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German Pages 523 [528] Year 1990
Kurt Aland Supplementa zu den Neutestamentlichen und den Kirchengeschichtlichen Entwürfen
Kurt Aland
Supplementa zu den Neutestamentlichen und den Kirchengeschichtlichen Entwürfen
Zum 75. Geburtstag herausgegeben von Beate Köster, Hans-Udo Rosenbaum und Michael Welte
w DE
G Walter de Gruyter • Berlin • New York 1990
ClP-Titelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Aland, Kurt: Supplementa zu den neutestamentlichen und den kirchengeschichtlichen Entwürfen / Kurt Aland. Zum 75. Geburtstag hrsg. von Beate Köster ... - Berlin ; New York : de Gruyter, 1990 ISBN 3-11-012142-5
© Copyright 1990 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Arthur Collignon G m b H , Berlin 30 Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz &c Bauer, Berlin 61
Vorwort Als Kurt Aland 1979 seine „Neutestamentlichen Entwürfe" vorlegte, war er der Meinung, es handele sich dabei nur um eine „Zwischenbilanz". „Denn eine Fülle von Problemen steht Deo volente noch zur Erörterung an bzw. befindet sich in verschieden fortgeschrittenem Stadium der Bearbeitung" (Vorwort, S. 8). Die „Neutestamentlichen Entwürfe" ebenso wie die „Kirchengeschichtlichen Entwürfe", für die ohne Zweifel dasselbe gilt, bedurften also der Ergänzung. Supplementa zu den schon veröffentlichten „Entwürfen", das schwebte Aland schon seit einigen Jahren vor. Die Realisierung aber mußte hinter seinen immer noch zahlreichen anderen Projekten zurückstehen. Wir haben daher gern die Gelegenheit ergriffen, Kurt Aland zu seinem 75. Geburtstag am 28. März 1990 die „Supplementa" als Festgabe vorzulegen. Ganz bewußt haben wir dabei den Begriff „Entwürfe" im Untertitel wieder aufgegriffen. Denn Aland hat seine Arbeiten (wie die anderer auch) niemals als abschließend angesehen, sondern als Entwürfe „aus der Bescheidung, daß alle wissenschaftliche Arbeit eben nur Stückwerk' liefert, wie der Apostel Paulus sagt, und einen Entwurf auf die in der Zukunft liegende wirkliche Lösung hin bedeutet" (Vorwort zu den „Neutestamentlichen Entwürfen", S. 8). Bei der Auswahl der Aufsätze haben wir uns davon leiten lassen, daß auch heute noch gültige Beiträge Alands zu wichtigen, z. T. vieldiskutierten Themen zu einem Band zusammengestellt werden sollten, der die außerordentliche Breite seiner Arbeiten widerspiegelt. Mit Absicht sind neben den oft sehr speziellen Aufsätzen aus allen von ihm bearbeiteten Themenbereichen von der neutestamentlichen Textforschung bis hin zur neuesten Kirchengeschichte auch Beiträge ausgewählt worden, die ein wenig von der Persönlichkeit Kurt Alands sichtbar werden lassen. Wir sind dabei in der glücklichen Lage, daß wir bei der Manuskripterstellung auf die Arbeitsexemplare Alands zurückgreifen konnten. So enthalten die Aufsätze, soweit das bei photomechanischem Nachdruck möglich war, seine späteren Eintragungen. Frau Prof. Lic. Dr. Barbara Aland möchten wir an dieser Stelle dafür danken, daß sie uns die Handexemplare ihres Mannes zugänglich gemacht hat.
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Vorwort
Auch Druckfehler konnten im Rahmen des photomechanischen Nachdrucks korrigiert werden. Notwendige Aktualisierungen, Literaturangaben oder zum Verständnis wichtige Anmerkungen — sie sind durch kleinere Drucktype als Zusätze der Herausgeber kenntlich gemacht — finden sich in Nachträgen zu etlichen Aufsätzen, wobei auf die Originalseiten (Zahlen in eckigen Klammern) verwiesen wird. Die Beiträge sind bis auf eine Ausnahme (vgl. den Nachweis der Erstveröffentlichungen) nicht gekürzt worden. Das ergab sich aus den Voraussetzungen des photomechanischen Nachdrucks. So blieb gleichzeitig der ursprüngliche Charakter der Aufsätze erhalten, oft auch der polemische, sind doch viele Darstellungen Alands in wissenschaftlichen Kontroversen entstanden. Einen Überblick über das gesamte Schaffen Alands gibt die bis auf die Gegenwart fortgeführte Bibliographie am Schluß des Bandes. Den Verlegern der Erstveröffentlichungen der hier aufgenommenen Beiträge sei für die Reproduktionserlaubnis gedankt. Dem Verlag de Gruyter, dessen theologischer Berater Aland seit nunmehr 48 Jahren ist, gilt unser besonderer Dank für die Ermöglichung dieses Sammelbandes. Wenn wir die „Supplementa" Kurt Aland zum 75. Geburtstag widmen, so möchten wir ihm damit unseren seit langem empfundenen Dank zum Ausdruck bringen. Wir sind dankbar für vielfache wissenschaftliche Anregung und Förderung, aber auch für stete Bereitschaft zu persönlicher Anteilnahme und tatkräftige Hilfe. Wir wünschen dem Jubilar, daß ihm seine erstaunliche Schaffenskraft erhalten bleiben und er uns weiterhin als real existierendes Paradigma wissenschaftlichen Arbeitens vor Augen stehen möge. Münster/W., 28. März 1990 Beate Köster Hans-Udo Rosenbaum Michael Welte
Inhaltsverzeichnis Vorwort Die Grundurkunde des Glaubens. Ein Bericht über 40 Jahre Arbeit an ihrem Text Der Text des Johannesevangeliums im 2. Jahrhundert Alter und Entstehung des D-Textes im Neuen Testament. Betrachtungen zu P 69 und 0171 Methodische Bemerkungen zum Corpus Paulinum bei den Kirchenvätern des zweiten Jahrhunderts Über die Möglichkeit der Identifikation kleiner Fragmente neutestamentlicher Handschriften mit Hilfe des Computers Die Papyri aus Höhle 7 von Qumran und ihre Zuschreibung zum Neuen Testament durch J. O'Callaghan Noch einmal: Das Problem der Anonymität und Pseudonymität in der christlichen Literatur der ersten beiden Jahrhunderte . . . . Noch einmal: der ROTAS/SATOR-Rebus Die Christen und der Staat nach Phil. 3,20 Die Anfänge des Reformators und der Reformation Martin Luthers Luther und die römische Kirche Der »deutsche« Luther Der Hallesche Pietismus und die Bibel Der Pietismus und die soziale Frage Philipp Jakob Spener und die Anfänge des Pietismus Spener — Schütz — Labadie? Notwendige Bemerkungen zu den Voraussetzungen und der Entstehung des deutschen lutherischen Pietismus Martin Luther in der modernen Literatur. Ein Beitrag zur Begegnung des Schriftstellers mit der Historie Adolf Harnack als wissenschaftlicher Organisator Historisches Wissen als Orientierung für das geistliche Amt . . . . Bibliographie Kurt Aland Nachweis der Erstveröffentlichung der Beiträge
V 1 62 72 97 117 142 158 177 192 205 226 274 289 325 365
400 429 460 472 487 515
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Die Grundurkunde des Glaubens Ein Bericht über 40 Jahre Arbeit an ihrem Text
I. Historische
Vorbemerkungen
Die Jubiläumsfeiern des Jahres 1985 werden sich auf den 400. Geburtstag von Heinrich Schütz sowie den 300. Geburtstag von Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel konzentrieren. Dahinter werden die Gedenktage des Pietismus völlig zurücktreten, es sei denn an den davon besonders betroffenen Orten; »er 3.50 Jahren, am 23. (13.) Januar 1635, wurde Philipp Jakob Spener geboren und vor 275 Jahren, im Laufe des Jahres 1710, begann die von Cansteinsche Bibelanstalt mit ihrer Arbeit. Spener hat mit seinen Pia desideria und deren Mahnung, »das Wort Gottes reichlicher unter uns zu bringen«, die zentrale Forderung der Reformation nach der Bibel und insbesondere dem Neuen Testament als Grundurkunde des Glaubens von neuem zur Geltung gebracht. Die von Cansteinsche Bibelanstalt hat Entscheidendes dazu getan, dieser Forderung zur Verwirklichung zu verhelfen. Das geschah rund 100 Jahre, bevor die modernen Bibelgesellschaften ins Leben gerufen wurden, die heute die Gestalt und die Verbreitung der Bibel bestimmen. Gewiß galt die Forderung Speners und die Arbeit der von Cansteinschen Bibelanstalt der Bibel und dem Neuen Testament in deutscher Sprache. Aber bezeichnend ist, daß das unter dem Vorzeichen der Wiederherstellung des authentischen Luthertextes stand und begleitet war von dem Gedanken, daß man über Luther auf den Urtext zurückgehen müsse. Auf Franckes Initiative entstand in Halle eine wissenschaftliche Ausgabe des hebräischen Alten Testaments, die viele Generationen hindurch benutzt wurde. Und die von den Halleschen Pietisten für den eigenen Gebrauch in Umlauf gebrachte Ausgabe des griechischen Neuen Testaments von John Fell gehörte zu den fortschrittlichsten der Zeit. Denn sie notierte im kritischen Apparat die Lesarten von über 100 griechischen Handschriften sowie die der alten Übersetzungen bis hin zur koptischen und gotischen. Ausgerechnet diese Ausgabe aus den vielen damals umlaufenden hatte Francke 1702 | nachdrucken lassen und ein ausführliches
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Vorwort dazu geschrieben, ihr dadurch eine für Pietisten sozusagen kanonische Bedeutung verleihend. Gewiß hatte Fell sich darauf beschränkt, die Zahl der Varianten zum in Kirche wie Wissenschaft seit Erasmus allgemein »angenommenen Text«, dem sog. Textus receptus, zu vermehren und in den Text selbst nicht eingegriffen. Das war im 17. Jahrhundert noch nicht möglich und hat sich erst im 18. Jahrhundert zögernd Bahn gebrochen. Aber bezeichnend ist, daß Johann Albrecht Bengel, führender Repräsentant des württembergischen Pietismus, einer dieser Bahnbrecher war. Bei jeder Variante, die er im Apparat seiner Ausgabe verzeichnete, gab er an, welcher Textwert ihr im Vergleich zum oben abgedruckten Textus receptus zukam. Bei der Offenbarung ging er noch weiter und bevorzugte den Codex Alexandrinus (seit 1628 in England), der trotz aller Neufunde seitdem noch immer zu den wichtigsten Zeugen für den ursprünglichen Text der Offenbarung gehört. So wie Bengel versuchte eine ganze Reihe von Gelehrten im 18. Jahrhundert, die Herrschaft des Textus receptus wenn nicht zu beseitigen, so doch aber mindestens einzuschränken. Aber erst im 19. Jahrhundert wurde das erreicht. Der Berliner Philologe Karl Lachmann mit seiner 1830 erhobenen Forderung: zurück zum Text des 4. Jahrhunderts, brach dafür die Bahn, Tischendorf und Westcott-Hort — um nur die beiden Hauptrepräsentanten der Textforschung jener Zeit zu nennen — haben das dann durchgesetzt. Für Tischendorf gab der von ihm im Katharinenkloster auf dem Sinai 1859 gefundene Codex Sinaiticus aus dem 4. Jahrhundert den Leitstern ab, für Westcott und Hort der Codex Vaticanus aus der gleichen Zeit, der damals in der Vatikanischen Bibliothek aus vierhundertjähriger Vergessenheit wieder ans Licht getreten war. Für beide Ausgaben war also die Forderung Lachmanns schon von der Basis der Arbeit aus erfüllt. Noch manche anderen Namen aus dem 19. Jahrhundert wären hier zu nennen, aber nur Tischendorf wirkt mit seiner editio octava critica maior, die jeder Textforscher bis auf den heutigen Tag benutzt, direkt in die Gegenwart nach, ebenso wie Westcott-Hort mit ihrer Theorie (insbesondere im englischen Sprachraum). Trotz heftigen Widerstands der Anhänger des Textus receptus war dieser wenigstens in der Wissenschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts im Grundsatz überwunden. Tatsächlich verdrängt wurde er aber erst, als | Eberhard Nestle sein Novum Testamentum Graece 1898 in der Württembergischen Bibelanstalt zu Stuttgart veröffentlichte. Nestle zog das Fazit aus der wissenschaftlichen Arbeit des 19. Jahrhunderts, indem er neben den Ausgaben von Tischendorf und Westcott-Hort eine dritte
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verwandten Charakters zugrundelegte und seinen Text einfach nach dem Mehrheitsprinzip gestaltete. Bei Differenzen im Text der drei Ausgaben nahm Nestle das, was zwei von ihnen boten, in seinen Text und verzeichnete die Lesart der dritten im Apparat (wo mit schwäbischer Gründlichkeit mit einem ausgeklügelten System auch alle sonstigen Differenzen der Ausgaben verzeichnet wurden). Nestles Ausgabe setzte sich alsbald durch, und zwar nicht nur wegen ihrer Handlichkeit und Übersichtlichkeit und ihres niedrigen Preises von 2 Mark, sondern weil sie infolge ihres Mehrheitsprinzips die individuellen Besonderheiten der benutzten Ausgaben (z. B. bei Tischendorf) ausglich und so dem Erkenntnisstand der Zeit voll entsprach. Als 1904 die damals weltbeherrschende British and Foreign Bible Society vom Textus receptus abging, den sie bis dahin abgedruckt hatte, und an seine Stelle Nestles Novum Testamentum Graece setzte, war der endgültige Sieg über den Textus receptus errungen. In mehreren Millionen Exemplaren ist Nestles Novum Testamentum Graece in den Jahrzehnten darauf verbreitet worden (ergänzt durch eine griechisch-lateinische und griechisch-deutsche Ausgabe), zumal der Sohn Erwin Nestle ihm auf Drängen der deutschen Neutestamentier 1925 einen kritischen Apparat beigegeben hatte, der diesen Namen verdiente. Es beherrschte trotz einiger Konkurrenzausgaben in England (Souter), Italien (Merk) und Deutschland (Vogels) international Wissenschaft und Kirche. Allmählich aber regte sich Kritik. Zwar war von Sodens Versuch gescheitert, am Anfang des 20. Jahrhunderts mit einer neuen großen Ausgabe den bisherigen Text durch einen anderen zu ersetzen, wenn er auch mit seiner sich durch seine Texttheorie ergebenden Bevorzugung des byzantinischen Texts die Ausgaben von Merk und Vogels nicht unerheblich beeinflußt hat. Aber dennoch war die Dominanz des Sinaiticus und des Vaticanus manchem anstößig geworden, zumal die Zahl der Papyri, z. T. aus früher Zeit, schon 1930 auf über 40 gestiegen war und in den 30er Jahren dann die ehester Beatty-Papyri bekannt geworden waren. Sie hatten die textkritische Landschaft zwar nicht verändert — so schnell geht das in der neutestamentlichen Wissenschaft nicht —, aber doch zu erheblichem | Aufsehen und Nachdenken unter den textkritisch Interessierten geführt. Außerdem hatte die grundsätzliche Kritik an dem infolge des Mehrheitsprinzips letztlich doch mechanischen Charakter des Nestle-Textes zugenommen. Schon 1942 hatte E. C. Colwell in den USA in einer faszinierenden Rede zu einer neuen großen Ausgabe des griechischen Neuen Testaments aufgerufen und damit großen Beifall gefunden. Zunächst sollte ein umfassender kritischer Apparat erarbeitet und dann auf dieser Basis in wenigen Jahren ein neuer Text gestaltet werden.
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Dazu ist es dann nicht gekommen, denn trotz des Zusammenschlusses mit den Engländern 1948 sind erst 1984 lediglich die Kapitel 1 — 12 des Lukasevangeliums mit einem auf der Basis des Textus receptus gestalteten kritischen Apparat erschienen, der in seiner Anlage wie in seinen Resultaten viel Anlaß zu Kritik gibt, auf die hier nicht im einzelnen eingegangen werden kann, und auf jeden Fall die einst von Colwell gesteckten Ziele nicht erreicht (vgl. dazu die Rezension im Gnomon 56, 1984, 4 8 1 - 4 9 7 ) .
