2 Ariovistus, König der Sueben IV 73 Armenien, Hochland am oberen Euphrat und Tigris II 6.81; III 6 Armenier II 81.82; III 24 Arrecinus Clemens, Präfekt des Prätoriums IV 68 (m. Anm. 84) Arrius Antoninus, von Nero zum Konsul bestimmt I 77



Register 327

Arrius Varus, in verschiedenen militärischen Stellungen III 6.16.52. 61.63.64.; IV 2.4.11.39.68 L. Arruntius, Statthalter in Spa­nien II 65 (m. Anm. 55) Arsaces, König der Parther um das Jahr 250 v. Chr. Arsacidae: seine Nachfolger auf dem Thron I 40; V8 Arverner, keltischer Volksstamm in Gallien (in der h. Auvergne) IV 17 Arulenus Rusticus, Prätor III 80 (m. Anm. 82) Asciburgium, Ort am linken Rheinufer zwischen Neuß und Xanten (h. Asberg bei Moers) IV 33 Asia, westliche Hälfte von Kleinasien (s. Achaia) IX; II 6.9; III 46; IV 17 Asia, westliche Hälfte von Klein­ asien (s. Achaia) I 10; II 6.9, III 46; IV 17 Asiaticus, 1. Gallischer Heerführer II 49; 2. Freigelassener des Vi­tel­ lius II 57 (m. Anm. 43) II 95; IV 41 Asiatius Valerius s. Valerius Asinius Pollio, Präfekt einer Reiterabteilung II 59 Asprenas s. Calpurnius Assyrer V 2.8 Ateste, Ort im Land d. Veneter III 6 Athener IV 83 Äthiopier V 2 Atilius Vergilio, Vexillar einer Galba begleitenden Kohorte I 41 Atilius Verus, Zenturio III 22 Atria, Stadt der Veneter (etrusk. Ursprungs, h. Adria) III 12 Atticus s. Iulius. Quintius Aventicum, Hauptstadt der Helvetier (h. Avenches) I 68 Aventinus, Hügel in Rom III 70.85 Augusta s. Livia

Augusta Taurinorum, Stadt in Gallia Cisalpina (h. Turin) II 66 Augustales II 95 (m. Anm. 89) Augustus (s. Zeittafel) I 11.15.50. 89.90; II 76; III 66; IV 17.23.57; V9 Augustus, Beinamen I 47; II 62. 80.90 Aurelius Fulvus, Legionslegat I 79 (m. Anm. 114) Auriana, Name einer Reiterabteilung III 5 (m. Anm. 3) Auspex s. Iulius Bäbius Massa, Prokurator in Afrika IV 50 (m. Anm. 69) Barbius Proculus, Ordonanz I 25 Barea Soranus, Freund des Vespasianus s. IV 7 (m. Anm. 11) 10.40 Bargioras, Führer der Juden V 12 Basilides, 1. Priester II 78; 2. Angehöriger der oberen ägyptischen Kaste IV 82 Bassus s. Annius. Lucilius Bätasier, Volksstamm östl. von den Nerviern zwischen Maas und Schelde IV 55.66 Bataver, germanisches Volk in Hol­land I 59.64; II 17.22.27.28.43. 66.69. 97; IV 12.13.14.17.18.21.22. 56.58.66.73.78.79; V 15ff.18 Batavodurum, Standlager, ver­mut­ lich in der Nähe von Nijmwegen V 19f. Bätica, Provinz in Spanien I 53.78 Bedriacum, Ort zwischen Mantua und Cremona II 23.39.44.49; III 15.20.26.31 Belger, Völkergruppe im nördl. Gallien IV 17.20.37.70.71.76 Belgien I 12.58.59 Belius, Küstenfluss in Phönizien (entspringt nordöstl. vom Karmel, h. Bahr Naaman) V 7 Benignus s. Orfidius

328 Register Berenike, Königin, Schwester des jüdischen Fürsten Herodes Agrip­pa II 2 (m. Anm. 3); II 81 Berytus, Hafenstadt in Phönizien (h. Beirut) II 81 Betuus Cilo, von Galba ermordet I 37 Bingium, Stadt auf dem linken Rheinufer (h. Bingerbrück) IV 70 Bläsus s. Pedius Bocchoris, König in Ägypten V 3 (m. Anm. 8) Boier, keltischer Volksstamm (um 60 v. Chr. aus Böhmen vertrieben, dann in Oberita­lien) II 61 Bolanus s. Vettius Bonna, befestigtes Standlager der Römer (h. Bonn) IV 19.20.22.25. 62.70.77; V 20 Bononia, Stadt in Gallia Cispadana (h. Bologna) II 53.67.71 Bovillae, Ort in Latium am Albanerberg IV 2.46 Briganten, Volksstamm im nördl. Britannien III 45 Briganticus s. Iulius Brinno, Führer der Canninefaten IV 15f. Britannien I 2.52.59; II 11.27.65f. 86.97; III 2.15.35.44 Britannische Legionen I 9.60.61; II 32. 57.65f.97.100; III 22; IV 46 Britannische Kohorten I 43 Britannische Hilfstruppe IV 15; ala III 41; classis IV 79 Britannische Feldzüge II 37; Kohorten der Britannier I 70 Brixellum, Ort am Po II 33.39.51f. 54 Brixianisches Tor, das Stadttor nach Brixia (h. Brescia) III 27 Brukterer, Volksstamm in Nordwestdeutschland IV 21.61.77; V 18 Brundisium, Stadt in Unteritalien (Kalabrien, h. Brindisi) II 83 M. Brutus, Führer im Bürgerkrieg I 50; II 6; IV 8

Burdo s. Iulius B. Byzantium, Stadt Thraziens (Byzanz) II 83; III 47 Cäcilius Simplex, Konsul II 60; III 68 Cäcina I 52f.61.67ff.89; II 11.17ff. 20ff.26f.30f.34.41.43.51.55f.59.67. 70f.77.92f.95.99ff.; III 8f.13ff.31f. 36f.39f.;IV 31.80 Cäcina s. Licinius C. Cäcina Tuscus, Präfekt in Ägypten III 38 Cadius Rufus I 77 Calabrien, die südöstl. Halbinsel Italien II 83 Calenus s. Iulius C. Cälius Roscius, Legat der 20. Legion I 60 Cälius Sabinus, Konsul I 77 Calpurnius Asprenas, Statthalter in Pamphylien und Galatien II 9 Calpurnius Galerianus IV 11 (m. Anm. 15) IV 49 Calpurnius Repentinus, Zenturio der 22. Legion I 56.59 L. Calpurnius Piso s. L. Piso Calvia Crispinilla, Mätresse Neros I 73 C. Calvisius Sabinus, Legat in Pan­ nonien I 48 Camerinus s. Scribonianus Camillus Scribonianus s. Furius Campanien, Landschaft in Mittel­ italien I 2.23; III 58f.60.63.66.77; IV 3 Campanus, Tungrer (s. dort) IV 66 Camurius, Mörder Galbas I 41 Caninius Rebilus, eintägiger Konsul III 37 (m. Anm. 28) Canninefaten, batavischer Volksstamm IV 15.16.19.32.56.79.85 Capito s. Fonteius. Vergilius Cappadocien, Landschaft in Kleinasien I 78; II 6.81



