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German Pages [104] Year 2022
Frederick Meseck
Systemisch agil beraten
Leben.Lieben.Arbeiten
SYSTEMISCH BERATEN Herausgegeben von Jochen Schweitzer und Arist von Schlippe
Frederick Meseck
Systemisch agil beraten
Vandenhoeck & Ruprecht
Mit 9 Abbildungen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2022 Vandenhoeck & Ruprecht, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Evgeniy Vasilev/stock.adobe.com Satz: SchwabScantechnik, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2625-6088 ISBN 978-3-666-40809-0
Inhalt
Zu dieser Buchreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Vorwort von Jochen Schweitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
I Der Kontext Agilität: Was ist das? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Die Entstehungsgeschichte agiler Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Das Agile Manifest und seine Wertepaare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Individuen und Interaktionen vs. Prozesse und Werkzeuge .25 Funktionierendes Produkt vs. umfassende Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Zusammenarbeit mit Kunden vs. Vertragsverhandlungen .26 Reagieren auf Veränderungen vs. Befolgen eines Plans . . . . 26 Werte, Prinzipien und Praktiken agiler Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Agilität im Kontext unterschiedlicher Einsatzbereiche . . . . . . . . . . . 31 Kriterien für einen sinnvollen Einsatz agiler Arbeit . . . . . . . . . . . . . . 33 Systemisch-agiles Arbeiten und seine Haltungen . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Multiperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Selbstfürsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Kontextsensibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Kompetenzorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Lösungsfokussierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Systemischen Demut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Auf dem Weg zur Agilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Ein typischer Wochenplan agiler Teams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Meine Rolle als systemisch-agiler Berater . . . . . . . . . . . . . . . 56 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
II Die systemische Beratung Systemisch-agile Beratungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Beispiel 1: Agilität trifft (klassisches) Management . . . . . . . . . . . . . . 63 Auftragsklärung und Beratungsarchitektur . . . . . . . . . . . . . . 63 Systemisch geführte Einzelinterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Auswertung der Einzelinterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Workshopreihe: Von der Gruppe zum Team . . . . . . . . . . . . .71 Prozessbegleitung des Managementteams . . . . . . . . . . . . . . . 74 Beispiel 2: Mitten im Spiel – agile Teamberatung . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Das Drama-Dreieck in der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Das Spiel und seine Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Die Spielregeln verändern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Zwischenbilanz des Spiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Der Umgang mit Frustration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Beispiel 3: Wenn Agilität Lernziele aufzeigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Einzelcoaching im agilen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Die Rollen auf der Bühne der Agilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Selbstwirksamkeit durch Coaching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 III Am Ende Ein Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Autoren-Vita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Nützliche Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Zu dieser Buchreihe
Die Reihe »Leben. Lieben. Arbeiten: systemisch beraten« befasst sich mit Herausforderungen menschlicher Existenz und deren Bewältigung. In ihr geht es um Themen, an denen Menschen wachsen oder zerbrechen, zueinanderfinden oder sich entzweien und bei denen Menschen sich gegenseitig unterstützen oder einander das Leben schwer machen können. Manche dieser Herausforderungen (Leben.) haben mit unserer biologischen Existenz, unserem gelebten Leben zu tun, mit Geburt und Tod, Krankheit und Gesundheit, Schicksal und Lebensführung. Andere (Lieben.) haben mit unseren intimen Beziehungen zu tun, mit deren Anfang und deren Ende, mit Liebe und Hass, mit Fürsorge und Vernachlässigung, mit Bindung und Freiheit. Wiederum andere Herausforderungen (Arbeiten.) behandeln planvolle Tätigkeiten, zumeist in Organisationen, wo es um Erwerbsarbeit und ehrenamtliche Arbeit geht, um Struktur und Chaos, um Aufstieg und Abstieg, um Freud und Leid menschlicher Zusammenarbeit in ihren vielen Facetten. Die Bände dieser Reihe beleuchten anschaulich und kompakt derartige ausgewählte Kontexte, in denen systemische Praxis hilfreich ist. Sie richten sich an Personen, die in ihrer Beratungstätigkeit mit jeweils spezifischen Herausforderungen konfrontiert sind, können aber auch für Betroffene hilfreich sein. Sie bieten Mittel zum Verständnis von Kontexten und geben Werkzeuge zu deren Bearbeitung an die Hand. Sie sind knapp, klar und gut verständlich geschrie-
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ben, allgemeine Überlegungen werden mit konkreten Fallbeispielen veranschaulicht und mögliche Wege »vom Problem zu Lösungswegen« werden skizziert. Auf unter 100 Buchseiten, mit etwas Glück an einem langen Abend oder einem kurzen Wochenende zu lesen, bieten sie zu dem jeweiligen lebensweltlichen Thema einen schnellen Überblick. Die Buchreihe schließt an unsere Lehrbücher der systemischen Therapie und Beratung an. Unsere Bücher zum systemischen 8
»Grundlagenwissen« (1996/2012) und zum »störungsspezifischen Wissen« (2006) fanden und finden weiterhin einen großen Leserkreis. Die aktuelle Reihe erkundet nun das »kontextspezifische Wissen« der systemischen Beratung. Es passt zu der unendlichen Vielfalt möglicher Kontexte, in denen sich »Leben. Lieben. Arbeiten« vollzieht, dass hier praxisbezogene kritische Analysen gesellschaftlicher Rahmenbedingungen ebenso willkommen sind wie Anregungen für individuelle und für kollektive Lösungswege. Um klinisch relevante Störungen, um systemische Theoriekonzepte und um spezifische beraterische Techniken geht es in diesen Bänden (nur) insoweit, als sie zum Verständnis und zur Bearbeitung der jeweiligen Herausforderungen bedeutsam sind. Wir laden Sie als Leserin und Leser ein, uns bei diesen Exkursionen zu begleiten. Jochen Schweitzer und Arist von Schlippe
Vorwort von Jochen Schweitzer
Beweglich, regsam, wendig – das bedeutet das Eigenschaftswort agil laut Duden im deutschen Sprachgebrauch. Wer also agil ist, der verharrt nicht und steht nicht still, klammert sich nicht an das Bisherige, ist bereit zu Kehrtwendungen. Seit der Veröffentlichung eines agilen Manifests im Jahr 2001 ist das Wort Agilität in der Organisationswelt, anfangs in der Softwarebranche und dann darüber hinaus bis in Stadtverwaltungen und Kirchen, zu einem Buzzword geworden und hat einen beachtlichen, zeitweise dominanten Hype in Richtung agiler Transformation ausgelöst. Im Kern bedeutet agile Transformation den Übergang von langfristiger Vorausplanung von Arbeitsprozessen mit frühen Festlegungen und langem Durchziehen des einmal festgelegten hin zu einer beständigen, im Extremfall täglichen Überprüfung und Veränderung der früheren Planungen. Geänderte Planungen führen dann auch sogleich zu anderen nächsten Arbeitsschritten und zu anderen Zwischenprodukten oder Prototypen. In agilen Arbeitsteams werden unterschiedliche Führungsaufgaben dezentral verteilt, so dass zumindest in der Theorie deutlich flachere innerbetriebliche Hierarchien entstehen. Hinzu kommt, dass die Nutzer (Kunden, Käuferinnen, Endabnehmer) eines Produktes oder einer Dienstleistung von vornherein schon an deren Entstehung beteiligt werden. Sie dürfen und müssen dabei »ein Wörtchen mitreden« und werden von reinen Abnehmern zugleich auch zu Koroduzentinnen.
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Soweit die Theorie – ob das in der Praxis auch so gelingt, wann es scheitert, ob das nur in kleinen Start-Up-Unternehmen oder auch in traditionsreichen Großbetrieben eingeführt werden kann, ob es gar nur alter Wein in neuen Schläuchen oder eine Beschönigung ungeordneter Arbeitsprozesse darstellt, darum ranken sich seither viele Diskussionen – und auch Modellversuche, in denen wenig agile Großbetriebe sich kleine agile Arbeitsgruppen leisten, in denen das agile Prinzip ungestört erprobt werden kann. 10
Einer, der agiles Arbeiten von der Pieke auf gelernt hat und anfangs angestellt in einer Softwareschmiede, heute als Freiberufler tagaus tagein praktiziert, ist der Autor dieses Buches. Frederick Meseck ist Ingenieur und systemischer Coach, ein systemisch-agiler Berater. In diesem kompakten, sehr verständlich geschriebenen Buch führt er den Leser von der Entstehungsgeschichte des Begriffs über »Werte, Prinzipien und Praktiken« agiler Arbeit bis zu den dafür notwendigen Haltungen. Er beschreibt auch, wie man sich selbst auf den Weg zur Agilität machen und in einem agilen Betrieb als systemischer Berater gut arbeiten kann. Mehrere sehr gut gestaltete Grafiken erlauben auch visuellen Lesetypen einen guten Überblick über das sorgfältig Beschriebene. Fachberatung und Prozessberatung gehen in Mesecks Arbeit Hand in Hand. Ein Genuss keineswegs nur für Agile sondern für abgebrühte alte Hasen ebenso wie für begeisterungsfähige Neulinge sind die drei Fallgeschichten, von denen je eine Organisations-, eine Team- und eine Einzelberatung darstellen. Der Autor erlaubt sich, formelhaft tönende Auftragsformulierungen wie »mehr Zusammenarbeit und Synergien« oder »den Kunden mehr einbeziehen« beständig, behutsam und freundlich infrage zu stellen. Das tut er bevorzugt, in dem er seine Auftraggeber fragt, wie optimistisch sie über den Erfolg der jetzt angestrebten Beratung denken? Würde die Beratung einen Unterschied zu früheren Initiativen machen? Welche Outcomes hält der Auftraggeber
für realistisch? Wenn Sie offen sprechen könnten: welche nicht geäußerten Themen würden sie hinzufügen? Dieses Vorgehen ähnelt dem »Humble Consulting« (»demütiges Beraten«), wie es der Bostoner Altmeister der Organisationsberatung Ed Schein im seinem gleichnamigen Buch beschrieben hat – ein Vertrauensklima zu schaffen, in dem man dann offen fragen kann: »Und was wollen Sie wirklich?« (2017). Auch Wege zum Aufbau von Vertrauen in den Berater werden anschaulich beschrieben – vorbereitende Einzelinterviews sind ein Teil davon. Für die Beratung in frustrierenden Kontexten – die im agilen Arbeiten offensichtlich nicht seltener sind als in konventionellen Arbeitsformen – nutzt der Autor schöne entlastende Metaphern. Er beschreibt die frustrierenden Abläufe als »Spiele«, die mit »Codeworten« verfremdend benannt werden dürfen. Er empfiehlt als Haltung »anzuerkennen, dass die Situation für beide Parteien nun mal so war, wie sie war. Dass genau dieses Ergebnis gerade das beste Ergebnis war, was sie zusammen im Stande waren herbeizufahren«. Ich (JS) würde diese Haltung »heilsame Resignation« nennen, meine Kolleginnen Julika Zwack und Ulrike Bossmann (2017) »heilsame Ent-Täuschung«. Auch der Einsatz einer »Frustbox«, in die aller Ärger entladen werden darf, gehört zu des Autors FrustBearbeitungs-Repertoire. Frederick Meseck zeigt immer wieder einen an Watzlawick geschulten Sinn für paradoxe Entwicklungen: Die angestrebte Lösung verschärft das zu lösende Problem, deshalb gilt es diese zunächst in Frage zu stellen. So bietet dieses Buch seinen Leser:innen einen doppelten Gewinn: eine so kompakte wie sorgfältige fachliche Einführung in agile Arbeitsweisen und eine kluge Ideensammlung zum Umgang mit unausgereiften Beratungsaufträgen und frustrierenden Beratungssituationen. Jochen Schweitzer
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Zitierte Literatur Schein, E. (2017): Humble Consulting. Die Kunst des vorurteilslosen Beratens. Heidelberg: Carl Auer Verlag Zwack, J., Bossmann, U. (2017): Wege aus beruflichen Zwickmühlen. Navigieren im Dilemma. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
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Einführung
Mit diesem Buch möchte ich interessierte Leserinnen und Leser1, die bereits Erfahrung mit Beratung und speziell systemischer Beratung haben, in das Thema Agilität einführen. Das Wort Agilität wird in vielen Bereichen verwendet, doch ich spreche über diesen Begriff und dessen Umsetzung hier ausschließlich im Rahmen von Arbeitsprozessen. Dabei ist mir besonders wichtig, mehrdimensional auf Agilität zu blicken, um dem Facettenreichtum dieses Themas gerecht zu werden. Denn oft begegnet man sehr vereinfachenden Sichtweisen wie: »Agilität ist nichts Neues!«, »Agilität ist die Lösung aller Probleme!«, »Agilität bedeutet: Ich kann machen, was ich will!«. Diese Ansichten verkennen nicht nur das Potential des Begriffs, sondern wirken teilweise stark polarisierend. Daher wahre ich bei dem Thema Agilität, obwohl ich von den Kerngedanken und Ansätzen überzeugt bin, eine wachsame, vielleicht sogar kritische Beobachterposition. Agilität ist mittlerweile zu einem großen, komplexen Themengebiet herangewachsen. Es bieten sich deshalb viele Möglichkeiten an, wie eine Einführung in die zentralen Gedanken und Grundbegriffe aussehen könnte. Ich habe mich entschieden, im ersten Teil dieses Buchs vor allem die wichtigsten Werte und Prinzipien agiler Arbeit aus unterschiedlicher Perspektive zu beleuchten. Da ich in 1 Ich verwende im Text in zufälliger Folge die männliche und weibliche Form. Im Sinne der gendersensiblen Sprache mögen sich bitte alle mitgemeint fühlen.
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meiner eigenen Praxis als Berater agiles Arbeiten konsequent mit einer systemischen Denkweise zu einem systemisch-agilen Ansatz (kurz: sysagil) kombiniere, wird dies ein weiterer Fokus in meiner Darstellung sein. Ich beginne mit einer thematischen Eingrenzung, zu deren Verständnis auch der Blick zurück auf die historischen Ansätze von Agilität in der Arbeitswelt gehört. Die Werte, Prinzipien und Praktiken agiler Arbeit stelle ich nicht nur im Text, son14
kompakt visualisieren, um eine schnell erfassbare Arbeitsgrundlage
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dern auch mithilfe von Abbildungen vor, die das komplexe Thema für Berater zu bieten. Es folgt eine kurze Reflektion von (sinnvollen) Einsatzbereichen agiler Arbeit, die exemplarisch einen Eindruck vermitteln, für welche Organisationen bzw. wann Agilität in Frage kommen könnte. Anschließend leite ich über zu der Bedeutung des systemischen Ansatzes im agilen Kontext und zu meiner Rolle als systemisch-agiler Berater. Im zweiten Teil des Buchs stelle ich drei relevante Praxisbeispiele vor, die typische Herausforderungen im Umgang mit Agilität beschreiben. Dabei hat jedes Beispiel einen unterschiedlichen Schwerpunkt der Beratung: von Organisations-, über Team- hin zur Einzelberatung. Wie alle drei Beratungsfälle zeigen, ist eine systemische Grundhaltung, kombiniert mit systemischen und agilen Methoden, ein wirkungsvolles Vorgehen in der Beratung.
Der Kontext
Agilität: Was ist das? Die kurze Antwort auf die Frage, was Agilität sei, lautet: Chance, Herausforderung und Zukunft. Diese Beschreibung ist selbstverständlich keine exakte Definition, sondern soll zu Beginn zeigen, welch hohe Bedeutung ich dem Thema Agilität zumesse. Eine längere und differenzierte Antwort wird dieses Buch geben. Denn was sich vorweg bereits sagen lässt: Agilität lässt sich leider nicht auf eine einfache
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Formel bringen, weder in Theorie noch Praxis. Das Dilemma beginnt schon mit der Tatsache, dass es in der Literatur keine einheitliche Definition gibt. Kein Wunder, dass der Begriff inflationären Charakter besitzt. Wer sich zum Beispiel mit moderner Organisationsentwicklung, der sogenannten New Work oder Digitalisierung auseinandersetzt, begegnet zwangsläufig diesem Begriff. Vermutlich genauso häufig stolpert man über Beraterinnen, die Agilität auf ihrer Visitenkarte mit aufführen, »weil man das heute eben anbieten muss, sonst ist man nicht gefragt«. Dies ist nur eine von vielen Quellen, die Agilität zwar als Thema Verbreitung verschaffen, aber auch das Schicksal, dass dieser Begriff zum Unwort des Jahres gewählt wurde (ICT, 2020). Da eine einheitliche Definition fehlt, möchte ich mit einer eigenen Eingrenzung des Verständnisses von Agilität eine nachvollziehbare Ausgangsposition für meine Darstellung schaffen. Ich greife dafür Elemente auf, die sich in unterschiedlicher Gewichtung und Formulierung in der Literatur finden, füge sie aber auf der Grundlage meiner Beratungserfahrung zusammen. Deshalb ist die folgende Definition kein Zitat. Ich hoffe, sie trägt dazu bei, den Bedeutungswildwuchs zu stutzen und der Beliebigkeit vorzubeugen, mit der oftmals Agilität ausgelegt wird – getreu dem Motto: »Wir machen das irgendwie, wir sind ja jetzt agil«. Ein erster Versuch meiner Eingrenzung, die im weiteren Verlauf des Buchs noch mehr Form annehmen wird:
Agil sein bedeutet, als Organisation wandlungsfähige Strukturen und Prozesse zu schaffen und weiterzuentwickeln, um schnell auf ständige Veränderungen der Marktumgebung reagieren zu können. Als Organisation agil zu sein bedeutet auch, ein Mindset zu fördern, das sich durch die Offenheit für Neues, die Fähigkeit zu hinterfragen und zu reflektieren, sowie durch Gestaltungswillen auszeichnet. Um nicht den Eindruck zu vermitteln, dass es sich bei der Agilibewusst die aktive Formulierung des »agil sein«. Denn ein Zustand
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vermittelt die Idee, dass er eindeutig beschrieben werden kann und
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tät um eine Art Zustand handelt, steht am Beginn der Eingrenzung
sich am besten zusätzlich auf einem Zeitstrahl verorten lässt. In einer solchen Verortung liegt zugleich die verlockende Wunschvorstellung, mit ausreichend hohem Engagement sei dieser Zustand »Jetzt sind wir agil!« schnellstmöglich zu erreichen. Das klingt gut, passt aber nicht zum fluiden Charakter von Agilität. Daran ändert auch eine doppelte Anzahl an Beratern nichts oder eine interne Kampagne für Veränderungen der Kultur und des Mindset. Agilität ist vielmehr als Weg zu verstehen. Ein Weg, der Organisationen befähigen soll, trotz oder gerade wegen der zahlreichen an sie gestellten Anforderungen, zukunftsfähig und erfolgreich zu wirtschaften. Wie dieser Weg im Einzelnen ausgestaltet wird, ist so originell wie jede Organisation selbst, aber eben nicht beliebig, wie ich noch zeigen werde. Denn es müssen passende Rahmenbedingungen vorliegen, damit sich die Vorteile der Agilität in einer Organisation entfalten können. Ein kurzer Ausflug zur Herkunft und Verwendung der Begriffsformung Agilität im Kontext von Arbeitsprozessen soll eine Vorstellung von diesen Rahmenbedingungen vermitteln.