11. Vom alten Nestle zum neuen Text Unabhängig von diesen auf eine den »Tischendorf« ersetzende große Ausgabe zielenden Plänen waren in den USA wie in England und in Deutschland schon in den 50er Jahren Vorbereitungen für einen an die Stelle des bisherigen Nestle tretenden Text getroffen worden. In Deutschland erwuchsen sie aus der Kontinuität des Nestle, in den USA und England nicht ohne nationalen Einfluß. Das ganze 18. und 19. Jahrhundert hindurch hatten England und Deutschland im Wettstreit um die Führung in der neutestamentlichen Textforschung gestanden, die Rezeption des Nestle 1904 durch die BFBS hatte England in den Hintergrund treten lassen, was den praktisch gebrauchten Text des Neuen Testaments anging. So bemühte sich G. D. Kilpatrick/Oxford zunächst darum, den Nestle zu anglisieren, wobei ihm seine einflußreiche Position in der BFBS zugute kam. 1958 erschien die »second edition« der englischen Ausgabe von 1904, die seinen Namen neben dem Nestles auf dem Titelblatt nannte, faktisch aber nur den Aufbau des (verkürzten) Apparates vom Nestleschen Sigel- auf das Lemma-System umstellte. Der Text war vollständig vom Nestle übernommen, und zwar in der Fassung von 1904. Gleichzeitig | bereitete er eine »Greek-English Diglot« vor, die nun seine Vorstellungen in bezug auf die Textgestaltung realisieren sollte. Das geschah in direkter Konkurrenz zu den amerikanischen Plänen. Auch hier spielte das nationale Element eine Rolle. Denn 1966 stand das 150jährige Jubiläum der American Bible Society bevor, aus diesem Anlaß sollte das erste amerikanische griechische Neue Testament erscheinen, wie es in der infolge dieses Slogans besonders erfolgreichen Spendenwerbung hieß. Diese Ausgabe sollte von vornherein auch in der Anlage vom bisherigen Nestle verschieden sein: Beschränkung der Varianten im Apparat auf textlich wichtige, also sehr viel weniger als im Nestle, und dafür möglichst vollständige Anführung der Bezeugung. Die
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Benutzer sollten von vornherein durch eine Bewertung der Varianten (Zufügung von qualifizierenden Buchstaben) einen Maßstab für deren Wert erhalten, d. h. die Ausgabe war von Anfang an auf die Masse der Benutzer (nicht die textkritisch besonders Interessierten) und die Übersetzer in den jungen Kirchen ausgerichtet. Genau dieselbe Absicht hatte die Ausgabe von Kilpatrick. Sie stellte sogar eine englische Übersetzung neben den griechischen Text und verzichtete völlig auf einen textkritischen Apparat. Von 1958 an erschien sie in 7 Heften (bis 1964), zwar als Manuskript gedruckt, aber doch als offizielle Ausgabe der BFBS vorgestellt. Die Konkurrenz der BFBS dabei zum Plan der ABS war offensichtlich, sie verzichtete dementsprechend auf die Beteiligung an der Vorbereitung des Greek New Testament, im Gegensatz zur Schottischen, der Niederländischen und auch der Stuttgarter Bibelgesellschaft. In der 1. Auflage des G N T von 1966 erschien sie trotzdem unter den die Ausgabe unterstützenden Bibelgesellschaften. Denn inzwischen hatte sie die Fortführung der Ausgabe Kilpatricks abgebrochen, weil sie den dort gebotenen Text nicht mehr verantworten zu können glaubte und der des GNT ihr überzeugender schien. Während das Herausgeberkomitee des GNT von den Handschriften ausging und deren Aussage seine Entscheidungen bestimmte, hatte Kilpatrick nämlich in nicht wenigen Fällen seine vorher feststehende Meinung über den Text zur Grundlage genommen, auch da, wo das Zeugnis der griechischen Handschriften wie der Übersetzungen sehr schmal war. Die Rechte an der Ausgabe wurden ihm zurückgegeben, eine Fortsetzung (um die er sich, soweit bekannt, bemüht hat) konnte bis heute nicht erscheinen. | In Deutschland hatte sich eine Neubearbeitung des alten NestleTextes zwangsläufig und zwanglos ergeben. Als ich Ende der 40er Jahre in die Arbeit an der Ausgabe eingetreten war (1952 in der 21. Auflage ist mein Name zum ersten Mal neben dem Nestles im Vorwort, 1956 in der 22. Auflage auf dem Titelblatt genannt worden), war ich als erstes mit einer etwas überraschenden Aufgabe konfrontiert worden. Denn zu meinem großen Erstaunen offenbarte mir Erwin Nestle, daß für den kritischen Apparat der Ausgabe bisher keine Handschrift, ja nicht einmal ein Faksimile benutzt, sondern dieser allein aus den Notaten der anderen Ausgaben, insbesondere der modernen Handausgaben, aufgebaut worden war. Als erstes präsentierte er mir lange Listen der Angaben im Nestle-Apparat, die von denen einzelner dieser Ausgaben (bzw. wo diese untereinander) differierten. Das möchte als erstes an den griechischen Handschriften bzw. den Ausgaben der anderen Zeugen nachgeprüft werden. Das ist nicht erzählt, um Erwin Nestle herabzusetzen. Ich war
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vielmehr aufs äußerste erstaunt, wie er den Apparat überhaupt so hatte gestalten können und wie akkurat er das getan hatte. Denn die mit größter Beschleunigung durchgeführte Handschriftenkontrolle ergab, daß bei Widersprüchen zwischen den Ausgaben Nestle zu über 80% im Recht war und die anderen zusammen nur bei etwa 20%. Von da an ist dann der Nestle-Apparat systematisch, insbesondere unter Einbeziehung der Papyri, nach den Originalen aufgebaut worden. Dabei ergab sich alsbald eine solch enge Zusammenarbeit und ein Vertrauen, das die Frage nach einer Neugestaltung des Nestle-Textes erlaubte. Erwin Nestle erklärte darauf, das sei nicht nur möglich, sondern auch nötig. Aber er könne sich daran nicht beteiligen, denn sein Vater habe ihm immer davon abgeraten, den objektiven Maßstab des Mehrheitstextes zu verlassen. Ich sollte mich nur allein an die Arbeit machen. Das geschah dann auch, nachdem ich mich des Einverständnisses von Prälat Schlatter, dem damaligen Vorstand der Württembergischen Bibelanstalt Stuttgart, versichert hatte, mit einiger Energie. Denn die Kollationen, die damals mit Hilfe mehrerer Mitarbeiter in Halle und Berlin für die Synopsis Quattuor Evangeliorum liefen, konnten ohne Schwierigkeiten über die Evangelien hinaus ausgedehnt werden. Die Arbeiten waren bereits fortgeschritten, auch die der Textkonstitution, als mich die Aufforderung von Eugene A. Nida erreichte, in das Herausgeberkomitee des G N T einzutreten. Zwar hatten hier die Amerikaner — in Verfolgung der | ursprünglichen Pläne — mit drei Mitgliedern die Mehrheit, aber außer dem Deutschen war auch ein Engländer, genauer gesagt: Schotte, zusätzlich aufgefordert worden. Der Mittelpunkt und Motor des Ganzen war der zuständige Abteilungsleiter der ABS, Eugene A. Nida, was die Voraussetzung dafür war, daß das Unternehmen zu einem glücklichen Ende kommen konnte. Mehr als 10 Jahre lang sind wir — meist in den USA — alljährlich zu 6wöchigen konzentrierten Beratungen zusammengetroffen, in der Zwischenzeit erfolgten die Materialbereitstellung für die nächste Tagung und die Ausführung der Beschlüsse der letzten. Auch das geschah vor allem in den USA, je länger je mehr verlagerten sich Teile der Arbeit aber nach Münster. Meine Lage war schwierig: einerseits liefen — mit ausdrücklicher Zustimmung aller Beteiligten — die Arbeiten an der Neubearbeitung des Nestle weiter, deren Resultate ich selbstverständlich in die Beratungen für den Text des G N T einbrachte. Andererseits sammelte ich bei den Diskussionen des Herausgeberkomitees Einsichten und Erfahrungen, die oft nur in bewegtem Hin und Her und nicht am stillen Schreibtisch zu erlangen sind. Vorläufig schien es jedenfalls so, daß das Herausgeber-
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komitee infolge seiner Stimmenmehrheit (über jede Entscheidung wurde abgestimmt) einen Text herstellen würde, der zu sehr vom mechanisch angewandten Prinzip »die kürzere Lesart ist die richtige«, von den Anschauungen von Sodens und Vogels' und von der Voraussetzung der fortdauernden Unfehlbarkeit Westcotts und Horts bestimmt wäre. Erst nach heftigen Diskussionen, bei denen ein amerikanisches Mitglied ausschied und ein zweites immer wieder mit dem Gedanken des Rücktritts spielte, bewegten sich die beiden Ausgaben mehr aufeinander zu, allerdings noch so, daß sie weit von einer Deckung entfernt waren, und Prälat Schlatter mich immer wieder bedrängte, doch den neuen Nestle separat abzuschließen und zu veröffentlichen. Als 1966 schließlich termingemäß die erste Ausgabe des Greek New Testament erschien, war diese Frage immer noch nicht entschieden. Aber es gelang, in der 2. Ausgabe des G N T von 1968 neben einer Reihe anderer Probleme vor allem die der sog. Western non-interpolations zufriedenstellend zu regeln. So konnte für die 3. Ausgabe schließlich all das an Textunterschieden zur Debatte gestellt werden, was vom neuen Nestle her noch an Textdifferenzen vorlag. In [ dieser dritten Ausgabe von 1975 ist dann die Einheit der beiden Texte endgültig hergestellt worden. Ohne die ständige Unterstützung, die Erfahrung und die Weisheit von Eugene A. Nida wäre das nicht möglich gewesen. Er hatte in den vielj ährigen Diskussionen des Komitees immer wieder eine entscheidende Rolle gespielt, ohne ihn wäre der Plan schon in einem frühen Stadium gescheitert. Er hat auch dafür Sorge getragen, daß die Ausgabe nicht bei der American Bible Society geblieben ist, obwohl diese alle Vorarbeiten finanziert hatte, sondern an die United Bible Societies weitergegeben wurde. Während der verschiedenen Ausgäben ist der Arbeits- und der sachliche Anteil des Münsteraner Instituts immer größer geworden. Schon in der 2. Auflage von 1968 hieß es auf dem Titelblatt: in Cooperation with the Institute for New Testament Textual Research, in den späteren Auflagen ist das dann noch erweitert und durch die Namen von Kurt und Barbara Aland ergänzt worden. So ist der neue Text entstanden, bei dem jetzt sogar — auf amerikanischen Wunsch — die Interpunktion des G N T der des Nestle angeglichen worden ist. So unterscheiden sich die beiden Ausgaben tatsächlich nur in der Zielsetzung und deswegen im Aufbau und im wissenschaftlichen Apparat, das allerdings gründlich und gleichzeitig einander ergänzend. Die 4. Ausgabe des GNT, die in den Grundzügen vom Herausgeberkomitee, das gegenüber den Anfängen inzwischen durch C. M. Martini, B. Aland und J. Karawidopoulos erweitert worden war, bereits festgelegt ist und sich in Arbeit
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befindet, wird das mit noch größerer Deutlichkeit als bisher erweisen. Bisher war die Anlage des Apparates im G N T manchmal noch etwas diffus — gelegentlich konnten nach Erscheinen der 1. Ausgabe selbst die Herausgeber nicht mehr sagen, weshalb sie diese oder jene Variante für den Apparat bestimmt hatten. Hier ist jetzt durch erhebliche Eingriffe Klarheit geschaffen worden zum größtmöglichen Nutzen für die Sache und den internationalen Kreis der Benutzer. Tatsächlich ist dieser neue Text bereits in mehreren hunderttausend Exemplaren nicht nur in den evangelischen Kirchen und der Katholischen Kirche, sondern auch in der griechisch-orthodoxen, der russisch-orthodoxen und den orientalischen Kirchen im Gebrauch. Die Tatsache, daß die Neo-Vulgata, der neue amtliche lateinische Text der | Katholischen Kirche, ihn zugrundegelegt hat und mit Zustimmung der zuständigen Stellen eine Ausgabe von Neo-Vulgata und Nestle zusammen erschienen ist, spricht eine deutliche Sprache, ebenso wie die Tatsache, daß Hunderte von Neuübersetzungen bzw. Revisionen vorliegender Übersetzungen in aller Welt von den beiden Ausgaben ausgehen. Daß das etwa G. D. Kilpatrick angesichts seiner differenten Ansichten in bezug auf die Textkonstituierung wie im Hinblick auf das Scheitern seiner eigenen Pläne nicht gefällt, ist verständlich, weniger allerdings, mit welchen Methoden er und seine Schüler, die, als Rezensenten auf einige Zeitschriften anscheinend abonniert, jede Ausgabe erneut — und notfalls mehrmals — hyperkritisch herabzusetzen suchen, mindestens aber die Herausgeber. Nun ist das zwar unerfreulich, aber hier spricht nur eine kleine Gruppe, die offensichtlich darauf hofft, daß ihre eigentlichen Motive nicht sichtbar werden, ebensowenig wie die geringe Stichhaltigkeit ihrer Argumentation.
