Symmetrien in der Physik: Gruppen- und Darstellungstheorie mit Anwendungen [1 ed.] 9783662663127, 9783662663134

Das vorliegende Buch führt durch die Symmetrien in der Physik: Es werden wichtige Gruppen und Symmetrien aus der Molekül

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German Pages 529 [532] Year 2023

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einführung
1.1 Symmetrien und Gruppen
1.2 Gruppentheorie in Mathematik und Physik
1.3 Literatur, Software
2 Elemente der Gruppentheorie
2.1 Gruppen und Gruppentafeln
2.2 Matrixgruppen
2.3 Diedergruppen
2.4 Anhang A: Matrizen mit Elementen in einem Ring
2.5 Anhang B: Präsentation einer Gruppe
2.6 Aufgaben zu Kap.2
3 Homomorphismen, Untergruppen und Klassen
3.1 Homomorphismen und isomorphe Gruppen
3.2 Untergruppen
3.2.1 Kern und Bild eines Homomorphismus
3.2.2 Zyklische Untergruppen
3.2.3 Eigenschaften von wichtigen Untergruppen
3.3 Nebenklassen und Faktorgruppen
3.4 Konjugationsklassen
3.5 Direktes und semidirektes Produkt
3.6 Aufgaben zu Kap.3
4 Endliche Gruppen
4.1 Untergruppen der Permutationsgruppen
4.2 Symmetrische und alternierende Gruppen
4.2.1 Zyklen
4.2.2 Konjugationsklassen
4.3 Kleine Gruppen
4.4 Aufgaben zu Kap.4
5 Raumzeit-Symmetrien
5.1 Gruppenwirkungen
5.2 Drehungen im Raum
5.3 Die euklidischen Gruppen
5.4 Die Galilei-Gruppe
5.5 Lorentz- und Poincaré Transformationen
5.6 Anhang A: Normalform der Drehungen und Bewegungen
5.6.1 Normalformen für Drehungen im
5.6.2 Normalformen für Bewegungen im Rn
5.7 Aufgaben zu Kap.5
6 Punktgruppen
6.1 Eigentliche Punktgruppen
6.1.1 Platonische Gruppen
6.1.2 Klassifikation der eigentlichen Punktgruppen
6.1.3 Uneigentliche Punktgruppen
6.1.4 Trägheitstensor symmetrischer Körper
6.2 Molekülsymmetrien
6.2.1 Das Massenpunktsystem Allen CH
6.2.2 Trans-Dichlorethylen
6.3 Aufgaben zu Kap.6
7 Raumgruppen und Kristalle
7.1 Gittervektoren und primitive Elementarzelle
7.1.1 Das reziproke Gitter
7.1.2 Kristallsysteme in der Ebene
7.1.3 Kristallsysteme im Raum
7.2 Elementarzellen, Einheitszellen und Bravais-Gitter
7.3 Raum- und Flächengruppen von Kristallen
7.3.1 Normalformen von Bewegungen
7.3.2 Flächen- und Raumgruppen und zugehörige Punktgruppen
7.4 Zweidimensionale Kristalle
7.5 Dreidimensionale Kristalle
7.6 Die 7 Kristallsysteme
7.7 Aufgaben zu Kap.7
8 Lie-Gruppen
8.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
8.1.1 Lie-Gruppen
8.1.2 (Weg-)Zusammenhängende Lie-Gruppen
8.1.3 Lie-Untergruppen
8.2 Die Lie-Gruppen U(2) und SU(2)
8.3 Matrixgruppen GL(n,K) und Untergruppen
8.4 Globale Eigenschaften von Lie-Gruppen
8.4.1 Homotopiegruppen
8.4.2 Universelle Überlagerungsgruppen
8.5 Aufgaben zu Kap.8
9 Invariante Integration
9.1 Haar-Maße auf U(1) und SU(2)
9.2 Haar-Maße für beliebige Lie-Gruppen
9.3 Haar-Maße für kompakte Matrixgruppen
9.4 Haar-Maße für unitäre Gruppen
9.5 Invariante Integration auf SU(1,1) und SL(2, R)
9.6 Modulare Funktion
9.7 Aufgaben zu Kap.9
10 Darstellungen von Gruppen
10.1 Darstellungen
10.2 Reguläre Darstellung
10.3 Reduzible und irreduzible Darstellungen
10.4 Darstellungen von Gruppen mit Mittelwertbildung
10.5 Tensorprodukt von Darstellungen
10.6 Symmetrische Gruppen
10.7 Anwendung: Benzolring in der Hückel-Näherung
10.8 Darstellungen und spezielle Funktionen
10.8.1 Kugelflächenfunktionen und SO(3)-Darstellungen
10.8.2 Darstellungen von SU(2) auf L2( C2,ρ)
10.9 Aufgaben zu Kap.10
11 Charaktere und Lemma von Schur
11.1 Charakter einer Darstellung
11.2 Das Lemma von Schur
11.2.1 Systeme mit invariantem Hamilton-Operator
11.2.2 Orthogonalitätsrelationen
11.2.3 Ausreduktion einer beliebigen Darstellung
11.2.4 Methode der Projektionsoperatoren
11.3 Alle Darstellungen einer endlichen Gruppe
11.4 Darstellungen der symmetrischen Gruppen
11.4.1 Young-Diagramme und Young-Tableaus
11.4.2 Young-Symmetrisierer
11.5 Anhang A: Charaktertafeln der Punktgruppen
11.6 Aufgaben zu Kap.11
12 Irreduzible Darstellungen von Lie-Gruppen
12.1 Charaktere von U(1) und Satz von Peter und Weyl
12.2 Irreduzible Darstellungen von SU(2)
12.2.1 Die dreidimensionale Darstellung SO(3)
12.2.2 Höherdimensionale Darstellungen
12.3 Darstellungen von SU(3)
12.4 Aufgaben zu Kap.12
13 Theorie der Lie-Algebren
13.1 Einführung in Lie-Algebren
13.2 Lie-Unteralgebren
13.3 Lie-Algebra-Homomorphismen und Darstellungen
13.3.1 Darstellungen einer Lie-Algebra
13.3.2 Irreduzible Darstellungen
13.3.3 Adjungierte Darstellung
13.4 Invariante Killing-Form
13.4.1 Cartan-Killing-Metrik und Strukturkonstanten
13.4.2 Killing-Formen für Matrix-Lie-Algebren
13.5 Universelle Einhüllende einer Lie-Algebra
13.5.1 Quadratische Casimir-Invarianten
13.5.2 Höhere Casimir-Invarianten
13.6 Anhang A: Nilpotente und auflösbare Lie-Algebren
13.7 Aufgaben zu Kap.13
14 Lie-Algebren von Lie-Gruppen
14.1 Lie-Algebra der infinitesimalen Erzeugenden
14.1.1 Adjungierte Darstellung der Gruppe und Zentrum
14.1.2 Darstellungen von G induzieren Darstellungen von mathfrakg
14.1.3 Tensorprodukt von Darstellungen
14.2 Lie-Algebren der klassischen Matrixgruppen
14.3 Die Exponentialabbildung
14.4 Weyl-Gruppe und maximale Tori
14.5 Lorentz-Gruppe und Lorentz-Algebra
14.6 Die Poincaré-Algebra
14.7 Allgemeine Lie-Gruppen
14.8 Anhang A: Linksinvariante Vektorfelder
14.8.1 Vektoren und Tangentialraum
14.8.2 Die Abbildungen Pullback und Pushforward
14.9 Aufgaben zu Kap.14
15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation
15.1 Auf- und Absteigeoperatoren in mathfraksu(2)
15.2 Wurzeln einer einfachen Lie-Algebra
15.3 Quantisierung der Wurzeln
15.3.1 Weyl-Spiegelungen
15.3.2 Weyl-Gruppe
15.4 Wurzeln von Lie-Algebren mit Rang leq2
15.5 Eigenschaften von Wurzelsystemen
15.6 Cartan-Matrix und Dynkin-Diagramme
15.7 Cartan-Klassifikation
15.8 Anhang: Explizite irreduzible Wurzelsysteme
15.9 Aufgaben zu Kap.15
16 Darstellungen von Lie-Algebren
16.1 Gewichte einer Darstellung
16.1.1 Stufenoperatoren
16.1.2 Weyl-Gruppe, Gewichtsgitter und fundamentale Gewichte
16.1.3 Höchstes Gewicht
16.1.4 Tensorprodukt von Darstellungen
16.2 Charaktere und Dimensionen von Darstellungen
16.2.1 Weylsche Integralformel
16.2.2 Charaktere
16.2.3 Weylsche Dimensionsformel
16.2.4 Multiplizität der Gewichte
16.3 Young-Diagramme
16.3.1 Dimensionen der Darstellungen von GL(n)
16.3.2 Irreduzible Darstellungen von U(n) und SU(n)
16.3.3 Tensorprodukte mit Young-Diagrammen
16.4 Aufgaben zu Kap.16
17 Symmetrien in der Quantenmechanik
17.1 Mehrteilchensysteme
17.2 Translationen
17.3 Periodische Potenziale und Bloch-Wellen
17.4 Drehimpuls in der Quantenmechanik
17.5 Addition von Drehimpulsen
17.5.1 Ausreduktion von Tensorprodukten
17.5.2 Clebsch-Gordan(CG)-Koeffizienten
17.5.3 Wigner-Eckart-Theorem
17.6 Algebraische Lösung des Wasserstoffatoms
17.7 Aufgaben zu Kap.17
18 Symmetrien in der relativistischen Quantenmechanik
18.1 Darstellungen der Lorentz-Gruppe
18.2 Darstellungen der Poincaré-Algebra
18.2.1 Massive Darstellungen
18.2.2 Masselose Darstellungen
18.3 Clifford-Algebren in d Dimensionen
18.3.1 Irreduzible Darstellungen der Clifford-Algebra
18.3.2 Spingruppe als Überlagerung der Lorentz-Gruppe
18.3.3 Transformationen der Spinorfelder
18.4 Kovarianz der Dirac-Gleichung
18.4.1 Dirac-Gleichung für freie Teilchen
18.4.2 Raumspiegelungen
18.4.3 Zeitumkehr
18.4.4 Kopplung ans elektromagnetische Feld und Ladungskonjugation
18.5 Aufgaben zu Kap.18
19 Relativistische Feldtheorien
19.1 Langrangescher Formalismus
19.2 Hamiltonscher Formalismus
19.3 Noether-Theorem für innere Symmetrien
19.4 Noether-Theorem für Translationen
19.4.1 Energie-Impuls des elektromagnetischen Feldes
19.4.2 Verbesserung von Noether-Strömen
19.5 Lorentz-Transformationen und Drehimpuls
19.6 Symmetrien in Quantenfeldtheorien
19.7 Aufgaben zu Kap.19
20 Eichtheorien
20.1 Eichtransformationen und minimale Kopplung
20.2 Eichkovariante Ableitung
20.3 Nichtabelsche Eichtheorien
20.3.1 Lokale Eichinvarianz
20.3.2 Infinitesimale Eichtransformationen
20.3.3 Feldgleichungen
20.4 Quantenchromodynamik (QCD)
20.4.1 Die QCD ist eine SU(3)-Eichtheorie
20.4.2 Infinitesimale Flavor-Symmetrien und spontane Symmetriebrechung
20.5 Weinberg-Salam-Modell
20.6 Aufgaben zu Kap.20
21 Konform-invariante Feldtheorien
21.1 Konforme Abbildungen
21.1.1 Konforme Abbildungen in d3 Dimensionen
21.1.2 Konforme Abbildungen in d=2 Dimensionen
21.2 Konform invariante Feldtheorien (CFT)
21.2.1 Weyl-invariante Feldtheorien
21.2.2 Konsequenzen der konformen Invarianz
21.2.3 Konforme Algebra in d Dimensionen
21.2.4 Energie-Impuls-Tensor und Bessel-Hagen Ströme
21.3 Konforme Feldtheorien in 1+1 Dimensionen
21.3.1 Witt-Algebra
21.3.2 Virasoro-Algebra
21.3.3 Zur Bedeutung der zentralen Ladung
21.3.4 Virasoro-Algebra für Entwicklungskoeffizienten
21.3.5 Darstellungen der Virasoro-Algebra
21.4 Anhang A: Zentrale Erweiterung der Virasoro-Algebra
21.5 Aufgaben zu Kap.21
Literatur
Stichwortverzeichnis
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Symmetrien in der Physik:  Gruppen- und Darstellungstheorie mit Anwendungen [1 ed.]
 9783662663127, 9783662663134

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Andreas Wipf

Symmetrien in der Physik Gruppen- und Darstellungstheorie mit Anwendungen

Symmetrien in der Physik

Andreas Wipf

Symmetrien in der Physik Gruppen- und Darstellungstheorie mit Anwendungen

Andreas Wipf Theoretisch-Physikalisches-Institut Friedrich-Schiller-Universität Jena Jena, Thüringen, Deutschland

ISBN 978-3-662-66312-7 ISBN 978-3-662-66313-4  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Caroline Strunz Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Vorwort

In den Wissenschaften als auch den Künsten spielen Symmetrien und Symmetriebetrachtungen eine herausragende Rolle. Insbesondere die moderne Physik, versehen mit dem Rüstzeug der Gruppen- und Darstellungstheorie, hat Symmetriebetrachtungen ins Zentrum des Interesses gerückt. Viele Fortschritte im Verständnis und in der Vereinfachung sowie Klassifizierung der Erscheinungen, und die damit einhergehenden Einsichten und Erkenntnisse, zeugen von der Wirksamkeit des Symmetrieprinzips. Symmetrien und Symmetriebrüche sind z. B. aus der Physik der kondensierten Materie oder Elementarteilchenphysik nicht mehr wegzudenken. Ohne Symmetrieüberlegungen sind die Bemühungen um eine Vereinheitlichung der Kräfte undenkbar. Was genau versteht man unter Symmetrien und wie nutzt man sie aus? Das vorliegende Buch versucht, diese Fragen zu beantworten. Es beruht auf dem Inhalt der von mir regelmäßig an der Friedrich-Schiller-Universität Jena gehaltenen Vorlesungen über „Symmetrien in der Physik“. Zum besseren Verständnis und der Vertiefung sowie Ergänzung des Stoffs wurden Fragen, kurze Aufgaben und in Grau unterlegte Beispiele im Text aufgenommen. In jedem Kapitel findet man Verweise auf begleitende Literatur und am Kapitelende einige weiterführende Aufgaben. Die Darstellung bewegt sich auf dem Niveau einer Wahlvorlesung in Theoretischer Physik für fortgeschrittene Studenten im Bachelor-Studiengang oder Studenten im ersten Jahr des Master-Studiengangs. Der dargestellte Stoff geht allerdings über das hinaus, was während eines Semesters besprochen werden kann. Der Inhalt des Buches kann in drei Teile aufgeteilt werden. Im ersten Teil über Gruppentheorie werden die mathematischen Grundlagen besprochen, die beim Arbeiten mit gruppentheoretischen Techniken unentbehrlich oder zumindest hilfreich sind. Bei der Gliederung des Stoffs in mehr als 20 Kapitel und der Auswahl von zahlreichen eingestreuten Beispielen im Text ließ ich mich von den vielfältigen Anwendungen in der Physik – und hier insbesondere der Quantenmechanik und Quantenfeldtheorie – leiten. So finden sich im ersten Teil auch drei Kapitel über Raumzeit-Symmetrien, Punktgruppen und Raumgruppen. Diese enthalten auch einfache Anwendungen aus der klassischen Mechanik, Molekülphysik und Kristallographie.

V

VI

Vorwort

Im zweiten Teil steht die Theorie der Lie-Gruppen und Lie-Algebren mit ihren Darstellungen im Vordergrund. Wir beginnen mit dem wichtigen Lemma von Schur und vielen seiner Konsequenzen für irreduzible Darstellungen und deren Charaktere, z. B. den wichtigen „Orthogonalitätstheoremen“. Ein alternativer und von Physikern oft bevorzugter Weg zu den irreduziblen Darstellungen einer LieGruppe führt über deren Lie-Algebra. Mit Mitteln der linearen Algebra gelingt es, alle Darstellungen einer halbeinfachen Lie-Algebra zu klassifizieren, und jede dieser Darstellungen liefert eine Darstellung der entsprechenden Lie-Gruppe (bzw. ihrer universellen Überlagerung). Auch in diesem Teil werden Probleme und Beispiele der Physik aufgegriffen, z. B. die Kugelflächenfunktionen, welche die Drehgruppe SO(3) darstellen, ihre universelle Überlagerung SU(2) als Drehsymmetrie in der Quantenmechanik oder die in der Quantenchromodynamik auftretende LieGruppe SU(3) und ihre Darstellungen. Auch die in jeder relativistischen Theorie auftretenden Lie-Algebren der Lorentz- und Poincaré-Gruppen werden hier behandelt. Der letzte Teil des Buches enthält ausgewählte Anwendungen der Gruppen- und Darstellungstheorie auf Probleme der nichtrelativistischen und relativistischen Physik. Dabei stehen Systeme und Eigenschaften im Vordergrund, bei deren Behandlung die bereits gewonnenen Einsichten genutzt werden können. Wir beginnen mit der Theorie des Drehimpulses und dem Wigner-Eckart-Theorem und enden mit der Virasoro-Algebra in konform invarianten Quantenfeldtheorien. Sehr ausführlich behandeln wir das Noether-Theorem für innere- und Raumzeit-Symmetrien in klassischen und quantisierten Feldtheorien. Natürlich dürfen in einem Buch über Symmetrien in der Physik die eminent wichtigen Eichtheorien nicht fehlen. Ihre Prinzipien und ihr Auftreten in der Elementarteilchenphysik sind Inhalt von Kap. 20. In vielen meiner wissenschaftlichen Arbeiten spielten Symmetrien von Systemen mit endlich bzw. unendlich vielen Freiheitsgraden (und deren Brechung) eine große Rolle. Gerne hätte ich weitere interessante Resultate – z. B. über Kac-Moody oder W-Algebren, Supersymmetrie oder dynamische Symmetrien – in diesem Buch aufgenommen. Dies ist aufgrund von Platz- und Zeitmangel nicht geschehen. Aber ich möchte die Gelegenheit doch nutzen, um einigen Kollegen zu danken, mit denen ich viele Einsichten über Symmetrien in der Physik teilen durfte. An erster Stelle danke ich Lochlain O’Raifeartaigh, dem ich viele Erkenntnisse über Symmetrien verdanke. Auch Norbert Straumann, meinem Doktorvater, möchte ich diesbezüglich herzlich danken. Geprägt haben mich Kooperationen mit Manuel Asorey, Janos Balog, Laszlo Feher, Peter Forgacs, Luis Inzunza, Mihkail Plyushchay, Ivo Sachs, Thomas Strobl, Izumi Tsutsui, Sebastian Uhlmann und Christian Wozar, bei denen Symmetrien im Zentrum der Diskussionen und Arbeiten stand. Besonderen Dank geht an Marc Steinhauser, der beim Erstellen von Abbildungen behilflich war und insbesondere Michael Mandl für das kapitelweise und mehrfache Durchlesen des gesamten Manuskripts und seine hilfreichen Verbesserungsvorschläge.

Vorwort

VII

Dieses Buch ist in Liebe meiner Frau Ingrid gewidmet, die mich über die Jahre – obwohl ich hin und wieder „in einem Paralleluniversum lebte“ – begleitet hat, sowie unseren Kindern Leonie, Severin und Valentin. Andreas Wipf

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Symmetrien und Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Gruppentheorie in Mathematik und Physik. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.3 Literatur, Software. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2

Elemente der Gruppentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.1 Gruppen und Gruppentafeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.2 Matrixgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.3 Diedergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.4 Anhang A: Matrizen mit Elementen in einem Ring. . . . . . . . . . . . 13 2.5 Anhang B: Präsentation einer Gruppe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.6 Aufgaben zu Kap. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3

Homomorphismen, Untergruppen und Klassen . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.1 Homomorphismen und isomorphe Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.2 Untergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3.2.1 Kern und Bild eines Homomorphismus. . . . . . . . . . . . . . 23 3.2.2 Zyklische Untergruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3.2.3 Eigenschaften von wichtigen Untergruppen . . . . . . . . . . 25 3.3 Nebenklassen und Faktorgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.4 Konjugationsklassen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3.5 Direktes und semidirektes Produkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.6 Aufgaben zu Kap. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

4

Endliche Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.1 Untergruppen der Permutationsgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.2 Symmetrische und alternierende Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 4.2.1 Zyklen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4.2.2 Konjugationsklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4.3 Kleine Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4.4 Aufgaben zu Kap. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

5 Raumzeit-Symmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5.1 Gruppenwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5.2 Drehungen im Raum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 5.3 Die euklidischen Gruppen En. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 IX

Inhaltsverzeichnis

X

5.4 5.5 5.6 5.7

Die Galilei-Gruppe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Lorentz- und Poincaré Transformationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Anhang A: Normalform der Drehungen und Bewegungen . . . . . . 71 5.6.1 Normalformen für Drehungen im Rn. . . . . . . . . . . . . . . . 71 5.6.2 Normalformen für Bewegungen im Rn . . . . . . . . . . . . . . 72 Aufgaben zu Kap. 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

6 Punktgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 6.1 Eigentliche Punktgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 6.1.1 Platonische Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 6.1.2 Klassifikation der eigentlichen Punktgruppen. . . . . . . . . 82 6.1.3 Uneigentliche Punktgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 6.1.4 Trägheitstensor symmetrischer Körper . . . . . . . . . . . . . . 91 6.2 Molekülsymmetrien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 6.2.1 Das Massenpunktsystem Allen C3H4. . . . . . . . . . . . . . . . 93 6.2.2 Trans-Dichlorethylen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 6.3 Aufgaben zu Kap. 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 7

Raumgruppen und Kristalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 7.1 Gittervektoren und primitive Elementarzelle. . . . . . . . . . . . . . . . . 100 7.1.1 Das reziproke Gitter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 7.1.2 Kristallsysteme in der Ebene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 7.1.3 Kristallsysteme im Raum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 7.2 Elementarzellen, Einheitszellen und Bravais-Gitter. . . . . . . . . . . . 105 7.3 Raum- und Flächengruppen von Kristallen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 7.3.1 Normalformen von Bewegungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 7.3.2 Flächen- und Raumgruppen und zugehörige Punktgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 7.4 Zweidimensionale Kristalle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 7.5 Dreidimensionale Kristalle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 7.6 Die 7 Kristallsysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 7.7 Aufgaben zu Kap. 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

8 Lie-Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 8.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 8.1.1 Lie-Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 8.1.2 (Weg-)Zusammenhängende Lie-Gruppen. . . . . . . . . . . . 134 8.1.3 Lie-Untergruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 8.2 Die Lie-Gruppen U(2) und SU(2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 8.3 Matrixgruppen GL(n, K) und Untergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 8.4 Globale Eigenschaften von Lie-Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 8.4.1 Homotopiegruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 8.4.2 Universelle Überlagerungsgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . 150 8.5 Aufgaben zu Kap. 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

Inhaltsverzeichnis

9

XI

Invariante Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 9.1 Haar-Maße auf U(1) und SU(2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 9.2 Haar-Maße für beliebige Lie-Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 9.3 Haar-Maße für kompakte Matrixgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 9.4 Haar-Maße für unitäre Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 9.5 Invariante Integration auf SU(1, 1) und SL(2, R). . . . . . . . . . . . . . 169 9.6 Modulare Funktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 9.7 Aufgaben zu Kap. 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

10 Darstellungen von Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 10.1 Darstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 10.2 Reguläre Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 10.3 Reduzible und irreduzible Darstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 10.4 Darstellungen von Gruppen mit Mittelwertbildung. . . . . . . . . . . . 184 10.5 Tensorprodukt von Darstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 10.6 Symmetrische Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 10.7 Anwendung: Benzolring in der Hückel-Näherung. . . . . . . . . . . . . 188 10.8 Darstellungen und spezielle Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 10.8.1 Kugelflächenfunktionen und SO(3)-Darstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 10.8.2 Darstellungen von SU(2) auf L2 (C2 , ρ). . . . . . . . . . . . . . 196 10.9 Aufgaben zu Kap. 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 11 Charaktere und Lemma von Schur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 11.1 Charakter einer Darstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 11.2 Das Lemma von Schur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 11.2.1 Systeme mit invariantem Hamilton-Operator . . . . . . . . . 207 11.2.2 Orthogonalitätsrelationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 11.2.3 Ausreduktion einer beliebigen Darstellung. . . . . . . . . . . 211 11.2.4 Methode der Projektionsoperatoren. . . . . . . . . . . . . . . . . 212 11.3 Alle Darstellungen einer endlichen Gruppe. . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 11.4 Darstellungen der symmetrischen Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 11.4.1 Young-Diagramme und Young-Tableaus. . . . . . . . . . . . . 219 11.4.2 Young-Symmetrisierer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 11.5 Anhang A: Charaktertafeln der Punktgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . 227 11.6 Aufgaben zu Kap. 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 12 Irreduzible Darstellungen von Lie-Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 12.1 Charaktere von U(1) und Satz von Peter und Weyl. . . . . . . . . . . . 233 12.2 Irreduzible Darstellungen von SU(2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 12.2.1 Die dreidimensionale Darstellung SO(3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 12.2.2 Höherdimensionale Darstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 12.3 Darstellungen von SU(3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 12.4 Aufgaben zu Kap. 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

XII

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13 Theorie der Lie-Algebren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 13.1 Einführung in Lie-Algebren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 13.2 Lie-Unteralgebren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 13.3 Lie-Algebra-Homomorphismen und Darstellungen. . . . . . . . . . . . 248 13.3.1 Darstellungen einer Lie-Algebra. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 13.3.2 Irreduzible Darstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 13.3.3 Adjungierte Darstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 13.4 Invariante Killing-Form. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 13.4.1 Cartan-Killing-Metrik und Strukturkonstanten. . . . . . . . 253 13.4.2 Killing-Formen für Matrix-Lie-Algebren . . . . . . . . . . . . 254 13.5 Universelle Einhüllende einer Lie-Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 13.5.1 Quadratische Casimir-Invarianten. . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 13.5.2 Höhere Casimir-Invarianten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 13.6 Anhang A: Nilpotente und auflösbare Lie-Algebren. . . . . . . . . . . 260 13.7 Aufgaben zu Kap. 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 14 Lie-Algebren von Lie-Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 14.1 Lie-Algebra der infinitesimalen Erzeugenden. . . . . . . . . . . . . . . . 272 14.1.1 Adjungierte Darstellung der Gruppe und Zentrum . . . . . 275 14.1.2 Darstellungen von G induzieren Darstellungen von g. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 14.1.3 Tensorprodukt von Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 14.2 Lie-Algebren der klassischen Matrixgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . 281 14.3 Die Exponentialabbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 14.4 Weyl-Gruppe und maximale Tori. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 14.5 Lorentz-Gruppe und Lorentz-Algebra. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 14.6 Die Poincaré-Algebra. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 14.7 Allgemeine Lie-Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 14.8 Anhang A: Linksinvariante Vektorfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 14.8.1 Vektoren und Tangentialraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 14.8.2 Die Abbildungen Pullback und Pushforward. . . . . . . . . . 300 14.9 Aufgaben zu Kap. 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 15.1 Auf- und Absteigeoperatoren in su(2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 15.2 Wurzeln einer einfachen Lie-Algebra. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 15.3 Quantisierung der Wurzeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 15.3.1 Weyl-Spiegelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 15.3.2 Weyl-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 15.4 Wurzeln von Lie-Algebren mit Rang ≤ 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 15.5 Eigenschaften von Wurzelsystemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 15.6 Cartan-Matrix und Dynkin-Diagramme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 15.7 Cartan-Klassifikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 15.8 Anhang: Explizite irreduzible Wurzelsysteme. . . . . . . . . . . . . . . . 336 15.9 Aufgaben zu Kap. 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338

Inhaltsverzeichnis

XIII

16 Darstellungen von Lie-Algebren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 16.1 Gewichte einer Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 16.1.1 Stufenoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 16.1.2 Weyl-Gruppe, Gewichtsgitter und fundamentale Gewichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 16.1.3 Höchstes Gewicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 16.1.4 Tensorprodukt von Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 16.2 Charaktere und Dimensionen von Darstellungen. . . . . . . . . . . . . . 353 16.2.1 Weylsche Integralformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 16.2.2 Charaktere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 16.2.3 Weylsche Dimensionsformel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 16.2.4 Multiplizität der Gewichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 16.3 Young-Diagramme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 16.3.1 Dimensionen der Darstellungen von GL(n). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 16.3.2 Irreduzible Darstellungen von U(n) und SU(n) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 16.3.3 Tensorprodukte mit Young-Diagrammen. . . . . . . . . . . . . 372 16.4 Aufgaben zu Kap. 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 17 Symmetrien in der Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 17.1 Mehrteilchensysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 17.2 Translationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 17.3 Periodische Potenziale und Bloch-Wellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 17.4 Drehimpuls in der Quantenmechanik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 17.5 Addition von Drehimpulsen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 17.5.1 Ausreduktion von Tensorprodukten. . . . . . . . . . . . . . . . . 390 17.5.2 Clebsch-Gordan(CG)-Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . 393 17.5.3 Wigner-Eckart-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 17.6 Algebraische Lösung des Wasserstoffatoms. . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 17.7 Aufgaben zu Kap. 17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 18 Symmetrien in der relativistischen Quantenmechanik. . . . . . . . . . . . 409 18.1 Darstellungen der Lorentz-Gruppe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 18.2 Darstellungen der Poincaré-Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 18.2.1 Massive Darstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 18.2.2 Masselose Darstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 18.3 Clifford-Algebren in d Dimensionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 18.3.1 Irreduzible Darstellungen der Clifford-Algebra. . . . . . . . 416 18.3.2 Spingruppe als Überlagerung der Lorentz-Gruppe. . . . . 417 18.3.3 Transformationen der Spinorfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 18.4 Kovarianz der Dirac-Gleichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 18.4.1 Dirac-Gleichung für freie Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 18.4.2 Raumspiegelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423

XIV

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18.4.3 Zeitumkehr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 18.4.4 Kopplung ans elektromagnetische Feld und Ladungskonjugation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 18.5 Aufgaben zu Kap. 18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 19 Relativistische Feldtheorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 19.1 Langrangescher Formalismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 19.2 Hamiltonscher Formalismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 19.3 Noether-Theorem für innere Symmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 19.4 Noether-Theorem für Translationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 19.4.1 Energie-Impuls des elektromagnetischen Feldes. . . . . . . 443 19.4.2 Verbesserung von Noether-Strömen. . . . . . . . . . . . . . . . . 444 19.5 Lorentz-Transformationen und Drehimpuls. . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 19.6 Symmetrien in Quantenfeldtheorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 19.7 Aufgaben zu Kap. 19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 20 Eichtheorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 20.1 Eichtransformationen und minimale Kopplung. . . . . . . . . . . . . . . 460 20.2 Eichkovariante Ableitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 20.3 Nichtabelsche Eichtheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 20.3.1 Lokale Eichinvarianz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 20.3.2 Infinitesimale Eichtransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . 469 20.3.3 Feldgleichungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 20.4 Quantenchromodynamik (QCD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 20.4.1 Die QCD ist eine SU(3)-Eichtheorie. . . . . . . . . . . . . . . . 475 20.4.2 Infinitesimale Flavor-Symmetrien und spontane Symmetriebrechung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 20.5 Weinberg-Salam-Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 20.6 Aufgaben zu Kap. 20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 21 Konform-invariante Feldtheorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 21.1 Konforme Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 21.1.1 Konforme Abbildungen in d ≥ 3 Dimensionen. . . . . . . . 487 21.1.2 Konforme Abbildungen in d = 2 Dimensionen. . . . . . . . 490 21.2 Konform invariante Feldtheorien (CFT). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 21.2.1 Weyl-invariante Feldtheorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 21.2.2 Konsequenzen der konformen Invarianz. . . . . . . . . . . . . 494 21.2.3 Konforme Algebra in d Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . 496 21.2.4 Energie-Impuls-Tensor und Bessel-Hagen Ströme. . . . . 498 21.3 Konforme Feldtheorien in 1 + 1 Dimensionen. . . . . . . . . . . . . . . . 500 21.3.1 Witt-Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 21.3.2 Virasoro-Algebra. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 21.3.3 Zur Bedeutung der zentralen Ladung. . . . . . . . . . . . . . . . 506 21.3.4 Virasoro-Algebra für Entwicklungskoeffizienten . . . . . . 508 21.3.5 Darstellungen der Virasoro-Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . 510

Inhaltsverzeichnis

XV

21.4 Anhang A: Zentrale Erweiterung der Virasoro-Algebra. . . . . . . . . 511 21.5 Aufgaben zu Kap. 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521

Abkürzungsverzeichnis

◦ Gruppenmultiplikation G, |G| und g, h, … Gruppe, Gruppenordnung und Gruppenelemente Aut(G) Automorphismen-Gruppe von G T(G) Gruppentafel ℓg , rg Links- und Rechtsmultiplikation mit g e:=Z(2)*[[1,0],[0,1]];c:=Z(2)*[[1,1],[0,1]]; GAP> a:=Z(2)*[[0,1],[1,1]];d:=Z(2)*[[1,0],[1,1]]; GAP> b:=Z(2)*[[1,1],[1,0]];f:=Z(2)*[[0,1],[1,0]]; GAP> G:=Group(e,a,b,c,d,f);G1:=Group(e,a,b); GAP> IsSubgroup(G,G1);IsSimple(SL(2,2));IsNormal(G,G1);

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2

Elemente der Gruppentheorie

In der letzten Zeile wird abgefragt, ob G 1 eine Untergruppe von G ist (true), ob G einfach ist (false) und ob G 1 ein Normalteiler in G ist (true). Normalteiler und einfache Gruppen werden in Abschn. 3.2.3 eingeführt.

2.3

Diedergruppen

Die Elemente der Diedergruppe Dn sind die Symmetrietransformationen des regelmäßigen n-Polygons in der Ebene, d. h. alle linearen Transformationen, die das Polygon in sich überführen. Sie werden auch Decktransformationen des Polygons genannt. Die Gruppe Dn enthält 2n Elemente, nämlich n Drehungen und n Spiegelungen. Decktransformationen des gleichseitigen Dreiecks Als einfaches Beispiel betrachten wir die Decktransformationen des gleichseitigen Dreiecks in der Ebene. Es sind die 3 Drehungen des Dreiecks um seinen Schwerpunkt mit Vielfachen von 2π/3 und die 3 Spiegelungen σv , siehe Abb. 2.1. Die Gruppenoperation ist die Komposition von Transformationen. Man bezeichnet die Drehung um 2π/3 mit c3 und die Spiegelung an der durch den i-ten Eckpunkt (i) führende Gerade mit σv . Die Decktransformationen wirken auf den Eckpunkten des Dreiecks. Zum Beispiel ist c3 (1) σv σv(2)

: (1, 2, 3) −→ (3, 1, 2), : (1, 2, 3) −→ (1, 3, 2), : (1, 2, 3) −→ (3, 2, 1),

wie man aus Abb. 2.1 abliest. Dabei ist die Drehung c3 wie folgt zu lesen: In der Ecke, in der vor der Drehung die 1 war, ist danach die 3, wo die 2 war, ist danach die Abb. 2.1 Symmetrien des gleichseitigen Dreiecks

2.4 Anhang A: Matrizen mit Elementen in einem Ring

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Abb. 2.2 Die Verknüpfung ist das Hintereinander-Ausführen von Deckoperationen

1 und wo die 3 war, ist danach die 2. Führen wir diese Symmetrietransformationen hintereinander aus, so erhalten wir zum Beispiel c3

(1)

σv

(1, 2, 3) −→ (3, 1, 2) −→ (3, 2, 1), d. h. σv(1) ◦ c3 = σv(2) , Die Operationen sind in der Abb. 2.2 dargestellt. Mit Hilfe ähnlicher Betrachtungen für die restlichen Produkte findet man die Gruppentafel für D3 : ⎞ ⎛ e c3 c32 σv(1) σv(2) σv(3) ⎜ ⎟ ⎜ c3 c32 e σv(3) σv(1) σv(2) ⎟ ⎜ 2 (2) (3) (1) ⎟ ⎜ c ⎟ ⎜ 3 e c3 σ v σ v σ v ⎟ ⎜ ⎟. (2.8) T(D3 ) = ⎜ ⎟ ⎟ ⎜ σ (1) σ (2) σ (3) e c 2 3 c3 ⎟ v v ⎜ v ⎜ (2) (3) (1) 2 ⎟ ⎝ σ v σ v σ v c3 e c3 ⎠ (3) (1) (2) σv σv σv c3 c32 e Frage

Warum stehen in den Blöcken links oben und rechts unten nur Drehungen und rechts oben und links unten nur Spiegelungen? Die Symmetrietransformationen bilden die kleinste nichtabelsche Gruppe D3 der Ordnung 6. Man beachte, dass im linken oberen Block die Gruppentafel der zyklischen Untergruppe C3 steht. Die Gruppentafel von D3 ist identisch mit derjenigen von GL(2, Z/2Z) in (2.7).

2.4

Anhang A: Matrizen mit Elementen in einem Ring

Die Elemente ai j einer Matrix müssen nicht notwendigerweise Elemente eines Körpers sein. Es genügt, dass sie Elemente eines Rings sind. Die Axiome eines Rings sind den Rechenregeln für ganze Zahlen nachgebildet: Definition 3 (Ring) Eine Menge R mit zwei binären Operationen, der Addition + : R × R → R und der Multiplikation, · : R × R → R ist ein Ring, wenn sie bezüglich

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2

Elemente der Gruppentheorie

der Addition eine kommutative Gruppe bildet und bezüglich der Multiplikation eine Halbgruppe mit Einselement ist 1 und beide Operationen über die Distributivgesetze (a + b) · c = a · c + b · c , c · (a + b) = c · a + c · b zusammenhängen. Das neutrale Element bezüglich der Addition heißt null, a+0 = a. Ist die Multiplikation kommutativ, so ist R ein kommutativer Ring. In einem Ring kann demnach addiert, subtrahiert und multipliziert werden. Ein kommutativer Ring heißt Körper, wenn jedes Element in R\{0} invertierbar ist2 . Die Division in einem Körper ist dann wie folgt definiert: a/b := ab−1 ,

b = 0.

Beispiel: Ringe

• • • •

Q, R, C sind Körper, also auch spezielle Ringe. Z ist ein kommutativen Ring. Die geraden Zahlen in Z bilden einen kommutativen Ring, allerdings ohne 1. Z/n Z ist ein kommutativer Ring.

Die letzte Aussage wollen wir beweisen: Dazu definieren wir die Nebenklassen modulo n. Zwei ganze Zahlen m und m  liegen in derselben Klasse, wenn m = m  + kn mit k ∈ Z gilt. Es gibt offensichtlich n Klassen, und jede Klasse hat einen Repräsentanten m in der Menge {0, 1, . . . , n − 1}. Wir bezeichnen diese Klasse mit [m]. Auf der Menge der Klassen definieren wir eine Addition durch die Addition von Repräsentanten, +

[m]

 Klasse von m

[m  ]



Klasse von m 

=

[m + m  ].

 

Klasse von m+m 

Diese ist wohldefiniert, da [m + m  ] nicht von den Repräsentanten der Klassen abhängt. In diesem Ring gilt beispielsweise 1 + 1 + · · · + 1 = 0. n

Die Nebenklassen mod n mit dieser Addition bilden die abelsche Gruppe (Z/n Z, +) der Ordnung n. Mit Hilfe von [m 1 ] · [m 2 ] = [m 1 · m 2 ]

1 Man 2 Man

findet auch die Definition ohne die Annahme der Existenz des Einselements. findet auch die Definition ohne die Annahme, dass die Multiplikation kommutativ ist.

2.4 Anhang A: Matrizen mit Elementen in einem Ring

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ist auf den Klassen zusätzlich eine Multiplikation definiert und Z/n Z wird zu einem kommutativen Ring. Allerdings haben nur alle Elemente = 0 ein Inverses, wenn n eine Primzahl ist. Frage

Warum ist für eine Primzahl n der kommutative Ring Z/n Z ein Körper? Definition 4 (Matrix) Eine m × n-Matrix mit Koeffizienten in einem kommutativen Ring R (oder eine m × n-Matrix über R) ist eine Abbildung A : {1, 2, . . . , m} × {1, 2, . . . , n} → R, (i, j) → ai j . Man schreibt auch A = (ai j ). Die Menge der m × n-Matrizen mit Koeffizienten in einem kommutativen Ring R wird mit Mat(m, n, R) bezeichnet. Matrizen mit Koeffizienten in Z oder Q werden kurz ganzzahlige oder rationale Matrizen genannt. Matrizen können addiert und mit Skalaren multipliziert werden: Definition 5 Seien A, B ∈ Mat(m, n, R) und α ∈ R. Dann heißt  A + B := ai j + bi j die Summe von A und B und

 α · A = αai j

das α−fache skalare Vielfache von A. Wir schreiben im Folgenden statt α · A kurz α A. Zwei n × n-Matrizen mit Koeffizienten in einem Ring R können multipliziert werden, A · B = C = (ci j ),

ci j =



aik bk j .

k

Satz 1 (Matrixring) Die Menge Mat(n, R) der n × n-Matrizen mit Koeffizienten in R ist bezüglich der Addition und der Multiplikation von Matrizen wieder ein Ring. Ist n ≥ 2 und hat R mindestens 2 Elemente, so ist Mat(n, R) nichtkommutativ. Hier drängt sich die Frage auf, wann eine Matrix mit Matrixelementen in einem kommutativen Ring invertierbar ist. Es gilt der Satz 2 (Invertierbare Matrizen) Sei R ein kommutativer Ring. Eine Matrix A ∈ Mat(n, R) ist genau dann invertierbar, wenn det(A) ∈ R invertierbar ist.

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2

Elemente der Gruppentheorie

Die bezüglich der Multiplikation invertierbaren Elemente in R heißen Einheiten. Der Satz besagt also, dass A invertierbar ist, wenn det(A) eine Einheit ist. Zum Beweis erinnern wir uns an den Satz 3 (Cayley-Hamilton) Sei R ein kommutativer Ring, A ∈ Mat(n, R) und χ A (λ) = det(λ − A) = λn + an−1 λn−1 + an−2 λn−2 + · · · + a0 das charakteristische Polynom von A. Dann gilt χ A (A) = An + an−1 An−1 + an−2 An−2 + · · · + a1 A + a0 · 1 = 0.

(A.1)

Die Koeffizienten an−1 = −Sp(A), . . . , a0 = (−)n det A sind Polynome in den Matrixelementen und liegen damit in R. Frage

Wo im Beweis wird angenommen, dass R ein kommutativer Ring ist? Mit der Formel von Cayley und Hamilton können wir nun beweisen, dass für invertierbares det A die Matrix A invertierbar ist. Nach Voraussetzung ist det A eine Einheit und wir können in  A · An−1 − Sp A An−2 + · · · + a1 1 = (−)n−1 det A 1 mit dem Inversen von det A multiplizieren. Wir erhalten  A−1 = (−)n−1 An−1 − Sp A An−2 + · · · + a1 1 (det A)−1 ,

A A−1 = 1,

was zeigt, dass die zu A inverse Matrix (mit Elementen in R) existiert, wenn det A in R invertierbar ist. Beispiel: Die Inverse einer 2 × 2-Matrix

Für eine beliebige 2 × 2-Matrix A = (ai j ) hat das charakteristische Polynom die Form χ A (λ) = λ2 − Sp A λ + det A. Das Theorem von Cayley-Hamilton impliziert für derartige Matrizen A

−1

1  1 a22 −a12 . = (Sp A)1 − A = det A det A −a21 a11

(A.2) 

Für 3 × 3-Matrizen kann man ähnlich verfahren.

2.5 Anhang B: Präsentation einer Gruppe

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Beispiel: Die Inverse einer 3 × 3-Matrix

Die Inverse einer beliebigen 3 × 3-Matrix A = (ai j ) lautet 1  2 A − (Sp A)A + 1 , mit det A  = a11 a22 − a12 a21 + a11 a33 − a13 a31 + a22 a33 − a23 a32 .

A−1 =

(A.3)

 Die Menge der invertierbaren Matrizen

GL(n, R) = {A ∈ Mat(n, R) det A ist invertierbar} bildet also bezüglich der Matrixmultiplikation eine Gruppe. Sie wird allgemeine lineare Gruppe GL(n, R) genannt. Die Teilmenge der Matrizen mit Determinante 1 definiert die spezielle lineare Gruppe SL(n, R) mit Matrixelementen im Ring R.

2.5

Anhang B: Präsentation einer Gruppe

Eine ausgezeichnete Rolle spielen jene Elemente einer Gruppe, durch deren faktorielle Anwendung jedes beliebige Element dargestellt werden kann. Sie heißen Erzeugende (Generatoren). Eine minimale Menge von Erzeugenden, deren Anzahl als Rang r bezeichnet wird, nennt man Basis der Gruppe. Eine elegante Methode, Gruppen kompakt zu präsentieren, ist die Angabe von erzeugenden Elementen und Relationen zwischen diesen. Zum Beispiel hat die Diedergruppe D3 die Erzeugenden c3 und σv mit den Relationen c33 = σv2 = 1, σv ◦ c3 ◦ σv−1 = c3−1 . Dieses einfache Verfahren ist aber wenig intuitiv: Man weiß oft über die entstehende Gruppe sehr wenig. Einer Präsentation anzusehen, welche Eigenschaften die Gruppe besitzt, kann schwierig sein. Häufig ist es nicht einmal klar, ob die präsentierte Gruppe endlich ist. Zwei Präsentationen ist auch nicht immer anzusehen, ob sie isomorphe Gruppen beschreiben. Dennoch spielen Präsentationen eine wichtige Rolle bei der Klassifikation von Gruppen. Wir kommen zu D3 mit der Präsentation (wir setzen c3 = a und σv = b)   D3 = a, b |a 3 = b2 = e, b ◦ a ◦ b−1 = a −1 ⇐⇒ b ◦ a = a 2 ◦ b

(B.1)

zurück. Die von a und b erzeugte Gruppe enthält alle Produkte von a und b, die sogenannten Wörter des aus a und b bestehenden Alphabets, z. B. a, ab, ab2 , abab2 a 3 , . . . ,

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2

Elemente der Gruppentheorie

wobei ab für a ◦ b steht. Wir dürfen die Relationen (B.1) benutzen, um die Wörter zu vereinfachen. Die letzte Relation erlaubt uns, in einem Wort alle a nach links und alle b nach rechts zu bringen. Benutzen wir dann noch die Relationen a 3 = b2 = e, so kann jedes Wort auf eine der folgenden Wörter reduziert werden: {e, a, a 2 , b, ab, a 2 b}. Mit Hilfe der Relationen in (B.1) gewinnt man die Multiplikationstafel von D3 in (2.8): ⎞ ⎛ e a a 2 b ab a 2 b ⎜ a a 2 e ab a 2 b b ⎟ ⎟ ⎜ 2 ⎜ a e a a 2 b b ab ⎟ ⎟ ⎜ (B.2) T(D3 ) = ⎜ 2 2 a ⎟. ⎟ ⎜ b a b ab e a 2 2 ⎝ ab b a b a e a ⎠ a 2 b ab b a 2 a e Eine ähnliche Präsentation findet man für alle Diedergruppen Dn . Diese werden erzeugt von der Drehung cn mit dem Winkel 2π/n und der Spiegelung σ an einer Symmetrieachse. Eine mögliche Präsentation ist dann (mit cn = a und σ = b): Dn = {a, b| a n = b2 = e, ba = a n−1 b}.

(B.3)

Diese Relationen bedingen, dass jedes Wort aus dem Alphabet mit den Buchstaben a, b in eines der folgenden Wörter umgewandelt werden kann: {e, a, a 2 , . . . , a n−1 , b, ab, a 2 b, . . . , a n−1 b}. Die Gruppentafel kann nun wie für D3 unter Ausnutzung der Relationen (B.3) berechnet werden. Mit GAP kann man die Eigenschaften einer Präsentation erfragen. Zum Beispiel definiert GAP> f:=FreeGroup("a","b"); GAP> f1:=f/[f.1^6,f.2^2,f.2*f.1*f.2*f.1];

die Diedergruppe D6 , die unter GAP mit Dihedral(12) aufgerufen wird: GAP> Order(f1);f2:=DihedralGroup(12);Order(f2);

Eine Gruppe kann verschiedene Präsentationen haben, die sich in der Anzahl der Erzeugenden und/oder Relationen unterscheiden, siehe http://brauer.maths.qmul.ac. uk/Atlas/v3/.

2.6 Aufgaben zu Kap.2

2.6

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Aufgaben zu Kap. 2

Aufgabe 2.1: Gruppenaxiome Man beweise, dass bereits folgende Axiome eine Gruppe G mit Verknüpfung ◦ definieren: 1. 2. 3. 4.

Abgeschlossenheit: g1 , g2 ∈ G ⇒ g1 ◦ g2 ∈ G, Assoziativgesetz: g1 , g2 , g3 ∈ G ⇒ g1 ◦ (g2 ◦ g3 ) = (g1 ◦ g2 ) ◦ g3 , Existenz eines linksneutralen Elements: ∃ e ∈ G : ∀g ∈ G, e ◦ g = g, Existenz eines linksinversen Elements: ∀g ∈ G ∃g −1 ∈ G : g −1 ◦ g = e.

Aufgabe 2.2: Die Körper Z/n Z Zeigen Sie, dass für eine Primzahl n der kommutative Ring Z/n Z ein Körper ist. Aufgabe 2.3: Decktransformationen des Quadrats Die Elemente der Diedergruppe D4 sind die Decktransformationen {e, c4 , c2 , c43 , σv , σv , σd , σd } des gleichseitigen Vierecks, wobei σv , σv die Spiegelungen an den beiden Mittelsenkrechten und σd , σd die Spiegelungen an den beiden Diagonalen bezeichnen. 1. Die Decktransformationen wirken auf den Eckpunkten des Vierecks. Zum Beispiel c4 : (1, 2, 3, 4) → (4, 1, 2, 3). Wie lauten die restlichen Decktransformationen? 2. Überzeugen Sie sich davon, dass die Gruppentafel folgende Form hat: ⎞ ⎛ e c4 c2 c43 σv σv σd σd ⎜ c4 c2 c43 e σd σd σv σv ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ c2 c3 e c4 σv σv σ  σd ⎟ d ⎟ ⎜ 3 4 ⎜ c e c4 c2 σd σ  σv σv ⎟ 4 d ⎟ T(D4 ) = ⎜ ⎜ σv σd σ  σ  e c2 c4 c3 ⎟ . v d ⎜ 4⎟ ⎜ σ  σ  σ v σ d c2 e c 3 c4 ⎟ ⎟ ⎜ v d 4 ⎝ σd σ  σ  σv c3 c4 e c2 ⎠ v d 4 σd σv σd σv c4 c43 c2 e Aufgabe 2.4: Cayley-Tafel Wir wollen hier mit Gruppentafeln etwas vertrauter werden: 1. Ergänzen Sie die folgenden Schemata zu Gruppentafeln mit Elementen e, a, b, c: e a b c

a e · ·

b · e ·

c · · ·

e a b c

a c · ·

b · e ·

c · · ·

e a b c

a c · ·

b · c ·

c · · ·

2. Sind die Gruppen, die zur ersten und letzten Tafel gehören, isomorph (haben sie bis auf Umbenennung der Gruppenelemente identische Gruppentafeln)?

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2

Elemente der Gruppentheorie

3. Welche der Gruppen ist die „Vierergruppe von Klein“? 4. Bestimmen Sie die Gruppentafel der von den Elementen a und b erzeugten Gruppe, welche die Relationen a 2 = b3 = (ab)2 = e erfüllen. Kennen Sie diese Gruppe? Aufgabe 2.5: Präsentationen Welche beiden Gruppen werden durch folgende Präsentationen definiert: {a 2 = b2 = (ab)3 = e} und {a 5 = b2 = e, bab−1 = a −1 }?

3

Homomorphismen, Untergruppen und Klassen

Strukturen sind die Waffen der Mathematiker. Nicolas Bourbaki

Strukturen von Gruppen werden durch deren Einteilung in Äquivalenzklassen sichtbar. In diesem Kapitel diskutieren wir Nebenklassen und Konjugationsklassen. Letztere sind für die Darstellungstheorie von Bedeutung. Wir beginnen das Kapitel mit strukturerhaltenden Abbildungen ϕ : G → G  . Diese führen zu dem Begriff von isomorphen Gruppen, die als abstrakte Gruppen nicht unterscheidbar sind. Viele Gruppen treten als Untergruppen von größeren Gruppen auf. Wichtige Beispiele sind Normalteiler oder das Zentrum einer Gruppe. Schlussendlich definieren und diskutieren wir das semidirekte Produkt zweier Gruppen. Dieses tritt in Geometrie und Physik oft auf. Notation

Im Folgenden werden wir für die Gruppenmultiplikation von g und g  nur noch gg  anstelle von g ◦ g  schreiben.

3.1

Homomorphismen und isomorphe Gruppen

Die Gruppentafeln von D3 in Abschn. 2.3 und SL(2, Z/2Z) in Abschn. 2.2 sind identisch, wenn wir folgende Identifikation vornehmen:     e, c3 , c32 , σv(1) , σv(2) , σv(3) ←→ e, a, b, c, d, f . © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_3

21

22

3

Homomorphismen, Untergruppen und Klassen

Die Gruppen sind bis auf eine Umbenennung der Gruppenelemente gleich, d. h., sie sind isomorph. Allgemeiner definieren wir homomorphe und isomorphe Gruppen wie folgt: Definition 6 (Homomorphismus, Isomorphismus) Eine Abbildung ϕ : G → G  zwischen zwei Gruppen mit der Eigenschaft ϕ(g1 g2 ) = ϕ(g1 )ϕ(g2 ) für alle g1 , g2 ∈ G heißt Gruppenhomomorphismus. Ein bijektiver Homomorphismus heißt Isomorphismus. Existiert ein Isomorphismus, dann heißen G und G  isomorph, G ∼ = G. Ist G = G  , so nennt man einen Homomorphismus Endomorphismus und einen Isomorphismus Automorphismus von G. Hom(G, G  )

Die Menge der Homomorphismen G → G  bezeichnet man mit Hom(G, G  ).

Satz 4 Es seien G und G  Gruppen mit Einselementen e und e und ϕ ∈ Hom(G, G  ).  −1 Dann ist ϕ(e) = e und ϕ(g −1 ) = ϕ(g) für alle g ∈ G. Beweis: Diese Eigenschaften sind leicht zu beweisen: ϕ(g) = ϕ(ge) = ϕ(g)ϕ(e) =⇒ ϕ(e) = e ,

 −1 e = ϕ(gg −1 ) = ϕ(g)ϕ(g −1 ) =⇒ ϕ(g −1 ) = ϕ(g) .

(3.1)

Lemma 1 (Automorphismen-Gruppe) Die Menge der Automorphismen Aut(G) = {ϕ : G → G| ϕ ist Isomorphismus} bildet eine Gruppe und heißt Automorphismen-Gruppe von G. Die Gruppenverknüpfung ist die Komposition von Abbildungen, das Einselement ist die identische Abbildung ϕ : g → g und das zu ϕ inverse Element ist die inverse Abbildung. Zu jedem Gruppenelement g existiert die Konjugation mit g, Adg : G −→ G,

Adg (g  ) = gg  g −1 ,

(3.2)

auch adjungierte Abbildung genannt. Konjugationen sind spezielle Automorphismen. Sie heißen innere Automorphismen. Aufgabe

Überzeugen Sie sich davon, dass Adg ein Automorphismus ist.

3.2 Untergruppen

3.2

23

Untergruppen

Als Untergruppe von G bezeichnet man eine Teilmenge H ⊂ G, die unter der Multiplikation in G abgeschlossen ist und eine Gruppe bildet. Es gilt: Lemma 2 Es sei G eine Gruppe und H ⊂ G. Dann ist H eine Untergruppe von G, wenn für alle a, b ∈ H gilt ab ∈ H und a −1 ∈ H . Frage

Wie folgen daraus die verbleibenden Axiome einer Gruppe? Eine Gruppe hat stets die uneigentlichen Untergruppen G und {e}. Ist H eine Untergruppe von G, dann schreibt man H ≤ G. Ist sie echt kleiner als G, dann schreibt man H < G. H heißt maximal, wenn es in G keine Untergruppe echt größer H und echt kleiner G gibt. Beispiel: Untergruppen

• Eine Untergruppe von C∗ = C\{0} mit der Multiplikation als Verknüpfung ist U(1) = {z ∈ C| |z| = 1} < C∗ . (3.3) • Z enthält die Untergruppe (m Z, +) der ganzzahligen Vielfachen von m ∈ Z. • Die Diedergruppe D3 enthält die zyklische Gruppe C3 als Untergruppe. Sie enthält auch dreimal die Untergruppe C2 , deren Elemente jeweils das Einselement und eine Spiegelung sind.

3.2.1

Kern und Bild eines Homomorphismus

Homomorphismen G → G  geben Anlass zu speziellen Untergruppen von G und G. Definition 7 (Kern, Bild) Der Kern eines Homomorphismus ϕ ist die Menge Ker(ϕ) = {g ∈ G|ϕ(g) = e } ⊂ G,

(3.4)

wobei e das Einselement in G  bezeichnet. Das Bild des Homomorphismus ist die Menge Im(ϕ) = {ϕ(g)|g ∈ G}. Jedes ϕ ∈ Hom(G, G  ) definiert nun je eine Untergruppe von G und von G  : Lemma 3 Für jedes ϕ ∈ Hom(G, G  ) ist Im(ϕ) ≤ G  und Ker (ϕ) ≤ G.

(3.5)

24

3

Homomorphismen, Untergruppen und Klassen

Die erste Eigenschaft ist schnell bewiesen: Wir müssen zeigen, dass Im(ϕ) abgeschlossen ist und mit jedem Element das inverse Element enthält: ϕ(g1 )ϕ(g2 ) = ϕ(g1 g2 ) ∈ Im(ϕ), ϕ(g)−1 = ϕ(g −1 ) ∈ Im(ϕ). Der Kern des Homomorphismus soll dieselben Eigenschaften besitzen. Es seien g1 , g2 und g im Kern des Homomorphismus ϕ. Dann folgen ϕ(g1 g2 ) = ϕ(g1 ) ϕ(g2 ) = e ,     e

e

ϕ(gg −1 ) = e = ϕ(g) ϕ(g −1 ) ⇒ ϕ(g −1 ) = e ,  e

was beweist, dass auch der Kern von ϕ eine Untergruppe ist. Beispiel: Abelsche Gruppen

Es sei G eine Abelsche Gruppe. Dann ist für jede ganze Zahl m die Abbildung ϕm :

G −→ G,

ϕm (g) = g m

ein Homomorphismus. Für G = (Z, +) ist Ker(ϕm ) = {0} und Im(ϕm ) = m Z.  Beispiel: Determinantenabbildung

Wegen det(AB) = det(A) det(B) ist die Determinanten-Abbildung det: GL(n, K) → (K∗ , ·) ein surjektiver Gruppenhomomorphismus in die multiplikative Gruppe K∗ = K \ {0} der invertierbaren Elemente in K. Ihr Kern ist (n, K).  Aus Lemma 3 folgt unmittelbar Korollar 1 Sei ϕ ∈ Hom(G, G  ) und H ≤ G. Dann ist ϕ(H ) ≤ ϕ(G).

3.2.2

Zyklische Untergruppen

Zu jedem Element g ∈ G gehört die von g erzeugte zyklische Untergruppe

(g) = g k |k ∈ Z ≤ G, wobei g 0 = e und g −k := (g k )−1 . Wenn (g) = G ist, dann ist G eine zyklische Gruppe und damit auch abelsch. Die Ordnung der Untergruppe (g) ⊂ G heißt Ordnung des Gruppenelements g in G.

3.2 Untergruppen

25

Beispiel: Es kann mehrere erzeugende Elemente geben

Ein Beispiel für zyklische Gruppen ist Z mit dem erzeugenden Element 1. Auch −1 ist erzeugendes Element. Es kann also mehr als ein erzeugendes Element geben.  Aufgabe

Überzeugen Sie sich davon, dass D4 und D5 die zyklischen Untergruppen {C4 , C2 , C2 , C2 } und {C5 , C2 , C2 , C2 } haben. Was sind die zyklischen Untergruppen von D p mit Primzahl p? Endliche zyklische Gruppen Zyklische Gruppen können endliche oder unendliche Ordnung haben. Ist die Ordnung endlich, dann gibt es Zahlen k > l ∈ Z für die g k = gl bzw. g k−l = e ist. Daher gibt es ein n > 0 mit g n = e. Es sei n die kleinste positive Zahl mit dieser Eigenschaft. Die zyklische Gruppe besteht dann aus den Elementen (g) = {e, g, g 2 , . . . , g n−1 |g n = e}.

(3.6)

Es folgt dann, dass zyklische Gruppen derselben Ordnung isomorph sind: Lemma 4 Eine zyklische Gruppe der Ordnung n < ∞ ist isomorph zu Zn ≡ Z/ n Z. Unendliche zyklische Gruppen Ist die Ordnung einer zyklischen Gruppe unendlich, so sind alle g k verschieden, und die Abbildung Z  k → g k ∈ (g) ist ein Isomorphismus. Lemma 5 Eine unendliche zyklische Gruppe ist isomorph zu (Z, +).

3.2.3

Eigenschaften von wichtigen Untergruppen

Wir diskutieren nun einige häufig auftretende Untergruppen. Kennt man eine Untergruppe H ≤ G, so kann man sich durch Konjugation der Elemente in H mit einem festen Element g ∈ G eine neue Untergruppe beschaffen: Lemma 6 (konjugierte Untergruppen) Es sei H ≤ G. Dann ist Ad g (H ) ≡ g H g −1 = {ghg −1 |h ∈ H }

(g ∈ G fest)

(3.7)

eine zu H isomorphe Untergruppe von G. Sie heißt zu H konjugierte Untergruppe. Beweis: Die Konjugation Adg ist ein (innerer) Automorphismus, und damit ist das Bild Adg (H ) eine Untergruppe von G. Da Adg bijektiv ist, gilt Adg (H ) ∼ = H.

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3

Homomorphismen, Untergruppen und Klassen

Von Bedeutung sind invariante Untergruppen. Dies sind spezielle Untergruppen, die für alle Gruppenelemente selbstkonjugiert sind: Definition 8 (Normalteiler) Eine Untergruppe N von G heißt invariante Untergruppe von G (normale Untergruppe, Normalteiler, geschrieben N G bzw. N G), wenn gilt Ad g (N ) = g N g −1 = N

f ur ¨ alle g ∈ G.

(3.8)

Eine Gruppe besitzt immer zwei triviale Normalteiler, nämlich das Einselement und sich selbst. Nun definiert man zwei für die Klassifikation von Gruppen wichtige Familien von Gruppen: Definition 9 (Einfache Gruppe) Eine Gruppe wird einfach genannt, wenn sie keinen (nichttrivialen) Normalteiler enthält; sie heißt halbeinfach, wenn sie keinen (nichttrivialen) abelschen Normalteiler enthält. Offensichtlich ist jede einfache Gruppe auch halbeinfach. Dagegen sind abelsche Gruppen mit eigentlichen Untergruppen nicht halbeinfach.

Klassen von einfachen Gruppen

Man kann alle einfachen Gruppen in wenige Klassen einteilen: • • • •

C p mit p Primzahl, alternierende Gruppen An , mit n ≥ 5 (siehe Abschn. 4.2), Lie-Typ-Gruppen (Chevalley- oder getwistete Chevalley- und Titsgruppen), 26 sporadische Gruppen.

Unter den sporadischen Gruppen findet sich auch „das Monster“, eine endliche Gruppe von Drehungen im 196 883-dimensionalen Raum. Die Ordnung dieser Gruppe ist eine 54-stellige Zahl. Erwähnenswert ist auch die folgende Vermutung:

Vermutung von Burnside

Die Ordnung jeder einfachen nichtabelschen Gruppe ist eine gerade Zahl.

Wir beweisen ein weiteres bemerkenswertes Resultat, nach dem jeder Gruppenhomomorphismus einen Normalteiler definiert:

3.3 Nebenklassen und Faktorgruppen

27

Lemma 7 Es sei ϕ ∈ Hom(G, G  ). Dann ist Ker(ϕ)  G ein Normalteiler von G. Beweis: Wir haben bereits bewiesen, dass Ker(ϕ) ≤ G ist. Es sei nun n ∈ Ker(ϕ) und g ∈ G beliebig. Dann ist auch gng −1 im Kern von ϕ:   ϕ gng −1 = ϕ(g)ϕ(n)ϕ(g −1 ) = ϕ(g) e [ϕ(g)]−1 = e =⇒ gng −1 ∈ Ker(ϕ). Es gilt auch das folgende Lemma 8 Es sei ϕ ∈ Hom(G, G  ) und N  G ein Normalteiler. Dann ist das Bild ϕ(N ) ein Normalteiler im Bild ϕ(G)  G  . Dies folgt unmittelbar aus ϕ(g)ϕ(N )ϕ(g)−1 = ϕ(g N g −1 ) = ϕ(N ). Wenn jedes Element einer Untergruppe von G mit allen Elementen von G kommutiert, dann ist sie ein abelscher Normalteiler. Die größte Untergruppe mit dieser Eigenschaft nennt man Zentrum: Definition 10 (Zentrum) Das Zentrum einer Gruppe G Z = {z ∈ G|zg = gz ∀g ∈ G}  G

(3.9)

ist ein nichtleerer Normalteiler von G. Beweis: Die Menge Z enthält e und ist daher nicht leer. Sie ist eine Untergruppe von G, z, z  ∈ Z =⇒ zz  g = zgz  = gzz  und gz −1 = z −1 (zg)z −1 = z −1 (gz)z −1 = z −1 g.

Das Zentrum ist eine ganz spezielle invariante Untergruppe: Nicht nur die Menge Z , sondern jedes einzelne Element in Z ist invariant unter Konjugation. Eine abelsche Gruppe ist gleich ihrem Zentrum. Für eine stark nichtabelsche Gruppe ist dagegen Z = {e}.

3.3

Nebenklassen und Faktorgruppen

Hat Peter dieselbe Klausurnote wie Paul, dann hat Paul dieselbe Note wie Peter. Wenn Maria dieselbe Note wie Paul hat, dann hat sie auch dieselbe Note wie Peter. Dies ist ein Beispiel für eine Äquivalenzrelation, die allgemein die folgende Eigenschaft haben soll: Definition 11 (Äquivalenzrelation) Eine Äquivalenzrelation ∼ auf einer Menge M mit Elementen a, b, c, . . . ist eine Relation mit folgenden Eigenschaften:

28

3

Homomorphismen, Untergruppen und Klassen

• reflexiv: a ∼ a, • symmetrisch: a ∼ b ⇔ b ∼ a, • transitiv: a ∼ b, b ∼ c ⇒ a ∼ c. Eine Menge äquivalenter Objekte bezeichnet man als Äquivalenzklasse oder kurz als Klasse von M. In unserem Fall bilden alle Studierenden mit der gleichen Note eine Klasse. Klasseneinteilungen sind nützlich, um Mengen zu unterteilen und Strukturen aufzuzeigen. Sie helfen bei deren „Klassifikation“. Aufgabe

Überzeugen Sie sich davon, dass die Menge M in lauter disjunkte Äquivalenzklassen zerfällt, M = K 1 ∪ K 2 ∪ . . . mit K i ∩ K j = ∅ für i = j. Bei Gruppen gibt es zwei wichtige Arten der Unterteilungen in Klassen, die Konjugationsklassen und die Nebenklassen. Wir beginnen mit den Nebenklassen. Definition 12 (Nebenklassen, Restklassen) Es sei H ≤ G eine beliebige Untergruppe von G. Wir bilden die Nebenklassen modulo H (die Nebenklassen von H ): a∼ ˙b

f alls b ∈ a H = {ah|h ∈ H }.

Dies definiert eine Äquivalenzrelation a = ae, a = bh ⇔ b = ah −1 , a = bh, b = ch  ⇒ a = (ch  )h ≡ ch  mit h  = h  h.

Mit Hilfe einer Untergruppe H kann man nun jede Gruppe in durchschnittsfreie Teilmengen aufteilen, die sogenannten Nebenklassen (englisch: cosets). Dazu bildet man für jedes a ∈ G die linke Nebenklasse a H von a. Offensichtlich ist a H = bH genau dann, wenn a ∼ ˙ b ist. Nun zerlegen wir die Gruppe in disjunkte Nebenklassen G = eH ∪ a H ∪ a  H ∪ . . . Die Anzahl Elemente |a H | von a H ist gleich der Ordnung |H | von H . Deshalb gilt der Satz 5 (Lagrange) G sei endlich und H ≤ G. Dann ist der Index j = |G|/|H | der Untergruppe H in der Gruppe G eine natürliche Zahl. Aus dem Satz folgt unmittelbar Lemma 9 (Gruppen mit Primzahlordnung) Eine endliche Gruppe von Primzahlordnung hat keine eigentliche Untergruppe und ist damit einfach. Statt linke kann man auch rechte Nebenklassen H a definieren. Sie erlauben ebenfalls eine Aufteilung der Gruppe. Bei abelschen Gruppen sind rechte und linke Nebenklassen gleich. Man beachte: Nebenklassen sind keine Untergruppen – mit Ausnahme von H selbst.

3.3 Nebenklassen und Faktorgruppen

29

Lemma 10 (Faktorgruppe) Es sei N G ein Normalteiler. Dann bilden die Nebenklassen {g N |g ∈ G} mit der Verknüpfungsrelation (g N ) · (g  N ) = g N g  N = (gg  )N eine Gruppe, die sogenannte Quotientengruppe oder Faktorgruppe. Wie in Abb. 3.1 gezeigt, ist g N · g  N diejenige Nebenklasse, in der gg  liegt, (g N )(g  N )

assoziativ

=

g N g N

Normalteiler

=

gg  N .

Abb. 3.1 Die Gruppe ist die Vereinigung von disjunkten Nebenklassen. Die Nebenklassen modulo eines Normalteilers bilden selbst eine Gruppe

Beweis: Die Multiplikation ist wohldefiniert, weil die Klassen unabhängig von ihrem Repräsentanten sind. Die Nebenklasse eN = N bildet das Einselement, da eN ·g N = g N ist, und das Inverse von g N ist g −1 N . Beispiel: Beispiele von Faktorgruppen

• Es gelten G/e = G und G/G = e. • m Z  Z Normalteiler ⇒ Zm = Z/m Z Gruppe der Nebenklassen (Z mod m).  Nach Lemma 7 ist der Kern eines Homomorphismus ein Normalteiler und definiert damit eine Untergruppe von G. Es gilt der sogenannte Satz 6 (1. Isomorphiesatz) Es sei ϕ ∈ Hom(G, G  ) ein Gruppenhomomorphismus. Dann ist die Abbildung ψ : G/Ker(ϕ) −→ ϕ(G) ≤ G  , g Ker(ϕ) → ϕ(g). ein Isomorphismus. Ist ϕ surjektiv, so folgt G/Ker(ϕ) ∼ = G.

(3.10)

30

3

Homomorphismen, Untergruppen und Klassen

Etwas präziser: Ist π der surjektive Homomorphismus (auch Projektion oder kanonische Abbildung genannt), der einem Gruppenelement g seine Nebenklasse g Ker(ϕ) zuordnet, dann ist der Isomorphismus gegeben durch ψ (π(g)) = ψ (g Ker(ϕ)) = ϕ(g) oder ψ ◦ π = ϕ, und dies ist in Abb. 3.2 gezeigt. Aufgabe

Zeigen Sie, dass ψ ein bijektiver Homomorphismus ist. Abb. 3.2 Der Homomorphismus ϕ ist die Komposition der Projektion π und des Isomorphismus ψ

Aus dem Isomorphiesatz folgt insbesondere:

Homomorphismen und Normalteiler

Alle möglichen Homomorphismen von G sind allein durch G bestimmt, und zwar indem man die Projektionen G → G/N für alle Normalteiler N  G betrachtet.

In einer nichtabelschen Gruppe vertauschen zwei Elemente im Allgemeinen nicht, gg  = g  g, und ihr Kommutator [g, g  ] ≡ gg  g −1 g −1 ist nicht gleich dem Einselement.

Lemma 11 (Kommutatorgruppe) Die Kommutatoren [a, b] ≡ aba −1 b−1 |a, b ∈ G erzeugen eine Untergruppe, die sogenannte Kommutatorgruppe von G. Die Menge der Kommutatoren bildet im Allgemeinen noch keine Untergruppe. Nur die von den Kommutatoren erzeugte Menge [G, G] – diese enthält alle möglichen

3.3 Nebenklassen und Faktorgruppen

31

mehrfachen Produkte von Kommutatoren – ist abgeschlossen. Wegen [a, a] = e enthält sie das Einselement. Das Inverse eines Kommutators ist wieder ein Kommutator [a, b]−1 = [b, a], und dies gilt dann auch für mehrfache Produkte von Kommutatoren. Somit gilt [G, G] ≤ G. Die Ordnung der Kommutatorgruppe ist ein Maß dafür, wie weit G nichtabelsch ist. Lemma 12 Die Kommutatorgruppe [G, G] ist ein Normalteiler von G. Beweis: Die Konjugation eines Kommutators ist wieder ein Kommutator: g(aba −1 b−1 )g −1 = (gag −1 ) (gbg −1 )(gag −1 )−1 (gbg −1 )−1 = a  b a −1 b−1 ∈ [G, G].     a

b

Ein beliebiges Element in [G, G] hat die Form c1 c2 · · · ck , mit Kommutatoren ci . Für dieses allgemeine Element ist g(c1 c2 · · · ck )g −1 = (gc1 g −1 )(gc2 g −1 ) · · · (gck g −1 ) ∈ [G, G]   c1 ∈[G,G]

ebenfalls in der Kommutatorgruppe von G. Für jede Gruppe können wir die Faktorgruppe G/N mit N = [G, G] bilden. Es gilt Lemma 13 Die Faktorgruppe G/[G, G] ist abelsch. Beweis: g N g  N g −1 N g −1 N = [g, g  ] N = N (= e der Faktorgruppe).   ∈N

Mit GAP kann man die Kommutator-Untergruppe bestimmen. Z. B. definiert man die symmetrische Gruppe S3 mit den Erzeugenden (1, 2) und (1, 2, 3) wie folgt (die symmetrische Gruppe Sn , auch Permutationsgruppe genannt, enthält alle bijektiven Selbstabbildungen einer Menge von n Elementen und wird in Kap. 4 analysiert): GAP> s3:=Group((1,2),(1,2,3));

Man erhält die Antwort Group([(1,2),(1,2,3)]). Nun definieren wir die Kommutator-Untergruppe: GAP> a3:=DerivedSubgroup(s3);

32

3

Homomorphismen, Untergruppen und Klassen

Das Programm antwortet mit Group([(1,2,3)]). Diese hat die Ordnung 3, wie man mit Order(a3); nachprüft. Es ist die alternierende Gruppe A3 der geraden Permutationen von drei Elementen. Man kann [S3 , S3 ] auch mit dem Befehl GAP> CommutatorSubgroup(s3,s3);

finden. Man kann nachprüfen, dass die Faktorgruppe S8 /[S8 , S8 ] zwei Elemente hat und abelsch ist. Zuerst berechnen wir die Faktorgruppe: GAP> s8:=SymmetricGroup(8);; GAP> a8:=DerivedSubgroup(s8);; GAP> g:=FactorGroup(s8,a8);;

Nun bestimmt man den Index der Kommutatorgruppe in S8 und prüft nach, ob die Faktorgruppe abelsch ist: GAP> Index(s8,a8);IsAbelian(g);

3.4

Konjugationsklassen

Wir führen eine weitere nützliche Äquivalenzrelation auf Gruppen ein. Ähnliche Elemente sind dabei zueinander konjugiert und Klassen ähnlicher Elemente bilden die Konjugationsklassen. Diese sind verschieden von den soeben untersuchten Nebenklassen. Definition 13 (konjugierte Elemente) Zwei Elemente a, b ∈ G heißen zueinander konjugiert, a ∼ b, wenn es ein g ∈ G gibt, so dass Ad g (a) = gag −1 = b. Diese Relation ist reflexiv, symmetrisch und transitiv. Die Transitivität folgt aus: −1 −1 ˜ g˜ −1 ∼ b =⇒ c = g(gag ˜ )g˜ = (gg)a( ˜ gg) ˜ −1 ∼ a. b = gag −1 ∼ a, c = gb

Aus diesen Eigenschaften folgt unmittelbar, dass wir jede Gruppe in disjunkte Konjugationsklassen K i zerlegen können. Die Konjugationsklasse eines Elementes a, K a = {gag −1 |g ∈ G},

(3.11)

enthält immer das Element a. Jedes Zentrumselement (und insbesondere das Einselement) bildet eine Klasse für sich. Die Anzahl Elemente von K i sei n(K i ). Dann gilt für eine endliche Gruppe n(K i ) = |G|. (3.12) i

3.4 Konjugationsklassen

33

Es gilt der in der Darstellungstheorie endlicher Gruppen hilfreiche Satz 7 Alle Elemente einer Konjugationsklasse haben die gleiche Ordnung. Für jede Konjugationsklasse K i einer endlichen Gruppe G ist n(K i ) ein Teiler von |G|. Beweis: Die erste Aussage folgt aus a n = e, b = gag −1 =⇒ bn = (gag −1 )(gag −1 ) · · · (gag −1 ) = ga n g −1 = e. Um die zweite Aussage zu beweisen, betrachten wir spezielle Untergruppen in G: Definition 14 (Normalisator, Stabilisator) Für jedes Gruppenelement a definieren wir den Normalisator (Stabilisator) Na von a gemäß Na = {g ∈ G|gag −1 = a} ≤ G.

(3.13)

In anderen Worten: Unter der Konjugation mit g ∈ Na bleibt a stabil oder invariant. Offensichtlich ist Na eine Untergruppe von G mit {e, a, a −1 } ∈ Na . Nach dem Satz von Lagrange sind für eine endliche Gruppe die |Na | Teiler von |G|. Nun ist g  ag −1 = gag −1 ⇐⇒ g −1 g  ∈ Na ⇐⇒ g  ∈ g Na . Damit folgt / g Na . g  ag −1 = gag −1 ⇐⇒ g  ∈

Konjugations- vs. Nebenklassen

Die Anzahl Elemente in der Konjugationsklasse K a von a ist also gleich der Anzahl Nebenklassen des Normalisators Na von a oder gleich dem Index j(Na ) von Na in G, n(K a ) =

|G| |G| ⇐⇒ = |Na |. |Na | n(K a )

(3.14)

Die letzte Gleichung bedeutet insbesondere, dass die Anzahl Elemente jeder Konjugationsklasse die Gruppenordnung |G| teilt. Lemma 14 Ist |G| eine Primzahl, dann ist G abelsch. Beweis: Ist die Anzahl Gruppenelemente eine Primzahl, dann hat nach obigem Satz jede Konjugationsklasse nur ein Element. Also bildet jedes Element eine Klasse für

34

3

Homomorphismen, Untergruppen und Klassen

sich, d. h., es ist gag −1 = a oder ag = ga für zwei beliebige Gruppenelemente g und a. Dann ist die Gruppe abelsch. Jede Untergruppe H ≤ G hat ihren eigenen Normalisator: Definition 15 (Normalisator einer Untergruppe H ≤ G)

N G (H ) = g ∈ G|g H g −1 = H . N G (H ) ist eine Untergruppe von G, welche die Untergruppe H enthält. Es ist die größte Untergruppe von G, in der H ein Normalteiler ist.

3.5

Direktes und semidirektes Produkt

Aus zwei Gruppen und kann man eine neue Gruppe bilden: Definition 16 (Direktes Produkt) Das direkte Produkt G = H1 × H2 zweier Gruppen H1 und H2 besteht aus den Elementen g = (h 1 , h 2 ) mit h i ∈ Hi und der Gruppenmultiplikation gg  = (h 1 , h 2 )(h 1 , h 2 ) ≡ (h 1 h 1 , h 2 h 2 ). Es werden also die Elemente aus H1 getrennt von denen aus H2 multipliziert. Beispiel: Kleinsche Vierergruppe

Diese ist das direkte Produkt Z2 × Z2 und hat die symmetrische Gruppentafel Z/2Z × Z/2Z (0, 0) (1, 0) (0, 1) (1, 1)

(0, 0) (1, 0) (0, 1) (1, 1) (0, 0) (1, 0) (0, 1) (1, 1) (1, 0) (0, 0) (1, 1) (0, 1) (0, 1) (1, 1) (0, 0) (1, 0) (1, 1) (0, 1) (1, 0) (0, 0)

Es ist die kleinste nichtzyklische Gruppe. Sie trägt ihren Namen nach Felix Klein, der bei der Auflösung der Gleichungen von dieser Gruppe als „Vierergruppe“ sprach.  Mit obiger Definition des direkten Produktes sind sowohl H1 als auch H2 Normalteiler des direkten Produkts, wobei G/H1 = H2 und G/H2 = H1 ist. Im Allgemeinen gilt die Umkehrung für Faktorgruppen nicht, also G = N × (G/N ). Eine weitere in der Physik oft auftretende Konstruktion ist das semidirekte Produkt:

3.6 Aufgaben zu Kap.3

35

Definition 17 Seien H und N Gruppen und sei ϕ : H → Aut(N ) ein Gruppenhomomorphismus. Auf G := H × N kann man eine Verknüpfung ∗ wie folgt definieren:   (h 1 , n 1 ) ∗ (h 2 , n 2 ) := h 1 h 2 , n 1 ϕ(h 1 )(n 2 ) , (3.15) wobei jeweils die Verknüpfungen in H und N verwendet werden. Lemma 15 (Semidirektes Produkt) Mit dieser Verknüpfung wird H × N zu einer Gruppe. Sie wird mit H  N bezeichnet und heißt semidirektes Produkt von H mit N. Beweis: Das Einselement im semidirekten Produkt ist (e N , e H ), wie man leicht einsieht,   (e H , e N ) ∗ (h, n) = e H h, e N ϕ(e H )(n) = (h, n).   Das zu (h, n) inverse Element ist 



n

h −1 , [ϕ(h −1 )(n)]−1

 , weil

     h −1 , [ϕ(h −1 )(n)]−1 ∗ h, n = h −1 h, [ϕ(h −1 )(n)]−1 ϕ(h −1 )(n) = (e H , e N ).

Es gilt das Lemma 16 H N enthält H ×{e N } als Untergruppe und {e H }×N als Normalteiler. Aufgabe

Beweisen Sie diese Eigenschaften des semidirekten Produkts H  N . Beispiel: Raumzeit-Symmetrien

• Die euklidische Gruppe E 3 ist das semidirekte Produkt der Gruppe O(3) der Drehspiegelungen im Raum und der abelschen Gruppe der Verschiebungen R3 (siehe Abschn. 5.3). Der Homomorphismus ϕ : O(3) → Aut(R3 ) ist dabei ϕ(R)(a) = Ra für R ∈ O(3) und a ∈ R3 . • Die Symmetriegruppe der nichtrelativistischen Physik – die Galilei-Gruppe – ist ein semidirektes Produkt mit dem Gruppenhomomorphismus (5.39). • Die Symmetriegruppe der relativistischen Physik – die Poincaré-Gruppe – ist das semidirekte Produkt der Lorentz-Transformationen und der Translationen in Raum und Zeit, siehe Abschn. 5.5. 

3.6

Aufgaben zu Kap. 3

Aufgabe 3.1: Isomorphe Gruppen Welche der folgenden Gruppen sind isomorph und was sind die Isomorphismen?

36

3

Homomorphismen, Untergruppen und Klassen

1. Die komplexen Zahlen {1, i, −1, −i} mit der Multiplikation 2. Die ganzen Zahlen {2, 4, 6, 8} bezüglich der Multiplikation modulo 10, 3. Die Permutationen

    1234 1234 1234 1234 , , , 1234 2134 1243 2143 4. Die Permutationen

    1234 1234 1234 1234 , , , 1234 2341 4123 3412 Aufgabe 3.2: Automorphismen der kleinschen Vierergruppe Versuchen Sie, die Automorphismen-Gruppe Aut(Vierergruppe) zu bestimmen. Hinweis: Ein Automorphismus ϕ muss die Ordnungen der Gruppenelemente fest lassen. Aufgabe 3.3: Zentrum einer Gruppe Zeigen Sie, dass das in Abschn. 3.2 definierte Zentrum eine abelsche Untergruppe von G ist. Aufgabe 3.4: Konjugierte Untergruppen Sei H eine Untergruppe von G. Man zeige, dass für jedes g ∈ G die Menge g H g −1 ebenfalls eine Untergruppe von G ist und dass diese isomorph zu H ist. Aufgabe 3.5: Diedergruppen als semidirekte Produkte Zeigen Sie, dass die Diedergruppe Dn ein semidirektes Produkt ist, Dn = Z2  Zn . Aufgabe 3.6: Normalteiler Sei N eine Untergruppe von G. Man zeige, dass folgende Aussagen äquivalent sind: • N  G ist ein Normalteiler, d. h. g N g −1 = N für alle g ∈ G. • g N = N g für alle g ∈ G. • g N g −1 ⊆ N für alle g ∈ G. Aufgabe 3.7: Normalisator Sei H eine Untergruppe der Gruppe G. Es ist zu zeigen, dass der Normalisator von H, N G (H ) = {g ∈ G|g H g −1 = H }, eine Untergruppe von G bildet. Aufgabe 3.8: Gruppen, deren Ordnung ein Primzahl ist Beweisen Sie die Aussage, dass eine endliche Gruppe, deren Ordnung p eine Primzahl ist, isomorph zu einer zyklischen Gruppe ist.

3.6 Aufgaben zu Kap.3

37

Hinweis: Betrachten Sie die von einem Element g = e erzeugte Untergruppe und erinnern Sie sich an den Satz 5 von Lagrange. Aufgabe 3.9: Semidirektes Produkt Man beweise Lemma 16, nämlich dass {e H } × N ein Normalteiler und H × {e N } eine Untergruppe von H  N sind.

4

Endliche Gruppen

Das Universum ist ein riesiges direktes Produkt von Darstellungen von Symmetriegruppen. Hermann Weyl, Steven Weinberg

Jede mögliche Anordnung von n verschiedenen Elementen heißt Permutation dieser Elemente. Permutationen (ohne Wiederholung) können auch als Funktionen interpretiert werden: Es sind bijektive Selbstabbildungen, die eine fest gewählte Standardanordnung der Elemente (z. B. die Kopfzeile der Gruppentafel) in eine andere Anordnung überführen. Permutationen treten in vielen Zweigen der Mathematik und Wissenschaften in Erscheinung. In der Informatik werden sie beispielsweise zur Analyse von Sortieralgorithmen eingesetzt [22], in der Physik und der Chemie zur Beschreibung von Vielteilchensystemen [23] und in der Biologie bei der Untersuchung von RNA-Sequenzen. Die Verknüpfung von zwei Permutationen ist die Komposition der entsprechenden Abbildungen. Mit dieser Verknüpfung bilden die n! Permutationen von n Elementen die Permutationsgruppe Sn – oft auch symmetrische Gruppe genannt. Diese Gruppe ist aus gruppentheoretischer Sicht so kompliziert wie möglich: Nach einem Satz von Cayley ist nämlich jede endliche Gruppe G eine Untergruppe der symmetrischen Gruppe S|G| . Eine gut verständliche Einführung in die Theorie endlicher Gruppen findet man in [24] und eine eingehende Behandlung der Permutationsgruppen in [25].

4.1

Untergruppen der Permutationsgruppen

In der Gruppentafel einer endlichen Gruppe G mit Kopfzeile g1 , g2 , . . . , gn wird einem Element g in der linken Spalte die Zeile mit den permutierten Elementen

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_4

39

40

4

Endliche Gruppen

zugeordnet, {gg1 , . . . , ggn } = {g (g1 ), . . . , g (gn )}.

(4.1)

Jedem Gruppenelement g wird also die Linksmultiplikation g zugeordnet,  : G −→ Sn ,

g −→ g ,

(4.2)

welche die Gruppenelemente permutiert. Die Abbildung  definiert einen Gruppenhomomorphismus von G in die Gruppe der Permutationen, wie man leicht nachprüft: (g g )(g  ) = (g )(g  g  ) = gg  g  = gg (g  ) =⇒ g g = gg .

(4.3)

Er hat den trivialen Kern {e}, weil die Zeilen der Gruppentafel verschieden sind. Nach dem Isomorphiesatz ist G isomorph zur Untergruppe Bild() = {g |g ∈ G} von Sn . Es gilt damit der Satz 8 (Cayley) Jede endliche Gruppe G ist isomorph zu einer Untergruppe der Permutationsgruppe S|G| . Der Satz stellt sicher, dass jede abstrakte endliche Gruppe isomorph zu einer konkreten Gruppe von Permutationen ist. Diese Eigenschaft zeichnet die Permutationsgruppen unter allen endlichen Gruppen aus. Der Satz von Cayley ist wichtig für die Darstellungstheorie von endlichen Gruppen und wird deshalb in Kap. 10 eine zentrale Rolle spielen.

4.2

Symmetrische und alternierende Gruppen

Wir kennzeichnen die zu permutierenden Elemente einer Menge – in der Vielteilchentheorie könnten es die Koordinaten von spinlosen unterscheidbaren oder identischen Teilchen sein – mit den Zahlen 1, 2, 3, . . . Dann ist eine Permutation π durch die Ausgangsordnung und die neue Anordnung gegeben: 

 1 2 3 ... . π(1) π(2) π(3) . . . (4.4) Wir betrachten zunächst die überschaubare symmetrische Gruppe S3 mit nur 6 Elementen. Führt man hierin die Permutation   123 a : (1, 2, 3) → (2, 3, 1) oder a = 231 π : {1, 2, 3, . . . } → {π(1), π(2), π(3), . . . } oder π =

zweimal hintereinander aus, dann erhält man die Permutation b : (1, 2, 3) → (3, 1, 2), d. h., a ◦ a ≡ a 2 = b.

4.2 Symmetrische und alternierende Gruppen

41

Beispiel: Die symmetrische Gruppe S3

Die 6 Elemente der Permutationsgruppe S3 sind 

12 e= 12  12 c= 13

     3 123 123 2 , a= , b=a = , 3 231 312      3 123 123 , d = ca = f = cb = . 2 321 213

(4.5)

Dabei bedeutet ca zuerst a und dann c ausführen. Die Gruppe ist nichtabelsch.  Aufgabe

Vergleichen Sie die Gruppentafeln von S3 und D3 . Eine Permutation kann man auch darstellen, indem man nur diejenigen Positionen angibt, die sich ändern, mit der Angabe, wie sie sich ändern. Man notiert dann nur die in sich abgeschlossenen Unterzyklen. Beispiel: Zyklendarstellung von Elementen aus S4

Die Permutation (1, 2, 3, 4) → (1, 3, 4, 2) wird mit (1)(2, 3, 4) bezeichnet, im Sinne von: 1 bleibt 1, 2 wird zu 3, 3 wird zu 4 und 4 wird zu 2. Wenn es mehrere Zyklen gibt, so trennt man diese durch Klammern. Das Element (1, 2, 3, 4) → (2, 1, 4, 3) schreibt sich dann (1, 2)(3, 4). Auf diese Art kann man die Gruppenmultiplikation, d. h. aufeinanderfolgende Permutationen, einfach berechnen. So ist etwa (2, 3, 4) ◦ (2, 3, 4) = (2, 4, 3) oder (2, 3, 4) ◦ (1, 2, 3) = (1, 3)(2, 4) (erst rechts, dann links!).  Die einfachsten Permutationen sind die Transpositionen, diese vertauschen nur zwei Elemente. Ein k-Zyklus und sein Inverses können mittels der Formel (m 1 , m 2 , . . . , m k ) = (m 1 , m k ) . . . (m 1 , m 3 )(m 1 , m 2 ) −1

(m 1 , m 2 , . . . , m k )

(4.6)

= (m 1 , m k , . . . , m 3 , m 2 ) = (m 1 , m 2 )(m 1 , m 3 ) . . . (m 1 , m k )

durch ein Produkt von k − 1 Transpositionen dargestellt werden. Damit ist auch jede Permutation ein Produkt von Transpositionen. Wenn es sich um eine gerade Anzahl von Transpositionen handelt, nennt man die Permutation gerade, sonst ungerade. Speziell sind k-Zyklen mit geradem (ungeradem) k ungerade (gerade) Permutationen. Sn enthält gleich viele gerade wie ungerade Permutationen. Das Produkt von zwei geraden Permutationen ist gerade und die inverse Permutation einer geraden Permutation ist ebenfalls gerade. Weil auch das Einselement gerade ist, folgern wir:

42

4

Endliche Gruppen

Alternierende Gruppen

Die geraden Permutationen bilden eine Untergruppe von Sn , die sogenannte alternierende Gruppe An .

Das Produkt einer geraden und einer ungeraden Permutation ist ungerade, das Produkt zweier ungeraden Permutationen ist gerade und das Inverse einer ungeraden Permutation ist ebenfalls ungerade. Dies bedeutet Adg (An ) = g An g −1 ⊂ An f¨ur alle g ∈ Sn und beweist folgende Aussage:

An ≤ Sn

Die alternierende Gruppe An  Sn ist ein Normalteiler.

An ist der größte eigentliche Normalteiler in Sn und der einzige Normalteiler für n = 3 und n ≥ 5. Dagegen hat S4 zwei Normalteiler: die alternierende Gruppe A4 und die kleinsche Vierergruppe Z2 × Z2 . An ist gleichzeitig die KommutatorUntergruppe von Sn . Die Faktorgruppe ist abelsch, Sn /An ∼ = Z/2Z = Z2 .

(4.7)

Die Zyklen (1, 2, . . . , n) und (1, 2) erzeugen die Gruppe Sn und mit GAP kann eine symmetrische Gruppe über ihre Erzeugenden oder auch direkt definiert werden: GAP> s5:=Group((1,2,3,4,5),(1,2)); GAP> s5:=SymmetricGroup(5);

Die Erzeugenden werden dann wie folgt extrahiert: GAP> GeneratorsOfGroup(s5);

Wir berechnen die Stabilisatoren (Normalisatoren) folgender Gruppenelemente in S3 : e, a = (1, 2, 3), b = (1, 3, 2), c = (2, 3) d = (1, 3) und f = (1, 2). Die Elemente a und b definieren die Untergruppe A3 . Mit GAP (S3 sei definiert):

4.2 Symmetrische und alternierende Gruppen

43

GAP> na:=Stabilizer(s3,(1,2,3));

mit der Antwort Group([(1,2,3)]. Damit ist der Normalisator (Stabilisator) Na die von a erzeugte zyklische Gruppe C3 . Analog ergibt GAP> nc:=Stabilizer(s3,(2,3));Order(nc);

die Antwort 2 und entsprechend ist Nc die von c erzeugte zyklische Gruppe C2 . Ähnliches findet man für die restlichen Gruppenelemente: Ne = S3 ,

Na = Nb = C3 ,

Nd = {e, d} und N f = {e, f }. (4.8) Man sieht hier explizit, dass die Ordnungen der Normalisatoren die Ordnung 6 der Gruppe teilen. Die Indizes der Stabilisatoren sind j(Ne ) = 1,

Nc = {e, c},

j(Na ) = j(Nb ) = 2 und j(Nc ) = j(Nd ) = j(N f ) = 3

und die Konjugationsklassen K e = e,

K a = K b = {a, b},

K c = K d = K f = {c, d, f }.

(4.9)

Wir sehen, dass für jedes Gruppenelement die Anzahl Elemente der Konjugationsklasse K g gleich dem Index der Stabilisatorgruppe N g in G ist, |K g | = j(N g ), in Übereinstimmung mit der allgemeinen Analyse in Abschn. 3.4. Die Permutationsgruppe S5 hat 7 Konjugationsklassen. Auf die Frage GAP> ConjugacyClasses(s5);

antwortet GAP [()G , (1, 2)G , (1, 2)(3, 4)G , (1, 2, 3)G ,(1, 2, 3)(4, 5)G , (1, 2, 3, 4)G , (1, 2, 3, 4, 5)G ]. Die Anzahl Elemente in jedem Orbit kann wie folgt bestimmt werden: GAP> GAP> GAP> GAP> GAP> GAP> GAP>

OrbitLength(s5,()); OrbitLength(s5,(1,2)); OrbitLength(s5,(1,2)(3,4)); OrbitLength(s5,(1,2,3)); OrbitLength(s5,(1,2,3)(4,5))); OrbitLength(s5,(1,2,3,4)); OrbitLength(s5,(1,2,3,4,5));

Die Resultate sind 1, 10, 15, 20, 20, 30 und 24. In Einklang mit dem allgemeinen Resultat (3.12) finden wir 1 + 10 + 15 + 20 + 20 + 30 + 24 = 120 = 5! = |S5 |.

44

4

4.2.1

Endliche Gruppen

Zyklen

Beim Studium von Darstellungen einer Gruppe ist die Kenntnis ihrer Konjugationsklassen hilfreich. Wir werden nun die Klassen von Sn charakterisieren. Bei der Zyklenschreibweise für Permutationen wollen wir die Zyklen nach abnehmender Länge anordnen, z. B.  S6 g =

 123456 ∼ (1, 4, 6)(3, 5)(2). 425631

Jede Permutation ist ein Produkt von elementfremden Zyklen und die Zerlegung einer Permutation in Zyklen ist, bis auf die Reihenfolge gleich langer Zyklen, eindeutig. Zwei Permutationen sind vom gleichen Typus, wenn in beiden Permutationen Zyklen der Länge  genau gleich oft auftreten. Z. B. sind die Permutationen (1, 3, 8)(4, 5)(2, 6)(7) und (1, 4, 6)(3, 5)(7, 8)(2)

(4.10)

vom gleichen Typus. Man kann Young-Tableaus (nach Alfred Young) benutzen, um Permutationen darzustellen. Ein Young-Tableau ist eine Sammlung von Zellen (meist symbolisiert durch Quadrate), die von oben nach unten und linksbündig so angeordnet sind, dass deren Anzahl in jeder neuen Zeile nicht zunimmt. Jede Zeile steht für einen Zyklus und die Zyklen sind von oben nach unten nach abnehmender Länge angeordnet. Z. B. haben die beiden Permutationen (4.10) die Darstellung 1 3 8 4 5 2 6 7

1 4 6 3 5 7 8 2

(4.11)

Für jede Permutation seien nun ν ,  = 1, 2, . . . , n, die Anzahl Zyklen der Länge  in ihrer Zerlegung. Da die totale Anzahl Elemente gleich n ist, gilt ν1 + 2ν2 + · · · + nνn = n.

(4.12)

Für die Permutationen in (4.10) ist ν = (ν1 , ν2 , ν3 , ν4 , . . . , ν8 ) = (1, 2, 1, 0, . . . , 0). Im Young-Tableau ist ν die Anzahl Zeilen mit  Zellen. Die Anzahl verschiedener Typen von Permutationen in Sn ist gleich der Anzahl von Partitionen P(n) der Zahl n, also der Anzahl Möglichkeiten, die natürliche Zahl n als Summe von positiven natürlichen Zahlen zu schreiben. Z. B. 4 = 3 + 1 = 2 + 2 = 2 + 1 + 1 = 1 + 1 + 1 + 1 =⇒ P(4) = 5.

(4.13)

4.2 Symmetrische und alternierende Gruppen

45

Von Euler stammt eine elegante Methode, die Zahlen P(n) zu berechnen. Dazu betrachtet man die sogenannte q-Reihe (q)∞ =

∞ ∞     1 − qm = (−1)n q n(3n+1)/2 m=1

n=−∞ 7

= 1 − q − q + q + q − q 12 − q 15 + q 22 + q 26 + . . . 2

5

(4.14)

Die Exponenten 0, 1, 2, 5, 7, 12, 15, 22, 26, 35 . . . sind die sogenannten pentagonalen Zahlen, und das Vorzeichen des k-ten Terms ist (−)[(k+1)/2] . Dann ist die Anzahl Partitionen P(n) gegeben durch die erzeugende Funktion ∞

 1 = P(n)q n = 1 + q + 2q 2 + 3q 3 + 5q 4 + 7q 5 + 11q 6 + 15q 7 + 22q 8 + . . . (q)∞ n=1 (4.15) Eine weitere erzeugende Funktion ist 

2t 1/8  √  ϑ1 0, t

1/3 =

∞ 

P(n)t n ,

(4.16)

n=0

wobei ϑ1 (0, x) die Ableitung der Jacobi-Thetafunktion der ersten Art ist. Hardy und Ramanujan fanden 1918 die asymptotische Lösung P(n) ∼

√ 1 √ eπ 2n/3 . 4n 3

(4.17)

Die Anzahl Partitionen einer natürlichen Zahl kann mit GAP wie folgt bestimmt werden: GAP> NrPartitions(5);NrPartitions(100);

Die Antworten sind 7 und 190 569 292. Die Partitionen erhält man mit Partititons(5); mit der Antwort [[1,1,1,1,1],[2,1,1,1], [2,2,1],[3,1,1],[3,2], [4,1],[5]].

4.2.2

Konjugationsklassen

Zwei Permutationen vom gleichen Typus sind zueinander konjugiert. Als illustratives Beispiel konjugieren wir ein g ∈ S6 mit einer Transposition a: g = (1, 2, 3)(4, 5)(6) und a = (2, 5) = a −1 . Wir berechnen das zu g konjugierte Element aga −1 = a(1, 2, 4, 5, 3)(6) = (1, 5, 3)(2, 4)(6).

46

4

Endliche Gruppen

Das konjugierte Element ist identisch zu g, bis auf den Austausch der Elemente 2 und 5. Die Konjugation mit (2, 5) vertauscht also nur die beiden Elemente 2 und 5, ohne den Typus zu ändern. Konjugiert man mit (4, 5), dann bleibt g sogar fest, da ein Austausch dieser Elemente g nicht ändert. Diese Eigenschaften gelten auch im allgemeinen Fall. Zum Beweis bemerkt man, dass elementfremde Zyklen vertauschen und zudem (m a , m b )(m 1 , . . . , m a , . . . , m b , . . . m k )(m a , m b ) = (m 1 , . . . , m b , . . . , m a , . . . m k ), (m 1 , m˜ 1 )(m 1 , . . . m k )(m˜ 1 , . . . m˜ k  )(m 1 , m˜ 1 ) = (m˜ 1 , m 2 , . . . m k )(m 1 , m˜ 2 , . . . , m˜ k  ) gelten. Also werden auch in Sn bei jeder Konjugation mit einer Transposition nur zwei Elemente vertauscht, ohne den Typus zu ändern. Jede Permutation ist ein Produkt von Transpositionen und deshalb ändert sich der Typus auch bei einer Konjugation mit einer beliebigen Permutation nicht. Umgekehrt können zwei Permutationen vom selben Typus durch das Vertauschen von Elementpaaren ineinander überführt werden. Damit gilt der Satz 9 Zwei Permutationen g und g  der symmetrischen Gruppe Sn sind genau dann zueinander konjugiert, g  = aga −1 , wenn sie vom gleichen Typus sind.

Konjugationsklassen von Sn

Alle Permutationen vom selben Typus bilden eine Konjugationsklasse. Die Anzahl Konjugationsklassen ist gleich der Anzahl der geordneten Partitionen P(n) von n.

Zu jeder Partition P(n) und damit zu jeder Konjugationsklasse gehört ein YoungDiagramm Tν . Dies ist ein Young-Tableau ohne Einträge in den Zellen. Z. B. werden den 5 Partitionen von S4 in (4.13) folgende Diagramme zugeordnet:

(4.18) Das zweite Diagramm repräsentiert z. B. die acht Permutationen mit einem 3-Zyklus und einem 1-Zyklus, 2 3 4 1

2 4 3 1

1 3 4 2

1 4 3 2

1 2 4 3

1 4 2 3

1 2 3 4

1 3 2 4

In der Darstellungstheorie von Sn begegnet man derartigen Young-Diagrammen wieder. Ohne Beweis notieren wir den

4.3 Kleine Gruppen

47

Satz 10 Die Anzahl Permutationen vom Typus (ν1 , ν2 , . . . , νn ) ist  P(n, ν) = n!

n 

−1 ν ! · 

ν

=⇒



P(n, ν) = n!.

(4.19)

ν

=1

P(n, ν) ist die Anzahl Elemente der durch ν1 , . . . , νn bestimmten Konjugationsklasse. Die P(5) = 7 Konjugationsklassen von S5 sind in der folgenden Tabelle angegeben. Beispiel: Konjugationsklassen der symmetrischen Gruppe S5

Klasse Partition 1 5 (.....) 2 4+1 (....)(.) 3 3+2 (...)(..) 4 3+1+1 (...)(.)(.) 5 2+2+1 (..)(..)(.) 6 2 + 1 + 1 + 1 (..)(.)(.)(.) 7 1 + 1 + 1 + 1 + 1 (.)(.)(.)(.)(.)

Parit¨at gerade ungerade ungerade gerade gerade ungerade gerade

ν5 1 0 0 0 0 0 0

ν4 0 1 0 0 0 0 0

ν3 0 0 1 1 0 0 0

ν2 0 0 1 0 2 1 0

ν1 P(n, ν) 0 24 1 30 0 20 2 20 1 15 3 10 5 1

 Die Zahlen in der letzten Spalte addieren zur Gruppenordnung 5! = 120. Ein kZyklus ist gerade für ungerades k und ungerade für gerades k, siehe die Diskussion nach (4.6). Nach dem Satz von Cayley ist die zyklische Gruppe Cn eine Untergruppe von Sn . Sie wird von der zyklischen Vertauschung von n Elementen 

1 2 ... n g = (1, 2, . . . , n) = 2 3 ··· 1



erzeugt. Damit kann Cn entweder als zyklische Vertauschungen von n Elementen oder äquivalent dazu als Drehungen in der Ebene um Vielfache von 2π/n realisiert werden.

4.3

Kleine Gruppen

Mehrere endliche Gruppen haben wir bereits eingeführt und diskutiert. Tab. 4.1 enthält (bis auf Isomorphie) alle Gruppen bis zur Ordnung 15 und deren wichtigste Eigenschaften. Diese Eigenschaften gewinnt man z. B. mit Hilfe von GAP nach Eingabe von

48

4

Endliche Gruppen

Tab. 4.1 Liste aller endlichen Gruppen bis zur Ordnung 15. Dabei steht a für abelsch, na für nichtabelsch, z für zyklisch, aufl für auflösbar und ab ist die Abkürzung für bab−1 |G| 2 3 4 5 6

Isomorphie typ von G Z2 Z3 Z2 × Z2 Z4 Z5 Z2 × Z3 S3

7 8

Präsentation

a 3 = b2 = e, a b = a −1

Z7 Z2 × Z2 × Z2 Z2 × Z4 Z8 D4

Q8 9

a 4 = b2 = e, a b = a −1 a 4 = e, b2 = a 2 , a b = a −1

Z3 × Z3 Z9 ,

10 11 12

Z2 × Z5 D5

a 5 = b2 = e, a b = a −1

Z11 Z2 × Z2 × Z3 Z4 × Z3 A4

a 3 = b3 = (ab)2 = e

D6

a 6 = b2 = e, a b = a −1 a 6 = e, b2 = a 3 , a b = a −1

H3

13 14

Z2 × Z7

a z Z10 z Z2  Z5 na, aufl, Diedergruppe z Z2 × Z6 a Z12 z (Z2 × Z3 )  na, aufl, alternierende Gr. Z2

Z2  Z6 Z4  Z3

Z3 × Z5

Z14

a 7 = b2 = e, a b = a −1

Wichtige Eigenschaften

z z a, kleinsche Vierergr z z Z6 z D3 ∼ = Z2 Z3 Diedergruppe na, aufl 2 (2, Z/2Z) z a a z Z2  Z4 na, aufl, Diedergruppe H2 na, aufl, Quaterniongr

Z13 D7

15

Isomorphe Gruppen

Z2  Z7 Z15

na, aufl, Diedergruppe na, aufl, dizyklische Gruppe z z na, aufl, Diedergruppe z

4.4 Aufgaben zu Kap.4

49

GAP> SmallGroupsInformation(6);

und dem Resultat There are 2 groups of order 6, 1 of type S3 , 2 of type Z6 . Folgende Bemerkungen helfen beim Verständnis der Liste: • • • •

Für jede Primzahl p gibt es nur die Gruppe C p ∼ = Zp. Für jede Primzahl p existieren zwei Gruppen der Ordnung p 2 : Z p × Z p und Z p2 . Für teilerfremde p und q gilt: Z p × Zq ∼ = Z pq . Zurzeit existiert eine Liste von Gruppen der Ordnung ≤ 2000. Diese enthält 49 910 529 484 Gruppen [26].

In der Liste tritt die Gruppe der Quaternionen auf. Diese wird von den Matrizen 

0 i a= i 0





0 1 und b = −1 0

 (4.20)

erzeugt. Es gelten die Relationen a 4 = 1, a 2 = b2 und bab−1 = a −1 .

(4.21)

Die Gruppe hat die Ordnung 8 und besteht aus den Elementen Q = {1, a, a 2 , a 3 , b, ab, a 2 b, a 3 b}.

(4.22)

Weitere Eigenschaften der Quaternionengruppe sind Inhalt von Aufgabe 4.5. Die Quaternionengruppe kann man mit GAP definieren und dann analysieren, z. B. GAP> f:=FreeGroup("a","b"); GAP> f1:=f/[f.1\^4,f.2*f.1*f.2^(-1)*f.1,f.1^2*f.2^(-2)]; GAP> Order(f1);Elements(f1);

4.4

Aufgaben zu Kap. 4

Aufgabe 4.1: Permutationsgruppen S3 und S4 Berechnen Sie die Multiplikationstabelle für die Permutationsgruppen S3 und S4 . Aufgabe 4.2: Erzeugende der Permutationsgruppen Zeigen Sie, dass π = (1, 2) und π  = (1, 2, . . . , n) die Permutationsgruppe Sn erzeugen.

50

4

Endliche Gruppen

Aufgabe 4.3: Symmetrische und alternierende Gruppen Es sei Sn die Permutationsgruppe von n Elementen. Es sei weiterhin An die alternierende Gruppe der geraden Permutationen. Zeigen Sie, dass An  Sn ein Normalteiler ist. Welche Gruppe ist die Faktorgruppe Sn /An ? Aufgabe 4.4: Konjugationsklassen von S6 Betrachten Sie die symmetrische Gruppe S6 mit 720 Elementen. Wie viele Konjugationsklassen hat sie? Bestimmen Sie die Tabelle der Konjugationsklassen (ähnlich wie für S5 in Abschn. 4.2.2). Aufgabe 4.5: Quaternionengruppe Die Gruppe der Quaternionen wird von den Matrizen in (4.20) erzeugt. 1. Überzeugen Sie sich, dass Q in (4.22) alle Wörter der Präsentation enthält und bestimmen Sie die Gruppentafel. 2. Finden Sie eine Untergruppe von Q. Ist sie ein Normalteiler von Q? 3. Die Elemente {±1, ±i, ± j, ±k} mit i 2 = j 2 = k 2 = i jk = −1

(4.23)

bilden eine Basis der Quaternionen1 , ähnlich wie 1 und i für die komplexen Zahlen. Die Menge der Quaternionen H = {x0 + x1 i + x2 j + x3 k |xa ∈ R} erweitert den Zahlenbereich der reellen Zahlen. Wie kann die Basis (4.23) durch die Erzeugenden der Quaternionengruppe in (4.20) repräsentiert werden?

1 Diese

Multiplikationregeln findet man auf einer Gedenktafel an der Broom Bridge in Dublin, wo sie William Rowan Hamilton im Oktober 1843 spontan in den Stein ritzte.

5

Raumzeit-Symmetrien

Wenn ein System eine gewisse Gruppe von Symmetrieoperationen besitzt, dann muss jede physikalische Beobachtungsgröße dieses Systems ebenfalls dieselbe Symmetrie besitzen. Prinzip von Neumann

In den Wissenschaften (und der Kunst) treten Gruppen vorwiegend als Symmetriegruppen auf, die eine herausragende Rolle in allen Bereichen der Physik spielen. In der klassischen Mechanik und Quantenmechanik sind dies die Drehungen und Verschiebungen (Translationen) im Raum oder, allgemeiner, die Elemente der Galilei-Gruppe. In der relativistischen Physik sind es die Lorentz- und PoincaréGruppen. Die Punktgruppen der Molekülphysik sind endliche Untergruppen der Drehgruppe und die Kristallgruppen der Festkörpertheorie diskrete Untergruppen der Bewegungsgruppe.

5.1

Gruppenwirkungen

In der Physik werden Symmetrien durch ihre Wirkung auf Elemente eines physikalischen Modells realisiert. Diese Elemente können materielle Objekte wie Elementarteilchen, Atome, Moleküle oder Kristalle sein oder abstrakte Größen wie Felder oder Zustandsvektoren in einem Hilbert-Raum. Die Wirkungsmenge M braucht kein linearer Raum zu sein1 . So ist in der Hamiltonschen Mechanik M eine symplektische Mannigfaltigkeit mit einer symplektischen Gruppenwirkung. Im Folgenden sei nun G eine beliebige Gruppe und M = ∅ eine beliebige Menge.

1 Gruppenwirkungen

auf linearen Räumen heißen Darstellungen.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_5

51

52

5

Raumzeit-Symmetrien

Definition 18 (Gruppenwirkung) Eine Gruppenwirkung ist eine Funktion  : G × M → M mit den Eigenschaften • (e,  p) = p für alle p ∈ M,  •  g1 , (g2 , p) =  g1 g2 , p für alle g1 , g2 ∈ G und p ∈ M. Die Transformationsgruppe G wirkt von links auf die Wirkungsmenge M.

Notation

Für eine Linksgruppenwirkung schreibt man oft auch (g, p) = g ( p). Dann gelten e = id und g ◦ g = gg für alle g, g  .

Jede Abbildung g : M → M hat die inverse Abbildung g−1 und es folgt das Lemma 17 Für jedes g ∈ G ist die Abbildung g : M → M bijektiv. Die bijektiven Abbildungen S M = { f : M → M| f bijektiv}

(5.1)

mit der Komposition als Verknüpfung bilden eine Gruppe. Das neutrale Element ist die identische Abbildung und das Inverse einer Abbildung ist die Umkehrabbildung. Die Eigenschaft gg = g ◦ g bedeutet nun:

Gruppen-Homomorphismus g →  g

Die Abbildung g → g ist ein Homomorphismus G → S M .

Umgekehrt definiert jedes ϕ ∈ Hom(G, S M ) durch g ( p) = ϕ(g)( p) eine Gruppenwirkung von G auf M. Gruppenwirkungen verallgemeinern die in Kap. 3 eingeführten Homomorphismen von endlichen Gruppen in die symmetrischen Gruppen. Für M = G ist SG die Permutationsgruppe S|G| und g → g derjenige Homomorphismus, der G als Untergruppe von S|G| identifiziert. Spezielle Typen von Gruppenwirkungen Gruppenwirkungen können treu, frei oder transitiv sein. Definition 19 (treue, freie, transitive Wirkungen) Eine Linkswirkung heißt

5.1 Gruppenwirkungen

53

• treu, wenn g nur für g = e die identische Abbildung ist, • frei, wenn für jedes p ∈ M nur die Abbildung e den Punkt p fest lässt, • transitiv, wenn für jedes Paar p, q ∈ M ein Gruppenelement g mit g ( p) = q existiert. Für eine treue Wirkung g enthält der Kern von Hom(G, S M ) nur e ∈ G und deshalb ist g → g injektiv. Die Bahn oder der Orbit eines Punktes in der Wirkungsmenge M tritt bei Symmetrieüberlegungen auf. Allgemein definiert man Definition 20 (Bahn, Orbit) Die Bahn oder der Orbit eines Punktes p ∈ M unter der Wirkung von G ist die Menge   B( p) = g ( p)| g ∈ G ⊂ M.

(5.2)

Die Bahnen bilden Äquivalenzklassen bezüglich folgender Äquivalenzrelation: p ist ähnlich zu q, falls es ein Gruppenelement g gibt mit q = g ( p). Eine Gruppe G wirkt genau dann transitiv auf M, wenn B( p) = M für alle p ∈ M. Wirkt sie nicht frei, dann existieren Punkte in M, die von allen g auf sich abgebildet werden. Dies führt auf die Definition 21 (Stabilisator) Der Stabilisator (bzw. die Isotropiegruppe) von p ∈ M ist N p = {g ∈ G| g ( p) = p} ≤ G.

(5.3)

Er ist die natürliche Verallgemeinerung des Stabilisators von a ∈ G unter der Konjugation, siehe (3.13). Wie durch das Symbol ≤ angedeutet, ist N p eine Untergruppe von G, da mit g, g  auch gg  und g −1 in G liegen, g ( p) = g ( p) = p =⇒ (g  g, p) = (g  , (g, p)) = (g  , p) = p. Es gilt das Lemma 18 Wirkt G auf M transitiv, dann sind alle Stabilisatoren N p zueinander konjugiert. Zum Beweis betrachten wir zwei beliebige Punkte p, q in M. Nach Voraussetzung gibt es ein Gruppenelement g  mit (g  , p) = q. Dann gilt   (g, p) = p ⇐⇒  g  gg −1 , q = (g  g, p) = (g  , p) = q. Deshalb sind die Stabilisatoren von p und q konjugiert, Nq = g  N p g −1 .

(5.4)

54

5

Raumzeit-Symmetrien

Dies beweist, dass zwei Punkte p, q im gleichen Orbit isomorphe Stabilisatoren besitzen. Beispiel: Wirkung von SL(2, R) auf komplexer Halbebene

Die kontinuierliche Gruppe SL(2, R) wirke auf der oberen komplexen Halbebene H = {z| (z) > 0} wie folgt:  S (z) =

  az + b ab , S= ∈ SL(2, R). cd cz + d

(5.5)

Eine explizite Rechnung ergibt  

 S (z) =

(z) und  S  ◦  S (z) =  S  S (z), |cz + d|2

was bedeutet, dass  S eine Wirkung von SL(2, R) auf H definiert. Diese ist aber nicht treu, da ±1 in die identische Abbildung übergehen. Wenn wir die beiden Elemente ±S in SL(2, R) identifizieren, was auf die Faktorgruppe PSL(2, R) = SL(2, R)/{±1} führt, dann wird  S zu einer treuen Wirkung von PSL(2, R) auf H. Ein beliebiges z ∈ H wird von   1 0 (z) S=√ ∈ SL(2, R)

(z) −1 (z) auf i abgebildet, so dass SL(2, R) transitiv auf H wirkt. Der Stabilisator Nz von z = i ist die Untergruppe der eigentlichen Drehungen,  SO(2, R) =



cos θ − sin θ θ ∈ [0, 2π ) . sin θ cos θ



Wir haben schon früher gesehen, dass die Linksmultiplikation und die adjungierte Wirkung, gegeben durch g (a) = ga und Adg (a) = gag −1 ,

(5.6)

spezielle Gruppenwirkungen sind, bei denen die Gruppe G auf sich selbst wirkt. Die Linksmultiplikation ist frei und transitiv, und diese Eigenschaften wurden beim Beweis des Satzes von Cayley benutzt. Die adjungierte Wirkung ist genau dann treu, wenn G ein triviales Zentrum hat. Sie ist weder frei, da Adg (g) = g ist, noch transitiv, da Adg (e) = e für alle g gilt. Die Bahn von a unter der adjungierten Wirkung ist die Konjugationsklasse von a in G.

5.2 Drehungen im Raum

5.2

55

Drehungen im Raum

Die Drehungen im euklidischen Raum R3 definieren eine kontinuierliche nichtabelsche Gruppe, die z. B. bei der Behandlung des starren Körpers in der klassischen Mechanik oder der Lösung des Wasserstoffatoms in der Quantenmechanik auftritt. Die weiter unten untersuchte Galilei-Gruppe enthält die Gruppe als Untergruppe. Die Behandlung von Drehungen im Rn ist nicht viel aufwendiger als im R3 , und deshalb betrachten wir hier gleich den allgemeineren Fall. Wir führen eine kartesische Basis {e1 , e2 , . . . , en } im Rn ein, d. h. eine orientierte Basis mit (ei , e j ) = δi j . Unter einer Drehung geht ei über in ei =

n

e j R ji ≡ e j R ji ,

(5.7)

j=1

wobei wir die einsteinsche Summenkonvention benutzen: Über Indexpaare wird summiert. Bei Drehungen verändern sich weder die Längen von Vektoren noch die Winkel zwischen Vektoren. Deshalb ist das Skalarprodukt invariant und es gilt

δi j = (ei , e j ) = (ei , ej ) = e p R pi , eq Rq j = R pi R pj . (5.8) p

q

p

Wir fassen die n 2 reellen Zahlen Ri j zu einer reellen Matrix zusammen, ⎛ ⎞ R11 R12 . . . R1n ⎜ R21 R22 . . . R2n ⎟ ⎜ ⎟ (Ri j ) = R = ⎜ . .. .. ⎟ . ⎝ .. . . ⎠ Rn1 Rn2 . . . Rnn

Auf der rechten Seite in (5.8) steht das Produkt der zu R transponierten Matrix (R T )i j = R ji und der Matrix R. Daher können wir diese Bedingung wie folgt schreiben, (R T R)i j = δi j oder R T R = 1. Wir haben damit den Satz 11 (Drehmatrizen) Die reelle Matrix R einer Drehung bezüglich einer kartesischen Basis erfüllt die Bedingung R T = R −1 oder R T R = R R T = 1.

(5.9)

Bei fester Basis ei identifizieren wir eine Drehung mit „ihrer Matrix“ R. Das Nacheinanderausführen von zwei Drehungen entspricht dem Produkt der zugeordneten Matrizen: R2 R1 ∼ zuerst die Drehung R1 und danach die Drehung R2 .

56

5

Raumzeit-Symmetrien

Drehungen sind invertierbare lineare Abbildungen, die das Skalarprodukt invariant lassen. Wir folgern:

Orthogonale Gruppen

Die Drehungen im Rn bilden eine kontinuierliche Gruppe – die orthogonale Gruppe O(n).

Nach Wahl einer kartesischen Basis sind Drehungen durch eine Matrix R in (5.9) charakterisiert und es folgt Korollar 2 Die reellen n × n-Matrizen mit R T R = R R T = 1 bilden eine Gruppe. Dies kann auch explizit überprüft werden: Die Einheitsmatrix erfüllt offensichtlich (5.9). Wir müssen noch prüfen, ob das Matrixprodukt oder die Inversen von Matrizen aus dieser Menge wieder in dieser Menge liegen: (R2 R1 )T (R2 R1 ) = R1T R2T R2 R1 = R1T R1 = 1, (R −1 )T R −1 = (R R T )−1 = 1.    =1

Man sollte zwischen aktiven und passiven Transformationen unterscheiden. Bei einer aktiv interpretierten Drehung wird der Ortsvektor auf einen neuen Ortsvektor abgebildet, r = xi ei →r = xi ei ≡ xi ei .

(5.10)

Bei festgehaltener Basis entspricht dies der Transformation x → x = Rx.

(5.11)

Alternativ können wir uns denken, dass derselbe Vektor von verschiedenen Systemen aus beschrieben wird. Im gedrehten System ist die kartesische Basis ei und der Vektor hat die transformierten Koordinaten xi , so dass gilt xi ei = xi ei .

(5.12)

Bei einer passiv interpretierten Drehung kompensiert die Transformation (5.11) gerade die Drehung (5.7) der Basis. Ob eine Transformation passiv oder aktiv zu interpretieren ist, geht meistens aus dem Zusammenhang hervor. Gerade beim Übergang zwischen Inertialsystemen ist die passive Sichtweise vorzuziehen. Für eine Drehmatrix ist det(R T R) = 1 und damit det R = ±1. Aus 

∂ xi det ∂x j

 = det R

(5.13)

5.2 Drehungen im Raum

57

folgt, dass Drehungen mit det R = 1 die Orientierung erhalten und Drehungen mit det R = −1 sie umkehren.

Eigentliche und uneigentliche Drehungen

Die orientierungserhaltenden Drehungen nennt man eigentlich, die anderen uneigentlich. Als Kern der Determinantenabbildung bilden die eigentlichen Drehungen den Normalteiler SO(n)  O(n). Die Gruppe SO(n) heißt spezielle orthogonale Gruppe.

Satz 12 (Euler) In ungeraden Dimensionen hat jede eigentliche Drehung und in geraden Dimensionen jede uneigentliche Drehung einen 1-dimensionalen Unterraum aus lauter Fixpunkten. Speziell in 3 Dimensionen hat jede eigentliche Drehung eine Drehachse. Wir müssen zeigen, dass Rn = n für ein n=0 lösbar ist. Die von n definierte Gerade ist dann die Fixpunktachse von R. Eine Lösung existiert genau dann, wenn R den Eigenwert 1 hat oder wenn det(R − 1) verschwindet. Wegen   det(R − 1) = det(R − 1)T = det(R −1 − 1) = det R −1 (1 − R) = det R −1 det(1 − R) = (−)n det R det(R − 1)

(5.14)

verschwindet det(R − 1) für (−1)n det R = −1, d. h. für eigentliche Drehungen und ungerades n oder für uneigentliche Drehungen und gerades n. In beiden Fällen hat R den Eigenwert 1 und besitzt damit eine Fixpunktachse. Wiederholt man das Argument für die Determinante von R + 1, dann folgt das Lemma 19 (Drehspiegelung) Eine uneigentliche Drehung hat in allen Dimensionen den Eigenwert −1. Wir betrachten nun Drehungen im R3 etwas eingehender: Gemäß dem soeben bewiesenen Eulerschen Satz hat jede eigentliche Drehung R eine Drehachse. Deshalb kann man sie mit einer zweiten eigentlichen Drehung S (welche die Drehachse in die 3Richtung dreht) in eine Drehung um die dritte Achse überführen, S R S −1 = R(e3 , ϕ). Wir betrachten zuerst derartige Drehungen um die 3-Achse mit dem Winkel ϕ, siehe Abb. 5.1. Für diese Drehungen ist e3 = e3 und, wie aus der Abbildung ersichtlich, lauten die Transformationsformeln für die verbleibenden Basisvektoren e1 = e1 cos ϕ + e2 sin ϕ , e2 = −e1 sin ϕ + e2 cos ϕ.

(5.15)

58

5

Raumzeit-Symmetrien

Abb. 5.1 Drehung der Basisvektoren um die 3-Achse

Die entsprechende Drehmatrix hat die Form  R(e3 , ϕ) =

 R2 (ϕ) 0 , 0 1

 R2 (ϕ) =

 cos ϕ − sin ϕ . sin ϕ cos ϕ

(5.16)

Die entsprechende Transformation der kartesischen Koordinaten gewinnt man aus xi ei = xi ei und sie lautet x = R(e3 , ϕ)x. Analog findet man folgende Drehmatrizen für Drehungen um die beiden anderen Achsen: ⎛ ⎞   cos ϕ 0 sin ϕ 1 0 1 0 ⎠. , R(e2 , ϕ) = ⎝ 0 (5.17) R(e1 , ϕ) = 0 R2 (ϕ) − sin ϕ 0 cos ϕ

Kanonische Form von Drehungen im R3

Für jede eigentliche Drehung kann die kartesische Basis {ei } im R3 derart gewählt werden, dass die Drehmatrix die einfache Form (5.16) hat.

In der Theorie des Kreisels benutzt man eine alternative Parametrisierung von Drehungen mit Hilfe der Euler-Winkel ϕ, ϑ, ψ. Man zeigt, dass jede eigentliche Drehung das Produkt von drei elementaren Drehungen um die dritte und erste Achse ist, R(ϕ, ϑ, ψ) = R(e3 , ϕ)R(e1 , ϑ)R(e3 , ψ).

(5.18)

5.3 Die euklidischen Gruppen En

5.3

59

Die euklidischen Gruppen En

Bewegungen sind affine Transformationen, die den Abstand zwischen zwei Punkten ei und im euklidischen Raum Rn invariant lassen. Wir wählen eine kartesische Basis xi ei einen Ursprung O, so dass jeder Punkt P durch einen Vektor O P = r = und damit durch sein Koordinatentripel x eindeutig charakterisiert ist. Der Abstand zweier Punkte P und Q mit Koordinaten x und y ist d(P, Q) = x − y, mit x2 =

n

xi2 .

(5.19)

1

Bei einer Bewegung gehen x und y über in Rx + a und Ry + a. Der Abstand der Punkte ändert sich nicht, wenn R eine Drehung ist.

Bewegungsgruppe En

Eine Bewegung besteht aus Drehungen und Verschiebungen, (R, a) : x → x = Rx + a, a ∈ Rn ,

R ∈ O(n).

(5.20)

Da Bewegungen über eine Invarianzeigenschaft definiert sind, bilden sie eine Gruppe. Diese heißt euklidische Gruppe oder Bewegungsgruppe und wird mit En bezeichnet. Bewegungen mit a=0 haben keinen Fixpunkt. Es sei nun (R  , a ) : x → x = R  x + a

(5.21)

eine weitere Bewegung. Dann gilt für die Hintereinanderausführung der beiden Transformationen (5.20) und (5.21) (R  , a ) ◦ (R, a) : x → x = R  (Rx + a) + a = R  Rx + R  a + a .

Verknüpfungsgesetz für die Bewegungsgruppe

Die Komposition zweier Bewegungen im euklidischen Raum Rn ist gegeben durch (R  , a ) ◦ (R, a) = (R  R, R  a + a ).

(5.22)

60

5

Raumzeit-Symmetrien

Entsprechend ist die zu (R, a) inverse Bewegung   (R, a)−1 = R −1 , −R −1 a ∈ En .

(5.23)

Beschreiben wir eine Bewegung bezüglich eines um a1 verschobenen Ursprungs und einer mit R1 ∈ SO(n) gedrehten kartesischen Basis, dann hat sie die Form   (R  , a ) = (R1 , a1 )(R, a)(R1 , a1 )−1 = R1 R R1−1 , a1 + R1 a − R1 R R1−1 a1 . (5.24) Der Übergang zwischen den Systemen wird also durch eine Konjugation beschrieben. In jeder Konjugationsklasse gibt es besonders einfache Repräsentanten. Diese beschreiben die Bewegung in einem angepassten kartesischen System. Diese Repräsentanten, man spricht von Normalformen, werden in Anhang A zu diesem Kapitel diskutiert. Die euklidische Gruppe En ist das semidirekte Produkt (siehe Abschn. 3.5) der Gruppe der Drehungen und der Verschiebungen im Rn , d. h., En = O(n)  Rn . Der Homomorphismus ϕ : O(n) → Aut(Rn ) ist dabei durch ϕ(R)(a) = Ra für R ∈ O(n) und a ∈ Rn gegeben. Es folgt insbesondere (R, a)(1, a )(R, a)−1 = (12 , Ra ), was bedeutet, dass die Untergruppe der Verschiebungen ein Normalteiler ist. Eine weitere Untergruppe ist diejenige der eigentlichen Bewegungen   n E+ n = (R, a)|a ∈ R , R ∈ SO(n) .

(5.25)

Zerlegen wir die euklidische Gruppe En nach ihrer Untergruppe E+ n in Rechtsnebenklassen, so erhalten wir zwei Klassen, die Klasse E+ n der eigentlichen Bewegungen und die Klasse der uneigentlichen Bewegungen   n E− n = (R, a)|a ∈ R , R ∈ O(n), det R = −1 .

(5.26)

Sie sind zugleich Linksnebenklassen, also gilt:

E+ n < En ist Normalteiler

Die Bewegungen in E+ n bilden einen Normalteiler der Bewegungsgruppe En .

Wir beweisen noch den nützlichen Satz 13 (Fixpunkte) Jede endliche Untergruppe G der Bewegungsgruppe En hat einen Fixpunkt. Dies gilt insbesondere für alle Punktgruppen.

5.4 Die Galilei-Gruppe

61

Beweis: Es seien x ∈ Rn die Koordinaten eines festen Punktes im euklidischen Raum und B(x) = {xi = Ri x + ai |(Ri , ai ) ∈ G} die Bahn dieses Punktes unter der Wirkung von G < En . Für eine endliche Untergruppe besteht die Bahn aus endlich vielen Punkten. Der Schwerpunkt der Bahn x=

n 1 xi n

(5.27)

i=1

ist offensichtlich ein Fixpunkt für jedes Gruppenelement g ∈ G, denn dieses permutiert die Elemente der Bahn nur, so dass gilt gx = x.

5.4

Die Galilei-Gruppe

Raumzeitmodelle, bei denen die Struktur von Raum und Zeit unabhängig von der vorhandenen Materie ist, sind das Galilei-Newton-Modell mit einer absoluten Zeit und das Einstein-Poincaré-Modell, in dem das Zeitmaß vom Bezugssystem abhängt. Das erste Modell ist ein Grenzfall des zweiten. In beiden Modellen gibt es ausgezeichnete Bezugssysteme. Ein solches ist nahezu ideal oder inertial, wenn in ihm für einen hinreichend kräftefreien Körper das Trägheitsgesetz von Galilei hinreichend genau gilt, also wenn der Körper in seinem Zustand der Ruhe oder gleichförmigen geradlinigen Bewegung verharrt. Für drei Massenpunkte, die sich auf nichtparallelen Geraden bewegen, scheint dies eine leere Aussage zu sein, aber für jede weitere kräftefreie Bewegung liefert sie eine operative Definition von Inertialsystemen. Beispiel: Realisierung eines Inertialsystems

Innerhalb eines frei auf die Erde fallenden Kastens oder in einem weit weg von Himmelskörpern antriebslos fliegenden Raumschiff hat man in guter Näherung ein (lokales) Inertialsystem.  In diesem Abschnitt beschränken wir uns auf den nichtrelativistischen Grenzfall. Zwei beliebige Inertialsysteme I und I  können sich dadurch unterscheiden, dass ihre Ursprünge O und O • durch eine räumliche Translation a ∈ R3 gegeneinander verschoben sind und/oder • sich mit konstanter Geschwindigkeit u ∈ R3 relativ zueinander bewegen. Eine äquivalente Formulierung ist

62

5

Raumzeit-Symmetrien

Transformation

Hat ein Teilchen im Inertialsystem I den Ortsvektor r(t) = r(0) + v t, dann hat es im Inertialsystem I  den Ortsvektor r (t) = (r(0) + a) + (v + u) t.

