System des katholischen Kirchenrechts: Band 1 [Reprint 2015 ed.] 9783111542386, 9783111174235


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German Pages 653 [656] Year 1869

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Table of contents :
System des katholischen Kirchenrechts
Erstes Buch: Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe
Erster Abschnitt: Der Eintritt in die Hierarchie oder die Lehre von der Ordination
I. Der Begriff der Ordination und die Stufen derselben
II. Die Voraussetzungen der Ordination
A. Der Ordinande
B. Die Person des Weihenden
III. Die Ertheilung der Ordination
A. Die vorbereitenden Handlungen
B. Die Ertheilung der Ordination
IV. Die Wirkungen der Ordination
A. Der spirituelle Charakter
B. Die Standesrechte der Geistlichen
C. Die Standespflichten
Zweiter Abschnitt: Der zur Leitung der Kirche bestimmte Organismus
Einleitung
Erste Abtheilung: Die einzelnen Aemter und Stufen der kirchlichen Regierung
Erstes Kapitel. Der Papst
I. Der Primat und sein Verhältniss zum Episkopat. Der s. g. Primatus iurisdictionis
II. Die Ehrenrechte des Papstes. Der s. g. Primatus honoris
III. Der Papst als Patriarch, Primas, Metropolit und Bischof
IV. Der Papst als Souverän des Kirchenstaates
V. Die Besetzung des päpstlichen Stuhles
A. Geschichte
B. Das geltende Recht
C. Einwirkung der weltlichen Mächte (s. g. ius exclusivae )
VI. Die Erledigung des päpstlichen Stuhles
VII. Die Gehülfen und die Behörden des Papstes für die Regierung der Kirche. Die Curia Romana
A. Die Kardinäle
B. Die römische Kurie
C. Die nicht ständigen Gehülfen des Papstes, die Legaten und Nuntien
I. Bis zum zwölften Jahrhundert
II. Das Dekretalenrecht
III. Die Entwicklung seit dem Mittelalter
IV. Das geltende Recht
Zweites Kapitel Die weiteren Aemter und Stufen der ordentlichen und regelmässigen Verfassungsform
I. Die Patriarchen
II. Die Exarchen, päpstlichen Vikarien, Primaten und Legati nati
Nachträge
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System des katholischen Kirchenrechts: Band 1 [Reprint 2015 ed.]
 9783111542386, 9783111174235

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DAS KIRCHENRECHT DER

KATHOLIKEN UND PROTESTANTEN IN

DEUTSCHLAND.

VON

De PAUL HINSCIIIUS, OHDKNTLIi.'ElKM

I'KOFICSSOIt

1>KH UF.CIITK

ERSTER

AN

Ü K U Ι'ΝΊ V K t t H I T Ä T

KIKL.

BAND.

SYSTEM DES KATHOLISCHEN KIRCHENRECHTS MIT BESONDERER RÜCKSICHT AUF DEUTSCHLAND.

BERLIN, VERLAG VON I. GUTTENTAG 1 8 ö 9 .

SYSTEM DES

KATHOLISCHEN KIRCHENRECHTS MIT .BESONDERER RÜCKSICHT AUF

DEUTSCHLAND.

VON De PAUL IIINSCHIUS,

ORDENTLICH Κ Μ ΓΚϋΡΚ9ΗθΚ I)K Κ JtKCIlTK ΛΝ DEIl UNIVKK5ITAT KIEL.

E R S T E R BAND.

BERLIN, VERLAG VON I. GUTTENTAG. 1869.

Das Recht der Uebersetzimg in fremde Sprachen hiermit vor. D"

PAUL

Druck von Broitkopf u. Härtel in Leipzig.

behalte ich mir

HINSCIIIUS.

SEINEM THEUREN VATER

DEM J U S T I Z R A T H UND RECHTS AN W A L T

HERRN

D*. FllANZ HIN8CHIU8

ZUGEEIGNET.

VORWORT.

W ä h r e n d das katholische Kirchenrecht in neuerer Zeit in dem grossen, jetzt bis zum siebenten Bande fortgeschrittenen Werke von G e o r g P h i l l i p s einer eingehenden Behandlung sich zu erfreuen gehabt hat, und von F r i e d r i c h S c h u l t e in seinem katholischen Kirchenrecht der anerkennenswerthe und gelungene Versuch gemacht worden ist, den Stoff in acht juristischer Weise unter sorgfältiger Benutzung des deutschen partikulären Kirchenrechtes für die Bedürfnisse der katholischen Praxis zu behandeln, hat man protestantischer Seits seit den längst in erster Auflage erschienenen und später nur wiederholt herausgegebenen Werken von E i c h h o r n , R i c h t e r und M e j e r eine selbstständige Bearbeitung des gesammten katholischen und protestantischen Kirchenrechtes nicht unternommen, j a die letzte, über den Charakter eines Kompendiums hinausgehende, ausführliche Darstellung, das Handbuch von G e o r g W i e s e , gehört noch der Gränzscheide des vorigen und jetzigen Jahrhunderts an. Für die heutige protestantische Kirchenrechtswissenschaft liegt somit eine noch zu lösende, schon zu lange bei Seite geschobene Aufgabe yor. Abgesehen von Monographieen kann gerade in einer eingehenderen, in die beschränkten Gränzen eines Kompendiums nicht gebannten Bearbeitung viel leichter, als in einem kurzen Handbuch ein entschiedener wissenschaftlicher Fortschritt gemacht werden. Auf dem Gebiete des katholischen Kirchenrechtes bietet zunächst die erforderliche, historische Behandlung der einzelnen Rechtsinstitute dem protestantischen Kanonisten ein ansprechendes Feld der Thätigkeit, weil er frei von jeder dogmatischen Voraussetzung und in vollkommener Unbefangenheit seine Resultate auf ein rein objektives Studium des gesammten, wissenschaftlichen Materials zu gründen, im Stande ist, und weil ferner gerade neuerdings allein auf katholischer Seite, in dem Kirchenrechte von P h i l l i p s , die Rechtsgeschichte eine eingehende Berücksichtigung gefunden hat. So viel ich dem letzteren Buche verdanke und so gern ich dem geehrten Verfasser hier öffentlich dafür meinen Dank abstatte, so lässt sich doch noch durch Benutzung der neueren historischen Forschungen und durch Prüfung der geschichtlichen Ereignisse vom Standpunkt des Kirchen-

VIII

VORWORT.

rechtes aus manches neue Resultat gewinnen und erst so wird es möglich, auch den Historikern, welche sich mit der Geschichte des Mittelalters beschäftigen, eine von denselben bisher vermisste, für ihre Zwecke ausreichende Darstellung der Entwicklung des kirchlichen Rechtes darzubieten. Denn das R i e h t ersehe Lehrbuch, dessen Verdienste in (1er hier in Rede stehenden Beziehung bekannt genug sind und welche ich zu läugnen weit entfernt bin, musste seinem Charakter nach knapp gehalten werden und ausfuhrlichere Erörterungen Uber streitige und zweifelhafte Punkte vermeiden. Bei der Darstellung des geltenden katholischen Kirchenrechts bleibt für den Protestanten, welcher, wie billig von ihm gefordert werden darf, sich hier auf den Boden der katholischen Kirche zu stellen hat, noch Raum genug übrig, durch eine schärfere juristische Präcisirung, durch die Heranziehung der dogmengeschichtlichen Entwicklung für die Erklärung der heutigen Rechtssätze und die Entscheidung bestehender Kontroversen, ferner auch durch die Benutzung der leider in den protestantischen Kompendien so gut wie gar nicht mehr berücksichtigten, älteren kanonistischen Literatur der Weiterförderung des katholischen Rechtes Dienste zu leisten, welche nur ein engherziger Konfessionalismus ihres Ursprungs halber zurückzuweisen vermöchte. Das Bedürfniss einer eingehenden Bearbeitung des partikulären Kirchenrechtes endlich, namentlich soweit es sich um die Beziehungen von Staat und Kirche handelt, vom protestantischen Gesichtspunkt aus wird ebensowenig als das einer von diesem Standpunkt zu unternehmenden, historischen Behandlung geläugnet werden können. Für das protestantische Kirchenrecht sind die Aufgaben noch grösser und lohnender. Eine ausführliche Darstellung desselben fehlt bisher vollkommen. Ebensowenig genügt die bisherige Behandluugsweise; sie ist mehr beschreibend und statistisch zusammenstellend, als wirklich juristisch gewesen, und ferner hat man die hier eine hervorragende Stellung einnehmende partikuläre Entwicklung, so namentlich die neueren legislatorischen Versuche, der evangelischen Kirche eine grössere Selbstständigkeit zu geben, in ihren juristischen Details zu wenig gewürdigt, wie schon zur Genüge die bisher übliche Gewohnheit zeigt, alle diese für das moderne kirchliche Recht wichtigen Punkte nicht im Text der Darstellung, sondern in rein statistischen Zusammenstellungen in den Noten mehr zu berühren als zu behandeln. Das W e r k , dessen Anfang jetzt vorliegt, soll die gedachte Lücke in den erwähnten Beziehungen auszufüllen versuchen. Ich bin an diese Arbeit nicht deshalb herangegangen, weil ich mich unter den jetzigen protestantischen Vertretern der Kirchenrechtswissenschaft dazu in erster Linie berufen fühlte, sondern nur deshalb, weil, soweit mir bekannt, von anderer Seite ein derartiges Unternehmen nicht in Aussicht steht und ich es deshalb für meine Pflicht gehalten habe, wenigstens nach meinen Kräften zur Lösung jener unserer Wissenschaft gesetzten Aufgabe beizutragen. Bei der Anordnung des Stoffes habe ich mit der bisherigen Tradition, katholisches und protestantisches Kirchenrecht gemeinschaftlich darzustellen, gebrochen. Mir scheint durch das Wesen beider Kirchen eine verschiedene Systematik im Einzelnen geboten. Ausserdem befördert die äussere Auseinander-

VORWORT.

IX

haltung auch die nothwendige und noch immer nicht genügend durchgeführte Ausscheidung katholischer Elemente aus dem Rechte der evangelischen Kirche. Selbstverständlich habe ich mit der Darstellung des Rechtes der katholischen Kirche beginnen müssen. Wenn ich dabei die Behandlung der Grundlehren Uber Begriff und Wesen der Kirche, die Uebersicht über die Geschichte der Verfassungsentwicklung und die Besprechung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche, sowie die Behandlung der einzelnen Rechtsquellen und der Literärgeschichte einem besonders, später zu veröffentlichenden Einleitungsbande vorbehalten habe, hat mich dazu der innere Grund bestimmt, dass die historische Entwicklung, soweit sie hier in Frage kommt, zweifellos nach völliger Durcharbeitung des Details mit sicherer Hand in schärferen Zügen gezeichnet werden kann. Für die Bearbeitung der Rechtsquellen wollte ich ferner das Erscheinen der von meinem Kollegen und Freunde, Professor Dr. Μ a a s s e n , in Graz unternommenen Geschichte der Kanonensammlungen abwarten. So Werthvolles das hierher gehörige Hauptwerk, die bekannte Abhandlung der Gebrüder B a l l e r i n i »de antiquis collectionibus et collectoribus canonum etc.« bietet, so habe ich doch in Folge meiner handschriftlichen Studien für die Ausgabe der Pseudo - Isidorischen Dekretalen die Ueberzeugung gewinnen müssen, dass die Angaben der Verfasser Uber das Alter der von ihnen untersuchten Codices gewöhnlich zu hoch gegriffen sind. Mit Rücksicht auf die in Aussicht stehende Bereicherung dieses Zweiges der kirchenrechtlichen Literatur erschien es mir daher nicht zweckmässig, auf ein in mancher Hinsicht unsicheres Fundament zu bauen und zwar umsoweniger, als ich die Hoffnung habe, in der Zwischenzeit noch selbst wieder Reisen behufs handschriftlicher Studien zu unternehmen. Ob man mir wegen dieses Verfahrens den Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit machen wird, muss ich freilich abwarten, will aber von vornherein dagegen, abgesehen von dem Hinweis auf den Charakter der Bearbeitung des vorliegenden Theiles meines Buches, nur darauf aufmerksam machen, dass der erste Band des mit Recht hochgeschätzten Kirchenrechtes von S c h u l t e , welchem ich hier ebenfalls für die mir dadurch mannichfach gegebene Förderung meinen Dank sage, auch erst nach der Publikation des zweiten, das System des Kirchenrechtes enthaltenden Theiles erschienen ist. In Bezug auf die Anordnung des Stoffes, welche ich bei der Darstellung des katholischen Kirchenrechtes beobachten werde, genügt es hier, zu bemerken, dass ich denselben in die beiden Iiauptabtheilungen: »die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe« und »die Rechte und Pflichten der einzelnen Kirchenglieder, sowie der kirchlichen Genossenschaften« geschieden habe, und in dem ersten Theil von dem Eintritt in die Hierarchie, dem für die Leitung der Kirche bestehenden Organismus und den Funktionen dieses letzteren (der Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit, Finanzverwaltung u. s. w.) handeln werde. Des Näheren verweise ich hinsichtlich dieses Punktes auf die kurze, von mir entworfene Uebersicht des Kirchenrechts in der demnächst erscheinenden, von Professor Dr. v o n H o l t z e n d o r f f herausgegebenen juristischen Encyklopädie, wo ich das gedachte System im Einzelnen durchgeführt habe. In der Darstellung des heute geltenden allgemeinen Rechtes der katholischen Kirche habe ich mich vollkommen auf den Boden der letzteren gestellt. Was dagegen die Auffassung der historischen Entwicklung und die Frage nach der

χ

VORWORT.

Notwendigkeit der Anerkennung der kirchlichen Rechtsnormen auch durch die weltliche Gesetzgebung betrifft, so konnte ich hier meinen protestantischen Standpunkt nicht verläugnen. Auf eine allseitige Verständigung mit den Anhängern der katholischen Kirche verzichte ich daher von vornherein, hoffe aber, dass man mir auch von dieser Seite das Zeugniss nicht versagen wird, dass ich in keiner Beziehung einer Bevormundung der Kirche durch den Staat das Wort geredet, sondern vielmehr für jeden berechtigten Anspruch derselben auf selbstständige Verwaltung ihrer Angelegenheiten eingetreten bin und mich bei der Würdigung der historischen Entwicklung nicht von einer einseitigen und tendenziösen antikatholischen Anschauung habe leiten lassen. Die zweite Hälfte des vorliegenden Bandes denke ich Ende dieses oder Anfang des nächsten Jahres veröffentlichen zu können. Die Darstellung des katholischen Kirchenrechtes wird, so weit ich das jetzt zu übersehen im Stande bin, ausser dem erwähnten Einleitungsbande etwa drei, die des protestantischen zwei Theile umfassen, und der Zwischenraum zwischen dem Erscheinen der einzelnen Bände ein bis zwei Jahre betragen. K i e l , den 15. Juni 1869.

Der Verfasser.

INHALTSVERZEICHNIS^

System des katholischen Kirchenrechts. Erstes Die Hierarchie

und

Buch:

die Leitung der Erster

Kirche durch

dieselbe.

Abschnitt:

Der Eintritt in die Hierarchie oder die Lehre von der Ordination. Seite

§. 1.

§.2. §. 3. §. §. §. §.

4. 5. 6. 7.

§. S. §. 9 §. 10. §.11. §.12.

§.13. §. 14.

I. Der Begriff der Ordination und die Stufen derselben II. Die Voraussetzungen der Ordination. A. Der Ordinande. 1. Inkapacität und Irregularität im Allgemeinen a. Die einzelnen Irregularitäten. aa. Die irregularitas ex defectu bb. Die irregularitas ex delicto. i . Historische Einleitung ß. Das geltende Recht b. Die Beseitigung der Irregularitäten c. Die Irregularitäten und das weltliche Recht 2. Der Ordinationstitel. a. Historische Einleitung b. Das geltende Recht B. Die Person des Weihenden. 1. Die Fähigkeit zur Ertheilung der Ordination 2. Die Befugniss zur Ertheilung der Ordination 3. Die Verletzung der Vorschriften über die Irregularitäten durch den Ordinator III. Die Ertheilung der Ordination. A. Die vorbereitenden Handlungen B. Die Ertheilung der Ordination

1

7 11 38 41 55 59 63 65 80 85 103 104 109

XII

§. 15. §.16. §•17. §. 18. δ. 19.

INHALTSVERZEICHNIS«.

IV. Die Wirkungen der Ordination. Α. Der spirituelle Charakter B. Die Standesrechte der Geistlichen C. Die Standespflichten. 1. Hinsichtlich der Wahrung der klerikalen Würde und Fernhaltung von weltlichen Geschäften 2. Die Verpflichtung zum Breviergebet 3. Die Verpflichtung zum Cölibat

Zweiter

Seite

117 118

130 141 144

Abschnitt:

Der zur Leitung der Kirche bestimmte Organismus. Einleitung. §. 20. § 21.

I. Die s. g. hierarchia iurisdictionis und ihr Verhältniss zur s. g. hierarchia ordinis 2. Die iurisdictio ordinaria, delegata, mandata. vicaria

Erste

163 171

Abtheilung:

Die einzelnen Aemter und Stufen der kirchlichen Regierung. E r s t e s K a p i t e l . Der Papst. §. 22. §. 23. §. 24. §. 25.

§.26. §.27. §. 28. §. 29. §. 30. §. 31.

§.32. §. 33. 34. §. 35. §. 36. §.37. 38.

j). MD.

I. Der Primat und sein Verhältniss zum Episkopat. Der s. g. Primatus iurisdictionis II. Die Ehrenrechte des Papstes. Der s. g. Primatus honoris III. Der Papst als Patriarch, Primas, Metropolit und Bischof IV. Der Papst als Souverän des Kirchenstaates V. Die Besetzung des päpstlichen Stuhles. A . Geschichte. 1. Bis zum Verfall des karolingischen Reiches 2. Vom zehnten bis zum Ende des elften Jahrhunderts. Insbesondere über das Wahldekret Nikolaus' II. von 1059 3. Die kirchliche Gesetzgebung über die Besetzung des päpstlichen Stuhles seit dem 12. Jahrhundert B. Das geltende Recht C. Einwirkung der weltlichen Mächte (s. g. ius exclusivae; VI. Die Erledigung des päpstlichen Stuhles VII. Die Gehülfen und die Behörden des Papstes für die Regierung der Kirche. Die Curia Romana. A. Die Kardinäle. 1. Die Entwicklung des Kardinalates 2. Das geltende Recht. a. Die Zahl und die Titel der Kardinäle b. Die Ernennung und die Qualifikation der Kardinäle. Das Optionsrecht c. Die Stellung, die Rechte und die Pflichten der Kardinäle . . . . d. Die Ehrenvorzüge der Kardinäle e. Das Kardinalkollegium. aa. Die Verfassung desselben bb. Die Thätigkeit des Kardinalkollegiums bei besetztem päpstlichen Stuhl. Das Konsistorium, die dazu gehörigen Congregationes und die Capellae pontificiae und cardinales . . cc. Die Thätigkeit der Kardinäle während der Vakanz des päpstlichen Stuhles

195 206 212 214

217 239 262 275 293 294

309 33& 339 347 357 359

364 36«

INHALTSVERZEICHNISS.

§.40. §.41. §. 42. §. 43. §. 44. §. 45. §. 46.

§. 47.

§. 48. §. 49. §. 50.

§.51. §. 52.

§. 53. §.54. §. 55.

§. 56.

§. 57 §. 58. §. 59. §. 60.

§. 6t. §. 62. §. 63.

Β. Die römische Kurie. I. Begriff 2. Die Prälatur. a. Die Entwicklung derselben. Frühere Organisation des römischen päpstlichen Klerus b. Die heutige Stellung der Prälatur a. Die Behörden der Kurie im Allgemeinen a. Die Behörden älteren Datums. aa. Allgemeines bb. Die .Justizbehörden Tribunale) der Kurie. *. Die Sacra Rota Romana ß. Die Reverenda Camera Apostoliea. Der Kardinal-Kämmerer. Der Gubernator Urbis. Der Thesaurarius. Der Auditor Generalis Camerae Apostolicae. Das Tribunal Plenae Camerae γ. Das Tribunal der Signatura iustitiae (Collegium Referendariorum Signaturae Votantium, Segnatura di Giustizia) cc. Die Gnadenbehörden der Kurie. α. Die Signatura Gratiae ß. Die Dataria Apostoliea γ. Die Sacra Poenitentiaria Apostoliea iPenitenziaria Apostoliea, dd. Die Expeditionsbehörden der Kurie. a. Die apostolische Kanzlei (Cancellaria Apostoliea; . . . ß. Die apostolischen Sekretarien (die Secretaria Brevium, die Secretaria status, die Secretaria Memorialiuni'. . . . b. Die Kongregationen. aa. Die Sacra Congregatio Romanae et universalis Inquisitionis seu Sancti Officii bb. Die Congregatio indicis librorum prohibitorum cc. Die Sacra Congregatio Cardinalium Concilii Tridentini interpretum und die mit ihr verbundenen Congregationes particulares. a. super Statu ecclesiarum, b. super Revisione Synodorum und c. super Residentia Episcoporum . . dd. Die Sacra Congregatio super Negotiis Episcoporum et Regularium, sowie die Congregationes super Disciplina Regular! und super Statu Regularium ee. Die Sacra Congregatio Iurisdictionis et lmmunitatis eccle siasticae ff. Die Congregatio sacrorum Rituum gg. Die Sacra Congregatio Indulgentiarum et Sacraruin Reliquiarum hh. Die Sacra Congregatio de Propaganda Fide und die Congregatio specialis pro negotiis ritus Orientalis (die Sacra Con gregatio pro corrigendis libris ecclesiae Orientalis1 ii. Die Sacra Congregatio super negotiis Ecclesiae extraordinariis kk. Die Kongregationen für das Gebiet der Stadt Rom Anhang: Die Kongregationen für den Kirchenstaat . . . . 11. Die Verfassung der Kongregationen im Allgemeinen. Die Natur ihrer Jurisdiktion

XIII Seite

373

375 387 391 392 392

405 415 421 422 427 43. 4 J1 ·

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456

4t>4 470 471 473

174 478 479 4SI 4S:i

INHALTSVERZEICHNIS».

XIV

Seite

§• 64. §. 65. §. 66. §. 67. §. 68. §.69. § 70. §. 71. §. 72. §. 73.

c. Der Stellvertreter des Papstes für die Diöcesan-Verwaltung von Rom. Der Cardinalis Vicarius Urbis d. Die Officialen des päpstlichen Palastes e. Die Kurialen im engeren Sinn f. Die Capella und die Familia des Papstes C. Die nicht ständigen Gehülfen des Papstes, die Legaten und Nuntien. I. Bis zum zwölften Jahrhundert II. Das Dekretalenrecht. 1. Die legati a latere 2. Die legati missi 3. Die legati nati III. Die Entwicklung seit dem Mittelalter IV. Das geltende Recht Zweites

185 401 493 496 498 511 517 518 52:4 532

Kapitel.

Die weitereil Aemter und Stufen der ordentlichen und regelmässigen Verfassungsform. §. 74. §. 75.

I. Die Patriarchen II. Die Exarchen, päpstlichen Vikarien, Primaten und Legati nati Nachträge

538 576 633

SYSTEM DES

KATHOLISCHEN KIRCHENRECHTS.

System des katholischen Kirchenrechts. Erstes

Buch:

Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe. Erster

Abschnitt:

Der Eintritt in die Hierarchie oder die Lehre von der Ordination. I. Der Begriff der Ordination und die Stufen derselben. * §· Ι-

Ό ie Gewalt zur Leitung der Kirche steht der Regel nach nur denjenigen zu, welche Theil haben an der Macht, die Lehre der Kirche zu verkünden und die derselben anvertrauten Gnadenmittel zu spenden. Bei der Darstellung des für die Regierung und Leitung der katholischen Kirche bestehenden Organismus ist daher von dem Erwerb der Vollmacht zur Heilsvermittlung auszugehen. Er ist die Voraussetzung zur Theilnahme am Regiment 1 , d. h. er befähigt das betreffende Subjekt zu derselben, wenngleich letzteres dadurch allein noch nicht zur Ausübung seiner Fähigkeit berechtigt wird, vielmehr hierfür noch ein besonderer eigener Akt, dies. g. l e g i t i m a m i s s i o erforderlich ist 2 . Der Akt, welcher jene auf die Lehre und Heilsgüter der Kirche bezügliche Fähigkeit überträgt, ist die O r d i n a t i o n (ordinatio). Nach der endgültig festgestellten katholischen Lehre 3 ist von Christus ein äusserliches und sichtbares Priesterthum eingesetzt und diesem die besondere geistige Macht verliehen, jene Handlungen mit der in der Schrift verheissenen Wirkung vorzunehmen. Unter denselben nimmt die hervorragendste Stellung die dem Priesterthum anvertraute Gewalt ein, das Opfer Christi durch Verwandlung von Brod und Wein in dessen heiligen Leib darzubringen 4 . Diese Befugniss steht sowohl dem Bischof wie auch dem einfachen * H a l l i e r , de sacris electionibus et ordinationibus. Lutet. Paris. 1636. fol., M o r i n u s , commentarius de sacris ecclesiae ordinationibiis. Paris. 1655. (Antwerp. 1695) fol., L a s p e y r e s in der allg. Encycl. von E r s c h u . G r u b e r , Sect. III. Bd. ü. 1 EugeniilV. const.: Exultate doniino v. 1439. §. 9 (M. Bull. 1, 339) : „per ordinem vero ecclesia gubernatur". 2 Vgl.hierzu D e v o t i , instit. jur. canon, lib. I. tit. 2. §§. δ. 6. H i n s c l l i u s , Kirdieurei-ht.

3 Trident. Sess. XXIII. de sacram. ord. c. 1. : »Si quis dixerit, non esse in novo testamento sacerdotium visibile et externum vel non esse potestatem aliquam consecrandi et offerendi verum corpus et sanguinem domini et peccata remittendi et retinendi, sed officium tantum et nudum ministerium praedicandi evangelium, vel eos qui non praedicant, prorsus non esse sacerdotes, anathema sit.« 4 Sess. cit. c. 1.: »Sacriflcium et sacerdotium ita dei ordinatione conjuncta sunt, ut utrunique

1

2

I. D i e Hierarchie und die L e i t u n g der Kirche durch dieselbe.

[§. 1.

P r i e s t e r z u , w e l c h e d a h e r b e i d e unter der B e z e i c h n u n g : » s a c e r d o t e s « u n d d o t i u m « begriffen w e r d e n 1 .

»sacer-

I n d e s s e n ist die M a c h t f ü l l e d e s B i s c h o f s e i n e h ö h e r e .

In

B e z u g a u f die F ä h i g k e i t z u r D a r b r i n g u n g d e s O p f e r s s t e h e n s i c h P r i e s t e r u n d B i s c h o f gleich.

D i e Macht aber,

durch Mittheilung des heiligen Geistes das Priesterthum

fort-

zupflanzen, besitzt allein der Bischof, nicht der einfache P r i e s t e r 2 . V o n d i e s e m s. g . s a c e r d o t i u m s c h e i d e t die k a t h o l i s c h e K i r c h e d a s s . g . riums,

a n k n ü p f e n d a n die T h a t s a c h e ,

dass sich schon in

Kirche eine Reihe v o n Aemtern n a c h w e i s e n l ä s s t ,

den

ministe-

ältesten Zeiten

der

d e r e n I n h a b e r in d i e n e n d e r S t e l l u n g

d e n B i s c h ö f e n u n d P r i e s t e r n bei d e r V o r n a h m e ihrer F u n k t i o n e n z u r S e i t e s t a n d e n . A l s s o l c h e A e m t e r h a b e n s i c h in d e r a b e n d l ä n d i s c h e n K i r c h e Subdiakonen,

Akoluthen,

Exorcisten,

fixirt

Lektoren

die d e r

Diakonen,

und O s t i a r i e n .

Von

d i e s e n A e m t e r n f ü h r t d a s d e s D i a k ο η η s z u r ü c k a u f die h e i l i g e S c h r i f t 4 ; d e n D i a k o n e n w a r die V e r w a l t u n g d e s z e i t l i c h e n G u t e s u n d d i e S o r g e f ü r die A r m e n , K r a n k e n ,

Witt-

w e n u n d W a i s e n ü b e r t r a g e n , f e r n e r h a t t e n sie die R u h e u n d O r d n u n g b e i m G o t t e s d i e n s t e a u f r e c h t z u e r h a l t e n u n d bei d e m s e l b e n d e m B i s c h ö f e o d e r P r e s b y t e r H ü l f e z u l e i s t e n 5 . Der Umstand,

d a s s mit d e r A u s b r e i t u n g d e s C h r i s t e n t h u m s die v o r h a n d e n e n D i a k o n e n

f ü r d e n D i e n s t n i c h t a u s r e i c h t e n , umsovveniger a l s m a n v i e l f a c h in A n s c h l u s s a n die v o n in ounni lege extiterit. yuuin igitur in novo testaniento sanctum eucliaristiae sacriticium visibile ex domini institutions catholiea ecclesia aeeeperit, l'ateri etiam oportet in ea novum esse visibile et externum sacerdotium in quod vetus translatum est'". 1 Ibid. c. 2. — Uebrigens kann auch sacerdos und sacerdotium blos auf das Priesterthuui oder den Episkopat gehen. Auf beides bezieht sich sacerdotium z. Ii. in c. 1 1 . 1 ) . X X I I I . (c. 4. com·.. IV. C a r t h . ) ; vgl. auch A u g u s t , de civitate dei X X . 20 : „non utique de solis episcopis et presbiteris die,tum est qui proprie iam vocantur in eclesia sacerdotes'·; wahrend bei den Kirchenvätern, in den Dekretalen und Concilienschliissen der älteren Zeit das Wort: sacerdos schlechthin in der Regel den ISischof bedeutet, s. I l a l l i e r , torn. II. sect. II. c. 1. art. II. No. 2 i. f. P h i l l i p s , Kirclienrecht. 1, 2 8 2 . Note 2 9 ; vgl. auch c. 24 i. f. f l l i e i o n . ) D. XCIII., 1. 7 18. C. J . de episc. I. 3. Kp. I.eon. M. 10. ad ep. p e r V i e n n . c. 4. (ed. Ball. 1, 637). Priester bedeutet es in c. 3. X. de presb. non bapt. III. 43. Darüber dass aber auch die niederen Grade darunter begriffen werden s. c. 2 . X. de coli. cler. UI. 2 ; die Glosse dazu s. v. sacerdos, und l l a l l i e r , prolegoin. c. 1. Nr. 18. 2 Die geringere Stellung des Priesters ergiebt schon l i n i o c . I. ad Decent, (a. 416, C ο u s t a n t. 855) c. 3 : „Nam presbiteri licet sint secundi sacerdotes pontiiieatus apicem non liabent". 3 Trident. Sess. X X I I I . c. 2 : „Quum autem divina res sit tarn saneti sacerdotii ministeriurii, consentaneuni f u i t , quo dignius et inaiori cum veneratione exerceri posset, ut in ecclesiae ordinatissima dispositione plures et diversi essent niiiiistrorum ordiues qui sacerdotio ex oflicio deservirent ita distributi, ut qui iam clericali tonsura insigniti essent per minores ad malores adscenderent. Nam non solum de sacerdotibus, sed et de diaconis sacrae literae apertam mentionem faciunt et quae maxime in illorum ordinatione attendenda sunt gravissimis verbis decent et ab ipso ecclesiae Iiitio sequentium ordinum nomina atque unius-

cuiusque eorum propria ministeria, subdiaconi scilicet, acolythi, exorcistae, lectoris et ostiarii in usu fuisse cognoscuntur, quamvis non pari gradu ; nam subdiaconatus ad inaiores ordines a patribus et sacris conciliis r e f e r t u r , in quibus et de aliis inferioribus i'requentissiine legimus". « Act. VI. 1 — 6. X X I . 8 ; I. Timoth. III. 8—13. s C o n s t i t . a p o s t o l . lib. II. c. 5 7 . ; lib. II. c. 2 6 ; üb. III. c. 19. 20. üb. VIII. c. 1 2 ; üb. II. c. 44 werden sie g e n a n n t : ,,τοΟ έπισχόπου άχοή *αΐ 6φ9αλμος ν.α\ στόμα χαρδίατε*αί ψυχή 1 '. Vgl. ferner can. apostol. 41; c. 23. §. 4. ( P s e u d o l l i e r o y m . ) Dist. X C I I I . , c. 1. 7. (Isidor.) Dist. X X V : „Ad diaconum pertinet assistere sacerdotibus et ministrare in omnibus quae aguntur in sacramentis Christi: in baptismo scilicet, in chrismate et patena et calice, oblationes quoque inferre et disponere in altario ; componere etiam mensam domini atque vestire, crucem ferre et praedicare evangelium et apostolum. Nam sicut lectoribus vetus t e s t a m e n t u m , ita diaconis novum praedicare praeceptum est. Ad ipsum quoque pertinet ofllcium precum et recitatio n o m i n u m ; ipse praemonet aures haberi ad deum , ipse hortatur clamare, ipse donatpaceui et ipse annunciat." Vgl. ferner M o r i n t i s P. III. exerc. 9. c. 3, Τ h o m a s s i n , vet. et nova eccl. disciplina. I. lib. 2. c. 29. 33. J a c o b s o n in H e r z o g s Encycl. 3, 365. Das pontittcale Ronianum, de ordin. diaconi bezeichnet ihre F u n k t i o n e n : „diaconum enim oportet ministrare ad altare, baptizare et praedicare 1 '. — Schon früh werden sie in Folge ihrer Vergleichung mit den jüdischen Leviten des Tempels auch mit dem Ausdrucke: levitae bezeichnet. Vgl. C o n s t , a p o s t o l . lib. II. c. 2 5 : „ l e v i t a e autem vestri qui nunc sunt diaconi"; Siric. ad Him. (a. 385) c. 7 ; H i e r o n y m . ad Evang. i. f. (ep. 145. ed. Vallars. 1, 1077) c. 1. §. 13. (Isidor.) Dist. X X I ; diet. Grat, ill pr. D. cit., c. 2 3 (Pseudo-Hieron.) Dist. X C I I I ; Pontif. Roman. 1. c. „provehendi, lllii dilectissinii, ad leviticum ordinem".

§. 1.]

Der Begriff der Ordination und die Stufen derselben.

3

den Aposteln in Jerusalem getroffene Einrichtung an der Siebenzahl festhielt 1 , gab die Veranlassung zur Aussonderung der weiter erwähnten Aemter. Die S u b d i a k o n e n , welche schon im 3. Jahrhundert vorkommen 2 , nahmen die Gaben der Gläubigen in Empfang, um sie den Diakonen zur Niederlegung auf den Altar zu überreichen, sie trugen die heiligen Gefässe zum Altar und reichten den Bischöfen und Priestern das Wasser zum Waschen der Hände 3 . Gleichweit zurück lassen sich die übrigen Aemter verfolgen 4 . Die A k o l u t h e n erscheinen vorzugsweise als Begleiter des Bischofs, sie haben ferner bei der Abhaltung des Gottesdienstes die Lichter zu tragen und dem Subdiakon den Wein zu reichen 5 . Die Ε χ ο r e i s t e n waren zur Fürsorge für die Besessenen bestellt und hatten die unreinen Geister zu beschwören··. Den L e k t o r e n kam die Vorlesung der heiligen Schriften und anderen Lektionen (ζ. B. der acta martyrum) vom Ambo, ι c. 12. Dist. XCIII. (c. 14. Neocaes. a. 314 — 320) c. 23 eod. (Pseudo-Hieron.). Auch die römische Kirche zählte lange Zeit hindurch nur 7 Diakonen. Vgl. P h i l l i p s , Kirchenrecht 1, 340. 2 Cornelii ep. ad Fabium fa. 251 ?) Jaffe 8, Euseb. hist. eccl. V I . 43, in welchem der römische Klerus auf 46 Priester, 7 Diakonen, 7 Subdiakonen, 42 Akoluthen und 52 Exorcisten, Lektoren und Ostiarien angegeben wird. C y p r i a n i ep. 23. 29. 30. (ed. Oberthür). Vgl. ferner c. 30. conc. Eliberit. (u. a. 3 0 5 ) , c. 20. 21. 24. conc. Laodic. (a. 3 4 7 — 3 8 1 ) (c. 15. Dist. X C I I I ; c. 26. Dist. X X I I I ) . 3 c. 26. (c. 21. conc. Laod.) Dist. X X I I I verbietet ihnen möglicherweise n u r die Berührung der leeren vasa dominica. S. M o r i n u s , P . I I I , exerc. 11. c. 2 . ) Vgl. ferner c. 15. (c. 5. conc. Carthag IV. a. 398V), c. 32. (c. 66. Martini Bracar.) Dist. X X I I I ; c. 1. (Isidor.)§. 14. Dist. X X I . c. 1. (Isidor) 6 Dist. X X V : („Ad subdiaconum pertinet calicem et patenam ad altare Christi del'erre etlevitis tradere eisque ininistrare; urceolum quoque et aquam manile et manutergium teuere ; episcopoque et presbytero et levitis pro lavandis ante altare manibus aquam praebere". Das pontific. Roman, de ordin. subdiac. bemerkt über die Funktionen des Subdiakons: „subdiaconum enim oportet aquam ad ministerium altaris praeparare, diacono miriistrare, pallas altaris et corporalia abluere, calicem et patenam in usum sacrificii eidem offerre. Oblationes quae veniunt in altare panes propositionis vocantur. De ipsis oblationibus tantum debet in altare poni, quantum populo possit suffleere". Vgl. auch Catechism. Kornau. I'. II. c. 7. qu. 1 9 : „epistolam etiam quae olim a diacono in missa recitabatur, subdiaconus legit ac tanquam testis ad sacrum assistit, ne sacerdos sacra faciens a qnopiam perturbari possit'·. Vgl. überhaupt noch M o r i n u s exerc. cit.; F r i e d b e r g in H e r z o g s Encycl. 15, 201. 4 S. den Note 2 citirten Brief des Cornelius, Tertull. de praesc. c. 4 1 ; Cypriani ep. 55. 23. 29. 3 4 ; c. 24. conc. Laod., 1. 6. C. J . de episc. I. 3. (a. 3 7 7 ) ; s. auch H a l l i e r , t. II. sect. I. art. I. c. 1. No. 4 ff. 5 c. 16. (c. 6. conc. Carthag. IV.) Dist. X X I I I . , c. 1. (Isidor.) §. 17. Dist. X X I : „Acolythi graece, latine c e r o f e r a r i i d i c u n t u r a deportandis cereis, quando legendum est evangelium aut sacriflciuin offerendum; tunc enim accenduntur l u m i n a m

non ad effugandas tenebras, dum sol eodem tempore rutilet, sed ad signum laetitiae demonstrandum, u t sub typo luminis corporalis illa lux ostendatur de qua in evangelio legitur: Erat lux vera quae illuminat omnem hominem venientem in hunc mundum"; c. 1. (Isidor.)§. 3 : „Ad acolythum pertinet praeparatio luminariorum in sacrario; ipse cereum portat, ipse suggesta pro eucharistia, calices subdiaconis praeparat." In der römischen Kirche wurden sie auch dazu verwandt, das fermentum (das geweihte Brod, vgl. T h o m a s s i n . P . I. lib. II. c. 21. n. 9) an die verschiedenen Kirchen zum Zeichen der Gemeinschaft zu überbringen. I n HOC. I. ad Decent. Eugub. (a. 416) c. 5. Das pontifle. Roman. de ordin. acolythi sagt über ihre Verrichtungen: „Acolythum etenim oportet ceroferarium ferre, luminaria ecclesiae accendere, vinum et aquam ad eucharistiam ininistrare". ® Erwähnt werden sie schon in dem Briefe des Cornelius, ferner c. 24. conc. Laod.; 1. 1. § 3 . (Ulpian.)de extraord. cogn. L. 13 : „non tarnen, si incantavit, si imprecatus est, si ut vulgari verbo impostorum u t a r , exoreizavit, non sunt enim ista medicinae genera, tametsi sint qui hos sibi profuisse cum praedicatione affirment" kann sich wohl kaum auf christliche Exorcisten, weder auf die exorcistae per gratiain, H e r z o g , Encycl. 4, 290, noch die hier in Rede stehenden sogen, exorcistae per ordinem beziehen, wie P h i l l i p s , Kirchenrecht 1, 342 m e i n t ; dass diese ein Honorar bei den römischen Magistraten für das Exorcisiren A n fang des 3. Jahrhund, einklagten, erscheint bei Betrachtung des Zustandes der Christengemeinden selbst und der damaligen Stellung der Christen im römischen Reich doch kaum denkbar. Ueber die Funktionen der Exorcisten vgl. c. 17 (c. 7. conc. Carth. IV.) Dist. X X I I I ; c. 90. c. 92. conc. Carth. I V ; c. 1. (Isid.) § . 1 8 . Dist. X X I : „Exorcistae ex graeco in latinum adiurantes sive increpantes vocantur , invocant enim super catechumenos vel super eos qui habent spiritum immundum nomen domini J e s u , adiurantes per eum u t egrediantur ab eis"; c. 1. (Isid.) §. 2. Dist. X X V ; pontif. Roman, de ord. exorc. : „exorcistam etenim opoitet abjicere daemones; et dicere populo ut qui non communicat, det locum; et aquam in ministerio furniere. Accipitis itaque potestatem impoliendi manum super energumenos et per impositionem manuum vestrarum gratia spiritus sancti et verbis exorcismi pelluntur spiritus immundi a corporibus obsessis". 1*

4

I. Die Hierarchie und die Leitung· dor Kirche durch dieselbe.

{§. 1.

nicht vom Altar aus, sowie die Aufbewahrung der heiligen Bücher z u D i e O s t i a r i e n (auch ianitores, aeditui genannt) 2 endlich hatten die Kirchen zu öffnen und zu schliessen, sowie die nicht zum Eintritt Berechtigten fern zu halten. Ausser diesen verschiedenen Aemtern dienender Ordnung, an welche heute noch die besonderen im Pontificale Romanum vorgeschriebenen und im Gebrauch befindlichen Ordinationsritualien erinnern, werden aber in der älteren Zeit noch andere derartige Aemter erwähnt, so die der P s a l m i s t e n (Kantoren), der F o s s a n t e s (oder L a b o r a n t e s , κοπιάται), der c u s t o d e s m a r t y r u m , der n o t a r i i und d e f e n s o r e s 3 . Ihre Funktionen werden — abgesehen von den letzteren, über welche später zu handeln ist — schon durch die Namen bezeichnet, zweifelhaft ist aber das Verhältniss dieser Aemter zu den früher besprochenen. Während von einzelnen Seiten behauptet wird, dass ihre Aemter mit den übrigen verbunden gewesen sind 4 , lässt es sich wohl kaum in Zweifel ziehen, dass in einer Reihe von Kirchen und zu verschiedenen Zeiten eine verschiedene Hebung bestanden hat, und die Funktionen jener Aemter nur in manchen Kirchen mit anderen kombinirt gewesen sind 5 . Auch die eben besprochenen, das s. g. ministerium bildenden Aemter wurden mittelst eines feierlichen, religiösen Aktes übertragen 6 . Mit der seit dem 12. und 13. Jahrhundert Regel werdenden Uebung, dass die Ordination, die Ertheilung der Befähigung zur Ausübung der religiösen Vollmachten, und die Uebertragung des bestimmten Berufskreises, also die Ausübung der Befähigung, geschieden, mithin nicht mehr auf ein bestimmtes zu erlangendes Amt, sondern absolute ordinirt wurde 7 , stand es im Zusammenhang, dass die Ordnungen der Ministri blosse Uebergangsstufen wurden, welche zurErlangnng des sacerdotium durchlaufen werden mussten, denen aber ein durch das Amt gegebener Wirkungskreis nicht mehr entsprach. Dem gemäss entwickelte sich die durch das Tridentinum fixirte Lehre dahin: Die Ordination oder der ordo s umfasst die Stufen des B i s c h o f s , des P r i e s t e r s , 1 Auch sie kommen schon in dem Briefe des Cornelius vor. Vgl. f e r n e r c. 2 4 . conc. Laod., 1. 6. C. J . de episc. I . 3 ; c. 18. (c. 8. conc. Carth. I V . ) Dist. X X I I I ; c. 1. (Isidor.) § 15. Dist. X X I ; c. 1. (Isidor.) ö. Dist. X X V : „Ad lectorein pertinet lectiones p r o n u n t i a i e et ea quae prophetae vaticinarunt, populis praedicare". pont. Kornau, de ord. lect. : „Lectorem si quidem oportet legere ea quae (vel ei q u i ) praedicat, e t lectiones cantare, e t benedicere paiiern et omnes f r u c t u s novos". Vgl. auch N i t z s c h bei Herzog 8, 2 6 8 . 2 Vgl. vorstehende Note, f e r n e r c. 1 8 (c. 9. conc. Carth. I V . ) Dist. X X I I I ; c. 1. ( I s i d . ) § 15. D i s t . X X I ; c. 1. (Isid.) § 1. D i s t . X X V : „Ad ostiarium n a m q u e p e r t i n e n t claves ecclesiae, u t claudat e t aperiat t e m p l u m dei e t omnia quae s u n t intus e x t r a q u e c u s t o d i a t , fideles recipiat, ex.communicatos e t infideles excipiat"; pontif. Roman, de ord. o s t . : „Ostiarium oportet p e r c u t e r e cymbalum et c a m p a n a m , aperire ecclesiam et sacraliuni, librum aperire ei qui praedicat". 3 Vgl. H a l l i e r , P. II. sect. I. art. I . c. 1. η. 17 ff. Die ersteren auch e r w ä h n t in 1. 15. p r . C. T h . de episc. X V I . 2. * So H a l l i e r a. a. 0 . n. 2 4 ff. 5 Vgl. P h i l l i p s , Kirchenrecht 1, 3 1 4 . Die Stellen des heil. Isidor von Sevilla c. 1. pr. 15. Dist. X X I ; c. 1. 4. 10. Dist. X X V . sprechen f ü r die T r e n n u n g , da hier der psalmista besonders

neben den Diakonen etc. a u f g e z ä h l t wird. Ebenso der den exorcista ü b e r g e h e n d e Brief des Gelasius ad episc. p e r L u c a n . (a. 4 9 4 ) c. 2 : „ . . si assecutus est litteras sine q u i b u s fortassis nee ostiar i u m possit implere : u t si his omnibus quae s u n t praedicta fulcitur, continuo lector vel notarius a u t certe defensor effectus post tres menses e x i s t a t a c o l y t h u s " . . . Vgl. f e r n e r Nov. 123. c. 19 u n d vita Silvestri I. in libr. pontif. Dagegen beweisen c. 2 0 (c. 10. conc. Carth. I V . ) Dist. X X I I I ; c. 45. Martin. Bracar. n u r die vorgekommene Kombination. Die Mannichfaltigkeit der E n t w i c k l u n g zeigt sich auch darin, dass in der griechischen Kirche im L a u f e der Zeit n u r die S t u f e n des Diak o n a t s , Subdiakonats u n d des Lektors sich ü x i r t h a b e n . Vgl. H a l l i e r a. a. 0 . Nr. 2 7 . Morin u s P . III. exerc. 14. c. 1. 6 S. ζ. B. c. 11. 1 5 — 1 9 . (c. 4 — 9 . conc. Carth. IV.) Dist. X X I I I . 7 Vgl. u n t e n in der Lehre vom Ordinationstitel 8

8.

T r i d e n t . Sess. X X I I I . de sacram. ord. c. 3 : „Si quis dixerit, o r d i n e m s i v e s a c r a m o r d i n a t i o n e m iion esse vere et proprie sacramentuin a Christo domino i n s t i t u t u m vel esse flgment u m quoddam h u m a n u n i , exeogitatum a viris rer u m ecclesiasticarnm iuiperitis a u t esse t a n t n m ritum quondam eligeudi ministros verbi dei e t sac r a m e n t o r u n i : anathema sit", c. 6 : „Si quis di-

§. 1.1

Der Begriff der Ordination und die Stufen derselben.

5

des D i a k o n s , des S u b d i a k o n s , des A k o l u t h e n , des E x o r c i s t e n , des L e k t o r s und des O s t i a r i u s 1 , als durch die Weihe mittheilbare einzelne s. g. ordines'1. Darüber aber, ob s i e b e n oder a c h t solcher ordines anzunehmen sind, herrscht in der katholischen Lehre selbst Streit, weil über die Auffassung des Verhältnisses der bischöflichen Konsekration zur Priesterweihe bisher keine Einigung erzielt worden ist. Der überwiegende Theil der Schriftsteller, namentlich die älteren schon in Anschluss an einen Theil der Scholastiker 3 , entscheidet sich für das erstere 4 , indem der bischöfliche ordo von ihnen mehrfach als : »extensio perfectio prebyteratus« bezeichnet wird 5 . Obwohl sich nun nicht läugnen lässt, dass diese Ansicht abgesehen von ihrer weiten Anerkennung auch gewisse äussere Gründe für ihre Berechtigung geltend machen kann 6 , so ist doch namentlich wieder in neuerer Zeit die Meinung lebhaft vertheidigt worden, dass der bischöfliche und der priesterliche ordo wesentlich verschieden seien und daher a c h t ordines oder Weihestufen angenommen werden müssten 7 . Diese Ansicht möchte nicht nur deshalb viel für sich haben, weil die andere Lehre wesentlich mit der einseitigen Beziehung zusammenhängt , welche schon ein Theil der Scholastiker der Ordination auf das Sakrament des Altars giebt, sondern auch deshalb, weil das Tridentinum, welches die hier in Rede stehende Streitfrage nicht direkt entscheidet, doch jedenfalls ausdrücklich eine qualitative höhere Verschiedenheit des Priesters und Bischofs annimmt 8 . — Mitunter ist auch

xerit, in ecolesia catholica 11011 esse h i e r a r c h i a m d i vi Ii a o r d i n a t i o n e i n s t i t u t a m quae constat ex episcopis , presbiteris et m i n i s t r i s : anathema sit". 1 Trident. Sess. X X I I I . c. 2 . cit. 2 c. 1. §. 10. (Isidor.) Dist. X X V ; c. 2 . cit. Trid. Sess. X X I I I . 3 Vgl. T h o m . A q u i n. lib. I V . seilt. D . 2 4 . qu. 3. art. 2 . u. s u m m a theolog. P. I I I . suppl. Q. 40. art. 5. de sacram. ord. : „Respondeo dicendum q u o d o r d o potest aeeipi d u p l i c i t e r : uno modo secundum quod est s a c r a m e n t u m e t sie, u t prius dictum e s t , ordinatur omnis ordo ad eucharistiae sacramentum, u n d e cum episcopus non habeat potestatem superiorem sacerdoti, q u a n t u m ad hoc episcopatus noil erit ordo. Alio modo potest considerari ordo s e c u n d u m quod est officium quoddam respectu q u a r u n d a m actionum s a c r a r u m ; e t sie cum episcopus habeat potestatem in actionibus liierarchicis respectu corporis mystici supra sacerdotein, episcopatus erit ordo". 4 Vgl. z . B . B e l l a r m i n disp. de contr. Christ, fldei torn. I I . contr. I I . lib. I. c. 1 1 ; H a l l i e r , P. II. sect. I . c. 1. art. 1. (η. 9 — 2 1 ) . 5 Vgl. H a l l i e r , P . I I . sect. I I . c. 1. art. 2 . No. 4 ; M o r i n u s , P . I I I . e x . 3. c. 1. fi Abgesehen von der nicht officielle Gültigkeit habenden Uebersclirift des c. 2 . Sess. XXI11. Trid. kann in dieser B e z i e h u n g auf die Const. Innoc. I V . Sub catholicae v. 1254. § 3. n. 19. (M. Bull. 1, 100) verwiesen werden, wo es h e i s s t : „Ad haec volumus et expresse praeeipimus , quod episcopi Graeci Septem ordines s e c u n d u m morem ecclesiae Romanae de caetero conferant, cum h u c usque tres de minoribus circa ordinandos n e glexisse vel praetermisisse d i c a n t u r " , f e r n e r auf das „docendum erit hosce omnes ordines septenario numero contineri" des Catech. Roman. P. II. c. 7. qu. 12. (Vgl. auch F a c h m a n n , K i r c h e n r e c h t , 3. Aull. 1 , 2 0 1 ff1., namentlich S. 2 0 3

Note o). B e n e d i c t . X I V . h a t die Frage dahingestellt sein lassen (de synod, dioec. 8, 9 ) : „Sit vel non episcopatus ordo diversus a sacerdotio cuius ad m i n i m u m est extensio, perfectio e t complementum". 7 So namentlich von P h i l l i p s , Kirchenrecht 1 , 3 1 8 ff., welchem S c h u l t e , kathol. Kirchenrecht 2, 104 n. 3 folgt. Von den älteren Kanonisten mögen als A n h ä n g e r dieser Meinung g e n a n n t werden F a g n a n i comment, in deer. a d e . 1. lib. I. tit. 13. No. 3 3 f f . , T h o m a s s i η. vet. e t nova disc. lib. I . c. 1. n. 5 ff., F e r r a r i s , pronipta biblioth. s. v. „ordo" art. I. n. 17. 18. 9 Sess. cit. c. 4. : ,,1'roinde saerosancta synodus declarat praeter ceteros ecclesiasticos gradus episcopos qui in apostolorum locum s u c c e s s e r u n t , ail h u n c hierarchicum ordinem praecipue pertinere . . . eosque presbyteris superiores esse ac sacramentnin conflrmationis c o n f e r r e , ministros ecclesiae ordinäre a t q u e alia pleraque peragere ipsos posse quar u m f u n c t i o n u m potestatem reliqui inferioris ordinis nullam habent". can. 6. 7. eod. de sacram. ord. Von zwei P h a s e n ein u n d derselben W e i h e (so F a c h m a n n a. a. O.) d ü r f t e auch deshalb nicht zu sprechen sein, weil die katholische Kirche n u r den Bischöfen, nicht aber den Priestern die Succession in die Stelle der Apostel beilegt. — So wenig ich der E r k l ä r u n g E i c h h o r n s , K i r c h e n r e c h t 1 , 4 7 1 z u s t i m m e , so richtig ist doch seine B e m e r k u n g , dass f ü r den protestantischen S t a n d p u n k t die Ungelöstheit dieser Kontroverse als Beweis f ü r die ursprüngliche I d e n t i t ä t zwischen Bischof- und Presbyter-Amt angesehen werden k a n n ; Stellen, welche wie c. 2 4 . (Hieronyin.) Dist. X C I I I . , c. 5. (idem) Dist. X C V . diese Gleichheit b e z e u g e n , mussten durch ihre Beziehung auf das Opfer mit der katholischen Lehre in E i n k l a n g gebracht werden, womit denn bei der sonstigen Auffassung der Stellung des Bischofs j e n e s Schwanken gegeben ist.

6

I. Die Hierarchie unci die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 1.

noch die T o n s u r für eine besondere Weihestufe oder einen eigenen ordo erklärt w o r d e n s o dass man unter besonderer Zählung des ordo episcopalis und sacerdotalis n e u n ordines angenommen hat. Dieselbe ist aber nur das Zeichen des Eintritts in den geistlichen Stand und sie hat nie, wie die übrigen aus dem Diakonat hervorgegangenen niederen ordines, mit irgend welchen Funktionen des kirchlichen Dienstes in Verbindung gestanden. Das tridentinische Koncil erklärt die Ordination für eins der sieben Sakramente der katholischen Kirche, welches dem Geweihten die Fähigkeit zur Vornahme der Funktionen des ordo giebt und ihm den s. g., ihn von den Laien unterscheidenden, u n auslöschlichen character (indelebilis) aufdrückt 2 . Trotz dieser Bestimmung giebt es aber auch in ihrer Lehre hinsichtlich dieses Punktes eine Reihe ungelöster Streitfragen. Die Sakraments-Natur des ordo steht nämlich nur unbestritten fest für die Weihegrade des Bischofs und Priesters, für den des Diakons ist sie ebenfalls verhältnissmässig von Wenigen angezweifelt 3 , während viele katholische Theologen und Kanonisten die übrigen ordines nur als sakramentale Ritus bezeichnen 4 . Die Schwierigkeit, welche auch bei der D a r stellung der Lehre von der Ordination und ihrer verschiedenen Stufen sich zeigt, entaste lit d a r a u s , dass unter den einen Begriff der Ordination, welche nach der Lehre der katholischen Kirche e i n Sakrament ist, eine Reihe früher wirklich existirender Aemter gebracht sind, für die um so weniger eine besondere der des Bischofs und Priesters gleiche oder ähnliche geistige Befähigung angenommen werden k a n n , als schon lange vor dem Tridentinum die Funktionen, welche einst diesen Aemtern oblagen sogar durch Läien (— theils freilich auch durch die Priester und Diakonen —) mit besorgt worden sind 5 und die auf Wiederherstellung der alten Disciplin gerichtete Vorschrift des T r i dentinums 6 ohne praktischen Erfolg geblieben ist 7 . Die ordines des Bischofs, Priesters und Diakons, welche auf schriftmässiger Einsetzung beruhen, nennt man ordines hierarchicis. In der älteren Zeit wurden sie auch mit dem Ausdruck: ordines sacri bezeichnet 9 . Seit dem 12. Jahrhundert wird aber nach dem Zeugniss von Innocenz III. auch der S u b d i a k o n unter die ordines sacri gerech1 So namentlich F a g n a n . ad c. 11. X. de aet. et qual. I. 14. Nr. 45 ff. Das c. 11. X. cit. selbst, wonach: „per priniam tonsuram clericalis ordo confertur" spricht dies nicht aus, sondern nur, dass mit derselben die Zugehörigkeit zum geistlichen Stande überhaupt erworben werde. Vom Standpunkte des Tridentinums, welches c. 2. a. a. 0 . u. c. 6. de reform, die clericalie tonsura den ordines gegenüberstellt, kann von einem besonderen ordo, den die Tonsur ausmacht, nicht die Rede sein. Vgl. auch B e l l a r m i n . 1. c. u. H a l l i e r , P. II. sect. I. c. 1. art. 1. η. 24. („ut sit veluti solium ac pavimentum cui omnis aediflcatio cleri spiritalis innititur"), und P h i l l i p s a. a. 0 . 1, 312. 2 Trident. Sess. VII. de sacram. Sess. XXIII. de sacr. ord. can. 3. 4.

can.

1;

3 Für die Sacramentsnatur kann noch angezogen werden und wird citirt Trid. 1. c. can. 6. de sacram. ördin. Vgl. auch H a l l i e r 1. c. sect. I. c. 1. art. II. No. 7 ff. 4 Vgl. hierzu B e n e d . XIV. 1. c. c. 9 ; ferner H a l l i e r , 1. c. n. 17 ff., der es für probabile erklärt, dass diese ordines Sakramente sind.

5 M o r i n u s P. III. exerc. 11. c. 3. n. 4 ff. ; exerc. 12. c. 2. 6 Sess. XXIII. c. 17. de reform. 1 P h i l l i p s , Kirchenrecht 1, 346 (§. 37). Bei einer zusammenfassenden Darstellung wird man sich daher immer in Widersprüche verwickeln, was ζ. B. die Darstellung P e r m a n e d e r s (Kirchenrecht 4. Aufl. S. 219) zeigt, wo es heisst, nachdem bemerkt ist, diss die meisten die Ordinationen vom Subdiakonät ab nur für sakramentale Elten halten : „Die S a k r a m e n t s η a t u r der v e r s c h i e d e n e n W e i h e n ist g e n e r i s c h E i n e . " — Dass ordinatio auch in der Bedeutung von W a h l z u e i n e r k i r c h l i c h e n Würde und Anstellung auf ein bestimmtes Kirchenamt vorkommt, zeigt Leo I. ep. 10. ad ep. per Vienn. c. 4. (Baller. 1, 6 3 7 ) , conc. Arelat. II. (a. 443 o. 452) c. 5 4 ; c. 17. in VIto de praeb. III. 4. Vgl. ferner H a l l i e r , proleg. c. 4. 8 B e n e d . XIV. 1. c. c. 10. 9 So noch Urban. II. (1091. conc. Benevent, c. 1.) in c. 4. Dist. LX : „Nullus in episcopum eligatur, nisi in sacris ordinibu6 religiose vivens fuerit inventus. Sacros autem ordines dicimus diaconatum et presbyteratum". . .

§. 2.]

Inkapacität und Irregularität im Allgemeinen.

7

net l , so dass heute der Ausdruck: ordines sacri oder maiores die des Bischofs, Priesters, Diakons und Subdiakons umfasst, während ihnen die übrigen vier (die des Akoluthen, Exorcisten, Lektors und Ostiarius) als ordines minores oder rum sacri entgegengesetzt werden 2 . Wenn auch jetzt diese letzteren vier Weihen nur noch Uebergangsstufen sind, also die Funktionen derselben (wie auch vielfach die des Diakonats) nicht mehr ausgeübt werden, so ist der hervorgehobene Unterschied doch gerade für das Rechtsgebiet von entschiedener praktischer Bedeutung. Denn die Vorschriften über den zur Ordination erforderlichen Titel, über den Cölibat und die Verpflichtung des Gebetsdienstes (der Recitation des officium divinum aus dem Brevier) beziehen sich nur auf die Kleriker der höheren ordines, nicht auf die Minoristen 3 .

Π. Die Voraussetzungen der Ordination. A. Der Ordinande. §.2.

1. Inkapacität

und Irregularität

im

Allgemeinen.

Vollkommen unfähig (incapaces), die Weihe zu empfangen, sind nach göttlichem Gesetz zunächst die U n g e t a u f t e n , denn der Empfang der Taufe ist die Bedingung der Zugehörigkeit zur Kirche und ferner auch Voraussetzung des Empfangs der übrigen Sakramente 4 . Die an einem Ungetauften gleichviel, ob er sich für getauft hielt oder nicht, vollzogene Weihe ist daher ohne jegliche Wirkung, null und nichtig (invalida) b . Die blosse Sehnsuchtstaufe (baptismus flaminis) kann die wirkliche Taufe nicht ersetzen Bei Kindern christlicher Eltern, welche unter Christen erzogen sind, streitet aber eine praesumtio juris für die empfangene Taufe, fehlt auch dieser Anhalt in zweifelhaften 1 Schon der Urban II. überschriebene, aber sicher Alexander II. (1061 — 1073) angehörige c. 11. Dist. X X X I I . (s. ed. R i c h t e r n. 71, J a f f e n. 3503) hat diesen Sprachgebrauch : „eos qui in sacris ordinibus, presbyteratu, diaconatu, subdiaconatu sunt positi". Innocenz III. in c. 9. X. de aet. et qual. I. 14. („quum hodie subdiaconatus inter sacros ordines computetur") schreibt die erste Stelle Urban I., die letztere Urban II. zu, so dass damit die chronologische, wohl aus dem schon früher eingetretenen Schwanken des Sprachgebrauchs zu erklärende Schwierigkeit für ihn beseitigt ist. Vgl. auch c. 7. X. de servis non ordin. I. 18, eine der dem Innocenz III. fälschlich zugeschriebenen Dekretalen (s. ed. R i c h t e r und Τ h e i n e r , disquis. criticae p. 2 5 . ) ; danach ist es richtiger c. 1. (Alex. III.) X. de ordin. ab episc. I. 13. dahin zu verstehen, dass der Subdiakonat noch zu den Iiiederen AVeihen gehört, s. auch P h i l l i p s 1 , 348 ff. — Dass die gleiche Pflicht der Ehelosigkeit, welche den Subdiakonen ebenso wie den Inhabern der höheren ordines obliegt , nicht der Grund der Gleichstellung sein kann, zeigt der Umstand , dass die Verpflichtung der Subdiakonen zum Cölibat viel älter ist. S. auch M o r i n u s , P. III. exerc. 12. c. 5. Der Grund liegt wohl in der näheren Beziehung des

Subdiakonats zum Messopfer. S. P a c h m a n 11, Kirchenrecht 1, 204). Vgl. ferner unten §. 8. — Uebrigens bezeichnet schon c. 2. X. de cohab. cleric. III. 2. (Eugen. II. conc. Roman, a. 826) die presbyteri, diaconi und subdiaconi als sacerdotes. 2 Trid. Sess. XXIII. c. 2. 3 conc. B a s i l . Sess. XXI. c. 5. ( M a n s i 29, 106), sanctio pragmat. tit. XI. init. ( G ä r t n e r , corp. 1, 32), B e n e d i c t . XIV. const. Eo quainvis tempore a 1745. §§. 43. 44. (ejusd. bullar. Rom. 1, 520). 4 c. 2. (Bonif. VIII.)in VItoησάν τι μυστήριον έπιτελεΐν, άλλά μόνον διακονεΐν τά έπιτελούμενα". s Der Empfang des „munus benedictionis 1 ' ist nicht einmal absolut nothwendig, Cleui. 2. de stat. mouach. III. 10. Der Aebtissin wird nicht allein die Benediction der Nonnen, das Beichthören

§. 3.]

Inkapacität und Irregularität im Allgemeinen.

9

Mit den üngetauften und Personen weiblichen Geschlechts 1 ist die Klasse der incapaces beschlossen 2 . Diejenigen Personen, welche nicht incapaces sind, also gültiger Weise die Weihe empfangen könnten, erscheinen deswegen aber noch nicht ohne Weiteres geeignet, in den Klerus aufgenommen zu werden. Es kommt vielmehr vom kirchlichen Standpunkt aus ferner in Frage, ob nicht bei an sich fähigen Personen solche Eigenschaften und Verhältnisse obwalten, welche die Verwendung derselben zum kirchlichen Dienste hindern, weil die Betreffenden entweder die erforderlichen Funktionen nicht zu verrichten im Stande sind oder weil ihre Verwendung mit der Würde der Kirche in Widerspruch treten und einer gedeihlichen Wirksamkeit derselben hinderlich sein würde. Die nothwendigen Eigenschaften, welche auch der an sich Fähige besitzen muss, um die Ordination erlangen zu können (so Unsträflichkeit des Wandels, eheliche Geburt, hinreichendes Alter, Integrität des Körpers u. s. w.), hat das kirchliche Recht in Anschluss an einzelne Bestimmungen des alten und neuen Testaments festgesetzt 3 . Wer einer solchen durch das positive Recht vorgeschriebenen Eigenschaft ermangelt, soll nicht ordinirt werden, hat er aber die Weihe erhalten, so ist dieselbe nicht nichtig, vielmehr kann der Ordinirte nur nicht erlaubter Weise (licite), die in dem empfangenen ordo liegenden Befugnisse ausüben und ebensowenig einen höheren Weihegrad erhalten. Der Mangel einer der gedachten Eigenschaften wird mit dem seit dem 13. Jahrhundert technisch gewordenen Ausdruck : irregularitas bezeichnet 1 . Die Irregularitäten, als durch positives Recht aufgestellte impedimenta canonica für die Ordination bleiben eben deswegen auf den ausdrücklich gezogenen Kreis beschränkt 5 . Daher fällt 1. nicht jeder Fall des unerlaubten Empfanges oder Ausübens der Weihe unter die Irregularitäten 6 ; 2. über die und Predigen untersagt (c. 10. (Innoc. III.) X. de poenit. V. 38.), sondern es wird ihr auch eine wirkliche jurisdictio und Theilnahme an der potestas clavium ab- und nur eine potestas dominativa, domestica et materna zugesprochen. Vgl. c. 12. (Honor. III.) X. de inaior. et obed. I. 3 3 ; G o n z a l e z T e l l e z comm. ad c. cit. n. 5 ff., S c h m a l z g r u c b e r , ius eccles. lib. I. c. 31. Ii. 3 8 ; Κ ob e r , Kirchenbann (2. Aufl.) S. 80 ff. In dem Ausdruck „abbatissa ordinata" des c. 2. X. de testam. III. 26. (vgl. auch die Eidesformel im pontif. Roman, de bened. abbat. : „Ego ordinanda abbatissa promitto") ist das ordinäre in der Bedeutung: „constituere , in ein Amt einsetzen" gebraucht. 1 Die dem Hermaphroditen ertheilte Weihe ist nur dann gültig , wenn das männliche Geschlecht in ihm prävalirt. Nach der überwiegenden Meinung ist derselbe aber unter allen Umständen, nicht blos bei Notorietät des Sachverhältnisses ex defectu corporis i r r e g u l ä r . Vgl. H a l l i e r , P. II. sect. IV. c. 2. n. 36 ff. P e r m a n e d e r , Kirchenrecht. S. 2 2 2 ; P h i l l i p s a. a. Ο. 1, 450; a B o e n n i n g h a u s e n l . c. S. 13. 2 Die Fragen nach der Gültigkeit der Ordination bei einer widerstrebenden Willensrichtung des Ordinanden und nach der Möglichkeit des Ausschlusses bestimmter Personen durch den Bischof, von denen P h i l l i p s 1, 451 die erstere, F a c h m a n n 2, 208 die zweite an dieser Stelle behandelt, gehören.nicht hierher, denn es liegt hier keine dauernde, die Person vom Empfang einer gültigen Weihe abschliessende Eigenschaft

vor , vielmehr ist die Frage hier die, in wie weit in dem besonderen Falle die Gültigkeit der nach den allgemeinen Voraussetzungen zulässigen Weise beeinträchtigt wird. 3 Levit. X X I ; I. Timoth. III. 2 sqq., Tit. I. 6 sqq.; diet. Grat. c. 3. Dist. XXV. 4 Zuerst findet er sich bei P e t r u s B i e s e n s i s ( f u. 1200), speculum iuris canonici, (ed. lteimarus p. 101); hier bezieht er sich aber nur auf den Mangel der persönlichen Eigenschaften; den heutigen Sprachgebrauch haben dagegen schon die Dekretalen, ζ. B. c. 10. §§. 1. 6. X. de renunc. I. 9 ; c. 6. X. de bigam. non. ordin. I. 2 1 ; c. 33. X. de test. II. 20 (sämmtlich von Innocenz III.); c. 24. (Honor. III.) de homic. V. 1 2 ; c. 10. (Gregor. IX.) X. de cler. exeomm. V. 27. — Das „alienus a regula" in der Dionysischen Uebersetzung des c. 17. conc. Nicaen. (c. 2. Dist. XLVI1) — griechischer T e x t : „και άλλότριος τοΰ κανόνος εαται", Hispana: „alienus ab ecclesiastico habeatur gradu" (c. 8. C. XIV. qu. 4) — heisst nicht, wie v a n E s p e n , ius eccles. univ. P. II. tit. 10. c. 1. η. 1. und andere meinen, soviel wie irregularis, sondern dass der Geistliche aus dem Kanon, der Matrikel der betreffenden Kirche, (wegen des verübten Wuchers) gestrichen werden soll. 5

Vgl. hierzu a Bo e η η i n g h a u s e i l , 1. c. S.

18 ff.

6 Empfangen der Weihe im Zustande der Sünde, ist unerlaubt, eine Irregularität liegt aber nicht vor. S. F a c h m a n n , Kirchenrecht 2, 210 n. k. — Der im k l e i n e n Bann befindliche Geist-

10

I. D i e Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[jj. 2.

gesetzlich normirten Voraussetzungen hinaus ist die Annahme von Irregularitäten nicht auszudehnen 1 ; 3. wo die Irregularität nur für den Empfang einzelner Weihen angeordnet ist, darf sie nicht für sämmtliche angenommen werden 2 ; 4. aus dem Verbot des Empfanges der Weihen folgt noch nicht die Unerlaubtheit weiterer Ausübung der bereits licite erhaltenen Weihegrade 3 . Die einzelnen Fälle der Irregularitäten scheiden die Kanonisten in zwei Klassen, die eine bildet die irregularitas ex defectu, die andere die ex delicto4. Die Irregularitäten der letzteren Art entstehen durch die Begehung gewisser unerlaubter Handlungen (s. §. 5), sie setzen also immer eine Schuld des betreffenden Individuums voraus, während die der ersteren Klasse aus dem Fehlen einer bestimmten Eigenschaft hervorgehen, ohne dass es darauf ankommt, ob den Ordinanden eine Schuld trifft oder nicht 5 . Im Grunde sind aber die irregularitates ex delicto ebenfalls irregularitates ex defectu. Die Irregularität ex delicto tritt nicht als Strafe 6 für die begangene schuldbare Handlung ein. Ihr Zweck ist weder Besserung des Schuldigen noch Sühnung der verletzten ethischen und rechtlichen Ordnung durch etwaige dem Uebelthäter zugefügte Nachtheile, vielmehr ist die Irregularität lediglich vom Recht angeordnet, weil durch das Begehen solcher Handlungen die moralische Unwürdigkeit des Charakters, also ebenfalls der Mangel einer nöthigen Eigenschaft, dokumentirt ist. Auch der Umstand, dass mitunter die aus dem Vergehen entstehende Irregularität durch geleistete Busse gehoben werden kann, berechtigt noch nicht, die irregularitas ex delicto als Zuchtnüttel oder Censur im engeren Sinn aufzufassen, denn ihr Zweck geht, wie schon vorhin gedacht, nur darauf, moralisch Unwürdige von dem Stande der Geistlichen auszuschliessen, nicht diese zur Besserung zu bewegen, und ferner kann die Irregularität nicht einmal unter allen Umständen durch die Busse beseitigt werden 7 .

liehe soll nicht celebriren , irregulär ist er aber weder an und für sich durch die Exkommunikation , noch wird er es , wenn er trotz des Bannes die Funktionen des Ordo ausübt, c. 10. (Gregor IX.) X. de cler. exeomm. Y. 2 7 : „Si celebrat minori excommunicatione ligatus, licet graviter peccet, nullius tarnen notam irregularitatis incurrit." 1 c. 18. (Bonif. VIII.) in Vit» de sent, exeomm. V. 11 : „Is qui in ecclesia sanguinis aut seminis effusione polluta vel qui praesentibus maiori excommunicatione nodatis scienter celebrare praesumit,, licet in hoc temerarie agat, irregularitatis tarnen, q u u m i d n o n s i t e x p r e s s u m in iure, laqueum noil ineurrit." Es ist selbstverständlich, dass der Ausdruck: irregularis nicht nothwendiger Weise gebraucht sein muss, sondern dass schon bei klarer aus der Bestimmung des Gesetzgebers erhellender Absicht die Irregularität statuirt werden k a n n , so gründet die Schule ζ. B. die des im grossen Bann befindlichen Klerikers auf die Auslegung und das argumentum e contrario aus c. 10. X. de cler. exeomm. cit. Vgl. Κ ob e r , Kirchenbann, 2. Aufl. S. 308 ff.; P h i l l i p s 1, 426. Auch durch Gewohnheitsrecht kann die Irregularität festgestellt werden. S. R e i f f e n s t u e l V. 37 u. 6 7 ; B e r a r d i , comm. in V. libr. deer. P. II. diss. 4. c. 2. Beispiele davon im folgenden V. VII. 2, und §. 5. II. 7. 2 S. ζ. B. den folgenden Paragraph η. IX. 5.

a. E. und §. 15. II. 6. (Irregularität wegen apostasia a religione). 3 Vgl. c. 2. (Alex. III.) X. de eo qui furtive V. 30. 4 Den Anhalt dafür giebt c. 14. (Innoc. III.) X. de purgat. can. V. 3 4 : „quia etsi noil sit n o t a d e l i c t i , est tarnen nota d e f e c t u s i m pedientis ad sacros ordines promovendum. s So ist irregulär, wer in gewisser Weise verstümmelt ist, gleichgültig aber ist es, ob er selbst die Verstümmelung vorgenommen oder ihm dieselbe von einer andern Person zugefügt worden. 6 Das ist die Auffassung mancher früheren Kanonisten , welche allerdings schwankend geltend gemacht wird, weil nun die weitere Frage nicht zu erledigen war, ob eine poena im eigentlichen Sinn oder censura vorlag. Vgl. ζ. B. G o n z a l e z T e l l e z , comm. ad c. 20. X. de V. S. V. 20, K e i f f e n s t u e l , ius canon, lib. V. tit. 37. 4. η. 6 3 ; B e r a r d i , comm. in ius eccles. in V. libr. P. II. diss. 4. c. 2. (ed. Mediolani 2, 360. 371). Freilich wird schon in c. 1. (Bonif. XI.) de Privileg. Extr. comm. V. 7. gesagt: „irregularitatis poenam peccati sequelam", ein Ausdruck, welcher hier nur beiläufig gebraucht ist, also jedenfalls nicht für die Straf-Natur der Irregularität herangezogen werden kann. 7 Vgl. v a n E s p e n , ius eccles. P. II. tit. 10. c. 1. n. 1 2 ; P h i l l i p s 1,428ff. ; a B o e n n i n g h a u s e n , 1. c. S. 4 ff.

Die irregularitas ex defectu.

11

a. D i e e i n z e l n e n I r r e g u l a r i t ä t e n . * §.3.

aa. Die irregularitas ex defectu.

Die Irregularität geht einmal hervor aus Eigenschaften, deren Vorhandensein der Würde und dem Ansehen des Klerikers Eintrag zu thun, weil sie geeignet sind, bei dem Volke Anstoss Zu erregen. Unter diesen Gesichtspunkt fällt I. die Irregularität ex defectu natalium1, aus dem Mangel der ehelichen Geburt. Dem älteren Recht der Kirche ist die Ausschliessung von Personen wegen eines auf ihrer Geburt haftenden Makels unbekannt 2 . Erst Anfang des 10. Jahrhunderts macht sich dieser Gesichtspunkt durch das Verbot für die im Incest Erzeugten vereinzelt g e l t e n d I m folgenden Jahrhundert 4 treten dann auch Verordnungen gegen die Zulassung von Priesterkindern zu den Weihen hervor 5 , und wenig später werden die unehelichen Kinder überhaupt in dem gleichen Umfange für ausgeschlossen erklärt". Bei der Aufstellung dieses Verbots hat theils die Rücksicht mitgewirkt, der Zuchtlosigkeit der Kleriker vorzubeugen und die Möglichkeit der Succession in die väterlichen Aemter, also die Bethätigung des Nepotismus zu beseitigen, * Vgl. Tractatus iuridico-canonicus de irregularitatibus auet. Fr. E . a Β ο e η η i li g h a u s e η , Monasterii. fasc. I — I I I . 1863—1866. Aeltere Behandlungen aufgezählt bei L i p e n . biblioth. realis iuridica. Lipsiae 1707. 1, 644. Für die geschichtliche Entwicklung der einreinen Irregularitätsfälle bietet viel Material T h o m a s s i n , vet. ac nova disc. P. II. tit. I . c. 56 — c. 91. — Conferences ecclesiastiques du diocese d'Angers sur les irre'gularite's tenues en 1 7 1 0 , redigees par M. B a b i n par l'ordre de Möns. J e a n d e V a u g i r a r d eveque d'Angers. 1 Diese Bezeichnung kommt schon vor in c. 1. (Bonif. V I I I . ) ill VIto de liliie presb. I. 11. 2 Vgl. c. 5. (Hieronym.) auch c. 2 — 4 . 8. Dist. LVI. T h o m - a s s i n , 1. c. c. 80. n. 7 — 9 . 3 R e g i n o de synod, causis I. 429. Das hier oft angeführte c. 64. conc. Meld. a. 845. ( R e g i n o I. 4 2 8 ; c. 17. C. I. qu. 7.), welches die vom raptor u n d der rapta auch selbst in der nachher gültig abgeschlossenen Ehe erzeugten Söhne voll den Weihen ausschliesst, kann für die Entwicklung der Irregularität ex defectu natalium nicht in Betracht kommen. Abgesehen davon, dass es in die Reihe der die E n t f ü h r u n g mit allen möglichen harten Strafen bedrohenden Vorschriften der karolingischen Gesetzgebung gehört, (so auch B o e n n i u g h a u s e n 3, 7. n. 7.), enthält es nur eine von den Bischöfen gemachte Proposition, welcher von den weltlichen Grossen die Zustimmung zu Epernay 846 nicht ertheilt ist. Vgl. H e f e l e , Conciliengeschichte 4, 114. * Der von S c h u l t e , kath. K. R. 2, 108. n. 2 angezogene c. 8. conc. Aurel. III. a. 538. (bei Regin. I. 427) gehört nicht hierher, denn er handelt nicht vom Ausschluss der Konkubinenkinder, sondern derjenigen , welche sich eine Konkubine bei Lebzeiten oder nach dem Tode ihrer Frau halten (vgl. H e f e l e a . a. 0 . 2, 7 5 1 , R i c h t e r , K. R. §. 105. Note 8 . ) ; das ausgesprochene Verbot ist also die irregularitas ex defectu sacramenti. — c. 4. conc. Aurel. I. a. 511. giebt dem

Bischof die freie Verfügung hinsichtlich der Ordination der Priesterkinder, schliesst sie also nicht aus, während c. 10. conc. Tolet. I X . a. 655 (c. 3. C. XV. qu. 8 . ) durch die Erklärung der Priesterkinder zu Sklaven der Kirclie die Möglichkeit der Frage nach dem defectus natalium abschneidet. Z u m Beweis dafür, dass noch im 10. Jahrhundert diese Art der Irregularität nicht anerkannt ist, kann ζ. B. auf den bekannten 988 gewählten Erzbischof Arnulf von Rheims, den natürlichen Sohn des vorletzten Karolingers, Lothars von Frankreich, hingewiesen werden. Die Synode von P a v i a (a. 1018, s. H e f e l e 4, 638) c. 3. und die ihre Beschlüsse wiederholenden leges Heinrici II. c. 3. (Mansi 19, 3 4 3 ; LL. 2, 561) handeln ebensowenig von dem defectus natalium, sondern nur davon, dass die fllii clericorum servorum ecclesiae wieder Sklaven werden sollen , sprechen also nicht von den Söhnen f r e i e r Kleriker. 5 Als die älteste hierher gehörige Stelle darf wohl bezeichnet werden c. 8. conc. Bituric. 1031 (Mansi 19, 5 0 1 ) : „Ut fllii presbiterorum sive diaconorum sive subdiaconorum in sacerdotio vel diaconatu vel subdiaconatu nati, nullo modo ulterius ad clericatum suseipiantur: quia tales et omnes alii qui de non legitimo coniugio sunt nati, semen male dictum in scripturis divinis (Deuteron. X X I I I . 2 . ) appellantur nec apud saeculares lege haereditare possunt nec in testimonium suseipi. E t qui de talibus clerici nunc sunt, sacros ordines non aeeipiant sed in quocumque gradu nunc sunt in eo tantum permaneant et ultra non promoveantur". Vgl. ferner c. 12. (Alex. II. 1061—1073), c. 13. (Urb. II. ?), c. 1. 12. (conc. Melph. a. 1Ö89), die Hauptstelle c. 1. (conc. Pictav. a. 1078) X. de flliis presb. I. 17. β c. 1. X. h. t. cit. , c. 14. (Urban II.), conc. Claromont. a. 1095. c. 11. (Mansi 20, 8 1 7 ) : „Ut nulli filii concubinarum ad ordines vel aliquos honores ecclesiasticos promoveantur, nisi monachaliter vel canonice vixerint in ecclesia". — c. 5. X. de serv. non ord. I. 18.

12

I. D i e Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 3.

theils die Annahme, dass die Inkontinenz der Väter sich auf die Söhne fortpflanze, theils aber auch die mittelalterliche Anschauung von dem an der unehelichen Geburt haftenden Makel 1 , wofür die Vorschriften des alten Testaments über die Ausschliessung der aus unerlaubtem Geschlechtsumgang Entsprossenen vom jüdischen Priesterthum als Bestätigung herangezogen werden konnten. Ob ursprünglich die Beschränkung nur für die höheren Weihegrade galt und später weiter auf alle ausgedehnt ist oder von vornherein gleich auch die Unehelichen von den minores ausgeschlossen waren 2 , kann trotz des für das erstere theilweise sprechenden Wortlautes der citirten Stellen zweifelhaft erscheinen, weil Ende des 13. Jahrhunderts 3 die Ausschliessung von den minores ordines vorausgesetzt wird, und sich von einer etwaigen Aenderung des früheren Rechts keine Spur findet. Auf diesen Grundsätzen ruht noch das heute geltende Recht. Ex defectu natalium sind demnach von der Erlangung sämmtlicher Weihen alle diejenigen ausgeschlossen, welche weder aus einer kirchlich gültigen noch wenigstens aus einer als matrimonium putativum zu betrachtenden Ehe herstammen 4 . Die in den Quellen besonders ausgezeichnete Irregularität der in sacerdotio geniti (selbst der nach der Ordination mit der vorher rechtmässig angeheiratheten Ehefrau erzeugten Kinder) 5 ist in diesem Satz von selbst mit einbegriffen 6 . Das Nichtbekanntsein der unehelichen Geburt beseitigt die Irregularität nicht 7 . In Betreff der Findelkinder besteht weder eine Präsumtion für die Ehelichkeit noch für die Unehelichkeit, als solche können sie jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, es ist vielmehr der Beweis ihrer Ehelichkeit zu erbringen. Gelingt dies nicht, so bleibt freilich nichts Anderes als Dispensation übrig, da dann die Abwesenheit des Mangels nicht konstatirt ist 8 . 1 Vgl. S e i t z , Zeitschr. für Kirchenr.- etc. Wissenschaft 2, 414. P h i l l i p s 2, 534 ff. 536ff. a B o e n n i n g h a u s e n 1. c. p. 10 ff. Die gedachten Gesichtspunkte auch angedeutet in der pars decisa von c. 15. (Innoc. III.) X. h. t. Ueber die Verhältnisse der rechtmässigen Kinder der Priester, also namentlich der vor der Ordination geborenen — die S. 11. Ii. 5 citirte Synode von Bourges schliesst die Irregularität f ü r sie aus — ergeben die a. a. 0 . angeführten Stellen des Corp. j u r . nichts. Später ist freilich der Grundsatz, dass selbst der rechtmässige Sohn des Klerikers nicht in das Benettcium des Vaters succediren soll, ausdrücklich ausgesprochen c. 11. X. (Alex. III.) h. t. Handelt es sich hierbei freilich nur um die Idoneität des Betreffenden, nicht um die Irregularität , so wird doch in den einschlägigen Dekretalen des tit. 17. Buch I., die meistens nach England gerichtet sind, zwischen den rechtmässigen und unrechtmässigen Priestersöhnen nicht unterschieden, weil man das Erblichwerden der Aemter verhindern wollte und die Aufstellung der Irregularität für die in sacerdotio geniti wegen der Möglichkeit der Dispensation oder, wie in England geschehen, wegen der Nichtbeachtung derselben allein nicht ausreichte. Das Weitere über diesen Punkt gehört in die Lehre von der Besetzung der Aemter. 2 So L a s p e y r e s a. a. 0 . S. 43. 3 c. 2. c. 1. (Bonif. VIII.) in VIto h. t. I. 11. setzt diese Ausdehnung voraus. Nähere Anhaltspunkte fehlen. 4 Das Nähere darüber ist aus der Darstellung des Eherechts zu entnehmen.

5 c. 2. c. 14. X. h. t. Umgekehrt sind, nach demselben Princip, weil die Kleriker niederer Grade in der griechisch-unirten Kirche sich gültig verheirathen, und da die höheren die früher schon geschlossenen Ehen fortsetzen können , die aus diesen Ehen entsprossenen Kinder nicht irregulär. Vgl. c. 14. Dist. X X X I ; c. 6. X. de cleric, coniug. III. 3; c. 7. X. depoenit. V. 38. R e i f f e n s t u e l , ius canon, lib. I. tit. 17. η. 6. 6 Die Unterscheidung der verschiedenen Klassen von unehelichen Kindern (iilii naturales, mamzeres, nothi, spurii) ist für das Princip, nach welchem der defectus natalium zu bestimmen, vollkommen gleichgültig; nur bei Gewährung der Dispensation kann die Art der Erzeugung in Frage kommen, c. 10. §. 6. X. renunc. I. 9. 7 Das Gegentheil ist mehrfach von älteren Kanonisten behauptet worden. Die dafür angezogenen c. 10. X. h. t. u. c. 10. X. de tempor. ord. I. 11. beziehen sich gar nicht auf den defectus natalium und.die von demselben handelnden Quellenstellen machen nirgends einen solchen Unterschied. Vgl. über diese Kontroverse Β ο e η η i η g h a u s e n p. 53. 8 S. S c h u l t e , kath. Kirchenrecht 2, 109. Note 1. Nach Weisungen der älteren Literatur bei P h i l l i p s 2, 5 4 0 ; B o e n n i n g h a u s e n p . 2 8 f f . Die vielfach erwähnte Bulle Gregors XIV von 1591 (vgl. S c h m i e r , iurispr. canon, civil, lib. I. tract. IV. c. 6. sect. 1. η. 34. — P e r m a n e d e r , §. 129 verwechselt sie mit der Bulle: Circumspecta), wonach die mit der Fürsorge von Findelkindern sich beschäftigenden Confraternitäten das Privileg haben, dass die Pfleglinge derselben als

Die irregularitas ex defectu.

§.3.]

13

Beseitigt w e r d e n kann diese Art der Irregularität: 1) durch den definitiven Eintritt in ein Kloster oder R e g u l a r s t i f t 1 .

Die Bestim-

mung des P a p s t e s S i x t u s V . in der Constit.: Cum de omnibus vom 2 6 . N o v e m b e r 1587,

wodurch das Dekretalenrecht in Betreff gewisser K l a s s e n der unehelich G e b o -

renen beschränkt w i r d 2 , ist durch die Bulle Gregors X I V . : Circumspecta vom 15. März 1 5 9 1 3 wieder beseitigt worden.

D e r Professleistung in anderen Orden steht die A b l e -

gung der vota simplicia n a c h zweijährigem Noviziat im Jesuiten-Orden g l e i c h 4 , nicht aber die der neuerdings

5

auch bei den übrigen Männer-Orden eingeführten, der defini-

tiven Professleistung vorhergehenden einfachen G e l ü b d e 6 .

D u r c h den definitiven E i n -

tritt wird die Irregularität für die F o l g e z e i t in der W e i s e gehoben, dass der defectus selbst dann nicht wieder entsteht, w e n n die betreffende P e r s o n aus dem Orden entlassen oder ausgestossen w i r d 7 , w ä h r e n d selbstverständlich durch später stattgefundene Ν u l l i tätserklärung der Professleistung zugleich d a s fernere Obwalten des defectus natalium konstatirt i s t 8 . 2) K a n n die hier in Rede stehende Irregularität durch die nachfolgende L e g i t i m a tion gehoben w e r d e n , und z w a r durch alle kirchenrechtlich anerkannten Arten d e r selben (also durch nachfolgende wirkliche oder P u t a t i v - E h e , durch dispensatio in radice matrimonii und durch päpstliches Reskript) 9 . eheliche Kinder gelten, ist wohl nur für einen speciellen Fall ergangen, vgl. a Β ο e η η i u g h a u s e n , p. 30. Note 3 7 , wie sich auch von andern Päpsten dergleichen Specialbullen vorfinden; s. P y r r h i . C o r r a d i praxis dispens. apostolic. Colon. 1678. lib. III. c. 2. n. 9. — Andererseits erkennt die römische Praxis bei in der Ehe geborenen Kindern weder die Behauptung der Eltern, noch ein Gerücht, dass das Kind im Ehebruch erzeugt sei, für genügend an, um zur Dispensation zu schreiten, vielmehr lässt sie die davon betroffenen Personen ohne Weiteres zur Ordination zu. S. den Fall in den Analect. jur. pont. 1858. p. 364. 1 Diese Bestimmung ist so alt wie die Aufstellung der Irregularität selbst. Vgl. c. 1. (a. 1078) X. h. t. I. 17; c. 1. 11. (a. 1089 Urb. II.) Dist. LVI. Die Worte der ersten Stelle („aut in canoniis religiose probati fuerint") und der letzteren („in congregatione canonica regulariter viventes") können unmöglich, wie manche Aelteren wollen, auf das blosse Noviciat oder gar die blosse Erziehung im Kloster gedeutet werden, vgl. F a g n a n . comm. ad c. 1. X. cit., B o e n n i n g h a u s e η p. 59. 2 2 : „ . . . . prohibemus , ne illegitimi procreati ex iricestu aut ex sacrilegio (quorum scilicet parentes consanguinitate vel afünitate intra tertiuin gradum invicem coniuncti fuerint, vel quorum alteruter parens castitatem deo voverit), etiam apostolica, imperiali vel regia aut quavis alia auctoritate legitimati, aut natalibus restituti, ad aliquem quorumcumque ordinum, etiam Mendicantium et non Mendicantium, fratrum, monachoruin , eremitarum vel canonicorum aut clericorum regularium congregationum aut hospitalium religionem, neque ad habitum nec professionem reguläres recipi vel admitti quoquo modo possint" „perniittimus, ut praefati illegitimi . . . . ad habitum coiiversoruin seu famulorum in monasteriis vel domibus regularibus servientium recipian-

tur . . . . ea tarnen conditione, ut ad habitum religiosorum vel ad professionem quam religiosi emitteresolent,emittendam, n e c n o u a d o m n e s non modo sacros sed e t i a m m i n o r e s o r d i n e s v e l ad c l e r i c a l e m c h a r a c t e r e m . . . sint eis portae perpetue clausae et obseratae". (Magn. Bull. 2, 656). 3 §. 2 : „Volentes iisdem constitutionibus (von Sixtus V.) non obstantibus eos qui quovis modo illegitimi procreati fuerint ad habitum et professionem reguläres admitti posse quemadmodum admitti poterant, si superdictae constitntiones editae non fuissent." (1. c. 2, 758). Die besonderen statutarischen Bestimmungen, welche die Aufnahme von Unehelichen für einen bestimmten Orden oder eine bestimmte Korporation ausschliessen, sind selbstverständlich damit nicht ausser Kraft getreten. 4 Denn die Ableistung dieser Gelübde bindet die betreffende Person auf immer. S. Const. Gregorii XIII. : Ascendente domino vom 14. Juni 1584. §§. 6. 17. 21. (1. c. 2, 506). 5 Vgl. Decretum: Regulari disciplinae v. 25. Januar 1848 und Encyclika: Neminem latet vom 19. März 1857 ( M o y , Archiv 16, 353; 9, 437). 6 Entsch. der Congr. s. statu regulär. 20. Jan. 1860 (Moy 17, 28). 7 Darüber herrscht Einstimmigkeit. S. 1! ο e n n i n g h a u s e n p. 61. s Die weiter bei dieser Lehre behandelte Frage, welche Aemter ein solcher Religiose erwerben kann (vgl. ζ. B. B o e n n i n g h a u s e n p. 62 ff.) gehört nicht hierher, ebensowenig die Bestimmung der Bulle: Circumspecta, dass der „fllius illegitimus in religione in qua pater sive ante sive post nativitatem dicti fllii professus fuerit, ipso patre vivente non admittatur". 9 Das Weitere unten beim Eherecht. Vgl. vorläullg S c h u l t e , Eherecht, S. 401—407, B o e n n i n g h a u s e n p. 63—94.

14

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 3.

3) Endlich wird der defectus natalium durch Dispensation beseitigt, ein Mittel, welches sich dadurch von der Legitimation durch päpstliches Reskript unterscheidet, dass es allein die Irregularität, nicht aber die übrigen Folgen der unehelichen Geburt vernichtet. Berechtigt zur Dispensation ist nach einer schon von Bonifazius VIII. gesetzlich sanktionirten Ansicht 1 für die ordines minores der Bischof 2 , für die maiores der Papst 3 . In dem Gesuch um die Dispensation muss die Art der Illegitimität genau angegeben werden, weil diese für die Entscheidung über das Gesuch von Einfluss sein kann 4 . Die gewöhnlich der Dispensation beigefügte Klausel: »dummodo paternae incontinentiae imitator non sit sed bonae conversationis et vitae « hat nicht die Bedeutung einer fortwirkenden Bedingung, sondern nur einer Instruktion für den mit der Untersuchung und demnächstigen Ertheilung beauftragten Delegaten 5 . Endlich soll die ertheilte Dispensation immer strikt ausgelegt werden 6 . II. D i e I r r e g u l a r i t ä t ex defectu corporis. In den ältesten Zeiten beobachtete die Kirche lediglich die aus der Natur der Sache sich ergebende Regel, dass diejenigen Personen, welche durch Gebrechen physisch an der Vornahme der geistlichen Funktionen gehindert waren, nicht ordinirt wurden 7 . Seit dem 5. Jahrhundert macht sich aber in der Gesetzgebung der lateinischen Kirche die Anschauung geltend, dass auch andere körperliche Missgestaltungen und Verstümmelungen von den Weihen ausschliessen 8 , indem man entgegen der älteren Zeit auf die Bestimmungen des Mosaischen Rechts zurückgriff 9 , und anscheinend den Gesichtspunkt aufstellte, dass jeder körperliche Makel irregulär machte. In den zahlreichen, seit dem 5. Jahrhundert ergangenen Entscheidungen im Corpus iuris 1 0 findet sich zwar ein allgemeines Princip nicht ausgespro1 c. 1. in VI 10 h. t. I. 11; schon früher ist das auä c. 18. (Gregor IX.) X. h. t. I. 17. hergeleitet worden. 2 Und zwar der kompetente, indessen nach einer Entscheidung der S. C. C. v. 5. Februar 1804 nicht der freilich zur Ordination ratione familiaritatis befugte Bischof. Boenninghaus e n p. 96. Note 4. Gleich steht der Kapitularvikar sede vacante, auch die praelati inferiores cum jurisdictione quasi episcopali haben dasselbe Recht. Vgl. R e i f f e n s t u e l , jus can. lib. 1. tit. 17. η. 15. In Betreff der Diöcese Kom selbst s. Analecta jur. pont. 1855. p. 2755. 3 Auf Grund des Trid. Sess. XXIV. c. 6. de reform., wonach der Bischof von irregularitates ex delicto occulto provenientes der Regel nach dispensirt, kann ihm für die höheren Weihen in dem Fall, wo die Illegitimität unbekannt ist, das Dispensationsrecht, wie manche Aelteren wollen, nicht beigelegt werden. Die irregularitas ex defectu natalium ist keine ex delicto proveniens. Ebensowenig ist eine Ausnahme zu statuiren, wenn der bona flde Ordinirte erst nachher seine uneheliche Geburt erfahrt und dadurch in die Lage kommt, die Dispensation nachsuchen zu müssen. Vgl. B o e n n i n g h a u s e n p. 113 ff. — Ein für alle Mal sind von diesem Defect die Alumnen des Collegium Anglicanum in Rom durch die Krrichtungsbulle Gregors XIII. v. 23. April 1579 §. 13. (M. Bull. 2, 455) dispensirt worden. 4 Vgl. dazu c. 10. §. 6. X. de renunc. I. 9. 5 Vgl. die Entscheidung der S. C. 0. v. 23. December 1596bei B e n e d : XIV. de synod, dioeces. lib. XIII. c.24. n. 22., s. auch B o e n n i n g h a u s e n p. 116.

6 c. 1. § 1. in VI»« h. t. I. 11: („quam exorbitantem a iure oportet velut odiosam restrin^r). Nähere Konsequenzen dieses Satzes und Kasuistik bei B o e n n i n g h a u s e n S. 108 ff. " Const, apost VI, 23 : ,,άντί δέ μιας φυλής έφ' έκαστου έθνους προστάξας τους άριστους εις ίερωσΰνην προχειρίζεσθαι και ού τά σώματα μωμοσκοπεϊσίΐαι" (offenbar gegen Levit. XXI. 17 ff. gerichtet). Can. apost. 76 : „Ei τις ανάπηρος ή τον δφθαλμον ή το σκέλος πεπληγμένος, άξιος δέ έστιν, έπίσκοπος γινέσθω · ου γάρ λώβη σώματος μιαίνει, αλλά φυχής μολυσμός". c. 77 : „Κωφός δέ ιΰ ν και τυφλός μή γινέσθαι έπίσκοπος' ούχ ώς βεβλαμμένος, αλλ' ϊνα μή τά έκκλησιαστικά παρεμποδίζοιτο. c. 6. (Innoc. I. a. 402—417.) Dist. LV. Vgl. überhaupt T h o m a s s i n . P. II. lib. I. c. 78. n. 1—7. c. 79., c. 82. 83. n. 7. 8. 8 c. 3. (Hilar, a. 456) c. 1. (Gelas. a. 494) Dist. LV., c. 59. (ders.) Dist. L., c. 10. (Gregor. I.) Dist. XXXIV, welche ganz allgemein die „aliqua membrorum damna perpessi" und „corpore vitiati1' für irregulär erklären. Vgl. ferner c. 6. conc. Aurel. III. (a. 538). 9 c. 5. Dist. XXXIII. u. c. 1. Dist. XXXVI. (Gelas. a. 494) deuten unzweifelhaft auf Levit. XXI. 17 ff. hin. ω Vgl. z. B. c. 13. (inc. temp.) Dist. LV. (Verlust des Auges), c. 4. X. de cleric, aegrot. III. 6. (Aussatz); c. 11. Dist. LX. c. 2. X. eod., c. 6. 7. X. de corp. vit. I. 20. (Verstümmlung an den Fingern und der Hand); c. 10. (conc. Trib. a. 895.) Dist. LV. (Lahmheit); c. 2. (inc. temp.) Dist. XXXIII.; c, 14 (Gregor I.) C. VII. qu. 1. (Wahnsinn); c. 5. (Gelas.) Dist. XXXIII; c. 6. conc. Aurel. III. a. 538., c. 3. (Tolet. XI. a. 675)

Die irregularitas ex defectu.

15

chen, indessen lässt sich dasselbe schon aus den Bestimmungen der einschlägigen D e kretalentitel 1 klar erkennen. Der hieraus zu entnehmende, nooh heute geltende Grundsatz ist der, dass solche Krankheiten und Gebrechen irregulär machen, welche die V o r nahme aller oder doch der wichtigsten 2 geistlichen Funktionen ganz hindern oder die Aueübung derselben nicht ohne Gefahr der Verletzung der Würde des Gottesdienstes gestatten 3 , oder endlich bei der Gemeinde Anstoss, Aergerniss und Anlass zu Spott geben und dadurch der Ehrfurcht vor den heiligen Handlungen oder dem Ansehen und der gedeihlichen Wirksamkeit des geistlichen Standes Eintrag thun könnten 4 . In der Regel werden sogar mehrere der hervorgehobenen Momente konkurriren und daher ist eine strenge Sonderung der einzelnen Fälle nach den drei hervorgehobenen Gesichtspunkten nicht gut möglich 5 .

Als irregulär gelten wegen Unfähigkeit die heiligen Funktionen

vorzunehmen die Tauben (nicht unter allen Umständen Harthörige), die Stummen, erheblich Stotternde, die Blinden, die der Sehkraft des linken Auges total Beraubten 6 , diejenigen, welchen Hände und Flisse oder eins dieser Glieder fehlen, welche an Krücken oder mit einem Stelzfuss gehen, denen die A r m e , die Hände oder die Finger gelähmt sind 7 . Ferner sind irregulär solche Personen, welchen der Zeigefinger oder Daumen fehlt oder die an diesen Gliedern verstümmelt sind. Bei Lahmen tritt Irregularität ein, wenn sie eines Stockes bedürfen, oder wenn das Hinken so stark ist, dass es die Sicherheit der Bewegungen beim Gottesdienst hindert oder der letztgedachte Gesichtspunkt, die Gefahr, der Gemeinde Anstoss zu geben, in Frage kommt. Dist. X X X I I I ; c. 10. ( T o l e t . X I . ) . C. V I I . qu. 1 ) ; ο. 1. ( A l e x . I I . 1 0 6 1 — 1 0 7 3 ) C. V I I . qu. 2. ( B e sessenheit und Epilepsie). Der anscheinend strengere Standpunkt, welchen die vorhin citirten Stellen des Gelasius haben, ist schon in den späteren Dekretsstellen verlassen. V g l . ζ . B. c. 11. Dist. L V . cit. 1 X . de corpore vitiatis ordinandis vel noil 1 . 2 0 ; X . de clerico aegrotante vel debilitato III. 6. 2 c. 6. X . h. t. I . 2 0 ; c. 6. X . de cler. aegrot. I . 2 0 ; c. 7. X . h. t. I . 20 : , , . . si ad frangendam eucharistiam sit in pollice ipso potens . . . . propter deformitatem huiusmodi non dimittas quin eum ad ordinem promoveas sacerdotis". (c. 2. X . de clerico aegrot. III. 6). Es kommt hier vor A l l e m die Fähigkeit das Messopfer zu verrichten in Betracht, weil. F i r h i n g , comm. I . 20. η. 1 0 . ) : „alii ordinum gradus et ministeria ad raissae sacriflcium tamquam ultimum flnem ac complementum eorum referuntur et . . . reqniritur in promovendo ad illos habilitas et capacitas ad sacerdotium, ad quod alii ordines ordinantur". 3 c. 1. X . h. t ,quum ipse non perdiderit tantum de digito quin sine scandalo possit solemnitates celebrare, satis potes . . . . permittere eum in suo ordine ministrare".. . 4 c. 3. X . de cleric, aegrot. I I I . 6 . : „ D e rectoribus ecclesiarum macula usque adeo infectis quod altari servire non possunt nec sine magno scandalo eorum qui sani sunt, ecclesias ingredi etc." Ueber das im T e x t hingestellte Frincip herrscht vollkommene Uebereinstimmung, wenngleich dasselbe verschieden formulirtwird. V g l . z . B . G o n z a l e z T e l l e z comm. ad c. 2. X . h. t . ; v a n E s p e n J. E . U. F . II. tit. c. 5. ii. 12. 13., R e i f f e n s t u e l , I . 20. n. 9., S c h m i e r lib. I . tr. I V . § . 6. s. 3. n. 213. 2 4 0 . 2 6 1 . 262., J. H . B ö h m e r , ius eccl. I . 20. § . 1., Walter,

Der zweite Gesichtspunkt in V e r -

Kirchenr. § . 208., P h i l l i p s , Kirchenr. 1, 461 ff., S c h u l t e , Kirchenr. 2, 111., B o e n n i n g h a u s e n S. 139., E i c h h o r n , Kirchenr. 1, 487., L a s p e y r e s a. a. O. S. 4ö., R i c h t e r , K . R . § . 105. Bei den älteren ( v g l . ζ . B. B e r n h a r d u s P a p . summa I . 12. § . 1 . ) wird die Gränze durch die Unterscheidung zwischen bedeutenden und geringen Gebrechen gewonnen, und bei ihnen die hier praktisch gleichgültige sich noch im 18. Jahrhundert (s. B ö h m e r 1. c . ) findende Eintheilung in mutilati und debilitati (so schon bei Bernhard) oder in mutilati, debilitati deformes (so I I ο s t i e η s i s summa aurea I. 2 0 . ) aufgestellt. 5 V g l . zu dem Folgenden P h i l l i p s 1, 464 ff., Β o e n I i i η g h a u s e η S. 189 ff., und die E n t scheidungen der Congregatio concilii zu c. 6. de reform. Sess. X X I V . conc. Trid. in der Ausgabe von R i c h t e r u. S c h u l t e n. 12 if. S. 3 4 0 f f . 6 Des s. g. oculus canonis, weil der Priester mit diesem den Messkanon liest. Ist die Sehkraft des rechten so stark, dass der Geistliche ohne die vorgeschriebene Stellung zu verändern, lesen kann, so tritt nach der fast einstimmigen Ansicht der Kanonisten die Irregularität nicht ein. In einem Fall von 17Ü1 hat aber die C. C. die Dispensation für nöthig erachtet. Vgl. Β ο e η η i η g h a u s e n S. 197. 11. 21. Haltbar erscheint das nicht. 7 Es kommt hierbei in Betracht, dass solche Personen nicht die erforderlichen Kniebengungen verrichten, ebensowenig das Zeichen des Kreuzes machen, ferner nicht beim Messopfer den Kelch erheben und die Hostie brechen können, oder dass bei der Vornahme dieser Funktionen doch hier mindestens die Gefahr vorliegt, dass dieselben nicht in einer der W ü r d e des Gottesdienstes oder des geistlichen Standes entsprechenden Weise verrichtet werden.

16

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 3.

bindung mit dem eben erwähnten bedingt ferner die Irregularität der mit der Epilepsie Behafteten und solcher Personen, welche den Genuss von Wein nicht vertragen können (s. g. abstemii) oder an Erbrechen leiden.

Endlich sind als irregulär zu bezeichnen

Aussätzige, der N a s e Beraubte, Personen von zwerghafter oder sehr kleiner Gestalt, von auffallender Buckligkeit,

oder mit andern

bedeutenden Missgestaltungen

Be-

haftete. E s scheint mir kein Bedenken zu haben, s. g . Geisteskrankheiten zu begreifen.

unter dem defectus corporis auch die

Irregulär macht W a h n - und Blödsinn,

mag

ersterer auch nur periodisch und nicht beständig hervortreten, j a selbst später durch Heilung beseitigt sein.

Dasselbe schreiben die Kanones für die Besessenen (energu-

m e n i , daemoniaci, correptitii) v o r 1 .

Die Kanonieten bezeichnen die eben hervorge-

hobenen Mängel mit dem Ausdruck defectus animi,

welcher aber auch für verschiedene

andere Fälle der Irregularität gebraucht w i r d 2 . Ob der defectus corporis absichtlich, bez. wenigstens kulpose von der betreffenden Person herbeigeführt oder die letztere völlig schuldlos ist, bleibt sich vollkommen gleich, insoweit es sich um das Vorliegen des hier in Rede stehenden Mangels handelt.

Aller-

dings kann in den ersten beiden Fällen eine Verstümmelung, welche an und für sich keinen defectus corporis ausmachen würde, die Irregularität herbeiführen, aber diese ist dann eine irregularitas ex delicto (mutilationis),

nicht eine irregularitas ex d e -

fectu 3 . Die Feststellung des defectus corporis in einem gegebenen Falle ist Sache des Bischofs4.

Ist ein solcher konstatirt, so ist doch die Behandlung eine verschiedene,

j e nachdem ein noch nicht ordinirter Kandidat oder eine P e r s o n , welche schon den 1 Die Quellenbelege S. 14. n. 10 über die Congr. Conc. s. Anal. iur. pont. 1866. S. 1968. Handelt es sich bei solchen Personen erst um die Ertheilung der Ordination, so ist päpstliche Dispensation nöthig, letztere indessen nach einigen nur für die ordines sacri, nicht für die minores. Vgl. S c h m i e r 1. c. n. 249. Dagegen B o e n n i n g h a u s e n S. 203. n. 39.; ist die betreffende Krankheit aber erst nach der Ordination eingetreten, so bedarf es nur der bischöflichen Genehmigung, damit der Geheilte seinen ordo wieder ausüben kann. Vgl. F a g n a n . ade. 4. X. de aetate I. 10. Ii. 47., B o e n n i n g h a u s e n S. 134 if. - Einzelne rechnen dahin noch den defectus scientiae, so F e r r a r i s prompta biblioth. s. v. irregularitas art. I. η. 12. (bei ihm der Ausdruck defectus animae), ferner B e r a r d i 1. c. c. 4. (S. 382. 383.), welcher auch den defectus aetatis hierher zählt, andere (Β ο en n i g h a u s e n p. 134.) begreifen darunter den defectus rationis, scientiae, fldei; auch der defectus perfectae lenitatis und sacramenti wird als defectus animi im weiteren Sinne mit dem im Text besprochenen Falle zusammengestellt ( L a s p e y r e s a. a. 0. S. 4Ü., R i c h t e r §. 105.), S c h u l t e 1, 112 ff. subsumirt unter den defectus animi (Wahnsinn etc.), scientiae, sacramenti, perfectae lenitatis, fldei. — Schon dieses Schwanken zeigt, dass alle diese Subsumtionen ihre Bedenken haben. Da der defectus corporis nicht blos Gebrechen im eigentlichen Sinn, sondern auch andere Krankheiten umfasst, Wahn und Blödsinn aber ebenfalls ihren Grund mit in physischen Affektionen haben, so

bin ich P h i l l i p s 1, 471, Lehrbuch S. 112 gefolgt, der den defectus animi im Sinne des Textes mit dem defectus corporis zusammen behandelt. Ein Theil der älteren Kanonisten (ζ. B. B a r b o s a de off. et potest, episcopi P. II. alleg. 42. n. öl ff., R e i l ' f e n s t u e l , ius can. I. 20. η. 19.) thut dasselbe, wiewohl freilich mehr aus dem äusseren Grunde des Sichanschliessens an die Titelfolge der Dekretalen. Will man etwa vom katholischen Standpunkt wegen der daemoniaci gegen die Zusammenstellung des defectus animi mit dem defectus corporis Einspruch erheben , so ist es dann immer nur gerechtfertigt, den ersteren (und zwar im Sinne des Textes) besonders hinzustellen. 3 Konkurriren können freilich beide Irregularitäten. Vgl. P h i l l i p s 1, 466; B o e n n i n g h a u s e n p. 204. + Vgl. c. 3. Dist. XXXIII; nicht beweisend dafür c. 2. 4. X. h. t. I. 20, auf welche man sich vielfach bezieht. Ueber den Grundsatz selbst herrscht indessen kein Zweifel. S. B o e n n i n g h a u s e n S. 206. Er folgt einfach daraus, dass der Bischof die Ordination vorzunehmen und ihre Voraussetzungen festzustellen hat. Auch in Betreff der Regulären hat der Bischof, nicht der Ordensprälat zu entscheiden. B a r b o s a 1. c. 11.6Ο. R e i f f e n s t u e l 1. c. n. 21. Bei dieser Untersuchung werden stets die besonderen, in Frage kommenden Momente (ζ. B. dass eine Difformität an einem Ort oder in einer Gemeinde keinen Anstoss, an einem andern oder in einer andern dagegen solchen erregt) berücksichtigt.

Die irrregularitas ex defectu.

§·3·]

17

einen oder andern ordo empfangen hat, in Frage steht. Bei dem ersteren hindert der Defekt die Weihe Uberhaupt, selbst wenn die betreffende Person trotz desselben eine Reihe von geistlichen Funktionen (ζ. B. Beichthören, Predigen) vornehmen könnte während im letzteren Falle nur eine Ausschliessung von den Verrichtungen eintritt, deren Vornahme der eingetretene Defekt hindert 2 . Die Dispensation von dieser Irregularität 3 , welche mit der vorhin erwähnten Feststellung des Vorhandenseins durch den Bischof nicht zu verwechseln ist, steht nur dem Papste zu. Die Ertheilung derselben wird nach der von der Congregatio concilii Tridentini festgehaltenen Praxis leichter gegeben, wenn es sich um einen schon ordinirten Geistlichen handelt, als um eine erst zu weihende Person, und immer erst ertheilt nach vorher angestellter Untersuchung, wobei der Bittsteller die betreffenden Funktionen versuchsweise vorzunehmen hat 4 . III. D e r M a n g e l d e s e r f o r d e r l i c h e n A l t e r s {irregularitas ex defectu

aetatis).

Der Ordinande muss selbstverständlich in einem solchen Alter sich befinden, dass bei ihm die nöthige Urtheilskraft, Ueberlegung und Umsicht für die Ausübung der Weihehandlungen vorausgesetzt werden kann. Weil die niederen Ordines nur zu untergeordneteren Funktionen dienender Natur befähigen, ist von jeher für dieselben ein geringeres Alter für genügend erachtet worden, als für den Empfang der höheren Grade. Aus demselben Umstände erklärt es sich, dass in Betreff des gesetzlichen Alters für die Erlangung der beiden wichtigsten Ordines sich früh eine feste und konstante Regel gebildet hat, während die hierher gehörigen Bestimmungen für die anderen Grade mannigfach gewechselt haben 5 , und für einzelne selbst heute noch nicht ein bestimmtes Alter gemeinrechtlich festgesetzt ist. Für den P r e s b y t e r a t und dann für den E p i s k o p a t ist schon seit dem 4. Jahrhundert partikularrechtlich das vollendete 30. Lebensjahr vorgeschrieben 6 . Diesen Termin hat das Dekretalenrecht für den letzt1 Vgl. hierzu Β oe η η i n g h a u s eil p. 203. S. auch S. 15. Note 2. 2 c. 12. (inc. temp.) Dist. L V ; c. 2. X. de cler. aegrot. III. 6 : „Presbyterum cuius duos digitos cum medietate palmae a praedone abscissos signiflcästi, missam non permittimus celebrare, quia nec secure propter debilitatem nec sine scandalo propter deformitatem membri hoc iieri posse confidimus. Ipsum autem ceteris officiis sacerdotallbus fungi minime prohihemus". Ein solcher kann also Beichte hören, predigen, den Eheabschliessungen assistiren, Funktionen der Diakonen und Subdiakonen etc. vornehmen. Vgl. v a n E s p e n 1. c. n. 12. 3 Wenngleich für die Begründung des defectus corporis Lev. XXI. 17. mit herangezogen ist, so beruht doch diese Art der Irregularität nicht auf dem auch die päpstliche Dispensation ausschliessenden ius divinum. Vgl. G o n z a l e z T e l l e z ad c. 2. X. h. t. I. 20. n. 6. Ein Fall von 1696, in welchem dem Papste das Dispensationsrecht bestritten wurde, bei B ö h m e r J. Ε. P. I. 20. § . 5 if. 4 Nach der gebräuchlichen Formel vor dem Bischof selbst, nicht vor einem Delegaten desselben. Vgl. P y r r h . C o r r a d u s l . c. üb. 3. c. 6. n. 18 ff. B o e n n i n g h a u s e n p. 206. 207. Weitere hierbei in Frage kommende Gesichtspunkte ergeben die Entscheidungen bei R i c h t e r und S c h u l t e a. a. O. S. 340 ff.; vgl. auch

H i n s c l i i u s , Kirelienreelit.

M o y , Archiv. 14, 130 ff., Analecta jur. pontif. Rom. 1860. S. 1616. 5 Vgl. über das Historische T h o m a s s i n P. I. lib. 2. c. 67—70. 6 Für den Priester durch c. 11. conc. Neocaes. (a. 3 1 4 — 3 2 5 ; c. i. Dist. LXXVIII), wo als Grund angeführt wird: „6 γαρ χόριος 'Ιησούς Χριστός έι τ ψ τριακοστφ ετει έφαιτίσθη και ηρςατο διδάσκει·/'. Vgl. ferner c. 2. (Nov. 123. c. 13. = Auth. zu 1. 9. C. de episc. I. 3.) Dist. LXXVIII; conc. Trull, a. 692. c. 14; Zosim. ad Hesych. c. 3. a. 418. ( C o u s t a n t . 968); c. 6. Aurel. III. a. 538; c. 50. Cap. eccles. a. 789; c. 7. (conc. Tolet. IV. a. 633.) Dist. LXXVII; f ü r den Priester und Bischof c. 6. (conc. Agath. 506) Dist. LXXVII; c. 1. conc. Arelat. IV. (Ill) a. 524; c. 5. (conc. Tolet. IV.) Dist. LI. — Ein höheres Alter für den Bischof (nämlich 35 Jahr) schreibt die citirte Authentika vor. Die Dekretale von Siricius an Himerius von Tarragona ν. 385. c. 9. 10. ( C o u s t a n t 633), die älteste Bestimmung für das Abendland, lässt für den Priester ein Alter von 35, für den Bischof von 45 Jahren als erforderlich entnehmen, das sich in der veränderten Fassung, welche die Stelle bei Gratian c. 3. Dist. LXXVII hat (vgl. hierzu B e r a r d i , Gratiani canon, genuini P. II. torn. I. p. 186.) auf 25, bez. 35 Jahre reduzirt. Bei durch ihre Verdienste hervorragenden Persönlichkeiten sind aber diese Bestimmungen nicht festgehalten wor-

18

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 3.

gedachten Ordo als den gemeinrechtlichen fixirt1 und dabei ist es bis heute geblieben 2 . W a s die P r i e s t e r w e i h e betrifft, so wurde schon im 8. Jahrhundert für Nothfälle die Ordination mit 25 Jahren erlaubt 3 , und wenn auch diese letztere Bestimmung mehrfach wiederholt worden i s t 4 ,

so ist als Regel doch das ältere Recht beibehalten w o r d e n 5 ,

bis das Concil von Vienne 1 3 1 1 die frühere Ausnahme der herrschenden Praxis gemäss zur allgemeinen Norm erhoben h a t 6 . In Uebereinstimmung damit hat auch das Tridentinum das angetretene 2 5 . Lebensjahr als die legitima aetas für den E m p f a n g der Priesterweihe a n e r k a n n t 7 .

Während für den D i a k o n a t die erwähnte Dekretale von

Siricius ein Alter von 3 0 Jahren fordert, ist bald nachher nur das 2 5 . Lebensjahr a l l gemein verlangt w o r d e n 8 .

Erst Clemens V . hat die Gränze bis auf das 2 0 .

heruntergesetzt 9 , das Tridentinum jedoch das angetretene 2 3 . Lebensjahr

Jahr

als noth-

wendig vorgeschrieben 1 0 . Nicht minder haben die Vorschriften über den S u b d i a k o n a t g e w e c h s e l t , welcher nach heutigem Recht mit dem angetretenen 2 2 . Jahre erworben werden d a r f 1 1 . Die niederen Ordines wurden in der älteren

Zeit den zum geistlichen

Stand

bestimmten Knaben oft gleich nach der T a u f e , jedenfalls aber noch vor erreichter Pubertät ertheilt 1 2 . Auch heute ist gemeinrechtlich für den Empfang dieser Grade kein flen (Gauclentius von Brescia f u. 427 , Epiphanius von Pavia, geb. 439, Bischof 466; Remigius von Rheims geb. 437, Bischof 459). Vgl. T h o m a s s i n 1. c. c. 67. n. 9. 10. ι c. 7. (Alex. III. i. conc. Later. III.) X. de elect. I. 6. Für die Zeit vom 6. Jahrhundert ab scheint das 30. Jahr als erforderlich gegolten zu haben. Zwar hat nach der W i l l i b a i di vita S. Bonifacii c. 5. (ed. Jaffe 447) letzterer die ihm von Willibrord von Utrecht angebotene Bischofswürde abgelehnt, „quoniam q u i n q u a g e s i m i a η η i iuxta canonicae rectitudinis normam necdum plene reciperet aetatem", indessen ist diese Angabe um so unerklärlicher, als Bonifaz bei seiner Bischofsweihe 722 (Willibald c. 6 . ) ebensowenig 50 Jahr alt gewesen sein kann. S. R e t t b e r g , Kirchengeschichte 1, 336. 338. Die Römische Synode v. 1014 nach T h i e t m a r chron. 7, 2. (SS. 3, 832): „sanctorum institute patrum in sacris ordinibus ibidem et apud nos d i u n e g l e c t s cum excommunicatione redintegrata renovavit; prohibent namque canones, ut ante 25 annos diaconus, presbiter autem et episcopus ante 30 annos nequaquam ordinetur". Dieselbe Bestimmung wiederholt das conc. Tolosan. a. 1056 c. 2. ( M a n s i 19,847). Die Vernachlässigung der gedachten Vorschriften ergeben eine ganze Reihe von Beispielen. Drogo von Metz wurde 823 mit 20 oder 21 Jahren Bischof ( D i i m m l e r , ostfränk. Reich 1, 237. n. 26); Hugo, Sohn des Heribert Grafen von Aquitanien, mit fünf Jahren 926 von Johann X. als Erzbischof von Rheims bestätigt. F l o d o a r d . hist. Rem. 4, 20; J o h a n n XII. Papst 955 mit etwa 19 Jahren ( P a p e n k o r d t , Gesch. Roms 177). Vgl. ferner S i g e b e r t i , chron. ad 1009. (SS. 6, 354): „dux enim Mosellanorum (1005) Deodericus post fratrem suum dato episcopatu Mettensium fllio eo adhuc puero tutorem ei substituit etc.". Der Einfluss des politischen Interesses ist bei allen diesen Fällen ersichtlich. T h o m a s s i n 1. c. c. 70. η. 1. 2, wo auch das Beispiel von Benedikt IX, der mit 12

Jahren zum Papst geweiht ist ( J a f f e , regesta S. 360). 2 Vgl. Trid. Sess. VII. c. 1. de reform. 3 C. 5. (Zachar. a. 751) Dist. LXXVIII. 4 conc. Tolos 1056. c. 2. cit., conc. Rothomag. 1074. c. 6. ( M a n s i 20, 400). 5 Capit. Aquisgr. a. 789. c. 50. Francoford. a. 794. c. 49. conc. Turon. III. a. 813. c. 12. (Mansi 14, 85.) Syn. Roman. 1014. bei Thietmar 7, 2 ; Melphit. a. 1089. c. 4. (Mansi 20, 723). In der Praxis ist aber auch dieser Termin nicht immer innegehalten worden, s. T h o m a s s i n 1. c. c. 70. n. 2. 6 c. 3. de aet. et quäl, in Clem. I. 6. ? Sess. XXIII. c. 12. de reform. 8 Zuerst conc. Carth. III. c. 4. a. 397 (c. 5. Dist. LXXVII). Vgl. ferner Nov. 123. c. 13, conc. Trull, a. 692. c. 14, c. 6. (conc. Agath. a. 506) Dist. LXXVII; c. 5. (conc. Tolet. II. a. 531) Dist. XXVIII, c. 7. (Tolet. IV. a. 633) Dist. LXXVII; dasselbe bestimmen auch die in den vorhergehenden Noten angezogenen Concilien von Rom, Toulouse, Rouen und Melphi. — Fälle, in denen die Weihe früher ertheilt ist, bei T h o m a s s i n 1. c. c. 67. n. 6; c. 68. η. 1. c. 70. n. 2. 9 c. 3. de aetate et qual. in Clem. cit. Dieses Alter verlangt auch nur die Dekretale von Siricius in ihrem bei Gratian c. 3. Dist. LXXVII veränderten Texte. 10 Sess. XXIII. c. 12. de reform. u Trid. 1. c., das ältere Recht verlangte 20 Jahre, so Zosimus ad Hesych., c. 5 (conc. Tolet. II. a. 531) Dist. XXVIII; conc. Trull, a. 692. c. 15; Nov. 16. Leon., welche die 25 Jahre der Nov. 123. Justin, c. 13 beseitigt. Conc. Rothom. cit., 14 oder 15 Jahre Melphit. cit.; 14 Jahre die Dekretale des Zosimus in dem veränderten Texte bei Gratian c. 2. Dist. LXXVII. (vgl. B e r a r d i 1. c. S. 233.), 18. J . c. 3. de aetat. et qual. in Clem. cit. 12 Vgl. die angeführten Dekretalen des Siricius und Zosimus, welche den Akolythat und Subdia-

Die irregularitas ex defectu.

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bestimmtes Alter vorgeschrieben. Indirekt ist aber das vollendete 7. Lebensjahr als niedrigste Gränze dadurch gegeben, dass erst von diesem Zeitpunkt ab die Tonsur ertheilt wird 1 , indessen können die minores immer noch vor dem 14. Lebensjahr empfangen werden 2 . Das Resultat der Entwicklung ist also das, dass die Tonsur das v o l l e n d e t e 7., der Episkopat das v o l l e n d e t e 30., der Subdiakonat das a n g e t r e t e n e 22., der Diakonat das a n g e t r e t e n e 23., der Presbyterat das a n g e t r e t e n e 25. Lebensjahr erfordert. Bei den letzterwähnten ordines muss demnach der Kandidat seinen 22., 23., 25. Geburtstag erlebt haben, es genügt nicht, dass er den letzten Tag des 21., 22., 24. Lebensjahres begonnen hat 3 , während der Antritt des letzten Tages des 7. und 30. Jahres für die Erlangung der Tonsur, resp. des Episkopates hinreicht. Im letzteren Fall tritt in Ermanglung einer positiv hindernden Vorschrift die von der Kirche ebenfalls stillschweigend adoptirte römische Berechnungsweise ein 4 . Auch von diesem Defekt kann dispensirt werden, aber nur durch den Papst 5 , jedoch wird den Bischöfen diese Befugniss für bestimmte Fälle übertragen 6 . IV. Der Mangel der erforderlichen Kenntnisse und Vorbildung (defectus scientiae)1. Die Kirche hat von jeher -das Gebot aufgestellt, dass keine inscii litterarum, illiterate, ignari, ignorantes und imperiti zu Klerikern geweiht werden sollen 8 . Schon die älteren kirchlichen Normen fordern von den Geistlichen, namentlich den Bischöfen, dieKenntniss der Canones, der heiligen Schriften, sowie der geistlichen, von ihnen vorzunehmenden Verrichtungen 9 . Auch sonstige wissenschaftliche Bildung wird verlangt, nur sollen die weltlichen Wissenschaften in den Dienst der Kirche gestellt und von den Klerikern nicht um ihrer selbst willen getrieben werden 10 . Aber die Praxis des Mittelalters hat konat hinsichtlich des Alters gleichstellen, c. 19. conc. Carth. III. a. 3 9 7 ; c. 5. (conc. Tolet. S. 531) Dist. XXVIII. c. 5. conc. Tolet. X. a. 656. Vgl. ferner T h o m a s s i n 1. c. c. 67. n. ö — 7 (Nov. 123. c. 13 setzt 18 Jahre für den lector fest). 1 Folgt aus c. ult. in VI 1 » de tempor. ord. I. 9 ; Glosse zu c. 3δ. X . de praebend. III. 5 ; Entscheidung der Congr. Conc. bei F a g n a n . comm. ad cap. cit. Das pontiflcale Romanum sagt ebenfalls : „prima tonsura et minores ordines ante VII annum completum dari non debent'·. Das Tridentinum (Sess. XXIII. c. 4. de reform.) hat über die minores nichts Ausdrückliches angeordnet. Eine Notwendigkeit aber, mit dem festgesetzten Alter die Tonsur zu ertheilen liegt nicht vor, und daher haben einzelne Bischöfe und Synoden, weil es sich hier um Bestimmungen praeter ius commune handelt, ein höheres Alter für die Tonsur und Minores festsetzen können. Beispiele bei R i c h t e r Kirchenr. §. 105. n. 7, S c h u l t e 2, 110. n. 6, B o e n n i n g h a u s e n p. 122. n. 15. ü Trid. Sess. XXIII. c. 6. de reform. 3 Die römischrechtliche Regel: „dies ultimus coeptus pro complete habetur" (1. 5. D. qui test, fac. XXVIII. 1) kann hier nicht Anwendung finden , denn das Tridentinum verlangt mit klaren Worten den Α η t τ i 11 des 2 2 . , 2 3 . , 25. Jahres. Vgl. P h i l l i p s 1, 460, B o e n n i n g h a u s e n p. 125. * Vgl. c. 7. 10. X . de despons. imp. IV. 2, S c h m i e r , iurispr. can. civ. lib. I. tr. IV. c. 3. n. 10. 11, S c h u l t e 2, 110. η. 6, B o e n n i n g h a u s e n p. 122. η. 15.

5 Denn der Mangel beruht auf dem ius commune. Für die Bischofswürde ist die congregatio consistorialis die zuständige Kurialbehörde. Siehe B o e n n i n g h a u s e n p. 133. 6 Nach einem für die Quinquennalfakultäten der deutschen Bischöfe gebräuchlichen Formular des Papstes Pius IX. von 1855 No. 13 ( S c h u l t e , Kirchenrecht 2, 422) das Recht „dispensandi super defectu aetatis unius anni ob operariorum penuriam, ut promoveri possint ad sacerdotium, si alias idonei fuerint", eine Klausel, welche schon in dem bei Μ e j e r, Propaganda 2, 205 ff. abgedruckten , bis auf den Anfang des 18. Jahrhunderts zurückgehenden Formular vorkommt. 7 Ueber die Bezeichnung dieses Defekts mit dem Ausdruck defectus animi s. S. 16. Note 2. 8 c. 2 (Zosimus a. 418) Dist. X X X V I ; Leo I. in c. 3. Dist. XXXVIII. u. c. 8. Dist. L X I ; c. 1. (Gelas. a. 494) Dist. X X X V I ; c. 10. (Greg. I.) Dist. X X X I V ; c. 5. (conc. Tolet. IV. a. 633) Dist. LI; Hieronymus c. 2. Dist. X L I X . sagt mit Bezug auf Levit. 22, 2 2 : „Caecum animal offert qui ordinat indoctum loco docti magistrumque facit qui vix discipulus esse potest". 9 c. 5. (Augustin), c. 9. (Hieronym.), c. 7. (conc. Carth. III. a. 397), c. 4. (Coelest. a. 429), c. 6. (conc. Nicaen. a. 787), c. 1. (conc. Tolet. IV. a. 633) Dist. X X X V I I I . ω Vgl. Dist. X X X V I I ; namentlich c. 8 — 1 0 . 1 2 . einerseits, andererseits c. 2. 3. 15. u. c. 5. Dist. L X X X V I . Honorius III. entsetzt einen Bischof, „quia . . . confessns e s t . . . , se nunquam de grammatica didicisse neu etiam legisse et per eviden-

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I· D i e Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 3.

auch hier, wie vielfach unter dem Druck der sich auf die Kirche geltend machenden politischen Verhältnisse, mit diesen Anforderungen in Widerspruch gestanden 1 . Die allgemeine, heut geltende Norm giebt das Tridentinum, welches für die ordines minores Lesens- und Schreibenskunde, sowie Kenntniss der lateinischen Sprache und der Glaubenslehre, für die höheren die erforderliche wissenschaftliche Vorbildung und Kenntniss der Verrichtungen des betreffenden Ordo fordert 2 . Die nähere Regelung dieser Verhältnisse fällt dem Gebiete des partikulären Rechts anheim und sie ist auch durch derartige Vorschriften der Bildungsstufe der verschiedenen Völker und Länder gemäss in verschiedenartiger Weise erfolgt. In Deutschland ist das Maass der geforderten Bildung höher als das vom Tridentinum vorgeschriebene, hier wird vor Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen jedenfalls ein Universitäts- oder Fakultätskursus und demnächst praktische Vorbildung und Vorübung während einer bestimmten Zeit verlangt :i . V. Der Mangel der Festigkeit im Glauben (defectus fidei). Schon die Bestimmungen der älteren Kirche schliessen die s. g. Neophyten, d. h. die erst vor kurzem zum Christenthum bekehrten Ungläubigen 4 , namentlich aber solche Personen, die erst in einer lebensgefährlichen Krankheit die Taufe empfangen haben (die s. g. clinici), vomEmpfang der ordines aus 5 . Der Grund der Fernhaltung von den Weihen fällt aber fort, wenn der Bekehrte längere Zeit im Schoosse der Kirche gelebt, und dadurch die Möglichkeit für eine Beurtheilung seines religiösen Eifers und seiner Kenntnisse, sowie Garantie dafür gegeben hat, dass er sich seiner neuen Stellung wegen nicht überheben wird. Kann das festgestellt werden — und dies geschieht durch den für die Weihe kompetenten Bischof — so liegt das Hinderniss, die Irregularität, nicht mehr vor und daher ist eine solche Deklaration des Bischofs keine Dispensation, vielmehr ein Ausspruch desselben, dass der Weihkandidat eben nicht mehr als Neophyt zu betrachten sei 6 . Eine Dispensation würde dagegen eintreten müssen, wenn der Neubekehrte sofort (ζ. B. weil es in tiam facti usque adeo de illiteratura et insufiicientia sua constat, quod contra deum esset et canonicas sanctiones, tantum in episcopo toler.ire defectum", (c. 15. X. de aet. et qual. I. 14.) 1 Namentlich in Folge des von den weltlichen Fürsten geübten Besetzungsrechtes der Bisthiimer. Beispiele aus karolingischer Zeit von Bischöfen und Aebteri, die nicht einmal lesen konnten, bei R o t h , Geschichte des Benelizialwesens S. 333. n. 8 0 ; vgl. ferner M. M a r i n i , diplomatica pontificia. Roma. 1841. S. 46. η. 1. Weiteres historisches Material findet sich bei T h o m a s s i n 1. c. P. II. lib, 1. c. 88—102. Ich habe mich begnügt, im Text den Inhalt der Vorschriften des corp. j u r . can. kurz zu charakterisiren, weil ein näheres Eingehen auf diesen Punkt eine nicht in das Kirchenrecht gehörige geschichtliche (Jebersicht über die Entwicklung der Bildungsanstalten im Mittelalter erfordern würde. 2 Sess. X X I I I . de ref. c. 4. 11. 12. 13. 14. Ρ r ο s p . L a m b e r t i n i (BenediktXIV.)instit. 42 versteht unter der wissenschaftlichen Vorbildung Studium der Philosophie, der Moraltheologie und des kanonischen Rechts. 3 Nähere Angaben über die Studienordnungen gehören natürlich nicht hierher. 4 c. 1. (cone. Nicaen. a. 325 unter Berufung auf 1. Timoth. III. 6) Dist. X L V I I I ; c. 13. conc. Sardic. (a. 343.); c. 3. conc. Laod. (a. 343— 381); Leon. ep. 12 ad Afric. c. 4. (ed. Baller.

1, 661); c. 1. conc. Arel. II. (a. 443); c. 2. (Gregor. I.) Dist. X L V I I I ; c. 5. (conc. Tolet. IV. a. 633) Dist. L I ; diese Stellen sprechen zwar direkt nur von den höheren Weihen, die Praxis hat aber das Verbot verallgemeinert, s. c. 9. (Ambrosius) Dist. L X I ; Boenninghausen p. 141. n. 3. Α. M. L a s p e y r e s a. a. 0 . S. 49. — Als Neophyten werden bezeichnet bei F e r r a r i s — ihm folgt P h i l l i p s 1, 483 — prompta bibliotheca can. sub v. irregularitas art. I. η. 1 2 : 1) „qui nuper existentes in adulta aetate a pagaliismo, judaismo et atheismo convertuntur ad ftdem catholicam", 2) „ qui cum diu fuerint saecularibus curis addicti a saeculari vita promoti ad ecclesiasticam statim sine mora contendunt ad sacros ordines et dignitates ecclesiasticas promoveri", 3) „qui a saeculo recenter conversi sunt ad religionem aliquam et nondum anno probationis elapso contendunt ad ordines et dignitates promoveri", vgl. hierzu auch diet. Gratiani zu c. 1. Dist. X L V I I I . In den Fallen 2 und 3 handelt es sich aber nur um Innehaltung gewisser Zeiten und Erfüllung gewisser Vorschriften, deren Verletzung unter eine andere Art der Irregularität fällt, oder um die Idoneität zu bestimmten Aemtern. — Beispiele der Ueberschreitung des Verbotes bei T h o m a s s i n P. II. lib. I. c. 62. 5 c. 1. (conc. Neocaes. a. 314) Dist. L X V I I ; conc. Paris, a. 829. lib. I. c. 8. (Mansi 14, 542). 6 B e n e d . XIV. de synod, dioec. X I I . ο. 1. n. 5. 6. Β ο e η η i η g h a u s e η p. 141. 142.

1. D i e i r r e g u l a r i t a s e x de, f e e t u .

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der Gegend an andern geeigneten Kandidaten mangelt) geweiht werden sollte und diese müsste der allgemeinen Kegel gemäss der Papst ertheilen. Ausser den Neophyten sind diejenigen mit der Irregularität ex defectu fidei behaftet, welche noch nicht konfirmirt sind. Diese nicht unbestrittene Meinung stützt sich mit Recht darauf, dass das Tridentinum den Empfang der Firmelung vor der Ertheilung der Tonsur verlangt 1 und durch jene erst die erforderliche Kraft zur Festigkeit und Standhaftigkeit im Glauben mitgetheilt wird 2 . Auch die Congregatio Concilii theilt diese Ansicht Darüber, ob die Kinder, bez. Enkel von Ketzern ex defectu fidei irregulär sind, besteht ebenfalls eine Kontroverse. Nach einer später durch B o n i f a c i u s VIII. theilweise gemilderten Anordnung A l e x a n d e r s IV. sollen die Descendenten eines ketzerischen Vaters bis zum zweiten Grad incl., einer ketzerischen Mutter bis zum ersten Grad von der Erwerbung aller öffentlichen und kirchlichen Aemter ausgeschlossen sein, sofern die Eltern in der Ketzerei ohne mindestens reuige Wiederaufnahme in den Schooss der Kirche nachgesucht zu haben, verstorben sind 4 . Einzelne wollen sich strikt an den Wortlaut haltend in dieser Bestimmung kein Verbot der Ordination der Descendenten von Ketzern finden5, während manche ältere Kanonisten annehmen, dass die gedachten Personen zwar nicht im eigentlichen Sinne irregulär seien, aber doch die Wirkungen der Irregularität zu erdulden hätten 6 . Die Praxis der römischen Kurie und die überwiegende Meinung statuirt dagegen eine wirkliche Irregularität 7 . Diese Ansicht lässt sich nicht nur durch Berufung auf das Gewohnheitsrecht rechtfertigen, sondern auch damit, dass die beiden Dekretalen die Kinder der Ketzer ebenso wie diese selbst behandelt wissen wollen und hinsichtlich der Irregularität des ketzerischen Vaters gar kein Zweifel bestehen kann. Muss demnach die Irregularität der Ketzerdescendenten angenommen werden, so erscheint doch die vielfach beliebte Subsumirung 8 unter die irregularitas ex defectu fidei nicht richtig. Sie kann nur aufgefasst werden als eine irregularitas ex delicto, denn die Descendenten sollen der Tendenz der Ketzergesetzgebung des 13. Jahrhunderts gemäss, mit für die Vergehen ihrer Eltern, an welchen sie freilich nicht Schuld haben, bestraft werden 9 . Zweifellos ist es dagegen, dass diese Irregularität sich nicht auf die 1

Sess. X X I I I . c. 4 . de reform. Nach c. 1. (Pseudoisidor.) B i s t . V . de consecr. ist erst der Geflrmte ein „plenus Christianus". Vgl. auch F a g n a n . comment, ad c. 11. X . de aetate et qualitate I. 1 4 . n. 9 6 . 3 Entscheidungen mitgetheilt bei G i r a l d i , expositio jur. pontif. P . I I . s . 9 1 . u . B o e n n i n g h a u s e n p. 1 5 6 . 1 5 7 . So auch die Neueren P h i l l i p s 1, 4 8 5 , P e r m a n e d e r §. 133, S c h u l t e 2, 115, F a c h m a n n , 2 , 2 1 3 , B o e H ü i n g h a u s e n p. 1 5 6 . D i e entgegengesetzte Meinung vertheidigt namentlich H a l l i e r de sacris ord. P. II. s. 4. c. 3. art. 2 , er s t ü t z t sich darauf, dass der Mangel nirgends ausdrücklich als Irregularität b e zeichnet •werde. 4 c. 2 . §. 2 . ( A l e x . I V . ) in Vit» de haeret. V. 2 ; c. 1 5 . (Bonif. V I I I . ) eod. tit. Dasselbe gilt auch von den D e s c e n d e n t e n der credentes, reeeptatores, defensores und fautores haereticorum, worüber u n t e n in der Lehre von den Irregularitäten e x delicto. Zwischen die citirten D e kretalen fällt die nicht in den S e x t u s aufgenommene Dekretale Nikolaus' I I I : Noverit universitas von 1280 (M. Bull. 1, 156), deren §. 21 be2

stimmt : „Haeretici autem et reeeptatores, d e f e n sores et fautores eorum ipsorumque fllii usque ad secundam generationem ad nullum ecclesiasticum benefleium vel officium admittantur, quod si secus actum fuerit, decernimus irritum et inane. Nos enim praedictos e x nunc privamus benefleiis acquisitis volentes ut tales et habitis perpetuo careant et ad alia similia nequaquam in posterum admittantur. Illorum autem filiorum emaneipationem nullius esse momenti quorum parentes post emaneipationem huiusmodi ad i n v i u m superstitionis haereticae a via declinasse constituit veritatis". 5 So T h o m a s s i n . P . II. lib. I. c. 6 5 . n. 7. 6 S. die Anführungen bei B o e n n i n g h a u s e n p. 1 4 3 ff. 7 C o r r a d u s prax. disp. 1. 3. c. 4 . η. 1 sqq., E n g e l , coll. iur. un. can. lib. 5. tit. 7. η. 13, R e i f f e n s t u e l lib. 5. tit. 7 . η. 2 6 8 , R i c h t e r §. 106. η. 9 , B o e n n i n g h a u s e n p. 145. 151. η. 2 4 , Congr. Cone, bei R i c h t e r, Trident. S. 181. 8 S. ζ. B. P h i l l i p s 1, 4 8 2 ; Boenningh a u s e n p. 142. 153. « Vgl. c. 1 0 (Innoc. I I I . ) X . de haeret. V. 7 : . . . .,quum in multis casibus etiam secundum di-

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I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 3.

Descendenten solcher Personen bezieht, welche blos der Ketzerei verdächtig sind 1 . Von älteren deutschen Kanonisten ist die Behauptung aufgestellt, dass für Deutschland die eben erwähnten Regeln keine Anwendung finden könnten, weil sie sich auf die in Folge der Ketzerei eintretende Infamie gründen, und abgesehen von der überhaupt den Ketzern konnivirenden allgemeinen deutschen Gewohnheit die ketzerischen Eltern nicht einmal infam seien 2 . Diese Meinung ist aber zu verwerfen, denn nicht nur ist ihre Herleitung aus der Infamie als Grund der Irregularität falsch, sondern es hätte auch eine solche partikuläre Gewohnheit, deren Existenz übrigens nicht einmal erwiesen ist 3 , das gemeine Recht nicht abändern können. VI. Die Irregularität ex de/ectu sacramenti. Der s. g. Mangel des Sakraments als Hinderniss für den Empfang der Weihe ist schon durch das älteste Kirchenrecht anerkannt gewesen. Anknüpfend an I. Tim. IH. 2 . 4 1 2 . 5 und Tit. I. 6. 6 verbieten die Ordnungen der morgenländischen Kirche die Weihe einer Person, welche sich zum zweiten Male verheirathet hat. Ebenso schliessen sie diejenigen aus, welche eine Wittwe, eine Ehebrecherin oder eine ausserehelich Geschwächte zur Frau genommen und die Ehe mit ihrem ehebrecherischen Weibe fortgesetzt haben 7 . Nach der Auffassung der morgenländischen Kirche war der Grund des Hindernisses der durch diese Handlungen an den Tag gelegte, dem geistlichen Stande nicht geziemende Mangel an Enthaltsamkeit 8 . Die lateinische Kirche legte aber das Gewicht auf die durch die volle Gemeinschaft der Ehegatten repräsentirte Einheit der Verbindung Christi mit der Kirche und da bei einem in mehrfacher Ehe Lebenden wegen des Mangels der Ausschliesslichkeit seine zweite Ehe nicht jene volle mystische und sakramentale Bedeutung haben konnte, so liess man denjenigen nicht als Spender und Diener der Sakramente zu, vinum judicium fllii pro patribus femporaliter p u n i a n t u r , et iuxta canonicas sanctiories quandoque feratur ultio non solum in auctores scelerum, sed etiam in progeniem damnatorum". Die nicht der liier aufgestellten Meinung, sondern dieser Strafgesetzgebung zur Last fallende Irrationalität hat, weil man die zu krassen Folgen des Princips scheute, Unsicherheit in der Behandlung der K a suistik herbeigeführt. So streitet man 1. darüber, ob die von dem katholischen Vater erzeugten K i n der irregulär w e r d e n , wenn dieser nachher in Ketzerei verfällt. Die konsequente, auch von der Itota angenommene Meinung muss die Frage bejahen. (Vgl. Β ο e n η ί η g h a u s e η p. 145.) 2. Weiter darüber, wie es sich in einem solchen Fall mit dem schon geweihten und im Besitz eines Beneflzium befindlichen Sohn verhält. Die Konsequenz verlangt auch liier den E i n t r i t t der Bestrafung durch Irregularität und Privation des Beneflziums, indessen hat die Kurialpraxis hier theils die mildere Ansicht vertreten, theils eine Entscheidung der Frage durch Ertheilung von Dispensationen umgangen. (Vgl. a. a. 0 . p. 148 ff.) Läge der Grund dieser Irregularität in dem defectus fldei, so wäre es vollkommen irrationell, dass die Kinder von Ungläubigen blos als solche nicht ebenfalls ausgeschlossen sind. Diese sind nicht irregulär (vgl. c. f. X. de rescr. I. 3 ; G i r a l d i , expos, j u r . pontif. P. I. ad c. cit. u. P. II. s. 9 6 ; P h i l l i p s 1, 4 8 0 ; B o e n n i n g h a u s e n p. 153 ff.; Entscheidungen der Congr. Concil. bei R i c h t e r , Trident, p. 339), jaProvinzialsynodalStatuten , welche nicht blos Vorsicht bei der Re-

ception solcher Personen vorschreiben, sondern dieselben f ü r irregulär erklären, haben als gegen das ius commune gerichtet, keine Gültigkeit. Vgl. B e n e d . X I V . 1. c. lib. X I I . c. 1. n. 5. 6. 1 Vgl. B o e n n i n g h a u s e n p. 142. η. 1. 151. 2 Vgl. P i r h i n g lib. 5. tit. 7. η. 101; S c h m a l z g r u e b e r lib. 5. tit. 7. η. 1 2 0 ; E n g e l lib. 5. tit. 7. η. 14. 3 R e i f f e n s t u e l , lib. 5. tit. 7. n . 2 7 9 ; B o e n n i n g h a u s e n p. 152. 4 „Oportet ergo episcopum irrepreliensibilem esse, unius uxoris virum". 5 „Diaconi sint unius uxoris viri". 6 „ Si quis sine crimine e s t , unius uxoris vir". 7 can. 16 (17), 17 (18). Apost. (c. 1. Dist. X X X I I I . ) c. 11 (conc. Neocaes. a. 314 — 325). Dist. X X X I V . Vgl. ferner Nov. J u s t i n . 6. c. 1. 5 ; Nov. 123. c. 12. 1 4 ; Nov. 137. c. 1. 2 ; wonach freilich dem Lektor u n t e r Verlust der Möglichkeit, die höheren Grade zu erlangen, die zweite E h e gestattet ist. 8 Vgl. c. 1. (Hieronym.) Dist. X X V I . c. 9. (Chrysostom.) C. X X X I . qu. 1 ; Thomassin P. II. lib. I. c. 78. Ii. 1 8 « . ; P h i l l i p s 1, 5 1 9 ; B o e n n i n g h a u s e n 1. c. fasc. 2, 169. Daher berücksichtigt schon can. 16 (17) Apost. (s. auch c. 1. [Hieronym.] C. X X V I I I . qu. 3) die vor die Taufe fallenden E h e n nicht, weil ihre Bedeutung in der gedachten Beziehung durch dieselbe beseitigt ist. Diese Anschauung hält die griechische Kirche noch heute fest.

§·3·]

Die irregularitas ex defect«.

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welcher selbst an dem Sakrament der Ehe einen Mangel aufzuweisen hatte 1 . In einzelnen Punkten führte zwar diese freilich erst seit dem 13. Jahrhundert vollständig zu weiteren juristischen Folgerungen ausgebeutete Auffassung zu eigenthümlichen, mit der anderen Anschauung nicht übereinstimmenden Konsequenzen 2 , indessen kann es bei der fest gegebenen neutestamentlichen Grundlage des Verbotes und der trotz ihrer inneren Verschiedenheit zum Theil auf gleiche Resultate führenden beiden Erklärungen desselben nicht auffallen, dass andererseits auch in der abendländischen Kirche die in der orientalischen entwickelten einzelnen .hierher gehörigen Grundsätze im Wesentlichen Anwendung fanden Die nähere, heute praktische Theorie über diesen Defekt ist folgende: Der Defekt entsteht 1. wenn Jemand nach einander zwei gültige Ehen geschlossen und in beiden die copula carnalis vollzogen hat (d. h. im Fall der s. g. bigamia vera oder suecesswa). Die Konsummation durch die copula wird für beide Ehen gefordert, weil die blos formell gültig eingegangene Ehe (das blosse s. g. matrimonium ratum) nicht jene innige Verbindung mit der Kirche repräsentirt 4 . Die Irregularität tritt demnach nicht ein, wenn allein die erste oder die zweite der successiv geschlossenen Ehen konsummirt war 5 . Um so weniger kann ein mehrfaches Verlöbniss oder eine ungültige 1 Die Entwicklung dieser Anschauung, woraus sich auch der zuerst von Innocenz III. technisch gebrauchte Ausdruck: defectus sacramenti (c. 4. 5. X. de bigamis non ordin. I. 21) erklärt, ergeben c. 2. (August.) Dist. X X V I ; c. 4. 5. (Ambrosius); c. 3. (Innoc. I . ) 1. c.; Leon. M. ep. 12. ad Afric. c. 1. (ed. Baller. 1, 660) : „Dicente enira apostolo, ut inter alias electionis regulas is episcopus ordinetur quem unius nxoris virum fuisse aut esse constiterit, tarn sacrata semper habita est ista praeceptio, ut etiam de muliere sacerdotis eligendi eadem intelligeretur servanda conditio, ne forte illa priusquam in matrimonio eius veniret qui aliam non habuisset uxorera, alterius viri esset experta coniugium. Quis igitur tolerare audeat quod in tanti sacramenti perpetratur iniuriam, cum huic magno venerandoque mysterio nec divinae legis quidem statuta defuerint, quibus evidenter est definitum ut virginem sacerdos accipiat et alterius torum nesciat coniugis quae uxor futura est sacerdotis? Jam tunc enim in sacerdotibus signabatur Christi et ecclesiae spirituale coniugium, ut quoniam vir caput est mulieris, discat sponsa verbi non alium virum nosse quam Christum , qui merito unam elegit, unam diligit et aliam praeter ipsum consortio suo non adiungit". Vgl. ferner c. 5. (Innoc. I I I . ) cit. h. t. 2 So verwerfen schon die ersten Not. 1 angeführten Stellen die Meinung, dass die vor der Weihe abgeschlossenen Ehen nicht in Betracht kämen. S. auch c. 2. (August.) C. X X V I I I . qu. 3. u. c. 1. conc. Valentin, a. 374. 3 c. 3. (Innoc, I.) Dist. X X V I ; c. 13. (ders.) Dist. X X X I V ; Leon. I. ep. 5. a. 444. ad metrop. Illyr. c. 3. (ed. Ball, i , 618.) ep. 14. ad Anast. Thess. c. 2. (1. c. 1, 687); c. 9. (Hil. a. 465) Dist. X X X I V ; c. 59. (Gelas. a. 494) Dist. L ; c. 8. (ders.) Dist. L X X V I I ; c. 8. (Martin. Brac.)Dist. L ; c. 2. (Gregor. I.) Dist. X X X I I I ; c. 10. (ders.) Dist. X X X I V . F e r n e r e . 1. conc. Valent. a. 3 7 4 ; c. 1. 43. conc. Agath. 506; c. 9. conc. Tarrac. 516; c. 5. (conc. Tolet. IV. a. 633) Dist. L I ;

c. 14. (a. 1054) Dist. X X X I I ; c. 2. X. h. t . ; c. 10. §. 6. X. de renunc. I. 9. In Gallien (vgl. c. 25. conc. Araus. I. a. 4 4 1 ; c. 11. Andeg. 4 5 3 ; c. 4. Turon. I. 4 6 0 ; c. 2. conc. E p a o n . 5 1 7 ; c. 3. conc. Arel. III. (IV.) 5 2 4 ; c. 2. Dist. L V . u . c. 1. X. h. t . ; c. 6. conc. Aurel. III. a. 538) und ebenso in Spanien (s. c. 3. 4. conc. Tolet. I. a. 398; c. 43. 44. Martin. Brac. in c. 17. 18. Dist. XXXIV; c. 4. Hispal. II. 618) hat man aber die bigami eine Zeit lang ausdrücklich nur von den ordines vom Diakonat ab aufwärts ausgeschlossen, eine Uebung die Gratian irrigerweise auf eine vom Papst Marti η für den Nothfall gestattete Ausnahme zurückführt, während der weitere Umstand, dass auch die anfangs der Note angeführten Stellen theils allgemein , theils nur mit Bezug auf die ordines saori sprechen, auf ein Schwanken der Disciplin hinsichtlich der minores schliessen lässt. Das decretum Gratians (vgl. diet, zu c. 16. 17. Dist. X X X I V . ) vertritt dagegen den strengeren Standp u n k t , welchen schon die canones apostol. einnehmen. Vgl. auch L a s p e y r e s a. a. O. S. 46. 47. 4 c. 5. (Innoc. I I I . ) X. h. t „quum duo sint in conlugio, videlicet consensus animorum et, commixtio corporum, quorum alterum signiflcat caritatem quae consistit in spiritu inter deum et iustam animam ad quod pertinet illud quod evangelista testatur: „Verbum caro factum est et liabitavit in nobis", profecto coniugium illud, quod non est commixtione corporum consummatum non pertinet ad illud coniugium designandum quod inter Christum et ecclesiam per incarnationis mysterium est contractum iuxta quod Paulus exponens illud quod dixerat Protoplastus: „Hoc nunc os ex ossibus meis et caro de came mea et propter hoc relinquet homo patrem et matrem et adhaerebit uxori suae et erunt duo in carne una" statim subiungit: „Hoc autem dico magnum sacramentum in Christo et ecclesia". 5 c. 20. (Incerti auet.) Dist. X X X I V ; c. 5. X. cit.

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I- Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§.3.

Ehe den Defekt herbeiführen'. Ebenso wenig endlich wird die hier in Rede stehende Art der Irregularität dadurch begründet, dass Jemand nach dem Tode seiner ersten Frau oder während bestehender Ehe mit einer anderen Person ausserehelichen Geschlechtsumgang unterhält oder auch ohne verheirathet zu sein mit verschiedenen Frauenzimmern Hurerei treibt 2 . Denn in allen diesen Fällen ist von einer doppelten cum affectu maritali vollzogenen copula nicht die Rede 3 . Freilich sind dergleichen geschlechtliche Extravaganzen im Gegensatz zu der zweiten Ehe an sich unerlaubt aber als Weihehindernisse kommen sie nicht unter dem hier in Rede stehendeil Gesichtspunkt, sondern unter einem andern in Frage (s. den folgenden §. Nr. II. 9). Dass dagegen die von einem Ungläubigen vor der Taufe eingegangene Ehe in Betracht kommt, ist bis auf den heutigen Tag in der abendländischen Kirche festgehalten worden 5 . '2. Der bigamia vera steht gleich die s. g. bigamia interpretativa '>, d. h. der Fall, wo eine Analogie mit der wahren Bigamie vermöge juristischer Fiktion insofern angenommen wird, als hier ebenfalls die Theilung der ehelichen Fleischesgemeinschaft nicht ausschliesslich mit einer Person stattgefunden hat. Es gehört hierher: a. die durch Beischlaf konsummirte Ehe mit einer von ihrem ersten Manne schon fleischlich erkannten Wittwe 7 oder einer überhaupt von einem andern Manne schon deflorirten Frauensperson % möge der Mangel der Virginität bekannt oder nicht bekannt, mit ihrem Willen oder ohne denselben (z.B. durch erlittene Nothzuclit) eingetreten sein 9 ; b. Fortdauer des geschlechtlichen Umganges mit der eigenen Ehefrau, nachdem sie während des Bestehens der Ehe mit einem andern Manne den Beischlaf vollzogen hat 1 0 . Auch hierbei ist es irrelevant, ob der Mann bei der Fortsetzung der Fleischesgemeinschaft davon Kunde hatte oder nicht, ebenso ob die Frau sich durch die Beischlafsvollziehung mit dem fremden Mann eines Ehebruches schuldig gemacht hat oder nicht, 1 c. 6. X . h. t. 2 c. 6. X. h. t. 3 Vgl. hierzu P i r l i i n g lib. I. tit. 21. u. 4 ; P h i l l i p s 1, 5 2 3 f f . ; B o e n n i n g h a u s e n p. 178. 179. • c . l . (Gregor. I . ) Dist. X X V I I I ; e. 7. (ders.) l)ist. X X X I I I ; c. 8. (conc. Gerund. a. Ö17J Dist. X X X I V ; c. 33. (conc. Worm. 8 6 8 ) ; c. 34. (Raban.) Dist. L. 5 S. S. 23. Ν. 1. 2. und ferner Benedict. X I V . de syn. dioec. lib. XIII. c. 21. n. 4, desselben discursus in causa Florent. v. 29. März 1727 bei B o e n n i n g h a u s e n p. 181. n . 2 0 , und weitere A n führungen ebendaselbst. 6 Die beiden Ausdrücke sind schon in der Literatur des 13. Jahrhunderts gebräuchlich, s. H o s t i e η s i s summa aurea h. r. N. 2. 3. 7 c. 9. (Hilar.), c. 10. (Greg. I.), c. 13. (Innoc. I . ) Dist. X X X I V ; c. 8. (Mart. Brac.) Dist. L ; c. Ö. (Tolet. I V . ) Dist. L I ; c. 3. X . h. t. Die Irregularität liegt also nicht vor, wenn die frühere Ehe der Wittwe blos ein matrimonium ratum geblieben , ebensowenig wenn es die zweite E h e war, auch dann nicht, wenn der betreffende Mann der Wittwe vor der Eheabschliessung ausserehelich, aber nicht nach derselben beigewohnt hat. S. B o e n n i n g h a u s e n p. 190. 187 ff. 8 S. die Stellen in der vorhergehenden Xote. Als Grund, warum im umgekehrten Falle d. h. bei Heirath einer Jungfrau und eines Mannes, der

schon ausserehelich den Beischlaf mit anderen Frauen vollzogen hat, die Irregularität nicht eintritt, giebt unter fast allgemeinem Beifall der Kanonisten und Theologen T h o m a s A q u i n . sentent. lib. IV. d. 27. qu. 7 a n : „Et ideo aliter dicendum, quod defectus in ipso Sacramento causat irregularitatem; corruptio autem carnis extra matrimonium contingens quae praecessit matrimonium, nullum defectum facit in Sacramento ex parte illius in quo est corruptio, sed facit defectum e x parte alterius quia actus contrahentis matrimonium non cadit supra se ipsum, sed supra alteruin, et ideo e x termino speciflcatur, quod etiara est respectu illius actus quasi materia sacramenti. Unde si mulier esset ordinis susceptiva, sicut vir efflceretur irregularis e x hoc quod duceret in u x o rem corruptam, non autem ex hoc quod corruptus contrahit, ita fleret mulier irregularis , si contraheret cum corrupto non autem si contraheret corrupta, nisi in alio matrimonio prius fuisset corrupta'·; daneben wird auch noch darauf hingewiesen , dass der Mangel der Virginität bei der Frau viel schimpflicher sei, wie beim Manne und daher die Ehe mit einer corrupta die mystische Bedeutung nicht haben könne. Vgl. B o e n n i n g h a u s e n p. 194 ff. 0 Deshalb, weil es in allen Fällen an der erforderlichen unitas carnis fehlt. 10 c. 11. (conc. Neocaesar.), c. 12. (Mart. Brac.) Dist. X X X I V .

Die irregularitas ex defectu.

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(weil sie ζ. Β. genothzüchtigt wurde oder im guten Glauben über den Tod ihres Mannes eine zweite Putativehe einging) c. Endlich wird als weiterer Fall der bigamia interpretativa der aufgezählt, in welchem seitens eines Mannes mit zwei verschiedenen Frauenzimmern zwei Ehen wenn auch nach einander eingegangen und konsummirt worden sind, aber von diesen mindestens eine nichtig war. Ein direkter gesetzlicher Anhalt dafür ist nicht vorhanden, vielmehr knüpft die Doktrin an c. 4. (Innocenz III.) X. h. t. I. 21 an, wonach der früher in erster Ehe verheirathete Kleriker für irregulär erklärt wird, wenn er nach Erlangung eines der höheren Weihegrade eine faktisch abgeschlossene Ehe konsummirt hat. Sie dehnt diese Vorschrift sowol auf die Kleriker der niederen Grade, als auch die Laien aus 2 , weil der vom Papst angegebene Grund 3 auch auf diese Personen passe. Indessen kann diese Meinung trotz des geringen gegen sie erhobenen Widerspruchs 4 nicht für gegründet erachtet werden, weil die Stelle ebenso wie das weiter von der Heirath eines Subdiakons mit einer Wittwe handelnde c. 7. eod. tit. (Innocenz III.) ihrem Wortlaut nach nur von der Verletzung der Verpflichtung zur Ehelosigkeit durch Kleriker höherer Weihegrade, also von der unter die irregularitates ex delicto fallenden s. g. bigamia similitudinaria spricht, die Eheschliessung eines Klerikers niederer Grade, weil seine Ehe nicht nichtig ist, in den vorausgesetzten Fällen also eine wirkliche bigamia interpretativa konstituirt 5 und endlich die von einem Laien nichtig eingegangene Ehe den Beischlaf nie zu einem ehelichen machen und die divisio carnis herbeiführen kann 8 . Unzweifelhaft ist es nach heutigem Recht, dass der aus der wahren und interpretativen Bigamie herrührende Defekt nicht nur eine Irregularität in Bezug auf die höheren, sondern auch in Betreff der niederen Weihegrade erzeugt 7 . Wenngleich der defectus sacramenti auf das Wort des Apostels gegründet wird, so fliesst er nach katholischer Auffassung doch nicht aus dem jus divinum 8 . Eine Dispen1 Denn auch hier ist auf Seiten der Frau die unitas carnis nicht vorhanden. Vgl. Ε ο e n n i n g h a u s e n p. 198 ff. Unter den neueren will Ρ a c h m a n n , Kirchenrecht §. 242. Nr. 7 den hier in Rede stehenden Fall b. und die Heirath mit einer Deflorirten nach dem Vorgang von G i b a 1 i η u s de irregularitatibus etc. Lugdun. 1642. c. 3. q. 4. n. 10. 12 nicht u n t e r die bigamia i n terpretativa gerechnet wissen. E r übersieht, dass das tertium coniparationis bei Anwendung der Analogie nicht das Vorhandensein von zwei E h e n sondern die ebenso wie bei successiver Bigamie eintretende divisio carnis auf Seiten der Frau ist (s. übrigens auch B o e n n i n g h a u s e n p. 201. Ii. 22), und dass daher mit F u g und Recht schon s e i t d e m 13. Jahrhundert ab (vgl. H o s t i e n s i s 1. c. n. 3) diese Fälle hierher gerechnet worden sind. 2 So schon I n n o c . IV. comm. ad c. 4 cit. n. 2. und H o s t i e n s i s 1. c . , vgl. die ferneren Nachweisungen bei B o e n n i n g h a u s e n p. 183 ff. 3 „quod cum huiuscemodi clericis qui quantum in ipsis f u i t secundas muliebres sibi matrimonialiter c o n i u n x e r u n t , tanquam cum bigamis non liceat dispensari, licet in veritate bigami non existunt, non propter sacramentum defectum, sed propter affectum intentionis cum opere subsecuto''. 4 S. B o e n n i n g h a u s e n p. 185. n. 5. 5 Hieraus erklärt sich die von F a g n a n . c o m m . ad c. 4. X. h. t. n. 45 zur Unterstützung der communis opinio angeführten Entscheidung d e r l i o t a .

6 Der gegen diese Erwägung angezogene gleichlautende Schluss beider Stellen, dass die Irregularität e i n t r e t e : „non propter sacramenti defectum, sed propter affectum intentionis cum opere subsecuto" lässt sich doch ebensogut auf die absichtliche und vollendete Verletzung des Keuschheitsgelübdes beziehen. Uebrigens hat die Subsumirung dieses Falles u n t e r die bigamia interpretativa darin einen Anhalt gefunden, dass die ältere Literatur (s. ζ. B. H o s t i e n s i s , 1. c. die Glosse ad c. 4. cit.) nur eine bigamia vera und interpretativa scheidet und die Fälle der später s. g. b. similitudinaria, unter die letztere zählt. Ein Theil der neueren ( P e r m a n e d e r , 132, S c h u l t e 2, 114; R i c h t e r , 105; P h i l l i p s , Lehrbuch, §. 63, s. indessen Kirchenrecht 1, 528) steht anscheinend auf dem von mir vertretenen Standpunkte, denn sie übergehen den hier in Rede stehenden Fall bei der Lehre von der bigamia interpretativa. Von praktischem Interesse ist die Streitfrage wegen der Person des zur Dispensation berechtigten, kirchlichen Oberen. 7 Trident. Sess. X X X I I I . c. 17. i. f. de reform. 8 Denn auf eine Vorschrift des Herrn führt Paulus das Verbot nicht zurück und in Betreff der minores und der bigamia interpretativa könnte ohnehin nicht von einem j u s divinum die Rede sein. Vgl. P h i l l i p s 1, 5 2 9 ; B o e n n i n g h a u s e n p. 2 0 8 ff.

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I- D i e Hierarchie unci die L e i t u n g der Kirche durch dieselbe.

[§. 3.

sation ist also zulässig, indessen in allen Fällen nur durch den Papst möglich 1. In dem Gesuche soll nach dem Stil der römischen Kurie stets die Art der Bigamie genau bezeichnet werden 2 . VII. Die Irregularität ex defectu perfectae lenitaiis (dem Mangel der Herzensmilde). Die Friedfertigkeit, Milde und Sanftmuth, welche von den Mitgliedern des geistlichen Standes gefordert wird:1, fehlt nach der Auffassung der katholischen Kirche Personen, welche durch Ausübung ihres Berufs oder ihrer sonstigen Pflichten die Veranlassung zum Tode eines Menschen oder mindestens zum Vergiessen menschlichen Blutes gegeben haben, wenngleich die betreffende Handlung an und für sich eine völlig erlaubte, j a selbst gebotene war. Von diesem Gesichtspunkt aus hat das Recht schon seit der ältesten Zeit von den Weihen ausgeschlossen t . diejenigen , welche das Kriegshandwerk betrieben haben 4 , jedoch nicht unbedingt , sondern nur dann wenn es sicher oder wahrscheinlich ist, dass sie ihre Hände mit Blut befleckt haben oder abgesehen von diesen Umständen ihre frühere Lebensweise den Mangel der vorhin hervorgehobenen Eigenschaften darthut 5 . In den germanischen Reichen haben aber diese Grundsätze, deren selbstverständige Konsequenz die Fernhaltung der Geistlichen von Kriegszügen war, nicht immer Geltung gehabt. Sind auch im 6. Jahrhundert noch zwei fränkische Bischöfe wegen ihrer kriegerischen Liebhabereien auf der Synode zu Chalons 579 abgesetzt worden", so ist doch seit dem 8. Jahrhundert im Frankenreich die Kriegsdienstpflicht der selbstständigen Kirchenvorsteher, also der Bischöfe und Aebte, eine regelmässige Einrichtung, welche mit der Concentrirung immer grösserer Grundstücks-Komplexe in der Hand der Kirche, der Entstehung der Immunitäten und der Ausbildung des Seniorates zusammenhängt 7 . Freilich sollten sie nur mit ihrer waffenfähigen Mannschaft (homines) erscheinen 8 , nicht aber am Kampfe selbst Theil nehmen noch überhaupt Waffen tragen indessen sind diese Bestimmungen in der Praxis nicht gehalten worden, vielmehr haben Bischöfe und Aebte sich nicht nur vielfach selbst an den Kämpfen betheiligt, sondern auch sogar selbst Heere und feste Plätze kommandirt t0 . Dieselben Verhältnisse dauerten in Deutschland in Folge der ' Denn der Defekt beruht auf dem ius commune vgl. ausser dem Trid. 1. c. auch noch c. iur. in VI1® de bigam. I. 12. u. B o e n n i n g h a u s e n p. 209 ff. , wo auch mehrere Entscheidungen der Congr. Gone. 2 P y r r h . C o r r a d i praxis lib. 2. c. 2. η. 24ff. 3 Matth. XI. 2 9 ; I. Timoth. III. 3 ; Tit. I. 7. 4 Can. 64. apost. ,,Εΐ τις κληρικός έν μάχη τινά κροΰσας και από τοΰ ένός κρούσματος άποκτείνει, κα&αιρείθο» δια τήν προπέτειαν αίιτοΰ"; C. 4. (Tolet. I. a. 400) Dist. LI; c. 1. ead. (Innoc. 1 . ) , c. 5. ead. (Tolet. IV. a. 633); c. 5. C. XXIII. qu. 8. (Tolet. IV.). 5 Vgl. c. l . D i s t . LI. cit. „aliquantes ex militia qui quum potestatibus obedierunt, saeva necessario praeeepto sunt executi;" c. 15. (Pelagius ?) Dist. LXIII: „diligenter inquiras, ne aliquid contra canones commisissent et si eos inculpabiles repereris et vitae ipsorum laudabile testimonium videris . . . . unumquemque per ofticia (nämlich des Subdiakons, Diakons, Presbyters . . . . non differas promovere". S. auch P h i l l i p s 1, 502. (Anders freilich das noch in der vorigen Note angeführte 1. Concil von Toledo: „etiamsi gravia non admiserit, si ad cleruin admissus fuerit, diaconii non aeeipiat dignitatem". —

Uebrigens können die Soldaten auch noch von einem andern Gesichtspunkte aus (nämlich wegen des delectus libertatis) irregulär sein, vgl. c. un. (Gregor. I.) Dist. LIIL 6 Vgl. L ö b e l l , Gregorv. Tours. S. 311; H e f e l e , Conciliengesch. 3 , 3 1 . 18; R o t h , Benelizialwesen S. 3 5 4 , Feudalität und Unterthanenverband S. 317. ' Vgl. R o t h , Beneflzialwesen S. 353ff. 317ff. Α. M. W a i t z , Vasallität. S. 75 ff. 8 W a i t z , Deutsche Verfassungsgeschichte 4, 500 ff., R o t h , Feudalität. S. 318. 9 Capit. a. 742. c. 2. (LL. 1, 16); Capit. gen. 769—771. c. 1. 2. (1, 33); Cap. eccl. a. 789. c. 69. ( 1 , 6 4 ) ; conc. Mogunt. a. 817. c. 17. (Mansi 14, 7 0 ) , c. 6. C. X X I I I . qu. 8. (conc. Meld. a. 8 4 5 ) ; Conv. Sparnac. 846. c. 37. (LL. 1, 390). •0 Eine Reihe von höheren Geistlichen sind im Felde gefallen. Beispiele für die Zeit von 712 ab bei R o t h , Benef. S. 3 5 6 ; Feudalität S. 3 2 0 ; D ü m m l e r , ostfränk. Reich 1, 370. 7 7 7 ; 2, 637. Schon Bonifaz klagt (ep. 42. a. 742. ed. Jaffe' p. 113): „Et inveniuntur quidam inter eos episcopi.. . qui pugnant in exercitu armati et effundebant propria manu sanguinem hominum sive paganorum et christianorum"; (vgl. dazu auch ep.

D i e irregularitas e x defectu.

27

L e h n s v e r f a s s u n g w ä h r e n d d e s g a n z e n Mittelalters f o r t 1 ;

und bei d e n vielen A n l ä s s e n ,

w e l c h e die T h e i l n a h m e a n K r i e g s z ü g e n z u r U e b e r s c h r e i t u n g des in R e d e s t e h e n d e n V e r b o t e s 2 h e r b e i f ü h r t e , w a r s e i n e A u f r e c h t e r h a l t u n g g e r a d e z u eine U n m ö g l i c h k e i t 3 . U e b e r d a s h e u t i g e R e c h t , für w e l c h e s j e n e V e r b o t e in F o l g e der v e r ä n d e r t e n s t a a t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e w i e d e r a n p r a k t i s c h e r B e d e u t u n g g e w o n n e n h a b e n , ist d e s N ä h e r e n n o c h F o l g e n d e s zu b e m e r k e n : D i e frühere D o k t r i n u n t e r s c h i e d z w i s c h e n e i n e m g e r e c h t e n u n d u n g e r e c h t e n K r i e g , w ä h r e n d bei d e n N e u e r e n diese U n t e r s c h e i d u n g nur n o c h v e r e i n z e l t v o r k o m m t 4 .

Ein

Grund d i e s e l b e a u f z u g e b e n , liegt n i c h t v o r , u m s o w e n i g e r als sie a b g e s e h e n v o n d e n in N o t e 4 g e d a c h t e n S t e l l e n a u c h s o n s t einen i n d i r e k t e n A n h a l t n a h m e a n einem g e r e c h t e n K r i e g e m a c h t d a n n i r r e g u l ä r ,

findet5.

Die Theil-

w e n n die betreffende P e r s o n

dabei a n d e r e e n t w e d e r s e l b s t getödtet o d e r v e r s t ü m m e l t 6 o d e r m i n d e s t e n s durch H a n d l u n g e n e i n e n s o l c h e n E r f o l g direkt h e r b e i g e f ü h r t h a t 7 ;

ihre

nur d a n n w e n n m a n sich

der K r i e g s f o l g e o d e r d e m K a m p f e n i c h t e n t z i e h e n k o n n t e u n d die T ö d t u n g o d e r

Ver-

stümmelung eines Andern aus N o t h w e h r zur Rettung des eigenen Lebens vorgenommen hat, tritt die I r r e g u l a r i t ä t n i c h t e i n 8 .

Ist der K r i e g d a g e g e n ein u n g e r e c h t e r , so e n t -

Zachariae pap. a. 743. 1. c. p. 118. 119J. S. ferner die nach dem Angeführten ebenfalls erfolglosen Verbote in c. ü. (Nicolaus I.) Dist. L, c. 19. (Nicolaus I.), c. l . ( J o a n n . V I I I . ) C . XXIII. qu. 8.—Auch bei den Westgothen findet sich die Dienstpflicht der Geistlichen 1. Visigoth. IX. 2. 8 ; ebenso bei den Langobarden, W a i t ζ , Vasallität. S. 75. 76. 1 Beispiele für das 10. u. 11. Jahrh. bei D ü m m l e r a. a. 0 . 2, 6 3 7 ; Flodoard. arm. a. 957. 958. (SS. 3, 403 ff.). Othlonis vita Woifgangi c. 32. (SS. 4 , 5 2 1 ) ; G i e s e b r e c h t , Jahrbücher s . 1 0 3 ; vita Bernwardi c. 41. ( S S . 4 , 775). Aus dem 12. Jahrh. ist der kriegerische Christian von Mainz bekannt genug, welcher die Feinde mit der Keule erschlug; Albert, annal. Stadens, a. 1172 (SS. 16, 347). Vgl. überhaupt S t e n z e l , Geschichte der Kriegsverfassung Deutschlands. Berlin 1820. S . 2 1 2 f f . T h o m a s s i r i P . III.lib.1. c. 45—47. 2 c. 5. (Innoc. III.) X. de poen. V. 37. 3 Von eintretenden Strafen für die Geistlichen wird so gut wie nichts berichtet. Vgl. auch J. H. B ö h m e r , J . Ε. P. V. 12. 18. Ebenso liegt es auf der H a n d , dass die Kreuzzüge und die Theilnahme der Geistlichen daran weitere Gelegenheiten zur Ueberschreitung des Verbotes geben mussten. Vgl. auch c. 9. i. f. (Innoc. III.) X. de voto et voti redemt. III. 34. Durant. spec. jur. lib. I. part. 1. §. 4. η. 57. (auch bei P h i l l i p s 1, 506. n. 38). 4 Ausdrücklich dagegen erklärt sich P a c h m a n n K. R. §. 242. 6. Note qq. , indem er bemerkt , dass diese Unterscheidung, wenigstens vom Standpunkt des Soldaten, der seinem Kriegsherrn gegenüber kein selbstständiges Urtheil geltend machen kann, wenig brauchbar sei. Darauf ist zu erwiedern, dass unter dieser Voraussetzung der Krieg für den einzelnen Soldaten als gerecht anzusehen ist. Vgl. die Ausführung bei P r o s p e r L a m b e r t i n i (Bened. X I V . ) instit. CI. n. 13. Ferner wird dabei übersehen, dass die Quellen selbst zwischen gerechtem und ungerechtem Kriege unterscheiden. Vgl. c. 2. (Augustin.) , wohl aber die 3. fernere hierher gehörige, schon aus alter Zeit herrührende Vorschrift, dass diejenigen, welche obligati sunt ad ratocinia, d. h. als procuratores, actores, ex.secutores und curatores pupillorum fungirt haben, nicht vor völliger Lösung dieses Verhältnisses in den geistlichen Stand treten dürfen 4 . Denn abgesehen davon, dass die nach der Ordination noch fortdauernde Verwaltung den Geistlichen von seinem Berufe abziehen könnte, liegt auch selbst bei beendigter Administration die die Würde des Klerus beeinträchtigende Gefahr nahe, dass die betreffenden Personen vor völliger Dechargirung theils mit Civilansprüchen, theils mit wohl gar zu Verurtheilung führenden Crimininaluntersucluingen wegen ungetreuer Verwaltung verfolgt werden. Diese Gesichtspunkte sind noch heute massgebend, und so ist der Satz als noch jetzt geltendes Recht hinzustellen, dass die Führung jeder Vermögensverwaltung, möge dieselbe nun kraft eines öffentlichen Amtes oder blos kraft eines privatrechtlichen Titels übernommen worden sein (also als Rendant einer öffentlichen Kasse, als Vormund, als Curator, als Testaments-Executor, als Generalbevollmächtigter u. s. w.) so lange irregulär macht, bis die betreffende Person ordnungsmässig Rechnung gelegt und eine Decharge erhalten Gangr. c. 16.) Dist. X X X . hat eine specielle Beziehung auf die Eustathianer lind ist für das ins commune nicht massgebend. Vgl. Correct. Rojnani dazu, H a l l i e r l . c. Ii. 52, H e f e l e , Conciliengeschichte 1, 759. 1 c. 2. X . de regular. III. 3 1 ; G o n z a l e z T e l l e z zu dieser Stelle u. H a l l i e r 1. c. n. 4ff. Uebrigens bestätigt die citirte Stelle auch vermittelst des argum. e contrario den im Text über den mündigen Sohn aufgestellten Satz. 2 Vgl. c. 1. 2. 3. (Innoc. I.) Dist. L I ; c. 1. (Gelas. I . ) Dist. L V ; L. 104. 121. 123. 5. C. Th. de decurion. X I I . 1 ; L. 03. C. J . de episc. I. 3 ; c. 20. (Nov. 123. c. 4 . ) Dist. L I V ; Nov. 123. c. 1. l ü ; c. 5. (Tolet. IV. a. 633) Dist. LI. liei dieser Bestimmung traf das Interesse der Kaiser, deren Gesetzgebung die Tendenz verfolgte , die Kurialen mit allen möglichen Mitteln bei der Kurie zu erhalten, und das der Kirche zusammen , da diese derartige abhängige Beamte nicht frei in ihrem Dienste verwenden konnte, und auch weiter der Gesichtspunkt einer Reihe nicht mit der geistlichen Stellung vereinbarer Pflichten der Curialen in Frage kam (vgl. c. 3. cit. Dist. L I : „Constat enim eos in ipsis muneribus etiam voluptates exhibere qnas a diabolo inventas esse noil dubium e s t , et ludorum et mimorum aut apparatibus aut praeesse aut forsitan interesse"). Mit dem Verfall der Kurien, welche die Const. Leon. 46. (u. 890) als eine im byzantinischen lieiche kaum noch bekannte Antiquität bezeichnet und die auch daher unmöglich länger in Italien als bis in das 7. Jahrhundert ihr Dasein ge-

fristet haben können (vgl. H e g e l , Geschichte der Städteverfassung in Italien 1, 292. 294.), ist das Verbot gegenstandslos geworden. Allerdings erwähnt das Conc. Ticin. a. 1018 c. 1. (Mansi 19, 347.) der curia: „quicumque ex clero cum qualibet muliere habitaverit . . . lege . . . J u s t i liiana aeque deponitur et curiae civitatis cuius est clericus traditur . . . . servient itaque cum tiliis patres in c u r i a , i. e. c u r a m super his tantum in p u b l i c o habebant quae ad solam ecclesiae utilitatem forensem p e r t i n e b u n t : ilia scilicet causa ut qui noluerunt i n t u s , i. e. in ecclesia servire u t clerici, s e r v i a n t f o r i s , in publico u t laici. Neque enim clerici, licet damnati, ut exeunt abhonore, ita a famulatu ecclesiae e \ i b u n t neque ulli extra ecclesiam, utpote ofilcialium alicui personarum, servient, sed in publico ea tantum publica quae ad ecclesiam respexer i n t , procurabunt''; aber hier kommt die auch früher schon sich lindende Verwechselung von curia und cura vor (s. H e g e l a. a. 0 . S. 300), von der Kurie im Sinne der römischen Zeit ist keine Rede, vielmehr heisst die Stelle nur soviel, dass solche Geistliche f ü r ihre Kirche ausserhalb die gemeinen Dienste ( M a n s i 1. c. 3 4 9 : „hanc eis legem concedimus, u t in servitium templi quod effugere nullatenus p o s s u n t , aquas et ligna et cetera generis eiusdem, veluti forenses ecclesiae actionarii comportent") leisten sollen. Vgl. gegen v. S a v i g n y , Gesch. des röm. Rechts I I . § . 99. n. c. H e g e l a. a. 0 . S. 302. * c. 3. (Carth. 1. a. 3 4 9 ? ) Dist. LIV. = c. un. X . de oblig. ad ratocinia. I. 19; c. un. (Greg. I . ) Dist. L I I I .

Die irregularitas ex defectu.