III. Rückkehr zum Textus
receptusf
Anders steht es mit jener Rückbewegung zum Textus receptus, die wir etwa in den USA finden, als deren Resultat und Werkzeug zum Beispiel 1982 in einem angesehenen Verlag »The Greek New Testament According to the Majority Text« erschienen ist. Man hätte doch meinen sollen, daß der Kampf der Wissenschaft seit dem 18. Jahrhundert und insbesondere in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gegen den Textus receptus diesen endgültig beiseite geschoben und ihn im Bewußtsein aller als die von den verschiedenen Textformen des Neuen Testaments festgestellt hätte, die am weitesten vom Urtext entfernt ist. Gewiß hat er
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von Erasmus an insbesondere in der evangelischen Kirche eine beherrschende Stellung eingenommen, ja er ist von der altprotestantischen Orthodoxie im Gegensatz zur Katholischen Kirche, die bei der Vulgata blieb, zur eigentlichen Grundlage der Lehre von der Verbalinspiration des göttlichen Wortes erhoben worden. Das 16. Jahrhundert sah eben nur auf den großen Namen des Humanistenfürsten (eigentlich müßte man sagen: Humanistenkönigs) Erasmus und sah nicht seine — man kann nicht anders sagen, als — liederliche Arbeit. Liederlich deshalb einmal, weil er sich keinerlei Mühe machte, nach für | die Erstausgabe mit ihrem besonderen Rang geeigneten Handschriften zu suchen, sondern sie daher nahm, von wo er sie am bequemsten bekommen konnte, nämlich drei aus der Universitätsbibliothek seines Wohnortes Basel und eine von einem Bekannten, und sie ohne Kontrolle übernahm. Nach eigenem Ermessen und ohne weitere Heranziehung einer anderen Vorlage (er hatte sich bei jeder der Schriftengruppen des Neuen Testaments offensichtlich auf eine Handschrift beschränkt) änderte er an den Stellen, wo er den Text für falsch hielt, und ergänzte, wo in den Handschriften etwas fehlte (so in der Offenbarung, wo er z. B. am Schluß das Fehlende einfach aus dem Lateinischen ins Griechische zurückübersetzte, und zwar mit Fehlern). Dabei hätte er aufgrund seiner überall hin reichenden Beziehungen ohne weiteres ganz andere, ältere und bessere Handschriften erhalten können, z. B. im Vatikan, wo der Codex Vaticanus damals noch in Benutzung war. Erasmus ist auf dessen Existenz 1521 ausdrücklich vom vatikanischen Bibliothekar hingewiesen worden und hat 1533 sogar mehrere hundert (365) Lesarten daraus zugesandt erhalten. Aber seine am 1. März 1516 erschienene Ausgabe war ja erst ein Jahr vorher auf Initiative des Baseler Verlegers begonnen worden, der der Konkurrenz zuvorkommen wollte (mit Sicherheit übrigens Erasmus ebenfalls, wenn man neuerdings auch hervorhebt, daß Erasmus vornehmlich an der den griechischen Text begleitenden lateinischen Übersetzung gelegen war). Denn in Spanien war eine große wissenschaftliche Ausgabe der gesamten Bibel im Druck, die jeden Augenblick erscheinen konnte, war doch bereits 1514 der Druck des griechisch-lateinischen Neuen Testaments abgeschlossen worden. So hatte Erasmus keine Zeit, sich um andere griechische Handschriften zu kümmern oder irgendwelche wissenschaftlichen Überlegungen anzustellen. Und als seine Ausgabe erst einmal erschienen war und ihm entsprechenden Ruhm eingebracht hatte, hat er zwar noch mehrere Auflagen veranstaltet, in denen er kleinere Einzelheiten geändert hat, aber ohne
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daß er sich durch die Bekanntschaft mit dem Codex Vaticanus zu einer Änderung seiner Grundhaltung veranlaßt sah. Wenn man uns heute die Rückkehr zum Textus receptus zumutet, so mit der Begründung (ich zitiere aus der Vorrede zum Greek New Testament According to the Majority Text in Übersetzung), daß die wissenschaftlichen Ausgaben der Gegenwart »vor allem von einer relativ geringen Zahl | von alten Handschriften abhängen, die hauptsächlich aus Ägypten herrühren«. Damit sind der Codex Vaticanus, der Codex Sinaiticus und vor allem die frühen Papyri gemeint, die den entscheidenden Materialfortschritt unserer Generation darstellen. »Ihre Existenz außerhalb Ägyptens ist unbewiesen. Im Gegensatz zu dieser Art von Text steht die große Majorität der übrigen Zeugen ... Sie kommen von überall in der antiken Welt. Ihre Zahl legt bereits nahe, daß sie eine lange und sich weit erstreckende Kette der handschriftlichen Tradition darstellen« (S. IX). »Wenn alle Argumente ordnungsgemäß gewogen werden, hat der Majority Text einen höheren Anspruch, den originalen Text, den Urtext, darzustellen, als das der ägyptische Texttyp tut. Der zweite stellt offensichtlich einen lokalen Text dar, der niemals irgendeine bedeutende Verbreitung außer in diesem Teil der alten Welt (d. h. Ägypten) besaß. Im Gegenteil war die Mehrheit der Handschriften weit verbreitet, und die Wurzeln ihrer Vorgänger müssen bis hin zu den (neutestamentlichen) Originalhandschriften zurückreichen« (S. X ) . Nun sieht diese Argumentationsweise durchaus, daß die Zeugen des Mehrheitstextes »erheblich später sind als die frühesten ägyptischen Handschriften«. Das liegt daran, daß allein die klimatischen Bedingungen Ägyptens diese frühen Texte erhalten haben. Die Existenz des sog. ägyptischen Textes außerhalb Ägyptens sei unbewiesen, heißt es jedoch gleichzeitig. Wie das mit den Anforderungen der Logik zusammengebracht werden soll, ist nicht sichtbar. Umgekehrt könnte man nämlich aufgrund des Befundes sagen: die Existenz des Mehrheitstextes ist für die Frühzeit unbewiesen. Tatsächlich gab es damals neutestamentliche Papyri auch in allen anderen Provinzen des römischen Reiches. Hier gingen sie zugrunde, sobald sie nicht mehr in den Bibliotheken aufbewahrt wurden und/oder in Benutzung waren, weil das feuchte Klima sie zerstörte. Lediglich in der israelischen Wüste — bei Khirbet Mird — sind einige wenige neutestamentliche Papyri außerhalb Ägyptens noch erhalten, weil dort die gleichen klimatischen Bedingungen herrschten. In der Tat sind alle neutestamentlichen Papyri, die wir kennen, im Boden Ägyptens gefunden worden. Heißt das aber, daß sie auch ägyp-
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tischer Herkunft sind und einen der ägyptischen Kirchenprovinz eigentümlichen, anderswo nicht verbreiteten, Text boten? Von dieser Voraussetzung | kann nur ausgehen, wer die Frühgeschichte der ägyptischen Kirche nicht kennt und keine Bemühungen unternimmt, den — allerdings viele Generationen alten — Graben zwischen den Disziplinen Neues Testament und Geschichte der alten Kirche zu überwinden. Erst von dieser Voraussetzung aus sind Fortschritte in der neutestamentlichen Textforschung zu erreichen, wie die Resultate mit Deutlichkeit zeigen, die das Institut für neutestamentliche Textforschung in seiner 25jährigen Geschichte erzielt hat. Über der Geschichte des ägyptischen Christentums im ersten — was noch zu verstehen wäre —, aber auch noch im zweiten Jahrhundert liegt Schweigen. Erst an dessen Ausgang begegnet uns die ägyptische Kirche, und zwar auf doppelte Weise: einmal mit dem Bischof Demetrius und seiner landesweiten Kirchenorganisation, und dann mit der — kurz vorher begründeten - Katechetenschule von Alexandrien, zunächst unter Klemens und dann unter Origenes. Nirgendwann und nirgendwo finden wir diese ägyptische Kirche bis dahin in den immerhin doch schon einigermaßen fließenden Quellen der anderen Kirchenprovinzen erwähnt. Offensichtlich hat Ägypten kirchlich nicht nur eine ganz unbeachtete Stellung eingenommen, sondern es hat direkt außerhalb der Gesamtkirche der Zeit gestanden. Erst am Ausgang des 2. Jahrhunderts ändert sich das schlagartig zugunsten normaler Beziehungen zu den anderen Kirchenprovinzen. Es bleibt nur eine Lösung übrig: die Christenheit Ägyptens stand bis dahin unter heterodoxem Vorzeichen, sie wurde von der Gnosis beherrscht — nicht zufällig kommen die großen Gnostiker aus Ägypten (z. B. Basilides, Valentinus). So hielten die Kirchen des Ostens wie des Westens keine offizielle Gemeinschaft mit ihr. Möglicherweise - wahrscheinlicherweise — existierten damals zwar auch orthodoxe Gemeinden in Ägypten, aber sie hatten keinen Einfluß, und ihre Zahl war gering. Mit welchen Mitteln und auf welche Weise unter dem Bischof Demetrius die Machtstellung der gnostischen Gemeinden zerstört und an ihre Stelle die Gemeinden und Diözesen der mit der Gesamtkirche verbundenen orthodoxen Kirche Ägyptens gestellt wurden, wissen wir nicht. Aber sie war am Ausgang des 2. Jahrhunderts da und breitete sich erheblich aus. Jede neue Gemeinde bedurfte (mindestens) neutestamentlicher Papyri, woher sollte sie sie nehmen? Von den Gnostikern konnten sie nicht kommen, denn nach allgemeinkirchlicher Anschauung hatten die Gnostiker die Schrift verfälscht. Also mußten entweder die Handschriften selbst | oder mindestens die Vorlagen für die (etwa in der
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Katechetenschule) herzustellenden zahlreichen Abschriften von draußen, aus der Gesamtkirche, kommen. Je näher also ein Papyrus in seiner Entstehung der Zeit um kurz vor 200 bzw. um 200 n. Chr. rückt, um so näher ist er auch dem Text jener Stammexemplare, mit denen die ägyptische Kirche ihre Arbeit begann, und damit dem Text der Gesamtkirche. Natürlich ist es möglich, daß unter den Papyri, die uns bis heute erhalten sind, einige aus ursprünglich gnostischen Gemeinden stammen, es ist auch möglich, daß ganze gnostische Gemeinden mit ihren biblischen Handschriften zur orthodoxen Kirche übergingen, aber an den Anfängen der christlichen Kirche in Ägypten steht offensichtlich ein Import von Handschriften mit dem Normaltext der christlichen Kirche der Zeit. Außerdem hat die Voraussetzung eines isolierten ägyptischen Lokaltextes im 1. und 2. Jahrhundert, »dessen Existenz außerhalb von Ägypten unbewiesen« ist, mit der Wirklichkeit und der Geschichte der alten Kirche nichts zu tun. Die reisenden Missionare wie die Mobilität der Gemeindemitglieder der frühen Zeit schufen eine ganz enge Verbindung der Kirchenprovinzen untereinander, das Neue Testament bereits macht das deutlich. Selbst wenn man in bezug auf spätere Jahrhunderte, als zu den Kirchenprovinzen außerordentlich zahlreiche Gemeinden und zahllose Gemeindeglieder gehörten und diese in sich selbst zu ruhen begannen, von einem Lokaltext spricht, so ist damit eine Lokalfarbe und kein anderer Text gemeint (mit einziger Ausnahme des D-Textes, der aber eher Text einer Theologenschule als Text eines bestimmten Kirchengebietes ist). Und wie steht es denn mit der ägyptischen Herkunft des Codex Sinaiticus und des Codex Vaticanus? Haben wir in ihnen auch Zeugen jener angeblich nur in Ägypten existierenden Textform, lediglich nicht aus dem 2./3., sondern aus dem 4. Jahrhundert vor uns? Die Spur des Vaticanus verläuft sich im 15. Jahrhundert in der Vatikanischen Bibliothek. Falls die Überlieferung zutrifft, der Supplementteil mit dem 2. Teil des Hebräerbriefes und der Offenbarung (Min. 1957) sei aus einer Handschrift des Kardinals Bessarion abgeschrieben, ist eindeutig, daß der Vaticanus aus Griechenland oder Kleinasien nach Rom gekommen ist. Die Spur des Sinaiticus reicht weiter zurück, möglicherweise bis in die Anfänge des Klosters. Vielleicht hat er sogar das Gastgeschenk des kaiserlichen B e a u f t r a g t e n bei dessen Begründung dargestellt. Daß er jedenfalls nicht auf dem Sinai entstanden ist, ist aufgrund seines Alters klar (vor der Begründung im 6. Jahrhundert bestanden in der Nähe des Dornbusches nur kleinere Mönchssiedlungen). Sagen wir vorsichtig: irgendwann nach dem 4. Jahrhundert ist der Sinaiticus als kostbares
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Geschenk ins Katharinenkloster gelangt. Daß er in Ägypten entstanden ist, hat bisher noch keinen überzeugenden Beweis gefunden; Pilger mit ihren Gaben kamen jedenfalls aus allen Provinzen des Römischen Reiches auf den Sinai. Es ist heute um die Handschriftenaktion, die Euseb von Cäsarea um 330 auf Befehl Kaiser Konstantins für die Kirchen von Konstantinopel veranstaltete, still geworden. Damals hatte der Kaiser veranlaßt, daß das Scriptorium von Cäsarea nicht nur mit Pergament erster Qualität, sondern auch allem anderen ausgestattet wurde, was zur Herstellung von Prachthandschriften nötig war. Die beiden vom Staat gestellten Wagen, die aus Cäsarea nach Konstantinopel abgingen, waren ev Tto^uieXox; f|CTKT] |X£VOi
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Auf der Rectoseite von 0171 mit Matth 10,17-23 sind alle Abweichungen des D-Textes von Nestle 2 6 durch die Angaben in Spalte 2 und 3 erfaßt. In den ersten zehn Zeilen gehen D und 0171 dreimal zusammen und dreimal auseinander: Z. 2/3, 4, 5, 7/8, 8/9. Dabei überwiegen die Differenzen zwischen D und 0171 (bei denen 0171 mit dem Nestle-Text geht) eindeutig a n Tragweite, wobei insbesondere die Auslassung in Z. 8/9 ins Gewicht fallt. Natürlich kann es sich hier bei D um Auslassung wegen Homoioteleuton handeln (das letzte Wort in der Auslassung ist wieder XaXrjoriTE,, ebenso gut aber um eine bewußte Kürzung, weil der Satzteil wegen des Nachfolgenden f ü r überflüssig gehalten wurde (bzw. weil er, um mit den Verteidigern des DTextes zu argumentieren, eine sekundäre Hinzufügung bedeutet), uns muß es mit der Feststellung genug sein, daß 0171 hier dem Gesamtstrom der Uberlieferung folgt. Die Auslassung —wie die übrigen Abweichungen von D in Z. 1-10— sind sonst entweder gar nicht oder überaus schwach und in wechselnden Zeugen belegt, am stärksten noch die Auslassung: L 1010 g 1 k vg m s s ). In Z. 11 fügt 0171 (mit Nestle und fast allen Zeugen) v|ia>v gegen D hinzu, ebenso wie er in Z. 19 öuokcüoiv liest. Nachdrücklich scheint die Gemeinsamkeit zwischen 0171 und D durch den Zusatz in Z. 20-22 belegt (abgesehen davon, daß 0171 eköicd^ovoiv hat). Aber dieser (übrigens eindeutig sekundäre) Zusatz ist offensichtlich relativ verbreitet gewesen, er wird von L © f ' f " 5 6 5 pc it sy s und Origenes bezeugt, und zwar mit charakteristischen Unterschieden, die auf die Selbständigkeit dieser Überlieferungsträger hindeuten: statt eav 6e lesen alle Zeugen in Z. 20 m v (auch it und s y s , dies an die Adresse derer, die im Zusatz einen Beweis für den engen Z u s a m m e n h a n g von D mit it sy sehen), das ev xr) aXXr) in Z. 20/21 wird in L 0 f f 1 3 565 pc durch ek xauxr]g ersetzt, a X ^ v in Z. 22 in L 0 durch exeqov. N u r an einer Stelle geht 0171 offensichtlich eigene Wege: in Z. 7/8 kann aus Raumgründen nur xi gestanden haben, für ncog r] (wie sonst überall) ist hier offensichtlich kein Platz. Auf dem Verso von 0171 mit M a t t h 10,25-32 (Vers 33 ist n u r der Vollständigkeit halber wiedergegeben, er stellt einen späten Zusatz am oberen Rand dar und kann deshalb nicht in unsere Betrachtung einbezogen werden) finden sich (im Gegensatz zum Recto) mehr Differenzen zwischen D und dem Nestle-Text, als die Auszeichnungen im Druck erkennen lassen: in Z. 25 BeX^EßovX KaXouoiv, in Z. 31 ktiquooetcu, in Z. 32 cpoßTiOrytE, in Z. 34 das aqpa2;ai statt aJtoKxeivai (von späterer Hand über der Zeile hinzugefügt), in Z. 35 wieder cpoßT)0r)xe und in Z. 37 schließlich die Zufügung des xou —in all diesen Fällen hat 0171 eine Lücke, die nicht festzustellen erlaubt, ob 0171 mit D oder dem Nestle-Text geht. Aber trotzdem ist die Parallelität zwischen D und dem Nestle-Text hier genauso weitgehend wie auf dem Recto. Erst in den Versen 29-32 finden sich im ganzen vier Abweichungen,
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bei denen D und 0171 zusammengehen: Z. 37, 39, 40, 43. Allerdings sind sie bis auf die Zufügung des u|Kov in Z. 40 (obwohl auch sie naheliegt) nicht besonders ins Gewicht fallend. Auf der anderen Seite stellt sich 0171 hier gleich zweimal gegen den D-Text wie den Nestle-Text: Z. 25 liest 0171 EKaXeoav, und zwar mit © f 1 700 1424 und zahlreichen anderen. Das aJtOKxeivai in Z. 36 dagegen ist offensichtlich aus Z. 34 übernommen, zwar gegen den Sinnzusammenhang, aber doch auf die Selbständigkeit von 0171 hinweisend. Soviel zum Matthäusfragment von 0171. Bevor ein zusammenfassendes Urteil gefallt werden kann, muß noch das Lukasfragment auf die gleiche Weise betrachtet werden.
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P 6 9 zum «westlichen Text» zu rechnen, bestanden bisher Bedenken. Denn er stimmt nur dreimal mit den Besonderheiten von D überein: Z. 19f., 25f., 36 (Ausfall des o t i vor :tQiv) und steht elfmal im Gegensatz zu D: Z. 2 ff., 14, 15f., 20f., 26f., 28, 29, 34, 35, 37. Dabei wiegt am schwersten die Auslassung von V. 47b (ebenso wie bei 0171). Wie 0171 geht auch P 6 9 ganz eigene Wege, in der Regel im Gegensatz zur gesamten Überlieferung, allerdings seltener als 0171. Z. 12f. (um von V. 42-45a zunächst abzusehen) ist die Doppelung des Ausdruckes zwar unbeholfen (aus V. 46 zusätzlich übernommen?), zeigt aber vielleicht auch schon den Willen zur eigenen Formulierung, die Änderung der Wortfolge in Z. 32 steht möglicherweise unter demselben Vorzeichen. Ganz auffallig ist die absolut singuläre Änderung in V. 61, Z. 34: o nEtpfog EveßX.eij>£v au]xü). Nach dem sprachlichen Zusammenhang ist mit curtco der Hahn gemeint, man muß sich aber in Erinnerung rufen, daß nach der gesamten Überlieferung Jesus Petrus ansieht und sich dieser dabei der Vorhersage seiner Verleugnung erinnert, um die Reichweite der Textänderung durch P 6 9 zu ermessen. Am Text kann trotz des Rekonstruktionscharakters des Mittelstücks kein Zweifel herrschen, die (unwahrscheinliche) Vermutung des Herausgebers, daß er möglicherweise aus der Verkürzung einer längeren Formulierung durch Haplographie stammen könnte, ändert nichts daran, daß Petrus der Handelnde ist; möglicherweise ist aber ad sensum zu konstruieren, so daß mit m m o Jesus gemeint ist. Eine solche Änderung in der Passionserzählung, die (wahrscheinlich doch auch in Einzelheiten) früh festgeprägt war, erklärt die Auslassung von V. 4245a bzw. die Auslassung nur von V. 42 (denn V. 43-44 fehlt ja in entscheidenden Teilen der Überlieferung: P 7 5 N A B usw. und viele «Kirchenväter»). Hier meinte der Schreiber von P 6 9 offensichtlich, daß mit dem jtgooevx e T O alles gesagt sei und ging direkt zur Begegnung Jesu mit den schlafenden Jüngern über. Natürlich mußte er dabei außer V. 42 (-44) auch V. 45a auslassen und den Anschluß an den allgemein verbreiteten Text durch ein eingefügtes Kai herstellen, das zwar ergänzt werden muß (so schon der Erstherausgeber), aber eigentlich sicher ist. Es wirkt unbeholfen, da schon in V. 41 nach allgemeiner Überlieferung mit Kai operiert wird, aber das paßt zu der Doppelung in Z. 12f. —und zum persönlichen Stil des Schreibers (wenn mit auto) Jesus gemeint ist, gehört auch das hierher). Mit der Eingliederung in die Kategorie des paraphrasierenden Textes lösen sich die Probleme, die der Text von P 6 9 bisher aufgeworfen hat. Die Auslassung von V. 42-45a hat keine mechanischen Ursachen (von Homoioteleuton usw. findet sich keine Spur), es handelt sich hier auch nicht um Flüchtigkeit oder Versehen, sondern um bewußtes Handeln. Der paraphrasierende Text ändert nach seinem Ermessen: durch Zufügungen, durch Kürzungen, durch Änderungen und Umstellungen in den Sätzen, wie und
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soweit er das für nötig hält. D bleibt (jedoch nur wegen seines Umfangs) der maßgebliche Repräsentant dieser Textform, aber neben ihm (und vor ihm?) stehen unabhängig andere. Eine gegenseitige Beeinflussung und Abhängigkeit ist nicht auszuschließen, ja eigentlich anzunehmen (leider bieten 0171 und P 6 9 , obwohl sie beide Luk 22 enthalten, kaum überlappende Stücke, so daß ein Vergleich zwischen beiden nicht möglich ist, außer der mageren Feststellung, daß beide V. 47b auslassen, aber der eine V. 42-45a bietet und der andere nicht). Wieweit dieser Traditionsstrom zurückgeht und woher er kommt, läßt sich aufgrund des Lukastextes nicht sagen. Es ist zu hoffen, daß B. Alands Untersuchung der frühen Acta-Papyri mit D-Text hier weiterführt. Vorläufig steht nur fest, daß das früheste Datum, das wir finden, für P 6 9 gilt, aber vom Herausgeber nur mit Zögern auf «Mitte des 3. Jahrhunderts» angesetzt wird, die bisherigen Datierungen beschränken sich auf die Angabe «3. Jahrhundert» 1 '. Für die anderen Papyri, die für eine Untersuchung des D-Textes in Betracht kommen, gelten im allgemeinen Datierungen in die 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts, wenn nicht später: P 2 9 «3. Jahrhundert», «Ende des 3.-4. Jahrhunderts», «Anfang des 4. Jahrhunderts»; P ? 8 von «um 300» über «Ende 3. bis 4. Jahrhundert» bis zu «4. Jahrhundert». Die Ansetzungen 4.-5. Jahrhundert (Wilcken bei Schofield) und 200 - 250 (Sanders) stellen offensichtlich Ausreißer nach oben und nach unten dar (vgl. Kenyons umgehenden Protest gegen Sanders: «probably too early» 16 ). P 4 8 wird zwischen 3. Jahrhundert und Ende des 3. bis Anfang des 4. Jahrhunderts datiert, über die Ansetzung von 0171 (zwei Herausgeber: erste Hälfte des 4. Jahrhunderts, einer: um 300) haben wir gesprochen. Anfragen bei führenden Papyrologen, ob die Angabe «3. Jahrhundert» nicht wenigstens in einigen Fällen auf: Anfang, Mitte, Ende dieses Jahrhunderts präzisiert werden könnte, wurden negativ beschieden, obwohl mit N a c h d r u c k auf die Bedeutung einer solchen Präzisierung hingewiesen wurde. Charakteristisch ist ja, daß die (zögernde) Ansetzung für P 6 9 auf die Mitte des 3. Jahrhunderts nur im Text geschieht und die offizielle Datierung in der Kopfzeile «3. Jahrhundert» lautet. So läßt sich bisher nur soviel sagen: der paraphrasierende Text begegnet uns in griechischen Handschriften des Neuen Testaments offensichtlich erst in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts. Er entwickelt sich im Zusammenhang einer Tradition, die in ihren Anfängen sicher weiter zurückgeht, für uns
15. Zu den Einzelheiten, vgl. K. ALAND, Repertoriiim der griechischen christlichen Papyri, I (Patristische Texte und Studien 18). Berlin-New-York 1976. 16. Recent Developments in the Texlital Criticism of the G'reck Bihle (Schweich Lectures), London 1933, S. 33.