Register 329

Capua, Hauptstadt Campaniens III 57; IV 3 Caracini, ein kleiner samnitischer Stamm mit dem Hauptort Aufidena IV 5 Cäracaten, germanischer Volksstamm, vermutlich in der Gegend von Mainz IV 70 Caratacus, Heerführer der Britannier III 45 (m. Anm. 36) Carbo s. Papirius Carsulae, Ort in Umbrien III 60 Cartimandua, Königin der Briganten III 43 Carus s. Iulius C. C. Cäsar, Diktator s. Iulius C. Cäsar Augustus s. Augustus (s. Zeittafel) Cäsar Tiberius s. Tiberius etc. (s. Zeittafel) C. Cäsar Caligula (s. Zeittafel) I 16.48.89; II 76; III 68; IV 48. 68; V 9 Cäsarea, Hauptstadt von Judäa II 79 Cäsariensis Mauretania, das östl. Mauretanien II 58 Casperius Niger, Soldat III 73 C. Cassius, der Cäsar-Mörder II 6 Cassius Longus, Lagerpräfekt III 14 Castra Vetera s. Vetera Cato (M. Porcius Cato) IV 8 Cätronius Pisanus, der Lagerpräfekt IV 50 Catulus s. Lutatius Celer s. Egnatius Celsus s. Marius C. Cepheus, König der Äthiopier V  2 (m. Anm. 6) Cerialis s. Turullius Cerialis Petilius, Heerführer des Vespasianus III 59 (m. Anm. 49) III 78.79.80; IV 68.71.72.73ff.77. 78.79.86; V 14ff.18f.21.23 Cerialische Spiele zu Ehren der Göttin Ceres II 55 (m. Anm. 40)

Cestius Gallus, Legat in Syrien V 10 (m. Anm. 29) Cestius Severus, 1. Denunziant IV 41; 2. Tribun der Prätorianerkohorte I 31 Chatten, germanischer Volksstamm (im h. Hessen) IV 12.37 Chauken, germanischer Volksstamm an der Nordseeküste IV 79; V 19 Chobus, Fluss in Kolchis, entspringt am Elbrus und mündet nördl. vom Phasis in das Schwarze Meer III 49 Cilix s. Tamiras Cilo s. Betuus Cimbern, germanischer Volksstamm an der unteren Elbe IV 73 Cingonius Varro, designierter Kon­ sul I 6 (m. Anm. 16) I 37 Cinna, Parteigänger des Marius im Bürgerkrieg III 51.83 Cinyras, Sohn Apollos II 3 Civilis s. Iulius C. Classicus s. Iulius C. Claudia Sacrata, Ubierin V 22 Claudianus Iulianus, Flottenkommandant III 57.76f. Claudier I 16; II 48 Claudius Apollinaris, Flottenbefehlshaber III 57.76f. Claudius Civilis s. Iulius C. Claudius Cossus, Gesandter der Helvetier I 69 Claudius Faventinus, Zenturio III 57 Claudius Labeo, Bataver IV 18.56. 66.70 Claudius Paulus, Bataver IV 13 Claudius Pyrrichus, Befehlshaber einer Triere II 16 Claudius Sagitta, Befehlshaber einer Reiterabteilung IV 49 Claudius Sanctus, Führer der 16. Legion IV 62

330 Register Ti. Claudius (s. Zeittafel) I 10.16. 48.77.89; II 75.76; III 44.45.66; V 9 Clemens s. Arrecinus. Suedius Cleopatra, Königin von Ägypten V9 Clodius Macer, Legat in Afrika I  7. 11.37.73; II 97; IV 49 Cluviae, Ort in Samnium IV 5 Cluvius Rufus, Statthalter in Spa­ nien I 8.76; II 58.65; III 65; IV 39. 43 Cocceianus s. Salvius Cocceius Proculus, Speculator I 24 (m. Anm. 44) Collinisches Tor beim Quirinalischen Hügel in Rom III 82 Cölius s. Roscius Concordia III 68 (m. Anm. 61) Cönus, Freigelassener Neros II 54 Corbulo, von Nero im J. 67 umgebracht II 76 (m. Anm. 68); III 6.24 Cordus s. Iulius C. P. Cornelius (Scipio), römischer Feldherr des 2. Punischen Krieges III 34 Cornelius Aquinus, Legionslegat I 7 Cornelius Dolabella, auf Befehl des Vitellius umgebracht I 88 (m. Anm. 126); II 63 Cornelius Fuscus, Statthalter in Pannonien II 86; III 4.12.42.66; IV 4 Cornelius Laco, Prätorianerpräfekt I 6.13.19.33.39.46 Cornelius Marcellus, Legatus (pro praetore) I 37 Cornelius Martialis, Primipilar III 70.73 Ser. Cornelius Orfitus, im Jahre 51 Konsul mit Claudius IV 42 (m. Anm. 56) Cornelius Primus, Klient des Vespasianus III 74

Cornelius Sulla, s. Sulla Cossus s. Claudius M. Crassus, Vater des Piso Licinianus I 14 Crassus, Bruder des Piso I 15.48; dessen Frau IV 42 Cremera II 91 (m. Anm. 82) Cremona, römische Koloniestadt am Po II 17.22.23f.67.70.100; III 14.18f.22.26; III 27.30–34.40. 46.49.53f.61.; IV 72; deren Einwohner II 70; III 18f.26.30.32; Umgebung von Cremona III 15. 30.34.46.48.60; IV 2.31.51 Crescens, Freigelassener Neros I 76 Crispina, Tochter des T. Vinius I 47 Crispinilla s. Calvia Crispinus, Zenturio I 58 Crispinus s. Varius Crispus s. Vibius Cugerner, germanischer Volksstamm bei Xanten IV 26; V 16.18 Curtius, See des I 41 (m. Anm. 61); II 55 Curtius Montanus IV 40 (m. Anm. 48) IV 42f. Cypern II 2 Cyrene, griechische Kolonie in Nordafrika IV 45 Cythnus, Insel südl. von Keos II 8f. Daker, im östl. Ungarn, Siebenbürgen, Rumänien I 2; III 46; IV 54 Dalmatien, Landschaft am Adriatischen Meer I 76; II 11.32.86; III 12; Dalmater III 50 Densus s. Sempronius Dexter s. Subrius Didius Scäva III 73 Dillius Aponianus, Legionslegat III 10f. Dillius Vocula, Legat IV 24–27. 33–37.56–59.77 Dispater, mit Pluto gleichzusetzen IV 84