Wir haben dabei nur die Beschreibung der Bewegung des Teilchens geändert und nicht die Bewegung selbst (passive Sichtweise). Wir wählen nun in jedem Inertialsystem eine kartesische Basis und identifizieren einen Vektor r mit „seinem“ 3-Tupel x in r = xi ei . Die Menge der räumlichen Verschiebungen2 x → x = x + a

(5.28)

sind Elemente der oben diskutierten 3-parametrigen abelschen Translationsgruppe. Ebenso bildet die Menge der speziellen Galilei-Transformationen x → x = x + u t

(5.29)

eine 3-parametrige abelsche Gruppe. Die Zeitursprünge in den Inertialsystemen können verschieden sein, und der Übergang geschieht mit einer Zeittranslation, t → t  = t + τ.

(5.30)

Diese bilden eine 1-parametrige abelsche Gruppe. Nun wollen wir annehmen, dass die Zeit- und Ortsursprünge der Inertialsysteme zusammenfallen, a = 0, τ = 0, und sie keine Relativgeschwindigkeit u haben. Dann können die kartesischen Basen in I und I  wie in (5.7) noch gegeneinander gedreht sein, ei = e j R ji .

(5.31)

Die entsprechende Drehung des 3-Tupels lautet x → x = R x,

R T R = 1.

Fassen wir zusammen:

2 Wir

wählen für den Verschiebungsvektor und sein 3-Tupel dasselbe Symbol a.

(5.32)

5.4 Die Galilei-Gruppe

63

Galileitransformationen

Charakterisieren (t, x) und (t  , x ) ein festes Ereignis bezüglich zweier Inertialsysteme mit Ursprüngen O, O und kartesischen Basen ei , ei , dann sind folgende Transformationen zwischen den zwei Koordinatensystemen möglich: Art der Transformation Verschiebung des Ortsursprungs Verschiebung des Zeitursprungs Drehung des Systems Spezielle Galileitransformation

Zeitkoordinate t = t t = t + τ t = t t = t

Raumkoordinaten x = x + a (5.33) x = v x = Rx x = x + u t

Die Galilei-Transformationen bilden die Galilei-Gruppe.

Zeitintervalle und räumliche Abstände in Schichten gleicher Zeit sind unabhängig vom Inertialsystem. Sie ändern sich nicht bei Galilei-Transformationen. Ein beliebiges Gruppenelement ist eine Zusammensetzung von Translationen, Drehungen und speziellen Galilei-Transformationen und hat die Form t  = t + τ und x = Rx + u t + a,

u, a ∈ R3 ,

R T R = 1.

(5.34)

Die Transformation ist durch die 10 Parameter (R, u, a, τ ) bestimmt, worin die Drehmatrix von drei reellen Parametern, z. B. den Euler-Winkeln, abhängt. Wechseln wir vom Bezugssystem I in ein anderes Inertialsystem I  mit (5.34) und anschließend mit der Transformation (R  , u , a , τ  ) von I  nach I  , dann ergibt sich folgende zusammengesetzte Galilei-Transformation für den Übergang von I → I  :

Komposition von Galilei-Transformationen

  (R  , u , a , τ  )(R, u, a, τ ) = R  R, u + R  u, a + R  a + u τ, τ  + τ . (5.35)

Den Galilei-Transformationen können wir 5 × 5 Matrizen zuordnen ⎛ ⎞ ⎛ ⎞⎛ ⎞ x Rua x ⎝t  ⎠ = ⎝ 0 1 τ ⎠ ⎝t ⎠ . 1 0 01 1

(5.36)

64

5

Raumzeit-Symmetrien

Zum Einselement gehört die Matrix 15 und zur inversen Transformation die Matrix ⎛ −1 ⎞ R −R −1 u R −1 (uτ − a) ⎝ 0 ⎠. (5.37) 1 −τ 0 0 1 Diese Darstellung zeigt, dass sich die Galilei-Gruppe als Untergruppe von GL(5, R) auffassen lässt. Unter einer Konjugation mit (τ1 , a1 , u1 , R1 ) transformiert eine Galileitransformation in R u a τ

= R1 R R1−1 , = R1 u + u1 − R  u1 , = R  (τ1 u1 − a1 ) − R1 (τ1 u − a) + (τ − τ1 )u1 + a1 , = τ.

(5.38)

Man erkennt folgende Normalteiler: • Die raumzeitlichen Translationen (1, 0, a, τ ). • Die räumlichen Translationen und speziellen Galilei-Transformation (1, u, a, 0).

Galilei-Gruppe als semidirektes Produkt

Die Galilei-Gruppe ist das semidirekte Produkt E3  R4 der euklidischen Gruppe mit Elementen (R, u) und der Translationsgruppe in Zeit und Raum mit Elementen (a, τ ).

Die Wirkung von (R, u) ∈ E3 auf (a, τ ) ∈ R4 ist gegeben durch ϕ(R, u) (a, τ ) = (Ra + τ u, τ ).

(5.39)

Aufgabe

Beweisen Sie die letzte Aussage. Man beachte, dass E3 die (R, u) und nicht etwa die (R, a) als Elemente enthält. Wir hatten schon früher gesehen, dass der Faktor E3 selbst ein semidirektes Produkt ist, E3 = O(3)  R3 .

5.5

Lorentz- und Poincaré Transformationen

Es sei M die vierdimensionale affine Minkowski-Raumzeit, deren Punkte {P, Q, . . . } Ereignisse beschreiben. Als Bezugssysteme wählen wir Inertialsysteme. Diese seien

5.5 Lorentz- und Poincaré Transformationen

65

mit Familien von identischen und synchronisierten Uhren ausgestattet, und in allen Inertialsystemen sollen gleiche Einheiten für Längen und Zeiten benutzt werden3 . Ein Ereignis P wird durch Zeit und kartesische Ortskoordinaten, also durch Angabe von 4-Standardkoordinaten (der Begriff der Standardkoordinaten in einem Inertialsystem wird in [27] benutzt)    0 1 2 3 T ct = (5.40) x = x ,x ,x ,x x eindeutig charakterisiert. Oft schreiben wir auch x = (x μ ) mit μ = 0, 1, 2, 3. Wir betrachten nun eine (idealisierte) Kugelwelle, die am Raumzeitpunkt y aufleuchtet – nur sehr kurzzeitig und räumlich lokalisiert, um der Idealisierung eines Punktes in Raum und Zeit nahe zu kommen. Raumzeitpunkte x, bei denen die emittierte Kugelwelle aufleuchtet, erfüllen die Bedingung x 0 − y 0 = ±|x − y|.

(5.41)

Das negative Vorzeichen gehört zu einer einlaufenden Kugelwelle, die bei y eintrifft und für die x 0 − y 0 negativ ist. Es ist sinnvoll, die kovariante Schreibweise mit 4-er Vektoren zu benutzen. Dann lautet die Bedingung (5.41) für die Komponenten ξ μ den Differenzvektors ξ = x − y ξ 0 = ±|ξ | ⇐⇒ (ξ 0 )2 − |ξ |2 = ξ 0 ξ 0 − ξ 1 ξ 1 − ξ 2 ξ 2 − ξ 3 ξ 3 = 0,

(5.42)

und gibt Anlass zur Einführung folgender Bilinearform von Vektoren, (ξ, ζ ) = ξ 0 ζ 0 − ξ 1 ζ 1 − ξ 2 ζ 2 − ξ 3 ζ 3 , ξ, ζ ∈ V .

(5.43)

Diese kann mit Hilfe des metrischen Tensors ⎛ ⎞ 1 0 0 0 ⎜0 −1 0 0 ⎟ −1 μν ⎟ η=⎜ ⎝0 0 −1 0 ⎠ = (ημν ) bzw. η = (η ) 0 0 0 −1 folgendermaßen geschrieben werden: (ξ, ζ ) = ημν ξ μ ζ ν = ξ T ηζ.

(5.44)

μν

Insbesondere ist das „relativistische Abstandsquadrat“ zwischen Emissions- und Beobachtungsereignis in (5.42) gleich d(x, y) = (ξ, ξ ), mit ξ = x − y.

(5.45)

3 Für eine Diskussion von Maßstäben und Uhren in einem Inertialsystem konsultiere man ein Lehr-

buch über spezielle Relativitätstheorie [27–30].

66

5

Raumzeit-Symmetrien

Indizes werden mit den kovarianten und kontravarianten Komponenten des metrischen Tensors, also mit ημν und ημν , hinunter- oder hinaufgezogen. Z. B. ξμ = ημν ξ ν bzw. ξ μ = ημν ξν , so dass (ξ, ζ ) = ξ μ ζμ = ξμ ζ μ . Für eine feste Zeitdifferenz ξ 0 beschreibt die quadratische Gleichung für ξ in (5.42) eine Kugeloberfläche, deren Radius |ξ | mit Lichtgeschwindigkeit anwächst. In der Raumzeit sind dies Oberflächen eines Doppel-Lichtkegels, dessen Spitzen bei ξ = 0 bzw. x = y liegen. Abb. (5.2) zeigt die Situation in zwei Raumdimensionen. Wir wechseln nun in ein anderes Inertialsystem I  , welches relativ zum ursprünglichen Inertialsystem I in konstanter gleichförmiger Bewegung ist. Mit keiner Messung können wir die beiden Inertialsysteme unterscheiden. Dies ist der wesentliche Inhalt des Einsteinschen Äquivalenzprinzips:

Äquivalenzprinzip

Die Naturgesetze sehen in allen Inertialsystemen gleich aus. Insbesondere ist die Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen gleich.

Aus diesem Prinzip lassen sich die Lorentz-Transformationen ableiten, wie man sie in vielen Lehrbüchern der Speziellen Relativitätstheorie findet. Man argumentiert etwa wie folgt: Ein Punktereignis werde in I und I  durch Standardkoordinaten x

Abb. 5.2 Kausale Struktur von M: der Doppel-Lichtkegel mit Spitzen im Ursprung definiert den Lichtkegel

5.5 Lorentz- und Poincaré Transformationen

67

und x  beschrieben. Der Zusammenhang zwischen den Koordinaten hat die Form x  = a + f (x), mit f (0) = 0 und a ∈ R4 konstant. Wegen der Homogenität der Raumzeit sind x  = x  − a ebenfalls Standardkoordinaten in einem dritten, verschobenen Inertialsystem I  . Es gilt dann x  = f (x) mit f (0) = 0. Nun argumentiert man, dass die vier Funktionen f μ linear sein müssen. Z. B. wird in [27] diese Linearität mit Hilfe des ersten Newtonschen Gesetzes und der Homogenität von Raum und Zeit begründet. Dann gilt x  = x mit einer Matrix , beziehungsweise x  = x + a mit  ∈ GL(4, R).

(5.46)

Seien nun wieder x die Koordinaten der bei y ausgesandten Kugelwelle in I . Bezüglich I  wird dieselbe Welle bei y  ausgesandt und hat die Koordinaten x  . In beiden Inertialsystemen ist die Lichtgeschwindigkeit gleich, d. h. 0 = (ξ, ξ ) = (ξ  , ξ  ),

ξ = x − y, ξ  = ξ.

Eine hinreichende und notwendige Bedingung dafür ist T η = κ()η mit

κ(1) = 1 und κ() ≥ 0.

√ Ist κ = 1, dann können wir durch eine Maßstabsänderung x  → κ x  stets κ = 1 erreichen. Deshalb müssen wir nur Matrizen berücksichtigen, welche die Relation T η = η ⇐⇒ ηαβ αμ βν = ημν

(5.47)

erfüllen. Für solche Transformationen ist das relativistische Abstandsquadrat zweier Ereignisse x, y im Minkowski-Raum unabhängig vom Inertialsystem, (ξ  , ξ  ) = (ξ, ξ ). Wir fassen zusammen:

Poincaré-Gruppe (inhomogene Lorentz-Gruppe)

Die Abbildungen (5.46) zwischen Inertialsystemen bilden die nach Poincaré benannte Gruppe, wenn  die Bedingung (5.47) erfüllt,   iO(1, 3) = (, a) a ∈ R4 ,  ∈ GL(4, R), T η = η .

(5.48)

Die Bezeichnung O(1, 3) ist analog der Bezeichnung O(n) für die Drehungen in Rn , welche den mit der euklidischen Metrik diag(1, . . . , 1) bestimmten Abstand

68

5

Raumzeit-Symmetrien

invariant lassen. Ähnlich lassen die Lorentz-Transformationen den mit der LorentzMetrik diag(1, −1, −1, −1) bestimmten Abstand invariant. Das in (5.48) vor O(1, 3) stehende i steht für inhomogen. Die Gruppenmultiplikation in der Poincaré-Gruppe lautet (2 , a2 ) (1 , a1 ) = (2 1 , a2 + 2 a1 ) ,

(5.49)

und die inverse Poincaré-Transformation hat die Form (, a)−1 = (−1 , −−1 a).

(5.50)

Aufgabe

Überlegen Sie sich, dass eine Konjugation durch   (1 , a1 ) (, a) (1 , a1 )−1 =  , a1 + 1 a −  a1 ,  = 1 −1 1 (5.51) gegeben ist und damit die Verschiebungen (a, 1) einen Normalteiler definieren. Lemma 20 (Poincaré-Gruppe) Die Poincaré-Gruppe iO(1, 3) ist das semidirekte Produkt der Untergruppe O(1, 3) der Lorentz-Transformationen, bestehend aus den räumlichen Drehungen und den Lorentz-Boosts, x  = x, T η = η,

(5.52)

und des abelschen Normalteilers der Translationen in Raum und Zeit, x  = x + a, a ∈ R4 .

(5.53)

Zusammenhangskomponenten der Lorentz-Gruppe Der Differenzvektor x − y verbindet die Ereignisse P und Q in M mit Koordinaten x und y. Diese Ereignisse sind raumartig, zeitartig oder lichtartig getrennt wenn ihr (lorentzinvariantes) Abstandsquadrat negativ, positiv oder Null ist. Unter einer Lorentz-Transformation geht der Differenzvektor über in (x − y). Die Frage ist nun: was für ein geometrisches Gebilde beschreibt die Bahn des Differenzvektors Bx−y = {ξ = (x − y)} unter der Wirkung der Lorentz-Gruppe? Wegen (ξ, ξ ) = (ξ 0 )2 − ξ 2 = const

(5.54)

bildet die Bildmenge {ξ 0 , ξ } ein Hyperboloid. Für eine positive Konstante ist es ein zweischaliges Hyperboloid und für eine negative Konstante ein einschaliges Hyperboloid. Für sehr große |ξ 0 | oder |ξ | können wir die Konstante in der quadratischen Gleichung vernachlässigen, so dass sich das Hyperboloid asymptotisch einem Lichtkegel anschmiegt.

5.5 Lorentz- und Poincaré Transformationen

69

Kausalstruktur 1. Für zeitartig getrennte Ereignisse ist (ξ, ξ ) > 0 und der Orbit {ξ } ist ein zweischaliges Hyperboloid, wie im linken Bild in Abb. 5.3 gezeigt. Eine Schale liegt im Vorwärtslichtkegel mit positiven ξ 0 und eine im Rückwärtslichtkegel mit negativen ξ 0 , und die beiden Schalen bilden zwei disjunkte Punktmengen. Jede Schale schneidet die ξ 0 -Achse, auf der ξ verschwindet. Im entsprechenden Inertialsystem sind P und Q am selben Punkt im Raum. 2. Für raumartig getrennte Ereignisse ist (ξ, ξ ) < 0 und der Orbit {ξ } beschreibt ein einschaliges Hyperboloid wie im rechten Bild in Abb. 5.3. Auf jedem einschaligen Hyperboloid gibt es einen Punkt mit ξ 0 = 0. Dies bedeutet, es gibt ein Inertialsystem, in dem P und Q gleichzeitig sind. Auch hat ξ 0 beide Vorzeichen auf jedem Hyperboloiden, und deshalb kann sich die Zeitrichtung ändern. 3. Für lichtartig getrennte Ereignisse ist (ξ, ξ ) = 0 und ξ liegt auf dem Vorwärtsoder Rückwärtslichtkegel. Dann beschreibt der Orbit {ξ } wie in Abb. 5.2 gezeigt, einen in die Zukunft und einen in die Vergangenheit gerichteten Kegel mit 45 Grad Öffnungswinkel.

Globale Struktur der Lorentz-Gruppe Die 00-Komponente der Matrixgleichung (5.47) impliziert (00 )2 ≥ 1. Für 00 ≥ 1 wird der Vorwärtslichtkegel in sich selbst abgebildet und die Zeitrichtung bleibt erhalten. Für 00 ≤ −1 wird der Vorwärtslichtkegel mit einer Zeitumkehr in den Rückwärtslichtkegel abgebildet. Wegen (5.47) gilt auch det  = ±1. Die Vorzeichen von det() und 00 bestimmen die Zusammenhangskomponenten der LorentzGruppe, ↑







O(1, 3) = O+ (1, 3) ∪ O− (1, 3) ∪ O+ (1, 3) ∪ O− (1, 3),

(5.55)

Abb. 5.3 Orbits der Lorentz-Gruppe: links ein zweischaliges Hyperboloid für zeitartige ξ und rechts ein einschaliges Hyperboloid für raumartige ξ

70

5

Raumzeit-Symmetrien

mit folgender Bedeutung der Indizes: ± : det  = ±1 , ↑ : keine Zeitumkehr (00 ≥ 1) , ↓ : Zeitumkehr (00 ≤ −1).

Mit Einführung von Raumspiegelung P, Zeitumkehr T und Raumzeit-Spiegelung P T (gegeben durch P = −T = η und P T = −14 ) ist jede Lorentz-Transformation dann aus ↑







O(1, 3)+ ∪ P O+ (1, 3) ∪ P T O+ (1, 3) ∪ T O+ (1, 3).

(5.56)

Die Klasse der eigentlichen orthochronen Lorentz-Transformationen enthält weder Zeitumkehr noch Spiegelungen und bildet einen Normalteiler. Die Elemente der zweiten Nebenklasse heißen uneigentlich orthochron, diejenigen der dritten Nebenklasse zeitspiegelungsartig und diejenigen der letzten Nebenklasse raumzeitspiegelungsartig. Der Normalteiler der eigentlichen orthochronen Lorentz-Transformationen bezeichnet man mit   ↑ SO↑ (1, 3) ≡ O(1, 3)+ =  ∈ O(1, 3)| det  = 1, 00 ≥ 1 .

(5.57)

Das S in SO zeigt an, dass die Transformationen eigentlich sind, det() = 1. Die Faktorgruppe der Lorentz-Gruppe nach der Gruppe der eigentlichen orthochronen Lorentz-Gruppe ist O(1,3)/SO↑ (1, 3) = {1, P, T , P T } ∼ = Kleinsche Vierergruppe Z2 × Z2 . (5.58) Ohne Beweis notieren wir abschließend die vier Typen von Konjugationsklassen in SO↑ (1, 3):

Konjugationsklassen der eigentlichen orthochronen Lorentz-Gruppe

1. Elliptische Transformationen sind konjugiert zu einer räumlichen Drehung mit Winkel ϕ um die dritte Achse,  1 0 . e = 0 R(e3 , ϕ) 

(5.59)

2. Hyperbolische Transformationen sind konjugiert zu einem Lorentz-Boost mit Rapidität β in Richtung der dritten Achse, ⎛ cosh β ⎜ 0 h = ⎜ ⎝ 0 sinh β

0 1 0 0

⎞ 0 sinh β 0 0 ⎟ ⎟. 1 0 ⎠ 0 cosh β

(5.60)

5.6 Anhang A: Normalform der Drehungen und Bewegungen

71

3. Loxodrome Transformationen sind konjugiert zur Zusammensetzung der obigen zwei Transformationen, l = e h . 4. Parabolische Transformationen sind konjugiert zu ⎛ 1 + α 2 /2 ⎜ α p = ⎜ ⎝ 0 α 2 /2

α 1 0 α

⎞ 0 −α 2 /2 0 −α ⎟ ⎟. ⎠ 1 0 2 0 1 − α /2

(5.61)

Eine parabolische Transformation lässt sich durch einen Boost entlang der x-Achse und eine Drehung um die z-Achse realisieren. Wenn die Beträge der Rotation und des Boosts genau „ausbalancieren“, dann erhalten wir eine parabolische Transformation.

Mit der Lorentz-Gruppe zerfällt auch die Poincaré-Gruppe in vier Zusammenhangskomponenten, ↑







iO(1, 3) = i O+ (1, 3) ∪ iO− (1, 3) ∪ iO+ (1, 3) ∪ iO− (1, 3).

(5.62)

In Abschn. 14.5 werden wir die lokalen Eigenschaften der Poincaré-Gruppe besprechen. Diese sind in der Poincaré-Algebra – dies ist die Lie-Algebra der Lie-Gruppe i SO(1, 3) – kodiert.

5.6

Anhang A: Normalform der Drehungen und Bewegungen

Die Konjugationsklassen der Drehungen und Bewegungen im Rn haben einfache Repräsentanten. Diese werden oft mit „Normalformen“ bezeichnet.

5.6.1

Normalformen für Drehungen im Rn

Indem man die Drehmatrizen im Komplexen zuerst diagonalisiert und danach wieder zu einer reellen Basis zurückkehrt, beweist man: • In geraden Dimensionen n ist jede eigentliche Drehung konjugiert zur Normalform ⎛ ⎞ R2 (ϕ1 ) 0 . . . 0 ⎜ 0 ⎟ 0 R2 (ϕ2 ) . . . ⎜ ⎟ (A.1) Nn (ϕ) ≡ Dn (ϕ) = ⎜ . ⎟, . . .. .. ⎝ .. ⎠ 0 0 . . . R2 (ϕn/2 )

72

5

Raumzeit-Symmetrien

und jede uneigentliche Drehung zur Normalform ⎛

⎞ Dn−2 (ϕ) 0 0 0 −1 0⎠ . Nn (ϕ) = ⎝ 0 0 1

(A.2)

Dabei bezeichnet R2 (ϕ) die Drehmatrix in (5.16) und Dn−2 die eigentliche Drehung (A.1) in n − 2 Dimensionen. • In ungeraden Dimensionen n ist jede eigentliche Drehung konjugiert zu  Nn (ϕ) =

Dn−1 (ϕ) 0 0 1

 ,

(A.3)

 Dn−1 (ϕ) 0 . 0 −1

(A.4)

und jede uneigentliche Drehung zu  Nn (ϕ) =

Diese Normalformen der eigentlichen und uneigentlichen Drehungen sind in Einklang mit dem Eulerschen Theorem in Abschn. 5.2.

5.6.2

Normalformen für Bewegungen im Rn

Wir können nun die gewonnenen Resultate auf die Bewegungen im Raum, bestehend aus Drehungen und Translationen, anwenden. Satz 14 (Normalform von Bewegungen) Für jede Bewegung (R, a) im Rn gibt es eine kartesische Basis {e1 , . . . , en } und einen Ursprung O, bezüglich derer sie eine der folgenden Normalformen annimmt: 1. Ist 1 Eigenwert von R, dann ist die Normalform x = Nn (ϕ)x + aen . 2. Ist 1 nicht Eigenwert von R, dann ist die Normalform x = Nn (ϕ)x. Beweis: Es sei R1 eine Drehung, die R in seine Normalform Nn transformiert, R1 R R1−1 = Nn .

(A.5)

Verschieben wir noch den Ursprung um a1 , dann hat nach (5.24) das transformierte a die Form a = R1 a + (1 − Nn )a1 .

(A.6)

Nun zerlegen wir Rn in zwei orthogonale Unterräume, Rn = K ⊕ K ⊥ mit K ≡ Kern (1 − Nn ) .

(A.7)

5.6 Anhang A: Normalform der Drehungen und Bewegungen

73

Ist 1 nicht Eigenwert von R (und damit nicht Eigenwert von Nn ) dann ist K = ∅. Die Zerlegung (A.7) ist invariant unter der Wirkung von Nn : Der Kern K ist offensichtlich invariant und sein orthogonales Komplement ist es ebenfalls, da für ein beliebiges b ∈ K ⊥ gilt 0 = (K , b) = (Nn K , Nn b) = (K , Nn b). Wir zerlegen beide Seiten der Beziehung (A.6) in ihren K -Anteil, bezeichnet mit , und ihren K ⊥ -Anteil, bezeichnet mit ⊥, a = (R1 a) und a⊥ = (R1 a)⊥ + (1 − Nn )a1⊥ .

(A.8)

Auf K ⊥ ist 1 − Nn invertierbar und deshalb existiert ein a1 , für das a⊥ verschwindet. Nach Wahl eines derartigen a1 ist a = a . Für das weitere Vorgehen notieren wir, dass R1 in (A.5) nicht eindeutig bestimmt ist. Anstelle von R1 können wir auch S R1 wählen für ein S im Stabilisator von R1 , S Nn S −1 = Nn .

(A.9)

Da die Drehung S mit Nn vertauscht, respektiert sie ebenfalls die Zerlegung (A.7): S : K → K und S : K ⊥ → K ⊥ . Daher wirkt sich eine Ersetzung von R1 in der ersten Gleichung in (A.8) durch S R1 wie folgt aus, a = S(R1 a) .

(A.10)

a

Nun kann S so gewählt werden, dass in eine beliebige Richtung in K zeigt. Da a⊥ = 0 gewählt wurde, beweist dies den Satz. Ist insbesondere 1 nicht Eigenwert von R, dann ist K = ∅ und damit a = 0.

Typen von Bewegungen

• Eine eigentliche Bewegung in ungeraden Dimensionen ist eine Schraubung um die en -Achse. • Eine uneigentliche Bewegung in geraden Dimensionen ist eine Gleitspiegelung an der Hyperebene senkrecht zu en • Für eigentliche Bewegungen in geraden oder uneigentlichen Bewegungen in ungeraden Dimensionen ist generisch 1 nicht Eigenwert von R. Dann handelt es sich um eine Drehung im ersten Fall und eine Drehspiegelung im zweiten Fall. Ist aber mindestens einer der Winkel ϕi in (A.1) ein Vielfaches von 2π , dann wird auch in geraden Dimensionen eine eigentliche Bewegung zur Schraubung oder eine uneigentliche Bewegung in ungeraden Dimensionen zur Gleitspiegelung.

74

5.7

5

Raumzeit-Symmetrien

Aufgaben zu Kap. 5

Aufgabe 5.1: Gruppenwirkungen von rechts Ähnlich der Linksgruppenwirkung definiert man eine Rechtsgruppenwirkung: Definition 22 Eine Rechtsgruppenwirkung ist eine Funktion r : G × M → M so dass: • r (e, p) = p für alle p ∈ M, • r (g1 , r (g2 , p)) = r (g2 g1 , p) für alle g1 , g2 ∈ G und p ∈ M. Zeigen Sie folgenden Zusammenhang zwischen Links- und Rechtswirkungen: Ist (g, p) → (g, p) eine Linkswirkung, dann ist (g, p) → r (g, p) = (g −1 , p) eine Rechtswirkung. Bemerkung: Es kann nützlich sein, eine Rechtswirkung mit der zugehörigen Linkswirkung zu identifizieren. Aufgabe 5.2: Wirkung von PSL(2, Z) auf Poincaré-Halbebene Betrachte die Gruppenwirkung (5.5) auf der Poincaré-Halbebene H, aber nun mit S aus der diskreten modularen Gruppe PSL(2, Z) = SL(2, Z)/{±1}. Analysieren Sie die Gruppenwirkung ähnlich wie wir es für SL(2, R) in Abschn. 5.1 taten. Was versteht man unter einem fundamentalen Bereich einer Gruppenwirkung? Der fundamentale Bereich für die Wirkung von PSL(2, Z) auf H ist bekannt und in der konformen Feldtheorie von Interesse (ein Bild des Bereichs finden Sie in dem Wikipedia-Artikel „Modular Group“). Aufgabe 5.3: Drehungen Wir betrachten die Gruppe SO(3) der eigentlichen Drehungen im euklidischen Raum R3 und die Menge SO(e) der Drehungen um die feste Achse, definiert durch den Einheitsvektor e. Zeigen Sie, dass 1. SO(e) eine Untergruppe von SO(3) ist, 2. für jedes Paar von Einheitsvektoren SO(e) und SO(e ) zueinander konjugiert sind. Aufgabe 5.4: Galilei-Gruppe Eine Galilei-Transformation (5.34) ist durch die 10 Parameter (R, u, a, τ ) bestimmt. 1. Was ist die zu (R, u, a, τ ) inverse Galilei-Transformation? 2. Finden Sie die invarianten Untergruppen der Galilei-Gruppe. 3. Können Sie die Galilei-Gruppe als semidirektes Produkt einer Gruppe und eines Normalteilers schreiben?

5.7 Aufgaben zu Kap.5

75

Aufgabe 5.5: Lorentz-Gruppe Eine vierdimensionale Matrix  heißt Lorentz-Matrix, wenn gilt  η = η, worin η = diag(1, −1, −1, −1) der metrische Tensor ist. Wir bezeichnen die Menge dieser Matrizen mit O(1, 3) bzw. L. 1. Zeigen Sie, dass L eine Untergruppe von GL(4, R) ist. 2. Zeigen Sie, dass für  ∈ L die Determinante gleich det  = ±1 ist. 3. Beweisen Sie, dass die Menge L+ = { ∈ L| det  = 1} ein Normalteiler in L ist. Es sind die eigentlichen Lorentz-Transformationen. Aufgabe 5.6: Dimension der Symmetriegruppen Von wie vielen reellen Parametern hängt eine Galilei-Transformation bzw. eine Poincaré-Transformation in einer (hypothetischen) Raumzeit mit n Dimensionen ab? Aufgabe 5.7: Intervalle im Minkowski-Raum Zwei Ereignisse P1 und P2 seien durch ein 1) raumartiges, 2) zeitartiges und 3) lichtartiges Intervall getrennt. Zeigen Sie, dass 1. ein Inertialsystem existiert, in dem die Pi gleichzeitig sind, und dass ihre Zeitreihenfolge durch eine geeignete Wahl des Systems vertauscht werden kann, 2. ein Inertialsystem existiert, in dem die Pi am selben Raumpunkt sind. 3. Bestimmen Sie die Hyperfläche in der Raumzeit, auf der P2 relativ zu P1 liegen kann. Hinweis: Wählen Sie P1 als Koordinatenursprung. Aufgabe 5.8: Zeitdilatation Leiten Sie mit den Lorentz-Transformationsgleichungen die Formel für die Zeitdilatation her. Legen Sie zunächst zwei Ereignisse für die Ablesung einer im Inertialsystem I bewegten und im Inertialsystem I  ruhenden Uhr fest. Beachten Sie, dass die Ablesung in I  am gleichen Ort und diejenige in I an verschiedenen Orten erfolgt.

6

Punktgruppen

Bei meiner Arbeit habe ich immer versucht, das Wahre mit dem Schönen in Einklang zu bringen; aber wenn ich mich für eines von beiden zu entscheiden hatte, dann habe ich gewöhnlich das Schöne gewählt. Hermann Weyl

Punktgruppen sind endliche Untergruppen der Drehgruppe O(3). Z. B. bilden die Decktransformationen eines platonischen Körpers oder eines Moleküls Punktgruppen. Letztere nennt man kurz Molekülsymmetrien. Auch diejenigen Decktransformationen eines idealen Kristalls, die einen Punkt fest lassen, bilden eine Punktgruppe. Ein Verständnis von Punktgruppen ist unentbehrlich, um aus spektroskopischen Daten auf die Symmetrie eines Atoms oder Moleküls zu schließen oder um anhand der bekannten Symmetrie physikalische Eigenschaften dieser Objekte vorherzusagen. Man definiert: Definition 23 Eine (endliche) Punktgruppe G < O(3) heißt eigentlich oder von erster Art, wenn sie keine Spiegelungen enthält, sonst uneigentlich oder von zweiter Art. Wir werden die Punktgruppen charakterisieren und zeigen, dass es nur fünf Typen von eigentlichen und neun Typen von uneigentlichen Punktgruppen gibt. Wir beginnen mit den eigentlichen Punktgruppen und machen dabei Gebrauch von den Ergebnissen in Abschn. 5.2. In den Büchern [11,15,31,32] werden Punktgruppen behandelt und angewandt und in [33,34] findet man weitere zahlreiche Anwendungen der Theorie der Punktgruppen auf Atome, Moleküle und Festkörper.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_6

77

78

6

6.1

Punktgruppen

Eigentliche Punktgruppen

Führt die Drehung eines Moleküls um eine durch das Molekül gelegte Achse um den Winkel ϕn = 2π/n zu einer Lage, die von der ursprünglichen nicht unterscheidbar ist, dann bezeichnet man die Achse als n-zählige Symmetrieachse Cn . Die Symmetrieachse wird durch einen Einheitsvektor e charakterisiert und die entsprechende Drehung bezeichnet man mit cn (e) = R (e, ϕn ) ,

ϕn =

2π . n

(6.1)

Führt man die Drehung n-mal hintereinander aus, dann erhält man das Einselement, d. h., cn (e) hat die Ordnung n. Bei einer Drehung um die z-Achse hat die Drehmatrix die Form ⎛ ⎞ cos ϕn − sin ϕn 0 cn (e3 ) = ⎝ sin ϕn cos ϕn 0⎠ , (6.2) 0 0 1 wie in (5.17) angegeben.

Drehungen und Referenzachse

Die Referenzachse eines Moleküls ist die Symmetrieachse mit maximaler Zähligkeit. Zeigt e in Richtung der Referenzachse, so schreibt man anstelle von cn (e) nur cn . Eine m-zählige Drehung um eine Achse senkrecht zu e bezeichnet man mit ch,m .

6.1.1

Platonische Gruppen

Die eigentlichen Decktransformationen der fünf platonischen Körper Tetraeder, Oktaeder, Würfel, Dodekaeder und Ikosaeder bilden die platonischen Gruppen1 . Um sie zu studieren, zählen wir zuerst ihre Anzahl Ecken, Kanten und Flächen:

Tetraeder Würfel Oktaeder Ikosaeder Dodekaeder

1 Ein

E = Ecken K = Kanten F = Flächen 4 6 4 8 12 6 6 12 8 12 30 20 20 30 12

Besuch der Wikipedia-Seite über die platonischen Körper lohnt sich.

6.1 Eigentliche Punktgruppen

79

Wir werden nun die Elemente der Tetraedergruppe T , Würfelgruppe O und Dodekaedergruppe bestimmen. Tetraedergruppe Die Decktransformationen eines Tetraeders sind in Abb. 6.1 gezeigt. Dieser Körper hat vier dreizählige und drei zweizählige Drehachsen. Die dreizähligen Achsen verbinden die Ecken mit den Mittelpunkten der gegenüberliegenden Flächen und die zweizähligen Achsen verlaufen durch die Mitten von gegenüberliegenden Kanten. Die Tetraedergruppe T hat damit die Ordnung K × 1 = 12 2 und besitzt die zyklischen Untergruppen C3 und C2 . |T | = 1 + E × 2 +

(6.3)

Würfelgruppe Die Symmetrien eines Würfels sind aus Abb. 6.1 ablesbar. Er hat drei Drehachsen vierter Ordnung durch die Mittelpunkte von gegenüberliegenden Flächen, sechs zweizählige Drehachsen durch die Mittelpunkte von gegenüberliegenden Kanten sowie vier Raumdiagonalen als Drehachsen dritter Ordnung. Die Ordnung der Würfelgruppe ist |O| = 1 +

F K E ×3+ × 1 + × 2 = 24. 2 2 2

(6.4)

Abb. 6.1 Die Decktransformationen von Tetraeder und Würfel definieren die Tetraedergruppe T und Würfelgruppe O

80

6

Punktgruppen

Beziehung zu S4

Die Würfelgruppe ist isomorph zur Oktaedergruppe und beide sind isomorph zu S4 .

Dies ist kein Zufall, da Oktaeder und Würfel dual zueinander sind: Man kann einen Oktaeder derart in einen Würfel legen, dass die Eckpunkte des Oktaeders gleich den Zentren der Würfelflächen sind. Dodekaedergruppe Der in Abb. (1.1) gezeigte Dodekaeder hat sechs fünfzählige Drehachsen durch die Zentren gegenüberliegender Flächen, zehn dreizählige Achsen durch zwei gegenüberliegende Ecken und fünfzehn zweizählige Drehachsen durch die Mittelpunkte zweier gegenüberliegender, zueinander paralleler Kanten. Damit ist die Ordnung der Dodekaedergruppe Y gleich |Y | = 1 +

F E K ×4+ ×2+ × 1 = 60. 2 2 2

(6.5)

Die Ikosaedergruppe ist isomorph zur Dodekaedergruppe, da Ikosaeder und Dodekaeder dual zueinander sind. Die Gruppenordnung 60 ist gleich der Ordnung von A5 , und tatsächlich gilt: Beziehung zu A5

Die Dodekaedergruppe (Ikosaedergruppe) ist isomorph zu A5 . Dabei entsprechen den fünfzähligen Drehungen in Y die 5-Zyklen in A5 . Analyse der Würfelgruppe Als erzeugende Elemente der Würfelgruppe O wählen wir die Vierteldrehung um die z-Achse und die Vierteldrehung um die x-Achse: ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 0 −1 0 10 0 a = ⎝1 0 0⎠ und b = ⎝0 0 −1⎠ . 0 0 1 01 0 Zuerst definieren wir die Gruppe über ihre Erzeugenden,

6.1 Eigentliche Punktgruppen

81

GAP> a:=[[0,-1,0],[1,0,0],[0,0,1]];;b:=[[1,0,0],[0,0,-1],[0,1,0]]; GAP> g:=Group(a,b);

und analysieren sie. Die Ordnung ist Order(g)=24. Wir definieren weiter die Kommutator-Untergruppe und zugehörige Faktorgruppe G/[G, G]: GAP> gk:=CommutatorSubgroup(g,g); GAP> gf:=FactorGroup(g,gk);;Order(gf);

Die Ordnung von gk ist 12 und diejenige von gf ist 2. Wir können auch noch die Ordnung der Stabilisatoren der Elemente in g erfragen: GAP> Order(Stabilizer(g,a));Order(Stabilizer(g,a*b));

und erhalten die Antworten 4 und 3. Die Anzahl Konjugationsklassen von g ist 5, GAP> NrConjugacyClasses(g);

Die Repräsentanten der Konjugationsklassen erfragt man mit GAP> ConjugacyClasses(g);

mit dem Resultat ⎛ ⎞ ⎛ 100 −1 0 ⎝0 1 0⎠ , ⎝ 0 −1 001 0 0

⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 0 −1 0 0 0 −1 0 0 −1 0 0⎠ , ⎝ 0 0 −1⎠ , ⎝0 0 −1⎠ , ⎝1 0 0⎠ . 1 0 −1 0 1 0 0 0 0 1

Die Anzahl Elemente in den entsprechenden Bahnen (Orbits) sind 1, 3, 6, 8 und 6. Die Würfelgruppe hat 8 maximale Untergruppen, die alle nichtabelsch sind: GAP> msg:=MaximalSubgroups(g);

Deren Ordnungen erhält man mit GAP> Order(msg[1]);Order(msg[2]);Order(msg[3]);Order(msg[4]); GAP> Order(msg[5]);Order(msg[6]);Order(msg[7]);Order(msg[8]);

Sie sind 12, 8, 8, 8, 6, 6, 6, 6. Wir können diese Untergruppen noch genauer analysieren. Insbesondere interessieren uns die Erzeugenden der Untergruppen: GAP> GeneratorsOfGroup(msg[1]);GeneratorsOfGroup(msg[2]); GAP> GeneratorsOfGroup(msg[5]);

82

6

Punktgruppen

Die Untergruppe der Ordnung 12 wird von den 3 Matrizen ⎛ ⎛ ⎛ ⎞ ⎞ ⎞ 1 0 0 −1 0 0 0 −1 0 ⎝0 0 −1⎠ , ⎝0 −1 0 ⎠ , ⎝ 0 1 0 ⎠ 0 0 −1 2 0 0 −1 2 1 0 0 3 erzeugt. Die Indizes deuten die Ordnung dieser Elemente an und können mit GAP> Order([[0,-1,0],[0,0,-1],[1,0,0]]);

abgefragt werden. Die Matrizen gehören zu einer Drehung mit Drehwinkel ϕ3 um die Achse von der Ecke (1, −1, 1) zur gegenüberliegenden Ecke und je einer Drehung mit ϕ2 um die x und die y-Achse. Alle Elemente dieser Untergruppe werden generiert durch GAP> Orbits(g,msg[1]);

6.1.2

Klassifikation der eigentlichen Punktgruppen

Neben den platonischen Gruppen T , O und Y gibt es nur noch zwei Serien von Punktgruppen: Satz 15 Es gibt 5 Klassen von eigentlichen Punktgruppen: die unendlichen Serien Cn und Dn und die drei besonderen Punktgruppen T , O und Y . Die Decktransformationen einer Pyramide über dem regelmäßigen n-Eck bilden die zyklische Gruppe Cn . Sie wird erzeugt von der n-zähligen Drehung cn um die Symmetrieachse. Die Decktransformationen eines senkrechten Prismas über dem regelmäßigen n-Eck bilden die größere Diedergruppe Dn . Sie enthält neben der n-zähligen Drehung cn um die Referenzachse n weitere zweizählige Drehungen ch,2 um n dazu senkrechte Drehachsen. Die Gruppe wird von cn und einer dieser zweizähligen Drehungen erzeugt. Auf Punkte in der Ebene aufgespannt von den zweizähligen Drehachsen wirken die zweizähligen Drehungen wie Spiegelungen. Dies erklärt auch, warum die in Abschn. 2.3 eingeführten Gruppen Dn Spiegelungen im R2 enthalten, im Gegensatz zu den eigentlichen Decktransformationen von Pyramiden im R3 .

6.1 Eigentliche Punktgruppen

83

Die folgende Tabelle enthält die eigentlichen Punktgruppen und einige ihrer Eigenschaften. Angegeben sind die zyklischen Untergruppen, nichtabelschen maximalen Untergruppen, die Gruppenordnung |G|, die Anzahl Konjugationsklassen k(G) und isomorphe Gruppen.

Eigenschaften der eigentlichen Punktgruppen

G Zykl. Untergruppen Max. Untergruppen |G| k(G) ∼ = n n Cn Cm , m teilt n D2n Cm , m teilt 2n Dm , m teilt 2n 4n n + 3 D2n+1 Cm , m teilt 2n + 1 Dm , m teilt 2n + 1 4n + 2 n + 2 T 3 C2 , 4 C3 D2 12 4 A4 O 6 C2 , 4 C3 , 3 C4 4 D3 , 3 D4 , A4 24 5 S4 Y 15 C2 , 10 C3 , 6 C5 10 D3 , 6 D5 , 5 A4 60 5 A5

Beweis von Satz 15 (siehe auch [4]): Um die eigentlichen Punktgruppen zu klassifizieren, erinnern wir uns an den Satz von Euler, nach dem jede Drehung eine Drehung um eine Achse ist. Diese Achse schneidet die Einheitssphäre S 2 ⊂ R3 an zwei Punkten. Wir nennen diese Punkte auf S 2 die Pole des Gruppenelements. ¨ ein R ∈ G \ 1}. Definition 24 Die Polmenge von G ist P := {x ∈ S 2 |Rx = x f ur Abb. 6.2 zeigt die auf dem Äquator von S 2 liegenden Pole der Diedergruppe D3 , wenn die dreizählige Referenzachse senkrecht zur Blattebene ist. Die (hier nicht gezeigten) zwei Pole am Nord- und Südpol der Einheitssphäre bilden eine Bahn, die drei roten Punkte auf dem Äquator bilden eine Bahn und die drei blauen Punkte auf dem Äquator bilden ebenfalls eine Bahn. Die Elemente der Punktgruppe bilden Pole in Pole ab: Lemma 21 Die Polmenge P ist invariant unter der Wirkung der Punktgruppe G, und Pole in derselben Bahn haben konjugierte Stabilisatoren, Hx’ = R Hx R −1 falls x’ = Rx. Zum Beweis betrachten wir ein x ∈ P mit Rx = x und ein beliebiges zweites Element R  der Punktgruppe. Es gilt 

R  R R −1



 R  x = R  Rx = R  x,

(6.6)

und damit ist R  x ebenfalls in der Polmenge. Die Abbildung (R, x) = Rx definiert eine Wirkung der Punktgruppe G auf der Polmenge P und entsprechend  R (x) = Rx einen Gruppenhomomorphismus

84

6

Punktgruppen

G → S P . Nun teilen wir P in Bahnen unter der Gruppenwirkung ein. Da die Gruppe auf jeder Bahn transitiv wirkt, sind nach den Ergebnissen von Abschn. 5.1 die Stabilisatorgruppen zweier Pole in derselben Bahn isomorph. Tatsächlich bestimmt die Ordnung m x = |Hx | des Stabilisators zu x die Anzahl Elemente in der Bahn B(x) von x: Satz 16 Die Bahn B(x) enthält n/m x Pole, wobei n = |G| und m x = |Hx | sind. Beweis: Wir betrachten einen Pol x mit Stabilisator Hx der Ordnung m x . Die Punktgruppe ist die Vereinigung der disjunkten Links-Nebenklassen R1 Hx , . . . , Rr Hx mit r = n/m x . Alle Elemente einer Nebenklasse Ri Hx bilden x in denselben Punkt Ri x ab: Ri Hx x = Ri x. Liegen Ri und R j in verschiedenen Nebenklassen, dann ist Ri x = R j x, da aus Ri x = R j x sofort Ri−1 R j ∈ Hx folgen würde. Deshalb enthält die Bahn von x die n/m x Elemente {R1 x, . . . , Rr x}. Beispiel: Die Gruppe D3

Nord- und Südpol haben den Stabilisator C3 und alle 6 Pole auf dem Äquator haben den Stabilisator C2 . Unter C3 sind Nord- und Südpol invariant und die drei blauen (roten) Pole auf dem Äquator in Abb. 6.2 bilden eine invariante Menge. Die  und C  vertauschen jeweils zweizähligen Drehungen mit Drehachsen C h,2 , C h,2 h,2 2 Elemente in den 3 Bahnen. Die Bahn des Nordpols enthält |D3 |/|C3 | = 2 Elemente. Die zwei Bahnen der Pole auf dem Äquator enthalten jeweils |D3 |/|C2 | = 3 Elemente.  Abb. 6.2 Das Prisma über dem gleichseitigen 3-Eck hat eine dreizählige Drehachse – dies ist die Referenzachse – und drei zweizählige Symmetrieachsen senkrecht zur Referenzachse. In der Abbildung blickt man in Richtung der Referenzachse. Gezeigt sind die Pole auf dem Äquator der Einheitssphäre

6.1 Eigentliche Punktgruppen

85

Nach diesen Vorbereitungen können wir nun alle Punktgruppen klassifizieren. Alle Pole in einer Bahn B haben die gleiche Ordnung, die wir mit m B bezeichnen. Die n − 1 nichttrivialen Drehungen in G enthalten m B − 1 Drehungen für jeden Pol in B, nach Satz 16 also 21 (m B − 1)n/m B Drehungen für die Pole in der Bahn B. Zu jedem nichttrivialen R gehören zwei Pole, und dies erklärt den Faktor 1/2. Entsprechend gilt die Summenregel

 1 n 2 1  1− . (6.7) (m B − 1) ⇐⇒ 2 − = n−1= 2 mB n mB Bahnen

Bahnen B

Für jede Bahn ist m B ≥ 2, und deshalb ist jeder Summand in der letzten Summe größer gleich 1/2. Die Polmenge kann demnach nur 1, 2 oder 3 Bahnen enthalten. • Eine Bahn: In diesem Fall würde n(1 + m) = 2m gelten, was für G = {e} unmöglich ist. Also gibt es mindestens zwei Bahnen. • Zwei Bahnen: Diese haben n/m 1 beziehungsweise n/m 2 Elemente. Die Formel (6.7) impliziert dann n n + . (6.8) 2= m1 m2 Da m 1 und m 2 die Gruppenordnung n teilen, existiert nur die Lösung m 1 = m 2 = n. Demnach enthalten die beiden Bahnen jeweils genau einen Pol. Da diese unter allen Drehungen nicht ändern, ist G ∼ = Cn und wird von einer Drehung cn erzeugt. • Drei Bahnen: Hier führt (6.7) auf 1+

2 1 1 1 + + . = n m1 m2 m3

(6.9)

Sind alle m i ≥ 3, dann ist die rechte Seite nie größer Eins und die Gleichung ist nie erfüllt. Demnach existiert mindestens eine Stabilisatorgruppe mit zwei Elementen. Wir wählen m 1 = 2. Es folgt 1 2 1 m2m3 1 < 4. + ⇐⇒ (m 2 − 2)(m 3 − 2) = 4 1 − + = 2 n m2 m3 n Es gibt nur wenige Möglichkeiten, diese Ungleichung zu erfüllen: m 1 n/m 1 2 m 2 6 2 12 2 30

m 2 n/m 2 2 m 3 4 3 8 3 20

m 3 n/m 3 n Punktgruppe m 2 2m Dm 3 4 12 T 4 6 24 O 5 12 60 Y

Für jede erlaubte Kombination von Ordnungen m 1 , m 2 , m 3 der drei Stabilisatoren ist die Identifikation der Gruppe in der rechten Spalte nicht allzu schwierig. So müssen im Fall (m 1 , m 2 , m 3 ) = (2, 2, m) die zweizähligen Achsen senkrecht zur m-zähligen Referenzachse sein. Z. B., für die Gruppe Y gibt es n/2m 1 = 15 zweizählige, 10 dreizählige und 6 fünfzählige Drehachsen.

86

6

6.1.3

Punktgruppen

Uneigentliche Punktgruppen

Uneigentliche Punktgruppen sind Erweiterungen der eigentlichen Punktgruppen. Wir betrachten zuerst die Spiegelungen, welche die Orientierung umkehren, etwas näher. Spiegelung an Ebenen Elementar sind die Spiegelungen an den drei Ebenen durch den Ursprung und senkrecht zu den Basisvektoren ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ −1 0 0 1 0 0 10 0 (6.10) σx = ⎝ 0 1 0⎠ , σ y = ⎝0 −1 0⎠ , σz = ⎝0 1 0 ⎠ . 0 01 0 0 1 0 0 −1 Die Lage der Spiegelebene relativ zur Referenzachse (die in Richtung e zeige) wird in der Bezeichnung zum Ausdruck gebracht, siehe Abb. 6.3:

Horizontale, vertikale und dihedrale Spiegelungen

1. Eine Spiegelung an der zu e senkrechten Ebene wird mit σh bezeichnet. 2. Eine Spiegelung an einer Ebene, welche e enthält, wird mit σv bezeichnet. 3. Eine Spiegelung an einer dihedralen Ebene, welche e enthält und den Winkel zwischen zwei benachbarten und zu e orthogonalen, zweizähligen Drehachsen halbiert, wird mit σd bezeichnet.

Ist die z-Achse Referenzachse, dann ist σh die Spiegelung an der (x, y)-Ebene, σh = σz mit σh cn = cn σh .

Abb. 6.3 Bezeichnungen für die drei Typen von Spiegelungen an Ebenen

(6.11)

6.1 Eigentliche Punktgruppen

87

Die Spiegelung an der die Referenzachse enthaltende (y, z)-Ebene hat die Form σv = σx mit σv cn = cn σv f¨ur n = 3, 4, . . .

(6.12)

Das Produkt zweier Spiegelungen σ1 , σ2 ist eine Drehung, deren Drehachse mit der Schnittgeraden der beiden Spiegelebenen zusammenfällt, σ1 σ2 = c(ϕ) =⇒ σ2 σ1 = (σ1 σ2 )−1 = c−1 (ϕ) = c(−ϕ).

(6.13)

Der Drehwinkel ϕ ist der doppelte Winkel, der durch die beiden Spiegelebenen eingeschlossen wird. Durch Linksmultiplikation der ersten Beziehung mit σ1 ergibt sich σ2 = σ1 c(ϕ).

(6.14)

Somit kann das Produkt einer Drehung und einer Spiegelung, deren Ebene die Drehachse enthält, durch eine Spiegelung ersetzt werden, die wiederum die Drehachse enthält. Wegen (6.13) vertauschen zwei Spiegelungen genau dann, wenn c(ϕ) = c(−ϕ) gilt oder wenn der Drehwinkel die Werte 0 oder π annimmt. Im ersten Fall ist c = e und die Spiegelungen sind identisch, und im zweiten Fall ist c = c2 , und es handelt sich um Spiegelungen an aufeinander senkrechten Spiegelebenen. Inversion i und Drehspiegelungen Neben den Spiegelungen an Ebenen gibt es die Spiegelungen an einem festen Punkt, dem Inversionszentrum. Eine derartige Inversion hat die Ordnung 2. Fällt das Inversionszentrum mit dem Ursprung zusammen, dann ist i = σx σ y σz . Eine andere Zerlegung der Inversion enthält eine zweizählige Drehung und eine Spiegelung an der Ebene senkrecht zur Drehachse, i = c2 σh = σh c2 bzw. σh = ic2 .

(6.15)

Dies bedeutet, dass eine Spiegelung an einer Ebene gleich einer zweizähligen Drehung mit Achse senkrecht zur Spiegelebene und einer nachfolgenden Inversion ist.

Drehspiegelungen

Das Produkt einer n-zähligen Drehung cn mit einer Spiegelung σh an einer Ebene senkrecht zur Drehachse heißt Drehspiegelung sn .

Legt man die z-Achse in Richtung der Drehachse, dann ist die Transformationsmatrix ⎛ ⎞ cos ϕn − sin ϕn 0 sn = cn σh = ⎝ sin ϕn cos ϕn 0 ⎠ . 0 0 −1

(6.16)

88

6

Punktgruppen

Die n-fache Anwendung einer n-zähligen Drehspiegelung liefert

snn

=

cnn σhn

=

σhn

=

e f¨ur n gerade, σh f¨ur n ungerade.

(6.17)

Somit haben die sn die Ordnung n für gerade n und 2n für ungerade n. Speziell für n = 2 erhalten wir die Inversion, s2 = c2 σh = i. Beispiel: Alle Symmetrien für ein Prisma über dem regelmäßigen n-Eck

Wie früher besprochen, bilden die eigentlichen Decktransformationen die Diedergruppe Dn , vgl. Abb. 6.4. Lässt man auch uneigentliche Decktransformationen zu, dann kommt σh dazu. Wegen sn = cn σh treten noch die Drehspiegelungen sn und die n Spiegelungen σv = c2,h σh an Ebenen auf, welche die Referenzachse enthalten.  Lemma 22 Eine uneigentliche Punktgruppe enthält gleich viele eigentliche wie uneigentliche Drehungen. Ist nämlich G 0 der Normalteiler der eigentlichen Drehungen in G und kehrt σ die Orientierung um, dann lautet die Nebenklasseneinteilung von G G = G0 ∪ G1,

G1 = σ · G0.

(6.18)

Insbesondere gilt dies für die vom Einselement und der Inversion erzeugte Gruppe Ci = {e, i} ∼ = Z2 .

(6.19)

Bei einer Klassifikation der uneigentlichen Punktgruppen ist der folgende Satz nützlich: Abb. 6.4 Die Decktransformationen eines Prismas über einem gleichseitigen n-Eck bilden die Gruppe Dnh

6.1 Eigentliche Punktgruppen

89

Satz 17 Eine uneigentliche Punktgruppe, welche die Inversion nicht enthält, ist zu einer eigentlichen Punktgruppe isomorph. Beweis: Es sei G eine uneigentliche Punktgruppe und G = G 0 ∪G 1 mit G 1 = σ ·G 0 für ein uneigentliches σ = i die Zerlegung von G nach dem Normalteiler G 0 . Dann ist G  = G 0 ∪ i G 1 eine eigentliche Punktgruppe mit G 0 ∩ i G 1 = ∅. Die Abbildung ϕ : G → G  mit ϕ(R0 ) = R0 f¨ur R0 ∈ G 0 und ϕ(R1 ) = i · R1 f¨ur R1 ∈ G 1 ist dann ein Isomorphismus. Aufgabe

Überzeugen Sie sich davon, dass die letzte Aussage korrekt ist. Neue Gesichtspunkte werden also Punktgruppen bringen, welche die Inversion i enthalten. Weil die Inversion mit allen Drehungen vertauscht, sind diese Punktgruppen ein direktes Produkt G = G 0 × Ci des Normalteilers G 0 mit Ci in (6.19).

Bildungsregeln für uneigentliche Punktgruppen aus eigentlichen

1. Bilde das direkte Produkt aus einer eigentlichen Punktgruppe mit Ci . 2. Zerlege die eigentliche Punktgruppe G in Nebenklassen bezüglich eines / G 0 und forme sie Normalteilers G 0 vom Index 2, G = G 0 ∪ gG 0 mit g ∈ um zu G  = G 0 ∪ igG 0 .

Mit diesen Regeln kann man neun Typen von uneigentlichen Punktgruppen konstruieren: Satz 18 Es gibt neun Typen von uneigentlichen Punktgruppen: fünf Serien Cnh , Cnv , Dnh , Dnd , S2n sowie vier besondere Punktgruppen Th , Td , Oh , Yh . Einige wichtige Eigenschaften der uneigentlichen Punktgruppen sind in Tab. 6.1 angegeben. Für ungerade n hat Cn keinen Normalteiler mit Index 2 und die zweite Bildungsregel ist nicht anwendbar – deshalb existiert keine uneigentliche Punktgruppe isomorph zu Cn mit ungeradem n. Die einfachen Gruppen T und Y haben keine (nichttrivialen) Normalteiler und die zweite Bildungsregel ist auch nicht anwendbar. Aber sie ist anwendbar auf Cn mit geradem n, auf Dn und auf O. Z. B. hat die

90

6

Punktgruppen

Tab. 6.1 Vollständige Liste der uneigentlichen Punktgruppen, d. h. der endlichen Untergruppen von O(3). Gruppen isomorph zu G × Ci wurden mit der ersten Bildungsregel konstruiert, die anderen Gruppen mit der zweiten Bildungsregel. |G| ist die Gruppenordnung und k(G) die Anzahl Konjugationsklassen Gruppe Cnh Cnv

n gerade n ungerade n gerade n ungerade

S2n Dnh Dnd

n gerade n ungerade n gerade n ungerade

Normalteiler

Isomorph zu

|G|

k(G)

Cn

Cn × Ci

Cn

C2n

Cn

Dn

2n 2n 2n 2n 2n 4n 4n 4n 4n 24 24 48 120

2n 2n (n + 6)/2 (n + 3)/2 2n n+6 n+3 n+3 n+3 8 5 10 10

Cn

Dn

Cn

C2n

Dn

Dn × Ci D2n

Dn Dn

D2n

Dn

Dn × Ci T × Ci

Th

T

Td

T

O

Oh

O

O × Ci

Yh

Y

Y × Ci

∼ A4 . Zerlegt man O in zwei platonische Gruppe O ∼ = S4 den Normalteiler T = Nebenklassen O = T ∪ i G 1 , dann erhält man die uneigentliche Punktgruppe gemäß Td = T ∪ G 1 ∼ = O. Die Gruppen Dnh und Dnd treten häufig in der Molekülphysik auf. Im Gegensatz zu Dnd enthält Dnh die Spiegelung σh . Graphisch schön aufbereitete Informationen über Molekülsymmetrien in der organischen Chemie finden sich unter http://csi.chemie.tu-darmstadt.de/ak/immel/misc/oc-scripts/symmetry.html Präsentationen der Punktgruppen Abschließend notieren wir noch mögliche Präsentationen aller eigentlichen Punktgruppen Cn = {cn } ,    Dn = cn , ch,2  (cn ch,2 )2 = e ,    T = c3 , c2  (c3 c2 )3 ) = e ,    O = c4 , c4  (c4 c4 )2 = e ,    Y = c5 , c  (c5 c )3 = e 2

2

und aller uneigentlichen Punktgruppen (zur Erinnerung: [a, b] = aba −1 b−1 )    Cnh = cn , σh  [cn , σh ] = e ,    Cnv = cn , σv  (cn σv )2 = e ,    Dnh = cn , ch,2 , i  (cn ch,2 )2 = [cn , i] = [ch,2 , i] = e ,    Dnd = s2n , σv  (s2n σv )2 = e ,

6.1 Eigentliche Punktgruppen

91

S2n = {s2n } ,    Th = c3 , c2 , i  (c3 c2 )3 = [c3 , i] = [c2 , i] = e ,    Td = c3 , c2 , σv  (c3 c2 )3 = (c3 σv )2 = (c2 σv )2 = e ,    Oh = c4 , c4 , i  (c4 c4 )2 = [c4 , i] = [c4 , i] = e ,    Yh = c5 , c2 , i  (c5 c2 )3 = [c5 , i] = [c2 , i] = e . In der Kristallographie spielen 32 dieser Punktgruppen eine Rolle.

6.1.4

Trägheitstensor symmetrischer Körper

Wir betrachten einen starren Körper bestehend aus N Massenpunkten mit Massen m i und wählen den Massenschwerpunkt als Ursprung des Koordinatensystems. Der charakterisierende Trägheitstensor des starren Körpers ist ab =



  m i ri2 δab − xia xib .

(6.20)

i

Er transformiert bei einer Drehung x → x = Rx wie ein Tensor 2. Stufe,  ab =



       m i ri2 δab − xia xib = Rac Rbd m i ri2 δcd − xic xid ,

i

i

oder in Matrixnotation  →  = RR −1 .

(6.21)

Dieses Transformationsgesetz gilt auch für Körper mit kontinuierlicher Massenbelegung.

Symmetrien des Trägheitstensors

Führt eine Drehung R den starren Körper in sich über, dann muss gelten  =  bzw.  = RR −1 .

(6.22)

Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht: Nicht jede Symmetrie des Trägheitstensors ist eine Decktransformation des Körpers.

92

6

Punktgruppen

Die Menge der Decktransformationen bildet die Symmetriegruppe des Körpers. Diese ist eine Untergruppe der Symmetrien des Trägheitstensors. Eine Vollkugel mit homogener Massendichte ist invariant unter allen Drehungen. Hier haben Trägheitstensor und Kugel dieselbe Symmetriegruppe O(3). Ein Würfel mit identischen Massenpunkten an den Eckpunkten ist dagegen nur invariant unter der Würfelgruppe O und deren uneigentlicher Erweiterung Oh . Aber wir werden sehen, dass der Trägheitstensor immer noch die Symmetriegruppe O(3) hat. Aufgabe

Überzeugen Sie sich davon, dass ein Würfel mit Kantenlänge L und identischen Punktmassen m an den Ecken bezüglich seines Massenschwerpunktes den Trägheitstensor ab = 4m L 2 δab hat. Für die Untersuchung der Symmetriegruppe eines allgemeinen Körpers wählen wir als Koordinatenrichtungen die Hauptachsen des Trägheitstensors. Sind die Hauptträgheitsmomente in  = diag(A, B, C) verschieden, dann vertauschen nur diagonale R mit .

Symmetrien des unsymmetrischen Kreisels

Die Symmetriegruppe eines unsymmetrischen Kreisels ist eine Untergruppe der abelschen Gruppe C = {e, c2 (e1 ), c2 (e2 ), c2 (e3 ), σx , σ y , σz , i}.

(6.23)

Der Trägheitstensor eines symmetrischen Körpers  = diag(A, A, C) mit C = A vertauscht dagegen mit allen Drehungen, welche die durch e3 definierte Symmetrieachse fest lassen, Cs = {R ∈ O(3)| Re3 = ±e3 }. Die Symmetriegruppe eines symmetrischen Kreisels ist deshalb eine Untergruppe von Cs . Die eigentlichen endlichen Untergruppen von Cs sind die Gruppen Cn oder Dn . Allgemeiner können die Gruppen Cn , Cnh , Cnv , Dn , Dnh , Sn oder Dnd als Symmetriegruppen eines symmetrischen Kreisels auftreten. Umgekehrt gilt Lemma 23 Enthält eine Symmetriegruppe eines Kreisels eine Cn mit n ≥ 3 als Untergruppe, dann ist es ein symmetrischer Kreisel. Zum Beweis betrachte man die Bedingung R = R für eine symmetrische Matrix  und eine Drehung R mit Winkel ϕ um die dritte Achse. Ist sin ϕ nicht null, dann findet man  = diag(A, A, C). Enthält die Symmetriegruppe eine zweite, mindestens dreizählige Drehung cn (e) um eine weitere Achse e = e3 , dann handelt es sich um einen Kugelkreisel mit  = A1.

6.2 Molekülsymmetrien

93

Korollar 3 Die platonischen Körper mit gleich schweren Massen an den Ecken sind Kugelkreisel mit Trägheitstensor  = A1 (siehe Aufgabe 6.7)

6.2

Molekülsymmetrien

Wir vernachlässigen die „Eigenbewegungen“ von Elektronen und Atomkernen und beziehen unsere Symmetriebetrachtungen am Molekül auf dessen Kerngerüst. Dies ist ein Massenpunktsystem aus endlich vielen starr verbundenen Atomen. Z. B. bilden der Stickstoffkern und die drei Wasserstoffkerne des Ammoniakmoleküls NH3 die vier Ecken eines Tetraeders. Dagegen sind platonische Kohlenwasserstoffe gesättigte Kohlenwasserstoffe, deren Kohlenstoffatome die Ecken eines platonischen Körpers bilden. Die Synthese von Cuban (Würfel) gelang erstmalig 1964 und diejenige von Dodecahedran (Dodekaeder) 1982. Auf diese Weise laufen Symmetrieuntersuchungen an Molekülen häufig auf das Studium von geometrischen Standardfiguren der Stereometrie hinaus. Die Symmetrien einiger Moleküle sind in Abb. 6.5 gezeigt.

6.2.1

Das Massenpunktsystem Allen C3 H4

In einem rechtwinkligen Koordinatensystem betrachten wir den Quader in achsenparalleler Mittelpunktslage, wie in Abb. 6.6 skizziert. Seine Höhe sei 2h und seine quadratische Grundfläche habe die Kantenlänge 2g < 2h. Dem Quader lässt sich dann gemäß der Abbildung das Kerngerüst eines Allen-Moleküls einbeschreiben:

Abb. 6.5 Die Symmetrien von Kohlendioxid (CO2 ), Bortrifluorid (BF3 ), Xenon-tetrafluorid (XeF4 ), Benzol (C6 H6 ), Ammoniak (NH3 ), Allen (C3 H4 ) und Schwefelchloro-pentafluorid (SF5 Cl) sind die Decktransformationen der Geraden, des gleichseitigen Dreiecks, Quadrats, regelmäßigen Sechsecks, Tetraeders, Quaders und Oktaeders

94

6

Punktgruppen

Abb. 6.6 Die Lage der Atome im Allen-Molekül C3 H4

Die vier H-Atomkerne werden auf die Ecken H1 : (g, −g, −h), H2 : (g, g, h), H3 : (−g, g, −h), H4 : (−g, −g, h) verteilt und die Kohlenstoffkerne auf die Punkte (0, 0, −d), (0, 0, 0), (0, 0, d),

0 GAP> GAP> GAP> GAP> GAP> GAP> GAP> GAP> GAP>

A:=[[0,1,1,1],[1,0,1,1],[1,1,0,1],[1,1,1,0]]; n:=4;i:=0;H:=[]; t:=SymmetricGroup(n); tt:=Elements(t); for a in tt do S:=PermutationMat(a,n); St:=TransposedMat(S); y:=St*A*S; if y=A then AddSet(H,a);fi; od; G:=Group(H);

98

6

Punktgruppen

1. Die Inzidenzmatrix für ein Prisma über dem gleichseitigen Dreieck lautet ⎛ ⎞ 011 A = ⎝1 0 1⎠ . 110 Ändern Sie obiges GAP-Programm entsprechend und analysieren Sie die Symmetriegruppe des Prismas. 2. Bestimmen Sie eine Inzidenzmatrix für den Würfel und analysieren Sie die zugehörige Symmetriegruppe. Aufgabe 6.7: Trägheitstensoren der platonischen Körper Bestimmen Sie die Trägheitstensoren der platonischen Körper bezüglich ihres Massenschwerpunkts, wenn gleich schwere Massen an den Ecken der Körpers lokalisiert sind.

7

Raumgruppen und Kristalle

In den Werken der Natur und gerade in ihnen herrscht die Regel, nicht blinder Zufall. Der Endzweck aber, um dessentwillen ein Ding geschaffen oder geworden ist, liegt im Bereich des Schönen. Aristoteles

Ein idealer Kristall ist ein Festkörper, dessen mikroskopische atomare Struktur räumlich periodisch ist1 . Dies impliziert eine Periodizität der Kernlagen und der Elektronendichte, gegebenenfalls auch der Spindichte der Elektronen. Abb. 7.1 zeigt das Kristallgitter von N aCl. Ein idealer Kristall hat als Symmetriegruppe eine diskrete Untergruppe der Bewegungsgruppe – diese nennt man Raumgruppe des Kristalls. Im vorliegenden Kapitel klassifizieren wir diejenigen Kombinationen von Drehungen, Spiegelungen und Translationen, die ein Raumgitter in sich überführen. Neben dreidimensionalen sind auch zweidimensionale Kristalle, dies sind kristalline Materialien, die aus nur einer Lage von Atomen oder Molekülen bestehen, schon länger bekannt. Aufgrund ihrer ungewöhnlichen Eigenschaften sind sie Gegenstand zahlreicher aktueller Forschungsprojekte. Im Jahr 2004 gelang es Andre Geim und Konstantin Novoselov, die ersten zweidimensionalen Kristalle aus Kohlenstoffatomen herzustellen (Graphen). Die Symmetriegruppen zweidimensionaler Kristalle nennt man Flächen- oder Ornamentgruppen. Raum- und Flächengruppen und deren Rolle in der Kristallphysik werden in vielen Lehrbüchern behandelt, siehe z. B. [15,35]. Eine anschauliche Reise durch Formen, Muster, Symmetrien und Strukturen in der Kristallographie findet man in [36].

1 Ein

realer Kristall unterscheidet sich von einem idealen durch seine endliche Ausdehnung und durch strukturelle Fehler. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_7

99

100

7

Raumgruppen und Kristalle

Abb. 7.1 Die Bausteine des NaCl-Gitters sind die Na+ und Cl− -Ionen: Diese bilden je ein kubisch flächenzentriertes Gitter und zeigen die skizzierten ineinandergestellten Anordnungen, die durch die Translation um 21 (a1 + a2 ) auseinander hervorgehen. Die Elementarzelle wird durch die Vektoren ai aufgespannt. Die Dreh-, Spiegel- und Drehspiegelsymmetrien mit dem Koordinatenursprung als Fixpunkt sind aus der Abbildung abzulesen

7.1

Gittervektoren und primitive Elementarzelle

Der Aufbau eines Kristallgitters L geschieht durch die periodische Wiederholung der sogenannten primitiven Elementarzelle, wodurch der gesamte Raum in kongruente Zellen eingeteilt wird. Die primitive Elementarzelle – sie ist die kleinste Struktureinheit, welche die volle Gittersymmetrie beinhaltet – bildet ein Parallelepiped, das nach Wahl eines Ursprungs durch primitive Translationen ai aufgespannt wird. Dies ist in Abb. 7.2 skizziert. Jeder Eckpunkt eines Parallelepipeds ist damit durch die d ganzzahligen Koeffizienten n 1 , . . . , n d in der Entwicklung a=

d 

n i ai , n i ∈ Z

(7.1)

i=1

bestimmt. Jeder Gitterpunkt a ist allen 2d angrenzenden Parallelepipeden gemeinsam und jede primitive Elementarzelle enthält genau einen Gitterpunkt – in Abb. 7.2 kann man den Gitterpunkt links unten der gezeigten Elementarzelle zuordnen und die 7 anderen Gitterpunkte den benachbarten Zellen. Die Wahl des Ursprungs und der ai und damit die Form der Elementarzelle sind nicht eindeutig. Abb. 7.3 zeigt drei primitive Basen eines zweidimensionalen quadratischen Gitters. Lemma 24 (Basiswechsel) Bilden die a1 , . . . , ad eine Basis primitiver Translationen eines d-dimensionalen Gitters, dann bilden auch die Vektoren ai =

d  j=1

a j G ji , i = 1, 2, . . . , d,

G ji ∈ Z

(7.2)

7.1 Gittervektoren und primitive Elementarzelle

101

Abb. 7.2 Eine Elementarzelle des Gitters mit Basisvektoren a1 , a2 und a3

eine Basis, wenn gilt | det G| = 1,

G = (G i j ) ∈ GL(d, Z) .

(7.3)

Abb. 7.3 Die Basis einer Elementarzelle ist nicht eindeutig

Beweis Nach Definition führen alle ganzzahligen Linearkombinationen der ai das Gitter in sich über. Wir müssen noch nachprüfen, ob das Volumen Ve des von den ai aufgespannten Parallelepipeds, gegeben durch Ve2 = det(A),

Ai j = (ai , a j ) ,

gleich dem Volumen des von den ai aufgespannten Parallelepipeds ist. Wegen Ai j =



G pi G q j A pq bzw. A = G T AG

p,q

folgt sofort Ve = | det G| Ve , was genau auf die Bedingung (7.3) führt. Wigner-Seitz-Zelle

Es gibt eine Vorschrift, eine eindeutige Elementarzelle zu definieren. Die entsprechende Zelle heißt Wigner-Seitz-Zelle. Als Mittelpunkt der Wigner-SeitzZelle wählt man einen Gitterpunkt aus und ordnet der Zelle alle Raumpunkte zu, die dem ausgewählten Gitterpunkt näher sind als alle anderen Gitterpunkte.

102

7

Raumgruppen und Kristalle

Abb. 7.4 Die Wigner-Seitz-Zellen für das quadratische und das rechtwinklig zentrierte BravaisGitter

Offenbar kann man eine Wigner-Seitz-Zelle dadurch konstruieren, dass man zu allen Verbindungsstrecken zwischen ihrem Mittelpunkt und den anderen Gitterpunkten die mittelsenkrechte Ebene errichtet, siehe Abb. 7.4. Diese paarweise parallelen Ebenen schneiden dann die Wigner-Seitz-Zelle aus, wobei nur endlich viele zu den näheren Nachbarn gehörende Ebenen zu berücksichtigen sind. Es zeigt sich, dass die Wigner-Seitz-Zellen in zwei Dimensionen von bis zu drei Geradenpaaren begrenzt werden, während in drei Dimensionen bis zu sieben Ebenenpaare benötigt werden. Die Wigner-Seitz-Zelle enthält die gesamte Information über die Symmetrie des Gitters. Häufig lässt sich die Symmetrie eines Kristallgitters jedoch einfacher erkennen, wenn man eine Einheitszelle wählt, die mehr als einen Gitterpunkt enthält. Mehr dazu später.

7.1.1

Das reziproke Gitter

Bei der Röntgen-, Elektronen- und Neutronenbeugung an Kristallen wird man zwangsläufig auf den Begriff des reziproken Gitters geführt. Zu dessen Einführung betrachten wir eine beliebige gitterperiodische Funktion, f (r + a) = f (r), a ∈ L .

(7.4)

Sie kann als Fourier-Reihe mit Koeffizienten f˜(k) dargestellt werden, f (r) =



f˜(k) eik·r .

(7.5)

k

Für die Fourier-Koeffizienten gilt die Umkehrformel 1 f˜(k) = Ve

 EZ

f (r) e−ik·r d3 r ,

(7.6)

7.1 Gittervektoren und primitive Elementarzelle

103

wobei über die von den Basisvektoren definierte Elementarzelle mit Volumen Ve zu integrieren ist. Damit die Funktion f gitterperiodisch ist, muss gelten eik·(r+a) = eik·r bzw. eik·a = 1 für alle Gittervektoren a. Da aber jeder Gittervektor eine ganzzahlige Linearkombination der Basisvektoren ist, genügt es, diese Bedingung für die Basisvektoren zu fordern: eik·ai = 1 oder k · ai ∈ 2π Z .

(7.7)

Wie die Menge L der Gittervektoren definieren die erlaubten k-Vektoren eine diskrete additive Gruppe, die wir mit L∗ bezeichnen und die das reziproke Gitter definieren. Für L∗ existiert wieder eine Basis {ai∗ }, so dass jeder k-Vektor eine ganzzahlige Linearkombination der ai∗ ist. Das reziproke Gitter

Das zu L reziproke Gitter ist  L∗ =

k |k =

d 

 ki ai∗ , ki ∈ Z

,

i=1

wobei die Basis {ai∗ } des reziproken Gitters durch ai∗ · a j = 2π δi j festgelegt ist.

Dies ist die in der Festkörperphysik verbreitete Konvention. In der Kristallographie wählt man dagegen die Normierung ai∗ ·a j = δi j für die Basisvektoren des reziproken Gitters. In drei Dimensionen lautet die explizite Lösung des Gleichungssystems für die ai∗ a∗1 =

2π 2π 2π a2 × a3 , a∗2 = a3 × a1 , a∗3 = a1 × a2 . Ve Ve Ve

(7.8)

Das Volumen der Elementarzelle von L∗ ist Ve∗ = (2π )d /Ve . Die Wigner-SeitzZelle des reziproken Gitters mit dem Zentrum bei k = 0 ist die erste Brillouin-Zone für das Gitter.

7.1.2

Kristallsysteme in der Ebene

Als ersten primitiven Basisvektor a1 wählt man den kürzesten Vektor in L (oder einen der kürzesten Vektoren, wenn es mehrere davon gibt), und als zweiten Basisvektor a2 einen kürzesten Vektor in L, der nicht parallel zu a1 ist. Die Unterscheidung der Kristallsysteme geschieht mit Hilfe der Längen ai = |ai | und dem Winkel ϕ

104

7

Raumgruppen und Kristalle

Abb. 7.5 Die 4 Kristallsysteme in 2 Dimensionen. Gezeigt sind primitive Basisvektoren

zwischen a1 und a2 . Wir dürfen annehmen, ϕ ∈ (0, π/2] (sonst ersetze man a2 durch −a2 ). Es gibt die in (7.9) aufgezählten 4 Kristallsysteme: 1. das quadratische: a1 2. das rechtwinklige: a1 3. das hexagonale: a1 4. das schiefwinklige: a1

= a2 , ϕ < a2 , ϕ = a2 , ϕ  = a2 , ϕ

= π/2 , = π/2 , = π/3 , < π/2 ,

(7.9)

und diese sind in Abb. 7.5 gezeigt.

7.1.3

Kristallsysteme im Raum

Die verschiedenen Kristallsysteme im Raum werden ähnlich wie diejenigen in der Ebene durch die Verhältnisse der Längen ai der Basisvektoren und deren Zwischenwinkel unterschieden. Die Benennung der Winkel ist wie in Abb. 7.2. Es existieren 7

7.2 Elementarzellen, Einheitszellen und Bravais-Gitter

105

verschiedene Kristallsysteme: triklin, monoklin, orthorhombisch, tetragonal, trigonal, hexagonal und kubisch, und diese sind in (7.10) gelistet: 1. das trikline: a1 2. das monokline: a1 3. das orthorhombische: a1 4. das tetragonale: a1 5. das trigonale: a1 6. das hexagonale: a1 7. das kubische: a1

7.2

 = a2  = a2  = a2 = a2 = a2 = a2 = a2

 = a3 , α  = a3 , α  = a3 , α  = a3 , α = a3 , α  = a3 , α = a3 , α

= β =γ =β =β =β =β =β

= γ = 90, = 90, β = 90, = γ = 90, = γ = 90, = γ = 90, = 90, γ = 120, = γ = 90.

(7.10)

Elementarzellen, Einheitszellen und Bravais-Gitter

Will man den Elementen einer Raumgruppe angepasste Achsensysteme verwenden, so muss man für Kristallsysteme auch nichtprimitive Einheitszellen mit mehreren Gitterpunkten zulassen. Diese enthalten dann auch Atome mit nichtganzzahligen Koordinaten, und ihr Volumen ist ein Vielfaches des Volumens der primitiven Elementarzelle. Dies führt von den Kristallsystemen zu den Bravais-Gittern, die den Vorteil haben, dass sie die größtmögliche Symmetrie eines Kristalls unmittelbar erkennen lassen. Die Eigenschaft, dass Einheitszellen von Bravais-Gittern nicht immer primitive Elementarzellen sind, wird in Kauf genommen, weil in der Regel das Erkennen der Symmetrien enorm hilfreich ist. Deshalb benutzt man gerne Bravais-Gitter. Die Punkte a = m 1 a1 + . . . eines Bravais-Gitters L gewinnt man, wenn man mit allen Translationen der Translationsgruppe {a} auf den Ursprung im euklidischen Raum wirkt. Deshalb kann man nach Festlegung eines Nullpunkts die Translationsgruppe mit dem Bravais-Gitter L identifizieren. Beispiel: Zentriert rechtwinkliges Bravais-Gitter

Für den speziellen Winkel mit cos ϕ = a1 /2a2 im schiefwinkligen Kristallsystem in Abb. 7.5 gibt es eine erhöhte Symmetrie. Dies wird offensichtlich, wenn wir anstelle der von den ai aufgespannten Elementarzelle die von a1 = a1 und a2 = 2a2 − a1 aufgespannte rechtwinklige Einheitszelle mit doppelter Fläche benutzen. Dann erkennt man, dass das zentrierte rechtwinklige System alle Symmetrieeigenschaften des rechtwinkligen Systems hat. Es wird deshalb als eigenes Bravais-Gitter innerhalb des rechtwinkligen Kristallsystems aufgefasst. Es existieren damit 5 Bravais-Gitter in der Ebene.

106

7

Raumgruppen und Kristalle

 Bravais-Gitter im Raum Ähnlich verhält es sich mit Kristallgittern im Raum, d. h., im Gegensatz zur primitiven Elementarzelle kann die von den ai aufgespannte Einheitszelle eines Bravais-Gitters mehrere Atome enthalten. Für r Atome in der Einheitszelle sind deren Orte durch Tupel s1 , . . . , sr festgelegt, r m,k =



m i ai + sk =



(m i + sk,i )ai ,

k = 1, . . . , r ,

(7.11)

i

wobei wir im letzten Schritt die sk nach der Basis ai entwickelten. Es existieren 3 Bravais-Gitter des kubischen Kristallsystems. Eines davon ist das primitive Gitter mit der maximalen Symmetrie, und zwei weitere sind nichtprimitive Gitter mit mehreren Atomen in der Einheitszelle. Beispiel: Kubisch primitives (sc-)Gitter

Für dieses primitive System ist die Einheitszelle gleichzeitig eine primitive Elementarzelle, enthält also ein Atom. Das Gitter hat die kubische Untergruppe der Drehgruppe als Symmetriegruppe (mehr dazu später). Nach Wahl einer Basis kann man Richtungen im Bravais-Gitter durch die Miller-Index angeben. Z. B. ¯ die Richtung a1 − 2a2 + 3a3 . Dies ist in der folgenden Abbildung bedeutet 123 für zwei Richtungen illustriert.

7.2 Elementarzellen, Einheitszellen und Bravais-Gitter

107

 Beispiel: Kubisch raumzentriertes (bcc-)Gitter

Für das bcc-Gitter spannen die ai in der folgenden Abbildung eine primitive Elementarzelle auf. An ihrer Stelle wählt man die Einheitszelle mit Basis a1 = a1 , a2 = a2 , a3 = 2a3 − a1 − a2 . Die Einheitszelle hat die Form eines Würfels und die kubische Symmetrie des Gitters ist offensichtlich. Die Einheitszelle enthält zwei Punkte bei s1 = 0 und s2 = a3 = 21 (a1 + a2 + a3 ). Sie hat das doppelte Volumen der primitiven Elementarzelle.

 Beispiel: Kubisch flächenzentriertes (fcc-)Gitter

Wählt man für das fcc-Gitter die von den ai in der folgenden Abbildung aufgespannte primitive Elementarzelle, dann ist die kubische Symmetrie kaum erkennbar. Wählt man dagegen die von den gleich langen und rechtwinkligen Vektoren a1 = ae1 = a1 + a2 − a3 , a2 = ae2 = a2 + a3 − a1 , a3 = ae3 = a3 + a1 − a2 .

108

7

Raumgruppen und Kristalle

aufgespannte Einheitszelle, dann ist sie erkennbar. Die Einheitszelle enthält 4 Atome, deren Orte gemäß (7.11) angegeben werden. Sie hat das vierfache Volumen der primitiven Elementarzelle.

 Die folgende Tabelle enthält die drei kubischen Bravais-Gitter – das simple-cubic (sc), das body-centered cubic (bcc) und das face-centred cubic (fcc) Gitter. Die Größe der Elementarzelle ist in der letzten Spalte angegeben. Die Positionen der r Atome in der Einheitszelle werden durch Angabe der Tupel (s1 , s2 , s3 ) in der Entwicklung s = si ai festgelegt. Gitter sc bcc fcc

r s1 s2 s3 s4 1 (000)   2 (000)  21 21 21     4 (000) 0 21 21 21 0 21 21 21 0

Ve a3 a 3 /2 a 3 /4

(7.12)

Das sc-Bravais-Gitter des kubischen Kristallsystems mit gleich langen und senkrecht zueinander stehenden Basisvektoren hat die höchstsymmetrische Punktgruppe Oh als Symmetriegruppe. Es existieren, wie wir gerade diskutierten, 3 kubische BravaisGitter. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Kristallsystemen. Beispiel: Das orthorhombische System

Als weiteres Beispiel betrachten wir das orthorhombische Kristallsystem mit drei ungleich langen, senkrecht aufeinanderstehenden Achsen, a1 = a2 = a3 , α = β = γ = 900 . Ein Kristall gehört zu diesem System, wenn mindestens 2 zweizählige Drehachsen oder mindestens 2 Symmetrieebenen vorhanden sind. Es existieren die vier hier gezeigten Bravais-Gitter. Man beachte, dass auch ein basisflächenzentriertes orthorhombisches Gitter auftritt.

7.3 Raum- und Flächengruppen von Kristallen

109

Tab. 7.1 Die 7 Kristallsysteme und 14 Bravais-Gitter. Nur das orthorhombische System tritt als einfaches (P), basisflächenzentriertes (C), flächenzentriertes (F) und raumzentriertes (I) BravaisGitter auf System

P

C

I

F

#

Triklin Monoklin Orthorhombisch Tetragonal Trigonal Hexagonal Kubisch

1 1 1 1 1 1 1

0 1 1 0 0 0 0

0 0 1 1 0 0 1

0 0 1 0 0 0 1

1 2 4 2 1 1 3

 Der internationalen Tabelle der Kristallographie folgend, bezeichnen wir primitive (oder einfache) Gitter mit P, flächenzentrierte mit F, raumzentrierte mit I und basisflächenzentrierte mit C (anstelle von s, fc, bc und bac). Derart findet man die in Tab. 7.1 angegebenen 14 Bravais-Gitter. Das trikline, trigonale und hexagonale System gibt es jeweils nur als primitives Gitter. Zur Beschreibung aller möglichen Strukturen von dreidimensionalen Kristallen benötigt man 7 primitive und 7 zentrierte BravaisGitter.

7.3

Raum- und Flächengruppen von Kristallen

Nach der bisherigen Fokussierung auf die Translationen wenden wir uns nun allen Symmetrien eines Kristalls in 2 oder 3 Dimensionen zu. Diese Decktransformationen sind diejenigen Bewegungen im euklidischen Raum, welche den Kristall auf sich abbilden. Sie definieren eine diskrete Untergruppe der in Abschn. 5.3 eingeführten euklidischen Gruppe Ed . Definition 25 (Flächen- und Raumgruppe) Die Decktransformationen eines Kristalls bilden eine diskrete Untergruppe R < Ed der Bewegungsgruppe mit Verknüpfung (5.22). Für zweidimensionale Kristalle heißt sie Flächengruppe und für dr eidimensionale Kristalle Raumgruppe.

110

7

7.3.1

Raumgruppen und Kristalle

Normalformen von Bewegungen

In Abschn. 5.6 behandelten wir die Normalformen von Bewegungen im euklidischen Raum, siehe Satz 14. Jede Bewegung im Raum ist konjugiert zu einer dieser Normalformen. Zur Analyse der Flächen- und Raumgruppen rufen wir diese Normalformen in 2 und 3 Dimensionen in Erinnerung. Normalformen in d = 2 In zwei Dimensionen vereinfachen sich die in Satz 14 angegebenen Normalformen, weil zwei eigentliche Drehungen immer vertauschen und eine uneigentliche Drehung konjugiert zu σ3 ist. Zudem hat jede uneigentliche Drehung den Eigenwert 1, im Gegensatz zu den eigentlichen Drehungen, unter denen nur R = 1 den Eigenwert 1 hat. Es folgt das Lemma 25 Für jede Bewegung im R2 gibt es eine kartesische Basis und einen Ursprung, bezüglich der sie eine der folgenden Normalformen annimmt: (1, ae1 ) f ur ¨ R = 1, (R, 0) f ur ¨ det(R) = 1, R = 1, (σ3 , c ) f ur ¨ det(R) = −1 .

mit σ3 c = c . Für c = 0 ist die letzte Bewegung eine Spiegelung, andernfalls eine Gleitspiegelung mit der x-Achse als Symmetrieelement. Jede Symmetrieoperation ist also eine reine Verschiebung, eine reine Drehung, eine Spiegelung oder eine Gleitspiegelung. Normalformen in d = 3 In drei Dimensionen hat jede eigentliche Drehung den Eigenwert 1, aber eine uneigentliche Drehung nur dann, wenn Sp R = 1 ist. Also gilt das Lemma 26 Für jede Bewegung im R3 gibt es eine kartesische Basis und einen Ursprung, bezüglich der sie eine der folgenden Normalformen annimmt. Für 1. det(R) = 1 eine Schraubung um die dritte Achse: x ⊥ = R2 (ϕ)x ⊥ und z  = z +a , 2. det(R) = −1 und Sp R < 1 eine Drehspiegelung: x ⊥ = R2 (ϕ)x ⊥ und z  = −z , 3. det(R) = −1 und Sp(R) = 1 eine Gleitspiegelung: x ⊥ = x ⊥ +ae2 und z  = −z . Wir wählten die 3-Achse und x-y-Ebene als Symmetrieelemente und definierten x ⊥ = (x, y)T . Mit Hilfe von Lemma 25 und 26 beweist man das folgende Korollar für eigentliche Drehungen:

7.3 Raum- und Flächengruppen von Kristallen

111

Korollar 4 Es sei R = 1 eine eigentliche Drehung mit R n = 1. Dann gilt 

1 + R + ··· + R

n−1



 a=

0, d = 2, na , d = 3 ,

(7.13)

worin a die Komponente von a in Richtung der Drehachse ist. Der Beweis dieser Tatsachen soll in Aufgabe 7.3 geführt werden. Frage

Warum ist für beliebige uneigentliche Drehungen in 2 Dimensionen R 2 = 1, genauso wie für uneigentliche Drehungen mit Sp R = 1 in 3 Dimensionen? Das Gegenstück von Korollar 4 für uneigentliche Drehungen lautet: Korollar 5 Für jede Drehspiegelung in 2 Dimensionen bzw. eine Drehspiegelung in 3 Dimensionen mit Sp R = 1 ist R 2 = 1 und 

 1 + R a = 2a .

(7.14)

Hier ist a die Projektion von a auf die Spiegelgerade bzw. die Spiegelebene. Ist R eine Drehspiegelung in 3 Dimensionen mit Sp R = 1 und R n = 1, dann ist (1 + R + . . . R n−1 )a = 0.

7.3.2

Flächen- und Raumgruppen und zugehörige Punktgruppen

Nach diesen Vorbereitungen analysieren wir nun Flächen- und Raumgruppen R, bestehend aus denjenigen Bewegungen (R, a), welche den Kristall auf sich abbilden, im Detail. Weil die Gruppenmultiplikation von der Bewegungsgruppe geerbt wird, bilden die reinen Translationen T = {(1, a) ∈ R} ≡ (1, L)

(7.15)

einen Normalteiler T  R. Die Vektoren in L sind ganzzahlige Linearkombinationen von d linear unabhängigen Basisvektoren ai , und definieren (nach Wahl des Ursprungs 0) das Bravais-Gitter des Kristalls. Die Nebenklassen modulo diesem Normalteiler sind (siehe Abschn. 3.3) (1, L), (R2 , c2 + L), (R3 , c3 + L), . . . , (Rr , cr + L) ,

(7.16)

und als Repräsentanten der Klassen können wir die (Rk , ck ) ∈ R wählen. Die abzählbar unendlich vielen Bewegungen in einer Klasse unterscheiden sich also nur in

112

7

Raumgruppen und Kristalle

ihrem translatorischen Anteil. Bei der Konjugation mit einem beliebigen Element (a, R) ∈ R geht (1, b) über in (R, a)(1, b)(R, a)−1 = (1, Rb)

(7.17)

und wir folgern: Lemma 27 (Die Punktgruppe wirkt auf L) Die Drehungen R in (R, a) bilden das Bravais-Gitter L auf sich ab, R : L → L. Wir bezeichnen Basisvektoren der Einheitszellen mit ai , und nicht mehr mit ai , da wir im Folgenden vorwiegend Bravais-Gitter untersuchen werden. Für die Vektoren ck in der Nebenklasseneinteilung (7.16) gilt das Lemma 28 Die ck können aus der Wigner-Seitz-Zelle mit 0 im Zentrum gewählt werden und sind dann eindeutig. Beweis Die Menge ck + L enthält immer ein Element in der ausgezeichneten WignerSeitz-Zelle, so dass ck aus dieser Menge gewählt werden kann. Wäre ck nicht eindeutig, dann gäbe es ein ck = ck in derselben Wigner-Seitz-Zelle mit (Rk , ck ) in R. Damit wäre (Rk , ck )(Rk , ck )−1 = (1, ck − ck ) ∈ R =⇒ ck − ck ∈ L . Nach Annahme liegen ck und ck aber in derselben Wigner-Seitz-Zelle und daher ist ck = ck . Neben den Translationen spielen die Punktgruppen von Flächen- und Raumgruppen eine wichtige Rolle. Die Punktgruppe ist aber nicht die Untergruppe {(R, 0) ∈ R} der reinen Drehungen, wie man vermuten könnte: Definition 26 (Punktgruppe R0 ) Die Punktgruppe R0 einer Flächen- oder Raumgruppe R enthält alle Elemente von R, bei denen die Translation null gesetzt wird, R0 = {(R, 0)| (R, a) ∈ S }.

(7.18)

Frage

Warum braucht R0 keine Untergruppe von R zu sein? Die Antwort ist, dass R unter Umständen zusammengesetzte Symmetrieoperationen (R, a) enthalten kann – dies sind Schraubungen bzw. Gleitspiegelungen – für die (R, 0) nicht in R liegt, aber nach Definition ein Element in R0 ist. Entsprechend unterscheidet man symmorphe und nichtsymmorphe Flächen- und Raumgruppen.

7.3 Raum- und Flächengruppen von Kristallen

113

Definition 27 (Symmorphe Flächen- und Raumgruppen) R heißt symmorph, wenn sich jede Symmetrieoperation als Produkt einer Translation (1, a) ∈ R und einer Drehung (R, 0) ∈ R darstellen lässt. In einer symmorphen Raumgruppe ist die Punktgruppe des Kristalls R0 eine Untergruppe von R und entsprechend ist R das semi-direkte Produkt des Normalteilers der reinen Translationen mit der Punktgruppe, R = T  R0 . Hat eine Raumgruppe weder Gleitspiegelungen noch Schraubungen, dann ist sie symmorph. Lemma 29 Ist R eine Raumgruppe mit Translationsgruppe T , dann ist R0 ∼ = R/T . Beweis Die Abbildung ϕ : (R, a) → (R, 0) ist, wie man leicht nachprüft, ein surjektiver Homomorphismus von R nach R0 mit dem trivialen Kern {(1, a)} = T . Dies beweist das Lemma. Lemma 30 Es sei R eine Raumgruppe mit Translationsgruppe T . Sei weiterhin für n ∈ N

¨ alle (R1 , a1 ) ∈ R . Rn = (R, a) ∈ R|(R, a)(R1 , a1 )n = (R1 , a1 )n (R, a) f ur (7.19) Ist n ein Vielfaches der Ordnung der Punktgruppe R0 , dann ist Rn = T . Ist zudem ϕ : R → R ein Isomorphismus von Raumgruppen mit Translationsgruppen T und T  , dann ist ϕ(T ) = T  : Beweis Ist r die Ordnung der von (R1 , 0) erzeugten zyklischen Untergruppe in R0 , dann ist (R1 , a1 )r = (1, . . . ) eine Translation in T . Nach dem Satz von Lagrange ist n 0 = |R0 | ein Vielfaches von r , und damit ist auch (R1 , a1 )n 0 eine Translation. Weil T abelsch ist, vertauschen dann alle Translationen mit allen (R1 , a1 )n 0 und liegen somit in Rn 0 . Diese Aussage gilt auch für alle Vielfachen von n 0 . Umgekehrt, konjugieren wir die nte Potenz irgendeiner Verschiebung (1, b) ∈ T mit (R, a) ∈ Rn , dann folgt (7.19)

(R, a)(1, b)n (R, a)−1 = (R, a)(1, nb)(R, a)−1 = (1, n Rb) = (1, nb) , (7.20) was Rb = b für alle b ∈ L und damit (R, a) = (1, a) ∈ T impliziert. Dies beweist dann Rn = T . Aufgabe

Beweisen Sie, dass für einen Isomorphismus ϕ : R → R gilt: ϕ(Rn ) = Rn für alle n = 1, 2, . . . Seien nun n 0 und n 0 die Ordnungen der Punktgruppen R0 und R0 . Weil n = n 0 n 0 ein Vielfaches von n 0 und von n 0 ist, gilt nach dem ersten Teil des Lemmas T = Rn und T  = Rn . Wegen ϕ(Rn ) = Rn gilt dann auch ϕ(T ) = T  , was zu zeigen war.

114

7

Raumgruppen und Kristalle

Lemma 31 (Isomorphe R haben isomorphe R0 ) Sind R und R isomorph, dann sind ihre Punktgruppen R0 und R0 isomorph. Beweis Für einen Isomorphismus ϕ : R → R ist gemäß Lemma 30 auch ϕ(T ) = T  . Damit induziert ϕ einen Isomorphismus zwischen R/T und R /T  . Weil diese Faktorgruppen nach Lemma 29 isomorph zu den Punktgruppen sind, folgt die Isomorphie von R0 und R0 . Um nachzuprüfen, ob zwei Flächen- oder Raumgruppen R und R mit Punktgruppen R0 und R0 isomorph sind, ist das folgende Lemma nützlich. Lemma 32 Sei ϕ : R → R ein Isomorphismus und ai sowie ai integrale Basen der Translationsgitter L und L . Dann ist die Einschränkung von ϕ auf T gegeben 1, a)) = (1, G a). Für integrale Basen ist die durch eine lineare Abbildung  ϕ((  Matrix (G ji ) in G ai = j a j G ji in GL(d, Z). Der induzierte Isomorphismus ϕ¯ : R0 → R0 ist die Konjugation mit G. Eine integrale Basis ai hat die Eigenschaft, dass für alle a ∈ L die Koeffizienten m i in der Entwicklung a = m i ai ganzzahlig sind. Beweis Die Restriktion des Isomorphismus auf T definiert einen linaren Isomorphismus L → L . Frage

Warum folgt aus der Isomorphismus-Eigenschaft von ϕ die Linearität der Einschränkung? Sind ai und ai integrale Basen von L und L , dann muss gelten ϕ : ai →



aj G ji

(7.21)

j

mit ganzzahligen Koeffizienten ist, wird  linear  G ji . Weil die Restriktion von ϕ aber  a  ∈ L mit a ∈ L in den Vektor G a ≡ n ein beliebiger Vektor a = n i i i i  n i = j G i j n j abgebildet. Wiederholt man das Argument für den inversen Isomorphismus ϕ −1 , dann sieht man, dass G −1 ebenfalls ganzzahlige Matrixelemente und deshalb in GL(d, Z) liegt. Gemäß Satz 2 haben die invertierbaren Elemente in GL(d, Z) die Determinante ±1. Um die zweite Aussage im Lemma zu beweisen, konjugieren wir eine Translation (1, b) ∈ T mit einem beliebigen Element (R, a) der Flächen- oder Raumgruppe, das von ϕ in (R  , a ) abgebildet werde. Wegen ϕ : (1, b) = (1, G b) ist das Bild des konjugierten Elements   ϕ (R, a)(1, b)(R, a)−1 = (R  , a )(1, G b)(R  , a )−1 .

(7.22)

7.3 Raum- und Flächengruppen von Kristallen

115

Die linke Seite ist ϕ((1, Rb)) und die rechte Seite (1, R  G b). Mit der bereits bewiesenen ersten Aussage im Lemma folgt dann (1, R  G b) = ϕ((1, Rb)) = (1, G Rb) .

(7.23)

Die Beziehung R  G b = G Rb bedeutet aber, dass die von ϕ induzierte Abbildung R0 → R0 eine Konjugation mit G ist, R  = G RG −1 . Punktgruppen sind endliche Untergruppen der orthogonalen Gruppen O(2) oder O(3). Die Ordnungen der von einzelnen Drehungen erzeugten zyklischen Untergruppen müssen kleiner gleich der Ordnung n 0 von R0 sein. Tatsächlich sind die Ordnungen deutlich mehr eingeschränkt: Satz 19 (Punktgruppen von Kristallen) Eigentliche Drehungen, die ein Raumgitter L in sich überführen, enthalten nur Drehachsen der Zähligkeit 2, 3, 4 und 6.2 Beweis Wir betrachten eine n−zählige Drehung cn (e) des Gitters um die Drehachse e. Es gibt immer Gittervektoren, die senkrecht zu e stehen; ist nämlich a ein Gittervektor, der nicht parallel zu e ist, dann ist der Gittervektor cn (e)a − a ungleich null und senkrecht zu e: (e, cn (e)a − a) = (cn (e)e, cn (e)a) − (e, a) = 0 . Wir betrachten den kürzesten Gittervektor a senkrecht zu e. Jeder zu a parallele Gittervektor a muss ein ganzzahliges Vielfaches von a sein. Wäre nämlich a = λa mit einem nichtganzzahligen λ > 0, dann könnte man den zu a parallelen Vektor a − [λ]a konstruieren, der kürzer als a ist, was unserer Annahme widersprechen würde. Insbesondere gilt für einen auf einer n-zähligen Drehachse senkrecht stehenden Gittervektor cn (e)a + cn−1 (e)a = 2 cos ϕn a, ϕn =

2π , n

und dies ist in Abb. 7.6 skizziert. Der Gittervektor muss ein ganzzahliges Vielfaches m von a sein, und da die Cosinus-Funktion Werte zwischen −1 und 1 annimmt, gilt −2 ≤ 2 cos ϕn = m ≤ 2, m ∈ Z . Die erlaubten Werte für m mit zugehörigem Drehwinkel und Zähligkeit der Drehachse sind in der folgenden Tabelle gelistet: m 2 1 0 −1 −2 Drehwinkel 0 π/3 π/2 2π/3 π 3 2 Z¨ahligkeit 1 6 4

116

7

Raumgruppen und Kristalle

Abb. 7.6 Zu den erlaubten Drehungen eines dreidimensionalen Gitters

Drehspiegelungen

Genau dieselben Argumente gelten auch für Drehspiegelungen, und deshalb dürfen Punktgruppen von Kristallen nur Drehspiegelungen sn mit n = 1, 2, 3, 4 und 6 enthalten.

Nach der Einschränkung an die Zähligkeit von Drehungen und Drehspiegelungen im Kristall können wir die in einer festen Wigner-Seitz-Zelle liegenden eindeutigen Vektoren ck in (7.15) weiter charakterisieren. Lemma 33 Ist (R, c) eine Schraubung in 3 Dimensionen, dann erfüllt die Projektion c von c auf die Schraubenachse die Quantisierungsbedingung nc ∈ L mit n ∈ {2, 3, 4, 6}. Ist (R, c) eine Gleitspiegelung mit Sp R = 1, dann erfüllt die Projektion auf die Spiegelebene die Bedingung 2c ∈ . Ist (R, c) eine Gleitspiegelung in 2 Dimensionen, dann erfüllt die Projektion auf die Spiegelgerade die Bedingung 2c ∈ . In 2 Dimensionen gibt es keine Schraubungen. Beweis Ist {R, c + L} mit R = 1 eine der Äquivalenzklassen in (7.15), dann ist R n = 1 für ein n ∈ {1, 2, 3, 4, 6} und entsprechend ist (R, c)n = (1, c + Rc + . . . R n−1 c) =⇒ (1 + R + · · · + R n−1 )c ∈ L .

2 1984

(7.24)

wurde ein ungewöhnlicher Quasikristall gefunden, der sich in vielen Experimenten wie ein Kristall mit einer fünfzähligen Symmetrie verhält.

7.4 Zweidimensionale Kristalle

117

Nach Korollar 4 ist für ein eigentliches R in 3 Dimensionen nc ∈ L. Nach Lemma 26 kann c durch einen Wechsel der kartesischen Basis und des Ursprungs nicht entfernt werden. Für diesen intrinsischen Anteil gilt also nc ∈ L. Somit ist bei einer Schraubung (R, c) in 3 Dimensionen nc mit n ∈ {2, 3, 4, 6} ein Vektor des Bravais-Gitters L. Ist dagegen R eine beliebige Drehspiegelung in 2 Dimensionen oder eine Drehspiegelung mit Sp R = 1 in 3 Dimensionen, dann ist (R, c) eine Gleitspiegelung mit 2c in L.

7.4

Zweidimensionale Kristalle

Flächengruppen (auch Ornamentgruppen, im Englischen wallpaper groups) sind endliche Untergruppen von O(2) und somit isomorph zu den Gruppen Cn und Cnv . Deshalb sind die Punktgruppen isomorph zu einer der folgenden 10 Gruppen, eigentlich: C1 C2 C3 C4 C6 , uneigentlich: C1v C2v C3v C4v C6v .

(7.25)

In 2 Dimensionen sind die Cnv isomorph zu den Diedergruppen Dn , die ausführlich in Abschn. 2.3 behandelt wurden. Daher findet man in der Literatur für die uneigentlichen Punktgruppen auch die Bezeichnungen D1 , D2 , D3 , D4 und D6 . Aber mit Hinblick auf den Vergleich mit Punktgruppen in 3 Dimensionen, wo die Diedergruppen eigentlich sind, scheint mir die Notation in (7.25) sinnvoller. Wir konstruieren die Gitter mit Punktgruppen R0 isomorph zu C1v und C2v (siehe auch [37,38]). Beide Punktgruppen enthalten eine Spiegelung (σ, 0). Beispiel: Gitter mit Punktgruppe C1v

Wir wählen einen Vektor a ∈ L, der nicht parallel zur Spiegelgeraden ist. Dann ist nach Lemma 27 auch σ a ∈ L. Weil die Vektoren a ± σ a ∈ L parallel und senkrecht zur Spiegelgeraden sind, enthält L immer nicht verschwindende Vektoren parallel und senkrecht zur Spiegelgeraden. Es seien a1 und a2 Vektoren minimaler Länge parallel bzw. senkrecht zur Spiegelgeraden. Dann ist jeder Vektor parallel bzw. senkrecht zur Spiegelgeraden ein ganzzahliges Vielfaches von a1 bzw. a2 , also

118

7

Raumgruppen und Kristalle

a + σ a = m 1 a1 und a − σ a = m 2 a2 , m i ∈ Z . Die Addition der Beziehungen führt auf a = 21 (m 1 a1 + m 2 a2 ). Sind für jedes a die m i gerade Zahlen, dann sind die ai eine Basis für das Gitter. Falls aber m 1 oder m 2 ungerade sind, dann müssen beide ungerade sein. Andernfalls wäre 21 a1 oder 21 a2 in L, was nach Voraussetzung nicht möglich ist. Im zweiten Fall von ungeraden m 1 und m 2 setzen wir c1 =

1 1 (a1 + a2 ) und c2 = (a1 − a2 ) = σ c1 . 2 2

Ausgedrückt durch die neue Basis ist a = m 1 c1 + m 2 c2 m 1 =

m1 + m2 m1 − m2 ∈ Z, m 2 = ∈ Z. 2 2

Dies zeigt, dass die ci eine integrale Basis von L bilden. Wir fassen zusammen: • Es gibt Basisvektoren a1 ⊥ a2 , wobei a1 in Richtung der Spiegelgeraden zeigt, oder • es existieren gleich lange Basisvektoren c1 , c2 und die Reflexion vertauscht die beiden. Im ersten Fall handelt es sich um ein rechteckiges Gitter und im zweiten Fall um ein rhombisches oder rechteckig zentriertes Gitter, wie in der Abbildung zu sehen ist.

Unter der Spiegelung wird (a1 , a2 ) in (a1 , −a2 ) und (c1 , c2 ) in (c2 , c1 ) abgebildet. Ihr werden damit im rechteckigen und rechteckig zentrierten Gitter folgende Matrizen zugeordnet, σ → R = σ3 , bzw. σ → R  = σ1 ,

(7.26)

7.4 Zweidimensionale Kristalle

119

worin σi die Pauli-Matrizen sind. Wären die Flächengruppen der beiden Gitter isomorph, dann müsste nach Lemma 32 ein G ∈ GL(2, Z) existieren mit a −b Gσ3 = σ1 G =⇒ G = . a b Die Determinante det G = 2ab kann aber nicht ±1 sein, weil a, b ganzzahlig sein müssen. Also sind die beiden Flächengruppen nicht isomorph. Die Flächengruppe für das rechteckig zentrierte Gitter enthält Gleitspiegelungen, z. B. die Gleitspiegelung (σ1 , c1 ) an der mit 21 c1 parallel verschobenen Spiegelachse. Für das rechteckige Gitter gibt es keine Gleitspiegelachsen weg von den Spiegelachsen. In Wikipedia sind die 17 Flächengruppen graphisch dargestellt3 , wobei Spiegelachsen mit Linien, Gleitspiegelachsen mit gestrichelten Linien und Zentren von nzähligen Drehungen mit speziellen Symbolen dargestellt werden. Die Zellen der pm- und pg-Gruppen für das rechteckige und die Zelle der cm-Gruppe (rechts) für das rechteckig zentrierte Gitter haben die gezeigten Formen. Die pg-Gruppe mit mittlerer Zelle ist nichtsymmorph. Die Bezeichnung der Flächengruppen findet man z. B. in [15].

 Beispiel: Gitter mit Punktgruppe C2v

Die Punktgruppe C2v enthält eine zusätzliche Drehung um π , und entsprechend werden die Punktgruppen des rechteckigen bzw. reckteckig-zentrierten Gitters durch



(7.27) σ3 , −σ0 bzw. σ1 , −σ0 erzeugt. In der graphischen Darstellung werden die zweizähligen Drehungen durch die Rauten gekennzeichnet. Der fundamentale Bereich der Punktgruppe – dies ist der gelbe Bereich – ist nur noch ein Viertel der Zelle.

3 Siehe

https://commons.wikimedia.org/wiki/Wallpaper_group_diagrams.

120

7

Raumgruppen und Kristalle

Tab. 7.2 Die zehn kristallographischen Punktgruppen in 2 Dimensionen Gitter

Schiefwinklig Rechteckig

Rechteckig zentriert

Quadratisch

Hexagonal

Punktgruppe

C1 , C2

C1v , C2v

C4 , C4v

C3 , C3v , C6 , C6v

C1v , C2v

Von links nach rechts sind die Zellen der nichtisomorphen Flächengruppen pmm, pmg, cmm und pgg gezeigt. Davon sind die Gruppen pmm und cmm symmomorph. Ähnliche Analysen der anderen eigentlichen und uneigentlichen Punktgruppen in (7.25) liefern dann die in Tab. 7.2 angegebenen Zuordnungen der Punktgruppen zu den Bravais-Gittern. Für die Rolle der Flächengruppen in Mathematik und Kunst und die Frage, wie man Symmetrien anwendet, um beeindruckende Muster zu schaffen, konsultiere man das Buch [39]. Darin wird auch erklärt, warum es 17 Grundtypen von Tapeten gibt. Die in den obigen Beispielen benutzte graphische Kodierung der Flächengruppen wird ebenfalls erläutert.

7.5

Dreidimensionale Kristalle

Als eigentliche Punktgruppen in 3 Dimensionen kommen nach den Ergebnissen in Abschn. 6.1.2 nur Cn , Dn , T und O in Betracht. Als uneigentliche die Gruppen Cnh , Cnv , S2n , Dnh , Dnd , Th , Td und Oh , siehe Abschn. 6.1.3. Der Satz 19 schränkt die kristallinen Punktgruppen aber enorm ein, weil nur Drehungen und Drehspiegelungen mit eins-, zwei-, drei-, vier- und 6-zähligen Achsen erlaubt sind. Die erlaubten Gruppen sind in der Tab. 7.3 gelistet. Darin treten die Ikosaedergruppen Y∗ (der Stern steht für h, v, d) und die Diedergruppen D5∗ nicht auf, weil sie fünfzählige Drehachsen haben. Auch die Gruppen D4d und D6d sind abwesend, da sie die UnterTab. 7.3 Die 32 kristallinen Punktgruppen in 3 Dimensionen. Die 10 rot markierten Gruppen treten auch in 2 Dimensionen auf

7.5 Dreidimensionale Kristalle

121

Tab. 7.4 Vergleich der Kristallographien in 2 und 3 Dimensionen

d=2 d=3

Kristallsysteme

BravaisGitter

Punktgruppen

Raumgruppen

Symmorph

Nichtsymmorph

4 7

5 14

10 32

17 230

13 73

4 157

gruppen S8 bzw. S12 enthalten. Zusammen mit S3 = C3h , D1 = C2 , C1h = C1v und D1d = C2h erklärt dies die Lücken in der Tab. 7.3, welche alle 32 kristallinen Punktgruppen in 3 Dimensionen enthält. Die erlaubten Symmetrien sind alle in realen Kristallen realisiert. Zehn der kristallinen Punktgruppen treten auch in 2 Dimensionen auf und sind in der Tabelle markiert. In Tab. 7.4 vergleichen wir die Anzahl Kristallsysteme, Bravais-Gitter, Punktgruppen und Raumgruppen in 2 und 3 Dimensionen. Insbesondere die Anzahl von Raumgruppen wächst mit zunehmender Dimension stark an. So gibt es in 4 Dimensionen bereits 4895 „Raumgruppen“. Während in 2 Dimensionen die symmorphen Flächengruppen dominieren, überwiegen in 3 Dimensionen die nichtsymmorphen Raumgruppen. Die höchstsymmetrische Punktgruppe eines Kristallsystems wird als Holoedrie bezeichnet und der entsprechende Kristall als Holoeder. Seine Form weist entsprechend die höchstmögliche Anzahl an Kristallflächen auf, und alle in seinem Kristallsystem möglichen Symmetrieelemente sind vorhanden. Neben den oben abgeleiteten Eigenschaften der kristallinen Punktgruppen sind folgende Sachverhalte hilfreich bei der Klassifikation der Holoedrien R0 : 1. Jedes R0 enthält die Inversion i, da mit a auch −a ein Gittervektor ist. 2. Wenn ein System invariant unter Cn mit n > 2 ist, dann ist es auch invariant unter Cnv . 3. Jede drei-, vier- oder sechszählige Drehachse enthält eine Spiegelebene durch diese Achse.

Punktgruppen von Kristallen (Kristallsysteme)

Durchmustert man die Punktgruppen nach diesen Kriterien, dann bleiben genau sieben Holoedrien übrig, und diese sind in der zweiten Spalte in Tab. 7.5 angegeben.

Jedes der sieben Kristallsysteme kann mehrere Kristallklassen enthalten, und jede der 32 Klassen ist durch seine kristallographische Punktgruppe R0 charakterisiert. So hat das kubische Kristallsystem die Holoedrie Oh und erscheint in den 5 Klassen T , Th , Td , O und Oh . Das hexagonale System hat die Holoedrie D6h und enthält die 7 Klassen C3h , C6 , C6h , C6v , D3h , D6 und D6h . Die 7 Kristallsysteme mit Holoedrie,

122

7

Raumgruppen und Kristalle

Tab. 7.5 Wie sich die 14 Bravais-Gitter, 32 kristallinen Punktgruppen und 230 Raumgruppen auf die 7 Kristallsysteme aufteilen Systeme

Holoedrie

# Bravais-Gitter

# Punktgruppen

Raumgruppe Nr.

Triklin Monoklin Orthorhombisch Tetragonal Trigonal Hexagonal Kubisch

S2

1 2 4 2 1 1 3

2 3 3 7 5 7 5

1, 2 3, 4, . . . , 15 16, 17, . . . , 74 75, 76, . . . , 142 143, 144, . . . , 167 168, 169, . . . , 194 195, 196, . . . , 230

C2h D2h D4h D3d D6h Oh

Anzahl Bravais-Gitter und Punktgruppen für jedes System und die Zuordnung der 230 Raumgruppen sind in der Tab. 7.5 angegeben4

7.6

Die 7 Kristallsysteme

In diesem Abschnitt betrachten wir die 7 Kristallsysteme im Raum etwas näher und diskutieren ihre Geometrie, Holoedrien und Punktgruppen. Dabei beziehen wir uns auf die geometrischen Verhältnisse der Kristallsysteme oder primitiven BravaisGitter in (7.10). Das kubische Kristallsystem Oh mit drei gleich langen, senkrecht aufeinanderstehenden Achsen ist das System mit der höchsten Symmetrie. Es existieren 3 BravaisGitter und 5 kubische Kristallklassen und diese sind in der Tab. 7.6 aufgeführt. Die Tabelle enthält für jede Klasse die Anzahl Drehachsen für jede der möglichen Zähligkeiten und die Anzahl Spiegelebenen. Nur die Klassen Th und Oh enthalten die Inversion. Beispiele von kubischen Systemen sind Steinsalz CaCl, Flußspat CaF2 und Zinkblende ZnS. Tab. 7.6 Die drei kubischen Bravais-Gitter P, I, B zerfallen in 5 Klassen mit jeweils einer vierzähligen Drehachse

4 Detailliertere

Punktgruppe.

Informationen findet man z. B. auf der Seite http://de.wikipedia.org/wiki/

7.6 Die 7 Kristallsysteme

123

Das hexagonale Kristallsystem D6h hat ein Achsenkreuz mit zwei gleich langen Achsen, die sich mit einem Winkel von 120 Grad schneiden, sowie eine senkrecht dazu stehende Achse, die länger oder kürzer ist. Ein Kristall ist hexagonal, wenn eine sechszählige Symmetrieachse existiert. Es gibt nur ein primitives hexagonales Bravais-Gitter, aber die in Tab. 7.7 angegebenen 7 Kristallklassen. Hexagonale Systeme findet man in Quecksilberoxid, Zink, Magnesium und Graphit. Tab. 7.7 Das hexagonale Bravais-Gitter P erscheint in 7 Kristallklassen

Das trigonale Kristallsystem D3d hat ein Achsenkreuz mit gleich langen Achsen und gleichen Winkeln. Es findet nur das primitive Bravais-Gitter in den in Tab. 7.8 aufgeführten 5 Klassen – alle enthalten eine dreizählige Drehachse. Trigonale Systeme bilden Calcit CaCO3 , Quarz SiO2 und Natriumnitrat NaNO3 . Tab. 7.8 Das trigonale Bravais-Gitter P zerfällt in 5 Kristallklassen

Das tetragonale Kristallsystem D4h hat ein Achsenkreuz mit zwei gleich langen Achsen und einer Achse, die länger oder kürzer ist als die beiden anderen. Ein Kristall ist tetragonal, wenn eine einzige vierzählige Symmetrieachse vorhanden ist. Es darf keine dreizählige Achse geben. Es gibt die in Tab. 7.9 aufgeführten 7 Klassen. Zinndioxid SnO2 , Titandioxid TiO2 und Bleiwolframat PbWO4 bilden tetragonale Systeme. Tab. 7.9 Die tetragonalen Bravais-Gitter P und I zerfallen in 7 Kristallklassen

124

7

Raumgruppen und Kristalle

Das orthorhombische Kristallsystem D2h besitzt 3 ungleich lange, senkrecht aufeinanderstehende Achsen. Es hat mindestens 2 zweizählige Drehachsen oder mindestens 2 Symmetrieebenen, aber keine weiteren Drehachsen. Die Klassen dieses Systems sind in Tab. 7.10 angegeben. Es ist realisiert in Kaliumnitrat KNO3 , Bariumsulfat BaSO4 und Kaliumsulfat K2 SO4 . Tab. 7.10 Orthorhombische Kristallklassen haben keine drei-, vier- oder sechszählige Drehachsen. Davon existieren die Bravais-Gitter P, C, I und F G

D2

C2v

D2h

c2 Spiegelebenen Inversionszentrum

3 0 0

1 2 1

3 3 1

Das monokline Kristallsystem C2h hat drei ungleich lange Achsen, von denen sich zwei schiefwinklig kreuzen, während die dritte senkrecht zu diesen steht. Es existiert nur eine zweizählige Drehachse und/oder eine Symmetrieebene. Die 3 Klassen sind in Tab. 7.11 aufgezählt. Beispiele sind Gips CaSO4 · 2H2 O und Borax Na2 B4 O7 · 10H2 O. Tab. 7.11 Die monoklinen Kristallklassen sind charakterisiert durch genau eine Achse mit Symmetrie = 1. Es gibt die Bravais-Gitter P und C G

C2

Cs

C2h

c2 Spiegelebenen Inversionszentrum

1 0 0

0 1 0

1 1 1

Das trikline Kristallsystem S2 hat 3 ungleich lange Achsen, die sich alle schiefwinklig kreuzen. Es hat die kleinste Symmetrie aller Systeme. Ein Kristall ist triklin, wenn weder Symmetrieebenen noch Drehachsen vorhanden sind. Die 2 Klassen sind in Tab. 7.12 angegeben. Es gibt jeweils nur das einfache Bravais-Gitter. Beispiele für trikline Systeme sind Kupfervitriol CuSO4 · 5H2 O und Kaliumdichromat K2 Cr2 O7 . Tab. 7.12 Die 2 triklinen Kristallklassen

G

C1

Inversionszentrum 0

Ci

1

Die Tab. 7.5 zu Beginn des Abschnitts enthält neben der Anzahl Bravais-Gitter und Kristallklassen in der letzten Spalte die Zuordnung der 230 kristallinen Raumgruppen zu den Kristallsystemen. Z. B. enthält das kubische System die Raumgruppen 195, 196, 197, . . . , 230, also insgesamt 36 Raumgruppen. Es gibt insgesamt 230 Möglichkeiten, aus erlaubten Drehungen, Spiegelungen, der Inversion

7.7 Aufgaben zu Kap.7

125

und den Gitter-Translationen Raumgruppen zu generieren. Die Bestimmung dieser 230 Raumgruppen erfolgte 1891 durch Arthur Schönflies und Jewgraf Fjodorow. In der Kristallographie werden Raumgruppen auch kristallographische Gruppen oder Fedorov-Gruppen genannt.

7.7

Aufgaben zu Kap. 7

Aufgabe 7.1: Wigner-Seitz-Zellen von zweidimensionalen Gittern Bestimmen Sie die Wigner-Seitz-Zellen für das rechtwinklige, rechtwinklig zentrierte und schiefwinklige Bravais-Gitter. Aufgabe 7.2: Beweis der Korollare 4 und 5 Beweisen Sie die beiden Korollare am Anfang des Kapitels. Hinweis: Die Lemmas 25 und 26 sowie die Ausführungen in Abschn. 5.6 sollten hilfreich sein. Aufgabe 7.3: Gitter Es sei e1 , e2 , . . . , en eine Basis von Rn . Die Menge   n 

m k ek m 1 , . . . , m k ∈ Z k=1

nennt man das von der Basis erzeugte n-dimensionale Gitter. 1. Zeigen Sie, dass ein n-dimensionales Gitter eine Untergruppe von (Rn , +) ist! 2. Zeigen Sie, dass jedes Gitter in Rn isomorph zum n−fachen direkten Produkt von (Z, +) mit sich selbst ist. Aufgabe 7.4: Zweidimensionale Gitter Wir betrachten die Punktgruppen R0 der zweidimensionalen Gitter in Abb. 7.7. Diese enthalten alle Decktransformationen, die einen Gitterpunkt fest lassen. Begründen Sie folgende Aussagen: 1. Für das linke Gitter enthält R0 neben der Identität nur die Inversion. 2. Für das mittlere Gitter enthält R0 zusätzlich 2 Spiegelungen an der Senkrechten und Waagerechten durch einen Gitterpunkt, und damit 4 Elemente. 3. Für das rechte quadratische Gitter gibt es zusätzlich 2 Drehungen um π/2 und 3π/2 sowie 2 Spiegelungen an den Diagonalen. Damit hat R0 8 Elemente.

Abb. 7.7 Zu den Punktsymmetrien in 2 Dimensionen

126

7

Raumgruppen und Kristalle

Aufgabe 7.5: Punktgruppen sind Untergruppen von GL(d, Z) In dieser Aufgabe charakterisieren die Elemente einer Punktgruppe R0 . 1. Warum definiert die Wirkung von R0 auf T einen Gruppenhomorphismus R0 → Aut(T ). 2. Warum ist Aut(T ) ∼ = GL(d, Z)? 3. Die Vektoren a1 , a2 in der nebenstehenden Abbildung sind eine primitive Basis für das zweidimensionale hexagonale Gitter. Bestätigen Sie, dass die 6 Drehungen in C6 bezüglich dieser Basis durch die Matrix c6 =

1 −1 mit c66 = 1 1 0

(7.28)

erzeugt werden. Warum haben alle Drehmatrizen die Determinante 1?

Aufgabe 7.6: Gitter mit Punktgruppe Wir folgen hier [38] und wählen einen Vektor minimaler Länge a1 ∈ L und drehen diesen mit einer Drehung c3 um 120◦ in einen Vektor a2 , wie in der Abbildung von Aufgabe 7.5 gezeigt ist. Die zyklische Untergruppe C6 wird durch c6 in (7.28) erzeugt und die Untergruppe C3 durch

c3 =

c62

0 −1 = . 1 −1

Die 6 Vektoren, die durch mehrfaches Anwenden von c6 entstehen, haben alle minimale Länge. 1. Die Punktgruppe R0 = C6v enthält neben den von c6 erzeugten Drehungen noch 6 Spiegelungen. Zeige, dass die Gruppe durch c6 und σ = σ1 c3 (σ3 Pauli-Matrix) erzeugt wird. Definieren Sie C6v mit GAP, z. B. gemäß

(7.29)

7.7 Aufgaben zu Kap.7

127

GAP> a:=[[1,-1],[1,0]];b:=[[1,-1],[0,-1]]; GAP> g:=Group(a,b); GAP> g1:=Group(a);

und analysieren Sie die Gruppe (z. B. die Ordnung, Untergruppen, …). 2. Die Gruppe C3v kann auf zwei verschiedene Weisen auf die Basis wirken. Zuerst mit Drehungen erzeugt von c3 und den Spiegelungen an den Geraden, welche die Winkel 30◦ , 90◦ und 150◦ mit a1 einschließen, und denselben Drehungen mit Spiegelungen an den Geraden, welche die Winkel 0◦ , 60◦ und 120◦ mit a1 ein(l) (s) schließen. Die beiden Möglichkeiten bezeichnen wir mit C3v und C3v , worin l für lang (long) und s für kurz (short) stehen, und sie sind in der folgenden Abbildung (mit gestrichelten Spiegelgeraden) gezeigt.

Überzeugen Sie sich, dass die Symmetrien durch die Elemente (l)

(s)

C3v : {c3 , σ1 c6 } oder C3v : {c3 , σ1 c3 }

erzeugt werden. Die Vektoren a1 und a3 spannen eine Raute mit einer kurzen und einer langen (s) enthält die Spiegelung an der kurzen DiagonaDiagonalen auf. Die Gruppe C3v (l) len und C3v diejenige an der langen Diagonalen. Zeigen Sie, dass die Gruppen (s) (l) C3v und C3v in GL(2, Z) nicht konjugiert sind. Damit sind die entsprechenden Flächengruppen nicht isomorph.

8

Lie-Gruppen

Wer die Geometrie begreift, vermag in dieser Welt alles zu verstehen. Galileo Galilei

Im Gegensatz zu diskreten Gruppen können bei kontinuierlichen Gruppen die Elemente durch stetige Änderungen ineinander überführt werden. Das einfachste Beispiel ist die Gruppe U(1) der unimodularen komplexen Zahlen. Ein Gruppenelement wird durch eine komplexe Zahl eiα dargestellt. Ein weniger einfaches Beispiel ist die Gruppe SO(3) der eigentlichen Drehungen im euklidischen Raum. Die Elemente von kontinuierlichen Gruppen können durch Parameter charakterisiert werden, g(α) mit α = (α1 , . . . , αn ) und g(α)g(β) = g(γ ),

γ = m(α, β),

α, β, γ ∈ Rn .

(8.1)

Die Anzahl n der notwendigen reellen Parameter ist gleich der Dimension der Gruppe. Je nach Art der Gruppe gibt es verschiedene Einschränkungen an die Parametrisierung. Z. B. parametrisiert der Winkel α ∈ [0, 2π ] die Elemente von U(1). Obwohl α am Rande des Intervalls scheinbar springt, ändert sich das Gruppenelement bei Überschreiten von 2π stetig, da die Winkelfunktionen 2π -periodisch sind. Anders ausgedrückt: Man kann in der Umgebung jedes Gruppenelements Koordinaten einführen, von denen die Gruppenelemente stetig abhängen. Wird nun eine kontinuierliche Gruppe derart durch Überdeckungen im Parameterraum beschrieben und erfüllen diese Überdeckungen einige relativ natürliche Forderungen, dann handelt es sich um eine Lie-Gruppe. Viele Lehrwerke über Symmetrien behandeln kontinuierliche Lie-Gruppen. In Anwendungen wichtig sind Matrixgruppen, die z. B. in [40,41] besondere Beachtung finden.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_8

129

130

8

Lie-Gruppen

Eine Lie-Gruppe zeichnet sich dadurch aus, dass die Funktionen m(α, β) in (8.1), die im Parameterraum die Gruppenmultiplikation ausdrücken, in ihren Argumenten analytisch sind. Wie wir bei der U(1) gesehen haben, sollte man geeignete Überdeckungen des Parameterraums zulassen, um die scheinbaren Unstetigkeiten zu beheben. Eine n-Parameter-Lie-Gruppe ist kompakt, wenn der Parameterbereich kompakt (beschränkt und abgeschlossen) ist. Die Gruppen U(1) und SO(3) sind kompakte Lie-Gruppen. Dagegen bilden die Translationen im R3 , T (a) : x → x  = x + a mit T (a)T (b) = T (a + b), eine nichtkompakte Lie-Gruppe. Im Allgemeinen definiert man: Definition 28 (Lie-Gruppe) Eine Lie-Gruppe G ist eine Gruppe, die zugleich eine differenzierbare Mannigfaltigkeit ist, derart, dass die Multiplikation G × G → G,

(g1 , g2 ) → g1 g2

und die Inversenbildung G → G,

g → g −1

jeweils stetige und differenzierbare Abbildungen sind. Wir erinnern uns zunächst an die Definition einer (differenzierbaren) Mannigfaltigkeit.

8.1

Differenzierbare Mannigfaltigkeiten

Eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit kann lokal mit einer offenen Menge des Rn identifiziert werden (siehe einschlägige Lehrbücher über Differenzialgeometrie [42, 43]). Etwas genauer: Definition 29 (Mannigfaltigkeit) Eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit M ist ein topologischer Raum mit folgenden Eigenschaften: 1. Er ist hausdorffsch, 2. er hat eine abzählbare Basis, 3. er ist lokal euklidisch. Die erste Eigenschaft bedeutet, dass zwei verschiedene Punkte disjunkte Umgebungen haben und deshalb getrennt werden können. Die zweite Bedingung besagt, dass es eine Menge B von abzählbar vielen offenen Mengen gibt, so dass jede nichtleere offene Menge eine Vereinigung von solchen aus B ist. Charakteristisch ist die letzte Eigenschaft, die wir etwas genauer diskutieren wollen. Sie verlangt, dass es

8.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten

131

zu jedem Punkt p ∈ M eine Umgebung U und einen Homöomorphismus (bijektiv und beidseitig stetig) gibt, ϕ : U → ϕ(U ) ⊂ Rn offen. Jeder Punkt besitzt also eine Umgebung, die homöomorph zu einer offenen Menge im Rn ist. Der Homöomorphismus ϕ heißt Karte von M und U das zugehörige Kartengebiet. Eine Menge von Karten {ϕα |α ∈ A} mit Gebieten Uα heißt Atlas von M, wenn  Uα = M. (8.2) α∈A

Modellierung einer Mannigfaltigkeit

Eine Mannigfaltigkeit lässt sich lokal durch Karten aus einem Atlas beschreiben. Zu zwei Karten ϕα , ϕβ sind auf dem Durchschnitt ihrer Kartengebiete Uαβ := Uα ∩Uβ beide Homöomorphismen ϕα , ϕβ definiert, wie in Abb. 8.1 skizziert ist. Man erhält daher einen Kartenwechsel (Koordinatentransformation) ϕαβ als Homöomorphismus zwischen offenen Mengen des Rn , ϕαβ = ϕβ ◦ ϕα−1 : ϕα (Uαβ ) −→ ϕβ (Uαβ ), Uαβ = Uα ∩ Uβ .