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aber in den griechischen neutestamentlichen Handschriften nicht faßbar ist, denn die Papyri bis in den Anfang des 3. Jahrhunderts weisen keine Spuren davon auf, es sei denn, man rechnete die Papyri mit «freiem Text» zu den ersten Vorgängern einer solchen paraphrasierenden Tradition. Aber ich möchte meinen, daß keine Brücke von der einen zur anderen Textform hinüberführt (gilt das aber vielleicht von der auch in der Großkirche mündlich und schriftlich umlaufenden apokryphen Überlieferung?). Anders steht es mit den Kirchenvätern, wird doch z.B. Irenäus von den Parteigängern des «westlichen Textes» zu ihren Kronzeugen gerechnet. Aber um hier einigermaßen Zuverlässiges darüber sagen zu können, ob und wieweit Irenäus einen paraphrasierenden Text zitiert und was das als Konsequenz ergibt, bedarf es einer Untersuchung der neutestamentlichen Zitate des Irenäus, die sich von überkommenen Urteilen bzw. Vorurteilen freimacht (vgl. das Beispiel von Hedley) und den D-Text in einem anderen Koordinatensystem sieht, als das bisher in der Regel der Fall gewesen ist.
zu S. [38], Anm. 1: S. 6 2 - 7 1 dieses Bandes. zu S. [43], Anm. 8: 1989 in 2., ergänzter und erweiterter Auflage.
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Methodische Bemerkungen zum Corpus Paulinum bei den Kirchenvätern des zweiten Jahrhunderts Wenn diese Studie sich dem zweiten Jahrhundert zuwendet, so deshalb, weil es für den Jubilar, dem dieser Band gewidmet ist, von den Anfängen bis auf den heutigen Tag eines der Zentren seiner wissenschaftlichen Arbeit darstellt. Wenn sie sich dabei speziell dem Corpus Paulinum - und darüber hinaus auch den Evangelien - bei den Kirchenvätern dieses Jahrhunderts zuwendet, so um der Frage willen, wieweit und wie diese Schriften hier benutzt bzw. bekannt waren, d.h. an der Ausbildung des christlichen Kerygmas Anteil haben konnten. Es reicht ja nicht aus, von „dem Kerygma" zu sprechen. Vielmehr muß den Komponenten nachgegangen werden, aus denen und unter deren Einfluß es sich entwickelte. Gewiß behandelt diese Untersuchung nur ein Teilgebiet, aber wie mir scheint, doch eines von den wichtigen. Jede Untersuchung des zweiten Jahrhunderts, geschehe sie nun unter theologiegeschichtlichem oder kirchengeschichtlichem Vorzeichen, ist mit einer schweren Hypothek belastet (um so schwerer übrigens, je weniger sie sie wahrnimmt, was oft genug der Fall ist). Denn wenn Kirchenund Theologiegeschichte Wirkungsgeschichte des Neuen Testaments sind — die Ebelingsche Definition „Kirchengeschichte = Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift" ist sicher richtig, vorausgesetzt allerdings, daß man unter „Auslegung" nicht nur Predigt und Lehre, sondern auch das davon bestimmte gesamte Handeln der Kirche versteht - , dann erhebt sich doch die Frage danach, wie weit im 2. Jahrhundert das Neue Testament bestimmend wirken konnte. Denn was nicht bekannt ist bzw. wovon nicht Gebrauch gemacht wird, kann nicht wirken. Das Phänomen, daß die Evangelien einigermaßen (aber wirklich nur einigermaßen) vollständig erst um 150 mit Justin greifbar werden, ist doch eigentlich beklemmend. Was wir vorher in den Apostolischen Vätern an Zitaten oder auch nur an Bezugnahmen finden, ist derart unsicher bzw. ungenau, daß die Frage in der Regel unentschieden bleiben muß, ob es sich hier um einen direkten Rückgang auf ein kanonisches
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Evangelium oder außerkanonische Tradition oder die mündliche Uberlieferung handelt (vgl. dazu z.B. H . Köster, Synoptische Überlieferung bei den Apostolischen Vätern, T U 65, Berlin 1957). Mit d e m Vehikel allegorischer Auslegung des Alten Testaments sei die Botschaft des N e u e n transferiert worden, lautet die — nach dem T e x t b e f u n d richtige - Antwort. A b e r ist es nicht deprimierend zu sehen, wie etwa der 1. Klemensbrief in Kap. 2 4 - 2 6 die zentrale Botschaft von der A u f e r s t e h u n g begründet? D a b e i wird, wie bekannt, zwar davon gesprochen, „wie der H e r r uns fortwährend die zukünftige A u f e r s t e h u n g anzeigt, zu deren Erstling er den H e r r n Jesus Christus gemacht hat, als er ihn von den Toten a u f e r w e c k t e " (24,1). A b e r in den Sätzen darauf geht die Argumentation sogleich auf den Wechsel von Tag und Nacht über ( 2 4 , 2 - 3 ) , sowie auf den von Saat und E r n t e ( 2 4 , 4 - 5 ) . Das ganze 25. Kapitel ist dann mit der Erzählung vom Vogel Phönix gefüllt, die 26,1 als Bestätigung der Auferstehungshoffnung dargestellt wird. In 2 6 , 2 - 3 folgt dann die Schriftbegründung: „ E r sagt ja irgendwo ( X i y e i yäQ JIOV): Und du wirst mich auferwecken und ich will dich preisen. U n d H i o b sagt wiederum: U n d du wirst dies mein Fleisch auferwecken, das all dies erduldet hat." Die Hiobstelle findet sich 19,26, der andere Text in der Tat „irgendwo", denn über Anklänge an einige Psalmstellen ist beim Suchen nach Belegen nicht hinauszukommen. Das ist alles, denn 27,1 setzt dann mit der Darlegung ein, daß die Verheißungen Gottes zuverlässig seien, bei Gott sei kein Ding unmöglich außer dem, daß er lüge (27,2). D e r Weltschöpfer ist zu allem in der Lage, was er will (27,3 ff.). Kein Wort aus den Auferstehungsberichten der Evangelien bzw. kein Wort über sie, kein Zitat oder auch nur eine Berufung bzw. Anspielung auf die sonst aus ihnen in Betracht k o m m e n d e n W o r t e oder Berichte. Auch der Auferstehungsbericht des Paulus in l . K o r 15 wird nicht einmal andeutungsweise erwähnt, obwohl l . K o r 15 in l.Klem 2 4 - 2 6 offensichtlich herangezogen wird: die A u s f ü h r u n g e n von 24,4 über Saat und Ernte klingen deutlich an l . K o r 1 5 , 3 5 - 3 8 an. D e r l.Korintherbrief liegt dem Verfasser des Briefes - d.h. der römischen G e m e i n d e - eindeutig vor, zu deutlich ist die B e r u f u n g auf ihn bei der M a h n u n g an die korinthische G e m e i n d e , um derentwillen l.Klem überhaupt geschrieben ist: Ä v c d ä ß e T E xf|v EJUOTOW]V TOI) ^ a x a g i o i ) naOÄ.ov xoii OOTOOXÖto, XOU. xi JIQÜJTOV ujiiv EV aQXTi ü EuaYYeXiou eypaalJev heißt es 47,1 f. D a ß hier konkret auf den l . K o r Bezug g e n o m m e n wird, belegt die Erwähnung der damaligen Auseinandersetzungen in Korinth, zu denen l . K o r 1,1 Off. Stellung nimmt. Vielleicht ist in diese E r w ä h n u n g sogar der 2.Kor indirekt eingeschlossen, denn daß JIQCÖXOV so wie bei Knopf im K o m m e n t a r zur Stelle 1 mit „vor allem" übersetzt werden muß, scheint 1
H a n d b u c h zum NT, Ergänzungsband I, Tübingen 1920, S. 123.
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Das Corpus Paulinum im 2. Jh.
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mir nicht absolut sicher. Das Neutrum als Adverb (vgl. B a u e r s.v.) bedeutet zunächst und in den meisten Fällen: „zuerst, erstens", und dann erst: „in erster Linie, vor allem, besonders", EV dQxfi "tot) £i>aYYe^i°u muß auch nicht unbedingt eine Bezugnahme auf Phil 4 , 1 5 bedeuten, wie man oft gemeint hat. Sondern in l.Klem 4 7 , 2 kann, beides zusammengenommen, m . E . durchaus die Kenntnis eines Briefes an die Korinther durchscheinen, der eben nicht EV äQXÜ toi) EIKXYYEMOU geschrieben ist, sondern als zweiter zu späterer Zeit. Der Umgang des 1.Klemensbriefes mit l . K o r im allgemeinen und l . K o r 15 im besonderen ist in doppelter Hinsicht aufschlußreich: für unsere Bewertung des Vorkommens von Zitaten aus den Paulusbriefen als Beweismittel für die Bekanntschaft der Apostolischen Väter und der nachfolgenden Schriftsteller mit ihnen wie für die Bewertung des Paulus durch die Väter des zweiten Jahrhunderts. Bleiben wir zunächst beim ersten Gesichtspunkt: der Bekanntschaft der frühen Väter mit den Paulusbriefen. Hier finden wir in der modernen Literatur häufig den rigorosen Standpunkt: wenn ein bestimmter Brief bei den Schriftstellern des 2. Jahrhunderts nicht zitiert wird, ist er ihnen auch nicht bekannt. So hat z . B . G . Bornkamm erklärt: „ D a s R e c h t der These, der 2. Kor.-brief sei eine spätere Briefsammlung, wird, wie ich meine, in überraschender Weise durch die bisher nicht beachtete Tatsache bestätigt, daß die ältesten Z e u g e n paulinischer Briefsammlung ( l . C l e m , Ign, Polyc) zwar den 1 .Kor. kennen und reichlich zitieren, aber nicht unseren 2 . K o r . Dieser Sachverhalt ist so auffallend, daß sich daraus nur folgern läßt: sie kannten ihn noch nicht. U n s e r 2 . K o r . kann also nicht sofort zusammen mit dem l . K o r . weitere Verbreitung gefunden h a b e n . " 2
Oder W. Schneemelcher stellt fest: „ E i n e genaue Prüfung aller Stellen, die hier überhaupt in F r a g e kommen könnten, ergibt, daß Ignatius höchstens einen Brief des Paulus, nämlich den 1. Korintherbrief gekannt und benutzt hat . . . D a h e r kann man die Vermutung nicht von der Hand weisen, daß Ignatius gar keine Paulusbriefe gekannt oder gelesen hatte . . . E s ist nicht beweisbar, ja es ist unwahrscheinlich, daß Ignatius eine solche Briefsammlung der paulinischen Briefe gekannt h a t . " 3
Eine solche Auffassung und ein solcher Beweisgang muß am Tatbestand vorbeiführen. Das Auffinden und die Auswertung von Zitaten aus den Paulusbriefen und den Evangelien (vgl. oben), d.h. aus dem ganzen Neuen Testament, bedarf bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts einer sehr verfeinerten Methode, im Bilde gesprochen: der Uhrmacherlupe und entsprechender Werkzeuge. Selbst bei Justin ist die Verifizierung seiner 2 Der Philipperbrief als paulinische Briefsammlung, Neotestamentica et Patrrtica, Leiden 1962, S. 192 f. 3 Paulus in der griechischen Kirche des zweiten Jahrhunderts, ZKG 75, 1964, S. 6.
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Das Corpus Paulinum im 2. Jh.
Angaben aus den äjto|i.vr||j,oveij^iaTa xröv äjrooxöXojv noch eine sehr komplizierte Sache. Erst mit Irenaus beginnt eine neue Epoche. Jetzt kann man von Zitaten, sei es aus den Paulusbriefen, sei es aus den Evangelien, im modernen Sinn sprechen, bei denen mit der gewohnten Methode der genauen Textvergleiche gearbeitet und nach direkten Stellenangaben gefragt werden kann. Immerhin haben wir für das 2. Jahrhundert gleich drei (eigentlich fünf) eindeutige Antworten auf unsere Frage nicht nur nach den damals bekannten Paulusbriefen, sondern sogar auch Angaben darüber, in welcher Reihenfolge diese Briefe in den damaligen Sammlungen enthalten waren. Das Bild sieht folgendermaßen aus: Marcion Gal 1.2.Kor Rom 1.2.Thess Eph (Laod) Kol Phil Philem (oder Philem Phil)
Can. Muratori 1.2.Kor Eph Phil Kol Gal 1.2.Thess Rom Tit 1.2Tim
p 46 Rom Hebr 1.2.Kor Gal
Eph Phil Kol 1 .Thess (bricht hier ab)
Dabei ist P 46 „um 200" geschrieben, was einen Spielraum von ca. 25 Jahren vorwärts und rückwärts einschließt. Selbst beim spätesten Zeitpunkt reicht P 46 erheblich ins 2. Jahrhundert hinein, müssen wir aus methodischen Gründen doch annehmen, daß er einer früheren Vorlage folgt, mindestens aber in einer geprägten Tradition steht. Der Canon Muratori dürfte die Situation um 180 n.Chr. (und zwar doch wohl in Rom) spiegeln. Die Angaben für Marcion sind zwar aus Tertullian erschlossen, führen uns aber sicher in die Zeit um 140 n.Chr. zurück. Das sind bereits drei Zeugen, Irenäus um 180 n.Chr. und Tertullian, der mit seinen vormontanistischen Schriften in die Zeit vor die Jahrhundertwende reicht (und noch weiter zurück mit der Tradition, in der er steht), kommen als vierter und fünfter dazu. Ja, es gibt noch einen sechsten, der uns mindestens in die Zeit um 140 n. Chr. zurückführt (je nachdem, wie er datiert wird), ja mit einiger Sicherheit noch weiter zurück als seine Entstehung anzusetzen ist, denn er beschreibt ja den Zustand seiner Zeit, der sich zweifelsohne früher ausgebildet hat. Gemeint ist der 2.Petrusbrief, in dem es 3,15-16 heißt: -/.cd xf|v to0 x u g i o i ! f|nd)v uangodufiiav ocotT)Qiav f|YEiaftE, xatttbg x a i 6 ayccrcriTÖg f||iü)v äÖE>.cpög n a ü X o g x a t ä tf)v ö o ^ e i a a v aiiTü) aocpiav EyQaaJJEv i)|iEv, (bg x a i ev j m a a i g EiuoToXaig Xakmv ev ai'taCg jieqI totjtojv, ev a i g eotiv
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Das Corpus Paulinum im 2. Jh.