35

hat 1 . Der Umstand, dass der Verwalter dabei eine bestimmte, erst später zu berichtigende Summe schuldig bleibt, hindert an sich nicht die Zulassung zur Ordination, vielmehr kann ein solches Verhältniss nur unter dem Gesichtspunkt in Betracht kommen , dass der ausreichende Unterhalt (der titulus) dadurch gefährdet wird und wegen des mangelnden Auskommens die Ertheilung der Weihe zu verweigern sein würde 2 . Denn die Verhaftung wegen einer civilrechtlichen Schuld an und für sich begründet keine Irregularität. Eine Ausnahme von der erwähnten Regel tritt insofern ein, als Kleriker Vermögensverwaltungen für personae miserabiles, für kirchliche und fromme Institute, sowie eine tutela legitima über ihre Verwandten führen dürfen, ohne irregulär zu werden 3 , und daher auch Laien, welche derartige Administrationen übernommen haben, nicht vom Eintritt in den Klerus fern gehalten werden können 4 . Ist Jemand den erwähnten Vorschriften zuwider geweiht worden, so tritt doch nicht ohne Weiteres die Suspension von den Funktionen des ertheilten Weihegrades ein, vielmehr nur arbiträre Strafe, denn das erstere ist nirgends als Folge der Verletzung der gedachten Kegeln festgesetzt 5 . 4. Mehr beiläufig kommt schon früh die Bestimmung vor, dass auch diejenigen, welche Staatsämter inne haben, nicht in den geistlichen Stand aufgenommen werden sollen 6 . So selten dieser Fall jetzt in den Lehrbüchern erwähnt wird , so wenig kann seine praktische Gültigkeit in Frage gestellt werden. Wer ein Staats- oder anderes öffentliches (ζ. B. städtisches, Gemeinde-) Amt führt, muss ebenfalls für irregulär erachtet werden, so fern die Erfüllung der ihm auferlegten Amtspflichten mit der gewissenhaften Ausübung des geistlichen Berufes unvereinbar ist 7 . Auch hier tritt der für die Irregularität der Sklaven massgebende Gesichtspunkt hervor, dass Niemand zweien Herren dienen kann. Für die Frage, welche einzelne Aemter mit dem geistlichen Stande inkompatibel sind, lässt sich die Entscheidung nur unter Berücksichtigung der Vorschriften über die Pflichten des geistlichen Standes gewinnen, wobei freilich 1 R e i f f e n s t u e l I. 19. n. 6 ; P i r h i n g I . 19. n. 4. Die Decharge, welcher nur S c h u l t e 1, 109 als Bedingung des Fortfalls der Irregularität erwähnt, ist offenbar das wesentliche, weil nicht durch die blosse irgendwie geschehene Rechnungsablage die Gefahr weiterer Ansprüche beseitigt wird. Selbstverständlich ist, dass der ausdrücklichen Dechargirung der Fall gleichstellt, wo diese bei verzögerter Rechnungsabnahme durch das Civilrecht als erfolgt fingirt wird. — Die Annahme mancher Aelteren (vgl. schon H o s t i e n s i s , summa aurea h. r. n. 5 ; s. auch B e r a r d i 1. c. c. 4. p. 381), welche den oben im T e x t hingestellten Satz uneingeschränkt n u r f ü r öffentliche Beamte gelten lassen wollen, die Privatverwalter aber nur bei drohender Belangung wegen dolus für irregulär erklären, hat keinen Anhalt. Vgl. P i r h i n g 1. c. n. 4 ; P h i l l i p s 1, 4 9 5 ; B o e u n i n g h a u s e n S. 171. 2 Α. M. P h i l l i p s 1, 497, der völlige Befriedigung oder Stellung eines selbstschuldnerischen Bürgen verlangt; mit letzterem ist aber die Verhaftung des Principalschuldners überhaupt nicht ausgeschlossen, und überdies kann derselbe doch immer vom Bürgen im Regresswege belangt werden. Vgl. auch P i r h i n g 1. c. n. 3 , S c h m a l z g r u e b e r 1. c. n. 4, B o e n n i n g h a u s e n S. 172. Die Aelteren formuliren gewöhnlich die Frage dahin,

ob der Verwalter, d e r , um sich seiner Verpflichtungen zu erledigen, die cessio bonorum vorgenommen h a t , irregulär i s t , und verneinen das meistens. (Vgl. P i r h i n g 1. c. n. 5 ; S c h m a l z g r u e b e r 1. c. η. δ.), während die Congr. Conc. 1725 j e d e n , der bonis cedirt hat, f ü r irregulär erklärt hat (anscheinend wegen der mit der cessio bonorum nach der kanonischen Auffassung verbundenen infamia f a c t i , dann aber auch wegen der Gefährdung des Titels), s. B o e n n i n g h a u s e n S. 172. n. 7. 3 c. 26. (Chalced. a. 4 5 1 . ) Dist. L X X X V I ; c. 1. (id. conc.) C. X X I . qu. 3. 4 R e i f f e n s t u e l 1. c. n. 7 ; P i r h i n g 1. c. Ii. 3 ; S c h m a l z g r u e b e r 1. c. n. 3 ; P h i l l i p s 1, 4 9 6 ; B o e n n i n g h a u s e n S. 174. 5 R e i f f a n s t u e l l . c. n. 1 1 ; S e h m i e r 1. c. n. 6 0 2 ; P h i l l i p s 1, 4 9 7 ; B o e n n i n g h a u s e n S. 175. β c. 1. (Gelas. I.) Dist. L V : „vel publicaruni rerum nexibus implicati". Unter diesen Gesichtspunkt fällt auch die schon beim defect, perfectae lenitatis ( S . 26. n. 5 . ) erwähnte Irregularität der Soldaten ex defectu libertatis. c. un. (Greg. I.) Dist. L I I I . 7 Vgl. P i r h i n g 1. c. n. 2 ; R e i f f e n s t u e l 1. c. η. 5. 6 ; B o e n n i n g h a u s e n S. 170. 171.



I. Die Hierarchie und (lie Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 3.

die auch hinsichtlich der letzteren massgebenden Anschauungen einer bestimmten Zeit und Kultur-Epoche mit in Betracht kommen 1 . Ferner erledigt sich praktisch die Frage in vielen Fällen dadurch, dass bei der für die meisten öffentlichen Aemter vorgeschriebenen wissenschaftlichen Vorbildung die betreffende Person nicht leicht die in dieser Hinsicht für die Kleriker festgesetzten Anforderungen erfüllen wird, und dass ferner auch das Staatsrecht den Beamten die Uebernahme einer Reihe von Nebenämtern untersagt. 5. Wegen der Pflichten, welche dem Ehemann seiner Frau gegenüber obliegen, ist dieser nicht befugt, ohne den ausdrücklich oder stillschweigend gegebenen Konsens seiner Ehefrau die höheren Weihen zu empfangen 2 , selbst dann nicht, wenn die Ehe auch noch nicht konsummirt sein sollte:1. Ueber die weiteren Erfordernisse, welche für den erlaubten Empfang der Ordination vorliegen müssen, herrscht Streit. Auf Seiten des Mannes wird von Einigen höheres Alter und Abwesenheit des Verdachts der Inkontinenz verlangt 4 . Einen quellenmässigen Anhalt hat aber diese Ansicht nicht und ein entschiedenes Gewohnheitsrecht lässt sich ebenso wenig dafür anführen 5 . Seitens der konsentirenden Frau wird dagegen von der überwiegenden Meinung zugleich der Eintritt in ein Kloster und Ablegung eines feierlichen Keuschheitsgelübdes gefordert n , und diese Ansicht ist deshalb zu billigen, weil der Grund, aus welchem das c. 6. X. h. t. cit. dies für den Bischof anordnet, — die Vermeidung jeder Gefahr und jeden Verdachtes der Inkontinenz — auch für die übrigen ordines sacri zutrifft. Nimmt man das an, so darf für diejenigen Fälle, in welchen ein solcher Verdacht wegen tadellosen Wandels in Verbindung mit dem vorgerückten Alter der Frau nicht vorliegt, auch nicht eine allgemeine, sondern nur vermöge päpstlicher Dispensation zulässige Ausnahme statuirt und nur unter dieser Bedingung die Ablegung eines einfachen Keuschheits1 Es sei hier einerseits an die Stellung der Iii— schüfe im fränkischen und im deutschen Iieich e r i n n e r t , andererseits darauf hingewiesen, dass heute eine Reihe von Lehrämtern an Staatsunstalten (so namentlich die Professuren in den katholisch-theologischen Fakultäten der deutschen Universitäten) mit dem geistlichen Stande nicht f ü r unvereinbar erachtet werden. — In einzelnen Diöcesen ist bischöfliche Genehmigung vor Annahme jedes weltlichen Amtes vorgeschrieben (so ζ. B. in P a d e r b o r n , vgl. G e r l a c h , Paderborner Diöcesanrecht 2. Aufl. S. 7 9 ) , eine Vors c h r i f t , die nur den Zweck hat, dem Bischof die Möglichkeit zur Untersuchung der Kompatibilität zu geben.

- c. ö. 6. (Alex. I I I . ) de convers. coniug. III. 3*2, welche nur von den höheren Weihen handeln. Die Ertheilung der Tonsur an denjenigen, welcher nicht zu den höheren Weihen aufsteigen will, verbietet c. 4. (Bonifac. V I I I . ) in VI t o de temp, ordin. I. 9. Vgl. G o n z a l e z T e l l e z zu c. 6. X. cit. 3 c. un. de voto in Extr. Joann. X X I I . ( V I ) ; B o e n n i n g h a u s e n S. 177. Note i. f. 4 So die Congr. conc. B e n e d i c t . X I V . de synod. dioec. lib. 13. c. 12. n. 1 4 ; danach B o e n n i n g h a u s e n p. 177. 5 Eine entgegenstehende Praxis in einzelnen Bisthümern erkennt selbst B e n e d i c t X I V . 1. c. an. Allerdinga ist es richtig, dass wenn die E h e durch Eintritt der Frau in einen Orden aufgelöst

werden soll, der Mann, wenn er vorgerückten Alters und von dem Verdachte der Unenthaltsamkeit befreit i s t , nur ein einfaches Keuschheitsgelübde abzulegen braucht. Eine analoge Anwendung auf den hier in Rede stehenden Fall ist aber deshalb unzulässig, weil mit dem Empfang der höheren Weihen die unbedingte Ehelosigkeit, wie bei dem sonstigen votum solenne verbunden ist, also dieser dem Eintritt in ein Kloster gleichsteht. Wer sich darauf stützt, dass durch die E l t h e i l u n g der höheren Weihen allein der noch im kräftigen Mannesalter stehende Ehemann nicht vor der Gefahr der Unenthaltsamkeit geschützt s e i , der spricht damit indirekt dem Cölibatgesetze seine Berechtigung ab und kann sicher n i c h t , wie die angeführten Schriftsteller und die Congregatio t h u n , von den aufgestellten Voraussetzungen wieder eine Ausnahme machen, wenn die Frau wegen Ehebruchs das Recht auf das debitum coniugale verloren hat. 6 Ausdrücklich u n t e r allen Umständen ist das n u n f ü r nöthig erklärt, wenn der Mann die Bischofsweihe erhalten soll, s. c. 6. X. h. t. cit. Ein Theil der Glossatoren hat diese Bestimmung aber schon ausdehnend i n t e r p r e t i r t ; eine Reihe älterer Quellenzeugnisse verlangen das freilich nicht (vgl. c. 6. (Agath. ü06) Dist. L X X V I I . und oben S. 8. Note 3.), weshalb andere unter ihnen und auch noch spätere ( G o n z a l e z T e l l e z 1. c.) f ü r die Regel ein einfaches Keuschheitsgelübde unter Aufgabe des räumlichen Zusammenlebens f ü r genügend erachten.

D i e irrcgularitas ox (lefectu

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gelübdes durch die Frau als ausreichend erachtet werden Die Einwilligung der Ehefrau ist aber dann nicht erforderlich, wenn sie sich des Ehebruches schuldig gemacht und deswegen eine Scheidung von Tisch und Bett stattgefunden hat, weil sie unter diesen Umständen des Rechts, die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft zu fordern, verlustig gegangen ist 2 . Dadurch dass der Mann wider Willen der F r a u 3 die höheren Weihen zu erlangen weiss, kann er ihr sonst ihre ehelichen Rechte nicht entziehen, vielmehr muss er die Gemeinschaft mit ihr fortsetzen und es trifft ihn ferner ohne weiteres die Suspension von dem empfangenen Weihegrade, verbunden mit der Unfähigkeit einen höheren ordo oder irgend ein geistliches Amt zu erlangen Hat die Frau zwar ihren Konsens gegeben, will sie aber ihrerseits nicht einmal ein ewiges einfaches Keuschheitsgelübde ablegen, welches sie j a hindern würde, ferner die Leistung der ehelichen Pflicht vom Manne zu verlangen, so liegen die Bedingungen, unter welchen die eheliche Gemeinschaft aufgelöst werden kann, nicht vor. Es bleibt ihr deshalb auch in diesem Fall ihr Recht gewahrt und für den Mann tritt hier gleichfalls die Irregularität ein 5 . Es fragt sich endlich, ob der Verheirathete ebenfalls für die niederen Weihen irregulär ist. Der Bejahung dieser Frage steht entgegen, dass wenn man ohne weiteres eine solche Irregularität statuiren wollte, die für die Erlangung der sacri ordines gegebenen Vorschriften überflüssig wären, weil die Einwilligung der Frau dann schon vor Ertheilung der vorangehenden minores erfordert sein müsste. Weiter kommt der Umstand hinzu, dass für die niederen Weihen keine unbedingte Pflicht zur Ehelosigkeit besteht. Andererseits soll aber ein Verheiratheter, welcher nicht später die höheren Weihen empfangen will, nicht zur Tonsur zugelassen werden 6 , ferner ist mit der Verheirathung eines Klerikers der niederen Grade der Verlust seines Benefiziums verbunden 7 , obwohl er unter Umständen nicht alle geistlichen Standesrechte verliert 8 . Diese Bestimmungen Hessen sehr wohl auf eine Irregularität des Verheiratheten schliessen. Indess würde es sich dann fragen, ob für ihn, so lange er nur die niederen Grade erlangen will, der Konsens seiner Frau und der Eintritt derselben in ein Kloster nothwendig ist. Berücksichtigt man weiter die Bestimmung des Tridentinum 9 , nach welcher der Bischof im Fall der Noth verheirathete Kleriker niederer Grade in diesen funktio1 Das ist die Praxis der Congr. Conc. vgl. Κ e n e d . XIV. 1. c., B o e n n i n g h a u s e n S. 177. Ana), iur. pontif. 1867. S. 686 ff. Die gewöhnliche Meinung verlangt freilich das päpstliche Indult nicht. Vgl. S a n c h e z , de matrim. lib. 7. disp. 39. n. 6 ; F a g n a n . ad c. ö. cit. n. 10; P i r h i n g 1. c. n. 0 9 ; ferner die neueren Kompendien. Uebrigens deutet das sich auf die Professleistung beziehende c. 4. (Alex. III.) h. t. („Verum si ita uxor senex est et sterilis quod sine suspicione possit esse in saeculo, d i s s i m u l a r e poteris , ut ea in saeculo remanente et castitateni promittente , ad religionem transeat vir eiusdem'·) doch nicht darauf hin , dass dem Bischof das Befinden über den Ausnahmelall regelmässig zustehen soll. 2 S. unten im Eherecht; vgl. vorläufig Β ο e n n i n g h a u s e n S. 176 Note und c. 4. X. de divert. IV. 19. Dasselbe gilt von den GriechischKatholisclien, welche nach griechischem Ritus ordinirt werden sollen, c. 6. (Innoc. III.) X. de cler. coniug. I I I . 3 ; l a s p e y r e s i . a. 0 . S. 44. 3 Gleichsteht selbstverständlich der Kall dor

durch Zwang, Irrthum u. s. w. erlangten Einwilligung. S. o. 17. 18. (Alex. HI.) X. h. t. III. 32. 4 c. un. h. t. in Extrav. Joann. XXII. (VI); die Irregularität dauert selbst dann fort, wenn die Ehe nachher durch Tod oder weil sie blos ein matrimonium ratum war, durch ein votum solenne der Frau gelöst worden ist. Die Dispensation ist aber in diesen Fällen dem Bischof gestattet, wenn der Ehemann seinerseits auch in einem approbirten Orden Profess leistet. B o e n n i n g h a u s e n 3, 184. 5 c. 1. (Alex. I I I . ) X . h. t. I I I . 32. Vgl. auch B o e n n i n g h a u s e n 1, 181. 185. Note 4. f' c. 4. in VI'" de temp, ordin. I. 9. Vgl. P h i l l i p s 1, 739. 7 c. 1. X. de cleric, coniug. III. 3. 8 c. un. in VI·® cod. tit. III. 2. η Sess. XXIII. c. 17. i. f. de reform. : „Quod si ministeriis quatuor minorum ordinum exercendis clerici caelibes praesto non erunt, sufflei possint etiam coniugati vitae probatae, dummodo non bigami, ad ea munia obeundi idonei et qui tonsuram et habitum clericalem in ecclesia gestellt".

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I. D i e Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 4.

niren lassen, also doch offenbar auch im Fall der Noth einen Verheiratheten erst zu diesem Behuf tonsuriren und weihen darf, ohne dass der Konsens der Frau erfordert wird, so kann man um so weniger eine Irregularität statuiren, als ja noch vielfach selbst Laien die Funktionen der niederen Weihen in der katholischen Kirche vornehmen, und auch sonst die blosse Ordination noch nicht das Recht, sondern nur die Fähigkeit zu funktioniren, giebt 1 . bb. D i e i r r e g u l a r i t a s e x §.4.

α. Historische

delicto.

Einleitung.

Nach der Vorschrift des Apostel Paulus sollen der Bischof und die Diakonen ohne Verbrechen sein 2 . Deshalb schloss man in der orientalischen Kirche alle diejenigen, welche nach der Taufe eine schwere Sünde begangen hatten 3 , von dem Klerikerstande aus 4 . In der abendländischen Kirche wird der Rechtssatz schon früh 5 so ausgedrückt, dass diejenigen, welche in Folge der gedachten Handlungen öffentliche Busse hatten übernehmen müssen, in der Regel vom Klerikalstand fern bleiben sollten. Eine feste objektive Gränze zwischen den leichteren, nicht in Frage kommenden, und den schweren Vergehen, welche letzteren unter dem crimen der lateinischen Uebersetzung der Apostelbriefe verstanden wurden, liess sich aber, da es hier wesentlich auf die Richtung des sündigen Willens ankam, der Natur der Sache nach nicht geben 6 . Der Grund der Ausschliessung ist nach den angeführten Quellenzeugnissen unzweifelhaft die schwere Sünde, nicht aber die Leistung der öffentlichen Busse an und 1 Deshalb kann die im Tridentinum a. a. 0 . vorgeschriebene Erlaubniss des Bischofs für die verheiratheten Kleriker auch nicht als eine Dispensation von der Irregularität aufgefasst werden. AVenn B o e n n i n g h a u s e n S. 185 a. E. sagt, aus der oben citirten Extravagante Johanns X X I I . folge klar, maritum solum suspension! ab usu ordinum majorum, non item suspensioni ab exercitio ordinuni minorum obnoxium esse, quamquam certe utpote irregularis in eisdem ministrare non debet, so verstehe ich das nicht recht, da die Irregularität doch dem Kleriker das Hecht der Ausübung der Funktionen seines Weihegrades entzieht , also insoweit mit der Suspension gleiche "Wirkung hat. 2 Tit. I. 6. 7 ; I. Timoth. III. 2, 10. (so nach der Vulgata, die „sine crimine" hat; int griechischen Text steht: άνέγχλητος, unbescholten). 3 Die vorher begangenen Sünden werden durch die Taufe gehoben, c. 6. (Hieronym.) Dist. XXV. 4 c. 2. (,,ψυχιχόν τι άμάρτημα"), c. 9. (,,ήμαρτημένα' ; ) c. 10. („παραπεπτωχότες") Nicaen. a. 3 2 5 ; c. 4. 5. Dist. L X X X I ; c. 7. Dist. X X I V ; c. 00. Dist. L. Besonders erwähnt werden die fleischlichen Sünden und die Idolatrie in c. 9. 10. Neocaer. (314—325) und c. 1. 2. Ancyr. (314), vgl. c. 10. C. XV. qu. 8 ; c. 32. Dist. L, wo aber für die schon Ordinirten nicht völlige Ausstossung aus dem Klerikerstande angeordnet wird (vgl. des näheren H e f e l e , Conciliengeschichte 1 , 215. 190). Ob das Concil von Neoeäsarea aber die übrigen peccata in einen Gegensatz zu den Fleischcsvergehen setzt oder nur diese als Beispiel heraushebt, bleibt wegen der Worte des c. 9 : ,,τά

γάρ λοιπά αμαρτήματα έφασαν οί πολλοί χαΐ τήν χειροθεσίαν άφιέναι 1 ' zweifelhaft. — Vgl. ferner c. 60. apost. : „Ei τις κατηγορία γένηται χατά π ο τ ο ύ πορνείας ή μοιχείας ή ά'λλης τίνος άπηγορευμένης πράξεως χαΐ έλεγχθείη, είς χληρον μή άγέσθω". — Die ältesten Vorschriften für das Abendland c. 18. conc. Eliberit. a. 305 u. 306, u. c. 4. Valentin a. 374. 5 Tolet. I. a. 400. c. 2. („Placuit, ut de poenitente non admittatur ad clerum, nisi tantum necessitas aut usus exegerit inter ostiarios deputetur vel inter lectores, ita ut evangelium et apostolum non legat: si qui autem ante ordinati sunt subdiacones inter subdiacones habeantur, ita manum non imponant aut sacra non contingant. E x poenitente vero dieimus de eo qui post baptismum aut pro homicidio aut pro diversis criminibus gravissimisque peccatis publicam poenitentiam gerens sub cilicio divino fuerit reconciliatus altario". c. 68. Dist. L . ) Allein den S a t z , dass der poenitens nicht Kleriker werden soll, stellt auf c. 68. des s. g.,, seinem Ursprung nach zweifelhaften conc. Carth. IV. (c. 55. Dist. L). « Vgl. c. 1. (August.) Dist. L X X X I . („Crimen autem est peccatum grave, accusatione et damnatione dignissimum"). Diese Stelle rechnet unter das crimen: homicidium, adulterium, aliqua immundicitia fornicationis , furtum , fraus , sacrilegium et cetera huiusmodi; Dist. XXV. P. III. §. 6. (August.) ausser den aufgezählten falsum testimonium, rapina, superbia, invidia, avaritia; et si longo tempore tenentur, iracundia, et ebrietas, si assidua sit; im 4 heisst es aber: „Hinc etiam Augustinus ait: Nulluni peccatum est adeo veniale, quod noil flat criminale, dum placet".

§•4.]

D i e irrcgularitas c x delicto.

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für sich 1 . Wenn es auch anerkannt war und seitens der Päpste des 4. bis 6. Jahrhunderts mehrfach wiederholt wurde, dass die Busse zwar die Folgen der Sünde tilgt, aber doch nicht die Möglichkeit der Ordination gewährt 2 , so legen die Quellen trotz der mehrfach allgemein lautenden Vorschrift, dass die poenitentes oder lapsi nicht ordinirt werden sollen, das Gewicht nicht darauf, dass die öffentlich geleistete Busse die Ausschliessung bewirke, sondern vielmehr darauf, dass selbst die Pönitenz nicht die für den Klerikalstand nöthige Reinheit wieder herstellen könne :i. Schon Ende des vierten Jahrhunderts fand man es aber unangemessen, dass die Kleriker sich ebenso wie die Laien und gemeinschaftlich mit diesen der öffentlichen Busse unterzogen 4 , indessen blieb — was gleichfalls die eben aufgestellte Meinung bestätigt — trotzdem die Ausschliessung derselben von den geistlichen Funktionen bestehen 5. In den nächst folgenden Jahrhunderten bis zum zehnten finden sich dieselben Grundsätze noch wiederholt ansgesprochen fi , aber mitunter dringt schon tlieils eine mildere Auffassung durch, indem man die Geistlichen unter Umständen nach geleisteter Busse im Wege der Dispensation wieder zur Ausübung ihres ordo zuliess 7 , theils aber scheiterte die Durchführung der früheren strengen Disciplin an den faktischen, für die Kirche unüberwindlichen Verhältnissen 8 . Nur vereinzelt ist im 9. Jahrhundert die Meinung aufgetreten, dass nur diejenigen Kleriker abgesetzt werden müssten, welche ein öffentlich bekannt gewordenes Vergehen begangen oder im Rechtswege desselben überführt worden seien, dagegen solche, welche wegen einer geheimen Sünde geheime Busse geleistet hätten, ihren Grad behalten sollten 9 . Wenn man ferner im 11. Jahrhundert wieder eine Reihe von Ausnahmen, 1 T h o m a s s i n P. II. lib. I. c. 56. n. 7. c. 25. (August.) Dist. L ; c. 6. (Ilieronym.) Dist. X X V ; womit freilich nicht recht harmonirt c. 19. Dist. L , wenn man dieser Stelle nicht einen ganz beschränkten Sinn mit Rücksicht auf die wiederholt angeführten Ausnahmen des David und des Petrus (s. c. 25. 53. Dist. L . ) geben will; (anders P h i l l i p s 1, 563. nach B e r a r d i , Gratiani canones. T. III. p. 130.) — c. 56. 66. (Siric.), c. 60. (Innoc. I.) Dist. L ; c. 18. (Innoc. I.) C. I. qu. 1; c. 59. (Gelas. I . ) Dist. L, Hormisdae ep. ad episc. p. Hisp. a. 517. c. 2. (Mansi 8, 430.), c. 1. 3. 9 — 11. (Gregor. I.) Dist. L. — Ueber den Grund dieser Bestimmung vgl. c. 25 cit. 3 Siehe c. 66. Dist. L cit. u. c. 18. C. I. qu. 1. cit. Vgl. T h o m a s s i n . 1. c. c. 57. n. 2. * c. 65. (Carth. V . ) ; c. 66. (Siric.), c. 67. (Leo I.) Dist. L. 5 Vgl. T h o m a s s i n . 1. c. c. 56. n. 12; Β ο e n n i n g h a u s e n 1, 64. ß F ü r das spätere r ö m i s c h e R e i c h vgl. Nov. 123. c. 2. 14. 2 0 ; Trullan. c. 21. a. 6 9 2 ; für S p a n i e n s. c. 9. 10. conc. Gerund. a. 5 1 7 ; c. 53. conc. Tolet. IV. a. 633; c. 5. (Tolet. IV.) Dist. L I ; c. 11. Tolet. XIII. a.683, wo in Uebereinstimmung mit der Auffassung des Textes unterschieden wird, ob die Busse für ein crimen mortale oder nicht für ein solches übernommen ist. Eine Milderung zeigt c. 5. conc. Ilerdens. a. 523. (c. 52. Dist. L. u. c. 2. C. XV. q u . 8 ) ; vgl. auch den seiner Aechtheit nach freilich zweifelhaften (s. T h o m a s s i n . 1. c. c. 57. n. 9.) Brief des Isidor ν. Sevilla in c. 28. Dist. L ; für das F r a n k e n r e i c h c. 43. conc. Agath. a. 506 (entstellt in c. 3. C. XXVI. qu. 6). c. 9. 12. Aurel. 1. a. 511. (c. 12. 14. Dist. LXXXI), c. 3. 22. Epaon. 2

a. 5 1 7 ; c. 8. Aurel. III. a . 5 3 8 ; c. 12. Aurel. V. a. 5 4 9 ; c. 2. (Mart. I. a. 649) Dist. L ; Ep. syn. Cabilon. ad Theodos. Arel. a. 644—656. (Mansi 10, 1194); c. 4. (Joann. VIII.) Dist. L ; c. 11. conc. Tribur. (Mansi 18, 138). ' Ep. Vigilii a. 549. (Mansi 9, 3 5 1 ) ; T h o m a s s i n P. 2. lib. I. c. 59. n. 13. Die Stelle in dem Briefe Gregors ad Secundinum, lib. IX. ep. 52. auch in c. 16. Dist. L , worin der Grundsatz über die lapsi aufgestellt wird : „post dignam satisfactionem posse redire ad honorem" scheint spätere Interpretation dieses auch sonst in einzelnen Theilen verdächtigen Briefes zu sein, ohne dass man denselben, wie T h o m a s s i n . 1. c. c. 59. n. 9. 10. dem Pseudo-Isidor zuzuweisen braucht. (S. R i c h t e r a d e . cit., P h i l l i p s 1, 567. Note 24.) Dieselbe Auffassung ist schon in der Angelegenheit des Bischofs Contumeliosus von Riez 533 und 534 von den Bischöfen der Provinz Arles gegen Johann II. und Cäsarius von Arles vertheidigt worden, vgl. H e f e i e , Conciliengesch. 2, 730ff.; J a f f e ' , regest, n . 5 7 3 — 5 7 5 . und den hierher gehörigen c. 29. §. 1. Dist. L. S. auch Ep. Joann. VIII. ad Hodonem a. 877/79. (J. 2 4 3 7 ; Mansi 17, 105). 8 Ζ. B. wegen der einflussreichen politischen Stellung der Bischöfe, wegen Mangels an Priestern in den jüngst bekehrten Ländern, s. ep. Bonifac. ad Daniel, a. 732—746. u. adEgb. Ebor. a. 735—755. (ed. Jaffe S. 158. 250). Von diesem Gesichtspunkte aus erklärt sich wohl auch die mildere Behandlung der Simonie vgl. ep. Silvestri II. (a. 999 — 1 0 0 3 ) bei T h e i n e r disquis. crit. S. 318. S. auch P h i l l i p s 1, 568. 9 Vgl. R h a b a n i M a u r i ep. ad Heribaldum a. 853. ( I l a r t z h e i m , conc. Germ. 2, 190, c. 34.

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I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 4.

namentlich wegen des Ueberhandnehmens der Simonie und der Inkontinenz machen m u s s t e u m der Kirche den Klerus zu erhalten, so war damit zwar in der Theorie der alte Grundsatz noch nicht aufgegeben 2 , indessen musste doch diese sich immermehr zu Ausnahmen neigende Praxis zu einer Umgestaltung des Rechts selbst führen. Es erklärt sich hieraus, dass G r a t i a n die widersprechenden von ihm angeführten Zeugnisse dadurch zu vereinigen sucht, dass er den Verlust der geistlichen Würde nur dann eintreten lässt, wenn eine Scheinbusse stattgefunden 11 oder wenn das Verbrechen öffentlich bekannt geworden , resp. für das nicht öffentliche bekannte öffentliche Busse geleistet war Die Glosse zu seinem Dekret referirt noch über drei verschiedene Meinungen 5 , bezeichnet aber die Meinung Gratians als die »verior et benignior«. Sie ist noch in demselben Jahrhundert offiziell reeipirt worden und findet sich in mehreren Stellen der Dekretalen Gregors IX. anerkannt l ! . Die Umgestaltung des Busswesens und namentlich das im Abendlande seltene Vorkommen der öffentlichen Busse hat diese Entwickelung demnach nicht im Wesentlichen bestimmt 7 , wichtig sind diese Verhältnisse nur insofern geworden, als die Seltenheit der öffentlichen Busse das Durchdringen der durch die Verhältnisse gebotenen Milderung erleichtert hat. Eine Bestätigung dieser Auffassung findet sich auch darin, dass die Tödtung, welcher im Lauf der Zeit gewisse andere Verbrechen gleichgestellt wurden, fort und fort lediglich als solche für ein Weihehinderniss gegolten hat und dass man in dem bekannt gewordenen Verbrechen ein Weihehinderniss fand, erklärt sich einfach aus der Nothwendigkeit der Aufrechterhaltung der Achtung vor dem Klerikalstande. Der Abschluss der Entwicklung ist demnach der gewesen, dass man für gewisse Vergehen, so namentlich die Tödtung, das alte strenge Recht beibehielt, für andere aber dasselbe insoweit milderte, als es mit der Bewahrung der geistlichen Würde und der Sicherung einer gedeihlichen Wirksamkeit des Klerikalstandes verträglich erschien, d. h. insoweit die Irregularität nicht eintreten liess, als die Vergehen unbekannt geblieben waren. Damit ist der ursprüngliche einheitliche Grundgedanke der Ausschliessung wegen Verbrechen aufgegeben, und das Zusammenfliessen einzelner Fälle der irregularitas ex delicto mit denen der irregularitas ex defectu famae bewirkt worden 9 . Dist. L). H i n c m a r i llhem. de divort. Loth, int e n . X I . (Opp. ed. Sirni. 1 , 6 2 4 . ) S. auch c. 33. Dist. L. 1 Vgl. Synod. Roman, a. 1 0 4 7 u n t e r C l e m e n s l I , in welcher dieser nach Petrus Damiani (Opp. ed. Caiet. 3, 68.) bestimmte, ,,ut quicumque a simoniaco consecratus esset in ipso suae ordinationis tempore non ignorans simoniacum cui se obtulerat promoveudum, X L nunc dierum poenitentiam ageret et sie in aeeepti ordinis officio miriistraret", wiederholt auf der Rom. Synode v. 1049 u n t e r Leo I X . vgl. Petrus Damiani a. a. 0 . Siehe ferner T h o m a s s i n . 1. c. c. 61. η. 1 ff. - Das wird ausgesprochen im Conc. Rom. a. 1059 (Mansi 19, 907. 908), conc. Roman, a. 1063.

zu c. 6. Dist. X X V . (s. v. primum) und zu

diet. Grat. vor. c. 1. Dist. L (s. v. ex praemissis); die eine behauptet die fortwährende Gültigkeit des ursprünglichen strengen Grundsatzes, die zweite unterscheidet f ü r die Möglichkeit der Beseitigung durch die Busse, ob das crimen enorme oder magnum war, die dritte stimmt mit Gratian überein. e c. 5. (Alex. I I I . ) X. de f ü r t . V. 1 8 ; c. 4. (Alex. I I I . ) X . de tempor. ordin. I . 1 1 , c. 17. (Gregor. I X . ) eod. 7 Der Accent, welcher gerade darauf, namentlich bei P h i l l i p s a. a. 0 . u. Lehrbuch 1, 119. und R i c h t e r , §. 106. gelegt wird, hat ni. E . deren Darstellungen etwas Schiefes gegeben. Ich weiche darin a b , dass ich den durch die öffentliche Busse herbeigeführten defectus famae nicht als wesentliche Grundlage der 'alteren Bestimmungen anzuerkennen vermag. Der citirte c. 3. Dist. L X I ist dafür sicherlich nicht entscheidend. » c. 8. (Mart. Brac.), c. 5. 6. (Nicol. I . ) Dist. L ; c. 17. (Gregor. I X . ) X. de temp, ordin. I. 11. 0 Vgl. ζ. B. c. 5. ( A l e x . I I I . ) X. de furt. V. 18.

Die irregulai'itas ex delicto.

§.5.

ß. Das geltende

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Recht.

Mit Rücksicht auf das im vorigen P a r a g r a p h Bemerkte tritt nach heutigem Recht die Irregularität ein: I. wegen Vergehen (selbstverständlich im Sinne des kirchlichen Strafrechts genommen), ivelche öffentlich bekannt oder vor Gericht erwiesen worden sind 1 , jedoch nur wegen solcher, welche die betreffende Person der allgemeinen Achtung verlustig m a c h e n 2 . E s ist also weder das Vergehen allein, noch ein bestimmtes Genus von V e r gehen , welches die Irregularität h e r b e i f ü h r t , sondern es müssen zu demselben noch bestimmte zufällige Umstände hinzutreten 3 . Bei dieser Klasse hebt die Busse die I r r e gularität nicht a u f D i e übrigen Vergehen begründen die Ausschliessung nicht 5 , nur wird vor der Zulassung der betreifenden Person die Leistung der gehörigen Busse f ü r die unerlaubte Handlung verlangt r > . II. F e r n e r tritt — und hierin ist die alte Auffassung noch erhalten — die I r r e g u larität bei bestimmten schweren Vergehen ein, und es wird ihr Eintritt weder durch das Geheimbleiben derselben, noch durch die Uebernahme der Busse verhindert. Als solche Vergehen sind a n e r k a n n t : 1. das homicidium (voluntarium), d i e T ö d t u n g 7 , und zwar sowohl der Mord wie auch der Todtschlag. Die kulpose Tödtung (von den früheren Kanonisten homicidium indirecte voluntarium genannt) hat gleichfalls dieselbe Wirkung, nicht aber eine H a n d lung, welche nur durch Zufall den Tod herbeigeführt h a t 8 . Zur Feststellung der Gränze zwischen den Fällen kasueller und kulposer Tödtung haben die älteren K a n o nisten die Unterscheidung aufgestellt, ob die Handlung, in Folge deren der Tod herbeigeführt w u r d e , eine erlaubte oder unerlaubte war ! ) , und mit Rücksicht hierauf wurde lebhaft gestritten, ob schon jede bei Ausübung einer unerlaubten Handlung verübte Tödtung ohne Rücksicht auf eine etwaige Fahrlässigkeit irregulär mache oder n i c h t l n . Diese ganze Unterscheidung ist aber zu v e r w e r f e n , denn wenngleich der Tod eines Menschen die Folge der unerlaubten Handlung w a r , so ist doch darum allein noch nicht 1 c. 4. 17. X. ile temp, ordin. I. 11. 2 c. 5. (Alex. I I I . ) X . de furt. V. 1 8 , wo es von einem Kleriker, der einen Kelch gestohlen, heisst: „Mandamus quatenus si sponte conl'essus fuerit et exinde ecclesiae cuius calix fuerat, satisfecerit, n e c e s t s u p e r hoc, n o t a v e l i n f a m i a m a n i f e s t a r e s p e r s u s — post peractam poenitentiam aut congruam partem poenitentiae, dummodo alias idoueum ipsum esse cognoscas, ad sacros ordines iion dubites promovere". 3 Das E i n t r e t e n der nota oder infamia im weiteren Sinn , m i t h i n der defectus f a m a e , ist also das Merkmal f ü r die Grenzscheidung welche Vergehen die Irregularität h e r b e i f ü h r e n oder nicht. So lässt sich wohl am passendsten das vielfach unklar dargestellte Verhältniss zwischen irreg. ex def. famae und e x delicto fassen. '> Vgl. c. 21. pr. (Innoc. I I I . ) X. de accus. V. 1. V a n E s p e n J. E. U. P. I I . tit. 10. c, 6. n. 13. 5 Nach dem Trid. sess. X I V . c. 1. de reform. — nicht aber nach dem Dekretalenrecht vgl. c. 17. X . c i t . , F a g n a n . ad c. 4. X . I . I I , n . 9 — 1 2 ; R o e n n i n g h a u s e η 1, 76. (Α. M. S c h u l t e 2, 121. η. 1.) — kann jedoch der Bischof bei einem ihm auf irgend welche Weise bekannt gewordenen , sonst geheimen Vergehen ( e x infor-

mata conscientia) die Ordination verweigern, wofür er auf erhobenen Recurs nur dem päpstlichen Stuhl die Gründe anzugeben braucht. β c. 5. X . de furt. cit., c. 4. 17. X. de temp, ord. cit. — V a n E s p e n 1. c. η. 10. 7 c. 8. (Mart. Brac.), c. 7. (conc. Agath. ?), c. 6. (Nicol. I.), c. 4. (Joann. V I I I . ) I)ist. L ; c. 17. (Gregor. I X . ) X . de temp. ord. I. 1 1 ; c. 18. X . de homic. V. 12. vgl. hierzu Boenningh a u s e n 2, 5 f f . 8 c. 39. (Nicol. I . ) Dist. L ; c. 9. (Alex. III.) X . h. t. V. 12. Im Gegensatz zur vorsätzlichen Tödtung (homicidium voluntarium) bezeichnet übrigens die kanonische Sprache mit homicidium casuale nicht nur die kasuelle Tödtung im heutigen Sinn, sondern auch die kulpose. S. B o e i i n i η g h a u s e η p. 40. !) S. B e r n h . P a p i e n s . summa lib. 5. tit. 10. §. δ ; H o s t i e η s. summa aurea. h. t. n. 4 ; die Summarien zu c. 7. 9. 12. 13. 2 3 . X . h. t. 10 Für die erste Alternative z . B . H o s t i e n s . a. a. 0 . ; F a g n a n . zu c. 12. X . h. t. n. 19; F e r r a r i s prompt, bibl. sub voce: irregularitm art. I. η. 10; für die verneinende Alternative s. die Nach Weisungen bei B o e n n i n g h a u s e n p. 35. n. 29.

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I. D i e Hierarchie und (lie L e i t u n g der Kirche durch dieselbe.

[§. 5.

ein Zusammenhang zwischen Willen und That vorhanden, vielmehr ist das massgebende Moment lediglich das, ob die betreffende Person die gehörige Vorsicht beobachtet oder dieselbe vernachlässigt hat. Eine solche Hintenansetzung, also eine culpa, kann aber freilich schon in der Vornahme gewisser Handlungen liegen (ζ. B. Schiessen in einen dem Verkehr offenstehenden Ort oder Herabwerfen von Steinen auf eine belebte Strasse), während andere erst unter bestimmten Umständen eine Verletzung der von Jedem geschuldeten Aufmerksamkeit enthalten. Das in den Dekretalen erwähnte: »nec dedit operam rei lioitae« 1 heisst nur soviel als eine Handlung, deren Vornahme an sich und für sich noch keine Fahrlässigkeit konstituirt, bildet also nicht den Gegensatz zu jeder schon an und für sich verbotenen Handlung 2 . Welcher Grad der culpa erforderlich ist, darüber streiten die Kanonisten ebenfalls, indem bald nur culpa lata, bald auch culpa levis, bald schon culpa levissima für genügend erachtet wird :t . Da aber die Dekretalen für solche Unterscheidungen nicht den mindesten Anhalt gewähren 4 , so kann als Massstab nur der angelegt werden, dass jeder dafür verantwortlich gemacht wird, was er zu wissen und zu leisten im Stande war 5 . Ob übrigens der Tod durch eine positive Handlung oder eine Unterlassung, jedoch für den letzteren Fall nur da, wo eine Rechtspflicht zum Handeln vorlag, herbeigeführt worden, ist gleichgültig 6 . Der intellektuelle Urheber wird ebenfalls irregulär 7 ; geht der Auftrag nicht auf Tödtung des Anderen, aber auf eine Handlung, welche den Tod herbeiführen kann, so wird der Mandatar irregulär, wenn er es bei eigner Vornahme der Handlung geworden wäre 8 . Endlich trifft die Irregularität auch die GehülfenIJ. Dagegen setzen die ι c. 13. 23. X. h. t. - Unklar drückt diesen Gedanken schon das Sunimarium zn c. 8. X. h. t. dahin a u s : ,,ΐιοηύcidium casuale imputatur ei qui dabat operam rei illicitae vel etiam licitae, secundum alium intellectuni, si non adhibuit omnem diligentiam quam debuit''. Vgl. ferner unter den älteren namentlich C o v a r r u v i a s in Clem. si furiosus relect. p. II. 4. n. 9. 10. (opp. ed. Francof. 1599. 1, 583), G o n z a l e z Τ e i l e ζ ad c. 11. X. h. t. η. 1. 3 ; E n g e l , colleg. u. j . can. Y. 12. Ii. 5 0 ; S c h m i e r tit. I. tract. 4. c. 4. η. 4 3 9 ; l t e i f f e n s t u e l V. 12. n. 1 9 5 ; P h i l l i p s 1, 0 0 0 ; B o e n n i n g h a u s e n p. 5 2 ff. und die bei diesen weiter citirten, so dass diese den richtigen strafrechtlichen Gesichtspunkt zur Geltung bringende Meinung schon seit dem 16. Jahrh. als die communis opinio betrachtet werden kann. Α. M. S c h u l t e 2, 118. n. 1, unter Berufung auf c. 10. 19. X . h. t. , von denen die erstere Stelle aber von Ueberschreitung derNothwehr, die zweite von dem defect, perf. lenit. handelt (vgl. oben S. 30). Fälle der kulposen Tödtung c. 7. 8. 12. X . h. t., im Gegensatz dazu stehen die in c. 9. 1 3 — 1 5 . 2 2 . 23. 25. h. t. erwähnten. Ist das Faktum, wonach die Schuldfrage sich entscheidet, zweifelhaft, so tritt Dispensation u n t e r Auflegung einer Busse ein. S. c. 12. 16. X. h. t. V a n E s p e n , I. E. U. P. I I . tit. 10. c. 7. n. 22. 23. 3 Die nöthigen Nachweisungen bei 1! ο e η n i n g h a u s e n p. 50 ff., welcher aber die Streitfrage selbst unentschieden lässt. * c. 7. X. de poenit. V. 38. kann n i c h t , wie mitunter geschieht, so ζ. B. von S c h m i e r 1. c. n. 433. 4 3 4 , f ü r die Annahme, dass allein culpa lata die Irregularität begründet, geltend gemacht

werden. Der Gegensatz zwischen „si ipsis procurantibus vel studiose negligentibus lilii in lectis reperiuutur oppressi" und „si ex inenria ipsorum mortui inveniuntur in cunis" ist nicht der von dolus und culpa lata einer- und den übrigen Graden der culpa andererseits, sondern der von dolus, der auch beim studiose negligentibus vorliegt, und culpa überhaupt. Die Stelle setzt auch f ü r den letzteren Fall Irregularität voraus, der Papst dispensirt aber u n t e r der Voraussetzung „ut illud fuerit occultum" von derselben. 5 Dass es auf den individuellen, überhaupt im Strafrecht in Betracht zu ziehenden Massstab ankommt (vgl. H e f f t e r , Strafrecht §. 6 8 ; G e i b , Strafrecht 2, 262.), nehmen auch die Kanonisten a n , nur wird dieser Satz in die Formel gebracht, dass zu der s. g. culpa iuridica die culpa theologica oder in foro conscientiae hinzukommen muss und dass diese letztere sich nach Z e i t , Ort u n d Beschaffenheit der Person bemisst. Vgl. über diese Streitfrage zwischen dem Verhältniss der juristischen u n d theologischen culpa B o e n n i n g h a u s e n p. 51. 52. 6 Vgl. B o e n n i n g h a u s e n p. 60 ff., s. auch c. 7. X. de poenit. cit. ' c. 8. Dist. L ; c. 2. (Alex. I I I . ) X. de cleric, pugn. V. 14; c. 3. (Bonifac. V I I I . ) in Vit» h. t. V. 4. 8 c. 3. ill V I t o cit. : „Is qui mandat aliquem verberari, licet expresse inhibeat, ne occidatur ullatenus vel membro aliquo mutiletur, irregularis effleitur, si mandatarius, fines mandati excedens, mutilet vel occidat, quum mandando in culpa fuerit et hoc evenire posse, debuerit cogitare". » c. 8. Dist. L ; c. 23. (August.) Dist. I. de p o e n . ; c. 6. (Alex. I I I . ) §§. 2 sqq. (betrifft den

Die irregularitas ex delicto.

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Dekretalen sämmtlich die vollendete Tödtung voraus und es kann daher der Versuch derselben nicht als die Irregularität begründend angesehen werden 1 . Ebensowenig tritt die Irregularität ein, wenn die Zurechnungsfähigkeit aufgehoben ist, also nicht in Folge der von einem Kinde, Wahnsinnigen oder Schlafenden begangenen Tödtung 2 . Endlich ist der Eintritt der Irregularität auch im Fall der Nothwehr zwar nicht durch das ursprüngliche Recht 3 , aber in Folge einer Bestimmung des Concils von V i e n n e (1311) 4 ausgeschlossen. Die Nothwehr muss aber geübt worden sein , um sich wider einen gegenwärtigen Angriff auf das Leben zu schützen, welchem man sich sonst nicht, also auch nicht durch Flucht, entziehen konnte 5 . Die Ueberschreitung dieser Gränzen, mithin Tödtung in denjenigen Fällen, in welchen sie zum Schutze des eigenen Lebens nicht nöthig war 6 , zum Schutze des Lebens anderer Personen, selbst naher Angehöriger 7 , zum Schutze anderer Güter als des Lebens, ζ. B. der Ehre, der Keuschheit, des Vermögens 8 hindert den Eintritt der Irregularität nicht'·1. Ob das T r i d e n t i n u m 10 an diesen durch die gedachte Clementina eingeführten Rechtszustand geändert hat, ist bestritten. Indessen erscheint die verneinende Meinung als die richtige, denn abgesehen davon, dass eine beiläufige Aenderung des älteren Rechts Mord des h. Thomas v. Canterbury), c. 18. X. h. t . ; c. 2. Χ. V. 14. cit. Ueber die Tödtung bei einer Kauferei s. c. 34. (c. inc.) C. XX11I. qu. 8 ; c. 18. cit. • Vgl. R e i f f e n s t u e l V. 12. §. 2. n. 3 1 ; B e r a r d i 1. c. p. 2. diss. 4 ; c. 3. F e r r a r i s s. v. irregularitas. Addit. Cassinenses (ed. Mont. Gass. 1848.) Tom. 4. p. 504. Das ergiebt sich auch aus der singulären Vorschrift des c. 1. in V I t o h. t. (Innoc. I V . ) über die Assassinen, worunter die Glosse und ein Theil der Kanonisten eine ungläubige Völkerschaft, andere aber überhaupt Banditen, d. h. solche Personen, welche sich zum Mord dingen lassen, verstehen. S. die Nachweisungen bei S c h m i e r 1. c. n. 3 8 5 f f . , J . II. B o e h m e r , 1. Ε. P. V. 12. §§. 26. 27. 2 Clem. un. de homic. V. 4. Dasselbe muss auch von dem sinnlos Betrunkenen gelten. Freilich ist hierbei zu beachten, dass in den Fällen, wo die Person es in der Hand hat, den betreffenden Zustand selbst herbeizuführen, mitunter doch eine kulpose, j a auch eine absichtliche Tödtung stattgefunden haben kann. Vgl. c. 7. X . cit. de poenit. V. 3 7 ; Β ο e η η i η g h a u s e η p. 45 ; s. auch B e r n e r , Strafrecht §. 79. 3 c. 8. (Martin. Bracar.), c. 6. (Nicol. I . ) Dist. L. 4 Clem. un. cit., wodurch eine frühere aus Anlass der Geltendmachung milderer Ansichten entstandene Kontroverse (vgl. H o s t i e η s i s summa aurea h. r. n. 5.) geschlichtet wird. 5 Das ergiebt deutlich der Wortlaut der Stelle: .,Et idem de illo censemus q u i m o r t e m a l i t e r v i t a r e n o η V a l e n s suum occidit vel mutilat invasorem". Eine Ausnahme f ü r diejenigen Stände, mit deren Begriffen von Ehre die Flucht nicht vereinbar ist, so viele Aeltere, ζ. B. P i r h i n g V. 12. n. 7 9 ; R e i f f e n s t u e l V. 12. n. 150. ist unhaltbar Das Richtige ζ. B. bei F e r r a r i s I . e . n. 9 ; P h i l l i p s 1, 5 9 4 ; B o e n n i n g h a u s e n p. 156. « c. 2. 10. 18. h. t. 7 Vgl. F e r r a r i s 1. c. , P h i l l i p s 1, 595, B o e η η i n g h a u s e η p. 160.

8 c. 2. X. h. t. Vgl. P h i l l i p s 1, 596. 597. 9 Ein Theil der Kanonisten, ζ. B. die Glosse zu Clem. cit. ad v. s u u m , welche sich schon auf Innocenz IV. b e r u f t , F e r r a r i s 1. c. lassen in dem zu Note 7 des Textes angeführten Fall, R e i f f e n s t u e l 1. c. 154; P i g n a t e l l i t. 7. cons. 20. η. 4 ; B o e n n i n g h a u s e n auch in dem letzterwähnten (vgl. p. 160. 161.) aber keine irregularitas ex delicto , sondern n u r eine irregularitas ex defectu perfectae lenitatis eintreten. Dabei ist indessen übersehen, dass, wenngleich c. 5. 7. C. X X I I I . qu. 3. die Tödtung zum Schutz eng verbundener Personen f ü r zulässig erklärt und ferner auch die Nothwehr zum Schutz gegen die Z u f ü g u n g eines Vermögensverlustes f ü r gestattet zu erachten ist, doch das ältere Recht die aus Nothwehr verübte Tödtung jeder anderen unberechtigten gleichstellt und für die hier in Rede stehenden Fälle durch die Clem. un. cit. nicht abgeändert ist. Auch fehlt demjenigen, welcher eine solche Tödtung vorgenommen hat, nicht blos die nothwendige Friedfertigkeit, Milde undSanft,m u t h , sondern er hat gegen ein f ü r diesen Fall noch massgebendes Gebot höherer christlicher Ethik gefehlt, welches Alexander III. i n c . 10. h. t. cit. dahin angiebt: „verum quoniam expediebat potius post tunicam etiam relinquere pallium et rerum sustinere iacturam quam pro conservandis vilibus rebus et transitoriis tarn acriter in alios exardescere". Andere ζ. B. S c h m a l z g r u e b e r , ius can. V. 12. η. 37. nehmen gar keine Irregularität an. 10 Sess. X I V . c. 7. de r e f . : . . . . Si vero homicidium non ex proposito, sed casu vel vim vi repellendo , u t quis se a morte defenderet, fuisse commissum n a r r e t u r , quam ob causam etiam ad sacrorum ordinum et altaris ministerium et berieäcia quaecunque ac dignitates iure quodammodo dispensatio debeatur, committatur loci ordinario aut ex causa metropolitano seu viciniori episcopo qui non nisi causa cognita et probatis preeibus ac narratis nec aliter dispensare potest".

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I. Hie Hierarchic und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 5.

in dem betreffenden, entscheidenden Zwischensatz kaum anzunehmen ist, lässt die Hinzufügung des W o r t e s : »quodammodo« und der A u s d r u c k : »dispensatio iure debeatur« sich nur daraus e r k l ä r e n , dass bei der Nachsuchung einer Entscheidung in faktisch zweifelhaften Fällen eine Deklaration, eventuell wenn die den Ausschluss der I r r e g u l a rität begründenden Thatsachen nicht durch die angestellte Untersuchung genügend konstatirt sind, eine Dispensation ad cautelam erfolgen soll 1 . 2. Die gleiche W i r k u n g wie der Tödtung kommt dem Vergehen der Abtreibung einer Leibesfrucht (procuratio abortus) zu, möge dieselbe dolos oder kulpos vorgenommen sein 2 . Das ältere Recht von der Anschauung der damaligen Zeit ausgehend, dass die Seele erst nach der körperlichen Entwicklung des Fötus im Mutterleibe demselben 3 , und zwar nach der gewöhnlichen Meinung beim männlichen Geschlecht am 4 0 . , beim weiblichen am 80. T a g e nach der Konception mitgetheilt w e r d e 4 , verlangt weiter, dass der Fötus zur Zeit der Abtreibung bereits beseelt, also lebendig gewesen sei 5 . Dieses E r f o r derniss ist zwar durch die Constitution Sixtus' V. : »Effrenatam« vom 29. Oktober 1588 6 beseitigt, indessen schon unter Gregor XIV. durch die Constitution: »Sedes apostolica« vom 31. Mai 1591 7 wieder hergestellt. Ganz abgesehen von der dieser Bestimmung zu Grunde liegenden T h e o r i e , lässt sich praktisch vielfach gar nicht feststellen, ob die Abtreibung vor oder nach dem entscheidenden Zeitpunkt stattgefunden h a t 8 . Deshalb ergreifen Manche den Ausweg, im Zweifel f ü r die Animation des Fötus zu präsumiren 9 . Dieser Aushülfe bedarf es aber nicht, denn gesetzlich ist jene Ansicht von der Belebung de,·; Fötus erst nach einer bestimmten von der Konception ab zu rechnenden Zeit n i r gends sanktionirt und es kann daher die neuere Ansicht, welche die Animation des Fötus im Moment der Konception annimmt, der Anwendung der gedachten Verordnungen zu Grunde gelegt w e r d e n , womit freilich praktisch der Unterschied zwischen der Constitution Sixtus' V. und Gregors XIV. in dieser Hinsicht beseitigt i s t l 0 . 3. Ferner wird derjenige irregulär, welcher absichtlieh durch Anwendung von Getränken oder andere Mittel einen Mann oder ein Weib zeugungsunfähig, bezüglich unfruchtbar m a c h t 1 1 . 1 Das ist aucli die überwiegende Meinung vgl. Cardin, d e L u c a in adnot. ad Cone. Trident. Ii. c. disc. 12. η. 3 ; F a g n a n . ad c. 24. X. h. t. n. 3 ; R e i f f e n s t u e l V. 12. n. 147; B c r a r d i 1. c. P. 11. diss. IV. c. 4 ; P h i l l i p s 1, 604. 6 0 ö ; H o e n n i n g h a u s e n p. 105. 65ff. Die entgegengesetzte Meinung hat ζ. B. T h o m a s s i n 1. c. c. 61. n. 10; v a n E s p e n 1. c. c. 7. n. 10. Eine Mittelmeinung geht dahin, dass zwar keine Irregularität eintritt, aber die Ordination bis zur Konstatirung der Innehaltung der Grenzen der Nothwehr ausgesetzt werden müsse. Vgl. darüber Β ο e η η ί η g h a u s e η p. 154. n. 5 ; . S c h u l t e 2, Ι ΐ δ . η . 1. verlangt stets eine Dispensation acl cautelam, ich kann aber nicht linden, dass die in der It i c Ii t e r'schen Ausgabe des Tridentinum zu der in liede stehenden Stelle mitgetheilten Deklarationen der Congregatio Concilii die Nothwendigkeit dieser Art Dispensation in allen Fällen erkennen lassen. — Uebrigens bezieht sich der Streit über das Verhältniss des Tridentinums zu Cleni. un. cit. auch auf den Fall der kasuellen Tödtung.

2 c. 20. (Stephan V. ?) C. II. qu. 3 ; c. 8. (August.), C. X X X I I . qu. 2 ; c. 20. (Ilinoc. I I I . ) X. de homic. V. 12. Β ο e η η i Ii g h a u s e η 2, 80. 3 c. 9. (incert.) C. X X X I I . qu. 2 ; man be-

rief sich dafür auf die Erschaffung Adams, dessen Leib auch erst vor der Beseelung gebildet worden sei. S. auch M ü n c h e n , kanon. Gerichtsverfahren etc. 2, 416. 4 Glosse zu Dist. Grat. pr. Dist. V : „quadraginta) quia tot diebus mortuus est partus ante infusionem animae, sed foetus femineus L X X X diebus etc." S. auch M ü n c h e n a. a. O. S. 417. 5 c. 20. Χ. V. 12. cit. 6 §§· 1—3. (§. 1. „qui de caetero per se aut interpositas personas abortus seu foetus inimaturi, tarn animati quam inanimati, formati vel informis eiectionem procuraverint") M. Bull. 2, 702. ι §. 3. M. Bull. 2, 766. 8 Sagt doch schon J o h a n n e s T e u t o n i c u s in der Note 4 citirten Glosse: „quia liesdtur quo tempore concipit, item quia nescit, utrum masculum vel foeminam pariat'·. 9 Z . B . G i r a l d i , exposit. jur. pontif. p. I. lib. V. tit. 12. sect. 827. p. 657; P h i l l i p s 1, 592. 10 So auch H o e n n i n g h a u s e n 1. c. » c. 5. X. h. t. V. 12, dessen Wortlaut wohl die Alisdehnung auf culpa ausschliesst. Auch die hierfür in der citirten Const, ν. Sixtus V. 5. angeordneten härteren Strafen sind durch die erwähnte Const. Gregor's XIV. §. 5. aufgehoben,

Die irregularitas ex delicto.

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4. Gehört zu dieser Klasse von Vergehen die Verstümmelung (mutilatio) einer andern Person. Darunter wird von den Kanonisten in Anschluss an c. 5. X. ne cler. vel. mon. III. 5 0 ' ; c. 4. X. de raptor. V. 1 7 2 die Beraubung 3 eines Gliedes des menschlichen Körpers, d. h. eines Theils desselben, welchem von der Natur besondere und eigenthümliche Funktionen zugewiesen sind (ζ. B. des Fusses, der Hand, der Zunge, des Auges, der Genitalien, der weiblichen Brust) verstanden 4 . Im übrigen gelten hier (hinsichtlich des dolus, der culpa, Anstiftung u. s. w.) dieselben Kegeln, wie für die T ö d t u n g n u r kann die Nothwehr, die zum Schutz gegen eine angedrohte Verstümmelung geübt ist, nicht die Irregularität beseitigen 0 , während die zur Abwendung eines Angriffs auf das Leben vorgenommene Mutilation des Angreifers diese Wirkung selbstverständlich hat. Wer sich selbst verstümmelt oder durch andere verstümmeln lässt, wird ebenfalls irregulär 7 , sofern nicht die Verstümmelung (wie ζ. B. namentlich zur Erhaltung des Lebens) nothwendig war 8 . Weil aber hier die Irregularität die Folge des bösen Willens ist'·', welcher sich nicht scheut, an das Ebenbild Gottes Hand anzulegen, so genügt schon die theilweise Verstümmelung eines Gliedes und ebensowenig ist es erforderlich, dass dieselbe sichtbar ist 1 0 . Aus demselben Grunde kann eine kulpos herbeigeführte nicht aber (s. P h i l l i p s 1, 592, P e r m a n e d e r 139. n. 4) die sich schon auf c. 5. cit. gründende Irregularität. So auch Ρ a c h m a n η §. 243. η. e. 1 Alex. I I I : „Clericis. . . i u d i c i u m s a n g u i n i s agitare non licet. Unde prohibemus, ne aut perse t r u n c a t i o n es raembrorum faciant aut iudicent inferendas". - Alex. I I I : „ . . . moderatione adhibita, u t flagella in ν i η d i e t a m s a n g u i n i s transire minime videantur. Si vero ita fuerit super hoc gravis Sarracennrum excessus , quod mortem vel d e t r u n c a t i o n e m m e illb r ο r u ni debeant sustinere, vindictam ipsam exeroendam reserves regiae potestati". Vgl. ferner c. 3. (Bonif. V I I I ) in V I t o h. t. V. 4 ; Clem. un. h. t. V. 4. 3 Es muss also stattgefunden haben eine „ t r u n catio , abscissio oder amputatio wie die Kanonisten sich ausdrücken. S. ζ. B. C o v a r r u v i a s 1. c. p. III. n. 9 ; G o n z a l e z T e I l e z ad c. 11. h. t. n. 1 3 ; S c h m i e r , 1. c. n. 2 9 2 ; l i e i f f e n s t u e l 1. c. n. 5 5 ; F e r r a r i s 1. c. n. 8 ; P h i l l i p s 1, 0 9 3 ; B o e n n i n g h a u s e n 2, 85. 86. 4 S. C ο ν a r r u ν i a s 1. c. n. 8 und die in der vorigen Note citirten. Daher tritt keine Irregularität ein 1. bei blossen Verwundungen, mit denen ein Blutverlust verbunden ist. Die dahin geliende Meinung B e r a r d i ' s 1. c. c. 5 steht vereinzelt da und widerspricht auch einer Entscheidung der Bota v. 1 6 1 8 : „Non obstat quod Petrus dicitur vulnus brachii Martini inflixisse, quia non propterea fuit effectus irregularis, cum irregularitas ex sola sanguinis effusione non causetur, sed necesse sit quod interveniat vel mors vel membri detruncatio". Wenn in diesen Fällen mit dem blossen Blutvergiessen keine Irregularität verbunden ist, kann sie es auch nicht mit dem im Kriege erfolgten sein , denn im letzteren Fall liegt nicht einmal immer eine unerlaubte Handlung vor. Vgl. R e i f f e n s t u e l V. 12 n. 1 1 8 ; P i r h i n g V. 12. n. 1 1 6 ; S c . h m a l z g r u e b e r V. 12 n. 134. Uebrigens halten die älteren Kanonisten auch bei der in Verbindung mit der irregularitas ex liomi-

cidio behandelten irr. ex def. perf. lenit. an dem Ausdruck mutilatio fest und geben ihre Definition der letzteren f ü r beide Arteil der Irregularität. S. namentlich E n g e l , colleg. V. 12. 5 1. 0 8 . ; ferner auch S c h m a l z g r u e b e r V. 12. 11. 16 ff. 83. 96. 1 3 4 ; S c h m i e r 1. c. n. 292. 343. 408. 2. Ebensowenig tritt die Irregularität e i n , wenn der Verletzte einen anderen Theil des Körpers (z. Ii. Z a h n , Nagel, L i p p e n , einen F i n g e r , Ohrläppchen) verloren hat. S. die citirten Schriftsteller. 3. Nicht minder ist die Irrgularität ausgeschlossen , wenn durch die Verletzung nur Unbrauchbarkeit des Gliedes (ζ. B. des Auges, Fusses), also eine sog. debilitatio oder eine Deformität herbeigeführt ist. Daher muss die •/.. B. von B e r a r d i a. a. 0 . hingestellte llegel: „omnem mutilationem quae reddit mutilatum irregulärem ex defectu , reddere mutilantem irregulärem ex delicto" verworfen werden. 5 B o e n n i n g h a u s e n p. 85. 6 Wegen des Wortlauts der Clem. un. h. t. cit. S. auch B o e n n i n g h a u s e n p. 157. 1 5 8 ; nur nehme ich auch hier abweichend von letzteren wieder eine irregularitas ex delicto an. S. S. 4 3 Note 4. 7 c. 6. (Innoc. I . ) Dist. L V ; c. 2 (Gregor. ?) Dist. X X X I I I ; häufig wird die Selbstentmannung hervorgehoben, und selbst die zur Abtödtung der Sinnlichkeit vollzogene verboten und mit Irregularität bedroht, c. 7 (Nicaen. 3 2 5 ) ; c. 4 (can. apost.), c. 5 (conc. Arelat. II. 4 4 3 o. 452) Dist. LV. ; c. 1. §. 1. (Gelas. I . ) Dist. X X X V I ; o„ 4. (Clem. I I I . ) X. de corp. vitiat. I. 20. 8 c. 8 (can. a p o s t . ) , c. 9 (Mart. B r a c . ) , c. 10 (conc. Tribur. a . 8 9 5 ) Dist. L V ; c. 3 (Clem. III), c. 5 (Innoc. I I I . ) X. eod. tit. cit. Wer sich kastriren lässt, um eine schöne Stimme zum Gesang zu erlangen, wird irregulär. S. Bened. X I V . de syn. dioeces. lib. X I . c. 7. η. 1. 9 S. c. 6. Dist. L V cit. E n g e l 1. c. I. 20. n. 7, S c h m i e r 1. c. n. 209 ff. 239. B o e n n i n g h a u s e n 2, 92. 10 D. h. also die Voraussetzungen der mutilatio alterius und die des defectus corporis sind hier

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I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 5.

Selbstverstümmelung die Irregularität nicht begründen 1 , denn hier fehlt es an dem auf die Selbstverletzung direkt gerichteten Willen, wogegen bei einem missglückten, aber eine Mutilation im eben erwähnten Sinn herbeiführenden Selbstmord ein solcher Wille vorliegt, hier also die Irregularität eintreten wird 2 . Ausser diesen auch dem Gebiete des weltlichen Strafrechts anheimfallenden Vergehen wird die Irregularität weiter durch eine Reihe kirchlicher Verbrechen begründet. Es gehört hieher 5. die Ketzerei (/taeresis). Wenngleich schon seit alter Zeit die aus häretischen Sekten zur katholischen Kirche zurückkehrenden Personen von dem Priesterstande fern gehalten und ihnen der in der ketzerischen Genossenschaft erworbene Rang abgesprochen w u r d e s o weist doch die Praxis der früheren Jahrhunderte so viele Beispiele von Ausnahmen auf, dass von einer festen Regel kaum gesprochen werden kann. Die Gründe dafür liegen theils darin, dass sich in den ersten Zeiten das katholische Dogma erst allmählich aus den verschiedenen widerstreitenden Meinungen zu entwickeln anfing und man selbstverständlich die Anhänger einer eben erst verworfenen dogmatischen Ansicht nicht stets von allen geistlichen Stellen beseitigen konnte, theils aber auch darin, dass die mildere Ansicht oft durch die politischen Verhältnisse, und auch durch die Rücksicht, der Ketzerei dadurch leichter Herr zu werden, bedingt war 4 . Trotzdem kann nicht das geringste Bedenken obwalten, als heut geltenden Satz den hinzustellen, dass die Häretiker, mögen sie nun Laien oder Geistliche sein, irregulär sind 3 . Die Iiäresis muss aber eine formale, d. h. das wissentliche hartnäckige Festhalten an einer von der Kirchenlehre abweichenden Meinung 0 sein, und ferner ist es erforderlich, dass nicht massgebend; daher ist derjenige, der sich selbst entmannt h a t , irregulär, nicht aber derj e n i g e , der gewaltsam von Andern oder vom Arzt zur Erhaltung seines Lebens kastrirt worden ist. S. 45. n. 8. 1 Darüber herrscht viel Streit, vgl. Β ο e η η i η gh a u s e n p. 93 ff. Indessen setzen die in den vorigen Noten citirten Stellen die absichtliche Verstümmlung voraus ; c. 1 (Alex. I I I . ) de corp. vit. 1. 20. bestätigt das ebenfalls. Demnach kann der Ehebrecher, welcher vom Ehemann im E h e bruch ertappt und entmannt worden i s t , nicht deshalb, weil sein Ehebruch die Veranlassung dazu gegeben hat, wie selbst noch manche Neuere wollen, (ζ. B. P h i l l i p s 1, 4 6 7 ; P e r m a n e d e r 135. n. 5 ) , f ü r irregulär erachtet werden. S. auch Β oe nil i n g h a u s e η a. a. 0 . , F a c h m a n n 243. n. e. - Gleichzeitig wird damit die ex defectu famae konkurriren. Vgl. E n g e l , 1. c. Ii. 35. 3 c. 18. i. f. (Innoc. I . ) c. 1 (Cyprian.) C. I. qu. 1; c. 51. conc. Eliber. n. 305 oder 3 0 6 ; c. 5. l)ist. L. (c. 19. conc. Tolet. V. n. 633). Vgl. ferner ep. Agapet. I. ad ep. Afric. a. 535. (Mansi 8, 848). 4 So lässt das conc. Nicaen. c. 8. 19. (s. auch c. 8. C. 1. qu. 7) die Novatianer und Paulianisten zu. Mit der Annahme, dass die ersteren blos Schismatiker, nicht Häretiker gewesen (so H e f e l e , Conciliengeschiclite 1, 393) lässt sich das allein nicht erklären. I n n o c e n z l . in seinem Brief an die Macedonier a. 414 (Mansi 3, 1058) bezeichnet sie (c. 5) als Ketzer und erklärt die

Bestimmung des Niclinum fiir eine Ausnahme. Vgl. ferner Gregor M. ep. lib. IX. 61. XI. 67. ed. Ben. 2, 1169. (in Betreff der Nestorianer). Hinsichtlich der gothischen Arianer zeigt ebenfalls eine milde Ansicht c. 10 conc. Aurel. I. a. 511., in Spanien galt nach dem Uebertritt Reccareds zum Katholicisnius aus nahe liegenden Gründen dasselbe. s. c. 1. conc. Caesaraug. II. a. 592. H e l f f r i c h , Gesch. des Westgothenrechts. Berl. 1858. S. 29. Weitere Beispiele theilt mit die Stelle aus dem Concil v. Nicäa v. 787 (c. 4. C. I. qu. 7.). S. auch T h o m a s s i n . 1. c. s. II. lib. I. 62 — c. 65. 5 c. 2. §. 2 in VI t n . de haeret. V. 2 : „Haeretiri autem credentes, receptatores, defensores et fautores eorum ad nullum ecclesiasticum beneficium seu officium publicum admittentur". Klar genug ist aber c. 18. C. I. qu. 1. (Innoc. I . ) : „Sed nostrae lex ecclesiae e s t , venientibus ab haereticis qui tarnen illicbaptizatisunt, permanus impositionem laicum tantum tribuere communionem nec ex his aliquem in clericatus honorem vel exiguum subrogare". Auch c. 21. (Leo I.) C. I. qu. 7. bestätigt die Kegel, da es sich hier nur um eine Dispensation handelt. S. auch B o e n n i n g h a u s e n 1, 106 ff. Ist auch konstante Praxis der katholischen Kirche. Vgl. C o r r a d u s , prax. dispells, apost. III. 4. η. 1. 2. und die Entscheidung der Congr. Conc. in R i c h t e r s Tridentinum S. 181. 6 Die sog. materielle Häresie, d. h. das blosse Irren über die Kirchenlehre ist eben nicht strafbare Ketzerei, also kein Delikt. Vgl. c. 29. C. X X I V . qu. 3. S. M ü n c h e n , a. a. 0 . 2, 319, 320.

Die irieguiaritas ex delicto.

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sie auf irgend eine Weise, sei es auch nur durch konkludente Handlungen, kund gegeben worden ist 1 . Die Irregularität aus dem Vergehen der Ketzerei trifft ferner 2 die A n h ä n g e r (credentes), d. h. diejenigen, welche sich dem Häretiker durch die Annahme und das beharrliche Bekenntniss seiner Irrlehre anschliessen, die H e h l e r (reeeptatores), welche den der gerichtlichen Verfolgung ausweichenden Ketzer wissentlich und freiwillig bei sich verbergen 3 , die B e s c h ü t z e r (defensores), welche den Ketzer durch weitere persönliche Thätigkeit, also auch durch Gewalt der Inquisition und Bestrafung zu entziehen suchen, und endlich die B e g ü n s t i g e r (fautores), d. h. diejenigen Personen, welche dem Ketzer als solchem und um der Ketzerei willen auf irgend eine Weise Vorschub leisten 4 . Dass auch die Descendenten von Ketzern oder der eben zuletzt erwähnten Personen diese Irregularität ex delicto trifft, ist bereits in der Lehre von der irregularitas ex defectu fidei (s. oben S. 21) näher auseinander gesetzt. Endlich ist es unzweifelhaft, dass die dargestellten Grundsätze aucli in Deutschland auf die Protestanten Anwendung finden. Von einer totalen Gleichstellung der Protestanten und Katholiken hinsichtlich dieses Punktes kann, als mit der Lehre und dem Princip des Katholicismus unvereinbar, nicht die Rede sein 5 , und ausserdem handelt es sich hier um ein Internum der katholischen Kirche, in welches einzugreifen, der Staat nicht die mindeste Veranlassung hat. Der Ketzerei wird vielfach das S c h i s m a mit gleicher Wirkung zur Seite gestellt Indessen ist die Irregularität nirgends für die zur Kirche zurückkehrenden Schismatiker festgesetzt 7 . Dagegen gehört zu den ohne Weiteres irregulär machenden Vergehen: 1 Daraus folgt aber noch nicht, dass die Ketzerei, um die Irregularität zu begründen, eine offenkundige im Sinne von Nr. I. dieses §. sein muss, und die Irregularität in Folge der mit der öffentlichen Ketzerei verbundenen Infamie entsteht (so ζ. B. P i r h i n g V. 7. n. 4 6 . ) ; die blos im Innern vorhandene Häresie kann die Kirche der Natur der Sache nach nicht vor ihr Forum ziehen, und nur deshalb ist das Heraustreten in die äussere Erscheinung Voraussetzung. S. R e i ff e n s t u e l . V . T . n. 250. B o e η η i η g h a u s e η p. 111. Dass die haeresis formalis occulta, aber externa irregulär m a c h t , davon gehen auch die Vollmachten für die Inquisitoren aus. Vgl. ζ. B. die Constitution Clemens' VII. vom 15. J a n u a r 1530. §· 2. (M. Bullar. 1, 682). 2 c. 2. §. 2. in V I t o cit. 3 Dass der Aufgenommene ein Verwandter oder eine sonst engverbundene Person i s t , kann der richtigen Meinung nach nicht vor der Irregularität schützen. S. B o e n n i n g h a u s e n 1, 122 ff. 4 B o e n n i n g h a u s e n p. 117. 5 Es darf also die dahin gehende Meinung katholischer Schriftsteller (vgl. z . B . P e r m a n e d e r §. 1 3 6 ; S c h u l t e 2, 118. n. 4 ; B o e n n i n g h a u s e n p. 132) keineswegs als Geltendmachung einer ungehörigen konfessionellen Schärfe bezeichnet werden. ß So namentlich die Neueren s. W i e s e , Handbuch 1, 5 8 5 ; P h i l l i p s 1, 5 7 9 ; R i c h t e r

1 0 6 ; S c h u l t e 2 , 118; M ü n c h e n a . a . O . 2, 356. Unter den älteren gehört hieher Andr. V a 1l e n s i s paratitla j u r . can. V. 8. η. 3. ? c. 1. (decret. Nicolai II. a. 1059) Dist. X X I I I . bestimmt nichts darüber; das gleiche gilt von c. 3 2 ( P s e u d o - I s i d . ) C. X X I V . qu. 1 ; c. δ. § § 1— 3. (synod. Plac. 1095) C. IX. qu. 1. stellt nur eine auf spezielle Verhältnisse berechnete Massregel auf und bezieht sich überdies auch nicht auf das Schisma allein, sondern auch mit demselben verbundene Ketzereien. Letzteres gilt auch von c. 1. (conc. Later. I I I . a. 1179) X. de scliismat. 1. 8. C. 5. (Alex. I I I . ) X. de elect. I. 6 ; c. 2. (Innoc. I I I . ) X . h. t. sprechen nur die Unfähigkeit zu Aemtern a u s , welche mit der Irregularität nicht identisch i s t ; c. 6. X . de elect, handelt ebenfalls nicht von der letzteren, sondern von dersuspensio ab ordine. Gegen die Annahme der Irregularität kann auch angeführt werden die Aeusserung Gregors I. lib. IV. ep. 14. ed. Ben. 2, 694. Verworfen wird dieselbe von einer Reihe von Kanonisten s. E n g e i l . c. V. 8. n. 3 ; S c h m i e r lib. V. tract. 2. c. 3. η. 6 7 ; R e i f f e n s t u e l V. 8. η. 1 5 ; P i r h i n g V . 8. η. 8 ; P e r m a n e d e r §. 1 3 6 ; P a c h m a n n §. 243. Ν. a ; B o e n n i n g h a u s e n 1, 134. — Selbstverständlich i s t , dass das Schisma als crimen notorium und ferner in Verbindung mit der Häresie, mit welcher es gewöhnlich vereint a u f t r i t t , irregulär machen kann.

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I. D i e H i e r a r c h i e u n d d i e L e i t u n g d e r K i r c h e d u r c h d i e s e l b e .

[§. 5.

6. die Apostasie. Die s. g. apostasia a fide, der bewusste manifestirte Abfall vom christlichen Glauben, welche ebenso wie die Häresie eine Läugnung der Lehre der Kirche enthält, aber wegen der damit verbundenen Verwerfung des Christenthums überhaupt als ein noch schwereres Verbrechen gilt, ist wegen dieser ihrer Natur der Häresie gleichgestellt worden und daher trifft hier die Irregularität nicht nur die Apostaten selbst, sondern auch die credentes, receptatores, defensores et fautores 1 . Was die mit der apostasia a fide oft zusammengestellte apostasia ab ordine, d. h. das faktische Aufgeben und Verlassen des geistlichen Standes und die apostasia a religione betrifft, so macht die erstere an sich nicht (wohl aber insofern sie mit der s. g. bigamia similitudinaria konkurrirt) irregulär 2 . Hinsichtlich der letzteren, des eigenmächtigen Verlassens des Ordens, gilt der Grundsatz, dass die betreffende Person den während der Apostasie empfangenen ordo sacer auch später nach erfolgter Rückkehr und Busse nicht ohne päpstliche Dispensation ausüben kann :1 . Im weiteren Umfang ist die Irregularität nicht angeordnet und daher ist derjenige, welcher während der Apostasie keine Weihen oder nur die niederen erhalten hat, nicht als irregulär anzusehen 4 . 7. Wegen Missbrauch der Taufe (abusus baptism*) und zwar zunächst wegen Wiederholung derselben wird irregulär derjenige, welcher eine schon gültig getaufte Person wissentlich oder aus schuldbarer Unachtsamkeit noch einmal und zwar unbedingt (absolute) tauft 5 , sowie derjenige, welcher sich unter denselben Voraussetzungen zum zweiten Male taufen lässt 6 . Auch die bedingte Wiederholung der Taufe erzeugt die Irregularität, wenn sie bei nicht gehörig begründetem Zweifel über eine etwa früher erfolgte Taufe oder über deren Gültigkeit vorgenommen oder gestattet worden ist 7 . Endlich trifft auch die Irregularität diejenigen, welche bei einer unerlaubten Wiedertaufe als Ministranten Hülfe l e i s t e n N a c h der überwiegenden, aber nicht unbestrittenen .Meinung ist die Irregularität für den Taufenden nicht nur eine partielle, bei der diu Ausübung des empfangenen ordo zwar gestattet, und allein das Aufsteigen zu einem 1 e. 13 in V i t " de haeret. V. 2. Vgl. auch c. 32 (conc. Ancyr. a. 3 1 4 ) ; Vgl. B o e n n i n g h a u s e n 1, 135. 2 B o e n n i n g h a u s e n p. 136. 3 c. 6. (Honor. I I I . ) X. de apost. V. 9. 4 G o n z a l e z Τ e i l e 7. ad c. 6. cit. η. 1 ; B o e n u i η g h a u s e n p. 137. Der allgemein lautende c. 69 (conc. Arel. II. a. 4-13 oder452) Dist. L. kann , als Vorschrift eines Paiticular-Koiizils, nicht für das Gegentheil angerufen werden, daher nicht richtig P e r m a n e d e r 136. η. 1 ; P a c h iii a η η 243. Ii. u. 5 c. 2. (Alex. I I I . ) X. de apostat V. 9. statuirt allerdings die Irregularität ausdrücklich nur f ü r einen bei der Wiedertaufe ministrirenden Diakon, es ist aber unbedenklich, auf Grund dieser Stelle den Wiedertäufer selbst gleichfalls fiir irregulär zu erklären. G i r a l d i , exposit. iur. pontif. p. I. lib. V. tit. 9. s. 812. B o e n n i n g h a u s e n 1, 80. Vgl. übrigens auch c. 46 apost; c. 0. (conc. Later, a. 1215) X. de bapt. III. 42. « c. 65. i. f. (conc. Carth. V. a. 401) Dist. I , ; c. 5 (Tolet. IV. a. 633) Dist. L I ; c. 2 1 (Leo I.). c. 10. (Felix I I I . ) C. I. qu. 7 ; c. 118 (Felix) Dist. IV. de consecr; c. 3 (Gregor 1.) Dist. L I ; c. 117 (poen. Tlieod.). Dist. IV. de consecr. Bei völliger Unkenntniss von der ersten Taufe kann die Irre-

gularität aber nicht e i n t r e t e n ; ( a u f c . 117cit. kann das Gegentheil nicht gegründet werden. S. B o e n n i n g h a u s e n IT. Α. M. P a c h m a n n §. 242. Ii. eee). 7 Mangels einer direkten Bestimmung wird dies von Manchen, ζ. B. R e i f f e η s t u e 1 V. 9. n. 37. S c h m a l z g r u e b e r V. 9. n. 36. bestritten. Der Catech. Itomanus P. II. c. 2. qu. 4 3 nimmt aber die Irregularität an, ebenso B e n e d . X I V . de syn. dioec. lib. VII. c. 6. n. 2 ; inst. 84. n. 9 ; F e r r a r i s 1. c. n. 1 1 ; G i r a l d i 1. c. P. I . l i b . III. tit. 42. s. 6 1 5 . ; B o e n n i n g h a u s e n 8 6 ff. Der Grund der Irregularität i s t , sofern nicht gleichzeitig Häresie konkurrirt, die Unbill gegen das Sakrament, und diese liegt auch hier vor. Dehnt man einmal die Irregularität über den speziell in c. 2. X. de apost. besprochenen Fall aus, was allgemein geschieht, so muss man die Irregularität auch dann statuiren, wenn eine absolute Taufe da stattgefunden hat, wo nur ein gegründeter Zweifel über die Vornahme oder Gültigkeit der ersten Taufe vorlag, also allein bedingt hätte getauft werden dürfen. S. auch B o e n n i n g h a u s e n S. 86. 8 c. 2. X. de apost. cit. Dass die Pathen ebenfalls irregulär werden (s. ζ. B. P h i l l i p s 1, 582) lässt sich daraus nicht herleiten. Boenningh a u s e n S. 96.

Die irrcgularitas ex delicto.

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höheren verboten ist, sondern eine totale 1 . Ebensowenig erscheint die Annahme haltbar, dass die Wiederholung der Taufe öffentlich bekannt geworden sein muss, um die Irregularität des Taufenden zu begründen 2 . Steht auch die Konfirmation und die Ordination mit der Taufe insofern gleich, als diese Sakramente ebenfalls einen unauslöschlichen Charakter aufprägen und nicht wiederholt werden dürfen , so kann doch daraus Mangels einer ausdrücklichen Bestimmung Λ die mitunter aufgestellte Ansicht 4 nicht gerechtfertigt werden, dass auch die Wiederholung dieser Sakramente für den Ertheiler und Empfänger die Irregularität herbeigeführt 5 . Ausser den vorhin aufgezählten Fällen tritt die Irregularität noch ein, wenn eine nicht mehr im Kindesalter stehende Person wissentlich und ohne dringende Noth die Taufe von einem Ketzer (gleichgültig ob er ein haereticus vitandus oder toleratus ist) ü sich hat ertheilen lassen 7 . Der Fall, in welchem Jemand die Taufe bis zu einer schweren Krankheit aufgeschoben hat, gehört nicht hierher s , sondern unter die Irregularitäten ex defectu, da hier von einem crimen und abusus baptismi nicht die Rede sein kann. 8. Der ordnungswidrige Empfang dar Wnhen (abusus ordinationis) führt unter gewissen Voraussetzungen ebenfalls die Irregularität herbei. Dieselbe trifft denjenigen, welcher die Weihe furtive erlangt hat, d. h. dadurch, dass er ohne vom Bischof geprüft und zugelassen zu sein, sicli unter die Ordinanden eingedrängt 0 ; jedoch ist diese Irregularität keine totale, da der Kandidat den früher rechtmässig empfangenen ordo ausüben kann, und nur von der des furtive erlangten, sowie von dem Empfang eines höheren ordo ausgeschlossen ist 1 0 . Für andere ähnliche Fälle ist die Irregularität als Folge nicht ausgesprochen, und daher ist die Ansicht, welche sie auch bei Erlangung des ordo 1 So Β e η e d. X I V . inst. 84. 1. c . ; die Congreg. concilii; F e r r a r i s 1. c. ; Bo eil η i li g Ii a u s e η S. 93. 93. In der That liegt ein innerer Grund fiir die Unterscheidung zwischen dem Taufenden lind demjenigen, der sich noch einmal taufen lasst, nicht vor. 2 S. B o e n n i η g h a u s e n S. 94. 9 5 , welcher aber mit vielen Aelteren fiir die Irregularität des Ministranten diese Bedingung festhält. Das c. 2. X. de apost. spricht dafür n i c h t , denn es handelt •sich in demselben augenscheinlich um die Ke(lingungen der Dispensation, nicht der Irregularität. 3 c. 1 (Gregor. I . ) Dist. L X V I I I ; c. 4 (PseudoIsid.). Dist. V. de consecr., die angeführt werden, handeln nicht von der Irregularität. * So ζ. B. von P h i l l i p s 1, 583. 5 B o e n n i n g h a u s e n S. 96 ff. 6 Vgl. B e n e d . X I V . de syn. dioec. lib. VI. , sowie dem interdictum personale oder ingressus ecclesiae 0 unterliegen, und trotz der ihnen dadurch 7 entzogenen Befugniss, die oder bestimmte ordines auszuüben, doch sämmtliclie aus diesen herfliessenden Weiheliandlungen vornehmen, also das Messopfer darbringen, die Sakramente spenden, kirchliche Benediktionen ertheilen, als Diakonen mit der Stola, als Subdiakonen mit dem Manipel bei der Messe funktioniren 8 . Die excommunicato maior und die suspensio ab ordine, die absolut verhängt ist, nimmt die Befugniss zur Ausübung jeglichen, auch niederen Weihegrades, so dass also die Vornahme der Funktionen eines ordo der letzteren Art gleichfalls die Irregularität erzeugt11, dagegen entzieht die Suspension von einem höheren ordo allein nicht die Befugniss zur Ausübung der unter demselben stehenden Grade, und es kann dann also durch die letztere keine Irregularität entstehen 10 . Streitig ist, ob in der Annahme eines höheren ordo ebenfalls 1 Γ. o e n n i n g h a u s e n 199. 200. Deshalb wird derjenige K l e r i k e r , der die betreffenden H a n d lungen zu seiner Uebung für sich vornimmt, nicht irregulär; ebensowenig Jemand, der dies auf dem Theater tluit. S. auch S c h m a l z g r u e b e r l . c. Ii. 9 ; R e i f f e n s t u e l 1. c. n. 7. 2 Das heisst in c. 1. cit. „abiciatur de ecclesia" s. G o n z a l e z Τ e i l e ζ ad c. 1. cit. n. 4. Besondere weitere Strafbestimmungen über diejenigen, welche ohne im Besitz des priesterlichen ordo zu sein, die Messe celebriren und Deichte hören s. in den Constit. Clemens' VIII. : Etsi alias a m i . D e zember 1601. §. 3. (M. Bull. 3, 142), Urbans V I I I . : Apostolatus officium vom 23. März 1628. (M. Bull. 4, 144), Benedikts X I V . : Sacerdos in aeternum vom 20. April 1744 (Bull. Belied. X I V . 1, 342) und Divinaruin humanarumque legum vom 2. August 1757 (M. Bull. 19, 286). 3 c. 2. X. cit. h. t. 4 Direkt ist die Irregularität nicht ausgesprochen s. c. 7 (Mart. Brae.) C. X I . qu. 3 ; c. 1 (can. apost), c. 3. (Alex. I I I . ) , c. 10 (Gregor. I X . ) X. de cleric, exeomm. V. 2 7 ; sie folgt aber aus ilen Worten der letzten Stelle : „si celebrat ininori exconununicatione ligatus, licet graviter peccet, nullius tarnen notam irregularitatisincurrit" argumenta a contrario und daraus, dass sie für den Suspendirten ausdrücklich statuirt ist. Darüber herrscht Einstimmigkeit s. 1! ο e η η i η g h a u s e η 1, 1 3 9 ; l v o b e r , Kirchenbann 2. Aull. S. 3 0 8 ; M ü n c h e n 2, 230. Auch die 'freiwillige Vornahme dieser Handlungen seitens eines exeommuniiatiis toleratus macht denselben irregulär, da der Unterschied zwischen tolerati und vitandi und

die daran sich knüpfenden Folgen nicht zu G u n sten des Exkommunicirten, sondern der übrigen Gläubigen eingeführt sind. S. Κ o b e r , a. a. O. S. 3 0 8 ; B o e n n i n g h a u s e n 1 , 166. Ebenso wenig kann es zweifelhaft sein, dass die Irregularität auch die Minoristen trifft. So hat auch nach K a g n a n . ad c. 2. lit. cit. n. 17 die Pönitentiarie 1G50 entschieden. 5 c. 1 (Innoc. IV) in V I t o de sent, e t r e j u d . I i . 1 4 ; c. 1. i. f. (Innoc. IV.) de sent, exeomm. V. 1 1 ; B o e n n i n g h a u s e n 1, 141. « c. 20. (Bonifac. V I I I . ) in V I t o de sent, e x eomm. V. 11. B o e n n i n g h a u s e n 1, 186. 190. 7 Also nicht durch einfaches, selbst u n t e r E i n tritt einer Censur des kirchlichen Obern angedrohtes Verbot oder durch eine vorhandene Irregularität oder durch s. g. suspensio a deo (d. h. Verhinderung der Spendung und des Empfangs der Sakramente , so lange eine Todsünde nicht durch Busse gesühnt ist). S. F a g n a n . ad c. 10. X. de cohib. cler. I I I . 2. n. 22. ö In Betreff der Assistenzleistung der Minoristen in der Weise, wie sie auch seitens der J.aien gebräuchlich ist, gilt hier dasselbe, wie im vorigen Fall, (1. h. die Irregularität tritt nicht e i n ; ebensowenig dann, wenn Akte der Jurisdiktion (Assistenz bei der Ehe, Dispensationsbestätigungen , Benelizienverleihungen , Predigthalten ) stattgefunden haben. S. B o e n n i n g h a u s e n 1, 1 4 3 ; Κ o b e r , Kirchenbann S. 310. 9 S. B o e n n i n g h a u s e n 1, 153. 157. Ό S. B o e n n i n g h a u s e n 1, 153. 1 5 9 ; R ä b e r , Suspension S. 112 ff.

Die irrcgularitas ex delicto.

53

cine Verletzung der verhängten Strafe oder Censur liegt, also die Irregularität auch dadurch herbeigeführt wird.

Der Grund für die bejahende Meinung, dass das Aufsteigen

zu einem höheren ordo eine Ausübung des niederen enthalte, ist augenscheinlich hinfällig und da die gedachte Ilandluug nirgends mit der Irregularität bedroht ist, muss die F r a g e verneinend beantwortet werden 1 . Ein probabler Irrthum über das Vorhandensein der eben gedachten Strafen oder Censuren 2 hindert den Eintritt der Irregularität, ebenso das Vorliegen eines die bösliche Absicht der Verletzung der Kirchengesetze abschliessenden Grundes ^ (also ζ. B . Spendung der Sakramente in articulo mortis beim Mangel eines andern Priesters, Vornahme einer Weihehandlung, um einen öffentlichen Skandal zu vermeiden, oder Funktioniren seitens eines excommunicatus non vitandus auf Verlangen der Gläubigen im Fall einer dringenden Notwendigkeit oder augenscheinlichen Nutzens bei vorhandener Unmöglichkeit, Absolution zu erlangen oder einen andern geeigneten Geistlichen zu schaffen 1 ). Dass auch die Ausübung der Weiherechte durch einen deponirten oder degradirten Kleriker die Irregularität für denselben nach sich zieht, wird zwar ven einzelnen behauptet r>, indessen ist das nirgends gesetzlich ausgesprochen

und weil Deposition und Degra-

dation, wenn auch theihveise mit den Wirkungen der Suspension übereinkommende, aber doch wesentliche von derselben verschiedene Strafen sind, muss diese Annahme verworfen werden 7 . c. Endlich gehört liieher der Fall der Verletzung des interdictum locale, also das wissentliche und absichtliche Vornehmen einer in Folge desselben verbotenen Funktion an einem interdicirten Orte*.

Dagegen kann Mangels einer besonderen Bestimmung

dieser Satz nicht auf die Verletzung der s. g. cessatio a divinis ausgedehnt werden'·'. 1 l>as ist auch die g e m e i n e , von der Congr. Oonrilii in e i n e r E n t s c h e i d u n g von 1 0 8 8 g e t h e i l t e M o i m m g . S . n a m e n t l i c h l i e n e d . X I V . de s y n . dioec. l i b . X I I . S. die v o r i g e N o t e . W e i l der K l e r i k e r daraus k e i n e n Broderwerb

4

machen soll.

S. B a r b o s a 1. c. n. 1 4 ; v a n

Es-

p e n 1. c. n. 35. 36. 5 So R i g a n t i

1. c. n.

136.

147;

Phillips

I , 633. 635. β D a g e g e n auch S c h u l t e 2, 129. n. 3. a. E . 7 Sess. X X I . de ref. c. 2 : „ . . . atque ilia ( P a t r i m o n i u m und p e n s i o ) deineeps sine licentia episcopi alienari aut e x t i n g u i v e l r e m i t t i nullatcnus possint, donec b e n e f l e i u m ecclesiasticum suffleiens sint adepti v e l aliunde habeant unde v i v e r e possint". 8 S . die E n t s c h e i d u n g e n b e i R i c h t e r a. a. O. n. 2 3 f f . , w o z u m T a u s c h , H i n g a b e zur E m p h y teuse u. s. w . die bischöfliche Erlaubniss e r f o r dert w i r d . A u c h das s. g. b e n e f l e i u m competentiae f ü r Schulden der K l e r i k e r w i r d auf diese V e r mögensmassen a u s g e d e h n t , s. a. a. 0 . n. 26. u. S c h u l t e 2, 129.

9 S. die E n t s c h e i d u n g e n a. a. 0 . n. 2 2 ff. I n der D o k t r i n w e r d e n diese Sätze ebenfalls e i n stimmig a n g e n o m m e n , s. B a r b o s a 1. c. n. 7 5 f f . ; R i g a n t i 1. c. n. 137 ff.; P h i l l i p s 1,635; R i c h t e r , § . 108. n. 8 ; S c h u l t e a. a. 0 . 10 D i e A n n a h m e des T e x t e s ist in der älteren L i t e r a t u r nicht ganz unbestritten , f o l g t aber aus dem Z w e c k der B e s t i m m u n g e n des Tridentinums. S i e wird übrigens auch v o n der Congr. Coric, b e f o l g t , s. die E n t s c h e i d u n g e n a. a. 0 . n. 2 9 ; vgl. noch F a g n a n . a d e . 4. X . I I I . 5 . n. 4 8 f f ; B a r b o s a 1. c.

I I . 8 8 ; R i g a n t i I . e . η. 1 4 2 f f ; P h i l l i p s

1,635.

70

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 9.

A u c h daraus, d a s s die zum Patrimonium konstituirten V e r m ö g e n s s t ü c k e die P r i v i legien des K i r c h e n g u t e s v o m T a g e der Ordination, namentlich die Immunität erhalten folgt noch nicht, dass sie wirklich Kirchengut werden, denn diese Gleichstellung erklärt sich ebenfalls d a r a u s , dass d a s Patrimonium dieselben Z w e c k e wie das beneficium zu erfüllen h a t 2 . I V . E i n e Konkurrenz des titulus beneficii und des titulus patrimonii, resp. p e n s i o n s ist der Bestimmung des Tridentinums nicht zuwider.

D a h e r wird bei nicht a u s -

reichendem B e n e f i z i a l - E i n k o m m e n die E r g ä n z u n g desselben durch den V e r m ö g e n s - oder Pensionstitel gestattet, und u m g e k e h r t k a n n bei zunächst auf diesen letzteren hin erfolgter Ordination später ein nicht ausreichendes Benefizium subrogirt werden, so dass dann nur n o c h ein entsprechender T h e i l der ursprünglich als Patrimonium konstituirten G e g e n stände verhaftet b l e i b t 3 . V . Ausser den durch das g e m e i n e R e c h t anerkannten, eben besprochenen Ordinationstiteln kommt in D e u t s c h l a n d bald (titulus

mensae)

vor4.

Seine E n t s t e h u n g

n a c h dem Tridentinum ein s. g . ist durch die Unmöglichkeit

Tischtitel

herbeigeführt

w o r d e n , den an sich z w e c k m ä s s i g e n Vorschriften des Tridentinums zu g e n ü g e n .

In

einem L a n d e , in w e l c h e m bei einem verhältnissmässig grossen U m f a n g der P a r o c h i e n und dem Mangel von Benefizien eine Anzahl von Hülfspriestern gebraucht und ferner ein T h e i l der Geistlichen in der K i r c h e n - und S t a a t s v e r w a l t u n g ohne die Möglichkeit 1 Vgl. Glosse zu c. 4. X. de praeb. III. 5. s. v. s u b s i d i u m ; F a g n a n . ad c. 4. cit. n. 39; B a r b o s a 1. c. 91. 2 F a g n a n . 1. c. n. 32; da das Patrimonium, welches den Titel bildet, grössere Privilegien als das sonstige Vermögen der Kleriker geniesst, (s. F e r r a r i s 1. c. n. 45 ff.) und namentlich wegen der beanspruchten Steuerfreiheit Konflikte mit der weltlichen Gewalt nahe liegen, so ist mit Rücksicht hierauf die Frage in der Kurialpraxis aufgeworfen worden , ob ein höheres Patrimonium als das durch die Synodaltaxe festgesetzte zulassig sei; die Congr. Conc. hat sie in einer Entscheidung von 1705 verneint.. In Betreff einer früheren entgegengesetzten Entscheidung ist in derselben selbst schon bemerkt; „expedire tarnen dictis eminentissimis patribus visum fuit liuiusmodi decretum non edere ad evitandas principum irinovationes ratione executionis huiusmodi bonorum , cum bona pro patrimonio laicali assignata habeant majorem executionem quam bona simplicium clericorum, ideo satius , ut episcopus constituere faciat Patrimonium necessarium pro honesta sustentatione" s. R i g a n t i l . c. n. 132 ff; F e r r a r i s 1. c. n. 27. Wo der Kirche eine derartige Exemtion von dem Staate nicht mehr zugestanden ist, hat die Frage natürlich keine praktische Bedeutung. 3 B a r b o s a l . c. n. 14; R i g a n t i l . c. n. 46. 150 ff; P h i l l i p s 1 , 629. 635; Entsch. der C. C. a. a. 0 . n. 12. 13. 4 S. Synode v. A u g s b u r g 1567. p. II. c. 9 (Hartzheim7, 177); B r i x e n 1603(ibid. 8, 551); C h u r 1605 (ibid. 8, 650); P r a g 1605 (ibid. 8, 723): „Ii praeterea, qui a nobis mensave arcbiepiscopali sive a nostra metropolitana vel alia ecclesia collegiata aut ab aliquo monasterio, barone seu nobili vel alicuius civitatis senatu titulum mensae ad vitae sustentationem habuerint, si

publico testimonio scriptis exarato id nobis constiterit et ecclesiis nostris utiles et necessarios iudicaverimus, ad sacros ordines admittentur". K ö l n 1651 (ibid. 9 , 7 6 2 ) ; M ü n s t e r 1655 (ibid. 9, 827). S. auch J. M e y e r , Ursprung und Entwicklung des Tischtitels nach gemein, u. bair. Recht ill M o y s Arch. f. k. K. R. 3, 269, welcher S. 271 ff. weitere Nachweisungen für die Entwicklung in Baiern während des 17. u. 18. Jahrhunderts giebt. — R i c h t e r §. 108 (u. nach ihm P h i l l i p s 1, 622; S c h u l t e 2, 131. η. 1) finden den Tischtitel schon in einer Urkunde v. 1334 (Mon. Boica 1, 103), welche ihrem wesentlichen Inhalte nach lautet: „Frater de . . . Commendator et Conventus Domus Fratrum Ordinis Theuton . . . profltemur . . . quod vir providus et discretus . . . civii in . . . ex paterna provisione et hereditaria successione . . . . qua filio suo presencium exhibitori fuit affectus et sui honoris ad incrementum qui in sacris ordinibus videlicet ad ordinem subdiaconatus et deinceps . . . procedere intendit. . . nobis fldeiussoriam cautionem certam et condignani per XXX libras llatispon. fecit et obligavit. Unde . . . prefato in promocionem ampliorem et lucidiorem nostram et nostri Ordinis domum in . . . pro XXX libris Ratispon. obligavimus etperpraesentes obligamus , si in sacris ordinibus . . . processerit in effectum, quas necessitate exigente, cum ab ipso requisiti fuerimus, sibi solvere promisimus et debemus sine contradictione qualibet libere et quiete". Ganz abgesehen davon, dass dies Beispiel für eine Reihe von Jahrhunderten allein stehen würde , enthält die Urkunde, deren Sinn allerdings nicht ganz klar und zweifellos ist, kein Versprechen, fortdauernd eine bestimmte Unterstützung zu gewähren, noch eine Abrede, dass mit der Erlangung eines Beneflziums die etwaige Verbindlichkeit aufhören solle. S. auch M e y e r S. 270.

Der Ordinationstitel.

71

der Erlangung eines Benefiziums angestellt wurde, blieb nichts Anderes übrig, als der Priesternoth so gut als es ging abzuhelfen. Der titulus patrimonii oder pensionis allein konnte hier offenbar nicht den Mangel der Benefizien decken. Es fanden sich nicht immer vermögende Kandidaten für den Priesterstand vor, dritten Personen, welche überhaupt geneigt waren, einen Geistlichen zu sustentiren, waren die vom Tridentinum über den titulus pensionis vorgeschriebenen Bedingungen oft zu schwer, und endlich kam wohl auch noch der Umstand dazu, dass bei den veränderten wirthschaftlichen Verhältnissen die auf der Naturalwirtschaft basirenden Vorschriften über die dingliche Radicirung des Patrimonium und der pensio oft nicht erfüllt werden k o n n t e n M a n musste daher zufrieden sein, wenn nur der Unterhalt des Ordinanden in irgend einer Weise gesichert war, und so liess mau schon ein rechtsverbindliches Versprechen genügen , nötigenfalls einem Geistlichen, der sich nicht selbst ernähren könne, den erforderlichen Unterhalt zu gewähren 2 . Ausgestellt wurden solche Unterstützungsversprechen durch Landesherren, Städte, Bischöfe, Stifter, Klöster und Private 3 . Die N o t w e n d i g keit einer dinglichen Versicherung ist zwar von der älteren deutschen Theorie als Regel festgehalten 4 , jedoch davon für die erwähnten Korporationen und solche Personen, deren zukünftige Solvenz nicht zweifelhaft erscheint, abgesehen worden 5 . Von dem titulus pensionis unterscheidet sich der Tischtitel wesentlich dadurch, dass die durch den letzteren übernommene Verpflichtung erst dann eintritt, wenn der Geistliche sich nicht selbst mit den Revenüen eines eigenen (zum titulus patrimonii nicht qualificirten) Vermögens auf eine seinem Stande entsprechende Weise unterhalten kann 0 . Dass die Unfähigkeit des Klerikers selbst verschuldet ist, schliesst, sofern die Verbindlichkeit durch den Tischtitelgeber nicht in dieser Hinsicht beschränkt worden, den Anspruch auf Gewährung der Sustentation nicht aus 7 . Ueber die Höhe der Summe hat der Bischof 1 Mit Ausnahme des letzten Grundes sind diese Verhältnisse schon von den früheren deutschen Kanonisten hervorgehoben. S. E n g e l I. 14. 11.14; K e i f f e n s t u e l , 1. 11. n. 7 6 ; S c h m i e r 1. c. lib. I. tr. 4. c. 3. n. 156. Vgl. auch P h i l l i p s 1, 6 3 6 ; S c h u l t e 2, 130; J . M e y e r S. 268. 269. Wie verbreitet der Tischtitel in Deutschland w a r , ergiebt auch der Umstand, dass u n t e r dieser Bezeichnung öfters der Ordinationstitel überhaupt verstanden worden ist. S. die Synode von S i t t e n 1626 (HartzheimÖ, 386), P i r h i n g i . 11. n. 6 8 ; M e y e r S. 271. Uebrigens dürfte heute, wie schon S c h u l t e , Lehrbuch S. 172. n. 15 bemerkt, die Nothwendigkeit vorliegen, auch ein in sicheren , namentlich auf den Namen lautenden Staats- oder Privat-Obligationen angelegtes Vermögen als titulus patrimonii gelten zu lassen, und in diesem Sinne das bestehende Hecht abzuändern. 2 Der Tischtitel ist also aus einer nothgedrungenen Abschwächung der Erfordernisse des Pensionstitels hervorgegangen. S. auch Μ e y e r , S. 268. In Italien hat ihn die Praxis der Congr. Conc. nicht zugelassen. S. R i c h t e r a. a. 0 . n. 32. 3 E n g e l 1. c. n. 1 7 ; s. auch die vorstehend angeführte Synode v. P r a g v. 1605. Gehindert einen solchen Titel zu bestellen, ist Niemand weder eine physische noch eine juristische Person. Dass aber im einzelnen die nothwendigen Voraussetzungen , u n t e r denen sich das betreffende Rechtssubjekt überhaupt verpflichten k a n n , erfüllt sein m ü s s e n , ist selbstverständlich. S.

E n g e l 1. c. n. 18 ff; M e y e r S. 275. Eine wiirtembergische Verordnung vom 5. J u l i 1810 ( R e y s c h e r , Sammlung würtembergischer Gesetze 10, 326) verlangt Versicherung durch Spezialpfand für die von Privaten bestellten Tischtitel. 4 E n g e l 1. c. n. 1 7 ; S c h m i e r 1. c. n. 153. r > So auch S c h u l t e 2, 1 3 2 ; M e y e r S. 278. Hierher gehört auch der s. g. t i t u l u s s e m i n a r i i , der in Deutschland nichts als ein Tischtitel ist. In Italien ist er in Folge päpstlichen Indults ebenfalls zugelassen worden. R i g a n t i 1. c. n. 10. Einen Lothringen betreffenden Fall aus dem 16. Jahrh. , in welchem die Zulässigkeit verworfen wurde, s. Anal. j u r . pontif. 1855. p. 678. (i Das widerspricht freilich den Intentionen, die das Tridentinum mit seiner Reform beabsichtigte. Schon die K ö l n e r Synodev. 1 6 5 1 ( I I a r t z h e i m 9, 762) klagt, dass die Kleriker gezwungen würden, „ex celebratione missae sordidum panis lucrandi commercium non sine magno sancti sacredotli vilipendio et contemptu exercere 1 '. Vgl. E n g e l 1. c. n. 15; S c h m i e r 1. c. n. 1 5 1 ; P h i l l i p s 1, 6 3 7 ; R i c h t e r g . 108. n. 9 ; P e r m a n e d e r 1 4 6 ; M e y e r S. 274. Anders S c h u l t e 2, 132. η. 1, welcher aber der deutschen Entwicklung zuwider die Grundsätze vom titulus patrimonii hier unzulässiger Weise heranzieht. 7 S. die in der vorigen Note citirten. Α. M. S o h r , de titulo mensae. Vom Tischtitel etc. Breslau 1829. S. 8. E i n e Verpflichtung auf den Fall der unverschuldeten Dienstunfähigkeit sollte, als dem Zweck des Titels zuwider, gar nicht zu-

72

ΐ Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 9.

zu befinden, wenn die Zusicherung nur allgemein auf Unterhalt abgegeben worden ist, da in solchem Falle das sachgemasse Ermessen zu entscheiden hat und in dieser Hinsicht der Bischof Sachverständiger ist 1 . Der Tischtitel erlischt, wenn der Titulat ein ausreichendes Benefizium erhalten hat, denn von diesem Zeitpunkt ab, steht die Sache so, als ob er von vornherein auf den titulus beneficii ordinirt worden wäre. Daher lebt die Verpflichtung des Konstituenten auch dann nicht wieder auf, wenn der Geistliche nachher sei es ohne, sei es durch sein Verschulden dienstunfähig geworden ist, vielmehr muss für einen solchen der Unterhalt wie bei jedem von vornherein auf den titulus beneficii geweihten Kleriker beschafft werden 2 . Das gleiche gilt von dem Falle, wo der Geistliche ein ausreichendes Patrimonium erhält. Jedoch muss hier dasselbe ausdrücklich als Titel vom Bischof subrogirt sein. Einen Anspruch auf das letztere hat der Tischtitelgeber aber nur, wenn unter der gedachten Voraussetzung ein Erlöschen der Verbindlichkeit ausgesprochen ist, sonst hört diese an und für sich nicht auf, nur ihre Erfüllung cessirt so lange und insoweit, als das eigene Vermögen des Titulaten zu dessen Sustentation ausreicht 3 . Ein Aufgeben des Anspruchs durch Verzicht, Cession 4 u. s. w. seitens des Titulaten ohne bischöfliche Genehmigung endlich muss ebenso wie die Veräusserung des den Titel bildenden Patrimonium für nichtig erklärt werden, da der Tischtitel mit dem titulus patrimonii und pensionis seinem Zweck nach völlig gleichsteht und nur eine veränderte Gestalt des letzteren ist. VI. Was den heute in D e u t s c h l a n d bestehenden Zustand betrifft, so kann die Anwendung der gemeinrechtlichen, dem Tridentinum bekannten Ordinationstitel keinem Zweifel unterliegen. Mehr oder minder ausdrücklich ist das anerkannt in B a i e r n (Konkord. Art. X I I 1 . ) , O e s t e r r e i c h (Konkord. Art. IV b .), P r e u s s e n (A. L. R. Th. II. Tit. 11. §. 62) 5 und B a d e n 6 . Wenn es dagegen für eine Reihe anderer Länder an darauf bezüglichen Bestimmungen fehlt, ζ. B. im ehemaligen Königreich H a n n o v e r , im Königreich S a c h s e n , W ü r t e m b e r g , O l d e n b u r g u. s. w., so kann für dieselben daraus die Unzulässigkeit der Ausübung der bischöflichen Rechte in dieser Beziehung nicht gefolgert werden 7 , es hängt das vielmehr mit den schon vorhin erwähnten Verhältnissen in Deutschland zusammen, welche der Entwicklung der Tridentiner Disciplin durchaus ungünstig gewesen sind. Ja mit der Einziehung der geistlichen Güter Anfangs unseres Jahrhundert ist die Möglichkeit, auf der Erfüllung der Vorschriften gelassen werden; jedenfalls kann aber der Geber nicht weiter als er sich verbindlich gemacht, in Anspruch genommen werden, und es muss dann die Sustentationspflicht des Bischofs eintreten. S. unten S. 78. 1 R i c h t e r , S c h u l t e a. a. 0 . 2 S c h e u r l e n , Bemerkungen üb. d. landesherrlichen Tischtitel etc. in W e i s s , Archiv für die Kirchenrechtswissenschaft. 2 , 1 4 3 ; R i c h t e r , P e r m a n e d e r . a. a. 0 ; M e y e r S . 281. 3 Bei der Erlangung eines Beneiicium steht die Sache deshalb anders, weil von diesem Zeitpunkt ab der Natur der Sache nach die Verpflichtung fortfällt. Einer Subrogation des Bischofs bedarf es hier nicht, denn diese könnte er nicht verweigern, sowie das Beneflcium den ausreichenden Unterhalt gewährt. Bei entstehenden Differenzen wird allerdings konstatirt werden müssen , dass die Bedingung, unter welcher die Verpflichtung erlischt, eingetreten ist.

* S. den Fall in L i p p e r t s Ann. Hft.4. S. 132 ff. s „Die übrigen Erfordernisse zu einem geistlichen Amte bleiben nach Verschiedenheit der Religionsparteien den vom Staate genehmigten Grundgesetzen und Verfassungen vorbehalten". Diesem §. muss der nur für die evangelische Kirche passende §. 6ö. a. a. 0 . : „Die Ordination soll Niemandem ertheilt werden, ehe er ein geistliches Amt, welches ihm seinen Unterhalt gewährt , zu übernehmen Gelegenheit hat"; in Betreff der katholischen Kirche nachstehen. Für das heutige Recht folgt das auch ferner aus Art. 15 der Preuss. Verf.-Urk. vom 31. Januar 1850. β Gesetz v. 9. Oktober 1860. 7. Vgl. H a a s in M o y , Archiv f. k. K. R. 9, 33. Auch L i p p e D e t m o l d gehört hierher s. das Edikt vom 9. März 1854. Art. 2. 7 S. H a a s a. a. 0 . Dagegen spricht sich schon die Esposizione dei sentimenti von 1819 No. 12 ( M ü n c h , Konkordate 2, 387) aus.

§.9.]

Der Ordinationstitel.

des Tridentinums zu bestehen,

73

noch mehr geschwunden,

und so haben sich denn ein-

z e l n e S t a a t e n d a z u v e r s t a n d e n , s e l b s t e i n e n — d e n s. g . landesherrlichen mensae principis)

Tischtitel

(titulus

zu gewähren.

In O e s t e r r e i c h wird der Tischtitel sämmtlichen Kandidaten des Klerikalstandes auf Ansuchen des Bischofs aus dem Religionsfonds durch

die Landesstellen

j e d o c h datirt e i n A n s p r u c h a u f d e n s e l b e n e r s t v o n d e r Z e i t a b , weihe erhalten haben. Κ.

M.

ertheilt.

w o sie die P r i e s t e r ·

D e r B e t r a g d i e s e s s. g . D e f i c i e n t o n g e h a l t e s i s t a u f 2 0 0 — 3 0 0 F l .

(210 — 315 Fl.

neuer Währung)

festgestellt1.

In

der

oberrheinischen

K i r c h e n p r o v i n z w i r d d e r T i s c h t i t e l d e n in d a s S e m i n a r a u f g e n o m m e n e n K a n d i d a t e n gewährt2,

w o f ü r als Minimum 3 0 0 — 4 0 0 F l . festgesetzt sind.

der T i s c h t i t e l a u f d e n I n t e r k a l a r f o n d s ü b e r n o m m e n 3 .

In W ü r t e m b e r g

ist

W ä h r e n d i n d i e s e n S t a a t e n ein

A n s p r u c h auf den Tischtitel durch eine bestimmte Qualifikation für sämmtliche K a n d i d a t e n b e g r ü n d e t w i r d u n d s i c h in d e r o b e r r h e i n i s c h e n K i r c h e n p r o v i n z n a c h d e r V e r o r d n u n g v o n 1 8 5 3 u n d i n O e s t e r r e i c h d e m G e i s t e d e s K o n k o r d a t e s g e m ä s s ein R e c h t der B i s c h ö f e z u r V e r l e i h u n g d e s s e l b e n n i c h t in A b r e d e s t e l l e n l ä s s t ,

w i r d d e r T i s c h t i t e l in

andern Ländern von den Staatsbehörden nur an einzelne Kandidaten verliehen. der F a l l in O l d e n b u r g

4

D a s ist

und in B a i e r n 5 .

1 Nähere Voraussetzungen f ü r die Kandidaten sind Zurücklegung des vorgeschriebenen theologischen Studiums , ausreichende Gesundheit, Tauglichkeit zur Verwaltung der Seelsorge und Versehung derselben oder eines öffentlichen Amtes bei Schul- u. Lehr-Anstalten nach empfangener Priesterweihe. S. Hofdekret v. 7. J ä n n e r 1792. (Sammlung der Gesetze Leopolds II. 5, 74). S. auch A. M ü l l e r , Lexicon des Kirchenrechts. (2. Aufl.) δ, 1 δ ; B a r t h - B a r t h e n h e i m , Oesterreichs geistige Angelegenheiten. §§. 2 6 — 3 0 . 7 7 8 ff.; P a c h m a n n 245. Dass diese Bestimmungen, wonach u. A. der zwischen der Subdiakonatsund Priesterweihe untauglich werdende Kandidat keine Versorgung erhält, ebenso die des Hofdekrets vom 6. April 1792 f ü r T i r o l , welche die Verpflichtung f ü r den casus delicti ausschliesst ( K r o p a t s c h e k , Samml. der Ges. Franz II. 1, 89) mit der Wiederherstellung der vollen kanonischen Disciplin durch das Konkordat nicht im Einklang sind, liegt auf der Hand. Kine Ausgleichung ist bis j e t z t nicht erfolgt. Das Wiener Provinzialkonzil von 1858. tit. 3. c. 10. (s. M o y , Arch. 4, 721) bestimmt d a h e r : „ut aliunde aliquis accessus ad sacros ordines difflcilior haud reddatur, constituendum ducit, circa titulum mensae ea quae hucusquein hac provincia observata fuere, retineri debere. Adaequet reditus annuos CG florenorum hucusque consuetae seu CCX novissimae monetae''. 2 Das gemeinsame Edikt der betreffenden Regierungen vom 30. J a n u a r 1830. §. 27. b e s t i m m t : ,,Ιη das Seminar werden nur diejenigen Kandidaten aufgenommen, welche in einer durch die Staats- und bischöflichen Behörden gemeinschaftlich vorzunehmenden P r ü f u n g gut bestanden und zur Erlangung des landesherrlichen Tischtitels , der ihnen u n t e r obiger Voraussetzung ertheilt w i r d , würdig befunden worden sind". F ü r die zu dem gedachten Verbände gehörigen Staaten mit Ausnahme K u r Ii e s s e η s ist §. 8. des Erlasses vom 1. März 1853 getreten: „Vor der Aufnahme in das Priesterseminar müssen die Kandidaten in einer von der

bischöflichen Behörde anzuordnenden und zu leitenden P r ü f u n g gut bestanden sein. Dieser P r ü fung wohnt ein landesherrlicher Kommissar bei. welcher sich die Ueberzeugung zu verschaffen hat, dass die Kandidaten den Gesetzen und Vorschriften des Staats Genüge geleistet haben und nach Betragen und Kenntnissen der Aufnahme würdig sind. Die Aufnahme geschieht durch die bischöfliche Behörde. Sie darf nach etwa erhobener E i n sprache des landesherrlichen Kommissars in so l a n g e , als dieselbe nicht durch die zuständige Staatsbehörde beseitigt i s t , nicht erfolgen. Den Aufgenommenen wird der landesherrliche Tischtitel ertheilt". 3 Dekret vom 14. März 1816. ( K e y s c h e r , Sammlung würtemberg. Gesetze , 10 , 4 8 2 ) ; Bekanntmachung den Interkalarfonds betr. vom 10. November 1821, No. III. (Regierungsblatt v. 1821. S. 8 1 9 ; R e y s c h e r a. a. 0 . S. 6 8 2 . ) Siehe auch S c h e u r l e n a. a. 0 . S. 145. Ueber B a d e n , wo der Erzbischof von Freiburg den Tischtitul verleiht s. H a a s a. a. 0 . S. 3 3 ; f ü r Η e s s e i l D a r m s t a d t erkannte die allerdings von der zweiten Kammer unterm 8. Mai 1863 f ü r ungültig erklärte und im Jahre 1866 von beidenTheilen beseitigte Konvention mit dem Bischof von Mainz v. 1854 No. 5 an : „Der Bischof weiht auf die bestehenden kirchlichen Titel hin". 4 Normativ für die Wahrnehmung des landesherrlichen Hoheitsrechts etc. vom 5. April 1831. 1 0 : „Der Vorschlag zum titulus mensae und zu den von dem Landesherrn etwa bewilligten Stipendien zur Ausbildung der Kandidaten der Theologie auf auswärtigen Universitäten geschieht vom Offlzialat" (zu Vechta) „bei der" (mit Ausübung des ius circa sacra beauftragten Immediat-) Kommission auf den Grund des mit den Aspiranten angestellten E x a m e n s pro ordinibus, unter Berücksichtigung vorzüglicher Fähigkeiten und des Bedürfnisses". Nach S c h u l t e 2, 151. n. 2 beträgt der Titel 80 Rthr. 5 Das Ministerial - Reskript vom 11. Februar

74

Ι· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 9.

Die Gesetzgebung des letzt erwähnten Landes stimmt aber insofern mit den unter V. entwickelten, allgemeinen Grundsätzen überein, als der Titel stets bei eintretender Dienstuntauglichkeit ohne Eilcksicht auf ein etwaiges Verschulden des Geistlichen gewährt wird 1 , dagegen erstreckt sich in der o b e r r h e i n i s c h e n K i r c h e n p r o v i n z die Verpflichtung nur auf den Fall, dass der Geistliche ohne sein Verschulden dienstunfähig geworden ist 2 . Freilich geht aber hier die Verhaftung andererseits über das gemeine Recht hinaus, da auch der bepfründete Geistliche Anspruch auf den Titel hat 3. Berücksichtigt man, dass die katholische Kirche durch die Säkularisation den erheblichsten Theil ihres Vermögens eingebüsst hat, dass die Bischöfe auf feste Gehalte angewiesen, und der Tischtitel oft aus Fonds gewährt wird, welche einen kirchlichen Charakter haben und aus kirchlichen Mitteln Einkünfte erhalten (so ζ. B. dem Interkalarfonds inWürtemberg), so muss es als eine gerechte Forderung der katholischen Kirche bezeichnet werden, dass die Sustentation der Geistlichen auch für den Fall der verschuldeten Untauglichkeit vom Staate übernommen oder ein angemessener Fonds dafür der Kirche frei überlassen wird. Aus denselben Gründen muss auch die allgemeine Regel, dass der bepfründete Geistliche keinen Anspruch auf den Tischtitel, sondern Sustentation aus dem Benefizium zu fordern hat, cessiren , um so mehr als die Amtseinkünfte ebenfalls heute vielfach sehr gering bemessen sind 4 . In P r e u s s e n (und zwar in den alten Provinzen, sowie in der neuerworbenen Provinz H a n n o v e r ) kommt der landesherrliche Tischtitel 5 nicht vor, man muss sich hier mit einer von Privatpersonen übernommenen Verpflichtung behelfen, für welche 1852 (D öl l i n g e r , Sammlung etc. 8, 614) verwahrt sich ausdrücklich gegen eine Verbindlichkeit , den Tischtitel für alle katholischen Geistlichen des Königreichs zu übernehmen. In Uebereinstimmung hiermit bestimmt die E r schliessung vom 8. April 1 8 5 2 . No. 1 5 : „Die Aufnahme in den geistlichen Stand , resp. in das Klerikalseminar bleibt dem freien Ermessen der Bischöfe überlassen. Da jedoch der König als Schutzherr der Kirche den Tischtitel dem zu Weihenden a u s G n a d e n verleiht, so ist u m diese Gnade vor der Ordination geziemend zu bitten". S. auch M e y e r S. 276. 277. Vgl. über l i a i e r n weiter die Verordnung vom 6. März 1804 ( I ) ö l l i n g e r 8 , 528) und die andern dortmitgetheilten Verordnungen. 1 1st die Amovirung in Folge eigener Schuld des Geistlichen geschehen, so beträgt der Titel 104 Fl., ohne sein Verschulden 2 0 8 Fl. Die Angabe B r e n d e l s , Kirchenrecht §. 265 und P e r inaneders 147, dass auch bepfründete Geistliche bei eintretender Unfähigkeit den Tischtitel erhalten, beruht auf einer Verwechselung der freiwilligen Uebernahme solcher Kleriker auf den Emeritenfond. S. M e y e r a. a. 0 . S. 279. 281. 282. — Derselbe Grundsatz wie in Baiern muss nach der Ausführung zu V mangels einer besonderen Bestimmung auch f ü r O l d e n b u r g zur Anwendung kommen. Ebenso im K ö n i g r e i c h S a c h s e n , in welchem der landesherrliche Tischtitel gleichfalls üblich ist. S. S c h u l t e , status dioecesium cathol. Giessae 1866. S. 149. 2 Edikt v. 30. Januar 1830. §. 2 8 : ,,Dcr landesherrliche Tischtitel gibt die urkundliche Ver-

sicherung, dass im eintretenden Falle der n i c h t v e r s c h u l d e t e n D i e n s t u n f ä h i g k e i t der dem geistlichen Stande angemessene Unterhalt, wofür ein Minimum von jährlich 300 bis 400 Fl. festgesetzt wird , sowie die besondere Vergütung für K u r - u n d Pflegekosten, subsidiarisch werde geleistet werden. Von dem Titulaten kann nur dann ein billiger F^rsatz gefordert werden, wenn er in bessere Vermögensumstände kommt oder in der Folge eine Pfründe e r h ä l t , welche mehr als die Kongrua abwirft". Dass diese Bestimmung durch die Verordnung von 1853 und das badische Gesetz vom 9. Oktober 1860 f ü r B a d e n beseitigt sei (so H a a s a. a. 0 . S. 33), lässt sich nicht behaupten. F ü r W ü r t e m b e r g hat schon die Verfassungsurkunde von 1819. §. 81 verordnet: „Auch wird darauf Rücksicht genommen werden , dass katholische Geistliche, welche sich durch irgend ein Vergehen die Entsetzung vom Amte zugezogen h a b e n , ohne zugleich ihrer geistlichen Würde verlustig geworden zu sein , ihren hinreichenden Unterhalt linden", womit freilich immer eine Lücke für die nicht angestellten Geistlichen vom Subdiakon an aufwärts bleibt. 3 S c h e u r l e n a. a. 0 . S. 146. 4 S. P h i l l i p s 1, 6 3 8 ; S c h u l t e 2 , 1 3 3 ; R i c h t e r §. 108. n. 9. In wiefern hierfür durch andere Einrichtungen ( E m e r i t e n - u n d D e m e r i t e n H ä u s e r - und Fonds) Abhülfe geschaffen i s t , s. unten. 5 In N a s s a u wird er dagegen von d e r p r e u s s i schenRegierung weiter gewährt. M o y , Arch. 20, 313. η. 1. a. E .

Der Ordinationstitel.

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man hypothekarische Sicherheit verlangt, sofern nicht der sonst noch vorkommende vom Bischof oder aus den Seminareinkünften gewährte Titel ausreicht i . Eine Beschränkung von Privatpersonen in der Befugniss, dergleichen Verbindlichkeiten zu übernehmen, ist eine ungerechtfertigte Bevormundung sowohl dieser als auch der Kirche; sie ist vorgekommen in B a i e r n 2 , O e s t e r r e i c h 3 und B a d e n 4 . Hinsichtlich der juristischen Personen, namentlich der Land- und Stadtgemeinden, für welche ebenfalls mitunter eine staatliche Konkurrenz bei der Aussetzung von Tischtiteln vorkommt 5 , kann eine solche nur begründet erscheinen, wenn sie sich als Ausfluss der sonst über die Vermögensverwaltung dieser Rechtssubjekte geltenden allgemeinen Normen darstellt, weil das Vermögen derselben bestimmten Zwecken dient und der Erfüllung derselben nicht Abbruch geschehen darf. VII. Die Bestimmungen des Tridentinums beziehen sich nicht auf die R e l i g i ö s e n . Diese werden durch das Kloster unterhalten und können daher ohne Weiteres auf den titulus paupertatis sive professiunis ordinirt werden. Jedoch ist dies nur nach wirklich abgeleisteter Profess zulässig 6 . Ausnahmen kommen vor für einzelne Orden, ζ. B. für die Jesuiten, deren drei vota simplicia den wirklichen Ordensgelübden gleichgestellt s i n d s o dass sie schon nach Ablegung derselben die ordines maiores erhalten können 8 , ebenso aber auch für die Mitglieder von solchen religiösen Kongregationen, welche überhaupt nur einfache Gelübde leisten, wie ζ. B. aus neuerer Zeit für die Redemptoristen aus älterer für die französischen Doktrinarier (Congregatio clericorum saecularium Doctrinae cliristianae in Gallia) 10 . VII. Dem Tridentinum noch unbekannt ist der ferner vorkommende s. g. titulus 1 S. S c h u l t e status dioecesium catholic, p. 67. 92. 2 J e t z t genügt aber nach einem Ministerialreskript v. 30. Mai 1813 ( D ö l l i n g e r 8 , 528, s. auch d. Verordn. v. 27. J u n i 1828 a. a. 0 . S. 540) blosse Anzeige an die General-Kreis-Kommissariate; die Kandidaten müssen indessen dieselben Qualiiikationen, wie die f ü r den landesherrlichen Tischtitel haben. S. M e y e r S . 275. 3 F a c h m a n n §. 245. n. p. Mit dem Konkordat ist aber diese Beschränkung ebenfalls nicht vereinbar. * Die Verordnung vom 3. Februar 1810 (Regier.-Blatt. 1810. No. 7. S. ö l ) verbietet die E r theilung von Tischtiteln durch Privatpersonen und Gemeinden ganz und gar. 5 So in B a i e r η , wo der gleich weiter im Text angegebene Gesichtspunkt massgebend ist und daher Bestätigung der Kreisregierung verlangt wird; V. v. 6. September 1819 ( D ö l l i n g e r 8, 539). S. M e y e r . S. 2 7 5 ; ferner in O e s t e r r e i c h und B a d e n ; f ü r beide Länder gelten die zu Note 3 u. 4 gemachten Angaben und Bemerkungen. β Pius' V. Const. Romanus Pontifex v. 14. Oktober 1568. §§. 1. 3. (M. Bull. 2, 290. auch R i c h t e r s c h e Ausg. des Trid. S. 502) verbietet die Ordination der : „ certorum ordinum religiosi seu canonici vel clerici, intra claustra monasteriorum seu domorum more regularium in commune viventes qui nunquam seu nonnisi ad certum tempus professionem e m i t t u n t et ex claustro exire vel dimitti, ad saeculum redirelibere et licitepossunt". Selbst h e u t e , wo nach der Encyclika der Congr. sup. statu regularium : Neminem latet vom 19.

März 1857 und der Constitution Pius' IX. : Ad universalis ecclesiae regimen vom 7. Februar 1862 ( M o y , Archiv9, 437 u. 8 , 1 4 4 ) nach bestandenem Novitiat zunächst vota simplicia und die solemnia erst nach weiteren 3 Jahren abgelegt werden dürfen, können diejenigen, welche diese vota simplicia geleistet haben, nicht auf den titulus profession s die höheren Weihenerhalten. Entscheidg. der Congr. sup. statu regul. v. 20. Januar 1860 (2mal mitgetheilt bei M o y a. a. 0 . 9, 441. u. 16, 376). 7 Constit. GregorsXIII. : Ascendente domino ν. 25. Mai 1584. §. 20 (Μ. Bull. 2, 508). « Privileg. Gregors XIII. v. 28. Februar 1573 (Institutum soc. Jesu. Prag. 1757. 1 , 4 7 ) ; Constit. Gregors X I V . : Ecclesiae catholicae v. 28. J u n i 1591. § . 1 6 . (M. Bull. 2, 769. Institut, soc. Jesu. 1, 103). 9 Constit. Leo's XII. : Inter religiosas vom 11. März 1828. §. 3. (Bull. Rom. cont. 17, 3 4 3 ) : .,attribuimus quo tametsi non vota solemnia sed solum vota simplicia cum iuramento perseverantiae in ea n u n e u p e n t u r , superior generalis pro tempore alumnos suos vel ob eorum inopiam vel alias ab causas t i t u l o m e n s a e c o m m u n i s . . . sacris ordinibus initiandos offerre atque his in casibus literas dimissoriales concedere idem per sepossit et valeat'·. Vgl. ferner Anal. j u r . pont. 1855. p. 2768. lü S. R i g a n t i 1. c. n. 1 8 ; Anal. j u r . pont. 1861. p. 6 4 ; vgl. ferner R i g a n t i n. 11. ff. 18. Dieser ausnahmsweise gestattete Titel wird von Einzelnen (s. die citirten) titulus c o m m u n i t a t i s oder c o n g r e g a t i o η i s genannt.

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I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 9.

missionis Seine Einführung hängt mit der Errichtung der römischen Ausbildungsanstalten für die Mission im 16. Jahrhundert zusammen. Zuerst ist den Zöglingen des im Jahre 1579 errichteten C o l l e g i u m A n g l i c a n u m das Privilegium, ohne Benefizium und Patrimonium die Ordination zu erhalten, gegeben 2 , und sodann auf die Alumnen ähnlicher schon bestehender oder neu errichteter Anstalten ausgedehnt worden bis U r b a n VIII. 4 dasselbe den Zöglingen aller derjenigen geistlichen Bildungsanstalten ertheilt hat, welche unter der Leitung oder Aufsicht der Congregatio de propaganda fide stehen 5 . Diese müssen sich bei ihrer Aufnahme eidlich verpflichten, die Weihen zu erlangen und demnächst auf Lebenszeit nadi den Anweisungen der Propaganda in der Mission dienen 6 , werden aber andererseits aus den Mitteln der Collegien oder der Propaganda unterhalten 7 . Dieser Titel bietet mit Rücksicht auf die lebenslänglich übernommene Verpflichtung der Alumnen, ihre Kräfte der Mission zu widmen — wird doch auch der Ausdruck profiteri institutum alicuius collegii gebraucht 8 — eine entschiedene Analogie zu dem titulus profcssionis. Seinem Wesen nach ist er nichts Anderes als ein titulus mensae, was sich auch darin zeigt, dass die Unterhaltungspflicht auf ihn cessirt, wenn die von Rom ausgesandten Alumnen in dem Missionslande eine feste Anstellung erhalten haben 9 . Selbst von dem titulus professionis muss dasselbe für das neuere Recht behauptet werden 10 . So lange man nur mit Rücksicht auf ein bestimmtes Amt ordinirte, war ein entschiedener Gegensatz zwischen dem Welt- und Ordenspriester vorhanden , als aber ein ausreichender Lebensunterhalt als genügender Titel betrachtet wurde, fiel die Ordination der Weltgeistlichen und Mönche schon unter denselben gemeinsamen Begriff und innerhalb desselben konnte sich nur noch der Gegensatz zwischen der regelmässig vorausgesetzten Art des Einkommens (aus dem Benefizium) und jeder andern als Ausnahme 1 0 . M e j e r , de titulo missionis apud catholioos. Regiomonti. 1848. 2 Vgl. die Errichtungsbulle Gregors XIII. v. 23. April 1579. §. 13. (M. Bull. 2, 4 5 5 ) : . . . „eisdem alumnis ut de licentia Protectoris ac dicti Collegii Kectoris consensu et examine praecedente . . . etiam absque suorum Ordinariorum Uteris dimissorialibus ac s i n e a l i q u o b e n e f i c i i v e l p a t r i m o n i i t i t u l o . . . ad omnes etiam sacros et presbyteratus ordines promoveri . . . libere et licite valeant, indulgemus". S. M e j e r a. a. 0 . S. 13. 14. 3 Ζ. B. des vereinigten Collegium Gernianicum et Hungaricum durch die Bulle Gregors XIII. v. 1. April 1584 §. 15 ( T h e i n e r , die geistlichen Bildungsanstalten. Mainz. 1835. S. 4 1 5 ) , des Colleg. Maronitarum durch Bulle desselben v. 27. J u n i 1584. §. 8 (M. Bull. 2, 5 1 1 ) , des von Clemens VIII. u n t e r m 5. Dezember 1600 gestifteten Colleg. S c o t i c u m ( T h e i n e r S . 131), des von Urban VIII. unterm 1. August 1627 errichteten Colleg. L'rbanum de propaganda flde (Bullar. sacr. Congr. de propag. flde 1 , 63). Weiteres bei M e j e r a. a. 0 . S. 18 ff. 20 ff; M e j e r die Propaganda 1, 2 3 2 ff. 4 In dem Breve pro ordinatione alumnorum congregationis do propaganda flde vom 18. Mai 1638 (Bullar. Propag. 1, 91). 5 So müssen die Worte des citirten Breves: .,congregationis alumnis et convictoribusetaliisqui quoquo modo ad instantiam eiusdem congregatio-

nis inpraesentiarum Romae vel alibi educantur et in f u t u r u m educabuntur, etiam sine titulo beneficii ecclesiastic! aut patrimonii, sed a d t i t u l u m t a n t u m m i s s i o n i s . . . ad sacros et presbyteratus etiam ordines — promovere . . . eoncedimus". S. M e j e r de tit. miss. S. 23. d e r s . die Propaganda 1, 234. 244. Der Ausdruck titulus missionis kommt zum ersten Mal vor in dem Breve Urbans VIII. vom 12. April 1631 (Bullar. Propag. 4, 155) über die Errichtung des Colleg. Iliberniae. 6 Breve Alexanders VII. v. 20. Juli 1660 (Bullar. Propag. 1, 140. 144), das in dieser Beziehung statt der für die einzelnen Kollegien geltenden besonderen Normen allgemeine Bestimmungen aufstellt. S. M e j e r S. 8. 13. 15. 20. 24. 32. 3 3 ; M e j e r Propaganda 1, 2 3 4 f f . 7 In dem Breve Alexanders VII. heisst e s : „ad haec nullo pacto licere alumnis contra formam iuramenti vel religionem ingredi vel alteri statui perpetuo se addicere eo sub praetextu quod quilibet teneatur sibi ipsi ratione aliqua stabili consulere eo quod haec saneta sedes alumnis postquam fuerint dimissi non provideat; quum memorata congregatio neminem ex iis qui ad missionis t i t u lum ordinati sunt quive suo institute pro viribus ineumbunt, consueverit unquam destituere". (Bullar. cit. 1, 141). M e j e r Propaganda 1, 243. 8 M e j e r , de tit. miss. p. 2 8 ; Propaganda 1, 245. β M e j e r , de tit. miss. 33. 3 4 ; Propag. 1 , 2 4 5 . 10 So auch P a c h m a n n §. 245.

Der Ordinationstitel.

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betrachteten geltend machen 1 . Die besondere Hervorhebung des titulus professionis, missionis und mensae erklärt sich nicht daraus, dass sie von dem vom Tridentinum erwähnten titulus pensionis ihrem Wesen nach verschieden sind, sondern lediglich daraus, dass bei ihnen die Sicherheit für den fortdauernden Unterhalt des Ordinanden auf andere Art und zwar bei dem titulus professionis und missionis durch besondere, der Ordination selbst fremde Momente, bei dem titulus mensae aber in einer den strengen Vorschriften des Tridentinums nicht entsprechenden Art beschafft wird. IX. Wenngleich die eben dargestellten Bestimmungen über den Titel allein für die Erlangung der höheren Weihen nach gemeinem Recht massgebend sind, so ist doch die Möglichkeit, einen solchen auch fiir die niederen ordines zu verlangen, nicht ausgeschlossen , da die Kirche, nur durch die äusseren Verhältnisse gedrängt, das Postulat des Titels auf die gedachte Weise hat restringiren müssen, und in der Aufstellung darüber hinausgehender Vorschriften nur eine Wiederherstellung des eigentlich normalen Zustandes liegt 2 . So wird ζ. B. gerade für die Diöcese Rom der Nachweis eines titulus patrimonii für die minores vor der Ertheilung der Tonsur gefordert 3 . In diesen Fällen finden die Grundsätze, welche sonst über den Titel gelten, analoge Anwendung, nur wird hier leichter eine Abweichung von diesen Regeln genehmigt werden können 4 . X. Das ältere Recht erklärte die ohne Titel absolut ertheilten Ordinationen für nichtig 5 . Von einer Irregularität des ohne Titel Geweihten kann demnach nach älterem Recht keine Rede sein 6 . Ebenso wenig ist dies für das neuere anzunehmen 7 , denn, wie der Verlauf der folgenden Darstellung zeigen wird, ist dieselbe durch kein neueres Kirchengesetz eingeführt worden. Die ursprüngliche Nichtigkeit der Ordination hat I n n o c e n z III. beseitigt, indem er dem Bischof, welcher ohne Beachtung der über den Titel geltenden Vorschriften ordinirt, die Verpflichtung der Sustentation des Geweihten auferlegt, bis dieser ein auskömmliches Benefizium erhält s . Damit war auch für den Ordinanden selbstverständlich die frühere, eben in der Nichtigkeit bestehende Strafe aufgehoben, und es blieb für den Fall, dass der Kandidat den Bischof durch unerlaubte Mittel veranlasst hatte, ihn trotz des fehlenden Titels zu ordiniren, nichts übrig, als denselben nach Massgabe der allgemeinen kirchlichen Normen, unter welche seine 1 Α. M. S c h u l t e 2, 133, der in den tit. professionis und missionis eine Konsequenz aus dem alteren Recht findet. 2 S. S c h u l t e 2, 127. η. 1, welcher mit Recht auf c. 2. X. de praeb. III. 5 : „Non liceat ulli episcopo ordinäre clericos et eis nullas alimonias praestare sed duorum alteram eligat: vel non faciat clericum vel si fecerit, det illis unde vivere possint" verweist. S. auch c. 23. X. eod; vgl. ferner D e v o t i instit. I. 4. s. 2. §. 9. n. 4 ; K o b e r, Suspension S. 226. 3 Nach einem Edikt von Clemens X I . vom 2ö. Februar 1 7 1 8 ; der Betrag ist 30 Scudi Rente. S. G i r a l d i expos, jur. pont. III. 5. s. 3 6 0 ; Anal, jur. pont. 1855. p. 2755. 4 Ζ. B. hinsichtlich der Sicherheit. In Rom begnügt man sich bei genügenden Gründen mit einer Verpflichtung der Aelteren , dem Ordinanden die nöthige Sustentation zu gewähren. S. Analect. 1. c. 5 c. 1. (Chalced. a. 451. c. 6 ) ; c. 2 (synod. Piacent. a. 1095) Dist. LXX. K o b e r Suspension S. 219. 220. findet in diesen Vorschriften unter Berufung a u f F a g n a n . ad c. 16. X. III. 5. n. 18; G o n z a l e z T e l l e z ad c. 4. X. III. 5. n.

9 ; B e n e d . XIV. inst. XXVI. n. 13 ff.; P h i l l i p s 1, 640. nur die Verfügung einer suspensio latae sententiae; diese schon von der Glosse (zu c. 1. cit. s. v. vacuam) aufgestellte Ansicht thut sowohl dem griechischen Text des Chalcedonenser Concils („foupov"), wie den Worten: „vacuam hebere manus impositionem et nullum tale factum valere; ordinatio irrita habeatur" die entschiedenste Gewalt an ; denn eine blos mit der Suspension bestrafte, also gültige Ordination lässt sich doch nicht als eine ungültige bezeichnen. S. auch H e f e l e , Conciliengesch. 2, 402. ö, 195. Auch Innocenz III. erklärt noch in c. 16. X. de praeb. III. 5 : „Licet autem praecedessores nostri ordinationes eorum, qui sine certo titulo promoventur, in iniuriam ordinantium irritas esse voluerint et inanes1'. β S. P h i l l i p s 1, 498. 7 Das thun ζ. B. W i e s e , Handbuch §. 8 5 ; A. M ü l l e r , Lexikon des Kirchenrechts im Art. „Weihen" (5, 553). 8 c. 16. X. de praeb. III. 5. Vgl. auch c. 2. (Julian, epit. nov.), o. 4. (Later. III. a. 1179.) X. eod.

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I. D i e Hierarchie und die L e i t u n g der Kirche durch dieselbe.

[§. 9.

Handlung fiel (also wegen Fälschung, Betrug etc.), zu strafen. Das Tridentinum hat, obwohl die Bestimmung Innocenz' III. insofern mangelhaft war, als sie auf Seiten des Ordinators die Schuldfrage völlig unberücksichtigt liess, keine selbstständigen Normen getroffen, vielmehr durck seine Vorschrift: »antiquorum canonum poenas super his innovando« 1 zu neuen Zweifeln Veranlassung gegeben. Unter den in Bezug genommenen antiqui canones verstanden einige Kanonisten nur die die Sustentationspflicht des Bischofs aussprechenden Stellen der Dekretalen, andere auch die von Innocenz III. beseitigten Vorschriften des c. 1. und 2. Dist. LXX 2 . Berücksichtigt man, dass die Doktrin zur Zeit des Tridentinuras schon von der irrigen Annahme ausging, dass die letzterwähnten Canones nur eine Suspension der Weiherechte für den ohne Titel Geweihten aufgestellt haben, so lässt sich von der vorhin dargelegten Ansicht über den wahren Sinn jener Vorschriften aus nicht die Möglichkeit in Abrede stellen, dass das Tridentinum, welches sicherlich eine Nullität der Ordination nicht angenommen hat, auch jene älteren Bestimmungen gleichzeitig hat in das Auge fassen wollen. Ja wenn man weiter erwägt, dass das Tridentinum von antiquorum canonum poenas, also sowohl von canones als poenae in der Mehrzahl spricht, so kann es kaum zweifelhaft erscheinen, dass dasselbe nicht nur auf die Sustentationspflicht des Ordinirten, sondern auch auf die aus c. 1. 2. Dist. LXX. irrigerweise hergeleitete Suspension hat hinweisen wollen 3 . Unter dieser Voraussetzung gestaltet sich dann das neuere Recht folgendermassen: a. Hat der Bischof den Kandidaten wissentlich oder kulposer Weise ohne irgend welchen oder ohne irgend einen genügenden Titel geweiht, so tritt für ihn die Sustentationspflicht, sowie die Pflicht, dem Geweihten später ein Benefizium zu verleihen, ein 4 , gleichgültig, ob der Kandidat vermögend ist oder nicht 5 . Für den Fall, dass der Bischof einem andern den Auftrag zur Ordination einer bestimmten Person gegeben oder einem Kandidaten die Erlaubniss ertheilt hat, sich von einem beliebigen Bischof weihen zu lassen, haftet er, weil er, nicht der Mandatar sich über das Vorhandensein der Erfordernisse in der Person des Kandidaten überzeugen musste, dagegen treffen die vorhin erwähnten Verbindlichkeiten den Mandatar, wenn sein Auftrag allgemein auf 1

Sess. XXI. c. 2. de reform, t S. die Anführungen bei B a r b o s a remiss, ad conc. Trid. 1. c. ψ (ed. Trident, ex recogn. G a l l e m a r t . Colon. Agripp. 1722. S. 212); B a r b o s a , de officio et potest, episc. P. II. alleg. 20 n. 24 ff. 2

8 Bei dieser Interpretation derKanones ist dann ,ja auch eine völlige Beseitigung derselben durch c. 16. X. de praeb. nicht notwendigerweise anzunehmen, wie bei der im Text oben von mir vertretenen Meinung. In der That hat auch die ältere Doktrin vielfach den Standpunkt vertreten, dass die angebliche suspensio der c. 1. 2. cit. durch c. 16. X. de praeb. nur in iniuriam ordinantis aufgehoben worden, nicht aber wo diesen keine Schuld treffe; also in iniuriam ordinati, der sich verfehlt habe, bestehen geblieben sei. S. F a g n a n . ad c. 16. cit. n. 68. 4 c. 16. X. cit. sagt zwar allgemein : „tarn diu per ordinatores vel successores eorum provideri volumus ordinatis , donec per eos ecclesiastica benefleia consequantur'-; indessen fasst schon die Glosse die Obligation als obligatio ex delicto auf und c. 37. in VI1" h. t. III. 4. setzt ebenfalls eine Schuld des Ordinators voraus : ,. ei, quum in

culpa fuerit taliter ordinando eundem, tenebitur vitae necessaria ministrafe, donec sibi per eum vel alium de competenti beneficium sitprovisum". Vgl. l i e b e r , Suspension. S. 2 2 1 ; P h i l l i p s 1, 641. So auch die älteren, s. B a r b o s a , de officio episcopi P. II. alleg. 20. n. 3 ; F a g n a n . ad c. 16. cit. n. 61. 62. 43. 4 4 ; R i g a n t i 1. c. n. 181 ff. Anders S c h u l t e 2 , 134; unentschieden R i c h t e r §. 108. Ohne dass der Ordinande sich einer Täuschung dem Bischof gegenüber schuldig gemacht hat, dürfte in der Regel der letzte nicht von culpa freizusprechen sein, denn eine solche ist schon durch die nicht genügende Prüfung über das Vorhandensein des Titels konstituirt. 5 Aus c. 4. X. h. t. III. 5. lässt sich das Gegentheil nicht herleiten, s o L i p p e r t s Annalen Heft 1. S. 160, s. auch B a r b o s a b. 1. c. 4. Denn der Bischof soll für die Verletzung der über den Titel bestehenden Vorschriften bestraft werden und ein etwaiges Vermögen des Kandidaten ist weder unter allen Umständen eine Rechtfertigung für die nur ausnahmsweise auf dasselbe gestattete Ordination noch stets qualificirt, als titulus patrimonii zu dienen. S. auch F a g n a n . ad c. 4 . h . t. n. 2 9 ; R i g a n t i 1. c. n. 1U2; S c h u l t e 2, 134. n. 3. .

Der Ordinationstitel.

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Vornahme der Ordinationen in der Diöcese des Auftraggebers gerichtet war Die Verpflichtung zur Sustentation ist vom kanonischen Recht auf das Diöcesangut gelegt und geht nach dem Tode desselben auf den Nachfolger des Bischofs über 2 . Die kanonische Doktrin nimmt ferner eine Verhaftung der Erben des Bischofs an 3 , und weiter streitet man darüber, ob dieselbe die letzteren und den Amtsnachfolger solidarisch trifft oder welche Verbindlichkeit, ob die des Erben oder die des Nachfolgers im Verhältniss zur andern den Charakter der Subsidiarität trägt 4 . Die Pflicht des Bischofs zur Sustentation ist aber eine publicistische, im Interesse der Kirche aufgestellte, welche sich nicht nach civilrechtlichen Regeln bemessen lässt. Sie kann also nicht über den Kreis der vom Gesetz aufgeführten Personen hinaus ausgedehnt werden, mithin können die Erben wegen dieser Verbindlichkeit gar nicht in Anspruch genommen werden. Andererseits macht sich aber der Bischof selbst auch civilrechtlich mit seinem eigenen Vermögen der Kirche gegenüber verantwortlich, wenn er dem Diöcesangut schuldhafter Weise eine Last aufbürdet. Diese letztere Obligation geht freilich unzweifelhaft auf seine Erben über. Demnach steht die Sache so, dass der Geweihte nur den Nachfolger in Anspruch nehmen kann, die Erben des Bischofs aber der geschädigten Kirche gegenüber eine Erstattungspflicht haben 5 . Aus demselben Grunde wird man bei Erledigung des Bischofssitzes durch Resignation oder Deposition des Ordinators den Nachfolger desselben in die Verhaftung eintreten lassen und den Vorgänger, der die bischöfliche Würde verloren h a t , von der auf dem Diöcesangut ruhenden publicistischen Verbindlichkeit für frei erklären müssen 0 . Zweifellos ist es dagegen, dass die Verhaftung auch den Kapitularverweser trifft, wenn er ohne das Vorhandensein des Titels zu prüfen einem Kandidaten Dimissorialien zur Erlangung der Weihe durch einen andern Bischof ausstellt 7 . Und endlich versteht es sich von selbst, dass die wissentliche Ordination auf einen Titel hin, auf welchen ein Anderer begründete Ansprüche hat und der dem Geweihten nachher evincirt wird, der Weihe ohne Titel in ihren Wirkungen gleichstellt 8 . b. Für den Fall, dass der Ordinande den Bischof durch List, Betrug, Fälschung von Urkunden etc. zur Weihe bewogen hat, trifft ihn die suspensio ab ordine ipso jure", ι c. 37 (Bonifac. VIII.) in VI t 0 . h. t. III. 4. c. 16. cit. h. t ; c. 13. §. 1. (Innoc. III.) X . de aetate et qnal. I. 14. S. auch S c h u l t e a. a. 0 . 3 S. I n n o c e n z IV. ad c. 16. cit. n. 2. der dieselbe auf eine obligatio ex quasi contractu zwischen Ordinator und Ordinaten gründet, F a g n a n . 1. c. n. 3 6 ; P h i l l i p s 1, 643. 4 S. F a g n a n . I. c; P h i l l i p s a. a. 0 . 5 Die richtigen Gesichtspunkte schon bei S c h u l t e a. a. Ο. , der indessen zu dem sich selbst widersprechenden Resultat kommt, dass (las Privatgut des Bischofs und dessen Erbe principaliter und das Kirchengut erst subsidiarisch verhaftet, der Ordinirte aber offenbar nicht gegen den Erben zu klagen brauche, sondern sich an den Bischof (d. h. den Nachfolger) halten könne. Die gemeine Meinung (s. Β a r b ο s a 1. c. 2 3 ; F a g n a n . 1. c. n. 34. 35, wo auch die ältere Literatur berücksichtigt i s t , vgl. ferner R i g a n t i 1. c. n. 196; P h i l l i p s 1, 642) lässt freilich den Ordinator, sofern er ausreichendes Vermögen hat, nicht den Nachfolger haften. Es liegt darin eine Verkennung der Natur der Sustentationspflicht. Der Rückgriff gegen den resignirenden oder deponirten Bischof versteht sicli auch hier von selbst. 2

7 Arg. c. 37. cit. in VI t 0 . h. t. B a r b o s a l . c. n. 2 1 ; p i g a n t i 1. c. n. 197. Empfangt der Geweihte von mehreren Bischöfen nach einander die verschiedenen höheren ordines und beobachten diese die über den Titel bestehenden Vorschriften nicht, so haften sie solidarisch. S. F a g n a n . 1. c. n. 2 4 ; F e r r a r i s s. v. ordo. art. IV. η. 31. 8 B a r b o s a l . c. n. 1 4 ; F a g n a n . 1. c. n. 41 ff. ; P h i l l i p s 1, 642. 9 S. darüber die Ausführung oben S. 77. c. 1. Dist. L X X . , welches irrigerweise auf die Suspension bezogen wird, unterscheidet freilich nicht, ob der Ordinande in dolo, resp. culpa war oder nicht. Indessen spricht das Tridentinum von poenas und daher muss die Anwendung jetzt auf den Fall, wo ein schuldhaftes Verhalten vorliegt, beschränkt werden. So auch die gemeine , von der Congregatio Concilii getheilte Meinung. S. die Entscheidung v. 1610 bei F a g n a n . 1. c. n. 63. 68. 6 9 ; vgl. auch B a r b o s a 1. c. n. 2 5 ; B e n e d . XIV. inst. 26. n. 13 ff; R i g a n t i 1. c. n. 134ff; P h i l l i p s 1, 6 4 4 ; R i c h t e r §. 108; S c h u l t e a. a. 0 ; K o b e r a. a. 0 . S. 222. 223. — Die strengeren Bestimmungen der Const. Sixtus' V . : Sanctum et salutare v. 5. Januar 1588. §§. 2. 3. (M. Bull. 2 , 7 1 1 ) wonach den Ordinator, sofern er

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I. Die Hierarchic und (lie Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 10.

und diese Vorschrift hat U r b a n VIII. für die ausseritalienischen Geistlichen, welche sich in Italien »cum falsis vel fictis aut fiduciaries patrimonii titulis scienter promoveri fecerint«, unter Vorbehalt der sonst für diese Vergehen verwirkten arbiträren Strafen wieder eingeschärft 1 . c. Sind der Bischof und der Geweihte gleichmässig an Her ungesetzlichen Weihe Schuld, so tritt für den ersteren die zu a., für den letzteren die zu b. angegebene Folge ein 2 . Die eben besprochenen Bestimmungen beziehen sich nur auf den Säcular-Klerus. In Betreif der Ordensleute und Mitglieder der sonstigen religiösen Genossenschaften, welche sich vor Ablegung der wirklichen professio religiosa ohne Titel ordiniren lassen, hat Pius V. bestimmt, dass diese von der Ausübung des empfangenen ordo für immer, die zuwiderhandelnden Ordinatoren aber ein Jahr vom Weiherecht suspendirt sein sollen

B. Die Person des Weihenden.

§. 10. 1. Die Fähigkeit zur Ertheilung der Ordination. Schon seit der Entwicklung der Idee des Episkopates als Trägers des heiligen Geistes in der Kirche und der Succession der Bischöfe in die Stelle der Apostel, also schon in der altkatholischen Kirche, galt der Grundsatz, dass der Bischof die Ordination und zwar ausschliesslich die Priester- und Diakonatsweihe ertheilt 4 . Er ist seitdem feststehend geblieben, wie er denn auch vom Concil von T r i e n t ausdrücklich sanktionirt worden ist 5 . Für die ordines vom Subdiakonat an abwärts, ist die Ertheilung der Weihe durch den Bischof zwar die Kegel. Absolut nothwendig ist dieselbe aber nicht, vielmehr nicht in entschuldbarem Irrthum gehandelt, die Suspension t r i f f t , und der ohne Titel Geweihte stets der nur durch päpstliche Absolution zu beseitigenden gleichen Strafe unterliegt, sind u n t e r Restitution des f r ü h e r e n gemeinen Hechts durch die Const. Clemens' VIII. v. 28. Februar 1595 §. 2 (M. Bull. 3, 60) wieder aufgehoben worden. 1 S. Constit. : In secretis v. 11. Dezember 1624. 3 (M. Bull. 4 , 82). Die Bestimmung des c. 37 (Innoc. I I I . ) X. de simonia V. 3 (s. S o b e r ι . a. Ο. S. 224) gehört nicht h i e r h e r , denn die dort vorgeschriebene Suspension (und Irregularität) ist wegen des simonistischen Empfangs der Weihe festgesetzt. S. auch G o n z a l e z Τ e i l e ζ ad c. 37. cit. 2 S. K o b e r a. a. 0 . S. 223. c. 4 5 (Gregor. I X . ) eod. V. 3., welches dem Ordinator bei vorliegendem Versprechen des ohne Titel Geweihten, den ersteren wegen der Sustentationspflicht nicht in Anspruch zu nehmen, mit 3jährlicher Suspension von Ausübung der Weiherechte bestraft, betrifft ebenfalls eine simonistische Ordination. S. K o b e r a. a. 0 . S. 224. 3 Constitution : Romanus Pontifex v. 14. Oktober 1568. §§. 2. 3 (M. Bull. 2, 2 9 0 ; auch in der R i c h t e r s c h e n Ausg. des Trid. S. 502). * c. 19. Nicaen. (a. 3 2 5 ) , c. 9. Antioch. (a. 8 4 1 ) , c. 26. Laod. (a. 343 — 3 8 1 ) = c. 2. Dist. LXIX ; c. 1. 2. apostol.; c. 24. 1. (Hieron.) I)ist. XCIII. Vgl. auch H a l l i e r de sacr. ordi-

nat. P. II. sect. V. c. 1. art. 1 ; H a h n , die Lehre von den Sakramenten. Breslau. 1864. S. 205. — c. 13. Ancyr. a. 3 1 4 : ,,Χωρεπισχόπους μ ή έξεϊναι πρεσβυτέρους ή διακόνους γειροτονεΐν, άλλ ά μηδέ πρεσβυτέρους πόλεως χωρίς ποΰ έ π ι τραπηναι υπό τοΰ έπισκόπου μετά γραμμάτων έν έτέρα παροικία ", welchen man in seinem letzten Satz zur Herbeiführung einer Uebereinstimmung mit dieser Regel mehrfach emendirt hat (s. H e f e l e , Conciliengesch. 1, 200) enthält noch eine Reminiscenz an die alte Gleichheit der Bischöfe und Presbyter. S. B a u r , Kirchengesch, der drei ersten Jahrh. 3. Ausg. S. 2 6 9 , H a h n a. a. 0 . S. 205. 5 c. 5. (c. 14. Dist. X X I I I . ) c. 7. Hispal. II. a. 6 1 8 ; c. 7. Tolet. VIII. a. 6 5 3 ; c. 1. (Isidor.). D. X X V ; ep. Gregor. III. a. 739 ad Bonif. ( J a f f e , mon. Mogunt. S. 105) = c. 2. l)ist. L X V I I I ; c. 4 (Pseudo-Isid.) ibid; diet. Gratiani zu c. 3. ibid. Weitere Nachweisungen bei H a h n a. a. 0 . S. 205 f f ; Theologorum Constant, condemnatio X L V . articulor. Wicleffl (Mansi 28, 1 3 0 ) ; E u g e n . IV. concord. Armen, a. 1439. §. 15. (M. Bull. 1, 3 4 0 ) ; T r i d e n t . S e s s . X X I l I . c. 4 ; can. 7. — Keine Verletzung dieses Grundsatzes, aber eine andere Unregelmässigkeit war die P a p s t weihe Benedikts X. i. J . 1058, der dieselbe nach der Weigerung des Bischofs von Ostia, Petrus Damiani, vom Erzpriester des Bisthums erzwang. S. Leon. Chron. Casin. II. 99. (SS. 7 , 6 9 5 ) ; ep. Petri Damiani bei Baronius annal. ad a. 1058. n. X I .

§· 10.]

81

Die Fähigkeit zur Ertheilung der Ordination.

kommen in dieser Beziehung Ausnahmen vor. Abgesehen von den Chorbisehöfen (über diese s. den betreffenden §.) steht das Recht zur Ertheilung der niederen Weihegrade auch den A e b t e n zu, jedoch müssen dieselben Priester und vom Bischof benedicirt sein. Ausserdem erstreckt sich ihre Befugniss nur auf die ihnen untergebenen Mönche. Ihren Anhalt hat diese Ausnahme an einer Bestimmung der siebenten allgemeinen Synode von Nikäa von 787 1 , welche allerdings nur von der Befugniss zur Ertheilung des Lektorats spricht, aber von der späteren Doktrin in der vorhin angegebenen Weise erweiternd interpretirt worden ist 2 . Das Tridentinum hat diese Ausnahme zwar anerkannt, aber dieselbe dem Dekretalenrecht gegenüber, nach welchem auch die Novizen 3 und die der Jurisdiktion des Abtes unterstehenden Laien von demselben ordinirt werden konnten 4 , auf die Professen des dem Abt unterworfenen Klosters beschränkt 5 ; und ferner alle weiter gehenden Privilegien aufgehoben, so dass nur solche, welche nach dem Tridentinum ertheilt worden sind, für gültig erachtet werden k ö n n e n D a g e g e n muss die Bestimmung, dass derjenige Abt, welcher seine Benediktion dreimal vergeblich beim Bischof geziemender Weise nachgesucht hat, auch ohne die erhaltene Benediktion die niederen Weihen ertheilen kann 7 , noch als gültig angesehen werden, denn das Tridentinum hat über die Voraussetzungen in der Person des ordinirenden Abtes keine neuen und abändernden Vorschriften getroffen s . Ferner kann der Mangel der Benediktion auch durch ein päpstliches Privileg 0 für den Abt ersetzt werden. 1 c. 1 4 ; auch im D e k r e t c. l . D i s t . L X 1 X . m i t dem im U r t e x t n i c h t e n t h a l t e n e n Z u s a t z : „ s e c u n d u m morem praeficiendorum a b b a t u m " . Ob die hier vorausgesetzte Benediktion von der Priesterweihe verschieden i s t , wie man später allgemein a n g e n o m m e n h a t , erscheint zweifelhaft, s. V a n E s p e n J . E . U. P. I . t i t . 31. c. 6. n . 11 ff; H a l I i e r 1. c. art. II. n . 1 2 ; H e f e l e , Conciliengesch. 3, 4 4 7 . — Veranlassung zu der A u s n a h m e ist wohl der U m s t a n d g e w e s e n , dass die oft vom Bischof in grosser E n t f e r n u n g in der E i n ö d e l e b e n d e n Mönche die W e i h e n i c h t leicht von demselben einholen k o n n t e n . S. Phillips 1, 3 4 8 . 2 D i e Berechtigung dazu liegt in dem Umstände, dass in der griechischen K i r c h e der Lektorat der einzige niedere W e i h e g r a d ist. S. H a l l i e r 1. c. n. 13. u . oben S. 4. η. 5. Gegen die A u s d e h n u n g auf alle minores entscheidet sich freilich noch die Glosse zu c. 1. cit. s. v. lectores. D i e A n s i c h t des T e x t e s v e r t r i t t dagegen schon die Glosse zu dem den I n h a l t des Nicänums wiedergebenden c. I I (Innoc. I I I . ) X . de aet. et qual. I . 14. S. f e r n e r H a l l i e r 1. c. — Dass d a r u n t e r bis l n n o c e n z I I I . auch die Befugniss zur E r t h e i l u n g des S u b diakonats begriffen war, ist wohl n i c h t zu b e s t r e i t e n . S. P h i l l i p s 1, 3 4 8 , u . oben S. 6. 3 c. 11. X . cit. I . 14. S. auch F a g n a n . ad c. 2 8 . X . de rescr. 1. 3. n . 2 5 . 2 6 . * c. 3 ( A l e x . I V . ) in Vit», de privileg. V . 7 ; B a r b o s a , de off. episc. P . I I . alleg. 3. n. 5 ; F a g n a n . ad c. 10. Χ . I . 10. n . 30. 5 Sess. X X I I I . de reform. c. 10. U n t e r den W o r t e n : „ q u i regularis subditus non sit" k ö n n e n die Novizen, wie ζ. B. F a g n a n . 1. c. will, nicht v e r s t a n d e n werden. S. B a r b o s a n . 7. 8 ; H a l l i e r 1. c. n . 1 8 ; G o n z a l e z Τ e i l e ζ ad c. 11. Χ . I . 14. n . 6 ; F e r r a r i s 1. c. n . 6 ; P h i l l i p s 1, 3 5 1 . E b e n s o w e n i g k a n n der A b t nach der

H i n s c h i u s , Kirchenrecht.

P r a x i s d e r Congr. episcop. die Oblaten seines Klosters ordiniren. s. Anal. iur. p o n t . 1866. p. 2208. 6 B e n e d . X I V . de synod, dioec. lib. II. c. 11. n . 1 0 ; P h i l l i p s 1, 351. 7 c. 1 (Alex. I I I . ) X . de suppl. neglig. cler. I. 10. D i e Benediktion des Abtes s t e h t der bischöflichen Konsekration nicht darin gleich , dass aus ihr allein , u n d als nothwendige Consequenz etwa das Hecht zur E r t h e i l u n g der W e i h e n folgt; vielm e h r wird d u r c h die Benediktion n u r eine sonst erforderte E r m ä c h t i g u n g des Abtes kraft b e s o n derer positiver Vorschrift überflüssig gemacht. S. F a g n a n . ad c. 1. cit. Ii. 2 . ff., n. 6. 8 S. F a g n a n . a d e . 1. cit. η. 1. 3 1 ; F e r r a r i s , s. v. ordo. a r t . I I I . addit. n . 1 0 4 ; P h i l l i p s 1, 3 5 0 . 9 Die Ansicht (s. F e r r a r i s 1. c. n . 2 ) , dass der n i c h t benedicirte A b t auch ohne Privileg ordiniren k ö n n e , ist u n h a l t b a r , s. auch die addit. a. a. 0 . n . 103. u n d die E n t s c h . d. C. C. von 1 6 4 7 in der R i c h t e r ' s e h e n Ausg. des Trid. zu c. 10. cit. n. 12. D i e Möglichkeit des E r s a t z e s der Benediktion durch Privileg folgt auch dem n . 7 angegebenen Charakter derselben. Uebrigens ist der i m T e x t hingestellte Satz zweifellos (s. z. B. B a r b o s a 1. c. n. 6 ; B e n e d . X I V . Const. Ad audientiam v. 15. F e b r . 1753. §. 16, M. Bull. 19, 3 4 ; R i c h t e r §. 1 0 9 ; S c h u l t e 2, 139). Das Privileg m u s s , w e n n auch n i c h t ausdrücklich darauf e r t h e i l t , doch solche Begünstigungen gew ä h r e n , u n t e r d e n e n die Ordination als mit Inbegriffen b e t r a c h t e t werden k a n n , s. den in c. 3. in V I t 0 . de privil. V. 7. e r w ä h n t e n , sowie die bei Ii i c h t e r a. a. Ο. η. 17. 18. mitgetheilten Fälle und i m Gegensatz dazu die E n t s c h e i d u n g der C. C. v. 1746 ( R i c h t e r a. a. 0 . n. 15), dass ein Privileg, sich der bischöflichen Insignien zu bedienen, nicht genügt.

6

82

I. Die Hierarchie und die Leitung de Kirche durch dieselbe.

[§· 10.

Was die Verletzung dieser Gränzen des Ordinationsrechtes durch die Aebte betrifft, so unterscheidet die Congregatio Concilii zwischen dem Fall, wo der weihende Abt weder die Benediktion erhalten noch die erwähnten Ersatzmittel vorliegen, und dem, wo er blos die ihm zustehende Kompetenz in Bezug auf die Person des Geweihten überschritten hat. Indem sie offenbar davon ausgeht, dass die Fähigkeit zur Ertheilung der Weihe abgesehen vom priesterlichen Charakter auf der Abtswürde unter Hinzutritt der Benediktion oder eines Privilegs beruht, hat sie die von nicht qualificirten Aebten oder von Aebten nach Niederlegung ihrer Würde vorgenommenen Ordinationen für nichtig, dagegen die Weihen von weltlichen Personen und von ihrer Jurisdiktion nicht unterworfenen Religiösen für gültig, wenn auch nicht für erlaubt erklärt 1 . Den C a r d i n ä l e n legen die mittelalterlichen Rechtsquellen eine Quasi-Episkopalgewalt bei 2 , und mit Rücksicht hierauf erklärt sich wohl die seit dem 13. Jahrhunderte bezeugte Uebung 3 , dass die Cardinalpresbyter ebenfalls die niederen Weihen ertheilen. Das Tridentinum gedenkt dieses Rechtes der Cardinalpriester nicht, indessen hat dasselbe zweifellos unbehindert fortbestanden und ist von B e n e d i k t XIV. ausdrücklich anerkannt worden 4 . Jedoch erstreckt sich ihre Befugniss, die Tonsur und die niederen ordines zu geben, nur auf ihre familiares, d. h. die in ihrem Dienste stehenden Personen und die an der ihren Titel bildenden Kirche angestellten Kleriker 5 , und kann nur in der letzteren ausgeübt werden 6 . Der einfache Priester ist, wie oben schon bemerkt, nicht absolut unfähig, die niederen ordines zu ertheilen, jedoch bedarf es für ihn einer besonderen päpstlichen Genehmigung 7 . Dass durch dieselbe auch die Befugniss zur Spendung der Subdiakonatsweihe gegeben werden kann, wird gleichfalls angenommen, weil der Subdiakonat, wenngleich er jetzt zu den ordines sacri gehört, doch nicht auf schriftmässiger Einsetzung beruht s . Dagegen wird die Möglichkeit der Ermächtigung eines Priesters zur Ertheilung desDiakonats durch den Papst heut von der überwiegenden Ansicht verneint 9 . Nach der Besprechung der Ausnahmen von der Regel dass der Bischof der eigent1 S. die Entscheidungen bei R i c h t e r a. a. 0 . n. 1 6 — 2 2 . Vgl. ferner F a g n a n . ad c. 1. Χ. I. 10. n. 14. 3 1 ; B e n e d . X I V . de syn. dioec. lib. 11. η. 12. — Nichtigkeit der Weihen auch im letzten Fall nehmen dagegen an Η a l l i e r 1. c. Ii. 1 9 ; B a r b o s a l . c. n. 11, der auch eine Entsch. der Congr. episcoporum et regularium v. 1631 anführt. 2 c. 11. (Honor. III.) de maj. et ob. 1. 3 3 ; P h i l l i p s 6, 286. 2 8 7 . 3 J o h a n n e s A n d r e a (comm. ad c. 1. Χ. I. 10. n. 14J erwähnt dieselbe unter Berufung auf Η ο s t i e η s i s als längst feststehend. 4 Const. Ad audientiam v. 15. Febr. 17Ö3. §. 16 (Magn. Bullar. Ii), 34). 5 B a r b o s a 1. c. n. 1 5 ; F a g n a n . ad c. 11. Χ . I. 14. n. 9 ; ad c. 11. Χ . I. 33. n. 2 0 ; H a l l i e r 1. c. n. 25. 2 6 ; P h i l l i p s 1, 3 5 1 . ® S. die citirte Const, ν. B e n e d i k t X I V . 7 Ueber c. 13. conc. Ancyr., das noch auf eine andere ältere Anschauung hindeutet, s. oben S. 8 0 . 1 1 . 4 ; G e l a s i u s l . ep. ad episc. p. Lucan. c. 6 (a. 4 9 4 . Mansi 8, 3 7 ) : „ nec sibi meminerint (presbiteri) ulla ratione sine summo pontillce subdiaconumvel acolythum ius habere faciendi" — wo sumnius pontifex nicht den Papst, sondern den Bischof bedeutet, s. H a l l i e r 1. c. art. I. η. 13,

— kennt also ebensowenig das im Text aufgestellte Erforderniss. Ob c. 18 Emerit. a. 6 6 6 : „ut omnes parochitani presbyteri . . . de ecclesiae suae familia clericos sibi faciant quos per bonam voluntatem ita nutriant, ut et officium sanctum digne peragant et ad servitium suum aptos eoshabeant", von der Weihe oder blos von der Auswahl durch die Priester handelt, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. S. H a l l i e r 1. c. art. II. n. 23. 24. — Die Möglichkeit der Ertheilung durch einen Priester erkennt auch an c. 1. (Alex. III.) X . de ordinat. ab ep. I. 13. Die Nothwendigkeit der päpstlichen Genehmigung ist aber seit dem 12. Jahrhundert angenommen worden. S. H a h n a. a. 0 . S. 2 0 6 ff. Vgl. überhaupt H a l l i e r 1. c. art. III. Ii. 4. 9 ff. 8 H a l l i e r 1. c. art. III. n. 7. 9 H a l l i e r 1. c. art. III. n. 11 ff; P h i l l i p s 1, 353. Ueber ein sehr zweifelhaftes Privileg des Cistercienserordens v o n l n n o c e n z l ' l l l . v. J . 1489, nach welchem einzelne Aebte die Befugniss gehabt haben sollen , die Ordensmitglieder zu Diakonen zu w e i h e n , vgl. H a l l i e r 1. c. art. II. Ii. 2 0 ff; P h i l l i p s a. a. 0 . Ueber das Geschichtliche s. H a h n a. a. 0 . S. 2 0 6 ff. Die nähere Erörterung gehört in die Dogmatik, nicht in das Kirchenrecht.

§• 10.]

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Die Fähigkeit zur Ertheilung der Ordination.

liehe Spender der Ordination ist, bleibt noch die Frage zu erörtern, ob die Fähigkeit jedem, welcher einmal zum Bischof geweiht worden ist, unter allen Umständen zusteht oder ob dieselbe durch gewisse, später eintretende Umstände aufgehoben und beseitigt werden kann. Was die Ordinationen seitens der in H ä r e s i e verfallenen oder s c h i s m a t i s c h e n Bischöfe betrifft, so haben sich hier zwei verschiedene Ansichten bis in das Mittelalter hinein entgegen gestanden. Die eine davon ausgehend, dass Häresie und Schisma gänzlich von der Kirche lostrennen und dass ein abgefallener Bischof alles, was er in der Kirche besessen hat, also auch die Fähigkeit zu ordiniren, verliere, nimmt die absolute Ungültigkeit solcher Weihen und die Nothwendigkeit einer Wiederholung der Ordination an, wenn der Geweihte wieder kirchliche Funktionen vornehmen soll 1 . Die mildere Ansicht stellte dagegen die Ordination hinsichtlich ihrer Wirkung der Taufe gleich 2 und verlangte daher keine Keordination:i. Dieselbe Unsicherheit hat sich hinsichtlich der von simonistischen Bischöfen ertheilten Weihen geltend gemacht, weil die Simonie der Häresie von der Kirche immer gleichgeachtet worden ist 4 . Auch in dieser Frage ist es vorgekommen, dass ein und derselbe Papst geschwankt hat 5 . Nicht geringere Zweifel 1 c. 31 (Cyprian.) C. XXIV. qu. 1; c. 39. breviar. Hippon. a. 3 9 3 ; c. 68 apostol.; c. 73. I I I (Innoc. I.) C. I. qu. 1 ; c. 10. conc. 1. Aurel, a. 5 1 1 ; c. 34 (Pelag. I. a. 505—560) C. IX. qu. 1; poenit. Theodori I. 5. 1; Cummeani o. 11. §. 19 ( W a s s e r s c h l e b e n , Bussordnungenetc. S. 188. 486); c. 24. (Urban. II. a. 1088) C. I. qu. 7. Namentlich sind im 11. u. 12. Jahrh. wiederholt die von den Gegenpäpsten vorgenommenen Weihen für absolut ungültig erklärt worden, so von Urban II. gegenüber Wibert (Clemens III.) s. c. 8. c. 9 (c. 5. C. IX. qu. 1.) syn. Piacent. a. 1095 (Mansi20, 8 0 6 ) ; von Calixt II. gegenüber Burdin (Gregor. VIII.) c. 5. Lateran. I. a. 1123 LL. 2 , append. 182; Innocenz II. u. Eugen III. gegenüber Petrus Leonis (Anaklet II.) c. 30. Later. II. a. 1139 (Mansi 21, 5 3 3 ) , c. 17. Remens. a. 1148 (Mansi 21, 717), von Alexander III. gegenüber Oktavian (Viktor IV.) u. Guido (Paschalis III.) c. 9. Turon. a. 1163 (Mansi 21,1179), c. 2. Later. III. a. 1179. (c. 1. X. de schismat. V. 8). Der Wortlaut dieser Stellen, namentlich das mehrfach vorkommende „ordinationes evacuamus" lässt keinen Zweifel an der absoluten Ungültigkeit aufkommen. S. auch K o b e r , Suspension S. 186 ff., H a h n S. 238. 2 c. 97. §. 2 (August.) C. I. qu. 1 ; c. 8 (Anast. II.) Dist. X I X . a So schon das Nicänum a. 325. in Betreff der Meletianer und Novatianer, s. c. 8. u. H e f e l e , Conciliengesch. 1, 337., so conc. VI. Carth. c. 2. (can. eccl. Afr. Dionys, c. 68) in Betreff der Donatisten, vgl. ferner die erste Sitzung der Synode v. Nicäa a. 787 (Mansi 12, 1008 ff.), s. auch c. 4. C. I. qu. 7., c. 3. des vom Gegenpapst Wibert (Clemens I I I . ) abgehaltenen römischen Concils v. 1089 (Mansi 20, 597). Weitere Beispiele aus den ersten Jahrhunderten s. bei H e r g e n r ö t h e r , die Reordinationen in der alten Kirche, Oesterr. Vierteljahrsschrift f ü r kathol. Theologie 1, 224 ff. Selbst Urban II., der die Ordinationen des Gegenpapstes für nichtig erklärt (s. vorige Note), bringt die milde Ansicht denen gegenüber zur Geltung, welche aus Unkenntniss die Weihen von ketzerischen oder schismatischen Bischöfen empfangen

haben, c. 5. C. IX. qu. 1 (c. 9. 1 0 : Piacent syn. a. 1095), dessen Text (s. auch c. 11) aber ergiebt, dass es sich hier nur um eine vorübergehend stattiindende Ausnahme handeln sollte. Ebenso sind die milden Bestimmungen der Synoden von Nordhausen von 1105 ( H e f e l e a. a. O. 5, 251) und von Guastalla v. 1106 (Mansi 2 0 , 1209) durch die Verhältnisse unter Heinrich IV. hervorgerufene Concessionen, welche man bei der anerkannten Zweifelhaftigkeit der Frage (s. M o r i n u s de sacr. ordinat. P. III. exerc. V. c. 1., K o b e r a. a. 0 . S. 190) machen konnte. 4 c. 3. 12 (Gregor. I.) C. I. qu. 1 ; c. 3 (Gregor. I.) C. VII. qu. 1 ; c. 27 (Paschalis?) C. I. qu. 7. 5 Ueber die Kömische Synode 1049 und von Leo IX. (1048—1054) erzählt P e t r u s D a m i a n i , opuscul. VI (über gratissimus) c. 35 (ed. Paris. 1743. 3, 6 8 ) : „Cum omnes simoniacorum ordinationes synodalis vigore auetoritatis c a s s a s s e t , protinus a Komanorum multitudine sacerdotum magnae seditionistumultusexortusest, ita ut non solum ab ipsis, sed a plerisque diceretur episcopis , omnes pene basilicas sacerdotalibus oftieiis destitutas Quid plura? Post longa sane disputationum hinc inde volumina tandem suggestum est reverendae memoriae nuper eiuadem sedis episcopum decrevisse d e m e n t e m , ut quicunque a simoniaco consecratus esset, in ipso ordinationis suae tempore non ignorans simoniacum cui se obtulerat promovendum, X L nunc dierum poenitentiam ageret et sie in aeeepti ordinis officio ministraret. Quam nimirum sententiam protinus venerabilis Leo ratam percensuit". Dass Leo IX. auch sonst Reordinationen in dem gedachten Falle vorgenommen hat, berichten P e t r u s D a m i a n i und B e r e n g a r von Tours (s. K o b e r a. a. 0 . S. 196; H e f e l e 4, 713). Die mildere Bestimmung Clemens' II., welcher ersterer in der mitgetheilten Stelle gedenkt , ist auf der Römischen Synode von 1047 erlassen. Dasselbe hat Urban II. (syn. Piacent. 1095. c. 108. C. I. qu. 1) wiederholt, und Nikolaus II. hat auf der Römischen Synode von 1059 (Mansi 19, 906., c. 109. c. 110. C. 1. qu. 1) bestimmt, dass die von simonistischen Bischöfen Ü*

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I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§• 10.

endlich haben in Betreif der exkommunicirten, deponirten und unrechtmässig auf ihre Sitze gelangten Bischöfe, sowie der von ihnen ertheilten Ordinationen in den früheren Zeiten obgewaltet, wiewohl freilich von katholischen Gelehrten die Tragweite der für die Annahme der Ungültigkeit sprechenden Zeugnisse soviel als möglich eingeschränkt wird Erst seit dem Ende des 12. Jahrhunderts hat die mildere Meinung die Oberhand gewonnen und seitdem gilt der Grundsatz, dass die von häretischen, schismatischeii, kirchlichen Censuren unterliegenden, abgesetzten und zurückgetretenen Bischöfen ertheilten Ordinationen, sofern ihre Ordination selbst eine den Erfordernissen der katholischen Kirche entsprechende gewesen ist, gültig (validae), wenngleich unerlaubt (illicitae), sind 2 . Daher werden die in der griechischen Kirche ertheilten Ordinationen auch von der katholischen Kirche als gültig a n e r k a n n t A n d e r e r s e i t s ist aber da, wo bei den von derselben abgefallenen Kirchen und Religionsgesellschaften die Bedeutung der Ordination zweifelhaft erscheint, eine genaue Prüfung des eingehaltenen Kitas und der Art ihrer Mittheilung nothwendig, um den Anhalt für die Anwendung der aufgestellten Kegel zu gewinnen. Da die neueren, im Sinne der katholischen Kirche als ketzerisch zu bezeichnenden Richtungen fast ausnahmslos die Succession in die Vollmachten der Apostel nicht anerkennen, und eine Wesensverschiedenheit zwischen Bischof und Priester verwerfen, so kann der vorhin erwähnte Grundsatz für diese nicht massgebend sein 4 . Sehr lebhaft ist die Frage nach der Validität der Anglikanischen Bischofsordinationen besprochen worden 5 , jedoch wird dieselbe wegen des Inhalts des ohne Entgelt ertheilten Weihen als gültig betrachtet werden sollten, eine Verordnung, welche von Alexander II. 1063. c. 1. 2. wiederholt ist. (Mansi 19, 1023). Dass es sich hier um aus Milde gestattete Ausnahmen handelt, wird ausdrücklich hervorgehoben. Α. Μ. Η e r g e m o t h e r a. a. Ο. S. 436 ff. 1 Vgl. K o b e r , Suspension S. 176 ff; Deposition S. 91 ff; H e r g e n r ö t h e r a. a. 0 . S. 387 ff. F ü r die Ungültigkeit sprechen c. 33 (Pelag.). C. X X I V . q». 1 ; c. 1 (Gregor. ] . ) C. I X . qu. 1 ; Römische Synode von 1078 (Mansi 10, 006). Den wiederholt vorkommenden Ausdruck: „irritae ordinationes" in der Regel auf die Wirkungslosigkeit in rechtlicher Bedeutung tuiddie blosse Unerlaubtheit , nicht auf die Ungültigkeit in sakramentaler Beziehung z u d e u t e n ( s o H e r g e n r ö t h e r a. a. 0 . S. 212 ff.), heisst eine Unterscheidung machen, welcher sich die frühere Zeit noch nicht recht bewusst war und deren Mangel gerade zu den Zweifeln Veranlassung gegeben hat. Die im 9. Jahrh. gef ü h r t e n Streitigkeiten über die vom Patriarchen Photius, dem Papst Formosus und dem Erzbischof Ebbo von Rheims ertheilten Weihen (s. H e r g e n r ö t h e r a. a. 0 . S. 387 ff.; H e f e l e , Conciliengesch. 4 , 421. 365. 391. 439. 442. 540. 0 4 3 ; 173. 175; D ü m m l e r , Geschichte des ostfränk. Reichs, 1, 500. 6 9 0 ; 2, 174. 1 9 1 ; 425 ff. 597ff.; d e s s e l b e n Auxilius u n d Vulgarius S. 10 ff. ostfränk. Reich 1 , 365. 540. 587. 598. 670) beweisen doch sicherlich das Bestehen verschiedener Ansichten und das Schwanken der Päpste in diesen Fragen ist offenbar durch politische, nicht durch dogmatische und rechtliche Gesichtsp u n k t e bedingt worden. Mag man nun auch in Bezug auf die Auslegung der einzelnen Zeugnisse verschiedener Meinung s e i n , so lässt sich u n t e r keinen Umständen das Bestehen von Differenzen

abläugnen, wiewohl ich andererseits durchaus nicht verkenne, dass im Laufe der Zeit die heut geltende Ansicht immer mehr an Boden gewonnen hat. E i n e erschöpfende Behandlung der Frage, welche übrigens mehr in die Geschichte der katholischen Dogmatik als des Rechtes gehört, ist selbstverständlich hier nicht möglich. 2 Vgl. c. 1 (Alex. I I I . ) X. de ordin. ab episc. I. 1 3 ; c. 2 (Innoc. I I I . ) X. de schismat. V . 8. S. auch. K o b e r , Suspension S. 1 9 0 ; H a h n a . a. 0 . S. 239 ff. H e r g e n r ö t h e r a. a. 0 . S. 449 ff., welcher mit Recht darauf aufmerksam macht (S. 4 5 5 ) , dass das Nichtvorkommen von Zweifeln während der Zeit des grossen Schisma ( 1 3 7 8 — 1 4 1 8 ) , wo diese sehr nahe liegen mussten , eine schlagende Bestätigung f ü r die u n b e strittene Herrschaft dieser Meinung im 14. J a h r h . gewährt. Aus der späteren Unzweifelhaftigkeit der Sache erklärt es sich a u c h , dass das Tridentinum keine Bestimmung darüber getroffen hat. 3 P h i l l i p s 1 , 3 6 0 ; H e r g e n r ö t h e r a. a. 0 . S. 456. S. auch c. 9 (Coelest. I I I . ) , c. 11 (Innoc. I I I . ) X. de tempor. ordin. I. 11. 4 I l a l l i e r , de sacr. ordinat. P. II. sect. 5. c. 5. art. I. η. 41. Dass die dänischen u n d schwedischen Bischöfe nicht als gültig ordinirt zu betrachten sind, ist unzweifelhaft. S. P h i l l i p s 1, 3 6 0 ; f e r n e r d e W a r r i m o n t , me'moirehistorique sur la pretendue succession apostolique de la Scandinavie. 2 e'd. Liege. 1854. 5 Der Streit hat in England in den Sechziger Jahren des 16. Jahrh. begonnen, und ist erst Anfang des 18. Jahrhunderts in Frankreich aus Anlass der zwischen der gallikanischen u n d anglikanischen Kirche erstrebten Vereinigung eine brennende Frage geworden. Eine Uebersicht über den Verlauf der literarischen Fehde u n d eine kurze Besprechung der zahlreich erschienenen Schriften

§· I i · ]

Die Befugniss zur Ertheilung der Ordination.