(8.3)

Eine Mannigfaltigkeit heißt differenzierbar (von der Klasse C k ), wenn sich M so mit Karten überdecken lässt, dass alle auftretenden Kartenwechsel differenzierbar (von der Klasse C k ) sind. Nach dieser Definition sind dann alle Koordinatentransformationen Diffeomorphismen. Wir erinnern an die Definition 30 (Diffeomorphismus) Seien V , V  ⊂ Rn offen und ϕ : V → V  eine differenzierbare bijektive Abbildung. Hat ϕ ein differenzierbares Inverses ϕ −1 , dann nennt man ϕ einen Diffeomorphismus.

Lineare Lie-Gruppen

In dieser Vorlesung haben wir es oft mit linearen Lie-Gruppen zu tun. Dies sind Untergruppen der linearen Gruppe GL(n, C) bzw. GL(n, R). Dann genügt es, differenzierbare Mannigfaltigkeiten im Rn zu betrachten, und folgender Satz (den wir nicht beweisen) ist hier nützlich: Satz 20 Sei U ⊂ Rn offen und f : U → R p mit p < n eine differenzierbare Abbildung mit der Eigenschaft, dass die Jacobi-Matrix (∂ f i /∂ x j ) den maximalen

132

8

Lie-Gruppen

Abb. 8.1 Die Gruppenmannigfaltigkeit wird lokal durch Karten beschrieben

Rang p hat, wenn immer f (x) = 0 ist. Dann ist f −1 (0) eine (n− p)-dimensionale Mannigfaltigkeit im Rn . Mit anderen Worten: Jede Niveaufläche einer differenzierbaren Abbildung ist eine Mannigfaltigkeit, wenn die Jacobi-Matrix auf der Niveaufläche den maximal möglichen Rang p hat. Beispiel: Atlanten für Sphären

Aus Satz 20 folgt unmittelbar, dass die Sphäre S n eine Mannigfaltigkeit in Rn+1 ist, denn S n = f −1 (0) für die Funktion f : x → x − 1. Dies folgt auch aus der ursprünglichen Definition einer Mannigfaltigkeit. Dazu überdecken wir S n mit zwei Koordinatenumgebungen H+ = {x ∈ Rn+1 | x = 1, xn+1 > −1/2} H− = {x ∈ Rn+1 | x = 1, xn+1 < 1/2}. H+ kann mit der stereographischen Projektion vom Südpol und H− mit der Projektion vom Nordpol homöomorph in eine offene Menge im Rn abgebildet werden, siehe Abb. 8.2. Die Koordinatentransformation ist beliebig oft stetig differenzierbar. Damit ist S n eine C ∞ -Mannigfaltigkeit. 

8.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten

133

Abb. 8.2 Die Sphäre kann mit zwei Karten überdeckt werden. Sie ist eine C ∞ -Mannigfaltigkeit

Aus differenzierbaren Mannigfaltigkeiten kann man weitere differenzierbare Mannigfaltigkeiten gewinnen. • Seien z. B. M ∼ {Uα , ϕα } und M  ∼ {Uβ , ϕβ } differenzierbare Mannigfaltigkeiten. Dann ist ihr Produkt M × M  ∼ {Uα × Uβ , ϕα × ϕβ } ebenfalls eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. • Jede offene Untermenge N einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit ist offensichtlich eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Man wähle als Kartengebiete von N die offenen Mengen N ∩ Uα , wobei die Uα die Mannigfaltigkeit M überdecken. Eine Abbildung f : M → M  zwischen Mannigfaltigkeiten lässt sich in lokalen Koordinaten beschreiben. Es sei f ( p) = p  ∈ M  und (U , ϕ) sowie (U  , ϕ  ) Umgebungen von p und p  . Seien weiter x = ϕ( p) und x  = ϕ  ( p  ) die Koordinaten der Punkte p und p  . Dann ist   (ϕ  ◦ f ◦ ϕ −1 )(x) = (ϕ  ◦ f ) ϕ −1 (x) = ϕ  ( p  ) = x  .    p

Differenzierbare Abbildungen

Bezüglich lokaler Koordinaten ist f : M → M  gleich (ϕ  ◦ f ◦ ϕ −1 ). Die Abbildung heißt differenzierbar, wenn sie bezüglich lokaler Koordinaten differenzierbar ist.

134

8

Lie-Gruppen

Diese Eigenschaft ist unabhängig von den lokalen Koordinaten, da die Kartenwechsel einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit Diffeomorphismen sind.

8.1.1

Lie-Gruppen

Eine Lie-Gruppe G ist nun gleichzeitig eine Gruppe und eine differenzierbare Mannigfaltigkeit, derart, dass Multiplikation und Inversion differenzierbare Abbildungen sind. Jedem Gruppenelement in einer Koordinatenumgebung U sind eindeutig n reelle Koordinaten zugeordnet, g → α ∈ ϕ(U ) ⊂ Rn . Bezüglich dieser lokalen Koordinaten hat die Gruppenmultiplikation die Darstellung (α, β) → m(α, β), wobei m die Funktion in (8.1) bezeichnet. Die Inversion ist   g −1 (α) = g inv(α) und hat die Koordinatendarstellung α → inv(α). Wenn die beiden Abbildungen m und inv stetig differenzierbar sind, dann ist G eine Lie-Gruppe.

8.1.2

(Weg-)Zusammenhängende Lie-Gruppen

Zur Diskussion von globalen Eigenschaften braucht G keine Lie-Gruppe zu sein. Es genügt, wenn G eine topologische Gruppe ist. Dies ist eine kontinuierliche Gruppe, versehen mit einer Topologie, so dass die Gruppenmultiplikation und die Inversion stetige Abbildungen sind. Jede Lie-Gruppe ist eine topologische Gruppe. Eine stetige Abbildung w : [0, 1] → G heißt Weg in G. Zwei Gruppenelemente heißen verbindbar oder verbunden, g1 ∼ g2 , wenn sie mit einem Weg w verbunden werden können, w(0) = g1 und w(1) = g2 . Alle g ∈ G sind über den konstanten Weg mit sich selbst verbunden. Ist g1 mit g2 über den Weg w verbunden, dann ist auch ˜ = w(1−t) verbunden. Ist g1 mit g2 durch einen Weg w1 g2 mit g1 über den Weg w(t) verbunden und g2 mit g3 durch einen Weg w2 , so verbindet der zusammengesetzte Weg w1 (2t) 0 ≤ t ≤ 1/2, (8.4) (w1 ◦ w2 )(t) = w2 (2t − 1) 1/2 ≤ t ≤ 1 die Elemente g1 mit g3 . Also definiert ∼ eine Äquivalenzrelation.

8.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten

135

Definition 31 (Zusammenhangskomponenten) Die Wege-Zusammenhangskomponenten von G sind die Äquivalenzklassen bezüglich ∼. Besteht G aus einer einzigen Komponente, so heißt G wegzusammenhängend. Ein wegzusammenhängender Raum ist immer auch zusammenhängend. Für Mannigfaltigkeiten gilt auch die Umkehrung. Es gilt das folgende Lemma 34 Es sei G 0 die Zusammenhangskomponente von G, die das Einselement e enthält. Dann ist G 0 ein Normalteiler von G und G/G 0 = {Z usammenhangskomponenten von G}. Zum Beweis betrachten wir einen stetigen Weg w, der e mit g0 ∈ G 0 verbindet. Dann verbindet der stetige Weg w(t) ˜ = gw(t)g −1 das Element e mit gg0 g −1 . Daher ist mit g0 für jedes g ∈ G auch gg0 g −1 in G 0 . Dies beweist die erste Aussage. Den Beweis der zweiten Aussage überlasse ich den Lesern und den Leserinnen.

8.1.3

Lie-Untergruppen

Definition 32 (Lie-Untergruppe, Lie-Normalteiler) Eine Untergruppe H ≤ G einer Lie-Gruppe heißt Lie-Untergruppe, wenn sie gleichzeitig eine Untermannigfaltigkeit von G ist. Ist sie zusätzlich ein Normalteiler N  G, dann heißt sie Lie-Normalteiler. Es gilt der folgende nützliche und auf John von Neumann (für lineare Lie-Gruppen) und Elie Cartan zurückgehende Satz: Satz 21 (Cartanscher Untergruppensatz) Eine Untergruppe (Normalteiler) H einer Lie-Gruppe G ist genau dann eine Lie-Untergruppe (Lie-Normalteiler), wenn H abgeschlossen ist. Ohne Beweis notieren wir noch: 1. Das direkte Produkt G 1 × G 2 zweier Lie-Gruppen ist wieder eine Lie-Gruppe. 2. Ist N  G ein Lie-Normalteiler einer Lie-Gruppe G, dann ist G/N eine LieGruppe. An dieser Stelle ist es noch interessant zu wissen, dass eine zusammenhängende Lie-Gruppe nur wenige diskrete Normalteiler haben kann: Lemma 35 Für eine zusammenhängende Lie-Gruppe liegt ein diskreter Normalteiler im Zentrum der Gruppe.

136

8

Lie-Gruppen

Daher hat z. B. SO(3) keinen diskreten Normalteiler. Das Lemma folgt aus Satz 22 G sei eine zusammenhängende Lie-Gruppe und U eine offene Umgebung von e. Dann wird G von U erzeugt, d. h., jedes Element g ∈ G ist ein Produkt g = g1 g2 · · · gn mit gi ∈ U . Zum Beweis nehmen wir ohne Einschränkung der Allgemeinheit U = U −1 an. Dabei ist U −1 die Menge der inversen Elemente von U . Hat U diese Eigenschaft nicht, dann wählen wir U ∩U −1 als neue offene Umgebung von e. Wir zeigen zuerst, dass die von U erzeugte Untergruppe H ≤ G offen ist: Für ein beliebiges a ∈ H ist nämlich aU = a U ⊂ H eine offene Umgebung von a, da die Linkstranslation a ein Diffeomorphismus ist. Deshalb ist H eine offene Menge. Wir bilden nun die offenen Nebenklassen H , bH , b H , . . . Wegen ⎛ H ∪⎝



⎞ bH ⎠ = G

b=e

muss H als Komplement einer offenen Menge auch abgeschlossen sein. Die Untergruppe H ⊂ G ist also offen, abgeschlossen und nicht leer, und deshalb ist für eine zusammenhängende Gruppe H = G. Wir haben benutzt, dass ein topologischer Raum genau dann zusammenhängend ist, wenn die einzigen abgeschlossenen offenen Mengen die leere Menge und der Raum selbst sind. Kleine Umgebungen von e bestimmen globale Eingenschaften von G

Man kann die Umgebung U von e so klein wählen, dass sie in einem Kartengebiet des Atlas von G liegt. Gewisse Eigenschaften, die in U gelten, gelten dann auch für die ganze Gruppe.

Ist z. B. die Multiplikation in U kommutativ, dann ist die Gruppe abelsch. Aufgabe

Überlegen Sie sich, warum aus dem Satz das Lemma 35 folgt.

8.2

Die Lie-Gruppen U(2) und SU(2)

Wir illustrieren die eingeführten Begriffe anhand der (speziellen) unitären Gruppe in 2 Dimensionen. Diese ist die wichtigste Gruppe der nichtrelativistischen Quantenmechanik und tritt bei der Beschreibung des Spins, z. B. von Elektronen, auf. In Kap. 17 werden wir zeigen, dass die quantenmechanischen Zustände mit festem Drehimpuls eine irreduzible Darstellung der quantenmechanischen Drehgruppe SU(2)

8.2 Die Lie-Gruppen U(2) und SU(2)

137

bilden. Des Weiteren tritt die Gruppe als Eichgruppe der schwachen Wechselwirkung auf, siehe Abschn. 20.5. Wir betrachten den zweidimensionalen komplexen Vektorraum C2 . Nach Wahl einer Basis (e1 , e2 ) ist jeder Vektor r = x1 e1 + x2 e2 eindeutig durch ein komplexes 2-Tupel   x x = 1 ∈ C2 x2 charakterisiert und jede lineare Abbildung durch eine 2 × 2-Matrix A = (ai j ). Eine lineare Abbildung wirkt dann auf das zum Vektor gehörige Tupel x gemäß x → Ax, mit (Ax)i =



ai j x j .

j

Die unitären Matrizen (wir bezeichnen sie mit U , um sie von beliebigen Matrizen A zu unterscheiden) sind dadurch ausgezeichnet, dass sie das hermitesche Skalarprodukt (x, y) = x¯1 y1 + x¯2 y2 , x, y ∈ C2

(8.5)

invariant lassen, (U x, U y) = (x, y). Eine Matrix U ist also genau dann unitär, wenn gilt      a11 a12 10 a¯ a¯ = , U † U = 1 = 11 21 a¯ 12 a¯ 22 a21 a22 01 d. h., wenn die Spaltenvektoren die Länge eins haben und senkrecht aufeinanderstehen. Die kontinuierliche Gruppe U(2)

Die Menge aller unitären 2 × 2-Matrizen   U(2, C) ≡ U(2) = U ∈ Mat(2, C)|U † U = 1

(8.6)

bildet eine Gruppe, die sogenannte unitäre Gruppe.

Die Gruppenverknüpfung ist die Matrixmultiplikation oder die Komposition der zu den Matrizen gehörenden linearen Transformationen. Da U(2) über eine Invarianzeigenschaft definiert wurde, ist das Produkt von zwei unitären Matrizen und das Inverse einer unitären Matrix ebenfalls unitär. Die Einheitsmatrix ist das Einselement der Gruppe.

138

8

Lie-Gruppen

Da die Spalten orthogonal sind, können wir U wie folgt parametrisieren:  U=

 a λb¯ . −b λa¯

Da sie die Länge eins haben, müssen zusätzlich |a|2 + |b|2 = 1 und |λ| = 1 gelten. Damit ist auch UU † = 1, oder U † = U −1 , und die beiden Zeilen sind ebenfalls orthonormiert. Es gibt also vier reelle Parameter und deshalb ist U(2) eine vierdimensionale Lie-Gruppe. Die Lie-Gruppe SU(2) Als wichtigen Normalteiler enthält U(2) die spezielle unitäre Gruppe     a b  ¯ SU(2) = U = a a ¯ + b b = 1  U(2).  −b¯ a¯

(8.7)

Diese ist abgeschlossen und nach dem cartanschen Untergruppensatz ein LieNormalteiler. Die Zuordnung     αi2 ≡ α 2 = 1 → SU(2) (8.8) α = (α1 , α2 , α3 , α4 ) = (a, a, b, b) ist bijektiv und zeigt, dass die Gruppenmanigfaltigkeit die Sphäre S 3 ist. Abb. 8.3 illustriert dies in einer Dimension weniger. Jede Matrix in U(2) hat die Darstellung U = eiα · U  , Abb. 8.3 Die Gruppenmannigfaltigkeit von SU(2) ist die Sphäre S 3

U  ∈ SU(2),

8.2 Die Lie-Gruppen U(2) und SU(2)

139

aber weil 1, −1 beide im Normalteiler SU(2) liegen, definieren eiα ·U  und − eiα ·U  die gleichen SU(2)-Nebenklassen in U(2). Es folgt  U(2)/SU(2) ∼ = eiα | eiα ∼ − eiα } = U(1)/Z2 .

(8.9)

Die abelsche Gruppe U(1) tritt auch als Untergruppe der diagonalen SU(2)-Matrizen auf,    iα 0 e  α ∈ [0, 2π ) < SU(2).  0 e−iα Wir dürfen die beiden Diagonalelemente getrennt betrachten und erhalten U(1) = { eiα | 0 ≤ α < 2π }.

(8.10)

Die Gruppenmannigfaltigkeit ist der Einheitskreis S 1 , siehe Abb. 8.4. U(1) ist auch ein Grenzfall der zyklischen Gruppen, U(1) ∼ limn→∞ Cn . Nun wollen wir der Frage nachgehen, wann zwei Elemente in SU(2) zueinander konjugiert sind. Aus der linearen Algebra wissen wir, dass jede unitäre Matrix mit einer speziell unitären Matrix diagonalisiert werden kann. Deshalb gibt es ein V ∈ SU(2) mit U = V DV

−1

 ,

D=

 eiλ 0 , 0 e−iλ

(8.11)

wobei exp(iλ) und exp(−iλ) die Eigenwerte von U sind. Dies bedeutet, dass zwei Elemente in SU(2) zueinander konjugiert sind, wenn sie dieselben Eigenwerte haben. Da es noch eine Konjugation gibt, welche die beiden Eigenwerte vertauscht,    iλ    −iλ  0 −1 e 0 0 0 1 e = 1 0 −1 0 0 e−iλ 0 eiλ kommt es nicht auf die Reihenfolge der Eigenwerte an. Deshalb gilt der Abb. 8.4 Die Gruppe U(1) kann mit dem Einheitskreis S 1 identifiziert werden

(8.12)

140

8

Lie-Gruppen

Satz 23 (konjugierte SU(2)-Matrizen) Zwei Matrizen U und U  in SU(2) sind genau dann zueinander konjugiert, wenn sie dieselbe Spur haben , Sp(U ) = Sp(U  ). Wir haben gezeigt, dass Sp(U ) = Sp(U  ) die Ähnlichkeit von U und U  impliziert. Sind umgekehrt die Spuren verschieden, dann können die beiden Matrizen nicht zueinander konjugiert sein, da Sp(V U V −1 ) = SpU ist. Das Zentrum von SU(2) enthält alle Matrizen {z}, die mit allen Matrizen in SU(2) kommutieren. Insbesondere müssen die Zentrumselemente mit den diagonalen Matrizen D in (8.11) vertauschen. Dies ist nur möglich, wenn sie diagonal sind, z = diag(a, a). ¯ Sie müssen aber auch mit der nichtdiagonalen Matrix in (8.12) vertauschen, was a = a¯ nach sich zieht. Da a auch noch den Betrag 1 haben muss, folgt schlussendlich der Satz 24 (Zentrum) Das Zentrum von SU(2) ist Z = {1, −1}. Es ist isomorph zu Z2 . Es drängt sich hier die Frage nach der Faktorgruppe SU(2)/Z auf. Wir werden den folgenden Satz beweisen: Satz 25 Die Faktorgruppe SU(2)/Z , wobei Z={1, −1} das Zentrum von SU(2) ist, ist isomorph zur Gruppe SO(3) der eigentlichen Drehungen. Wir werden diesen Isomorphismus explizit konstruieren, da er in der Quantenmechanik relevant ist. Pauli-Matrizen Um den direkten Zusammenhang zwischen SU(2) und SO(3) herzustellen, führen wir die hermiteschen und spurlosen Pauli-Matrizen ein, 

     01 0 −i 1 0 , σ2 = , σ3 = . σ1 = 10 i 0 0 −1

(8.13)

Deren Produkte sind bis auf die Identität wieder Pauli-Matrizen, σi σ j = 1 δi j + i

3 

i jk σk .

(8.14)

k=1

Jede hermitesche und spurlose Matrix A ist eine reelle Linearkombination dieser Matrizen,   3  a1 − ia2 a3 , a ∈ R3 , a·σ = ai σi = (8.15) a1 + ia2 −a3 i=1

und hat die Determinante det(a · σ ) = −a2 .

(8.16)

8.2 Die Lie-Gruppen U(2) und SU(2)

141

Für jede unitäre Matrix U ist wegen U † = U −1 mit a·σ auch U (a·σ )U −1 hermitesch und spurlos. Also muss es einen (von U abhängenden) Vektor b geben, so dass gilt U(a · σ )U−1 = b · σ , wobei b linear von a abhängt. Nehmen wir die Determinante dieser Gleichung   det U (a · σ )U −1 = det(a · σ ) = −a 2 = det(b · σ ) = −b2 , dann folgt:

Der Gruppenhomomorphismus SU(2)  → SO(3)

Die lineare Abbildung a → b auf R3 ist längenerhaltend, und deshalb existiert eine U -abhängige Drehung R mit   U (a · σ )U −1 = R(U ) a · σ ,

R T (U )R(U ) = 13 .

(8.17)

Weiterhin gilt für beliebige a ∈ R3   (R(U1 U2 ) a) · σ = (U1 U2 ) (a · σ ) (U1 U2 )−1 = U1 U2 (a · σ )U2−1 U1−1    = U1 R(U2 ) a · σ U1−1 = (R(U1 )R(U2 ) a) · σ , (8.18) und deshalb ist die Abbildung U → R(U ) ein Gruppenhomomorphismus SU(2) → O(3), R(1) = 1 und R(U1 U2 ) = R(U1 )R(U2 ).

(8.19)

Wir wollen uns davon überzeugen, dass die R(U ) eigentliche Drehungen sind. Dazu müssen wir beweisen, dass Matrizen im Bild des Homomorphismus die Determinante 1 haben. Wegen R(12 ) = 13 ist die dreidimensionale Einheitsmatrix offensichtlich im Bild des Homomorphismus. Diese Matrix hat die Determinante 1. Nun hängt R(U ) aber stetig von den Elementen der zusammenhängenden Lie-Gruppe SU(2) ab. Deshalb muss für alle Matrizen im Bild des Homomorphismus die Determinante gleich 1 sein, da diese nicht springen kann. Aufgabe

Zeigen Sie, dass dieser Homomorphismus surjektiv ist. Es bleibt die Frage nach dem Kern des Homomorphismus oder die Frage nach denjenigen SU(2)-Matrizen, für die U (a·σ )U −1 = a·σ für alle a ∈ R3 gilt. Offensichtlich

142

8

Lie-Gruppen

liegen ±1 im Kern. Eine Rechnung zeigt, dass keine weiteren Elemente im Kern liegen, so dass Kern={1, −1}. Nach dem ersten Isomorphiesatz ist dann SU(2)/{1, −1} ∼ = SO(3).

(8.20)

SU(2) ist die universelle Überlagerung von SO(3)

Die einfach zusammenhängende quantenmechanische Drehgruppe SU(2) ist die zweifache universelle Überlagerung der Gruppe der Drehungen im dreidimensionalen Raum. Am Ende des Kapitels werden wir Überlagerungen von nicht einfach zusammenhängenden Lie-Gruppen besprechen. Beispiel: Drehungen um die z-Achse

Die diagonalen Matrizen U(ϕ) = diag( e−iϕ , eiϕ ) beschreiben eine Schleife in SU(2), da U(0) = U(2π ) = 1 ist. Diese werden nach (8.17) in die Drehungen R(e3 , 2ϕ) abgebildet. Diese Drehmatrizen wurden in (5.16) eingeführt. Wenn U(ϕ) die Schleife einmal durchläuft, dann beschreibt R(e3 , 2ϕ) eine Drehung um 4π und durchläuft seine Schleife zweimal. 

8.3

Matrixgruppen GL(n, K) und Untergruppen

Wir wählen eine orthonormierte Basis {ei } im n-dimensionalen K-Vektorraum V mit Skalarprodukt. Dann entspricht einem Vektor r das Tupel x mit Komponenten xi = (ei , r) und einer linearen Abbildung A : V → V die Matrix mit Elementen ai j = (ei , Ae j ). Die lineare Abbildung ist dann gegeben durch (siehe auch Abschn. 5.2) x → x  = Ax,

A = (ai j ) ∈ Mat (n, K), x ∈ Kn ,

(8.21)

wobei wir dasselbe Symbol für die lineare Abbildung und seine Matrix benutzen. Stellt man neben der Invertierbarkeit keine weiteren Bedingungen an die Matrizen, so erhält man die nichtkompakte allgemeine lineare Gruppe (general linear group) GL(n, R) f¨ur V = Rn und GL(n, C) f¨ur V = Cn . 2

(8.22)

2

Diese Matrixgruppen bilden Teilmengen von Rn oder Cn , wenn wir eine Matrix A 2 2 als Punkt (a11 , a12 , . . . , ann ) im Rn bzw. Cn auffassen. Diese Identifikation macht GL(n, K) zu einem metrischen Raum mit (quadriertem) Abstand d(A, B)2 =

n  i, j=1

|ai j − bi j |2 = Sp(A − B)† (A − B) = A − B 2Frob .

(8.23)

8.3 Matrixgruppen GL(n, K) und Untergruppen

143

Rechts steht das Quadrat der Frobenius-Norm der Differenzmatrix. Die Gruppen 2 2 GL(n, R) und GL(n, C) bilden offene Untermengen von Rn und Cn . Ihre (reelle) Dimension ist jeweils gleich der Anzahl frei wählbarer Matrixelemente,     dim GL(n, R) = n 2 und dim GL(n, C) = 2n 2 .

(8.24)

Matrixgruppen sind nun Lie-Untergruppen von GL(n, K). Es gilt der Satz 26 Sei G eine Untergruppe von GL(n, K). Dann sind die Multiplikation G × G → G, (A, B) → AB und die Inversion G → G, A → A−1 stetige Abbildungen. Beweis Die Matrixelemente von AB sind Polynome der Matrixelemente von A und B und somit stetig. Die Matrixelemente von A−1 sind nach der cramerschen Regel rationale Funktionen in den Matrixelementen von A. Der Nenner ist das Polynom det A, das in GL(n, K) nie verschwindet. Also ist A → A−1 ebenfalls stetig. Untergruppen der GL(n, K) Für jede Untergruppe von GL(n, K) muss stets gelten (vgl. Gruppenaxiome): • det A darf nicht null sein, damit A−1 existiert. • Die n-dimensionale Einheitsmatrix 1n muss in der Untergruppe liegen. Durch zusätzliche, z. B. mit den Annahmen in Satz 20 in Abschn. 8.1 verträgliche Forderungen an die Matrizen, erhält man weitere Lie-Gruppen als Untergruppen von GL(n, K). Spezielle lineare Gruppen sind durch det A = 1 charakterisiert, SL(n, K) = {A ∈ GL(n, K)| det A = 1}   = Kern det : GL(n, K) → K∗  GL(n, K).

(8.25)

Die nichtkompakte Gruppe SL(n, K) ist Normalteiler von GL(n, K), da sie gleich dem Kern des Homomorphismus A → det A von GL(n, K) in die multiplikative Gruppe K∗ ist. Die Dimensionen der speziellen linearen Gruppen sind     dim SL(n, R) = n 2 − 1 und dim SL(n, C) = 2n 2 − 2.

(8.26)

Die entsprechenden linearen Transformationen erhalten das Volumen und die Orientierung. Die Lie-Gruppe SL(2, C) spielt als doppelte Überlagerung der eigentlichen orthochronen Lorentz-Gruppe eine herausragende Rolle in der relativistischen Quantenmechanik und Elementarteilchenphysik, insbesondere bei der Behandlung von ↑ Fermionen. Der Homomorphismus SL(2, C) → SO+ (1, 3) verallgemeinert den

144

8

Lie-Gruppen

Homomorphismus SU(2) → SO(3) in (8.17) und wird in Aufgabe 8.5 konstruiert und diskutiert. n Orthogonale Gruppen enthalten  lineare Transformationen im R , die das euklidische Skalarprodukt (x, y) = xi yi von Vektoren unverändert lassen,

Damit ist

(Rx, R y) = (R T Rx, y) = (x, y), f¨ur alle x, y ∈ Rn .

(8.27)

  O(n) = R ∈ GL(n, R)|R T R = R R T = 1n .

(8.28)

Die Dimensionen der kompakten orthogonalen Gruppen sind dim (O(n)) = n(n − 1)/2.

(8.29)

Für n = 3 ist dies die bereits vielfach diskutierte dreidimensionale Gruppe der eigentlichen und uneigentlichen Drehungen im Raum. Die Determinante einer orthogonalen Matrix ist ±1. Ebenfalls von Bedeutung sind die pseudoorthogonalen Gruppen, z. B. die Lorentz-Gruppe O(1, 3) der speziellen Relativitätstheorie. Die pseudoorthogonale Gruppe O( p, q) lässt folgende Bilinearform auf Rn invariant:   1p 0 , p + q = n. (8.30) (x, y) = x T η y, η = 0 −1q Der metrische Tensor η mit Signatur ( p, q) verallgemeinert die bekannte Metrik im Minkowski-Raum. Es gilt   O( p, q) = R ∈ GL(n, R)|R T η R = η (8.31) und dim O( p, q) = dim O(n) mit n = p + q. Spezielle orthogonale Gruppen sind Normalteiler der orthogonalen Gruppen, SO(n) = {R ∈ O(n)| det R = 1} = Kern (det : O(n) → Z2 )  O(n).

(8.32)

Sie haben die gleichen Dimensionen wie die entsprechenden orthogonalen Gruppen und enthalten nur orientierungserhaltende lineare Abbildungen. Unitäre Gruppen verallgemeinern die soeben diskutierte Gruppe U(2) und lassen das hermitesche Skalarprodukt von Cn invariant,   U(n) = U ∈ GL(n, C)|U † U = UU † = 1n .

(8.33)

Die Dimension dieser kompakten Lie-Gruppe ist   dim U(n) = n 2 .

(8.34)

8.3 Matrixgruppen GL(n, K) und Untergruppen

145

Spezielle unitäre Gruppen sind Normalteiler der unitären Gruppen. Ihre Elemente haben die Determinante 1, SU(n) = {U ∈ U(n)| det U = 1} = Kern (det : U(n) → U(1)) .

(8.35)

Die Dimension der Lie-Gruppe ist dim (SU(n)) = n 2 − 1.

(8.36)

Z. B. ist die achtdimensionale Gruppe SU(3) die Symmetriegruppe der Quantenchromodynamik, siehe Abschn. 20.4. Die 24-dimensionale Gruppe SU(5) wurde lange als Kandidat für die Symmetrie einer vereinheitlichten Eichtheorie (GUT) der Elementarteilchenphysik gehandelt. Symplektische Gruppen sind aus der analytischen Mechanik bekannt. Symplektische Matrizen gehören zu linearen Transformationen, welche die schiefsymmetrische Bilinearform x, y := (x, J y) mit   0 1n (8.37) J= −1n 0 invariant lassen, Sp(2n, K) = {M ∈ GL(2n, K)|M T J M = J }.

(8.38)

Die Jacobi-Matrix einer kanonischen Transformation ist Element der symplektischen Gruppe Sp(2n, R). Man kann beweisen, dass jede reell symplektische Matrix die Determinante 1 hat1 . Z. B. besteht Sp(2, R) aus allen reellen 2 × 2-Matrizen, welche   0 1 ! T M J M = (det M)J = J , J= −1 0 erfüllen, d. h. aus den Matrizen mit der Determinante 1. Deshalb ist Sp(2, R) isomorph zu SL(2, R). Wir fassen die wichtigsten Eigenschaften der einfachen Matrixgruppen tabellarisch zusammen: Gruppe Cartan Bedingung SL(n + 1, R) An det A = 1 An U † U = 1n+1 SU(n + 1) Bn R T R = 12n+1 SO(2n + 1) Sp(2n, R) Cn M T J2n M = J2n SO(2n) Dn R T R = 12n

Dimension n(n + 2) n(n + 2) n(2n + 1) n(2n + 1) n(2n − 1)

M ∈ {−1, 1} ist evident. Um det M = −1 auszuschließen, betrachtet man den Pfaffian von M T J M.

1 det

146

8

Lie-Gruppen

In der zweiten Spalte haben wir den Namen der entsprechenden Gruppe nach der cartanschen Klassifikation angegeben. Diese Bezeichnungen werden auch vom ComLiE> dim(A4) puterprogramm LiE benutzt. Z. B. führen die Befehle LiE> dim(B4) LiE> dim(C4) LiE> dim(D4)

auf die Dimensionen dim(A4 ) = 24, dim(B4 ) = 36, dim(C4 ) = 36 und dim(D4 ) = 28. Wir werden später auf die Cartan-Klassifikation zurückkommen. Wir erinnern daran, dass eine einfache Gruppe G nur die Normalteiler {e} und G hat. Sie kann deshalb weder das direkte noch das semidirekte Produkt2 von zwei nichttrivialen Gruppen sein. Deshalb fehlen z. B. die Bewegungsgruppe und die Poincaré-Gruppe in obiger Liste. Es stellt sich die natürliche Frage nach den Faktorgruppen GL(n, K)/SL(n, K), U(n)/SU(n) oder O(n)/SO(n) .

(8.39)

Die Letzte ist einfach zu berechnen, O(n)/SO(n) ∼ = Z2 . Aufgabe

Versuchen Sie, die anderen beiden Faktorgruppen zu bestimmen.

8.4

Globale Eigenschaften von Lie-Gruppen

Die einfachste Eigenschaft eines topologischen Raumes M ist die Anzahl seiner Zusammenhangskomponenten. Die Lie-Gruppen SO(n), SU(n) und U(n) sind zusammenhängend. Dagegen besteht die orthogonale Gruppe O(n) aus zwei Komponenten, O(n) = {R ∈ O(n)| det R = 1} ∪ {R ∈ O(n)| det R = −1} = SO(n) ∪ σ SO(n), σ ∈ O(n), det σ = −1.

(8.40)

Derartige Eigenschaften sind invariant unter stetigen Deformationen des Raumes, die von Homöomorphismen vermittelt werden. Definition 33 Zwei topologische Räume M und N heißen homöomorph, wenn ein Homöomorphismus φ : M → N existiert.

2 Das

semidirekte Produkt von Gruppen wurde im Abschn. 3.5 eingeführt.

8.4 Globale Eigenschaften von Lie-Gruppen

147

Anschaulich gehen zwei homöomorphe Räume durch Dehnen, Stauchen, Verbiegen, Verzerren, Verdrillen auseinander hervor. Zerschneiden ist nur erlaubt, wenn man die Teile später genau an der Schnittfläche wieder zusammenfügt. Definition 34 Eine Homotopie zwischen zwei stetigen Abbildungen f , g : M → N ist eine stetige Abbildung H : M × [0, 1] → N mit H (x, 0) = f (x) und H (x, 1) = g(x).

Homotopieklassen

Man sagt dann, f ist homotop zu g und schreibt f ∼ g. Homotopie ist eine Äquivalenzrelation, die zugehörigen Äquivalenzklassen heißen Homotopieklassen. Es seien f : M → N und g : N → M stetige Abbildungen zwischen topologischen Räumen M und N . Dann sind die Verknüpfungen g ◦ f und f ◦ g jeweils stetige Abbildungen von M bzw. N auf sich selbst. Falls es f und g gibt mit g ◦ f ∼ id M und f ◦ g ∼ id N , so nennt man M und N homotopieäquivalent oder homotop. Die Abbildungen f und g heißen dann Homotopieäquivalenzen. Homotopieäquivalente Räume teilen die meisten topologischen Eigenschaften.

8.4.1

Homotopiegruppen

Wir beginnen mit der ersten Homotopiegruppe eines topologischen Raumes M und diskutieren danach globale Eigenschaften von (topologischen) Gruppen. Zwei Wege w0 und w1 (Wege wurden in Abschn. 8.1.2 definiert), die zwei Punkte p und q stetig verbinden, heißen homotop, wenn ein Weg stetig in den anderen Weg deformiert werden kann. Genauer gesagt, existiert dann eine stetige Abbildung H : [0, 1] × [0, 1] → M mit den Eigenschaften H (t, 0) = w0 (t), H (t, 1) = w1 (t), t ∈ [0, 1] H (0, s) = p, H (1, s) = q, s ∈ [0, 1].

(8.41)

Der Parameter t entspricht dem ursprünglichen Wegparameter, und der Parameter s beschreibt die stetige Verformung des Weges w0 in den Weg w1 , siehe Abb. 8.5. Einen geschlossenen Weg von p nach p nennt man Schleife mit Basispunkt p. Zwei Schleifen mit Basispunkt p sind homotop, wenn es eine Homotopie zwischen ihnen gibt. Homotope Schleifen werden als äquivalent betrachtet und die Äquivalenzklassen heißen Homotopieklassen. Man bezeichnet die Menge der Homotopieklassen mit Basispunkt p mit dem Symbol π1 (M, p). Ein beliebiges Element einer Homotopieklasse repräsentiert diese. Zwei Schleifen lassen sich zu einer dritten Schleife kombinieren, indem man zuerst die eine und danach die andere durchläuft, also das Ende der ersten mit dem

148

8

Lie-Gruppen

Abb. 8.5 Die Wege w0 und w1 können ineinander deformiert werden – sie sind homotop

Anfang der zweiten verknüpft. Da man aus Homotopien zwischen verschiedenen Repräsentanten auch eine Homotopie zwischen den verknüpften Schleifen konstruieren kann, ist die resultierende Homotopieklasse unabhängig von der Wahl der Repräsentanten. Das neutrale Element ist die Klasse der Schleifen, die sich auf den Basispunkt zusammenziehen lassen. Die inverse Klasse erhält man, indem man die Schleifen der Klasse rückwärts durchläuft.

Fundamentalgruppe

Mit dieser Verknüpfung wird aus der Menge der Homotopieklassen mit Basispunkt p eine Gruppe, die sogenannte Fundamentalgruppe π1 (M, p). Beispiele von homotopen und nichthomotopen Schleifen in der punktierten Ebene sind in Abb. 8.6 gezeigt. Da die Schleifen bei p beginnen und enden, misst π1 (M, p) nur Eigenschaften der Zusammenhangskomponente, in der p liegt. Für ein wegzusammenhängendes M ist die Wahl des Basispunktes unwesentlich: Wählt man einen anderen Basispunkt q, so lassen sich Schleifen von p nach q verschieben, indem man auf einem fest gewählten Weg von q nach p geht, dann die ursprüngliche Schleife durchläuft und

Abb. 8.6 Die Schleife w1 kann nicht stetig in die Schleife w2 deformiert werden. w1 und w2 gehören zu verschiedenen Homotopieklassen

8.4 Globale Eigenschaften von Lie-Gruppen

149

dann den fest gewählten Weg zurück nach q geht. Bei der Verknüpfung von zwei Schleifen in q heben sich die Zwischenwege genau auf. Die Fundamentalgruppen bezüglich p und q sind daher isomorph und man schreibt π1 (M). Definition 35 Ein wegzusammenhängender topologischer Raum M mit π1 (M) = 0 heißt einfach zusammenhängend. Auf einer Sphäre lässt sich jede Schleife auf einen Punkt zusammenziehen. Daher ist die Fundamentalgruppe der Sphäre trivial, π1 (S n ) = 0 für n > 1. Die zweidimensionale Ebene mit einem Loch R2 \{0} hat die Fundamentalgruppe Z. Die Homotopieklasse einer Schleife ist dadurch festgelegt, wie oft die Schleife um das Loch herumläuft. Beispiel: Fundamentalgruppen von U(1) und SU(2)

SU(2) ist einfach zusammenhängend, im Gegensatz zu U(1) mit π1 (U(1)) = Z.  Ähnlich wie die Fundamentalgruppe definiert man die höheren Homotopiegruppen πn (M, p) als Menge der Homotopieklassen stetiger punktierter Abbildungen f : (S n , a) → (M, p), die einen festen Punkt a ∈ S n in p abbilden. Dabei sind zwei punktierte Abbildungen ähnlich, wenn sie mit einer Homotopie (die den Basispunkt festhält) ineinander deformiert werden können. Äquivalent dazu können wir die Gruppen πn (M, p) auch als Klassen von stetigen Abbildungen g : (I n , ∂ I n ) → (M, p) definieren. Diese bilden den n-dimensionalen Einheitswürfel I n nach M ab, wobei der Rand des Würfels in p ∈ M übergeht. Die Menge der Homotopieklassen kann mit einer Gruppenstruktur versehen werden. Die Struktur von πn (M, p) ähnelt derjenigen der Fundamentalgruppe. Die Gruppenoperation ist das „Verkleben“ von Abbildungen entlang einer Seite, d. h., wir definieren die Verknüpfung zweier Abbildungen f , g : (I n , ∂ I n ) → (M, p) gemäß ( f ∗ g)(t1 , . . . , tn ) =

f (t1 , . . . , tn−1 , 2tn ) f¨ur tn ≤ 1/2, g (t1 , . . . , tn−1 , 2tn − 1) f¨ur tn ≥ 1/2.

(8.42)

Für ein wegzusammenhängendes M hängt πn (M, p), genauso wie π1 (M, p), nicht vom Punkt p ab und man schreibt πn (M). Sind M und N wegzusammenhängend und homöomorph (bzw. diffeomorph), dann gilt πn (M) = πn (N ). Die nullte „Homotopiegruppe“ π0 ist im Allgemeinen keine Gruppe, sondern nur eine Menge, nämlich die Menge der Wegzusammenhangskomponenten von M. Es ist im Allgemeinen nicht einfach, die Homotopiegruppen πn eine Raumes zu berechnen. Z. B. sind nicht alle Gruppen πn (S 2 ) bekannt. Aber es gilt der (hier unbewiesene)

150

8

Lie-Gruppen

Satz 27 Die Homotopiegruppe eines Produktraumes M × N hängt mit den Homotopiegruppen der Faktoren wie folgt zusammen: πn (M × N ) = πn (M) + πn (N ), n ≥ 1.

(8.43)

Wir zitieren einige interessante Resultate über die Homotopiegruppen von LieGruppen. Wir betrachten nur zusammenhängende Gruppen, π0 (G) = 0. Satz 28 (Weyl) Für jede kompakte und halbeinfache Lie-Gruppe G ist π1 (G) endlich. Z. B. ist π1 (SU(n)) = 0 und π1 (SO(n)) = Z2 .

(8.44)

Nichteinfache Gruppen können allerdings unendliche Fundamentalgruppen haben. Z. B. ist π1 (U(1)) = Z. Jede Abbildung S 2 → G ist homotop zur konstanten Abbildung, denn Satz 29 (Cartan) Für jede Lie-Gruppe G ist π2 (G) = 0. Für die Existenz der Instantonlösungen der euklidischen Yang-Mills-Theorien ist die dritte Homotopiegruppe der Eichgruppe relevant. Hier gilt der Satz 30 (Bott) Für jede kompakte und einfache Lie-Gruppe G ist π3 (G) = Z. Die vierte Homotopiegruppe von Lie-Gruppen charakterisiert die sogenannte WittenAnomalie. Für jede kompakte, einfach zusammenhängende und einfache Gruppe ist π4 (G) = 0 oder Z2 . Eine physikalische Relevanz der höheren Homotopiegruppen ist mir unbekannt.

8.4.2

Universelle Überlagerungsgruppen

Die quantenmechanische Drehgruppe SU(2) ist die universelle Überlagerungsgruppe der klassischen Drehgruppe SO(3), und die quantenmechanische Lorentz-Gruppe SL(2, C) ist die universelle Überlagerung der klassischen Lorentz-Gruppe. Um diese Begriffe und Aussagen zu verstehen, definieren wir zuerst die Überlagerung eines topologischen Raums. Definition 36 Eine Überlagerung eines topologischen Raumes M ist eine stetige surjektive Abbildung π : C → M von einem topologischen Raum C nach M, so dass jeder Punkt p ∈ M eine offene Umgebung U hat, dessen Urbilder π −1 (U ) die Vereinigung von disjunkten offenen Mengen (Blättern) in C ist. Jedes Blatt wird von π homöomorph auf U abgebildet.

8.4 Globale Eigenschaften von Lie-Gruppen

151

Abb. 8.7 Die universelle Überlagerung π von M projiziert den einfach zusammenhängenden Raum C0 auf M. Gezeigt ist die universelle Überlagerung von U(1) durch R

Die vorliegenden Strukturen werden in Abb. 8.7 skizziert. Für jedes p ∈ M ist die Faser über p eine diskrete Menge in C. Für jede zusammenhängende Komponente von M ist die Kardinalität der Fasern gleich. Hat jede Faser zwei Elemente, dann sprechen wir von der „doppelten Überlagerung“. Eine Überlagerung π : C0 → M heißt universell, wenn π1 (C0 ) = 0 ist, d. h., wenn C0 einfach zusammenhängend ist. Die Bezeichnung universell rührt von der Tatsache, dass eine universelle Überlagerung alle zusammenhängenden Überlagerungen von M überlagert.

Eindeutigkeit der universellen Überlagerung

Besitzt M eine universelle Überlagerung, dann ist diese eindeutig. Sind nämlich π : C0 → M und π  : C0 → M zwei universelle Überlagerungen von M, dann existiert ein Homöomorphismus f : C0 → C0 , so dass π  ◦ f = π gilt. Beispiel: Universelle Überlagerungen von U(1) und SO(3)

Die universelle Überlagerung von U(1) ist R mit π : α → exp(iα). Die Faser über exp(iα) enthält alle Elemente α + 2π Z, die auf exp(iα) abgebildet werden. Die einfach zusammenhängende Gruppe SU(2) ist die doppelte und universelle Überlagerung der Drehgruppe SO(3).  Trägt M zusätzliche Strukturen, dann werden diese in vielen Fällen von der universellen Überlagerung geerbt. So ist die universelle Überlagerung einer Mannigfaltigkeit selbst eine Mannigfaltigkeit oder die universelle Überlagerung einer Lie-Gruppe eine Lie-Gruppe. Im letzten Fall spricht man von der universellen Überlagerungsgruppe.

152

8

Lie-Gruppen

Satz 31 Ist G eine zusammenhängende Lie-Gruppe, dann existiert eine bis auf Isomorphismus eindeutige universelle Überlagerungsgruppe G˜ mit folgenden Eigenschaften: ˜ , wobei Z eine diskrete Untergruppe des Zentrums von G˜ ist. • G∼ = G/Z ˜ • Ist π1 (G) = {0}, dann ist G isomorph zu G. Die Gruppen SU(n) sind einfach zusammenhängend für n = 2, 3, . . . und deshalb ihre eigenen Überlagerungsgruppen. Die Überlagerungsgruppen der SO(n) sind die Spingruppen Spin(n). Wir haben gesehen, dass Spin(3) ∼ = SU(2). Aufgabe

Versuchen Sie, die folgenden Isomorphismen von Gruppen zu begründen: Spin(4) ∼ = SU(2) × SU(2), Spin(5) ∼ = Sp(2), Spin(6) ∼ = SU(4). Hierin ist Sp(n) die kompakte reelle Form von Sp(2n, C), definiert als invertierbare quaternionisch lineare Abbildung, die das auf dem n-dimensionalen quaternionischen Vektorraum H definierte Skalarprodukt x, y = x¯1 y1 + · · · + x¯n yn

(8.45)

invariant lassen.

8.5

Aufgaben zu Kap. 8

Aufgabe 8.1: Die Gruppen U(1) und SO(2) Parametrisieren Sie die Lie-Gruppe SO(2) und zeigen Sie, dass SO(2) ∼ = U(1) gilt. Aufgabe 8.2: Dimensionen von Matrixgruppen Zeigen Sie, dass die Gruppe SO(n) die Dimension n(n − 1)/2 hat und SU(n) die Dimension n 2 − 1. Für welches n haben die beiden Gruppen dieselbe Dimension? Erklären Sie dieses Ergebnis. Aufgabe 8.3: Die Gruppen U(2) und SU(2) Zeigen Sie, dass jede Matrix in SU(2) die Form (8.7) hat und durch die beiden komplexen Zahlen a, b eindeutig gegeben ist. Warum beweist dies, dass SU(2) eine dreidimensionale Sphäre in R4 ist? Die letzte Bemerkung zeigt auch, dass SU(2) zusammenhängend und einfach zusammenhängend ist. Überzeugen Sie sich davon, dass SU(2) = [U(2), U(2)]. Aufgabe 8.4: U(n) ist nicht gleich SU(n) × U(1) Beweisen Sie den Isomorphismus U(n) = SU(n) × U(1)/Zn .

8.5 Aufgaben zu Kap.8

153

Hinweis: Zeigen Sie, dass die Abbildung ϕ(U , eiλ ) = eiλ U einen surjektiven Homomorphismus von SU(n) × U(1) → U(n) definiert und bestimmen Sie dessen Kern. Aufgabe 8.5: Die Lie-Gruppe SL(2, C) Die Pauli-Matrizen sind gegeben durch  1 ≡ σ0 =

       10 01 0 −i 1 0 , σ1 = , σ2 = , σ3 = . 01 10 i 0 0 −1

Eine Linearkombination dieser Matrizen mit Koeffizienten in R4 hat die Form   0 x + x 3 x 1 − ix 2 μ . (x, σ ) = x σμ = x 1 + ix 2 x 0 − x 3 • Man zeige, dass x μ = 21 tr[σ¯ μ (x, σ )] gilt. Hier ist σ¯ 0 = σ0 , σ¯ i = −σi , i = 1, 2, 3.

• • • •

Dies bedeutet, dass die Abbildung x μ → (x, σ ) eine bijektive Abbildung von R4 in den linearen Raum der zweidimensionalen hermiteschen Matrizen ist. Man berechne det(x, σ ). Sei A ∈ SL(2, C) eine zweidimensionale komplexe Matrix mit Determinante 1. Warum ist die Matrix A(x, σ )A† wieder eine Linearkombination der Form (y, σ )? Man zeige, dass die Abbildung x → y, definiert durch (y, σ ) = A(x, σ )A† , linear ist und somit in der Form y μ = μ ν x ν geschrieben werden kann. Ist dies eine Lorentz-Transformation? Man zeige, dass die nichtlineare Abbildung A → (A), gegeben durch (x, σ ) = ↑ A(x, σ )A† , ein Gruppenhomomorphismus SL(2, C) → SO(1, 3)+ ist. Ist diese Abbildung auch ein Isomorphismus?

Aufgabe 8.6: Zentrum von Matrixgruppen Was sind die Zentren der Matrixgruppen SU(n), O(n) und SO(n)? Aufgabe 8.7: Fundamentalgruppen Man bestimme die Fundamentalgruppen von • dem N-dimensionalen Torus T N ,   • dem reellen projektiven Raum RPn = Rn+1 \{0} / ∼, wobei x ∼ λx für alle λ ∈ R\{0},   • dem komplexen projektiven Raum CPn = Cn+1 \{0} / ∼, wobei x ∼ λx für alle λ ∈ C\{0}.

154

8

Lie-Gruppen

Aufgabe 8.8: Globale Eigenschaften von SU(2) und SO(3) Begründen Sie, warum SU(2) einfach zusammenhängend ist. Dies bedeutet, dass jede Schleife in der Gruppe zusammenziehbar ist. Zeigen Sie weiterhin, dass SO(3) nicht einfach zusammenhängend ist. Aufgabe 8.9: Anti-de-Sitter-Raum Betrachte R5 mit metrischem Tensor ⎛

1 ⎜0 ⎜ (ημν ) = η = ⎜ ⎜0 ⎝0 0

0 1 0 0 0

0 0 −1 0 0

⎞ 0 0 0 0⎟ ⎟ 0 0⎟ ⎟. −1 0 ⎠ 0 −1

Die Elemente der Anti-de-Sitter-Gruppe SO(3, 2) sind die linearen Abbildungen R5 → R5 , gegeben durch ξ  = ξ , welche die Bilinearform ξ T ηξ invariant lassen und det  = 1 erfüllen. Die Transformationsmatrizen erfüllen die Relation T η = η. 1. Der Anti-de-Sitter-Raum mit „Radius“ R ist definiert durch AdS4 = {ξ ∈ R5 | ξ T ηξ = R 2 }. Visualisieren Sie diesen Raum durch die analoge Betrachtung in R3 mit Metrik η = diag(1, 1, −1). 2. Die Metrik auf AdS ist die Metrik, induziert durch die Einbettung von AdS4 ⊂ R5 . Bestimme die Signatur der Metrik auf AdS. Es genügt, den einfacheren Fall in R3 mit metrischen Tensor η = diag(1, 1, −1) zu untersuchen. 3. SO(3, 2) operiert auf AdS4 über SO(3, 2) × AdS4 → AdS4 , (, ξ ) → ξ. Dies ist eine Isometrie auf (R5 , G), und deshalb auf dem AdS-Raum. Zeigen Sie, dass alle Punkte des AdS-Raumes durch Anwendung einer geeigneten SO(3, 2)„Drehung“ auf den festen Punkt (R, 0, 0, 0, 0) erreicht werden. Was bedeutet dies für die Wirkung von SO(3, 2) auf AdS4 ? 4. Konstruieren Sie die geschlossenen und zeitartigen Geodäten durch (R, 0, 0, 0, 0) und raumartigen Geodäten durch (R, 0, 0, 0, 0). Hinweis: Hier braucht es keine Rechnung! Aufgabe 8.10: Faktorgruppen Welche Mannigfaltigkeiten beschreiben die Faktorgruppen SO(n)/SO(n − 1) und SU(n)/SU(n − 1)?

8.5 Aufgaben zu Kap.8

155

Hinweis: Betrachte SO(n − 1) als Untergruppe von SO(n), z. B. als Stabilisator von e1 : SO(n − 1) = {R ∈ SO(n)|Re1 = e1 }. Deshalb ist das Coset gerade die Menge {Re1 |R ∈ SO(n)}. Eine ähnliche Vorgehensweise führt auch für SU(n − 1) – betrachtet als Untergruppe von SU(n) – zum Erfolg. Aufgabe 8.11: Symplektische Gruppe Zeigen Sie, dass die nichtkompakten Lie-Gruppen Sp(2, R) und SL(2, R) isomorph sind. Aufgabe 8.12: Beziehung zwischen O(4) und SU(2)× SU(2) Die Menge der Matrizen   a b x= −b∗ a ∗ bilden den linearen Raum C2 ∼ = R4 mit Skalarprodukt x, y = tr(x † y). Die Matrizen mit |a|2 + |b|2 = 1 liegen in SU(2) und definieren die Einheitssphäre in R4 . 1. Seien g1 , g2 zwei Matrizen in SU(2) und x eine Matrix wie oben. Man zeige, dass die Abbildung R(g1 , g2 ), definiert durch R(g1 , g2 )x = g1 xg2−1 , linear ist und das Skalarprodukt erhält, R(g1 , g2 )x, R(g1 , g2 )y = x, y. Also ist R(g1 , g2 ) eine lineare Abbildung R4 → R4 , die die Länge von Vektoren erhält. 2. Man zeige nun, dass diese Abbildung einen Gruppenhomomorphismus SU(2) × SU(2) → SO(4) definiert. 3. Ist dieser Homomorphismus treu? Die Gruppe SU(2)×SU(2) hat eine elementare Bedeutung in der Quantenfeldtheorie, z. B. als Symmetriegruppe des Quark-Meson-Modells, welches die Freiheitsgrade der QCD bei niedrigen Energien beschreibt.

9

Invariante Integration

Ich habe bemerkt, dass Personen, in deren Gesichtern ein gewisser Mangel von Symmetrie war, oft die feinsten Köpfe waren. Georg Christoph Lichtenberg

Das Lebesgue-Maß auf Rn ist translationsinvariant. Dies bedeutet, dass sich der Wert eines Integrals nicht ändert, wenn der Definitionsbereich verschoben wird, genauso wie sich das Volumen eines Körpers durch dessen Verschiebung im Raum nicht ändert. Ähnlich lassen sich für die meisten endlichen, diskreten oder kontinuierlichen Gruppen invariante Maße (Integrale) einführen. Dies wollen wir im vorliegenden Kapitel diskutieren. Die invariante Integration über Gruppen geht auf eine einflussreiche Arbeit von A. Hurwitz zurück [44]. Darin finden sich bereits explizite Ausdrücke für invariante Maße der unitären und orthogonalen Gruppen. Weitere wichtige Beiträge stammen von I. Schur und H. Weyl [45]. Die Existenz und Eindeutigkeit eines invarianten Maßes für lokal kompakte topologische Gruppen wurde etwa zur gleichen Zeit von J. von Neumann [46] und A. Haar bewiesen [47]. Invariante Maße für Gruppen werden auch Haar-Maße genannt. Zur Einstimmung betrachten wir die Mittelwertbildung für Funktionen f : G → C auf einer endlichen Gruppe. Ihr Mittelwert M( f ) =

1  f (g) |G|

(9.1)

g∈G

hat folgende Eigenschaften:

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_9

157

158

1. 2. 3. 4.

9

Invariante Integration

Linear: M(α f 1 + β f 2 ) = α M( f 1 ) + β M( f 2 ) für alle α, β ∈ C. Positiv: für reelle f mit f ≥ 0 folgt M( f ) ≥ 0 und = 0 nur für f ≡ 0. Normiert: ist f (g) = 1 für alle g ∈ G, dann ist M( f ) = 1. Links- und rechtsinvariant, M( f ) = M( f ◦ a ) = M( f ◦ ra ).

Linearität, Positivität und Normiertheit der Mittelung sind offensichtlich. Die Invarianz bezüglich der Linkstranslation a (g) = ag mit einem beliebigen Gruppenelement a folgt aus der Tatsache, dass die Mengen {ag|g ∈ G} und {g|g ∈ G} gleich sind: 1  1  M( f ◦ a ) = f (ag) = f (g) = M( f ). |G| |G| g∈G

g∈G

Ähnlich zeigt man die Invarianz von M bezüglich Rechtstranslationen ra (g) = ga. Natürlich stellt sich hier die Frage, ob es auf einer kontinuierlichen Lie-Gruppe auch eine invariante Mittelbildung gibt. Wenn ja, dann würde die Summe (9.1) zu einem Integral über die Gruppe werden. Für kompakte Gruppen ist die Antwort auf die Frage positiv: Satz 32 (Invariantes Maß, Haar-Maß) Zu jeder kompakten Lie-Gruppe gibt es ein (bis auf eine multiplikative positive Konstante) eindeutiges positives Haar-Integral  M : C0 (G) → C,

f → M( f ) =

dμ(g) f (g),

(9.2)

G

welches links- und rechtsinvariant ist. Für stetige Funktionen ist das Integral endlich. Das Maß einer Menge O ⊂ G ist damit gleich dem Maß der mit Links- und Rechtstranslation verschobenen Mengen a (O) und ra (O). Für kompakte Gruppen normiert man das Maß auf 1, M(1) = 1 und spricht dann vom normierten Haar-Maß. Die Normierung legt es eindeutig fest. Die entsprechende Mittelbildung erfüllt dann obige Eigenschaften: Sie ist linear, positiv, normiert, links- und rechtsinvariant. Im Jahre 1933 zeigte Alfred Haar, dass es (bis auf Normierungen) auch für allgemeinere lokalkompakte topologische Gruppen immer ein eindeutiges linksinvariantes Maß dμ und ein eindeutiges rechtsinvariantes Maß dμr gibt. Die beiden Maße können verschieden sein. Gruppen mit dμ (g) = const dμr (g) heißen unimodular. Beispiel: Haarsches Maß für die multiplikative Gruppe R∗

Die Elemente dieser nichtkompakten Gruppe sind die reellen Zahlen in R∗ = R \ {0} mit der Multiplikation. Der Mittelwert einer komplexen Funktion ist  M( f ) =

R∗

dx f (x). |x|

(9.3)

9.1 Haar-Maße auf U(1) und SU(2)

159

Die Mittelung ist linear, positiv, aber nicht normiert. Für y > 0 folgt die Linksinvarianz aus    dx d(yx) dz M( f ◦  y ) = f (yx) = f (yx) = f (z) = M( f ). ∗ ∗ ∗ |x| y|x| |z| R R R (9.4) Die Gruppe ist abelsch und deshalb folgt aus der Linksinvarianz die Rechtsinvarianz.  Bei (R∗ , ·) handelt es sich um eine nichtkompakte Gruppe mit einem nichtnormierbaren invarianten Maß. Aufgabe

Zeigen Sie die Invarianz der Mittelbildung (9.3) auch für negative y.

9.1

Haar-Maße auf U(1) und SU(2)

In diesem Abschnitt konstruieren wir das Haar-Maß für die kompakten Lie-Gruppen U(1) und SU(2). Für SU(2) werden wir dabei von der geometrischen Interpretation der Translationen auf der Gruppenmannigfaltigkeit S 3 Gebrauch machen. Da es sich in diesem Abschnitt um Elemente von unitären Gruppen handelt, bezeichnen wir diese mit U . Haar-Maß auf U(1) Wir parametrisieren die Elemente der abelschen Lie-Gruppe U(1) wie in (8.10) mit einem Winkel α. Eine Funktion f : U(1) → C ist eine 2π -periodische Funktion des Winkels und M( f ) =

1 2π

2π

  dα f eiα .

(9.5)

0

Die Invarianz bezüglich Linkstranslationen ist offensichtlich, M( f ◦  eiβ ) =

1 2π



  1 dα f eiβ eiα = 2π



  dα f ei(β+α) = M( f ).

Frage

Warum ist das Maß auch rechtsinvariant? Haar-Maß auf SU(2) Wie sieht nun das invariante Haar-Maß für SU(2) aus? Dazu machen wir uns die geometrische Bedeutung der Linkstranslation auf der Gruppenmannigfaltigkeit S 3 klar. Im Abschn. 8.2 sahen wir, dass die Gruppenelemente wie folgt parametrisiert

160

9

Invariante Integration

werden können,  α → U (α) =

α1 + iα2 α3 + iα4 −α3 + iα4 α1 − iα2



⎞ α1 ⎜α2 ⎟ 3 ⎟ mit α = ⎜ ⎝ α3 ⎠ ∈ S . α4 ⎛

(9.6)

Die Linkstranslation U → U˜ (U ) mit dem Gruppenelement U˜ = U (β) ist dann im Parameterraum gegeben durch ⎛

β1 ⎜ β2   ⎜ U (β)U (α) = U O(β)α mit O(β)α = ⎝ β3 β4

−β2 β1 β4 −β3

−β3 −β4 β1 β2

⎞⎛ ⎞ −β4 α1 ⎜ ⎟ β3 ⎟ ⎟ ⎜α2 ⎟ . −β2 ⎠ ⎝α3 ⎠ β1 α4

(9.7)

Wegen β ∈ S 3 ist O(β) eine orthogonale Matrix, O T O = 1, wie man durch explizite Rechnung nachprüfen kann. Deshalb ist O(β)α eine Drehung von α. Nun ist die von R4 auf S 3 induzierte Volumenform drehinvariant und damit invariant unter Linkstranslationen (und Rechtstranslationen). Normieren wir die Volumenform auf 1, dann erhalten wir das eindeutige Haar-Maß für SU(2) ∼ = S 3 . Parametrisieren wir 3 die Punkte auf der Einheitssphäre S gemäß ⎛

⎞ ⎛ ⎞ α1 cos ϑ ⎜α2 ⎟ ⎜ sin ϑ cos ψ ⎟ ⎜ ⎟=⎜ ⎟ ⎝α3 ⎠ ⎝sin ϑ sin ψ cos ϕ ⎠ , α4 sin ϑ sin ψ sin ϕ

(9.8)

dann werden die Gruppenelemente wie folgt parametrisiert,  cos ϑ + i sin ϑ cos ψ sin ϑ sin ψ eiϕ , U (ϑ, ψ, ϕ) = − sin ϑ sin ψ e−iϕ cos ϑ − i sin ϑ cos ψ 

(9.9)

mit folgenden Wertebereichen für die drei Winkel: 0 < ϑ < π, 0 < ψ < π und 0 < ϕ < 2π.

(9.10)

Mit Hilfe des bekannten Volumenelements auf der Einheitssphäre S 3 schließen wir:

Haar-Maß für SU(2)

In den Winkelkoordinaten (ϑ, ψ, ϕ) hat das invariante Volumenelement (HaarMaß) die Form dμ =

1 sin2 ϑ · sin ψ dϑdψdϕ. 2π 2

(9.11)

9.1 Haar-Maße auf U(1) und SU(2)

161

Reduziertes Haar-Maß auf SU(2) Betrachten wir den Mittelwert von Klassenfunktionen f : G → C, dann führt dies direkt auf das reduzierte Haar-Maß. Klassenfunktionen sind spezielle Funktionen, die auf jeder Konjugationsklasse der Gruppe einen konstanten Wert annehmen. Dies bedeutet f (V U V −1 ) = f (U )

(9.12)

für alle Gruppenelemente V . Für Matrixgruppen ist z. B. Sp(U ) eine Klassenfunktion. Die Spur der Matrix in (9.9) ist Sp(U ) = 2 cos ϑ und ihre Determinante ist 1. Deshalb hat sie die beiden Eigenwerte e±iϑ und es gibt ein unitäres V mit V U V −1 =



eiϑ 0 0 e−iϑ

 ≡ D(ϑ)

ϑ ∈ (0, π ).

Die Konjugationsklasse ist also allein durch den Winkel ϑ charakterisiert und deshalb werden Klassenfunktionen nur von dieser Koordinate ϑ abhängen. Es sind 2π -periodische Funktionen von ϑ und wegen 

   0 1 0 −1 D(ϑ) = D(−ϑ) −1 0 1 0

müssen es gerade Funktionen in ϑ sein. Wir folgern, dass für jede Klassenfunktion f (U ) = f (ϑ) = f (−ϑ) = f (ϑ + 2π ) gelten muss. Der Mittelwert einer Klassenfunktion ist  1 sin2 ϑ · sin ψ · f (ϑ) dϑdψdϕ 2π 2   π 2 π 2 sin ϑ f (ϑ) dϑ = dμred (ϑ) f (ϑ). = π 0 0

M( f ) =

(9.13)

Reduziertes Haarmaß auf SU(2)

Bezüglich der Winkelkoordinaten (ϑ, ψ, ϕ) ist das reduzierte Haar-Maß von SU(2) dμred =

2 sin2 ϑ dϑ, ϑ ∈ [0, π ]. π

(9.14)

162

9

9.2

Invariante Integration

Haar-Maße für beliebige Lie-Gruppen

Es sei G eine n-dimensionale und nicht notwendigerweise kompakte Lie-Gruppe. Wir wählen eine Umgebung U des neutralen Elements e und beschreiben die Elemente in U und das invariante Maß auf U bezüglich lokaler Koordinaten α = (α1 , . . . , αn ). Etwas expliziter suchen wir die Dichte ρ des linksinvarianten Maßes für diese Koordinaten, dμ (g) = ρ (α)dα. Wir wählen die Koordinaten so, dass das Einselement im Koordinatenursprung α = 0 liegt, wie in Abb. 9.1 gezeigt. Das beliebige (aber feste) Gruppenelement, mit dem verschoben wird, habe die Koordinaten β. Die Linkstranslation von g(α) mit diesem Gruppenelement ergibt g(β)g(α) = g(γ ) mit γ = m(β, α). Wir fordern ρ (α)dn α = ρ (γ )dn γ .

(9.15)

Wegen γ = m(β, α) transformiert das Volumenelement gemäß ⎛ ∂m ⎜ dγ1 · · · dγn = det ⎜ ⎝

1 (β,α) ∂α1

.. .

∂m n (β,α) ∂α1

··· ···

∂m 1 (β,α) ∂αn

.. .

∂m n (β,α) ∂αn

⎞ ⎟ ⎟ ⎠

dα1 · · · dαn = det J (γ ) dn α.

α=0

Für α = 0 ist β = γ , und deshalb ist die Determinante der Jacobi-Matrix J eine Funktion von γ . Nun ist offensichtlich, was das gesuchte linksinvariante Maß ist: dμ (γ ) = ρ (γ ) dn γ = Abb. 9.1 Die Dichte bei e wird mit Hilfe der Linkstranslation nach g(β) transportiert

ρ (0) dγ1 · · · dγn . det J (γ )

(9.16)

9.2 Haar-Maße für beliebige Lie-Gruppen

163

Für kompakte Gruppen wählt man die Konstante ρ (0) so, dass dμ auf 1 normiert ist. Die Invarianz unter Linkstranslationen folgt aus ρ (γ ) dn γ =

ρ (0) dn γ = ρ (0)dn α. det J (γ )

(9.17)

Das rechtsinvariante Maß gewinnt man analog. Wir fassen zusammen:

Links- und rechtsinvariante Maße

Folgende Maße für G sind links- bzw. rechtsinvariant: dμ (g) =

ρ (0) ρr (0) dn γ bzw. dμr (g) = dn γ , det J (γ ) det Jr (γ )

(9.18)

wobei J und Jr die Jacobi-Matrizen der Links- und Rechtstranslationen in lokalen Koordinaten sind. In lokalen Koordinaten hat die Rechtstranslation g(γ ) = g(α)g(β) mit einem beliebigen, aber festen g(β) die Form γ = m(β, ˜ α). Wie bei der Linkstranslation geht die Determinante Jr der Jacobi-Matrix für die Rechtstranslationen an der Stelle α = 0 ein. Beispiel: Affine Gruppe auf R

Diese Untergruppe der konformen Transformationen enthält die Streckungen und Translationen, x → α1 x +α2 mit α = (α1 , α2 ) ∈ R∗ × R. Sie ist eine zusammenhängende zweidimensionale Lie-Gruppe. In lokalen Koordinaten haben Linksund Rechtstranslationen die Form m 1 (β, α) = β1 α1 , m 2 (β, α) = β1 α2 + β2 =⇒ J (β) = β12 , m˜ 1 (β, α) = β1 α1 , m˜ 2 (β, α) = β2 α1 + α2 =⇒ Jr (β) = β1 .

(9.19) (9.20)

Die invarianten Maße sind verschieden und nicht normierbar, dμ (α) =

1 1 dα1 ∧ dα2 und dμr (α) = dα1 ∧ dα2 . 2 α α1 1

(9.21)

 Aufgabe

Warum ist die Gruppe weder abelsch, noch kompakt noch halbeinfach? Zeigen Sie, dass die Verschiebungen einen nichttrivialen Normalteiler bilden.

164

9

Invariante Integration

Wir entnehmen dem Beispiel, dass für nichtkompakte Gruppen die links- und rechtsinvarianten Maße verschieden sein können. Ist die Gruppe G aber abelsch oder halbeinfach, dann sind die beiden Maße (evtl. nach eine Reskalierung) identisch, dμ = dμr und es handelt sich um eine unimodulare Gruppe. Für nichtkompakte Gruppen sind die invarianten Maße nicht normierbar, d. h. 

 G

dμ (g) =

dμr (g) = ∞. G

Invariante 1-Formen und invariante Integration Zur Einführung betrachten wir nochmals die Gruppe der Streckungen und Translationen in R∗ . Diese Transformationen können auf R2 wie folgt dargestellt werden (vgl. die analoge Konstruktion für die Galilei-Gruppe in Abschn. 5.4):        x α 1 x + α2 x α 1 α2 = . → 0 1 1 1 1

(9.22)

Die Gruppe ist damit eine Untergruppe von GL(2, R),     α1 α2  α 1 ∈ R∗ , α2 ∈ R . G= A= 0 1

(9.23)

Nun definieren wir die matrixwertigen 1-Formen ω (A) = A−1 d A und ωr (A) = d A A−1 .

(9.24)

Diese haben ihre Werte in der zugehörigen Lie-Algebra (mehr dazu in Kap. 13). Sie sind offensichtlich links- bzw. rechtsinvariant, d. h., für jedes konstante B ∈ G gilt ω (A) = ω (B A) und ωr (A) = ωr (AB).

(9.25)

Für die Matrizen in (9.23) findet man die expliziten Ausdrücke 1 ω = α1



dα1 dα2 0 0



1 und ωr = α1

 dα1 α1 dα2 − α2 dα1 . 0 0



(9.26)

Diese definieren eine links- bzw. eine rechtsinvariante matrixwertige 2-Form ω ∧ ω  =

dα1 ∧ dα2 α12



01 00

 , ωr ∧ ωr =

dα1 ∧ dα2 α1



 01 . 00

(9.27)

Die Koeffizienten der konstanten Matrix sind links- bzw. rechtsinvariante Volumenformen. Nicht überraschend sind es die in (9.21) angegebenen invarianten Maße. Im Folgenden werden wir vorwiegend die linksinvariante Differenzialform ω benutzen und bezeichnen diese kurz mit ω.

9.4 Haar-Maße für unitäre Gruppen

9.3

165

Haar-Maße für kompakte Matrixgruppen

Es sei G eine n-dimensionale kompakte Matrix-Gruppe. Mit Hilfe der gerade eingeführten linksinvarianten und matrixwertigen Differenzialform ω = g −1 dg, dg =

 ∂g dαi ∂αi

(9.28)

kann man leicht links- und rechtsinvariante skalare m-Formen konstruieren,   ∧m ωm = Sp ω  ∧ω∧ · · · ∧ ω = Sp(ω ), m = 1, . . . , n.

(9.29)

m mal

Diese sind offensichtlich linksinvariant unter g → ag, da schon ω linksinvariant ist. Frage

Warum sind diese m-Formen auch rechtsinvariant? Wenn für n = dim(G) die Form ωn positiv ist oder durch Multiplikation mit einer Konstanten positiv gewählt werden kann, dann ist sie proportional zum invarianten Haar-Maß. Auf diese Weise kann man invariante Haar-Maße explizit und effizient berechnen. Lemma 36 (Haar-Maß für kompakte Matrixgrupen) Kompakte Matrixgruppen sind unimodular und das links- und rechtsinvariante Haar-Maß ist gegeben durch   dμ(g) = const · ωn , ωn = Sp ω∧n , ω = g −1 dg.

(9.30)

Im obigen Beispiel der nichtkompakten Streckungen und Verschiebungen verschwinden die Spuren von ω ∧ ω und ωr ∧ ωr , so dass wir (nicht unerwartet) keine gleichzeitig links- und rechtsinvariante Volumenform konstruieren konnten.

9.4

Haar-Maße für unitäre Gruppen

Wir untersuchen nun Matrixgruppen mit unitären Matrizen U . Um die invariante n-Form ωn zu berechnen, diagonalisieren wir U : U = V DV −1 , V unit¨ar.

(9.31)

Eine Klassenfunktion hängt nur von den Eigenwerten von U ab. Dies sind die Matrixelemente der diagonalen Matrix D. Wir wählen diese als Koordinaten der Gruppe. Die fehlenden Koordinaten werden von der diagonalisierenden Matrix V geliefert. Es gilt ω = U −1 dU = V αV −1 mit α = D −1 V −1 dV D − V −1 dV + D −1 dD. (9.32)

166

9

Invariante Integration

Für jede unitäre Matrix ist die Differenzialform ω = U −1 dU eine antihermitesche Matrix (d. h., sie ist Lie-Algebra-wertig), wie man schnell beweist: 0 = d(U −1 U ) = dU −1 U + U −1 dU = ω† + ω. Wir zerlegen nun die matrixwertige Form V −1 dV in ihren diagonalen und nichtdiagonalen Anteil. Der diagonale Anteil vertauscht mit der diagonalen Matrix D und hebt sich in der letzten Summe für α in (9.32) weg. Entsprechend finden wir α = D −1 β D − β + D −1 dD, wobei β = (V −1 dV )⊥

(9.33)

den nichtdiagonalen Anteil von V −1 dV bezeichnet. Die Spuren in (9.29) sind invariant unter Konjugation mit V und deshalb ist      ∧ n . ωn = Sp ω∧n = Sp α ∧n = Sp D −1 β D − β + D −1 dD

(9.34)

Bei der expliziten Berechnung des reduzierten Haar-Maßes ist diese Formel sehr nützlich und dient zudem als Ausgangspunkt von Untersuchungen in Kap. 16. Die Nützlichkeit wollen wir an Beispielen illustrieren. Invariante Differenzialformen und Haar-Maß auf SU(2) Wir hatten bereits in Abschn. 9.1 das volle und das reduzierte Haar-Maß dieser Gruppe berechnet. Wir werden nun sehen, dass der Weg über die invarianten Differenzialformen schneller zum Ziel führt. Für SU(2) ist die antihermitesche Differenzialform U −1 dU spurlos. Mit D = diag( eiϑ , e−iϑ ) und β = −β † folgt D −1 dD = i



dϑ 0 0 −dϑ



, β = (V −1 dV )⊥ =



 0 β12 . † −β12 0

(9.35)

Die Lie-Algebra-wertige 1-Form α in (9.33) hat in der Parametrisierung (9.9) die unabhängigen Komponenten α11 = idϑ, α12 = −2i e−iϑ sin ϑ β12 .

(9.36)

Die Spur der dritten Potenz ist proportional zu einer positiven invarianten Volumenform, † β12 , ω3 = Sp(α ∧ α ∧ α) = 24i sin2 ϑ dϑ β12

(9.37)

und ist deshalb proportional zum invarianten Haar-Maß. Zum Vergleich mit dem früheren Resultat (9.11) wählen wir ein V , für das V DV −1 die Form (9.9) hat,  V =

eiϕ cos ψ2 i sin ψ2 i sin ψ2 e−iϕ cos ψ2



=⇒ β12 = e−iϕ



 i dψ − 2 sin ψdϕ . 2

(9.38)

9.4 Haar-Maße für unitäre Gruppen

167

† Damit ist β12 β12 = −2i sin ψdψdϕ und das invariante Maß hat die Form

dμ = const · ω3 , ω3 = 48 sin2 ϑ · sin ψ dϑdψdϕ.

(9.39)

Mit const = 1/96π 2 stimmt es mit dem normierten Haar-Maß in (9.11) überein. Das reduzierte Haar-Maß kann man nun sofort ablesen: Der Winkel ϑ parametrisiert die † β12 ist unabhängig von ϑ. Wir können also Konjugationsklasse, und die 2-Form β12 über äquivalente Gruppenelemente integrieren und finden das frühere Resultat (9.14). Invariante Formen und Haar-Maß auf U(2) Für diese vierdimensionale nicht halbeinfache Gruppe ist die 4-Form α ∧ α ∧ α ∧ α identisch null und ihre Spur definiert somit keine invariante Volumenform. Mit einer milden Modifikation der obigen Konstruktion können wir aber trotzdem ein invariantes Haar-Maß aus α extrahieren. Für U(2) sind die matrixwertigen 1-Formen Matrizen U −1 dU nicht mehr alle spurlos. Wir wählen D = diag( eiϑ1 , eiϑ2 ) und erhalten   idϑ1 0 −1 . (9.40) D dD = 0 idϑ2 Die Matrix β behält die Form in (9.35) bei, so dass α folgende Komponenten hat, α11 = idϑ1 , α22 = idϑ2 , α12 = −2i e−iϑ12 sin(ϑ12 ) β12 ,

(9.41)

wobei wir den halben Differenzwinkel ϑ12 = (ϑ1 − ϑ2 )/2 einführten. Weil α ∧ α ∧ α ∧ α identisch verschwindet, wählt man die invarianten Formen ω1 = Spω = Spα = id(ϑ1 + ϑ2 ), † α12 , ω3 = Sp(α ∧ α ∧ α) = 3id(ϑ1 − ϑ2 ) α12

mit denen wir eine invariante Volumenform konstruieren können, † † α12 = 24 sin2 (ϑ12 ) dϑ1 dϑ2 β12 β12 . dμ = ω1 ∧ ω3 = 6dϑ1 dϑ2 α12

(9.42)

Daraus erhält man unmittelbar das reduzierte Haar-Maß nach Integration über † β12 . β12

Reduziertes Haar-Maß für U(2)

Die Gruppe U(2) hat das reduzierte normierte Haar-Maß dμred =

ϑ 1 − ϑ2 1 sin2 dϑ1 dϑ2 , ϑ1 , ϑ2 ∈ [0, 2π ). 2π 2 2

(9.43)

168

9

Invariante Integration

Abschließend wenden wir uns den unitären Gruppen U(n) und SU(n)) zu. Invariante Formen und Haar-Maß für U(n) und SU(n) Die Vorgehensweise ist ähnlich wie für die Gruppen U(2) und SU(2). Zuerst parametrisieren wir die Diagonalmatrizen von U(n) gemäß   D = diag eiϑ1 , . . . , eiϑn =⇒ D −1 dD = i diag(dϑ1 , . . . , dϑn ).

(9.44)

Die Matrixelemente der nichtdiagonalen antihermiteschen Matrix β = (V −1 dV )⊥ erfüllen β ji = −βi†j für i < j. Für die Matrixelemente von α finden wir entsprechend αii = idϑi , αi j = −2i e−iϑi j sin ϑi j βi j , ϑi j =

1 (ϑi − ϑ j ), i < j. 2

(9.45)

Die invariante Volumenform ist ein Polynom der Matrixelemente von α, wobei das Produkt das Wedge-Produkt ist. In jedem Monom darf ein Matrixelement nur einmal als Faktor auftreten, da αi j ∧αi j = 0 ist. Für U(n) ist die invariante Volumenform eine † n 2 -Form. Wir können aus den n Formen {dϑi } und den n 2 − n Formen {αi< j , αi< j} bis auf eine Konstante nur eine invariante Volumenform konstruieren, und diese ist proportional zum Haar-Maß, dμ ∝



dϑi

i



αi†j αi j =

i< j

 i

dϑi



 4 sin2 ϑi j βi†j βi j .

(9.46)

i< j

Die Formen βi j hängen nicht von den Variablen ϑi ab. Deshalb gilt

Reduziertes Haar-Maß für U(n)

Das reduzierte und auf eins normierte Haar-Maß für U(n) hat die Form dμred =

  2n(n−2)  2 ϑi − ϑ j dϑ1 · · · dϑn , ϑi ∈ [0, 2π ]. (9.47) sin n! π n 2 i< j

Das entsprechend invariante Maß für SU(n) gewinnt man, indem man ϑn durch −(ϑ1 + · · · + ϑn−1 ) ersetzt und das Differenzial dϑn durch den Faktor 2π . Derart findet man für SU(3) das reduzierte und auf eins normierte Haar-Maß dμred =

ϑ 1 − ϑ2 2ϑ1 + ϑ2 2ϑ2 + ϑ1 8 sin2 sin2 sin2 dϑ1 dϑ2 . 3π 2 2 2 2

(9.48)

9.5 Invariante Integration auf SU(1, 1) und SL(2, R)

169

Abb. 9.2 Dichte des reduzierten Haar-Maßes der Gruppe SU(3)

Die Dichte des Maßes ist in Abb. 9.2 gezeigt. Abschließend bemerken wir noch, dass für U(n) jede Permutation der Winkel ϑi in   D = diag eiϑ1 , . . . , eiϑn eine zu D konjugierte Matrix ergibt. Somit ist eine Klassenfunktion f (ϑ1 , . . . , ϑn ) vollständig symmetrisch in ihren Argumenten und das reduzierte Haar-Maß invariant unter einer Permutation der Winkel. Für SU(n) gilt diese Aussage entsprechend, wenn man ϑn durch −(ϑ1 + · · · + ϑn−1 ) ersetzt. Im Kap. 16 werden dann bekannte Resultate über die Lie-Algebra einer Lie-Gruppe ausnutzen, um eine Verallgemeinerung von (9.47) für beliebige zusammenhängende kompakte Lie-Gruppen zu finden.

9.5

Invariante Integration auf SU(1, 1) und SL(2, R)

Immer wenn ωn = Sp(ω∧n ) nicht verschwindet, dann definiert diese n-Form ein links- und rechtsinvariantes Haar-Maß für die Gruppe. Dies gilt auch für nichtkompakte Gruppen. Als Beispiel betrachten wir die halbeinfachen und isomorphen Gruppen SU(1, 1) und SL(2, R). Diese haben als Gruppenmannigfaltigkeit den Antide-Sitter-Raum AdS3 . Für die Elemente in SU(1, 1) wählen wir die Parametrisierung  U=

cosh ρ eit sinh ρ e−iφ sinh ρ eiφ cosh ρ e−it



mit ω = U −1 dU = ωρ dρ + ωt dt + ωφ dφ (9.49)

170

9

Invariante Integration

und finden folgende Koeffizienten der linksinvarianten 1-Form  ωρ =

0 ei(t+φ)

   e−i(t+φ) cosh ρ sinh ρ e−i(t+φ) , ωt = i cosh ρ , 0 − sinh ρ ei(t+φ) − cosh ρ   sinh ρ cosh ρ e−i(t+φ) ωφ = −i sinh ρ . − cosh ρ ei(t+φ) − sinh ρ (9.50)

Deshalb ist das invariante Linienelement   1 ds 2 = − Spω2 = cosh2 ρ dt 2 − dρ 2 + sinh2 ρ dφ 2 . 2

(9.51)

Die zur linksinvarianten 1-Form assoziierte links- und rechtsinvariante 3-Form ist     ω3 = Sp ω∧3 = 3 Sp [ωt , ωρ ] ωφ dt ∧ dρ ∧ dφ = −12 cosh ρ sinh ρ dt ∧ dρ ∧ dφ.

(9.52)

Entweder mit Hilfe der Metrik oder der 3-Form schließen wir:

Invariantes Maß für SU(1, 1)

Das Haar-Maß für die Gruppe SU(1, 1) mit Parametrisierung (9.49) ist dμ(U ) = const · cosh ρ sinh ρ dt ∧ dρ ∧ dφ.

(9.53)

Wählt man für die isomorphe Gruppe SL(2, R) die Parametrisierung  A = cosh ρ

   cos t sin t cos φ − sin φ + sinh ρ , − sin t cos t − sin φ − cos φ

(9.54)

dann erhält man das (natürliche) invariante Linienelement ds 2 =

1  −1 2 Sp A d A = dρ 2 − cosh2 ρ dt 2 + sinh2 ρ dφ 2 . 2

(9.55)

Die invariante 3-Form stimmt mit der 3-Form für SU(1, 1) in (9.52) überein. Die Äquivalenz SU(1, 1) ∼ = SL(2, R) und die Gruppenmannigfaltigkeit AdS3 sind Inhalt von Übungsaufgabe 9.4. Diese Gruppe spielte und spielt in der Stringtheorie und AdS-CFT-Korrespondenz eine Rolle (siehe [48] für eine kompetente Einführung in die Korrespondenz). Die Propagation von bosonischen Strings (im Grenzfall schwacher String-Kopplung) auf dieser Gruppenmannigfaltigkeit kann exakt gelöst werden [49].

9.6 Modulare Funktion

9.6

171

Modulare Funktion

Es sei G eine Gruppe mit linksinvariantem Maß μ, d. h., μ(g O) = μ(O) für alle Borelmengen O und jedes g ∈ G. Im Allgemeinen ist μ jedoch nicht rechtsinvariant und μ(O g) kann verschieden von μ(O) sein. Aber für jedes feste Gruppenelement h ist μh (O) = μ(O h) ebenfalls linksinvariant, und da ein linksinvariantes Maß bis auf eine multiplikative Konstante eindeutig ist, existiert eine positive Zahl m G (h) mit μ(O h) = m G (h)μ(O), m G (h) ∈ R+ ,

(9.56)

für alle messbaren O in G. Die Zahl m G (h) hängt nicht vom linksinvarianten Maß ab, weil dieses bis auf Normierung eindeutig ist. Die Abbildung h → m G (h) definiert einen Homomorphismus von G in die multiplikative Gruppe R+ , m G (h 1 h 2 )μ(O) = μ(O h 1 h 2 ) = m G (h 2 )μ(O h 1 ) = m G (h 2 )m G (h 1 )μ(O), (9.57) bzw. m G (h 1 h 2 ) = m G (h 1 )m G (h 2 ). Der Homomorphismus m G : G → R+ heißt modulare Funktion von G. Definition 37 (Unimodulare Gruppen) Ist m G (h) = 1 für alle h ∈ G, dann heißt G unimodular. Für eine unimodulare Gruppe ist das linksinvariante Maß auch rechtsinvariant. Endliche, diskrete, abelsche und kompakte Gruppen sind alle unimodular. Die mit der linksinvarianten 1-Form ω in (9.30) definierte n-Form Sp(w∧n ) ist links- und rechtsinvariant (siehe Aufgabe 9.5). Wenn sie nicht verschwindet, definiert sie ein links- und rechtsinvariantes Maß. Dies ist der Fall für die nichtkompakten Gruppen SL(n, R). Auch GL(2, R) ist unimodular mit Haar-Maß   dμ(g) = Sp(g −1 dg) Sp (g −1 dg)∧3 =

 6 dgi j , g = (gi j ) 2 (det g)

(9.58)

i, j

oder etwas allgemeiner GL(n, R) mit dμ(g) =

const  dgi j . | det g|n

(9.59)

i, j

Nun wollen wir noch das linksinvariante Maß dμ(g) mit dμinv (g) = dμ(g −1 ) in Verbindung bringen. Zuerst bemerken wir, dass dμinv ein rechtsinvariantes Maß ist, dμinv (gh) = dμ(h −1 g −1 ) = dμ(g −1 ) = dμinv (g). Nun stellt sich heraus, dass der Quotient von dμ und dμinv gleich der oben eingeführten modularen Funktion ist:

172

9

Invariante Integration

Lemma 37 Für jedes linksinvariante Maß dμ ist dμinv (g) = m −1 G (g)dμ(g). Zuerst beweisen wir, dass auch dμ (g) = m −1 G (g)dμ(g) rechtsinvariant ist: −1 −1  dμ (gh) = m −1 G (gh)dμ(gh) = m G (g)m G (h)m g (h)dμ(g) = dμ (g).

Deshalb existiert eine positive Konstant C mit dμ = Cdμinv bzw. mit dμ(g) = m G (g)dμ (g) = Cm G (g)dμinv (g).

(9.60)

Wir müssen noch zeigen, dass C = 1 ist. Die folgt unmittelbar aus dμ(g) = Cm G (g)dμ(g −1 ) = C 2 m G (g)m G (g −1 )dμ(g) = C 2 dμ(g). Damit wäre das Lemma bewiesen. Das folgende Korollar wird in Abschn. 11.2.4 gebraucht: Korollar 6 Für eine unimodulare Gruppe ist dμ(g −1 ) = dμ(g) bzw. 



dμ(g) f (g −1 ).

dμ(g) f (g) = G

(9.61)

G

Die Invarianz des Haar-Maßes auf unimodularen Gruppen unter Inversion wird bei der Diskussion der Projektoren in Abschn. 11.2.4 nützlich sein. Beispiel: Modulare Funktion der affinen Gruppe auf R

Die in Abschn. 9.2 diskutierte affine Gruppe ist nicht unimodular, da dμ = const dμr ist. Wir bestimmen hier die modulare Funktion der Gruppe. Unter einer Rechtstranslation (9.20) transformiert das linksinvariante Maß in (9.21) gemäß dμ (α) =

1 1 1 dα1 ∧ dα2 −→ d(β1 α1 ) ∧ d(β2 α1 + α2 ) = dμ (α), (α1 β1 )2 β1 α12

und deshalb ist die modulare Funktion gleich m(β) = 1/β1 . Die inverse Transformation hat die Parameter (1/α1 , −α2 /α1 ), so dass dμ (α −1 ) = −α12 d



1 α1



 ∧d

α2 α1

 =

1 dα1 ∧ dα2 = α1 dμ (α), α1

was genau dem Transformationsverhalten in Lemma 37 entspricht. 

9.7 Aufgaben zu Kap.9

9.7

173

Aufgaben zu Kap. 9

Aufgabe 9.1: Konjugationsklassen von SU(3) Versuchen Sie, die Konjugationsklassen der Lie-Gruppe SU(3) zu charakterisieren. Hinweis: Betrachten Sie die Eigenwerte der Matrizen. Aufgabe 9.2: Invariante Integration auf SU(2) Berechnen Sie das Haarsche Integrationsmaß für SU(2) in der Parametrisierung  U=

cos ϑ eiζ − sin ϑ e iη sin ϑ e−iη cos ϑ e−iζ



und normieren Sie es, so dass Vol(SU(2)) = 1. Aufgabe 9.3: Anti-de-Sitter Gruppe und Anti-de-Sitter Raum Betrachten Sie R5 versehen mit dem metrischem Tensor (ημν ) = η = diag(1, 1, −1, −1, −1). Die Anti-de-Sitter(AdS)-Gruppe SO(3, 2) besteht aus den linearen Abbildungen R5 → R5 , gegeben durch ξ  = ξ , welche die Metrik invariant lassen, T η = η. 1. Der Anti-de-Sitter-Raum mit „Radius“ R ist definiert durch AdS4 = {ξ ∈ R5 |ξ T ηξ = R 2 }. Visualisieren Sie den AdS2 -Raum mit zwei Dimensionen weniger. Dieser ist genauso wie AdS4 definiert, aber in R3 mit Metrik η = diag(1, 1, −1). 2. Die Metrik auf dem AdS4 -Raum ist die von der Einbettung in R5 induzierte Metrik. Bestimmen Sie die Signatur der induzierten Metrik. Es genügt, den einfacheren Fall für R3 mit η = diag(1, 1, −1) zu diskutieren. 3. SO(3,2) wirkt auf dem AdS4 -Raum, SO(3, 2) × AdS4 → AdS4 , (, ξ ) → ξ. Dies ist eine Isometrie auf (R5 , η) und damit auf AdS4 . Zeigen Sie, dass alle Punkte auf dem AdS4 Raum in der Bahn des speziellen Punktes (R, 0, 0, 0, 0) liegen. Was bedeutet dies für die Wirkung von der Gruppe SO(3, 2) auf AdS4 ? 4. Finden Sie (ohne Rechnung) eine geschlossene und zeitartige Geodäte durch den Punkt (R, 0, 0, 0, 0) und eine raumartige Geodäte durch (R, 0, 0, 0, 0).

174

9

Invariante Integration

Aufgabe 9.4: Die nichtkompakte Lie-Gruppe SU(1, 1) Diese Gruppe ist isomorph zu SL(2, R) und tritt auf in der hyperbolischen Geometrie, der Stringtheorie, bei der Quantisierung des Strahlungsfeldes und bei der Parametrisierung von kohärenten Zuständen. 1. Versuchen Sie, eine ähnliche Parametrisierung für SU(1, 1) zu finden wie für SU(2),   ab U= , mit |a|2 − . . . ∗∗ 2. Benutzen Sie die Parametrisierung a = cosh(r ) eiφ , b = sinh(r ) eiψ und extrahieren Sie damit die metrischen Koeffizienten gi j aus ds 2 = 21 Sp (U −1 dU )2 . 3. Wie lauten die linksinvariante Differenzialform ω = U −1 dU und das (invariante) √ Volumenelement dμ = −g dr dφdψ? 4. Wir entwickeln ω = ωr dr + ωφ dφ + ωψ dψ mit Matrizen ωr , ωφ und ωψ . Beweisen Sie   1 Sp (ω ∧ ω ∧ ω) = Sp ωr [ωφ , ωψ ] dr ∧ dφ ∧ dψ 3 und berechnen Sie damit die invariante Volumenform ω3 . 5. Zeigen Sie, dass die Gruppenmannigfaltigkeit von SU(1, 1) gleich dem AdS3 Raum ist. Dessen Einbettung in R4 ist definiert durch AdS3 = {X ∈ R4 | X 12 + X 22 − X 32 − X 42 = 1}. 6. Was lernen Sie daraus über die Fundamentalgruppe von SU(1, 1)? 7. Überzeugen Sie sich davon, dass SU(1, 1) ∼ = SL(2, R). Hinweis: Es existiert eine Matrix C, so dass CU C −1 reell ist für alle U ∈ SU(1, 1). Aufgabe 9.5: Invariantes Maß und Inversenbildung Zeigen Sie, dass das Maß (9.30) die Eigenschaft hat dμ(g −1 ) = ±dμ(g). Hinweis: Es gilt d(g −1 g) = d(gg −1 ) = 0. Aufgabe 9.6: Die Heisenberg-Gruppe Die kleinste Heisenberg-Gruppe enhält die reellen Matrizen der Form ⎛ ⎞ 1x z ⎝0 1 y ⎠ . 001 Zeigen Sie, dass diese Gruppe unimodular ist.

10

Darstellungen von Gruppen

Heutzutage durchdringen gruppentheoretische Methoden – insbesondere solche, die mit Charakteren und Darstellungen arbeiten – alle Zweige der Quantenmechanik. George Mackey

Werden die Elemente einer Gruppe und ihre Gruppenoperationen homomorph auf eine konkrete algebraische Struktur abgebildet, dann sprechen wir von einer Realisierung der Gruppe. Erfolgt diese durch lineare Abbildungen auf einem Vektorraum V , so nennt man sie Darstellung der Gruppe. Man sollte aber zwischen einer Gruppe und ihren Darstellungen unterscheiden. Die Gruppeneigenschaften sind universell und unabhängig von den Darstellungen. Eine Gruppe wird im Allgemeinen viele Darstellungen haben. So lassen sich die Drehungen im euklidischen Raum E 3 durch dreidimensionale Matrizen darstellen; diese sind jedoch nicht die Gruppenelemente selbst, sondern nur eine von unendlich vielen Darstellungen.

10.1

Darstellungen

Meistens treten in der Physik die Darstellungen von Gruppen und weniger die abstrakten Gruppen selbst auf. Z. B. die dreidimensionale Darstellung der Drehgruppe in der klassischen Mechanik oder alle Darstellungen der Drehgruppe, der Lorentz-Gruppe oder der Kristallgruppen in der Quantenmechanik. Einzelne Darstellungen können weitere Eigenschaften (z. B. Unitarität) aufweisen, die für die Gruppe gar nicht existieren. Allerdings können bei einer (nichttreuen) Darstellung Eigenschaften der Gruppe „verloren gehen“.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_10

175

176

10

Darstellungen von Gruppen

Darstellungen sind Realisierungen der Gruppenelemente als invertierbare lineare Abbildungen in GL(V ). Nach Wahl einer Basis im n-dimensionalen Vektorraum V kann GL(V ) mit der allgemeinen linearen Gruppe GL(n,K) identifiziert werden. Definition 38 (Darstellung) Eine Darstellung D einer Gruppe G auf einem linearen Raum V ist ein Gruppenhomomorphismus D : G → G L(V ),

g → D(g).

Eine Darstellung ist ein Homomorphismus

Eine Darstellung respektiert die Gruppenstruktur, D(e) = e,

D(g1 g2 ) = D(g1 )D(g2 ) =⇒ D(g −1 ) = D −1 (g).

(10.1)

Die Dimension des Trägerraums V der Darstellung ist die Dimension der Darstellung D. Eine Darstellung ist eine spezielle Linksgruppenwirkung mit einem linearen Raum als Wirkungsmenge. Entsprechend nennt man eine injektive Darstellung auch treu. Eine treue Darstellung ist ein Gruppenisomorphismus D : G → Bild(G) ≤ GL(V ) mit Kern(D) = e ∈ G. Nach Wahl einer Basis im Trägerraum werden die D(g) zu Matrizen. Es gibt immer die triviale Darstellung, die alle Gruppenelemente auf die Einheitsmatrix abbildet. Dabei geht jegliche Information über die Gruppe verloren. Der andere Extremfall sind die treuen Darstellungen, bei denen keine Information verloren geht. Darstellungen der Diedergruppe D3 Diese Gruppe wurde in Abschn. 2.3 als Decktransformationen des gleichseitigen Dreiecks, dies sind lineare Abbildungen R2 → R2 , eingeführt. Sie wird durch die Drehung c3 mit Winkel ϕ3 = 2π/3 und die Spiegelung σ an einer Symmetrieachse erzeugt und diese sind in Abb. 10.1 skizziert. Tatsächlich betrachten wir eine zweidimensionale Darstellung D2 der durch die Gruppentafel in Abschn. 2.3 definierten abstrakten Gruppe. Es genügt, die Matrizen D2 (g) für erzeugende Elemente zu kennen, da diejenigen der anderen Gruppenelemente mit (10.1) berechnet werden können. Wir wählen eine kartesische Basis e1 , e2 in R2 und setzen (siehe z. B. (5.7)) ei →

 j

e j D ji (g).

10.1 Darstellungen

177

Abb. 10.1 Die Symmetrieoperationen des gleichseitigen Dreiecks

Die Spalten der Matrix (D ji ) ergeben die Bilder der Basisvektoren. Z. B. entspricht der Drehung um 120◦ die Matrix  D2 (c3 ) =

 2π cos ϕ3 − sin ϕ3 , ϕn = sin ϕ3 cos ϕ3 n

(10.2)

und der Spiegelung an der zu e1 Senkrechten durch den Schwerpunkt die Matrix 

 −1 0 D2 (σ ) = . 0 1

(10.3)

Die zweidimensionale Darstellung D2 (der Index kennzeichnet die Dimension der Darstellung) ist treu. Des Weiteren gibt es immer die bereits erwähnte Einsdarstellung D11 D11 (c3 ) = D11 (σ ) = 1 =⇒ D ≡ 1 und die ebenfalls eindimensionale alternierende Darstellung

(10.4) D12

= det D2 (g) mit

D12 (c3 ) = 1 und D12 (σ ) = −1.

(10.5)

Die alternierende Darstellung ordnet Drehungen die 1 und Spiegelungen die −1 zu.

Eindimensionale Determinantendarstellung

Für jede Darstellung g → D(g) ist auch g → det D(g) eine Darstellung: det D(g1 g2 ) = det D(g1 )D(g2 ) = det D(g1 ) det D(g2 ).

178

10

10.2

Darstellungen von Gruppen

Reguläre Darstellung

Die reguläre Darstellung g → R(g) einer endlichen Gruppe enthält alle ihre Darstellungen und ist deshalb wichtig für deren Darstellungstheorie. Man konstruiert diese Darstellung wie folgt: Die n = |G| Spalten der Gruppentafel werden derart umgeordnet, dass das neutrale Element e nur noch auf der Diagonalen auftritt: e g2−1 g3−1 e g2−1 g3−1 g2 e g2 ◦ g3−1 −1 g3 g3 ◦ g2 e .. .. .. . . . gn gn gn ◦ g2−1 gn ◦ g3−1 G e g2 g3 .. .

. . . gn−1 . . . gn−1 . . . g2 ◦ gn−1 . . . g3 ◦ gn−1 .. ... . ...

e

Nun wird dem Element gi diejenige n × n -Matrix R(gi ) zugeordnet, die man erhält, wenn man in der obigen Gruppentafel überall gi durch 1 und die anderen Elemente durch 0 ersetzt. Insbesondere ist R(e) = 1n . Beispiel: Reguläre Darstellung der Diedergruppe D3

Die (umgeordnete) Gruppentafel der Abschn. 2.3 eingeführten D3 hat folgende Form:

Entsprechend werden die Drehung c3 und Spiegelung σv(1) wie folgt dargestellt: ⎞ ⎞ ⎛ ⎛ 001000 000100 ⎜1 0 0 0 0 0 ⎟ ⎜0 0 0 0 1 0⎟ ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ ⎟ ⎜0 1 0 0 0 0⎟ ⎜ ⎟ , R(σ (1) ) = ⎜0 0 0 0 0 1⎟ . R(c3 ) = ⎜ v ⎜0 0 0 0 1 0⎟ ⎜1 0 0 0 0 0 ⎟ ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ ⎝0 0 0 0 0 1⎠ ⎝0 1 0 0 0 0⎠ 000100 001000 

10.2 Reguläre Darstellung

179

Man prüft leicht nach, dass die darstellenden Matrizen im Beispielkasten die Gruppe D3 darstellen, R3 (c3 ) = R2 (σv(1) ) = 16 und R(σv(1) )R(c3 )R(σv(1) )R(c3 ) = 16 .

Nach diesem Beispiel wenden wir uns wieder der allgemeinen Situation zu. Da verschiedene Spalten der Gruppentafel verschiedene Permutationen der Gruppenelemente enthalten, ist die reguläre Darstellung treu. Jede Spalte enthält genau eine Eins und sonst lauter Nullen und hat damit die Norm 1. In verschiedenen Spalten steht die Eins an verschiedenen Stellen, und die Spaltenvektoren sind deshalb senkrecht zueinander. Dies bedeutet, dass alle Darstellungsmatrizen R(g) orthogonal sind. Lemma 38 (Reguläre Darstellung) Die reguläre Darstellung g → R(g) ist eine |G|-dimensionale, orthogonale und treue Darstellung der Gruppe. Beweis Um die Darstellungseigenschaft zu beweisen, notieren wir, dass Rk j (gi ) genau dann 1 ist, wenn gk ◦ g −1 j = gi ist oder wenn gk = gi ◦ g j gilt. Wir folgern gi ◦ g j =

n 

R pj (gi )g p ,

(10.6)

p=1

und mit der Assoziativität der Gruppenverknüpfung folgt gi ◦ (g j ◦ gk ) = gi ◦



R pk (g j )g p =

p

= (gi ◦ g j ) ◦ gk =





R pk (g j )gi ◦ g p =

p



R pk (g j )Rq p (gi )gq

pq

Rqk (gi ◦ g j )gq =⇒ R(gi )R(g j ) = R(gi ◦ g j ).

(10.7)

q

Deshalb ist die Abbildung g → R(g) eine treue Darstellung der Gruppe G in die Gruppe SO(|G|, Z2 ). Äquivalente Darstellungen Zur Beschreibung der Decktransformationen des Dreiecks können wir eine gedrehte Basis f 1 , f 2 benutzen, siehe Abb. 10.2. Die Basen {ei } und { f i } sind durch eine invertierbare lineare Transformation verbunden j

ei = f j S i ,

(10.8)

wobei die Summenkonvention gelten soll. Es folgt, dass die Koordinaten für r = x i ei = y i f i folgendermaßen zusammenhängen: y = Sx.

(10.9)

In der Basis ei werde dem Gruppenelement g die Matrix D(g) zugeordnet, x → D(g)x.

(10.10)

180

10

Darstellungen von Gruppen

Abb. 10.2 Zwei kartesische Basen

Dann gilt ˜ y = Sx → S D(g)x = S D(g)S −1 y ≡ D(g) y.

(10.11)

˜ Wie erwartet, gehen die Darstellungsmatrizen D(g) durch eine Konjugation aus den D(g) hervor, ˜ D(g) = S D(g)S −1 .

(10.12)

Die konjugierten Matrizen stellen die Gruppe ebenfalls dar, ˜ 2 ) = S D(g1 )D(g2 )S −1 = S D(g1 g2 )S −1 = D(g ˜ 1 g2 ), ˜ 1 ) D(g D(g und konjugierte Darstellungen definieren eine Äquivalenzklasse. Äquivalente Darstellungen beschreiben dieselben linearen Abbildungen und sollten identifiziert werden. Ist umgekehrt eine Darstellung gegeben, dann können wir immer unendlich viele äquivalente Darstellungen der Gestalt S D(g)S −1 angeben. Bei der Klassifizierung von Darstellungen kann es sich also nur um die Klassifizierung von inäquivalenten Darstellungen handeln, also Darstellungen, die nicht zueinander konjugiert sind wie in (10.12). Natürliche dreidimensionale Darstellung von D3 Wir geben jetzt noch eine dreidimensionale Darstellung der Diedergruppe D3 an. Diese ist bekanntlich isomorph zur Gruppe der Permutationen von drei Elementen, siehe Tab. 4.1, in unserem Fall der drei Vektoren {e1 , e2 , e3 } einer kartesischen Basis von R3 . Unter c3 geht e1 in e2 , e2 in e3 und e3 in e1 über. Diese Permutation ist eine Drehung um die Achse e1 + e2 + e3 mit Winkel ϕ3 und diese ist links in Abb. 10.3 gezeigt. D3 (σ ) vertausche dagegen e2 und e3 und ist damit eine Spiegelung an der grau schattierten Ebene in Abb. 10.3, aufgespannt durch e1 und e2 + e3 . Man erhält (Dn bezeichnet

10.3 Reduzible und irreduzible Darstellungen

181

Abb. 10.3 Zur dreidimensionalen Darstellung der Diedergruppe D3

eine Diedergruppe und Dn Darstellungen von Gruppen) ⎛ ⎛ ⎞ ⎞ 001 100 D3 (c3 ) = ⎝1 0 0⎠ und D3 (σ ) = ⎝0 0 1⎠ . 010 010

(10.13)

Die restlichen Darstellungsmatrizen können aus denen der erzeugenden Elemente gewonnen werden. Alle Matrizen D3 (g) sind orthogonal und unimodular.

Darstellungen von D3

Die Diedergruppe D3 hat u. a. folgende Darstellungen: • • • • •

10.3

die eindimensionale Einsdarstellung D11 , die eindimensionale alternierende Darstellung D12 , die zweidimensionale Darstellung D2 , die dreidimensionale natürliche Darstellung D3 , die reguläre Darstellung R.

Reduzible und irreduzible Darstellungen

Anhand der dreidimensionalen Darstellung von D3 wollen wir uns dem Begriff einer reduziblen Darstellung nähern. Unter der Drehung D3 (c3 ) und Spiegelung D3 (σ ), und damit unter allen D3 (g), ist der von e1 + e2 + e3 aufgespannte eindimensio-

182

10

Darstellungen von Gruppen

nale Unterraum V1 invariant. Wir normieren den Vektor und ergänzen ihn zu einer orthonormierten Basis 1 f 1 = √ (e1 + e2 + e3 ) , 3

1 f 2 = √ (e2 − e3 ) , 2

1 f 3 = √ (−2e1 + e2 + e3 ) . 6 (10.14) Die Transformation auf die neue Basis geschieht mit einer Drehmatrix S und in der neuen Basis sind die Darstellungsmatrizen D˜ = S DS −1 block-diagonal ⎛

⎛ ⎞ ⎞ 1 0 0 1 0 0 D˜ 3 (c3 ) = ⎝0 cos ϕ3 − sin ϕ3 ⎠ und D˜ 3 (σ ) = ⎝0 −1 0⎠ . 0 sin ϕ3 cos ϕ3 0 0 1

(10.15)

Aufgabe

Bestimmen Sie die Drehmatrix S und bestätigen Sie (10.15). Der Trägerraum der dreidimensionalen Darstellung D3 zerfällt also in zwei orthogonale Teilräume der Dimensionen 1 und 2, V = V1 ⊕ V2 .

(10.16)

Jeder der beiden Unterräume wird von allen D3 (g) in sich abgebildet, D3 : V1 → V1 und D3 : V2 → V2 . Es sind invariante Unterräume der Darstellung. Eingeschränkt auf V1 ist D3 gleich D11 und eingeschränkt auf V2 ist D3 gleich D2 . Man schreibt D3 = D11 ⊕ D2 mit dim D3 = dim D11 + dim D2 .

(10.17)

Dieses einfache Beispiel legt folgende Definition nahe: Definition 39 (Reduzible und irreduzible Darstellungen) Eine Darstellung heißt irreduzibel, falls V keinen echten Teilraum hat, der unter allen D(g) invariant ist. Ist eine Darstellung nicht irreduzibel, dann heißt sie reduzibel. Frage

Warum ist die zweidimensionale Darstellung D2 von D3 irreduzibel? Ausreduktion von Darstellungen Nun wollen wir auf Darstellungen D(g) : V → V von beliebigen Gruppen verallgemeinern. Es sei V1 ein m-dimensionaler echter invarianter Teilraum von V , d. h., für alle g gilt D(g) : V1 → V1 .

10.3 Reduzible und irreduzible Darstellungen

183

Reduzible Darstellung

Wird die Basis so gewählt, dass die ersten m Basisvektoren V1 aufspannen, so haben die Darstellungsmatrizen der reduziblen Darstellung die Gestalt  g → D(g) =

 D1 (g) H (g) , 0 D2 (g)

(10.18)

wobei D1 eine m-dimensionale und D2 eine (n − m)-dimensionale Matrix ist.

Ist speziell H (g) = 0 für alle Gruppenelemente, dann sind die Matrizen blockdiagonal,   D1 (g) 0 , g → D(g) = 0 D2 (g) und die Darstellung zerfällt in zwei Darstellungen D1 und D2 . Man schreibt D = D1 ⊕ D2 . Dieses Verfahren lässt sich möglicherweise fortsetzen, so dass die darstellenden Matrizen in einem geeigneten Koordinatensystem weiter zerfallen: ⎛

⎞ D1 (g) 0 0 . . . 0 ⎜ 0 D2 (g) 0 . . . 0 ⎟ ⎜ ⎟ g → D(g) = ⎜ . .. ⎟ . .. ⎝ .. . . ⎠ 0 0 0 . . . Dm (g)

(10.19)

Die Zerlegung bricht ab, wenn in keinem der invarianten Teilräume V1 , . . . , Vm ein echter invarianter Teilraum existiert. Definition 40 (Vollreduzible Darstellung) Eine Darstellung, die irreduzibel ist oder in lauter irreduzible Darstellungen zerfällt, heißt vollreduzibel. Es gibt Gruppen mit nichtvollreduziblen Darstellungen, für die H (g) nicht verschwindet. Die obigen Darstellungen der Diedergruppe sind aber unitär D † (g) = D −1 (g), und für derartige Darstellungen gilt der Satz 33 (Unitäre Darstellungen) Jede unitäre Darstellung ist vollreduzibel. Beweis Ist D irreduzibel, so ist nichts zu beweisen. Sei also V1 ⊂ V ein echter invarianter Teilraum und W = V1⊥ das unitärorthogonale Komplement von V1 , W = {w ∈ V |(w, V1 ) = 0}.

(10.20)

V1 und sein Komplement spannen V auf und jedes v ∈ V lässt sich als eindeutige Summe eines Vektors aus V1 und eines Vektors aus W schreiben.

184

10

Darstellungen von Gruppen

Es seien v1 und w beliebige Vektoren aus V1 und W . Dann gilt für eine unitäre Darstellung (D(g)w, v1 ) = w, D † (g)v1 = w, D(g −1 )v1 = 0 für alle Gruppenelemente, da D(g −1 )v1 nach Voraussetzung in V1 liegt. Damit liegt mit w auch D(g)w im Unterraum W . Deshalb ist das orthogonale Komplement jedes invarianten Unterraums ebenfalls invariant. Dieses Verfahren kann nun fortgesetzt werden, falls ein echter invarianter Teilraum von W existiert. Schließlich erhält man eine Zerfällung der Darstellung in lauter irreduzible Bestandteile.

10.4

Darstellungen von Gruppen mit Mittelwertbildung

In den meisten Anwendungen der Gruppentheorie in der Physik treten Gruppen mit Mittelwertbildung auf. Dann ist folgende Beobachtung für die Darstellungstheorie relevant:

Skalarprodukt auf L 2 (G)

Die Mittelwertbildung in (9.1) oder (9.2) definiert ein invariantes Skalarprodukt für Funktionen auf der Gruppe ( f 1 , f 2 ) = M f¯1 · f 2 ,

f 1 , f 2 : G → C.

(10.21)

Für endliche und kompakte Gruppen ist die Mittelbildung invariant bezüglich der Links- und Rechtstranslation auf der Gruppe. Aufgabe

Überzeugen Sie sich davon, dass ( f 1 , f 2 ) ein invariantes Skalarprodukt ist. Nun gilt der nützliche Satz 34 Jede Darstellung einer Gruppe mit Mittelwertbildung auf einem Vektorraum mit Skalarprodukt (., .) ist zu einer unitären Darstellung äquivalent. In anderen Worten: Wir können in V immer eine Basis finden, bezüglich der die Matrizen D(g) unitär sind.

10.4 Darstellungen von Gruppen mit Mittelwertbildung

185

Beweis Die dem eleganten Beweis zugrunde liegende Idee der Summe über die Gruppenelemente geht auf A. Hurwitz zurück. Wir bilden folgende quadratische Form auf V :



 h(x) = M D(g)x, D(g)x = x, M D † (g)D(g) x = (x, Qx), x ∈ V .    ≥0

Als Summe von positiven und hermiteschen Formen ist die Form Q positiv und hermitesch, h(x = 0) > 0 und Q = Q † , und aufgrund der Translationsinvarianz der Mittelbildung invariant:



 h D(g)x ˜ = M D(g)D(g)x, ˜ D(g)D(g)x ˜ = M D(g g)x, ˜ D(g g)x ˜ = h(x). Nun benutzen wir noch, dass für jede positive hermitesche Form h(x) eine Basis existiert, bezüglich welcher h die Normalform hat, h(y) =



y¯i yi .

Nach Wahl dieser Basis sind alle darstellenden Matrizen unitär, D † (g) = D −1 (g). Komplex konjugierte, reelle und pseudoreelle Darstellungen Ist D eine beliebige Darstellung einer Gruppe auf einem komplexen Vektorraum, dann erhält man durch komplexe Konjugation der Matrizen g → D ∗ (g)

(10.22)

wieder eine Darstellung. Es ist die komplex konjugierte Darstellung. Der Beweis ist einfach: D ∗ (e) = 1∗ = 1,

D ∗ (g1 g2 ) = (D(g1 )D(g2 ))∗ = D ∗ (g1 )D ∗ (g2 ).

(10.23)

Frage

Warum definieren g → D † (g) und g → D −1 (g) keine Darstellungen? Definition 41 (Reelle und pseudoreelle Darstellungen) Ist eine Darstellung äquivalent zu einer Darstellung mit reellen Matrizen, dann heißt sie reell. Sind die Darstellungen D und D ∗ äquivalent, dann heißt D pseudoreell. Offensichtlich ist jede reelle Darstellung auch pseudoreell. Für eine pseudoreelle Darstellung existiert eine Matrix S mit D ∗ (g) = S D(g)S −1 , f¨ur alle g ∈ G.

(10.24)

186

10

Darstellungen von Gruppen

Man kann beweisen, dass für eine unitäre Darstellung die Matrix S symmetrisch oder antisymmetrisch gewählt werden kann. Dies soll in Aufgabe 10.1 bewiesen werden. Beispiel: Die definierende Darstellung von SU(2) ist pseudoreell

SU(2) wird durch die Matrizen (8.7) definiert, und diese haben die Eigenschaft σ 2 U σ2 = U ∗ ,

(10.25)

was bedeutet, dass die definierende Darstellung pseudoreell ist. Die Matrix S = σ2 ist unitär und antisymmetrisch. Man kann zeigen, dass die Darstellung nicht reell ist. 

10.5

Tensorprodukt von Darstellungen

Es seien D und D˜ zwei Darstellungen auf Vektorräumen V und V˜ der Dimensionen n und n. ˜ Wir wählen Basisvektoren in den Darstellungsräumen und identifizieren Vektoren mit Tupeln. Diese transformieren wie folgt: ˜ x → D(g)x und y → D(g) y.

(10.26)

Wir bilden nun den zweistufigen Tensor t = x ⊗ y mit Komponenten ti p = xi y p . Dieser transformiert gemäß   ˜ ˜ ˜ t = x ⊗ y → [D(g)x] ⊗ D(g) y ≡ (D ⊗ D)(g) t. (x ⊗ y) = (D ⊗ D)(g) Für die Komponenten des Tensors t bedeutet dies ti p = xi y p →

n  n˜   j=1 q=1

  ˜ ˜ D(g)i j D(g) D(g)i j D(g) pq x j yq = pq t jq . (10.27) j,q

Dies ist eine lineare Transformation der n · n˜ Komponenten ti p . Die Tensoren bilden ˜ den n · n-dimensionalen ˜ Vektorraum V ⊗ V˜ und die Matrizen D(g)i j D(g) pq sind die Komponenten der Tensordarstellung D ⊗ D˜ : V ⊗ V˜ → V ⊗ V˜ .

(10.28)

Aufgabe

Überzeugen Sie sich davon, dass das Tensorprodukt D ⊗ D˜ zweier Darstellungen D und D˜ ebenfalls eine Darstellung der Gruppe ist.

10.6 Symmetrische Gruppen

187

Tensorprodukt in angepasster Basis

In expliziten Rechnungen ist es oft nützlich, eine Konvention für die Durchnummerierung der Komponenten von t zu treffen. Wegen ⎞ ⎛ ⎞ ⎞⎛ D11 D˜ D12 D˜ . . . D1n D˜ x1 y x1 y ⎜ x  y ⎟ ⎜ D21 D˜ D22 D˜ . . . D2n D˜ ⎟ ⎜ x2 y ⎟ ⎜ 2 ⎟ ⎜ ⎟ ⎟⎜ ⎜ .. ⎟ = ⎜ . .. .. ⎟ ⎜ .. ⎟ ⎝ ⎝ . ⎠ ⎝ .. ⎠ . ⎠ . .   xn y xn y Dn1 D˜ Dn2 D˜ . . . Dnn D˜ ⎛

(10.29)

gehen (in der gewählten Nummerierung) die Darstellungsmatrizen D(g) ⊗ ˜ D(g) auf einfache Weise aus denen der Darstellungen D und D˜ hervor: Man ˜ multipliziere jedes Matrixelement von D(g) mit der Matrix D(g).

10.6

Symmetrische Gruppen

Die in Abschn. 4.2 eingeführten symmetrischen Gruppen Sn haben zwei eindimensionale Darstellungen. Die triviale Darstellung S : π → 1 und die alternierende Darstellung A : π → sgn(π ), die einer Permutation ihr Signum zuordnet. Die Darstellungen S und A entsprechen den eindimensionalen Darstellungen D11 und D12 der Diedergruppe D3 ∼ = S3 in Abschn. 10.1. Offensichtlich gilt A ⊗ A = S. Korollar 7 Es sei π → D(π ) ∈ L(V ) eine Darstellung der symmetrischen Gruppe. Dann sind der Symmetrisierer und Antisymmetrisierer PS =



D(π ) und PA =

π



sgn(π )D(π )

(10.30)

π

bis auf einen Faktor nilpotent, d. h., PS2 = n! PS , PA2 = n! PA , und erfüllen PS PA = PA PS = 0. Weil π → sign(π ) und π → D(π ) Darstellungen sind, gilt beispielsweise PA2 = =

 π

sgn(π )sgn(π  )D(π )D(π  )

π



sgn(π π  )D(π π  ) = n! PA .

π (ππ  )

Die linearen Operatoren PS und PA sind also Projektoren, die auf Unterräume des Darstellungsraums V projizieren.

188

10

Darstellungen von Gruppen

Frage

Welche Eigenschaft der ungeraden und geraden Permutationen impliziert PS PA = 0? Ähnlich beweist man Lemma 39 Es gilt D(π )PS = PS D(π ) = PS und D(π )PA = PA D(π ) = sgn(π )PA . Z. B. ist D(π )PA =

 π

D(π )sgn(π  )D(π  ) =



sgn(π )sgn(π π  )D(π π  ) = sgn(π )PA .

π

(10.31) Diese Eigenschaften bedeuten, dass PS und PA auf die invarianten Unterräume der trivialen und alternierenden Darstellungen projizieren, D(π )PS v = PS v und D(π )PA v = sgn(π )PA v. In Abschn. 11.2.4 werden wir diese Konstruktion verallgemeinern und Projektoren auf beliebige irreduzible Darstellungen einführen. Dazu braucht es allerdings die Theorie der Charaktere.

10.7

Anwendung: Benzolring in der Hückel-Näherung

Wir betrachten die Decktransformationen des auf der linken Seite in Abb. 10.4 gezeigten Benzolmoleküls C6 H6 . Dabei handelt es sich um ein gleichseitiges Sechseck mit Doppelbindungen – den Benzolring. Die 6 Ecken repräsentieren dabei die CH-Gruppierungen. Die Decktransformationen des Benzolrings sind die 12 Elemente der Diedergruppe

 D6 = c6 , σd | c66 = σd2 = σd c6 σd c6 = e .

(10.32)

Die Näherung von E. Hückel liefert eine einfache und effektive Beschreibung von Molekülorbitalen als Linearkombination von Atomorbitalen. Sie ist eine weitere Vereinfachung der Einelektronen-Näherung, in der sich ein Elektron im mittleren Feld der anderen Elektronen und der Atomkerne bewegt. Beim Benzol identifizieren wir die Eckpunkte 1, . . . , 6 des Benzols (wo die Atomorbitale lokalisiert sind) mit orthonormierten Basisvektoren e1 , . . . , e6 in einem sechsdimensionalen effektiven  Hilbert-Raum. Einem Molekülorbital entspricht ein Zustandsvektor ψ = ψi ei , dessen Koeffizientenfunktionen ψi die Atomorbitale beschreiben. Nach Wahl der Basis identifizieren wir den Zustandsvektor mit der sechskomponentigen Wellenfunktion ψ = (ψ1 , . . . , ψ6 )T ∈ C6 und der Hückel-Hamilton-Operator ist die Summe von identischen effektiven Wechselwirkungsenergien zwischen benachbarten C-Atomen,

10.7 Anwendung: Benzolring in der Hückel-Näherung

189

Abb. 10.4 Benzolring und Erzeugende der Diedergruppe D6

⎛ 0 ⎜1 ⎜ ⎜0 H = −ε ⎜ ⎜0 ⎜ ⎝0 1

1 0 1 0 0 0

0 1 0 1 0 0

0 0 1 0 1 0

0 0 0 1 0 1

⎞ 1 0⎟ ⎟ 0⎟ ⎟. 0⎟ ⎟ 1⎠ 0

(10.33)

Da sich die Nachbarschaftsverhältnisse bei Decktransformationen nicht ändern, vertauscht der Hamilton-Operator H : C6 → C6 mit allen Decktransformationen. Aufgabe

Überzeugen Sie sich davon, dass bis auf ein Vielfaches der Identität H proportional zur diskretisierten zweiten Ableitung auf dem Kreisring ist. Dann dreht, wie in Abb. 10.4 skizziert, c6 das C-Atom im Eckpunkt i in dasjenige in Eckpunkt i + 1 bzw. den Basisvektor ei in den Basisvektor ei+1 (wobei e7 ≡ e1 ist), und die Spiegelung σd vertauscht die Vektoren e2 und e6 bzw. e3 und e5 und lässt die Vektoren e1 und e4 unverändert. Also ist ⎞ ⎞ ⎛ ⎛ 000001 100000 ⎜1 0 0 0 0 0 ⎟ ⎜0 0 0 0 0 1⎟ ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ ⎜0 1 0 0 0 0⎟ ⎜0 0 0 0 1 0⎟ ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ (10.34) D(c6 ) = ⎜ ⎟ , D(σd ) = ⎜0 0 0 1 0 0⎟ . ⎟ ⎜0 0 1 0 0 0⎟ ⎜ ⎝0 0 0 1 0 0⎠ ⎝0 0 1 0 0 0⎠ 000010 010000 Die verbleibenden Darstellungsmatrizen folgen mithilfe der Darstellungseigenschaft.

190

10

Darstellungen von Gruppen

1  cos(2π k) ek , f1 = √ 6 k=1   

(10.35)

Ausreduktion der sechsdimensionalen Darstellung Der eindimensionale Unterraum V1 , aufgespannt von 6

=1

ist invariant unter allen Drehungen und Spiegelungen der Diedergruppe. Eingeschränkt auf V1 ist D die triviale Einsdarstellung D11 . Der dazu senkrechte Vektor 1  cos(π k) ek f2 = √ 6 k=1 6

(10.36)

geht unter der Drehung c6 über in 1  1  cos(π k) ek+1 = √ cos(π k − π ) ek = − f 2 f 2 → √ 6 k=1 6 k=1 6

6

und unter der Spiegelung in f 2 . Also spannt f 2 einen weiteren eindimensionalen invarianten Teilraum V2 auf. Dieser trägt die Darstellung D12 , die c6 in −1 und σd in 1 abbildet. Seien nun 1  cos 23 kπ ek und f3 = √ 3 k=1 6

1  f4 = √ sin 23 kπ ek 3 k=1 6

(10.37)

zwei weitere orthonormierte Basisvektoren. Dann gilt c6 :

f 3 → cos

σd :

f 3 →



3 cos 2π 3

f 3 + sin



3 f 3 − sin 23 π

f4 ,

f 4 → − sin

f4 ,

f 4 →



3 − sin 2π 3

f 3 + cos f 3 − cos

2π 3

f 4,

3

f 4.



Also spannen f 3 und f 4 einen zweidimensionalen invarianten Unterraum V3 auf, der die Darstellung  D21 (c6 ) =

2π cos 2π 3 − sin 3 2π 2π sin 3 cos 3



 und D21 (σd ) =

− sin 2π cos 2π 3 3 2π − sin 3 − cos 2π 3



trägt. Diese ist äquivalent zur Darstellung von D6 durch die Decktransformationen des gleichseitigen ebenen Sechsecks. Schlussendlich ergänzen wir die vier Vektoren f 1 , . . . , f 4 durch die orthonormierten Basisvektoren 1  cos( 13 kπ ) ek und f5 = √ 3 k=1 6

1  f6 = √ sin( 13 kπ ) ek . 3 k=1 6

(10.38)

10.8 Darstellungen und spezielle Funktionen

191

Diese spannen einen weiteren zweidimensionalen invarianten Unterraum V4 auf: c6 : σd :

f 5 → cos( π3 ) f 5 + sin( π3 ) f 6 , f 5 → − cos( π3 ) f 5 + sin( π3 ) f 6 ,

f 6 → − sin( π3 ) f 5 + cos( π3 ) f 6 , f 6 → sin( π3 ) f 5 + cos( π3 ) f 6 .

Der Unterraum V4 trägt die Darstellung 

D22 (c6 )

cos π3 − sin π3 = sin π3 cos π3





und

D22 (σd )

− cos π3 sin π3 = sin π3 cos π3

 .

Die beiden zweidimensionalen Darstellungen sind inäquivalent, da sie unterschiedliche Spuren haben, 2 π Sp D21 (c3 ) = 2 cos 2π 3 = −1 und Sp D2 (c3 ) = 2 cos 3 = 1.

Die Ausreduktion der sechsdimensionalen Darstellung D der Gruppe D6 ergibt D = D11 ⊕ D12 ⊕ D21 ⊕ D22 .

(10.39)

In der angepassten Orthonormalbasis { f 1 , . . . , f 6 } ist der Hamilton-Operator H in (10.33) diagonal, ⎞ ⎛ −2 0 0 0 0 0 ⎜0 200 0 0⎟ ⎟ ⎜ ⎜0 010 0 0⎟ ⎟. ⎜ (10.40) H =⎜ ⎟ ⎜0 001 0 0⎟ ⎝ 0 0 0 0 −1 0 ⎠ 0 0 0 0 0 −1 Der Eigenvektor mit minimaler Energie ist die symmetrische Kombination f 1 ∝  ek . In einer adaptierten Basis ist der mit allen Darstellungsmatrizen vertauschende Hückel-Hamilton-Operator H automatisch diagonal. In Kap. 11 werden wir sehen, dass dies eine allgemeine Eigenschaft von Quantensystemen mit Symmetrien ist.

10.8

Darstellungen und spezielle Funktionen

Wir betrachten nun die Wirkung einer vorerst beliebigen Gruppe G auf einer Menge M (Gruppenwirkungen wurden in Abschn. 5.1 ausführlich diskutiert). Wir wollen annehmen, es handle sich dabei um eine Linkswirkung. Diese induziert eine Darstellung  von G auf dem linearen Raum der Funktionen H = {ψ ∈ Abb(M, C)}. In Anwendungen wird H zusätzliche Strukturen aufweisen, z. B. wird es sich um einen Funktionenraum mit Skalarprodukt handeln, der nach Vervollständigung zu

192

10

Darstellungen von Gruppen

einem Hilbert-Raum wird. Für die Quantenmechanik relevante Beispiele werden in den anschließenden Unterabschnitten besprochen.

Gruppenwirkungen auf M definieren Darstellungen auf H = Abb(M, C)

G wirke von links mit auf der Menge M. Dann definiert die Abbildung g −→ g mit g : H → H, g ψ = ψ ◦ −1 g

(10.41)

eine Darstellung von G auf dem linearen Raum H.

Die Abbildungen g : H → H sind linear und e ist der Einheitsoperator, weil e die Identität ist. Zum Beweis der Homomorphie-Eigenschaft benötigen wir die Eigenschaften von Linkswirkungen, wie sie in Abschn. 5.1 besprochen wurden. Es gilt   −1 −1 −1 ψ ◦ = g g ψ, = ψ ◦ ◦ =  gg ψ = ψ ◦ −1    g g gg g g

(10.42)

woraus die Eigenschaft gg = g g folgt. Im Allgemeinen wird die Darstellung g → g invariante Teilräume in H haben. Auf einem invarianten Teilraum, aufgespannt durch Funktionen ψ1 , . . . , ψn , haben die g die Form g ψi =

n 

ψ j D ji (g), g ∈ G,

(10.43)

j=1

wobei auch die Matrizen D die Gruppe G darstellen, 

ψ j D ji (gg  ) = gg ψi = g g ψi = g

j

=



 k



ψ j D jk (g)Dki (g ) =

jk



ψk Dki (g  ) ψ j D(g)D(g  ) ji .

j

Somit gilt D(e) = 1 und D(gg  ) = D(g)D(g  ), und deshalb ist D eine Darstellung von G. Für eine transitive Gruppenwirkung können wir ein festes p0 wählen und jeden Punkt p auf M mit diesem Punkt verbinden, p0 = g ( p), und erhalten ψi ( p) = (g ψi )( p0 ) =

 j

ψ j ( p0 )D ji (g).

(10.44)

10.8 Darstellungen und spezielle Funktionen

193

Ist nun h aus der Stabilisator-Untergruppe N p0 von p0 , dann ist h ( p0 ) = p0 und ψi ( p0 ) = (h ψi )( p0 ) =



ψ j ( p0 )D ji (h), h ( p0 ) = p0 .

(10.45)

j

Deshalb ist das n-Tupel mit den Komponenten ψi ( p0 ) ein Linkseigenvektor der Matrizen {D(h)|h ∈ N p0 } zum Eigenwert 1. Wirken wir nun mit der linearen Abbildung g auf die letzte Relation und benutzen (10.43) sowie −1 g ( p0 ) = p, dann ergibt sich  ψ j ( p)D ji (ghg −1 ). (10.46) ψi ( p) = j

In Anwendungen ist G die Symmetriegruppe eines physikalischen Systems, und in dieser Situation kommutieren die g mit dem Hamilton-Operator H des quantisierten Systems. Die Diagonalisierung von H wird dann einfacher, wenn man die der Symmetrie angepassten speziellen Funktionen ψi benutzt.

10.8.1 Kugelflächenfunktionen und SO(3)-Darstellungen Wir beginnen mit einer Eigenfunktionen ψ(x) des Laplace-Operators: − Δψ = λψ,

Δ=

 3   ∂ 2 . ∂ xi

(10.47)

i=1

Dieser elliptische Operator und sein Eigenwertproblem tritt in zahlreichen Problemen der Mechanik, Elektrostatik und Quantenmechanik auf. Frage

Warum ist der Eigenwert λ reell und nichtnegativ? Für jede Lösung ψ(x) der Eigenwertgleichung ist auch die transformierte Funktion ψ  (x) = ( R ψ)(x) = ψ(R −1 x)

(10.48)

mit R ∈ SO(3) ein Lösung zum selben Eigenwert. Zum Beweis machen wir Gebrauch von Lemma 40 (Drehinvarianz des Laplace-Operators) Der Laplace-Operator vertauscht mit allen  R , d. h. Δ  R =  R Δ,

R ∈ SO(3).