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6uovör)xä xiva, a ot duaÖEig xai äaxfjgixxoi oxQeßXofioiv Ev i)(o,iv. Mindestens sind es jedoch drei (bei einer Zahl darunter kann man wohl nicht von „allen" Briefen reden). Wahrscheinlich sind es viel mehr, und diese Briefe sind seit langem bekannt, so daß sie, wie die anderen Schriften (des Neuen Testaments), Gegenstand schädlicher Fehlinterpretation werden konnten (durch die Gnosis?). Dieser Stelle kommt, auch für unsere späteren Betrachtungen, zentrale Bedeutung zu. Natürlich kann man gegen sie einwenden, daß sie zeitlich hinter Ignatius liegt. Aber schon aus methodischen Gründen ist anzunehmen, daß es vom Anfang der Existenz paulinischer Gemeinden an Sammlungen von Paulusbriefen gegeben hat. Die Gemeinden bewahrten nicht nur die Briefe auf, die sie selbst erhielten, sondern tauschten sie auch mit denen anderer aus. Kol 4,16 - gleich, ob der Brief von Paulus stammt oder nicht - dürfte einen damaligen Brauch widerspiegeln. Nur so ist es z. B. zu erklären, daß uns der Galaterbrief erhalten ist, obwohl die Gemeinde(n) sich alsbald nach dem Eintreffen des Briefes auflöste(n). Daß es spätestens um 95 n. Chr. ein Corpus der Paulusbriefe gab, ist durch den l.Klem zu beweisen. Denn in Rom sind damals eben nicht nur Rom und l.Kor, sondern ist nachweisbar mindestens auch Hebr bekannt, ganz ohne Zweifel im Rahmen einer größeren Sammlung. Daß Ignatius, Bischof von Antiochien um 110, „gar keine Paulusbriefe gekannt oder gelesen" habe, daß ihm eine „solche Briefsammlung der paulinischen Briefe" unbekannt gewesen sei, steht m.E. außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit. Daß Hebr dem Verfasser des 1 .Klem bekannt ist und daß dieser direkt auf ihn zurückgeht, bedarf unter philologischem Vorzeichen eigentlich keines ausführlichen Beweisganges, es genügt hier ein Vergleich von l.Klem 3 6 , 2 - 5 mit Hebr 1 , 3 - 1 3 : Hebr 1,3-13 3. ög drv ¿naiyaona xrjg 6o^t)5 xai xagaxrriQ xrjg tuioaxaoEtog amoxi, tpEQcov xe xä Jiävxa tüj grjuaxi xfjg öuvä(i£üJ5 amot), xadagio|iöv xdrv dpiagxKüv jioir|aci[iEvog ExaöioEV ev öe^kji xfjg |i£Ya>.oi3vr)g ev injjr|Xoig, 4. xooovxcp xqeCxxoiv YEv6|xevog xwv äyyEhtiw öacp öiacpoocüXEQOv nag' aiixoug xexX,t|qov6jit|xev övojia
l.Klem 36,2-5 ög wv ciJtaiJYao|xa xfjg
|A£ya>.ü)cri3vr|5 afrtaü xoooüxü) Heii^cov Eaxtv äyyekwv, ÖOÜj ÖiaCpOQUITEQOV övo|xa xExXr)Qovö|iT)xev
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Das Corpus Paulinura im 2. Jh.
folgen 5 - 1 3 Schriftzitate (5) Ps 2,7 2 Sm 7,14 (6) Dt 32,43 L X X (7) Ps 104,4 (8/9) Ps 4 5 , 7 - 8 (10/12) Ps 1 0 2 , 2 6 - 2 8 (13) Ps 110,1
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folgen 3 - 5 Schriftzitate (4) Ps 2,7f.
(3) Ps 104,4
(5) Ps 110,1
D e r K o m m e n t a r , d e n die v o n der O x f o r d Society of Historical T h e o logy 1 9 0 5 publizierte U n t e r s u c h u n g : T h e N e w T e s t a m e n t in the A p o s t o l i c F a t h e r s d a z u geliefert hat, k a n n n o c h h e u t e w i e d e r h o l t werden: " T h e r e can be practically n o doubt that in this passage we have a reminiscence of the first chapter of the Hebrews. The following are the most important points: 1. Clement quotes the first words of H e b . I 3 , and then H e b . I 4 , omitting the intervening words, and with the following changes. Clement reads iieyodcooijvrig for öo|ri5, (xei^wv eoxiv for xqeixtodv yevonevo?: he omits jiag' afrroug, and in the best texts transposes xexXr|Qovö|xr|X£v and övo(xa. T h e substitution of jieYaXwoivT) for 8 o § a might easily be accounted for by the occurrence of the former at the end of H e b . I 3 . 2. Clement then quotes, with the formula y r / g a m m , Ps. 104", in a f o r m which corresponds exactly with H e b . V . It can hardly be doubted that Clement intends to quote the Psalm, but the form in which he does it is exactly the same as that in Hebrews, while it differs f r o m the best text of the LXX in one particular. Clement reads nvgög (pXöya, while the LXX reads jtuq qpXeyov ( A a nvgoq (pkiya). 3. Clement then quotes Ps. 2 7 and 8 , while in H e b . I 5 only Ps. 2 7 is quoted. 4. Clement then quotes Ps. 110 1 , which is quoted in Heb. I 1 3 . Whe have then an almost verbal citation f r o m the Hebrews, and the citation of a group of passages f r o m the Psalms which would be difficult to explain except as suggested by the Hebrews. It may, indeed, be objected that the latter p h e n o m e non might be explained as being due to the citation of some collection of Messianic passages in common use; but against this it must be observed that the passage quoted f r o m Ps. 104 4 , which occurs naturally in the context in H e b . I 7 , would not naturally be included in any collection of Messianic passages." 4 G . T h e i s s e n hat in seinen g e w i ß verdienstvollen U n t e r s u c h u n g e n z u m H e b r ä e r b r i e f 5 i m A b s c h n i t t „ D i e literarische B e z i e h u n g z w i s c h e n d e m 1. C l e m e n s b r i e f u n d d e m H e b r ä e r b r i e f " 6 versucht, in b e z u g auf die o b e n n e b e n e i n a n d e r g e s t e l l t e n T e x t e n a c h z u w e i s e n : „ V i e l m e h r läßt sich zus a m m e n f a s s e n d s a g e n , d a ß b e i d e B r i e f e u n a b h ä n g i g v o n e i n a n d e r die-
4
5 6
S. 46. Gütersloh 1969. S. 34.
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selbe Tradition bringen. Eine Bekanntschaft ist damit nicht unbedingt ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich." 7 Nun freut man sich heutzutage schon, daß hier nicht Hebr als von Klemens direkt abhängig erklärt wird, sondern beide nur als auf die gleiche Tradition zurückgehend. Indirekt gelangt Theissen allerdings doch dahin, denn er läßt l.Klem diese Tradition direkt widerspiegeln und faßt Hebr als den die Vorlage bearbeitenden Text auf, so daß Hebr hinter l.Klem gehört (falls seine Ausführungen richtig seien, „stellt sich für den H b die Frage nach der Datierung ganz neu", erklärt er 8 ). Die meisten seiner Argumente für diese Auffassung sind schwer zu begreifen. Er wendet z.B. ein: „Warum sollte der l.Clem bo%a, das er 22mal gebraucht, in [XEyaXcocrúvT) verwandeln (8mal)?" Nun, am Ende von Hebr 1,3 begegnet ^eyaXtDaúvTi. „Von den sieben Stellen des H b finden sich im l.Clem nur drei: Ps 104,4;2,7; 110,1, und zwar in anderer Reihenfolge als im Hb. Dafür zitiert er über den H b hinaus Ps 2,8." 9 „Von den Einleitungsformeln stimmt keine einzige überein." „Nach 05 d)v ajtaTjyao^a bringt der H b einige Verse ohne Entsprechung im anderen Brief. Es ist schwer einzusehen, warum der l.Clem sie hätte weglassen sollen." Das ist eine Methode, die an der Sache vorbeigehen muß. Natürlich ändert l.Klem an der Vorlage, z.B. in den Zitateneinleitungen, die er seinem üblichen Stil anpaßt, und entnimmt ihr nur, was in seine Absichten paßt. Daß 1 .Klem nur drei Schriftzitate hat, ist richtig, aber sie finden sich alle bei Hebr, dessen Priorität damit erweisend. Völlig unklar sind Argumente, wie das folgende: „xqeíttcov (Hb) ist ein Lieblingswort des H b (13mal), während der l.Clem weder eine besondere Neigung zu xqeíttcov (einmal) noch zu [xei^cov (zweimal) hat." 1 0 usw. Wenn 1 .Klem keine besondere Neigung zu |íel¡¡cov hat, warum verwendet er es hier? Weil er in seiner Vorlage xqeíttcov fand! Völlig an der Sache vorbei geht auch die Polemik Theissens gegen die gemeinsame Abweichung von der LXX bei der Zitierung von Ps 104 in l.Klem und Hebr, sie läßt die Unhaltbarkeit seiner These noch einmal ganz deutlich werden. Man kann der Benutzung des Neuen Testaments durch die Väter des frühen zweiten Jahrhunderts auf diese Weise nicht beikommen. Für eine solche Untersuchung ist ein anderes Gespür erforderlich, hier kommt es über die Feststellung von Zitaten im modernen Sinne hinaus auf eine Empfindung für den „flavour" an. Wenn Euseb z.B. KG III, 38,1 über l.Klem schreibt: „In diesem Brief führt Klemens zahlreiche
7
S. 37. S. 37. 9 Alle Zitate S. 36. 10 S. 36.
8
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Gedanken und selbst wörtliche Zitate aus dem Hebräerbrief an" 11 , erfaßt er damit die Sache, um die es geht, sehr viel besser. Dazu wie zum sonstigen Rückgang von l.Klem auf Hebr ließe sich noch manches sagen, aber bei diesem Aufsatz handelt es sich um „methodische Bemerkungen", eine vollständige Behandlung des Gegenstands ist nicht im Rahmen einer Festschrift, sondern nur in einem Buche möglich, welches die Oxforder Untersuchung nicht nur umfangmäßig weit übertreffen müßte. Immerhin sei hier so viel bemerkt, daß die Spuren gerade des Hebr in der frühen Literatur erstaunlich stark sind. Ob und wieweit Zitate aus Hebr in den Ignatiusbriefen zu finden sind, ist strittig12, aber mehrere Anspielungen im Hirten des Hermas 13 wie im Dialogus des Justin (sicher ist z.B. Dial 13,1 als Bezugnahme auf Hebr 9,13-14) führen dann direkt zur Fülle des Materials bei Irenäus. Ob bei Polykarp auf Hebr Bezug genommen wird, ist nicht sicher, aber auch ohne das ist die Bezeugung gerade des Hebräerbriefes in der Kirche bis zum Ausgang des 2. Jahrhunderts ganz erstaunlich stark, und zwar auch in der des Westens. Damals war die Bußpraxis eben noch nicht so weit entwickelt, daß man den Brief wegen seiner Ablehnung der zweiten Buße in seiner paulinischen Herkunft bestritt und ihn nicht im offiziellen Kanon haben wollte (der sich am Ausgang des 2. Jahrhunderts ja auch gerade erst zu bilden begann); daß Hebr im Canon Muratori nicht erwähnt wird, ebensowenig wie bei Tertullian, ist ein erster Hinweis auf die zukünftige Entwicklung. Wie ungewöhnlich seine Bezeugung ist, beweist ein Vergleich mit der anderer deuteropaulinischer Briefe. Dabei ist das Bild, das sich für den Epheserbrief ergibt, noch vergleichsweise positiv gegenüber Kol (und ganz und gar Phil und l./2.Thess), um von den Pastoralbriefen zu schweigen. In mehreren Fällen scheint der l.Klem auf Eph anzuspielen, ebenso wie der Brief des Barnabas. Ignatius ad Eph 12,2 übertreibt ganz offensichtlich, wenn er schreibt, Paulus gedenke der Gemeinde zu Ephesus in „jedem Brief", aber er kennt Eph ganz offensichtlich, wie auch aus den Anspielungen auf ihn deutlich wird. Für den Hirten des Hermas scheint die Benutzung von Eph sicher, auch 2.Klem scheint Eph zu kennen ebenso wie Polykarp. Bei Irenäus setzt dann die Fülle der Bezugnahmen ein. In der Zahl der Zitate und Anspielungen folgt Kol auf Eph, wenn auch mit einem deutlichen Abstand. Der früheste Autor, für den sich eine Bezugnahme möglicherweise nachweisen läßt, ist Ignatius. „There is thus a 11 12 13
G CS 9,1,284. Vgl. dazu The New Testament . . ., S. 75. Es gibt noch mehr als die auf S. 107 von The New Testament . . . aufgezählten.
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considerable number of possible allusions to Colossians in Ignatius, but none of them is at all certain", heißt es dazu in der englischen Untersuchung treffend 14 . Auch Polykarp, Justin und Theophilus von Antiochien scheinen Kol zu kennen, die Hauptmasse der Bezugnahmen findet sich wieder bei Irenaus. Für Phil gibt es bei Ignatius zwar einige mögliche Anspielungen, eigentlich überzeugend ist jedoch keine (es sei denn, man nimmt ad Smyrn 11,3 xeXeioi övxeg xeX.eia xai qpQoveixe als Echo von Phil 3,15 öooi oiv xe^eiot, T O Ü T O qpgovwpiev). Dagegen ist die Kenntnis des Briefes bei Polykarp sicher bezeugt. Danach folgen dann die Bezugnahmen auf den Brief bei Irenäus. Wir befinden uns also auf einer absteigenden Linie, was die frühe Bezeugung bei den Kirchenvätern angeht, und zwar in der Reihenfolge Eph, Kol, Phil. Am schlechtesten ist die Bezeugung für 2.Thess. Sie beschränkt sich auf Polykarp und Irenäus, so daß man von hier aus eine Polemik gegen eine frühe Entstehung (d. h. für pseudopaulinischen Charakter) unterstützt sehen könnte. Aber auch die Bezeugung für den ohne Zweifel paulinischen l.Thess ist sehr schwach. Denn Ignatius ad Eph 10,1: döiaXsijiTcog icgoaeTj/ea-öe kann doch wohl nicht als Zitat von l.Thess 5,17 angesehen werden, sondern ist unabhängige Bildung und ebensowenig wie ad Rom 2,1 als Zitat von l.Thess 2,4 oder sei es auch nur als Anspielung anzusehen. Mit Recht heißt es: "The evidence that Ignatius knew I Thessalonians is almost nil." Auch der Hirte des Hermas fällt unter diese Kategorie - und damit sind wir schon wieder bei Irenäus. Es kann angesichts dessen nicht verwunderlich sein, daß einigermaßen gesicherte Zitate aus dem 1. Timotheusbrief erst bei Polykarp, bei Justin im Dialogus (7,3; 35,2), in den Acta Pauli, bei Theophilus (Ad Autolycum) und in voller Breite bei Irenäus auftauchen, d.h. erst von ca. 150 bzw. 130 ab (vgl. dazu S. 45f.). Der Titusbrief begegnet, soweit ich sehe 15 , überhaupt erst bei Irenäus bzw. bei Theophilus. Zwar kann man dagegen einwenden, daß l.Klem 2,7 ein Zitat aus Tit 3,1 und der Barnabasbrief 1,4 und 1,6 ein Zitat aus Tit 1,2 und 3,7 biete, wenigstens nach dem Apparat von Funk-Bihlmeyer. Aber das exoinoi eig Jtäv egyov ayaftöv von 1 .Klem 2,7 wie das xai D Y A I R R ) Eyxaxoixei EVI^iCv EJT' E A J U Ö I
14
The New Testament. . ., S. 74. Am Rande bemerkt: die hier gefällten Urteile und konkreten Angaben über die Benutzung der Paulusbriefe gehen nicht auf die Literatur— sei es die Untersuchung Oxford 1905, sei es die Bibliapatristica oder sei es sonst etwas-zurück, sondern auf die mehrfache Durcharbeitung der Texte selbst. Das im Institut für neutestamentliche Textforschung vorliegende Material für Zitate und Anspielungen aus dem Neuen Testament bei den Vätern des 2. Jahrhunderts ist — unter Hinzuziehung der Biblia patristica — vervollständigt bzw. von mir kritisch gesichtet worden. 15
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^arrjg avxoü von Barn 1,4 und das t g i a oiiv ööynaxä . . . i^cofjg etatig von Barn. 1,6 sind doch nicht einmal Anspielungen auf Tit, wie ein Vergleich der Texte zeigt. Auch für den 2.Tim beginnt eine wirkliche Zitation erst bei Polykarp, den Acta Pauli, Theophilus und Irenaus, die „Zitate" aus den Schriften vorher (l.Klem 2,7 exoi|xoi eig Jiäv egyov a y a d o v ; Barn 5,6 tva xatagyriori töv M v a x o v ; 7,2 x a i n & k o v xgiveiv ¡¡wvtag x a i vexpoug sowie 2.Klem 1,1 (bg jieqi xqixoü ¡¡tovxiov x a i vexqwv, nach Funk-Bihlmeyer aus 2.Tim 2,21; 1,10; 4,1 stammend) sind noch nicht einmal Anspielungen, sondern Bestandteil der „Sprache Kanaans", d. h. aus alltäglicher christlicher Formulierung stammend. Es war bereits davon die Rede, daß die Zitierweise der frühen Väter nicht mit modernen Maßstäben gemessen werden kann. Die Zurückhaltung gegenüber Paulus hat gewiß bestimmte Gründe, von denen noch gesprochen werden muß, aber dieses merkwürdig schwebende und selektive Verfahren findet sich ja eben nicht nur hier, sondern auf gleiche Weise auch bei den Evangelien. Spätestens um die Jahrhundertwende ist überall in der christlichen Kirche die Kenntnis mindestens eines der Evangelien vorauszusetzen, und wie wenige (und fragwürdige) Spuren hat das hinterlassen! Ganz offensichtlich können aus dem Material bei den Kirchenvätern vor Irenäus und Tertullian keine negativen (eine Schrift kommt nicht vor, d.h. sie ist nicht bekannt), sondern nur positive (eine Schrift kommt vor) Schlüsse gezogen werden, und selbst hierbei bedarf es besonderer Vorsicht und besonderen Fingerspitzengefühls und der aus ständigem Umgang mit dem Material gewonnenen Fähigkeit, aus den geringen Spuren, welche der Gebrauch eines Paulusbriefes in den frühen christlichen Schriften hinterlassen hat, seine Benutzung durch den Verfasser der betr. Schrift festzustellen bzw. zu behaupten. Selbst dann, wenn einer der Apostolischen Väter unter direkter Nennung auf einen Paulusbrief zurückgeht, ergibt das jedesmal erhebliche Probleme. Vom l.Klem und seiner Bezugnahme 47,1 f. auf den l.Kor war schon die Rede, ebenso wie kurz vom Rückgang des Ignatius auf den Epheserbrief. Hier löst sich das Problem relativ einfach (allerdings nicht dadurch, daß man ev Jtäcrri ejrioxoX.fi so übersetzt wie G. Krüger u. a.: „in einem ganzen Brief"): Ignatius übertreibt in seiner captatio benevolentiae, er ist nicht der erste und nicht der letzte, der dergleichen in solchem Zusammenhang tut. Schneemelcher urteilt zu rigoristisch, wenn er erklärt: „Man kann also für die Aussage des Ignatius, Paulus erwähne die Epheser in jedem seiner Briefe, keinen ausreichenden Beleg beibringen und muß dann wohl vermuten, daß Ignatius kaum eine größere Kenntnis der Paulusbriefe gehabt hat." 1 6 Außer im Epheserbrief selbst wird die Gemeinde l.Kor 15,32 und 16,8 erwähnt, sowie dreimal in den Pasto16