Register 331

Divodurum, Hauptort der keltischen Mediomatriker (h. Metz) I 63 Dolabella s. Cornelius Domitianus, Sohn des Vespasia­ nus III 59.69.74.86.; IV 2f.39f.44. 46f.51f.68.75.80.85f. Domitius Corbulo s. Corbulo Domitius Sabinus, Primipilar I 31 Donatius Valens, Zenturio I 56.59 Druiden, Priester der Kelten IV 54 Dursilla, Enkelin der Cleopatra und des Antonius V 9 Drusus Claudius, Stiefsohn des Augustus V 19 Ducennius Geminus, Stadtpräfekt von Rom unter Galba I 14 Dyrrhachium, Küstenstadt in Illy­ rien (h. Durazzo) II 38 P. Egnatius Celer, stoischer Philosoph IV 10.40 Eleazarus, Führer der Juden V 12 Eleusis, Kultort in Attica IV 83 Emeritenser, Einwohner von Eme­ rita in Lusitanien I 78 Epiphanes II 25 (m. Anm. 23) Eporedia, Ort in Gallia Transpadana I 70 Epponina, Gemahlin des Iulius Sabinus IV 67 Eprius Marcellus, Denunziant II 53 (m. Anm. 38); II 95; IV 6ff. 10.42.43 Etrurien, Landschaft Italiens (h. Toscana) I 86; III 41 Eumolpiden IV 83 (m. Anm. 96) Euphrat V9 Fabier II 95 (Anm. 82) Fabius Fabullus, Legat III 14 Fabius Priscus, Legat IV 79 Fabius Valens, Heerführer des Vi­tel­ lius I 7.52.57.61f.64.66.74; II  14.24. 27.29f.34.41.43.51.54.56.59.67.70f. 77.92f.95.99f.; III 15.36.40ff. 62.66

Faventinus s. Claudius F. Faustus s. Annius Flaccus s. Hordeonius Flaminische Straße, Heerstraße nach Ariminum I 86; II 64; III 79.82 Flamma s. Antonius Flavier II 67.101; III 1.6.9.13.19.22f.27. 37.59.62f.69.82 Flavianus s. Iulius. Tampius Flavus, gallischer Heerführer II 94 Florus s. Gessius. Sulpicius Flotte, Britannische IV 79; Ger­ma­ nische I 58; Misenische II 9. 100; III 56f.60; Pontische II 83; III 47; von Ravenna II 100; III 6. 12.36.40 Fonteius Agrippa, Statthalter in Mösien III 46 Fonteius Capito, Legat in Untergermanien I 7 (m. Anm. 19) I 8. 37.52.58; III 62; IV 13 Fortuna III 50 Forum Alieni, Ort der Veneter am rechten Etschufer (h. Legnago) III 6 Forum Iulii, Stadt in Gallia Narbonensis (h. Fréjus) II 14, III 43 Friesen, germanischer Volksstamm an der Nordsee zwi­schen Yssel und Ems IV 15f.18. 56.79 Fronto s. Iulius F. Fulvus s. Aurelius F. Fundanius-Brunnen in Rom III 69 Furius Camillus Scribonianus, Konsul I 89 (m. Anm. 127); II 75 Gaius Cäsar Caligula (s. Zeittafel) und C. Cäsar Galatien, Landschaft in Klein­asien II 9 Ser. Galba I 1.5ff.11f.15f.18f.22.24.26f. 29ff.35–39.41.43.45.48f.50ff.55.64f. 67.71f.77.87; II 1.6.9ff.23.31.55.58. 71.76.86.88.92.97.101; III 7.22.25. 57. 62.68.85; IV 6.13.33.40. 42.57; V 16

332 Register Galeria, Gattin des Vitellius II 60– 64 (m. Anm. 47) Galerianus s. Calpurnius Galerius Trachalus, Redner I 90; II 60 Gallier I 50.64.70; II 68.93; III 34. 72; IV 25.54.57f.61f.71.73.76.78 Gallia Lugdunensis I 59; II 59 Gallia Narbonensis I 48.87; II 15. 28; III 41f. Gallien I 2.8.37.48.50f.59.61.63.65. 67.87.89; II 6.11.15.28f.32.57.59.61. 86.94.98; III 2.13.15.35.41f.44.53; IV 3.12.14.17.24.26.28.31f.37.40.54ff. 58ff.67f.71.73–77.85; V 19. 23.26 Gallus s. Annius. Cestius. Herennius. Rubrius Garamanten, Volksstamm in Nordafrika IV 50 Garutianus s. Trebonius Gelduba, röm. Lagerplatz östl. von Krefeld (h. Gellep) IV 26. 32. 35f.58 Geminus s. Ducenius. Virdius Gemonien III 74 (m. Anm. 75) 85 Germanen, -nien I 6–9.12.14.19. 26.31.37.49f.52f.55f.58.61.67f.70. 74f.84; II 16.21–23.32.35.55.57– 60.69.75.77.80.93.97.99; III 1f.8f. 13 .15.26.35.38.41.46.53.62.69f.84; IV 3.12–18.21–29.31–34.37.39.46. 49.54.57f.60f.63.65.70.72–74.76. 78f; V 14–22.24–26 Germanicus I 62; II 59.64; III 66 Gessius Florus, Prokurator in Judäa V10 Geta, flüchtiger Sklave II 72 Graius-Gebirge s. Alpen IV 68 Gratilla s. Verulana Gratus s. Iulius G. Griechen II 4; III 47; V 8 Grinnes, Lager unbekannten Ortes V 20 Grypus s. Plotius

Häduer s. Äduer Hämus, Berg in Thrazien II 85 Hammon, Gott im ägyptischen The­ben, widderköpfig dargestellt V 3f. (m. Anm. 9) Hannibal, der punische Feldherr III 34, IV 13 Helvetier, keltische Völkerschaft I 67f.69 Helvidius Priscus II 91 (m. Anm. 84); IV 4–7.9.43.53 Hercules Monoecus, sein Hafen (h. Monaco), Hafenstadt an der ligurischen Küste III 42 Herennius Gallus, Legionslegat IV 19f.26f.59.70.77 Herodes, König der Juden V 9.11 Hierosolyma = Jerusalem II 4; V 1f.4f.8f.11 Hierosolymus, Heerführer der Ju­ den V 2 Hilarius, Freigelassener des Vitellius II 65 (m. Anm. 54) Hispalenser, Einwohner von His­ palis (h. Sevilla), Koloniestadt in der Provinz Bätica (Spanien) I 78 Histrien, Halbinsel im Adriatischen Meer II 72 Homer V 2 Horatius Pulvillus, zwei Mal Konsul III 72 Hordeonius Flaccus, Legat von Obergermanien I 9.52.54.56; II 57; IV 3.13.18f.24f.27.36.55.77; V26 Hormus, Freigelassener des Vespasianus III 12.28; IV 39 Hostilia, Ort zu Verona gehörig II 100; III 9.14.21.40 Ianiculum, Hügel in Rom (auf dem rechten Tiberufer) III 51 Icelus, Freigelassener Galbas I 13.33. 37.46; II 95 Ida, Berg auf Kreta V 2 Idäer, mythisches Volk V 2.4