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unter E d u a r d VI. 1550 vollendeten Ordinationsformulars, welches nach der Zwischenregierung der katholischen Maria durch die Uniformitätsakte unter Elisabeth im J. 1559 wieder in Kraft getreten ist ^ Mangels der nöthigen Form und Intentio katliolischerseits 2 mit Recht 3 in Abrede gestellt. § . 1 1 . 2. Die Befugniss zur Ertheilung

der

Ordination.

I. Die Befähigung zur Ertheilung der Weihe giebt noch nicht das Recht, von derselben in allen Fällen und aller Orten Gebrauch zu machen, fielmehr muss derjenige, welcher befugterweise die Weihen ertheilen will, steh innerhalb derjenigen Gränzen halten, welche ihm durch seine Stellung in der Hierarchie und der Kirche zugewiesen sind. Das Recht zu weihen , im Gegensatz zu der spirituellen Befähigung ist ein Ausfluss der jurisdictio. Daher steht dasselbe 1. für das ganze Gebiet der Kirche allein dem Papste zu, und zwar kann er dieses Recht sowohl persönlich als auch durch Bevollmächtigung eines andern Bischofes ausüben 4 . Hat er aber einen Kleriker ordinirt, so soll derselbe einen weiteren ordo auch von keinem anderen Bischof entgegennehmen5. giebt: Ol. Κ i ö r η i n g (praes. Moshem.), comm. hist, theolog. de consecrationibus episcoporum Anglorum. Helmstadii. 1739. Unter den englischen Vertheidigungen der Validität verdient hervorgehoben zu werden: F. M a s o n u s , vindication of the church of England, concerning the consecration and ordination of the bishops etc. Lond. 1613, vermehrt und Übersetztals: vindiciae ecclesiae Anglicanae etc. Lond. 1638; unter den französischen: L e C o u r a y e r , dissert, sur la validite des ordinations des Angloisetc. Bruxelles. 1723; defense de la dissert, sur la validite des ordinations etc. Bruxelles. 1726. 4 Voll.; supplement au deux ouvrages faits pour la validite des ordinations anglicanes etc. Amsterdam. 1732; aus der Zahl der die Nichtigkeit vertheidigenden Schriften: J o s . H a r d o u i n , la dissert, du P. le Courayer sur la succession etc. refutee. Paris. 2Voll. 1724. 1725; la de'fense des ordinations anglicanes re'futee. Paris. 2 Voll. 1727; M. Le Q u i e n , nullites des ordinations anglicanes. Paris. 2 Voll. 1725; la nullite des ordinations anglicanes demontree de nouveau. Paris. 2 Voll. 1730. 1 Die entscheidenden Stellen mitgetheilt auch bei M a s o n u s , vindiciae ρ. 215. 2 S. die Entsch. der Congr. universalis inquisit. v. 17. April 1704. bei M. Le Q u i e n in der ersten Schrift. Bd. 2. pieces justiflcatives p. L X I X f f . ; J. L a u r . B e s t i , Theolog. histor. dogmat. scholast. lib. 36. c. 15. ed. Monac. tom. VIII. c. 15; D e v o t i , instit. can. lib. II. tit. 2. s. 6. §. 100. η. 2 ; P h i l l i p s 1, 361. Die Herleitung der Nichtigkeit aus einer Unterbrechung der Succession durch die im Londoner Wirthhaus zum Pferdekopf 1559 erfolgte possenhafte Weihe des Erzbischofs von Canterbury, M a t t h ä u s P a r k e r , ist zu verwerfen, weil Parker nach Massgabe des neuen Formulars ordnungsmässig geweiht und jene abweichende Darstellung des Sachverhalts erst im Laufe des Streits im Jahre 1603 von Matthäus Kellison zu Tage gefördert ist. S. K i ö r n i n g 1. c. p. 37. 134 ff.; W e b e r , Gesch. der

akatholischen Kirchen in Gross - Britannien. 1. 2, 694. η. 133.1 3 S. auch K i ö r n i n g 1. c. p. 208. 212. 215ff. 227. 20 (Steph. V?). C. IX. qu. 3 ; c. 31. (Pelag. ?) C. XVI. qu. 1. Ueber die Jurisdiktion des Papstes über den ganzen Erdkreis s. c. 21. (Nicolaus I.) C. IX. qu. 3 ( = c . 123. C. I. qu. 1); c. 10 (Bonifac. VIII.) in Vit», de privileg. V. 7. Vgl. auch H a l l i e r , de sacr. ordin. P. II. s. 5. c. 3. art. 9. η. 1—3; Τ ho m a s s i n P. II. lib. Ι. c. 8. η. 1 ; R i g a n t i in regul. cane, apost. reg. XXIV. §. 3. η. 317 ff. 5 c. 122 (Gregor. I.) C. I. qu. 1. spricht nur aus, dass der vom Papst geweihte Kleriker die römische Kirche nicht verlassen darf in Anwendung der früheren Regel, dass durch die Ordination ein unauflösliches Band zwischen der Kirche und dem Ordinirten entsteht. S. auch T h o m a s s i n 1. c. n. 2. Auch c. 12. X. de temp. ord. I. 11. enthält diesen Satz nicht (Α. M. R i c h t e r § . 1 0 9 ) ; aber die Doktrin (s. ζ. B. die Glosse, G o n z a l e z Τ e i l e ζ zu diesem Kapitel, B a r b o s a de off. ep. P. III. alleg. 50. n. 2 2 ; H a l l i e r 1. c. n. 4. 5 ; F e r r a r i s s. v. ordo. art. 3. η. 8 6 ; P h i l l i p s 1, 371 und die sonstigen neueren Lehrbücher) hat den Satz übereinstimmend aus diesen Stellen abgeleitet, und indem sie 2 Arten vom Papst geweihter Kleriker, die auf einen Titel in Rom geweihten und die ohne einen solchen ordinirten unterschied (s. die Glosse zu c. 122. cit. und die Angeführten), fand sie den Grund für die Regel in der dem apostolischen Stuhl geschuldeten Ehrfurcht. Seit der Constitution Bened. XIV. : In postremo vom 20. Oktober 1756 (M. Bullar. 19, 253), welche auch eine lange geschichtliche Erörterung des hier in Rede stehenden Gegenstandes bietet, kann die Regel selbst nicht mehr angezweifelt werden. Ausgesprochen ist der Satz zum ersten Mal schon in demdictatusGregorii VII. (Jaffe, monum. Gregor, p. 175) dahin: „quod ab illo (a papa) ordinatus alii ecclesiae praeesse po-

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I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 11.

2. Der Bischof kann vermöge seiner Stellung nur solchen Personen die Weihe ertheilen, welche seiner Jurisdiktion unterstehen. So zahlreich von den ältesten Zeiten ab sich Bestimmungen aufweisen lassen, welche mit der Tonsur und der Ertheilung eines Weihegrades die Zugehörigkeit des Geweihten zu der Diöcese des weihenden Bischofs aussprechen und die Ertheilung weiterer ordines durch einen andern Bischof ohne Erlaubniss des früheren Ordinators verbieten 1 , so selten finden sich Vorschriften hinsichtlich der erst in den Klerikalstand tretenden Laien, Dass die Ertheilung der Taufe, wie Manche behaupten 2 , die Kompetenz für den Bischof begründet hätte oder dass gar jeder Bischof beliebig an Laien die Weihen hätte spenden dürfen 3 , lässt sich nicht erweisen. Wenn einzelne Kanones die Zugehörigkeit zur Diöcese des ordinirenden Bischofs als Regel voraussetzen 4 , also damit den Bischof des Domicils als kompetent anerkennen, so liegt, da der Ordination doch immer eine Prüfung der Verhältnisse des Kandidaten vorausgehen musste, dieser Grundsatz so sehr in der Natur der Verhältnisse, dass an seiner Allgemeingültigkeit kaum gezweifelt werden kann 5 . Ja die Stellen, welche für die Taufe als Bestimmungsmoment der Kompetenz angeführt werden, bestätigen ihn ebenfalls fi, weil die Taufe in der Regel nur am Orte des Domizils und früher an Erwachsene allein nach längerem Aufenthalt und längerer Prüfungszeit ertheilt wurde, ferner die Hervorhebung derselben offenbar in älterer Zeit, um die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde des betreffenden Orts zu bezeichnen, erfolgt ist 7 . Endlich dürfte auch gegen die Ansicht von der durch die Taufe erfolgten Begründung der Kompetenz test, sed non militare (d. h. nicht eine einem Anderen untergeordnete Stelle einnehmen s. T h o m a s s i n 1. c . ) , et quod ab aliquo episcopo non debet superiorem graduin accipere"; freilich hat dieser Umstand auf die Doktrin keinen Einfluss gehabt. Ueber die Vorrechte der vom Papst ordinirten Geistlichen s. G o n ζ a l e ζ zu c. 12. cit. u. c. 7. Χ . I. 3 3 ; H a l l i e r 1. c. n. 5. 6. ι S. c. 3 (Nicaen. a. 325), c. 1 (Sardic. a. 343), c. 4 (Chalced. a. 4 5 1 ) , c. 2 (Innoc. I.) Dist. L X X I ; c. 21. conc. III. Carth. , c. 6. Vallet. a. 5 2 4 ; c. 8. Iiracar. I. a. 5 6 3 ; c. 11. Tolet. XIII. a. 6 8 1 . , c. 8. Araus. a. 4 4 1 ; c. 5. Epaon. a. 5 1 7 ; c. 11. Arvern. I. a. 5 3 0 ; c. 15. Aurel. III. a. 5 3 8 ; c. 5. Aurel. V. a. 5 4 9 ; c. 7. Arelat. V. a. 5 5 4 ; c. 13. Cabilon. a. 644. o. 6 5 6 ; Capit. Vernens. a. 755. c. 12. (LL. 1, 2 6 ) ; Capit. a. 789. c. 56 ( L L . 1, 6 2 ) ; Capit. Yernens. a. 844 (LL. 1, 3 8 4 ) ; c. 50. Meldens. a. 845 (Mansi 14, 830), c. 28. Tribur. a. 895 (Mansi 18, 146). S. auch H a I i i e r 1. c. c. 3. art. 1. η. 1 i f . ; T h o m a s s i n 1. c. c. 1 ff. Die Anschauung, dass durch die Ordination auch ein persönliches Abhängigkeitsverhältniss zwischen dem Weihenden und Geweihten begründet wird, tritt aus diesen Stellen mehrfach hervor, namentlich aber aus c 1. Taurin. a. 401. — Eine Ausnahme von der Regel bildete die Befugniss des Bischofs von Karthago, die Kleriker der übrigen afrikanischen Bischöfe zu höheren ordines und zwar f ü r solche Kirchen , bei denen ein Mangel an Geistlichen vorhanden war, zu weihen, S. c. 45. conc. III. Carth. ; H a l l i e r 1. c. n. 7 ff. 2 So H a l l i e r 1. c.art. 1. n. 9 ff. 13 ff.; B e r a r d i , comment, ad lib. I. II. deer. diss. IV. c. 2 ; P h i l l i p s 1, 381. 3 So Τ h o m a s s i n 1. c. c. 1. n. 8 ff.; c. 2. n. 1. ff. c. 5. n. 6 ; E i c h h o r n 1, 475.

* c. 5. Carth. I. a. 3 9 8 (c. 6. Dist. L X X I ) . welcher die Bestimmung des Concils von Sardica (c. 1. eod.) schon in diesem Sinne interpretirt; c. 9. Araus. a. 441. 5 Die Verbote der prüfungslosen Ordination der homines transmarini in c. 1—3. Dist. XCV1II. können doch auch nur als Ausflüsse dieses P r i n cips angesehen werden.

β c. 4 (Eliberit. a. 305. o. 306) Dist. cit. setzt doch einen längeren Aufenthalt am Ort der Taufe voraus; c. 1. Dist. L X X I I I (Formate aus Burchard von Worms) spricht von einem Freigelassenen, der ,,de familia nostra fuit et baptizatus noster". c. 44. Carth. III. handelt von der unbefugten Weihe nicht eines Laien, sondern eines lector, über dessen frühere Schicksale bemerkt w i r d : „qui a me baptizatus e s t , cum esset puer egentissimus . . . cumque multis annis a me aleretur et atque incresceret". — Die einzelnen, von T h o m a s s i n f ü r die Ordinationsfreiheit angeführten Beispiele können sicher als Regeln nicht in Betracht kommen. 7 Die Constitution Pauls III. : Cupientes vom 21. März 1543. §. 3 : . . . „statuimus , u t (Judaei et infideles) civitatum et locorum in quibus sancto baptismale pro tempore regenerabuntur, vere cives siut et privilegiis ac libertatibus et immunitatibus quae alii ratione nativitatis originis duntaxat consequuntur, gaudeant"; M. Bull. 1, 759. geht von demselben Gesichtspunkt aus. Weil die Christen gewordenen Ungläubigen nunmehr auch als Mitglieder der weltlichen Gemeinde gelten, können die Kompetenzgründe f ü r die Weihen ebenfalls auf sie Anwendung Anden. Die Regel, dass die Taufe allein die Kompetenz der Weihe.begriindet, spricht aber die Stelle nicht a u s , wie P h i l l i p s 1, 383 meint.

§. 11.]

Die Befugniss zur Ertheilung der Ordination.

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der Umstand sprechen, dass dann das ältere und neuere Recht völlig zusammenhangslos und unvermittelt neben einander stände 1 . Als die Sitte der absoluten Ordinationen seit dem 12. Jahrhundert aufgekommen war und damit die Verbindung des Geweihten mit der Kirche des Ordinirenden aufgehört hatte, standen die schon im Besitze einzelner Grade befindlichen Kleriker den erst die Ordination verlangenden Laien insofern gleich, als sie wegen der Weihe allein, ebensowenig wie die letzteren, für immer ein festes Verhältniss zu einer bestimmten Kirche eingegangen waren. Daher konnte jetzt für die Regelung der Kompetenz in allen Fällen lediglich der Gesichtspunkt in Frage kommen, unter welchen Voraussetzungen eine genügende Kenntniss des Ordinators über die Eigenschaften des Weihekandidaten anzunehmen sei, und in dieser Hinsicht die Zugehörigkeit zu der Diöcese des weihenden Bischofs sowohl für Laien als auch für die Kleriker betont werden 2 . Als Momente, welche diese Zugehörigkeit begründen, erwähnt eine Dekretale von C l e m e n s IV. ( 1 2 6 5 — 1 2 6 8 ) 3 des Geburts- oder Herkunftsortes oder der Verleihung eines Benefiziums, indem sie offenbar das regelmässige Verhältniss, dass Geburtsort und Domizil identisch sind, voraussetzt 4 , während bald nachher eine Verordnung von B o n i f a z i u s VIII. auch das Auseinanderfallen dieser Orte berücksichtigt h a t 5 . An diese Bestimmungen haben die späteren kirchlichen Gesetze angeknüpft und sie bilden daher noch die Grundlage für das heute geltende Recht. Dasselbe unterscheidet vier Gründe, welche die Kompetenz des Bischofs zur Ordination bestimmen, demselben die Qualität als s. g. e p i s c o p u s p r o p r i u s geben 6 . Zunächst kommt in Frage : a. die origo. Darunter ist nach der die Kompetenzverhältnisse genauer normirenden Constitution I n n o c e n z ' XII. : Speculatores domus Israel vom Jahre 1694. §. 4 7 das Domizil des Vaters zur Zeit der Geburt des Ordinanden zu verstehen 8 . Ob die Geburt selbst an einem andern Orte, an welchem der Vater oder die Mutter sich nur zufällig wegen einer Reise, eines Geschäftes u. s. w. vorübergehend aufgehalten, erfolgt 1

S. auch P a c h m a n n . §. 240. n. f. Für die Zeit vom 10. Jahrhundert bis zum liber Sextus lauten die Vorschriften noch im wesentlichen so wie früher, in Betreif der Laien vergleiche c. 3. conc. Ravennat. a. 997 (Mansi 19, 220): . . . ,, neque alterius dioecesenses vel parochianos recipere autpromovere seu retinere praesumat sine canonicis epistolis", in Betreff der Kleriker s. c. 10 (Urban. II.) C. IX. qu. 2 ; c. 7. London. 1137 (Mansi 21, 012), Kölner Synode 1279. c. 9 (Mansi 24, 3f)6), Mailand 1287. c. 29 (Mansi 24, 822). Am deutlichsten lässt die Veränderung erkennen die Breslauer Synode v. 1248. c. 10 (de M o n t b a c h , statuta synod, eccl. Wratislav. 1855. p. 307). S. auch T h o m a s s i n 1. c. c. 7 ff.; P h i l l i p s 1, 384. 3 c. 1. in VI t o . de temp, ordin. I. 9 : . . . . „statuimus, ut nullus episcoporum Italiae de caetero aliquem ultramontanum clericum ordinäre praesumat, nisi a nobis specialem licentiamhabeat vel ab episcopo de cuius dioecesi traxit originem ordinandus vel in cuius dioecesi beneflciatus existit, per eius patentes litteras , causam rationabilem continentes quare ipsum nolit aut queat ordinäre". 4 Im Eingang der Stelle heisst es : „saepe contingit, quod noniiulli clerici vinculo excommunicationis adstricti aut apostatae seu irreguläres vel 2

alias ordinum sacrorum susceptione indigni, s u a m p a t r i a m , i n q u a de h i s h a b e t u r n o t i t i a , fugientes se in remotis partibus faciant ad huiusmodi ordines promoveri". 5 c. 3. eod: „Quum nullus clericum parochiae alienae praeter superioris ipsius licentiam debeat ordinäre, superior intelligitur in hoc casu episcopus, de cuius dioecesi est is qui ad ordines promoveri desiderat, oriundus seu in cuius dioecesi beneficium obtinet ecclesiasticum seu habet, licet alibi natus fuerit, domicilium in eadem". 6 Trident. Sess. XXIII. c. 8. de reform. 7 Auch abgedruckt in der R i c h t e r ' sehen Ausg. des Tridentinum S. 530. 8 Die ältere Doktrin, verleitet durch den missverstandenen Ausdruck der römischen Quellen : origo, stritt darüber, ob darunter blos der Geburtsort des Ordinanden oder nicht auch der des Vaters desselben zu verstehen sei. S. B a r b o s a , de offic. ep. P. II. alleg. 4. n. 2 ff.; H a l l i e r 1. c. art. 3 Ii. 2 ff. Durch Innocenz XII. ist aber der Streit in dem obigen Sinn entschieden. S. Ii i g a n t i ad reg. canc. reg. XXIV. §. 3. n. 14—16. Eben so ergiebt sich daraus, dass der von der origo verschiedene Ort der Taufe (s. H a l l i e r 1. c. art. 3. η. 1) völlig ausser Betracht bleiben muss. S. auch R i g a n t i 1. c. n. 10.

88

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

w a r , ist gleichgültig 1 .

[§. 11.

Nur dann wenn der Vater an diesem zufälligen Geburtsorte

längere Zeit bleibt und ihn später zum Wohnsitz wählt, kommt sein früheres Domizil, in welchem der Ordinande in diesem Falle sich niemals befunden hat, nicht in Betracht 2 . Aus dieser Ausnahmebestimmung kann aber nicht gefolgert werden, dass bei späterem Domizilwechsel des Vaters die ursprüngliche durch die origo des Kindes am früheren Orte begründete Kompetenz beseitigt wird 3 , denn bei dieser Annahme wäre jede Eigenthümlichkeit der Kompetenz ratione originis negirt und zwischen ihr und der Kompetenz ratione domicilii bliebe nur der juristisch irrelevante Unterschied bestehen, dass die letztere durch eigene Wahl des Domizils einer handlungsfähigen Person, die erste durch die des Gewalthabers derselben begründet würde 4 . Bei unehelichen Kindern muss unter analogischer Anwendung der Bestimmungen der Constitution d a s , was über den Wohnsitz des Vaters vorgeschrieben ist, für das Domizil der Mutter gelten 5 . b. Auf Grund des Domizils (ratione domicilii)

6

entsteht die Kompetenz des Bischofs,

wenn sich der Kandidat an dem betreffenden Ort entweder 10 Jahre lang oder doch nach der Ueberführung des grösseren Theils seiner Habe und nach häuslicher Einrichtung eine geraume Zeit aufgehalten hat, und ferner in beiden Fällen seine Absicht, dort zu wohnen (den animus remanendi) eidlich erhärtet 7 . Der Ordinande, welcher ein doppeltes Domizil besitzt, hat die Wahl zwischen dem Bischof des einen oder andern Wohnsitzes 8 . Begehrt der Kandidat die Weihe von dem episcopus domicilii, so hat er für den Fall, dass er seinen Geburtsort erst in einem Alter, wo er von einem kanonischen Hinderniss betroffen werden konnte, verliess, ein Zeugniss des episcopus originis (s. g. testimoniales) über die Abwesenheit von dergleichen Impedimenten beizubringen 9 . Es können aber auch Fälle vorkommen, in denen eine Weihe seitens des episcopus originis oder seitens des episcopus domicilii nicht möglich ist. 1 S. Const. Speculatores 1. c., wo unter der origo naturalis patris das Domizil desselben verstanden wird. Hat aber der zufällige Aufenthalt ausserhalb des Domizils so lange gewährt, dass der Sohn dort mit einem kanonischen Impediment behaftet werden konnte , so sind sog. Testimoniales (d. h. Zeugnisse über die Abwesenheit eines solchen) auch seitens des Bischofs dieses Ortes erforderlich. 2 S. Const, cit. §. 5. 3 So P h i l l i p s 1, 392 unter Berufung auf eine bei R i g a η t i 1. c. n. 28 mitgetheilte Entscheidung der Congr. Conc. von 1 7 0 6 ; diese entscheidet in einem Fall, wo der Vater in A domizilirte, der Sohn zufällig in Β geboren wurde, und ersterer später seinen Wohnsitz nach C verlegte , f ü r den Bischof von C. 4 So auch B a r b o s a l . c. n . 2 0 . und P h i l l i p s 1, 394 selbst. 5 B a r b o s a l . c. n. 15. 16; S c h m i e r lib. I. tr. 4. c. 3. n. 6 7 ; F e r r a r i s 1. c. n. 19. 2 0 ; P h i l l i p s 1, 393. « Vgl. H a l l i e r 1. c. art. 4. 7 Das schreibt vor Const. Speculatores. §. 5. Die Festsetzung der 10jährigen Frist k n ü p f t an 1. 2. C. de incol. X. 9. a n ; schon die frühere Doktrin hat mit Rücksicht auf diese Stelle in einem so lange währenden Aufenthalt die genügende Dokumentiruug des animus remanendi ge-

In Frage kommen hier

funden. S. B a r b o s a 1. c. n. 25. — Des Eides bedarf es n i c h t , wenn der Sohn sich von dem Bischof des väterlichen Domizils (der origo) ordiniren lassen will. S. R i g a n t i 1. c. n. 51. 8 S. B a r b o s a l . c. n. 37. Weitere Causuistik ebendaselbst. Der Begriff des Domizils i s t , wie schon aus dem Angeführten ersichtlich, dem römischen Recht entnommen. 9 Const. Specul. §. 5. — Die Beibringung von Testimonialen seitens des Bischofs des verlassenen Domizils, wenn ein solches zwischen dem Aufenthalt am Geburtsort und dem augenblicklichen Domizil in der Mitte liegt, und seitens des Bischofs des einen Domizils an den des andern bei doppeltem Wohnsitz, ist nicht ausdrücklich verlangt. Mit Rücksicht darauf, dass das Tridentinum Sess. X X I I I . c. 7. 16. de reform, den Bischöfen eine genaue Untersuchung in Betreff der Person des Ordinanden vorschreibt und den Kandidaten an den gedachten Orten ebenso gut wie in der origo Impedimente betroffen haben können , wird aber dem Bischof das Recht nicht abgesprochen werden können , testimoniales auch in solchen Fällen zu seiner Information zu erfordern, um so mehr als die Const. Speculatores, offenbar von gleicher Auffassung ausgehend, für den Bischof, welcher ratione beneflcü ordiniren soll, Testimoniales sowohl vom episcopus originis als auch vom episcopus domicilii beigebracht wissen will.

§. 11.]

Die Befugniss zur Ertheilung der Ordination.

89

wegen der etwaigen Ungewissheit der origo die Findelkinder. Die Kanonisten erachten in Betreif ihrer den Bischof des Ortes der Auffindung oder des Findelhauses für kompetent 1 . Bei den heutigen geordneten staatlichen Verhältnissen, wo über solche Kinder in allen Fällen Vormundschaften eingeleitet werden, hat aber ein solches Kind jedenfalls immer ein Domizil, das sich freilich nach dem Ort der Auffindung oder der Erziehung bestimmt. Jedenfalls liegt aber nicht der mindeste Grund vor, dem Ort der Aussetzung, von welchem das Kind sofort weg und in eine andere Diöcese gebracht worden, irgend eine bestimmende Bedeutung beizulegen, vielmehr kann unter analogischer Anwendung der bisher besprochenen Vorschriften ein Aufenthalt des Kindes an diesem Orte nur dann die Beibringung von Testimoniales bedingen, wenn es dort so lange verblieben ist, dass für dasselbe kanonische Weihehindernisse eintreten konnten, und nur insofern kann der Ort der Aussetzung der origo gleich geachtet werden 2 . Diejenigen, welche kein Domizil haben, können von dem Bischof der origo geweiht werden, ist aber diese auch unbekannt, so ist es mit dem Zwecke der in Rede stehenden Bestimmungen nicht verträglich, hier den Bischof des augenblicklichen Aufenthaltes für kompetent zu erachten 3 , vielmehr muss in einem solchen Fall der Papst um die Beauftragung eines Bischofs zur Vornahme der Weihe angegangen werden 4 . Endlich kann es an einem episcopus originis oder domicilii fehlen, weil der Geburtsort oder das Domizil zu keiner katholischen Diöcese gehört. Liegt der Grund dafür in einer Befreiung des Ortes von der Diöcesangewalt (untersteht er ζ. B. einem Prälaten nullius dioeceseos), so ist nach der gemeinen Meinung der seiner Kirche (nicht seinem Territorium) nach nächste Bischof zur Ordination befugt 5 . Dagegen hat sich in Betreff derjenigen Personen, welche in einem in den Händen von Ungläubigen befindlichen oder einem ketzerischen Lande ihre origo oder ihr domicilium haben und aus diesem Grunde keinem episcopus unterworfen sind, keine feste Regel entwickelt 6 . In solchem Fall bleibt gleichfalls nichts anderes übrig, als dass hier durch den Papst ein Bischof designirt wird 7 . c. Kann die Kompetenz des Bischofs zur Weihe ratione beneficii begründet werden. Erforderlich ist aber dafür ein wirkliches Benefizium , also reicht weder ein beneficium manuale s , noch eine blosse Pension 9 , noch eine Anstellung bei einer Privatkapelle 10 , wohl aber eine immerwährende Kommende 11 , aus. Ob das beneficium ein beneficium duplex oder simplex ist 12 , und ob es zur Residenz verpflichtet oder nicht, ist gleichgültig 13. Dagegen muss der Ertrag des Benefiziums zum Lebensunterhalt des Benefi1 B a r b o s a l . c. n. 17; H a l l i e r l . c. art. 3. Ii. 6 : R e i f f e n s t u e l P. II. n. 93; P i r h i n g I. 11. n. 3. add. 1; E n g e l I. 11. n. 3 0 ; S c h m i e r 1. c. n. 68;. F e r r a r i s 1. c. n. 2 1 ; P h i l l i p s 1, 394. 2 Auf den Ort der Taufe, worauf P h i l l i p s 1, 394 als empfehlenswerth hindeutet, kann nach den obigen Ausführungen gar kein Gewicht gelegt werden. 3 So P i r h i n g 1 . 1 1 . n. 31. add. 3 ; S c h m a l z g r u e b e r I. 11. n. 38. < S c h m i e r 1. c. n. 106. 107. 5 Vgl. Card. d e L u c a a d n o t . ad conc. Trid. disc. 14. η. 18; R e i f f e n s t u e l I. 11. η. 131; G i r a l d i , expos, jur. pont. s. 99. η. 2 ; E n g e l I. 11. n. 3 3 ; S c h m i e r 1. c. n. 114 ff.; R i ga η t i 1. c. n. 2 4 7 : Β e η ed. XIV. de syn. dioec. II. 11. n. 15 ; B e r a r d i 1. c. diss. 5. η. 3 (ed. Me-

diol. 1846. 1, 186); P h i l l i p s 1, 394. 414. Den Anhalt dafür giebt c. 10. de reform. Trid. Sess. X X I I I . 6 S. Card, d e L u c a 1. c. n. 14. 7 Sofern nicht hier, wie bei dem Vagabunden der Kompetenzgrund c) oder d) vorhanden ist. 8 R i g a n t i 1. c. n. 61. 63. 64; anders wenn es mit dem Willen des Ordinarius errichtet ist und nur ex causa entzogen werden kann. 9 R i g a n t i 1. c. n. 68. 69. 10 R i g a n t i 1. c. n. 6 7 ; S c h m i e r 1. c. n. 8 2 ; P h i l l i p s 1, 399. 11 B a r b o s a 1. c. alleg. 4. n. 50; H a l l i e r l . c. art. δ. η. 5 ; R i g a n t i 1. c. n. 59. •2 H a l l i e r 1. c. n. 4 ; v a n E s p e n J. E. U. P. II. tit. 9. c. 2. n. 23. 24. 13 Von einigen wird freilich ein beneficium residentiale verlangt, so ζ. B. von Card, d e L u c a

90

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. II.

ziaten genügen 1 , d. h. entweder den Betrag der Diöcesantaxe erreichen oder sonst der Observanz nach für auskömmlich gelten. Eine Ergänzung durch das eigene Vermögen ist nicht zulässig 2 . Weiter ist nöthig, dass der Weihekandidat sich bereits vor der Ordination im Besitz des Benefiziums befindet 3 ; die blosse Präsentation oder Nomination für dasselbe oder ein Versprechen, dem Ordinanden unmittelbar nach der Weihe ein Benefizium verleihen zu wollen, begründet also die Kompetenz nicht 4 . Ferner soll nach den Vorschriften der Const. Speculators (§. 3.) der episcopus beneficii sich Testimoniales vom episcopus originis und domicilii beibringen lassen und in der über die erfolgte Ordination auszustellenden Urkunde sowohl die Vorlegung dieser als auch die Höhe der Einkünfte des die Kompetenz begründenden Benefiziums5 ausdrücklich bescheinigen n . Besitzt der Kandidat mehrere Benefizien in verschiedenen Diöcesen, so kann er nach seiner Wahl von einem jeden der betreffenden Bischöfe sich die Weihen ertheilen lassen 7 . d. Ausser den eben besprochenen drei, im Liber Sextus erwähnten Kompetenzgründen gedenkt schon 8 die Glosse zu c. 2 in VI t0 de tempor. ordinat. I. 9 . 9 noch eines weiteren, nämlich der ratio familiaritatis oder commensalitü. welcher durch das Tridentinum ,0 ausdrücklich anerkannt ist, "und über welchen die erwähnte Constitution Innocenz' XII. gleichfalls nähere Bestimmungen getroffen hat. Unter der familiaritas oder dem commensalitium wird ein wirkliches Dienstverhältniss zu dem Bischof verstanden, in Folge dessen die betreffende Person auf Kosten des letzteren lebt 11 , und zwar muss das Verhältniss mindestens ununterbrochen drei Jahre gedauert haben 12. Zweck dieser Vorschrift ist der, dem Bischof Gelegenheit zu geben, die Person, Fähigkeit und Würdigkeit des Kandidaten genau kennen zu lernen. Daher ist es nicht erforderlich , dass derselbe im Hause des Bischofs wohnt 13 , ebenso wenig, dass der Bischof I. c. n. 13. Das hat aber keinen Anhalt, die gemeine Meinung und die Congr. Concilii ist dagegen. S. die Entscheidung von 1098 bei I t i g a n t i 1. c. 11. 5 6 ; B a r b o s a 1. c. n. 46. 4 7 ; H a l l i e r 1. c. n. 4 ; S c h m i e r 1. c. n. 8 0 ; v a n E s p e n 1. c. Ueber die Frage, in wiefern eine coadjutoria canonicatus ausreicht s. R i g a n t i l . c. η. 113 ff. und die Entsch. bei R i c h t e r Trident. Sess. XXIII. c. 8. n. 12. S. 190. 1 Const. Speculatores. §. 3. Dadurch hat die frühere Meinung, welche jedes Benefizium auch das kleinste für genügend erachtete, s. B a r b o s a 1. c. n. 4 4 ; H a l l i e r 1. c. n. 5. ihren Halt verloren. Vgl. R i g a n t i n. 74. 104 ff.; P h i l l i p s 1, 397. 398. 2 Const, cit. §. 3. — Diese Bestimmung, in Verbindung mit den übrigen , im §. 3 aufgestellten soll einmal Uebergriffe des einen Bischofs in die Rechte des andern und ferner die Möglichkeit der Umgehung der Vorschriften über die Ordination durch Gründung von Benefizien geringen E r trages in fremden Diöcesen verhüten. 3 So schon die frühere Doktrin s. H a l l i e r 1. c. Ii. 7 ; R i g a n t i 1. c. n. 70. 77. 78. zum Theil unter Berufung auf Trident. Sess. XXI. c. 2. de reform. Die Const. Speculatores §. 3. schreibt das ausdrücklich vor.

* Gleichgültig ist es dagegen, dass der Bischof, in dessen Diöcese das Benefizium liegt und welcher weihen soll, nicht selbst zu der Provision desselben berechtigt ist. Vgl. B a r b o s a 1. c. n.

54. 5 2 ; H a l l i e r 1. c. n. 7. 3; S c h m i e r 1. c. n. 78. 7 9 ; P h i l l i p s 1, 399. 5 Die allgemeine Bemerkung, dass das Benefizium zulänglich ist, genügt nicht. S. R i g a n t i 1. c η. 130. 6 Eines Nachweises über die Zulänglichkeit des Benefiziums vor dem episcopus originis oder domicilii bedarf es nicht, daher können diese die Ausstellung der Testimoniales nicht von diesem Verlangen abhängig machen. S. R i g a n t i 1. c. η. 8Γ) ff. 7 B a r b o s a 1. c. n. ö l ; H a l l i e r 1. c. n. 6 ; v a n E s p e n 1. c. Ii. 2 5 ; R i g a n t i 1. c. n. 5 4 ; P h i l l i p s 1, 397. 8 Zuerst hat L a s p e y r e s a. a. O. S. 15. n. 4 0 darauf aufmerksam gemacht. 9 Sub ν . : flgmento: ,,vel in fraudem constitution's huius aliquem in familiarem reeepit". ω Sess. XIV. c. 2. de reform. 11 B a r b o s a 1. c. alleg. 5. η. 1 ff. ; S c h m i e r 1. c. n. 83 ff.; R i g a n t i l . c. n. 148 ff.; F e r r a r i s 1. c. n. 29. 12 Trident. Sess. XXIII. c. 9. de reform.; Const. Speculatores. §. 6. 13 Der Bischof muss ihn nur fortwährend haben im Auge behalten können. S. R i g a n t i 1. c. n. 148 ff.; P h i l l i p s 1 , 4 0 0 . Der Aufenthalt ausserhalb der Diöcese genügt also nicht, eine Ausnahme findet aber statt für die Fainiliaren der Cardinäle, bei denen die Entfernung gleichgültig ist, wenn sie sich dabei nur im Dienst derselben befinden. S. R i g a n t i 1. c. n. 149.

§· 11.1

Die Befugniss zur Ertheilung der Ordination.

91

schon beim Beginn des dreijährigen Zeitraums die Bischofswürde gehabt h a t A u s demselben Grunde kann es nicht für nöthig erachtet werden, dass das Dienstverhältniss ein direktes ist (wie ζ. B. bei den Beamten der bischöflichen Kanzlei 2 ), vielmehr sind auch die auf Kosten des Bischofs lebenden Diener der bischöflichen Famiiiaren zu den Dienern des Bischofs selbst zu rechnen 3 . Auch der auf Grund der Familiarität weihende Bischof muss sich vorher die Testimonialen des episcopus originis und domicilii beibringen lassen 4 . Ferner ist er verpflichtet, dem Geweihten sofort, d. h. innerhalb Monatsfrist, vom Tage der Ordination an gerechnet 5 , ein Benefizium, welches den zu c. für die Begründung der Kompetenz ratione beneficii angegebenen Erfordernissen entspricht 6 , zu verleihen. Stirbt der Bischof vor der Uebertragung des Amtes, so kann der Geistliche den empfangenen ordo nicht ausüben, und ebenso wenig, wenn er die minores erhalten hat, zu den höheren befördert werden, jedoch wird ihm, wenn er die maiores empfangen, unter der Bedingung, dass er die Verpflichtung zur Beschaffung des für diese erforderlichen Titels übernimmt, Dispensation gewährt 7 . Das Recht ratione familiaritatis zu ordiniren, haben übrigens nur die eigentlichen Bischöfe, nicht die Titularbischöfe, welchen das Tridentinum die Ordination ihrer Famiiiaren ausdrücklich verboten hat 8 . Endlich soll auch hier in der Ordinationsurkunde der Kompetenzgrund und die Beibringung der Testimoniales erwähnt werden. In Betreif der sämmtlichen vier Kompetenzgründe ist Folgendes zu bemerken: 1. Die dargestellten Grundsätze finden nicht blos auf die Spendung der ordines im eigentlichen Sinne, sondern auch auf die Ertheilung der Tonsur Anwendung 9 . 2. Ist der episcopus proprius wegen unbefugter Ertheilung der Weihen an fremde Kleriker suspendirt, so dürfen die ihm untergebenen Kleriker unter der Voraussetzung, dass die Suspension offenkundig ist, ohne weiteres sich die Weihen von einem der benachbarten Bischöfe ertheilen lassen 10. ι R i g a n t i 1. c. n . 140 ff. B a r b o s a 1. c. n. 18. B a r b o s a 1. c. n. 7 ; S c h m i e r l . c. 11, 8 6 ; R i g a n t i 1. c. 162. 163. Verwandte, welche im Hause des Bischofs auf seine Kosten leben , aber nicht in einem Dienstverhältniss zu ihm stehen, können daher nicht auf diesen Kompetenzgrund hin ordinirt werden. 4 Vorgeschrieben durch Const. Speculatores. 6. Formulare dafür bei G i r a l d i 1. c. s. 97. 2

3

η.

5

1.

So hat die angef. Constitution das „statim'' des c. 9. Trident, cit., über dessen Bedeutung früher gestritten worden (s. R i g a n t i n. 1 5 9 ; P h i l l i p s 1, 402), authentisch interpretirt. 6 Auch das schreibt §. 6 der Const. Speculatores vor. Daher ist auch hier eine Ergänzung der E i n k ü n f t e des Benefiziums durch das Patrimonium nicht zulässig, und selbst im Fall der N o t w e n d i g keit die Weihe des Famiiiaren durch seinen Herrn auf den titulus patrimonii allein ausgeschlossen. S. die Entscheidungen in der R i e h t e r ' s e h e n Ausgabe des Tridentinums zu c. 9. cit. u n d R i g a n t i 1. c. n. 153 ff. Die entgegenstehende, von P h i l l i p s 1, 402 unter Berufung auf einige Aeltere bezeugte Praxis ist demnach verwerflich. S. auch S c h u l t e 2, 139. n. 2. — Verleiht der Bischof dem Famiiiaren schon vor der Ordination ein Benefizium, so kann er unter den u n t e r c)

aufgezählten Voraussetzungen natürlich ratione beneficii ordiniren. 7 In foro conscientiae ist er freilich nicht suspendirt , da er an der Nichterfüllung der erforderlichen Vorschriften nicht Schuld ist. Vgl. über Alles G i r a l d i 1. c. s. 97. n. 7. 8 Sess. XIV. c. 2. cit. — lieber den Beweis der Familiarität bei Anfechtung dieses Kompetenzgrundes s. B a r b o s a 1. c. n. 3 ; R i g a n t i 1. c. n. 1 6 4 ; P h i l l i p s 1, 403. 9 c. 2. Sess. X I V . und die Const. Speculatores. §§. 3. 6. erwähnen dieser ausdrücklich, §§. 4. δ. sprechen allgemein von „ad ordines promovere". S. auch v a n E s p e n 1. c. n. 34. 10 c. 2 (Gregor. X . ) in VI*», de teinp. ordinat. I. 9. Da diese Stelle offenbar eine Strafe für den Bischof, nicht eine Erleichterung für die Kleriker festsetzen will — der Bischof soll hier in ähnlicher Weise gestraft werden, wie er sich vergangen hat —, so ist das Kapitel strikt zu interpretiren, d . h . weder auszudehnen auf den F a l l , wo der Bischof wegen anderer Gründe suspendirt i s t , noch auf Laien, welche erst die Tonsur und die niederen Weihen erhalten wollen , wie auch S c h m a l 7. g r u e b e r l . c. n. 4 2 ; S c h m i e r 1. c. n. 9 8 ; P h i l l i p s 1, 404. annehmen. Dass diese Vorschrift durch die Bestimmungen des Tridentinums beseitigt sei (so S c h u l t e 2, 142. n. 3), lässt sich nicht b e haupten .

92

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 11.

3. Die Verschiedenheit des Ritus zwischen dem lateinischen Bischof und dem unirten Griechen oder dem unirt griechischen Bischof und dem Lateiner hebt die Kompetenz an sich nicht a u f , obwohl eine Vermischung des Ritus verboten ist 1 . Daher bleibt hier nichts übrig, als eine Delegation eines Bischofs des andern Ritus durch den kompetenten 2 oder die Bestellung eines dem Ritus angehörigen Weihebischofs 3 . 4. Sind mehrere Bischöfe in einem Falle kompetent, so ist die Befugniss des K a n didaten unter denselben zu wählen, j a nach Empfang eines ordo behufs der Erlangung der weiteren zu variiren, keinem Zweifel unterworfen; nur soll von der Variationsbefugniss nicht doloser Weise, um einer Weigerung des früheren Ordinators zu entgehen, Gebrauch gemacht werden 4 , widrigenfalls die Weihe als eine unerlaubt erlangte angesehen wird und die für eine solche festgesetzte Strafe nach sich zieht. Die verschiedenen Kompetenzgründe geben aber nicht alle an und für sich die Sicherheit, dass der Ordinande auch sämmtliche für die Weihe nothwendigen Eigenschaften besitzt, und behufs der Erlangung dieser Gewissheit hat das Recht die Ausstellung der früher schon erwähnten testirmmiales (sc. literae), d. h. eines Zeugnisses in Briefform über das Alter, die Sitten, die Fähigkeiten, den Titel, die Abwesenheit von Irregularitäten u. s. w. seitens des mitkompetenten Bischofs 5 und die Vorlegung dieser Urkunde an den um die Weihe angegangenen verlangt 6 , und zwar — um hier die bereits erwähnten Fälle zusammenzustellen — a. wenn ratione familiaritatis ordinirt werden soll, vom episcopus originis und episcopus domicilii 7 ; b. wenn die Weihe ratione beneficii beansprucht wird, ebenfalls von den Bischöfen der origo und des Domizils 8 ; c. wenn der episcopus domicilii weiht, vom episcopus originis, sofern der Aufenthalt an dem letzteren Orte so lange gedauert hat, dass die Kontrahirung eines kanonischen Impedimentes möglich w a r " ; d. wenn der episcopus originis ordiniren soll, seitens des Bischofs des vorübergehenden Aufenthaltsortes des Vaters, wenn der Ordinirende an letzterem geboren und dort die unter c. gedachte Zeit geblieben ist 1 0 . Dass damit nur die Fälle bezeichnet sind, in denen es dem Bischof absolut zur Pflicht gemacht ist, bei Vermeidung der für die Verletzung der Kompetenzvorschriften vorgeschriebenen Strafen die Testimonialen zu fordern, er also auch sonst, wenn er es für erforderlich erachtet, dergleichen verlangen kann, ergiebt sich aus den Ausführungen in der Note 9 S. 88 n . II. Der an sich kompetente Bischof hat aber, auch wenn die gedachten Vorschriften sämmtlich erfüllt sind, nicht das Recht, die Ordination an allen Orten zu ertheilen, er ι c. 9 (Coelest. III ) X. de temp, ordin, I. 11; H e r g e n r ö t h e r in M o y s Archiv. 8, 181. 2 c. 11 (Innoc. I I I . ) eod. tit. 3 P i r h i n g I. 11. η. 37. 3 8 ; P h i l l i p s 1, 405. S. auch F e r r a r i s I. c. n. 78. u. Const. Bened. XIV. Etsi pastoralis v. 26. Mai 1742. 7. η. 1 (Bull. Bened. XIV. Rom. 1746. 1, 175). 4 Die Aelteren läugnen freilich mitunter die Variationsbefugniss (s. ζ. B. B a r b o s a 1. c. η. 1). Die Const. Specul. 2. 6. setzt dieselbe aber klar voraus. S. R i g a n t i 1. c. n. 8 1 ; P h i l l i p s 1, 390. Für die Variation von der Tonsur zu den minores , der minores unter einander, von diesen zu den maiores und der einzelnen maiores unter einander s. die Entscheidungen bei R i ch t e r zu c. 3. Trid. XXIII. n. 6 ff. S. 186. 'Wegen der damit offenbar verbundenen Uebelstände hat der französische Episkopat im 17. Jahrhundert die

Kompetenz ausschliesslich auf den episcopus originis einzuschränken gesucht. S. v a n E s p e n 1. c. n. 2 7 ; P h i l l i p s 1, 390. 5 Diese sind gratis zu ertheilen, nur kann eine kleine Expeditionsgebühr für den Schreiber erhoben werden. S. Trid. Sess. X X I . c. 1. de ref. 6 Const. Speculat. §§. 3 — 7. 7 Const, cit. §. 6. 8 L. c. §. 3. 9 L. c. 5. 10 L. c. 4. Dass die für die Erlangung eines bestimmten Grades ausgestellten Testimon. nicht für die weiteren ausreichen , liegtauf der Hand. S. R i g a n t i 1. c. n. 93. 11 Eine Entscheidung, in welcher die Congr. Conc. Testimoniales verlangt hat, ohne dass die in der Constitution aufgezählten Fälle vorlagen, s. bei R i c h t e r Trid. Sess. XXIII. c. 8. n. 9. S. 187.

§. 11.]

93

Die Befugniss zur Ertheilung der Ordination.

darf dies vielmehr nur innerhalb der Gränzen seiner Diöcese thun.

Dieser schon aus

der örtlichen Beschränkung der bischöflichen Gewalt 1 folgende Satz ist vom Tridentinum 2 dahin wiederholt,

dass kein Bischof selbst nicht einmal unter Berufung auf

irgend welches Privilegium in einer fremden Diöcese die Pontifikalien ausüben soll, wenn nicht der Ordinarius ausdrücklich die Erlaubniss dazu gegeben hat, welche natürlich nur für die Diöcesanen des letzteren von Wirksamkeit sein k a n n D a s s e l b e gilt auch, wenn der betreifende Ort von der bischöflichen Diöcesangewalt eximirt ist, aber ein anderer Bischof dort zur Ertheilung der Ordination berechtigt ist 4 .

Dass endlich

der Bischof selbst nicht einmal die Tonsur in einer fremden Diöcese geben kann, ist zwar mehrfach bestritten worden 5 , muss aber wegen der engen Verbindung, in der die Tonsur zu den ordines als Vorbereitungshandlung steht und wegen der alleinigen Befugniss des Bischofs zur Vornahme dieses Aktes, angenommen werden 6 . III. Der nicht kompetente Bischof kann die Weihen rechtmässig ertheilen, wenn er von dem episcopus proprius ausdrücklich die Befugniss dazu übertragen erhalten hat. In der älteren Zeit, wo die Ordination auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche und zu einem bestimmten Bischof begründete (s. oben § . 8 ) , war daher die Uebertragung höherer Grade durch den Bischof einer andern Diöcese nur dann möglich, wenn der (leistliche aus dem bisherigen Verband entlassen wurde und in den Diöcesanklerus seines Ordinators eintreten sollte 7 . Die darüber von dem bisherigen Bischof auszustellenden Zeugnisse werden als literae dimissoriae (άπολυτικαί) 8 ,

auch mit dem Ausdruck

commendatitiae (συστατικαί) ! l , ursprünglich aber wohl nicht als formatae (είρηνικαί) 10 ι S. ζ . B. c. 2 ( A n t i o c h . ) C. I X . qu. 3 ; c. 6. 7 ( A n t i o c h . ) ; c. 8. 9 (Constant. I . ) C. I X . qu. 2. W e i t e r e Nachweisungen bei H a i I i e r 1. c. s. V I . art. 1. 2 Sess. V I . c. 5. de ref. V g l . ferner Sess. X I V . c. 2. de ref. 3 S. B a r b o s a 1. c. aileg. 4. n. 1 3 ; H a l l i e r 1. c. n. 12. 1 3 ; es bedarf hier ausser der Erlaubniss des superior loci immer noch der Erlaubniss des Bischofs, innerhalb dessen Teriitorium der Ort liegt. — Selbtverständlich ist übrigens, dass die Diöcese des Suffraganbischofs auch für den ihm vorgesetzten Erzbischof eine fremde im Sinne des Tridentinums ist. S. B a r b o s a 1. c. n. 14. Anal. jur. pontif. 1858. p. 319. 4 I n seiner eigenen Kapelle kann aber ein päpstlicher Nuntius ohne Erlaubniss des Diöcesanbischofs an Geistliche, welche von ihrem kompetenten Bischof facultates de promo vendo in bianco haben, die Weihen ertheilen. Entsch. der Congr. Conc. v . 1653 ( A n a l . j u r . pontif. 1858. p. 319). 5 S. ζ. B. C a r d , d e L u c a annot. ad Trid. disc. I V . n. 7. 8 ; v a n E s p e n , J. E . U. P . I. tit. 16. c. 3. n. 1 4 ; P h i l l i p s 1, 646. Weitere A n führungen bei H a l l i e r 1. c. n. 10. 11. 6 B a r b o s a 1. c. n. 15. und die dort citirten; K o b e r , Suspension. S. 160. D i e Ertheilung der Tonsur kann mit Rücksicht auf das eben B e merkte, selbst wenn man sie nicht für einen ordo erklärt, zu den im Trident. erwähnten Pontifikalien gerechnet werden. Zu den einfachen Akten der iurisdictio voluntaria, welche der Bischof auch ausserhalb seiner Diöcese vornehmen kann (s. die citirten), gehört sie sicher nicht.

c.

1 c. 17. Trullan. a. 692 (c. 1. C. X X I . qu. 2 ) , 1 (Roman, a. 8 2 6 ) Dist. L X X I I . Prägnant

drückt sich aus c. 5. Aurel. V . a. 5 4 9 : „ut nullus clericum seu lectorem alienum s i n e s u i c e s s i o n e p o n t i f i c i s . . promovere audeat". 8 T h o m a s s i i i P . I I . lib. 2. c. 5. n. 5 ; H a l l i e r 1. c. art. 10. n. 1 1 ; P h i l l i p s 1, 409. 9 c. 32. apostol.; c. 7 (Chalc. a. 4 5 1 ) , c. 8. ( A u g u s t i n ? ) Dist. L X X I . Der Begriff der commendatitiae ist aber ein weiterer, denn dieselben kommen auch in ältester Z e i t für Laien vor und sie haben den Zweck zu attestiren, dass der reisende Laie oder Kleriker nicht aus der kirchlichen Gemeinschaft seiner Heimath ausgestossen ist, mithin auch zu der des fremden Ortes zugelassen werden kann ; in Betreff des Klerikers konstatiren sie f e r n e r , dass derselbe mit Erlaubniss seines Bischofs reist, also die Residenzpflicht nicht eigenmächtig verletzt. S. c. 12. apost.; c. 38. Agath. a. 5 0 6 ; H e f e l e , Conciliengesch. 1, 784. n. 3. 10 c. 7. Antioch. allgemein lautend, (beschränkt auf die Geistlichen in der c. 9. Dist. L X X I . stehenden spanischen Uebersetzung). Damit werden Legitimationsbriefe bezeichnet, deren Zweck die Ermöglichung der Zulassung zur Kirchengemeinschaft an fremden Orten und die Feststellung der Erlaubniss zum Reisen für den Kleriker, nicht die Gestattung der Ordination durch einen fremden Bischof ist. V g l . c. 106. cod. eccl. A f r i c . ; ep. Zosimi ad Gall. c. 1 (Mansi 4, 3 5 9 ) ; ferner die Formate des Attikus von Konstantinopel (u. A . bei Regino de synod, causis I . 430. im diet. Gratiani zu A n f a n g von Dist. L X X I I I ) , welche folgende Cautelen gegen etwaige Fälschungen anordnet: „Graeca elementa literarum numeros etiam exprimere nullus qui vel tenuiter Graeci sermonis notitiam habet, ignorat. N e igitur in faciendis epistolis canonicis quas mos latinus formatas appellat,

94

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§.-11.

oder epistolae canonicae (γράμματα κανονικά) bezeichnet 1 . In der fränkischen Zeit werden aber alle aufgezählten Ausdrücke promiscue gebraucht 2 und die in der Formata des Attikus allgemein ohne Bezug auf die Dimissorien vorgeschriebenen Sicherungsmittel gerade für diese a n g e w e n d e t M i t dem Aufkommen der absoluten Ordinationen musste sich selbstverständlich die Bedeutung der Dimissorien ändern, und so sind sie seitdem Urkunden geworden, in welchen der kompetente Bischof die Ordination eines ihm untergebenen Klerikers durch einen andern Bischof gestattet, also diesem seine Befugnisse überträgt 4 . Die Ertheilung von Dimissorien (literae dimissoriales oder wie sie das Tridentinum auch nennt,' commendatitiae, reverendae) 5 ist lediglich ein Akt der Jurisdiktion, weil nur diese dadurch auf eine andere die Fähigkeit zur Ertheilung der Weihe besitzende Person übertragen werden soll. Zur Ausstellung der Dimissorien ist daher allein der kompetente Bischof befugt, aber auch jeder, welcher nach den früher entwickelten Regeln,als episcopus proprius zu betrachten ist 6 , mithin gleichfalls der ratione familiaritatis kompetente Bischof 7 . Das Recht, weil es ein Ausfluss der bischöflichen Jurisdiktion ist, beginnt mit der Erlangung derselben, also mit der Konfirmation des zum aliqua frans falsitatis temere praesumeretur, hoc a patribus CCCXVIII Niceae constitutis saluberrime i n v e n t u m e s t et constitutum, ut formatae epistolae haric calculationis seu supputationis habeant rationem, i. e. ut assumautur in supputationem prima Graeca elementa Patris et Filii et Spiritus sancti i. e. II. Y. A. quae elementa octogenarium, quadringeutesimum et primurn significant n u m e r u m . Petri quoque apostoli prima litera, i. e. II. qui numeros octoginta significat; eius qui scribit epistolam, prima litera; cui scribitur, secunda; accipientis t e r t i a ; civitatis quoque de qua scribitur, quarta et indictionis quaecunque est illius temporis, numerus assumatur. Atque ita his omnibus Uteris Graecis quae , u t diximus , numeros exprim u n t in u n u m ductis, unam quaecumque collecta fuerit, summam epistola teneat. Addat praeterea separatim in epistola etiam nonagenarium et non u m numerum qui secundum Graeca elementa significat: Α Μ Η Ν . Tres igitur praedictae literae Graecae, i. e. II. Y. A. et prima litera ex nomine Petri i. e. 77. D L X et I efüciunt numeros; II enim quae est prima in nomine Patris L X X X numerat, Υ vero quae est prima in nomine fllii CCCC numerat , A vero quae prima est in nomine spiritus sancti unam indicat. Si addas II quae in nomine Petri est p r i m a , i. e. L X X X reperies D L X I . Α Μ Η Ν vero quod in fine praedictae epistolae scriptum e s t , XCIX indicat; A enim u n u m , JVl X L , Η V I I I , Ν L numerant qui X C I X efficiunt numeros sive summam totam simul iungas, DCLX epistolae numeros tenent". A. M. D e v o t i inst. can. lib. I. tit. 3. s. 5. §. 5 0 ; tit. 4. s. 2. §. 11., der die Formata als die Genusbezeichnung f ü r alle erwähnten literae erklärt. — Nach c. 11. Chalc. sollen bei gewöhnlichen Laien die Friedensbriefe keine Empfehlungen enthalten, also nicht als commendatitiae gegeben werden. Identisch mit den literae pacificae sind wohl die communicatoriae in c. 15. Eliberit. a. 305. u. 3 0 6 ; c. 9. Arelat. I. a. 314. 1 Diese sind, wie c. 41. Laodic. (pr. 343. 11. 381) und die Formata des Attikus ergiebt, mit den

an Kleriker ertheilten Reise- und Legitimationsbriefen, also den formatae, identisch. 2 So c. 51. Meldens. a. 845 (Mansi 14, 831), s. auch die bei H a l l i e r 1. c. art. 10. η. 15. mitgetheilten Formaten aus dem 9. J a h r h . 3 Beispiele geben schon die Formelsammlungen vom 7. Jahrh. ab s. Marculfl formulae app. 1 2 ; Baluzian. 39—42, Alsaticae 11. u. 13. s. ed. W a l t e r corp. iur. can. torn. 3. u. R o z i e r e , recueil general des formules etc. 2, 909 ff., ferner Regino I. 450. 4 5 1 ; Gratian in Dist. L X X I I I ; s. auch D ü m m l e i , Formelbuch des Bischof Salomon von Konstanz. Leipzig. 1857. S. 25 f f . ; R o c k i n g e r , üb. Formelbücher vom 13. bis 16. Jahrh. München. 1855. S. 43. Schon in älterer Zeit war zur Sicherung gegen Fälschung, Unterschrift und Besiegelung durch den Bischof vorgeschrieben. S. c. 8. Bracar. I. a. 5 6 3 ; c. 41. Cabilon. II. a. 813 (Mansi 14, 102), und in Betreff der Ultramarinen c. 1. 2. Dist. XCVIII. 4 Die ältesten Beispiele für solche Dimissorien sind wohl die von den B a l l e r i n i i , de ant. canon. collect. P. II. c. 4. n. 8 (bei G a l l a n d i , de vetust. can. collect. 1, 385 ff.) mitgetheilten, welche wahrscheinlich in die Zeit Kaiser Ottos 1. oder II. gehören, und sehr vereinzelt dastehen. Dagegen setzen c. 8. (Innoc. I I I . ) X . de offic. archid. I. 2 3 ; c. 3 (Bonif. V I I I . ) in VI to de temp, ordin. I. 9. die Umwandlung als vollzogen voraus.

5 Sess. VII. c. 10. de reform. ; Sess. XIV. c. 2. de reform. Der Ausdruck reverendae ist der in Spanien gebräuchliche. S. B a r b o s a 1. c. alleg. 7. n. 2 ; H a l l i e r 1. c. art. 11. η. 1. β Trid. Sess. XIV. de ref. c. 2. 3 ; X X I I I . c. 3. 8. de ref. 7 Ist nicht unbestritten. S. P h i l l i p s 1, 411. F ü r die Meinung im Text B a r b o s a 1. c. alleg. 5. n. 16; ferner R i g a n t i 1. c. §. 3. n. 1 6 9 ; F e r r a r i s 1. c. n. 37, welche letztere beide auch mehrere Entscheidungen der Congr. Conc. f ü r diese Ansicht a n f ü h r e n .

§· 1 1 ]

Die Befugniss zur Ertheilung der Ordination.

95

Bischof gewählten, nicht erst mit der Konsekration 1 und ruht, wenn der Bischof in Folge der excommunicatio oder einer suspensio ab officio oder a jurisdictione an der Ausübung der Jurisdiktionsrechte gehindert ist 2 . Der Generalvikar des Bischofs besitzt die Befugniss zur Ertheilung von Dimissorien allein dann, wenn er ein Specialmandat dazu hat oder der Bischof auf längere Zeit von seiner Diöcese abwesend ist:>. Im Fall der Sedisvakanz darf für die Regel das Recht vom Domkapitel nicht ausgeübt werden 4 , ebenso wenig von demjenigen Mitglied, welchem unter Ausschluss desselben kraft unvordenklicher Gewohnheit oder päpstlichen Privilegs die bischöfliche Jurisdiktion während der Vakanz zusteht 5 . Nur ausnahmsweise kann das Kapitel oder derjenige, auf welchen die bischöfliche Jurisdiktion übergeht, also für die Regel der erwähnte Kapitularvikar, neben welchem nach seiner Bestellung jegliches Recht des Kapitels cessirt 6 , Dimissorien geben, nämlich dann, wenn ein Jahr seit dem Eintritt der Vakanz verflossen ist oder vor Ablauf der Frist, sofern es sich um eine persona beneficii recepti sive recipiendi occasione arctata handelt, d. h. sofern Jemand, um sich ein ihm verliehenes Benefizium zu konserviren oder ein ihm in Aussicht gestelltes zu erlangen, vor Ablauf des gedachten Jahres einen bestimmten ordo erwerben muss". Jedoch darf das Benefizium nicht eigends zur Umgehung der erwähnten Vorschriften während der Sedisvakanz errichtet sein s . Die mit der Verwaltung eines Bisthums betrauten päpstlichen Vikare dürfen, sofern bei ihrer Ernennung nicht abweichende Vorbehalte gemacht sind, wenn sie bei Lebzeiten des durch Krankheit u. s. w. verhinderten Bischofs deputirt sind, Dimissorien ertheilen, weil sie dann dessen Jurisdiktion ausüben und dies Recht erlischt auch nicht mit dem Tode desselben 9 . Ist dagegen die

1 S. Glosse zu c. 15. X. de elect. I. 6. s. v. de talibus ; S c h m a l ζ g r u e b e r I. 11. n. 4 5 ; P i r h i n g I. 11. n. 5 5 ; v a n E s p e » J . E. U. P. II. t. 9. c. 3. n. 10. 2 S. B a r b o s a 1. c. alleg. 7. n. 5. S. auch Κ o b e r , Kirchenbann 2. Aufl. S. 3 6 1 ; K o b e r , Suspension. S. 8 8 ff., 111 ff. 3 c. 3. i n v i t o cit. I. 9 ; B a r b o s a 1. c. n. 9 ; F e r r a r i s 1. c. n. 3 9 ; F r i e d l e in M o y s Archiv 1 5 , 360. — Die Archidiakonen haben im Mittelalter gleichfalls das Kecht, Dimissorien auszustellen, g e ü b t , s. F l o d o a r d . hist. Rem. III. 11 (ed. S i r m o n d . p. 175); Glosse zu c. 8 (Innocenz I I I . ) X. de off. arch. I. 2 3 ; vgl. ferner G o n z a l e z Τ e l i e ζ zu c. 8. cit. ; H a l l i e r 1. c. a r t ; 11. η. 8. Es erklärt sich das daraus, dass die Archidiakonen vielfach eine, die bischöfliche beschränkende ordentliche Jurisdiktion erworben hatten. c. 8. cit., welches ihnen die Ausstellung von Dimissorien untersagt, gehört in die Keihe der Massregeln , welche den Archidiakonen ihre einflussreiche Stellung zu nehmen suchten. 4 Trid. Sess. VII. c. 10. de reform. Diese Vorschrift hat nicht n u r das frühere gemeine Hecht (c. 3. in V I t o cit. I . 9 : „sede vacante capitulum seu is ad quem tunc temporis administrat e spiritualium noscitur pertinere, dare possunt licentiam ordinandi"), sondern auch jedes entgegenstehende Privilegium, sowie jedes abweichende Gewohnheitsrecht beseitigt. Vgl. auch Trid. Sess. X X I I I . c. 10. de ref. Das Verbot ist ebenfalls auf die Ertheilung von Dimissorien für die Tonsur zu beziehen. S. R i g a n t i 1. c. n. 186 u. die besonderen Anordnungen für Neapel von 1701 u.

1702 bei F e r r a r i s 1. c. n. 44. 45, die die Tonsur den übrigen ordines gleichstellen. Α. M. P h i l l i p s 1, 413. Die angeblich abweichenden Entscheidungen der Congr. Concil. bei F e r r a r i s 1. c. n. 48. u. G i r a l d i 1. c. s. C. η. 1. betreffen einen Ausnahmefall. S. R i g a n t i I. c. n. 201. 5 So entschied auf Grund von Trid. Sess. X X I I I . c. 10. de ref. die Congr. Coric. 1583 f ü r das Bist h u m Gerona. S. R i g a n t i 1. c. n. 189. β F e r r a r i s 1. c. n. 41 — 4 3 ; R i t t e r , der Kapitularvikar. Münster. 1842. S. 51 ff. 7 R i g a n t i 1. c. n. 197 ff. Muss der ordo erworben werden, um Sitz und Stimme im Kapitel, kirchliche E i n k ü n f t e u. dergl. zu erlangen, so liegt der Ausnahmefall nach den Entscheidungen der Congr. Conc. nicht vor, s. R i g a n t i 1. c. 11. 199. 204 — 2 0 6 , wohl aber wenn ein auf ein Patronatbeneflzium präsentirter Laie vor Ablauf der 4monatlichen Frist behufs Erlangung desselben die Tonsur erwerben muss. S. R i g a n t i n. 2 0 1 ; F e r r a r i s 1. c. n. 47. 48. Hieraus ist der oben Note 4 erwähnte Irrthum entstanden. — Diejenigen , welche päpstliche brevia extra tempora noch vor dem Tode des Bischofs erhalten haben, können die erforderlichen Dimissorien auch vom Kapitel, resp. seinem Vikar bekommen; ist das breve aber erst nach dem Tode des Bischofs gegeben, so stellt der benachbarte Bischof, wenn er nicht selbst weihen will, die Dimissorien, das Kapitel oder der Vikar dieTestimonialen aus. S. R i g a n t i n. 207. 212 ff. ; C a r d . · d e L u c a , annot. disc. 31. η. 31. 8 R i g a n t i 1. c. n. 202. 9 Weil sie nicht von ihm ihren Auftrag ableiten. S. R i g a n t i 1. c. n. 1 9 4 ; P h i l l i p s 1, 412.

96

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§· 11.

Ernennung erst im Fall der Sedisvakanz erfolgt, so haben sie dieselben Befugnisse, wie die Kapitularvikare 1 . Die Dimissorien sollen nur bei Verhinderung des Berechtigten wegen Krankheit 2 oder eines sonstigen triftigen Grundes 3 ausgestellt werden 4 , und zwar soll ihrer Ertheilung dieselbe Prüfung vorhergehen, wie wenn der Kandidat durch den episcopus proprius geweiht werden sollte 5 . niren soll,

Der Bischof, welcher auf Grund der Dimissorien ordi-

ist zwar zu einer nochmaligen

Prüfung berechtigt",

aber dazu nicht

verpflichtet 7 . In den Dimissorien soll sich der Aussteller genau bezeichnen 8 , ferner der Grund der Ertheilung der Dimissorien , also der Hiuderungsgrund der eigenen Vornahme der Ordination angegeben werden 9 ; weiter müssen dieselben gleichzeitig immer Testimoniales enthalten, damit die Beobachtung der Vorschriften über die angeordnete Prüfung des Ordinanden dargethan wird 1 0 . Was die Person des Ordinators betrifft, so können sie einen bestimmten Bischof bezeichnen, aber auch dem Ordinanden die freie Wahl eines solchen anheim geben, in welchem Fall sie facultates in bianco oder de promovendo a quocumque genannt werden 11 .

Immer darf aber auf Grund der Dimissorien

nur ein zur Ordination befugter Bischof weihen, also ζ . B. nicht ohne Weiteres ein Weihbischof oder ein ordinationsberechtigter Abt 1 2 , mithin auch nur ein solcher in den

1 R i g a n t i 1. c. n. 190; F e r r a r i s s. v . vicarius apostolicus. n. 8. 25. 2 Diesen Fall allein nennt das Trid. Sess. X X I I I . c. 3. de reform. 3 Und zwar gratis. E i n e kleine Expeditionsgebühr kann aber von dem Schreiber der Urkunde genommen werden. Trid. Sess. X X I c. 1. de ref. S. B a r b o s a 1. c. alleg. V I I . n. 26. 4 Diese Erweiterung hat nicht nur die Doktrin gemacht, s. B a r b o s a 1. c. alleg. V I I . n. 2 0 ; H a l l i e r 1. c. alt. 11. η. l ü ; v a n E s p e n 1. c. η. 12, sondern sie ist auch von einer Reihe Provinzialsynoden ausgesprochen. S. v a n E s p e n I. c. Ii. 12 ff. 8 Trid. 1. c. in Anschluss an die Vorschriften früherer Provinzialconcilieii. S. T h o i n a s s i n P . I I . lib. I . c. 7. n. 7. Mit dieser Prüfung kann aber bei entferntem Aufenthalt des Ordinanden, welcher nicht gut in seine Diöcese zurückkehren kann, der Bischof dieses Ortes beauftragt werden. S. die Entsch. der Congr. Conc. bei F a g n a n . ad c. 16. X . de praeb. I I I . 5. n. 7 ; v a n E s p e n 1. c. η. 1 8 ; P h i l l i p s 1, 416. β Trid. Sess. V I I I . c. 11. de ref. 7 V g l . die Entscheidungen der Congr. Conc. bei R i c h t e r zu c. 3. Sess. X X I I I . cit. S. 180 : B a r b o s a 1. c. n. 2 2 : F a g n a n . a d e . cit. n. 56. 5 7 ; v a n E s p e n I . e . 20. 2 2 ; R i g a n t i 1. c. n. 172. — Nach einem von Alexander V I I . 1664, undBenedikt X I V . 1743 wiederholten, von einer besonderen K o n gregation deklarirten Edikt C l e m e n s ' V I I I . von 1603 müssen fremde K l e r i k e r , welche sich vier Monate oder länger in Rom aufgehalten haben, sobald sie ausserhalb Roms trotz empfangener Dimissorien die minores (also nicht die Tonsur) und die m a j o res ordines erlangen w o l l e n , sich noch einer Prüfung in Rom unterwerfen und eine auf Grund dieser ausgestellte schriftliche Erlaubniss des Kardinalvikars beibringen. Von ihrem episcopus proprius können sie aber bei der Rückkehr ohne

diese Formalitäten geweiht w e r d e n , sofern sie nicht bei der Prüfung in Rom rejicirt sind. S. R i g a n t i 1. c. n. 177; F e r r a r i s s. v. ordo art. 3. η. 8 2 ; P h i l l i p s 1, 4 1 7 ; Analect. jur. pontif. 1855. p. 2736. 2764. 8 D i e gehörige Ausfertigung unter der Unterschrift des Ausstellers ist selbstverständlich. Sollen aber Ultramontane von italienischen Bischöfen geweiht oder tonsurirt werden, so muss die Unterschrift unter den Dimissorien noch durch den betreffenden apostolischen Nuntius und die des letzteren durch den K a r d i n a l - V i k a r beglaubigt sein. Const. Urban's V I I I . : In secretis. v. 11. Dezember 1624. 3 ( M . Bull. 4, 8 2 ) . 9 Vgl. c. 1. in VI'O de temp. ord. I . 9 ; B a r b o s a 1. c. n. 2. 2 1 , wiewohl das mitunter nicht zu geschehen pflegt, s. P h i l l i p s 1. 417. 10 S c h m a l z g r u e b e r , I . 11,11.50; P h i l l i p s a. a. O . ; S c h u l t e 2, 141. 11 Für diese schreibt das Trid. Sess. V I I . c. 11. de ref. die Aufnahme der „causa ob quam a propriis episcopis ordinari non possint" und nochmalige Prüfung durch den gewählten Bischof vor. Letzteres fasst aber die Praxis nur als Recht, nicht als Pflicht auf, s. Note 7. u. v a n E s p e n 1. c. n. 23. Für das Königreich Neapel sind solche D i missorien unter Gregor X V . 1623 verboten worden , R i g a n t i n. 171. — Die Kandidaten aus den 6 suburbikanischen Bisthümern Roms, in denen die Kardinalbischöfe für die Regel nicht anwesend sind, dürfen (abgesehen von der Erlangung der Tonsur) nur Dimissorien auf den Kardinal-Vikar von R o m , auf keinen andern Bischof erhalten. Const. Alexander's V I I . : Apostolica sollicitudo v. 7. August 1662. 3 ( M . Bull. 6 , 1 7 3 ) ; R i g a n t i 1. c. η. 175.

>2 Trid. Sess. V I I . c. 11. de r e f . ; Sess. X I V . c. 2. de r e f . ; S. X X I I I . c. 10. de ref. S. auch das von Urban gebilligte Dekret der Congr. Conc. v. 1642 bei F e r r a r i s 1. c. s. v. abbas. n. 22.

§· 11·]

Die Befugniss zur Ertheilung der Ordination.

97

Dimissorien bezeichnet werden. Endlich können dieselben allgemein behufs Erlangung der Tonsur und aller ordines oder nur einzelner derselben ausgestellt sein. Die durch die Dimissorien gegebene Befugniss erlischt selbstverständlich mit dem Ablauf der Zeit, auf welche sie beschränkt sind 1 , nicht aber mit dem Tode des Ausstellers 2 , wohl aber kann der Bischof sie jederzeit zurücknehmen und auch die von seinem Vorgänger, dem Kapitel oder dem Kapitularvikar während der Sedisvakanz gegebenen widerrufen 3 . Ausnahmsweise ist die B e i b r i n g u n g v o n D i m i s s o r i e n n i c h t n ö t h i g . Zunächst bedarf der Papst derselben nicht, wenn er als allgemeiner Bischof den Diöcesanen eines gewöhnlichen Bischofs ordiniren will 4 . Und wenn derselbe kraft dieser seiner Stellung einem Kandidaten die Befugniss sich von einem Bischof weihen zu lassen ertheilt, so bedarf es ebenfalls für letzteren keiner weiteren Dimissorien, sondern nur der Testimonials des Ordinarius 5 . Ausserdem sind mehrfache derartige Privilegien von den Päpsten verliehen worden. So haben z . B . die Alumnen sämmtlicher, unter der Aufsicht der Propaganda stehender Bildungsanstalten das Recht, sich von jedem Bischof ordiniren zu lassen, so fern sie nur ausser dem Konsens ihrer vorgesetzten Behörde Testimonialien ihrer Rektoren beibringen IV. Eigenthümliohe Regeln gelten für die Ordination der Mönche. Die früher erwähnten Kompetenzgründe finden hier nicht statt, vielmehr ist nur derjenige Bischof als der episcopus proprius zu betrachten, in dessen Diöcese das Kloster des Ordinanden liegt 7 , oder für den Fall der Weihe des Regularen eines keiner Diöcese angehörigen Klosters, der seiner Kathedrale nach nächst gelegene Bischof 8 , und zwar hat der Reguläre s. g. Dimissorien 9 seines Superior beizubringen. Nur dann, wenn der nach diesen 1

v a n E s p e n 1. c. n. 28. B a r b o s a 1. c. n. 2 3 ; H a l l i e r 1. c. n. 2 4 ; S c h m a l z g r u e b e r l . 11. n. 5 1 ; weil es sich um eine Gnadensaehe handelt, c. 9. in V l t o de off. j u d . del. I. 1 4 ; reg. 16. in VI 4 « de R. J . V. ult. 3 H a l l i e r 1. c. n. 2 3 ; ν a n Ε s p e η 1. c. n. 31. 4 R i g a n t i 1. c. n. 3 1 6 ; F e r r a r i s 1. c. n. 83. Testimonlales werden aber gefordert. S. P h i l l i p s 1 , 4 1 1 ; K o b e r , Suspension S. 156. Kreilich kann der Papst auch davon absehen. 5 So die Congr. Conc. auf Grund desTrid. Sess. XXIII. c. 8. d e r e f . S. F a g n a n . ad c. 16. X. III. δ. η. 5 4 ; v a n E s p e n 1. c. 2. n. 3 5 ; K o b e r , Suspension S. 156. 6 Iireve Urbans VIII. pro ordinatione alumnorum congr. de propag. flde vom 18. Mai 1638 (Bull. Prop. 1, 9 1 ) : „eiusdem Congregat i o n s alumnis et convictoribus et aliis qui quoquo modo ad instantiam eiusdem Congregationis inpraesentiarum Romae vel alibi educantur et in f u turum educabuntur, u t a b s q u e l i t e r i s d i m i s sorialibus suorum ordinariorum . . . a quocunque quem maluerint catholico a n t i s t i t e g r a t i a m et c o m m u n i o n e m sed i s a p o s t o l i c a e h a b e n t e , in sua dioecesi residente vel in aliena de dioecesanl loci licentia pontificalia exercente ad quatuor minores . , . necnon etiam ad sacros etpresbyteratus ordines . . . denique habeant literas testimoniales R e c t o r u m aut eoruni apud quos educantur et i n s t n m n t u r de eorum vita et moribus et in scientiis profectibns nec eis aliud canonicum obstet 2

Η i η s c h i u s , Kirchenrecbt.

impedimentum, promoveri"; dadurch ist das zuerst den Alumnen des Collegium Anglicanum gegebene derartige Privilegium (Const. Gregors XIII. vom 23. April 1579. §. 13. M. Bullar. 2, 455) erweitert. S. M e j e r , die Propaganda 1, 232 if. 244. Nicht genau R i g a n t i 1. c. η. 3 2 1 ; P h i l l i p s 1, 420. Ueber andere ähnliche Privilegien s. R i g a n t i n. 323 ff. — Eins der ältesten Beispiele bietet das Privileg Alexanders II. v. 1063 für Clügny bei Mansi 19, 974. ' Trid. Sess. X X I I I . c. 10. de ref., welches zugleich alle früheren entgegenstehenden Privilegien und Gewohnheiten beseitigt hat. Constitution Benedikts X I V : Impositi nobis vom 1. Mai 1746. §§. 1 — 4 (auch in R i c h t e r s Tridentinum S. 533). Besitzt der Abt das Recht die minores zu ertheilen , so hat der Grundsatz nur absolute Geltung für die ordines maiores. Ueber das frühere Recht vgl. H a l l i e r c. 1. art. 8. η. 5 ff. 8 F e r r a r i s s. v. ordo art. 3. η. 6 1 ; R i g a n t i 1. c. n. 273. 9 Oder richtiger, wie S c h u l t e 2, 141. n. 2 meint, Permissorien, nämlich eine schriftliche E r laubniss in Verbindung mit Testimoniales, denn eine Jurisdiktion haben die Klosteroberen in dieser Hinsicht nach dem Tridentinum nicht mehr. Α. M. R i g a n t i , 1. c. n. 250. Die Bezeichnung Dimissorien findet sich freilich in den einschlägigen Constitutionen und bei den Kanonisten. F ü r die Novizen können die Oberen solche Dimissorien nicht g e b e n , diese unterstehen auch in dieser Beziehung dem Bischof des O r t s , wo das

98

I- Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 11.

Regeln kompetente Bischof von seiner Diöcese abwesend ist oder zur Zeit keine Ordinationen vornimmt, können die Erlaubnissscheine, sofern die Ausstellung derselben nicht absichtlich bis zu einem solchen Hinderungsgrund verschoben ist, auf jeden beliebigen Bischof gegeben werden, jedoch ist dann die Angabe des Hinderungsgrundes des Diöcesanbischofs in denselben 1 und ferner ein Attest der Richtigkeit des Sachverhalts seitens des Generalvikars oder der Kanzlei des eigentlich kompetenten Bischofs erforderlich 2 . Abgesehen von diesem Ausnahmefall bedarf ein anderer Bischof ausser den s. g. Dimissorien des Superior immer noch derDimissorien des episcopus proprius des Regularen sofern das Kloster oder der Orden nicht ein nach dem Tridentinum ertheiltes Privilegium, dass seine Angehörigen von jedem Bischof geweiht werden können, besitzt 4 . V. Was die S t r a f e n für die Uebertretung der gedachten Vorschriften betrifft, so erklärten die ältesten Kanonen die ohne Erlaubniss des eigenen seitens eines fremden Bischofs empfangene Ordination ftir irrita 5 , und auch hier bestehen dieselben Zweifel (vgl. oben S. 83. 84), ob damit die vollkommene Nichtigkeit oder blos eine ipso jure eintretende Suspension vom Weiherecht 0 hat gemeint sein sollen. Schon seit dem 5. Jahrhundert hat aber die mildere Ansicht mehr und mehr die Oberhand gewonnen 7 , und nach dem Dekretalenrecht lässt sich das unbestrittene Ansehen dieser Meinung nicht bezweifeln s . In den neueren hierher gehörigen Verordnungen ist das wiederholt. Die ipso jure eintretende Suspension der unvorschriftsmässig empfangenen, nicht der früher ordnungsmässig erlangten ordines11 trifft demnach denjenigen, welcher die ordines von einem nicht kompetenten Bischof ohne Dimissorien oder unter Verletzung der sonst gegebenen Vorschriften 10 empfängt 11 , sofern sich der Ordinande nicht etwa in einem Kloster liegt. S. B a r b o s a 1. c. alleg. 7. n. 3 2 ; R i g a n t i 1. c. n. 2 5 3 ; F e r r a r i s 1. c. n. 68. ' Dekret der Congr. Conc. , bestätigt von Clemens V I I I . unterm 15. März 1596 bei B a r b o s a 1. c. alleg. 7. n. 18; F e r r a r i s 1. c. n. 5 7 ; R i g a n t i 1. c. n. 251 ff., welcher sehr ausführlich hier einschlagende Spezialfragen behandelt, und R i c h t e r s Tridentinum. S. 197. 2 So nach der Constit. Benedikts X I V . 11. — Uebrigens hat der weihende Bischof nicht blos das R e c h t , sondern die Pflicht die Ordinanden in Bezug auf den Glauben , nicht aber in Bezug auf die sonstigen Erfordernisse zu p r ü f e n . S. Τ rid. Sess. X X I I I . c. 12. de ref., das citirte Dekret v. Clemens VIII, sowie die Ausführungen u n d E n t scheidungen der Congr. Conc. bei R i g a n t i 1. c. n. 282. bis 291. u. in R i c h t e r s Tridentinum S. 191. 200. 3 Folgt aus den allgemeinen, hier in Frage stehenden Grundsätzen. S. auch die Entscheidungen bei R i c h t e r S. 197. 198. n. 1 . 7 . 8 , u . S c h u l t e 2, 141. n. 2. 4 Ein solches Privileg haben ζ. B. die Jesuiten nach der Constit. Gregors X I I I : Pium et utile societatis vom 22. September 1582. §. 3. (M. Bull. 2, 493). F ü r die Regel werden aber solche Indulte n u r mit der Klausel: servata tarnen forma decreti Clementis VIII. gegeben, d. h. die Regularen müssen trotzdem die Weihe vom Diöcesanbischof erhalten u n d dürfen nur bei Verhinderung oder Weigerung desselben von j e d e m beliebigenBischof ordinirt werden. S. R i g a n t i 1. c. n. 257 ff. — Durch entgegenstehende Gewohnheit können die Vorschriften des gedachten Dekrets nicht beseitigt werden. S. R i g a n t i 1. c. n. 264 ff.

S c. 3 (Nicaen. 325), c. 1 (Sard. 343), Dist. L X X I ; c. 7 (Antioch. 341) C. I X . qu. 2 ; c. 13. Arelat. II. (a. 443 o. 452). fi F ü r letzteres ζ. B. H a l l i e r 1. c. art. VI. n. 2 ; P h i l l i p s 1, 3 8 7 ; H e r g e n r ö t h e r in d. österr. Vierteljahrsschrift für kath. Theologie 1, 2 1 3 ; K o b e r , Suspension S. 1 4 3 ; c. 4. (Chalced. a. 451) Dist. L X X I . beweist aber nichts gegen die Nichtigkeit. 7 Vgl. c. 10. Turon. I. a. 4 6 1 ; c. 15. Aurel. I I I . a. 5 3 8 ; c. 5. Aurel. V. a. 549. c. 12. Ilerdens. a. 524. o. 546. c. 7. Arelat. V. a. 554. Den entgegengesetzten Standpunkt vertritt freilich c. 7. Nannet. a. 6 5 8 ( . . „ i s qui ordinatus est, donum sancti spiritus quod furari conatus est, amittat 1 '. Harduin 6, 4 5 8 . ) 8 c. 10 (Urban. II. a. 1095) C. I X . qu. 1 0 ; c. 4 (Honor. I I I . ) X. de cleric, peregr. I. 2 2 ; c. 2 (Gregor. X . ) in VI 4 0 de temp, ordinat. I. 9. hält die Strafen a u f r e c h t , welche die „iura statuunt contra taliter ordinatos", worin die Glosse mit Recht eine Hinweisung auf die vorhin aus dem Dekret citirten Stellen und zwar diese im Sinne der günstigeren Meinung aufgefasst, findet. 9 R i g a n t i 1. c. §. 4. n . 17. 18. 10 Also ζ. B. die Weihe durch einen andern als den in den Dimissorien genannten Bischof oder ohne Vorlegung dernöthigen Testimonialen, einen andern ordo als den in den Dimissorien erwähnten empfängt. S. K o b e r , Suspension S. 155 ff. 11 Const. Pius' I I . : Cum ex sacrorum vom 17. November 1461. §. 2 (M. Bullar. 1, 3 7 3 ) , Trid. Sess. X X I I I . c. 8. i. f . ; Constit. Urbans V I I I : Secretis aeternae vom 11. Dezember 1624. §. 6. (M. Bullar. 4, 8 2 ) ; Constit. I n n o c e n z ' X I I . : Spe-

§· 11.]

99

Die Befugniss zur Ertheilung der Ordination.

entschuldbaren Irrtlium über das Fehlen der erforderlichen faktischen Voraussetzungen befand Die Suspension dauert so lange, bis sie seitens des kompetenten Bischofs durch Absolution aufgehoben ist 2 . Die gleiche Strafe ist für den Fall festgesetzt, dass sich der Ordinande zwar durch seinen kompetenten Bischof, aber in einer fremden Diöcese ohne Erlaubniss des Bischofs der letzteren weihen lässt 3 , sowie für den, dass der Kandidat den ordo oder die Tonsur von einem Titular- oder Weihebischof ohne die ausdrückliche Genehmigung seines eigenen Bischofs erlangt hat 4 . Eine immer währende, nur vom päpstlichen Stuhl zu beseitigende Suspension ipso iure trifft aber die Ultramontanen, welche ohne die vorgeschriebenen Erfordernisse sich von italienischen Bischöfen die Weihen oder die Tonsur ertheilen lassen 5 . Wenn der Kandidat während der Sedisvakanz den Vorschriften des Tridentinums zuwider vom Kapitel oder dem Kapitularvikar Dimissorien und auf diese hin die Weihen empfangen hat, unterliegt er der vom künftigen Bischof aufzuhebenden Suspension nur bei Erlangung der höheren Weihen, während er bei Empfang der niederen allein der geistlichen Standesrechte verlustig wird Die letzteren Bestimmungen finden endlich auch Anwendung, wenn die Unterthanen eines Abtes oder eines andern eximirten Prälaten, welche nicht dessen Regularen sind, unter Verletzung der für ihre Ordination geltenden Vorschriften die Weihen erhalten haben 7 ; haben aber Regulären bei der Erlangung der Weihegrade die dafür geltenden Bestimmungen verletzt, so gilt die allgemeine Regel, dass sie der ipso jure eintretenden Suspension unterliegen, welche nur der zur Ordination kompetente Obere lösen kann 8 . Für die Verletzung der Kompetenzvorschriften durch den Bischof haben die ältesten Normen der Kirche nur eine willkührliche, im einzelnen Falle zu normirende culatores §. 8 ( R i c h t e r , Trident. S. 533), welche letztere weiter bestimmt, dass der Papst ausserdem je nach der Grösse der Verschuldung noch andere und schwerere Strafen verhängen kann. — Darüber, dass die Strafe trotz des Wortlauts der Constit. Pius'II. auch für die Ertheilung der minores und der Tonsur eintritt, — die Gegenmeinung bei Riga ii t i 1. c. §. 4. n. 21, — was nach dem Ausdruck der übrigen gesetzlichen Anordnungen kaum zweifelhaft sein kann, s. K o b e r , Suspension S. 146 ff., u. die Entscli. der Congr. Conc. in R i c h t e r s Trident. S. 187. n. 8; bei der Tonsur, mit der allein die Fähigkeit zur Vornahme von kirchlichen Funktionen nicht verbunden ist, kann freilich keine eigentliche Suspension eintreten, aber der Betreffende hat keinen Anspruch auf die geistlichen Rechte und ist vorläufig unfähig, ein Benefizium zu erlangen. ι K o b e r a. a. 0. S. 151 if. 2 Vgl. c. 10. C. IX. qu. 10; c. 4. Χ. I. 22. Trid. Sess. XX11I. c. 8. de ref.; Const. Innocenz' XII. 8. Eine Absolution durch den Papst ist in dem singulären Fall des c. 1. in VI t o de temp, ord. I. 9. vorbehalten, ebenso bei Verletzung der hinsichtlich der länger als 4 Monate in Rom anwesenden Kleriker und der Kandidaten der 6 suburbikanischen Bisthümer geltenden Vorschriften. S. oben S. 96. n. 7. u. S. 96. n. 11. Die weitergehende Bestimmung der Constit. Sixtus' V. : Sanctum et salutare vom 5. Januar 1588. §. 4. (M. Bullar. 2, 712) hat bereits Clemens VIII. durch die Constit. Rommium pontifleem vom 28. Februar 1590. 2 (M. Bullar. 3, 60) beseitigt.

3 Trid. Sess. VI. c . 5 ; K o b e r a. a. 0. S. 160; dasselbe muss gelten, wenn der ordo an einem exemten Ort der eigenen Diöcese ohne Erlaubniss des betreffenden Prälaten oder an einem andern exemten Ort ohne Genehmigung des letzteren und des kompetenten Bischofs empfangen ist. Vgl. c. G (Urban. II.) XVIII. qu. 2. u. K o b e r a. a. 0. S. 162. * Trid. Sess. XIV. c. 2. de ref.; K o b e r a. a. 0. S. 162 ff. 5 c. 1 (Clemens IV.) in VI t o de temp, ordin. I. 9 ; Const. Urbans VIII: S e c r e t i s a e t e r n a e v . i l . Dezember 1624. 3 (M. Bull. 4, 82.) Nach der letzteren kann der Papst auch ausserdem poenae arbitrariae verhängen. 6 Trid. Sess. VII. c. 10. de ref. Dass dieser Verlust erst durch Sentenz ausgesprochen werden muss , nimmt die überwiegende Meinung an. S. A. B a r b o s a remissiones ad c. 10. cit. Trid. adv. audeant (ed. Gallemart. p. 108); R i g a n t i 1. c. S. 3. n. 240; K o b e r a. a. O. S. 166. Für den Empfang der Tonsur ist keine Strafe festgesetzt, s. die Entsch. der Congr. Conc. v. 1594 bei G i r a l d i P. II. s. C. η. 1. p. 962. ' Trid. Sess. XXIII. c. 10. de ref.; Constit. Benedikts XIV.: Impositi. §§. 10. 11. Hiernach ist K o b e r a. a. 0 . S. 170 zu berichtigen. Die Absolution von der Suspension muss hier der nächste Bischof geben, weil er zur Ordination kompetent ist. S. R i g a n t i 1. c. 4. n. 100 ff. 8 Das S.98. η. 1. erwähnte Dekret Clemens'VIII. v. 1596 hat zwar keine Strafe festgesetzt, s. R i g a n t i 1. c. §. 3. n. 300 ff., wolil aber die Constit. Benedikts XIV.: Impositi v. 1746. 10. 7*

100

ι. Die Hierarchie und die Leitung der Kirclie durch dieselbe.

{§. 11.

Strafe angeordnet l , seit dem 6. Jahrhundert sind aber schon durch einzelne Provinzialconcilien ein für alle Mal Strafbestimmungen festgesetzt worden 2 . reclit straft den Bischof ordinum 3 )

Das Dekretalen-

mit einjähriger Suspension vom Weiherecht

(a collatione

und das Tridentinum hat diese Vorschrift lediglich wiederholt 4 .

Suspension tritt ipso jure ein und entzieht die Befugniss zur Spendung

Die

sämmtlicher

ordines, nicht blos der unerlaubt gegebenen 5 , dagegen ist damit das Recht zur Ertheilung der Tonsur nicht entzogen, die unbefugte Gewährung der letzteren zieht vielmehr als Strafe eine einjährige Suspension a collatione clericalis tonsurae nach sich

fi.

Vor-

aussetzung des Eintritts dieser Strafen ist aber eine wissentliche oder aus selbstverschuldeter, grober Unwissenheit erfolgte Ueberschreitung der Kompetenz 7 . Dieselben Strafen sind auf Aebte anzuwenden, die das Recht der Ertheilung der minores besitzen, dieselben aber Angehörigen anderer Klöster oder weltlichen Personen ertheilen s . Dagegen tritt für den Abt oder exemten Prälaten, welcher weltlichen Personen Dimissorien ertheilt, von selbst die einjährige Suspension ab officio et beneficio ein 9 ; die Verletzung der Vorschriften über die Ausstellung der Dimissorien für Regularen seitens eines Ordensoberen zieht nach dem Dekret Clemens' V I I I . von 1596 eine ipso iure eintretende Privation des Amtes, der Dignität oder der Administration, sowie des aktiven und passiven Stimmrechtes nebst etwa noch arbiträr vom Papst zu verhängenden Strafen nach sich 10 . Eine einjährige Suspension ab exercitio pontificalium, d. h. von der Ausübung aller Funktionen des ordo episcopalis trifft den "Bischof, welcher in einer fremden Diöcese oder in einem exemten Orte ohne Erlaubniss des kompeten Oberen irgend einen W e i h grad oder die Tonsur ertheilt hat; die gleiche Strafe findet Anwendung auf den Weihebischof, wenn er die gedachten Handlungen ohne Erlaubniss des ordinarii loci und des kompetenten Bischofs des Kandidaten vornimmt 11 ,

sowie auf die Bischöfe Italiens,

welche einen Ultramontanen ohne Beobachtung der speziell dafür gegebenen V o r schriften weihen oder tonsuriren 12 . Werden endlich vom Kapitel in andern als den Ausnahmefällen Dimissorien ertheilt, > c. 7 (Antioch. a. 3 4 1 . ) C. I X . qu. 2 ; c. 15 ( 1 9 ) Sardic. a. 343. 2 c. 15. Aurel. I I I . a. 038 verhängt einjährige Suspension vom Messelesen, welche die 5. Synode von Orleans v. 549 c. 5. auf eine sechsmonatliche herabsetzt. Die Aufnahme der ersten Stelle in das D e k r e t Gratians c. 28. C. V I I . qu. 1. beweist w o h l , dass ihre Vorschrift auch in den folgenden Jahrhunderten und über ihren speziellen Bereich hinaus beobachtet worden ist. Dagegen ordnet c. 7. Arelat. V . a. 554. Ausschluss von der Kirchengemeinschaft auf 3 Monate an. c. 2 (Gregor. X . ) in V l t o de temp, ordin. I . 9. Sess. X X I I I . c. 8. de reform. « V g l . B a r b o s a 1. c. P . I I . alleg. V I I I . Ii. 1. 2 ; K o b e r a. a. 0 . S. 294 ff.; Α . M . F e r r a r i s 1. c. art. 4. η. 21. β c. ult. (Bonifac. V I I I . ) in V l t o eod. — Durch die Const. Innocenz' X I I . speculatores. § . 12. ist hieran nichts geändert, nur hat dieselbe die einjährige Suspension auch auf die Verletzung der speziell in ihr gegebenen Vorschriften ausgedehnt, sowie die Verhängung weiterer arbiträrer Strafen dem l'apst vorbehalten. S. auch Constit. Benedikts 3

4

X I V . : Impositi. § . 10. 11, welche dieselben Strafen für den einen Mönch weihenden, inkompetenten Bischof ausspricht. 7 c. 2. In VI 4 ® cit. Eine licentia praesumpta, welche Einzelne der unverschuldeten Verletzung der Kompetenzvorschriften gleichstellen (s. B a r b o s a 1. c. n. 4 ) , beseitigt die Suspension nicht. S. K o b e r S. 153 ff. 296 ff.; auch H a l l i e r 1. c. art. 10. η. 1. 2. ö Dieser Fall ist vom Tridentinum nicht erwähnt. A b e r c. 2. cit. in V I 1 " spricht ganz allgemein von : „eos qui clericos alienae parochiae . . . praesumpserint ordinäre 1 '. S. die Glosse dazu, ferner P i r h i n g I . 11. n. 100; l l e i f f e n s t u e l 1. 11. n. 1 8 7 ; K o b e r S. 298 ff. 394 ff. a Trid. Sess. X X I I I . c. 10. de r e f . ; K o b e r S. 394. « S. R i g a n t i 1. c. 3. n. 292 ff.; Constit. Benedikts X I V . Impositi. §. 10. 11 Trid. Sess. V I . c. 5. de r e f . ; Sess. X I V . c. 2. de r e f . ; K o b e r S. 300 ff. 12 Constit. Urbans V I I I . : Secretis aeternae v. 11. Dezember 1C24. §. 3 ( M . ISullar. 4, 8 2 ) ; K o b e r S. 302.

§· 11.]

Die Befugniss zur Ertheilung der Ordination.

101

so wird dasselbe vom Interdikt betroffen 1 und wenngleich das Tridentinum nicht des Kapitularverwesers gedenkt, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, diese Strafe auch auf ihn für dergleichen Kontraventionen anzuwenden 2 . VI. Ein R e c h t d e s S t a a t e s , diese Vorschriften des Kirchenrechtes durch selbstständige Bestimmungen, namentlich durch ein Verbot der Ordinationen der Landesunterthanen durch Bischöfe in anderen Staaten, einzuschränken 3 , lässt sich vom principiellen Standpunkte aus sicherlich nicht rechtfertigen 4 . Die Beschaffung ihrer Geistlichen ist Sache der Kirche und ein einzelner Staat hat keine Befugniss, der Kirche die Ordination zu verwehren, so lange der Ordinirte nicht innerhalb seiner eigenen Gränzen eine Anstellung beansprucht, vollends da nicht, wo die Selbstständigkeit der katholischen Kirche verfassungsmässig garantirt ist 5 . Möglich und gerechtfertigt erscheint höchstens eine Einwirkung des Staates, wenn es sich um die Verleihung eines Kirchenamtes in seinem Gebiete handelt. VII. Die bisher besprochenen Kegeln können auf die E r t h e i l u n g d e r B i s c h o f s w e i h e keine Anwendung finden, weil hier der Ordinator notwendigerweise für eine andere, als seine eigene Diöcese weihen muss. In dieser Beziehung galt von den ältesten Zeiten ab der Grundsatz, dass der Bischof von seinem Metropoliten im Verein mit den übrigen Bischöfen der Provinz zu weihen sei 6 , sofern nicht durch die besonderen Rechte der • Trid. Sess. VII. c. 10. de ref. S. F e r r a r i s 1. c. art. 3. η. 40. 41. Vielfach wird auch behauptet, so l i a r b o s a 1. c. alleg. VII. 11. 1 2 ; R i g a n t i 1. c. §. 3. n. 236 ff., dass der Kapitularvikar in die einjährige Suspension ab officio et benelicio verfällt, das folgt aber nicht aus dem dafür angeführten c. 10. de ref. Sess. X X I I I . Trid. 3 Vgl. Preuss. A. L. R. Th. II. tit. 11. §. 6 4 : „Landesunterthanen sollen ohne besondere Erlaubniss die Ordination zu geistlichen Aemtern bei auswärtigen Behörden nicht nachsuchen oder annehmen". 4 Α. M. E i c h h o r n 1, 4 8 5 , der aber Ordination und Anstellung nicht auseinander hält. r > Dass §. 64. A. L. R. a. a. 0 . durch Art. 15 der Preuss. Verfassungsurkunde beseitigt i s t , hat auch ein Erlass des Kultusministers v. 25. Februar 1851 ( V o g t , Preuss. Kirchenrecht 1 , 1 3 2 ; R i c h t e r in D o v e s Zeitschrift. 1, 112) ausgesprochen. Dass sonst noch in Deutschland ähnliche Bestimmungen, wie die des Preuss. A. L. R. vorkommen, ist mir nicht bekannt. Der Erlass des österreichischen Kultusministeriums v. 11. Oktober 1859 enthält ein solches Verbot nicht. (S. S c h u l t e , Lehrbuch. 2. Aufl. S. 171. n. 33). β c. 4. Nicaen. a. 325 in c. 1. Dist. L X I V (wegen des veränderten Sinns in der Uebersetzung vgl. H e f e l e , Conciliengesch. 1, 3 6 8 ) ; c. 19 Antioch. a. 3 4 1 ; c. 25 (c. 2. Dist. LXXV), c. 28. Chalced. a. 4 5 1 ; Nov. 123. c. 3 ; Innoc. I. ad Victor. Rothom. a. 404. c. 1 (Mansi 3, 1032); lionifac. I. ad Hilar, a. 420 (Mansi 4, 3 9 5 ) , Leo I. ad episc. p. Vienn. a. 445 (Baller. 1, 633), ad kustic. Narbon. a. 4 3 8 o. 439. c. 1 (1. c. 1416) Hilar. I. ad Leont. a. 463, ad Ascan. a. 465. c. 1. (Mansi 7, 936. 9 2 7 ) ; c. 8 (Tarrac. a. 516) Dist. L X V . ; c. 5 (Tolet. IV, a. 633) Dist . L I . ; Emeritens. a. 666. c. 4 ; c. 7 (Mart. Brac.) Dist. L X I V . ; c. 2 (Mart. Brac.) Dist. L X V ; Regiens. a. 439. 2

praef. u . c. 2 ; c. 5. Arelat. II. a. 442. o. 452 = c. 7. X. de temper, ordin. I. 1 1 ; c. 1. Epaon. a. 5 1 7 ; c. 1. Aurel. II. a. 5 3 3 ; c. 3. Aurel. III. a. 5 3 8 ; c. 5. Aurel. IV. a. 5 4 1 ; c. 10. Aurel. V. a. 5 4 9 ; c. 10. Arvern. I I . a. 5 4 9 ; Paris, a. 557. c. 8 ; c. 9. Turon. II. a. 5 6 7 ; Paris, a. 614. c. 1 ; c. 6 (Luc. I I I . ) X. de temp, ordinat. I. 9. Vgl. auch ferner H a l l i e r I. c. art. 3. η. 23. 24. Können nicht sämmtliche Provinzialbischöfe assistiren , so genügt die Anwesenheit von 3 einschliesslich des konsekrirenden Metropoliten, welcher sich aber auch vertreten lassen kann. c. 4. Nicaen. ; c. 20. Arelat. I. a. 3 1 4 ; c. 39. Carth. III. a. 3 9 7 ; c. 2. Regiense; c. 21. Araus. I. a. 4 4 1 ; c. 5. Dist. L I ; c. 7. 6. X. de temp. ord.; c. 10 (Innoc. I I I . ) x ! de off. jud. I. 3 1 ; c. 16. (Honor. I I I . ) X . de temp, ordin. I. 1 1 ; c. 11. 5 (Alex. I I I . ) de elect. I. 6. Vgl. über den Fall der Verhinderung des Metropoliten ferner H a l l i e r 1. c. c. 4. art. 1. η. 3 3 ff. Die drei Bischöfe gelten als Stellvertreter der übrigen. S. P h i l l i p s 1. 3 7 6 ; ein anderer sagenhafter Grund in c. 2 (Pseud. Isid.)Dist. LXVI. — C. 1. apostol. gestattet aber die Weihe durch mindestens 2 Bischöfe und auf diese Weise ist Papst Pelagius I. 555 konsekrirt. Lib. pontif. (ed. Vignoli 1, 2 2 3 ) : „Dum non essent eo tempore episcopi qui eum ordinarent, inventi sunt duo episcopi Johannes de Perusia et Bonus de Ferentino et Andreas presbyter de Ostia et ordinaverunt eum pontiflcem". Nach den apostolischen Constitutionen VIII. 26 soll sogar imNothfall ein Bischof ordiniren können , wovon Gregor I. in dem Brief an Augustin resp. VIII. a. 601 (ed. Bened. 2, 1150) eine Anwendung m a c h t : „ E t quidem in Anglorum ecclesia in qua adhuc solus tu episcopus inveniris , ordinäre episcopum non aliter nisi sine episcopis potes". Wo benachbarte Bischöfe zugezogen werden können, wird dies in Ermanglung von Provinzialbischöfen schon vom c. 5. Sard. a. 343 (c. 9. Dist. L X V . ) vorgeschrieben.

102

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§· 11.

über den Metropoliten stehenden, mit eigentümlichen Privilegien ausgestatteten Bischöfe Ausnahmen, welche sogleich zu erwähnen sind, herbeigeführt wurden. Was die Ordidation der Metropoliten betrifft, so musste diese durch die sämmtlichen Bischöfe der Provinz 1 vorgenommen werden. Indess ist auch eine Weihe durch andere Metropoliten üblich gewesen 2 . Und da, wo über denselben noch eine weitere Stufe der hierarchischen Ordnung gesetzt war, ist die Weihe der Metropoliten oft ein Recht der Inhaber dieser höheren Stellung geworden. So ordinirte der Patriarch von Alexandria die Metropoliten seiner Diöcese, j a selbst die Suffragane derselben 3 , während der von Antiochien mindestens sicher eine gleiche Befugniss hinsichtlich der Metropoliten 4 und der Patriarch von Konstantinopel ausserdem auch noch das Recht hatte, die Bischöfe in den von den Barbaren besetzten Theilen der Metropolitansprengel zu weihen 5 . Aehnliche Rechte haben auch im Abendlande einzelne Bischöfe auf Grund einer seit uralten Zeiten bestandenen Gewohnheit und Anerkennung ihres Vorrangs 6 oder der ihnen ertheilten Primatialwürde 7 ausgeübt. Ueber die Weihe der Patriarchen selbst finden sich keine allgemeinen Festsetzungen; nach den überlieferten Beispielen haben hier die Bischöfe aus dem Patriarchalsprengel in verschiedener Zahl und verschiedener Weise konkurrirt 8 . Was den Papst selbst betrifft, hat dieser schon früh die Ordination der italienischen Metropoliten und auch ihrer Bischöfe selbst ausgeübt 9 , eine Thatsache, welche sich zur Genüge aus der hervorragenden Stellung der Kirche Roms über die ihr zunächst gelegenen Bisthümer erklärt. Obgleich der c. 6 des Nicänischen Concils die Patriarchalwürde des i-ömischen Bischofs für das ganze Abendland anerkennt, so lässt sich doch der Nachweis nicht führen, dass in den früheren Zeiten seitens der römischen Päpste ein ausschliessliches Konsekrationsrecht der Metropoliten oder gar der Bischöfe in der Weise beansprucht worden ist, dass nur ihnen oder einem besonders von ihnen delegirten Stellvertreter die Befugniss zur Bischofsweihe zugestanden hätte 10 . Wiederholt ist zwar 1 Cyprian, ep. adStephanum I. papambeiCoustant. p. 2 1 1 ; c. 19 (Leo I.) Dist. LXIII; c. 6 (Gelas. I) Dist. LXIV.; c. 5. §. 1 (Tolet. IV. a. 633.) Dist. LI.; c. 1 (Pseud. Isid.) Dist. LXV1; c. 6 (Luc. III.) X. de temp, ordin. 1.11. S. auch Nov. 123. c. 3 : „Metropolitan! autem qui a propria synodo vel beatissimis patriarchis crearitur". S. auch H a i Ii er 1. c. art. 2. η. 1 1ϊ. 2 So namentlich in Gallien wahrend der Merovingischen Zeit. S. c. 3. Aurel. III. a. 538; H a l l i e r 1. c. n. 11 ff.; vgl. ferner c. 33 (Pelag. I . ) C. XXIV. qu. 1. 3 c. 6. Nicaen. a. 325. H a l l i e r 1. c. art. 4. η. 3 ; M a a s s e n , der Primat des Bischofs von Rom. Horm. 1853. S. 24 ff. Uebrigens ist damit nicht jeder Einfluss des Metropoliten auf die Besetzung der Bisthümer ausgeschlossen gewesen S. c. 4. cit. Nicaen. Es handelt sich überhaupt hier nur um die Befugniss zur Weihe, welche freilich auch durch das Besetzungsrecht vielfach beeinflusst worden ist. Das Weitere darüber unten in der Lehre von der Besetzung der Bischofsstühle. * Inno«. I. ep. ad Alex. Ant. c. a. 415. c. 1 (Mansi 3, 1054), H a l l i e r 1. c. n. 6 ff,; M a a s s e n S. 45 ff. 5 c. 28. Chalced. a. 4 5 1 ; H a l l i e r 1. c. n. 16 ff., M a a s s e n S. 91 ff. β c. 45. Carth. III. a. 397; H a l l i e r 1. c. n. 23 ff.; T h o m a s s i n P.-I. lib. I. c. 20. η. 8. Das „inconsulto primate" in c. 12. Carth. II. a.

397; c. 1. Telept. a. 418. geht auf den die Stelle des Metropoliten dort einnehmenden, ältesten Bischof der Provinz (s. T h o m a s s i n 1. c. n. 6 ; H e f e l e , Conciliengeschichte 2 , 44. 52. η. 1), schliesst also damit die Ordinationsbefugniss des Bischofs von Karthago nicht aus. 7 Vgl. ζ. B. in Betreff des Primas von Arles ep. Zosimi ad ep. Galliae. A. 417 (Mansi 4, 359), wonach demselben die Weihe der Bischöfe in der Viennensis, sowie in der Narbonnensis I. u. II. zustand, und dazu T h o m a s s i n 1. c. c. 30. Ii. 5 ; H a l l i e r 1. c. art. 3. η. 2 2 ; über den von Toledo c. 6. Tolet. XII. n. 681. 8 S. darüber H a l l i e r 1. c. art. 5. η. 3 ff. 9 Für Sizilien s. Leo I. ep. ad episc. Sicil. c. l . a . 447 (Ball. 1, 715), für Mailand und Aquileja c. 33 (Pelag. I.) C. XXIV. qu. 1; für Syrakus Gregor I. a. 595. bei Jaffe'reg. 1001; Nicolaus I. a. 860. Jaffe' 2021; für Mailand Gregor I. a. 593. 600. J. 869. 870. 1375. 1376; Gregor I. für Ravenna a. 955. J. 999; für Rimini a. 597. J. 1097. 1098; Cumä a. 592. J. 815; für Neapel a. 592. 593. J. 854. 8 7 5 ; Nocera a. 593, J. 880; Sorrent. a. 600. J. 1301; Salona a. 593. J. 919. S. ferner ep. Caroli Calv. ad Johann. VIII. c. 21. a. 877. (Hincmari opp. 2, 778) und Gregorii VII. registr. I. 86 (Jaffe, monum. Gregor, p. 108). Vgl. hierzu auch H a l l i e r 1. c. art. 3. η. 1 ff. 10 s . M a a s s e n S. 121. 122; l l c f e l e , Conciliengesch. 1, 383. Für die Zeit bis zum 12.

§. 12.] Die Verletzung der Vorschriften über die Irregularitäten durch den Ordinator.

103

seitens der Päpste ihre Befugniss die Ordination selbst vorzunehmen ausgesprochen, aber daneben stets das Recht der Metropoliten und übrigen Bischöfe betont worden und die Fälle, in denen eine Weihe durch die Päpste selbst vorkommt, sind meistens durch besondere Verhältnisse veranlasst, welche ein Eingreifen oder eine Betheiligung des Papstes bedingten oder wenigstens wünschenswerth erscheinen liessen 2 . Erst in Folge der späteren Entwicklung, welche den Metropoliten das Konfirmationsrecht der Suffraganbischöfe entzogen und zum Reservatrecht des Papstes gemacht hat, ist auch das Konsekrationsrecht ein solches geworden 3 , so dass die Weihe seitdem nur durch einen mit besonderer päpstlichen Vollmacht versehenen Bischof ertheilt werden kann 4 .

§. 12.

3. Die

Verletzung

der Vorschriften über die Irregularitäten den Ordinator.

durch

Die einzige allgemeine Strafandrohung für die Weihe eines Irregulären ist in der Bestimmung zu finden, dass der Bischof, welcher eine nach den kirchenrechtlichen Vorschriften ungeeignete Person zum Priester weiht, von dem Ordinationsrecht suspendirt sein soll 5 . Spezielle Anordnungen weist das Corpus iuris dagegen für folgende Fälle auf: 1. Die Ordination einer propter defectum aetatis irregulären Person zieht für den Weihenden die Suspension von der Ausübung des Weiherechtes (ferendae sententiae) nach sich 0 . 2. Wenn der Bischof wissentlich einen bigamus oder eine Person, die öffentliche Busse gethan hat, ordinirt, so trifft ihn eine einjährige Suspension von dem Rechte der Celebration der Messe 7 . J a h r h u n d e r t wird das auch durch die oben vorgetragenen Sätze über die Konsekration durch die Metropoliten widerlegt. S. f e r n e r H a l l i e r 1. c. art. 3. η. 2 3 ff. 28. 1 c. 20. C. I X . qu. 3 ( S t e p h a n u s , wohl Stephan V. a. 8 1 6 . u . 8 1 7 ) : . . . „ n o l e n t e s alicuius ecclesiae Privilegium infringere licet apostolica praerogativa possimus de qualibet ecclesia clericum ord i n ä r e " ; Flodoard. hist. Kemens. I V . 1 (ed. Sirniond p . 3 1 3 ) : . . . „ T e u t b o l d u m . . . eligentes ab ipso papa ( S t e p h a n o V I . a. 8 8 7 ) „sibimet in episcopum" ( L i n g o n e n s e m ) „consecrari p e t i e r i n t . . . sed ille u n i u s c u i u s q u e ecclesiae Privilegium inconcussum servare volens id agere distulerit euraque praefato A u r e l i a n o " (archiepiscopo L u g d u n e n s i ) „direxerit scribens u t — m a n u m h u i c imponere liequaquam differret"; Gregor. V I I . ep. ad Iticher i u m a. 1 0 7 7 . J . 3 7 6 9 . Vgl. auch v a n E s p e n , J . E . U . P . I . tit. 15. Ii. 2 . 2 I>as gilt auch f ü r die m e h r e r e n nachweisbaren F ä l l e , in d e n e n Gregor V I I . die Ordination von Bischöfen selbst vollzogen hat. S. J a f f e reg. a. 1074. n. 3 6 1 0 . n . 3 6 1 8 ; a. 1076. a. 3 7 4 3 . 3 7 4 4 ; a. 1076. n . 3752. 3 7 5 3 ; obwohl der Satz „ q u o d de omni ecclesia q u e m c u m q u e voluerit clericum valeat ordinäre" auch von Gregor. V I I . in dessen dictatus (Jaffe m o n u m . Gregor, p. 174) wiederholt worden ist. Vgl. f e r n e r H a l l i e r 1. c. n . 27. 2 8 . 56. F ü r das 12. J a h r h . finden diese Grundsätze· A n e r k e n n u n g durch die W e i h e Ottos von Bamberg seitens Paschalis' I I . a. 1106 (Udalrici Babenb. cod. n. 125. 128. 131. 132. 133. J a f f e , monum. Bamberg, p. 2 3 7 ff.) u n d die E r k l ä r u n g Hadrians I V . an Heinrich den Löwen bei

Helmold. chron. I . 8 0 ( 8 1 ) L e i b n i t z S S . B r u n svic. 2, 603. „Eo tempore accessit d u x . . ad papain rogans eura pro consecratione (Geroldi) Aldenburgensis electi q u i cum modestia recusavit dicens, libenter se facere velle postulata, si posset fieri sine iniuria metropolitani". Freilich ist die "Weihe doch erfolgt. Ueber die Z e i t Alexanders I I I . u n d den nicht abweichenden S t a n d p u n k t des Dekretalenrechts vgl. H a l l i e r 1. c . ' n . 3 2 ff. 3 Vgl. vorläufig P h i l l i p s 5, 3 9 5 ff. 4 K o c h , sanctio pragmatica G e r m a n o r u m ρ. 7 6 ; N e l l e r i n S c h m i d t , T h e s a u r u s iur. ecclesiast. 4, 3 9 ; Pontif. Roman, de consecr. episcopi im E i n g a n g : „Nemo consecrari debet, nisi p r i u s constet consecratori de commissione consecrandi sive per litteras apostolicas, si sit extra curiam, sive per commissionem vivae vocis oraculo a sumnio pontifice consecratori f a c t a m , si consecrator ipse sit cardinalis": Benedict! X I V . Constitutio: In postremo v. 20. Oktober 1756. §§. 1 5 — 1 7 . (M. Bullar. 19, 2 5 9 . ) s c. 4 3 (Pseudo-Leo) C. I. q u . 1 (wiederholt c. 2 4 . C. X X V . q u . 2). Die suspensio wird als f e rendae sententiae betrachtet u n d n u r auf die E r t h e i l u n g der P r i e s t e r w e i h e beschränkt. S. B a r b o s a , de officio episcopi. P . I I I . alleg. I I I . n. 11. fi c. 14. X . de t e m p , ordin. I . 1 1 ; F a g n a n . ad h. c. n . 4 ; F e r r a r i s s. v. ordo. art 4. η. 7. 8 . Ueber die Strafe der vorschriftswidrigen E r t h e i l u n g der T o n s u r s. den folgenden §. Nr. I. i. f. 7 c. 5 5 ( S t a t . eccl. a n t . ) Dist. L ; c. 2 (Arelat. V. a. 5 2 4 ) Dist. L V ; B a r b o s a l . c. n. 15.

104

I- Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 13.

3. Der Bischof, welcher die Ordination um Geld oder Geldeswerth ertheilt, wird nach dem Dekretalenrecht mit dreijähriger Suspension (ipso iure) vom Weiherecht 1 , nach neuerem Recht dagegen mit der Entziehung der Ausübung sämmtlicher Pontifikalien bis zu der vom Papst erlangten Dispensation2 bestraft. Später hat zwar S i x t u s V. in der schon in der Note 2 erwähnten Constitution: Sanctum et salutare auf die Spendung der Tonsur und der Weihe an irreguläre Personen die zuletzt gedachte Strafe allgemein festgesetzt,

indessen ist dieselbe durch

Cle-

m e n s V I I I . (s. Note 2) wieder aufgehoben worden. Endlich kann jedenfalls in den nicht erwähnten Fällen der Verletzung der Vorschriften über die Irregularitäten eine arbiträr festzusetzende Strafe gegen den Ordinator eintreten3.

III. Die Ertheilung der Ordination. §. 13. I. D i e T o n s u r 4 .

A.

Die

vorbereitenden

Handlungen.

Bis zum vierten Jahrhundert existirte keine die Kleriker von

den Laien unterscheidende Sitte in der Haartracht, nur findet sich eine wiederholte Einschärfung des Verbotes, tragen 5 .

die Haare besonders zu pflegen und auffällig lang zu

Das Kahlscheeren, welches zunächst als Zeichen der übernommenen Busse vor-

kommt, ist aber schon im 4. Jahrhundert bei den Mönchen gebräuchlich gewesen, um damit ihre Lossagung von der Welt anzudeuten und vor derselben recht verächtlich zu erscheinen6.

Von den Mönchen haben dann die Weltkleriker die Sitte im Beginn des

5. Jahrhunderts angenommen.

Während aber die Mönche das Haupt oder wenigstens

den grössten Theil desselben ganz kahl S c h o r e n u n d diese Art der Tonsur von den Klerikern der griechischen Kirche adoptirt worden ist, liess man bei den Geistlichen im Abendlande rings um den Kopf einen schmalen Kranz von Haaren bei der Rasur derselben stehen, indem man sonst, freilich abweichend von der heutigen Tonsur, Haupt vollkommen von den Haaren entblösste.

das

Man nannte daher diese Art der Ton-

sur corona s und weil die Tradition ihre Einführung dem Apostel Petrus zuschrjeb 9 , tonsura S. Petri, auch römische Tonsur, da sie die Kleriker der römischen Kirche 1 c. 45. X . de simon. V . 3. S. Κ o b e r , Suspension S. 322. 2 Nach der in Bezug auf diesen Punkt durch die Const. Clemens' V I I I . : Itomanum pontificem §. 2 ( M . Bull. 3, 6 0 ) nicht beseitigten Const. (Sixtus' "V. : Sanctum et salutare v. 1588. § . 3 ( M . Bull. 2, 711). 3 Boeckhn, ius can. lib. I . tit. 12. η. 5 ; P h i l l i p s , 1, 443. 4 Ga s t o n C h am i l l a r d , de corona, tonsura et habitu clericorum. Paris. 1 6 5 9 ; H a l l i e r , de sacris ordinationibus P . I I I . append, ad s. V I I I . art. 2 ; M o r i n u s , de sacris ordinationibus P . I I I . exerc. X V ; T h o m a s s i n , vetus et nova disciplina lib. I . p. I I . c. 37 — c . 4 2 ; M a b i l l o n , acta ordin. S. Bened. praefat. ad torn. I I I . p. 2. n. 19 f f . ; B i n t e r i m , Denkwürdigkeiten der christkathol. Kirche. Bd. 1. Abth. 1. S. 262 ff.

7. eod. ( A g a t h . a. 5 0 6 ) = c. 22. Dist. X X I I I . Gegen T h o m a s s i n , welcher a. a. 0 . c. 37. n. 1 3 , das Aufkommen der Tonsur bei den Geistlichen erst vom Ende des 5. oder A n f a n g des 6. Jahrh. datirt, mit Recht P h i l l i p s 1, 301. 6 M o r i n u s 1. c. c. 1. n. 3 ; T h o m a s s i n c. 37. n. 11. 12. ι Mit Rücksicht auf Act. apost. X X I . n. 24. 26. wurde diese A r t der Tonsur auf den Apostel Paulus zurückgeführt und tonsura S. Pauli genannt. S. T h o m a s s i n 1. c. c. 38. c. 9. 14. 15. Die Forin ergiebt sich aus der Erzählung über die W e i h e Theodors von Canterbury durch Papst V I talian i. J. 668. bei Beda hist, eccles. I V . 1 (ed. Giles 3, 8 ) : „ Qui subdiaconus ordinatus quatuor exspectavit menses, donee illi coma cresceret quo in coronam tonderi posset: habuerat enim tonsuram more Orientalium saneti Pauli apostoli".

5 V i t a Aniceti ( 1 5 7 ? — 160?) in libr. pontif. c. 2 (die widersprechende Umdeuturig in c. 21. Dist. X X I I I . rührt von Pseudo-Isidor h e r ) ; c. 5. X . (Carth. I V . a. 3 9 8 . ) de vita clericor. I I I . 1 ; c.

8 Schon in c. 38. C. Th. de episc. X V I . 2. a. 407 werden die Geistlichen coronati genannt. 9 M o r i n u s 1. c. η. 5. 6 ; T h o m a s s i n c. 38. Ii. 12. Eine dritte A r t der Tonsur ist die bei den

§. 13.]

Die Erthcilung der Ordination.

105

trugen l . Seit jener Zeit, also seit dem 5. Jahrhundert, hat sich die gedachte Sitte in der ganzen Kirche verbreitet und die Tonsur gilt seitdem als das den Kleriker vom Laien unterscheidende Standeszeichen, welches der Geistliche zu tragen verpflichtet ist 2 . Vom 11. Jahrhundert ab findet sich eine Reihe von Provinzialconcilien 3 , welche diese Verpflichtung wieder einschärfen, weil die Kleriker die Tonsur theils gänzlich ablegten, theils sie viel kleiner als die früher übliche scheeren Hessen. Die Unmöglichkeit, die alte, grosse Tonsur allgemein durchzusetzen, scheint der Grund der im 16. Jahrhundert wiederholt vorkommenden Bestimmung gewesen zu sein, dass die Kleriker je nach dem höheren oder geringeren Grade auch eine grössere oder kleinere Tonsur haben sollten 4 . In der folgenden Zeit ist aber die heute noch gebräuchliche kleine, nur die Mitte des Kopfes umfassende aufgekommen 5 . Britten gebräuchliche, auch Simonis Magi genannt. Bei dieser wurde die vordere Hälfte des Kopfes bis zu einer über denselben von dem einen zum andern Ohr gezogenen Linie geschoren , während auf dem Hinterkopf die Haare stehen blieben. S. M a b i l l o n , annales ord. S. Bened. lib. X V I . c. 32 und die Abbildung des Bischofs Mummolenus zu lib. X V I . c. 5G. ibid. Sie ist schon im 7. Jahrhundert in England verworfen worden. S. T h o m a s s i n 1. c. n. 13. 1 4 ; B i n t e r i m a. a. 0 . S. 274. und den Brief des Abts Aldhelin zw. 675 — 7 0 5 ( J a f f e * , monum. Mogunt. p. 2 6 ) : „Denique rumor . . . longe lateque percrebruit, quod sint in provincia vestra quidam sacerdotes et clerici tonsuram s. Petri apostolorum principis pertinaciter refutantes . . . Qui si a nobis sollicite sciscitentur, quis primus auctor rasurae huius et tonsurae extiterit, omnino aut veritatemignorando aut falsitatem dissimilando obmutescunt. Nos autem secundum plurimorum opinionem Simonem magicae artis inventorem huius tonsurae principem l'uisse, conperimus". 1 Die verschiedenen Bedeutungen der Tonsur, allerdings unter Wiedergabe von Gedanken Isidors von Sevilla und Bedas (s. M o r i n u s 1. c. n. 5 ff.), stellt der in der vorigen Note erwähnte Aldhelm (a. a. 0 . p. 27) iahin zusammen: „Nos, inquam, secundum sacrosanctam scripturae auctoritatem de tonsura nostra veritatis testimonium perhibentes diversas ob causas P e t r u m apostolum hunc ritum sumpsisse adserimus; 1) primitus u t formam et similitudinem Christi in capite gestaret, dum pro redemptione nostra crucis patibulum subiturus a nefanda Judaeorum gente acutis spinarum aculeis crudeliter coronaretur; 2 ) deinde u t sacerdotes veteris et novi testamenti in tonsura et habitu discernerentur; 3) postremo ut idem apostolus suique successores et sequipede ridiculosum gannaturae (Verhöhnung) ludibrium in populo Romano portarent, quia et eorum barones et hostes exercitu superatos sub corona vendere solebant. 4) Ceterum in veteri testamento tonsurae signum a Nazaraeis, i. e. sanctis, ni fallor, sumpsit exordium ; 5 ) est enim regale et sacerdotale stematis indicium. Nam thiara apud veteres in capite sacerdotum constituebatur ; haec bisso retorta, rotunda erat quasi spera media et hoc signiflcatur in parte capitis tonsa. Corona autein latitudo aurea est circuli quae regum capita cingit. Utrumque itaque signum exprimitur in capite clericorum, Petro dicente: Vos estis genus electum, regale sacredotium.

6) Hoc ritu tondendi et radendi, utvitiaresecentur, Signatur et crinibus carnis nostrae quasi criminibus exuamur. S. auch c. 7 (Pseudo-Hieron.) C. XII. qu. 1. 2 Für Italien s. Johann, diac. vita Greg. M. IV. 83, und ferner T h o m a s s i n c. 30. n. 7 ff.; f ü r Gallien und das Frankenreich s. Gregor. M. lib. I X . ep. 106. a. 599 (ed. Bened. 2, 1006); Gregor. Turonens. hist. Francor. 1 1 . 4 1 ; III. 1 8 ; IV. 4 ; V. 1 4 ; VI. 9 ; X. 2 9 ; ferner T h o m a s s i n c. 39. η. 1 ff.; für Spanien c. 41 conc. Tolet. IV. a. 633. F ü r die karolingische Zeit vgl. conc. Aquisgran. a. 816. lib. 1. c. 1 (Mansi 1 4 , 1 5 3 ) u . T h o m a s s i n c. 40. 3 Vgl. die Synoden von Bourges a. 1031. c. 7 (Mansi 19, 5 0 4 ) , Iloueii a. 1190. c. δ (Μ. 22, 5 8 2 ; hier als Strafe Suspension vom Beneflzium vorgeschrieben), Paris a. 1212 u. 1213. P. I . c. 1; P. IV. c. 1 (M. 22, 819. 839), Montpellier a. 1215. c. 4 (M. 22, 941), Montpellier a. 1258. c. 3 (M. 23, 9 9 1 ; als Strafe Verlust der Klerikalprivilegien mit Ausnahme des privileg. ex c. si quis suadente), von London a. 1102. c. 12 (M. 20, 1151) von York a. 1195. c. 6 (M. 22, 654). Mainz a. 1261. c. 2 (M. 23, 1081), Palencia a. 1388. c. 3 (M. 26, 7 4 2 ) : „Tonsurae formam, ad omne ambiguitatis tollendum dubium hic fecimus circumscribi: quam in eadem mensura per singulos praelatos iubemus imprimi locoque utique publico et patenti"). Weitere Nachweisungen bei T h o rn a s s i n c. 41. η. 1 — n. 4. 4 Synode von Sens a. 1 5 2 8 ; Narbonnea. 1551 ; Mecheln s. 1570 (s. T h o m a s s i n c. 41. n. 4 ; B i n t e r i m a. a. 0 . S. 272), Mailand a. 1579. c. 5 : „De tonsura clericali decretum in concilio provinciali primo confecimus , sed u t pro ordinis quo quisque initiatus est, ratione illam magnitudine distinctam, conspicue ferat, certam atque praeiinitam illius formam hoc decreto describi placuerit: quam omnes ita servare iubemus, ut neque ea minorem nec vero etiam inaiorem quisquam omnino episcopo inferior g e r a t , quacunque dignitate ille praeditus sit. Sacerdotis igitur tonsura forma in orbem ducta late et ample pateat unciis (mailäiidisches Maass) I V ; diaconalis uncia una minor; subdiaconalis aliquanto angustior quam diaconalis, minorum denique ordinum corona lata sit undique unciis duabus". r ' Also die Form , welche das 4. Conc. von Toledo v. 633 c. 41 verwirft: „Omnes clerici vcl lectores sicut levitae et sacerdotes detonso superius

106

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 13.

Die Ertheilung der Tonsur erfolgte in älterer Zeit unmittelbar vor der Spendung der niederen Weihen, war also zunächst kein von derselben getrennter und verschiedener A k t E r s t die Sitte, den zum geistlichen Stand bestimmten Kindern von vornherein eine eigends darauf berechnete Erziehung zu geben, führte den Gebrauch herbei, ihnen die Tonsur schon bei ihrer Annahme als Zeichen ihres zukünftigen Berufes zu ertheilen 2 . Mit dem Empfang der Tonsur allein gilt daher der Eintritt in den geistlichen Stand als erfolgt 3 und somit auch das Recht auf die Privilegien des geistlichen Standes erworben 4 . Weil aber viele sich nur die Tonsur geben Hessen, um die gedachten Vorrechte für sich geltend machen zu können, sollen diejenigen, welche eine mit dem Klerikalstande unvereinbare Lebensweise ergriffen haben, die Tonsur nicht weiter tragen 5 und keinen Anspruch auf die Klerikalprivilegien haben e . Was das heutige Recht betrifft, so unterliegt die gesonderte Ertheilung der Tonsur keinem Bedenken 7 . Das Tridentinum verlangt ausser dem schon früher vorgeschriebenen vollendeten siebenten Lebensjahre 8 , dass der zu Tonsurirende das Sakrament der Firmelung erhalten habe, und Kenntniss des Lesens und Schreibens, sowie der Anfangsgründe der christlichen Glaubenslehre besitze, ferner dass auch die Wahrscheinlichkeit vorhanden sei, dass der Kandidat dem geistlichen Stande treu bleiben werde Das Privilegium fori kann aber der Tonsurirte nur dann beanspruchen, wenn er die Tonsur, sowie geistliches Gewand trägt, ausserdem aber entweder Dienste bei einer bestimmten Kirche leistet oder sich in einer geistlichen Vorbereitungsanstalt für den Empfang der Weihen befindet 10 . capite inferius solum circuli coronam relinquant, non sicut hueusque in Gallaeciae partibus facere lectores videntur qui prolixis ut laici comis in solo capitis apice modicum circulum tondent; ritus enim iste inHispaniis hueusque haereticorum fuit etc.". S. auch B i n t e r i m a. a. 0 . 273. Das nähere in Betreff der Form hat der Bischof zu bestimmen. S. G i n z e l , österr. Kirchenrecht 2, 111. 1 M o r i n u s 1. c. exerc. 15. η. 1 ff. 2 c. 1. Tolet. II. a. 531 (c. 24. Tolet. IV. a. 633); S. auch das Concil von Tribur a. 89ö bei Itegino app. I. 40 = c. 6. X. de vita et hon. clericor. III. 1. (vgl. W a s s e r s c h i e b e n , Beiträge S. 175; P h i l l i p s , die grosse Synode von Tribur. •S. 33.) M o r i n u s 1. c. n. 4 ff. Aus dieser Trennung erklärt sich auch die Sitte, dass der sich dem geistlichen Stande Weihende sich selbst die Tonsur ertheilt. Vgl. Gregor. Turon. III. 1 8 : ,,Is (Chlodowald, Enkel Chlodwigs I. und Sohn Chlodomars i. J . 033) postposito regno terreno ad dominum transiit et sibi manu propria capillos incidens bonisque operibus insistens clericus factus est". Marculfl form. I. 19. 3 S. c. 7. cit. C. XII. qu. 1; c. 11. (Innoc. I I I . ) X. de aet. et qual. I. 14. 4 Denn c. 11. cit. legt den Tonsurirten den clericalis ordo bei. Vorausgesetzt ist das privileg. immunitatis in c. 9 (Honor. III.) X. de cler. conj. III. 3 ; das priv. fori in c. 27 (Honor. I I I . ) X. de privil. V. 3 3 ; c. un. (Bonif. VIII.) de cler. conj. III. 2 ; das priv. canonis si quis in c. un. cit. 5 F ü r den Fall einer kriegerischen Lebensweise und der Verheirathurig ausgesprochen in c. 10 (Honor.) X. de cler. conj.; c. 7 (Innoc. I I I · ) ; c. 9. eod.; c. 27. cit. X. de privil. Unter allen Umständen entzieht die Verheirathurig das Privileg

aber nicht. S. c. un. in VI'» cit. Aus demselben Grunde ist von einzelnen Provinzialconcilien (so ζ. B. von dem von Trier a. 1310 c. 8. Mansi 25, 250) den Laien das Tragen der Tonsur verboten worden. 6 c. un. in VI 1 " cit. S. auch K o l e r , Suspension S. 308. 309. t S. Trid. Sess. XXIII. c. 4. de ref. ; Pontif. Roman, tit. de clerico faciendo; die früheren Kanonisten erklären sogar den Empfang der Tonsur und der minores an einem Tage zusammen für nicht gestattet, s. F a g n a n . ad c. 3. Χ. I. 11. n. 14; eine Ansicht, welche in Rom nach einer Anordnung Benedikts XIII. von 1725 praktisch befolgt wird, s. Analect. jur. pont. 1855. p. 2756. 8 S. c. 4 (Bonif. VIII.) in Vit" de temp, ordin. I. 9 ; darüber, dass das 7. Jahr vollendet sei. muss s. F a g n a n . comm. ad c. 35. X. de praebn III. 5. n. 20. 9 Trid. 1. c., vgl. auch c. 4. in VI*» cit. 10 Trid. Sess. XXIII. c. 6. de reform. Da der Tonsurirte im Unterlassungsfall nur bestraft werden, aber die Kirche von ihren Rechten nichts verlieren soll, so bleibt es immer imErmessen des kirchlichen Oberen , einen solchen Kleriker trotzdem für das geistliche Forum zu reklamiren. S. Const. Innocenz' XIII. Apostolici minister« ν. 23. Mai 1723. 28 (Μ. Bull. 13, 6 1 ) ; B e n e d . XIV. de syn. dioec. XII. 2. n. 3. — Die übrigen Klerikalprivilegien verliert der Kleriker dadurch nicht, dass er keine Tonsur und kein geistliches Gewand trägt. S. B e n e d . XIV. 1. c. η. 1. 2. und die dort sowie die in R i c h t e r s Trident. S. 184. n. 10. 11 ci. tirten Entscheidungen. Durch die Gesetzgebung der modernen Staaten sind diese Bestimmungen für das Gebiet des weltlichen Rechtes fast überall

§· 13.]

Die Ertheilung der Ordination.

107

Welche Personen zur Ertheilung der Tonsur berechtigt sind, ergiebt die Darstellung über die Fähigkeit und die Befugniss zur Ordination (§§. 10. 11). Danach kann für die Regel der kompetente Bischof und ausnahmsweise unter gewissen Voraussetzungen ein Kardinalpriester oder Abt die Spendung vornehmen 1 . Dass vorher eine Prüfung über das Vorhandensein der erwähnten Erfordernisse angestellt werden muss, versteht sich von selbst 2 . Ein bestimmter Ort und eine bestimmte Zeit ist für die Ertheilung der Tonsur nicht vorgeschrieben, dieselbe darf daher an jedem anständigen Ort und zu jeder Zeit erfolgen 3 , jedoch soll eine geistliche Vorbereitung des Kandidaten vorhergehen 4 . Die Nichtbeobachtung der Vorschriften über die Voraussetzungen in der Person des zu Tonsurirenden, sowie die Spendung der Tonsur an einen verheiratheten Mann, sofern dieser nicht die höheren Weihen erlangen will und nach den kirchenrechtlichen Normen auch erhalten kann, zieht einjährige Suspension von dem Recht zu tonsuriren ipso facto nach sich 5 . Ueber die Frage, ob die Tonsur als ein besonderer Ordo zu betrachten ist, vgl. oben S. 6. Die Form der Ertheilung ergiebt das Pontificale Romanum im Titel: de clerico faciendo. II. D i e S c r u t i n i a 6 . Schon für die ältesten Zeiten ist dieüebung bezeugt, dass der Ordination sowohl der Bischöfe wie auch der übrigen Kleriker genaue Untersuchungen und Prüfungen über die persönlichen Eigenschaften, die Befähigung, die Würdigkeit und den Glauben der Kandidaten vorhergingen, zu welchem Behuf auch die Gemeinde aufgefordert wurde, ihre Einwendungen gegen den Weihekandidaten geltend zu machen 7 . Die entscheidende, der Ordination vorhergehende Prüfung wurde namentunpraktisch geworden. Uebrigens hat schon (las weltliche Iiecht des Mittelalters die Kleriker, welche keine Tonsur und kein geistliches Gewand trugen , vielfach den Laien gleich behandelt, also das Reklamationsrecht der Kirche verworfen. S. F r i e d b e r g , de flnium intereccl. et civit. regund. iudicio. p. 134 ff. 1 Ein älteres Verbot gegen die Ertheilung der Tonsur allgemein durch die Aebte enthält die Synode' von Poitiers ν. 1100. c. 1 (Mansi 20, 1123). 2 Ausdrücklich sagt das das Tridentinum nicht. Vgl. auch H a l l i e r 1. c. P. I. s. 2. c. 1. n. 6—8; c. 3. n. 23—37. und die dort angeführten Partikularsynoden des 16. Jahrh.

3 c. 6. Dist. LXXV; Trid. Sess. XXIII. c. 8. de ref.; Pontif. roman. 1. c. : „clericus iieri potest etiam extra missarum solemnia quocumque die, hora et loco1'. 4 Vgl. Const. Benedikts X I V : Quod sancta v. 23. November 1740. Anh. §. III. n. 12 (M. Bull. 16, 14).

5 S. c. 4. in Vit« cit. I. 9 , das durch Trid. Sess. XXIII. c. 4. nicht aufgehoben worden ist. S. Κ ob e r , Suspension S. 310 ff. Auf die Ertheilung der ordines an Kinder, Ununterrichtete und Ehemänner kann diese Strafe nicht analog ausgedehnt werden, hier muss vielmehr ausser dem im vorigen Paragraph gedachten Fall eine

poena arbitraria eintreten. S. Κ o b e r a. a. O. S. 313. 6 S. B e n ed. XIV. de syn. dioec. lib. V. c. 5; P h i l l i p s 1, 435 ff. 7 Vgl. Lampridii vita Alexandri Severi c. 45 (Script, hist, august, ed. Jordan 1,250): „ubi aliquos voluisset rectores provinciis dare vel praepositos facere vel procuratores i. e. rationales ordinäre, nomina eorum proponebat, hortans populum ut si quid haberet criminis, probaret manifestis rebus . . . dicebatque grave esse quum id Christiani et Judaei facerent in praedicandis sacerdotibus qui ordinandi sunt"; Cyprian, ep. 68. S. ferner c. 7. (Nicaen. a. 325) Dist. XXIV; c. 4 (Nicaen. a. 325) Dist. L X X X I ; Leo I. a. 446 in c. 5. Dist. LXI. u. c. 3. Dist. LXXVIII; c. 8. (Gelas. I. a. 494) Dist. LXXVII; c. 2 (Stat. eccl. ant.) Dist. X X I I I ; c. 5 (Tolet. IV. a. 633) Dist. LI. Für die morgenländische Kirche vgl. d e L a g a r d e , reliquiae jur. eccles. antiq. p . 5 ; T h o m a s s i i i P. II. lib. I. c. 33. η. 1 ff. Nov. Just. 123. c. 1. 14. Ueber die Betheiligung der Gemeinde s. ferner H a l l i e r 1. c. P. I. s. 1. c. 3. Die in den alten Ordinationsritualen bei der Bischofs-, Priester-, Diakonats- und Subdiakonats- Weihe vorkommenden Aufforderungen an das Volk s. M o r i n u s 1. c. ed. nova. Antverp. 1695. P . I I . p. 213. 214. 215. 246. 268. 277. 279 linden sich in dem heut gebräuchlichen Pontif. Roman, unter dem Titel: de ordinatione diaconi u. de ordinatione presbyteri wieder.

108

Ι· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§-13.

lieh von den Archidiakonen vorgenommenwiewohl sich eine feste und gleichförmige Uebung während des Mittelalters in dieser Beziehung nicht gebildet hat 2 . Während für die Ermittelung der Würdigkeit der für Bischofsstühle designirten Kandidaten ein eigenthümliches Verfahren entwickelt worden ist, welches passender in der Lehre von der Besetzung der Bischofssitze seine Darstellung findet, sind hier noch die Vorschriften zu besprechen, durch welche das Tridentinum den hier in Rede stehenden Punkt allgemein geregelt hat. Seitens der Kandidaten der niederen Weihen verlangt es die Beibringung eines guten Zeugnisses des Pfarrers und des Vorstandes der Schule, in welcher sie unterrichtet worden sind 3 . Die Kandidaten für die höheren ordines sollen sich dagegen einen Monat vor der Weihe bei der bischöflichen Kurie melden und auf ihr Gesuch soll durch den Bischof der Pfarrer ihres Domizils oder eine andere passende Person mit der öffentlichen Bekanntmachung ihrer bevorstehenden Ordination in der Kirche, sowie mit der Untersuchung über das Vorliegen der Erfordernisse in Bezug auf ihre Geburt, ihr Alter und ihren Lebenswandel beauftragt werden. Das Resultat dieser Prüfung ist demnächst dem Bischof durch s. g. literae testimoniales mitzutheilen 4 . Abgesehen von diesem vielfach ausser Uebung gekommenen s. g. s c r u t i n i u m p r i m u m 5 schreibt das Tridentinum noch eine z w e i t e Prüfung vor, welche wenige Tage vor der Weihe von dem Bischof unter Hinzuziehung geeigneter Examinatoren hinsichtlich der vorhin erwähnten Erfordernisse sowie der Kenntnisse und des Glaubens der Kandidaten abgehalten werden soll 6 . Ein d r i t t e s Scrutinium, welches bei dem Ordinationsakt selbst in .der Weise vorkommt, dass der Archidiakon auf die Frage des Bischofs die Würdigkeit des Kandidaten bekräftigt, ist 7 jetzt eine blosse Förmlichkeit des Rituals geworden 8 . III. E x e r c i t i a s p i r i t u a l i a . Damit die Kandidaten der höheren ordines dieselben mit der nöthigen Sammlung empfangen, sollen sie sich vor der Ablegung des Examens vor dem Bischof in ein geistliches Institut oder zu einem bewährten Geistlichen zurückziehen und sich unter der Leitung desselben oder eines bei dem Institut ange1 Hincmari capit. archidiac. c. 11 (Opp. 1, 7 4 0 ) ; c. 9 (Innoc. III.) X. de offle. archid. I. 2 3 ; H a l l i e r 1. c. c. 2. η. 1 ff.; B e n e d i c t . XIV. instit. LXXII. n. 22. 2 Eine Untersuchung durch die Pfarrer, denen die jüngeren Kleriker zur Ausbildung und Ilülfeleistung überwiesen sind, schreiben vor c. 1. Vasens. II. a. 5 2 9 ; c. 18. Eraerit. a. 666; durch die Erzpriester und deputirte Geistliche und Laien c. 5 (Nannet. a. 658) Dist. X X I V . , durch die Erzpriester und die übrigen Priester c. 6. Ticin. a. 850 (LL. 1, 397). 3 Sess. XXIII. c. 5. de ref. Weiter gehende Nachforschungen nach Art der für die Kandidaten der höheren Weihen vorgeschriebenen widersprechen jedenfalls dem Geist der Bestimmungen des Tridentinums nicht und sind mitunter durch Provinzialsynoden des 16. Jahrhunderts angeordnet worden. S. H a l l i e r 1. c. c. 2. art. 3. η. 14. 15. 4 Näheres bei H a l l i e r 1. c. art. 3. 5 S. M ü l l e r , Lexikon des K. R. Art. Weihen. 2. Aufl. 5, 557; P a c h m a n n §. 2 4 6 ; P e r m a n e d e r § . 148. Dagegen schärft das Provinzialconcil von Gran v. 1858 (Mo y , Arch. 9, 104) die Vornahme dieses Scrutiniums wieder ein. Die öffentliche Bekanntmachung ist wenigstens für

die Subdiakonatsweihe noch in einzelnen Diöcesen gebräuchlich, so in M a i n z ( M a i n z e r Diöcesanstatuten. Mainz. 1837. S. 70) oder neuerdings wieder vorgeschrieben, so ζ. B. für P r a g , P a d e r b o r n 1857 und M ü n c h e n - F r e i s i n g , s. S c h u l t e , Lehrbuch. S. 176. n. 2 0 ; G e r l a c h , Paderborner Diöcesanrecht. 2. Aufl. S. 7 5 ; P e r m a n e d e r a. a. O. n. 3. e Sess. X X I I I . c. 7. de ref. Die gedachten Veränderungen hängen mit der heutigen Art der klerikalen Erziehung und Ausbildung zusammen, wobei f ü r die Aufnahme in die Knabenseminare, die Konvikte der Theologie - Studirenden und die Priesterseminare die Vorlegung bestimmter Zeugnisse und die Ablegung von P r ü f u n g e n erfordert, sowie ein höherer Weihegrad der Kegel nach erst den in die Priesterseminare Aufgenommenen ertheilt wird. 7 c. un. (Jnnoc. I I I . ) X . de scrutinio in ordine I. 12.

8 S. B e n e d . XIV. instit. 1. c. Im pontifleale Romanum fragt bei der Diakonats- u n d Priesterweihe der Bischof den Archidiakon: „ Scis illos dignos esse" und dieser antwortet: „quantum h u mana fragilitas nosse sinit, et scio et testifleoripsos dignos esse ad huius onus officii'·.

§· 14.]

Die Ertheilung der Ordination.

109

stellten Priesters durch Gebete, fromme Betrachtungen und Fasten vorbereiten, auch zugleich in der Vornahme der geistlichen Funktionen unterrichtet werden 1 . Endlich wird nach einem uralten Gebrauch vorherige Beichte wenigstens für den Empfang der höheren ordines erfordert' 2 .

§. 14. B. Die Ertheilung der Ordination. I. D i e P f l i c h t des B i s c h o f s z u r E r t h e i l u n g d e r W e i h e . Hat der Kandidat die in den vorstehenden Paragraphen besprochenen Voraussetzungen erfüllt, so ist der Bischof noch nicht verpflichtet, ihm die Weihe zu geben, er kann dieselbe vielmehr verweigern, wenn er selbst aussergerichtlich (aber nicht durch die Beichte) Kunde von einem nicht an und für sich die Irregularität begründenden Vergehen des Kandidaten erhalten h a t , welches dessen Fernhaltung vom Klerikalstande oder Verhinderung am weiteren Aufsteigen rechtfertigt, und hat dann nicht dem Kandidaten, sondern nur auf den dem letzteren gestatteten Rekurs an den apostolischen Stuhl diesem die Gründe seiner Weigerung mitzutheilen, mit deren Untersuchung zuvörderst der Erzbischof oder der nächste Bischof beauftragt wird 4 . Für die Entscheidung der Frage, ob auch ausser dem besprochenen Fall jeder fähigen Person auf deren Verlangen die Weihe ertheilt werden muss, bieten in Betreff der höheren Weihen die Bestimmungen über den Titel den nöthigen Anhalt. Da für die Regel allein auf den titulus beneficii die Ordination gespendet werden soll und nur ausnahmsweise im Fall einer necessitas oder commoditas ecclesiae der titulus patrimonii oder pensionis genügt, so folgt daraus das Recht des Bischofs zu entscheiden, ob der Bedarf seiner Diöcese an Klerikern der maiores ordines gedeckt ist und im Bejahungsfalle die Ordination zu verweigern. Dieselben Gesichtspunkte müssen auch für die Tonsur und die minores als massgebend erachtet werden. Abgesehen davon, dass eine übermässige Anzahl von unbeschäftigten Tonsurirten und Minoristen eine grosse und naheliegende Gefahr für die Würde und das Ansehen des ganzen geistlichen Standes mit sich bringen würde, fasst das Recht die niederen Weihen nur als Uebergangsstufen auf, da dieselben nur an solche gegeben werden sollen, bei denen sich der Wille und die Fähigkeit, die höheren zu empfangen, bez. auszuüben, voraussetzen lässt 5 . Hieraus folgt aber zugleich die Konsequenz, dass auch die Möglichkeit vorliegen muss, ungeeigneten Aspiranten schon die niederen Weihen zu versagen II. P f l i c h t d e s K a n d i d a t e n d i e w e i t e r e n W e i h e n zu e m p f a n g e n . Nicht gerechtfertigt erscheint es dagegen, aus dem erwähnten Grundsatz des Tridentinums ohne Weiteres den Schluss, dass auch ein Kleriker der niederen Weihen zur Bewerbung und zur Erlangung der höheren bei Strafe des Verluste der Klerikalprivilegien gezwungen ι Für llom und Italien ist das vorgeschrieben in den Constitutionen Alexanders V I I . : Apostolica sollicitudo v. 7. August 1662. §§. 3. 4. (M. Bull. 6, 1 7 3 ) , Innocenz'XI. v. 9. Oktober 1682 (s. B e n e d . XIV. inst. CIV. n. 4 . ) und Clemens' XI. y. 1. Februar 1710 fM. Bull. 8, 4 2 211 ... . , , . . Λ „ ' ... T Im übrigen beruht die Anordnung auf partikulären Rechtsnormen. S. B e n e d . XIV. 1. c . ; H a l l i e r P. I. s. 4. n. 12 ff. Als Fristen komm e n l 0 , 8 3 Tage vor. Für Münster vgl. K r a b b e , stat. synod, dioec. Monast. p. 120; fur Köln R h e i n w a l d , acta hist, eccles. saec. X I X , 3, 478 ff.; für Paderborn M o y , Arch. 20, 397.

2 S. Catechism. Kom. P. II. c. 7. qu. 26. n. 2 ; Provinzialsynoden, welche dieselbe auch für die Erlangung der Tonsur und der minores vorschreiben, s. bei H a l l i e r 1. c. s. 4. η. 1 ff. 5 ff. . , , . , , J, „ „ S. B o e n n i n g l i a u s e n , de irregul. 1, Ii. gg n

* S. oben S. 41. η. δ. 5 Trid 6

gess

c

4

u

^

reform

Vgl. B e n e d . XIV. de syn. dioec. lib. XII. c. 4. n. 8.

110

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

w e r d e n könne, zu ziehen.

[§· 14.

D i e W e i h e soll nicht wider W i l l e n ertheilt w e r d e n (s. unter

I I I . ) ; der Minorist k a n n auch in seiner niederen Stellung durch treue Pflichterfüllung sich als ein der Kirche nützlicher Diener e r w e i s e n , und den E m p f a n g der höheren Ordines im Bewusstsein seiner Unwürdigkeit von sich ablehnen.

Aber immer steht das

Interesse der Kirche höher als sein eigenes und darum wird e r ,

weil die niederen

W e i h e n ihrer N a t u r n a c h nur als Vorbereitungs- und Uebergangsstufen gelten, im F a l l , dass eine N o t w e n d i g k e i t für die Kirche vorliegt, dem Bischof, welcher ihn weiter p r o moviren will, F o l g e leisten, eventuell sich die V e r h ä n g u n g der erwähnten Strafe gefallen lassen m ü s s e n 1 . III. K o n s e n s

des Kandidaten.

D i e W e i h e soll selbstverständlich —

abge-

sehen vom F a l l zu II. — nur solchen Personen ertheilt w e r d e n , w e l c h e dieselbe zu empfangen w ü n s c h e n 2 .

Ist sie ohne einen solchen K o n s e n s erfolgt, also vorgenommen

unter A n w e n d u n g von Z w a n g , an Kindern, W a h n s i n n i g e n oder Schlafenden, so kommt es darauf an, ob die betreffende Person bei der Vornahme der Ordinationshandlung oder vor B e g i n n des den Gebrauch ihrer Vernunft und ihres W i l l e n s ausschliessenden Z n standes eine positiv g e g e n den E m p f a n g des Sakraments gerichtete,

denselben direkt

abwehrende Absicht h a t t e , wie das ζ. B . bei der A n w e n d u n g von physischem Z w a n g g e g e n einen Widerstrebenden der F a l l zu sein p f l e g t 3 . Unter dieser Voraussetzung wirkt die vollzogene Ordination N i c h t s . siva,

im K i n d e s a l t e r ,

S o n s t , also bei einem in F o l g e von s. g . vis c o m p u l -

im S c h l a f e Ordinirten wird die W e i h e als gültig a n g e s e h e n 4 .

1 c. 4 (cod. eccl. At'ric. c. 31); c. 9 (Gelas. I. s. T h i e l , epist. rom. pontif. S. 488) c. 2 (Gregor. I.) Dist. LXXIV; B e n e d . XIV. 1. c. n. 1. 7 ; K o b e r , Suspension S. 319, s. auch H a l l i e r P. I. s. 5. 0. 2. art. 3 ; c. 1. n. 19 ff. Ueber den nicht hier in Frage stehenden Fall, wo der Kleriker wegen des von ihm angenommenen Beneflziums einen bestimmten ordo zu erwerben verpflichtet ist, s. B e n e d . XIV. a. a. 0 . n. 4. 2 In den früheren Jahrhunderten sind die Beispiele, in denen Klerus und Volk einem Widerstrebenden mit Gewalt die Weihe aufzwangen , nicht selten, Paulinus von Nola hat so die Presbyterwürde 393—394, ebenso Germanus von Auxerre (386 — 4 4 8 ) die Tonsur und die Bischofswürde empfangen. Vgl. hierüber und über andere Fälle H a l l i e r P. I. s. 5. c. 1. n. 8 ff.; Beispiel eines Zwangs zur Weihe durch den Bischof, um sich eines ihm lästigen Diakons zu entledigen in c. 8. cit. Dist. LXXIV. Dass ein solcher Zwang auch ein Mittel war, unbequeme Thronprätendenten und politische Gegner zu beseitigen, ist aus der Geschichte des merovingischen Geschlechts hinreichend bekannt; s. ζ. B. Gregor. Turon. hist. Franc. II. 41; V. 14; ferner H a l l i e r 1. c. n. 10 ff. Die Kirche hat den Zwang nie gebilligt, s. c. 7. Aurel. III. a. 538 (c. 1. Dist. LXXIV); c. 7 (Simplicius), c. 2. 8 (Gregor. I.) Dist. LXXIV; c. 42 (Cabilon. a. 813) C. XVI. qu. 7 ; c. 5 (conc. cit.) C. XX. qu. 3 ; dagegen auch die Gesetzgebung der späteren römischen Kaiser s. die Constitution von Leo I. u. Majorian a. 460 (tit. 11. novellar. Maior. de episcop. iudicio et ne quis invitus ordinetur. ed. Haenel p. 330), die freilich die erzwungene Bischofsweihe im Gegensatz zu den übrigen ordines für gültig erklärt. — Während dieselbe Constitution auch den E l t e r n verbietet, ihre Kinder gegen den Willen

derselben dem geistlichen Stande zu widmen, ist später im Abendlande ein solches Recht anerkannt worden, s. c. 1. Tolet. II. a. 531; die Gesetzgebung Karls des Gr. hat erfolglos dieses Recht zu beseitigen gesucht. Vgl. einerseits Cap. dupl. Aquisgr. a. 811. c. 10 (LL. 1, 167) u. Conc. Mogunt. a. 813. c. 23 (Mansi 14, 72), andererseits conc. Tribur. a. 895 bei Regino app. I. 40. = c. 6. X. de vita et hon. cler. III. 1. wie denn auch Karl der Kahle seinen Sohn Karlmann wider dessen Willen zum Eintritt in den geistlichen Stand gezwungen hat. s. Reginon. chron. a. 870 (SS. 1, 583); T h o m a s s i n P. I. lib. 3. c. 57. n. 4 ; D ü m m l e r , ostfränk. Reich 1 , 7 5 9 . Eine eingehende Behandlung der Frage allerdings mehr mit Rücksicht auf die Widmung zum Mönchsstande in B e n e d . XIV. Const. Probote vom 15. Dezember 1751 (M. Bull. 18, 247); H a l l i e r 1. c. 5. 8. c. 2. art. 2. Für das heutige kirchliche Recht muss analog, c. 14 (Colest. III.) X. de regular. III. 31., welches dem dem Mönchsstande gewidmeten Kinde die freie Wahl bei Erreichung des Diskretionsjahres offen lässt, angewendet werden. Praktisch erledigt sich die Frage dadurch, dass auf dem staatlichen Gebiete allein die Civilgesetzgebung über das Recht der Kinder ihre Berufsart zu wählen massgebend sein kann. S. auch oben§. 62. 3 Derartige praktische Fälle s. Anal. iur. pontif. 1864. S. 756. 4 Vgl. das zur Entscheidung dogmatischer Kontroversen, zunächst hinsichtlich der Taufe erlassene c. 3 (Innoc. III.) X. de baptismo. III. 42; ferner die Entscheidungen der Congr. Conc. in der R i e h t e r sehen Ausg. des Tridentinums. S. 175 ff. 201 ff., eine neuere von 1861 in den Anal. jur. pontif. v. 1863. p. 2284; endlich Constit. Benedikts X I V : Eo quamvis tempore v. 4. Mai 1745. §§. 20 ff. (M. Bull. 16, 295).

§· 1 4 ]

Die Ertheilung der Ordination.

Ill

Daher kann ein solcher auf die Hechte des geistlichen Standes Ansprach machen, muss dann aber auch selbstverständlich die mit demselben verbundenen Pflichten übernehmen. Andererseits darf aber der Ordinirte, so lange er den an ihm ohne seinen Willen vollzogenen Akt nicht ausdrücklich oder durch sein Benehmen stillschweigend ratihabirt hat, die Folgen der Ordination, namentlich also die Beobachtung des Cölibatsgesetzes, ablehnen 1 . Als Strafe für den Zwang anwendenden Bischof tritt einjährige Suspension vom Recht, das heil. Messopfer darzubringen, ein 2 . IV. D i e R e i h e n f o l g e d e r e i n z e l n e n W e i h e s t u f e n . Schon das Koncil von Sardika von 343 hat die Vorschrift aufgestellt, dass die Weihen nur in der vorgeschriebenen Stufenfolge, also die je höhere nach der j e niederen ertheilt werden soll 3 , und diese Regel, welche im Laufe der Zeiten vielfach wiederholt ist 4 , hat bis auf den heutigen Tag Geltung behalten 5 . Eine unter Verletzung dieser Vorschrift ertheilte Ordination (die s. g. promotio per solium)0 tangirt die Validität des gespendeten Ordo nicht 7 , mit der einzigen Ausnahme, dass die bischöfliche Konsekration zu ihrer Gültigkeit den vorhergehenden Empfang der Priesterweihe voraussetzt 8 . Dagegen trifft den Ordinirten nach neuerem Recht" eine auch bei Schuldlosigkeit ipso facto eintretende Suspension von den unrechtmässig, nicht von den früher ordnungsmässig empfangenen Graden' 0 , jedoch kann der Bischof, sofern der per saltum promotus in den vorschriftswidrig erhaltenen ordo nicht funktionirt hat, aus einer rechtmässigen Ursache dispensiren, d . h . den übersprungenen ordo nachträglich ertheilen und die Erlaubniss zum 1 Das ist die neuere überwiegende Meinung, welche nicht einmal eine Dispensation vom Cölibatsgesetze verlangt. In der älteren Zeit nahm man dagegen eine nur durch Dispensation zu hebende Verpflichtung für den Unverheirateten an; wogegen man beim Verheiratheten wegen des ehelichen Hechts seiner Frau eine Verbindlichkeit nicht statuirte. Bei der zwangsweisen Ordination muss selbstverständlich ein den allgemeinen Erfordernissen entsprechender metus vorgelegen haben. Vgl. I i a l l i e r 1. c. s. δ. c. 1. n. 28 ff.; u. namentlich F a g n a n . ad c. 3. X. cit. n. 92 ff.; s. auch P h i l l i p s 1, 453. Dass in der heutigen Gestaltung der Lehre eine Inkonsequenz im Interesse der natürlichen Gerechtigkeit gegenüber der dogmatischen Schulmeinung liegt, kann nicht zweifelhaft sein, denn die Folgen — ob der Cölibat dahin gehört, darüber unten — eines gültigen Aktes können allein wegen eines denselben treffenden Fehlers nicht beseitigt werden, wenn er selbst durch den letzteren nicht afflcirt werden soll. Konsequent ist dagegen c. 7. Toletan. VIII. a. 563. 2 So die Doktrin (s. B a r b o s a de off. episc. P. III. alleg. 111. n. 3; K o b e r , Suspension S. 318) in Anschluss an c. 1. Dist. LXXIV. 3 c. 10 = c. 10. Dist. LXI („et ita per singulos gradus, si dignus fuerit, ascendat ad culmen episcopatus"). * Ep. Siricii ad Eumer. a. 385. c. 9. 10 (Coustant. 623), Innoc. I. ad Felic. Nuc. c. 5 (ibid. 910), c. 2 (Zosimus. a. 418) Dist. LIX; ep. Gelasii ad episc. p. Luc. a. 494. c. 2. 3 (Thiel 363), c. 2 (Gregor. I.) Dist. XLVIII. c. 5. Constantinop. a. 869 (Mansi 16, 402). Vgl. ferner c. 20. Braoar. I. a. 563; c. 3. JUrcinon. II. a. 599; c. 5

(Tolet. IV. a. 633) Dist. L I ; Gregor. Turon. hist, eccles. IV. 6; VI. 15. Eine Ausnahmebestimmung enthalten c. 2. Arelat. IV. a. 524; c. 9. Arvern. II. a. 549; c. 9. Aurel. V. a. 549. Die Beispiele, in denen die Vorschriften in früherer Zeit nicht beobachtet worden, sind ziemlich zahlreich. S. H a l l i e r 1. c. P. II. s. 1. c. 1. art. II. n. 7 ; M o r i n u s P. III. ex. 11. c. 2. n. 3 ; Thom a s s i n P. II. lib. I. c. 83. n. 7 ff.; I l e f e l e , Conciliengesch. 4, 175. 235. 350. 351. 353; über Bischof Bernward v. Hildesheim 993 — 1022. Thangm. vita c. 1. 2 (SS. 4, 758. 759). Uebrigens ist für die älteren Stellen der oben S. 4 berührte Umstand in Rücksicht zu ziehen, dass die Zahl der minores anfänglich schwankend war. 5 c. un. (Alex. II. a. 1065) Dist. LII; c. un. (Innoc. III.) de der. per salt. V. 29; Trid. Sess. XXIII. c. 14. de reform. 6 Der Ausdruck kommt schon vor bei Siricius c. 29 (a. 385.) C. XVI. qn. 1. 7 c. un. (Alex. II. a. 1065) Dist LII; c. un. (Innoc. III.) X. de cler. per salt. V. 29. 8 H a l l i e r 1. c. n. 10 ff.; M o r i n u s 1. c. n. 1 ff.; F a g n a n . ad c. un. X. cit. n. 2 sqq. u. ad c. 1. Χ. I. 13. n. 80 ff.; B e n e d . XIV. const.: In postremo v. 20. Oktober 1756. §§. 10 — 12 (M. Bull. 19, 257). !l Nach älterem Recht trat Deposition ein, s. K o b e r a. a. O. S. 212. 10 c. un. X. h. t. cit. — Uebrigens wird auch der Nichtempfang der Tonsur unter den Begriff der promotio per saltum subsumirt. S. dieEntsch. der Congr. Gone, bei R e i f f e n s t u e l V. 29. n. 6 ; G i r a l d i , expos, jur. pontif. P. I. s. 866. n. 2. p. 765.

112

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 14.

Ministriren und zum Aufsteigen zu den ferneren Weihen geben 1 . Für den Bischof, welcher das Verbot der promotio per saltum verletzt, ist keine Strafe ein für alle Mal angedroht, es kann also hier nur eine poena arbitraria eintreten. Y. D i e I n t e r s t i t i e n . In inniger Verbindung mit dem eben erwähnten Verbot steht die weitere Vorschrift, dass der Ordinande erst in den niederen Graden funktioniren und sich hierbei bewähren muss, ehe er zu den höheren ordines befördert werden kann 2 , d. h. dass zwischen der Erlangung der einzelnen Weihegrade gewisse Zwischenräume (s. g. i n t e r s t i t i a ) innegehalten werden sollen. Als absolut gebietende und keine Ausnahmen zulassende Vorschriften stellen sich aber jene Festsetzungen über die innezuhaltenden Fristen nicht dar ; t und so sind in der Praxis des Lebens nicht nur oft andere und kürzere Zeiträume beobachtet worden, sondern man hat sich auch geradezu vielfach über das Verbot hinweggesetzt 4 ; j a mit der allmählig eintretenden Umbildung· der niederen ordines in blos formelle Durchgangsstufen haben die Interstitiell für diese ihre innere Bedeutung verloren. In Uebereinstimmung mit seiner Stellung dieser letzteren Entwicklung gegenüber empfiehlt das Koncil von T r i e n t ebenso wie es die Wiederbelebung der Funktionen der niederen ordines als zu erstrebendes Ziel hinstellt, die Innehaltung der Interstitiell zwischen den minores, überlässt aber das Nähere und die Gestattung von Ausnahmen dem Ermessen des Bischofs 5 . In D e u t s c h l a n d hat sich indessen die Gewohnheit fixirt, dass die Tonsur und sämmtliche niedere Weihen an ein und demselben Tage ertheilt werden 6 . Zwischen dem Empfang des letzten minor und dem Subdiakonat soll ein Kirchenjahr liegen. Da aber der Bischof auch hiervon im Fall der Notwendigkeit oder des Nutzens der Kirche absehen kann 7 , so hält man in Deutschland dieses Interstitium ebenfalls gewohnheitsmässig nicht inne; ferner wird ein dahin gehendes Gewohnheitsrecht als zulässig anerkannt, dass die minores und der Subdiakonat an ein und demselben Tage konferirt werden s . I Trid. Sess. X X I I I . c. 14. de ref.; Clemens' V I I I . Const.; Romanum pontiftcem v. 28. Februar 1595. §. 2 (M. Bull. 3, 60); B a r b o s a 1. c. P. II. alleg. 4 7 ; K o b e r a. a. 0 . S. 212 ff. Unter welchen Voraussetzungen die Irregularität eintritt, darüber s. oben S. 50. n. 8. - Nur das Princip sprechen aus c. 10 (Sardic.) Dist. L X I ; c. 1. 2 (Zosimus) Dist. LIX., wo das Zuwiderhandeln gleichfalls als ordinatio per saltum bezeichnet wird; c. 4 (Coelest. 1.) eod. s. auch c. 80 apost.; bestimmte Zeiten für das Funktioniren in den einzelnen ordines schreiben vor c. 3 (Siricius); c. 2 (Zosimus); c. 9 (Gelasius I.) Dist. LXXVII. — S. überhaupt H a l l i e r P. II. s. 7. c. 1. art. 7 ; nur Einzelnes bei T h o m a s s i n P.I. lib. 1. c. 35. 36. 3 Auf sie verweisen freilich c. 3. Barcinon. II. a. 5 9 9 ; c. 7. stat. ßhispacens. a. 799 (LL. 1, 78). 4 Vgl. die Note 4. zu S. 111; denn in der Verletzung des dort besprochenen Verbots liegt immer selbstverständlich auch eine der hier in Rede stehenden Vorschrift. Nov. 123. c. 1. §. 2 ; c. 20. Bracar. I. a. 563 schreiben verhältnissmässig kurze Fristen vor. S. auch Gregor. Turon. hist. eccl. VI. 9 : ,,qui (liadnchisilus domus regiae

maior) tonsuratus gradus quos clerici sortiantur ascendens post X L dies migrante sacerdote (Cenomanensi) successit". Auf dem Concil von Clermont a. 1095 sind 2 nicht näher bezeichnete Bischöfe abgesetzt, weil sie die sämmtlichen Weihen innerhalb Jahresfrist empfangen hatten (s. Mansi 20, 912). — Das Dekretalenrecht weist in c. 13 (Innoc. I I I . ) 15 (Honorius I I I . ) X . de temp. ord. I. 11. nur Verbote der Ertheilnng zweier ordines sacri an demselben Tage auf, und die Glosse zu c. 3 X. eod. s. v. minores gestattet dem Bischof die Kumulirung der minores. 5 Sess. XXIII. c. 11. de ref. Die Vorschriften des Tridentinums schärft von Neuem ein die Constit. Innocenz : XII. Speculatores von 1694. §. 1. 6 E n g e l colleg. jur. can. I. 11. η. 2 0 ; S c h m i e r lib. I. tr. 4. c. 4. η. 4 ; P h i l l i p s 1, 656; S c h u l t e 2, 146. n. 3. Die Statthaftigkeit einer solchen Gewohnheit überhaupt nimmt auch die Congr. Conc. a n , s. F a g n a n . ad c. 3. X . h. t. I. 11. n. 42. ' Sess. X X I I I . c. 11. cit. 8 S. F a g n a n . 1. c. n. 4 1 ; R i g a n t i , comm. in reg. canc. X X I V . §. 1. n. 8 7 ; Benedict. XIV. quaest. comm. et morales, qu. 592. n. 13 ff. ; (Hassan. 1767. 2, 162); S c h u l t e a. a. 0 . n. 4.

§· 14.]

113

Die Ertheilung der Ordination.

Zwischen dem Subdiakonat und den andern höheren Ordines bis zum Presbyterat soll gleichfalls ein Interstitium von einem Kirchenjahr beobachtet werden ^ Auf die Erlangung der Bischofsweihe beziehen sich die Vorschriften des Tridentinums nicht und daher ist es nicht nur zulässig, dass Jemand, welcher am Samstag Priester geworden ist, am folgenden Sonntag zum Bischof konsekrirt 2 , sondern auch dass Priesterweihe und bischöfliche Konsekration an ein und demselben Tage vorgenommen wird 3 . Von der Innehaltung der Interstitien darf der Bischof aus den vorhin gedachten Gründen 4 dispensiren, dagegen kann die gleichzeitige Spendung zweier ordines sacri sowie der minores und des Subdiakonats, wo in letzterer Beziehung kein abweichendes Gewohnheitsrecht besteht, erlaubter Weise nur auf Grund einer päptlichen Dispensation stattfinden 5 . Auf die Verletzung der Vorschriften über die Interstitien ist keine Strafe vom Kirchenrecht allgemein festgesetzt 6 , es kann demnach nur die Verhängung einer arbiträren Strafe erfolgen 7 . Eine Ausnahme macht aber der unberechtigte Empfang der minores und des Subdiakonats , sowie der zweier ordines sacri an einem und demselben Tage; hier tritt eine suspensio ipso facto im ersten Fall von den Funktionen des Subdiakonats, im zweiten von denen des zweiten höheren ordo ein, von welcher nur der Papst absolviren kann 8 . Gegen den ordinirenden Bischof ist nur für die Spendung zweier höherer Weihegrade eine allein vom apostolischen Stuhl zu beseitigende suspensio ipso iure von der Kollation der in der gedachten Weise gespendeten ordines vorgeschrieben 9 ; dass indessen bei gleichzeitiger Ertheilung der minores und des Subdiakonats 10 und auch in anderen Fällen 1 1 eine arbiträre Strafe und als solche auch die suspensio (als ferendae sententiae) gegen ihn verhängt werden kann, unterliegt keinem Bedenken. ι Trid. Sess. X X I I I . c. 13. 14. — Da das hier u n d zwischen dem Subdiakonat u n d dem l e t z t e i h a l t e n e n minor -verlangte I n t e r s t i t i u m n u r ein K i r c h e n j a h r b e t r ä g t , so brauchen nicht 3 6 ö Tage abgelaufen sein ; die Frist kann sich bei der s t a t t zuhabenden B e r e c h n u n g von einem Quatember zum andern dadurch k ü r z e r s t e l l e n , dass Ostern f r ü h e r e i n t r i t t . S. F a g n a n . ad c. 13. X . h. t. n . 2 ; H a l l i e r 1. c. 11. 2 9 ; R i g a n t i 1. c. n . 7 1 . 2 Glossa ad c. 4. D i s t . L X X V . s. v. sabbati; H a l l i e r 1. c. art. 6. η. β ; R i g a n t i 1. c. η. 72. 3 R e i f f e n s t u e l I. 11. η. 1 6 5 ; K o b e r a. a. Ο. S. 2 1 0 . 4 Also wegen necessitas oder ecclesiae u t i l i t a s ; erstere liegt ζ. Β. vor, w e n n der Kandidat est arctat u s de benelicio. S. H a l l i e r 1. c. art. 7 bis. — Die A e b t e u n d Ordensgenerale haben die D i s p e n sationsbefugniss f ü r ihre Regularen n i c h t , aber der Bischof ist an ihre Attestation des Vorhandenseins der legitima causa g e b u n d e n . S. die Entscheidungen der Congr. Gone, in R i c h t e r s T r i d e n t i n u m . S. 2 0 0 ; E n g e l 1. c. n. 20. — Werden Dimissorien e r t h e i l t , so hat der dieselbe ausstellende Bischof (ihm s t e h t gleich der dazu berechtigte General- u n d Kapitular-Vikar) die Dispensation zu e r t h e i l e n . E n g e l 1. c . ; S c h m i e r 1. c. n . 11 if. B e d u r f t e es bei der Ordination durch den episcopus proprius keiner Dispensation von den I n t e r s t i t i e n , weil in derDiöcese desselben ein abweichendes Gewohnheitsrecht g i l t , so erscheint auch keine Dispensation seitens des weiH i n s c h i u s , Kirchenrecht.

h e n d e n Bischofs, in dessen Diöcese die I n t e r s t i t i e n beobachtet werden , erforderlich, d e n n l e t z t e r e r ü b t n u r die Befugnisse des k o m p e t e n t e n Bischofs an dessen Statt aus. Α. M. E n g e i l . c. 5 D e n n die gemeinrechtlichen Vorschriften der c. 13. 15. t i t . , c. 2. X . de eo q u i f u r t . V. 3 0 ; c. 13. de ref. Trid. 1. c. k a n n der Bischof nicht ausser K r a f t setzen. B a r b o s a 1. c. P. I I . alleg. X I V . c. 11. E i n e solche e n t h ä l t die n . 12 der Q u i n q u e n n a l f a k u l t ä t e n der deutschen Bischöfe: „conferendi ordines e x t r a tempora e t non s e r vatis interstitiis usque ad sacerdotium inclusive" nicht. 6 Die in der Constitution S i x t u s ' V : S a n c t u m et salutare v. 1588. §. 3 (M. Bull. 2, 7 1 1 ) angeordnete Suspension ipso facto f ü r die non servatis i n t e i s t i t i i s Ordinirten ist durch die Const. Clemens' V I I I : R o m a n u m pontifleem §. 2 (M. Bull. 3, 6 0 ) wieder beseitigt. S. auch K o b e r a. a. 0 . S. 2 0 8 . ' B a r b o s a 1. c. P . I I . alleg. 18. n . 1 4 ; H a l l i e r 1. c. art. 7. η. 1 2 ; K o b e r S. 2 0 9 . 8 S. c. 2. Χ . V. 3 0 ; c. 13. Χ . I . 11. cit. B a r b o s a 1. c. P . I I . alleg. 14. n. 1 1 ; R i g a n t i 1. c. n. 76. 7 7 . 9 1 f f . ; K o b e r a. a. 0 . S. 2 1 0 ; R i c h t e r s T r i d e n t i n u m S. 2 0 0 . 9 c. 13. X . c i t . ; K o b e r S. 3 2 0 . 10 S. die E n t s c h e i d u n g der Congr. Conc. bei R i c h t e r S. 2 0 0 ; R i g a n t i 1. c. n . 9 3 — 1 0 2 . 11 S. R e i f f e n s t u e l 1. c. I . 11. n. 203. 2 0 4 ; F e r r a r i s s. v. ordo art. 4. η. 46. 8

114

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe. VI. Z e i t und Ort der O r d i n a t i o n 1 .

[§. 14.

In den ältesten Zeiten wurde die Prie-

s t e r · und Diakonats - Weihe am Sonntag ertheilt 2 , eine Sitte, deren Reminiscenzen sich bis in das Mittelalter hinein erhalten haben 3 .

Während für die Spendung der

niederen ordines ebenso wie früher 4 auch noch heute der Sonntag und die sonstigen gebotenen Festtage

(festivi dies duplices de praecepto)

5

bestimmt sind, reichen die

Anfänge der heute geltenden Vorschrift, dass die erwähnten höheren Weihen und der Subdiakonat an den Samstagen der vierteljährlichen,

s. g. Quatemberfasten 6 , sowie

dem Samstag vor Judika (sabbatum sitientes oder ante dominicam passionis) und dem Oster-Samstag (sabbatum sanctum) ertheilt werden sollen, bis in das fünfte Jahrhundert hinauf 7 .

Ferner sollen die gedachten ordines in der Kathedralkirche unter Hinzu-

ziehung der Domherren, eventuell in einer andern hervorragenden Kirche 8 der Diöcese unter Assistenz des Ortsklerus während der Messe öffentlich konferirt werden 9 .

Für

die niederen Weihegrade ist das nicht erforderlich, vielmehr besteht in Betreff derselben nur die Vorschrift, dass sie am Morgen und zwar an einem passenden Orte gegeben werden sollen 10 . ertheilt werden

Die Tonsur endlich darf an jedem Tage und Orte zu jeder Stunde

11.

Die Strafe für den Ordinaoiden, welcher die Weihen an andern als den vorgeschriebenen Tagen (extra tempora) empfängt, ist die nach neuerem Recht ipso iure eintretende Suspension von dem so erlangten ordo 12 , deren Aufhebung für die Regel 1 S. H a l l i e r 1. c. art. 1—Ö. * c. 4. 5 ( L e o l . ) Dist. L X X V ; c. 1. Caesaraug. I I I . v. 691. S. auch M a b i l l o n , Museum Italicum. T o m . I I . Lut. Paris. 1689. p. C1II. Dass früher die Ordinationen nur im Dezember ertheilt worden, ist nicht richtig. S. P a g i , breviarium gest. rom. pont. vita Simplicii n. 1 3 f f . (ed. Antverp. 1717. 1, 219).

S.S. Cone. v. Rouen ν 1072. c. 8 (Mansi 20, 3 7 ) ; Lateran, v. 1123. c. 19. 20 ( L L . 2, 183). < e . 6 (Ordo R o m a n . ) Dist. L X X V ; c. 1. 3 ( A l e x . I I I . ) X . h. t. I . 11. D i e Worte des letzt citirten K a p . : „quod licitum episcopis est dominicis et aliis festivis diebus unum aut duos ad minores ordines promovere", werden schon von der Glosse und auch fast überstimmend von der späteren Doktrin (s. G o n z a l e z T e l l e ζ ad c. c i t . ; H a l l i e r 1. c. P . I I . s. 7. c. 1. art. 1. η. 2 ; vgl. aber F a g n a n . ad c. cit. n. 6 ; P h i l l i p s 1, 6 5 0 ) dahin ausgelegt, dass der Bischof die Weihen auch an mehrere ertheilen darf, sofern nur darin nicht die Vornahme der feierlichen an denselben T a g e n , wie die höheren W e i h e n , stattfindenden General - Ordination (d. h. der regelmässig vom Bischof in einem A k t vorzunehmenden Ordination der vorhandenen Kandidaten der sämmtlichen verschiedenen Weihestufen) liegt. 5

Pontific. Roman, de ordinibus conferendis.

6 Vgl. über diese B i n t e r i m , Denkwürdigkeiten der christkath. Kirche V . 2. 133 ff. ^ c. 7 (Gelasius I . a. 4 9 4 ) Dist. L X X V : „Ordinationes presbyterorum et diaconorum nisi certis temporibus et diebus exerceri non debent, i. e. quarti mensis (d. h. J u n i ) ieiunio, septimi ( S e p t e m b e r ) et decimi ( D e z e m b e r ) ; sed et etiam quadragesimalis initii ac medianae hebdomadae et sabbati ieiunio circa vesperam noverint celebrandas", mit welchen letzteren beiden Terminen der erste Samstag in der Fastenzeit und der Samstag

ante dominicam passionis gemeint ist, s. M a b i l l o n 1. c. p. C X X V I I ; Ep. Gregorii I I . a. 722 (Jafle monum. Mogunt. p. 7 9 ) : „Ordinationes vero presbyterorum seu diaconorum non nisi quarti, septimi et decimi mensium ieiuniis sed et in ingressu quadragesimali atque mediante vespere sabbati noverit celebrandas; Römische Synode unter Zacharias von 743. c. 11 (Mansi 12, 3 8 3 ) ; Clerment 1095. c. 24 (Mansi 20, 8 1 5 ) ; für das heutige Recht c. 1. 3. h. t. cit. ; Trid. Sess. X X I I I . c. 8. de r e f . ; pontif. Roman. 1. c . ; vgl. ferner D e v o t i instit. iur. can. lib. I . tit. 4. s. 2. § . 6. Ueber die frühere Sitte, die Ordinationen des Abends zu ertheilen und die Befugniss, die am Abend angefangene Ordination bei Fortdauer des Fastens am andern Tage fortzusetzen s. P h i l l i p s 1, 652 ff. V g l . hierzu B a r b o s a alleg. 11. n. 24 ff. Trid. 1. c. Die Spendung ohne Messe macht die Ordination nicht nichtig, aber es tritt Strafe für denOrdinator und die Ordinirten ein. S. F e r r a r i s s. v. ordo. art. 4. η. 4 2 — 4 5 . ίο Pontif. 1. c. 11 Pontif. de clerico faciendo. 12 C. 2 ( A l e x . I I I . ) , c. 8 ( U r b . I I I . ) ; c. 16 (Gregor. I X . ) X . h. t. I . 11, wo aber die suspensio nur als ferendae sententiae angedroht ist. Das neuere Recht beruht auf der Constit. Pius' I I . : Cum ex sacrorum vom 17. November 1461. § . 2 ( M . Bull. 1, 3 7 3 ) — vgl. K o b e r , Suspension S. 203 ff., da auch für diesen Fall die abändernden Vorschriften der Const. Sixtus' V . : Sanctum et salutare v. 1588. § . 3. durch die Constitution Clemens' V I I I . : Romanum pontificem v. 1595. § . 2. wieder beseitigt sind. — Dass man übrigens im Miltelalter theilweise die extra t e m pora ertheilte Ordination für nichtig angesehen hat, ergiebt c. 2. conc. Tolosan. v. 1055 o. 1056 (Mansi 19, 8 4 7 ) in Verbindung mit c. 16. X . h. t. cit. 8

9

§· 14.1

Die Ertheilung der Ordination.