Die Entstehungsgeschichte agiler Arbeit Der Verwendung des Begriffs Agilität in unserem Zusammenhang geht kein Ereignis voraus, das eine eindeutige Auskunft über seine Entstehung ermöglicht. Vielmehr gibt es in der Historie des letzten Jahrhunderts zahlreiche markante Ansätze, die heute einer Einordnung als agil gerecht würden. So wird z. B. in der Literatur oftmals Toyota in Verbindung mit ersten fundierten agilen Ansätzen
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genannt (Ohno, 1988). Allen voran steht hier das berühmte LeanKonzept aus dem Toyota Produktionssystem, das nach dem Zweiten Weltkrieg Form annahm. Dem Lean-Gedanken folgend, geht es in diesem Konzept darum, Werte zu schaffen und dabei Verschwendung zu minimieren. Werte werden geschaffen, indem alle Aktivitäten im Wertschöpfungsprozess an dem Kunden und seinen Bedürfnissen ausgerichtet werden. Kontinuierliche Verbesserung ist dabei die Maxime im täglichen Handeln aller Beteiligten. Schon damals erkannte Toyota für seine Produktionslinien, dass die individuellen Fähigkeiten der Mitarbeitenden mit einer guten Teamarbeit kombiniert werden müssen. Sowohl die Kundennähe und der Gedanke der kontinuierlichen Verbesserung als auch der Teamfokus sind heute ebenfalls wichtige Prinzipien der Agilität. Im Unterschied zur Agilität geht es jedoch im Lean-Konzept darum, Arbeitsabläufe so weit wie möglich zu verschlanken und zu standardisieren. Aber nicht nur Lean stammt von Toyota, auch Kanban2 zählt gleichermaßen zu den Errungenschaften dieser Firma in den 1940er Jah2 Kanban zählt nach Scrum (siehe Fußnote 3, S. 22) zu den bekanntesten agilen Methoden. Kanban unterstützt Menschen in der Organisation in ihrer Zusammenarbeit. Dabei werden Arbeitsabläufe und die dazugehörigen Arbeitspakete mit Hilfe eines Boards (sog. »Kanban-Board«) visualisiert. Dadurch entsteht für alle Beteiligten Transparenz darüber, wie der aktuelle Arbeitsstand ist und an welchen Stellen womöglich Blockaden entstanden sind. Durch das Lösen von Blockaden können Arbeitsabläufe dann optimiert werden.
ren. Kanban hatte damals das Ziel, bei der Steuerung von Produktionsprozessen Lagerbestände zu minimieren. Heute ist es in etwas abgewandelter Form eine beliebte Methode der Visualisierung und Optimierung von Arbeitsabläufen im agilen Kontext. Etwa zeitgleich mit dem Bekanntwerden des Kanban-Prinzips hatte das amerikanische Rüstungsunternehmen Lockheed Martin zum Ende des Zweiten Weltkriegs den Auftrag bekommen, einen ckeln. Um dieses ambitionierte Vorhaben zu meistern, setzten die
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Ingenieure auf ein selbstorganisiertes Team. Mit Hilfe erfahrener
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flugfähigen Prototyp eines Kampfjets in nur 180 Tagen zu entwi-
Kampfjetpiloten und ohne bürokratische Barrieren konnte der Prototyp P-80 in nur 143 Tagen fertiggestellt werden (Gloger u. Margetich, 2014). Diese Art des Vorgehens wurde hier – wie bei den vorherigen Beispielen – damals nicht als agil bezeichnet. Aber es findet sich in diesem beachtlichen Entwicklungsprozess ein weiteres fundamentales Prinzip der Agilität: die Selbstorganisation von Teams. Weltweite Aufmerksamkeit für den Begriff Agilität bewirkte erstmalig Roger N. Nagel und R. Dove mit seinem Paper »21st Century Manufacturing Enterprise Strategy« in den 1990er Jahren. Das Paper ging der Frage nach, wie die globale Wettbewerbsfähigkeit der US-amerikanischen Industrie in der Produktion ausgebaut werden könne. Ein zentrales Ergebnis lautete: Unternehmen sollten sich als agile Wettbewerber verstehen, die ihre Kunden und Lieferantinnen in ihre Wertschöpfungskette integrieren. Der weltweite Durchbruch der agilen Bewegung und der Prinzipien, nach denen Agilität heute weitestgehend gelebt wird, kann letztlich der Veröffentlichung des »Manifesto for Agile Software Development« (Schwaber et al., 2001) zugerechnet werden. Dieses Manifest – meist »Agiles Manifest« genannt – entstand aus dem Zusammenwirken von 17 Softwareentwicklern. Gebeutelt durch übermäßige Reglementierung ihrer Arbeit aufgrund zahlreicher Vor-
schriften, der mandatorischen Überdokumentation und der Verpflichtung zu langfristiger Planung, waren sie auf der Suche nach einer alternativen Arbeitsweise. Das Ergebnis ihrer Analyse waren klar definierte Werte und Prinzipien, die ich im nächsten Kapitel erläutern werde. Organisationen, die diesem Manifest folgen, so die Idee, bilden den idealen Nährboden für agile Prozesse. Sie entwickeln mehr Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. griert, heißt Scrum3. Ken Schwaber, ein Mitbegründer des Agilen
Kontext
Eine Methode, die heute konsequent die Ideen der Agilität inte22
Manifests, hatte bereits 1996 erfolgreich Scrum eingesetzt (Schwaber u. Beedle, 2002). In Zusammenarbeit mit Jeff Sutherland, ebenfalls Unterzeichner des Agilen Manifests, wuchs die Community rund um Scrum schnell an. Mit dem Agilen Manifest setzte sich vor allem Scrum als Methode agiler Arbeit in Organisationen
3 Scrum ist eine der bekanntesten agilen Methoden. Es beschreibt einen agilen Prozess der Zusammenarbeit, um z. B. ein Produkt zu entwickeln oder ganz allgemein Projekte zu realisieren. Scrum als agile Methodik (siehe Abbildung 6, S. 55), baut auf Iterationen oder auch Feedbackschleifen, (sog. »Sprints«) auf. Diese Sprints wiederholen sich typischerweise alle ein bis vier Wochen. Ein Sprint besteht in der Regel aus immer derselben Struktur an Meetings (sog.»Scrum Events«): beginnend mit einer Planung des Sprints (sog. »Planning«), einem kurzen, täglichen Austausch zur Abstimmung aller Beteiligten (sog. »Daily«), einem kundenorientierten Feedback-Meeting, um gegen Ende des Sprints Ergebnisse vorzustellen (sog. »Review«). Abschließend findet die »Retrospektive« statt, um über Verbesserungen des Prozesses und der Zusammenarbeit zu reflektieren und diese für den kommenden Sprint zu berücksichtigen. Für die weitere Ausarbeitung und Vorbereitung von Anforderungen dient das »Refinement«. Eine strukturierte und priorisierte Übersicht der Anforderungen in Form einer Liste wird als »Product Backlog« bezeichnet. Die an dem Scrum-Prozess beteiligten Personen werden zu einem Scrum-Team zusammengefasst. Dieses Team trägt gemeinsam die Verantwortung für ein bestmögliches Ergebnis der Sprints. Das Team teilt sich in drei Rollen auf: den Product Owner, der die fachlichen Anforderungen an das Team im Blick hat, den Scrum Master, der das Team hinsichtlich Kommunikation, Zusammenarbeit und agile Methoden unterstützt, und die Entwickler, die ihre Expertise in der Umsetzung der fachlichen Anforderung haben.
durch. Obwohl weder das Agile Manifest noch Scrum auf die reine Softwareentwicklung limitiert sind, finden sich beide heute vor allem in der IT wieder, wie der »14th Annual State of Agile Report« (Digital.ai. Software, 2020) zeigt. Mittlerweile kann laut einer Studie der Hochschule Koblenz zur Verbreitung und Nutzen agiler Methoden (Komus u. Kuberg, 2017) ein Trend beobachtet werden, dass die agilen Ansätze nach der Methode Scrum auch außerhalb der IT (wieder) an Bedeutung gewinnen. behauptet wird, der Soziologe Talcott Parsons habe 1951 mit seinem AGIL-Schema bereits erste Vorarbeit für die hier beschriebenen agi-
len Prozesse geleistet. Auch wenn eine gewisse Attraktivität besteht, die vielversprechenden Ansätze der Agilität durch ähnlich lautende wissenschaftliche Theorien zu untermauern, hat »unsere« Agilität nichts mit dem aus der Soziologie stammenden AGIL-Schema von Talcott Parsons zu tun (Kühl, 2019).
Das Agile Manifest und seine Wertepaare Das Agile Manifest ist also nicht nur aus historischer Sicht relevant. Es ist das Kernstück der Agilität und gibt richtungsweisende Antworten auf die Frage: »Was ist Agilität?« Es beruft sich auf vier Wertepaare: »Individuen und Interaktionen« vs. »Prozesse und Werkzeuge«, »Funktionierendes Produkt (urspr. funktionierende Software)« vs. »Umfassende Dokumentation«, »Zusammenarbeit mit Kunden« vs. »Vertragsverhandlungen« und »Reagieren auf Veränderungen« vs. »Befolgen eines Plans«. Diese sind in der folgenden Abbildung 1 zu sehen, wobei die Werte auf der linken Seite stärker zu gewichten sind als die auf der rechten Seite:
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Kontext
Ergänzend soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass gelegentlich
individuen und interaktionen
Kontext
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prozesse und werkzeuge
funktionierendes produkt
umfassende dokumentation
zusammenarbeit mit kunden
vertragsverhandlungen
reagieren auf veränderungen
befolgen eines plans
Abbildung 1: Das Agile Manifest mit den vier Wertepaaren
Individuen und Interaktionen vs. Prozesse und Werkzeuge Das erste Wertepaar besagt, dass Organisationen, die ihrem Handeln das Agile Manifest zu Grunde legen, Individuen und deren Interaktionen im Zweifel höher gewichten als Prozesse und Werkzeuge (womit selbst Ansätze wie Scrum oder Kanban gemeint sind). Somit rückt auch der Mensch in agilen Organisation wieder mehr in den Kein vorgefertigtes Schema kann letztlich allen Belangen einer Organisation gerecht werden. Vielmehr muss jede Organisation die für sie passenden Prozesse entwickeln, auch wenn z. B. Scrum zum Einsatz kommt. Damit dieser Spagat zwischen Individuen und Prozessen gelingen kann, ist es ein vielversprechender Ansatz, eine konstante Metaperspektive in der Organisation zu etablieren. Diese Perspektive sollte in regelmäßigen Abständen offen diskutiert werden (z. B. in Retrospektiven), denn damit eröffnet sich eine der Möglichkeiten für die angestrebte kontinuierliche Verbesserung. Zielführend ist eine eigens hierfür geschaffene Rolle: die eines Coaches. Er bringt neben agilem Wissen auch Methodenkompetenz aus dem Bereich Organisationsentwicklung mit.
Funktionierendes Produkt vs. umfassende Dokumentation In der ursprünglichen Fassung des agilen Manifests, ging es im Speziellen um »funktionierende Software« anstatt der allgemeineren Formulierung »funktionierendes Produkt« (2001). Unter Berücksichtigung der heutigen Bedeutung und Vielseitigkeit der Agilität ist jedoch der Begriff des Produkts zielführender. Denn agile Organisationen
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Vordergrund.
richten ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf das schnelle Funktionieren eines Produkts und dessen Mehrwert. Wobei unter Produkt ganz allgemein sowohl Sachgüter (z. B. Autos, Computer, Software etc.) als auch Dienstleistungen (z. B. Beratung, Kinderbetreuung, Pflege etc.) verstanden werden. Auch wenn Dokumentation wichtig und notwendig ist, darf sie nicht zum Selbstzweck verkommen bzw. das Funktionieren behindern. Dokumentation muss letztlich dem Produkt dienen.
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Zusammenarbeit mit Kunden vs. Vertragsverhandlungen Ein wertvolles Produkt entsteht in agilen Organisationen in einer engen Zusammenarbeit mit dem Kunden und den Nutzern des Produkts, wie bereits in der Entstehungsgeschichte von Agilität angeklungen ist. Der Kunde kann sich sowohl innerhalb der Organisation befinden als auch außerhalb. Im weitesten Sinne ist der Kunde derjenige, der wertvolles Feedback zum Produkt geben kann und den Geldgeber repräsentiert. Welchen Stellenwert das Feedback in agilen Vorgehensweisen hat, zeigt sich darin, dass der Kunde in die Produktentwicklung (fast) täglich einbezogen wird. Vertragsverhandlungen stehen demgegenüber eher hinten an.
Reagieren auf Veränderungen vs. Befolgen eines Plans Durch das kontinuierliche Kundenfeedback, aber auch aufgrund der hohen Veränderungsgeschwindigkeit der Umweltbedingungen von Organisationen, können sich Anforderungen in kurzen Abständen ändern. Diese Dynamik muss in agilen Organisationen besonders
berücksichtigt werden. In allen Planungs- und Umsetzungsprozessen werden daher kurze iterative Zyklen eingesetzt, die ein besonderes Merkmal der Agilität darstellen. Die Debatte über Agilität konzentriert sich oftmals nicht auf die Vorgänge in diesen Zyklen, sondern oberflächlich auf das Stichwort Planung. Es wird in diesem Zusammenhang häufig kritisiert, dass Planung, vor allem von größeren Projekten, offensichtlich im Widerspruch zu einem agilen Vorgehen im Umgang mit den Veränderungen, die in der Umsetzung des Plans
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auftreten können, und den Anforderungen, die sich daraus ergeben.
Kontext
stehe. Doch die Hürden stecken nicht in der Planung selbst, sondern
In diesem Sinne wird auch bzw. gerade nach Veränderungen weiterhin in agilen Prozessen geplant, und zwar sowohl in Hinblick auf das komplette Projekt als auch auf die Planung einzelner Zyklen. Je größer der Planungshorizont, desto eher wird mit Veränderungen im Plan gerechnet. Wenn solche Modifikationen im Laufe des Projekts eintreten, dann wird dies als wertvolles Feedback und nicht vorrangig als Problem gesehen. Diese Ideen in die Tat umzusetzen, erfordert zum einen neue Prozesse und Werkzeuge. Zum anderen braucht eine Organisation ein passendes Mindset ihrer Mitarbeitenden, damit Agilität wachsen kann. Gerade dieser letzte Punkt wird in vielen Fällen nicht konsequent genug beachtet.
Werte, Prinzipien und Praktiken agiler Arbeit Zusätzlich zu dem Agilen Manifest gibt es mittlerweile einen Fundus an Werten, Prinzipien und Praktiken rund um Agilität. Sie dienen als eine Art Leitplanken für die Umsetzung von Agilität. Das Zusammenwirken dieser Werte, Prinzipien und Praktiken lässt sich in einem dreistufigen Modell darstellen (siehe Abbildung 2).
agile praktiken gemeinsamer arbeitsansatz
retrospektiven
qualität
rin agile p zipien ...
feedback
planning
refinements
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bevollmächtigtes team
Kontext
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lernen verstärken
backlog
mut offenheit
kontinuierliche verbesserung
produktvision
respekt
fokus
verschwendung minimieren user stories
verantwortliches handeln review
arbeit visualisieren
commitment
zusammenarbeit und kooperation
crossfunktionale teams
inspect & adapt
daily selbstorganisierte teams kurze iterationen kanbanboard
rollen & verantwortungen
Abbildung 2: Das dreistufige Modell mit den wichtigsten Werten (innerer Kreis), Prinzipien (mittlerer Kreis) und Praktiken (äußerer Kreis)
Kern dieses Modells bilden die agilen Werte nach Scrum (siehe Abbildung 2: innerer Kreis). Ausgehend von diesen Werten, lassen sich wichtige agile Prinzipien ableiten. Im äußeren Kreis des Modells finden sich nützliche Praktiken, die je nach Kontext eingesetzt werden können, zum Beispiel Retrospektiven. Wie die Abbildung verdeutlichen soll, besteht eine Abhängigkeit der drei Kreise voneinander. So baut die Retrospektive, als agile Praktik, auf verschiedenen agilen Prinzipien (kontinuierliche Verbesserung, Lernen verstärken oder Feedback) und agilen Werten (Mut, Respekt oder Offenheit) auf. Dieses dreistufige Modell erlaubt einen Einblick, was agile
Organisationen auf der Werte- und Verhaltensebene im Vergleich zu klassisch strukturierten Organisationsformen auszeichnet (vgl. auch Abbildung 5). Die agilen Werte im inneren Kreis bekommen eine Zielrichtung, wenn sie im Kontext der Prinzipien (mittlerer Kreis) und Praktiken (äußerer Kreis) gelebt werden. Der Wert Commitment erhält seine Bedeutung z. B. dann, wenn ein Team in der Zusammenarbeit und ierliche Verbesserung (»inspect and adapt«) zu weniger Verschwen-
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dung und zu einer nachhaltigen Entwicklung führen; wenn jedes
Kontext
Kooperation aller Beteiligten verantwortlich handelt; wenn kontinu-
Teammitglied sein Bestes gibt, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Zu dieser Art des Commitments, dieser Einsatzbereitschaft, zählt auch, bereit zu sein, nicht nur die Arbeit zu erledigen, die in den Aufgabenbereich des jeweiligen Teammitglieds fällt, sondern darüber hinaus in der Teamentwicklung mitzuwirken. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn es darum geht, gemeinsame Arbeitsansätze und -prozesse im Team zu entwickeln und umzusetzen. Mut äußert sich darin, neue Wege zu gehen und dabei aus Irrtümern zu lernen. Es braucht Mut, wenn beispielsweise Teams vom Management bevollmächtigt werden, in enger Abstimmung mit Kunden eine Vielzahl an Entscheidungen zu treffen, ohne dass das Management bis ins letzte Detail eingebunden ist. Denn gerade in der Entwicklung gibt es viele Unbekannte, die die Wahrscheinlichkeit von Irrtümern erhöhen. Diese Irrtümer können als Lernbereiche gesehen und umso schneller entdeckt werden, je früher ein Team mit seinen Produkten Erfahrung sammeln kann (»fail fast«). Nähert sich beispielsweise ein Team seinem gewünschten Endprodukt in kleinen Schritten, wird dadurch der Fokus auf die Werthaltigkeit des Produkts und seines Entstehungsprozesses gelegt. Mit jedem kleinen Schritt wird darauf geachtet, Kundinnen und Nutzern des Produkts Mehrwert zu liefern. Das bedeutet, dass Teile
des Produkts bereits genutzt werden können, obwohl es in seiner Gesamtheit noch nicht fertig ist. Das aus der frühen Benutzung des Produkts gewonnene Feedback kann in so genannten Reviews von Kunden und Nutzerinnen gesammelt werden und richtungsweisend für die weiteren Schritte der Entwicklung sein. So hatte bei der Produktentwicklung des bekannten Streetscooter, des elektronischen Lieferwagens der Deutschen Post, das Feedback der 30
den Fahrern z. B. zurückgemeldet, dass es im Winter in der Fah-
Kontext
Fahrer maßgeblich zu Verbesserungen beigetragen. Es wurde von rerkabine zu kalt wird oder dass für eine effizientere Be- und Entladung des Lieferwagens die Ladefläche höher gebaut sein sollte (TV-Dokumentation, 2017). Die Offenheit, auf dem Weg Veränderungen willkommen zu heißen, anstatt sie abzuwerten, ist eine weitere Stärke eines Teams im agilen Umfeld. Veränderungen im Entstehungsprozess sind eine logische Konsequenz einer sich ständig ändernden Umwelt. Um sie zielführend in der Produktentwicklung zu berücksichtigen, arbeiten Teams in kurzen Produktionszyklen (Iterationen) nach dem DemingKreislauf (Tague, 2005). Jede dieser Iterationen besteht aus einer Planungsphase, der Umsetzung des Plans, einer Feedbackphase und den daraus abgeleiteten Handlungsideen, wie die Anpassungen im nächsten Zyklus vorgenommen werden sollen. Die entscheidende Währung, in der all diese genannten Vorgehensweisen im Miteinander ausgehandelt werden, lautet Respekt, im Sinne einer echten Akzeptanz des Anders-Seins aller Beteiligten. Dies drückt sich zum Beispiel in der Kommunikation untereinander aus. Denn agile Arbeitsmodelle beruhen grundlegend darauf, sich gegenseitig Feedback zu geben, sei es zum Produkt, das das Team entwickelt, zum agilen Prozess der Zusammenarbeit oder zum Verhalten Einzelner. Respekt herrscht auch grundsätzlich im Umgang mit der wertschöpfenden Arbeit aller Beteiligten. Dies schließt Pro-
duktentwickler, Kundinnen, Nutzer, aber auch das Management, Stakeholder und Partnerinnen mit ein. Respekt ist ein wichtiger Bestandteil im Arbeitsalltag, wenn es um die zahlreichen Abstimmungen in Teams geht. Damit nicht zuviel Zeit darauf verwendet, in Teams autonom und auf Augenhöhe Entscheidungen zu treffen, sollte auch hier mit Respekt verhandelt werden.