Register 333

Illyricum, das heutige Dalmatien und Albanien I 2.6.9.76; II 74; III 35; IV 3 Illyrisches Heer I 31; II 60.85f. Illyrisches Meer III 2 Interamna, Ort in Umbrien II 64; III 61.63 Ioannes, Heerführer der Juden V 12 Isis, ägyptische Göttin V 2, IV 84 Italicus, König der Sueben (s. auch Silius) III 5.21 Iulianus s. Claudius. Tettius Iulier I 16; II 48 Iulius Agrestis, Zenturio III 54 Iulius Alpinus, Helvetier I 68 Iulius Atticus, Spekulator I 35 Iulius Auspex, Remer (Volksstamm beim h. Reims) IV 69 Iulius Briganticus, Präfekt einer Rei­terabteilung II 22 (m. Anm. 17); IV 70 (m. Anm. 87); V 21 Iulius Burdo, Befehlshaber der germanischen Flotte I 58 Iulius Cäsar I 42.50.86.90; III 37. 66.68; IV 55.57 Iulius Calenus, Äduer III 35 Iulius Carus, I 42 Iulius Civilis I 59; IV 13f.16–19. 21–26.28–30.32–34.54f.58.60f. 63.66.70f.73.75–79; V 14.16– 21.23–26 Iulius Classicus, Befehlshaber einer Reiterabteilung der Trevirer II 14; IV 55.57–59.63.70–72.77–79; V 19–21 Iulius Cordus, Legat I 76 Iulius Flavianus, Befehlshaber einer Reiterabteilung III 79 Iulius Frontinus, Prätor IV 39 (m. Anm. 43) Iulius Fronto, Tribun bei der Wachtruppe I 20; II 56 Iulius Gratus, Lagerpräfekt II 26 Iulius Mansuetus III 25

Iulius Martialis, Tribun I 28.82 Iulius Maximus, Führer gegen Vo­ cula IV 33 Iulius Placidus, Tribun III 84 Iulius Priscus, Zenturio II 92; III 55.61; IV 11 Iulius Sabinus, vom Stamm der Ligonen IV 55.67 Iulius Sacrovir, Äduer IV 57 (m. Anm. 74) Iulius Tutor, Trevirer IV 55.57–59. 70–72.74.76.78; V 19–21 Iulius Valentinus IV 68–71.76.85 Iulius Vindex s. I 6 (m. Anm. 18) I 8.16.51.53.65.70.89; II 94; IV 17. 57.69 Iunius Bläsus, Statthalter in Gallia Lugdunensis I 59; II 59; III 38f. Iunius Mauricus, Senator IV 40 M. Iunius Silanus, Statthalter in Afrika IV 48 (m. Anm. 63) Iuno, römische Göttin IV 53 Iuppiter, römischer Gott III 72.74; IV 53f.58.83f.;V2 Iustus s. Minucius Iuvenalien III 62 (m. Anm. 51) Jazygen, sarmatischer Volksstamm III 5 Jerusalem s. Hierosolyma Jordan V 6 Juba, König von Numidien II 58 Judäa II 1.5f.73.76.78.82; IV 3.5–8; V 1–3.8f.13 Judäisches Meer I 10.76; II 4.78f. 81; IV 51; V 4.7 Judas, Heerführer der Juden V 2 Juden II 4; V 1–5.8–11.13 Kapitol in Rom: der ganze Berg oder der Haupttempel des Iuppiter I 2. 33.39f.47.71.86; II 89; III 69–72 (m. Anm. 63) 75.78f. 81; IV 4.9.53f. Karmel, Gebirge in Galiläa II 78 Karthago I 76; IV 49

334 Register Kaspische Pässe, die Engpässe südl. des Kaspischen Meeres I 6 Korinth II 1 Korsika II 16 Kreta V 2 Kyniker IV 40 Labeo s. Claudius Laco s. Cornelius Läcanius I 41 Latium (ius), das latinische Recht III 55 (m. Anm. 47) Legionen: prima (Germanica) I 55.57; II 100; III 22; IV 19f. 25. 37.59.62.70.72.77 prima adiutrix classicorum I 6. 31.36; II 11.23f.43.67.86; III 13. 44; IV 68. – Eine andere legio classicorum III 55 prima Italica I 59.64.74; II 41. 100; III 14.18.22 secunda III 22.44. – Eine andere: e recens conscriptis IV 68; V 14.16.20 tertia Gallica I 79; II  74.85.96; III 10.21.24.27.29; IV 3.39. tertia Cyrenaica V 1 quarta Macedonia I 18.55.60; II 100; III 22; IV 37 quinta (Alaudae) I 55.61; II 43. 68.100; III 14.22; IV 35 quinta (Macedonica) V 1 sexta (Ferrata) II 83; II 46 sexta (Victrix) III 44; IV 68; V 14.16 septima Claudiana II 85; III 9.21. 27; IV 68 septima Galbiana I 6; II 11.67.86; III 7.11f.25.27; IV 39 octava (Augusta) II 85; III 10.21. 27; IV 68 nona (Hispana) III 22 decima (Fretensis) V 1 decima (Gemina) II 58; III 44; V 19f.

undecima (Claudia) II 11.67; III 50; IV 68 duodecima (Fulminata) V 1 tertiadecima Gemina II 11.24. 43f.67.86; III 1.7.21.27.32 quartadecima (Gemina Mar­tia Victrix) I 59.64; II 11.27.32.43. 54.66.68.86; III 13; IV 68.76. 79; V 14.16.19 quintadecima (Apollinaris) V 1 quintadecima (Primigenia) I 41. 55; II 100; III 22f. IV35f. sextadecima (Gallica) I 55; II 100; III 22; IV 26.62 vicesima (Valeria Victrix) I 60; III 22 unetvicesima Rapax I 61.67; II 43.100; III 14.18.22.25; IV 68. 70. 78 duoetvicesima (Primigenia) I 18. 55f.; II 100; III 22; IV 24 duoetvicesima (Deiotariana) V 1 Lucanien II 83 Luceria, Stadt in Apulien III 86 Lucilius Bassus, Flottenpräfekt II 100.101; III 12f.36.40; IV 3 Lucus, Landstadt der Vocontier (h. Luc im Dauphiné) I 66 Lugdunum (h. Lyon) I 51.59.64f.74; II 59.65; IV 85f. (s. auch Gallia) Lupercus s. Munius Lupia, Fluss in Westfalen (h. Lippe) V 22 Lupus s. Numisius Lusitanien (Portugal und Teile des westl. Spanien) I 13.21 Lusitaner I 70 Lutatier I 15 Lutatius Catulus, Sohn des Besiegers der Cimbern I 72 (m. Anm. 71) Macer s. Clodius. Marcius Mävius Pudens, Vertrauter des Tigellinus I 24