115

dem Diöcesanbischof zusteht, dem päpstlichen Stuhle aber, wenn letzterer selbst die gesetzlichen Ordinationszeiten wissentlich umgangen hat 1 . Den Bischof, welcher sich eine Ueberschreitung der gedachten Vorschriften zu Schulden kommen lässt, trifft ebenfalls die Suspension, diese ist aber ferendae sententiae und bezieht sich nur auf die Kollation der ordnungswidrig verliehenen und der höheren Weihegrade 2 . Ausnahmsweise kann aber die Weihe an andern als den vorhin gedachten Tagen vom Papste selbst vorgenommen oder einem Bischof gestattet werden 3 . Die übliche Form für solche an die Bischöfe gerichtete Breven (s. g. brevia extra tempora) ist die, dass die Ordination ausser zu den festgesetzten Zeiten noch an drei anderen doppelten Festtagen de praecepto gegeben werden d a r f 4 ; indessen kann der Bischof von dieser Befugniss nur zu Gunsten seiner Untergebenen, nicht anderer, selbst mit Dimissorien auf ihn versehener Personen Gebrauch machen 5 . Die Gründe, aus denen solche Breven vom päpstlichen Stuhl ertheilt werden, sind in einem von einer besonders berufenen (s. g. Partikular-) Kongregation im Jahr 1693 abgefassten Dekret auf Veranlassung Innocenz' XII. zusammengestellt 6 . Auch an verschiedene Orden und Institute sind dergleichen Privilegien mehrfach (so ζ. B. von Gregor XIII. an die Jesuiten 7 , von Urban VIII. für die Zöglinge der unter der Leitung und Aufsicht der Congregatio de propaganda fide stehenden geistlichen Bildungsanstalten 8 , ertheilt worden, und das römische Concil von 1725 unter Benedikt XIII. hat entschieden, dass frühere derartige Privilegien für die Regularen weder durch das Concil von Trient (Sess. XXIII. c. 8. de ref.) noch durch die Constitution Pius' IV. vom 17. Februar 1564 9 beseitigt worden sind 10 . Dagegen können die Vorschriften über die statuta tempora der höheren ordines 1 c. 8. X. cit.; K o b e r S. 206. 2 o. 2. 8. X. cit.; c. 4. in V I t 0 de sent, exconim. ; B a r b o s a 1. c. alleg. 17. n. 9 ; E n g e l I. c. I. 11. n. 16; F e r r a r i s 1. c. art. 4. η. 15. 16. 3 c. 1. 3 (Alex. I I I . ) h. t. I. 11., (iie Quinquennalfakultäten für die deutschen Bischöfe enthalten ζ. B. eine solche Befugniss unter No. 12. — In älterer Zeit ist sie selten in Anspruch genommen worden ,c. 12 (Pelag. I.) Dist. L X X V I ; Tgl. auch ep. Zachar. pp. ad Bonif. a. 751 (mon. Mogunt. ed. J a f f t S p . 225), H a l l i e r 1. c. art. 5. η. 5. 6. S. indessen auch P a g i 1. c. vita Leonis II. n. 15 (ed. cit. 1, 469). Es liegt auf der Hand, dass man bei den früher vorkommenden Ordinationen per saltum u. non servatis interstitiis (s. zu IV. u. V) öfters auch gleichzeitig die hier in Rede stehenden Vorschriften überschreiten musste. H a l l i e r 1. c. n. 3. — Uebrigens kann in der griechischen Kirche die Priester- und Diakonatsweihe an jedem Tage, in der Quadragesimal-Faste aber nur an Samstagen und Sonntagen ertheilt werden, s. H a l l i e r 1. c. n. 2. * Nicht an Festtagen de choro, d. h. solchen, die nur in der Kirche gefeiert werden, aber für die Laien keine weltlichen Ruhetage sind. S. R i g a n t i 1. c. n. 58ff. und R i c h t e r s Tridentinum S. 186, wo eine Reihe Entscheidungen derCongr. Conc. 5 So die Praxis, s. R i g a n t i 1. c. n. 64—68. 6 Mitgetheilt bei R i g a n t i n. 44. Die betreffende Stelle lautet: ,, Ut quis beneficio vi cuius arctatur ad presbyteralem ordinem suscipiendum

vel alteri etiam perpetuo beneficio quod obtinet vel capellaniae ad vitam sibi concessae per se ipsum inservire possit; ob penuriam sacerdotum in illis partibus vel in monasterio pro regularibus; ob solatium patris vel matris , dummodo quinquaginta aetatis annos excedant et orator saltern per triennium in clericali habitu honeste et laudabiliter vixerit. Item concedi posse censuit eadem indulta referendariis utriusque signaturae, familiaribus summi pontificis, canonicis cathedralis vel etiam collegiatae ecclesiae eorumque coadiutoribus, magistris seu etiam baccalaureis in sac. theologia, doctoribus utriusque vel saltem canonici iuris seu licentiatis, dummodo singulos praefatos gradus in publica et approbata universitate obtinuerint. Eis etiam qui saltem per triennium sedulam theologiae studiis operam navaverint ac tandem vigesimum sextum aetatis annum excedentibus, si per triennium in clericali habitu honeste et laudabiliter vixerint". 7 Constitution : Pium et utile vom 21 September 1582. §. 3 (M. Bull. 2, 493). 8 Breve vom 18. Mai 1638 (Bullar. Propag. 1, 91). Weitere Beispiele bei R i g a n t i 1. c. n. 45 ff.; F e r r a r i s 1. c. art. 2. η. 12 ff. 9 „Principis apostolorum", wodurch die vor dem Tridentinum ertheilten , mit demselben in Widerspruch stellenden Privilegien für aufgehoben erklärt werden. 10 F r ü h e r war das streitig, s. B a r b o s a 1. c. alleg. 17. n. 6 ; R i g a n t i 1. c. n. 49 ff. Dieser behandelt auch noch andere hierher gehörige Spezialfragen : s. auch F e r r a r i s 1. c. n. 138 ff.

8*

116

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

I§. 14.

durch ein abweichendes Gewohnheitsrecht nicht in ihrer Geltung aufgehoben werden während ein solches in Betreff der minores nicht reprobirt ist 2 . Die B i s c h o f s w e i h e , welche schon in den frühesten Zeiten der Kirche in der Regel am Sonntage vorgenommen w u r d e s o l l noch heute an diesem T a g e 4 oder einem Apostelfeste 5 , dagegen nur mit päpstlicher Genehmigung an einem sonstigen Festtage 6 und zwar in der zukünftigen Kathedrale des Kandidaten oder in einer Kirche derselben erzbischöflichen Provinz 7 sowie während der Messe 8 ertheilt werden, wiewohl letzteres nicht Bedingung der Gültigkeit der Konsekration ist 9 . VII. Die E r t h e i l u n g d e r W e i h e n s e l b s t — die höheren sollen nur ieiunis a ieiunantibus gespendet werden 1 0 — erfolgt in der von dem Pontificale Romanum für die verschiedenen Grade vorgeschriebenen Form unter Gebeten, Handauflegung und Ueberreichung der symbolischen Zeichen der einzelnen Ordines* Wie das Nähere darüber dem Gebiete der Dogmatik und Liturgik angehört, so auch die Frage überdie nöthige Intention und den Einfluss der Beschaffenheit derselben auf die Gültigkeit der Weihe 1 2 ; daher ist es haltlos diejenigen, welche der Bischof als solche bezeichnet, denen er die Weihe nicht geben wolle oder diejenigen, welche dem Empfange direct widerstreben, als incapaces zu bezeichnen 13 . Die erfolgte Ordination endlich wird in das bei der bischöflichen Behörde zu führende Ordinationsbuch eingetragen und dem Geweihten darüber ein Weihezeugniss ausgestellt 14 . ι c. 2. X . h. t. I. 11. 2 S. die Entsch. der Congr. Conc. v. 1720 bei R i c h t e r a. a. 0 . S. 186. n. 5 , die aber dem Bischof empfiehlt sich lieber nach dem Pontif. Roman, zu richten. 3 S. Const, apostol. VIII. 4 ; c. 4. 5 (Leo I . ) Dist. L X X V ; c. 5. §. 1 (Tolet. I V . a. 633) Dist. L I ; c. 1 (Pseud.-Isid.) Dist. L X X V . S. H a l l i e r 1. c. P. II. s. 7. c. 2. art. 1. 4 Pontif. Rom. de consecr. electi in episc. 6 Auch das ist eine sehr weit hinauf reichende Sitte (s. H a l l i e r 1. c. n. 4 ) , welche das Pontif. Roman, bestätigt. 6 Pontif. Roman. 1. c. ι Trid. Sess. X X I I I . c. 2. de ref. 8 Pontif. Roman. 1. c. 9 H a l l i e r P . II. s. 8. c. 5. art. 2. 10 c. 4 (Leo I.) Dist. L X X V . Uebrigens wird diese Vorschrift auch bei den ordines minores beobachtet. S. H a l l i e r 1. c. P. I. s. 4. n. 15 ff. ; S c h m i e r 1. c. lib. I. tr. 4. c. 4. s. 1. n. 42. 11 Das Nähere gehört ebensowenig wie die Frage nach der Form und der Materie des Sakramentes dem Recht an. Jedoch mag es gestattet sein, namentlich mit Rücksicht auf protestantische Leser hier Folgendes in Bezug auf den letzteren P u n k t zu bemerken. Als M a t e r i e bei der B i s c h o f s weihe wird von Einigen die Handauflegung und Uebergabe des Evangelienbuches (H a 1 Ii e r P. II. s. 2. c. 2 art. 1. η. 27 ff.), von Andern bios die erstere ( M o r i n u s P . I I I . exerc. 2. c. 1 ; vgl. auch B e n e d . X I V . de syn. dioec. lib. VIII. c. 10), bei der Priesterweihe die Handauflegung und die Uebergabe des Kelches mit Wein und der Patene mit der Hostie oder wieder die blosse Handauflegung — welche der dabei vorkommenden drei verschiedenen Handauflegungen,

ist freilich ebenfalls streitig — (vgl. H a l l i e r 1. 1. c. n. 32ff. 36. 3 7 ; M o r i n u s 1. c. exerc. 7. c. 1; B e n e d . X I V . 1. c.) — bei der Diakonatsweihe die Handauflegung und Ueberreichung des Evangelienbuchs oder auch noch der der Stola und Dalmatika, andererseits blos wieder die erste (vgl. H a l l i e r 1. c. n. 39 ff.; M o r i n u s 1. c. exerc. 9. c. 1.) bezeichnet, ohne dass damit eine Uebersicht über alle abweichenden Ansichten gegeben wäre. Als Mateiie bei dem Subdiakonat gilt die Uebergabe des leeren Kelchs und der leeren Patene , oder auch der weiteren Symbole, wie der Kannen f ü r Wasser und Wein (urceoli), der Manipeletc. (s. H a l l i e r 1. c. n. 4 5 ; M o r i n u s 1. c. ex. 12. c. 1), bei demAkoluthat die Ueberreichung des candelabrum cum cereo oder der leeren Weinkanne ( H a l l i e r n. 4 8 ff.; M o r i n u s ex. 13), bei der Exorcistenweihe die Hingabe des liber exorcismorum, beim Lektorat die der heiligen Schrift, beim Ostiariat die der Kirchenschlüssel (s. H a l l i e r n . 5 1 ; M o r i n u s ex. 13). Die Form besteht in den bei der Handauflegung, bez. der Ueberreichung der die e i n z e l n e n , niederen ordines bezeichnenden I n s t r u m e n t e nach dem pontificale auszusprechenden Segnungen und Worte. Das Nähere bei H a l l i e r und M o r i n u s а. a. 0 . , s. auch H a l l i e r 1. c. art. 2. η. 2. 12 Vgl. hierzu die Entscheidungen der Congr. Conc. in R i c h t e r s Tridentinum. S. 171 ff.; Bened. X I V . de sacriflcio missae exerc. 79. 13 So F a c h m a n n §. 241. S. auch oben S. 9. n. 2. 14 c. 1 (Alex. I I I . ) X. de d e r . peregr. I. 2 2 ; c. 1 (Bonifac. V I I I . ) de elect, in Extr. comm. I. 3 ; Innocenz' X I I . Const. : Speculatores v. 1694. §§. б. 7 ( R i c h t e r s Trid. S. 532); A. M ü l l e r , Lexikon des Kirchenrechts. 2. Aufl. 5, 559.

Die Wirkungen der Ordination.

§· 15.]

117

IY. Die Wirkungen der Ordination. §.15.

A. Der spirituelle

Charakter*.

Mit dem Empfang der Weihe tritt der Ordinirte in den Stand des Klerus ein. Zugleich wird demselben dadurch ein besonderer geistiger Charakter aufgeprägt. Dieser besteht in der den Geistlichen vom Laien spezifisch unterscheidenden, geistigen Befähigung (facultas spriritualis), die Funktionen des erhaltenen Grades vorzunehmen 1 und zwar gültiger Weise selbst dann, wenn die Befugniss zum Gebrauch der erlangten Fähigkeit durch Uebertragung eines Amtes oder durch sonstige Autorisation noch nicht erworben worden ist. Mit der Tonsur allein wird dieser spirituelle Charakter aber nicht aufgeprägt, wiewohl die Zugehörigkeit zum geistlichen Stande und das Recht auf die äusseren Standesprivilegien auch durch sie begründet wird. (Vgl. oben §. 13 η. I. und die folgenden §§.) Während in den früheren Zeiten die über Geistliche verhängte Reduktion zur Laien-Communion und die gegen sie ausgesprochene Absetzung dieselben in den Laienstand zurückversetzte 2 , hat sich Ende des 12. und im 13. Jahrhundert die Anschauung fixirtdass durch die Ordination dem Kleriker ein unvertilgbarer Charakter (character indelebilis) aufgeprägt werde, d. h. die einmal erlangte besondere facultas spiritualis unter keinen Umständen (also ζ. B. nicht durch Degradation, Uebertritt zum Protestantismus, zum Judenthum, Heidenthum) wieder verloren gehen könne 4 . Dogmatisch festgestellt ist jene Lehre aber nur für die Priesterweihe 5 . Für die Bischofsweihe muss indessen das Gleiche gelten, da durch dieselbe, möge man sie als einen besonderen Weihegrad auffassen oder nicht, die Machtfülle des sacerdotium jedenfalls eine grössere Ausdehnung erhält 6 . Während es unbestritten ist, dass die ordines vom Subdiakonat an abwärts keinen unauslöschlichen Charakter aufprägen, besteht in Betreff dieses Punktes hinsichtlich des Diakonats eine dogmatisch nicht gelöste Streitfrage 7 . Da der character indelebilis für die vorhin erwähnten, das sacerdotium bildenden Weihegrade dogmatisch feststeht, so kann ihn selbst nicht einmal der Papst durch Dispensation beseitigen und es ist weiter eine von der katholischen Kirche unerfüllbare Forderung, wenn etwa staatlicher Seits derselben zugemuthet werden sollte, Geistliche jener Weihegrade zu laisiren 8 , während freilich andererseits das Recht des Staates * L. T h i e l e , de charactere indelebili diss, inaug. Regimonti P. 1861.

etc.

1 Trid. Sess. XXIII. c. 4 ; Catechism. Rom. P. II. c. 1. qu. 19. η. 1; ,,Est character veluti insigne quoddam animae impressum quod deleri nunquam potest eique perpetuo inhaeret"; ibid. n. 3 : „alter (character sacri ordinis) vero tum potestatem sacramenta conflciendi et ministrandi coniunctam habet, tum eorum qui huiusmodi potestate praediti sunt, a reliqno fldelium coetu distinctionem ostendit". 2 Das wird freilich von den katholischen Schriftstellern bestritten. S. oben S. 83. 8 4 ; Τ h i e 1 e 1. c. S. 48 ff. und unten in der Lehre vom Strafrecht. 3 H a h n , die Lehre von den Sakramenten. Breslau 1864. S. 298 ff. 320 ff. Die aus c. 2 (Bonifac. VIII.) in VJto de poen. Y. 9. in das römische Pontilikale tit. degradationis forma über-

nommene Formel: „pronuntiamus hunc exutum omni ordine ac privilegio clericali curia saecularis in suum forum recipiat degradatum", steht als ein blos bildlicher Ausdruck nicht entgegen; wie denn auch die Glosse zu dem gedachten Kapitel s. v. privilegio und die zu c. 2. X. de cler. exconim. V. 29. s. v. degradatus ausdrücklich den character quem ille retinet und das non possit character auferri hervorheben. * H a l l i e r 1. c. P. II. s. 3. c. 2. n. 10. 5 Trident. Sess. XXIII. c. 4. de sacram. ordionis. 6 S c h u l t e 2, 157. η. 1; s. auch B e n e d . XIV. de syn. dioec. lib. VIII. c. 9. n. 2. 7 S. H a l l i e r 1. c. P. II. s. 2. c. 1. art. 2. η. 9. 13. 16. 8 Dass man die Möglichkeit einer solchen sog. Laisirung Anfang dieses Jahrhunderts auch bei deutschen Ordinariaten ins Auge gefasst hat, ergeben die Mittheilungen bei K o p p , die kathol.

118

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 16.

nicht bezweifelt werden kann, nach seinem Ermessen die katholischen Geistlichen trotz des von der Kirchenlehre ihnen beigelegten Charakters auf seinem Rechtsgebiet als Laien zu behandeln. § . 1 6 . B. Die Standesrechte der Geistlichen*. Der hervorragenden Stellung des Klerus gemäss hat die Kirche eine Reihe von Rechten für denselben gefordert, welche seine höhere Würde dem Laienstande gegenüber zum Ausdruck bringen sollen. Während in früherer Zeit die in Betreff dieses Punktes aufgestellten kirchlichen Rechtssätze auch meistens die Anerkennung auf weltlichem Gebiet gefunden haben, wird eine solche heute in viel geringerem Maasse gewährt. I. Zur Sicherung der Kleriker vor unwürdiger Behandlung dient das s. g. Privilegium canonis (seil, si quis suaclente) Das ältere Kirchenrecht hat die Beleidigung und thätliche Verletzung der Geistlichen nicht als besonderes Vergehen ausgezeichnet, viel mehr setzen sowohl die Pönitentialbücher2, wie auch die karolingische Gesetzgebung:i nur eine verschieden bemessene Busse für den Thäter fest. Der Bann trat dagegen erst bei hartnäckiger Verweigerung der Genugthuung ein 4 .' Strengere Vorschriften stellte die kirchliche Gesetzgebung erst aus Anlass der ketzerischen Bewegungen des 11. und 12. J a h r h u n d e r t s auf, in Folge deren sich der Klerus an vielen Orten in seiner persönlichen Sicherheit durch das gegen das Priesterthum aufgeregte Volk bedroht sah 5 . Zunächst setzte die unter I n n o c e n z II. 1130 zu Clermont abgehaltene Synode für die thätliche Verletzung eines Klerikers oder Mönches die Strafe der Exkommunikation fest'' und auf der Synode zu Rheims im folgenden Jahre wurde die Absolution von derselben sogar dem Papste vorbehalten7. Die dem Klerus besonders gefährliche Lehre des Arnold von Brescia 8 veranlasste die Aufnahme dieser Bestimmung auch in die Beschlüsse des Concils von Pisa 1135 9 und schliesslich ihre Erhebung zum allgemeinen Kirchengesetz durch das zweite Lateranensische Concil von 1139 10. Kirche im 19. Jahrh. Mainz. 1830. S. 270 ff. Die Dispensation vom Cölibatsgesetze ist übrigens mit der Laisirung nicht zu verwechseln. * S t r e c k e r , de juribus clericorum singularibus. Erford. 1755; Privileges du clerge in den Anal. iur. pont. 1866. p. 1789 ff. 1 S. H ü f f e r in M o y s Archiv. 3, 155. 2 c. 28. C. XVII. qu. 4 = Poenit. Theodori I. 4. §. 5 ( W a s s e r s c h i e b e n , Bussordnungen. 5. 188, woselbst weitere Nachweisungen). 3 c. 2 4 (Mogunt. a. 847) C . X V I I . qu. 4 ; conc. Wormat. a. 868. c. 26 (Mansi 15, 874), Tribur. a. 895. c. 5. 2 0 (Mansi 18, 136). S. ferner das als unächt angezweifelte Capit. apud Theodonis villam LL. 2, app. p. 4 ( H e f e l e , Conciliengesch. 4, 30). * c. 23 (Nicolaus I.) C. XVII. qu. 4 ; vgl. auch c. 22 ibid., der wohl nicht Alexander II., sondern einer unter Photius zu Konstantinopel abgehaltenen Synode angehört. S. P h i l l i p s 1 , 660. n. 7. 5 H ü f f e r S. 157; G i e s e l e r , Kirchengeschichte. 4. Aufl. II. 2, 530 ff. 6 c. 10: „ Item placuit ut si quis suadente diabolo huius sacrilegii reatum ineurrerit, quod in

clericum vel monachos manus iniecerit, anathemati subiaceat. Quod qui fecerit. excommunicetur" (Mansi 21, 439). 7 c. 13: . . . „et nullus episcoporum illumpraesumat absolvere, donec apostolico conspectui praesentetur et eius mandatum suseipiat" (Mansi 21, 461). 8 S. G i e s e l e r a. a. 0 . S. 69 fif. ; B e r a r d i , comment, in libr. V. decret. P. I. diss. 3. c. 1 (ed. Mediolani 1847. 2, 250); H ü f f e r , S. 158. 9 c. 12 (Mansi 2 1 , 490); hier wird aber verordnet , dass der Vorbehalt der päpstlichen Absolution in articulo mortis cessirt. nsekrirt7. E s ist erklärlich, dass gerade Alexander I I I . , welcher bald als der rechtDissig gewählte Papst betrachtet wurde, und sich seinem Gegner und den weiteren Cgenpäpsten gegenüber 8 zu behaupten wusste, nachdem er mit Kaiser F r i e d r i c h I . Fieden geschlossen hatte, den Mangel fester Regeln über die Papstwahl durch eine ges-zliche 1 Vita Eugenii I I I . des Cardinais Boso (Watt e r i c h p. 2 8 1 ) : „Hic electus est ab episcopis et cardinalibus ex insperato concorditer apud monasterium sancti Caesarii, ubi omnes fratres propter metum senatorum et populi Romani, consurgentis ad arma, convenerant in unum". Papenkordt S. 2Ö5. 2 Chron. Fossae novae ( W a t t e r i c h p. 3 2 2 ) : „Conradus episcopus Savinensis c o n s e n s u o m n i u m eligitnr in papam Anastasium". 3 Vita Hadriani I V . des Cardinals Boso ( W a t t e r i e h p. 3 2 4 ) : . . . jCOnvenientibus in unum pro eligendo sibi pastore c u n c t i s e p i s c o p i s et c a r d i n a l i b u s apud ecclesiam b. P e t r i , non sine divini dispositione consilii factum e s t , ut in eius personam unanimiter concordarent et papam Adriauum a deo electum tarn clerici quam laici pariter conclamantes , eum invitum et renitentem in sede b. Petri deo auetore intronizarunt". Er war vorher Bischof von Albano. S. auch H. R e u t e r , Geschichte Alexanders I I I . 2 . Aufl. Leipzig. 1 8 6 0 . 1, 3 ff. * Brief der Cardinäle der kaiserlichen Partei

( W a t t e r i c h p. 4 6 2 ) : „In nomine domiAmen. Convenerunt episcopi, presbyterii, diacii, cardinales sanetae Romanae ecclesiae et pmiserunt sibi invicem in verbo veritatis , quod ielectione futuri pontifleis tractabunt secundum msuetudinem istius ecclesiae, scilicet quod seggentur aliquae personae de eisdem fratribus audiant voluntatem singulorum et diligenter iquirant et fldeliter describant et si deus dederi quod concorditer possimus convenire, bene sin autem, nullus procedat sine communi conseu et hoc observetur sine fraude et malo ingef"· S . auch R e u t e r a. a. 0 . S . 6 4 . 4 9 0 ; A t f . H e f e l e , Konciliengesch. 5, 0 0 8 . 5 Bandinelli. 6 So R e u t e r a . a. 0 . S . 6 5 , elcher d i e B e richte der verschiedenen Partei »er sorgsamen kritischen Erörterung ( S . 4 8 7 ff.mterzogen hat. Vgl. über die Wahl auch P a p e i o r d t . S . 2 6 9 ; H e f e l e , Konciliengesch. ö, 5fff· 7 R e u t e r a. a. 0 . S . 6 6 ff. 8 Paschalis I I I . ( 1 1 6 4 — 1 1 6 8 Calixt I I I . ( 1 1 6 8 — 1 1 7 8 ) , Innocenz I I I . (1178-1180).

§. 28.]

Besetzung dee päpstlichen Stuhles seit dem 12. Jahrhundert.

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Bestimmung beseitigte, und damit die der päpstlichen Machtstellung gefährlichen Wahlspaltungen zu hindern suchte. Das erste Kapitel der i. J. 1179 gehaltenen, grossen (III.) Lateransynode betrifft diesen Punkt, und verordnet: Wenn bei der Wahl des Papstes keine Stimmeneinheit unter den K a r d i n ä l e n zu erreichen ist, so gilt derjenige Kandidat, welcher zwei Drittel der Stimmen der Wähler erlangt hat, als rechtmässig gewählter Papst. Masst sich der nur ein Drittel der Stimmen auf sich vereinigende Kandidat die päpstliche Würde an, so soll er mit seinen Anhängern der Exkommunikation und Privation aller höheren Weihegrade unterliegen. Dieselben Strafen treffen auch denjenigen, auf welchen (zwar die absolute Majorität, aber) weniger als zwei Drittel der Stimmen gefallen sind, und welcher sich trotzdem als Papst gerirt Ebenso wie das besprochene Wahldekret Nikolaus' II. die Wahl seines Urhebers legalisirte, so ist es auch mit diesem Gesetz der Fall. Aber dasselbe ist viel bedeutsamer durch das, was es stillschweigend anordnet, als was es ausdrücklich als nunmehr massgebendes Recht hinstellt 2 . Stillschweigend sind zunächst die K a r d i n ä l e als ausschliesslich berechtigte Wähler erklärt. Man hatte damit die bisherige Uebung sanktionirt, da jene schon stets den hervorragendsten und auch unter gewöhnlichen Verhältnissen den wirklich entscheidenden Antheil gehabt hatten, war aber insofern doch weiter gegangen, als man diese Stellung in eine jede andere Konkurrenz beseitigende Wahlbefugniss umwandelte 3 , was dem geringeren Klerus gegenüber offenbar keine Schwierigkeit darbot. Gleichzeitig wurde aber auch damit stillschweigend der Einfluss des deutschen Kaisers und des römischen Volkes gesetzlich beseitigt. Das Entscheidungsrecht des ersteren war längst ausser Uebung gekommen, der letzte Papst, welcher noch die kaiserliche Bestätigung nachgesucht hatte 4 , war Gregor VII. (S. 258), aber seitdem hatte sich das Papstthum zu voller Macht erhoben und schon in der Nichterwähnung der Papstwahl in dem s. g. Calixtinischen Konkordat lag offenbar ein stillschweigender Verzicht auf dieses einst König Heinrich III. zugestandene Recht. So waltete auch in dieser Beziehung keine Schwierigkeit mehr vor, das zu Sanktioniren, was den thatsächlichen 1 Der«Kanon steht als Licet de vitanda in c. 6. X. de elect. I. 6 : „Licet de vitanda discordia in ecclesia Romani pontiflces manifesta satis a praedecessoribus nostris constituta manaverint, quia tarnen saepe post ilia per improbae ambitionis audaciam gravem passa est ecclesia scissuram: nos etiam ad malum hoc evitandum de consilio fratrum nostrorum et sacri approbatione concilii aliquid decrevimus adiungendum. §. 1. Statuimus ergo, ut si forte, inimico homine superseminante zizaniam, inter cardinales de substituendo summo pontiflce non poterit esse plena concordia et duabus partibus concordantibus pars tertia concordare noluerit, aut sibi alium praesumpserit nominarc, ille absque ulla exceptione ab universali ecclesia Romanus pontifex habeatur qui a duabus partibus concordantibus electus fuerit et receptus. §. 2. Si quis autem de tertiae partis nominatione conflsus, quia de ratione esse non potest, sibi nomen episoopi usurpaverit, tam ipse quam ii qui eum receperint, excommunicationi subiaceant et totius sacri ordinis privatione mulctentur ita, ut viatici etiam eis, nisitantum in ultimis, communio dene-

getur et si non resipuerint, cum Dathan et Abiron quos terra vivos absorbuit, accipiant portionem. §. 3. Praeterea si a paucioribus quam a duabus partibus aliquis electus fuerit ad apostolatus officium, nisi maior concordia intercesserit, nullatenus assumatur et praedictae poenae subiaceat, si humiliter noluerit abstinere. E x hoc tarnen nullum canonicis constitutionibus et aliis ecclesiis praeiudicium generetur, in quibus debet maioris et sanioris partis sententia praevalere , quia quod in eis dubium venerit superioris poterit iudicio difflniri. In Romana vero ecclesia speciale aliquid constituitur, quia non poterit ad superiorem recursum haberi". 2 Vgl. hierzu auch R e u t e r a. a. 0 . 3, 439. 768. 3 Wie O n u p h r i u s P a n v i n i u s de cardinalium origine c. 42 ( M a i , spicileg. Romanorum 9, 506) und manche Andere, wie auch ζ. Β. Η ab e r l i n , Conclave S. 9 4 dazu kommen, eine solche Verordnung schon Innocenz II. zuzuschreiben, ist mir unklar. * S. aber S. 270. n. 4.

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I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 28.

Verhältnissen entsprach. Was ferner die frühere Betheiligung des römischen: Volkes oder vielmehr, vom praktischen Standpunkte aus betrachtet, die des römischen Adels betraf, so war von einer festen Regelung dieser überhaupt nie die Rede gewesen und Alexander III. konnte um so mehr den von Nikolaus II. gethanen Schritt wiederholen, als er sich gerade zur Zeit des Koncils in kirchlicher, wie in politischer Beziehung auf der Höhe seiner Macht befand, und überdies der römische Adel stets seinen entscheidenden Einfluss nicht auf dem Wege einer geordneten Konkurrenz bei der Wahl, sondern entweder durch seine Verbindung mit einzelnen Kardinälen oder geradezu auf dem Wege der Gewaltthätigkeit geltend gemacht hatte. In allen diesen Punkten war die Dekretale Nikolaus' II. durch das Koncil vorsichtiger Weise nur stillschweigend abgeändert worden. Ebenso endlich hinsichtlich des Vorrechtes der Kardinalbischöfe. Thatsächlich hatte dieses ja nie Anwendung gefunden, und die Möglichkeit, diese Klasse der Kardinäle , welche mit den übrigen die Macht theilten, über die anderen emporzuheben, war nur überhaupt in Folge der Heranziehung eines fremden Faktors, des Einwirkungsrechtes des deutschen Königs gegeben, dessen Beseitigung aber gerade mit eines der Ziele der Gregorianischen Politik sein musste und auch von dieser erreicht war. Nach langem Ringen hatte man endlich die Zahl der Wähler fest abzugränzen vermocht, und damit auch zum ersten Mal die Möglichkeit gewonnen, eine feste Regel zu geben, nach welcher sich leicht bei zwiespältiger Wahl die Rechtmässigkeit der Ansprüche der Kandidaten beurtheilen liess. Dies erkannt und ausgeführt zu haben, ist sicher ein Verdienst Alexanders III. Im übrigen stellt sich dagegen die Bestimmung des Iateranensichen Koncils, wie es dies auch ausdrücklich in der Einleitung des in Rede stehenden Kanons ausspricht, nur als eine Ergänzung des früheren Rechts, also namentlich des Dekretes Nikolaus' II. dar. Nicht aufgehoben durch dasselbe ist demnach die Regel, dass die Wahl auch ausserhalb Roms vorgenommen werden kann, dass der Gewählte sofort nach Beiner Wahl die Befugniss zur Ausübung der päpstlichen Jurisdiktionsrechte erlangt, sowie schliesslich , dass auch ein weder dem Kardinalskollegium noch der römischen Kirche angehöriger Geistlicher die passive Wählbarkeit besitzt. Was den letzteren Punkt betrifft, so hatte sich freilich seit der Wahl Urbans II. (1088) die nur in zwei Fällen, bei C a l i x t l l . und bei E u g e n i u s I I I . (s. S. 262. 263) unterbrochene Sitte gebildet, den Papst aus den Kardinälen zu nehmen, aber ohne dass man die mit den alten Kanonen in Widerspruch stehende, seit der Ottonenzeit fixirte Praxis, auch Bischöfe auf den römischen Stuhl zu erheben, aufgegeben hätte 1 . Die Bestimmungen Alexanders III. bewährten sich, indem sie die Kirche lange Zeit vor schismatischen Wahlen bewahrten. Nur insofern hatte die den Kardinälen ausschliesslich anheimgegebene Entscheidung etwas missliches, als mangels einer Einigung derselben bis auf die vorgeschriebene Zweidrittel-Majorität die Wiederbesetzung des päpstlichen Stuhles sehr lange hingezogen werden konnte. Dieser Uebelstand trat namentlich nach dem Tode Clemens' IV. (-J- am 29. November 1268) recht deutlich hervor, als die Kardinäle erst von den Einwohnern der Stadt Viterbo, wo der Tod des Papstes erfolgt war, gezwungen, am 1. September 1271 den Archidiakon Theobald von Lüttich, G r e g o r X. (1271—1280) erwählten. Dieser befand sich aber bei dem Kreuzheere im Orient und da er in Folge dessen erst am 6. April 1272 in Rom kon1 Calixt II. war Erzbiscliof von V i e n n e , Honorius I I . , Cardinalbischöfe.

Anastasius IV. und Hadrian I V .

waren

§. 28.]

Besetzung des päpstlichen Stuhles seit dem 12. Jahrhundert.

267

sekrirt werden konnte, so war die Kirche über 3 Jahre ohne ein Haupt gewesen. Der neue Papst wurde hierdurch veranlasst, mit dem zu Lyon gehaltenen allgemeinen Koncil von 1274 ein neues Gesetz zu geben, welches eine längere Vakanz des Pontifikats durch Einführung des s. g. K o n k l a v e s zu verhüten bestimmt war 1 . Dasselbe schreibt vor: 1. Wenn die Kurie sich an demselben Orte befindet, wo das Ableben des Papstes eingetreten ist, so sollen die anwesenden Kardinäle auf ihre abwesenden Kollegen 10 Tage warten. 2. Nach Ablauf dieser Frist haben sie sich mit den etwa inzwischen eingetroffenen , jeder für die Regel nur mit einem Diener in den Palast, in welchem der Papst gestorben ist, zu begeben und dort in einem eigends hergerichteten Gemache zusammen zu wohnen. 3. Das letztere darf nur einen Ausgang zum geheimen Gemach haben, sonst muss dasselbe überall bis auf das Fenster geschlossen sein, durch welches den Kardinälen die nöthigen Speisen zugestellt werden 2 . Vor vollendeter Wahl soll Niemand mit ihnen weder mündlich, noch durch Boten, noch schriftlich verkehren 3 . 4. Wenn die Wahl binnen drei Tagen nach dem Beziehen des Konklaves nicht vollendet ist, erhalten die Kardinäle für die nächsten fünf Tage zum Mittag - und Abendessen nur je ein Gericht, und nach fruchtlosem Verlauf dieses weiteren Zeitraumes nur noch Brod, Wein und Wasser. 5. Während der Dauer der Wahl dürfen die Kardinäle weder Einkünfte aus der päpstlichen Kammer noch etwas von den während der Sedisvakanz eingehenden Erträgnissen an sich nehmen, und diejenigen, welche trotz dieses Verbotes dergleichen Einnahmen erhalten haben, müssen sich in Höhe dieses Betrages, behufs des Ersatzes des Bezuges ihrer eigenen Kompetenzen entschlagen. 6. So lange die Kardinäle im Konklave versammelt sind, sollen sie sich nur im dringendsten Nothfall, bei drohender Kriegs- oder anderer Gefahr und auch dann nur in Folge einstimmigen Beschlusses mit einer anderen Angelegenheit als der Wahl beschäftigen. 7. Diejenigen Kardinäle, welche bei dem Beziehen des Konklaves anwesend waren, sich aber nicht mit den übrigen in dasselbe begaben, sowie diejenigen, welche es ohne offenbare Krankheit verlassen haben, können später nicht mehr zugelassen werden, werden mithin ihres Wahlrechtes verlustig. Wer dagegen wegen erheblicher Krankheit sich entfernt hat, kann nach Hebung derselben ebenso wie auch der nach Ablauf der zehntägigen Frist Eintreffende in das Konklave eintreten, sofern die Wahl noch nicht erfolgt ist, muss jedoch die 1

c. 2. in c. 3. Ubi periculum in VI'« de elect.

I. 6.

2 c. 3. cit. 1: „In eodem autem palatio unum c o n c l a v e nullo intermedio pariete seil alio velamine omnes inhabitent in communi quod, reservato libero ad secretam cameram aditu, ita claudatur undique , ut nullus illud intrare valeat vel exire . . . In conclavi tarnen praedicto aliqua fenestra competens dimittatur, per quam eisdem caidinalibus ad victum commode necessaria ministrentur; sed per earn nulli ad ipsos patere possit ingressus".

3 „Nulli ad eosdem cardinales aditus pateat vel facultas secrete loquendi cum eis nee ipsi aliquos ad se venientes admittant, n i s i e o s q u j d e v o l u n t a t e o m η in m cardin a l i u m i n i b i p r a e s e n t i u m p r o h i s t a n t u m q u a e ad e l e c t i o nis instantis negotium pertinent, ν ο c a r e n t u r . Nulli etiam fas sit, ipsis cardinalibus vei eorum alicui nuncium mittere vel scripturam; qui vero contra fecerit, scripturam mittende vel nuncium aut cum aliquo ipsorum secreti loquendo, ipso facto s e n t e n t i a m e x c o m m u n i c a t i o n i s i n c u r rat".

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I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

ί§· 28.

Verhandlungen in dem nunmehrigen Stadium anerkennen und sich auch sonst der in diesem Zeitpunkt geltenden Ordnung des Konklaves unterwerfen 8. Die Obrigkeiten der Stadt, wo die Wahl erfolgt, sollen kraft der ihnen durch die päpstliche Autorität unter Zustimmung des allgemeinen Koncils dazu übertragenen Vollmacht die Beobachtung der gedachten Vorschriften überwachen, andererseits aber die Kardinäle nicht über das vorgeschriebene Maass beschränken, noch namentlich dieselben länger als erforderlich im Konklave eingeschlossen halten. Die Erfüllung der gedachten Pflicht haben die Magistrate in einer nach dem Tode des Papstes einzuberufenden Versammlung des Klerus und des Volkes eidlich anzugeloben 2 . 9. Für den Fall, dass der Papst an einem anderen Ort als dem Sitze der Kurie verstorben ist, haben sich die Kardinäle nach diesem oder nach der Stadt des betreffenden Bezirks zu begeben. Ist aber die Ortschaft oder die Stadt mit dem Interdikt belegt oder in offener Empörung gegen die römische Kirche, so muss ein nahe gelegener Ort gewählt werden, in Betreff dessen diese Hindernisse nicht obwalten. Das Konklave soll dann in dem bischöflichen Palast oder einem anderen geeigneten Gebäude gehalten werden. Im Uebrigen kommen auch für diesen Fall alle unter 1 bis 8 angegebenen Vorschriften zur Anwendung 3 . 10. In Bezug auf die Wahl selbst sollen sich die Kardinäle weder durch — gleichzeitig für unwirksam erklärte — Versprechungen, Verträge und Eide binden, noch aus unlauteren und eigennützigen Motiven sich selbst oder ihren Angehörigen ihre Stimme geben 4 . Diese Konstitution, deren Erlass G r e g o r X. trotz der Unzufriedenheit der Kardinäle dadurch durchsetzte, dass er sich vorher der Zustimmung der zum Koncil versammelten Bischöfe versichert hatte 5 , bewährte sich bei den nächstfolgenden Papst1 c. cit. 1 : „in eodem negotio in illo statu, in quo ipsurn invenerint, a d m i t t a n t u r , praemissa tarn de clausura quam de servientibus, cibo ac potu et reliquis cum aliis servaturi". Sind also die Kardinäle wegen ihrer Zögerung schon auf Brod, Wein u n d Wasser gesetzt, so muss der neu E i n tretende sich dies auch gefallen lassen". 2 Die schweren Strafen, welche §. 3. 1. c. für die Verletzung dieser Vorschrift a n d r o h t , sind : „Quodsi praemissa diligenter non observaverint aut fraudem in eis vel circa ea commiserint, cuiuscunque sint praeeminentiae, conditionis aut status omni cessante privilegio eo ipso sententiam e x communicationis incurrant et perpetuo sint infames nec unquam eis portae dignitatis pateant nec ad aliquod publicum officium admittantur. Ipsos insuper feudis et bonis ceteris quae ab eadem Romana ecclesia vel quibuslibet aliis ecclesiis obtinent , ipso facto decernimus esse privatos ita quod ad ecclesias ipsas plene ac libere revertantur, administratorum earundem ecclesiarum arbitrio sine contradictione aliqua disponenda. Civitas ergo praedicta non solum sit interdicto supposita, sed et pontiflcali dignitate privata".

3 c. cit. §. 2. 4

§. 4 . . . „ u t . . . omni privatae affectionis inordinatione deposita et cuiuslibet pactionis, conventiouis, obligationis necessitate nec non c o n d i c t i e t i n -

tendimenti contemplatione cessantibus, non in se reciprocent considerationis intuitum vel in suos, non quae sua sunt q u a e r a n t , non commodis privativ i n t e n d a n t , sed nullo arctante ipsorum in eligendo iudirium nisi deo, puris et liberis mentibus nuda electionis conscientia, utilitatem publicam libere prosequaritur, omni conatu et sollicitudine , prout possibilitas p a t i t u r , id acturi tantummodo, ut eorum ministerio acceleretur utilis et pernecessaria totius mundi provisio , idoneo celeriter eidem ecclesiae sponso dato. Qui autem secus egerint, divinae subiaceant ultioni, eorum culpa nisi gravi propter hoc peracta poenitentia nullatenus abolenda. E t nos nihilominus pactiones, conventiones, obligationes, condicta et intendimenta omnia, sive iuramenti sive cuiuslibet alterius fuerint vinculo flrmitatis a n n e x a , cassamus, irritamus et viribus decernimus omnino carere ita u t quod nullus ad illa observanda quomodolibet sit adstrictus nec quisquam ex eorum transgressione notam vereatur fidei non servatae, sed non indignae laudis titulum potius m e r e a t u r , quam lex etiam humana t e s t e t u r , deo magis transgressiones huiusmodi quam iurisiurandi observationes acceptas". — Der Schluss §. 5 der Konstitution schreibt die Abhaltung von Gottesdiensten f ü r den verstorbenen Papst und f ü r eine schnelle und passende Wahl des Nachfolgers vor. 5

R a y n a l d i annal. ecclesiast. a. 1274. n. 27.

§· 28.]

Besetzung' des päpstlichen Stuhles seit dem 12. Jahrhundert.

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wählen, welche schnell vorgenommen w u r d e n B e i der Wahl H a d r i a n s V. (1276) hatte aber König K a r l von Anjou, welcher damals die Senatorenwürde in Rom inne hatte , die ihm als Wächter des Konklaves zustehende Macht gemissbraucht, um einen Kandidaten seiner Partei durchzubringen 2 . Hadrian entschloss sich daher, die Konstitation Gregors X. zu suspendiren, vor der Publikation des bereits abgefassten Dekretes starb er aber (am 18. August 1276) zu Viterbo und die von den Kardinälen beabsichtigte Publikation desselben wurde auf Anstiften einiger Prälaten und niederen Beamten der Kurie durch einen Tumult der Einwohner jener Stadt verhindert 3 . So konnte erst sein Nachfolger J o h a n n XXI. (1276—1277) diesen Schritt thun, welcher dazu um so mehr geneigt war, als das Volk in Viterbo die Kardinäle gleich nach dem eben erwähnten Vorfall in das Konklave getrieben und dort in grausamer Weise festgehalten hatte 4 . Trotzdem, dass nun wieder vor den Wahlen Nikolaus' III. (1277 bis 1280), Martins IV. (1281—1285) und Nikolaus' IV. (1288 — 1292) mehrmonatliche Vakanzen vorkamen, bei der Martins auch zwei Kardinäle auf Betrieb der französischen Partei durch Gefangenhaltung von der Wahl ausgeschlossen wurden 5 , hob Nikolaus IV. die Konstitution Gregors X. nochmals ausdrücklich auf 6 . Die demnächst eintretende Vakanz von zwei ein viertel Jahren bewog aber den neuen Papst C ö l e s t i n V. (1294) die Vorschriften Gregors wieder in Kraft zu setzen, und sein Nachfolger B o n i f a c i u s VIII. (1294—1308) liess den betreffenden Kanon des Lateranensischen Koncils als c. 3. ubi periculum de elect. (I. 6) in seine Dekretalensammlung aufnehmen. C l e m e n s V. (1305 — 1314) hat — ob auf dem Koncil zu Vienne von 1311, ist nicht sicher festzustellen 7 — dazu noch folgende ergänzende Bestimmungen erlassen 8 : 1. Während der Sedisvakanz haben die Kardinäle keine Macht, die Vorschriften der Konstitution Gregors X., sei es ganz, sei es nur theilweise, zu beseitigen oder sich selbst von der Beobachtung derselben zu dispensiren. 2. Wenn der Papst entfernt von seiner Kurie stirbt, so soll unter dem in der Gregorianischen Konstitution für den Wahlort als massgebend erwähnten Bezirk (districtus, territorium) die bischöfliche Diöcese verstanden werden; erfolgt der Tod des Papstes aber nur bei (vorübergehender) Abwesenheit und ohne dass er den Sitz der Geschäftsverwaltung gleichzeitig mitverlegt hat, so ist die Wahl an dem Sitze der letzteren vorzunehmen 9 . 3. Für den Fall, dass alle Kardinäle zusammen oder einzeln nach einander vor vollzogener Wahl das Konklave verlassen, sollen die mit der Bewachung desselben betrauten weltlichen Obrigkeiten, bei Vermeidung der in der Konstitution Gregors X. angedrohten Strafen, die betreffenden, soweit nicht einzelne durch schwere ι P a p e n k o r d t S. 3 2 0 ; P h i l l i p s 5, 825. Namentlich dadurch , dass er den Cardinälen der Gegenpartei mit aller Strenge die Speisen entziehen, den französischen Cardinälen diese aber in reichlichem Masse zukommen liess und dadurch erstere zum Nachgeben zu bestimmen suchte. P a p e n k o r d t S. 320. 2

3 R a y n a l d i annal. a. 1276. n. 28. * R a y n a l d i annal. a. 1276. n. 2 9 — 3 1 ; die betreffende Konstitution Licet felicis ebendaselbst n. 30. a P a p e n k o r d t . S. 320. 321. 324.

6 Durch die Konstitution: Quia in futurarum v. 1294 bei R a y n a l d i 1. c. a. 1294. n. 17. 7 H e f e l e , Konciliengeschichte 6, 474. 8 Clem. 2. de elect. I. 3. 9 . . . ,.eo tarnen adiecto quod si in certo loco causarum et literarum apostolicarum audientia remanente, papam alibi mori contingat, non ibi, sed ubi praedicta fuerit audientia, memorata electio celebretur, etiamsi eadem audientia tempore mortis huius vacare noscatur; nisi forsan ante mortem eandem ordinatum esset per papam de curia transferenda, quo casu servetur provisio constitution« praedictae (§. 2. 1. c.)

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[§. 28.

Krankheit oder Körperschwäche entschuldigt sind, zum schleunigen Wiedereintritt in das Konklave zwingen. 4. Bei der so erfolgten Wiederherstellung des Konklaves müssen sich die Kardinäle nach der bei Auflösung desselben bereits eingetretenen Sachlage richten 1 . 5. Auch diejenigen Kardinäle, welche mit dem kleinen oder grossen Kirchenbann, der Suspension oder dem Interdikt belegt sind, haben das Recht, an der Wahl Theil zu nehmen 2 . Trotzdem trat aber nach dem Tode Clemens' V. eine mehr als zweijährige Vakanz ein, weil die Italiener im Gegensatz zu den Franzosen einen Papst wählen wollten, welcher die Residenz nach Rom zurückzuverlegen gesonnen war. Erst als König P h i l i p p V. die Kardinäle jeden einzeln ohne Vorwissen des andern 1315 nach Lyon eingeladen, und ihnen zugleich eidlich die Befreiung vom Konklave zugesagt, sie aber trotzdem — mit Rücksicht darauf, dass sein Eid rechtswidrig und ungültig gewesen — 40 Tage eingeschlossen gehalten hatte 3 , wurde J o h a n n XXII. (1316— 1334) gewählt 4 . Die strengen Vorschriften über das Konklave, die gestattete geringe Bedienung, die Beschränkung hinsichtlich der Speisen und die Notwendigkeit des gemeinschaftlichen Zusammenwohnens waren einer der Gründe, weshalb namentlich dann, wenn Parteiungen im Kollegium und damit sich lange hinziehende Wahlverhandlungen vorauszusehen waren, die Kardinäle sich so schwer dazu bewegen Hessen, das Konklave zu beziehen, und mit Rücksicht hierauf machte C l e m e n s VI. (1342 — 1352) in den früheren Vorschriften durch die Konstitution Licet in constitutione vom 6. Dezember 1351 einzelne Milderungen 5 , über welche — weil sie noch heute in Kraft sind — näher im folgenden Paragraph gehandelt werden wird. Nach seinem Tode wurde zum ersten Mal von den im Konklave versammelten Kardinälen eine Wahlkapitulation entworfen, welche dem Papste zu Gunsten des Kardinalkollegiums grosse Beschränkungen, namentlich hinsichtlich der Ernennung und Absetzung der Kardinäle, auferlegte, und die jeder für den Fall seiner Wahl zu beobachten versprach 6 , allein der aus dem Konklave hervorgegangene Papst, I n n o c e n z VI. (1352—1362), kassirte dieselbe, als wider die Konstitution Gregors X. und die von Gott dem Petrus überlieferten Vollmachten verstossend 7 . Unter seinen Nachfolgern hat G r e g o r XI. ( 1 3 7 0 — 1 3 7 8 ) , welcher sich von Avignon nach Rom begeben hatte, für den Fall seines Todes behufs der Ermöglichung der Zurückverlegung der päpstlichen Residenz nach Rom die bisherigen Bestimmungen suspendirt, indem er in der Konstitution: Periculis et detrimentis von 1378 anordnete, ι §. 3. l. c. 2 4. 1. c. 3 H e f e i e , Konciliengeschichte 6, 506. 4 Nach der Absetzung J o h a n n s X X I I . durch Ludwig im J . 1328 hat allerdings der letztere in Betreff des neuen Papstes, N i k o l a u s V. (des Franziskaners Fra Pietro da Corvaro) das römische Volk befragen lassen, ob es diesen zum Papste haben wollte, und ihn nach der so erlangten Zustimmung bestätigt (s. R a y n a l d i annal. a. 1328. n. 43, a. 1330. 11. 11 ff.; P a p e n k o r d t , Geschichte der Stadt Rom. S. 373). Diese Wiederbelebung des Wahlrechtes des Volkes und der kaiserlichen Konfirmation war aber nichts als eine durch die Lage der Verhältnisse begünstigte Usurpation, und hat f ü r die weitere Entwicklung keine Folgen

gehabt; musste sich doch der Gegenpapst schon 1330 Johann X X I I . unterwerfen. 5 Magn. Bullar. 1, 258. 6 7

R a y n a l d i annal. a. 1302. n. 26.

Durch die Konstitution: Sollicitudo, wo es in Betreff des letzteren Punktes heisst: „considerantes attente quod scriptura ipsa in diminutionem et praeiudicium plenitudinis ex ore dei collatae soli dumtaxat Romano pontiflci dignoscitur procul dubio redundare, cum per eandem scripturam praefatae sedi grande et perpetuum praeiudicium immineat manifeste, dum potestas huiusmodiadimitureidem Romano pontiflci certisque regulis et limitibus sibi praefixisabhominecoarctatur"; s. R a y n a l d i annales. a. 1353. n. 29.

§. 28.]

Besetzung des päpstlichen Stuhles seit dem 12. Jahrhundert.

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dass, wenn er bis zum 1. September nicht nach Avignon zurückkehren sollte, die bei ihm befindlichen Kardinäle oder ihre Mehrzahl ohne Beobachtung der zehntägigen Wartefrist, ohne Innehaltung der Ordnung des Konklaves, j a überhaupt ohne Abhaltung desselben, an jedem beliebigen Orte und mit einfacher Majorität den neuen Papst zu wählen, befugt sein sollten 1 . Allein diese Vorsicht erwies sich als unnütz, denn wenn auch Gregor XI. vor dem gedachten Termin (den 27. März 1378) starb und die Kardinäle durch die Drohungen der Römer, welche einen römischen Papst forderten, bewogen, das Konklave bei St. Peter bezogen, so wurde doch der Erzbischof Bartholomäus von Bari, U r b a n VI. (1378 — 1391 ) — ein Italiener — mit der vorgeschriebenen Zweidrittelmajorität gewählt und dann unter wiederholter Anerkennung seitens der Kardinäle und unter ihrer Assistenz installirt 2 . Das Streben des neuen Papstes, sich vom französischen Einfluss möglichst unabhängig zu halten, seine Härte und sein scharfes Auftreten gegen bestehende Missbräuche veranlassten einen Theil der Kardinäle, vor Allen die französischen, sich seinem Gehorsam dadurch zu entziehen, dass sie seine Wahl als durch Drohungen des römischen Volkes erzwungen für nichtig erklärten und einen Gegenpapst, C l e m e n s VII. ( 1 3 7 8 — 1 3 9 4 ) , wählten 3 . Damit war das S c h i s m a herbeigeführt, und von nun ab residirte in Rom und in Avignon ein Papst, von denen jeder sich mit einer Anzahl von Kardinälen umgab. Mehrfach wurde zur Beseitigung der Spaltung, ζ. B. vor der Wahl des avionesischen Papstes B e n e d i k t s XIII. ( 1 3 9 4 ) und der römischen Päpste I n n o c e n z ' VII. ( 1 4 0 4 — 1 4 0 6 ) und G r e g o r s XII. ( 1 4 0 6 — 1 4 1 5 ) , beim Beginn des Konklaves von jedem Kardinal die Verpflichtung übernommen, für den Fall, dass er die päpstliche Würde erlange, auf alle Weise die Beendigung des Schismas herbeizuführen und nöthigenfalls auch zu diesem Behufe den Pontifikat niederzulegen 4 . Diese Versprechungen wurden aber niemals gehalten und so konnte das Schisma erst durch die einschneidenden Massregeln des Koncils von C o n s t a n z beseitigt werden. Bei der Wahl des neuen Papstes M a r t i n s V. kam ein eigenes Verfahren zur Anwendung, indem derselbe gemäss der vom Koncil eigends ad hoc festgesetzten Ordnung 5 durch ein Wahlkollegium, gebildet aus 23 Kardinälen und ferner aus 30 Bischöfen , als Repräsentanten der auf dem Koncil versammelten Nationen, gewählt wurde 6 . Zugleich hat das Konoil für den Fall künftiger Schismata und behufs sicherer Beseitigung derselben bestimmt 7 , dass wenn bei Entstehung eines solchen nach seinen 1 R a y n a l d i annal. a. 1378. n. 2. 2 P a p e n k o r d t S. 439 ff.; namentl. S. 441. n. 3. 3 R a y n a l d i annal. a. 1378. n. 25 f f . : G i e s e l e r , Kirchengeschichte II. 3, 1 3 2 f f . ; P a p e n k o r d t S. 444 ff. Die Wahl Urbans war nn zweifelhaft gültig: dafür entschied sich auch u. A. der bekannte Jurist B a l d u s ; die wesentlichen Theile sines Gutachtens von 1378 bei R a y n a l d a. a. 0 . n. 36 ff., ein zweites von 1380 in Tom. VII. der Annalen desselben (ed. Lucae.) p. 613. Gegen die falschen Zeitbestimmungen Raynalds vgl. v. S a v i g n y , Gesch. des röm. Rechts 6, 231 ff. 4 lieber die Wahl B e n e d i k t s Raynaldi annal. 1394. 11. 6 ; I n n o c e n z ' VII. s. M a r t e n e thesaur. anecdot. 2, 1274. und R a y n a l d 1404. n. 10; G r e g o r s XII. a. a. O. 1406. n. 11.

5 H ü b l e r , die Constanzer Reformation. S. 34. 35. 6 R a y n a l d i annal. a. 1417 (Martin V . ) n. 2. 1 Sess. gen. X X X I X . c, 2 ( H ü b l e r a. a. 0 . S. 120) : „Si vero quod absit in futurum schisma oriri contingeret ita quod duo vel plures pro summis pontiflcibus se gererent, a die quo ipsi vel plures insignia pontiücatus publice assumserint seu administrate coeperint, intelligatur ipso iure terminus concilii tunc forte ultra annum pendens ad annum proximum abbreviatus. Ad quod omnes praelati et ceteri qui ad concilium ire tenentur sub poenis iuris et aliis per concilium imponendis absque alia vocatione conveniant. Nee non imperator ceterique reges et principes vel personaliter aut per solennes nuncios tamquam ad commune incendium exstinguendum per viscera misericordiae domini nostri Jesu Christi ex nunc exhortati

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I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§· 23.

Vorschriften über die Periodicität der allgemeinen Koncilien ein Koncil erst über Jahresfrist zusammen zu treten habe, dasselbe schon innerhalb des nächsten Jahres sich concurrant. E t quilibet ipsorum se pro Romano pontiüce gerentium infra mensem a die qua scientiam habere potuit, alium vel alios assumsisse papatus insignia vel in papatu administrasse, t e neatur sub interminatione maledictionis aeternae et amissione i u r i s , si quod forte sibi quaesitum esset in papatu, quam ipso facto incurrat, et ultra hoc ad quaslibet dignitates active et passive sit inhabilis, concilium ipsum ad terminum anni praedictum in loco prius deputato celebrandum indicere et publicare et per suas litteras competitor! vel competitoribus ipsum vel ipsos provocando ad causam et ceteris praelatis ac principibus quantum in eo fuerit intimare necnon termino praeflxo sub poenis praedictis ad locum concilii personaliter se transferre nec inde discedere, donee per concilium causa schismatis plenarie sit finita. Hoc adiuncto quod nullus ipsorum contendentium de papatu in ipso concilio u t papa praesideat. Quin imo ut tanto liberius et citius etiam unieo et indubitato pastore gaudeat, sint ipsi omnes de papatu contendentes, postquam dictum concilium incept u m f u e r i t , auctoritate huius sacrae synodi ipso iure ab omni administratione suspensi nec eis aut eorum alteri, donec causa ipsa per concilium terminata f u e r i t , a quoquam sub poena fautoriae schismatis quomodolibet obediatur. Quodsi forte electionem Romani pontiflcis per metum qui caderet in constantem virum seu impressionem de cetero fieri contingat, ipsam nullius deceraimus efficaciae vel momenti nec posse per sequentem consensum etiam metu praedicto cessante ratificari vel approbari. Non tarnen liceat cardinalibus ad aliam electionem procedere, nisi ille sie electus forte renunciet vel decedat, donec per generale concilium de electione illa fuerit iudicatum. E t si procedant, nulla sit electio ipso iure sintque sie secundo eligentes et electus, si se papatui ingesserit, omni dignitate, honore et statu , etiam cardinalatus et pontificali, ipso iure privati et inhabiles de cetero ad eosdem ac etiam ad papatum nec aliquis eidem secundo electo u t papae sub poena fautoriae schismatis obediat quoquomodo. E t eo casu concilium de electione papae provideat illa vice, sed liceat, imo et teneantur electores omnes aut saltem maior pars eorum quam cito sine periculo personarum p o t e r u n t , etiamsi periculum omnium bonorum i m m i n e a t , se transferre ad locum tutum et metum praedictum allegare coram notariis publicis et notabilibus personis ac multitudine populi in loco insigni. Ita tarnen quod allegantes metum huiusmodi habeant in ipsius metus allegatione exprimere speciem et qualitatem dicti metus et iurare solemniter, quod metus taliter allegatus sit verus et quod credant se ipsum posse probare et quod per malitiam vel per calumniam huiusmodi metum non proponant. Nec ultra proximum f u t u r u m concilium ullo modo differri possit allegatio dicti metus. Teneantur insuper, postquam se transtulerunt et metum alligaverunt, modo praedicto provocare sie electum ad concilium. Quod concilium si ultra annum pendeat a die provocationis huiusmodi intelligatur ad a n n u m ut supra ipso iure terminus abbreviatus. E t nihi-

lominus teneatur electus ipse sub poenis praedictis et cardinales provocantes sub poena amissionis cardinalatus et omnium beneficiorumsuorumquam ipso facto ineurrant, infra mensem a die provocationis concilium ipsum ut supra dicitur indicere et publicare et quam citius poterunt intimare, ac cardinales ipsi ceterique electores ad locum concilii tempore convenient! personaliter se transferre et usque ad finem causae exspectare teneantur. Teneantur quoque praelati ceterique u t supra ad cunvocationem cardinalium tantum, si forte electus convocare cessaret, accedere. Qui sic electus in concilio ipso non praesideat, quin imo sit a termino initiandi concilii ipso iure ab omni administratione papatus suspensus nec sibi a quoquam sub poena fautoriae schismatis quomodolibet obediatur. Quodsi infra annum ante diem indicti concilii contingant supradicti casus videlicet quod plures se geraut pro papa vel quod u n u s per metum seu per impressionem eligatur, censeantur ipso iure tarn se gerentes pro papa quam electus per metum seu impressionem et cardinales ad dictum concilium provocati teneanturque in ipso concilio comparere personaliter causam exponere et iudicium concilii exspectare. Sed si dictis casibus occurrentibus continget forte casus aliquis quo necessarium sit locum concilii mutare, u t obsidionis guerrae aut pestis aut similis, teneantur nihilominus tarn omnes supradicti quam omnes praelati ceterique qui ad concilium ire tenentur ad locum proximiorem u t praemittitur qui sit habilis ad concilium convenire, possitque maior pars praelatorum qui infra mensem ad locum certum declinaverint, ilium sibi et aliis pro loco concilii d e p u t a r e , ad quem ceteii convenire teneantur ac si a prineipio fuisset deputatus. Concilium autem ut praefertur convocatum et cogregatum de huiusmodi schismatis causa cognoscens et in contumaciam electorum seu gerentium se pro papa vel cardinalium, si forte venire neglexerint, litem dirimat causamque deflniat et culpabiles in schismate procurando seu nutriendo vel in administrando aut obediendo vel administrantibus favendo seu contra interdictum superius eligendo vel calumniose allegando metum, etiam ultra praedictas poenas, cuiuscunque status gradus seu praeeminentiae existant ecclesiasticae vel mundanae personae, sie p u n i a t , u t vindictae rigor transeat ceteris in exemplum. Ut autem metus seu impresäionis molestia in electione papae eo formidolosius evitetur quo toti christianitati lamentabilius eorum ineussio seu factio perpetratur, ultra praedicta specialiter duximus statuendum, quod siquis huiusmodi metum vel impressionem aut violentiam electoribus ipsis vel alicui eorum in electione papae intulerit seu fecerit aut fieri procuraverit vel factum ratum habuerit aut in hoc consilium dederit vel favorem facientemve scienter reeeptaverit vel defensaverit aut negligens in executione poenarum inferius memoratarum extiterit, cuiuscumque status gradus vel praeminentiae f u e r i t , etiamsi imperiali regali pontificali vel alia quavis ecclesiastica aut seculari praefulgeat dignitate, illas poenas Ipso facto incur-

§. 28.1

Besetzung des päpstlichen Stuhles seit dem 12. Jahrhundert.

273

versammeln und auch jeder der Gewählten binnen Monatsfrist bei Verlust aller durch die Wahl etwa erworbenen Rechte das Koncil innerhalb des Jahres zusammenberufen sollte , sowie dass dem Koncil, welches auch selbstständig in dem gedachten Fall zusammentreten könne, die Entscheidung hinsichtlich der gleichzeitig zum persönlichen Erscheinen und zum Bleiben verpflichteten Prätendenten zustehe.

Ferner sollte ein

früherer Eintritt des Koncils durch eine unter Zwang erfolgte Papstwahl ebenfalls herbeigeführt werden, damit dieses gleichfalls dann über das Vorhandensein des Nichtigkeitsgrundes entscheiden könnte, während für den F a l l ,

dass nach entstandenem

Schisma oder nach einer erzwungenen Papstwahl der Zusammentritt des Koncils noch innerhalb Jahresfrist stattzufinden hätte, diesem die Entscheidung anheim gegeben wurde. Das folgende R e f o r m - K o n c i l , das Koncil zu B a s e l ,

suchte ein seiner Stellung

gefährlich werdendes Schisma und überhaupt die Erhebung eines ihm feindlich gesinnten Papstes dadurch zu verhüten,

dass es die Anordnung erliess, dass für den Fall

einer während des Koncils eintretenden Vakanz des päpstlichen Stuhles die Papstwahl nur am Orte des Koncils und zwar nach Verlauf von 60 Tagen stattfinden sollte 1 . Ebenso sollte die Oberhoheit des Koncils über den Papst für alle Folgezeit durch die allgemeine Vorschrift über die Papstwahl gewahrt werden, dass jeder der wählenden Kardinäle in dem von ihm zu leistenden Eid auch das Gelöbniss machen musste, nur einem Papst gehorsam zu sein, welcher den vorgeschriebenen Eid über die regelmässige Abhaltung allgemeiner lvoncilien geschworen hätte 2 .

Trotzdem hat sich aber der vom

Koncil 1439 abgesetzte Papst E u g e n I V . gegenüber dem im Auftrage des Koncils von den Kardinälen

und 32 deputirten geistlichen Mitgliedern desselben gewählten

F e l i x V . zu behaupten gewusst 3 . Irgend eine weitere praktische Bedeutung haben die Bestimmungen der gedachten Koncilien in Bezug auf den hier in Rede stehenden Punkt nicht gehabt.

Die späteren

Wahlen sind

dabei

fach

die

wieder allein durch die Kardinäle erfolgt und

schon

früher

es hat

vorgekommene Vorlegung von Wahlkapitulationen

mehrstattge-

funden 4 . Die Bestechungen, durch welche A l e x a n d e r V I . Borgia ( 1 4 9 2 — 1503) seine Wahl durchgesetzt hatte 5 , veranlassten J u l i u s I I . (1503—1513) zum Erlass der K o n stitution : Cum tarn divino vom 14. Januar 1505, in welcher er anordnete, dass ein in Folge von Simonie Gewählter die päpstliche Würde durch die Wahl nicht erlangen und die Nichtigkeit derselben auch nicht durch die nachfolgende Inthronisation, durch die Adoration und Obedienz sämmtlicher Kardinäle, ebensowenig endlich durch Zeitablauf rat quae in constitutione fei. record. Bonifacii papae V I I I quae incipit Felicis continentur" (c. 5 in V I t o de poen.) „illisque effectualiter puniatur. Civitas vero etiamsi quod absit urbs Romana fuerit seu alia quaevis universitas quae talia facienti consilium vel auxilium dederit aut favorem vel infra mensem saltern taliter delinquentem, prout tanti facinoris enormitas exegerit et facultas ei affuerit, non duxerit puniendum, eo ipso subiaceat ecclesiastico interdicto. Et nihilominus praeter dictarn urbem pontiflcali ut supra fit mentio eo ipso sit dignitate privata non obstantibus privilegiis quibuscunque. Volumus insuper quod in fine cuiuslibet concilii generalis hoc decretum solemniter publicetur necB i η s c h i u κ , Kirchenrecht.

non quandocunque t t ubicunque Romani pontiflcis electio imminebit facienda, ante ingressum conclavis Iegatur et publice intimetur". 1 Sess. I V . c. 3 (Mansi 29, 3 2 ) , Sess. V I I . (Mansi 29, 42.) 2 Sess. X X I I I . (Mansi 29, 110. 111). 3 Sess. X X X I V . , Sess. X X X V I I . c. 2, Sess. X X X V I I I . c. 3. und Sess. X X X I X . (Mansi 29, 179. 184. 195. 196. 198.) * So vor der Wahl E u g e n s I V . (1431—1447), P i u s ' I I . (1458—1464) und I n n o c e n z ' V I I I . ( 1 4 8 4 — 1 4 9 2 ) s. R a y n a l d i annal. a. 1431. n. 5 ; a. 1458 (Pius I I . ) n. 2. 4 ; a. 1484. n. 28. 5 R a y n a l d i annal. 1492. n. 2 6 j G i e s e l e r , Kirchengeschichte II. 4, 167. n. r.

lb

274

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 28.

geheilt werden könne, sowie dass auch selbst die Mitschuldigen das Recht haben sollten , sich der Gemeinschaft eines solchen, als magus, ethnicus, publicanus et haeresiarcha zu entziehen 1 . In Anschluss daran bestimmte P a u l IV. (1555 — 1559) durch die Konstitution vom 16. Dezember 1557 2 unter Hinweisung auf die römische Synode des Symmachus 3 , dass alle, welche noch bei Lebzeiten des Papstes sich um die Erlangung der päpstlichen Würde bewürben, ebenso wie ihre Rathgeber, Helfershelfer und Theilnehmer, ipso iure der nur (abgesehen vom articulo mortis) durch der Papst zu hebenden Exkommunikation, den Strafen der simoniaca haeresis und des crimen laesae maiestatis, endlich dem Verluste aller Würden und Einkünfte verfallen sollten. Ebenso traf sein Nachfolger, P i u s IV. (1559— 1564) in der Konstitution: In eligendis vom 9. Oktober 1562 4 weitere Bestimmungen über die Papstwahl, namentlich über die Verwaltung des römischen Stuhles während der Sedisvakanz und die s. g. Konklavisten, d. h. die mit den Kardinälen das Konklave beziehenden Personen. Auch verordnete er in der Konstitution : Prudentiae patrifamilias von 1561 5 — offenbar veranlasst durch den Vorgang auf dem Constanzer und Baseler Koncil, — dass wenn er etwa zu Trient oder ausserhalb Roms sterben sollte, unter allen Umständen das Kardinalskollegium in Rom, nicht die zu Trient versammelte Synode die Wahl seines Nachfolgers vorzunehmen hätte. In durchgreifender und noch für die heutige Zeit massgebender Weise hat endlich Papst G r e g o r XV. (1621 — 1623) allerdings auf Grundlage der älteren Normen das Verfahren bei der Papstwahl durch die Konstitution: Aeterni patris filius vom 15. November 1621" in Verbindung mit dem durch die Konstitution: Decet Romanum approbirten Caeremoniale vom 12. März 1641 7 geregelt. Seit dem 14. Jahrhundert hatte sich in dem Kardinalskollegium vielfach bei den Wahlen der Gegensatz der Nationalitäten geltend gemacht, ausserdem trat im 16. Jahrhundert die Sitte hervor, dass der Nipote des verstorbenen Papstes mit den übrigen von demselben ernannten Kardinälen in dem Konklave eine neue Partei bildete 8, und so war den weltlichen Mächten leicht Möglichkeit gegeben , ihre Einflüsse auf die Wahl durch die Benutzung dieser Gegensätze geltend zu machen. Unter diesen Verhältnissen musste der Mangel eines festen, geordneten Modus der Herbeiführung der Entscheidung bei der Wahl sehr bedenklich erscheinen, da oft die entschlossenere Partei durch schnelles Ausrufen ihres Kandidaten und Ueberraschung der anderen Kardinäle den Sieg erlangt hatte, während bei einer fester geregelten Weise der Abstimmung der Ausgang vielfach ein anderer gewesen wäre 9 . Diesem Uebelstande abzuhelfen, war die eben erwähnte unter Zuziehung des bekannten Kanonisten P r o s p e r F a g n a n i ausgearbeitete Konstitution Gregors XV. bestimmt. 1 Magn. Bullar. 1, 466. 2 Magn. Bullar. 1, 836. 3 Syn. Roman. I. a. 499. c. 3 (Bruns 2, 288), c. 2. Dist. L X X I X ; die Synode von Pavia a. 997 (Mansi 19, 234) hat letztere Bestimmung übrigens fast wörtlich wiederholt. * Magn. Bullar. 2, 97. 5 Bullar. Roman. Τ. IV. p. II. p. 90. Aehnliche Festsetzungen — allerdings ohne Hinblick auf ein versammeltes Koncil — haben bei ihrer Entfernung aus Rom C l e m e n s VII. (Const.

Cum carissimus a. 1529; Licet v&riae a. 1533; Bullar. Roman. Τ. IV. p. I. p. 84. 85) und C l e m e n s VIII. (Const. Humanae vitae a. 1598 ibid. Τ. V. p. II. p. 210) erlassen. 6 Magn. Bullar. 3, 444. Magn. Bullar. 3, 4 5 4 , publicirt am 2. April 1622 (ibid. p. 465). 8 R a n k e , die römischen Päpste; 3. Aufl. 2, 214 ff. 7

9 P h i l l i p s 5, 848. 849.

§· 29.]

Besetzung des päpstlichen Stuhles. Das geltende Recht.

275

Sein Nachfolger, U r b a n VIII. (1623—1644), welcher schon unter Beobachtung des neuen Verfahrens gewählt worden war, hat das gedachte Wahlgesetz und Caeremoniale nochmals durch die Konstitution: AdRomanum pontificem vom 5.Februar 1625 1 bestätigt und endlich C l e m e n s XII. in der Bulle: Apostolatus officium vom 11. Oktober 1732 2 einige Ergänzungen dazu erlassen: §.29.

B. Das geltende

Hecht.

Das jetzt in Betreff der P a p s t w a h l 3 geltende Recht ruht auf den im §. 28 erwähnten kirchlichen Gesetzen, denn die früheren Verordnungen sind niemals durch die späteren , namentlich auch nicht durch die Bulle Aeterni patris, in ihrem ganzen Umfange aufgehoben worden 4 . So gründet sich ζ. B. das noch geltende Princip der ausschliesslichen Wahlberechtigung des Kardinalskollegiums und das Erforderniss der Zweidrittel-Majorität auf die Dekretale Alexanders III. : Licet de vitanda (S. 265), die Nothwendigkeit des Konklaves auf die Konstitution Gregors X. : Ubi periculum (S. 267). Alle diese Verordnungen sind daher bei der nachfolgenden Darstellung zu berücksichtigen. I. D a s K o n k l a v e . Eine der vorzüglichsten Obliegenheiten der Kardinäle nach der Erledigung des päpstlichen Stuhles ist die Einrichtung des Konklaves. In der ersten Sitzung (Kongregation) der Kardinäle, welche für die Regel in der Camera de' paramenti gehalten wird, werden die verschiedenen auf die Wahl bezüglichen Gesetze verlesen und von den Kardinälen beschworen, zugleich werden einige der letzteren ausgewählt, welche die Herrichtung des Konklaves zu besorgen haben 5 . Dieses wird gewöhnlich in dem neben der Peterskirche belegenen Vatikanischen Palast in Rom eingerichtet, weil sich derselbe seiner baulichen Einrichtung nach dazu am besten eignet, indessen kann auch eine andere Lokalität in Rom zu diesem Behufe ausgewählt 6 , ja die Vornahme der Wahl und mithin auch das Konklave sogar ausnahmsweise an einem anderen Orte stattfinden 7 . Die weiteren Kongregationen werden in der Sakristei der Peterskirche abgehalten und zwar in der zweiten bis fünften die Berichte über den Fortgang der Einrichtung des Konklaves entgegengenommen, ferner aber die Konklavisten, d. h. die Personen, welche mit ins Konklave einzuziehen haben, und die mit der Bewachung desselben zu betrauenden Personen gewählt , zu denen ausser dem Governatore von Rom gewöhnlich Prälaten genommen, 1 Magn. Bullar. 4, 9 5 , publicirt am 6. Juli 1626. 2 Bullar. Roman. 13, 302. 3 Ob auch ein anderer Modus der Besetzung gestattet ist, darüber s. den Schluss dieses Paragraphen. * Bulle Aeterni patris §. 2 4 (Μ. B. 3, 4 7 4 ) : ,,Νοη obstante q u a t e n u s o p u s s i t , foel. rec. Alexandri papae III. praed. nostri in concilio Lateranensi edita quae incipit: Licet de vitanda et aliorum Romanorum pontificum praedecessorum nostrorum etiam in conciliis generalibus promulgatis constitutionibus et ordinationibus apostolicis etiam in corpore iuris clausis, quibus omnibus et singul i s , q u a t e n u s p a r i t e r o p u s s i t , eorum omnium et singulorum tenores perinde ac si ad verbum exprimerentur, pro expressis insertis habentes, pro hac vice duntaxat, illis a l i a s i n s u o

r o b o r e p e r m a n s u r i s , specialiter et expresse derogamus, caeterisque contrariis quibuscumque". 5 Caeremoniale Gregorii X V . (M. Bull. 3, 4 5 0 ) ; Clement. XII. Const. Apostolatus officium v. 11. Oktober 1732. §. 2 4 (Bull. Rom. 13, 307) und desselben Chirographum: Avendo nol vom 24. Dezember 1732. η. XVII (Bull. Rom. 13, 312), welches auch Bestimmungen über die Thätigkeit der weiteren Kongregationen enthält. 6 Die Wahl L e o s XII. (1823—1829) ist ζ. B. im Quirinalischen Palast erfolgt. S. A r t a u d , histoire du pape Leon XII. Paris 1843. 1, 37. 7 S. die Konstitutionen Nikolaus' I I . , Gregors X . , Clemens'V. S. 249. 267. 269. So ist noch neuerdings P i u s VII. (1800—1823) in Venedig unter dem Schutze Oesterreichs gewählt; A r t a u d , histoire du pape Pie VII. Paris 1836. 1, 80 ff. 18*

276

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 29.

aber auch andere Personen, ζ. B. Gesandte der weltlichen Fürsten bestimmt werden können Am sechsten Tage soll das Konklave fertig sein. In einem bestimmten Ranm von zusammenhängenden, in demselben Stockwerk befindlichen Sälen werden für jeden einzelnen Kardinal Zellen oder Kammern aus Brettern errichtet, von denen jede zwei Abtheilungen, eine für den Kardinal selbst, die andere für seine Konklavisten, enthält, aber offen sein muss 2 . Diese Zellen werden in der sechsten Sitzung, nachdem sie numerirt sind, nach den Nummern, indem der jüngste Kardinaldiakon die Loose zieht, verloost 3 , eventuell wird mit dieser Vertheilung in den folgenden Kongregationen fortgefahren. In der neunten werden vermittelst geheimer Abstimmung diejenigen drei Kardinäle (capita ordinum, capi d' ordini) erwählt, welche das Konklave und die Beobachtung der Klausur zu überwachen haben. Endlich haben in der zehnten Kongregation diejenigen Kardinäle, welche noch nicht die Diakonatsweihe erhalten haben, sofern ihnen das Recht der Theilnahme an der Wahl durch besondere Breven verliehen ist, sich durch Vorlegung der betreffenden Dokumente, als mit zur Wahl berechtigt, zu legitimiren 4 . Inzwischen sind die Exequien des verstorbenen Papstes beendet und da mit dem zehnten Tage auch die schon durch Gregor X. vorgeschriebene Wartefrist (S. 267) abgelaufen ist, so kann am elften Tage der Einzug in das Konklave erfolgen. An diesem Tage wird zunächst im St. Peter unter Anrufung des heiligen Geistes ein feierliches Hochamt celebrirt 5 und von einem Prälaten eine Ermahnung an die Kardinäle, der Christenheit einen guten Oberhirten zu geben, gehalten 6 . In feierlicher Prozession ziehen dann unter Vorauftragung des päpstlichen Kreuzes 7 die Kardinäle und die K o n k l a v i s t e n in das Konklave ein. Zu diesen letzteren gehören zunächst die zur Bedienung bestimmten Begleiter der einzelnen Kardinäle, jeder hat deren zwei und nur ausnahmsweise kann einem Ge« P h i l l i p s 5, 857. Wegen der Verordnung Gregors X. (s. S . 2 6 7 ) ; die Zelleneinrichtung ist durch die Const. Clemens' VI. : Licet in constit. v. 1351. §. 4 (M. Bullar. 1, 258) gestattet. 2

3 Die Vertheilung durch Loos schreibt vor die Const. Pius' IV. v. 1562. §. 13 (M. Bull. 2, 98). Danach wird dann im Conclave das Wappen jedes Kardinals über seine Zelle gehängt. Die Zellen selbst werden mit rothem oder grünem, nur die der vom verstorbenen Papst ernannten Kardinäle mit violettem Tuch ausgeschlagen. 4 Ρ e c o r e I i i , inst. iur. can. 2, 2 3 8 : „Primo die post pontiflcis obitum in generali congregatiorie cardinales audiunt et iurant pontiflcias constitutiones in eligendo se observaturos, sigilla eius f r a n g u n t , gubematorem urbis eligunt, aliquot ipsorum operi conclavis praeficiunt et f u n u s deducunt. Secundo ministros et offlciales conflrmant qui alias conflrmari ipso iure praesumuntur, urbis conservators audiunt et praefectos conclavis. Tertio confessionarium conclavis eligunt et sepulturae trad mit cadaver pontiflcium. Quarto et quinto medicos, chirurgum, aromatarium (Apotheker), barbitonsores destinant. Sexto cellas conclavis distribuunt. T u m caeremoniarum magistri non p a r t i c i p a t e s exhibent indulta brevium

sibi concessa ingrediendi conclave. Septimo audiuntiir qui tertium conclavistam indulgendum sibi postulaverint, nam duo cuilibet cardinal! ordinario assignantur. Octavo cardinales duos eligunt ad inquirendum et probandum qualitates conclavistarum. Nono tres alios cardinales praeficiunt custodiae et curae conclavis. Decimo indulta cardinalium qui sacros ordines non susceperint, disquirunt, destinantque coementarium (Maurer) et lignarium (Zimmermann). Undecimo ad clausuram conclavis ritu Oolemm procedunt, relectasque inibi constitutiones apostolicas iurant iterum se observaturos et concionem decani audiunt". 5 Das ist ein viele Jahrhunderte alter Brauch. Schon die epist. Gregorii VIII. v. 1187 ( W a t t e r i c h 1. c. 2, 685) sagt: „missa in honore sancti spiritus celebrata, sicut m o r i s est, processimus in unum locum". 6 Caeremoniale (Μ. B. 3, 455). 1 Caeremoniale 1. c . : „Re divina peracta clericus caeremoniarum capit crucem papalem et procedit quem cardinales sequuntur, episcopi primum, deinde presbyteri, postremo diaconi cum suis cappis violaceis. Crucem praecedunt familiares cardinalium et immediate cantores ( h y m n u m : Veni creator spiritus cantantes), post cardinales seq u u n t u r praelati atque ita processionaliter proce(lentes conclave ingrediuntur".

§· 29.]

Besetzung des päpstlichen Stuhles. Das geltende Recht.

277

brechlichen oder Kranken ein dritter gestattet werden 1 . Ob sie Kleriker oder Laien sind, ist gleichgültig, aber sie müssen mindestens schon ein Jahr zu den familiares des betreffenden Kardinals gehören, d. h. in einem Dienstverhältniss zu ihm stehen und von ihm ihren Unterhalt empfangen, weder Kaufleute, noch Diener von Pürsten, noch weltliche Herren, noch Brüder, resp. Neffen der Kardinäle sein 2 . Ausser diesen P e r sonen ziehen in das Konklave noch ein : sechs Ceremonienmeister nebst einem für sie bestimmten Diener, ein Sakristan nebst einem assistirenden Kleriker, ein Beichtvater aus dem Mönchsstande, ein Sekretär mit zwei Gehülfen und einem Diener, zwei Aerzte, ein Chirurg, ein Apotheker mit einem oder zwei Gehülfen, zwei Zimmerleute, zwei Maurer, zwei Barbiere mit einem oder zwei Gehülfen, endlich 35 zur allgemeinen Bedienung bestimmte Aufwärter (bajuli, scoppettatori). Alle diese dürfen nicht aus den Famiiiaren der Kardinäle genommen werden und werden ebenfalls vorher mittelst geheimer Abstimmung erwählt 3 . Nach dem Eintritt in das Konklave werden in der innerhalb desselben befindlichen Kapelle von den Kardinälen die ihnen nochmals vorzulesenden Konstitutionen über die Papstwahl beschworen. Dann begeben sie sich in ihre Zellen, kommen aber gegen Abend nochmals zusammen, damit vor ihnen die Konklavisten auf treue Pflichterfüllung vereidigt werden können 4 . Die Kardinäle sollen nun das Konklave nicht mehr verlassen, indessen erfolgt die Abschliessung des letzteren erst, nachdem gegen Abend dreimal von Stunde zu Stunde mit einer Glocke das Zeichen dazu gegeben worden, dass alle nicht hinein gehörenden Personen dasselbe zu verlassen haben 5 . Demnächst wird das Konklave sowohl von innen als auch von aussen verschlossen; dann müssen noch die Capi d' ordini, der Kardinal-Kämmerer und ein Ceremonienmeister genau untersuchen, ob sich Jemand etwa unberechtigter Weise in demselben aufhält, und der Ceremonienmeister hat darauf durch ein besonderes Instrument den stattgehabten Eintritt der Klausur festzustellen 6 . Von aussen haben der Governatore von Rom, eine Reihe von Prälaten und die Konservatoren von Rom, sowie stationirte Soldaten das Konklave zu bewachen, nachdem bis auf die eine verschlossene Thür alle Zugänge und Oeffnungen desselben vermauert sind 7 . Von jetzt ab sollen die Kardinäle weder schriftlich noch durch Boten aus dem Konklave heraus verkehren 8 . Daher haben auch die aussen Wache stehenden P r ä laten die den Kardinälen täglich durch die dazu bestimmten, mit Drehladen versehenen Oeffnungen zugestellten Speisen zu untersuchen 9 , um eine etwa dadurch bewirkte Kom1 S. Const. Pius' IV. In eligendis. §. 16 (M. B. 2, 98). Die Bewilligung des dritten Konclavisten geschieht mittelst geheimer Abstimmung in der siebenten Kongregation. 2 S. die citirte Const. §. 17. 3 S. Const, cit. §. 18 u. Caeremoniale Gregorii XV. Deinde etc. (Μ. B. 3, 405). Const. Clemens' XII. Apostolatus officium v. 1732. §§. 13. 14 (Bullar. Rom. 13, 305). 4 Caeremoniale, Re divina (Μ. B. 3, 455). Am folgenden Tage werden dieselben in der Kapelle nochmal einzeln vorgestellt und geprüft, ob sie die nöthige Qualifikation haben (s. g. Rekognition der Konclavisten). Caeremoniale, Deinde. 5 Caeremoniale, Cardinales autem.

6

Caeremoniale, Deinde u. quoniam autem. Die Papstwahl etc. S. 11. 8 Const. Pii IV. cit. §. 20 (Strafen: Verlust der Würden, selbst des Kardinalatä und exoommunicatio latae sententiae); ein Beispiel der Verletzung dieser Vorschriften bietet das Conclave von 1769, in welchem Clemens XIV. gewählt worden; hier haben mehrere, namentlich französische Cardinäle fortlaufend an ihre Höfe über den Verlauf desselben berichtet. S. Τ h e i η e r , Geschichte des Pontifikats Clemens' XIV. 1, 143 ff. 9 Const. Pii IV. §§. 2 2 . 2 3 . In Betreff der den Cardinälen gestatteten Speisen bestimmt die Constit. Clemens' VI. : Licet in constit. v. 1351. §. 3 7

278

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§• 29.

munikation zu hindern. Noch viel weniger soll Jemand ausser den nach Beginn des Konklaves in Rom zur Wahl eintreffenden Kardinälen 1 dasselbe betreten 2 . Wird dagegen aus einer dringenden Ursache ein Verkehr mit der Aussenwelt, ζ. B. Audienzertheilung an Gesandte, Erlass von die Regierung betreffenden Anweisungen nöthig, so ist ein solcher nur nach Majoritätsbeschluss der Kardinäle und durch die angebrachte Oeffnung gestattet 3 . Ebensowenig soll Jemand vor der Vollendung der Wahl aus dem Konklave herausgelassen werden; nur Krankheit oder ein sonstiger genügender Grund berechtigt dazu. Während aber ein so ausgeschiedener Kardinal zurückkehren k a n n 4 , steht dem Konklavisten diese Befugniss nicht zu 5 . Wesentlich, also zur Gültigkeit der Wahl erforderlich ist aber die Beobachtung aller dieser einzelnen Vorschriften nicht; vielmehr nur die, dass überhaupt das Konklave gehalten und verschlossen worden ist, j a selbst wenn sich nachher herausstellt, dass das Konklave bei der Wahl ganz oder theilweise offen gewesen, schadet das der Gültigkeit derselben nichts, sofern nur das gedachte vom Ceremonienmeister aufzunehmende Instrument den Eintritt der Klausur konstatirt e . II. D i e W a h l . 1. D i e W a h l b e r e c h t i g u n g , Zur Wahl sind ausschliesslich diejenigen Kardinäle berechtigt, welche die Diakonatsweihe besitzen 7 . Ob ein solcher schon die Insignien seiner Würde erhalten hat, oder ob ihm der Mund schon geschlossen oder schon geöffnet worden, ist gleichgültig 8 . Der Mangel der Diakonatsweihe kann aber durch ein besonderes, vorher von dem verstorbenen Papste ertheiltes Privilegium ersetzt werden !l . Ebensowenig hebt eine gegen den Kardinal verfügte Exkommunikation, Suspension oder das Interdikt seine Wahlbefugniss auf 1 0 . Eine besondere Citation der ausserhalb Roms verweilenden Kardinäle ist nicht nothwendig, wiewohl freilich eine Benachrichtigung an sie über den Tod des Papstes seitens des Sekretärs des Kollegiums üblicherweise erlassen wird 1 1 , vielmehr muss nur die zehntägige Wartefrist inne gehalten werden 12 . Abwesende, selbst durch einen genügenden Grund am Erscheinen verhinderte Kardinäle dürfen weder brieflich noch durch einen Prokurator ihre Stimme abgeben 13 . (M. Bull. 1, 258): „Ac etiam singulis praeter panem, vinum et aquam in prandio et in coena dumtaxat ferculum seu missum carnis unius speciei tantummodo aut piscium seu ovorum cum uno potagio de carnibus vel piscibus principaliter non confectis et decentibus falsamentis habere valant, ultra carries salitas et herbas crudas ac caseum, fructus sive electuaria. E x quibus tarnen nullum specialiter ferculum conflciatur, nisi ad condimentum fleret vel saporem. Nullus vero eorum de alterius ferculo vesci posset1'. 1 S. die Constitution Gregors X. S. 267. 2 Const. Pii IV. §. 19 (Strafe: Verlust jeder Würde und jedes Benefiziums). Kaiser Joseph II. und der Grossherzog von Toskana haben aber das Koriclave des J. 1769 besucht. S. T h e i n e r a. a. Ο. 1, 183. 3 Const. Pii IV. §. 19. 4 S. die Constit. Gregors X. S. 2 6 7 , Const. Pii IV. §. 4. 5 Const. Pii IV. §. 24. 6 Const. Gregors XV. Aeterni patris §. 1, Caeremoniale quoniam autem. Selbst wenn nach-

her die Kardinäle mit zwei Drittel Stimmen Majorität konstatirt haben, dass das Konclave offen gewesen, kann deshalb die vorher erfolgte Wahl nicht angefochten werden. τ Const. Pii IV. §. 2 5 ; Constit. Sixtus' V. Postquam verus v. 3. Dezember 1586. §. 6 (M. Bull. 2, 610). 8 Decret. Pii V. v. 26. Januar 1571 bei F e r r a r i s , prompta biblioth. s. v. cardinales. art. I. η. 22. Dadurch ist die früher schon von dem Kardinalskollegium in einzelnen Fällen geübte Praxis s. R a y n a l d i annal. ecclesiast. a. 1362. n. 5, a. 1431. η. 5 sanktionirt worden. 9 Caeremoniale: Porro capitula etc. 10 Clem. 2. de elect. I. 3 (s. S. 270. n. 5), Const. Gregors XV. Aeterni patris 22. 11 F e r r a r i s s. v. papa art. I. η. 26. Ein solches Schreiben von 1823 bei A r t a u d , histoire du pape Leon. 1, 26 ff. 12 Const. Pii IV. §. 3. 13 S. die Constitution Gregors X. oben S. 267; const. Pii §. 5 ; N i c o i i i s , praxis canonica Tom. I. Lit. Ε. de electione. §. 1. n. 26.

§· 29.]

Besetzung des päpstlichen Stuhles. Das geltende Recht.

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2. P a s s i v e W ä h l b a r k e i t . Vielfach wird heute der Satz aufgestellt, dass nur ein Kardinal gewählt werden kann 1 . Allerdings hat das römische Koncil von 769 (c. 4. Dist. LXXIX s. oben S. 229) eine solche Festsetzung getroffen, diese ist aber durch die Praxis des zehnten Jahrhunderts und dann durch das Wahldeliret Nikolaus' II. (s. oben S. 249) beseitigt worden, und seitdem hat keine gesetzliche Bestimmung jenen Grundsatz wieder eingeführt 2 . Von den Päpsten seit dem Ausgang des zwölften Jahrhunderts haben U r b a n III. (1185—1187), Erzbischof von Mailand 3 , U r b a n III. (1260 — 1264), Patriarch von Jerusalem, G r e g o r X . (1271— 1276), Archidiakon von Lüttich, der Einsiedler Pietro di Morrone, C ö l e s t i n V. (1294), C l e m e n s V. (1305—1314), Erzbischof von Bordeaux, U r b a n V. (1362— 1370), Abt zu St. Viktor in Marseille, und U r b a n VI. (1378 — 1389), Erzbischof von Bari 4 , dem Kardinalskollegium nicht angehört, und ältere und neuere Ordnungen der römischen Kirche setzen die Möglichkeit einer Wahl ausserhalb des Kollegiums ausdrücklich voraus 5 . Nur so viel ist richtig, dass alle Päpste seit Urban VI. aus dem Kardinalskollegium genommen worden sind 6 , und natürlich wie schon früher (S. 244) ohne Unterschied, ob sie Kardinalbischöfe, Kardinalpriester oder Kardinaldiakonen waren. Ja es ist sogar zulässig, dass ein Laie, selbst ein verheiratheter, mit Konsens seiner F r a u , zum Papste gewählt wird 7 . So sind früher, wo die Besetzung noch nicht in der Hand der Kardinäle lag, mehrmals Laien (ζ. B. J o h a n n XII. und L e o IX., s. S. 244) zum Pontifikat erhoben worden 8 . Da der Papst die Bischofsweihe erhalten muss, so könnte man geneigt sein, das dazu erforderliche, vollendete 30. Lebensjahr (s. S. 19) auch für den Kandidaten des päpstlichen Stuhles zu verlangen. Indessen ganz abgesehen davon, dass diese Regel nicht stets inne gehalten ist (so haben Johann XII. und Benedikt vor Erreichung des 20. Lebensjahres den päpstlichen Stuhl bestiegen, s. S. 244), würde für den Bischof von diesem Erforderniss dispensirt werden können, und da bei der im vorliegenden Fall nicht möglichen Dispensation die Wahl mit zwei Drittel der Stimmen jede Einwendung ausschliesst 9 , so muss es genügen , wenn die betreffende Person überhaupt in einem urtheilsfähigen Alter sich befindet und des Gebrauchs ihrer Vernunft nicht beraubt ist. Ausgeschlossen sind dem1 So ζ. B. von R i c h t e r , §. 1 2 3 . ; S c h u l t e 2, 1 9 9 ; G i n z e l 2, 1 9 2 ; R o s s h i r t , Kirchenrecht. 4. Aufl. S. 33. 2 Die Constit. Sixtus' V. Postquam verus. vom :>. Dezember 1586. §. 2 (M. Bull. 2, 6 0 9 ) : „Quod omnium caput et summa est, ex eorum corpore, numero et collegio summus pontifex deligatur", auf welche sich G i n z e l a. a. 0 . b e r u f t , setzt keineswegs eine ausschliessliche Wählbarkeit der Cardinäle yoraus. 3 W a t t e r i c h 1. c. 2, 663. * S. P a p e n k o r d t a . a. O. S. 310. 320. 326. 341. 432. 440. 5 So das caeremoniale Roman, iussu Gregorii X. bei M a b i l l o n , museum italicum, η. X I I I . n. 2 (1, 2 2 1 ) : „ille qui fuerit coucorditer ab omnibus cardinalibus vel a duabus partibus electus in papain , ab universali ecclesia Romanus pontifex habeatur. Qui si fuerit absens vel d e c o l l e g i o c a r d i n a l i u m n o n f u e r i t , ad locum in quo cardinales sunt, in consistorio venire debet vocatus et ipse coelectionis de se facit consensum praesente". Fast gleichlautend damit der ordo Romanus (saec. X I V . ) ibid. η. X I V . n. 10(1, 252).

Das Gleiche setzt das Concilium Basel Sess. X X I I I . c. 1 (Mansi 29, 111) voraus, ebenso erwähnt das Caeremoniale Gregors XV. als zulässige Bedingung , welche den wählenden Kardinälen bei der electio per compromissum auferlegt werden kann, „et an debeant nominare aliquem de collegio vel etiam extra collegium". 6 Nur diese Thatsache, keinen Rechtssatz, konstatirt die Bulle Sixtus' V. in Note 2. 7 F e r r a r i s 1. c. n. 4 8 ; Card, de L u c a , relatio curiae Romanae. Colon. Agripp. 1683. disc. 3. η. 22. P h i l l i p s 5, 8 6 5 ; S c h u l t e , Lehrbuch. S. 199. S. auch M a r c e l l i sacrar. caerem. lib. I. s. II. c. 1. (Hoffmann, nova collect. 2, 304). 8 Der Einsiedler Petrus de Morrone, C ö l e s t i n V. (1294), welcher öfter als hierher gehöriges Beispiel aufgezählt wird, hatte, wie er selbst in seiner eigenen Biographie c. 2 (Acta Sanctorum. Mai 19. 4, 424) erzählt, lange vor seiner Besteigung des päpstlichen Stuhles die Priesterweihe empfangen. 9 c. 6 (Alex. III. in conc. Later. III. a. 1179) X. de elect. I. 6.

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I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 29.

nach nur Kinder und Wahn- resp. Blödsinnige Ungültig wäre aber die Wahl eines Ungetauften, einer Frau und auch eines Häretikers, denn erstere können in der christlichen Kirche überhaupt keine Rechte haben, die Frauen sind kirchlicher Würden unfähig, beide auch incapaces für die Weihen, und der zum Papste gewählte Häretiker würde sofort dem Urtheil der Kirche wegen seiner Häresie verfallen 2 . 3. Was die W a h l s e l b s t betrifft, so ist jetzt die ehemals öfters vorgekommene Aufstellung von Wahlkapitulationen (s. S. 273) bei Strafe der Nichtigkeit verboten 3 , der Gewählte hat also keine Verpflichtung, sie nach der Erlangung des Pontifikats zu beobachten 4 . Jeder im Konklave anwesende Kardinal ist bei Strafe der Exkommunikation verpflichtet, sich an der Wahl zu betheiligen 5 . Kann er seine Zelle wegen Krankheit nicht verlassen, so wird sein Votum von den eigends dazu durch Loos gewählten Kardinälen (den s. g. infirmarii) entgegengenommen 6 . Zur Wahl haben die Kardinäle ebenfalls bei Strafe der Exkommunikation täglich zweimal des Morgens nach der Messe und des Nachmittags nach dem Hymnus Veni creator spiritus in der Kapelle zusammenzukommen, nachdem zu beiden Tageszeiten dreimal mit der Glocke das Zeichen gegeben ist 7 . Die Wahl selbst muss nach den gesetzlichen Vorschriften erfolgen, und die Kardinäle haben kein Recht, etwas an denselben zu ändern 8 . Die allein zulässigen A r t e n d e r W a h l sind die Wahl q u a s i p e r i n s p i r a t i o n e m , p e r c o m p r o m i s s u m und p e r s c r u t i n i u m 9. a. E l e c t i o q u a s i p e r i n s p i r a t i o n e m . Eine solche liegt vor, wenn alle Kardinäle ohne jede spezielle Verhandlung, gleichsam vom heiligen Geiste angetrieben, einstimmig eine Person als die von ihnen gewählte bezeichnen 10 . Verabredungen darüber, dass diese Form angewendet werden solle, widersprechen selbstverständlich ihrem Wesen; ebenso Bitten, dass alle Stimmen auf einen bestimmten Kandidaten gerichtet 1 F a g n a n . c. δ. X. de pact. I. 3ü. n. 5 0 ; N i c o i i i s . 1. c. n. 3 1 ; F e r r a r i s . 1. c. n. 51. Dagegen würde auch die Wahl eines Blinden dem im Text Bemerkten zufolge gültig sein. S. N i c o i i i s . 1. c. n. 32. 2 N i c o i i i s . 1. c. n. 31. 3 3 ; F e r r a r i s . 1. c. 3 1 ; P h i l l i p s 5, 865 und 1, 274.^ Aus den im T e x t angegebenen Gründen findet also in diesen Fällen die Regel des c. 6. X. de elect, cit. keine Anwendung. 3 Const. Pii IV. §. 3 ; Const. Gregorii XV. Aeterni patris. §. 18. F e r n e r gehört auch hierher die allgemein, namentlich für die Bischofsund Abtswahlen dergleichen Kapitulationen verbietende Const. Innocentii X I I . : Ecclesiae catholicae vom 22. September 1695. §. 8 fM. Bullar. 7, 262). •> B e n e d . XIV. de syn. dioeces. X I I I . 13. n. 2 0 ; P h i l l i p s 5, 900, der sich aber auf die nicht passende Bulle Innocenz' X I I . : Romanum decet v. 1692 (M. Bull. 7, 181) bezieht. 5 Const. Gregor. XV. cit. §. 17. 6 Const. Aeterni. §. 1 7 ; Caeremoniale. Si vero aliqui cardinales (M. Bull. 3, 463). • Const. Aeterni. §. 17. 8 Const. Pii IV. §. 2 8 ; Const. Aeterni. §. 20 (wo die Strafe der Exkommunikation festgesetzt ist). 9 Const. Aeterni. 1.

10 Const. Aeterni. §§. 1. 19; Caeremoniale (1. c. 3, 4 5 6 ) : „Primus modus est, qui quasi per inspirationem vocatur quando scilicet omnes cardinales quasi afflati spiritu sancto, aliquem unanimiter et viva voce summum pontificem proclamant, circa quem modum ex constitutione Gregoriana infrascripta notari possunt. Primum haec forma electionis practicari potest solum in conclavi et eo clauso. Secundo debet fieri electio secundum hanc formam ab omnibus et singulis cardinalibus in conclavi praesentibus. Tertio communiter et nemine eorum dissentiente. Quarto nullo praecedente de persona tractatu et per v e r b u m : Eligo intelligibili voce prolatum aut scripto expressum, si voce non possit proferri. E x e m p l u m autem huius potest esse huiusmodi. Si aliquis patrum clauso conclavi nullo , ut praefertur , praecedenti speciali tractatu diceret: Reverendissimi domini, perspecta singulari virtute et probitate Reverendissimi Domini N. iudicarem ilium eligendum esse in summum pontificem et ex nunc ego ipsum eligo in papam. Deinde hoc audito, si caeteri patres nemine excepto sequenter primi sententiam eodem verbo: Eligo intelligibili voce prolato aut si non potest, in scriptis expresso eumdem N. de quo nullus specialis tractatus praecessit, communiter eligerent, ipse Ν. esset canonice electus et verus papa secundum hanc electionis formam quae dicitur per inspirationem".

§· 29.]

Besetzung· des päpstlichen Stuhles. Das geltende Recht.

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werden sollen. Dagegen steht diesem Modus eine Verhandlung darüber, auf welche Eigenschaften vorzüglich gesehen werden soll, dass man eine bestimmte Person aussehliessen wolle 1 , eine ohne Resultat vorher auf einem anderen Wege versuchte Wahl nicht entgegen. Ebenso wenig wird die quasi inspiratio dadurch ausgeschlossen, dass einige Kardinäle krankheitshalber nicht gegenwärtig gewesen sind, sofern dieselben nach empfangenem Bericht über den Vorgang ohne Weiteres ebenfalls zugestimmt haben 2 . b. Ε l e c t i o p e r c o m p r o m i s e u m , eine Form, welche nicht erst durch Gregor XV. eingeführt, sondern schon seit dem 12. Jahrhundert mitunter angewendet worden ist 3 . Sie besteht darin, dass die Kardinäle einstimmig einer bestimmten Anzahl ihrer Kollegen die Befugniss, den Papst zu wählen, übertragen 4 . Zugleich haben sie bei der Ernennung der Kompromissarien das von diesen zu beobachtende Verfahren vorzuschreiben, also ζ. B. Bestimmung darüber zu treffen, ob die von letzteren in Aussicht genommene Person vorher dem ganzen Kollegium noch namhaft zu machen ist oder gleich gewählt werden k a n n , ob Einstimmigkeit erforderlich sein soll und Aehnliches mehr. Auch empfiehlt die Konstitution Gregors XV. behufs schneller Erledigung der Wahl den Kompromissarien einen bestimmten Termin zu setzen , mit welchem ihre Vollmachten erlöschen 5 . Die Form, welche denselben vorgeschriebe]) wird, darf aber keine ungesetzliche sein, also z . B . nicht Wahl durch das Loos, die j a auch mit dem Wesen des Kompromisses unvereinbar w ä r e , ferner nicht Wahl desjenigen, für welchen sich die Majorität der Kardinäle in einem von den Kompromissarien angestellten Skrutinium entschieden hat, weil hier die Verbindung zwischen Kompromiss und Skrutinium theilweise die Regeln des letzteren a u f h e b t 6 . Was die Zahl der Kompromissarien betrifft, so müssen mindestens zwei gewählt werden 7 . Kompromittiren die Kardinäle auf andere, ζ. B. die Konklavisten oder gar auf ausserhalb des Konklaves befindliche Personen, welche dann den betreifenden Vorschriften zuwider in das Konklave eingelassen werden müssten, so ist das Kompromiss nichtig; denn die Kardinäle haben allein die Wahlberechtigung des Papstes und können diese nicht beliebig auf andere, sondern n u r , soweit dies besonders gestattet ist, mithin nur auf einen Tlieil ihrer Kollegen, übertragen 8 . Behufs der vorzunehmenden Wahl haben sich die Kompromissarien, welche ebenso wie die wählende Gesammtheit, zweimal des Tages zu diesem Behufe zusammen kommen müssen 9 , an einen abgesonderten Ort des Konklaves zu begeben. Für ihre Abi P h i l l i p s 5, 869. ä P h i l l i p s ö, 870. 3 So schon bei der Wahl I η n ο c e η ζ' II. (1130), s. epist. Hubeiti ( W a t t e r i c h 1. c. 2, 179): „statutum est ab eis, octo personis . . . electionera pontificis committi ita ut si committeret (wohl contingeret), dominum papam Honorium qui tunc in articulo mortis positus erat, ab hac vita transire, persona quae ab eis communis eligatur Tel a parte sanioris consilii, ab omnibus pro domino et Komano pontifice susciperetur"; ferner bei der Wahl Gregors X. s. R a y n a l d i ann. eccles. a. 1271. n. 7 ff. 4 Const. Aeterni. § . 1 . 5 Caeremoniale, secundus modus. (M. Bullar. 3, 456).

6 Ist keine Form für die Ermittelung des Willens der Majorität vorgeschrieben, so steht der Gültigkeit des Kompromisses nichts im Wege. F a g n a n . ad c. 6. X. de elect, cit. n. 56. 57. 7 Const. Aeterni. §. 1 : „aliquibus ex eorum collegis". F a g n a n . ad c. 8. X. h. t. I. 6. n. 35 erklärt die durch einen Compromissarius vorgenommene Wahl aber m. E. mit Tinrecht für gültig. 8 Anderer Ansicht F a g n a n . 1. c. n. 29 ff., P h i l l i p s 5, 874 und F a c h m a n n §. 180, welche nur Laien und exkommunicirte Kleriker ausschliessen. Ersterer stützt sich darauf, dass die Nichtigkeit nicht ausdrücklich vorgeschrieben sei. Dieser Grund widerlegt sich aber durch das im Text Bemerkte. β Const. Aeterni. 17.

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I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 29.

Stimmungen sollen sie die Notwendigkeit des schriftlichen Votirens festsetzen 1 . Ist nichts in dem sie ernennenden Kompromiss festgesetzt, so entscheidet die Majorität der Stimmen 2 , da mangels einer besonderen Festsetzung dieser sonst geltende Grundsatz Anwendung auch hier finden muss. Sich selbst darf Niemand bei Strafe der Nichtigkeit seine Stimme geben 3 , wohl aber können die Kompromissarien einen aus ihrer Mitte wählen, sofern nicht etwa blos zwei ernannt sind, denn da hier der eine sich nicht selbst wählen darf, würde der andere allein — was, wie oben bemerkt, unzulässig ist — die Wahl vornehmen 4 . Der Eintritt eines Kardinals in das Konklave nach stattgefundenem Kompromiss hebt dasselbe natürlich nicht auf, da dieser den status quo anerkennen muss 5 , während das Kollegium selbst mit Stimmeneinheit den Weg der Wahl per compromissum wieder aufgeben und den durch Skrutinium einschlagen kann. c. E l e c t i o p e r s c r u t i n i u m . Seit der Dekretale Alexanders I I I . , welche zur Gültigkeit der Papstwahl zwei Drittel Majorität verlangt, musste natürlich ein geordnetes Verfahren bei der Abstimmung eingeschlagen werden. Man hat sich dabei zunächst an die schon früher bestehende Sitte gehalten, dass einige der Kardinäle zu Stimmensammlern ernannt und von ihnen dann an einem gesonderten Ort die Vota der andern entgegengenommen wurden 6 . Bald nachher bildete sich aber wohl schon eine festere Form aus : Man wählte drei Skrutatoren, einen aus jeder Klasse der Kardinäle, und dann noch in gleicher Weise drei Skrutatoren für die ernannten Skrutatoren. Von den letzteren wurden zunächst die Vota der Hauptskrutatoren eingeholt und erst dann traten diese in Funktion, um nunmehr die Stimmen der übrigen einzusammeln, welche mündlich abgegeben, aber demnächst von den Skrutatoren niedergeschrieben wurden 7 . Da das niedergeschriebene Votum um Irrungen zu vermeiden jedem Wähler zur Einsicht mitgetheilt wurde, so lag natürlich ein Uebergang zu der Form der Abstimmung durch Stimmzettel ziemlich nahe und letztere ist denn auch schon vor der Regelung der Papstwahl durch Gregor XV. vorgekommen 8 . Nach den mehrfach erwähnten Erlassen des letzteren erfolgt das Skrutinium in nachstehender Weise: Das Skrutinium zerfällt in drei Haupttheile, das A n t e s k r u t i n i u m , das S k r u t i n i u m im eigentlichen Sinn und das P o s t s k r u t i n i u m 9 . α. Das Erstere setzt sich aus folgenden fünf Akten zusammen. Zunächst müssen die Ceremonienmeister die erforderliche Anzahl von Stimmzettelformularen besorgen, und in der Kapelle vor dem Altar auf einem besonderen Tische auf zwei Tellern zur Benutzung für die Wähler bereit halten (s. g. p r a e p a r a t i o s c h e d u l a r u m ) 10. Die Formulare sollen gedruckt oder doch mindestens alle von einer und derselben Hand geschrieben sein 11 . Sie sind von der Länge einer Hand und etwas über eine halbe 1

Caeremoniale, Secundo complete. So auch P h i l l i p s 5, 875. 3 Const. Aeterni. §. 19. * P h i l l i p s 5, 874. s Const. Gregors X. s. S. 267. 6 S. den Bericht über die Wahl nach dem Tode Hadrians IV. (1159) oben S. 264. n. 4. 7 So stellt der dem 14. Jahrhundert angehörige Ordo Romanus η. XIV. c. 2—4 (bei M a b i l l o n , mus. Italicum 2, 247 ff.) das Verfahren dar. 8 So bei der Wahl N i k o l a u s ' V. i. J. 1447 s. R & y n a l d i annal. a. 1447. n. 15; dass schon 2

Gregor XII. durch Stimmzettel gewählt ist (so P h i l l i p s 5, 831) ergiebt der Bericht Raynalds a. 1406. n. 13 nicht. Aelter als 1447 ist die Sitte aber jedenfalls, denn das Koncil von Basel verordnet schon in der Sess. XXIII. c. 1 (vom 25. März 1436. Mansi 29, 111), dass kein Kardinal mehr als drei Namen auf die schedule setzen soll. 9 Caeremoniale, Tertius modus (1. c. 3, 456). Μ Caeremoniale, Antescrutinii actus 1. c. 11 Verletzung dieser Vorschrift zieht die Exkommunikation nach sich. Const. Aeterni. §§. 6. 14; Caeremoniale, schedularum praeparatio.

§· 29.]

Besetzung des päpstlichen Stuhles. Das geltende Recht.

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Hand breit, und zerfallen in drei, der Lauge nach geraachte Rubriken, von denen die oberste und die unterste aber noch eine schmalere Unterabtheilung aufweisen. In dem Haupttheil der obersten Rubrik stehen die Worte Ego . . . Card, mit einem Zwischenraum für die Einrückung des Namens des Wählers; in der Unterabtheilung befindet sich auf jeder Seite rechts und links ein Kreis oder eine Zierrath zur Andeutung der Stelle, wo der Wähler sein Siegel hinzusetzen hat. Die zweite Rubrik weist die Worte auf: Eligo in Summum pontificem Reverendissimum dominum meum dominum Cardinalem . . . und diesen ist der Name der zu wählenden Person hinzuzufügen. In der dritten Rubrik befindet sich die kleinere Unterabtheilung, ebenfalls mit zwei für die Siegel bestimmten Kreisen oder Zierrathen oben, der grössere untere Raum ist leer und dient zur Aufnahme des Zeichens des stimmenden Kardinals 1 (s. unten). Die Ausfüllung soll mit verstellter Handschrift geschehen. Nach der praeparatio schedularum erfolgt die s. g. e x t r a c t i o s c r u t a t o r u m e t d e p u t a t o r u m p r o v o t i s i n f i r m o r u m , d. h. die Ausloosung von drei Skrutatoren und drei Infirmarien in der Weise, dass aus einem Beutel oder einem Gefäss, in welchem sich so viele Zettel oder Holzkugeln, als Kardinäle anwesend, und zwar mit den Namen derselben bezeichnet, befinden, die nöthige Anzahl von Namen durch den jüngsten Kardinaldiakon herausgezogen wird 2 . Darauf wird die Ausfüllung der Formulare, d i e s . g. s c r i p t i o s c h e d u l a r u m vorgenommen und zwar nach Massgabe des so eben bei der Beschreibung der Formulare Bemerkten. Als Erkennungszeichen in die untere Rubrik setzt jeder eine Zahl und einen Spruch, also ζ. B. 18. Gloria in excelsis. Die Ausfüllung geschieht an mehreren, dazu hergerichteten kleinen Tischen in der Kapelle Der vierte Akt des Anteskrutiniums ist d i e c o m p l i c a t i o s c h e d u l a r u m , die Zusammenfaltung der Stimmzettel. Hierbei bleibt die zweite, also die Mittel-Rubrik, mit dem Namen des Gewählten offen. Das Stück der oberen Rubrik wird in sich so gefaltet, dass der obere Theil auf die Unterabtheilung mit den Stellen für die Siegel zu liegen kommt, während der Theil der unteren Rubrik in gleicher Weise, nur nach oben zu, zusammengelegt wird. Die Rückseite der Formulare ist mit allerlei Zierrathen versehen, damit von dem auf der Vorderseite Geschriebenen nichts durchschimmert. Zwischen diesen Schnörkeln steht, um die obere Seite des Zettels erkennen zu lassen, auf dem der oberen Rubrik der Vorderseite korrespondirenden Theil das W o r t : Nomen, auf dem der unteren entsprechenden das Wort: Signa 4 . Den Schlussakt des Anteskrutinium bildet die Versiegelung der Stimmzettel, die o b s i g n a t i o s c h e d u l a r u m . Diese erfolgt in der Weise, dass nachdem schon voider Zusammenfaltung weisses Wachs auf die Kreise der ersten und dritten Rubrik geklebt ist, der Kardinal an den entsprechenden Stellen der Aussenseite ein von ihm besonders zu wählendes, nicht sein sonstiges Siegel aufdrückt 5 . Da die Wahl durch suffragia secreta erfolgen soll, so können solche Stimmzettel 6 , welche mangels der Versiegelung und bei ungenügender Zusammenfaltung den Namen des Wählenden ersehen lassen, nicht mitgezählt werden. 1 Const. Aeterni. §. 6; Caeremoniale, forma; letzterem ist auch ein Formular beigefügt (s. Μ. Bullar. 3, 457).

tius actus; Beispiel eines ausgefüllten Formulars M. Buliar. 3, 460. 4 Const. Aeterni patris. §. 6 ; Caeremoniale,

* Const. Aeterni patris. §. 1 6 ; Secundus actus.

et

Caeremoniale

3 Const. Aeterni. §§. 6. 7. 9 ; Caeremon. Ter-

§. postremo

β Const, cit.

1.

7

. Caeremoniale, Quintus

284

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 29.

ß. Das nunmehr folgende S k r u t i n i u m im eigentlichen Sinne setzt sich aus 8 Handlungen zusammen 1 : Jeder Kardinal trägt seinen zusammengelegten und versiegelten Zettel mit zwei Fingern der erhobenen Hand öffentlich zum Altar der Kapelle, neben welchem die Skrutatoren stehen und auf dem sich ein Kelch mit einer Patene zur Aufnahme der Stimmzettel befindet ( d e l a t i o s c h e d u l a e ) . Nach der Kniebeugung und einem kurzen Gebet vollzieht er zunächst die Eidesleistung ( i u r a m e n t i p r a e s t a t i o ) , indem er s c h w ö r t : »Testor Christum dominum qui de me iudicaturus

est, me eligere quem secun-

dum deum iudico eligi debere et quod idem in accessu praestabo «, und nimmt erst dann die

p o s i t i o s c h e d u l a e in c a l i c e m vor, indem er den Zettel auf die Patene legt und ihn vermittelst derselben in den Kelch schüttet. Zu denjenigen, welche in der Kapelle anwesend, aber sich wegen Gebrechlichkeit nicht zum Altar begeben können, verfügt sich der dritte Skrutator, nimmt ihnen, nachdem sie den Eid geleistet haben , den Zettel ab und trägt ihn öffentlich zum Altar, um ihn hier in der gedachten Weise in den Kelch zu legen. Befinden sich dagegen einzelne Kardinäle krank in ihren Zellen, so holen die Infirmarien ihre Voten ein, indem sie die erforderliche Anzahl von Stimmzetteln auf einem Teller und ausserdem eine mit einem Spalt im Deckel versehene Büchse mitnehmen, welche zunächst vor den Kardinälen geöffnet und dann mit dem auf dem Altar der Kapelle niederzulegenden Schlüssel verschlossen werden muss. Die Kranken haben in ihren Zellen die Zettel in der erwähnten Weise auszufüllen 2 , zusammenzufalten, zu besiegeln und nach vorgängiger Eidesleistung in die Büchse hineinzustecken. Dann wird die Büchse in die Kapelle zurückgebracht, von den Skrutatoren geöffnet und diese haben dann die Zettel öffentlich herauszunehmen, zu zählen und mittelst der Patene zu den übrigen in den Kelch zu legen 3 . Nach Vollendung dieses Aktes hat der erste Skrutator die Stimmzettel in dem mit der Patene bedeckten Kelch durcheinander zu schütteln ( s c h e d u l a r u m p e r m i x t i o ) 4 und es erfolgt dann die n u m e r a t i o s c h e d u l a r u m in der Weise, dass der dritte Skrutator sie laut aus dem ersten Kelch in einen zweiten hineinzählt. Stimmt die Zahl derselben nicht mit der Zahl der Kardinäle überein, so müssen die Zettel sofort verbrannt werden. Es darf also das Skrutinium nicht weiter fortgesetzt, sondern es muss von neuem begonnen werden 5 . Ist dagegen Alles in Ordnung, so erfolgt nunmehr die p u b l i c a t i o s c r u t i n i i durch die Skrutatoren, welche dazu an einem Tisch vor dem Altar Platz nehmen. Der erste Skrutator nimmt einen Zettel nach dem andern aus dem Kelch, betrachtet, ohne denselben zu öffnen, den darauf geschriebenen Namen des Gewählten, reicht ihn dem zweiten Skrutator, der das Gleiche thut, dieser giebt ihn dem dritten, welcher den Namen laut zu lesen hat und die Kardinäle notiren auf der ihnen vorliegenden Liste der Mitglieder des Kollegiums die Zahl der auf jedes derselben gefallenen Stimmen. Finden sich bei diesem Verfahren zwei Zettel so in einander gefaltet, dass sie von derselben 1 Const, cit. 5 ; Caeremoniale Sequitur secunda actio. 2 Kann der Kranke nicht schreiben, so darf er die Ausfüllung durch einen Andern besorgen lassen, der aber vorher den Inflrmarien eidlich die Wahrung des Geheimnisses geloben muss und

ausserdem dazu bei Strafe der Exkommunikation verpflichtet ist. 3

Const, cit. §. 15; Caeremon. 1. c.

* Caeremon. Quartus actus. 5

Const, cit. §. 14;· Caerem. Quintus actus.

§. 29.]

Besetzung des päpstlichen Stuhles. Das geltende Recht.

285

Person herrühren müssen, so gelten sie für einen, wenn auf beiden derselbe Name steht, im umgekehrten Falle aber als nichtiges Votum Während der publicatio beginnt zugleich die siebente Handlung des Skrutiniums, die s c h e d u l a r u m i n f i l u m i n s e r t i o . Nach der Verlesung jedes Stimmzettels durchsticht der dritte Skrutator denselben bei dem Worte Eligo mit einer Nadel und zieht ihn auf einen Faden auf 2 . Sind alle aufgereiht, so werden die beiden Enden des Fadens zusammengebunden, und die Zettel in einen anderen leeren Kelch hineingelegt ( d e p o s i t i o s c h e d u l a r u m ) 3 . γ. Das jetzt beginnende P o s t s k r u t i n i u m gestaltet sich verschieden, je nachdem das Skrutinium zu einem festen Resultat geführt hat oder nicht, im ersten Fall besteht es nur aus drei verschiedenen Handlungen, der Zählung der Stimmen ( n u m e r a t i o s u f f r a g i o r u m ) , der Rekognition derselben ( r e c o g n i t i o s u f f r a g i o r u m ) und dem Verbrennen derselben ( c o m b u s t i o s c h e d u l a r u m ) . Nach beendetem Skrutinium haben die Skrutatoren eine Zusammenstellung über das Resultat der Abstimmung zu machen 4 , um zu konstatiren, ob die ebenso wie schon von Alexander III. auch durch die Konstitution: Aeterni patris (s. §. 1) erforderte Majorität von zwei Drittel Stimmen der wählenden Kardinäle erreicht ist. Findet sich, dass ein Kandidat gerade diese Anzahl erhalten hat, so muss noch zuvörderst sein Zettel geöffnet werden, denn es darf sich Niemand selbst wählen 5 und daher wäre, wenn sich der Gewählte selbst seine Stimme gegeben hätte, die erforderliche Majorität nicht erreicht. Hat der Kandidat aber auch nur eine Stimme mehr, so kann davon abstrahirt werden. Sollten die Kardinäle die Verbrennung der Stimmzettel in dem Falle, wo ihre Zahl mit der Zahl der Wähler nicht übereingestimmt hat, nicht vorgenommen, vielmehr den Wahlakt weiter fortgesetzt haben, so kann darum die ganze Wahl nicht für nichtig angesehen werden, vielmehr genügt es in dem Falle, wo mehr Zettel vorgefunden werden als Wähler vorhanden sind, wenn der Gewählte nicht nur zwei Drittel der Stimmen der Wähler (die seinige sich selbst gegebene nicht mitgerechnet), sondern noch ausserdem so viel Stimmen bekommen hat, als überflüssige Zettel vorhanden sind. Denn unter diesen Voraussetzungen ist er immer mit der erforderlichen Majorität gewählt 6 . Es kann aber auch umgekehrt vorkommen, dass weniger Zettel als Wähler vorhanden sind. Dem eben erwähnten Princip gemäss müssen hier nicht nur zwei Drittel der vorhandenen Stimmzettel, sondern auch noch so viel andere, als zur Erreichung der Zahl der Zweidrittel-Majorität sämmtlicher anwesenden Wähler nothwendig sind, für erforderlich erachtet werden 7 . Stimmzettel, welche mit dem Namen mehrerer Kandidaten versehen sind, sind nichtig, werden also nicht mitgezählt 8 . Zur Kontrole darüber, ob die von den Skrutatoren gemachten Angaben über das Resultat der Wahl mit den Stimmzetteln übereinstimmen, werden s. g. Recognitoren, 1

Caerem. Sextus actus. Caerem. Septimus actus. 3 Caerem. Octavus et postremus. 2

4 Caeremoniale, Sequitur tertia (M. Bull. 3, •463) u. Quintus actus (1. c. 464). 5 Const. Aeterni. §. 2 ; Caeremon. 1. c. 6 Das Gleiche gilt auch natürlich für den Fall, wo nach der Zählung erst mehr Zettel u n t e r die

anderen gemischt sind. S. F a g n a n . ad c. 56. Χ . I. 6. n. 21—36. Uebrigens ist für das weitere Vorgehen mit der Wahl nur dann, wenn mehr Zettel sich finden, die Exkommunikation latae sententiae angedroht. Const. Aeterni. §§. 13.14. 7 F a g n a n . a d e . 58. X. eod. tit. η. 56 ff. Dass auch hier das selbst gegebene Votum nicht mitgerechnet, wird, -versteht sich von selbst. 8 Const, cit. § . 1 1 .

286

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 29.

drei an der Zahl, auf dieselbe Weise, wie jene (s. S. 283) gewählt, und nachdem diese ihre Funktion versehen haben, die Zettel verbrannt 1 . Hat dagegen die Stimmzählung das Resultat ergeben, dass auf keinen der Kandidaten zwei Drittel der Stimmen gefallen sind, so wird zu einem eigenthümlichen Verfahren geschritten, um zu versuchen, ob nicht ein Theil der Wähler seinen Kandidaten fallen lässt und sich für einen der anderen erklärt. Dieses, der s. g. a c c e s s u s , besteht darin, dass die im Skrutinium abgegebenen Vota für das Resultat der zukünftigen Abstimmung als gültig betrachtet werden, die Kardinäle aber noch eine neue Abstimmung vornehmen, in welcher sie einem der bereits im Skrutinium bezeichneten Kandidaten beitreten 2 . Das Verfahren bei dieser Abstimmung ist im wesentlichen dasselbe wie beim Skrutinium , nur mit folgenden, sich aus dem Zweck des Accesses ergebenden Modifikationen. Die für denselben bestimmten Zettelformulare enthalten in der Mittelrubrik die Worte: »Accedo reverendissimo etc.«, der im Skrutinium vor der Stimmzettelabgabe erforderliche Eid braucht nicht wiederholt zu werden und die Infirmarien müssen ausser den Accesszetteln auch eine beglaubigte Uebersicht über das Resultat des Skrutiniums zu den Kranken in die Zellen mitnehmen 3 . Damit aber beim Access, dessen Stimmen der Stimmzahl im Skrutinium hinzugerechnet werden, ein Resultat erreicht, andererseits aber nicht die Stimme des einzelnen Wählers für seinen Kandidaten doppelt gezählt wird, sind für denselben folgende Regeln vorgeschrieben: Es können auch im Access bei Strafe der Nichtigkeit nicht die Namen mehrerer auf den Stimmzettel geschrieben werden, ebensowenig darf Jemand dabei gewählt werden, welcher nicht schon im Skrutinium eine gültige Stimme erhalten hat, also ζ. B. nicht derjenige, auf welchen allein sein eigenes Votum gefallen ist. Ferner darf Niemand denjenigen Kandidaten, welchen er im Skrutinium gewählt, beim Access wieder aufschreiben, es sei denn, dass sein Votum im Skrutinium ungültig ist, dagegen ist es gestattet, die im letzteren gewählte Person auch im Access dadurch festzuhalten, dass der Wähler auf seinen Wahlzettel zu accedo hinzuschreibt: »Nemini« 4 . Führt auch der Access, dessen Ergebniss ebenfalls wie das des Skrutiniums unter Auffädelung der Stimmzettel bekannt gemacht wird, zu keinem Resultate, so hört der ganze Wahlakt als resultatlos auf, und es muss in der nächsten Versammlung von neuem mit dem Skrutinium begonnen werden. Ein mehrmaliger Access findet also nicht statt 5 . Im umgekehrten Falle wird mit der a p e r i t i o s i g i l l o r u m e t s i g n o r u m vorgegangen. Der erste Skrutator nimmt die Stimmzettel des Accesses einen nach dem andern vom Faden herunter und öffnet sie an dem unteren Theil, so dass er die Kennzeichen oder signa (s. S. 283) lesen kann. Dann giebt er sie dem zweiten zur Besichtigung und dieser überliefert sie dem dritten. Letzterer macht die Siegel und Kennzeichen der Versammlung bekannt und notirt sie auf einem Bogen unter der Rubrik: 1 C a e r e m . Sextus actus und Septimus et postremus. 2 Auch dieses Verfahren ist früher schon üblich gewesen, wenngleich nicht in derselben Form. S. den ordo Romanus η. XIV. aus dem 14. Jahrhundert c. 8 (bei Μ ab i l l o n 1. c. 2, 200); das Koncil von Basel Sess. XXIII. c. 1 verbietet die

Vornahme des Accesses, ehe nicht 6 Skrutinien resultatlos verlaufen sind (Mansi 29, 111); bei der Wahl Calixts III. (1455) hat er stattgefunden. R a y n a l d i , annal. a. 1455. n. 17. 3 u. * Const, cit. §§. 10—12; Caeremon. Primus itaque actus (M. Bullar. 3, 463). 5 Const, cit. §. 12.

Besetzung des päpstlichen Stuhles. Das geltende Recht.

§. 29.]

287

Sigilla et signa accessuum. Hierauf zieht der erste Skrutator die Zettel des Skrutiniums vom Faden, sucht auf dem Verzeichniss des Accesses das Notat des gleichen Siegels und öffnet dann den Skrutinium-Zettel an der unteren Seite, um sich mit den beiden andern Skrutatoren zu überzeugen, ob die Kennzeichen auf demselben mit denen des Access-Zettels übereinstimmen. Steht auf beiden derselbe Name, so ist das Votum des Accesses nach der obigen Regel ungültig. Sonst wird der Stimmzettel des Skrutiniums mit seinen Siegeln und Kennzeichen ebenfalls laut verkündigt und die Uebereinstimmung der Erkennungszeichen auf dem gedachten Blatt auf der neben der früheren stehenden Rubrik: Sigilla et signa scrutinii respondentia accessibus, und endlich in einer dritten Colonne daneben der Name der im Skrutinium erwählten Kardinäle vermerkt 1 . Finden sich bei dieser Untersuchung der Zettel des Skrutiniums zwei oder mehrere mit denselben Merkmalen, welche einem Zettel des Accesses entsprechen, so muss, wenn auf den ersteren verschiedene Kandidaten als gewählt notirt sind, der erste Skrutator sie alle unter Zuziehung der beiden andern Skrutatoren, auch an dem Theil, welcher den Namen des Wählers enthält, eröffnen, damit nachgesehen werden kann, ob zufällig mehrere Kardinäle sich derselben Kennzeichen bedient haben 2 . Rühren sämmtliehe Zettel von einem her, so würden sie als nichtig betrachtet werden müssen, weil Niemand mehrere wählen kann. Ebensowenig wird derjenige Skrutinialzettel berücksichtigt, zu welchem sich kein mit demselben Zeichen versehener Accesszettel auffinden lässt. Danach folgt die n u m e r a t i o s u f f r a g i o r u m , und zwar werden die Stimmen des Skrutiniums und des Accesses zusammengezählt. Hat keiner der Kandidaten zwei Drittel erhalten, so ist kein Resultat erzielt und es muss das Skrutinium in der nächsten Versammlung von Neuem beginnen. Bei einem dahin gehenden Ausfall, dass ein Kandidat gerade zwei Drittel der Stimmen erlangt hat, ist zunächst sein Zettel zu eröffnen. Ergiebt sich danach, dass er sich selbst gewählt, so ist die vorgeschriebene Majorität nicht erreicht, also das Verfahren gleichfalls ohne Ergebniss geblieben. Möglich ist es aber auch, dass zwei zu gleicher Zeit zwei Drittel der Stimmen oder mehr erhalten haben. Bei Stimmengleichheit ist hier die Wahl nichtig, bei Stimmenverschiedenheit entscheidet aber schon die Majorität einer Stimme 3 . Schliesslich ist dann noch die recognitio suffragiorum und combustio schedularum in der früheren Weise vorzunehmen 4 . — 1

Caerem. Secundus , tertius etc. Dasselbe giebt folgendes Formular für die gedachten Notate :

Sigilla

et s i g n a suum.

A. C. D. 43. B. R. E. 32. R. G. J. 50. Ν. S. P. 26. Die Buchstaben 2

acces-

S i g i l l a et s i g n a s c r u t i n i i accessibus respondentia.

Deus. B. ß . E. 32. Bonitas. Bon;tas. R. G. J. 50. Beatitude. Beatitude. Gloria. bedeuten die Siegel.

Const, cit. §. 8 ; Caeremon. Quod si fortasse. 3 Const, cit. 4 ; Caerem. Quintus actus. P h i l l i p s 5, 890 giebt dafür folgendes Beispiel; „Die Zahl der im Conclave anwesenden Cardinäle beläuft sich auf 52, mithin beträgt die erforderliche Majorität 35. Im Skrutinium erhält A 32, Β 12 Stimmen, die übrigen vertheilen sich. Die 12 Votanten des Β und 14 des Α stimmen im Access: Accedo nemini ; 5 der vereinzelten und

Cardinales nominati scrutinio.

in

Card. S. Eusebii. Card. S. Sixti.

18 des Α stimmen: accedo B, dagegen 3 der vereinzelten stimmen : accedo A, so ist das Resultat, dass jeder von beiden im Access 35 Stimmen hat und keiner von ihnen gewählt ist; theilen sich hingegen die vereinzelten unter den nämlichen Voraussetzungen zur Hälfte, so ist A, treten 6 von ihnen dem Β zu, so ist dieser gewählt". 4

Caerem. Sextus actus.

•288

I. D i e Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 29.

Aus den hinsichtlich des Accesses mitgetheilten Grundsätzen ergiebt sich, dass derselbe stets ein Skrutinium voraussetzt, also lediglich Zubehör des letzteren ist. Daraus folgt, dass durch eine ungültige Vornahme des Accesses das Skrutinium nicht vitiirt wird, während umgekehrt mit der Nichtigkeit des letzteren auch der Access zusammenfällt, ferner, dass derjenige, welcher im Skrutinium nicht mitgestimmt, auch im Access nicht mitstimmen darf und dass Niemand durch seine Abstimmung im Access sein Votum im Skrutinium zurückziehen darf 1 . — Eine Nichtigkeit jeder W a h l , möge sie zu Stande gekommen sein, wie sie wolle, begründet der Umstand, dass sich der Gewählte selbst oder einer der Kardinäle der Simonie schuldig gemacht hat und diese Nichtigkeit wird unter keinen Umständen, selbst nicht durch nachfolgende Inthronisation, Adoration u. s. w. gehoben. Der auf diese Weise in den Besitz des Pontifikates Gelangte kann also nicht als Papst betrachtet werden 2 . Nach Einigen soll indessen diese Folge dann nicht eintreten, wenn ein Dritter gegen den ausdrücklichen Willen des Gewählten oder ohne sein Wissen oder gar in boshafter Absicht, um dadurch die Wahl ungültig zu machen, die Simonie begangen hat 3 . Allein es ist nicht abzusehen, wie unter diesen Umständen ein solches Verfahren ohne simonistische Beeinflussung eines Kardinals die Wahl tangiren kann, während im umgekehrten Falle, bei Theilnahme eines Kardinals an der Simonie, kraft ausdrücklicher Vorschrift der erwähnten Bulle die Nullität entsteht. Die Bestimmungen des Koncils von K o n s t a n z über schismatische und erzwungene Wahlen (s. S. 271) können nicht mehr in ihrem vollem Umfange als Theile des praktischen Rechtes betrachtet werden. Erscheint freilich der Grund, dass den in der Sess. XXXIX. der Synode ohne Konkurrenz des Papstes gefassten Beschlüssen die Gesetzeskraft abgeht, hinfällig 4 , so sind doch die betreffenden Vorschriften bei der mangelnden Periodicität der allgemeinen Koncilien unausführbar, nur insoweit wird ihnen also noch Bedeutung zuzusprechen sein, als sie ohne jene Voraussetzung realisir bar sind. Demnach haben für den Fall einer schismatischen Wahl sich beide Gewählte bei Vermeidung der angedrohten Strafen der Ausübung der päpstlichen Rechte zu enthalten und ebenso gilt eine durch Zwang herbeigeführte Wahl als null und nichtig. Ferner wird wenigstens aus jenen Anordnungen des Koncils der Satz hergeleitet werden müssen, dass in solchen Fällen eine allgemeine Synode zusammenzutreten befugt ist, um das ihr durch die Konstanzer Beschlüsse beigelegte Entscheidungsrecht auszuüben 5 . — Es können indessen Zeiten vorkommen, wo es nicht möglich ist, die dargestellten Vorschriften über die Wahl des Papstes einzuhalten. Kriegerische und ähnliche Ereignisse haben schon mehrfach die Kardinäle von Rom vertrieben und einen Zusammentritt des ganzen oder des grössten Theils des Kardinalkollegiums unmöglich gemacht. Mitunter haben einzelne Päpste, so P i u s VI. (1774—1799 und P i u s VII. (1800—1823), unter solchen Umständen die Vorsicht gehabt, schon für den Fall ihres Todes von der ι Const, cit. §. 12. S. die oben S. 273 erwähnte Bulle Julius' II.: Gum tarn divino von 1505 (M. Bull. 1, 466). 3 S. F a g η an. ad c. 31. X. de simonia. V. 3. n. 18 ff. 3 0 ; P h i l l i p s 5, 866. 4 Diese Annahme veistösst allerdings gegen die in der katholischen Kirche vertretene Ansicht. S. aber H ü b l e r , Constanzer Reformation. S. 255 ff., namentlich S. 277 ff. 2

5 Auch damit wird man sich katholischer Seits vielfach nicht einverstanden erklären. Indessen legen Schriftsteller, wie B a r b o s a , ius eccles. I. 4. n. 7 6 ; F a g n a n . ad c. 14. Χ. I. 33. n. 50; F e r r a r i s cardinalis. art. IV. η. 12 den Kardinälen das Recht bei, in solchen Fällen ein allgemeines Koncil zu berufen; freilich ohne das durch die Konstanzer Beschlüsse zu motivireu,

§· 29.]

Besetzung des päpstlichen Stuhles. Das geltende Hecht.

289

Beobachtung der regelmässigen Formen zu dispensiren und ein erleichtertes Verfahren vorzuschreiben 1 . Fehlt es aber an solchen Anordnungen, so bleibt nichts Anderes übrig, als mit der Wahl zu warten, bis die wesentlichen Vorschriften der in Rede stehenden Konstitutionen beobachtet werden und die zerstreuten Kardinäle durch den Vorsteher des Kollegiums oder seinen Stellvertreter in Verbindung mit anderen an einen geeigneten Ort zusammenberufen werden können. Eine diesen Formen nicht entsprechende Wahl würde immer ungültig sein, da die Kardinäle keine Macht haben, sich selbst von der Beobachtung derselben zu dispensiren, und der eigentliche Nothstand ebensowenig geeignet ist, das positive Gesetz aufzuheben. Als allgemeine Normen können die für einzelne Fälle kraft besonderer Verordnung festgesetzten Erleichterungen also nicht betrachtet werden 2 . Schon seit langer Zeit werden von den Kanonisten die beiden Fragen behandelt, wie e3 zu halten sei, wenn beim Tode des Papstes nur ein Kardinal vorhanden ist oder die sämmtlichen Kardinäle nach dem Ableben des Papstes vor erfolgter Wahl gleichfalls sterben. Der erstere Fall, welchem das unberechtigte Verlassen des Konclaves durch alle Kardinäle bis auf einen gleichstehen würde, wird dahin entschieden, dass der allein übrig bleibende die Wahl, welche freilich hier einer Ernennung gleichstünde, vorzunehmen hat 3 , und zwar mit Recht, weil diesem die Wahlbefugniss durch etwaige die Mitwähler betreifende, zufällige Umstände oder gar durch deren unberechtigtes Handeln nicht entzogen werden kann. Im zweiten Falle sollen nach einer Meinung die Kanoniker der Laterankirche, als der eigentlichen Episkopalkirche des Papstes, nach einer anderen die Patriarchen, nach einer dritten der gesammte Klerus von Rom, endlich nach einer vierten die zum allgemeinen Koncil versammelten Bischöfe eintreten 4 . Da es sich hier darum handelt, der ganzen Kirche, nicht der Diöcese Rom, ein Oberhaupt zu geben, und nur der gesammte Episkopat neben dem Papst die durch denselben allerdings beschränkte Macht zur Leitung der Kirche besitzt 5 , so kann jener allein für legitimirt erachtet werden, in einem solchen Nothfall einzuschreiten. III. A n n a h m e d e r W a h l , K o n s e k r a t i o n u n d K r ö n u n g d e s P a p s t e s . Wenn auf eine der erwähnten Arten eine Wahl zu Stande gekommen ist, so wird nunmehr nach Herbeirufung der Ceremonienmeister und Sekretäre der Gewählte von dem Vorsteher des Kardinalkollegiums, dem Kardinaldekan, unter Assistenz der Capi d'ordini gefragt: Acceptasne electionem de te canonice factam in summum pontificem 6 ? Denn wenngleich einzelne Päpste nur mit Widerstreben und halb gezwungen, wie z . B . G r e g o r I. (590—604), G r e g o r IV. (827—844) 7 und G r e g o r VH. (1073—1085)8 die päpstliche Würde angenommen haben, so ist doch kein Fall eines wirklich statt1 Pii VI. const. Christi ecclesiae vom 30. Dezember 1797. §§. 2. 3 (Bull. Roman. Continuat. 10, 51); desselben Const. Cum nos superiori vom 13. November 1798. §. 7 (1. c. p. 177); Pii VII. const. Quamvis nonnulli vom 30. Oktober 1804. 4 (1. c. 12, 247); desselben Const. Quae et quanta v. 31. Oktober 1804 (1. c. 12, 248); desselben Const. Quae potissimum ν. 6. Februar 1807 §§. 2 - 4 (1. c. 13, 92). 2 Wie ζ. B. G i n z e l a. a. O. 2, 191 thut. 3 So schon die Glosse s. v. Omnes zu Clem. 2. de elect. I. 3 ; vgl. im übrigen F. P. M. P a s s e r i n i , tractat. de electione canonica. (Colon. Agripp. 1695) c. 11. n. 9 4 ; F e r r a r i s 1. c. n. 40. Ein solcher kann sich dann freilich nicht

Hin&chius, Kirchenrecltt.

selbst wählen; das von einigen Aelteren vorgeschlagene Expediens (vgl. F e r r a r i s 1. c. n. 42. 43), dass dieser seine Vollmacht einem andern als Kompromissar überträgt und letzterer dann seinen Machtgeber wählt, ist nach den Ausführungen S. 281 unstatthaft. 4 S. die Zusammenstellung bei F e r r a r i s 1. c. n. 4 4 ; P h i l l i p s 5, 736 vertheidigt die dritte Meinung. 5 S. §. 22. S. 205. 6 Die Papstwahl etc. S.23. 7 Anast. biblioth. vita Gregorii IV. (ed. Fabrot. 2, 160). 8 S. oben S. 257. Weitere Beispiele bei H u r t e r , Innocenz I I I . 1, 82 ff. 19

290

1. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 29.

gehabten Zwanges im juristischen Sinne nachweisbar und es gilt auch hier der allgemeine Grundsatz, dass Rechte für die Kegel nicht wider Willen erworben und aufgedrungen werden können. Dass ebenso wenig die Kardinäle vor der Wahl eine Verpflichtung zur Annahme statuiren dürfen, liegt auf der Hand, weil sie keine gesetzgeberischen Befugnisse besitzen. Ob aber der Papst an dem Erlass einer solchen Vorschrift gehindert w ä r e d a s lässt sich wenigstens bestreiten. Denn wenn auch die Weigerung des Gewählten durch physischen Zwang nicht überwunden werden darf und kann, so wäre es doch möglich eine indirekte Nötliigung durch Androhung von Strafen (ζ. B. Verlust des Kardinalates) für den sich Weigernden festzusetzen. Befindet sich der Gewählte nicht im Konklave oder gehört er gar nicht zu den Kardinälen, so wird er, wenn er sich in der Nähe befindet, in das Konklave berufen oder es wird ihm im anderen Falle die Wahl offiziell durch eine Deputation bekannt gemacht, um seine Erklärung entgegen zu nehmen 2 . Bis zu dem Zeitpunkt, wo er die Annahme der Wahl ablehnt, können die Kardinäle von der getroffenen Wahl nicht mehr abgehen. Eine einfache Vakanz des päpstlichen Stuhles ist jetzt nicht mehr vorhanden '·*, vielmehr durch die stattgehabte Wahl schon ein ius ad rem des Gewählten, d. h. ein Recht auf Erlangung des Pontifikats, entstanden, da die betreffenden Konstitutionen den Kardinälen nach der Vollendung der Wahl kein Recht zur beliebigen Wiederholung geben, wenn sie mit dem Resultat nicht einverstanden sind. Hat der Gewählte seinen Konsens zur Uebernahme der päpstlichen Würde erklärt, so erlangt er damit alle Jurisdiktionsbefugnisse des Papstes 4 . Er erwirbt damit das päpstliche Amt sofort und höchstens kann er wegen des ihm mangelnden Ordos an der Vornahme gewisser Weihehandlungen verhindert sein. Gleichzeitig erklärt der neue Papst bei der Annahme der auf ihn gefallenen Wahl, welchen Namen statt des bisherigen er in Zukunft, als oberster Regent der Kirche, führen will 5 . Ueber diese beiden Akte wird ein Protokoll aufgenommen, und nun wird der Neugewählte, wenn er im Konklave anwesend ist, nachdem er in der Sakristei mit den päpstlichen Gewändern bekleidet worden, auf der s. g. sedia gestatoria, einem Tragsessel, in die Kapelle 1 So P h i l l i p s 5, 892. C h r . M a r c e l l i , sacrar. cerimon. lib. I. s. 1. c. 6 (bei H o f f m a n n , nova scriptor. collect. 2, 297). 2

3 S. N i c o i i i s 1. c. n. 93. * Das hat schon das Wahldekret Nikolaus' II. v. 1059 (S. 249) bestimmt. S. auch c. 4 (Clemens V . ) in Extrav. comm. de sent, excomm. V. 10. 5 Das erste Beispiel dafür bietet Oktavian, der sich Johann (XII.) nannte. S. S. 2 3 9 ; D ö n n i g e s , Jahrbücher S. 7 4 ; P a p e n k o r d t , Geschichte Roms S. 177. Von seinen Nachfolgern hat erst J o h a n n XIV. (s. S. 244), früher Petrus , Bischof von Pavia, diesem Beispiel nachgeahmt. Seit G r e g o r V. (996—999), s. S. 244, kommt der Namenswechsel häufiger vor, und seit G r e g o r VI. (1045—1046) ist er stehende Sitte, s. oben die in den Anmerkungen mitgetheilten Berichte über die Besetzung des päpstlichen Stuhles S. 244 ff., welche die Sache oft so darstellen , als ob die Wähler dem neuen Papst den Namen beigelegt hätten. Ausnahmen sind aber noch später vorgekommen, so haben Η a d r i a η VI. (1522—1523) und M a r c e l l u s II. (1ÖÖ6) ihre

früheren Namen auch nach der Erhebung zum Pontiiikat beibehalten. S. R a y n a l d i , annal. eccles. a. 1522. η. 1, a. 1555. n. 13. Während bei J o h a n n XII. das Motiv für die Aenderung des Namens unbekannt ist, wurde dafür später auf das Vorbild des Simon - Petrus und auf die neue veränderte Stellung hingewiesen. F e r r a r i s , 1. c. papa. art. I. η. 66. 67. Jedenfalls ist es thatsächlich unrichtig, dass S e r g i u s IV. (1009—1012), weil er den Namen bucca porci (Schweinerüssel) führte (s. Thietmar. chron. IV. 6 1 ; SS. 3, 835) zuerst den Gebrauch eingeführt hat. Eine Zusammenstellung der Päpste, welche den Namen gewechselt haben, giebt J. F. K r e b s , diss, de nominum mutatione potissimum in religiosorum professione atque pontificum Komanorum inauguratione, Lipsiae. 1719 und dann ohne Jahreszahl Norimbergae. p. 244. §§. 25 ff. Uebrigens findet sich dieselbe Sitte auch bei Bischöfen, der von Heinrich V. eingesetzte Gegenpapst G r e g o r VIII. (1118—1124), früher Burdinus, hatte bei seiner Bischofsweihe den Namen : M a u r i c i u s erhalten (s. oben S. 262). — Die Sitte, die Zahl dem Namen hinzuzusetzen, datirt von U r b a n IV. (1262). S. ß i g a n t i , comm. ad reg. cancellar. X X X I V . n. 26 ff.

§. 29.]

Besetzung des päpstlichen Stuhles. Das geltende Recht.

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zurückgetragen, um hier von den Kardinälen die erste Adoration (s. oben S. 211) zu empfangen. Während dessen ist die Klausur des Konklaves beseitigt worden, und der erste Kardinaldiakon verkündet dann dem Volke vom Balkon des Palastes die erfolgte Wahl mit den Worten: »Annuncio vobis gaudium magnum, papam habemus Eminentissimum et Reverendissimum Dominum . . . qui sibi imposuit nomen . . . « Am Nachmittage desselben Tages erfolgt zuerst in der Sixtinischen Kapelle des Vatikans und dann in der St. Peterskirche die zweite und dritte — öffentliche — Adoration der Kardinäle i . Wenn der Gewählte noch nicht die Bischofsweihe, sondern nur einen der unteren Weihegrade empfangen hat, so muss er sich die ihm noch fehlenden Ordines an einem von ihm zu bestimmenden Tage seitens eines der Kardinalbischöfe konferiren lassen. Die sonst vorgeschriebenen Interstitien brauchen nicht inne gehalten zu werden 2 . Die bischöfliche Konsekration, welche früher mit der Krönung zusammen vorgenommen wurde, erfolgt jetzt gewöhnlich vor derselben an einem Sonn- oder Festtage 3 . Das Recht dazu, welches früher der Kardinalbischof von Ostia besass, steht jetzt dem Vorsteher oder Dekan des Kardinalkollegiums zu 4 . Hat der Gewählte dagegen schon die Bischofsweihe, so findet nur eine Benediktion desselben an Stelle der Konsekration statt 5 . Nach dieser Konsekration erfolgt dann in der Peterskirche die Krönung mit dem Triregnum (s. S. 208) 0 und darauf an einem anderen Tage die Inbesitznahme des Laterans (il possesso) 7 . Erst von dem Tage der Krönung ab datiren die Päpste ihr Pontifikat und ebenso stellen sie vorher keine Bullen aus , vielmehr erlassen sie nur Breven oder s. g. bullae dimidiae, d. h. solche, bei denen die Rückseite des angehängten Siegels leer bleibt, also der Name des Papstes auf dem letzteren fehlt 8 . Indessen beruht dies blos auf einer einmal hergebrachten Sitte 9 . Die Erlangung der päpstlichen Rechte ist davon nicht abhängig, und C l e m e n s V. hat sogar die Anfechtung päpstlicher Bullen wegen ihrer vor der Krönung erfolgten Ausstellung mit der Exkommunikation bedroht 10 . Einen andern Modus der Besetzung des päpstlichen Stuhles als durch die gedachten drei verschiedenen Arten der W a h l erkennt das positive Recht der Kirche nicht an. 1 M a r c e l l i , sacrar. caerem. lib. I. s. 1. c. 5. 6 ( H o f f m a n n 1. c. S. 295 ff.); die Pa ; stwahl etc. S. 23fl'. ; P h i l l i p s 5, 893 ff.; S t a u d e n m a i e r , Geschichte der Bischofswahlen. S. 441. 2 M a r c e l l i 1. c. lib. I. s. II. c. 1 ( H o f f m a n n 1. c. S. 299). 3 M a r c e l l i lib. I. s. II. c. 1. i. f. c. 2 (1. c. S. 304 ff.), wo auch das Ritual näher angegeben ist; N i c o i i i s 1. c. n. 104. i M a r c e l l i lib. 1. s. II. c. 3 (1. c. S. 314). 5 M a r c e l l i , lib. I. s. II. c. 3 (1. c. S. 318). 6 Das Nähere darüber geben an ( M a r c e l l i lib. I. s. II. c. 3 (1. c. S. 321); die Papstwahl etc. S. 2 8 ; P h i l l i p s 5, 895. Beschreibungen früherer Krönungen P a s c h a l i s ' II. in B a r o n i i annal. eccl. a. 1100. n. 10; C ö l e s t i n s V. in I t a y n a l d i annal. a. 1294. n. 10; Bonifacius'VIII. in K a y n a l d i annal. a. 1295. n. 2. 7 Die Papstwahl etc. S. 33 ; P h i l l i p s ö, 897. Früher fand diese Besitznahme vor der Krönung, seit der Rückkehr der Päpste von Avignon gleich nach derselben statt. S. P h i l l i p s a. a. O.

Ueber die Sitte, dass der Papst sich beim Lateran auf einen Marmorsessel, die s. g. s e d e s s t e r c o r a r i a , niedersetzt, welche jetzt nicht mehr üblich ist, s. M a b i l l o n , comment, in ordinem Komanum (Museum italic. 2, CXXI ff.). 8 F a g n a n . ad c. 6. X. de elect. I. 6. η. 5 f f . ; P h i l l i p s 3, 646. 9 K i g a l i t i , comm. ad regul. cancellar. X . n. 5 5 — 6 0 ; XVII. n. 6 ff. 10 c. 4. in Extrav. commun. de sent, exeomm. V. 10: „Quia nonnulli . . . asserere non verentur, quod summus pontifex ante suae coronationis insignia se lion debet intromittere de provisionibus, reservationibus, dispensationibus et aliis gratiis faciendis, nec se in Uteris episcopum, sed electum episcopum scribere, nec etiam uti bulla in qua nomen exprimatur illius: nos talium temeritates compescere cupientes, singulos qui occasione huiusinodi aliquas literas nostras super negotiis quibuscunque confectas quae a nobis ante coronationis nostrae insignia emanarunt, ausi fuerint impugnare, excommunicationis sententia innodamus".

19*

292

I · Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 29.

Mehrfach sind aber seitens der Päpste Versuche gemacht worden, noch bei ihren Lebzeiten über die Person ihres Nachfolgers zu bestimmen. Solche sind nicht nur im fünften und sechsten Jahrhundert (s.S. 227) vorgekommen, vielmehr hat es noch C ö l e s t i n III. (1191—1198), unternommen, die Kardinäle zur Wahl des Kardinalpriesters Johannes a S. Paolo zu bestimmen, ein Verfahren, welches nur an dem Widerstande derselben gescheitert ist 1 . Auch P i u s IV. (1559—1565) hätte sich gern einen coadiutor cum spe succedendi bei Lebzeiten bestellen lassen, aber er erliess selbst ein Dekret, worin er die Meinung, dass der Papst zur Designation seines Nachfolgers befugt sei, für falsch erklärte 2 . Diese Vorgänge in Verbindung mit der auf Grund des apokryphen Briefes des Clemens Romanus entstandenen Tradition, dass letzterer von Petrus zum Nachfolger bestellt worden 3 , haben die Kontroverse hervorgerufen, ob dem Papste eine solche Befugniss zugesprochen werden könne. Die überwiegende Meinung verneint diese Frage und mit Recht 4 . Den Mangel einer positiven Bestimmung können weder die dafür hauptsächlich in Bezug genommenen apokryphen Stellen 5 noch das Vorkommen derartiger Privilegien für einzelne Bischöfe 6 ersetzen. Damit ist aber die Frage noch nicht erledigt. Denn da der Papst Gesetze über kirchliche Dinge, mithin auch über die Papstwahl zu erlassen berechtigt ist, so liegt die Schlussfolgerung nahe, dass er, sei es durch ein allgemeines Gesetz, sei es durch eine Bestimmung für einen gegebenen Fall, das Wahlrecht der Kardinäle beseitigen könne. Gegen diese Annahme wird allerdings wiederholt darauf hingewiesen, dass der Ausschluss der Designationsbefugniss nicht nur auf dem positiven, sondern auf dem unabänderlichen göttlichen Recht beruhe, indem man sich dafür namentlich auf den Vorgang der Einsetzung Josuas durch Gott selbst beruft 7 und darauf, dass in den an Petrus gerichteten Worten : pasce oves meas nicht die Vollmacht, sich einen Nachfolger zu bestellen, enthalten sei 8 . Allein diese Meinung, welche auch die nothwendige Konsequenz nicht gescheut hat, dass der heilige Geist sich nur in der Wahl durch die Kardinäle offenbart, kann dafür weder einen direkten Beweis aus der heiligen Schrift noch aus dem Verlauf der historischen Entwicklung beibringen, und wie diese Ansicht gegen die Thatsache verstösst, dass Jahrhunderte hindurch die Wahl des Papstes nicht ausschliesslich in der Hand der Kardinäle geruht hat, tritt sie auch mit der katholischen Tradition von der Bestellung des Clemens durch Petrus zum Nachfolger 9 in Widerspruch. Läugnen will ich freilich nicht, dass die bekämpfte Ansicht die jetzt recipirte ist 10 , und ich hielt mich hier, wo 1

B a r o n i i annal. eccles. a 1198. η. i . P a g i , breviarium roman. pontif. a. 1541 (ed. Antwerp. 1717 ff. 6, 449). 3 Die betreffende Stelle in c. 2. C. VIII. qu. 1. S. auch oben S. 227. * So schon die Glosse zu diet. Gratiaiii ad c. 7. C. cit. s. v. beatus. S. ferner G o n z a l e z T e l l e ζ a d e . 6. X. de elect. I. 6. η. 11; F a g n a n . ad c. 5. X. de pact. I. 35. η. 27 ff.; C a r d , d e L u c a , relatio curiae Romanae disc. 3. η. 1 ff.; P a s s e r i n i , de electione canonica c. 1. n. 4 ff.; F e r r a r i s 1. c. papa art. I. η. 1. 5 Namentlich c. 1 (Pseudo-Isid.) u. c. 2. cit. C. VIII. qu. 1. 6 So des Papstes Zacharias für Bonifacius von 748 (JaffÄ, monum. Mogunt. p. 192) auch in c. 17. C. VII. qu. 1. und diet. Gratiani zu c. 1. C. VIII. qu. 1, wo auch die Verordnung des 2

Symmachus (c. 10. Dist. LXXIX, s. oben S. 218) erwähnt wird. 7 Numeri XXVII. 16 ff. ; c. 6. 16 (Hieronym.) C. VIII. qu. 1. S. namentlich F a g n a n . 1. c. n. 38 ff. 42. 8 F a g n a n . 1. c. n. 40. 9 Freilich soll das auf göttlicher Inspiration beruht und überdies Clemens zunächst verzichtet, und erst nach Linus den päpstlichen Stuhl bestiegen haben. S. F a g n a n . 1. c. n. 57. 58. 10 S. die citirten, ferner P h i l l i p s 5 , 734. Dass Argumente, wie der Papst könne keine Handlungen vornehmen, die eine Zeit beträfen, wo er nicht mehr Papst sei; das Wahlrecht sei der Kirche überlassen, also könne es der Papst nicht umstossen ( F a g n a n . 1. c. n. 35; P h i l l i p s 5, 734), nichts als petitionee prineipii sind, liegt auf der Hand.

§. 30.]

Besetzung des päpstlichen Stuhles. Einwirkung der weltlichen Mächte.

293

es sich um Darlegung des geltenden katholischen Kirchenrechtes handelt, nur darum zu einer Kritik berufen, weil unter den katholischen Kanonisten selbst Meinungsverschiedenheit über diese Frage besteht. Dass nach dem heutigen positiven Kecht der Kirche die Designation des Nachfolgers durch den Papst nicht gestattet ist, habe ich ja selbst vorhin schon ausgeführt. Noch viel weniger, wie dieser letztere, können die Wahlberechtigten bei Lebzeiten schon im Voraus einen Nachfolger bestimmen, ja es sind sogar Bewerbungen um die spätere Erlangung der päpstlichen Würde und darauf bezügliche Verhandlungen noch während der Lebenszeit des Papstes bei schweren Strafen verboten Wohl aber kann der Papst auf dem Sterbebette mit den Kardinälen über die Person seines Nachfolgers berathen, obgleich seine Meinung nicht mehr Bedeutung und Kraft als die einer blossen Empfehlung haben kann 2 . §.30.

C. Einwirkung der weltlichen Mächte (s. g. ius exclusivae).

Während bis zum elften Jahrhundert eine Einwirkung des Kaisers auf die Besetzung des päpstlichen Stuhles stattgefunden hat, wird seit dem zwölften Jahrhundert von einer solchen nichts mehr erwähnt. Ebensowenig gedenken die neueren Konstitutionen über die Papstwahl einer dahin gehenden Befugniss. Nichtsdestoweniger ist für die letzten Jahrhunderte ein gewisser, freilich nur negativer Einfluss der weltlichen Mächte, das s. g. ius exclusivae, bezeugt3. Dieser äussert sich darin, dass die bedeutenderen katholischen Staaten, nämlich früher das d e u t s c h e Kaiserreich, an dessen Stelle dann O e s t e r r e i c h getreten ist, F r a n k r e i c h und S p a n i e n 4 , jeder eine nicht genehme Person von der Wahl zum Papst ausschliessen können. Die Zeit der Entstehung dieses Rechtes ist unbekannt 5 und ebensowenig lässt sich irgend ein Zusammenhang mit den seitens der deutschen Kaiser früher geübten Gerechtsamenermitteln 6. Ja die römische Kurie hat dieses Recht niemals ausdrücklich anerkannt. Bei dem Mangel an detaillirten Nachrichten muss daher leider auf eine Darlegung der Entwicklung des Institutes verzichtet werden. Dass die Exklusive noch heute in Rom als praktisch anerkannt wird, ergeben wenigstens Berichte aus dem Kardinalkollegium selbst7. Was ihre Ausübung 1 c. 2 (syn. Roman, a. 499) Dist. LXXIX. (s. auch c. 7 (üb. pontif.) ead. Dist.); Const. PauliIV. vom 16. Dezember 1557, s. oben S. 274. 2 Dist. Grat, zu c. 7. C. VIII. qu. 1; Ordo Roman, (saec. XIV. exeunt.) η. XV. c. 143 ( M a b i l l o n , museum Ital. 2, 5 2 6 ) : „Item debet eis recommendare ecclesiam et quod provideant de bono pastore in pace et in tranquillitate et quod si eis videretur bonum, talis vel tales essent boni pro regimine iuxta conscientiam suam"; F a g n a n . 1. c. n. 60. 6 1 ; solche Empfehlungen haben Gregor VII., Viktor III. und Urban II. ertheilt, s. F a g n a n . 1. c. n. 22. 61; vgl. auch P h i l l i p s 5, 738. 3 L u p o l i , iuris ecclesiastici praelectiones. Neapoli 1777. 2 , 2 1 3 ; H ä b e r l i n , Conclave. S. 152; W i e s e 2, 8 3 1 ; P h i l l i p s 1, 8 6 8 ; P a c h m a n n §. 179; P e r m a n e d e r . S. 2 8 8 ; G i n z e l 2, 193. 4 Früher auch Neapel s. P h i l l i p s , m a n n a. a. 0 .

Pach-

5

J a c o b s o n in H e r z o g s Encyclopäd. 4, 281. Einen solchen nimmt an E s t o r , progr. de inre exclusivae ut appellant quo Caesar Augustus uti potest. Marburg. 1740. Die Zurückfiihrung der Exklusive auf das ius naturae (s. ζ. B. H a m m e r , diss, de iure princip. cathol. circa sacra, c. 1. s. 1. §§. 2 ff. in S c h m i d t , thesaurus 3, 670) ist selbstverständlich gleichfalls unbefriedigend. 7 II. E. Cardinal " W i s e m a n , recollections of the last four popes. London. 1858. p. 356. p. 4 1 6 : „The conclave after the death of Pius (VIII. f 1830) commenced in the middle of D e cember with the observance of all usual forms. At one time it seemed likely to close by the election of Cardinal Giustiniani, when the Court of Spain interposed and prevented it. Allusion has been made to the existence of this privilege, r e s t e d more by u s a g e than by any f o r m a l a c t of r e c o g n i t i o n a t l e a s t i n t h r e e g r e a t C a t h o l i c P o w e r s . (Uebersetzung von R e u s c h . 2. Ausg. Köln. 1858. S. 267. 314). 6

294

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 31.

betrifft, so wird dadurch der Satz, dass mit der erfolgten Publikation der ZweidrittelMajorität der neue Papst bestimmt ist, nicht berührt, vielmehr muss die Rekusation des nicht genehmen Kardinals vor der Vollendung der Wahl erfolgen. Mit Ausübung der Exklusive wurde früher der Kardinalprotektor der betreffenden N a t i o n j e t z t nach dem Aufhören dieses Institutes wird dagegen damit ein in das Vertrauen gezogener Kardinal beauftragt. Da jede Macht nur gegen eine Person bei der jedesmaligen Wahl protestiren kann, so wird die Exklusive, um sie nicht nutzlos gegen einen nicht in Frage kommenden Kandidaten zu richten, erst in dem Augenblick geltend gemacht, wo es wahrscheinlich wird, dass der Betreffende die erforderliche Majorität erhält 2 . Eine Nichtbeachtung der erhobenen Exklusive, welche, soweit bekannt, noch nicht vorgekommen ist, könnte übrigens keinen Einfluss auf die sonst gültig erfolgte Wahl äussern, weil das ganze Institut nur auf Konnivenz beruht und die Beachtung eines derartigen Protestes nirgends in den Konstitutionen über die Papstwahl erwähnt, geschweige denn als Bedingung der Gültigkeit anerkannt ist.

§. 31. VI. Die Erledigung des päpstlichen

Stuhles.

I. Die regelmässige Art der Erledigung des päpstlichen Stuhles bildet der T o d des jeweiligen Inhabers desselben 3 . Eine Reihe von Gründen, welche sonst die Vakanz der kirchlichen Aemter herbeiführen können, so ζ. B. die Versetzung, die Erlangung eines inkompatiblen Benefiziums 4 , sind wegen der eigentümlichen Stellung des Pontifikates bei demselben ausgeschlossen. Dagegen ist nicht nur die Möglichkeit einer Erledigung durch Verzichtleistung und durch Absetzung des Papstes denkbar, sondern derartige Fälle sind auch mehrfach im Laufe der Zeiten vorgekommen. II. Einen V e r z i c h t auf ihre Würde haben zwei Päpste, C ö l e s t i n V. (1294) und G r e g o r XII. (1406—1415) abgeleistet. Gewöhnlich wird das auch von G r e g o r VI. (1045—1046) behauptet 5 , allein eine ganze Reihe der glaubwürdigsten, gleichzeitigen 1 Ueber die Protektoren bemerkt T h e i n e r , Geschichte des Pontiflkats Clemens'XIV. 1 , 1 4 0 : „Die katholischen Grossmächte, Oesterreich, Frankreich und Spanien , später auch Portugal, Neapel und Polen übertrugen nach einem alten löblichen Herkommen den Schutz ihrer Reiche und Kirche einem in Rom befindlichen und durch seine Fähigk e i t e n , wie Geburt ausgezeichneten Cardinal. Diese Cardinäle leiteten in gewisser Beziehung die kirchlichen Angelegenheiten dieser Reiche u n d u n t e r s t ü t z t e n hierbei die beim heiligen Stuhle b e glaubigten Gesandten dieser Höfe. Der deutsche Kaiser hatte das Privilegium nicht allein zwei Cardinalprotektoren, einen für das deutsche Reich, den andern für Ungarn als apostolisches Königreich zu ernennen, sondern auch jedem von ihnen noch einen zweiten Cardinal u n t e r dem Titel eines Conprotektors zur Seite zu stellen. Diese Würde war mit grossen E h r e n und bedeutenden E i n k ü n f t e n verbunden u n d wurde oft gewesenen N u n t i e n , die sich während ihrer Nuntiatur ver-

dient gemacht hatten , übertragen. Nur die Cardinalprotektoren bezogen E i n k ü n f t e und f ü h r t e n zugleich die kirchlichen Angelegenheiten ihrer respektiven Reiche , wie die Ausfertigung der Bullen für die Bisthümer, gefürstete Abteien,

P f r ü n d e n und f ü r Ehedispense . . . Unter Clemens X I I I . bezog der Cardin alprotektor von Frankreich ungefähr 80,000 Franken und von den beiden Protektoren von Deutschland jeder 8000 Scudi oder 4 0 , 5 6 0 Franken . . . Mit dem Eintritt der französichen Revolution hörte auch dieser löbliche Gebrauch auf". 2 W i s e m a n a. a. Ο. p. 4 1 6 : „Should two third of the votes centre in any person, he is at once Pope beyond the reach of any prohibitory declaration. It is therefore, when the votes seem to be converging towards some one, obnoxious, no matter w h y , to one of those sovereigns that his ambassador, to conclave himself a Cardinal, by a circular admonishes his colleagues of this feeling in the court which he represents. This suffices to make them turn in another direction". 3 Ueber d i e E x e q u i e n des Papstes s. P h i l l i p s δ, 719 ff. 4 Das Weitere unten in der allgemeinen Lehre von den Kirchenämtern. 5 S. ζ. Β. P h i l l i p s δ, 7 1 6 ; G i e s e b r e c h t , Kaiserzeit 2, 391 auf Grund der v o n B o n i t h o , liber ad amicum lib. V. ( J a f f e , monum. Gregoriana p. 628) mitgetheilten Abdikationsurkunde:

§· 31.]

Die Erledigung des päpstlichen Stuhles.

295

Zeugnisse erzählt, dass er von Kaiser Heinrich III. im J. 1046 abgesetzt worden ist 1 . Die Resignation C ö l e s t i n s V., des früheren Einsiedlers Peter von Morrone, welchen es von der Höhe des drückenden Papstthums zu seinem früheren Eremitenleben zurückzog 2 , hat eine Kontroverse über die Zulässigkeit eines solchen Verzichtes hervorgerufen 3 . Die Gegner 4 seines Nachfolgers, B o n i f a z i u s ' V I I I . , fochten dessen Legitimität mit dem Hinweis auf die absolute UnStatthaftigkeit der Resignation seines Vorgängers an; freilich war das Motiv, wie so häufig, ein rein politisches und kein juristisches. Den entstandenen Streit hat B o n i f a z i u s VIII. 5 im Sinne der ihm günstigen Meinung entschieden. Mochte auch diese Beseitigung der Streitfrage durch das eigene Interesse des Gesetzgebers diktirt sein, so lässt es sich doch nicht Iäugnen, dass sie ebenfalls innerlich gerechtfertigt war. Schon eine Reihe von Jahrhunderten hindurch waren Verzichtleistungen auf die bischöfliche Würde vorgekommen 6 und die Statthaftigkeit derselben gesetzlich anerkannt 7 . Aus dem Vergleich des Verhältnisses des Kirchenfürsten zu seiner Kirche mit der Ehe liess sich also die absolute Unzulässigkeit einer freiwilligen Aufgebung des Amtes nicht folgern, ebensowenig aber ist es jemals anerkannt worden, dass die päpstliche Würde einen unauslöschlichen Charakter, wie die Bischofsweihe, verleiht. Die Unmöglichkeit des Hinzutrittes des sonst erforderlichen Konsenses 8 des geistlichen Oberen endlich kann nur zu der Annahme führen, dass hier ein solcher nicht nöthig ist, nicht aber zu der widersinnigen, mit dem Heile der Kirche unverträglichen Konsequenz, dass die letztere von einem seiner eigenen Untauglichkeit sich selbst bewussten Papst nur durch den Tod desselben befreit werden kann 9 .

„Ego Gregorius episcopus, servus servorum dei, propter turpissimam venalitatem haereseos quae antiqui hostis versutia meae electioni irrepsit, a Komano episcopatu iudico me submovendum". 1 S. oben S. 246. und J a f f e a. a. 0 . , welcher nachgewiesen h a t , dass die Erzählung Bonithos die Thatsachen fälscht. Als frühestes Beispiel einer Resignation kann vielmehr der Verzicht des Vorgängers Gregors V I . , B e n e d i k t s I X . (1045), welcher allerdings gegen Entgelt erfolgt ist, angeführt werden. (S. oben S. 2 4 5 . ) 2 K a y n a l d i annal. ecclesiast. a. 1294. n. 1 9 ; D r u m a n η , Geschichte Bonifatius' VIII. Königsberg. 1852. 1, 8 ff. 3 Dass schon früher daran gezweifelt worden, lässt sich aus dem anscheinend dafür sprechenden Bericht B e r n o i d s von Constanz annal. a. 1046 (SS. 5, 425).: „In tempore huius apostolici (Clementis I I . ) innumerabiles terrae motus et maximi in Italia facti s u n t : et hoc fortasse ideo, quia idem apostolicus non canonice subrogatus est antecessori suo (Gregorio V I . ) n o n c a n o n i c e d e p o s i t o ; videlicet quem n u l l a c u l p a d e p o s u i t , sed simplex humilitas ab officio cessare persuasit"; nicht entnehmen. Die betreffende Stelle, eine später zugefügte Randbemerkung, sucht nur so gut es geht, den ursprünglichen Bericht über die Absetzung Gregors VI. abzuändern. S. J a f f e 1. c. p. 597. 4 DieFamilieColonna, welche zu diesem Zweck eine eigene bei R a y η a l d a. a. 0 . 1297. η. X X X I V (ed. Luc. 4, 227) abgedruckte Schrift verbreiten liess. S. auch P a p e n k o r d t , Geschichte der Stadt Rom. S. 331.

5 c. 1. in VI*» de renunc. I. 7 : „Quoniam aliqui curiosi disceptantes de iis quae non multum expediunt, et plura sapere quam oporteat, contra doctrinam apostoli temere appetentes , in dubitationem solicitam, an Romanus pontifex (maxime cum se insufficientem agnoscit ad regendam u n i versalem ecclesiam et summi pontificis onera supportanda) renunciare valeat papatui eiusque oneri et honori, deducere minus provide videbantur, Coelestinus papa V praedecessor noster, dum eiusdem regimini praesidebat, volens super hoc haesitationis cuiuslibet materiam amputate , deliberatione habita cum suis fratribus ecclesiae Romanae cardinalibus, de quorum numero tunc eramus, de nostro et ipsorum omnium concordi consilio et assensu, auctoritate apostolica statuit et decrevit Romanum pontificem posse libere resignare. Nec igitur ne statutum huiusmodi per temporis cursum oblivioni dari aut dubitationem eandem in recidivam disceptationem ulterius deduci contingat, ipsum inter constitutiones alias ad perpetuam rei memoriam de fratrum nostrorum consilio duximus redigendum". 6 T h o m a s s i n , vetus et nova disciplina. P . II. lib. II. c. 50 ff. 7 c. 10 (Innoc. I I I . ) X. de renunc. I. 9. 8 c. 10. cit. 9 Wesentlich aus diesen Gründen haben sich P e t r u s P a l u d a n u s in seiner Schrift de ecclesiastica potestate (wovon Auszüge bei R a y η a i d a. 1297. 1. c. ed. cit. p. 228 mitgetheilt sind) und J o h a n n e s A n d r e ä in seinem Commentar zu c. 1. cit. (s. auch R a y η a i d a. a. 0 . ) auf die Seite Bonifazius' VIII. gestellt.

296

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 31.

Seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts ist die gedachte Kontroverse erledigt, und seitdem ein Rechtssatz, welcher, wie der Verzicht Gregors XII. gezeigt h a t f ü r die Beseitigung von Schismata in der Kirche von der grössten Bedeutung werden kann, allseitig anerkannt worden 2 . Dass die Kardinäle eine solche Verzichtleistung nur entgegenzunehmen, aber sie behufs ihrer Gültigkeit nicht zu genehmigen haben, ist ebenfalls nicht zweifelhaft 3 , da sie nur die Gehülfen und Rathgeber des Papstes, aber keine demselben übergeordnete Instanz bilden. III. D i e A b s e t z u n g d e s P a p s t e s . Die heutige Lehre der katholischen Kirche erklärt es für ein durch die Verfassung der letzteren bedingtes Princip, dass der Papst als oberster Richter in der Kirche keinem menschlichen, sondern nur dem göttlichen Gerichte unterworfen sei 4 . Die Konsequenz dieses dahin formulirten Grundsatzes: a p o s t o l i c a s e d e s a n e m i n e i u d i c a t u r führt dazu, dass eine Erledigung des römischen Stuhles durch Absetzung seines Inhabers, welche für andere Aemter die Vakanz derselben herbeiführen kann, abgesehen von den beiden, unten näher zn besprechenden Ausnahmen des Falles der Häresie und des Schismas, nicht denkbar ist. Aber mit dieser Theorie steht die unleugbare Thatsache in Widerspruch, dass mehrfach im Verlauf der früheren Jahrhunderte Absetzungen von Päpsten erfolgt sind, und es fragt sich daher, ob diese Depositionen blos verwerfliche Verletzungen eines von Anfang an in der katholischen Kirche unbestritten feststehenden Rechtssatzes waren 5 oder ob sich nicht vielmehr dieser letztere erst im Laufe der Entwicklung fixirt hat. Eine unbefangene, voraussetzungslose Betrachtung der einzelnen, in Frage kommenden Begebnisse wird die letztgedachte Auffassung als berechtigt erscheinen lassen. Sieht man ab von denjenigen Fällen, in welchen es sich nicht um Absetzung von rechtmässige η Päpsten, sondern lediglich um die Entfernung zweifelloser Usurpatoren des römischen Stuhles und um die Bestrafung solcher Eindringlinge durch eine von dem rechtmässigen Inhaber des Pontifikates versammelte Synode gehandelt hat 6 , so sind die Depositionen der Päpste von den beiden Mächten ausgegangen, welche ihrer Stellung nach von vorn herein in eine gewisse Rivalität zu jenen und somit auch allein in die Lage gesetzt waren, eine derartige Oberhoheit über den Stuhl Petri ausüben zu können, nämlich den weltlichen Herrschern und dem Episkopat. In der römischen Kaiserzeit 1 H ü b l e r , Constanzer Reformation S. 1 6 ; P h i l l i p s 1, 269. 2 Glosse zu c. 1. in VI 4 0 cit. s. v. quoniam und videbantur; d e R o c c a , deRomani pontiflcis nomenclatura comment, in opp. Romae. 1719. 1, 4 ff. ; B a r b o s a , ius eccles. univ. lib. I. c. 2. n. 212. 2 1 3 ; R e i f f e n s t u e 1 I. 9. n. 16. 4 4 ; S c h m a l z g r u e b e r P . I I . tit. 9. η. 1 3 ; Anal, jur. pontif. 1855. p. 1 4 8 8 ; P h i l l i p s 5, 715 ff. Weil hier keine Genehmigung des geistlichen Oberen denkbar i s t , sprechen Einzelne nicht von resignatio, sondern von cessio oder abdicatio. 3 S. B a r b o s a 1. c. 4 S. ζ. B. P h i l l i p s 1, 258 ff.; K o b e r , D e position und Degradation. S. 549 ff.; H e f e i e , Konciliengesch. 1, 4 6 ; S c h u l t e 2, 192. 193. 5 K o b e r a. a. 0 . S. 5 5 1 : „Und es lässt sich auch historisch nachweisen, dass alle Jahrhunderte diese Folgerung gezogen und den Satz aufrecht erhalten haben: Prima sedes a nemine iudicatur". 6 Beispiele dafür bieten der im J. 768 beseitigte C o n s t a n t i n u s II. (s. oben S. 228 und Anastas. biblioth. vita Stephani IV. ed. Fabrot.

2, 9 3 : „Sabbatho vero die diluculo ante unam diem ordinationis praefati beatissimi papae Stephani aggregati aliquanti episcoporum seu presbyterorum et clerici in basilica Salvatoris iteruni praefatus Constantinus ad medium allatus est lectisque sacratissimis canonibus ita depositus est"). Der im J. 855 abgesetzte A n a s t a s i u s (s. Hincmari annal. a. 868. SS. 1, 479. Brief Hadrians II.: „Omni ecclesiae dei notum est, quid Anastasius tempore praedecessorum nostrorum pontificum gesserit, sed et qualiter ob id de illo sanctae recordationis Leo (IV.) etBenedictus (III.) instituerint, palam est cunctis. Quorum unus eum deposuit, excommunicavitetanathematizavit, alter vero sacerdotalibus exspolians vestimentis inter laicos in communione recepit"; ferner der 998 verurtheilte Johannes XVI. Philagathus (s. Joann. chron. Venet. SS. 7, 3 1 : ,,a sacro concilio depositionis sententiam sustinens, sacerdotale officium perdidit"). lieber die Usurpatoren J ο h i n n e s und G r e g o r , welche im J. 844, resp. 1012 einfach beseitigt sind, s. J a f f e , regest, p. 344. 356.

§· 31.]

Die Erledigung des päpstlichen Stuhles.

297

und den grössten Theil des Mittelalters hindurch, in welchem der Gegensatz zwischen dem Pontifikat und dem Episkopat noch nicht der hauptsächlichste treibende Faktor der Entwicklung gewesen ist, vielmehr die Bischöfe sich höchstens und nur zum Theil der weltlichen Macht angeschlossen haben, begegnen uns daher nur Fälle, wo die weltlichen Herrscher allerdings unter Hinzutritt von Kirchenversammlungen dergleichen Absetzungen vornahmen, während gerade gegen Ende des Mittelalters, als der durch die frühere Verfassungsgestaltung zurückgedrängte Episkopat sein Haupt erhoben und die päpstlichen Rechte zu vermindern suchte, dieser die beanspruchte Oberhoheit über die Päpste auch durch Depositionen der letzteren praktisch zur Geltung brachte. Als frühestes Beispiel der Ausübung eines oberstrichterlichen Rechtes in der römischen Kaiserzeit ist die Relegation des Papstes L i b e r i u s i. J. 355 anzuführen, welcher von Kaiser Konstantius wegen der von ihm verweigerten Verurtheilung des h. Athanasius ins Exil geschickt w u r d e W e n n g l e i c h aus der Erzählung über diesen Vorfall nichts Näheres über die damalige Auffassung der hier in Rede stehenden Rechtsfragen zu entnehmen ist und darin lediglich ein unberechtigtes Uebergreifen der kaiserlichen Gewalt gefunden werden könnte, so hat doch die römische Synode des J. 378 das Urtheil der Kaiser Gratian und Valentinian zu Gunsten des Papstes D a m a s u s angerufen 2 . Und mag es sich auch hier nur um dem Papst vorgeworfene, bürgerliche Verbrechen gehandelt haben, so ergiebt das betreifende Synodalschreiben immerhin, dass man damals noch das Koncil und in oberster Instanz den Kaiser als zum Richter über den Papst berufen ansah. Gerade der Umstand, dass neben dem vom Kaiser mit der Untersuchung zu betrauenden Koncil auch dieser selbst als kompetent anerkannt wird, widerlegt die Deutüng, es habe sich das oberstrichterliche Recht des Kaisers nur auf Kriminalverbrechen erstreckt 3 . Schon im fünften Jahrhundert, in welchem die Stellung des römischen Bischofs sich zu einer wirklichen Obergewalt umzubilden anfängt, wird indessen aus der demselben beigelegten höchsten Jurisdiktion über die Kirche von Papst G e l a s i u s I. der Satz hergeleitet, dass die römische Kirche dem Gerichte Niemandes unterstehe 4 . Aber obwohl auch die wahrscheinlich in dieser 1 Theodoreti eccles. hist. II. 16. 17 (ed. Gaisford. Oxonii 1854. p. 175). 2 Brief ders. bei C o u s t a n t p. 5 2 9 : „Accipite aliud quoque quod vir sanctus (Damasus) vestrae magis conferre pietati quam sibi praestare desiderat nec derogare cuiquam sed principibus atlrogare, quoniam non novum aliquid petit, sedsequitur exemplamaiorum, ut e p i s c ο ρ u s Ii ο uia n u s, s i concilio e i u s causa non c r e d i t u r , a p u d c o n c i l i u m s e i m p e r i a l e d e f e n d at. NametSilvesterpapaasacrilegisaccus a t u s a p u d p a r e n t e m vestrum Constantinumcausampropriamprosecutusest. Et de scriptuTis similia exenipla suppeditant, quod cum a praeside sanctus apostolus vim pateretur, Caesarem appellavit et ad Caesarem. Certe prius examinet causam vestra dementia et si emerserit quaestio interroganda distinguat, ut quemadmodum estis censere dignati factorum a iudice ratio quaeratur, non arbitrium sententiae vindicetur". 3 Letzteres nimmt an Κ o b e r a. a. 0 . S. 563. 564. Gegen die im Text vertretene Ansicht auch P. d e M a r e n , de concordia saoerdotii et imperii lib. I. c. 11. η. 5. Indessen ist zu erwägen, dass

der römische Bischof damals noch als oberster Reichsbischof galt, und dass die Stellung des römischen Kaisers, welcher die Wahrung des katholischen Glaubens und der sittlichen Reinheit des Klerus für sich in Anspruch nahm (s. vorläufig R i c h t e r §. 2'2), eine oberstrichterliche Macht über den Papst auch in kirchlichen Dingen nothweridig zur Folge haben musste, wie der Kaiser ja auch insofern in das Gebiet der Kirche eingriff, als er die Synoden berief, auf ihnen präsidirte und ihre Beschlüsse bestätigte. Das in dem Schreiben der Synode angeführte 'Verfahren des Papstes S i l v e s t e r , über das wir keine weiteren Nachrichten besitzen, bestätigt das ebenfalls. ι c. 16 (Gelasius I. a. 493) C. IX. qu. 3 : „Ipsi sunt eanones qui appellationes totius ecclesiae ad huius sedis examen voluere deferri. Ab ipsa vero nusquam prorsus appellari debere sanxerunt ac per hoc illam de tota ecclesia iudicare, i p s a m a d n u l l i u s c o m m e a r e i u d i c i u m n e c de e i u s unquam praeeeperunt iudicio iudic a r i " ; c. 17 (idem a. 498) ead. : „Cuncta per mundum novit ecclesia, quod sacrosancta Romana ecclesia fas de omnibus habeat iudicandi neque cuiquam de eius liceat iudicare iudicio".