Agile Methoden werden heute flächendeckend in der IT eingesetzt. Knapp 80 % dieser Organisationen, die agil arbeiten, verwenden laut einer Studie Scrum als Mittel der Wahl (Bitkom Research, 2018). Neben den bekannten Big Playern der IT wie SAP zählen vor allem zahlreiche Firmen, die eine umfangreiche interne IT-Infrastruktur besitzen, wie Siemens, Daimler, EnBW, Aldi, Edeka, Lufthansa etc., zu den agilen Vertreterinnen der deutschen Wirtschaftslandschaft. In den letzten Jahren zeichnet sich der Trend ab, dass Agilität auch jenseits der reinen IT auf fruchtbaren Boden stößt. Domino’s Pizza, Pixar, HILTI, die Stadt Heidelberg, DiaCom Altenhilfe, Frankfurter Rotkreuz-Kliniken sind nur einige Beispiele aus den unterschiedlichen Branchen Pflege, Verwaltung und Handel. Im Kern zeigt sich bei den genannten Organisationen, dass sie vor allem auf interdisziplinäre Projektteams mit agilen Prozessen setzen. Diese Teams verfolgen im Sinne eines agilen Ansatzes verschiedene Fragestellungen (weitestgehend) selbst organisiert. Sie werden bevollmächtigt, in einem gewissen Rahmen autonom Entscheidungen zu treffen. Wie einer Ausgabe von »Health&Care Management« entnommen werden kann, erarbeitete ein Projektteam der Frankfurter RotkreuzKliniken eine mögliche Lösung, wie der Fachkräftemangel teilweise
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Kontext
Agilität im Kontext unterschiedlicher Einsatzbereiche
durch strategische Personalentwicklung abgemildert werden könnte. Hierbei profitierte das Projektteam von den unterschiedlichen fachlichen Kompetenzen (Friers u. Heye, 2018). Bei HILTI wurde mit Hilfe eines Projektteams und der engen Zusammenarbeit mit Endkunden das Produktportfolio weiterentwickelt. Dadurch war es Kunden erstmals möglich, Produkte von HILTI in einem Abo-Modell zu mieten. Für dieses Projekt musste
das Team in verschiedene Geschäftsbereiche eingreifen (Multerer,
Kontext
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2018). Stadt Heidelberg setzte ebenfalls auf interdisziplinäre Projektteams, bestehend aus mehreren Ämtern, um z. B. eine Lösung zum Abschleppen verkehrswidrig geparkter Kfz zu erarbeiten (Gebler, 2019). Agilität zeigt sich in diesen Beispielen vor allem in der Selbstorganisation bevollmächtigter Projektteams. Diese Teams, die aus mehreren Fachbereichen aufgebaut sind, erarbeiten in kurzen Iterationen kundennahe Lösungen. Wer gegenüber Agilität kritisch eingestellt ist und all diejenigen, die schon zu viele Veränderungsprojekte in Organisationen erlebt haben, werden vielleicht an dieser Stelle entgegnen: »Das ist Schönmalerei, wie sieht es mit den Nachteilen agiler Vorgehensweise aus?« oder »Das funktioniert bei unserer Organisation niemals«. Solche Einwürfe sind oftmals berechtigt, weil sie auf negativen Erfahrungen beruhen. Der Markt für Agilität ist groß. Zahlreiche Beraterinnen kämpfen um agile Transformationsprojekte. Dabei werden nicht selten zu große Versprechungen gemacht bzw. unrealistische Erfolge in Aussicht gestellt. In welchen Bereichen sich Agilität aber ernsthaft anbietet, wird nun Gegenstand weiterer Ausführungen sein.
Kriterien für einen sinnvollen Einsatz agiler Arbeit Inspiriert durch die Arbeitsweisen von Start-ups und der Idee von New Work, fragen sich derzeit viele Organisationen, ob sie eine agile Transformation einleiten sollten. Häufig stellt sich jedoch gar nicht mehr die Frage nach dem »Ob«, sondern nur nach dem »Wie« und in welchen Bereichen. Völlig überhastet springen daher oft Organisationen auf den »Agilitäts-Zug« auf, um ihn nicht zu verpassen: Bevor eine Organisation agiles Arbeiten anstrebt, sollte sie ungefähr wissen, wohin die Reise gehen soll. Oder anders ausgedrückt: Welches Problem soll durch Agilität gelöst werden? Und: Was soll durch Agilität in der Organisation besser werden? Mögliche Antworten auf diese Vorabfragen erfordern einen Blick sowohl nach innen wie nach außen (»Welche Anforderungen werden von innen bzw. von außen an die Organisation gestellt?«). Diese Standortbestimmung fördert Hinweise zutage, wo Entwicklungspotentiale der Organisation liegen. Erst dadurch sollte der Diskussionsraum für oder gegen Agilität eröffnet werden. Mögliche Anforderungen von innen könnten lauten: »komplizierte Freigabeprozesse zu verschlanken« oder »als Arbeitgeber attraktiver zu werden«. Anforderungen von außen wären z. B.: »kürzere Innovationszyklen für neue Produkte« oder »schneller auf Marktanforderungen reagieren«. Wenn durch die Standortbestimmung transparent wird, dass sich die Organisation oder Teilbereiche von ihr besser und schneller auf Umweltbedingungen einstellen sollten, könnte Agilität eine Lösung darstellen. Durch den iterativen Ansatz können Veränderungen in Entwicklungsprozessen eingewoben werden. Wenn innovative Produkte gefordert sind, die mit Hilfe interdisziplinärer Teams umgesetzt werden sollen, bietet auch hier Agilität erprobte Methoden an. Wenn Kunden und Nutzerinnen der Produkte stärker in die Produkt
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Kontext
»Alle anderen machen ja jetzt auch agil!«.
entwicklung integriert werden sollen, gibt es dafür in agilen Ansätzen zahlreiche Feedbackschleifen. Grundsätzlich ist Agilität stark darin, Organisationen in Bewegung zu bringen, um auf Veränderungen, die Vielfalt an unterschiedlichen Bedürfnissen und ganz allgemein auf Komplexität zu reagieren. Das bekannte Cynefin Modell bringt diesen Umstand auf den Punkt (Abbildung 3).
Kontext
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komplex
kompliziert
„experimentieren“ „wahrnehmen“ „handeln“
„wahrnehmen“ „analysieren“ „reagieren“
unordnung chaotisch
einfach
„handeln“ „wahrnehmen“ „reagieren“
„wahrnehmen“ „beurteilen“ „reagieren“
Abbildung 3: Das Cynefin-Modell nach Snowden und Boone
Das Modell von Snowden und Boone beschreibt verschiedene Systemarten: von einfachen bis chaotischen Systemen (Snowden u. Boone, 2007). Je nachdem, welches Projekt umgesetzt oder Produkt
entwickelt werden soll, kann eine Organisation im Vorfeld mittels der Systemarten eine Kategorisierung des Projekts oder der Produktentwicklung vornehmen. Anhand der Kategorisierung kann zum Beispiel entschieden werden, ob ein agiles Vorgehen sinnvoll ist oder nicht. Exemplarisch werden nur die drei gängigsten Systemarten – einfach, kompliziert und komplex – aus dem Modell kurz vorgestellt. Einfache Systeme bringen charakteristische Merkmale hervor, die fachen Systemen bietet sich ein Vorgehen nach dem Prinzip »Wahr-
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nehmen«, »Beurteilen« und »Reagieren« an (siehe Abbildung 3 rechts
Kontext
offensichtlicher Ursache-Wirkungs-Natur sind. Im Umgang mit ein-
unten). Das heißt, einfache Systeme können beobachtet werden, und anhand der Beobachtungen wird beurteilt, wie mit diesen Systemen gearbeitet werden soll. In diese Kategorie fallen einfache technische Systeme wie zum Beispiel ein Fahrrad. Ist die Kette des Fahrrads gerissen (»Wahrnehmen«), braucht es für die Fahrtüchtigkeit schlicht eine neue Kette (»Beurteilen«), die dann eingebaut werden kann (»Reagieren«). Komplizierte Systeme zeichnen sich hingegen dadurch aus, dass Ursache-Wirkungs-Beziehungen nur mit Hilfe von Expertinnen, d. h. mit entsprechendem Aufwand analysiert werden können. In komplizierten Systemen zu operieren, folgt dem Prinzip »Wahrnehmen«, »Analysieren« und »Reagieren« (siehe Abbildung 3 rechts oben). Das bedeutet, erst nach einer Analyse durch Experten ist das Handeln in solchen Systemen sinnvoll. Flugzeuge oder Computer fallen in diese Kategorie. Wird zum Beispiel das Fahrwerk eines Flugzeugs nicht mehr korrekt ausgefahren (»Wahrnehmen«), müssen in der Regel verschiedene Expertinnen das Problem begutachten (»Analysieren«), um dann zu entscheiden, was zu tun ist (»Reagieren«). Komplexe Systeme erfordern wiederum einen gänzlich anderen Umgang. Sie bestehen aus Unmengen von Ursache-Wirkungs- Beziehungen, die sich in ihrer Vielzahl nicht einfach durch Beobach-
tung beschreiben lassen. Das heißt, einerlei, wie intensiv komplexe Systeme studiert werden, die Gesamtheit aller Zusammenhänge bleibt dem Beobachtenden verborgen. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass bei komplexen Systemen häufige Veränderungen auftreten können, die zudem grundsätzlich nicht vorhersagbar sind. Sowohl die Tatsache der Unvorhersagbarkeit als auch die Häufigkeit von Veränderungen sollten beim Arbeiten mit komplexen Systemen »Experimentieren«, »Wahrnehmen« und »Reagieren« (siehe Abbil-
Kontext
berücksichtigt werden. Handlungsideen folgen daher dem Prinzip 36
dung 3 links oben). Die Besonderheit beim Experimentieren liegt im Vorgehen. Es ist dadurch charakterisiert, dass im Vorfeld Hypothesen für einen möglichen Ausgang des Experiments formuliert werden. Im Laufe der Arbeit werden diese Hypothesen überprüft und am Schluss die Hypothesen mit den Ergebnissen verglichen. Führt eine Organisation zum Beispiel agiles Arbeiten als ein Veränderungsprojekt ein, dann könnte sie dieses Projekt als eine Art Experiment verstehen. Eine Hypothese hierzu könnte lauten, dass sich durch agiles Arbeiten die Dauer der Produktentwicklung verkürzt. Die Organisation würde somit öfter neue Produkte auf den Markt bringen, und der Umsatz könnte steigen. Ob tatsächlich öfter neue Produkte auf den Markt kommen bzw. der Umsatz steigt, lässt sich im Laufe des Experiments beobachten (»Wahrnehmen«). Auf diese Beobachtungen hin kann in einem erneuten Experiment reagiert werden (»Reagieren«). An dieser Stelle schließt sich der Kreis zum Thema Agilität. Denn gerade für komplexe Systeme ist ein agiles Vorgehen bestens geeignet. Wie zuvor beschrieben, sind die Arbeitsabläufe in agilen Prozessen darauf ausgelegt, mit Veränderungen bestmöglich umzugehen. Das Arbeiten mit kurzen Iterationen ist nicht nur ideal, um Veränderungen zu berücksichtigen. Es bietet auch die Gelegenheit, hypothesengeleitet, wie in einem Experiment, neue Wege oder Produktideen zu
entwickeln und auf direktes Kundenfeedback hin zu prüfen. Konsequent werden dadurch Risiken minimiert, die sich aufgrund von fehlendem Wissen, Planänderungen oder Unvorhersehbarem ergeben können. Der Anspruch agiler Arbeit hört jedoch nicht bei wirtschaftlichen und ökonomischen Fragen auf. Denn Komplexität ist auch auf der Beziehungsebene im sozialen Miteinander zu finden. Hier bietet die Agilität mit gezielten Methoden, wie zum Beispiel die bereits erwähnten Retrospektiven, einen interessanten Rahmen an. eröffnet, Veränderungen besser in den Alltag zu integrieren, kann auch zu einer paradoxen Situation führen: Die Organisation wird zu einer Treiberin von Veränderungen und kann sich dadurch selbst blockieren. Teams entscheiden eigenständiger, Mitarbeiter bekommen mehr Mitsprache, und Transparenz ist nicht nur ein abgedroschener Marketingbegriff. Kommunikation innerhalb und außerhalb der Organisation wird angekurbelt und sorgt für eine stärkere Vernetzung aller Beteiligten. Dadurch ist die Organisation ständig im Wandel. Diese Situation kann alle vor enorme Herausforderungen stellen. Denn zum einen entsteht eine hohe Dynamik innerhalb der Organisation, die sich darin zeigt, dass sich Arbeitsabläufe, Kommunikationswege oder Teamzusammenstellung öfter ändern. Zum anderen kann eine Organisation Gefahr laufen, dass sie sich nur noch mit sich selbst beschäftigt, weil jeder mitreden oder mitentscheiden möchte. So erging es einer Organisation, die sich zwei Jahre lang über das Design einer Kaffeetasse gestritten hatte – letzlich gab es jedoch eine Art Lernerfolg und das Unternehmen besteht bis heute. Daher sollte sich jede Organisation die Frage stellen, inwiefern sie und die Belegschaft offen für Veränderungen und Dynamik sind. Sollte nämlich aus der Standortbestimmung resultieren, dass Schnelligkeit und ein hohes Anpassungsvermögen an Umweltbedingun-
37
Kontext
Dass eine Organisation sich mittels der Agilität die Möglichkeit
gen nicht notwendig sind oder aber agiles Arbeiten die Belegschaft (inklusive Management) überfordern könnte, wäre eine agile Transformation vermutlich unpassend. Nicht immer geht es bei dem Thema Agilität um Schnelligkeit oder Anpassungsfähigkeit. Ein weiterer Faktor betrifft die Attraktivität als Arbeitgeber. Denn einige Organisationen kämpfen heutzutage auf dem Arbeitnehmermarkt um die besten Bewerberinnen. Andere stehen vor der Herausforderung einer erhöhten Fluktuation
Kontext
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von Mitarbeitern. In beiden Fällen muss sich die Organisation bemühen, attraktiv zu sein bzw. zu bleiben. Durch die moderne Arbeitsweise der Agilität, die den Mitarbeitern mehr Freiheiten, Flexibilität und Mitbestimmung ermöglicht, können Megatrends wie die Individualisierung und New Work adressiert werden. Das kann gerade für die heranwachsende Generation die Attraktivität von Organisationen steigern. Wer Agilität nur im Rahmen der Profitwirtschaft für sinnvoll hält, verkennt womöglich das Potential des Konzepts. Gleichermaßen kann der soziale Bereich von diesen Ideen profitieren. Angenommen, eine Kita muss im Zuge der COVID-19-Pandemie ein neues Hygienekonzept entwickeln, dann ließe sich dieses Vorhaben agil gestalten. Konsequent könnten Eltern und Kinder (sogenannte Kundinnen und Nutzer) in die Erarbeitung des Konzepts einbezogen werden, um ihre Bedürfnisse zu integrieren. In kurzen Zyklen könnten erste Ideen umgesetzt und zeitnah ein Feedback der Kunden und Nutzerinnen eingeholt werden. Diese Arbeitsweise macht es auch möglich, häufige Änderungen in den Vorgaben zur Hygiene durch das Landesgesundheitsamt zu berücksichtigen. Darüber hinaus könnten regelmäßige Retrospektiven in den Teamsitzungen von Kitas langfristig Spannungen zwischen den Mitarbeitenden klären. Ein Teamboard könnte Transparenz über die Themen der Leitung, des Trägers und der Einrichtung schaffen.
Wie sich zeigt, bietet Agilität vielfältige Chancen, aktuellen Heraus forderungen zu begegnen. Es muss nicht (gleich) die ganze Organisation umgekrempelt werden. Besonders innovative oder dynamische Bereiche wie Entwicklung, Vertrieb oder Produktmanagement könnten Ausgangspunkte für eine agile Transformation sein. Die Kernideen der Agilität sind an sich nichts Neues. Tatsächlich war die Welt immer schon geprägt von komplexen Zusammenhänmehr oder minder kreativ reagiert. Viele interessante agile Methoden
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sind mit dem gesunden Menschenverstand ebenfalls erdenkbar. All
Kontext
gen, und die Menschen haben auf unvorhergesehene Entwicklungen
diese Vorgehensweisen und Ansätze erleben im Gewand der Agilität eine Renaissance und sind jetzt gerade in der Arbeitswelt anschlussfähig. Hervorzuheben ist allerdings, auch im Vergleich zu früheren Zeiten, dass ein besonderes Bewusstsein für eine adäquate Haltung notwendig ist, wenn Agilität sinnvoll eingesetzt werden soll. Agilität wird zwar auf der Verhaltensebene erlebt, aber nur durch die entsprechende Haltungsebene sinnhaft. Im nächsten Abschnitt wird daher mittels des systemischen Ansatzes die Frage nach einer passenden Haltung im agilen Kontext beleuchtet.
Systemisch-agiles Arbeiten und seine Haltungen Das Marketing rund um Agilität ist besonders geschickt darin, Positivbeispiele und Vorteile der Agilität herauszustellen. Es mangelt nicht an Ratgebern, (Blog-)Artikeln und Büchern, die auf zahlreiche Praxisbeispiele von Organisationen verweisen, die erfolgreich mit Agilität unterwegs sind. Ein offensichtlicher Mangel zeigt sich jedoch, wenn die Frage gestellt wird, auf welchem Theoriekonstrukt Agilität aufbaut. Antworten fallen meistens recht mager aus. Die kaum vorhandene Theoriebasis erzeugt ein Vakuum, das nicht nur
Agilisten auf den Plan ruft, die es mit esoterischen Erklärungsversuchen füllen. Auch (Hobby-)Psychologinnen wollen mit dem Einmaleins psychologischer Modelle der Agilität eine Basis verleihen. Dieses Vakuum erzeugt zudem eine Unsicherheit im Umgang mit Agilität, die eine Vielfalt an Missverständnissen befeuert. Besonders gravierend wirkt sich dieser Umstand aus, wenn Herausforderungen und Konflikte auftreten. Denn dann durchmischen sich oft alte 40
tät passen, mit dem Versuch, neue, agile Lösungen zu konstruieren.
Kontext
Gewohnheitsmuster einer Organisation, die zumeist nicht zur AgiliEin gut fundiertes Theoriekonstrukt könnte helfen, Missverständnisse im Umgang mit Agilität aus der Welt zu schaffen und Sicherheit im Handeln zu verleihen. Eine für die Agilität passende Theorie kann in der Soziologie gefunden werden, bei der Systemtheorie nach Niklas Luhmann. Mit Hilfe der Systemtheorie können soziale Systeme – wie Gesellschaft, Organisationen und Teams – umfassend beschrieben werden. Somit stellt sie einen idealen theoretischen Unterbau für das agile Themenfeld dar. Die Systemtheorie selbst bietet zwar keine konkreten Handlungsanweisungen für die Praxis – Doch ist sie wohlerprobt in der Koppelung mit Therapie und Beratung. Da es zahlreiche Lehrbücher zu dieser Koppelung gibt (Simon, 2015a, 2015b; von Schlippe u. Schweitzer, 2016; Groth, 2019), werden im Folgenden nur für den hier aufgespannten Kontext der Agilität die wichtigsten Begriffe der Systemtheorie und ihre Bedeutung skizziert (siehe auch Abbildung 4). Ich lehne mich mit diesem Überblick teilweise an Berghaus (2011) an: 1. Der Begriff des Systems ist zentral in Luhmanns Theorie. Systeme bestehen aus Elementen (z. B. Personen eines Systems) und deren vielseitigen Beziehungen zueinander. Durch die Art und Weise, wie sich die Beziehungen im System gestalten, können neue System eigenschaften (z. B. eine neu entwickelte Software) entstehen.