Register 335

Magnus, Bruder Pisos I 48 Manlius Patruitus, Senator IV 45 Manlius Valens, Legat der italischen Legion I 64 Marcellus, Sohn der Schwester des Augustus I 15 Marcellus s. Cornelius. Eprius. Romilius Marcianus s. Icelus Marcodurum, Ortschaft an der Roer südl. von Jülich (h. Düren) IV 28 Mariccus, Boier II 61 Marinus s. Valerius Marius Celsus, designierter Konsul I 14 (m. Anm. 31); I 31.39.45. 71.77.87.90; II 23–25.33.39f. Marius Maturus, Prokurator des Gebiets der Seealpen II 12; III 42f. C. Marius, Gegner Sullas, Führer der Volkspartei II 38 Mars, der römische Kriegsgott IV 35.64 Marsacer, germanischer Volksstamm nördl. von den Canninefaten im h. Nordholland IV 56 Marser, Volksstamm in Latium III 59 Marsfeld I 86; II 95; III 82 Martius Macer II 23.35f.71 Massa Bäbius s. Bäbius Massilia (h. Marseille) III 43 Mattiacer, Zweig des Stammes der Chatten im h. Main- und Rheingebiet IV 37 Maturus s. Marius Mauren I 78; II 58; IV 50 Mauretanien I 11, II 58 Mauricus s. Iunius Maximus s. Iulius. Trebellius Mazedonen IV 83; V 8 Meder, Volk in Asien V 8 Mediolanum, Stadt in Oberitalien (h. Mailand) I 70

Mediomatriker in Gallien in der Gegend des h. Metz I 63; IV 70f. Mefitistempel III 33 (m. Anm. 24) Memphis, Hauptstadt des alten Ägypten IV 84 Menapier, Volksstamm in Belgien (zwischen Maas und Schelde) IV 28 Messalla Vipstanus s. Vipstanus Mevania, Ort in Umbrien (h. Be­ vagna) III 55.59 Minerva, Göttin der Weisheit und der Künste IV 53 Minicius Iustus, Lagerpräfekt III 7 Minturnae, Stadt in Latium an der Mündung der Liris III 57 Mösien, -ier, römische Provinz (das frühere Bulgarien und Serbien umfassend) I 76.79; III 24; IV 54

mösische Legionen II 32.44.85f.; III 2.5.9.11.18

Mogontiacum (h. Mainz) IV 15. 24f.33.37.59.61f.70f. Monoecus s. Hercules Montanus s. Alpinius. Curtius Moriner, Volksstamm an der Mün­ dung der Schelde IV 28 Mosa (h. Maas) IV 28.66; V 23 Moschus, Freigelassener I 87 Mosella (h. Mosel) IV 71.77 Moyses (Moses) V 3f. Mucianus Licinius, römischer Heer­führer I 10f.16; II 4f.7.74. 76–84.95; III 1.8.25.46f.49.52f.63. 66.75.78; IV 4.11.24.39.44.46.49. 68.75.80.85; V26 Mulvius, Brücke in Rom I 87; II 89; III 82 Munius Lupercus, Legat IV 18.22. 61 Musonius Rufus, Philosoph III 81 (m. Anm. 83); IV 10.40 Mutia, Stadt in Oberitalien (h. Mo­ dena), s. Zeittafel I 50; II 52.54 Nabalia, Rheinarm in Germania inferior V 26

336 Register Narbonensis (s. Gallia) I 76; II 12. 14.32; III 41 Narnia, Stadt in Umbrien III 58. 60.63.67.78f. Naso s. Antonius 70 Nava, Nebenfluss des Rheins (h. Nahe) IV 70 Nero I 4–10.13.16.21f.25.30f.37.46. 48f.51.53.65.70.72f.76–78.89; II 5. 10f.27.54.58.66.71.73.76.86.95; III 6. 62.68; IV 7f.13.41f.44; V 10 Nero, falscher I 2 (m. Anm. 9); II 8f. Nerva (s. Zeittafel) I 1 Nervier, Volksstamm zwischen Schelde und Maas IV 15.33.56. 66.79 Niger s. Casperius Nonius Attianus, Denunziant IV 41 Nonius Receptus, Zenturio I 56.59 C. Norbanus, Konsul III 72 (m. Anm. 69) Noricum, römischer Provinzname, das Ostalpengebiet östl. vom Inn umfassend I 11.70 Noriker III 5; V 25 Noväsium, Ortschaft am Rhein (h. Neuß) IV 26.33.35f.57.62.70. 77.79; V22 Novaria, Landstadt in Gallia Transpadana I 70 Novellus s. Antonius Numider, nordafrikanisches Volk II 40 Numisius Lupus, Legionslegat I 79; III 10; IV 77 Numisius Rufus, Legionslegat IV 22.59.70.77 Nymphidius Sabinus Prätorianerpräfekt I 5 (m. Anm. 14); 6.25.37 Obultronius Sabinus I 37 Ocriculum, Stadt in Umbrien III 78 Octavia, Gemahlin Neros I 13 Octavia Sagitta, Volkstribun unter Nero IV 44 (m. Anm. 58); IV 49

Öenser, Einwohner von Oea (Nordafrika) (h. Tripolis) IV 50 Ofonius Tigellinus, Präfekt der Nachtwache und der Prätorianer I 24,72 Onomastus, Freigelassener Othos I 25.27 Opitergium, Ortschaft in Venetien III 6 Orfidius Benignus, Legat II 43.45 Orfitus s. Cornelius Osiris, Hauptgott Ägyptens IV 84 Ostia, Hafenstadt Roms II 63.80 Otho, Othonianer I 1.13.21f.24.26f. 29f.32–35.37f.39–47.50.63f.70f. 73– 90; II 1.6f.11–16.18.20–26.28.30f. 33–42.44–50.52–55.57f.60.62f.65. 71.76.85f.95.101; III 10.13.26.32.44; IV 1.17.54 Ozean I 9; IV 12.15.79; V 23 Pacarius Decimus, Statthalter in Korsika II 16 Paccius Africanus IV 41 Pacensis s. Aemilius Pacorus, Partherkönig I 40; V 9 Päligner, sabinischer Volksstamm in Mittelitalien III 59 Palatium I 17 (m. Anm. 38) 29.32. 35.39.47.72.80.82; III 67f.70.84 Pamphylien, Landschaft im südl. Kleinasien II 9 Pannonien, Landschaft südl. der Donau zwischen Dacien, Noricum und Illyrien I 76; II 11.32.38; III 1.4; V 26 Pannonische Legionen I 26.67; II 85f.; III 2.24.53; IV 54 Pannonier II 14.17; III 22 Paphia, Beiname der Venus in Paphos II 2 (m. Anm. 5) Papirius, Zenturio IV 29 Parther, skythische Völkerschaft südöstl. vom Kasp. Meer I 2.6. 82; III 24; IV 51; V 8f.