S. 5.
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ralbriefen. Selbst wenn die Pastoralbriefe Ignatius noch nicht bekannt waren, reichen Eph und l.Kor für den auch sonst sehr hoch stilisierenden Satz ad Eph 12,1-2 aus: „Ich weiß, wer ich bin und an wen ich schreibe . . . An euch vorbei führt der Weg derer, die durch ihren blutigen Tod zu Gott kommen, ihr seid Miteingeweihte des Paulus, des geheiligten, des wohlbezeugten, des preiswürdigen, in dessen Spuren mich zu befinden mir werden möchte, wenn ich zu Gott gelange, der euch in jedem Brief erwähnt in Christus Jesus." Schwieriger liegen die Dinge bei Polykarps direkten Erwähnungen des Philipperbriefes. Hier hat der Plural des Polykarp 3,2 eyQmjiEv èmotoXâç zur Rechtfertigung der Theorie gedient, der Phil der Handschriften des NT sei aus ursprünglich mehreren Paulusbriefen zusammengesetzt worden. Abgesehen davon, daß diese weitverbreitete Theorie keinen „Sitz im Leben" hat, worauf hier nicht eingegangen werden kann, wird dabei übersehen, daß derselbe Polykarp vom Brief an die Philipper durchaus im Singular reden kann: 11,3 qui estis in principio epistulae eius. Aber auch dieser Singular hat seine Probleme. Sollte hier mit „epistula" die ganze Briefsammlung gemeint sein, in welcher Phil dann an erster Stelle gestanden hätte? W. Bauer in seinem Kommentar zum Polykarpbrief 17 schlägt für 11,3 die Übersetzung vor: „(bei euch,) unter denen der selige Paulus gewirkt hat, (bei euch als solchen,) welche ihr am Anfang seines Briefes seid. Rühmt er sich euer doch in allen Kirchen . . ," 18 . Das bleibe dahingestellt, überzeugend ist jedenfalls, wenn Bauer den Plural von 3,2 als einfaches Mißverständnis Polykarps interpretiert 19 . Wenn Paulus Phil 3,1 erkläre: xà aûxà yQcwpeiv {>|iïv è|xoi ^iev ovn OXVT|QÖV, ïi|ùv ôè âocpaXéç, so habe Polykarp das auf mehrere Briefe bezogen; Bauer weiß diese Möglichkeit des Mißverständnisses mit einer Stelle aus Theodor von Mopsuestia zu belegen. Probleme bleiben also selbst da, wo Paulusbriefe direkt angesprochen werden. Wie sieht es nun aber mit dem Gesamtbestand der Zitate und den Anspielungen auf die Paulusbriefe bei den Vätern im 2. Jahrhundert aus? Wir sind heute in einer entscheidend besseren Position als frühere Generationen, um auf diese Frage eine Antwort zu geben. Denn 1975 erschien der erste Band der „Biblia patristica. Index des citations et allusions bibliques dans la littérature patristique" 20 , welcher die Zeit bis Clemens Alexandrinus auf der einen und Tertullian auf der anderen Seite erfaßt, und 1977 der zweite Band, welcher (mit Ausnahme des Origenes) das Material des 3. Jahrhunderts bis zu Laktanz, aber unter 17 18 19 20
Handbuch zum NT, Ergänzungsband II, Tübingen 1920. S. 295. S. 287. Éditions du Centre National de la Recherche Scientifique, Paris.
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Ausschluß des Euseb darbietet. Das bedeutet einen entscheidenden Fortschritt, die Unsumme von Arbeit, die dahintersteht, kann nur ermessen, wer Ähnliches einmal versucht hat (nicht zufällig hat das Institut für neutestamentliche Textforschung trotz aller eigenen umfangreichen Sammlungen alle ihm irgend zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitarbeiter für das bedeutsame Werk eingesetzt). Wie sieht es nun nach diesen Unterlagen mit Zitaten aus den Paulusbriefen aus? Es ist vielleicht zweckmäßig, die sich danach ergebenden Resultate in Tabellenform nebeneinanderzustellen. Die Stellennachweise (pro Seite ca. 55) urtifässen: Rom 1. Kor 2. Kor Gal Eph Phil Kol 1 .Thess 2.Thess l.Tim 2.Tim Tit Philem Hebr
Band I ca. I6V2 ca. 30 ca. 7 ca. 7V2 ca. 10 ca. 3 Vi ca. 4'/2 2 1 ca. 4 Vi ca. 2V4 ca. 1V4 ca. V4 1 ca. 5 /»
Seiten Seiten Seiten Seiten Seiten Seiten Seiten Seiten Seite Seiten Seiten Seiten Seite Seiten
Band II ca. 12V4 Seiten ca. 19 Seiten ca. 6 Seiten ca. 4'A Seiten ca. 8 Seiten ca. 4Va Seiten ca. 5 S e i t e n ca. 1V2 Seiten ca. l3¡4 Seiten Seiten ca. 4 ca. 2V2 Seiten ca. 2 Seiten ca. v« Seite ca. 3 Vi Seiten
Der Befund in Band I ist einigermaßen schwer deutbar: das Verzeichnis der Zitate aus l.Kor füllt ca. 30 Seiten, das aus Rom (im Umfang l.Kor überlegen) nur I6V2 Seiten. Nun vermindert sich das, was hier als Zitat oder Anspielung verbucht ist, bei kritischer Prüfung erheblich (der Band legt im wesentlichen die Notate in den Apparaten der Ausgaben zugrunde), aber trotzdem sind die Zahlen vergleichbar, denn der „Schwundprozeß" dürfte bei allen Briefen der gleiche sein. Die Verzeichnung der Zitate aus Hebr umfaßt hier nur 51/* Seiten, die aus dem weniger als halb so langen Eph dagegen 10 Seiten, die von Kol (etwa ein Drittel kürzer als Eph) nicht ganz 5 Seiten, die von Phil (etwa gleich lang wie Kol) 3j/4 Seiten, die aus l.Thess (etwa gleiche Länge wie Kol) 2 Seiten, die aus 2.Thess (etwa halb so lang wie Kol und Phil) 1 Seite. Natürlich ist dabei zu berücksichtigen, daß die Hauptmasse der Zitate aus der zweiten Hälfte des Jahrhunderts stammt, aus Irenäus, Tertullian und Clemens. Wahrscheinlich käme man weiter, wenn die voranstehende Tabelle nach Autoren aufgegliedert würde, vielleicht ergäbe sich dadurch sogar wichtiges Material zum Einstieg in die theologischen Voraussetzungen der einzelnen Väter. Aber dieser Versuch kann hier nicht
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unternommen werden, zumal das Ganze unter dem Vorzeichen des „vielleicht" bleibt. Wenn oben in der Tabelle die Angaben aus Band II der Biblia patrística hinzugefügt sind (3. Jahrhundert, aber ohne Orígenes und unter Ausschluß von Euseb), so geschieht das nur zur Illustration, aber auch hier ergeben sich mancherlei Fragen. Im allgemeinen ist eine fallende Tendenz festzustellen, bei Rom, insbesondere bei l.Kor und bei Gal, aber auch bei 2.Kor und Eph und besonders auffällig wieder bei Hebr. Leicht ansteigende Tendenz zeigen Phil, Kol, 2.Thess, die übrigen bleiben ungefähr im gleichen Umfang. Aber wieso das so ist, vermag ich jedenfalls nicht zu beantworten. Wenn Hebr besonders stark abfällt, so mag das daran liegen, daß seine sich auf das Alte Testament stützende Interpretation in einem Zeitalter, das das Neue Testament an die Stelle setzte, die bis 150 n.Chr. das Alte Testament einnahm, an Wirksamkeit und Interesse abnehmen mußte. Aber dann sollte man erwarten, daß die Zitationen aus Hebr in Band I der Biblia patrística einen besonders eindrücklichen Umfang erreichten, und das ist nicht der Fall. So bleiben auch hier viele Fragen offen; möchten sie durch neue Untersuchungen zum „Paulusverständnis in der alten Kirche" oder zum Schriftgebrauch und der Theologie der einzelnen in Betracht kommenden Väter beantwortet werden. Nur davor muß jetzt schon gewarnt werden, vorschnelle Schlüsse e silentio zu ziehen. So grundlegend die Beilagen III und IV in Harnacks „Marcion" sind: „Das Apostolikon Marcions" (S. 40*-176*) und „Das Evangelium Marcions" (S. 177*-255*), die daraus immer wieder (und zwar bis in die kritischen Apparate von Ausgaben des Neuen Testaments) gezogenen Schlüsse, daß Marcion Kapitel und Verse, die hier nicht angeführt sind, in seinem Neuen Testament nicht gehabt bzw. bewußt gestrichen habe, sind oft verhängnisvoll. Ganz abgesehen davon, daß die Arbeit Harnacks längst nach einer Erneuerung verlangt, sind die zur Verfügung stehenden Quellen derart lückenhaft, daß sich solche Aussagen verbieten, außer an Stellen, wo die Polemik Tertullians oder ein geschlossenes längeres Zitat Marcions aus Lukas bzw. Paulus eine sichere Grundlage ergibt. Nicht nur bei Marcion wird so verfahren, sondern auch anderswo. So geistert durch die einschlägige Literatur z.B. immer wieder die Behauptung, Cyprian und Tertullian hätten nur einen Römerbrief ohne Kap. 15 und 16 gekannt. Dabei hat schon H. v. Soden festgestellt: „Über den Umfang des Römerbriefs bei Cyprian läßt sich positiv nichts sicher bestimmen." 21 Diesen Satz hat er sogar gesperrt gedruckt. Er fährt dann 21 D a s lateinische N e u e Testament in Afrika zur Zeit Cyprians, Leipzig 1909, T U 33, S. 592.
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aber - charakteristisch für die verhängnisvolle Methode des Schlusses e silentio bei frühen Kirchenvätern - fort: „Daß er (wie wohl auch Tertullian) die beiden letzten Kapitel nicht gelesen hat, kann man aus der Nichtbenutzung in den Testimonia immerhin wahrscheinlich machen." Richtig daran ist, daß v. Soden als letztes direktes Zitat aus Rom bei Cyprian 14,7 feststellt. Aber: auch aus Kapitel 7 und 10 findet sich bei Cyprian kein einziges Zitat und aus Kap 5 und 6 bestenfalls je eine einzige Anspielung; folgte man v. Sodens (und anderer) Methode, müßte man also behaupten, daß in Cyprians Text des Römerbriefs mindestens auch Kap 7 und 10 gefehlt hätten. Darauf kann hier nicht weiter eingegangen werden 22 , deutlich ist aber wohl erneut geworden, welche Behutsamkeit im Umgang mit Zitaten früher Kirchenväter aus der Schrift geboten ist. Es ist aber nun keineswegs so, daß sie uns immer im Stich ließen oder nur sehr begrenzte Möglichkeiten gäben. In manchen Fällen sind sie sogar von entscheidender Bedeutung. Nehmen wir als Beispiel den Hebräerbrief: daß er als Paulusbrief und als Teil des Corpus Paulinum verstanden wird, und zwar von Anfang an, scheint sicher. Obwohl der Name des Paulus im Brief selbst nicht genannt wird, sicherte das Postskript ihm mit seiner Bezugnahme auf Timotheus („der wieder frei ist": 13,23) und der baldigen Ankündigung eines erneuten Besuches (13,19 und 13,23) diese Zuschreibung, die Grüße von den Brüdern cutö xfjg 'ItaWag (13,24) vermehrten den Eindruck, daß Paulus hier aus der römischen Gefangenschaft an seine Gemeinden im Osten der Kirche schreibe. Daß er mit der Subscriptio ÜQog Eßgaiong (so schon P 4 6 ) in das Corpus Paulinum eingefügt wurde, erklärt sich daraus wie aus dem Inhalt und der Anlage der Schrift. Ob Clemens Alexandrinus bzw. die alexandrinische Katechetenschule (wenn mit dem „seligen Presbyter", auf den sich Clemens beruft, Pantainos gemeint ist, Euseb K G VI 14,4) 2 3 nur einer allgemeingültigen Ansicht Ausdruck geben, wenn sie meinen, Paulus habe den Brief hebräisch geschrieben (weil „an die Hebräer" gerichtet) und Lukas ihn durch seine Übersetzung ins Griechische für die übrigen Christen adaptiert, oder ob das spezielle alexandrinische Gelehrsamkeit ist, stehe dahin. Auf jeden Fall zeigen die Ausführungen in den Hypotyposeis des Clemens die uneingeschränkte Anerkennung des Briefes im Osten in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts (diese Ansetzung wird schon durch Clemens selbst, noch mehr aber durch den von ihm zitierten „seligen Presbyter" garantiert). Damals erst begann, und das ist die erste Folgerung, die aus den oben (vgl. S. 33 ff.) kurz besprochenen Kirchenväterzitaten zu ziehen 2 2 Zu den Einzelheiten, auch in bezug auf Tertullian, vgl. K. Aland, Der Schluß und die ursprüngliche Gestalt des Römerbriefs, Neutestamentliche Entwürfe. München 1979. 23 G C S 9, 2, 550. S. 2 8 4 - 3 0 1 .