(10.49)

194

10

Darstellungen von Gruppen

Um das Lemma zu beweisen, setzen wir Rx = y, oder in Komponenten geschrieben yi =

 j

Ri j x j mit

 ∂ ∂ = R pi , ∂ xi ∂ yp p

(10.50)

und benutzen die Kettenregel sowie Orthogonalität von R in  R pi Rqi ∂ y p ∂ yq ψ( y) ( R Δx  −1 R ψ)(x) =  R Δx ψ( y) =  R i, p,q

=  R Δ y ψ( y) = (Δx ψ)(x). Damit folgt nun obige Aussage in der Form  R Δ −1 R = Δ. Es folgt auch, dass jedes  R eine Eigenfunktion des Laplace-Operators in eine Eigenfunktion zum selben Eigenwert abbildet. Dazu wirken wir mit  R auf die Eigenwertgleichung (10.47) und finden  R Δψ = Δ( R ψ) = −λ( R ψ).

(10.51)

Die Drehungen x → Rx definieren eine Wirkung von SO(3) auf und nach unserer allgemeinen Diskussion ist dann R →  R eine Darstellung der Gruppe. R3

Aufgabe

Prüfen Sie direkt nach, dass ( R  R ψ)(x) = ( R   R ψ)(x) gilt. Man beachte, dass auf der rechten Seite R −1 auf x wirkt und nicht auf das Argument R −1 x der Funktion  R ψ. Die  R sind sogar unitäre Operatoren im Hilbert-Raum H = L 2 (R3 ),   x=R y 3 ∗ d3 x φ ∗ ( y)ψ( y) = (φ, ψ). ( R φ,  R ψ) = d x ( R φ) (x)( R ψ)(x) = (10.52) Im letzten Schritt machten wir von der Drehinvarianz des Maßes d3 x Gebrauch. Der Operator Δ vertauscht also mit den unitären Operatoren  R , die den Drehungen zugeordnet sind – man sagt, er ist drehinvariant – ähnlich dem Hückel-Operator (10.33), der mit den Darstellungsmatrizen seiner Symmetriegruppe D6 vertauscht. In Aufgabe 10.7 zeigen wir, dass auch ein Hamilton-Operator H = −Δ + V (r ) mit r = |x| drehinvariant ist. Die Länge von x ändert sich bei Drehungen nicht und die Orbits der SO(3)Wirkung auf R3 sind Kugeloberflächen. Wir dürfen also annehmen, dass ψ eine komplexe Funktion auf einer Kugeloberfläche ist, auf der SO(3) dann transitiv wirkt. Wir wählen den Radius 1 und betrachten Funktionen auf der Einheitssphäre S 2 ⊂ R3 . Das Skalarprodukt ist ⎛ ⎞  2π  π sin θ cos ϕ x (φ, ψ) = dϕ dθ sin θ φ ∗ ( xˆ )ψ( xˆ ), xˆ = = ⎝ sin θ sin ϕ ⎠ . r 0 0 cos ϕ (10.53)

10.8 Darstellungen und spezielle Funktionen

195

Dann gilt das folgende Korollar 8 (Unitäre Darstellung von SO(3) auf L2 (S 2 )) Die Abbildung R →  R in (10.48) definiert eine unitäre Darstellung der Drehgruppe auf dem Hilbert-Raum L 2 (S 2 ) der quadratintrierbaren Funktionen S 2 → C. Es ist eine unendlichdimensionale Darstellung auf L 2 (S 2 ). Diese ist vollreduzibel. Z. B. definiert die auf Eins normierte konstante Funktion 1 Y00 = √ 4π

(10.54)

einen eindimensionalen invarianten Teilraum von L 2 (S 2 ), der die triviale Darstellung trägt. Homogene Polynome in x1 , x2 , x3 als invariante Teilräume Wir betrachten die Darstellung  R auf dem linearen Raum H der Polynome in den reellen Variablen x1 , x2 , x3 . Wenn man |x| = 1 verlangt, dann definieren Polynome normierbare Funktionen im Hilbert-Raum L 2 (S 2 ). Drehungen x → Rx sind lineare Abbildungen und ändern den Grad eines homogenen Polynoms in den Variablen xi nicht. Z. B. spannen die homogenen Polynome x1 , x2 , x3 vom Grad 1 oder die drei Linearkombinationen   3 3 ±iϕ Y10 = sin θ ∝ ±(x1 ± x2 ) (10.55) cos θ ∝ x3 , Y1±1 = e 4π 8π einen dreidimensionalen invarianten Teilraum von H auf. Es sind die aus Elektrodynamik und Quantenmechanik bekannten Kugelflächenfunktionen zum Bahndrehimpuls  = 1. Ein Polynom ist eine Linearkombination von Monomen und die Anzahl Monome p p p x1 1 x2 2 x3 3 vom Grad  = p1 + p2 + p3 ist gleich   +2 ( + 2)( + 1) = . 2 2

(10.56)

Das konstante Monom 1 vom Grad 0 spannt einen einimensionalen invarianten Teilraum von H auf, der die triviale SO(3)-Darstellung D 0 trägt. Die Monome x1 , x2 , x3 vom Grad 1 spannen einen dreidimensionalen invarianten Teilraum auf, der die Darstellung D 1 trägt. Die Monome xi x j vom Grad 2 spannen einen sechsdimensionalen invarianten Teilraum auf. Dieser ist aber reduzibel, da das Polynom x 2 = 1 einen eindimensionalen invarianten Unterraum aufspannt, der die triviale Darstellung D 0 trägt. Die verbleibenden 5 Polynome xi x j −

1 2 1 x = xi x j − 3 3

(10.57)

196

10

Darstellungen von Gruppen

transformieren nach einer fünfdimensionalen irreduziblen Darstellung D 2 von SO(3). Etwas allgemeiner, wenn wir bei einem Monom vom Grad  zwei Indizes kontrahieren, z. B.  xi1 xi2 xi3 · · · xi → xi xi xi3 · · · xi = xi3 · · · xi , (10.58) i

dann liegen die kontrahierten Monome im invarianten Teilraum der homogenen Polynome vom Grad  − 2. So kann man bei den 15 Monomen vom Grad 4 ein Paar von Indizes kontrahieren und erhält die 5 unabhängigen Monome der irreduziblen Darstellung D 2 , oder man kann zwei Paare kontrahieren und erhält das konstante Monom der Darstellung D 0 . Es gibt also 15 − 5 − 1 = 9 Monome vom Grad 4, die eine irreduzible Darstellung tragen. Allgemeiner findet man folgende iterative Beziehung für die Dimensionen der irreduziblen Darstellungen dim D  + dim D −2 + dim D −4 + · · · =

( + 1)( + 2) , 2

(10.59)

mit den bekannten Dimensionen der Darstellungen D 0 , D 1 und D 2 . Daraus folgt, dass die homogenen Polynome vom Grad  eine irreduzible Darstellung D  der Dimension dim D  = 2 + 1 tragen. Die Kugelflächenfunktionen Ym

(10.60)

sind komplexe Linearkombinationen dieser

2 + 1 Monome.

10.8.2 Darstellungen von SU(2) auf L2 (C2 , ρ) Darstellungen der unitären Gruppe SU(2) beschafft man sich relativ einfach auf dem linearen Raum der Funktionen von zwei komplexen Variablen, ψ(ζ ) mit ζ = (z 1 , z 2 )t ∈ C2 , versehen mit dem Skalarprodukt 

2 1  2 2 d¯z i dz i e−|z 1 | −|z 2 | . (2π )2 i=1 (10.61) Bezüglich dieses gewichteten Skalarprodukts haben Polynome eine endliche Norm. Wir berechnen das Skalarprodukt zweier Monome pab = z 1a z 2b und pcd in Polarkoordinaten,

(φ, ψ) =

dμ(ζ ) φ ∗ (ζ )ψ(ζ ) mit dμ = −

z i = xi + iyi = ρi eiϕi mit d¯z i dz i = 2iρi dρi dϕi .

(10.62)

Man findet für das Skalarprodukt   1 2 2 ( pab , pcd ) = 2 dρ1 dρ2 ρ11+a+c ρ21+b+d e−ρ1 −ρ2 dϕ1 dϕ2 eiϕ1 (c−a)+iϕ2 (d−b) π  = δac δbd dxdy x a y b e−x−y = a!b! δac δbd .

10.8 Darstellungen und spezielle Funktionen

197

Dies bedeutet, dass die homogenen Polynome   z1 z2 1 3 mit j ∈ 0, , 1, , . . . 2 2 [( j + m)!( j − m)!]1/2 j+m j−m

j

vm (ζ ) =

(10.63)

und m = j, j −1, . . . , − j bezüglich des Skalarprodukts (10.61) orthonormiert sind. j Für ein festes j bilden die 2 j + 1 Polynome vm eine Basis im Raum der homogenen Polynome vom Grad 2 j. Obwohl j und m halbganz sein können, sind die Exponenten in N0 . Die Gruppe wirkt mit U (ζ ) = U ∗ ζ von links auf die Menge C2 , wobei wir der üblichen Konvention folgend U ∗ anstelle von U wählen. Dies ist erlaubt, weil U → U ∗ die Gruppe SU(2) darstellt. Wir betrachten also die Darstellung   a b , |a|2 + |b|2 = 1 (10.64) (U ψ)(ζ ) = ψ U ∗−1 ζ = ψ U T ζ , U = −b¯ a¯ auf dem Raum H = Abb(C2 , C). Aufgabe

Überzeugen Sie sich davon, dass U : H → H mit Skalarprodukt (10.61) unitär ist. Der Beweis ähnelt dem Beweis der Unitärität der Operatoren  R auf L 2 (R3 ). j

Die homogenen Polynome vm vom Grad 2 j spannen einen invarianten Teilraum auf, d. h. j

j 

j

(U vm )(ζ ) = vm (U T ζ ) =

m  =− j

j

j

vm  Dm  m (U )

(10.65)

mit (2 j + 1)-dimensionalen Matrizen D j (U ), welche die Gruppe SU(2) darstellen. j Da die U unitär und die vm orthonormiert sind, sind die Darstellungsmatrizen unitär. j Die Funktionen vm mit negativen m können aus denen mit positiven m gewonnen werden, j

j

v−m (z 1 , z 2 ) = vm (z 2 , z 1 ),

(10.66)

und es genügt, die Basisfunktionen mit m ≥ 0 anzugeben. Für die Darstellung mit j = 1/2 erhält man folgende Monome und zweidimensionale Darstellung: 1/2

v1/2 = z 1 ⇒ D 1/2 (U ) = U .

(10.67)

Es ist die definierende Darstellung. Für j = 1 findet man folgende Monome und unitäre Darstellungsmatrizen √ ⎞ 2 a 2ab √b2 √ v11 = √ , v01 = z 1 z 2 ⇒ D 1 (U ) = ⎝− 2a b¯ a a¯√− bb¯ 2ab ¯ ⎠. 2 2 ¯ ¯b2 − 2a¯ b a¯ ⎛

z 12

(10.68)

198

10

Darstellungen von Gruppen

Die Einheitsmatrix in SU(2) hat Koordinaten a = 1 und b = 0 und für diese Koordinaten ist auch D 1 die Einheitsmatrix, so dass D 1 (12 ) = 13 gilt. Diese dreidimensionale Darstellung ist ähnlich zu einer reellen orthogonalen Darstellung, wie in Abschn. 12.2.1 bewiesen wird. Diese reelle Form ist die Darstellung (8.17) durch die eigentlichen Drehungen R(U ) ∈ SO(3). Für j = 3/2 findet man folgende Monome und Darstellungsmatrizen z3 z 12 z 2 3/2 3/2 ⇒ D 3/2 (U ) v3/2 = √1 , v1/2 = √ 6 2 √ √ 2 ⎛ 3 3 ⎞ 3a b 3ab2 a √ 2 √b 2 ⎜− 3a b¯ a(aa ¯ ¯ ¯ ⎟ ¯ − 2bb) b(2a a¯ − bb) ⎟ √ √3ab =⎜ 2 b⎠ . ⎝ 3a b¯ 2 b(−2a ¯ ¯ ¯ 3 a ¯ a ¯ + b b) a(a ¯ a ¯ − 2b b) √ √ −b¯ 3 3a¯ b¯ 2 − 3a¯ 2 b¯ a¯ 3 Um die Unitarität der Matrix nachzuprüfen, benutzt man die Bedingung |a|2 + |b|2 = 1. Die Spuren der Darstellungsmatrizen In Kap. 11 werden wir die Spuren der Darstellungsmatrizen D j (U ) benötigen. Es ist erstaunlich einfach, diese zu berechnen. Wir beginnen mit den diagonalen SU(2)j Matrizen Ud = diag(eiϑ , e−iϑ ), welche die Monome vm auf sich abbilden, j

j

Ud vm = e2imϑ vm , m = j, j − 1, . . . , − j,

(10.69)

und entsprechend auf diagonale Darstellungsmatrizen D j führen, D j (Ud ) = diag e2i jϑ , e2i( j−2)ϑ , . . . , e−2i jϑ .

(10.70)

Jedes unitäre U kann mit einer unitären Matrix V diagonalisiert werden, U = V Ud V −1 . Da D j eine (unitäre) Darstellung ist, diagonalisiert dann auch D j (V ) die Darstellungsmatrix D j (U ). Dies bedeutet, dass D j (U ) zur diagonalen Matrix D j (Ud ) in (10.70) konjugiert ist, worin e±iϑ die Eigenwerte von U sind. Daraus folgt nun die Spurformel Sp D j (U ) = Sp D j (Ud ) =

2j  m=−2 j

e2imϑ =

sin(2 j + 1)ϑ . sin ϑ

(10.71)

Im folgenden Kapitel werden wir diese Spuren verwenden, um zu zeigen, dass die Darstellungen D j irreduzibel sind. Die irreduziblen Darstellungen der quantenmechanischen Lorentz-Gruppe SL(2, C) gewinnt man analog wie für SU(2), und die Darstellungen der Dimensionen 2, 3 und 4 werden in Aufgabe 10.9 bestimmt. Für jede Dimension gibt es sogar zwei inäquivalente Darstellungen, und diese sind nicht unitär.

10.9 Aufgaben zu Kap.10

10.9

199

Aufgaben zu Kap. 10

Aufgabe 10.1: Komplex konjugierte Darstellung Sei g → D(g) eine Darstellung. Im Haupttext wurde gezeigt, dass dann auch g → D ∗ (g) eine Darstellung ist. • D sei irreduzibel und äquivalent zur komplex konjugierten Darstellung, d. h. es gibt ein S mit D ∗ (g) = S D(g)S −1 . Zeigen Sie, dass dann SS ∗ = λ1 gilt. • Zeigen Sie weiterhin, dass für eine unitäre Darstellung S entweder symmetrisch oder antisymmetrisch ist und SS † = λ 1 gilt. Aufgabe 10.2: Die Summe von Darstellungen Es seien V1 und V2 zwei Vektorräume und V1 ×V2 ihr kartesisches Produkt, bestehend aus den Paaren (v1 , v2 ) mit vi ∈ Vi . Skalare Multiplikation und Addition sind in V1 × V2 wie folgt definiert: λ(v1 , v2 ) := (λv1 , λv2 ), (v1 , v2 ) + (v1 , v2 ) := (v1 + v1 , v2 + v2 ). • V1 und V2 seien mit Skalarprodukten versehen. Beweisen Sie nun, dass   (v1 , v2 ), (v1 , v2 ) := v1 , v1 V1 + v2 , v2 V2 ein Skalarprodukt auf V1 × V2 ist. Der Vektorraum V1 × V2 , versehen mit diesem Skalarprodukt, ist die direkte Summe und wird mit V1 ⊕ V2 bezeichnet. • Zeigen Sie, dass {em } ∪ { f n } eine orthonormale Basis von V1 ⊕ V2 definiert, wenn {em } und { f n } orthonormale Basen in V1 und V2 sind. Was folgt daraus für die Dimension von V1 ⊕ V2 ? • Seien D1 und D2 zwei Darstellungen der Gruppe G auf Vektorräumen V1 und V2 . Zeigen Sie, dass dann g → D1 (g) ⊕ D2 (g), mit (D1 (g) ⊕ D2 (g)) (v1 , v2 ) = (D1 (g)v1 , D2 (g)v2 ) eine Darstellung der direkten Summe V1 ⊕ V2 ist. Aufgabe 10.3: Ein nützliches Theorem Eine Darstellung heißt treu, wenn der Homomorphismus D : G → GL(V ) injektiv ist und deshalb verschiedene Gruppenelemente auf verschiedene Matrizen abgebildet werden. Beweisen Sie das folgende Theorem: 1. Hat die Gruppe G einen nichttrivialen Normalteiler N  G, dann ist eine Darstellung der Faktorgruppe G/N auch eine Darstellung von G. Diese ist aber nicht treu. 2. Umkehrung: Ist D eine nichttreue Darstellung, dann hat G mindestens einen Normalteiler, so dass D eine treue Darstellung der entsprechenden Faktorgruppe ist.

200

10

Darstellungen von Gruppen

Aufgabe 10.4: Rotationen von Wellenfunktionen Wir betrachten die Wellenfunktion eines Teilchens ψ(x) ∈ L 2 (R3 ) im Ortsraum. Unter Drehungen transformiert die Wellenfunktion gemäß (10.48). Beweisen Sie, dass R →  R eine unitäre Darstellung von SO(3) auf dem Hilbert-Raum L 2 (R3 ) ist. Da sich der Radius r = |x| bei Drehungen nicht ändert, können wir r = 1 setzen und  R als Transformation auf L 2 (S 2 ) auffassen. Welche Unterräume trägt die eindimensionale bzw. dreidimensionale irreduzible Darstellung? Aufgabe 10.5: Tensorprodukt 1 Seien R1 , R2 orthogonale Matrizen. Man zeige, dass ihr Tensorprodukt R1 ⊗ R2 ebenfalls eine orthogonale Matrix ist. Aufgabe 10.6: Tensorprodukt 2 Seien A, B quadratische Matrizen. Beweisen Sie die Eigenschaften tr(A ⊗ B) = tr(A)tr(B) und det(A ⊗ B) = (det A)m (detB)n , wobei n und m Dimensionen der Matrizen A und B sind. Aufgabe 10.7: Drehinvariante Hamilton-Operatoren Beweisen Sie, dass der Hamilton-Operator H =−

2 Δ + V (r ), r = |x| 2m

drehinvariant ist, d. h., dass [ R , H ] = 0 gilt. Aufgabe 10.8: Spin-2-Darstellung von SU(2) In Abschn. 10.8.2 wurden die Darstellungen mit Drehimpuls j = 21 , 1, 23 konstruiert. Versuchen Sie nun, die Darstellungmatrizen der fünfdimensionalen Darstellung mit j = 2 zu berechnen. Sie sollten folgende Matrix erhalten: √ 2 2 ⎞ 2a 3 b 2ab3 b4 6a b a4 √ 2 ¯ − bb) ¯ ¯ ¯ ⎜ −2a 3 b¯ a 2 (aa 6ab(aa ¯ − bb) ¯ 3 ⎟ ⎟ ⎜√ √b (3aa √ ¯ − 3bb) √2ab 2 b¯ 2 − 6a b( ¯ aa ¯ ¯ 2 ¯ D 2 (U ) = ⎜ 6a ¯ − bb) ( aa ¯ − bb) 6 ab( ¯ aa ¯ − bb) 6 a¯ 2 b2 ⎟ ⎟. ⎜ √ ⎝ −2a b¯ 3 ¯ ¯ aa ¯ ¯ b¯ 2 (3aa ¯ − bb) − 6√ a¯ b( ¯ − bb) a¯ 2 (aa ¯ − 3bb) 2a¯ 3 b ⎠ b¯ 4 a¯ 4 −2a¯ b¯ 3 −2a¯ 3 b¯ 6a¯ 2 b¯ 2 ⎛

Aufgabe 10.9: Spin-2-Darstellung von SL(2, C) Darstellungen der quantenmechanischen Lorentz-Gruppe SL(2, C) konstruiert man ähnlich wie die der quantenmechanischen Drehgruppe SU(2) auf dem Raum der ˜ der Gruppe auf Funktionen C2 → C. Man beginnt mit der Wirkung A (ζ ) = Aζ 2 C . Es ist von Vorteil, hier die zur definierenden Darstellung A äquivalente Darstellung A˜ = σ2 Aσ2 zu bemühen und entsprechend die Darstellung auf Abb(C2 , C) gemäß

10.9 Aufgaben zu Kap.10

  z ( A ψ)(ζ ) = ψ A˜ −1 ζ , ζ = 1 , z2

201

A=

  ab , ad − bc = 1 cd

einzuführen. j

1. Wähle die Basis vm von Monomen in (10.63) und definiere die Darstellungsmatrizen für  A wie in (10.65). Zeige, dass für j = 21 , 1, 23 die Darstellungsmatrizen folgende Formen haben: √ ⎛ 2 ⎞   a 2ab √b2 √ ab ⎠, , D 1 (A) = ⎝ 2ac ad D 1/2 (A) = √+ bc 2bd cd 2 2 c 2cd d √ √ 2 ⎛ 3 2 3 ⎞ 3a b 3ab √b 2 √a 2 ⎜ 3a c a(ad + 2bc) b(2ad + bc) 3b d ⎟ ⎟ √ √ D 3/2 (A) = ⎜ ⎝ 3ac2 c(2ad + bc) d(ad + 2bc) 3bd 2 ⎠ . √ √ 2 c3 3c d 3cd 2 d3 2. 3. 4. 5.

Haben diese Matrizen die Determinante 1? Prüfen Sie explizit nach, dass D 1 eine Darstellung ist. Sind obige Darstellungen von SL(2, C) unitär? Dies sind noch nicht alle irreduziblen Darstellungen. Die fehlenden Darstellungen erhält man, wenn man die komplex konjugierten Darstellungen dazunimmt. Warum sind D j (A)∗ und D j (A) inäquivalente Darstellungen von SL(2, C), aber D j (U ) und D j (U )∗ äquivalente Darstellungen von SU(2)? Hinweis: Die Aufgabe bedingt etwas aufwendigere Routinerechnungen, wofür man ein algebraisches Computerprogramm einsetzen kann. Versuchen Sie, eines zu benutzen.

Aufgabe 10.10: Darstellungen von SU(3) Wir übertragen die Konstruktion von unitären Darstellungen von SU(2) auf SU(3). Dazu betrachten wir Monome pabc (ζ ) = z 1a z 2b z 3c , ζ = (z 1 , z 2 , z 3 )t ∈ C3 .

(10.72)

1. Zeigen Sie, dass bezüglich des Skalarprodukts  (φ, ψ) =

dμ(ζ ) φ ∗ (ζ )ψ(ζ ) mit dμ =

3  1 2 2 2 d¯z i dz i e−|z 1 | −|z 2 | −|z 3 | (2π i)3 i=1

obige Monome orthogonal sind, ( pabc , pde f ) = a!b!c! δad δbe δc f . 2. Definieren Sie nun ähnlich wie für SU(2) folgende Darstellung auf H = Abb(C3 , C), (U ψ)(ζ ) = ψ(U T ζ ), ζ ∈ C3 , U ∈ SU(3).

202

10

Darstellungen von Gruppen

3. Überzeugen Sie sich, dass die homogenen Polynome vom Grad n eine (n + 1)(n + 2)-dimensionale Darstellung bilden. Sie erhalten also ein-, drei-, sechs-, zehn. . . -dimensionale Darstellungen. 4. Warum gibt es zu jeder dieser Dimensionen zwei inäquivalente Darstellungen? Bemerkung: Auf diese einfache Art gewinnt man nicht alle irreduziblen Darstellungen. Z. B. fehlt die achtdimensionale adjungierte Darstellung (siehe Abschn. 14.1.3).

11

Charaktere und Lemma von Schur

Lemmas machen die Arbeit in der Mathematik: Sätze, wie das Management, kassieren einfach die Lorbeeren Paul Taylor

Die Darstellungstheorie von Gruppen kann entweder mit Hilfe der Theorie der Charaktere oder für Lie-Gruppen mit der Differenziation beim Einselement – diese führt auf die zur Lie-Gruppe gehörende Lie-Algebra – entwickelt werden. In diesem Kapitel folgen wir dem ersten Zugang, der auf Arbeiten von Ferdinand Frobenius und seinem Studenten Issai Schur sowie William Burnside und Richard Brauer fußt. Die wichtigen Beiträge dieser Pioniere der Darstellungstheorie werden in [50] gewürdigt. Anwendungen der Theorie der Charaktere in der Quantentheorie finden sich bereits im Buch von Hermann Weyl [1]. Viele Werke behandeln die Theorie (siehe z. B. [51]) und ihre Anwendungen [11,15,52]. Der Charakter einer Darstellung ist eine Klassenfunktion, d. h. eine Funktion f : G → C, die auf jeder Konjugationsklasse konstant ist. Diese Funktionen wurden bei der Diskussion von reduzierten Haar-Maßen in Abschn. 9.1 eingeführt. Wir werden sehen, dass die Charaktere der irreduziblen Darstellungen eine Basis im linearen Raum der Klassenfunktionen definieren.

11.1

Charakter einer Darstellung

Es kann schwierig sein, die explizite Ausreduktion einer gegebenen Darstellung zu finden. In diesem Kapitel werden wir zeigen, dass eine Darstellung D allein durch die Spuren der Matrizen D(g) charakterisiert wird, und dies wird die Ausreduktion

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_11

203

204

11

Charaktere und Lemma von Schur

deutlich erleichtern. Da es nur auf die Spuren ankommt, genügt es, eine Tabelle der Spuren für die irreduziblen Darstellungen aufzustellen. Definition 42 (Charakter) Der Charakter einer Darstellung g → D(g) ist die Klassenfunktion χ D (g) = Sp D(g).

(11.1)

Jede Darstellung hat also ihren eigenen Charakter χ D und dieser ist eine Klassenfunktion:     χ D aga −1 = Sp D aga −1 = Sp D(a)D(g)D −1 (a) = Sp D(g) = χ D (g). (11.2) Wir machten dabei von Sp AB = Sp B A Gebrauch. Satz 35 (Charaktere) Charaktere haben folgende Eigenschaften: 1. 2. 3. 4.

Äquivalente Darstellungen haben denselben Charakter. Die Dimension der Darstellung D ist χ D (e). ∗ (g). Für unitäre Darstellungen gilt χ D (g −1 ) = χ D Für D = D1 ⊕ D2 ⊕ · · · ⊕ Dr ist χ D = χ D1 + · · · + χ Dr .

Die erste Eigenschaft ist äquivalent zur bekannten Tatsache, dass sich die Spur bei einer Ähnlichkeitstransformation nicht ändert. Die zweite folgt aus Sp D(e) = Sp 1 = dim V und die dritte aus der Unitarität der Darstellungen einer Gruppe mit Mittelbildung:     ∗ (g). χ D g −1 = Sp D g −1 = Sp D −1 (g) = Sp D † (g) = χ D

(11.3)

Somit sind für Gruppen, in denen jedes Element zu seinem Inversen ähnlich ist, die Charaktere reell. Die letzte Eigenschaft im Satz ist in einer Basis, in der die D(g) blockdiagonal sind, evident: ⎞ D1 (g) 0 0 . . . 0 ⎜ 0 D2 (g) 0 . . . 0 ⎟ ⎟ ⎜ =⎜ . .. ⎟ . .. ⎝ .. . . ⎠ 0 0 0 . . . Dr (g) ⎛

S D(g)S −1

(11.4)

Ähnlich wie der Charakter einer direkten Summe die Summe der Charaktere ist, ist der Charakter des Tensorprodukts von Darstellungen das Produkt der Charaktere dieser Darstellungen. Dies folgt unmittelbar aus der expliziten Form (10.29) von ˜ D ⊗ D:  

Dii Sp D˜ = Sp D Sp D˜ = χ D · χ D˜ . (11.5) χ D⊗ D˜ = Sp D ⊗ D˜ = i

11.2 Das Lemma von Schur

205

Da ein Charakter nicht von der Wahl der Basis abhängt, folgt der Satz 36 (Charakter des Tensorprodukts) Der Charakter des Tensorproduktes zweier Darstellungen ist gleich dem Produkt ihrer Charaktere. Beispiel: Charaktere von D3

Die Darstellungsmatrizen der Darstellung D2 für die erzeugenden Elemente c3 und σ sind in (10.2) und (10.3) gegeben. Ihr Tensorprodukt D2 ⊗ D2 ist gegeben durch −D2 (σ ) 0 cos ϕ3 D2 (c3 ) − sin ϕ3 D2 (c3 ) , σ → . c3 → sin ϕ3 D2 (c3 ) cos ϕ3 D2 (c3 ) 0 D2 (σ ) In Einklang mit Satz 35 finden wir χ D2 ⊗D2 (c3 ) = 4 cos2 ϕ3 = 1 = χ D2 (c3 )χ D2 (c3 ), χ D2 ⊗D2 (σ ) = 0 = χ D2 (σ )χ D2 (σ ) und damit die in der folgenden Tabelle gelisteten Charaktere. Für Klassenfunktionen genügt es, die Werte auf den drei Konjugationsklassen zu kennen. D3

Ke K c3 Kσ

χ D 1 χ D 2 χ D2 χ D3 χ D2 ⊗D2 1

1 1 1

1

1 2 1 −1 −1 0

3 0 1

4 1 0

In Abschn. 10.3 begründeten wir die Zerfällung D3 = D2 ⊕ D11 , was die Beziehung χ D3 = χ D2 + χ D 1 erklärt. Wäre die Darstellung D2 ⊗ D2 reduzibel, dann 1

müsste sie eine Summe der niedrigdimensionalen Darstellungen D11 , D12 und D2 sein, wobei die Dimensionen der auftretenden Darstellungen zu 4 addieren. Aus der Charaktertabelle sieht man, dass nur D2 ⊗ D2 = D2 ⊕ D11 ⊕ D12

(11.6)

in Frage kommt. Zu dieser korrekten Ausreduktion kommt man deutlich schneller, wenn man weitere Eigenschaften der Charaktere kennt. 

11.2

Das Lemma von Schur

Schurs Lemma ist eine elementare, aber in Anwendungen sehr nützliche Aussage über irreduzible Darstellungen von Gruppen.

206

11

Charaktere und Lemma von Schur

Lemma 41 (von Schur) Es seien D1 , D2 zwei irreduzible Darstellungen einer Gruppe G in Vektorräumen V1 und V2 der Dimensionen n 1 und n 2 . Es sei weiterhin H : V1 → V2 eine lineare Abbildung, so dass gilt H D1 (g) = D2 (g)H ,

∀g ∈ G.

(11.7)

Dann ist entweder: 1. H = 0 oder (im ausschließenden Sinn) 2. n 1 = n 2 , H ist nicht singulär und es gilt D2 (g) = H D1 (g)H −1 für alle g ∈ G. In der letzten Alternative sind die Darstellungen D1 und D2 zueinander äquivalent und H vermittelt die Konjugation. Die Situation im Lemma ist in Abb. 11.1 skizziert. Bei Anwendungen in der Quantentheorie ist H oft der Hamilton-Operator und der Buchstabe H soll uns daran erinnern. Beweis Es sei H (V1 ) ⊆ V2 das Bild von V1 unter H . Nach Voraussetzung gilt D2 H (V1 ) = H D1 (V1 ) ⊆ H (V1 ). Also ist H (V1 ) ⊂ V2 ein invarianter Teilraum unter D2 . Nach Voraussetzung ist D2 irreduzibel und es existieren nur die beiden Alternativen:

Abb. 11.1 H D1 (g) und D2 (g)H sollen dieselben Abbildungen sein

11.2 Das Lemma von Schur

207

1. Es ist H (V1 ) = 0. Dies führt zur ersten Behauptung des Lemmas. 2. Es ist H (V1 ) = V2 . Dann ist H surjektiv. Wir betrachten nun den Kern der Abbildung H . Nach Voraussetzung gilt     H D1 Kern(H ) = D2 H Kern(H ) = ∅, was bedeutet, dass Kern(H ) ein invarianter Teilraum von D1 ist. Deshalb ist Kern(H ) = V1 oder Kern(H ) = 0. Den ersten Fall haben wir schon abgehandelt und es verbleibt Kern(H ) = 0. In diesem Fall ist H eine bijektive lineare Abbildung und es gilt mit der Voraussetzung im Lemma H D1 (g)H −1 = D2 (g),

∀g ∈ G.

Man beachte, dass das Lemma von Schur für reelle und komplexe Darstellungsräume gilt.

11.2.1 Systeme mit invariantem Hamilton-Operator Wir werden nun zwei für die Physik wichtige Schlussfolgerungen aus dem Lemma ziehen. Korollar 9 Es sei D eine irreduzible Darstellung auf einem Vektorraum V . Der lineare Operator H vertausche mit allen darstellenden Matrizen: H D(g) = D(g)H , ∀g ∈ G. Dann ist H ein Vielfaches der Identität. Beweis Sei λ ein Eigenwert von H (eine Nullstelle des charakteristischen Polynoms). Mit H vertauscht auch H − λ1 mit den D(g). Da det(H − λ1) = 0 ist, kommt nur die 1. Alternative im Lemma von Schur in Betracht: Also ist H − λ1 = 0 und damit H = λ1. Lemma 42 Jede irreduzible Darstellung einer abelschen Gruppe ist eindimensional. Sei g˜ ein beliebig herausgegriffenes Gruppenelement und D˜ = D(g). ˜ Für eine abelsche Gruppe gilt D(g) D˜ = D˜ D(g) für alle g ∈ G, so dass nach dem Korollar D˜ = λ1 ist. Somit sind alle darstellenden Matrizen diagonal, und nur eindimensionale Darstellungen können irreduzibel sein. Korollar 10 Eine Darstellung D auf V zerfalle in lauter irreduzible, paarweise inäquivalente Darstellungen, D = D1 ⊕ D2 ⊕ · · · ⊕ Dr ,

208

11

Charaktere und Lemma von Schur

und die lineare Abbildung H : V → V vertausche mit allen D(g): [H , D(g)] = 0, ∀g ∈ G.

(11.8)

Dann sind die zu den irreduziblen Darstellungen gehörenden invarianten Teilräume Eigenräume von H . Beweis für r = 2 im Korollar: In einer angepassten Basis sind die D(g) blockdiagonal, D1 (g) 0 . D(g) = 0 D2 (g) In Anlehnung dazu schreiben wir H ebenfalls in Blockmatrix-Form H=

H1 Q 1 . Q 2 H2

Nach Voraussetzung gilt

D1 H1 D1 Q 1 D2 Q 2 D2 H2



=

H1 D1 Q 1 D2 , Q 2 D1 H2 D2

also insbesondere [D1 (g), H1 ] = 0 und [D2 (g), H2 ] = 0. Nach dem vorherigen Korollar müssen damit H1 und H2 auf den Darstellungsräumen V1 und V2 der irreduziblen Darstellungen D1 und D2 proportional zur Identität sein: Hn = λn 1 auf Vn , n = 1, 2. Andererseits gilt D1 (g)Q 1 = Q 1 D2 (g) und D2 (g)Q 2 = Q 2 D1 (g), ∀g ∈ G. Da die beiden Darstellungen inäquivalent sein sollen, kann nur die 1. Alternative im Lemma von Schur eintreten. Deshalb ist Q 1 = Q 2 = 0 und die beiden Darstellungsräume V1 und V2 sind Eigenräume von H mit Eigenwerten λ1 und λ2 .

11.2 Das Lemma von Schur

209

11.2.2 Orthogonalitätsrelationen Es seien D1 und D2 irreduzible Darstellungen der Dimensionen n 1 und n 2 und U eine lineare Abbildung V1 → V2 . Wir betrachten nun folgende Matrix,

 H = M D2 (g)U D1−1 (g) : V1 → V2 , (11.9) wobei mit der Mittelbildung von Matrizen das Mitteln der einzelnen Matrixelemente gemeint ist. Weiter seien ˜ und D˜ 2 = D2 (g) ˜ D˜ 1 = D1 (g) für ein festgehaltenes Gruppenelement g. ˜ Wegen der Invarianz des Mittelwertes folgt:



 H D˜ 1 = M D2 (g)U D1−1 (g) D˜ 1 = D˜ 2 M D˜ 2−1 D2 (g)U D1−1 (g) D˜ 1

  = D˜ 2 M D2 (g˜ −1 g)U D1−1 (g˜ −1 g) = D˜ 2 M D2 (g)U D1−1 (g) . Also haben wir H D1 (g) ˜ = D2 (g)H ˜ ,

∀g˜ ∈ G.

Dies gilt für alle Elemente g, ˜ so dass wir das Lemma von Schur anwenden dürfen: 1. Alternative D1 und D2 sind nicht äquivalent. In diesem Fall ist H = 0 und somit

 D1 , D2 in¨aquivalent =⇒ M D2 (g)U D1−1 (g) = 0. Dies sind n 1 · n 2 Beziehungen. Wählen wir nun für U speziell diejenige Rechtecksmatrix, die nur an der Stelle ( p, q) eine 1 enthält und sonst nur Nullen, dann folgt

Inäquivalente irreduzible Darstellungen

Für zwei irreduzible und inäquivalente Darstellungen D1 und D2 gilt   M D2 (g)i p D1 (g −1 )q j = 0.

(11.10)

Jetzt wählen wir noch p = i und q = j und summieren über i und j. Dann ergibt ∗ die Orthogonalitätsrelation sich mit Sp D1−1 = χ D 1  ∗  0 = M χD = (χ D1 , χ D2 ). χ 1 D2

(11.11)

210

11

Charaktere und Lemma von Schur

Es sei D1 , . . . , Dr eine Liste aller möglichen irreduziblen Darstellungen und χn ≡ χ Dn deren Charaktere.

Orthogonalität der Charaktere

Die Charaktere χm und χn von zwei inäquivalenten irreduziblen Darstellungen einer Gruppe mit Mittelbildung sind orthogonal bezüglich der Mittelbildung, (χm , χn ) = 0. 2. Alternative Die beiden n-dimensionalen Darstellungen D1 und D2 sind äquivalent. Nach Wahl eines angepassten Koordinatensystems ist D1 = D2 = D. Somit ist D(g)H ˜ = H D(g) ˜ für alle g˜ ∈ G und nach obigem Korollar ist H = λ1. Die Konstante λ folgt aus      Sp H = λ dim(D) = Sp M DU D −1 = M Sp DU D −1 = SpU , wobei wir von M(1) = 1 Gebrauch machen. Somit gilt   SpU H ≡ M DU D −1 = 1. dim D

(11.12)

Die Elemente der quadratischen Matrix U sollen nun alle verschwinden, bis auf U j p = 1. Für diese Matrix ist SpU = δ j p und wir folgern:

Gemitteltes Produkt von Matrixelementen

Der Mittelwert des Produkts der Funktionen g → Di j (g) und g → D −1 pq (g) ist

 1 (11.13) M Di j D −1 δ j p δiq . pq = dim D

Hierin setzen wir nun i = j, p = q und summieren über i und p.

Normierung

Der Charakter jeder irreduziblen Darstellung einer Gruppe  ∗mit invarianter χ D = 1. Mittelbildung hat die Norm 1 bezüglich Mittelbildung, M χ D

11.2 Das Lemma von Schur

211

Wir fassen die Resultate zusammen: Satz 37 (Orthonormalität) Die Charaktere der irreduziblen Darstellungen sind orthonormiert im linearen Raum der komplexwertigen Klassenfunktionen mit Skalarprodukt  (11.14) (χm , χn ) = dμred (g) χm∗ (g)χn (g) = δmn .

11.2.3 Ausreduktion einer beliebigen Darstellung Eine beliebige Darstellung einer Gruppe mit Mittelbildung kann als Summe von irreduziblen Darstellungen geschrieben werden, D=

r 

cn Dn , mit χ D (g) = c1 χ1 (g) + · · · + cr χr (g).

(11.15)

n=1

Äquivalente Darstellungen werden dabei identifiziert und 2D2 bedeutet z. B., dass die irreduzible Darstellung D2 in der Zerlegung von D zweimal vorkommt. Nehmen wir das Skalarprodukt der letzten Summe mit dem Charakter χn einer irreduziblen Darstellung, dann folgt mit Hilfe der Orthonormalitätsrelationen (11.14) das wichtige. Lemma 43 (Ausreduktionsformel) Die irreduzible Darstellung Dn tritt in einer beliebigen Darstellung D genau cn = (χn , χ D )-mal auf. Nun können wir folgende interessante Schlussfolgerung ziehen: Satz 38 Zwei beliebige Darstellungen einer Gruppe mit Mittelbildung sind genau dann äquivalent, wenn sie denselben Charakter haben. Zwei äquivalente Darstellungen haben offensichtlich denselben Charakter. Die Umkehrung ist weniger offensichtlich, weil das charakteristische Polynom einer Matrix deutlich mehr Information enthält als ihre Spur. Aber wegen der Darstellungseigenschaft kennen wir neben der Spur einer Darstellungsmatrix auch die Spuren ihrer Potenzen. Lemma 44 Aus den Spuren aller Matrizen einer Darstellung lassen sich die charakteristischen Polynome ihrer Matrizen berechnen. Beweis Seien λ1 , . . . , λd die Eigenwerte von D = D(g). Jeder Eigenwert sei so oft aufgeführt, wie seine algebraische Vielfachheit beträgt. Das charakteristische Polynom von D lautet det(λ1 − D) = (λ−λ1 )(λ−λ2 ) · · · (λ−λd ) = λd −s1 λd−1 +· · ·+(−)d sd , (11.16)

212

11

Charaktere und Lemma von Schur

wobei die Koeffizienten die elementarsymmetrischen Polynome der Eigenwerte sind: s1 =



λ j , s2 =



λi λ j , s3 =

i= j



λi λ j λk , . . . , sd = λ1 λ2 · · · λd .

i= j=k

(11.17) Andererseits sind mit D auch D 2 = D(g 2 ), . . . , D d = D(g d ) darstellende Matrizen. Deren Spuren sind durch folgende Potenzsummen gegeben: σ p = Sp D p =



p

λi .

(11.18)

i

Elementarsymmetrische Polynome und Potenzsummen

Mit den Newtonschen Formeln kann man zeigen, dass jedes elementarsymmetrische Polynom eindeutig als Polynom von Potenzsummen dargestellt werden kann. Z. B. gelten s1 = σ1 , s2 = σ12 − σ2 , s3 = σ13 − 3σ1 σ2 + 2σ3 , . . .

Wir folgern: Haben zwei Darstellungen D1 und D2 denselben Charakter, d. h. dieselben σ p , dann haben die darstellenden Matrizen D1 (g) und D2 (g) identische charakteristische Polynome für alle g ∈ G und sind deshalb ähnlich. Somit sind D1 und D2 äquivalent.

11.2.4 Methode der Projektionsoperatoren Gegeben sei eine Darstellung D einer Gruppe mit Mittelbildung. Diese zerfällt in lauter irreduzible Darstellungen und deren Vielfachheiten kann mit der Ausreduktionsformel (Lemma 43) bestimmt werden. Nun wollen wir die Projektionsoperatoren auf die invarianten Unterräume konstruieren. Satz 39 (Projektoren) Die Darstellung D zerfalle in irreduzible unitäre Darstellungen D = c1 D1 ⊕ · · · ⊕ cr Dr und entsprechend der Darstellungsraum V in eine Summe paarweise orthogonaler Unterräume V=

r  n=1

Vn⊕ cn ,

Vn⊕ cn = Vn ⊕ · · · ⊕ Vn .    cn −times

(11.19)

11.2 Das Lemma von Schur

213

Sei χn der Charakter von Dn . Dann ist der lineare Operator Pn : V → V , gegeben durch Pn = dim(Dn )(χn , D),

(11.20)

ein Projektor auf den linearen Unterraum Vn⊕ cn ⊆ V . Hierin ist (χn , D) die Matrix mit Matrixelementen (χn , D)i j = (χn , Di j ) =  dμχn∗ Di j . Beweis Nimmt man in den Orthogonalitätsrelationen (11.10) und (11.13) jeweils die Spur von D −1 , dann findet man (χm , Dn ) = woraus sofort folgt, dass 



δmn 1V , dim(Dn ) n

(11.21)

Pn = 1V ist. Weiterhin folgt

dμ(h)χm∗ (h)Dn (hg −1 ) =



dμ(h)χm∗ (h)Dn (h)Dn−1 (g) =

δmn D −1 (g), dim(Dn ) n (11.22)

oder nach Spurbildung 

dμ(h)χm∗ (h)χn∗ (gh −1 ) =

δmn χ ∗ (g). dim(Dn ) n

(11.23)

Damit können wir nun beweisen, dass die Pn in (11.20) Projektoren sind. Wegen D(g)D(h) = D(gh) und der Invarianz der Mittelung gilt nämlich 

dμ(g)dμ(h)χn∗ (g)χm∗ (h)D(gh)    dμ(h)χn∗ (gh −1 )χm∗ (h) D(g) = dim(Dn ) dim(Dm ) dμ(g)  (11.23) = dim(Dn ) δmn dμ(g)χn∗ (g)D(g) = δmn Pn .

Pn Pm = dim(Dn ) dim(Dm )

Das für unimodulare Gruppen Pn orthogonale Projektoren sind, beweist man mit Hilfe der Eigenschaft (9.61) des Maßes  Pn† = dim(Dn )

 dμ(g)χn (g)D † (g) = dim(Dn )

dμ(g)χn (g)D(g −1 ) = Pn .

(11.24) Der Projektor auf den Unterraum, der die triviale Darstellung trägt – dies ist der Raum der Singuletts – ist besonders einfach,  PS =

dμ(g)D(g).

(11.25)

214

11

Charaktere und Lemma von Schur

Für Darstellungen der symmetrischen Gruppen ist dies der Projektor (10.30). Beispiel: Reguläre Darstellung

Die in Abschn. 10.2 eingeführte reguläre Darstellung enthält die triviale Darstellung einmal (dies wird im nächsten Abschnitt bewiesen) und der Projektor auf den Singulett-Zustand ist ⎛ ⎞ 1 ... 1

1 1 ⎜. .⎟ R(g) = PS = ⎝ .. . . . .. ⎠ . |G| |G| g∈G 1 ... 1

(11.26)



11.3

Alle Darstellungen einer endlichen Gruppe

Wir wollen zuerst bestimmen, wie viele inäquivalente irreduzible Darstellungen eine endliche Gruppe hat. Da die Charaktere auf Konjugationsklassen konstant sind, kann es höchstens so viele unabhängige Charaktere geben wie die Gruppe Klassen hat. Wir werden sehen, dass die Anzahl der inäquivalenten irreduziblen Darstellungen gleich der Anzahl Konjugationsklassen ist. Wie findet man nun alle irreduziblen Darstellungen einer endlichen Gruppe? Wir erinnern daran, dass die Darstellungsmatrizen R(g) der auf Abschn. 10.2 eingeführten regulären Darstellung für g = e auf der Diagonalen nur Nullen haben. Deshalb gilt für den Charakter der regulären Darstellung  χreg (g) = Sp R(g) =

|G| falls g = e, 0 sonst.

(11.27)

Sei χn der Charakter einer beliebigen irreduziblen Darstellung Dn . Wegen (11.27) ergibt die Ausreduktionsformel für die Vielfachheit cn , mit der Dn in R auftritt,   1 ∗ 1 ∗ cn = χn , χreg = χn (g) · χreg (g) = χ (e) · χreg (e). |G| |G| n g∈G

Mit χn (e) = dim(Dn ) und χreg (e) = |G| ergibt sich der Satz 40 (Burnside) Jede irreduzible Darstellung Dn kommt in der |G| -dimensionalen regulären Darstellung R genau dim(Dn ) mal vor: R=

r  n=1

dim(Dn )Dn , so dass |G| =

r

n=1

(dim Dn )2 .

(11.28)

11.3 Alle Darstellungen einer endlichen Gruppe

215

Jede irreduzibe Darstellung ist in der regulären Darstellung enthalten

Jede eindimensionale irreduzible Darstellung tritt in der regulären Darstellung einmal auf, jede zweidimensionale irreduzible Darstellung zweimal usw. Es gibt keine irreduzible Darstellung D mit dim(D) ≥ |G|1/2 .

Beispiel: Irreduzible Darstellungen von D6

Für D6 lautet die Beziehung (11.28) wie folgt: |D6 | = 12 =

r

n=1

(dim Dn )2 = 12 +12 +22 +

r

(dim Dn )2 = 6+

n=4

r

(dim Dn )2 ,

n=4

wobei wir benutzten, dass D6 mindestens 2 eindimensionale und 1 zweidimensionale irreduzible Darstellung besitzt. Somit kann D6 neben diesen bekannten Darstellungen nur 6 eindimensionale oder 1 zweidimensionale und 2 eindimensionale irreduzible Darstellungen haben. Wir werden bald zeigen, dass Letzteres der Fall ist.  Die Charaktermatrix von endlichen Gruppen Wir untersuchen eine endliche Gruppe G mit r irreduziblen und inäquivalenten Darstellungen D1 , . . . , Dr und k Konjugationsklassen K 1 , . . . , K k . Ein Charakter ist eine Funktion auf den Konjugationsklassen. Die Werte der Charaktere aller irreduzibler Darstellungen Dn auf den Konjugationsklassen K i sind die Einträge der Charaktertabelle: Klasse K 1 K2 . . . . . . Kk χ1 1 1 ... ... 1 χ2 χ2 (K 1 ) χ2 (K 2 ) . . . . . . χ2 (K k ) .. .. .. .. . . . ... ... . χr χr (K 1 ) χr (K 2 ) . . . . . . χr (K k ) Im Anhang 11.5 sind die Charaktertabellen von wichtigen Punktgruppen angegeben. Aus obiger Charaktertabelle konstruiert man nun die sogenannte Charaktermatrix: Klasse K1 K2 χ1 h1 · 1 h2 · 1 χ2 h 1 · χ2 (K 1 ) h 2 · χ2 (K 2 ) .. .. .. . . . χr

... ... Kk ... ... hk · 1 . . . . . . h k · χ2 (K k ) .. ... ... .

h 1 · χr (K 1 ) h 2 · χr (K 2 ) . . . . . . h k · χr (K k )

216

11

Charaktere und Lemma von Schur

Die auftretenden positiven Faktoren hi =

|K i | |G|

1/2 (11.29)

enthalten die Anzahl Elemente |K i | der Konjugationsklasse K i und wurden so gewählt, dass die Zeilen der Charaktermatrix unitärorthogonal zueinander sind: k

h i2 χm∗ (K i ) · χn (K i ) =

i=1

1

|K i | χm∗ (K i ) · χn (K i ) = (χm , χn ) = δmn . |G| k

i=1

Daraus folgt, dass die Anzahl Zeilen kleiner gleich der Anzahl Spalten sein muss, d. h. r ≤ k. ˜ und sumUm einzusehen, dass r = k ist, multiplizieren wir (11.14) mit χm (g) mieren über m. Für eine endliche Gruppe ist der Mittelwert das arithmetische Mittel, so dass ˜ = χn (g)

r

χm (g)(χ ˜ m , χn ) =

m=1

1

χm (g)χ ˜ m∗ (g)χn (g). |G| g,m

(11.30)

Die Charaktere sind Klassenfunktionen und die Summe über die Gruppenelemente wird zu einer Summe über die k Konjugationsklassen K j der Gruppe. Mit g˜ ∈ K i folgt dann k

j=1



 r 1

∗ |K j | χm (K i )χm (K j ) χn (K j ) = χn (K i ). |G|

(11.31)

m=1

Daraus folgt unmittelbar die Orthogonalistätsrelation r

h i χm (K i ) h j χm∗ (K j ) = δi j , i, j = 1, . . . , k

(11.32)

m=1

und wir folgern:

Unitarität der Charaktermatrix

Die Spalten der Charaktermatrix sind orthogonal zueinander, und deshalb ist sie unitär und quadratisch.

11.4 Darstellungen der symmetrischen Gruppen

217

Daraus können wir eine Aussage über die Anzahl irreduzibler Darstellungen treffen: Satz 41 Es gibt genauso viele irreduzible Darstellungen einer endlichen Gruppe, wie es Konjugationsklassen gibt. Jede Klassenfunktion ist eine Linearkombination der orthonormierten Charaktere. Beispiel: Irreduzible Darstellungen von S4 (Tetraedergruppe)

Die Gruppe S4 hat P(4) = 5 Konjugationsklassen und damit 5 irreduzible Darstellungen. Wegen 5

(dim Dn )2 = 24

n=1

gibt es neben der trivialen und alternierenden Darstellung noch 1 zweidimensionale und 2 dreidimensionale irreduzible Darstellungen: 12 +12 +22 +33 +32 = 24. Die Gruppe D6 der Ordnung 12 hat 6 Konjugationsklassen. Deshalb hat sie 4 eindimensionale und 2 zweidimensionale irreduzible Darstellungen. 

11.4

Darstellungen der symmetrischen Gruppen

Mit Hilfe der Theorie der Charaktere führen wir die in den Abschn. 4.2 und 10.6 begonnene Analyse von symmetrischen Gruppen fort. Für eine endliche Gruppe definiert man die Gruppenalgebra A(G) als C-Vektorraum, aufgespannt von den Elementen der Gruppe, mit Multiplikation geerbt von der Gruppenmultiplikation. Die Algebra trägt die reguläre Darstellung der Gruppe, die alle irreduziblen Darstellungen enthält. Nach (10.6) wirkt die reguläre Darstellung wie folgt auf die Basisvektoren |π :

Rπ  π  (π )|π   ≡ R(π )|π  . (11.33) |π π   = π 

Wir erinnern daran, dass im Produkt π π  zuerst π  und danach π wirkt, z. B. (12)(13) = (132). Frage

Warum definiert π → R(π ) eine Darstellung von Sn ? Zur Einführung betrachten wir ein weiteres Mal die Gruppe S3 ∼ = D3 . Beispiel: Reguläre Darstellung von S3

Ordnet man die 6 Elemente von S3 in der Reihenfolge e, (123), (132), (12), (13), (23), dann haben die sechsdimensionalen Matrizen der regulären Darstellung (siehe Abschn. 10.2) folgende Form: Die geraden Permutationen werden durch

218

11

Charaktere und Lemma von Schur

blockdiagonale Matrizen dargestellt, ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 100 001 010 R(π ) = σ0 ⊗ Aπ , Ae = ⎝0 1 0⎠ , A(123) = ⎝1 0 0⎠ , A(132) = ⎝0 0 1⎠ , 001 010 100 und die ungeraden Permutationen durch blocknebendiagonale Matrizen, ⎛ ⎛ ⎛ ⎞ ⎞ ⎞ 100 010 001 R(π ) = σ1 ⊗ Aπ , A(12) = ⎝0 0 1⎠ , A(13) = ⎝1 0 0⎠ , A(23) = ⎝0 1 0⎠ . 010 001 100 In der regulären Darstellung π → R(π ) werden die Basisvektoren in C6 durch die Permutationen charakterisiert. Für die explizite Form der Matrizen wählten wir die Basis e1 = |e, e2 = |123, e3 = |132, e4 = |12, e5 = |13, e6 = |23, (11.34) worin e für das Einselement steht. Die reguläre Darstellung zerfällt in die triviale Darstellung S, die alternierende Darstellung A und 2 weitere äquivalente zweidimensionale irreduzible Darstellungen. Nach Satz 11.20 projizieren die Abbildungen ⎛ ⎞ 111 1 1 PS = (σ0 + σ1 ) ⊗ B und PA = (σ0 − σ1 ) ⊗ B, B = ⎝1 1 1⎠ (11.35) 6 6 111 auf diejenigen Unterräume, welche die triviale und alternierende Darstellungen tragen.  Allgemeine Projektoren auf Unterräume, die irreduzible Darstellungen von Sn tragen, konstruiert man mit Hilfe der Young-Symmetrisierer. Zur Vorbereitung besprechen wir einige allgemeine Eigenschaften der Darstellungen von Sn . Definition 43 (Assoziierte Darstellung) Ist A die alternierende Darstellung und D irgendeine Darstellung von Sn , dann heißt die Darstellung D A = D ⊗ A zu D assoziiert. Die alternierende Darstellung ist eindimensional, was dim D A = dim D impliziert. Für die triviale Darstellung S gilt A = S ⊗ A, so dass S und A assoziiert sind. Korollar 11 Wegen χ D A = χ D χ A gelten: 1. D A ist irreduzibel genau dann, wenn D irreduzibel ist. 2. Ist D selbstassoziiert, d. h. χ D (π ) = 0 für ungerade π , dann sind D A und D äquivalent.

11.4 Darstellungen der symmetrischen Gruppen

219

Beweis Mit der Orthogonalität der Charaktere beweist man nun sofort, dass D A genau dann irreduzibel ist, wenn D es ist: (χ D , χ D ) = 1 ⇐⇒ (χ D A , χ D A ) = (χ D , χ A2 χ D )

χ A =±1

=

(χ D , χ D ) = 1.

(11.36)

Ist D selbstassoziiert, dann folgt χ D A (π ) = sgn(π )χ D (π ) = χ D (π ). Dies ist die zweite Behauptung im Korollar. Lemma 45 Es seien D1 und D2 zwei irreduzible Darstellungen von Sn . Sind diese 1. äquivalent (inäquivalent), dann enthält D1 ⊗ D2 die Darstellung S einmal (nicht), 2. assoziiert (nicht assoziiert), dann enthält D1 ⊗ D2 die Darstellung A einmal (nicht). Beweis Wir bemerken, dass die Charaktere der unitär wählbaren Darstellungen von Sn reell sind, da π und π −1 zueinander konjugiert sind, und deshalb D(π −1 ) = D ∗ (π ) = D(π ) gilt. Wir bestimmen die Multiplizität c S von S im Tensorprodukt D1 ⊗ D2 . Schreiben wir kurz χi = χ Di , dann gilt χ S =1

c S = (χ S , χ D1 ⊗D2 ) = (χ S , χ1 χ2 ) = (χ1 , χ2 ),

(11.37)

und die erste Aussage folgt aus der Orthonormalität der irreduziblen Charaktere. Aufgabe

Beweisen Sie die zweite Aussage im Lemma.

11.4.1 Young-Diagramme und Young-Tableaus Die symmetrische Gruppe Sn besitzt so viele irreduzible Darstellungen, wie sie Konjugationsklassen oder Young-Diagramme hat, siehe Abschn. 4.2.2. Also entspricht jeder irreduziblen Darstellung ein Young-Diagramm, und tatsächlich kann man jedem Young-Diagramm einen Projektor auf eine irreduzible Darstellung zuordnen. Dies wird weiter unten skizziert. Die n Zellen oder Kästchen eines Young-Diagramms werden von oben nach unten und linksbündig so angeordnet, dass deren Anzahl in jeder neuen Zeile nicht zunimmt. Z. B. hat die Partition λ = [λ1 , λ2 , λ3 , λ4 ] = [4, 2, 2, 1] der Zahl 9 das nebenstehende Diagramm Tλ mit 9 Kästchen.

220

11

Charaktere und Lemma von Schur

Das mit den Zahlen 1, 2, . . . , n befüllte Young-Diagramm heißt Young-Tableau. Ein Beispiel ist auf der rechten Seite gezeigt. Die symmetrische Gruppe Sn wirkt auf die Menge der Tableaus der Form λ. Diese Wirkung wird benutzt, um die Einträge in den Spalten und Zeilen eines Young-Tableau mit Hilfe von Operatoren umzuordnen. Definition 44 (Normale und Standard-Tableaus) Ein Young-Tableau, bei dem die Einträge in jeder Spalte von oben nach unten und in jeder Zeile von links nach rechts größer werden, heißt Standard-Tableau. Wenn die Zahlen längs der ersten Zeile und anschließend zweiten Zeile usw. zunehmen, dann heißt es normales Tableau. Jedes normale Tableau ist ein Standard-Tableau, jedoch nicht umgekehrt.

Für ein Young-Diagramm oder normales Young-Tableau schreibt man kurz Tλ . Ein beliebiges Tableau kann durch eine Permutation der Elemente des zugehörigen normalen Tableaus gewonnen werden Tλπ = π Tλ .

(11.38)

Z. B. ist 1 2 3 (124) 4 5

2 4 3 1 5 .

=

Es folgt die Beziehung 

π  Tλπ = Tλπ π , die an folgendem Beispiel klargemacht wird: 1 2 3 (23)(124) 4 5

2 4 3 = (2, 3) 1 5 =

(11.39)

3 4 2 1 5

1 2 3 = (1324) 4 5 .

Lemma 46 (Hakenlängen-Formel) Die Anzahl Standard-Tableaus eines YoungDiagramms Tλ mit n Kästchen in r Zeilen ist gegeben durch dλ =

n! , worin |Tλ | = |Tλ |

 K astchen ¨ k

h(k)

(11.40)

11.4 Darstellungen der symmetrischen Gruppen

221

das Produkt der Hakenlängen aller Kästchen k im Diagramm ist. Die Hakenlänge h(k) ist gleich der Anzahl Boxen rechts und unterhalb der Zelle, einschließlich der Zelle selbst. Es gilt

λ

1 1 = dλ2 = n! = |Sn |. =⇒ |Tλ |2 n!

(11.41)

λ

In der folgenden Abbildung ist der Haken zum Kästchen in Zeile 2 und Spalte 2 gezeichnet. Die Hakenlänge ist h(k) = 5. Für die bemerkenswert einfache Hakenlängen-Formel (11.40) von Frame, Robinson und Thrall [53] gibt es inzwischen eine Anzahl alternativer Beweise, beruhend auf sehr unterschiedlichen Methoden. Eine ältere Formel für dλ stammt von Frobenius, der die Anzahl StandardTableaus mit der Frobenius-Determinante in Verbindung brachte.

Beispiel: Standard-Tableaus zur Partition λ = [3, 2]

Es existieren dλ = 5 Standard-Tableaus zu dieser Partition, 1 2 3 4 5

1 2 4 3 5

1 2 5 3 4

1 3 4 2 5

1 3 5 2 4 ,

und die Hakenlängen der Kästchen sind im folgenden Tableau eingetragen 4 3 1 2 1 .

(11.42)

Mit der Hakenlängen-Formel (11.40) erhält man natürlich auch dλ = 5.  Eine weitere Formel für die Anzahl Standard-Tableaus zu einem Diagramm Tλ ist: Lemma 47 Die Anzahl Standard-Tableaus von Tλ mit n Kästchen in r Zeilen ist  i< j (i −  j )  dλ = n!, (11.43) i i ! worin 1 ≤ i, j ≤ r und i = λi + r − i sind. Für das Diagramm [3, 2] sind (1 , 2 ) = (4, 2) und entsprechend ist dλ = 5! 2/(2! 4!) = 5.

222

11

Charaktere und Lemma von Schur

11.4.2 Young-Symmetrisierer π der Symmetrisierer der iten Zeile eines allgemeinen Young-Tableau T π . Es sei Sλ,i λ π S π · · · ist der Zeilen-Symmetrisierer des Tableaus. Man Deren Produkt Sλπ = Sλ,1 λ,2 π auf verschiedene Mengen wirken und somit kommutieren. beachte, dass die Sλ,i π Analog sei Aλ,i der Antisymmetrisierer der iten Spalte von Tλπ . Dann ist deren Produkt Aπλ = Aπλ,1 Aπλ,2 · · · der Spalten-Antisymmetrisierer des Tableaus. Multipliziert man den Antisymmetrisierer Aπλ und den Symmetrisierer Sλπ , so erhält man den sogenannten Young-Symmetrisierer

Yλπ =

1 · Aπλ Sλπ mit Yλπ Yλπ = Yλπ , |Tλ |

(11.44)

auch Young-Operator genannt. Bildet man nun den Young-Symmetrisierer zu den Standard-Taubleaus einer festen Gestalt λ, so erhält man Basisvektoren, welche eine irreduzible Unterdarstellung aufspannen. Mit diesen Vektoren kann dann die Zerfällung der Darstellungsmatrizen D(π ) bestimmt werden. Die Symmetrisierer, Antisymmetrisierer und Young-Symmetrisierer sind nach Ausmultiplikation Elemente der Gruppenalgebra A(Sn ). Sie stehen für lineare Abbildungen auf dem Trägerraum der regulären Darstellung. Wie gewohnt schreiben wir kurz π1 + π2 , auch wenn wir D(π1 ) + D(π2 ) meinen. Der Symmetrisierer zu einer Zeile ist die Summe aller horizontalen Permutationen, die innerhalb der Zeile wirken. Der Spalten-Antisymmetrisierer zu einer Spalte ist dagegen alternierende Summe der vertikalen Permutationen, die innerhalb der Spalte wirken. Die Menge aller horizontalen Permutationen H und aller vertikalen Permutationen V haben nur das Element e gemeinsam, d. h. H ∩ V = {e}. Daraus folgt



sgn(πv )πv πh . (11.45) Yλπ ∝ πv ∈V πh ∈H

Wir zeigen nun, dass alle Summanden auf der rechten Seite verschieden sein müssen. Wäre nämlich πv πh = πv  πh  , dann würde gelten −1 πv−1 ∈ H ∩ V = {e} bzw. πv  = πv , πh  = πh ,  πv = π h  π h

(11.46)

und da in Aπλ und in Sλπ eine Permutation höchstens einmal auftritt, folgt die Aussage. Es folgt Yλπ ∝ e + Terme proportional zu π ∈ Sn \ {e}.

(11.47)

Für ein Young-Diagramm oder das zugehörige normale Young-Tableau Tλ schreiben wir für die Symmetrisierer, Antisymmetrisierer und Young-Symmetrisierer Sλ , Aλ und Yλ . Korollar 12 Ist Yλπ der Young-Symmetrisierer zum Tableau Tλπ , dann gilt Yλπ = π Yλ π −1 .

(11.48)

11.4 Darstellungen der symmetrischen Gruppen

223

Beweis Es genügt, die Behauptung für Transpositionen (i j) = (i j)−1 zu beweisen. Yλ ist eine Summe von Permutationen, und die konjugierten Permutationen πk = (i j) πk (i j) in   (i j)Yλ (i j) ∝ (i j) e + c1 π1 + c2 π2 + . . . (i j) = e + c1 π1 + c2 π2 + . . . , sind gleich den Permutationen πk mit i und j vertauscht, siehe Abschn. 4.2.2. Da jede Permutation das Produkt von Transpositionen ist, folgt das Korollar. Irreduzible Darstellungen von S3 Wir illustrieren die oben gemachten Aussagen wieder am Beispiel S3 . Es existieren drei Young-Diagramme mit zugehörigen normalen Tableaus,

,

1 2 3

1 2 3

1 2 3.

(11.49)

Das linke Diagramm hat nur eine Zeile und Y[3] =

 1 1 1 AS = S1 = e + (123) + (132) + (12) + (13) + (23) . (11.50) 3·2 6 6

Angewandt auf den Vektor |e erhalten wir |α ≡ Y[3] |e =

 1 |e + |123 + |132 + |12 + |13 + |23 . 6

(11.51)

Tatsächlich bildet Y[3] jeden Vektor auf ein Vielfaches von |α ab – insbesondere |α selbst. Der von |α definierte eindimensionale invariante Unterraum trägt die triviale Darstellung. Nun betrachten wir das dritte Diagramm mit λ = [1, 1, 1] in (11.49). Offensichtlich ist S die Identität, A der Antisymmetrisierer A1 und somit Y[1,1,1] =

 1 1 1 AS = A1 = e + (123) + (132) − (12) − (13) − (23) . (11.52) 3·2 6 6

Dieser Young-Symmetrisierer bildet jeden Vektor auf ein Vielfaches von |β ≡ Y[1,1,1] |e =

 1 |e + |123 + |132 − |12 − |13 − |23 6

(11.53)

ab. Der von |β aufgespannte invariante Unterraum trägt die alternierende Darstellung. Neben den eindimensionalen Darstellungen hat S3 ∼ = D3 noch eine zweidimensionale Darstellung. Die Projektion auf den zugehörigen invarianten Teilraum leistet

224

11

Charaktere und Lemma von Schur

der Young-Symmetrisierer zum mittleren Standard-Tableau in (11.49). Das Produkt der Hakenlängen ist 3, so dass Y[2,1] =

 1   1 1 A1 S1 = e − (13) 1 + (12) = e + (12) − (13) − (123) . (11.54) 3 3 3

Dieser Operator projiziert auf den zweidimensionalen Unterraum, aufgespannt von |γ  = |e − |123 + |12 − |13 und |δ = |e − |132 + |12 − |23. (11.55) Aufgabe

Rechnen Sie nach, dass die Young-Symmetrisierer Y[3] , Y[1,1,1] und Y[2,1] idempotent sind. In diesem invarianten Unterraum haben die Darstellungsmatrizen die Form

1 e → 0 0 (12) → 1

0 −1 −1 0 1 , (123) → , (132) → , 1 1 0 −1 −1 1 −1 −1 1 0 , (13) → , (23) → 0 0 1 −1 −1

(11.56)

und definieren die gesuchte zweidimensionale irreduzible Darstellung. Aufgabe

Überzeugen Sie sich davon, dass in einer angepassten Orthonormalbasis die transformierten Matrizen Decktransformationen des gleichseitigen Dreiecks sind. Verschiedene Tableaus haben im Allgemeinen verschiedene Young-Symmetrisierer. Z. B. wird dem Standard-Tableau 1 3 2 ein Symmetrisierer zugeordnet, der auf einen zweidimensionalen und zu den Yλ orthogonalen Unterraum projiziert, welcher eine zu (11.56) äquivalente Darstellung trägt, siehe Aufgabe 11.8. Die Darstellung (11.56) ist selbstassoziiert, während A und S zueinander assoziiert sind, wie in der folgenden Abbildung angedeutet ist, ←−→

,

←−→

.

(11.57)

Nach dem Satz von Burnside haben wir mit den beiden eindimensionalen und der zweidimensionalen Darstellung alle irreduziblen Darstellungen von S3 bestimmt. Nach dem Satz enthält die reguläre Darstellung die zweidimensionale Darstellung

11.4 Darstellungen der symmetrischen Gruppen

225

zweimal. Die Young-Symmetrisierer für die beiden Standard-Tableaus zu λ = [2, 1] projizieren auf diese beiden Darstellungen. Dies lässt bereits vermuten, dass die Anzahl Standard-Tableaus zu einer Partition λ die Dimension der irreduziblen Darstellung und gleichzeitig die Multiplizität dieser Darstellung in der regulären Darstellung angibt. Beispiel: Darstellungen von S4

Die Young-Diagramme von S4 mit eingetragenen Hakenlängen sind

4 3 2 1

4 3 2 1

4 2 1 1

4 1 2 1

3 2 2 1

(11.58)

und die entsprechende Anzahl von Standard-Tableaus ist 1, 1, 3, 3 und 2. Die Quadratsumme dieser Zahlen ist die Ordnung 24 der Gruppe S4 . Dies stützt die geäußerte Vermutung.  Wir werden sehen, dass die Zuordnung zwischen Standard-Tableaus und YoungSymmetrisierern eindeutig ist. Jeder Partition λ = [λ1 , . . . , λn ] von n können wir den Vektorraum Vλ der Dimension dλ zuordnen, der eine irreduzible Darstellung trägt. Bezeichnet wieder A(Sn ) die Gruppenalgebra zu Sn , dann nennen wir die irreduzible Darstellung D λ auf dem Unterraum Vλ (π ) = A(Sn )Yλ |π  die zu Tλ gehörende Darstellung. Lemma 48 (Young-Symmetrisierer) Es seien λ und λ verschiedene Partitionen von n. Dann gilt: 1. Die irreduziblen Darstellungen zu Tλ und Tλπ sind äquivalent. 2. Die irreduziblen Darstellungen zu Tλ und Tλ sind inäquivalent. 3. Die (passend normierten) Young-Operatoren Yλπ sind idempotent und projizieren auf invariante Unterräume, die eine irreduzible Darstellung tragen. Beweis Die Eigenschaften hatten wir für die kleine Gruppe S3 explizit geprüft. Hier führen wir den Beweis für die wichtigsten Aussagen im Lemma. Einen ausführlicheren und vollständigen Beweis findet man z. B. in [54]. Die erste Aussage im Lemma folgt sofort aus Yλπ = π Yλ π −1 . Wir beweisen eine milde Verallgemeinerung der zweiten Aussage, nämlich dass für zwei Young-Symmetrisierer mit λ = λ und für eine beliebige Permutation π das Produkt Yλ Yλπ = Aλ Sλ Aπλ Sλπ verschwindet. Dies ist offensichtlich der Fall, wenn Sλ Aπλ null ist, was wegen π Aλ π −1 = Aπλ wiederum äquivalent zu Sλ π Aλ = 0 ist. Korollar 13 Eine hinreichende Bedingung für Yλ Yλπ = 0 ist 

Sλ,1 Sλ,2 · · ·



 Aπλ ,1 Aπλ ,2 · · · = 0.

(11.59)

226

11

Charaktere und Lemma von Schur

Man beachte, das die Sλ,i mit verschiedenen i vertauschen, genauso wie die Aπλ ,i . Aufgabe

Zeigen Sie, dass auch die Bedingung 

Aλ,1 Aλ,2 · · ·



 Sλπ ,1 Sλπ ,2 · · · = 0 f¨ur alle π

(11.60)

genügt, damit Yλ Yλπ verschwindet. Hinweis: Sλ Aπλ ist eine Summe von Permutationen. Wir gehen induktiv vor und benutzen, dass ein Produkt Sλ,k Aπλ ,k  in (11.59) verschwindet, wenn die Zeile k von Tλ und die Spalte k  von Tλπ mehr als ein Element gemeinsam haben. Insbesondere müssen die Zahlen 1, 2, . . . , λ1 in der ersten Zeile von Tλ in unterschiedlichen Spalten von Tλπ auftreten, damit keines der Produkte Sλ,1 Aλ ,k null ist. Das ist nur möglich, wenn die Anzahl Spalten von Tλπ größer oder gleich λ1 ist, was λ1 ≥ λ1 bedeutet. Für λ1 > λ1 ist die Aussage bewiesen. Ist dagegen λ1 = λ1 , dann fahren wir mit der zweiten Zeile von Tλ mit den Elementen λ1 + 1, λ1 + 2, . . . , λ1 + λ2 fort. Diese Elemente müssen auf λ2 unbesetzte Kästchen in verschiedenen Spalten von Tλπ verteilt werden, was nur für λ2 ≥ λ2 möglich ist. Ist λ2 > λ2 , dann ist die Aussage bewiesen. Ist aber λ2 = λ2 , dann fährt man mit der Iteration so lange fort, bis man bei der letzten Zeile angekommen ist. Am Ende der Iteration folgert man, dass Yλ Yλπ nur für λ = λ ungleich null sein kann. Nun skizzieren wir das Argument für Yλ Yλ = kYλ . Dazu schreiben wir Aλ Sλ als Linearkombination von Permutationen, beginnend mit e, und finden Yλ Yλ ∝ Aλ (e + c1 π1 + c2 π2 + . . . )Sλ = Yλ +



ck Aλ πk Sλ .

(11.61)

πk =e

Gemäß Lemma 39 ist π Sλ = Sλ für jede die Zeilen bewahrende Permutation und Aλ π = sgn(π )Aλ für jede die Spalten bewahrenden Permutationen. Somit gilt für eine Permutation π , die entweder die Zeilen oder die Spalten bewahrt, Aλ π Sλ = ±Yλ . Für andere Permutationen verschwindet Aλ π Sλ . Dies bedeutet, dass Yλ Yλ = cYλ gelten muss. Wäre die Konstante c null, dann wäre Yλ nilpotent und hätte eine verschwindende Spur. Aber wegen (11.47) ist Sp(Yλ ) = 0. Mit dem Normierungsfaktor 1/|Tλ | wie in (11.44) sind die Young-Symmetrisierer sogar idempotent [55]. Mit denselben Argumenten folgert man Yλ π Yλ ∝ Yλ . Die Dimension der Darstellung zu Dλ zur Partition λ ist dim Dλ = SpYλ =

1 n! · Sp(1) = = dλ , |Tλ | |Tλ |

Es ergibt sich somit das folgende Bild:

(11.62)

11.5 Anhang A: Charaktertafeln der Punktgruppen

227

Irreduzible Darstellungen von Sn

Die dλ Standard-Tableaus zu einer festen Partition λ projizieren auf invariante Unterräume, die alle (bis auf Äquivalenz) die gleiche irreduzible Darstellung der Dimension dλ tragen. Die Darstellungen zu den P(n) verschiedenen Young-Diagrammen sind inäquivalent. Es gibt eine Bijektion zwischen den normalen Young-Tableaus mit n Kästchen und den P(n) irreduziblen Darstellungen von Sn .

Schlussendlich wollen wir noch die Frage beantworten, was die Young-Diagramme von (im Sinne der Definition 43) assoziierten Darstellungen sind. Die Darstellungen D und D A sind für nicht selbstassoziierte Darstellungen inäquivalent, haben aber die gleiche Dimension. Dies bedeutet, dass die zugehörigen Young-Diagramme Tλ und Tλ dasselbe Produkt der Hakenlängen haben müssen. Dies ist der Fall, wenn die beiden Diagramme konjugiert (assoziiert, transponiert) sind, was bedeutet, dass die ite Spalte von Tλ gleich lang ist wie die ite Reihe von Tλ .

Tλ konjugiert zu Tλ

Sind die beiden Diagramme gleich, dann heißen sie selbstkonjugiert oder selbstassoziiert und gehören zu den selbstassoziierten Darstellungen mit χ (π ) = 0 für ungerade Permutationen.

11.5

Anhang A: Charaktertafeln der Punktgruppen

Die Anzahl Elemente und Konjugationsklassen der eigentlichen und uneigentlichen Punktgruppen wurden bereits in Tab. 6.1 notiert. Wir erinnern hier an die Symmetrieoperationen bzw. Symmetrieelemente der Punktgruppen: Identität E Drehung cn um n−zählige Drehachsen • cnm : Drehung um 2π m/n • höchstzählige Drehachse wird in z-Richtung gelegt • cn , cn : Drehachsen nicht in z-Richtung Spiegelung σ an einer Spiegelebene • σv : Spiegelebene enthält höchstzählige Achse • σh : Spiegelebene senkrecht zur höchstzähligen Achse

228

11

Charaktere und Lemma von Schur

• σd : Spiegelebenen halbieren Winkel zwischen zwei Drehachsen c2 Inversion i • Punktspiegelung am Inversionszentrum Drehspiegelung sn an einer Drehspiegelachse • sn Drehung um 2π/n und anschließende Spiegelung an der Ebene senkrecht zur Drehachse • s1 = σh , s2 = i. Bezeichnung in den Gruppentafeln ist ωn = e2πi/n Charakter von Cn Erzeugendes Element dieser abelschen Gruppe der Ordnung n ist cn . Sie hat n Konjugationsklassen und n irreduzible Darstellungen. Die Charaktertafel hat folgende Form: Cn D10 D11 D12 .. .

D1n−1

e cn cn2 cn3 1 1 1 1 1 ωn ωn2 ωn3 1 ωn2 ωn4 ωn6 .. .. .. .. . . . . n−1 2n−2 3n−3 1 ωn ω n ωn

... ... ... ...

cnn−1 1 ωnn−1 ωn2n−2 .. .

... . . . ωn(n−1)(n−1)

Charakter von Cnh Diese Gruppe der Ordnung 2n ist abelsch und isomorph zu Cn × {1, −1} für gerades n und isomorph zu Cn × {1, σh } für ungerades n. Sie hat die erzeugenden Elemente {cn , −1} bzw. {cn , σh }. Die Anzahl irreduzibler Darstellungen oder Konjugationsklassen ist 2n. Für gerades n hat Cnh ein Inversionszentrum und für ungerades n ist Cnh isomorph zu Sn . Für ungerade n hat die Charaktertafel die Form Cnh D10 D11 .. .

D1n−1 D1 0 D1 1 .. .

D1 n−1

e cn cn2 1 1 1 1 ωn ωn2 .. .. .. . . . 1 ωnn−1 ωn2n−2 1 1 1 1 ωn ωn2 .. .. .. . . . 1 ωnn−1 ωn2n−2

. . . σh ... 1 ... 1 . . . . ..

σ h cn 1 ωn .. .

σh cn2 1 ωn2 .. .

. . . 1 ωnn−1 ωn2n−2 . . . −1 −1 −1 . . . −1 −ωn −ωn2 . .. .. . . . .. . . . . . −1 −ωnn−1 −ωn2n−2

... ... ... ... ... ... ... ... ...

11.5 Anhang A: Charaktertafeln der Punktgruppen

229

Charakter von Cnv ∼ = Dn Diese nichtabelsche Punktgruppe der Ordnung 2n ist isomorph zu Cn × {1, σv } und hat die erzeugenden Elemente cn und σv . Die Anzahl Konjugationsklassen ist n2 + 3 für gerade n und n+3 2 für ungerade n. Ist n gerade, so hat Cnv ein Inversionszentrum. In der folgenden Charaktertafel von D6 steht 3c2 für die Konjugationsklasse von c2 mit 3 Elementen. D6 D11 D12 D13 D14 D21 D22

e 2c6 2c3 c2 3c2 3c2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 −1 −1 1 −1 1 −1 1 −1 1 −1 1 −1 −1 1 2 1 −1 −2 0 0 2 −1 −1 2 0 0

Charaktere von T Sie hat 12 Elemente, 4 Konjugationsklassen, 3 eindimensionale Darstellungen und 1 dreidimensionale irreduzible Darstellung T D11 D12 D13 D3

e 4c3 4c32 3c2 1 1 1 1 1 ω3 ω32 1 1 ω32 ω3 1 3 0 0 −1

Charaktere von O Die Gruppe hat 24 Elemente und 5 Klassen. Es gibt 2 eindimensionale, 1 zweidimensionale und 2 dreidimensionale irreduzible Darstellungen O D11 D12 D2 D31 D32

e 6c4 3c2 8c3 6c2 1 1 1 1 1 1 −1 1 1 −1 2 0 2 −1 0 3 1 −1 0 −1 3 −1 −1 0 1

Charaktere von Y Die Gruppe hat 60 Elemente und 5 Klassen. Es gibt 1 eindimensionale, 2 dreidimensionale, 1 vierdimensionale und 1 fünfdimensionale Darstellung. Y D11 D31 D32 D4 D5

e 12c5 12c52 20c3 15c2 1 1 1 1 1 3 −2 cos 2ϕ5 2 cos ϕ5 0 −1 3 −2 cos ϕ5 2 cos 2ϕ5 0 −1 4 −1 −1 1 0 5 0 0 −1 1

Für die entsprechenden Tafeln von weiteren Punktgruppen verweise ich auf die Literatur, z. B. das Buch von M. Wagner [19].

230

11.6

11

Charaktere und Lemma von Schur

Aufgaben zu Kap. 11

Aufgabe 11.1: Die Spur ist invariant bei zyklischer Vertauschung Zeigen Sie, dass die Spur eines Produktes von n-dimensionalen Matrizen A1 , . . . , Ak sich bei zyklischer Vertauschung der Matrizen nicht ändert, z. B. Sp (A1 A2 · · · Ak−1 Ak ) = Sp (Ak A1 A2 · · · Ak−1 ) . Was bedeutet dies für die Spur des Produkts von zwei oder drei Matrizen? Was folgt für die Spur der zur Matrix A konjugierten Matrix U AU −1 ? Aufgabe 11.2: Kommutierende Matrizen Zeigen Sie, dass zwei Matrizen genau dann simultan diagonalisiert werden können, wenn sie vertauschen. Hinweis: Zwei Matrizen sind simultan diagonalisierbar, wenn sie mit Hilfe derselben Matrix diagonalisiert werden können. Dass simultan diagonalisierbar die Vertauschbarkeit impliziert, ist einfach zu zeigen. Um die Umkehrung zu beweisen, bringen Sie eine der Matrizen mit einer Konjugation in Diagonalform. Aufgabe 11.3: Konjugationsklassen der kubischen Gruppe In der Gitterfeldtheorie ersetzt man das Raumzeit-Kontinuum oft durch ein hyperkubisches Gitter. Die Decktransformationen des Gitters sind dann aus der kubischen Untergruppe der Rotationsgruppe. Die Zustände auf dem Gitter werden durch die irreduziblen Darstellungen der kubischen Gruppe klassifiziert. Zeigen Sie, dass die kubische Gruppe folgende fünf Konjugationsklassen enthält: 1. die triviale Klasse mit dem Einselement e, 2. die Klasse C2 mit den π -Drehungen um die Achsen, die gegenüberliegende Oberflächen verbinden, 3. die Klasse C3 mit den 2π/3-Drehungen um die Raumdiagonalen im Kubus, 4. die Klasse C2 mit den π -Drehungen um die Achsen, die gegenüberliegende Seiten verbinden, 5. die Klasse C4 der ±π/2-Drehungen um Achsen, die gegenüberliegende Seiten verbinden. Damit hat die Gruppe 5 irreduzible Darstellungen. Was sind deren Dimensionen? Aufgabe 11.4: Reguläre Darstellungen von S3 Diese Gruppe hat bekanntlich 6 Elemente und ist isomorph zu D3 . • Bestimmen Sie die sechsdimensionale reguläre Darstellung R von S3 . • Zeigen Sie, dass die reguläre Darstellung die 3 irreduziblen Darstellungen mit den erwarteten Multiplizitäten enthält.

11.6 Aufgaben zu Kap.11

231

Aufgabe 11.5: Irreduzible Darstellungen der Dodekaedergruppe Die eigentlichen Decktransformationen des Dodekaeders (keine Spiegelungen!) bilden eine der platonischen Gruppen. Sie hat 60 Elemente und 5 Konjugationsklassen. Die Gruppe hat eine eindimensionale, keine zweidimensionale und zwei dreidimensionale irreduzible Darstellungen (zwei dieser Darstellungen werden Sie kennen). Was sind die Dimensionen der noch fehlenden irreduziblen Darstellungen? Aufgabe 11.6: Buckyball Das Fulleren C60 (oft buckyball genannt) sowie manche Quasikristalle besitzen die Ikosaedergruppe als Symmetriegruppe, Yh . Man bestimme die Charaktertafel und überzeuge sich davon, dass die Formel aus dem Satz von Burnside zutrifft. Der in der nebenstehenden Abbildung skizzierte buckyball wurde zuerst 1985 an der Rice University hergestellt. Harold Kroto, Robert Curl und Richard Smalley wurden dafür 1996 mit dem Nobelpreis in Chemie ausgezeichnet.

Aufgabe 11.7: Young-Operatoren 1 Wirken Sie mit dem Young-Symmetrisierer Y[2,1] in (11.54) auf die 6 Vektoren |123, |213, . . . und zeigen Sie, dass jeder Bildvektor eine Linearkombination von |e3  und |e4  in (11.55) ist. Wir wirkt der Young-Symmetrisierer auf die Basiselemente |e3  und |e4 ? Aufgabe 11.8: Young-Operatoren 2 Bestimmen die den Young-Symmetrisierer für das zweite Standard-Tableau in 1 2 3

1 3 2

und zeigen Sie, dass die resultierende zweidimensionale Darstellung äquivalent zur Darstellung zum ersten Standard-Tableau ist.

12

Irreduzible Darstellungen von Lie-Gruppen

Es scheint eines der grundlegenden Merkmale der Natur zu sein, dass grundlegende physikalische Gesetze in Form einer mathematischen Theorie von großer Schönheit und Kraft beschrieben werden, … Paul Adrien Maurice Dirac

Nach den Darstellungen von endlichen Gruppen betrachten wir nun Darstellungen von kontinuierlichen Gruppen mit Mittelbildung. Dabei stehen die Charaktere und deren Vollständigkeit im Mittelpunkt. Letztere Eigenschaft ist Inhalt des Satzes von Peter und Weyl, nach dem die Charaktere der irreduziblen Darstellungen eine Orthonormalbasis im Raum der quadratintegrablen Klassenfunktionen bilden. Wir beginnen mit der einfachsten kompakten Lie-Gruppe, dies ist die abelsche Gruppe U(1). Die Theorie der Gruppendarstellungen mit Hilfe der Charaktere wird z. B. in den Werken [51,56] ausführlich dargestellt.

12.1

Charaktere von U(1) und Satz von Peter und Weyl

Für die abelsche Gruppe U(1) bildet jedes Element eine Konjugationsklasse und deshalb sind alle Funktionen auch Klassenfunktionen. Gemäß Lemma 42 in Abschn. 11.2 sind alle irreduziblen Darstellungen eindimensional und nach Satz 34 in einer geeigneten Basis unitär. Also hat jede irreduzible Darstellung die Form   (12.1) D eiϑ = eih(ϑ) und eih(ϑ+2π) = eih(ϑ) , h(ϑ) reell. Die Darstellungseigenschaft impliziert eih(ϑ1 +ϑ2 ) = eih(ϑ1 )+ih(ϑ2 ) . © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_12

233

234

12

Irreduzible Darstellungen von Lie-Gruppen

Also ist h(ϑ) eine lineare Funktion mit h(ϑ+2π ) = h(ϑ)+2π n, und die irreduziblen Darstellungen haben die Form   Dn : eiϑ → Dn eiϑ = einϑ ,

n ∈ Z.

(12.2)

Es existieren also abzählbar viele irreduzible Darstellungen mit Charakteren   χn (ϑ) = Sp Dn eiϑ = einϑ .

(12.3)

Im Einklang mit Satz 37 sind diese orthonormal bezüglich der Mittelbildung, (χm , χn ) = M



χm∗ χn



1 = 2π



dϑ e−imϑ einϑ = δmn .

(12.4)

Jede Klassenfunktion f (ϑ) ist 2π -periodisch und nach der Theorie der FourierReihen eine Linearkombination der Exponentialfunktionen (12.3). Also gilt wie für endliche Gruppen:

Die Charaktere von U(1) sind vollständig

Jede Klassenfunktion ist eine Linearkombination der unitärorthogonalen Charaktere, f (ϑ) =

 n

cn χn (ϑ),

cn =

1 2π





dϑ e−inϑ f (ϑ) = (χn , f ). (12.5)

0

Die Theorie der Fourier-Reihen ist also ein Spezialfall der Theorie der Charaktere. Die Vollständigkeit der Charaktere für endliche Gruppen und für die Lie-Gruppe U(1) gilt allgemeiner für kontinuierliche Gruppen mit Mittelbildung, deren irreduzible Darstellungen im Allgemeinen nicht mehr eindimensional sind. Es gilt nämlich der folgende Satz aus der harmonischen Analysis, der z. B. in [5,7,57] bewiesen wird: Satz 42 (Satz von Peter und Weyl) Zu jeder kontinuierlichen Gruppe G mit Mittelbildung existieren unendlich viele Charaktere. Diese bilden eine vollständige Orthonormalbasis im Raum der Klassenfunktionen.

12.2

Irreduzible Darstellungen von SU(2)

In Abschn. 10.8.1 hatten wir die irreduziblen Darstellungen von SU(2) aus der Linkswirkung der Gruppe auf C2 gewonnen. Nun gehen wir einen anderen Weg und

12.2 Irreduzible Darstellungen von SU(2)

235

benutzen das Theorem von Peter und Weyl, um diese Darstellungen zu konstruieren. Wir beginnen mit der trivialen Einsdarstellung D1 und der zweidimensionalen definierenden Darstellung D2 von SU(2) in (8.7) bzw. (9.9). Diese haben Charaktere χ1 (U ) = 1 und χ2 (U ) = a + a¯ = 2 cos ϑ = eiϑ + e−iϑ .

(12.6)

Mit Hilfe der Integrale  dμred cos2 ϑ =

1 und 4

 dμred cos ϑ = 0

(12.7)

findet man für die mit dem reduzierten Haarmaß (9.14) berechneten Skalarprodukte (χ1 , χ1 ) = (χ2 , χ2 ) = 1 und (χ1 , χ2 ) = 0, in Einklang mit der allgemeinen Theorie. Wir werden später sehen, dass dies die einzigen ein- und zweidimensionalen Darstellungen der Gruppe SU(2) sind. Aufgabe

Überlegen Sie sich, dass allgemeiner gilt  dμred (ϑ) cos2 p ϑ =

(2 p)! 1 . 4 p p! ( p + 1)!

(12.8)

12.2.1 Die dreidimensionale Darstellung SO(3) Wir beginnen mit der vierdimensionalen Tensorprodukt-Darstellung D = D2 ⊗ D2 mit χ D (ϑ) = χ2 (ϑ) · χ2 (ϑ) = 4 cos2 ϑ.

(12.9)

Die Skalarprodukte von χ D mit den Charakteren in (12.6) sind (χ1 , χ D ) = 1 und (χ2 , χ D ) = 0, so dass D die Einsdarstellung genau einmal enthält. Also zerfällt das Tensorprodukt in die triviale Darstellung D1 und eine dreidimensionale Darstellung, D2 ⊗ D2 = D1 ⊕ D3 mit χ3 (ϑ) = χ D3 = e2iϑ + 1 + e−2iϑ .

(12.10)

Wegen (χ3 , χ3 ) = 1 ist D3 eine irreduzible Darstellung der Dimension χ3 (e) = 3.

236

12

Irreduzible Darstellungen von Lie-Gruppen

Um einzusehen, dass es sich dabei um die Gruppe SO(3) der Drehungen in R3 handelt, schauen wir uns die Tensordarstellung D2 ⊗ D2 näher an. Unter D2 gehen x ∈ C2 und y ∈ C2 in U x und U y über. In der Parametrisierung (8.7) gilt dann ⎞ ⎛ 2 a x1 y1 ⎜−a b¯ ⎜x1 y2 ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ ⎝x2 y1 ⎠ → ⎝−ba ¯ ¯ x2 y2 b2 ⎛

ab a a¯ ¯ −bb ¯ −ba¯

ba −bb¯ aa ¯ −a¯ b¯

⎞⎛ ⎞ b2 x1 y1 ⎜ ⎟ ba¯ ⎟ ⎟ ⎜x1 y2 ⎟ . ⎠ ⎝ x2 y1 ⎠ ab ¯ 2 x2 y2 a¯

(12.11)

Benutzt man statt xi y j die antisymmetrische und die drei symmetrischen Kombinationen ⎛

Y00

⎞ ⎛ ⎞ x1 y1 Y11 1 1 = √ (x1 y2 − x2 y1 ) und Y = ⎝ Y10 ⎠ = ⎝ √2 (x1 y2 + x2 y1 )⎠ , 2 Y1−1 x2 y2

dann findet man für diese das Transformationsverhalten Y00 → Y00 , Y → D 1 (U )Y

(12.12)

mit D 1 (U ) aus (10.68). Der eindimensionale invariante Unterraum wird also von der antisymmetrischen Kombination Y00 aufgespannt und der dreidimensionale invariante Unterraum von den symmetrischen Kombinationen Y1m . Die Kugelflächenfunktionen Y1m transformieren nach der bereits in (10.68) gefundenen Darstellung von SU(2). Setzen wir schlussendlich noch

1 1 (12.13) (X 1 , X 2 , X 3 ) = √ (Y11 − Y1−1 ), √ (Y11 + Y1−1 ), Y10 , 2 i 2 dann hat in der Parametrisierung (9.9) die dreidimensionale Darstellung die Form X → (e, X)e + e ∧ X sin 2ϑ − e ∧ (e ∧ X) cos 2ϑ = R(2ϑ, e)X, mit Einheitsvektor

⎛ ⎞ sin ψ cos(π + ϕ) e = ⎝ sin ψ sin(π + ϕ) ⎠ . cos ψ

(12.14)

(12.15)

Die Abbildung (12.14) beschreibt eine eigentliche Drehung von X um die Achse e mit Winkel 2ϑ. Dies bedeutet, dass U → R(U ) die Gruppe SU(2) durch Drehungen in R3 irreduzibel darstellt. Wegen R(U ) = R(−U ) ist diese Darstellung nicht treu.

12.2 Irreduzible Darstellungen von SU(2)

237

12.2.2 Höherdimensionale Darstellungen Ähnlich wie D2 ⊗ D2 kann man die Tensorprodukt-Darstellung D3 ⊗ D2 mit Charakter χ3 · χ2 = e3iϑ + 2 eiϑ + 2 e−iϑ + e−3iϑ = χ2 + χ4 ausreduzieren. Offensichtlich enthält sie die Darstellung D2 genau einmal. Wegen (χ4 , χ4 ) = 1 zerfällt D3 ⊗ D2 in die irreduzible Darstellung D2 und eine vierdimensionale irreduzible Darstellung D4 . Ähnlich gewinnt man nun aus D4 ⊗ D2 eine neue irreduzible Darstellung D5 der Dimension 5. Iteriert man diesen Prozess, dann gewinnt man unendlich viele irreduzible Darstellungen Dn mit dim(Dn ) = n.

Charaktere der irreduziblen SU(2)-Darstellungen

Für jedes n ∈ N besitzt SU(2) eine irreduzible Darstellung Dn . Sie hat den Charakter χn ≡ χ D n =

n−1 

eikϑ =

k=1−n,3−n,...

sin nϑ . sin ϑ

(12.16)

Wegen χn (e) = n hat Dn die Dimension dim(Dn ) = n.

Diese Form der Charaktere hatten wir bereits früher über die Wirkung der Gruppe auf C2 gewonnen, siehe (10.71). Die χn bilden ein orthonormiertes System von Klassenfunktionen,  2 π sin mϑ sin nϑ dϑ = δmn , (χm , χn ) = π 0 was beweist, dass die Dn irreduzible und inäquivalente Darstellungen von SU(2) sind. Es stellt sich die Frage, welche davon treu sind. Eine Darstellung ist bekanntlich dann treu, wenn ihr Kern nur das Einselement enthält. Aufgabe

Zeigen Sie, dass von allen U ∈ SU(n) nur 1n die Spur n hat. Für eine unitäre Darstellung von SU(2) bedeutet dies U ∈ Ker(Dn ) ⇐⇒ n = χn (U ) =

sin nϑ , mit ϑ ∈ [0, π ]. sin ϑ

(12.17)

Für ϑ → 0 strebt χn gegen n (man benutze die Regel von l’Hospital), so dass erwartungsgemäß Dn (12 ) = 1n ist. Für ungerade n strebt der Charakter aber auch

238

12

Irreduzible Darstellungen von Lie-Gruppen

für ϑ → π gegen n. Für diesen Wert von ϑ ist U in (9.9) aber −12 , so dass Dn (12 ) = Dn (−12 ) = 1n f¨ur ungerade n.

(12.18)

Die irreduziblen Darstellungen mit ungeradem n sind also nicht treu, wogegen diejenigen mit geradem n treu sind. Nach dem Satz von Peter und Weyl kann jede Klassenfunktion f (ϑ) von SU(2) als Linearkombination der Charaktere der irreduziblen Darstellungen geschrieben werden, f (ϑ) =

∞  n=0

 cn =

cn

sin nϑ sin ϑ

dμred (ϑ)χn (ϑ) f (ϑ) =

2 π

 sin ϑ sin nϑ f (ϑ)dϑ.

(12.19)

Man kann auch anderweitig einsehen, dass die Charaktere χn ein vollständiges Funktionensystem auf L 2 ([0, π ], dμred (ϑ)) bilden. Dies beweist, dass wir alle irreduziblen SU(2)-Darstellungen konstruierten.

Clebsch-Gordan-Formel

Man kann zeigen (siehe Übungen), dass für n ≥ m folgende Ausreduktionsformel gilt: Dn ⊗ Dm = Dn+m−1 ⊕ Dn+m−3 ⊕ Dn+m−5 ⊕ · · · ⊕ Dn−m+1 .

(12.20)

In der Quantenmechanik bezeichnet man wie in Abschn. 10.8.2 die SU(2)Darstellungen mit der Drehimpulsquantenzahl j. Die Darstellung zum Drehimpuls j hat die Dimension n = 2 j + 1, wobei j halbganze Werte 0, 1/2, 1, . . . annimmt. Dann lautet die Ausreduktionsformel (12.20) D j ⊗ D j  = D j+ j  ⊕ D j+ j  −1 ⊕ D j+ j  −2 ⊕ · · · ⊕ D| j− j  | .

(12.21)

Im Programm LiE wird eine irreduzible Darstellung durch den Vektor v mit dem höchsten Gewicht charakterisiert (mehr dazu später). Entsprechend wird die Dimension der Darstellung mit dim(v) abgefragt. Die Ausreduktion von zwei irreduziblen Darstellungen mit Gewichtsvektoren v und w geschieht mit dem Aufruf tensor(v, w).

12.3 Darstellungen von SU(3)

LiE> LiE> LiE> LiE> LiE> LiE>

239

setdefault A1 dim([1]) -> 2 dim([2]) -> 3 dim([3]) -> 4 tensor([1],[1]) -> 1X[0] +1X[2] p_tensor(3,[1]) -> 2X[1] +1X[3]

Die zweitletzte Zeile ist gleichbedeutend mit D2 ⊗ D2 = D1 ⊕ D3 und die letzte mit D2 ⊗ D2 ⊗ D2 = 2D2 + D4 . Dabei werden die Darstellungen mit ihrer Dimension indiziert.

12.3

Darstellungen von SU(3)

Einige Darstellungen der Gruppe sind uns bereits in Aufgabe 10.10 begegnet. Eine unitäre Matrix kann diagonalisiert werden und hat unimodulare Zahlen als Eigenwerte. Für die Matrizen aus SU(n) muss deren Produkt gleich eins sein. Deshalb ist jede SU(3)-Matrix ähnlich zu einer diagonalen Matrix ⎞ 0 eiϑ1 0 ⎠, 0 U = ⎝ 0 eiϑ2 0 0 e−i(ϑ1 +ϑ2 ) ⎛

(12.22)

mit reellen Winkeln ϑ1 und ϑ2 . Die dreidimensionale definierende Darstellung wird mit 3 bezeichnet. Ihr Charakter ist χ3 (ϑ1 , ϑ2 ) = eiϑ1 + eiϑ2 + e−i(ϑ1 +ϑ2 ) .

(12.23)

Die definierende Darstellung ist irreduzibel, da χ3∗ χ3 = 3 + 2 cos(ϑ1 − ϑ2 ) + 2 cos(2ϑ1 + ϑ2 ) + 2 cos(2ϑ2 + ϑ1 )

(12.24)

zu eins integriert,  (χ3 , χ3 ) =

dμred (ϑ1 , ϑ2 ) |χ3 (ϑ1 , ϑ2 )|2 = 1.

(12.25)

Das hier auftretende reduzierte Haar-Maß von SU(3) hatten wir in (9.48) bestimmt. Die komplex konjugierte Darstellung U → U ∗ wird mit 3¯ bezeichnet. Sie ist nicht äquivalent zur Darstellung 3, da χ3¯ = χ3∗ = χ3 ist. Sie ist wegen |χ3¯ |2 = |χ3 |2 ebenfalls irreduzibel. Was ergibt nun die Ausreduktion der neundimensionalen Tensorproduktdarstellung 3 × 3¯ mit Charakter χ3⊗3¯ = χ3 χ3∗ ? Sie enthält wegen  (χ3⊗3¯ , χ1 ) =

dμred |χ3 |2 = 1

(12.26)

240

12

Irreduzible Darstellungen von Lie-Gruppen

die triviale Darstellung einmal. Setzen wir 3 ⊗ 3¯ = 1 ⊕ 8, dann ist die achtdimensionale Darstellung irreduzibel, da χ8 = χ3⊗3¯ − χ1 die Norm 1 hat (χ8 , χ8 ) = (χ32 , χ32 ) − 2(χ3 , χ3 ) + (χ1 , χ1 ) = 1.

(12.27)

Aufgabe

Berechnen Sie die Skalarprodukte in (12.27).

Erzeugende Funktion für Skalarprodukte

Für die Skalarprodukte (χ3n , χ3m ) existiert eine erzeugende Funktion: 

∞ 

u m vn (12.28) m! n! m,n=0

∞  3( p + q + 1) 2 (uv) p (u 3 + v 3 )q = ( p + q + 1)! ( p + q + 2)! q! p ∗

dμred euχ3 +vχ3 =

(χ3n , χ3m )

p,q=0

= 1 + uv +

u 3 + v3 u 2 v2 11u 3 v 3 91u 4 v 4 uv(u 3 + v 3 ) + + + + + ... 6 2 72 2880 8 (12.29)

Den Beweis findet man in der Publikation [58]. Insbesondere folgt durch Vergleich der Koeffizienten von u 2 v 2 das fehlende erste Integral auf der rechten Seite von (12.27): (χ32 , χ32 ) = 2.

(12.30)

3 ⊗ 3¯ = 1 ⊕ 8

(12.31)

Das Tensorprodukt

führt somit auf eine achtdimensionale irreduzible Darstellung. Es ist die adjungierte Darstellung 8. Jede Lie-Gruppe besitzt eine adjungierte Darstellung der Dimension dim(G), und diese Darstellungen werden in Abschn. 14.1.1 eingeführt und diskutiert. Wir betrachten noch das Tensorprodukt 3 ⊗ 3 mit dem Charakter χ32 . Vergleichen wir die Koeffizienten von u 3 in (12.28) und (12.29), dann finden wir  (12.32) (χ3¯ , χ3⊗3 ) = dμred χ33 = 1, und damit ist die irreduzible Darstellung 3¯ einmal in 3 ⊗ 3 enthalten. Deshalb gilt 3 ⊗ 3 = 6 ⊕ 3¯ =⇒ χ6 = χ32 − χ3∗ ,

(12.33)

12.4 Aufgaben zu Kap.12

241

mit einer sechsdimensionalen und wegen (χ6 , χ6 ) = 1 irreduziblen Darstellung. Im nächsten Schritt folgt 3 ⊗ 3 ⊗ 3 = (3 ⊗ 3) ⊗ 3 = (6 ⊗ 3) ⊕ (3¯ ⊗ 3) = (6 ⊗ 3) ⊕ 8 ⊕ 1.

(12.34)

Jetzt fehlt noch 6 ⊗ 3 mit dem Charakter χ6⊗3 = χ6 χ3 = χ33 − χ3∗ χ3 .

(12.35)

Ohne expliziten Beweis notieren wir, dass diese Darstellung in zwei irreduzible Darstellungen zerfällt, 6 ⊗ 3 = 10 ⊗ 8, so dass 3 ⊗ 3 ⊗ 3 = 10 ⊕ 8 ⊕ 8 ⊕ 1.

(12.36)

Die Resultate (12.31) und (12.36) sind relevant für das Quarkmodell der Elementarteilchenphysik, das in Abschn. 20.4 vorgestellt wird. Quarks treten in drei Farben auf, die unter der definierenden Darstellung 3 der Farbgruppe SU(3) transformieren. Ihre Antiteilchen, die Antiquarks, transformieren unter der komplex konjugierten ¯ Darstellung 3. Mit Hilfe des Programms LiE kann man Tensorprodukte von SU(3)-Darstellungen ausreduzieren: LiE> LiE> LiE> LiE> LiE> LiE> LiE> LiE> LiE> LiE>

setdefault A2 dim([0,0]) -> 1 dim([1,0]) -> 3 dim([0,1]) -> 3 dim([2,0]) -> 6 dim([0,2]) -> 6 dim([1,1]) -> 8 dim([3,0]) -> 10 tensor([1,0],[0,1]) -> 1X[0,0] +1X[1,1] p_tensor(3,[1,0]) -> 1X[0,0] +2X[1,1] +1X[3,0]

Der Aufruf in der zweitletzten Zeile führt auf die Ausreduktion (12.31) und der Aufruf in der letzten Zeile auf (12.36).

12.4

Aufgaben zu Kap. 12

Aufgabe 12.1: Irreduzible Darstellungen der SU(2) Im Haupttext wurde die Integrationsformel  dμred (ϑ)(cos ϑ)2 p =

2 π

 0

π

dϑ(sin ϑ)2 (cos ϑ)2 p =

(2 p)! 1 4 p p!( p + 1)!

zur Berechnung der Skalarprodukte von SU(2)-Charaktere benutzt. Beweisen Sie diese.

242

12

Irreduzible Darstellungen von Lie-Gruppen

Aufgabe 12.2: Tensorprodukt von SU(2)-Darstellungen Es seien Dn die irreduziblen SU(2)-Darstellungen der Dimensionen n = 1, 2, 3, . . . Beweisen Sie für m ≤ n die Ausreduktionsformel Dm ⊗ Dn = Dm+n−1 ⊕ Dm+n−3 ⊕ · · · ⊕ Dm−n+1 . Hinweis: Betrachten Sie die Charaktere χn der Dn und erinnern Sie sich daran, was die Ausreduktion des Tensorprodukts für die Charaktere bedeutet. Dabei mag es hilfreich sein, sich an (12.16) zu erinnern. Aufgabe 12.3: Irreduzible Darstellungen von G× G Mit den Ergebnissen aus der Vorlesung kann man relativ leicht alle irreduziblen Darstellungen von SO(4) aus denen von SU(2) konstruieren. Tatsächlich hat man dann auch alle irreduziblen Darstellungen der Lorentz-Gruppe SO(1, 3) konstruiert. Hier betrachten wir die Situation für eine allgemeine Lie-Gruppe mit invarianter Integration. • Seien D1 und D2 zwei irreduzible Darstellungen von G. Zeigen Sie, dass D(g1 , g2 ) = D1 (g1 ) ⊗ D2 (g2 ) eine irreduzible Darstellung von G × G ist. • Was sind die irreduziblen Darstellungen von SU(2) × SU(2)? • Was sind die irreduziblen Darstellungen von SU(2) × SU(2)/Z2 ? Hinweis: Zwei Paare in SU(2) × SU(2), welche identifiziert werden, müssen in dasselbe D(g1 , g2 ) abgebildet werden.

13

Theorie der Lie-Algebren

Im Laufe der Zeit wird es immer klarer, dass die Regeln, die die Mathematiker interessant finden, dieselben sind, die die Natur gewählt hat. Paul Adrien Maurice Dirac

Dieses Kapitel führt in die Theorie der Lie-Algebren ein. Ein bekanntes Beispiel einer Lie-Algebra ist der Vektorraum R3 mit dem Vektorprodukt als Multiplikation. Das Produkt ist bilinear und antisymmetrisch, a × (β b + γ c) = β a × b + γ a × c und a × b = −b × a,

(β, γ ∈ R), (13.1)

und erfüllt die Jacobi-Identität (a × b) × c + (b × c) × a + (c × a) × b = 0.

(13.2)

Lie-Algebren sind bereits in der klassischen Hamiltonschen Mechanik anzutreffen: Die Poisson-Klammer versieht den linearen Raum der reellen C ∞ -Funktionen auf einem Phasenraum  mit der Struktur einer Lie-Algebra. Für drei C ∞ -Funktionen f , g, h :  → R gelten Bilinearit¨at: { f , βg + γ h} = β{ f , g} + γ { f , h}, (β, γ ∈ R), Antisymmetrie: { f , g} = −{g, f }, (13.3) Jacobi-Identit¨at: 0 = { f , {g, h}} + {g, {h, f }} + {h, { f , g}}. Lie-Algebren treten meistens als infinitesimale Symmetrieoperationen auf. Ein bekanntes Beispiel sind die Komponenten L a des Drehimpulses, welche die Drehungen im Raum erzeugen. In der klassischen Mechanik bilden diese eine Lie-Algebra © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_13

243

244

13 Theorie der Lie-Algebren

bezüglich der Poisson-Klammer und in der Quantenmechanik bezüglich des Kommutators von Operatoren, [L a , L b ] = iabc L c .

(13.4)

Die Darstellungstheorie der Drehimpulsoperatoren ist von großer Bedeutung für die Klassifikation von Zuständen und die Auswahlregeln in Atom- und Molekülphysik. Allgemeiner können mit Hilfe der Theorie von Lie-Algebren und deren Darstellungen strukturelle Einsichten in eine physikalische Theorie gewonnen werden, ohne die zugrunde liegende (oft auch komplexe) Dynamik zu verstehen oder gar zu lösen. Eine ausführliche Diskussion von Lie-Algebren (und deren Darstellungen) findet man zum Beispiel in [16,20,59–61].

13.1

Einführung in Lie-Algebren

Die Eigenschaften einer Lie-Algebra sind denjenigen des Vektorprodukts auf R3 nachempfunden. Allgemein wird eine Lie-Algebra wie folgt definiert: Definition 45 (Lie-Algebra) Eine Lie-Algebra ist ein K-Vektorraum g, versehen mit einer bilinearen Abbildung (Lie-Klammer, Lie-Produkt) [ , ] : g × g −→ g, welche für alle X , Y , Z ∈ g • antisymmetrisch ist: • die Jacobi-Identität erfüllt:

[X , Y ] = −[Y , X ] , [X , [Y , Z ]] + [Z , [X , Y ]] + [Y , [Z , X ]] = 0.

Strukturkonstanten

Führen wir eine Basis X 1 , . . . , X n im n-dimensionalen Vektorraum g ein, dann ist der Kommutator zweier Basiselemente eine Linearkombination der Basiselemente: [X a , X b ] = f ab c X c . Die n 3 Entwicklungskoeffizienten

(13.5)

f ab ∈ K heißen Strukturkonstanten von g. c

Der Rang einer Lie-Algebra ist gleich der maximalen Anzahl kommutierender Basiselemente. Verschwindet das Lie-Produkt für jedes Paar X , Y in g, dann verschwinden alle Strukturkonstanten und g heißt abelsch. Für abelsche Lie-Algebren gilt rang(g) = dim(g).

13.2 Lie-Unteralgebren

245

Beispiel: Die Lie-Algebra gl(n, K)

Diese enthält alle n × n-Matrizen mit Elementen in K und ist versehen mit dem Lie-Produkt [X , Y ] = X Y − Y X .

(13.6)

Es ist eine Lie-Algebra, da die Jacobi-Identität automatisch erfüllt ist: XY Z − X ZY − Y Z X + ZY X + Z XY − ZY X − XY Z + Y X Z + Y Z X − Y X Z − Z X Y + X Z Y = 0.

(13.7)

 Aus den Eigenschaften des Lie-Produkts kann man entsprechende Eigenschaften der Strukturkonstanten ablesen. So folgt aus der Antisymmetrie des Produkts die Antisymmetrie der Strukturkonstanten in den unteren Indizes, f ab c = − f ba c ,

a, b, c = 1, . . . , dim(g).

(13.8)

Aus der Jacobi-Identität für die Basiselemente erhält man q

p

q

p

q

p

[X a , [X b , X c ]] + zykl. = 0 =⇒ f ap f bc + f bp f ca + f cp f ab = 0. (13.9) Die Strukturkonstanten legen die Lie-Produkte der Basiselemente fest. Mit der Bilinearität folgen die Lie-Produkte für alle Paare X , Y ∈ g. Zu jedem Satz von n 3 Konstanten f ab c ∈ K, die (13.8) und (13.9) erfüllen, gehört eine Lie-Algebra mit diesen f ab c als Strukturkonstanten.

13.2

Lie-Unteralgebren

In vielen Anwendungen treten Lie-Algebren als Unteralgebren von bekannten LieAlgebren auf, z. B. von gl(n, K). Eine Lie-Unteralgebra ist wie folgt definiert: Definition 46 (Lie-Unteralgebra) Ein linearer Teilraum h von g, der abgeschlossen unter dem Lie-Produkt ist, heißt Lie-Unteralgebra von g. Wir schreiben h ≤ g. Eine Lie-Unteralgebra ist selbst eine Lie-Algebra, da [h, h] ⊆ h gilt und die JacobiIdentität von g geerbt wird. Es existieren immer die trivialen Lie-Unteralgebren h = ∅ und h = g. Ist h keine dieser beiden trivialen Lie-Unteralgebren, so heißt sie eigentliche bzw. echte Lie-Unteralgebra. Sind hi zwei Lie-Unteralgebren, dann ist auch die Menge   [h1 , h2 ] = span [H1 , H2 ] |Hi ∈ hi

(13.10)

246

13 Theorie der Lie-Algebren

eine Lie-Unteralgebra, wobei span{M} die lineare Hülle von M ⊆ g ist. Die Menge der Kommutatoren ist im Allgemeinen kein linearer Raum und dann benötigt man die lineare Hülle. Insbesondere nennt man g ≡ [g, g] ≤ g

(13.11)

die von g abgeleitete Lie-Algebra. Für eine abelsche Lie-Algebra ist g = ∅. Aufgabe

Überzeugen Sie sich davon, dass [h1 , h2 ] eine Lie-Unteralgebra ist. Beispiel: Die von gl(n, K) abgeleitete Lie-Algebra sl(n, K)

Die spurfreien Matrizen bilden die Lie-Unteralgebra sl(n, K) ≤ gl(n, K). Für zwei beliebige Matrizen X , Y ist Sp[X , Y ] = 0 und deshalb gilt gl (n, K) = sl(n, K) .  Invariante Lie-Unteralgebren (Ideale) Es gibt eine für die Klassifikation von Lie-Algebren wichtige Unterklasse von LieUnteralgebren, die unter der Wirkung von g invariant sind. Diese invarianten LieUnteralgebren, auch Ideale genannt, entsprechen in gewissem Sinne den Normalteilern von Lie-Gruppen. Definition 47 (Ideal) Eine Lie-Unteralgebra I ≤ g heißt invariante LieUnteralgebra (Ideal) von g, wenn [g, I ] ⊆ I .

(13.12)

Wir schreiben I  g bzw. I  g, wenn I echt kleiner als g ist. Z. B. ist die abgeleitete Lie-Algebra g wegen [g , g] ⊆ [g, g] = g immer ein Ideal von g. Speziell ist sl(n, K)  gl(n, K). Aus zwei Idealen I1 , I2 kann man auf verschiedene Arten weitere Ideale gewinnen (siehe Aufgabe 13.4): Lemma 49 (Ideale aus Idealen) Der Durchschnitt zweier Ideale I1 ∩ I2 , ihre Summe I1 + I2 = {X 1 + X 2 | X i ∈ Ii } und ihr Produkt [I1 , I2 ] = span{[X 1 , X 2 ] | X i ∈ Ii } sind Ideale von g. Wir überzeugen uns hier von der letzten Aussage: Die lineare Hülle von [I1 , I2 ] ist, wie wir gerade argumentierten, eine Lie-Unteralgebra. Zum Beweis, dass sie eine invariante Lie-Unteralgebra ist, bemüht man die Jacobi-Identität. Seien X 1 ∈ I1 , X 2 ∈ I2 und X ∈ g, beliebig. Dann ist [X , [X 1 , X 2 ]] = [X 2 , [X 1 , X ]] − [X 1 , [X 2 , X ]] ∈ [I1 , I2 ], was bedeutet, dass [I1 , I2 ] invariant ist.

13.2 Lie-Unteralgebren

247

Aufgabe

Beweisen Sie die anderen beiden Aussagen. Einfache und halbeinfache Lie-Algebren Analog zur Klassifizierung von Gruppen mit Hilfe ihrer Normalteiler kann man Lie-Algebren anhand ihrer Ideale unterscheiden: Definition 48 (Einfache Lie-Algebren) Eine Lie-Algebra g heißt einfach, wenn sie nichtabelsch ist und kein (nichttriviales) Ideal besitzt. Sie heißt halbeinfach, wenn {0} ihr einziges abelsches Ideal ist. In anderen Worten, eine halbeinfache Lie-Algebra kann nur nichtabelsche Ideale besitzen. Jede einfache Lie-Algebra ist halbeinfach und jede abelsche Lie-Algebra ist weder einfach noch halbeinfach. Ähnlich wie für eine Gruppe mit Normalteilern kann man für eine Lie-Algebra mit Idealen für jedes Ideal I g den Quotientenraum g/I definieren. Seine Elemente sind die Äquivalenzklassen zur Relation X ∼ Y ⇐⇒ X − Y ∈ I  g.

(13.13)

Ein Repräsentant X definiert die Klasse X + I . Die Klassen definieren einen linearen Raum mit der Klasse I als Nullvektor. Der Kommutator ist unabhängig vom Repräsentanten, da I ein Ideal ist: X − X ∈ I =⇒ [X − X , Y ] ∈ I ∼ 0. Lemma 50 Für jedes Ideal I  g definiert der Quotientenraum g/I eine LieAlgebra. Z. B. ist gl(n, K)/sl(n, K) die abelsche Lie-Algebra {λ1|λ ∈ K}. Zentrum, Zentralisatoren und Normalisatoren Das Zentrum z ≤ g enthält diejenigen Elemente, die mit allen Elementen von g vertauschen, z := {Z ∈ g | [Z , g] = 0}.

(13.14)

Es ist ein spezielles Ideal in g. Für abelsche Lie-Algebren ist z = g. Frage

Was sind die Zentren von gl(n, K) und sl(n, K)? Schlussendlich betrachten wir zwei weitere Klassen von Unteralgebren. • Der Zentralisator einer Teilmenge m ⊆ g enthält alle Elemente von g, deren Lie-Produkte mit allen Elementen aus m verschwinden, zg (m) = {X ∈ g | [X , m] = 0}.

(13.15)

248

13 Theorie der Lie-Algebren

zg (m) ist ein Vektorraum und mit der Jacobi-Identität beweist man, dass er bezüglich des Lie-Produktes abgeschlossen ist. Somit ist zg (m) eine Lie-Unteralgebra. Der Zentralisator von g ist gleich dem Zentrum der Lie-Algebra, zg (g) = z. • Der Normalisator einer Lie-Unteralgebra h ≤ g ist definiert durch ng (h) = {X ∈ g | [X , h] ⊆ h}.

(13.16)

Er ist ein Vektorraum und für zwei Vektoren X 1 , X 2 ∈ ng (h) ist wegen [[X 1 , X 2 ], h] = [X 1 , [X 2 , h]] − [X 2 , [X 1 , h]] ⊆ h auch deren Lie-Produkt im Normalisator. ng (h) ist die größte Lie-Unteralgebra von g, die h als Ideal enthält. Der Normalisator eines Ideals ist gleich g.

13.3

Lie-Algebra-Homomorphismen und Darstellungen

Die Lie-Unteralgebren von Lie-Algebren stehen in enger Verbindung zu den Homomorphismen von Lie-Algebren. Definition 49 Ein Homomorphismus φ : g1 → g2 von Lie-Algebren ist eine strukturerhaltende lineare Abbildung, φ(α X + βY ) = αφ(X ) + βφ(Y ) und φ ([X , Y ]) = [φ(X ), φ(Y )].

(13.17)

In der zweiten Beziehung steht links das Lie-Produkt in g1 und rechts dasjenige in g2 . Die Zusammensetzung zweier Lie-Algebra-Homomorphismen ist wieder ein LieAlgebra-Homomorphismus. Lemma 51 Es sei φ : g1 → g2 ein Lie-Algebra-Homomorphismus. Dann sind der Kern und das Bild von φ Lie-Unteralgebren von g1 und von g2 . Der Kern einer linearen Abbildung ist ein linearer Unterraum von g1 . Er definiert eine Unteralgebra, da wegen der Homomorphismuseigenschaft mit X , Y auch [X , Y ] im Kern von φ liegt, φ([X , Y ]) = [φ(X ), φ(Y )] = 0. Aufgabe

Zeigen Sie, dass das Bild von φ eine Lie-Unteralgebra von g2 ist. Bekanntlich definiert der Kern jedes Gruppen-Homomorphismus einen Normalteiler. Ähnliches gilt auch für den Kern eines Lie-Algebra-Homomorphismus: Lemma 52 Der Kern jedes Lie-Algebra-Homomorphismus φ ist ein Ideal von g1 , Kern (φ)  g1 .

13.3 Lie-Algebra-Homomorphismen und Darstellungen

249

Die Aussage folgt unmittelbar aus φ([Kern(φ), g1 ]) = [φ (Kern(φ)) , φ(g1 )] = 0 =⇒ [Kern(φ), g1 ] ⊂ Kern(φ). (13.18)

13.3.1 Darstellungen einer Lie-Algebra Es sei V ein n-dimensionaler Vektorraum und L(V ) die Menge der linearen Abbildungen V → V . Diese bilden mit dem Kommutator zweier linearer Abbildungen als Lie-Produkt eine Lie-Algebra. Eine Darstellung von g auf V ist nun wie folgt definiert: Definition 50 (Darstellung einer Lie-Algebra) Eine n-dimensionale Darstellung D einer Lie-Algebra g ist ein Lie-Algebra-Homomorphismus D : g → L(V ),

X → D(X ) ∈ L(V ), dim(V ) = n.

Bei Darstellungen ist g2 in (13.17) gleich L(V ). Nach Wahl einer Basis in V entspricht einer linearen Abbildung eine Matrix und dem Lie-Produkt zweier linearer Abbildungen der Kommutator der zugeordneten Matrizen. Eine Darstellung D ist somit ein Homomorphismus g → gl(n, K).

13.3.2 Irreduzible Darstellungen Ähnlich wie bei der Darstellungstheorie von Gruppen wird man sich auf Darstellungen von Lie-Algebren konzentrieren, die keine invarianten Teilräume haben. Man nennt eine Darstellung D irreduzibel, wenn sie keine (nichttrivialen) invarianten Teilräume in V hat. Sie heißt vollreduzibel, wenn sie irreduzibel oder die direkte Summe von irreduziblen Darstellungen ist. Die Klassifikation sämtlicher irreduzibler inäquivalenter Darstellungen einer Lie-Algebra ist ein wichtiges Ziel der Darstellungstheorie und wird uns in Kap. 16 beschäftigen. In Abschn. 11.2 bewiesen und diskutierten wir das Lemma von Schur für irreduzible Darstellungen von Gruppen. Das entsprechende Lemma für irreduzible Darstellungen von Lie-Algebren lautet ähnlich und die Beweise sind eng verwandt (siehe Aufgabe 13.6). Lemma 53 (Schur) Es seien D1 und D2 zwei irreduzible Darstellungen einer LieAlgebra g auf Vektorräumen V1 und V2 und H : V1 → V2 eine lineare Abbildung (ein Morphismus) mit H D1 = D2 H . Dann gelten folgende Aussagen: 1. H ist entweder 0 oder (im ausschließenden Sinn) H ist invertierbar.

(13.19)

250

13 Theorie der Lie-Algebren

2. Ist D1 = D2 ≡ D, so ist H proportional zur Identität 1V . Ist H in der ersten Aussage invertierbar, dann sind die irreduziblen Darstellungen D1 und D2 äquivalent. Die zweite Aussage kann man auch so formulieren: Vertauscht ein linearer Operator H : V → V mit allen Matrizen D(X ) einer irreduziblen Darstellung, dann ist H = λ1.

13.3.3 Adjungierte Darstellung Eine Lie-Algebra g besitzt immer eine spezielle Darstellung mit Trägerraum V = g, die adjungierte Darstellung. Diese ordnet auf kanonische Art jedem Element X ∈ g eine lineare Abbildung ad X : g → g, d. h. ein Element von L(g), zu: ad : g → L(g),

ad X Y = [X , Y ] .

(13.20)

Die Jacobi-Identität impliziert [ad X , adY ](Z ) = ad[X ,Y ] (Z ), so dass gilt: Korollar 14 (Adjungierte Darstellung) Die Abbildung X → ad X definiert eine Darstellung von g auf L(g). Die Dimension der adjungierten Darstellung ist gleich dim(g). Beispiel: Adjungierte Darstellung der Lie-Algebra su(2)

Die Lie-Algebra su(2) ist der lineare Raum der zweidimensionalen antihermitischen spurlosen Matrizen. Als Basis der reellen Lie-Algebra wählen wir X1 =

i σ1 , 2

X2 =

i σ2 , 2

X3 =

i σ3 . 2

(13.21)

Aufgrund der Relationen [X a , X b ] = −abc X c werden diesen folgende Matrizen zugeordnet:

ad X 1

⎛ ⎛ ⎛ ⎞ ⎞ 0 0 0 0 0 −1 0 1 = ⎝0 0 1⎠ , ad X 2 = ⎝0 0 0 ⎠ , ad X 3 = ⎝−1 0 0 −1 0 10 0 0 0

⎞ 0 0⎠ . 0

(13.22)

Diese haben dieselben Vertauschungsrelationen wie die X a : [ad X a , ad X b ] = −abc ad X c .  Die unter der adjungierten Darstellung invarianten Unterräume von g sind die Ideale von g. Insbesondere ist g genau dann einfach, wenn die adjungierte Abbildung irreduzibel ist. Der Kern der adjungierten Darstellung ist gleich dem Zentrum von g, Kern(ad) = {Z ∈ g | [Z , g] = 0} = z.

(13.23)

13.4 Invariante Killing-Form

251

Daraus folgt dann sofort die wichtige Eigenschaft Lemma 54 Das Bild adg ist isomorph zu g/z. Für z = 0 ist adg ∼ = g. Aufgabe

Die Lie-Algebra su(n) verallgemeinert su(2) und enthält die spurlosen antihermitischen n × n Matrizen. Zeigen Sie, dass ad(su(n)) ∼ = su(n) gilt.

13.4

Invariante Killing-Form

Nun führen wir mit Hilfe der adjungierten Darstellung die bilineare und adinvariante Killing-Form K (., .) ein. Diese spielt in der Strukturtheorie der halbeinfachen LieAlgebren eine wichtige Rolle. Für eine halbeinfache Lie-Algebra g ist die KillingForm nicht entartet, d. h., g⊥ enthält nur den Nullvektor bzw. aus K (X , g) = 0 folgt X = 0. Definition 51 (Killing-Form) Die Killing-Form einer Lie-Algebra ist gegeben durch K (X , Y ) = Sp (ad X adY ) .

(13.24)

Sie ist auch von besonderem Interesse, weil sie invariant bzgl. der adjungierten Darstellung ist: Lemma 55 Die Killing-Form ist symmetrisch, bilinear und adinvariant, K (ad Z X , Y ) + K (X , ad Z Y ) = 0.

(13.25)

Beweis Die erste Eigenschaft folgt aus der Invarianz der Spur unter zyklischer Vertauschung der Argumente und die zweite aus der Linearität von X → ad X . Die Adinvarianz beweist man wie folgt:  K (ad Z X , Y ) = K ([Z , X ], Y ) = Sp ad[Z ,X ] adY = Sp ([ad Z , ad X ]adY )  = Sp (ad X [adY , ad Z ]) = Sp ad X ad[Y ,Z ] = −K (X , ad Z Y ). (13.26) Eine wichtige Folgerung aus der Invarianz (13.25) ist das Lemma 56 (Orthogonales Komplement eines Ideals) Das orthogonale Komplement I ⊥ eines Ideals I von g, gegeben durch I ⊥ = {Y ∈ g | K (Y , I ) = 0}, ist ebenfalls ein Ideal von g.

252

13 Theorie der Lie-Algebren

Beweis Es sei X ∈ g beliebig und Y ∈ I ⊥ . Wir wollen beweisen, dass dann [X , Y ] in I ⊥ ist. Tatsächlich gilt K ([X , Y ], I ) = K (ad X Y , I ) = −K (Y , ad X I ) = 0,

(13.27)

weil ad X I ⊆ I ist. Damit ist mit I auch I ⊥ ein Ideal von g. Insbesondere ist g⊥  g ein Ideal. Lemma 57 Ist I  g ein Ideal und sind X , Y ∈ I , dann ist K g (X , Y ) = K I (X , Y ),

X , Y ∈ I,

(13.28)

wobei K g und K I die Killing-Formen der Lie-Algebren g und I  g sind. Beweis Wir wählen eine angepasste Basis, beginnend mit den Elementen von I und ergänzt zu einer Basis von g. Für X , Y ∈ I hat die lineare Abbildung ad X adY die Blockform

AB , X , Y ∈ I, ad X adY = 0 0 und deshalb ist Sp g (ad X adY ) = Sp I (ad X adY ). Nun wollen wir der Frage nachgehen, für welche g die Killing-Form ausgeartet ist. Nach Definition besitzt eine nichthalbeinfache Lie-Algebra ein abelsches Ideal ag. Für jedes X ∈ g ist dann ad X (a) ⊆ a, so dass für jedes A ∈ a gilt: ad A ad X (a) = 0. Weiterhin gilt natürlich ad A ad X (g) ⊆ a. In einer angepassten Basis, beginnend mit den Elementen von a und ergänzt zu einer Basis von g, ist ad A ad X eine obere Dreiecksmatrix,

0B , A ∈ a, X ∈ g. ad A ad X = 0 0 Es folgt für jedes abelsche Ideal a  g die Eigenschaft K (a, g) = 0. Dies wollen wir in einem Lemma festhalten: Lemma 58 (Ausgeartete Killing-Form) Die Killing-Form einer nicht halbeinfachen Lie-Algebra ist ausgeartet. Beispiel: Lie-Algebra der affinen Transformationen in R

Dies ist die zweidimensionale Lie-Algebra zu den in Abschn. 9.2 eingeführten affinen Transformationen auf R (mehr dazu in Kap. 14). Als Basis wählen wir







10 01 00 0 0 , X2 = mit ad X 1 = , ad X 2 = . X1 = 00 00 01 −1 0 Die Killing-Form ist ausgeartet, da wegen K (X 1 , X 1 ) = 1,

K (X 1 , X 2 ) = 0,

K (X 2 , X 2 ) = 0

für alle X in der Lie-Algebra K (X , X 2 ) verschwindet. 

13.4 Invariante Killing-Form

253

Andererseits ist die Killing-Form einer halbeinfachen Lie-Algebra nicht ausgeartet, wie in Satz 48 im Anhang zu diesem Kapitel bewiesen wird. Wir fassen zusammen: Satz 43 (Einfache Lie-Algebren) Folgende Aussagen sind äquivalent: 1. g ist halbeinfach. 2. Die Killing-Form von g ist nicht entartet. 3. g = g1 ⊕ · · · ⊕ gm mit einfachen Idealen gk  g. Diese Zerlegung ist eindeutig und die einzigen Ideale von g sind direkte Summen von gk . Um die dritte Aussage zu beweisen, betrachtet man ein Ideal I  g mit der kleinsten positiven Dimension. Ist I = g, dann ist g einfach und es gibt nichts zu beweisen. Andernfalls bemerkt man, dass die Einschränkung der Killing-Form auf das Ideal I ∩ I ⊥ verschwindet, so dass I ∩ I ⊥ auflösbar ist (auflösbare Lie-Algebren werden im Anhang zu diesem Kapitel eingeführt und diskutiert). Für ein halbeinfaches g muss dann I ∩ I ⊥ = {0} sein. Da dim I + dim I ⊥ = dim g ist, folgt nun I ⊕ I ⊥ = g. Induktiv beweist man nun die dritte Aussage im Satz.