Register 337

Patavium, Stadt in Oberitalien (h. Pa­dua) II 6f.11.100 Patrobius, Freigelassener Neros I 49; III 85 Patruitus s. Manlius Paulinus s. Suetonius. Valerius Paulus s. Claudius Pedanius Costa, designierter Kon­ sul II 71 Pedius Bläsus, Senator II 77 Perser V 8 Perusia, Stadt in Etrurien I 50 Petilius s. Cerialis Petrianische Reiterabteilung I 70; (m. Anm. 97); IV 49 Petronia, Gemahlin des Vitel­ lius, dann des Dolabella II 64 (m. Anm. 52) Petronius Turpilianus, Prokurator in Noricum I 70 Pharsalia, Stadt in Thessalien (s. Zeittafel) I 50; II 38 Philippi, Stadt in Mazedonien (s. Zeittafel) I 50; II 38 Phönikier, an der Küste von Syrien V 6 Picarius s. Pacarius Picentinische Reiterabteilung, wohl nach ihrem Stifter benannt IV 62 Picenum, Landschaft in Mittelitalien am Adriat. Meer III 42 Pisanus s. Cätronius Pisa (Stadt in Etrurien) III 42 Piso Licinianus, von Galba adop­ tiert I 14 (m. Anm. 32) 15–19.21. 29f.34.39.43f.47f.; II 68; IV 40.42 C. Piso, Haupt einer Verschwörung gegen Nero IV 11 L. Piso, Prokonsul in Afrika IV 38. 48–50 Placentia, Stadt in Oberitalien (h. Piacenza) II 17ff.20.22–23.32.36. 49.50 Placidus s. Iulius

Plancius Varus, gewesener Prätor II 63 Plautius Älianus, Pontifex IV 53 Plautus s. Rubellius C. Plinius III 28 (m. Anm. 21) Plotius Firmus, Prätorianerpräfekt I 36.82; II 46.49 Plotius Grypus, Legionslegat und Prätor III 52; IV 39f. Po I 70; II 11.17.19f.22f.32.34.43f.; III 34.50.52 Poetovio, Stadt an der Drau (h. Pet­ tau) III 1 Polemo, König von Pontus III 47 (m. Anm. 39) Polyclitus, Freigelassener Neros I 37 (m. Anm. 56); II 95 Pompeianus III 51 Pompeius Longinus, Tribun der Prätorianer I 31 Cn. Pompeius Magnus I 15.50; II 6.38; III 66; V 9.12 Pompeius Propinquus, Prokurator in Belgien I 12.58 Pompeius Silvanus, Legat in Dalmatien II 36; III 50; IV 47 Pompeius Vopiscus, Konsul I 77 Pontia Postumina, von Octavius ermordet IV 44 Pontus II 6 (m. Anm. 7); II 8.81.83; III 47; IV 83 Poppäa Sabina, Gemahlin Othos I 13.22.78 Porcius Septimius, Prokurator in Rätien III 5 Porsenna III 72 (m. Anm. 64) Postumische Straße von Cremona nach Mantua III 21 Postumina s. Pontia Prätextata s. Sulpicia Primus s. Antonius. Cornelius Priscus s. Fabius. Helvidius. ­Iulius. Tarquinius Proculus s. Barbius. Cocceius Propinquus s. Pompeius

338 Register Proserpina, Göttin der Unterwelt IV 83 Ptolemäus (Soter) 1. Lagi König von Ägypten IV 83f. (m. Anm. 95) 2. Euergetes König von Ägyp­ ten IV 84 (m. Anm. 99) Ptolemäus, Astrologe I 22 Publilius Sabinus, Prätorianerpräfekt II 92; III 36 Pudens s. Mävius Pulvillus s. Horatius Punier IV 50 Puteoli, Stadt in Campanien III 57 Pyrenäen I 23 Pyrr(h)ichus s. Claudius Quintilius Varus, römischer Feldherr IV 17; V 9 Quintius Atticus, Konsul III 73 (m. Anm. 73); III 75 Quintius Certus, röm. Ritter II 16 Quirinus, Stammvater Roms IV 58 Räter, Völkerschaft zwischen Donau, Rhein und Lech I 68; III 53. Zusammen mit den Norikern III 5; V 25 Rätien I 11.70; II 98; III 5.8.15; IV 70

Rätische Truppen I 59

Ravenna, Stadt in Oberitalien II 100; III 6.12.36.40.50 Rebilus s. Caninius Receptus s. Nonius Regium Lepidum, Stadt zwischen Modena u. Parma (h. Reggio) II 50 Regulus s. Aquilius. Rosius Remer, Völkerschaft in Belgien IV 67f. Repentinus s. Calpurnius Rhacotis, Stadtteil in Alexandria IV 84 (m. Anm. 98) Rhein I 51; II 32; IV 12.16.22.26.55. 59.64.73; V 17–19.23f. Rhodus, Insel und Stadt an der Küste Kleinasiens II 2

Rhoxolaner, Sarmatische Völkerschaft I 79 Rigodulum, Ort in der Nähe von Trier (h. Riol) IV 71 Romilius Marcellus, Zenturio I 56.59 Romulus, der erste röm. König II 95 Roscius Cälius, Legat I 60 Roscius Regulus, Eintagskonsul III 37 Rubellius Plautus, von Nero umgebracht I 14 (m. Anm. 33) Rubrius Gallus, Teilnehmer an dem Verrat des Cäcina II 51.99 Rufinus s. Vibennius Rufus s. Cadius, Cluvius, Muso­ nius, Numisius, Verginius Sabina Poppäa s. Poppäa Sabinischer Krieg III 72 Sabin. Gebiet III 78 Sabinus Flavius, Bruder des Ves­ pasianus I 46; III 55.59.63–65. 69–71.73–75.78f.81.85.99; IV 47 Sabinus Flavius, von Otho zum Konsul bestimmt I 77; II 36.51 Sabinus s. Cälius. Calvisius. Do­mi­ tius. Iulius. Nymphidius. Ob­ul­ tronius. Publilius Sacra via (Heilige Straße) in Rom (führte an der Rostra vorbei zum Kapitol und mit einer südl. Abzweigung zum Palatin) III 68 Sacrata s. Claudia Sacrovir s. Iulius S(c)ävinus Paquius, Senator I 77 Sagitta s. Claudius. Octavius Salarische Straße III 78 (m. Anm. 80); III 82 Sallustianische Gärten III 82 (m. Anm. 85) Salonina, Gemahlin des Cäcina II 20 Salvius Cocceianus, Brudersohn Othos II 48 (m. Anm. 34)