2. Luhmann unterscheidet zwischen drei Systemen: organisch, psychisch und sozial. Für die Arbeit mit Organisationen sind die sozialen und psychischen Systeme von besonderer Bedeutung. Organische Systeme hingegen beschäftigen sich mit allem Lebendigen, wie Organismen, Zellen oder Nervensystemen, was für die vorliegende Betrachtung keine weitere Rolle spielt. 3. Soziale Systeme bilden sich aus regelmäßigen Interaktionen und bar anhand der ungeschriebenen Gesetze in einem Unterneh-
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men. Psychische Systeme hingegen bestehen aus Gedanken und
Kontext
bestehen aus Kommunikation. Sie sind beispielsweise beschreib-
deren musterhaften Wiederholungen. Ohne psychische Systeme sind soziale Systeme nicht denkbar und umgekehrt. Sie stehen in Wechselwirkung zueinander. 4. Soziale Systeme grenzen sich durch die Art und Weise, wie Kommunikation geregelt wird (so genannte Strukturen), von ihrer Umwelt ab und bilden dadurch eine Systemgrenze aus: »Wir sind die Vertriebsabteilung. Uns ist es egal, wann jeder Mitarbeitende anfängt. Hauptsache er oder sie liefert die entsprechenden Zahlen.« »Wir sind die Buchhaltung. Bei uns herrschen Ordnung und Pünktlichkeit.« 5. Strukturen in sozialen Systemen ermöglichen eine spezifische Kommunikation und schließen andere Kommunikationsmöglichkeiten aus. Dies geschieht, indem Regeln, Muster und Prozesse selbst organisiert und autonom aus dem sozialen System herausgebildet werden. So kann es sein, dass in der Buchhaltungsabteilung Strukturen bestehen, die eher das Thema Kosten in den Mittelpunkt der Kommunikation stellen, während sich die Kommunikation in der Vertriebsabteilung eher um die Umsatzzahlen dreht. 6. Soziale Systeme erzeugen sich aus sich selbst heraus (Autopoiesis) und wollen sich selbst erhalten, so dass (Anschluss-)Kommuni-
kation jederzeit möglich ist: Bei einer Umstrukturierung eines Unternehmens wehrt sich z. B. die Buchhaltungsabteilung mit Händen und Füßen dagegen, verkleinert zu werden. 7. Von außen kann nicht (linear-kausal) auf die Kommunikation eines sozialen Systems zugegriffen werden (operative Geschlossenheit). D. h. der Versuch einer Steuerung eines sozialen Systems durch eine äußere Instanz, im Sinne von Command & Control, Systeme. Keiner kann auf die Gedanken eines anderen linear-
Kontext
ist fragwürdig. Gleiche Annahmen gelten auch für psychische 42
kausal einwirken, und der Versuch scheitert oft. Ein Vorgesetzter oktroyiert z. B. einer Abteilung einen neuen Prozess. Dieser wird nur teilweise umgesetzt, und auch andere Aufgaben werden nicht mehr so erledigt wie zuvor. 8. Es gibt keine objektive Wirklichkeit, die von einem Beobachter als solche zu erfassen ist. Vielmehr konstruiert sich jeder seine Wirklichkeit selbst (Wirklichkeitskonstruktion). Dennoch gibt es zwischen den Konstruktionen verschiedener Beobachter oftmals eine hohe Übereinstimmung (Wirklichkeitskonsens). Zwei Kollegen beobachten z. B., dass ihre Abteilung nicht die vereinbarte Leistung bringt (Wirklichkeitskonsens). Ihre Ursachen beschreibung jedoch unterscheidet sich (Wirklichkeitsdifferenz). Für erfahrene Systemikerinnen sind diese abstrakten, bisweilen etwas sperrigen Begriffe nichts Neues. Und dennoch bleibt es spannend, welche Konsequenzen sich daraus für den Arbeitskontext ergeben. Denn häufig hängen diese Begriffe in einem luftleeren Raum. Sie finden zu selten Anschluss im konkreten Handeln. Um für die Agilität als solides Fundament zu dienen, müssen diese systemischen Überlegungen deshalb in konkreten Situationen (Kontexten) zu Handlungsideen heruntergebrochen werden. Dieser Schritt, von der Theorie hin zur Praxis, der Schulterschluss des systemischen Ansatzes
mit den agilen Arbeitsweisen, kann über eine systemische Haltung funktionieren. Diese Haltung ist handlungsleitende Maxime in der Praxis und sollte vor der Verwendung eines jeden Tools eingenommen werden. Aus den theoretischen Überlegungen der Systemtheorie können sechs konkrete Haltungen abgeleitet werden: 1. Die Haltung der Multiperspektiven 2. Die Haltung der Selbstfürsorge 4. Die Haltung der Kompetenzorientierung 5. Die Haltung der Lösungsfokussierung 6. Die Haltung der systemischen Demut Auf diese Haltungen wird im Folgenden jeweils näher eingegangen. wirklichkeitskonstruktion
org. system
psych.
operative system geschlossenheit
psych. muster, regeln, prozesse system
chh ch. anschluss- psych. sttem em kommunikationsystem
psych. system temm org. system
org. system
kommunikation
soziales system
autonomie und selbstorganisation
selbsterzeugung (autopoiesis)
psych. system
org. system
systemgrenze org. system
psych. system
org. system
org. system
psych. system
Abbildung 4: Relevante Begriffe der Systemtheorie für den theoretischen Unterbau der Agilität.
Kontext
43
3. Die Haltung der Kontextsensibilität
Multiperspektiven Jeder Mensch konstruiert sich seine eigene Wirklichkeit. Die physikalische Welt, in der wir uns bewegen (Realität) ist nur ein Baustein, der unsere aktuelle Wahrnehmung prägt. Vergangenes Erleben (eigene Erfahrungen und wie diese bewertet werden) und die Eigendynamik unseres wahrnehmenden Apparates (z. B. sehen und hören wir nur unserer Wahrnehmung. Daraus ergeben sich zwangsläufig so viele
Kontext
in einem bestimmten Spektrum) sind weitere wichtige Bausteine 44
verschiedene Perspektiven auf »die eine Realität«, wie es Menschen gibt. Jede Perspektive hat für sich genommen ihre Berechtigung. Es geht dementsprechend nicht darum, welche Perspektive die richtige ist, sondern wie mit den Unterschieden, bezogen auf welches Ziel, umgegangen werden soll. Da Transparenz, Mitbestimmung und Zusammenarbeit in agilen Organisationen einen hohen Stellenwert genießen, ist die Haltung der Multiperspektiven von besonderer Bedeutung. Durch sie bleibt kaum ein Thema in der Organisation tabu. Alles kann hinterfragt werden und vieles wird auch automatisch hinterfragt. Dadurch werden multiple Perspektiven zu den unterschiedlichsten Themen der gesamten Organisation zur Verfügung gestellt. Um nicht in die Falle zu geraten, Perspektiven abzuwerten, indem ein mühseliger Entscheidungsprozess über das Richtig oder das Falsch stattfindet – wodurch gleichzeitig die Idee der Transparenz und Mitbestimmung ad absurdum geführt würde –, fokussiert diese Haltung auf die Integration der verschiedenen Perspektiven. Mit dem Blick auf das gemeinsame Ziel kann dann eine gemeinsame Perspektive geschärft werden. Es gilt, hierbei den Balanceakt zwischen Unterschieden und Gemeinsamkeiten zu finden. Denn nicht jede Perspektive wird in agilen Organisationen gleichrangig behandelt werden, was auch nicht möglich wäre.
Selbstfürsorge Aus der Wirklichkeitskonstruktion folgt eine wichtige Konsequenz: Jeder Mensch ist Gestalter seines eigenen Erlebens und somit kein Opfer äußerer Umstände oder Verhaltensweisen anderer. In diesem Sinne kann niemand ein gewisses Denken (linear-kausal) bei jemand anderem erzwingen. Keiner kann über das psychische System andeeigenverantwortlich. Das bedeutet, überspitzt formuliert, dass zu
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jedem Zeitpunkt des Erlebens eine Wahlfreiheit besteht, auch anders
Kontext
rer verfügen. So gesehen ist jeder für sein subjektives Wohlbefinden
erleben zu können. Ob man sich zum Beispiel über das Verhalten anderer Menschen ärgert oder nicht, hängt somit auch von einem selbst ab. Nicht immer jedoch wird diese Wahlfreiheit bewusst wahrgenommen. Häufig findet die Verärgerung über das Verhalten anderer bereits statt, ehe das Bewusstsein die Situation vollends erfassen konnte. Das geschieht im Modus Autopilot und zählt wohl zu den allgemeinen Denkgewohnheiten. Das Bewusstsein kann in diesen Momenten allenfalls nachträglich korrigieren. Mit etwas Aufmerksamkeit (z. B. durch Coaching oder Therapie, je nach Situation) ist es jedoch möglich, vor allem in entscheidenden Momenten wieder mehr Wahlfreiheit zu erlangen. Konflikte und Missverständnisse gibt es in agilen Organisationen im Vergleich zu anderen nicht weniger – vielleicht treten sie sogar häufiger auf. Denn grundsätzlich sind alle agilen Methoden da rauf ausgelegt, dass die Kommunikation innerhalb der Organisation zunimmt. Das zeigt sich u. a. in dem starken Teamfokus, aber auch in der engeren Zusammenarbeit mit Kunden und Stakeholdern. Mit der Zunahme an Kommunikation steigt zugleich die Wahrscheinlichkeit für Konflikte. Dies ist auch der Grund, warum die Haltung der Selbstfürsorge im agilen Umfeld wichtig ist. Denn jeder Mitarbeitende in agileren Arbeitsumgebungen ist aufgefordert und herausgefordert,
einen gesunden und nachhaltigen Umgang mit aufkommenden Konflikten zu finden. Idealerweise werden die Mitarbeitenden durch ein gezieltes Coaching oder durch agile Personalentwicklung unterstützt.
Kontextsensibilität Jedes menschliche Verhalten ist immer in dem Kontext zu betrach-
Kontext
46
ten, in dem es erlebt wird. Erst durch die Kontextualisierung wird die Sinnhaftigkeit menschlichen Verhaltens weitestgehend erklärbar. Umgebungen, Prozesse, Muster und Regeln des jeweiligen Kontextes spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, welches Verhalten wahrscheinlich auftreten wird. So kommt es häufig in einem Mee ting vor, dass sich während der Anwesenheit des Chefs alle Teilnehmerinnen aufmerksam und fokussiert verhalten. Kaum verlässt der Chef das Meeting, klappen die ersten Teilnehmerinnen wieder ihre Laptops auf oder holen ihre Handys hervor. Das Beispiel soll zeigen, dass Menschen nicht grundsätzlich so sind, wie sie gerade wirken (z. B. inkompetent, faul oder schlau), sondern dass der Kontext erheblich zu ihrem Verhalten beiträgt. An dieser Stelle ist es fraglich, inwiefern ein Psychologisieren, die Ursache des Verhaltens allein in der menschlichen Psyche zu suchen, zielführend ist, solange der Kontext unberücksichtigt bleibt. Ohnehin ist die Psyche von außen nicht beobachtbar und zugänglich. Menschliches Verhalten ergibt sich somit u. a. aus dem Zusammenspiel der eigenen Psyche, der Psyche der Mitmenschen und des weiteren Kontextes. Die vielfältige Dynamik agiler Arbeitsweisen lädt dazu ein, die überaus große Vielzahl an erkennbaren Verhaltensweisen bewusst wie unbewusst zu bewerten: »Sie kann das nicht, sie macht einen schlechten Job etc.« Auf der Einschätzung, ob zum Beispiel jemand »etwas kann« oder nicht, werden zahlreiche Entscheidungen getrof-
fen. Ist die Person vielleicht für eine gewisse Rolle geeignet oder nicht? Wird der Person zugetraut, dass sie eine Herausforderung meistern kann oder nicht? Mit einer kontextsensiblen Haltung werden hingegen zementierende Zuschreibungen, wie »Sie ist unsicher!« verflüssigt zu: »In dieser Situation wirkte sie auf mich unsicher!« Der Mensch wird dabei nicht isoliert betrachtet. Sein Verhalten wird in wechselseitiger betrachtet. Dadurch werden Kompetenzräume und Entwicklungs-
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potenziale sichtbar. Um ein Bewusstsein für Verhaltensweisen in
Kontext
Dynamik mit dem System und nur zu einem bestimmten Zeitpunkt
bestimmten Kontexten zu schaffen, wird in der Agilität regelmäßige Metakommunikation kultiviert.
Kompetenzorientierung Jeder Mensch bringt eine Historie mit. In dieser Historie liegen wichtige Erfahrungswerte, Ressourcen und Stärken. Diese lassen sich prinzipiell für (zukünftige) Herausforderungen nutzen. Das bedeutet: Jeder Mensch bringt bereits alle wichtigen Potenziale für eine gelungene Lösung mit, kann aber in schwierigen Momenten nicht immer auf sie zugreifen. Dadurch erlebt der Mensch sich vielfach als inkompetent. Mit der Anwendung der Annahme, dass jeder mit ausreichend vielen Potenzialen ausgestattet ist (auch, um neue Kompetenzen zu entwickeln), wird auf die Selbstwirksamkeit der Individuen fokussiert. Bei Problemen sozialer oder psychischer Art ist also der Experte für Lösungen nicht im Außen zu suchen ist, sondern bei dem betroffenen Menschen selbst. Eine solche Herangehensweise kann auch auf soziale Systeme übertragen werden. Teams und Organisationen bringen ebenfalls eine Historie mit sich. Bereits gemeisterte Herausforderungen und
Erfolge könnten für die Kompetenzorientierung sinnhaft genutzt werden. Diese Haltung ist ein zentraler Ansatzpunkt für die agile Personalentwicklung. In welchem Rahmen diese Personalentwicklung stattfindet, kann nicht an dieser Stelle diskutiert werden. Dass sie jedoch unverzichtbar ist, liegt nahe. Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit, Eigenverantwortung, der Wille zur Mitgestaltung, ange48
wichtige Eigenschaften, die Mitarbeiterinnen in agilen Organisatio-
Kontext
messener Umgang mit Konflikten, Entscheidungsfreude u. Ä. sind nen mitbringen müssen. Diese Eigenschaften können jedoch nicht per Knopfdruck aktiviert werden. Vor allem dann nicht, wenn Mitarbeiterinnen jahrelang in Organisationen sozialisiert wurden, in der diese Eigenschaften nicht oder nur wenig gefordert waren. Mit dem Wissen, dass bereits Kompetenzen vorhanden sind und neue aufgebaut werden können, ist ein Grundstein für die agile Personalentwicklung gelegt.
Lösungsfokussierung Menschliches Denken ist geprägt von Vorstellungen von mechanistischen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen. Der Mensch wird mit technischen Geräten verglichen. Das Bedürfnis, verstehen zu wollen, welche Ursache zu welcher Wirkung geführt hat, ist zwar verständlich. Es simplifiziert jedoch meist die komplexe Ausgangslage. In sozialen Systemen gibt es nicht die berühmte eine Ursache, die zu einer Wirkung führen kann. Zirkuläre, vielfältige Wechselwirkungen in den Systemen erschweren den Erkenntnisprozess bei der Suche nach konkreten Ursachen. Daher ist diese Suche nur bedingt zielführend. Im Systemischen wird diese Erkenntnis durch den Satz ausgedrückt: »Probleme werden selten dort gelöst, wo sie entstanden
sind.« Lösungsfokussiert könnte gefragt werden, welche Bedürfnisse wie für welche gewünschte Zukunft berücksichtigt werden sollen oder wie ein Kontext verändert werden kann, damit ein gewünschtes Verhalten wahrscheinlicher wird. Wenn eine Organisation beispielsweise möchte, dass die Mitarbeitenden eigene Ideen und Vorschläge einbringen, könnte sie unkonventionell damit experimentieren, Fehler zu belohnen. Durch dieses Anreizsystem könnten sich Mitarbeitende zu mehr Initiative eingeladen fühlen. sich kontinuierlich zu verbessern, sind wesentliche Merkmale agiler Organisationen. Ein Lernprozess und eine Verbesserung werden jedoch nur dann stattfinden, wenn der Fokus auf Lösungen liegt. Dies gilt vor allem für sensible Bereiche, wie zwischenmenschliche oder soziale Themen. Sollte es hier Meinungsverschiedenheiten geben, kann eine intensive Ursachenforschung diese sogar verschärfen.
Systemische Demut Jedes System möchte möglichst lange sein Überleben in seiner Umwelt sicherstellen. Völlig autonom und selbstorganisiert, bildet es dabei eigene Strukturen in Form von Prozessen, Mustern und Regeln aus, um unter den spezifischen Kontextbedingungen weiterzuleben. Aus Sicht des Systems gibt es nicht solche Zuschreibungen wie »das System ist dysfunktional«. Jedes Verhalten eines Systems ist sinnvoll und hat einen dienenden Charakter für das Ganze. Jede noch so gut gemeinte Intervention, um Dysfunktionalitäten zu lösen, kann ungeahnte Folgen für das System haben. Die Idee des dienenden Charakters sozialer Systeme, lässt sich auch auf den Einzelnen im System übertragen. Deshalb gilt: Alles Handeln macht Sinn für den Handelnden, in dem Augenblick, in
49
Kontext
Feedback geben bzw. zu erhalten, aus Fehlern zu lernen und
dem er handelt. Jeder gibt sein Bestes mit bestem Wissen und Gewissen zu dem jeweiligen Zeitpunkt, auch wenn Außenstehende (berechtigt) eine andere Sicht auf die Dinge mitbringen. In der täglichen Zusammenarbeit von Menschen in Organisationen gibt es eben oft unterschiedliche Wege für dieselben Ziele. Diese Unterschiedlichkeit kann zu einer Keimzelle von Frustration und Ärger werden. Durch Mitbestimmung und Transparenz in agilen Organisatio50
Aufmerksamkeit wird häufig von Themen vereinnahmt, die in der
Kontext
nen kommen im Zweifel alle Themen auf den Tisch. Der Fokus der Organisation schlecht laufen. Oftmals werden dafür einzelne Personen verantwortlich gemacht, statt den Systemblick zu nutzen. Es entsteht jedenfalls ein massiver Druck, diese Defizite zu beseitigen. Mit dem Wissen, dass viele Verhaltensweisen des Systems, die als vermeintlich dysfunktional bewertet werden, auch funktionalen Charakter haben und somit einem ganz speziellen Zweck dienen, kann der Druck jedoch reduziert werden. Und selbst wenn einzelne Personen an der Problemkonstruktion beteiligt waren, ist davon auszugehen, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben. Diese Grundannahme versachlicht die emotionale Färbung in der Diskussion und Lösungsfindung. Wird von der Belegschaft zum Beispiel beobachtet, dass die Chefin eines Dienstleistungsunternehmens jeden Kundenwunsch erfüllt und dadurch die Mitarbeiterzufriedenheit leidet, könnte das als Dysfunktion beschrieben werden: »Die Chefin lässt sich alles gefallen!«. Mit einem systemischen Denkansatz wird der Blick auf die Situation erweitert, um verschiedenen Perspektiven und Interpretationen Raum zu geben. Eine für alle Beteiligten positive Auslegung könnte lauten, dass die intensive Kundenausrichtung das Einkommen der Mitarbeiterinnen sichert. Diese sechs systemischen Haltungen bilden die unentbehrliche Grundlage für ein nachhaltiges und gesundes Arbeiten in agilen Organisationen. Denn einerseits rückt durch das Agile Manifest endlich
wieder der Mensch mit seinen Kompetenzen vermehrt in den Mittelpunkt. Doch andererseits stellen sich ihm nun ganz neue Herausforderungen und Aufgaben, die nur durch adäquate Methoden bewältigt werden können. Bislang findet diese Erkenntnis in agilen Transformationen kaum Beachtung. Wie jedoch überhaupt eine Organisation agiler werden kann, wird nun im Folgenden kurz erörtert.