13.4.1 Cartan-Killing-Metrik und Strukturkonstanten Wir wählen eine Basis {X a } von g und betrachten die zugehörigen Komponenten der Killing-Form, gab = −K (X a , X b ). Die invariante Matrix (gab ) wird auch CartanKilling-Metrik genannt.

Invertierbare Cartan-Killing-Metrik

Eine Lie-Algebra ist genau dann halbeinfach, wenn det(gab ) = 0 ist.

Wegen ad X b X c = f bc d X d und ad X a ad X b X c = f ad e f bc d X e entspricht der linearen Abbildung ad X a ad X b die Matrix d f ad e f bc d , und die Koeffizienten der Metrik sind quadratisch in den Strukturkonstanten, gab = −Sp(ad X a ad X b ) = − f ad c f bc d .

(13.29)

Mit der Metrik können wir Indizes senken. Die Strukturkonstanten mit unteren Indizes f abc ≡ f ab d gdc = − f bac

(13.30)

sind nicht nur antisymmetrisch in den Indices a, b, sondern vollständig antisymmetrisch in a, b und c. Beim Beweis benutzt man in K (ad X a X b , X c ) = f ab d K (X d , X c ) = − f abc

254

13 Theorie der Lie-Algebren

die Adinvarianz der Killing-Form und deren Symmetrie, K (ad X a X b , X c ) = −K (ad X a X c , X b ) bzw. f abc = − f acb , was die Antisymmetrie in den letzten beiden Indizes – und damit allen Indizes – beweist. Beispiel: Die Lie-Algebra sl(2, R)

Diese reelle Lie-Algebra der reellen und spurlosen 2 × 2-Matrizen hat die Basis X1 =

1 σ1 , 2

X2 =

1 σ2 , 2i

X3 =

1 σ3 . 2

(13.31)

Deren Kommutatoren ad X a X b = [X a , X b ] sind ad X 1 X 2 = X 3 , ad X 1 X 3 = X 2 etc., so dass ad die Basiselemente auf folgende Matrizen abbildet, ⎛ ⎛ ⎛ ⎞ ⎞ ⎞ 000 0 01 0 −1 0 ad X 1 = ⎝0 0 1⎠ , ad X 2 = ⎝ 0 0 0⎠ , ad X 3 = ⎝−1 0 0⎠ . 010 −1 0 0 0 0 0  Die zugehörige Metrik (gab ) = diag − 2, 2, −2 ist invertierbar und damit ist sl(2, R) einfach. Dagegen ist für su(2) (mit der Basis in Abschn. 13.3.3) die Metrik gab = −2δab negativ definit. 

Kompakte Lie-Algebren

Lie-Algebren mit negativ definiter Killing-Form nennt man kompakte LieAlgebren. su(2) ist kompakt und sl(2, R) nichtkompakt. Wir werden in Abschn. 14.2 sehen, dass die zu einer halbeinfachen kompakten LieGruppe gehörende Lie-Algebra kompakt ist, d. h. eine positiv definite adinvariante Metrik (gab ) hat.

13.4.2 Killing-Formen für Matrix-Lie-Algebren Für Matrix-Lie-Algebren lässt sich die Killing-Form explizit angeben. Dazu definieren wir für zwei Matrizen einer Lie-Algebra die symmetrische, bilineare und ad-invariante Spurform (X , Y ) = Sp(X Y ).

(13.32)

13.4 Invariante Killing-Form

255

Frage

Warum definiert die negative Spurform ein Skalarprodukt auf su(n)? Weil die Spurform ad-invariant ist, folgert man mit dem Lemma von Schur (siehe [60]) Korollar 15 (Spur-Formen und Killing-Form) Für eine einfache Lie-Algebra ist die Spurform (13.32) proportional zur Killing-Form, K (X , Y ) = λ Sp(X , Y ).

(13.33)

Alternativ führt eine Analyse der ad-invarianten Bilinearform B(X , Y ) = K (X , Y )− λ Sp(X , Y ) auf das Korollar: Das charakteristische Polynom der symmetrischen Matrix Bab = K (X a , X b ) − λ Sp(X a , X b ) verschwindet für ein λ, und das zugehörige B ist ausgeartet. Weil B ad-invariant ist, ist g⊥ = {0} ein Ideal in g, wobei mit g⊥ „senkrecht bezüglich der B-Form“ gemeint ist. Da g einfach ist, muss g⊥ = g sein. Dies bedeutet aber, dass für eine Nullstelle λ des charakteristischen Polynoms die B-Form verschwindet bzw. K (X , Y ) = λ Sp(X , Y ) gilt. Um den Faktor λ für die einfache Lie-Algebra sl(n, R) zu berechnen, bestimmen wir K (H , H ) für die spurlose Matrix H = diag(1, 0, . . . , 0, −1). Es sei E ab die Matrix mit lauter verschwindenden Elementen, mit Ausnahme des Elements in Reihe a und Spalte b, das eins ist. Dann sind folgende Matrizen Eigenvektoren von ad2H mit nicht verschwindenden Eigenwerten: λ = 4 : E 1n , E n1 ; λ = 1 : E 1a , E a1 , E na , E an ,

a = 2, . . . , n−1. (13.34)

Deshalb ist K (H , H ) = 2 · 4 + 4 · (n − 2) = 4n und es folgt mit Sp(H H ) = 2, dass K (X , Y ) = 2n Sp(X Y ),

X , Y ∈ sl(n, R).

(13.35)

Für su(n) wählt man die antihermitesche spurlose Matrix H = diag(i, 0, . . . , 0, −i) und findet bis auf ein Vorzeichen dieselben Eigenwerte wie für sl(n, R). Die Eigenvektoren sind die antihermiteschen Linearkombinationen der Eigenvektoren (13.34), z. B. E 1n − E n1 und iE 1n +iE n1 . Wegen Sp(H H ) = −2 findet man deshalb dasselbe Resultat wie für sl(n, R), K (X , Y ) = 2n Sp(X Y ),

X , Y ∈ su(n).

(13.36)

Die einfache orthogonale Lie-Algebra so(n) enthält die antisymmetrischen reellen Matrizen, siehe Abschn. 14.2. Die antisymmetrische Matrix H = E 1n − E n1 hat folgende 2n − 4 Eigenvektoren zum einzigen nicht verschwindenden Eigenwert λ = −1: E 1a − E a1 , E na − E an , a = 2, . . . , n − 1.

(13.37)

256

13 Theorie der Lie-Algebren

Tab. 13.1 Die Killing-Form von gl(n, R) und diejenigen der einfachen Matrixgruppen g

K(X,Y)

gl(n, R) sl(n, R) su(n, R) so(n, R) sp(n, R) sp(n, C)

2n Sp (X Y ) − 2Sp (X )Sp (Y ) 2n Sp (X Y ) 2n Sp (X Y ) (n − 2) Sp (X Y ) (2n + 2) Sp (X Y ) (2n + 2) Sp (X Y )

Entsprechend ist K (H , H ) = 4 − 2n und K (X , Y ) = (n − 2) Sp(X Y ),

X , Y ∈ so(n).

(13.38)

gl(n, R) ist nicht einfach und die Killing-Form muss nicht proportional zu Sp(X , Y ) sein. Aber die Unteralgebra sl(n, R) ist ein Ideal, und darauf ist gemäß (13.28) die Killing-Form durch (13.35) gegeben. Weil die Einheitsmatrix senkrecht auf gl(n, R) steht, ist die bilineare Killing-Form gleich K (X , Y ) = 2n Sp(X , Y ) − 2 Sp(X )Sp(Y ),

X , Y ∈ gl(n, R).

(13.39)

In Tab. 13.1 findet man die Killing-Formen von wichtigen Matrix Lie-Algebren. Dazu gehören auch die symplektischen Lie-Algebren sp(n, K), die in Abschn. 14.2 eingeführt werden. Aufgabe

Versuchen Sie, für sp(n, R) die Killing-Form durch Spuren auszudrücken.

13.5

Universelle Einhüllende einer Lie-Algebra

In der Theorie des Wasserstoffatoms spielt der quadrierte Drehimpulsoperator eine herausragende Rolle, weil er mit allen Komponenten des Drehimpulses und mit dem Hamilton-Operator kommutiert und simultan mit Letzterem diagonalisiert werden kann. In einer abstrakten Lie-Algebra ist das Produkt zweier Elemente aber gar nicht definiert. Deshalb führt man ihre universelle einhüllende Algebra ein, um Verallgemeinerungen des quadrierten Drehimpulses definieren zu können. Die einhüllende Algebra ist eine assoziative Algebra, in der das Lie-Produkt stets als Kommutator aufgefasst werden kann, auch bei Lie-Algebren, die keine Unteralgebren von gl(n, K) sind. Definition 52 (Universelle Einhüllende) Sei g eine (abstrakte) Lie-Algebra. Eine assoziative Algebra Ug mit eins heißt universelle einhüllende Algebra von g, falls

13.5 Universelle Einhüllende einer Lie-Algebra

257

1. es eine lineare Abbildung ϕ : g → Ug gibt, so dass gilt ϕ([X , Y ]) = ϕ(X )ϕ(Y ) − ϕ(Y )ϕ(X ),

X , Y ∈ g,

(13.40)

2. für jede assoziative Algebra A mit eins und linearer Abbildung α : g → A, die ebenfalls die Beziehung (13.40) erfüllt, genau ein Algebra-Homomorphismus φ : Ug → A mit φ(1) = 1 und α = φ ◦ ϕ existiert. In der zweiten Eigenschaft ist φ ein Algebra-Homomorphismus und nicht nur ein Lie-Algebra-Homomorphismus. Wegen dieser Eigenschaft heißt Ug universell. In der Definition wird natürlich angenommen, dass g eine Lie-Algebra und Ug , A Algebren über demselben Körper K sind. Ist {X a } eine Basis von g und sind f ab c die Strukturkonstanten bezüglich dieser Basis, dann gelten in Ug die Relationen xa xb − xb xa = f ab c xc ,

xa = ϕ(X a ).

(13.41)

Beispiel: Universelle Einhüllende von sl(2, C)

Als Basis dieser dreidimensionalen komplexen Lie-Algebra wählen wir

01 X= , 00





1 0 00 H= , Y = . 0 −1 10

(13.42)

Diese Basisvektoren haben die Kommutationsregeln [H , X ] = 2X , [H , Y ] = −2Y und [X , Y ] = H .

(13.43)

Bezeichnen x, y, h die Bilder von X , Y , H , dann ist die Einhüllende die von x, y, h erzeugte freie Algebra modulo der Relationen hx − xh = 2x, hy − yh = −2y und x y − yx = 2h.

(13.44)

Man kann zeigen, dass sie folgende Vektorraum-Basis hat: {y a h b x c |a, b, c ∈ N0 }.

(13.45)

Um dies einzusehen, beweist man zuerst, dass jedes Monom (jedes Wort) in den Erzeugenden als Linearkombination der Monome in (13.45) geschrieben werden kann. Z. B. ist hx y = hyx + hh = yhx − 2yx + h 2 . Danach gilt es, die lineare Unabhängigkeit der Basiselemente (13.45) zu beweisen, was etwas schwieriger ist, siehe Kap. 17 in [60]. Man beachte, dass im Gegensatz zu X 2 das Monom x 2 nicht verschwindet. Auch ist dim Usl(2,C) = ∞.  Die universelle einhüllende Algebra Ug ist unabhängig von der gewählten Basis. Mit anderen Worten: Führt man die Konstruktion für zwei verschiedene Basen durch, so sind die erhaltenen Algebren isomorph.

258

13 Theorie der Lie-Algebren

Satz 44 (Theorem von Poincaré, Birkhoff und Witt) Für eine Lie-Algebra g mit Basis {X 1 , . . . , X n } hat die universelle einhüllende Algebra Ug die Vektorraum-Basis {x1a1 x2a2 · · · xnan | a1 , . . . , an ∈ N0 },

xa = ϕ(X a ).

(13.46)

Insbesondere sind die Elemente x1 , . . . , xn linear unabhängig, und der Unterraum ϕ(g) von Ug kann mit g identifiziert werden. Der Beweis des PBW-Theorems wird im Wesentlichen induktiv geführt. Dabei nutzt man aus, dass mit Hilfe der Relationen (13.41) jedes Wort sortiert werden kann, wobei der „Fehlerterm“ eine Linearkombination von Wörtern geringerer Länge ist.

13.5.1 Quadratische Casimir-Invarianten Eine Casimir-Invariante ist ein spezielles Element aus dem Zentrum der universellen Einhüllenden einer Lie-Algebra. Wir werden zeigen, dass die Einhüllende einer halbeinfachen Lie-Algebra, deren Cartan-Killing-Metrik ja nicht entartet ist, eine Casimir-Invariante C2 besitzt, die quadratisch in den Erzeugenden ist. Da ϕ(g) ⊆ Ug mit g identifiziert werden kann, werden wir in der Notation nicht mehr zwischen xi = ϕ(X i ) und X i unterscheiden. Bei der Untersuchung von Invarianten machen wir davon Gebrauch, dass in einer assoziativen Algebra der Kommutator [X , Y ] = X Y − Y X die Derivationsregel erfüllt, [X Y , Z ] = X [Y , Z ] + [X , Z ]Y . Die quadratische Casimir-Invariante ist C2 = g ab X a X b , wobei g ab die inverse Cartan-Killing Metrik ist. Sie vertauscht mit den erzeugenden Elementen von Ug , [C2 , X c ] = g ab [X a X b , X c ] = g ab f ac d X d X b + g ab f bc d X a X d = f acd (X d X a + X a X d ) = 0,

(13.47)

wobei kontravariante Indizes mit der Killing-Metrik gab heruntergezogen und kovariante Indizes mit der inversen Metrik g ab heraufgezogen werden. Im letzten Schritt machten wir davon Gebrauch, dass f acd total antisymmetrisch ist. Wählt man für α in Definition 52 eine Darstellung D, dann gelten wegen der Existenz des Algebra-Homormorphismus φ : Ug → D(g) die Eigenschaften der universellen Einhüllenden auch für die Darstellung. Lemma 59 (Quadratische Casimir-Invariante) D sei eine Darstellung einer halbeinfachen Lie-Algebra g. Dann vertauscht der quadratische Casimir-Operator in dieser Darstellung mit allen Darstellungsmatrizen, [C2 (D), D(X )] = 0,

C2 (D) = g ab D(X a )D(X b ).

(13.48)

Mit dem Lemma von Schur folgt nun, dass in jeder irreduziblen Darstellung C2 ein Vielfaches von 1V ist, C2 (D) = λD 1.

(13.49)

13.5 Universelle Einhüllende einer Lie-Algebra

259

Nehmen wir die Spur von (13.49) in der adjungierten Darstellung, dann erhalten wir Sp C2 (ad) = λad dim g. Benutzen wir andererseits die Definition (13.48) der quadratischen Casimir-Invarianten, so finden wir Sp C2 (ad) = g ab gab = dim(g), so dass wir C2 (ad) = 1 folgern. Die Normierung der Killing-Form ändert sich bei einer Skalierung der Basisvektoren, X a → α X a =⇒ f ab c → α f ab c , gab → α 2 gab , g ab → α −2 g ab .

(13.50)

Von Mathematikern wird für kompakte einfache Lie-Algebren gerne eine bezüglich der Killing-Form normierte Basis mit K (X a , X b ) = −δab gewählt. Physiker bevorzugen die Normierungen Sp X a X b = −2δab oder Sp X a X b = − 21 δab in der definierenden Darstellung und normieren die quadratische Casimir-Invariante gemäß C2 (g) = Sp X a X a .

(13.51)

Mit ähnlichen Argumenten wie nach (13.33) beweist man, dass für einfache Gruppen die ad-invarianten Bilinearformen SpD(X )D(Y ) für verschiedene irreduzible Darstellungen zueinander proportional sind. Wählt man Sp(X a X b ) ∝ δab , dann findet man für die quadratische Casimir-Invariante in der Darstellung D den Ausdruck C2 =

dim(g) SpD2 (X 1 ) 1D . dim(D)

(13.52)

Aufgabe

Versuchen Sie, diesen Ausdruck für die Casimir-Invariante zu beweisen. Beispiel: Casimir-Invariante für Darstellungen von su(2)

In Kap. 16 werden wir sehen, dass die Diagonalmatrix X 3 = 2i σ3 ∈ su(2) in der Darstellung zum halbganzen Spin j der Dimension 2 j + 1 die Form D j (X 3 ) = diag( j, j − 1, . . . , − j) hat. In dieser Darstellung ist die quadratische CasimirInvariante gemäß (13.52) dann C2 =

j

3 k 2 1D j = j( j + 1) 1D j . 2j + 1

(13.53)

k=− j



13.5.2 Höhere Casimir-Invarianten Im Allgemeinen hat eine Lie-Algebra mehrere unabhängige Casimir-Invarianten. Ihre Anzahl ist gleich dem in Abschn. 13.1 eingeführten Rang rang(g). Die zusätzlichen Invarianten sind nicht mehr quadratisch, sondern von höherer Ordnung: Eine

260

13 Theorie der Lie-Algebren

Tab. 13.2 Die Casimir-Invarianten C p der einfachen Matrix-Lie-Algebren. C p ist eine Invariante der Ordnung p. Jede Lie-Algebra hat die quadratische Invariante C2 = gab X a X b g

Casimir-Invarianten

sl(n, R), su(n) so(2n + 1, R) usp(2n, R) so(2n, R)

C2 , C3 , . . . , Cn C2 , C4 , . . . , C2n C2 , C4 , . . . , C2n C2 , C4 , . . . , C2n−2 ; Cn

Invariante von der Ordnung p hat die Form C p = κ a1 a2 ···a p X a1 X a2 · · · X a p , mit

κ

a1 a2 ···a p

= f

a1 b1 b2

f

a2 b2 b3

···

a b f p pb1 ,

(13.54) f

ab

c

= g g gct fr s . ar bs

t

(13.55)

Eine Ausnahme bildet die (nichteinfache) Lie-Algebra so(4) – sie besitzt zwei quadratische Casimir-Invarianten. Die unitäre Lie-Algebra su(n) hat Invarianten C p der Ordnungen 2, 3, . . . , n. In Tab. 13.2 sind die Casimir-Invarianten für die einfachen Matrix Lie-Algebren angegeben.

13.6

Anhang A: Nilpotente und auflösbare Lie-Algebren

Lie-Algebren werden nach ihren Idealen und deren Schachtelung klassifiziert. So besitzen einfache bzw. halbeinfache Lie-Algebren keine Ideale bzw. keine abelschen Ideale außer den trivialen. Um weitere Klassen von Lie-Algebren zu definieren, betrachtet man rekursiv definierte Reihen. Insbesondere die unteren und oberen Zentralreihen, die auf nilpotente und auflösbare Lie-Algebren führen. Eine erschöpfende Darstellung dieser Klassen von Lie-Algebren findet man z. B. in [60]. Definition 53 (Nilpotente Lie-Algebra) Die untere (absteigende) Zentralreihe ist gegeben durch g(0) = g und g(n+1) = [g, g(n) ] ≤ g(n) .

(A.1)

Eine Lie-Algebra g heißt nilpotent der Stufe k, wenn g(k) = 0 und g(k−1) = 0 ist. Expliziter bedeutet dies, dass [g, [g, [g, . . . [g, g] . . . ]]] = 0 bzw. ad X 1 ad X 2 · · · ad X k Y = 0 ∀ X 1 , X 2 , . . . , X k , Y ∈ g.

(A.2)

Nach Lemma 49 ist der Kommutator zweier Ideale wieder ein Ideal. Weiterhin sind Lie-Unteralgebren von nilpotenten Lie-Algebren ebenfalls nilpotent.

13.6 Anhang A: Nilpotente und auflösbare Lie-Algebren

261

Nilpotente Ideale und Unteralgebren von nilpotenten Lie-Algebren

Die Glieder der unteren Zentralreihe sind Ideale g(n)  g. Lie-Unteralgebren und homomorphe Bilder einer nilpotenten Lie-Algebra sind nilpotent. Quotienten einer nilpotenten Lie-Algebra und eines seiner Ideale sind nilpotent. Abelsche Lie-Algebren sind nilpotent.

Aufgabe

Es sei g nilpotent und h  g ein Ideal. Zeigen Sie, dass g/h ebenfalls nilpotent ist. Die Menge der strikten oberen Dreiecksmatrizen (diese haben Nullen auf der Diagonalen) sind ein Prototyp einer nilpotenten Lie-Algebra. Beispiel: Heisenberg-Algebra der Orts- und Impulsoperatoren

Die Heisenberg-Lie-Algebra hn ist die (2n + 1)-dimensionale reelle Lie-Algebra mit Basiselementen {q1 , . . . , qn , p1 , . . . , pn , z}, welche die Kommutationsregeln [ pa , qb ] = δab z, [ pa , z] = [qa , z] = [ pa , pb ] = [qa , qb ] = [z, z] = 0 (A.3) erfüllen. Sie ist die Lie-Algebra der Orts- und Impulsoperatoren in der Quantenmechanik und eine zentrale Erweiterung der Poisson-Algebra der Koordinaten im Phasenraum um das zentrale Element z. Dieses erzeugt das eindimensionale Zentrum z = {λz|λ ∈ R} und damit ist hn nicht halbeinfach. Die Basiselemente von h1 werden durch Dreiecksmatrizen dargestellt, p = E 12 , q = E 23 , z = E 13 .

(A.4)

In dieser Darstellung ist ein beliebiges Element von h1 eine echte obere Dreiecksmatrix, ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 0αγ 00α (A.5) h1 = ⎝0 0 β ⎠ , mit h1(1) = [h1 , h1 ] = ⎝0 0 0 ⎠ = z, 00 0 000 und h1(2) = [h1 , [h1 , h1 ]] = 0. Dies bedeutet, dass h1 nilpotent der Stufe 2 ist. 

262

13 Theorie der Lie-Algebren

Neben abstrakten Lie-Algebren g betrachten wir im Folgenden auch Endomorphismen X ∈ gl(V ) eines komplexen Vektorraums V , z. B. die linearen Abbildungen einer Darstellung von g. Ein Endomorphismus X heißt nilpotent, wenn X p = 0 für ein p ∈ N gilt. Lemma 60 Es sei X ∈ gl(V ) ein nilpotenter Endomorphismus. Dann ist auch ad X nilpotent. Beweis Die adjungierte Darstellung ist die Differenz von Links- und Rechtsmultiplikation, ad X = L X − R X . Die Endomorphismen L X : Y → X Y und R X : Y → Y X kommutieren miteinander und sind nilpotent, da mit X p = 0 auch (L X ) p = L X p = 0 und (R X ) p = 0 ist. Der binomische Lehrsatz liefert dann für (ad X )2 p eine Summe, in der in jedem Summanden entweder der Exponent von L X oder der Exponent von R X mindestens p ist. Also verschwindet jeder Summand und (ad X )2 p = 0. Satz 45 (Satz von Engel) Sei g eine Lie-Unteralgebra von gl(V ). Sind alle X ∈ g nilpotent, dann existiert ein 0 = v ∈ V mit X v = 0 für alle X . Beweis Wir beweisen den Satz mit vollständiger Induktion nach n = dim g. Für n = 1 gilt die Behauptung offensichtlich. Wir nehmen also an, die Behauptung gelte für alle n < dim g. Für den Induktionsschluss erinnern wir an den Normalisator ng (h) einer Unteralgebra von h, siehe (13.16). Er ist die größte Lie-Unteralgebra von g, die h als Ideal enthält, h  ng (h) ≤ g. Wir zeigen zuerst, dass wenn h echt kleiner als g ist, h < g, auch h  ng (h) gilt. Dazu betrachten wir ein H in der Lie-Unteralgebra h. Nach Voraussetzung in Satz 45 ist H nilpotent und nach Lemma 60 ist es auch ad H ∈ L(g). Die Unteralgebra h wirkt folglich auch auf dem Vektorraum g/h mit Dimension kleiner als n durch nilpotente Endomorphismen. Nach Induktionsvoraussetzung gibt es einen Vektor / h (weil X h nicht der Nullvektor ist) und ad H (X h ) = X h = X + h ∈ g/h mit X ∈ 0 ∈ g/h. Somit gilt ad X (H ) = −ad H (X ) ∈ h für alle H ∈ h, was X ∈ ng (h) bedeutet. Da X nicht in h liegt, wäre die Behauptung bewiesen. Es sei nun h < g eine maximale Lie-Unteralgebra. Nach der vorherigen Behauptung kann h nur für ng (h) = g maximal sein, und dann ist h  g. Ein eindimensionaler Unterraum der Lie-Algebra g/h ist eine Lie-Unteralgebra, und ihr Urbild in g ist eine Unteralgebra von g, welche h echt umfasst. Für ein maximales h ist dieses Urbild ganz g. Also ist g/h eindimensional. Maximale Lie-Unteralgebren

Sind alle Endomorphismen von g ≤ gl(V ) nilpotent, dann ist eine maximale Lie-Unteralgebra ein Ideal der Kodimension 1.

13.6 Anhang A: Nilpotente und auflösbare Lie-Algebren

263

Nach diesen Ausführungen betrachten wir nun den Unterraum W = {v ∈ V |H v = 0 f¨ur alle H ∈ h} ⊆ V .

(A.6)

Aus dim h < dim g folgt nach Induktionsvoraussetzung W = 0. Wegen h  g ist der Unterraum W stabil unter g H ∈ h, X ∈ g, v ∈ W =⇒ H X v = X H v − [X , H ]v = 0. Im letzten Schritt benutzten wir [X , H ] ∈ h. Wir wählen nun Y ∈ g − h. Der Endomorphismus Y ∈ gl(V ) ist nilpotent und Y : W → W . Nach Induktionsannahme gibt es also einen Vektor 0 = v ∈ W mit Y v = 0. Dann gilt X v = 0 für alle X ∈ g = h + CY . Lemma 61 Das Zentrum zg einer (nichttrivialen) nilpotenten Lie-Algebra g ist nichttrivial. Ist der Quotient g/zg einer Lie-Algebra g nilpotent, dann ist auch g nilpotent. Beweis Ist k ≥ 1 die Stufe der nilpotenten Algebra, dann ist g(k−1) = ∅ und [g(k−1) , g] = 0. Damit ist g(k−1)  zg , was die erste Behauptung beweist. Sei nun g eine Lie-Algebra mit nilpotentem Quotienten g/zg der Stufe k. Dann verschwindet jeder Kommutator der Länge k in g/zg , 0 = [X 1 + zg , [X 2 + zg , . . . [X k−1 + zg , X k + zg ] . . . ]] = [X 1 , [X 2 , . . . [X k−1 , X k ] . . . ]] + zg .

Deshalb gilt [X 1 , [X 2 , . . . [X k−1 , X k ] . . . ]] ∈ zg  g und jeder Kommutator der Länge k + 1 ist null, d. h., g(k+1) = 0. Satz 46 (Adjungierte Darstellung von nilpotenten g) Eine Lie-Algebra g ist genau dann nilpotent, wenn die ad X für alle X ∈ g nilpotent sind. Beweis Für alle Elemente X einer nilpotenten Lie-Algebra der Stufe k ist (ad X )k g = 0, d. h., ad X ist nilpotent. Umgekehrt zeigen wir wieder durch Induktion nach dim(g), dass g nilpotent ist, wenn alle X adnilpotent sind. Das Bild der adjungierten Darstellung adg ∼ = g/zg in L(g) erfüllt die Bedingungen in Satz 45, und deshalb existiert ein Z ∈ g mit ad X Z = [X , Z ] = 0 für alle X ∈ g. Damit hat g ein nichttriviales Zentrum zg  g. Die Faktoralgebra g/z(g) hat eine kleinere Dimension als g und besteht aus adnilpotenten Elementen. Damit ist nach Induktionsannahme g/zg nilpotent und damit nach Lemma 61 auch g nilpotent. Korollar 16 Es sei g eine Lie-Unteralgebra von gl(V ). Ist jedes X ∈ g nilpotent, dann existiert eine Basis von V , für die alle X durch strikte obere Dreiecksmatrizen dargestellt werden. Insbesondere verschwindet die Killing-Form einer nilpotenten Lie-Algebra. Beweis Siehe Aufgabe 13.7.

264

13 Theorie der Lie-Algebren

Frage

Es gibt nilpotente g, deren Elemente in keiner Basis durch strikte obere Dreiecksmatrizen beschrieben werden. Kennen Sie ein Beispiel? Warum widerspricht das nicht dem Korollar? Als weitere wichtige Klasse führen wir nun die auflösbaren Lie-Algebren ein. Definition 54 (Auflösbare Lie-Algebra) Die obere Zentralreihe (abgeleitete oder derivierte Reihe) von g ist gegeben durch   g(0) = g, g(n+1) = g(n) , g(n) ≤ g(n) .

(A.7)

Die Lie-Algebra g heißt auflösbar der Stufe k, wenn g(k) = 0 und g(k−1) = 0 ist. Die Glieder g (n) der oberen Zentralreihe sind alle Ideale von g, und wegen g(n) ⊆ g(n) ist jede nilpotente Lie-Algebra auch auflösbar. Ist g auflösbar, dann ist auch jede Unteralgebra und jedes homomorphe Bild von g auflösbar. Die nilpotenten Heisenberg-Algebren hn sind also auflösbar. Beispiel: Dreiecksmatrizen

Es sei g die Menge der oberen Dreiecksmatrizen ⎛ ∗ ⎜0 ⎜ ⎜ g=⎜ ⎜0 ⎜ .. ⎝. 0 ⎛

g(2)

⎞ ⎞ ⎛ ∗ ∗ ··· ∗ 0 ∗ ∗ ··· ∗ ⎜ 0 0 ∗ · · · ∗⎟ ∗ ∗ · · · ∗⎟ ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ . . . . .. ⎟ . . . . .. ⎟ (1) ⎟ ⎜ 0 . . . ⎟ mit g(1) = g = ⎜0 0 . . . ⎟ ⎟ ⎜ .. .. . . . . ⎟ .. . . . . ⎟ ⎠ ⎝ . . . . . ∗ . . ∗⎠ 0 ··· 0 ∗ 0 0 ··· 0 0

0 ⎜0 ⎜ ⎜ =⎜ ⎜0 ⎜ .. ⎝. 0

⎞ ∗ ∗ ··· ∗ 0 ∗ · · · ∗⎟ ⎟ . . . . .. ⎟ 0 . . .⎟ ⎟ .. . . . . ⎟ . . . ∗⎠ 0 ··· 0 0

und

g(2)

⎛ 0 ⎜0 ⎜ ⎜ =⎜ ⎜0 ⎜ .. ⎝. 0

⎞ 0 ∗ ··· ∗ 0 0 · · · ∗⎟ ⎟ . . . . .. ⎟ 0 . . .⎟ ⎟. .. . . . . ⎟ . . . 0⎠ 0 ··· 0 0

Es ist g(n) = g(1) und g(n) = 0 für ein genügend großes n. Damit ist g zwar auflösbar, aber nicht nilpotent.  Das zweite Glied g(1) der oberen Zentralreihe einer auflösbaren Lie-Algebra der Stufe k ist die abgeleitete Lie-Algebra g in (13.11). Das letzte Glied g(k−1) ist ein nichttriviales abelsches Ideal in g und wir folgern, dass eine auflösbare Lie-Algebra nicht halbeinfach sein kann.

13.6 Anhang A: Nilpotente und auflösbare Lie-Algebren

265

Aufgabe

Zeigen Sie: Ist I ein auflösbares Ideal von g, so dass g/I auflösbar ist, dann ist auch g auflösbar. Im Folgenden wollen wir die Unterschiede zwischen auflösbaren, nilpotenten und halbeinfachen Lie-Algebren näher beleuchten. Satz 47 (Satz von Lie) Sei g ≤ gl(V ) eine komplexe auflösbare Lie-Algebra. Dann existiert ein simultaner Eigenvektor 0 = v ∈ V , für den gilt X v = λ X v für alle X ∈ g mit λ X ∈ C. Beweis Der Beweis ähnelt demjenigen von Engels Theorem. Für ein auflösbares g ist [g, g]  g (nicht nur ) und a = g/[g, g] eine abelsche Lie-Algebra. Das Urbild h in g eines Unterraumes von a der Kodimension eins ist dann ein Ideal der Kodimension eins in g. Man nimmt nun als Induktionshypothese an, dass es einen simultanen Eigenvektor v0 ∈ V für alle X ∈ h gibt. Die jeweiligen Eigenwerte seien λ X . Man betrachtet nun den Unterraum W ⊂ V aller Vektoren mit dem gleichen Satz simultaner Eigenwerte, d. h., W = {v ∈ V : X v = λ X v ∀X ∈ h}. Sei wieder Y ∈ g ein beliebiges Element nicht in h. Es genügt zu zeigen, dass es einen Vektor v ∈ W gibt, der von Y auf ein Vielfaches von sich abgebildet wird. Dazu reicht es wieder zu zeigen, dass Y den Raum W in sich abbildet. Dies folgt aus dem folgenden allgemeinen Lemma: Lemma 62 Es sei h ein Ideal von g ≤ gl(V ) und λ : h → C eine lineare Funktion. Dann ist der Unterraum W = {v ∈ V | H v = λ H v ∀H ∈ h}

(A.8)

stabil unter g, d. h. X (W ) ⊂ W für alle X ∈ g. Beweis Für H ∈ h, X ∈ g und v ∈ W gilt H X v = X H v + [H , X ]v = λ H X v + λ[H ,X ] v, weil [H , X ] ∈ h ist. Wenn λ[H ,X ] verschwinden würde, dann wäre auch X v Eigenvektor von H ∈ h zum Eigenwert λ H . Um dies einzusehen, betrachten wir den Unterraum V0 = span{v, X v, X 2 v, . . . } von V . Dieser Unterraum wird (nach Konstruktion) von X aber auch von allen H ∈ h in sich abgebildet. Die letzte Aussage folgt mittels Induktion: H bildet offensichtlich die Vektoren v und X v in Vektoren in V0 ab. Aus H X n v = X H X n−1 v + [H , X ]X n−1 v folgt dann die Aussage für X n , wenn sie für X n−1 wahr ist. In der Basis {v, X v, X 2 v. . . . } von V0 wirkt X durch eine obere Dreiecksmatrix mit Diagonalelementen λ X . Insbesondere ist Sp V0 X = λ X dim(V0 ). Andererseits operiert auch der Kommutator [H , X ] auf V0 und Sp V0 [H , X ] = 0. Deshalb gilt λ[H ,X ] = 0. In der Literatur wird die Existenz einer angepassten Basis auch als Satz von Lie bezeichnet:

266

13 Theorie der Lie-Algebren

Folgerung aus dem Satz von Lie

Es sei g ≤ gl(V ) auflösbar. Dann gibt es eine Basis im komplexen Vektorraum V , bezüglich der alle Elemente von g durch obere Dreiecksmatrizen dargestellt werden. Es gibt einen einfachen Zusammenhang zwischen auflösbaren und nilpotenten LieAlgebren: Lemma 63 Eine Lie-Algebra g über C ist genau dann auflösbar, wenn g = [g, g] nilpotent ist. Beweis Ist g = [g, g] nilpotent, dann ist es auflösbar, und damit ist auch g auflösbar. Es sei umgekehrt g auflösbar. Das Bild von g unter der adjungierten Darstellung ist eine auflösbare Unteralgebra von L(g). Nach dem Satz von Lie gibt es eine angepasste Basis von g, bezüglich der die Abbildungen ad X obere Dreiecksmatrizen sind. Wegen [ad X , adY ] = ad[X ,Y ] wird ad[X ,Y ] bezüglich dieser Basis durch eine strikte obere Dreiecksmatrix beschrieben und ist damit nilpotent. Daher sind alle Z ∈ g adnilpotent und nach dem Satz von Engel ist [g, g] nilpotent. Ohne Beweis notieren wir ein Lemma aus der linearen Algebra, das in Abschn. 4.3 von [60] bewiesen wird: Lemma 64 Es seien A ⊂ B zwei Unterräume von L(V ) und M = {Z ∈ L(V ) | [Z , B] ⊂ A}. Ein Z ∈ M mit Sp(Z X ) = 0 für jedes X ∈ M ist nilpotent. Das folgende Lemma liefert ein nützliches Kriterium für die Auflösbarkeit einer Lie-Algebra. Lemma 65 Eine Lie-Algebra g ist genau dann auflösbar, wenn K (g, g ) = K (g, [g, g]) = 0 ist. Beweis Ist g auflösbar, dann sind in einer angepassten Basis die ad X obere Dreiecksmatrizen und die ad[Y ,Z ] = [ad X , adY ] strikte obere Dreiecksmatrizen und damit Sp(ad X ad[Y ,Z ] ) = 0. Für die Umkehrung genügt es, nach Lemma 63 zu zeigen, dass das Ideal g = [g, g] nilpotent ist. Wir nehmen an, g ≤ gl(V ) und definieren m = {Z ∈ gl(V ) |[Z , g] ⊆ g }. Offensichtlich gilt g ≤ g ≤ m. Wir beweisen nun K (m, g ) = 0. Sind X , Y ∈ g und M ∈ m, dann gilt K ([X , Y ], M) = −K (Y , [M, X ]) = 0,

(A.9)

da ja K (g, g ) = 0 vorausgesetzt wurde. Nach Lemma 64 ist dann [X , Y ] ∈ g

nilpotent und nach Lemma 63 ist g nilpotent. Da wir g ≤ gl(V ) annahmen, ist das Lemma zunächst für die adjungierte Darstellung bewiesen. Wegen adg = g/zg gilt es dann auch für die Lie-Algebra g.

13.7 Aufgaben zu Kap.13

267

Das folgende Kriterium liefert eine wertvolle Charakterisierung von halbeinfachen Lie-Algebren. Satz 48 (Kriterium von Cartan) Eine Lie-Algebra g über C ist genau dann halbeinfach, wenn ihre Killing-Form nicht ausgeartet ist. Dass die Killing-Form einer halbeinfachen Lie-Algebra nicht ausgeartet ist, hatten wir in Lemma 58 bewiesen. Hier beweisen wir die Umkehrung. Die Killing-Form sei nicht ausgeartet und a ein beliebiges abelsches Ideal von g. Für A ∈ a und X ∈ g gilt (ad A ad X )(g) ⊆ a. Damit ist aber (ad A ad X )2 (g) ⊆ [a, a] = {0}, also (ad A ad X ) nilpotent. Daraus folgt K (A, X ) = Sp(ad A ad X ) = 0. Da X ∈ g beliebig war, folgt a ⊆ g⊥ = {0}. Damit besitzt g kein nichttriviales abelsches Ideal und ist daher halbeinfach. Definition 55 Ein Radikal rg  g ist ein auflösbares Ideal in g mit maximaler Dimension. Korollar 17 Ein Radikal rg enthält alle auflösbaren Ideale von g und ist eindeutig. Beweis Ist das Ideal h  g auflösbar, dann ist auch das Ideal h + rg auflösbar. Da rg maximale Dimension hat, ist h + rg = rg und h ≤ rg . Gäbe es zwei verschiedene Radikale von g, dann müsste die Summe dieser Ideale gleich beiden Idealen sein, was ein Widerspruch wäre. Lemma 66 (Radikal) Eine Lie-Algebra g ist halbeinfach, wenn ihr Radikal trivial ist, rg = {0}. Allgemeiner ist g/rg eine halbeinfache Lie-Algebra. Beweis Wir beweisen hier nur die erste Aussage. Das in Abschn. 13.4 eingeführte Ideal g⊥ ist wegen Lemma 65 auflösbar, weil K g (g⊥ , g) = 0 ⇒ K g (g⊥ , g⊥ ) = K g⊥ (g⊥ , g⊥ ) = 0.

(A.10)

Ist rg = {0}, dann muss g⊥ ebenfalls {0} sein, was zu beweisen war.

13.7

Aufgaben zu Kap. 13

Aufgabe 13.1: Formel von Baker, Campbell und Hausdorff Nehmen Sie an, zwei Matrizen (Operatoren) A, B erfüllen die Relation [A, [A, B]] = [B, [A, B]] = 0. Zeigen Sie, dass dann folgende Identität gilt:   1 exp(A) exp(B) = exp A + B + [A, B] . 2 Hinweis: Finden Sie eine Differenzialgleichung für D(t) = et A et B e−t(A+B) .

268

13 Theorie der Lie-Algebren

Aufgabe 13.2: Heisenberg-Algebra Die Heisenberg-Algebra h ist eine dreidimensionale reelle Lie-Algebra mit Basiselementen p, q, r , für die gilt: [ p, q] = r und [ p, r ] = [q, r ] = 0. 1. Zeigen Sie, dass h durch folgende Matrizen (wir bezeichnen die darstellenden Matrizen mit denselben Symbolen) dargestellt wird: ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 010 000 001 p = ⎝0 0 0⎠ , q = ⎝0 0 1⎠ , r = ⎝0 0 0⎠ . 000 000 000 2. Damit ist h eine Lie-Unteralgebra von sl(2, R). Es seien A, B ∈ h. Bestimmen Sie C(t) ∈ h, so dass et A et B = eC(t) . Aufgabe 13.3: Endliche und infinitesimale Drehungen Hermitesche Operatoren Jx , Jy und Jz , welche die Vertauschungsregeln [Ja , Jb ] = iabc Jc erfüllen, heißen Drehimpulsoperatoren (wir setzen hier  = 1). Die entsprechenden unitären Operatoren R(φ) = eiφ· J , φ ∈ R3 ˆ beschreiben Drehungen mit dem Winkel φ = |φ| um die Achse φ. 1. In Abschn. 5.2 wurden die Matrizen für Drehungen um die Achsen ex , e y und ez eingeführt. Für φ = φ ex gilt z. B. φ · J = φ Jx . Finden Sie die Matrizen Jx , Jy und Jz (z. B. durch Ableitung nach φ). Prüfen Sie die Identität J 2 = j( j + 1). 2. Die Drehimpulsoperatoren für einen Spinor u ∈ C2 sind die Pauli-Matrizen (1/2)

Ja

=

1 σa . 2

Die entsprechenden endlichen Drehungen werden mit D (1/2) (φ) bezeichnet. Zeigen Sie, dass ( J (1/2) )2 = j( j + 1) mit j = 1/2 gilt. Finden Sie die explizite Form der Drehmatrizen für Drehungen um die Koordinatenachsen. Aufgabe 13.4: Ideale Es seien I1 und I2 zwei Ideale von g. Zeigen Sie, dass die Schnittmenge I1 ∩ I2 , ihre Summe I1 + I2 und ihr Produkt [I1 , I2 ] ebenfalls Ideale von g sind. Hinweis: Summe und Produkt von zwei Lie-Unteralgebren wurden in Abschn. 13.2 eingeführt. Aufgabe 13.5:Normale Unteralgebren Sei g eine Lie-Algebra und h ≤ g eine Lie-Unteralgebra. Die Normalisator von h in g ist ng (h) = {X ∈ g : [X , h] ∈ h}.

13.7 Aufgaben zu Kap.13

269

• Zeigen Sie, dass ng (h) eine Lie-Unteralgebra von g ist, die h enthält. • Sei g = gl(n, C) und h enthalte alle Diagonalmatrizen in g. Bestimmen Sie ng (h). Aufgabe 13.6: Das Lemma von Schur für Darstellungen von Lie-Algebren Beweisen Sie das Lemma von Schur in Abschn. 13.3. Hinweis: Sie können den Beweis des Lemmas für Darstellungen von Gruppen in Abschn. 11.2 beinahe kopieren. Betrachten Sie wieder das Bild und den Kern des Morphismus H und benutzen Sie die Irreduzibilität der Darstellungen. Für die zweite Aussage betrachten Sie den Endomorphismus (λ1V − H ) mit H -Eigenwert λ. Aufgabe 13.7: Beweis von Korollar 16 Beweisen Sie mit Hilfe einer vollständigen Induktion das Korollar 16. Hinweise: Die Induktion sollte nach der Dimension von V erfolgen. Benutzen Sie Satz 45, nachdem es einen von null verschiedenen Vektor v ∈ V mit X v = 0 für alle X ∈ g gibt. Betrachten Sie V1 = span{v} und die von X induzierte lineare Abbildung X¯ auf V /V1 . Die Abbildung g → gl(V /V1 ) ist ein Lie-AlgebraHomomorphismus, dessen Bild eine Unteralgebra von gl(V /V1 ) ist, bestehend aus nilpotenten Abbildungen. Benutzen Sie nun die Induktionsvoraussetzung. Aufgabe 13.8: Jordan-Normalform von Matrizen Benutzen Sie die Jordan-Normalform, um zu zeigen, dass jede n × n-Matrix M die Form M = S + N hat, mit diagonalisierbarem S (über C) und nilpotenten N mit S N = N S. Erinnern Sie sich daran, dass in der Normalform M blockdiagonal ist und jeder Block folgende Form hat: ⎛ ⎞ λ ∗ ⎜ ⎟ B = ⎝ ... ⎠ 0 λ Aufgabe 13.9: Irreduzible Darstellungen von auflösbaren Lie-Algebren Beweisen Sie mit dem Satz von Lie, dass jede irreduzible Darstellung einer auflösbaren Lie-Algebra eindimensional ist.

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

In den Jahren 1870 bis 1874 entwickelte ich den Begriff der endlichen kontinuierlichen Gruppe und erkannte seine weitreichende Bedeutung für die Geometrie und für die Theorie der Differenzialgleichungen. Sophus Lie

Eine auf Sophus Lie (1842–1899) zurückgehende fruchtbare Strategie zur Untersuchung einer Lie-Gruppe besteht darin, dass man diese am Einselement linearisiert. Die infinitesimalen Abweichungen der Gruppenelemente vom Einselement bilden den linearen Tangentialraum am Einselement – dies ist die zu einer Lie-Gruppe G gehörige Lie-Algebra g. Eines der Hauptergebnisse besteht darin, dass die LieAlgebra g die Information über die lokale Struktur der Lie-Gruppe in einer Umgebung des Einselements codiert. Lineare Räume sind deutlich einfachere Objekte als Mannigfaltigkeiten, und deshalb erschließen sich viele Eigenschaften von LieGruppen und ihren Darstellungen einfacher über die Theorie der Lie-Algebren, die in Kap. 13 vorgestellt wurde. Der Übergang von einer Lie-Algebra zu ihrer LieGruppe verallgemeinert den Übergang vom linearen Raum (R, +) zur multiplikativen Gruppe (R, ·), der durch die Exponentialfunktion hergestellt wird. In einem geometrischen Zugang bemerkt man, dass die Vektorfelder auf einer Lie-Gruppe G mit der Lie-Klammer eine ∞-dimensionale Lie-Algebra bilden. Der Unterraum der linksinvarianten Vektorfelder ist bezüglich der Lie-Klammer abgeschlossen und definiert die Lie-Algebra g von G. Dieser Vektorraum ist isomorph zum Tangentialraum Te G am Einselement, und damit gilt dim(g) = dim(Te G) = dim(G). Der geometrische Zugang über die linksinvarianten Vektorfelder wird am Ende des Kapitels skizziert. Nach einem Satz des russischen Mathematikers Igor Ado ist jede endlichdimensionale komplexe Lie-Algebra isomorph zu einer Unteralgebra der Lie-Algebra

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_14

271

272

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

gl(n, C) der komplexen n × n Matrizen für genügend großes n. Das heißt, man kann jede endlichdimensionale komplexe Lie-Algebra als eine Lie-Algebra von Matrizen darstellen. Wir werden deshalb zu Beginn des Kapitels annehmen, die Gruppenelemente seien Matrizen. Im Anhang kommen wir auf den allgemeineren Fall zurück. Die Theorie der Lie-Algebren von Lie-Gruppen findet man in vielen Lehrbüchern über kontinuierliche Symmetrien und deren Darstellungen, z. B. in [60], [61], [10], [20], [35], [17].

14.1

Lie-Algebra der infinitesimalen Erzeugenden

Wir betrachten eine n-dimensionale Matrixgruppe, d. h. eine Lie-Untergruppe von GL(n, K), und identifizieren den Tangentialraum am Einselement e als Lie-Algebra der Gruppe. Dies ist in Abb. 14.1 skizziert. Es sei U eine Koordinatenumgebung von e und x = (x 1 , . . . , x n ) lokale Koordinaten einer Karte von U . Wir wählen die Koordinaten so, dass g(x = 0) = e,

(14.1)

und untersuchen die Gruppenelemente in der Umgebung von e. Dazu entwickeln wir diese in eine Taylor-Reihe um x = 0, g(x) = g(0) +

 a

xa

∂ g(x)  + O(x 2 ), g(0) = e.  ∂ x a x=0

(14.2)

Die ersten Ableitungen beschreiben die infinitesimalen Änderungen der Gruppenelemente in Richtung der Koordinatenachsen. Sie definieren eine Basis von Generatoren oder infinitesimalen Erzeugenden der Lie-Gruppe, Xa ≡ Abb. 14.1 Tangentialraum an der Identität

∂ g(x)   , a = 1, 2, . . . , n. ∂ x a x=0

(14.3)

14.1 Lie-Algebra der infinitesimalen Erzeugenden

273

Z. B. ist der Vektor X 1 tangential zur Koordinatenlinie g(x 1 , 0, . . . , 0) durch e. Ist nun x(t) eine beliebige differenzierbare Kurve mit x(0) = 0, dann beschreibt g(x(t)) ≡ g(t) eine Kurve in der Gruppe mit g(0) = e und mit Tangentialvektor X=

 ∂ g(x)   dg(t)  ˙ = X a x˙ a (0).  ≡ g(0)  x˙ a (0) = a x=0 dt 0 ∂ x a a

(14.4)

Also ist jede reelle Linearkombination der Tangentialvektoren {X a } ebenfalls tangential zu einer Kurve durch e und damit ebenfalls infinitesimale Erzeugende der Lie-Gruppe. Ist nun g(t) eine Kurve mit Tangentialvektor X bei e, dann gilt wegen g(t)g −1 (t) = e 0=

  d  dg −1 (t)  dg −1 (t)  g(t)g −1 (t)  = X +  =⇒  = −X . 0 0 0 dt dt dt

(14.5)

Die Kurven g(t) und g −1 (t) haben deshalb antiparallele Tangentialvektoren bei e. Falls eine Kurve g(t) nicht durch das neutrale Element geht, so kann man an ihrer Stelle die Kurve g −1 (t)g(t + s) betrachten, die für s = 0 durch e geht. Deren Ableitung nach s an der Stelle s = 0 liegt im Tangentialraum Te G und wir folgern: Korollar 18 Für eine (differenzierbare) Kurve g(t) in G liegt der Vektor X = g −1 (t)

dg(t) dt

(14.6)

im Tangentialraum Te G von G.

Te G und linksinvariante Vektorfelder

Es sei g(t) eine glatte Kurve durch e, wie in Abb. 14.2 skizziert, und g(0) ˙ =X der zugehörige Tangentialvektor in Te G. Dann beschreibt die linksverschobene Kurve L a g(t) eine Kurve durch a mit Tangentialvektor (L a )∗ X ∈ Ta G (die Pushforward-Abbildung (L a )∗ wird in Abschn. 14.8 diskutiert). Ein Vektorfeld g → X g ist linksinvariant, wenn gilt X a = (L a )∗ X e oder auch X hg = (L h )∗ X g . Die lineare Abbildung (L h )∗ : Tg G → Thg G definiert einen Isomorphismus. Man kann also die Menge der linksinvarianten Vektorfelder mit Te G identifizieren. Dies wird am Ende von Abschn. 14.8 näher erläutert.

Die Erzeugenden bilden eine Lie-Algebra Wir zeigen nun, dass die infinitesimalen Erzeugenden in Te G eine Lie-Algebra bilden – es ist die zu G gehörende Lie-Algebra. Dafür betrachten wir zwei Kurven g(t) und h(t), die für t = 0 durch die Einheit gehen und dort die Tangentialvektoren X

274

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

Abb. 14.2 Für ein linksinvariantes Vektorfeld g → X g ∈ Tg G ist der Vektor bei a ∈ G gleich dem Vektor bei e, transportiert mit der Pushforward-Abbildung (L a )∗ zur Linkstranslation L a

und Y besitzen. Dann ist auch g(αt)h(βt) eine derartige Kurve für beliebige reelle Konstanten α, β. Diese Kurve hat den Tangentialvektor  d g(αt)h(βt) t=0 = α X + βY . dt

(14.7)

Dies bedeutet, dass der Tangentialraum Te G (wie erwartet) ein linearer Raum ist. Die Anzahl unabhängiger infinitesimaler Erzeugender ist gleich der Zahl der unabhängigen reellen Parameter der Lie-Gruppe, also gleich ihrer Dimension. Für Matrixgruppen sind die infinitesimalen Erzeugenden ebenfalls Matrizen. Beispiel: Infinitesimale Erzeugende von Drehungen im Raum

Die eigentlichen Drehungen R(ei , ϕ) um die Achsen, definiert durch die Basisvektoren ei , wurden früher in (5.16) und (5.17) eingeführt. Für ϕ = 0 gehen diese Kurven durch die Einheitsmatrix. Deshalb sind die drei schiefsymmetrischen Matrizen i =

d  R(ei , ϕ) =⇒ (i ) jk = −i jk  dϕ ϕ=0

(14.8)

infinitesimale Erzeugende von SO(3). Man prüft leicht nach, dass sie eine Basis der Lie-Algebra Te SO(3) = so(3) der schiefsymmetrischen reellen 3 × 3Matrizen bilden.  Es sei g(t) wieder eine Kurve durch e mit Tangentialvektor X ∈ Te G. Die mit g ∈ G konjugierte Kurve gg(t)g −1 geht dann ebenfalls durch e und hat den Tangentialvektor  d gg(t)g −1 t=0 = g Xg −1 ≡ Ad(g)X . dt

(14.9)

14.1 Lie-Algebra der infinitesimalen Erzeugenden

275

Dies gilt für alle Gruppenelemente g, und deshalb liegt mit jedem Vektor Y auch die Kurve g(t)Y g −1 (t) im linearen Raum Te G. Wegen der Linearität liegt dann auch die Ableitung  d g(t)Y g −1 (t) t=0 = X Y − Y X ≡ [X , Y ], dt

X = g(0) ˙

(14.10)

in Te G. Hier haben wir das Resultat (14.5) für die Ableitung von g −1 (t) benutzt. Damit wäre bewiesen, dass für X , Y ∈ Te G auch deren Kommutator [X , Y ] in Te G liegt. Das Lie-Produkt von X und Y ist gleich dem Kommutator der beiden Matrizen. Damit ist das Produkt bilinear, antisymmetrisch und erfüllt bekanntermaßen (siehe (13.7)) die Jacobi-Identität [X , [Y , Z ]] + [Z , [X , Y ]] + [Y , [Z , X ]] = 0.

(14.11)

Dies beweist, dass die infinitesimalen Erzeugenden im Tangentialraum Te G eine Lie-Algebra bilden. Diese Aussage gilt auch für allgemeinere Lie-Gruppen, deren Elemente keine Matrizen mehr sind. Die entsprechenden Argumente setzen aber Kenntnisse aus der Differenzialgeometrie und insbesondere über linksinvariante Vektorfelder auf Mannigfaltigkeiten voraus. Mehr dazu finden Sie im Anhang zu diesem Kapitel.

14.1.1 Adjungierte Darstellung der Gruppe und Zentrum Die rechte Seite von Gl. (14.9) ordnet einem Gruppenelement g die lineare Abbildung Ad(g) auf Te G zu. Diese wollen wir näher untersuchen, weil sie im Folgenden eine wichtige Rolle spielen wird. Definition 56 (Adjungierte Darstellung einer Lie-Gruppe) Die lineare Abbildung   (14.12) Ad : G → L Te G mit Ad(g)X = g Xg −1 definiert die adjungierte Darstellung von G auf dem Tangentialraum Te G.

Lie-Algebra und Lie-Gruppe

Man unterscheide zwischen der adjungierten Wirkung Adg auf der Wirkungsmenge G, siehe (3.2), der adjungierten Darstellung ad einer Lie-Algebra auf g, siehe (13.20), und der soeben eingeführten adjungierten Darstellung der Gruppe auf Te G. Dass die Darstellungen Ad und ad denselben Namen tragen, ist natürlich kein Zufall (mehr dazu weiter unten).

276

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

Die Darstellungseigenschaften von Ad folgen aus Ad(e) = 1 und aus Ad(gh)X = gh X h −1 g −1 = g (Ad(h)X ) g −1 = Ad(g)Ad(h)X .

(14.13)

Die adjungierte Darstellung existiert für jede Lie-Gruppe. Ihre Dimension ist gleich derjenigen der Lie-Gruppe. Im Allgemeinen ist der Homomorphismus Ad in (14.12) nicht treu. Er ist nur dann treu, wenn Kern(Ad)= {e} ist oder wenn es kein Gruppenelement g = e gibt, mit Ad(g)X ≡ g Xg −1 = X f¨ur alle X ∈ Te G.

(14.14)

Wir erinnern daran, dass das Zentrum Z einer Gruppe diejenigen Elemente enthält, die mit allen anderen Elementen kommutieren. Speziell gilt für z ∈ Z , dass zg(t)z −1 = g(t) für jede Kurve in G. Die Ableitung nach dem Kurvenparameter an der Stelle t = 0 führt dann auf z X z −1 = X .

(14.15)

Tatsächlich sind die Elemente in Z die einzigen Elemente mit dieser Eigenschaft. Deshalb ist Ad(g) = 1 genau dann, wenn g im Zentrum der Gruppe liegt. Kern(Ad) = Z bzw. Ad(g1 ) = Ad(g2 ) ⇐⇒ g2 = g1 z, z ∈ Z .

(14.16)

Lemma 67 (Kern der adjungierten Abbildung) Der Kern von Ad ist gleich dem Zentrum der Gruppe, Kern(Ad) = Z ≤ G. Entsprechend ist nach dem Isomorphiesatz Ad(G) = G/Z . Aufgabe

Überlegen Sie sich, dass Ad(SU(2)) = SU(2)/Z2 = SO(3) ist. Das Zentrum von SU(2) besteht aus {1, −1}, und deshalb bildet die dreidimensionale adjungierte Darstellung die beiden Elemente ±U in dieselbe Drehung ab. Beispiel: Die Lie-Algebren u(2) und su(2) von U(2) und SU(2)

Sei U (t) ∈ U(2) eine Kurve mit U (0) = 1. Leiten wir die Relation U (t)U † (t) = 12 nach t an der Stelle t = 0 ab, dann führt dies auf folgende Forderung an die Erzeugenden X = U˙ (0): U˙ (0) U † (0) + U (0)U˙ † (0) = X + X † = 0.

(14.17)

Deshalb sind die Elemente von u(2) antihermitesche 2 × 2-Matrizen. Liegt die Kurve in der Untergruppe SU(2) < U(2), dann gilt zusätzlich det U (t) = 1. Mit Hilfe von   d (14.18) log det U = Sp U −1 U˙ dt

14.1 Lie-Algebra der infinitesimalen Erzeugenden

277

folgt die Zusatzbedingung Sp X = 0, so dass su(2) = {X ∈ Mat(2, C)|X = −X † , Sp X = 0}.

(14.19)

Man sieht explizit, dass der Kommutator zweier Elemente in su(2) wieder in su(2) liegt, [X , Y ]† = −[X , Y ] und Sp[X , Y ] = 0. Antihermitesche und spurlose 2 × 2-Matrizen sind Linearkombinationen der Pauli-Matrizen mit imaginären Koeffizienten,   su(2) = X = ia · σ  a ∈ R3 .

(14.20)

Aus den Kommutationsregeln für die Pauli-Matrizen folgt, dass su(2) den Rang eins hat. Die Lie-Algebra hat nur die trivialen Ideale ∅ und su(2) und ist damit einfach. Die dreidimensionale adjungierte Darstellung wirkt auf dem linearen Raum der spurlosen antihermiteschen Matrizen. Sie ist gleich der Drehgruppe im euklidischen Raum E 3 . 

14.1.2 Darstellungen von G induzieren Darstellungen von g Wir wollen uns nun davon überzeugen, dass jede Darstellung D einer Lie-Gruppe eine Darstellung D ihrer Lie-Algebra auf demselben Trägerraum V induziert. Um dies einzusehen, betrachten wir wieder eine Kurve g(t) in G durch das neutrale Element mit Bildkurve D(g(t)) in GL(V ). Die Kurve habe den Tangentialvektor X ∈ Te G. Wegen der Darstellungseigenschaft ist die Bildkurve für t = 0 die EinsAbbildung, D(g(0)) = D(e) = 1. Der Vektor tangential zur Bildkurve bei t = 0 ist dann das Bild von X unter der induzierten Darstellung D der Lie-Algebra,   d d g(t)t=0 = X =⇒ D(g(t))t=0 = D(X ). dt dt

(14.21)

D(X ) charakterisiert die infinitesimale Änderung von D(g) bei einer infinitesimalen Änderung von g weg vom neutralen Element, D(e + ε X ) ≈ 1 + εD(X ). Aus der Darstellungseigenschaft von D folgt nun in der Tat, dass D eine Darstellung der Lie-Algebra Te G ist. Die Linearität ist mit (14.7) leicht zu beweisen:    d  D α X + βY = D g(αt)h(βt) t=0 dt  d  d    = D g(αt) t=0 D(e) + D(e) D h βt t=0 dt dt = αD(X ) + βD(Y ).

(14.22)

278

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

Um zu beweisen, dass D eine Darstellung der Lie-Algebra ist, bemerken wir zuerst, dass    d  D gY g −1 = D gh(t)g −1 t=0 dt    d  = D(g) D h(t) t=0 D g −1 = D(g)D(Y )D −1 (g). dt

(14.23)

Diese Relation gilt für alle g und deshalb auch längs einer Kurve g(t) durch e. Diese habe den Tangentialvektor g(0) ˙ = X . Nun leiten wir (14.23) nach t an der Stelle t = 0 ab. Wegen der Linearität von D dürfen wir beim Differenzieren der linken Seite die Ableitung an D vorbeiziehen und erhalten den Ausdruck D([X , Y ]). Die Ableitung der rechten Seite ergibt dagegen den Kommutator von D(X ) und D(Y ). Damit haben wir bewiesen, dass D ein Lie-Algebra Homomorphismus ist: D ([X , Y ]) = [D(X ), D(Y )].

(14.24)

Wir fassen diese für die Darstellungstheorie wichtigen Resultate zusammen: Induzierte Darstellung

Ist D : G → GL(V ) eine Darstellung einer Lie-Gruppe G, dann ist D : Te G → L(V ) in (14.21) eine Darstellung ihrer Lie-Algebra Te G, d. h., D ist linear,

D ([X , Y ]) = [D(X ), D(Y )] ∀X , Y ∈ Te G.

(14.25)

Jede Darstellung einer Lie-Gruppe induziert also eine Darstellung ihrer Lie-Algebra auf demselben Trägerraum. Als Zwischenresultat haben wir in (14.23) eine nützliche Beziehung abgeleitet, die wir festhalten wollen, da wir sie bald benötigen:   D g Xg −1 = D(g)D(X )D −1 (g).

(14.26)

Es sei nun {X a } eine Basis von Te G mit Strukturkonstanten f ab c . Dann definieren die Bildvektoren D(X a ) offensichtlich eine Basis der Lie-Algebra D(Te G) mit denselben Strukturkonstanten,     [D(X a ), D(X b )] = D [X a , X b ] = D f ab c X c = f ab c D(X c ).

(14.27)

In der Physik konstruiert man oft Darstellungen einer Gruppe, indem man die Darstellungen ihrer Lie-Algebra studiert, siehe die Ausführungen in den Kap. 17, 18, 19, 20 und 21.

14.1 Lie-Algebra der infinitesimalen Erzeugenden

279

Beispiel: Dreidimensionale Darstellung von su(2)

Wir wählen die Parametrisierung (9.9) für die Matrizen in SU(2) und wählen ϑ als Kurvenparameter. Wegen U (ϑ = 0) = 1 ist die Ableitung nach dem Kurvenparameter bei ϑ = 0 (für feste ψ und ϕ) in su(2). Bezeichnet der Strich die Ableitung nach dem Kurvenparameter, dann finden wir folgende linear unabhängige Elemente der Lie-Algebra,    U  (0)ψ=ϕ= π = iσ1 , U  (0)ψ= π ,ϕ=0 = iσ2 , U  (0)ψ=ϕ=0 = iσ3 . (14.28) 2

2

Eine dreidimensionale Darstellung dieser Basisvektoren findet man durch Ableiten der Darstellungsmatrizen (10.68) nach ϑ bei ϑ = 0 mit Werten von ψ, ϕ wie in (14.28) ⎛

⎛ ⎛ ⎞ ⎞ ⎞ 0 i 0 0 1 0 i 0 0 D(iσ1 ) = ⎝ i 0 i ⎠ , D(iσ2 ) = ⎝−1 0 1⎠ , D(iσ3 ) = ⎝0 0 0 ⎠ . 0 i 0 0 −1 0 0 0 −i (14.29) Der Basiswechsel von (12.13) zu (12.14) führt auf die äquivalente reelle Darstellung ⎛

⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 0 0 0 0 02 0 −2 0 D(iσ1 ) = ⎝0 0 2⎠ , D(iσ2 ) ⎝ 0 0 0⎠ , D(iσ3 ) ⎝2 0 0⎠ . 0 −2 0 −2 0 0 0 0 0

(14.30)

Letztere erzeugen Drehungen (12.14) um die Koordinatenachsen im euklidischen Raum.  Aufgabe

Zeigen Sie, dass die Erzeugenden iσa und D(iσa ) identische Kommutationsrelationen erfüllen. Darstellungen von Gruppen mit (positiver) Mittelbildung können unitär gewählt werden, siehe Satz 34 in Abschn. 10.4. Dann sind die Generatoren D(X ) antihermitesch (der Beweis ist identisch zum Argument (14.17)) und wir können auf g ein Skalarprodukt definieren,   (X , Y ) = Sp D† (X )D(Y ) = −Sp (D(X )D(Y )) ≥ 0.

(14.31)

Insbesondere ist die adjungierte Darstellung unitär (sogar orthogonal), wie man mit Hilfe von (14.26) nachprüft. Man spricht von der Adinvarianz des Skalarprodukts, (Ad(g)X , Ad(g)Y ) = (X , Y ), Ad(g)X = g Xg −1 .

(14.32)

280

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

Die von Ad : G → GL(Te G) induzierte Darstellung der Lie-Algebra auf Te G ist gemäß (14.10) gleich der adjungierten Darstellung ad. Das zugehörige Skalarprodukt (14.31) ist die in Abschn. 13.4 eingeführte Killing-Form K (X , Y ). Allgemeiner ist für eine halbeinfache Lie-Gruppe das Skalarprodukt (14.31) für jede irreduzible Darstellung proportional zur nicht ausgearteten Killing-Form. Auf der Lie-Algebra einer kompakten (nicht notwendig halbeinfachen) Lie-Gruppe ist K (X , Y ) negativ semidefinit.

14.1.3 Tensorprodukt von Darstellungen In Abschn. 10.5 hatten wir uns davon überzeugt, dass das Tensorprodukt zweier beliebiger Darstellungen D1 : G → GL(V1 ) und D2 : G → GL(V2 ) einer Gruppe G eine Darstellung D = D1 ⊗ D2 : g → D1 (g) ⊗ D2 (g)

(14.33)

auf dem Tensorprodukt V1 ⊗ V2 der beiden Darstellungsräume definiert. Diese ist im Allgemeinen reduzibel, auch wenn D1 und D2 irreduzibel waren. Ist G eine LieGruppe, dann induzieren die beiden Darstellungen der Gruppe Darstellungen D1 und D2 der zugehörigen Lie-Algebra Te G auf V1 und V2 . Um die vom Tensorprodukt induzierte Darstellung D1 ⊗ D2 zu charakterisieren, betrachten wir eine Kurve g(s) ⊂ G mit Tangentialvektor X bei g(0) = e. Bei der Differenziation von D(g(s)) an der Stelle s = 0 benutzen wir die Produktregel sowie Di (e) = 1 und finden d   D1 (g(s)) ⊗ D2 (g(s)) = D1 (X ) ⊗ 1V2 + 1V1 ⊗ D2 (X ). ds s=0 (14.34) Wir fassen zusammen: (D1 ⊗ D2 )(X ) =

Korollar 19 Induzieren die Darstellungen D1 und D2 von G die Darstellungen D1 und D2 der Lie-Algebra von G, dann induziert D = D1 ⊗ D2 die Darstellung D1 ⊗ D2 , gegeben durch X → (D1 ⊗ D2 )(X ) = D1 (X ) ⊗ 1V2 + 1V1 ⊗ D2 (X ).

(14.35)

In Anwendungen werden die Tensorprodukte mit den Identitäten oft nicht ausgeschrieben und man schreibt kurz (D1 ⊗ D2 )(X ) = D1 (X ) + D2 (X ), wobei der erste Summand auf V1 wirkt und der zweite auf V2 . In diesem Sinne ist eine Erzeugende im Tensorprodukt D1 ⊗ D2 zweier Darstellungen gleich der Summe der Erzeugenden in den einzelnen Darstellungen.

14.2 Lie-Algebren der klassischen Matrixgruppen

281

Aufgabe

Beweisen Sie explizit, dass folgende Identität für die Darstellung D = D1 ⊗ D2 von g gilt, [D(X ), D(Y )] = [D1 (X ) + D2 (X ), D1 (Y ) + D2 (Y )] = D([X , Y ]). (14.36)

Tensorprodukte spielen in Anwendungen – z. B. in der Vielteilchenphysik – eine wichtige Rolle, siehe Abschn. 17.1. Die Vektorräume Vi sind dann die Zustandsräume von Subsystemen, die zu einem Gesamtsystem mit Zustandsraum V1 ⊗ V2 gehören.

14.2

Lie-Algebren der klassischen Matrixgruppen

Die Lie-Algebra von GL(n, C) bezeichnet man mit gl(n, C). Ist g(t) eine Kurve in GL(n, C) mit g(0) = 1, dann ist der zugehörige Tangentialvektor bei Eins, X = g(0), ˙ eine beliebige komplexe n × n-Matrix. Deshalb hat die Lie-Algebra gl(n, C) = {X = Mat(n, C)}

(14.37)

die reelle Dimension 2n 2 . Das Lie-Produkt für zwei Matrizen ist gleich dem Kommutator. Analog findet man für die Lie-Algebra der allgemeinen linearen Gruppe mit reellen Koeffizienten gl(n, R) = {X = Mat(n, R)}, dim gl(n, R) = n 2 .

(14.38)

Matrix-Gruppen (klassische Lie-Gruppen) sind abgeschlossene Untergruppen von G = GL(n, C), siehe Abschn. 8.3. Ist H eine derartige Untergruppe, dann definieren die Tangentialvektoren von Kurven durch e ∈ H ≤ G einen linearen Teilraum Te H von Te G. Wiederholt man die Argumente in Abschn. 14.1 für Elemente und Kurven in H , dann sieht man, dass Te H sogar eine Lie-Unteralgebra von Te G ist. Ist die Untergruppe ein Normalteiler N  G, dann ist die Lie-Unteralgebra Te N sogar ein Ideal von Te G. Um dies einzusehen, betrachtet man eine Kurve n(t) ∈ N durch e. Dann liegt für jedes Gruppenelement die konjugierte Kurve gn(t)g −1 ebenfalls in N und g(Te N )g −1 ⊆ Te N .

(14.39)

Diese Beziehung gilt für alle Elemente g(t) einer Kurve durch in G. Ableiten nach t führt wegen der Linearität von Te N auf [Te G, Te N ] ⊆ Te N , was bedeutet, das Te N ein Ideal in Te G ist, Te N  Te G.

(14.40)

282

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

Lemma 68 (Tangentialräume von Lie-Untergruppen und Normalteilern) Ist H eine Lie-Untergruppe von G, dann ist Te H ein Lie-Unteralgebra von Te G. Ist N  G ein Lie-Normalteiler, dann ist Te N ein Ideal von Te G.

Verallgemeinerung für allgemeine Lie-Gruppen

Wir haben das Lemma für die Untergruppen und Normalteiler von Matrixgruppen gezeigt. Es gilt aber auch für Lie-Untergruppen und Lie-Normalteiler einer allgemeinen Lie-Gruppe (dies ist Inhalt der Theoreme 51 und 52 in Abschn. 14.7. Die Lie-Algebra sl(n, K) von (n, K): Nach Lemma 68 sind die Lie-Algebren der Matrixgruppen Lie-Unteralgebren von gl(n, K). Entsprechend betrachten wir nun eine Kurve g(t) in der speziellen linearen Gruppe (n, K). Die Bedingung det g(t) = 1 impliziert wegen (14.18) für die infinitesimale Erzeugende X = g(0) ˙ die Bedingung Sp X = 0. Deshalb enthält die Lie-Algebra die spurlosen Matrizen, sl(n, K) = {X ∈ Mat(n, K)|Sp X = 0} .

(14.41)

Für K = R ist die (reelle) Dimension dieser Lie-Algebra gleich dim(sl(n, R)) = n 2 − 1. Da (n, K) ein Normalteiler von GL(n, K) ist, ist sl(n, K) ein Ideal von GL(n, K). Dies hatten wir schon in Abschn. 13.2 festgestellt. Die Lie-Algebra so(n) von SO(n): Wir betrachten eine differenzierbare Kurve R(t) in O(n). Eine stetige Kurve mit R(0) = 1 wird für alle t in der Zusammenhangskomponente SO(n) < O(n) liegen. Eine Erzeugende erfüllt 0=

 d T R (t)R(t) t=0 = X T + X , dt

und die Lie-Algebra von SO(n) ist gleich der Menge der antisymmetrischen reellen Matrizen,  (14.42) so(n) = X ∈ Mat(n, R)|X = −X T . Ihre Dimension ist gleich der Anzahl von linear unabhängigen schiefsymmetrischen Matrizen, dim(so(n)) = n(n − 1)/2. Die Lie-Algebra u(n) von U(n): Wegen U † U = 1 erfüllen die infinitesimalen Erzeugenden X † + X = 0 und  (14.43) u(n) = X ∈ Mat(n, C)|X = −X † . Die Dimension der Lie-Algebra ist gleich der Anzahl linear unabhängiger antihermitescher Matrizen, also dim(u(n)) = n 2 .

14.3 Die Exponentialabbildung

283

Tab. 14.1 Die Matrix-Gruppen und ihre Lie-Algebren. In den vorletzten Spalte werden die Erzeugenden charakterisiert. In der letzten Spalte findet man die reelle Dimension der Gruppe Gruppe

Lie-Algebra

Erzeugende

Reelle Dimension

GL(n, C) GL(n, R) (n, C) (n, R) U(n) SU(n)

gl(n, C) gl(n, R) sl(n, C) sl(n, R) u(n) su(n)

2n 2 n2 2n 2 − 2 n2 − 1 n2 n2 − 1

O(n), SO(n) Sp(2n, C) Sp(2n, R)

so(n) sp(2n, C) sp(2n, R)

X komplex X reell Sp X = 0 X reell, Sp X = 0 X + X† = 0 X + X † = 0, Sp X = 0 X reell, X + X T = 0 J X + XT J = 0 X reell, J X + XT J = 0

n(n − 1)/2 2n(2n + 1) n(2n + 1)

Die Lie-Algebra su(n) von SU(n): Diese Lie-Algebra enthält alle Erzeugenden von U(n) mit verschwindender Spur, su(n) = {X ∈ u(n)|Sp X = 0} .

(14.44)

Sie ist ein Ideal von u(n) und hat die Dimension dim(su(n)) = n 2 −1. Den Spezialfall n = 2 hatten wir im letzten Abschnitt behandelt. Die Lie-Algebra sp(2n, K) von Sp(2n, K) (K = R, C): Leiten wir die definierende Bedingung M(t)T J M(t) = J nach t ab, dann ergibt sich folgende Menge von infinitesimalen Erzeugenden,  sp(2n, K) = X ∈ Mat(2n, K)|X T J + J X = 0 .

(14.45)

Die reelle Lie-Algebra sp(2n, R) hat die Dimension n(2n + 1). Damit wären die Lie-Algebren der klassischen Lie-Gruppen charakterisiert. Die gewonnenen Resultate sind in der Tab. 14.1 zusammengefasst.

14.3

Die Exponentialabbildung

Die Lie-Algebra einer Lie-Gruppe ist der Tangentialraum am Einselement. Die infinitesimalen Erzeugenden gewinnt man durch Ableiten von Kurven, die durch die Gruppeneins gehen. Den umgekehrten Weg von der Lie-Algebra zur Lie-Gruppe

284

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

geht über die Exponentialabbildung. Diese kann für beliebige Lie-Gruppen definiert werden. Hier diskutieren wir die Exponentialabbildung für Matrixgruppen. Es sei X eine n-dimensionale reelle oder komplexe Matrix. Wir definieren das Exponential exp(X ) dieser Matrix über die Reihenentwicklung eX =

∞  Xn . n!

(14.46)

n=0

Diese Definition ist sinnvoll wegen Lemma 69 Für jede Matrix X ∈ Mat(n, K) konvergiert die Reihe (14.46) absolut und ist eine stetige Funktion von X . Wir bezeichnen die Vektoren in Kn mit ϕ. Eine mögliche Norm für Matrizen ist X  = sup

ϕ =0

X ϕ . ϕ

(14.47)

Für jede Matrix ist diese Norm endlich und es gelten die Ungleichungen X Y  ≤ X  Y  und X + Y  ≤ X  + Y . Iterieren wir die erste Ungleichung, dann erhalten wir X n  ≤ X n , so dass  1  1 X n  ≤ X n = eX  < ∞. n! n! n n

(14.48)

Dies bedeutet, dass die Reihe (14.46) eine Cauchy-Reihe ist und deshalb absolut konvergiert. Die Matrix-Exponentialfunktion hat folgende einfach zu beweisenden Eigenschaften: Lemma 70 Es seien X , Y ∈ Mat(n, K). Dann gelten: 1. 2. 3. 4. 5.

Ist [X , Y ] = 0, dann gilt e X +Y = e X eY = eY e X . Das Element e X ist invertierbar und hat als Inverses e−X . −1 Für ein invertierbares g gilt eg Xg = g e X g −1 . X Es gilt die Ungleichung  e  ≤ eX  . g(t) = et X ist eine glatte Kurve in GL(n, K) und dtd g(t) = X et X .

Von der ersten Eigenschaft überzeugt man sich durch Multiplikation der Potenzreihen. Aus ihr folgt sofort die zweite Eigenschaft, wenn man Y = −X setzt. Die dritte Eigenschaft folgt aus g X n g −1 = (g Xg −1 )n und die vierte ist (im Wesentlichen) die Ungleichung (14.48). Die letzte Eigenschaft folgt aus der termweisen Differentiation der Potenzreihe für exp(t X )

14.3 Die Exponentialabbildung

285

Ist X eine diagonalisierbare Matrix, dann existiert eine invertierbare Matrix g, so dass X = g Dg −1 , mit D = diag(λ1 , λ2 , . . . , λn ).

(14.49)

Mit der dritten Eigenschaft im Lemma erhält man nun e X = g e D g −1 ,

  e D = diag eλ1 , eλ2 , . . . , eλn .

(14.50)

Selbst für reelle Matrizen X können g und D beide komplex sein. Nun betrachten wir ganz spezielle Kurven g(t), die für t = 0 durch das neutrale Element gehen. Definition 57 Eine Funktion g : R → G heißt einparametrige Untergruppe von G, falls 1. g stetig ist, 2. g(0) = e, 3. g(t + s) = g(t)g(s) = g(s)g(t) für alle t, s ∈ R. Aus den beiden letzten Eigenschaften folgt dann g −1 (t) = g(−t). Es gilt nun das Lemma 71 Für eine einparametrige Untergruppe von G existiert ein eindeutiges X ∈ Te G mit g(t) = exp(t X ). Beweis Eine einparametrige Untergruppe erfüllt die gewöhnliche Differenzialgleichung   d d d ˙ ∈ Te G g(t) = g(s + t)s=0 = g(s)s=0 g(t) = Xg(t) mit X = g(0) dt ds ds (14.51) und Anfangsbedingung g(0) = 1. Die eindeutige Lösung dieses Anfangswertproblems ist g(t) = exp(t X ). Lemma 72 Ist D eine Darstellung von G und g = exp(X ), dann gilt   D(g) = D e X = eD(X ) .

(14.52)

Beweis Dieser ähnelt dem vorherigen. Wir setzen g = exp(X ) und betrachten die einparametrige Untergruppe g(t) = exp(t X ) und D(t) = D(g(t)). Dann folgt d d D(t) = D(s)|s=0 D(t) = D(X )D(t), dt ds

D(0) = 1.

(14.53)

Die eindeutige Lösung des Anfangswertproblems ist D(t) = exp(t D(X )). Setzen wir noch t = 1, dann folgt die Aussage des Lemmas.

286

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

Beispiel: Exponentialabbildung für SU(2)

Um die Matrizen X = iv·σ in su(2) zu exponentieren, benutzen wir (vσ )2 = v 2 1, wobei v den Betrag von v bezeichnet, und erhalten exp(X ) = exp(ivσ ) = cos v σ0 + i sin v vˆ σ , vˆ =

v . v

(14.54)

Setzen wir in dieser Formel cos v + ivˆ3 sin v = a und



 ivˆ1 − vˆ2 sin v = b,

(14.55)

dann ist exp(X ) die SU(2)-Matrix in (8.7). Die Normierungsbedingung |a|2 + |b|2 = 1 ist für die Parametrisierung (14.55) automatisch erfüllt. Wir folgern, dass jede SU(2)-Matrix als Exponent einer antihermiteschen und spurlosen Matrix geschrieben werden kann. Somit haben wir für SU(2) den Zusammenhang zwischen Lie-Algebra und Lie-Gruppe mit einer expliziten Rechnung nachgewiesen. Die einparametrige Untergruppe zu X ist exp(t X ) = cos(tv) σ0 + i sin(tv) vˆ σ .

(14.56)

und, wie erwartet, gilt  d exp(t X )t=0 = iv · σ = X . dt

(14.57)



14.4

Weyl-Gruppe und maximale Tori

Eine n-dimensionale zusammenhängende kompakte abelsche Lie-Gruppe ist isomorph zu einem n-dimensionalen Torus T = Rn /Zn [62]. Eine maximale kompakte, zusammenhängende und abelsche Untergruppe einer kompakten Lie-Gruppe wird maximaler Torus genannt. Die Dimension eines maximalen Torus T von G heißt Rang der Lie-Gruppe G und wird oft mit r bezeichnet. Ist T ein maximaler Torus, dann ist auch die konjugierte Lie-Untergruppe gT g −1 eine abelsche Untergruppe von G. Es gibt also nicht nur einen maximalen Torus. Etwas genauer gilt: Satz 49 (Torus-Satz) Zwei maximale Tori T und T  in einer kompakten und zusammenhängenden Lie-Gruppe G sind zueinander konjugiert, T  = gT g −1 , und jedes Element von G ist in einem maximalen Torus enthalten. Aus dem Satz folgt, dass zwei maximale Tori dieselbe Dimension haben und jede Konjugationsklasse genau ein Element in einem fest gewählten maximalen Torus hat.

14.4 Weyl-Gruppe und maximale Tori

287

Beispiel: Maximale Tori für U(n), SU(n) und SO(n)

 Für U(n) ist die Untergruppe der diagonalen Matrizen T = diag( eiθ1 , . . . , eiθn )|θi ∈ R ein maximaler Torus. In anderen Worten, T ist das Produkt von n Kreisen, so dass U(n) den Rang n hat. Fordern wir zusätzlich θi = 0, dann liegt T im n − 1-dimensionalen maximalen Torus von SU(n). Für SO(n) ist die Untergruppe der Blockdiagonalmatrizen mit 2 × 2-Blöcken aus SO(2) ein maximaler Torus. 

Der Satz stimmt also für alle unitären Darstellungen einer kompakten (zusammenhängenden) Lie-Gruppe. Für abstrakte Lie-Gruppen soll der Satz hier nicht bewiesen werden. Eine eleganter Beweis benutzt den Grad der Abbildung F : G/T × T −→ G,

F(gT , t) = gtg −1 ,

(14.58)

welcher gleich der Ordnung der im Folgenden eingeführten Weyl-Gruppe ist, sowie Ergebnisse der Integrationstheorie [62]. Der Normalisator N G (T ) einer Untergruppe T ≤ G wurde bereits in Definition 15 eingeführt. Er ist die größte Untergruppe in G, die T als Normalteiler enthält. Definition 58 (Weyl-Gruppe von G) Es sei N G (T ) der Normalisator eines maximalen Torus T ≤ G. Dann heißt W = N G (T )/T die Weyl-Gruppe von G. Die Weyl-Gruppe W wird bei der Diskussion des Wurzelsystems einer Lie-Algebra in Kap. 15 und den Gewichten ihrer Darstellungen in Kap. 16 eine wichtige Rolle spielen. Bevor wir die allgemeinen Überlegungen fortführen, betrachten wir das lehrreiche Beispiel SU(n). Beispiel: Weyl-Gruppe von SU(n)

 Es sei n im Normalisator N = NSU(n) (T ) des maximalen Torus T = diag ( eiθ1 , . . . , eiθn ) , d. h., ntn −1 = t  mit diagonalen t, t  ∈ T . Weil t und t  zueinander konjugiert sind, haben sie gleiche Eigenwerte. Aber die (längs der Diagonalen) geordneten Eigenwerte von t  können eine Permutation π der geordneten Eigenwerte von t sein, und deshalb gilt   ntn −1 = t  bzw. nt = t  n =⇒ n i j · eiθi − eiθπ( j) = 0. Jede Permutation ist ein Produkt von Transpositionen und es genügt, eine Transposition zu betrachten, z. B. die Vertauschung (1, 2) der Winkel θ1 und θ2 . Man sieht sofort, dass dann n folgende Blockform haben muss,  n (1,2) =

n 0 0 n⊥



 mit n  =

   0 eis12 , n ⊥ = diag eis33 , . . . , eisnn . is 21 −e 0

288

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

Addieren die nicht verschwindenden Phasen si j zu null, dann ist n (12) ∈ SU(n). Multiplizieren wir die Matrix von links mit t = diag( eiϕ1 , eiϕ2 , . . . , eiϕn ), dann verschieben sich die Phasen in n (1,2) gemäß si j → si j + ϕi . Durch passende Wahl der Winkel ϕi können wir in jeder Restklasse ein Element n (1,2) mit si j = 0 finden. Z. B. können wir für SU(3) folgende Repräsentanten in N /T wählen, welche die Winkel transponieren, ⎛

n (1,2)

0 1 = ⎝−1 0 0 0

⎞ ⎛ ⎞ ⎛ 0 1 0 0 0 0 0⎠ , n (2,3) = ⎝0 0 1⎠ , n (1,3) = ⎝ 0 1 1 0 −1 0 −1 0

⎞ 1 0⎠ . (14.59) 0

In der Faktorgruppe W = NSU(n) (T )/T ist n (1,2) = −n (1,2) und n 2(1,2) = −1 repräsentiert die Eins. Weitere Repräsentanten von N /T sind n (1,2) n (2,3) und n (1,2) n (1,3) . Mit n = 1 hat W = N /T also 6 Elemente und ist isomorph zur Permutationsgruppe S3 . In Aufgabe 14.3 soll gezeigt werden, dass allgemeiner die Weyl-Gruppe von SU(n) isomorph zur Permutationsgruppe Sn ist.  Für allgemeine kompakte Lie-Gruppen gilt das Lemma 73 Die Weyl-Gruppe W ≤ G ist endlich. Beweis Es sei T ≤ G ein maximaler Torus mit Normalisator N G (T ) und N0 ⊆ N G (T ) die Zusammenhangskomponente der Einheit im Normalisator. Zunächst beweisen wir N0 = T . Da T zusammenhängend ist und die Einheit enthält, folgt unmittelbar T ⊆ N0 . Zum Beweis von N0 ⊆ T betrachten wir das Differential der Konjugationsabbildung ntn −1 auf der Lie-Algebra h von T (dies ist die später in Abschn. 15.2 eingeführte Cartan-Unteralgebra h),  N G (T ) → Aut(T ) ∼ = GL(r , Z), n → Ad(n)h .

(14.60)

Hier ist Ad(n)H = n H n −1 für ein Element H ∈ h. Frage

Die Repräsentanten in (14.59) können als Elemente von Aut(T ) ∼ = GL(3, Z) für U(3) identifiziert werden. Wie gewinnen Sie daraus die Elemente von Aut(T ) ∼ = GL(2, Z) für SU(3)? Was hat das mit dem Isomorphismus GL(2, Z2 ) ∼ = S3 zu tun, siehe Abschn. 2.2? Weil GL(r , Z) diskret und N0 zusammenhängend ist, ist das Bild von N0 unter dieser Abbildung nur die Einheitsmatrix (die Einheit in N0 wird auf die Einheitsmatrix abgebildet). Dies bedeutet jedoch, dass alle Elemente aus N0 mit den Elementen aus h kommutieren. Dann kommutieren sie auch mit allen Elementen in einer Umgebung der Einheit von T , weil die Exponentialabbildung ein lokaler Diffeomorphismus ist. Wegen Satz 22 kommutieren sie dann mit allen Elementen der zusammenhängenden

14.5 Lorentz-Gruppe und Lorentz-Algebra

289

Lie-Gruppe N0 . Weil T ein maximaler Torus ist, folgern wir N0 ⊆ T , was dann N0 = T beweist. Damit ist W = N G (T )/N0 isomomorph zur Menge der Zusammenhangskomponenten von N G (T ), was impliziert, dass W kompakt (N ist kompakt) und diskret (N0 ist offen, und damit auch die Restklassen g N0 ) ist. Dies bedeutet aber, dass W endlich ist.

14.5

Lorentz-Gruppe und Lorentz-Algebra

Die Lorentz-Transformationen wurden in Abschn. 5.5 diskutiert. Nach Wahl von kartesischen Koordinaten werden sie durch vierdimensionale reelle Matrizen  = (αβ ) parametrisiert, welche die Bedingung αμ ηαβ βν = ημν

(14.61)

mit Lorentz-Metrik (ημμ ) = diag(1, −1, −1, −1) erfüllen. Die Lie-Algebra so(1, 3) der Lorentz-Gruppe SO(1, 3) ist der Lie-Algebra so(4) der orthogonalen Gruppe SO(4) ähnlich und spielt in der relativistischen Physik eine herausgehobene Rolle. Es lohnt sich daher, sie eingehender zu studieren. Wie in Abschn. 14.2 betrachten wir eine Kurve (t) mit (0) = 14 in der Zusam↑ menhangskomponente L + und definieren die infinitesimale Erzeugende ωαβ =

d α  .  dt β t=0

(14.62)

Die Ableitung der Relation (14.61) bei t = 0 ergibt folgende lineare Bedingung für die Matrizen in der Lorentz-Algebra so(1, 3): ωαμ ηαν + ημβ ωβν ≡ ωνμ + ωμν = 0.

(14.63)

Dies bedeutet, dass die Matrizen in so(1, 3) nach Herunterziehen des kontravarianten Index antisymmetrische reelle 4 × 4-Matrizen sind. Sie bilden einen sechsdimensionalen Vektorraum, dessen Elemente wie folgt parametrisiert werden können: ⎛

0 ⎜ α 1 ω(α, θ ) = (ωμν ) = ⎜ ⎝α2 α3

α1 0 θ3 −θ2

α2 −θ3 0 θ1

⎞ α3 θ2 ⎟ ⎟. −θ1 ⎠ 0

(14.64)

Setzen wir α = 0 und θ = θ e mit e · e = 1, dann beschreibt die einparametrige Untergruppe (θ ) = eω(0,e) θ

290

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

Drehungen im euklidischen Raum um die feste Achse e mit dem Winkel θ . Sie enthält also weder eine Längenkontraktion noch eine Zeitdilatation und hat die Form  =

1 0T 0 R

 ,

R ∈ SO(3).

(14.65)

Diese SO(3)-Untergruppe der Lorentz-Gruppe wurde in Abschn. 5.2 ausführlich untersucht. Wir konzentrieren uns nun auf den anderen Grenzfall mit θ = 0 und setzen α = αe mit e · e = 1. Dann beschreibt für jeden festen Einheitsvektor e die einparametrige Untergruppe (α) = e

ω(e,0) α



T cosh(α) sinh(α) · e  T = sinh(α)e 13 + cosh(α) − 1 e e

 (14.66)

Lorentz-Boosts in Richtung von e. Aufgabe

Versuchen Sie, die letzte Aussage zu beweisen. Benutzen Sie dabei die Reihendarstellung der Exponentialfunktion. Wie man leicht sieht (man transformiere z. B. in das Ruhesystem des Teilchens), hängen α und e mit der Relativgeschwindigkeit v der beiden Inertialsysteme wie folgt zusammen: 1 ≡ γ, cosh(α) =  1 − β2

sinh(α) · e = γ β, β =

v , β = |β|. (14.67) c

Bewegt sich z. B. das Inertialsystem I relativ zum Inertialsystem I  mit der Geschwindigkeit v = ve1 , dann lautet die Lorentz-Transformation ⎛

γ ⎜γβ =⎜ ⎝0 0

γβ γ 0 0

0 0 1 0

⎞ 0 0⎟ ⎟ 0⎠ 1

(14.68)

und die Koordinaten transformieren gemäß   x 0 = γ x 0 + βx 1 , x 2 = x 2   x 1 = γ βx 0 + x 1 , x 3 = x 3 .

(14.69)

Ruht ein Teilchen im Ursprung des Inertialsystems I , dann bewegt es sich mit der Geschwindigkeit v in 1-Richtung relativ zum Inertialsystem I  .

14.5 Lorentz-Gruppe und Lorentz-Algebra

291

Kommutationsrelationen der Lorentz-Algebra so(1, 3) Wir beginnen mit dem Kommutator zweier Erzeugenden, die gemäß (14.64) parametrisiert seien: 

   ω(α, θ ), ω(α  , θ  ) = ω α ∧ θ  − α  ∧ θ, θ ∧ θ  − α ∧ α  .

(14.70)

Als Basis der Lorentz-Algebra wählen wir die Matrizen K i und i in der Entwicklung ω(α, θ ) =

3 

αi K i +

i=1

3 

θi i .

(14.71)

i=1

Der Vergleich mit (14.64) führt auf folgende explizite Form der infinitesimalen Lorentz-Boosts ⎞ ⎞ ⎞ ⎛ ⎛ ⎛ 0100 0010 0001 ⎜1 0 0 0⎟ ⎜0 0 0 0⎟ ⎜0 0 0 0⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ (14.72) K1 = ⎜ ⎝ 0 0 0 0 ⎠ , K2 = ⎝ 1 0 0 0 ⎠ , K3 = ⎝ 0 0 0 0 ⎠ 0000 0000 1000 und der infinitesimalen Drehungen im Raum, ⎛

0 ⎜0 ⎜ 1 = ⎝ 0 0

0 0 0 0

0 0 0 1

⎞ ⎛ 0 0 0 ⎜ 0 ⎟ ⎟ , 2 = ⎜ 0 0 ⎝0 0 −1 ⎠ 0 0 −1

0 0 0 0

⎞ ⎛ 0 00 ⎜ 1⎟ ⎟ , 3 = ⎜ 0 0 ⎝0 1 0⎠ 0 00

⎞ 0 0 −1 0 ⎟ ⎟. 0 0⎠ 0 0

(14.73)

Setzen wir die Entwicklung (14.71) in die allgemeine Kommutationsregel (14.70) ein, dann gewinnen wir die Kommutatoren der Basiselemente:

Lorentz-Algebra

Die infinitesimalen Boosts und Rotationen in (14.72, 14.73) erfüllen die Kommutationsregeln [K i , K j ] = −i jk k , [i ,  j ] = i jk k , [K i ,  j ] = i jk K k . (14.74)

Die Lorentz-Gruppe ist nicht kompakt. Ihre Lie-Algebra hat den Rang 2 und besitzt zwei linear unabhängige und kommutierende Erzeugende, die simultan diagonalisiert werden können, z. B. K 3 und 3 .

292

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

Eine weitere Basis von Generatoren Die obige Basis {K i , i } betont die unterschiedliche Rolle der Rotationen im Raum einerseits und der Lorentz-Boosts andererseits. Für die nun folgende strukturelle Untersuchung der Lorentz-Algebra wählen wir eine andere Basis und bezeichnen die 6 Basiselemente mit Mμν = −Mνμ . Man beachte: Hier sind μ und ν nicht die Indizes einer Matrix M, sondern jedes Mμν ist eine Matrix. Ein beliebiges Element der Lorentz-Algebra ist dann eine Linearkombination dieser Matrizen, i μν ω Mμν , 2

  Mμν = (Mμν )ρσ ,

(14.75)

mit reellen Entwicklungskoeffizienten ωνμ = −ωμν . Der Faktor i wurde eingeführt, damit die nun imaginären Matrizen Mμν mit räumlichen Indizes hermitesch sind. In der Linearkombination tritt wegen Mνμ = −Mμν jedes Basiselement zweimal auf. Die Bedingung (14.63) lautet dann (Mμν )ρσ = −(Mμν )σρ , (Mμν )ρσ = ησ δ (Mμν )δ ρ .

(14.76)

Sie bedeutet, dass die Matrix Mμν mit kovarianten Indizes antisymmetrisch ist. Wir wählen die antisymmetrischen Matrizen 

Mμν

 ρσ

  = −i ημρ ηνσ − ηνρ ημσ .

(14.77)

Dann gelten M0i = iK i und Mi j = −ii jk k . Z. B. sind

M01

⎛ 0 ⎜i =⎜ ⎝0 0

i 0 0 0

0 0 0 0

⎛ ⎞ 0 0 ⎜0 0⎟ ⎟ und M12 = ⎜ ⎝0 0⎠ 0 0

0 0 −i 0

0 i 0 0

⎞ 0 0⎟ ⎟ = M† 12 0⎠ 0

(14.78)

zwei Erzeugende. Die Erzeugenden (14.77) erfüllen die einfachen Kommutationsregeln   [Mμν , Mρσ ] = i ημρ Mνσ + ηνσ Mμρ − ημσ Mνρ − ηνρ Mμσ .

(14.79)

Beim Matrixprodukt wird ein kovarianter mit einem kontravarianten Index verjüngt, ρ ρ also z. B. (M01 M12 ) σ = (M01 ) δ (M12 )δσ . In der Form (14.79) gelten die Kommutationsregeln in beliebigen Raumzeit-Dimensionen und die Matrizen Mμν in (14.77) bilden eine Basis der Lorentz-Algebra so(1, d − 1). Aufgabe

Prüfen Sie nach, dass für die Wahl (14.77) der Basiselemente Mμν folgende Identifikation gilt: ρ i  μν i ω Mμν σ = ωρσ bzw. (ω, M) = ω, 2 2

(14.80)

14.6 Die Poincaré-Algebra

293

in Übereinstimmung mit (14.62). Etwas verwirrend mag sein, dass einerseits die ωμν als Entwicklungskoeffizienten in (ω, M) auftreten, andererseits die Matrix ρ (ω σ ) gleich dem Element 2i (ω, M) der Lorentz-Algebra ist. In 4 Dimensionen sind die Vertauschungsrelationen (14.79) äquivalent zu (14.74) und verallgemeinern die bekannten Verstauschungsrelationen für die Komponenten des Drehimpulses. Letztere sind (bis auf ein i) die Erzeugenden der Drehgruppe, Ji = ii . Aus (14.74) gewinnt man folgende Kommutationsregeln für diese hermiteschen Generatoren, [Ji , J j ] = ii jk Jk .

(14.81)

Die verbleibenden Generatoren M0i erzeugen Lorentz-Boosts. Eine beliebige ↑ Lorentz-Transformation in L + hat die Form i

 = e2ω

μν M

μν

=1+

i μν ω Mμν + O(ω2 ). 2

(14.82)

Mit der Identifikation (14.80) ist dies in Einklang mit (14.62). Aufgabe

Bestimmen Sie die Killing-Form der Lorentz-Algebra.

14.6

Die Poincaré-Algebra

Nach den Lorentz-Transformationen betrachten wir nun die in Abschn. 5.5 diskutierten allgemeineren Poincaré-Transformationen. Wie in (5.48) bezeichnen wir diese mit (, a). Die normale Untergruppe der Translationen wird von den infinitesimalen Translationen Pμ erzeugt, (1, a) = ei a

μP μ

= 1 + i a μ Pμ + O(a 2 ).

(14.83)

Zwei Translationen vertauschen, so dass ihre Erzeugenden kommutieren, [Pμ , Pν ] = 0,

μ, ν = 0, . . . , 3.

(14.84)

Die nichttrivialen Kommutationsregeln zwischen infinitesimalen Transformationen und Translationen folgen aus i

(, 0)(1, a)(, 0)−1 = (1, a) bzw. e 2 ω

μν M

ρP ρ

i

μν M

μ

= ei (a) Pμ . (14.85) Hier setzen wir im letzten Exponenten  = 1 + 2i ωμν Mμν + . . . und vergleichen Terme linear in ω und a. Dies führt auf die Kommutationsregeln μν

ei a

e− 2 ω

Lorentz-

[ωμν Mμν , a ρ Pρ ] = (ωμν Mμν a)σ Pσ .

μν

(14.86)

294

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

Dies gilt für beliebige ωμν und a ρ und ein Koeffizientenvergleich führt auf   [Mμν , Pρ ] = (Mμν )σρ Pσ = i ημρ Pν − ηνρ Pμ .

(14.87)

Zusammengefasst gewinnen wir folgende Vertauschungsregeln der PoincaréAlgebra:

Poincaré-Algebra

Die Erzeugenden der Poincaré-Gruppe {Mμν , Pμ } erfüllen die Kommutationsregeln   [Mμν , Mρσ ] = i ημρ Mνσ + ηνσ Mμρ − ημσ Mνρ − ηνρ Mμσ ,   [Mμν , Pρ ] = i ημρ Pν − ηνρ Pμ , (14.88) [Pμ , Pν ] = 0.

Weil die Translationen eine normale Untergruppe der Poincaré-Gruppe bilden, definieren die infinitesimalen Translationen ein Ideal der Poincaré-Algebra. Die Erzeugenden Pμ sind die Komponenten des 4-er-Impulses. Casimir-Invarianten der Poincaré-Algebra Die nicht einfache Poincaré-Algebra hat die halbeinfache Lorentz-Algebra als Unteralgebra und die infinitesimalen Translationen als abelsches Ideal. Man sieht nun sofort, dass P 2 = Pμ P μ eine Casimir-Invariante der Poincaré-Algebra ist: Lemma 74 P 2 = Pμ P μ ist eine Casimir-Invariante der Poincaré-Algebra. Beweis Offensichtlich ist [P 2 , Pμ ] = 0. Mit der Leibniz-Regel und den Vertauschungsrelationen (14.88) folgt [P 2 , Mρσ ] = Pμ [P μ , Mρσ ] + [Pμ , Mρσ ]P μ = 0,

(14.89)

was zu beweisen war. Allgemeiner vertauscht das Quadrat V 2 jedes Vektors mit den Mμν , da die Komponenten Vμ eines Vektors V dieselben Vertauschungsrelationen mit den Erzeugenden der Lorentz-Gruppe haben wie die Komponenten Pμ des 4-er-Impulses P. In anderen Worten, das Quadrat jedes Vektors ist eine LorentzInvariante. Eine zweite Casimir-Invariante kann mit Hilfe des Vektors W von Pauli und Lubanski mit Komponenten Wμ = 21 μνρσ P ν M ρσ , (0123 = 1)

(14.90)

14.7 Allgemeine Lie-Gruppen

295

konstruiert werden. Dieser ist orthogonal zum 4er-Impuls, Wμ P μ = 0,

(14.91)

und seine Zeitkomponente und Raumkomponenten haben die Form W0 = −P i Ji , Wi = P 0 Ji − i jk P j K k .

(14.92)

Für ein ruhendes Teilchen ist P = (m, 0) und entsprechend W = (0, m J). Nun gilt das Lemma 75 Das Quadrat W 2 = Wμ W μ ist eine Casimir-Invariante der PoincaréAlgebra. Beweis Wegen [Wμ , Pξ ] = 21 μνρσ P ν [M ρσ , Pξ ] = iμνρξ P ν P ρ = 0

(14.93)

kommutiert W 2 mit dem 4er-Impuls P. Da zudem W ein 4er-Vektor ist, vertauscht sein Quadrat W 2 mit den infinitesimalen Lorentz-Transformationen Mμν . Dies beweist dann das Lemma. Neben den quadratischen Casimir-Invarianten P 2 und W 2 gibt es keine weitere unabhängige Invariante der Poincaré-Algebra. Da die physikalischen Zustände in einer relativistischen Theorie nach ihrem Transformationsverhalten unter der Poincaré-Symmetrie klassifiziert werden, spielen diese Invarianten für die Charakterisierung von Teilchen ein herausragende Rolle.

14.7

Allgemeine Lie-Gruppen

Für allgemeine Lie-Gruppen kann man analoge Resultate beweisen wie für MatrixGruppen. Die explizite Exponentialfunktion wird dann durch die Exponentialabbildung auf differenzierbaren Mannigfaltigkeiten ersetzt. Die in Definition 57 eingeführten einparametrigen Untergruppen existieren auch für allgemeine Lie-Gruppen. Die Beweise der folgenden Eigenschaften setzen Kenntnisse der Differenzialgeometrie voraus und werden deshalb nur skizziert. Wir beginnen mit dem wichtigen Resultat über die Existenz einer Lie-Gruppe zu einer gegebenen Lie-Algebra g. Zuerst erinnern wir uns daran, dass die Abbildung X → ad X ein Lie-Algebra- Homomorphismus von g nach gl(g) ist. Verschwindet das Zentrum zg von g, dann ist g isomorph zum Bild adg ≤ gl(g) und die von adg erzeugte Matrix-Untergruppe L g ≤ GL(g) – man spricht von der zu g gehörenden linearen Gruppe – hat wiederum adg ∼ = g als Lie-Algebra. Lemma 76 Sei g eine halbeinfache Lie-Algebra mit z = 0. Dann ist g die Algebra einer Lie-Gruppe, nämlich der zu g gehörenden linearen Gruppe L g .

296

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

Eine Erweiterung des Satzes gilt auch für Lie-Algebren mit nichttrivialen Zentren. Diese bringt das Bild der adjungierten Darstellung Ad : G → GL(n, R) mit der zu g gehörenden linearen Gruppe L g in Verbindung. Für Matrixgruppen hatten wir diesen Zusammenhang in Lemma 67 hergestellt. Für allgemeine Lie-Gruppen gilt dieselbe Aussage: Satz 50 Es sei G eine zusammenhängende Lie-Gruppe mit Lie-Algebra g. Dann ist Ad(G) = L g ≤ GL(n, R) und L(g) ∼ = G/Z .

(14.94)

Insbesondere ist die Lie-Gruppe G/Z alleine durch die Lie-Algebra g von G bestimmt. Es sei H ≤ G eine Lie-Untergruppe und H → G die injektive Inklusion. Diese definiert eine induzierte Abbildung ihrer Lie-Algebren h und g. Man betrachte den Tangentialraum Te H als linearen Unterraum von Te G. Da H eine Lie-Gruppe ist, ist Te H invariant unter der Lie-Klammer. Es gilt also der für Matrixgruppen schon bekannte Satz 51 Die Lie-Algebra h einer Lie-Untergruppe H < G ist eine Lie-Unteralgebra der Lie-Algebra g von G. Ähnlich argumentiert man, dass ein Lie-Normalteiler auf ein Ideal führt. Der folgende Satz stellt den Zusammenhang in umgekehrter Richtung her. Satz 52 Es sei G eine zusammenhängende Lie-Gruppe mit Lie-Algebra g und N < G eine zusammenhängende Lie-Untergruppe mit Lie-Algebra n ≤ g. Ist n ein Ideal in g, dann ist N Normalteiler von G.

14.8

Anhang A: Linksinvariante Vektorfelder

Behandelt man allgemeine Lie-Gruppen, dann gebraucht man Begriffe aus der Differenzialgeometrie wie Vektorfelder und Differenzialformen auf Mannigfaltigkeiten, Rücktransport (Pullback) von Differenzialformen, Vorwärtsschieben (Pushforward) von Vektorfelden sowie invariante Formen und Vektorfelder. Einige dieser Größen werden hier skizziert. Dabei nehmen wir an, dass die zugrunde liegenden Mannigfaltigkeiten glatt sind.

14.8.1 Vektoren und Tangentialraum Es sei X ein Vektor in Rn und f eine differenzierbare Abbildung in der Umgebung eines Punktes x0 . Dann ist die Richtungsableitung von f in Richtung von X am

14.8 Anhang A: Linksinvariante Vektorfelder

297

Punkt x0 gegeben durch DX f =

n  ∂ f   X μ ∈ R. ∂ x μ x0

(A.1)

μ=1

Die Richtungsableitung ist R-linear und erfüllt die Produktregel D X ( f · g) = D X ( f ) · g + f · D X (g).

(A.2)

Ist umgekehrt D X = DY , dann folgt X = Y . Zum Beweis wende man die Ableitungen auf die Koordinatenfunktionen x μ an. Es gilt das Lemma 77 Zu jedem R−linearen Operator D, der die Produktregel erfüllt, existiert ein Vektor X (am Punkt x0 ) mit D = D X . Beweis Für die, in einer Umgebung von x0 , konstante Funktion F = 1 impliziert die Produktregel D(1) = D(1 · 1) = D(1) + D(1) =⇒ D(1) = 0. Wegen der Linearität verschwindet D dann für alle konstanten Funktionen. Es sei nun f eine C ∞ −Funktion in einer Umgebung von x0 = 0. Dann gilt f (x) = f (0) +

 ∂ f   μ x + gμν (x)x μ x ν mit gμν ∈ C ∞ ,  μ 0 ∂ x μ μν

und wegen der Linearität und Produktregel (D f )(0) =

 ∂ f  D(x μ ). μ 0 ∂ x μ

Die Wahl X μ = D(x μ ) führt zum gesuchten Vektor X in x0 , für den D X f = D f ist. Nach dieser Vorbereitung betrachten wir Kurven in einer (differenzierbaren) Mannigfaltigkeit M. Es sei U eine Koordinatenumgebung von p mit Karte ϕ(U ), siehe Abb. 14.3. Dann hat eine differenzierbare Kurve c(t) ∈ U , die für t = 0 durch p geht, die Koordinatendarstellung x(t) = ϕ (c(t)) ∈ Rn , x(0) = ϕ( p) = x0 .

(A.3)

Die Koordinaten x μ (t) sind differenzierbare Funktionen des Kurvenparameters t. Dann ist x(0) ˙ = X der Tangentialvektor der Kurve im Punkt x0 . Umgekehrt gibt es zu jedem X eine Kurve im Rn durch x0 mit dem Tangentialvektor X . Man spricht

298

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

Abb. 14.3 Eine Kurve auf der Mannigfaltigkeit und ihre Bilder in zwei Karten

von einem durch die Kurve x(t) bzw. c(t) dargestellten Vektor. Es sei f¯ eine differenzierbare Funktion in U und f = f¯ ◦ ϕ −1 dieselbe Funktion ausgedrückt in lokalen Koordinaten. Dann ist   d ∂ f  d ¯ f¯ (c(t)) = f (x(t)) =⇒ f (c(t))0 = f (x(t))0 = μ  X μ , dt dt ∂ x x0 bzw.  d ¯ (A.4) f (c(t)) 0 = (D X f )(x0 ). dt Die linke Seite ist unabhängig von den gewählten Koordinaten und führt zur Definition D X¯ f¯ ≡ D X f .

(A.5)

Die Ableitung der Kurve hängt nur vom Tangentialvektor ab und ist deshalb kartenunabhängig. Ist ψ = χ ◦ ϕ −1 die Koordinatentransformation von ϕ(U ) nach χ (V ), dann gilt folgende Beziehung zwischen den Vektorkomponenten in den entsprechenden Karten, ∂ψ μ ν X . (A.6) ∂xν Die Ableitung D X¯ ist R-linear bezüglich f¯ und erfüllt die Produktregel. Zwei Funktionen, die in einer beliebig kleinen Umgebung von p ∈ U übereinstimmen, haben dieselbe Ableitung. Dies führt zum Begriff der Funktionenkeime. Zwei Funktionen f¯ und g¯ haben denselben Keim, wenn sie in einer hinreichend kleinen Umgebung von p übereinstimmen. Die Menge aller Vektoren X¯ im Punkt p bezeichnet man mit T p M. Es ist der Tangentialraum am Punkt p. Es existieren äquivalente Definitionen von T p M. y(t) = ψ(x(t)) =⇒ Y μ =

14.8 Anhang A: Linksinvariante Vektorfelder

299

1. In der geometrischen Definition identifiziert man eine Äquivalenzklasse von differenzierbaren Kurven c(t) mit c(0) = p als Tangentialvektor. Zwei Kurven sind dann äquivalent, wenn sie (in einer Karte) bei p denselben Tangentialvektor (ϕ ◦ c) (0) haben. 2. In einer algebraischen Definition identifiziert man die Menge der Derivationen am Punkt p als Tangentialraum T p . Derivationen bei p sind die linearen Abbildungen {D}, welche die Eigenschaft    D( f · g) p = (D f ) · g  p + f · (Dg) p

(A.7)

erfüllen. Derivationen bilden auf natürliche Weise einen reellen Vektorraum. Die Beziehung zwischen der geometrischen und algebraischen Definition ist die folgende: Falls c(t) eine Kurve mit Tangentialvektor (ϕ ◦ c) (0) = X in einer Karte ist, dann ist die zugeordnete Derivation die Richtungsableitung D X in dieser Karte, oft auch nur mit X bezeichnet, so dass X ( f )| p = X μ ∂μ f | p gilt. In diesem Sinne bilden die partiellen Ableitungen ∂μ an einem Punkt p eine Basis von T p M (in der Karte mit Koordinaten x μ ). Ein Vektorfeld ist eine (glatte) Abbildung, die jedem p ∈ M einen Vektor X¯ ( p) im Vektorraum T p M zuordnet oder in einer Karte einem x ∈ Rn eine Derivation X (x): p → X¯ ( p) ∈ T p (M), bzw. x → X μ (x)∂μ mit glatten X μ .

(A.8)

Der ∞-dimensionale lineare Raum der Vektorfelder wird mit T M bezeichnet. Lie-Algebra der Vektorfelder Die Vektorfelder auf M bilden eine ∞-dimensionale Lie-Algebra. Dabei ist die LieKlammer von X , Y ∈ T M der Kommutator ihrer Derivationen: [X , Y ] : f −→ X (Y ( f )) − Y (X ( f )) = [X , Y ]( f ).

(A.9)

Die explizite Rechnung führt auf den Ausdruck  ∂ Xμ ∂ Xμ  [X , Y ] = X ν ν − Y ν ν ∂μ . ∂x ∂x

(A.10)

Lemma 78 (Lie-Algebra der Vektorfelder) Die Lie-Klammer [., .] : T M × T M → T M ist bilinear, antisymmetrisch, erfüllt die Jacobi-Identität und die Relation [ f X , gY ] = f g[X , Y ] + f (Xg)Y − g(Y f )X .

(A.11)

300

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

14.8.2 Die Abbildungen Pullback und Pushforward Es sei c(t) eine Kurve durch p ∈ M und F : M → N ein Diffeomorphismus zwischen Mannigfaltigkeiten. Dann beschreibt die Bildkurve F(c(t)) eine Kurve durch q = F( p) und der Zusammenhang der Vektorkomponenten X μ und Y μ ist wie bei einem Koordinatenwechsel (A.6). Die entsprechende lineare Abbildung von Tangentialvektoren in p auf Tangentialvektoren in q bezeichnen wir mit F∗ : T p M → Tq N . Nun wollen wir die Beziehung zwischen den Ableitungen in M und N herstellen. Dazu führen wir den sogenannten Pullback von Funktionen auf N ein: Definition 59 Es sei F : M → N ein Diffeomorphismus und g : N → R eine glatte Funktion. Dann ist der Pullback F ∗ g von g definiert durch (F ∗ g)( p) = g(F( p)) = g(q). Man kann nichtinjektive Funktionen eben nur „zurückziehen“ und nicht „vorwärtsschieben“. Der Pullback F ∗ ist R-linear. Nun gilt das Lemma 79 Die Ableitung von F ∗ g in Richtung X ist gleich der Ableitung von g in Richtung F∗ X , d. h. X (F ∗ g) = (F∗ X )(g). Aufgabe

Beweisen Sie dieses Lemma. Dafür benötigen Sie nur die Definition des Pullbacks und der Richtungsableitung. Linksinvariante Vektorfelder einer Lie-Gruppe Es sei nun L g die Linkstranslation auf einer Lie-Gruppe G. Der entsprechende Pushforward von Vektorfeldern von G geschieht dann mit (L g )∗ . Ein Vektorfeld X heißt linksinvariant, wenn gilt (L g )∗ X = X f¨ur alle g ∈ G.

(A.12)

In anderen Worten, für alle reellen C ∞ -Funktionen auf G gilt die Beziehung X (L ∗g f ) = X ( f ). Ist ein linksinvariantes Vektorfeld für nur ein g0 ∈ G bekannt, dann bestimmt der Vektor X (g0 ) das gesamte Vektorfeld. Da die Pushforwards lineare Operationen sind, bilden die linksinvarianten Vektorfelder einen linearen Teilraum im Raum der Vektorfelder. Da die Pushforwards zudem mit der Lie-Klammer vertauschen, ist die Lie-Klammer von linksinvarianten Vektorfeldern wieder linksinvariant. Mit Hilfe des Pushforwards von Vektorfeldern definiert man den (dazu dualen) Pullback von p-Formen gemäß (F ∗ ω)(X 1 , . . . , X p ) = ω(F∗ X 1 , . . . , F∗ X p ).

(A.13)

Man beachte, dass links und rechts die Vektoren an verschiedenen Punkten der Mannigfaltigkeit auftreten.

14.9 Aufgaben zu Kap.14

301

Eine p-Form auf einer Lie-Gruppe mit der Eigenschaft L ∗g ω = ω heißt linksinvariant. Offensichtlich ist die Funktion ω(X 1 , . . . , X p ) konstant, wenn eine linksinvariante p-Form auf linksinvarianten Vektorfeldern ausgewertet wird.

14.9

Aufgaben zu Kap. 14

Aufgabe 14.1: Variation der Determinante Es sei U (t) eine Kurve im Raum der invertierbaren Matrizen. Beweisen Sie die Identität   d log det U = Sp U −1 U˙ . dt Aufgabe 14.2: Exponentialabbildung Die Exponentialabbildung X → e X (für Matrizen oder auch allgemeine LieGruppen) ist differenzierbar und ihr Differential bei X = 0 ist die Identität. Warum folgt daraus, dass die Exponentialabbildung ein lokaler Diffeomorphismus ist? Hinweis: Erinnern Sie sich an den Satz über inverse Funktionen. Aufgabe 14.3: Weyl-Gruppe von SU(n) Beweisen Sie, dass SU(n) die Weyl-Gruppe Sn hat. Für SU(3) können die Abbildungen in Aut(T ) mit Matrizen in GL(2, Z) identifiziert werden, siehe (14.60). Welche Matrizen sind dies? Aufgabe 14.4: Weyl-Gruppe von SO(n) Bestimmen Sie die Weyl-Gruppen der orthogonalen Gruppen SO(n). Aufgabe 14.5: Lorentz-Gruppe in 2 Raumzeit-Dimensionen μ Wir untersuchen eigentliche Lorentz-Transformationen x μ →  ν x ν im zweidimensionalen Minkowski-Raum mit Metrik (ημν ) = diag(1, −1). 1. Zeigen Sie, dass die eigentlichen Lorentz-Transformationen die Form 

cosh α − sinh α = − sinh α cosh α



haben und eine abelsche Gruppe bilden. 2. Charakterisieren Sie die Lorentz-Algebra so(1, 1). 3. Die irreduziblen Darstellungen einer abelschen Gruppe sind eindimensional. Deshalb zerfällt obige Darstellung in zwei irreduzible eindimensionale Darstellungen. Finden Sie diese.

302

14

Lie-Algebren von Lie-Gruppen

4. Welche Linearkombinationen von x 0 und x 1 transformieren nach den irreduziblen Darstellungen? Welche Bedeutung haben diese Koordinaten im MinkowskiRaum? 5. Sind diese Darstellungen unitär? Aufgabe 14.6: Lorentz-Algebra Beweisen Sie die Kommutationsregeln (14.76) für die Erzeugenden (14.77). Aufgabe 14.7: Linksinvariante Vektorfelder der affinen Gruppe auf R Wir betrachten die Gruppe G der konformen Transformationen auf R. Diese hat die Matrixdarstellung   α1 α2 , A= 0 1 siehe (9.23). Die linksinvarianten Vektorfelder erfüllen X A = (L A )∗ V =

 d AC(t) , dt

˙ wobei C(t) eine Kurve mit C(0) = 1 und C(0) ∈ Te G ist. Wähle in Te G die Basis 

 10 X1 = , 00



 01 X2 = . 00

Was sind die zugehörigen linksinvarianten Vektorfelder der affinen Gruppe?

Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

15

Das Ergebnis habe ich schon, jetzt brauche ich nur noch den Weg, der zu ihm führt. Carl Friedrich Gauß

Im vorliegenden Kapitel analysieren wir die Kommutationsregeln von halbeinfachen Lie-Algebren und deren Konsequenzen etwas näher. Da nach Satz 43 jede halbeinfache Lie-Algebra eine direkte Summe von einfachen Idealen ist, brauchen wir nur einfache Lie-Algebren zu betrachten. Zunächst diagonalisieren wir einen vollständigen Satz von kommutierenden Basisvektoren – deren lineare Hülle definiert eine Cartan-Unteralgebra – in der adjungierten Darstellung. Dies führt auf die Wurzeln der Lie-Algebra g und deren Quantisierung. Für festgehaltenen Rang gibt es nur wenige Wurzelsysteme, welche die Quantisierungsregeln erfüllen. Deren Analyse führt auf die vollständige Klassifikation aller endlichdimensionalen einfachen Lie-Algebren – die sogenannte Cartan-Klassifikation. Über den komplexen Zahlen gibt es 4 unendliche Serien (die klassischen Lie-Algebren) und 5 exzeptionelle Lie-Algebren1 . Bei der Untersuchung machen wir davon Gebrauch, dass g immer Darstellungen von gewissen su(2) Unteralgebren trägt. Deshalb ist eine fundierte Kenntnis der irreduziblen Darstellungen von su(2) für die Klassifikation von einfachen Lie-Algebren unabdingbar. Die Vertauschungsregeln in su(2) sind diejenigen des Drehimpulses. Deshalb tritt su(2) bei der Behandlung kugelsymmetrischer Systeme im Rahmen der Quantenmechanik auf, siehe z. B. [63]. Einführungen in die Klassifikation der Wurzelsysteme von einfachen Lie-Algebren und die darauf operierende Weyl-Gruppe findet man z. B. in [60,61,64].

1 Über

den reellen Zahlen existieren 12 unendliche Serien und 23 exzeptionelle Lie-Algebren.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_15

303

304

15.1

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

Auf- und Absteigeoperatoren in su(2)

Im Abschn. 10.8.2 wurden die irreduziblen Darstellungen der unitären Gruppe SU(2) auf dem Raum der homogenen Polynome in zwei komplexen Variablen konstruiert. Diese Darstellungen induzieren Darstellungen der Lie-Algebra su(2), und diese werden wir im Folgenden mit den Methoden der linearen Algebra analysieren. Die Lie-Algebra su(2) enthält die spurlosen antihermiteschen 2 × 2-Matrizen mit dem Kommutator von Matrizen als Lie-Produkt (siehe Beispielkasten In Abschn. 14.1.1). Wir multiplizieren die Matrizen mit i und betrachten spurlose hermitesche Matrizen. Als Basis wählen wir die Spin-Matrizen (wir setzen  = 1) Si =

1 2

σi , Si = Si† ,

(15.1)

die in Aufgabe 13.3 mit den Raumdrehungen in Verbindung gebracht wurden. Wir werden aber nicht nur diese zweidimensionale, sondern beliebige irreduzible Darstellungen der su(2)-Algebra untersuchen. Die entsprechenden Basisvektoren bezeichnen wir mit Ji = D(Si ). Diese erfüllen die Kommutationsregeln der Komponenten eines Drehimpulses (Spins, Bahndrehimpulses, gesamten Drehimpulses) [Ji , J j ] = ii jk Jk .

(15.2)

Sie seien auf einem linearen Raum mit Skalarprodukt dargestellt, und wir sprechen deshalb oft von Operatoren anstelle von infinitesimalen Erzeugenden oder Vektoren der Lie-Algebra. Wir werden nun „Eigenvektoren und Eigenwerte der Drehimpulse“ konstruieren, wobei wir nur die Vertauschungsrelationen und Hermitizät der Ji benutzen. Dann gelten die erzielten Resultate für alle irreduziblen Darstellungen der Drehungen. Dazu diagonalisieren wir zuerst J3 . Dann werden J1 , J2 notwendigerweise nichtdiagonal sein, da sie nicht mit J3 vertauschen. Man führt deshalb anstelle von J1 und J2 die Leiteroperatoren (Auf- und Absteigeoperatoren) ein:

Leiteroperatoren für su(2) für su(2)

Die dritte Komponente des Drehimpulses J3 und die Leiteroperatoren J± = J1 ± iJ2 erfüllen die Vertauschungsrelationen [J3 , J± ] = ±J± , [J+ , J− ] = 2J3 mit J3† = J3 , J−† = J+ .

(15.3)

15.1 Auf- und Absteigeoperatoren in su(2)

305

Aufgabe

Zeigen Sie, dass (15.2) die Vertauschungsregeln (15.3) bedingt. Nun machen wir davon Gebrauch, dass die quadratische Casimir-Invariante J 2 mit den Drehimpulskomponenten kommutiert (siehe Abschn. 13.5.1), [ J 2 , Ji ] = 0, wobei J 2 =



Ji2 .

(15.4)

Wir können J 2 also gleichzeitig mit einer Komponente des Drehimpulses diagonalisieren. Es ist Konvention, J3 auszuzeichnen. Ein reeller Eigenwert m von J3 heißt magnetische Quantenzahl. Die Casimir-Invariante ist ein positiver Operator, und wir parametrisieren seine Eigenwerte gemäß j( j + 1) mit j ≥ 0. Der Parameter j heißt Drehimpulsquantenzahl. Die gemeinsamen (auf eins normierten) Eigenvektoren von J 2 und J3 bezeichnen wir mit | jm. Es gilt J 2 | jm = j( j + 1)| jm und J3 | jm = m| jm m, j ∈ R, j ≥ 0.

(15.5)

Um die erlaubten Werte von j und m zu finden, formen wir das Produkt der Leiteroperatoren um, J± J∓ = J12 + J22 ∓ i(J1 J2 − J2 J1 ) = J 2 − J32 ± J3 .

(15.6)

Wir bemerken zuerst, dass wegen J−† = J+ die Matrixelemente 2  jm|J± J∓ | jm = J∓ jm|J∓ jm = J∓ | jm nichtnegativ sind und formen die linke Seite mit Hilfe von (15.6) um, 2  jm|J∓ J± | jm =  jm|( J 2 − J32 ∓ J3 )| jm = c± ( j, m) jm| jm.

(15.7)

Da die linke Seite nicht negativ sein darf, dürfen die beiden Konstanten  2 ( j, m) = j( j + 1) − m(m ± 1) = j + 21 )2 − (m ± 21 )2 c±

(15.8)

nicht negativ sein. Beide Ungleichungen zusammen schränken die Werte der magnetischen Quantenzahl nach oben und unten ein: − j ≤ m ≤ j.

(15.9)

Im nächsten Schritt machen wir davon Gebrauch, dass die Leiteroperatoren J+ und J− im Spektrum von J3 auf- und absteigen. In der Tat, mit den Vertauschungsrelationen (15.3) folgt J3 J± | jm = J± (J3 ± 1)| jm = J± (m ± 1)| jm = (m ± 1)J± | jm.

(15.10)

306

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

Dies bedeutet, dass J± den Eigenvektor | jm entweder auf den Nullvektor oder auf einen Eigenvektor mit magnetischer Quantenzahl m ± 1 abbildet. Allerdings werden die von den Leiteroperatoren erzeugten Eigenzustände nicht mehr auf Eins normiert sein. Die Relation (15.7) legt die relative Normierung der Zustände fest, und nach passender Wahl der Phasen der Eigenfunktion gilt J± | jm = c± ( j, m )| j, m ± 1.

(15.11)

Insbesondere ist die Differenz von zwei magnetischen Quantenzahlen in jeder irreduziblen Darstellung von su(2) eine ganze Zahl. Frage

Warum wäre die Darstellung reduzibel, wenn die Differenz zweier m keine ganze Zahl wäre?

Die Wirkung der Leiteroperatoren

Ist m ein Eigenwert von J3 , dann ist auch (m ± 1) Eigenwert, es sei denn, die Konstante c± ( j, m) in (15.8) verschwindet. Im letzteren Fall ist J± | jm = 0. Auf einen Eigenvektor | jm können wir J+ mehrfach anwenden, um Eigenvektoren mit zunehmender magnetischer Quantenzahl m + 1, m + 2, . . . zu erzeugen. Die Ungleichungen (15.9) fordern aber, dass m ≤ j sein muss, so dass irgendwann die mehrfache Wirkung von J+ auf | jm den Nullvektor produzieren muss. Wegen (15.7) ist dies nur der Fall für   c+ ( j, m) = 0 bzw. m = ± j + 21 −

1 2

f¨ur ein m ≤ j.

(15.12)

Von den zwei Lösungen dieser Gleichung kommt wegen (15.9) nur die Lösung m = j in Frage. Es folgt, dass J3 den maximalen Eigenwert j hat. Das analoge Argument für den Absteigeoperator J− zeigt, dass J3 den minimalen Eigenwert − j hat. Da in einer irreduziblen Darstellung die Differenz zweier magnetischen Quantenzahlen eine ganze Zahl sein muss, ist 2 j ∈ N0 . Lemma 80 Die kommutierenden Operatoren J3 und J 2 haben Eigenwerte m und j( j + 1), wobei j∈

1 N0 und m = − j, − j + 1, . . . , j − 1, j. 2

(15.13)

Für jede Drehimpulsquantenzahl j gibt es dann 2 j + 1 verschiedene magnetische Quantenzahlen m, und die Entartung 2 j + 1 ist die Dimension der Darstellung mit Drehimpuls j.

15.2 Wurzeln einer einfachen Lie-Algebra

307

Die | jm sind wegen (15.11) normierte Eigenvektoren der hermiteschen Operatoren J 2 und J3 zu verschiedenen Eigenwerten. Deshalb bilden sie ein Orthonormalsystem,  jm| j m  = δ j j δmm .

(15.14)

Im Eigenzustand | jm ist die √ dritte Komponente des Spins gleich m und die „Länge“ des Drehimpulsvektors ist j( j + 1). Beispiel: Matrixdarstellung

Für ein festes j existieren 2 j + 1 Eigenvektoren | jm. In der Standardbasis ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 1 0 0 ⎜0⎟ ⎜1⎟ ⎜0⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ | j j = ⎜ . ⎟ , | j, j − 1 = ⎜ . ⎟ , | j, − j = ⎜ . ⎟ (15.15) ⎝ .. ⎠ ⎝ .. ⎠ ⎝ .. ⎠ 0 0 1 sind die Drehimpulsoperatoren zu festem j daher (2 j + 1)-dimensionale quadratische Matrizen. Die Casimir-Invariante ist J 2 = j( j + 1)1 und  jm|J3 | jm  = m δmm ,  jm|J+ | jm  = c+ ( j, m ) δm,m +1 ,

J− = J+† . 

15.2

Wurzeln einer einfachen Lie-Algebra

Wir verallgemeinern nun die Methode der Auf- und Absteigeoperatoren auf beliebige einfache Lie-Algebren. Dazu wählen wir eine bezüglich der Killing-Form orthogonale Basis. Die ersten r =Rang(g)-Basisvektoren H1 , . . . , Hr sollen miteinander kommutieren, so dass [ad Hi , ad H j ] = ad[Hi ,H j ] = 0.

(15.16)

Die von den Hi aufgespannte maximale abelsche Unteralgebra h nennt man eine Cartan-Unteralgebra. Es gibt viele Cartan-Unteralgebren: Konjugiert man eine Cartan-Unteralgebra mit einem beliebigen Gruppenelement, so erhält man eine andere, isomorphe Cartan-Unteralgebra. Die folgenden strukturellen Resultate sind aber unabhängig von der Wahl von h. Wegen (15.16) sind die Abbildungen ad Hi gleichzeitig diagonalisierbar. Im Allgemeinen können die bezüglich der Killing-Form schiefsymmetrischen Abbildungen ad Hi nur im Komplexen diagonalisiert werden. Deshalb führen wir die komplexifizierte Lie-Algebra gc von g ein und erweitern die Killing-Form zu einer bilinearen Form auf gc . Ist die Lie-Algebra einfach, so kann man in der komplexifizierten Lie-Algebra die Elemente der Cartan-Unteralgebra orthonormal wählen, K (Hi , H j ) = Sp(ad Hi ad H j ) = −δi j .

(15.17)

308

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

Wir diagonalisieren nun gleichzeitig die kommutierenden ad Hi in gc : ad Hi (E α ) = [Hi , E α ] = αi E α ,

1 ≤ i ≤ r.