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I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 31.

Zeit entstandenen falschen Akten der Synode von Suessa die zu derselben versammelten Bischöfe die Abgabe eines Urtheils über Papst M a r c e l l i n u s (296 — 304) wegen seines den heidnischen Göttern gespendeten Opfers verweigern und diesen sich selbst schuldig sprechen lassen 1 , somit also jener Satz schon in das Rechtsbewusstsein der Kirche eingedrungen war, fehlte doch noch viel, dass er auch praktische Geltung und Anerkennung erhalten hätte. Anfangs des fünften Jahrhunderts (i. J. 501) hat der Ostgothenkönig Τ h e ο d ο r i c h den u. A. des Ehebruchs, der Verschleuderung des Kirchengutes und der gesonderten Feier des Osterfestes angeklagten Papst S y m m a c h u s vor sein Hofgericht nach Ravenna geladen und nach der Flucht desselben einen Visitator zur Abhaltung einer Synode in Rom bestellt, um mit derselben über den Papst zu richten 2 . Zwar erklärten die eingeladenen Bischöfe, dass dieser letztere die Synode hätte selbst berufen müssen, und Symmachus stellte auch eine Reihe von Bedingungen für seine Unterwerfung unter die richterliche Gewalt des K o n c i l s a b e r der König befahl ein weiteres Vorgehen desselben , während er freilich gleichzeitig zur Vermeidung eines etwaigen Konfliktes gestattete , auch die Sache in anderer Weise zu erledigen, sofern nur dadurch die Ruhe zwischen der Partei der Ankläger und der Partei des Symmachus hergestellt würde 4 . Den letzteren Weg schlug aber die Synode nicht ein, vielmehr hielt sie förmlich Gericht über den Papst und dieser willigte, unter Aufgabe der früher gestellten Bedingungen auch ein, sich vor ihr zu rechtfertigen 5 . Als aber Symmachus in Folge der gegen ihn seitens seiner Gegner geübten Gewaltthätigkeiten sich nun der Synode nicht mehr unterwerfen zu wollen erklärte 6 , schlug dieselbe, ohne den ausbleibenden Papst als contumax zu behandeln, den ihr früher von Theodorich offen gelassenen Weg der Beilegung der Sache ohne weitere Verhandlung der Anklage ein 7 . So hatte denn der König allerdings darauf verzichtet, den Papst von der Synode gerichtet zu sehen, indessen war der letztere insofern unterlegen, als er nicht nur nicht eine prin1 „Synodus autem universa hoc dixit cunctorum iudicio: Tu eris i u d e x , ex te enim damnaberis et ex te iustificaberis, tarnen ill nostra praesentia . . . tu enim iudex, t u et r e u s . . . Loquere, pontifex, et iudica causam tuam . . . Tuo ore iudica causam tuam et non nostro iudicio solve conditionem . . . Noli audiri in nostro iudicio, sed collige in sinu tuo causam . . . Te enim non condemnamus, praesul, quoniam ex ore tuo iustificaberis et ex ore tuo condemnaberis . . . Juste ore suo condemnatus est et ore suo anathema suscepit maranatha, quoniam ore suo condemnatus est. Nemo enim unquam iudicavit pontiflcem nec praesul sacerdotem suum, q u o n i a m p r i m a s e d e s n o n i u d i c a b i t u r a q u o q u a m " (Mansi 1, 1203. 1254. 1255. 1256. 1257). — Vgl. dazu H e f e l e a. a. Ο. 1 , 1 1 9 ; D ö l l i n g e r , die Papstfabeln. S. 50. 2 Ueber die hier in Rede s t e h e n d e n , vielfach verschieden aufgefassten Thatsachen und die Chronologie der einzelnen Vorgänge, s. D a h n , die Könige der Germanen 3, 213 ff., dessen Darstellung ich gefolgt bin. Ueber die abweichendeil Ansichten früherer Schriftsteller vgl. denselben. 3 Mansi 8, 249 ; „ auctoritatem ordinis corrig e n d i , sicut poscebant ecclesiastica statuta in omnium qui ibidem convenerant episcoporum praesentia se dare professus e s t , sperans u t visitator qui contra religionem, contra statuta veterum vel

contra regulas maiorum a parte cleri vel ab aliquibus laicis fuerat postulatus, ex ordinatione antistitum . . . prima fronte cederet, et omnia quae per suggestiones inimicorum suorum amiserat, potestati eius legaliter ab honorabili concilio redintegrarentur seil rodderentur, et tanti loci praesul regulariter prius statui pristino redderetur et tunc, non ante veniret ad causam, et s i i t a v i d e retur, accusantium propositionibus responderet". * D a h n a. a. 0 . S. 222. s Mansi 8, 249 : „ E t dum inter ista quae essent facienda tractabatur, praefatus papa , u t causam diceret, occurrebat". 6 Mansi 3, 2 5 0 : „intimantes etiam saepe nominatum papam post caedem cui subiacuerat cum suis, si voluntatem rursus haberet exeundi ad iudicium fuisse commonitum, sed allegasse eum per directos episcopos nominatis canonibus se cessisse affectu purgationis suae culmen humilians qui tantis periculis pene fuisset oppressus : dominum regem habere quid vellet ius faciendi, sed interim iustitiae renitentem statutis canonibus non posse compelli". 7 Mansi 8, 2 5 1 : „linde secundum p r i n c i p a l ! a praecepta quae nostrae hoc tribuunt potestati, ei quicquid ecclesiastici intra sacramurbem Romam vel foris iuris e s t , reformamus totunique causam dei iudicio reservantes" . . . Dahn 3, 229.

§• 31.]

Die Erledigung des päpstlichen Stuhles.

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cipielle Anerkennung seiner von jeder Richtergewalt freien Stellung erlangt hatte, sondern sich sogar auf die Anklage hatte einlassen müssen und er die Abbrechung des richterlichen Verfahrens sowie die Beilegung der Sache ohne ein Urtheil der Synode nur dem Willen des Königs verdankte 1 . Die hierarchische Partei in Italien 2 , wie ausserhalb desselben 3 , missbilligte zwar das Verfahren der Synode und hielt an dem Satze: »apostolica sedes a nemine iudicatur« fest, ja er wird auch in den um dieselbe Zeit entstandenen Akten der dem Papst S i l v e s t e r I. (314 — 335) zugeschriebenen Synode 4 wiederholt, trotzdem liess aber Theodorich den des Hochverraths verdächtigen Papst J o h a n n I. i. J. 526 in Untersuchungshaft nehmen 5 und nach der Beseitigung der ostgothischen Herrschaft entsetzte Beiisar offenbar im Auftrage der Kaiserin Theodora Papst S i l v e r i u s i . J. 537, welcher des Einverständnisses mit den Ostgothen bezüchtigt wurde, in der formlosesten Weise, worauf Justinian eine nochmalige, aber von dem Nachfolger desselben, Vigilius, vereitelte richterliche Untersuchung anordnete G. Nicht 1 D a h n a. a. 0 . S. 237. 2 3 8 ; K o b e r , Deposition. S. 553. 554. 5 7 8 findet in dem Verhalten des Symmachus und der Bischöfe eine Anerkennung des Satzes, dass der Papst von Niemandem gerichtet werden durfte. E r würdigt aber weder den Zusammenhang des Verlaufs der Vorgänge, noch berücksichtigt e r , dass der Synode durch den König gestattet w u r d e , die Anklage gegen Symmachus bei Seite zu lassen. 2 So der Bischof Ε η η ο d i u s von Pavia ( γ 627 ) in seiner Schutzschrift , libellus apologeticus, neuerdings in m e i n e r Pseudo-Isidor-Ausgabe S. 665 ff. wieder abgedruckt; die betreffende Stelle, bei Gratian c. I i . C. I X , qu. 3 unter der falschen Inskription : Item Symmachus papa, lautet : „Aliorum hominum causas deus voluit homines terminare, sed sedis istius praesulis suo sine quaestione reservavit arbitrio. Voluit Ii. Petri apostoli successores coelo tantum debere innocentiam et snbtilissimi discussoris indagini inviolatam exhibere conscientiam. Nolite aestimare eas animas inquisitionis non habere formidinem quas deus prae ceteris suo reservavit examini. Non habet apud ilium reus de allegationis nitore subsidium, quando ipsorum factorum utitur eo teste quo iudice. Dicas forsitan, omnium animarum talis erit in illa diseeptatione conditio; replicabo : uni dictum : Tu es Petrus et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam et quaecunque solveris super terram, erunt soluta et in coelis. E t rursus sanctorum voce patet, pontiiieum dignitatem sedis eius factam toto orbe venerabilem, i 11L quiequid fldelium est ubique submittitur, dum totius corporis caput esse designatur. De hac mihi videtur dictum per prophetam: Si liaec humiliatur, ad cuius confugietis auxilium? et ubi relinquetis gloriam vestram?" Dass Symmachus selbst diesen Satz auf der von ihm abgehaltenen 6. ( 5 . ) Synode (s. m e i n e Pseudo-Isidor-Ausgabe S. 676) ausgesprochen hat (so K o b e r S. 581), ist irrig, denn dieses freilich noch von l i e f e i e 2, G27 fiir acht erklärte Koncil ist ein Pseudo-Isidorisches .Machwerk; s. m e i n e Ausgabe S. 675 ff. und prolegom. p. CV. 3 Α v i t i episcopi Viennensis epist. ad senatores urbis Romae (ed. Sirmond. Paris. 1643. S. 8 0 ) : „ Quam Constitutionen! licet observabilcm nuinerosi reverendique concilii reddat assensus,

intelligimus tarnen, sanctum Symmachum papam, si saeculo primum fuerat accusatus , c o n s a c e r dotum suorum solatium adsciscere potius quam reciperedebuisseiudicium: quia sicut subditos nos esse terrenis potestatibus iubet arbiter caeli, staturos nos ante reges et prineipes in quacumque accusatione praedicens, ita non facile datur intelligi, qua vel ratione vel lege ab inferioribus eminentior iudicetur . . . Quod synodus ipsa venerabilis laudabili constitutione prospiciens causam quam — quod salva eius reverentia dictum sit — peile temera suseeperat inquir e n d u m , divino potius servavit examini . . . Si profundo illo tractatus vestri consilio rem videtis, non ea tantummodo quae Roma geritur, causa cogitanda est. Sed et in sacerdotibus ceteris potest, si quid forte voeaverit, reformari: a t s i p a p a u r b i s v o c a t u r in d u b i u m , e p i s c o p a t u s iam videbitur, non episcopus vacill a r e " . S. dazu D a h n a. a. 0 . S. 230. 4 Act. I. c. 3 ( M a n s i 2, 6 2 4 ) : „Neque praesul summus a quoquam iudicabitur quoniam sicut scriptum e s t : non est diseipulus supra magistrum"; u. Act. I I . c. 20 (Mansi 2, 632) bei Gratian u n t e r der falschen Inskription: Innocentius c. 13. C. I X . qu, 3 : „Nemo iudicabit primam sedem iustitiam temperare desiderantem. Neque enim ab Augusto lieque ab omni clero neque a regibus lieque a populo iudex iudicabitur". 5 Zu einer Verurtheilung ist es nicht gekommen , weil der Papst bald darauf im Gefängniss starb. S. Anastas. biblioth. vita Johannis I. (ed. Fabrot. 2, 3 5 ) ; D a h n a. a. 0 . 3, 237. 6 Anastas. biblioth. cita Silverii ( e d . Fabrot. 2, 3 9 ) : „Tunc fecit (Belisarius) b. Silverium papam venire ad se in palatium Pincis . . . et ingresso Silverio cum Vigilio solo in musileum ubi Antonina patricia iacebat in lecto et Belisarius patricius sedebat ad pedes eius, Antonina dixit ad eum : die domne Silveri p a p a , quid feeimus tibi et Romanis quod tu velis nos iti manus Gothorum tradere? Adhuc ea loquente ingressus est Johannes subdiaconus regionarius primae regionis et tulit pallium de collo eius; Liberati archidiaconi eccles. Carthag. breviar. causae Nestorianor. c. 2 2 (ed. Garnerius. Paris. 1675. p. 150): „Sed Silverio veniente Patarum venerabilis episcopus civitatis ipsius venit ad imperatorem et iudicium de

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I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

minder wurde im folgenden Jahrhundert Papst M a r t i n I. (649 — 6 5 3 ) , von Kaiser Konstans II. erlassenen s. g. Typus mit der Lateransynode des verdammt hatte 1 , unter rohen Misshandlungen 653 nach Konstantinopel und dort auf die freilich erdichteten Beschuldigungen des Hochverraths Kaiser verurtheilt und dann nach Cherson in das Exil geführt 2 .

[§. 31.

als er den Jahres 649 geschleppt gegen den

Für die r ö m i s c h e K a i s e r z e i t ergiebt sich also das Resultat, dass die Kirche mit ihren Bemühungen, die Anerkennung des Satzes: sedes apostolica a nemine iudicatur durchzusetzen, nicht durchdrungen ist, dass sie sich vielmehr der Ausübung des von den Kaisern in Anspruch genommenen obersten Richterrechts hat fügen müssen. Auch in der k a r o l i n g i s c h e n Zeit war von einer unbestrittenen Geltung jenes Principes eben so wenig die Rede. Der des Ehebruchs und Meineides bei Karl d. Gr. angeklagte Papst L e o I I I . 3 (795—816) hat vor der unter dem Vorsitz des ersteren abgehaltenen Synode diese Beschuldigungen durch einen von ihm geleisteten Reinigungseid widerlegt. Wenn diese Thatsache vielfach so aufgefasst wird, als ob der Papst dabei freiwillig im Interesse der Würde des päpstlichen Stuhles auf das damals schon anerkannte Privileg seiner Exemtion von jeder Gewalt verzichtet habe 4 , so widerspricht dieser Anschauung der Umstand, dass Karl d. Gr. eine genaue Untersuchung der Sache veranstaltete und dem Papst nur deshalb die freiwillige Leistung eines Reinigungseides anheimstellte, weil für ihn kein Grund vorlag, denselben fallen zu lassen, und schon bei der Voruntersuchung die Anklagen als grundlose und gehässige Beschuldigungen sich erwiesen hatten 5 . Ferner stand ein solches Vorgehen Karls contestatus est de tantae sedis episcopi expulsione, multos esse dicens in hoc mundo reges et non esse u n u m , sicut ille papa est super ecclesiam mundi totius, a sua sede expulsus. Quem audiens imperator revocari Romam Silverium iussit et de literis illis judicium fieri, u t si probaretur, ab ipso fuisse scriptae, in quacunque civitate episcopus degeret, si autem falsae fuissent probatae, restitueretur sedi suae". Vgl. auch D a h n a. a . 0 . S. 243. 244. ι H e f e l e , Konciliengesch. 3, 186. 200. S. die epist. Martini ad Theodor, und die commemoratio eorum, quae acta . . . sunt . . . in Martinum beiMansilO, 851. 855 ; P a p e n k o r d t. S. 7 3 ; H e f e l e 3, 208. 3 AIcuini epist. 92. (ed. F r o b e n . 1, 134); H e f e l e 3, 688. 4 So z . B . K. H i l d e n b r a n d , die purgatio canonica u. vulgaris. München 1841. S. 4 5 ; H e f e l e a . a. 0 . 688. 6 8 9 ; K o b e r a . a. 0 . S. 557. 579 auf Grund der Erzählung von Anastas. biblioth. vita Leon. III. n. XCVIII. (Fabrot. 2 , 125): „Qui post modicum tempus ipse magnus rex dum in basilica b. Petri apostoli coniunxisset et cum magno honore susceptus fuisset, fecit in eandem ecclesiam congregari archiepiscopos seu episcopos, abbates et omnem nobilitatem Francorum atque Romanorum . . . u t crimina quae adversus almum pontiflcem dicta f u e r u n t , declinarent. Qui u n i versi archiepiscopi et episcopi et abbates unanimiter audientes dixerunt: N o s s e d e m a p o s t o licam quae est caput omnium ecclesiär u m i u d i c a r e n o n a u d e m u s . Nam ab ipsa nos omnes et vicario suo iudicamur, i p s a a u t e m 2

a n e m i n e i u d i c a t u r , quemadmodum et antiquus mos fuit. Sed sicut ipse pontifex censuerit, canonioe obediemus. Venerabilis praesul inquit: praedecessorum meorum pontiflcum vestigia sequor et de talibus falsis criminationibus quae super me nequiter exarserunt, me purificare paratus sum. Alia vero die . . . sub iureiurando clara voce dixit: Quia de istis falsis criminibus quae super me imposuerunt Romani qui inique me persecuti sunt, scientiam non habeo nec talia egisse roe cognosco". 5 Annal. Laurisham. a. 800 (SS. 1, 3 8 ) : „Et ibi fecit conventum maximum episcoporum seu abbatum cum presbyteris, diaconibus et comitibus seu reliquo christiano populo et ibi venerunt in praesentia qui ipsum apostolicum condemnare voluerunt et cum cognovisset r e x , quia propter non aliam iustitiam sed per invidiam eum condemnare volebant, tunc visum est et ipsi piissimo principi Carolo et universis episcopis et sanctis patribus qui adfuerunt, ut si eius voluntas fuisset et ipse petiisset, non tarnen per eorum iudicium sed spontanea voluntate se purificare debuisset et ita factum est"; Einhardi annal. a. 800 (SS. 1 , 1 8 9 ) : „Inter quae vel maximum et difficillimum erat . . . de investigandis videlicet quae pontifici obiciebantur criminibus. Qui tarnen postquam nullus eorundem criminum probator esse voluit, coram omni populo in basilica b. Petri apostoli evangelium ferens ambonem conscendit invocatoque sanctae trinitatis nomine de obiectis se criminibus purgavit". Die Form des E i d e s , welchen Leo III. geleistet hat, lautete nach LL. 2, 1 5 : „Auditum, fratres carissimi, et divulgatum est per multa loca, qualiter homines mali adversus me insurrexerint et debi-

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Die Erledigung des päpstlichen Stuhles.

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sicherlich nicht mit der damaligen Auffassung des Verhältnisses zwischen dem Frankenkönig und dem Papste in Widerspruch. Denn in jener Zeit galt ersterer noch als Oberherr des christlichen Staates 1 und wie er über die übrigen Bischöfe seines Reiches richtete 2 , konnte er offenbar gleichfalls eine solche Gewalt über den Papst, den ersten und vornehmsten derselben, in Anspruch nehmen. Reinigte sich doch auch Papst P a s c h a l i s I. (817 — 824) i. J. 823 , als er der Ermordung mehrerer angesehener Männer beschuldigt war, und Ludwig der Fromme Gesandte zur Untersuchung der Sache nach Rom geschickt hatte, durch einen mit geistlichen Eidhelfern abgeleisteten Reinigungseid, ohne dass hier irgendwie von einem Verzicht des Papstes auf das angebliche Privileg etwas berichtet wird :t . Ja, wie wenig damals dasselbe im kirchlichen Rechtsbewusstsein fixirt war, ergiebt die Drohung der fränkischen Bischöfe i. J. 8 3 3 , den von Lothar I. nach dem Frankenreiche herbeigeholten Papst G r e g o r IV. (827—844) absetzen zu wollen, sowie die weiter berichtete Thatsache, dass der Papst erst von den Anhängern Lothars auf frühere Schriftstücke, wahrscheinlich die falschen Silvestrinischen Gesten, und den in diesen enthaltenen Satz : sedes apostolica a nemine iudicatur aufmerksam gemacht werden musste 4 . Legt doch endlich ein bei Gratian aufgenommenes, jedenfalls L e o IV. (847—855) oder L e o III., also immerhin einem Papst litare voluerint et miserint super me gravia crimina propter q u a m c a u s a m a u d i e n d a m iste clementissimus ac serenissimus domnus rex. Carolus una cum sacerdotibus et optimatibus suis istam pervenit ad urbem. Quam ob rem ego Leo, pontil e s sanctae liomanae ecclesiae, a nemine iudicatus neque coactus sed spontanea mea voluntate, purilico et purgo me in conspectu vestro coram deo et angelis eius . . . quia istas criminosas et sceleratas res quas Uli mihi obiciunt nec perpetravi nee perpetrare iussi. Testis mihi est deus . . . E t hoc propter suspitiones tollendas mea spontanea voluntate facio, non quasi in canonibus inventum sit aut quasi ego hanc consuetudinem aut decretum in sancta ecclesia successoribus meis necnon et fratribus et coepiscopis nostris imponam". Der Papst selbst spricht also auch von einer richterlichen Untersuchung (causa audienda), die der König anstellen will. Von einer Weigerung der Bischöfe ihn zu richten sagt er nichts, dies sowie die Berichte der Annalen ergeben also, dass im über pontiflcalis (s. vorige Note) die Darstellung tendenziös im hierarchischen Interesse abgefasst ist. Der Schlusssatz des Eides kann nicht darauf bezogen werden, dass der Papst von Niemand gerichtet werden darf, sondern wie die Gleichstellung der übrigen Bischöfe mit dem Papst zeigt, nur darauf, dass kein Fall vorlag, in welchem eine Verpflichtung zur Ableistung des Reinigungseides obwaltete. Dass verschiedene Formen dieses Eides überliefert sind (s. H i l d e n b r a n d S. 46. und c. 18. C. II. qu. ö) und sich die einzelnen Worte des Eides nicht mehr sicher feststellen lassen, widerlegt die eben gemachten Ausführungen nicht, denn der Schlusssatz findet sich in allen und wenn bei Gratian die Worte : „propter causam audiendam" fehlen , so ist hier der Text im Eingang offenbar verkürzt, während das: cuius rei cognoscendae in der Form bei H i l d e n b r a n d a. a. 0 . mit causa audienda gleichbedeutend ist. 1 W a i t z , deutsche Verfassungsgesch. 3, 177. 196. 264. Wenn K o b e r a. a. 0 . S. 568. 569

für seine Ansicht noch darauf hinweist, dass die Gnade des Papstes den Frankenkönig zum Kaiser und ersten Fürsten des Erdkreises erhoben hätte, so ist dies für den grössten Theil der karolingischen Zeit geradezu falsch. S. W a i t z a. a. 0 . S. 178. 224. 2 S. m e i n e Ausgabe des Pseudo-Isidor, prolegom. p. CCXXII. 3 Einhardi annal. a. 823 (SS. 1, 2 1 1 ) : „Legati Romam venientes rei gestae certitudinem adsequi non potuerunt, quia Paschalis pontifex et se ab huius facti communione cum magno episcoporum numero iureiurando purificavit"; Thegani vita Ludowici Pii imp. c. 30 (SS. 2, 5 9 7 ) : „Postea misit legatos suos Adelungum venerabilem abbatem et presbyterum et Humfridum qui erat dux super Eedicam partibus ßomae propter quandam insolentiam quam Romanus populus super Romanum pontiflcem Pascalem dixit, inputantes ei quod nonnullorum homicida fuisset. Qui supradictus pontifex cum iuramento purificavit se in Lateranensi patriarchio coram supradictis legatis et populo Romano cum episcopis 34 et presbyteris et diaconibus 5 " ; vita Ludovici c. 37 (SS. 2, 627): „Imperator autem, dum ad hanc rem enucleatiäsiuie investigandam Adelungum . . . et Hunfridum mittetet curiae, Paschalis papae missi supervenerunt . . . accusationi opponentes excusationem et super ista imperatori offerentes examinationem". 4 Paschasii Radberti vita Walae II. 16 (SS. 2, 562): „Terrebatur autem . . . ab Augusto et ab omnibus suis, etiam ab episcopis qui sibi pridie quam venissemus dexteras dederunt, quod unanimes essent ad resistendum his qui ex adverse erant, regibus flliis, principibus et populo; insuper consiliabantur flrmantes, pro dolor I quod eundem apostolicum, quia non vocatus venerat, deponere deberent . . . Quibus auditis pontifex plurimum mirabatur et verebatur. Unde et ei dedimus nonnulla sanctorum patrum auctoritate flrmata praedecessorumque suorum conscripta, quibus nullus contradicere possit, quod eius esset potestas, imo

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I. Die Hierarchie und die Leitung der Kire.he durch dieselbe.

[§. 31.

der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts angehöriges Brieffragment, dem Kaiser eine richterliche Gewalt bei 1 . Die bald darauf gegen die Versetzung der Kirchenverfassung mit staatlichen Elementen im Frankenreiche auftretende Opposition, welche namentlich eine Emancipation des Klerus, vor Allem aber der hohen Würdenträger, von der weltlichen Gerichtsbarkeit erstrebte, musste die völlige Unabhängigkeit des Papstes von jeder Jurisdiktion nicht nur als Konsequenz ihrer eben gedachten Tendenzen, sondern auch als nothwendiges Fundament für die beanspruchte Oberhoheit des geistlichen über das Laien-Element aufstellen. Daher hat der Verfasser der Pseudo-Isidorischen Dekretalen sowohl die Excerpte aus den oben (S. 299) gedachten Silvestrinischen Gesten in seine Sammlung aufgenommen 2 , als auch selbst derartige Aussprüche den Päpsten in seinen gefälschten Briefen in den Mund gelegt :1 , und demnächst ist dieser ebenso wie einst in den römischen Kaiserzeit zuerst in falschen Dokumenten ausgesprochene Satz noch im Verlauf desselben Jahrhunderts mehrfach von den Päpsten wiederholt worden 4 . Der Niedergang des Papstthums Ende des 9. und Anfang des 10. Jahrhunderts und die aufsteigende Macht des sächsischen Kaiserhauses führten aber im 10. Jahrhundert zu einer neuen Beiseitsetzung jenes Principes der Unantastbarkeit des Papstes, dei et b. Petri apostoli suaque auctoritas, ire, mittere ad omnes gentes pro iide Christi et pace ecclesiarum, pro praedicatione evangelii et assertione veritatis; et in eo esset omnia auctoritas b. Petri excellens et potestas viva a q u o o p o r t e r e t u n i v e r s o s i u d i c a r i ita ut ipse a η e m i n e i u d i c a n d u s esset. Quibus profecto scriptis gratanter accepit et valde confortatus est". Vgl. über diese Stelle, namentlich darüber, dass hier die Pseudo-Isidorischen Dekretalen nicht gemeint sein k ö n n e n , m e i n e Pseudo-Isidor-Ausgabe p. CXCVI, über die Begebenheit überhaupt D ü m m l e r , ostfränk. Reich 1, 74 ff. 1 c. 41. C. II. qu. 7 (Leo IV. Ludovico augusto): „Nos, si incompetenter aliquid egimus et in subditis iustae legis tramites non conservavimus, v e s t r o ac m i s s o r u m v e s t r o r u m c u n c t a v o l u m u s e m e n d a t e i u d i c i o , quoniam sinos qui aliena debemus corrigere peccata, peiora committimus, certe non veritatis discipuli, sed quod dolentes dicimus , erimus prae ceteris erroris magistri. Inde magnitudinis vestrae magnopere clementiam imploramus ut tales ad liaec quae dixim u s , perquirenda missos in his partibus dirigatis qui deum per omnia timeant, et cuncta quemadmodum si vestra praesens fuisset imperialis gloria, diligenter exquirant et lion tantum haec sola quae superius diximus, quaerimus ut examussim exagitent, sed sive minora sive etiam maiora Ulis sint de nobis iudicata negotia, ita eorum cuncta legitimo terminentur examine, quatenus in posterum nihil sit, quod ex eis indiscussum vel indifflnitum remaneat". I n Uebereinstimmung mit Gratian, welcher übrigens in dieser Stelle nur eine nicht erforderliche „humilitatis dispensatio" findet, weist sie J a f f e , regesta n. 2005 Leo I V . ; R i c h t e r dagegen (s. corpus iuris n. 146 ad c. cit.) Leo III. zu. 2

S. m e i n e Ausgabe S. 449 ff. Anteri ep. c. 5 ( m e i n e Ausgabe S. 1 5 4 ) : „Facta subditorum iudicantur a nobis, nostra vero iudicat deus", auch in c. 15. C. I X . qu. 3 ; 3

Eusebii ep. c. 11 (1. c. S. 2 3 7 ) : „Oves quae pastori suo commissae s u n t , eum nec reprehendere, nisi a recta Ilde exorbitaverit, d e b e n t , nec ullatenus accusare possunt, quia facta pastorum oris gladio ferienda non sunt, quanquam recte reprebendenda videantur"; ebenfalls bei Gratian in c. 13. C. II. qu. 7 ; Anacleti ep. c. 39 (1. c. p. 85) Fabian, c. 2 2 (1. c. p. 165). Mit Rücksicht auf die im Text dargelegte Entwicklung dürfte c. 6. Dist. X L : „ I t e m ex dictis Bonifacii martyris. Si papa suae et fraternae salutis negligens deprehenditur et remissus in operibus suis et insuper a bono taciturnus, quod magis offlcitsibi et omnibus, nihilominus innumerabiles populos catervatim secum ducit, primo mancipio gehennae cum ipso plagis multis in aeternum vapulaturus. Huius culpas istic redarguere praesumit mortalium nullus, q u i a c u n c t o s i p s e i u d i c a t u r u s a n e m i n e e s t i u d i c a n d u s , nisi deprehendatur a fide devius, pro cuius perpetuo statu universitär fidelium tanto instantius orat, quanto suam salutem post deum e \ illius incolumitate animadvertit propensius pendere", dessen Inskription verdächtig ist, in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts zu setzen sein. 1 Nicolaus I. a. 865. in c. 7. Dist. X C V I : .,Satis evidenter ostenditur, a saeculari potestate nec ligari prorsus nec solvi posse pontiflcem, quem constat a pio principe Constantino. . . deum appellatum, nec posse deum ab hominibus iudicari manifestum est"; I l a d r i a n i l l . allocutio tertia syn. Constantinopol. IV. a. 869. 8 7 0 : „Si quidem Romanum pontiflcem de omnium ecclesiarum praesulibus iudicasse legimus, de eo vero quemquam iudicasse non legimus" (Mansi 16, 126). Ebenso erklärte die gedachte Synode c. 2 1 : . . . „deflnim u s , n e m i n e m p r o r s u s m u n d i potentium quemquam eorum qui patriarchalibus sedibuspraes u n t , inhonorare aut movere a proprio throno t e n t a r e , sed omni reverentia et honore dignos iudicare, praecipue quidem sanctissimum papain senioris Ilomae·' (Mansi 16, 174).

§· 31.]

Die Erledigung des päpstlichen Stuhles.

303

indem die römische Synode des Jahres 963 Papst J o h a n n XII. wegen seiner hochverrätherischen Verbindungen mit den Griechen und seines lasterhaften Wandels unter O t t o s I. Vorsitz des Pontifikates für verlustig erklärte 1 . Kraft seiner vom Papst selbst verletzten kaiserlichen Machtvollkommenheit hatte Otto I. die Kirche von einem unwürdigen Leiter befreit und wenn in dieser seiner Handlungsweise schon damals eine Verletzung des öffentlichen Rechtsbewusstseins gefunden sein s o l l 2 , so ergeben dies die berichteten Thatsachen nicht im Entferntesten, und man übersieht, dass bis zu Ottos I. Zeit die Kaiser in den vorkommenden Fällen stets oberstrichterliche Befugnisse über den Papst geübt, also der Anspruch auf Unabsetzbarkeit des letzteren noch keineswegs eine volle und sichere Anerkennung erlangt hatte. Ja noch im folgenden Jahrhundert musste Heinrich III. von Neuem im Interesse der Kirche selbst wieder die Beseitigung des Schismas auf sich nehmen und die drei einander sich befehdenden Päpste, B e n e d i k t IX., S y l v e s t e r III. und G r e g o r VI. i. J. 1046 durch die Synoden von Sutri und Rom des Pontifikates entkleiden lassen 3 . Noch in demselben Jahrhundert beginnt aber ein neuer und nachhaltiger Aufschwung des Papstthums. Es vollzieht sich auch in dieser Hinsicht die Emancipation desselben von der Oberhoheit des Kaisers und die Päpste beanspruchen nun ihrerseits das Recht, den deutschen Kaiser abzusetzen. Schon G r e g o r V I I . , welcher getreu seiner Auffassung von der erhabenen Stellung des römischen Stuhles den Satz wiederholte: quod a nemine ipse iudicari debet 4 , lud H e i n r i c h IV. vor die Fastensynode des Jahres 1 0 7 6 , und als letzterer mit der Deposition Gregors durch das Koncil zu Worms geantwortet hatte 5 , enthob ihn der Papst unter gleichzeitiger Verhängung der Exkommunikation der Regierung Deutschlands und Italiens (i . Heinrich IV. behauptete sich 1 Literae synodi ad Johannem XII. pap. (LL. 2, 3 0 ) : ... „Quae ne magnitudinem vestram omnia lateant, quaedam vobis sub brevitate describimus : quoniam si cuncta nominatim exprimere cupimus, dies nobis non sufticit unus. Noveritis itaque, non a paucis, sed ab omnibus tarn nostri quam et alterius ordinis, vos homicidii, p e r i u r i i , sacrilegii et ex propria cognatione atque ex duabus sororibus incesti crimine esse accusatos. Dicunt et aliud auditu ipso horridum diaboli vos in amore vinum bibisse ; in ludo aleae Iovis Veneris caeterorumque daemonum auxilium poposcisse" . . . Synodi respons. (1. c. p. 3 1 ) : „Inauditum vulnus inaudito est cauterio exurendum. Si corruptis moribus soli sibi et non cunctis obesset, quoquo modo tolerandus esset. Quot prius casti huius facti sunt imitatione incesti Ί Quot probi Imius exemplo conv e r s a t i o n s sunt reprobi? Petimus itaque magnitudinem imperii vestri, monstrum illud nulla virtute redemptum a vitiis a sancta ecclesia pelli aliumque loco eius constitui qui nobis exemplo bonae conversationis praeesse valeat et prodesse sibi: recte vivat ac bene vivendi nobis exemplum praebeat". Ottonis consensus (1. c . ) : „Placet quod dicitis nihilque gratius nobis quam u t talis qui huic sanctae et universali sedi praeponatur, inveniri potest". S. auch Liutprandi hist. Othonis c. 14. 15 (SS. 3, 344. 345).

2 So Κ o b e r a. a. 0 . S. 568, welcher die Worte der Synode: „inauditum vulnus inaudito est cauterio exurendum" irrigerweise dahin interpretirt, dass die Synode selbst die Deposition als ein

ausserordentliches, mit der geltenden Praxis nicht in Einklang stehendes Verfahren betrachtet habe, während diese Worte offenbar nur soviel heissen, dass der unerhörten Schwere der Vergehen Johanns X I I . auch ein unerhörtes, d. h. das schwerste Strafmittel, entsprechen müsse. S. übrigens auch oben S. 240. 3 Annal. Corbeiens. a. 1046 (Jaffe, monum. Corbeiens. p. 39)^: „Synodus . . . secunda Sutriae in qua in praesentiaregissecunduminstituta canonum depositi sunt papae duo" (Silvester I I I . et Gregorius V I . ) ; „tercia Romae . . . in qua canonice et synodice depositus est papa Benedictus". S. J a f f i , monum. Gregoriana. S. 594 ff. und oben S. 295. 4 IMctatus. registr. Gregor. VII. II. ö ü a . ( J a f f ä , monum. Gregoriana. p. 174). 5 LL. 2, 4 4 ; H e f e l e , Konciliengesch. 5, 54. 57. 5 8 ; G i e s e b r e c h t , Kaiserzeit 3, 343. 6 Bertholdi annal. a. 1076 (SS. 5, 282. 83), epist. Gregorii VII. III. 6 ( J a f f < 5 , 1. c. p . 2 1 1 ) ; l l c t ' e l e 5, 63 ff.; G i e s e b r e c h t 3, 350. Nach Iiertholds Angaben hat sich Gregor VII. in dem Depositionsdekret f ü r die Unabsetzbarkeit des Papstes auf die Silvestrinischen Gesten berufen, ferner auf folgenden Ausspruch Gregors I. : „decernimus reges a suis dignitatibus cadere et participatione corporis et sanguinis domini Jesu Christi carere, si praesumant apostolicae sedis iussa contemnere". Dieser ist aber einer Verallgemeinerung der üblichen Bannformel in einem Privileg f ü r ein Xenodochium, das sich lib. X I I I . ep. 8 (ed. Bened. 2, 1223) findet.

304

I. D i e Hierarchie und die L e i t u n g der Kirche durch dieselbe.

[§. 31.

zwar in seiner Stellung und liess nach nochmaliger Absetzung des Papstes durch die Synode zu Brisen von 1080 C l e m e n s III. zum Gegenpapst erheben 1 , aber trotzdem war seit jenen Vorgängen die oberste richterliche Gewalt des deutschen Kaisers, welche Heinrich IV. überdies in rein parteiischer Weise auf lügenhafte Berichte hin und ohne die geringste Wahrung irgend welchen Vertheidigungsrechtes auszuüben versucht hatte, beseitigt 2 . Das erstarkte Papstthum hatte sich von dem Einfluss des Kaisers emancipirt und die Macht des hierarchischen Bewusstseins zeigt sich deutlich darin, dass etwa ein Jahrhundert nachher Kaiser F r i e d r i c h I. zwar i. J. 1160 eine Synode nach Pavia behufs Entscheidung des Schismas zwischen A l e x a n d e r III. und Ο k t a v i a n (Viktor IV.) berief 3 , sich aber nach der Eröffnung derselben, um sie als frei erscheinen zu lassen, von ihr fern hielt 4 und diese in ihrer Encyclika es ausdrücklich hervorhob, dass sie die Entscheidung zu Gunsten Viktors IV. und die Kassation der Wahl Alexanders III. ohne jeden weltlichen Einfluss ausgesprochen habe 5 . Mit dem 12. Jahrhundert ist der Satz: apostolica sedes a nemine iudicatur vollkommen in das Rechtsbewusstsein übergegangen, und seitdem wiederholt anerkannt worden 6 . Erst im 14. Jahrhundert, als die Ueberspannung der päpstlichen Macht eine neue Opposition hervorrief, wurde von Ludwig dem Baiern die Absetzung Papst Johanns XXII. i. J. 1328 ausgesprochen und auch gleichzeitig theoretisch ein Recht des Kaisers dazu zu begründen versucht 7 . Gleichzeitig tritt aber eine neue Opposition in und aus der Kirche selbst hervor. Bisher hatte der E p i s k o p a t richterliche Befugnisse über den Papst nur als die vom Kaiser berufene sachverständige Behörde, und später in fränkischer und deutscher Zeit als Ver1 S. oben S. 208. Den Umschwung der Anschauung zeigt ζ. B. die Synode von Quedlinburg (s. Bemoldi chron. a. 1085, SS. 5, 4 4 2 ) : „Cum igitur omnes iuxta ordinem suum consedissent, prolata sunt in medium decreta sanctorum patrum de priinatu sedis apostolicae quod nulli unquam liceat eius iudicium retractare vel de eius iudicio iudicare. Quod et totius synodi publica professione laudatum et conürmatum est . . . Quidam autem Bambergensis clevicus nomine Gunibertus Romani pontilicis primatui derogare volens, in mediam synodum se contulit, asserens Romanos pontiflces hunc sibi primatum adscripsisse, non aliunde concessum hereditasse, videlicet ut nullus de eorum iudicio iudicare debeat nec illi alicuius iudicio subiaceant. Qui cum aperte a tota synodo confutaretur, praec.ipue tarnen a quodam laico convictus est per illud evangelicum: Non est discipulus supra magistrum. Cum enim hoc generaliter in omnibus ecclesiasticis ordinibus observandum deputetur, lie maior a minore iudicetur, quis hoc vicario sancti Petri denegare potuit, quem omnes catholici pro domino et magistro venerantur". 2

3 H e f e l e 5, 519. 511. « A. a. 0 . S. 514. 5 LL. 2, 1 2 5 : . . . „Cum igitur orthodoxorum Papiae congregatorum universitas in nomine domini consedisset, causa per Septem continuos dies r e m o t o o m n i s a e c u l a r i i u d i c i o legitime ac canonice agitata ac diligenter inspecta, sufflo.ienter et canonice etc." S. auch H e f e l e 5, 518. β Das beweist die Aufnahme von Stellen, wie c. 6. Dist. XL, c. 13. C . I I . qu. 7 ; c. 10. 14—17.

C. IX. qu. 3 in das Dekret; s. ferner Innoc. III. s e r m o l l i n consecratione pontif. (opp. Colon. 1575. 1, 189 : ,,Iam ergo videtis quis iste sit servus qui super familiam constituitur, profecto vicarius Jesu Christi, successor Petri, Christus domini, deus Pharaonis: inter Deum et hominem medius constitutus, citra d e u m , sed ultra hominem, minor deo, sed maior hornine q u i d e o m n i b u s i u d i c a t e t a n e m i n e i u d i c a t u r , apostoli voce pronuncians: Qui me iudicat, dominus est"; Schreiben Philipps von Schwaben v. 1206 an Innocenz III. (ltaynaldi ann. ecclesiast. a. 1206. n. 16): „Cum enim nos pie credamus et ante passionem et post passionem dominum nostrum Jesurn Christum b. Petro apostolo claves regni coelorum coutulisse et tradidisse ius ligandi atque solvendi, scimus et protestamur , quod vos qui in locum suum cum plenitudine potestatis successistis , in huiusmodi articulis a b h o m i n e n o n estisiudicandus, sediudiciumvestrum s o l i d e o r e s e r v a t u r , cuius iudicium et examen quod sibi soli debetur, nobis non quaerimus usurpare"; c. 1 (Bonif. VIII.) de maior. et obedient. in Extrav. comm. I. 8 : . . . „si deviat spiritualis potestas minor, a suo superiore, si vero suprema, a solo deo, non ab homine poterit iudicari". 7 Das Absetzungsdekret bei L ü n i g , spicilegium eccles. Leipzig. 1716. 1, 182. Unter den Vertheidigern dieses kaiserlichen Rechtes ist vor Allen M a r s i l i u s von Padua (s. dessen Schrift defensor pacis II. 4. 5. bei G o l d a s t , monarchia rom. imperii. Krancof. 1688. 2, 195 ff.) zu nennen. Vgl. auch F r i e d b e r g in D o v e s Zeitschrift 8, 127 ff.

§· 31.]

Die Erledigung des päpstlichen Stuhles.

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Sammlung der zur Berathung in geistlichen Angelegenheiten vor Allem berufenen Reichsgrossen und in Abhängigkeit von dem Kaiser ausgeübt, ein Verhältniss, welches sich um so leichter erklärt, als früher die politischen und nationalen Interessen die Bischöfe noch auf das Engste mit dem Kaiser verbanden. Erst seit der Zeit G r e g o r s VII. tritt auch im Verhalten des Episkopates ein entschiedenes Uebergewicht der kirchlichen Tendenzen hervor und diese ihm mit dem Papstthum gemeinsamen Ziele hielten vorerst jeden Antagonismus 1 fern, ja wo es im Interesse der einzelnen Päpste lag, die Unterstützung des Bisthums zu gewinnen, scheuten sie sich nicht, den Bischöfen freilich nur indirekt eine gewisse richterliche Stellung gegenüber dem Pontifikat einzuräumen. So hat z . B . I n n o c e n z II., welcher aus zwiespältiger Wahl hervorgegangen war, keine Einwendungen erhoben, dass sowohl die französischen Bischöfe auf der von König Ludwig VI. i. J. 1130 berufenen Synode von Etampes als auch die deutschen auf der Würzburger Versammlung desselben Jahres 2 seine Wahl für die rechtmässige erklärten, und auf Grund dieser Aussprüche ihm der französische und deutsche König ( L o t h a r der Sachse) Obedienz leisteten. Erst seit dem 14. Jahrhundert beginnt, hervorgerufen durch die Ueberspannung der päpstlichen Macht, den sittlichen Verfall des Papstthums, sowie die Unfähigkeit und Unlust desselben, den schweren Schäden und Gebrechen der Kirche abzuhelfen, eine principielle Opposition des Episkopates, und es wird jetzt demselben, insofern er 1 Einen interessanten Beleg für die Gemeinschaft der Interessen bietet das Verhalten eines Theiles des französischen Episkopates gegenüber dem von P a s c h a l i s II. Heinrich V. im J . 1111 erzwungner Weise ertheilten Privileg: „ut regni episcopis vel abbatibus libere preter symoniam et violentiam electis investituram virgae et anuli conferat" ( L L . 2, 72). Die Synode von Vienne von 1112 verlangte vom Papst Bestätigung des von ihr gegen den Kaiser ausgesprochenen Bannes und drohte zugleich : „Si vero quod minime credimus et aliam viam aggredi coeperitis et nostrae parvitatis assertiones praedictas roborare nolueritis, propitius sit nobis deus, quia nos a vestra subiectione et obedientiarepellitis" ( W a t t e r i c h , gest. rom. pontif. 2, 77). Zu gleichem Zwecke suchte der Erzbischof Johann von Lyon in demselben Jahre eine Nationalsynode zu A n s e zu Stande zu bringen ( H e f e i e 5, 286). Diesen überkirchlichen Eifer, der ein Richterrecht über den Papst in Anspruch n a h m , suchte I v o von Chartres abzukühlen , indem er mit Bezug auf diese Vorgänge an letzteren (epist. 236. ed. Paris. 1610 p. 4 1 3 ) : .,Ad hoc non videtur nobis utile consilium, ad illa concilia venire , in quibus non possumus eas personas contra quas agitur, condemnare vel iudicare. quia nec nostra nec ullius hominum probantur subiacere iudicio"; und an Abt Heinrich (ep. 233. p. 406) schreibt: „(Papa) quibusdam litteris mihi scripsit, se coactum fecisse quod fecit et adhuc se prohibere quod prohibuerit, quamvis quaedam n e fanda quibusdam nefandis scripta permiserit. E t quia verenda patris debemus potius velare quam nudare, familiaribus et caritatem redolentibus litteris admonendus mihi videtur, ut se iudicet aut factum suum retractet. Quodsi fecerit, referamus deo gratias et gaudeat nobiscum omnis ecclesia quae graviter languet, dum caput eius laborat H i n s c h i a e , Kirchenreclit.

tanta debilitatum molestia. S i a u t e m i n h o c languore insanabiliter a e gro t a ve ri t , non e s t n o s t r u m i u d i c a r e de s u m m o p o n t e f i c e . Habemus enim evangelicam sententiam quae secures nos facit: Super cathedram Moysi sederunt scribae et pharisaei quae dicunt servate et facite, secundum vero opera eorum nolite facere. Vult enim haec sententia praecepta praesidentiumad cathedram pertinentia o b e d i e n t e r i m ρ 1 e r i , etiamsi tales sint quales erunt pharisaei , η ο η e ο s factiosa conspiratione a suis sedibus removeri". 2 Die veränderte Anschauung gegen die im vorigen Jahrhundert noch massgebenden Auffassungen zeigt der Umstand, dass beide Könige vor dem Ausspruche der Bischöfe ihres Reiches keine E r klärung zu Gunsten des einen oder andern Prätendenten abgeben wollten. Die Synode von Etampes überliess die Entscheidung dem heil. Bernard von Clairvaux. Der hauptsächlichste u n d durchschlagende Grund f ü r die Anerkennung Innocenz' I I . , welchen letzterer geltend machte, war d e r : „Stat quippe sententia ecclesiastica et authentica post primam electionem non esse secundam. Celebrata perinde prima quae secundo praesumpta est, non est secunda, sed nulla. Nam etsi quid minus forte solemniter minusve ordinabiliter processit, in ea quae praecessit, u t hostes unitatis contendunt, numquid tarnen praesumi altera debuit, nisi sane priore prius discussa ratione cassata iudicio ? E a propter qui se superingerere festinant quique temerario temere manus imponere nihilominus acceleraverunt, apostolo prohibente: Nemini cito manum imponas, ipsi procul dubio maius peccatum habent, ipsi auctores schismatis, ipsi grandis malitiae huius principes extitere", Brief Bernhards an die aquitanischen Bischöfe bei W a t t e r i c h , vitae Romanor. pontif. 2, 196. Derselbe 20

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I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 31.

zum allgemeinen Koncil versammelt ist, die höchste Machtvollkommenheit in der Kirche und damit auch eine oberstrichterliche, das Absetzungsrecht des Papstes enthaltende Gewalt v i n d i c i r t A u f dem Koncil zu P i s a i. J. 1409 wurde letztere ausgeübt, indem dasselbe die beiden Päpste G r e g o r XII. und B e n e d i k t XIII. absetzte und A l e x a n d e r V. wählte 2 . Damit war aber das Schisma nur verschlimmert worden und erst in Folge der Absetzung seines Nachfolgers J o h a n n s XXIII. und der wiederholten Deposition B e n e d i k t s XIII. durch das Koncil von K o n s t a n z i. J. 1415 resp. 1417, sowie in Folge des freiwilligen Verzichtes G r e g o r s XII. gelang es, das Schisma zu beseitigen 3 . Ebenso wie dieses ßeformkoncil übte das von B a s e l die von ihm in Anspruch genommene Autorität durch die allerdings praktisch erfolgslos gebliebene Absetzung Ε u g e n s I V . i . J . 1439 4 aus. Auf dem Koncil zu Konstanz war man sogar so weit gegangen, in den Reformentwürfen die Zulässigkeit der Deposition des Papstes wegen Ketzerei, Simonie und sonstiger ein der Kirche notorisches Aergerniss gebender Verbrechen festzusetzen 5 . Wenngleich es allerdings M a r t i n V. gelang, die Annahme einer solchen Bestimmung bei der definitiven Beschlussfassung zu verhindern, so bleibt doch immer die Thatsache stehen, dass nach der Rechtsanschauuug jener Zeit eine Absetzung des Papstes durch das Koncil als gestattet angesehen wurde und alle Versuche, das in Abrede zu stellen, müssen an der Konsequenz dieser Meinung scheitern, dass von ihrem; Standpunkt aus Martin V. als ein unrechtmässig gewählter Papst und weiter die apostolische Succession als unterbrochen zu betrachten ist 6 . Der Verlauf der weiteren Entwicklung hat aber, wie bekannt, den Episkopalismus in der katholischen Kirche beseitigt, und so s t e h t h e u t w i e d e r d e r S a t z : a p o s t o l i c a s e d e s a n e m i n e i u d i c a t u r in v o l l e r G e l t u n g . In wie fern diese Regel A u s n a h m e n erleidet, ist bestritten. Dass ein Papst, welcher in K e t z e r e i verfällt, nicht länger die päpstliche Würde behalten kann und in einem solchen Fall der nach dem Papalsystem ihm untergeordnete Episkopat zu richten habe, wurde schon früh, freilich nur auf Grund unächter oder mindestens ihrem Ursprung nach zweifelhafter Stellen 7 angenommen. Die merkwürdige Thatsache, dass dieser Satz sich nur in apokryphen Quellen findet, erklärt sich Grund entschied auch in Deutschland für Innocenz. S. über Alles J a f f e " , deutsches Reich unter Lothar d. Sachsen S. 9 1 . 9 2 . 9 5 ; H e f e l e , Konciliengesch. 5, 3 6 3 . 3 6 6 . 1 S. oben S. 197. 2 Sess. X V . (Mansi 27, 4 0 3 ) : „Christi nomine invocato sancta et universalis synodus universalem ecclesiam repraesentans et ad quam cognitio et decisio huius causae noscitur pertinere . . . pronunciat, decernit, definit et declarat . . . A n g e l u m Corario ( G r e g o r X I I . ) e t P e t r u m de Luna (Benedict X I I I . ) de papatu contendentes et eorum utrumque fuisse et esse notorios schismaticos et antiquati schismatis nutritores, defensores, fautores, approbatores et manutentores pertinaces necnon haereticos et a fide devios notoriisque criminibus enormibus periurii et violationis voti irretitos universalem ecclesiam sanctam dei notorie scandalizantes cum incorrigibilitate, contumacia et pertinacia notoriis, evidentibus et nianifestis; et e x his ac aliis se reddidisse omni lionore et dignitate, etiam papali, indignos; ipsosque et eorum utrumque propter praemissas iniquitates crimina et excessus ne

regnent vel imperent aut praesint, a deo et sacris canonibus fore ipso facto abiectos et privatos ac etiam ab ecclesia praecisos; et nihilominus ipsos Petruin et A n g e l u m et eorum utrumque per hanc sententiam deflnitivam in his scriptis privat, abicit et praecidit inhibendo e i s d e m , ne eorum aliquis pro summo pontifice gerere se praesumat". S. G i e s e l e r , Kirchengesch. II. 4, 3. 4 . 3

H ü b l e r , Constanzer Reformation S. 5 1 6 .

* S. oben S. 2 7 3 . 5 „Declaramus ac deflnimus quod summus pontifex non solum de haeresi, sed et de simonia et quocunque alio crimine ecclesiam dei notorie scandalizante de quo solemniter monitus , saltern per annum incorrigibilis appareat, possit per generale concilium puniri etiam per depositionem a papatu". II ü b 1 e r a. a. 0 . S. 101. 102. « H ü b l e r a. a. 0 . S. 2 0 6 . 2 7 3 . 7 c. 13. C. II. qu. 7 u. die Synode d e s S y m m a chus (s. oben S. 2 9 9 . n. 2 . S. 3 0 2 . n. 3 ) sind Pseudo - Isidorische Machwerke, c. 6. Dist. X L ebenfalls von zweifelhafter Aechtheit.

§· 31.]

Die Erledigung des päpstlichen Stuhles.

307

sehr leicht daraus, dass diese die Unabsetzbarkeit als neues Princip hinzustellen suchen, somit also das frühere Recht nur noch ausnahmsweise bestehen lassen wollen. Freilich ist eine derartige Verurtheilung wegen Ketzerei schon frith vorgekommen, indem die sechste allgemeine, von L e o II. bestätigte Synode von Konstantinopel (680) den Papst H o n o r i u s I. (625—638) nach seinem Tode wegen Ketzerei anathematisirte ^ Später haben mehrere Päpste die Statthaftigkeit eines Urtheils über den Papst in dem gedachten Fall anerkannt 2 , und demnach kann an der Geltung jenes Satzes nicht gezweifelt werden. Eine Reihe katholischer Schriftsteller wollen aber darin keine Ausnahme von der gedachten Regel finden, weil der in Ketzerei verfallene Papst sich dadurch selbst von der Kirche ausscheide, damit weiter den Pontifikat verwirke und also das Koncil keine Deposition mehr verhängen könne, sondern nur die Thatsache des erfolgten Verlustes der päpstlichen Würde zu konstatiren habe 3 . Indessen wäre diese Auffassung auch hinsichtlich jedes anderen in Ketzerei verfallenen Geistlichen berechtigt, auch hinsichtlich seiner würde keine Absetzung denkbar sein, und man könnte sogar mit demselben Recht sagen, dass die Verurtheilung wegen jedes begangenen Verbrechens nur eine Deklaration des Eintritts der auf dasselbe gesetzten Strafe enthielte 4 . Dem eben gedachten Fall wird ferner der des S c h i s m a s an die Seite gestellt. UDass hier das allgemeine Koncil zu einem Urtheil berufen ist, ergeben die Beschlüsse §. 3. „. . . Illos cardinales R o t u l i fructu omnino carere statuimus et decernimus (licet bis per annum Romam accesserint) qui longe ab urbe praefata detinentur, quamvis id facere necesse sit, ne sedes archiepiscopales episcopalesve deserant quas administrandas acceperunt et quamvis etiam praefecturam aliquam sive quodcumque aliud

munus a sede praedicta sibi demandatum geraut sine episcopali vel cum episcopali dignitate coniunctum, quod, si Borna absentes retinent, eius certe naturae et conditionis esse existimatur, ut cum ipsorum absentia copulari et sine eorum praesentia Romani pontiflcis vigilantia et auctoritate facile possit administrari. Cum vero cardinales absentes pro suis negotiis expediendis aut legitimam ob causam ad urbem se contulerint, veterem consuetudinem et institutum observari volumus, praecipimus et mandamus, nempe ut rotuli partem capiant, habita ratione temporis quo Romae versantur, ea tarnen lege obstricti, ut nos seu Romanos pontiflces pro tempore existentes adeant nec ab urbe discedant, antequam a nobis seu Romanis pontiflcibus successoribus nostris abeundi facultatem obtineant. Illos autem qui sui muneris obliti (quod vix forte credimus) aliter se gesserint, non solum ab omni parte rotuli percipienda penitus exclusos decernimus, sed praesentibus nostris literis (quatenus opus sit) obnoxios esse declaramus censuris et poenis quas piae mem. Ioannes pp. XXII pariter praedecessor noster irrogavit in Extrav. quae incipit: Et si deceat quoslibet subditorum curam etc. (c. 3. de maior. et obed. I. 8) quam per praesentes pro plene et sufflcienter expressam ac de verbo ad verbum irisortam habentes, ad modernos et pro tempore existentes eiusdem S. R. E. cardinales extendimus et ampliamus". (Bullar. Bened. XIV. 1, 487).

1. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

364

[§. 38.

§. 38. hb. Die Thätigkeit des Kardinalkollegiums bei besetztem päpstlichen Stuhl. Das Konsistorium, die dazu gehörigen Congregationes und die Capellae pontißciae und cardinales. I.

Die

Konsistorien.

Der

Antheil

der

Kardinäle

an der Leitung

der

gesammten Kirche sowie das Recht und die Pflicht der Berathung des Papstes bethätigt sich in den Versammlungen der Kardinäle,

welche unter dem Vorsitze des letzteren

gehalten werden, den s. g. c o n s i s t o r i a 1 . Ihren Ursprung haben letztere in den Sitzungen des römischen Presbyteriums. Während aber früher, noch unter I n n o c e n z III. dergleichen Versammlungen häufig vorkamen und der Kreis der in ihnen verhandelten Angelegenheiten nicht beschränkt war 2 , wurden diese Plenarsitzungen des Kardinalkollegiums —

wie man sie füglich

bezeichnen kann — im Laufe der Zeit immer seltener, weil mit der Vermehrung der Geschäftslast sich das Bedürfniss nach Einsetzung ständiger,

oberster Regierungs-

behörden in Rom geltend machte und nur die Erledigung bestimmter Angelegenheiten von

hervorragender Bedeutung

seitens

des gesammten Kollegiums

möglich

erschien. Schon seit einer Reihe von Jahrhunderten werden die s. g. Konsistorien entweder als geheime ( c o n s i s t o r i a sistoria publica

s e c r e t a oder o r d i n a r i a )

oder e x t r a o r d i n a r i a )

oder als öffentliche

(con-

gehalten; zu den ersteren haben jetzt

nur die Kardinäle, zu den letzteren auch andere Personen, die Prälaten (ζ. B. die bei der Kurie anwesenden Bischöfe,

die Auditoren der Rota, die Protonotarii apostolici),

die weltlichen Gesandten und die römischen Magistratspersonen Zutritt 3 . A . Von der Kompetenz der g e h e i m e n K o n s i s t o r i e n , möglichen Angelegenheiten berathen,

in denen früher alle

namentlich auch Prozesse —

diese auch unter

Zuziehung der Advokaten der Parteien — verhandelt wurden 4, sind seit längerer Zeit die kontentiösen Sachen ausgeschlossen, weil die Beschäftigung mit derartigen A n g e legenheiten der Würde des obersten Senates der Gesammtkirche nicht zu entsprechen schien.

Es gehören daher heute zum Ressort des geheimen Konsistoriums nur Sachen

von s. g. gratioser und politischer Natur 5 .

1 V g l . darüber G a b r . C a r d . P a l a c o t i , de sacri consistorii consultationibus. Roinae 1592: P e t r . A n t . D a n i e l I i , praxis recentior curiae Romanae. Komae 1729. tit. 2 7 ; P l a t i 1. c. append, ad c. 28. p. 2 8 1 ; M o r o n i , dizionario art. concistoro. 15, 187 ff.; B a n g e n a. a. 0 . S. 74 ff.; P h i l l i p s 6, 288. 076 ff.; M e j e r in J a c o b s o n s und I t i c h t e r s Zeitschr. l'iir das Kecht der Kirche. H f t 2. S. 200. 2 Gesta Innocentii I I I . c. 41 (Epist. ed. Bai uze Paris 1682. 1, 17. 18): „ T e r in hebdomada solenne consistorium quod in desuetudinem venerat, publice celebrabat: in quo auditis querimoniis singulorum, minores causas examinabat per alios, maiores autem ventilabat per se tarn subtiliter et prudenter, ut omnes super ipsius subtilitate ac prudentia mirarentur multique litteratissimi viri et iurisperiti Romanam ecclesiam frequentabant ut ipsurn duntaxat audirent magisquediscebant in

eius consistoriis quam didicissent in scholis, praesertim cum promulgantem sententiani audirent". 3 Marcelli sacrar. caerem. lib. 1. s. 0. S. 267. η. 5. — Const. P i i IV. cit. 6 : .,. . . Neque de statu

temporali Romanae ecclesiae neque de pecuniis Camerae Apostolicae aut Datarii vel pro solutione debitorum ante obitum pontificis quomodolibet contractorum aut alias ex quavis causa (casibus infrascriptis dumtaxat exceptis) quiequam disponere nec contra dictam Gregorii Constitutionen! pro se ipsis aliquid pereipere n e c a e s a l i e n u m ultra necessaries sumptus praesentibus comprehensos contrahere debeant , neq u e C a m e r a r i u s , Thesaurarius, Datarius, Depositarius, Castellanus Arcis S. Angeli aut alii officiales contra harum constitutionum tenoreni c o l l e g i o o b e d i r e teneantur sive debeant, quin immo si eis in talibus obtemperaverint aut ipsi cardinales vel officiales ex eorum offleiis contra praemissa aliquid attentare praesumpserint, de suo proprio Camerae Apostolicae plenarie satisfacere et pecunias erogatas restituere ac quaevis damna ad eligendi pontificis arbitrium resarcire cogantur. Quod autem expendi possit, erit praefata X m i l l i u m d u c a t o r u m s u m m a . Illud item quod pro victu familiae pontifleiae ante conclavis ingressum ac post ingressum pro pauperuin offleialium palatii tantum per Camerarium et Priores Ordinum describendorum victu ac etiam pro eleemosynis sede vacante fieri consuetis. Itemque pro defensione terrarum ecclesiae vel partis earum. Necnon pro regalibus populo Romano et illius magistratibus ac custodia urbis et conclavis illiusque provisionibus opportunis necessarium erit. Quae vero impensa pro defensione terrarum et locorum ecclesiae et securitate ac provisionibus conclavis facienda sit, cardinales praesentes per secreta suffragia ordinäre debeant, ita ut maioris partis sententia obtineant id quod observandum erit etiam in gubernatoribus urbis tam ultra pontem quam citra et aliis officialibus etiam pro status ecclesiastic! regimine si opus fuerit eligendis. Si vero ultra praedicta aliquod grande periculum immineret, cui omnibus et singulis cardinalibus praesentibus iuxta ordinationem Gregorii X aut saltem duabus illorum tertiis paitibus per secreta suffragia videretur celeriter occurrendum, tunc collegium iuxta maioris partis sententiam similiter per secreta suffragia de remedio opportune ac provide de necessaria impensa providere possit et debeat". — C l e m e n t . X I I . const, nit. §. 6 : . , . . . i l l super statuimus et declaramus, quod idem colle-

370

Γ· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

'§. 39.

Kanonisten ein Successionsrecht der Kardinäle in die k i r c h l i c h e J u r i s d i c t i o n des Papstes während der Sedisvakanz wegen ihrer Eigenschaft als partes corporis papae statuirten, aber mit Bezug auf die Vorschrift G r e g o r s X. in c. 3 in VI t0 cit. 1 selbst noch trotz der Bestimmung der Clem. 2. eod. I. 3. 2 annahmen, dass den Kardinälen diese nur als h a b i t u a l i s zukomme, d. h. ihnen blos formell innewohne, sie indessen allein in den bestimmten Ausnahmefallen 3 materiell geübt, also a c t u a l i s werden könnte 4 , muss jedenfalls für das neuere Recht mit Rücksicht auf die angeführte Konstitution P i u s ' I V . vom J. 1562 5 die Regel aufgestellt werden, dass im Allgemeinen die aus dem Primat des Papstes herfliessenden Rechte während der Erledigung des apostolischen Stuhles nicht auf das Kollegium der Kardinäle übergehen. Da demselben somit die päpstliche Jurisdiction nicht zusteht, so ist es ζ. B. nicht befugt, kirchliche Gesetze zu erlassen oder abzuändern, namentlich die über die Papstwahl geltenden Vorschriften zu modificiren6, kirchliche Beamte, ζ. B. Bischöfe oder gar Kardinäle ' zu ernennen, also auch nicht einen durch den verstorbenen Papst gium cardinalium, mandata de solvendis pecuniis huiusmodi (praeterquam In praedictis casibus exceptis [vgl. die vorhin citirten Konstitutionen] ac aliis infra exprimendis) favore cuiusvis personae tarn in coriclavi quam extra illud existentis etiam titulo remunerationis, piaemii, laboris ac etiam supplement! mereedis, expedire et relaxare (seil, nullam omninopotestatemautiurisdictionem habeat); ita ut tarn cardinales qui contra praemissa aliquid attentaverint, quam Camerarius et Thesaurarius, Depositarius et alii officiates qui eis in talibus obtemperaverint, de suo proprio camerae Apostolicae plenarie satisfacere et pecunias erogatas restituere et quaevis damna resarcire a future pontifice cogantur; Nec etiam eiusmodi titulo licentiam extrahendi frumenta e statu ecclesiastico concedere, nisi ubi extractio ex causa vere onerosa competat et tunc dummodo quantitatem debitam non excedat ac tempus quo extractio permitti solet, advenerit; Neque cuiquam immunitatem seu exemptionem ab officio vel servitio ei ineumbente, vulgo iubilationem nuneupatam t r i b u e r e ; Nec ullos reos et delinquentes absolvere vel per liberi commeatus tabulas quas salvum conductum appellant, etiam ad tempus assecurare; nisi qui leviora delicta sede ipsa vacante commiserint minusque exilium aliamve quameumque poenam etiam pecuniariam illis remittere, condonare vel nioderari valeat. Si quid vero contra praesentem prohibitionem factam sit, quilibet ac etiam officialis qui id exequi coactus fuerit, rem denunciare teneatur futuro pontifici, ut possit ad gestorum revocationem procedere et in transgressores ad praescriptum huius nostrae ac praedecessorum constitutionum animadvertere. Teneatur quoque Thesaurarius generalis sub poena privationis sui officii exhibere novo pontifici intra mensem ab eius electione numerandum, computa seu rationes accuratas et distinetas omnium expensarum sede vacante factarum cum speeiflea expressione singularum summarum, causarum ac personarum, quibus pecuniae persolutae fuerint, adhoc u t ipse pontifex aliquot cardinales sibi benevisos qui tarnen non sint tribus numero pauciores, deputet ad examinandum ea computa sive rationes ac dispiciendum sibique referendum , an aliauid inuti-

liter sive plus aequo impensum aut alias praesenti vel praedecessorum constitutionibus aut chirographis infra etiam nominandis, aliqua ex parte hao in re contraventum fuerit 1 '. ι S. 369. n. 4. 2 „Ne Romani electioni pontiticis indeterminata opinionum diversitas aliquod possit obstaculum vel dilationem afiferre, nos inter cetera praeeipue attendentes quod lex superioris per inferiorem tolli non potest, opinionem adstruere , sicut accepimus satagenttm, quod constitutio fei. record. Gregorii pp. X . . . per coetum cardinalium Romanae ecclesiae ipsa vacante modificari possit, corrigi vel immutari aut quiequam ei detrahi sive addi vel dispensari quomodolibet circa ipsam seu aliquam eius partem aut eidem etiam renunciari per eum , tanquam veritati non consonam de fratrum nostrorum consilio reprobamus, irritum nihilominus et inane decernentes, quiequid potestatis aut iurisdictionis ad Romanum, dum vivit, pontifleis pertinentis (nisi quatenus in constitutione praedicta permittitur) coetus ipse duxerit eadem vacante ecclesia exercendum". 3 Dass im Fall der Gefahr des Kirchenstaates oder einer sonstigen erheblichen Gefahr auch Akte der kirchlichen Jurisdiktion, nicht blos der weltlichen Regierung erforderlich sein könne», liegt auf der Hand. 4 S. darüber das Referat des F a g n a n . comm. ad c. 11 X. de maior. et obed. I. 33. η. 1—58, welcher auch die jetzt gegenstandslos gewordenen Kontroversen bespricht. Uebrigens hat man schon früher die Clem. cit. so aufgefasst, dass dadurch die habituelle Jurisdiktion der Kardinäle beseitigt wird, was offenbar das Richtige ist. 5 §. 6 : „Sedis autem vacatione durante Collegium cardinalium in iis quae ad pontificem maximum dum vi veret pertinebant, n u l l a m o m n i η ο potestatem aut iurisdictionem habeat neque gratiam neque iustitiam faciendi aut factam per pontificem mortuum executioni demandandi, sed ea omnia futuro pontifici reservare teneatur 1 '. Ebenso Const. Clem. XII. c i t . : Apostolatus officium. 6. « S. Clem. 2. cit. S. n. 2. 7 F e r r a r i s 1. c. art. V. η. 24.

§. 39.]

Die Thätigkeit des Kardinalkollegiums.

371

von der Ausübung der Kardinalrechte, insbesondere des aktiven und passiven Wahlrechtes suspendirten oder einen abgesetzten Kardinal 1 zur Wahl zuzulassen, keine legati a latere bestellen und aussenden 2 u. s. w. Nur ausnahmsweise kann es einzelne Jurisdiktionshandlungen ausüben, nämlich im Fall einer der Kirche drohenden Gefahr 3 durch absolute Majorität in geheimer Abstimmung die zur Abwendung derselben erforderlichen Massregeln ergreifen, ferner dringende unaufschiebbare Verfügungen in Betreff der Leitung der einzelnen Diöcesen und anderer kirchlichen Gebiete mit provisorischer Kraft bis zur Wiederbesetzung des apostolischen Stuhles erlassen 4 , sowie für den Fall des Abganges des Kämmerers, des Grosspönitentiars oder einzelner anderer Pönitentiarien während der Sedisvakanz, jedoch nur auf die Dauer der letzteren, diese Stellen wieder besetzen ·1·. 1 Einen derartigen Fall aus älterer Zeit s. in c. u n . (Bonif. V I I I . ) in Vit« de schismatic. V. 3 ; aus neuester Zeit gebärt der Fall des Kardinals A n d r e a (s. oben S. 348. n. 3) hierher. Natürlich ist eine solche ausdrückliche Suspension vom Wahlrecht nicht mit einer sonst eingetretenen Suspension, welche den Kardinal nicht z u r T h e i l nahme am Konklave unfShig macht, zu verwechseln (s. oben S. 278). Uebrigens hebt der Papst in einem solchen Falle die die allgemeine Kegel enthaltenden Konstitutionen noch besonders auf, s. Acta ex eis decerpta. 3, 332. Ein anderes, früheres derartiges Beispiel führt C a r t w r i g h t , a. a. p. 136 ff. an , indem er zugleich die. Befugniss des Papstes, einen Kardinal vom Wahlrecht zu suspendiren, p. 131. 148 in Zweifel zieht. Dem Kardinal C o s c i a , dem Günstling B e n e d i k t s XIII., welcher wegen Betruges und anderer Verbrechen zu einer hohen Geldbusse, 10 Jahr Gefängniss im Castell S. Angelo, Verlust seines Bisthums Benevent und Degradation vom Rang und von den Privilegien eines Kardinals seitens des Papstes C l e m e n s ' X I I . verurtheilt worden, war gleichfalls unter Beseitigung der gedachten Bullen ausdrücklich das Wahlrecht entzogen u n d j e d e Wahl, an welcher er Theil nehmen würde, f ü r null erklärt worden. In einem Chirographum vom 11 Dezember 1734 (Katalog der Manuskripte der Bibliothek Corsini zu Rom No. 1 6 1 8 ) , das C a r t w r i g h t leider nicht im Originaltext, sondern nur extraktweise in englischer Uebersetzung mittheilt, hat indessen der gedachte Papst j e n e Sentenz dahin modilicirt, dass C o s c i a an dem nächsten Konklave Theil nehmen k ö n n e , aber weder wahlfähig sein, noch durch seine Stimme die erforderliche ZweidrittelMajorität erreicht werden solle , u n d C o s c i a ist auch demgemäss aus dem Gefängniss in das nach Clemens' X I I . Tode abgehaltene Konclave gebracht worden. Eine Beseitigung der vorhin erwähnten Bullen enthielt aber diese Milderung der ersten Sentenz immer noch insofern, als abgesehen von der Entziehung des passiven Wahlrechtes, das aktive dem Kardinal Coscia allein in so weit gelassen wurde, als seine Person bei Berechnung der erforderlichen Zweidrittel-Majorität der Stimmen in Anschlag zu bringen war, nicht aber für die Erreichung derselben den Ausschlag geben konnte. Davon, dass C l e m e n s XII. mit der Moditicirnng der ersten Sentenz zugleich anerkannt habe, dass er keine Befugniss besitze,

den Kardinälen das Wahlrecht zu entziehen, kann also nicht die Rede s e i n , und ebensowenig lässt sich principiell eine solche Beschränkung des päpstlichen Gesetzgebungsrechtes durch lediglich auf dem ius humanum beruhende Konstitutionen seiner Vorgänger rechtfertigen. 2 F e r r a r i s 1. c. n. 37. 3 S. die citirten Konstitutionen G r e g o r s X . , C l e m e n s ' V., P i u s ' IV. und C l e m e n s ' X I I . 4 Const. C l e m e n t . XII. cit.§. 1 8 : „Inferiorum ecclesiarum praesertim sedi apostolicae immediate subiectarum liecessitatibus quae sede vacante occurrunt, aliqua ratione subvenire cupientes, cum non raro per catholicos praecipue antistites et locorum ordinarios aliosve Christi fideles, instantibus aut ingruentibus illo tempore dictis inferioribus ecclesiis vel alias rei ecclesiasticae incommodis, opportunum promptumque a Collegio Cardinalium requiratur remedium , quod pontifex si adesset, ferre minime praetermitteret, volumus u t si res talis s i t , quae in aliud tempus differri valeat, futuro pontiflci omnino reservetur, sin autem nullam admittat moram, tunc eidem Collegio concedimus, u t committere possit negotium praefecto et aliquot aliis cardinalibus eius Congregationis ad quam pontifex illud examinandum verisimiliter remisisset; qui negotio accurate discusso ea desuper decernant, per modum tamen provisionis , donee nimirum eligatur pontifex quae iuxta datam sibi a domino prudentiam iuribus et rationibus ecclesiasticis custodiendis ac tuendis apta et consentanea censuerint". 5 Clem. 2. cit. §. 1 : ,,Εο tamen proviso quod si eiusdem ecclesiae camerarium aut maiorem vel aliquos ex poenitentiariis (quorum offtcium per obitum eiusdem pontiflcis nolumus exspirare) per mortem vel alias deflcere quovis modo contingat, valeat idem coetus ad tempus vacationis huiusmodi pro numero deflcientium velampliorietiam, quantum ad poenitentiarios si hoc eidem coetus concorditer expedire videbitur, alios subrogare". Const, cit. C l e m e n t . XII. 1δ (1. c. p. 305) . . . ,,ut . . . congregatio generalis triduo post secutam vacationem alterutrius ex praefatis offlciis habeatur ac vota seu sufi'ragia cardinalium post absolutum scrutinium simul congregatornm pro deputatione illius qui Camerarii vel poenitentiarii maioris vices suppleat ad electionem novi pontiticis exquirantur denturque per schedulas secretas et impressas a magistris coeremoniarum etiam ab inflrmis cardinalibus colligendas ac coram tribus

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I. Die Hierarchie und die Leitung· der Kirche durch dieselbe.

[§. 39

Ob die B e f u g n i s s e der p ä p s t l i c h e n B e h ö r d e n und der von dem verstorbenen Papst e i n g e s e t z t e n B e a m t e n mit dem Tode desselben erlöschen, hängt davon ab, ob sie mit einer iurisdictio ordinaria im obigen Sinn (s. S. 184) oder einer iurisdictio delegata betraut sind (s. S. 17 3) 1 . Daher cessirt de iure die Thätigkeit der s t ä n d i g e n K o n g r e g a t i o n e n der Kurie nicht 2 . Dieser Ansicht steht die gedachte Konstitution P i u s ' IV. (s. §. 6. S. 370. n. 5) nicht entgegen, da sie nur von dem Kardinalkollegium als solchem spricht, im Gegentheil setzt die Organisations-Konstitution S i x t u s ' V. : Immensa aeterni vom 22. Januar 1 5 8 7 2 wenigstens indirekt die Fortdauer der Befugnisse jener Behörden voraus, wie denn auch nach der seit langer Zeit feststehenden Kurialpraxis eine Erneuerung ihrer Vollmachten durch den Nachfolger auf dem apostolischen Stuhle nicht üblich i s t F a k t i s c h ruht allerdings der Geschäftsgang in denjenigen Sachen, welche in den Kongregationen selbst durch den Präfekten erledigt werden müssen, weil unter regelmässigen Verhältnissen die Kardinäle sich im Konklave befinden und sich dort mit der Wahl beschäftigen müssen, also keine Sitzungen ihrer betreffenden Kongregationen halten dürfen 4 . Diejenigen Angelegenheiten, welche der Sekretär allein expediren kann, dürfen aber von ihm trotz der Vakanz erledigt werden 5 , und hierin zeigt sich die praktische Bedeutung des vorhin hervorgehobenen Grundsatzes. Die Aemter des C a m e r a r i u s , des G r o s s - P ö n i t e n t i a r i u s und der Gehülfen des letzteren dauern, wie ausdrücklich bestimmt ist auch trotz des Todes des Papstes während der Sedisvakanz fort, jedoch sind die Befugnisse ihrer Inhaber durch P i u s IV. während dieser Zeit ebenfalls beschränkt worden 7 . Ebensowenig hört das cardinalibus eo tempore in ordine prioribus praesentibus eisdem coeremoniarum magistris atque oollegii secretario aperiendas isque deputatus habeatur in quem maior pars votorum seu suffragiorum praefatorum convenerit ac sic deputato facilitates omnes quas ipse Camerarius vel poenitentialius maior exercere poterat, quamdiu sedes vacaverit, attribuimus'·. Bestätigt durch die Const. B e n e d i c t i ' X I V . : In apostolici vom 13. April 1744. §. 4 (Bull. Bened. XIV. 1, 330). 1 Ueber die von mir als quasi ordinaria und gesetzlich delegirte Jurisdiktion bezeichneten Befugnisse (also ζ. B. die der früheren Legaten, der apostolischen Vikare, der Bischöfe tamquam apostolici sedis delegati) s. oben S. 174. 182. 184. 195. 2 Schluss-Deklaration (M. Bull. 2, 673) §. 3 („graviora vero quaecunque ad n o s v e l s u c c e s s o r e s n o s t r o s " ) ; §. 8 : („Ut antem hae literae quamprinium ubique locorum et gentium innotesrant quas inter alias a p o s t o l i c a s p e r p e t u a s q u e constitutiones annumeramus"). S. auch F a g n a n . 1. c. n. 6 3 — 7 7 ; F e r r a r i s 1. c. n. 43. 4 4 ; B a n g e n S. 3. 9. 28. η. 1. 3 F a g n a n . 1. c. n. 76 spricht schon von einer desfalsigen diuturna observantia. Werden doch auch die Präfekten der Kongregationen über die Lebensdauer des sie ernennenden Papstes hinaus mit ihren Funktionen b e t r a u t ; so heisst es in dem Ernennungsreskript des Präfekten der Congregatio episcoporum von 177Γ) (Anal. iur. pontif. von 1850. p. 2376) : „tarn nostro et Romanorum Pontiücum snccessorum nostrorum iussu in eadem materia subscribendi".

4 F a g n a n . 1. c. n. 78—82. S. indessen die Beispiele aus den Jahren 1758. 1759. 1823 und 1831, wo die Kardinalskonfiregationen selbst während des Konklaves ihre Befugnisse ausgeübt haben, in den Anal. 1. c. p. 2372. 5 F a g n a n . 1. c. n. 83—85. β Clem. 2 cit. 7 Const, cit. In eligendis §. 9 : „Camerarii quoque etMaioris Poenitentiarii offleia quae etiam sede vacante durante ita durare decernimus et declaramus u t non solum ea quae praesenti constitutione prohibentur et quae pontiflee vivente exercere non consueverunt, seu a quibus pro eiusdem pontifleis reverentia aut alias quomodolibet abstinebant, minime usurpent, sed Camerarius ac Praesidentes et clerici aliique ministri et officiates Camerae Apostolicae exaetioni pecuniarum eidem Camerae debitarum ac provisionibus ratione Sedis vacantis iuxta praemissa necessario faciendis dumtaxat ineumbere et propterea a solutione debitorum ante pontifleis obitum contractorum aut illorum declaratione, rationum solidatione, extractionibus frumentorum, remissionibus delictorum, assecutionibus delinquentium et qnibnscumque aliis expeditionibus tarn gratiam quam iustitiam aut illarum executionem quomodolibet concernentibus omnino abstinere debeant". §. 10 : „Poenitentiarius vero et eius officiates ea tantum facere et expedire valeant q u a e ad f o r u m c o n s c i e n t i a e p e r t i n e n t , in reliquis officium eorum conquiescat. Itaque a quibuscumque matrimonialibus et aliis dispensationibus ac absolutionibus et declarationibus neenon quibusvis aliis expeditionibus quod a i u n t , forum mixtim vel

Die römische Kurie.

§· 4 0 . ]

373

Amt des vicarius pontificis oder urbis auf, jedoch findet eine Wiederbesetzung desselben, wenn es während der Sedisvakanz erledigt wird, nicht statt, vielmehr hat dann der bisherige Stellvertreter des vicarius, der Vices gerens, die betreffenden Funktionen auszuüben 1 . Dagegen erlischt ζ. B. das Amt des Datarius 2 (s. unten §. 49), weil es sich hier um die Befugniss zur Ertheilung von Gnadenverleihungen handelt und papa, non datarius concedit gratias :l ; ebenso das Amt des auditor sanctissimi 4 .

B.

Die römische

Kurie*.

§.40. 1 .Begriff. Die wesentlichen Gehülfen des Papstes bei der Regierung der allgemeinen Kirche sind die Kardinäle.

Seit Jahrhunderten haben aber auch ausser diesen eine ganze

separatim quomodolibet respicientibus omnino abstineant. A l i o q u i n in quibus tarn Camerarius et alii praedicti, etiam de licentia aut mandate totius Collegii contrafecerint, ea nulla et irrita sint ac nemini suffragentur. E t nihilominus eorum excessus et inobedientiae rationem pontificis a r bitrio reddere t e n e a n t u r " ; Const. C l e m e n t . X T I . cit. § . 1 6 : ,,. . . cum . . . aliquae vero sint censurae ecclesiasticae a quibus iis innodati praeterquam in mortis articulo constituti, nomiisi ab ipso Romano pontifice pro tempore e x i s t e n t e absolvi queant, adempta nominatim Poenitentiario Maiori id faciendi potestate , atque multoties accidat, ut talibus censuris irretiti v e r e poenitentes et errata sua sincere animo detestantes, absolutionis b e n e flcium sede vacante enixius i m p l o r e n t ; Quo disciplinae ecclesiasticae conservationi simulque animarum fldelium . . . saluti consultum sit., eidein Poenitentiario Maiori v e l e i qui in illius locum suffectus fuerit, ut p r a e f e r t u r , facultatem tribuim u s , ab his etiam censuris sede vacante fldeles praedictos re tarnen prius in Signatura ipsius o f f i cii Poenitentiariae Apostolicae examinata servatisque aliis servandis, a b s o l v e n d i , ad tempus scilicet et cum reincidentia in dictas censuras, ita ut qui f u e r i n t absoluti ad novum pontiflcem intra terminum pro distantia locorum d e f l n i e n d u m , recurrere et ab eo plenariae absolutionis beneiicium petere et obtinere t e n e a n t u r ; nec Poenitentiario Maiori seu in illius locum suffecto praeflxum term i n u m post pontiflcis electionem ampliare vel propagare l i c e a t " . S. f e r n e r § . 50. 1 Const. C l e m e n t . X I I . § . 1 7 : „ E t s i vicarium pontiflcis in alma eisque districtu in spiritualibus generalem sede vacante e v i v i s quoque decedere c o n t i g e r i t , ne animae Christi fldelium urbis ac districtus praefatorum aliquod inde accipiant in spiritualibus d e t r i m e n t u m , tunc e x i s t e n t i v i c e s g e r e η t i dicti v i c a r i i , quamdiu sedes vacaverit, omnes et singulas facilitates, auctoritatem e t p o testatem quae e i d e m vicario pro exercitio officii vicariatus quomodolibet competebant quasque p o n t i f e x ipse occurrente vacatione vicariatus sede plena vicesgerenti praedicto quandoque per aliquod tempus donee scilicet successorem vicarium deputaverit, attribuere solet, tenore praesentium concedimus ac impartimur".

Hinschius,

Kirclienrecbt.

2 Const, cit. § . 1 1 : „Datarii vero ministerium per eiusdem pontiflcis obitum omnino e x p i r e t , ita ut non solum datas p e r euoi antea notatis e x t e n dendi potestatem m i n i m e habeat, sed quascumque supplicationes gratiarum et iustitiae penes eum aut eius ministros adhuc existentes etiam si datae f u e r i n t , Collegio cardinalium statim sub sigillo clausas praesentare teneatur futuro pontiilci r e s e r vandas. Qnodsi contra praemissa quicquam ad cuiusvis etiam cardirialis instantiam attentare praesumpserit, irritum et inane existat et nihilominus falsi crimen incurrat, illius rationem futuro pontitici reilditurus".

3 B a n g e n S . 403. 4 Const. C l e m e n t . X I I . cit. §. 1 9 : „ E t quia sede vacante eius qui munus auditoris d e f u n c t i Papae o b i b a t , plane expirat iurisdictio i n d e q u e plurium causarum forensium audientia ac iustitiae cursus non sine i n g e n t i i d e n t i d e m litigantia impediantur, pro tempore e x i s t e n t i Auditori Signaturae Iustitiae . . . earundem tenore pTaesentium committimus et mandamus, dantes ei ad hoc facultates necessarias et opportunas, ut citationes et recursus qui coram A u d i t o r e Pontiflcis defuncti tunc pendere r e p e r i e n t u r , prout iuris fuerit, expediat". * O c t a v . V e s t i i i n K o m a n a e A u l a e actionem Ε ι σ α γ ω γ ή i. e. introductio. V e n e t . 1 5 6 4 ; R e l a zione della Corte di R o m a , giä pubblicato dal Cav. G i r o l . Lunadoro, quindi ritoccata, accresciuta ed illustrata da F r . A n t o n i o Z a c caria. Ora unovamente corretta. R o m a . 1830. 2 V o l l . — ( f r ü h e r wurde dieses Buch dem L e t i zugeschrieben, i n d e m man den N a m e n Girolamo Lunadoro f ü r erfunden h i e l t ; dass dies unrichtig i s t , darüber s. M e j e r in der nachher citirten Z e i t s c h r i f t 1, 56. 5 7 . D i e älteste mir zugänglich gewesene Ausgabe ist Padua 1640 herausgekommen , der älteste Druck muss aber spätestens aus 1635 datiren — ) ; J o h . B . d e L u c a , relatio curiae Romanae Romae 1673; erste deutsche A u s g a b e : Colon. A g r i p p . 1 6 8 3 ; (Unselbstständige A u s z ü g e daraus: Hunold. Plettenberg, notitia congregationum et tribunalium Curiae Komanae. l l i l d e s i a e . 1 6 9 3 ; Dissertationes ad ius publicum Romano-ecclesiasticum. Opus complectens statum eeclesiae Romanae etc. Colon. 1 7 1 5 ) ; 25

374

I. Die Hierarchie und die Leitimg der Kirche durch dieselbe.

(§. 40.

Anzahl von römischen Geistlichen sowohl in höheren als auch in niederen Stellungen Antheil an der Ausübung der dem Papste zustehenden Gewalten gehabt, weil einerseits die Zahl der Kardinäle für die Erledigung aller Geschäfte nicht ausreichte, andererseits aber auch manche Funktionen geringerer Bedeutung mit ihrer hohen kirchlichen Würde nicht vereinbar waren. Wie die Kardinäle selbst die Stellung als Rathgeber des Papstes sowohl bei der Leitung der römischen als auch der allgemeinen Kirche und endlich bei der Führung seiner weltlichen Regierung eingenommen haben und heute noch einnehmen, so war zunächst auch eine Scheidung der Thätigkeit jener Geistlichen nach den gedachten drei Gesichtspunkten nicht durchgeführt 1 . Eine solche hat vielmehr erst mit der Aussonderung und Organisation der einzelnen Behörden, welche in den bald folgenden §§. 45 ff. näher zu charakterisiren sind, begonnen, und ist selbst heute noch nicht, wenigstens was die obersten Behörden betrifft, scharf durchgeführt 2 . Schon früh, etwa seit dem 11. Jahrhundert wird für die den Papst umgebenden Beamten der Ausdruck: Curia g e b r a u c h t D i e Curia Romana lässt sich also als die Gesammtheit derjenigen Beamten und Behörden definiren, welcher sich der Papst zur Ausübung der ihm zustehenden Regierungsrechte jeder Art bedient 4 . In weiterem Sinne gehören auch diejenigen Personen dazu, welche nur gewisse Ehrenstellungen bekleiden und dem Papste zur äusseren Verherrlichung seines Auftretens assistiren, sowie endlich diejenigen, welche seine persönliche Bedienung bilden. Für eine Darstellung des Kirchenrechtes kommen selbstverständlich in erster Linie diejenigen Behörden und Beamten in Betracht, welche für die Regierung der allgemeinen Kirche bestimmt sind, ferner aber auch solche, welche die dem Papst sonst zustehenden kirchlichen Rechte, ζ. B. die Diöcesanrechte über Rom ausüben, weil sich hier wegen der eigenthümlichen Kombination derselben mit den Primatialrechten Abweichungen von den sonstigen regelmässigen Einrichtungen finden, während der für die weltliche Leitung des Kirchenstaats bestehende Organismus nur, soweit dies zum C o h e l l i u s s. oben S. 3 0 9 ; Ρ. Λ. D a n i e l l i , recentior praxis Curiae Romanae 1759. (Bd. 4. der Institutiones canonicae, civiles et criminales desselben); Praxis ecclesiastica curiae Romanae H e n r i c o A b u r l y s presb. dictata per P h i l . M o n a l d i η u m in alma Urbe procuratorem 1731 im Anh. zu A m o r t , Elementa iuris canonici, Aug. 1757. Tom. I ; ( V i l l a t i ) , prattica della Curia Romana, che comprende la giurisdizione de' tribunali di Roma e dello stato e l'ordine giudiziario che in essi si osserva. Roma 1781; O. M e j e r , die heutige römische Kurie (bei R i c h t e r und J a c o b s o n , Zeitschrift fiir das Recht und die Politik der Kirche. Hft. 1. S. 54 ff.; Heft 2. S. 195 ff.); J. H. B a n g e n , die Römische Kurie, ihre gegenwärtige Zusammenstellung und ihr Geschäftsgang. Miinsterl854; P h i l l i p s , 6, 1 ff.; 2 9 7 - 6 8 4 . 1

Card, d e L u c a 1. c. disc. I. η. 9. S. ζ. Β. das unten §. 52 über die Stellung des Kardinalstaatssekretärs Bemerkte. 3 Ordo Romanus X (saec. XI) c. 2 ( M a b i 11 on, museum Ital. 2, 9 7 ) : „erit domnus Papa de palatio cum episcopis et cardinalibus et c u m t o t o a p p a r a t u c u r i a e veniens ad palatium mailig"; Ordo Roman. XI (saec. XII) n. 34 (Ma b i l l o n 2

p. 134): „quo dominus Papa c u m t o t a c u r i a venit". 4 Card. d e L u c a 1. c. n. 7. 8 : „Cum autem Papa cuius imperii Aula seu Curia ista dicitur, quadiuplicempluries enunciatam gerat seu repraesentet personam, imam sc. iam enunciatam Christi Vicarii generalis et episcopi ecclesiae universalis, alteram Patriarchae occidentis, tertiam episcopi particularis Romanae civitatis . . . et quartam demiim Imperatoris vel Principis temporalis Urbis illiusque Italiae temporalis ditionis . . . hinc proinde quamvis Romana Curia illa proprie dicatur quae primae personae congruit, attamen istas quoque alias Curias inferiores complectitur, ob diversas personas formales quae in una eademque materiali repraesentantur. Ideoque etiam in iis quae particularem Urbis episcopatum vel temporalem ditionem concernunt, Curia Romana dicitur atque officiales vel ministri quorum munus circa istas inferiores vel subalternas Curias tantum versatur absque aliqua participatione regiminis vel administrationis Curiae maioris ac universalis adhuc Papae Curiales dicantur atque leges quae de Curialibus agunt, praesertim super beneflciorum reservationibus vel eorumdem Curialium privilegiis et favoribus . . . istis quoque Curialibus conveniant".

Die Prälatur.

§· 41.]

375

Verständniss der Stellung der kirchlichen Behörden nöthig ist, berührt zu werden braucht. Was die Personen, welche zur Kurie gehören, betrifft, so sind dies, die Kurie in jenem oben erwähnten engeren Sinne genommen, folgende 1 : t . die Kardinäle, 2. die Prälaten, 3. die sonstigen Beamten, welche keine Prälatur bekleiden, 4. die Advokaten, 5. die Prokuratoren, 6. die Notare, 7. die Expeditoren (Sollicitatoren, Speditionäre), 8. die Agenten. Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch werden indessen nur die unter 4 bis 8 aufgezählten Personenklassen unter der Bezeichnung Kurialen verstanden 2 . Die unter 1 bis 3 genannten bilden die verschiedenen Kurialbehörden, welche meistens kollegialisch organisirt sind. Von den Kardinälen ist schon in den §§. 3 2 — 3 9 gehandelt, weil diese ihre Bedeutung nicht durch die Stellung innerhalb der Kurie haben, vielmehr gerade umgekehrt wegen ihrer Eigenschaft als Kardinäle die hervorragendsten Mitglieder der letzteren sind, lieber die zu 3 aufgeführten Personen wird bei der Darstellung der einzelnen Behörden das Nöthige bemerkt und nach dieser auch über die Personen zu 4 — 8 gesprochen werden. Dagegen ist schon hier der Prälaten zu gedenken, weil dieselben nächst den Kardinälen die vornehmsten Mitglieder der einzelnen Kurialbehörden sind.

2. §.41.

Die Prälatur*.

a. Die Entwicklung derselben. Frühere Organisation des römischen und päpstlichen Klerus.

Die Berichte über die Organisation des römischen Klerus in älterer Zeit lassen eine Scheidung des römischen Klerus in drei Hauptgruppen erkennen, nämlich je nachdem derselbe zu den Regionen der Stadt oder zu den einzelnen Kirchen derselben in einem bestimmten Verhältniss steht oder endlich im päpstlichen Palatium verwendet wird. I. Der R e g i o n a r - K l e r u s . Abgesehen von den schon oben (S. 312. 322) besprochenen diaconi regionarii gehören zu demselben: 1. Die sieben N o t a r i i r e g i o n a r i i 1 1 . Der liber pontificalis führt das Institut bis auf die Zeit des h. Clemens (I. 91 ? — lüü?) zurück, indem er von diesem erzählt: «Hie fecit Septem regiones dividi n o t a r i i s fidelibus ecclesiae qui gesta martyrum sollicite et curiose unusquisque per regionem suarn perquirerent« 4 , und erwähnt dann ' L. c„ n. 1 1 ; B a n g e n S. 7 . 2 (le L u c a d i s c . X L V l I . n . 1 . 2 ; B a r i g e n S . 7 . * M o s c o n i i , de maiestate militiae ecclesiasticae. Venetiis. 1 0 0 2 ; A u g . de Barbosa, tractat. de canonicis et dignitatibus aliisqne b e n e fleiariis etc. Lugdun. 1 6 4 0 u. öfter, c. 4 . 5 ; D a P o n t e , specchio del Vescovo e del Prelato. Roma. 1 6 9 1 ; B a n g e n S. 4 5 f f . ; P h i l l i p s 6,

2 9 7 IT.; M e j e r in der angeführten Zeitschrift, l i f t . 1. S. 9 1 IT. 3 Z a c c a r i a , dissert, sopra i notaj ecclesiastici (Uaccolta di dissertaz. ltal. n. 5 8 . 1. 4 0 7 ) ; T h o m a s s i n , vetus et nova discipl. P. I. lib. 11. c. 104. Ii. 7 — 1 2 ; O e s t e r l e y , das deutsche Notariat. Hannover 1 8 4 2 . 1, 7 9 ff. 4 ed. F a b r o t . 2, 2 . 25*

376

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 41.

auch einer weiteren Anordnung des Papstes F a b i a n u s (236—250): »Hic regiones divisit diaconibus et fecit Septem subdiaconos qui Septem notariis imminerent, ut gesta martyrum in integro colligerent« 1 . Hiernach sind die Notare Kleriker gewesen, eine höhere Stellung in der Hierarchie der Weihen können sie aber nicht gehabt haben, da sie nach dem letzten Berichte den Subdiakonen untergeordnet werden. Diese Annahmen bestätigt auch ein Brief Gregors 1. 2 , worin notarius und clericus gleichbedeutend gebraucht wird und der Umstand, dass Papst Hadrian erst zum Subdiakon geweiht worden ist, als er schon das Amt eines Regionär - Notars bekleidete 3 . Ihre Thätigkeit bestand in der Aufzeichnung von Berichten über den Tod der Märtyrer 4 und in der Aufnahme der Urkunden über die die Kirche betreffenden Geschäfte 5 . Endlich scheinen sie auch Aufzeichnungen über die stattgehabten Taufen gemacht zu haben Unter G r e g o r I. kommen Notare als Schreiber päpstlicher Urkunden vor 7 und ferner werden sie als Untersuchungsführer 8 und zu andern Geschäften nach auswärts kommittirt!J. Zweifellos hat es aber neben den Regionär-Notaren auch schon zu dieser Zeit andere, diesen untergeordnete gegeben 10 , indessen sind die unmittelbar vom Papst zu Diensten herangezogenen wohl die angesehensten, also die RegionarNotare, gewesen. Auch eine nähere Verbindung der Eegionar-Notare mit dem päpstlichen Archiv muss schon zu Gregors Zeit eingetreten sein, denn unter ihm erscheint ein Notar gleichfalls mit der Bezeichnung chartularius ". In den folgenden Jahrhunderten haben die Notare ihre Hauptbeschäftigung in der päpstlichen Kanzlei und im Archiv gefunden, und die 7 alten Regionardiakonen sich eine hervorragende Stellung als s. g. protonotarii bis auf den heutigen Tag bewahrt (s. §. 51). Ihre Vorsteher, der p r i m i c e r i u s und s e c u n d i c e r i u s , haben in einer engeren Beziehung zu dem päpstlichen Palatium gestanden, weshalb ich von ihnen erst unter Nr. III. dieses Paragraphen handle. ' 1. c. p. 7. Ferner gehört hierher die vita A n t e r i ( 2 3 7 — 2 3 8 . 1. c. p. 7): „Ilic gesta martyrum diligenter a notariis exquisivitet in ecclesia recondidit, propter quod a Maximio praefecto martyrio coronatus est". 2 Lib. V. ep. 15 (ed. Jiened. 2, 738). Auch der liber diurnus n. L X X . (ed. II ο z i e r e . Paris. 18G9. p. 133) setzt die Klerikalqualität voraus, da das betreffende Stück die Ueberschrift: „praeceptum quando laicus tonsoratur et lit regionarius" trägt.

ß Darauf deutet hin Ordo Rom. I. n. 3. p. 4 ( M a b i l l o n 1. c. p. 4 ) : „Die autem resurrectionis dominicae procedente eo (papa) ad sanctam Mariam notarius regionarius stat in loco qui dicitur Merolanas et salutato pontifice dicit: In nomine domni nostri lesu Christi baptizati sunt hesterna nocte in sancta dei genetrice Maria infantes masculi numero tanti, feminae tantae".

3 Lib. pontif. ed. cit p. 9 8 : „Paulus papa eiira clericariiussit, quem n o t a r i u m r e g i o » a r i u m in ecclesia constituens postmodum eum subdiaconuni fecit". 4 Das musste natürlich mit dem Aufhören der Christenverfolgungen fortfallen. 5 Vita Julii I. (337—352. 1. c. p. 1 9 ) : „Ilic constitutum f e c i t , u t nullus clericus causam quamlibet in publico ageret nisi in ecclesia et notitia quae omnibus pro tide ecclesiastica est, per notarios colligeretur et omnia monumenta in ecclesiam per primicerium notariorum confecta celebrarentur sive causationem vel instrumenta aut donationes vel commutationes vel traditiones aut testamenta vel allegationes aut manumissos clerici in ecclesia per scriniarium sanctae sedis celebrarent".

β II. 4 9 ; III. 4 1 ( 2 , 6 1 3 . 6 5 4 ) . » X I . 4 (2, 1095). Nach dem liber diurnus n. LIII. LIV (ed. R o z i f e r e p. 94. 95) wurden die Notare auch mit der Verwaltung der auswärtigen Patrimonien der römischen Kirche betraut. ω Gregor, epist. VIII. 14 (2, 9 0 5 ) : ,,Quia igitur defensorum officium in causis ecclesiae et obsequiis noscitur laborare pontiflcum, hac eos concessa prospeximus recompensationis praerogativa gaudere constituentes, u t sicut in s c h o l a n o t a r i o r u m atque subdiaconorum per indultam longe retro pontiflcum largitatem sunt r e g i o n a r i i constituti, ita quoque in defensoribus Septem qui ostensa suae experientiae utilitate placuerint, honore regionario decorentur". S. auch O e s t e r l e y a. a. 0 . S. 82. « Ep. I. 7 7 ; 11.48; X. 67 (2, 5 6 1 . 6 1 2 . 1089).

7 Lib. V. ep. 29 (2, 7 5 7 ) : „Hanc autem epistolam Paterio notario ecclesiae nostrae scribendam dictavimus".

§· 4 1 . ]

Die Prälatur.

377

2. Die sieben S u b d i a c o n i r e g i o n a r i i sind durch Papst F a b i a n (236—250) eingeführt Κ Sie hatten, wie die Diakonen, hauptsächlich mit der Güterverwaltung und anderen äusseren Angelegenheiten zu thun, wie sie denn ζ. B. von G r e g o r I. mit der Administration der auswärtigen Besitzungen der römischen Kirche 2 und auch mit richterlichen Punktionen betraut w u r d e n S p ä t e r kommt noch ein A r c h i s u b d i a c o n u s 4 und noch im 13. Jahrhundert ein P r i o r S u b d i a c o n u s r e g i o n a r i u s 5 vor. 3. Ebenso werden auch A c o l y t h i r e g i o n a r i i erwähnt 0 . Ob die 42 Akolythen, welcher der Papst Cornelius gedenkt 7 , alle regionarii gewesen sind, erscheint zweifelhaft, da zwar eine Bezeichnung derselben nach einzelnen Kirchen vorkommt8, diese aber auch wieder mit der Angabe der Region kombinirt erscheint 9 . 4. Mehr ergeben die Quellen über die D e f e n s o r e s r e g i o n a r i i 1 0 . Ihr ursprünglicher Beruf war die Armen, Wittwen , Waisen , sowie die Gerechtsame und Güter der Kirchen zu vertreten und zu schützen Sie waren Kleriker 12 und G r e g o r I. formirte sie nach dem Vorbilde der Notare und Subdiakonen zu einer Korporation, indem er ihnen gleichzeitig die angesehene Stellung der Regionargeistlichen beilegte 13. Ausserdem wurden ihnen auch verschiedene Verwaltungsgeschäfte und jurisdiktioneile Befugnisse für einzelne Fälle übertragen, so ζ. B. die Vertheilung von Almosen 14 , die Administration der Patrimonien der römischen Kirche 15, die Abschliessung von Kontrakten für Kirchen11', die Ueberwachung und Ausführung letztwilliger Verfügungen zu frommen Zwecken 17, die Herbeiführung der Wiederbesetzung vakanter Bisthümer die Ueberwachung der Disciplin in den Klöstern ''·', die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten 20 , die Verhütung von Ungerechtigkeiten der Bischöfe gegen die niederen Kleriker 21 u. s. w. Π. D e r K l e r u s a n d e n e i n z e l n e n K i r c h e n Roms. Zur Feier des Gottesdienstes waren selbstverständlich bei den einzelnen Römischen Kirchen auch besondere Geistliche angestellt. Sie werden nach der Weihestufe bezeichnet 22 , ' S. oben S. 3 7 6 ; auchPapst Cornelius erwähnt ihrer s. S. 3. n. 2 . 2 Ep. lib. I. cp. 1 ; III. 3 2 (ed. Ben. 2, 4 8 5 . 647). 3 II. 2 0 ( 2 , 5 8 3 = c. 8 . Dist. L X X 1 V ) ; III. 3 2 ; IX. 47 ( 2 , 583. 647. 961). L'ebcr ihre gottesdienstlichen Verrichtungen bei den Stationsandachten s. Ordo Roman. I. n. 7 ( M a b i l l o n p. 7). 4 Ordo Roman. II. n. 1 3 ; Ordo Rom. VI. n. 8 (1. c. p. 4 9 . 7 3 ) . 5 Ordo Roman. X I I . c. 15. n. 3 3 (1. c. p. 1 8 6 ) . β Ordo Roman. I. n. 1(1. c. p. 3), s. S. 3 2 2 . n. 4 . 7 S. S. 3. n. 2 . 8 Lib. pontif. vita Sergii I. (ed. Fabrot. 2 , 5 9 ) . 9 P h i l l i p s 6 , 3 2 2 . n. 2 7 theilt nach A r i n g h i , Roma subterranea IV. 2 5 . n. 12 (2, 6 9 ) folgende Grabschrift m i t : „Abundantius Acol. Reg. Quarte. Τ. T. Vestinae'·. 10 s . dazu T h o m a s s i n 1. c. P. I. lib. II. e. 9 7 . 11 A n m . d zu Gregor. M. ep. I. 2 6 (ed. Bened. 2 , 5 1 7 ) ; ferner ep. X . 5 3 ; X I . 7 ; X I V . 2 (2, 1082. 1 1 7 8 . 1 2 6 1 ) . 12 Das ergiebt die Anstellungsformel bei Gregor ep. V. 2 9 und XI. 3 8 (ed. eit. 2 , 7 5 6 . 1 1 2 1 ) : „Ecclesiasticae utilitatis intuitu id nostro sedit arbitrio, ut si nulli conditioni vel corpori teneris obnoxius nec fuisti clericus a l t e r i u s c i v i t a t i s

aut in nullo tibi canonum obviant statuta, officium ecclesiae defensorum aeeipias, ut quidquid pro pauperum commodis tibi a nobis iniunetum fuerit incorrupte et vivaciter exequaris, usurus hoc privilegio quod in te habita deliberatione contulimus : ut omnibus quae t i b i a nobis fuerint iniuncta complendis operam tuam lidelis exhibeas, redditurus de actibus tuis sub dei nostri iudicio rationem". Daher erhielten sie auch ihren Unterhalt aus den kirchlichen E i n k ü n f t e n s. ep. I. 4 4 (2, 5 3 9 ) und assistirten ebenfalls bei den Stationsandachten in Rom. S. Ordo Roman. I. n. 2 . p. 4. 13 S. S. 3 7 6 , n. 10. μ Gregor, ep. XI. 2 1 (2, 1 1 0 5 ) . is L. c. I X . 6 0 (2, 9 7 6 ) . is L. c. X I . 2 0 . 2 3 ( 2 , 1 1 0 5 . 1106). i ' L. c. X I I . 10 ( 2 , 1 1 8 7 ) . 18 L. c. X I V . 2 ( 2 , 1 2 6 0 ) . 1» L. c. X I V . 2 (2, 1 2 6 0 ) . 20 L. c. X . 2 8 (2, 1059). 21 L. c. X I V . 4 ( 2 , 1 2 6 2 ) . Vgl. auch I . a u , Gregor I. d. Gr. Leipzig 1 8 4 5 . S. 112. 113. 22 Lib. pontif. vita Sergii I. (cd. Fabrot. 2, 5 9 ) . . . et acolythus factus per ordinem ascendens a s. ui. Leone pontilice in titulo sanetae Susannae, quod ad duas domos vocatur, presbyter ordinatus est"; c. 11 ( H o n o r . I I I . ) X. de M. et O. I. 3 3 .

378

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§• 41.

kommen aber auch unter anderen, theilweise ihre Stellung näher charakterisirenden Bezeichnungen, nämlich: M a n s i o n a r i i c u s t o d e s 2 , basilicarii 3 vor. Unter den verschiedenen Geistlichen der einzelnen Kirchen werden die Geistlichen höheren Ranges Clerici maiores oder maiores ecclesiae von den andern, den clerici minores, unterschieden Der Vorstand bei denselben heisst a r c h i p r e s b y t e r 5 , selbst wenn die Kirche ' Gregor. M. dialog. I . 5 . ; I I I . 2 4 . 2 5 ( e d . B e n . 2, 173. 3 3 3 ) ; e p . I V . 3 0 ( p . 7 0 9 ) ; da d i e s e r d e n e r s t e r e n A u s d r u c k als g l e i c h b e d e u t e n d m i t custodes g e b r a u c h t , so sind d a m i t Geistliche n i e d e r e r Grade g e m e i n t , welche die A u f s i c h t ü b e r d i e K i r c h e u n d die G e r ä t s c h a f t e n f ü r d e n G o t t e s d i e n s t zu f ü h r e n u n d b e i m G o t t e s d i e n s t zu assis t i r e n h a t t t e n . M a b i l l o n 1. c. 2, X X V I I ; M a r i n i , i p a p i r i diplomatici. Koma. 1 8 0 5 . p . 1 4 1 . 3 0 1 . V g l . f e r n e r L i b . p o n t i f . -vita B e n e d . I I . ( e d . F a b r o t . 2 , 5 7 ) : „Hic d i m i s i t o m n i c l e r o , m o n a steriis, diaconiis e t m a n s i o n a r i i s a u r i l i b r a s X X X " . v i t a I o a n n i s V . u . G r e g o r . I I . (1. S. oben S. 385 und P h i l l i p s 6, 361. Nur hatten die betreffenden Geistlichen damals, weil überhaupt eine nach einzelnen Geschäftskreisen getheilte Organisation der Kurie nicht bestand, kein festes Ressort. 4 H i c r u . G o n z a l e z in Regul. VIII. Cancell.

gloss. 60 de mensibus n. 54. 5 5 : „Et ideo appellator signatura gratiae et signatura iustitiae, quia ibidem signantur i. e. subscribuntur rescripta gratiae et iustitiae". 5 B a n g e n S. 3 7 4 ; P h i l l i p s 6, 501. 8 B a n g e n S. 3 7 4 ; P h i l l i p s , Lehrbuch 1, 259. ^ M. Bull. 1, 449. 8 So jetzt auch P h i l l i p s , Kirchenrecht 6, 501. 9 Const.: Debita consideratione vom 30. Juli ' 1540 (M. Bull. 1, 737). >0 d e L u c a disc. X X X I . η. 3. 7. 11 §. 1 (Μ. Bull. 2, 9 0 ) : „Quod nullus ex dictis Referendariis propositas et reiectas in S i g n a t u r a I u s t i t i a e c o m m i s s i o n e s in S i g n a t u r a G r a t i a e coram nobis proponere audeat, nisi talis sit materia quae scientiam nostram requirat aut quae per Signataram Iustitiae ad eandem Signaturam Gratiae remissa fuerit".

§· 47.]

Das Tribunal der Signature iustitiae.

417

Beim Mangel einer fixirten Zahl von Referendai-ien-Stellen waren bis zum Ende des 16. Jahrhunderts so viel Ernennungen vorgekommen, dass S i x t u s V. sich veranlasst sah, hinsichtlich des gedachten Punktes eine gesetzliche Regelung eintreten zu lassen. In der Konstitution: Quemadmodum vom 22. Oktober 1586 1 verordneteer zunächst, dass bis zur Reduktion der vorhandenen Zahl auf 100 keine neuen Referendarien ernannt werden, und von diesen auch nur 70 Referendarii Signaturae, d. h. wirklich fungirende 2 , sein sollten:l. Zugleich setzte der gedachte Papst für die Zulassung zum Referendariat folgende Erfordernisse fest: 1. eheliche Geburt, 2. Abstammung von ehelichen Eltern, 3. Alter von 25 Jahren, 4. unbescholtener und sittenreiner Lebenswandel, 5. Besitz der juristischen Doktorwürde, 6. Klerikalstand, 7. Tragen der Tonsur und geistlichen Kleidung, 8. zweijähriger Aufenthalt an der Kurie, 9. Innehabung eines ein standesgemässes Auskommen gewährenden Benefiziums oder Vermögens, 10. Ablegung eines praktischen Examens vor dem Präfekten und den sechs ältesten Referendarien 4 . Für die Zulassung zur Signatura Gratiae wurde ferner als Vorbedingung eine dreijährige, erfolgreiche Theilnahme an den Geschäften der Signatura Iustitiae vorgeschrieben 5 . Ausserdem gewährte S i x t u s in derselben Bulle den Referendarien ebenfalls eine Reihe von Privilegien B . Alle zur Signatur der Justiz gehörigen Referendarien übten aber das Amt nicht wirklich aus, vielmehr entwickelte sich die Praxis, dass nur die zwölf der Anciennität nach ersten als s. g. R e f e r e n d a r i i v o t a n t e s neben dem Präfekten funktionirten und die übrigen erst nach und nach gemäss ihrer Anciennität einrückten 7 . Diese Sitte sanktionirte A l e x a n d e r VII., indem er durch seine Konstitution: Inter ceteras vom 13. Juni 1659 diese 12 Votanten zu einem eigenen Kolleg neben dem Präfekten unter dem Aeltesten, als ihrem Dekan, formirte 8 . Zugleich erliess er in derselben Konstitution nähere Vorschriften über die Aufnahme und Prüfung neuer Referendarien 9 . II. K o m p e t e n z d e r S i g n a t u r . Zu derselben Zeit, wo das Kolleg der Referendarii sich fester organisirte, war schon durch die Entwicklung der Camera Apostolica und der Rota, später durch die Errichtung der Kardinals-Kongregationen unter ι M. Bull. 1, 588. 2 B a n g e n S. 374. 3 So fasse ich den 1 der angeführten Konstitution auf. worin es heisst: „Ulo auteni sie redueto et imminuto praescriptus centenarius numerus Referendariorum huiusmodi nullo umquain tempore augeatur. Sed neque inter hoc omnes u l t r a s e p t u a g i n t a S i g n a t u r a e R e f e r e n d a r i i esse possint", während B a n g e n a. a. 0 . und P h i l l i p s 6, 502 meinen, dass von den 100 dreissig der Signatur der Justiz und 70 der Signatur der Gnaden zugetheilt worden seien. 4 §§. 2. 3. const, cit. 5 4. ibid. 6 §§. 8 f f . — A l e x a n d e r VII. hat die votantes in der Bulle: Nuper certis von 1055 zu apostolischen Akolythen erhoben (Bull. Rom. VI. 4, 54). 1 B a n g e n S. 375. 8 §. 1 (M. Bull. 6, 118): „Insuper erigimus et instituimus Collegium eorumdem Referendariorum quod volnmus repraesentari ex duodeciin V o t a n t i b u s S i g n a t u r a e I u s t i t i a e de corpore ac numero ipsorum Referendariorum electis et in posterum eligendis quorum caput ac mode-

ratorem perpetuo constituimus praefectumeiusdem Signaturae Iustitiae pro tempore existentem et antiquior eorum in officio appellabitur Decanus". § . 2 : „Horum autein officium erit formare inquisitiones ac processus super qualitatibus eorum qui ad praefatum Referendarii munus ac dignitatem admittendi erunt, prout singulis a Praefecto Signaturae spedali rescripto demandabitur, ut infra statutum est. Praeterea eidein Decano et Collegio ineumbet caeteros Referendarios, praesertim in posterum reeipiendos, diligenter instruere de his quae spectant ad exercitium eorum officii et omnibus intimare decreta et ordinationes quascumque tarn nostras quam eiusdem Praefecti, eorum personas ac munus concernentes et concernentia neenon dies ac tempora et servitia a singulis tarn in Capella nostra quam in aliis funetionibus praestanda ac etiam curare, ut tabellae indicantes Signaturas et Congregationes faciei ι das congruis temporibus a ministris deputatis, ut moris est, exponantur ac omnibus demum ineumbere quae totius ordinis interesse concernent". 9 §. 5. Vgl. aber ferner Const. I n n o c e n t i i XII.: Inter gravissimas vom 20. Juli 1695 (M. Bull. 7, 260) und unten.

418

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 47.

S i x t u s V. — Behörden, welche ohne ein Kommissorium der .Signatur 1 über die zu ihrem Ressort gehörigen Sachen entscheiden konnten 2 — der Kreis der von der Signatur zu erledigenden Angelegenheiten erheblich beschränkt. Es blieben für sie demnach noch übrig : die ausserordentliche Kassation eines Urtheils anderer Richter, die Avocirung eines Prozesses von dem ordentlichen Richter, die Erledigung der Kompetenzstreitigkeiten zwischen verschiedenen Gerichtsbehörden, und die Ertheilung der Kommissorien an die Rota in den Fällen einer nur aus Billigkeit, nicht dem strengen Recht nach zu gewährenden Appellation. In allen diesen Fällen hat die Signatur Kompetenz für die Stadt Rom und für die ganze Kirche 3 , befindet aber nie selbst in der Hauptsache (über die merita causa), sondern sie erlässt blos zur Ermächtigung einer solchen Entscheidung die geeigneten Dekrete an die betreffenden Richter 4 . III. P e r s o n a l . Der Kardinal - Präfekt pflegte sich anfänglich einen PrivatAuditor zur Bewältigung der ihm obliegenden Geschäfte zu halten, welcher auch zugleich als Protokollführer bei den Sitzungen der Signatur fungirte. Allmählich erhielt er als A u d i t o r S i g n a t u r a e eine selbstständigere Stellung, indem er die einfachen Sachen allein erledigte 6 , und seit dieser Zeit wurde er auch als Sekretär der Signatur betrachtet. Da der Präfekt aber die oberste Leitung der Behörde in der Hand behielt und eine Revision über die vom Auditor Signaturae vorgenommenen Akte übte, so bediente er sich hierfür wieder der Hülfe eines Auditor und auch dieser wurde als A u d i t o r P r a e f e c t u r a e ( R e v i s o r ) ständig 0 . Damit war in dem Personal der Signatur eine Dreitheilung eingetreten, insofern als die Geschäfte theils durch den Auditor Signaturae, theils durch den Präfekten nebst seinem Auditor, theils durch die mit dem collegium votantium abgehaltenen Plenarsitzungen erledigt wurden 7 . Mit Rücksicht darauf, dass I n n o c e n z XII. unter Verwerfung des für das Einrücken in das Kolleg der Votanten massgebenden Anciennitätsprincipes den Päpsten für immer die freie Wahl der Votanten unter den Referendarii ( s i m p l i c e s ) reservirte 8 , nahmen auch die in Rom befindlichen übrigen Referendare als Referenten mit berathendem Votum zu ihrer Ausbildung an den Sitzungen der Signatur Theil und es entstand so der Unterschied zwischen s. g. R e f e r e n d a r i i p a r t i c i p a n t e s und n o n p a r t i cipante s9. 1

Wegen der Rota s. oben S. 396. Deshalb das Sprichwort: Camera habet Signaturam In ventre in Betreff der apostolischen Kammer. S. D a n i e l l i tit. 39. η. 3 ; B a n g e n S. 370; P h i l l i p s 6, 436. 3 F a t i n e l l i 1. c. c. 7. n. 14—31: „Signatura omnium appellationum et restitutionis in integrum causas et alias quascunque a sententiis quorumcunque iudicum Romanae Curiae et Status ecclesiasticii omniumque eeclesiasticorum iudicum christiani Orbis committit, ut re ipsa et quotidiano experimento compertum est. Exercetque hanc potestatem inter extremos usque Indos ex declaration s. mem. Alexandri YII in eius litteris 28. Iunii 1661. . . . Iudices suspectos removet et alios subrogat. Sententias nullas quorumcunque iudicum ex defectu iurisdictionis vel citationis circumscribit et alteri ex integro delegat. — Inhibitionea iudicum perperam concessas moderatur •vel illis, ut moderent, iubet. Ε converso si iudices male moderati sunt, mandat eisdem, ut eas reintegTent. . . . Praeventionum causas declarat et ad iudicem competentem remittit. — Circum2

scribit et irritat possessionem in causa appellabili intra decendium captam — Iudicibus mandat ut articulos ad probandum minus iuste reiectos admittant. — Iisdem iudicibus, si causam immature et ut dicitur, praeeipitanter expediverint, iubet, ut iterum audiant. — Cognoscit an alteri litigantium debeantur alimenta et sumtus litis. — Concedit exemptionem subdito litiganti cum episcopo propter saevitiam durante lite. — Civilis an criminalis sit causa, Signatura declarat. — Attentata in spretum suae inhibitionis vel supersessoriae commissa revocat et pro illorum purgatione mandata de manutenendo et alia opportuna relaxat. — Penes eam manet potestas iterum at que iterum indulgendi novas audientias adversus sua rescripta"; B a n g e n S. 375 11. ι B a n g e n S. 376. 5 de L u c a 1. c. n. 8 ; B a n g e n S. 380. 381. 6 d e L u c a 1. c. n. 7 ; B a n g e n S. 381. 7 B a n g e n a. a. 0 . 8 Const, cit.: Inter gravissimas von 1690. §. 3 (M. Bull. 7, 260). » B a n g e n S. 281.

§· 47.]

Das Tribunal der Signatura iustitiae.

419

IV. Die h e u t i g e S t e l l u n g d e r S i g n a t u r 1 . Auch in Bezug auf die letztere hat das mehrfach erwähnte Regolamento G r e g o r s XVI. vom J. 1834 eine Reihe von Bestimmungen erlassen, und zwar verordnet dasselbe über die Kompetenz zunächst hinsichtlich der C i v i l s a c h e n des Kirchenstaates im §. 338: »Das Ober - Tribunal der Signatur der Justiz erkennt und urtheilt im N a m e n und a n s t a t t des P a p s t e s : 1. über Annullations- und Circumscriptions - Gesuche der richterlichen Akte und Sentenzen; 2. über Kompetenzstreitigkeiten zwischen einzelnen Richtern und Gerichtshöfen; 3. über Streitigkeiten betreffs der Vereinigung und Abberufung von Prozesssachen; 4. über Streitigkeiten in Bezug auf die Rekusation der Richter aus gesetzlichen Verdachtsgründen; 5. über Gesuche einer neuen Appellation mit vollem Devolutiv-Effekt in der Restitutions-Instanz nach Vorschrift des § . 2 7 3 desselben Regolamento«. Letzterer Paragraph bestimmt aber: »Es giebt kein suspensives Rechtsmittel gegen eine res iudicata; das ausserordentliche Mittel der restitutio in integrum mit blossem Devolutiv-Effekt selbst in Bezug auf die Taxe der Kosten kann aber gewährt werden«. Dieselben Vorschriften sind aber auch für das k i r c h l i c h e F o r u m massgebend, denn in den §§. 384—386 heisst es weiter: §. 384 : »Die Bestimmungen in der gen. Sektion des 2. Titels« (d. h. des vorhin mitgetheilten) »bezüglich der Signatur der Justiz haben Geltung für die Sachen, Richter und Tribunale des kirchlichen Forums jedoch mit folgenden Ausnahmen« : §. 3 8 5 : » D i e K a r d i n a l s - K o n g r e g a t i o n e n s i n d d e m T r i b u n a l d e r Justiz nicht unterworfen«. §. 386 : Die Kompetenz-Streitigkeiten zwischen den heutigen geistlichen Kongregationen oder zwischen diesen und anderen Tribunalen werden auf ein einfaches Memoriale hin entschieden vom Kardinal-Präfekten der Signatur, unter berathender Stimme des Dekans und Unterdekans der Signatur und nach vorgängigem Berichte des Kardinal-Präfekten an den Papst. Ebenso werden erledigt die übrigen Kontroversen, welche rücksichtlich rechtskräftiger, in Folge von Entscheidungen derselben Kongregationen gefällten Urtheile entstehen«. Endlich gehört noch hierher §. 336 a. a. 0 . : »Alle Richter und Tribunale des Staates, die Rota und die volle Kammer nicht ausgenommen, sind dem höchsten Tribunal der Signatur unterworfen« 2 , wodurch die früher für die gedachten Gerichtsbehörden bestehenden Exemtionen 3 aufgehoben worden sind. Für die weitere Kirche ergiebt sich demnach, dass in allen Fällen wegen Justizverweigerung in Bezug auf die Zulassung von Rechtsmitteln, wie in den ausserordentlichen Fällen, in denen dem ordentlichen Richter der höheren Instanz in Betreff der Kompetenz, Annullation, Appellation, Restitution u. s. w. keine Jurisdiktion mehr zusteht, entweder an die Signatur der Justiz oder aber auch an die betreffende 1 ( M a r c h e t t i ) Notizia delle giurisdizioni etc. p. 32 ff. 50. 2 s . Bull. Rom. contin. 19, 426, 412. 431.

Die betreffenden §§. finden sich auch in deutscher Uebersetzung bei B a n g e n S. 377 ff. 3 B a n g e n a. a. 0 . S. 378.

420

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 47.

Kardinals-Kongregation rekurrirt werden kann, weil diese letztere, soweit sie in einer Sache kompetent ist, ebenfalls dieselben Befugnisse, wie die Signatur besitzt; denn auch die Kongregationen habent signaturam in ventre 1 . Der Personalbestand der Signatur hat wenig Veränderungen erlitten. Regolamento bestimmt über denselben:

§. 335 des

«Das Ober - Tribunal der Signatur ist zusammengesetzt aus einem K a r d i n a l P r ä f e k t e n , aus s i e b e n P r ä l a t e n als V o t a n t e n , aus einem Prälaten als A u d i t o r d e s T r i b u n a l s , aus einem togatus (graduirten Juristen) als A u d i t Old e r P r ä f e k t u r « . . . . (§. 337) : »Dem Tribunal sind Prälaten als R e f e r e n d a r i e n beigegeben. Sie referiren die Petitionen und Gesuche der Rekurrenten und haben eine blos berathende Stimme« 2 , eine Vorschrift, welcher der noch einen Notar und Kanzler aufzählende Schematismus im Annuario pontificio 3 genau entspricht. Auch die Dreitheilung in der Behandlung der Geschäfte besteht fort, ist aber ebenfalls durch das gedachte Gesetz G r e g o r s XVI. näher geregelt worden 4 , jedoch führt faktisch schon seit längerer Zeit statt des gesetzlich dazu immer noch berechtigten Kardinal-Präfekten der Dekan in den Sitzungen den Vorsitz 5 . Das Verfahren, welches sich dem der Rota nachgebildet hat c , ist neuerdings theilweise durch ein Motuproprio von P i u s VII. vom 22. November 1817 7 umgestaltet worden. 1 A. a. 0 . S. 379. Ersteres, nämlich, dass man sich an die Signatur wendet, wird heute so gut wie gar nicht geschehen. 2 Bull. Rom. cont. 1. c. p. 4 2 6 ; s. auch B a n g e n S. 382. 3 von I860, p. 333. 4 Die §§. 339 ff. (ebenfalls bei B a n g e n a. a. 0 . ) l a u t e n : §. 339. „Die beim Tribunal der .Signatur vorzubringenden Sachen unterscheiden sich in causae maiores et minores. §. 340. Causae maioressind diejenigen, welche den Werth von200 Scudi übersteigen oder einen unschätzbaren Werth haben. Die anderen Sachen sind causae minores". 340. „Die maiores werden von d e m v o l l e n T r i b u η a l entschieden". § . 3 4 1 . „Ebenso alle Sachen über Rekusation der Richter aus gesetzlichen Verdachtsgriinden und die Gesuche um eine neue Appellation mit voller Devolutiv-Kraft in der Instanz der restitutio in i n t e g r u m , auch wenn sie causae minores sind". §. 342. „Der P r ä l a t - A u d i t o r fungirt als Sekretär des Tribunals ; er erscheint in den Sitzungen und f ü h r t (las Register der Reskripte und Entscheidungen". 343. „Ueberdies hat er richterliche Gewalt 1) in Entscheidungen der causae minores mit Ausnahme der §. 341 bezeichneten Rekusationen und Restitutionssachen; 2) in der Bestimmung über die Zulässigkeit einer an das volle Tribunal zu bringenden Sache; 3) in der Exequirbarmachung der Reskripte und Entscheidung desselb e n ; 4) im Taxiren und Liquidiren der Kosten, des Schadenersatzes und der Interessen in Folge der exequirbar gemachten Reskripte; 5) für die

Aburtheilung der Liquidations - Kontroversen, wenn die liquidirte Summe nicht mehr als 200 Scudi beträgt". — §. 344. Der A u d i t o r d e r P r ä f e k t u r revidirt die Dekrete des PrälatenAuditors des Tribunals i n N a m e n u η d a η s t a t t d e s K a r d i n a l - P r ä f e k t e n . Sind die Dekrete der beiden difform, so werden sie ganz oder in den difformen Theilen vom vollen T r i b u n a l revidirt". (Bull. Rom. cont. 1. c. p. 426. 427). 5 B a n g e n S, 383. 6 S. darüber B a n g e n S. 3 8 5 f f . ; M a r c h e t t i p. 35 ff. 7 B a n g e n S. 387 und S. 552, wo ein Auszug aus demselben mitgetheilt ist. Frühere für diesen P u n k t in Betracht kommende Verordnungen sind const. P a u l i V . : Universi agri von 1611. §. 1 (M. Bull. 2 , 297); decr. C l e m e n t . X I . : Ad parcendum vom 18. Januar 1 7 0 1 ; 12. J u n i 1706; 12. Januar 1719 (ibid. 8, 287 ff.); ferner die nova ordinatio tribunalis Signaturae Iustitiae von Leo XII. vom 11. April 1826 in der Const.: Quum plurima (Bull. Rom. contin. 16, 417 ff.). Endlich sind über die Privilegien der votantes noch zu vergleichen const. C l e r n e n t . I X . : Egregiis vom 14. März 1668 (Bull. Rom. VI. 6, 2 3 8 ) ; Clement. X I . : Romanus Pontifex vom 28. März und Creditae nobis vom 12. August 1701 (Bull. Rom. 10, 13 u . 2 3 ) ; Clementis X I I . : Creditae nobis vom 25. J a n u a r 1731 und Singularis vom 11. Mai 1733 (ibid. 13, 169 u. 333), sowie const. Beued. XIV. : Militant' ecclesiae vom 7. J u n i 1746 (Bull. Bened. XIV. 2, 59).

421

Die Signatura Gratiae.

§• 4 8 . ]

cc.

D i e G n a d e n - B e h ö r d e n der K u r i e . §. 48.

α. Die Signatura

Gratiae*.

Während in den im vorigen Paragraphen erwähnten Justizsachen füglich eine besondere Behörde entscheiden konnte, weil bei der Natur dieser Sachen die Feststellung wiederholt anwendbarer Normen möglich war, stand einer solchen gleichmässigen Behandlung der eingehenden Gnadengesuche ihr Charakter im Allgemeinen entgegen.

So

blieb denn die Erledigung dieser, sofern sie nicht regelmässig gewährte Begünstigungen 1 betrafen — . f ü r welche sich deshalb ebenfalls wieder eine feste Praxis bilden, und mit deren Ertheilung also gleichfalls eine eigene Behörde betraut werden konnte (s. die beiden folgenden Paragraphen) — dem Oberhaupt der Kirche bis auf den heutigen T a g vorbehalten. allein gilt,

Die a u s s e r o r d e n t l i c h e n

G n a d e n s a c h e n , für welche das Bemerkte

können eine k o n t e n t i ö s e Natur haben,

insofern zwei Parteien dabei

betheiligt sind, wie ζ . B. wenn im Gnadenwege das sonst gesetzlich stattfindende Rechtsmittel durch die clausula:

appellatione remota ausgeschlossen oder umgekehrt ein

solches ausnahmsweise gewährt werden soll.

Ferner gehört der Fall hierher, wo die

Klausel sublata (quacunque dispositione contraria) oder das s. g. alle entgegenstehende Rechte beseitigende decretum irritans zu Gunsten einer betheiligenden Person hinsichtlich der ihr das Gehör verschliessenden Wirkung aufgehoben werden soll. Endlich fallt die Gewährung abnormer Rechtsmittel, sofern diese Mangels einer konstanten Praxis nicht von der Signatur der Justiz ausgehen kann 2 , unter diese Kategorie von Sachen. Den Fällen, in denen erst nach veranlasstem Verhör der Parteien und allseitiger causae cognitio eine Entscheidung abgegeben wird, stehen die reinen Gnadensachen, ζ . B. Kommutationen letzt williger Verfügungen, Befreiung von Lasten zu frommen Zwecken u. s. w. gegenüber, bei denen nur das Interesse des Supplikanten, nicht aber das dritter Personen, in Frage kommt 3 . In allen derartigen Angelegenheiten kann der Papst auf die an ihn selbst zu richtenden, aber seinem Auditor

(dem s. g. A u d i t o r S a n c t i s s i m i )

einzureichenden

Gesuche allein entscheiden oder sich blos des Beiraths des letzteren bedienen oder sie endlich zur Vorberathung an die Signatura Gratiae verweisen 4 . Das P e r s o n a l der letzteren besteht aus einem K a r d i n a l - P r ä f e k t e n , dessen Amt indessen zu einer blossen Titulatur geworden

ist 5 ,

Belieben des Papstes zu bestimmenden K a r d i n ä l e n ,

und ferner den R e f e r e n d a r i i

votantes,

aus mehreren nach dem

welche jedoch die das Kolleg der Signatur der Justiz bildenden sind 6 .

Ferner nehmen diejenigen P r ä l a t e n an den Sitzungen Theil, welche in der Kurie eine ordentliche Jurisdiktion üben, nämlich der A u d i t o r C a m e r a e , der T h e s a u r a r i u s, der D a t a r i u s (sofern er nur Prälat, kein Kardinal ist), der D e k a n d e r R o t a , der R e g e n s d e r K a n z l e i , Sanctissimi7

der V i c e s g e r e n s des Kardinal-Vikars, der A u d i t o r

und drei von letzterem erwählte R e f e r e n d a r i i

* d e L u c a 1. c. disc. X X X ; D a n i e l l i 1. c. tit. 4 1 ; Prattica della Curia P . I I . c. 8 ; L u n a d o r o - Z a c c a r i a P . I I . c. 36. p . 1 5 8 ; B a n g e n S. 3 9 1 ; P h i l l i p s 6, 504 ff. 1 ζ . B . die Dispensationen in E h e s a c h e n , die V e r l e i h u n g e n von reservirten l i e n e f l z i e n . 2 d e L u c a 1. c. n. 12 ff. ; H a n g e n S. 393.

H i n s c h i us,

Kirchenrecht.

3 d e L u c a 1. c. n . * d e L u c a l . c. n. 5 d e L u c a 1. c. n. β B a n g e n S . 394.

partieipantes,

3 1 ; B a n g e n S. 394. 3 2 ; B a n g e n S. 394. 37. 395.

7 T h e i l w e i s e beruht das schon auf der Const, cit. S i x t i V . : Quemadmodura vom J. 1586. § . 5 ( M . Bull. 2, ;")89j.

2S

422

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 49.

welche hier noch ihr ursprüngliches Amt versehen, indem sie über das Thatsächliche der Replik und die Gründe für und wider die Bewilligung r e f e r i r e n D i e Votanten, die assistirenden Kardinäle und die sonstigen Prälaten haben, weil sie hier dem Papst gegenüberstehen, nur eine berathende Stimme; und letzterer entscheidet selbstständig über die Abweisung oder Gewährung des Gesuches 2 , so dass also diese Versammlung im Kleinen das Abbild eines engeren Konsistoriums darbietet. §.49.

ß. Die Dataria

ApostoMca*.

Das wichtigste Organ des apostolischen Stuhles für die Erledigung der Gnadensachen ist die s. g. D a t a r i a A p o s t o l i c a , denn die Signatura gratiae kann, wie in dem vorhergehenden Paragraphen näher dargelegt worden, nur in einzelnen, ausserordentlichen Fällen, in Funktion treten. Den Namen der Behörde leiten Einzelne von dare, Andere von datare her. Das letztere hat das meiste für sich, da die Bezeichnung sich wohl an die übliche Schlussformel der apostolischen Schreiben: Datum apud etc. anschliesst und die Behörde, welche solche Unterschriften unter die. gedachten Erlasse setzte, füglich D a t a r i a genannt werden konnte 3 . Das Verzeichniss der nachweisbaren Beamten derselben, der s. g. Datarii, beginnt mit P a u l F e r a n t e s zu Zeit M a r t i n s V. (1417—1431) 4 . Viel früher kann das Amt nicht entstanden sein, da es eine schon beginnende Sonderung der einzelnen Geschäfte der Kurie und Uebertragung der letzteran an bestimmte Abtheilungen derselben voraussetzt. Die Zurückführung bis auf das 6. Jahrhundert 5 erscheint, abgesehen von der Zweifelhaftigkeit der betreifenden Anhaltspunkte, nicht nur aus dem vorhin gedachten Grunde unmöglich, sondern auch deshalb, weil die Einsetzung eines besonderen Beamten für den Vortrag der Gnadensachen eine ausgedehnte Dispensationsgewalt in den Händen des Papstes voraussetzt, welche sich bekanhtlich nicht vor dem 12. Jahrhundert fixirt h a t 6 . Berücksichtigt man weiter, dass in jener Zeit von einer festen Organisation der Kurie noch nicht die Rede ist, und dass später die Dataria Organ des Papstes für die Verleihung der reservirten Benefizien geworden, so liegt die Vermuthung nahe, dass der D a t a r i u s erst im Laufe des 14. Jahrhunderts 7 aus den die Reservationsangelegenheiten vortragenden R e f e r e n d a r i e n hervorgegangen ist 8 . Ebensowenig kann ein Zusammenhang des gedachten Beamten mit der Kanzlei des apostolischen Stuhles angenommen werden 9 . Denn die Expeditioh der päpstlichen Briefe und die 1 d e L u c a 1. c. 6 ff.; B a n g e n S. 39ö. Die Formel ist im ersteren Fall: Nihil; im andern, sofern es keiner näheren Priicisirung bedarf: Fiat. * T h e o d o r i A m y d e n i i , tractatus de officio et iurisdictione Datarii necnon de stylo Datariae. Colon. Agripp. 1701 (steht im Index); Card, de L u c a l . c. disc. I X . ; C o h e l l i u s , notitia cardinalat. c. 3 7 ; D a n i e l l i , praxis recentior tit. 10; Prattica della Curia P. IV. c. 17; L u n a d o r o Z a c c a r i a P . II. c. 25. p. 107; M o r o n i , dizionario 19, 109 ff.; B a n g e n S. 396; P h i l l i p s 6. 385. 402; M e j e r in J a c o b s o n s u. R i c h t e r s Zeitschrift. H f t . 2 . S . 2 0 2 ; s. auch S c h m i t z in Μ ο y s Archiv 20, 251. 3 d e L u c a 1. c. n. 17; C o h e l l i u s 1. c . ; B a n g e n S. 396. 397. 4 R i g a n t i comm. ad Reg. Canc. prooem. n. 140; M o r o n i 1. . 1, 2 7 4 . 2 9 2 ) . 7 M o r o n i 7, (>(i. 158. B a n g e n S. 4 3 7 . 8 M. Bull. 1, (188.

§· 51.]

Die apostolische Kanzlei.

441

Die apostolische Kanzlei, welche unter seiner Oberaufsicht steht, expedirt und publicirt alle Verfügungen des Papstes, sofern diese nach der Praxis der Kurie die Form einer Bulle erfordern 1 . Dahin gehören alle Konsistorial-Akte (ζ. B. die KardinalsKreationen, Ernennungen zu Bisthümern, s. S. 365), sodann diejenigen Akte, welche durch die Dataria erledigt werden (s. S. 426), endlich solche Erlasse, für welche der Papst observanzmässig den Konsens der Kardinäle, sei es im Konsistorium oder ohne ein solches, einzuholen pflegt. Was die ersten beiden Kategorien betrifft, so werden zwar ihre Ausfertigungen der Regel nach durch das gewöhnliche zur Kanzlei gehörige Personal, d. h. p e r v i a m o r d i n a r i a m bewirkt 2 , indessen ist auch eine Expedition p e r v i a m e x t r a o r d i n a r i a m möglich. Zur Erleichterung der Ausfertigungen der päpstlichen Erlasse für Fälle, in denen eine Beiseitelassung mancher üblichen Formalien oder eine Abweichung von den durch die Kanzleiregeln gebotenen Klauseln wünschenswerth erschien, errichtete A l e x a n d e r VI. :i das Amt des s. g. S u m m a t o r , welchem die Abfassung derartiger Verfügungen anheimfallen sollte, und nachdem P i u s ' V. 4 nähere Anordnung über das Iliilfspersonal des Summators getroffen hatte, ist seit den Zeiten A l e x a n d e r s VIII. das Amt des Summators mit dem des Vicekanzlers stets an dieselbe Person verliehen worden 5 , so dass dieser je nach der Art der Expedition bald in dieser letzteren Eigenschaft, bald als Summator fungirt, und bis auf den heutigen Tag offiziell die beiden Titel: V i c e - C a n c e l l i e r e e S o m m i s t a führt®. Der Vicekanzler, resp. die ihm untergeordnete Behörde, übt bei der Expedition der Bullen ferner eine gewisse Jurisdiktion aus , insofern als die von der Dataria entworfenen Antworten noch hinsichtlich ihrer Korrektheit nach den Kanzlei-Kegeln und dem Stil der Kanzlei und von dem Gesichtspunkte aus geprüft werden, ob die von der gedachten Behörde ertheilten Verleihungen auch ohne Verletzung der kirchlichen Disciplin und ohne Beeinträchtigung der Rechte Dritter ausführbar sind 7 . Für die Prüfung etwaiger Ansprüche der letzteren Art bestand eine eigene Abtheilung, das a u d i t o r i u m c o n t r a d i c t a r u m 8 , welches früher eine grosse Anzahl von Beamten hatte, jetzt aber auf den s u b s t i t u t u s c o n t r a d i c t a r u m (sostituto delle contradette) reducirt ist 0 . III. D a s P e r s o n a l d e r K a n z l e i . In Bezug auf diesen Punkt sind die Einrichtungen der früheren Zeit (bis zu Anfang dieses Jahrhunderts) von den heutigen zu unterscheiden. In früheren Zeiten sind nämlich die Aemter nicht nur im Interesse des Dienstes vermehrt, sondern es sind eine Reihe solcher als o f f i c i a v e n a l i a oder s. g. v a c a b i l i a geschaffen worden. Die Päpste suchten dadurch ihrer Finanznoth abzuhelfen , indem sie sich für die Verleihung bestimmte Summen zahlen Hessen und die Erwerber ihrerseits das Recht erhielten, an den Einkünften der Kanzlei zu partici1 B a n g e n S. 4 3 9 . 2 A. a. 0 . S. 4 4 0 . 441. 3 Const. : In emineiiti vom 22. August 1500 (M. Bull. 1, 461). 4 Coast. : Pontitice diguum vom 24. Juli 1570 (ibid. 2, 331). 5 S. d. Const. Creditae nobis divinitus vom 15. März 1690 (M. Bull, con tin. P. VI. p. I i ) . ß Anuuario pontiücio von 1865. p. 1 1 ; M o r o n i 7, 162. 163. — Gewisse Akte (so die Kliedispensen in den entfernteren Graden) werden durch das sog. officium minoris gratiae expedirt,

d. h. durch eine eigene Abtheilung von Scriptores und Procuratores, welche P i u s V. durch die Konstitution : In earum rerum commutatione vom 19. Mai 1569 (M. Bull. 2, 3 0 1 ) aus der Pönitentaria abgezweigt und der Kanzlei zugetheilt hat. B a n g e n S. 4 4 1 . ^ B a n g e n S. 4 4 5 . R Schon der Ordo Romanus X I V . (saec. XIV.) c. 18 ( M a b i l l o n 1. c. p. 3 4 4 ) erwähnt eines auditor contradictarum. Im übrigen s. B a n g e n S. 4 4 4 ; M o r o n i 7, 1 8 8 ; l ' h i l l i p s 6, 400. !) B a n g e η a. a. Ο.

442

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§· 51.

piren Als ein signifikantes, wenngleich nicht als frühestes Beispiel mag der Verkauf von 18 neu (ausser den bestehenden sechs) errichteten Stellen der Secretarii apostolici für 62,400 Kammergulden behufs Einlösung des bei Kaufleuten verpfändeten Regnum unter I n n o c e n z VIII. hervorgehoben werden 2 . Was das Personal im Einzelnen betrifft, so wird 1. schon in den Konstitutionen M a r t i n s V . : In apostolicae dignitatis vom 1. September 1418 3 und Romani pontificis vom J. 1422 4 eines Stellvertreter des Vicekanzlers, des s. g. L o c u m t e n e n s oder P r a e s i d e n s in C a n c e l l a r i a (des nachmaligen Regens Cancellariae), gedacht 5 . 2. Die P r o t o n o t a r i i 6 . Ferner gehören hierher die ältesten päpstlichen Kanzlei-Beamten, die Notarii (s. S. 375), welche von jeher zu den Prälaten der römischen Kurie gerechnet worden sind, und bis Papst P i u s II. den Vortritt vor den Bischöfen hatten 7 . Zu den ursprünglichen sieben kamen im Laufe der Zeit noch eine grosse Anzahl nicht unmittelbar bei der Kanzlei thätiger Notare hinzu. In Folge dessen wurden jene ersteren seit dem 14. Jahrhundert als Protonotarii bezeichnet 8 , während sie schon viel früher 9 unter dem Titel: Notarii sedis apostolicae vorkommen. IhreThätigkeit erstreckte sich auf die Protokollführung in den Consistoriis publicis 10 und semipublicis n , und auf die Abfassung der päpstlichen Bullen, jedoch seit M a r t i n V. nur auf solche, welche die Verleihung der Patriarchate, Erzbisthümer, Bisthümer und der im Konsistorium zu vergebenden Abteien zum Gegenstande haben 12. Durch die Bestimmungen A l e x a n d e r s VI. und P i u s ' V. ist ihre Thätigkeit noch mehr einge1 B a n g e n a. a. 0 . ; P h i l l i p s 6, 3 9 9 ; Μ e j e r in der citirten Zeitschrift. Hft. 2. S. 2 0 7 . 2 Const. : Non debet reprehensibile vom 3 1 . Dezember 1 4 8 7 . § . 2 (M. Bull. 1, 4 4 1 ) : „Nos autem qui . . . mitram pontiflcalem, regnum n u n cupatum, et alia quam plurima eiusdem ecclesiae iocalia preciosa aurea et argentea diversis mercatoribus dictam Curiam sequentibus pro diversis pecuniarum summis ad quantitatem forte 1 0 0 0 0 0 ducatorum auri de Camera ascendentibus pignoravimus . . . nos sperantes quod si ad officium corundem secretariorum praeter et ultra dictos s e x 18 praelati et in dignitate ecclesiastica constitutae personae assumerentur et omnes simul pro redemptione mitrae et iocalium praedictoruni de eorum facultatibus usque ad summam 6 2 4 0 0 florenorum auri de Camera persolverent et contribuerent assignarenturque eis etiani de novo convenientia emolumenta e x quibus i u x t a dignitatis eorum exigentiam eoruin statum teuere p o s s e n t , exinde non solum huiusmodi urgent! necessitati praefatae ecclesiae provideretur, sed etiam decori et venustati eiusdem Sedis" etc. Ueber die secretarii apostolici vgl. C o h e l l i u s , notitia card. c. 2 3 ; d e L u c a , tract, de ofüciis venalibus vacabilibus llomanae Curiae c. 14. η. 1 f f . ; M o r o n i 7, 182.

3 § § . 2 . 7. 1 6 . ; M. Bull. 1, 2 9 5 . * 9. M. Bull. 1, 3 0 0 . 5 Vgl. ferner C o h e l l i u s 1. c. c. 2 1 . und auch diu Const. Clement. V I I I . : Aequum reputantes vom 9. Februar 1 5 9 3 (Bull. Rom. V. 1, 4 1 5 ) und I n n o c . X I . : D i v i n a disponente vom 14. D e zember 1 6 7 9 (ibid. 8 , 1 2 7 ) . β Vgl. darüber noch F a b e r , de protonotariis apostolicis Bononiae 1 6 7 2 ; F e r r a r i s prompta

bibliotheca s. v. prothonotarii; Traites des protonotaires i n den Anal. jur. pontif. 1 8 5 8 . p. 6 9 2 ff.; P. M i c k e , de protonotariis apostolicis diss, inaug. Vratislaviae 1 8 6 6 ; d e s s e l b e n A b h a n d l u n g : D i e apostolischen Protonotare in M o y s Archiv. 20, 177 ff.; I l e n a u d , des protonotaires apostoliques, leur origine, leurs fonctions et leurs prerogatives in Β ο u i χ , revue des sciences ecclesiastiques. Paris 1 8 6 7 . A u g u s t - bis Novemberheft. E i n e Anzahl von Konstitutionen über die protonotarii sind in Anal. jur. pontif. 1 8 0 5 . p. 5 8 3 ff. abgedruckt. S. auch G i n z e l , Kirchenrecht 1, 3 7 8 ff. 7 Const. Pii I I . : Cum servare vom 14. Juli 1 4 5 9 (M. Bull. 1, 3 6 9 ) . « Ordo Roman. X I V . c. 7 0 ( M a b i l l o n 1. c. 2 , 3 2 9 ) : „In hac secunda missa communicat (papa) omnes diaconos cardinales, protonotaries, commensales e t auditores" e t c . ; Const. P i i II. cit. pr.: „notariorum nostrorum, quos vulgo p r o t o n o t a r i e s quasi per excellentiam quamdam, non ab re, consuetudo vocitat". a S. J a f f e', regesta p. 2 9 4 (unter Stephan. VI. i. J. 8 9 0 ) . 10 Const. P i i II. cit. § . 1 : „In consistoriis vero publicis (ubi de rebus quae gerunt, ut authentica confidant documenta, rogari consueverunt) quatuor e x eis qui numerarii dicuntur . . . honorabiliorem teneant locum sedique nostrae proximiores assistant"; nach der Const. S i x t i V . : Laudabilis vom 5. Februar 1 5 8 6 . §. 16 (M. Bull. 2, 5 4 6 ) genügt jedoch die Z u z i e h u n g auch nur eines Notars. » M i c k e bei M o y a. a. Ο. S. 2 0 6 . 2 0 7 . 12 Const. M a r t i n i V . cit. §. 2 (Μ. Bull. 1, 295).

§• 51·]

Die apostolische Kanzlei.

443

schränkt worden, weil nacii denselben die Expedition der Verleihungen aller im Konsistorium zu vergebenden Sachen per viam camerae (d. h. in einer erleichterten Form) 1 erfolgen soll und einer der Protonotarien nur seine Signatur vorher unter das betreffende Schriftstück zu setzen hat 2 , ein Geschäft, welches indessen heute durch den Sekretär des Kollegiums besorgt w i r d E n d l i c h hatten die Protonotare mit der Aufnahme der Protokolle und der Einsammlung der Stimmen auf den Koncilien zu thun 4 . Unter Papst S i x t u s IV. (1471 —1484) ist das Protonotariat ebenfalls ein officium vacabile geworden 5 , und so war es lediglich eine Finanzoperation zum Vortheil des päpstlichen Schatzes, wenn S i x t u s V. die Zahl der Mitglieder des Kollegiums der Protonotare von 7 auf 12 erhöhte und die Einkünfte derselben vermehrte 6 . Ausser diesen Protonotaren, welche wegen ihrer Theilnahme an den letzteren, als p r o t o n o t a r i i p a r t i c i p a n t e s bezeichnet wurden, gab es aber noch s. g. protonotarii extraordinarii, honorarii, titulares7. Schon früh verliehen die Päpste verdienten Personen den Titel eines apostolischen Protonotars 8 . Später wurde das Recht, dergleichen Ehren - Protonotare zu creiren, auch einzelnen Körperschaften, so ζ. B. dem Kollegium der protonotarii participantes selbst und andern Personen (den päpstlichen Legaten und Nuntien, den am päpstlichen Thron assistirenden Bischöfen) beigelegt 0 . Zu dieser zweiten Klasse von Honorar-Protonotaren trat endlich eine dritte hinzu, weil ferner mit gewissen Stellungen und Aemtern das Protonotariat ohne Weiteres verbunden war, so ζ. B. mit den Kanonikaten an S. Peter, S. Johann im Lateran, S. Maria Maggiore zu Rom und an der erzbischöflichen Kirche zu Neapel l 0 . 3. Schon die Extravaganten J o h a n n s XXII. 1 1 und B e n e d i k t s XII. erwähnen s. g. A b b r e v i a t o r e s l2 , welche als Gehülfen der Notare die kurzen Entwürfe (Notae oder Minutae) für die päpstlichen Bullen machten 1:i, damit diese dann von den Schreibern in extenso niedergeschrieben werden konnten. Unter P i u s II. (1458 —1464) belief sich ihre Zahl auf 70 14 . Nachdem P a u l I I . 1 5 diese Aemter supprimirt hatte I6 , stellte sie S i x t u s IV. wieder her, indem er zugleich die Zahl der Abbreviatoren auf 72 vermehrte. Schon seit B e n e d i k t XII. (1334 — 1342) 17 wurden A b b r e v i a t o r e s de P a r c o m a i o r i oder P r a e s i d e n t i a e m a i o r i s und A b b r e v i a t o r e s de P a r c o m i n o r i unterschieden , 8 . Ihre Bezeichnung ist von dem mit einem Gitter umgebenen Raum in der Kanzlei hergenommen, in welchem die Beamten sitzen, und dieser wird höher oder geringer (maior oder minor), je nach der Nähe der Sitze bei dem ι B a n g e n S. 441. S. die S. 441 citirten Konstitutionen: In ominenti und Pontiiloe dignum; M o r o n i 7, 180. 3 Analocta iur. pontif. 1. c. p. 693. 1 M i c k e a. a. 0 . S. 198 ff. 5 M i c k e a. a. 0 . S. 208. 209. B Const. : Ilomanus Pontifex vom 16. November 1585 (M. Bull. 2, 544) und Laudabilis vom 5. Februar 1586 (1. c. p. 545). Eine Analyse dieser Konstitutionen bei M i c k e a. a. 0 . S. 208. 212. Nach M o r o n i 56, 7 betrug damals der Kaufpreis des Protonotariates 12500 Scudi. ' M i c k e a. a. 0 . S. 2 2 7 ; B a n g e n S. 60. 8 Der Beginn dieser Sitte wird bald in das 12, bald in das 13, bald in das 14, von M i c k e S. 228 ohne zureichende Gründe sogar in das 10. Jahrh. verlegt. 2

9 M i c k e S. 228. 10 M i c k e S. 2 2 8 ; P h i l l i p s 6, 392. 393. 11 c. 3. de elect, in Extrav. comm. I. 3. 12 c. 13. de praeb. in Extrav. comm. III. 2. 13 Const. M a r t i n i V . : In apostolicae cit. §. 2 (M. Bull. 1, 195). Der Name erklärt sich daraus, dass sie das Ueberflüssige bei der Bearbeitung der Suppliken auszuscheiden hatten. P h i l l i p s 6, 395. 14 Const. S i x t i I V . : Divina aeterna vom 11. Januar 1478. §. 1 (ibid. p. 413). 15 Const, cit. §. 1. >6 Const, cit. §§. 4. 5. " Const, cit. §. 8. Const, cit. §. 5 setzt die Zahl der ersteren auf 12, die der letzteren auf 22 fest.

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I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 51.

Platz des Vicekanzlers g e n a n n t . S e i t d e m die Protonotare den Entwurf der Minuten den abbreviatores überliessen, wurden diese und zwar als abbreviatores de Parco maiori die wichtigsten Beamten der KaDzlei 2 . Schon nach der mehrfach erwähnten Konstitution M a r t i n s V . : In apostolicae §. 9 ist ihre Unterschrift für die Ausfertigungen der Kanzlei wesentlich :>. Ferner erhielten sie im Laufe der Zeit eine Reihe von wichtigen Privilegien 4 . Ausser diesen beiden Klassen gab es endlich noch Abbreviatores, welche als E x a m i n a t o r e s d e p r i m a v i s i o n e bezeichnet werden 5 . Diese hatten, wie die Abbreviatores de Parco minori mit vorbereitenden Arbeiten, die ersteren namentlich mit der ersten Sichtung der eingelaufenen Urkunden zu thun . Zur Erlangung der Stelle eines Abbreviators war die vorgängige Ablegung eines Examens vor dem Kollegium erforderlich 7 . 4. Die S c r i p t o r e s l i t e r a r u m a p o s t o l i c a r u m 8 hatten auf Grund der Minuten die für die Parteien bestimmten Ausfertigungen zu koncipiren 11 und ihr Kolleg zählte ausser seinem Vorstande, dem R e s c r i b e n d a r i u s , 100 Mitglieder. Auch für den Erwerb dieser Stellen war die Ablegung eines Examens in der ars scriptoria Vorbedingung 1 0 . Die S c r i p t o r e s b r e v i u i n sind mit der Ausbildung der Secretaria brevium aus der Kanzlei ausgeschieden (s. den folgenden §.). Besondere S c r i p t o r e s a r c h i v i i C u r i a e R o m a n a e , deren Aemter — 101 an der Zahl — ebenfalls verkäuflich waren, setzte J u l i u s II. mittelst der Konstitution : Sicut prudens vom 1. Dezember 1507 11 ein. 5. Dazu kommen ferner B u l l a t o r e s (auch b o l l a t o r i , p l u m b a t o r e s , p i o m b a t o r i ) und c o l l e c t o r e s , welche mit der Beschaffung der Bleisiegel und Befestigung derselben an den Bullen zu thun hatten. Sie standen unter einem Präsidenten und 3 M a g i s t r i p l u m b i und ihre Zahl betrug schliesslich 104 12. 6. Ferner wurde ausser den schon erwähnten officia vacabilia der Secretarii apostolici (s. S. 442), der protonotarii, der scriptores archivii — auch eine Anzahl der Stellen der Abbreviatores de parco war verkäuflich — noch eine Menge derartiger verkäuflicher Aemter errichtet, deren Inhaber alle behufs ihrer Entschädigung für die von ihnen gezahlten Kaufsummen an den Einkünften der Kanzlei participirten; es gehörten hierher die Kollegien der C u b i c u l a r i i , der S c u t i f e r i a p o s t o l i c i , ferner die P r a e s i d e n t e s und P o r t i o n a r i i r i p a e , die M i l i t e s S . P e t r i , die M i l i t e s S. P a u l i , die M i l i t e s P i i , die M i l i t e s L a u r e t a n i , die M i l i t e s d e L i l i o und die S o l l i c i t a t o r e s , deren 4 Klassen (Adstipulatores, Jannizeri, Stradia1 Ci&mpini, de Abbreviatorum de parco maiori sive assistentium S. R. E. Vicecanccllario in literarum apostolicarum expeditionibus antiquo statu illorumve in Collegium erectione, munere, dignitate, praerogativis ac privilegiis diss, histor. Rom. 1 6 9 1 . c. 3 . p. 4 ; B a n g e n 8. 4 4 5 . I i . 2, 2 P h i l l i p s 6, 3 9 5 . 3 M. Bull. 1, 2 9 6 ; vgl. auch Const. L e o n i s X . : Summi bonorum vom 16. Juli 1 5 1 5 . §. 2 (ibid. 2, 5 5 7 ) . 4 S. Const. L e o n i s X . c i t . ; const. Ρ a u 1 i V. : Romani Pontillcis vom 1. Juli 1 6 0 5 (M. Bnll. 3, 1 9 7 ) und B e n e d i c t ! X I V . : Maximo ad labores vom 13. September 1 7 4 0 (Bull. Bencd. X I V . 1, 8). Andere hierher gehörige, nicht in den Bulla-

rien 1. c. 5 β

abgedruckte Konstitutionen bei C i a m p i n i c. 4 . p. 6 ; c. 5. p. 2 5 . Const. S i x t i IV. cit. §. 5. P h i l l i p s 6, 3 9 6 . 7 Const. M a r t i n i V . : In apostolicae cit. §. 6. S. auch C o h e l l i u s 1. c. c. 2 2 . 8 C o h e l l i u s 1. c. c. 2 4 ; M o r o n i 7, 182. 9 B a n g e n S. 4 4 6 . ω Const. M a r t i n i V. cit. § § . 4. 5 ; M o r o n i 7, 183. " M. Bull. 1, 4 9 2 ; M o r o n i 1. c. 12 Vgl. über sie Const. M a r t i n i V. cit. §. 1 2 ; ferner Const. L e o n i s V . : Pastoralis vom 13. Dezember 1 5 1 3 . 19 (Bull. Rom. III. 3, 3 7 9 ) ; C o h e l l i u s 1. c. c. 2 7 ; B a n g e n S. 4 4 6 ; M o r o n i 7, 1 8 6 ; P h i l l i p s ü, 4 4 6 .

§· 51.]

Die apostolische Kanzlei.

tores und Mameluchi) I n n o c e n z geworfen hat 1 .

445

VIII. schon reducirt und in eine zusammen-

7. Nachdem I n n o c e n z XI. eine Anzahl officia vacabilia aufgehoben 2 und I n n o c e n z XII. die Käuflichkeit bei den wichtigsten Offizien der Kammer beseitigt hatte :f , wurde die Zahl dieser Aemter durch die französische Usurpation des Kirchenstaates auf das Erheblichste beschränkt. Ein kaiserliches Dekret vom 4. Februar 1811 ordnete eine allgemeine Liquidation, resp. Ablösung der Offizien an und da der grösste Theil der Eigenthümer derselben die Kapitalsabfindung annahm, so fielen nach der Wiederherstellung der päpstlichen Herrschaft die früher zur Vertheilung an die OffizienBesitzer gelangenden Einkünfte wieder direkt an die apostolische Kammer 4 . Demnach besteht d a s h e u t i g e P e r s o n a l d e r K a n z l e i noch ausfolgenden Beamten: Dem R e g e n s C a n c e l l a r i a e ( R e g g e n t e ) , welcher den Vicekanzler in allen von diesem als Kanzler, also per viam ordinariam zu erledigenden Geschäften vertritt 5 , Namens desselben die Aufsicht über das gesammte Personal der Kanzlei führt, bei den feierlichen Prüfungen der Auditoren der Rota intervenirt (s. S. 399) und endlich bei der in Gegenwart des Vicekanzlers von den Klerikern der Kammer und von anderen höheren Prälaten vorzunehmenden Ableistung des Amtseides assistirt 6 . Wie der Vicekanzler in seinen ordentlichen Funktionen als Kanzler durch den Regens vertreten wird, so besorgt ein U n t e r s u m m i s t (Sotto-Sommista) die ihm in seiner Stellung als Sommista obliegenden Geschäfte 7 . Dieser ist in der Regel Ehrenprälat, und entwirft, resp. revidirt die Minuten für die per viam secretam oder per viam camerae zu erlassenden Expeditionen. Als Gehülfe steht ihm dabei ein s. g. Sostituto del Sommistato zur Seite 8 . Ferner gehören zum Personal der Kanzlei die 11 A b b r e v i a t o r i d e l P a r c o M a g g i o r e mit einem Dekan an ihrer Spitze, an welche die von der Dataria eingegangenen Suppliken zur Anfertigung der Minuten vertheilt werden und welche die von ihren Substituten nach Massgabe der letzteren in extenso entworfenen Bullen zu revidiren haben". Die Taxation der Gebühren besorgt der d e p o s i t a r i o g e n e r a l e d e i v a c a b i l i und der d e p o s i t a r i o d e l p i o m b o 1 0 , während der Piombatore die Bullen mit dem Bleisiegel zu versehen hat 1 1 . Die früheren Obliegenheiten der P r o t o n o t a r e in der Kanzlei werden jetzt durch einen eigenen Sekretär derselben wahrgenommen 12 . Sie gehören jetzt also nicht mehr zum Kanzlei-Personal 1:! . Ihre Verhältnisse sind neuerdings durch die Konstitutionen G r e g o r s XVI.: Neminem certe latet vom 8. Februar 1838 14 und P i u s ' IX.: Quam vis 1 S. darüber C o h e l l i u s 1. c. c. 2 9 . 3ö. 3 0 — 3 4 . 2 5 ; B a n g e n S. 4 4 7 ; M o r o n i 7, 1 8 4 ff.; P h i l l i p s 6, 399. 400. 2 Nämlich die der Secretarii apostolici durch die Konstitution: Romanus pontifex vom 1. April 1 6 7 8 (Bull. Rom. 8, 49). D i e s e Suppression hat lange Erörterungen über diese Offlzia und die Kntschädigungspflicht gegenüber den Inhabern bei A u f h e b u n g derselben hervorgerufen. Aus Anlass derselben hat auch der Kardinal de Luca das hierher gehörige Hauptwerk: tractatus de offieiis venalibus vacabilibus Romanae Curiae. Rom. 1 6 8 2 (Venet. 1 7 6 9 ) geschrieben. In der letztgedachten Ausgabe lindet sich von S. 5 5 — 2 4 1

dessen Collectio iurium seu documentorum ac etiam informationum, responsorum et decisionuni super suppressione collegii secretariorum apostolicorum. 3 S. oben S. 4 1 3 . * M o r o n i 87, 73. 97. 5—11 B a n g e n S. 4 4 8 . 4 4 9 ; M o r o n i 7, 179. 181. lieber den depositario generale dei vacabili Vgl. noch M e j e r a. a. 0 . S. 2 0 7 . 12 B a n g e n S. 6 0 . 13 Das Annuario pontitlcio von 1 8 6 5 zählt sie daher auch nicht unter dieser Rubrik, sondern der Rubrik: Cappella pontificia p. 3 5 7 auf. i* Abgedruckt bei Μ ο y 2 0 , 2 4 4 .

446

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 52.

peculiares vom 9. Februar 1853 1 geregelt. Das erste Gesetz hat die Stellen der participantes auf die ursprüngliche Zahl von 7 reducirt und das zweite ihre Privilegien in manchen Beziehungen beschränkt, dagegen ist der Unterschied zwischen participantes und non participantes bestehen geblieben2, ebenso fungiren die participantes noch in den Konsistorien und ferner hat ihr Kolleg durch eins seiner Mitglieder in der Kongregation der Propaganda bei der Abfassung der Akten über den Märtyrertod von Missionaren und in der Kongregation der Riten zu gleichem Zweck bei dem Beatifikations- resp. Kanonisationsprocess mitzuwirken §. 52. ß. Die apostolischen Sekretarien (die Secretaria Brevium, status, die Secretaria Memorialium)*.

die

Secretaria

I. Die umständliche Form der Bullen erschien im Laufe der Zeit für häufiger vorkommende Gnaden Verleihungen des Papstes zu schwerfällig. Nachdem man einmal angefangen hatte, für die Expedition derartiger Angelegenheiten eine kürzere, einfache Fassung zu wählen, war damit auch der Grund zu der Aussonderung einer eigenen Behörde, der S e c r e t a r i a B r e v i u m , aus der apostolischen Kanzlei gelegt. Die Zeit, wann dies geschehen ist, lässt sich nicht näher feststellen, jedenfalls fällt die Einsetzung der gedachten Behörde in den Ausgang des Mittelalters 4 . Die Fälle, welche ein Breve erfordern, giebt für die heutige Zeit die oben (S. 4 23. n. 3) schon theilweise abgedruckte Konstitution B e n e d i k t s XIV.: Gravissimum genau an. In diesen Sachen hat also die Secretaria Brevium die Gesuche für die Entschliessung des Papstes vorzubereiten, die Antwort desselben entgegenzunehmen, und im Fall der Gewährung der nachgesuchten Vergünstigung das entsprechende Breve auszufertigen 5 . An der Spitze der Behörde steht der S e g r e t a r i o d e i b r e v i p o n t i f i c j , welcher je nach dem Belieben des Papstes bald Kardinal, bald Prälat ist. Als Gehülfen hat der Sekretär einen S u b s t i t u t e n , welcher die eingegangenen Sachen zum Vortrag für die Audienz beim Papst vorbereitet, und ferner mehrere M i n u t a n t e n 6 . I I . 7 Zu derselben Zeit, in welcher die Aussonderung der Sekretarie der Breven erfolgt ist, begannen die Päpste einen der Kardinäle, öfters einen zum Kardinalat erhobenen Verwandten bei der Erledigung der politischen inneren Angelegenheiten, sowie der des Auslandes, auch bei weltlichen Gnaden-Verleihungen, in ihr besonderes Vertrauen zu ziehen. In Folge dessen wurden diese Sachen ebenfalls der Kanzlei entzogen und in die Hand des s. g. C a r d i n a l i s N e p o s oder C a r d i n a l i s S u p e r i n t e n d e n s gelegt 8 . Damit war auch die Nothwendigkeit einer festen Organisation für die Behandlung der gedachten Angelegenheiten gegeben und es wurde daher eine eigene Behörde, die S e k r e t a r i e d e s S t a a t e s (secretaria status) errichtet. Als die Päpste nicht mehr regelmässig einen Kardinalnepoten zu ihrem ersten und Kabinets1 Bei M o y a. a. 0 . S. 246. 2 M i c k e a. a. 0 . S. 225 ff. 230. 233. •1 M i c k e a. a. 0 . S. 221. 223. * Card, d e L u c a relatio etc. disc. VII. η. 7ff.; D a n i e l l i tit. 5. u. 6; Prattica della Curia p. 4. c. 1. 2 ; L u n a d o r o - Z a c c a r i a P. II. c. 26. p. 116; M e j er a. a. 0 . Hft. 1. S. 7 7 ; lift. 2. S. 195. 196; B a n g e n S. 430 ff.; P h i l l i p s 6, 387. 679.

ι B a n g e n S. 427. 5 B a n g e n S. 433. 6

A. a. 0 . S. 4 3 3 ; L u n a d o r o l . c. Zu dem Folgenden zu Tgl. besonders B a n g e n S. 427 ff. ; P h i l l i p s 6, 387. 679. β d e L u c a 1. c. disc. VI; M o r o n i , dizionario 63, 275.

§. 52.]

Die apostolischen Sekretarien.

447

minister — als ein solcher konnte füglich der betreffende Nepote betrachtet werden — ernannten, mithin seit Ende des 17. Jahrhunderts trat der Vorsteher der Sekretarie, welcher gleichfalls aus denKardinälen genommen wurde, in jene Stellung ein, und noch heute ist der S e g r e t a r i o d i S t a t o , der K a r d i n a l s t a a t s S e k r e t ä r der Präsident des Ministerkonseils des Kirchenstaats und zugleich der Minister des Auswärtigen 2 . Als solcher hat er aber wegen des eigenthümlichen Charakters des Kirchenstaates nicht nur die Leitung der politischen, sondern auch der kirchlichen Angelegenheiten, soweit es sich bei den letzteren um Beziehungen zu fremden Mächten handelt 3 . Als unmittelbar dem Papste zur Seite stehender Rathgeber und Kabinetsminister übt er endlich auf die Anstellung an der Kurie, namentlich bei den Kardinals-Kreationen und hinsichtlich der Vertheilung der Kardinäle in die einzelnen Kurial-Behörden, einen sehr bedeutenden Einfluss aus 4 . Die im Anfang dieses Jahrhunderts geübte Praxis, dem Kardinalstaatssekretär auch zugleich das Sekretariat der Breven zu übertragen 5 , besteht heute nicht mehr 6 . Früher hatte der Kardinalnepos und dann der Kardinalstaatssekretär auch die Verwaltung der inneren politischen Angelegenheiten gehabt, seit 1833 ist aber diese einer besonderen Segretaria per Ii aifari di stato interni 7 und nach der Errichtungbesonderer Ministerien unter P i u s IX. im J. 1847, sowie der Neugestaltung derselben im J. 1850 einem besonderen Minister des Innern übertragen worden III. Endlich ist hier noch die S e c r e t a r i a M e m o r i a Ii u m 9 zu erwähnen, zu deren Ressort die an den Papst, als weltlichen Souverän, gelangenden Gnadensachen gehören und welche sich ebenfalls im Laufe der Zeit aus der Kanzlei ausgesondert hat. An ihrer Spitze steht ebenfalls ein Kardinal als Segretario 10. ι M o r o n i 1. c. p. 282. 2

S. auch Annuario pontillcio von 1865. p. 413. 395. Ein besonderes Ministerium des Auswärtigen giebt es daher im Kirchenstaate nicht. 3 In letzterer Hinsicht steht ihm die Congregatio super negotiis ecclesiae extraordinariis zur Seite. M e j e r a. a. 0 . 2, 197. 4

M e j e r a. a. 0 . 5 M e j e r a. a. 0 . S. 197. 196. 6 Vgl. Annuario pontiflcio von 1865. p. 395.

7 Das betreffende Chirographum Gregor's X V I . vom 20. Februar 1833 abgedruckt bei M o r o n i 1. c. p. 286. 8 M o r o n i 1. c. p. 288. 2 8 9 ; Annuario pontiflcio p. 421. Das betreffende Organisationsedikt vom 10. September 1850 ( M o r o n i p. 289) giebt mit Rücksicht darauf die Funktionen des Kardinalstaatssekretärs dahin a n : „Le relazioni del governo della s. Sede con le altre potenze sono affldate ad un cardinale di s. Chiesa che conserva il nome e le attribuzioni di Segretario di Stato. II cardinal segretario di stato e l'organo del sovrano, anche nell' emanazione degli atti legislativi. Qualunque affare che abbia ο possa avere rapporto con l'estero, abbenche dispendente da uno de' 5 ministri dee trattarsi di concerto con la segreteria di stato. II solo cardinale segretario di stato

corrisponde co' governi ο rappresentanti esteri. Appartiene specialmente al cardinal segretario di stato tutto ciö che riguarda i trattati diplomatici e le convenzioni di qualunque specie, anche di commercio e la loro esecuzione; la giusta deinarcazione e la tutela de' conüni di stato; la protczione de' sudditi pontiflcii che vanno ο che dimorano all' estero; il rilascio de' passaporti per l'estero; l'ammissione degli stranieri a stabilirsi nello stato et la loro naturalizzazione; la legalizzazione de' document! da trasmettersi fuori dello stato". 9 Vgl. darüber d e L u c a 1. c. disc. VII. η. 1 9 ; B a n g e n S. 427. 4 2 8 ; P h i l l i p s 6, 388, wo indessen die auch im Lehrbuch S. 2 6 3 vorkommende Bezeichnung: Secretaria M e m o r a b i l i u m zu korrigiren ist. !0 B a n g e n S. 429. — Die S e k r e t ä r e d e r l i t t e r a r u m a d p r i n c i p e s und l i t t e r a r u m l a t i n a r u m , welche die Korrespondenz mit den Fürsten, resp. die mit den geistlichen Würdenträgern und zwar letztere in lateinischer Sprache vermitteln , sind n u r Prälaten und stehen unter dem Kardinalstaatssekretär. Dasselbe gilt von dem s e c r e t a r i u s c i f f r a r u m , welcher aber zugleich Substitut des Staatssekretärs ist. S. M o r o n i 1. c. p. 265. 272. 2 6 7 ; M e j e r a . a. 0 . 2, 1 9 5 ; B a n g e n S. 4 2 9 ; Annuario pontiflcio von 1865. p. 368. 395.

448

I. Diu Hierarchic und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

b. §. 53.

[§. 53.

Die Kongregationen.

aa. Die Sacra Gongregatio liomanae et universalis Inquisitionis Sancti Officii*.

seu

Schon im J. 1542 hat P a u l III. durch die Konstitution: Licet ab initio vom 21. Juli 1 in Rom ein aus 6 Kardinälen bestehendes Inquisitionstribunal als letzte Instanz für alle Glaubensgerichte sowie als erste Instanz für die dem Papst reservirten Fälle eingesetzt. Nachdem P i u s IV. 2 und P i u s Y. 3 in Anschluss an jene Einrichtung in Betreff der Kompetenz, der Mitgliederzahl und der Abstimmung weitere Bestimmungen getroffen hatten, erliess endlich S i x t u s V. bei seiner Organisation der Kurie gleichfalls nähere Vorschriften über diese Kongregation 4 . Zum Ressort der Kongregation gehört im Allgemeinen die Aburtheilung der H ä r e s i s u n d d e r m i t l e t z t e r e r k o n n e x e n V e r b r e c h e n . Sie fasst ihre Entscheidungen regelmässig in Gegenwart des Papstes (coram sanctissimo) 5, weshalb sie auch die erste Stelle unter den verschiedenen Kongregationen der Kurie einnimmt. Der Häresis sind die Verbrechen der A p o s t a s i e u n d d e s S c h i s m a gleichgestelltf>. Wegen der Konnexität mit der ersteren urtheilt die Kongregation 1. über alle Handlungen, welche die Erhaltung und Verbreitung derselben zur Folge haben, möge jener Zweck vom Thäter beabsichtigt sein oder nicht (conversatio cum haereticis; receptatio, defensio haereticorum; praestatio iuvaminis vel facto vel omissione et negligentia; communicatio in sacris; concessio sepulturae in loco sacro; lectio, retentio et propagatio librorum haereticorum; contractio matrimonii cum haereticis in locis ubi catholici permixtim cum haereticis non vivunt, impeditio officii s. inquisitionis u. s. w.) 7 ; 2. über solche Delikte, welche an und für sich nicht nothwendiger Weise auf eine häretische Gesinnung des Thäters schliessen lassen, bei denen aber die letztere gewöhnlich obzuwalten pflegt 8 . Von diesem Gesichtspunkt aus erklärt sich die Kognition des S. Officium beim sortilegium, der divinatio, der magia, dem strigium, dem maleficium, dem pactum cum daemone expressum vel taciturn, der astrologia, der thatsächlichen (durch * T h o m . d e l B e n e , de officios. Inquisitionis. Romae 1 6 7 2 ; Prosp. F a r i n a c c i u s , decisiones criminaies de iudieiis et tortura. Vicent. 1 6 0 2 ; C a r e n a , de officio s. Inquisitionis et modo procedendi in causis fidei. Lugdun. 1 6 6 9 ; F r a n c . M a c e d o , schema sacrae congregationis s. officii komarii. Patavii 1 6 7 6 ; T l i o m . M e n e l i i n i , sacro Arsenale ovv. prattica dell' oflicio della sacra inquisizione. Rom. 1 7 3 0 ; M e j e r bei Richter u. Jacobson 2, 2 1 5 f f . ; B a n g e n S. 9 1 f f . ; M o r o n i 16, 2 2 0 fT.; Analecta iur. pontif. 1 8 5 5 . p. 2 2 5 1 ; 1'Iii 11 i ρ s 6, 5 8 3 f f . ; S i m o r i n M o y s Archiv 15, 1 3 3 . ι M. Bull. 1, 7 6 2 . 2

S. die K o n s t i t u t i o n e n : Pastoralis officii vom 12. Oktober 1 5 6 2 (Bull. Rom. I V . 2, 1 4 9 ) ; Roinanus pontifex vom 7. April 1 5 6 3 (M. Bull. 2 , 103); Cum nos per von 1 5 6 4 (ibid. p. 1 1 8 ) und Cum inter crimina vom 2 7 . A u g u s t 1 5 6 4 (ibid. ]). 120). 3 S. Dekret von 1 5 6 6 (M. Bull. 2 , 1 8 9 ) ; Konstitut. Inter multiplices vom 2 1 . Dezember 1 5 6 6

(ibid. p. 2 1 4 ) und Cum felicis record, von 1566 (ibid. p. 2 1 5 ) . 4 Konstit. : Immensa aeterni vom 2 2 . Januar 1 5 8 7 . Congregatio prima (M. Bull. 2, 6 6 7 ) . 5 d e L u c a 1. c. disc. 14. η. 1 0 ; B a n g e n S. 9 8 ; zu den Beschlüssen , welche in Sitzungen in piano (d. h. in Abwesenheit des Papstes) g e fasst s i n d , wird seine Zustimmung eingeholt, ausser in den minder wichtigen, der Kongregation allein zur Entscheidung übertragenen Fällen oder dem de stilo, d. h. nach einer festen konstanten Praxis, zu erledigenden Sachen. B a n g e n a. a. O. 6 Constit. Sixti V. 1. c. §. 1 : „potestatem eis communicatam, scilicet inquirendi, citandi, procedendo , sententiandi et deflniendi in omnibus causis, t a m h a e r e s i m manifestam, quam schismata, apostasiam a fide" . . . (s. unten n. 8 ) . 7 B a n g e n S. 105. 106. 8 Sixti V. const, cit. 1. c. (nach der in n. 6 angeführten S t e l l e ) : „magiam, sortilegia, divinationes, sacramentorum abusus et quaecumque alia q u a e e t i a m p r a e s u m p t a m haeresim sapere videntur, concernentibus''.

§. 53.]

Die Sacra Congregatio Romance et universalis Inquisitionis.

449

Verunglimpfung und Beschimpfung heiliger Sachen, wie Reliquien, Bilder, Statuen u. s. w. geübten) Blasphemie, der apostasia ab ordine vel a statu regulari, jedoch nur in Konkurrenz mit Schmähungen über den früheren Stand oder mit Verkehr mit Häretikern (und bei der apostosia a statu regulari in Verbindung mit hartnäckigem Verharren in derselben über Jahresfrist), bei der fortgesetzten Uebertretung der Fastengebote und der Vorschriften über die jährliche Beichte und Osterkommunion, sowie die Anhörung der Messe an Sonn- und Festtagen, und beim Verbrechen derjenigen, qui saepe mulieres consanguineas vel affines vel commatres vel moniales carnaliter cognoscunt 1 . Die hauptsächlichsten Fälle des abusus sacramentorum, welche der Kompetenz der in Rede stehenden Kongregation anheimfallen, sind: der abusus s a c r a m e n t i b a p t i s m a t i s durch Taufe von Todten, Bildern und von den beim Sortilegium gebrauchten Sachen; der abusus s a c r a m e n t i e u c h a r i s t i a e e t s a c r i f i c i i m i s s a e durch Gebrauch des h. Sakramentes oder Celebration der Messe zum Zweck des Sortilegiums, durch Unterschlagung oder Beisichführen einer Partikel der konsekrirten Hostie zum Schutz gegen Waffen etc., ferner durch Versuch der Celebration der Messe seitens einer nicht mit dem priesterlichen Ordo versehenen Person 2 , sowie durch Nichtkonsekration der Hostie seitens des Priesters und Veranlassung der Adoration einer nicht konsekrirten Hostie durch die Gläubigen 3 ; der abusus s a c r a m e n t i p o e n i t e n t i a e durch Versuch der Spendung des Busssakramentes seitens eines Nichtpriesters, durch die sollicitatio ad turpia 4 , und durch Benutzung der Verweigerung der Absolution zur Erzwingung der Angabe der Mitschuldigen 5 , sofern die Beichtväter die Zulässigkeit dieser Praxis vertheidigen und lehren, oder sie in einer Weise üben, welche darauf schliessen lässt, dass sie wenigstens innerlich Anhänger jener Theorie sind 0 ; der abusus s a c r a m e n t i m a t r i m o n i i durch das faktische Eingehen einer zweiten Ehe neben der bestehenden gültigen, sofern der Thäter nicht nachweist, dass Unenthaltsamkeit der Grund des Verbrechens gewesen ist 7 , durch Eingehung eines Verlöbnisses oder einer Ehe seitens des durch die höheren Weihen oder ein Ordensgelübde zum Cölibate Verpflichteten, durch Profess - Ableistung oder Empfang der höheren Weihen eines Ehemannes, ohne dass dessen Frau mit seiner Einwilligung in ' S. B a n g e n S. 1 0 7 — 1 0 9 . In den zuletzt gedachten Fällen liegt der Verdacht vor, dass die Handlungen aus häretischer Gesinnung hervorgehen. 2 Const. U r b a n . V I I I . : Apostolatus officium vom 2 3 . März 1 6 2 8 (M. Bull, ö, 1 6 0 ) ; l i e n e d . X I V . c o n s t . : Sacerdos in aeternum vom 2 0 . April 1 7 4 4 (M. Bull. 16, 1 9 6 ) ; Divinarum v. 2 . A u g . 1707 und Quam grave von demselben Tage (ibid. 19, 2 8 6 . 2 8 4 ) . 3 B a n g e n S. 109. 110. 4 D . h . das Vergehen der Priester, „qui aliquem poenitentem, quaecunque persona ilia sit, vel in actu confessionis vel ante vel immediate post confessionem vel occasione aut praetextu confessionis vel etiam extra occasionem confessionis in confessionali sive in alio loco ad confessiones audiendas destinato aut electo cum simulatione audiendi ibidem confessionem ad inhonesta et turpia sollicitare vel provocare sive verbis sive signis sive nutibus sive tactu sive per scripturam ant tunc aut post legendam tentaverint aut cum eis illicitos ct. inhonesto-* sermones vel tractatns temerario ••insu Imbuerint". B a n g e n S. 110. S. ferner

Const. P i i IV. : Cum sicut nuper vom 16. April 1 0 6 1 (M. Bull. 2 , 4 8 ) ; G r e g o r i X V . : Universi vom 3 0 . August 1 6 2 2 (M. Bull. 3, 4 8 4 ) ; B e n e d . X I V . const.: Sacramentum vom 1. Juli 1741 und Apostolici muneris vom 8. A u g u s t 1 7 4 5 (M. Bull. 16, 3 2 . 2 7 9 ) ; Instruktion zu der B u l l e : Sacram e n t u m vom 2 0 . Februar 1 8 6 7 ( M o y , Archiv 2 1 , 7 4 ff.). V g l . a u c h B e n e d . X I V . de synodo dioec. I X . 6. n. 7 und Anal. 1 8 6 0 . p. 1 8 6 6 ff. 5 S. g. crimen exquisitionis nominis complicum denegataeque absolutionis ob non revelata nomina. S. dazu die Konstitutionen B e η e d i k t s X I V . : Suprema omnium vom 7. Juli 1 7 4 0 und Ubi primuaa vom 2 . J u n i 1 7 4 6 (M. Bull. 16, 3 0 4 und 17, 2 9 ) . 6 S. Const. : Ubi primum cit. (1. c. p. 3 2 ) . „dummodo tarnen huiusmodi interrogandi ac denegandi actus talibus circumstantiis coniunctus sit ac convestitus quae sic agentem confessarium de adhaesione ad praedictam reprobatam praxim tanquam ad licitam vel alio quovis modo de prava credulitate suspectum reddant". 7 Const. U r b a n . VIII. : Magnmn vom 20. Juni 163? (Μ. Hull. 4 . app. ρ. Γι2).