Es gibt viele Möglichkeiten für Organisationen, einen agilen Weg einzuschlagen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil es keinen klar definierten Endzustand einer agilen Organisation gibt, aus dem sich ein einheitlicher oder verbindlicher Weg ableiten ließe. Vielmehr gibt es zahlreiche charakteristische Merkmale für Agilität, die, je nach Organisation und deren Voraussetzungen, mehr oder weniger stark ausgeprägt sein können. Abbildung 5 zeigt auf drei Ebenen eine Auswahl wichtiger Merkmale agiler Organisationen (rechte Seite) in Abgrenzung zu klassisch strukturierten Organisationen (linke Seite). Wird beispielsweise auf der oberen Ebene das Spektrum Fremdorganisation/Selbstorganisation betrachtet, steht die Selbstorganisation eher für Agilität. Diese Übung kann für jedes Spektrum auf den drei Ebenen durchgeführt werden, um den Status quo festzustellen. Sollte das Ergebnis zeigen, dass sich in Summe mehr Merkmale der rechten Seite zuordnen lassen, kann von einer agilen Organisation gesprochen werden. Wenngleich die Merkmale auf der rechten Seite der Abbildung typisch für agile Organisationen sind, stellen sie jedoch kein Alleinstellungsmerkmal für Agilität dar. Auch klassisch strukturierte Organisationen können beispielsweise vermehrt auf Kooperation und Partizipation setzen.
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Kontext
Auf dem Weg zur Agilität
merkmale klassisch strukturierter vs. agiler organisationen klassisch strukturiert fremdorganisation
ebene: organisation
fremdbestimmt
intransparente informationen position abteilungen planen nach wasserfall produktentwicklung zweckorientiert
ebene: abteilungen/teams
einzelergebnisse einzelziele (vorgegeben)
selbstorganisation selbstbestimmt dezentrale entscheidungen transparente informationen rollen crossfunktionale teams planen in iterationen produktentwicklung kundenzentriert
gemeinsame ergebnisse teamziele (selbstbestimmt)
kleine büros
teamraum/großraum
zuständigkeit
(gemeinsame) verantwortung
führung durch position vorgaben ähnliche fähigkeiten struktur fest
fremdgestaltung
ebene: mitarbeiter
Kontext
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zentrale entscheidungen
agil
führung durch rollen autonomie/selbstorganisation ergänzende fähigkeiten struktur dynamisch
mitgestaltung
formalisierte partizipation
freiwillige partizipation
formalisierte kooperation
freiwillige kooperation
mechanistisches verständnis zuständigkeiten extrinsische motivation einzelfeedback entscheidungsbefugt
systemisches Verständnis eigenverantwortung intrinsische motivation teamfeedback entscheidungskompetent
Abbildung 5: Eine Auswahl an Merkmalen klassisch strukturierter vs. agiler Organisationen, unterteilt in drei Ebenen: Organisation, Abteilungen/Teams und Mitarbeiter
Bevor sich eine Organisation auf den Weg macht, die Schieberegler nach rechts zu bewegen, sollte sie sich differenziert mit dem Thema Agilität auseinandersetzen – im Sinne der zuvor beschriebenen Standortbestimmung. Nicht nur die Belegschaft sollte sich für diesen Weg entscheiden (»Bottom-up«), sondern vor allem das Management muss hierzu eine klare Position beziehen. Es geht dann zunächst darum, sinnvolle Rahmenbedingungen und Leitplanken können. Auf diese Weise lässt sich eine agile Transformation Stück
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für Stück iterativ in Gang setzen, wie Nüssel (2000) die Idee eines
Kontext
zu erarbeiten, innerhalb deren die Merkmale ausgebildet werden
evolutionären Veränderungsprozesses beschreibt. Durch den schrittweisen Ansatz soll die Chance steigen, dass die mit der Transformation einhergehenden Veränderungen höhere Akzeptanz erfahren. Viele Organisationen beginnen ihren agilen Weg, indem sie bspw. agile Arbeitskreise (»Agile Circles« oder »Agile Competence Centres«) ins Leben rufen. Von dort aus werden typischerweise die ersten agilen Experimente organisiert und gestartet. Besonders geeignet ist dafür ein interdisziplinäres Projekt-Team, das gemeinsam ein Problem lösen oder ein Produkt entwickeln soll. Die Hypothese für das agile Experiment könnte lauten: Die interdisziplinäre Zusammenstellung und ein agiler Arbeitsansatz, basierend auf kurzen FeedbackZyklen, bieten einen schnellen Mehrwert für die Organisation. Je nach Ergebnis des Experiments lässt es sich vertreten, weitere Experimente mit weiteren Teams durchzuführen. Der agile Arbeitskreis selbst sollte dabei nicht als ein in sich geschlossener, intransparenter Steuerungskreis verstanden werden, der wasserfallartig agile Vorhaben plant und »Top-down« die Umsetzung vorgibt. Der Arbeitskreis sollte sich vielmehr selbst nach agilen Werten und Prinzipien organisieren: konsequente Kundenausrichtung, transparente Arbeitsprozesse, kurze Feedback-Zyklen, Rollenklarheit und regelmäßige Retrospektiven, um den Arbeitsprozess zu
verbessern. Zu den Kunden zählen nicht nur die Endkunden oder Mitarbeiter, sondern auch das Management. Im Mittelpunkt der Themen, zu denen die Kunden Feedback geben sollten, steht die Frage, ob und inwiefern der erhoffte Mehrwert agiler Veränderungsprozesse in der Organisation eingetreten ist. Wie auch immer der eingeschlagene Weg hin zu einer agileren Organisation aussieht, eine Begleitung durch erfahrene externe Beraauf der Entwicklung eines differenzierten Bildes von agiler Trans-
Kontext
terinnen ist sicherlich ratsam. Der Fokus der Beratung sollte anfangs 54
formation liegen, selbstverständlich angepasst an den Kontext der jeweiligen Organisation. Es geht in den neuen Prozessen nicht nur um strukturelle Veränderungen von Aufbau- und Ablauforganisation. Auch die zuvor betonten Veränderungen in der Haltung der Mitarbeiter und letztlich in der Kultur der Organisation entscheiden über den Erfolg der Transformation. Wird versäumt, kulturellen Veränderungen in der Transformation ausreichend Rechnung zu tragen, bezahlen Organisationen dies meistens mit ineffizienten Teams, schweren Rollenkonflikten und -missverständnissen sowie ungünstigen (Scrum-)Prozessen. Im zweiten Teil des Buchs werde ich einige Beispiele dafür aufgreifen.
Ein typischer Wochenplan agiler Teams Wenn eine Organisation die agilen Arbeitsweisen für sich entdeckt hat, dann spiegelt sich diese Tatsache unter anderem im Arbeits kalender der Mitarbeitenden wieder. Da die meisten agilen Organisationen auf Scrum als agile Methode setzen, finden sich für diese Organisationen die bekannten Scrum Meetings wieder. Hierzu zählen das »Planning«, »Daily«, »Review«, »Retrospektive« und das »Refinement« (siehe Fußnote 3, S. 22). Für diese regelmäßig stattfindenden
Scrum Meetings lässt sich ein typischer Wochenplan erstellen, der für viele agile Organisationen exemplarisch ist. Die nachstehende Abbildung 6 zeigt für den Fall, dass eine Iteration zwei Wochen dauert, einen zweiwöchigen Ausschnitt aus einem Arbeitskalender.
scrum-prozess produkt-vision
refinement daily scrum
product backlog
sprint
review
Retrospektive
planning
wochenplan in scrum refinement 1-2 h
retro 1,5 h
planning 2-4h review 1h
montag
daily 15 min.
daily 15 min.
daily 15 min.
dienstag
mittwoch
donnerstag
daily 15 min. daily 15 min. 2 wochen sprint freitag montag
daily 15 min.
daily 15 min.
daily 15 min.
dienstag
mittwoch
donnerstag
freitag
Abbildung 6: Oben der Scrum-Prozess, beginnend mit einer Produkt-Vision, dem Product Backlog als zentralem Dokument für die Anforderungen und der darauf folgenden,bekannten Struktur an Meetings. Unten ein exemplarischer Ausschnitt eines Wochenplans für eine Mitarbeiterin eines agilen Teams, wenn der Sprint in Scrum zwei Wochen dauert.
Kontext
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Meine Rolle als systemisch-agiler Berater Sowohl als interner wie auch als externer Berater arbeite ich auf drei Wirkungsebenen, die im Beratungsprozess wechselweise im Vordergrund stehen können: 1. Organisation: Ein Teil meiner Arbeit auf der Ebene der Organisation besteht darin, mich als Diskussionspartner für eine difstellen. Dabei geht es vorrangig darum, den Bedeutungshori-
Kontext
ferenzierte Betrachtung zum Thema Agilität zur Verfügung zu 56
zont agiler Begriffe zu klären, gemeinsame Zielvorstellungen für mehr Agilität zu entwickeln, Kundenzentrierung zu verstärken, agile Prozesse zu skalieren oder ganz allgemein Veränderungsprozesse agil zu gestalten. Diese Diskussion findet nicht nur im Management hinter verschlossenen Türen statt, sondern erstreckt sich über alle Bereiche der Organisation. Ein weiterer Teil meiner Arbeit bekommt immer mehr Bedeutung, wenn es darum geht, sich mit agiler Personalentwicklung auseinanderzusetzen. Denn wie zuvor angesprochen, unterliegen in der Agilität nicht nur Prozesse und Rollen einem Wandel, sondern vor allem auch Haltungen. Welche Rahmenbedingungen sich für deren Entwicklung als notwendig erweisen, sind zu Beginn offene und spannende Fragen. 2. Team: Auf der Ebene des Teams geht es oftmals um eine Unterstützung, wie sich Agilität im operativen Tagesgeschäft unter den spezifischen Kontextbedingungen konkret umsetzen lässt. Die Themenvielfalt dreht sich größtenteils um die Fragen, wer aus Sicht des Teams die Kunden sind, welche Bedürfnisse sie mitbringen und welche Produkte das Team für sie bereitstellen kann. Ausgehend von diesen Fragen werden Teamprozesse, Arbeitsansatz, Wertediskurse, Visionen, Rollenklärungen und Strategien entwickelt. Im fortlaufenden Teamberatungs-
prozess spielen auch Konflikte innerhalb und außerhalb des Teams eine wichtige Rolle. Eine Vielzahl der Konflikte entsteht durch unterschiedliche Erwartungshaltungen im Hinblick auf die Rollen im Team, die Umsetzung agiler Arbeitsprozesse und die Ziele bzw. wie diese erreicht werden sollen. Auch die Schnittstellenkommunikation zu anderen Teilen der Organisation muss gemeinsam bedacht werden. Viel Beratungsbedarf len Teams: Anhand welcher Kriterien erkennt das Team, dass es
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gute Arbeitsergebnisse erzielt? Oder: »Wie lässt sich der Gesund-
Kontext
entsteht ebenfalls rund um das Thema Selbststeuerung von agi-
heitszustand des Teams messen?« 3. Individuum: Für die einzelne Mitarbeiterin in einem agilen Kontext kristallisieren sich typischerweise folgende Themen heraus: Rollenklärung und -umsetzung, Aktivierung von Mut und Kraft, um neue Wege zu gehen und hierfür Entscheidungen zu treffen, Konfliktbewältigung, Integration von Lern- und Entwicklungszielen im Berufsalltag und Stärkung der Eigenverantwortung. Diese Themen können im Rahmen der Teamberatung ihren Platz finden, oder es werden gezielt Einzelcoachings dazu veranlasst bzw. gewünscht. Auf der Ebene des Individuums sind Führungskräfte eine weitere wichtige Zielgruppe der Beratung. Für Führungskräfte stellen sich nämlich ganz eigene neue Herausforderungen, die mit der agilen Entwicklung einhergehen: Wie vertragen sich weiterhin klassische mit agilen Strukturen? Wie können die vom Management gewünschten Ziele mit den Teams erreicht werden? Ist es überhaupt möglich, Führung im Kontext der Agilität mit den etablierten Rollen zu leben? Neben diesen Aufgaben ist es für mich als externer Berater wichtig, mein Wissen in Form einer systemisch-agilen Ausbildung für interne Mitarbeiter oder Coaches bereitzustellen. Damit soll lang-
fristig die Abhängigkeit von meiner Person reduziert und gleichzeitig eine ideale Balance zwischen externem Blick und interner Anschlussfähigkeit hergestellt werden.
Fazit Ich begegne mehrfach der Frage, ob Agilität nicht nur eine Mode-
Kontext
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erscheinung sei: »Bald wird sicherlich die nächste Sau durchs Dorf getrieben!« Möglicherweise wird der Begriff Agilität in den nächsten Jahrzehnten ziemlich an Popularität verlieren oder gar verschwinden. Erhalten bleiben werden aber vermutlich einige der guten Ideen und Ansätze, wie selbstorganisierte Teams, Mitbestimmung, Gestaltungsfreiheit und Kundenzentriertheit. Größere Organisationen könnten sich in einen hybriden Zustand eingeschwungen haben, der aus klassischen und agilen Bereichen besteht. Eine Agilisierung findet dann nur in den Teilen der Organisation statt, in denen es sinnvoll, möglich und zielführend ist. Der übrige Teil verbleibt möglicherweise bewusst in einem weniger agilen oder sogar nicht-agilen Zustand (z. B. Produktionsbereiche, in denen Agilität oftmals nicht so viel Sinn ergibt). Kleinere Organisationen könnten sich hingegen in hoch-agile Einheiten transformieren, die Agilität in allen Bereichen leben. Sie finden die ideale Balance zwischen Autonomie von Teams, die fast wie unabhängige kleine Produkt-Unternehmen agieren, und deren Verbundenheit mit dem anderen Teil der Organisation, um von Synergien zu profitieren. Wie auch immer die Zukunft der Agilität aussehen mag, es lohnt sich, unabhängig von der Branche, der Größe oder des angebotenen Produkts einer Organisation, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich bin mir sicher, dass jede Organisation von diesen Ideen
profitieren kann, weil sie beispielsweise dem Wertewandel der heranwachsenden Generationen gerecht werden möchte, hoher Veränderungsdynamik ausgesetzt ist oder innovative Lösungen bereitstellen muss. Im nächsten Teil dieses Buches stelle ich drei Beratungsbeispiele vor, die häufige Herausforderungen agiler Veränderungsprozessen widerspiegeln.
Die systemische Beratung
Systemisch-agile Beratungspraxis Im zweiten Teil dieses Buchs stelle ich drei Beispiele aus meiner Beratungspraxis vor, die im agilen Kontext aus meiner Sicht häufiger auftreten. Der Beratungsschwerpunkt liegt jeweils auf einer der drei zuvor erwähnten Wirkungsebenen: Organisation, Team und Individuum. Das erste Beispiel greift ein typisches Grundverständnis von
Beratung
62
Managern und Managerinnen auf: »Agilität ja, aber bitte nur ganz unten – oben haben wir wichtigere Themen!«. Aus einem anfänglichen Auftrag, lediglich einen Workshop mit Führungskräften zu geben, um ein gemeinsames Verständnis zum Thema Agilität zu schaffen, wurde ein größerer Beratungsprozess. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Organisationsentwicklung. Das zweite Beispiel ist ein klassischer Fall beim Vorhaben einer agilen Teamentwicklung. Die Mitglieder eines Teams beschreiben über einen längeren Zeitraum immer wieder dasselbe Problem hinsichtlich der eigenen Kommunikation und Zusammenarbeit. Verschiedene Lösungsversuche haben letztlich nur dazu beigetragen, dass sich das Problem verhärtet hatte. Die Stimmung und Motivation innerhalb des Teams litten stark. Das dritte Beispiel beschreibt ein typisches Szenario für ein Einzelcoaching in einem agilen Team. Nach der Einführung von agilem Arbeiten sorgte diese neue Arbeitsweise für den Verlust von Struktur und Orientierung. Wo zuvor noch klare Vorgaben und Arbeitsteilungen herrschten, waren plötzlich Eigenverantwortung und Mitbestimmung, verbunden mit einem agilen Rollen-Modell, gefragt. Besonders ein Teammitglied war mit dieser neuen Situation überfordert.
Beispiel 1: Agilität trifft (klassisches) Management Im Folgenden berichte ich von einem Beratungsprozess in der technischen Abteilung eines Großunternehmens, der auf der Ebene der Organisationsentwicklung stattgefunden hat. Ursprünglich wurde ich als externer Berater angefragt, einen ganztägigen Workshop 63
seit einigen Jahren verschiedene Experimente und Change-Prozesse
Beratung
zum Thema Agilität im Technik-Bereich zu moderieren. Die Leitung des Bereichs erzählte mir im Erstgespräch, dass sie nun schon für mehr Agilität in der Organisation unternommen hätten. Oft mit Hilfe zahlreicher externer Beratungsunternehmen, aber auch aus eigenem Antrieb innerhalb der Organisation. Der geplante Workshop zur Agilität wäre notwendig, um innerhalb des Bereichs bei allen Abteilungsleitern ein gleiches Verständnis von Agilität zu schaffen. Außerdem sollte festgestellt werden, wo alle Abteilungen zum damaligen Zeitpunkt gerade im Transformationsprozess stünden und wie die nächsten Schritte aussehen sollten. Denn im Verlauf der Zeit und durch die verschiedenen Ansätze und Experimente zur Agilität hätten sich die Abteilungen stellenweise außerhalb der Erwartungen bewegt: »Jede Abteilung kocht ihr eigenes Süppchen, es gibt kaum Zusammenarbeit und Synergien.«
Auftragsklärung und Beratungsarchitektur In dieser von der Bereichsleitung kurz umrissenen Grundproblematik lagen die zentralen Hinweise, die in einer weiterführenden Auftragsklärung vertieft wurden. Dabei war die Auftragsklärung schon der Beginn des Beratungsprozesses, der sich, wie in Abbildung 7 zu erkennen ist, in drei Phasen unterteilte.
beratungsarchitektur bereichsleitung
auftrags- stakeholderklärung analyse
einzel- abgleich des interview auftrags
abgleich des auftrags
ergebnisse der interviews abteilungsleiter und mitarbeiter
einzelinterviews
workshops
zusammenarbeitsprozess
phase 2: workshops
phase 3: teamentwicklung
management-team
Beratung
64 phase 1: auftragsklärung
Abbildung 7: Beratungsarchitektur für eine einjährige Organisationsberatung, aufgeteilt in drei Phasen und in drei Zielgruppen
Meine Aufmerksamkeit konzentrierte sich zunächst darauf, dass es schon Erfahrung mit Agilität gab. Deshalb galt es, erst einmal Aussagen zu Basisfragen zu sammeln, wie: Ȥ Was wurde bereits zum Thema Agilität im Bereich unternommen? Ȥ Welche Vorgehensweisen haben gut funktioniert, welche weniger gut bzw. gar nicht? Ȥ Lassen sich Gründe für das unterschiedliche Funktionieren erkennen? Die Antworten legten wichtige Grundsteine für den Beratungsprozess. Dadurch kann vermieden werden, dass erneut die gleichen Ansätze verfolgt werden, die zuvor schon kaum die gewünschte Wirkung erzielt haben. Wenngleich jeder Berater seinen eigenen Stil mitbringt, sind die scheinbar individuellen Ansätze häufig nur »mehr desselben« im neuen Gewand, wie Paul Watzlawick zu sagen pflegte (1988, S. 27). Die Bereichsleitung berichtete, dass es bereits mehrere Workshops gab, sowohl mit den Führungskräften, mit den Teams als auch
mit allen zusammen, um Agilität zu definieren, Prozesse und Rollen einzuführen und agile Führung zu diskutieren. Das Ergebnis aus den Workshops hätte jedoch in keinem Verhältnis zum Aufwand gestanden. Ich fragte daraufhin die Leitung, ob ein weiterer Workshop zum Thema »gemeinsames Verständnis von Agilität« wirklich einen Unterschied zu den vorherigen Initiativen darstellen könnte, und ob er glaube, dass sich danach sein Bereich in die gewünschte Richtung entwickeln würde. den: Nein, er glaube nicht, dass der Workshop wesentlich die Situation verbessern würde. Wir erörterten daraufhin, welche Alternativen stattdessen sinnvoll sein könnten. Dabei kamen wir auch auf das typische Dilemma einer Führungskraft zu sprechen, dass oftmals die Mitarbeitenden Arbeitsaufträge von ihren Vorgesetzten annehmen, auch wenn sie diese innerlich als weniger zielführend bewerten oder gar ablehnen. Diese Gedanken der Mitarbeiter finden jedoch selten den Weg des direkten Feedbacks an die Vorgesetzte. Das kann zur Folge haben, dass ein Arbeitsauftrag zwar gewissenhaft ausgeführt, das Ziel aber nicht erreicht wurde – wie im konkreten Fall die früheren Workshops zur Agilität. Die Bereichsleitung konnte dieses Dilemma verstehen und die eigene Befangenheit erkennen. Dieser kurze Exkurs hatte dazu geführt, dass wir uns für alle kommenden Interventionen durch meine Beratung als oberstes Ziel vorgenommen haben, das alle im Bereich nachhaltig eine positive Veränderung spüren und wahrnehmen, anstatt eine Todo-Liste abzuarbeiten, die lediglich Ergebnisse produziert, aber womöglich zu wenig Wirkung. Ich fragte ihn daraufhin, welche weiteren Ziele er sich durch die Beratung langfristig erhoffe, was sich konkret für ihn und seinen Bereich dadurch verändern solle und wie wir das im Laufe der Beratung gemeinsam überprüfen könnten.