Register 339

Salvius Otho Titianus, Bruder Othos I 75.77.90; II 23.33.39f.44. 60 Samniten, Bewohner der Landschaft Samnium III 59 Sanctus s. Claudius Sardinien II 16 Sariolenus Vocula IV 41 Sarmaten, Nomadenvolk zwischen Schwarzem Meer und Ostsee I 2.79; III 24; IV 54 Saturninus I 27; III 78 (m. Anm. 78); V 2 (m. Anm 5).; V 4 Saxa Rubra III 79 (m. Anm. 81) Scäva s. Didius Scipio, Kohortenpräfekt II 59 L. Scipio Asiaticus, Konsul III 72 Scribonia, Mutter des Piso Lici­ nianus I 14 Scribonianus Camerinus, mütter­ licherseits Verwandter der Fa­mi­ lie der Crassi II 72 (m. Anm. 64) Scribonius, Brüder IV 41 (m. Anm. 52) Scribonianus Crassus, Bruder Pisos I 47; IV 39 Scribonianus Furius s. Furius Scydrothemis, König der Sinoper (am Schwarzen Meer) IV 83f. Sebosianische Reiterabteilung III 6 (m. Anm. 4) Sedochezen, Volk am Kaukasus (sonst nicht erwähnt) III 48 Seleucia, Stadt in Syrien IV 84 Seleucus, Astrologe II 78 Ti. Sempronius, Konsul im 2. Punischen Kriege III 34 Sempronius Densus, Zenturio I 43 Sena in Etrurien (h. Siena) IV 45 Sentius, Freund des Vespasianus IV 7 Septimius s. Porcius Sequaner, gallische Völkerschaft zwi­schen Saône, Rhone und Jura I 51; IV 67

Serapis, urspr. babylonisch-ägyptischer Gott IV 67 Serenus s. Amullius Sertorius IV 13 (m. Anm. 21) Servilianischer Park III 38 Servius Tullius, römischer König III 72 Severus s. Cestius Sextilia, Mutter des Vitellius II 64 (m. Anm. 53); II 89; III 67 Sextilius Felix, Führer von Hilfstruppen III 5; IV 70 Sido, König der Sueben III 5.21 Silanus s. Iunius Silianische Reiterabteilung I 70 (m. Anm. 93) Silius Italicus III 65 (m. Anm. 54) Silvanus s. Pompeius Simo, Freigelassener des Königs Herodes V 9 (m. Anm. 25) Simplex s. Cäcilius Sinope, Stadt am Schwarzen Meer IV 83f. Sinuessa, latinische Stadt an d. Grenze Campaniens (Badeort) I 72 Sisenna, 1. Zenturio II 8 2. Römischer Geschichtsschreiber III 51 (m. Anm. 44) Sohämus, König in Sophene (Landschaft in West-Armenien) II 81 (m. Anm. 72); V 1 Solymer, mythisches Volk V 2 Soranus s. Barea Sosianus s. Antistius C. Sosius, Legat des Antonius, Statt­halter im Orient V 9 (m. Anm. 24) Sostratus, Priester II 4 Spanien I 8.22.37.62.75f.; II 32.58.62. 65.67.86.97; III 13.15.25.35.44.58. 70; IV 3.25.39.68.76; V 19 Spurinna s. Vestricius Statius Murcus, Spekulator I 43

340 Register Stöchadische Inseln südöstl. von Toulon III 43 Subrius Dexter, Tribun einer Prätorianerkohorte I 31 Sueben, germanische Völkergrup­pe I 2; III 5.21 Suedius Clemens, Primipilar I 87; II 12 Suessa Pometia, Stadt im Volskerland III 72 C. Suetonius Paulinus, Heerführer Othos I 87.90; II 23–26.32f. 37.39f.44.60 L. Sulla, der Diktator III 72.83; II 38 Sulpicisches Haus I 15 Sulpicia Praetextata, Gemahlin des Crassus IV 42 Sulpicius s. Galba Sulpicius Florus I 43 Sunucer, germanische Völkerschaft in Belgien zwischen Maas und Roer IV 66 Syrien I 10; II 2.5f.9.73f.76.78–80.; III 24; IV 3.17.39.84; V 1f.6.9f.26

Syrische Legionen I 10.76

Tamiras, Kilikier II 3 Tampius Flavianus, Legat in Pannonien II 86; III 4.10.11; V 26 Tarentum, Stadt im südl. Italien (h. Taranto) II 83 Tarpeischer Fels III 71 (m. Anm. 63) Tarquinius Priscus, römischer König III 72 Tarquinius Superbus, römischer König III 72 Tarracina, Stadt in Latium (h. Terracina) III 57.60.76.84; IV 2f. Tartarus, kleiner Fluss zwischen Etsch und Po (h. Tartaro) III 9 T. Tatius, König der Sabiner II 95 Taurianische Reiterabteilung I 59 (m. Anm. 82); I 64 Taurus s. Antonius

Tencterer, germanische Völkerschaft an Lippe und Ruhr IV 21.64f.77 Terentius I 41 Tertullinus s. Vulcacius Tettius Iulianus I 79 (m. Anm. 114); II 85; IV 39f. Teutonen, germanische Völkerschaft IV 73 Thraker I 68; Thrakien I 11 Thrasea Pätus, Freund des Vespasianus II 91; IV 5 (m. Anm. 10); IV 6.7 Tiber I 86 (m. Anm. 119); II 93; III 82 Tiberius s. Alexander Tiberius Nero (s. Zeittafel) I 15f. 27.89.; II 65.76.95; IV 42.48; V 9 Ticinum, Stadt am Fluss Ticinus (h. Pavia) II 17.27.30.68.88 Tigillinus s. Ofonius Timotheus, Athener IV 83 Tingitana, Provinz II 58f. Tiro s. Apinius Titianus s. Salvius Titus, Sohn des Vespasianus I 1. 10; II 1f.5f.74.79.82; IV 3.38.51f.; V 1.10ff. Tolbiacum, Ort in Gallia Belgica (h. Zülpich) IV 79 Trachalus s. Galerius Traianus (s. Zeittafel) I 1 Transpadanische Region I 70 (m. Anm. 96); II 32 Trapezunt, Stadt in Pontus (h. Tra­ pezoundas) III 47 Trebellius Maximus, Legat in Britannien I 60 (m. Anm. 83); II 65 Trebonius Garutianus, Prokurator I7 Trevirer, germanisches Volk an der Mosel I 53.57.63; II 14.28; III 35; IV 18.28.32.37.55.57f.62.66.68–73. 75f.85; V 14.17.19.24 Triaria, Gemahlin des L. Vitellius II 63f.; III 77