450

I- Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 53.

ein Kloster tritt 1 . In Verbindung damit steht es, dass die Kongregation auch zur Ertheilung von Dispensen wegen der der Eheschliessung entgegenstehenden impedimenta voti solennis und mixtae religionis kompetent ist 2 , da sie überhaupt die Befugniss hat, die nöthigen Verordnungen zur Verhütung und Verminderung der gedachten Delikte und die erforderlichen Vorschriften über die richterliche Behandlung und Bestrafung zu erlassen 3 . In p e r s ö n l i c h e r Hinsicht unterstehen dem h. Offizium alle diejenigen, welche sich eines der gedachten Vergehen schuldig gemacht haben, welches Standes sie auch seien und welcher Exemtionen sie sich auch sonst erfreuen mögen 4 , mit Ausnahme des Papstes wegen des Satzes : apostolica sedes a nemine iudicatur und ferner der Kardinäle wegen ihres ausschliesslichen Gerichtsstandes vor dem Papste 5 (s. S. 348). Die P r o t e s t a n t e n sind der Kongregation unterworfen, wenngleich ihre Kompetenz über dieselben jetzt nur dann praktisch wird, wenn es sieh nach dem Rücktritt eines solchen zur katholischen Kirche zum Zweck der Spendung von Sakramenten oder der Verleihung von Aemtern und Würden darum handelt, ob er vorher eins der betreffenden Delikte begangen h a t 6 . Ueber die J u d e n und H e i d e n , welche ausserhalb der christlichen Kirche stehen, hat das Offizium für die Regel keine Machtbefugnisse, ausnahmsweise indessen über Handlungen der gedachten Personen, welche auf Umsturz und Beschimpfung des christlichen Glaubens gerichtet sind 7 . Das Ressort des h. Offiziums gränzt sich dadurch gegen die anderen Kongregationen ab, dass sie ein richterliches Urtheil über die gedachten Delikte behufs Bestrafung, Besserung der Thäter oder über die Aufhebung der moralischen Folgen jener Vergehen abzugeben, nicht aber über die letzteren als Voraussetzungen eines juristischen Verhältnisses oder als Grund für das Ergreifen gewisser Verwaltungsmassregeln zu befinden hat 8 . Dass das h. Offizium keinen besonderen Präsidenten hat, vielmehr der Papst selbst als Präfekt fungirt, ist schon vorhin bemerkt. Die Zahl der Kardinalsmitglieder hängt jetzt von dem Ermessen des Papstes a b 9 — 1865 waren es 13 1 0 — und von diesen 1 B a n g e n S. 113. 2 B a n g e n S. 114. 115; P h i l l i p s 6, 59Ö. 3 B a n g e n S. 114; S i m o r 1. c. p. 134. Also auch die privilegirten Ordensleute s. P i i IV. const.: Pastoris aeterni vom 1. April 1562 (M. Bull. 2, 7 0 ) ; P a u l i V. const.: Romanus vom 1. September 1606 (M. Bull. 3, 238) und U r b a n . VIII. : Cum sicut vom 5. November 1G31 (M. Bull. 4. app. p. 15). 5 Die Const. Pii I V . : Romanus pontifex cit. §. 2 ( M. Bull. 2, 103) hat sie zwar auch der Kongregation unterworfen, jedoch ist die Praxis dagegen. S. B a n g e n S. 102; P h i l l i p s 6 / 5 9 6 . Nicht eximirt sind die Bischöfe, die vom apostolischen Stuhl delegirten Inquisitoren, die Nuntien und päpstlichen Offlzialen. S. B a n g e n S. 103, vgl. auch c. 16 (Bonif. VIII.) in VI'» de haeret. V. 3; c. 3. eod. tit. in Extrav. comm. V. 3. 4

6 Steht letzteres fest und handelt es sich blos um die rechtlichen Folgen des verübten Vergehens, dann ist das officium nicht kompetent. B a n g e n S. 101.

7 z . B . Verleitung von Christen zur Renegation, Missbrauch der Hostien, öffentliche Schmähung Christi und der h. Jungfrau. Vgl. Const. N i c o l a i I V . : Turbato corde v. 1288 (M. Bull. 1, 159) und Const. G r e g o r i i X V . : Antiqua iudaeorum vom 1. Juni 1581 (M. Bullar. 2, 4 8 4 ) ; s. auch P i g n a t e l l i , novissimae consultationes canonicae, cons. 128 (ed. Venet. 1723. 1, 404). 8 B a n g e n S. 9 9 ; P h i l l i p s 6, 596. 597. 9 Bened. XIV. const. : Sollicita ac provida von 1753. §. 3 (bei B a n g e n S. 485): „Porro Romanae universalis Inquisitionis Congregatio ex pluribus constat s. Romanae ecclesiae cardinalibus a summo Pontiflce delectis . . . His adiungitur nunc ex Romanae Curiae praesulibus quem assessorem vocant, unus etiam ex ordine Praedicatorum sacrae Theologiae magister quem Commissarium vocant, certus praeterea Consultorum numerus qui ex utroque clero saeculari et regulari assumuntur, alii demum praestantes doctrina viri qui a Congregatione iussi, de libris censuram instaurant iisque Qualiflcatorum nomen tributum est". 'u S. Anriuario pontillcio p. 295.

§• 54.]

Die Congregatio indicia librorum prohibitorum.

451

fangirt ein Kardinal als Sekretär, indem er zugleich die formelle Leitung der Geschäfte besorgt. Das weitere Personal der Kongregation wird gebildet: 1. Durch s. g. O f f i c i a l e n . Die erste Stelle unter diesen nimmt der s. g. c o m m i s s a r i u s s a n c t i O f f i c i i ein, welcher bei allen der Definitiventscheidung in den Plenarsitzungen vorangehenden processualischen Akten als ordentlicher Richter fungirt Ferner gehört zu denselben der a s s e s s o r o f f i c i i ; er referirt in den Plenarsitzungen und hat in dem mit der Kongregation verbundenen Tribunal, vor welches alle Civilund Kriminalsachen der Angehörigen der letzteren ausschliesslich gewiesen sind, den Vorsitz 2 . Ausserdem fungiren noch ein promoter fiscalis als Ankläger und Vertreter der Fiskalinteressen, ein advocatus reorum als Vertheidiger der Angeklagten, ein Notar und ein Rendant (depositarius) 2. Die K o n s u l t o r e n , die Gelehrten von Fach, welche in den einzelnen Sachen die Gutachten abzugeben und die Kardinäle zu informiren haben, und an Rang denen der anderen Kongregationen vorgehen. Dazu werden Welt- und Ordens-Geistliche von hervorragenden theologischen und kanonischen Kenntnissen vom Papst berufen. Der Dominikaner-General dagegen, der magister sacri palatii, die beide kraft ihrer Stellung zu den Konsultoren gehören, und ein anderer Dominikaner - Mönch', welcher vorzugsweise als Konsultor thätig ist und daher auch schlechthin consultor s. officii heisst, werden c o n s u l t o r e s n a t i genannt 4 . Uebrigens sind die Offizialen auch gleichzeitig Konsultoren 5 . 3. Die q u a l i f i c a t o r e s , d. h. solche Gelehrte, welchen nicht regelmässig, sondern ausnahmsweise Schriften und schwierige Angelegenheiten zur Begutachtung vorgelegt werden. Sie sind demnach ein für alle Mal ernannt, arbeiten aber nicht regelmässig und fortdauernd wie die Konsultoren 6 . §. 54. bb. Die Congregatio indicis librorum

prohibitorum*.

Die kirchliche Censur ketzerischer und verderblicher Schriften ist eine nothwendige Konsequenz der von der Kirche in Anspruch genommenen Befugniss, für die Bewahrung und Verbreitung des rechten katholischen Glaubens Sorge zu tragen. Die Erfindung der Buchdruckerkunst rief die ersten derartigen Censurbestimmungen hervor. So hat der Legat I n n o c e n z ' VIII. in Venedig 1491 eine Verordnung erlassen, welche bei Strafe der Exkommunikation den Druck aller den Glauben betreffenden Schriften 1 S. S. 450. n. 9. Er gehört dem DominiknanerOrden an. S. L u c a 1. c. diso. 14. n. 7 ; L u n a d ο ί ο - Ζ a c c a r i a . P. II. c. 8. p. 3 9 ; B a n g e n S. 95. Neben ihm bilden noch 2 Beisitzer (s. g. c o m p a g n i ) , gleichfalls Dominikaner, das Instruktionsgericht. M e j e r a . a . O . S. 2 1 6 ; L u n a d o r o Z a c c a r i a 1. c. p. 227. 2 L u n a d o r o - Z a c c a r i a 1. c. ; B a n g e n S. 9 6 ; P h i l l i p s 6, 590. S. auch S. 450. n. 9. 3 L u n a d o r o , B a n g e n , P h i l l i p s a. a. 0 . 4 L u c a 1. c. n. 9 ; B a n g e n , Phillips a. a. 0 . 5 M o r o n i , dizionario 16, 2 2 7 ; Annuario pontiflcio von 1865. p. 295. 296. 6 L Ii η a d ο r ο - Ζ ac c a r i a 1. ο. p . 4 0 ; B a n s e n S . 9 7 ; P h i l l i p s 6 , 5 9 1 . S. auch S. 450. n. 9.

* C. M a r i a n o R u e l e , saggio dell' istoria dell' indice Romano. Roma 1 7 3 9 ; P. C a t a l a n i , de secretario Congregationis indicis. Romae 1751; K e s s l e r , das kirchliche Bücherverbot. Wien 1 8 5 8 , auch in dessen Sammlung vermischter Schriften über Kirchengeschichte und Kirchenrecht. I-'reiburg 1869. S. 125 ff.; d e L u c a , relatio etc. disc. 1 9 ; Lunadoro-Zaccaria, relazione P. II. c. 9 ; M e j e r a. a. 0 . Hft. 2, 2 1 7 ; B a n g e n a. a. 0 . S. 1 2 4 f f . ; Instruction de Monseigneur L'eveque de Lu. Für die Zwischenzeit von der Veranstaltung einer Ausgabe bis zur Publikation einer neuen hat die apostolische Kammer, welche den Index drucken und ausgeben lässt, Abdrücke der inzwischen ergangenen Dekrete den Exemplaren des Index beifügen zu lassen®. Der Index, als ein auf päpstlichen Befehl zusammengestelltes und vom Papst bestätigtes Verzeichniss giebt also Gewähr dafür, dass ein in demselben aufgeführtes Buch für einen liber prohibitus zu halten ist, umgekehrt folgt aber keineswegs aus der Nichtaufnahme eines Werkes in den Index, dass dasselbe erlaubt wäre, vielmehr richtet sich das nach den oben gedachten allgemeinen Regeln, weshalb auch dem Index die Proskription gewisser Klassen von Schriften vorgedruckt wird 7 . m or t a l i s re at u m quo affleitur, iudioio episcoporum severe puniatur". 1 S. die Dekrete bei B a n g e n S. 492 ff. und in den Acta ex iis decerpta 4, 615. 2 B a n g e n S. 134. 135. 3 B a n g e n S. 134. 4 B a n g e n S. 135, namentlich n. 2. 5 Die Indices seit Benedikt XIV. enthalten zunächst dessen Konstitution: Quae ad catholicos vom 27. Dezember 1757; die Vorrede des Sekretärs der Kongregation, die 10 Trienter Regeln, die Observationen Clemens' VIII. zu Regel 4 und 9 ; die Alexanders VII. zu Regel 10; die Instruktion Clemens' VIII- ; die Konstitution Bene-

dikts XIV. : Sollicita, die decreta de libris prohibitis neo in indice nominatim expressis, darauf folgt das Verzeichniss der libri prohibiti in alphabetischer Reihenfolge unter Adnotirung des Datums des Proskriptionsdekretes zu jedem einzelnen Buch. β A. a. Ο. S. 142. Die Königl. Bibliothek in B e r l i n besitzt ein mit diesen Abdrücken (bis zum J. 1840 gehend) vermehrtes Exemplar des auf Befehl G r e g o r s XVI. herausgegebenen Index. 7 Es sind die Note 9. S. 453 erwähnten decreta de libris prohibitis nec in indice nominatim expressis. S. auch B a n g e n S. 142. 143. 30*

456

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§· 55.

§ . 5 5 . cc. Die Sacra Oongregatio Cardinalium Concilii Tridentini interpretum und die mit ihr verbundenen C'ongregationes particulares: a. super Statu ecclesiarum, b. super RevisionsSynodorum und c. super Residentia Episcoporum*. Das Koncil von T r i e n t hatte die Hoffnung ausgesprochen, dass, wenn sich bei der Ausführung seiner Beschlüsse Schwierigkeiten ergeben oder sich das Bedürfniss einer Erklärung oder näheren Festsetzung seiner Vorschriften herausstellen sollte, der Papst in solchen Fällen auf den ihm geeignet scheinenden Wege Abhülfe treffen würde 1. Im Jahre 1564 setzte P i u s IV. durch die Bulle: Alias nonnullas vom 2. August 2 eine Kongregation von acht Kardinälen mit dem Auftrage ein, die Ausführung und Befolgung der Keformdekrete des erwähnten Koncils bei allen Behörden der Kurie zu überwachen und die Verletzung derselben durch die Exkommunikation, Privation der Offizien und andere Strafen zu ahnden :l . Dagegen war dieser Behörde zunächst ausdrücklich die Befugniss entzogen, in zweifelhaften Fällen irgend eine massgebende Entscheidung zu treffen, vielmehr sollte sie in solchen die Anordnungen des Papstes einholen 4 . Unter dem Nachfolger P i u s ' IV., dem Papst P i u s V. (156G—1572) erhielt aber die Kongregation grössere Befugnisse. Die betreffende Konstitution ist schon zur Zeit des bekannten Kanonisten P r o s p e r F a g n a n u s nicht mehr vorhanden gewesen. Nach seinem Bericht hat P i u s V. mit Rücksicht darauf, dass die Natur mancher an die Kongregation gerichteter Anfragen zweifelhaft erschien, ihr die weitere Vollmacht * F a g n a n . comm. ad c. 13. X. de constit. i. 2 ; S c h m a l ζ g r u e b e r , ins ecclesiast. univers. Ίiss. prooem. 9. n. 36J ff.; d e L u c a , r d a t i o Curiae Romauae disc. Ι ό ; L u η a d ο r ο - Ζ a c c a r i a , relazione P. II. c. 10 (1. c. p. 44 J; H a n g e n S. 1 4 6 ; M e j e r Ztschril't. l i f t . 2. S. 218 ff.; Analecta iuris pontificii 1855. p. 2 2 5 1 ; M o r o n i , dizionario 1 6 , 1 7 0 f f . ; P h i l l i p s 6, 6 2 5 ; S i m o r in M o y s Archiv 15, 136 ff. — Die Entscheidungen der Kongregation sind vom Jahre 1718 ab gesammelt in dem Thesaurus Resolutionum Sacrae Congregationis Concilii. Urbev. 1739, vom 6 Hand Rom seit 1 7 4 1 , zum Theil in zweiter Ausgabe Rom 1843 ff. Alphabetischer Auszug daraus: Collectio Declarationum Sacr. Congregationis Cardinalium Racri Concilium interpretum op. et s t u dio J o h . F o r t u n a t i d e C o m i t i b n s Z a i n b o n i i , Tom. 1—3. Viennae 1812 ff.; Tom. 4. 5. Mutinae 1815 ff.; Tom. 6. Budae 1814. Tom. 7. 8. Romae 1816; Collectio omnium conclusion u m et resolutionum quae in causis propositis apud S. Congregationem Card. S. Conc. Trid. interpr. ab eius institutione a. 1564 ad ann. 1860 . . . distinctis titulis alphab. ord. digesta cura S a l v a t o r i s P a l l o t t i n i. Roma 1867. 1. H i t . ; M ü h l b a u e r , W o l f g g . , Thesaurus resolutionum S. C. Concilii quae consentanee ad Tridentinorum patrum decreta . . . prodierunt usque ad a. 1867 . . . Primum ad commodiorem usum ordine alphabatico concinnatus. Monachi. 1868 ff. Tom. I. fasc. 1—6. — Ausgewählte E n t scheidungen bei A. D. C a r d . G u m b e r i n i , res o l u t i o n s selectae S. Congregationis Concilii quae consentaneae ad Trid. PP. decreta aliasque iuris canonici sanctiones prodierunt in causis propositis per summaria precum ann. 1823—25. Urbev.

1842; R i c h t e r assumptosocio F r i d . S c h u l t e , Cauones et decreta Concilii Tridentini ex edit. Romana a. 1564 repetiti, accedunt S. Congr. Card. Conc. Trid. Interpretum Declarationes et Resolutiones. Lipsiae 1853. Die neueren E n t scheidungen weiden mitgetheilt in den Analecta iuris pontificii und den Acta ex eis decerpta quae apud sanctam sedem geruntur, danach auch einzelne in M o y s Archiv für kathol. Kirchenrecht. ' Sess. XXV. de ref. de recipiendis et observandis decretis concilii. 2 M. Bull. 2, 119. 3 Const, cit. §. 1. 4 Const, cit. §. 1 . . . „nisi tarn in executione dictorum decretorum concilii quam dictarum litterarum nostrarum aliqua dubietas aut difficultas emerserit quo casu ad nos referant". Hatte doch schon P i u s IV. in der Bestätigungsbulle des Koncils von Τ r i e η t : Benedictas deus vom 26. J a n u a r 1564. §. 6 (M. Bullar. 2, 1 1 1 ; Ausgabe des Tridentinum von R i c h t e r und S c h u l t e S. 480) verordnet: „Si cui vero in eis aliquid obscurius dictum et statutum fuisse eamqne ob causam interpretatione aut decisione aliqua egere visum f u e r i t , ascendat ad locum quem dominus elegit, ad sedem videlicet apostolicam, omnium fldelium magistram, cuius auctoritatem etiam ipsa sancta synodus tarn reverenter agnovit. Nos enim diflicultates et controversias si quae ex eis decretis ortae fuerint nobis declarandas, quemadmodum ipsa quoque sancta synodus decrevit, reservamus, parati, sicut ea de nobis merito conflsa est, omnium provinciarum necessitatibus, ea ratione quae commodior nobis visa fuerit, providere".

§. 55.]

Die Sacra Congregatio Cardinalium Concilii Tridentini interpretum.

457

ertheilt, alle Fälle, welche sie selbst für klar, de iure certi, halte, selbstständig zu erledigen, so dass sie also nur in den von ihr als de iure dubii erachteten noch an den Papst berichten sollte 1 . Wie F a g n a n u s ferner erzählt, hat P i u s V. ihre Kompetenz zur Entscheidung von Rechtsfragen und Streitfällen noch erweitert, ohne dass er genaueres darüber angiebt 2 . Erst von diesem Zeitpunkt ab konnte die Kongregation als congregatio Cardinalium Concilii Tridentini Interpretum bezeichnet werden, und mit dieser Erweiterung ihrer Stellung erlangte sie insofern eine hervorragende Bedeutung, als nicht nur das neuere kirchliche Recht wesentlich auf dem Tridentinum beruhte, sondern letzteres auch vielfach die älteren Kanones und Dekretalen in sich aufgenommen hatte und somit einer diese Rechtsquellen interpretirenden Behörde die Aufgabe zufiel, auf den wichtigsten Gebieten des kirchlichen Rechtes die Einheit der Praxis aufrecht zu erhalten. In Folge der dadurch vermehrten Geschäftslast hat G r e g o r ΧΙΠ. eine eigene Congregatio particularis von drei Kardinälen aus der Kongregation mit der Befugniss ausgesondert, die in der letzteren schon entschiedenen Fälle zu erledigen:1. Endlich normirte S i x t u s V. in seiner bekannten Bulle: Immensa aeterni vpn 1587 unter fernerer Erweiterung ihre Kompetenz dahin, dass sie abgesehen von den dem Papst zur Erklärung vorbehaltenen, dogmatischen Beschlüsse des Trienter Koncils alle Reformbestiinmungen des letzteren zu interpretiren befugt sein sollte, gleichgültig, ob es sich dabei um einen konkreten Fall oder nicht, handelte 4 . Eine Veränderung der früheren Stellung der Kongregation trat auch insofern ein, als sie nun nicht mehr in den ihr zweifelhaften Angelegenheiten den Bescheid des Papstes einzuholen brauchte, vielmehr selbst die Entscheidung zu fällen und diese nur der Sanktion des letzteren zu unterbreiten hatte s . Was die Z u s a m m e n s e t z u n g der Kongregation betrifft, so zeichnet sich die letztere vor den übrigen dadurch aus, dass die Zahl der für sie ernannten Kardinäle erheblich stärker ist, als bei den übrigen — das annuario pontificio von 1865 6 weist 1

F a g n a n . 1. c. η. 7. L. c. bemerkt er n u r : „ut in libris eiusdem congregationis adnotatum rcperitur manu Cardiualis Carafae". 3 F a g n a n . 1. c. n. 7. i. f. 4 Congregatio VIII. §. 1 (M. Rull. 2, 6 7 0 ) : „Eorum quidem decretorum quae ad lidei dogmata p e r t i n e n t , interpretationem nobis ipsis reservam u s , cardinalibus vero praefectis interpretation! et execution! Concilii Tridentini, si quando in his quae de morum refonnatione, diseiplina ac nioderatione et ecclesiasticis iudieiis aliisque huiusmodi statuta s u n t , dubietas aut difficultas emerserit, interpretandi facultatem n o b i s t a r n e n c o n s u l t i s impartimur. E t quoniam eodem concilio Tridentino decretum est, synodos provinciates tertio quoque anno, dioecesanas singulis annis celebrari debere, id in executionis usum ab iis quorum interest, induci eadem Congregatio providebit. Provincialium vero ubivis terrarum illae celebrentur, decreta ad se mitti praeeipiet, eaque singula expendet et recognoscet. Patriarcharum praeterea, primatum, archiepiscoporum et episcoporum (quibus beatorum apostolorum limina certo 2

constituto tempore visitare alia nostra sanetione iussum est) postulata audiat et quae Congregatio ipsa per se poterit, ex cliaritatis et iustitiae norma

expediat, maiora ad nos referat qui fratribus nostris episcopis, quantum cum domino licet, gratiücari cupitnus. Item ab iisdem praesulibus ecclesiarum exposcat quae in ecclesiis eorum curae ac fldei commissis , cleri populique morum diseiplina sit, quae Concilii Tridentini decretorum cum in omnibus tum praesertim in residentiae munere executio quae item piae consuetudines et qui omnium denique in via Domini sint progressus ipsisque det literas ex formula praescripta in testimonium obitae per eos visitationis liminum Sanctorum eorumdem Apostolorum. Habeat itidem Congregatio auetoritatem promovendi rei'ormationem cleri et populi, neduiu in Urbc et Statu ecclesiastico temporal!, sed etiam in universo christiano orbe, in iis quae pertinent ad divinum cultum propag a n d u m , devotionem excitandam et mores Cliristiaui populi ad praescriptum eiusdem Concilii componendos atque ad rationes difflcillimis his perturbatisque temporibus necessarias conflrmandos quo uberius divinae misericordiae vim in nobis sentiamus iustamque iram atque animadversionem eflugiamus' ; . 5 Das bedeuten die Worte: nobis tarnen cons u l t s in der in der vorigen Note angeführten Stelle. « p. 301.

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I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 55.

40 Mitglieder auf. Dem vom Papst ernannten Präfekten der Kongregation steht ein S e k r e t ä r und letzterem wieder ein U n t e r - S e k r e t ä r zur Seite. Der Sekretär selbst ist ein Prälat und pflegt für die Regel ein Erzbischof in partibus infidelium zu sein. Der hohe Rang desselben erklärt sich daraus, dass dieser die richterliche Leitung des Vorverfahrens hat, die von dem Präfekten und ihm zugleich zu unterschreibenden Dekrete verfasst, in den Sitzungen den Thatbestand referirt und sein Gutachten abgiebt, ferner die auf seine Veranlassung zu registrirenden Entscheidungen gleichfalls neben dem Präfekten mit seiner Unterschrift versieht, und endlich in der ein für alle Mal festgesetzteh wöchentlichen Audienz dem Papste Namens der Kongregation die erforderlichen Berichte abstattet 1 . Bei diesen Funktionen leistet der Untersekretär und ein in beiden Rechten graduirter A u d i t o r dem Sekretär Hülfe 2 . Als Konsultoren werden die berühmtesten Kanonisten und Theologen Roms zu dieser Kongregation zugezogen. Ihr Offizialen-Personal besteht aus einem A r c h i v a r , zwei Μ i η u t a η t i (Koncipienten) und einem P r o t o k o l l i s t e n 3 . In Verbindung mit der Kongregation steht das s. g. s t u d i o , d. h. eine Einrichtung zur Ausbildung junger Geistlichen aller Nationen, damit diese sich eine sichere praktische Kunde des kanonischen Rechtes und des Kurialstiles erwerben können. Die betreffenden Theilnehmer, welche auf Grund der Empfehlung ihres Ordinarius und sonstiger guter Zeugnisse durch Reskript des Kardinalpräfekten zugelassen werden und das Doktorat beider Rechte besitzen müssen, werden unter oberster Leitung des Sekretärs und unter der Aufsicht des Auditors mit Bearbeitung der zur Entscheidung der Kongregation stehenden Sachen nach dem Aktenschluss beschäftigt 4 . Die K o m p e t e n z der Kongregation besteht nach Obigem im Allgemeinen darin, für die ganze Kirche die Beobachtung und Ausführung der Reformdekrete des T r i e n t e r Koncils zu überwachen, ferner aber alle Zweifel über die Ausführung und den Sinn der gedachten Bestimmungen, sowie kontentiöse Sachen nach dem im Tridentinum, sei es ausdrücklich, sei es nur implicite enthaltenen Recht zu entscheiden. Die Kongregation besitzt also eine r i c h t e r l i c h e Gewalt, insofern ihr die letztgedachte Funktion zukommt; eine a d m i n i s t r a t i v e , insofern sie behufs der Durchführung der Trienter Dekrete leitende Normen für die übrigen kirchliehen Behörden (ζ. B. für die Visitation der Diöcesen, für das Verfahren in Ehesachen) vorschreiben kann, und endlich eine g e s e t z g e b e r i s c h e , insofern sie zur Interpretation der Reform- (freilich nicht der Glaubens-) Dekrete des Koncils befugt ist 5 . Bei dem Erlass von Erklärungen der letzteren Art (der s. g. d e c l a r a t i o n e s ) konsultirt die Kongregation stets den Papst, sie lässt also ihre Entscheidung immer von demselben sanktioniren 6 , während sie bei der Ausübung ihrer beiden anderen Gewalten nur dann nach Einholung der Sanktion des Papstes (facto verbo cum SSmo) verfährt, wenn ihr die Massregel zweifelhaft oder das anzuwendende Recht nicht als ius certum oder wegen der obwaltenden Umstände die Sache besonders wichtig erscheint 7 . In der beschränkten gesetzgeberischen Befugniss der Kongregation liegt an und für sich keine D i s p e n s a t i o n s g e w a l t . Sie besitzt dieselbe daher nur insoweit sie 1 B a n g e n S. 162. 163; P h i l l i p s 6, 633. Ausserdem sind ihm für eine Reihe von Fällen Vollmachten zur Erledigung derselben, welche zu Anfang jedes Pontitikats erneuert zu werden pflegen, ertheilt. S. diese Fakultäten bei B a n g e η S. 494 ff. , 2 B a n g e n , P h i l l i p s a. a. Ο.

3 Annuario pontiflcio p. 301. S. das Reglement P i u s ' I X . vom 1. Januar 1847 bei B a n g e n S. 499 und ebendaselbst S. 163, auch P h i l l i p s 6, 633. 5 B a n g e n S. 151. 152. 6 B a n g e n S. 152. ? Λ. a. 0 . S. 152. 153. 159. 4

§. 55.]

Die Sacra Congregatio Cardinalium Concilii Tridentini interpretum.

459

letztere ausdrücklich vom Papst übertragen erhalten hat. Abgesehen aber von diesem Falle, wo sie durchaus selbstständig handelt 1 , kann sie bei der Ertheilung von päpstlichen Dispensationen als berathende Behörde konkurriren, nämlich 1. wenn ihr ein direkt an den Papst oder an eine andere Kurialbehörde (z.B. die Dataria) gelangtes Gesuch zur Begutachtung übermittelt wird 2 ; 2. wenn sich bei der Erörterung einer Sache das Resultat ergiebt, dass zwar nicht auf dem Wege des Rechts, wohl aber auf dem der Dispensation irgend ein Anspruch aufrecht zu erhalten oder zuzusprechen ist 3 , und endlich 3. wenn eine Partei principaliter rechtliche Entscheidung, eventuell aber Dispensation (was ζ. B. häufig in Ehenullitätsprocessen vorkommt) beantragt hat 4 . Eine erschöpfende Aufzählung der einzelnen Fälle, welche nach den eben angegebenen allgemeinen Grundsätzen zum Ressort der Kongregation gehören, ist bei der weiten Ausdehnung desselben unmöglich. Zur Yeranschaulichung können aber nachfolgende Bemerkungen dienen 5 : 1. Vor die Kongregation gelangen d i e d e i u r e n a c h d e m T r i d e n t i n u m z u e n t s c h e i d e n d e n Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des B i s c h o f s , die Jurisdiktionsstreitigkeiten zwischen B i s c h o f und K a p i t e l (ζ. B. über Mitwirkung des letzteren bei der Gesetzgebung und Verwaltung, über Unterwerfung des Kapitels unter den Bischof oder Exemtion von der bischöflichen Gewalt), Streitigkeiten über die i n n e r e n R e c h t e u n d P f l i c h t e n d e s K a p i t e l s und seiner Mitglieder (also die die Vermögensverwaltung, den Chorbesuch, die Distributionen, die die statutarische Festsetzung dieser Verhältnisse betreffenden Fragen) ; ferner die Entscheidung von Streitigkeiten über die R e s i d e n z p f l i c h t der Benefiziaten und über Appellationen gegen das von den unteren Instanzen in solchen Fällen beobachtete Verfahren und die von letzteren wegen Verletzung der Residenzpflicht verhängten Strafen. Ferner entscheidet die Kongregation in B e n e f i z i a l s a c h e n (also in Streitigkeiten über die Natur, Errichtung, Kollation, Union, Verlust der Benefizien und über die Existenz, den Besitz, die Ausübung und den Verlust von Patronatrechten), in S p o n s a l i e n - und E h e s a c h e n , über Streitigkeiten, welche den P f a r r k o n k u r s , die Handhabung der im Koncil angedrohten C e n s u r e n betreffen, in Irregularitätsfällen und über die rechtlichen Folgen der kanonisch-rechtlichen Delikte (Simonie u. s. w.). Endlich gehören auch die die R e g u l a r e n betreffenden Rechtsfragen vor die Kongregation, sofern es sich um die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Gelübde, Streitigkeiten über Güter und Privilegien mit Säkularen und Jurisdiktion der religiösen Institute (ζ. B. Pfarrverhältnisse) handelt, während für die rein inneren Ordensangelegenheiten (ökonomische Verhältnisse, Zweifel über die Ordensregeln, Streitigkeiten zwischen den Ordensoberen und ihren Untergebenen hinsichtlich der durch die Ordenskonstitutionen begründeten Jurisdiktion) die Congregatio super Negotiis Episcoporum et Regularium (s. §. 56) kompetent ist. 1 Die zur Entscheidung der Kongregation zu stellende Frage wird hier dahin formulirt: „An dispensatio super etc. concedenda sit in casu?" B a n g e n S. 154. 2 Hier lautet die Frage: „An consulendum sit S S m ° pro dispensatione super etc. in casu". B a n g e n S. 154. 3 Die Frage ist hier: „An stitutio etc. in casu?'' und

danda sit indie Antwort:

„Consulendum S S m o pro dispensatione". B a n g e n a. a. 0 . 4 In solchen Fällen ist folgende Formel gebräuchlich : „1. An danda sit institutio in casu ? Et quatenus negative (d. h. de iure, also wenn die Frage nach den rechtlichen Namen verneint werden muss): 2. An consulendum S S m 0 pro dispensatione in casu?" B a n g e n a. a. 0 . Ueber das Folgende s. B a n g e n S. 156 ff.

460

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 55.

Was die Einholung der Sanktion des Papstes, also eine Entscheidung facta verbo cum SSmo in den aufgezählten Angelegenheiten, betrifft, so würde diese nach dem oben erwähnten Princip z . B . erfolgen wenn es sich bei den Jurisdiktionsstreitigkeiten um das Wohl grosser Theile einer bischöflichen oder gar mehrerer Diöcesen handelt, in Residenz-Angelegenheiten, sofern die Vorschriften des Koncils durch spätere Konstitutionen 2 abgeändert sind, bei Rechtsfragen, deren Entscheidung von einem seinem Sinne nach zweifelhaften päpstlichen Reskript oder einer in ihrer Tragweite durch Doktrin und Praxis nicht genügend festgestellten Konstitution abhängt. 2. Besitzt die Congregatio Concilii eine Kompetenz in Angelegenheiten, welche ihr o h n e R ü c k s i c h t , ob d a s T r i d e n t i n u m in F r a g e k o m m t , übertragen sind. Dahin gehört nach der Bulle: Immensa aeterni :! die Ueberwachung der Einführung und Abhaltung der Diöcesan- und Provinzialsynoden, die Revision und Approbation der Akten der Provinzial-Koncilien, die Prüfung der Relationen super statu ecclesiarum 4 , und nach einem konstanten Usus die Entscheidung aller rein geistlichen, die Synodal-, Provinzial- und Lokal - Statuten betreffenden Rechtsfragen, sowie solcher, welche sich auf die Gültigkeit, resp. Ungültigkeit der Sponsalien, der Ehe des Ordensgelübdes, der Weihen, des Eides und sonst vor das geistliche Forum gehörender Kontrakte beziehen 5 . 3. Die wichtigsten Fälle, für welche der Kongregation eine D i s p e n s a t i o n s g e w a l t übertragen ist, sind: a. die Befugniss, von der Residenzpflicht ex iusta causa mit oder ohne Gestattung der Perception der Früchte des Benefiziums zu entbinden fi , b. die Zahl der gestifteten Messen zu reduciren, und von den Bestimmungen über die Annahme neuer derartiger Messstipendien zu dispensiren 7 , c. Veränderungen des Zweckes (commutationes) letzt williger Verfügungen de stilo (d. h. in minder wichtigen Fällen, für welche sich bereits eine feststehende Praxis gebildet hat) vorzunehmen und d. in minder wichtigen Alienationsfällen zu dispensiren. 4. Eine kumulative Kompetenz mit andern Kurial-Behörden endlich kommt der Congregatio concilii da zu, wo es sich um Fragen handelt, für welche die entscheidenden Normen nur implicite oder generell im Tridentinum enthalten sind. Für die Kompetenz im Einzelfall entscheidet die Prävention, indessen sendet auch die zuerst befasste Behörde, wenn es angemessener erscheint, die Sache der anderen, gleichfalls kompetenten zur Erledigung zu. Jede Kongregation sistirt aber dann, wenn bei der Behandlung der vor ihr Ressort gehörigen Angelegenheiten eine sich explicite auf das Trienter Koncil beziehende Frage hervortritt, ihr Verfahren und lässt die letztere zunächst durch die Congregatio concilii erledigen 8 . ι B a n g e n S. 158. 159. Es kommt hier namentlich die Konst. U r b a n s V I I I . : Sancta Synodiis Tridentina vom 12. Dezember 1634. §. 7 (M. Bull, ö, 2 7 0 ) in Frage. 3 S. die oben S. 457. 11. 4. mitgetheilte Stelle. 4 Wegen dieser beiden letzten Punkte s. noch am Schluss dieses §. 5 B a n g e n S. 160. 6 Card, d e L u c a 1. c. disc. X V . η. 7 ; F a g n a n . in c. fin. de cler. non resident. III. 4. η. 2 5 ; B a n g e n a. a. 0 . 7 Zum besseren Verständniss möge hier noch Folgendes bemerkt sein. Das Koncil von Trient Hess. X X V . c. 4. de ref. hat den Bischöfen die Vollmacht zu einer einmaligen Reducirung der

übermässigen, nicht mehr erfüllbaren Messstiftungen, welche vor dem Tridentinum bestanden, gegeben. Im übrigen steht diese Befugniss dem päpstlichen Stuhle zu. F a g η a u . ad c. 12. X . de const. I. 2. η. 25 ff.; Const. U r b a n . VIII. : Cum saepe vom 21. Juni 1625 und I n n o c e n t . X I I . : Nuper a vom 21. November 1697 bei G i r a l d i , expos, iur. pont. P. II. s. 67. p. 8 9 5 ff. Ucber die Annahme neuer Messstipendien hat die Congregatio Concilii von Urban VIII. durch die erwähnte Bulle bestätigte Normen erlassen, von denen sie eben kral't der ihr verliehenen Gewalt dispensiren kann. » S. F a g n a n . ad S. Mariae Transtiberim presbyter cardinalis vicarius noster in urbe in

dem Schreiben I n n o c e n z ' IV. bei B a i u z e miscell. ed. Paris. 7, 4 4 1 . 7 Bei D u F r e s η e , D u C a η g e s. v. vicarius summi pontillcis: „Te in urbe supradicta eiusque suburbiis et districtu vicarium nostrum in spiritualibus usque ad nostrum beneplacitum tenore praesentium constituimus ac etiam deputamus, visitandi ecclesias, monasteria et loca ecclesiastica, secularia et regularia quorumcunque ordinum, non exempta nec privilegata et tarn ecclesiarum, monasteriorum et locorum ipsorum quam alias personas ecclesiasticas urbis, suburbiorum et districtus praedictorum cuiuscumque status, ordinis vel conditionis existant nec non reformandi quae in eis reformationis ministerio noveris indigere, earum et cuiuslibet excessus et crimina corrigendi et puniendi aliaque faciendi et e x e r cendi auctoritate nostra quae ad huiusmodi vicariatus officium pertinere noscuntur". 8 Const. Pauli II. : Licet ecclesiarum vom 16. September 1 4 6 4 (M. Bull. 1, 3 8 1 ) . 51 Const. Pauli I I I . : Licet ecclesiarum vom 3. November 1 5 4 2 ( L . c. 1, 7 6 5 ) . 10 S. die Anführungen in den vorangehenden Anmerkungen; C o h e l l i u s f. c . ; P h i l l i p s 6, 5 2 9 .

§. 64.]

Der Stellvertreter des Papstes fiir tlie üiöcesan-Verwaltung von Rom.

seit einem Dekrete P a u l s I V . vom 18. November 1 5 5 8

487

soll aber der Vikar aus den

Kardinälen genommen werden 1 . II.

Oertlicher

Umfang

der Jurisdiktion

desVicarius

Urbis.

Der

Jurisdiktionsbezirk des Vikars begreift die Stadt R o m , ihre Vorstädte und die s. g . Comarca di R o m a 2 . In Folge dessen entstanden öfters Streitigkeiten mit den Bischöfen der suburbikarischen Diöcesen,

weil einzelne Theile derselben innerhalb des Gebietes

der Comarca lagen. F ü r die Entscheidung dieser Kontroversen hat die Rota im J . 1 7 1 2 das Princip adoptirt,

dass der Vicarius Urbis behufs Geltendmachung seiner J u r i s -

diktion über einen im Umfange eines suburbikarischen Bisthums gelegenen Ort

die

Dismembration des letzteren von dem ersteren nachweisen müsse 3 , und B e n e d i k t X I V . hat diese Auffassung sanktionirt,

indem er erklärte,

dass dem Vicarius Urbis keinerlei

Jurisdiktion in den suburbikarischen Diöcesen zustehe 4 . III. D e r m a t e r i e l l e

Umfang

der Jurisdiktion

des V i k a r s .

Früher

wurden die Vollmachten desselben in jedem einzelnen Falle bei der Ernennung normirt 5 . Indessen finden sich seit dem 1 6 . Jahrhundert,

vgl. die Bulle J u l i u s ' III. :

Decet

Romanum vom 2 8 . März 1 5 1 2 6 , Bestimmungen, welche unabhängig davon die K o m petenz des Vikars bestimmen und damit eine regelmässig sich wiederholende Ernennung derartiger Beamten voraussetzen. Vikars allmählich erweitert,

Die Konstitutionen,

welche die Jurisdiktion

des

dann aber wieder eingeschränkt haben, sind ausser den

bereits gedachten die Const. J u l i u s ' Π Ι . : Cum sicut vom J . 1 5 5 0 7 , Const. P i u s ' V . : Considerantes v a r i a vom 1 2 .

September

1 5 6 6 8,

Const. C l e m e n s ' V I I I . :

Debitum

pastorale vom 2 1 . F e b r u a r 1 6 0 0 , §§. 11 ff. und Cum sicut vom 1 4 . Dezember 1 6 0 5 tJ, Con;,t. P a u l s V . : Superna divina vom 2 0 . November 1 6 0 6

10,

Const. I n n o c e n z ' Χ Π . :

Romanus Pontifex vom 1 7 . September 1 6 9 2 1 1 , Const. B e n e d i k t s Χ Ι Π . : In supremo vom 1 7 . August zember 1 7 3 5

13

1724

12,

Const. C l e m e n s ' X I I . : Romanus Pontifex vom 2 4 . D e -

und die Konstitutionen B e n e d i k t s

1 Analecta 1. c. p. 2 7 3 3 ; M o r o n i p. 65. 67. 2 S . oben S. 2 1 2 . n. 3. 3 „Non potest Eminentissimus Vicarius ratione suorum ptivilegiorum sibi impertientium iurisdictionem spiritualem in districtu Urbis suas facilitates praetendere etiam ad Casalem Martianum, etsi dicatur in districtu, nisi prius constat praecise illius dismembratio e dioecesi Portuensi, alias enim si facultates iurisdictionales Eminentissimo Vicario attributae super totum Urbis districtum qui quadraginta milliaria circumcirca complectitur lion intelligerentur ita concessae, quod illarum usus esset referibilis ad ea tantum loca districtus quae specialiter designata in bullis pontiflcum leguntnr vel alterius iurisdictioni non subsunt, actum esse de plurium episcopatuum dioecesibus et praecise de iis quae a sex antiquioribus Cardinalibus optari solent, dum omnes fere in districtu Urbis reperiuntur", mitgetheilt bei P h i l l i p s 6, 531. n. 23, welcher mit de L u c a 1. c. n. 6 für die frühere Zeit an einer wirklich konkurrirenden Jurisdiktion des Vikars urul der suburbikarischen Bischöfe, aber mit Unrecht, festhält. * Const. Romanae Curiae vom 2 1 . Dezember 1744. §. 21 (Bull. Bened. X I V . 1, 4 7 2 ) : „Item decernimus, nullam in prima instantia Vicario competere iurisdictioiieni in dioecesibus et territories

XIV.:

Romanae Curiae

14

und

aliorum episcoporum sive ordinariorum in praedicto districtu Urbis existentibus, nimirum intra quadragesimum lapidem, sed solum in dictis dioecesibus et territoriis pro causis ad eum spectantibus citare et procedere posse contra clericos Romanos, ut supra, ratione originis vel beneficii qui ibi commorantur, necnon exequi posse mandata tarn realiter quam personaliter per eum contra ipsos expedita. E t hoc ipsum volumus in dioecesibus sex episcoporum S. R. E . Cardinalium qui episcopi suburbicarii nuncupari solent. Nam sive episcopatus isti habeantur pro distinctis et diversis ab episcopatu Romano sive dicti cardinales censeantur in hisce dioecesibus tamquam coadiutores Romani episcopi, neutro casu decet Cardinalem Urbis Vicarium cumulativam cum ipsis iurisdictionem in prima instantia habere". 5 S. die Note 7 ff. S. 480 citirten Konstitutionen Benedikts X I I . , Pauls II. und Pauls III. Β §§. 3. 4. Μ. Bull. 1, 51ό. I Ibid. p. 787. 8 Μ. Bull. 2 , 2 1 0 . » Bull. Roman. V. 2, 2 7 9 u. V. 3, 109. w M. Bull. 3, 211. u §. 2. M. Bull. 7, 190. 12 Bull. Rom. 11, 3 3 6 . 13 Bull. Rom. 14, 57. II S. Note 4.

32*

488

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 64.

Quantum ad procurandum vom 15. Februar 1742 1 . Letzterer hat die schon von I n n o c e n z XII. gemachten Anordnungen wiederhergestellt, welche die Vollmachten des Vikars auf den Stand zur Zeit P a u l s V. vor 1611 reducirt hatten, und bis auf wenige Punkte sind seine Verfügungen für die heutige Zeit noch massgebend 2 . Ihrem materiellen Umfange nach ist die Jurisdiktion des Kardinal - Vikars die b i s c h ö f l i c h e ; wie er denn von B e n e d i k t XIV. geradezu als Ordinarius Romae bezeichnet wird ;f . Ihm stehen daher insbesondere folgende Rechte zu : 1. Die Befugniss, den römischen Klerus zu Diöcesansynoden zu berufen und Statuten für denselben zu erlassen 4 . 2. Das Recht, die ordines an Welt- und Regulargeistliche zu konferiren, soweit dadurch das Ordinations-Privilegium der Kardinäle (s. oben S. 82) nicht verletzt wird. Diese Befugniss erstreckt sich auch auf die Kandidaten der 6 suburbikarischen Bisthiimer, sofern in diesen keine Weihbischöfe sind. Daher dürfen auch für solche Dimissorien nur auf den Kardinalvikar , nicht auf einen andern Bischof ausgestellt werden 5 . Zufolge des Ordinationsrechts besitzt der Kardinalvikar selbstverständlich auch die Befugniss, Dimissorien zu ertheilen; da die Kardinalpriester nur in ihren Titeln die Ordination spenden können 0 , ihnen also das Recht, Dimissorien zu geben, nicht zusteht, so müssen die Kleriker, welche weder von den nach den früher gedachten Regeln kompetenten Kardinälen noch vom Kardinalvikar selbst die Ordination empfangen sollen, die Dimissorien immer von letzterem erhalten 7 . Nur die Kanoniker von St. Peter und die sonst zu dieser Kirche gehörigen Geistlichen dürfen kraft besonderen Privilegs auf die Dimissorien des Kardinal - Erzpriesters der gedachten Kirche geweiht werden 7 . 3. Wenngleich der Kardinalvikar die Verleihung der römischen Benefizien nicht vorzunehmen hat, diese vielmehr von der Dataria ausgeht, so hat er doch bei der Erledigung der Säcular - Pfarreien den Vikar zu ernennen, und den Pfarrkonkurs auszuschreiben, sowie im Verein mit seinen Examinatoren abzuhalten s . 4. Hat er das Recht, die Beichtväter innerhalb seines Bezirks zu approbiren, jedoch mit Ausnahme der Pönitentiarien der Kirche St. Johann im Lateran, S. Peter im Vatikan und S. Maria Maggiore, deren Ernennung durch den Kardinal-Grosspönitentiarius erfolgt 9 . 5. Ertheilt er die Firmelung 10. 6. Besitzt er dieselben Befugnisse, welche das Tridentinum den Bischöfen gesetzlich ein für alle Mal delegirt 11 hat 1 2 . ι Bull. Bened. XIV. 1, 120. 122. S. auch Const. Bened. X I V . : Quantum cit. §. 2 2 (1. c. p. 126). 2

3 Const. Ad audientiam vom l ü . Februar 1753. §. 6 (M Bull. 19, 3 1 ) : ,,Cardinalem Vicarium ltomaeOrdinarium esse idque extra controversiam omnino est, quum ipse personam repraesentet pontiflcis, non qua pontifex sed qua episcopus urbis Romae. 4 Diese hat ihm schon die Const. Pauls III.: Licet ecclesiar. cit. §. 10 (M. Bull. 1, 765) ertheilt. S. auch B e n e d i c t . XIV. de synod, dioeces. 1. c. n. 3 ; Analecta I. c. p. 2735. 8 Const. Alexandra VII. : Apostolica sollicitudo vom 7. August 1662. §§. 3. 4 (M. Bull. 6, 173); s. auch oben 96. n. 11. ο S. oben S. 82.

7

Analecta 1. c . ; P h i l l i p s 6, 535. Card, d e P e t r a , comment, ad Pauli II. const. Licet. Tom. 5, 189 ff. n. 7 1 : „Concursus indicit (Emus Cardinalis Vicarius) ad ecclesias parochiales coram suis examinatoribus solumque facultates conferendi beneflcia reservata est pon tiflci qui eum exercet per Organum datariae", Analecta 1. c. p. 2 7 3 6 ; P h i l l i p s 6, 535. 9 Analecta 1. c. p. 2 7 3 5 ; F e r r a r i s 1. c. n. 10. 19; P h i l l i p s a. a. 0 . 10 Analecta 1. c. p. 2736. 11 S. oben S. 176 ff. 12 Analecta 1. c. p. 2 7 3 5 ; P h i l l i p s 6, 534. Hechte über die exemten Institute sind dem Kardinal· Vikar schon früher durch die vorhin (s. S. 486. n. 8 und 9 ) erwähnten Konstitutionen P a u l s II. und P a u l s III.: Licet ecclesiarum eingeräumt worden. 8

§. 64.]

Der Stellvertreter des Papstes für die Diöcesan-Verwaltung von Korn.

489

Dagegen steht dem Kardinalvikar das sonst in der bischöflichen Machtvollkommenheit liegende Recht der Visitation seines Sprengeis nach neuerem Rechte nicht mehr zu. In Folge der Errichtung der S. Congregatio Visitationis apostolicae (s. §. 62. Nr. 2) ist seine alleinige Befugniss dazu erloschen, wenngleich er als geschäftsführender Präsident der gedachten Kongregation immer noch einen erheblichen Einfluss auf diese Gattung der bischöflichen Verwaltung ausübt. Ueber die ihm zukommende Gerichtsbarkeit in streitigen Sachen und in Kriminalfällen vgl. Nr. IV. dieses Paragraphen. Im Allgemeinen steht, wie bereits bemerkt, der Kardinalvikar dem bischöflichen Generalvikar gleich. Abgesehen aber davon, dass er stets die Bischofsweihe besitzt und daher auch solche Handlungen (wie ζ. B. die Firmelung) vornehmen kann, welche sonst der Diöcesanbischof selbst oder ein eigener ihm zur Seite stehender Weihbischof auszuüben hat, sowie davon, dass er nicht wie der einfache Generalvikar einer Specialvollmacht zur Berufung der Diöcesansynode bedarf 1 , findet doch die wesentliche Verschiedenheit zwischen dem Vikar des Papstes und dem eines einfachen Bischofs statt, dass das Amt des ersteren nicht mit dem Tode des Papstes erlischt, ein Rechtssatz, welcher sich in Folge der Ernennung der Vikare als perpetui statt der früher üblichen ad beneplacitum fixirt hat 2 . Wenn B e n e d i k t XIV. den Cardinalis Urbis als Ordinarius Ramae bezeichnet, so kann dieser Ausdruck nicht nur in dem bisher üblichen Sinne der iurisdictio ordinaria verstanden, sondern m. E. darf diese sogar als ordinaria im Gegensatz zu der von mir als quasi-ordinaria bezeichneten iurisdictio (s. S. 189) aufgefasst werden. Ruht auch das Amt des Kardinalvikars nach Massgabe der oben (S. 373) dargelegten Regeln über die Verhältnisse während der Vakanz des päpstlichen Stuhles, so ist dasselbe doch ein ständiges in dem Organismus der kirchlichen Verwaltung geworden, welches ein für alle Mal fest abgegrenzte Befugnisse verleiht. Die Jurisdiktion des Vikars ist daher ebenso gut eine ordinaria, wie die der Kardinals - Kongregationen (s. S. 484), wenngleich sie ihren Inhalt durch die ursprünglich einem andern Amtsträger zustehenden Rechte empfängt. Ausser der Leitung der Diöcesan-Verwaltung Roms und seines Distrikts kommen aber dem Kardinalvikar auch noch gewisse Befugnisse hinsichtlich der allgemeinen Kirche zu. So hat er die Präfektur in der S. Congregatio super residentia episcoporum 3 und zugleich die Fakultät, den in der Kurie promovirten Bischöfen die ihnen gesetzlich für die Reise nach ihrem Bisthum zustehende monatliche Frist um 40 Tage zu verlängern 4 . Ferner kann er Auswärtigen, welche bereits 6 Monate sich in seinem Distrikt aufgehalten haben, auch ohne Dimissorien ihrer Ordinarien die Tonsur ertheilen 5 . ι Const. Pauli III. cit. 10; B e n e d . XIV. 1. c. η. 3 ; F r i e d l e in M o y s Arch. 15, 360. 2 C oh e l l i n s 1. c. p. 3 0 3 ; F r i e d l e a. a. Ο. S. 367. 3 S. oben S. 464 und die Const, ß e n e d i c t i X I V . : Ad universae vom 3. September 1746 (Bull. Bened. XIV. 2, 131. 133). 4 Const, cit. (1. c. p. 130): „Praefatus autem praedecessor (Urbanus VIII.) ad peculiares occurrentes casus descendens, episcopis in Curia promotis unum concessit mensem (quem postea declaratum fuit, a die ipsorum propositionis in consistorio computandum esse), quo mense elapso

singuli ad proprias ecclesias se conferre deberent. Sed quum in concilio Romano habito a fei. rev. Benedicto papa XIII. praedecessore pariter nostro, episcopi exposuissent. tarn exiguo temporis spatio noil posse a recens promotis sua in Urbe negotia expediri, idem Benedictus facultatem concessit Sanctae Komanae Ecclesiae Cardinali suo et Romani Pontiiicis pro tempore in Urbe eiusque districtu Vicario, ut praefatum unius mensis terminum iuxta casuum contingentiam et causa cognita ad alios quadraginta dies et non ultra prorogare posset". 5 Analecta 1. c. p. 2737.

490

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

:§. 64.

IV. D i e G e h ü l f e n d e s K a r d i n a l v i k a r s . Zu diesen gehört der V i c e s g e r e n s , ein Prälat, welcher in der Regel ebenfalls die Bischofsweihe besitzt und der Stellvertreter des Kardinalvikars sowohl in Bezug auf die Jurisdiktion als auch auf die Pontifikalien ist 1 . Da der letztere die Stellung eines Ordinarius hat, so kann der vices gerens füglich als sein General-Vikar und Auxiliar-Weihbischof angesehen werden 2 . Früher wurde er auch vom Kardinalvikar ernannt 3 , und obgleich er seit dem J. 1717 direkt vom Papst bestellt wird 4, so gilt doch noch immer heute in Betreff seiner der auch beim bischöflichen Generalvikar in Frage kommende Grundsatz, dass seine Befugnisse mit dem Tode des Kardinalvikars erlöschen. Daher werden ihm diese während der Vakanz des Vikariats ausdrücklich durch den Papst selbst bestätigt 5 . Neben dem Vikar stehen ferner besondere Deputirte für die Seminarien (das Seminarium Romanum und Seminarium Pium), weil in Rom die Vorschrift des Tridentinum Sess. XXIII. c. 18 de reform., dass die Administration derselben durch zwei Domherren und zwei Geistliche aus der Stadt geführt wird, nicht anwendbar ist 6 , weiter besondere apostolische Examinatoren für die Ordinanden und die Beichtväter 7 , endlich die Examinatoren für den Pfarrkonkurs 8 . Schliesslich ist noch besonders das Τ r i b u η a 1 d e s V i k a r s ( T r i b u n a l e d e l V i c a r i a t o di R o m a ) hervorzuheben. Die Jurisdiktion des Kardinalvikars, welche B e n e d i k t XIV. in den Konstitutionen: Romanae Curiae vom 21. Dezember 1 744 9 und Rerum humanarum vom 16. Dezember 1 747 1 0 von Neuem geregelt hat, wird heut auf Grund des Regolamento legislativo Gregors XVI. vom 10. November 1834 ausgeübt, welches in dieser Hinsicht (§. 364 ff.) 11 Folgendes bestimmt: »Das Tribunal des Vikariats ist zusammengesetzt 1. aus dem Kardinal-Vikar von Rom, 2. aus einem Prälaten (Vicesgerens des General-Vikars), 3. aus einem andern Prälaten (Locumtenens civilis). 1 B a n g e n S. 288. Er kommt seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, also seit der ausschliesslichen Verleihung des Vikariats an Kardinäle, vor. M o r o n i 99, 165. 2 d e L u c a 1. c. n. 1 4 : „Iste enim (flngendo cardinalem vicarium tanquam episcopum) geiere dicitur partes eius vicarii generalis, tarn circa exercitium iurisdictionis episcopalis, ordinariae et delegatae, in omnibus causis civilibus criminalibus et mixtis eius fori quam etiam circa exercitium pontiflcalium, in collatione ordinum, in consecratione ecclesiarum et altarium et sacrorum vasorum et in administratione sacramenti conflrniationis, dum omnia haec munia exercet vicarius per hunc ministrum maiorem seu generalem".

3 M o r o n i 99, 165. M o r o n i 1. c. p. 166. 5 M o r o n i 1. c. Ueber die Erledigung des Vikariats während der Vakanz des päpstlichen Stuhls und die Rechte des Vicesgerens in diesem Falle s. oben §. 39 a. E . 4

6

Analecta 1. c. p. 2738, vgl. auch die Konst. P i u s ' IX. : Cum Romani vom 28. J u n i 1853 (ibid. p. 563). 7 Mit Rücksicht auf Trident. Sess. X X I I I . c. 7. 14 de reform. Analecta 1. c. p. 2740.

8 L. c. p. 2742 u. 2 7 4 6 : „Ainsi la discipline du concours telle que le concile de Trente l'institua et qne plusieurs Souverains Pontifex l'ont perfectionnee est observee pour les paroisses de Rome dans toute sa purete. Edit public, appel fait ä tous ceux qui veulent concourir sans l'exclusion des etrangers pourvu qu'ils habitent Rome depuis au moins deux ans, terme des dix jours pendant lesquels l'inscription reste ouverte, concours par icrit, scrutin en presence de l'Ordinaire, choix du plus digne entre tous les candidate approuves reserve ä l'Ordinaire, toutes ces dispositions prescrites par le concile de Trente et par les constitutions apostoliques se retrouvent dans la pratique du Vicariat. La difference consiste dans la methode du scrutin et dans le nombre d'examinateurs. Quoique le concile de Trente ne defende nullement d'en faire intervenir plus de trois, il ne prescrit pourtant que ce nombre en lieu qu'ä Rome dix examinateurs prennent part au scrutin". » §§. 18 ff. Bull. Beued. XIV. 1, 472. 10 L. c. 2, 365 ff. Vgl. auch Const. Pii VII. : Post diuturnas vom 30. Oktober 1800. §. 132 (Bull. Rom. Cont. 11, 66) und Reglement desselben vom 6. Juli 1816. Art. 88 (L. c. 14, 59). 11 Bull. Rom. cont. 19, 428 ff.

Die Offizialen des päpstlichen Palastes.

§• 65.]

491

Jeder der beiden Prälaten (Vicesgerens und Locumtenens) erkennt und urtheilt auch vermittelst eines Privat-Auditors in e r s t e r I n s t a n z 1. in Rom und Distrikt über alle Sachen, welche in den Diöcesen von den Ordinarien entschieden werden; 2. über Sachen zwischen Laien und gegen Laien, welche nicht den Werth von 25 Scudi übersteigen, ohne Konsens der Parteien. Der Kardinal-Vikar erkennt in z w e i t e r I n s t a n z auch vermittelst eines Privat-Auditors und kumulativ mit dem Auditor der Kammer 1 in allen Sachen, welche nicht den Werth von 500 römischen Scudi übersteigen und in erster Instanz vom Vicesgerens oder vom Locumtenens entschieden sind 2 . Die PrivatAuditoren des Kardinal-Vikars und der beiden Prälaten können in allen Sachen bis zur definitiven Sentenz selbstständig verfahren. Die Sentenz aber muss unterschrieben werden vom Kardinal-Vikar oder vom Prälaten-Vicesgerens oder Locumtenens nach vorhergehendem Visto des Auditors« 3 . Was die dem Kardinalvikar zustehende bischöfliche Kriminaljurisdiktion betrifft, so wird diese theils durch ihn allein, theils durch die neben ihm stehende s. g. Congregatio criminalis ausgeübt. In den minder wichtigen Fällen entscheidet er selbst, jedoch wird die Instruktion für die Regel durch einen dazu deputirten Auditor, welcher Laie ist, den s. g. Locum tenens criminalis geführt. Die wichtigeren Sachen erledigt dagegen die Kongregation. Sie besteht aus dem Kardinalvikar, dem Vicesgerens, dem Locum tenens civilis, dessen Substituten, dem Fiskal-Advokaten und General-Fiskal. Letztere haben nur ein votum consultativum. Ohne Votum assistiren der Promotor fiscalis und der Locumtenens criminalis 4 . §.65.

d. Die Offizialen des päpstlichen

Palastes*.

I. Für Ausübung der dem K ä m m e r e r hinsichtlich der päpstlichen Hofhaltung 5 zustehenden Befugnisse (s. oben S. 405 ff.), haben sich später wieder besondere Aemter gebildet. Unter diesen ist das des P r a e f e c t u s p a l a t i i , M a i o r D o m u s oder P r e f e t t o d e l s a g r o p a l a z z o 6 hervorzuheben, welcher die Leitung des päpstlichen Hauswesens zu besorgen hat. Besonders steht ihm die Aufsicht über den Vatikan, 1 Seit 1847 des Prälaten Locumtenens desselben, welcher abgesehen von den bereits oben (s. S. 414) und eben im Text erwähnten Befugnissen neben dem Vicesgerens und dem Prälaten Locum tenens civilis die diesen zugetheilten Sachen entscheidet. M a r c h e t t i p. 47. 2 §. 366. Al. 1; das Al. 2 bestimmt: Conosce pure e decide come giudice di seconda istanza, ariche in virtü delle speciali facoltä che gli vengono confermato e quando occorra, nuovamente concedute con la presente disposizione, tutte le cause non superiori alla somma di cinquecento scudi che saranno deoise in prima istanza dal prelato uditore della Camera". 3 Die im Text citirten Paragraphen auch abgedruckt in deutscher Uebersetzung bei B a n g e n S. 288. Endlich gehört noch hierher 368: .,La giurisdizione privativa del tribunale del Vicariato per le cause di alimenti a forma dei chirografi della s. m. di Clemente XIV. in data 5 agosto 1769 e 7 marzo 1772 per le cause noil com-

mercial! degli ebrei e dei neoflti e per le altre che sono al medesimo riservate dalle costituzioni apostoliche e mantenuta". S. auch M a r c h e t t i 1. c. p. 46. 4 B a n g e n S. 288. 289; M a r c h e t t i 1. c. p. 102 ff: * M e j e r in der angeführten Zeitschr. 1, 8 9 ; P h i l l i p s 6, 537. 5 Wie zahlreich schon in früher Zeit das Personal derselben war, ergiebt der Rotulus bei G a l l e t t i , Memorie di tre chiese antiche diRieti. Roma 1765. p. 173 und danach bei M o r o n i , dizionario ecclesiastico 23, 40 aus der Zeit Nikolaus' III. (1277—1280). 6 l l e n a z z i , notizie storiche degli antichi Vieedomini del Patriarchio Lateranense e dei moderni Prefetti del sagro palazzo Apostolico ovvero Maggior domi Ponteflzj. Roma. 1787; d e L u c a , relatio Curiae Romanae disc. VIII.; D a n i e l l i , praxis, tit. 7 ; Prattica della Curia Romana. p. 2 2 4 ; P h i l l i p s 6, 539.

492

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 65.

den Quirinal und die anderen päpstlichen Paläste zu, und zugleich besitzt er die Civilund Kriminal-Jurisdiktion über die in den Palästen wohnenden Famiiiaren des Papstes, sowie diejenigen Personen, welche in Folge ihres Berufes mit dem Palatium in Verkehr treten (so über die Aerzte, die Lieferanten von Esswaaren, die in den Palästen beschäftigten Handwerker) 1 . Aushülfsweise fungiren neben ihm ein A u d i t o r c i v i l i s und ein A u d i t o r c r i m i n a l i s (auch I u d e x s a c r i p a l a t i i genannt) 2 . Das Amt wird regelmässig an Prälaten verliehen, welche sich um die römische Kirche verdient gemacht haben. Auch pflegt die betreffende Person, wenn sie noch nicht die Bischofswürde besitzt, zu dieser befördert zu werden. Juristisch ohne Bedeutung sind die weiteren Aemter des praefectus cubiculi (maestro di camera, Oberceremonienmeister) und des magister domus sacri palatii :i . II. In neuerer Zeit erscheint als nächster Rathgeber des Papstes für die Erledigung vor denselben gebrachter Rechts- und Gnadensachen der A u d i t o r d o m e s t i c u s oder A u d i t o r S a n c t i s s i m i 4 , welcher auch den Papst für die von ihm persönlich in den Konsistorien, in der Signatur der Gnade und den Kongregationen abzugebenden Entscheidungen instruirt. Eine Gerichtsbarkeit in streitigen Civil- oder in Kriminalsachen besitzt dieser Beamte seit dem Regolamento G r e g o r s XVI. vom 10. November 1834 (§. 277) nicht mehr 5 , wohl aber steht er der Congregatio consistorialis bei den Prüfungen der Gültigkeit einer Wahl oder Nomination und der Informationsprozesse unterstützend zur Seite 6 . III. Der M a g i s t e r S a c r i p a l a t i i , M a e s t r o d e l S. P a l a z z o a p o s t o I i c o 7 , kommt schon seit dem 13. Jahrhundert vor. Wie nachmals der Auditor Sanctissimi der Berather des Papstes in Rechtsangelegenlieiten geworden, so war der magister sacri palatii, welcher aus dem Dominikanerorden genommen wurde, derjenige, welcher den Papst in theologischen Fragen mit seiner Sachkenntniss zu unterstützen hatte. Früher war er der Prediger für die Hofbeamten des Papstes, die s. g. F a m i g l i a p o n t i f i c i a , und mitunter hatte er auch vor dem Papste selbst Predigten zu halten. Jetzt wird das Predigtamt durch die Kapuziner versehen, dagegen kommt dem magister palatii noch jetzt die Büchercensur für Rom und dessen Distrikt in so weit zu, als der Kardinal-Vikar oder Vicesregens den Druck nur unter Vorbehalt der Approbation durch den magister palatii ertheilt. Ausserdem ist er Konsultor in mehreren Kongregationen, so in denen der Inquisition, des Index, der Indulgenzen und der Riten, ferner fungirt er als Examinator in der Congregatio Examinis episcoporum und bei dem vom KardinalVikar für die Diöcese Rom abzuhaltenden Pfarrkonkurs. 1 S. die Konstitutionen B e n e d i k t s X I I I . : Cum occasione vom 2 4 . September und A e q u i tatis vom 2 0 . Dezember 1 7 2 8 ( B u l l . Rom. 12, 3 2 1 . 3 4 4 ) . Vgl. ferner Const. B e n e d i c t i X I V . : Ad summi vom 18. Februar 1 7 5 7 (Μ. B. 19, 2 7 1 ) . 2 Vgl. ferner über diese c h e t t i 1. c. p. 8 6 .

Jurisdiktion

Mar-

3

S. über diese M o r o n i , dizionario 41, 126. 1 5 1 ; P h i l l i p s 6, 5 3 7 . 5 4 6 . 4

d e L u c a , relatio. disc. 8. η. 1 0 ; D a n i e l l i tit. 8 ; Prattica lib. II. c. 9. p. 1 0 3 ; M o r o n i 82, 191 ff.

5 §. 2 7 7 : „L'uditore del papa non esercita ne puö esercitare la giurisdizione contentioza in veiuna causa ο materia'' (Bull. Rom. conti». 19, 4 2 0 ) . M a r c h e t t i p. 66, wonach P h i l l i p s 6, 546, welcher die Jurisdiktion als noch heute bestehend annimmt, zu berichtigen ist.

β B a n g e n S. 8 5 . 8 6 ; P h i l l i p s a. a. 0 . und oben S. 3 6 7 . 7 J o s . C a t a l a n i , de magistro sacri palatii apostolici libri duo. Roma 1751 ; d e L u c a 1. c. n. 7 ; D a n i e l l i 1. c. tit. 9 ; M o r o n i 41, 5 9 9 f f . ; P h i l l i p s 6, 5 4 2 .

§· 66.]

Die Kurialen im engeren Sinn.

493

§. 66. e. Die Kurialen im engereu Sinn Von denjenigen Kurialen, welche kraft des von ihnen bei der Kurie bekleideten Amtes, ex officio oder kraft der persönlichen Dienstleistung beim Papst oder bei einem höheren Kurialbeamten, wie ζ. B. die Famiiiaren des Papstes, die Auditoren der Kardinäle, ex servitio 2 zur Kurie gehören, ist im Verlaufe der früheren Darstellung (§§. 10 ff.) schon die Rede gewesen. Hier ist nur noch von denjenigen Kurialen zu handeln, welche, wie oben S. 375 bemerkt, im engeren Sinne allein als solche bezeichnet werden, und deren Zusammengehörigkeit mit der Kurie ex exercitio entsteht, d. h. darauf beruht, dass sie bei derselben ständige Geschäfte ausüben. Zu diesen gehören zunächst: I. Die A d v o k a t e n . Ihr Beruf besteht darin, Antworten und Gutachten auf an sie ergangene Rechtsfragen, mögen diese von den Partsi-Vertretern oder von den Richtern gestellt sein, zu ertheilen. In der Regel geben sie ihre Antworten schriftlich ab und sie erhalten dafür ein Honorar, welches sich nach einer allmählich fixirten Taxe bemisst 4 . Mit dem Betriebe von Reehtsangelegenheiten als Stellvertreter für andere Personen haben sie nichts zu thun. Da aber das Honorar immer noch als etwas freiwillig gegebenes gilt, und die Advokaten der Kurie als Advocati im eigentlichen Sinne dem strepitus fori fern bleiben, so werden nach einer alten Gewohnheit 5 auch Geistliche der höheren Weihen zum Prakticiren an der Kurie zugelassen. Für die Erlangung der Advokatur ist die Absolvirung juristischer Studien, das Doktorat in beiden Rechten, eine längere praktische Ausbildung bei einem anderen Advokaten, im Studio eines Auditors der Rota oder im Studio der Congregatio concilii, sowie endlich die Ablegung einer besonderen Prüfung erforderlich. Unter den Kurial-Advokaten nehmen einzelne eine hervorragende Stellung ihren übrigen Kollegen gegenüber ein. Diese sind: 1. Die a d v o c a t i c o n s i s t o r i a l e s 6 . Sie leiten wahrscheinlich ihren Ursprung von den 7 defensores regionarii (s. obenS. 377) her. Die Konstitution B e n e d i k t s XII.: Decens et necessarium vom 26. Oktober 1340", auf welche man ihre Entstehung hat zurückführen wollen, lässt sie jedenfalls als längst vorhanden erscheinen. Die ursprüngliche Siebenzahl ist von S i x t u s IV. auf z w ö l f erhöht und diese Anzahl ist nicht nur von B e n e d i k t XIV. 8 , sondern auch bis auf den heutigen Tag beibehalten worden. Die ältesten Sieben haben sich aber als s . g . A d v o c a t i c o n s i s t o r i a l e s n u m e r a r i i oder p a r t i c i p a n t e s insofern vor ihren δ anderen jüngeren Kollegen, den s. g. s u p r a n u m e r a r i i oder n o n p a r t i c i p a n t e s ( i u n i o r e s ) einen Vorzug bewahrt, als jene ein engeres Kollegium unter dem Vorsitze des ältesten, als ihres Dekanes, bilden, ihnen 1 B a n g e n S. 6 2 f f . ; P h i l l i p s 6, 5 4 8 ff. D i e s e Klasse wird auch als curiales aulici bezeichnet, d e L u c a , relatio disc. X L V I . η. 1 : ,,Attamen pro communi seu vulgari usu loquendi, iub curialium nomine illi solum designantur, qui togati in causis iudicandis aut in liegotiis peragendis versantur, quoniam cardinales et praelati ac etiam notarii, copistae, cursores et alii i n f e riores ministri, sub eorum propriis ac particularibus vocabulis explicantur; c u r i a l e s vero a u l i c i , i. e. papae vel cardinalium vel praelato2

ruin et magnatum familiares diversam nuncupationem, quoniam appellantuv sani'·. . . 3 de 4 L. 5 S. β de 7 M.

habent Corte-

L u c a 1. c. η. 10 ff. c. n. 4 7 . oben S. 137. n. 3. L u c a 1. c. n. 4 8 ff. Bull. 1, 2 0 9 .

8 Const. : Inter conspicuos vom 2 9 . 1744. 3 (Bull. Bened. X I V . 1, 3 8 1 ) .

August

494

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§· 66.

allein das Recht zusteht, Anträge auf Ertheilung des Palliums an die Erzbischöfe und privilegirten Bischöfe, sowie auf Beatiiikation und Kanonisation zu erheben. Ausserdem führen sie das Rektorat an der Sapienza, der römischen Universität, sie bilden an derselben. zugleich die juristische Fakultät und haben daher auch das Recht, die juristischen Grade zu verleihen 1 . Früher, als in den Konsistorien noch die kontentiösen Angelegenheiten verhandelt wurden, sind sie wohl in denselben aufgetreten. In Folge der sich immer mehr verzweigenden Organisation der Kurie und der Errichtung einer besonderen KonsistorialKongregation, ist ihre Thätigkeit auf die vorhin gedachten Angelegenheiten beschränkt worden 2 . Die Konsistorial-Advokaten geniessen gewisser Vorrechte, so namentlich einer ehrenvollen Stelle in der päpstlichen Kapelle und der Befugniss, gewisse PrälatenInsignien zu tragen. Prälaten im eigentlichen Sinne sind sie nicht, da sie nicht Kleriker zu sein brauchen. Die geistlichen Mitglieder unter ihnen erhalten aber hergebrachter Gewohnheit gemäss die Ehrenprälatur ;t . Aus der Zahl der Konsistorial-Advokaten wird 2. der A d v o c a t u s p a u p e r u m vom Papste ernannt 4 . Er hat die Vertheidigung der Armen vor Gericht zu übernehmen und es stehen ihm zwei Prokuratoren dabei zur Seite. Er gehört zu den clerici Camerales (s. oben S. 411) und ist einer der vier Prelati di mantellone 5 . Denselben Rang in der Prälatur hat 3. der gleichfalls zu den Camerales gehörige A d v o c a t u s f i s c i oder A d v o c a t u s c a m e r a e 6 , welcher dem Procurator camerae (Commissarius) und dem Procurator fisci als Rechtskonsulent zur Seite steht und in der Kongregation der Riten zugleich das Amt eines Promotor fidei bekleidet 7 . Die Konsistorial-Advokaten sind gesetzlich nicht gehindert, sich mit andern Rechtsangelegenheiten, welche nicht mit ihrer Stellung in Verbindung stehen, zu befassen. Es ist aber nicht Stil, dass sie in solchen Sachen prakticiren, vielmehr überlassen sie diese ihren gewöhnlichen Kollegen, den s. g. A d v o c a t i s i m p l i c e s , welche nicht jene hohe Stellung haben und als solche niemals die Prälatur erlangen 8 . Die simplices halten ein s. g. studio, ein Bureau, in welchem sie für Rath Suchende zu sprechen sind und in welchem sie unter ihrer Aufsicht zugleich jüngere Juristen behufs ihrer Vorbereitung für die Advokatur und Prokuratur arbeiten lassen 9 . Ein Theil derjenigen Juristen, welche die Befugniss zur Advokatur erlangt haben, prakticirt aber nicht. Diese leben zunächst als s. g. A d v o c a t i t i t u l a r e s , um dann bei Gelegenheit sich um gewisse, namentlich richterliche Aemter zu bewerben, weil die Erlangung dieser die Befähigung zur Advokatur voraussetzt 10 . 1 Const. J u 1 i i III.: Cum sicut vom 6. Februar •1553 (Bull. Rom. IV. 1, 292) und S i x t i V. : Sacri apostolatus vom 23. August 1587 (M. Bull. 2, 641); Const. Bened. XIV. cit. §§. 3. 13 if. 19 ff.; B a n g e n S. 0 5 ; P h i l l i p s 6, 550. 551. 2

B a n g e n , P h i l l i p s a. a. 0 . 3 B a n g e n S. 65. 66. 4 Const. Bened. XIV. cit. § . 3 1 ; 1. c, n. 69 ff. ; B a n g e n S. 66.

de

Luca

5 B a n g e n S. 66; P h i l l i p s 6, 552 und oben S. 389. β d e L u c a 1. c. n. 8 4 ff. ι Const, cit. Benedict. XIY. §§. 31. 32. B a n g e n , P h i l l i p s a. a. 0 . und oben S. 389. 411. 472. 8 B a n g e n S. 66. 6 7 ; P h i l l i p s a. a. 0 . 9 B a n g e n , Ph i 11 i ρ s a. a. 0 . 10 B a n g e n 6 7 ; P h i l l i p s 6, 553.

§. 66.]

Die Kurialen im engeren Sinn.

495

II. Die P r o c u r a t o r e s 1 sind diejenigen Personen, welche sich mit der eigentlichen Führung der Prozesse beschäftigen und als Stellvertreter der Parteien bei den Kurialbehörden auftreten. Sie scheiden sich in die K o l l e g i a l - P r o k u r a t o r e n ( P a t r o n i d e c o l l e g i o ) , P r o c u r a t o r e s r o t a l e s und die e i n f a c h e n P r o c u r a t o r e n . Die ersteren sind die Inhaber der alten Prokuratorstellen, welche schon früh ein Kollegium bildeten 2 . P a u l III. gab ihnen im J . 1548 eine Stelle in der päpstlichen Kapelle unmittelbar nach den Konsistorial-Advokaten 3 . P a u l V. nahm eine Reform des Kollegiums vor, indem er die Anzahl der Mitglieder desselben im J. 1613 auf 21 reducirte. Ihre Privilegien bestehen darin, dass sie allein in Beatifikations- und Kanonisations-Prozessen die Prokuratur ausüben können, dass ohne vorgängige Prüfung ihres Kollegs in Rom keine Notarien und andere nicht kollegiale Prokuratoren angestellt werden und dass aus ihnen der Prokurator des Fiskus und der Kammer, sowie der Kommissar der Kammer (s. obenS. 389. 411) ernannt wird 4 . Da sie in älterer Zeit die Prokuratur bei der Rota, dem auditorium s. palatii apostolici, ausschliesslich betrieben, so wurde ihr Kolleg als das Collegium patronorum causarum Palatii Apostolici bezeichnet. Später als die Mitglieder desselben bei der Häufung der Geschäfte nicht mehr ausreichten, wurden auch aus der Zahl der einfachen Prokuratoren einzelne nach vorgängiger Prüfung vor dem Dekan der Rota und den beiden ältesten Prokuratoren des Kollegs zur Praxis bei dem gedachten Gerichtshofe zugelassen (s. g. P r o c u r a t o r e s r o t a l e s ) 5 . Aus ihnen wird das Kollegium der Prokuratoren in der Weise ergänzt, dass das letztere über die sich meldenden Kandidaten — diese müssen als Vorbedingungen ihrer Qualifikation eheliche Geburt, unbescholtenen Lebenswandel und dreijährige Prokuratur-Praxis bei der Rota nachweisen — geheim abstimmt und die ausgewählten dann noch ein Examen vor dem Dekan der Rota und den beiden ältesten Kollegial-Prokuratoren abzulegen haben c . Die einfachen Prokuratoren prakticiren an den übrigen römischen Gerichtshöfen und haben für ihre Anstellung nur theoretische Rechtskenntnisse und praktische Ausbildung, nicht aber den Besitz des Doktorates nachzuweisen 7 . Abgesehen von den Kollegial-Prokuratoren, für deren Honorirung dasselbe, wie für die Konsistorial-Advokaten gilt, erhalten sie für ihre Bemühungen ein durch amtliche Taxen festgesetztes Salarium s . III. Die S o l l i c i t a t o r e s oder E x p e d i t o r e s , S p e d i z i o n i e r i , sind diejenigen Personen, welche den Advokaten und Prokuratoren bei dem mechanischen Theile ihrer Beschäftigung Hülfe leisten, ^welche also für dieselben die Gänge in die verschiedenen Bureaus besorgen, dort über einzelne Akte Rücksprache nehmen, die Skripturen vertheilen oder mit der Gegenpartei austauschen, auch einzelne der häufig vorkommenden schriftlichen Gesuche entwerfen a . ' d e L u c a 1. c. n. 9 7 f f . ; B a n g e n S. 6 8 ; P h i l l i p s 6, Ö53. •1 D i e Const. Benedict. X I I . cit. von 1 3 4 0 (Μ. B. 1, 2 0 9 ) ergiebt darüber freilich nichts näheres. 3 Und zwar nur zwei von ihnen zu deputirenilen bei Abhaltung der Kapelle im apostolischen Palaste, dem ganzen Kolleg bei andern öffentlichen Funktionen des Papstes. B a n g e n S. 6 8 . 69. 4 B a n g e n S. 68.

5 Nach der Const. Benedict. XIV. cit. Inter conspicuos. 2 8 müssen sie aber vor der Zulassung das Doktorat in beiden Rechten erworben haben. 6 B a n g e n a. a. 0 . 7 B a n g e n S. 7 0 . 8 A. a. 0 . 9 B a n g e n S. 71 ; P h i l l i p s 6, ÖÖÖ. Bei den Kurialbehörden kommen natürlich ähnliche Beamte vor.

496

I- Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 67.

IV. Eine höhere Stellung als diese nehmen die A g e n t e s oder A g e n t i ein, welche von einzelnen Parteien für einzelne Geschäfte oder auch nach Umständen, so von den Bischöfen oder Gesandtschaften angenommen werden, um deren Angelegenheiten bei der Kurie, namentlich durch persönliche Rücksprache an den geeigneten Stellen und unter Benutzung ihrer genauen Kenntniss des Kurial-Organismus und ihrer P e r sonal-Kunde zu betreiben F r ü h e r bedienten sie sich besonderer von ihnen besoldeter Spedizionieri für ihre untergeordneteren Geschäfte, seitdem aber die Einkünfte aus dieser blossen Agenzia geringer geworden sind, vereinigen sie die beiden Funktionen 2 . Wo es auf die Verhandlung kontentiöser Angelegenheiten ankommt, müssen sie sich der Advokaten und Prokuratoren bedienen, wenn sie nicht selbst, was häufig vorkommt, Titular-Advokaten s i n d 3 . V. Der Entwicklung der Notarien ist bereits oben gedacht (s. S. 375. 13Ii ff. 412) und ebenso ist dort die Stellung der Protonotarien besprochen. Was die ausser den letzteren heute in Rom vorkommenden Notarien betrifft, so sind diese entweder p r a k t i s c h e oder T i t u l a r - N o t a r i e n . Ein Theil der ersteren ist ständig gewissen Kurialbehörden, der Rota, der apostolischen Kammern, dem Tribunal des Auditors der Kammer und dem Vikariat zugetheilt. Bei den Kongregationen finden sich dagegen mit Ausnahme der Ritus - Kongregation keine ständigen Notare, vielmehr bedienen sich dieselben für die vorkommenden Akte ( z . B . die Zeugen-Verhöre) der sonst angestellten, welche in die einzelnen Stadtgegenden vertheilt, für das Publikum die Akte der s. g. freiwilligen Gerichtsbarkeit a u f nehmen. Die Titular - Notare sind diejenigen, welche zwar ihre Befähigung nachgewiesen haben, aber erst die Vakanz einer Stelle abwarten müssen und vielfach bis zur E r l a n gung einer solchen inzwischen bei andern Notaren als Hülfsarbeiter eintreten 4 .

§. 67. f . Die Capeila und die Familia des Papstes. I. Der Ausdruck Capellae pontificiae für die feierlichen gottesdienstlichen Versammlungen des Papstes und seines K l e r u s 5 kommt von der Bezeichnung des Ortes, wo jene Versammlungen gehalten wurden, der Capella magna h e r " . Diejenigen Geistlichen, welche an diesen Kapellen Theil zu nehmen haben, sind durch altes Herkommen bestimmt und ebenso ihre Rangordnung (der s. g. ordo sedendi in capella) geregelt". In neuerer Zeit hat letztere jedoch einige Abänderungen erfahren. Das Annuario pontificio von 1865 8 giebt folgende a n : 1 Β a n g e n a. a. 0 . ; P h i l l i p s 6, 5 0 6 ; Μ e.j e r in dercitirten Zeitschrift 2, 2 2 7 , welcher bemerkt: „Es ist eine e i g e n t ü m l i c h e Mittelstellung, in welcher diese Kurialen sich beiluden; denn gerade die schwachen Seiten des Organismus auszubeuten, von dem sie selber ein Theil sind, gerade die Nebenwege aufzuweisen, in Hinsicht der im Grunde missbräuchlichen Benutzung von Personalkenntniss denen a u s z u h e i l e n , die zu Rom etwas suchen und dadurch möglichst schnell, günstig und wohlfeil die erbetene Ausfertigung zu liefern, ist ihnen Bestimmung und Ehre". 2 M e j e r a. a. 0 . 3 B a n g e n a. a. 0 .

4

Vgl. über Alles B a n g e η S. 72. S. darüber oben 3 8 a. E . , wo auch die Literatur angegeben ist. ß Ordo Romano X V . c. 5 0 ( M a b i l l o n , mus. Italic. 2, 4 7 2 ) : „mane papa audit missam de feria qua dicta parat se more solito in camera sua, deiride vadit ad magnam capellam et ibi induitur sacris vestibus albi coloris; c. 5 7 . p. 4 7 6 . Vgl. P h i l l i p s 6, 4 3 8 . 7 C h r i s t . M a r c e l l i sacrar. cerimoniar. lib. III. s. 2. c. 1. 2 (bei H o f f m a n n , nov. biblioth. 2, 6 6 8 ff.) und die auf diesem beruhende Darstellung bei P h i l l i p s 6, 4 4 4 . 8 p. 3 4 3 . 5

Die Capella und die Familia des Papstes.

§· 67.]

497

Die nächste Stelle nach dem Papste nehmen die Kardinalbischöfe, Kardinalpriester und Kardinaldiakonen ein, dann folgen die Patriarchen von Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem, die anderen Patriarchen nach dem Datum ihrer E r wählung, die assistirenden Erzbischöfe und Bischöfe in derselben Reihenfolge, der Vicekämmerling der römischen Kirche, die am päpstlichen Throne assistirenden römischen Fürsten, der Auditor der apostolischen Kammer, der Schatzmeister, der Maggiordomo, die nicht assistirenden Erzbischöfe und Bischöfe, das Kollegium der participirenden Protonotare, die nicht participirenden Protonotare, der Archimandrit von Messina, der Commendatore von S. Spirito, der Regens der Kanzlei, der Generalabt der der Regular-Kanoniker des heiligen Erlösers vom Lateran, die General - Aebte der Mönchsorden, die Generale und Generalvikare der Mendikantenorden, der Magistrat von Rom, der Maestro del Sacro Ospizio, die Auditoren der Rota, der Maestro des päpstlichen Palastes, die clerici Camerales, die Votanten der Signatur, die Abbreviatoren des grösseren Parks. die am Altar assistirenden Ministri (der Sakristan des Papstes und die drei Domherren der drei Patriarchalkirchen S. Giovanni in Laterano, S. Pietro in Vaticano und S. Maria Maggiore), die Ceremonienmeister, die geheimen Kämmerer S. Heiligkeit und die geheimen Ehrenkämmerer, die Konsistorial-Advokaten, die geheimen und Ehrenkapläne S. Heiligkeit. II. Unter der F a m i g l i a p o n t i f i c i a versteht man diejenigen Personen, sowohl Geistliche als Laien ( F a m i i i a r e s , F a m i g l i a r i ) , welche für den persönlichen oder häuslichen Dienst beim Papst bestimmt oder der Hofhaltung desselben auch nur Ehrenund Auszeichnungshalber attachirt sind 1 . Je nach der Bedeutung der Stellung der Einzelnen gehören sie zu der Famiglia nobile oder zu der zweiten Ordnung oder endlich zu der Kategorie der niedrigen Aemter 2 . Schon im Mittelalter ist die Zahl der Famiiiares eine sehr bedeutende gewesen:1 und im Laufe der Zeit noch weiter vermehrt worden 4 . Zu der höchsten Klasse gehören die s. g. Palatinal-Kardinäle, der Prodatar, der Sekretär der Breven, der Staatssekretär, der Präfekt der apostolischen Paläste, der Sekretär der Memorialien, welche vermöge ihres Amtes der Person des Papstes besonders nahe stehen; ferner die Prälaten, welche die ersten Hofämter inne haben (wie ζ. B. der Magister sacri palatii), die Prälaten, welche participirende Kämmerer des Papstes sind, die prelati domestici, die überzähligen geheimen Kämmerer, das Corps der päpstlichen Nobelgarde, die anderen verschiedenen Kategorien der Kämmerer, die Offiziere der Schweizer- und der Palatinal-Garde, die wirklichen und Ehrenkapläne, der Architekt des Papstes, der geheime Truchsess desselben (Scalco segreto) und die Bussolanti (Begleiter der päpstlichen Sänfte) 5 . Die Famiiiaren besitzen eine Reihe von Privilegien und bei der grossen Anzahl der päpstlichen Beamten sind mehrfach darüber Deklarationen ergangen, welche Personen als Famiiiaren dieser Vorrechte theilhaftig sein sollten 6 . Mit der Umgestaltung der Verwaltung des päpstlichen Aerars und der päpstlichen Paläste unter P i u s VI., P i u s VII. und L e o XII. sind aber eine Reihe von Naturalbezügen für die Famiiiaren fortgefallen und überhaupt die Verhältnisse derselben vereinfacht worden 7 . 1

M o r o n i , dizionaiio 23, 2 7 .

2

L. c. p. 2 8 .

3

S. den Rotulus.

oben

S.

491.

n.

5

erwähnten

4 S. die Verzeichnisse vom 15. Jahrhundert ab bei M o r o n i 1. c. p. 5 4 . 6 6 . 7 6 . 108. 5 Annuario pontificio p. 3 6 7 . β M o r o n i 1. c. p. 6 0 . 7 L. c. p. 113 ff.

498

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§• 68.

C. Die nicht ständigen Gehülfen des Papstes, die Legaten und Nuntien*. §. 68.

I. Bis zum zwölften

Jahrhundert.

Wenn von katholischen Schriftstellern behauptet wird, dass der römische Stuhl das Recht, Gesandte in die verschiedenen Theile der Kirche zu schicken, von Anfang an ausgeübt h a t s o ist allerdings soviel richtig, dass sich schon für frühe Zeiten Beispiele von Absendungen päpstlicher Legaten aufweisen lassen, aber, dass diese von jeher neben den ständigen kirchlichen Oberen die Machtfülle des Primates ausgeübt haben, lässt sich nicht erweisen. Im Gegentheil muss, wenn anders die protestantische Auffassung, welche in dem Primat des Papstes nur ein allmählich entstandenes Produkt der geschichtlichen Entwicklung findet, begründet sein soll, sich der Nachweis führen lassen, dass die Bedeutung und Stellung der päpstlichen Legaten allmählich eine andere geworden und ihr Ansehen entsprechend den Phasen der Entwicklung des Papstthumes gewachsen ist. In der That kann, wie die nachfolgende Darstellung ergeben wird, diese Annahme vollkommen bewahrheitet werden 2 . I. D i e p ä p s t l i c h e n G e s a n d t e n a u f d e n e r s t e n a l l g e m e i n e n K o n c i l i e n u n d im O r i e n t . Katholischer Seits ist viel Scharfsinn aufgeboten worden, um nachzuweisen, dass schon der Bischof H o s i u s oder O s i u s von Kordoba Namens des Papstes dem Koncil von Nikäa (im J. 325) präsidirt habe :!. Allein wenn vielleicht auch die Behauptung noch für haltbar erklärt werden könnte, dass der genannte Bischof Vorsitzender des Koncils gewesen ist 4 , so sind die Gründe, welche für seine Qualität als Gesandter des römischen Bischofs und Stellvertreters des letzteren im Präsidium beigebracht werden, durchaus nicht überzeugend 5 . Ebensowenig erscheint die Annahme begründet, dass Hosius, dessen Vorsitz auf dem Koncil von Sardika im J . 343 freilich keinem Zweifel unterliegt", auch hier als Legat des Papstes aufgetreten ist 7 , vielmehr liegt mit Rücksicht darauf, dass diese Synode durch die Kaiser K o n s t a n t i u s und K o n s t a n s berufen worden ist 8 , die Vermuthung nahe, dass der gedachte Bischof in deren Namen das Präsidium geführt h a t 9 . * P. d e M a r c a , de concordia sacerdotii et imperii, lib. V. c. 19 ff.; Τ ho m as s i η , vet. ac. nova discipl. P. I. lib. II. c. 107. 108; c. 117. 119; v a n E s p e n , J. E. U. P. I. tit. 21. c. 1 2 ; Historisch-kanonische Abhandlung eines Ungenannten von den Legaten, Nuntien der Päpste, von ihren Schicksalen und ihrer Gewalt. 1786; A r m i n i u s S e i d , Abhandlung über das päpstliche Gesandtschaftsrecht. Athen 1787; B i n t e r i m , die vorzüglicheil Denkwürdigkeiten der christkatholischen Kirche. 3, 162 (Γ.; P h i l l i p s 6, 684 ff. 1 S. ζ. B. B i n t e r i m a . a. 0 . S. 164; P h i l l i p s , Lehrbuch des Kirchenrechts. S. 264. 2 Das Richtige fühlt P a c h m a n n §. 130, ohne das allerdings deutlich auszusprechen. 3 B a r o n i u s , annal. eccles. ad a. 325. n . X X . ; d e M a r c a 1. c. c. 3. n. 3 f f . ; unter den Neueren s. namentlich H e f e i e , Conciliengeschichte 1, 33, dem P h i l l i p s 6, 687 folgt. 4 Weil Hosius und die beiden römischen Priester Vitus und Vicentius zuerst unterschrieben haben. H e f e l e a. a. 0 . S. 36.

5 Der Bischof Gelasius von Cyzicus in der Propontis saec. V. in seinem σύνταγμα κατά τήν έ^ Νιν.αία άγίαν σΰ-^οδον παρεχθέντων II. 5 (Mansi 2, 806) giebt das freilich an; allein, dass er kein zuverlässiger Schriftsteller i s t , gesteht H e f e l e a. a. 0 . S. 252 selbst zu. S. überhaupt gegen die ganze Annahme S c h r ö c k h , Kirchengeschichte 5, 330 ff. Μ. E. erklärt sich die hervorragende Stellung, welche Hosius auf der Synode einnahm — und das ist das einzig sicher Nachweisbare — aus seinen engen Beziehungen zu Kaiser Konstantin. S. H e r z o g , Encyklopädie 6, 275. 276, wo sich eine kurze Uebersicht über den Stand der Kontroverse findet. β H e f e l e a. a. 0 . S. Ö23. 7 So meinen M a r c a 1. c. c. 4. n. 1; H e f e l e a. a. 0 . S. 523. 5 2 4 ; P h i l l i p s a. a. 0 . 8 G i e s e l e r , Kirchengeschichte. 4. Aufl. I. 2, 54; H e f e l e a. a. 0 . S. 511. 517. 9 Meint doch selbst H e f e l e S. 524, dass Hosius „von dein Papste und vielleicht auch von den Kaisern'· einen besonderen Auftrag gehabt habe. Der römische Bischof Julius ist durch die Priester

§. 68.]

Die nicht ständigen Gehülfen des Papstes bis zum 12. Jahrhundert.

499

Gerade seit Mitte des 4. Jahrhunderts beginnen die Versuche der römischen Oberhirten, gewisse Befugnisse einer oberen Leitung über die ganze Kirche auszuüben und die Verhältnisse auf der dritten ökumenischen Synode von Ephesus im J. 431 zeigen eine wesentliche andere Stellung des Papstes und seiner Gesandten 1 . Die Legaten C ä l e s t i n s I. erhielten den Auftrag, sich nicht in die Disputationen der streitenden Parteien zu mischen, sondern über die Ansichten derselben zu richten 2 , und Cyrill, der Patriarch von Alexandrien, welcher der Synode präsidirte, vertrat dabei ausser den schon gedachten, ebenfalls zur Synode deputirten Gesandten, auch die Stelle des Papstes 3 . Freilich traf hier das Interesse eines Theils der Orientalen, welche die Verurtheilung des Nestorius beabsichtigten, mit dem Cälestins, welcher dessen Lehre bereits auf einer römischen Synode im J. 430 verdammt hatte, zusammen. Zu der zweiten Ephesinischen (Räuber-) Synode vom J. 449 hatte zwar L e o I. auf Verlangen Kaiser Theodosius II. 4 gleichfalls Legaten abgeordnet5, aber der Kaiser hatte Dioskur von Alexandrien zum Präsidenten derselben ernannt 6 und unter dessen Vorsitz wurde auch die Synode eröffnet 7 . Mögen gleich, wie eine Quelle des 6. Jahrhunderts schliessen lässt, die Legaten den Vorsitz verlangt haben 8 . so wurde ihnen dieser nicht eingeräumt. Rechtlich anerkannt ist ein derartiger Anspruch des römischen Bischofs jedenfalls nicht gewesen, denn wenn man erwägt, dass, abgesehen von dem A r c h i d a m u s u n d P h i l o x e n u s , welche sich a u s drücklich in der U n t e r s c h r i f t des Synodalschreib e n s als seine G e s a n d t e n b e z e i c h n e n (s. Mansi 3 , 6 6 : „Hosius ab H i s p a n i a , J u l i u s Romae p e r Archidamum et Philoxenum presbyteros") vert r e t e n g e w e s e n . D a s s p r i c h t auch gegen die L e g a t e n - Q u a l i t ä t des H o s i u s , die M a r c a a. a. 0 . d u r c h K ü n s t e l e i e n d a n e b e n a u f r e c h t zu e r h a l t e n sucht. 1 Z u e r i n n e r n i s t h i e r , dass die S y n o d e von Sardika in i h r e n v i e l b e r u f e n e n c. 3 u . 5 (bei H e f e l e a. a. 0 . S . 5 3 9 . 5 4 6 , s. a u c h D e c r e t . G r a t i a n i c. 7 . C. V I . q u . 4 ; ' c . 3 6 . C. I I . q u . 6 ) d e m Bischof von Rom ein gewisses oberstrichterliches R e c h t z u g e s t a n d e n u n d dass schon I n n o c e n z I . i m J . 4 0 4 e p i s t . ad Victor. Rotomag. c. 4 ( C o u s t a n t . 7 4 6 ) den A n s p r u c h erhoben h a t t e : „Si m a jores causae in m e d i u m f u e r i n t d e v o l u t a e , ad s e d e m apostolicam . . . post i n d i c i u m episcopate deferantur". 2 S c h r e i b e n b e i - J a f f e reg. 11. 1 6 0 (Mansi 4, 5 5 6 ) : „Si q u i d e m et i n s t r u c t i o n e s q u a e vobis t r a ditae s u n t , hoc l o q u a n t u r , u t i n t e r e s s e c o n v e n t u i debeatis, ad d i s c e p t a t i o n e m si f u e r i t v e n t u m , vos d e e o r u m s e n t e n t i i s i u d i c a r e debeatis, non subire c e r t a m e n " . 3 A r t . I. conc. K p h e s . ( M a n s i 4 , 1 1 2 3 ) : synodo congregata i n E p h e s i o r u m metropoli e x decreto r e l i g i o s i s s i m o r u m et cliristianissimor u m i m p e r a t o r i b u s . . . religiosissimis et s a n c t i s simis episcopis Cyrille A l e x a n d r i a e , qui et Caelestini q u o q u e sanctissimi s a c r a t i s s i m i q u e Koman a e ecclesiae archiepiscopi locnm obtinebat et I u v e n a l i Hierosolymorum". . . Vgl. auch M a r c a 1. c. c. 4 . n . 4 f f . ; H e f e l e a . a. 0 . 1 , 3 1 . 2 , 1 6 8 . S. f e r n e r e p . Caelestini ad Cyrill, bei Mansi 4, 1 0 1 9 u . 5, 5 1 5 . 4 E p i s t . L e o n . 31 ad P u l c h e r i a m c. 4 (opp. ed. Ballerin. p . 8 5 6 ) ; H e t e l e a. a. 0 . S. 3 3 4 . 6 E p i s t . 13 ad E p h e s i n . s y n . 1. c. p . 8 6 3 . 9 6 5 : ..Religiosa excellentissimi principle fides . . . hanc

r e v e r e n t i a m divinis d e t u l i t i n s t i t u t i s , u t ad sanctae dispositionis e f f e c t u m a u c t o r i t a t e m a p o stolicae Sedis a d h i b e r e t , t a m q u a m ab ipso b e a t i s simo P e t r o c u p e r e t declarari quid in e i u s confessione l a u d a t u m s i t , q u a n d o d i c e n t e d o m i i i o : „ q u e m m e esse d i c u n t h o m i n e s fllium h o m i n i s " varias q u i d e m d i v e r s o r u m opiniones discipuli memorarunt . . . V e r u m quia . . . christianissim u s i m p e r a t o r haberi voluit episcopale concilium, u t pleniore iudicio omnis possit error aboleri, f r a t r e s nostros I u l i u m e p i s c o p u m , R e n a t u m p r e s b y t e r u m et fllium m e u m Hil&rum diaconem c u m q u e h i s D u l c i t i u m n o t a r i u m p r o b a t a e nobis ftdei misi, q u i v i c e m e a sancto c o n v e n t u i vestrae f r a t e r n i t a t i s i n t e r s i n t e t c o m m u n i vobiscum s e n t e n t i a q u a e domino sint p l a c i t u r a c o n s t i t u a n t " . Vgl. auch die f e r n e r e n Briefe Leos in der citirt. A u s g a b e n . 2 8 . 2 9 . 3 0 . 31. p . 8 3 7 . 8 3 9 . 8 5 1 . 8 5 7 u n d H e f e l e a. a. 0 . S. 3 3 4 . 3 3 5 . 3 4 6 ff. I n dem Briefe an d e n Bischof J u l i a n von Cos ( e d . Ballerin. n . 34. p . 8 7 0 ) : „per f r a t r e s nostres I u l i u m e p i s c o p u m et R e n a t u m p r e s b y t e r u m , sed et fllium m e u m diaconem H i l a r i u m quos e x l a t e r e m e o vice mea misi ad f r a t r e m n o s t r u m Flavian u m " . . . . auf welchen P h i l l i p s 6, 6 8 8 h i n weist, hat n a t ü r l i c h ex l a t e r e noch n i c h t die spät e r e t e c h n i s c h e B e d e u t u n g . Uebrigens ist i m m e r f e s t zu h a l t e n , dass, d a die G e s a n d t e n S t e l l v e r t r e t e r des römischen Bischofs waren, sie n i e m e h r B e f u g n i s s e h a b e n k o n n t e n als dieser selbst. D i e blosse T h a t s a c h e der D e p u t i r u n g von Legaten ist aber kein R e c h t des P r i m a t e s ; k o n n t e n doch die übrigen Bischöfe e b e n f a l l s d u r c h S t e l l v e r t r e t u n g mit einander verkehren. 6 M a n s i 6, 6 0 0 ; H e f e l e a. a. 0 . 2, 3 3 4 . ? H e f e l e S. 3 5 1 ff. s L i b e r a t i archidiaconi eccles. Carthagln. b i e v i a r i u m c. 12 ( M a n s i 9, 6 7 8 ) : „Ecclesiae Roinanae diaconi vices h a b e n t e s p a p a e Leonis assid e r e non passi s u n t eo quod non f u e r i t data p r a e sessio sanctae sedi eorum". S. dazu H e f e l e 1, 6.

500

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 68.

ersten Ephesinischen Koncil, auf welchem die vorhin gedachten besonderen Verhältnisse obwalteten, für die erwähnte Zeit eine dem römischen Stuhle günstige Praxis nicht nachweisbar ist, so kann die kaiserliche Ernennung des Dioskur zum Präsidenten jedenfalls nicht als Usurpation angesehen werden 1 . Erst als sich die Lage der Verhältnisse geändert, das mit den dogmatischen Anschauungen L e o s I. übereinstimmende Kaiserpaar M a r c i a n und P u l c h e r i a im J. 450 im oströmischen Reiche zur Regierung gekommen w a r 2 und L e o trotz seiner entgegenstehenden Auffassung sich mit der einseitig von Marcian erfolgten Berufung eines neuen Koncils einverstanden erklärt hatte 3 , gelang es die Ansprüche Roms im wesentlichen, wenn auch nicht in vollem Umfange durchzusetzen. Leo nahm für seine Legaten den Vorsitz in Anspruch 4 , aber wenn diese auch auf der demnächst zusammengetretenen vierten allgemeinen Synode von Chalcedon im J. 451 als die ersten Vertreter vor allen anderen Bischöfen erschienen und materiell die Versammlung und ihre Beschlüsse beherrschten 5 , so führten sie doch nicht formell das Präsidium, vielmehr mussten sie sich gefallen lassen, dass die bureaumässige Leitung der Geschäfte, also die der Abstimmungen, der Eröffnung und Schliessung der Sitzungen durch kaiserliche Kommissare gehandhabt wurde Wie prekär aber die Geltendmachung derartiger Ansprüche des Papstes im Oriente war und wie diese nur dann dort auf Anerkennung rechnen konnten, wenn dies im Interesse der Orientalen und des oströmischen Kaisers lag, zeigt der Umstand, dass die fünfte allgemeine Synode zu Konstantinopel im J . 553 dem Befehle J u s t i n i a n s gemäss, nachdem die vorgängigen Verhandlungen mit dem Papst Vigilius 7 gescheitert waren, ohne dessen Zustimmung eröffnet wurde und sogar auf Veranlassung des Kaisers die Kirchengemeinschaft mit ihm a u f h o b s , so dass Vigilius, welcher sich damals in Konstantinopel befand und mit der Strafe des Exils belegt wurde •'>, seine Aussöhnung mit dem Kaiser durch Anerkennung der wider seinen Willen abgehaltenen Synode erkaufen musste 1 0 . Als indessen im folgenden Jahrhundert Kaiser K o n s t a n t i n P o g o n a t u s den in Folge der monotheletischen Streitigkeiten gestörten Frieden durch eine Versammlung der Morgen- und Abendländer wieder herzustellen wünschte und deshalb mit Rom in 1 So fasst die Sache auf M a r c a n. 2 ; auch H e f e l e a. a. 0 .

1. c. c. 5.

2 H e f e l e 2, 375. 376. 3 A. a. 0 . 384 ff. 4 Epist. ad Marcian. ed. cit. n. 89. p. 1060': Sed quia TOS amore catholicae fidei congregationem nunc fieri voluistis, ne devoto obviare viderer arbitrio, fratrem et coepiscopum menm P a schasinum de eadem provincia quae videtur esse securior evocatuin, qui vicem praesentiae meae possit implere direxi, Bonifacio, fratre et compresbytero meo soc.iato et his quos antea miseramus adiunctis, consortem illis fratrem quoque meum Iulianum addentes episcopum . . . Quia vero quidam de fratribus . . . contra turbines falsitatis non valuere catholicam tenere constantiam, praedictum fratrem et coepiscopum meum v i c e m e a s y n o d o convenit p r a e s i d e r e " . . . S. auch H e f e l e S. 385. 5 H e f e l e 1, 28. 2 9 ; 2, 403, der sie nicht mit Unrecht die geistlichen Präsidenten der Synode

nennt, indem er sich dafür auf die eigenen Worte derselben in dem Brief an Leo (Ballerin. 1. c. 1,M089Jberuft: ,,σύ μεν, ώς κεφαλή (χελών, ή γ ε μόνευες έν τοις την σήν τάξιν έπέχουσι". 6 Η e f e 1 e 1, 29. 2, 402.403. Uebertreibungwar es daher immer, wenn Leo trotz des Einflusses, welchen er freilich unter ihm durchaus günstigen Verhältnissen auf der Synode gehabt h a t t e , an Rustikus und andere Bischöfe schrieb (1. c. n. 103. p. 1140): „Nam fratres mei qui v i c e m e a Orientali synodo praesederunt. ' H e f e l e 1, 1 2 ; 2, 828. 843. H e f e l e 2, 8 6 5 ; G i e s e l e r a. a. Ο. I. 2, 371. .9 H e f e l e 2, 793. 881. 10 H e f e l e 2, 8 8 i . Trotz aller dieser Vorgänge bemerkt M a r c a 1. c. c. 6. n. 4 : ,,Quintae synodo nullus interfuit legatus, quia Vigilius papa aderat Constantinopoli, quando concilium in ea urbe habebatur, quod ipse constitute suo, quam praesentia sua, maluit conflrmare'·. 8

§. 68.]

Die nicht ständigen Gehülfen des Papstes bis zum 12. Jahrhundert.

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Verbindung trat 1 , erhielten die Gesandten des Papstes Agatho auf der betreffenden — der sechsten allgemeinen — Synode zu Konstantinopel von 680 die gleiche Stellung wie auf dem von Chalcedon 2 . Auf dem siebenten ökumenischen Koncil von Nikäa im J. 787, welches auf Veranlassung der bilderfreundlichen Kaiserin I r e n e abgehalten wurde 3 , erschienen in Folge ihres Schreibens an Papst H a d r i a n I. ebenfalls Gesandte desselben, aber der Patriarch von Jerusalem war der eigentliche Leiter der Verhandlungen 4 . Wenn endlich auf der achten allgemeinen Synode zu Konstantinopel im J. 869, auf welcher die römische Kirche einen freilich nur vorübergehenden, aber immerhin glänzenden Triumph über die konstantinopolitanische feierte 5 , die Gesandten H a d r i a n s II. den Vorsitz führten 6 , so hatte zu dieser Konnivenz der zerrüttete Zustand der orientalischen Kirche, welchen Kaiser Basilius durch eine Wiederanlehnung an Rom beseitigen wollte, geführt 7 , andererseits zeigte sich aber hierin eine Folge der Machtstellung, welche Papst Nikolaus dem römischen Stuhle verschafft hatte 8 . Die Uebersicht über die Stellung der päpstlichen Legaten auf den acht ersten allgemeinen, im Orient abgehaltenen Synoden ergiebt den schlagendsten Beweis für die hier vertretene Auffassung, dass die Machtbefugnisse der Gesandten vollkommen von dem dem apostolischen Stuhle in der betreffenden Zeit zukommenden Gewicht abhängig waren. Gerade dieser Umstand, welcher sich besonders für die orientalischen Verhältnisse geltend machte, führte die römischen Bischöfe schon früh dazu, ausser diesen Legaten, welche immer nur für bestimmte Angelegenheiten, wenngleich auch so wichtige, wie die Vertretung des Papstes auf den allgemeinen Koncilien, deputirt waren, noch ständige Gesandte, s. g. a p o c r i s i a r i i , zu halten. Schon L e o I. hatte den Bischof Julianus von Cos zur Ueberwachung der orientalischen Verhältnisse, namentlich der Häresien, also in einer ständigen Kommission, an den kaiserlichen Hof nach Konstantinopel geschickt 9 . Hielten doch die orientalischen Patriarchen ebenfalls daselbst für die Besorgung ihrer Angelegenheiten solche ständige Gesandte (apocrisiarii)10. Das Gleiche gilt von ι H e f e l e 3, 226 ff. 2 H e f e l e 1, 12; 3, 237. 238. Das formelle Präsidium führte der Kaiser. Ungeschickt, aber richtig heisst es daher im liber diurnus n. LXXX1V. (ed. R o z i e r e p. 190) . . . sextum concilium . . . quod . . . deo votum . . . principle nostri domini Constantini clementer implente in urbe regia e o p r a e s i d e n t e celebratum est cui apostolicae recordationis Agatho papa per legatos suos et responsales praefuit". 3 H e f e l e 3, 410. 411. * H e f e l e a. a. 0 . S. 426. 427, welcher allerdings 1, 27 das Präsidium den päpstlichen Legaten vindicirt, aber doch bemerkt: „Uebrigens dürfen wir nicht verschweigen, dass trotz des Präsidiums der päpstlichen Legaten der Erzbischof Tarasius von Konstantinopel eigentlich die Geschäftsführung auf dieser Synode besorgt habe"; d. h. es ist den päpstlichen Gesandten, indem sie unter den Anwesenden zuerst aufgeführt wurden und zuerst ihre Unterschriften abgaben, nur ein Ehrenvorrang eingeräumt worden. 5 D ü m m l e r , Geschichte des ostfränk. Reichs 1, 693. 6 H e f e l e 1, 20. 26. Η i η s c h i u 9 , Kirchenvecht.

' H e f e l e 3, 346. 8 D ü m m l e r a. a. 0 . 9 S. namentlich ep. ad Marcianum Aug. ed. Baller. n. 111. p. 1, 1187: „Illud quoque clementiae vestrae benevolentiam peto, ut veneratorem nostrum fratrem meum Iulianum episcopum in vestro, sicut facere dignamini, habeatis affectu, cuius obsequils praesentiae meae vobis imago reddatur. Nam et de fldei eius sinceritate confldens v i c e m ipsi m e am contra temporis nostri haereticos d e l e g a v i atque propter ecclesiarum pacisque custodiam, ut a comitato vestro non abesset exegi". Vgl. über ihn auch die weiteren Briefe Leos n. 79 . 80. 81. 89. 90. 91. 92. 112. 113. 156 (p. 1036. 1041. 1042. 1061. 1065. 1066. 1189. 1190. 1325). 10 Nov. lustin. 6. c. 2 : „Sancimus itaque, ut si ecclesiastica quaedam causa incidat, illa vel per eos qui negotia sanctissimarum ecclesiarum gerunt, quos a p o c r i s i a r i o s vocant vel per clericos quosdam hue missos vel per oeconomos imperatori vel magistratibus nostris nota reddatur atque decidatur"; vgl. auch c. 3 und T h o m a s s i n 1. c. c. 108. n. 8 ff. Ueber die Bedeutung des Wortes apocrisiarius und des ihm gleichstehen33

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I. D i e Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

(§. 68.

dem Erzbischof von Ravenna 1 , welcher auch am Hofe des Papstes einen Responsalen hatte 2. Aus dem Liber diurnus ergiebt sich weiter, dass die Päpste einen solchen ständig bei dem Exarchen von Ravenna beglaubigten :l , ebenso lässt die Reihe der nachweisbaren Apokrisiarien am byzantinischen Hofe darauf schliessen, dass die vorhin erwähnte Bestellung des Julianus von Cos nicht ein vereinzeltes Beispiel der Art gewesen ist. Nach demselben kommen vor: unter A g a p e t l . (535·—536) der Diakon Pelagius 4 , unter S i l v e r i u s (536. 537) der Diakon, spätere Papst V i g i l i u s 5 , unter P e l a g i u s II. (578—590) ein ungenannter Archidiakon 6 und der spätere Papst Gregor I. 7 , unter letzterem (590 — 604) die Diakonen Sabinianus 8 und Bonifatius 9 . Auch M a r t i n I. (649—655) war früher Apokrisiarius in Konstantinopel gewesen 10 . Aus der Thatsache, dass einmal die zu solchen Gesandtschaften bestimmten Kleriker stets die ihnen etwa mangelnde Diakonatsweihe bekamen und dass ferner eine Anzahl späterer Päpste diese Stellung inne gehabt hatten, lässt sich auf das hohe Ansehen dieser päpstlichen Beamten schliessen. Eine Jurisdiktion im eigentlichen und späteren Sinne besassen sie aber nicht l f , vielmehr waren sie nur kirchliche diplomatische Vertreter des Papstes 12 , welche einestheils über die Zustände des Orients zu berichten, anderer-

den responsalis bemerkt D u F r e s n e D u C a n g e s. v. apocrisiarius: ,,Id porro nominis inditum legatis, quod άποκρίυεις seu response principum deferrent. Responsa enim non modo rescripta principum ad supplicantiuui libellos, sed etiam quaevis decreta et mandata appellabant". 1 Paschal. I. epist. ad archiepisc. Petronacium a. 819 ( M a n s i 14, 376). 2 Gregor. I. ep. V. 15 (opp. ed. Bened. 2, 739) : „recordare in missarum Romanarum, ubi Ravennas d i a c o n u s stabat et require ubi hodie stat et cognosces quia ecclesiam Ravennatem honorare desidero". Da ausschliesslich Diakonen zu apocrisiarii (s. die folgenden Noten) genommen wurden, so darf der hier genannte wohl als ein solcher betrachtet werden, um so mehr als sonst ein Grund für den ständigen Aufenthalt eines ravennatischen Geistlichen in Rom nicht erfindlich ist. So auch T h o m a s s i n 1. c. n. 16.

3 Ed. E. d e R o z i e r e n. LXIII. p. 124; s. auch oben S. 223. Vgl. ferner Gregor. 1. ep. ad espisc. Ravelin. V. 11. (p. 7 3 6 ) : ,,quia multi apud fraternitatis vestrae r e s p o n s a l e s saepius fuerunt, qui se fatentur, tale aliquid imniquam vidisse", und V. 15. 4 Liberati breviarium. c. 22 (Mansi 9, 6 9 5 ) : Constituens papa apud imperatorem apocrisiarinm ecclesiae suae Pelagium diaconum suum, dum in Italiam reverti disponit, Constantinopoli obiit". 5 Lib. pout, vita Silverii (ed. Fabrot. 2, 3 9 ) : „Tunc erat Vigilius diaconus apocrisiarius Constantinopoli". 6 Gregor. 1. V. 18. p. 7 4 2 : „et archidiaconum quem i u x t a m o r e m ad vestigia dominorum trail smiserat". 7 Gregor, dialog. III. 32 (opp. 2, 349): „Eo quoque tempore quo pro explendis responsis ecclesiae ad principem ipse transmissus sum"; III. 36. p. 358: „Nam dum iussione pontiflcis

mei in Constantinopolitanae urbis palatio responsis ecclesiasticis deservirem". 8 Greg. ep. ad Iohann. Constant. V. 18.p. 7 4 2 : „cum indignus ego ad ecclesiae regimen adductus sum et ante per a l i o s r e s p o n s a l e s m e o s et nunc per communem filium Sabinianum diaconum alloqui fraternitatem . . . curavi". S. auch IV. 47. V. 19. VI. 60. p. 725. 746. 837. 9 S. Gregor, ep. XIII. 38. unten Note 12. 10

Lib. pontif. vita Martini (1. c. p. 50): „Martinum qui hie erat apocrisiarius in regia urbe", wahrscheinlich unter Papst Theodor I. (642—649) vita Theodori 1. c. p. 49. " So behauptet anscheinend P h i l l i p s 6, 698. 12 Deshalb suchten die Päpste auch die Unterbrechung des diplomatischen Verkehrs dieser Art zum Druck auf den byzantinischen Hof zu benutzen, s. Greg, ad Phocam imperat. ep. XIII. 38. p. 1244: „Nam quod permanere in palatii iuxta antiquam consuetudinem apostolicae sedis diaconum vestra Serenitas non invenit, non hoc meae negligentiae sed gravissimae necessitatis l'uit, quia duui ministii omnes huius nostrae ecclesiae tam contrita asperaque tempora cum forinidine declinarent atque refugerent, liulli eorum poterat imponi, ut ad urbem regiam in palatio permansurus accederet. Sed postquam vestram clementiam . . . ad culmen imperii perveni.-se cognoverunt, ipsi quoque suadente laetitia ad vestra vestigia venire festinant, qui prius illuc accedere valde timuerant. Sed quia . . . lator praesentium qui primus omnium defensorum fuit, bene mihi ex longa assiduitate compertus est, vita, tide an moribus probatus, hunc aptum pietatis vestrae vestigiis esse iudicavi. Unde eum diaconum feci et sub celeritate transmittere studui qui cuncta quae in his partibus aguntur, invento opportuno tempore valeat clementiae vestrae suggerere''.

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Die nicht ständigen Gehiilfen des Papstes bis zum 12. Jahrhundert.

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seits aber auch den Kaisern die Ansichten des Papstes und auf Erfordern dessen Rath kund zu thun hatten 1 . In Folge des sich immer mehr verschärfenden Zwiespaltes zwischen den Byzantinern und Rom, sowie der zwischen dem Papstthum und dem Frankenreich angeknüpften Verbindung hörte die Sitte, Apokrisiare nach Konstantinopel zu senden, im Laufe des achten Jahrhunderts auf 2 . II. D i e L e g a t e n im A b e n d l a n d e b i s z u m 10. J a h r h u n d e r t . Eine Handhabe für die Ausübung einer gewissen Jurisdiktion durch Gesandte war den römischen Bischöfen schon früh durch das Koncil von Sardika vom J. 34 3 gegeben :l , indem dasselbe letzteren das Recht beilegte, auf die Appellation eines abgesetzten Bischofs mit der nochmaligen Untersuchung ausser den Bischöfen der benachbarten Provinz auch ' Wenn bei L i b e r a t u s , breviarium c. 2 3 (Mansi 9, 698) erzählt w i r d : „Post haec misit iinperator Pelagium diaconum et apocrisiarium primae sedis Romanae Antiochiam cum sacris suis, quibus praecepit, u t cum Euphraemio eiusdem urbis episcopo et Petrus Ilierosolymita et Hypatius E)jhesinus venirent Gazam et Paulo episcopo auferrent pallium eumque doponerent. P e lagius ergo profectus Antiochiam et inde Hierosolymam cum memoratis patriarchis et aliquantis episcopis venit Gazam et auferentes Paulo pallium deposuernnt eum", so geschah dies aus besonderem Auftrag des Vigilius. S. M a r c a 1. c. c. XVI. η. δ. c. XVII. n. 2 ff. Ebensowenig lässt sich eine Jurisdiktion der Apokrisiarien aus den Worten : „Hortamur porro vestram sacratissimam snmmitatem. u t quam primum mittat designatum ab ea apocrisiarium, u t is in regia et a deo conservanda nostra urbe degat et in emergentibus sive dogmaticis sive canonicis ac prorsus in omnibus ecclesiasticis negotiis vestrae sanctitatis exprimat et gerat personam" in dem Schreiben Kaiser Konstantins Pogonatus von 682 an den Papst (act. 18. conc. Constant. Mansi 11, 718) und aus der Antwort Leos II. (1. c. p. 7 3 5 ) : „Praesentis denique suggestionis exiguum portatorem, Constantinum snbdiaconum regionarium huius sanctae apostolicae sedis . . . dementia consueta dignum exceptione censeat vestra regalis magnauimitas eiusque snggestionibus aurem pietatis accommodet, u t autem ministrum dignanter snscipiat" herleiten. Die Schlussworte enthalten, wie der griechische T e x t : ,,ώί οιάχο-m άςίως ϊέξηται'· ergiebt, eine Bitte, den Gesandten obwohl er Subdiakon und nicht Diakon, doch als solchen, d. h. als Apokrisiar, anzuerkennen und aufzunehmen. 2 Nach dein in der vorigen Note gedachten Konstantin werden noch solche Gesandte erwähnt im Lib. pontif. vita Sergii I. (ed. cit. 2, 0 0 ) : „Huius itaque temporibus Iustinianus (II) imperator concilium (Quinisexta oder trullanische Synode im ,T. 692) in regia urbe iussit fieri, in quo et legati sedis apostolicae convenerunt et decepti subscripserunt". (Dass unter diesen Legaten nur Apokrisiarien verstanden werden können, darüber vgl. H e f e l e , Konciliengesch. 3, 2 9 8 ) ; ferner im J . 714 der Presbyter Michael, Theophan. Chron. a. 714 (ed. Corubeüs. Paris. 1655. p. 322). Wenn dagegen vita Zachar. 1. c. p. 78 erzählt: „Hic beatissimus vir iuxta ritum eeclesiasticum et üdei

suae sponsionem orthodoxam synodicam ecclesiae misit Constantinopolitanae simulque aliam suggestionem dirigens serenissimo Constantino principi. E t pergentibus a p o s t o l i c a e s e d i s r e s p o n s a l i b u s ad regiam urbem invenerunt . . . Post haec requirens (Constantinus) missum apostolicae sedis qui ibidem in tempore perturliationis contigerat adesse eumque repertum ad sedem absolvit apostolicam" (vgl. dazu P a p e n k o r d t , Geschichte Roms S. 83), so ist hier nur von einer vorübergehenden Gesandtschaft die Rede, wie denn auch die vita Vitaliani 1. c. p. 5 1 : „Hic direxit r e s p o n s a l e s suos cum synodica iuxta consuetudinem in regiam urbem apud piissimos principes, significans de ordinatione sua. E t dum suscepti essent renovantes privilegia ecclesiae reversi sunt" den Ausdruck: responsales in gleicher Bedeutung gebraucht. 3 c. 3 : · · · „Quodsi aliquis episcoporum iudicatus fuerit in aliqua causa et putat se bonam causam habere, u t iterum concilium renovetur: si vobis placet, sancti Petri memoriam honoremus, u t scribatur ab his qui causam examinarunt, Iulio Romano episcopo et si iudicaverit renovandum esse iudicium, renovetur et det iudices; si autem probaverit, talem causam esse, ut non refricentur ea quae acta sunt quae decreverit confirmata erunt. Si hoc omnibus placet? Synodus respondit: Placet", c. 5 : Osius episcopus dixit: „Placuit autem u t si quis episcopus accusatus fuerit et iudicaverint congregati episcopi re.üionis ipsius et de gradu suo eum deiecerint, si appellaverit is qui deiectus est, et confugerit ad episcopum Romanae ecclesiae et voluerit se audiri, si iustum putaverit, ut renovetur iudicium vel discussionis examen, scribere his episcopis dignetur qui in flnitima et propinqua provincia sunt, u t ipsi diligenter omnia requirant et iuxta fidem veritatis definiant. Quod si is qui rogat causam suani iterum audiri, deprecatione sua moverit episcopum ltomanum, u t d e l a t e r e s u o p r e s b y t e r u m m i t t a t (griech. T e x t : ,,άπο τοΰ ίδιου -λευροϋ πρεσβυτέρους άποστείλοι") erit in potestate episcopi quid velit et quid aestimet et si decreverit mittendos esse qui praesentes cum episcopis iudicent, habentes eins auctoritatem a quo destinati sunt, erit in suo arbitrio. Si vero crediderit episcopos sufflcere, ut negotio termiiiuiii iuiponant, faciet quod sapientissimo consilio suo iudicaverit'·. ( H e f e l e , a. a. Ο. 1, 539. 546.)

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I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 68.

gleichzeitig eigene Abgesandte zu kemmittiren. Erlangten diese Bestimmungen auch für den Orient so gut wie keine praktische Bedeutung, so wurden sie doch die Quelle des schon Anfang des 5. Jahrhunderts ausgesprochenen Satzes, dass in allen wichtigen kirchlichen Angelegenheiten der apostolische Stuhl in letzter Instanz zu entscheiden habe Auf Grund dieses Anspruches in Verbindung mit der für das Abendland gesetzlich ausgesprochenen Anerkennung des oberstrichterlichen oder Gesetzgebungs-Rechts des römischen Bischofs 2 konnten in der abendländischen Kirche Versuche gemacht werden, in einzelnen Fällen die prätendirte Oberhoheit durch Absendung von Legaten geltend zu machen. Durch die vorübergehenden Missionen einzelner Gesandten waren aber diese Ansprüche nicht durchzusetzen. Deshalb wurden seit Ende des 4. Jahrhunderts einzelne Bischöfe — so ζ. B. die Bischöfe von Thessalonich und Arles — als v i c a r i i a p o s t o l i c i mit der Ausübung der von den Päpsten geltend gemachten Primatialrechte betraut. Da aber diese Rechte wiederholt demselben Bischofssitze übertragen, also den Nachfolgern die desfallsigen Rechte ihrer Vorgänger bestätigt wurden, so entstand dadurch eine Art bleibender Zwischenstufe der kirchlichen Regierung, die s. g. Primatialwürde, von welcher besser später (§. 75) zu handeln sein wird. Im Abendlande kommen daneben freilich auch Gesandte vor, welche ebenso wie die zu den allgemeinen Koncilien des Orients deputirten nur mit besonderen, vorübergehenden Missionen beauftragt waren. Es gehört hierher ζ. B. die Sendung des Defensors Johannes unter Gregor d. Gr. im J. 603 nach Spanien zur Vornahme einer richterlichen Untersuchung 3 , die Deputirung des Abtes Cyriacus und des Bischofs Syagrius durch denselben Papst im J. 599 zur Unterdrückung der Simonie im Frankenreich 4 . » S. oben S. 494. η. 1. D u r c h die Const. Valentiniani I I I . a. 4 4 5 (Nov. Valentiniani I I I . t i t . 16 ed. H a e n e l p . 1 7 2 ) : , C e r t u m est, et nobis et imperio nostro u n i c u m esse praesidium in supernae divinitatis favore ad q u e m p r o m e r e n d u m praecipue Christiana fldes et veneranda nobis religio suffragatur. Cum igitur sedis apostolicae p r i m a t u m sancti Petri m e r i t u m qui princeps est episcopalis eoronae, et Rom a n a e dignitas civitatis, sacrae etiam synodi (von Sardika) llrmarit auctoritas, n e quid praeter auctoritatem sedis istius illicita praesumptio a t t e n t a r e n i t a t u r : t u n c e n i m d e m u m ecclesiarum p a x ubique servabitur, si rectorem s u u m agnoscat universitas . . . His talibus et contra imperii m a iestatem e t contra reverentiam apostolicae sedis admissis per ordinem religiosi viri urbis papae cognitione decursa c e r t a i n eum (Hilarius von Arles) e t de his quos male o r d i n a v e r a t , lata s e n t e n t i a est. E t erat quidem ipsa sententia per Gallias e t i a m sine imperiali sanctione valitura. Quid e n i m tanti pontificis auctoritati non liceret ? Sed nostram quoque praeceptionem haec ratio provocavit nec u l t e r i u s vel Hilario q u e m adhuc episcop u m n u n c u p a r i , sola m a n s u e t i praesulis p e r m i t t i t h u m a n i t a s nec cuiquam alteri liceat ecclesiasticis rebus arma miscere a u t praeceptis ß o m a n i a n tistitis obviare. Ausibus e n i m talibus fldes et reverentia nostri violatur imperii. Nec hoc solum quod est m a x i m i criminis s u m m o v e m u s , verum ne levis saltern i n t e r ecclesias t u r b a n a s c a t u r vel in aliquo m i n u i religionis disciplina videatur, hac p e r e n n i sanctione decernimus, ne quid tarn e p i scopis Gallicanis quam aliarum provinciarum contra consuetudinem veterem liceat sine viri vene2

rabilis papae urbis aeternae auctoritate t e n t a r e . Sed hoc illis omnibusque pro lege sit, quicquid s a n x i t vel sanxerit apostolicae sedis auctoritas,» ita u t quisquis episcoporum ad iudicium Romaiii antistitis vocatus evenire neglexerit, per moderatorem eiusdem provinciae adesse cogatur, per omnia servatis quae divi p a r e n t e s nostri Romanae ecclesiae d e t u l e r u n t . . . Unde illustris et p r a e clara magniflcentia t u a praesentis edictalis legis auctoritatem secuta faciet quae s u n t s u p e r i u s statuta servari" . . . Gegen E i c h h o r n , welcher K . R. 1, 77 diese Konstitution ihrer eigenen B e z e i c h n u n g entgegen ein Reskript n e n n t u n d ihr eine zu enge B e d e u t u n g beilegt, s. auch R i c h t e r K. R. §. 22. n . 3. 3 E p . X I I I . 4 4 (2, 1249). S. auch E p . II. 8 4 (p. 5 6 6 ) , wo der Mönch Hilarius m i t der E i n b e r u f u n g eines Koncils zur F ü h r u n g einer U n t e r s u c h u n g gegen einen Bischof b e a u f t r a g t wird. F ü r Sicilien lassen sich zwar sehr viele Fälle der Bestellung s. g. L e g a t e n n a c h w e i s e n ; diese gehören aber nicht hierher, da Sicilien dem römischen Stuhl durch den Metropolitan - Verband u n t e r g e h e n war u n d die Gesandten die desfallsigen Rechte des P a p s t e s auszuüben h a t t e n . S. S e n t i s , die Monarchia Sicula. Freiburg 1869. S. 8 f f . 4 E p . I X . 108. 109 (1. c. p. 1013. 1014). Ueber den Verlauf dieser A n g e l e g e n h e i t s. T h o m a s s i n , 1. c. c. 118. n. 2 ff. Dass aber auch Gregor d. Gr. es f ü r erforderlich hielt, sich wegen derartiger Gesandtschaften mit den F ü r s t e n in E i n v e r n e h m e n zu setzen, ergiebt ep. ad B r u n i childam X I . 69 (1. c. p. 1171) vom J . 6 0 1 : „Nam causa s u n t r u i n a e populi sacerdotes mali. Quis pro populi se peccatis intercessor obiciat, si

§. 68.]

Die nicht ständigen Gehülfen des Papstes bis zum 12. Jahrhundert.

505

Diese Gesandten sollten also schon eine oberstrichterliehe Gewalt, mithin einen Theil der päpstlichen Jurisdiktion, ausüben. In den folgenden Jahrhunderten mehren sich die nachweisbaren Beispiele dieser Art, So können z . B . angeführt werden die auf dem Koncil von Compiegne im J. 756 anwesenden Legatent, die mit der Berufung des Koncils von Metz in der Ehescheidungssache Lothars II. (im J. 862) beauftragten Abgesandten Nikolaus' I. 2 und der von letzteren in der gleichen Angelegenheit sowie in dem Handel Rothads von Soissons (im J. 865) nach dem Frankenreiche deputirte Arsenius 3 , und die gleichfalls von demselben Papst zur Untersuchung der Ansprüche des Ignatius und Photius (im J. 860) nach Konstantinopel geschickten Legaten 4 . Aus dem 10. Jahrhundert mag auf den Bischof Petrus von Orta, welcher als Legat der Synode von Altheim im J. 915 5 und den Bischof Marinus von Polimartium (Bomarzo), welcher in der gleichen Eigenschaft der von Ingelheim im J. 948 präsidirte hingewiesen werden. Ausser diesen Gesandten, welche zur Vertretung des Papstes in seinen kirchlichen Befugnissen bestimmt waren, kommen auch solche vor, welche politische Missionen zu erfüllen, ζ. B. also Verhandlungen mit den Langobardenkönigen und den Frankenkönigen zu führen 7 , den Regierungsantritt der Päpste anzuzeigen 8 hatten. sacerdos qui exorare debuerat, graviora committ a t ? Sed quoniam eos quorum est locus haec insequi nec sollicitudo ad requisitionem nee. zelus excitat ad vindictam, scripta ad nos vestra discurr u n t et personam si praecipitis, cum vestrae auctoritatis assensu transmittamus quae una cum aliis sacerdotibus haec et subtiliter quaerere et secundum deum debeat emendare". 1 c. 1 2 : „Georgius episcopus Romanus et Iohannes sacellarius sie consenserunt"; zu c. 1 5 . 1 6 . 21 kehrt dann die Bemerkung „Georgius consensit" nochmals wieder. S. L L . 1, 28. 29. 2 Die Bischöfe Rodoald von Porto und Johannes von Ficoclä. H e f e l e 4, 250 ff.; D ü m m l e r , ostfränkisches Eeich 1, 504 ff. Im Lib. pontiilc. vita Nicolai (ed. cit. 2, 215) werden sie als missi und sedis apostolicae legati bezeichnet. 3 Lib. pontifle. 1. c. p. 218. 2 1 9 : „Cum quo (Rothad von Soissons) et sanetissimus et a deo conservandus praesul tarn pro restitutione illius quam pro abolenda regis Lotharis copula et pace etiam et eoncordia regum Galliarum conservanda Arsenium episcopum, huius alinae sedis apostolicae apocrisiarium et missum illico destinavit quatenus reformata pace sanetae eos ecclesiae sinibus sine refragatione coniungeret et quaedain necessaria in Galliarum ecclesia ex apostolica traditione statuta diligentius et affluentius perageret". S. D ü m m l e r a. a. O. S. 568. 4 Epist. Nicojai I. ad univers. cathol. ( M a n s i 15, 160. 161): „Et quia inter cetera quae de schismate iam facto Constantinopolitanae ecclesiae hi qui missi fuerant, maxime eamdem ecclesiam ab iconomachis redivivam contentionem excitantibus asserebant vexari Christumque per singula conventicula blasphemari, duos episcoporum qui nobiscum erant quique ad hoc tantum faciendum opus idonei nobis esse videbantur (Rodoaldum scilicet et Zachariam) una cum ecclesia quae apud nos est, datis litteris Constantinopolim, t a n tum nimirum piaculum execrantes, e l a t e r e n o s t r o direximus, nihil eis iniungentes nisi ut tantummodo caussas Ignatii qui ante de ecclesia

pulsus quam ab aliquo accusatus extiterat, diligenter investigarent et sedi apostolicae plena et veraci relatione referrent". Wenn H e f e l e 4, 229 u n d D ü m m l e r 1, 498 darauf aufmerksam machen, dass der Ausdruck e latere zum ersten Mal vorkomme, so ist das unrichtig. Schon das Koncil von Sardika (s. S. 503. n. 3) u n d Leo I. ep. ad Iulian. episc. (ed. Ball. 33. 34. 1, 870) gebrauchen ihn; und überdies sind die hier in Rede stehenden Legaten keine legati e oder a latere in dem späteren, technischen Sinne des Wortes gewesen. Vgl. auch P h i l l i p s 6, 707. n. 32. 5 L L . 2, 5 5 5 : „congregata est generalis synodus Altheim in pago Retia, presente videlicet domni Iohannis (X) papae apocrisiario Petro sanetae Ortensis ecclesiae venerabili episcopo, misso ad hoc quatinus aliquo modo diabolica semina in nostris partibus orta extirpare et nefandissimas machinationes quorundam perversorum hominum sedare et eliminando purgare deberet". S. auch D ü m m l e r a. a. 0 . 2, 6 0 2 ; H e f e l e 4, 556. 6 LL. 2, 2 5 : „ . . . missus apostolicae sedis chartam suae legationis honorific« protulit, in qua pro debitae reverentiae dono Romano pontifici exhibendo commoniti sunt, ut universalis ecclesiae puppis exoptatae tranquillitatis portui secura succedat sequ3 procelloso tribulationum turbine vexari diutius non timeat. Signiflcatum est autem in eiusdem recitaminis s e n t e n t i a , praedictum Marinum ab ipso universali papa tali tenore ad nostros fines directum fuisse, quo in omni ecclesiasticarum legum discussioni i p s i u s e x i s t e n s v i c a r i u s quaecunque Uganda essent, apostolica auetoritate ligaret et quae solvenda viderentur, parili solveret potestate". 7 Liber pontifle. vita Zachar. (ed. cit. 2, 7 5 ) ; vita Stephani III. 1. c. p. 8 1 ; Stephani IV. 1. c. p. 99; Epist. Steph. I I I . ad Pippin, a 756. ( J a f f e ' , monum. Carol, p. 47. 54) a. 757 (1. c. p. 66), Pauli I. ep. ad eund. a. 758. o. 759. 1. c. p. 77. 8 S. oben S. 231.

506

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 68.

Die Befugnisse dieser Vertreter des Papstes richteten sich also immer nach den ihnen gewordenen Vollmachten und davon, dass mit der Ernennung zum Legaten ohne weiteres ein fest bestimmter Kreis von Rechten gegeben war, findet sich für die hier in Rede stehenden Zeiten noch keine Spur. Das Beispiel des Bonifacius zeigt dies am Auffälligsten. Zunächst als blosser Missionar und demnächst mit bischöflichen Vollmachten zur Verbreitung des Christenthums ausgesendet 1 , erhielt er später mit der erzbischöflichen Würde und dem Pallium die Vollmacht, Bisthümer zu errichten 2 , und erst nach Erledigung mannichfacher anderer Aufträge wurde ihm die Kathedrale zu M a i n z a l s fester Sitz angewiesen. Es lassen sich demgemäss für die gedachten Jahrhunderte verschiedene Klassen von Gesandten nicht nach juristischen, sondern nur nach faktischen Gesichtspunkten sondern. Sieht man von den Primaten oder Vikarien ab, so kann man nur die mit einmaligen Missionen betrauten Legaten von den ständig Deputirten, wie es die Apokrisiarien am byzantinischen Hofe waren 4 , scheiden. Bezeichnet werden die päpstlichen Gesandten in den Dekretalen selbst, also im offiziellen Sprachgebrauch, als m i s s i 5 , m i s s i a p o s t o l i c a e s e d i s 6 , der Liber pontificalis gebraucht den Ausdruck: missi und legati 7 , die fränkischen Annalen bedienen sich dagegen meistens des letzteren Wortes 8 . Seit Ende des 9. Jahrhunderts wird aber die Bezeichnung legati oder legati sedis apostolicae auch in päpstlichen Schreiben häufiger gebraucht 9 , ja sogar einmal auch mit dem Zusatz: e latere 1 0 ; 1 In dem Briefe Gregors II. an die Thüringer v. 722 ( J a f f e , moinim. Moguntina p. 80) heisst es über i h n : „Quem ad vos episcopum consecrat u m , in Sorte praedicationis destinavimus, apostolicis institutionibus informatum, ad instruendam fidem vestram". Vgl. auch den Brief 1. c. p. 79. 2 E p i s t . Gregorii I I I . ad Bonifac. 1. c. p. 92. u. 7 3 2 : „Quia vero turbas . . . eisdem partibus ad rectam iidem asseruisses conversas, nequire te occurrere omnibus: ea quae salutis sunt impendere aut intimare . . . precipimus: u t iuxta sacrorum canoniirn statuta ubi multitude excrevit fldelium ex vigore apostolicae sedis debeas ordinäre episcopos, pia tarnen contemplatione, u t non vilescat dignitas episcopalis". Schlechthin : Bonifatium, nostram agentem vicem n e n n t ihn Gregor in ep. ad episc. Boiar. 1. c. p. 103. Sich selbst bezeichnet Bonifazius als legatus, s. das Gratulationsschreiben an Papst Zacharias vom J . 742 ( J a f f e 1. c. p. 1 1 3 ) : „Et quia servus et legatus apostolicae sedis esse dignoscor" u. ep. ad. Stephan. III. a. 705 (1. c. p. 2 5 9 ) : „Bonifatius exiguus, legatus vel missus Germanicus catholicae et apostolicae liomanae ecclesiae 1 '. — Wenn übrigens Zacharias im J . 7 4 8 an ihn schreibt (I. c. p. 190) : „petisti, u t sacerdos a nobis dirigatur in partibus Eranciae et Galliae ad concilia celebranda. Sed dum deo propitio tua sanctitas superstis existit, qui sedis apostolicae et nostram illic praesentat vicem, alium illic dirigere necessarium non est"; so lag in seiner Stellung doch nicht ohne weiteres, wie B a l u z e bei M a r c a 1. c. c. XLI1I. n. 5 meint, die Befugniss, Koncilien abzuhalten. 3 Epist. Zachar. ad Bonifac. a. 751. 1. c. p. 2 2 7 : „Igitur dum in Germania provincia tua fratorna sanctitas ad praedicandum fuisset directa a s. record, praedccessore nostro doinno Gregorio

papa et post inchoatum opus et aliqua ex parte spiritaliter aedificatum Borna reversus, ab eo episcopus ordinatus et illic ad praedicandum denuo remissus es et elaborasti deo praevio nunc usque per annos 25 in eadem praedicatione ex quo episcopatum suscepisti. Sed et in provincia F r a n corum n o s t r a v i c e concilium habuisti . . . E t dum in his piis operibus occupata esset t u a s a n c t a fraternitas, nunc usque cathedralem sedem sibi minime vindicavit. . . idcirco auctoritate b. Petri apostoli sancimus, u t supra dicta ecclesia Moguntina nunc atque etiam perpetuis temporibus tibi et successoribus tuis metropolis sit conflrmata'·. 4 Wenn P h i l l i p s 6, 705 den schon zu Compiegnc als Legaten anwesenden Bischof Georgius von Ostia später als Apokrisiarius an den Hof Pippin geschickt sein lässt, so ist das irrig, Pippin hielt ihn n u r im eigenen Interesse zurück. S. Pauli I. ep. ad Pippin, a. 761 u n d a. 764— 766. ( J a f f e - 1 . c. p. 94. 132.) 5 S. die S. 505. n. 7 citirten Briefe Stephans III. u n d Pauls I . ; s. f e r n e r Ioannis VIII. ep. ad Carolomann. a. 879 ( M a n s i 17, 125). 6 E p . Ioann. VIII. ad Carol. Calv. a. 877 ( M a n s i 17, 29). 7 Vita Iladriani I. I. c. 2, 99 und die früher citirten Stellen. 8 S. oben S. 231. n. 6 ; S. 232. η. 1. Ep. Ioanti. VIII. ad Basilium a. 879 ( M a n s i 17, 138); ad archiepisc. et episc. Ludovici a. 876 (1. c. p. 2 3 0 ) ; ad comites a. 876 (1. c. p. 233). Vereinzelt findet es sich schon in Leon. II. ep. ad Constantin. imper. ( M a n s i 11, 35). 10 Ep. Ioann. VIII. ad quemdam ( M i g n e , patrol. 124, 9 1 9 ) : . . . „legatos sane e latere nostro plene instructos direximus" . . . In ep. Ioannis XIJI. und Bcncd. VI. ad archiep. Trevirens. a. 969 u. a. 975 ( l i o n t h e i m , hist. Trevir.

§. 68.] endlich vor i .

Die nicht ständigen Gehiilfen des Papstes bis zum 12. Jahrhundert. kommt

der Ausdruck:

apocrisiarius

et

missus

ebenfalls

mehrere

507 Mal

Diejenigen Personen, welche mit Gesandtschaften betraut wurden, waren in den meisten Fällen, namentlich seit dem 8. Jahrhundert, Bischöfe 2 . Es finden sich aber auch Presbyter 3 , Diakonen 4 , Subdiakonen 5 , verschiedene Palatinalrichter 6 , Bibliothekare 7 , Scriniare 8 , Aebte!J und andere Personen 10 in der Funktion als Legaten. ΠΙ. D i e Z e i t G r e g o r s VII. Hatte schon Nikolaus I. durch seine Gesandten im Gegensatz zu früheren Zeiten, wo die Päpste wichtige Aufträge und Missionen nicht ohne Einvernehmen mit den weltlichen Herrschern vollziehen Hessen n , in die politischen Angelegenheiten des Frankenreichs und in die feststehenden Gerechtsame der Bischöfe einzugreifen gesucht 12 , so trat das Bestreben der Päpste, überall durch Legaten einzuschreiten und so ihre Machtbefugnisse auf Kosten der ordentlichen Regierungsorgane in den einzelnen kirchlichen Kreisen zu erweitern, noch schärfer hervor, als das Papstthum die Kraft in sich fühlte, den Kampf mit den deutschen Kaisern aufzunehmen und in seinem Sinne eine Reformation der Kirche eintreten zu lassen. Während die Absendung von Legaten im 10. Jahrhundert verhältnissmässig selten vorkommt 13 , 1, 30 u. M a n s i 19, 46) heisst e s : „ut Treverensis praesul post quemlibet o r d i r i a r i u m l e g a t u m apostolicae sedis in Galliam Germaniamque destinatum primum inter alios pontificem locum obtineat". Unter Ordinarius legatus kann hier nur ein vom Papst gesandter Legat verstanden sein im Gegensatz zu den ständigen Vikarien, resp. Primaten, deren Würde an einen bestimmten liischot'ssitz geknüpft war. ' 8. vita Nicolai!. ( S . 505. n. 3), ep. loann. VIII. ad Boson, a. 876 ( M a n s i I. c. p. 9 ) ; ad Landulf a. 876 (1. (·,. p. 1 0 ) ; ad episc. Bitur. a. 876 (1. c. p. 13); ad Carol. Calv. a. 876 (1. c. p. 2 1 ) ; syn. Altheim. (s. S. 505. n. 3). 2 S. den Text S. 505 und die eben citirten Briefe Johanns VIII. 3 Lib. pontif. vita Gregorii III. Georgius presbyter (1. c. p. 71) und Sergius presbyter, J a f f « , reg. η. 1 7 3 2 ; Anastasius presbyter. Kp. Gregor. III. ad episc. Tusc. a. 740 ( M a n s i 12,286). 4 Vita Stephani III. p. 81. Paulus diaconus; ep. Hadrian! I. ad Carol, a. 7 8 1 — 7 8 3 ( J ä f f t ? , nioiiuin. Carol, p. 228) Agatho diaconus. Darüber, dass die apocrisiarii am byzantinischen Ilof Diakonen waren, vgl. S. 502. 5 Vita lladriani I. ρ. 9 9 : Gemmulus subdiaconus'; ep. Gregor. III. ad episc. Tusc. cit. (Mansi 12, 286). Adeodatus subdiaconus regionarius; Kinhardi ann. a. 823 (SS. 1, 211). β Vita Stephani III. p. 8 1 : Anastasius primicerius ; Einhardi ann. a. 821 (SS. 1, 2 0 8 ) : Theodorus primicerius; 1. c. a. 828. p. 2 1 7 : Quirinus primic-erius. — Vita Stephani IV. p. 9 4 : Sergius seoundieerius. — Conc. Compend. cit. (s. S. 505. η. 1): loliannes saccellarius. — Vita Zaehariae p. 7 7 : Ambrosius primicerius notariorum, vita lladriani I. p. 9 9 : primus defensor. — Einhardi ann. a. 221. 2 2 8 (SS. 1, 208. 2 1 7 ) : Leo und Theophylactus nomenculator. 1 Einhardi aim. a. 823 (SS. 1, 2 1 1 ) : Sergius bibliothecarius. 8 Liudprand. hist. Otton. c. 1 (SS. 3, 340). « Gregor. I. ep. IX. 108. 109 (s. oben S. 504). 10 P h i l l i p s 6, 708 weist noch Regionar-

notare, Regionardefensoren, einfache Kleriker, einen mansionarius basilicae s. Petri und eine Reihe weltlicher Grossen, consules, duces, magistri militum als päpstliche Gesandte nach. 11 So ζ. B. die Mission des Bonifazius B a l u z e bei M a r c s 1. c. X L I I I . n. 3 ff. Ein früheres Beispiel bietet der lirief Gregors I. an Brunhild (s. S. 504. n. 4). Ich kann natürlich hier nicht die Geschichte des Verhältnisses zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt, die Stellung des Papstes zu den Synoden und ähnliche, auch für den hier in Hede stehenden Gegenstand wichtige P u n k t e besprechen. E s möge daher genügen, auf B a l u z e bei M a r c a 1. c. c. X L V . u n d D ü m m l e r a. a. O. 1, 567 ff. 572 . 577. 652 ff. hinzuweisen, und daran zu erinnern, dass sich schon in dieser Zeit die ersten Spuren der Wirksamkeit der pseudoisidorischen Dekretalen zeigen. 13 S. oben S. 505 und P h i l l i p s 6, 711, wiewohl freilich Gregor VII. ep. II. 75. a. 1075 ( J a f l ' o , monum. Gregor, p. 199) für seine Zeit klagt: „Apud antecessores nostros iuris et consuetudinis erat, caritativis Iegationibus docere viam domini universas nationes, corripere in his quae arguenda erant omnes reges et principes et ad aeternam beatitudinem cunctos invitare legalibus disciplinis . . . Nunc vero reges et praesides terrae contemptores facti ecclesiasticae legis qui amplius iustitiam servare et eam defendere debuerant, ad tot irrogandas ecclesiae contumelias devenerunt, . . . u t fere iam quiescentibus Iegationibus nostris quoniam pene sine fructu videntur, verba nostra tantummodo orando convertamus ad dominum regum et dominum ultionum". Beispiele aus dem 11. Jahrhundert bieten die Sendungen Hildebrands im J . 1054 ( H e f e l e , Konciliengeschichte 4, 738), ferner die PetersDamiani nach Frankreich Alex. II. ep. ad Gervasium etc. a. 1063 (Mansi 19, 9 5 8 ) : „Quoniam igitur pluribus ecclesiarum negotii occupati, ad vos ipsi venire non possumus, talem vobis virum destinare curavimus quo nimirum post nos maior in Romana ecclesia auctoritas non habetur, Petrum videlicet

508

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

bediente sich G r e g o r Pläne.

Seine Legaten

[§. 68.

V I I . ihrer sehr häufig als Werkzeuge zur Durchsetzung seiner interdiciren Bischöfe 1 , entscheiden

Streitigkeiten

zwischen

kirchlichen Personen und delegiren ihre desfallsigen Befugnisse 2 , werden mit einer allgemeinen Visitations - und Korrektionsgewalt b e t r a u t e r h a l t e n Vollmacht über die Nothwendigkeit der Bestellung eines Nachfolgers für erkrankte Bischöfe zu befinden 4 , Kriminalverbrechen der Bischöfe zu untersuchen 5 , Koncili'en zu versammeln6, ja selbst Könige zu exkommuniciren 7 .

Aber nicht nur einzelne Angelegenheiten

kommittirte

Gregor V I I . seinen Gesandten, sondern er übertrug die päpstliche Machtvollkommenheit in seinem Sinne auch einzelnen Legaten oder Vikarien für ganze Länder, so für Deutschland an Altmann von Passau 8 , für Frankreich an Hugo von Die 9, für Spanien, das Narbonnensische Gallien und die Gascogne an Amatus von Oleron 10 .

Endlich

dienten ihm seine Legaten dazu, mit entfernteren Reichen, ζ. B. Dänemark, Ungarn und Russland Verbindungen anzuknüpfen 11 .

Das Ansehen und die Autorität seiner

Gesandten suchte Gregor V I I . dadurch zu sichern, dass er in den von den Bischöfen zu leistenden Eid auch das Versprechen des Gehorsams gegen die Legaten aufnehmen liess 12 .

Seine Auffassung von der Stellung der letzteren hat er selbst in dem s. g.

dictatus dahin formulirt: »Quod legatus eius (papae) omnibus episcopis praesit in concilio, etiam inferioris gradus et adversus eos sententiam depositionis possit dare« 1 3 . Bei G r e g o r V I I . ist die Bezeichnung legatus jetzt die weitaus gebräuchlichste, für die mit der päpstlichen Gewalt für einzelne Länder betrauten Gesandten kommt auch die Bezeichnung: vicarii v o r 1 4 , und mit legatus überhaupt gleichbedeutend einige Male das W o r t : nuncius 15. Ihrer kirchlichen Stellung nach sind die Legaten Gregors V I I . Kardinalbischöfe 16 , Kardinalpriester

17,

Kardinaldiakonen

18,

Subdiakonen der römischen Kirche

Damianum Ostiensem episcopum qui nimirum et noster est oculus f t apostolicae sedis immobile flrmamentum. Huicitaque v i c e m n o s t r a m p l e n o i u r e c o m m i s i m u s , ut quidquid in illis partibus, deo auxiliante statuerit, ita ratum teneatur et flrmum, ac si speciali nostri examinis fuerit sententia promulgatum''. V g l . ferner ep. U r bani I I . ad Hugon. archiepisc. Lugdun. a. 1094 ( B o n q u e t , recueil 14, 758). ι E p . I I . 23. 2 4 ( J a f f e 1. c. p. 136). 2 E p . I I . 25 (1. c. p. 137). I V . 17 f l . c. p. 265). 3 E p . I V . 26 ( p . 281). I I . 40 ( p . 154). * E p . V . 19 ( p . 315). 5 E p . V . 20 ( p . 316). 6 S. oben S. 154 u. ep. II. 28 ( p . 140). I V . 22 (p. 273). ' I V . 23 ( p . 275). 8 E p . V I I I . 33 ( p . 4 8 4 ) : „Quia vicem nostram in Teutonicis partibus prudentiae tuae commisimus, discretionem tuam monemus". 9 E p . I V . 18 ( p . 2 6 6 ) : „quia sicut confrater noster Hugo Diensis episcopus, cui vices nostras in Galliarum partibus agendas commisimus, illum excommunicavit, sie et nos exeommunieavimus"; ep. V I I I . 19 ( p . 4 5 0 ) : „Pro quibus ipse (Manasse archiepiscopus Remensis) in Lugdunensi concilio cui frater et v i c a r i u s noster Hugo Diensis episcopus praeerat, eodem dictante cunctisque fratribus religiosis qui aderant. assentientibus depositionis sententiam meruit".

19 ,

aber

10 E p . ad incol. Narbon. Galliae etc. a. 1077 (1. c. p. 5 4 7 ) : „Proinde horum portitorem, venerabilem confratrem nostrum Amatum episcopum ad partes vestras dirigimus ut quae ibi vitia eradicanda sunt a fundamento evulsis, plantaria virtutum deo auetore sollerti vigilantia plantare procuret. Quem sicut n o s t r a m , i m m o b e a t i P e t r i p r a e s e n t i a m vos suseipere apostolica auetoritate iubemus ac sie pro reverentia apostolicae sedis, cuius nuncius est, vos in omnibus sibi obedire atque earn audire mandamus ut propriam faciem nostram seu nostrae vivae vocis oracula".

11 Ep. I I . 51. 63. 74 ( p . 167. 183. 198). 12 E p . V I . 17. a. ( p . 3 5 5 ) sacramentum archiepiscopi Aquileiensis : „ L e g a t u m Romanum eundo et redeundo honorifice tractabo et in necessitatibus adiuvabo". S. auch den E i d Roberts II. von Cbartres ibid. III. 17. a. p. 232. 233. 13 L . c. I I . 55a. p. 174. I i S. n. 9. is E p . I. 17. p. 3 0 ; I I . 40. 74 (p. 154. 199) und ep. ad incol. Narbon. cit. p. 547. Sich selbst nennt Hugo von D i e einmal auch S. R . E . apocrisiarius, s. epist. ad Radulf. arch. Turon. a. 1075 ( B a i u z e , misc. ed. Mansi 3, 53 und M i g n e , patrol. 157, 507). 16 E p . I I . 2 3 — 2 5 . η E p . V . 21. V I I . 6. 18 Ep. I V . 23. 26. 19 E p . V . 19.

§. 68.]

Die nicht ständigen Gehülfen des Papstes bis zum 12. Jahrhundert.

509

auch Bischöfe 1 , Aebte 2 , ja selbst einfache Mönche 3 . Dagegen, dass die Legaten, um die volle Repräsentation des Papstes zu haben, nothwendig aus der römischen Kirche selbst genommen sein müssten, hat sich der gedachte Papst sogar ausdrücklich in einem überhaupt für seine Auffassung des Rechtes zur Absendung von Legaten höchst interessanten Schreiben verwahrt 4 . In den Worten desselben Briefes: »quibus Romanus pontifex a l i q u a m l e g a t i o n em iniungat vel quod maius est, v i c e m s u a m indulgeat«, wird ferner schon der Unterschied zwischen zwei verschiedenen Klassen von Gesandten angedeutet, nämlich zwischen denen, welche mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten betraut wurden, also nur hinsichtlich dieses Punktes den Papst repräsentirten, und solche, welche als s. g. vicarii in einem grösseren Distrikt die päpstliche Machtvollkommenheit ausübten, und wegen der Verschiedenartigkeit der möglicher Weise vorkommenden Angelegenheiten eine ausgedehntere Gewalt besitzen mussten. Wie weit diese reichte, darüber hat sich in diesen Zeiten noch keine feste Regel gebildet, die Vikarien sind aber schon damals, wie das Schreiben Gregors zeigt, als die eigentlichen Vertreter des Papstes betrachtet worden, mussten also im Zweifel auch schon damals für ihren Distrikt alle demselben zustehenden Rechte handhaben können. Von den früher vorkommenden Vikaren und Primaten unterscheiden sie sich dadurch, dass ihnen ihre Befugnisse nur persönlich und nicht ständig übertragen waren und dass diese selbstverständlich zur Zeit Gregors materiell auch umfangreicher und grösser als in den früheren Jahrhunderten sein mussten 5 . Suchte sich der Papst auch der Mitwirkung der weltlichen Fürsten zur Durchführung seiner Pläne zu versichern 6 und diese für die Unterstützung seiner Legaten zu gewinnen, so war er doch andererseits weit entfernt davon, ersteren ein Recht auf Gestattung oder Verhinderung einer beabsichtigten Legation zuzugestehen, vielmehr vindicirt er sich die Befugniss, diese auch wider ihren Willen durchzuführen 7. 1 Ep. IV. 17 und die Anführungen ira Text über die Vikarien für einzelne Länder. 2 Ep. II. 40. IV. 28. 3 IV. 17. 4 Ep. VI. 2 ad Manassem archiepisc. Roman, p. 3 2 3 : „Haec autem omnia ad id praemissa noveritis quia petitis in litteris vestris, ne adversus Privilegium quod ab hac apostolica sede vos habere fatemini, cogamini nisi soli michi aut R o m a n i s l e g a t i s super obiectis quibuslibet respondere. Quodsi vos R o m a n o s l e g a t o s intelligere videremini quoslibet cuiuslibet gentis, quibus Romanus pontifex aliquam legationem iniungat vel quod maius est vicem suam indulgeat, et laudaremus sane petita et petitis libenter annueremus. Sed quia praemittendo: Romanis continue subiungitis: non u l t r a m o n t a n i s ostenditis, vos tantum eos velle Romanos habere legatos qui vel Romae nati vel in Romana ecclesia a parvulo educati vel in eadem sint aliqua dignitate promoti. Miramur nimium prudentiam vestram eo usque perductam ut precaremiui: benevolentiam nostram iura sedis apostolicae debere imminuere; idque nobis in solius vestri negociis non debere licere quod in negociis omnium praedecessores nostri sine omni contradictione et licitum et legitimum tenuere. Nostis enim: et Osium episcopum in Niceno (s. oben S. 498) et Cirillum in Ephesino concilio (s. S. 500) Romanorum vice

eisdem concedentibus functos fuis?e pontiflcum; Syagrio quoque Augustudunensi episcopo Lugdunensis antistitis suffraganeo, sanctum papam Gregorium celebrandi generalis in Gallia concilii vicem suam legato indulsisse. Sed quid haec de episcopis loquimur, cum idem sanctus papa monachum quemdam Hylarum nomine in Affricae partibus litterarum suarum auctoritate fultum usque adeo suum fecerit vicarium ut per eum ibidem concilium generale celebraretur et quicquid synodus sancta decerneret, ad finem eo exequente perduceretur(s. S. 504. n. 3). Ne igitur ad tantum velit culmen vestra fraternitas erigi, ut quae in causis omnium Romanis pontificibus rata fuerunt et licita, in vestri solius causa irrita velitis et illicita reddi". 5 So legt ihnen Gregor im Diktatus das Recht der Absetzung der Bischöfe bei. S. oben im Text S. 508.

6 Vgl. oben S. 154. 7 Ep. IV. 22(p. 273): „admonemusfraternitatem tuam, ut concilium in partibus illis convocare et celebrare studeas, maxime quidem cum consensu et consilio regis Francorum, s i f i e r i p o t e s t . Sin autem aliqua occasione id consentire noluerit, in Lingonensi ecclesia conventum celebrandi concilii instituas". Vgl. auch ep. II. 75 (S. 507. n. 13).

510

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§· 68.

So gewichtig auch die Stellung der Legaten nach aussen war, hatten sie doch dem Papst gegenüber nur die Bedeutung von Werkzeugen, welche ihm über alle ihre Handlungen berichten mussten und deren Massnahme er nach Umständen zu bestätigen oder zu vernichten, sich das Recht zuschrieb l . Unter den folgenden Päpsten finden sich dieselben Anschauungen wieder. Die Allgewalt der Legaten gegenüber den kirchlichen Lokaloberen, welche freilich schon zur Zeit Gregors VII. gegen die Beeinträchtigung ihrer Stellung mitunter Opposition erhoben hatten 2 , wird unter P a s c h a l i s II. nur noch schärfer hervorgehoben 3 und darauf hingewiesen, dass der Gehorsam gegen den apostolischen Stuhl auch die Achtung seiner Legaten in sich schliesse 1 . Die Bestallung von Legaten für ganze Länder, also die Deputiiung s. g. vicarii kommt gleichfalls noch vor; so hat P a s c h a l i s II. den Bischof Girard von Angouleme im J. 1108 »per Bituricensem, Burdegalensem, Auscitanam, Turonensem atque Britannicam provincias« zum Vikar bestellt 5 und K a l i x t II. im J. 1120 ihm diese Vollmachten erneuert Neben diesen erscheinen natürlich auch die mit bestimmten Aufträgen versehenen Legaten 7 , für welche noch jetzt vereinzelt der Ausdruck: apocrisiarius gebraucht wird 8 . Seit G r e g o r VII. ist das Recht der Legaten auf Unterhalt seitens der Kirchen (procuratio) des ihnen angewiesenen Distrikts anerkannt '•>, aber bald tauchen eine ganze ι Ep. I. 1 6 ( p . 2 8 ) : „Miramur et multum anxii sumus, quod — cum semper consuetum et valde necessarium fuerit, u t si quando legatus apostolicae sedis concilium in remotis partibus celebraverit, sine mora ad annunciandum omnia quae egisset reverteretur — tua fraternitas post peractain synodum in qua tot negocia emerserunt nec ad nos rcdiit nec cum qui secum est, considerata vel necessitate vel nostra expectatione remisit. Nobis equidem gratum est, quod pro negoeiis sanetae Romanae ecclesiae in Uyspaniis profectus es, sed debuerat prudentia tua aut illum quem tibi a d i u i m m u s aut aliquem qui synodo interi'uisset quique omnia vice tua rationabiliter expedire sciret ad nos direxisse, quatinus perspectis omnibus confirmanda confirmaremus et siqua mutanda viderentur discreta ratione mutaremus". Beispiele der Kassation von durch Legaten vorgenommenen Akten in ep. VI. 7 und VIII. 28. p. 336. 478. - E p . II. 28 ad Lemarum archiepisc. Bremensem (p. 1 4 0 ) : „Legatis quippe nostris Uberto Praenestinensi et Giraldo Ostiensi episcopis — quos ad partes illas ad id destinavimus, u t in nimm archiepiscopis episcopis abbatibus religiosisque clericis convocatis vice et auetoritate nostra fulti quae corrigenda essent corrigerent quae religioni addenda adderent — p r o v i r i b u s impedisti. Ad h a e c u t et c o n c i l i u m fieret, impedisti". 3 Ep. ad Henric. Anglor. reg. a. 1115 (Mansi 20, 1067): „Universum si quidem terrarum orbem dominus et magister noster suis diseipulis dispertivit, sed Europae lines Petro singulariter commisit et Paulo. Nec pro eorum tantum, sed per successorum diseipulos ac legatos Europae universitas conversa est et conflrmata. Unde usque ad nos, licet indignos eorum vicarios haec consuetudo pervenit: ut per nostrae sedis vicarios

graviora ecclesiarum per provincias negotia ρ e r t r a c t a r e n t u r seu retractar e n t u r ". 4 Ep. ad archiepisc. (Spalatinum s. J a f f e , reg. η. 4851, M a n s i 20, 9 8 6 ) : „Cum igitur a sede apostolica vestrae insignia dignitatis exigitis quae a beati tantum Petri corpore assumuntur, iustum est, u t vos quoque sedi apostolicae subiectionis debita signa solvatis quae vos cum beato Petro tamquam membra de membro haerere et catholicae capitis unitatem servare declarent . . . Num quid non ultra vos Saxones, Danique consistimt? E t tarnen eorum metropolitani et idem iuramentum asserunt et legatos apostolicae sedis honorifice tractant et in suis necessitatibus adiuvant" . . . 5 Mansi 10, 1016: „Ut autem penes vos habeatis apud quem querelas vestras et negotia cum opportunum fuerit referatis, cuiusque consilio et hortatu quae ad salutem attinent, peragatis: vices nostras fratri carissimo Girardo Engolismensi episcopo cominisimus in partes eum nostrae solicitudines asciscentes. Huic vice nostra, ut nostro apostolorumque in partibus vestris vicario, ad dei honorem et ad salutem animarum vestrarum fideliter obedite". 6 Ep. ad episc. prov. Bitur. (Mansi 21, 213). Ueber diesen Vikariat vgl. übrigens B a l u z e bei Marca 1. c. c. X L V I n. 3 ff. 7 E p . Calixti ed. Ludov. reg. a. 1123 (Mansi 20, 210). 8 E p . Paschalis II. cit. ad archiep. Spalat. (1. c. p. 984): „Signiflcasti, frater carissime, regem et regni maiores admiratione permotos, quod pallium tibi ab a p o c r i s i a r i i s n o s t r i s tali conditione oblatum fuerit, si sacramentum quod a nobis scriptum detulerant iurares". 0 S. den Metropolitaneid oben S. 508. n. 12.

Die Iegati a latere.

§· 69.]

511

Reihe von Klagen über die Ausbeutung dieses Rechtes zu Bedrückungen der einzelnen Geistlichen und Kirchen, sowie über den Eigennutz und die Habgier der Legaten auf, ja es werden sogar Vorwürfe laut, dass die Absendung von solchen vorgenommen wird, um den betreifenden Geistlichen die Möglichkeit zur Bereicherung zu gewähren II.

Das Dekret ale η recht*.

§.69. 1. Die legati a latere. Wenn I n n o c e n z I V . in einer in das Corpus iuris 2 aufgenommenen Dekretale folgende Kategorien von Legaten aufzählt, nämlich 1. diejenigen, welche eigends vom Papst abgesandt sind, ferner 2. solche, welche kraft der ihnen zustehenden Kirchen eine Legation führen, und endlich 3. die vom Papst abgesandten Kardinäle, so scheint diese Unterscheidung in der vorangehenden Entwicklung, namentlich in der zu Zeiten G r e g o r s VII., welcher ausdrücklich die aus der römischen Kirche und aus einer andern ausgewählten Legaten einander g l e i c h s t e l l t k e i n e n Anhalt zu haben. Worin die Erklärung dafür zu suchen ist, wird sogleich nach der Charakterisirung der letztgedachten Klasse der Legaten angegeben werden. Als höchste Klasse bezeichnet, wie eben bemerkt, I n r o c e n z IV. die Brüder des Papstes, und für diese ist in der Doktrin der Ausdruck l e g a t i a l a t e r e der tech1 So schreibt schon der Bischof Ivo vonChartres (-j-1115) an Paschalis I I . ep. 109 (ed. Paris. 1610. p. 2 0 7 ) : „Cum enim a latere vestro mittitis ad nos cardinales vestros tamquam iilios uterinos, quia in transitu apud nos sunt, non tantum possunt curanda curare, sed nec curanda prospicere. Inde est, quod multi . . . dicunt, sedem apostolicam non subditorum quaerere sanitatem sed suam aut 1 a t e r a l i u m s u o r u m quaerere commoditatem". Bernardi Clarevall. ep. 2 9 0 ad episcopum Ostiensem a. 1152 (Opp. ed. Venet. 1726. 1, 2 8 0 ) : „Pertransiit legatus vestei de gente in gentem et de regno ad populum alterum, foeda et horrenda vestigia apud nos relinquens. A radice Alparum et regno Teutonicorum per omnes paene ecclesias Franciae et Normanniae et circum quaque circumiens usque ad Rothomagum vir apostolicus replevit non evangelio sed sacrilegio. Tiirpia fertur ibique commisisse, spolia ecclesiarum asportasse, formosulos pueros in ecclesiasticis honoribus, ubi potuit, promovisse, ubi non p o t u i t , voluisse. Multi se redemerunt, ne veniret ad eos. Ad quos pervenire non potuit, exegit et extorsit per n u n tios". Kaiser Friedrich I . erklärt dem Papst H a drian IV. (SS. 6, 4 0 8 und W a t t e r i c h , romanor. pontifle. vitae 2, 3 7 3 ) : „Cardinalibus utique vestris clause sunt ecclesiae, ut non pateant civitates, quia non videmus praedicatores sed praedatores, non pacis administratores, sed pecuniae raptores, non Orbis corroboratores, sed pecuniae ultra modum insatiabiles corrosores. Cum videriraiis eos quales requirit ecclesia, portantes pacem illuminantes patriam assistentes causae humilium in a e q u i t a t e , necessariis eos stipendiis et commeatu sustentare non differenius". In dem R u n d schreiben desselben Kaisers beilladevic. de gestis Friller. 1. imp. I. 10 (Germaniae liistoric. Tom. u n . p. 482) heisst e s : „Porro quia multa paria litterarum apud eos reperta sunt et schedulae

sigillatae ad arbitrium eorum adhuc scribendae quibus, sicut hactenus consuetudinis eorum fuit, per singulas ecclesias Teutonic! regni conceptum iniquitatis suae virus respergere, altaria denitdare, vasa domus dei asportare, cruces exeoriare nitebantur, ne ultra procedendi facultas eis daretur, eadem qua venerant via, ad urbem eos redire feeimus". Vgl. auch Β a l u z e 1. c. c. X L V I I I . ff. * R a p h . C y l l e n i u s , de legato pontifleis. Venet. 1058; (Anonym) Tractatus de legato papae. Venet. 1 5 5 8 ; A n d r . B a r b a t i a , de cardinalibus et legatis a latere und N i e . B o e r i u s , de legati a latere officio et auetoritate in Tract. Tractat. torn. X I I I . ; A n d r . d e F a l c o n i b u s d e M a g l i a n o , de reservationibus papae et legatorum a latere. Rom. 1 5 4 3 ; P e t r . A n d r . G a m b a r u s , de officio atque auetoritate legati a latere. Venet. 1571. 1 5 7 2 ; T h o m a s d e l a T o r r e , de auetoritate, gradu et terminis legatorum a latere. Rom. 1656; G a b r . W a g e n s e i l , diss, de legato a latere. Altdorf 1 6 9 4 ; P e r e g r i n i M a s e r i , tractat. de legatis et n u n ciis apostolicis. Rom. 1709. 2 Voll.; De legatis et nuntiis pontifieiis eorumque fatis ac potestate. (Salisb.) 1785. 2 c. 1. in Vit» de officio legati. I . 1 5 : „Proinde praesenti decreto statuimus, ut ecclesiae Romanae legati, quantumeumque plenam legationem obtineant, sive (1) a nobis m i s s i fuerint sive (2) s u a r u m p r a e t e x t u e c c l e s i a r u m l e g a t i o n i s sibi vendicent dignitatem ex ipsius legationis niunere confereudi beneficia nullam habeant potestatem, nisi hoc alicui specialiter duxerimus indulgendum. Quod (3) in f r a t r i bus iiostris l e g a t i o n e f u n g e n t i b u s nol u m u s observari, quia sicut honoris praerogativa laetantur, sie eos auetoritate fungi volumus amplioii 1 '. 3 S. oben S. 509.

512

I- Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 69

nische. Dass dieser früher eine solche nicht hatte, ist oben (S. 505. 506) angegeben. Auch im Laufe des 12. Jahrhunderts ist wohl davon noch nicht die Rede g e w e s e n D e n n die Doktrin dieser Zeit erwähnt noch nicht verschiedene Arten von Legaten 2 . Erst im 13. Jahrhundert entscheidet Gregor IX., dass der mit der Legation über eine bestimmte Provinz betraute Obere dieselbe nicht ausüben kann, wenn ein de latere des Papstes deputirter Legat dort eintrifft 3 . Ferner bestimmt er, dass die Legaten, welche nicht de latere gesandt werden, weder ihre Untergebenen ausserhalb ihrer Provinz noch anderswoher kommende Personen in der letzteren von der reservirten Exkommunikation wegen der manus iniectio in clericos absolviren (s. S. 122) dürfen, sowie dass diejenigen, welche die Legation in Folge einer ihnen zukommenden Kirche haben, eine derartige Befugniss überhaupt nicht ausüben können 4 , nachdem C l e m e n s III. (1187—1191) schon erklärt hatte, dass die »legati cardinales quia a latere Romani pontificis destinantur pro tempore«, auch dann die Absolution zu ertheilen befugt seien, wenn sie selbst keinen ausdrücklich dahin gehenden Auftrag hätten 5 . Frühestens also seit Ende des 12. Jahrhunderts hat das Wort legatus a latere jene besondere Bedeutung erhalten und seit dieser Zeit werden die vorhin gedachten drei Klassen von Legaten unterschieden Veranlassung zu der Aussonderung der legati 1 E p . Paschalis II. ad Roger. Siciliae comitem. a. 1117 ( J a f f e , regest, n. 4 8 4 6 ) : „Unde sicut . . . antecessor meus patri tuo legati vicem gratuita benignitate concessit, nos quoque tibi post ipsum eius successori concessimus ea videlicet ratione, u t si quando illuc ex l a t e r e η ο s t r ο legatus dirigitur quem profecto vicarium intelligimus que ab eo gerenda sunt, per tuam industriam effectui mancipentur". E p . Calixti II. ad Ludovic. Francor. reg. a. 1123 (Mansi 21, 2 1 0 ) : „Saue carissimum fllium nostrum P . sedis nostrae presbyterum cardinalem nobilitati tuae attentius commendamus. Nos enim a l a t e r e nostro secundum antiquam apostolicae sedis consuetudinem ad terram potestatis tuae pro corrigendo et eonllrmando quae corrigenda et conflrmanda f u e r i n t , delegamus. Rogamus igitur excellentiam tuam et in domino commonemus, u t eum t a n q u a m v i c a r i u m nostrum· reverenter suscipias, honeste habeas et ita facultatis tuae consilium et auxilium praebeas quatinus sibi iniunctum possit ministerium adimplere". Ep. eiusd. ad Brunon. archiepisc. Trevirens. a. 1120 (SS. 8, 197): „ . . . postulacioni tuae d e m e n t e r a n nuimus et personam tuam dilectionis brachiis amplectentes earn a cuiuslibet legati potestate absolvimus, nisi forte a nostro latere dirigatur". In diesen Schreiben sind wohl Legaten gemeint, welche ausdrücklich u n d direkt eine Sendung ad hoc vom Papst erhalten haben und allerdings schon meistens damals Kardinäle gewesen sein mögen. 2 Bernhardi Papiensis summa I. 22 (ed. L a s p e y r e s p. 18): „§. 1. Legatus dicitur cui aliqua patria vel provincia regenda committitur, u t vice eius fungatur, a quo destinatur. §. 2. Officium autem eius est, ea explicare quae faceret ille qui eum legavit, exceptis illis quae r e q u i r u n t specialem concessionem, u t est episcopi depositio ; talia namque non transeunt mandata iurisdictione, u t Dig. de off. eius cui mand. est iurisd. L . 1. Sane de causis quae pertinent ad iurisdictio-

nem iudicum qui sunt in sua provincia, cognoscere et difflnire potest sive f u e r i t sive non fuerit ad eum appellatum, arg. infra eod. c. un. ( X . c . 1. I. 30). 3 c. 8. X. de officio legat. I. 3 0 : „Patriarchae Hierosolymitano: „Fraternitati tuae legationis officium in provincia tua duximus committendum, ita tarnen quod si legatum ad partes illas d e l a t e r e n o s t r o contigerit destinari, exsecutionem ipsius officii quandiu legatus ipse ibi fuerit, pro sedis apostolicae reverentia omnino dimittas". 4 c. 9. X. eod.: „Excommunicatis pro iniectione manuum violenta ecclesiae Romani legati q u i d e i p s i u s l a t e r e non mittuntur, extra provinriam sibi commissam vel ibidem, si huiusmodi m a n u u m iniectores illuc contingat aliunde accedere et qui ecclesiarum praetextu legationis sibi vendicant dignitatem etiam subditis, quamvis in provincia sua existentes, beneficium absolutionis impertiri non possunt, nisi de speciali gratia illis et istis amplius a sede apostolica concedatur". 5 c. 20. X. de sent, excommun. V. 39. 6 H o s t i e n s i s summa aurea I. 30 de officio legati n. 2 (Lugduni 1548. fol. 5 2 ) : „Quot species legatorum sint seu genera? Tria. Sunt enim quideni legati qui emanant ex latere domini papae . . . et hi maxime auctoritatis sunt nec credendum quod aliter iudicent quam ipse papa faceret et intelliguntur p a r s c o r p o r i s d o m i n i p a p a e c. 22. C. VI. qu. 1 ( = 1. 5. C. ad leg. Iuliam maiest. I X . 8) . . . E t intelligi potest de latere pape missus etiam si non cardinalis sed et si sit de familia vel etiam si sit extraneus dum tarnen ab eo mandatum recipiat viva voce u t si tetigerit flmbrium vestimenti eius quo ad hoc salvus sit et privilegiatus. c. 2. X . de M. et Ο. I. 33. Nam et vides quod quando episcopi de curia veniunt in honore summi pontificis quem tetigerint et osculati sunt, u t c. 12 X . de privileg. V. 33. Eisdem processionaliter obviatur. Sed Romana curia solos cardinales qui assistunt papae etiam in conciliis, ut c. 37. X. de off. iud. deleg. I. 29.

§· 6 9 . ]

Die legati a latere.

513

a latere als einer besonderen Kategorie hat offenbar der Umstand gegeben, Päpste mehrfach in die Lage kamen,

dass die

da wo sich schon Legaten mit allgemeinen Auf-

trägen befanden oder wo die Legation an eine bestimmte Kirche geknüpft war, durch später aus Rom dorthin abgeschickte Gesandte in ihrem Namen eingreifen zu lassen Letztere konnten zwar im Gegensatz zu den ersteren de latere genannt werden, aber mit Rücksicht darauf, dass die Kardinäle seit dem Ende des 12. Jahrhunderts den Vorrang vor allen kirchlichen Würdenträgern erhielten 2 und von der für Alles römische Rechtsstellen heranziehenden Doktrin als senatores, j a als pars corporis des Papstes bezeichnet wurden,

betrachtete man nur diejenigen als a latere papae abgesendet,

welche ihm auch sonst vermöge ihres Amtes zur Seite standen, und leitete ihre höheren Befugnisse eben aus ihrer Eigenschaft als pars corporis papae her ; l .

Dass vollends der

sich in der Zeit G r e g o r s VII. findende Unterschied zwischen den legati und vicarii im eigentlichen Sinne in der Doktrin nicht berücksichtigt wurde, erklärt sich daraus, dass letztere, als sie die hier in Rede stehende Erscheinungen wissenschaftlich zu begreifen suchte, von vornherein auf das römische Recht zurückging und unter Benutzung der von den Prokonsuln und Legaten handelnden römischen Stellen einen gewissen Normalumfang für die Befugnisse der päpstlichen Legaten annahm 4 ,

die weitere Unter-

scheidung aber darauf basirte, ob bei einzelnen diese Rechte noch vergrössert oder vermindert waren. Bei der Darstellung der über die Legaten a latere geltenden Grundsätze des kanonischen Rechtes sollen zunächst die ihnen mit den übrigen Klassen gemeinsamen Rechte, dann aber die ihnen ausschliesslich zukommenden Befugnisse aufgezählt werden. Im Allgemeinen üben die Legaten als Stellvertreter

des Papstes innerhalb des

ihnen zugewiesenen Bezirkes — provincia nach dem Vorgange des römischen Rechts genannt — die päpstliche Regierungsgewalt aber mit Ausschluss der eigentlichen R e intelligit de latere pape missos ad hoc. Const, lustin. de emendat. cod. et secunda editione et 1. un. de caduc. toll. V I . 5 1 . Alii sunt qui non emanant, sed eis committitur et hi maioris auctoritatis sunt . . . Alii qui non emanant nec specialiter eis committitur, sed officium hoc annexum est dignitati et hi' magnae auctoritatis sunt . . . Ergo legatorum alii a fonte derivantur, ut cardinales et hi specialissimi dicuntur et specialissimo privilegio honorantur . . . Alii constituuntur ut hi quibus committitur nec emanant et hi speciales et immo speciali privilegio honorantur . . . Alii eliguntur sive creantur et sie quasi nascuntur . . . et alii quibus ratione dignitatis competit hoc officium. Hi generales sunt et communes et ideo contemnuntur in privilegiis. Que enim generaliter dicuntur nisi specialiter denotentur neglecta videntur". 1 S. ζ. B . ep. Paschalis I I . cit. ( S . 5 1 2 . η. 1 ) und c. 8 . X . de off. legat. I. 2 0 . cit. 2 S . oben S . 3 3 2 . 3 S. die Stelle des Hostiensis ( S . 5 1 2 . n. 6), wo die in Bezug genommenen römischen Stellen nach unserer Citirweise angegeben sind. Vgl. auch den auf Hostiensis ruhenden Durantis, speculum iur. lib. I . part. I. rubr. de legato § . 3 und die Glosse ad c. 9 . X . de off. leg. cit. ad v. commissam. Ueber die Möglichkeit, auch nicht Kardinäle als legati a latere zu verwenden, wird hier bemerkt: „Sed quos dicemus de latere do-

mini papae missos? an cardinales tantum an alios etiam existentes in curia, ut puta capellanos, archiepiscopos, episcopos, pro suis negotiis in curia existentes? Sed videtur quod proprie dicantur de latere papae cardinales qui ad latus eius semper assistunt. Sed idem videtur de capellanis et aliis curialibus, quia et isti assistunt ei, licet non in secretis consiliis. Satis possit dici, quod illi dicuntur missi de latere papae quos invenit existentes in curia sua, etiam si non sint cardinales et illos transmittit ad alienam provinciam concedendo eis generalem legationem . . . Proprie dieuutur missi de latere domini papae cardinales". Dem im T e x t Gesagten widerspricht diese und die ähnliche Ausführung des Hostiensis nicht. Denn dass gerade die Kardinal - Qualität für die Entwicklung eine wesentliche Bedeutung gehabt, ergiebt der Umstand, dass sowohl Hostiensis wie die Glosse doch nur die Kardinäle als eigentliche legati a latere ansehen. Hatte sich aber einmal für letztere ein bestimmter Kreis von Befugnissen fixirt, so konnten diese natürlich auch anderen Personen, den s. g. nuntii apostolici cum potestate legati a latere missi (s. über diese § . 7 0 a. E . ) , übertragen werden. 4 Vgl. die Darstellungen bei B e r n h a r d . Papiens. 1. c. I . 2 2 ; bei H o s t i e n s i s und D u r a n t i s a. a. 0 . , wo a u f s t e l l e n aus lib. I . 16. 1 8 und 2 0 der Digesten Bezug genommen wird. Vgl. auch oben S . 1 7 4 .