65
Beratung
Die Antwort der Bereichsleitung auf die Fragen war schnell gefun-
Als Ziele nannte er dann: schnellere Umsetzungen der Kundenanforderungen, stärkere Einbindung der Kundinnen in den Produktkreislauf, bessere agile Prozesse im gesamten Bereich, eine klare Vision und deutlich formulierte Ziele. Langfristig erhoffte sich die Bereichsleitung zufriedenere Mitarbeiterinnen und Kunden, Entlastung für alle Führungskräfte und höhere Qualität jeglicher Arbeitsergebnisse. Messen ließe sich das Ergebnis aus seiner Sicht anhand der FaktoStörungen im Urlaub durch einen verärgerten Vorstand und weniger
Beratung
ren: (gestiegener) Umsatz, geringere Mitarbeiterfluktuation, seltenere 66
Kundenreklamationen. Wie aus den im typischen Jargon des Managements verkleideten Antworten offensichtlich wurde, wünschte man sich durch die Beratung im Grunde die eierlegende Wollmilchsau. Auf die nächste Frage, was denn der erste Schritt hin zu diesen ambitionierten Zielen sein könnte, reagierte er mit Schulterzucken. Als mögliche Hilfestellung für eine Antwort brachte ich die Führungskräfte der Bereichsleitung ins Spiel: »Angenommen, ich würde in den Bereich hineinhören und die Führungskräfte in einem vertrauensvollen Rahmen dazu befragen, wohin die Reise langfristig gehen solle und was aktuell die größten Schmerzpunkte im Bereich seien – was würden sie wohl antworten?« Diese zirkuläre Frage sorgte für Irritation und Inspiration zugleich: »Ich weiß es nicht, aber lass uns das herausfinden.« Die Auftragsklärung hatte ergeben, dass mit einem relevanten Querschnitt an Führungskräften und Mitarbeitern des Bereichs Einzelinterviews durchgeführt werden sollten (siehe Abbildung 7, Phase 1). Die Interviews sollten dann unter dem Aspekt ausgewertet werden, wo mögliche Schmerzpunkte und hinderliche Gewohnheitsmuster liegen. Die Auswertung sollte den Interviewpartnern vorgestellt werden, um gemeinsam mit der Bereichsleitung über weitere Schritte zu beraten. Ein regelmäßiger Austausch mit der Bereichsleitung, um die Auftragsklärung im Laufe der Beratung anzupassen, wurde ebenfalls vereinbart.
Diese Art der Beratungsarchitektur ist in sich selbst agil aufgebaut. Zum einen wurden aus Sicht der Bereichsleitung die relevanten Kunden (in diesem Fall die Führungskräfte und Mitarbeiterinnen) eingebunden. Zum anderen wurde verabredet die Beratung den jeweils aktuellen Bedürfnissen des Prozesses anzupassen, wodurch unerwartete Veränderungen berücksichtigt werden können.
Um die passenden Teilnehmenden für die Einzelinterviews zu identifizieren, führte ich mit der Bereichsleitung eine Stakeholderanalyse durch. Wir fokussierten uns dabei nicht nur auf die Führungskräfte, sondern überlegten ebenfalls, welche Mitarbeitenden im Bereich gut informiert, vernetzt oder informell aktiv waren. Wir entschieden uns für insgesamt acht Interviewpartner und Interviewpartnerinnen. Zum Abschluss der Interviewreihe fand außerdem ein Interview mit der Bereichsleitung statt. Die Interviews stellen jedes Mal aufs Neue eine besondere He rausforderung dar. Denn am Ende kommt es auf die Qualität der Aussagen an. Sie hängt unmittelbar davon ab, ob es gelingt, zu den Gesprächspartnerinnen eine gute Beziehung aufzubauen. Die Qualität der Antworten steigt in der Regel, je brisanter, vertraulicher oder neuer die Informationen sind, die preisgeben werden. Sie hängt jedoch erfahrungsgemäß auch davon ab, ob die Interviewpartner freiwillig teilnehmen und selbst bereit sind, Informationen zu teilen, oder ob sie von ihren Vorgesetzten dazu verdonnert werden. Eine gute Beziehung zum Gegenüber in einem Interview aufzubauen, gehörte auch in diesem Fall zu meinen Herausforderungen. Denn zum einen kannte ich keinen der Teilnehmenden, war jedoch an deren Interna interessiert. Zum anderen wurde die Teilnahme am
67
Beratung
Systemisch geführte Einzelinterviews
Interview ausdrücklich vom Bereichsleiter gewünscht. Die Frage der Freiwilligkeit stellte sich also nicht wirklich. Für einen ersten Kontaktaufbau zu den Interviewten organisierte ich ein gemeinsames Meeting, um ihnen das Vorhaben der Interviews vorzustellen. Dort nutzte ich die Gelegenheit, in Abwesenheit des Bereichsleiters bestmöglich auf Vorurteile oder Ängste hinsichtlich der Interviews einzugehen. Wir sprachen vor allem darüber, wie 68
sentiert werden sollten. Nachdem diese wesentlichen Fragen zufrie-
Beratung
die Inhalte der Interviews verarbeitet und in welcher Form sie prädenstellend geklärt werden konnten, war die erste Hürde genommen. Für eine bessere Vergleichbarkeit waren Aufbau und Ablauf der Interviews bei allen ähnlich. Ich versuchte zunächst, in einen guten Kontakt mit dem Interviewpartner zu kommen und an seinen Bezugsrahmen anzuknüpfen. Anschließend war folgender Fragenkatalog die Grundlage für die Interviews: Anliegen herausarbeiten: Ȥ Was sind aktuell Ihre größten Schmerzpunkte? Ȥ Was würden vermutlich die anderen Interviewpartner zu Ihren Antworten der ersten Frage ergänzen? Was fehlt hier vielleicht noch aus Sicht der Bereichsleitung? Ȥ Angenommen, Sie könnten, ohne Abwertung oder Nachteile zu befürchten, weitere Themen ganz offen ansprechen: Welche würden Sie dann gerne hinzufügen? Anliegen vertiefen: Ȥ Welches Ihrer soeben genannten eigenen Themen ist der Bereichsleitung nicht bekannt und warum? Ȥ Wie erklären Sie sich, dass diese Schmerzpunkte immer noch aktuell sind/noch nicht gelöst sind/so hartnäckig sind? Was ist Ihr Anteil an den Schmerzpunkten?
Ȥ Welchen Nutzen haben Ihrer Ansicht nach die Schmerzpunkte? Wer profitiert davon? Ȥ Umgekehrt: Welcher Schaden könnte entstehen, wenn die Schmerzpunkte verschwinden? Ȥ Angenommen, Sie könnten mit der Bereichsleitung und weiteren Unterstützern die soeben angesprochenen Themen angehen: Welche hätten die größte Dringlichkeit?
Ȥ Was wurde bisher unternommen, um die Schmerzpunkte zu lösen? Ȥ Welche Maßnahme konnte die Schmerzen lindern? Ȥ Welche Maßnahmen/Aktionen haben gar nicht funktioniert, und sind die Gründe dafür erkennbar? Wunderfragen: Ȥ Angenommen, zwei bis drei der genannten Schmerzpunkte würden sich einfach so über Nacht auflösen: Woran würden Sie das merken? Was wäre für Sie dann anders? Ȥ Woran würden Ihre Mitarbeiter, die Bereichsleitung oder Ihr Partner/Ihre Partnerin merken, dass es bestimmte Schmerzpunkte bei Ihnen nicht mehr gibt? Möglichen Lösungsraum beleuchten: Ȥ Im Sinne einer möglichen Idee für eine Lösung, was, glauben Sie, müsste passieren, damit die Schmerzpunkte sich Stück für Stück lösen? Ȥ Falls Sie eine Idee für eine Lösung haben: – Gibt es hierzu bereits Erfahrungen? – Was wäre dann Ihr Beitrag zur Lösung? – Wer wäre wohl Ihrem Lösungsansatz gegenüber aufgeschlossen, wer wäre eher skeptisch?
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Beratung
Lösungen erster Ordnung beleuchten:
– Welche Auswirkungen hätte Ihre Lösung auf Ihre Mitarbeiter, die anderen Führungskräfte im Bereich und die Bereichsleitung? Dringlichkeit fokussieren: Ȥ Wenn Sie eine Prognose für die Zukunft abgeben müssten: Was würde nach Ihrer Auffassung passieren, wenn die von Ihnen zuvor genannten Schmerzpunkte nicht angegangen werden?
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Erfolgsaussichten einer Intervention beleuchten: Ȥ Könnten Sie sich vorstellen, dass nach all den Informationen, die Sie eben gegeben haben, eine zielführende Lösung durch den jetzt hier gestarteten Prozess möglich ist? Oder glauben Sie mittlerweile nicht mehr an den Erfolg eines Lösungsversuchs?
Auswertung der Einzelinterviews Aus den Interviews konnte ich fünf Themengebiete als aktuelle Schmerzpunkte identifizieren: 1. Fehlendes Teamverständnis auf Management-Ebene: Die Motivation für eine Zusammenarbeit auf der Management-Ebene zwischen Bereichsleitung und der Abteilungsleitung fehlte. 2. Micro-Management der Bereichsleitung: Die Bereichsleitung mischte sich in zu viele Themen ein. 3. Individualität statt Gemeinsamkeiten: Jede Abteilung war nur daran interessiert, ihre individuellen Ziele zu erreichen. 4. Fehlendes Bewusstsein für die gemeinsame Verantwortung im Management: Jede Abteilung war davon überzeugt, dass die Probleme in den anderen Abteilungen liegen, nur nicht in der eigenen.
5. Unfähigkeit, »Nein« zu sagen: Aus Angst, Privilegien zu verlieren oder der eigenen Karriere zu schaden, wurde jedem Wunsch der Vorgesetzten Folge geleistet. Diese Ergebnisse wurden allen Interviewten inklusive der Bereichsleitung in einem Meeting vorgestellt. Gemeinsam wurde beschlossen, dass das Thema Fehlendes Teamverständnis des Managements die derungspotential aufwies. Daraus entwickelte sich eine Workshop-
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reihe zum Thema Von der Gruppe zum Team (Abbildung 7, Phase 2).
Beratung
größte Dringlichkeit für den Bereich besaß und am meisten Verän-
Workshopreihe: Von der Gruppe zum Team Damit ein Teamentwicklungsprozess im Management des Bereichs gestartet werden konnte, musste zu Beginn des Prozesses überprüft werden, dass durch eine Teamentwicklung dort grundsätzlich bessere Ergebnisse erzielt werden. Denn es kündigte sich schon in der Auswertung der Interviews an, dass bereits schwelende Konflikte zwischen den Führungskräften im Management einer intensiveren Zusammenarbeit, im Sinne eines Teams, im Wege standen. Es war zusätzlich zu klären, ob das Management-Team bereit sein würde, für einen Teamentwicklungsprozess die notwendige Zeit zu investieren. Dementsprechend bildeten die folgenden Leitfragen den Rahmen für die Workshopreihe: Ȥ Motivation der Zusammenarbeit: Was würde für diese Fortführung des aktuellen Modus sprechen, wenn der aktuelle Modus der Zusammenarbeit im Management unverändert bestehen bleiben würde? Welches Problem soll hingegen durch eine bessere Zusammenarbeit im Sinne eines Teams gelöst werden? Welche Ziele sollen damit erreicht werden? Sind wir davon überzeugt,
genug Motivation zu besitzen, um den herausfordernden Weg der Teamentwicklung einzuschlagen? Ȥ Gemeinsamer Arbeitsansatz: Was ist hierbei für jeden individuell wichtig im Sinne einer gelingenden Basis für die Zusammenarbeit? Welche Werte sollen hierfür berücksichtigt werden und woran würde jeder konkret erkennen, dass sie im Arbeitsalltag gelebt werden? Welches minimale Set an Regeln der Zusammenarbeit könnte daraus entstehen? Wie soll im Team damit umge-
Beratung
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gangen werden, wenn sich Einzelne nicht an die Regeln halten? Ȥ Das Produkt: Wer sind aus Sicht des Teams die relevanten Kundinnen, sowohl interne als auch externe? Welche Bedürfnisse haben diese Kundinnen, die für das Team relevant sind? Was sind die gemeinsamen Produkte, die das Team für diese Kundinnen bereitstellt? Ȥ Prozesse und Rollen: Welcher minimale Prozess in der Zusammenarbeit wäre hilfreich, um gute Produkte entwickeln zu können? Welche Rollen mit welchen Entscheidungsbefugnissen wären im Prozess sinnvoll? In welchem Abstand und anhand welcher Kriterien soll überprüft werden, dass der Prozess der Zusammenarbeit zielführend ist oder entsprechend angepasst werden muss? Der Aufbau der Workshops lässt den agilen Charakter der Beratung durchscheinen: konsequente Kundenausrichtung der Produkte, agile Prozesse und Rollen, Fokus auf gute Zusammenarbeit im Team und iterative Ergebnisüberprüfung des Beratungsprozesses. Besonders interessant war die Diskussion im Managementteam über Kunden und Produkte. Hier ließen sich zwei verschiedene Kundengruppen mit unterschiedlichen Produkten identifizieren. Die eigenen Mitarbeiter im Bereich als interne Kundinnen und alle anderen Kundinnen innerhalb und außerhalb der Organisation als externe Kunden.
Als Produkte für die internen Kundinnen wurden klassische Themen der Organisationsentwicklung wie zum Beispiel Vision, Strategie oder moderne Arbeitsmodelle genannt. Die Produkte der externen Kunden wurden nicht weiter in den Blick genommen, weil sie vorerst für das Management keine strategische Relevanz hatten. Zwischen den Teilnehmern im Workshop bestand daher ein Konsens, sich hauptsächlich auf die internen Kundinnen zu konzentrieren, weil dies die Aufgabe der Führung sei. tung ihrer künftigen Zusammenarbeit. Ziel war es, einen minimalen Prozess der Zusammenarbeit im Management zu finden, der die Produktentwicklung für die internen Kundinnen abbildete. Als Ergebnis einigte sich das Team darauf, sich zweimal pro Woche für je 30 Minuten zu treffen, um anhand einer Übersicht über den aktuellen Stand – zum Beispiel der Vision oder Strategie – im Bereich zu sprechen. Zusätzlich wurde einmal in der Woche ein einstündiges Meeting etabliert, um solche Themen genauer zu beschreiben und gemeinsam herauszufinden, was weiter zu tun sei, wann ein Thema als abgeschlossen gelte und wie das Ergebnis transparent gemacht werden sollte. Für die Abarbeitung der Themen im Management blockte sich das Team zudem alle zwei Wochen einen halben Tag für den Workshop. Dadurch wurde sichergestellt, dass man trotz des Tagesgeschäfts die internen Themen abschließen konnte. Zuletzt vereinbarte das Team, sich einen eigenen Rahmen zu schaffen, um über Prozessverbesserung und Metakommunikation zu sprechen, weil allen bewusst war, dass es noch unausgesprochene Themen auf der Beziehungsebene gab.
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Beratung
Im nächsten Schritt widmeten sich die Teilnehmer der Erarbei-
Prozessbegleitung des Managementteams Im Verlauf der weiteren Beratung begleitete ich das Managementteam, dem die Bereichsleitung vorstand, bei der Zusammenarbeit (Abbildung 7, Phase 3). Meine Aufgaben reichten von der Moderation in Meetings über die Unterstützung bei der Visualisierung der Teamarbeit bis hin zur Konfliktklärung. Iterativ wurden Anpassungen am zuvor beschriebenen Prozess der Zusammenarbeit vorge-
Beratung
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nommen und an der Art und Weise, wie das Team seine Arbeit visualisierte bzw. transparent machte. Es stellte sich zum Beispiel heraus, dass ein Treffen im Team auf täglicher Basis den damaligen Bedürfnissen besser entsprach, um sich gemeinsam auf einen aktuellen Stand der Arbeit zu bringen. Das Managementteam wurde allerdings in den Folgemonaten nach Beginn der ersten Workshops immer wieder von der Dynamik des Tagesgeschäfts eingeholt. Meetings und Workshops wurden kurzfristig verschoben oder sind ausgefallen. Aber auch schwelende Konflikte und Konkurrenzverhalten innerhalb des Teams sowie die starren Strukturen außerhalb des Bereichs setzten dem Managementteam stark zu. Nicht selten wurde der Gedanke diskutiert, ob das Experiment eines Managementteams im Bereich gescheitert sei. Mit der Zeit (um die sechs Monate) überwogen jedoch die Vorteile der intensivierten Zusammenarbeit deutlich.
Beispiel 2: Mitten im Spiel – agile Teamberatung Auf der Ebene der agilen Teamentwicklung berichtet dieses Beispiel aus einem langjährigen Kundenprojekt eines IT-Dienstleisters. Dort begleitete ich als Inhouse-Coach ein Softwareentwicklungsteam. Angelehnt an den Prozess nach Scrum gestalteten das Entwicklungsteam und ich die Zusammenarbeit mit dem Kunden entsprechend Typisch für agile Prozesse, traten im Laufe des Projekts Herausforderungen rund um die Auslegung agiler Rollen, ungünstige Teamdynamiken und Kommunikationsbarrieren auf. Die Interaktion mit dem Kunden fand entsprechend agiler Ausrichtung direkt und auf täglicher Basis statt. Die Autonomie und Selbstbestimmung des Entwicklerteams wurde im Kundenprojekt stets großgeschrieben. Schwierigkeiten im Umgang miteinander im Team oder mit dem Kunden konnten anfangs noch in regelmäßigen Retrospektiven thematisiert werden. Mit fortlaufender Produktentwicklung entstanden kundenseitig jedoch Engpässe hinsichtlich der zeitlichen Verfügbarkeit im Projekt. Der tägliche Austausch wurde von dem Kunden häufig kurzfristig abgesagt oder fand nicht mehr persönlich vor Ort statt. Somit kam es immer wieder auch zu einem Engpass im Entwicklerteam, weil den Entwicklern nicht ausreichend gut dokumentierte Anforderungen der Kundenseite zur Verfügung standen. Retrospektiven, ein effektives Mittel, um mit Metakommunikation Verbesserungen anzustoßen, hatte der Kunde aufgrund der zeitlichen Verfügbarkeit als erstes aus seinem Terminkalender gestrichen. Außerdem hinterfragte er die hohen Projektkosten. Die zunehmende Unzufriedenheit des Kunden mit der Qualität der Arbeitsergebnisse des Entwicklerteams belastete zudem das Arbeitsklima im Projekt.