(15.18)

Wurzelvektoren

Der Vektor α ∈ Rr heißt Wurzelvektor von g und E α ist der zu α gehörige Stufenoperator. Die Menge der Wurzelvektoren bezeichnen wir mit . Ihre Anzahl ist || = Dim(g) − Rang(g). Im Folgenden bezeichne (X , Y ) = −K (X , Y ) bis auf das Vorzeichen die KillingForm. Für kompakte Lie-Algebren definiert (., .) ein Skalarprodukt. Zwei Stufenoperatoren E α , E β stehen für α +β = 0 bezüglich dieses Skalarproduktes senkrecht aufeinander. Dies folgt aus der Invarianz der Killing-Form,      α =−β    0 = ad Hi E α , E β + E α , ad Hi E β = (αi + βi ) E α , E β =⇒ E α , E β = 0. (15.19) Genauso beweist man, dass die Elemente der Cartan-Unteralgebra senkrecht zu den Stufenoperatoren sind,     0 = ad H j Hi , E α + Hi , ad H j E α = α j (Hi , E α ) =⇒ (Hi , E α ) = 0, (15.20) da mindestens ein α j nicht null ist. Mit α muss auch −α eine Wurzel sein. Wäre dem nicht so, dann stünde E α senkrecht auf g, was für eine einfache Lie-Algebra nicht möglich ist. Wegen der Jacobi-Identität gilt [Hi , [E α , E β ]] = −[E β , [Hi , E α ]] − [E α , [E β , Hi ]] = (αi + βi )[E α , E β ], was wiederum bedeutet, dass mit α, β auch α + β eine Wurzel ist, falls E α+β ∝ [E α , E β ] nicht verschwindet. Schlussendlich kommutiert [E α , E −α ] mit allen Hi und muss deshalb in h liegen, [E α , E −α ] = β j H j . Die linke Seite in   (Hi , [E α , E −α ]) = β j Hi , H j = βi kann wegen der Invarianz von (X , Y ) = −K (X , Y ) wie folgt geschrieben werden, ([Hi , E α ], E −α ) = αi (E α , E −α ).

15.2 Wurzeln einer einfachen Lie-Algebra

309

Normieren wir die Stufenoperatoren gemäß (E α , E −α ) = 1, dann folgt βi = αi . Lie-Produkte und Normierungen der Elemente der Cartan-Weyl-Basis

Die Vertauschungsregeln für die Elemente {Hi , E α } der Cartan-Weyl-Basis lauten: αi Hi falls β = −α [Hi , H j ] = 0, [Hi , E α ] = αi E α , [E α , E β ] = Nαβ E α+β sonst. (15.21) Dabei sind die Elemente Hi , E α wie folgt normiert: (Hi , H j ) = δi j , (Hi , E α ) = 0, (E α , E β ) = δα+β,0 .

(15.22)

Ist α + β keine Wurzel, dann verschwindet Nαβ .

Explizite Basis für su(3) Als Basis für die Lie-Algebra su(3) der hermiteschen spurlosen 3 × 3-Matrizen wählen wir die nach Murray Gell-Mann benannten Matrizen ⎛ 0 X 1 = ⎝1 0 ⎛ 0 X 4 = ⎝0 1 ⎛ 0 X 7 = ⎝0 0

⎛ ⎛ ⎞ ⎞ ⎞ 10 0 −i 0 1 0 0 0 0⎠ , X 2 = ⎝ i 0 0⎠ , X 3 = ⎝0 −1 0⎠ , 00 0 0 0 0 0 0 ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 01 0 0 −i 000 0 0⎠ , X 5 = ⎝0 0 0 ⎠ , X 6 = ⎝0 0 1⎠ , 00 i 0 0 010 ⎞ ⎛ ⎞ 0 0 10 0 1 0 −i⎠ , X 8 = √ ⎝0 1 0 ⎠ . 3 0 0 −2 i 0

(15.23)

Diese sind orthogonal bezüglich des von der Spur definierten invarianten Skalarprodukts (X i , X j ) = Sp X i X j = 2 δi j . Frage

Welchen Wert hat die Konstante λ in Sp(X i X j ) = λ K (X i , X j )? Die nicht verschwindenden Strukturkonstanten f ab c mit a < b < c lauten abc f ab c

123 147 156 246 257 345 367 458 √ 678 √ 2 1 −1 1 1 1 −1 3 3

(15.24)

310

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

Sie sind vollständig antisymmetrisch in den drei Indizes, z. B. ist f 13 2 = −2, und diese Eigenschaft legt die verbleibenden Strukturkonstanten fest. Als Cartan-Unteralgebra wählen wir die lineare Hülle der Diagonalmatrizen H1 = X 3 und H2 = X 8 . Man findet folgende drei Stufenoperatoren und Wurzeln: 1 (X 1 + iX 2 ) : 2 1 = (X 6 + iX 7 ) : 2 1 = (X 4 + iX 5 ) : 2

E α1 =

α 1 = (2, 0),

E α2

α 2 = (−1,

E α3

α 3 = (1,

√ 3),

(15.25)

√ 3).

Die Absteigeoperatoren E −α sind transponiert zu den Aufsteigeoperatoren E α . Die Wurzeln ±α i haben alle die Länge 2 und definieren ein gleichseitiges Sechseck, wie in Abb. 15.1 dargestellt. Ebenfalls gezeigt sind die Spiegelungsebenen und eine Weyl-Spiegelung, siehe Abschn. 15.3.1. Abb. 15.1 Die Wurzeln und eine später, in Abschn. 15.5 eingeführte erste oder fundamentale Weyl-Kammer von su(3)

15.3

Quantisierung der Wurzeln

Wir definieren die Skalarprodukte α · β = αi βi und α · H = αi Hi , wobei über i summiert wird. Im Folgenden ist es vorteilhaft, eine etwas andere Basis der CartanUnteralgebra zu wählen: Hα =

2 α · H. α2

(15.26)

15.3 Quantisierung der Wurzeln

311

Gleichzeitig skalieren die Stufenoperatoren gemäß

E α →

α2 Eα . 2

(15.27)

Aus der zweiten Gleichung in (15.21) folgen die Vertauschungsregeln der Hα mit den Stufenoperatoren, [Hα , E β ] =

2α · β β=α E β =⇒ [Hα , E ±α ] = ±2E ±α , α2

(15.28)

während die dritte Gleichung in (15.21) für β = −α folgende Form annimmt, [E α , E −α ] = Hα .

(15.29)

Damit definieren für jede Wurzel α die drei Elemente  E α , E −α ,

Hα 2

 ∝ {J+ , J− , J3 }

(15.30)

eine su(2)-Lie-Unteralgebra in gc mit den Vertauschungsregeln des Drehimpulses (15.3). Diese su(2) wirkt auf dem linearen Raum g mit der adjungierten Darstellung, die im Allgemeinen reduzibel sein wird. Im vorherigen Abschnitt zeigten wir, dass die Eigenwerte von J3 halbganz sind. Damit sind die Eigenwerte von Hα in (15.28) ganzzahlig, Quantisierung der Wurzeln

Die Wurzeln einer Lie-Algebra erfüllen die Quantisierungsregeln n αβ ≡

2α · β ∈ Z f¨ur alle α, β ∈ . α2

(15.31)

Die Vertauschungsrelationen von Hα und E ±α in (15.28) bedeuten dann, dass die Stufenoperatoren E α bzw. E −α die Eigenwerte von Hα um 2 erhöhen bzw. um 2 erniedrigen. Es sei β = ηα parallel zur Wurzel α mit Streckungsfaktor η = 0. Dann würde gelten n αβ = 2η ∈ Z und n βα =

2 ∈ Z, η

woraus sofort folgt, dass |η| nur die Werte 1/2, 1 und 2 annehmen kann. Definition 60 Eine Wurzel α heißt unteilbar, wenn α/2 keine Wurzel ist. Ein System von Wurzeln heißt reduziert, wenn es keine teilbare Wurzeln besitzt.

312

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

Tab. 15.1 Die möglichen Werte des Winkels zwischen zwei Wurzeln und deren relative Länge (n αβ , n βα ) (0, 0) ±(1, 1) ±(2, 1) ±(3, 1)

cos2 θ 0 1/4 1/2 3/4

θ 90◦

π/2 = π/3 = 60◦ π/4 = 45◦ π/6 = 30◦

cos θ

Längenverhältnis

0 1/2 √ 1/ 2 √ 3/2

beliebig α2 = β 2 2α 2 = β 2 3α 2 = β 2

Im Folgenden wird immer angenommen, dass die betrachteten Wurzelsysteme reduziert sind. Dann ist nur die Wurzel −α parallel zu α. Die in (15.31) definierten ganzen Zahlen n αβ und n βα haben das gleiche Vorzeichen oder verschwinden beide. Sie können aber nicht beliebig groß werden. Um dies einzusehen, führen wir den Winkel θ zwischen zwei Wurzeln ein: cos θ =

α·β . |α||β|

(15.32)

Wegen der Schwartz-Ungleichung gilt 0 ≤ n αβ n βα = 4

(α · β)2 α2 β 2

≤ 4,

(15.33)

was die erlaubten Werte von cos θ einschränkt, n αβ n βα = 4 cos2 θ ∈ {0, 1, 2, 3, 4}.

(15.34)

Ist α · β = 0, dann gilt für das Verhältnis der ganzen Zahlen n αβ und n βα n αβ β2 = 2. n βα α

(15.35)

Das Produkt der ganzen Zahlen in (15.34) ist nur für θ ∈ {0, π } gleich 4, also nur wenn β und α linear abhängig sind, was in einem reduzierten Wurzelsystem β = ±α bedeutet. Sind α und β linear unabhängig, dann kommt der Wert 4 in (15.34) nicht vor. Für jede erlaubte Wahl von n αβ und n βα tritt neben dem Winkel θ auch immer der Winkel π − θ auf, wie man mit Hilfe einer Weyl-Spiegelung an der Ebene senkrecht zu α einsieht (diese Spiegelungen werden im nächsten Abschnitt eingeführt). Es genügt deshalb, Winkel θ ∈ [0, π/2] zu betrachten. Die vier Einstellmöglichkeiten von zwei Wurzeln α und β sind (bis auf Austausch) in der Tab. 15.1 zusammengefasst und in Abb. 15.2 dargestellt.

15.3 Quantisierung der Wurzeln

313

Abb. 15.2 Mögliche Winkel und relative Längen von zwei Wurzeln

15.3.1 Weyl-Spiegelungen Die Weyl-Spiegelungen sind Automorphismen der Menge  der Wurzeln von g. Ihre Existenz beruht auf der Wirkung der su(2)-Unteralgebren (E α , E −α , Hα ) auf gc . Es sei E β ein Eigenvektor von Hα in der adjungierten Darstellung, siehe (15.28). Der Stufenoperator E −α mit α = β erniedrigt diesen Eigenwert um 2,  [Hα , [E −α , E β ]] =

 2α · β − 2 [E −α , E β ]. α2

(15.36)

Durch m-maliges Anwenden von ad E −α auf E β erzeugt man im Multiplett den Eigenvektor mit der zu E β entgegengesetzten magnetischen Quantenzahl, so dass 2α · β 2α · β −2m = − 2 , 2 α α

(15.37)

woraus sich m ergibt. Gleichzeitig ändert die Wurzel β in β − mα = β −

2α · β α ≡ σα (β). α2

(15.38)

Die lineare Abbildung σα spiegelt an der Ebene senkrecht zur Wurzel α, wie in Abb. 15.3 skizziert. Wenn α und β senkrecht zueinander sind, dann ist σα (β) = β. Jede Weyl-Spiegelung bildet Wurzeln bijektiv in Wurzeln ab. Für jedes Paar von Wurzeln α, β ist 2α · β α (15.39) α2 wieder eine Wurzel. Diese Spiegelungen nennt man Weyl-Spiegelungen. Die Spiegelungen erzeugen die Weyl-Gruppe W , die neben den Spiegelungen auch Drehungen enthält. σα (β) = β −

15.3.2 Weyl-Gruppe In Abschn. 14.4 hatten wir die Weyl-Gruppe als Quotienten des Normalisators N G (T ) eines maximalen Torus und dem Torus T  N G (T ) eingeführt, W = N G (T )/T . Später werden wir sehen, dass diese endliche Faktorgruppe auch direkt als die von den Weyl-Spiegelungen erzeugte Gruppe identifiziert werden kann.

314

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

Abb. 15.3 Eine Weyl-Spiegelung σα spiegelt eine Wurzel β an der Ebene senkrecht zu α

Weyl-Gruppe W

Die Weyl-Spiegelungen erzeugen die endliche Weyl-Gruppe W des Wurzelsystems  = {α}, die neben den Spiegelungen auch die von den Spiegelungen erzeugten Drehungen enthält. Die Anzahl Spiegelungen ist gleich der Anzahl eigentlicher Drehungen.

Das frühere Resultat (6.13) über das Produkt von zwei Spiegelungen besagt nun, dass σα σβ eine Drehung in der Ebene aufgespannt von den beiden Wurzeln α und β ist, wobei der Drehwinkel ϕ das Doppelte des Winkels zwischen den beiden Wurzeln ist. Mit den erlaubten Winkeln zwischen zwei Wurzeln in Tab. 15.1 ergibt sich: Korollar 20 Zwei Weyl-Spiegelungen erfüllen (σα σβ )m αβ = 1 mit m αβ = m βα ∈ {2, 3, 4, 6} für die erlaubten Winkel {π/2, π/3, π/4, π/6} zwischen den Wurzeln. Für α = β ist m αα = 1. Das Korollar liefert eine Präsentation für jede Weyl-Gruppe und macht klar, dass Weyl-Gruppen spezielle Coxeter-Gruppen sind. Ihre Konjugationsklassen werden in [65] analysiert. Korollar 21 (Weyl-Gruppe) Das Wurzelsystem  ist invariant unter der Wirkung von W , und W ist eine endliche Untergruppe der orthogonalen Gruppe O(r ). Für jedes Element w ∈ W und jedes α ∈  gilt σw(α) = wσα w−1 .

15.3 Quantisierung der Wurzeln

315

Die letzte Eigenschaft rechnet man nach:  2α · w−1 (β)  (wσα w−1 )(β) = (wσα )(w−1 (β)) = w w−1 (β) − α α2 2w(α) · β =β− wα = σw(α) (β). (w(α))2 Wir machten von der Invarianz des Skalarproduktes unter einer Drehung w ∈ W Gebrauch.

Reduzierte Wurzelsysteme

Ein (reduziertes) Wurzelsystem  ist eine endliche Menge von Vektoren im reellen euklidischen Vektorraum V mit 1.  spannt V auf, 2. ist α ∈ , dann sind die einzigen Vielfachen von α in  die Vektoren ±α, 3. ist α ∈ , dann ist σα  = .

Bei der Klassifikation unterscheidet man zwischen reduziblen und irreduziblen Systemen: Definition 61 (Irreduzible Wurzelsysteme)  heißt reduzibel, wenn es die disjunkte Vereinigung von zwei Wurzelsystemen ist,  = 1 ∪ 2 , und jedes Element von 1 auf jedem Element von 2 senkrecht steht.  heißt irreduzibel, wenn es keine derartige Zerlegung gibt. Eine halbeinfache Lie-Algebra ist genau dann einfach, wenn ihr zugehöriges Wurzelsystem  irreduzibel ist. Bei der Klassifikation von Wurzelsystemen kann man sich deshalb auf irreduzible Systeme beschränken – reduzible Systeme sind auf einfache Weise aus irreduziblen Wurzelsystemen zusammengesetzt. Wirkung von W auf T und auf  Die von den Weyl-Spiegelungen erzeugte und auf die Elemente eines Wurzelsystems  wirkende Gruppe ist gleich der in Abschn. 14.4 eingeführten und auf T wirkenden Weyl-Gruppe W . Diesen Sachverhalt werden wir hier näher beleuchten. Dazu betrachten wir einen Repräsentanten w ∈ N G (T ) der Weyl-Gruppe W = N G (T )/T und ein t ∈ T . Weil w im Normalisator von T liegt, ist Adw (t) = wtw−1 = t ∈ T . Schreiben wir t = exp(iH ) mit H ∈ h, dann folgt   Adw eiH = eiAd(w)H mit Ad(w)H = w H w−1 ∈ h. (15.40) Die adjungierte Abbildung Adw : T → T induziert wie erwartet die Abbildung Ad(w) : h → h. Repräsentiert w ein nichttriviales Element der Weyl-Gruppe,

316

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

dann ist w ∈ / T und entsprechend Ad(w)H = H . Weil Ad(w) ein Lie-AlgebraHomomorphismus ist, folgt nun [Hi , E α ] = αi E α =⇒ [Ad(w)Hi , Ad(w)E α ] = αi Ad(w)E α .

(15.41)

Andererseits ist Ad(w)Hi = O ji H j mit einer orthogonalen Matrix O aus O(r ). Eingesetzt in (15.41) ergibt sich [Hk , Ad(w)E α ] = (Oα)k Ad(w)E α .

(15.42)

Dies bedeutet, dass für jede Wurzel α das Bild Oα auch eine Wurzel ist oder dass die lineare Abbildung O die Elemente von  permutiert. Eine explizite Realisierung für Elemente w ∈ N G (T ), die zu Weyl-Spiegelungen gehören, werden für MatrixGruppen in Aufgabe (15.2) angegeben.

15.4

Wurzeln von Lie-Algebren mit Rang ≤ 2

Wurzelsystem für Rang 1: Die Wurzeln liegen in R, und neben α ist nur −α eine Wurzel. Wir erhalten das Wurzelsystem der 1 + 2 = 3-dimensionalen Lie-Algebra su(2). Die Weyl-Gruppe Z2 besteht aus der Identität und der Spiegelung α → −α, siehe Abb. 15.4. Abb. 15.4 Wurzelsystem von A1

Wurzelsysteme für Rang 2: Die Wurzeln liegen in R2 und es gibt mindestens zwei Wurzeln α und β. Mit jeder Wurzel α ist bekanntlich auch −α eine Wurzel, so dass es dann mindestens vier Wurzeln geben muss. 1. Wir beginnen mit dem möglichen Winkel θ = π/2 in Tab. 15.1. Dann stehen α und β senkrecht aufeinander. Die Weyl-Spiegelungen erzeugen keine neuen Wurzeln mehr und wir erhalten das reduzible Wurzelsystem in Abb. 15.5. Die beiden Wurzeln α und β brauchen nicht dieselbe Länge zu haben. Wegen [Hα , E β ] = [Hβ , E α ] = 0

(15.43)

erzeugen die beiden Mengen {Hα , E α , E −α } und {Hβ , E β , E −β }

(15.44)

zwei dreidimensionale Unteralgebren, die miteinander vertauschen, g = su(2) ⊕ su(2). Die Weyl-Gruppe W = Z2 × Z2 wirkt reduzibel auf R2 .

15.4 Wurzeln von Lie-Algebren mit Rang ≤ 2

317

Abb. 15.5 Wurzelsystem von A1 ⊕ A1

Abb. 15.6 Wurzelsystem von A2

2. Nun betrachten wir den Fall θ = 60◦ in Abb. 15.6. Beginnen wir mit zwei Wurzeln α, β derselben Länge und einem Zwischenwinkel von 60◦ . Dann sind auch −α, −β Wurzeln. Die Weyl-Spiegelungen erzeugen dann zwei weitere Wurzeln. Das gleichseitige 6-Eck, das von den resultierenden Wurzeln aufgespannt wird, ist abgeschlossen unter allen Weyl-Spiegelungen. Es definiert die 2 + 6 = 8dimensionale Lie-Algebra su(3). Ihre Weyl-Gruppe wird von den Spiegelungen an den Ebenen senkrecht zu den Wurzeln α und β erzeugt. Sie enthält die Spiegelungen an den drei Ebenen senkrecht zu den Wurzeln und die Drehungen um 2π/3 und 4π/3. Sie ist isomorph zu der Diedergruppe D3 ∼ = S3 und wirkt transitiv auf . 3. Nun betrachten wir den Fall θ = 45◦ evtl. Abb. 15.7. und beginnen mit zwei Wurzeln α, β mit β 2 = 2α 2 und einem Zwischenwinkel von 45◦ . Wir inkludieren −α, −β und die mit Hilfe der Weyl-Spiegelungen gewonnenen Wurzelvektoren. Das resultierende System aus 8 Wurzeln ist abgeschlossen unter allen Spiegelungen und definiert die 2 + 8 = 10-dimensionale so(5)-Lie-Algebra. Die Weyl-Gruppe enthält neben der Einheit die Spiegelungen zu den 4 Wurzeln und die Drehungen um π/2, π und 3π/2 und ist isomorph zu der Diedergruppe D4 . Sie wirkt transitiv auf der Menge der kurzen (bzw. langen) Wurzeln.

318

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

Abb. 15.7 Wurzelsystem von B2

Abb. 15.8 Wurzelsystem von G 2

4. Schlussendlich untersuchen wir den Fall θ = 30◦ in der Tab. 15.1 und beginnen mit Wurzeln α, β mit einem Zwischenwinkel von 30◦ und β 2 = 3α 2 . Dieses, unter Weyl-Spiegelungen abgeschlossene, Wurzelsystem definiert die 14-dimensionale exzeptionelle Lie-Algebra G 2 .

Aufgabe

Zeigen Sie, dass die Weyl-Gruppe des Wurzelsystems von G 2 isomorph zur Diedergruppe D6 ist und transitiv auf der Menge der kurzen (bzw. langen) Wurzeln wirkt. Damit haben wir alle einfachen (und reduzierten) Lie-Algebren vom Rang 2 konstruiert.

15.5 Eigenschaften von Wurzelsystemen

319

Lie-Algebren mit Rang 2

Es existieren drei einfache Lie-Algebren vom Rang 2. Dies sind die LieAlgebren su(3), so(5) und G 2 der Dimensionen 8, 10 und 14.

In der Cartan-Klassifikation heißen diese Lie-Algebren A2 , B2 und G 2 . Die Anzahl Elemente ihrer Weyl-Gruppen erhält man in LiE mit dem Befehl W_order: LiE> W_order(A1) -> 2 LiE> W_order(B2) -> 8

W_order(A2) -> 6 W_order(G2) -> 12

Die eigentlichen und uneigentlichen Drehungen der Weyl-Gruppe W erhalten die Länge von Wurzeln und die Winkel zwischen Wurzeln. Sind zwei Wurzeln verschieden lang, dann können sie also nicht im selben Orbit der Weyl-Gruppe liegen. In LiE erfährt man die Bahn einer Wurzel α unter der Gruppenwirkung mit dem Befehl W_rt_orbit(α,g). Für die Lie-Algebra B2 existieren lange Wurzeln und kurze Wurzeln und das Verhältnis ihrer Längenquadrate ist 2. Es existieren zwei Orbits: LiE> norm([1,0],B2) -> 4 /* [1,0] ist die lange einfache Wurzel LiE> norm([0,1],B2) -> 2 /* [0,1] ist die kurze einfache Wurzel LiE> W_rt_orbit([1,0],B2) -> [[ 1, 2],[ 1, 0],[-1, 0],[-1,-2]] LiE> W_rt_orbit([0,1],B2) -> [[ 1, 1],[ 0, 1],[ 0,-1],[-1,-1]]

Die Orbits der langen Wurzel [1, 0] und kurzen Wurzel [0, 1] sind gleich lang.

15.5

Eigenschaften von Wurzelsystemen

Im Allgemeinen ist die Anzahl Wurzeln größer als der Rang der Lie-Algebra, so dass diese linear abhängig sind. Deshalb ist es sinnvoll, eine Basis von Wurzeln zu wählen   (15.45) γ 1, . . . , γ r , so dass jede Wurzel eine Linearkombination dieser Basiselemente ist. Eine besonders geeignete Basis liefern die einfachen Wurzeln:   Satz 53 (Einfache Wurzeln) Man kann eine Basis = γ 1 , . . . , γ r von einfachen Wurzeln wählen, so dass für jede Wurzel α gilt: α=

r  i=1

ni γ i ,

(15.46)

320

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

wobei die Koeffizienten n i ganzzahlig sind und das gleiche Vorzeichen haben (n i = 0 ist erlaubt). Zum Beweis wählen wir einen Vektor t ∈ Rr , der auf keiner Wurzel α ∈  senkrecht steht. Damit polarisieren wir das Wurzelsystem,  =  + ∪ − ,

(15.47)

in positive und negative Wurzeln, + = {α ∈  | (t, α) > 0} und − = {α ∈  | (t, α) < 0}.

(15.48)

Die Wurzeln treten in Paaren {α, −α} mit einer positiven und einer negativen Wurzel auf. Es folgt, dass + und − gleich viele Wurzeln enthalten. Wir sagen, α ist größer als β, wenn α − β eine Summe von positiven Wurzeln ist. Die Definition der positiven Wurzeln hängt von der Wahl der Cartan-Unteralgebra und t ab. Aber viele der folgenden Eigenschaften sind unabhängig von dieser Wahl. Definition 62 (Einfache Wurzeln) Eine Wurzel γ heißt einfach, wenn sie positiv ist und nicht als Summe von positiven Wurzeln geschrieben werden kann. Die Menge der einfachen Wurzeln bezeichnet man mit . Aufgabe

Bestimmen Sie einfache Wurzeln für das Wurzelsystem von A2 bzw. su(3) in Abb. 15.6. Aus der Definition 62 folgt nun sofort das Lemma 81 Jede positive Wurzel ist die Summe von einfachen Wurzeln, α = mit n i ≥ 0.



ni γ i

Beweis Ist α ∈ + einfach, dann gibt es nichts zu zeigen. Wenn nicht, dann ist α = α 1 + α 2 die Summe von positiven Wurzeln mit α 1 , α 2 < α. Ist α 1 oder α 2 nicht einfach, dann kann es als Summe von kleineren positiven Wurzeln geschrieben werden. Dieser iterative Prozess endet mit einfachen Wurzeln. Als höchste Wurzel bezeichnet man diejenige Wurzel, für welchedie Summe der Koeffizienten n i in der Entwicklung nach einfachen Wurzeln α = i n i γ i – man nennt diese Summe die Höhe der Wurzel – maximal ist. Ist die Wurzel α negativ, dann ist −α positiv und deshalb die Summe von einfachen Wurzeln. Es folgt, dass jede negative Wurzel die Entwicklung α = n i γ i mit n i ≤ 0 hat. Damit wäre Satz 53 bewiesen. Die Anzahl positiver Wurzeln erhält man in LiE mit dem Befehl n_pos_roots. Die positiven Wurzeln sind die Zeilen der Matrix pos_roots, wobei die oberen r Zeilen die einfachen Wurzeln enthalten und die letzte Zeile die höchste Wurzel α ∈ + .

15.5 Eigenschaften von Wurzelsystemen

LiE> LiE> LiE> LiE> LiE>

321

n_pos_roots(A2) -> 3 pos_roots(A2) -> [[1,0],[0,1]],[1,1]] high_root(A2) -> [1,1] n_pos_roots(G2) -> 6 high_root(G2) -> [3,2]

Lemma 82 Sind γ = γ einfache Wurzeln, dann ist γ · γ ≤ 0 und weder γ − γ noch γ − γ sind Wurzeln. Daraus folgt für zwei einfache Wurzeln [E γ , E −γ ] = [E γ , E −γ ] = 0. Beweis Wir beweisen zuerst, dass die Differenz von zwei einfachen Wurzeln keine Wurzel ist. Da Wurzeln in Paaren kommen, wäre mit γ − γ auch γ − γ eine Wurzel (und umgekehrt) und eine der beiden wäre positiv, z. B. γ − γ . Dann wäre γ die Summe der beiden positiven Wurzeln γ und γ − γ . Dies widerspricht aber der Annahme, dass γ einfach sein soll. Es folgt, dass die Stufenoperatoren zu γ und −γ bzw. zu −γ und γ vertauschen. Damit können wir nun γ · γ ≤ 0 zeigen. Wir erinnern daran, dass E γ Eigenvektor von ad Hγ mit Eigenwert 2γ · γ /γ 2 ist. Wegen [E −γ , E γ ] = 0 wird dieser vom Absteigeoperator E −γ annihiliert und hat im su(2)-Multiplett p−1

p

E γ , ad E γ (E γ ), . . . . . . , ad E γ (E γ ), mit ad E γ (E γ ) = 0

(15.49)

die kleinstmögliche magnetische Quantenzahl. Aber die minimale magnetische Quantenzahl in jedem su(2)-Multiplett ist nichtpositiv, und dies beweist die erste Aussage im Lemma. Aufgabe

Prüfen Sie die Aussagen in Lemma 82 für su(3) in Abb. 15.6. Lemma 83 Die einfachen Wurzeln sind linear unabhängig und bilden eine Basis in Rr , wobei r = Rang (g). Beweis Um die lineare Unabhängigkeit der Wurzeln in zu beweisen, nehmen wir an, diese seien linear abhängig. Dann gäbe es ein Linearkombination der einfachen Wurzeln mit  ci γ i = 0. (15.50) i

Wir zerlegen die Summe in zwei Anteile, P=

 i,ci >0

ci γ i und N =

 j,c j 0 j,c j 0 voraussetzen, da α und −α im selben Weyl-Orbit liegen. Dann gilt n αβ = n βα = 1, siehe Tab. 15.1, so dass σα (β) = β − n αβ α = β − α, σβ (α) = α − n βα β = α − β, woraus dann folgt (σα σβ σα )(β) = (σα σβ )(β − α) = σα (−α) = α.

(15.52)

Dies bedeutet, dass die beiden Wurzeln im gleichen Weyl-Orbit liegen. Lemma 86 Es sei γ ∈ und α = γ eine positive Wurzel. Dann ist σγ (α) ebenfalls positiv. Frage

Warum gilt das Lemma nicht für α = γ ? Warum wäre es im Widerspruch zu Lemma 84, wenn wir α = γ nicht ausschließen würden?

324

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

Beweis Das Lemma besagt, dass die Weyl-Spiegelung zu einer einfachen Wurzel γ die positiven Wurzeln α = γ permutiert. Zum Beweis sei γ eine der einfachen  Wurzeln, sagen wir γ 1 , und α = n i γ i mit n i ≥ 0. Nun ist σγ 1 (α) =



ni γ i −

 r i=1

γ ·γ 2n i 1 2 i γ1

 γ 1.

Wegen α = γ 1 ist mindestens ein n i > 0 für i > 1. Da nach Satz 53 alle Entwicklungskoeffizienten bei der Entwicklung einer Wurzel nach einfachen Wurzeln das gleiche Vorzeichen haben, muss σγ 1 (α) eine positive Wurzel sein. Lemma 87 (Einfache Weyl-Spiegelungen) Für jedes α ∈  existiert ein γ ∈ und eine Folge einfacher Weyl-Spiegelungen, deren Komposition γ nach α abbildet. Als Folge erzeugen die einfachen Weyl-Spiegelungen die Weyl-Gruppe. Beweis Einfache Weyl-Spiegelungen sind Spiegelungen an Ebenen senkrecht zu zu beweisen. Dann gilt sie wegen Wurzeln in . Es genügt, die Aussage für α ∈ + σγ γ =−γ auch für α ∈ − . Es sei nun α = i n i γ i mit n i ∈ N0 und Höhe h α = i n i . Für h α = 1 ist nichts zu beweisen. Für h α ≥ 2 sind mindestens zwei Koeffizienten n i positiv, und wegen α2 =



ni α · γ i > 0

ist (α, γ i ) > 0 für mindestens eine einfache Wurzel γ i mit n i > 0. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit sei dies γ 1 . Spiegeln wir α an der Ebene senkrecht zu γ 1 , σγ 1 (α) = α −

2γ 1 · α γ 1, γ i2

so erhalten wir gemäß Lemma 86 eine positive Wurzel, aber mit verminderter Höhe, da γ 1 ·α positiv ist. Die Induktion nach der Höhe der Wurzeln beweist den ersten Teil von Lemma 87. Zum Beweis des zweiten Teils des Lemmas wählt man für α ∈  ein Produkt w von einfachen Spiegelungen mit w(γ ) = α. Dann gilt σα = σw(γ ) = wσγ w−1 , so dass auch σα ein Produkt von einfachen Spiegelungen ist. Die Wirkung der endlichen Weyl-Gruppe W < O(r ) auf Rr oder auf dem Wurzelsystem  wird durch Weyl-Kammern charakterisiert, die auch für die Darstellungstheorie relevant sind. Eine spezielle Weyl-Kammer nennt man fundamental: Definition 63 (Fundamentale Weyl-Kammer) Die fundamentale Weyl-Kammer W enthält alle x ∈ Rr , die mit allen einfachen Wurzeln γ i ein positives Skalarprodukt haben. Die fundamentale Weyl-Kammer enthält alle x ∈ Rr , welche die Ungleichungen (x, γ i ) > 0 für alle einfachen Wurzeln γ i erfüllen. Als Durchschnitt von offenen Halbebenen ist W ebenfalls offen und zudem konvex. Wegen Lemma 81 gilt auch W = {x ∈ Rr |x · α > 0, α ∈ + }.

(15.53)

15.5 Eigenschaften von Wurzelsystemen

325

Insbesondere liegt der Vektor t in (15.48), der zur Polarisation des Wurzelsystems benutzt wurde, immer in der fundamentalen Weyl-Kammer W . Umgekehrt definieren zwei Vektoren t und t in derselben fundamentalen Weyl-Kammer dieselben positiven Wurzeln. Es sei nun w ein beliebiges Element in W und  = + ∪− eine Polarisation des Wurzelsystems mit einem Vektor t ∈ Rr und die zugehörigen einfachen Wurzeln. Dann ist w() =  = w(+ ) ∪ w(− ) eine Polarisation des Wurzelsystems bezüglich des Bildvektors w(t) und w( ) = {w(γ 1 ), . . . , w(γ r )} eine Basis von einfachen Wurzeln bezüglich der neuen Polarisation. Frage

Wie kann man diese Aussagen ohne Rechnung begründen? Fundamentale Weyl-Kammern von su(3) und so(5) sind die schattierten Bereiche in den Abb. 15.1 und 15.9. Die Weyl-Kammern von G2 werden in Aufgabe 15.3 bestimmt. Der im folgenden Lemma auftretende Abschluss W von W wird ebenfalls durch (15.53) charakterisiert, wenn man darin die Ungleichung durch α · x ≥ 0 ersetzt. Lemma 88 Der Abschluss W der fundamentalen Weyl-Kammer W ist ein Fundamentalgebiet für die Wirkung der Weyl-Gruppe W . Eine Teilmenge W ⊆ Rr ist ein Fundamentalgebiet der Wirkung von W auf Rr , wenn für jedes x ∈ Rr genau ein w ∈ W existiert mit w(x) ∈ W . Oder in anderen ¯ gibt es kein weiteres Element in W ¯ . Worten: Im Orbit von x 0 ∈ W Beweis In Rr führen wir eine partielle Ordnung ein: y ≥ x, wenn y − x eine Linearkombination von einfachen Wurzeln mit nichtnegativen reellen Koeffizienten ist. Dies bedeutet, dass man x vergrößert, wenn man in Richtung einer positiven Wurzel fortschreitet. Wir beweisen zuerst, dass jedes Orbit der Weyl-Gruppe ein Abb. 15.9 Die Wurzeln und einfachen Wurzeln von B2 mit zugehöriger fundamentalen Weyl-Kammer

326

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

Element x 0 in W enthält. Ist nämlich x 0 das bezüglich der partiellen Ordnung größte Element in seinem Orbit, dann muss x 0 − σi (x 0 ) =

2x 0 · γ i γ i , mit σi = σγ i , γ i2

(15.54)

eine Linearkombination von einfachen Wurzeln mit nichtnegativen Koeffizienten sein. Dies beweist x 0 · γ i ≥ 0 bzw. x 0 ∈ W . Zum Beweis, dass nicht mehrere Elemente eines Orbits im Fundamentalgebiet liegen, führen wir eine Teilmenge N (w) der positiven Wurzeln und die Länge (w) von w ∈ W ein. Definition 64 Für jedes Element w von W definieren wir N (w) = {α ∈ + | w(α) ∈ − } . Unter w werden also n(w) ≡ |N (w)| positive Wurzeln in negative Wurzeln abgebildet. So ist nach Lemma 86 für eine einfache Wurzel N (σγ ) = {γ } und entsprechend n(σγ ) = 1. Definition 65 Die minimale Anzahl von einfachen Spiegelungen, die für die Faktorisierung von w benötigt werden, ist die Länge (w) von w. Lemma 89 Für jedes Element der Weyl-Gruppe ist (w) = n(w). Beweis Eine einfache Wurzel bildet genau eine positive Wurzel in eine negative Wurzel ab und die anderen positiven Wurzeln in positive Wurzeln. Deshalb kann ein Produkt σ1 · · · σk von k einfachen Spiegelungen höchstens k positive in negative Wurzeln abbilden und n(w) ≤ (w). Zum Beweis des Lemmas mittels Induktion nach k genügt es also zu zeigen, dass ein Produkt w = σγ σ1 · · · σk von (k + 1) > n(w) Faktoren nicht reduziert ist, d. h. nicht die minimale Länge (w) hat. Wir nehmen umgekehrt an, es sei reduziert. Dann ist auch das Produkt w = σ1 · · · σk der Länge k reduziert. Bei einer Induktion nach k gilt dann (w ) = n(w ) = k und w bildet k positive in negative Wurzeln ab. Es ist n(w) < k + 1 und damit n(w) ≤ n(w ), und wegen w = σγ w wandelt die einfache Spiegelung σγ eine der negativen Wurzeln wieder in eine positive Wurzel um. Diese negative Wurzel muss −γ sein und γ = w(α) für ein α ∈ + . Dies bedeutet, dass die einfachen Spiegelungen σi im Produkt w = σ1 · · · σk für eine Weile die einfache Wurzel α in + belassen, dann das Vorzeichen umdrehen und danach in − belassen. Also gilt w1 = σ1 σ2 · · · σγ · · · σk−1 σk = w σγ w , w (α) = γ , w (γ ) = γ , und wegen σγ (γ ) = −γ ergibt sich dann w1 (α) = w σγ w (α) = −γ . Die Eigenschaft w (γ ) = γ und das Korollar 21 implizieren w σγ w −1 = σw (γ ) = σγ . Daraus folgt dann w = σγ w1 = σγ w σγ w = w w .

(15.55)

15.6 Cartan-Matrix und Dynkin-Diagramme

327

Also war das ursprüngliche Produkt für w nicht reduziert und das Lemma ist gezeigt. Aufgabe

Beweisen Sie nun selbst mit Hilfe von Lemma 89, dass nicht mehrere Elemente ¯ liegen können. eines Orbits im Fundamentalgebiet W Mit Hilfe von Lemma 89 kann man weitere nützliche Korollare beweisen, z. B. 1. Das einzige Elemente in W , dass invariant lässt, ist w = 1. 2. Die Weyl-Gruppe wirkt transitiv auf der Menge der Weyl-Kammern. 3. Die Anzahl der Weyl -Kammern ist gleich der Kardinalität der Weyl-Gruppe. Darin sind die Weyl-Kammern wie folgt definiert: Jeder Wurzel α ∈  ordnet man diejenige Hyperebene L α zu, die senkrecht zur Wurzel steht und durch den r Ursprung  geht, L α = {x ∈ R |(x, α) = 0}. Die Zusammenhangskomponenten von Rr \ α L α sind die Weyl-Kammern. Die fundamentale Weyl-Kammer ist diejenige Komponente, die den Vektor t enthält, der bei der Polarisation  = + ∪− auftritt. Korollar 22 (Irreduzibles Wurzelsystem) Für ein irreduzibles  ist nicht die disjunkte Vereinigung zweier Teilmengen 1 und 2 , wobei jedes Element von 1 auf jedem Element von 2 senkrecht steht. Stünden die einfachen Wurzeln in 1 senkrecht zu den verbleibenden in 2 , dann wären beide Teilmengen invariant unter einfachen Weyl-Spiegelungen. Wegen Lemma 87 lägen dann alle Wurzeln entweder in 1 oder in 2 . Dies ist für ein irreduzibles Wurzelsystem aber unmöglich.

15.6

Cartan-Matrix und Dynkin-Diagramme

Nach Lemma 87 kann man durch wiederholtes Anwenden von einfachen WeylSpiegelungen aus den einfachen Wurzeln alle Wurzeln in  rekonstruieren. Die ganze Information über die Lie-Algebra ist deshalb in den normierten Skalarprodukten der einfachen Wurzeln codiert. Diese bilden die ganzzahligen Matrixelemente der Cartan-Matrix, 2γ i · γ j , K ∈ GL(r , Z). (15.56) Ki j = γ j2 Diese ist regulär, weil die γ i linear unabhängig sind. Alle Diagonalelemente sind 2, und damit enthält K redundante Information. Die Nebendiagonalelemente sind negativ oder null. Haben alle einfachen Wurzeln die gleiche Länge, dann ist K i j = 2 γˆ i · γˆ j = K ji . Hierin ist γˆ = γ /|γ | der Einheitsvektor in Richtung von γ . Ist die Cartan-Matrix symmetrisch, dann heißt die Lie-Algebra simply laced.

328

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

Beispiel: Cartan-Matrizen der Lie-Algebren mit Rang 2

Berücksichtigen wir die Quantisierung der Wurzeln in Tab. 15.1, dann gibt es nur drei erlaubte Cartan-Matrizen für einfache Lie-Algebren mit Rang 2: 

     2 −1 2 −1 2 −1 su(3) : K = , so(5) : K = , G2 : K = . −1 2 −2 2 −3 2 (15.57) Die Cartan-Matrix erhält man in LiE mit Hilfe des Befehls Cartan: LiE> Cartan(G2)-> [[2,-1],[-3,2]] LiE> Cartan(B3)-> [[ 2,-1, 0],[-1, 2,-2],[ 0,-1, 2]] LiE> Cartan(F4)-> [[ 2,-1, 0, 0],[-1, 2,-2, 0],[ 0,-1, 2,-1],[ 0, 0,-1, 2]]

Die Matrix K ist diagonalisierbar und hat positive Eigenwerte. Dies folgt aus Korollar 23 Die Cartan-Matrix K ist konjugiert zur symmetrischen und positiven Matrix Kˆ mit Matrixelementen Kˆ i j = 2 γˆ i · γˆ j . Die Matrix D in K = D Kˆ D −1 ist diagonal und positiv, D = diag (|γ 1 |, . . . , |γ r |). Die Matrix Kˆ ist positiv, weil die quadratische Form 21 (x, Kˆ x) = ( y, y) mit  y = xi γˆ i nichtnegativ ist und nur für x = 0 verschwindet, da die γˆ i linear unabhängig sind. Die Eigenwerte der symmetrischen und positiven Matrix Kˆ , und damit diejenigen von K , sind positiv. Frage

Die nichtsymmetrische Cartan-Matrix braucht nicht positiv zu sein, obwohl sie positive Eigenwerte hat. Welche der Cartan-Matrizen in (15.57) ist nicht positiv? Mit wachsendem Rang wird es vorteilhafter, die in K enthaltene Information in einem Dynkin-Diagramm wie folgt zu codieren:

Dynkin-Diagramme

1. Zu jeder einfachen Wurzel γ i assoziiert man einen Vertex Vi . 2. Zwei Vertices Vi und V j werden mit K i j K ji ∈ {0, 1, 2, 3} Linien verbunden. 3. Sind Vi und V j mit mehr als einer Linie verbunden, dann ist |γ i | = |γ j | und man zeichnet einen Pfeil von Vi zu V j , wenn |γ i | > |γ j |, und umgekehrt. Alternativ kennzeichnet man die Vertices zu den kurzen Wurzeln mit einem vollen Kreis und diejenigen zu den langen Wurzeln mit einem offenen Kreis.

15.6 Cartan-Matrix und Dynkin-Diagramme

329

Ein Dynkin-Diagramm kann nicht in zwei unverbundene Unterdiagramme zerfallen, da dann die einfachen Wurzeln eines Unterdiagramms senkrecht zu den einfachen Wurzeln des anderen Unterdiagramms stünden. Das ist wegen Korollar 22 aber nicht möglich. Ist x nicht der Nullvektor, dann ist 21 (x, Kˆ x) = ( y, y) > 0. Weil zwei unterschiedliche einfache Wurzeln ein nichtpositives Skalarprodukt haben, folgt die Ungleichung  xi x j | Kˆ i j | f¨ur x = 0, (15.58) x2 > i< j

worin die symmetrische Matrix Kˆ in Korollar 23 eingeführt wurde. Um diese Ungleichung anzuwenden, betrachten wir eine Teilmenge A der Indexmenge {1, 2, . . . , r } / A. Dann und ein r -Tupel x mit Komponenten xi = 1 für i ∈ A und xi = 0 für i ∈ ist x 2 die Anzahl Elemente in A und die Ungleichung (15.58) impliziert Korollar 24 Für jede Teilmenge A der Indexmenge {1, 2, . . . , r } gilt die Ungleichung  |A | > | Kˆ i j |. (15.59) i< j∈A

Wir identifizieren die Indices mit den Vertices V1 , V2 , . . . , Vr eines DynkinDiagramms und erinnern an die Quantisierung der Wurzeln, nach der Kˆ i2j – dies ist die Anzahl Verbindungslinien zwischen Vertex i und Vertex j im Dynkin-Diagramm – nur Werte in {0, 1, 2, 3} annimmt. Somit ist für verbundene Vertices die Zahl | Kˆ i j | größer oder gleich 1 und es folgt die Ungleichung Korollar 25 Für jede Teilmenge A von Vertices im Dynkin-Diagramm ist die Anzahl Vertices in A größer als die Anzahl verbundener Paare innerhalb A. Mit diesen Ungleichungen beweist man: Bedingung 1 Dynkin-Diagramme haben keine Schleifen. Wählen wir nämlich für A die von einer Schleife durchlaufenen Vertices, dann wäre die Anzahl verbundener Paare in A mindestens so groß wie die Anzahl Vertices in A, im Widerspruch zu Korollar 25. Ähnlich beweist man die Aussage Bedingung 2 In Dynkin-Diagrammen hängen höchstens drei Linien an einem Vertex.

330

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

Zur Begründung wählen wir für A einen Vertex i und die mit ihm verbundenen Vertex, Vertices. Bezeichnet nun A ⊂ A die Teilmenge ohne den ausgezeichneten  dann ist die rechte Seite der Ungleichung (15.58) kleiner gleich xi j∈A x j . Wählen wir hier noch xi = 2 und x j = 1, dann impliziert die Ungleichung 4 + |A | > 2 |A |.

(15.60)

Diese bedingt |A | < 4 und somit kann Vertex i mit maximal 3 Vertices verbunden sein. Eine weitere, für die Klassifikation der erlaubten Dynkin-Diagramme nützliche Information ist folgende: Eine lineare Kette von sukzessive mit jeweils einer Linie verbundenen Vertices darf durch einen Vertex ersetzt werden. Dies ist in Abb. 15.10 skizziert. Etwas genauer ersetzt man die einfachen Wurzeln der linearen Kette durch eine neue einfache Wurzel γ¯ : γ 1 , . . . , γ n −→ γ¯ = γ 1 + γ 2 + · · · + γ n ,

(15.61)

Zur weiteren Diskussion unterteilen wir die Menge der Vertices in drei Teilmengen: 1. die Vertices der linearen Kette L, 2. die Vertices in A, die über den Vertex 1 mit der Kette verbunden sind, 3. die Vertices in B , die über den Vertex n mit der Kette verbunden sind. Frage

Warum hat γ¯ dieselbe Länge wie die einfachen Wurzeln γ 1 , γ 2 , . . . , γ n ? Warum haben die A-Wurzeln dieselben Skalarprodukte mit γ¯ wie mit γ 1 ? Die einzige Wurzel in L, die nicht senkrecht auf den Wurzeln von A steht, ist γ 1 . Es folgt dann γ¯ · γ a = γ 1 · γ a für alle γ a mit a ∈ A. Eine entsprechende Aussage gilt für die Wurzeln von B und für γ n . Da zudem die A-Wurzeln senkrecht auf den B -Wurzeln stehen, hat die Cartan-Matrix K des linken Diagramms mit Kette in

Abb. 15.10 Eine lineare Kette von Vertices 1, . . . , n mit jeweils einer Verbindung darf durch einen Vertex ersetzt werden

15.6 Cartan-Matrix und Dynkin-Diagramme

331

Abb. 15.10 folgende Blockform: ⎛

T uA ⎜ 0 Kn ⎜ K =⎜ 0 ⎜ ⎝ vA 0 0 K A 0 0 vB 0

⎞ 0 ⎛ ⎞ T uT 0 ⎟ 2 uA B ⎟ T ⎟ −→ K = ⎝ uB vA K A 0 ⎠ . c ⎟ ⎠ vB 0 K B 0 KB

(15.62)

Darin hat die n-dimensionale Cartan-Matrix K n der linearen Kette L die 2 auf der Diagonalen und −1 auf den beiden Nebendiagonalen. Die Komponenten der Vektoren u A und vA enthalten die Skalarprodukte γ 1 · γ a und diejenigen von u B und vB die Skalarprodukte γ n · γ b . Ersetzen wir nun alle Wurzeln der linearen Kette durch die Wurzel γ¯ , dann wird die Matrix K n durch die Zahl 2 ersetzt. Die Komponenten von u A und vA enthalten nun die Skalarprodukte von γ¯ mit den A-Wurzeln und diejenigen von u B und vB die Skalarprodukte von γ¯ mit den B -Wurzeln. Diese erscheinen nun in der ersten Zeile und ersten Spalte der kontrahierten Matrix K c auf der rechten Seite in (15.62). Die Matrix K c ist die Cartan-Matrix des rechten Dynkin-Diagramms in Abb. 15.10, in dem die lineare Kette durch einen einzigen Vertex ersetzt wurde. Die an den Vertices 1 und n hängenden Linien hängen nach Kontraktion am Vertex mit Wurzelvektor γ¯ . Zu den Cartan-Matrizen K und K c des ursprünglichen und kontrahierten Diagramms gehören die symmetrischen und positiven Matrizen Kˆ und Kˆ c in Korollar 23. Diese haben dieselbe Blockstruktur wie die Cartan-Matrizen. Speziell erscheint die symmetrische Cartan-Matrix K n der linearen Kette unverändert in Kˆ . Ist nun p ein Spaltenvektor mit n identischen Komponenten p, dann ist ( p, K n p) = 2 p 2 . Ist zudem q ein weiterer Vektor mit r − n beliebigen Komponenten, dann gilt (n, Kˆ n) = (nc , Kˆ c nc ), n =

    p p , nc = . q q

(15.63)

Es folgt, dass Kˆ nicht positiv sein kann, wenn Kˆ c es nicht ist. In anderen Worten: Wenn wir eine Kontraktion mit nichtpositiven Kˆ c finden, dann ist Kˆ nichtpositiv und K kann unmöglich die Cartan-Matrix einer einfachen Lie-Algebra sein. Daraus folgt: Bedingung 3 Dynkin-Diagramme enthalten höchstens eine Doppellinie oder einen Vertex mit drei verbundenen Linien, aber nicht gleichzeitig. Drei nach dieser Regel verbotene Diagramme sind in Abb. 15.11 gezeigt. Diese Diagramme sind verboten, weil durch Kontraktion der linearen Kette (mit der gestrichelten Verbindungslinie) ein Vertex mit vier oder mehr verbundenen Verbindungslinien entstehen würde. Bedingung 4 Die Dreifachlinie tritt nur im Diagramm mit zwei Vertices in Abb. 15.12 auf.

332

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

Abb. 15.11 Diese Diagramme sind keine Dynkin-Diagramme

Abb. 15.12 Nur das Dynkin-Diagramm von G 2 hat eine Dreifachlinie

Aufgabe

Bestimmen Sie die K -Matrizen der Diagramme in Abb. 15.13 und zeigen Sie, dass diese die Eigenvektoren x T = (1, 2, 3, 2, 1) bzw. x T = (1, 2, 3, 4, 2) mit Eigenwert 0 haben. Das Resultat der Aufgabe beweist die Bedingung 5 Die Matrizen K zu den Diagrammen (15.13) haben det K = 0 und sind nicht erlaubt. Bedingung 6 Die einzigen Dynkin-Diagramme mit einer Doppellinie sind die in Abb. 15.14. Zur Begründung bemerkt man, dass weitere Diagramme mit einer Doppellinie zu einer der nichterlaubten Diagramme in Abb. 15.13 kontrahiert werden können. Ist ein Diagramm verzweigt, dann darf es gemäß Behauptung 3 nur eine Verzweigung haben und alle Wurzeln müssen gleich lang sein. Ein verzweigtes Diagramm muss also die in Abb. 15.15 skizzierte Form haben. Allerdings sind nicht alle verzweigten Diagramme mit dieser Form erlaubt. Z. B. ist das Diagramm in Abb. 15.16, dessen K -Matrix in Aufgabe 69 diskutiert wird, verboten.

Abb. 15.13 Diagramme mit det K = 0

Abb. 15.14 Einzige erlaubte Diagramme mit Doppellinie

15.6 Cartan-Matrix und Dynkin-Diagramme

333

Abb. 15.15 Nicht verbotene Diagramme mit Verzweigung

Abb. 15.16 Diagramm mit det K = 0

Abb. 15.17 Zwei weitere Diagramme mit det K = 0

Bedingung 7 Die Matrix K des Diagramms 15.16 hat det K = 0 und ist nicht erlaubt. Das bedeutet, dass von den Diagrammen in Abb. 15.15 nur diejenigen mit n = 2 auftreten. Schlussendlich überzeugt man sich durch Nachrechnen davon, dass die Diagramme in Abb. 15.17 ebenfalls nicht erlaubt sind: Aufgabe

Rechnen Sie nach, dass die beiden K -Matrizen der Diagramme in Abb. 15.17 folgende 8 Eigenwerte√haben: √  √    bzw. 0, 1, 2, 2, 3, 4, 2 ± 2 . 0, 1, 2, 3, 4, 21 (5 ± 5), 21 (3 ± 5) Schlussendlich gibt es einen interessanten Zusammenhang zwischen den DynkinDiagrammen einer Lie-Algebra g und der Weyl-Gruppe des Wurzelsystems. Dazu notieren wir die Relationen (20) für die Spiegelungen σi an den einfachen Wurzeln γi: (σi σ j )m i j = 1,

(15.64)

334

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

Die Exponenten m i j können leicht aus dem Dynkin-Diagramm abgelesen werden: Sind die Vertices Vi und V j nicht verbunden, dann ist m i j = 2. Für eine Verbindungslinie ist m i j = 3, für eine Doppellinie ist m i j = 4 und für eine Dreifachlinie ist m i j = 6.

15.7

Cartan-Klassifikation

Die aufgezählten Bedingungen schränken die Form der Dynkin-Diagramme enorm ein. Zu jedem erlaubten Diagramm existiert eine halbeinfache Lie-Algebra mit diesem Diagramm, wie man durch eine explizite Konstruktion der Wurzelsysteme sieht. Diese sind im Anhang 15.8 des Kapitels angegeben. Auf diese Weise gelangt man zur Cartan-Klassifikation der einfachen komplexen Lie-Algebren. Alle einfachen komplexen Lie-Algebren

Es existieren vier unendliche Familien von Lie-Algebren und fünf exzeptionelle Lie-Algebren. Traditionell bezeichnet man sie mit Ar ,

Br , Cr ,

Dr , und G 2 ,

F4 ,

E6,

E7,

E8.

(15.65)

Dabei ist der Index gleich dem Rang der Lie-Algebra oder der Anzahl Vertices im Dynkin-Diagramm. Die vier Familien sind die komplexifizierten Lie-Algebren der klassischen Gruppen, Ar = sl(r + 1, C),

Br = so(2r + 1, C), Cr = sp(2r , C),

Dr = so(2r , C), (15.66)

oder ihre eindeutigen kompakten Formen Ar = su(r + 1),

Br = so(2r + 1), Cr = usp(2r ),

Dr = so(2r ).

(15.67)

Die exzeptionellen Lie-Algebren G 2 , F4 , E 6 , E 7 und E 8 haben die Dimensionen 14, 52, 78, 133 und 248. Es sind die Lie-Algebren der exzeptionellen Lie-Gruppen. Die Dynkin-Diagramme der einfachen Lie-Algebren sind in Abb. 15.18 gezeigt. Die Wurzeln von Ar , Dr , E 6 , E 7 und E 8 sind gleich lang – es sind die „simply laced“Lie-Algebren. Die Dynkin-Diagramme erhält man in LiE mit Hilfe des Befehls diagram:

15.7 Cartan-Klassifikation

LiE> diagram(B4) -> O---O---O=>=O LiE> 1 2 3 4 LiE> diagram(F4) -> O---O=>=O---O LiE> 1 2 3 4 LiE> 0 2 LiE> | LiE> | LiE> diagram(E8) -> O---O---O---O---O---O---O LiE> 1 3 4 5 6 7 8

Abb. 15.18 Die Dynkin-Diagramme der einfachen Lie-Algebren

335

336

15.8

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

Anhang: Explizite irreduzible Wurzelsysteme

In diesem Anhang geben wir explizite Wurzeln für alle halbeinfachen Lie-Algebren in der Cartan-Klassifikation an. Dabei sei {e1 , · · · , en } eine kartesische Basis im Rn . Zudem steht ±ei ± e j für die 4 Vektoren ei + e j , ei − e j , − ei + e j und −ei − e j . Wurzelsystem von Ar : Es sei E die Hyperebene in Rr +1 orthogonal zum Vektor e1 + e2 + · · · + er +1 . Dann enthält das Wurzelsystem die r 2 + 2r Wurzeln    = ei − e j | i = j .

(15.68)

Als einfache Wurzeln wählt man die Vektoren  

= γ i = ei − ei+1 | i = 1, . . . , r .

(15.69)

Sie haben alle die gleiche Länge, so dass der Winkel zwischen zwei beliebigen einfachen Wurzeln 120◦ oder 90◦ sein muss. Insbesondere gilt   γ i , γ i+1 = −1, i = 1, 2, . . . , r − 1,

(15.70)

und dies bedeutet, dass die Nebendiagonalelemente der Cartan-Matrix K gleich −1 sind. Weiterhin ist det(K ) = r + 1. Die höchste Wurzel ist e1 − er . Die Weyl-Gruppe ist die symmetrische Gruppe Sr +1 , und diese enthält die Permutationen der Vektoren {e1 , . . . , er +1 }. Z. B. ist die Weyl-Gruppe von A2 gleich S3 ∼ = D3 . Wurzelsystem von Br : Hier ist E = Rr und das Wurzelsystem enthält 2r 2 Wurzeln,    = {±ei } ∪ ±ei ± e j | i = j . (15.71) Als einfache Wurzeln wählt man    

= γ i = ei − ei+1 | i = 1, . . . , r − 1 ∪ γ r = er .

(15.72)

Die höchste Wurzel ist e1 + e2 und die Weyl-Gruppe ist die Gruppe der Permutationen und Vorzeichenwechsel der Menge {e1 , . . . , er } und enthält deshalb 2r r ! = (2r )!! Elemente. Wurzelsystem von Cr : Wiederum ist E = Rr . Das Wurzelsystem ist dual zu demjenigen von Br :      = ± 2ei ∪ ± ei ± e j | i = j .

(15.73)

Als einfache Wurzeln wählt man die Vektoren    

= γ i = ei − ei+1 | i = 1, . . . , r − 1 ∪ γ r = 2er .

(15.74)

15.8 Anhang: Explizite irreduzible Wurzelsysteme

337

Die höchste Wurzel ist 2e1 und die Weyl-Gruppe ist identisch zu derjenigen von Br . Wurzelsystem von Dr : Auch hier ist E = Rr und die 2r (r − 1) Wurzeln sind    = ± ei ± e j | i = j .

(15.75)

Als einfache Wurzeln wählt man    

= γ i = ei − ei+1 | i = 1, . . . , r − 1 ∪ γ r = er −1 + er .

(15.76)

Die höchste Wurzel ist e1 + e2 und die Weyl-Gruppe ist die Gruppe der Permutationen von {e1 , . . . , er } sowie die geraden Vorzeichenwechsel dieser Basisvektoren und enthält (2r )!!/2 Elemente. Wurzelsystem von G 2 : Hier ist E die Ebene senkrecht zu e1 + e2 + e3 und      = ei − e j | i = j ∪ ± (2ei − e j − ek )| i = j = k .

(15.77)

Als 2 einfache Wurzeln wählt man  

= e1 − e2 , −2e1 + e2 + e3 .

(15.78)

Die höchste Wurzel ist 2e3 − e2 − e1 und die Weyl-Gruppe ist die Gruppe der Permutationen von {e1 , e2 , e3 } sowie die geraden Vorzeichenwechsel dieser Basisvektoren und enthält 12 Elemente. Sie ist isomorph zur Diedergruppe D6 . Wurzelsystem von F4 : Es ist E = R4 und        = ± ei ∪ ± ei ± e j | i = j ∪ 21 (±e1 ± e2 ± e3 ± e4 ) .

(15.79)

Als 4 einfache Wurzeln wählt man  

= e1 − e2 , e2 − e3 , e3 , 21 (e4 − e1 − e2 − e3 ) .

(15.80)

Die höchste Wurzel ist e1 + e4 und die Weyl-Gruppe hat 1152 Elemente. Wurzelsystem von E 8 : Es ist E = R8 und       (−1)m(i) ei  m(i) gerade .  = ± ei ± e j | i = j ∪ 21 i

(15.81)

i

Als die 8 einfachen Wurzeln wählt man

=



1 2 (e1

+ e8 −

7 

   (−1)m(i) ei ∪ e1 + e2 , e2 − e1 , e3 − e2 , . . . , e7 − e6 .

i=2

(15.82)

338

15 Wurzelsysteme und Cartan-Klassifikation

Tab. 15.2 Die Anzahl positiver Wurzeln und die Ordnung der Weyl-Gruppe für die einfachen Lie-Algebren Typ |+ | |W |

Ar l+1 2

(r + 1)!

Br , Cr

Dr

E6

E7

r2 2r r !

r2 − 1 2r −1 r !

36 27 34 5

63 120 24 210 34 5·7 214 35 52 7 27 32

E8

F4

G2 6 22 3

Die höchste Wurzel ist e7 + e8 und die Weyl-Gruppe hat 696.729.600 Elemente. Wurzelsystem von E 7 : Das Wurzelsystem ist die Schnittmenge des Wurzelsystems von E 8 mit dem Vektorraum orthogonal zu e7 + e8 . Die höchste Wurzel ist e8 − e7 und die Weyl-Gruppe hat 2.903.040 Elemente. Wurzelsystem von E 6 : Das Wurzelsystem ist die Schnittmenge des Wurzelsystems von E 8 mit dem Vektorraum orthogonal zu e6 + e8 und e7 + e8 . Höchste Wurzel ist 21 (e1 + e2 + e3 + e4 + e5 − e6 − e7 − e8 ) und die Weyl-Gruppe hat 51.840 Elemente. Zum Abschluss des Kapitels notieren wir in Tab. 15.2 nochmals die Anzahl positiver Wurzeln und Ordnung der Weyl-Gruppe für jede einfache Lie-Algebra in der Cartan-Klassifikation.

15.9

Aufgaben zu Kap. 15

Aufgabe 15.1: Beispiel für Wurzeln Betrachten Sie die Generatoren ⎛ ⎛ ⎞ 0 −1 0 0 0 1 1⎝ 0 −1 0⎠ , X 1 = √ ⎝−1 1 H= 2 0 0 1 2 2 1 0

⎞ 1 0⎠ , 0

⎛ ⎞ 0 11 i ⎝ −1 0 0⎠ . X2 = √ 2 2 −1 0 0

1. Finden Sie eine Linearkombination E = c1 X 1 + c2 X 2 , so dass [H , E] = α E. Wie lautet die entsprechende Wurzel? 2. Zeigen Sie, dass [H , E † ] = −α E † . 3. Wie lautet die vollständige Liste von Wurzeln? Aufgabe 15.2: Weyl-Spiegelungen Überlegen Sie sich, dass eine Weyl-Spiegelung der Stufenoperatoren wie folgt implementiert wird: E β → E σα (β) = σ˜ α E β σ˜ α−1 mit σ˜ α = e−iπ(E α +E −α )/2 . Aufgabe 15.3: Weyl-Kammer von G 2 Bestimmen Sie eine fundamentale Weyl-Kammer für das G 2 und stellen Sie diese graphisch dar.

15.9 Aufgaben zu Kap.15

339

Aufgabe 15.4: Positive Wurzeln von B3 Bestimmen Sie alle positiven Wurzeln von B3 . Aufgabe 15.5: Positive Wurzeln von D4 Bestimmen Sie alle positiven Wurzeln von D4 . Aufgabe 15.6: Verbotenes Diagramm Überzeugen Sie sich davon, dass die K -Matrix zum Diagramm 15.16 folgende Form hat ⎞ ⎛ 2 −1 0 0 0 0 0 ⎜−1 2 −1 0 0 0 0 ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ 0 −1 2 −1 0 −1 0 ⎟ ⎟ ⎜ ⎟ K =⎜ ⎜ 0 0 −1 2 −1 0 0 ⎟ . ⎜ 0 0 0 −1 2 0 0 ⎟ ⎟ ⎜ ⎝ 0 0 −1 0 0 2 −1⎠ 0 0 0 0 0 −1 2 Sie hat die Eigenwerte 0, 1, 1, 2, 3, 3, 4. Warum ist K keine Cartan-Matrix einer einfachen Lie-Algebra? Was ist der Eigenvektor zum Eigenwert 0? Aufgabe 15.7: Wurzeln von Ar Zeigen Sie, dass zu den Wurzeln in (15.68) die Cartan-Matrix von Ar gehört. Diese hat eine 2 auf der Diagonalen und −1 auf den beiden Nebendiagonalen. Aufgabe 15.8: Weyl-Gruppe von Ar Begründen Sie, dass die Weyl-Gruppe von Ar die symmetrische Gruppe Sr +1 ist. Aufgabe 15.9: Ein Element W maximaler Länge Beweisen Sie, dass eine Weyl-Gruppe ein eindeutiges Element w0 mit maximaler Länge besitzt.

16

Darstellungen von Lie-Algebren

Es ist unmöglich, die Schönheiten der Naturgesetze angemessen zu vermitteln, wenn jemand die Mathematik nicht versteht. Ich bedaure das, aber es ist wohl so. Richard Feynman

In vorliegenden Kapitel werden wir die in Abschn. 13.3 eingeführten Darstellungen von einfachen Lie-Algebren eingehender untersuchen und alle irreduziblen Darstellungen charakterisieren. In Kap. 14 hatten wir gesehen, dass jede Darstellung D einer Lie-Gruppe G eine Darstellung D ihrer Lie-Algebra Te G induziert und die Umkehrung durch die Exponentialabbildung geleistet wird. Wir werden sehen, dass eine irreduzible Darstellung D von g durch ihr höchstes Gewicht charakterisiert wird, ähnlich wie eine irreduzible Darstellung von su(2) durch den Drehimpuls j, dem größtmöglichen Wert der magnetischen Quantenzahl m, charakterisiert wird. Wie bei der Analyse der Wurzeln – dies sind die Gewichte der adjungierten Darstellung – nutzen wir die Resultate über die irreduziblen Darstellungen von su(2) in Abschn. 15.1. Insbesondere machen wir davon Gebrauch, dass für jede Wurzel α ∈  die Elemente (Hα , E α , E −α ) in (15.30) eine Lie-Unteralgebra su(2) ≤ g definieren, die auf dem Darstellungsraum V wirkt. Die Komponenten α i der Wurzeln α sind die simultanen Eigenwerte der kommutierenden Abbildungen ad Hi . Dies sind die Cartan-Generatoren Hi in der adjungierten Darstellung. Im vorliegenden Kapitel lösen wir uns von dieser speziellen Darstellung und untersuchen die Wirkung der Hi und E α in einer beliebigen irreduziblen Darstellung D der Lie-Algebra. Die simultanen Eigenwerte der kommutierenden D(Hi ) definieren die Gewichte μ der Darstellung D. Im zweiten Teil des Kapitels werden die Ergebnisse angewandt, um die Formel von Weyl für das reduzierte Haar-Maß von zusammenhängenden kompakten Lie-

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_16

341

342

16

Darstellungen von Lie-Algebren

Gruppen abzuleiten und die Ergebnisse in Kap. 9 zu erweitern. Dies führt auf die wichtigen Charakter- und Dimensionsformeln von Hermann Weyl. Die Darstellungstheorie von einfachen Lie-Algebren ist von großer Bedeutung in der Theoretischen Grundlagenphysik, und entsprechend wird sie in nahezu allen Textbüchern über Gruppen- und Darstellungstheorie und deren Anwendungen in Atom-, Molekül- und Teilchenphysik vorgestellt, z. B. in den Werken [16,17,20,35, 61,64,66].

16.1

Gewichte einer Darstellung

Es sei {Hi , E α , E −α } mit α ∈  die in Kap. 15 eingeführte Cartan-Weyl-Basis einer einfachen Lie-Algebra g und D : g → L(V ) eine unitäre Darstellung von g auf V . Wir untersuchen, wie deren Bilder {D(Hi ), D(E α ), D(E −α )} auf dem Trägerraum V wirken. Wegen der Darstellungseigenschaft vertauschen die linearen Abbildungen D(Hi ) miteinander und können gleichzeitig diagonalisiert werden, D(Hi )|μ = μi |μ.

(16.1)

Wir benutzen hier die diracsche Notation und charakterisieren den Eigenvektor |μ durch seine Eigenwerte. Das r -Tupel μ = (μ1 , μ2 , . . . , μr )t heißt Gewicht und der simultane Eigenvektor |μ Gewichtsvektor. Wir gehen nun ähnlich vor wie bei der Behandlung der Wurzeln. Wegen der Darstellungseigenschaft bilden für jede Wurzel α die linearen Abbildungen D(Hα ), D(E α ), D(E −α )

(16.2)

eine su(2)-Unteralgebra von gl(V ). Genauso wie in (15.26) schließen wir, dass für alle Wurzeln α die Eigenwerte in D(Hα )|μ =

2α ·μ |μ α2

(16.3)

ganze Zahlen sein müssen, 2α ·μ ∈ Z f¨ur alle α ∈ . α2

(16.4)

Dies ist die einzige Bedingung, die ein Gewicht erfüllen muss. Man beachte, dass 2α · μ/μ2 keine ganze Zahl zu sein braucht, im Gegensatz zu 2α · μ/α 2 . Somit ist jede Wurzel ein Gewicht, aber die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht. Die Quantisierungsbedingung (16.4) definiert das Gewichtsgitter g von g.

16.1 Gewichte einer Darstellung

343

Frage

Was sind die möglichen Gewichte für su(2) (als Vielfache von α)? Für jedes α ∈  trägt der Darstellungsraum V eine Darstellung der von den drei Generatoren (16.2) aufgespannten Lie-Unteralgebra su(2) < g. Diese Darstellung wird im Allgemeinen reduzibel sein, d. h., V wird mehrere irreduzible su(2)Multipletts enthalten. Um die Notation einfach zu halten, treffen wir folgende

Konvention

Im Folgenden schreiben wir wieder Hα und E α anstelle von D(Hα ) und D(E α ).

Korollar 26 Die Weyl-Spiegelungen, die bekanntlich das Wurzelgitter auf sich abbilden, bilden das Gewichtsgitter auf sich ab. Zum Beweis betrachten wir die Weyl-Spiegelung σβ zu einer Wurzel β ∈ . Da Spiegelungen die Längen erhalten und zu 1 quadrieren, gilt für jede Wurzel α und jedes Gewicht μ 2 σβ (α) · μ 2 α · σβ (μ) = ∈ Z, α·α σβ2 (α)

(16.5)

weil mit α auch σβ (α) eine Wurzel ist. Deshalb ist mit μ auch σβ (μ) ein Gewichtsvektor. Die Weyl-Spiegelungen erzeugen die Weyl-Gruppe W und wir folgern:

Weyl-Gruppe und Gewichte

Die Menge der Gewichte ist invariant unter der Weyl-Gruppe.

16.1.1 Stufenoperatoren Ist |μ ein Gewichtsvektor, dann implizieren (16.1) und die Vertauschungsrelationen (15.18)   Hi E α |μ = E α Hi + [Hi , E α ] |μ = (μi + αi )E α |μ, (16.6) wobei wir, wie angekündigt, Hi anstelle von D(Hi ) schreiben. Diese Relation bedeutet, dass E α den Gewichtsvektor |μ entweder in den Nullvektor abbildet oder in einen Gewichtsvektor |μ + α mit verschobenem Gewicht, E α |μ = 0 oder E α |μ ∝ |μ + α.

(16.7)

344

16

Darstellungen von Lie-Algebren

Existieren mehrere Stufenoperatoren, dann kann man u. U. das Gewicht in Richtung von mehreren Wurzeln verschieben, z. B. E β E α |μ = 0 oder E β E α |μ ∝ |μ + α + β.

(16.8)

Aufgabe

Prüfen Sie nach, dass mit μ ∈ g auch μ+β die Quantisierungsbedingung (16.4) erfüllt. Durch mehrfaches Anwenden der Stufenoperatoren gewinnt man alle Gewichtsvektoren einer irreduziblen Darstellung von g. Annihiliert E α den Gewichtsvektor |μ, dann braucht μ + α kein Gewicht der betrachteten irreduziblen Darstellung zu sein. Weil jede Wurzel eine Linearkombination von einfachen Wurzeln mit ganzzahligen Koeffizienten ist, folgt aber

Differenz zweier Gewichte

In jeder irreduziblen Darstellung von g ist die Differenz zweier Gewichte eine Linearkombination von einfachen Wurzeln mit ganzzahligen Koeffizienten.

In Abschn. 15.3.1 analysierten wir die Wirkung des Absteigeoperators E −α in einem su(2)-Multiplett und folgerten, dass mit β auch σα (β) eine Wurzel sein muss. Die Argumente sind leicht auf die mehrfache Wirkung von E −α auf einen Gewichtsvektor |μ übertragbar und man folgert, dass mit μ auch σα (μ) ein Gewicht der betrachteten Darstellung sein muss. Frage

Warum können wir folgern, dass in einer irreduziblen Darstellung neben einem Gewicht μ auch alle Gewichte im Weyl-Orbit von μ auftreten?

16.1.2 Weyl-Gruppe, Gewichtsgitter und fundamentale Gewichte Wir betrachten nun nicht nur die Gewichte einer festen irreduziblen Darstellung von g, sondern alle möglichen Gewichte des Gewichtsgitters g , also alle r -Tupel, welche die Quantisierungsbedingung (16.4) erfüllen. Zuerst bemerken wir, dass die Quantisierungsbedingung für alle Wurzeln erfüllt ist, wenn sie nur für die einfachen Wurzeln gilt. Um diese einzusehen, nehmen wir an, sie sei für eine einfache Wurzel γ und irgendeine Wurzel α erfüllt. Dann folgt 2

  σγ (α) · μ μ 2α · μ 2γ · α 2γ · μ 2γ · α γ · 2 = − ∈ Z, = 2 α − 2 2 σγ (α) γ α α2 α2 γ2

(16.9)

16.1 Gewichte einer Darstellung

345

weil alle Brüche auf der rechten Seite ganzzahlig sind. Also erfüllt neben γ und α auch σγ (α) die Quantisierungsbedingung. Da alle Wurzeln durch einfache Weyl-Spiegelungen aus den einfachen Wurzeln hervorgehen (siehe Lemma 87, in Abschn. 15.5) genügt es somit, die Quantisierungsbedingung (16.4) für die einfachen Wurzeln zu fordern. Den einfachen Wurzeln entsprechend führt man eine Basis von fundamentalen Gewichten ein:

Fundamentale Gewichte

Es gibt eine Basis von fundamentalen Gewichten μi , definiert durch 2 μi · γ j γ 2j

= δi j ,

1 ≤ i, j ≤ r .

(16.10)

Jedes Gewicht ist eine ganzzahlige Linearkombination der fundamentalen Gewichte,  μ= n i μi , n i ∈ Z. (16.11) Die ganzzahligen Entwicklungskoeffizienten n i heißen Dynkin-Labels. Alle Gewichte definieren das Gewichtsgitter g der Lie-Algebra.

Definition 66 (Dominante Gewichte) Sind alle Dynkin-Labels n i in der Entwicklung (16.11) nichtnegativ, dann heißt μ dominantes Gewicht. Frage

Warum sind dominante Gewichte auch durch (μ, α) ≥ 0 für alle α ∈ + charakterisiert? ¯  der WeylDies bedeutet, dass ein dominantes Gewicht im Fundamentalgebiet W Gruppe liegt und mit Lemma 88 folgt dann Lemma 90 (Dominante Gewichte und Weyl-Orbits) Jedes Gewicht μ kann mit einem w ∈ W in ein eindeutiges dominantes Gewicht abgebildet werden. Oder: In jedem Weyl-Orbit gibt es ein eindeutiges dominantes Gewicht. Wir illustrieren den Sachverhalt für die Lie-Algebra su(3).

346

16

Darstellungen von Lie-Algebren

Beispiel: Fundamentale Gewichte von su(3)

Wählen wir t = α 1 in (15.48), dann sind α 3 und −α 2 in Abb. 15.1 einfache Wurzeln,     cos π3 cos π3 und γ . (16.12) γ 1 = α3 = 2 = −α = 2 2 2 sin π3 − sin π3 Die zugehörigen fundamentalen Gewichte     2 cos π6 2 cos π6 μ1 = √ und μ = √ π π 2 3 sin 6 3 − sin 6

(16.13)

sind in der folgenden Abbildung gezeigt.

Die Wurzeln sind mit einem Stern markiert und die Gewichte im Gewichts. Eingezeichnet sind die einfachen Wurzeln γ 1 , γ 2 und die fundagitter mit mentalen Gewichte μ1 , μ2 . Alle Gewichte im schattierten Bereich sind dominant.  Korollar 27 (Einfache Wurzeln und fundamentale Gewichte) Die einfachen Wurzeln und fundamentalen Gewichte sind über die Cartan-Matrix verbunden γi =

r 

Ki j μ j .

(16.14)

j=1

Um dies einzusehen, nimmt man das Skalarprodukt dieser Beziehung mit γ k und benutzt (16.10), und die Definition der Cartan-Matrix.

16.1 Gewichte einer Darstellung

347

Mit Hilfe der einfachen Wurzeln γ i und fundamentalen Gewichte μi definiert man die Kowurzeln und Kogewichte gemäß, γ i∨ =

2γ i 2μ , μi∨ = 2i . 2 γi γi

(16.15)

Diese haben folgende Skalarprodukte mit den γ i und den μi : γ i · γ ∨j = K i j , γ i∨ · μ j = γ i · μ∨j = δi j , μi · μ∨j = (K −1 )i j .

(16.16)

Aufgabe

Beweisen Sie unter Zuhilfenahme von (16.14) diese Identitäten. Das von den Kowurzeln aufgespannte Gitter ist reziprok zum Gewichtsgitter g und das von den Wurzeln aufgespannte Wurzelgitter w ist reziprok zum Gitter der Kogewichte. Die Beziehung (16.14) impliziert dann, dass die Elementarzelle von w ein det(K )-mal so großes Volumen hat wie die Elementarzelle von g .

16.1.3 Höchstes Gewicht In jeder endlichdimensionalen irreduziblen Darstellung einer Lie-Algebra können wir einen eindeutigen Gewichtsvektor |λ mit höchstem Gewicht finden, definiert durch (δ, λ) = max{(δ, μ)|μ Gewicht der Darstellung}.

(16.17)

Darin ist δ ein ausgezeichnetes dominantes Gewicht. Es ist das Gewicht des WeylVektors |δ und kann als Summe über alle fundamentalen Gewichte oder als halbe Summe der positiven Wurzeln geschrieben werden (Wurzeln α ∈ + kennzeichnen wir auch mit α > 0): Lemma 91 Der Weyl-Vektor hat die Darstellungen δ=

 1 α= μi 2 α>0

(16.18)

i

und liegt in der fundamentalen Weyl-Kammer W . Beweis: Wir nehmen an, δ sei die halbe Summe der positiven Wurzeln und σi die Weyl-Spiegelung an der Ebene senkrecht zur einfachen Wurzel γ i . Dann gilt σi (δ) · γ i = δ · σi (γ i ) = −δ · γ i .

(16.19)

Die einfache Spiegelung σi ändert das Vorzeichen von γ i und ordnet gemäß Lemma 86 alle anderen positiven Wurzeln um. Deshalb ist σi (δ) = δ − γ i und mit (16.19)

348

16

Darstellungen von Lie-Algebren

führt dies auf die Relation 2δ · γ i = γ i2 . Wegen der Orthogonalitätsrelationen zwischen den einfachen Wurzeln und fundamentalen Gewichten in (16.10) gilt aber auch  2 μ j · γ i = γ i2 . j

Die halbe Summe der positiven Wurzeln hat also dasselbe Skalarprodukt mit den einfachen Wurzeln wie die Summe der fundamentalen Gewichte. Dies beweist die Identität im Lemma. Weiterhin gilt γ i · δ = 21 γ i2 > 0 für alle γ i ∈ , und deshalb ist ¯ der Weyl-Vektor δ in der fundamentalen Weyl-Kammer W . Deren Abschluss W ist ein Fundamentalgebiet der Weyl-Gruppe, und somit existiert für jede irreduzible Darstellung ein eindeutiges höchstes Gewicht. Eine Wurzel α ∈ + hat ein positives Skalarprodukt mit δ. Deshalb wird ein Gewichtsvektor |λ mit höchstem Gewicht von allen E α mit α ∈ + annihiliert, E α |λ = 0, α ∈ + .

(16.20)

Andernfalls gäbe es einen Vektor mit Gewicht λ + α, für den (λ + α, δ) > (λ, δ) gelten würde. Dies ist für ein höchstes Gewicht aber nicht möglich. Frage

Warum hat umgekehrt ein Gewichtsvektor |λ, der von allen E α mit α ∈ + annihiliert wird, ein höchstes Gewicht? Zu jedem höchsten Gewicht λ gibt es also eine eindeutige irreduzible Darstellung Dλ auf dem Vektorraum Vλ , aufgespannt von den Gewichtsvektoren der Form E −α1 E −α2 · · · E −αm |λ,

α i > 0.

(16.21)

Im Weyl-Orbit eines jeden Gewichts μ liegt immer ein dominantes Gewicht. Das höchste der dominanten Gewichte einer irreduziblen Darstellung – diese liegen in verschiedenen Weyl-Orbits – ist ihr höchstes Gewicht. Umgekehrt tritt jedes dominante Gewicht als höchstes Gewicht einer irreduziblen Darstellung auf [54,60]: Satz 54 (Dominante Gewichte und irreduzible Darstellungen) Sei g eine einfache Lie-Algebra über C und λ ∈ g ein dominantes Gewicht. Dann gibt es eine eindeutige endlichdimensionale irreduzible Darstellung Dλ von g mit λ als höchstem Gewicht. Jedes Gewicht ist eine Linearkombination der fundamentalen Gewichte mit ganzzahligen Dynkin-Labels n i als Koeffizienten, siehe (16.11). Die Relationen (16.10) in der Form 2(μ, γ j ) = n j γ 2j implizieren λ=

 i

n i μi ≡ [n 1 , n 2 , . . . , nr ] dominant ⇐⇒ n i ∈ N0 .

(16.22)

16.1 Gewichte einer Darstellung

349

Irreduzible Darstellungen

Die irreduzible Darstellung Dλ wird durch  die r Dynkin-Labels [n 1 , . . . , nr ] n i μi eindeutig charakterisiert. Die r mit n i ∈ N0 in der Entwicklung λ = Darstellungen mit höchsten Gewichten μi heißen fundamentale Darstellungen. [0, . . . , 0] ist die eindimensionale triviale Darstellung. Das Programm LiE benutzt diese Notation, um eine irreduzible Darstellung zu charakterisieren. Z. B. für die Lie-Algebra su(5) der Lie-Gruppe SU(5), die bei Konstruktionen von Grand Unified Theories (GUTs) eine Rolle spielte: LiE> LiE> LiE> LiE> LiE> LiE> LiE>

setdefault A4 dim([0,0,0,0]) dim([1,0,0,0]) dim([0,1,0,0]) dim([0,0,1,0]) dim([0,0,0,1]) dim([1,0,0,1])

-> -> -> -> -> ->

1 5 10 10 5 24

Die fundamentalen Darstellungen haben die Dimensionen 5, 10, 10 und 5. Als weiteres Beispiel betrachten wir die Lie-Algebra von SU(3) etwas genauer. Beispiel: Die Gewichte von su(3)

Die Gewichte der dreidimensionalen fundamentalen Darstellung mit höchstem Gewicht μ1 gewinnt man, indem man mit einfachen Spiegelungen auf μ1 wirkt. Die Spiegelung σ1 führt zu μ1 − γ 1 und die anschließende Spiegelung σ2 zu μ1 − γ 1 − γ 2 . Neben den Gewichten μ1 , μ1 − γ 1 , μ1 − γ 1 − γ 2 können keine weiteren Gewichte mehr auftreten, sonst wäre μ1 nicht höchstes Gewicht.

350

16

Darstellungen von Lie-Algebren

 Frage

Warum kann 0 kein Gewicht dieser fundamentalen Darstellung sein?

Die zweite fundamentale Darstellung mit höchstem Gewicht μ2 ist ebenfalls dreidimensional und hat folgende Gewichte: μ2 σ2 (μ2 ) = μ2 − γ 2 σ1 σ2 (μ2 ) = μ2 − γ 1 − γ 2

Die dreidimensionale Darstellung Dμ1 wird in der Physik-Literatur oft mit 3 ¯ Die Darstellungen sind komplex bezeichnet und die Darstellung Dμ2 mit 3. konjugiert zueinander.

16.1 Gewichte einer Darstellung

351

16.1.4 Tensorprodukt von Darstellungen In Abschn. 14.1.3 hatten wir uns davon überzeugt, dass mit D : g → gl(V ) und D : g → gl(V  ) auch D ⊗ D : g → gl(V ⊗ V  ) eine Darstellung einer LieAlgebra ist. Ordnen die Darstellungen D und D dem Element X ∈ g die linearen Abbildungen oder Matrizen D(X ) und D (X ) zu, dann ordnet ihr Tensorprodukt demselben Element die Matrix (D ⊗ D )(X ) = D(X ) ⊗ 1 + 1 ⊗ D (X )

(16.23)

zu. Wie in der Literatur üblich, werden wir von nun an die Identitäten nicht mehr schreiben. Ist nun |μ ein Gewichtsvektor der Darstellung Dλ mit höchstem Gewicht λ und |μ  ein Gewichtsvektor der Darstellung Dλ mit höchstem Gewicht λ , dann ist ihr Tensorprodukt Gewichtsvektor der Tensorprodukt-Darstellung     (Dλ ⊗ Dλ )(Hi ) |μ ⊗ |μ  = (μi + μi ) |μ ⊗ |μ  .

(16.24)

Damit ist |μ ⊗ |μ  Gewichtsvektor des Tensorprodukts mit Gewicht μ + μ . Mit Hilfe der Darstellungseigenschaft E α → Dλ (E α ) + Dλ (E α ) ergibt sich das Korollar 28 (Höchstes Gewicht von Dλ ⊗ Dλ ) Sind Dλ und Dλ irreduzible Darstellungen mit höchsten Gewichten λ und λ , dann hat Dλ ⊗ Dλ das höchste Gewicht λ + λ . Das Korollar bedeutet, dass Dλ ⊗ Dλ = Dλ+λ + . . . ,

(16.25)

wobei die Punkte für weitere irreduzible Darstellungen mit kleineren höchsten Gewichten stehen. Kennzeichnen wir Darstellungen mit ihren Dynkin-Labels, dann schreibt sich (16.25) gemäß [n 1 , . . . , nr ] ⊗ [m 1 , . . . , m r ] = [n 1 + m 1 , . . . , nr + m r ] + . . .

(16.26)

Das Korollar 16.1.4 impliziert, dass alle dominanten |μ höchste Gewichte von Darstellungen sind, wenn nur die fundamentalen Gewichte es sind, in Übereinstimmung mit Theorem 54. Beispiel: Tensorprodukt 3 × 3¯ in su(3)

Schauen wir uns die Produktdarstellung Dμ1 ⊗Dμ2 = 3⊗3¯ von su(3) etwas näher an. Ihre 9 Gewichte sind die Summen der Gewichte der einzelnen Darstellungen μ1 + μ2 − m 1 γ 1 − m 2 γ 2 = (1 − m 1 )γ 1 + (1 − m 2 )γ 2

352

16

Darstellungen von Lie-Algebren

Abb. 16.1 Wurzelgitter der adjungierten Darstellung von su(3)

Tab. 16.1 Dynkin-Labels und Dimensionen der irreduziblen Darstellungen von su(3) mit den kleinsten Dimensionen (n 1 , n 2 ) D(n 1 , n 2 )

1

(0,1) 3

(1,0) 3¯

(0,2) 6

(2,0) 6¯

(1,1) (0,3) 8 = 8¯ 10

(3,0) ¯ 10

(1,2) 15

(2,1) ¯ 15

mit (m 1 , m 2 ) aus der Menge {(0, 0), (1, 0), (0, 1), (1, 1), (1, 1), (1, 1), (2, 1), (1, 2), (2, 2)}. Diese Gewichte sind in Abb. 16.1 eingezeichnet. Das höchste Gewicht μ1 + μ2 = γ 1 + γ 2 ist die eindeutige positive Wurzel in der fundamentalen Weyl-Kammer. Es ist das höchste Gewicht der adjungierten Darstellung mit den Wurzeln als Gewichte, d. h., die Darstellung Dμ1 +μ1 ist die achtdimensionale adjungierte Darstellung. Die Wurzeln sind gleich lang und das Weyl-Orbit einer Wurzel enthält alle 6 Wurzeln von su(3). Neben den 6 Wurzeln hat die adjungierte Darstellung noch zweimal das Gewicht 0. In der obigen Liste der Gewichte kommt das Gewicht 0 dreimal vor. Also zerfällt die neundimensionale Produktdarstellung in die achtdimensionale adjungierte Darstellung und die eindimensionale triviale Darstellung, 3 ⊗ 3¯ = 8 ⊕ 1, ein uns bekanntes Resultat, siehe (12.31). Charakterisieren wir die irreduziblen Darstellungen mit ihren Dynkin-Labels, dann lautet das Ergebnis [1, 0] ⊗ [0, 1] = [1, 1] + [0, 0].  In LiE geschieht die Ausreduktion des Tensorprodukts wie folgt: LiE> LiE> LiE> LiE> LiE>

setdefault A2 dim [1,0] -> 3 dim [0,1] -> 3 dim [1,1] -> 8 tensor([1,0],[0,1]) -> [1,1] + [0,0]

Die tiefsten irreduziblen Darstellungen von su(3) sind in Tab. 16.1 angegeben. Das Weyl-Orbit eines Gewichts μ = [n 1 , . . . , nr ] findet man via

16.2 Charaktere und Dimensionen von Darstellungen

353

Abb. 16.2 Gewichte der Darstellung 10 = [3, 0] von su(3). Das Weyl-Orbit des höchsten Gewichts 3μ1 enthält die drei Eckpunkte des Dreiecks

LiE> W_orbit([1,0],A2) -> [1,0],[-1,1],[0,-1] LiE> W_orbit([1,1],A2) -> [1,1],[-1,2],[2,-1],[1,-2],[-2,1],[-1,-1] LiE> W_orbit([1,0,0,0],A4) -> [1,0,0,0],[-1,1,0,0],[0,-1,1,0],[0,0,-1,1],[0,0,0,-1]

Eine wichtiges Tensorprodukt für die Theorie der starken Wechselwirkung ist [1, 0] ⊗ [1, 0] ⊗ [1, 0] = [0, 0] ⊕ [1, 1] ⊕ [1, 1] ⊕ [3, 0] bzw. 3 ⊗ 3 ⊗ 3 = 1 ⊕ 8 ⊕ 8 ⊕ 10

(16.27) (16.28)

Die zehn Gewichte der Darstellung 10 = [3, 0] sind die neun Punkte auf den Seiten des gleichseitigen Dreiecks im Gewichtsdiagramm 16.2 sowie dem Punkt im Ursprung. Der Eckpunkt des Dreiecks rechts oben gehört zum höchsten Gewicht der Darstellung. Für die Darstellung [3, 0] sind die Gewichte μ nicht entartet. Wir haben aber gesehen, dass für die adjungierte Darstellung von su(3)) das Gewicht 0 doppelt entartet ist. Allgemein bezeichnet man den von den Gewichtsvektoren mit gleichem Gewicht aufgespannten Eigenraum mit Vμ . Die Dimension von Vμ , d. h. die Entartung oder Multiplizität des Gewichts, bezeichnet man mit m μ .

16.2

Charaktere und Dimensionen von Darstellungen

In diesem Abschnitt bestimmen wir die Charaktere χ D der irreduziblen Darstellungen einer einfachen kompakten Lie-Gruppe. Als Klassenfunktionen sind Charaktere schon durch ihre Einschränkung auf einen maximalen Torus bestimmt. Von der Invarianz unter Konjugationen bleibt dann nur noch die Invarianz unter der Weyl-Gruppe W = N G (T )/T . Klassenfunktionen können daher mit Weyl-invarianten Funktionen auf einem maximalen Torus identifiziert werden. Um ihr inneres Produkt zu finden, benötigen wir das reduzierte Haar-Maß, das in Kap. 9 eingeführt und für unitäre

354

16

Darstellungen von Lie-Algebren

Gruppen berechnet wurde. Für beliebige kompakte Lie-Gruppen wurde es von Hermann Weyl bestimmt, und sein Ergebnis stellen wir an den Anfang des Abschnitts.

16.2.1 Weylsche Integralformel Wir möchten nun für alle kompakten und zusammenhängenden Lie-Gruppen das Integral von Klassenfunktionen als Integral über den maximalen Torus T ≤ G schreiben. Die Mannigfaltigkeit G/T (eine homogene G-Mannigfaltigkeit) hat am Einselement eT den Tangentialraum TeT (G/T ) = g/h = p,

(16.29)

und bezüglich eines Ad-invarianten Skalarprodukts auf g ist p das orthogonale Komplement der Cartan-Unteralgebra, d. h., g = h ⊕ p. Die Abbildung φ : G/T × T → G, φ(gT , t) = gtg −1

(16.30)

ist surjektiv, aber im Allgemeinen nicht injektiv. Repräsentiert nämlich w ∈ NG (T ) ein Element der Weyl-Gruppe, dann ist φ(gw−1 , wtw−1 ) = (gw−1 )(wtw−1 )(wg −1 ) = gtg −1 = φ(g, t). Für reguläre Punkte in T – diese sind nicht Fixpunkt einer nichttrivialen WeylTransformation – ist φ eine Überlagerung von G mit Faser W (Überlagerungen wurden in Abschn. 8.4.2 diskutiert). Ein H ∈ h in der Cartan-Unteralgebra transformiert unter der adjungierten Abbildung gemäß H → g H g −1

(t = eiH ).

(16.31)

Dabei ist g H g −1 = H nur für g in der Nebenklasse eT ∈ G/T . Satz 55 (Weylsche Integralformel) Sei f eine stetige Klassenfunktion auf einer kompakten zusammenhängenden Lie-Gruppe mit maximalem Torus T . Dann gilt  G

1 f (g) dμG (g) = |W |

 T

  det J f (t) dμT (t) mit J = 1 − Ad(t −1 ) g/h , (16.32)

worin μG und μT die normierten Haar-Maße von G und T bezeichnen. Später wird sich zeigen, dass die Determinante der Jacobi-Matrix J positiv ist, so dass keine Betragsstriche nötig sind. Beweisskizze: Wegen der Eindeutigkeit des Haar-Maßes dürfen wir annehmen, die Gruppenelemente g seien durch unitäre Matrizen (treu) dargestellt. Wir zerlegen

16.2 Charaktere und Dimensionen von Darstellungen

355

die Gruppenelemente wie in (9.31) und schreiben g = vtv −1 mit t ∈ T . Wie in (9.32) folgt dann     δg = g −1 dg = v δt + Ad(t −1 ) − 1 δv v −1 .

(16.33)

Das Haar-Maß und das invariante Längenelement sind invariant unter Konjugationen und wir können die Konjugation mit v weglassen. Die beiden Terme δt und (Ad(t −1 ) − 1)δv in dieser Zerlegung sind bezüglich eines Ad-invarianten Skalarprodukts senkrecht zueinander,        δt, Ad(t −1 ) − 1 δv = Ad(t) − 1 δt, δv = 0,

(16.34)

  und die Jacobi-Matrix der linearen Abbildung (δt, δv) → (δt, Ad(t −1 ) − 1 δv) ist 1 auf der Cartan-Unteralgebra h und Ad(t −1 ) − 1 auf dem dazu orthogonalen Komplement g/h. Deshalb faktorisiert das Haar-Maß wie folgt,   dμG = det J dμT dμG/T , mit J = 1 − Ad(t −1 ) g/h ,

(16.35)

und einem auf eins normierten Maß dμG/T ∝ Sp g/h (δv ∧ · · · ∧ δv) auf dem Faktorraum G/T . Faktorisierung des Haar-Maßes

Ist T ein maximaler Torus und W die Weyl-Gruppe einer zusammenhängenden kompakten Lie-Gruppe G, dann faktorisiert das Haar-Maß gemäß  dμG (g) f (g) = G

1 |W |





f (vtv −1 ) dμG/T (16.36)

dμT (t) det J T

G/T

mit Jacobi-Matrix in (16.35) und normierten Haar-Maßen dμG und dμT auf G und T . Für reguläre Punkte t ∈ T ist G/T × T die |W |-fache Überlagerung von G, und dies erklärt den Faktor 1/|W |. Die singulären Punkte sind eine Menge mit Kodimension 1 und müssen für stetige Funktionen nicht gesondert behandelt werden. Die Integration über den Quotientenraum G/T führt nun auf das reduzierte Haar-Maß dμred =

1 det J dμT (t), |W |

(16.37)

das in der weylschen Integralformel auftritt. Mit dieser allgemeinen Formel gewinnt man wieder mühelos das reduzierte Haar-Maß von SU(n) in (9.47), siehe Aufgabe (16.5).

356

16

Darstellungen von Lie-Algebren

Beispiel: Reduziertes Haar-Maß von SO(2n)

Als maximalen Torus der orthogonalen Gruppe SO(2n) wählen wir die blockdiagonalen Matrizen D(ϕ) = diag(R2 (ϕ1 ), . . . , R2 (ϕn )). Wie früher bezeichnen wir die Matrizen im maximalen Torus mit D und nicht wie in der allgemeinen Analyse mit t. Die zweidimensionalen Drehmatrizen R2 (ϕ) wurden in (5.16) eingeführt. Weiter sei E i j die n-dimensionale Matrix mit 1 in Zeile i und Spalte j und sonst lediglich Nullen. Wir bilden die Tensorprodukte X i ja = E i j ⊗ ea − E ji × eaT mit den Basiselementen von gl(2, R),  e1 =

       10 01 00 00 , e2 = , e3 = , e4 = , 00 00 10 01

und die Elemente mit i < j bilden eine Basis von so(2n)/h. Unter der Wirkung der linearen Abbildung 1 − Ad(D −1 ) bilden die 4 Elemente mit festen i, j einen invarianten Unterraum, 4    1 − Ad(D −1 ) X i j,a = Bba (ϕi , ϕ j )X i j,b .

(16.38)

b=1

Die Transformationsmatrix B hat Determinante det(B) = (2 cos(ϕi )−2 cos(ϕ j ))2 . Da die Weyl-Gruppe (2n)!!/2 Elemente hat, siehe Abschn. 15.8, folgt dμred =

2 2n n!

(2 cos(ϕi ) − 2 cos(ϕ j ))2

i< j

dϕk k



f¨ur SO(2n).

(16.39)

Das Integrationsgebiet kann auf [0, π ]n eingeschränkt werden, wenn gleichzeitig die 2π in den Nennern durch π ersetzt werden.  Tatsächlich ist die Determinante im reduzierten Haar-Maß (16.37) das Betragsquadrat eines einfacheren Ausdrucks und damit immer positiv. Für den Beweis erinnern wir uns daran, dass die Wurzelvektoren E α Eigenvektoren von Ad(t −1 ) auf g/h sind, t = eiH ⇒ Ad(t −1 )(E α ) = e−i(α,h) E α f¨ur H =



h i Hi ,

(16.40)

wobei wir, wie in der Physik-Literatur üblich, in einer unitären Darstellung die Hi hermitesch wählen. In vielen Büchern zur Gruppen- und Darstellungstheorie ist dies nicht der Fall und man schreibt stattdessen t = e H . Dann fehlen die i in den folgenden Exponenten. Wegen (16.40) kann die Determinante direkt durch die Wurzeln ausgedrückt werden,





1 − e−i(α,h) = 1 − e−i(α,h) 1 − ei(α,h) , (16.41) det J = α∈

α>0

16.2 Charaktere und Dimensionen von Darstellungen

357

und dies führt zur folgenden Faktorisierung der Determinante: det J = | |2 mit =



1 − e−i(α,h) .

(16.42)

α>0

Deshalb ist det J immer positiv. Die halbe Summe der positiven Wurzeln ist gleich dem Weyl-Vektor δ, so dass = e−i(δ,h)



i i e 2 (α,h) − e− 2 (α,h) .

(16.43)

α>0

¯ proportional zu ei(δ,h) ist, hat det J die äquivalente Faktorisierung Da det J = Aδ A¯ δ mit Aδ =



i i e 2 (α,h) − e− 2 (α,h) .

(16.44)

α>0

Dies führt schlussendlich auf folgende alternative und explizite Form der Integralformel (16.36): Weylsche Integralformel

Parametrisiert man die Elemente des maximalen Torus gemäß t = eiH mit  H = h i Hi , dann ist das Integral einer Klassenfunktion über die Gruppe gegeben durch  f (g) dμG (g) = G

1 |W |

 T

f (h) Aδ (h) A¯ δ (h) dμT (h).

(16.45)

Das normierte Haar-Maß auf dem maximalen Torus ist dμT (h) const dh 1 · · · dh r .

=

Eine alternative Formel für das Haar-Maß von Matrix-Gruppen wird in Aufgabe 16.4 besprochen. Funktionen auf dem maximalen Torus Die Darstellung (16.44) für die Funktion Aδ enthält das Produkt über alle positiven Wurzeln. Nun gibt es eine alternative Darstellung, die eine Mittelung über die WeylGruppe beinhaltet. Etwas allgemeiner betrachten wir nun Funktionen φ : T → C auf einem maximalen Torus, d. h. Funktionen φ( eiH ) = φ( eih i Hi ) ≡ ψ(h). Die Elemente der Weyl-Gruppe wirken auf ψ gemäß (w ψ)(h) = ψ(w−1 h), w ∈ W .

(16.46)

Die Weyl-Gruppe W ist eine endliche Untergruppe von O(r ) und (16.46) ist die Einschränkung der Wirkung (10.48) – in der R3 durch Rr und O(3) durch O(r )

358

16

Darstellungen von Lie-Algebren

ersetzt werden – auf die weylsche Untergruppe. Es folgt, dass die Abbildung w → w eine unitäre Darstellung der Weyl-Gruppe auf dem Raum der L 2 -Funktionen ψ : T → C ist. Nun betrachten wir die obige Funktion Aδ (h) =





i i e 2 (α,h) − e− 2 (α,h) = ei(δ,h) 1 − e−i(α,h)

α>0

(16.47)

α>0

und bemerken, dass für eine Weyl-Reflexion σi zur einfachen Wurzel γ i die Abbildung σi auf diese Funktion wie folgt wirkt: (σi Aδ )(h) = Aδ (σi−1 h) =



i i e 2 (σi α,h) − e− 2 (σi α,h) .

(16.48)

α>0

Die einfache Reflexion σi ändert das Vorzeichen von γ i und permutiert die verbleibenden positiven Wurzeln, so dass gilt (σi Aδ )(h) = −Aδ (h).

(16.49)

Ist w ∈ W das Produkt einer geraden Anzahl Spiegelungen, dann ist w eine eigentliche Drehung mit det(w) = 1, andernfalls eine uneigentliche Drehung mit det(w) = −1. Offensichtlich gilt (w Aδ )(h) = det(w) Aδ (h) = (−1)(w) Aδ (h),

(16.50)

worin (w) die in (65) eingeführte Länge von w bezeichnet. Funktionen mit dieser Eigenschaft nennt man Weyl-antisymmetrisch oder auch Weyl-alternierend. Dagegen nennt man Funktionen mit w ψ = ψ Weyl-symmetrisch. Weyl-symmetrische und -antisymmetrische Funktionen auf maximalen abelschen Untergruppen wurden ausführlich in der Arbeit [67] untersucht. Wir folgen den Ausführungen über Projektionsoperatoren in Abschn. 11.2.4 und definieren die Projektoren auf die trivialen und alternierenden Darstellungen der Weyl-Gruppe mit S(w) = 1 bzw. A(w) = det(w) Korollar 29 (Projektoren auf (anti)symmetrische Darstellungen) Die Projektoren 1  1  w und PA = det(w) w , (16.51) PS = |W | |W | w∈W

w∈W

mit den w in (16.46), projizieren auf die Unterräume der Weyl-invarianten und Weyl-alternierenden Funktionen auf dem maximalen abelschen Torus.

16.2 Charaktere und Dimensionen von Darstellungen

359

Aufgabe

Beweisen Sie die Eigenschaften w PS = PS w = PS und w PA = PA w = det(w)PA

(16.52)

für die Projektoren PS , PA und linearen Abbildungen w in (16.46). Um zu einer anderen Darstellung für die Weyl-alternierende Funktion Aδ = PA Aδ zu kommen, multiplizieren wir das Produkt in (16.47) aus und erhalten Aδ (h) =



(−1)|β| ei(δ,h)−i(β,h) = (PA Aδ )(h) = PA

β

 (−1)|β| ei(δ−β,h) β

(16.53) mit einer Summe über solche β, die als Summe von verschiedenen positiven Wurzeln α geschrieben werden können. Die Anzahl Möglichkeiten, β als Summe von positiven Wurzeln zu schreiben, ist der Wert PK (β) der Zustandssumme von Bertram Kostant und wird hier kurz mit |β| bezeichnet. Die Summe enthält auch einen Term für β = 0. Der Weyl-Vektor δ liegt im Gewichtsgitter, und dies gilt dann auch für jede Differenz δ −β im letzten Exponenten von (16.53). Wegen PA w = det(w)PA liefern alle β, für die δ − β im selben Weyl-Orbit liegen, bis auf ein mögliches Vorzeichen, denselben Beitrag zur letzten Summe in (16.53). Damit können wir die Summe über β auf diejenigen β einschränken, für die δ − β dominant ist, d. h. in der fundamentalen Weyl-Kammer liegt, Aδ (h) = PA



cβ ei(δ−β,h) , mit c0 = |W |.

(16.54)

β:δ−β∈W

Der Wert für c0 folgt aus einem direkten Vergleich der Ausdrücke links in (16.53) und in (16.54). Die Dynkin-Labels n i der dominanten Gewichte δ − β sind nichtnegativ. Nun zeigen wir noch, dass nur β zur Summe (16.54) beitragen, wenn die DynkinLabels von δ − β strikt positiv sind. Ist z. B. n i = 0, dann ist σi (δ − β) = δ − β und entsprechend σi ei(δ−β,h) = ei(δ−β,h) . Wirken wir mit PA auf diese Beziehung, so folgt PA σi ei(δ−β,h) = PA ei(δ−β,h) .

(16.55)

Aber wegen PA σi = det(σi )PA = −PA folgt auch, dass die linke Seite gleich der rechten Seite mit umgekehrtem Vorzeichen ist. Dies beweist, dass dominante δ − β mit nicht strikt positiven Dynkin-Labels zur Summe (16.54) nicht beitragen. Der Weyl-Vektor hat Dynkin-Labels [1, 1, . . . , 1], und als Summe von positiven Wurzeln hat jedes β = 0 mindestens ein positives Dynkin-Label. Dies bedeutet, dass außer β = 0 keine Wurzel β zur Summe beiträgt. Mit dem Wert von c0 in (16.54) folgt

360

16

Darstellungen von Lie-Algebren

Lemma 92 (Weylsche Nennerformel) Die Weyl-alternierende Funktion Aδ (h) in (16.44) ist proportional zur Projektion von ei(δ,h) auf den Unterraum der alternierenden Funktionen,  i i e 2 (α,h) − e− 2 (α,h) = det(w) ei(wδ,h) . (16.56) Aδ (h) = α>0

w∈W

Während die linke Seite eine Faktorisierung in 21 (dim g − dim h) Faktoren liefert, enthält die Summe auf der rechten Seite |W | Terme. Für große Gruppen wächst die Ordnung der Weyl-Gruppe exponentiell mit dem Rang der Gruppe an.

16.2.2 Charaktere Klassenfunktionen sind Weyl-invariante Funktionen auf einem maximalen Torus oder auf der Cartan-Unteralgebra h ≤ g. Es sei Dλ die irreduzible Darstellung der Lie-Algebra mit höchstem Gewicht λ, die zu einer Darstellung Dλ der Lie-Gruppe G exponentiert. Deren Charakter ist     χλ (h) = Sp eiD(H ) = μ| eiD(H ) |μ = m μ ei(h,μ) , μ

H=



h i Hi ,

μ

(16.57) wobei über alle Gewichte μ der Darstellung mit höchstem Gewicht λ summiert wird und m μ die Multiplizität von μ bezeichnet. Für halbeinfache kompakte Lie-Gruppen gilt der folgende Satz von Hermann Weyl: Satz 56 (Weylsche Charakterformel) Der Charakter der irreduziblen Darstellung Dλ mit höchstem Gewicht λ ist  χλ (h) =

w∈W

det(w) ei(w(λ+δ),h)



w∈W

det(w) ei(w(δ),h)

.

(16.58)

Der Weyl-Vektor δ ist die Summe der fundamentalen Gewichte oder die halbe Summe der positiven Wurzeln. Bevor wir den Beweis führen, berechnen wir ein weiteres Mal die Charaktere von SU(2): Beispiel: Charaktere von SU(2)

Die Weyl-Gruppe von SU(2) hat zwei Elemente, nämlich die Einheit und eine Spiegelung. Ist n die Dimension der Darstellung, so ist ihr höchstes Gewicht n.

16.2 Charaktere und Dimensionen von Darstellungen

361

Der Weyl-Vektor ist gleich dem fundamentalen Gewicht n = 1. Deshalb ergibt die weylsche Charakterformel χn (h) =

ei(n+1)h − e−i(n+1)h sin(n + 1)h = , eih − e−ih sin h

(16.59)

womit wir das uns gut bekannte Ergebnis (12.16) reproduzierten.  Beweisskizze: Wir bringen die Charaktere von G mit denjenigen der maximalen abelschen Untergruppe T ≤ G in Verbindung. Die Exponentialfunktionen eμ (h) = ei(μ,h) bilden eine orthonormale Basis im Funktionenraum L 2 (T ) mit Haar-Maß der maximalen abelschen Gruppe, 

eμ , eμ



 L 2 (T )



= T

dμT (h) e−i(μ,h) ei(μ ,h) = δμμ .

(16.60)

Anti-symmetrisieren wir die Exponentialfunktionen, dann erhalten wir die Weylalternierende Funktion (16.56), d. h., Aμ (h) =



det(w) ei(wμ,h) .

(16.61)

w∈W

Wegen Awμ (h) = det(w)Aμ (h) genügt es wieder, die Funktionen mit dominanten μ zu studieren. Sind nun zwei dominante μ und μ verschieden, dann sind ihre Weyl-Orbits disjunkt und  T

dμT (h) A∗μ (h)Aμ (h) = |W | δμμ , μ, μ dominant.

(16.62)

Die Aμ mit dominanten μ definieren eine orthogonale Basis für die alternierenden Funktionen. Aufgabe

Begründen Sie die Orthogonalitätsrelation (16.62) und die anschließende Behauptung. Die Charaktere von G sind (im Gegensatz zu denjenigen von T ) Weyl-symmetrisch, und deshalb ist für den Charakter χλ einer Darstellung D mit höchstem Gewicht λ die Funktion Aδ (h)χλ (h) Weyl-alternierend und damit eine Linearkombination der Basisfunktionen in (16.61), so dass Aδ (h)χλ (h) =

 μ dominant

cμ Aμ (h).

(16.63)

362

16

Darstellungen von Lie-Algebren

Die Charaktere χλ der irreduziblen Darstellungen von G sind orthonormal bezüglich des reduzierten Haar-Maßes, so dass mit der Integrationsformel (16.45) folgt  1= T

dμred χλ∗ χλ =

 1  ∗ cμ cμ dμT A∗μ Aμ |W | 

(16.62)

=

μ,μ



|cμ |2 .

(16.64)

μ

Im zweiten Schritt haben wir berücksichtigt, dass sich der Faktor Aδ im reduzierten Haar-Maß in (16.45) und Aδ in (16.63) kürzen. Setzen wir für die Faktoren in der linken Seite von (16.63) ihre definierenden Summen (16.57) und (16.61) ein und ordnen die Exponentialfunktionen nach Größe der Gewichte, so folgt Aδ (h)χλ (h) = 1 · ei(δ+λ,h) + . . . ,

(16.65)

wobei die Punkte für Exponentialfunktionen mit μ < δ + λ stehen. Der Koeffizient des führenden Terms ist eins, weil das höchste Gewicht λ die Multiplizität m λ = 1 hat. Daraus folgt cδ+λ = 1, und wegen (16.64) müssen dann alle anderen Koeffizienten null sein. Dies beweist die Charakterformel von Weyl.

16.2.3 Weylsche Dimensionsformel Die Dimension einer irreduziblen Darstellung mit höchstem Gewicht ist dim Dλ = χλ (e). Benutzt man hier die Charakterformel (16.58), dann hat man es mit dem Quotienten zweier Funktionen zu tun, die beide bei h = 0 verschwinden. Um die Regel von l’Hopital anzuwenden, ersetzen wir in der Charakterformel mit h = εδ die Summe über die Elemente w der Weyl-Gruppe durch ein Produkt über die positiven α und lassen danach ε gegen 0 streben. Die Summe im Nenner von (16.58) schreiben wir mit der weylschen Nennerformel (16.56) als Produkt. Zur Umformung des Zählers bei h = εδ benutzen wir det(w) = det(w−1 ) in Aλ+δ (εδ) =



det(w) ei(δ+λ,w

−1 (εδ))

=

w



det(w−1 ) ei(δ,w(εδ+ελ)) = Aδ (εδ+ελ).

w

(16.66) Wir machten davon Gebrauch, dass das Argument proportional zu δ ist. Die Produktdarstellung von Aδ führt nun auf folgende Entwicklung für kleine ε, Aδ (εh) =



  i i e 2 ε(α,h) − e− 2 ε(α,h) = (iε)n (α, h) + O ε n+1 ,

α>0

(16.67)

α>0

worin n die Anzahl positiver Wurzeln ist. Damit ergibt sich Aδ (εδ + ελ) = dim Dλ = lim χλ (εδ) = lim ε→0 ε→0 Aδ (εδ) Dies beweist folgende Formel von Weyl:

  α, δ + λ   . α>0 α, δ



α>1

(16.68)

16.2 Charaktere und Dimensionen von Darstellungen

363

Lemma 93 (Weylsche Dimensionsformel) Die irreduzible Darstellung Dλ mit höchstem Gewicht hat die Dimension dim Dλ =

(δ + λ, α) . (δ, α)

(16.69)

α>0

Zur Auswertung schreiben wir die positiven Wurzeln als Summen von einfachen Wurzeln  α= kαi γ i ∈ + , kαi ≥ 0. (16.70) i

Dimensionsformel

Haben das höchste Gewicht der Darstellung λ die Dynkin-Labels [n 1 , . . . , nr ], dann gilt dim Dλ =

α>0



j i, j kα (1 + n i ) (μi , γ j )  i i, j kα (μi , γ j )

=





α>0

2 i i kα (1 + n i ) γ i .  i 2 i kα γ i

(16.71)

Hierin sind kαi die Entwicklungskoeffizienten in (16.70). Für die „simply laced“-Lie-Algebren A , D , E 6 , E 7 und E 8 haben die Wurzeln gleiche Länge und die Formel vereinfacht sich zu dim Dλ =

α>0



i i kα (1 + n i )  i . i kα

(16.72)

Die Dimension ist somit das Produkt von Faktoren, einen für jede positive Wurzel α. Im Nenner von (16.72) steht die Anzahl einfacher Wurzeln, die zur entsprechenden positiven Wurzel addieren. Im Zähler steht eine Summe über diese einfachen Wurzeln. Jede einfache Wurzel trägt den Term (1+n i ) bei, wobei n i der ite Dynkin-Label des höchsten Gewichts der Darstellung ist. Beispiel: Darstellungen von su(3)

Die positiven Wurzeln sind γ 1 , γ 2 und γ 1 + γ 2 . Die Darstellung mit DynkinLabels [n 1 , n 2 ] hat dann die Dimension dim [n 1 , n 2 ] = f (1 + n 1 , 1 + n 2 ) mit f (x, y = x · y ·

x+y . 2

(16.73)

Man findet z. B. die bekannten Dimensionen dim [1, 0] = dim [0, 1] = 3 und dim [1, 1] = 8. Die entsprechende Formel für beliebige su(n) wird in Aufgabe 16.7 berechnet. 

364

16

Darstellungen von Lie-Algebren

Beispiel: Darstellungen von G2

Diese exzeptionelle Lie-Algebra hat 6 positive Wurzeln, wovon 2 einfache Wurzeln sind. Es sei γ 1 die kürzere der einfachen Wurzeln. Dann ist γ 22 = 3γ 21 . Die nichteinfachen kurzen positiven Wurzeln sind γ 1 + γ 2 und 2γ 1 + γ 2 . Die nichteinfachen langen positiven Wurzeln sind 3γ 1 + γ 2 und 3γ 1 + 2γ 2 . Die Darstellung mit Dynkin-Labels [n 1 , n 2 ] hat die Dimension dim [n 1 , n 2 ] = f (1 + n 1 , 1 + n 2 ) mit f (x, y) = x · y ·

x + 3y 2x + 3y 3x + 3y 3x + 6y · · · . 1+3 2+3 3+3 3+6

(16.74)

Man findet beispielsweise dim [1, 0] = 7, dim [0, 1] = 14 und dim [1, 1] = 64.  Das lässt sich natürlich mit LiE bestätigen: LiE> LiE> LiE> LiE> LiE>

setdefault G2 norm([1,0]) -> 2 norm([0,1]) -> 6 pos_roots -> [[1,0],[0,1],[1,1],[2,1],[3,1],[3,2]] dim([1,1]) -> 64

16.2.4 Multiplizität der Gewichte Jede Wurzel α definiert eine su(2) Unteralgebra und die Gewichtsvektoren treten in Multipletts dieser su(2) auf. Das Multiplett mit dem Gewichtsvektor |μ enthält die Gewichte μ + kα, −m ≤ k ≤ n, m, n ∈ N0

(16.75)

und heißt α-String von Gewichten durch das Gewicht μ. Ein Gewicht im String wird durch die Weyl-Reflexion σα in ein anderes Gewicht im String abgebildet:     2(α, μ) α. (16.76) σα μ + kα = μ − k + α2 Das Gewicht μ + nα mit maximalem k wird durch σα in das Gewicht μ − mα mit minimalem k abgebildet, so dass m−n =

2(α, μ) α2

(16.77)

gelten muss. Daraus folgt sofort die Länge des α-Strings durch μ:

α-Strings

Ein α-String durch μ enthält |m − n| + 1 = 2|(α, μ)|/α 2 + 1 Gewichte der Form μ + kα.

16.2 Charaktere und Dimensionen von Darstellungen

365

Gewichte μ können verschiedene Multiplizitäten (Entartungen) m μ haben, d. h., sie können mehrere linear unabhängige Gewichtsvektoren charakterisieren. Z. B. hat in der adjungierten Darstellung von su(3) der Unterraum der Gewichtsvektoren |0 mit Gewicht μ = 0 die Dimension m 0 = 2. Die nicht verschwindenden Gewichte μ der Darstellung Dλ erfüllen  kα α, (16.78) μ=λ− α>0

und die Multiplizität m μ = dim Vμ ist gleich der Anzahl Möglichkeiten, die Differenz λ − μ als Summe von positiven Wurzeln zu schreiben. Hans Freudenthal gelang es, eine rekursive Formel für die Multiplizitäten m μ zu finden [68]. Ein Beweis benutzt Eigenschaften von Casimir-Invarianten und ist unabhängig von der weylschen Charakterformel, siehe zum Beispiel in [54,60,64]. Lemma 94 (Freudenthalsche Rekursionsformel) Die Multiplizität m μ eines Gewichts μ in einer irreduziblen Darstellung mit höchstem Gewicht λ ist mμ =

 2 (μ + kα, α) m μ+kα , μ = λ. (δ + λ)2 − (λ + μ)2

(16.79)

α>0 k≥1

Beginnend mit der einfachen Multiplizität m λ = 1 des höchsten Gewichts λ kann man mit dieser Formel rekursiv die Multiplizität jener Gewichte ermitteln, deren Tiefe um k = 1 wächst. Bei der Berechnung des Skalarprodukts im Zähler betrachtet man nach Vorgabe einer positiven Wurzel α zunächst die Gewichte λ + kα. Wir illustrieren die Vorgehensweise anhand der adjungierten Darstellung von su(3). Beispiel: Multiplizitäten für adjungierte Darstellung von su(3)

Die Gewichte der adjungierten Darstellung sind die in 16.1 gezeigten Wurzeln, und ihr höchstes Gewicht ist λ = γ 1 + γ 2 = δ. Zum Gewicht γ 1 können wir nur das positive Gewicht γ 2 addieren, um wieder ein Gewicht der adjungierten Darstellung zu erhalten. Wegen γ 22 = γ 21 = −2(γ 1 , γ 2 ) ist mγ 1 =

2(γ 1 , γ 2 ) + 2γ 22 2(γ 1 + γ 2 , γ 2 ) = = 1. 2 2 4(γ 1 + γ 2 ) − (2γ 1 + γ 2 ) 3γ 21 + 4(γ 1 , γ 2 )

Genauso findet man m γ 2 = 1. Nun können wir die Multiplizität von μ = 0 bestimmen: m0 =

 2  2 γ m γ + γ 22 m γ 2 +(γ 1 + γ 2 )2 m γ 1 + γ 2 = 2. 4(γ 1 + γ 2 )2 − (γ 1 + γ 2 )2 1 1

Alle Gewichte der adjungierten Darstellung mit Ausnahme von μ = 0 haben die Multiplizität 1. Das Gewicht μ = 0 hat die Multiplizität 2. 

366

16

Darstellungen von Lie-Algebren

Eine alternative Methode zur Berechnung der Multiplizitäten geht auf B. Kostant zurück [69]. Seine Formel, die hier nicht bewiesen wird, macht Gebrauch von der Zustandssumme PK (μ), welche die Anzahl Möglichkeiten angibt, das Gewicht μ als Summe von positiven Wurzeln zu schreiben. Ist μ nicht die Summe von positiven Wurzeln, dann ist PK (μ) = 0. Es gilt Lemma 95 (Kostant’s Formel) Die Multiplizität m μ eines Gewichts μ in einer irreduziblen Darstellung mit höchstem Gewicht λ ist   det(w) PK (w(δ + λ) − (δ + μ) . (16.80) mμ = w∈W

Den Beweis dieser interessanten Formel findet man in vielen Texten, in denen auch Freudenthals Formel bewiesen wird. Da die Ordnung der Weyl-Gruppe exponentiell mit der Größe der Lie-Algebra anwächst, ist es in den meisten Fällen allerdings effektiver, die Multiplizitäten mit der rekursiven Formel von Freudenthal zu bestimmen.

16.3

Young-Diagramme

Eine effiziente Methode, um die Zerfällung eines Tensorprodukts von irreduziblen Darstellungen zu bestimmen, macht Gebrauch von Young-Diagrammen und YoungTableaus. Diese sind uns schon in den Abschn. 4.2 und 11.4 bei der Analyse der symmetrischen Gruppen und deren Darstellungen begegnet. Sei also V ein komplexer Vektorraum mit Basis |1, . . . , |n, der eine n-dimensionale Darstellung U der Matrixgruppe G trägt. Wir benutzen ausnahmsweise das Symbol U für Darstellungen von G, weil im Folgenden das Symbol D für Darstellungen der auftretenden symmetrischen Gruppe benutzt wird. Die Tensorprodukte |i 1 . . . i m  = |i 1  ⊗ · · · ⊗ |i m  bilden eine Basis im Produktraum V ⊗m = V ⊗ · · · ⊗ V , und ein Tensor der Stufe m hat die Entwicklung  Ti1 i2 ...im |i 1 , i 2 , . . . , i m . (16.81) T = i 1 ,...,i m

Der Produktraum V ⊗m trägt zwei Darstellungen: • Das Tensorprodukt U ⊗m = U ⊗ · · · ⊗U von U wirkt auf die Produktbasis gemäß U ⊗m : |i 1 , i 2 , . . . , i m  −→

n 

U j1 i1 U j2 i2 · · · U jm im | j1 , j2 , . . . , jm 

j1 ,..., jm =1

(16.82) oder äquivalent dazu auf die Komponenten des Tensors wie U ⊗m : Ti1 i2 ...im −→ Ti1 ,i2 ,...,im =

n  j1 ,..., jm =1

Ui1 j1 · · · Uim jm T j1 j2 ... jm .

(16.83)

16.3 Young-Diagramme

367

Sie ist im Allgemeinen reduzibel und wirkt nur innerhalb der Faktoren des Tensorprodukts. U ⊗m ist die offensichtliche Verallgemeinerung des Produkts U ⊗ U , welche in Abschn. 10.5 eingeführt wurde. In Korollar 19 wurde die von U ⊗m induzierte Darstellung U∗⊗n der Lie-Algebra auf die Komponenten angegeben, T i1 ...im → X i1k T ki2 ...im + . . . X imk T i1 ...i p−1 k ,

(16.84)

wobei wir kurz X für U∗ (X ) schrieben. • Eine Permutation π ∈ Sm permutiert die Basisvektoren gemäß D(π ) : |i 1  ⊗ · · · ⊗ |i m  −→ |π −1 (i 1 ) ⊗ · · · ⊗ |π −1 (i m )

(16.85)

und wird als lineare Abbildung auf ganz V ⊗m erweitert. Sie interagiert nur zwischen den Faktoren des Tensorprodukts. Auf die Komponenten eines Tensors wirkt sie gemäß D(π ) : Ti1 i2 ...im −→ Tπ(i1 )π(i2 )...π(im ) .

(16.86)

Die Darstellungen wirken auf verschiedenen Räumen: U vertikal innerhalb jeden Faktors V im Produkt V ⊗ · · · ⊗ V und D horizontal zwischen den Faktoren. Deshalb vertauschen sie, U ⊗m (g)D(π ) = D(π )U ⊗m (g), f¨ur alle g ∈ G, π ∈ Sm .

(16.87)

Die U ⊗m (g) vertauschen dann auch mit den in (11.38) eingeführten YoungSymmetrisierern. Deshalb führt die Ausreduktion von D zu einer (partiellen) Ausreduktion von U ⊗m . Aufgabe

Zeigen Sie die folgende Beobachtung: Ist Ti1 i2 ... symmetrisch in zwei Indizes, dann ist auch Ti1 i2 ... in (16.83) symmetrisch in den entsprechenden zwei Indizes. Wie in Abschn. 11.4 bezeichne A(Sm ) die Gruppenalgebra der symmetrischen Gruppe Sm . Mit Hilfe der Young-Symmetrisierer definieren wir die linearen Teilräume Vλ⊗m = A(Sm )Yλ V ⊗m ⊆ V ⊗m und Vλ⊗m (T ) = A(Sn )Yλ T ⊆ Vλ⊗m .

(16.88)

In der zweiten Definition ist T ∈ V ⊗m ein beliebiger Tensor. Das m-fache Tensorprodukt von V zerfällt in direkte Summen dieser Unterräume, V ⊗m =

λ

Vλ⊗m =

λ

Vλ⊗m (T ).

(16.89)

T

Wir wissen, dass Vλ⊗m die Darstellung Dλ der symmetrischen Gruppe dim(Dλ )-mal trägt.

368

16

Darstellungen von Lie-Algebren

Definition 67 Für ein festes Tλ sind Elemente in Vλ⊗m Tensoren der Symmetrieklasse λ. Beispiel: Total antisymmetrische Tensoren

Die Matrixgruppe GL(n) wirkt auf total antisymmetrische Tensoren in V ⊗n (beachte, dass m = n ist), die proportional zum total antisymmetrischen ε-Tensor sein müssen, wie folgt: Ti1 ...in = T  εi1 ...in = Ai1 j1 · · · Ain jn T ε j1 ... jn = det(A)T εi1 ...in d.h T  = det(A)T . Dies ist der Determinanten-Homomorphismus der Matrixgruppe. Für (n) und SU(n) ist es die triviale Darstellung.  Korollar 30 Ist der Unterraum Vλ⊗m (T ) nicht leer, dann trägt er eine irreduzible Darstellung von Sm zum Young-Tableau Tλ . Beweis Das Korollar wurde schon in Abschn. 11.4 bewiesen. Es wird hier wegen seiner Relevanz für die Darstellungen von G in einer angepassten Form wiederholt. Der Unterraum V ⊗m (T ) ist leer, wenn Yλ (T ) verschwindet. Andernfalls betrachten wir einen Tensor S in diesem Unterraum, der nach Voraussetzung die Form S = ρT mit ρ ∈ A(Sm )Yλ hat. Dann gilt π S = π(ρT ) = (πρ)T ∈ Vλ (T ), da πρ ∈ A(Sm )Yλ .

(16.90)

Dies bedeutet, dass Vλ (T ) invariant unter Sm ist. Um zu zeigen, dass er die irreduzible Darstellung zu Tλ trägt, betrachten wir eine Basis ρi von {A(Sm )Yλ } mit zugehöriger Basis ρi T von Vλ⊗m (T ). Die Wirkung einer Permutation π auf einen Basisvektor ρi ist πρi = ρ j Dλ (π ) ji

(16.91)

πρi T = ρ j Dλ (π ) ji T = ρ j T Dλ (π ) ji .

(16.92)

und auf ρi T

Die Darstellungsmatrizen in (16.91) und (16.92) sind (nach Wahl einer angepassten Basis) identisch und unabhängig von T . Sie gehören nach den Ausführungen in Abschn. 11.4 zu irreduziblen Darstellungen der symmetrischen Gruppe Sm . Wir folgern, dass die Darstellungsmatrizen Dλ (π ) in π |λ, T , a = |λ, T , b Dλ (π )ba nicht von T abhängen. Korollar 31 Die Teilräume Vλ (a), aufgespannt von |λ, T , a mit festem λ und a, sind invariant und irreduzibel unter der Wirkung von G und die Darstellungsmatrizen hängen nicht von a ab.

16.3 Young-Diagramme

369

Frage

Warum bedeutet dies, dass verschiedene Standard-Tableaus zum selben λ zu äquivalenten Darstellungen führen? Beweis Die Darstellung U ⊗m von G ändert die Symmetrieklasse nicht, und deshalb gilt U ⊗m (g)|λ, S, a = |λ, T , b Uλ (g)(T b)(Sa) ,

(16.93)

worin bei festgehaltenen λ über (S, b) summiert wird. Wir zeigen, dass die Darstellungsmatrizen diagonal in den Indizes a, b sind. Wirken wir zuerst mit Dλ und dann mit U ⊗m , so erhalten wir U ⊗m (g) Dλ (π )|λ, S, a = |λ, T , b Uλ (g)(T b)(Sc) Dλ (π )ca. , und wirken wir in der umgekehrten Reihenfolge, dann finden wir Dλ (π )U ⊗m (g)|λ, S, a = |λ, T , b Dλ (π )bc Uλ (g)(T c)(Sa) . Die rechten Seiten müssen übereinstimmen und in Matrixform bedeutet dies Uλ (g)T S Dλ (π ) = Dλ (π )Uλ (g)T S .

(16.94)

Die Dλ bilden eine irreduzible Darstellung von Sm und nach dem Lemma von Schur muss Uλ ein Vielfaches der Identität sein, Uλ (g)(T c)(Sa) = Uλ (g)T S δab . Wir folgern U ⊗m (g) |λ, S, a = |λ, T , a Uλ (g)T S ,

(16.95)

womit das Korollar bewiesen wäre. Wir fassen zusammen:

Ausreduktion der Produktdarstellung U ⊗m

Die Zerfällung (16.89) der regulären Darstellung von Sm auf V ⊗m in invariante und irreduzible Unterräume Vλ⊗m (T ) führt zu einer Ausreduktion der Produktdarstellung U ⊗m von G. Die irreduziblen Darstellungen von G auf den Unterräumen Vλ (a) hängen nicht von a ab und haben gleiche YoungDiagramme mit m Kästchen. Letztere haben maximal n = dimV Zeilen, weil die Antisymmetrierung eines Tensors mit n + 1 Indizes null ergibt.

370

16

Darstellungen von Lie-Algebren

16.3.1 Dimensionen der Darstellungen von GL(n) Zu jedem Young-Diagramm Tλ mit m Kästchen gehört eine irreduzible Darstellung Dλ der symmetrischen Gruppe Sm und eine irreduzible Darstellung Uλ der Matrixgruppe G auf V ⊗m . Die Dimension von Dλ und deren Mutiplizität in Vλ⊗m sind beide gleich dλ , was durch die Hakenlängen-Formel (11.40) gegeben ist. Wir haben auch gesehen, dass die Mutiplizität von Dλ gleich der Dimension von Uλ ist und umgekehrt. Um die Multiplizität zu bestimmen, muss man überlegen, welche Young-Symmetrisierer, angewandt auf das normale Tableau, linear unabhängige Elemente erzeugen. Das Resultat kann mit graphischen Überlegungen aus dem Young-Diagramm extrahiert werden:

Dimension der Darstellungen Uλ

Die Tableaus mit nichtabnehmenden Zahlen aus {1, . . . , n} von links nach rechts in jeder Zeile und zunehmenden Zahlen von oben nach unten in jeder Spalte führen zu linear unabhängigen |λ, T , a.