Register 341

Tribocer, germanischer Volksstamm im h. Elsass IV 70 Tullius s. Servius Tungrer, germanischer Volksstamm im h. Belgien (Tongern) II 14f.28; IV 16.55.66.79 Turpilianus s. Petronius Turullius, Cerialis Primipilar II 22 Tuscus s. Caecina Tutor s. Iulius Ubier, germanischer Volksstamm (z. Z. Cäsars auf dem rechten Rheinufer, später auf dem linken Ufer) IV 18 (m. Anm. 27); IV 28. 55.63.77; V 24 Umbrien, Landschaft in Mittelitalien I 27; III 41f.52 Urbicus s. Petronius Urbinum, Stadt in Umbrien (h. Urbino) III 62 Usiper, germanischer Volksstamm auf dem rechten Rhein­ufer an der Lippe IV 37 Vada, Kastell in Gallia Belgica V 20f. Valens s. Donatius. Fabius. Man­lius Valentinus s. Iulius Valerius Asiaticus, Legat in Bel­gien I 59 (m. Anm. 81); IV 4 Valerius Festus, Legat, Verwandter des Vitellius II 98; IV 49 (m. Anm. 67); IV 50 Valerius Marinus, von Galba zum Konsul bestimmt II 71 Valerius Paulinus, Prokurator in Gallia Narbonensis III 42f. (m. Anm. 32) Vangionen, germanischer Volksstamm (in der Gegend von Worms) IV 10 Varius Crispinus, Tribun I 80 Varro s. Cingonius

Varus s. Alfenus. Arrius, Plancius. Quintilius Vasconen, Volksstamm im nördl. Spanien (die h. Basken) IV 33 Vaticanus, Gegend in Rom II 93 (m. Anm. 87) Vatinius, berüchtigte Person am Hofe Neros I 37 Vedius Aquila, Legionslegat II 44; III 7 Velabrum, Örtlichkeit in Rom I 27 (m. Anm. 47); III 74 Veleda, Seherin bei den Germanen IV 61 (m. Anm. 77); IV 65; V 22.24 Vellocatus, Geliebter der Königin Cartimandua III 45 P. Ventidius, römischer Heerführer, Sieger über die Parther V 9 (m. Anm. 23) Venus, römische Göttin I 2.3

Paphische V. II 2

Venutius, Heerführer der Britanner III 45 (m. Anm. 34) Verania, Gemahlin des Piso Licinianus I 47 Verax, Sohn der Schwester des Civilis V 20f. Vercellä, Stadt in Gallia Cisalpina (h. Vercelli) I 70 Vergilius Capito, Präfekt in Ägypten III 77; IV 3 Verginius Rufus, Legat in Unter­ germanien I 8f.52f.77; II 49.51. 68.71; III 62; IV 17.69 Verona, Stadt in Oberitalien II 23; III 8–10.15.50.52 Verulana Gratilla III 69 Verus s. Atilius Vespasianus I 1.10.46.50.76; II 1 (m. Anm. 2) 4f.7.67.73f.76.78.80–85. 96–99; III 1.3.7–10.12f.31.34.37f. 42–44.48f.52f.57.59.65f.69f.73.77. 86; IV 3f. 6–9.13f.17.21.24.27.31f. 36–40.42.46.49.51f.54.56.68.70. 75.77.80–82; V 1.10f.13.25f.

342 Register T. Vespasianus s. Titus Vesta, Göttin des Herdes; I 43 (m. Anm. 63) Vestalinnen III 81 (m. Anm. 84); IV 53 L. Vestinus, römischer Ritter zu IV 53 (m. Anm. 71) Vestricius Spurinna II 11.18f.23.36 Vetera castra IV 18 (m. Anm. 26); IV 21.23.35f.57.60.62; V 14 Vettius Bolanus, Statthalter in Britannien II 65 (m. Anm. 56); II 97 Veturius Gehilfe eines Zenturio, hier bei den Spekulatoren I 25 Via (Straße) Appia IV 11 (m. Anm. 16) Bedriacensis III 27 Flaminia (nach Ariminum) I 86; II 64; III 79.82 Postumia III 21 (m. Anm. 15) Sacra III 68 Salaria III 78 (m. Anm. 80) 82 Vibennius Rufinus, Präfekt einer Reiterabteilung III 12 Vibius Crispus, reicher und einflussreicher Denunziant II 10; IV 41.43 Vicetia, Stadt in Oberitalien (h. Vicenza) III 8 Victor s. Claudius Victoria, Siegesgöttin I 86 Vienna, Hauptstadt der Allobroger an der Rhone (h. Vienne) I 66; II 66 Viennenses I 65f. (m. Anm. 88) 77; II 29.66 Vindex s. Iulius Vindonissa, Stadt der Helvetier an der Aare (h. Windisch) IV 61.70

T. Vinius, Konsul I 1.11–14.32–34.37. 39.42.44.47f.72; II 95 Vipsanische Halle I 31 (m. Anm. 59) M. Vipsanius Agrippa s. Agrippa C. Vipstanus Apronianus, Prokonsul I 76 Vipstanus Messalla, Tribun III 9 (m. Anm. 6); III 11.18.25.28; IV 42 Virdius Geminus, Heerführer III 48 Vitellius, Vitellianer I 9.14.44.51f. 56–59.61f.67–70.73–77.84f.87.90. 97; II 1.6f.14–17.21.23.25–28.30–32. 34f.38.41–45.47f.52.54–68.70–73. 75–77.80–83.85–92.94–101; III 1f. 4–6.8–17.21–25.27.29–32. 35–39. 41– 44.46.53–73.75.77–82.84–86; IV 1. 4.11.13–15.17.19.21.24.27.31.36–38. 41.49.51.54f.58.68.70. 80; V 26 A. Vitellius I 52 (m. Anm. 74) Vitellius Saturninus, Legionspräfekt I 82 L. Vitellius, Vater des Imperators I 9.52; III 66.86 L. Vitellius, Bruder des Imperators I 88; II 54.63; III 37f.55.58. 76f; IV 2.3 Vivennius Rufinus s. Vibennius Vocetius, östl. Ausläufer des Schweizer Jura (h. Bözberg) I 68 Vocontier, Volksstamm in der Provincia I 66 Vocula s. Dillius. Sariolenus Volaginius II 75 Volcacius s. Vulcacius Vologäsus, König der Parther I 40 (m. Anm. 59); IV 51 C. Volusius III 29 Vopiscus s. Pompeius Vulcacius Tertullinus, Volkstribun IV 9