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Beratung
agil, um das bestmögliche Produkt zu entwickeln.
Aus diesen Gründen entwickelte sich im Projekt eine ungünstige Dynamik in der Zusammenarbeit mit dem Kunden, welche über Monate hinweg zu einer unternehmerischen Abwärtsspirale führte.
Das Drama-Dreieck in der Beratung
Gesprächsrunden das vorherrschende Thema. Fragte ich etwa in
Beratung
Das schrittweise Fernbleiben des Kunden war in zahlreichen 76
den Retrospektiven, an denen der Kunde nicht mehr teilnahm, nach den aktuell größten Schmerzen im Prozess der Zusammenarbeit und Produktentwicklung, war die Antwort eindeutig: »Der Kunde ist zu wenig greifbar!« Verschiedenste Ideen wurden diskutiert: von »Kunden entlasten«, indem ihm Arbeit für die Vorbereitung von Meetings abgenommen werden sollte, über »die Bedeutung der Rolle des Kunden im Projekt hervorheben« bis hin zu »Erwartungshaltungen abgleichen«. Mit der Zeit wurden aus den Ideen viele Maßnahmen entwickelt, um den Kunden wieder besser einzubinden. Unglücklicherweise führten diese Maßnahmen aber nur dazu, dass die beiderseitige Unzufriedenheit stark zunahm. Der Kunde fühlte sich mit den Maßnahmen missverstanden und gegängelt. Die Entwickler hingegen hatten an ihre Maßnahmen hohe Erwartungen geknüpft und auf bessere Zusammenarbeit gehofft, wurden aber enttäuscht. Ich musste mit der Zeit feststellen, dass die gut gemeinten Einladungen, mit dem Entwicklerteam über die Schmerzen im Prozess der Zusammenarbeit zu reflektieren, zusätzlich den Frust befeuerten. Denn das ständige gemeinsame Reflektieren löste eine tiefe Überzeugung einer gemeinsamen Wirklichkeit aus, was »das Problem« sei: der Kunde.
„äußert Kritik an der situation“
„weckt Erwartungen für gute Lösungen“
Verfolger
Retter
Opfer „fühlt sich hilflos, bekommt Frust ab“ Abbildung 8: Die drei Rollen: Verfolger, Retter und Opfer mit den dazugehörigen Äußerungen, angelehnt an das Drama-Dreieck nach Stephen Karpman.
In meiner Rolle als Agile Coach fühlte ich mich verantwortlich, schnellstmöglich zwischen beiden Seiten zu vermitteln, damit sie wieder miteinander in die Kommunikation kommen konnten. Doch jeder Versuch zu vermitteln, führte dazu, dass ich, nach der Idee des Drama-Dreiecks von Stephen Karpman (1968), entweder in die Rolle des Retters geriet, um den Entwicklern oder dem Kunden zu helfen (Abbildung 8). Oder ich unbewusst in die Rolle des Verfolgers schlüpfte, indem ich selbst Kritik an der Situation äußerte oder die
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Kritik des Kunden weitergab. Oder ich wurde selbst zum Opfer, wenn ich wieder einmal feststellen musste, dass ich hilflos zwischen beiden Seiten stand und keine Maßnahme geholfen hatte. Kommunikation schien zwar die Lösung zu sein, aber zugleich auch das Problem.
Das Spiel und seine Regeln
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Jeder Dialog mit dem Kunden über die schwierige Gemengelage verdeutlichte aus dessen Sicht: »Die Entwickler sind das Problem«. Angelehnt an Eric Berne, bildete sich quasi ein Spiel, das aus zwei Parteien bestand, von denen sich die eine Partei jeweils als Opfer der anderen sah (2002). Beide Parteien konnten anhand zahlreicher Beispiele verdeutlichen, warum ihre eigene Opfer-Täter-Sicht auch gerechtfertigt war. Jede weitere Spielfigur im Opfer-Täter-Spiel konnte dadurch schnell für die jeweilige Partei gewonnen werden. Dieser Umstand wurde deutlich, als sich das Management als weitere Spielfigur einbrachte. Von außen betrachtet, vermittelte das Spiel einfache Lösungen für das Problem, je nachdem, welche Perspektive der jeweiligen Partei gerade Gehör fand. Für das Management stellte sich daher das Spiel wie folgt dar: Die Entwickler müssten bessere Qualität abliefern und mehr Verständnis für die Situation des Kunden aufbringen, und kundenseitig müssten Schulungen stattfinden, damit dieser seiner Rolle besser nachkommen könne. Doch wie die zuvor unternommenen Lösungsversuche zeigten, wurde das Problem nur weiter stabilisiert (»Lösung erster Ordnung« nach Paul Watzlawick, 1979). Mir wurde mit der Zeit klar, dass ich in der Rolle des Coachs bislang mehr als Spielball fungiert hatte, anstatt eine aktive Spielfigur zu sein. Daher beschäftigte ich mich fortan mit dem Spiel selbst (Abbildung 9). Das Spiel folgte aus meiner Sicht der Regel, dass es
kunde
ich bin das opfer, das entwicklerteam der täter!
lösung: „die andere partei muss sich ändern!“
auftrag
partei: kunde
gegenseitige abwertung
gegensätzliche aufträge und lösungsideen agile coach: aufträge erzeugen zwickmühle
wir sind die opfer, der kunde ist der täter!
entwicklerteam
partei: entwickler lösung: „die andere partei muss sich ändern!“
auftrag
Abbildung 9: Ausschnitt aus dem Spiel zwischen den beiden Parteien »Kunde« (oben) und »Entwickler« (unten). Beide Parteien sehen sich als Opfer der jeweils anderen Partei und werten sich deswegen gegenseitig ab (gestrichelter, senkrechter Pfeil). Lösung der Situation aus der Sicht der jeweiligen Partei erzeugt eine Zwickmühle, weil sich die Lösungen konträr zueinander verhalten (gestrichelter, diagonaler Pfeil)
letztlich zwei Parteien gab, die durch gegenseitige Abwertungen der jeweils anderen versuchten, die Wahrheit über »wer ist Opfer und Täter« für sich zu gewinnen. Mit diesem Anspruch verknüpfte sich gleichzeitig die Bedingung, eine Lösung des Problems nur dann zu
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akzeptieren, wenn die andere Partei sich veränderte. Weil dies jedoch die Zustimmung und Kooperation der anderen Partei vorausgesetzt hätte, war Unzufriedenheit zwangsläufig Teil des Spiels.
Die Spielregeln verändern Ich beschloss daraufhin, mich nicht weiter als Spielball zur Verfü-
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gung zu stellen. Mein Ziel war es vielmehr, das Spiel so schnell wie möglich zu beenden. Meine Strategie bestand darin, meine Hypothesen zum Spiel und seine Regeln mit den einzelnen Parteien im Dialog zu teilen. Die Dynamik zwischen den Entwicklern und dem Kunden als Spiel zu beschreiben, wurde von beiden Parteien als hilfreiche Erkenntnis wahrgenommen. Beide Parteien konnten dadurch den Konflikt mit mehr Abstand beleuchten. Im weiteren Dialog mit den jeweiligen Beteiligten war es möglich, über den Konflikt zu reden, ohne konkrete Inhalte zu diskutieren, da das Spiel und seine Regeln im Vordergrund standen, also der vonstattengehende Prozess. Ich stellte den Entwicklern und dem Kunden folgende Frage: »Angenommen, der Konflikt ließe sich tatsächlich als Spiel mit speziellen Spielregeln verstehen: Wie wollen wir das Spiel weiterspielen, sodass ein konstruktives Miteinander wieder möglich wird?« Diese Frage implizierte bereits, dass eine Fortsetzung einer Zusammenarbeit überhaupt noch erwünscht war, was ich im Vorfeld bereits mit den Parteien erörtert hatte. Denn um das Projekt erfolgreich zu Ende führen zu können, mussten beide Parteien im gemeinsamen Austausch ihr Wissen bereitstellen. Ohne einen konstruktiven Austausch hätte das Projekt abgebrochen werden müssen, wodurch kaum vorhersagbare Kosten und Risiken die Folge gewesen wären. Allen Beteiligten waren die Konsequenzen im Falle eines fortbestehenden Konflikts bewusst.
Um die Konfliktsituation zu entspannen, einigten sich die Entwickler darauf, dass Retrospektiven über den Konflikt erst dann wieder stattfinden würden, wenn auch der Kunde sich hierfür Zeit nehmen könnte. Diese Maßnahme verhinderte, sich weiter in eine kollektive Problemfokussierung zu begeben, die nicht nur eine Abwertung des Kunden nach sich gezogen hätte, sondern letztlich des ganzen Projekts. Beide Seiten, Kunde und Entwickler, lösten sich aus ihrer Opferfür eine Lösung allein das Gegenüber verändern müsste. Vielmehr
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begriffen beide, dass sie Teil eines Spiels waren, dessen Spielregeln
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Rolle. Beide waren auch nicht länger davon überzeugt, dass sich
nicht vollständig bekannt waren. Dieser einfache Kunstgriff mit Hilfe der Spielmetapher schien dazu zu führen, dass die Schuldfrage, die gerade im Management oftmals heiß diskutiert worden war, kaum noch eine Rolle spielte. Weil die Spielmetapher gut getragen hatte, einigten wir uns darauf, eine weitere Spielregel einzuführen. Jedes Mal, wenn jemand den Eindruck hatte, dass sich gerade typische Anzeichen des bekannten, aber unerwünschten Spiels zum Beispiel in einem gemeinsamen Meeting zeigten, sollte ein Codewort genannt werden, das eigens hierfür erfunden wurde. Dieses Codewort erzeugte unmittelbar eine Aufmerksamkeit für die Metaebene des Spiels, bevor ungünstige Kommunikationskreisläufe beginnen konnten. Das Gesprächsthema wurde dann meistens an dieser Stelle beendet, oder die Beteiligten fanden eine Kommunikations ebene, die eine sachliche Diskussion gerade noch ermöglichte.
Zwischenbilanz des Spiels Nachdem einige Wochen vergangen waren und sich die Situation mit dem Kunden und dem Entwicklerteam etwas entspannt hatte, war es an der Zeit, sich in einem gemeinsamen Rahmen dem Kon-
flikt auf der Inhaltsebene zu nähern. Ziel war es zum einen herauszufinden, was sich nach den Wochen inhaltlich am Konflikt geändert hatte. Gefragt wurde, ob der Kunde auch weiterhin kaum greifbar im Projekt war bzw. ob dieses Thema überhaupt noch als Problem gesehen wurde. Zusätzlich wurde eruiert, ob der Kunde immer noch die Qualität der Arbeitsleistung bemängelte. Zum anderen war es das Ziel, für eine inhaltliche Aufarbeitung des Konflikts erstmals allen Beteiligten in einem gemeinsamen Rahmen die Möglichkeit
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zu geben, ihre persönliche Sicht darzustellen. Dabei ging es nicht darum herauszufinden, welche Sichtweise die sogenannte richtige war, sondern ein Verständnis füreinander zu entwickeln. Darauf aufbauend, sollten Maßnahmen für eine Verbesserung der Situation abgeleitet werden. Interessanterweise stellte sich dabei heraus, dass sich inhaltlich am Konflikt nichts geändert hatte. Der Kunde war immer noch mit der Qualität unzufrieden, und das Entwicklerteam bemängelte weiterhin die Abwesenheit des Kunden im Projekt. Was sich jedoch verändert hatte, war das Verhältnis der beiden Parteien zu dem Konflikt. Sie konnten mit Hilfe der Spielmetapher ausreichend emotionalen Abstand zu dem Dissens gewinnen. Erst dadurch gelang es ihnen, die inhaltliche Ebene zu beleuchten, ohne dass die Situation eskalierte. Diese Erfahrung, dass sie gemeinsam ohne weitere Eskalation über den Konflikt sprechen konnten, wurde von beiden Parteien als befreiend und positiv wahrgenommen. Das spiegelte sich in einem respektvollen Miteinander wider. Beiden Parteien gelang es, Verständnis füreinander aufzubauen, eine wichtige Basis, um Ideen für eine konstruktive Zusammenarbeit zu entwerfen. In einem nächsten Schritt ging es darum, auf dieser Gesprächsgrundlage Maßnahmen zu entwerfen, um die bestehenden Probleme, die ursprünglich zum Konflikt geführt hatten, aufzulösen. Überein-
stimmend sahen das Entwicklerteam und der Kunde die Lösung darin, die Rahmenbedingungen des Projekts zu verändern. Das Entwicklerteam müsste beispielsweise zusätzlich erfahrene Entwickler aufnehmen, um die Qualität zu verbessern. Um die Verfügbarkeit des Kunden im Projekt zu erhöhen, müsste die Organisation des Kunden ihn von weiteren Pflichten und Aufgaben befreien. Ich fragte daraufhin beide Parteien, wie wahrscheinlich es unter sich ihre Rahmenbedingungen zugunsten ihrer Vorstellung ändern
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würden. Sie entgegneten einstimmig, nicht an eine Verbesserung
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Berücksichtigung ihrer Erfahrungen aus der Vergangenheit sei, dass
der Rahmenbedingungen in dem von ihnen jeweils als erforderlich angesehenen Maße zu glauben. Sie sahen aber auch sonst keine Alternative, wie sie die Probleme lösen könnten. Daraus wuchs im weiteren Dialog, Stück für Stück, die Erkenntnis, dass die Lösung eventuell auf einer ganz anderen Ebene zu finden war. Nämlich anzuerkennen, dass die Situation für beide Parteien nun mal so war, wie sie war. Dass genau dieses Ergebnis gerade das beste Ergebnis war, was sie zusammen im Stande waren herbeizuführen. Auch wenn das nicht den ursprünglichen Erwartungen aller Beteiligten entsprochen hatte, nahm dieser Gedanke immer mehr Form an. Denn die Zwickmühle einfach anzuerkennen und dabei einen bestmöglichen Umgang mit der Situation zu finden, erwies sich definitiv als ein Lösungsweg, der nicht von äußeren Rahmenbedingungen abhing. Dieser Lösungsweg konnte aus den Bemühungen des Entwicklerteams und des Kunden selbst heraus gefunden werden. Gleichzeitig bestand ein weiterer Vorteil dieses Ergebnisses darin, dass es alle Beteiligten davon befreite, auf einer inhaltlichen Lösung ihrer Probleme zu beharren. Denn diese Suche führte in der Vergangenheit oftmals zu Frust, war zeitlich aufwändig, ohne messbare Erfolge und raubte den Entwicklern und dem Kunden viel Kraft.
Der Umgang mit Frustration Zusammen mit dem Kunden wurde sich auf einen weiteren Workshop geeinigt. Dort sollte der Frage nachgegangen werden, wie gemeinsam ein guter Umgang mit den Problemen der Verfügbarkeit des Kundens, der Qualität der Arbeitsleistung und den Projektkosten zu finden sei. Ergebnis des Workshops war, dass beide Parteien weiterhin mit dem zuvor vereinbarten Codewort arbeiten wollten.
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Somit sollte verhindert werden, dass altbekannte Muster des Spiels den Konflikt wiederbeleben würden. Da mit den bekannten Problemen und deren Auswirkungen auch künftig zu rechnen war, würde aufkommender Frust unvermeidbar sein. Um dem berechtigten Frust ausreichend Raum geben zu können, wurde dem Entwickler-Team und dem Kunden im ersten Schritt eine Frustbox zur Seite gestellt. Die Idee dahinter war, dass sich bereits beginnender Frust möglichst in diese Box entladen sollte. Hierfür notierte die frustrierte Person auf bereitgestellten Zetteln, wodurch der Frust entstanden war, welche emotionalen Auswirkungen sie spürte und wie groß der Frust auf einer Skala von null bis zehn war. Die Zettel wurden alle zwei Wochen in den Retrospektiven ausgewertet. Damit die Retrospektiven nicht zur Frustmüllhalde wurden, nahmen sich beide Parteien vor, für jedes Frust erzeugende Erlebnis mindestens genauso viele Erfolgserlebnisse zu sammeln. Es stellte sich heraus, dass diese Fingerübung eine wertvolle Arbeit war. Beide Parteien lernten dabei zu erkennen, was bei ihnen Frust erzeugte. Mit der Zeit führte das veränderte Bewusstsein zu einer erhöhten Akzeptanz der Gesamtsituation sowohl mit den bestehenden Problemen als auch mit dem Frust selbst. Nach wenigen Monaten fanden die meisten Beteiligten einen guten Umgang mit den Umständen. Die Frustbox wurde daher
nicht mehr benötigt. Die Zufriedenheit im Team und die Zusammenarbeit mit dem Kunden verbesserte sich merklich. Dies äußerte sich zunehmend auch in der Qualität der Arbeitsergebnisse. Die erhofften Veränderungen der Rahmenbedingungen traten letztlich doch ein, als sich auf der Managementebene des Kunden personelle Wechsel ergaben. Die Erfahrungen, die das Entwicklerteam und der Kunde mit dem Konflikt gesammelt hatten, wurden zu einer wichtigen Ressource. In der weiteren Beratung des Teams zeigte sich diese
Beispiel 3: Wenn Agilität Lernziele aufzeigt Wer viele Jahre in klassischen, recht hierarchisch strukturierten Organisationen gearbeitet hat, wird in agileren Kontexten einige Lernzonen für sich entdecken. Zwei typische Lernzonen werden in diesem Beispiel auf der Ebene des Einzelcoachings näher beleuchtet. Die erste Lernzone betrifft das häufig in der Agilität anzutreffende neue Rollenmodell und die damit verbundenen Verantwortungen. Denn obwohl die Rollen wie auch die Verantwortungen exakt definiert sind, können in der Umsetzung viele Missverständnisse entstehen. Die zweite Lernzone, die eng mit der ersten verknüpft ist, betrifft das psychologische Bedürfnis nach Struktur und Orientierung eines jeden Menschen im agilen Arbeitsumfeld (Berne, 2002). Denn wo zuvor formale Strukturen und Vorgaben das klassische Arbeitsfeld prägten, werden diese in agilen Teams weitestgehend durch Eigenverantwortung und Gestaltungsfreiheit ersetzt. Diese neu gewonnenen Freiheiten können jedoch zur Überforderung durch Orientierungsverlust führen.
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Ressource in Form von mehr Resilienz und Frustrationstoleranz.