514

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

servatrechte aus. et dissipent,

f§. 09.

Der Umfang der ersteren wird dahin bestimmt, »ut ibidem evellant

aedificent et plantent« 1 , jedoch ist dabei stillschweigend

die

legatio

schlechthin oder legatio generalis oder legatio plena 2 vorausgesetzt, d. h. eine nicht ausdrücklich gemachte Einschränkung der Befugnisse, im Gegensatz zu einer solchen oder der Deputirung nur zu einem bestimmten Geschäft.

Es kommt ihnen demgemäss

eine mit den Bischöfen konkurrirende Administrations- und Gerichtsgewalt zu :i . Sie können also ζ. B. Verordnungen für die Provinz erlassen4, Rechtsangelegenheiten schon in erster Instanz entscheiden5, Untersuchungen in Betreff der Wahl der Bischöfe anstellen6, die Exkommunikation verhängen und davon absolviren 7 ,

sowie Suspensionen und A b -

setzungen (jedoch nicht über Bischöfe) aussprechen8.

Alle diese Befugnisse folgen

daraus, dass sie die päpstliche Jurisdiktion und z w a r a l s o r d e n t l i c h e

ausüben".

V o n d e r V o r n a h m e g e w i s s e r A k t e sind aber d i e L e g a t e n jeder Klasse, selbst die legati a latere, sofern sie nicht etwa eine besondere Spezialvollmacht dafür besitzen,

gleichfalls

ausgeschlossen,

maiores dem Papst vorbehalten ist.

da die Entscheidung 'in

den causae

Ausdrücklich rechnen die Quellen dorthin:

1. Die Translation der Bischöfe von einem Bischofssitz auf den andern 10 , 2. die Union und Dismembration der Bisthümer 11 , 3. die Annahme von Verzichtsleistungen auf Bischofssitze

12,

4. die Deposition (folgeweise auch die Restitution) der Bischöfe 5. die Verfügung über* die durch Wahl

zu besetzenden

Kathedral-, Regular- und Kollegiatkirchen 6. die Berufung eines allgemeinen Koncils 7. die Ertheilung von Exemtionen

u

12 ,

Dignitäten

in den

13 ,

,

15 ,

8. die Absolution von gewissen Verbrechen und in einigen anderen Fällen Die L e g a t i a l a t e r e unterscheiden

15 .

sich ihrerseits von den übrigen Legaten

dadurch: 1. Dass sie das Recht haben, die Absolution von der in Folge der thätlichen Verleztung von Klerikern eingetretenen Exkommunikation selbst ausserhalb ihrer Provinz und Jedem, der sich an sie wendet, zu ertheilen ,fi . 2. Dass sie hinsichtlich der Benefizien-Vergebung besondere Vorrechte in ihrer Provinz besitzen. Sie können die zur Zeit ihrer Legation in derselben vakanten Aemter

1 c. 2 (Clem. I V . ) in V i t " h. t. I . 15. 2 c. 4 (Innoc. 111.) X . h. t. I. 3 0 ; c. 1. 2. 4 in V I » " eod. I. 15. 3 S. H o s t i e n s i s 1. c. n. 3 ; Gonzalez T e i l e ζ ad c. 1. X . h. t. n. 0 ; R e i f f e n s t u e 1 I. 30. n. 11 ff. 4 c. ult. (Gregor. I X . ) X . h. t. 5 c. 1 ( A l e x . I I I . ) eod. 6 c. 5 (Innoc. I I I . ) eod. 7 Κ o b e r , Kirchenbann. 2. A u f l . S. 74. 459. In Folge der Bestimmungen des Tridentinnms steht die Sache nach neuerem Rechte freilich anders. V g l . 72. I I . 8 Κ o b e r , Suspension S. 40 und Κ o b e r , Deposition S. 325. Auch hier gilt das zur vorigen Note Bemerkte. 9 c. 2. in V i t " cit. h. 1. S. auch S. 174. Daher können sie ferner auch delegiren. S. oben S. 185. 10 c. 4 (Innoc. I I I . ) X . h. t. 11 c. 4. cit. i. f.

12 c. 2 (Innoc. I I I . ) X . de translat. I . 7. E i n Widerspruch mit dem dictatus Gregorii V I I . (s. oben S. 5 0 8 ) liegt nicht -vor, denn zu seiner Zeit hatten sich feste Regeln über den Umfang der Legatengewalt noch nicht ausgebildet. 13 c. 4 (Bonifac. V I I I . ) in V I 4 " h. t. 14 Man bezieht sich dafür auf c. 1 (Pseuso-Isid.) Dist. X V I I . s. Glossa ad c. 4. cit. s. v. reservata. Jedenfalls ist das unter den causae maiores die wichtigste. lö >S. Glossa 1. c., wo folgender Memorialvers mitgetheilt w i r d : „Restituit papa solus, deponit et ipse — Articulos solvit synodumque facit generalem — Transfert et mutat, appellat nullus ab ipso — Dividit ac u n i t : eximit atque probat". 1C c. 9. X . cit. h. t. In andern den Papst reservirten Exkommunikationsfällen hat er dagegen diese Befugnisse nicht. R e i f f e n s t u e l 1. c. n. 29.

Die legati a latere.

§. 69.]

verleihen,

515

selbst wenn sie geistlichen Patronates sind 1 und dieselben auch für eine

spätere Besetzung reserviren, jedoch in jeder Kathedral-

und Kollegiatkirche

und

Namens jedes Kollators während der Pendenz der einen Reservation keine neuen v o r nehmen 2 . Auch erlischt jede derartige Reservation im Augenblick der Beendigung ihrer Legation : i . Ausgenommen sind aber die vorhin (s. unter N r . 5) gedachten Pfründen von dieser Befugniss.

Ferner kann der L e g a t sowohl die zur Besetzung an den Papst als

auch an die Bischöfe, sei es in Folge von Nachlässigkeit oder in Folge von Vergehen devolvirten Benefizien besetzen 4 .

W o er in den gedachten Fällen mit dem Bischof

konkurrirt, entscheidet die Prävention 5 . Uebrigens unterstehen seiner Kollation nicht: dem Papst speziell oder generell

reservirten 7 ,

1. die litigiösen Benefizien 6 , 2. die

3. die Pfründen weltlichen Patronates 8 .

Endlich darf der Legatus a latere seine Befugniss, Resignationen auf Aemter anzunehmen und die so vakant gewordenen Benefizien von Neuem zu konferiren, nicht auf einen Anderen übertragen 9 . 3. Ferner sind die Legati a latere befugt, die Wahlen der Erzbischöfe,

Bischöfe

und exemten Aebte zu bestätigen l u , 4. über die Exemten überhaupt die Jurisdiktion auszuüben 11 . 5. Sie haben das Recht, Ablässe von 100 Tagen zu ertheilen

12 .

6. In ihrer Gegenwart haben die übrigen Legaten sich der Ausübung ihrer Befugnisse zu enthalten

13

und die Insignien ihrer Würde

abzulegen

legatus a latere nicht in die von einem andern bereits

u

.

Jedoch darf

zur Verhandlung

der

gezogene

Angelegenheit eingreifen 1 5 . 7. Weiter besitzen die legati a latere das Recht, interpretiren

die Mandate des Papstes zu

16 ,

8. und das Privilegium,

dass sie ihre Legitimation nicht durch Vorweisung der

Bestallungsurkunde zu führen brauchen 17 .

1 c. 6 (Innoc. I I I . ) eod. t i t . ; c. 28 (Innoc. I I I . ) X . de iur. patron. I I I . 38. Vgl. dazu T h o m a s s i n 1. c P . I I . lib. 2. c. 52. 11. 2. 3. 2 c. 3 (Bonifac. V I I I ) in V i t » h. t. verbo: Caeterum. 3 c. 3. cit. init. 4 Arg. c. 37. X . de praeb. I I I . 5. 5 c. 31 (Bonil'ac. V I I I ) in V I t o de praeb. 4 . : „Si a sede apostolica vel legato ipsius uni et ab ordinario altero eodem die idem beneficium conferatur nee appareat quae collatio fuerit prima facta, erit potior conditio possidentis. Si vero neuter possideat is cui sedes ipsa contulit vel legatus, propter conferentis ampliorem praerogativam erit alten praeferendus". 0 Nach dem allgemeinen Grundsatz: lite pendente nihil innovandum. G a r c i a s tract, de benefleiis. P . V . c. 3. n. 56 ff. K e i f f e n s t u e l 1. c. n. 37. 7 A r g . c. 4. X . c i t . ; Garcias K e i f f e n s t u e l 1. c. n. 35.

I. c. n. 5 3 ;

8 Jedoch muss das Patronatreclit auf Grund der Fundation oder Dotation erworben sein. Beruht es auf einem Privilegium oder auf der Ersitzung, so ist der Legat nicht ausgeschlossen. Garcias 1. c. n. 66. 7 2 ; R e i f f e n s t u e l 1. c. n. 26. 9 c. 4. §. 1 (Bonifac. V I I I . ) in V I t o h . t .

»0 c. 30. § . 1 (Bonifac. V I I I . ) in V I t o d e elect. I. 6. Auch den gewählten Exemten die Erlaubniss zur Verlassung ihrer Klöster zu geben, c 36. cit. pr. » A r g . c. 1 (Innoc. I V . ) in V I t o d e V . S. V . 12. V g l . ferner Glossa ad c. 1. X . h. t. s. v. universas; N i c o i i i s , praxis canonica Tom. 2. de officio legati, n. 15. V I I . Sie können daher auch die Benefizien der Exemten vergeben. G a r c i a s 1. c. n. 19. Daher wurden die E x e m tionsprivilegien für Klöster allein dahin ertheilt, dass nur andere, aber nicht die legati a latere von dem Betreten derselben ausgeschlossen sein sollten. S. dasDipIom Coelestins I I I . v o m j . 1193 bei J a f f c ? , reg. n. 10449. 12 Kraft eines die Bestimmungen des c. 14. X . de poeriit. V . 38 beseitigenden Gewohnheitsrechts. S c h m a l z g r u e b e r , ius canon, un. h. t. n. 4. c. 8. X . h. t. R e i f f e n s t u e l 1. c. n. 25. 14 Ebensowenig dürfen sich in ihrer Gegenwart die Patriarchen und Metropoliten das Kreuz vortragen lassen, c. 23. X . de privileg. V . 33.

15 c. 2. X . h. t. 16

c. 1. X . de postul. praelator. I . 8.

R e i f f e n s t u e l 1. c. n. 2 7 ; vgl. auch oben S. 354. ,7

516

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 69.

Haben auch alle Legaten das Recht, Prokurationen, also ihren Unterhalt, zu fordern, so besteht doch zwischen den Legati a latere und den andern beiden Klassen der Unterschied, dass während die letzteren dies nur für die Zeit beanspruchen dürfen, welche sie in ihrer Provinz zubringen, die ersteren auch ausserhalb derselben die gedachten Gebührnisse zu fordern h a b e n w a s sich daraus erklärt, dass sie während ihrer Abwesenheit von der Kurie keinen Antheil an den sonst den Kardinälen zukommenden Einkünften (den Zinsen und Gefallen der Kirche, der Hälfte der Servitien) mit Ausnahme der für den Kardinalring aufkommenden Erträgnisse haben 2 . In Folge der oben S. 510 erwähnten Missbräuche hat schon das dritte Lateran-Koncil von 1179 bestimmt 3 , dass kein Kardinal mehr als 25 Pferde bei sich führen sollte, und das vierte von 1214 machte, indem es den Legaten gleichzeitig die Prägravation der von ihnen besuchten Kirchen verbot, die desfallsigen Ansprüche von der persönlichen Ausübung ihrer Funktionen abhängig 4 . Von der Pflicht, die Prokurationen zu gewähren kann einzig und allein der Papst durch Privileg entbinden, und es kann daher die Freiheit von derselben auch nicht ersessen werden 5 . Die Ernennung der legati a latere pflegte früher, wie noch jetzt 6 , im Konsistorium nach vorgängiger Einholung des Rathes der Kardinäle zu geschehen. Sobald der ernannte das Territorium von Rom oder der Stadt, wo die Kurie ihre Residenz hatte, verliess, legte er die Insignien der päpstlichen Würde, nämlich ein rothes Gewand und ein rothes Barett, an 7 . Umgekehrt musste er sich ihrer aber bei der Rückkehr an der Gränze der Stadt wieder entkleiden 8 . Die Mission des Legatus erreicht ihr Ende: 1. durch Vollendung des ihm gewordenen Auftrags, 2. durch Abberufung, jedoch behalten die Akte, welche er vor der erhaltenen Kenntniss von derselben vorgenommen hat, Gültigkeit 9 , 3. durch Entfernung aus der Provinz mit der Absicht, nicht mehr in dieselbe zurückzukehren 10, die er freilich erlaubter Weise nur mit Genehmigung des Papstes vornehmen kann 1 1 , 4. durch Tod des Legaten, 5. durch Tod des Papstes dagegen nur dann, wenn er ad beneplacitum nostrum, d. h. des auftraggebenden Papstes bestellt worden ist 12 . 1 c. 17 (Innoc. III.), c. 23 (Later. IV. a. 1215) X. de censibus III. 39. 2 Die übrigen Legaten bekommen ihren Antheil, wie wenn sie bei der Kurie anwesend wären. Ordo Homan. XIV. c. 118 ( M a b i l l o n , mus. Ital. 2, 442). 3 c. 4 (Mansi 22, 234). 4 c. 23. X. de cens. cit. 5 c. 17. X. eod. tit. cit.; c. 11 (Innoc. III.) X. de praescript. II. 26. β S. oben S. 365. ' Ordo Rom. XIV. 1. c. p. 439. 4 4 0 ; B a r b ο s a, ins ecclesiast. I. 5. n. 22. Diese Kleidung trugen sie schon zu Zeiten Innocenz' III. S. Β a l a z e bei Marca 1. c. c. LH. n. 18 ff. Der Bericht Thangmars, vita Bernwardi c. 28 (SS. 4, 771) über die Synode zu Pölde vom J. 1001: „Interea affuit ab apostolico et imperatore vice papae directus cardinalis presbyter Fridericus

Omnibus insigniis apostolicis ac si papa procedat infulatus, equis apostolica sella Romano more ostio instratus. Scripta quoque a papa et imperatore archiepiscopis et ceteris episcopis mittuntur, ut Romanum legatum digno honore suscipiant" zeigt, dass das Tragen der päpstlichen Insignien damals noch auffiel. Erst später haben dann alle Kardinäle die rothe Kleidung erhalten. S. oben S. 357. Weil der legatus a latere diese Insignien während der Dauer seiner Legation trägt, heisst er c. 23. X . de privil. V. 33 schlechthin „legatus utens insigniis apostolicae dignitatis". 8 Ordo Rom. 1. c. p. 441. 442. 9 Arg. c. 4. X. de rest, spoliat. II. 13. R e i f f e n s t u e l 1. c. n. 44. 10 c. ult. X. h. t. »1 S. dazu Ordo Rom. cit. c. 117. 1. c. p. 438. 12 c. 2 (Clem. IV.) in Vit» h. t.

Die Legati missi.

§. 70.]

§. 70.

2. Die Legati

517 missi.

Die zweite Klasse der Legaten sind diejenigen, welche die Dekretalen schlechthin als l e g a t i m i s s i 1 , spätere päpstliche Schreiben allerdings nicht dem Sprachgebrauch der letzteren entsprechend, auch als n u n t i i a p o s t o l i c i 2 bezeichnen. Man knüpft die Entstehung dieser Kategorie an die frühereil apocrisiarii oder responsales an;>. Da aber diese ständige Gesandte ohne Jurisdiktion waren (s. oben S. 501), so kann von einem solchen Zusammenhang nicht die Rede sein. Die legati missi haben vielmehr dieselbe Wurzel wie die legati a latere. Sie sind nichts anderes als die früher von den Päpsten in besonderen Fällen deputirten Gesandten, nur dass in Folge der im vorigen Paragraphen gedachten Entwicklung unter Einwirkung der römischen Rechtsdoktrin für sie eben so wie für die legati a latere, ein ein für alle Mal feststehender Kreis von Befugnissen statuirt worden ist. Die Dekretalen und die Doktrin schreiben ihnen ebenfalls eine ordentliche, mit der bischöflichen konkurrirende Jurisdiktion innerhalb ihres Missionsbezirkes (provincia) zu. Diese umfasst aber eine Reihe den legati a latere zustehender Befugnisse nicht. So können sie überhaupt keine Benefizien vergeben 4 , sie haben keine Gewalt über die Erzbischöfe, Bischöfe und Exemten 5 . Ferner dürfen sie ihre Jurisdiktion nicht ausserhalb ihrer Provinz ausüben 6 . Selbstverständlich ist endlich, dass sie die vorhin (S. 514) aufgezählten Befugnisse, welche überhaupt keinem Legaten zustehen können, nicht besitzen. In der Wahl der legati ist der Papst nicht beschränkt, er kann jede ihm passend scheinende Person mit dieser Würde betrauen. Regelmässig wurde sie zwar Prälaten verliehen 7 , aber selbst Kardinäle, welche das ausschliessliche Vorrecht haben, zu legati a latere bestellt zu werden, können dazu genommen werden 8 . Die Legation der legati missi hört in den im vorigen Paragraphen erwähnten Fällen auf, nur ist hier noch zu bemerken, dass sie ihre Jurisdiktion mit dem Augenblick verlieren, wo sie ihre Provinz verlassen. Da bei der, Ernennung jedes Stellvertreters besondere Erweiterungen und Einschränkungen seiner Vollmacht statthaben können, so ist es möglich, dass die Befugnisse des legatus missus so weit wie die des legatus a latere ausgedehnt werden können. Ein Beispiel dafür bieten die s. g. n u n t i i m i s s i cum p o t e s t a t e a latere'· 1 , eine Klasse, welche ihren Ursprung daher leitet, dass zu eigentlichen legati a latere nur Kardinäle ernannt wurden. Ob diese ohne speziellen Auftrag alle Befugnisse eines legatus a latere haben, darüber herrscht Streit. Meistens wird ihnen das Recht der Benefizienverleihung abgesprochen 10 , während man ihnen hinsichtlich der Aufhebung 1 c. 2. in Vit» cit. h. t. Vereinzelt kommt der Ausdruck allerdings schon bei D u r a n t i s 1. c. §. 1. n. 3, häufig dagegen in den päpstlicheu Schreiben seit dem 14. Jahrhundert vor, s. ζ. B. T h e i n e r , monum. hist. Hungar. Rom. 1859. 1, 606. 612. 615 ff. 621. 631. 634. 698. 699. 701 ff. 7 1 5 ; 2, 99. 111. 114. 115. 125. 143. Der ordo Roman. XIV. c. 117. 118 (p. 438. 442) setzt gleichfalls dem legatus a latere, den er schlechthin legatus nennt, den nuncius oder nuncius missus gegenüber. 3 So P h i l l i p s 6, 739 und Lehrbuch S. 268. 4 c. 1. in Vlto cit. h. t. 2

H i n s chi u s , lürchenreclit.

5 c. 36. §. 1. in Vlto de elect. 1 . 6 ; F e r r a r i s s. τ. legatus n. 44. β c. 9. X. h. t. cit. 7

B e i f f e n s t u e l 1. c. n. 8. 8 Das setzt der Ordo Rom. XIV. c. 118. cit. voraus. 9 Ihrer gedenken schon H o s t i e η s i s , Dur a n t i s und die Glosse (s. oben S. 512. n. ü. S. 513. n. 3). Vgl. ferner E n g e l , colleg. nn. iur. canon. I. 30. η. 7; S c h m a 1 z g r u e b e r , iur. can. 1. 30. Ii. 7 ; R e i f f e n s t u e 1 1. e. n. 41 fr. 10 Re if f e ii s tu e l , E n g e l I . e . 34

518

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

der Exkommunikation dieselben Befugnisse, räumt1. §.71.

wie den eigentlichen Legaten,

3. Die Legati

[§. 71. ein-

nati*.

I. Die s. g. l e g a t i n a t i sind diejenigen päpstlichen Bevollmächtigten, deren Legation ständig an einen bestimmten Bischofssitz geknüpft ist. Da die Geschichte dieses Institutes mit der Entwicklung der Primatialwürde in einer gewissen Verbindung steht, so wird besser davon unten in dem diese besprechenden Paragraphen gehandelt werden. Hier ist nur vorläufig zu bemerken, dass heute der Titel legatus natus allein noch die Bedeutung einer gewissen Erzbischöfen verbliebenen Ehrenauszeichnung hat, mit welcher keinerlei Jurisdiktions-, sondern höchstens nur noch gewisse Ehrenrechte verbunden sind. II. An dieser Stelle muss dagegen noch auf die a n g e b l i c h e n L e g a t i o n e n w e l t l i c h e r F ü r s t e n eingegangen werden. Es wird nämlich behauptet, dass die Päpste einzelne Regenten zu ständigen Legaten für ihre Reiche eingesetzt haben. 1. Das älteste Beispiel finden viele Schriftsteller in einem König S t e p h a n dem H e i l i g e n von Papst S i l v e s t e r II. im J. 1000 verliehenen Diplom 2 . Der Text 3 desselben ergiebt indessen dafür nicht den mindesten Anhalt, denn der Papst ertheilt danach dem König keine Legatenrechte, sondern nur die Befugniss zur Circumscription der Diöcesen seines Landes und zur Einsetzung der kirchlichen Oberhirten4. Hat doch später G r e g o r IX. dem König B e l a auf seine Bitte, ihm das officium legationis in dem von ihm eroberten Gebiet des Arsenas zu übertragen5, zwar materiell die verlangten Befugnisse eingeräumt, die ausdrückliche Bestellung zum Legaten aber verweigert0, und ferner hat C l e m e n s XIII. bei Verleihung des Rechtes an die Kaiserin 1 Gewöhnlich wurden allerdings ihre Befugnisse in den Bevollmiichtigungsschreiben ausdrücklich aufgezählt. S. das Breve Papst Eugens IV. vom J . 1446 in der Geschichte der päpstlichen Nuntien in Deutschland. Frankfurt u. Leipzig 1788. 2, 620. Vgl. auch unten §. 72. III. Bezeichnet werden sie in dem gedachten Breve als „nuntii nostri cum plena potestate legatorum de latere". In der Const. Gregorii X V . : Decet Romanum pontificem vom J . 1622. §. 2 5 : „S. Romanae Ecclesiae Cardinales, etiam de latere legatos et V i c e l e g a t o s dictaeque sedis nuncios" heissen sie: vicelegati.

* J o a n n . S c h o t t , diss, de legatis natis. Bamberg 1778; v o n S a r t o r i , Staatsrecht der E r z - , H o c h - und Ritterstifter. Bd. I. Th. I. 5. 266 ff. 2 S. ζ. B. F a c h m a n n §. 1 3 1 ; P h i l l i p s 6, 7 4 3 ; S c h u l t e , Lehrbuch S. 201. n. 7. 3 F e j e ' r , cod. diplom. Hungar. Budae. 1829. 1, 2 7 6 : „ . . . E t quia nobilitas tua apostolorum gloriam aemulando apostolicum munus, Christum praedicando, eiusque fldem propagando gerere non est dedignata nostrasque ac sacerdotii vices supplere studuit atque apostolorum principem prae ceteris singulariter honorare, idcirco et nos singular! insuper privilegio excellentiam tuam tuorumque meritorum intuitu, heredes ac successores tuos legitimos, qui sicnt dictum est electi atque a sede apostolica approbati fuerint, nunc et perpetuis futuris temporibus condecorare cupientes, u t

postquam tu et illi corona quam mittimus rite iuxta formulam legatis tuis traditam coronatus vel coronati exstiteritis, crucem ante te apostolatus insigne gestare facere possis et valeas atque illi possint valeantque, et secundum quod divina gratia te et illos docuerit, ecclesias tui regni praesentes et t'uturas nostra ac successorum nostrorum vice disponere atque ordinäre apostolica auctoritate similiter concessimus, volumus et rogamus". 4 S. auch S e n t i s , die Monarchia Sicula. Freiburg 1869. S. 64, welcher mit Recht hervorhebt, dass Karl d. Gr. ähnliche Befugnisse nach der Eroberung Sachsens dort ausgeübt hat. S. A b e l , Jahrbücher des fränkischen Reichs unter Karl d. Gr. 1, 286. 293. 5 Brief des Königs b e i B a r o n i u s , annal. eccles. a. 1238. ii. X I I . f f . : „Petimus, ut o f f i c i u m l e g a t i o n i s non alii sed nobis in terra Assoevi oommittatur, u t habeamus potestatem limitandi dioeceses, distinguendi parochias et in hac prima institutione potestatem habeamus ibi ponendi episcopos de consilio prelatorum et virorum religiosorum quia haec omnia b. m. antecessori nostra S. Stephano sunt concessa, illa potissimum ratione quia si cum legato sedis apostolicae partes illas i n gressi fuerimus, ab universis illarum partium incolis praesumetur, quod non nobis sed Romanae ecclesiae eos velimus etiam in temporalibus subiicere, quod ipsi tarn plurimum abhorrent" . . . 6 L. c. η. X V I I . : „Cum enim . . . a nobis petieris tibi legationis officium in terra Assani

§· 71.]

Die Legati nati.

519

Maria Theresia und ihre katholischen Nachfolger, sich mit Rücksicht auf die ihnen zustehende ungarische Krone, apostolische Königin, resp. apostolischer König zu nennen, nur der Befugniss gedacht, sich das Kreuz durch einen Bischof vortragen zu lassen, keineswegs aber der Stellung der ungarischen Regenten als Legaten des päpstlichen Stuhles erwähnt 1 . 2. Die s. g. M o n a r c h i a S i c u l a 2 . Für die sicilischen Regenten werden die Rechte eines päpstlichen Legaten aus einem Diplom U r b a n s II. von 1098 :s hergeleitet. Dasselbe ist allerdings mehrfach, so namentlich vom Kardinal B a r o n i u s 4 , für falsch erklärt worden. Wenn ferner der Umstand, dass es erst gegen Ende der Regierung F e r d i n a n d s I. des Katholischen entdeckt und zuerst von diesem Fürsten Siciliens für seine Rechte in Bezug genommen ist 5 , Verdacht erregt, so lässt sich doch die Unächtheit der Urkunde nicht behaupten |J . Ihr Text selbst macht nicht den Eindruck eines Falsifikates 7 und zudem wird ihr Inhalt in einer zweifellos ächten Urkunde von P a s c h a l i s II. vom J. 1117 in Bezug genommen 8 . Endlich enthält sie materiell

supradicti committi et concedi etiam potestatein limitandi dioeoeses, instituendi episcopos et distinguendi parochias . . . e t s i n o i l i d q u o d a d l i t e r a m p e t i t u r , idem tarnen tibi de frat r u m nostrorum consilio concedimus in effectu: u t videlicet possis assumere quemcumque malueris de archiepiscopis f e i episcopis regni tui, qui nostra f r e t u s auctoritate praemissa de tuo consilio exequatur, cui venerabilis frater noster episcopus Perusinus apostolicae sedis legatus de speciali mandato nostro quod ei dirigimus, eadpm exequendi tribuet potestatem". 1 Const.: Cum multa vom 19. August 1758 (Bull. Roman, contin. 1, 20). Dass damit die anderen kirchlichen Privilegien der Könige von Ungarn nicht beseitigt waren, liegt auf der Hand. Nur dürfte der Nachweis nicht gelingen, dass diese Ausflüsse des Legatenrechts sind, wie S c h u l t e , Lehrbuch. S. 201. n. 7 meint. 2 F. J . S e n t i s , die Monarchia Sicula. Freiburg 1869, welcher S. 4. η. 1 die zahlreichen gedruckten und ungedruckten Schriften über dieselbe aufzählt. 3 Abgedruckt nach G a u f r e d . Malaterra, histor. Sicula lib. IV. c. ult. in Giambatt. C a r u s o discurso istorico-apologetico della Monarchia Sicula, verfasst 1715, edirt von G. M. M i r a . Palermo 1863 bei S e n t i s a. a. 0 . S. 246 f f . : „Urbanus episcopus servus servorum dei carissimo fllio Rogerio comiti Calabriae et Siciliae salutem et apostolicam benedictionem. Quia propter p r u dentiam tuam supernae niaiestatis dignatio multis triumphis exaltavit: probitas tua in Saracenorum flnibus ecclesiam dei plurimum dilatavit sanctaeque sedis apostolicae devotum se multo magis semper e x h i b u i t : nos in specialem atque carissimum fllium eiusdem universalis etiam matris ecclesiae assumpsimus. Idcirco de tuae probitatis sinceritate plurimum confldentes, sicut verbis promisimus, ita etiam literarum auctoritate firmaraus, quod omni vitae tuae tempore vel fllii tui Simonis aut alterius qui legitimus tui haeres exstiterit, n u l l u m i n t e r r a p o t e s t a t i s v e strae praeter voluntatem aut consilium v e s t r u m l e g a t u m R οm a n a e eccles i a e statuemus, quinimmo q u a e p e r l e g a t u m

a c t u r i s u i n u s , per vestram industriam l e g a t i v i c e e x h i b e r i v o l u m u s , q u a η do a d v o s e x l a t e r e n o s t r o m i s e r i m u s ad salutem sanctarum alibi scilicet ecclesiarum quae sub vestra potestate existant, ad honorem b. Petri sanctaeque eius sedis apostolicae, cui devote hactenus obedisti quamque in opportunitatibus suis strenue ac fideliter adiuvisti. Si vero celebrabitur concilium, tibi mandavero quatenus episcopos et abbates tuae terrae mihi mittas, quot et quos volueris mittas, alios ad servitium ecclesiarum et tutelam retineas. Omnipotens deus actus tuos in beneplacito suo dirigat et te a peccatis absolutum ad vitam aeternam perducat. Datum Salerni per manus (Ioannis) sacrae llomanae ecclesiae diaconi cardinalis tertio nonas Iulii indictionis septimae, anno pontificatus nostri undecimo". Uebrigens findet sich das Diplom auch bei M u r a t o r i , rer. Ital. script. 5, 6 0 2 ; M a n s i 20, 659 und P i r r i , Sicilia sacra ed. Mongitore. Panormi 1733. 1, 496. 4 Annal. eccles. a. 1097. n. 18 ff. Vgl. darüber S e n t i s S. 33. 5 S e n t i s S. 2 7 ff. 6 Das nimmt auch S e n t i s S. 53 an. J a f f e ' , regesta n. 4274 stellt sie gleichfalls unter die achten Dokumente. 7 Das Datum ist allerdings nicht vollkommen richtig. S. S e η t i s S. 41. 8 Abgedruckt bei J a f f e ' , reg. n. 4 8 4 6 ; S e n t i s S. 247. Die entscheidenden Stellen l a u t e n : „Paschalis II. P P . II. Rogerio comiti Siciliae . . . Unde sicut in tuis litteris suggessisti, antecessor meus p a t r i t u o l e g a t i v i c e m gratuitate concessit. Nos quoque tibi post ipsum eius successor! concessimus ea videlicet ratione u t si quando illuc e x l a t e r e n o s t r o l e g a t u s d i r i gitur quem profecto vicarium intellig i m n s , quae ab eo gerenda s u n t , per tuam industriam effectui mancipentur. Sic enim in ecclesia seculares potestates dispositas legimus nt quod ecclesiastica humilitas minus valeat, sec.ularis potestas suae formidinis rigore perficiat. Nam personarum ecclesiasticarum sen dignitatum iudicia nusquam legimus laicis vel religiosis fuisse commissa. Porro episcoporuni vocationes ad sy-

34*

520

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§•71.

nichts, was nicht vom Standpunkt der römischen Kurie damals hätte bewilligt werden können, denn von der Bestellung eines weltlichen Fürsten zum Legaten ist weder in ihr noch in dem Diplome Paschalis' II. die Rede. Das erstere gewährt dem Grafen Roger zunächst das Recht, dass ohne seinen Willen kein Legat des päpstlichen Stuhles in seinem Lande bestellt werden soll — ein Recht, welches auch andere weltliche Fürsten erlangt haben (s. §. 72. I.). Ferner wird ihm die Befugniss ertheilt, für den Fall, dass ein Legat nach Sicilien geschickt werden sollte, dasjenige, was dieser zu thun hat, selbst an Stelle desselben (vice legati) auszuführen. Dasselbe nur in noch klarer Fassung spricht das Diplom Paschalis' II. aus, indem es erklärt, dass Urban II. dem Yater des Grafen Roger »vicem legati concessit« und die gleiche dem Sohne wieder verliehene Stellung dahin charakterisirt, dass er die von einem sicilischen Legaten erlassenen Anordnungen in Wirksamkeit setzen soll 1 . Von anderen Befugnissen, als dem ohnehin bedeutenden Rechte der Erledigung der von den Legaten getroffenen Verfügungen — wodurch letztere ja bei bösem Willen des Fürsten illusorisch gemacht werden konnten — ist nicht die Rede, namentlich wird den Fürsten weder in dem einen noch in dem andern Diplome irgend welche kirchliche Jurisdiktion, wie sie ein Legat doch besitzen muss, eingeräumt 1 , sondern geradezu die Möglichkeit der Uebertragung einer solchen an Laien abgelehnt 2 . In den während der späteren Streitigkeiten zwischen der römischen Kurie und den sicilischen Fürsten abgeschlossenen Konkordaten von 115 6 3 und von 1191 4 wird des Legationsrechtes derselben nicht erwähnt, und die von dieser Zeit ab bis zur Wiederauffindung des Urbanschen Diploms von den Regenten geübten kirchlichen Befugnisse 5 sind niemals auf dasselbe gestützt worden. Vielmehr waren dies Ansprüche und Usurpationen, wie sie seit dem 12. Jahrhundert auch von anderen Fürsten, namentlich den den Normannen in Sicilien stammverwandten englischen Königen der Kirche gegenüber geltend gemacht wurden 6 . Nur konnten dieselben in Folge der politischen Verhältnisse länger in Sicilien als in anderen Staaten aufrecht erhalten werden. Erst seit der Hervorziehung des erwähnten Diploms wurden sie aus demselben hergeleitet. Seitdem nannte sich der Fürst: Monarca, weil er sowohl in weltlichen Dingen kraft seiner Souveränität als auch in geistlichen kraft der ihm angeblich durch das päpstliche Privilegium verliehenen Legation die höchste Gewalt besass und erst gleichzeitig damit hat man die Summe der ihm in letzterer Hinsicht zugeschriebenen Befugnisse a l s M o n a r c h i a S i c u l a bezeichnet 7 . Trotz der wiederholten Beschwerden der Kurie gegen diese Usurpationen 8 wurde unter P h i l l i p II. mit den Eingriffen in die Sphäre der kirchlichen Gewalt noch weiter als früher vorgegangen. Im J. 1579 ernannte letzterer einen ständigen Richter der Monarchie (iudex Monarchiae) 9 und schuf damit eine Centraibehörde, »welche systematisch alle höchste kirchliche Jurisdiktion in einer Hand vereinigte und alle Kompetenz der Ordinarien eliminirte, die nach nodum quas unquam sibi legatus aut vicarius usurpavit? quod aliquando singularibus, aliquando pluralibus litteris per quoslibet solet nuncios fieri. Cognosce, Ali carissime, modum tuiim et datam tibi a domino potestatem noli contra dominicani erigere potestatem. Sic enim a domino Romanae ecclesiae potestas concessa est, ut ab hoininibus auferri non possit . . . " 1 S. S e n t i s S. 58 ff. 2 S. die Worte: „Nam personarum ecclesiasticarum" u. s. w.

3 Zwischen Hadrian IV. und Wilhelm I. von 1150, abgedruckt bei W a t t e r i c h , pontif. Roman. vitae 2, 352 und S e n t i s S. 248. 4 Zwischen Cölestin III. und Tankred W a t t e r i c h 2, 772 und S e n t i s S. 252. 5 S e n t i s S. 8 2 ff. 6 A. a. 0 . S. I I I . ' A. a. 0 . S. 27. 8 A. a. 0 . S. 119. » A. a. 0 . S. 129.

bei

§•71.]

D i e Legati nati.

521

unten — gegen Bischöfe und Aebte — die weltliche Macht, nach oben — gegen die römische Kurie — das furchtbare Mittel der Versagung des Exequatur für die päpstlichen Erlasse zur Verfügung hatte und diese Mittel gemäss dem eidlichen Gelöbnisse, die Monarchie zu schützen, anwenden musste« 1 . Man nahm nämlich für die letztere nicht nur dieselben Rechte, wie sie das gemeine Recht den legati a latere beilegte, in Anspruch, sondern das Tribunal derselben reformirte sogar die Urtheile der päpstlichen Delegaten und machte alle Appellationen nach Rom selbst illusorisch 2 . Ja, später wurden sogar zwei für das weltliche Gebiet von P h i l i p p II. geschaffene höhere Instanzgerichtshöfe, bei welchen nur weltliche Richter fungirten, auch als Rekursbehörden für die Urtheile des Richters der Monarchie eingesetzt, nur dass ein einziger Kleriker für die dem Gebiete der kirchlichen Gerichtsbarkeit angehörigen Sachen zugezogen wurde 3 . Als sich in Folge aller erwähnten, gegen die bischöfliche Jurisdiktion seitens des Tribunals der Monarchie geübten Eingriffe einzelne Bischöfe Anfangs des 18. Jahrhunderts nach Rom gewandt 4 und die Verhandlungen der Kurie mit dem damaligen Herrscher, dem Herzog V i k t o r A m a d e u s von Savoyen, kein Resultat herbeigeführt hatten 5 , exkommunicirte C l e m e n s XI. am 28. Januar 1715 den damaligen Richter der Monarchie β und abolirte sodann durch die Bulle: Romanus pontifex vom 20. Februar desselben Jahres die s. g. sicilische Monarchie mit ihrem Tribunale 7 , indem er provisorisch die Handhabung der geistlichen Gerichtsbarkeit nach Massgabe der Bestimmungen des Trienter Koncils Sess. XXIV. c. 20 de ref. ordnete 8 . In Sicilien indessen erklärte man die Bulle für null und nichtig und das Tribunal setzte seine Thätigkeit weiter fort 9 . Die dadurch entstandene Verwirrung wurde erst durch die nach langen Verhandlungen erlassene Bulle B e n e d i k t s XIH.: Fideli vom 30. August 1728, welche am 15. Februar 1729 10 in Palermo publicirt wurde n , beseitigt. Diese hat die von den Regenten prätendirte Legation nicht anerkannt 1 2 , vielmehr nach dem Vorgange C l e m e n s ' XI. die Verhältnisse auf Grund des Tridentinums geregelt und den Beherrschern Siciliens nur das Recht eingeräumt, den in höchster Instanz erkennenden iudex delegatus in partibus zu ernennen, indem dieser dadurch eo ipso auch als vom apostolischen Stuhle delegirt gelten sollte 13 . Trotzdem gab K a r l VI. die Rechte der Monarchie nicht auf, sondern beseitigte 11 selbst den für die Kurie wichtigsten Artikel der Bulle, welcher dem iudex delegatus jeglichen Eingriff in die päpstlichen Reskripte verbot 15 . Die demnächst auf dem Throne folgende Bourbonische Dynastie ι S e n t i s S. 130. 2 A. a. 0 . S. 131. 134 ff. 3 A. a. 0 . S. 138. 4 A. a. 0 . S. 140 ff. 5 A. a. 0 . S. 145 ff. β A. a. 0 . S. 149. ^ Μ. Bull. 8, 148 und S e n t i s S. 258. Vgl. denselben S. 149. 8 S e n t i s S. 151. 9 A. a. 0 . S. 152. 10 Abgedruckt a. a. 0 . S. 265. Der Entwurf zu derselben rührt von dem nachmaligen Papst B e n e d i k t XIV. her. A. a. 0 . S. 168 ff. 11 A. a. 0 . S. 175. 12 Das Gegcntheil wird von P h i l l i p s ' 3, 513. n. 17 und 6, 746, sowie in M o y s Arch. 19, 92 mit Unrecht behauptet. S. S e n t i s S. 176. 13 Art. II.: „Postquam vero metropolitanus in causa pronunciaverit vel in secunda instantia quoad sententias suorum suffnganeorum vel in prima,

quoad causas propriae dioecesis, possint partes vel earum altera provocare ad eum virum in iure canonico doctorem seu licentiatum nobilium universitatum more diligenti examine praecedente promotum et in ecclesiastica dignitate constitutum, a charissimo Alio nostro Carolo VI. in Romanorum imperatorem electo et S i c i l i a e r e g e ei u s q u e in regno S i c i l i a e ultra Pharum s u c c e s s o r i b u s aut de e o r u m m a n date ex c o n c e s s i o n e S e d i s apostolicae d e p u t a t u m et d e l e g a t u m e t in p o s t e r u m ab i p s o e i u s q u e i n e o d e m r e g n o s u c c e s s o r i b u s aut de eorum dem m a n d a t e d e p u t a n d u m e t d e l e g a n d n m : q u e m eo i p s o delegatum auctoritate Sedis apostol i c a e c o n s t i t u t u m e t pro t e m p o r e c o n s t i t u e n d u m recognoscimus et firmamus" . . . 14 S e n t i s S. 212. 15 Art. XXXV. : „ . . . dictus iudex nullas sibi sumat partes, etiam per modum provisionis vel

522

I. Die Hierarchic unci die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 71.

stellte sodann den Titel: legatus a latere natus Sedis apostolicae offiziell wieder her 1 und übte wieder die prätendirte Legation in vollstem Masse aus 2 . Dabei blieb es auch nach der Restauration derselben Anfangs dieses Jahrhunderts und nach dem Abschluss des neapolitanischen Konkordats im J. 1818 3 bis zur Vertreibung der Dynastie 4 . Die italienische Regierung hat ebenfalls an der hergebrachten Praxis festgehalten 5 . P i u s IX., welcher früher mehrfach über die Eingriffe des Tribunals sich beschwert hat, ist in Folge dessen dem Beispiel C l e m e n s ' XI. gefolgt, indem er schon am 28. Januar 1864 die Bulle: Suprema, welche das Tribunal abschafft und die Konstitution B e n e d i k t s XIV. widerruft, unterschrieb 6 . Publicirt ist diese aber erst am 10. Oktober 1867, also zu der Zeit, wo Garibaldi und seine Schaaren gegen Rom vordrangen 7 . Gleichzeitig wurde ein ebenfalls schon am 28. Januar 1864 unterzeichnetes Breve: Multis gravissimis veröffentlicht 8 . Dieses stellt für die kirchlichen Jurisdiktionsinstanzen und das Verfahren das kirchliche Recht wieder her und beseitigt das den Regenten Siciliens in Bezug auf die Ernennung des iudex delegatus ertheilte Privilegium, behält die letztere vielmehr dem Papste vor. Die italienische Regierung hat gegen diese Schritte P i u s ' IX. protestirt und der Bulle: Suprema das Exequatur versagt 9 . Ebensowenig hat der damalige Richter der Monarchie seine Funktionen eingestellt 10 , weshalb er vom Papst nach fruchtlos an ihn ergangenen Monitorien 11 am 23. Juli 1868 in den grossen Kirchenbann gethan worden ist 1 2 . Da die italienische Regierung ausdrücklich im Parlament erklärt hat, dass sie keine Neuerung hinsichtlich der Rechte und Privilegien der königlichen Monarchia und apostolischen Legation dulden werde, sowie den Richter des Tribunals den päpstlichen Censuren gegenüber schützt, und jeden, welcher die Aufhebungsbulle P i u s ' IX. auszuführen unternimmt, mit strafrechtlicher Verfolgung bedroht 13 , so ist vorläufig keine Aussicht auf Beilegung dieses Streites, in welchem zweifellos das Recht auf Seiten der Kurie ist 1 4 . sub alio quovis praetextu contra ordinationes et mandata quae vel nostra vel nostrorum pro tempore successorum propria manu per speciale rescriptUm signata et subscripta erunt: nec eorum executionem quanto in ipsomet s i t , audeat impedire vel retardare, sed eisdem debita reverentia, observantia et executio omnino praestetur". ι S e n t i s S. 2 1 0 . 2 1 1 . K a r l III. erklarte 1750 öffentlich, dass „das Tribunal der Monarchie die kostbarste Perle der königlichen Krone, der Richter der Delegat des Königs sei, welchem dieser die Ausübung des heiligen souveränen Rechts der apostolischen Legation anvertraut habe". A. a. 0 . S. 2 1 0 . 2 A . a. 0 . 3

Abgedruckt bei M ü n c h , vollständige Sammlung der Konkordate 2, 7 0 8 ff. 4 S e n t i s S. 2 2 3 ff. 5 A. a. 0 . S. 2 3 4 ff. Auch G a r i b a l d i hat sich im Jahre 1860 die dem legatus natus z u stehenden Ehrenbezeigungen, wie sie die Bourbonen für sich in Anspruch genommen, erweisen lassen. 6 S e n t i s S. 2 3 9 . Abgedruckt bei demselben S. 285, in den Acta ex eis decerpt. 3, 177 und in M o y s Arch. 19, !i2 ff. 7 S e n t i s S. 2 3 9 .

" Abgedruckt bei S e n t i s S. 2 9 3 in den Acta decerpt. ex eis 3, 186 und M o y s Arch. 19, 99. » S e n t i s S. 2 4 2 . 10 A. a. 0 . 11 Acta decerpt. ex eis 3, 4 3 1 . 12 Das Breve 1. c. 4, 118. 13 S e n t i s S. 3. i+ P h i l l i p s 6, 7 4 6 führt als d r i t t e s B e i s p i e l eines weltlichen Legatus natus den König H e i n r i c h II. v o n E n g l a n d an. Der von ihm dafür in Bezug genommene T h o m a s s i n 1. c. c. 119. n. 5 giebt indessen an, dass der König die ihm verliehene Legation, weil sie zu wenig Rechte enthalten, nicht acceptirt habe, indem er sich auf chronic. Gervasii monachi Dorobernensis ( f nach 1199) a. 1 1 6 4 in Histor. Angliae scriptores X . ( e d . T w y s d e n ) . London 1652. p. 1 3 8 8 beruft: „clanculo petivit dominum papam (Alexander III.), ut sibi vel cui vellet, Rogero seil. Eboracensi Anglicani regni concederet et conlirmaret legationem. Sciens autem pontifex summus hoc in praeiudicium Cantuariensis ecclesiae et gravamen archiepiscopi postulari, regiae petition! ad plenum consentire noluit nec penitus rcpellere petitorem. Verum ne in archiepiscopum gravior ira suecresceret, l e g a t i o n e m r e g ! c o n c e s s i t quae tarnen Cantuariensi archi-

§· "2·!

D i e Legaten.

E n t w i c k l u n g seit dem Mittclalter.

§. 72. III. Die Entivicklung seit dem

523

Mittelalter.

I. B i s z u m 16. J a h r h u n d e r t . Das vielfache Eingreifen der Legaten in alle Verhältnisse, sowie die mannichfachen Bedrückungen, welche sie sich zu Schulden kommen Hessen, erregten oftmals den Unwillen der weltlichen Fürsten und der geistlichen Würdenträger in den einzelnen Ländern. Freilich fiel mehrfach das Odium auch mit auf die Legaten, wo sie nur als Organe päpstlicher Forderungen auftraten und also nicht sie, sondern ihr Auftraggeber, der Papst, hätte verantwortlich gemacht werden sollen. So erklärte ζ. E. F r i e d r i c h I. im J. 1159, dass er keine Kardinäle mehr als Legaten annehmen wolle, als es zwischen ihm und Papst Hadrian IY. zu harten Erklärungen über die beiderseitigen Machtbefugnisse gekommen war In Ε η g 1 a η d schloss schon W i 1 h e 1 m II. mit dem von Papst Urban II. abgesandten Legaten einen Vertrag, dass künftighin ein solcher ohne seine Genehmigung nicht nach England geschickt werden sollte 2 . In Folge dessen wurde der von P a s c h a l i s II. dorthin deputirte Legat verhindert, das Land zu betreten 3 . König H e i n r i c h I. erwirkte sich sogar im J. 1119 von Calixt II. das Privileg, »ut nemo aliquando legati officio in Anglia fungatur, si non ipse aliqua praeeipua querela exigente et quae ab archiepiscopo Cantuariensi ceterisque episcopis regni terminari non possit, hoc fieri a papa postulaverit« 4 . Dieses Recht ist dann noch während des 13. Jahrhunderts festgehalten worden 5 . Die Könige von S c h o t t l a n d hatten zunächst von C l e m e n s IH. im J. 1187 ein Privilegium nur dahin e r l a n g t d a s s ausser einem schottischen Unterthan allein ein »de corpore papae specialiter destinatus legatus« in Schottland eine Legation ausüben dürfe, indessen wurde im J. 1221 in Folge der Gewalttätigkeiten und Bedrückungen , welche sich die dorthin gesandten Kardinallegaten erlaubt hatten, auf Veranlassung eines schottischen Bischofs für künftighin den päpstlichen Gesandten überhaupt das Betreten des Reiches verboten 7 . Die gleiche Befugniss nahmen die Könige von F r a n k r e i c h für ihr Land in Anspruch. Die Gallikaner datiren ein solches Recht seit der Zeit Gregors d. Gr. 8, wobei freilich die Entwicklung in den folgenden Jahrhunderten ignorirt ist. Wenn es ferner zweifelhaft erscheinen kann, ob A l e x a n d e r ΠΙ. dem König Ludwig ein solches Recht zugestanden hat 3 , so hat doch jedenfalls P h i l i p p d e r S c h ö n e eine derartige episcopo nullum posset inferre gravamen, unde archiepiscopus a domino papa praemunitus est. Rex autem ad tempus de praefata legatione admodum visus est gloriari. C u m a u t e m l i t t e ras l e g a t i o n i s m i n u s quam v e l l e t , v i d e r e t e f f i c a c e s , cum multa indignatione domino papae illas restituit''. In der That enthält dieser Bericht aber, ebenso wie der anderer älterer englischer Geschichtschreiber nur eine Entstellung des wahren Sachverhaltes, dass ein von Alexander III. für den Erzbischof von York ertheiltes Legatenpatent an König Heinrich II. zur Aushändigung an diesen übersendet worden ist. S. I i e u t e r , Gesch. Alexanders III. 2. Ausg. 1, 385 ff. 558 rt'. und unten %. 75. II. 11. 1 R e u t e r , Alexander III. 1, 45. 485 ff. und oben S. 511. η. 1. 2 Hugon. Flavinian. thron. Virdunens. lib. II. (SS. 8, 475): „quia conventionem fecerat cum eo Albanensis episcopus quem primum illo miserat

papa, ne legatus Romanus ad Angliam mittatur nisi quem rex praeeiperet". 3 Ep. ad Henric. reg. a. 1115 ( M a n s i 20, 1066) : „miramur vehementius et gravamur, quod in regno potestateque tua B.Petrus et in B. Petro dominus honorem suum iustitiamque perdiderit. Sedis enim apostolicae nuncii vel literae p r a e t e r i u s s i o n e m r e g i a e m a i e s t a t i s nullam in potestate tua suseeptionem aut aditum promerentur". 4 Eadmeri vita S. Anselmi in app. oper. S. Anselmi (ed. G e r b e r o n Lutet. Paris. 1721). L. V. p. 94, 5 B a l u z e bei M a r c a 1. c. c. LVI. n. 10—13. 6 M a n s i 22, 548. ' B a l u z e 1. c. c. LV1I. n. 3. 8 B a l u z e a. a. 0 . c. LVI. n. 2. Sie beziehen sich auf das (oben S. 504. n. 4) Schreiben Gregors an Brunhild. 9 Nach Ep. a. 1167 ( M a n s i 21, 884) verlangt er für den Fall, dass es nicht gelingen sollte, den

524

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 72.

Prärogative B o n i f a c i u s VIII. gegenüber in Anspruch genommen, welche sowohl von diesem 1 als nachmals vom Papst J o h a n n XXII. 2 reprobirt worden ist. In D e u t s c h l a n d 3 hat man einen derartigen Anspruch nicht erhoben. Freilich sind auch hier Fälle vorgekommen, wo man einzelnen Legaten Widerstand leistete. So wurde dem von Gregor IX. im J. 1228 nach Deutschland gesandten Legaten, dem Kardinal Otto, zunächst von König Heinrich der Eintritt nach Deutschland verwehrt. Nach seiner Zulassung fand er in Lüttich unter der Geistlichkeit solchen Widerstand, dass er die Stadt mit dem Interdikte belegte, und auf der von ihm im J. 1229 nach Würzburg berufenen deutschen Generalsynode erschienen in Folge eines Rundschreibens Herzogs Albert von Sachsen an die Prälaten Deutschlands eine so geringe Anzahl derselben, dass der Legat die Synode aufhob. Auch sein weiterer Versuch, eine Provinzialsynode zu Mainz zu Stande zu bringen, wurde vereitelt 4 . Die Reformkoncilien zu K o n s t a n z und B a s e l haben keine ausdrücklichen Bestimmungen gegen die Legaten erlassen, vielmehr ihre Befugnisse nur indirekt durch die Beschränkung der Ausübung der päpstlichen Gerichtsbarkeit eingeengt 5 . Die weltlichen Mächte suchten sich dagegen durch Nichtzulassung der Legaten vor der Prüfung ihrer Vollmachten zu helfen 6 . Die Vorschrift L e o s X . 7 , dass die Legaten persönlich in ihrer Provinz bei Verlust der Emolumente ihrer Legation Residenz halten und ihre Distrikte nicht prägraviren sollten, beseitigte selbstverständlich diese Uebelstände nicht. Erzbischof Thomas von Kanterbury mit dem König von England auszusöhnen, Ludwig möge gestatten, dass dieser zum Legaten in Frankreich ernannt werde. Welche Antwort seitens des letzteren darauf abgegeben w o r d e n , ist nicht bekannt. 1 Raynaldi annal. eccles. a. 1303. η. X X X I V . : Quod Romanus Pontifex legatos de latere ac n u n cios libere mittere potest ad quaevis imperia regna vel loca, prout vult absque petitione cuiuslibet vel consensu, usu vel consuetudine contrariis nequaquam obstantibus". 2 c. 1. in E x t r a v . commun. de consuet. I. 1, worin f ü r diejenigen Fürsten, welche die Legaten hindern, ihre Länder zu betreten, die E x k o m m u nikation ipso iure f ü r ihre Person und das Interdikt für ihr Land als Strafe festgesetzt wird. Einzelne (so ζ. B. B a l u z e 1. c. c. L V I . n. 3) schreiben diese Konstitution gleichfalls Bonifazius VIII. zu. 3 Eine Aufzählung der nach Deutschland gesandten Legaten und Nuntien enthält das gleichzeitig eine politische und Kirchengeschichte bietende, aber wenig von seinem Thema handelnde B u c h : (F. C. v. M o s e r ) Geschichte der päpstlichen Nuntien in Deutschland. F r a n k f u r t und Leipzig 1788. 2 Bde. ( S c h u l t e , 2, 362. η. 1 erklärt ihn unrichtig für identisch mit J o h . J a c . Moser). 4 H e f e l e 1, 878. 879. 5 H ü b . l e r , Konstanzer Reformation S. 9 0 f f . ; conc. Basiiiens. Sess. XXX. c. 1 ( M a n s i 29, 109) s. auch u n t e n . 6 So wurde der im J . 1501 mit dem Jubiläumsablass nach Deutschland gesandte Kardinal Raimund erst zugelassen, nachdem er einen Revers ausgestellt (Geschichte der Nuntien 2, 527.

718), dass er von seinen Vollmachten nicht ohne Verständigung mit dem Kaiser Gebrauch machen wollte, und ferner mit dem Reichsregiment die näheren Bedingungen der Ausübung der letzteren festgestellt waren. R. A. zu Nürnberg §§. 14 ff., ( I v o c h ) Sammlung der Reichsabschiede 2, 96. — In Frankreich mussten die Legaten u n d Nuntien ihre Vollmachten ebenfalls zur königlicheu P r ü fung einreichen und eidlich angeloben, dieselben gemäss dem Willen des Königs und gemäss den (ieset/.en des Königreiches zu gebrauchen. V a n E s p e n 1. c. n. 7. 8. 13—15. 7 Erlassen auf dem Lateran-Koncil v. J . 1515 (c. Uli. in v i l t o de off. leg. I. 8 ) : „Nullis cardinalibus provincias ac civitates legationis titulo obtinentes, eas per locum tenentes aut officiales quoscunque administrare liceat, sed personaliter ipsi pro maiori parte temporis adesse atque eas omni vigilantia regere et gubernare t e n e a n t u r : et qui nunc titulum legationis obtinebunt, si in Italia intra tres menses, si extra Italiam quinque, a die praesentis publicationis ad suas provincias ire ac maiorem temporis partem ibi residere t e n e a n t u r : nisi de nostro et successorum nostrorum mandato pro aliquibus gravioribus negotiis in Romana curia retineantur vel ad alia loca prout necessitas postulat, mittantur et tunc in dictis provineiis ac civitatibus vicelegatos, auditores, locumtenentes caeterosque consuetos officiales cum debitis provisionibus ac salariis habeant. Qui praemissa omnia et singula non servaverit, emolumentis quibuscunque legationis careat. Quae quidem propter hoc antiquitus ordinata et instituta fuerunt, ut opportuna legatorum praesentia populis esset salutaris non ut ipsi laborum et curarum penitus expertes lucro tantum suaeque legationis titulo inhiarent".

§· 72.]

Die Legaten. Entwicklung seit dem Mittelalter.

525

Π. D a s T r i d e n t i n u m . In den über die Legaten im corpus iuris canonici niedergelegten Rechtsgrundsätzen war bis dahin nichts geändert worden, wenngleich schon seit dem 15. Jahrhundert vielfach s. g. nuntii cum potestate a latere 1 , welche das Dekretalenrecht nicht kannte, abgesendet wurden. Erst das Tridentinum hat die Befugnisse der Legaten im Zusammenhang mit seinen auf Erweiterung der bischöflichen Jurisdiktion gerichteten Beschlüssen 2 beschränkt. Dasselbe reservirte unter ausdrücklichem Ausschluss der Legaten den Bischöfen die Jurisdiktion in erster Instanz und gestattete den ersteren nur nach vorgängiger Requisition des Bischofs im Falle der Nachlässigkeit desselben einzuschreiten 3 . Damit war ihnen das Exkommunikations-, Suspensions- und Depositionsrecht gegen die Untergebenen der Bischöfe und die korrespondirende Befugniss zur Absolution derselben entzogen 4 . Dagegen hat das Koncil den Legaten das Recht zur Verhandlung in der Appellationsinstanz 5 und zur Führung der Untersuchung über die zu Kathedralkirchen zu promovirenden Personen vorbehalten 6 . III. D i e s t ä n d i g e n N u n t i a t u r e n u n d d i e s. g. N u n t i a t u r s t r e i t i g k e i t e n * . Schon seit L e o X., seit dem J. 1513, finden sich fortdauernd Nuntien mit Fakultäten für ganz Deutschland am kaiserlichen Hofe zu W i e n 7 . Ende des 16. Jahrhunderts, nachdem die Reformationsbewegungen zu der Absendung einer ganzen Anzahl von Legaten Veranlassung gegeben und die Klagen darüber in Deutschland fortgedauert hatten 8 , wurden mehrere ständige Nuntiaturen errichtet, deren 1 Ein Beispiel fiir diese giebt das Breve Eugens IV. von 1446 in der Geschichte der päpstlichen Nuntien 2, 620. 2 S. oben S. 176. 3 Sess. X I V . c. 20. de reform.: „Legati quoq u e , e t i a m d e l a t e r e , n u n c i i , gubernatores ecclesiastici aut alii, quarumcumque facultatum vigore non solum episcopos in praedictis causis impedire aut aliquo modo eorum iurisdictionem eis praeripere a u t turbare non praesumant sed nee etiam contra clericos aliasve personas ecclesiasticas nisi e'piscopo prius requisito eoque negligente procedant". Vgl. dazu die Entscheidungen der Congregatio Concilii in R i c h t e r s Tridentinum S. 390.

* K o b e r . Kirchenbann. 2. Aufl. S. 74. 4 0 9 ; Suspension S. 4 0 ; Deposition S. 325. 5 Sess. X X I I . c. 7 de ref. 6 Sess. X X I I . c. 2. de ref. Im Interesse der Unparteilichkeit muss ausdrücklich hervorgehoben werden, dass der päpstliche Stuhl die früher den Nuntien ertheilten Vollmachten nach dem T r i d e n t i n u m dessen Vorschriften gemäss auf die zweite Instanz beschränkt h a t . S. Responsio Pii VI. P. M. ad metropolitanos Moguntin., Trevirens. Coloniens. et Salisburg. super nunciaturis apostolicis. Ilomae 1789. (Florentiae 1 7 9 0 u . öfters) c. 8. n. 143 (verfasst auf Veranlassung des Papstes durch den Kardinal C a m p a n e l l i u n t e r Ben u t z u n g der von F. A. Zaccaria, Kardinal Garempi und dem Nuntius Pacca gelieferten Materialien, P a c c a , historische Denkwürdigkeiten. Augsburg 1832. S. 92). * Eine Uebersicht über die zahlreichen, meist aus Anlass der Errichtung der Nuntiatur zu München entstandenen Schriften geben K l ü b e r , Fortsetzung der Literatur des deutschen Staats-

rechts. Erlangen 1791. S. 556 ff.; M i r u s s , das europäische Gesandtschaftsrecht. Leipzig 1847. 2, 37 ff. Ich hebe hervor ausser der bereits citirten Responsio Pii VI. : J . v. S a r t o r i , geistliches und weltliches Staatsrecht der deutschen, katholisch-geistlichen E r z - , Hoch- u. Ritterstifter. Nürnberg 1788. Bd. I. Th. 1. S. 210 ff.; Geschichte der Nuntiaturen Deutschlands unpartheyisch verfasset von A. J . C C. zu V . 1790; Pragmatische und aktenmässige Geschichte der zu München neu errichteten Nuntiatur samt Beleuchtung des Breve P i u s ' V I . an den Fürstbischof zu Freisingen. F r a n k f u r t und Leipzig 1 7 8 7 ; ( W e i d e n f e l d ) gründliche Entwicklung der Dispens- und Nuntiaturstreitigkeiten zur Rechtfertigung des Verfahrens der vier teutschen E r z bischöfe wider die Anmassungen des römischen Hofes. 1788; M a r c e l l u s S t i g l o h e r , die E r richtung der päpstlichen Nuntiatur in München und der E m s e r Kongress. Regensburg 1867. Ueber die Wirksamkeit der Nuntien in Deutschland s. auch J . L. J a c o b i , der päpstliche N u n tius in Berlin. Berlin 1868. S. 7 ff. 7 Responsio Pii 1. c. n. 133, wo auch die Namen siimmtlicher Nuntien seit dieser Zeit bis zum J . 1789 angegeben sind. 8 So ?.. B. auf dem Augsburger Reichstag von 1530. „Es wird auch", so wurde hier hervorgehoben , ,, fiir hoch beschwerlich geachtet, dass Papst'. Heiligkeit täglich so viele Indulgenzen und Ablässe in deutsche Nazion schicket, dadurch die armen einfältigen verführet und durch Behendigkeit um ihre Barschaft bethört werden; denn so Päjistl. Heiligkeit Nunzios und Botschafter in etliche Landschaften ausschicket, so giebt Sie Ihnen Ablässe auszutheilen, davon sie Zubuss an ihrer Zehrung erlangen und prass halten oder für Ihre Dienstgelder empfahen".

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I-

Hierarchic; und die Leitung· der Kirche durch dieselbe.

[§. 72.

Zweck die Ueberwachung der Durchführung der Beschlüsse des Tridentinums, aber auch zugleich der war, die Fortschritte des Protestantismus zu hindern, so wie ihm sein Terrain wieder abzugewinnen 1 . Wenn auch der Versuch S i x t u s ' V. in der S c h w e i z im J. 1571 eine solche einzusetzen scheiterte 2 , so gelang dies doch im J . 1579 in Folge der Bearbeitung der katholischen Bevölkerung durch die Jesuiten11, freilich war ihr Bestand erst seit dem J. 1586 gesichert 4 . Die Vollmachten des in L uz er η residirenden Nuntius erstreckten sich »ad Helvetios, Rhaetos eorumque subditos et confoederatos necnon ad Constantiensem, Basileensem, Sedunensem, Curiens. et Lausann, civitates et dioeceses« 5 . Der Uebertritt des Churfürsten und Erzbischofs Gebhards von Köln zur reformirten Religion, sowie der Wunsch seines Nachfolgers Herzogs Ernst von Baiern, seinen 17jährigen Enkel zum coadiutor eingesetzt zu sehen, gab die Veranlassung zu der Errichtung einer ständigen Nuntiatur zu K ö l n im J. 1582. Der coadiutor wurde nämlich gleich in den Besitz des Erzbisthums eingesetzt, ihm aber wegen seiner Minderjährigkeit der Nuntius an die Seite gestellt 0 . Die Provinz des letzteren umfasste die Rheinlande und die übrigen Theile Nieder-Deutschlands 7 . Endlich ist ebenfalls zu B r ü s s e l eine Nuntiatur unter der Regierung C l e m e n s ' V m . (1592—1605) errichtet worden 8 . Ihrer Stellung nach waren diese Nuntien nuntii missi cum potestate legati a latere. Das beweisen nicht nur ihre V o l l m a c h t e n s o n d e r n sie führen auch geradezu diesen Titel 1 0 , wenngleich sie sich freilich von den früheren päpstlichen Legaten durch ihre ständige Residenz in den ihnen angewiesenen Sprengein unterschieden. Anfänglich hatte sich der deutsche Episkopat der Errichtung dieser Nuntiaturen nicht widersetzt. Im Verlaufe der Zeit wurden aber sowohl Seitens desselben als auch namentlich Seitens der Protestanten wiederholte Klagen wegen der Uebergriffe der Nuntien laut. Schon im J. 1594 beschwerten sich die letzteren, dass »der Papst und seine Nuntii ihre Jurisdiktion durch die Jesuiten« dem Religionsfrieden zuwider in die evangelischen Territorien hineinextendirten und verlangten, dass »die im Religionsfrieden suspendirte und im Reiche erloschene Jurisdiktion über Geistliche und Weltliche wiederum zu exerziren, dem Papste und seinem Anhange nicht verstattet werde« 11 . Auf dem Reichstage zu Regensburg im J. 1598 wurde die Forderung erhoben, »dass die päpstlichen Nuntien nicht allein im Reiche, wie bisher geschehen, 1

M e j e r , die Propaganda 1, 323. η. 1. ( G l ü c k ) Geschichte der E i n f ü h r u n g der Nuntiatur in der Schweiz. Bevorwortet von S η e 11. Baden 1847. S. XII ff. 3 S a r t o r i a. a. Ο. S. 211 ; M e j e r a. a. 0 . 2, 108 f f . ; S n e l l a. a. 0 . S. XIV ff. * S n e l l S. X L I X . s M e j e r a . a. 0 . S. 180. 6 S a r t o r i a. a. 0 . S. 2 1 0 ; Geschichte der Nuntien. S. 7 2 ; B i n t e r i m a. a. 0 . S. 180; S t i g l o h e r a. a. 0 . S. 29. 30. 7 Nach : „Legatio apostolica Petri Aloisii Carafae, episcopi Tricariensis sedente Urbano VIII. P. M. . . . ad tractum Rheni et ad provincias inferioris Germaniae ab anno 1624 usque ad aim. 1634. Quam denuo edid. J . A. G i n z e l . Wirceburg. 1840. p. 5 ff. umfasste der Sprengel dieser Nuntiatur die Diöcesen Strassburg, Speyer, Worms, Köln, Utrecht, Paderborn , Münster, 2

Osnabrück, Minden, Bremen, Lübeck, Ratzeburg, Schwerin, W ü r z b u r g , Bamberg, Hildesheim, Halberstadt, Magdeburg, Meissen, Naumburg, Merseburg, Brandenburg, Havelberg, Trier, Metz, Toul, Verdün, Lüttich. M e j e r a. a. 0 . S. 183. 8 Geschichte der N u n t i a t u r e n . S. 5 . 6 4 ; S a r t o r i S. 2 1 1 ; M e j e r a. a. 0 . S. 323. η. 1. 9 Die des Kölner Nuntius von 1584 sind abgedruckt bei H a r t z h e i m , concilia Germaniae 8, 4 9 8 ; die späteren bei M e j e r a. a. 0 . S. 186. n. 2. Die mehrfach, so ζ. B. bei G a e r t n e r , corp. iur. eccl. cath. 2, 443 mitgetheilten Fakultäten Benedikts X I V . sind nicht vollständig wiedergegeben. M e j e r S. 192. 10 So der Nuntius in Luzern, M e j e r S. 1 8 0 ; der von Köln. S. H a r t z h e i m 1. c. und das Schreiben bei B ö h m e r I. Ε . P. I. 30. §. 14. 11 M e j e r S. 197.

§• 72.]

Die Legaten. Entwicklung seit dem Mittelalter.

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zu foviren, sondern vielmehr als Ursache alles Misstrauens zwischen den Ständen wieder nach Rom abzufertigen« 1 . Bei den Friedensverhandlungen im J. 1645 taucht die Beschwerde auf: »Es haben sich sowohl päpstliche Nuntien unterfangen, die geistliche Jurisdiktion in Evangelischen hohen Stiftern auszuüben, Evangelische Prälaten ad videndum se privari zu citiren, Dispensation zu ertheilen, Präbenden zu vergeben, und durch Protestationes Demjenigen, was im Reich zwischen den Ständen abgehandelt wird, sich zu widersetzen« 2 . Als im J. 1709 der Nuntius zu Köln einen zwischen König Friedrich I. und der gedachten Stadt wegen der Religionsübung des Preussischen Gesandten geschlossenen Vergleich durch ein beleidigendes Schreiben, in welchem er die reformirte Religion eine secta damnata nannte 3 , cassirt hatte, beantragte der König, beim Corpus Evangelicorum den Kaiser durch ein nachdrückliches Schreiben zu ersuchen, »dass entweder dieser Nuntius gar aus dem Reich geschaffet oder wenigst derselbe dahin angewiesen und obligiret werde, sein liederliches scandaleuse Scriptum wieder zurückzunehmen, sich hinfüro in seinen Schranken zu halten und dergleichen ungereimten, denen Verfassungen des Reichs zu wider laufenden Dingen ferner nicht zu unterstehen« 4 . Die bischöfliche Opposition, welche schon Anfang des 16. Jahrhunderts allerdings sehr vereinzelt sich erhebt 5 , tritt erst am Ende des 17. Jahrhunderts offener und schärfer hervor. So protestirte der Erzbischof von Mainz im J. 1689 dagegen, dass der Nuntius zu Köln das Stift Mainz unter seinen Distrikt ziehen wollte. Anfangs des 17. Jahrhunderts nahm der Kölner Nuntius den oben S. 525 gedachten Vorschriften des Tridentinums zuwider eine Visitation der Diöcese Lüttich, deren Bischof der damalige Kurfürst von Köln war, vor und es entstand in Folge dessen ein langer Streit, in welchem der Erzbischof die Vermittelung der deutschen Reichsfürsten in Anspruch nehmen musste 6 . Ferner war der deutsche Kaiser zum Einschreiten genöthigt, als im J. 1706 der Kölner Nuntius eine gegen ein Urtheil des Lehnhofes der Aebtissin von Thorn eingelegte Appellation annahm und dieselbe durch Androhung der Exkommunikation aufrecht zu erhalten suchte". Im J. 1723 stritt der Erzbischof von neuem mit dem Nuntius über die Exemtion des Mainzer Erzbisthums von dessen Nuntiaturbezirk 8 . Auch in die rein politischen Angelegenheiten des deutschen Reiches mischten sich die Nuntien ein, so überreichte ζ. B. der päpstliche Nuntius auf dem Kurfttrstentag zu Frankfurt im J. 1742 eine Protestation gegen die Anerkennung des Herzogs von Hannover als Kurfürsten Aus Anlass des Umstandes, dass die geistlichen Fürsten des Reichs ihre Jurisdiktion in Civilstreitigkeiten auch durch ihre geistlichen Officialen seit dem 16. Jahrhundert hatten ausüben lassen und die Nuntien in diesen Prozessen ebenfalls Appellationen annahmen 10 , entstanden gleichfalls viele Streitigkeiten. In Folge eines 1 Geschichte der Nuntiaturen. S. 75. 2 M e j e r S. 198. 3 Abgedruckt bei B ö h m e r 1. c. 4 Ebendaselbst 15. 5 So schreibt der Bischof von Lavant an den päpstlichen Nuntius: „Ehre und Leben sind entgegen, dass ich einen Theil meiner Pflicht einem fremden Hirten anvertrauet«, gleichsam als wäre ich nicht fähig genug, sie zu versehen . . . Uebrigens bitte ich Dich, dass Du Dir alle Visitations-

gedanken vergehen lassen mögest. Ich weide selbst das Amt eines guten Hirten thun und weiss, dass meine Schafe lieber meine Stimme als eine fremde hören". Geschichte der Nuntiaturen S. 13. fl Geschichte der Nuntiaturen S. 94 ff. 7 S a r t o r i S. 216. H Pragmatische Geschichte S. 122. 9 S a r t o r i S. 219. 10 Geschichte der Nuntiaturen S. 44 ff.

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I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 72.

Gutachtens des Reichskammergerichtes von 1643, welches ebenfalls Klagen über die Eingriffe in die Jurisdiktion des letzteren enthält 1 , wurden indessen dergleichen Appellationen in dem Reichsabschiede vom J. 1654 verboten 2 , und seit dieser Zeit ein dahingehender, sowie ein anderer die gesetzliche Aussonderung und Definition der causae saeculares verheissender Artikel in die Wahlkapitulationen der Kaiser aufgenommen 3 . Der damalige Kölner Nuntius protestirte aber dagegen 4 , und wiederholt kamen, so ζ. B. in den Jahren 1677 und 1698 Zuwiderhandlungen der Nuntien und kaiserliche Mandate gegen die letzteren vor s . Nachdem bei der römischen Königswahl im J. 1764 ein Antrag des Kurfürsten von der Pfalz, die Beschwerden in der Wahlkapitulation genauer anzugeben, und auf Beseitigung der Gerichtsbarkeit der Nuntien in weltlichen Sachen, sowie auf Erledigung der geistlichen durch deutsche Kommissarien zu dringen, abgelehnt war 6 , Hessen die drei geistlichen Kurfürsten (Mainz, Trier, Köln) — wohl von den Doktrinen des kurz vorher erschienenen Buches des F e b r o n i u s 7 beeinflusst 8 — auf dem Kongresse zu Koblenz im J. 1769 durch ihre Deputirten ι S a r t o r i S. 214. §. 164: „Als sich dann auch die Stände zum höchsten beschweret, dass in den E r t z - und Stifftern Cölln, Lüttich und Münster, wie auch andern Orten des Reichs, allerhand Missbrauch wegen Vornehmung der Appellationen u n d Recursen von den Offlcialibus ad Pontiflcem und die Nuntios entstehen , indem man sich derselben fast allen Urtheilen ohne Unterschied, es betreffe gleich, Civilund Personen-Sachen, bedient, die Jurisdictiones wider die Ordnung confundirt, die Civilsachen ausserhalb des Reichs zu fremden Gerichten gezogen und die Parteyen mit Verspielung vieler Zeit und Unkosten umgetrieben werden, daher erfolget, dass nicht allein viel Mandat-Prozess de cassando entspringen, sondern die Nuntii vielmalen durch Gegen-Mandat cassatoria, den Partheyen die Kammergerichtliche Verbot auffzuheben bei starker Geldpön oder geistlicher Censur anzubefehlen pflegen und l ' n s dann Churfürsten u n d Stände und der abwesenden Räthe u n d Gesandten, um Abstellung dergleichen zu Abbruch u n d Schmälerung Unserer und des heiligen Reichs Hoheit, auch Confusion der Jurisdictionen gereichender unordentlichen nachtheiligen Proceduren, durch bequeme thunliche Mittel der Gebühr ersuchet. So wollen wir in E r i n n e r u n g , was auch dieser Sachen halber bereits im J a h r 1548 den 3. Oktober von weiland Unserm geliebten Vorfahren am Reich Kayser Karl dem F ü n f t e n an die Stand des Reichs vor Rescripta und Mandata de non evocando vergangen, an dem päpstlichen Stuhl zu Rom hierin die Nothdurft't dahin beweglich gelangen lassen, damit den N u n tiis dergleichen ohnzulässiges Verfahren im Reich und über dessen Glieder und Unterthanen mit E r n s t verboten und fürterts nicht mehr gestattet u n d da dargegen icht was attentirt oder gehandelt würde, solches keine Krafft haben, sondern wiederum cassirt auffgehoben, auch insgemein die Evocationes vor fremde Gericht und ausserhalb des Reichs wie sie dann ohne das bei Unserm Reichs - Hoffrath und K a m m e r - G e r i c h t nicht geachtet, keineswegs zugelassen, auch im übrigen, was die Stände wegen der Nunciorum absolutionem a iuramentis, und dass dergleichen Relaxationes in den Gerichten, sie geschehen denn von 2

dem ordentlichen Richter ad effectum agendi, nicht zu attendiren seyn sollen, hierbey erinnert, beobachten". ( K o c h ) , Sammlung der Reichsabschiede 3, 669. 3 Art. X I V . „§. 4. Gleicher Gestalt Wollen Wir, wenn es sich etwan begäbe, dass die Causae civiles von ihrem ordentlichen Gericht im heiligen Reich ab- u n d ausser dasselbe ad Nuntios apostolicos und wohl gar ad Curiam Romanam gezogen würden, solches abschaffen, vernichten und ernstlich verbieten, auch Unsern Kayserlichen Fiscaln sowohl an Unserm Kaiserl. Reichs - Hofrath als Cammer-Gericht anbefehlen wider diejenige, so wohl Partheyen als Advocaten, Procuratoren und Notarien, die sich hinfuhro dergleichen anmassen und darin einiger Gestalt gebrauchen lassen würden, mit behöriger Anklag von Amtswegen zu verfahren, damit die Uebertreter demnechsten gebührend angesehen und bestrafft werden möcht e n ; § . 5 . Und weilen vorberührter Civil-Sachen willen zwischen Unseren und des Reiches höchsten Gerichten, sodann denen Apostolischen N u n tiaturen mehrmahlige Streit- u n d Irrungen entstanden, in denen so ein- als andern Orts die ab deren Offlzialen Urtheil beschehene Appellationes angenommen, processus e r k a n n t , selbige auch durch allerhand scharffe Mandata zu grösster I r r und Beschwerung deren Partheyen, zu behaupten gesucht worden, wormit dann diesem vorkommen und aller Jurisdiktions-Conflict möchte verhütet werden, so wollen Wir daran seyn, dass die Causae saeculares ab Ecclesiasticis rechtlich distinguirt, auch die darunter zweyffelhaffte Fälle durch gütliche, mit dem Päpstlichen Stuhl vornehmende Handlung und Vergleich erlediget, fort der geistund weltlichen Obrigkeit einer jeden ihr Recht und Judicatur ungestört gelassen werden möge'·. K o c h a. a. 0 . Bd. 4. app. S. 19. Vgl. auch Geschichte der Nuntiaturen S. 43. 59. * Geschichte der Nuntiaturen S. 43. 272. 5 B ö h m e r 1. c. 16. 18. β S a r t o r i S. 2 2 0 ; Geschichte der Nuntiaturen S. 120 fif. ? S. oben S. 200. 8 S t i g l o h e r S. 58. F e b r o n i u s lehrt in dem gedachten Buche c. 2. §. 10, dass der Papst frei-

§· 72.]

Die Legaten. Entwicklung seit dem Mittelalter.

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31 auf die Beschränkung der päpstlichen Macht gerichtete Desideranda zusammenstellen, in denen auch die Aufhebung der Tribunale der Nuntien in Deutschland gefordert wurde 1 . Kaiser J o s e p h Π., an welchen sie dieselben mit der Bitte um Unterstützung bei ihrer Durchführung übersandt hatten, wies dies Ansuchen jedoch mit dem Eröffnen zurück, dass sich ein jeder der Erzbischöfe mit den ihn betreffenden Beschwerden unmittelbar an den Papst wenden möge 2 . Nicht lange nachher rief aber die Errichtung einer weiteren Nuntiatur zu M ü n c h e n von Neuem eine Opposition der geistlichen und weltlichen Fürsten hervor. Die baierischen Lande wurden in geistlicher Beziehung nur durch reichsunmittelbare Fürsten und Bischöfe regiert und da in Folge dessen mannigfache Jurisdiktionsstreitigkeiten entstanden, so hatte man in Baiern schon Anfang des 18. Jahrhunderts bei C l e m e n s XI. die Einsetzung eigener Landesbischöfe — freilich vergeblich — verlangt 3 . Nachdem der Kurfürst K a r l T h e o d o r von der Pfalz, der gleichzeitige Herzog von Jülich und Berg, auch Churbayern durch Erbfolge erworben hatte, verlangte er mit Rücksicht darauf, dass es in allen diesen seinen Besitzungen keine landsässigen Bischöfe gab, die Einsetzung eigener Kommissarien oder General-Vikare seitens der kompetenten Eeichsbiscliöfe. Als ihm dies verweigert wurde, wandte er sich an P i u s VI. um Errichtung von Landesbisthümern. Da aber diesem Begehren seitens der Kurie nicht nachgegeben wurde, proponirte er im J. 1784 dem Papst, an seinem Hofe eine ständige Nuntiatur einzusetzen. Letzterer ging im folgenden Jahre darauf ein und ernannte den Grafen Julius Cäsar Zoglio, Erzbisehof von Athen, zum Nuntius 4 . Auf die Kunde von diesen Verhandlungen erhob sich in der damaligen Presse ein förmlicher Sturm und die Erzbischöfe von Mainz, Köln, Trier und Salzburg, sowie der Bischof von Freising fragten in Rom an, mit welchen Fakultäten der Nuntius erscheinen werde 5 . Auf die Antwort, dass diese denen des Nuntius zu Köln gleich sein würden 5 , wandten sich die Bischöfe an Kaiser J o s e p h II. mit der Bitte, »sich bey dem römischen Hofe wider die Aufstellung eines neuen päpstlichen Nunzius zu München, als insofern nämlich letzterer mehr als ein päpstlicher Gesandter am Kurpfälzischen Hofe sein soll, mit allem Nachdruck zu verwenden« 6 . In Folge dessen beauftragte J o s e p h II. den Kardinal - Protektor der deutschen Nation die Absendung eines mit Fakultäten versehenen Nuntius zu hintertreiben, und theilte den Bischöfen mit, lieh das Recht habe, Gesandte abzusenden, aber nur zur Ausübung der wesentlichen Primatialrechte und bemerkt n. 5. ibid., dass die von den Nuntien in Deutschland ausgeübten Vollmachten darüber weit hinausgingen, also auch eingeschränkt werden könnten. 1 S t i g l o h e r S. 58. S. 2 6 0 : „n. 27) die absolutiones a censuris a iure vel episcopo latis vel ferendis, welche die legati oder nuntii mit Uebergehung des ordinarii ertheilen, sollen ausser Wirkung sein; auch 28) keine litterae citatoriae, minderet inhibitoriales in correctoriis, sie gehen in via inquisitionis oder accusationis flscalium vor, angenommen werden. 29) In Betreff der Appellationen sollten a) keine civil und temporal Sachen, auch wenn beede Theile oder der beklagte allein eine Kirche oder Clericus wäre, nach Rom oder an die Nuntiaturen gezogen werden, b) desgleichen der ordentliche Zug der Instanzen vom Bischof zum Metropolitan und dann erst zur römi-

schen Curie und zwar dermassen gehen , dass c) dieselbe jedesmal judices in partibus und zwar von der Nation gebe, sohin die tribunalia der päpstlichen Nuntiaturen in Deutschland gänzlich aufhören". 2 S t i g l o h e r S. 58. 3 Pragmatische Geschichte S. 4 ; S t i g l o h e r S. 60. * Geschichte der Nuntiaturen S. 168. 182 ff.; S t i g l o h e r S. 60. 5 Das Schreiben Pius' VI. abgedruckt bei S t i g l o h e r S. 260. 6 Schreiben vom 22. September 1785, a. a. 0 . S. 261. Es wird in demselben darauf hingewiesen, dass die Errichtung der projektirten Nuntiatur weder mit den Diöcesanrechten der Bischöfe, noch den Beschlüssen der älteren und neueren Kirchenversammlungen (namentlich des Concils von Basel) noch mit der Wahlkapitulation vereinbar sei.

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I· D i e Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[jj. 72.

er habe »sofort dem päpstlichen Stuhle erklären lassen, wie er niemals gestatten würde, dass die Erz- und Bischöffe im Reiche in ihren von Gott und der Kirche ihnen eingeräumten und zustehenden Diöcesanrechten gestöret würden, dass er also die päpstlichen Nunzien nur als päpstliche Abgesandten zu politischen und jenen Gegenständen geeignet erkenne, welche unmittelbar dem Papste als Oberhaupt der Kirche zustehen; dass er aber diesen Nunzien weder eine Jurisdiktionsausübung in geistlichen Sachen, noch eine Judikatur gestatten könne; weswegen auch solche ebensowenig dem in Kölln schon befindlichen, als dem hier zu Wien stehenden, noch einen anderen irgendwo in die Lande des deutschen Reichs fürohin kommenden päpstlichen Nunzius zukommen noch zugelassen werden sollen« 1 . Trotzdem erschien im J. 1786 der für München bestimmte Nuntius mit denselben Vollmachten2, wie der gleichzeitig für Köln neu ernannte Bartholomäus Pacca, Erzbischof von Damiette Als diese ungeachtet der 1 Opposition der gedachten vier deutschen Erzbischöfe ihre Fakultäten zur Ausübung brachten, suchten letztere die von F e b r o n i u s vertheidigten Ideen in der deutschen Kirche praktisch zu machen und eine selbstständigere Stellung derselben Rom gegenüber herbeizuführen. Zu diesem Behufe liessen sie einen Kongress durch ihre Deputirten im J . 1786 im Bade Ems abhalten. Das Resultat ihrer Konferenzen war die am 25. August festgestellte s. g. Ε ms er P u n k t a t i o n 5 , welche vollkommen auf episkopalistischen Anschauungen ruht und die bisherigen Nuntiaturstreitigkeiten durch Iierabdrückung der Nuntien zu rein diplomatischen Agenten des Papstes zu beseitigen suchte 6 . Das Schriftstück wurde sodann an Kaiser Joseph II. gesandt. Da aber inzwischen bei den deutschen Bischöfen Befürchtungen wegen Beeinträchtigung ihrer Gerechtsame durch die Metropoliten entstanden waren und der Bischof von Speyer diesen in einem Schreiben an den Kaiser Ausdruck gegeben h a t t e s o rieth letzterer den Erzbischöfen, zunächst mit den Bischöfen und den Reichsständen, in deren Länder sich ihre Sprengel erstreckten, sich in Einvernehmen zu setzen 8 . Die zu diesem Zwecke unternommenen Schritte der Erzbischöfe hatten aber namentlich wegen des Widerstandes des Bischofs von Speyer keinen Erfolg !l und als die ersteren die Nuntien an der Ausübung ihrer Fakultäten zu hindern suchten, selbst aber ihnen nach der bisherigen Disciplin nicht zustehende Dispensationen ausübten, erliess jeder Theil Verbote gegen die Handlungen des andern, P i u s VI. reprobirte die neue Dispensationspraxis, der Reichshofrath aber publicirte auf Anrufen der Erzbischöfe ein Mandat » gegen die von päpstlichen Nuntien 1 Schreiben vom 12. Oktober 1785 ( M ü n c h , vollständige Sammlung aller Konkordate 1, 404; S t i g l o h e r S. 263). 2 In dem päpstlichen Kreditiv vom 10. Dezember 1785 (a. a. 0 . S. 265) wird er als Ordinarius noster et apostolicae sedis nuntius bezeichnet, in den beiden Schreiben vom J. 1786 (pragmatische Geschichte Anh. S. 31. 32) nennt er sich selbst: „sanetae sedis apostolicae apud Serenissimam Electoralem aulam Bavaro-Palatinam cum facultatibus legati a latere nuncius". 3 S t i g l o h e r S. 65. 4 Der Bischof von Freising betheiligte sieh in Folge eines Schreibens des Papstes vom J. 1786 an ihn bei den weiteren Schritten nicht mehr. A. a. 0 . S. 66. 204. 292. 5 S. 66 ff. Abgedruckt u. A. bei M ü n c h 1, 406 ff.; und S t i g l o h e r S. 266. 6 IV. . . . „Ebenso hören a) die Nuntiaturen in Zukunft völlig auf; die Nuntii können nicht

änderst als päpstliche Gesandten seyn und dürfen nach der von Kaiserlicher Majestät unterm W.Oktober 1785 ertheilten allerhöchsten Erklärung (s. Note 1), welche sich auf die Kirchen- sowohl, als Iteichsfundamental - Gesetze gründet, keine Actus iurisdictionis voluntariae oder contentiosae mehr ausüben". XXII. b) „Die päpstlichen Nuntii dürfen sich in keiner Sache, weder in der ersten, noch in den folgenden Instanzen, wie oben schon erwähnt worden i s t , einmischen", d) „Geschiehet . . . weitere Berufung an den römischen Stuhl, so ist dieser verbunden, zur dritten Instanz Judices in partibus und zwar Nationalen zu geben , und werden diese nach Vorschrift des Konciliums zu Trient gehörig bestimmt und darauf zu Rom namhaft gemacht werden". 7 S t i g l o h e r S. 67. 202. 8 Schreiben vom 16. November 1786 ( S t i g l o h e r S. 204). 9 S t i g l o h e r S. 205.

§· *2.]

Die Legaten. Entwicklung seit dem Mittelalter.

531

zu Müncheu und Köln jüngst gewagten Anmassungen und Eingriffe in die erzbischöflichen Rechte « Zu einem direkten Verbot der Nuntien konnte sich indessen trotz des Drängens der Erzbischöfe J o s e p h II. nicht entschliessen, vielmehr stellte er ihnen nur die Erledigung der Nuntiatur-Streitigkeit durch eine allgemeine Reichsversammlung in Aussicht 2 . Auf der vorläufig deswegen von den Ministern der einzelnen Reichsfürsten zu Regensburg im J. 1788 abgehaltenen Berathung zeigten sich diese aber den Absichten der Erzbischöfe durchaus nicht geneigt Als ein weiterer Versuch, den König von Preussen für ihre Pläne zu interessiren, gleichfalls gescheitert war 4, wandten sie sich direkt an den Papst und stellten diesem anheim, »ob er nicht besser auf eine freundschaftlichere, dem apostolischen Stuhle ehrenvollere und jedem Anstosse weniger ausgesetzte Weise, nämlich ob er nicht aus freiem Antriebe die Fakultäten der Nuntien widerrufen und in Betreif der übrigen von der Nation bereits so oft vorgebrachten und wiederholten Beschwerden eine freundschaftliche Uebereinkunft mit den Ständen des Reiches versuchen und zu deren Vollführung ernstlich die Hand bieten sollte« 5 . Darauf Hess P i u s VI. (im J. 1789) die oben erwähnte Responsio 6 , in welcher er die Forderungen der Erzbischöfe widerlegte, publiciren und noch in demselben Jahre erklärte der Erzbischof von Trier seinen Rücktritt von der Emser Punktation 7 . Nachdem die übrigen Erzbischöfe noch die Aufnahme einer Bestimmung in die Wahlkapitulation Leopolds II. vom 30. September 1790, welche die Aufhebung der Nuntiatur - Gerichtsbarkeit im deutschen Reiche verhiess, durchgesetzt hatten 8 , gaben die Erzbischöfe von Köln und Salzburg in Folge der Ereignisse in den Niederlanden und Frankreich gleichfalls die Realisation der Emser Punktation auf 9 , und auch der Kurfürst von Mainz liess dieselbe in Folge der Besitznahme seiner Residenz durch die Franzosen fallen 10 . So war der Versuch, eine selbstständige deutsche Nationalkirche zu gründen jind die päpstlichen Nuntiaturen in Deutschland zu beseitigen, misslungen. Nur eine tiefe, den katholischen Klerus und den katholischen Theil der Nation ergreifende Erregung hätte den Erzbischöfen die nöthige Unterstützung zur Durchführung der in der Emser Punktation aufgestellten Forderungen gewähren können. Diese fehlte aber vollkommen und so mussten sie mit ihren Bestrebungen scheitern, da diese vom Gesichtspunkte des damals geltenden Kirchenrechts aus als revolutionär erschienen. Mochten insbesondere die Nuntien sich manche Uebergriffe erlaubt haben, und konnte andererseits das deutsche Reich auch vollkommen berechtigter Weise ihre Gerichtsbarkeit in Civilsachen beschränken, so durfte man doch vom Boden des damaligen Rechtes aus dem Papst die Befugniss zur Errichtung der Nuntiaturen nicht bestreiten. Das Tridentinum stand der Absendung von Nuntien nicht entgegen. Und soweit diese nur die in demselben garantirte bischöfliche Jurisdiktion nicht beeinträchtigten, war auch 1 S t i g l o h e r S. 211 ff. 2 S t i g l o h e r S. 230. ff. Sie nahmen an, dass jeder Keichsstand das Recht habe, einen päpstlichen Nuntius auch ohne vorgängige Anzeige an den Kaiser oder ohne dessen Bestätigung in seine Länder aufzunehmen und dass ebenso wenig eine Zustimmung der Bischöfe niithig sei. Selbst aber wenn ein Nuntius unrechtmässige Fakultäten ausübe, und die Verträge und Konkordate von ihm nicht beobachtet würden, so könne man nicht durch einfache richterliche und gesetzgebende Gewalt eigenmächtig vorgehen , da 3

der Papst in Rücksicht der Konkordate ein mitpaciscirender Theil sei. Geschichte der Nuntiaturen S. 233 ff. : S t i g l o h e r S. 236. * Responsio c. 1. n. 4 6 ; S t i g l o h e r S. 237. 5 Das lateinische Original vom 1. Dezember 1788, abgedruckt bei S t i g l o h e r S. 316 ff. 6 S. oben S. 525. n. *. 7 S t i g l o h e r S. 252. 331. 8 A. a. 0 . S. 253. β A. a. 0 . S. 253. 10 A. a. 0 . S. 2 5 4 ; P a c c a a. a. 0 . S. 90.

532

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

gegen die ständige Deputirung derselben nichts einzuwenden, um so weniger als Anfangs dagegen nicht einmal ein Widerspruch erhoben worden war. Wenn sich die Erzbischöfe wiederholt auf das Koncil zu Basel 1 und die Acceptations-Erklärung der Dekrete desselben vom J. 1439 2 stützten, so hatten diese allerdings durch die Bulle Eugens IV. : Ad tranquillitatem vom 5. Februar 1447 3 Gesetzeskraft erhalten, aber der bei diesem Streite in Frage kommenden Vorschrift des Baseler Koncils war jedenfalls durch das in Deutschland recipirte Tridentinum derogirt 4 , ganz abgesehen davon, dass sich damit auch nicht einmal dem Papst das Recht zur Bestellung der Nuntiaturen auf eine über alle Zweifel erhabene Weise bestreiten Hess5.

§. 73.

IV. Das geltende

Recht.

I. D i e h e u t i g e k i r c h l i c h e P r a x i s . Für das Gebiet der katholischen Kirche sind die in §. 69 und §§. 70. 72 dargelegten Grundsätze noch immer geltendes Recht. In Folge der Umwälzung der gesammten Religionsverfassung Deutschlands Ende des vorigen und Anfangs dieses Jahrhunderts und der die Selbstständigkeit der Kirchenverwaltung erheblich einschränkenden Gesetzgebung der deutschen Partikularstaaten zur Zeit der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse ist aber ein Theil der stehenden Nuntiaturen verschwunden und ebenso hat es die Kurie aufgeben müssen, auch zeitweise Legaten mit allgemeinen Vollmachten, wie im Mittelalter, abzusenden. Vielmehr zeigt die heutige Praxis wieder eine gewisse Verwandtschaft mit der der älteren Zeiten (s. oben S. 502), insofern als Legaten resp. Nuntien für die Regel nur für einzelne bestimmte Zwecke deputirt werden oder sofern sie ständig sind, doch in der Regel nur gleich den Agenten anderer Mächte die Stellung von diplomatischen Vertretern des Papstes an fremden Höfen haben, welche freilich zugleich mit der Wahrnehmung der kirchlichen Interessen betraut sind. Demgemäss kann ihnen eine iurisdictio ordinaria nicht mehr zugeschrieben werden, wie sie denn auch eines Legations-Bezirkes (der s. g. provincia) für ihre Thätigkeit entbehren. Sie sind also im Gegensatz zu den früheren legati ordinarii l e g a t i e x t r a o r d i n a r i i 6 . Wenn trotz dieser Praxis noch heute zwischen den legati a latere und den nuncii unterschieden wird, so hält man sich damit eben an die alte Tradition, substituirt aber dem kanonischen Unterscheidungsmerkmal, dem verschiedenen Umfang der allgemeinen päpstlichen Jurisdiktion, das freilich dadurch bestimmte äusserliche Moment des verschiedenen Ranges. 1 Sess. XXXI. c. 1. ( M a n s i 29, 159): „quod in partibus ultra IV diaetas a Romana Curia distantibusomnes quaecunque causae, exceptismaioribus in iure expresse enumerates et electionuin ecclesiarum cathedralium et monasteriorum quas immediata subiectio ad sedem apostolicam devolvit, apud illos iudices in partibus, qui de iure aut consuetudinepraescripta vel privilegio cognitionem habent, terminentur et flnientur". 2 M ü n c h a. a. Ο. 1, 71. 3 A. a. 0 . S. 80. Die Declaratio Pii VI. c. 6. n. 31. bestreitet freilich die Gültigkeit dieser Vorschriften , weil das Koncil zu Basel damals schon schismatisch gewesen sei. Vgl. aber S c h u l t e 1, 481 ff. t Sess. XXIV. c. 2 0 de reform, und oben S. 525. Dass das Tridentinum in diesem Punkte in Deutschland recipirt gewesen, erkennen selbst

einzelne der gegen die Nunt'aturen gerichteten Schriften an. S. pragmatische Geschichte S. 91. Note *. 5 Freilich hatten die ständigen Nuntien weder de iure, noch de consuetudine noch privilegio eine Jurisdiktion zur Zeit des Baseler Koncils, wo sie noch nicht existirten , gehabt. Aber andererseits residirten sie fest in Deutschland , wodurch die Abberufung der Sachen nach Rom verhindert wurde. Vgl. auch noch F r e y , kritischer Kommentar über das Kirchenrecht 2, 271 ff.; S t i g l o h e r S. 195. Auch J. J. M o s e r , von der teutschen Religionsverfassung Buch III. C. III. §. 64 erklärt das Recht des Papstes, Nuntien in Deutschland zu halten, für unstreitig. 6 F e r r a r i s civ. legatus n . 6 . Diese sind freilich auch schon im Mittelalter und später vorgekommen.

§· "3.1

Die Legaten und Nuntien. Geltendes Recht.

533

Als höchste Klasse gelten demgemäss auch noch heute die l e g a t i a l a t e r e 1 . Da aber nur Kardinäle zu diesen genommen werden können und die ihnen zustehenden Ehrenrechte heute kaum in vollem Umfange von den einzelnen Staaten anerkannt werden dürften 2 , so werden solche nach der heutigen Praxis für die Kegel vom päpstlichen Hofe nicht abgesendet :i . Die regelmässigen diplomatischen Vertreter des Papstes sind jetzt vielmehr die N u n t i e n . Gewöhnlich gehören sie der Prälatur an und sind Bischöfe, resp. Erzbischöfe in partibus infidelium. Wenn aber Kardinäle ausnahmsweise mit einer solchen Stellung betraut werden, so führen sie nach dem auch sonst vorkommenden Kurialgebrauch (s. oben S. 426) den Titel eines Pro-Nuntius, wie ζ. B. der Nuntius am Wiener Hofe 4 . Beide, die legati a latere wie die nuntii, haben völkerrechtlich den Rang der Gesandten erster Klasse, d. h. der Ambassadeurs oder Botschafter und gehen an den Höfen katholischer Mächte ihren weltlichen Kollegen vor 5 . Endlich hat die neuere Praxis noch eine dritte Art päpstlicher Gesandten, die s. g. i n t e r n u n t i i , geschaffen. Dazu werden an der Kurie zwar auch Prälaten, aber gewöhnlich ohne den bischöflichen Ordo, ausgewählt 6 . Da sich ihre Vollmachten ebenfalls nach den ihnen ertheilten Instruktionen bestimmen, so unterscheiden sie sich von den beiden ersten Klassen lediglich durch ihren geringeren Rang. Völkerrechtlich stehen sie den Gesandten der zweiten Klasse, also den Gesandten i. e. S. oder bevollmächtigten Ministern, gleich 7 . Ständige Nuntiaturen bestehen heute in W i e n und M ü n c h e n 8 . Die Vollmachten derselben sind, so viel mir bekannt, nicht veröffentlicht worden, aber da der ProNuntius in Wien für die Regel mit der Gewalt eines legatus a latere betraut wird so dürfte mit Rücksicht auf das traditionelle Festhalten der Kurie an einmal bestehenden Einrichtungen die Vermuthung nicht ungegründet sein, dass seine Fakultäten denen der ständigen Nuntien des vorigen Jahrhunderts entsprechen. Was den Nuntius zu München betrifft, so erscheint diese Annahme um so begründeter, als diesem zugleich die A n h a l t i n i s c h e n Lande in kirchlicher Beziehung unterstellt sind 1 0 . Sind die hier gemachten Voraussetzungen thatsächlich richtig, so würden allerdings die eben 1 Auf einer völligen Unkenntniss des Kirchenrechtes beruht es, wenn einzelne B i e l e f e l d , instit. politiques 2 , 2 7 2 einen Unterschied zwischen legati a latere und de latere machen und A. d e Μ i 1t i t z , manuel des consuls II. 1, 245 diesen sogar dahin präcisirt: „(Le pape) appelle a latere ceux qui sont cardinaux et de latere ceux qui ne le sont pas. On ne con^oit pas que les prepositions a ou de donnent ici im sens diffe'rent et la distinction etablie par la Cour de Keine ('?!) n'est qu'une pure subtilite* de Canonite'". 2 H e f f t e r , Völkerrecht. 220. 3 S c h u l t e 2 , 362; F a c h m a n n 130; M i r u s s , Gesandtschaftsrecht 1 , 101. 4 ö i n z e l 1 , 208. Das österreichische Konkordat vom 18. August 1855 ist abgeschlossen durch den Bevollmächtigten des Papstes : „Emin. Dom. Michaelem S. Κ. E. Presbyterum Cardinalem Viale Prelä eiusdem Sanctitatis Suae et Sanctae Sedis apud praefatam Apostolicam Maiestatem P r o - N u n t i u m'\ 5 S. oben S. 214. Das dort citirte Reglement stellt die Legaten und Nuntien in dieser Hinsicht gleich. Es ist daher unrichtig, die Nuntien zur

Η i η s c h i α s, Kirchenrecht.

zweiten Klasse der Gesandten zu rechnen, wie B i e l e f e l d a. a. 0 . S. 276 thut. Vgl. M i r u s s a. a. 0 . 115; H e f f t e r 208. 6 G i n z e l 1, 208. Freilich kommen auch internuntii vor, welche episcopi in partibus sind, s. M o r o n i , dizionario 36, 59. Das annuario pontificio von 1865. p. 397 weist solche im Haag, Klorenz, Modena und Rio de Janeiro nach. 7 M i r u s s S. 115. Sie gehören also nicht zur dritten Klasse der Gesandten, wie B i e l e f e l d 1. c. und W a l t e r §. 137 behaupten. 8 Ausser Deutschland in Brüssel, Lissabon, Madrid, Paris, früher auch in Mexiko und Neapel. Annuario 1. c. p. 397. Leber die Nuntiatur in Madrid s. H e r g e n r ö t h e r in Μ o> s Archiv 10, 29. 191 ff. 200. 208. 2 1 1 ; 11, 370. 376. 382. 3 9 5 ; 12, 48. 5 6 ; vgl. ferner das neueste spanische Konkordat vom J. 1859. Art. 11, ebendaselbst 7, 381. 9 G i n z e l 1 , 208. n. 6. 10 Seit 1834, S c h u l t e , status dioecesium catholicorum in Austria Germanica etc. Gissae. 1866. S. 152. 35

534

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§• 73.

gedachten beiden Nuntien noch als Inhaber einer iurisdictio ordinaria 1 angesehen werden müssen. II. D a s R e c h t d e s S t a a t e s in B e t r e f f d e r Z u l a s s u n g d e r N u n t i e n . Während einerseits heute gelehrt wird, dass die Zulassung von päpstlichen Gesandten jeglicher Art von dem Ermessen der Landesherren abhängt und letztere die Vorlegung der ihnen ertheilten Fakultäten kraft ihres Hoheitsrechtes zu fordern berechtigt sind 2 , wird andererseits der Grundsatz aufgestellt, dass in einer Reihe deutscher Staaten, in P r e u s s e n , O e s t e r r e i c h , B a i e r n und im Königreich S a c h s e n der Ausübung der geistlichen Regierungsrechte des Papstes durch Legaten oder Nuntien kein Hinderniss entgegensteht 3 . Da der Kardinal P a c c a klagt, dass die von der Revolution zerstörte Kölner Nuntiatur ihr Haupt noch nicht wieder habe erheben können und andererseits im Sommer 1868 das Gerücht von der Errichtung einer päpstlichen Nuntiatur in B e r l i n aufgetaucht ist 4 , so liegt eine eingehendere Besprechung der Frage nahe. Zweifellos ist es, dass wenn die Abgesandten des Papstes als diplomatische Agenten desselben, sei es auch behufs Verhandlung kirchlicher Angelegenheiten, auftreten wollen, sie sich hinsichtlich dieser Stellung den nach dem heutigen Völkerrecht geltenden Regeln des diplomatischen Verkehrs zu fügen haben. Sie müssen sich daher, da kein Staat die Pflicht zur Annahme fremder Agenten hat, die Zurückweisung seitens des letzteren gefallen lassen ihre Vollmachten behufs Prüfung derselben der betreffenden Regierung zustellen und sich jeder Einmischung in die innere Verwaltung des Staates, bei welchem sie akkreditirt sind, enthalten 6 . Indessen ist es möglich, dass sich die Kurie nicht damit begnügt, eine Angelegenheit blos auf dem Wege des diplomatischen Verkehrs in der Weise zu erledigen, dass die fremde Regierung den getroffenen Vereinbarungen gemäss für ihr Gebiet die nötliigen Erlasse ergehen oder die katholische Kirche die durch gegenseitiges Benehmen festgestellten Einrichtungen ausführen lässt, sondern sie kann auch — weil vom Standpunkt der Kirche aus der Charakter der Legaten und Nuntien als Stellvertreter des Papstes für die Ausübung seiner Jurisdiktionsrechte überwiegt — ihnen auf Wahrnehmung derselben über die Katholiken des fremden Staates gerichtete Vollmachten ertheilen, j a ganz auf Anerkennung der diplomatischen Quantität ihrer Nuntien verzichten und letztere, sei es nur vorübergehend, sei es als ständige Nuntien, in ein bestimmtes Land senden. Dass die deutschen Regierungen unter diesen Umständen nicht gehalten sind, ihnen die Rechte, ζ. B. also Steuer-, Exemtions- und sonstige Privilegien, welche sie den katholischen Kirchenbeamten im eigenen Lande gewährt haben, einzuräumen und 1 Dass die Hofentschliessiingen vom 22. Mai und 12. Juni 179Ö(Kr ο pa t s c h e o,k, Sammlung der Gesetze Franz'II. 6 , 4 7 0 ) , welche den Nuntien jede Jurisdiktion absprechen, für Oesterreich nicht mehr massgebend sind, liegt auf der Hand. 2 E i c h h o r n 1, 0 1 4 ; R i c h t e r 129; J a c o b s o n in H e r z o g s Encyklopädie 8. 2 7 4 ; Heffter 2 0 0 . n. 4. Fiir F r a n k r e i c h ist in den Articles organiques de la convention du 2(i messidor an I X art. 2 f e s t g e s e t z t : „Aucun ä in Ii— vidu se disant n o n c e , l e g a t , vicaire ou commissaire apostolique ou se prevalant de toute a u t r e denomination ne pourra sans la m i m e autorisation (d. h . d u gouvernement) exercer sur le sol fran, 2 8 (4, 2 3 6 — 2 3 8 ) . 6 M e j e r S. 4 4 2 ; Π e r g e n r ö t h e r S. 3 4 5 . 7 M e j e r , H e r g e n r ö t h e r a. a. 0 . 8 H e r g e n r ö t h e r S. 3 4 4 ; Silbernagl S. 3 1 0 . 9 M o r o n i 4 , 5 ; P i c h l e r 2 , 4 2 9 , welcher S. 4 2 7 ff. auch über die früheren Unionsversuche berichtet. Die Bezeichnung: .,Chaldäer" ist deshalb gewählt worden, weil der Name : katholisch» Nestorianer einen Widerspruch in sich selbst ent-

H i n s o h i u s , Kirchcnrecbt.

halten hätte und unter dem ferner möglichen A u s druck : syrische Katholiken die Jacobiten verstanden wurden. S i l b e r n a g l S. 3 0 0 . n. 2. 10 Bull. Prop, 5, 2 0 6 (5, 60). 11 Die Erzbisthümer sind: Diarbekir, Mosul, Amadia, die Bisthümer: Gezion, Kerkik, Mardin, Seert, Salmas, Zaku. So nach dem Anuuar. pontif. cit. D i e Aufzählungen bei H e r g e 11 rü t h e r S. 346. n. 5 und S i l b e r n a g l S.. 305 stimmen damit nicht vollkommen überein. 12 Vgl. die Allocutio Pii IX. vom 11. September 1848. Pii IX. pontif. maximi acta. Roma. I, (1854) 154—161. H e r g e n r ö t h e r S. 3 4 6 ; S i l b e r n a g l S. 3 0 4 . 13 S i l b e r η a g l a. a. Ο. W Bull. Propag. 5, 2 0 6 ; M e j e r 1, 443. 15 S i l b e r n a g l a. a. O. P i c h l e r 2, 4 3 8 . 17 P i c h l e r 2, 4 5 2 ff. IS Bull. Propag. 4, 1 8 9 ; M e j e r 1, 4 4 7 ; H e r g e n r ö t h e r S. 3 4 6 ; S i 1 b e r η ag 1 >S. 2111. 37

566

Ι· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

i§. "4.

Die Residenz desselben war zunächst das Kloster el - Kurein zu Kesruan oder Cheswanam im Libanon 1 , ist jetzt aber das nur 1 '/ 2 Stunden davon entfernte Kloster Bzumbar 2 . Seine Jurisdiktion erstreckt sich über die unirten Armenier in Cilicien, Syrien, Cappadocien, Klein - Armenien und Mesopotamien3. Für die Einsetzung des Patriarchen und seine Stellung sind die früher hinsichtlich der übrigen gemachten Angaben gleichfalls massgebend 4 . Hervorzuheben ist aber, dass er ebenso wie der Patriarch der Maroniten das Recht besitzt, die Erzbischöfe und Bischöfe zu ernennen 5 . Zur Vermittelung seines Zusammenhanges mit Rom hält der armenische Patriarch dort einen ständigen Prokurator. Auch ernennt der apostolische Stuhl stets einen armenischen Bischof oder Erzbischof in partibus, welcher die im Collegium Romanum befindlichen armenischen Alumnen ordinirt (i . Vergleicht man die Stellung der eben unter IV. charakterisirten Patriarchen mit der der alten orientalischen (S. 538 ff.), so ergiebt sich eine auffällige Verschiedenheit. Es stehen ihnen nicht alle Rechte der letzteren zu; so mangelt ihnen nicht nur die Befugniss, das Pallium an ihre Suffragane zu verleihen, sondern es fehlt ihnen sogar die historische Unterlage, auf welcher sich die Patriarchenwürde erhoben hat, nämlich die Herrschaft über eine Anzahl von Metropoliten. Bischöfe, welche Metropoliten im eigentlichen Sinne wären, finden sich in keinem der gedachten Patriarchate, denn die in denselben vorkommenden Metropoliten sind, wie vorhin bemerkt, blos Titular-Erzbischöfe. Trotzdem haben die gedachten Patriarchen immer eine höhere Selbstständigkeit als die heutigen Metropoliten, da ihnen das Recht der Bestätigung, resp. E r nennung 7 , sowie der Ordination ihrer Suffragane zukommt und sie zweifellos befugt sind, Patriarchalsynoden abzuhalten. Wenn man sie demnach als Metropoliten mit erhöhter Selbstständigkeit bezeichnet hat 8 , so ist das nicht unrichtig, aber nach der Anschauung der Kurie rangiren sie nicht nur als Titular-Patriarchen, sondern auch als Inhaber der iurisdictio patriarchalis 9 , eine Auffassung, auf welche abgesehen von ihren höheren Jurisdiktionsrechten wohl einmal die Klugheitsrücksicht, die Union durch Herabdrückung der Stellung der Häupter jener Kirchen nicht zu stören, sowie auch der Umstand eingewirkt haben, dass es sich hier um eine unfertige Organisation handelt, welche ihrer Fortbildung namentlich durch Einrichtung des noch fehlenden MetropolitanVerbandes sicher sein kann. Der päpstlichen Rechte über diese Patriarch alstühle ist schon bei der obigen Darstellung gedacht, so der Entscheidung der streitigen Patriarchalwahlen, des Devolutionsrechtes, der Konfirmation, der Verleihung des Palliums, der Bestellung der Koadjutoren, der Translation der Bischöfe 1 ", der Nothwendigkeit der Zustimmung zu Resignationen und des Rechtes an der visitatio liminum 11 . Ausserdem hat aber der päpst1

M e j e r , S i l b e r n a g l a . a. 0 . S i l b e r n a g l a. a. 0 . M e j e r 1, 447. 448. In der letzten Zeit hat die Bekehrung der nichtunirten Armenier Fortschritte gemacht und daher sind hier manche neue Bischofssitze errichtet. H e r g e n r ö t h e r S. 347. 4 M e j e r 1, 4 4 8 ; H e r g e n r ö t h e r S. 3 4 7 ; S i l b e r n a g l S. 291. 5 Bull. Prop. 4, 189; Allocutio Pii VI. v. 12. Juli 1781: . . . ,,iam Benedictas XIV. tres huius nationis patriarchas constituerat. . . De hoc tarnen postremo patriaioha in consistorio agens illud in sua allocutione animadvertit, suffragatores epi2 3

scopos iure quidem suo Patriarcham, non vero etiam Aleppensem archiepiscopum eligere debuisse, cum ad ipsum duntaxat Patriarcham, non ad episcopos, episcoporum spectat electio". β S i l b e r n a g l S. 293. ' S. oben S. 563. 564. 565. » M e j e r 1, 428. 9 Sie werden im Annuario pontificio cit. p. 111 als: „patriarcati orientali con giurisdizione patriarcale" aufgezählt. 10 Eine Ausnahme davon S. 563 zu Note 3. 11 S. hierzu ferner die Zusammenstellung bei H e r g e n r ö t h e r S. 349 fl\

§· 74.]

Die Patriarchen.

567

liehe Stuhl von seinem Rechte, apostolische Delegaten und Visitatoren zur Schlichtung von Streitigkeiten, Abhaltung von Synoden, Leitung der Patriarchalwahlen u. s. w. zu ernennen, wiederholt Gebrauch gemacht 1 , ausserordentlicherweise Provisionen von erledigten Bisthümern in dringenden Fällen selbst vorgenommen 2 , über Appellationen aus den gedachten Bezirken entschieden 3 , die Dekrete der Synoden revidirt und bestätigt, resp. reprobirt 4 , sowie endlich neuerdings sein Recht, allgemeine Anordnungen für die Orientalen zu treffen, in der Aussonderung einer besonderen Kongregation für die Angelegenheiten derselben aus der Propaganda dokumentirt 5 . V. D i e ο c c i d e n t a l i s c h e n T i t u l a r p a t r i a r c h e n . 1. D i e P a t r i a r c h e n v o n A q u i l e j a , G r a d o u n d V e n e d i g . Im 6. Jahrhundert wird der Bischof Paulinus von Aquileja, welcher ebenso wie eine Reihe anderer oberitalienischer Bischöfe in Folge des Dreikapitelstreites und der fünften allgemeinen Synode zu Konstantinopel (v. J. 553) sich von der Kirchengemeinschaft mit Rom losgesagt hatte*', nach gothischer Sitte 7 mit Titel: Patriarcha bezeichnet 8 . Seit dem Eindringen der Longobarden (568) residirte er sowohl wie seine Nachfolger auf der Insel Grado s . Als aber im J. 607 dort ein römisch gesinnter Bischof für Aquileja-Grado eingesetzt wurde und die schismatischen, den Longobarden untergegebenen Bischöfe im alten Aquileja gleichfalls einen Oberhirten gewählt hatten 9 , scheint mit Rücksicht darauf, dass dieser letztere sieh: Patriarcha nannte, derselbe Titel auch dem zu Rom haltenden Bischof von Aquileja-Grado päpstlicher Seits verliehen worden zu sein l n . Nach der Hebung des Schismas Anfangs des 8. Jahrhunderts haben sowohl die Bischöfe von Aquileja, wie auch die von Grado den erwähnten Titel fortgeführt 11 . Eine andere Stellung als die gewöhnlicher Metropoliten haben sie aber nicht gehabt, nur ist bald dem einen, bald dem andern ein gewisser Ehrenvorrang beigelegt worden. So erhielt im J. 731 der Bischof von Grado den Primat über Venetien und Istrien, während im J. 963 dagegen der Bischof von Aqui1 E i n e Reihe derartiger Fälle zählt H e i g e n r ö t h e r S. 348 auf. 2 Const. Pii VII. : Ubi primum und Tristis quidem vom 3. J u n i 1816 (Bull. Roman. Contin. 14, 38. 41). 3 Bened. XIV. const. Demandatam vom 24. Dezember 1743 §. 12 (Bullar. Bened. XIV. 1, 293) Ii. Bull. Propag. 4, 61. 4 Bened. XIV. const. : Singularis vom 1. September 1741. (1. c. 1, 74) u. Gregor. X V I . const. : Melchitarum vom 3. J u n i 183f> (Bull. Propag. 5,

12ö).

5 S. oben S. 477 ff. c J . F. Β. M. d e R u b e i s , de schismate eccles. Aqnileiensis disc. hist. Venet. 1732; H e f e l e , Konciliengesch. 2, 890. 7 Cassiodor. varior. IX. 15. (ed. Garetii 1, 1 3 8 ) : . . . „Vos autem qui Patriarcharum honore reliquis praesidetis ecclesiis". S. auch oben S. 219. n. 4. 8 Pauli Diaconi hist. Longob. II. 10 (Max. biblioth. patr. Tom. X I I I . Lugdun. 1677. S. 1 6 9 ) : „Aquilejensi civitati eiusque populis Paulinus P a t r i a r c h a praeerat qui Longobardorum barbariem metuens ex Aquileja ad Gradi insulam confugit". 9 Pauli Diac. hist. IV. 34 (ed. cit. p. 1 8 2 ) : „Defuncto Severe Patriarcha ordinatus est loco eius Ioannes abbas P a t r i a r c h a in Aquileja vetere cum consensu regis Agilulphi. In Grado

quoque ordinatus Romanis Candidianus Antistes. Candidiano quoque defuncto apud Gradum ordinatus est Patriarcha Epiphanius qui fuerat primicerius notariorum, ab episcopis qui erant sub Romanis. E t ex illo tempore coeperunt d u o esse P a t ri ar c hae". Μ B a l l e r i n i i d e patriarchatu Aquilej. origine in ihrer Ausgabe der Werke desKardinals H e i n r i e h N o r i s Verona. 1729. 4, 1051 ff. 1068 ff. 11 G r e g o r II. legt allerdings in dem Schreiben vom J . 723 (Johann. Gradens. chron. SS. 7, 4 6 ; M a n s i 12, 2 4 7 ) , worin er den Bischof von Grado als Patriarch bezeichnet („Nunc vero, u t cognovimus, Gradensis patriarchae niteris invadere iura atque ex iis quae possedit omne usque u s u r pare") dem von A q u i l e j a , der schon in dieser Zeit auch wegen seiner Residenz Bischof von Friaul genannt wird, diesen Titel nicht bei; in dem denselben Gegenstand betreffenden Brief an den Patriarchen von Grado bedient er sich aber des offenbar absichtlich gewählten , zweifelhaften Ausdruckes: antistes („Quia igitur missa relatione ad nos a deo salvata communitas vestra p e tiit contra Forojuliensem antistitem agentes quod cupiebat invadere ditionem Gradensis patriarchae", SS. 1. c. p. 4 6 ; M a n s i 1. c. p. 248). Das erste Schreiben bestimmt gleichzeitig den Sprengel von Aquileja oder Friaul dahin: ..nec amplius quam in ttnibus gentibus Longobardorum existentibus firessutn tondere praesuinas, u t 11011 iniuste sus37*

568

I · D i e H i e r a r c h i e und d i e L e i t u n g der K i r c h e durch d i e s e l b e .

[§. 74.

leja seitens Leos V I I I . ein Privilegium 1 zu erlangen wusste, dass sein Sitz nach dem römischen Stuhle der erste von allen italienischen Kirchen sein sollte.

Seinem zweiten

Nachfolger P o p p o gelang es nicht nur eine erneuerte Anerkennung dieser bevorzugten Stellung 2 ,

sondern auch die Zusprechung der zum Gebiet des anderen Patriarchen

gehörigen Insel Grado bei Papst J o h a n n X I X . im J. 1027

3

auf so unrechtmässige

Weise zu erschleichen 4 , dass der letztere sich schon im folgenden Jahre veranlasst sah, dieselbe dem Patriarchen

von Grado zu restituiren 5 .

Die

Streitigkeiten

zwischen

beiden Patriarchen hörten indessen nicht auf, und schon im J. 1Ü53 war L e o I X . genöthigt, von Neuem die Gebiete derselben f e s t z u s t e l l e n W e d e r aus der betreffenden cepisse te gratiam collatam pallii ex praesumptione ostendas". Dieselbe Bezeichnung beider Bischöfe kehrt auch auf der römischen Synode vom J. 731 unter Gregor I I I . wieder: „ut novae Aquilegiae i. e. Gradensis civitatis, Antoninus p a t r i a r c h a suique successores totius Venetiae et Istriae primates perpetuo habeantur, Foroiuliensis a n t i s t e s Serenus suique successores Cormovensi Castro in quo ad praesens cernatur sedere in iinibus Longobardorum, solummodo semper sint contenti" ( J a i f e , regest. Koman. pontif. p. 181. n. 1722). Dagegen heisst der Bischof von Aquileja in den Briefen Sergius' I I . vom J. 844—846 ( U g h e l l i , Italia sacra 5, 3 8 ) u. Stephans V I . v. J. 885—891. c. 20. C. I X . qu. 3 : „patriarcha". 1 S. die römische Synode von 731 in der vorigen Note und ep. Leon. V I I I . ad Rodoald. patriarcham Aqiiileiens. ( U g h e l l i , Italia sacra δ, 4 4 ) : „Volumus scilicet et apostolica auctoritate iubcmus, ut inter omnes Italicas ecclesias dei seiles prima post Romanam Aquileiensis cuius deo auctore praees, habeatur''. 2 Ughelli, Italia sacra 5, 4 9 : . . . „apostolica auctoritate concedimus et per huius privilegii paginam confirmamus vobis vestris successol'ibus patriarchatum s. Aqnilejensis ecclesiae fore caput et metropolim super omnes Italiae ecclesias . . . atque volumus sedeui Aquilejensem in cunctis iidei rebus peculiaremetvicariametsecundam esse post hanc. almam Komanam sedem" . . . 3 L . c. p. 50. : ' . , . . . Nec non confirmamus vobis vestrisque successoribus insulam quae G r a d u s vocatur cum omnibus suis pertinentiis quae barbarico impetu ab eadem Aquilejensi ecclesia subtracta fuerant et f a l s o p a t r i a r c h a l : n o m i n e utebatur1'. 4 Diplom. Ioann. X I X . v. J. 1028 ( U g h e l l i 1. c. p. 1110, M a n s i 19, 4 9 1 ) : . . . . . omnibus notum esse volumus quod inter Ursonem patriarcham Gradensem et Popponem F ο r ο j u 1 i e η s e m p a t l i a r Cham proh dolor! nostris ternporibus commotum est . . . Conspirante namque Veneticorum populo contra dominum suum ducem et praelibatum patriarcham fratrem suum, nterque . . . alias se receptarunt . . . Interea vero antiquo zelo accensus hostis F o r o j u l i e n s i s p a t r i a r c h a Poppo Gradensem civitatem adit, petens se recipi a civibus adiutorem confratris sui patriarchae Gradensis et amici sui ducis. Cuicum nollent acquiescere, per deum et octo suorum sacramenta iirmavit . . . quod ad salvam faciendam duci et fratri suo patriarchae civitatem intraret. Ubi postqnam iutratum est, oblitus sacramento-

rum gentilium more . . . quicquid in ecclesia inventum est, nuda manu depraedatum est . . . reliquias secum devexit, altaria confregit, thesai:ros abstulit, civitatem aliquibus patronis Gradensem licet destitutam munitam suis reliqnit. Cui non sufficiens hoc apposuit iniquitates super iniquitates , nos suis legatis petiit poscens coniirmationem omnium locorum suorum a nobis et nominatim Gradensis insulae. Quibus cum responderem non sibi iuste et canonice ac per antiqua privilegia pertinere, dixerunt: Non aliter ea petit dominus noster sibi coniirmari nisi quemadmodum per privilegia vestrorum antecessorum suis antecessoribus et ecclesiae suae conflrmata est et sibi iuste et canonice pertinere videtur, ac ipse probare potest et promittit. His auditis nec arbitrantes eum audere illudere apostolicae sedi . . . Privilegium sibi dare tilio nostro Petro diacono et cancellario praecepimus. Sed et de insula Gradensi inseri iussimus' : . . . V g l . auch ferner die Urkunde Benedikts I X . vom J. 1044 ( U g h e l l i 1. c. p. 1113; M a n s i 19, 606). 5 . . . statuentes . . . ut nulli unquam in tempore praedictum Ursonem patriarcham ac successores eins de praedicto patriarchatu Gradensi sive de rebus ac possessionibus eius inquietare aut molestare praesumat, sed potius saepius norainatum patriarcham Gradensem cum sua integritate quietum reniota omni contradictione ipse suique successores perpetuis possideant temporibus, ita etiam ut absque suo suorumque successorum voluntario consensu nulli electionein suorum suffraganeornm facere liceat. Et quidquid ab eis iuxta normam canonicam suo commissae sibi ecclesiae cura prolatum f u e r i t , tarn a suffraganeis sibi episcopis, quam a clero et populo custodiri praecipimus'·. 6 Mansi 19, 657: „ . . . hac in praesenti indictione sexta carissimum confratrem nostrum Dominicum Gradensem, immo novae patriarcham, ad synodum nostrae Romae habitam venisse et queriinoniam de sua et Foroiuliensi ecclesia quam credimus vos non ignorare, lacrymabiliter coram fecisse. Cuius tandem relectis privilegiis a sancta Romana et apostolica sede sibi concessis iudicio totius sanctae synodi hoc deflnitum f u i t : ut nova Aquileja totius Venetiae et Istriae caput et metropolis habeatur secundum quod evidentissima praedecessorum nostrorum adstruebant privilegia. F o r o i u l i e n s is vero a n t i s t e s , tantummodo finibus Longobardorum esset contentus, iuxta privilegii Gregorii I I . et retractationem tertii (s. S. 567. n. 11) . . . Unde . . . praecipimus vobis . . . nt praefato Gradensi patriar-

§· 74.]

Die Patriarchen.

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Urkunde noch aus der Johanns XIX. lässt sich eine wirkliche Patriarchalstellung des Bischofs von Grado herleiten. Und wenn auch das erschlichene Diplom desselben Papstes dem Bischof von Alt-Aquileja oder Friaul in Uebereinstimmung mit Leo VIII. den höchsten Rang in Italien nach der römischen Kirche beilegt, so bestimmt es doch an und für sich seine Rechte nicht. Ebensowenig sprechen für eine derartige Jurisdiktion dieses kirchlichen Oberhirten der von Leo IX. im J. 1053 wieder von neuem hergesuchte Ausdruck: antistes, welcher im S.Jahrhundert aus offenbarer Missgunst gegen den Bischof von Friaul seitens der Kurie gebraucht wurde, sowie der Umstand, dass C l e m e n s II. im Verein mit der römischen Synode vom J. 1047 den Streit zwischen den Erzbischöfen von Ravenna und Mailand, sowie dem Patriarchen von Aquileja, wer von ihnen Anspruch auf den Platz zur Rechten des Papstes habe, zu Gunsten des ersteren entschied 1 . Für beide Patriarchen 2 hat also der Titel nur die frühere Bedeutung einer Ehrenauszeichnung noch bis zum 11. Jahrhundert und in diesem selbst g e h a b t ; nicht einmal von einer Primatialwürde kann für den einen oder andern die Rede sein, da keiner von ihnen Metropoliten zu seinen Untergebenen z ä h l t e E r s t in Folge der Erweiterung des venetianischen Gebietes erlangte der Patriarch von Grado gewisse, ihn über die Stellung eines gewöhnlichen Erzbischofes erhebende Jurisdiktionsrechte. H a d r i a n IV. verlieh ihm einmal den Primat über das Erzbisthum Zara 5 mit

chae successoribusque eius in omnibus secundum iura canonica obedientes sitis, sirut p r i m a t i v e s t r o e t p a t r i a r c h a e esse debetis et sicut antecessoribus eius nostri perpetuo confirmaver u n t . E t si quid iuris in urbibus vestris vel parochiis continetur quod suo dominatui merito debeat subdi, nullus vestrum sibi contradicere praesumat. Si quis vero vestrum quidquam iustae querimoniae adversus eum videtur habere, aut coram vobis comfratribus et comprovincialibus causam suam proferat et cum eo, si potuerit pacitice diffiniat, aut in praesentiam nostram utraque pars examinanda veniat, salva sibi interim per omnia et patriarchali reverentia et proprietate sua". W i l t s c h , Handbuch der kirchlichen Geographie und Statistik. Berlin. 1846. 1, 277, 279 rechnet wesentlich mit Rücksicht auf diese Stelle zu AltAquileja die Suffraganbisthümer von Altinum, Ceneda, P a d u a , Belluno, Friaul (Cividale del Friul), Trevisium (Treviso), Verona, Vicenza, Opitergium (Oder/.o), Tergeste (Triest) und T r i e n t ; zu Grado: Metamaucum (Malamocco), E q u i l i u m , Torcelli, Olivola, Caprulae ( C a role), Fossa Clodia (Chioggia), Pola und Parentium. 1 M a n s i 19, 6 2 6 : . . . „Verum ne posthac iterum vel archiepiscopo Mediolanensi vel p a triarchae Aquilejensi de sessione dexter,ie lateris nostri liceat excitare quamlibet conlmvcrsiam, interdicimus . . . hoc eis de caetero iicere . . . Sedem etiam Ravennatensem archiepiscopi iubemus semper esse a dexteris nostris nostrorumque successorum secundum antiquae coustitutionis auctoritatem nisi forte imperator affuerit et tunc etiam ipsum sinistrum locum teuere per haue nostrae auetoritatis flrmitatem huic nostrae narrationi subiectam". 2 Schon im 11. Jahrhundert wird auch für den Bischof von A l t - A q u i l e j a der ihm von Leo I X . versagte Titel wieder gebraucht. S. Synod. Ro-

mana ν. J . 1078 (Gregor. VII. registr. VI. 5'j ; ed. J a f f e p. 3 3 1 ) , vgl. ferner F i c k e r , vom Reichsfürstenstande. Innsbruck 1861. S. 309. u. c. 13. (Innoc. I I I . ) X. de sent, et re iud. II. 27. Uebertreibung ist es, wenn Gregor VII. (1. c. I I . 39. ed. cit. p. 152) dem Herzog und Volk von Venedig erklärt: „Scitis enim quoniam prae multis terrarum partibus divina dispensatio terrain vestram patriarchatus (nämlich Gradensis) honore sublimavit; cuius dignitatis eminentia ex ipsa sui nominis et officii praerogativa adeo augusta et rara est, u t non amplius quam quatuor in toto mundo reperiantur". 3 So auch card. Henr. Ν ο r i s , hist, synodi quinti c. 10. (opp. ed. Ballerinii 1, 748). 4 So bleibt als hauptsächliches, sie auszeichnendes ( E h r e n - ) Recht das übrig, sich das Kreuz ausserhalb Roms vortragen zu lassen; vgl. ζ. B, für Grado diplom. Innoc. II. a. 1136. ( U g h e l l i 1. c. p. 1121) und f ü r Aquileja diplom. Alex. III. a. inc. (1. c. p. 65). Vgl. ferner über die Ehrenrechte c. ult. (Honor. I I I . ) X. de causa poss. II. 12 u. dipl. Gregor. I X . a. 1234 ( U g h e l l i 1. c. p. 1136). Erklärt doch Hadrian IV. selbst in der Urkunde f ü r Heinrich von Grado a. 1157 ( U g h e l l i 1. c. p. 1123, M a n s i 21, 8 2 1 ) : „ . . . ne commissa regimini et dispositioni [tuae praefata Gradensis ecclesia quae de benignitate apostolicae sedis praerogativa gaudet honoris ex b r e v i t a t e p a t r i a r c h a t u u m i n f e r i u s et a b i e c t i u s valeat apud s impliciore s haberi". . .

5 Diplom, a. 1155 ( U g h e l l i I. c. p. 1123): „ad arapliandam dignitatem ipsius primatum ei super Iadertinum episcopatum et. episcopatum ipsius apostolica auetoritate concedimus et tarn te quam successores tuos Iadertino archiepiscopo et episcopis eius qui pro tempore fueriut, dignitate priinatus praesidere statuimus et consecrationis munus eidem archiepiscopo impartiri, Romano

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I· l)ie Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 74.

der Befugniss zur Ordination des dortigen Metropoliten und ferner das Recht, in Konstantinopel und in allen innerhalb des Konstantinopolitanischen Reiches belegenen Ortschaften, in welchen die Venetianer eine Anzahl Kirchen in den Händen hätten, neue Bischöfe einzusetzen und zu ordiniren 1 . Im J. 1451 verlegte Nikolaus V. die Residenz des Patriarchen von Grado nach Venedig, indem er die bisherigen Diöcesen von Grado und von Castellune — so hiess das Venedig in sich schliessende, frühere Bisthum von Olivola seit dem Ende des 11. Jahrhunderts 2 — zu einer einzigen unirte und die Rechte des Patriarchates auf diese übertrug 3 . Der Patriarchat ist bis auf den heutigen Tag bestehen geblieben; da aber die Verbindung mit dem Erzbisthum Zara quidem pontifici traditione pallii reservata"; ( E r n e u e r t ist das Privilegium im J . 1157 s. U g h e l l i 1. c. p. 1124, M a n s i 1. c. p . 822). » Dipl. a. 1157 ( U g h e l l i 1. c. p. 1127; M a n s i 21, 8 2 5 ) : „tibi et successoribus tuis apostolica auctoritate duximus concedendum, u t in Constantinopolitana urbe et in aliis civitatibus, in Constantinopolitano dumtaxat imperio, constitutis, in quibus Veneti plures habent ecclesias, ubi videlicet eorum multitudo consuevit assidue convenire, liceat vobis episcopum ordinäre et absque alicuius contradictione m u n u s ei consecrationis impendere". 2 Ueber diesen Namenswechsel s. U g h e l l i 1. c. 1175. 1219. 3 Die betreffende, ein Beispiel für eine unio per confusionem bietende Urkunde vom 8. Oktober 1421 lautet ihrem wesentlichen Inhalte nach ( U g h e l l i 1. c. 1293): „ . . . Cum itaque ecclesia patriarchalis Gradensis in dominio ipsius reipublicae Venetorum existens . . . sita sit in loco dissito et destituto cultoribus adeo u t nullus iam dudum ibi patriarcha residere v a l u i t , ex quo tantae dignitatis splendor sordescere existimatur, nos considerantes quod si in civitate Venetiaruiu dignitas patriarchalis sedis institueretur, civitas ipsa tanquam planta fructifera radicibus suis altius in solo suo uberi deflxis in iminensum fere suae dignitatis ramos e x p a n d e t . . . quodque ex eo devotio civium et religio fldei ac divinus cultus maiorem fructum pariet animarum ad omnipotentis dei laudem et exaltationem ecclesiae suae sanctae et u t civitas ipsa Venetiarum digniori in spiritualibus titulo decoretur , dignitatem et titulum patriarchalis ecclesiae Gradensis necnon titulum et dignitatem ipsam episcopatus Venetiarum quia nomine loci in ambitu ipsius civitatis existens , Castellum n u n c u p a t u r , in quo illius ecclesia cathedralis sita e s t , episcopatus Castellanus nominatus existit, caeteras quoque dignitates, personatus, administrationes , officia, canonicatus, praebendas ac alia beneficia ecclesiastica in praefatis Gradensi et Castellana ecclesiis, de venerabilium fratrum nostrorum S . U . E . Cardinaliumconsilioetassensu ac de potestatis plenitudine auctoritate apostolica supprimentes et penitus extinguentes, praefatam Castellanam ecclesiam patriarchalem sedcin et dignitatem cui venerabilem fratrem nostrum L a u r e n t i u m , antea Castellanum episcopum, in patriarcham et pastorem praeflcere intendimus, cum omnibus et singulis patriarchalibus insignibus, dignitatibus, praeeminentiis, privilegiis, iuribus et honoribus, tarn ipsi olirn patriarchal! Gradensi

ecclesiae quam illius patriarchis concessis, erigim u s , constituimus et deputamus. Gradensem vero provinciam cum omnibus illius suffraganeis episcopis in provinciam patriarchalis ecclesiarum Venetiarum constituimus et erigimus, volentes et decernentes, u t deineeps ecclesia patriarchalis Venetiarum f u t u r i s perpetuis temporibus appelletur, quodque tarn dictae quondam Graden, cum Omnibus ecclesiis sibi unitis quam Castell. ecclesiarum dictae praefatae patriarchali ecclesiae Venetiarum unitae sint et una dumtaxat eademque dioecesis censeatur. Omnes vero et singulas dignitates , personatus, administrationes, officia, canonicatus et praebendas ac benefleia quae erant in praefata olim Castellana ecclesia cum omnibus eorum possessionibus, mobilibus bonis et inimobilibus, iuribus, actionibus, obventionibus et emolumentis ad illam spectantibus necnon fructibus , redditibus et proventibus eorumdem ac cum illis canonicorum capitulum in omnibus et per omnia, prout in dicta olim ecclesia Castellana esse consueverunt, in patriarchali ecclesia liuiusmodi per nos erecta de novo creamus et instituimus ac illis qui ipsum pro antea obtinebant, conferimus et de eisdem providemus. Illis vero qui canonicatus, praebendas, dignitates, personatus et administrationes, officia et benefleia in olim Graden, suppressa praedicta obtinebant, quod ipsorum fruetus, redditus et proventus, donecet quousque vixerint, integre exigere et pereipere ac in suos usus et utilitatem convertere libere ac licite valeant et possint perinde ac si suppressio extinetio et alia supradicta per nos facta non fuissent. Concedimus praeterea etiam omnia et singula dominia, f e u d a , possessiones, f r u e t u s , redditus, proventus, census, i u r a , actiones et alia mobilia et immobilia bona quaecumque olim Graden, et Castell. , ecclesiarum et aliorum in dicta Graden, suppressorum praefatae patriarchali ecclesiae V e netiarum pro eius mensa perpetuo donamus, concedimus , applicamus, appropriamus et assignam u s , volentes et eisdem scientia et auctoritate statuentes pariter et decernentes quod ex nunc in antea in perpetuum ipsa ecclesia sie erecta patriarchalis ecclesia ac dioecesis provincia Venetiarum sit et etiam nuneupetur quodque in eadem quondam ecclesia Graden, prout hactenus consuev i t , per u n u m vel plures presbyteros quibus de illius proventibus per patriarcham Venetiarum pro tempore existentem necessaria congrue ministrentur et animarum c u r a , si qua illi immineat, diligenter exerceatur ac inibi laudabiliter deserviatur in divinis". Vgl. auch H o l l , patriarchatus Venetus. Heidelb. 177(1.

§· 74.]

Die Patriarchen.

571

jetzt nicht mehr existirt 1 , so hat derselbe wieder die Bedeutung einer blossen EhrenAuszeichnung angenommen 2 . Der Patriarchat von A q u i l e j a hat dagegen nur bis zum J. 1751 bestanden. Die Regierungen von Venedig und Oesterreich, aus deren beiderseitigen Gebietstheilen der Sprengel desselben bestand und welche wegen des Patriarchates mehrfach in Streitigkeiten geratlien waren, erlangten von B e n e d i k t XIV. die Suppression desselben und die Errichtung je eines Erzbisthums, das von Görz für den österreichischen und das von Udine für den venetianischen Antheil 3 . Ausser dem Patriarchat von Venedig führt das päpstliche Jahrbi.-u 4 ferner noch auf: 2. d e n P a t r i a r c h a t v o n W e s t i n d i e n ( I n d i a r i u m O c c i d e n t a ium) 5 , welcher seit Anfang des 16. Jahrhunderts besteht 0 , und mit welchem die Stelle eines Grosskapellans der Könige, sowie des General-Vikars des Heeres von Spanien 7 verbunden ist s . »Auf diesen Patriarchat pflegt der König von Spanien einen Bischof, einen Kardinal oder einen Priester zu ernennen. Mitunter behält der betreffende Kardinal oder Bischof mit päpstlichem Indult die ihm zustehende erzbischöfliche oder bischöfliche Kirche, gleichviel ob er Bischof mit Jurisdiktion oder nur Titularbischof ist, mitunter giebt er sie aber auf, da die Beibehaltung nicht nöthig ist. Jedenfalls wird aber der Präsentirte, sofern er nicht mit dem bischöflichen Ordo versehen ist, zu einer erzbischöflichen Kirche in partibus promovirt. Der einzige haltbare Grund dafür ist der Umstand, dass der betreffende Patriarchat ein blosser, dem Titular-Erzbischof oder -Bischof eigentlich untergeordneter Titel ist . . . Der Patriarch kann auf Grund des Patriarchates weder die Konsekration empfangen, noch das Pallium erbitten, noch irgend einen bischöflichen Akt der geistlichen oder temporellen Jurisdiktion ausüben noch sich ohne spezielle Erlaubniss des päpstlichen Stuhles nach Westindien begeben, wie das alles deutlich aus dem Konsistorial-Akt der Promotion des Patriarchen erhellt. Mit Rücksicht hierauf ist der westindische Patriarchat keine erzbischöfliche oder bischöfliche Dignität, da er ohne Residenz, ohne Kirche, ohne Suffraganbischöfe, ohne 1 S c h u l t e , Lehrbuch des kathol. Kirchenrechts. 1. Aufl. S . 4 8 9 ; s. auch Coast. Leon. X I I . : Locum b. Petri vom 30. Juli 1828 (Bull. Kornau, contin. 17, 370). 2 Das citirte Annuario f ü h r t ihn p. 112 unter den Patriarcali Latini gleich nach den vier Patriarchen von Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem auf. Die Ehrenrechte ergeben sich aus der S. 072. Ii. 4 angeführten Bulle Clemens' XI. von 1716. Nach Ν e h e r , kirchliche Geographie und Statistik, Regensburg 1864. 1 , 264 führt der Patriarch mit Rücksicht auf die früheren Rechte über Zara noch heute auch den Titel: P r i m a s \ η η D a l m a t i e η. 3 Benedict. XIV. Allocutio vom 5. Juli 1751. (Bull. Bened. XIV. 3, 5 4 4 ) , const. Injuncta nobis vom 6. Juli 1751; (ibid. p. 394); const. Kuprema dispositione vom 19. Januar 1753. (M. Bull. 19,23). S. auch Ν e h e r a. a. 0 . 1,262. 263. * Jahrg. 1865. p. 112. 5 Vgl. M o r o n i , dizionario di erudizione storico - ecclesiastica 34, 174. 176 und 51, 296. fi Nicht erst seit Paul III., wie gewöhnlich angenommen wird (s. H i e r on. G o n z a l e z , comm. ad regul. VIII. cancell. gloss. 41. η. 14 u. G i n -

z e l l , 216. n. 7 ) , vielmehr seit Leo X., M o r o n i 3 4 , 176: „Clemens PP. VII. Stefano Gabrieli episcopo Giennensi (Jaen). Licet alias fei. rec. Leo PP. X. predecessor noster b. m. Antonium archiepiscopum Granatensem a vinculo quo ecclesiae Granatensi absolverit seu nos absolverimus eumque ad ecclesiam Palentin. tunc certo modovacantem transtulerit seu transtulerimus . . . et ne ipse Antonius ad ecclesiam cathedralem translatus digniori titulo careret, ad supplicationem regis catholici in insulis Indiarum patriarchalem ecclesiam erexerit seu erexerimus et illi, ab illius primaeva erectione vacanti, de persona dicti Antonii provideret seu nos providerimus : tarnen nec Antonius ipse literas super erectione et provisione patriarchalis ecclesiae expedivit nec ipsa ecclesia hactenus constructa et dotata fuit . . . sicut praefatus Antonius sine literarum expeditione patriarcham Indiarum se denominavit et patriarchae nomen habuit, . . . ita et tu . . . S. auch K a y n a i i i , annal. eccles. a. 1546. n. 15. 7 H e r g e n r ö t h e r in M o y s Arch. I i , 369. 8 Jedenfalls hat die Verbindung bestanden bis zur Zeit der jetzt vertriebenen Isabella II. Das Präsentationsrecht hatten die spanischen Könige. M o r o n i 51, 297 ; 34, 174.

572

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§· 74.

Klerus, ohne Volk und ohne Jurisdiktion ist« 1 . Es handelt sich also hier um einen blossen Ehrentitel, welcher einen Vorrang vor den übrigen Erzbischöfen und Bischöfen giebt. Deshalb ist auch bei Ernennung eines Bischofs eine Translation nicht erforderlich. Die Residenz des Patriarchen ist Madrid2, und eine Jurisdiktion hat er nur in Folge der beiden andern mit dem Patriarchat verbundenen Stellungen, für welche er auch der bischötlichen Weihe bedarf. 3. D e r P a t r i a r c h a t v o n L i s s a b o n . Auf Wunsch des Königs von Portugal theilte C l e m e n s XI. die Erzdiöcese Lissabon in zwei Erzbisthümer, in ein östliches und westliches. Jenes verblieb der alten Metropolitankirche, dieses wurde dagegen der zu demselben Range erhobenen Kollegiatkirche des königlichen Palastes zugewiesen 3 und der letzteren die Qualität einer Patriarchalkirche, sowie dem jeweiligen Erzbischof der Rang eines Patriarchen mit gewissen genau bestimmten Ehrenrechten, welche ebenfalls keine Patriarchal-Jurisdiktion im alten Sinne konstituiren, beigelegt 4 . VI. R ü c k b l i c k a u f d i e E n t w i c k l u n g d e s P a t r i a r c h a t e s . Damit ist die Zahl der heute in der katholischen Kirche vorkommenden occidentalischen Patriarchen beschlossen. In früherer Zeit sind aber noch andere als die genannten Bischöfe 1

D e u t s c h e U e b e r t r a g u n g von M o r o n i 34, 175. M o r o n i 1. c. p . 176. Wie sich das ganze Verhältniss j e t z t in Folge der n e u e s t e n E r e i g nisse in S p a n i e n gestaltet h a t , d a r ü b e r ist mir nichts b e k a n n t geworden. — Uebrigens kann mit diesem Patriarchat die E r z ä h l u n g im Magn. Chronic. Belgic. ( J o h . P i s t o r i u s , rer. G e r m a n , script, ed. I I I . cur. S t r u v i o 3 , 1 6 3 ) : „Anno quarto Calixti ( I I . ) p a p a e (i. J . 1123) p a t r i a r c h a I i i d o r u m Constantinopolim ad suscip i e n d u m pallium v e n i t , u n i u s a n n i spatio in itinere consumpto illius scilicet I n d i a e quae ultima ilnem facit . . . Qui de patria sua requisitus in praesentia papae et cardinalium per i n t e r p r e t e m d i x i t : Civitas cui p r a e s i d e m u s . . . Ulna vocatur" — so anscheinend B i n t e r i m I I I . 1 , 2 4 1 — nicht in V e r b i n d u n g gebracht werden. E s handelt sich hier u m einen Patriarchen der T h o m a s Christen. P i c h l e r 2, 4 3 0 . 2

3 Const. : I n s u p r e m o apostolatus vom 7. November 1716. § § . 2 ff. (M. Bull. 8, 173). 4 §. 2 3 ( I . e . p . 1 7 7 ) : „ . . . eamdem secularem et i n s i g n e m oollegiatam ecclesiam sic a nobis in archiepiscopalem ecclesiam Ulyssiponensem Occidentalem erectam et i n s t i t u t a m nomine , titulo et praerogativa patriarchalis ecclesiae eiusque archiepiscopum Ulyssiponensem Occidentalem pro t e m pore e x i s t e n t e m similiter nomine, titulo et p r a e rogativa patriarchae Ulyssiponensis Occid. ad instar venerabilis fratris nostri moderni patriarchae V e n e t i a r u m quoad provinciam tarnen archiepiscop a t u s Ulyssipon. Occid. t a n t u m i n s i g n i m u s e t decoramus cum facultate u t e n d i insigniis et stemmate propriae ecclesiae archiepiscopalis Ulyssip. Occid. aliisque ornamentis q u i b u s idem patriarcha Verietiarum de iure, usu et c o n s u e t u dine u t i t u r , neenon in eisdem Portugalliae et Algarbariorum regnis deferendi crucem et rocchettum a p e r t u m , populuni b e n e d i c e n d i , t h r o n u m et bald a c h i n u m h a b e n d i , pontificalia e x e r c e n d i , i n f r a scriptas indulgentias concedendi et supra Bracchar. Ulyssipon. Orientalen! ac Elborens. archiepiscopos neenon Portugalliens, . . . episcopos alinsque

omnes et singulos regnorum h u i u s m o d i praelatos in Omnibus actibus et f u n e t i o n i b u s etiam in eorum ecclesiis praecedentiam habendi q u o r u m nullus etiam in eorum ecclesiis eo praesente aliquem iurisdictionis, honoris vel facultatis a c t u m gerere p o s s i t , q u e m coram legato praedictae sedis apostolicae gerere non v a l e r e t ; q u o v e r o ad alias i u r i s dictiones et facultates aliis patriarchis seu praedictae sedis legatis competentes n u l l u s idem pro tempore existens archiepiscopus Ulyssipon. Occid. patriarcha n u n e u p a t u s habere seu exercere possit exceptis supradictis . . . neenon u t e n d i pallio non solum in diebus festivitatibus et f u n e t i o n i b u s in pontilicali Romano descriptis et designatis sed etiam in conceptionis b. Mariae virginis . . . neenon in qualibet alia die , si q u a e f u e r i t solemnior in ecclesia in q u a p e r t o t u m r e g n u m praedictus archiepiscopus . . . pontificalibus u s u s f u e r i t ac in benedictionibus n u p t i a r u m e t in solemni b a p t i s mate flliorum et descendentium regiorum ac in aliis similibus et solemnibus regiis f u n e t i o n i b u s quae intra vel immediate post m i s s a r u m solemnia c e l e b r a b u n t u r q u o d q u e p r a e d i c t u s . . . archiepiscopus . . . habitu p u r p u r e o ad instar venerabilis etiam fratris nostri moderni archiepiscopi Salisburgensis i n d u i possit easque indulgentias concedere valeat quas nostri et praedictae sedis apostolici n u n t i i in praedictis Portugalliae et Algarbiorum regnis eiusdem sedis auetoritate concedere solent, videlicet c e n t u m a u t plures alios dies, non tarnen ultra a n n u m neenon in u n o f e s t o , d u m t a x a t a primis u s q u e ad secundas vesperas et occasum solis diei festi h u i u s m o d i q u i n q u e annos et q u i n q u e quadragenas a u t infra ita tarnen u t semel t a n t u m pro u n a ecclesia vel capella flat, etiam concedimus et i n d u l g e m u s " . D u r c h die const. Clement. X I I . i n t e r praeeipuas vom 17. D e z e m b e r 1737 (Bull. Rom. 14, 2 0 4 ) , bestätigt durch const. Clement. X I I I . : I n t e r praeeipuas vom 16. J a n u a r 1766 (Bull. Rom. Contin. 3, 157), ist darin f e r n e r b e s t i m m t , dass der Patriarch von Lissabon im nächsten Konsistorium nach seiner E r n e n n u n g weiter zum Kardinal erhoben werden soll.

§• 74.]

Die Patriarchen.

573

mit diesem Titel bezeichnet worden, so ζ. B. die Erzbischöfc von L y o n 1 , von B o u r g e s 2 , von C a n t e r b u r y 3 , T o l e d o 4 , V i e n n e , T r i e r , B r e m e n 5 und P i s a 6 . Ihrer äusseren Stellung und den ihnen zustehenden Rechten nach hätten dieselben, ebenso gut wie die erwähnten Titularpatriarchen des Abendlandes, sogar theilweise noch mit mehr Grund, jene Bezeichnung führen können. Wenn sie trotzdem nur officiell als Primaten (s. §. 75) gegolten haben, und auch als solche von den meisten Kanonisten charakterisirt werden 7 , so erklärt sich das lediglich aus historischen Gründen. Ein so bestimmter und ausgeprägter Gegensatz in der Stellung der im Abendlande mit dem Titel: Patriarch bezeichneten Bischöfe zu den übrigen, wie im Orient, hat hier nie bestanden. Hier wie dort wurde zwar anfänglich für alle Bischöfe die Bezeichnung: Patriarch auch für gewöhnliche Bischöfe gebraucht 8 , aber die Verhältnisse, welche im Orient für die Fixirung derselben auf einen engeren Kreis obgewaltet haben, waren im Abendlande nicht vorhanden. Das einflussreiche Moment der Möglichkeit einer Zuriickführnng auf apostolische Stiftung fehlte für sämmtliclie Bischofssitze ausser dem zu Rom, und die Erhebung einzelner Bischöfe über andere durch die Erlangung höherer Jurisdiktionsrechte ist hier nicht das Produkt einer natürlichen und spontanen Weiterentwicklung der kirchlichen Verfassung (wie ζ. B. beim Bischof von Alexandrien) gewesen, vielmehr führt dieselbe entweder auf besondere päpstliche Verleihung, resp.

' In der Einleitung der Synode von Macon vom J . 0 8 5 : „Priscus episcopus p a t r i a r c h a dixit"; ( M a n s i 9, 949) er selbst unterzeichnet sieh freilich auf der Synode nur (1. c p. 9Ü7): „episcopus ecclesiae Lugdunensis". Auch Gregor. T u ron. hist. Francor. V. '21 bedient sich desselben Ausdrucks für den Erzbischof von Lyon : ,,Quod cum rex Gruntramnus comperisset congregari synodurii apud urbem Lugdunensem (a. 567) iussit. Coniunctique episcopi cum p a t r i a r c h a Nivetio beato discussis causis" . . . Die Unterschrift desselben unter den Kanonen der Synode, in der Reihenfolge die zweite (nach Philipp von Vienne), lautet wieder nur ( M a n s i 9. 7 8 8 ) : „episcopus ecclesiae Lugdunensis". Endlich kommt die Bezeichnung später noch bei Petrus venerabilis vor. S. 75. 2 E p . Nicolai I. ad Rodulph. Biturens. a. 864. c. 2 ( M a n s i 15, 3 9 0 ) : „Conquestus est apostolatui nostro frater nosterSigebodus archiepiscopus Narbonensis, quod clericos suos eo invito ad iudicium t u u m venire compellas et de rebus ad ecclesiam suam pertinentibus eo inconsulto quasi i u r e ρ a t r i a r c h a t u s t i l i disponas, cum hoc neque antiquitas cui sancti patres sanxerunt reverentiam habeatet auctoritas sanctorum canonum penitus interdicat, nisi forte pro caussis quae apud se terminari non p o s s u n t , ad te q u a s i a d p a t r i a r c h a m s u u m provoeaverint per appellationes vel si episcopus suus decesserit, res ecclesiae suae iudicio tu ο dispensare voluerint. P r i m a t e s enim vel p a t r i a r c h a s nihil privilegii habere prae ceteris episcopis, nisi quantum sacri canones concedunt et prisca consuetudo illis antiquitus contulit difTinimus, ita ut secundum Nicaenas regulas sua privilegia serventur ecclesiis praeterquam si apostolica sedes aliquam ecclesiam vel rectorem ipsius qualibet speciali privilegio decreverit honorare·'. ( = c. 8. 0 . I X . qu. 3). S. auch §. 75.

3 Vita S. Duristani (Erzbischof von Canterbury 9 5 9 — 9 8 8 ) auct. Osberno monacho ( M a b i l l o n , acta SS. ord. s . Bened. saec. V . ; auch bei H. W h a r t o n , Anglia sacra. Lond. 1691. 2, 109. 110) c. 3 2 : „ . . . rex Edgarius . . . illum . . . primae metropolis Anglorum p r i m a t e m et p a t r i a r c h a m instituit quem statim ob robur apostolicae fidel vel auctoritatis ad Romuleam urbem profectum Romanus pontifex videre promeruit eumque sacris pontiflcalibus decoratum . . . genti Anglorum transmisit". c. 3 4 : „Dunstanus igitur Candida apostolatus sui stola a Romano pontifice et universae genti necnon et aliis regionibus Anglorum regno suppositis p a t r i a r c h a destinatus festinabat" . . . 4 Indult M a r t i n s V. v. 1428 s. B a r b o s a , de officio et potestate episcopi P. I. tit. 3. c. 7. n. 14 und unten §. 7 5 ; ferner Schreiben König Johanns II. an den Bischof von Burgos ν. 1448 (Barbosa 1. c . ) : „El dicho papa Martine V. constituyö y decerniö que el dicho Don Juan Arzobispo de Toledo y sus successores igu almente sin otra differentia pudiesse gozar y gozassen de las insignias y prerogativas y privilegios que ä los patriarchas en qualquier manera puedan competer".

5 S. §. 75. 6

Glossa margin. zu c. 8. Dist. X X I I .

7

S. ζ. B. B a r b o s a l . c. n. 19; T h o m a s s i n 1. c. c. 33. 37. 3 8 ; C a r d . N o r i s 1. c. ed. cit. 1, 748. P h i l l i p s 2, 64. Schon die Glosse zu c. 1. Dist. X X I . s. v. archiepiscopis sagt: „i. e. primatibus quo nomine comprehendit alios patriarchas (im Gegensatz zu den vier alten orientalischen) sive primates, n t Aquilegiensem, Cantuariensem , Bitmicensem", u . die zu c. 9. X. de off. iud. ord. I. 31. c. v. Patriarchates: „diversitas est in nomine, dignitas est eadein". β S. oben S. 545 u. S. 567.

574

Ι · Dio Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

päpstlicnes Anerkenntniss oder auf besondere eigenthümliche zurück.

[§. 74.

politische Verhältnisse

Wenn freilich gerade das letztere Moment für die Bedeutung des Bischofs-

sitzes von Konstantinopel vom erheblichsten Einfluss geworden ist, so war doch im Abendlande, nach der Ueberfluthung des Römerreichs durch die germanischen Stämme, eine ähnliche Konstellation von Verhältnissen,

wie sie unter dem römischen Kaiser-

thum für Byzanz stattfand, nicht mehr möglich. seine Bestrebungen nach Machterweiterung,

Einen derartigen festen Rückhalt für

wie der Patriarch von Konstantinopel,

konnte kein abendländischer Bischof verwerthen, und mochten auch gewisse äussere Umstände ihm ein hervorragendes Ansehen vor den übrigen Bischöfen oder Metropoliten eines Landes verschaffen, immerhin hatte das Papstthum seit dem 6. Jahrhundert schon so viel Einfluss erlangt, dass ohne seine Mitwirkung kein Metropolit eine auch rechtlich anerkannte höhere Gewalt, als die durch seine Stellung bedingte, über seine Kollegen ausüben konnte.

Jedenfalls war

immer die formelle Sanktion des Papstes

nöthig, um dem oft auch dadurch nicht beseitigten Widerstand der anderen Bischöfe desselben Bezirkes wenigstens seinen Rechtsboden zu entziehen.

Endlich kam

der

Umstand hinzu, dass der päpstliche Stuhl kein Interesse hatte, für grössere, vielfach mit den Gränzen eines Volksstammes zusammenfallende territoriale Sprengel dauernd über den Metropoliten höhere Zwischen-Instanzen mit bestimmten Rechten über dieselben zu errichten.

Sowohl der Herstellung der Einheit des kirchlichen Rechtes als

auch der Machtstellung des Papstthums hätten solche Oberhirten nicht minder gefährlich werden können, wie der Patriarch in Konstantinopel.

Man gestattete daher die

Beibehaltung des im Abendlande zunächst ohne Einwilligung der Päpste gebrauchten Titels : Patriarch da, wo die Stellung der betreffenden Bischöfe nicht eine Besorgniss erregende war oder wo die Politik es g e b o t u n d

verlieh auch später denselben, aber

allein als Ehrenauszeichnung, nie mit den vollen Rechten der alten, Patriarchen.

ursprünglichen

Fiel so die Stellung dieser Patriarchen mit der der Primaten zusammen,

war sie sogar bei einzelnen (so ζ . B. beim Patriarchen von Venedig, von Westindien und Lissabon) materiell noch geringer als diese, j a hat man selbst seit dem 6. namentlich im 9. Jahrhundert auf Grund einer offenbar durch die abendländischen Verhältnisse hervorgerufenen Anschauung beide Ausdrücke für gleichbedeutend genommen 2 , so gebot es immer die Politik den volltönenden T i t e l : Patriarch denjenigen Bischöfen zu lassen, welche ihn, wie die unirten Patriarchen der orientalischen Kirchen 3 und die von A q u i leja und Grado - Venedig früher geführt hatten.

In den beiden einzigen Fällen,

wo

er erst später verliehen worden ist (Lissabon und Westindien) 4 , hatte dagegen die Beilegung eines solchen Titels keine Gefahr mehr; zudem konnte man für die beabsichtigte Ehren-Auszeichnung kaum den T i t e l : Primat, resp. Primas allein wählen, weil gerade dieser im Abendlande früher eine bestimmte höhere jurisdiktionelle

Stellung

bedeutet hatte und für die in Frage kommenden Fälle nicht passte. Aus diesen Gründen erklärt sieh die freilich zunächst frappirende Erscheinung, dass einzelne kirchliche Würdenträger, 1 So neuerdings hinsichtlich der Patriarchen der unirten orientalischen Kirchen und in älterer Z e i t hinsichtlich der Bischöfe von Grado und A q u i l e j a , wo es zuerst darauf ankam, den ersteren vom Schisma abzuhalten , den letzteren zur Union mit iler römischen Kirche zurückzuführen. - S. ep. Nicolai I. c:t. (obonS. 5 7 3 . n . 2 ) ; auch Pseudo-Isidor gebraucht beide als gleichbedeutend

welche eine materiell geringere Jurisdiktion s. meine Ausgabe praefatio p. C X C I X . C C X X V . ; die Bezeichnung der Primaten von Lyon, Bourges u. s. w. S. 5 7 3 ) erklärt sich ebenfalls daraus, V g l . auch c. 9. X . (Innoc. I I I . ) de off. iud. ord. I. 31. u. unten § . 75. die Dekretalen Innocenz' III. für Bulgarien u. Martins V . für Toledo. 3 y. s. 560 ff. 4 V g l . S. 571. 572.

§· 74.]

Die Patriarchen.

575

als andere besessen haben, doch in Besitz eines höheren Ehrenranges gelangt sind. Aus denselben Gründen erscheint es endlich auch gerechtfertigt, wenn die Doktrin von jeher die alten orientalischen Patriarchen einerseits und die unirten orientalischen, sowie die abendländischen andererseits unterschieden 1 und die ersteren als p a t r i a r c h a e m a i o r e s , die letzteren dagegen als p a t r i a r c h a e m i n o r e s bezeichnet hat 2 . VII. D i e E r r i c h t u n g n e u e r P a t r i a r c h a t e . Die Frage, ob die Genehmigung des Papstes zur rechtsgültigen Errichtung eines neuen Patriarchates eingeholt werden muss, ist zweifellos zu bejahen, weil die Organisation aller beneficia maiora in seiner Hand ruht 3 . Wenn dieselbe dennoch einst ausführlich erörtert worden ist 4 , so erklärt sich das aus der dabei obwaltenden Tendenz, etwaige Versuche weltlicher Mächte, welche der Geistlichkeit des Landes dem römischen Stuhle gegenüber eine selbstständigere Stellung durch Einsetzung eigener Nationalpatriarchen zu verschaffen bezweckten, als unberechtigt darzustellen. Veranlassung dazu gab zunächst das im 4. Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts in Frankreich kursirende Gerücht, der Kardinal R i c h e l i e u beabsichtige die Begründung einer vom Papst getrennten, selbstständigen Nationalkirche unter einem eigenen französischen Patriarchen, ein Gerücht, das wahrscheinlicher Weise von Rom aus im Unwillen über die gallikanischen Bewegungen 5 verbreitet worden ist'>. Neue Nahrung erhielt dasselbe durch den gleichfalls in provokatorischer Absicht von dem Pariser Priester H e r s e n s pseudonym im J. 1640 herausgegebenen : Optati Galli de cavendo schismate ad illustrissimos ecclesiae Gallicanae primates, archiepiscopos, episcopos liber paraeneticus, indem dieser ein Schisma der Gallikanischen Kirche sowie die Errichtung des Patriarchats ankündigte 7 , um damit zur Vornahme dieses Schrittes anzureizen. König L u d w i g XIII. und Kardinal R i c h e l i e u sollten dadurch offenbar vor die Alternative gestellt werden, entweder die verhängnissvolle Massregel zu ergreifen und damit einen wahrscheinlicher Weise die s. g. gallikanischen Freiheiten vernichtenden Sturm gegen sich herauf zu beschwören oder zur Beseitigung jenes Gerüchtes die Festhaltung der letzteren ohne weiteres aufzugeben 8 . Indessen hatte die Intrigue nicht den gewünschten Erfolg, eine zu Paris im J. 1640 abgehaltene Provinzialsynode, deren Beschlüssen viele andere französische Bischöfe beitraten, verwarf das Pseudonyme Buch 9 und P e t r u s d e M a r c a schrieb auf Ver1 So schon die Glosse zu c. 1. Dist. X X I . (s. oben S. 573. η. 1). 3 So ζ. B. B a r b o s a 1. c. η. 1 ; S c h m i e r , iurisprud. call, civil, lib. I. to. 4. c. 4. 11. 36 — 4 0 ; ß i n t e r i m a . a. 0 . III. 1, 191; P e r m a n e d e r §. 1 8 9 ; P a c l i r a a n n 123. i. f . ; P h i l l i p s 2, 60. 3 Das erkennen sogar Schriftsteller wie F e b r o n i u s , de statu ecclesiae (s. oben S. 200) c. 4. §. 10. n. 4 an. Dass dies auch schon die mittelalterliche Anschauung gewesen, ergiebt sich aus dem Verfahren Adalberts von B r e m e n , als dieser einen Patriarchat des Nordens errichten •wollte. S. §. 7ö. 4 So namentlich E m . S c h e l s t r ' a t e , antiquitas illustrata circa concilia generalia et provincialia. P. I. diss. 2. c. Ö. n. 130 ff. (ed. Antverp. 1678. p. 120 ff. ). 5 S. oben S. 198. namentl. Note 6. 6 Vita Petri d e M a r c a scripta a S t e p Ii. Β a 1 u ζ i ο c. 8(oj>p. P. d e M a r c a ed. Bamberg 1788. 1, X X I X ) , vita ejusd. auet. P. d e F a g e t (1. c.

6, 2 2 ) ; J a c o b s o n in H e r z o g s Real-Encyklopädie 9, 18. 7 S e h e I s t r a t e 1. c. n. 144 theilt folgende Stelle aus dem Buche m i t : „Iiumor est ubique apud nos sese diffundens vires eundo acquirens et nescio quid pessimi in ecclesia Gallicana praesagiens , omnia in schismatis strueturam prona esse et antiquissimum ac devotissimum Gallorum in sedera apostolicam Studium, quam difficillimorum temporum turbinibus inconcussum tarn iam pessum iri: omnia patriarcham hoc est papalis dignitatis in Francorum regno furem aut larvam personare". 8 S. vita P. d e M a r c a script. a B a l u z i o l . c. p. X X X . 9 „tanquam f a l s u m , scandalosum , contumeliosum , pacis publicae perturbativum, regi christianissimo eiusque ministris ac consiliariis odium conciliantem , praesulibus injuriosum sub falso et per snmniam improbitatem conflcto s c h i s m a t e c u i u s per dei gratiam, n e u m b r a q u i d e m a p u d n o s u l l a e s t , Gallos a legitima obedien-

57(5

I- Diu Iliei'iuchic und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 75.

anlassung des Königs und Richelieu ein Werk, welches den Nachweis führen sollte, dass die s. g. Gallikanischen Freiheiten mit den Pflichten und der Ehrfurcht gegen den römischen Stuhl nicht in Widerspruch ständen — das bekannte Buch: »De concordia sacerdotii et imperii« 1 . In den Verhandlungen über die Gestaltung der französischen Kirche mit Papst P i u s VII. hat N a p o l e o n nach seiner Krönung die Idee der Errichtung eines besonderen Patriarchats für Frankreich aufgegriffen und die Einsetzung eines solchen verlangt 2 . Indessen ist diese Forderung ebenso wie die übrigen mit ihr damals gleichzeitig gestellten vom Papst zurückgewiesen worden :i . Auch in D e u t s c h l a n d ist demnächst in einzelnen Schriften 4 der Gedanke, einen katholischen Patriarchat für die katholische Kirche zu schaffen, angeregt und sogar in einzelnen Ständeversammlungen als zeitgemässes Postulat hingestellt worden 5, indem man davon ausging, dass die deutschen Katholiken sich selbst eine dem Standpunkt ihrer religiösen Aufklärung entsprechende Kirchen-Verfassung aufrichten könnten und die Organisation einer deutschen Nationalkirche unter einem eigenen deutschen Patriarchal- oder Primatialstuhl das geeignete Mittel zu diesem Zwecke wäre. Irgend welchen praktischen Erfolg hat aber dieses Projekt nicht gehabt. §. 75. II. Die Exarchen,

päpstlichen

Vikarien,

Primaten

und Legati

nati.

I. D i e E x a r c h e n * . Schon das Koncil von Konstantinopel vom J. 381 erwähnt der Metropoliten von E p h e s u s , von C ä s a r e a und von H e r a k l e a in einer höheren Stellung über den gewöhnlichen Metropoliten, indem es ihnen die Oberleitung über ihre aus mehreren Metropolitansprengeln bestehenden Diöcesen (Kleinasien, Pontile und Thracien) zuschreibt 6 . Ursprünglich haben sie offenbar für ihre Sprengel dieselben Rechte besessen, wie die Patriarchen von A l e x a n d r i e n und A n t i o c h i e n , wenngleich ihnen diese wegen der grösseren Bedeutung ihrer Kirchen an Ansehen überlegen waren. Das beweist einmal die Art der Erwähnung aller fünf Bischöfe auf der gedachten Synode, ferner der Umstand, dass der Ausdruck: Patriarch noch im 5. Jahrhundert, als sich schon ein Unterschied in der jurisdiktionellen Stellung zwischen den nachmals ausschliesslich sogenannten Patriarchen und jenen zu Anfang des tia et subiectione avocantem atque ad factiones, rebelliones, seditiones excitantem"; s. S c h e i s t r a t e 1. c. n. 145. 140. 1

B a i « z e , J a c o b s o n a. a. 0 .

- Auskunftdariiber giebt das Cirkular Pius VII. vom 5. Februar 1 8 0 8 an die Kardinäle. S. darüber (1 e P r a d t , lesquatre concordats. P a r i s l 8 1 8 . 2 , 31G f f . ; M ü n c h , vollständige Sammlung aller Konkordate 2 , 3 4 . 3 4

D e P r a d t und Μ ii n c h a. a. 0 .

D i e deutsche Kirche. Ein Vorschlag zu ihrer neuen Begründung und Einrichtung. 1 8 1 5 ; E n t wurf einer Verfassung der deutsch - katholischen Kirche in den deutschen Bundesstaaten. 1 8 1 6 ; f j . L. K o c h ) , kirchenrechtliche Untersuchung über die Grundlage zu den künftigen katholischkirchlichen Einrichtungen in Deutschland von einem katholischen Kechtsgelehrten. Frankfurt a. M. 1 8 1 6 . Vgl. auch v. L o n g n e r , Beitr. zur Gesch. der oberrhein. Kirchenprovinz. 1 8 6 3 . S. 2 7 2 ff.

5 So namentlich von E o t t e k in der ersten Kammer der badischen Landstände. Münchner katholische Literaturzeitung. Jahrgg. 1 8 1 9 . Nr. 6 6 . S. 2 3 3 . Gegen diese Vorschläge richtet s i c h : ( L . F r e y ) , das für die katholische Kirche n e u projektirte Patriarchat, aus historischein und kirchenrechtlichem Standpunkte betrachtet. Germanien 1 8 1 7 ; ferner F. A. F r e y in s e i n e m kritischen Kommentar über das Kirchenrecht 2 , 3 0 5 ff. * L e Q u i e n , Oriens christianus. Paris 1 7 4 0 . 1, 3 5 1 ff., 6 6 3 ff., 1091 ff.; N a t a l i s A l e x a n d e r , hist, eccles. saec. I V . c. 5 . art. 2. (ed Paris. 1699. 4, 2 2 ) ; B e n n e t t i s , privileg. S. Petri 4, 1 9 0 ff. ; E m . S c h e i s t r ä t e , antiquitas illustrata. diss. I . e . 3. art. 3. I V . ; T h o m a s s i i i , P . I. lib. I. c. 17 — 1 9 ; P. d e Μ a r e a , de Constantinop. patriarchat. instit. disc. (ed. cit. 4, 167 ff.); B i n t e r i m , Denkwürdigkeiten III. 1, 2 5 4 ; P h i l l i p s 2, 6 4 f f . ; M a a s s e n , der Primat des Bischofs von Ilom. S. 5 8 ff. 6 S. oben S. 5 4 1 . n. 1.

Die Exarchen.

§· 75.]

577

Paragraphen erwähnten drei Metropoliten gebildet hatte, nicht allein für die ersteren gebraucht wird

und auch die Bezeichnung : αρχιεπίσκοπο; den hier in Rede stehenden

Oberhirten noch bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts gemeinsam geblieben ist 2 .

Endlich

kommt in Betracht, dass die Metropoliten der Städte Ephesus, Cäsarea und Heraklea für die Zeit bis zum 5. Jahrhundert auch sonst in einer Weise neben den nachmaligen zwei Patriarchen genannt werden, welche auf volle Selbstständigkeit diesen gegenüber, wie auf eine innere gleichberechtigte Stellung schliessen lässt 3 .

Es erscheint daher die

Annahme gerechtfertigt, dass sie diese schon zur Zeit des Koncils von Nicäa besessen haben und der Kanon 6 4 desselben mit seinen Bestimmungen:

»dass auch in den

andern Exarchien den betreffenden Kirchen ihre Rechte gewahrt bleiben sollten«, auf sie habe hindeuten wollen.

Erst das Uebergewicht, welches der Bischof von Konstan-

tinopel seit der zweiten Hälfte des 4. und namentlich seit Anfang des 5. Jahrhunderts erlangte 5 , beschränkte ihre Machtbefugnisse und drückte sie diesem und den beiden andern Patriarchen gegenüber insofern eine Stufe tiefer, als ihnen durch das Koncil von Chalcedon im J. 451 das Ordination,srecht ihrer Metropoliten entzogen und dem Bichof von Konstantinopel beigelegt 1 ', sowie dem letzteren auch eine konkurrirende oberste Jurisdiktion für ihre Diöcesen zugesprochen wurde 7 .

Eine allumfassende, oberste R e -

gierungsgewalt über sie hatte damit der Bischof von Konstantinopel gesetzlich allerdings noch nicht erlangt,

das Fundament für eine solche war aber jedenfalls dadurch

gewonnen und so gelang es ihm,

diese im Laufe der Zeit immer mehr geltend zu

machen s . Mit Rücksicht auf ihre frühere hervorragende Stellung werden die drei in Rede stehenden Bischöfe gewöhnlich als εξαρχοι bezeichnet.

Indessen kommt dieser Aus-

druck auf dem Koncil von Sardika vom J. 343 noch für jeden Metropoliten v o r 0 ;

das

Koncil von Chalcedon gebraucht denselben dagegen schon zur Bezeichnung der Metropoliten höheren Ranges, also der für die Regel so genannten Exarchen sowie der beiden Patriarchen von Alexandrien und Antiochien 10 . Es zeigt sich also dasselbe Schwanken in der Bedeutung dieses Wortes, wie in der des Ausdrucks: Patriarch 11 , und erst später, als der letztere sich für den Bischof von Rom, und die vier Bischöfe von Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem fixirt hatte, freilich zu einer Zeit, wo die Exarchate der hier in Frage kommenden Oberhirten ihre höhere Gewalt schon eingebüsst hatten, konnte das Wort eine bestimmte engere Bedeutung, d. h. die eines

1 S. 54ü. E v a g r i u s , hist. I I I . 6. spricht davon, dass dem Bischof von Ephesus τό πατριαρχικών δίκαιον durch die Synode von Chalcedon vom J. 451 genommen sei. V g l . dazu auch I l e f e l e , Konciliengesch. 2, 581. 2 S. oben S. 546. 3 Theodoreti hist, eccles. I I . 2 6 : „χρόνου δέ διελθόντος u~6 τ ω ν Εϋδοξίου κατηγόρων ΰπομνησθεΐς ό Κ ω ν σ τ ά ν τ ι ο ; (a. 3 5 9 ) ei; Σελεύκιαν τ ή ν σΰνοδον γενέσθαι προσέταξε . . . εις ταύτην άθροισ&ηναι τους τ η ς έ ω α ς έπισκόπους και μεν δή και τοϋς τ η ς Ποντικής και τοϋς τ η ς Ά σ ι α ν ή ς παρηγγϋησε". Ibid. V . 2 3 : ,,ΙΙρος δέ TTj έιρα και τ ή ν Άσιανήν άπασαν και τήν Ποντικήν και μέντοι και τ ή ν θρακικήν κοινωνούσας έχει και συνημμένας". Weitere Belege bei d e M a r i a 1. c. ρ 167 ff. 11. M a a s s e i l S. 58. n. 27 ff.

* S. oben S. 038. n. 1.

5 S. oben S. 542 ff. β S. oben S. 543. 7 Gelten sie doch noch unter Justinian de iure für inappellabel. S. 1. 29. C. de episc. and. I. 4. a. 530 u. oben S. 5 5 0 ; de facto hat sich das allerdings wohl anders verhalten. S. S. 551. 8 S. oben S. 551. 9 c. 6 : „χρή πρότερον έκεΐνον τον έπανομείναντα έπίσκοπον ϋπομιμνήσκεσθαι διά γραμμάτ ω ν τοΰ έ ξ ά ρ χ ο υ τ η ς έ π α ρ χ ί α ς , λ έ γ ω δή τ ο ΰ έπισκόπου τ η ς μητροπόλεως". 10 S. c. 9. u. c. 1 7 , in welchem letzteren aber die gewöhnliche L e s a r t : έπαρχος ist. Schon auf dem Koncil von Antiochien im J. 445 heisst es von Doninus von Antiochien ( v g l . Acta conc. A n tioch. in act. X I V . conc. Chalced., M a n s i 7 , 3 4 8 ) : „υπό τε τ ο ΰ έξάρχου τ η ς ανατολικής διοικ ή σ ε ω ς κληθείς". " S. oben S. 545.

578

I. D i e Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§• 75.

mit gewissen Vorrechten über die übrigen Metropoliten eines Bezirkes ausgestatteten Bischofs annehmen Neben diesen Oberhirten, welche ursprünglich eine selbstständige, unabhängige oberste Jurisdiktion über eine Anzahl von Metropoliten besassen, finden sich im Orient noch andere, welche allein die Metropolitangewalt über einfache Bischöfe ausübten, aber nach oben hin sich eine grössere Unabhängigkeit bewahrt hatten, und deswegen aus der Klasse der gewöhnlichen Metropoliten heraustraten. Es gehört hierher der Metropolit von Konstantia auf Cypern. Die Patriarchen von Antiochien hatten zwar ihre Obergewalt auch über seine Provinz auszudehnen, namentlich das Ordinationsrecht in derselben geltend zu machen gesucht, indessen hielt die Synode von Ephesus die Selbstständigkeit der Insel und namentlich die Befugnisse der Bischöfe, ihren Metropoliten sich selbst zu wählen, aufrecht 2 , trotzdem dass Papst I n n o c e n z I. ein dem Bischof von Antiochien günstiges Schreiben erlassen 3 und der letztere kurz vor dem Koncil beim Prokonsul ein freilich keine Beachtung findendes Verbot der Wiederbesetzung des damals vakanten Metropolitenstuhles veranlasst hatte 4 . Seitdem bewahrten die Metropoliten ihre Unabhängigkeit gegenüber dem Patriarchen von Antiochien 5, ja als nach der Eroberung der Insel gegen Ende des 7. Jahrhunderts durch die Sarazenen der Metropolit von Konstantia sich nach der Provinz Hellespontus begeben hatte, verordnete die Trullanische Synode vom J. 692 ( i , dass ihm auch in 1 So findet sich unter der sechsten allgemeinen Synode von Konstantinopel die Unterschrift ( M a n s i 11, 687): ,,έπίσκοπος τής Καισαρέα; μητροπόλεως και έξαρχος της Ποντικής διοικήσεως". 2 Act. 7 ( M a n s i 4, 1470) : „Si noil est vetus mos quod episcopus Antiochenus ordinet in Cypro, sicut docuerunt religiosissimi viri qui ad synodum accesserunt, habebunt ius suum intactum et inviolatum qui sanctis in Cypro ecclesiis praesunt secundum canones et veterem consuetudinem per se ipsos ordinationes religiosissimorum episcoporum facientes. Istud in aliis dioecesibus et provinciis servetur, ut nulius episcoporum aliam provinciam occupet . . . Neve sub praetextu sacerdotii mundanae potestatis factus irrepat . . . 3 Epist. adAlexandr. Antioch. (c. a. 410) c. 3 ( C o u s t a n t 8 5 2 ) : „Cyprios sane asseris olim Arianae impietatis potentia fatigatos, non tenuisse Nicaenos canones in ordinandis sibi episcopis et usque adhuc habere praesumtum, ut suo arbitrio ordinent, neminem consulentes. Quocirca persuademus eis , ut curent iuxta canonum fidem catholicam sapere atque unuin cum ceteris sentire provinciis". 4 Vgl. das Dekret des Proconsul Dionysius bei M a n s i 4, 1467. 5 Ueber den gleichfalls erfolglosen Versuch des Patriarchen Petrus Fullo von Alexandrien durch Beeinflussung des Kaiser Zeno, die Obergewalt zu erhalten s. T h o m a s s i n i . c. n. 4 ; L e Q u i e n 1. c. 2, 1042. 1048 ff. Z i e g l e r , pragmat. Gesch. d. kirchl. Verfassungsformen S. 350. 351. 6 c. 3 9 : „Toü άδελφοΰ καί συλλείτουργου ήμών 'Ιωάννου του Κυπρίων νήσου προέδρου άμα τωοίκείψ λαώ έπί τήν Έλλησπόντιον έπαρχίαν διά τε τάς βαρβαρικά? έφόδους διά τε το της έθνικής έλευθερωθήναι δουλεία; 7.αΐ καθαρώς τοις

σκήπτροις του χριστιανικωτάτου κράτους £>ποταγήναι, της είρημένης μεταστάντος νήσου προνοία του φιλανθρώπου θεοϋ και μ ό χ θ φ του φιλοχρίστου και εϋσεβοϋς ημών βασιλέως συνορώμεν, ωστε άκαινοτόμητα φυλαχθήναι τά παρά των έν Έ φ έ σ φ το πρότερον συνελθόντων θεοφέρων πατέρων τω θρόνω του προγεγρ αμμένου ανδρός παρασχεθέντα προνόμια, ωστε τήν νέαν Ίουστιανούπολιν τ ο ν δ ί κ α ι ο ν έ'χειν της Κωνσταντινουπόλεως και τον έπ' αϋτη -^αθιστάμενον θεοφιλέστατον έπίσκοπον πάντων προεδρεύειν τ ώ ν τ ή ς ' Ε λ λ η σποντίων έπαρχίας και δπο των έπισκόπων των οικείων χειροτονεϊσθαι κατά τήν άρχείαν συνήθειαν ' τά γάρ έκάση) έκκλησία έ'θη και οΐ θεοφόροι ήμών πατέρες παραφυλάττεσθαι διεγνώκασι, του τής Κυζικηνών πόλεως έπισκόπου Υποκειμένου τώ προέδρφ τής είρημένης Ίουστιανουπόλεως, μιμήσει των λοιπών απάντων έπισκόπων τών υπό τόν λεχθέντα θεοφιλέστατον πρόεδρον Ίωάννην ΰφ' ου χρείας καλούσης και ό τής αυτής Κυζικηνών πόλεως έπίσκοπος χειροτονηθήσεται". Statt .,Κωνσταντινουπόλεως 1 ' ist zweifellos mit dem Ms. Amerbachii: ,,Κωνσταντινέων πόλεως", wie schon H a r d o u i n vorschlägt, zu lesen. Da der betreffende, mit ωστε beginnende Satz nur aus der vorhergehenden Festsetzung, dass die von der Ephesinischen Synode festgesetzten Privilegien dem Bischof gewahrt bleiben sollten, die Konsequenz zieht, so kann man ihn nicht m i t H e f e l e , Konciliengeschichte 3 , 306 dahin übertragen, dass dem Bischof von Justinianopolis die Gerechtsame Konstantinopels eingeräumt werden. In Folge der Bestimmung der Synode hat der letztere dieselbe auch an erster Stelle nach dem Patriarchen unterschrieben ( M a n s i 11, 990). Uebrigens hat dieses Verhältniss nicht lange gedauert, da es dem Bischof bald möglich wurde, wieder seine frühere Residenz auf Cypern einzunehmen. S. L e Q u i e n 1. r. 1, 717 ff., 2, 1042 ff.