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ist, die Diskriminierung des H e b r im Westen (vgl. sein Fehlen im Canon Muratori), wegen seiner als falsch und gefährlich angegebenen Verwerfung der zweiten Buße; bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts erfreute er sich auch im Westen voller Anerkennung. U n d weiter: Wenn Hebr im 1. Klemensbrief zitiert wird, m u ß er früher datiert werden, als das in der neutestamentlichen Wissenschaft in der Regel geschieht 2 4 . Ein Brief, der um 95 n.Chr. in R o m benutzt und auf eine Weise zitiert wird, wie sie bei den Apostolischen Vätern ganz selten ist, kann nicht „zwischen 80 und 90 abgefaßt worden" sein oder „in die 80er oder 90er J a h r e " gehören, um die beiden neuesten Stellungnahmen zum Gegenstand anzuführen 2 5 , selbst dann nicht - oder gerade dann nicht, wenn er in R o m oder nach R o m geschrieben sein sollte, woran m. E. übrigens nicht zu denken ist. Entscheidendes hängt davon ab, wo man das (vom Verfasser stammende) Postskript in Kap 13 beginnen läßt, durch welchen die wirklich gehaltene (oder nur niedergeschriebene?) Predigt nachträglich zum Brief umstilisiert wird. Der Verfasser hielt dieses Stilmittel offensichtlich für die bessere Verbreitung förderlich oder sogar notwendig (daß eine Predigt auch ohne einen solchen Stilbruch weite Verbreitung finden kann, beweist das Beispiel des 2. Klemensbriefes, der - soweit ich sehe merkwürdig selten für H e b r herangezogen wird). Zunächst spricht er immer vom „ R e d e n " (2,5 XaXot>n,ev; 5,11 Xeyeiv; 6,9 tat^oüpiev usw. 8,1; 9,5; 11,32), 13,22 heißt es dann auf einmal x a i ycxQ ö i a ßpaxECüv ETiEcrcEiAa tifxiv. Kann man 13,18b—21 notfalls noch zur Predigt rechnen (die durch 13,19 dann den Charakter einer prominenten „Gastpredigt" bekäme, sonst muß man nach 13,18a „ A m e n " einfügen und erhielte dann einen relativ wirkungsvollen Schluß), ab 13,22 herrscht auf jeden Fall die Fiktion, die die Predigt zum Sendschreiben umstilisiert und als Verfasser den alten Paulus kurz vor dem Freikommen aus der ersten römischen Gefangenschaft (diese Vorstellung ist nicht nur in der alten Kirche weit verbreitet gewesen) suggeriert: „Timotheus ist schon frei, die Brüder aus Italien grüßen." D a ß derartiges (auch als Fiktion) nicht nach Rom geschrieben sein kann, liegt auf der H a n d ; daß es den Eindruck erwecken will, es komme aus R o m , ist zwar richtig, aber weshalb so viele Neutestamentier sich vom einen oder anderen haben überzeugen lassen, ist eigentlich rätselhaft 2 6 . Zugegebenermaßen wissen wir herzlich wenig über die Frühge24
Vgl. die Literaturübersicht von E. Gräßer, Der Hebräerbrief 1938-1963, ThR 30, 1964, 138-236, S. 152. 25 Kümmel, Einleitung, 18. Aufl. 1977, S. 355; Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur, 2 1978, S. 251. 26 Wenn Michel in seinem Kommentar zum Hebräerbrief (Meyer, 13. Abt., 1957) die Subscriptionen zum Hebr als Zeugnis für dessen Abfassung in Rom oder Italien als bestäti-
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schichte des Christentums in Italien, aber was wir wissen, schließt einen so bedeutenden Theologen wie den Verfasser von Hebr als in Italien, mindestens aber in Rom wirkend aus. Der Höhepunkt der theologischen und literarischen Leistung des Rom um 90 n.Chr. ist durch den 1.Klemensbrief gegeben - er steht in jeder Hinsicht nicht nur um Stufen, sondern gleich um Stockwerke unter Hebr. Wer von „Rom als dem wahrscheinlichsten Abfassungsort" spricht 27 , tut das unter Verzicht darauf, einen wirklichen „Sitz im Leben" für den Brief zu suchen. Wahrscheinlich stammt Hebr aus dem Osten und ist als Epistel allgemein an die Christenheit gerichtet. Eine konkrete Gemeinde steht dabei nicht im Blickfeld des Verfassers (mag das auch für die ursprüngliche Predigt gelten - ist das nicht der Fall, fängt die Fiktion schon bei Stellen wie 11,32 an), die sogenannten „konkreten Angaben" über die Gemeinde 5,11 ff.; 6,1 ff.,9ff.; 10,32ff.; 13,7ff. sind doch —man muß sie nur einmal hintereinander lesen - so allgemein, daß sie auf jede Gemeinde jener Zeit passen, sie verraten nicht die Spur einer speziellen Situation. Gleichviel nun, wie es damit steht, dieser Brief hat von seiner Entstehung bis zu seiner allgemeinen Verbreitung und Geltung als Paulusbrief in jedem Fall eine nicht unerhebliche Zeit gebraucht; wenn er um 95 n. Chr. auf die beschriebene Weise benutzt wird, kann er schon gar nicht in den „90er Jahren", auch nicht in den „80er Jahren" geschrieben sein, sondern muß in die Zeit um 70 gehören. Als seinerzeit P 52 gefunden und „um 125" datiert wurde, war damit die Datierung des Johannesevangeliums auf „um 95" vorgegeben, und zwar aus methodischen Gründen: gleich wo das Johannesevangelium entstanden ist, in Ägypten wurde es bestimmt nicht geschrieben, und eine Frist von 30 Jahren für die Ausbreitung vom Entstehungs- bis zum Fundort schien angemessen. Das gleiche Gesetz gilt auch sonst, für den Hebräerbrief wie z.B. auch für den Epheserbrief, die Pastoralbriefe usw. Die erste sichere Bezeugung bei den Kirchenvätern bedeutet gleichzeitig ein Indiz für die Entstehungszeit der Schrift, die zwei bis drei Jahrzehnte vorher angesetzt werden muß, jedenfalls nach den Durchschnittswerten, mit denen der Historiker rechnet. ET muß davon ausgehen, daß die erste Bezeugung (sei sie literagendes Zeugnis heranzieht (S. 14), so ist dazu zu sagen, daß diesem „Zeugnis" keinerlei Bedeutung zukommt, es ist lediglich aus dem Text des Briefes selbst erschlossen. Richtig bemerkt Michel: „Doch ist die Tatsache mißlich, daß die Beschreibung der früheren Verfolgungszeit (10,32ff.; 12,1 ff.) nicht gut auf Rom paßt" (S. 14) und: „Auf jeden Fall wird man sagen müssen, daß die Theologie des Hb nicht eigentlich für römische Herkunft spricht, sie hat hellenistische und palästinische Wurzeln" (S. 368). 27 Vielhauer, S. 251. Selbst wenn es die „Gemeinsamkeit in den liturgischen Traditionen" zwischen l.Klem und Hebr gäbe, die Vielhauer zu diesem Urteil veranlassen, wie sind dann die grundlegenden sonstigen - und entscheidenden - Differenzen zwischen den beiden fast gleichzeitig am gleichen Ort entstandenen Briefen zu erklären?
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risch, sei sie wie im Falle des Johannesevangeliums ein Textfund) sich auf dem normalen Wege, d.h. durch vom Entstehungsort ringförmig ausgehende kontinuierliche Verbreitung ergeben hat. Natürlich ist es möglich, daß P S2 Uberrest einer der ganz frühen Abschriften aus dem Kreis des Verfassers bzw. Redaktors ist; einer seiner Freunde, ein nach Ägypten reisender Missionar, nahm sie mit, so daß Niederschrift von P 5 2 und Entstehung des Johannesevangeliums nur ganz kurze Zeit voneinander getrennt sind. So kann man argumentieren, aber wenn man sich von den Gesetzen der historischen Arbeit entfernt, darf man sich über ein entsprechendes Echo nicht wundern. Das gilt hier, aber — um zum Thema zurückzukehren — auch beim Hebr, bei Eph wie bei den Pastoralbriefen. Wenn die Pastoralbriefe (vgl. o. S. 37) zum erstenmal bei Polykarp sicher bezeugt sind, so verbindet sich für unsere Generation damit unwillkürlich die Assoziation: um 150 (wozu die Bezeugung bei Justin paßt). Aber ist das richtig? Unsere Väter verbanden mit dem Brief des Polykarp an die Philipper die automatische Reaktion: spätestens 120, weil Kap 13 von der Übersendung der Ignatiusbriefe offensichtlich noch vor dem Bekanntwerden seines Todes als Märtyrer redet. Seit im Gefolge von Harrison Kap 13 als „erster" Brief des Polykarp anerkannt ist, den man dem „zweiten" nur eingefügt hat, ist diese Assoziation aufgegeben. Aber welchen Grund gibt es eigentlich, den „zweiten" Polykarpbrief als „um 150" geschrieben anzunehmen? Polykarp ist nach den offensichtlich zuverlässigen Aussagen der Märtyrerakte (21; Funk-Bihlmeyer S. 131,8 f.) an einem 2. Xanthikus gestorben, der auf einen Sonnabend fiel (d.h. am 23. Februar oder am 22. Februar, falls es sich um ein Schaltjahr handelt). Diese Voraussetzungen: Sonnabend = 2. Xanthikus sind erfüllt in den Jahren 155 (bzw. 156 im Fall eines Schaltjahres, wie z.B. E. Schwartz annimmt), 166, 172, 177. Grégoire und andere haben - bezeichnenderweise - den letzten in Betracht kommenden Termin — 177 — als allein „wissenschaftlich" proklamiert. Aber selbst wenn das (was ich aus vielen Gründen für willkürlich halte, sehr viel wahrscheinlicher scheint mir die Annahme 155/156) berechtigt sein sollte, so ist Polykarp bei seinem Tode doch immerhin 86 Jahre alt gewesen (9,3; Funk-Bihlmeyer S. 125,11). Wenn er erst 177 gestorben sein sollte, ist er also 91 n.Chr. geboren (im Fall eines Todes 155/156 etwa 70 n.Chr.). Welcher Grund liegt vor, seinen Brief an die Philipper auf 150 n. Chr. anzusetzen? Warum soll dieser Brief von Polykarp erst im Alter von über 60 Jahren (im Falle des Todes 177) oder gar im Alter von ca. 80 Jahren (im Fall seines Todes 155/156) geschrieben worden sein? Eine Datierung auf etwa 130 n.Chr. ist, und zwar in beiden Fällen, zwanglos möglich, bei einer Annahme des Todes 155/156 sogar geboten. Damit würden sich einige zeitliche Ansätze, und zwar nicht nur bei den Pasto-
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ralbriefen, zwangsläufig ändern. Man kann nur fragen: warum eigentlich nicht? Die Meinung mancher Patristiker - und vor allem nicht weniger Neutestamentier nur die Annahme des extremsten Negativfalles entspreche wissenschaftlicher Arbeit, dürfte zwar unausrottbar sein. Aber die Frage liegt doch nahe, ob sie unter methodischen Gesichtspunkten auch den Realitäten entspricht, die in der Regel eben nicht im extremsten Negativfall, sondern in der Mitte zu finden sind. Der Umgang des 1. Klemensbriefes mit dem 1. Korintherbrief im allgemeinen und l.Kor 15 im besonderen, so hieß es eingangs (vgl. S. 31), sei in doppelter Hinsicht aufschlußreich: für unsere Bewertung der Zitierweise der frühen Kirchenväter wie für die Bewertung der Paulusbriefe durch sie. Das erste Thema ist, soweit das unter der Voraussetzung des Aufsatzes'für eine Festschrift möglich war, behandelt, und zwar mit dem Resultat, daß nur ein sehr behutsamer Umgang mit diesen „Zitaten" zu einem Resultat führt, daß sich aber andererseits daraus sehr handfeste Konsequenzen ergeben können. Wenigstens einige Bemerkungen zum zweiten Aspekt sollen dem angeschlossen werden: Daß der 1 .Klem bei seinem Beweis der Auferstehung nur auf die Ausführungen des Paulus in 1 .Kor über Saat und Ernte eingeht, den Auferstehungsbericht aber völlig übergeht, weist darauf hin, daß die frühen Väter die Paulusbriefe zwar kennen, aus ihnen aber nur ganz selektiv auf das eingehen bzw. das anführen, was ihnen für ihre Gedanken- und Beweisgänge zweckmäßig erscheint. Beide sind von den Intentionen des Paulus weit entfernt, aber selbstverständlich weiß der l.Klem sich trotzdem in der Nachfolge des Paulus; sein Verfasser würde es entrüstet abgelehnt haben, unpaulinisch zu sein, genauso wie Major und seine Parteigänger im majoristischen Streit bestritten, in der Rechtfertigungslehre Luther verlassen zu haben, oder Gregor I. und seine geistigen Nachfolger, von der Sünden- und Gnadenlehre Augustins abzuweichen. Wir befinden uns in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts in einem Tal, was die Wirkung der Theologie des Paulus angeht, genau so wie vom 7. Jahrhundert ab in bezug auf die volle Wirkung der augustinischen Theologie, die erst mit Luther wieder einsetzt, dessen Wirkungen dann wieder im weiteren Verlauf der Geschichte des Protestantismus verblassen, wenigstens aufs Ganze gesehen, woran die partiellen Erneuerungen nur vorübergehend etwas ändern. Gleichzeitig hat man Luther hier, im Mittelalter Augustin und im 2. Jahrhundert Paulus in höchsten Ehren gehalten, der damals nicht zufällig mit den 12 Aposteln zur Einheit zusammenwächst. Schneemelcher überspitzt sein richtiges Anliegen in seinem zusammenfassenden Urteil viel zu sehr und bringt es dadurch um seine Wirkung, wenn er erklärt:
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„Im Grunde spielt bei all den genannten Schriftstellern Paulus überhaupt keine Rolle, ja man hat manchmal den Eindruck, als würde er absichtlich beiseite geschoben. G e w i ß wird er bei manchen Schriftstellern als A p o s t e l sehr hoch geschätzt, aber seine Briefe bedeuten nichts. Er ist der Heidenapostel, das Vorbild usw. A b e r man hat keine Vorstellung von seinem Werk und von seiner T h e o l o gie. Seine Briefe scheinen unbekannt zu sein, zumindest aber läßt sich ein Einfluß dieser Briefe nicht feststellen." 2 8
Und wenn er meint: „Vielleicht hätte man ihn am liebsten ganz ausgeschlossen und seine Schriften nicht zum Kanon gerechnet" 2 9 , so verläßt er ganz den Rahmen der Kanonsgeschichte, in der die Paulusbriefe von Anfang an zu den festesten Gegebenheiten gehören. Paulus hat die stärksten Auswirkungen auch auf das zweite Jahrhundert gehabt. Schon die Tatsache belegt das, daß man offensichtlich (als Nachwirkung der Paulusbriefe) meinte, der Brief sei die angemessene Form für die theologische Aussage. So ist die Predigt des Hebr zum Brief geworden, so sind der Barnabas,,brief" wie der 2.Klemens„brief" entstanden. Natürlich hat man dabei große Probleme, vgl. z.B. im l.Klem die Ausführungen über die Rechtfertigung aus dem Glauben in Kap 32 mit den nachfolgenden in Kap 33 über die Notwendigkeit der Werke (ganz parallel zu der Problematik im majoristischen Streit) oder den ganzen Barnabasbrief. Dazu kommt das beklemmende Gefühl, daß die theologischen und kirchlichen Gegner sich in breitem Umfang auf Paulus berufen; der Aussage von 2.Petr 3,16 kommt symptomatische Bedeutung zu. In der Tat lebt das Grundanliegen der Theologie des Paulus damals nur bei Marcion fort, womit Harnack trotz aller Überspitzungen recht hat - und mehr als man glaubt, in der Gnosis. Die theologische Erneuerung innerhalb der Großkirche durch Irenäus hat, worauf B. Aland m.E. mit Recht mehrfach hingewiesen hat 30 , die theologische Arbeit Marcions und der Gnosis zur Voraussetzung und bezieht ihre Wirkung daraus, daß sie die von diesen ausgehenden Impulse nach Reinigung von fremdartigen Elementen aufnimmt und vertieft. Aber dennoch weiß man sich auch vorher in der Großkirche so (und das mit demselben Recht) bei Paulus, wie man das in weiten Partien des modernen Protestantismus (und zwar eben nicht nur beispielsweise in der Aufklärung, sondern auch in der Gegenwart) in bezug auf Luther tut. Diese Bemerkung mag manchem vielleicht bösartig klingen, aber ein solcher Vergleich ist m.E. geeignet, den üblichen Rigorismus in bezug auf die Beurteilung des 2. Jahrhunderts etwas abzubauen. 28 30
s. 9.
2» s n
Vgl. z.B.: Marcion, Versuch einer neuen Interpretation, ZThK 70, 1973, 420-447, Gnosis und Philosophie, Schwed. Akademie d. Wiss., Filologisk-filos: ser. 17, 1977, 34-73, und insbesondere: Gnosis und Kirchenväter Ihre Auseinandersetzung um die Interpretation des Evangeliums, Festschrift Jonas 1978, 158-215.