Beispiel: Dimensionen von Darstellungen von GL(2)

Die folgenden Diagramme geben Anlass zu irreduziblen Darstellungen mit den angegebenen Dimensionen: dim(Uλ ) = 2

dim(Uλ ) = 4 .

,

Begründung: =⇒

1 1 2

1 2 2

,

=⇒ 1 1 1

1 1 2

1 2 2

2 2 2



16.3.2 Irreduzible Darstellungen von U(n) und SU(n) Die irreduziblen Darstellungen von GL(n, C) sind auch Darstellungen ihrer Untergruppen, aber als solche im Allgemeinen reduzibel. Sie bleiben irreduzibel für die Untergruppen U(n) und SU(n), aber nicht für die Untergruppen O(n) und SO(n). Dies folgt daraus, wie die entsprechenden Lie-Unteralgebren in gl(n) eingebettet sind und soll hier nicht näher erläutert werden. Man muss allerdings berücksichtigen, dass ein Young-Diagramm maximal n Zeilen hat und dass eine Spalte der Länge n, deren Einträge durch Yλ vollständig antisymmetrisiert werden, den DeterminantenHomomorphismus ergeben, für SU(n) also die triviale Darstellung. Deshalb gehören

16.3 Young-Diagramme

371

für SU(2) die Diagramme und

(16.96)

zur selben Darstellung der Dimension 3. Neben der trivialen Darstellung mit einer Spalte und zwei Reihen müssen somit nur Diagramme mit einer Zeile berücksichtigt werden. Für SU(3) führen zum Beispiel folgende zwei Diagramme zu derselben irreduziblen Darstellung: . (16.97) Aufgabe

Zeigen Sie, dass für SU(2) ein Diagramm mit m Kästchen (in einer Reihe) zu einer Darstellung der Dimension m + 1 Anlass gibt. Beispiel: Darstellungen von SU(3)

Nur Diagramme der Form

...

. . . und

tragen bei. Nach den Regeln dürfen wir die Kästchen mit den Zahlen 1, 2 und 3 füllen. Es folgt dim = 3,

dim = 3,

dim = 6 .

 Ohne Beweis notieren wir die Formel für die Dimension der Darstellung Uλ von SU(n):

Dimension der Darstellungen für SU(n)

Für SU(n) hat die irreduzible Darstellung Uλ die Dimension dim Uλ =

n+ j −i , hi j

(16.98)

ij

worin i der Zeilen-Index, j der Spalten-Index und h i j die Hakenlänge von Zelle (i j) ist.

372

16

Darstellungen von Lie-Algebren

Z. B. findet man:

dim 



dim

=



= n,

n2









dim

−n , dim 2

= =



n2 + n , dim 2 n3

−n , 3

 dim



1 (n + i), 6 2

=

i=0

2 1 = (n − i). 6 i=0

Die einfache Formel (16.98) ist äquivalent zum Resultat (16.105) in Aufgabe 16.7 für die Dimensionen der irreduziblen SU(n)-Darstellungen. Bei einem Vergleich von Ergebnissen der graphischen Methode, basierend auf Young-Diagrammen mit Zeilen der Längen 1 ≥ 2 ≥ . . . , mit Ergebnissen der analytischen Methode, benutzt man folgenden Zusammenhang zwischen Zeilenlängen und Dynkin-Labels: [n 1 , n 2 , . . . , nr −1 , nr ] = [1 −2 , 2 −3 , . . . , r −1 −r , r ], r = n −1. (16.99) Young-Diagramme mit nur einer Reihe von n Kästchen haben Dynkin-Labels [n, 0, 0, . . . ]. Für Diagramme mit zwei Reihen sind nur die ersten beiden DynkinLabels ungleich null usw. Aufgabe

Zeigen Sie, dass (16.98) und (16.105) für SU(3) und SU(4) gleiche Resultate liefern.

16.3.3 Tensorprodukte mit Young-Diagrammen Gegeben seien zwei irreduzible Darstellungen der Lie-Gruppen SU(n), U(n) bzw. GL(n) mit Young-Diagrammen Tλ und Tλ . Bei der Ausreduktion der entsprechenden Produktdarstellung Uλ ⊗ Uλ ist die graphische Methode mit Young-Diagrammen sehr effizient und der analytischen Methode mit Hilfe der Charaktere überlegen. Hier geben wir nur den Algorithmus an, ohne zu zeigen, dass er korrekt ist. Die graphischen Regeln für Uλ ⊗ Uλ sind (siehe z. B. [16]): 1. Schreibe im Diagramm Tλ die Zahl 1 in die Kästchen der ersten Reihe, die Zahl 2 in die Kästchen der zweiten Reihe etc. 2. Addiere die Kästchen von Tλ zu Tλ . Im ersten Schritt die Einsen, im zweiten Schritt die Zweien usw., wobei man folgende Regeln beachten muss: a) In jedem Schritt darf das resultierende Diagramm nur ein erlaubtes YoungDiagramm sein und nicht mehr als n Reihen haben. b) Eine Zahl darf höchstens einmal in einer Spalte auftreten. c) Liest man die Zahlen zeilenweise von rechts nach links und von oben nach unten, dann darf es nie mehr i als (i − 1) in der Folge geben.

16.4 Aufgaben zu Kap.16

373

3. Gewinnt man auf diese Weise ein Diagramm mehrfach, dann werden nur Diagramme mit verschiedenen Verteilungen der Zahlen berücksichtigt. 4. Für SU(n) können Spalten mit n Kästchen weggelassen werden. Beispiel: Tensorprodukte von SU(2)-Darstellungen

Wir betrachten das Tensor-Produkt der Darstellungen mit Spin 3 und 2: 5⊗4= = = =



⊗ 1 1 1 1 +





1 1 ++



1 1 1 +

⊗ 1 1



1 + 1 1 +

⊗ 1 1 +

1

⊗ 1

= 8 ⊗ 6 ⊗ 4 ⊗ 2. Hier wurden viele Tableaus weggelassen, weil sie entweder 2 Reihen hatten oder mehrfach auftraten.  Beispiel: Tensorprodukte von SU(3)-Darstellungen

¯ Wir betrachten das Tensor-Produkt der Darstellungen 3 und 3: 3⊗3=

⊗ 1 =

1 ⊕

3¯ ⊗ 3 =

⊗ 1 =

1 ⊕

1

= 6 ⊗ 3¯ =8⊗1

1  Es wurden also mit Hilfe der einfachen Young-Tableaus die schon mit Hilfe der Charakteren gewonnenen Resultate in Abschn. 12.3 reproduziert.

16.4

Aufgaben zu Kap. 16

Aufgabe 16.1: Sphärische Harmonische als irreduzible Darstellungen von SO(3) in R3 . Der Funktionenraum L 2 (S 2 ) wird durch Seien x i kartesische Koordinaten  f i1 ...in x i1 · · · x in (mit komplexen Koeffizienten) aufgedie Polynome Pn (x) = spannt, wobei die Einbettung von S 2 in R3 durch x 2 = 1 gegeben ist. Siehe die Ausführungen in Abschn. 10.8.1. Wir benötigen noch den Raum Cn (S 2 ) = P0 (x) ⊕ P1 (x) ⊕ · · · ⊕ Pn (x) aller Polynome vom Grad ≤ n. Die Darstellung von SO(3) auf R3 – gegeben durch x → Rx mit R ∈ SO(3) – definiert eine Darstellung auf den stetigen Funktionen auf S 2 durch ψ(x) → ((R)ψ)(x) = ψ(R −1 x).

374

16

Darstellungen von Lie-Algebren

Abb. 16.3 Einfache Wurzeln, Weyl-Vektor, fundamentale Gewichte und fundamentale Weyl-Kammer für die Lie-Algebra B2

1. Bestimmen Sie die induzierte Darstellung von su(2) auf Cn (S 2 ), d. h., bestimmen Sie die Wirkung der Generatoren Ji auf einem Polynom. 2. Finden Sie die Polynome mit J+ Pn (x) = 0, d. h. die höchsten Gewichtsvektoren inklusive Multiplizitäten dieser Darstellungen. 3. Finden Sie explizit die Darstellungsräume zum Drehimpuls 0, 1 und 2 als Polynome in den kartesischen Koordinaten. Aufgabe 16.2: Wurzeln und Gewichte von so(5) In der Abb. 16.3 sind die 4 kurzen und 4 langen Wurzeln, die fundamentalen Gewichte, der Weyl-Vektor und die fundamentale Weyl-Kammer von B2 gezeigt. Die gestrichelte Linie trennt positive und negative Wurzeln. Das Gewicht μ1 ist gleichzeitig eine der kurzen positiven Wurzeln. Die (roten) Punkte kennzeichnen die Gewichte der Darstellung [1, 0] und die (blauen) Quadrate die Gewichte der Darstellung [0, 1]. Beantworten Sie nun folgende Fragen: 1. Das Weyl-Orbit von μ1 enthält 4 Gewichte. Warum gehört zusätzlich μ = 0 zur irreduziblen Darstellung Dμ1 = [1, 0]? 2. Das Weyl-Orbit von μ2 enthält ebenfalls 4 Gewichte. Warum kann 0 unmöglich ein Gewicht der Darstellung Dμ2 = [0, 1] sein? 3. Was ist das höchste Gewicht der adjungierten Darstellung? 4. Welches der Tensorprodukte [1, 0] ⊗ [1, 0], [0, 1] ⊗ [0, 1] oder [1, 0] ⊗ [0, 1] enthält die adjungierte Darstellung?

Aufgabe 16.3: Gewichts- und Wurzelgitter In Lemma 54 wurde ein Zusammenhang zwischen einer Lie-Algebra g und ihrem Bild adg unter der adjungierten Darstellung hergestellt. Warum folgt daraus die Eigenschaft λg /λw ∼ = zg für das Gewichtsgitter g und Wurzelgitter w Warum ist das Verhältnis der Volumen der Elementarzellen von w und g gleich det K ?

16.4 Aufgaben zu Kap.16

375

Aufgabe 16.4: Eine alternative Berechnung des haarschen Maß In dieser etwas längeren Aufgabe berechnen wir das Haar-Maß mit den Physikern bekannten Methoden. Wir beginnen mit dem invarianten Linienelement  ds 2 = −Sp U −1 dUU −1 dU = gab dx a dx b und berechnen daraus das Haar-Maß √ n g d x wie in Abschn. 9.5. Wir wählen Koordinaten U (x) = eiX (x) mit X = x a X a und entsprechend dX = dx a X a (Summenkonvention!) 1. Beweisen Sie zunächst die interessante Formel ω = U −1 dU = e−iX



1

 dt ei(1−t)X (idX ) eit X = idx a

0

1

e−it X X a eit X .

0

(16.100) Hinweis: Für Matrizen ist die Exponentialfunktion durch ihre Taylorreihe gegeben. Eventuell benötigen Sie die Integrationsformel 

1

dt (1 − t)n t m =

0

n!m! . (1 + n + m)!

(16.101)

2. Benutzen Sie die Formel (16.100) zweimal, um zu beweisen  gab =

1

−1



dt (1 − |t|) cab (t, x) mit cab (t, x) = Sp eit X X a e−it X X b .

Hinweis: Ein Wechsel zu neuen Variablen t = t2 − t1 und 2s = t1 + t2 könnte hilfreich sein. 3. Leiten Sie die Differentialgleichung für cab als Funktion von t her und beweisen Sie damit  gab =

1

−1

dt (1 − |t|) et M(x) , mit M ab = x c f cb a .

(16.102)

4. Die Eigenwerte der antisymmetrischen Matrix M kommen in komplex konjugierten Paaren, Mvk = iλk vk und Mvk∗ = −iλk vk∗ , so dass die diagonale Matrix D in M = V DV −1 die Form D = diag(iλ1 , −iλ1 , iλ2 , . . . ) hat. Zeigen Sie, dass die Dichte des haarschen Maßes gegeben ist durch √

g= , = 2

 sin( 1 λk )  2 λk >0

1 2 λk

.

(16.103)

5. Zeigen Sie, dass v genau dann Eigenvektor von M zum Eigenwert iλ ist, wenn v = v a X a Eigenvektor von ad X zum Eigenwert −λ ist: Vergleichen Sie die Eigenwertgleichungen [X , v] = −λv und Mv = iv und erinnern Sie sich an die Definition von M.

376

16

Darstellungen von Lie-Algebren

6. Beweisen Sie schlussendlich, dass    det sin 21 ad X dμ = C ·  dn x.  det 21 ad X

(16.104)

7. Warum hat ad X den r -fachen Eigenwert 0? Warum ist dies kein Problem in (16.104)? Aufgabe 16.5: Reduziertes Haar-Maß für SU(n) Bestätigen Sie mit Hilfe der allgemeinen Formel (16.37) das Resultat (9.47) für das reduzierte Haar-Maß von SU(n). Aufgabe 16.6: Dimensionen der so(5)-Darstellungen Die Wurzeln von B2 ∼ = so(5) wurden im Anhang 15.8 angegeben. Bestimmen Sie einen Weyl-Vektor, die entsprechenden positiven Wurzeln und fundamentalen Gewichte. Es sei λ = n 1 μ1 + n 2 μ2 das höchste Gewicht einer irreduziblen Darstellung [n 1 , n 2 ]. Was ist die Dimension dieser Darstellung? Aufgabe 16.7: Dimensionen der su(n)-Darstellungen Die Wurzeln und einfachen Wurzeln von su(n) wurden im Anhang 15.8 angegeben. Zeigen Sie: 1. Die zugehörigen fundamentalen Gewichte μ1 , μ2 , . . . , μr mit r = n − 1 und der Weyl-Vektor haben die Form μi =

i  p=1

n n

 n+1 i  ep − e p , i = 1, . . . , r , und δ = − p ep. n 2 p=1

p=1

2. Die positiven Wurzeln sind α pq = e p −eq mit q > p und es gilt (δ, α pq ) = q − p. 3. Es sei λ = n i μi ein Gewicht. Beweise die Identität (μ, α pq ) =

q−1 

n i , 1 ≤ p < q ≤ n.

i= p

4. Damit sollten Sie folgende allgemeine Formel  für die Dimension der irreduziblen Darstellung mit höchstem Gewicht λ = n i μi erhalten: dim[n 1 , . . . , nr ] =

1≤ p 0 und P 2 = 0 sind pysikalisch verschieden und man unterscheidet deshalb zwischen massiven und masselosen Darstellungen der Poincaré-Algebra. In relativistischen Feldtheorien werden die infinitesimalen Lorentz-Transformationen als verallgemeinerte Drehimpulse Jμν dargestellt und enthalten einen Bahnund einen Spinanteil, Jμν = L μν + Sμν ,

L μν = xμ Pν − xν Pμ , [x μ , Pν ] = iδ μν .

(18.9)

Dies wird in den Abschn. 18.3.3 und 19.5 näher ausgeführt. Bahn- und Spinanteile vertauschen miteinander und die L μν , Sμν und Jμν erfüllen alle dieselben so(1, 3)Kommutationsregeln wie die Mμν . Aufgabe

Überzeugen Sie sich davon, dass μνρσ P ν L ρσ verschwindet und deshalb gilt Wμ = 21 μνρσ P ν S ρσ .

(18.10)

18.2 Darstellungen der Poincaré-Algebra

413

18.2.1 Massive Darstellungen Casimir-Invarianten haben in allen Inertialsystemen denselben Wert und können in irgendeinem (zugänglichen) Inertialsystem berechnet werden. Für massive Darstellungen wählen wir das Ruhesystem, in dem der Pauli-Lubanski-Pseudovektor (18.10) proportional zum Teilchenspin ist, W0 = 0 und Wi = m Si .

(18.11)

Die Komponente Si des Spins erzeugt die Spinrotationen um die Achse i, Si = − 21 i jk S jk ,

[Si , S j ] = ii jk Sk .

(18.12)

Der Pauli-Lubanski-Pseudovektor kann also als relativistische Verallgemeinerung des Spins interpretiert werden. Wegen W 2 = −m 2 S2

(18.13)

werden massive Darstellungen eindeutig durch Masse und Spin des Teilchens charakterisiert: P 2 = m 2 und W 2 = −m 2 s(s + 1), s = 0, 21 , 1, . . .

(18.14)

Massive Teilchen bilden damit (2s + 1)-dimensionale irreduzible Multipletts, deren Zustände durch die dritte Komponente des Spins und den kontinuierlichen Eigenwert von P unterschieden werden.

18.2.2 Masselose Darstellungen Für ein masseloses Teilchen ist P 2 = m 2 = 0 und es existiert kein Ruhesystem. Aber wir können immer in ein Inertialsystem wechseln, in dem gilt Pμ = (P0 , 0, 0, P3 ) mit P02 − P32 = 0.

(18.15)

Wegen Pμ W μ = 0 hat der Pauli-Lubanski-Pseudovektor in diesem System die Form Wμ = (λP0 , W1 , W2 , λP3 ) mit W 2 = −W12 − W22 ≤ 0.

(18.16)

Für W 2 = 0 sind Pμ und Wμ offensichtlich linear abhängig, Wμ = λPμ .

(18.17)

Diese Beziehung gilt in jedem Inertialsystem, und deshalb ist λ ein Lorentz-Skalar. Eine skalare Größe vertauscht aber mit allen Erzeugenden der Poincaré-Gruppe, [λ, P μ ] = [λ, J μν ] = 0,

(18.18)

414

18

Symmetrien in der relativistischen Quantenmechanik

und definiert eine Casimir-Invariante. Aus W0 = −P i Ji folgt, dass λ proportional zur Helizität des masselosen Teilchens ist, λ=

P·J . P0

(18.19)

Man kann zeigen, dass λ nur halbganze Werte annehmen kann (siehe [82], S. 90). Z. B. hat das Photon die Helizität ±1. Der verbleibende Fall P 2 = 0 und W 2 < 0 beschreibt masselose Teilchen mit einer unendlichen Anzahl von Polarisationszuständen. Derartige Darstellungen scheinen in der Natur nicht realisiert zu sein.

18.3

Clifford-Algebren in d Dimensionen

Sowohl in Anwendungen als auch in Theorien jenseits des Standardmodells treten Feldtheorien in d = 4 Dimensionen auf und deshalb betrachten wir nun Spinoren in beliebigen Raumzeit-Dimensionen. Mit Hilfe einer Darstellung der CliffordAlgebra in d Dimensionen kann man eine explizite Basis der Lie-Algebra der Spingruppe Spin(1, d − 1) konstruieren. Letztere ist die doppelte Überlagerungsgruppe der Zusammenhangskomponente SO0 (1, d − 1) ≤ SO(1, d − 1), welche die Eins enthält. Die Clifford-Algebra ist die freie Algebra der d Elemente γ0 , . . . , γd−1 , modulo der quadratischen Relation γμ γν + γν γμ ≡ {γμ , γν } = 2ημν , (ημν ) = diag(1, −1, . . . , −1).

(18.20)

Eine einfache Realisierung dieser Algebra gelingt mit Matrizen der Dimension ds = 2[d/2] , wobei [d/2] die größte ganze Zahl kleiner oder gleich d/2 ist: γ0 = σ1 ⊗ σ0 ⊗ σ0 ⊗ . . . γ2 = i σ3 ⊗ σ1 ⊗ σ0 ⊗ . . . γ4 = i σ3 ⊗ σ3 ⊗ σ1 ⊗ . . . γ1 = i σ2 ⊗ σ0 ⊗ σ0 ⊗ . . . γ3 = i σ3 ⊗ σ2 ⊗ σ0 ⊗ . . . ... (18.21) Der Beweis dieser Aussage ist Inhalt von Aufgabe 18.2. Die Darstellungsmatrizen in ungeraden Raumzeit-Dimensionen d sind gleich denen in einer Dimension weniger, ergänzt durch die Matrix γd−1 = i σ3 ⊗ · · · ⊗ σ3 (das 21 (d − 1)-fache Tensorprodukt). In niedrigen Dimensionen: d = 2 : γ0 = σ1 , γ1 = iσ2 , d = 3 : γ0 = σ1 , γ1 = iσ2 , γ2 = iσ3 , (18.22) d = 4 : γ0 = σ1 ⊗ σ0 , γ1 = iσ2 ⊗ σ0 , γ2 = iσ3 ⊗ σ1 , γ3 = iσ3 ⊗ σ2 . Die Matrizen sind hermitesch oder antihermitesch, γ0† = γ0 und γi† = −γi bzw. γμ† = γ0 γμ γ0 = γ μ = ημν γν .

(18.23)

18.3 Clifford-Algebren in d Dimensionen

415

Dazu äquivalente Darstellungen γμ = U γμ U −1

(18.24)

haben für unitäre U ebenfalls die Eigenschaften (18.23), die wir im Folgenden voraussetzen. Wir benötigen die geordneten Produkte von n γ -Matrizen, γμ1 μ2 ...μn = γμ1 γμ2 · · · γμn mit μ1 < μ2 < · · · < μn .

(18.25)

Äquivalent dazu definiert man die antisymmetrisierten Produkte γμ1 μ2 ...μn =

1  sign(π ) γπ(μ1 ) γπ(μ2 ) · · · γπ(μn ) , n!

(18.26)

π∈Sn

die für geordnete Indizes gleich den geordneten Produkten sind und für ungeordnete und ungleiche Indizes bis auf ein Vorzeichen mit dem geordneten Produkt übereinstimmen. Die Matrix ohne Index (mit n = 0) ist die Einheitsmatrix. Es existieren d  verschiedene antisymmetrisierte Produkte für jedes n ∈ {0, 1, . . . , d}, also gibt n es insgesamt d    d = (1 + 1)d = 2d n n=0

davon. Tatsächlich bilden die geordneten Produkte

1 √ 1, γμ , γμ1 μ2 , . . . , γμ1 ...μ D , mit ds



D=d f¨ur gerade d, D = 21 (d − 1) f¨ur ungerade d, (18.27) eine orthonormierte Basis im Vektorraum Mat(ds , C) mit Skalarprodukt (M, N ) = Sp(M † N ). Frage

In Aufgabe 18.5 wird gezeigt, dass verschiedene γμ1 ...μn mit 0 ≤ n ≤ D orthogonal sind. Warum folgt daraus, dass die Matrizen (18.27) eine Basis der CliffordAlgebra bilden und die γ μ irreduzibel dargestellt sind? Aus der letzten Eigenschaft in (18.23) folgt nun †  γμ†1 μ2 ...μn = γμ1 γμ2 . . . γμn = γ μn · · · γ μ2 γ μ1 = (−)n(n−1)/2 γ μ1 μ2 ...μn , (18.28) so dass jede ds -dimensionale Matrix M als Linearkombination der Orthonormalbasis (18.27) geschrieben werden kann,

416

18

M=

Symmetrien in der relativistischen Quantenmechanik

D   1   1 (−)n(n−1)/2 γμ1 ...μn Sp γ μ1 ...μn M . ds n! μ ,...,μ n=0

1

(18.29)

n

Die zweite Summe ist über alle Indexmengen μ1 , μ2 , . . . , μn , und nicht nur die geordneten. Dies erklärt den Normierungsfaktor 1/n!. Die Entwicklung (18.29) ist der Ausgangspunkt für die wichtigen Fierz-Relationen in Feldtheorien mit DiracFeldern. Von besonderer Bedeutung ist das Produkt aller γ -Matrizen, 1

γ∗ = i[ 2 (d−1)] γ 0 . . . γ d−1 mit γ∗† = γ∗ , γ∗ γ∗ = 1.

(18.30)

Es ist die Verallgemeinerung der Matrix γ5 , die man in 4 Raumzeit-Dimensionen einführt, für beliebige Dimensionen. Der Vorfaktor wurde so gewählt, dass die Matrix hermitesch ist. Aufgabe

Überzeugen Sie sich davon, dass die Matrix γ∗ die Eigenschaften (18.30) hat und für gerades d mit allen γμ antikommutiert und für ungerades d mit allen γμ kommutiert. Mit den γ μ bilden auch die Matrizen −γ μ eine irreduzible Darstellung der CliffordAlgebra. Für gerades d sind die beiden Darstellungen wegen γ∗ γ μ γ∗ = −γ μ äquivalent. Für ungerades d sind sie dagegen inäquivalent, da γ∗ mit allen Basiselementen γμ1 ...μn kommutiert und deshalb ein Vielfaches der Eins-Matrix sein muss. Wegen der letzten Eigenschaft in (18.30) gilt dann γ∗ = ±1. Weil aber γ∗ als Produkt einer ungeraden Anzahl von γ μ für die Darstellungen {γ μ } und {−γ μ } ein anderes Vorzeichen hat, können die beiden Darstellungen nicht äquivalent sein, da U γ∗ U −1 = −γ∗ für γ∗ = 1.

18.3.1 Irreduzible Darstellungen der Clifford-Algebra Wir wollen uns davon überzeugen, dass es bis auf Äquivalenz nur die soeben angegebenen irreduziblen Darstellungen der Clifford-Algebra gibt. Zum Beweis betrachten wir die Clifford-Gruppe der Ordnung 2 · 2d , bestehend aus den Elementen 1, −1, γ μ , −γ μ , γ μν , −γ μν , . . .

(18.31)

In geraden Dimensionen hat die Gruppe 2d + 1 Konjugationsklassen, und zwar die beiden Klassen {1} und {−1} der Zentrumselemente und die 2d − 1 Klassen bestehend aus den Paaren {γ μ1 μ2 ...μn , −γ μ1 μ2 ...μn }, n = 1, . . . , d.

(18.32)

18.3 Clifford-Algebren in d Dimensionen

417

Gemäß Satz 41 in Abschn. 11.3 existieren dann 2d + 1 inäquivalente irreduzible Darstellungen. Wegen (18.22) existiert mindestens eine irreduzible Darstellung der Dimension ds = 2d/2 , so dass nach dem Satz 40 von Burnside gilt d

2·2 = d

2 

d

(dimDn )

2

+ ds2

bzw.

n=1

2 

(dimDn )2 = 2d .

(18.33)

n=1

Damit hat für gerade d die Clifford-Gruppe 2d eindimensionale irreduzible Darstellungen und eine ds -dimensionale irreduzible Darstellung. In ungeraden Dimensionen existieren neben ±1 zwei weitere Zentrumselemente ±γ 0 γ 1 · · · γ d−1 proportional zu γ∗ in (18.30), so dass es 2d +2 Konjugationsklassen und damit auch 2d +2 irreduzible Darstellungen geben muss. Wir haben bereits zwei irreduzible Darstellungen der Dimensionen ds = 2(d−1)/2 kennengelernt, so dass nach dem Satz von Burnside d

2·2 = d

2 

d

(dimDn )

n=1

2

+ ds2

+ ds2

bzw.

2 

(dimDn )2 = 2d .

(18.34)

n=1

Damit hat für ungerades d die Clifford-Gruppe 2d eindimensionale und zwei ds dimensionale irreduzible Darstellungen. Die eindimensionalen Darstellungen der Clifford-Gruppe sind aber keine Darstellungen der Clifford-Algebra, da eindimensionale Matrizen die Relation γ 0 γ 1 = −γ 1 γ 0 nicht darstellen können. Damit wäre folgender Satz bewiesen: Satz 59 (Irreduzible Darstellungen der Clifford-Algebra) In geraden Dimensionen existiert (bis auf Äquivalenz) nur eine irreduzible Darstellung der CliffordAlgebra. Diese hat die Dimension ds = 2d/2 . In ungeraden Dimensionen existieren zwei irreduzible Darstellungen. Diese haben beide die Dimension ds = 2(d−1)/2 .

18.3.2 Spingruppe als Überlagerung der Lorentz-Gruppe Hier verallgemeinern wir die Konstruktion der universellen Überlagerung SL (2, C) der eigentlichen orthochronen Lorentz-Gruppe SO↑ (1, 3) (siehe Aufgabe 8.5) auf beliebige Dimensionen. Die Ergebnisse werden bei der Formulierung der kovarianten Dirac-Gleichung für Spinorfelder in Abschn. 18.4 von Nutzen sein. Die Konstruktion geschieht mit Hilfe der ds -dimensionalen γ μ -Matrizen und deren Kommutatoren S μν = −S νμ =

1 μν 1 γ , γ μν = [γ μ , γ ν ] ∈ Mat(ds , C). 2i 2

(18.35)

Diese erfüllen folgende Vertauschungsregeln mit den γ μ Matrizen und sich selbst,   (18.36) [S μν , γ ρ ] = i ημρ γ ν − ηνρ γ μ ,   [Sμν , Sρσ ] = i ημρ Sνσ + ηνσ Sμρ − ημσ Sνρ − ηνρ Sμσ . (18.37)

418

18

Symmetrien in der relativistischen Quantenmechanik

Die Matrizen Sμν definieren damit eine ds -dimensionale Darstellung der LorentzAlgebra (14.80), und den Beweis dieser Aussage führen wir in Aufgabe 18.7. Ist (ω, S) = ωμν S μν eine beliebige Darstellungsmatrix, dann ist nach der allgemeinen Theorie s

S (s) = ei 2 (ω,S)

(18.38)

eine einparametrige Untergruppe in einer ds -dimensionalen Darstellung der universellen Überlagerung von SO0 (1, d − 1). Diese Überlagerung ist die Spingruppe und wird mit Spin(1, d − 1) bezeichnet.

Spingruppen und Signaturen der Metrik

Die mit den euklidischen γ μ -Matrizen – diese erfüllen {γ μ , γ ν } = 2δ μν – analog konstruierte doppelte Überlagerung von SO(d) wird mit Spin(d) bezeichnet. Diese ist für d > 2 einfach zusammenhängend und deshalb die universelle Überlagerung von SO(d). Dagegen ist Spin(1,  2) nicht die universelle Überlagerung von SO0 (1, 2), da π1 (Spin 1, 2) = Z ist. Die Gruppen Spin(1, p) mit p = 2 sind wieder einfach zusammenhängend. Für einen Raum mit indefiniter Metrik der Signatur ( p, q) ist die doppelte Überlagerung Spin( p, q) im Allgemeinen nicht einfach zusammenhängend und deshalb nicht die universelle Überlagerung.

Zum Auffinden einer kovarianten Feldgleichung benötigen wir die adjungierte Wirkung von S (s) auf die γ -Matrizen,

ρ (s) = S −1 (s)γ ρ S (s).

(18.39)

Mit Hilfe von (18.36) ergibt sich die gewöhnliche Differenzialgleichung   d ρ i

(s) = − ωμν S −1 (s) S μν , γ ρ S (s) = ωρσ σ (s), ds 2 deren Lösung mit der Anfangsbedingung ρ (0) = γ ρ wie folgt lautet: ρ 

ρ (s) = S −1 (s)γ ρ S (s) = esω σ γ σ .

(18.40)

Wir erinnern daran, dass für ωμν = −ωνμ die Matrix ( eω )ρσ eine LorentzTransformation ist, siehe Abschn. 14.5. Damit folgt die wichtige Relation i

1

S −1 γ ρ S = ρσ γ σ , mit S = e 2 (ω,S) = e 4 ω

μν γ

μν

,  = eω .

(18.41)

Diese quadratische Relation, die jeder Spinrotation eine Lorentz-Transformation zuordnet, definiert eine Darstellung der Spingruppe durch Lorentz-Transformationen, Spin(1, d − 1)  S −→ (S ) ∈ SO(1, d − 1).

(18.42)

18.3 Clifford-Algebren in d Dimensionen

419

Spintransformationen sind im Allgemeinen nicht unitär, erfüllen aber die Bedingung γ 0 S † γ 0 = S −1 .

(18.43)

Aufgabe

Beweisen Sie diese Eigenschaft der Spintransformationen. Jeder Spintransformation ist nach (18.41) eine eindeutige Lorentz-Transformation zugeordnet. Umgekehrt werden den beiden Spintransformationen ±S dieselbe Lorentz-Transformation zugeordnet. Deshalb ist die Gruppe Spin(1, d − 1) die doppelte Überlagerung der Zusammenhangskomponente SO0 (1, d −1) ≤ SO(1, d −1), welche die Eins enthält – ähnlich wie die quantenmechanische Drehgruppe SU(2) die doppelte Überlagerung der Drehgruppe SO(3) ist. In 4 Dimensionen zerfällt die Darstellung in zwei irreduzible Darstellungen, nämlich die links- und rechtshändige Spinordarstellung, siehe (18.5). Beispiel: Spintransformationen in chiraler Darstellung

Wir ergänzen die Pauli-Matrizen σk durch σ0 = 12 und definieren die hermiteschen Matrizen σμ = σ˜ μ = {σ0 , σk } bzw. σ μ = σ˜ μ = {σ0 , −σk }.

(18.44)

In der chiralen Darstellung haben die Matrizen γ μ und S μν die Form γμ =



0 σμ σ˜ μ 0



und S μν =

  1 σ μ σ˜ ν − σ ν σ˜ μ 0 , (18.45) 0 σ˜ μ σ ν − σ˜ ν σ μ 2i

und S in (18.41) ist blockdiagonal,  S=

 A 0 . 0 B

(18.46)

Die Matrizen A, B werden von spurlosen Matrizen erzeugt und sind damit in der Spingruppe SL(2, C). Die Realitätsbedingung (18.43) übersetzt sich in B = A−1† . Die Abbildung A → B definiert eine Darstellung von SL(2, C), so dass A → S eine reduzible Darstellung der Spingruppe definiert. S zerfällt also in zwei irreduzible SL(2, C) Darstellungen. Es sind die links- und rechtshändigen Spinordarstellungen in der Zerlegung (18.5). Mit (18.41) folgen A(x μ σμ )A† = (μν x ν ) σμ und B(x μ σ˜ μ )B † = (μν x ν ) σ˜ μ .

(18.47) ↑

Die erste Relation ist der Gruppenhomomorphismus SL(2, C) → SO(1, 3)+ in Aufgabe 8.5.

420

18

Symmetrien in der relativistischen Quantenmechanik

Die Gruppe Spin(1, 1) enthält zwei Zusammenhangskomponenten, während die Spingruppen in d > 2 Dimensionen zusammenhängend sind. Sie sind isomorph zu bekannten Lie-Gruppen, wie wir nun in 3 und in 5 Dimensionen explizit nachweisen werden. Beispiel: Spingruppe Spin(1, 2)

Wählen wir in 3 Raumzeit-Dimensionen eine Darstellung mit imaginären γ Matrizen, {γ0 , γ1 , γ2 } = {σ2 , iσ1 , iσ3 },

(18.48)

dann sieht man sofort, dass die infinitesimalen Erzeugenden der Spintransformationen S in (18.41) – dies sind die spurfreien und reellen Matrizen –   1 −w02 + ω12 w01 i(ω, S) = (18.49) −ω01 , 2 −ω02 − ω12 die dreidimensionale Lie-Algebra sl(2, R) aufspannen. Diese erzeugt die zusammenhängende Lie-Gruppe SL(2, R). Damit wäre die Isomorphie von Spin(1, 2) und SL(2, R) bewiesen. Die Gruppe SL(2, R) ist nicht einfach zusammenhängend. Ihre maximale kompakte Untergruppe ist SO(2), so dass   π1 SL(2, R) = Z ist. Damit ist Spin(1, 2) die doppelte, aber nicht die universelle Überlagerung von SO0 (1, 2). In anderen Dimensionen existieren ähnliche Isomorphismen und man kann zeigen, dass die Spingruppen Spin(1, d − 1) mit d = 3 einfach zusammenhängend sind. Als lehrreiches Beispiel betrachten wir die doppelte Überlagerung der zehndimensionalen Lorentz-Gruppe im fünfdimensionalen Minkowski-Raum. Beispiel: Spingruppe Spin(1, 4)

In d = 5 Dimensionen existiert eine antisymmetrische Ladungskonjugationsmatrix C mit C −1 γμ C = γμT , siehe Abschn. 18.4.4. Diese Relation und die Hermizitätseigenschaften (18.23) implizieren folgende Relationen für die infinitesimalen Spintransformationen: T −1 † 0 C + C −1 γμν = 0, γμν γ + γ 0 γμν = 0. γμν

(18.50)

Die entsprechenden Gruppenelemente S in (18.41) erfüllen dann die Relationen S T C −1 S = C −1 , S † γ 0 S = γ 0 .

(18.51)

Die Matrix C ist antisymmetrisch und quadriert zu −1, wogegen γ 0 hermitesch ist und die Eigenwerte {1, 1, −1, −1} hat. Deshalb definiert die Relation (18.50) die Lie-Gruppe Sp(1, 1), siehe [3]. Die maximale kompakte Untergruppe ist die einfach zusammenhängende Gruppe SU(2) ⊕ SU(2). Diese wird von den Elementen γi j erzeugt.

18.4 Kovarianz der Dirac-Gleichung

421

Tab. 18.1 Die doppelten Überlagerungen Spin(1, d − 1) der Eins-Komponenten der eigentlichen Lorentz-Gruppen SO0 (1, d − 1) und isomorphe Lie-Gruppen Spin(1, d − 1) Spin(1, 1) Spin(1, 2) Spin(1, 3) Spin(1, 4) Spin(1, 5) … ∼ GL(1, R) (2, R) (2, C) Sp(1, 1) (2, H) … =

Wie die eigentliche Lorentz-Gruppe SO(1, 3) in Abschn. 5.5 zerfallen die Gruppen SO( p, q) für p, q ≥ 1 in zwei Zusammenhangskomponenten. Die doppelten Überlagerungen der Eins-Komponenten SO0 (1, d −1) sind isomorph zu den Lie-Gruppen in Tab. 18.1.

18.3.3 Transformationen der Spinorfelder Wir verfahren ähnlich wie in der nichtrelativistischen Quantentheorie in Abschn. 17.4 und untersuchen die Transformation von Dirac-Spinorfeldern bei einem Wechsel des Inertialsystems,   i ψ(x) → ( S ψ)(x) = S ψ −1 x , mit S = e 2 (ω,S) ,  = eω ,

(18.52)

und zwar für Lorentz-Transformationen nahe der Eins, i

   i i ψ(x) ≡ ωμν Sμν + L μν ψ(x) = ωμν Jμν ψ(x). 2 2 (18.53) Die infinitesimalen Lorentz-Transformationen Jμν sind also die Summe eines Bahnund Spinanteils, wie in (18.9) vorweggenommen. Wie die Jμν erfüllen die L μν und Sμν in der Zerlegung δω ψ =

α β 2 (ω, S) − ω β x ∂α

Jμν = L μν + Sμν ,

L μν = xμ pν − xν pμ , ( pμ = −i∂μ )

(18.54)

die Lorentz-Algebra (14.80). Der Bahnanteil rührt von der Transformation der Koordinaten und tritt für beliebige Felder auf, insbesondere auch für skalare Felder. Der Spinanteil rührt von der Darstellung S der Spingruppe in (18.52) und fehlt bei Skalarfeldern.

18.4

Kovarianz der Dirac-Gleichung

Die Dirac-Gleichung spielt in der relativistischen Quantenmechanik eine ähnlich wichtige Rolle wie die Schrödinger-Gleichung in der nichtrelativistischen Quantenmechanik. Wir behandeln sie in 4 Raumzeit-Dimensionen – die Verallgemeinerung auf beliebige Dimensionen ist relativ einfach. In 4 Dimensionen transformieren Dirac-Spinoren nach der vierdimensionalen reduziblen Spinordarstellung

422

18

Symmetrien in der relativistischen Quantenmechanik

( 21 , 0) ⊕ (0, 21 ) der Spingruppe SL(2, C). In der chiralen Darstellung für die γ Matrizen sind die Spintransformationen S in (18.46) blockdiagonal und die Reduzibilität der Darstellung ist offensichtlich. Unter SL(2, C) transformiert ein vierkomponentiges Dirac-Spinorfeld ψ(x) wie folgt ψ (x ) = S ψ(x), x = x + a.

(18.55)

Wegen (18.43) transformiert dann das Dirac-konjugierte Spinorfeld ψ¯ = ψ † γ 0 gemäß ¯ S −1 ψ¯ (x ) = ψ(x)

(18.56)

Im Gegensatz zu Tensorfeldern, deren Komponenten beim Wechsel des Inertialsysμ tems mit ( ν ) transformieren, transformieren die vier Komponenten eines Spinorfeldes mit der Spintransformation S . Aber die folgenden 16 Bilineare sind (Pseudo-) Tensorfelder: ¯ S(x) = ψ(x)ψ(x) Skalarfeld μ μ ¯ j (x) = ψ(x)γ ψ(x) Vektorfeld (Strom) μν μ ¯ , γ ν ]ψ(x) antisymm. Tensorfeld T (x) = ψ(x)[γ μ ¯ A (x) = ψ(x)γ 5 γ ψ(x) Pseudovektorfeld (Axialstrom) ¯ P(x) = ψ(x)γ 5 ψ(x) Pseudoskalarfeld μ

1 4 6

(18.57)

4 1

Hier tritt die in (18.30) eingeführte hermitesche Matrix γ5 ≡ γ∗ = iγ 0 γ 1 γ 2 γ 3 auf, die mit allen γ μ antikommutiert. Frage

Wie transformieren die γ μν... unter Spintransformationen, d. h., was ist μ S −1 γ μν... S ? Warum folgt damit die Transformation T μν (x ) =  α ν β T αβ (x)?

18.4.1 Dirac-Gleichung für freie Teilchen Die Dirac-Gleichung ist eine Wellengleichung für das vierkomponentige DiracSpinorfeld ψ. Sie ist eine Differenzialgleichung erster Ordnung in den Zeit- und den Raumkoordinaten. Da die ersten Ableitungen wie die kovarianten Komponenten eines 4er-Vektors transformieren, ∂ ∂ = μν ν , ∂ x μ ∂x

(18.58)

folgert man mit Hilfe von (18.41) die Identität γ μS

∂ ∂ = Sγ μ μ , μ ∂x ∂x

(18.59)

18.4 Kovarianz der Dirac-Gleichung

423

so dass γ μ ∂μ ψ bei einem Wechsel des Inertialsystems genauso wie das DiracSpinorfeld ψ transformiert, γμ

∂ ∂ 18.55 18.59 ψ (x ) = γ μ μ S ψ(x) = S γ μ ∂μ ψ(x). μ ∂x ∂x

(18.60)

Deshalb ist die Dirac-Gleichung für ein Dirac-Spinorfeld, (i∂/ − m)ψ = 0,

∂/ = γ μ ∂μ ,

(18.61)

eine kovariante Gleichung, die kein Inertialsystem auszeichnet. Die hier auftretende Konstante m hat die Einheit einer inversen Länge und wird mit der inversen ComptonWellenlänge des durch die Gleichung beschriebenen Spin- 21 -Teilchens identifiziert. Kovarianz der Dirac-Gleichung

Erfüllt ψ(x) die Dirac-Gleichung (i∂/ − m)ψ = 0 im Inertialsystem mit Koordinaten x μ , dann erfüllt ψ (x ) = S ψ(x) die Gleichung im Inertialsystem mit Koordinaten x = x + a. Wegen (18.23) efüllt das Dirac-konjugierte Feld ψ¯ = ψ † γ 0 die Gleichung ¯ μ + m ψ¯ = 0. i∂μ ψγ

(18.62)

Frage

In beliebigen Dimensionen hat die Dirac-Gleichung ebenfalls die Form (18.61) mit ds -dimensionalen Matrizen γ μ , welche die Relation (18.20) erfüllen. Warum ist sie eine kovariante Gleichung?

18.4.2 Raumspiegelungen Ist die Dimension d der Raumzeit gerade, dann ist x → −x eine Raumspiegelung. Es sei ψ(x) eine Lösung der freien Dirac-Gleichung (18.61). Spiegeln wir x, dann finden wir die Gleichung (iγ 0 ∂0 − iγ k ∂k − m)ψ(t, −x) = 0. Multiplizieren wir mit γ 0 von links und benutzen die Relationen (18.20), dann erfüllt das gespiegelte Feld   ( P ψ)(x) = γ 0 ψ P x ,

P = diag(1, −1) (d gerade)

(18.63)

die Dirac-Gleichung im gespiegelten Inertialsystem. In 4 Dimensionen und der chiralen Darstellung (18.45) vertauscht die Spiegelung rechts- und linkshändige WeylSpinoren.

424

18

Symmetrien in der relativistischen Quantenmechanik

Frage

Warum ist x → −x keine Raumspiegelung, wenn die Dimension der Raumzeit ungerade ist? Ist die Dimension der Raumzeit ungerade, dann spiegeln wir nur eine Raumkoordinate, z. B. die letzte Koordinate x d−1 , und mit dieser Wahl ist das gespiegelte Spinorfeld ( P ψ)(x) = γ d−1 ψ(P x),

P = diag(1, −1) (d ungerade),

(18.64)

Es löst die Dirac-Gleichung im gespiegelten System mit umgekehrtem Vorzeichen von m.

18.4.3 Zeitumkehr Wir beginnen wieder mit einer Lösung der Dirac-Gleichung (18.61). Kehren wir die Richtung der Zeit um und komplex konjugieren danach die resultierende Gleichung, dann erhalten wir (iγ 0∗ ∂t − iγ ∗k ∂k − m)ψ ∗ (−t, x) = 0 . Ist T eine invertierbare Matrix mit T γ0∗ T −1 = γ0 , T γk∗ T −1 = −γk ,

(18.65)

dann erfüllt das transformierte Spinorfeld ( T ψ)(x) = T ψ ∗ (T x), T =

 −1 0 , 0 1



(18.66)

die Dirac-Gleichung im Inertialsystem mit umgekehrter Zeit. Man beachte, dass die Zeitumkehr antilinear auf Spinorfelder wirkt. Beispiel: T -Matrix in Standarddarstellung in 4 Dimensionen

In der Standarddarstellung γ 0 = σ3 ⊗ σ0 und γ i = iσ2 ⊗ σk ist nur γ 2 imaginär und eine mögliche Wahl für T ist iγ 1 γ 3 = σ0 ⊗ σ2 . Weil T imaginär ist, gilt  

T ◦ T ψ (x) = −ψ(x). Die Eigenschaft T ◦ T = −1 wird durch den halbganzen intrinsischen Spin eines Dirac-Teilchens erklärt [77].

18.4.4 Kopplung ans elektromagnetische Feld und Ladungskonjugation Die Kopplung eines Dirac-Spinorfeldes an das elektromagnetische Feld geschieht über die minimale Kopplung. Die Form der Kopplung wird durch die geforderte

18.4 Kovarianz der Dirac-Gleichung

425

lokale Eichsymmetrie festgelegt und wird ausführlich in Abschn. 20.3.1 besprochen. Als Resultat werden partielle durch kovariante Ableitungen mit Vektorpotenzial Aμ ersetzt,   ∂μ ψ −→ Dμ ψ = ∂μ + ie Aμ ψ, Aμ = (φ, A). (18.67) Darin erscheint die Ladung e des von ψ beschriebenen Teilchens. Um zu sehen, wie eine Ladungsumkehr (Ladungskonjugation) auf ein Dirac-Spinorfeld wirkt, betrachten wir die Dirac-Gleichung im äußeren elektromagnetischen Feld, iγ μ Dμ (e)ψ − mψ = 0.

(18.68)

Multiplizieren wir die Gleichung von links mit γ 0 , benutzen die Beziehung (18.23) und komplex konjugieren die erhaltene Beziehung, dann finden wir − iγ μT Dμ∗ (e)γ 0∗ ψ ∗ − m ∗ γ 0∗ ψ ∗ = 0.

(18.69)

Zur weiteren Umformung brauchen wir die Transponierte des Dirac-konjugierten Spinors, ψ¯ T = γ 0T ψ ∗ = γ 0∗ ψ ∗ . Damit ersetzen wir

ψ∗

(18.70)

in (18.69) und gewinnen iγ μT Dμ (−e)ψ¯ T + m ∗ ψ¯ T = 0.

(18.71)

Weiter unten werden wir beweisen, dass in allen Dimensionen eine Ladungskonjugationsmatrix C mit folgender Eigenschaft existiert, C γμT C −1 = η γμ ⇐⇒ γμ∗ = η C −1 γ μ C

(η = ±1).

(18.72)

Mit dieser Matrix definieren wir den ladungskonjugierten Spinor ψC = C ψ¯ T = C γ0T ψ ∗ .

(18.73)

Schlussendlich multiplizieren wir (18.71) von links mit C und erhalten iγ μ Dμ (−e)ψC + ηm ∗ ψC = 0.

(18.74)

Dies bedeutet, dass ψC die Dirac-Gleichung mit umgekehrter Ladung und Parameter −ηm erfüllt. Dies rechtfertigt den Namen Ladungskonjugation für die Abbildung ψ → ψC (das Vorzeichen von m in der Dirac-Gleichung ist physikalisch irrelevant). Sind alle γ μ reell oder alle imaginär, dann können wir C = γ0T wählen. Dann gelten γ μ reell =⇒ γ0T = γ0 = C ,

η = 1,

γ μ imagin¨ar =⇒ γ0T = −γ0 = C , η = −1,

ψC = ψ ∗ ψC = ψ ∗ .

(18.75)

426

18

Symmetrien in der relativistischen Quantenmechanik

Derartige Darstellungen der γ -Matrizen heißen Majorana-Darstellungen. In diesen Darstellungen ist die Ladungskonjugation die komplexe Konjugation. Ein Spinor, der unter der Ladungskonjugation invariant ist, ψC = ψ, heißt Majorana-Spinor. Majorana-Spinoren sind reell in einer Majorana-Darstellung. Sie beschreiben Teilchen, die identisch zu ihren Antiteilchen sind. Wir wollen uns schlussendlich davon überzeugen, dass in jeder Dimension eine Matrix C existiert. Lemma 96 In jeder Dimension existiert eine symmetrische oder antisymmetrische Matrix C mit den Eigenschaften γμT = η C −1 γμ C ,

η = ±1.

(18.76)

Einen formalen Beweis findet man z. B. in [83]. Hier gehen wir den einfacheren Weg und geben C in den Darstellungen (18.21) explizit an. Wechselt man mit (18.24) in eine andere Darstellung, dann hat C in der neuen Darstellung die Form C = U CU T

(18.77)

und ist damit in allen äquivalenten Darstellungen symmetrisch oder antisymmetrisch. Beweis: In geraden Dimensionen benutzen wir σ1 σ1 σ1 = σ1T , σ1 σ2 σ1 = σ2T , σ1 σ3 σ1 = −σ3T , σ2 σi σ2 = −σiT

(18.78)

um zu zeigen, dass in der Darstellung (18.21) die symmetrischen und antisymmetrischen Matrizen C+ = σ1 ⊗ σ2 ⊗ σ1 ⊗ σ2 ⊗ . . . C− = σ2 ⊗ σ1 ⊗ σ2 ⊗ σ1 ⊗ . . . ∝ C+ γ∗

(η = +1) (η = −1)

(18.79)

die Bedingung (18.76) erfüllen. Aufgabe

Überzeugen Sie sich davon, dass diese Aussage korrekt ist. Die Matrizen C sind hermitesch, unitär und symmetrisch oder antisymmetrisch, T T C+ = (−1)[d/4] C+ , C− = (−1)[(d+2)/4] C− .

(18.80)

In ungeraden Dimensionen machen wir uns zunutze, dass die d − 1 Matrizen γ0 , . . . , γd−2 als γ μ -Matrizen in der geraden Dimension d − 1 gewählt werden können, für welche die zwei Matrizen C± in (18.79) existieren. In der Darstellung (18.21) ist die fehlende Matrix γd−1 = iσ3 ⊗ · · · ⊗ σ3 , und mit −1 T C± γd−1 C± = (−1)[d/2] γd−1 ,

18.5 Aufgaben zu Kap.18

427

Tab. 18.2 In geraden Dimensionen existieren zwei C -Matrizen mit η = ±1 und in ungeraden Dimensionen eine. Sie sind entweder symmetrisch (S) oder antisymmetrisch (A) d

1

2

C+

S

S A

C−

3

4

5

6

7

8

A

A

A A

A S

S

S S

folgt η = (−)[d/2] oder dass C+ eine Ladungskonjugationsmatrix in 1 + 4nDimensionen ist und C− in 3 + 4n-Dimensionen. Damit existieren zwei C -Matrizen in geraden Dimensionen und eine C -Matrix in ungeraden Dimensionen. Die existierenden Lösungen von (18.76) in den Dimensionen d = 1, 2, . . . , 8 sind in Tab. 18.2 angegeben. Die Struktur ist periodisch in der Dimension d mit der Periode 8 und es genügt, in der Tabelle die Lösungen für d ≤ 8 zu notieren.

18.5

Aufgaben zu Kap. 18

Aufgabe 18.1: Selbstduale Tensoren Ein antisymmetrischer Tensor Fμν mit μ, ν ∈ {1, 2, 3, 4} heißt selbstdual, wenn gilt Fμν =

4 1  μναβ Fαβ 2 α,β=1

Er heißt antiselbstdual, wenn auf der rechten Seite noch ein Minuszeichen steht. Zeigen Sie, dass jeder antisymmetrische Tensor die Summe eines selbstdualen und eines antiselbstdualen Tensors ist. Ist diese Zerlegung invariant unter Drehungen in SO(4)? Bemerkung: Es ist die Zerlegung des Feldstärketensors Fμν in der euklidischen Elektrodynamik. Aufgabe 18.2: Darstellung der Gamma-Matrizen Beweisen Sie, dass die Matrizen in (18.21) die Clifford-Algebra darstellen. Benutzen Sie dabei {A1 ⊗ · · · ⊗ A p , B1 ⊗ · · · ⊗ B p } = A1 B1 ⊗ · · · ⊗ A p B p + B1 A1 ⊗ · · · ⊗ B p A p . Der Antikommutator zweier Tensorprodukte vereinfacht sich, wenn man berücksichtigt, dass {A1 ⊗ · · · ⊗ A p , B1 ⊗ · · · ⊗ B p } = A1 B1 ⊗ · · · ⊗ {Aq , Bq } ⊗ · · · ⊗ A p B p , falls [Ai , Bi ] = 0 für alle i = q gilt.

428

18

Symmetrien in der relativistischen Quantenmechanik

Aufgabe 18.3: Chirale Darstellung Überzeugen Sie sich davon, dass die Matrizen in (18.44) eine Darstellung der Clifford-Algebra in 4 Dimensionen liefern. Was ist γ5 ≡ γ∗ in dieser Darstellung? Aufgabe 18.4: Dirac-Matrizen in 4 Dimensionen Zeigen Sie, dass die Matrizen {14 , γ μ , γ μν , γ5 γ μ , γ5 } eine Basis für die komplexen 4 × 4-Matrizen bilden, d. h., dass sie linear unabhängig sind. Multiplizieren Sie dazu die Gleichung a 14 + bμ γ μ + cμν γ μν + dμ γ5 γ μ + eγ5 = 0 mit den Matrizen {14 , γ μ , γ μν , γ5 γ μ , γ5 } und bilden Sie die Spur. Zeigen Sie, dass a = bμ = cμν = dμ = e = 0 gelten muss. Aufgabe 18.5: Produkte von γ -Matrizen in d Dimensionen Beweisen Sie folgende Identitäten für die γ μ -Matrizen: d gerade: Sp(γμ1 μ2 ...μn ) = 0, 1 ≤ n ≤ d, d ungerade: Sp(γμ1 μ2 ...μn ) = 0, 1 ≤ n < d.

(18.81) (18.82)

Hinweis: Zum Beweis der Spureigenschaften brauchen Sie die Invarianz der Spur bei zyklischer Vertauschung der Matrizen und die Existenz eines antikommutierenden γ∗ für gerade d. Die Spur Sp(M † N ) ist ein Skalarprodukt auf dem linearen Raum der Matrizen. Beweisen Sie d gerade (γμ1 ,...,μm , γν1 ,...,νn ) = ds δmn δμν ,   d ungerade (γμ1 ,...,μm , γν1 ,...,νn ) = ds δmn δμν + κ δm+n,0 εμν ,

(18.83) (18.84)

worin μ und ν Multi-Indizes sind und entsprechend δμν = i δμi νi und εμν = εμ1 μ2 ...μm ν1 ν2 ...νn mit ε01...(d−1) = 1 bedeuten. Die Konstante κ im letzten Term ist eine komplexe Zahl vom Betrag 1 und erscheint, weil in ungeraden Dimensionen γ∗ in jeder irreduziblen Darstellung proportional zur Identität ist. Aufgabe 18.6: Weyl-Spinoren und Weyl-Gleichungen Zeigen Sie, dass für m = 0 die Dirac-Gleichung (18.61) in der chiralen Darstellung (18.45) in zwei unabhängige Gleichungen für die zweikomponentigen WeylSpinoren χ und λ in der Zerlegung   χ ψ= λ zerfällt. Dies sind die Weyl-Gleichungen. Wie transformieren die Weyl-Spinoren bei einem Wechsel des Inertialsystems? Wie sieht die Zerlegung von ψ in anderen Darstellungen der γ μ aus.

18.5 Aufgaben zu Kap.18

429

Aufgabe 18.7: Vertauschungsregeln für Sμν Beweisen Sie, ausgehend von den Antivertauschungsrelationen (18.20), die Vertauschungsregeln (18.37) für die Erzeugenden Sμν der Spintransformationen. Aufgabe 18.8: Clifford-Gruppe in 2 Dimensionen Betrachten Sie die Clifford-Gruppe zu den γ -Matrizen γ 0 , γ 1 in 2 RaumzeitDimensionen. Diese hat 8 Elemente. Überzeugen Sie sich davon, dass die reguläre Darstellung in 4 eindimensionale und 2 zweidimensionale Darstellungen zerfällt und dass die beiden Letzteren äquivalent sind. Aufgabe 18.9: Matrix T für Zeitumkehr Warum existiert eine Zeitumkehrmatrix T , welche die Bedingung (18.65) erfüllt, zumindest in d mod 8 = 0, 1, 2, 4, 5, 6?

Relativistische Feldtheorien

19

Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher. Albert Einstein

Die mit den Prinzipien der speziellen Relativitätstheorie verträglichen Wechselwirkungen werden durch relativistische Feldtheorien beschrieben. Lassen sich die zugehörigen Feldgleichungen aus einem hamiltonschen Wirkungsprinzip ableiten, dann zeichnet die Wirkung kein Inertialsystem aus. In anderen Worten, die Feldgleichungen sind die Euler-Lagrange-Gleichungen zu einer Poincaré-invarianten Wirkung. Die bekannteste klassische relativistische Feldtheorie ist die im 19. Jahrhundert entwickelte Elektrodynamik. Auch die Gravitation im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie ist eine klassische Feldtheorie. Wird das Feld einer klassischen Feldtheorie nach den Regeln der Quantenmechanik „quantisiert“– man spricht dann von einer quantisierten Feldtheorie oder von einer Quantenfeldtheorie (QFT) –, dann beschreibt sie Teilchen mit fester Masse und festem Spin. Ein Skalarfeld ordnet jedem Raumpunkt einen Skalar zu und beschreibt spinlose Teilchen, z. B. HiggsBosonen. Dagegen ordnet ein Vektorfeld jedem Raumpunkt einen Vektor zu und beschreibt Teilchen mit Spin 1, beispielsweise Photonen. Fermionen wie Elektronen oder Quarks werden dagegen durch Spinorfelder beschrieben, die jedem Raumpunkt einen Spinor zuordnen. Eine Einführung in klassische relativistische Feldtheorien findet man z. B. in [84– 86]. Quantisierte Feldtheorien werden in zahlreichen Werken, z. B. [81,82,87–90], vorgestellt.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_19

431

432

19.1

19

Relativistische Feldtheorien

Langrangescher Formalismus

Ein Feld ist eine Abbildung, die jedem Raumzeitpunkt mit Koordinaten x ein Element φ(x) in einem Targetraum T zuordnet. Ist der Targetraum linear, dann ist auch der ∞dimensionale Raum aller Felder F = {φ(x)} – man bezeichnet ihn mit Feldraum oder Konfigurationsraum der Feldtheorie – ebenfalls linear. In einer lokalen Feldtheorie ist die Wirkung das Raumzeit-Integral über eine lokale Lagrange-Dichte L(x), 

 S=

dd x L(x) ≡

dtdx L(t, x),

(19.1)

wobei für fast alle Feldtheorien L eine Funktion des Feldes und seiner ersten Ableitungen ist1 . Dies wollen wir im Folgenden immer annehmen. Um die Notation einfach zu halten, schreiben wir im Folgenden L(φ) anstelle von L(φ, ∂μ φ). Das Feld φ kann mehrere Komponenten haben, z. B. eine Kollektion von mehreren Skalarfeldern sein, wie das Higgs-Feld im Standardmodell mit Targetraum T = C2 oder ein Tensor- bzw. Spinorfeld. Die Raumzeit-Dimension d sei variabel, da in Anwendungen auch Theorien in 1 + 1- und 1 + 2- Dimensionen von Interesse sind. Nur bei der Diskussion der Elektrodynamik werden wir annehmen, dass die Raumzeit vierdimensional ist. Das Volumenelement dd−1 x des Raumes bezeichnen wir mit dx. Wir benutzen natürliche Einheiten mit  = c = 1. Die (Fréchet-)Ableitung der Wirkung δS/δφ(x) ist definiert durch  S[φ +δφ] = S[φ]+δS + O(δφ 2 ) = S[φ]+

dd x

δS δφ(x)+ O(δφ 2 ), (19.2) δφ(x)

worin die Variation δφ eine Testfunktion ist, die am Rand des betrachteten Gebiets (oder „im Unendlichen“) verschwindet2 . Z. B. ist die Variation einer Wirkung mit Lagrange-Dichte L(φ, ∂μ φ) gleich 

 ∂L ∂L δS = d x δφ + ∂μ δφ ∂φ ∂(∂μ φ)       ∂L ∂L ∂L d d δφ + d x ∂μ − ∂μ δφ . = d x ∂φ ∂(∂μ φ) ∂(∂μ φ) 

d

(19.3)

Das letzte Integral kann mit Hilfe des Gaußschen Satzes in ein Oberflächenintegral umgewandelt werden. Dieses ist null, weil nach Voraussetzung die Variation δφ auf dem Rand des Integrationsgebietes verschwindet.

1 Eine frühe Untersuchung von Feldtheorien mit höheren Ableitungen findet man in der klassischen

Arbeit von Pais und Uhlenbeck [91]. Die entsprechenden quantisierten Feldtheorien haben oft Unitaritätsprobleme. 2 Mathematische Aspekte der Variationsrechnung sind klar und verständlich in [92] dargelegt.

19.1 Langrangescher Formalismus

433

Euler-Lagrange-Gleichung

Das hamiltonsche Variationsprinzip δS = 0 führt auf die Bewegungsgleichung ∂μ

∂L ∂L − = 0. ∂(∂μ φ) ∂φ

(19.4)

Für eine Lagrange-Dichte L(φ, ∂μ φ) ist die Bewegungsgleichung eine verallgemeinerte Wellengleichung zweiter Ordnung (für fermionische Felder findet man Feldgleichungen erster Ordnung). Ein reelles Skalarfeld, das ein ungeladenes freies Teilchen mit inverser ComptonWellenlänge μ beschreibt, hat die quadratische Wirkung  SM [φ] =

dd x LM (φ) mit LM (φ) =

 1 ∂μ φ∂ μ φ − μ2 φ 2 . 2

(19.5)

Der Index an LM (φ) soll anzeigen, dass das Feld φ Materie beschreibt. Die zugehörige Euler-Lagrange-Gleichung ist die lineare Klein-Gordon-Gleichung φ + μ2 φ = 0,

 = ∂μ ∂ μ .

(19.6)

Die allgemeine Lösung ist eine Überlagerung von ebenen Wellen eikx , wobei die Komponenten des Wellenzahl-Vektors die Dispersionsrelation kμ k μ = k02 −k2 = μ2 erfüllen. Die Wirkung sollte unter Poincaré-Transformationen (5.46) invariant sein, damit das Äquivalenzprinzip nicht verletzt wird. Unter diesen Transformationen ändert sich ein Tensorfeld gemäß φ  (x  ) = D()φ(x), x  = x + a

(19.7)

mit invertierbaren D(). Für ein Skalarfeld ist D() = 1 und entsprechend φ  (x  ) = φ(x). Aufgabe

Zeigen Sie, dass die Wirkung SM [φ] in (19.5) invariant unter Poincaré-Transformationen ist. Dagegen ist das 4er-Potenzial der Elektrodynamik Aμ = (A0 , A) ein Vektorfeld mit Aμ (x  ) = μα Aα (x).

(19.8)

434

19

Relativistische Feldtheorien

Der Targetraum ist T = R4 und D() = . Der Feldstärketensor Fμν = ∂μ Aν − ∂ν Aμ ist ein antisymmetrisches Tensorfeld zweiter Stufe mit  (x  ) = μα νβ Fαβ (x). Fμν

(19.9)

Seine Komponenten sind die Komponenten des elektrischen und magnetischen Feldes, ⎞ ⎛ 0 E1 E2 E3  ⎜−E 1 0 −B3 B2 ⎟  ⎟ (19.10) Fμν = ⎜ ⎝−E 2 B3 0 −B1 ⎠ = (E, B). −E 3 −B2 B1 0 Allgemeiner transformiert ein Tensorfeld der Stufe p nach der TensorproduktDarstellung, ν ...ν

ν ...ν

ν

φμ 1 ...μ p (x  ) = D()μ11...μpp φν1 ...ν p (x), mit D()μ11...μ pp = μν11 · · · μ pp . (19.11) Die Transformationen (19.7) definieren eine Gruppenwirkung (siehe Abschn. 5.1) der Poincaré-Gruppe auf dem unendlichdimensionalen Feldraum F , falls die Abbildung  → D() ein Homomorphismus der Lorentz-Gruppe ist, D(1) = 1 und D( ) = D( )D().

(19.12)

Dies heißt aber nicht, dass der Homomorphismus eine Darstellung der LorentzGruppe ist. Es existieren interessante relativistische Feldtheorien mit nichtlinearem Targetraum {φ}, für die D keine Darstellung definiert. Frage

Kennen Sie Feldtheorien, für welche  → D() keine Darstellung der LorentzGruppe ist?

Materiefelder transformieren mit Darstellungen der Lorentz-Gruppe

Ist der Targetraum ein Vektorraum und D eine lineare Abbildung, dann ist  → D in (19.7) eine Darstellung der Lorentz-Gruppe. In Abschn. 18.3.3 hatten wir gesehen, dass ein Spinorfeld ψ(x) nicht nach einer Darstellung der Lorentz-Gruppe SO0 (1, d − 1) transformiert, sondern nach einer Darstellung ihrer doppelten Überlagerung Spin(1, d − 1).

19.2 Hamiltonscher Formalismus

19.2

435

Hamiltonscher Formalismus

Wie in der Mechanik existiert neben dem kovarianten Lagrange-Formalismus die hamiltonsche Formulierung. Der Übergang zwischen beiden geschieht mit Hilfe einer Legendre-Transformation, bei der das Geschwindigkeitsfeld φ˙ = ∂t φ durch das kanonisch konjugierte Impulsfeld π ersetzt wird. Letzteres ist definiert als π(x) =

∂L . ∂(∂t φ(x))

(19.13)

Die kanonisch konjugierten Felder {φ, π } zu einer festen Zeit 

   φ(x), π(x) |x 0 ≡ φ(x), π(x)

(19.14)

sind Koordinaten im Phasenraum der zugrunde liegenden Feldtheorie3 . Im Gegensatz zum lagrangeschen Formalismus wird im hamiltonschen Formalismus ein Zeitpunkt ausgezeichnet. Er ist daher nicht kovariant, da Gleichzeitigkeit eine vom Inertialsystem abhängige Eigenschaft ist. Die fundamentalen Poisson-Klammern von Feld und konjugiertem Impulsfeld lauten dann {φ(x), φ( y)} = {π(x), π( y)} = 0,

{φ(x), π( y)} = δ(x − y).

(19.15)

Wir betonen nochmals, dass hier die Felder zu einem festen Zeitpunkt, in unserem Fall x 0 = 0, auftreten. Allgemeiner führt man die Poisson-Klammer von Funktionen auf dem Phasenraum ein. Da der Phasenraum selbst ein Funktionenraum ist, spricht man von Funktionalen auf dem Phasenraum.

Poisson-Klammer von Funktionalen auf dem Phasenraum

Die Poisson-Klammer von zwei Funktionalen F[φ, π ] und G[φ, π ] ist 

 {F, G} =

dx

 δG δG δF δF . − δφ(x) δπ(x) δπ(x) δφ(x)

(19.16)

Die Poisson-Klammer ist offensichtlich bilinear und antisymmetrisch. Sie erfüllt aber auch die Produktregel (Derivationsregel) {F, G H } = G{F, H }+{F, G}H =⇒ {F G, H } = F{G, H }+{F, H }G, (19.17)

3 Alternativ

kann man die Menge der Lösungen φ(t, x) der Feldgleichung als Phasenraum wählen.

436

19

Relativistische Feldtheorien

und die Jacobi-Identität {F, {G, H }} + {H , {F, G}} + {G, {H , F}} = 0.

(19.18)

Die Beweise dieser Eigenschaften sind Inhalt von Aufgabe 19.3. Alternative Definitionen von Poisson-Klammern sind denkbar, und ein Beispiel wird in Aufgabe 19.4 vorgestellt. Aus der Definition (19.16) folgen nun für ein Phasenraum-Funktional F[φ, π ] die Relationen {φ(x), F} =

δF , δπ(x)

{π(x), F} = −

δF . δφ(x)

(19.19)

Damit, und mit den Identitäten δφ( y) = δ( y − x), δφ(x)

δπ( y) = δ( y − x), δπ(x)

(19.20)

findet man die fundamentalen Poisson-Klammern (19.15) wieder. Wie aus der Mechanik bekannt, gewinnt man nun die Hamilton-Funktion als Legendre-Transformierte der Lagrangefunktion,   ˙ ∇φ, φ). (19.21) ˙ ˙ = dx L(φ, H [φ, π ] = dx π(x)φ(x) − L, L[φ, φ] Darin wird das Geschwindigkeitsfeld φ˙ mit Hilfe von (19.13) durch das Impulsfeld π ausgedrückt. Die Feldgleichungen sind die hamiltonschen Bewegungsgleichungen δH , δπ(x) δH . π(x) ˙ = {π(x), H } = − δφ(x) ˙ φ(x) = {φ(x), H } =

(19.22) (19.23)

Im Gegensatz zu den Euler-Lagrange-Gleichungen sind dies Differenzialgleichungen erster Ordnung in der Zeit. Beispiel: Hamilton-Funktion für das freie reelle Skalarfeld

Die Lagrange-Funktion für das reelle Skalarfeld mit Lagrange-Dichte (19.5) ist    1 dx φ˙ 2 − (∇φ)2 − μ2 φ 2 , (19.24) LM (φ) = 2 so dass π = φ˙ ist. Setzt man φ˙ = π in (19.21) ein, dann findet man die HamiltonFunktion    1 dx π 2 + (∇φ)2 + μ2 φ 2 . H= (19.25) 2

19.3 Noether-Theorem für innere Symmetrien

437

Sie ist ein quadratisches Funktional auf dem Phasenraum. Die hamiltonschen Bewegungsgleichungen sind ˙ φ(x) = π(x) , π˙ (x) = Δφ(x) − μ2 φ(x).

(19.26)

Sie führen wieder auf die Klein-Gordon-Gleichung ¨ φ(x) = π(x) ˙ = Δφ(x) − μ2 φ(x) =⇒ φ + μ2 φ = 0.

(19.27)

 Nach dieser Einführung in grundlegende Eigenschaften von klassischen Feldtheorien wenden wir uns ihren möglichen Symmetrien zu.

19.3

Noether-Theorem für innere Symmetrien

Translationen, Drehungen und Lorentz-Boosts sind Raumzeit-Symmetrien. Dies sind Transformationen, die auch auf das Argument x von Feldern wirken. Neben diesen gibt es die sogenannten inneren Symmetrien, die nicht auf die RaumzeitKoordinaten wirken. Z. B. ist die Lagrange-Dichte für ein komplexes Skalarfeld LM (φ) = ∂μ φ ∗ ∂ μ φ − V (φ ∗ φ)

(19.28)

invariant unter Phasentransformationen φ(x) → eiα φ(x), φ ∗ (x) → e−iα φ ∗ (x)

(19.29)

mit reeller und konstanter Phase α. Etwas allgemeiner betrachten wir nun Felder mit Werten in einem Vektorraum V mit Skalarprodukt. dass für jedes x der Wert φ(x) in V liegt und das  Dies bedeutet,  Skalarprodukt φ(x), φ(x) sich nicht ändert, wenn φ(x) mit einer unitären Matrix transformiert,     U φ(x), U φ(x) = φ(x), φ(x) . (19.30) Wir wollen annehmen, U sei eine globale Transformation, d. h. U hänge nicht von x ab. Dann gilt U ∂μ φ = ∂μ (U φ) und die Lagrange-Dichte   LM (φ) = (∂μ φ, ∂ μ φ) − V (φ, φ)

(19.31)

ist invariant unter den globalen Transformationen φ(x) −→ U φ(x).

(19.32)

438

19

Relativistische Feldtheorien

Frage

Wann bilden diese globalen Transformationen die Gruppe SO(n) bzw. SU(n)? Eine unitäre Matrix hat die Darstellung U = exp(iX ) mit einer hermiteschen Matrix X . Die infinitesimalen Symmetrien sind demnach φ −→ U φ ≈ φ + iX φ ≡ φ + δ X φ,

X† = X.

(19.33)

Nach dem (ersten) Theorem von Emmy Noether gehört zu jedem reellen Parameter einer kontinuierlichen Symmetriegruppe ein kovariant erhaltener Strom und dann eine zeitlich erhaltene Noether-Ladung. Dies wollen wir nun für innere Symmetrien beweisen. Ändert sich eine allgemeine Lagrange-Dichte unter Transformationen (19.33) nicht, dann gilt 0 = δX L =

∂L ∂L ∂μ (δ X φ) + δ X φ. ∂(∂μ φ) ∂φ

(19.34)

Benutzen wir im letzten Term die Euler-Lagrange-Gleichungen in der Form ∂L = ∂μ ∂φ



 ∂L , ∂(∂μ φ)

(19.35)

dann erhalten wir sofort den kovariant erhaltenen Noether-Strom.

Noether-Strom für innere Symmetrien

Ist die Lagrange-Dichte L invariant unter den Transformationen (19.33), dann gilt μ

∂μ J X = ∂0 J X0 + div J X = 0,

μ

JX =

∂L δ X φ. ∂(∂μ φ)

(19.36)

Aus dieser Kontinuitätsgleichung folgt nun sofort die Erhaltung der zugehörigen Noether-Ladung. Dazu integrieren wir die Kontinuitätsgleichung über den Raum zu einer festen Zeit und wandeln das Volumenintegral in ein Oberflächenintegral um,  0=

μ

dx ∂μ J X =

∂ ∂x0



 dx J X0 +

dx div J X =

∂ ∂x0



dx J X0 +

d f JX.

(19.37) Verschwindet die räumliche Stromdichte J X (x) im räumlich Unendlichen schnell genug (was wir annehmen wollen), dann folgt die Erhaltung der Noether-Ladung, d Q X = 0, dt

 QX =

 x0

dx J X0 (x) =

x0

dx π(x) δ X φ(x).

(19.38)

19.3 Noether-Theorem für innere Symmetrien

439

Im letzten Schritt machten wir davon Gebrauch, dass die Ableitung von L nach ∂0 φ in (19.36) gleich dem zu φ kanonisch konjugierten Impulsfeld π ist. Wir haben gesehen, dass zu jedem X eine zeitlich erhaltene Ladung gehört. Die Anzahl der linear unabhängigen Noether-Ladungen ist damit gleich der Dimension der kontinuierlichen Symmetriegruppe. Es stellt sich nun die Frage, wie diese Ladungen auf die Felder der Theorie wirken. Mit Hilfe der Produktregel und den fundamentalen Poisson-Klammern findet man  {φ(x), Q X } = d y {φ(x), π( y) δ X φ( y)} = δ X φ(x)  (19.39) {π(x), Q X } = d y {π(x), π( y) δ X φ( y)} = δ X π(x). Es wurde hier angenommen, dass δ X φ keine Zeitableitungen des Feldes enthält. Auf den rechten Seiten stehen die mit den infinitesimalen Symmetrien transformierten Phasenraum-Variablen.

Noether-Ladungen erzeugen Symmetrien

Eine erhaltene Noether-Ladung Q X erzeugt über die Poisson-Klammer die infinitesimale Symmetrietransformation φ → φ + δ X φ, aus der sie ursprünglich hervorging.

Beispiel: Globale U(1)-Eichtransformationen

Wir kehren zum komplexen Skalarfeld mit Lagrange-Dichte (19.28) zurück. Die infinitesimale Form der Phasentransformation (19.29) ist δα φ = iαφ, δα φ ∗ = −iαφ ∗ ,

(19.40)

und die zugehörigen Noether-Ströme lauten   Jμ = i (∂μ φ † )φ − φ † ∂μ φ .

Jαμ = α J μ ,

(19.41)

Mit Hilfe der Feldgleichung φ + V  (φ ∗ φ)φ, worin der Strich die Ableitung nach dem Argument ist, prüft man schnell nach, dass J μ kovariant erhalten ist. Die erhaltene Noether-Ladung ist die vom Feld getragene elektrische Ladung,  Q=i

x0

  dx πφ φ − πφ ∗ φ ∗ .

(19.42)

Diese erzeugt die Phasentransformationen {φ, Q} = iφ und {φ ∗ , Q} = −iφ ∗ . 

440

19

Relativistische Feldtheorien

Phasentransformationen für Dirac-Spinorfelder Ein geladenes Fermion mit Spin 21 wird durch ein Dirac-Spinorfeld beschrieben. Ohne Wechselwirkung erfüllt dieses die freie Dirac-Gleichung (18.61). Diese Bewe gungsgleichung ist die Euler-Lagrange-Gleichung zur Wirkung SM [ψ] = dd x LM (ψ) mit Lagrange-Dichte ¯ ∂/ − m)ψ, LM (ψ) = ψ(i

∂/ = γ μ ∂μ .

(19.43)

Hier ist ψ¯ = ψ † γ 0 das Dirac-konjugierte Spinorfeld. Frage

Warum transformiert LM wie ein Skalarfeld, LM (x  ) = LM (x) unter LorentzTransformationen? Die Lagrange-Dichte für das Spinorfeld ist invariant unter globalen U(1)-Phasentransformationen ¯ ¯ −→ e−iλ ψ(x), ψ(x) −→ eiλ ψ(x), ψ(x)

(19.44)

und diese innere Symmetrie führt auf die kovariant erhaltene Stromdichte ∂μ j μ (x) = 0,

μ ¯ j μ (x) = ψ(x)γ ψ(x),

(19.45)

die mit der elektrischen Stromdichte in der Raumzeit identifiziert wird. Die zugehörige erhaltene Noether-Ladung  Q=

dx ψ † ψ,

(19.46)

hat dann die Bedeutung der elektrischen Ladung des durch ψ beschriebenen Systems.

19.4

Noether-Theorem für Translationen

Bei einer relativen Verschiebung zweier Inertialsysteme transformiert ein Feld wie folgt: φ(x) → φ(x −a) = φ(x)−a μ ∂μ φ(x)+O(a 2 ) = φ(x)+δa φ(x)+O(a 2 ). (19.47) Die Lagrange-Dichte ist ein Skalarfeld und transformiert deshalb genauso wie φ unter infinitesimalen Translationen, δa L = ∂μ Vaμ ,

Vaμ = −a μ L.

(19.48)

19.4 Noether-Theorem für Translationen

441

Verschiebungen oder Translationen sind Elemente der Poincaré-Gruppe, und in einer relativistischen Theorie muss die Wirkung translationsinvariant sein. Dies ist der Fall, weil die Änderung der Lagrange-Dichte δa L eine totale Divergenz ist. Die Änderung der Dichte L bei kleinen Verschiebungen können wir auch anderweitig bestimmen, da wir die Änderung ihrer Argumente kennen, δa L =

    ∂L ∂L ∂L ∂μ δa φ + δa φ = ∂μ δa φ . ∂(∂μ φ) ∂φ ∂(∂μ φ)

(19.49)

Im letzten Schritt benutzten wir die Feldgleichung (19.35), um ∂ L/∂φ zu eliminieren. Setzen wir die rechten Seiten von (19.48) und (19.49) gleich, dann führt dies auf das wichtige Theorem von Emmy Noether. In der Herleitung wurden nur die Eigenschaft (19.48) und die Euler-Lagrange-Gleichungen benutzt, so dass das Theorem nicht nur für Translationen gilt.

Noether-Theorem für Raumzeit-Symmetrien

Bei Raumzeit-Symmetrien ist δ L = ∂μ V μ eine Divergenz und es gilt das Noether-Theorem ∂μ J μ = 0 mit J μ =

∂L δφ − V μ . ∂(∂μ φ)

(19.50)

Das Theorem gilt für alle Raumzeit-Symmetrien.

Da L unter infinitesimalen Raumzeit-Symmetrien nur bis auf eine totale Divergenz erhalten ist, haben die entsprechenden Noether-Ströme, verglichen mit denjenigen einer inneren Symmetrie in (19.36), den Zusatzterm −V μ . μ Insbesondere bei Translationen ist δφ = δa φ in (19.47) und V μ = Va in (19.48). Dann lautet das Noether-Theorem ∂μ Jaμ = 0,

Jaμ = −a ν μν ,

μν =

∂L ∂ν φ − ημν L. ∂(∂ μ φ)

(19.51)

Die Translationen bilden eine d-parametrige Symmetriegruppe, und deshalb existieren d kovariant erhaltene Noether-Ströme, codiert im kanonischen Energie-Impulsμ Tensor  ν . Aufgabe

Beweisen Sie direkt, dass der kanonische Energie-Impuls-Tensor kovariant erhalμ ten ist, ∂μ  ν = 0. Beim Beweis müssen Sie die Feldgleichungen benutzen.

442

19

Relativistische Feldtheorien

Die Noether-Ladungen sind die im Feld gespeicherte Energie H = P 0 und der im Feld gespeicherte Impuls P, (P μ ) =



 P0 , P

Pμ =

 x0

dx 0μ ,

P˙ μ = 0.

(19.52)

Zur Illustration betrachten wir ein reelles Skalarfeld. Beispiel: Energie und Impuls des reellen Skalarfelds

Das Skalarfeld hat die Lagrange-Dichte und den symmetrischen Energie-ImpulsTensor LM (φ) =

1 ∂μ φ∂ μ φ − V (φ) und μν = ∂μ φ∂ν φ − ημν LM (φ). 2

Mit φ˙ = π sind Energie und Impuls durch die Integrale   H= dx H(x) , P = dx P (x) x0

(19.53)

(19.54)

x0

gegeben, mit der Hamilton-Dichte und der Impulsdichte als Integranden, H=

1 2 1 π + (∇φ)2 + V (φ) und P = π ∇φ. 2 2

(19.55)

Umgekehrt erzeugen die Noether-Ladungen (19.52) die infinitesimalen Verschiebungen, {Pμ , φ} = −∂μ φ.

(19.56)

Für μ = 0 erkennen wir die hamiltonsche Bewegungsgleichung (19.22).  Kontrahieren wir die Beziehung (19.56) mit dem konstanten Vektor a μ , so folgt δa φ ≡ −a μ ∂μ φ(x) = {a P, φ}, a P = a μ Pμ .

(19.57)

Ordnen wir nun einer Funktion F im Phasenraum den linearen Operator ad F zu, definiert durch ad F G = {F, G},

(19.58)

dann schreibt sich die infinitesimale Verschiebung (19.57) gemäß δa φ = ada P φ.

(19.59)

Aufgabe

Beweisen Sie die Identitäten adα F+βG = α ad F +β ad G und ad{F,G} = ad F ad G − ad G ad F .

19.4 Noether-Theorem für Translationen

443

Für glatte Felder ist eine endliche Verschiebung der Argumente durch die TaylorReihe gegeben, 1 μ φ(x − a) = φ(x) − a μ ∂μ φ(x) + (a μ ∂μ )2 φ(x) + · · · = e−a ∂μ φ(x), (19.60) 2 d. h. durch wiederholtes Anwenden von ada P ,   φ(x − a) = eada P φ (x).

(19.61)

Während ada P eine kleine Verschiebung erzeugt, ist exp(ada P ) eine endliche Verschiebung.

19.4.1 Energie-Impuls des elektromagnetischen Feldes Zusammen bilden das elektrische und magnetische Feld den Feldstärketensor (Fμν ) = (E, B) in (19.10). Das Heraufziehen der Indizes ist gleichbedeutend mit dem Vorzeichenwechsel des elektrischen Feldes, (F μν ) = (−E, B). Die LagrangeDichte der Elektrodynamik ist LED =

   1 1 2 1 E − B 2 = − F μν Fμν = − F μν ∂μ Aν − ∂ν Aμ , 2 4 4

(19.62)

und aus der letzten Darstellung folgt unmittelbar ∂ LED = −F μρ . ∂(∂μ Aρ )

(19.63)

Dieses Resultat wird bei der Berechnung des Energie-Impuls-Tensors (19.51) benötigt, 1 μν = −Fμρ ∂ν Aρ + ημν F ρσ Fρσ . (19.64) 4 Die Noether-Ladungen Energie und Impuls des elektromagnetischen Feldes haben die Form       (19.65) dx E i A˙ i − LED und Pi = dx E j ∂i A j . H= x0

x0

Obwohl es uns gelang, einen kovariant erhaltenen Energie-Impuls-Tensor zu konstruieren, ist eine Verbesserung von μν notwendig. Energie-Impuls-Tensoren sind nämlich nicht eindeutig und können abgeändert werden, ohne die erhaltenen Ladungen (H , P) zu ändern. Ein zwingender Grund für die Verbesserung ist, dass μν in den Einsteinschen Feldgleichungen als Quelle des Gravitationsfeldes auftritt und dabei vorausgesetzt wird, dass der Tensor kovariant erhalten und symmetrisch ist [93]. Der über das Noether-Theorem gewonnene kanonische Tensor (19.62) ist zwar

444

19

Relativistische Feldtheorien

kovariant erhalten, aber nicht symmetrisch. Zudem ist er nicht invariant unter lokalen Eichtransformationen (diese werden im Kap. 20 ausführlich diskutiert) Aμ → Aμ − ∂μ λ.

(19.66)

Er hängt also von der frei wählbaren Eichung ab, d. h., er nimmt für physikalisch äquivalente Eichpotenziale verschiedene Werte an und kann deshalb unmöglich eine beobachtbare Größe sein. Schlussendlich bemerkt man noch, dass LED unabhängig von A˙ 0 ist und deshalb das zu A0 konjugierte Impulsfeld verschwindet. Systeme mit dieser Eigenschaft heißen singuläre Systeme. Ihr singuläres Verhalten rührt von der Invarianz der Lagrange-Dichte unter lokalen Eichtransformationen (19.66). Singuläre Systeme sind Systeme mit Zwangsbedingungen, deren Behandlung im Rahmen der kanonischen Formulierung etwas aufwendig ist. Ich verweise auf die reichhaltige Literatur, z. B. den Übersichtsartikel [94].

19.4.2 Verbesserung von Noether-Strömen Nur für einfache Skalarfelder ist der kanonische Energie-Impuls-Tensor symmetrisch. Aber man kann einen nichtsymmetrischen Tensor mit Hilfe der BelifanteSymmetrisierung verbessern [95]. Damit gelingt es, einen kovariant erhaltenen und symmetrischen Tensor zu konstruieren, den man in die Einsteinschen Feldgleichungen einsetzen darf. Wir nehmen wieder an, die Lagrange-Dichte sei unter einer Symmetrietransformation φ → φ + δφ bis auf eine totale Ableitung invariant, δ L = ∂μ V μ .

(19.67)

Dies ist der Fall für alle Symmetrien und insbesondere die Raumzeit-Symmetrien, inklusive einer möglichen konformen Symmetrie (siehe Kap. 21) oder Supersymmetrie. In (19.50) hatten wir bewiesen, dass die divergenzfreie Noether-Stromdichte folgende Form hat: Jμ =

∂L δφ − V μ . ∂(∂μ φ)

(19.68)

Zur Verbesserung von J μ bemerken wir, dass V μ in (19.67) nur bis auf einen Term der Form ∂ν Aμν mit antisymmetrischem Aμν bestimmt ist. Deshalb ist der NoetherStrom nicht eindeutig, J μ −→ J μ − ∂ρ Aμρ ,

Aμρ = −Aρμ .

(19.69)

Für räumlich lokalisierte Felder ändert sich die Noether-Ladung bei dieser Änderung nicht, J 0 → J 0 − ∂i A0i , so dass Q → Q.

19.4 Noether-Theorem für Translationen

445

Derartige Verbesserungen wurden in der Literatur ausführlich diskutiert [82,87]. In der Elektrodynamik können wir den Korrekturterm ∂ρ (F μρ Aν ) zum Tensor μν  in (19.64) addieren. Der verbesserte Tensor ist kovariant erhalten, symmetrisch und eichinvariant, 1 Tμν = Fμρ Fρν + ημν F ρσ Fρσ . (19.70) 4 Die zugehörigen zeitlich konstanten Ladungen sind aus der Elektrodynamik wohlbekannt.

Erhaltene Energie und erhaltener Impuls von E und B

Ein elektromagnetisches Feld trägt folgende Energie und folgenden Impuls: H=

1 2

 x0

  dx E 2 + B 2 und P =

 x0

dx E ∧ B.

(19.71)

Den „korrekten“ Tensor (19.70) erhält man auch, wenn man das Maxwell-Feld minimal an das Gravitationsfeld koppelt, die entsprechende Wirkung nach der Metrik variiert und schlussendlich wieder annimmt, die Metrik sei diejenige im MinkowskiRaum. Die wird in Abschn. 21.2.4 ausgeführt. Beispiel: Dirac-Spinorfeld

Das freie Dirac-Feld hat die Lagrange-Dichte (19.43), welche äquivalent zu  μ  ¯ μ ψ − m ψψ ¯ ∂μ ψ − (∂μ ψ)γ ¯ LM (ψ) = 2i ψγ (19.72) ist. Die zugehörige Noether-Stromdichte ist der kanonische Energie-ImpulsTensor,  i μ ν ¯ μ ψ − ημν LM (ψ). ¯ ∂ ψ − (∂ ν ψ)γ (19.73) μν = ψγ 2 Die im Feld gespeicherte Energie H = P 0 ist gleich  (19.74) H = dx ψ † hψ, h = α i ∂i + βm.  Der kanonische Tensor μν ist nicht symmetrisch und muss verbessert werden, ähnlich wie μν in der Elektrodynamik. Ausgangspunkt für die Verbesserung sind die Relationen {γ μρ , γ ν } = −2γ ρ γ μν + 2ημρ γ ν − 2ηνρ γ μ = −2γ μν γ ρ − 2ημρ γ ν + 2ηνρ γ μ , (19.75)

446

19

Relativistische Feldtheorien

welche aus {γ μ , γ ν } = 2ημν folgen. Mit Hilfe der Dirac-Gleichung für ψ in (18.61) und derjenigen für ψ¯ in (18.62) folgt nun für das Tensorfeld Aμρν = i ¯ μρ , γ ν }ψ = −Aρμν die Identität 8 ψ{γ ∂ρ Aμρν =

 i μ ¯ ν ψ − (∂ ν ψ)γ ¯ μ ψ + ψγ ¯ μ ∂ ν ψ − ψγ ¯ ν ∂ μψ . (∂ ψ)γ 4

(19.76)

Subtrahieren wir ∂ρ Aμρν vom μν in (19.73), dann finden wir den verbesserten Tensor T μν , der auf dieselben Erhaltungsgrößen wie μν führt.

Verbesserter Energie-Impuls-Tensor für das Dirac-Spinorfeld

Ein symmetrischer und kovariant erhaltener Energie-Impuls-Tensor der DiracTheorie ist T μν =

 i μ ν ¯ μ ψ − (∂ μ ψ)γ ¯ ν ψ − ημν LM (ψ), ¯ μ ∂ ν ψ − (∂ ν ψ)γ ¯ ∂ ψ + ψγ ψγ 4 (19.77)

Für Lösungen der Dirac-Gleichung ist LM (ψ) = 0, und man findet deshalb in der Literatur auch die Ausdrücke (19.73) und (19.77) ohne den letzten Term proportional zu LM . Dann endet man mit einem nur scheinbar anderen Ausdruck für die Energie H. Aufgabe

Zeigen Sie mit Hilfe der Dirac-Gleichung und partieller Integration in x, dass  H =i

19.5

dx ψ † ψ˙ =

i 2



  dx ψ † ψ˙ − ψ˙ † ψ .

(19.78)

Lorentz-Transformationen und Drehimpuls

Nach Anwendung des Noether-Theorems auf Verschiebungen in Raum und Zeit, was auf die Komponenten von μν führte, werden wir nun die Noether-Ströme für die Lorentz-Symmetrie bestimmen. Da letztere die Drehungen im Raum als Untergruppe enthalten, sollten die „räumlichen Noether-Ladungen“ mit den Komponenten des Drehimpulses identifiziert werden können. In Abschn. 19.1 begründeten wir, dass in einer relativistischen Feldtheorie ein Materiefeld unter Poincaré-Transformationen gemäß φ  (x  ) = D()φ(x) transformiert. Wir nehmen an, der Targetraum T sei linear, in welchem Fall  → D() eine Darstellung ist. Die von dieser Darstellung D induzierte Abbildung D∗ der

19.5 Lorentz-Transformationen und Drehimpuls

447

Lorentz-Algebra so(1, d − 1) bildet die Basis Mμν dieser Lie-Algebra in eine Basis für die Darstellungsmatrizen ab, D(Mμν ) = Sμν , Sμν = −Sνμ .

(19.79)

Insbesondere gehorchen die Sμν denselben Vertauschungsregeln (14.79) wie die Matrizen Mμν . In dieser Form gilt das Resultat auch für Spinorfelder. Aber im Unterschied zu Tensorfeldern transformiert ein Spinorfeld nach einer Darstellung D der Spingruppe Spin(1, d − 1), wie in Abschn. 18.3.3 ausführlich dargelegt wurde. Dann sind die Spinmatrizen Sμν Elemente einer induzierten Darstellung D der LieAlgebra spin(1, d − 1). Nun verfährt man genauso wie in Abschn. 18.3.3, um die infinitesimale Form von i

φ(x) −→ e 2 ω

μν S μν

  φ e−ω x

(19.80)

zu bestimmen. Wie dort findet man für die kleine Änderung δω φ in φ → φ + δω φ das Resultat δω φ =

 i μν  ω L μν + Sμν , 2

L μν =

1 (xμ ∂ν − xν ∂μ ). i

(19.81)

Wir halten dieses wichtige Ergebnis fest:

Infinitesimale Lorentz-Transformationen

Die infinitesimalen Erzeugenden Jμν der Lorentz-Transformationen in δω φ =

i μν i ω Jμν φ ≡ (ω, J )φ 2 2

(19.82)

sind die Summe aus einem orbitalen und einem Spinanteil, Jμν = L μν + Sμν .

Wegen [L μν , Sαβ ] = 0 erfüllen neben den L μν und Sμν auch die Jμν die LorentzAlgebra (14.79). Ein Skalarfeld beschreibt Teilchen ohne Spin, und der Spinanteil fehlt, δω φ = 2i (ω, L)φ. Aufgabe

Bestätigen Sie mit einer expliziten Rechnung, dass die Differenzialoperatoren L μν die Kommutationsregeln der Lorentz-Algebra (14.80) erfüllen.

448

19

Relativistische Feldtheorien

Die Ergebnisse gelten in beliebigen Dimensionen. In 4 Dimensionen bilden die Ji j , L i j und Si j mit nur räumlichen Indizes die Lie-Unteralgebra so(3) der infinitesimalen Drehungen im Raum. Dies wird deutlich, wenn man die Komponenten 1 Ji = − i jk J jk , 123 = 1 2

(19.83)

einführt, welche die bekannten Vertauschungsrelationen (15.2) erfüllen. Noether-Ladungen für die Lorentz-Symmetrie Wie bei den Verschiebungen ist die Variation der Lagrange-Dichte bei infinitesimalen Lorentz-Transformationen eine totale Divergenz. Da L wie ein skalares Feld transformiert, gilt δω L =

i μν ω L μν L = ∂μ Vωμ , mit Vωμ = −ωμρ xρ L. 2

(19.84)

Setzen wir für die Variation des Feldes δω φ im kovariant erhaltenen Noether-Strom Jωμ =

∂L δω φ − Vωμ δ(∂μ φ)

(19.85)

das Ergebnis (19.82) ein, dann finden wir die einfache Form δL i ∂L δω φ = ωρσ Jρσ φ. ∂(∂μ φ) 2 ∂(∂μ φ)

(19.86)

μ

Die Subtraktion von Vω führt dann auf den Noether-Strom Jωμ =

ωρσ 2

 i

 ∂L Jρσ + (δρμ xσ − δσμ xρ )L . ∂(∂μ φ)

(19.87)

Hierin können die spinunabhängigen Terme durch den kanonischen Energie-Impulsμ μ Tensor (19.51) ausgedrückt werden – sie sind gleich xρ  σ −xσ  ρ . Für jeden reellen Parameter ωμν mit μ > ν erhalten wir einen kovariant erhaltenen Strom.

Noether-Ströme der Lorentz-Symmetrie

Die Noether-Ströme zur Lorentzinvarianz sind die 21 d(d − 1) Ströme J μρσ = −J μσρ in Jωμ =

1 ωρσ J μρσ , 2

J μρσ = x ρ μσ − x σ μρ + i

∂L S ρσ φ. (19.88) ∂(∂μ φ)

19.5 Lorentz-Transformationen und Drehimpuls

449

Die zugehörigen erhaltenen Noether-Ladungen sind  ρσ σρ Q = −Q = dx J 0ρσ .

(19.89)

t

Die Raum-Zeit- bzw. Raum-Raum-Komponenten haben die explizite Form    dx x i H − π x 0 ∂ i φ − iπ S 0i φ , Q i0 = 0 x   Qi j = dx π x i ∂ j φ − x j ∂ i φ + iS i j φ . (19.90) x0

Frage

Warum ist für ein Vektorfeld S μν = M μν ? Was wäre S μν für ein Tensorfeld φμν ? Eine Rechnung zeigt (siehe Aufgabe 19.7), dass diese Ladungen diejenigen LorentzTransformationen erzeugen, aus denen sie hervorgegangen sind, {φ, Q μν } = i J μν φ.

(19.91)

Dies ist das allgemeine Resultat (19.39), angewandt auf Lorentz-Transformationen. Beispiel: Elektrodynamik

In der Elektrodynamik ist S μν = M μν und die Noether-Ströme haben die Form J μρσ = ημρ x σ LED +

  1 μα σ ρ 1 F x ∂ Aα + F μσ Aρ − ρ ↔ σ . 2 2

(19.92)

Ähnlich wie μν sind diese nicht eichinvariant und müssen verbessert werden. Dazu ersetzen wir die J μρσ durch die verbesserten Ströme  1 μα  ρ σ x A − x σ Aρ = −Aαμρσ . F 2 (19.93) Weil Aμαρσ antisymmetrisch in (μ, α) ist, sind die J μρσ ebenfalls kovariant erhalten, und weil wir eine totale Divergenz addierten, ändern sich die erhaltenen Ladungen nicht. Die verbesserten Ströme können nun durch den verbesserten und eichinvarianten Energie-Impuls-Tensor in (19.71) ausgedrückt werden, J μρσ = J μρσ + ∂α Aμαρσ ,

Aμαρσ =

J μρσ = x ρ T μσ − x σ T μρ .

(19.94)

 Aufgabe

Beweisen Sie die einfache Formel (19.94). Ausgangspunkt könnte das Resultat (19.92) sein.

450

19

19.6

Relativistische Feldtheorien

Symmetrien in Quantenfeldtheorien

Für bosonische Felder, die nach Darstellungen der Lorentz-Gruppe transformieren, geschieht der Übergang von einer klassischen Feldtheorie zur entsprechenden Quantenfeldtheorie (QFT) mit Hilfe der Korrespondenzregel: Nach dieser werden dem klassischen Feld φ(x) und seinem kanonisch konjugierten Impulsfeld π(x) am ˆ Raumpunkt mit Koordinate x die Feldoperatoren φ(x) und πˆ (x) zugeordnet. Die Poisson-Klammer zwischen klassischen Feldern wird durch −i mal dem Kommutator der entsprechenden Feldoperatoren ersetzt. Insbesondere gehen die fundamentalen Poisson-Klammern (19.15) in folgende Kommutatoren über: [φ(x), π( y)] = iδ(x − y) , [φ(x), φ( y)] = [π(x), π( y)]) = 0.

(19.95)

Hier und im Folgenden unterdrücken wir den Hut über den Symbolen für die Operatoren, um die Notation einfach zu halten. Im Heisenberg-Bild wird die Evolution der Feldoperatoren durch die Bewegungsgleichungen i

d d φ(x) = [φ(x), H ] und i π(x) = [π(x), H ] dt dt

(19.96)

bestimmt. Man gewinnt den auftretenden Hamilton-Operator der QFT, indem man in der Hamilton-Funktion H (φ, π ) der klassischen Feldtheorie die Felder durch die entsprechenden Feldoperatoren ersetzt.4 Die Lösung der Bewegungsgleichungen (bei gegebenen Anfangsbedingungen) legt das Quantenfeld zu allen Zeitpunkten fest, φ(x) = φ(x 0 , x). Es wirkt auf Zustände im Hilbert-Raum H der QFT. Dieser kann ein Fockraum über einem Vakuumzustand |0 mit minimaler Energie sein. Das Theorem 57 von Wigner besagt nun, dass jede Symmetrie als linear unitäre (oder antilinear antiunitäre) Transformation auf die Zustandsvektoren wirkt. Für die Poincaré-Symmetrie bedeutet dies   φ(x) → D()φ −1 (x − a) = U (, a)φ(x)U −1 (, a),

(19.97)

mit unitärem Operator U , der von der Verschiebung a und der LorentzTransformation  (bzw. Spintransformation) abhängt. Für die Verschiebungen können wir den unitären Operator U (a) mit Hilfe des klassischen Ausdrucks (19.61) gewinnen, wenn wir die Poisson-Klammer in (19.58) durch −i mal dem Kommutator ersetzen, φ(x − a) = e−i ad a P φ, mit ad F G = [F, G].

4 Die

(19.98)

dabei auftretenden mathematischen Probleme, z. B. divergente Ausdrücke, werden an dieser Stelle nicht weiter erörtert.

19.6 Symmetrien in Quantenfeldtheorien

451

Entwickeln wir die Exponentialfunktion in Potenzen von a, dann erhalten wir 1 i [ a P, [ a P, φ]] + [ a P, [ a P, [ a P, φ]]] + . . . 2! 3! (19.99) = e−i a P φ ei a P , mit a P = a μ Pμ .

e−i ad a P φ = φ − i[ a P, φ] −

Aufgabe

Versuchen Sie, diese Identität zu beweisen. Der Vergleich von (19.98) mit (19.99) offenbart, dass φ(x − a) = U (a)φ(x)U −1 (a), mit U (a) ≡ U (1, a) = e−i a P .

(19.100)

Die infinitesimale Form der Transformation erhält man durch Vergleich der Ordnungen O(a), [Pμ , φ] = −i∂μ φ.

(19.101)

Eine ähnliche Vorgehensweise für die Lorentz-Transformationen führt auf die allgemeineren Beziehungen für Poincaré-Transformationen in (19.97). Kovarianz der Korrelationsfunktionen In einer relativistischen QFT kann der Zustand mit kleinster Energie – er wird Vakuumzustand genannt und mit |0 bezeichnet – keine negative Energie haben. Da eine negative Energie nach Wechsel des Inertialsystems beliebig negativ werden kann, wäre dies im Widerspruch zur Stabilität des Vakuums. Tatsächlich sollte der Vakuumzustand keine Energie, keinen Impuls und keinen Drehimpuls haben. Diese Forderung ist, wie wir weiter unten sehen werden, äquivalent zur Forderung, dass |0 unter Poincaré-Transformationen invariant ist, U (, a)|0 = |0 ⇐⇒ U −1 (, a)|0 = |0 .

(19.102)

In Einklang mit dem Äquivalenzprinzip sieht |0 in allen Inertialsystemen gleich aus. Für die Translationen in Raum und Zeit benutzen wir (19.100), um den Feldoperator bei x mit dem Feldoperator am Ursprung in Verbindung zu bringen: φ(0) = U (x)φ(x)U −1 (x) bzw. φ(x) = ei x P φ(0) e−i x P .

(19.103)

Für die Zweipunktsfunktion folgt dann aus der Translationsinvarianz des Vakuums (19.102) 0|φ(x)φ(y)|0 = 0| ei x P φ(0) e−i (x−y)P φ(0) e−i y P |0 = 0|φ(0) e−i (x−y)P φ(0)|0 = 0|φ(x − y)φ(0)|0 = W (x − y). (19.104) Dies drückt die Homogenität der Raumzeit aus.

452

19

Relativistische Feldtheorien

Die Zweipunktsfunktion transformiert auch kovariant unter Lorentz-Transformationen. Wir benutzen (19.97) in der Form U ()φ(x)U −1 () = D()φ(−1 x), U () ≡ U (, 0).

(19.105)

Für ein Skalarfeld mit D() = 1 folgt aus der Lorentz-Invarianz des Vakuums die Beziehung W (x) = 0|φ(x)φ(0)|0 = 0|φ(−1 x)φ(0)|0 = W (−1 x),

(19.106)

was die Invarianz der Zweipunktsfunktion unter Lorentz-Transformationen ausdrückt. Dagegen erfüllt die Zweipunktsfunktion eines Vektorfeldes Vμ (x) folgende Relation,   Wμν (x) ≡ 0|Vμ (x)Vν (0)|0 = μρ νσ Wρσ −1 x .

(19.107)

Diese Kovarianzbedingungen schränken die möglichen Formen der Zweipunktsfunktion erheblich ein. Ähnliche Einschränkungen existieren auch für höhere Korrelationsfunktionen. Frage

Wie lauten die Kovarianzbedingungen für die Zweipunktsfunktion S(x, y) = ¯ 0|ψ(x)ψ(y)|0 eines Dirac-Spinorfeldes? Wie findet man nun die infinitesimalen Erzeuger von inneren Symmetrien in einer QFT? Ausgangspunkt ist hier wieder das klassische Resultat, diesmal in der Form (19.39), zusammen mit dem Ersetzen der Poisson-Klammer durch den Kommutator, {φ, Q X } = δ X φ −→ [φ, Q X ] = iδ X φ.

(19.108)

Die letzte Relation bedeutet, dass Q X die infinitesimalen Symmetrien erzeugt, δ X φ = i [Q X , φ],

(19.109)

und die endlichen Symmetrietransformationen durch Exponentieren zustande kommen,   φ −→ U φ U −1 , (19.110) U = exp iQ X .

Erzeugende von Symmetrien

Die Generatoren Q X von Symmetrien in einer Quantentheorie gewinnt man, indem man in den klassischen Noether-Ladungen die Felder durch die zugehörigen Feldoperatoren ersetzt.

19.7 Aufgaben zu Kap.19

453

Je mehr Symmetrien eine relativistische QFT zulässt, desto mehr werden ihre Korrelationsfunktionen eingeschränkt. Wichtige Erweiterungen der Lorentz-Invarianz sind die konforme Symmetrie oder eine Supersymmetrie oder, mehr noch, die konforme Symmetrie zusammen mit einer Supersymmetrie. In extremen Fällen sind die Symmetrien derart groß, dass sie die Korrelationsfunktionen enorm einschränken oder sogar festlegen. Als Konsequenz haben derartige Theorien eine eingeschränkte Dynamik, die sogar mit Wechselwirkungen unverträglich sein kann. Bekannte Beispiele sind zweidimensionale konforme Feldtheorien, die in Kap. 21 besprochen werden.

19.7

Aufgaben zu Kap. 19

Aufgabe 19.1: Delta-Distribution Beweisen Sie die Identitäten f (y)δ  (x − y) = f (x)δ  (x − y) + ∂x f (x)δ(x − y), 2π i δ(ξ ) =

  1 1 1 1 dn − . − =⇒ 2π i n δ(ξ ) = (1) p p! ξ − i ξ + i dξ (ξ − i) p+1 (ξ + i) p+1

Aufgabe 19.2: Variationelle Ableitungen Es sei u(x) eine reelle Funktion der reellen Variablen x. Die erste und zweite variationelle Ableitung eines Funktionals F[u] sind definiert durch  F[u + δu] = F[u] +

dx

δF 1 δu(x) + δu(x) 2

 dxdy

δ2 F δu(x)δu(y) + O(δu 3 ). δu(x)δu(y)

Sei nun F[u] ein Funktional der Form  F[u] = dx f (u, u x , u x x , . . . ). Hierin ist u x die erste und u x x die zweite Ableitung von u nach x. Beweisen Sie, dass die erste variationelle Ableitung von F folgende Form hat: δF ∂f ∂f d ∂f d2 = − + − ... = δu(x) ∂u(x) dx ∂u x (x) dx 2 ∂u x x (x)



 (−1)n

n = 0,1,...

d dx

n

∂f . ∂u (n) (x)

Beweisen Sie nun, dass die zweite variationelle Ableitung von F wie folgt lautet: δ 2 F[u] = δ(x − y) δu(x)δu(y)

 m,n=0,1,...

  dn dm dm dn (−)n n f (nm) (x) m + (−)m m f (mn) (x) n . dx dx dx dx

454

19

Relativistische Feldtheorien

Dabei benutzten wir die Notation f (mn) (x) =

∂2 f . ∂u (m) (x)∂u (n) (x)

Bemerkung: Sie dürfen annehmen, die Funktion u(x) und alle ihre Ableitungen fallen für |x| → ∞ so schnell ab, dass bei der partiellen Integration keine Oberflächenterme auftreten. Aufgabe 19.3: Produktregel und Jacobi-Identität für Poisson-Klammer Punkte im Phasenraum einer klassischen Feldtheorie sind Feldkonfigurationen (φ(x), π(x)). Die Funktionale F[φ, π ] und G[φ, π ] seien Observablen einer klassischen Feldtheorie, d. h. Funktionen vom Phasenraum in die reellen Zahlen. Deren (Standard-)Poisson-Klammer ist    δG δG δF δF . − {F, G} = dx δφ(x) δπ(x) δπ(x) δφ(x) Beweisen Sie die Produktregel {F, G H } = G{F, H } + {F, G}H =⇒ {F G, H } = F{G, H } + {F, H }G. Es sei H [φ, π ] eine weitere Observable. Beweisen Sie die Jacobi-Identität {F, {G, H }} + {H , {F, G}} + {G, {H , F}} = 0. Hinweis: Die Argumente sind analog wie in der klassischen Mechanik. Der wesentliche Unterschied ist, dass in einer Feldtheorie die Anzahl Freiheitsgrade unendlich ist. Aufgabe 19.4: Ein integrables System Es sei u(x) eine reelle Funktion der Variablen x ∈ R und u x die erste, u x x die zweite usw. Ableitung von u nach x. Beweisen Sie, dass die Variationsableitung eines Funktionals F mit lokaler Dichte, F[u] = dx f (u, u x , u x x , . . . ), folgende Form hat: ∂f δF ∂f d ∂f d2 = − + 2 − ... δu(x) ∂u(x) dx ∂u x (x) dx ∂u x x (x) Definieren Sie nun folgende Klammer zwischen zwei Funktionalen,  δ F d δG . {F, G} = dx δu(x) dx δu(x) Beweisen Sie, dass dies eine Poisson-Klammer definiert, d. h. antisymmetrisch und bilinear ist und die Jacobi-Identität erfüllt. Die Hamilton-Funktion sei    H = dx u 3 + 21 u 2x .

19.7 Aufgaben zu Kap.19

455

Bestimmen Sie die hamiltonsche Bewegungsgleichung für u(t, x). Recherchieren Sie dann, ob es eine bekannte Gleichung der mathematischen Physik ist. Aufgabe 19.5: Erhaltungsgrößen Eine Symmetrie eines physikalischen Systems bedingt nach dem Noether-Theorem eine Erhaltungsgröße. Man bestimme die Symmetrien und die entsprechenden Erhaltungsgrößen folgender Systeme: • freies Teilchen in d Dimensionen, • Bewegung eines Planeten im Newtonschen Gravitationspotenzial eines schwarzen Lochs. Aufgabe 19.6: Lorentz-Invarianz der Elektrodynamik Beweisen Sie, dass die Lagrange-Dichte LED in (19.62) unter Translationen wie folgt transformiert: LED (x  ) = LED (x). Was folgt daraus für die infinitesimale Variation δa LED und warum folgt daraus die Invarianz der Wirkung? Aufgabe 19.7: Infinitesimale Drehungen Beweisen Sie die Relationen (19.91), die ausdrücken, dass die Noether-Ladungen Q μν in (19.88) die infinitesimalen Lorentz-Transformationen erzeugen. Aufgabe 19.8: Energie-Impuls-Tensor für reelles Skalarfeld I Hier bestimmen wir die Poisson-Klammern derjenigen Komponenten von Tμν ≡ μν in (19.53) (für ein Skalarfeld muss der Tensor nicht verbessert werden), die man ohne Gebrauch der Bewegungsgleichungen („off-shell“) durch Komponenten von Tμν ausdrücken kann. Man vermeidet Fehler, wenn man die räumlich geschmierten Energie- und Impulsdichten  Hf =

 dx f (x)T00 (0, x),

Pa =

dx a i (x)T0i (0, x)

(19.111)

betrachtet, worin die Testfunktionen f und a i genügend glatt und abfallend sein sollten, so dass partiell integriert werden darf. Bestätigen Sie zuerst folgende PoissonKlammern:  {H f , H f  } = dx T0i ( f ∂i f  − f  ∂i f ),    {Pa , H f } = dx T00 a i ∂i f + Ti j f ∂ i a j ,  i j {Pa , Pa  } = dx T0i (a j ∂ j a  − a  ∂ j a i ).

456

19

Relativistische Feldtheorien

Nach Elimination der Testfunktionen sollten Sie die Poisson-Klammern   {T00 (x), T00 ( y)} = − T0i (x) + T0i ( y) ∂ i δ(x − y),   {T00 (x), T0i ( y)} = T00 ( y)∂i − Ti j (x)∂ j δ(x − y),   {T0i (x), T0 j ( y)} = T0i (x)∂ j + T0 j ( y)∂i δ(x − y).

(19.112)

für Energie- und Impulsdichten erhalten. Aufgabe 19.9: Energie-Impuls-Tensor für reelles Skalarfeld II Wir wenden uns den verbleibenden Kommutatoren von Tμν zu. Diese Aufgabe ist relativ anspruchsvoll und soll für die Klammern {Ti j (x), T pq ( y)} begleitet werden. Definieren Sie dafür den räumlich geschmierten Spannungstensor,  Tb = dx bi j (x)Ti j (0, x), und zeigen Sie in einem ersten Schritt      ij   {Tb , Tb } = dx 2(bπ )∂i b ∂ j φ − (b∇b )(π ∇φ) − b ↔ b . Hier tritt die Spur b = bi j δi j auf (und analog für b ). Begründen Sie nun, dass das erste Integral mit Hilfe von partiellen Integrationen wie folgt geschrieben werden kann:     ij  dx (bπ )∂i b ∂ j φ = − dx ∂i bbi j π ∂ j φ − dx bbi j ∂i π ∂ j φ. Die Poisson-Klammer kann nun beinahe durch die Komponenten T0i = π ∂i φ ausgedrückt werden. Nur das letzte Integral mit ∂i π ∂ j φ kommt in Tμν nicht vor. Hier machen wir Gebrauch von den Bewegungsgleichungen (19.26). Zeigen Sie nun im dritten Schritt, dass aus diesen   T˙i j = ∂i π ∂ j φ + ∂i φ∂ j π + δi j π Δφ − 2π V  − ∇φ∇π folgt. Lösen Sie nach ∂i π ∂ j φ auf und setzen Sie das Resultat in {Tb , Tb } ein. Sie sollten folgende Poisson-Klammer erhalten:      {Tb , Tb } = dx 2bik ∂k b − b∂k b )T0k + b bi j T˙i j − b ↔ b . Berechnen Sie nun mit ähnlichen Argumenten die restlichen Poisson-Klammern    {H f , Tb } = dx 2 f π ∂i (bi j ∂ j φ) − f π ∇(b∇φ) − bπ ∇( f ∇φ) + 2 f bπ V     = − dx 2bi j ∂i f T0 j + f bi j T˙i j    {Pa , Tb } = dx 2a i ∂i φ ∂ p (b pq ∂q φ) − bπ ∂i (a i π ) − a i ∂i φ∇(b∇φ) + ba i ∂i V

19.7 Aufgaben zu Kap.19

457

Nach Elimination der Testfunktionen sollten Sie folgende Vertauschungsregeln erhalten:   {Ti j (x), T pq ( y)} = 2 T0i (x)δ pq ∂ j + T0 p ( y)δi j ∂q δ(x − y)     − T0k (x)∂k + T0k ( y)∂k δ(x − y) + δ pq T˙i j − δi j T˙ pq δ(x − y),   {T00 (x), Ti j ( y)} = T0i ( y)∂ j + T0 j ∂i δ(x − y) − T˙i j (x)δ(x − y). Aufgabe 19.10: Komplexes Skalarfeld Es sei φ ein komplexes Skalarfeld, welches die Klein-Gordon-Gleichung erfüllt. Die Wirkung ist    SM [φ] = d4 x ∂μ φ ∗ ∂ μ φ − m 2 φ ∗ φ . Finden Sie die zu φ und φ ∗ kanonisch konjugierten Impulsfelder. Berechnen Sie die Heisenberg-Gleichungen und zeigen Sie, dass diese auf die Klein-Gordon-Gleichung führen.

20

Eichtheorien

Die Symmetrieprinzipien haben in diesem Jahrhundert und insbesondere in den letzten Jahrzehnten eine neue Bedeutung erlangt; Es gibt Symmetrieprinzipien, die die Existenz aller bekannten Naturkräfte diktieren. Steven Weinberg

Alle fundamentalen Wechselwirkungen der Physik werden durch Eichtheorien modelliert: Dies sind die Maxwellsche Theorie, das Weinberg-Salam-Modell der elektroschwachen Wechselwirkung (welche die Maxwellsche Theorie inkludiert), die Quantenchromodynamik der starken Wechselwirkung und die Einsteinsche Theorie der Gravitation. Die elektromagnetische und gravitative Kraft sind langreichweitig, wogegen die schwache und starke Kraft kurzreichweitig sind. Das Standardmodell der Teilchenphysik modelliert alle (mikroskopischen) Wechselwirkungen mit Ausnahme der Gravitation. Es beschreibt die den Elementarteilchen zugeordneten Felder und deren Propagation im Minkowski-Raum. In diesem Kapitel werden wir sehen, dass Eichtheorien durch wenige Angaben – im Wesentlichen die Teilchensorten und Symmetrien – festgelegt sind. Bei den Symmetrien unterscheidet man zwischen den globalen Lorentz-Transformationen und inneren Symmetrien einerseits und den lokalen Eichsymmetrien andererseits. In diesem Kapitel besprechen wir das Eichprinzip, mit dessen Hilfe man eine globale Eichsymmetrie in eine lokale umwandeln kann. Dies gelingt allerdings nur, wenn man Eichpotenziale einführt, welche die Austauschteilchen der Wechselwirkung beschreiben. Im Standardmodell sind dies das Photon der elektromagnetischen Wechselwirkung, die W ± -Bosonen und das Z -Boson der elektroschwachen Wechselwirkung und die Gluonen der starken Wechselwirkung. In diesem Kapitel wählen wir wieder natürliche Einheiten, in denen c =  = 1 sind. Hermann Weyl hatte schon 1919 in einer Erweiterung der Allgemeinen Relativitätstheorie einen veränderlichen Längenmaßstab als Eichfaktor eingeführt [96]. In der Folgearbeit „Elektron und Gravitation“ im Rahmen der Quantenmechanik

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_20

459

460

20

Eichtheorien

formulierte er dann seine Eichtheorie im heutigen Sinn [97]. Das einfachste Beispiel einer Eichtheorie ist die Elektrodynamik mit abelscher Eichgruppe U(1). Eichtheorien mit nichtabelschen Eichgruppen wurden von C.N. Yang und R.L. Mills im Jahr 1954 vorgestellt [98]. Eine gut lesbare Einführung in Eichtheorien findet man im Buch [99], und eine schöne Übersicht mit Referenzen enthält der Artikel von L. O’Raifeartaigh und N. Straumann [100]. Ausführliche Darstellungen von klassischen und quantisierten Eichtheorien findet man z. B. in den Texten [85,101].

20.1

Eichtransformationen und minimale Kopplung

Erstmals sind Sie den Potenzialen in Ihrer Vorlesung über Elektrodynamik begegnet. Bei der Lösung der homogenen Maxwellschen Gleichungen wird man sehr natürlich auf Potenziale geführt, und deren Einführung scheint nur ein mathematischer Lösungstrick zu sein. Dass dies nicht der Fall ist, werden wir im Folgenden klarstellen. Wir beginnen mit den homogenen Maxwell-Gleichungen für das elektromagnetische Feld, ∂B = 0. (20.1) ∂t Diese werden durch Einführung eines Vektorpotenzials A und eines skalaren Potenzials ϕ gelöst, ∇·B=0 , ∇×E+

∂A − ∇ϕ. (20.2) ∂t Nun ergibt sich die scheinbare Schwierigkeit, dass verschiedene Potenziale zu identischen elektromagnetischen Feldern Anlass geben. Ersetzt man nämlich ϕ und A durch ∂λ (20.3) und A = A + ∇λ ϕ = ϕ − ∂t mit orts- und zeitabhängiger Funktion λ, so erhält man dieselben Felder E und B. B = ∇ × A,

E=−

Aufgabe

Rechnen Sie nach, dass ϕ  , A zu denselben elektromagnetischen Feldern führen wie ϕ, A. Die Transformationen (20.3) nennt man Eichtransformationen und λ(x) heißt Eichfunktion. Entsprechend nennt man die Konfigurationen φ, A und φ  , A eichäquivalent. Gemeinsam bilden das skalare und vektorielle Potenzial das 4er-Potenzial    0 ϕ A . (20.4) = (Aμ ) = A A

20.2 Eichkovariante Ableitung

461

In der relativistischen Notation nimmt die Eichtransformation (20.3) eine elegantere Form an, Aμ −→ Aμ = Aμ − ∂μ λ.

(20.5)

Eichtransformationen

Eine Transformation (20.5) mit beliebiger Eichfunktion λ(x) nennt man Eichtransformation. Die Potenziale Aμ und Aμ heißen eichäquivalent. Sie haben dieselben Eichfelder und sind physikalisch nicht unterscheidbar.

In der Literatur findet man sehr oft die Aussage, die Eichpotenziale enthielten mehr Information als die Eichfelder. Dabei dient fast immer der Aharonov-Bohm-Effekt als Argument. Dass diese Schlussfolgerung nicht zwingend ist, kann man z. B. in [102] nachlesen (für nichtabelsche Eichfeldtheorien ist der Sachverhalt noch etwas komplizierter). Beim Übergang von E, B nach Aμ hat man redundante Freiheitsgrade eingeführt, und deshalb entsprechen Klassen von Potenzialen demselben elektromagnetischen Feld. Man kann also ein 4er-Potenzial wie in (20.5) transformieren, ohne „die Physik zu ändern“. Diese Freiheit bei der Wahl des Potenzials kann man nutzen, um eine sogenannte Eichbedingung für das Potenzial zu fordern. Eine derartige Bedingung sollte immer mit Hilfe einer geeigneten Umeichung (20.5) erfüllbar sein und soll bei gegebenem elektromagnetischem Feld das Potenzial möglichst festlegen. Z. B. kann immer die Lorenz-Eichung ∂μ Aμ = 0 erfüllt werden, und in dieser Eichung vereinfachen sich die inhomogenen Maxwell-Gleichungen zu   ρ Aμ = j μ , ( j μ) = . (20.6) j Hier wird man auf die elektrische 4er-Stromdichte j μ geführt. Da j μ und Aμ Vektorfelder unter Lorentz-Transformationen sind, hat die Feldgleichung (20.6) in allen Inertialsystemen die gleiche Form.

20.2

Eichkovariante Ableitung

Die Hamilton-Funktion für ein geladenes Punktteilchen mit Ladung e in einem äußeren elektromagnetischen Feld enthält die Potenziale ϕ und A, H=

2 1  p − e A + eϕ. 2m

(20.7)

Sie führt auf die bekannte Lorentzsche Bewegungsgleichung für das geladene Punktteilchen. Man gewinnt sie, indem man in der Hamilton-Funktion des freien Teilchens

462

20

Eichtheorien

folgende minimale Kopplung (auch minimale Substitution genannt) vornimmt, E −→ E − eϕ ,

p −→ π = p − e A,

(20.8)

siehe Aufgabe 20.1. Ein äußeres elektromagnetisches Feld wird also inkludiert, indem man Energie und Impuls gemäß den Vorschriften (20.8) ersetzt. Erinnern wir uns daran, dass die Energie E und der räumliche Impuls p gemeinsam die Komponenten des 4er-Impulses p μ bilden, dann schreibt sich die minimale Kopplung (20.8) wie folgt: pμ −→ pμ − e Aμ .

(20.9)

Der Übergang von der klassischen Mechanik zur Quantenmechanik geschieht im Schrödinger-Bild und Ortsraum mit Hilfe der Korrespondenzregeln E −→ i∂t und p −→ −i∇. Kombinieren wir die minimale Kopplung mit den Korrespondenzregeln, dann erhalten wir die Ankopplung von Materiefeldern an ein elektromagnetisches Feld mit Hilfe der Ersetzungen   pμ −→ pμ − e Aμ −→ i ∂μ + ie Aμ ≡ iDμ .

(20.10)

Auf der rechten Seite steht die sogenannte kovariante Ableitung.

Kovariante Ableitung

Die Kopplung eines geladenen Teilchens ans elektromagnetische Feld geschieht durch Ersetzung der partiellen durch die kovarianten Ableitungen in der zugehörigen Feldtheorie, ∂μ −→ Dμ = ∂μ + ie Aμ .

(20.11)

Warum heißt die Ableitung kovariant? Um diese Frage zu beantworten, prüfen wir nach, wie sie sich ändert, wenn wir darin anstelle von Aμ das transformierte Aμ = Aμ − ∂μ λ einsetzen,   Dμ (A ) = ∂μ + ie Aμ = ∂μ + ie(Aμ − ∂μ λ) = eieλ ∂μ + ie Aμ e−ieλ . (20.12) Dies bedeutet, dass die kovariante Ableitung unter Eichtransformationen homogen transformiert, Dμ (A ) = g Dμ (A)g −1 , mit g(x) = eieλ(x) ∈ U(1).

(20.13)

Für jeden Raumzeitpunkt ist g(x) in der Gruppe U(1) und entsprechend die Funktion x → g(x) ein U(1)-wertiges Feld.

20.2 Eichkovariante Ableitung

463

In Abschn. 19.3 sahen wir, wie ein komplexes Skalarfeld, das spinlose geladene Teilchen der Ladung e beschreibt, unter globalen Eichtransformationen transformiert, φ(x) −→ φ  (x) = gφ(x), g = eieλ .

(20.14)

Global bezieht sich hier auf die Tatsache, dass g an allen Punkten im MinkowskiRaum denselben Wert annimmt. Die Lagrange-Dichte ist invariant unter globalen U(1)-Transformationen LM (φ) = ∂μ φ ∗ ∂ μ φ  − V (φ ∗ φ  ) = LM (φ  ),

(20.15)

und der zugehörige kovariant erhaltene Noether-Strom j μ wird als Dichte des elektrischen Stromes identifiziert. Man kann nun die globale Eichsymmetrie zu einer lokalen Eichsymmetrie erheben, wenn man partielle Ableitungen durch kovariante Ableitungen ersetzt, LM (φ, A) = (Dμ φ)∗ D μ φ − V (φ ∗ φ).

(20.16)

Wenn wir nun das Skalarfeld und das Eichpotenzial gleichzeitig mit einer orts- und zeitabhängigen (lokalen) Eichtransformation transformieren, φ  (x) = g(x)φ(x),

Aμ (x) = Aμ (x) − ∂μ λ(x),

g(x) = eieλ(x) ,

(20.17)

dann transformiert Dμ φ genauso wie φ unter lokalen Eichtransformationen, Dμ φ  = (g Dμ g −1 )(gφ) = g(Dμ φ), g = g(x).

(20.18)

Hier ist Dμ die mit dem transformierten Potenzial Aμ gebildete kovariante Ableitung.

Eichinvarianz von LM

Die Lagrange-Dichte (20.16), in der partielle durch kovariante Ableitungen ersetzt wurden, ist invariant unter den lokalen Eichtransformationen von φ und Aμ in (20.17).

Man kann eine globale Symmetrie also „lokal machen“, wenn man als neues Feld ein Vektorpotenzial Aμ , auch Eichpotenzial genannt, einführt1 .

1 Es

existieren Variationen dieser Konstruktion, z. B. für nichtlineare Sigma-Modelle, siehe z. B. [103].

464

20

Eichtheorien

In Übung 20.2 wird gezeigt, dass die Euler-Lagrange-Gleichung für die eichinvariante Lagrange-Dichte (20.16) mit V (φ ∗ φ) = μ2 φ ∗ φ die kovariante Klein-GordonGleichung ist, Dμ D μ φ + μ2 φ = 0.

(20.19)

Man gewinnt sie aus der Klein-Gordon-Gleichung (19.6) für das freie Feld, wenn man darin die gewöhnlichen durch die kovarianten Ableitungen ersetzt. Aufgabe

Überzeugen Sie sich selbst davon, dass wenn (φ, Aμ ) die Klein-GordonGleichung (20.19) erfüllen, es auch die eichtransformierten Felder (φ  , Aμ ) tun. Das neu eingeführte Vektorfeld Aμ wird, wie das ursprüngliche Materiefeld, propagieren. Seine Dynamik wird dabei durch eine noch zu findende Lagrange-Dichte bestimmt. Diese sollte invariant unter lokalen Eichtransformationen sein, da nur das elektromagnetische Feld – und nicht etwa das Potenzial – messbar ist. Zur Konstruktion dieser Lagrange-Dichte bestimmen wir zuerst den Kommutator von zwei kovarianten Ableitungen. Mit der Definition (20.11) ergibt sich   [Dμ , Dν ] = ie ∂μ Aν − ∂ν Aμ ≡ ieFμν ,

(20.20)

worin der in Abschn. 19.1 eingeführte antisymmetrische Feldstärketensor Fμν auftritt. Da die kovariante Ableitung homogen transformiert, siehe (20.13), haben die eichäquivalenten Potenziale Aμ und Aμ dieselbe Feldstärke, Fμν (A ) = Fμν (A). Die Wirkung der Elektrodynamik ist das Integral über die Lorentz- und eichinvariante Lagrange-Dichte LED (19.62).  SED [A] =

d4 x LED (A).

(20.21)

Ein Massenterm der Form μ2 Aμ Aμ ist in LED nicht erlaubt, da er nicht eichinvariant ist. Mit Hilfe der Variation des Feldstärketensors   δ Fμν = δ ∂μ Aν − ∂ν Aμ = ∂μ δ Aν − ∂ν δ Aμ

(20.22)

findet man nach einer partiellen Integration für die Variation der Wirkung 



δSED = ∂μ F μν . δ Aν (20.23) Die vollständige Wirkung für das System, bestehend aus Skalarfeld und Eichpotenzial, ist    (20.24) S[φ, A] = SED [A] + SM [φ, A] = d4 x LED (A) + LM (A, φ) , δSED = −

1 2

d4 x δ Fμν F μν =

d4 x δ Aν ∂μ F μν d. h.

20.2 Eichkovariante Ableitung

465

mit Lagrange-Dichte LM in (20.16). Mit Hilfe der variationellen Charakterisierung des Noether-Stroms in Aufgabe 20.4 nehmen die Euler-Lagrange-Gleichungen folgende einfache Form an, ∂μ F μν = j ν und Dμ D μ φ + μ2 φ = 0,

(20.25)

worin der Noether-Strom zu den (globalen) Eichtransformationen auftritt. Auf beiden Seiten der Gleichungen stehen Tensoren, so dass die Feldgleichungen in allen Inertialsystemen die gleiche Form haben. Der Feldstärketensor und der NoetherStrom sind beide eichinvariant, während Dμ D μ φ unter Eichtransformation genauso transformiert wie φ. Dies bedeutet, dass die Feldgleichungen eichinvariant bzw. eichkovariant sind. Gelten sie für eine Konfiguration (φ, Aμ ), dann gelten sie auch für jede eichäquivalente Konfiguration (φ  , Aμ ). Minimale Kopplung von geladenen Fermionen Dirac-Spinorfelder beschreiben geladene Fermionen mit Spin 21 und erfüllen die Dirac-Gleichung – für freie Teilchen ist dies die Gleichung (18.61). Sie ist die Euler¯ ∂/ − m)ψ in (19.43). Diese Dichte Lagrange-Gleichung zur Dichte LM (ψ) = ψ(i ist invariant unter globalen U(1)-Transformationen des Spinorfeldes ψ → eieλ ψ, welche Lösungen der Dirac-Gleichung in Lösungen überführt. Mit dem Theorem von Emmy Noether gehört zu dieser inneren Symmetrie die kovariant erhaltene Stromdichte j μ in (19.45). Diese „globale Eichinvarianz“ kann wieder zu einer lokalen Eichinvarianz erweitert werden, wenn wir ein Eichpotenzial einführen und partielle durch kovariante Ableitungen ersetzen.

Dirac-Gleichung im elektromagnetischen Feld

Die Dirac-Gleichung für ein geladenes Elektron im elektromagnetischen Feld lautet / = mψ, mit D / = γ μ Dμ , i Dψ

Dμ = ∂μ + ie Aμ .