§· 75.]

Die Exarchen.

579

seinem neuen Sitze Nova Iustinianopolis die auf der Synode von Ephesus anerkannten Rechte zustehen und ihm die (bis dahin dem Patriarchen von Konstantinopel untergebenen) Metropoliten von Cycikus unterworfen sein sollten. Mit Rücksicht darauf, dass es sonach dem Metropoliten von Cypern gelungen war, stets seine Selbstständigkeit nach obenhin zu bewahren, wird er nicht unpassend als »αυτοκέφαλος« bezeichnet 1 . Eine ähnliche Stellung erlangte unter Justinian der Metropolit von I u s t i n i a n a p r i m a (früher Acrida), der Geburtsstadt des Kaisers. I l l y r i e n mit der Hauptstadt Sirmium 2 gehörte bis zum Ausgang des 4. Jahrhunderts zum Occident, also in kirchlicher Beziehung zu Rom :t . Nach der Theilung in ein orientalisches und occidentalisches Illyrien nahm T h e s s a l o n i c h für das erstere die Stellung der politischen und kirchlichen Hauptstadt 4 als Sitz des Praefectus praetorio und des Metropoliten ein 5 , aber trotz der nunmehrigen Zugehörigkeit dieser Hälfte zum Orient wurde der kirchliche Verband mit Rom nicht gelöst. Schon I n n o c e n z I. hat in der Provinz dieses Bischofs das Gesetzgebungsrecht und die oberste Jurisdiktion ausgeübt 0 , und als Fundament dieser obersten Leitungsgewalt des Metropoliten eine von Rom aus ertheilte Bevollmächtigung hingestellt 7 . Der Versuch T h e o d o s i u s ' II., das orientalische Illyrien auch in kirchlicher Hinsicht dem Orient einzuverleiben und unter den Bischof von Konstantinopel zu stellend misslang !>. Erst Justinian setzte dem Papst P e l a g i u s I. gegenüber die Lostrennung einer Anzahl von bischöflichen Provinzen und die Erhebung des Bischofs von Acrida oder Iustiniana prima zum selbstständigen Haupte derselben mit dem Titel: αρχιεπίσκοπος durch 10. Die Befugnisse, oberste Regierungs-, Ordina1 Theodori lectoris hist, eccles. I I : ,,έξ η προφάσειυς -/.αί περιγεγόναοιν οί Κύπριοι το αί>τοκέφαλον είναι τήν κατ αύτοίις έκκλησίαν". Justinian gebraucht Nov. 131. c. 1 4 : ,,Εί δέ τις τών αίρετικών οις συναριθμοίμεν και τους Νεστοριανούς και τους Ακέφαλους και τους Εΰτυχιανιστάς" . . . das Wort f ü r einen Theil derMonophysiten, weil sie sich von der Kirchengemeinschaft getrennt hatten ( G i e s e l e r , Kirchengesch. I. 2, 357) und unter selbstständigen H ä u p tern s t a n d e n ; ebenso versteht der liber pontiflcalis vita Doni (ed. F a b r o t . 2, 03) : „Huius temporibus ecclesia Ravennatum quae se ab ecclesia Itomana segregaveratcausa a u t ο c e ρ h a 1 i a e , denuo se pristinae sedi apostolicae subiugavit" darunter die kirchliche Unabhängigkeit nach oben hin. Als offizielle Bezeichnung kommt aber αυτοκέφαλος , wie die hergebrachten Darstellungen (s. Z i e g l e r a. a. 0 . S. 3 5 1 ; Β i n t e r i m a. a. 0 . S. 2 0 5 ; P h i l l i p s 2, 65) anzunehmen scheinen, soweit ich s e h e , nicht vor. Auch S u i c e r weist in seinem thesaurus eine solche nicht nach. 2

Nov. Iustiniani 11. Vgl. E p . Siricii ad Anysium Thessalonic. u. d. J . 386 (Co u s t a n t 642). 4 Die Bedeutsamkeit der Stadt erhellt schon aus c. 16 (20) conc. Sardic. a. 343. 5 d e M a r c a 1. c. n. 26 ff. p. 30 ff. u. M a a s s e n , der Primat S. 126 n. 29. 6 S. die Briefe an die Bischöfe Macedoniens v. 414 und an Rufus v. 414 bei C o u s t a n t 830. 841. 7 E p i s t . ad Anysium Thessalon, a. 4 0 2 ( C o u 3

s t a n t 739) : „Cui (Anysio) etiam anteriores tanti ac tales viri praedecessores mei episcopi, i. e . , sanctae memoriae Damasus, Siricius atque supra memoratus vir (Anastasius) ita d e t u l e r u n t , u t omnia quae in illis partibus gererentur, sanctitati t u a e , quae plena iustitiae est, traderent cognoscenda, meam quoque parvitatem hoc tenere i n d i cium eamdemque habere voluntatem, te decet recognoscere". Ueberliefert ist vor. diesen Briefen nichts und namentlich enthält der Brief des Siricius (s. Note 3) keineswegs, wie P h i l l i p s 2, 67 annimmt, dieUebertragung irgend welcher päpstlichen Stellvertretung oder irgend welchen Vikariates. Vgl. auch u n t e n . 8 L. 6. C. de sacros. eccles. I. 2. a. 4 2 1 : „Omni innovatione cessante vetustatem et canones pristinos ecclesiasticos qui usque nunc tenuerunt, etiam per omnes Illyrici provincias servari praecipimus, u t si quid dubietatis emerserit, id oporteat noil absque scientia viri reverendissimi sacrosanctae legis antistitis urbis Constantinopolitanae quae Romae veteris praerogativa laetatur, conventui sacerdotali sanctoque iudicio reservari". 9 S. vorläufig T h o m a s s i n 1. c. 18. n. 7 ; d e M a r c a 1. c. n. 40 ff. p. 3 3 ff. Das Weitere nachher. 10 Nov. I i . a. 535. ad Catellian. archiep. prim. Iustinian. : „ . . . E t ideo tua beatitudo et omnes praefatae primae Iustinianae sacrosancti a n tistites archiepiscopi habeant praerogativam et omnem licentiam suam auctoritatem eis impertiri et eos ordinäre et in omnibus suprascriptis provinciis primam habere dignitatem, summum

580

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

tions- und richterliche Gewalt sind dieselben, wie sie die übrigen Exarchen geübt haben. Allerdings erscheint dieser neue Exarch als Stellvertreter des römischen Bischofs, aber eine Abhängigkeit von dem letzteren kann Justinian kaum beabsichtigt haben, da er bei der Errichtung des betreffenden Exarchats selbstständig gehandelt und ein blosses päpstliches Vikariat des Inhabers desselben gerade den von Justinian gewollten Zweck beeinträchtigt haben würde '. Mit Rücksicht darauf, dass zu dem Bezirk dieses Erzbischofes auch eine Anzahl von Metropoliten gehörten, erscheint seine Stellung als eine entschieden höhere wie die des vorhin gedachten, ebenfalls selbstständigen Metropoliten von Cypern. Lange hat aber die Autokepkalie von Iustiniana prima, welche kaum in vollem Maasse praktisch geworden zu sein scheint, wahrscheinlich auch von den übrigen Patriarchen niemals anerkannt ist 2 , nicht gedauert, denn G r e g o r I. hat schon wieder den Erzbischöfen unter Verleihung des Palliums den Vikariat des apostolischen Stuhles übertragen ' und sogar die Straf- und Disciplinar - Gerichtsbarkeit über sie ausgeübt 4 . Der Titel: E x a r c h hat sich trotzdem, dass alle diejenigen Bischöfe, welche eine selbstständige und höhere Stellung als die gewöhnliche Metropolitanjurisdiktion erlangt hatten, diese nach und nach verloren haben, erhalten und im Mittelalter5 den Charakter einer blossen Ehren-Auszeichnung für Metropoliten angenommen. Ja er kommt in dieser Bedeutung noch heute in der griechischen Kirche vor (>. sacerdotium , s u m m u m f a s t i g i u m , a t u a sede cree n t u r e t solum archiepiscopum h a b e a n t , n u l l a c o m m u n i o n e ad e u m Thessalonicensi e p i s c o p o s e r v a n d a ; sed tu ipse et omnes primae I u s t i n i a n a e antistites sive eius iudices et diseeptatores, q u i d q u i d o r i a t u r i n t e r e o s d i s c r i m e n , ipsi hoc dirimant e t iiiiem eis imponant e t eos 01d i n e n t et nec ad alium q u e n d a m e a t u r , sed s u u m agnoscant archiepiscopum omnes praedictae provinciae et eius s e n t i a n t creationem et vel p e r se vel per suam auetoritatem vel clericos mittendos habeat omnem potestatem o m n e m q u e eacerdotalem censuvam e t creationis licentiam . . . Quando autem t u a e recordationis sedis gubernatorem ab hac luce decedere contigerit, pro t e m p o r e archiepiscopum eius a venerabili suo concilio metropolitanorum ordinari s a n e i m u s , q u e m a d m o d u m decet archiepiscopum omnibus honoratum ecclesiis p r o v e h i , nulla p e n i t u s Thessalonicensi episcopo nec ad hoc communione s e r v a n d a ' ' ; Nov. C X X X I . c. 3. a. δ 4 δ : ,,Τόν δέ κατά καιρόν μακαριώτατον άργιεπίσκοπον τ η ς π ρ ώ τ η ς Ίουστινιανης τ η ς η μ ε τέρας πατρίδος eyeιν άεί υπό την οίκείαν δικαιοδοσίαν τους έπισκόπους των επαρχιών Δακίας μηδιτε^ρανέας και Δακίας {»ιπενσίας, Τριβαλλέας, Δαρδανίας και Μυσίας τ η ς ανωτέρας καί ΙΙαννονιας καί π α ρ ' αΰτοϋ τούτους χειροτονεΐσθαι, αυτόν δέ ί>πό τ ή ς οίκείου συνόδου χειροτονεϊσθαι και έν α ΰ τ α ΐ ς τ α ϊ ς ίιποκειμέναις αΰτω έ π α ρ χ ί α ι ς τον τόπον έ π έ χ ε ι ν αύτον τοΰ άποστολικοϋ ' Ρ ώ μ η ς θρόνου κ α τ ά τά όρισθέντα άπδ τοΰ άγιου π ά π π α Βιγιλίου". ' Nur Nov. 131. cit. e r w ä h n t d e r ' S t e l l v e r t r e t u n g ; damit ist aber m . E . g e m e i n t , dass der P a p s t ein f ü r alle Mal u n w i d e r r u f l i c h seine B e f u g n i s s e auf den Bischof von I u s t i n i a n a prima übertragen hatte. Aehnlich auch Z i e g l e r a. a. 0 . S. 3 1 8 ff. 2 Z i e g l e r S. 3 1 6 — 3 1 8 .

3 Gregor. M. ep. II. 2 3 (ed. B e n e d . 2, 586), c. 10. D i s t . C. 1 Greg. ep. I I I . 6 (1. c. 2, 6 2 8 ) : . . „cassatis prius a t q u e ad nihilum redactis praedictae s e n tentiae tuae decretis ex b. P e t r i prineipis apostolorum auetoritate d e c e r n i i n u s ; tiiginta dierum spatio de sacra communione privatum' 1 . . . Vgl. auch ibid. V I I I . ö. I X . 68. X I I . 31. (p. 8 9 8 . 9 8 3 . 1201). 5 In V e r b i n d u n g damit k o m m t auch das P r ä d i k a t : ΰπέρτιμος (honoratissimus) vor. S. T h o m a s s i n 1. c. c. 25. n. ö, u n d die Τάξις των θ ρ ό νων των Μετροπολιτών και τίνες αύτών λέγονται έ ς α ρ / ο ι ΰ π έ ρ τ ι μ ο ι , τίνες δέ ΰπέρτιμοι μόνον (bei S c h e l s t r a t e , a n t i q u i t a s ecclesiae illustrata. Tom. I I . opus p o s t h u m . Ilomae 1697. p. 7 8 4 ) , a u s welchem ich folgende Bezeichnungen h e r a u s h e b e : „1. Ό Καισαρείας Κ α π π α δ ο κ ί α ς ΰπέρτιμος των ΰπερτίμων και έ'ξαρχοί πάσης Ανατολικής 2. 6 Ε φ έ σ ο υ ΰπέρτιμος και έ'ξαρχος πάσης 'Ασία;, 3. ό Ή ρ α κ λ ε ί α ς πρόεδρος των ΰπερτίμων και έξαρχος πάσης Θράκης και Μακεδονίαί. 4. ό Άγκυρας έ'ξαργος πάσης Γαλατίας . . . 4 0 . ό Άνδριανουπόλεως ό ΰπέρτιμος και έ'ςαρ·/ος Α ί μημόντου''. U n r i c h t i g ist es d a h e r , wenn B i n t e r i m a. a. 0 . S. 2 5 6 die mitgetheilte J J e b e r s c h r i f t dahin ü b e r s e t z t : „Verzeichniss der Met r o p o l i t a n s i t z e , deren einige H a u p t e x a r c h e n , a n dere Honorarexarchen g e n a n n t werden'·. Auch i r r t derselbe (S. 2 5 5 ) darin, dass er die Bischöfe von Chalcedon und Nicäa f ü r die e r s t e n H o n o r a r exarchen erklärt. Das Koncil von Chalcedon v. 4 5 1 . act. V I u. X I I I ( M a n s i 7, 178. 3 1 4 ) hat vielmehr den Bischöfen dieser Städte n u r den T i t e l : Metropolit (ohne die e n t s p r e c h e n d e J u r i s diktion) beigelegt. 6 Silbernagl, Verfassung und Bestand siinimtlicher Kirchen des Orients. S. 23. 30. n. 11. S. 31. n . 10. S. 32. n. 9. S. 38. n. 10. =

§· 75·]

Die päpstlichen Vikarien und Primaten.

581

II. D i e P r i m a t e n , p ä p s t l i c h e n V i k a r i e n u n d g e b o r e n e n L e g a t e n im A b e n d l a n d e . 1. D e r B i s c h o f v o n C a r t h a g o als P r i m a s v o n A f r i k a . In Afrika, wohin das Christenthum schon früh von Rom aus verbreitet worden war, bildete Carthago als Hauptstadt auch den Centraipunkt der geistlichen Leitung. Die schnelle Ausdehnung des Christenthums ergiebt die grosse Zahl der Bischöfe, welche auf den Koncilien des dritten und Anfangs des vierten Jahrhunderts zusammengekommen sind 1 . Während aber in der afrikanischen Kirche die Metropolitanwürde nicht an einen bestimmten Sitz geknüpft, sondern immer von dem der Ordination nach ältesten Bischof, s e n e x oder p r i m a s oder e p i s c o p u s p r i m a e s e d i s , der Kirchenprovinz geführt wurde 2 , hatte der Oberhirt von Carthago dauernd die Leitung des gesammten afrikanischen Kirchenwesens 3 . Es stand ihm das Recht zu, die Generalsynoden der afrikanischen Kirche abzuhalten und auf ihnen zu präsidiren 4 , eine Befugniss, welche um so bedeutungsvoller war, als eine Zeit lang jährlich dergleichen concilia universalia oder plenaria anniversaria 5 gehalten wurden 6 , und diese auch die 1 Cyprian, ep. LXXI ad Quintum (erstes Koncil zw. 218 u. 222; H e f e l e , Konciliengesch. 1, 79); Koncil von 256 u. 308 bei Μ a η s i 1, 871; 2, 409. Vgl. ferner das Verzeichniss der Provinzen aus d. J. 484. ibid. 7, 1156. S. a u c h W i l t s c h 1, 53. 131 ff. 2 S. darüber T h o m a s s i n 1. c. c. 20. n. 6 ; P. d e M a r c a 1. c. n. 3 ff.; Z i e g l e r a. a. 0 . S. 140. Quellenzeugnisse dafür: Augustini ep. 209. (ed. Bened. 2, 591): „Habebam de quo cogitabam , paratum presbyterum, propter quem ordinandum s a n c t u m s e n e m qui tunc primatiim Numidiae gerebet de longinquo ut veniret, rogans litteris impetravi"; cod. eccles. Afric. c. 86 = c. 1. Milevit. a. 402: „Deinde placuit, . . . ut matricula et arcbivus Numidiae et apud primam sedem (kirchliche Hauptstadt) sit et in metropoli (bürgerliche Hauptstadt) i. e. Constantina"; c. 3. (cod. eccl. Afric.) X. de foro compet. Π. 2. G r e g o r I. suchte diese Einrichtung zu beseitigen, ep. I. 74 (ed. Bened. 2, 559): „concilium vero cathoiicorum episcoporum admoneri praecipite, ut p r i m a t e m nonex ordineloci, postpositisvitae meritis faciat . . . ipse vero primas non passim, sicut moris est per villas sed in una iuxta eorum electionem civitate resideat" ( = c. 48. C. XXIII. qu. 4), hat es aber später dabei bewenden lassen ep. I. 77 (1. c. p. 561): „Et nos quidem iuxta Seriem relationis vetrae, consuetudinem, quae tarnen contra fldem catholicam nihil usurpare dignoscitur, immotam permanere concedimus , sive de primatibus constituendis ceterisque capitnlis, exceptis his qui ex Donastis ad episcopatum perveniunt, quos provehi ad primatus dignitatem, etiam cum ordo clericorum eos ad locum eumdem deferat, modis omnibus prohibemus . . . non autem etiam illos antistites quos catholica fldes in ecclesiae sinu et edocuit et genuit, ad obtinendi culmen primatus anteire"; vgl. ferner ep. Leon. IX. ad Petrum et Johann, a. 1053 ( M a n s i 19, 660): „Sed de Africae primatibus aliter intelligendum est; quia in singulis eius provinciis antiquitus primates instituebantur, non secundum potentiam alicuius civitatis, sed secundum tempus suae ordinationis". Uebrigens steht dieses Wechseln der Metropolitanwürde nicht vereinzelt

Η i η s c h i u s , Kirchenreclit.

da, vielmehr finden sich Spuren davon auch in der orientalischen Kirche (s. Euseb. hist, eccles. V. 23 und dazu Z i e g l e r S. 140 n. 14) und in Spanien ( H e f e l e , Konciliengesch. 1 , 151. 152). 3 S c h e l s t r a t e , ecclesiaAfricana sub primale Carthaginiensi. Paris. 1679. diss. I. c. 4. p. 2 0 ; T h o m a s s i n 1. c. c. 20. n. 5 f f . ; P. d e M a r c a 1. c. n. 3. p. 11; Z i e g l e r S. 140 ff.; B i n t e r i m a. a. 0 . S. 264; P h i l l i p s 2, 70. 4 Cypriani ep. 71 ad Quintum: „Quod quidem et Agrippinus bonae memoriae cum ceteris coepiscopis suis qui illo tempore in provincia Africa et Numidia ecclesiam domini gubernabant, statuit (zw. 218 u. 222). Ueber die Synoden unter dem Vorsitze Cyprians s. H e f e l e , Konciliengesch. 1, 86. 88. 90. 91. 92. 94. Auf dem ersten Koncil von Carthago zw. 345 u. 348 führte Bischof (iratus von Carthago, auf dem von Hippo v. J. 393 und dem dritten von Carthago i. J. 397 ( B r u n s, canon. I . 2, 111. 134.' 135. 122) Bischof Aurelius von Carthago den Vorsitz. Die Befugniss zur Einberufung ergiebt namentliche. 1. Carth. XI. a. 407. (cod. eccl. Afric. c. 95). 5 c. 5. 7. Hippon. a. 393; c. 7. Carth. III. a. 397; c. 8. Carth. VI. a. 401 (cod. eccl. Afric. c. 73); über die Beschickung dieser Koncilien s. c. 2. conc. III. cit.: „ut propter causas ecclesiasticas . . . singulis quibusque annis concilium convocetur, ad quos omnes provinciae quae primas sedes habent, e conciliis suis ternos legatos mittant . . . de Tripoli autem propter inopiam episcoporum unus episcopus veniat". c. 11. Carth. VI. a. 401 (cod. eccles. Afric. c. 76): „ . . . placuit , ut primatibus suarum quarumque provinciis intimetur, ut de universis episcopis vel duae vel tres turmae flant, ac de singulis turmis quotquot electi fuerint, ad diem concilii instantissime occurrant"; c. 19. Carth. XVI. a. 418 (cod. eccl. Afric. c, 127).

6 c. 1. Carth. XI. a. 407 (cod. eccl. Afr. c. 95) hat aber wegen der übermässigen Beschwerung der Bischöfe die Abhaltung nur auf den Fall der Nothwendigkeit beschränkt. 38

582

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 75.

Prüfung, resp. Bestätigung der Beschlüsse der Provinzialsynoden vorzunehmen hatten 1 . Die Befugniss zur oberen Aufsicht erhellt aus der Vorschrift, dass der Bischof von Carthago die Zeit der Abhaltung des Osterfestes den übrigen Bischöfen bestimmen und ansagen lassen soll 2 . Die oberste Jurisdiktion desselben zeigt sich darin, dass er die Streitigkeiten über die Bestellung der Primaten (Metropoliten) zu entscheiden 3 , und für die Beseitigung einer etwaigen Renitenz der Priester und Bischöfe die nöthigen Anordnungen zu treffen hat 4 . Ferner ist das althergebrachte Recht, auf Ansuchen der Gemeinden Bischöfe und Presbyter in allen Theilen des ganzen afrikanischen Kirchensprengels zu ordiniren, ein Ausfluss seiner obersten Administrationsbefugniss 5 . Endlich hat der Bischof von Carthago als Haupt der afrikanischen Kirche die Schreiben der Generalsynode abzufassen und zu unterschreiben 6 , d. h. es kommt ihm die Repräsentationsbefugniss sowohl den einzelnen zu ihr gehörigen Gliedern als auch den andern Kirchen gegenüber, zu 7 . Wurde auch die Stiftung der afrikanischen Kirche auf eine von Rom ausgegangene Mission zurückgeführt 8 , so beruht doch die hohe Stellung des Bischofs von Carthago, welche in der Bezeichnung catholicae ecclesiae episcopus 9 einen entsprechenden Ausdruck gefunden hat, nicht auf einer Verleihung seitens des römischen Stuhles 10 , sondern sie ist naturgemäss aus den Verhältnissen, wie bei den Patriarchen von Alexandrien und Antiochien und den alten drei orientalischen Exarchen von Heraklea, Cäsarea und Ephesus, herausgewachsen, denen der Bischof von Carthago auch an wirklicher Macht vollkommen ebenbürtig war 1 1 . Ja, dem Bischof von Rom stand er darin gleich, dass er wie dieser nicht von einem andern Primas, sondern von den benachbarten Bischöfen geweiht wurde 12 . Diese Selbstständigkeit ihrer Kirche und ihres Oberhirten haben die Bischöfe von Afrika in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts durch die bekannte Opposition in den über die Befugniss der Päpste zur Entscheidung der Appellationen afrikanischer Geistlichen ausgebrochenen Streitigkeiten zu wahren und sich gegen die auf Grund eines solchen angeblichen Rechtes erfolgten Eingriffe sicher zu stellen gesucht 13 . » c. 3. 13. Carth. I. zw. 345 u. 348. Dazu T h o m a s s i n 1. c. n. 5. u. Z i e g l e r S. 144. 145. 2 c. 2. Hippon. a. 3 9 3 ; c. 1. conc. Carth. III. a. 3 9 7 ; c. 8. Carth. VI. a. 401 (cod. eccl. At'ric. c. 73). 3 c. 5. Hippon. a. 3 9 3 : „Ceteri etiam primae sedis episcopi ex consilio episcopi Carthaginensis ecclesiae primates provinciarum constituendos esse professi sunt, si aliqua altercatio fuerit". * c. 43. 44. conc. Carth. III. a. 397. 5 c. 45. Carth. III. a. 3 9 7 : „Numidius episcopus dixit: Fuit semper haec licentia huic sedi, unde vellet et de cuius nomine fuisset conventus pro desiderio cuiusque ecclesiae ordinäre episcopum. Epigonius episcopus dixit: Bonitas sequestrat possibilitatem, minus enim praesumis, frater et cum te bonum et dementem omnibus reddis; habes enim hoc in arbitrio , satis est, ut satisflat personae uniuscuiusque episcopi in prima tantummodo conventione. Si autem quod libet huic sedi, vindicandum sibi fuerit arbitratus, n e c e s s e h a b e s tu o m n e s e c c l e s i a s suff u l c i r e : u n d e t i b i non p o t e s t a t e m dam u s , s e d t u a e a s s i g n a m u s , ut liceat voluntati tuae et semper tenere quem voles, ut

praepositos plebibus vel ecclesiis constituas, qui postulati fuerint et unde -voles". 6 c. 19. Carth. VI. a. 401 (cod. eccles. Afric. c. 8 5 ) , c. 1. Carth. VIII. (cod. cit, c. 91). ' Z i e g l e r S. 156. 158. 159. 8 Innoc. I. ep. ad Decent. Eugub. a. 416. c. 1. ( C o u s t a n t 856). 9 c. 2. Carth. VIII. (cod. cit. c. 9 2 ) , wo auch dem entsprechend das afrikanische General-Koncil als concilium catholicum bezeichnet wird. In c. 19. Carth. XVI. (ced. cit. 127) heisst der Bischof von Carthago ferner: „sanctus senex". 10 S. auch T h o m a s s i n i . c. n. 2. 11 S c h e l s t r a t e , ecclesia Africana, diss. I. c. 6. n. 4. p. 33. 12 A u g u s t i n i breviculus collat. cum Donat. coli, tertiidiei c. 16(ed. Bened. 9, 388): „ . . . cum aliud habeat ecclesiae catholicae consuetudo, ut non Numidiae, s e d p r o p i n q u i o r e s e p i s c o p i episcopum Carthaginis ordinent, sicut nec Romanae ecclesiae ordinat aliquis episcopus metropolitanus, sed de proximo Ostiensis episcopus". 13 Das Nähere über diesen bestrittenen Punkt gehört in die Lehre von der Entwicklung der oberstrichterlichen Gewalt des päpstlichen Stüh-

§. 75.]

Die päpstlichen Vikarien und Primaten.

583

Kaiser Justinian hat gleichfalls (nach der Vertreibung der Vandalen aus Afrika) die vorhin näher charakterisirte Stellung der Kirche von Carthago anerkannt, indem er den Bischof dieser Stadt hinsichtlich seiner Selbstständigkeit dem neukreirten Erzbischof von Iustiniana prima gleichstellte Trotz der Vernichtung zahlreicher Bisthiimer durch die Occupation des nordwestlichen Afrikas seitens der Muhamedaner2 hat der gedachte Bischof seinen hervorragenden Rang unter den Mitte des 11. Jahrhunderts noch vorhandenen 5 Bischöfen, sowie seine früheren Rechte diesen gegenüber behalten 3 , wenngleich die alte Selbstständigkeit nach oben hin in Folge jener verheerenden Ereignisse vernichtet war 4 . Zur Zeit G r e g o r s VII. existirten aber nur noch der Erzbischof von Carthago und ein anderer Bischof, so dass nicht einmal die nöthige Anzahl von Bischöfen ftir die Ertheilung der Episkopats weihe vorhanden war 5 , und seit dem J. 1076 wird des Erzbisthums Carthago nicht mehr erwähnt. 2. D e r B i s c h o f v o n T h e s s a l o n i c h bietet das älteste Beispiel für die Erhebung eines Metropoliten zu einer höheren Stellung durch eine besondere päpstliche Verleihung 6 . Der Titel dafür war die päpstliche Ermächtigung, die Rechte des Primates in den illyrischen Provinzen auszuüben. Als der erste Papst, welcher diese gegeben, also dem Metropoliten den s. g. apostolischen Vikariat übertragen hat, wird D a m a s u s (366 — 384) bezeichnet 7 . Er soll dazu durch die Besorgniss einer Lostrennung jenes Gebietes von dem kirchlichen Verbände mit Rom aus Anlass des dem Bischof von Konstantinopel im J. 381 beigelegten Ehrenvorranges (s. S. 543) bewogen worden sein 8 . Allerdings wird der erwähnte Papst in mehreren Dekretalen des folgenden Jahrhunderts als Begründer des Vikariats und sein Nachfolger Siricius als Erneuerer desselben genannt 9 . Allein ein derartiges Delegationsschreiben des Damasus les. Vgl. vorläufig G i e s e l e r , Kirchengesch. I . 2, 2 2 2 f f . ; H e f e l e , Konciliengeschichte 2 , 1 0 7 . 120. 1 2 3 ; P h i l l i p s 5, 2 7 4 ff.; K o b e r , D e p o sition S. 4 0 4 ff. D a m i t h ä n g t auch die F r a g e z u s a m m e n , seit w a n n Rom P r i v a t r e c h t e ü b e r die afrikanische Kirche a u s g e ü b t h a t . Schels t r a t e 1. c. diss. I . c. 6. n . 8, welcher dies bis auf die ä l t e s t e n Z e i t e n der afrikanischen Kirche z u r ü c k d a t i r t , macht sich die Sache z u leicht, w e n n er d a f ü r als h a u p t s ä c h l i c h s t e S t ü t z e das Synodalschreiben des Siricius an die a f r i k a nischen Bischöfe von 3 8 6 ( C o u s t a n t p . 6 5 3 : „ut e x t r a conscientiam sedis apostolicae, hoc est p r i m a t i s , nemo a u d e a t ordinäre'·) a n f ü h r t , da dasselbe sowohl seiner A e c h t h e i t als auch seiner B e d e u t u n g nach b e s t r i t t e n i s t . S. H e f e l e 2, 4 3 . 1 Nov. X X X V I I . s. 5 3 5 ; Nov. C X X X I . a. 5 4 5 . c. 4 : „ K a i τον ομ,οιον τόπον το δίκαιον τ η ς άρχιερωσύνης δττερ τ ω έ π ι σ κ ό π φ Ίουστινιανής Κ α ρ χηδόνος τ η ς 'Αφρικής διοικήσεως δεδώκαμεν, εξ οδπερ ό θεός ταύτην ή μ ι ν αποκατέστησε, φ υ λ ά τ τεσθαι κελεύομ.εν". S. oben S. 5 7 9 . 2 Schelstrate 1. c. diss. I V . c. 7. p. 3 1 6 ff. 3 E p . L e o n . I X . a. 1053. cit. ( M a n s i 19, 6 5 9 ) : „ I n s u p e r recte contra G u m m i t a n u m e p i scopum Carthaginensis ecclesiae defendistis, quia sine dubio post R o m a n u m pontificem p r i m u s a r c h i e p i s c o p u s et t o t i u s A f r i c a e m axi mus metropolitanus est Carthaginensis episcopus nec pro aliquo episcopo in tota Africa potest p e r d e r e Privilegium semel s u s c e p t u m a sancta Romana e t apostolica sede . . . nec qui-

c u m q u e ille sit G u m m i t a n u s e p i s c o p u s , aliquam licentiam consecrandi episcopos vel d e p o n e n d i seu provinciale concilium convocandi h a b e a t sine consensu Carthaginis archiepiscopi". 4 L . c. . . ,,Sed hoc vos noil l a t e a t , non debere p r a e t e r scientiam (αί. s e n t e n t i a m ) Romani p o n t i llcis universale concilium celebrari a u t episcopos damnari vel deponi, quia etsi licet vobis aliquos episcopos e x a m i n a r e , diffinitivam tarnen s e n t e n tiam absque consultu Romani pontiflcis, u t dictum est, non licet dare". Dass dies der f r ü h e r e n Vorstellung nicht e n t s p r i c h t u n d auch die B e h a u p t u n g (s. vorige Note), der Bischof von Afrika habe seine Primatialrechte durch päpstliche V e r l e i h u n g e r h a l t e n , unrichtig i s t , ergiebt die D a r s t e l l u n g im Texte. 5 Regist. Gregor. I . 2 3 . u . I I I . 19. a. 1073 u. a. 1 0 7 6 . ad Cyriacum archiepiscopum Carthagin e n s e m . S. auch ibid. III. 2 0 . 2 1 ( J a f f e , mon u m . Gregor, p. 3 9 . 2 3 4 ff.). 6 T h o m a s s i n i . c. c. 18. n . 6 ff.: L e Q u i e n , Oriens c h r i s t i a n u s . 2 , 9 ff. n . X. ff.; P. d e M a r c a 1. c. n . 29 ff.; S t e p h . B a l u z e contin. P e t r i d e M a r c a , concord, sacerdotii e t imperii lib. V. c. 19. p. 2 8 ff.; Z i e g l e r a. a. Ο. S. 3 0 8 ff.; P h i l l i p s 2, 6 6 ff.; M a a s s e n , der P r i m a t S. 1 2 8 ff. 7 Thomassin, Le Quien, Phillips, M a a s s e n a. a. 0 . 8 M a a s s e n S. 128. 9 E p . Innoc. 1. ad Anys. Thessalon, a. 4 0 2 (s. S. 579. n. 7 ) ; eiusd. ad R u f u m Thessalon, c. 2. a. 412. ( C o u s t a n t 8 1 6 ) : „ D i v i n i t u s ergo 38*

584

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§· 75.

ist nicht erhalten, und wenn dieser noch im J. 380 den damaligen Metropoliten Acholius von Thessalonich ersucht, auf dem bevorstehenden Koncil von Konstantinopel dafür Sorge zu tragen, dass eine passende und einwandsfreie Persönlichkeit zum Bischof der letztgedachten Stadt gewählt werde 1 , derartige Abhängigkeit,

so deutet in demselben Briefe nichts auf eine

wie sie nothwendiger Weise

ein Vikariat mit sich bringen

musste, hin, ebenso wenig erscheint es glaublich, dass Acholius,

welcher etwa im

J. 383 starb 2 , noch innerhalb der wenigen Jahre bis zu seinem Tode eine solche Stellung von Damasus übertragen erhalten hat 3 .

Wenn man sich weiter darauf beruft 3 ,

dass auf dem römischen Koncil vom J. 531 26 päpstliche Schreiben zum Beweise des innigen Zusammenhanges der illyrischen mit der römischen Kirche 4 und des Vikariates von Thessalonich verlesen sind, so hat man übersehen, dass die beiden ältesten Briefe von Damasus5 herrühren und mit den eben für beweisuntüchtig erklärten identisch sind. Ebensowenig spricht der gleichfalls auf der gedachten Synode verlesene 6 Brief des Siricius 7 für den Vikariat 8 ,

er erkennt vielmehr nur ein Ordinationsrecht des Metro-

politen von Thessalonich hinsichtlich der illyrischen Bischöfe an 9 .

Mag es auch

zweifelhaft sein, ob diese Befugniss damals in ganz Illyrien (namentlich seitens der übrigen Metropoliten unbestritten) ausgeübt wurde, und bleibt auch ferner die Entstehung des betreffenden Rechts von Thessalonich dunkel — eine direkte päpstliche Verleihung einer bis dahin nicht vorhandenen Berechtigung lässt sich aus dem Briefe nicht herauslesen — Verbindung

immerhin ergeben die erwähnten Schreiben schon eine nähere

zwischen Thessalonich

und

haec procurrens gratia ita longis intervallis disterminatis a me ecclesiis discat consulendum, ut prudentiae gravitatique tuae c o m m i t t e n d a m c u r a m c a u s a s q u e , si quae exoriantur per A c h a i a e , Thessaliae, Epiri v e t e r i s , Epiri novae et Cretae, Daciae Mediterraneae, Daciae Itipens i s , Moesiae, Dardaniae e t Praevali ecclesias, Christo domino annuente censeant. V e r e enim eius sacratissimis monitis lectissimae sinceritatis tuae providentiae ac virtuti h a n c i n i u n g i m u s s o l l i c i t u d i n e m , non primitus haec ita statuentes, sed praecessores nostros apostolicos i m i tati qui beatissimis Acholio et Anysio iniungi pro eorum meritis ista voluerunt". 1 Coustant 5 3 8 : „ D e cetero commoneo sanctitatem vestram, ut quia cognovi dispositum esse, Constantinopoli concilium fieri debere, sinceritas vestra det operam, quemadmodum praedictae civitatis episcopus eligatur qui nullam habeat reprehensionem". S. auch ibid. p. 540. Dazu Z i e g l e r S. 308. 2 3

L e Q u i e n l . e. 2 , 3 1 . So T h o m a s s i n i . c. n. 7 ;

128.

Maassen

S.

4 „Theodosius Echiniensis civitatis episcopus Thessaliae provinciae per Interpretern d i x i t : . . . Nam constat venerandos sedis vestrae pontifices, quamvis i n t o t o m u n d o s e d e s a p o s t o l i c a e c c l e s i a r u m sibi iure vindicet p r i n c i p a t u m et solam ecclesiasticis causis undique appellare necesse sit, s p e c i a l i t e r tamen g u b e r n a t i o n i suae I l l y r i c i e c c l e s i a s v i n d i c a s s e . E t nota sunt vobis omnium praecedentium scripta pontillcum; verumtamen quarumdam epistolarum exemplaria profero quarum fldem fieri ex vestro nunc scrinio postulo". ( M a η si 8, 7 4 8 . )

Rom 1 0 .

Offenbar war

diese durch

die

5 Μ a n si 1. c. p. 749. 750. 6 M a n si 1. c. p. 750. 7 Er ist identisch mit dem oben S. 579. n. 3 erwähnten. Einen Beweis gegen den Vikariat leitet Z i e g l e r S. 308 aus dem Briefe bei C o u s t a n t 675 h e r , worin Siricius auf Anfrage des Anysius und der illyrischen Bischöfe es ablehnt, seine Meinung über Bonosus auszusprechen , weil dieselben durch die Synode von Capua zu Richtern über den letzteren bestellt seien. Allein einmal ist die Autorschaft des Papstes zweifelhaft ( C o u s t a n t 6 7 5 ; H e f e l e 2, 50. η. 1 ) und ferner kann in dem Benehmen des Siricius nichts als eine kluge Zurückhaltung gegenüber den Maassregeln der Synode liegen.

8 So B a l u z e 1. c. c. 24. 9 M a n s i 1. c. p. 750, C o u s t a n t 6 4 2 : . . . „declaramus, ut nulla licentia esset, s i n e c o n s e n s u t u o i n Illyrico episcopos ordinäre praesumere . . . vigilare debet instantia tua . . . , ut vel i p s e , si potes vel quos iudieaveris episcopos idoneos cum litteris dirigas dato consensu qui possit in eius locum qui defunetus vel depositus f u e r i t , catholicum episcopum et vita et moribus probatum, secundum Nicaenae synodi statuta vel ecclesiae Romanae clericum de clero meritum ordinäre". Dass der Bischof von Thessalonich dies Recht schon früher gehabt h a t , nehmen auch P . d e M a r c a , de concord, lib. V I . c. 5. n. 3 u. B a l u z e 1. c. c. 20. n. 7. an. 10 Das zeigt ebenfalls der Schlusssatz des Briefes in der vorigen N o t e , welcher die Besetzung der Bischofsstühle in Illyrien auch mit römischen Klerikern gestattet.

585

D i e päpstlichen Vikarien und Primaten.

§· 75.1 Besorgniss

des Metropoliten der

Macht

Patriarchen

des

tigen übereinstimmenden

von

ersteren Stadt

Interesse

erklärt

vor

der

immer

hervorgerufen1.

Konstantinopel es

sich a u c h ,

mehr wachsenden

A u s dem

beidersei-

dass I n n o c e n z

I.

es

w a g e n konnte, dieser Verbindung durch die Uebertragung des Vikariates eine festere Gestalt zu g e b e n 2 und seitens des Metropoliten kein Widerspruch erhoben wurde. Gegen

diese ihre eigene Unabhängigkeit

bedrohende Stellung des letzteren

suchten

die illyrischen B i s c h ö f e einen Rückhalt bei dem Patriarchen in Konstantinopel und brachten es dahin, dass Kaiser T h e o d o s i u s I I . i m J . 4 2 1 3 durch ein allerdings bald auf V e r w e n d u n g des H o n o r i u s 4 w i d e r r u f e n e s 5 Gesetz Illyrien unter den Patriarchat stellte.

gedachten

D u r c h die Wiederherstellung des alten kirchlichen Verbandes mit

R o m war aber ihre bisherige Opposition nicht beseitigt, vielmehr dauerte dieselbe de facto fort, w i e die vielfachen E r m a h n u n g e n der römischen Bischöfe z e i g e n 6 .

L e ο I. war

der letzte P a p s t , mit welchem die Metropoliten von Thessalonich in der gedachten e n g e n Gemeinschaft blieben. d a g e g e n in Verbindung

Seit den letzten Jahrzehnten des δ. Jahrhunderts finden wir sie mit K o n s t a n t i n o p e l 7 .

D e r Patriarch dieser Stadt übte im

6 . Jahrhundert dort seine oberste Jurisdiktion durch Absetzung des Metropoliten von Larissa aus 8 , und die v o n letzterem d a g e g e n nach Rom gerichtete Appellation, w e l c h e auf der römischen Synode vom J. 5 3 1 verhandelt wurde 9 , blieb ohne R e s u l t a t 1 0 . D u r c h die E r h e b u n g v o n Iustiniana prima zum E r z b i s t h u m 1 1 wurde die Gewalt des Metropoliten von Thessalonich ferner bedeutend beschränkt, und wenngleich zwischen ihm und

1 In soweit gebe ich Μ a a s s e η (s. S. 583. n. 8) Recht. Vgl. auch Z i e g l e r S. 310. 2 S. oben S. 579. n. 7. u. S. 583. n. 9. Erst freilich in sehr vagen Ausdrücken (s. den citirten Brief an Anysius v. J. 402), dann aber in klarerer Weise unter möglichst schmeichelhaften Ausdrücken, s. den angeführten Brief an Rufus v. 412. c. 3 ( C o u s t a n t 817): „Arripe itaque, dilectissime frater, n o s t r a v i c e per supra scriptas ecclesias, salvo earum primatu, curam et inter i p s o s p r i m a t e s p r i m u s quidquid eos ad nos necesse fuerit, mittere , non sine tuo postulent arbitratu. Ita enim aut per tuam experientiam quidquid illud est, finietur aut tuo consilio ad nos usque perveniendum mandamus. Licitum autem et apostolicae sedis favore permissum tuae fraternitati cognosce, ut cum aliqua ecclesiastica ratio vel in tua vel in memoratis provinciis agitanda cognoscendaque fuerit, quos velis episcoporum socios quibuscumque de ecclesiis assumas tecum quorum et flde et moderatione quidquid necessitas causave flagitaverit, optimus dirigas arbiter et praecipuus quippe a nobis lectus, deflnias intercessor".

3 S. oben S. 579. n. 7. * S. dessen Schreiben an Theodos II. bei C o u s t a n t 1029., worin es heisst: „unde maiestas tua . . . universis remotis quae diversorum episcoporum subreptionibus per Illyricum impetrari dicuntur, antiquum ordinem praecipiat custodiri". 5 Das Reskript bei C o u s t a n t 1030: . . . „Unde omni supplicantium episcoporum per Illyricum subreptione remota statuimus observari quod prisca apostolicadisciplina et canones veteres eloquuntur".

e Bonifacii I. ep. ad Rufum Thessalon, a. 422. ( C o u s t a n t 1035; M a n s i 1. c. 754): „Ad Thessalos comminationis et correptionis plenas litteras misimus. Ad synodum quae dicitur illicite congreganda de causa fratris nostri et coepiscopi Perigenis cuius scripsimus statutum nulla posse penitus ratione turbari, talia scripta direximus quibus universi fratres intelligant, primo convenire se citra tua conscientiam miriime debuisse, deinde de nostro non esse iudicio retractandum. Numquam enim licuit de eo rursus quod semel statutum est ab sede apostolica, tractari"; eiusd. ep. ad Thessaliae episc. u. ad Rufum a. 422 ( C o u s t a n t 1037. 1039; M a n s i 1. c. 755.756); Caelestini I. ep. ad Perigen. u. 425 ( C o u s t a n t 1063; M a n s i 1. c. 760); Sixti III., ep. ad syn. Thessalon, a. 435. u. ad episc. Illyr. a. 437 ( C o u s t a n t 1263. 1269; M a n s i I.e. 761. 762); Leon. I. ad episc. per Illyr. a. 444 (Leon. opp. ed. Baller. 1, 617; M a n s i 1. c. 769). Vgl auch Z i e g l e r S. 313. 7 Das beweist fragm. epist. Felic. III. ad Andream episc. Thessalon, (zw. 483. u. 492), sowie ep. Gelasii I. ad episc. per Dardan. et Illyr. a. 494 ( T h i e l , epist. Rom. pontif. p. 382). Vgl. auch Le Q u i e η 1. c. p. 35 ff. 8 S. die Bittschriften des letzteren an Bonifatius I. bei M a n s i 1. c. p. 743. 745. 9 M a n s i 1. c. p. 739 ff. 10 Die Akten der Synode sind unvollständig, namentlich erhellt nichts über den Beschluss derselben. Aus epist. Agapeti I. ad lustin. imp. a. 535. ( M a n s i 1. c. p. 850) ergiebt sich aber, dass an seine Stelle ein anderer Metropolit vom Patriarchen von Konstantinopel eingesetzt worden ist. 11 S. oben S. 579.

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

586

den Päpsten in der folgenden Zeit der Verkehr wieder angeknüpft wurde 1 ,

[§. 75.

so hatte

doch der Vikariat seine Bedeutung verloren und erlosch vollkommen im 8. Jahrhundert, als Leo der Isaurier ganz Illyrien dem Patriarchen von Konstantinopel subordinirte und den Bischof von Thessalonich zu einem blossen Metropoliten von Macedonien herabsetzte 2 . Was die Rechte des Vikariates während des 5. Jahrhunderts betrifft, so hatte der Bischof von Thessalonich in seiner Stellung als päpstlicher Vikar 3 1. ebenso wie die orientalischen Patriarchen die Befugniss, den Metropoliten seines Sprengeis die Ordination zu ertheilen 4 und seine Zustimmung zu der Weihe der übrigen Bischöfe zu geben 5 ; 2. das Recht, nach Bedürfniss mit den Bischöfen seines Bezirkes Synoden zu halten 6 und von der Berufung von Provinzialkoncilien vorher in Kenntniss 7

gesetzt

zu werden; 1 Greg. I. ep. V I I I . 5. I X . 68. X . 42. X I . 74 (ed. Bened. 2 , 898. 983. 1072. 1173). Die sechste allgemeine Synode v . 680 ist unterschrieben v o n : Ί ω α ν ν ή ς . . . έπίσκοπος θεσσαλονίκης -/.αϊ βιχάριος τοΰ άτοστολιν,οΰ θρόνον ' Ρ ώ μ η ς χαΐ ληγατάριος. ( Μ a n s i 11, 6 7 0 ) ; indessen war er nicht L e g a t des Papstes ad hoc, vielmehr hatte dieser 3 italienische Bischöfe, 3 Priester, 2 Diakonen und einen Subdiakon deputirt. (Mansi 1. c. p. 235. u. 667). 2 B a l u z e 1. c. c. 29. n. 1 2 ; Z i e g l e r S. 320. 3 Für diese ist der Ausdruck: vice nostra oder vicem nostram üblich. S. ep. Innoc. I . ad Ruf. ( S . 585. II. 2 ) ; ep. Bonifac. I. ad R u f u m a. 419. ( M a n s i 8, 7 5 3 ) : „ T e ergo, i'rater . . . , omnis cura respectat earum ecclesiarum q u a s t i b i v i c e s e d i s a p o s t o l i c a e a nobis creditas r e cognosces'·; ad eund. a. 422 (1. c. p. 7 5 4 ) ; Caelest. a-l Perig. u. 425 (C ο u s t an t 1064) : „cui v i c e m n o s t r a m per vestram provinciam noveritis esse commissam"; Leon. I. ad episc. l l l y r . a. 444 ( L e o n . opp. cit. 1 , 6 1 7 ) : „ V i c e m itaque n o s t r a m fratri et coepiscopo nostro Anastasio . . . commisimus"; ad Anastas. Thessalon, a. 444. (1. c, 1, 620), ad eund. a. 446? (1. c. 1, 6 8 6 ) : „vices enim nostras ita tuae credidimus caritati, ut in partem sis vocatus sollicitudinis, non in plenitudinem potestatis". 4 L e o I . ep. ad Anastas. a. 444 (opp. ed. 1, 6 1 9 ) : „metropolitanos a te volumus ordinari"; eiusd. ad episc. per lllyr. a. 444 (1. c. 6 1 7 ) : „ita fratrem et coepiscopum nostrum Anastasium de ordinando antistite volumus consulatis, cui m e tropolitan! episcopi consecrationem statuimus reservari"; eiusd. adAnast. Thessalon, a. 4 4 6 ? ( o p p . ed. cit. 1 , 6 8 9 ) : „Metropolitano vero defuncto, cum in locum eius alius fuerit subrogandus, provinciales episcopi ad civitatem metropolim convenire debebunt, ut omnium clericorum atque omnium civium voluntate discussa, ex presbyteris eiusdem ecclesiae vel ex diaconibus optimus e l i gatur, de cuius nomine ad tuam notitiam provinriales referant sacerdotes, impleturi vota poscentium, cum quod ipsis placuit, tibi quoque placuisse cognoverint". 5 Siric. ep. ad Anys. a. 385? ( C o n s t a n t 1 4 2 ) : „ut nulla licentia esset sine consensu tuo in

Illyrico episcopos ordinäre praesumere"; Bonifac. I . ad episc. Thessal. a. 422. c. 4 (1. c. p. 1 0 3 8 ) ; eiusd. ad Ruf. et episc. Macedon. a. 422. c. 9 (ibid. p. 1 0 4 4 ) ; Caelestin. 1. ad Perigen. u. 425 (ibid. p. 1 0 6 4 ) : „sine eius consilio nullus ordinet u r : nullus usurpet eodem inscio commissam illi provinciam"; Sixti I I I . ad. episc. Thessal. a. 435 (1. c. p. 1 2 6 3 ) : „Habeant honorem suum metrop o l i t a n singularum ( a d d e : provinciarum) salvo huius privilegio quem honorare debeant amplius honorati. I n provincia sua ius habeant ordinandi: sed hoc inscio vel invito quem de omnibus volumus ordinationibus consuli, nullus audeat ordinäre. A d Thessalonicensem maiores causae referantur antistitem. Ipsum maior cura respectet eos qui ad episcopatum vocantur, discutiendi sollicitius et probandi'·; Leon. I . ad lllyr. (s. die vorige N o t e ) ; eiusd. ad Anastas. Thessalon, a. 446? (opp. ed. cit. 1, 6 8 9 ) : „ D e persona autem consecrandi episcopi et de cleri plebisque consensu metropolitanus episcopus ad fraternitatem tuam perferat quodque in provincia bene placuit scire te faciat, ut ordinationem rite celebrandam tua quoque flrmet auctoritas". 6 Sixti I I I . ad episc. lllyr. a. 437. ( C o u s t a n t p. 1 2 7 1 ) : „Sit concilium quoties causae fuerint, quoties ille pro necessitatum emergentium ratione decreverit, ut merito sedes apostolica relatione eius instructa, quae fuerint acta confirm e d Evocatus vestrum venire nemo contemnat, nec congregationi sanctae ad quam debet festinare, se deneget". L e o n . I . ad Anast. Thessal. a. 444 (ed. cit. 1, 6 1 9 ) , ad eund. a. 446? (1. c. p. 6 8 9 ) : „ I n vocandis autem ad te a episcopis moderatissimum te esse volumus, ne per maioris diligentiae speciem fraternis gloriari videaris iniuriis. Unde si causa aliqua maior exstiterit, ob quam rationabile ac necessarium sit, fraternum advocare conventum , binos de singulis provinciis episcopos quos metropolitan! crediderint esse mittendos, ad fraternitatem tuam venire sufficiat". ? Bonifac. I . ad Rufum Thessal. a. 422 ( C o u s t a n t 1 0 3 5 ) : „universi fratres intelligent, primo convenire se citra tuam conscientiam minime debuissc"; Caelest. 1. ad Peregin. u. 425 (ibid. p. 1 0 6 5 ) : „Colligere nisi cum eius voluntate episcopos non praesumant".

§· 75.]

D i e päpstlichen Vikarien und Primaten.

3. die oberste S t r a f - u n d K o r r e k t i o n s - s o w i e

587

die oberste Gewalt zur V e r h a n d -

l u n g der Streitigkeiten der Bischöfe unter einander 2 ; 4 . das K e c h t ,

von allen wichtigeren Angelegenheiten des Bezirkes K u n d e

zu

erhalten, diese nöthigenfalls z u entscheiden oder eventuell sie dem römischen Stuhl zur E r l e d i g u n g z u unterbreiten 3 . K a m e n somit dem päpstlichen Vikar von Illyrien im Grossen und Ganzen d i e selben Rechte, w i e den alten Patriarchen zu, so bestand doch immer z w i s c h e n ihm und diesen der bedeutende Unterschied, dass er sie nicht w i e diese, kraft eigenen Rechtes, sondern nur kraft Uebertragung seitens des P a p s t e s ,

also als Stellvertreter desselben,

besass, und die Gränze für die selbstständige E r l e d i g u n g der A n g e l e g e n h e i t e n innerhalb seiner Kompetenz und für die N o t h w e n d i g k e i t der E i n h o l u n g der päpstlichen E n t s c h e i d u n g durch den äusserst s c h w a n k e n d e n und dehnbaren Begriff der causae maiores g e g e b e n war. Besonderes Interesse g e w ä h r t der illyrische Vikariat dadurch, dass er die der Zeit n a c h älteste Ueberordnung eines Metropoliten mit höherer Gewalt über seine Kollegen ist, w e l c h e (allerdings in F o l g e des Obwaltens günstiger politischer und kirchlicher Verhältnisse) lediglich auf die Uebertragung einzelner B e f u g n i s s e des v o n den römischen Bischöfen in Anspruch g e n o m m e n e n Primates gegründet worden i s t 4 .

1 Bonifac. I. ad episc. Thessal. a. 422 ( C o u s t a n t 1038): „Certe si in quoquam eius supra debitum fuit visa correptio, quoniam ideo tenet sedes apostolica principatum, ut querelas omnium licentes acceptet; interpellari nos super hocmissa legatione convenerat quos curam omnium rerum manere videatis"; eiusd, ad Rufum a. 422 (1. c. p. 1044): „Sane quoniam servandus accusatori locus est, . . . si quid ab eodem postquam episcopus nostris est auctoritatibus constitutus, contra disciplinam et propositum sacerdotii fertur admissum coepiscopus noster Kufus cui ad vicem nostram cuncta committimus cum ceteris fratribus quos ipse delegerit, negotium curabit audire, ad nostram relaturus omnia notionem, quaecumque cognitioni eius rerum cursus et ordo monstrarit"; Caelest. I. ad Perigen. u. 425 ( C o u s t a n t 1064): „Sunt culpae aliquantae non leves quae illis innatae provinciis ad nos, cum simus longius, non possunt pervenire aut iam semotis omnibus, noil ita ut sunt acta, interposito temporis spatio perferuntur, quas omnes intercessione fratris et coepiscopi nostri Rufi . . . volumus resecari". 2 Sixti III. ad episc. Illyr. a. 437 ( C o u s t a n t 1271): „ut sua sollicitudine, siquae intra fratres nascantur, ut assolent, actiones distinguat atque deflniat"; Leon. I. ad episc. Illyr. a. 444 (ed. cit. 1, 617): „Quidquid causarum, ut assolet, inter consacerdotes evenerit, eius cui vicem nostram commisimus examini reservetur"; s. auch die folgende Note. 3 Caelest. I. ad Perigen. u. 425 ( C o u s t a n t 1064): „Cui vicem nostram per vestram provinciam noveritis esse commissam: ita u t ad eum, fratres carissimi, quidquid de causis agitur, referatur": Sixti III. ad episcop. Illyr. a. 435 (1. c. p. 1263): „Ad Thessalonicensem maiores causae referantur antistitem"; eiusd. ad. episc. Illyr. a. 437 (1. c. p. 1272): „Si quid forsitan aut inter

Von den in den §§. 6 8 ff.

fratres natum fuerit aut fratri cuipiam aliqua actio qua pulsetur, illata aut illic fratre et coepiscopo nostro Anastasio iudice eveniens negotium terminetur, qui vices apostolicae sedis agere . . . cognoscitur aut ad nos, si illic flniri non potuerit, eodem tarnen suis litteris causam omnem quae vertitur prosequente, veniat examen"; Leon. I. ad Anastas. Thessalon. a. 444 (ed. cit. 1, 619): „Si qua vero causa maior evenerit, quae a tua fraternitate illic praesidente non potuerit deflniri, relatio tua missa nos consulat, ut revelante domino cuius misericordiae profitemur esse quod possumus, quod ipse nobis aspiraverit rescribamus"; eiusd. ad episc. Illyr. a. 444 (ed. cit. 1, 617): „Ipsum vero secundum definita canonum hoc vestra dilectio nostris epistolisadmonitum esse cognoscat, ut de statu ecclesiarum vestrarum certiores subinde sua relatione nos faciat . . . Si quae vero causae graviores vel appellationes emerserint, eas sub ipsius relatione ad nos mitti debere decrevimus, ut nostra secundum ecclesiasticum morem sententia flniantur"; eiusd. ep. ad eund. a. 446 (1. c. 1, 689). + M a a s s e n a. a. S. 131 findet den nächsten Grund für dieses Verhältniss nicht im Primat, sondern im Patriarchat der Päpste. Diese Ansicht widerlegen aber die betreffenden Dekretalen schon durch ihren Wortlaut. Ep. Bonifac. I. ad episc. Thess. a. 422 ( C o u s t a n t p. 1038) ist von dem principatus sedis apostolicae die Kede; ep. Caelest. I. ad Perigen. u. 425 (1. c. p. 1064): „ . . . Nosque praecipue circa omnes eura constringimur quibus necessitatem de omnibu^ tractandi Christus in sancto Petro apostolo cum illi claves aperiendi claudendique daret, indulsit et inter apostolos suos non qui altero esset inferior sed eum maxime qui esset primus , legit"; Leon. I. ep. ad episc. Illyr. a. 444 (opp. ed. cit. 1, 619): „Et quia per omnes ecclesias cura nostra distenditur, exigente hoc a nobis domino qui

588

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§· 75.

besprochenen Repräsentanten des Papstes, den Legaten, unterschied sich die Stellung des Vikars dadurch, dass die Stellvertretung nicht der Person des jeweiligen Metropoliten von Thessalonich, sondern dem dortigen Bischofssitze überhaupt ertheilt und damit eine ständige und dauernde Zwischenstufe der kirchlichen Regierung geschaffen worden war 3. D e r Y i k a r i a t v o n A r l e s 2 . Die Geschichte des zweiten bald nach dem eben besprochenen entstandenen Vikariates gewährt zwar ein Beispiel der Anwendung der für Thessalonich entwickelten Formen, bietet aber insofern eine besondere Erscheinung dar, als die Metropoliten ihre hervorragende Gewalt wohl unter Beihülfe der römischen Bischöfe erlangten, indessen das Fundament derselben immerhin ein so festes war, dass selbst die päpstliche Macht nicht ausreichte, die einmal gewonnene Stellung zu untergraben. In kluger Benutzung des Umstandes, dass das Koncil von Turin im J. 401 eine definitive Entscheidung über die Metropolitenwtirde der drei darum streitenden Bischöfe von Marseille, Arles und Vienne umgangen hatte 3 , erlangte Patroklus von Arles im J. 417 — also noch ein Jahr zuvor, ehe sein Sitz zur politischen Hauptstadt der 7 Provinzen der dioecesis Viennensis erhoben wurde 4 — von Zosimus das ausschliessliche Recht, den nach Rom reisenden gallischen Geistlichen Formaten (s.oben S. 93) auszustellen, die Bischöfe in der provincia Viennensis, Narbonensis prima et secunda zu weihen, sowie das Privilegium, dass in allen wichtigen Angelegenheiten an ihn berichtet werden sollte 5 . Allein bei der fortdauernden Opposition der dadurch beeinträchtigten Stellung der übrigen Bischöfe 0 stellten sowohl B o n i f a c i u s 1 . 7 als apostolicae dignitatis b. apostolo P e t r o p r i m a t u m fldei sui r e n u m e r a t i o n e c o m m i s i t , universalem ecclesiam in f u n d a m e n t i ipsius soliditate constit u e n s , necessitatem solicitudinis q u a m babemus, cum his qui nobis collegii caiitate i u n c t i s u n t , sociamus. Vicem itaque nostram Anastasio . . . commisimus". D a r ü b e r , dass es ein F e h l e r gewesen w ä r e , dem die H e r r s c h a f t ü b e r Illyrien a n s t r e b e n d e n P a t r i a r c h e n von Konstantinopel g e g e n ü b e r sich n u r auf eine m i t diesem gleiche S t e l l u n g , den P a t r i a r c h a t , n i c h t aber auf den P r i m a t zu b e r u f e n , kann doch auch kein Zweifel sein. 1 Dass das Privilegium ein persönliches war, ist freilich von E i n z e l n e n b e h a u p t e t w o r d e n , so schon von Ivo von Chartres ep. 59 (Paris, ed. I I . 1G10. p . 104. 1 0 5 ) : „personale hoc f u i s s e intelligimus Privilegium, non generale decretum 1 ', allein dem widerspricht n i c h t n u r die f o r t d a u e r n d e u n d wiederholte U e b e r t r a g u n g an die Metropoliten, sondern auch der klare W o r t l a u t der in F r a g e kommenden päpstlichen Schreiben, s. e p . Bonifac. I . ad. R u f . a. 4 2 2 ( C o n s t a n t 1 0 3 4 ) : „Ita quippe vice sua b. apostolus P e t r u s e c c l e s i a e T h e s s a l o n i c e η s i cuncta c o m m i s i t , u t intelligat sollicitudinem manere multorum"; eiusd. ad. episc. Illyr. a. 4 2 2 (1. c. p . 1 0 4 0 . 1 0 4 1 ) ; Caelest. I . a d P e r i g e n . u . 4 2 5 ( I . e . 1 0 6 4 ) : „ T h e s s a l o n i c e η s i e c c l e s i a e semper esse c o m m i s s u m , u t vobis vigilanter i n t e n d a t " . Vgl. f e r n e r B a i u z e 1. c. c. 22. 2 T h o m a s s i n 1. c. c. 30. n. 5 f f . ; 1. c. c. 3 0 — 4 1 ; Z i e g l e r 8 8 ff. 3 0 0 ff.

Baluze

3 I n d e m es dem Bischof von Marseille die Metropolitanrechte in der secunda Narbonensis (das b e d e u t e t der p r i m a t u s c. 1. der Synode) allein auf L e b e n s z e i t , also n u r persönlich beliess , u n d in Betreff der beiden andern b e s t i m m t e , „ u t qui

ex eis approbaverit suam civitatem esse metropol i m , is totius provinciae honorem p r i m a t u s obtin e a t et i u x t a c a n o n u m p r a e e e p t u m ordinationum habeat potestatem". 4 Constit. Honorii et Theodosii ad I u l i u m Agricolam praefect. Galliar. a. 4 1 8 ( C o u s t a n t 9 7 7 ) . δ E p . ad episc. Galliae a. 4 1 7 (1. c. p . 9 3 5 ) . Diese Rechte werden aber, w e n n sie auch denen des Vikars von Thessalonich e n t s p r e c h e n , n i c h t auf e i n e Verleihung des Vikariates g e s t ü t z t , vielm e h r darauf (s. e p . ad Hilar. Narbon. a. 4 1 7 . 1. c. p . 9 6 0 ) : „sanetae memoriae T r o p h i m u s sacerd o s , quondam ad Arelatensem u r b e m ab apostolica sede t r a n s m i s s u s ad illas regiones et t a n t i Hominis reverentiam p r i m u s e x h i b u i t et in alias non immerito ea quam a e e e p e r a t , auetoritate transfudit". W e g e n der Selbstständigkeit der gallischen Bischöfe d u r f t e der P a p s t bei der m i n d e s t e n s sehr zweifelhaften Berechtigung von Arles nicht m e h r w a g e n ; u n d dem Streben nach E r w e i t e r u n g des P r i m a t e s war wenigstens durch d e n Schluss der e r s t e r w ä h n t e n D e k r e t a l e : „Ad cuius notitiam , si q u i d illic negotiorum e m e r s e r i t , r e f e r r i c e n s e m u s , nisi magnitudo causae etiam n o s t r u m requirit e x a m e n " ; G e n ü g e geschehen. D e r Ausdruck : vices committere k o m m t f ü r den Metropoliten von Arles erst seit P a p s t Vigilius vor (s. S. 590. n . 6). 6 E p . Zosimi ad episc. V i e n n . et Narbon. I I . a. 417 (1. c. p . 6 5 9 ) : „Et n e solus ( P r o c u l u s von Marseille) i m p u d e n t e r indebita postulando huic sedi v i d e r e t u r intulisse convicium, socium sibi Siinplicium V i e n n e n s i s civitatis adseivit, qui non dissimili i m p u d e n t i a p o s t u l a r e t , u t sibi quoque in V i e n n e n s i u m provincia creandorum sacerdot u m p e r m i t t e r e t u r arbitrium". 7 E p . ad Hilar, a. 4 2 2 (1. c. p . 1032), welcher u n t e r B e r u f u n g auf das Koncil von Nicäa dem

Die päpstlichen Vikarien und Primaten.

§· -75.]

589

auch C ö l e s t i n 1 . 1 die Selbstständigkeit der übrigen Metropoliten wieder her.

Aber

trotzdem g e l a n g es letzteren n i c h t , den Sitz von Arles aus seiner hervorragenden Stellung auf das gleiche N i v e a u mit ihnen wieder h e r a b z u d r ü c k e n 2 . desselben,

Hilarius,

D e r Metropolit

hielt im J. 4 3 9 ein Koncil mit 12 Bischöfen des

südöstlichen

Galliens a b 3 , entsetzte auf einer anderen, wahrscheinlich z u B e s a n 9 o n im J. 4 4 4 t a g e n den Synode, den B i s c h o f dieser Stadt (Celidonius), obwohl dieser einer fremden K i r c h e n provinz a n g e h ö r t e 4 , und suchte das R e c h t auf Ordination der Bischöfe in den anderen Metropolitansprengeln jenes T h e i l s von Gallien wieder zur A n e r k e n n u n g zu bringen 5 . Ja, auf die Appellation des abgesetzten Celidonius n a c h Rom bestritt er sogar Leo I. das R e c h t , über diese zu entscheiden 5 .

W e n n g l e i c h letzterer in F o l g e dessen seiner-

seits g e g e n Hilarius die Deposition a u s s p r a c h 6 und später die Gränzen der Metropolitansprengel v o n Vienne und Arles g e n a u r e g u l i r t e 7 , so hatte sich nicht nur Hilarius bis zu seinem T o d e (449) in seiner Stellung zu behaupten g e w u s s t 8 , sondern sein Nachfolger Ravennius gerirte sich ebenfalls wieder als Primas, indem er eine Synode zu Arles im J. 4 5 5 aus mehreren Provinzen zusammenberief I J . Metropoliten von Naibonne das Ordinationsrecht in der Narbonensis I. wieder zuerkennt. 1 Ep. ad episc. per Vienn. a. 428. c. 4. (1. c. p. 1070). 2 Uebrigens sind aus Anlass dieses Streites zu Gunsten von Vienne päpstliche Briefe auf den Namen Silvesters I . , Zosimus' und Leos , wahrscheinlich zu Hilarius' Zeit oder bald nachher gefälscht worden. S. C o u s t a n t . app. p. 35. 110; M a n s i 6, 431 und J a f f e ' , regesta n. CXXXIV. CLXXXI. u. CXCIV. 3 M a n s i 5, 1189 ff.; B a l u z e 1. c. c. 31. n. 2 ; H e f e l e , Konciliengesch. 2,272. Hierwurde der Bischof von Ebrun abgesetzt, weil er ohne Konsens des Metropoliten geweiht war. Liesse sich die Qualität Ebruns als Metropolitankirche schon für diese Zeit mit Sicherheit nachweisen, (s. Hilari papae ep. Leont. zw. 463 u. 465: „Ingenuus Ebrodunensis, Alpium maritimarum metropolitan! s e m p e r honore subnixus"; T h i e l , epistol. Komanor. pontif. 1. 152, d a f ü r W i l t s c h , kirchliche Geographie 1, 110; T h i e l 1. c. 151. n. 3 ; dagegen H e f e l e a. a. 0 . ) , so wäre damit auch ein Beweis für das wieder anerkannte Ordinationsrecht des auf dem Koncil schlechthin als metropolitanus bezeichneten Bischofs von Arles gegeben, vgl. auch P. d e M a r c a de primat. n. 73 (1. c. p. 53) und B a l u z e 1. c. c. 31. n. 2. 3. 4 Nach W i l t s c h a. a. Ο. 1, 103, zur provincia Trevirensis, was jedoch zweifelhaft ist. Nach andern war Besan^on schon damals Metropolitansitz. N e h e r , kirchl. Geographie 1, 466. 5 Das ergiebt Alles die ep. Leon. I. ad episc. per Vienn. a. 445 (opp. ed. Baller. 1, 634): „Hilarius ecclesiarum statum et concordiam sacerdotum novis praesumptionibus turbaturus excessit, ita suae vos cupientes subdere potestati, ut se beato apostolo Petro non patiatur esse subiectuin, ordinationes sibi omnium perGallias ecclesias vindicans et debitum metropolitanis sacerdotibus in suum ius transferens dignitatem, ipsius quoque beatissimi Petri verbis arrogantioribus minuendo". Vgl. dazu auch G i e s e l « r , Kirchengesch. 1. 2, 220; P e r t h e l in I l l g e n s Zeitschrift für histor. Theologie. 1843. 2, 277 ff. Aus Veranlassung die-

L e o n t i u s , welcher nach ihm den

ses Streites erwirkte Leo I. die bekannte Konstitution Valentinians III. v. J. 445 ( H ä n e l , novell. Valentin. III. tit. 16, s. auch oben S. 504. n. 2). 6 Ep. Leon. cit. p. 639: „nec ultra Hilarius audeat conventus indicere synodales et sacerdotum domini iudicia se interserendo turbare qui non tantum noverit se ab alieno iure depulsum, sed etiam Viennensis provinciae quam male usurpaverat potestate privatum". Wenn der Papst die Bischöfe gleichzeitig über etwaige Besorgnisse wegen seiner Machterweiterung zu beruhigen sucht p. 641: „commonemus ut ea quae a nobis . . . decreta sunt, pro vestra pace et dignitate s e r v e tis, certinontam nostro honori profic e r e quod talia statuisse cognoscimus. Non enim nobis ordinationes vestrarum provinciarum defendimus quod potest forsitan ad depravandos vestrae sanctitatis animos Hilarius pro suo more mentiri, sed vobis per nostram sollicitudinem vindicamus", so liegt darin das Bewusstsein, dass seine Handlungsweise von den Bischöfen als Uebergriff in ihre Selbstständigkeit aufgefasst werden könnte. Am Schlüsse des Briefes endlich wird dem der Ordination nach ältesten Bischof das Recht zur Abhaltung der Synoden gegeben, offenbar um dies auf eine Primatialstellung hindeutende Recht dauernd keinem bestimmten Sitze zu gewähren. 7 Ep. ad Constantin. ceter. a. 450 (1. c. 1, 999): „Unde Viennensem civitateüi . . . inhonoratam penitus esse non patimur, praesertim cum de receptione privilegii auctoritate iam nostrae dispositionis utatur, quam potestatem Hilario episcopo ablatam, Viennensi episcopo credidimus deputandam. Qui ne repente semetipso factus videatur inferior, vicinis sibi quatuor oppidis praesidebit, i. e. Valentiae (Valence) et Tarantasiae (Tarantaise) et Genavae (Genf) et Gratianopoli (Grenoble), ut cum eis ipsa Vienna sit quinta, ad cuius episcopum omnium praedictarum ecclesiarum sollicitudo pertineat. Reliquae vero civitates eiusdem provinciae sub Arelatentis antistitis auctoritate et ordinatione consistant". 8 B a l u z e 1. c. c. 33. n. 2. 8 M a n s i 7, 907: B a l u z e 1. c.

590

I- D i e Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

Metropolitanstuhl e i n n a h m ,

[§. 75.

erhielt s o g a r v o n P a p s t H i l a r i u s w i e d e r eine a u s d r ü c k -

liche A n e r k e n n u n g d i e s e s R e c h t e s

D i e s e S t e l l u n g h a b e n die Metropoliten s i c h weiter

b e w a h r t 2 , u n d v o n P a p s t S y m m a c h u s ist i h n e n mit R ü c k s i c h t a u f die in F o l g e d e s E i n dringens der Gothen, Burgunder und Franken hervorgegangenen Veränderungen

das

i h n e n z u g e s t a n d e n e O b e r a u f s i c h t s r e c h t a u c h für e i n e n T h e i l S p a n i e n s b e s t ä t i g t w o r d e n 3 . F r e i l i c h reichte ihre H e r r s c h a f t in d a m a l i g e r Zeit n i c h t über die u n t e r den B u r g u n d e r n und Franken

stehenden Provinzen,

u n d s o n a h m e n sie n u n m e h r die S t e l l u n g

eines

P r i m a s allein für d e n w e s t g o t h i s c h e n T h e i l Galliens ein. D i e in d e n n a h e g e l e g e n e n G e bieten s i c h z u n e u e r Macht e r h e b e n d e n P r ä l a t e n v e r d u n k e l t e n d e n Glanz des P r i m a t e s von Arles

i

u n d w e n n die B i s c h ö f e der e b e n e r w ä h n t e n S t a d t erst j e t z t d e n V i k a r i a t s -

titel u n d das P a l l i u m n a c h s u c h t e n 5 , Schwäche,

z u s t ü t z e n strebte. Rechte ertheilen6, J. 5 9 5 8.

s o z e i g t s i c h darin das B e w u s s t s e i n der e i g e n e n

w e l c h e s d a s s i n k e n d e A n s e h e n d u r c h die D e c k u n g mit erborgter A u t o r i t ä t Z u e r s t Hess sich A u x a n i u s v o m P a p s t V i g i l i u s

im J . 5 4 5

jene

u n d s e i t d e m e r f o l g t e d i e V e r l e i h u n g d e r s e l b e n r e g e l m ä s s i g 7 bis z u m

D a s s d a s Vorbild für die A r e l a t e n s i s c h e n V i k a r i a t s p a t e n t e die n a c h T h e s s a -

lonich e r g a n g e n e n P r i v i l e g i e n g e b i l d e t h a b e n ,

z e i g t eine V e r g l e i c h u n g d e r betreffenden

D e k r e t a l e n , e i g e n t h ü m l i c h ist nur die v o n Gregor I. v o r g e s c h r i e b e n e Z w ö l f z a h l d e r bei 1 Ep. „episcopis provinciae Viennensis, L u gdunensis, Narbonensis primae et secundae, Alpinae . . . congregatiories annuas ordinante fratre et coepiscopo nostro Leontio, admonitis metropol i t a n s . . . iis locis celebrare dignemini ad quae nulla sit cuiquam commeantium difficultas". a. 464 ( T h i e l I.e. p. 152). 2 Ueber einen Streit zwischen Aries und Vienne aus Anlass einer vom Papst Anastasius II. (496 bis 498) getroffenen, uns nicht erhaltenen Verfügung s. Symmachi ep. 2. 3. 4. 14 bei T h i e l 1. c. 1, 654 ff. 723. 3 Ep. ad Caesar. Arelat. a. 514 (1. c. p. 728), wo auch idas alte Recht Formaten für die Geistlichen jener Gegenden auszustellen , wieder hervorgehoben wird. Der grossen, i. J. 506 abgehaltenen Synode von Agde, auf welcher 35 südfranzösische Bischöfe anwesend waren , präsidirte gleichfalls der Metropolit von Arles , Cäsariiis. •t Z i e g l e r S. 305 ff. 5 Mit Unterstützung des Frankenkönigs Childebert. S. die in der folgenden Note citirten Dekretalen u. ep. Vigilii ad Aux. ( M a n s i 9, 40). Vgl. B a l u z e 1. c. c. 36. n. 2. 6 Wobei freilich das Gebiet des Vikariats vom Papst im Vergleich zu früher erweitert wird, denn das Notifikationsschreiben über die erfolgte Bestellung ist adressirt ( M a n s i 9, 4 3 ) : „universis episcopis omnium provinciarum per Gallias, qui sub regno vel potestate gloriosissimi fllii nostri Childeberti regis Francorum constituti sunt, sed et his qui ex antiqua consuetudine ab Arelatensi consecrati sunt vel consecrantur episcopis"; das Patent (1. c. p. 41) beginnt: „Sicut nos pro tuae caritatis affectu et pro gloriosissimi fllii nostri regis Childeberti Christiana devotione mandatis v i c e s n o s t r a s libentissime contulimus i t a . . . " ; es folgt die Ertheilung des Rechts, Synoden abzuhalten , welches jedoch genauer in dem Schreiben an die gallischen Bischöfe (1. c. p. 43) dahin präcisirt wird: „Auxanio fratri . . . vices nostras

Caritas vestra nos dedisse cognoscat, ut si aliqua quod absit, fortassis emerserit contentio, congregates ibi fratribus et coepiscopis nostris causas canonica et apostolica auetoritate discutiens, deo placita aequitate diffiniat. Contentiones vero, si quae quas dominus auferat, in fldel causa contigerint. aut emerserit forte negotium quod pro magnitudine sui apostolicae sedis magis iudicio debeat terminari, ad nostram discussa veritate perferat sine dilatione notitiam. E t quia necesse e s t , u t aptis deo propitiante temporibus Arelatensis episcopus nostris vieibus fungatur, quoties iudieaverit expedire, ut pro facienda consolatione communi episcoporum debeant congregari personae , nullus inobediens eius forte mandatis sit . . . tarnen u t si s e , quominus occurrat, rationabili potest exceptione defendere, ad synodum pro sue presbyteri aut diaconi dirigat loco personam : quatenus quae a nostro vicario congregatis fratribus definitiva sententia fuerint terminata, ad eius qui absens est per suos perdueta notitiam sincera et inviolabili stabilitate serventur". In der Verleihungsurkunde wird dann die Befugniss zur Ausstellung von Formaten gewährt, und sie schliesst (1. c. p. 4 2 ) : „Et quia digna credimus ratione compleri, u t agenti vices nostras pallii non desit ornatus, usum tibi eius, sicut decessori tuo praedecessor noster . . . Symmachus legitur contulisse b. Petri saneta auetoritate concedimus". Die Thatsache, dass Symmachus dem Cäsarius von Arles das Pallium verliehen h a t , lässt sich demnach nicht wohl anzweifeln, wenngleich die betreffende Urkunde nicht vorhanden i s t , s. Β a l u z e l . c . c . 35. n. 12 u. J a f f e , regestaRomanor. pontif. n. 479. a. 513. 7 J . 546 erhielt sie der Nachfolger des Auxanius, Aurelian von Vigilius, ( M a n s i 9, 46. 4 7 ) ; 557 Sapaudus von Pelagius (ibid. p. 725. 726). 8 Epist. Gregor. I. ad Virgil. Arelat., ad u n i vers. regni Childeberti episcop. u. ad Childeb. reg. V. 53—55 (ed. Bened. 2, 780 ff.).

Die päpstlichen Vikarien und Primaten.

§· 75.] der Verhandlung Zeit erlosch

591

wichtigerer Angelegenheiten zuzuziehenden B i s c h ö f e S e i t

die Bedeutung

des Arelatensischen Yikariates und nur

dieser

vorübergehend

taucht derselbe noch hin und wieder a u f 2 . 4. V i k a r i a t e

in S p a n i e n .

A u c h für einzelne spanische Bischöfe, so für die

B i s c h ö f e von S e v i l l a 3 und v o n I l l i c i 4 kommt im 5. und z u A n f a n g des 6. J a h r h u n derts eine Uebertragung des Vikariates vor, welche sich leicht aus der gedrückten L a g e der katholischen B i s c h ö f e und der dadurch herbeigeführten A n l e h n u n g der letzteren an Rom erklärt.

I n den beiden älteren der drei nachweisbaren Fälle handelt es sich ü b e r -

dies nur um eine allgemeine U e b e r w a c h u n g der Disciplin und u m Berichterstattung nach Rom, und nur in dem j ü n g s t e n Fall ist eine wirkliche Jurisdiktion unter Benutzung des illyrischen Vorbildes übertragen worden.

V o n irgend nachhaltiger Dauer scheint auch

der eben gedachte Vikariat nicht g e w e s e n z u sein und später nach Annahme des K a t h o licismus durch die W e s t g o t h e n und ihre Könige hat der Sitz v o n Toledo unbestrittenermaassen den Primat in Spanien erlangt (s. unter 6 ) . 5. Eine Urkunde Hormisdas, w e l c h e die Uebertragung des Vikariats auf

Rhe-

rn i g i u s v o n R h e i m s e n t h ä l t 5 , ist d a g e g e n zweifellos u n ä c h t 6 . 6. N o c h in das siebente Jahrhundert hinein reicht der B e g i n n der hervorragenden Stellung des Metropoliten v o n T o l e d o 7 , 1 Ep. V. 53 (1. c. p. 783): „Siquaveroinquisitio de flde Tel fortasse aliarum rerum inter episoopos causa emerserit quae discerni difficilius possit, coliectis duodecim episcopis ventiletur atque decidatur. Si autem decidi nequiverit, discussa veritate ad nostrum iudicium referatur". 2 So erhielt Rostagnus von Arles von Johann VIII. wohl auf Veranlassung des mit letzterem verbündeten Herzogs Boso (D ü m m 1 e r , ostfränk. Reich 2, 80. 81) i. J. 878 den Vikariat und zwar in derselben Form, wie er von Gregor I. an Virgilius verliehen war, für Gallien übertragen ( M a n s i 17, 80. 82). Vgl. übrigens auch ep. Nicolai I. ad Rotland. Arelat. a. 864 (1. c. 15, 378). Jedoch scheint diese Stellung nicht von praktischer Bedeutung gewesen zu sein. B a 1 u ζ e 1. c. c. 40. n. 3. 4. Auf der Synode von Toulouse i. J. 1056 „qui (papa Victor) vicarios vice sua direxit, RambaldumArelatensem et Pontium archiepiscopos" M a n s i 19, 847)hat es sich offenbar nur um eine Bevollmächtigung ad hoc gehandelt. Suffraganbischof des Metropoliten von Narbonne, c. 2. C. VIII. qu. 3 (gesta Urbani I I ) : „Artaldus Arelatensis episcopus Narbonensis suffraganeus" ist aber der Bischof von Arles niemals gewesen; in der betreffenden Stelle ist Elenensis oder Helenensis (Bisthum Eine, W i l t s c h 1, 310) zu lesen. B a l u z e 1. c. c. 41. n. 6 ; R i c h t e r corp. iur. ad c. cit. 3 Simplicii papae ad Zenon. Hispalensem (zw. 468 u. 483; T h i e l 1. c. 1, 214): „congruum duximus vicaria sedis nostrae te auctoritate fulciri, cuius vigore munitus , apostolicae institutionis decreta vel sanctorum terminos patrum nullo modo transcendi permittat/' u. Hormisdae ad Salustium Hispal. a. 521 (ibid. p. 980): „Vices itaque nostras per Baeticam Lusitaniamque provincias salvis privilegiis quae metropolitanis episcopis decrevit antiquitus, praesenti auctoritate committimus . . . Paternas igitur regulas et de-

welche dieser nicht päpstlicher Verleihung,

creta a sanctis deönita conciliis ab omnibus servanda mandamus . . . Quoties universum poscit religionis causa concilium , te cuncti fratres evocantes conveniant: et si quos eorum specialis negotii pulsat intentio, iurgia inter eos oborta compesce , discussa sacris legibus determinando certamina. Quidquid autem illic pro fide et veteribus constitutis vel provida dispositione praecipies vel personae nostrae auctoritate flrmabis, totam ad scientiam nostram instructae relationis attestatione perveniat". 4 Hormisdae ad episcop.. Illicitanum a. 517 (1. c. p. 788): „servatis privilegiis metropolitanorum vices vobis apostolicae sedis eatenus delegamus, ut in speculis sitis et sive ea quae ad canones pertinent et a nobis sunt nuper mandata, serventur sive quid de ecclesiasticis causis dignum relatione contigerit, sub tua nobis insinuatione pandantur", (s. auch c. 6. C. XXV. qu. 2). Bei M a n s i 8, 429 lautet die Ueberschrift nicht richtig: ad episcop. Tarraconensem. S. B a l u z e 1. c. c. 42. n. 4. 5 Abgedruckt bei M a n s i 8, 383 u. 525. β Ihr Text ist fast vollständig dem Briefe des Hormisda von 521 (s. n. 3) entnommen, nicht (so W e i z s ä c k e r , Hinkmar u. PseudoIsidor in der Zeitschrift f. histor. Theologie. 1858. 28, 388) nach der Schablone von Pseudo-Isidor. Annic. c. 3. 4. ed. H i n s c h i u s p. 121 gefälscht. Dass Hinkmar im Zusammenhang mit seinen Bestrebungen , den Primat des Frankenreichs dem Stuhle zu Rheims zu vindiciren (D ü m m 1 e r , ostfränk. Reich 1, 529), diese Urkunde selbst gefälscht hat — sie taucht zuerst in seiner vita S. Remigli c. 54 ( M i g n e , patrol. 125, 1168) auch —, hat R o t h , Gesch. des Beneflzialwesens S. 462 sehr wahrscheinlich gemacht. Vgl. auch W e i z s ä c k e r a. a. 0 . 7 S. G a r s i a e L o a i s a e d e primatu ecclesiae Toletanae, abgedruckt bei M a n s i 9, 513 ff.;

592

[§. 75.

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

sondern der Bedeutung seiner Stadt als Residenz des westgothischen Reiches und der Gunst der Fürsten desselben zu danken hatte 1 . Im J. 681 erhielt der gedachte Erzbischof auf dem 12. Koncil zu Toledo das Recht, die vom König für die vakanten Bischofsstühle und Abteien erwählten Kandidaten nach der Prüfung ihrer Würdigkeit einzusetzen und zu ordiniren 2 . Ferner hat der genannte Prälat seit jener Synode das Präsidium auf den spanischen National-Koncilien fortdauernd geführt 3 . Ueber die Ausübung weiterer Primatialrechte erhellt nichts 4 . In Folge der Eroberung Toledos durch die Mauren im J . 711 5 sank die Bedeutung des dortigen Primatialsitzes 6 und mit dem J. 926 ging derselbe ganz unter. Eine Wiedererrichtung der Metropole fand erst ein Jahr nach der Vertreibung der Mauren unter Alphons VI. im J. 1085 statt 7 und im J. 1088 erneuerte auch Papst Urban II. dem dortigen Erzbischof den Primat über ganz Spanien 8 . Ueber die in demselben enthaltenen Befugnisse bestimmen D e f e n s a Christiana de la primacia de las E s p a n a s q u e goza la s. iglesia de Toledo, su autor el doctor Ν i c a s i o Sevillano. Madrid 1726 u n d P r i m a t u s H i s p a n i a r a m vindicatus . . . liispanice conscripta . . . a Ν i c a s i ο Sevillano . . . latine reddita a C a i e t a n o C e n n i . Romae 1 7 2 9 ; daselbst P . II. c. 2. p. 164 ff. die weitere L i t e ratur angeführt. 1 L o a i s a § § . 2. 3 u n d N i c a s i u s P. I I I . c. 9. η. 1 ff. f ü h r e n mit andern Spaniern den P r i m a t Toledos — gemäss einer bis in das 9. J a h r h u n d e r t zurückreichenden Tradition von der A u s s e n d u n g von Bischöfen seitens der Apostel nach Spanien (s. G a r n s , Tübinger Quartalschrift. 1861. S. 2 1 0 f f . ; Gregor. V I I . registr. I . 6 4 . ed. J ä f f 6 p . 8 3 ) — auf d i e Z e i t d e r letzteren, aber ohne allen h a l t b a r e n G r u n d z u r ü c k . Dagegen F l o r e ζ , E s p a n a sagrada. Madrid. 1754 ff. 6, 2 6 5 f f . ; T h o m a s s i n 1. c. c. 30. n. 4 ; M a r c a , de p r i m a t . n. 125. 126. Ebenso i r r t W i l t s c h a. a. Ο. 1, 89, welcher die V e r l e i h u n g des P r i m a t e s auf König G u n d e m a r u n d das J a h r 6 1 0 z u r ü c k d a t i r t . D e r im Protokoll des Koncils von Toledo v. 6 1 0 u n d in dem D e k r e t e des Königs g e b r a u c h t e A u s d r u c k : „primatus" ( M a n s i 1. c. p . 5 0 7 . 5 1 0 ) b e d e u t e t hier — was auch sonst vorkommt s. oben S. 581. n . 2. u . S. 5 8 8 . n . 3. so viel wie Metropolitanrechte. S. f e r n e r H e f e l e , Konciliensesch. 3, 6 2 ; N e h e r a. a. Ο. 1, 3 3 2 . 2 C. 6. ( M a n s i 11, 1 0 3 3 ) : „ . . . U n d e p l a cuit o m n i b u s pontiflcibus Hispaniae, u t salvo p r i vilegio u n i u s c u i u s q u e provinciae licitum m a n e a t deinceps Toletano pontillci, q u o s c u m q u e regalis potestas elegerit e t iam dicti Toletani episcopi iudicio dignos esse probaverit, in quibuslibet provinciis in p r a e c e d e n t i u m sedibus praeflcere p r a e sules et d e c e n d e n t i b u s episcopis eligere successor s . I t a tarnen, u t quisquis ille f u e r i t ordinatus post ordinationis suae t e m p u s i n f r a t r i u m m e n sium s p a t i u m proprii metropolitani p r a e s e n t i a m v i s u r u s a c c e d a t , qualiter eius auctoritate vel discipline i n s t r u c t u s condigne susceptae sedis g u bernacula t e n e a t . . . H a n c quoque definitionis f o r m u l a m sicut de e p i s c o p i s , ita e t de ceteris ecclesiarum rectoribus placuit observandam". 3 M a n s i 1. c. p . 1039. 1 0 5 9 ; 1 2 , 2 1 . 8 4 ; H e f e l e a. a. 0 . 3 , 2 8 6 . 2 9 0 . 2 9 5 . Wenn dieses Hecht gleichfalls ( s . ζ. B. N i c a s i u s 1.

c. P. II. c. 11. η. 4 ff. c. 18) auf e i n e f r ü h e r e Zeit datirt wird , so ist dem e n t g e g e n z u h a l t e n , dass auf der Nationalsynode v. 6 3 3 Isidor von Sevilla, auf der v. 6 3 6 der Erzbischof von Tol e d o , auf der v. 6 3 8 der Erzbischof von N a r bonne, auf d e n e n v. 646 u . 6 5 3 der Erzbischof von Merida u n d auf der von 656 wieder der E r z bischof von Toledo den Vorsitz g e f ü h r t . M a n s i 10, 641. 656. 670. 770. 1 2 2 2 ; 1 1 , 4 3 ; H e f e l e , a. a. 0 . S. 72. 8 1 . 8 2 . 8 7 . 9 1 . 9 5 . Vgl. a u c h F l o r e z 1. c. p . 2 8 3 ff. — V o n einer höheren J u r i s d i k t i o n des Metropoliten von Toledo ü b e r die a n d e r e n E r z b i s c h ö f e , welche a u s dem Briefe Isidors von Sevilla „ad Helladium ceterosque qui cum eo s u n t coadunati episcopos (opp. ed. Arevalo. Rom. 1797. 6, 5 6 6 ) von N i c a s i u s 1. c. c. 12 hergeleitet w i r d , ist in j e n e r Z e i t ebenso wenig die Rede gewesen. Vgl. F l o r e z 1. c. p . 2 5 7 ff. u . A r e v a l o , Isidoriana c. 74. n . 1 (in opp. Isidori 1, 6 3 7 ) . E n d lich findet auch die Nachricht des Rodericus (Tolet. archiepisc. saec. X I I I ) in seinem rer. H i s p a n . Chron. II. 2 1 (Granatae 1545. fol. 1 7 ) : „Iste (Chindaswind 6 4 2 — 6 5 2 ) a Romano pontiflce obtinuit Privilegium, u t s e c u n d u m b e n e placitum pontiflcum H i s p a n o r u m primatiae dignitatis esset T o l e t i , sicut f u e r a t ab a n t i q u o " nirgends e i n e Bestätigung. * J e d e n f a l l s lässt sich n i c h t , 1. c. c. 19. n. 10 ff. t h u t , aus c. a. 6 8 4 ( M a n s i 11, 1086) das verbindliche A n o r d n u n g e n f ü r die politen zu erlassen.

wie N i c a s i u s 1. Tolet. X I V . Recht folgern, übrigen Metro-

5 N i c a s i u s 1. c. P . N e h e r a. a. Ο. 1, 3 3 2 .

16.

II.

c.

n.

4

ff.;

6 J . 7 8 2 i s t freilich noch u n t e r dem Vorsitze des Metropoliten von Toledo e i n e Synode zu S e villa gehalten worden. H e f e l e a. a. 0 . 3, 586. 7 N i c a s i u s 1. c . ; N e h e r a. a. 0 . 8 J a f f e reg. n. 4 0 2 1 ; M a n s i 10, 5 2 2 : „pallium tibi, f r a t e r venerabilis Bernarde , ex apostolorum P e t r i et P a u l i benedictione contradimus, p l e n i t u d i n e m scilicet omnis sacerdotalis dignitatis t e q u e s e c u n d u m quod eiusdem urbis a n t i q u i t u s constat extitisse pontificis et in totis H i s p a n i a r u m regnis p r i m a t e m . . . s t a t u i m u s . . . P r i m a t e n ! te u n i v e r s i praesules H i s p a n i a r u m

§· 75.]

Die päpstlichen Vikarien und Primaten.

593

die betreffenden Dekretalen nur, dass in allen wichtigeren allgemeinen Angelegenheiten an den Metropoliten von Toledo berichtet werden und er die Zwischeninstanz mit den Rechten eines Metropoliten zwischen dem römischen Stuhle und den zu keinem Metropolitanverbande gehörigen Bischöfen bilden sollte.

Die späteren, zahlreichen Ballen,

welche die von Urban II. gewährten Rechte bestätigt haben Befugnisse des Primates nichts.

ergeben über andere

Lässt es sich auch als sicher annehmen, dass der

Metropolit von Toledo in Folge der erwähnten Stellung den Vorrang vor allen übrigen spanischen Erzbischöfen beanspruchen konnte, so darf doch in der Erneuerung des alten Primates durch Urban II. nicht einmal die Ertheilung des Rechtes auf die Einberufung und Abhaltung von Nationalsynoden gefunden werden.

Schon derselbe Papst

hat den Erzbischof noch besonders zum päpstlichen Vikar für Spanien und die N a r bonnensis ernannt 2 und ebenso ist das seitens seiner nächsten Nachfolger geschehen 3 . Wenn seitens eines derselben, seitens K a l i x t s II., das Recht der Berufung von Synoden auf die Stellung als vicarius oder legatus gegründet wird4,, so kann man dem gegenüber nicht darauf hinweisen, dass diese letztere mit der Primatial - Qualität zusammengeflossen und identisch gewesen ist, denn beides wird in jener Zeit in den Anordnungen der päpstlichen Dekretalen unterschieden : so hat ζ. B. P a s c h a l i s II. dem Erzbischof von Toledo die Legation über die Provinz von Braga entzogen 5 und auch K a i i x t I I . ihm jenes Recht nur mit Ausnahme der letzteren und der Provinz von Merida übertragen 6 . respicient et ad te si quid inter eos quaestione dignum exortum f u e r i t , r e f e r e n t : salva tarnen ratione, ecclesiae auctoritate et metropolitanorum privilegiis singulorum" . . . S. ferner eiusd. ep. ad episc. Hispaniae a. 1088. J a f f 6 n. 4023, M a n s i 20, 6 8 2 : „Qui autem vestrum sine metropolitanis propriis sunt, ipsi (dem Primaten von T o l e d o ) interim veluti proprio subesse debebunt''; ep. ad Tarracon. archiep. a. 1092, J. 4076 ( M a n s i 1. c . ) : „memineris tarnen ita te archiepiscopum institutum, ut tarn tu quam universi provinciae Tarraconensis episcopi Toletano tanquam primati debeatis esse subiecti. Sic enim a nobis in Toletanae ecclesiae privilegio constitutum e s t , quod nos omnino ratum volumus permanere. Nunc autem multo amplius quia ei nostrae solicitudinis vices in Hispania universa et in Narbonensi provincia ministrandas iniunximus".

1 E p . ad episc. Hispan. a. 1121 (J. 5069; M a n s i 21, 2 1 6 ) : „Notitiam vestram latere non credimus, quod . . . Urbanus et Paschalis ecclesiae Romanae pontiflces . . . Bernardum Toletanum primatem affectione praecipua dilexerunt . . . Etenim ei suas vices in vestris partibus committentes legatum eum sedis apostolicae statuerunt. E t nos ergo ei . . . vices nostramque similiter legationem duximus committendam . . . Rogamus igitur universitatem vestram, monemus atque praecipimus, u t e i s i c u t l e g a t o n o s t r o humiliter obedire et s y n o d a l e s c u m e o a d vocationem eins celebrare conventus, cum ecclesiasticae utilitatis causa e x e g e r i t , procuretis" . . . Der Präsident des Nationalkoncils von Palencia v. 1129 nennt sich demgemäss auch: „Raymundus Toletanae sedis archiepiscopus et primas ac sanctae Romanae ecclesiae legatus". ( M a n s i 1. c. p. 386).

ι S. ep. Paschalis I I . a. 1101. ( J a f f e n . 4 3 8 1 , M a n s i 20, 982), Calixti I I . a. 1121 ( J . 5067. M. 2 1 , 2 1 5 ) , Honorii I I . a. 1 1 2 5 ( N i c a s i u s 1. c. c. 4. η. 1), Lucii I I . a. 1144. ( J . 6067. M. 21, 609), Eugen. I I I . a. 1153 ( J . 6712. M . 2 1 , 670), Hadriani I V . a. 1156 ( J . 6922. M. 2 1 , 816), Urbani I I I . a. 1187, Calixti I I I . a. 1192, Innoc. I I I . a. 1209 ( N i c a s i u s 1. c. c. 21. n. 6 f f . ) , eiusd. a. 1212. registr. XJII. ep. 5. (ed. Bosquet 1, 6). 2 S. den Schluss von Note 8 auf S. 592. 3 Paschalis I I . ep. ad Bernard. Tolet. a. 1104 o. 1105 ( J . 4481, F l o r e z 1. c. 20, 9 1 ) bezeichnet diesen als legatus apostolicae sedis; ep. ad Mauric. Bracar. a. 1114 ( J . 4733, M a n s i 21, 1 1 7 ) als vicarius. Darüber, dass legatus hier der weitere Begriff ist, welcher auch für den vicarius im Sinnedes 11. und 12. Jahrhunderts gebraucht werden konnte, s. oben S. 508.

5 E p . ad Bernard. Tolet. a. 1115. ( J . 4 7 8 7 ; B a l u z e miscell. ed. M a n s i 1, 1 3 9 ) : „ . . . Nos autem in his vehementer regni turbationem et aetatistuae gravedinem infirmitatisque pensamus: idcirco te ab iniuncta super archiepiscopum et provinciam Bracarensem cura legationis absolvimus ut liberius ipse valeat in provincia sua iustitiam exercere". β Ep. ad eund. a. 1121. ( J . 5068, M a n s i 1. c. p. 2 1 6 ) : „ . . . suum te vicarium in partibus Hispaniarum constituit et sedis apostolicae legationem tibi honoriflce commendavit (Paschalis I I . ) . Et nos . . . eandem tibi legationem totam cooperante domino tribuentes exceptis nimirum Bracarensi et Emeritana metropoli". Fürdiese war seit 1120 in dem Metropoliten von Compostella ein päpstlicher Vikar bestellt worden, s. die Dekretalen J . 4991. 4992. 5149; F l o r e z 1. c. 20, 295. 296. 394.

594

I· D i e Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 75.

A u s den vielen Streitigkeiten, welche die Toletaner Erzbischöfe mit den anderen Metropoliten Spaniens, mit denen von B r a g a 1 , T a r r a g o n a 2 , Narbonne

4

K o m p o s t e l l a 3 und

über die A n e r k e n n u n g ihres Primates hatten, ergiebt sich nur, dass eine

E i n w i r k u n g auf die k i r c h l i c h e , namentlich die D i ö c e s a n - E i n t h e i l u n g u n d auf die B e s e t z u n g der Bischofsstühle nicht in den Rechten des Primates enthalten war 5 , andererseits a b e r , dass die Metropoliten v o n Toledo auf Grund ihres Primates das Recht b e a n spruchten, sich auch in den P r o v i n z e n

der übrigen spanischen Bischöfe

das Kreuz

vortragen z u l a s s e n 6 . W i r besitzen eine Urkunde I n n o c e n z ' ΙΠ. v o m J. 1 2 0 4 über die Errichtung eines Primates in B u l g a r i e n

und w e n n

in dieser als aus demselben herfliessende

Befugnisse — a b g e s e h e n von dem R e c h t , den Landesfürsten zu krönen — das R e c h t auf den Vorrang vor allen Metropoliten, kration der letzteren,

das R e c h t der Konfirmation

und K o n s e -

der Uebergabe der von Rom aus gesandten Pallien an dieselben

und das R e c h t , sich die Kreuzfahne vortragen z u lassen, aufgezählt w e r d e n 7 , so zeigen ι S. Ep. Gelasii II. ad Bern. Tolet. a. 1118. (J. 4886; M a n s i 21, 167; Eugen. III. ad loh. Bracar. a. 1145. (J. 6150; Μ. 1. c. p. 675), ad Hispan. reg. a. 1148 (J. 6430; Μ. 1. c. p. 672), ad Brac. archiep. a. 1149 (J. 6504; Μ. 1. c. 674), a. 1151 (J. 6585; Μ. 1. c h 676), a. 1153 (J. 6730; 1. c. p. 675), Hadriani IV. ad Brac. arch, a. 1156 (J. 6913; Μ. 20, 682; 21, 819; c. 7 (Honor. III.) X. de I. I. R. I. 41. In diesen ist nur davon die Rede, dass die Erzbischöfe von Braga den Primaten von Toledo die canonica t(bedientia et reverentia oder debita subiectio leisten sollen. Einzelne Schriftsteller, so ζ. B. A u g . B a ' r b o s a , de officio et potest, episcopi P. I. tit. 3. c. 8, gehen sogar so weit, Braga den Primat zu vindiciren und die Urkunde U r b a n s II., sowie die Konfirmationsbullen seiner Nachfolger für rechtlich null und nichtig zu erklären, s. 1. c. n. 69 ff. Dagegen auch de M a r c s 1. c. n. 127. S. ferner noch T h o m a s s i n 1. c. c. 38. n. 11 ff. G o n z a l e z Τ e i l e ζ ad c. 7. Χ. I. 41. n. 2. 3. 2 Ep. Eugen. III. ad Tarracon. archiep. a. 1151. u. a. 1153 ( J . 6582. 6710. 6729, M a n s i 21,677. 675. 674). 3 Ep. ad loh. Toletan. archiep. a. 1156 (J. 6919. M a n s i 21, 818). 4 Vgl. den Bericht über die Vorgänge auf dem Lateranensischen Koncil bei M a n s i 10, 524 ff. (s. auch H e f e l e , Konciliengesch. 5, 779 ff.); auf demselben stritten auch die andern im Text genannten drei Erzbischöfe wieder mit dem Toletaner über den Primat. 5 Ep. Alexand. III. ad archiepisc. Tolet. a. 1163 (J. 7315. M a n s i 21, 1060): „fraternitati tuae . . . mandamus, quatenus in tota Tarraconensi provincia nec in ordinandis ecclesiis nec in electionibus vacantium ecclesiarum faciendis auctoritatem tuam nullatenus interponas nec etiam ibi aliqua primatiae iuraattenteraliquatenus exercere, donec causa quae inter ecclesiam tuam et illam vertitur ad nostrum auditorium deferatur et . . . fine congruo terminetur". 6 S. die Dekretalen und sonstigen Aktenstücke aus dem Ende des 13. und aus dem 14. Jahrh. in den Streitigkeiten mit Narbonne und Tarragona bei d e M a r c a , I . e . 4, 123 ff. 129 ff. 135 ff. Vgl. über die Ausübung dieses Rechtes seitens

der Toletaner Metropoliten auch N i c a s i u s 1. c. P. II. c. 20. 7 Ep. 2. lib. VII ( B r e ' q u i g n y et l a P o r t e d u Τ h e i l , diplomata etc. II. 2, 443): „Archiepiscopo Trinovitano (von Tirnova) Bulgarorum et Blacorum primati eiusque successoribus canonice substituendis . . . Te quoque in regno Bulgarorum et Blacorum p r i m a t e m statuimus et ecclesiae Trinovitanae praesenti privilegio auetoritatem concedimus primatiae ut (1) tu et successores tui qui tibi in apostolicae sedis devotione successerint ceteros metropolitanos Bulgariae et Blaciae praecellatis ratione primatiae et ipsi tibi et eis iuxta formam canonicam reverentiam primati debitam exhibeant et honorem, fraternitatem tuam scire volentes quod apud nos haec duo nomina: primas et patriarcha pene penitus idem sonant, cum patriarchae et primates teneant unam formam, licet eorum nomina sint diversa. (2) Praesenti quoque privilegio tibi et per te tuis successoribus iniungendi, benedicendi et coronandi reges Bulgarorum et Blacorum in posterum liberam concedimus facultatem. Obeunte vero te . . . nullus ibi quolibet surreptionis astutia praeponatur, nisi qui canonice fuerit electus . . . secundum consuetudinem approbatum. Electus autem per metropolitanum et alios suffraganeos eiusdem ecclesiae qui poterunt interesse, in episcopum solemniter consecretur. Consecratus vero ad sedem apostolicam nuntios suos mittat, palleum . . . petituros in cuius suseeptione iuramentum illud nobis et successoribus nostris et ecclesiae Romanae praestabit quod alii primates et metropolitani secundum generalem consuetudinem nobis praestant et tu ipse in suseeptione pallei praestitisti . . . (3) Cum autem aliquis metropolitanorum qui tibi iure subiacent primatiae, viam fuerit universae carnis ingressus, conflrmabis electionem canonicam de persona idonea celebratam et personam electam in episcopum consecrabis. (4) Pro palleo vero nuntios tuos cum nuntiis ecclesiae cui praeest, ad apostolicam sedem mittes nosque illud tibi per eos libenter et hilariter transmittemus, per te metropolitano episcopo iuxta formam . . . solemniter conferendum, ita tarnen quod si legatum vel nuntium nostrum contigerit interesse id cum eo pariter exequaris". . . (4) Praeterea cruoem

§. 75.]

Die päpstlichen Vikarien und Primaten.

595

die Nachrichten über Toledo nur die Ausübung des zuerst und des zuletzt gedachten Rechtes 1 . Scheint es doch fast, als ob die Verleihung des Primates über die damals noch in den Händen der Mauren befindliche Provinz von Sevilla seitens H o n o r i u s ' III. im J . 1218 2 einen Ersatz für die stets von den übrigen spanischen Erzbischöfen angefochtene Primatialstellung Toledos hat bieten sollen. Auch das volltönende Privilegium M a r t i n s V. vom J. 1428, welches sogar eine Verleihung der Patriarchalrechte enthält 3 , und ferner eine der wirklichen Primatialjurisdiktion erwähnende Anordnung I n n o c e n z ' VIII. vom J . 1489 4 haben in dem früheren Zustande offenbar keine Aenderung herbeigeführt, denn der Jesuit J u a n M a r i a n a (geb. 1537, f 1624) legt dem Erzbischof von Toledo nur das Recht auf die Präcedenz vor den übrigen Bischöfen, die Befugniss sich das Kreuz vortragen zu lassen und etwaige National-Koncilien zu berufen bei, bemerkt aber, dass das zweite Recht nicht von allen Bischöfen Spaniens anerkannt würde und diese auch kaum sämmtlich einer Einladung zu einem National-KoncilFolge leisten würden 5 . Den Titel: P r i m a s von Spanien führt der Erzbischof von Toledo noch heute. Ausser seinem Recht auf die Präcedenz könnte — da Nationalsynoden nicht mehr gehalten werden — nur noch das Recht, sich das Kreuz vortragen zu lassen, in Frage kommen. Ob dies allseitig in Spanien anerkannt ist, darüber fehlt es an Nachrichten. 7. D i e V i k a r i a t e f ü r G a l l i e n u n d G e r m a n i e n im 9. J a h r h u n d e r t . Nicht aus kirchlichem Interesse, sondern im Interesse Kaiser Lothars verlieh im J. 844 S e r g i u s II. dem Erzbischof Drogo von Metz, dem Sohne Karls des Gr., den a p o vexillum videlicet dominicae passionis ante te per totam Bulgariae et Blaciam deferendi fraternitati tuae licentiam impartimur". . . Vgl. dazu P i c h l e r a. a. 0 . 2, 3 3 1 ; auch d e M a r c a 1. c. n. 4 9 (ed. cit. 4, 38. 39). 1 Auch weiss einer der eifrigsten Vertheidiger des Primates von Toledo, der mehrfach citirte Ν i c a s i u s nur davon (s. P. II. c. 6 . 1 6 . 18 ff. 20) zu»berichten. 2 N i c a s i u s 1. c. P. II. c. 5. n. 12 . . . „in Hispalensi metropoli ac eius provincia eidem ecclesiae praesentis scripti privilegio ius concedimus primatiae statuentes ut quum praefata metropolis ad christianorum manus redierit, tu, frater archiepiscope ac successores tui ea quae spectant ad primatis officium, exerceatis libere in eadem"; wiederholt von Gregor IX. a. 1231 (1. c. n. 19). Uebrigens ist Sevilla erst 1248 durch Ferdinand den Heiligen den Mauren abgenommen worden. Ν e h er a. a. Ο. 1, 341. 3 . . . N i c a s i u s 1. c. P. II. c. 5. n. 2 6 : „ . . . Venerabilem igitur Toletanam ecclesiam paternis . . . complectentes affeetibus quodque illius consideratione et intuitu archiepiscopus Toletan. pro tempore existens Primas est et propterea venerabilium fratrum nostrorum patriarcharum ad instar quorum ad primatum licet nomine duntaxat differat eaedem existunt dignitates quod praeeminentia dignitatis administralis attollendus sit aequanimiter, . . . venerabilem fratrem nostrum Ioannem et successores suos pro tempore existentes Toletanos archiepiscopos in nostris et successorum nostrorum Romanorum pontiflcum capellis generalibusque consistoriis et conciliis ac quibuslibet aliis publicis et privatis locis ultra sedis apostolicae notaries ac omnes ac singulos

alios et prius promotos q u i p r i m a t e s e t e l e c t o r e s i m p e r i i n o n f u e r i n t , archiepiscopos locum tenere illisque praeponi ac praeferri debere necnon omnibus et singulis praerogativis privilegiiset insigniisquae d i c t i s p a t r i a r c h i s competere poterunt, uti et gaudere libere liciteque posse, auctoritate apostolica tenore praesentium decernimus et declaramus". Ygl. oben S. 573. 4 N i c a s i u s I . e . n. 2 4 : ep. ad Petr. Gonzalez Mendotium : „ . . . at tu qui ecclesiae Toletanae . . . praecesse dignosceris usquequo controversiae praedictae (mit Braga) . . . debitus suus Unis impositus fuerit, apostolica auctoritate . . . primatiae officium et illi competentes iurisdictionem et superioritatem, appellationes ad eorum primatem pro tempore legitime interpositas recipiendo et admittendo ac in omnibus ad officium ipsum pertinentibus iustitiam administrando . . . exercere ac contradictores quoslibet et rebelies per ecclesiasticam censuram et alia iuris remedia compescere libere et licite valeas, auctoritate apostolica praesentis tenore concedimus". 5 Ep. ad Raymund. Villam bei M a r c a ed. cit. 4, 160. In den Worten: „El Arzobispo de Toledo no tiene superioridad ninguna sobre los otros arzobispos de este reyno ni puede castigar ä ninguno de ellos ni ä. sus subditos, ni visitar las otras diocesis, ni hay apelacion para este arzobispado de las otras provincias ny de sus obispos" spricht er dem Primas von Toledo jegliche Jurisdiktion ab. — Hat sich doch noch im Jahre 1677 die Kirche von S e v i l l a metropolitana y patriarcal u. im J, 1700 T a r r a g o n a primada de Espanas genannt. N i c a s i u s 1. c. P. III. c. 6. n. 1 2 ; c, 8. n. 17.

596

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

stolischen

V i k a r i a t über ganz G a l l i e n u n d G e r m a n i e n ,

[§· 75.

indem er ihm die

B e f u g n i s s e beilegte, für j e n e L ä n d e r allgemeine S y n o d e n abzuhalten und von den B e schlüssen der Provinzialsynoden Kenntniss z u nehmen, zugleich aber die Generalsynode dieser L ä n d e r zur zweiten Instanz für die g e g e n Bischöfe und Aebte angebrachten A n klagen bestimmte,

und

dem päpstlichen Stuhle bei zwiespältiger E n t s c h e i d u n g

Generalsynoden das zweitinstanzliche Urtheil vorbehielt

der

E s kann keinem Zweifel

unterliegen, dass dem Kaiser Lothar, »vermittelst der Autorität, mit der der Vikariat einen ihm persönlich nahestehenden Bischof seines Reiches bekleidete, eine Waffe in die H a n d g e g e b e n werden sollte, um zunächst in kirchlichen, damit aber auch in p o l i tischen D i n g e n eine Art von oberhoheitlicher Gewalt in den Herrschaften seiner Brüder zu erlangen« 2 , und der Papst durch die der damaligen fränkischen Staatspraxis z u w i d e r laufende Koncession zur Abhaltung rein kirchlicher Generalsynoden und V e r w e i s u n g der A n k l a g e n g e g e n die Bischöfe vor diese und die P r o v i n z i a l s y n o d e n 3 für die Pläne Lothars g e w o n n e n worden ist.

Zu irgend welcher praktischer A n e r k e n n u n g gelangte

aber die Vikariatswürde des Drogo, welcher w e g e n derselben auch als primas bezeichnet w i r d 4 , n i c h t 5 , j a die Kreirung derselben hat wohl mit die Veranlassung zur A u f s t e l lung einer eigenen T h e o r i e über die Primaten gegeben, Vikariat bekämpfen zu können.

um durch die letztere j e n e n

D i e pseudo-isidorischen Dekretaten erklären nämlich,

dass die Primaten oder Patriarchen »qui unam formam tenent, licet diversa sint nomina« in den Städten der früheren vornehmsten heidnischen Priester ihre Sitze g e h a b t 6 u n d durch

die

Apostel ihre unmittelbaren N a c h f o l g e r und das Koncil v o n N i c ä a

bestimmt s e i e n 7 ,

neue Patriarchate

oder Primate aber nur dann errichtet

1 Ep. ad episcop. Transalpines ( M a n s i 14, 806): . . . „Ad nostrae hurailitatis vicem cunctis provinciis trans Alpes constitutes Drogonem . . . cauta deliberatione constituimus . . . Et quia omnium vestrorum sollicitudinem illi gerere praecepimus, omnium volumus obedientia comitari . . . Huic ergo in congregandis generalibus synodis in omnibus supradictarumregionum partibus nostram commodamusauctoritatem etquidquid provincial! synodo fuerit deflnitum, ad eius absque dilatione statuimus notitiam perducendum. Si cui autem ab illis partibus hanc sanctam sedem appellare opus fuerit et in nostra audientia se audiri poposcerit, hunc commonemus, ut ad eius primum audientiam se summittat et ecclesiasticorum gestorum in sua regione rationabili digestione prolata, si episcoporum de eo qui forte criminibus impetitur, sententia discordaverit, ut ab aliis reus, innocens iudicetur ab aliis; tunc ipsis gestis ad nos delatis, litteris etiam praefati fratris nostri cui vicem nostram concessimus, commendatus sive ad nos sive ad b. Petri sedem securus accedat nullaque eum in veniendo mora praepediat. Quam etiam condicto fratri nostro Drogoni archiepiscopo in examinandis ac perquirendis episcopis et abbatibus sub hoc tenore hanc nostram licentiam et auctoritatem concessimus salvo in omnibus huius universalis Romanae sedis primatu nostrique praesulatus honore vigoreque et exaltatione carissimi ac spiritalis filii nostri domni HIotharii magni imperatoris. Nam nobis valde placuit, propter diversas ecclesiarum dei perturbationeshoc necessarium satisque dignum opus explere. Si vero hac admonitione contempta sola improbitate

fest-

werden

se criminibus exuendum existimaverit, noverit a nostra mansuetudine nequaquam se temerariam absolutionem adepturum, nisi primum provinciali synodo et postmodum generali praedicti fratris nostri audientia eius fuerit actio ventilata. lllic enim causa subtilius examinatur ubi perpetrata dignoscitur. Tarnen si se ad nos venire poposcerit ut ante praediximus, non teneatur. Si autem vel sui metropolitani provincialem synodum evocatus adire noluerit vel ad generalem praefati vicarii legatique nostri conventum venire contempserit, cum haec nostris apostolicis auribus per suas lit— teras intimare decreverit, nostra et totius ecclesiae catholicae se noverit auctoritate iudicandum". 2 D ii m m 1 e r , G esch. des ostfränkischen lleichs 1, 240. 3 Denn diese wurden nach fränkischer Reichspraxis im Königsgericht verhandelt. II i η s c h i u s, decretal. Pseudo-Isidor. p. CCXXI.; W a i t z , deutsche Verfassungsgesch. 4, 373. 4 In seiner Grabschrift heisst er: „praesul, praeses, dominus p r i m as q u e cis Alpes (Β r o w e r et Μ as e n annal. Trevir. Leodii 1670. 2 , 4 1 0 ) 5 Karoli II. concil. in Verno palatio a. 11 (LL. 1, 385); Hincmari Rem. de iure metropolitan, c. 31 (opp. ed. Sirmond2, 737), D iim m l e r a. a. 0S.-244. 245. 6 Pseudo-Isidor. Clement, c. 28; Analect. c. 26. 29; Stephan, c. 9. (ed. cit. p. 39. 79. 185.) = c. 1—3. Dist. LXXX; c. 1. Dist. XOIX. 7 Pseudo-Iul. c. 12; Felic. II. c, 5. 10 (ed. cit. p. 408. 4G9. 480. 483).

§• "75.1

Die päpstlichen Vikarien und Primaten.

597

dürften, wenn ein heidnisches Volk zum Christenthum bekehrt worden und wegen der grossen Anzahl der Bischöfe eine Centralstelle geschaffen werden m ü s s e w ä h r e n d sie in der Charakterisirung der Stellung und Rechte der Primaten sowohl gegenüber dem Papst als auch den Metropoliten unklar genug sind 2 . Nicht viel mehr als dreissig Jahre später wurde im Frankenreich noch einmal ein ähnlicher Versuch auf Veranlassung K a r l s des Kahlen mit der Ernennung des Erzbischofs A n s e g i s u s von S e n s zum Vikar von Gallien und Germanien g e m a c h t b e i welchem allerdings, wie die wenig selbständige Stellung des Vikars zeigt, in Folge des Einflusses der Pseudo-Isidorischen Dekretalen päpstlicherseits eine Herabdrückung der Gewalt der Metropoliten beabsichtigt war 4 . Indessen konnte auch dieser Vikariat zu keiner allgemeinen Anerkennung gelangen 5 , auch hörte er schon mit der Ernennung des Erzbischofs Rostagnus von Arles im J. 878 zum Vikar für Gallien auf 6 . 8. Die P r i m a t e n in F r a n k r e i c h . Schon im 9. Jahrhundert — noch vor der Ernennung des Ansegisus zum Vikar — hat der Erzbischof von Β ο u r g e s die Stellung eines Primaten oder Patriarchen dem Bisthum Narbonne gegenüber prätendirt 7 , und wenn N i k o l a u s I. in der citirten Dekretale von 864 auch den Erzbischof in seine Schranken zurückweist, so erkennt er doch den Primat desselben indirekt dadurch an, dass er ihm das Recht beilegt, die in den Bisthümern des Bezirkes nicht zur Erledigung gelangenden Sachen zu verhandeln und im Fall der Vakanz eines solchen mit Genehmigung der andern Bischöfe die Verwaltung der betreffenden Kirche zu führen, lieber die Entstehung dieses Primates, welche wohl jedenfalls mit der Qualität von Bourges als Hauptstadt von Aquitanien in Beziehung steht, ist nichts bekannt. Da sich die mehrfach beliebte Datirung der Primatialstellung auf die Zeiten Karls des G r . 8 als unhaltbar 9 erweist, und J o h a n n VIII. bei der Versetzung Frothars von Bordeaux auf den bischöflichen Stuhl von Bourges nur von den Metropolitanrechten der letztgedachten Kirche spricht, des Primates aber mit keinem Worte gedenkt 10 , so wird es sich zur Zeit Nikolaus' I. wahrscheinlich nur um einen Versuch der Erzbischöfe, auf Grund der politischen Bedeutung der Stadt, ihrer Kirche auch eine höhere kirchliche Stellung zu verschaffen, gehandelt haben 11 . Erst seit dem 12. Jahrhundert findet sich die Be1 Pseudo-Isidor. Annic. c. 3 (ed. cit. p. 121) = c. 2. Dist. XCIX. 2 S. H i n s c h i u s decret. Pseudo-Isidor. p. CCXIV. CCXXIV. Ueber die Umdeutung dieser Stellen durch Hinkmar von Kheims vgl. W e i z s ä c k e r , Hinkmar u. Pseudo-Isidor in der Zeitschrift für histor. Theologie 1808. 22, 384 ff.; u. auch P h i l l i p s 2, 73. 3 Ep. Ioann. VIII. ad episcop. Galliae et Germaniae a. 876 ( M a n s i 17, 225): „ . . . innotescimus . . quia pro allevandis multiplicibus oneribus ecclesiasticis . . . quibus maxime super negotiis ex Galliarum et Germaniarum partibus nobis assidue destinatis arctamur, Ansegisum . . . qui quoties utilitas ecclesiastica dictaveiit sive in vocanda synodo sive in aliis negotiis exercendis per Gallias et Germanias vice nostra fruatur. Et volumus, ut decreta sedis apostolicae per ipsum vobis manifesta efficiantur et rursus quae gesta fuerint, eius nobis relatione, si necesse fuerit, pandantur: ut maioia negotia ac difticiliora quaeque suggestione ipsius a nobis disponenda et enucleanda quaerantur".

H i n s c h i u s , Kirchenrecht.

* D i i m m l e r a. a. Ο. 1, 837. 5 A. a. 0 . S. 844. 847. 6 S. oben S. 591. n. 2. Wenn sich der Erzbischof von Sens auch auf dem Koncil zu Paris v. J. 1429 ( H a r d o u i n 8, 1039): ,,Senon. archiepiscopus totiusque Galliae et Germaniarum primas" nennt, so bildet die hier erwähnte Vikariatsbestellung offenbar die Grundlage für diese Prätension. ' c. 8 (Nicol. I. a. 864) C. IX. qu. 3. S. oben S. 573. n. 2. 8 T h o m a s s i n 1. c. c. 22. n. 6. 7 ; c. 35. 9 Das ergiebt ep. Hadriani I. 791 ( J a f f e , monument. Carol, d e M a r c a 1. c. η. 52. (ed. cit. w S. oben S. 238. η. 6 ; 314.

ad Carol, a. 784— p. 278). S. auch 4, 40). η. 8.

11 Zu dieser Vermuthung passt auch die Haltung des angeführten Briefes von Nikolaus I. (s. S. 573. n. 2), welche kein ausdrückliches Anerkenntniss abgiebt und ebensowenig den Streit mit Narbonne durch eine bestimmte, direkte Entscheidung erledigt.

39

I- Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

598 Zeichnung:

»primae Aquitaniae«

!§. 75.

für den Erzbischof von Β ο u r g e 6 nicht nur in

vielen Grabschriften 1 , sondern auch in mehrfachen päpstlichen Dekretalen 2 wieder. Der Primat erstreckte sich damals über die Erzbisthümer A u c h ; i , B o r d e a u x 4 Narbonne5.

und

Im J. 1305 wurde aber Bordeaux 6 und im J. 1403 auch N a r b o n n e 7

von demselben eximirt.

Dagegen verblieb das von Johann X X I I . (1314—1334) zum

Erzbisthum erhobene Bisthum von T o u l o u s e d e s s e n Metropole Narbonne

gewesen

war, unter der Primatie von Bourges 9 und das im J. 1678 errichtete Erzbisthum A l b i 1 0 scheint gleichfalls noch mit demselben im Primatialverbande geetanden zu haben 11. Was die Rechte der Primaten betrifft, für welche noch in Grabschriften des 17. Jahrhunderts die Bezeichnung: kommt

12,

»patriarcha Biturieus, primae Aquitaniae«

so müssen diese ziemlich umfassend gewesen sein.

vor-

Abgesehen von dem

Rechte, sich die Kreuzfuhne vortragen zu lassen 13 , wird ihnen das Recht zur Ueberwachung der Beobachtung der Kirchengesetze und zur Verhinderung ihrer Uebertretung beigelegt 14 . Z u e r s t in

1

Sie haben ferner das Visitationsrecht der Sprengel der ihnen

d e r des E r z b i s c h o f s

1 1 2 0 ) s. G a l l i a C h r i s t i a n a 2, 4 7 ; ρ.

Γ)0.

53.

1200):

55;

Leodegar

s. f e r n e r

( j

ibid.

die G r a b s c h r i f t H e i n r i c h s I .

„Hic b o n u s

Henricus

vir nobilis

et

t r i a r c h a Q u o n d a m B i t u r i e u s t u m u l i iacet

(f pa-

hnius

in area", ( i b i d . p . 5 9 ) . 2

et successores, vinciam

ecclesiam i p s a m ,

Burdegalensem \

. . ab

p r i m a t i a e et superioritatis

II.

B i t u r . a. 1126.

pro-

huiusmodi

iure

omnique

iurisdictione

ac pote6tate B i t u r i c e n s i e archiepiscopi

et s u c c e s -

S.

ep.

(Gallia

Ilonorii

Christ. 2,

i n h i b e n t e s , n e i d e m archiepiscopus v e l eius s u c c e s sores seu d e c a n u s et c a p i t u l u m

Bituricens.

instr. p . 11. 1 2 ) : „ S a n e in registro P a s c h a l i s p p .

m u n i t e r vel d i v i s i m

II.

i n te v e l successores tuos B u r d e g a l e n s e s

praedecessoris

in h u n c m o d u m : versum fratrem

nostri

contineri

perspeximus

B i t u r i c e n s i archiepisoopo. nostrum A u x i t a n u m

archiepiscopum querelam

(von

AdAuch)

te d i u t i u s egisse c o g n o -

v i m u s pro eo quod tibi t a n q u a m p r i m a t i

debi-

e t i a m sede B i t u r i c .

v g l . auch c. 17. X . de maior. et o b e d .

tuam e x

I I . 14 u. G o n z a l e z

per orarium

q u o d t u n c temporis

iudicio

gerebamus

obe-

dientia metropolitana e i u s d e m i n v e s t i v i m u s ,

salvo

n i m i r u m i u r e A u x i t a n a e ecclesiae ut v i d e l i c e t tibi

donee,

si

tamquam

primati

in-

subditus

sit,

l i b e r t a t e m ecclesiae s u a e vendicare v o -

Tellez

q u o q u o modo p r a e s u m a n t " .

e d . cit. 4, 127. Thomassiii 7

Ueber

wieder

Clement.

III.

reg.

ad

10102;

Henr.

Bitur.

Martene

a.

et

T h e s a u r . n o v u s aneedotor. 1, 6 3 1 ) .

1188.

Durand, S.

auch

die

folgenden Noten.

Krzbischof

von A u c h

an

den

1200 s c h r e i b t von

Bourges

8

S. die in der

dicta

provincia

r i a e ρ r im at iae

XXII".

omnem

super

nostras

Auscitanam

litteras

tarn obedientiam

provinciam

recognoscentes

quam

reverentiam

et

pri-

mati d e b i t a m p r o m i t t i m u s " . 4

Ep.

Eugen.

III.

( J a f f e r e g . n. 6 2 2 3 ;

Mansi

Bituric. 21,

a.

1141!

668):

c o n ü r m a m u s , ut s u p e r duas provincias ,

videlicet

s u p e r i p s a m B i t u r i c e n s e m et s u p e r B u r d i g a l e n s e m primatum

obtinens,

von

sicut h a c t e n u s obtinuisse d i -

vorigen

N o t e citirte

9

Narbonensi per

fei.

getheilt:

,,Dionysius ( D u

ante

vos d e f e r r i

»

S.

existebant,

record.

Ioannem

in pp.

coniirmatur a Bituricensis

vicariis

primatis

Moulin)

generalvbus 10.

Ian.

et

. . . archiepi1422

(1423)

archiepiscopi consecratar

a

L a u d u n e n s i , N o v i o m e n s i et A l b i e n s i episcopis". 10

Die

Erektionsbulle

Innocenz'

XI.

in

Gallia

Christ. 1. i n s t r . p . 1.

13 S . N o t e 4 .

d a r ü b e r u n t e n S. 6 0 0 .

D a h i n (1. c. p . 1 2 3 8 ) : ,,Ego T h o m a s Eboracensis ecclesiae c o n s e c r a n d u s m e t r o p o l i t a n u s protiteor s u b i e c t i o n e m et canonicam o b e d i e n t i a m s. D o r o b e r n e n s i ecclesiae et e i u s d e m p r i m a t i canonice electo e t consecrate et successoribus suis canonice i n t h r o n i z a t i s salva fidelitate domini mei regis H e n rici A n g l o r u m et salva o b e d i e n t i a e x p a r t e mea t e n e n d a q u a m T h o m a s antecessor m e u s s. Komanae ecclesiae ex p a r t e sua p r o f e s s u s est". Vgl. a u c h H e f e l e , Konciliengesch. 5, 2 6 3 . 2 6 4 . 6

Koncil von Salisbury ( M a n s i 2 1 , 153). 8 . den B e r i c h t des O r d e r i c u s Vitalis bei M a n s i 2 1 , 2 3 8 , wonach i h m zugleich das P r i v i leg e r t h e i l t worden i s t : ,,ne C a n t u a r i e n s i m e t r o p o litae veluti magistro sed quasi coepiscopo s u b i i c e r e t u r " ; schon P a s c h a l i s II. h a t im J . 1 1 1 7 i n dieser A n g e l e g e n h e i t m e h r e r e E n t s c h e i d u n g e n e r l a s s e n , welche sich insofern w i d e r s p r e c h e n , als sie 7

in Bezug auf die Hechte von C a n t e r b u r y das V e r hiiltniss zu York sowohl nach den F e s t s e t z u n g e n Gregors I. (s. 8 . 6 1 6 . η. ? ) als auch nach dem Besitzstand des h. A n s e l m r e g e l n . 8 . e p . ad H e n r . reg. u . H a d u l p h . C a n t u a r . ( J . 4 8 3 4 . 4 8 3 8 . 4 8 3 9 ; M a n s i 20, 1 1 0 1 . 1 1 0 2 ; D o d s w o r t h e t Kugdalc. monastic. Anglic. London. 1655. 3, 143). » ep. ad G u i l l . C a n t u a r . a. 1125 ( J . 5 2 2 3 ; D o d s w o r t h o t ü u g d a l e , monastic Anglican. 3, 147). " 8 . oben S. 6 1 6 . u. 7. «I e p . , a d T h u r s t a n . Eborac. a. 1125 ( J . 5 2 2 4 ; M a n s i 21, 525): p r o h i b e m u s , ne u l t e r i u s a u t C a n t u a r i e n s . archiepiscopus Eboracensi professionem q u a m l i b e t e x i g a t a u t Eborac. C a n t u a riensi e x h i b e a t n e q u e quod p e n i t u s a. b. Gregorio p r o h i b i t u m est, ullo modo E b o r a c e n s i s C a n t u a r i e n s i s ditioni s u b i a c e a t " . . . 11 e p . ad Roger. Eborac. s. T h o m a e C a n t u a r i e u s . epist. ed. G i l e s , Oxonii 1 8 4 5 . 2, 4 3 : „crucem a n t e te d e f e r e n d i sicut praedecessores uostri . . . t u i s antecessoribus c o n c e s s e r u n t et ipsi ex a n t i q u a c o n s u e t u d . n e usi f u i s s e n o s e u n t u r , regem q u o q u e corouanrii" . . . Nach d e m B e r i c h t e von G i l b e r t F o l i o t ( e p . ad G i l e s . Oxonii 2, 7 1 ) dazu bewogen d u r c h das von Roger m i t g e t h e i l t e : „scriptum Honorii p p . in quo c o n t i n e b a t u r a n t e c e s s o r i b u s suis . . . i n d u l t u m f u i s s e , u t tarn iis q u a m successoribus suis l i b e r u m esset p e r t o t a m A n g l i a m a n t e c r u c e m deferre 1 ', während das Original (s. o b e n n . 8 ) die gesperrt g e d r u c k t e n W o r t e n i c h t e n t h ä l t . Vgl. übrigens auch R e u t e r , Gesch. A l e x a n d e r s I I I . 2 . A u s g . 1, 2 7 1 . 12

e p . T h o m a e ad A l e x . I I I . I. c. I, 6. epistolae ad Roger. Eborac. a. 1 1 6 2 — 1 1 6 3 (so R e u t e r a. a. Ο. 1, 5 5 2 , nach J a f f e ' reg. n . 7 3 6 2 . 7 3 6 3 . a. 1 1 6 4 ; ed. G i l e s . 2, 4 3 . 4 4 ) , s. auch e p . ad Thon), a. 1 1 6 4 (ibid. p. 8 ) . 13

§• 05. a S. S. 5 9 3 . 6 0 8 . 6 0 9 . 6 1 1 . * S. das oben S. 6 0 1 über Vienne Bemerkte. 5 S. S. 6 0 5 . 0 Der Zusammenhang zwischen dieser politischen und kirchlichen Bedeutung zeigt sich auch darin, dass fast allen Primaten das Recht zur Krönung der Herrscher der betreffenden Länder zustand, vgl. oben bei Toledo, Bulgarien, Canterbury und Gran. 7 Hieraus erklärt es sich, dass man auch da, wo die Möglichkeit nicht vorhanden war, eine

jurisdiktioneile Stellung über andere Metropoliten zu erhalten, doch wenigstens zunächst e i n e n derartigen Titel zu erlangen suchte. S. oben unter Rheims und das S. 5 9 9 ff. über die Streitigkeiten unter den verschiedenen französischen Primaten Bemerkte. 8 Das galt namentlich von den drei geistlichen deutschen Kurfürsten, welche trotzdem, dass sie keine eigentliche Primatialjurisdiktion besassen, doch den Rang vor den übrigen Primaten hatten (s. die Const. Martin. V . oben S. 5 9 5 ) und später dasselbe Prädikat wie die Kardinäle führten (s. oben S. 3 5 7 ) ; was ihre gegenseitige Stellung betraf, so wurden sie nach der goldenen Bulle wesentlich gleich behandelt (s. oben S. 6 1 3 ) , sie konkurrirten auch sämmtlich bei der Krönung des deutschen Königs, während freilich die K o n s e kration im eigentlichen Sinne dem Erzbischof von Köln (Aur. bulla c. 4 . §. 4 ) z u k a m , ein Recht, welches ihm jedoch später von Mainz bestritten worden ist. S. S c h m a u s s , Corp. iur. publ. S. lt. Imperii. Leipzig 1 7 5 9 . S. 1 0 2 8 . n. a ; W a l t e r , deutsche Rechtsgeschichte. §. 3 4 3 ; Z ö p f l , deutsch. Staatsrecht. 5. Aufl. 1, 1 8 2 ; weitere ältere Litteratur bei S t o b b e , Herman Conring. Berlin 1870. S. 3 7 ff.

628

I· Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

j§. 75.

Anfang einer wissenschaftlichen Behandlung des Rechtes gemacht war und das Papstthum noch in Abhängigkeit vom Kaiserthum stand auf jenen Unterschied kein Gewicht gelegt. Gerade dieselben Motive, welche einen Theil der Kirchenfürsten die Erlangung der Primatialstellung oder wenigstens des Titels als begehrungswerth erscheinen Hessen, trieben die anderen, über welche jene höheren Rechte geltend gemacht werden sollten, zur Opposition an, um so mehr als diese noch durch den meistens vage gehaltenen Ausdruck der Primatialprivilegien erleichtert wurde. So hat denn bei einzelnen Primaten (so ζ. B. dem von Vienne) ihre Würde nie eine volle Realität erlangt und andere, welche derartige Rechte haben ausüben können (so die von Toledo, Bourges, Canterbury), haben sie nicht dauernd zu bewahren vermocht. Zu einer regelmässigen Stufe der kirchlichen Verfassung ist der Primat im Abendlande nicht geworden, weil er nicht aus der Natur der Verhältnisse herausgewachsen ist. Ja, er hat nicht einmal da, wo er die höchste und einzige derartige Würde in einem bestimmten Lande war, die Funktion erfüllt, die kirchlichen Kräfte der Nation zu einer mit bestimmten Tendenzen erfüllten Nationalkirche zusammenzufassen oder nur sich an die Spitze derartiger Bewegungen zu stellen. Theils hat in den Zeiten des Mittelalters, in welchen der Primat in der abendländischen Kirche hervortritt, ein bewusster Gegensatz zwischen der Nationalität und der römischen Kirche nicht stattgefunden, theils bedurften die Primaten, sofern sie, wie ζ. B. Thomas Becket, nicht schon durch ihre eigenen hierarchischen Anschauungen zu Rom hingezogen wurden, immer der Anlehnung an den päpstlichen Stuhl, um der Opposition der einzelnen Bischöfe gegenüber ihre auf den Primat gestüzten Ansprüche durchführen zu können. Weil der Primat kein regelmässiges Glied in der Organisation der abendländischen Hierarchie geworden ist, lässt sich keine allgemein gültige, rechtliche Charakterisirung desselben geben, weder in Bezug auf seine Entstehungsart, noch in Bezug auf den Umfang seiner Jurisdiktionrechte. Deshalb ist die oben S. 623 erwähnte Anknüpfung an den Vikariat und die Legation, weil sie allgemein hingestellt wird, unrichtig. Ebenso aber auch die in den Kompendien hergebrachte Bemerkung, dass die Primaten die ersten Erzbischöfe eines Reiches gewesen seien und das Recht besessen haben, die NationalKoncilien zu berufen und ihnen zu präsidiren 2 . Denn, wie gezeigt ist, war ζ. B. zwischen dem Primaten von Rheims, welcher über seinen Metropolitansprengel hinaus kein Recht besass, den deutschen Primaten, deren hervorragende Bedeutung wesentlich auf ihrer politischen Stellung beruhte, und den übrigen französischen Primaten, welche meistens höhere jurisdiktionelle Befugnisse über andere, ihnen untergegebene Metropoliten ausübten, ein wesentlicher Unterschied. Gemeinsam ist allen nur eine hervorragende Stellung unter den übrigen Metropoliten :1, welche aber im Einzelnen so ver1 Wie das die auf dasselbe Resultat hinauslaufenden Privilegien des 10. Jahrhunderts für die deutschen Erzbischöfe zeigen, welche die hervorragende Stellung bald auf den Vikariat, bald auf den Primat gründen, s. oben S. 6 0 8 ff. 2 Wiese, Handbuch 1, 7 6 3 ff. ; Walter §. l ü ö ; P a c h m a n n 120; Kunstmann, Grundzüge eines vergleichenden Kircheurechts. München 1 8 6 7 . S. 1 4 1 ; G e r l a c h , Kirchenrecht S. 3 0 8 . Andere unter den neueren, sowie die älteren, s. ζ. B. B a r b o s a , ius eccles. u n i -

vers. I. c. 6. n. 4 4 ; E n g e l , coll. iur. I. 3 3 . n. 2 3 ; R e i f f e n s t u e l I. 3 1 . n. 1 0 ; S c h m i e r , lib. I. tr. 5. c. 4. s. 2. n. 4 0 beschränken sich auf eine ganz unbestimmte Charakterisirung der Stellung der Primaten. 3 Mit Recht sagt daher G o n z a l e z T e l l e ζ ad c. 2 . X . de accusat. V. 1. η. δ: „in iure·canonico Primas dicitur is qui apud ecclesiasticos in provincia, regno vel natione aliqua sedis dignitatem habet".

§. "'S.:

Die geborenen Legaten.

629

schieden ist, dass mit der Hervorhebung dieses gemeinschaftlichen Momentes nichts gesagt wird. IV. D i e L e g a t i n a t i o d e r g e b o r e n e n L e g a t e n . Schon die Dekretalensammlungen kennen neben den S. 511 besprochenen beiden Klassen der päpstlichen Legaten, den legati a latere und den legati missi, eine dritte Klasse. Die in die letztere gehörenden Legaten werden von ihnen bezeichnet als »legati qui praetextu ecclesiarum legationis sibi vc-ndicant dignitatem « 1. Wenn man diese für solche päpstliche Bevollmächtigte erklärt, deren Legation dauernd mit einem bestimmten Amte oder einem Prälatensitz verbunden ist, so erscheint das allerdings richtig. Aber man hat dabei übersehen, dass die in Frage kommenden Quellenstellen sich nicht in dieser Weise ausdrücken , sondern nur von einem Beanspruchen der Legation mit Rücksicht auf die Würde bestimmter Kirchen sprechen. Es liegt darin ein deutlicher Fingerzeig für die Entwicklung dieser Art von Legaten, über welche selbst noch die neuere Doktrin zum Theil vielfach schweigt 2 oder über welche, soweit man sie zu erklären versucht hat, bisher meistens unhaltbare Ansichten aufgestellt sind11. Nach dem Erlöschen der Vikariate der alten Zeit findet sich, mit Ausnahme der Privilegien Gregors VII. von 1078, Innocenz' II. von 1 138, Innocenz'III. von 1198 für Pisa und Alexanders III. von 1179 für Salzburg 4 , bis zur Zeit der Dekretalensammlung Gregors IX. keine Urkunde, in welcher deutlich die Uebertragung der Legatenwürde auf einen bestimmten Bischofssitz oder auf ein sonstiges kirchliches Amt ausgesprochen wäre. Wohl aber haben eine Reihe von Erzbischöfen, welche zugleich als Primaten erscheinen, so ζ. B. die Erzbischöfe von Mainz, Trier, Köln, Salzburg, Canterbury, York und Rheims 5 wiederholt die Legation verliehen erhalten und machten offenbar auf Grund dieser Vorgänge für ihre Kirchen Ansprüche auf dieselbe, weil die stets wiederholte, eigentlich nur der Person geltende Verleihung im Laufe der Zeit als eine Anerkennung, dass dem betreffenden Sitze jene Würde zustand, aufgefasst wurde ; das umsomehr, als diese Erzbischöfe ebenfalls die Primatialstellung besassen und die aus dem Primat und der Legation hervorgehenden Rechte vielfach gleich waren 7 . Die vorhin angeführte Ausdrucksweise der einschlagenden Dekretalen bestätigt das vollkommen, denn sie ergiebt, dass die Päpste die Berechtigung auf die dauernde Legation bei allen dieselbe prätendirenden Erzbischöfen nicht direkt anerkennen, aber andererseits auch nicht in Abrede stellen wollten. Da man die hervorragende Stellung der in Frage kommenden Bischöfe nicht 1 c. 9. (Gregor. I X . ) X. de legat. I. 3 0 ; c. 1. (Innoc. IV.) in VI'" eod. I. 15 fs. oben S. 512. n. 4. S. 511. n. 2). S. z. B. E i c h h o r n , K. R. 1, 612; W a l t e r §§. 135. 136; R i c h t e r §. 128; G i n z e l 1, 207; S c h u l t e 2, 360 ff. 3 Unter den Aelteren knüpfen ζ. B. F l o r e n s ad lib. I. decret. tit. 30. ed. D o u j a t . 2, 169; v a n E s p e n , J. E. U. P. I. tit. 21. c. 1. n. 15 an die früheren Vikariate, so namentlich den von Arles an, welcher aber nur ein persönlicher gewesen ist, wenngleich er wiederholt hinter einander an mehrere Metropoliten verliehen wurde ; P h i l l i p s 6, 741 lasst die legati nati aus den Primaten — wie sich diese Entwicklung vollzogen hat, giebt er nicht näher an — hervorgehen, während, wie vorhin S. 625 gezeigt, Legation und Primat auseinander gehalten worden sind.

* S. oben S. 605. 606. S. 611. η. 1. Hin f h i n ·• , Kijvheiirt'Chl

5 S. oben S. 608. 610. 611. 612. 617 ff. 605. 6 Eine, wenn auch nicht ganz korrekte Andeutung des richtigen Zusammenhangs bei P e t m a n e d e r §. 185. Uebrigens bestätigt die vorhin gedachte Urkunde Alexanders III. die Auffassung des Textes insofern, als sie als Motiv der dauernden Verleihung der Legation die früher stets wiederholte Uebertragung an die Erzbischöfe von Salzburg angiebt. In dem Privileg Pauls IV. für den Rheimser Erzbischof, Kardinal Karl von Lothringen v. 1555 ( M a r l o t , metrop. Remensis histor. 2, 807) heisst es: „ . . . Ita ipsa (ecclesia Remensis) inter ceteras partium illarum ecclesias primatum tenens variis . . . honoribus decorata reperiatur eiusque praesul . . . Romanorum vero pontifici, p r a e d e c e s s o r u m n o s t r o r u m b e n e f i c i o e t p e r m i s s i o n e ab e o t e m p o r e c u i u s i n i t i i m e m o r i a non e x s t a t . d i c t a e sedis l e g a t u s - n a t n s habeatur'· . . . " S. oben S. 626. 41

630

I. Die Hierarchie und die Leitung der Kirche durch dieselbe.

[§. 75.

läugnen, theilweise weil sie nicht allein auf dem Fundament der Legation ruhte, auch nicht beseitigen konnte, so hätte man mit der genauen Untersuchung jener Ansprüche nur ärgerliche Streitigkeiten hervorgerufen, welche um so nutzloser gewesen wären, als die Päpste in der Absendung von legati a latere, bei del-en Erscheinen die Jurisdiktion aller übrigen Legaten cessirte 1 , ein sehr bequemes Mittel hatten, die Wirksamkeit jener ständigen Legaten zu neutralisiren. Weiter wird die hier entwickelte Ansicht dadurch bestätigt, dass im Mittelalter als Beispiele solcher legati nati gerade wiederholt die Erzbischöfe von Canterbury und Rheims angeführt werden 2 , bei welchen eine für ihre Sitze erfolgte Verleihung der Legation nicht nachweisbar ist 3 , obwohl die Hinweisung auf Salzburg, dessen freilich nicht, wie Canterburys in den Dekretalen selbst (c. 1. X. de off. legati 1. 30), gedacht wird, viel berechtigter gewesen wäre. Endlich kommt dazu, dass der Ausdruck legatus natus dem kanonischen Rechtsbuch fremd ist. Er erscheint zuerst in der Doktrin des 13. Jahrhunderts 4 und officiell, soweit ich habe ermitteln können, in dem Privilegium Bonifazius' IX. für Gran vom J. 1394 5 , während die älteste bei der Kurie für diese Legaten gebrauchte Bezeichnung legatus perpetuus ist 6 .

In den hier in Rede stehenden Urkunden wird freilich mit Ausnahme der für Prag das ius legationis mit dem ius primatiae zusammengestellt, aber gerade darum trifft es auch für die hier in Rede stehenden beiden Primaten von Gran und Gnesen nicht zu, dass sich die Würde der geborenen Legation aus dem Primate entwickelt hat; denn die Erwähnung beider Stellungen zeigt, dass man sie noch damals in der Theorie unterschieden hat. Ja, bei Prag, welches erst kurz vor der Ernennung seines Bischofs zum geborenen Legaten, zum Metropolitansitz erhoben worden ist, und dessen Primat eine rein politische Bedeutung hatte, kann vollends davon nicht die Rede sein. Was die R e c h t e der legati nati betrifft, so wird in den Verleihungsurkunden auf die den Legaten de iure zustehenden Befugnisse hingewiesen 7 , und in der für Gnesen sogar die Gleichstellung mit den geborenen Legaten von Canterbury ausgesprochen \ Diese letztere Hervorhebung erklärt sich daraus, dass in der Doktrin als Prototyp der legati nati dieser in c. 1. X. de off. legati I. 30 erwähnte Erzbischof galt, um so mehr als eine andere Stelle, welche die Befugnisse der legati nati positiv hinstellt, nicht nachweisbar ist. Das erwähnte Kapitel legt dem genannteil Bischof die Jurisdiktion der gewöhnlichen Legaten bei 9 und man wird um so weniger mit der Annahme, dass die Befugnisse der geborenen Legaten der Theorie nach denen der legati missi (s. oben S. δ 17) gleich sein sollten 10 , fehl gehen, als die jüngeren Urkunden für Gran ausdrttck1 S. oben S. 515. Bei H o s t i e n s i s in der oben S. 512. n. 6 citirten Stelle; ebenso der erstere in der Glosse zu c. 1. in VI 4 0 de legatis. I. 15. s. v. officii nostri. 3 S. oben S. 604. 617. 4 Bei D u r a n t i s specul. iur. lib. I. part. I. de legato. §. 3. η. 3 ff. und der Glosse a. a. 0 . ; H o s t i e n s i s 1. c. spricht nur erst von legati qni nascuntnr. 5 S. oben S. 623. n. 2 ; dann in dem Diplom Leos X. für Gnesen von 1515 (s. S. 621. n. 12). In den weiteren Privilegien für Gran von 1451 u. 1513(s. S. 623. n. 3) ist gleichfalls von der legatio nata die llede. Die Erzbischöfe von Köln nannten 2

sich früher apostolicae sedis legatus und erst seit Anfang des 16. Jahrhunderts (s. oben S. 612), die von Rheims dagegen schon seit 1499 legatus natus ( M a r l o t 1. c. 2, 766). 6 In dem Privileg für Prag v. J.J1365; s. oben S. 614. n. 2. ^ S. oben S. 614 u. S. 623. 8 S. oben S. 621. n. 12. 9 Indem es erklärt, dass schon die Kechtsangelegenheiten erster Instanz an ihn gebracht werden können. 10 Dasselbe nimmt auch die ältere Doktrin an, s. G o n z a l e z T e l l e z ad c. 1. cit. n. 5. 6 und ensio ipso i u r e , welche den so unerlaubter Weise Geweihten trifft, hat die eben erwähnte Konstitution P i u s ' I X . unter den dem Papst zur Dispensation reservirten Suspensionen (s. K o b e r , Suspension S . 191. 1 9 2 ) unter nachstehenden Voraussetzungen aulrecht erhalten ( M o y a. a. 0 . S. 3 3 1 ) : „Suspensionem ab ordine suscepto ipso iure iiicurrunt, qui eunidem ordinem recipere praesumpserunt ab excommunicato vel suspenso n o m i n a t i m d e n u r i c i a t i s aut ab haeretico vel schismatico notorio: eurn vero qui bona fide a quopiam eorum est ordinatus, exercitium non habere ordinis sic suseepti, donec dispensetur, declaramus 11 . S. 101 zum Schluss von Nr. V . : Mit Rücksicht auf die vorstehend citirte Konstitution P i u s ' I X . sind die Suspensionen, welche nach den oben S . 9 8 f f . gemachten Mittheilungen durch das Tridentinum festgesetzt sind, in ihrer Qualität als censurae latae sententiae stehen geblieben, denn die Konstitution verordnet ( M o y a. a. 0 . S . 3 3 1 ) : „Denique quoscumque alios sacrosanctum concilium Tridentinum suspenses aut interdictos ipso iure esse decrevit, nos pari modo suspensioni vel interdicto eosdem obnoxios esse volumus et declaramus'·. Von den die Geweihten und die Bischöfe sonst treffenden, nicht durch das Tridentinum eingeführten haben die Qualität als latae sententiae nur behalten folgende I s. const, cit. Rubrik: suspensiones latae sententiae summo Pontitici reservatae): . . . 7. „Clerici saeculares exteri ultra quatuor menses in Urbe commemorantes ordinate ab alio quam ab ipso Ordinario absque licentia Card. Urbis Vicarii vel absque praevio examine coram eodem peracto vel etiam a proprio Ordinario, posteaquam in praedicto examine reiecti fuerint (s. oben S . 9 6 . n. 7 ) ; liec non clerici pertinentes ad aliquein e sex episcopatibus suburbicariis, si urdiiientur extra suam dioecesim, dimissorialibus sui Ordinarii ad alium directis quam ad Carilinalem Urbis Vicarium ( S . 96. n. 1 1 ) ; vel lion praemissis ante Ordinem sacrum suseipiendum exercitiis spiritualibus per decern dies in domo urbana Sacerdotum a Missione nuneupatorum, s. S. 109. η. 1), suspensionem ab ordinibus sie suseeptis ad beneplacitum s. Sedis ipso iure incurrunt: K p i s c o p i vero ordinantes ab usu pontificalium per annum'·; ferner a. a. 0 . unter 3 : ,,Suspensionem per annum ab nrdinum administratione ipso iure iiicurrunt Ordinantes alienum subditum etiam sub praetextu benelicii statim conferendi aut iam coltati vel etiam subditum proprium qui alibi tanto tempore moratiis sit, ut canonicum impedimentum contrahere ibi potuerit, absque Ordinarii eins loci litteris testimonialibus 1 '. S . 103. n. 2 . Z. 7 v. u. hinter: worden ist, einzuschalten : Ueber die Weihe des Bischofs Ilerrand von Halberstadt durch Urban I I . im J . 1 0 9 4 s. ep. eiusd. ad Hartwic. archiep. Magdeb., J a f f e " , monum. Bamberg, p. 1 6 3 . S. 107. n. 5 hinter: K o b e r , Suspension S . 3 1 0 f f . : Die mehrfach erwähnte Konst. P i u s ' I X . hat aber die Qualifikation dieser Suspension als censura latae sententiae nicht aufrecht erhalten. S. 1 0 9 . η. 1 vgl. oben den Nachtrag zu S . 1 0 1 . S . 1 1 1 . Z. 17 ν. ο. 1 S. 113. Z. 16 u. 2 0 v. o. > ist das ipso facto mit Rücksicht auf die Konst. P i u s ' I X . S. 1 1 4 . Ζ 18 v. ο.

J

fortzulassen.

S. 116. η. 5 . Auch Bonifazius von Mainz ist im J . 7 2 2 an einem Apostelfeste, nicht an einem Sonntag geweiht worden. Willibald! vita s. Bonifacii c. 6 ( J a f f e , monum. Mogunt. p. 4 5 1 ) : „Cumque sanctiis sacre sollempnitatis dies et natalicius saneti Andreae et praelinitae ordinationis inluxisset, iam sacer sedis apostolicae pontifex episcopatus sibi et Hominis, quod est Bonifatius, inposuit dignitatem". Wenn E . D ün z e 1 m a η η , Untersuchung üb. die ersten unter Karlemann und Pippin gehaltenen Concilien. Göttingen 1 8 6 9 . S. 11 blos auf Grund der schülerhaften Citirung von Richter § . 113 u. 1 8 5 und Herzogs Realencyklopädie 2 1 , 5 9 3 voraussetzt, dass der Papst Bonifazius an einein Sonntage geweiht haben müsse, weil nur an einem solchen Tage ein Bischof konsekrirt werden könne, und deshalb die Weihe in das Jahr 7 2 1 setzt, so hat er damit das bisher als J a h r der Konsekration feststehende J a h r 7 2 2 nicht im mindesten erschüttert, sondern blos seine Ignoranz im Kirchenrecht an den Tag gelegt. S . 1 2 1 . 122. Hier ist zu dem über die als Strafe eintretende excommunicato ipso iure Bemerkten hinzuzufügen, dass die mehrfach erwähnte Const. Pii I X . : Apostolicae sedis rubr. Excommunicationes latae sententiae Romano pontitici reservatae . . . „2. Violentas manus suadente diabolo iniieientes in clericos vel utriusque sexus monachos exceptis quoad reservationem casibus et personis, de quibus iure et privilegio permittitur, ut episcopus aut alius absolvat", das bisherige Recht aufrecht erhalten hat. S . 126. η. 1 ist hinter: Berlin 1 8 6 8 . S. 154 (Z. 21 v. o.) einzuschalten : Für diejenigen Geistlichen, deren Militärpflicht erst mit dem 1. Januar 1 8 7 0 beginnt, kann nach einer Verfügung des norddeutschen Bundeskanzlers vom 3 1 . Dezember 1869 ( M o s e r , allg. Kirchenblatt 1 8 7 0 . S . 1 1 6 ; M o y s Aich. 2 3 , 4 0 6 ff.) nur aus den für Jedermann statthaften Gründen (s. Mo s e r a. a. 0 . S . 2 3 1 ) eine Z u rückstellungerfolgen. Das ö s t e r r e i c h i s c h e Wehrgeset/. vom 5. December 1 8 6 8 . § . 2 0 bestimmt: „Die Candidate!! und Zöglinge des geistlichen Standes aller gesetzlich eingeführten Kirchen u. Konfessionen werden, wenn sie ins Heer (die Kriegsmarine oder in die Landwehr) eingereiht worden, behufs der Möglichkeit der Fortsetzung ihrer theologischen Studien mit Urlaub entlassen. Nachdem sie zu Priestern geweiht, bezw. zu Seelsorgern oder Hiilfspredigern verwendet oder ernannt worden sind, werden die Betreffenden in die Seelsorglisten des Heeres eingetragen und können im Kriegsfälle ihrer Wehrpflicht entweder beim Heere (der Kriegsmarine) oder bei der Landwehr als gleichfalls Feldgeistliche oder auch bei ständigen Spitälern als Seelsorger werwendet werden.

Nachträge.

635

Wenn jedoch solche Candidaten des geistlichen Standes oder Alumnen ihre theologischen Studien aufgeben oder auf ihren geistlichen Beruf verzichten, sind sie zum Kriegsdienst aufzufordern"; vgl. ferner die Instruktion dazu vom 4. Juli 1869 u. d. Erlass des österr. Kult.-Min. v. 2 Juli 1869 ( M o y s Arch. 23, 409 ff.). Zu S. 129. n. 6 a ist auch noch darauf hinzuweisen, dass ferner in O e s t e r r e i c h (Ges. vom 4. Mai 1868, bei G o l d s c h m i d t , Ztschr. f. Handelsrecht. Beilageheft zu Bd. 12. S. 380), in B a i e r n (Ges. vom 9. April 1869, G o l d s c h m i d t , angef. Zeitschr. 13, 046) und neuerdings in B a d e n die Schuldhaft als regelmässiges Exekutionsmittel, in W ü r t e m b e r g (Ges. vom 8. Januar 1869, a. a. 0 . 13, 550) als solches in Wechselsachen aufgehoben worden ist. S. 130. zu n. 4 a. E. hinzuzufügen: Ein Protest des Domkapitels zu Konstanz von 1724 gegen die Einschärfung des Verbotes, Perrücken zu tragen, im Freiburger Diöcesan-Arch. Jahrgg. 1869. 4, 322. S. 133 zu n. 8 a. E. Einen die Innehaltung der erwähnten Pflichten angelobenden Revers, dessen Unterzeichnung seit 1869 von den jüngeren Geistlichen der Erzdiöcese Bamberg verlangt wird, theilt die Protestant. Kirchenzeitung von 1869 S. 917 mit. 8. 140 zu u. 4 a. Ε. Z. 5 v. u. hinter: des letzteren selbst, nocli einzuschalten: wie auch die grosse Zahl der die Rechte während des 1 3 — 1 5 . Jahrhunderts studirenden Geistlichen (s. S t o b b e , Geschichte d. deutsch. Rechtsquellen 1, 628 u. kritische Vierteljahrsschrift für Gesetzgebung u. Rechtswissenschaft 11, 13. n. 7) beweist. S. 140 zu n. 5 a. E . : Das wird auch durch den Umstand widerlegt, dass Benedikt XIV. in der Konstitution: Gravissimum ecclesiae v. 1745 (s. S. 423. n. 3 u. S. 424) der Sekretarie der Breven ausdrücklich die Ertheilung der licentia zuweist: „personis ecclesiasticis studendi iuri in publicis Studiorum universitatibus", damit also die formelle Gültigkeit des Verbotes noch anerkennt. S. 150. n. 4. Das erwähnte angebliche Schreiben des heil. Ulrichs jetzt auch in verbessertem Text in der neuen Ausgabe des codex Udalrici bei J a f f e , monum. Bamberg, p. 114. Dieser setzt es a. a. 0 . n. 3 zw. 1074 u. 1078. S. 151. η. 1 a. E. hinzuzufügen: Ein Verzeichniss von Päpsten, welche vor Erlangung des päpstlichen Stuhles verheirathet waren, giebt G r e g . L a n g e m a k (Joh. Frid. Mayer praes.), de pontillcibus uxoratis et flliis patrum in pontiflcatu successoribus. Kilon. 1699. S. 159. n. 11 a. E. hinzuzusetzen: dass das auch die in der Kurie recipirte Ansicht ist, beweist die Aufrechterhaltung der Exkommunikation als latae sententiae durch die erwähnte Konst. P i u s' IX. von 1869 (Moy a. a. 0 . S. 329): rubr. Excommunicationes latae sententiae episcopis sive ordinariis reservatae: „Excommunicationi latae sententiae episcopis sive ordinariis reservatae subiacere declaramus: 1. Clericos in sacris constitutos vel reguläres aut moniales post votum solemn« castitatis matrimonium contrahere praesumentes nec non omnes cum aliqua ex praedictis personis matrimonium contrahere praesumentes". 8. 179. n. 4 a. E. hinzuzusetzen: und endlich K o b e r , Suspension der Kirchendiener. S. 267 ff. S. 208. n. 2 a. E . hinzuzufügen: Vgl. auch unten S. 547. S. 212. n. 3 hinter: G i n z e l , Arch, für Kirchenrecht 1, 15 ff. einzuschalten: Ihr Vorrang vor allen andern Kirchen ist ausdrücklich anerkannt durch die Konstitutionen G r e g o r s X I . : Super universas v. 1372 (M. Bull. 1, 262) u. P i u s ' V . : Inflrma aevi v. 21. December 1569 (ibid. 2, 315). S. 216. n. 7 a. E . noch hinzuzusetzen: Vgl. Const. P i i l X . : Apostolicae sedis v. 1869 (Moy a. a. 0 . 5. 238) unter der Rubrik: Excommunicationes latae sententiae speciali modo Romano Pontittci reservatae . . . 12: „Invadentes, destruentes, detinentes per se vel per alios civitates, terras, loca aut iura ad ecclesiam Romanam pertinentia vel usurpantes, perturbantes, retinentes supreuiam iurisdictionem in eis, nec non ad singula praedicta auxilium, consilium, favorem praebentes". S. 220. n. 3 a. E . : E. d e R o z i e r e , liber diurnus. Paris. 1869. p. XXI. setzt die Redaktion desselben zwischen 685 u. 751. S. 220. n. 5 a. E . : In der R o z i e r e s c h e n Ausgabe n. L1X. p. 107. S. 220. n. 8 a. E . : Bei R o z i e r e no. LXXXII. p. 168. S. 221. n. 2 a. E . : Bei R o z i e r e no. LVIII. p. 103. S. 222. η. 1 a. E . : Bei R o z i e r e no. LX. p. 110. S. 223. η. 1 a. E . : Bei R o z i e r e no. LXI. p. 118. S. 223. n. 2 a. E . : Bei R o z i e r e no. LXII. p. 122. S. 223. n. 3 a. E . : Bei R o z i e r e no. LXIII. p. 124. S. 224. η. 1 a. E. : Bei R o z i e r e no. LVII. p. 99. S. 224. n. 6. Z. 4 v. u. hinter: annehmen einzurücken: für das letztere E. de R o z i e r e 1. c. p. XVIII ff.. S. 242. Z. 8 u. 9 ist zu streichen: ,,die noch'· bis: „Beobachten der Konstitution'·. S. 243. η. δ. Z. 10 v. u. hinzuzusetzen: A. H u b e r in M o y s Archiv. 4, 73 ff. S. 251. n. 3 a. E. hinzuzufügen: Ebenso B a x m a r i n , Politik der Päpste. Elberfeld. Th. II. 1869. S. 279. η. 1.

636

Nachträge.

ii. 251. Ζ . 8 ν. ο. zu den Worten: „liegt auf der Hand'·: U s i n g e r (Gotting, gelehrte Anzeigen, Recension von J a f f e s Monumenta Bambergensia. No. 4. S. 129 f f . ) giebt zwar auch der T e x t konstruktion von I u. I I I den "Vorzug vor I I , hält aber I. für besser als die Jaffesche Recension I I I . Dass der lange Satz in I statuimus u. s. w. einen wenn nicht guten, so doch ausreichenden Sinn wenngleich in schwerfälliger und unklarer Form enthält, kann ich nicht zugeben. Μ. E. kann man den Satz: „ut — imprimis cardinales diligentissima consideratione tractantes — ad consensual novae electionis accedant"; nicht dahin interpretiren: „ B e i dem tractare haben sie die Rechte des deutschen Königs mid seiner Nachfolger zu beachten und kommen so mit ihm und überhaupt ad consensum". Denn nach dem Wortlaut sollen die Kardinale nur zu einer schon festbestimmten Wahl, zu einem darüber bestehenden consensus hinzutreten, das Subjekt, welches den Konsens schafft, muss also als ein verschiedenes von dem gedacht werden, welches nur das ius accedendi besitzt. Wenn U s i n g e r weiter die schwerfällige Struktur des Satzes mit der Bemerkung zu rechtfertigen sucht, dass „ganz unklare Rechtsverhältnisse in einer Weise kodiflcirt werden sollten, welche allen Betheiligten, deren Rechte sich eigentlich gegenseitig ausschlossen, genehm war1', so ist darauf zr erwidern: 1. Die Unklarheit eines Rechtsverhältnisses kann zwar einen unklaren Ausdruck, braucht aber doch sicherlich nicht einen in der Stilisirung und Konstruktion unklaren Satz zu bedingen. 2. Irgend einen klaren Zweck mussten doch .die Verfasser und Urheber des Dekretes (also Hildebrand und Nikolaus I I . ) vor Augen haben und mochten sie diesen auch in diplomatischer Weise zu verhüllen suchen, so ist eine derartige Ausdrucksweise immerhin nicht mit einer stilistisch inkorrekten und so gut wie unverständlichen gleichbedeutend. 3. Handelte es sich gar nicht um die Kodifikation von Rechten, welche sich eigentlich ausschlossen. sondern um die Veränderung bisheriger Berechtigungen oder um die Abschwächung der letzteren. S. 25.0 zum Schluss von Alinea 2 : Die Bedenken, welche U s i n g e r a. a. O. S. 133 ff. gegen die Ucbertragung des Wahlrechts auf die Kardinalsbischöfe erhebt, halte ich nicht für begründet. Die Bemerkung, dass die Wahl der Metropoliten durch ihre Suffraganbischöfe in dieser Zeit unerhört sei, trifft nicht z u , denn die Kardinalbischöfe sind nicht einfache Suffraganbischöfe gewesen, sondern sie haben neben dieser Eigenschaft auch die Qualität als auf die römische Kirche inkardinirter Geistlicher gehabt, also ebenso zum Klerus derselben gehört, wie die Kardinalpriester und Diakonen (s. oben S. 323. 324), und nahmen in der damaligen Zeit, wo jeder Bischof noch den Vorrang vor den letzteren hatte (S. 327. 328), eine kirchenrechtlich viel höhere Stellung als die übrigen Kardinäle ein. Von kanonistischem Standpunkt aus war also die Ertheilung eines Vorrechtes an sie sehr wohl möglich. Wenn sich U s i n g e r weiter darauf beruft, dass Hildebrand sein Wahlrecht sich nicht selbst abdekretirt haben würde, so übersieht er, dass der Einfluss desselben ein faktischer war. Und weiter ist doch die Frage berechtigt, ob der Mann, der in der damaligen Zeit die Seele der Kurie war, es nicht seinen Zwecken angemessener fand, eher den 7 Kardinalbischöfen als auch der viel zahlreicheren Gruppe von Kardinalpriestern und -Diakonen den Hauptantheil bei der Wahl beizulegen, da er vom juristischen Standpunkt aus bei der Gleichberechtigung aller Kardinäle immer nur eine Stimme gehabt hätte, andererseits aber — die Sache vom Standpunkt der thatsächliehen Verhältnisse aus betrachtet — die geringe Zahl von 4, die Majorität der Kardinalbischöfe bildenden Personen, doch leichter in entscheidender Weise zu beeinflussen war, als die Majorität sämmtlicher Kardinäle aller Klassen. S. 274. Z . 15 v. o. hinter: verordnete er hinzuzufügen: nach dem Vorgange J u l i u s ' II. ('s. R a y n al d an Ii. a. 1513 n. 7 . 8 ) und P a u 1 s I I I . (Bulle v. 29. November 1544; M o y , Arch. 2 3 , 3 4 5 ) . 274. Z . 19 v. o. hinter: vorzunehmen hätte: Auch P i u s I X . hat in der Const. : Cum Romanis pontifieibus vom 4. Dezember 1869 ( M o y , Arch. 23, 344) die Wahl des Papstes für seinen Todesfall unter gleichzeitiger Suspension des j e t z t versammelten, allgemeinen (s. g. Vatikanischen) Koncils den Kardinälen vorbehalten, zugleich aber verordnet, dass für alle Folgezeit, wenn der Papst während der Abhaltung einer ökumenischen Synode versterben würde, diese stets von selbst bis zur Wiederaufnahme durch den Nachfolger suspendirt und die Wahl des letzteren allein dem Kardinalkollegium zustehen solle. 275. n. 6 a. E . hinzuzusetzen: Ebenso die P i u s ' I X . s. R e u c h l i n , Gesch. Italiens 1, 288. S. 276. n. 4 a. E . : Vgl. auch L u η a d o r o - Ζ a c c a r i a , relazione della oorte di Roma. Roma. 1830. P. I . c. 8. p. 53; M o r o n i , dizionario di erudizione storico-ecclesiastica. 16, 290 ff. s. 278. η. 10 a. E . Doch kann ihm die Wahlberechtigung zur Strafe entzogen werden. §. 39. S. 371, namentlich η. 1.

S. darüber

S. 288 zum Ende des A l . 3. ist zu bemerken: Die auf die Verletzung der Vorschriften über die Wahl angedrohten censurae latae sententiae hat die Konst. P i u s ' I X . : Apostolicae sedis vom 12. Oktober 1869 ( M o y , Arch. 23, 331) in dieser ihrer Eigenschaft bestehen lassen, indem sie verordnet: ,,Quae vero Censurae sive excomniunicationis sive suspensionis sive interdicti nostris aut praedecessorum nostrorum constitutionibus aut sacris canonibus praeter eas quas recensuinius, latae sunt atque hactenus in suo vigore perstiterunt sive pro Romani Pontiflois electione . . . eas omnes Annas esse et in suo robore permanere volumus et declaramus". •S. 293. η. δ a. Ε . : J. 1605 ist die Exklusive schon von Spanien gegen den bekannten Kardinal B a r o n i u s ausgeübt worden. S. S e n t i s , die Monarchia Sicnla. Freiburg 1869. S. 33. 34. S. 295. 11. 2 a. E . : H e f e l e ,

Konciliengesch. 6, 243 ff.

Nachträge.

637

S. 302. η. 3 a . Ε . : In der Schrift von J a n u s , der Papst und das Koncil. Leipzig 1869. S. 122 wird diese Stelle dagegen dem 11. Jahrhundert zugewiesen. S. 332. n. 2 a. E . hinzuzusetzen: Vgl. in Betreff des Erzbischofs von Rheims J a f f e , reg. n. 8712. Nachträglich ist mir folgendes Beispiel einer vor Alexander III. fallenden E r n e n n u n g eines Bischofs zum Kardinal aufgestossen. Gesta episc. Metens. cont. ( S S . 10, 544) a. 1120: ,,Hic (Stephan von Metz) Calixti (II) ex sorore nepos . . . in nrbe Komana ab eodeni pontiflee summo consecratus est tarn pallii dignitate quam cardinalis titulo honoratus" . . . S. 350. Z. 20 v. o. h i n t e r : Exkommunikation: Die Natur dieser als einer censura speciali modo Romano pontiflci reservata hat die Const. Ρ i i IX. vom 12. Oktober 1869. η. Γ) ( M o y s Arch. 23, 327) aufrecht erhalten. S. 365. Hinter Nr. 7. Z. 13 v. o. hinzuzusetzen: 8. Die Designation des neu zu ernennenden Kardinal-Kämmerers (s. unten S. 412) und des Vicekanzlers (s. unten S. 440). S. 446. Z u m Schluss von §. 51 h i n z u z u f ü g e n : Ihr Recht., bei der Feststellung der Beschlüsse der allgemeinen Koncilien mitzuwirken, ist auf dem j e t z t tagenden concilium Vaticanum ebenfalls anerkannt, denn die const. P i i I X . : Multipliers inter ν. 27. November 1869. η. 6. (Acta quae ap. s. sed. ger. 5, 236) bestimmt: „nominamus, seil. 2. Concilii Secretariuni . . . eique adiieimus cum officio et tituii Subsecretarii dil. fllium Ludovicum Iacobini e riostris et huius apostolicae sedis protonotariis . . . 3. concilii notarios dilectos Alios (folgen fi Namen) nostras et huius apost. sed. protonotarios'·. S. 456. n. *. Das Werk von M ü h l b a u e r ist jetzt bis zu fasc. 8. Tom. I. erschienen. S. 464. n. * a. Schluss h i n z u z u s e t z e n : A. B i z z a r r i , collectanea in nsnm Secretariae S. Congreg. Episcop. et Regulär. Romae 1863. S. 504. Z. 10 v. o. f ü r : E n d e des 4. J a h r h . lies: Anfang des 5. Jahrh. S. 518. η. 1 hinter·. §. 2 5 e i n z u f ü g e n : Magn. Bullar. 3, 474. S. 533. Z . 26 v. o. zu entsprechen als Note 9 a hinzuzusetzen: Uebrigens hat der Nuntins zu Wien auch die Fakultät, bei Appellationen von dem erstinstanzlichen Diöcesan-Konsistorium zu Breslau die Richter zweiter und dritter Instanz zu e r n e n n e n . S. den Bericht des Fürstbischofs von Breslau in M o y s Arch. 23, 465 π. S a u e r , pfarramtliche Geschäftsverwaltung. 2. Aufl. Breslau 1868. S. 32. S. 590. n. 7 a. Schluss h i n z u z u f ü g e n : In ep. eiusd. ad Childeb. zw. 557 o. 558 wird die Stellung des letzteren als primatus bezeichnet ( M a n s i 9, 7 2 6 ) : ,,cuius ecclesia in regionibns Gallicanis p r i m a t u s privilegio et sedis apostolicae viribus decoratur"'.

Druckfehler - Verzeichnis». S. ri. S. S. S. S. >S. S. »S. S. S. S. 8. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. 8. 8. S. S. S. S. S. S. S. S. S.

5 . Z. 8 v. o. s t a t t : p r e b y t e r a t u s lies : p r e s b y t e r a 111 s. 9 . η . 2 . Z . 2 6 v. o. s t a t t : W e i s e l i e s : W e i h e . 1 0 . η 1. Ζ . 2 ν. η . s t a t t : V I I . 2 l i e s : V I I . 3 . 1 0 . n . 2 . Z . 2 5 v. o. s t a t t : § . 1 5 l i e s : § . 5 . 1 1 . Z . 4 v. o. ist zu s t r e i c h e n : z u h i n t e r dem W o r t E i n t r a g . 1 4 . n . 7 . Z . 2 4 v. u. s t a t t : φ υ χ ή ς l i e s : ψ υ χ ή ς . 2 1 . Z . 1 3 v. u. in n. 4 s t a t t : coristituit l i e s : " c o n s t i t e r i t . 2 4 . Z . 9 v. o. s t a t t : den folgenden n r . 11. 9 l i e s : 5 . nr. I I . 10. 2 7 . n . 5 . Z . 2 3 v. o. i s t : s i e n a c h : L a m b e r t i n i hält, zu s t r e i c h e n . 2 8 . n . 9 . Z . 8 v. u . s t a t t : R e c h t l i e s : l i e s t . 3 6 . n . 6 . Z . 11 v. u. s t a t t : n u n l i e s : n u r . 4 0 . Z . 8 v. o. s t a t t : öffentliche l i e s : ö f f e n t l i c h . 4 2 . Z . 2 0 v. o. s t a t t : Mandatar l i e s : M a n d a n t . 5 4 . Z . 2 0 v. o. s t a t t : welchen l i e s : w e l c h e m . 5 9 . n . 3 a. Ε . Z . 4 v. u. s t a t t : volutante l i e s : v o l u n t a t i s . 7 2 . Z . 2 1 v. u . s t a t t : a u f der l i e s : a u f d i e . 7 2 . n . 6 . n . 7 , sowie in den w e i t e r e n C i t a t e n s t a t t : Haas lies : M a a s . 7 5 . n. 9 . Z . 1 0 v. u . s t a t t : ab l i e s : o b . 7 7 . n . 5 . Z . 1 9 v. u. s t a t t : h e b e r e l i e s : h a b e r e . 8 0 . n. 4 . Z . 2 7 . v. o. s t a t t : π ο ύ l i e s : τ ο ΰ . 8 6 . n. 6 . Z . 2 0 v. u. i s t : e t zu s t r e i c h e n . 9 3 . n. 1 0 . Z . 7 v. u . s t a t t : R e g i n o I . 4 3 0 l i e s : 1. 4 4 9 . 1 0 2 . n. 9 . Z . 1 0 v. u. s t a t t : 9 5 5 l i e s : 5 9 5 . 1 0 4 . n. 2 . Z . 1 7 . v. u . s t a t t : § . 3 l i e s : § . 6 . 1 1 0 . n. 2 . Z . 1 2 v. u. s t a t t : § . 6 2 l i e s : S . 6 2 . 1 2 6 . n . 1. Z . 1 4 v. o. i s t : z u g e s i c h e r t zu s t r e i c h e n . 1 3 2 . n. 9 a. E . und S . 1 3 3 . Z . 4 v . o . ist s t a t t : folgender Paragraph zu s e t z e n : 19. 1 3 6 . 11. 2 . Z . 1 9 v. 11. s t a t t : No. V I I . 3 l i e s : V I I . 4 . 1 4 1 . n. 8 . Z . 2 4 v. u. s t a t t : nova l i e s : n o n a . 1 5 5 . Z . 16 v. o. ist v o r : g e l t e n d g e m a c h t e i n z u s c h a l t e n : n i e m a l s . 1 8 2 . Z . 5 v. o. s t a t t : forculi l i e s : f o r a n e i . Z . 6 v. o. i s t : d e s v o r : N a m e n s zu s t r e i c h e n . 1 8 3 . n . 3 . Z . 1 2 v. u . i s t : e r zu s t r e i c h e n . 1 9 0 . Z . 1 6 v. o. s t a t t : g e g e b e n e n l i e s : g e g e b e n . 1 9 7 . Z . 1 6 v. o. s t a t t : h i n l i e s : f ü r . 2 0 4 . n . 4 . Z . 1 7 v. u . s t a t t : R o t h e n s e n l i e s : R o t h e n s e e . 2 0 7 . Z . 1 1 v. o. i s t : a l s zu s t r e i c h e n u . Z . 1 2 v. o. s t a t t : als zu l e s e n : n i c h t . 2 0 8 . n. 1. Z . 2 3 v. o. s t a t t : Corbesius l i e s : C o r t e s i u s . n . 8 . Z . 2 0 v. u . s t a t t : V i p p i n g l i e s : P i p p i n g . 2 0 9 . n . 2 . Z . 1 5 . v. u . s t a t t : solio l i e s : s o l o . 2 1 2 . Z . 3 . v . o. s t a t t : O b e d i e n z g e s e l l s c h a f t lies : O b e d i e n ζ g e s a n d t s c h a f t . 2 1 6 . Z . 1 6 . v . u . i n n . 4 der v o r h e r g e h e n d e n S e i t e s t a t t : dem l i e s : d e n . 2 1 7 . n . * . Z . 4 . v . u. s t a t t : 1 8 4 5 l i e s : 1 8 4 6 . 2 1 9 . n . 3 . Z . 1 9 . v. o. s t a t t : S e n a t u s l i e s : S e n a t u i . 2 1 9 . n . 3 . Z . 3 2 . v. o. s t a t t : Theodosius l i e s : T h e o d a h a d . 2 1 9 . n . 4 . Z . 5 . v. u . s t a t t : X . 1 5 . 1 6 l i e s : I X . 1 5 . 1 6 . 2 2 0 . Z . 7 . v . o. s t a t t : dieser s e l b s t i n n e r h a l b l i e s : i n n e r h a l b d i e s e r s e l b s t . 2 2 1 . Z . 1 7 . v. o. s t a t t : c o n s e r v a t i o n s l i e s : c o n v e r s a t i o n i s. 2 3 1 . n . 5 . Z . 1 5 . v. u . s t a t t : ( 8 7 6 — 8 9 7 ) l i e s : 8 9 6 — 8 9 7 ) z u : 2 3 2 . n . 2 a. E . s t a t t : D i s t . L X X I X l i e s : D i s t . L X I I I . 2 3 4 . Z . 9 v . o. s t a t t : 8 5 8 l i e s : 8 5 5 . 2 3 6 . Ζ . 1 . v . o. s t a t t : k o n k r e t i r t l i e s : k o n s e k r i r t . 2 4 4 . S . 1 2 v. o. s t a t t : 9 9 8 l i e s : 9 9 6 .

639 S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. 8. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S.

'247. η. 7. Ζ. 9 ν. u. statt: potentiam lies: p o t e n t i u m . 249 in T e x t I ist Ζ . 6 v. η. zu streichen das eine: cum. 250 in T e x t I I I . Ζ. 1 statt: I lies: I I . 256. n. 2 letzte Zeile v. u. statt: 708 lies: 807. n. 3. Z . 11 v. u. statt: 217 lies: 247. 257. Z . 7. v. o. ist das letzte Wort der Z e i l e : ..in'' an den Anfang zu setzen. 260. Z . 8. v. o. statt: ihn lies: i h m . 262. n. 3. Z . 19 v. u. statt: habito lies: h a b i t n . 274. Z . '24 v. o. statt: 1641 lies: 1621. 275. Z . 3. V. o. statt: 5. Februar lies: 28. J a n u a r . Z . 4. v. o. u. Note 5 statt: 11. Oktober lies: 5. Oktober. '279. Z . 8. v. o. statt: Urban I I I . lies: U r b a n I V . Z . 19 v. o. statt: Leo I X . lies: L e o V I I I . 299. n. 6. Ζ . 1. v. u. ist: d e zu streichen. 311. n. 4. Z . 5 v. u. statt: 570 lies: 560. 312. Z . 8. v. o. statt: η. 1 lies: n. 5. 313. n. 1. Z . 27 u. ist hinter: essent einzuschieben: d i a r o n o . 314. η. 1 a. E . statt: qu. 7 lies: qu. 1. 317. Z . 11. v. o. statt: 9 lies: 10. 318. Ζ . 1 v. o. statt: von lies: a n . 325. n. 2. Z. 21 v. u. statt: n. 4 lies: n. 7. 326. Z . 14 (erste Zeile der n. 9 von 325) statt: Tuscanekka lies: T u s c a n e l l a . 328. n. 7. statt: S. 336 lies: 326. 332. η. 1. Z . 30 v. o. statt: der lies: d i e . 345. Z . 3. v. o. statt: den lies: d e m . 345. n. 3. Z . 9 v. u. statt: Cardinalia lies: C a r d i n a l i s . 356. Z . 8. v. o. statt: 1662 lies: 1622. 367 sind Note 3 und 4 umzustellen. 368. Z . 4 v. o. statt: extraordinarium lies: e χ t r a o r d i n a r i ο r u m . 374. n. 3. Z . 4 v. n. statt: erit lies: e x i t . 389. Z . 16 v. Ii. n. 10 v. S. 388 statt: § . 4. lies: § . 74. 389. Z . 20 v. o. hinter: prelati einzuschalten: d i . 392. Z . 8 v. 11. statt: b. lies: bb. 409. Z . 20 V. 0. statt: 1449 lies: 1444. 410. n. 20. Z . 8 v. u. statt: S. 369 lies: 406. 416. Z . 22 v. v. o. statt: dieser lies: d i e s e . 418. Z . 10 v. o. statt: causa lies: c a u s a e . 448. n. 5. Z. 13 v. u. statt: dem lies: d e n . 454. Z . 19 v. o. statt: Postkription lies: P r o s k r i p t i o n . 485. Z . 2 v. o. statt: auch sonst den anderen iudices ordinarii lies: i h m auch sonst den anderen iudices ordinarii g e g e n U b e r . 504. η. 1 statt: 494 lies: 499. 507. η. 1 am Schluss statt: n. 3 lies: n. 5. 528. n. 2. Z . 22 v. o. hinter: „fast" ist einzuschalten: v o n . 541. n. 2. Z . 18 v. o. statt: Corterius lies: C o r t e s i u s . 548. n. 8. Z . 2 v. u. statt: -