In einem weiteren Kundenprojekt unterstützte ich im agilen Transformationsprozess ein Team, das sich bereits einige Monate zuvor entschieden hatte, agil arbeiten zu wollen. Den agilen Veränderungsprozess hatte es ganz ohne die Hilfe eines Agilen Coaches gestartet. Das Team bestand hauptsächlich aus Mitgliedern, die sich mit der technischen Umsetzung von grafischen und redaktionellen Anforderungen beschäftigten. Neben der Rolle der technischen Umsetzung von Anforderungen gab es noch die Rolle, die die Sicht
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der fachlichen Anforderungen vertrat. Diese Rolle entsprach am ehesten dem Product Owner, wie sie in agilen Prozessen häufig zu finden ist. Beide Rollen standen in einem intensiven täglichen Austausch miteinander. Dadurch konnte sichergestellt werden, dass die technischen Umsetzungen in Form von Grafiken und redaktionellen Inhalten den Anforderungen entsprachen. Die tägliche Arbeit im Team war geprägt von einer hohen Dichte an Anforderungen und Änderungswünschen. Das lag daran, dass dieses Unternehmen einem erheblichen Marktdruck ausgesetzt war. Denn die Konkurrenz durch Mitbewerber auf dem Markt war groß. Ein gegenseitiges Unterbieten mit besseren Angeboten fand fast auf täglicher Basis statt. Um diese besseren Angebote so schnell wie möglich dem Markt zur Verfügung zu stellen, kippten zahlreiche Anforderer ihre Wünsche in das Team ein. Dabei kam es häufig vor, dass die Anforderungen lediglich aus Stichpunkten bestanden, aber bereits mit einem konkreten Termin der Auslieferung versehen waren. Dadurch entstand zusätzlich ein enormer Zeitdruck im Team. Die stichpunktartigen Anforderungen und der Zeitdruck stellten das Team vor eine große Herausforderung. Mit der neuen, agilen Arbeitsweise hatte man sich erhofft, diese Probleme teilweise zu lösen. Doch das Gegenteil trat ein: Das Team hatte sich mit der agilen Transformation übernommen. Besonders eine erfahrene Grafikerin im Team konnte sich mit der neuen Arbeitsweise nur schwer
anfreunden. Um nicht Gefahr zu laufen, noch mehr Chaos zu erzeugen oder im schlimmsten Fall Teammitglieder zu verlieren, wurde ich zur Unterstützung hinzugezogen. Im Folgendem werde ich aus diesem umfangreichen Beratungsprozess lediglich den Teil im Umgang mit der eben erwähnten Grafikerin vertiefen. Er ist symptomatisch für den agilen Kontext – vor allem, wenn Mitarbeiter das erste Mal mit den agilen Prozessen und Rollen in Berührung kommen.
Einzelcoaching im agilen Kontext Die vielen Anforderungen und der hohe Zeitdruck machten sich direkt zu Beginn meines Beratungsprozesses bemerkbar. Das ganze Team an einen Tisch zu holen und fokussiert zwei Stunden über diverse Themen zu sprechen, war ein nahezu aussichtsloses Unterfangen. Ständig wurden einzelne Teammitglieder aus unseren Terminen gerissen oder erschienen erst gar nicht. Besonders stark von der Situation betroffen war die bereits angesprochene Grafikerin. Da sie als einer der erfahrensten im Team die wichtigsten Aufgaben betreute, hatte sie bislang nur selten die Chance, sich mit ihrer neuen, agilen Rolle näher zu beschäftigen. Vor der Umstellung auf Agilität hatte sie größtenteils den Kontakt zu den Personen mit Anforderungen gepflegt und über den kurzen Dienstweg Absprachen getroffen. Durch die Rolle des Product Owners wurde ihr diese Tätigkeit abgenommen – auch um mehr Transparenz in die Anforderungen zu bringen, diese besser zu dokumentieren und den Rest des Teams stärker teilnehmen zu lassen. Wie gelungen oder sinnhaft die Aufgabenteilung mit den neuen Rollen war, stand auf einem anderen Blatt. Zu diesem Zeitpunkt war die Grafikerin aufgrund der Gesamtsituation jedoch schon so aus-
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gelaugt, dass dringender Handlungsbedarf bestand. Als sie mit mir hierüber ein Gespräch suchte und mir ihr Leid klagte, schlug ich ihr ein Einzelcoaching vor. Im ersten Schritt des Coachings gewann ich einen Eindruck, was die Grafikerin genau bewegte, wie sie ihre Situation beschrieb und welche Auswirkungen das für sie hatte. Wie in jedem Coaching entscheidet eine gute Beziehung zum Coachee über Erfolg und Misserfolg. Daher war das Ankoppeln an ihren Bezugsrahmen elementar
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für alles Weitere (vgl. Schiff u. Schiff, 1975). Im zweiten Schritt schärften wir das Coachingziel. Auf die Frage, welches Ergebnis sie am Ende eines Coachings anstrebte, entgegnete sie, dass sie ihre eigene agile Rolle besser verstehen möchte. Ein zweites wichtiges Ziel für sie wäre, dass die Anforderungen, die an sie und das Team gestellt würden, eine bessere Qualität hätten. Ich fragte daraufhin, in welchem Maße das Einzelcoaching auf das zweite Ziel Einfluss haben würde. Denn um dieses zu erreichen, wären sicherlich noch andere Personen notwendig, die jedoch möglicherweise ganz andere Interessen hätten. Nach einem kurzen Dialog hierüber formulierte sie ein anderes zweites Ziel: einen besseren Umgang mit den Anforderungen und dem Zeitdruck zu finden. Ich spiegelte ihr wider, dass das erste Ziel eventuell für eine Expertinnenberatung zum Thema Agilität gut geeignet sein könnte. Anschließend könnte sich daraus eine Prozessberatung im Sinne einer Rollenentwicklung ergeben. Das zweite Ziel hätte einen stärkeren Bezug zu einer Prozessberatung, die mehrere Coachingeinheiten umfassen könnte.
Die Rollen auf der Bühne der Agilität Weil für sie das Rollenthema dringlicher war, entschied sie, zuerst dieses Thema anzugehen. Sie gab zu, dass sie einerseits froh war, nicht mehr die Verantwortung für die Anforderungen tragen zu müssen. Es ersparte ihr auch viel Zeit, dass das Identifizieren und Erstellen der Anforderungen damit wegfiel. Andererseits merkte sie an, rungs- und Kundenseite aus ihrer Sicht schlichtweg zu wenig Wis-
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sen vom Geschäft hatte. Das würde sich ebenfalls in der Qualität der
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dass der Product Owner in seiner Rolle als Vertreter der Anforde-
Anforderungen niederschlagen. Aber das sei schließlich nicht ihre Verantwortung, wenngleich sich die mindere Qualität auf ihre Arbeit auswirkte, fügte sie hinzu. Provokant sprach ich sie darauf an, was genau sie mit »nicht ihre Verantwortung« gemeint hätte. Sie antwortete mir daraufhin, dass nach ihrer bisherigen Information die Rolle des Product Owners die Verantwortung für die Anforderungen trägt. Ich gab daraufhin zu bedenken, dass genau diese Sichtweise eine der Soll-Bruchstellen im agilen Kontext darstellt. Fast jede Diskussion zum Thema Verantwortung sorgt für eine isolierte Betrachtung einer Rolle, die jedoch immer nur im Kontext weiterer Rollen in einem Team sinnhaft erscheint. Das Thema Verantwortung wird im Zusammenhang mit Agilität in ein anderes Licht gerückt. Wo zuvor noch die Einzelleistung im Vordergrund stand, geht es bei der Agilität darum, im Zusammenspiel verschiedener Rollen ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen. Teamarbeit und Teamleistung werden zu zentralen Begriffen. Der Einzelne im Team trägt mit seinen Aufgaben zur Teamarbeit bei. Jeder gibt sein Bestes. Ich kam nach meiner kurzen Ausführung zur Agilität auf ihre Situation zurück. Wenn sie feststellte, dass die Qualität der Anforderungen vom Product Owner nicht so gut seien, läge es auch an ihr,
diese Information in den Dialog zu tragen. Gleichermaßen könnte sie bei der Erstellung der Anforderungen den Product Owner unterstützen, weil sie wertvolles Wissen bereitstellen könnte. Denn wenn sie dieses Wissen für sich behielte, würde die Qualität der Anforderungen und somit das Endergebnis des Teams leiden. Solange ein Product Owner nicht Gedanken lesen könnte, hätte er keine Chance, in Erfahrung zu bringen, dass die Anforderungen verbessert werden müssten. Genau aus diesem Grund könne er nicht die
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volle Verantwortung über die Anforderungen übernehmen. Auch in der Gretchenfrage nach der Schuld läge diese nicht allein beim Product Owner. Die Grafikerin nahm am Ende der Diskussion für sich mit, dass Sieg und Niederlage eine Teamleistung darstellen, dass jede Rolle gewisse Interessenschwerpunkte mit sich bringt. Verbunden mit diesen Schwerpunkten übernimmt jede Rolle ihre Aufgaben. Bei Entscheidungsfindungen im Team kann jede Rolle je nach ihrem Schwerpunkt das Zünglein an der Waage sein. Und zuletzt kann die Verantwortung in einem agilen Team so verstanden werden, dass jeder die Verantwortung für das bestmögliche Ergebnis des Teams trägt. Sie nahm sich daraufhin vor, wieder stärker in der Erstellung der Anforderungen mitzuwirken und den Product Owner zu unterstützen.
Selbstwirksamkeit durch Coaching Im weiteren Verlauf des Coachings widmeten wir uns ihrem zweiten Thema: Wie sie einen besseren Umgang mit den Anforderungen und dem Zeitdruck finden könne. Ein Teil ihrer Schilderungen handelte von der Strukturlosigkeit, seitdem sie als Team agil arbeiteten. Vor der Umstellung hätte der Teamleiter noch alle organisatorischen Auf-
gaben übernommen. Pläne wurden erstellt, Ziele formuliert, Strukturen vorgegeben und Aufgaben zugewiesen. Mit der Agilität war ihr nun zum einen gar nicht mehr klar, was der Teamleiter genau machen konnte oder durfte. Zum anderen fehlte ihr die Struktur im Team, die ihr sonst Orientierung in der täglichen Arbeit gab. Alte Strukturen waren verloren gegangen. Neue Strukturen entstanden fast täglich und verschwanden urplötzlich wieder. Das verursachte bei ihr Stress, wie sie mir erklärte. Teamleiters in einem agilen Umfeld zu sprechen. Ich schilderte ihr aus meiner Erfahrung, dass es hierfür keine pauschale Antwort gäbe. Aber es hatte sich bisher bewährt, dieses Thema offen und respektvoll mit dem ganzen Team zu besprechen. Im Sinne eines möglichen Ausblicks erklärte ich ihr, dass ein Teamleiter sich zum Beispiel nur noch auf disziplinarische Aufgaben konzentrieren könnte. Dann würde er sich aus dem Tagesgeschäft komplett herausziehen. Oder aber er könnte seine disziplinarischen Aufgaben aufgeben und Product Owner oder Agile Coach werden. Im weiteren Coaching kamen wir auf den Punkt der fehlenden Struktur und Orientierung in ihrem Team zu sprechen. Sie erzählte, dass sie sich verloren fühlte, wenn zum Beispiel im Team zwischenmenschliche Konflikte auftraten oder wenn Arbeitsabläufe nicht rund liefen. Vor der agilen Umstellung hätte sie genau gewusst, was zu tun sei. Sie wäre dann in den meisten Fällen zu ihrem Vorgesetzten gegangen, der sich solcher Themen angenommen hätte. Durch den agilen Ansatz jedoch wurde ihr gespiegelt, dass fortan das Team solche Dinge selbst klären müsste. Sie hatte jedoch noch keine Vorstellung davon, wie das konkret aussehen sollte. Wie schon zuvor in unseren Coachings angeklungen war, verantwortet das Ergebnis der Klärung von Konflikten oder der Verbesserung von Arbeitsabläufen das ganze Team. Jedes Teammitglied
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Wir kamen zuerst auf das Thema Rollen und Aufgaben eines
trägt im Rahmen seiner Möglichkeiten zum Ergebnis bei. Ich fragte sie daher, welche Strukturen sie im Team bräuchte, damit sie wieder Orientierung hätte und sich weniger verloren fühlte. Und was sie dazu beitragen könne, damit sich die gewünschten Strukturen bilden könnten. Da sie diese Fragen zu dem Zeitpunkt nicht beantworten konnte, beschlossen wir, dass sie sich bis zum nächsten Coaching Notizen machte, wenn sie sich aufgrund fehlender Strukturen wieder mal verloren fühlte.
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Durch die Aufarbeitung der Notizen in den nächsten Coachingterminen wurde ihr letztlich bewusst, dass sich hinter dem Gefühl des Verlorenseins eine Angst versteckte, dass ihre Arbeitsergebnisse nicht den Erwartungen entsprachen. Sie berichtete mir, dass sie in der Vergangenheit bei anderen Arbeitgeberinnen darum kämpfen musste, den Erwartungen gerecht zu werden. Diese Angst zeige sich nun wieder, weil sie nicht wüsste, wie sie als Teammitglied der Erwartung entsprechen solle, Konflikte eigenständig zu lösen oder Verbesserungen vorzunehmen. In weiteren Coachingsitzungen konnte die Grafikerin sowohl das Gefühl des Verlorenseins als auch die dahinterliegende Angst annehmen. Sie entwickelte eigene Ideen, wie sie für den Fall, dass diese Gefühle wieder auftreten sollten, andere, hilfreiche Gefühle aktivieren könne. Somit konnte sie für sich aus dem Teufelskreis der Erwartungen und dem daraus resultierenden Druck ausbrechen. Darauf aufbauend, fand sie gute Wege, dazu beizutragen, Strukturen im Team zu festigen. Sie setzte sich dafür ein, dass regelmäßige Retrospektiven stattfanden. Sie übernahm strategische Ausrichtungen und entwickelte federführend eine Teamvision für eine übergeordnete Orientierung. Zusätzlich machte sie sich stark für einen gemeinsamen Arbeitsansatz im Team. Dadurch wurden auf Basis von Werten, Prinzipien und wenigen Regeln Verbindlichkeiten im Umgang miteinander geschaffen.
Mit der Zeit machte die Grafikerin die Erfahrung, dass ihr Bedürfnis nach Struktur und Orientierung nicht zwangsläufig von einem Vorgesetzten erfüllt werden musste. Sie lernte, wie sie durch ihre Ideen und Aktionen selbstwirksam Strukturen im Team schaffen konnte und auf diese Weise für sich sorgte. Aus ihrem Strukturbedürfnis heraus leistete die Grafikerin mit ihrer neu entdeckten Gestaltungskraft einen wertvollen Beitrag zu einer gesteigerten Performance des Teams.
Beratung
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Am Ende
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Auf dieser kurzen Reise rund um das Thema Agilität konnte ich
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Ein Ausblick
Ihnen hoffentlich einen differenzierten Blick vermitteln. Vielleicht ist es mir sogar gelungen, Vorurteile oder Berührungsängste ein Stück weit zu nehmen. Oder aber Sie gehen nun mutigen Schrittes voran und sammeln eigene Erfahrungen mit einem agilen Ansatz. Mit Sicherheit bleiben zahlreiche Fragen offen, hinsichtlich einer adäquaten Haltung, einer passenden Balance und dem Erhalt bewährter Strukturen – oder wieviel Autonomie, Dynamik und Transparenz eine Organisation gerade noch verträgt. In Momenten, in denen Sie sich auf Ihrem agilen Weg verlaufen haben oder vermeintlich unüberwindbare Hindernisse auftauchen, gönnen Sie sich gerne einen systemischen Perspektivwechsel; die Verbindung aus systemischen und agilen (sysagil) Ansätzen kann zu hilfreichen Interventionsmöglichkeiten und dem Wahren eines respektvollen Umgangs führen – besonders mit Blick auf die heutigen Geschehnisse in der Welt. Daher bin ich davon überzeugt, dass systemische Einflüsse in der Agilität zunehmen und sich beispielsweise in einem zusätzlichen Weiterbildungsangebot widerspiegeln werden. Bis dahin, bleiben sie geistig agil und systemisch gelassen!
Frederick Meseck, geboren 1988 in Karls-
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ruhe, studierte Chemieingenieurwesen
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Autoren-Vita
am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Nach seinem Abschluss arbeitete er als Prozessingenieur in einer Erdölraffinerie. Während seiner Tätigkeit als Ingenieur entwickelte er ein großes Interesse dafür, wie Menschen zielführend zusammenarbeiten können. Denn ihm fiel auf, dass neben einem qualifiziertem Abschluss, wie z. B. der Diplom-Ingenieur, die Fähigkeit zur Zusammenarbeit mindestens genauso wichtig ist. Um den letzten Aspekt zu vertiefen und dort Expertise aufzubauen, wechselte er zu einer agilen Unternehmensberatung. Dort ließ er sich durch Mentoring und die Weiterbildung »Certified Scrum Professional« zum Agile Coach ausbilden. In dieser Zeit konnte er verschiedene Branchen wie Banken, Industrie und IT zu Fragestellungen der Agilität und zu Scrum beraten. Auf die Stelle in der agilen Unternehmensberatung folgte eine mehrjährige Festanstellung als interner Berater eines SoftwareDienstleisters in der Rolle als Agile Coach. Der Tätigkeitsschwerpunkt war von interner und externer Beratung geprägt. Letzteres drehte sich um die Beratung eines Kunden aus der Logistikbran-
che mit dem Ziel eine erfolgreiche, agile Zusammenarbeit zwischen Dienstleister und Kunde zu etablieren. Die interne Beratung teilte sich vor allem in zwei Bereiche auf: die Ausbildung von internen Scrum Mastern und die agile Organisationsentwicklung des Dienstleisters. In dieser Zeit war er zusätzlich als Dozent an der Hochschule Karlsruhe tätig, um dort junge Studierende an das Thema Agilität heranzuführen. Im Anschluss an die Festanstellung unternahm er im Jahr 2020
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den Sprung in die Selbständigkeit. Seitdem widmet er sich vermehrt der agilen Transformation von Organisationen, der Beratung von Management zum Thema Agilität und dem Einzelcoaching. Neben den Schritt zur Selbständigkeit, war ein weiterer, wichtiger Abschnitt in seiner Vita die Weiterbildung zum »Systemischen Coach« am Helm-Stierlin-Institut (HSI) in Heidelberg. Inspiriert durch die systemischen Konzepte in Verbindung mit den Erfahrungen aus der agilen Welt, entwickelte er unter anderem eine eigene Weiterbildung zum systemisch-agilen Coach. Da die Nachfrage nach systemisch-agilen (kurz »sysagil«) Konzepten zunimmt, bilden diese mittlerweile den Schwerpunkt seiner täglichen Arbeit mit Kunden, die vermehrt aus Branchen wie Verwaltung und Soziales kommen.
Im Zusammenhang mit Agilität gibt es kaum Verbände. Die meis-
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ten Einrichtungen sind Beratungsunternehmen, die ihre Konzepte,
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Nützliche Adressen
Methoden und Beraterinnen als Dienstleistung anbieten. Dennoch gibt es zwei große Anbieter auf dem Weltmarkt, die in das Thema Agilität einführen und kostenpflichtige Zertifizierungen anbieten: die Scrum Alliance (www.scrumalliance.org) und scrum.org (www. scrum.org). Die bekanntesten und häufigsten Zertifizierungen finden nach Scrum statt. Die Grundlage für die Zertifizierungen nach Scrum bildet der Scrum Guide (www.scrumguides.org), der regelmäßig angepasst und neu veröffentlicht wird.
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An dieser Stelle möchte ich gerne die Chance nutzen, mich bei den
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Danksagung
Menschen zu bedanken, die zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben Ich danke vor allem Prof. Dr. Jochen Schweitzer-Rothers für die Möglichkeit und das Vertrauen, dass ich dieses Buch schreiben konnte. Ich bedanke mich auch bei meinem lieben Kollegen Bernd Taglieber, der tatkräftig meinen Text hinterfragt hat und zur besseren Lesbarkeit beigetragen hat. Auch möchte ich meinem lieben Kollegen Steffen Raebricht danken, dass er sich die Zeit genommen hat, meinen Text zu schleifen und zu verbessern. Danke auch an all meine Kunden für die gute Zusammenarbeit in den letzten Jahren. Aber vor allem danke ich meiner Frau Tamara, die mir den Rücken freigehalten und mir Mut zugesprochen hat. Ohne ihre Unterstützung wäre dieses Buch nicht entstanden.
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