(20.26)

Sie ist die Euler-Lagrange-Gleichung zur lorentzinvarianten Wirkung  SM [ψ, A] =

  / − m ψ. (20.27) d4 x LM (ψ, Aμ ), LM (ψ, Aμ ) = ψ¯ i D

Die Lagrange-Dichte LM ist invariant unter lokalen Eichtransformationen der Felder ψ(x) → eieλ(x) ψ(x) ,

Aμ (x) → Aμ (x) − ∂μ λ(x).

(20.28)

466

20

Eichtheorien

Die Wirkung des Gesamtsystems ist die Summe aus Maxwell- und Dirac-Term in (20.21, 20.27), S[ψ, A] = SED (Aμ ) + SM (ψ, Aμ ).

(20.29)

Sie ist Ausgangspunkt bei der Quantisierung der Elektrodynamik. Die quantisierte Elektrodynamik, kurz QED (für Quantenelektrodynamik) genannt, ist eine der erfolgreichsten und am besten getesteten physikalischen Theorien. Dabei sind die Photonen die Quanten des Aμ -Feldes und die Elektronen und Positronen die Quanten des ψ-Feldes.

20.3

Nichtabelsche Eichtheorien

Nichtabelsche Eichtheorien sind Theorien mit lokaler Eichinvarianz, wobei die Eichtransformationen an jedem Raumzeit-Punkt Elemente einer nichtabelschen Gruppe G sind. Im Standardmodell der Teilchenphysik treten nur die nichtabelschen Eichgruppen SU(2) und SU(3) auf. Es sei nun g ∈ G ein Element der Eichgruppe G und g → U (g) eine n-dimensionale Darstellung von G. Dann transformieren die Fermionen in einem Multiplett (einer Darstellung) von G unter globalen Eichtransformationen, ⎛ ⎞ ψ1 ⎜ .. ⎟ (20.30) ψ −→ U (g)ψ, ψ = ⎝ . ⎠ . ψn

Man beachte, dass jedes ψb mit b = 1, . . . , n ein vierkomponentiger Spinor ist. Die Eichtransformationen wirken nicht auf die Spinkomponenten α der ψb , sondern nur auf die Komponenten b. Für die Quarks der Quantenchromodynamik existieren drei Farbkomponenten b = 1, 2, 3 (zusätzlich gibt es noch die Flavor-Freiheitsgrade, die inert unter Eichtransformationen sind). Die Lagrange-Funktion für freie Fermionen mit gleichen Massen lautet   LM (ψ) = ψ¯ 1 ⊗ (i∂/ − m) ψ,

(20.31)

mit Dirac-konjugiertem Spinor ψ¯ = (ψ¯ 1 , . . . , ψ¯ n ), ψ¯ b = ψb† γ 0 . Die Einheitsmatrix 1 im Tensorprodukt 1 ⊗ (i∂/ − m) = diag(i∂/ − m, . . . , i∂/ − m)

(20.32)

20.3 Nichtabelsche Eichtheorien

467

wirkt im Farbraum und ∂/ wirkt im Spinraum. Im ersten Raum ist der freie DiracOperator proportional zur Einheitsmatrix und die Lagrange-Dichte LM ist deshalb invariant unter globalen Eichtransformationen ¯ −1 mit U = U (g), ψ −→ U ψ, ψ¯ −→ ψU

(20.33)

die nur im Farbraum wirken.

20.3.1 Lokale Eichinvarianz Wie im abelschen Fall wollen wir nun eine Theorie konstruieren, die unter lokalen Eichtransformationen g(x) ∈ G invariant ist. Wir betrachten wieder ein FarbMultiplett von Dirac-Spinoren, das unter der definierenden Darstellung U (g) = g einer Matrixgruppe transformiert, ψ(x) −→ g(x)ψ(x).

(20.34)

Wieder wird die lokale Eichinvarianz durch die minimale Kopplung an ein Eichpotenzial erreicht. Dabei ersetzen wir partielle durch kovariante Ableitungen mit Vektorpotenzial Aμ ,   ∂μ ψ −→ Dμ ψ = ∂μ + ie Aμ ψ. (20.35) Die kovariante Ableitung soll kovariant transformieren, d. h., Dμ ψ soll gleich transformieren wie ψ. Dies ist gleichbedeutend mit der Forderung   Dμ (A ) = g Dμ (A)g −1 =⇒ ie Aμ = g ∂μ + ie Aμ g −1 .

(20.36)

Daraus lesen wir die Eichtransformation des Eichpotenzials ab, i Aμ = g Aμ g −1 − g∂μ g −1 . e

(20.37)

Weil der letzte Term in der Lie-Algebra g von G liegt, ist es naheliegend, Aμ als Vektorfeld mit Werten in dieser Lie-Algebra aufzufassen (etwas genauer ist i Aμ in g). Dann liegt auch der erste Term g Aμ g −1 in g. Transformiert das Materiefeld nicht nach der definierenden, sondern einer beliebigen Darstellung g → U (g), dann ist seine kovariante Ableitung   Dμ ψ = ∂μ + ieU∗ (Aμ ) ψ.

(20.38)

Hier tritt das Eichpotenzial in der von U induzierten Abbildung U∗ der Lie-Algebra g auf.

468

20

Eichtheorien

Aufgabe

Zeigen Sie, dass die kovariante Ableitung (20.38) für ein Feld ψ in einer beliebigen Darstellung U der Eichgruppe wie folgt unter lokalen Eichtransformationen transformiert: Dμ (A ) = U (g)Dμ (A)U −1 (g).

(20.39)

Daraus ergibt sich nun unmittelbar die Eichinvarianz der Lagrange-Dichte   / − m ψ, LM (ψ) = ψ¯ i D

/ = γ μ Dμ . D

(20.40)

Es fehlt noch die nichtabelsche Verallgemeinerung von LED in (19.62). Diese muss invariant unter lokalen Eichtransformationen sein und für die Eichgruppe U(1) mit der Dichte LED übereinstimmen. Zu ihrer Konstruktion betrachten wir wie im abelschen Fall den Kommutator zweier kovarianten Ableitungen in der definierenden Darstellung:   [Dμ , Dν ] = [∂μ + ie Aμ , ∂ν + ie Aν ] = ie ∂μ Aν − ∂ν Aμ + ie[Aμ , Aν ] ≡ ieFμν . (20.41) Nach Konstruktion liegen die Komponenten Fμν des antisymmetrischen Feldstärketensors in der Lie-Algebra g. Aus dem Transformationsverhalten der kovarianten Ableitung in (20.39) liest man ab, wie diese Komponenten transformieren, Fμν (A ) = g Fμν (A)g −1 .

(20.42)

Im Gegensatz zur Elektrodynamik ist der Feldstärketensor also nicht mehr eichinvariant und transformiert nach der adjungierten Darstellung der Eichgruppe. Die Lorentz- und eichinvariante Wirkung für das Eichfeld Aμ hat nun die Form  SYM [A] =

  1 d4 x LYM (Aμ ), LYM (Aμ ) = − Sp F μν Fμν . 4

(20.43)

Sie ist eichinvariant, weil die Spur von F μν Fμν invariant unter Konjugationen (20.42) ist. Die Wirkung SYM beschreibt eine reine Yang-Mills-Theorie ohne Materiefelder und verallgemeinert die Wirkung der maxwellschen Theorie. Im nichtabelschen Fall ist die Feldstärke Fμν = ∂μ Aν − ∂ν Aμ + ie[Aμ , Aν ]

(20.44)

allerdings nichtlinear im Eichpotenzial, da sie den Kommutator zweier Potenziale enthält. Die Lagrange-Dichte enthält also Terme, die quadratisch, kubisch und quartisch im Potenzial sind. Die entsprechenden Feldgleichungen – die Yang-MillsGleichungen – sind deshalb nichtlineare partielle Differenzialgleichungen. Somit gilt in der nichtabelschen Theorie das Superpositionsprinzip der linearen MaxwellTheorie nicht mehr.

20.3 Nichtabelsche Eichtheorien

469

Das Eichpotenzial und die Feldstärke sind g-wertig und können nach einer Basis {X a } von g entwickelt werden, a Aμ = Aaμ X a und Fμν = Fμν Xa.

(20.45)

Die Beziehungen (20.44) lauten für die Komponenten des Feldstärketensors a Fμν = ∂μ Aaν − ∂ν Aaν − e f bc a Abμ Acν ,

(20.46)

worin die reellen Strukturkonstanten der Lie-Algebra auftreten.

Die Wirkung von Eichtheorien mit Fermionen

Die Bewegungsgleichungen einer nichtabelschen Eichtheorie für Fermionen sind die Euler-Lagrange-Gleichungen der lorentz- und eichinvarianten Wirkung  S[ψ, A] = SYM [A] + SM [ψ, A] =

 d x LYM (Aμ ) + 4

d4 x LM (ψ, Aμ ) (20.47)

mit den Lagrange-Dichten (20.43) und (20.40).

Eine Eichtheorie ist fixiert durch Angabe der Eichgruppe G, der Darstellungen der Materiefelder, der universellen Kopplungskonstante e in der kovarianten Ableitung und weiterer Parameter im Materiesektor. Im Weinberg-Salam-Modell der elektroschwachen Wechselwirkung sind Letztere die Parameter im Higgs-Potenzial, in der CKM-Matrix oder den Yukawa-Kopplungen.

20.3.2 Infinitesimale Eichtransformationen Wir wollen nun annehmen, das Gruppenelement g sei nahe der Eins und entwickeln g = eieX ≈ 1 + ieX =⇒ g −1 ≈ 1 − ieX .

(20.48)

Bis auf den Faktor i liegt X in der Lie-Algebra g der Eichgruppe, kurz Eichalgebra genannt. Physiker haben eine Vorliebe für hermitesche Matrizen, und deshalb schreiben wir gern ein i in der Entwicklung (20.48). Diese Entwicklung setzen wir in (20.34) und in (20.37) ein und erhalten bis zur linearen Ordnung in X die Transformationsregeln φ  = gφ ≈ φ + ieX φ i Aμ = g Aμ g −1 − g ∂μ g −1 ≈ Aμ − ie[Aμ , X ] − ∂μ X , e

(20.49)

470

20

Eichtheorien

woraus wir die infinitesimalen Änderungen der Felder ablesen, δφ = ieX φ und δ Aμ = −∂μ X − ie[Aμ , X ] ≡ −Dμ X .

(20.50)

Aus (20.42) ergibt sich unmittelbar die infinitesimale Änderung des Felstärketensors, δ Fμν = ie[X , Fμν ].

(20.51)

In abelschen Eichtheorien verschwinden alle Kommutatoren und Fμν ist eichinvariant. Aufgabe

Zeigen Sie, dass die Variation der Feldstärke die einfache Form (20.51) hat. Für unitäre Eichgruppen sind die X hermitesche Matrizen2 , für die (X , Y ) = Sp(X Y ) ein Skalarprodukt definiert. Wir wählen eine Basis X a mit (X a , X b ) = δab .

(20.52)

Entwickeln wir die g-wertigen Felder nach dieser Basis und setzen die Entwicklungen in die Transformationsformeln (20.50) und (20.51) ein, dann erhalten wir folgende infinitesimale Transformationen der Felder, a b c δ Aaμ = −(Dμ λ)a = −∂μ λa + e f abc Abμ λc und δ Fμν = e f abc Fμν λ .

(20.53)

Die Eichinvarianz der Lagrange-Dichte LM führt auf die eichkovariante Erhaltung der Stromdichten (auch Eichströme genannt) Jaμ ≡ −

∂ LM . ∂ Aaμ

(20.54)

Zum Beweis berechnen wir die Variation der Materiewirkung unter einer beliebigen Eichtransformation – diese Variation muss ja verschwinden – und benutzen dabei das Resultat (20.53) für die Änderung des Potenzials und die Bewegungsgleichung δSM /δφ = 0,

 δSM =

d4 x

∂ LM ∂ Aaμ



 δ Aaμ = −

d4 x Jaμ δ Aaμ =



  d4 x Jaμ ∂μ λa − e f abc Abμ λc = 0.

Wir nehmen an, λa verschwände im räumlich und zeitlich Unendlichen, damit wir partiell integrieren dürfen. Dann ergibt sich (Dμ J μ )a = ∂μ Jaμ − e f ab c Abμ Jcμ = 0.

2 Die

(20.55)

infinitesimalen Erzeugenen sind antiunitär, aber mit dem Faktor i in (20.48) sind die X hermitesch.

20.3 Nichtabelsche Eichtheorien

471

Für Aμ = 0 sind die Eichströme gleich den erhaltenen Noether-Strömen, die zu den μ globalen Eichtransformationen gehören, ∂μ (Ja | A=0 ) = 0. Beispiel: Eichströme für Skalarfelder und Diracfelder

Ein Diracfeld hat folgende Lagrange-Dichte und Eichströme: ¯ D / − m)ψ, LM (ψ, Aμ ) = ψ(i

¯ μ X a ψ. Jaμ (ψ) = eψγ

(20.56)

Für skalare Felder haben Lagrange-Dichte und Eichströme die Form LM (φ, Aμ ) = (Dμ φ)† D μ φ + V (φ † φ),

Jaμ (φ) = −ie(D μ φ, X a φ) + h.c (20.57)



20.3.3 Feldgleichungen Wir betrachten eine allgemeine Eichtheorie für skalare Teilchen und Dirac-Fermionen und nehmen dabei an, dass die Materiefelder nach der definierenden Darstellung der Eichgruppe transformieren. Die einfache Verallgemeinerung für Materie in beliebigen Darstellungen wird danach diskutiert. Nach passender Wahl der Eichgruppe und Darstellungen für die Materieteilchen erhält man die Eichtheorie der elektroschwachen bzw. der starken Wechselwirkung. Die Lagrange-Dichte enthält drei Terme: den Yang-Mills-Term, den Beitrag der Skalarfelder und denjenigen der Fermionen: 1 L = LYM (Aμ )+ LM (φ, Aμ )+ LM (ψ, Aμ ), LYM (Aμ ) = − Faμν Faμν , (20.58) 4 wobei die Dichten LM in (20.57) und (20.56) angegeben wurden. Eine mögliche Yukawa-Wechselwirkung zwischen Fermionen und Skalaren wurde hier noch nicht berücksichtigt. Das Higgs-Potenzial in LM (φ, Aμ ) muss eichinvariant sein, V (gφ) = V (φ). Aufgabe

Beweisen Sie folgende Variationen,  δSYM [A] = δ Aaμ (Dμ F μν )a ,    ∂V  − δ Aaμ Jaμ (φ), δSM [φ, A] = − δφ, D 2 φ + ∂φ †   ¯ / − m)ψ + h.c. − δ Aaμ Jaμ (ψ). δSM [ψ, A] = δ ψ(i D μ

(20.59)

Diese enthalten die Stromdichten Ja der skalaren Felder und Dirac-Spinorfelder in (20.54).

472

20

Eichtheorien

Feldgleichungen einer Eichtheorie

Die Feldgleichungen für die Theorie mit Lagrange-Dichte (20.58) sind die Yang-Mills(YM)-Gleichung, die kovariante Klein-Gordon-Gleichung und die kovariante Dirac-Gleichung: (Dμ F μν )a = Jaν (φ) + Jaν (ψ), ∂V D μ Dμ φ + = 0, ∂φ † / − m)ψ = 0. (i D

(20.60)

Für eine nichtabelsche Eichtheorie sind die YM-Gleichungen im materiefreien Raum Dμ F μν = 0 nichtlineare partielle Differenzialgleichungen, deren Lösungen man nicht alle kennt.

20.4

Quantenchromodynamik (QCD)

Die QCD beschreibt die starke Wechselwirkung und ist eine Eichtheorie mit Eichgruppe SU(3). Ihre elementaren Bausteine der Materie sind die Quarks, aus denen Mesonen und Baryonen zusammengesetzt sind. Es existieren 6 Quarksorten: UpQuarks, Down-Quarks, Strange-Quarks, Charm-Quarks, Bottom-Quarks und TopQuarks. Die Quarks sind Fermionen mit Spin 21 . Ihre Massen und einige ihrer Quantenzahlen sind in der Tab. 20.1 angegeben. Man beachte die Massenhierarchie: Up-, Down- und Strange-Quarks sind wesentlich leichter als Charm-, Top- und Bottom-Quarks. Betrachten wir nur die drei leichten Flavors – die schweren kommen in der Natur kaum vor –, dann kann man deren Massen in einer ersten Näherung gleichsetzen, m u = m d = m s . In dieser Näherung sind die Lagrange-Dichten der drei Flavors identisch, LM (ψ, Aμ ) =



ψ¯ f



  / − m ⊗ 1 f ψ, / − m ψ f = ψ¯ i D iD 

f =u,d,s

⎛ ⎞ u ψ = ⎝d ⎠ . s

(20.61)

Tab. 20.1 Die 6 Quarks haben sehr unterschiedliche Massen. Angegeben sind die elektrische Ladung e und Massen der Teilchen. Jedes Quark in dieser Tabelle kommt noch in 3 Farben vor. Die Massen stammen von der Particle Data Group [104] Generation

Name

Symbol

e

Masse

1 1 2 2 3 3

Up Down Charm Strange Top Bottom

u d c s t b

2 3 - 13 2 3

2,16 MeV/c2 4,67 MeV/c2 1,27 GeV/c2 93 MeV/c2 172,76 GeV/c2 4,18 GeV/c2

− 13 2 3

− 13

20.4 Quantenchromodynamik (QCD)

473

Abb. 20.1 Die Oktetts der pseudoskalaren Mesonen mit J P = 0− und Baryonen mit J P = 1/2+ . Die Flavor-Symmetry ist nur approximativ realisiert, da die Quarks unterschiedlich schwer sind. Deshalb haben die Hadronen in einem Multiplett auch etwas unterschiedliche Massen

Die letzte Schreibweise macht deutlich, dass für gleiche Quarkmassen die LagrangeDichte eine globale UV (3)-Flavor-Symmetrie aufweist. Der Index V deutet darauf hin, dass es sich um eine vektorielle Symmetrie (dieser Begriff wird nach Gleichung (20.68) erklärt) handelt. Die drei leichten Quarks transformieren nach der fundamentalen Darstellung 3 der UV (3): ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ u u ⎝d ⎠ −→ UV ⎝d ⎠ , UV ∈ UV (3), (20.62) s s während ihre Antiteilchen nach der komplex konjugierten Darstellung 3¯ transformieren. Ein gebundener Zustand aus einem Quark und einem Antiquark transformiert dann gemäß 3 ⊗ 3¯ = 8 ⊕ 1 bzw.



=



,

(20.63)

und deshalb sollten Oktetts und Singuletts von Mesonen existieren. Ein gebundener Zustand von drei Quarks transformiert dagegen wie 3 ⊗ 3 ⊗ 3 = 10 ⊗ 8 ⊗ 8 ⊗ 1, und deshalb sollten die Baryonen als Singuletts, Oktetts oder Dekupletts auftreten. Da die Teilchen in einem irreduziblen Multiplett über die (approximative) FlavorSymmetrie verbunden sind, sollten sie (ungefähr) gleiche Masse haben. Die Hadronen lassen sich tatsächlich sehr gut in dieses idealisierte Drei-Flavor-Modell einordnen. In Abb. 20.1 werden das Mesonen-Oktett und das Baryonen-Oktett gezeigt. Vernachlässigen wir die Massen der leichten Quarks und setzen m u = m d = m s = 0 – man spricht vom chiralen Limes –, dann existiert eine erweiterte FlavorSymmetrie. In diesem Fall zerfällt LM (ψ, Aμ ) in zwei Terme: eine Dichte für linkshändige und eine für rechtshändige Quarks. Um dies einzusehen, zerlegen wir das Spinorfeld des Up-Quarks, u = u R + u L , u R,L = PR,L u, mit PR = 21 (1 + γ5 ), PL = 21 (1 − γ5 ), (20.64)

474

20

Eichtheorien

mit orthogonale Projektoren PR , PL mit PR PL = PL PR = 0 und PR + PL = 1. Diese enthalten die hermitesche Matrix γ5 = iγ 0 γ 1 γ 2 γ 3 . Aufgabe

/ PR = PL D / PL = 0 sowie u¯ R = PR u = u¯ PL und Zeigen Sie die Relationen PR D u¯ L = PL u = u¯ PR . Aus diesen Beziehungen folgt nun die Zerlegung / R + u¯ L Du / L, / = u¯ R Du u¯ Du

(20.65)

und mit den gleichen Zerlegungen für die d und s Quarks folgt dann für drei masselose Quarks / ⊗ 1 f )ψ R + iψ¯ L ( D / ⊗ 1 f )ψ L , ψ R,L LM (ψ, Aμ ) = iψ¯ R ( D

⎛ ⎞ u R,L = ⎝d R,L ⎠ . (20.66) s R,L

Im chiralen Limes ist LM also invariant unter globalen U R (3) × U L (3) FlavorTransformationen ψ R −→ U R ψ R und ψ L −→ U L ψ L ,

U R , U L ∈ U(3).

(20.67)

Eine dazu äquivalente Parametrisierung der Symmetrie ist     ψ → UV PR + UV PL ψ, ψ → U A PR + U A−1 PL ψ,

UV , U A ∈ U(3). (20.68) Die Transformation mit UV heißt vektoriell, da sie gleichermaßen auf rechts- und linkshändige Fermionen wirkt. Die Transformation mit U A heißt axial, da sie auf rechts- und linkshändige Fermionen entgegengesetzt wirkt. Jede unitäre Matrix kann gemäß U = eiλ V mit det V = 1 zerlegt werden. Diese Zerlegung führt zur Identifikation von U(3) mit SU(3) × U(1)/Z3 , siehe Aufgabe 8.4. Dies bedeutet, dass im chiralen Grenzfall die Flavor-Rotationen die Symmetriegruppe SU R (3) × U R (1) × SU L (3) × U L (1)

(20.69)

bilden (modulo diskreter Untergruppe). Im Allgemeinen sind nicht alle globalen Symmetrien einer klassischen Feldtheorie in der quantisierten Theorie realisiert – ein Beispiel ist die axiale U A (1) in der QCD. Die sogenannte U A (1)-Anomalie ist verantwortlich dafür, dass die QCD eine etwas verminderte Symmetrie zulässt.

20.4 Quantenchromodynamik (QCD)

475

QCD im chiralen Grenzfall

Im chiralen Limes von drei masselosen Quarks besitzt die QCD neben der lokalen Eichinvarianz die globale Flavor-Symmetrie SUV (3) × SU A (3) × UV (1).

(20.70)

Der letzte Symmetriefaktor führt zur Erhaltung der Baryonenzahl.

Dies ist allerdings noch nicht die ganze Wahrheit. Wäre nämlich (20.70) die Symmetrie-Gruppe der QCD im chiralen Grenzfall, dann müssten die Mesonen und Baryonen in Multipletts dieser Gruppe auftreten. Tatsächlich treten sie nur in Multipletts der kleineren Gruppe SUV (3) auf. Die axiale SU A (3) ist im Massenspektrum der gebundenen Zustände nicht sichtbar. Tatsächlich ist sie nicht realisiert, weil sie spontan gebrochen ist. In der QCD wird ein skalares Kondensat gebildet, ähnlich der spontanen Magnetisierung in einem Ferromagneten, und dieses Kondensat bricht die axiale SU A (3) vollständig. Schlussendlich erinnern wir daran, dass die FlavorSymmetrie in der Natur nur näherungsweise realisiert ist. Die Quarks sind weder masselos noch gleich schwer. Mehr dazu findet man z. B. in [105].

20.4.1 Die QCD ist eine SU(3)-Eichtheorie Die Quarks sind eigentümliche Teilchen: Ihre elektrischen Ladungen sind nichtganzzahlige Vielfache der Elementarladung und sie sind in der Natur noch nie beobachtet worden. Freie Quarks gibt es demnach nicht als asymptotische Teilchen, die im Detektor nachgewiesen werden können. Sie treten nur in gebundenen Zuständen auf, dies sind die Mesonen und Baryonen. Dieses sogenannte Confinement von Quarks wird durch ihre gegenseitige starke Wechselwirkung erklärt. Die QCD ist eine Eichtheorie mit Eichgruppe SUc (3) (nicht mit der approximativen Flavor-Symmetrie SUV (3) verwechseln!), und die Gluonen – dies sind die Teilchen, die durch das Vektorpotenzial beschrieben werden – sind für das Confinement verantwortlich. Jedes der sechs Quarks kommt in 3 Farben (colours) vor,3 also z. B. gibt es ein Farb-Multiplett von drei Up-Quarks oder ein Farb-Multiplett von drei Down-Quarks, ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ur dr (20.71) (u a ) = ⎝u g ⎠ , (da ) = ⎝dg ⎠ , . . . ub db

3 „The

idiot physicists, unable to come up with any wonderful Greek words anymore, call this type of polarization by the unfortunate name of color,‘ which has nothing to do with the color in the ’ normal sense.“ R. Feynman in [106].

476

20

Eichtheorien

Ein Up-Quark kann also rot, grün oder blau oder nach den Regeln der Quantentheorie irgendeine Superposition dieser drei Farben sein. Die Mischung der Farben geschieht mit einer SUc (3)-Transformation ψ −→ Uc ψ, ψ = u, d, s, . . . , Uc ∈ SUc (3).

(20.72)

Insgesamt existieren also 6 Tripletts, also 18 verschiedene Quarks. Die Eichsymmetrie ist lokal und exakt, im Gegensatz zur approximativen globalen Flavor-Symmetrie. Alle 6 Flavors transformieren nach der fundamentalen Darstellung 3 von SUc (3) ψ f ,a :

a ∈ {1, 2, 3} : Farb-Index,

f ∈ {u, d, c, s, t, b} : Flavor-Index.

Das su(3)-wertige Vektorpotenzial beschreibt die 8 Gluonen, Aμ = Aaμ X a ,

a = 1, . . . 8.

(20.73)

Nun folgt man den Regeln in Abschn. 20.3, um die Lagrange-Dichte der QCD gewinnen: LQCD

nf 8 3   1 a 2   ψ¯ f ,a i∂/δ ab − eγ μ Acμ X cab − δ ab m j ψ f ,b . =− (Fμν ) + 4 a=1

f =1 a,b=1

(20.74) Nach Konstruktion ist diese Dichte invariant unter lokalen SUc (3)-Eichtransformationen. Für gleiche Quarkmassen ist sie zudem invariant unter FlavorTransformationen.

20.4.2 Infinitesimale Flavor-Symmetrien und spontane Symmetriebrechung Der Tab. 20.1 entnimmt man, dass die Up-, Down- und Strange-Quarks relativ kleine Massen haben. Deshalb hat LM (ψ, Aμ ) neben der lokalen Eichsymmetrie die approximative chirale Symmetrie (20.69). Zu dieser (klassischen) Symmetrie gehören 18 kovariant erhaltene Noether-Ströme. Bezeichnen wir die spurlosen und hermiteschen Generatoren der globalen Flavor-SUV (3) mit T f , f = 1, . . . , 8, dann haben diese die Form ¯ μ ψ, J μ = ψγ

μ ¯ μ T f ψ, J f = ψγ

μ ¯ μ γ5 ψ, J5 = ψγ

5μ ¯ μ γ5 T f ψ. J f = ψγ (20.75) Man beachte, dass die Erzeugenden T f der Flavor-Gruppe und die Erzeugenden X a der Eichgruppe in verschiedenen Räume wirken. Die Noether-Ladung zum UV (1)μ Strom J μ ist die Baryonenzahl. Die Ladungen zu den SUV (3)-Strömen J f erzeugen die Vektorsymmetrie.

20.5 Weinberg-Salam-Modell

477

Wie wir gesehen hatten, ist im Spektrum der Hadronen die (approximative) Vektorsymmetrie SUV (3) sichtbar. Die SU A (3) ist dagegen nicht realisiert, weil sie spontan gebrochen wird: Im chiralen Grenzfall ist der Vakuumzustand der QCD zwar invariant unter vektoriellen Transformationen, nicht aber unter axialen. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass die zugehörigen Noether-Ladungen den Vakuumzustand annihilieren (invariant lassen) bzw. nicht invariant lassen, Q f |0 = 0 aber Q 5f |0 = 0,

f = 1, . . . , 8.

(20.76)

Nach dem wichtigen Goldstone-Theorem existieren dann im chiralen Limes 8 masselose Anregungen, die sogenannten Goldstone-Bosonen. Für 3 masselose Flavors sind dies die Teilchen im Mesonen-Oktett in Abb. 20.1. In Realität sind π ± , π 0 , K ± , K 0 , K¯ 0 , η zwar relativ leicht, aber nicht masselos, weil auch die leichten Quarks nicht masselos sind. Man nennt diese Mesonen auch Pseudo-GoldstoneBosonen. Zusätzlich sind die leichten Quarks verschieden schwer, und dies gibt Anlass zu einer Massenaufspaltung innerhalb des Oktetts. Wegen der axialen Anomaμ lie ist der axiale Strom J5 nicht mehr kovariant erhalten wie in der klassischen Theorie. Diese Anomalie ist der Prototyp für viele Anomalien in Quantenfeldtheorien.

20.5

Weinberg-Salam-Modell

Das Modell von Weinberg und Salam beschreibt höchst erfolgreich die elektroschwache Wechselwirkung, die z. B. für den β-Zerfall des Neutrons verantwortlich ist. Die schwach wechselwirkenden Materieteilchen sind die Leptonen, die Quarks und das Higgs-Teilchen. Quarks und Leptonen kommen in drei Familien vor, wie in Tab. 20.2 gezeigt. Die erste Familie enthält das Up- und Down-Quark, das Elektron und das Elektronen-Neutrino. Bis auf die Masse sind die Familien identisch und es genügt im Folgenden, nur die Mitglieder der ersten Familie zu berücksichtigen. Die Eichgruppe ist die vierdimensionale halbeinfache Lie-Gruppe SU L (2) × UY (1). Entsprechend existieren 4 Eichpotenziale Aaμ : SU L (2) − Eichfelder,

B μ : UY (1) − Eichfeld,

(20.77)

welche die Eichbosonen W ± , Z 0 , γ der elektroschwachen Wechselwirkung beschreiben. Diese vermitteln die Kraft zwischen den Materieteilchen. Etwas ungewöhnlich ist die Tatsache, dass rechts- und linkshändige Fermionen nach verschiedenen Darstellungen der Eichgruppe transformieren. Tab. 20.2 Die drei Familien der Materie (Fermionen), die Eichbosonen und das Higgs-Teilchen. Bis auf die Gluonen g nehmen alle an der elektroschwachen Wechselwirkung teil

I II II u d νe e

c s νμ μ

t b ντ τ

γ g Z0 W±

H

478

20

Eichtheorien

Leptonen und Quarks der ersten Familie im Weinberg-Salam-Modell

Die rechtshändigen Fermionen e R , u R , d R

(20.78)

sind SU(2)-Singuletts, während die linkshändigen Fermionen SU(2)-Dubletts sind,     uL νeL , . (20.79) eL d L Man beachte, dass rechtshändige Neutrinos im Standardmodell nicht vorkommen.

Das downartige Quark d  ist Eigenzustand der schwachen Wechselwirkung. Dieser ist aber nicht der von Detektoren gemessene Massen-Eigenzustand d. Ähnliches gilt für die Quarks s und b. Den Übergang zwischen der Masseneigenbasis d, s, b und der Eigenbasis der schwachen Wechselwirkung d  , s  , b liefert die Cabibbo-KobayashiMaskawa-Matrix (CKM-Matrix). Die linkshändigen Fermionen transformieren nach der definierenden zweidimensionalen Darstellung der Eichgruppe SU L (2). Z. B. wirkt der schwache Isospin, dieser wird durch den Generator τ3 in der Lie-Algebra darstellt, wie folgt auf das Up-Quark:     1 +u L uL . (20.80) τ3 u R = 0, τ3  = dL 2 −d L Die Mitglieder jedes Multipletts tragen dieselbe UY (1)-Hyperladung Y , und die elektrische Ladung eines Fermions berechnet sich nach der Formel von Gell-Mann und Nishijima gemäß 1 Q = τ3 + Y . (20.81) 2 Für Fermionen der ersten Familie ergibt sich dann die Zuordnung der Quantenzahlen Y , Q in Tab. 20.3: Die Kopplungskonstante der UY (1) sei g  und diejenige der SU(2) sei g. Dann sind die kovarianten Ableitungen der rechts- und linkshändigen Fermionen gegeben Tab. 20.3 Die Fermionen der ersten Familie mit ihren elektrischen und Hyperladungen

Y Q

 νeL eL

 uL d L

−1

 0 −1

1 3 1 3

2 −1



eR

uR

dR

−2

4 3

− 23

−1

2 3

− 31

20.5 Weinberg-Salam-Modell

479

durch   g Dμ ψ R = ∂μ + i y Bμ ψ R , 2

  g g Dμ ψ L = ∂μ + i y Bμ + i Aaμ τa ψ L , 2 2 (20.82) worin die Hyperladung y des betreffenden Multipletts erscheint. Damit bildet man nun den eichinvarianten fermionischen Anteil der Lagrange-Dichte, LM (ψ, Aμ ) = iψ¯ R γ μ Dμ ψ R + iψ¯ L γ μ Dμ ψ L ,

welcher eine (nicht explizit geschriebene) Summe über die Multipletts der ersten Familie einschließt. Ein expliziter Massenterm für die Fermionen kommt hier nicht vor. Higgs-Mechanismus Fermionen und drei der vier Eichbosonen erhalten ihre Masse über den nach Peter Higgs benannten Mechanismus. Dieser benötigt ein Skalarfeld, das im WeinbergSalam-Modell ein komplexes SU(2)-Dublett mit Hyperladung Y = 1 ist,     1 φ3 + iφ4 Y =1 1 , Q = . (20.83) φ=√ 0 2 φ1 + iφ2 Die kovariante Ableitung des Skalarfeldes ist entsprechend   g g Dμ φ = ∂μ + i Bμ + i Aaμ τa φ. 2 2

(20.84)

Die Fermionen und Eichbosonen erhalten eine Masse über ihre Wechselwirkung mit den skalaren Teilchen, die bei tiefen Temperaturen kondensieren, ähnlich den Cooper-Paaren in Supraleitern. Die Kondensation rührt von der Selbst-Wechselwirkung der skalaren Teilchen, beschrieben durch die eichinvariante LagrangeDichte LM (φ, Aμ ) = (Dμ φ)† D μ φ − V (φ).

Das quartische Potenzial mit einer negativen Konstante vor dem

(20.85) φ 2 −Term

V (φ) = −c2 φ † φ + λ(φ † φ)2 hat am Ursprung ein lokales Maximum. Ein entsprechendes „Mexican Hat“-Potenzial für φ ∈ C (und nicht C2 wie im Weinberg-Salam-Modell) ist in Abb. 20.2 gezeigt. Alle Minima des Potenzials sind mögliche klassische Grundzustände (Vakuumzustände). Wir wählen davon einen elektrisch neutralen aus, und die Zuordnung der Ladungen in (20.83) legt folgende Wahl nahe:   1 0 . (20.86) φ = √ 2 v

480

20

Eichtheorien

Abb. 20.2 Ein Mexican-Hat-Potenzial für ein komplexes Skalarfeld

Frage

Welche Untergruppe von SU(2) × UY (1) lässt den Grundzustand (20.86) invariant? Der Vakuum-Erwartungswert (20.86) ist nicht mehr invariant unter allen Eichtransformationen, sondern nur noch unter Eichtransformationen in der Stabilisatorgruppe von φ . Diese ist eine U(1)-Untergruppe der Eichgruppe. Derart wird die ursprüngliche Eichsymmetrie zu der abelschen Eichsymmetrie U(1) gebrochen, SU L (2) × UY (1) −→ U Q (1).

(20.87)

Am Minimum des Potenzials ist der quadrierte Vakuum-Erwartungswert gleich v 2 /2. Massenerzeugung Wir zerlegen das Skalarfeld in seinen Kondensatanteil φ und die Quantenfluktuationen weg vom Kondensat, φ −→ φ + φ,

(20.88)

und setzen diese Zerlegung in die Lagrange-Dichte LM ein. Entwickeln wir bis zur quadratischen Ordnung in den Quantenfeldern, dann können wir die Massen der von ihnen beschriebenen Teilchen ablesen, zumindest in der semiklassischen Näherung. So hat das Quadrat der kovarianten Ableitung des Skalarfeldes die Entwicklung (Dμ )† (D μ φ) = ∂μ φ † ∂ μ φ +

1 A 2 μ A M (v)A B + . . . , 2 μ AB

(20.89)

woraus man die Massen der Vektorbosonen Aaμ = (A1μ , A1μ , A3μ , Bμ )

(20.90)

20.6 Aufgaben zu Kap.20

481

abliest. Dazu müssen wir die auftretende Massenmatrix ⎛ 2 ⎞ g 0 0 0 2 v2 ⎜ 0 0 ⎟ ⎜0 g ⎟ M 2 (v) = 2 −gg  ⎠ ⎝ 0 0 g 2 0 0 −gg  g 2 diagonalisieren.

Massen der Eichbosonen

Die Massenmatrix hat folgende Eigenzustände und Eigenwerte: 1 2 2 g v , 4 1 Z : m 2 = v 2 (g 2 + g 2 ), 4 A : m 2 = 0 (Photon).

W ± : m2 =

(20.91)

Drei der vier Eichbosonen erhalten eine Masse von der Ordnung gv, und ein Eichboson bleibt masselos. Letzteres wird mit dem Photon identifiziert. Um die Masse der Fermionen abzulesen, entwickeln wir die YukawaWechselwirkung zwischen Skalarfeld und Fermionen bis zur quadratischen Ordnung, LYuk (φ, ψ) = γe

  νeL φ e R + · · · ∝ (γe v) e L e R + . . . eL

(20.92)

Es folgt, dass die Fermionen über den Higgs-Mechanismus eine Masse proportional zum Produkt von Vakuum-Erwartungswert v und Yukawa-Kopplung γ erhalten. Man beachte, dass die Neutrinos masselos bleiben, da die erste Komponente des Kondensats φ verschwindet.

20.6

Aufgaben zu Kap. 20

Aufgabe 20.1: Hamiltonsche Bewegungsgleichung für ein geladenes Punktteilchen Zeigen Sie, dass die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen für ein Punktteilchen mit Hamilton-Funktion (20.7) auf die Lorentzschen Bewegungsgleichungen für den Ort des Teilchens führen.

482

20

Eichtheorien

Aufgabe 20.2: Klein-Gordon-Gleichung im äußeren elektromagnetischen Feld Zeigen Sie, dass die Euler-Lagrange-Gleichung zur Lagrange-Dichte (20.16) mit V (φ ∗ φ) = μ2 φ ∗ φ folgende Form hat, Dμ D μ φ + μ2 φ = 0. Darin ist Aμ ein äußeres Feld und φ wird variiert. Aufgabe 20.3: Bianchi-Identität Beweisen Sie die Bianchi-Identität a a a + Dν Fρμ + Dρ Fμν = 0. Dμ Fνρ

Überzeugen Sie sich davon, dass für ein U(1)-Eichfeld die Bianchi-Identität den beiden Maxwell-Gleichungen divB = 0 und rotE = −∂t B entspricht. Aufgabe 20.4: Noether-Strom für ein minimal gekoppeltes Skalarfeld Wir betrachten ein minimal gekoppeltes komplexes Skalarfeld mit Lagrange-Dichte (20.16). • Rechnen Sie nach, dass der Eichstrom folgende Form hat:   J μ = −ie (Dμ φ)† φ − φ † Dμ φ . • Die Lagrange-Dichte ist eichinvariant, LM ( eiλ φ, Aμ − i∂μ λ) = LM (φ, Aμ ), Zeigen Sie nun, dass daraus folgende alternative Formel für den Noether-Strom folgt: ∂ LM (φ, Aμ )  δSM [φ, A]  =− . J μ (x) = −   A=0 ∂ Aμ δ Aμ (x) A=0 Aufgabe 20.5: Massenterm für Eichbosonen Man zeige, dass ein Massenterm 21 m 2 Aaμ Aaμ für die nichtabelschen Eichfelder nicht invariant unter SU(N )-Eichtransformationen ist. Aufgabe 20.6: Chern-Simons-Theorie Betrachten Sie ein reelles Vektorfeld Bμ in einer dreidimensionalen Raumzeit mit Wirkung    1 S = d3 x − G μν G μν + g μνρ Bμ ∂ν Bρ , 4 mit total antisymmetrischem Tensor  μνρ ( 012 = 1), reeller Kopplungskonstante g und Feldstärketensor G μν = ∂μ Bν − ∂ν Bμ . 1. Ist die Wirkung invariant unter Eichtransformationen Bμ → Bμ = Bμ − ∂μ α? 2. Wie lauten die Bewegungsgleichungen? 3. Drücken Sie diese durch die duale Feldstärke G˜ μ = 21  μνρ G νρ aus. Kommt Ihnen das Ergebnis bekannt vor?

21

Konform-invariante Feldtheorien

Das Hebelgesetz der Physik lehrt uns: Wenn Du weißt, wo Du ansetzen musst, kannst Du mit geringer Kraft viel bewegen. Achim Reichert

Die Gruppe der Poincaré-Transformationen wurde in den Abschn. 5.5 und 14.6 eingehend untersucht. Nun wenden wir uns einer wichtigen Erweiterung der PoincaréGruppe zu – der konformen Gruppe. Diese enthält alle winkeltreuen Abbildungen im Minkowski-Raum. In mehr als zwei Dimensionen ist die Gruppe endlichdimensional und enthält die Lorentz-Transformationen, Verschiebungen, Streckungen, speziell konformen Abbildungen und die Inversion. In zwei Raumzeit-Dimensionen ist die Gruppe unendlichdimensional. Wir ignorieren hier eventuelle Schwierigkeiten, die bei der Definition der Komposition zweier solcher (nur lokal definierter) Abbildungen auftreten können. Konform invariante Feldtheorien, kurz konforme Feldtheorien genannt, sind Feldtheorien mit der konformen Gruppe als Symmetriegruppe. Es sind sehr spezielle relativistische Feldtheorien. Die meisten physikalischen Modelle besitzen eine charakteristische Längenskala – deren Inverses als kleinste Masse im System identifiziert wird – und sind deshalb nicht invariant unter Skalentransformationen (Streckungen) und damit auch nicht konform invariant. Umgekehrt sind Theorien mit nur masselosen Teilchen gute Kandidaten für skaleninvariante Modelle. Z. B. ist die klassische Elektrodynamik konform invariant. Skaleninvarianz beobachtet man auch bei Systemen in der Nähe eines kontinuierlichen Phasenübergangs. Wir beginnen mit der Diskussion der konformen Symmetrie und charakterisieren danach konforme Feldtheorien. Besondere Aufmerksamkeit widmen wir Theorien in 1 + 1 Dimensionen, da diese in neueren Entwicklungen eine zentrale Rolle einnehmen. Konforme Feldtheorien in 1 + 1 Dimensionen haben die Virasoro-Algebra

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4_21

483

484

21

Konform-invariante Feldtheorien

als unendlichdimensionale Symmetriealgebra [107]. Manche gestatten eine noch größere Symmetriealgebra, z. B. eine Kac-Moody-Algebra [108]. Ausführliche Darstellungen von konformen Feldtheorien und deren Symmetriealgebren findet man in [109,110] und vielen weiteren Texten. Diese Theorien finden Anwendung in der Statistischen Physik und insbesondere der Theorie der kritischen Phänomene, zweidimensionalen Quantenfeldtheorien sowie in der Teilchenphysik und der Stringtheorie. Strukturelle und mathematische Eigenschaften von konformen Feldtheorien sind Gegenstand der Monographie [111]. Die historische Entwicklung von konformen Transformationen und Symmetrien wird von einem Pionier des Forschungsgebiets in [112] skizziert.

21.1

Konforme Abbildungen

Im euklidischen Raum haben Längen und Winkel die aus der euklidischen Geometrie bekannten Eigenschaften. Wie in der euklidischen Geometrie definiert man im Minkowski-Raum die quadrierte „Länge“ eines Vektors ξ gemäß ξ 2 = (ξ, ξ ) = ημν ξ μ ξ ν . Für raumartige Vektoren ist ξ 2 aber negativ. Ähnlich nennen wir eine lineare Abbildung ξ → J ξ im Minkowski-Raum M „winkeltreu“, wenn für zwei beliebige Vektoren ξ, ζ gilt (J ξ, J ζ ) = λ2 (ξ, ζ ) =⇒ J T η J = λ2 η.

(21.1)

Wegen der Polarisationsformel genügt es, diese Bedingung für ζ = ξ zu fordern. Frage

Wie können Sie aus der Kenntnis aller (ξ, ξ ) das Produkt (ξ, ζ ) gewinnen? Für den Streckungsfaktor λ = 1 ist J eine Lorentz-Transformation. Im Folgenden benutzen wir die Begriffe Länge und Winkel im beschriebenen Sinn. Beispiel: Lineare konforme Abbildung im zweidimensionalen Minkowski-Raum

Im zweidimensionalen Minkowski-Raum hat die Matrix einer linearen konformen Abbildung die Form   cosh α sinh α J =λ . sinh α cosh α In der folgenden Abbildung sind die Bilder der Vektoren (cos nπ/6, sin nπ/6) mit n = 0, 1, . . . , 11 unter der konformen Abbildung ξ → J ξ für die Parameterwerte λ = 2 und α = 0.5 gezeigt.

21.1 Konforme Abbildungen

485

 Wir beginnen mit der geometrischen Definition von konformen Abbildungen im d-dimensionalen Minkowski-Raum. Eine im Allgemeinen nichtlineare Abbildung x μ → y μ = y μ (x ν )

(21.2)

heißt konform, wenn ihre Tangentialabbildung winkeltreu ist. In anderen Worten: Sind ξ und ζ die Tangentialvektoren von zwei sich bei x schneidenden Kurven, dann erhält eine konforme Abbildung (21.2) den Winkel zwischen diesen Vektoren1 . Nach dem soeben Gesagten ist dies gleichbedeutend mit (J ξ, J ξ ) = e2σ (x) (ξ, ξ ), wobei J μα =

∂ yμ ∂xα

(21.3)

die Jacobi-Matrix der Abbildung (21.2) am Punkt x ist. Diese Matrix ist bis auf einen Skalenfaktor eσ die Matrix einer im Allgemeinen orts- und zeitabhängigen Lorentz-Transformation, J (x) = eσ (x) (x).

Konforme Abbildung

Eine Abbildung ist konform, wenn sich das lorentzinvariante Längenelement nur bis auf einen (im Allgemeinen x-abhängigen) Faktor ändert, ημν dy μ dy ν = ημν

1 Wir

∂ yμ ∂ yν dx α dx β = e2σ (x) ηαβ dx α dx β . ∂xα ∂xβ

benutzen dieselbe Notation wie in Abschn. 5.5.

(21.4)

486

21

Konform-invariante Feldtheorien

Unter konformen Abbildungen im Minkowski-Raum werden lichtartige Vektoren in lichtartige Vektoren bzw. Lichtkegel in Lichtkegeln abgebildet. Aufgabe

Zeigen Sie, dass für die Umkehrabbildung y μ → x μ (y α ) gilt ηαβ

∂xα ∂xβ = e−2σ (y) ημν . ∂ yμ ∂ yν

(21.5)

Dies bedeutet, dass sie ebenfalls winkeltreu mit konformem Faktor e−σ ist. Endliche konforme Abbildungen x μ → y μ (x) können Punkte in M bis ins Unendliche oder raumartig getrennte in zeitartig getrennte Punkte abbilden. Lüscher und Mack [113] konnten allerdings zeigen, dass die Überlagerung M˜ = S d−1 × R von M eine globale kausale Struktur besitzt und die universelle Überlagerungsgruppe der konformen Gruppe darauf unter Beachtung der kausalen Struktur operiert2 . Das Problem mit der Kausalität rührt also daher, dass man versucht hatte, die verschiedenen Blätter von M in M˜ zu identifizieren. Für infinitesimale, von einem Vektorfeld X (x) erzeugte konforme Abbildungen in der Nähe der identischen Abbildung y μ ≈ x μ + X μ (x) =⇒

∂ yμ ∂ Xμ ≈ δ μα + ≡ δ μα + X μ,α α ∂x ∂xα

(21.6)

treten derartige Probleme nicht auf. Für die identische Abbildung verschwindet σ in (21.3), und deshalb ist für infinitesimale konforme Abbildungen e2σ ≈ 1 + 2σ . Nun entwickeln wir die zweite Beziehung in (21.4) bis zur ersten Ordnung und erhalten ηαβ + X α,β + X β,α = ηαβ + 2σ ηαβ .

(21.7)

Man sieht hier, dass die symmetrisierte Ableitung von X proportional zu ηαβ sein muss. Nimmt man die Spur dieser Beziehung, dann findet man σ =

2 1 ∂ρ X ρ =⇒ X α,β + X β,α = ηαβ ∂ρ X ρ . d d

Die letzte Beziehung ist die konforme Killing-Gleichung.

2 Überlagerungen

und Überlagerungsgruppen wurden in Abschn. 8.4.2 diskutiert.

(21.8)

21.1 Konforme Abbildungen

487

Konformes Killing-Vektorfeld

Konforme Abbildungen werden durch konforme Killing-Vektorfelder X μ erzeugt. Diese erfüllen die konforme Killing-Gleichung X μ,ν + X ν,μ =

2 ημν (∂ρ X ρ ). d

(21.9)

Verschwindet der Quellterm auf der rechten Seite, dann heißt X μ Killing-Vektorfeld. Für diese verschwindet nach (21.8) die Funktion σ und die Abbildung (21.2) ist längenerhaltend.

21.1.1 Konforme Abbildungen in d ≥ 3 Dimensionen In d > 2 Dimensionen existiert nur eine endliche Anzahl unabhängiger Lösungen der konformen Killing-Gleichung. Zum Beweis formen wir die zweiten Ableitungen von divX = ∂ρ X ρ um: (21.9)

∂μ ∂ν (∂ ρ X ρ ) = ∂μ ∂ ρ (∂ν X ρ + ∂ρ X ν − ∂ρ X ν ) = ∂μ ∂ ρ

2 d

ηνρ divX − ∂ρ X ν



2 = ∂μ ∂ν divX − (∂μ X ν ). d Da der Ausdruck symmetrisch in den Indizes μ und ν ist, gilt auch   (21.9) 1 1  − 1 ∂μ ∂ν (divX ) =  ∂μ X ν + ∂ν X μ = ημν (divX ). d 2 d

2

(21.10)

Nehmen wir noch die Spur dieser Matrixgleichung, dann folgt (d − 1)(divX ) = 0.

(21.11)

Dies bedeutet, dass in d = 1 Dimensionen divX eine harmonische Funktion3 ist. Wegen (21.10) verschwinden dann in mehr als 2 Dimensionen alle zweiten Ableitungen ∂μ ∂ν (divX ). Deshalb ist divX eine lineare und entsprechend X μ eine quadratische Funktion der Koordinaten, 1 μ μ μ X μ = a μ + bμα x α + c αβ x α x β , mit c αβ = c βα . 2

3 Ähnlich

(21.12)

wie die Begriffe Länge und Winkel übernehmen wir den Begriff „harmonisch“ aus dem Euklidischen und nennen eine Lösung von φ = 0 eine harmonische Funktion.

488

21

Konform-invariante Feldtheorien

Setzen wir diese X μ in die konforme Killing-Gleichung (21.9) ein, dann finden wir bμν + bνμ + (cμνα + cνμα )x α =

2 ημν (bρρ + cρρα x α ). d

Ein Koeffizientenvergleich macht klar, dass der antisymmetrische Anteil ωμν von bμν unbestimmt ist und der symmetrische Anteil proportional zum metrischen Tensor sein muss, bμν = ωμν + λημν . Ähnlich zerlegt man cμνα in einen in den zwei ersten Indizes symmetrischen und antisymmetrischen Anteil und folgert cμνα = 2ημν cα + ωμνα , mit ωμνα = −ωνμα , und konstantem Vektor cμ . Da cμνα nach (21.12) symmetrisch in den zwei letzten Indizes sein muss, ergibt sich schlussendlich cμνα = 2(ημν cα + ημα cν − ηνα cμ ).

Konformes Killing-Vektorfeld

In d ≥ 3 Dimensionen hat ein konformes Killing-Vektorfeld die Form  X μ = a μ +ωμν x ν +λx μ + 2(c·x)x μ −x 2 cμ , mit ωμν = −ωνμ . (21.13) Es ist durch die Werte der Parameter (a μ , ωμν , λ, cμ ) bestimmt, und deshalb ist die Anzahl unabhängiger Vektorfelder d+

d(d − 1) (d + 2)(d + 1) +1+d = . 2 2

(21.14)

Jedes konforme Killing-Vektorfeld erzeugt eine endliche konforme Abbildung y(x) wie in Tab. 21.1 angegeben: Die Inversion an der Pseudoeinheitssphäre im Minkowski-Raum, bestehend aus den raumartigen Hyperboloiden t 2 − x 2 = 1 und dem zeitartigen Hyperboloid (der Pseudokugel) t 2 − x 2 = −1, hat die Form x μ →

xμ (x, x)

(21.15)

und ist ebenfalls eine konforme Abbildung. Aber sie kehrt die Orientierung um und liegt deshalb nicht in der Zusammenhangskomponente der identischen Abbildung.

21.1 Konforme Abbildungen

489

Tab. 21.1 Die konformen Abbildungen in d > 2 Dimensionen. Angegeben sind die konformen Killing-Vektorfelder X μ , die zugehörigen endlichen konformen Abbildungen y(x) und deren konformer Faktor eσ . Wir benutzen die Abkürzung N = 1 − 2(c, x) + c2 x 2 Abbildung

X μ (x)

y(x)

eσ (x)

Translationen LorentzTransformationen Dilatation Spezielle konforme Transformationen





1 1

ω

μ α



λx μ 2(c · x)x μ − x 2 cμ

μ

+ aμ

α x α , = eω eλ x μ 1 μ 2 μ N (x − x c )

eλ 1 N

Beispiel: Inversion im zweidimensionalen Minkowski-Raum

Unter einer Inversion werden die Koordinatenlinien (t, x0 ) und (t0 , x) in die Kurven 1 1 (t, x0 ) und 2 (t0 , x) 2 2 t − x0 t0 − x 2 abgebildet. In der folgenden Abbildung sind die Weltlinien (t, x0 ) von ruhenden Objekten mit x0 in {0.4, 0.65, 1, 2} und deren Bildkurven gezeigt. Punkte im Vorwärts- und Rückwärtslichtkegel werden an den Pseudo-Sphären gespiegelt. Punkte, die relativ zum Ursprung raumartig sind, werden wegen (x, x) < 0 zusätzlich am Ursprung gespiegelt.

 Mit Hilfe der Inversion kann man die speziellen konformen Abbildungen gewinnen. Dazu betrachtet man eine Inversion, gefolgt von einer Translation mit anschließender

490

21

Konform-invariante Feldtheorien

Inversion, x μ →

xμ x μ − x 2 cμ xμ → − cμ  → . (x, x) (x, x) N

(21.16)

Die Inversion ist singulär auf dem Lichtkegel. Das Problem kann durch Erweiterung des Definitionsbereiches durch einen Nullkegel, der im Unendlichen hinzugefügt wird, gelöst werden. Für konforme Abbildungen im euklidischen Raum genügt es, einen Punkt im Unendlichen hinzuzufügen.

21.1.2 Konforme Abbildungen in d = 2 Dimensionen In zwei Raumzeit-Dimensionen ist divX immer noch eine harmonische Funktion, aber aus (21.10) können wir nicht mehr folgern, dass die zweiten Ableitungen von divX verschwinden. Deshalb enthält die Menge der konformen Abbildungen deutlich mehr Elemente als in höheren Dimensionen. Die Struktur und Eigenschaften von konformen Abbildungen in zwei Dimensionen werden klarer nach Einführung von Lichtkegelkoordinaten, x ± = x 0 ± x 1,

∂± =

1 (∂0 ± ∂1 ), 2

η+− = η−+ =

1 . 2

(21.17)

In diesen Koordinaten vereinfacht sich die konforme Killing-Gleichung (21.9) zu ∂− X + = ∂+ X − = 0,

(21.18)

und deshalb ist jedes Vektorfeld mit Lichtkegelkomponenten {X + , X − } = {X + (x + ), X − (x − )} ein konformes Killing-Vektorfeld. Aufgabe

Zeigen Sie, dass in 1+1 Dimensionen die konforme Killing-Gleichung äquivalent zu (21.18) ist. Als Basis für die konformen Killing-Vektorfelder wählt man die Monome, X n+ (x + ) = (x + )n ,

X n− (x − ) = (x − )n ,

n = 0, 1, 2, 3, . . .

(21.19)

Ein Blick auf Tab. 21.1 verrät, dass die in allen Raumzeit-Dimensionen auftretenden Translationen, Lorentz-Transformationen, Dilatationen und speziellen konformen Abbildungen durch die in x μ konstanten, linearen und quadratischen X μ erzeugt werden. In 2 Dimensionen erzeugen diese 6 konformen Killing-Vektorfelder die Lie-Gruppe SO(2, 2) ∼ = SL(2, R) × SL(2, R) der Möbius-Transformationen x ± −→ y ± =

a ± x ± + b± , c± x ± + d ±

 ± ± a b ∈ SL(2, R). c± d ±

(21.20)

21.2 Konform invariante Feldtheorien (CFT)

491

Tab. 21.2 Die konformen Abbildungen in SL(2, R) × SL(2, R) (letzte Spalte) mit zugehörigen konformen Killing-Vektorfeldern (zweite Spalte) Abbildungen

X ± (x)

y ± (x)

Translationen Lorentz-Transformationen Dilatationen Spezielle konforme Transformationen

a± ±ωx ± λx ± 4d ± (x ± )2

x ± + a± e±ω x ± eλ x ±  −1 x ± 1 − 4d ± x ±

Als Funktionen der Lichtkegelkoordinaten sind sie in der Tab. 21.2 gelistet. Eine allgemeine von den konformen Killing-Vektorfeldern X + (x + ) und X − (x − ) erzeugte endliche konforme Abbildung hat die Form x + → y + (x + ) und x − → y − (x − ).

(21.21)

Diese Abbildungen definieren die ∞-dimensionale Gruppe der konformen Transformationen in 1 + 1 Dimensionen. Sie enthält die Möbius-Transformationen als Untergruppe. Die Lie-Algebra der konformen Gruppe untersuchen wir in Abschn. 21.2, wenn wir deren Wirkung auf Felder einer relativistischen Feldtheorie studieren. Dort werden wir auch die Vertauschungsrelationen der konformen Algebra explizit berechnen.

21.2

Konform invariante Feldtheorien (CFT)

Skaliert man in einem physikalischem System ohne intrinsische Längenskala – man spricht von einem skaleninvarianten System – alle Längen mit einen Faktor eλ , so ändern sich dessen Eigenschaften nicht. Es zeigt sich, dass viele skaleninvariante Theorien sogar invariant unter der unendlichdimensionalen Gruppe der konformen Abbildungen ist. Dies ist insbesondere für unitäre, relativistische und skaleninvariante Theorien (mit diskretem Spektrum der Skalendimension) in zwei RaumzeitDimensionen der Fall [113,114].

21.2.1 Weyl-invariante Feldtheorien Es existiert eine konstruktive Charakterisierung von konformen Feldtheorien (in Teilen folgen wir hier den Ausführungen in [115]). Man kann nämlich zeigen, dass klassische Feldtheorien, die kovariant und Weyl-invariant ans Gravitationsfeld – kodiert im metrischen Tensor gμν der gekrümmten Raumzeit – gekoppelt werden können, konform invariante Theorien im Minkowski-Raum definieren. Z. B. würde ein Massenterm die Weyl-Invarianz zerstören. Wir beginnen mit der Weyl-Invarianz von allgemein kovarianten Feldtheorien.

492

21

Konform-invariante Feldtheorien

Weyl-invariante Feldtheorien

Eine Feldtheorie heißt Weyl-invariant, wenn ihr Feld so an das Gravitationsfeld gekoppelt werden kann, dass die Wirkung invariant unter WeylTransformationen der Metrik gμν (y) → e2σ (y) gμν (y)

(21.22)

und Weyl-Transformationen des Feldes φ(y) → e−wφ σ (y) φ(y)

(21.23)

mit Weyl-Gewicht wφ ist,     S e2σ (y) gμν (y), e−wφ σ (y) φ(y) = S gμν (y), φ(y) .

(21.24)

Wird die Materie durch mehrere Felder beschrieben, dann haben diese im Allgemeinen verschiedene Weyl-Gewichte.

Beispiel: Elektrodynamik in 4 Dimensionen

Man kann ein Materiefeld allgemein kovariant an das Gravitationsfeld koppeln, indem man partielle Ableitungen von Tensorfeldern durch kovariante Ableitungen ersetzt und Tensoren mit gμν bzw. g μν anstelle von ημν bzw. ημν verjüngt. Des √ Weiteren wird mit dem invarianten Volumenelement −g dd x über die Raumzeit integriert, worin g = det(gμν ) ist. Wenden wir diese Vorschriften auf (20.21) an, dann führt dies auf die unter allgemeinen Koordinatentransformationen invariante Wirkung der maxwellschen Elektrodynamik, S[gμν , Aμ ] = −

1 4



√ d4 x −g g μν g αβ Fμα Fνβ ,

Fμν = ∇μ Aν − ∇ν Aμ .

(21.25) Im Ausdruck für den antisymmetrischen Feldstärketensor Fμν darf man die kovarianten durch die gewöhnlichen Ableitungen ersetzen. Die Wirkung (21.25) ist Weyl-invariant, wenn wir dem Vektorpotenzial (und Feldstärketensor) das WeylGewicht 0 zuordnen, S[ e2σ gμν , Aμ ] = −

1 4

d4 x ( e4σ

√ −g)( e−2σ g μν )( e−2σ g αβ )Fμα Fνβ = S[gμν , Aμ ].

(21.26) Wir haben benutzt, dass die Determinante det (gμν ) das Weyl-Gewicht 8 hat. Die in Kap. 20 eingeführten klassischen Yang-Mills-Theorien sind gleichfalls Weylinvariant. In d = 4 Dimensionen sind sie es allerdings nicht mehr. 

21.2 Konform invariante Feldtheorien (CFT)

493

Frage

Masselose Skalarfelder und Dirac-Spinorfelder können in beliebigen Dimensionen kovariant und Weyl-invariant an das Gravitationsfeld gekoppelt werden. Was sind ihre Weyl-Gewichte? Nun kommen wir zu den Diffeomorphismen, die in lokalen Koordinaten die Form (21.2) haben. Unter einem Diffeomorphismus transformieren die kovarianten Komponenten eines Tensorfeldes gemäß φμν... (x) =

∂ yα ∂ yβ · · · φαβ... (y). ∂xμ ∂xν

(21.27)

Die konforme Invarianz im Minkowski-Raum kann nun wie folgt begründet werden [115]: 1. Im ersten Schritt wählen wir neue Koordinaten im Minkowski-Raum. Dabei transformieren ηαβ und φαβ als Tensorfelder,

dy μ dy ν dy μ dy ν x α , ηαβ , φαβ... (x) −→ y α , α β ημν , α β · · · φμν... (y) . (21.28) dx dx dx dx

Für eine allgemein kovariante Theorie ist die Wirkung S[gμν , φ] unter dieser Koordinatentransformation invariant. Ist nun x → y eine konforme Abbildung, dann gilt nach (21.4) dy μ dy ν ημν = e2σ (x) ηαβ , dx α dx β

(21.29)

so dass die transformierte Metrik in (21.28) bis auf einen konformen Faktor e2σ gleich der Minkowski-Metrik ist. 2. Im zweiten Schritt bringen wir mit einer kompensierenden Weyl-Transformation (21.22) mit konformem Faktor e−2σ die Metrik wieder in Minkowski-Form,

y μ , e2σ ηαβ ,

dy μ dy ν dy μ dy ν · · · φμν... (y) −→ y μ , ημν , ewφ σ (x) α β · · · φμν... (y) . α β dx dx dx dx

(21.30)

Für eine Weyl-invariante Feldtheorie ist die Wirkung dann auch invariant unter der Transformation (21.30), welche wieder auf die ursprüngliche Minkowski-Metrik führt. Führen wir also zuerst die Koordinatentransformation (21.28) aus und danach die kompensierende Weyl-Transformation (21.30), dann finden wir folgende Symmetrie im Minkowski-Raum:

  ∂ yμ ∂ yν x μ , ημν , φαβ... (x) −→ y μ (x), ημν , ewφ σ (x) α β φμν... y(x) , (21.31) ∂x ∂x

worin σ durch die Beziehung in (21.29) bestimmt ist.

494

21

Konform-invariante Feldtheorien

Weyl-Invarianz bedingt konforme Invarianz

Eine relativistische Feldtheorie, die kovariant und Weyl-invariant ans Gravitationsfeld gμν gekoppelt werden kann, ist invariant unter konformen Abbildungen im Minkowski-Raum.

21.2.2 Konsequenzen der konformen Invarianz Wir haben gezeigt, dass unter konformen Abbildungen im Minkowski-Raum ein materielles Tensorfeld gemäß (21.31) transformiert. Oft ist es wünschenswert, z. B. bei der Herleitung von Ward-Identitäten, die infinitesimalen Symmetrietransformationen zu kennen. Dazu betrachten wir, ähnlich wie in (21.6), konforme Abbildungen x μ → y μ (x ν ) nahe der Identität. Für diese ist y μ ≈ x μ + X μ (x) und gemäß (21.8) gilt σ = d1 ∂μ X μ .

Infinitesimale konforme Transformation eines Tensorfelds

Unter einer infinitesimalen konformen Abbildung mit konformem KillingVektorfeld X transformiert ein Tensorfeld gemäß δ X φαβ... = (L X φ)αβ... +

wφ div(X ) φαβ... . d

(21.32)

Hier ist L X die Lie-Ableitung in Richtung von X , (L X φ)αβ... = X μ ∂μ φαβ... + ∂α X μ φμβ... + ∂β X μ φαμ... + . . .

(21.33)

Für Dilatationen ist X μ = λx μ und entsprechend   (δλ φ)αβ... = λ x μ ∂μ + φ φαβ... , φ = sφ + wφ .

(21.34)

Das konforme Gewicht φ ist die Summe der Tensorstufe sφ und des WeylGewichts wφ von φαβ... . Die Tensorstufe ist die Anzahl kovarianter Indizes minus die Anzahl kontravarianter Indizes.

Frage

Warum hat ein klassisches Skalarfeld φ = 21 (d − 2) und ein Dirac-Spinorfeld ψ = 21 (d − 1)? Die Wirkung einer klassischen konformen Feldtheorie im Minkowski-Raum ist invariant unter konformen Abbildungen. Daraus folgt nicht, dass die entsprechende

21.2 Konform invariante Feldtheorien (CFT)

495

Quantenfeldtheorie diese Symmetrien erbt. Wie wir in Kap. 20 anhand der QCD sahen, kann eine globale Symmetrie der klassischen Theorie in der Quantentheorie spontan oder anomal gebrochen sein. Eine Quantisierung bedingt neben der klassischen Ausgangstheorie eine Regularisierung und Renormierung, und diese können zu Anomalien führen. Falls die konforme Symmetrie keine Anomalien hat, sollte die Quantentheorie konform invariant sein – ähnlich wie relativistische Quantenfeldtheorien Poincaréinvariant sind. Z. B. wird die 2-Punkt-Korrelationsfunktion von zwei Materiefeldern4 mit Weyl-Gewichten 1 und 2 , (2)

(2)

(1) (x1 )φαβ... (x2 )|0 ≡ G μν...,αβ... (x1 , x2 ), 0|φμν...

(21.35)

unter konformen Abbildungen x → y(x) kovariant transformieren, w1 σ (x1 ) w2 σ (x2 ) G (2) e μν...,αβ... (x 1 , x 2 ) = e

ρ

γ

∂ y1σ ∂ y1 ∂ y2 ∂ y2δ . . . . . . G (2) μ σρ...,γ δ... (y1 , y2 ). ∂ x2α ∂ x β ∂ x1 ∂ x1ν 2 (21.36)

Ward-Identitäten der konformen Symmetrie

Die infinitesimale Form von (21.36) ist eine Differenzialgleichung für die 2Punkt-Funktion, 2 

i=1

L X (xi ) +

 wi (2) (divX )(xi ) G μν...,αβ... (x1 , x2 ) = 0, d

(21.37)

und heißt Ward-Identität der konformen Symmetrie.

Diese Ward-Identität legt die 2-Punkt-Korrelationsfunktion eindeutig fest. Wir demonstrieren dies für zwei Skalarfelder, für welche die Lie-Ableitung gleich der Ableitung in X -Richtung ist und die Ward-Identität vereinfacht: 2 

i=1

X μ (xi )

 ∂ i (divX )(xi ) G (2) (x1 , x2 ) = 0 μ + d ∂ xi

(i = wi ).

(21.38)

Für Translationen und Lorentz-Transformationen ist X quellenfrei und man findet wie in Abschn. 29, dass G (2) nur von ξ μ ξμ abhängt, worin ξ = x2 −x1 den Differenzvektor bezeichnet. Die Ward-Identität zu den Dilatationen mit X = λx vereinfacht

4 Es

sei immer angenommen, x1 und x2 seien chronologisch geordnet, d. h. x10 ≥ x20 .

496

21

sich dann zu



Konform-invariante Feldtheorien

 ξ ∂ξ + 1 + 2 G (2) (ξ ) = 0,

(21.39)

mit der einfachen Lösung G (2) (x1 , x2 ) =

C12 . |x2 − x1 − i|1 +2

(21.40)

Es wurde die Feynmansche i-Vorschrift zur Behandlung der Pole von G (2) angewandt. Setzt man das zu den speziellen konformen Transformationen gehörende KillingVektorfeld in (21.38) ein, so findet man (1 − 2 ) G (2) (x1 , x2 ) = 0.

(21.41)

Die 2-Punkt-Funktion zweier Skalarfelder ist also nur dann ungleich null, wenn sie dieselben konformen Gewichte haben (siehe Aufgabe 21.2). Nach einer linearen Transformation der Felder, welche die 2-Punkt-Funktion diagonalisiert, findet man  0|φ (1) (x1 )φ (2) (x2 )|0 =

0 falls 1 = 2 −2 |x2 − x1 − i| falls 1 = 2 ≡ .

(21.42)

Für konform invariante Theorien ohne intrinsische Längenskala sind die Korrelationen langreichweitig und haben ein typisches Potenzverhalten. Wiederholt man dieselbe Rechnung für die 3-Punkt-Funktion von Skalarfeldern, dann findet man mit ähnlichen Argumenten 0|φ (1) (x1 )φ (2) (x2 )φ (3 (x3 )|0 =

C123 , 1 +2 −3 2 +3 −1 3 +1 −2 ξ12 ξ23 ξ31

(21.43)

mit ξi j = |xi − x j |. Im Gegensatz zu den 2-Punkt- und 3-Punkt-Funktionen werden die höheren Korrelationsfunktionen durch die SO(d, 2)-Ward-Identitäten nicht mehr festgelegt, sondern nur noch eingeschränkt. In 2 Dimensionen ist die konforme Gruppe aber ∞-dimensional und bestimmt auch die höheren Korrelationsfunktionen (zumindest für eine große Klasse von konform invarianten Modellen).

21.2.3 Konforme Algebra in d Dimensionen In (21.32) bestimmten wir die infinitesimalen konformen Transformationen von Tensorfeldern. Insbesondere ist für ein Skalarfeld   φ δ X φ = X μ ∂μ + div X φ d

(φ = wφ ).

(21.44)

21.2 Konform invariante Feldtheorien (CFT)

497

Schreiben wir das allgemeine konforme Killing-Vektorfeld X μ wie in (21.13) als Linearkombination von infinitesimalen Verschiebungen, Lorentz-Transformationen, Dilatationen und speziellen konformen Transformationen, dann ergibt sich mit Hilfe von divX = dλ + 2d(c · x) die Zerlegung   iδ X φ = a μ Pμ + 21 ωμν L μν + λD + cμ K μ φ.

(21.45)

Hier treten als (hermitesche) Generatoren die Impulse Pμ als infinitesimale Translationen, die verallgemeinerten Drehimpulse L μν als infinitesimale LorentzTransformationen, der Skalenoperator D als infinitesimale Streckung und die K μ als infinitesimale spezielle konforme Transformationen auf, Pμ = i∂μ , D = i(x μ ∂μ + φ ),

1 (xμ ∂ν − xν ∂μ ), i K μ = i(2xμ x α ∂α − x 2 ∂μ + 2φ xμ ).

L μν =

(21.46)

Die von den Generatoren erzeugte Lie-Algebra ist die konforme Algebra – eine Erweiterung der Poincaré-Algebra (14.88). Die Vertauschungsregeln für die Erzeugenden {Pμ , L μν } sind wohlbekannt, und es bleibt die Berechnung der verbleibenden Kommutatoren. So bestimmt der Skalenoperator D wegen [D, x μ ] = ix μ und [D, ∂μ ] = −i∂μ (bis auf einen Faktor i) einfach nur die Längendimension eine Operators in natürlichen Einheiten. Insbesondere vertauscht D mit den dimensionslosen Komponenten L μν . Weiterhin bilden die K μ einen Vektoroperator und haben damit dieselben Vertauschungsrelationen mit L μν wie die Impulse Pμ . Mit den leicht zu berechnenden verbleibenden Kommutatoren findet man folgende Vertauschungsrelationen:

Konforme Algebra:

[Pμ , Pν ] = [K μ , K ν ] = [D, D] = 0, [L μν , Pρ ] = i(ηρμ Pν − ηρν Pμ ), [L μν , K ρ ] = i(ηρμ K ν − ηρν K μ ), [L μν , L ρσ ] = i(ημρ L νσ + ηνσ L μρ − ημσ L νρ − ηνρ L μσ ), (21.47) [D, Pμ ] = −iPμ , [D, K μ ] = iK μ , [D, L μν ] = 0, [Pμ , K ν ] = 2iημν D + 2iL μν .

Aufgabe

Bestätigen Sie die Vertauschungsrelationen in der letzten Zeile von (21.47). Dies sind die Vertauschungsrelationen der Lie-Algebra so(2, d) der pseudoorthogonalen Gruppe SO(2, d), auch Anti-de-Sitter-Gruppe genannt (siehe Aufgabe

498

21

Konform-invariante Feldtheorien

9.3). Zur Begründung führen wir folgende Koordinaten im Anti-de-Sitter-Raum AdSd+1 ∼ = R2,d mit Signatur (2, d) ein: ξm = (ξ−1 , xμ , ξd ).

(21.48)

2 + ημν dx μ dx ν − dξd2 = ηmn dξ m dξ n . dξ 2 = dξ−1

(21.49)

Als Längenelement wählen wir

Wir betrachten infinitesimale Transformation in AdSd+1 und zerlegen die Generatoren gemäß ⎛ ⎛ ⎞ ⎞ 0 Pμ D 0 Kμ D 1⎝ 1 −Pμ L μν Pμ ⎠ + ⎝−K μ L μν −K μ ⎠ . (L mn ) = 2 −D −P 0 2 −D K 0 μ μ

(21.50)

Dann schreiben sich die Vertauschungsregeln (21.47) folgendermaßen   [L mn , L pq ] = i ηmp L nq + ηnq L mp − ηmq L np − ηnp L mq .

(21.51)

Dies sind die Vertauschungsrelationen der Lie-Algebra so(2, d) mit Dimension dim(so(2, d)) =

1 (d + 2)(d + 1), 2

(21.52)

welche genau die Anzahl Parameter der konformen Abbildungen in (21.14) ist.

21.2.4 Energie-Impuls-Tensor und Bessel-Hagen Ströme Zuerst überzeugen wir uns davon, dass die Spur des Energie-Impuls-Tensors einer Weyl-invarianten Theorie verschwindet. Wir beweisen dies für den metrischen Tensor Tμν , der als Quelle des Gravitationsfeldes in der Einsteinschen Gravitationstheorie auftritt, siehe die Bemerkungen in Abschn. 19.4.2. Man gewinnt diesen verbesserten Tensor, wenn man das Materiefeld allgemein kovariant (z. B. minimal) an das Gravitationsfeld koppelt und die entsprechende invariante Wirkung nach der Metrik variiert, δ 2 S[gμν , φ]. Tμν = √ −g δg μν

(21.53)

Dieser Tensor ist symmetrisch und kovariant erhalten, ∇μ T μν = 0. Die Symmetrie ist manifest und die kovariante Erhaltung folgt aus der Diffeomorphismen-Invarianz von S [116]. Im Grenzfall gμν → ημν gewinnt man den im Allgemeinen verbesserten Energie-Impuls-Tensor im Minkoswski-Raum.

21.2 Konform invariante Feldtheorien (CFT)

499

Beispiel: Metrischer Energie-Impuls-Tensor der Elektrodynamik

Um die allgemein kovariante Wirkung des elektromagnetischen Feldes in (21.25) nach der Metrik zu variieren, benötigen wir die Variation √ √ √ δ det(gμν ) = g g μν δgμν ⇒ δ −g = − 21 −gg μν δgμν = − 21 −ggμν δg μν . (21.54) Damit findet man die Variationsformel

  √ 1 −g δg μν 21 gμν F αβ Fαβ − 2Fμα Fν α (21.55) δS = 4 und mit (21.53) den metrischen Energie-Impuls-Tensor Tμν = Fμα F αν + 41 gμν F αβ Fαβ .

(21.56)

Im Grenzfall gμν → ημν erhalten wir den verbesserten Energie-Impuls-Tensor (19.70).  In einer Weyl-invarianten Feldtheorie verschwindet die Variation der linken Seite von (21.24) nach dem Feld σ , und es folgt 0=

δS  =  δσ σ =0



δS δg μν δS δφ + δg μν δσ δφ δσ

Spur des Energie-Impuls-Tensors

 σ =0

√ δS = − −g Tμν g μν − wφ φ. (21.57) δφ

μ

Verschwinden die Weyl-Gewichte wφ aller Materiefelder, dann ist T μ = 0 für beliebige Felder. Man sagt auch, die Spur verschwindet off-shell. Ist wφ = 0, μ dann verschwindet T μ nur noch, wenn φ eine Lösung der Euler-LagrangeGleichung δS/δφ = 0 ist. Man sagt, die Spur verschwindet on-shell.

Z. B. verschwindet in der Elektrodynamik (in 4 Dimensionen) das Weyl-Gewicht und Tμν in (21.56) ist off-shell spurfrei. Dagegen hat ein masseloses Dirac-Spinorfeld in d = 1 Dimensionen ψ = 0 und Tμν in (19.77) ist nur on-shell spurfrei. Mit dem spurfreien, symmetrischen und kovariant erhaltenen T μν einer konformen Feldtheorie kann man die nach dem Noetherschen Theorem erwarteten 1 2 (d + 1)(d + 2) kovariant erhaltenen Stromdichten leicht angeben: Es sind die nach Erich Bessel-Hagen benannten Stromdichten.

500

21

Konform-invariante Feldtheorien

Bessel-Hagen-Stromdichten

Für jedes konforme Killing-Vektorfeld X ist die Bessel-Hagen-Stromdichte μ

j X = T μν X ν

(21.58)

kovariant erhalten.

Dies folgt aus den Eigenschaften von T μν und der konformen Killing-Gleichung für X μ, μ

∂μ j X = T μν X ν,μ =

1 μν 1 T (X ν,μ + X μ,ν ) = ημν T μν ∂ X = 0. 2 d

(21.59)

Z. B. lautet der Noether-Strom und die Noether-Ladung für die Dilatationen μ jD

21.3

=T

μν

xν und Q D =

dx T 0ν xν .

(21.60)

Konforme Feldtheorien in 1 + 1 Dimensionen

In zwei Dimensionen hat eine CFT neben den 6 Ladungen Pμ , L 01 , D und K μ unendlich viele weitere Ladungen, weil die konforme Gruppe unendlichdimensional ist. Die von den Ladungen erzeugte unendlich dimensionale Symmetriealgebra ist die Virasoro-Algebra. Wir beginnen mit der Symmetriealgebra einer klassischen konformen Feldtheorie. Deren zentrale Erweiterung ist die Virasoro-Algebra.

21.3.1 Witt-Algebra Eine klassische CFT in 2 Dimensionen hat die nach Ernst Witt benannte Algebra als Symmetriealgebra. Bei deren Untersuchung ist wieder ratsam, die Lichtkegelkoordinaten x ± in (21.17) zu verwenden. Obwohl die räumliche Koordinate x 1 in R liegt, bezeichnen wir sie – wie in höheren Dimensionen – mit x, um sie von der Raumzeit-Koordinate x = (x 0 , x 1 ) ≡ (t, x) zu unterscheiden. In Lichtkegelkoordinaten ist T μμ = ημν Tμν = 4 T+− = 0,

(21.61)

21.3 Konforme Feldtheorien in 1 + 1 Dimensionen

501

und die kovariante Erhaltung des Energie-Impuls-Tensors, ∂+ T +± + ∂− T −± = ∂± T ±± = 0 bedingt, dass die verbleibenden Komponenten von T++ und T−− chirale Felder sind: T++ = T++ (x + ) und T−− = T−− (x − ).

(21.62)

Weil auch die Komponenten von konformen Killing-Vektorfeldern gemäß (21.18) chirale Felder sind, sind es auch die Komponenten der Bessel-Hagen-Stromdichten (21.58), j+X = T++ X + und j−X = T−− X − .

(21.63)

Die chiralen Felder X + und X − können unabhängig gewählt werden, und deshalb sind die zu den beiden Stromdichten gehörenden Ladungen separat erhalten. Wählt man für X ± die Monome in (21.19), dann erhält man die Ladungen



+ + n+1 + Q n = − dx (x ) T++ (x ) = − dx x n+1 T++ (x),



− n+1 − = − dx (x ) T (x ) = − dx x n+1 T−− (x). (21.64) Q− −− n Da diese zeitunabhängig sind, durften wir in den Integranden den Zeitpunkt t = 0 wählen. Die erhaltenen Ladungen Q ± n erzeugen zwei kommutierende unendlichdimensionale Witt-Algebren. Beispiel: Witt-Algebra für klassisches Skalarfeld

Wir betrachten ein reelles Skalarfeld φ mit Lagrange-Dichte (19.53), worin wir V = 0 setzen. In 1 + 1 Dimensionen sind die Komponenten des Energie-ImpulsTensors  1 T00 = T11 = π 2 + φ 2 , T01 = T10 = π φ  . (21.65) 2 Diese haben die Poisson-Klammern   {T00 (x), T00 ( y)} = {T01 (x), T01 ( y)} = T01 (x) + T01 ( y) δ  (x − y),   {T00 (x), T01 ( y)} = {T01 (x), T00 ( y)} = T00 (x) + T00 ( y) δ  (x − y), siehe auch Aufgabe 19.112. Damit hat T++ = 21 (T00 + T01 ) folgende PoissonKlammer:   {T++ (x), T++ ( y)} = T++ (x) + T++ ( y) δ  (x − y).

(21.66)

Mit Hilfe der Derivationsregel findet man damit + {Q + m , Qn } =



  dxd y x m+1 yn+1 T++ ( y)∂ x − T++ (x)∂ y δ(x − y) = (m − n) Q + m+n .

502

21

Konform-invariante Feldtheorien

In Aufgabe 21.3 wird noch bewiesen, dass die Ladungen Q + m mit den Ladungen − + Q− n vertauschen und die Q m identische Poisson-Klammern wie die Q m haben. Damit wäre gezeigt, dass das masselose reelle Feld in 1 + 1 Dimensionen zwei Kopien der Witt-Algebra als Symmetriealgebra hat: ± ± + − {Q ± m , Q n } = (m − n) Q m+n , {Q m , Q n } = 0.

(21.67)

 In Aufgabe 21.4 überzeugen wir uns davon, dass auch für ein wechselwirkendes Skalarfeld die Ladungen Q ± n in (21.64) die Witt-Algebra (21.67) erfüllen. Aufgabe

Unter einer infinitesimalen Abbildung x → x + X (x) (x und X stehen für x ± und X ± ) transformiert ein skalares Feld φ mit wφ = 0 gemäß δ X φ(x) = X φ  (x). Zeigen Sie, dass für die Basis X n (x) = −x n+1 von konformen Killing-Vektorfeldern die entsprechenden Lie-Ableitungen L n = −x n+1 ∂x

(21.68)

dieselben Vertauschungsregeln erfüllen wie die Q ± m , d. h. [L m , L n ] (m − n)L m+n .

=

21.3.2 Virasoro-Algebra Die bisherigen Argumente und Resultate waren vorwiegend klassischer Natur und es stellt sich die Frage, inwiefern sie in einer konformen Quantenfeldtheorie (CQFT) noch gelten. Diese Frage wurde schon früh von Lüscher und Mack beantwortet [117]. Ausgangspunkt ist dabei eine Wightman-Theorie mit einem Hilbert-Raum H mit Vakuum |0, der eine unitäre Darstellung U ( , a) der Poincaré-Gruppe trägt. Weiterhin soll die Spektrumseigenschaften P0 ≥ 0 und P 2 ≥ 0 gelten. Zu diesen üblichen Axiomen nimmt man zusätzlich an, dass auch die Dilatationen unitär implementiert sind, V (λ)φ(x)V (λ)−1 = λ φ(λx),

(21.69)

und ein symmetrischer und kovariant erhaltener Energie-Impuls-Tensor mit Gewicht  = 2 existiert, welcher die Translationen erzeugt

  d y T0μ (y), φ(x) = −i∂μ φ(x).

(21.70)

Mit ähnlichen Argumenten wie in der klassischen Feldtheorie zeigt man nun [117], dass die Eigenschaften (21.61) und (21.62) als Operator-Identitäten für Tμν gelten,

21.3 Konforme Feldtheorien in 1 + 1 Dimensionen

503

d. h., dass der Operator Tμν in der QFT spurlos ist und die verbleibenden Komponenten chiral sind. Wir berechnen den Kommutator von T++ an zwei verschiedenen RaumzeitPunkten. Weil T++ nur von x + abhängt, muss der Kommutator von T++ (x + ) und T++ (y + ) für x + = y + verschwinden. Andernfalls gäbe es zwei raumartig getrennte Punkte mit nichtkommutierenden Tμν , was im Widerspruch zur Einstein-Kausalität wäre. Die folgenden Betrachtungen sind für T++ (x + ). Um die Notation einfach zu halten, setzen wir vorübergehend T++ ≡ T und x + ≡ x. Wir können also annehmen

1 dy (y − x)k [T (x), T (y)]. [T (x), T (y)] = Ak (x) δ (k) (x − y), Ak (x) = k! (21.71) Weil Tμν das konforme Gewicht  = 2 hat, hat der Koeffizient Ak (x) das Gewicht 3 − k und V (λ)Ak (x)V (λ) = λ3−k Ak (λx).

(21.72)

Wegen (21.42) bestimmt dies die 2-Punkt-Korrelationsfunktion, 0|Ak (x)Ak (y)|0 = αk (x − y − i)2k−6 .

(21.73)

Dieses Ergebnis impliziert, dass die Erwartungswerte  0|Ak ( f¯)Ak ( f )|0 =  Ak ( f )|02 ,

Ak ( f ) =

dx f (x)Ak (x)

(21.74)

für k > 3 nicht positiv wären, was in einem Hilbert-Raum nicht erlaubt ist. Deshalb müssen alle Ak , d. h. alle αk , mit k > 3 verschwinden. Frage

Warum könnte die quadrierte Norm in (21.74) für αk>3 = 0 negativ werden? Von den verbleibenden Koeffizienten ist A3 konstant, da er Gewicht 0 hat. Wegen der Lokalität kommutiert er mit allen Feldern und ist deshalb ein Vielfaches der Identität, A3 = −

ic . 24π

(21.75)

Das Raumintegral

1 dx T (x) = 2



  dx T00 (x) + T01 (x) ≡ P

(21.76)

erzeugt die Verschiebungen in Richtung der Lichtkegelkoordinate x, so dass gilt

(21.77) A0 = d y [T (x), T (y)] = [T (x), P] = i∂x T (x).

504

21

Konform-invariante Feldtheorien

Dies führt zum Zwischenresultat [T (x), T (y)] = −

ic  δ (x − y) + i A1 (x) δ  (x − y) + i∂x T (x) δ(x − y). (21.78) 24π

Um A1 zu bestimmen, benutzt man, dass die rechte Seite antisymmetrisch in x und y sein muss. Mit der ersten Beziehung in Aufgabe 19.1 findet man dann ∂x A1 = 2∂x T .

(21.79)

Die Integrationskonstante verschwindet, da A1 Gewicht  = 2 hat. Für die andere nicht verschwindende Komponente T−− (x − ) findet man das exakt gleiche Resultat.

Virasoro-Algebra für Energie-Impuls-Tensor

Die nicht verschwindenden Lichtkegelkomponenten T++ (x + ) und T−− (x − ) des Energie-Impuls-Tensors einer zweidimensionalen konformen Feldtheorie kommutieren miteinander und erfüllen jeweils die Vertauschungsregeln der Virasoro-Algebra, [T (x), T (y)] = i∂x T (x)δ(x − y) + 2iT (x)δ  (x − y) −

i c δ  (x − y). 24π (21.80)

Die Virasoro-Algebra ist somit Symmetriealgebra jeder zweidimensionalen CQFT. Man beachte, dass der Kommutator in (21.80) nur bis auf ein Vielfaches der identischen Abbildung schließt. Der entsprechende Koeffizient c ist die zentrale Ladung und charakterisiert die CQFT. Wir werden später eine physikalische Interpretation von c geben. Frage

Wie unterscheiden sich die Witt-Algebra (21.66) der klassischen CFT und die Virasoro-Algebra (21.80) der QCFT? Wir werden auf den Zusammenhang zwischen der Witt- und Virasoro-Algebra zurückkommen. Zentrale Ladung In einer CQFT ist die zentrale Ladung c stets positiv. Beweis: Wegen der Translations- und Dilatationsinvarianz gilt 0|T |0 = 0, und deshalb ist ic  ξ = x − y. (21.81) δ (ξ ), 0|[T (x), T (y)]|0 = − 24π

21.3 Konforme Feldtheorien in 1 + 1 Dimensionen

505

T (x) hat konformes Gewicht 2 und gemäß (21.42) eine 2-Punkt-Korrelationsfunktion α(ξ −i)−4 . Setzen wir für δ  die in Aufgabe 19.1 angegebene Darstellung ein, dann folgt α = c/8π 2 , oder dass die Korrelationsfunktion im Impulsraum folgendermaßen aussieht,

c d p p 3 e−i p(x−y) . 0|T (x)T (y)|0 = (21.82) 48π 2 Dann ist der  Erwartungswert des Quadrates des geschmierten hermiteschen Operators T f = dx f (x)T (x) gleich  2 0|T f2 |0 = T f |0 =

c 192π 2



d p p 2 | f˜( p)|2 .

In einem Hilbert-Raum muss die linke Seite positiv sein.

Vorzeichen von c

Eine konform invariante Quantenfeldtheorie in einem Hilbert-Raum hat c > 0.

Beispiel: Zentrale Ladung für ein reelles Skalarfeld

Die Operatoren T++ und T−− müssen regularisiert werden, weil das Produkt von Quantenfeldern am selben Ort nicht definiert ist. Es genügt hier, die auftretenden Produkte des Feldoperators normal zu ordnen. Unter Zuhilfenahme der als bekannt vorausgesetzten 2-Punkt-Korrelationsfunktion des Skalarfeldes in 2 Dimensionen, 0|φ(x + )φ(y + )|0 = −

1 log μ(x + − y + − i), 4π

(21.83)

und der Wick-Regel findet man für T (x) = ∂+ φ∂+ φ T (x)T (y) =: T (x)T (y) : −

1 1 1 1 : ∂+ φ(x)∂+ φ(y) : + 2 . π (x − y − i)2 8π (x − y − i)4

Zieht man davon den entsprechenden Ausdruck mit x und y vertauscht ab, dann erhält man mit der letzten Relation in Aufgabe 19.1 den Kommutator i δ(x − y) 24π   i  = i T (y)∂x − T (x)∂ y δ(x − y) − δ (x − y). 24π

[T (x), T (y)] = i T  (x)δ(x − y) + 2i T (x)δ  −

Ein Vergleich mit (21.80) zeigt, dass die zentrale Ladung c = 1 ist. 

(21.84) (21.85)

506

21

Konform-invariante Feldtheorien

21.3.3 Zur Bedeutung der zentralen Ladung Der Unterschied zwischen Witt- und Virasoro-Algebra ist der Term proportional zur zentralen Ladung c, und dieser rührt von der notwendigen Regularisierung der UV-Divergenzen in Quantenfeldtheorien. Es existieren alternative und direktere Charakterisierungen von c. Eine geometrische Kennzeichnung beginnt mit den BesselHagen-Ladungen, welche die konformen Transformationen (21.32) von Tensorfeldern erzeugen. Für ein konformes Killing-Vektorfeld X (x) mit Lichtkegelkoordinate x = x + gilt

δ X φ(x) = i

d yX (y) [T (y), φ(x)] = (L X φ)(x) +

wφ  X (x) φ(x), 2

(21.86)

worin X  die Ableitung von X nach der Lichtkegelkoordinate x + ist. Ein derart transformierendes Feld wird als primäres Feld mit konformem Gewicht φ = sφ + wφ bezeichnet. Für den Energie-Impuls-Tensor ist wT = 0 und sT = 2, und wäre T++ primär, dann müsste gelten δ X T = L X T = X T  + 2X  T .

(21.87)

Ein Vergleich mit (21.80) zeigt aber, dass T kein primäres Feld ist,

δX T = i

d y X (y)[T (y), T ] = X T  + 2X  T −

c X  . 24π

(21.88)

Der anomale Term proportional zu X  verschwindet nur für konstante, lineare und quadratische konforme Killing-Vektorfelder. Also genau für konforme Abbildungen in der sechsdimensionalen SL(2, R) × SL(2, R)-Untergruppe von MöbiusTransformationen (21.20). Weil c positiv ist, verschwindet der anomale Term nicht. Er ist dafür verantwortlich, dass in der quantisierten Theorie T nicht wie ein Tensorfeld unter konformen Abbildungen transformiert. Weyl- oder Spur-Anomalie Der anomale Term in der Vertauschungsrelation (21.88) rührt von der Spuranomalie. Um dies besser zu verstehen, koppeln wir das Materiefeld wieder an die Gravitation und wählen isotherme Koordinaten mit konform flacher Metrik, gμν = e2σ (x) ημν , ds 2 = gμν dx μ dx ν =

1 2σ e (dx + dx − + dx − dx + ), (21.89) 2

und den nicht verschwindenden Christoffel-Symbolen +− ∂+ (g−+ ) = 2∂+ σ, + ++ = g

−+ − ∂− (g+− ) = 2∂− σ. −− = g

(21.90)

Quantisiert man nun eine CFT im äußeren Gravitationsfeld, dann bleibt nach einer Regularisierung und evtl. Renormierung eine nicht verschwindende Spur des Tensors

21.3 Konforme Feldtheorien in 1 + 1 Dimensionen

507

Tμν übrig. Diese Spuranomalie muss wie Tμν die Massendimension 2 haben, ein lokaler Skalar sein, und im flachen Raum verschwinden. Der einzige Skalar mit dieser Eigenschaft ist der Ricci-Skalar R, so dass g μν Tμν [g, x] = 4 e−2σ T+− =

c R, 24π

R = −8 e−2σ ∂+ ∂− σ

(21.91)

mit unbestimmter Konstante c ∈ R. Etwas genauer ist T+− = −c/12π · ∂+ ∂− σ , multipliziert mit der Identität im Hilbert-Raum der CQFT. Schreiben wir nun die kovariante Erhaltung ∇μ T μν = 0 in isothermen Lichtkegelkoordinaten und benutzen (21.91), dann finden wir  c σ 2 −σ  ∂± T∓∓ [g, x] + = 0. (21.92) e ∂∓ e 12π Aufgabe

Beweisen Sie dieses nützliche Ergebnis in isothermen Lichtkegelkoordinaten. Die Integration dieser Differenzialgleichungen führt auf T±± [g, x] = −

c σ 2 −σ e ∂± e + T±± [η, x ± ], 12π

(21.93)

mit einer σ -unabhängigen und im Allgemeinen operatorwertigen Integrationskonstanten T±± (η, x ± ). Diese sind die Komponenten des Energie-Impuls-Tensors im Minkowski-Raum mit Metrik ημν . Unter winkeltreuen Abbildungen x ± −→ y ± (x ± ) ändert sich der metrische Tensor gμν = e2σ ημν gemäß ds 2 = e2σ (x) dx + dx − = e2σ (x)

dx + dx − + − dy dy = e2σ˜ (y) dy + dy − , dy + dy −

(21.94)

und der Tensor T [g, x] transformiert kovariant, T++ [ e2σ (x) η, x + ] =



dy + dx +

2

T˜++ [ e2σ˜ (y) η, y + ].

(21.95)

Mit (21.93) findet man dann für T±± [η, x ± ] das ungewöhnliche Transformationsgesetz    dx + 2 x yyy 3 x yy 2 c + + + T [η, x ]− , y }, {x, y} ≡ − , {x T˜++ [η, y + ] = ++ dy + 24π xy 2 xy (21.96) unter konformen Abbildungen (ημν , x ± ) → (ημν , y ± ). Die andere nicht verschwindende Komponente T−− [η, x − ] transformiert genauso wie T++ [η, x + ]. Der inhomogene Term {x, y} in der Transformationsformel (21.96) enthält die erste, zweite und dritte Ableitung von x nach y. Er ist die nach Hermann Schwarz

508

21

Konform-invariante Feldtheorien

benannte Schwarzsche Ableitung der Abbildung y → x(y) und verschwindet genau für Möbius-Transformationen (21.20), siehe Aufgabe 21.6. Wie früher folgern wir, dass nur für konforme Abbildungen in der Möbius-Untergruppe SL(2, R)×SL(2, R) die Komponenten von Tμν wie Tensorkomponenten transformieren. Für die anderen konformen Abbildungen transformiert Tμν anormal. Für infinitesimale Abbildungen y + → x + + X + ist die linearisierte Schwarzsche Ableitung gleich der dritten Ableitung des konformen Killingfeldes X + nach der Lichtkegelkoordinate. Entsprechend vereinfacht sich (21.96) auf die bekannte infinitesimale Transformation (21.88) und wir folgern:

Bedeutung von c

Die Konstante c in der Spuranomalie (21.91) ist gleich der positiven zentralen Ladung in der Virasoro-Algebra (21.80).

21.3.4 Virasoro-Algebra für Entwicklungskoeffizienten Da die Möbius-Transformationen x → y =

ax + b 1 dy ad − bc = mit = 2 cx + d dx (cx + d) (cx + d)2

(21.97)

nicht anomal sind, erfüllen die Korrelationsfunktionen der QCFT die klassischen Ward-Identitäten der Möbius-Abbildungen in SL(2, R) – für die 2-Punkt Korrelationsfunktion also die Identitäten (21.36) bzw. (21.37) mit σ ∝ divX = 0. Insbesondere transformieren die n-Punkt-Korrelationsfunktionen von T++ (x + ) ≡ T (x) wie folgt: G n (y1 , ..., yn ) =

n 

(cx j + b)−4 G n (x1 , ..., xn ).

(21.98)

j=1

Die entsprechenden infinitesimalen Ward-Identitäten mit konstantem, linearem und quadratischem konformem Killingfeld x k , k = 0, 1, 2, lauten dann n



 x kj ∂x j + 2kx k−1 G n (x1 , .., xn ) = 0, j

k = 0, 1, 2.

(21.99)

j=1

Die Möbius-Abbildungen sind singulär für gewisse x ∈ R. Um die Singularitäten zu regularisieren, kompaktifiziert man R zu R ∪ {∞} ∼ = S 1 mittels der stereographischen Projektion τ R  x −→ z ∈ S 1 , wobei z = −i eiτ , x = tan . 2

(21.100)

21.3 Konforme Feldtheorien in 1 + 1 Dimensionen

509

Man kann nun zeigen [113], dass der Energie-Impuls-Tensor zu einer operatorwertigen Distribution auf S 1 „hochgehoben“ werden kann,  −4   T (x) −→ T˜ (z) = cos 21 τ T tan 21 τ ,

(21.101)

so dass seine n-Punkt-Korrelationsfunktionen G˜ n (z 1 , ..., z n ) = 0|T˜ (z 1 ) · · · T˜ (z n )|0

(21.102)

kovariant bezüglich der nun regulär wirkenden Möbius-Gruppe SL(2, R) transformieren. Die Virasoro Algebra der T±± in (21.80) hat für die T˜ -Operatoren die Form  2   ic δ (τ − σ ) + δ  (τ − σ ) + 4i T˜ (w)∂τ − ∂σ T˜ (w) δ(τ − σ ). 3π (21.103) Die Koeffizienten in der Laurent-Reihe für T˜ (z) sind proportional zu

[T˜ (z), T˜ (w)] =

Ln =

i 4

 S1

dz z −n−1 T˜ (z),

L †n = L −n ,

(21.104)

und in Aufgabe 21.7 berechnen wir, ausgehend von den Vertauschungsregeln (21.103), ihre Kommutatoren.

Virasoro-Algebra für Entwicklungskoeffizienten L n

Die Operatoren L n in der Laurent-Reihe für T˜++ erfüllen die Vertauschungsrelationen [L m , L n ] = (m − n)L m+n +

c (m 3 − m)δm+n , 12

L †n = L −n .. (21.105)

Die analog definierten Operatoren L¯ n in der Laurent-Reihe von T˜−− erfüllen identische Vertauschungsrelationen und die L n vertauschen mit den L¯ m .

Die unendlichdimensionale Lie-Algebra (21.105) wurde von Miguel Virasoro im Jahr 1970 im Rahmen der Stringtheorie eingeführt [118]. Für die Erzeugenden {L 0 , L 1 , L −1 } ∈ sl(2, R) und { L¯ 0 , L¯ 1 , L¯ −1 } ∈ sl(2, R), die gemeinsam die Poincaré-Transformationen, Dilatationen und speziellen konformen Transformationen erzeugen, verschwindet der Term proportional zur zentralen Ladung. Wieder sehen wir, dass die von ihnen aufgespannten sl(2, R) Lie-Unteralgebren der beiden Virasoro-Algebren keine Quantenkorrekturen erfahren. Die Virasoro-Algebra enthält neben den Erzeugenden {L n |n ∈ Z} die Identität, die in ihrem Zentrum liegt. Der letzte Term in (21.105) proportional zur zentralen Ladung enthält die Identität im Hilbert-Raum und heißt zentrale Erweiterung. In

510

21

Konform-invariante Feldtheorien

diesem Sinne ist die Virasoro-Algebra die zentrale Erweiterung der klassischen WittAlgebra. Im Anhang 21.4 beweisen wir, dass die zentrale Erweiterung der WittAlgebra (bis auf Äquivalenz) eindeutig ist. Man spricht dann von der universellen zentralen Erweiterung. Zwei Erweiterungen heißen äquivalent, wenn sie zu zwei verschiedenen Basen {L n } und L n = L n + αn gehören.

21.3.5 Darstellungen der Virasoro-Algebra Bei der Analyse von Darstellungen der konformen Algebra ist es vorteilhaft, die Virasoro-Algebra in der Form (21.105) als Ausgangspunkt zu wählen. Wegen T00 (x) = T++ (x + ) + T−− (x − ) und T01 (x) = T++ (x + ) − T−− (x − ) (21.106) sind Energie und Impuls der CQFT gegeben durch H = L 0 + L¯ 0 + const und P = L 0 − L¯ 0 .

(21.107)

Weil die Generatoren {L n } bzw. { L¯ n } identische und kommutierende Virasoro-LieAlgebren definieren, genügt es im Folgenden, die Wirkung der L n im Hilbert-Raum der CQFT zu studieren. Es sei | ein Eigenvektor von L 0 mit Gewicht . Dann ist L n | ebenfalls Eigenvektor, aber mit Gewicht  − n. Beim Beweis machen wir von der Relation [L 0 , L n ] = −n L n Gebrauch: L 0 | = | =⇒ L 0 L n | = ( − n)L n |.

(21.108)

Die L n mit positiven n erniedrigen das Gewicht und die L n mit negativen n erhöhen es. In einer Fockraum-Darstellung mit nach unten beschränkter Energie existiert dann ein Zustand | mit niedrigstem L 0 -Gewicht : L 0 | = |,

L n | = 0, n > 0.

(21.109)

Der Fockraum wird dann aufgespannt von den Vektoren 1 2 L n−2 · · · | mit L 0 ψ N = ( + N )ψ N , ψ N = L n−1

N=

j n j . (21.110)

Die Konstruktion der Fockraum-Darstellung ist der Konstruktion von Darstellungen von einfachen Lie-Algebren mit höchstem Gewicht nachempfunden, siehe Kap. 16. Der Zustand | mit minimalem L 0 -Gewicht entspricht dabei dem Zustand mit höchstem Gewicht. Die Norm eines Vektors = 0 im Hilbert-Raum der CQFT muss positiv sein. Diese Forderung schränkt die möglichen Werte von c und  ein. So findet man z. B. mit Hilfe von (21.105) und (21.109) für die quadrierte Norm der Zustände L −n |   c L −n |2 = |L n L −n | = |[L n , L −n ]| = 2n + n(n 2 − 1) |2 . 12 (21.111)

21.4 Anhang A: Zentrale Erweiterung der Virasoro-Algebra

511

Aus der Positivität für n = 1 folgt  ≥ 0 und aus derjenigen für n → ∞ folgt c ≥ 0, was ja schon aus der Positivität der 2-Punkt-Korrelationsfunktion des EnergieImpuls-Tensors folgte. Die Untersuchung der Positivität im gesamten Fockraum vereinfacht sich, wenn man berücksichtigt, dass ψ N und ψ M orthogonal sind für N = M. Deshalb zerfällt die (unendliche) Normmatrix ψ N |ψ M  in endliche Normmatrizen für die endlichdimensionalen Unterräume mit festem L 0 -Eigenwert + N . Die Positivität des Skalarprodukts in diesen Unterräumen wurde von D. Friedan, Z. Qiu und H. Shenker [119] eingehend analysiert mit dem Resultat, dass entweder c ≥ 1 sein muss oder, falls 0 < c < 1 ist, c einen der folgenden rationalen Werte annehmen muss, 6 , n = 2, 3, 4, . . . (21.112) n(n + 1) Für ein gegebenes n sind dann nur folgende höchsten Gewichte  erlaubt: c =1−

=

[(n + 1) p − nq]2 − 1 , 4n(n + 1)

p = 1, 2, . . . , n−1, q = 1, 2, . . . , p. (21.113)

Für einen Beweis verweise ich auf die ausführliche Darstellung der konformen Feldtheorie in [109]. Die Theorien mit c < 1 werden oft auch minimale konforme Modelle oder kurz minimale Modelle genannt. Diese können mit Gittermodellen am kritischen Punkt, z. B. dem Ising-Modell, dem trikritischen Ising-Modell, Potts-Modellen, O(n)-Modellen oder Modellen mit Majorana oder Dirac-Fermionen identifiziert werden [109].

21.4

Anhang A: Zentrale Erweiterung der Virasoro-Algebra

Es stellt sich die Frage nach der Eindeutigkeit der zentralen Erweiterung in der Virasoro-Algebra. Eine beliebige Erweiterung der Witt-Algebra hat die Form [L m , L n ] = (m − n)L m+n + cm,n ,

cm,n = −cn,m ,

(A.1)

worin die cm,n im Zentrum der Lie-Algebra liegen. Die Jacobi-Identität für L m , L n , L p schränkt die Wahl der zentralen Erweiterung ein, (n − p)cm,n+ p + (m − n)c p,m+n + ( p − m)cn, p+m = 0.

(A.2)

Setzen wir in dieser Relation p = 0, dann finden wir mit cm,n = −cn,m die Beziehung (m + n)cm,n = −(m − n)c0,m+n .

(A.3)

Für m + n = 0 können wir nach cm,n auflösen und erhalten cm,n = −

m−n c0,m+n , m + n = 0. m+n

(A.4)

512

21

Konform-invariante Feldtheorien

Im anderen Fall m + n = 0 führt (A.3) auf die Bedingung c0,0 = 0, die aber für cm,n = −cn,m sowieso gilt. Die cn,−n mit n = 0 werden durch (A.3) nicht eingeschränkt. Setzen wir in (A.4) noch c0,m+n = −(m + n)gm+n , was wir für m + n = 0 dürfen, ohne c0,m+n einzuschränken, dann können wir das Zwischenresultat wie folgt zusammenfassen: cm,n = f m δ0,m+n + (m − n)(m + n)gm+n ,

f −m = − f m .

(A.5)

Um die f m weiter einzuschränken, setzen wir diese Form in die Bedingung (A.2) mit n = 1 und p = −m − 1 ein. Dies führt auf die Rekursionsrelation (m − 1) f m+1 − (m + 2) f m + (2m + 1) f 1 = 0,

(A.6)

welche die allgemeine Lösung f m = am 3 + bm hat. Deshalb hat eine Lösung von (A.2) die Form cm,n =



c 3 12 m

 + bm δ0,m+n + (m − n)(m + n)gm+n ,

(A.7)

mit unbestimmten Konstanten c, b und unbestimmter Funktion gk . Aufgabe

Wir haben nur notwendige Bedingungen an die cm,n gefunden. Prüfen Sie nach, ob die cm,n in (A.7) tatsächlich die Bedingungen (A.2) erfüllen. Damit hätten wir die allgemeine Lösung von (A.2) konstruiert. Aber viele der konstruierten Lösungen sind äquivalent. Zur Begründung wechseln wir die Basis der Virasoro-Algebra, indem wir zu den L n ein Vielfaches der Identität (des zentralen Elements) addieren. Die L n = L n + αn bilden wieder eine Virasoro-Algebra, aber mit verschobener zentralen Ladung  = cm,n − (m − n)αm+n . cm,n

(A.8)

 ebenfalls die Relationen (A.3). Wählt man nun Natürlich erfüllen die cm,n

αk = kgk +

1 b− 2



δ0,k ,

(A.9)

c (m 3 + m)δ0,m+n . 12

(A.10)

c 12

dann findet man die früher benutzte Form  = cm,n

Identifizieren wir äquivalente Erweiterungen mit cmn und cm,n − (m − n)αm+n , dann ist die zentrale Erweiterung der Witt-Algebra eindeutig. Z. B. kann man den Term linear in m in (A.10) durch einen Basiswechsel wegtransformieren. In dieser Form findet man die Virasoro-Algebra in der Literatur.

21.5 Aufgaben zu Kap.21

21.5

513

Aufgaben zu Kap. 21

Aufgabe 21.1: Konforme Killing-Vektorfelder Beweisen Sie, dass das Vektorfeld (21.13) die konforme Killing-Gleichung (21.9) erfüllt. Aufgabe 21.2: Konforme Ward-Identität Zeigen Sie, dass die Ward-Identität für die speziellen konformen Transformationen mit konformem Killing-Vektorfeld (siehe Tab. 21.1) X μ = 2(c · x)x μ − x 2 cμ auf die Bedingung (21.41) führt. Aufgabe 21.3: Witt-Algebra I Rechnen Sie nach, dass die Ladungen Q − n für ein reelles masseloses Skalarfeld in 1 + 1 Dimensionen identische Poisson-Klammern wie die Ladungen Q + n in (21.67) − } = 0 gilt. , Q haben. Zeigen Sie auch, dass {Q + m n Aufgabe 21.4: Witt-Algebra II Auch ein wechselwirkendes Skalarfeld hat in 2 Dimensionen einen spurfreien klassischen Energie-Impuls-Tensor (19.53) mit T++ = 21 T01 . Zeigen Sie mit Hilfe der Vertauschungsrelationen für {T01 (x), T01 ( y)} in (19.112), dass die Ladungen Q + n die Witt-Algebra erfüllen. Aufgabe 21.5: Darstellung der konformen Algebra auf Vektorfeldern Wie ändert sich die Form der Generatoren (21.46), wenn sie auf das elektromagnetische Potenzial in 4 Dimensionen wirken? Bestimmen Sie die Vertauschungsrelationen der Generatoren. Aufgabe 21.6: Schwarzsche Ableitung Die Schwarzsche Ableitung einer komplexen Funktion f (z) ist (S f )(z) =

f  3  f  2 − . f 2 f

Beweisen Sie folgende Aussagen: 1. Die Schwarzsche Ableitung jeder Möbius-Transformation m(z) = verschwindet.

az + b , ad − bc = 0 cz + d

514

21

Konform-invariante Feldtheorien

2. Sind f und g nichtkonstante meromorphe Funktionen, so gilt S f = S g genau dann, wenn es eine Möbius-Transformation m gibt mit m ◦ f = g. Aufgabe 21.7: Virasoro-Algebra Nach Kompaktizierung der Lichtkegelkoordinaten hat die Virasoro-Algebra im Ortsraum die Form (21.103). Zeigen Sie nun, dass die in (21.104) definierten LaurentKoeffizienten die Virasoro-Algebra (21.105) im „Impulsraum“ erfüllen.

Literatur

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Stichwortverzeichnis

1-Form, linksinvariante, 165 A Abelsche Gruppe, 10 Abgeschlossenheit, 8 Ableitung eines Funktionals, 432 Ableitung, kovariante, 462 Absteigeoperator für su(2), 304 Adjungierte Darstellung, 276 einer Lie-Algebra, 250 einer Lie-Gruppe, 275 Adjungierte Wirkung auf G, 22, 54 Äquivalenzklasse, 28 Äquivalenzprinzip, 66 Äquivalenzrelation, 27 Aktive Drehung, 56 Aktive Transformation, 56 Ammoniakmolekül, 93 Anti-de-Sitter-Raum, 154, 173 Antisymmetrisierer, 187 Assoziativgesetz, 8 Assoziierte Darstellung, 218 Atlas, 131 Auflösbare Lie-Algebra, 260 Aufsteigeoperator für su(2), 304 Ausreduktionsformel, 211 Auswahlregel, 399 für Skalare, 397 für Tensoroperatoren, 398, 399 Automorphismengruppe, 22 Automorphismus, 22 Axiale Anomalie, 477 Axiale Symmetrie, 474

B Bahn eines Punktes, 53, 61 Baryonen-Zahl, 476 BCH-Formel, 267 Benzol, 188 Bessel-Hagen-Strom, 498 Bewegung eigentliche, 60 Normalform, 72 uneigentliche, 60 Bewegungsgruppe, 59 Bild eines Homomorphismus, 23 Bloch-Welle, 386 Bravais-Gitter, 105 Brillouin-Zone, 103 Buckyball, 231 C Cartan-Killing-Metrik, 253 Cartan-Klassifikation, 146, 303 Cartan-Matrix, 327 Cartan-Unteralgebra, 307 Cartan-Weyl-Basis, 309 Casimir-Invariante, 258, 259 der Poincaré-Algebra, 294 höherer Ordnung, 259 quadratische, 258 Cayley-Tafel, 4, 8, 19 Charakter der Punktgruppen, 227 des Tensorprodukts, 205 einer Darstellung, 204 Matrix, 215

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wipf, Symmetrien in der Physik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66313-4

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522 Normierung, 211 Tabelle, 215 Tabelle von D3 , 205 von Darstellung mit höchstem Gewicht, 360 von SU(2), 234, 237 von U(1), 233 Charakteristisches Polynom, 16 Chirale Darstellung, 419 der γ -Matrizen, 419 Chiraler Limes, 472, 473 Chirales Feld, 501 CKM-Matrix, 478 Clebsch-Gordan-Formel, 238 Clebsch-Gordan-Koeffizient, 393 Clifford-Algebra, 414 in d Dimensionen, 414 Clifford-Gruppe, 416, 429 Confinement in der QCD, 475 D Darstellung, 176 der Clifford-Algebra, 416 der Lorentz-Gruppe, 242, 410 der Poincaré-Algebra, 412 der symmetrischen Gruppe, 217, 367 einer Lie-Algebra, 249 irreduzible, 182 komplex konjugierte, 185 pseudoreelle, 185 reduzible, 182 reelle, 185 reguläre, 178, 214 treue, 176 unitäre, 183 vollreduzible, 183 von G2 , 364 von SU(2), 370 von SU(3), 239, 363, 370 von SU(n), 370 Decktransformation, 12, 19 Determinantenabbildung, 24 Diedergruppe, 12 Diedergruppe D3 , 187 Diedergruppe D6 , 188 Diffeomorphismen-Invarianz, 498 Diffeomorphismus, 131 Dimension der SO(5)-Darstellungen, 376 Dimension der SU(5)-Darstellungen, 377 Dimension der SU(n)-Darstellungen, 376 Dimension einer Darstellung, 363 Dirac-Gleichung, 422 im elektromagnetischen Feld, 465 Dirac-konjugierter Spinor, 422 Direktes Produkt, 34

Stichwortverzeichnis Dodekaeder, 3 Dodekaedergruppe, 80, 231 Dominantes Gewicht, 345 Doppelte Überlagerung, 151 Drehimpuls, 137, 388 Algebra, 244 Operatoren, 268 Produktzustände, 390 Quantenzahl, 305 Drehspiegelung, 94, 228 Drehung, 55, 227 eigentliche, 57 Normalform, 71, 72 uneigentliche, 57 Dreiecksregel, 392 Dualität von platonischen Körpern, 80 Dynkin-Diagramm, 328 der einfachen Lie-Algebren, 334 Dynkin-Label, 345 E Eichpotenzial, 460 Eichstrom, 470 Eichtransformation, 444, 460, 461 Einfach zusammenhängend, 149 Einfache Lie-Algebra, 247 Einfache Wurzel, 319 Einhüllende Algebra, 256 Einheitszelle, 105 Einselement, 8 Elementarsymmetrisches Polynom, 212 Elementarzelle, 100, 105 Endomorphismus, 22 Energie-Impuls-Tensor, 440 für Dirac-Spinorfelder, 446 für Skalarfeld, 442 kanonischer, 441 metrischer, 498 verbesserter, 445 Energieband, 387 Ereignis, 64 Erzeugende der Lorentz-Gruppe, 289 Erzeugende einer Präsentation, 17 Euler-Lagrange-Gleichung, 432 Euler-Winkel, 58 F Faktorgruppe, 28 Familie von Teilchen, 477 Farbladung, 472 Feldraum, 432 Feldstärke in Yang-Mills-Theorie, 468 Fierz-Relation, 416 Fixpunkt, 94

Stichwortverzeichnis Flächengruppe eines Kristalls, 109 symmorphe, 113 Flavor-Symmetrie, 474 Formel von Gell-Mann und Nishijima, 478 Freudenthals Formel, 365 Frobenius-Norm einer Matrix, 143 Fundamentalbereich, 325 Fundamentale Weyl-Kammer, 324 Fundamentales Gewicht, 344, 345 Fundamentalgruppe, 148, 153 Funktional, 435 Funktionalableitung, 432 Funktionenkeim, 298 G Galilei-Gruppe, 61, 63, 74 Galilei-Transformation, 63 Gamma-Matrix in d Dimensionen, 414 Gell-Mann-Matrix, 309 Generator, 272 Gewicht dominantes, 345 einer Darstellung, 342 fundamentales, 344, 345 höchstes, 348 Gewichtsgitter, 342, 344, 345 Gewichtsvektor, 342 Gitter hexagonales, 123 kubisches, 122, 385 monoklines, 124 orthorhombisches, 108, 124 reziprokes, 102 tetragonales, 123 trigonales, 123 triklines, 124 Gittervektor, 385 Goldstone-Boson, 477 Gruppe, 1, 7 abelsche, 10 affine, 163 allgemeine lineare, 142 alternierende, 40, 42 diskrete, 8 einfache, 26 endliche, 8, 39 euklidische, 59 GL(n,R), 17 GL(n,K), 10 halbeinfache, 26 Homomorphismus, 22 kleine, 47 kontinuierliche, 8

523 O(1,3), 67 orthogonale, 56, 144 platonische, 78 pseudoorthogonale, 144 PSL(2,R), 54 PSL(2,Z), 74 SL(2,C), 153 SL(2,R), 54, 420, 490 SL(2,Z/2Z), 11 SL(n,R), 17 SL(n,K), 10 SO(2,2), 490 SO(3,2), 173 SO(4), 155 SO(n), 57 spezielle lineare, 24, 143 spezielle orthogonale, 57, 144 spezielle unitäre, 145 Spin(1,2), 420 sporadische, 26 SU(1,1), 174 SU(2), 138 symmetrische, 40, 187, 217 symplektische, 145 topologische, 134 U(1), 8 U(2), 137 unendliche, 8 unimodulare, 158, 164 unitäre, 144 zyklische, 8, 24 Gruppenordnung, 8 Gruppentafel, 8 Gruppenwirkung, 52 effektive, 53 freie, 53 transitive, 53 treue, 53 H Haar-Maß, 158 auf affiner Gruppe, 163 auf GL(n,R), 171 auf kompakten Gruppen, 165, 357 auf SU(2), 159, 161 auf SU(3), 168 auf SU(n), 165 auf U(1), 159 auf U(2), 167 Berechnung, 162 für Streckungen und Verschiebungen, 163 reduziertes, 161, 355 Hakenlängen-Formel, 220 Halbeinfache Lie-Algebra, 247

524 Halbgruppe, 8 Hamilton-Formalismus für Feldtheorien, 435 Hamilton-Operator, 381 Hamiltonsche Bewegungsgleichung, 436 Heisenberg-Algebra, 261, 268 Heisenberg-Gruppe, 174 Helizität eines Teilchens, 414 Hexaeder, 3 Higgs-Mechanismus, 481 Höchste Wurzel, 320 Höhe einer Wurzel, 320, 324 Holoedrie, 121 Homöomorphismus, 146 Homogenes Polynom C2 → C, 196 Homogenes Polynom auf R3 , 195 Homomorphismus Bild, 23 einer Gruppe, 22 Kern, 23 von Lie-Algebren, 248 Homotoper Raum, 147 Homotopie, 147 Homotopiegruppe, 147 Homotopieklasse, 147 Hückel-Näherung, 188 Hyperladung, 472, 478 I Ideal einer Lie-Algebra, 246 Ideal eines Lie-Normalteilers, 281 Ikosaeder, 3 Ikosaedergruppe, 80, 231 Infinitesimale Erzeugende, 272 Infinitesimale Lorentz-Transformation, 289 von Feldern, 447 Innere Symmetrie, 437 Integrale Basis, 114 Invariante Integration, 157, 357 Invariante Lie-Unteralgebra, 246 Inverses Element, 8 Inversion, 87, 228, 488 Inzidenzmatrix, 96 Irreduzible Darstellung der symmetrischen Gruppen, 217 einer Lie-Algebra, 249 von D6 , 215 von S4 , 217 von endlichen Gruppen, 214 von SU(2), 234 Isomorphiesatz, 29 Isomorphismus, 22 Isotropiegruppe, 53

Stichwortverzeichnis J Jacobi-Identität, 244, 275, 436 K Kanonische Abbildung, 30 Kartenwechsel, 131 Kern eines Homomorphismus, 23 Killing-Form, 251 Killing-Vektorfeld, 487 konformes, 487 Klassenfunktion, 161 Klein-Gordon-Gleichung, 433 Kleinsche Vierergruppe, 34 Kogewicht, 347 Kommutante, 268 Kommutatorgruppe, 30 Konfigurationsraum einer Feldtheorie, 432 Konforme Abbildung, 484, 485 Konforme Algebra, 497 Konforme Feldtheorie, 483 in 1+1 Dimensionen, 500 Konforme Killing-Gleichung, 486 Konforme Symmetrie, 491 Konformes Killing-Vektorfeld, 486 Konjugation, 22 Konjugationsklasse, 32 der kubischen Gruppe, 230 von Sn , 45 von SU(2), 140 Kontinuitätsgleichung, 438 Koordinatentransformation, 131 Körper, 14 Korrelationsfunktion, 451 Korrespondenzregel, 462 Kostants Formel, 366 Kovariante Ableitung, 461, 462 Kowurzel, 347 Kristall, 99 dreidimensionaler, 120 idealer, 99 zweidimensionaler, 117 Kriterium von Cartan, 267 Kronig-Penney-Modell, 387 Kugelflächenfunktion, 193 L Ladungskonjugation, 425 Ladungskonjugierter Spinor, 425 Lagrange-Dichte, 432 Legendre-Transformation, 435 Leiteroperator, 390 Leiteroperator für su(2), 304 Lemma von Schur, 205 für Lie-Algebren, 249

Stichwortverzeichnis Lichtkegelkoordinate, 490 Lie-Algebra, 244 sl(n), 282 so(n), 282 sp(2n, K), 283 su(n), 251, 283 u(n), 282 abelsche, 244 abgeleitete, 246 auflösbare, 260 einfache, 247 halbeinfache, 247 Homomorphismus, 248 komplexifizierte, 307 konforme, 496 nilpotente, 260 simply laced, 327 Lie-Gruppe, 129, 130 globale Eigenschaften, 146 Lie-Klammer, 244 Lie-Normalteiler, 135 Lie-Produkt, 244 Lie-Unteralgebra von Lie-Untergruppen, 281 Lie-Untergruppe, 135 Linkshändige Fermione, 473 Linkshändiger Spinor, 411 Linksinvariates Vektorfeld, 273 Lorentz-Algebra, 289 Lorentz-Gruppe, 75 Darstellungen, 410 globale Struktur, 69 Zusammenhangskomponenten, 68 Lorentz-Transformation, 64, 68 von Feldern, 447 Lorenz-Eichung, 461 M Magnetische Quantenzahl, 305 Majorana-Darstellung, 426 Majorana-Spinor, 426 Mannigfaltigkeit, 130 differenzierbare, 130 Masse der Eichbosonen, 481 Matrixgruppe, 10, 142, 143, 272 Maximaler Torus, 286, 313 Maxwell-Gleichung, 460 Maß invariantes, 158, 357 Mehrteilchensystem, 381 Metrik, 65 invariante, 254 Miller-Index, 106 Minimale Kopplung, 424, 461

525 von Fermionen, 465 Minimale Substitution, 462 Minimales Modell, 511 Minkowski-Raum, 64 Möbius-Transformation, 490 Modulare Funktion, 171 der affinen Gruppe, 172 Molekülsymmetrie, 77, 93 Monstergruppe, 26 N Natürliche Einheit, 459 Nebenklasse, 28 Nebenklasse mod n, 14 Negative Wurzel, 320 Nichtabelsche Eichtheorie, 466 Nilpotente Lie-Algebra, 260 Noether-Ladung, 438 Noether-Strom für innere Symmetrien, 438 für Lorentz-Transformationen, 448 für Translationen, 445 Verbesserung, 444 Noether-Theorem, 437 für innere Symmetrien, 438 für Raumzeit-Symmetrien, 441 Normalisator, 33 einer Lie-Unteralgebra, 248 einer Untergruppe, 34 Normalteiler, 26 O Oktaeder, 3 Orbit eines Punktes, 53 Ordnung einer Gruppe, 8 Ornamentgruppe, 117 Orthogonalität der Charaktere, 209 P Parität, 380, 423 Paritätsoperation, 410 Partition, 44 Passive Drehung, 56 Passive Transformation, 56 Pauli-Lubanski-Vektor, 295, 412 Pauli-Matrize, 140 Pentagonale Zahl, 45 Permutationsgruppe, 40, 187, 217 Phasenraum einer Feldtheorie, 435 Phasentransformation, 437 von Dirac-Spinorfeld, 440 Platonische Gruppe, 78 Poincaré-Algebra, 294

526 masselose Darstellungen, 413 massive Darstellungen, 413 Poincaré-Gruppe, 68 Poincaré-Transformation, 64 Poisson-Klammer in Feldtheorie, 435 Polarisation eines Wurzelsystems, 320 Polmenge, 83 Positive Wurzel, 320 Potenzial, 381 invariantes, 384 periodisches, 385 Präsentation einer Gruppe, 17, 20 Primäres Feld, 506 Primitive Elementarzelle, 100 Produktregel, 297, 435 Projektion, 30 Projektor auf Darstellung, 358 auf invarianten Teilraum, 224 auf triviale Darstellung, 213 Pseudoorthogonale Gruppe, 144 Pullback, 300 Punktgruppe, 77 eigentliche, 82 Elemente, 227 Punktgruppe einer Raumgruppe, 112 Pushforward, 300 Q q-Reihe, 45 Quadratische Casimir-Invariante, 258 Quantenmechanik, 381 relativistische, 409 Quark, 472 Quaternion, 49, 50 R Radikal einer Lie-Algebra, 267 Rang einer Gruppe, 17 einer Lie-Algebra, 244 einer Lie-Gruppe, 286 Raumgruppe eines Kristalls, 109 symmorphe, 113 Raumspiegelung, 423 Rechtshändige Fermione, 473 Rechtshändiger Spinor, 411 Reduziertes Haar-Maß, 355 auf kompakten Gruppen, 354 auf SO(2n), 356 auf SU(3), 168 auf U(n), 168 Referenzachse, 78

Stichwortverzeichnis Reguläre Darstellung von D3 , 230 Relativistische Quantenmechanik, 409 Ring, 13 Runge-Lenz-Vektor, 401 S Satz über π2 (G), 150 über Fundamentalgruppen, 150 von Bott, 150 von Burnside, 214 von Cartan, 135 von Cayley, 40 von Cayley-Hamilton, 16 von Engel, 262 von Euler, 57 von Lagrange, 28 von Lie, 265 von Peter und Weyl, 234 von Poincaré, Birkhoff, Witt, 258 von Wigner, 380, 450 von Wigner-Eckart, 399 Schoenflies-Notation, 93 Schrödinger-Gleichung, 381 Schwarzsche Ableitung, 513 Selbstdualer Tensor, 427 Semidirektes Produkt, 34, 35, 37 Separabler Zustand, 381 Simply-laced-Lie-Algebra, 334 Singuläres System, 444 Skalarer Operator, 396 Skalarprodukt, 137 invariantes, 184 Spiegelung, 95, 227, 380, 410 Spin(1,4), 420 Spingruppe, 418 Spintransformation in 4 Dimensionen, 419 in d Dimensionen, 418 Spontane Symmetriebrechung, 475, 476 Spuranomalie, 507 Stabilisator, 33, 53 Strangeness, 472 Strukturkonstante, 244 Stufenoperator, 308 Symmetrie, 1 in der Quantenmechanik, 380 in Quantenfeldtheorien, 450 Symmetrie, innere, 437 Symmetriebrechung, spontane, 2 Symmetrische Gruppe, 187 Darstellungen, 217 Symmetrisierer, 187 Symmorphe Flächengruppe, 113

Stichwortverzeichnis Symmorphe Raumgruppe, 113 T Targetraum, 432 Teilchenfamilie, 477 Tensorfeld, bilinear in ψ, 422 Tensoroperator, 397 Auswahlregeln, 398 Normalkomponenten, 398 Tensorprodukt von Darstellungen, 186, 366 von Hilbert-Räumen, 381 von Vektoren, 381 Tetraeder, 3 Tetraedergruppe, 79 Topologische Gruppe, 134 Trägheitstensor, 91 der platonischen Körper, 98 Transformationsgruppe, 52 Translation, 68, 130, 383 räumliche, 61 zeitliche, 62 Translationsoperator, 385 Transposition, 41 U Überlagerung der Lorentz-Gruppen, 421 Überlagerung eines top. Raums, 150 Überlagerungsgruppe, 150 Universelle Einhüllende, 256 von sl(2, R), 257 Universelle Überlagerung, 151 Untergruppe, 23 einparametrige, 285 invariante, 26 konjugierte, 25 maximale, 23 Unterzyklus, 41 V Vakuumzustand, 451 Vektorfeld, 299 Vektorielle Symmetrie, 474 Vektoroperator, 399 Vektorprodukt, 243 Vermutung von Burnside, 26 Verschiebung, 383 Verschiebungsoperator, 385 Verschränkter Zustand, 381 Vierer-Potenzial, 460 Virasoro-Algebra, 483 im Ortsraum, 504

527 W Wallpaper group, 117 Ward-Identität der konformen Symmetrie, 495 Weyl -alternierende Funktion, 358 -Anomalie, 507 -antisymmetrische Funktion, 358 -Gewicht, 492 -Gruppe, 287, 313, 314, 344 -Gruppe von A2 , 317 -Gruppe von B2 , 317 -Gruppe von SU(n), 301 -Invarianz, 491 -Kammer, 324, 327 -Spiegelung, 313 -Vektor, 347 Weylsche Charakterformel, 360 Weylsche Dimensionsformel, 363 Weylsche Integralformel, 354, 357 Wigner-Eckart-Theorem, 399 Wigner-Seitz-Zelle, 101 Wirkung, 432 Witt-Algebra, 500 für freies Skalarfeld, 513 für wechselwirkendes Skalarfeld, 513 Würfelgruppe, 79 Wurzel einer Lie-Algebra, 307 Wurzelsystem für einfache Lie-Algebren, 336 von Ar , 336 von Br , 336 von Cr , 336 von Dr , 337 von E6 , 338 von E7 , 338 von E8 , 337 von F4 , 337 von G2 , 337 Wurzelvektor, 308 Y Yang-Mills-Gleichung, 468 Young-Diagramm, 46, 219, 366 konjugiertes, 227 Young-Symmetrisierer, 222 Young-Tableau, 44, 219 normales, 220 Standard, 220 Z Zeitumkehr, 424 Zentrale Erweiterung, 509, 510 Zentrale Ladung, 504 Zentralisator einer Teilmenge von g, 247

528 Zentralreihe, untere, 260 Zentrum einer Gruppe, 27 Zentrum einer Lie-Algebra, 247 Zentrum von SU(2), 140

Stichwortverzeichnis Zusammenhangskomponente, 135 Zustand, separabler, 381 Zyklus einer Permutation, 44