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Eingangs war die Rede vom Verständnis der Kirchengeschichte als Auslegung der heiligen Schrift. Auch hier nimmt Schneemelcher einen radikalen Standpunkt ein: „Der Versuch, an einem Beispiel der frühen Kirchengeschichte die Wirksamkeit eines Teiles der Schrift aufzuweisen, hat zu einem negativen Ergebnis geführt. Das sollte bei den Überlegungen, was denn nun das Wesen der Kirchengeschichte sei, bedacht werden. Zumindest scheint mir damit klar, daß die These, die Kirchengeschichte sei die Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift, sich nicht halten läßt." 31
Er geht dabei allein von den Paulusbriefen aus; hätte er (vgl. o. S. 29 f.) die Benutzung der Evangelien durch die Väter des 2. Jahrhunderts bis Justin in seine Voraussetzungen mit einbezogen, hätte das Urteil noch radikaler lauten können - und sich noch deutlicher als unrichtig erwiesen. Er stellt selbst - zutreffend - fest, „daß das AT und ,der Herr', d.h. die Tradition über Jesus, sei es in ihrer schriftlichen Formulierung eines Evangeliums oder einer Vorstufe eines Evangeliums, sei es in mündlicher Form, die Anfänge der Theologie bestimmt haben" 32 . Ja, ist das AT nicht Heilige Schrift? Und rechnen die Anfänge der Evangelienüberlieferung nicht auch dazu? Gewiß wird die ethisierend-moralisierende Auffassung des Christentums durch die Apostolischen Väter niemand befriedigen, aber gilt nicht das Gleiche für den Jakobusbrief? Und ist nicht auch er Bestandteil der Schrift? Und bedeutet nicht schließlich, etwas paradox formuliert, die Vernachlässigung bestimmter Aussagen oder ganzer Komplexe der Schrift eine Schriftauslegung, wenn auch unter negativem Vorzeichen? Gewiß weist die Geschichte der Kirche, mit dem Maßstab des neutestamentlichen Kerygmas gemessen, mehr Tiefen als Höhen auf. Aber die einsam ragenden Höhen gleichen viele Tiefebenen aus, die übrigens von denen, die auf ihnen leben, keineswegs als solche, sondern mindestens als Hochebene empfunden werden. Die Apostolischen Väter haben ganz ohne Zweifel gemeint, das Eigentliche des Christentums auszusagen, ebenso die Theologen aller Zeiten (die modernen eingeschlossen). Die entscheidende Frage ist nur, ob man die Gipfel wenigstens mit Beklemmung wahrnimmt, denn nur dann ist jeweils eine Rückkehr von der tatsächlichen Tiefebene auf die vermeintlich bereits erreichte Hochebene möglich. Daß das beginnende 2. Jahrhundert diese Beklemmung mindestens andeutungsweise empfand, darauf weist 2.Petr 3,15-16 hin. 31 32
S. 19. s. 19f.
zu S. [39]: Vgl. S. 61, Nachtrag zu S. [66],
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Über die Möglichkeit der Identifikation kleiner Fragmente neutestamentlicher Handschriften mit Hilfe des Computers Als J. O'Callaghan im Jahre 1972 seine erste Identifikation von Papyrusfragmenten aus Höhle 7 von Qumran veröffentlichte, 1 machte das rund um die Welt Sensation. Sie war weit größer als die beim Bekanntwerden der Bodmer-Papyri. Die Presse aller Sprachen nahm sich der neuen Texte an, auch solche Organe, in denen für gewöhnlich kein Interesse — es sei denn ein negatives — an theologischen oder kirchlichen Gegenständen zu bemerken war. Diese Sensation wurde im wesentlichen ausgelöst und bestimmt von der Tatsache, daß O'Callaghan unter den drei von ihm zunächst veröffentlichten Fragmenten gleich zwei mit dem Text des Markusevangeliums entdeckt zu haben glaubte (7Q5 = Mark. 6:52-53 und 7Q6,1 = Mark. 4:28), von denen er meinte, daß ihre Entstehung in die Zeit um 50 n.Chr. zu datieren sei. Wenn in Palästina das Markusevangelium um diese Zeit bereits existierte, mußte es um 40 n.Chr. bereits geschrieben sein — die Perspektiven, die sich von hier aus eröffneten, waren außerordentlich. Der ersten Veröffentlichung O'Callaghans folgten weitere.2 Insgesamt neun Fragmente aus Höhle 7 von Qumran wurden hier für das Neue Testament proklamiert: außer den schon genannten Fragmenten 6,1 mit Mark. 4:28 und 5 mit Mark 6:52-53 noch Fragment 15 mit Mark. 6:48, Fragment 7 mit Mark. 12:17 für das Markusevangelium, für die Apostelgeschichte Fragment 6,2 (Apg. 27:38), für den Römerbrief Fragment 9 (Rom. 5:11-12), für den 1. Timotheusbrief Fragment 4 (1. Tim. 3:16; 4:1,3), für den Jakobusbrief Fragment 8 (Jak. 1:23-24) und für den 2. Petrusbrief Fragment 10 (2. Petr. 1:15). Freilich geschah das mit einem verschiedenen Grad der Sicherheit: Fragment 6,1; 5; 4; 8 wurden in ihrer Identifikation als sicher, Fragment 7; 6,2; 9 als wahrscheinlich, Fragment 15 und 10 als möglich bezeichnet. 1 Biblica 53 (1972) 91-100. 2
Biblica 53 (1972) 362-367; Studia Papyrologica
11 (1972) 83-9.
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Die Identifikation kleiner Fragmente
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Dabei waren die Rekonstruktionen O'Callaghans — wenigstens zunächst — allein auf die Abbildungen in Band 111,2 des Grabungsberichtes3 begründet, sie unterschieden sich zusätzlich, z.T. erheblich, von dem, was die Herausgeber (genauer gesagt: der zuständige Bearbeiter M. Baillet, dem die Unterstützung von P. Benoit und M. E. Boismard zur Verfügung stand) an Hand der Originale entziffert hatten. 4 M. Baillet wie P. Benoit machten sich (wie jeder, dem Fotos zugänglich waren 5) sogleich ans Werk der Überprüfung der Lesungen und Rekonstruktionen O'Callaghans, P. Benoit dabei besonders begünstigt durch die Möglichkeit, die Originale an Ort und Stelle unter allen Bedingungen (natürliches Licht, künstliches Licht, Infrarotfotographie) unbegrenzt zu kontrollieren. Ihre Resultate liegen jetzt vor :6 auch nicht in einem einzigen Fall sehen sie sich imstande, den Rekonstruktionen O'Callaghans zu folgen, weil sie seinen Identifikationen der oft nur andeutungsweise vorhandenen Buchstabenreste nicht zustimmen konnten. Ähnlich hat Gordon D. Fee reagiert,7 andere Stimmen wären hinzuzufügen. 8 Am schärfsten hat sich C. H. Roberts 3
Discoveries in the Judean Desert of Jordan, 111,2 : Les "Petites Grottes" de Qumran, par M. Baillet, J . T. Milik et R. de Vaux (Planches) (Oxford : Clarendon 1962) 4 I I I , 1 (Oxford: Clarendon 1962) 144 f. 5 Darunter selbstverständlich auch ich, zumal mir durch freundliche Vermittlung von P. Benoit Infrarotaufnahmen zur Verfügung standen. 6 M. Baillet, "Les Manuscrits de la Grotte -7 de Qumrân et le Nouveau Testament", Biblica 53 (1972) 508-516; 54 (1973) 340-350; P. Benoit, "Note sur les fragments grecs de la Grotte 7 de Qumrân", RB 79 (1972) 321-324; "Nouvelle note sur les fragments grecs de la Grotte 7 de Qumran", RB 80 (1973) 5-12. » "Some Dissenting Notes on 7Q5 = Mark 6:52-53 ",JBL 92 (1973) 109-12. 8 Vgl. z.B. meine eigene Äußerung in NTS 20 (1974), 357-76: "Neue Neutestamentliche Papyri I I I " als abschließende Stellungnahme. Als mir O'Callaghan seine Transkriptionen (noch vor Veröffentlichung seines ersten Artikels) um der Vergabe einer Nummer in der offiziellen Liste der neutestamentlichen Papyri willen zusandte, habe ich das bis zur Überprüfung an den Fotos abgelehnt und mich dann darauf beschränkt, in den unmittelbar auf die Veröffentlichung des Artikels folgenden (leider unvermeidlichen) Presseinterviews die Identifikationen als "eine vorläufige und in jeder Hinsicht noch erörterungsbedürftige Hypothese" zu bezeichnen. I m J u n i 1972 habe ich zur Berichtigung einer sehr verkürzenden Wiedergabe dieser Stellungnahme erklären müssen : " Z u Ihrer Information möchte ich bemerken, daß alle damals unmittelbar nach Bekanntwerden der Hypothese Professor O'Callaghans gemachten Vorbehalte sich inzwischen bestätigt und verstärkt haben, seit mir Infrarotphotos der in Höhle 7 von Qumran gefundenen Papyrusfragmente vorliegen. J e weiter die wissenschaftliche Diskussion fortschreitet, um so mehr werden Datierung, Lesung und Rekonstruktion des von Ihnen abgebildeten 'Markus'-Fragments in Frage gestellt werden". ("Der Spiegel" 12.6.1972, 13f). I n Bibel und Kirche (1973) 19f habe ich dann noch einmal kurz das Wort ergriffen (aber
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Die Identifikation kleiner Fragmente
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geäußert. Bereits am 7. April 1972 erklärte er in einer Zuschrift an die Times: "Only rarely can it be said with confidence what such incomplete letters are : much more frequently it can be said what they are not. To the eye of one papyrologist Professor O'Callahgan's readings cannot be reconciled with the traces shown in the illustration to the original edition".
Seinen Aufsatz im JTS schloß er mit dem Satz : "Identifications on this scale are an exercise not in scholarship but in fantasy".9 Nicht nur für O'Callaghan, der in seine Theorien einen zugegebenermaßen außerordentlichen Aufwand an Energie und Zeit investiert hat, sondern auch für viele andere bedeutet dieser Ausgang der Auseinandersetzung eine große Enttäuschung,10 vor allen Dingen da, wo man gemeint hatte, mit den neuen Funden sei eine neue Basis für die zeitliche Ansetzung des Markusevangeliums gegeben,11 aber auch anderswo. Denn die Meinung, daß eine bestimmte Reihenfolge von Buchstaben, und sei es auch von wenigen, nur einen einzigen bestimmten Text ergeben könne, erfreute sich doch nicht geringer Verbreitung, auch unter Exegeten und Textkritikern. Diese — sagen wir ruhig: naive — Voraussetzung ist jetzt dahin. Gewiß waren die meisten Rekonstruktionen O'Callaghans dadurch von vornherein in Frage gestellt, daß die für sie entscheidenden Buchstaben nicht oder nicht sicher entzifferbar waren. Es gibt aber unter den neun von ihm bearbeiteten Fragmenten eines, wo der Buchstabenbestand allgemein übereinstimmend festgelegt ist. Das ist Fragment 8, wo man wieder in Abwehr falscher Interpretationen der ersten Stellungnahme) und sonst geschwiegen, und zwar mit Absicht. Denn die Situation war in dem Augenblick klar, wo zuverlässige Fotos eingesehen werden konnten, aber es sollte vor einer endgültigen Stellungnahme abgewartet werden, wie O'Callaghan auf die an ihm geübte Kritik reagieren würde. E r ist, wie die beiden soeben erschienenen letzten Aufsätze zeigen, jedoch bei der schon in seiner ersten Replik eingenommenen Ablehnung der gegen ihn vorgebrachten Einwände geblieben. 9 "On some presumed Papyrusfragments of the New Testament from Qumran", JTS 23 (1972) 446f. 10 daß O'Callaghan sich nicht überzeugt zeigt, ist eine andere — und verständliche — Sache, vgl. seinen Aufsatz : "Notas sobre 7 Q tomadas en el "Rockefeller Museum" de Jerusalen," Bíblica 53 (1972) 517-33 und : "El cambio 8 = r en los papiros bíblicos" Bíblica 54 (1973) 415-6 sowie: " L a identificación de papiros literarios (bíblicos)", Studia Papyrologica 12 (1973) 91-100 — beide Anfang 1974 erschienen. 11 vgl. z.B. einzelne, z.T. enthusiastische Stimmen im Juniheft 1972 von Eternity, aber auch manche andere Stellungnahmen, in Deutschland z.B. in einigen katholischen Wochenzeitschriften.
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g eag Xtj
mit Sicherheit lesen bzw. voraussetzen kann, umstritten ist lediglich (von den Herausgebern angenommen, von O'Callaghan bestritten), ob man ein v für den Anfang der vierten Zeile annehmen kann. O'Callaghan rekonstruiert daraus den Text von Jak. 1:23-24 in drei Zeilen von je 23 Buchstaben (genauer gesagt: von zwei Zeilen zu je 23 Buchstaben, denn die dritte Zeile, von der nur die ersten beiden Buchstaben erhalten sind, kann ja behebig aufgefüllt werden). Die Schwäche dieser Rekonstruktion war es, daß sie in der zweiten Zeile nur unter der Voraussetzung der Auslassung des yap eavrov nach Karevorjoev in 1:24 möglich war (wobei sich 23 Buchstaben nur unter Weglassung des i adscriptum ergeben, eigentlich sind es 24). Aus der Ausgabe von Sodens konnte O'Callaghan zwar Zeugen (206 und 429ff in Sodens Zählung) für die Auslassung des yap beibringen, jedoch keine für die des eavrov. Nun hat die Sodensche Ausgabe nur einen Bruchteil der existierenden Handschriften benutzt, es bestand also die theoretische Möglichkeit, daß sich unter den von ihm nicht benutzten Belege für die Auslassung finden würden. Eine Überprüfung der im Institut für neutestamentliche Textforschung für alle zugänglichen griechischen Handschriften (rund 550) vorhegenden Vollkollationen ergab nun folgendes Resultat: in 8 Handschriften (206, 429, 522, 630, 1505, 1611, 1890*, 2200) wird yap ausgelassen, in weiteren 8 (378, 614, 1292, 2138, 2147, 2412, 2495, 2656) durch 8e ersetzt, aber es fand sich nicht eine einzige Handschrift, welche eavrov ausließe! In 3 Handschriften (630, 1448, 1611) wird avrov geschrieben, in 17 (davon 4: 36, 180, 665,1292 in der prima manus, die zweite Hand korrigiert zu eavrov zurück) findet sich die Wandlung zu avrov (206, 522, 614, 808, 1241, 1505, 1751, 1875, 2138, 2147, 2200, 2412, 2495). Das ist alles ganz normal (ebenso wie die Auslassung von yap bzw. seine Ersetzung durch Se), wenn jedoch keiner der über 500 Zeugen das eavrov ausläßt, kann daraus nur geschlossen werden, daß die Rekonstruktion O'Callaghans, welche auf dieser Voraussetzung beruht, textlich nicht möglich ist. Bereits das würde als Argumentation ausreichen, wichtiger — vor allem in unserem Zusammenhang — ist, wie Roberts vorgeht. Er erklärt, 12 am besten ließe man die sechs Buchstaben auf Fragment 8 12
JTS 23 (1972) 447.
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Die Identifikation kleiner Fragmente
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in ihrer Anonymität, wenn man sie aber schon identifizieren wolle, gäbe die Septuaginta ein weites Feld. Gleich fünf Identifizierungsmöglichkeiten schlägt er vor: Sach. 8:8; Jes. 1:30; Ps. 18:14-15; Dan. 2:43; Eccl. 6:3. Und in der Tat: Jede der fünf Stellen ließe sich aus den Anfangsbuchstaben der drei Zeilen ohne weiteres rekonstruieren, und zwar außerdem noch so, daß in drei Fällen das v der vierten Zeile zu seinem Recht kommt (in den beiden anderen Fällen ist es ein fi, das nach den Schriftspuren auf 7Q8 auch durchaus möglich ist). Dabei ergeben sich Zeilenlängen, welche sich voll in der Variationsbreite der Papyri halten — und vor allen Dingen: es ist dabei kein Eingriff in den Text, geschweige denn die Annahme einer sonst nicht bezeugten Textvariante erforderlich. Die von ihm beigebrachten Beispiele erschöpften die Möglichkeiten bei weitem nicht, erklärt Roberts (in der Tat hat G. Fee zusätzlich noch Num. 22:38 vorgeschlagen)13 und setzt hinzu : "It would not be difficult to 'prove' that these lines carne from a passage in Plato or Demosthenes". 14 Das angeführte Beispiel, das sich noch weiter ausführen Keße, genügt wohl — für weiteres möchte ich auf meinen zusammenfassenden Bericht über O'Callaghans Rekonstruktionen hinweisen.15 Denn daran, daß O'Callaghans Bemühungen um Gewinnung von neutestamentlichen Texten aus den Papyrusfragmenten in Höhle 7 von Qumran gescheitert sind, kann kein Zweifel sein. Zur Verteidigung seiner Methode hat O'Callaghan nun darauf hingewiesen, daß auch sonst schon kleine Fragmente mit biblischen Texten identifiziert worden seien, ohne daß dies Widerspruch gefunden habe. 1972 bezog er sich in diesem Zusammenhang bereits auf P9,16 in einem kürzlich erschienenen Aufsatz: La identificación de papiros literarios (bíblicos)17 setzt er diese Argumentation fort. Hier zieht er vier Fragmente als Beweismaterial heran : P. Rylands 458, P. Med. Inv. Nr. 151, 7Q2 von Qumran und P. Cairo Fuad Inv. Nr. 266. Auf sie einzugehen, ist in unserem Zusammenhang notwendig. Denn einige der Fragmente scheinen formal denen aus Höhle 7 zu entsprechen. Fassen wir zunächst die aus einer Papyrusrolle entstammenden ins Auge und wenden wir uns erst später denen aus einem Kodex zu (der fundamentale Unterschied zwischen Fragmenten aus einer Rolle und einem Codex wird von O'Callaghan nämlich 13
JBL 92(1973) 111. JTS 23 (1972) 447. " NTS 20 (1974) 357-76. !« Bíblica 53 (1972) 529f. 17 Studio, Papyrologica 12 (1973) 91-100. 14
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Die Identifikation kleiner Fragmente
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unberücksichtigt gelassen): Unter den "Unplaced Fragments" von P. Rylands 458 sei von Roberts ein Bruchstück veröffentlicht worden, beginnt O'Callaghan seine Argumentation : m . [
/.iXwe/" P. Katz habe als Identifikation dafür Deut. 27:15 vorgeschlagen : [ErriKarapaToJs [r¡aei
g.vd[ptoTros
yXvTTrov k]qli
ocrris
X a)ve[ VT0V
ttol-]
usw.y
was Roberts akzeptiert habe, weil das unsichere AA durchaus als AN "graphisch gerechtfertigt" sei. 18 Beim Papyrus Fuad Inv. Nr. 266 sei ein Bruchstück mit folgenden Buchstabenresten, erklärt O'Callaghan weiter, 19 von Dunand mit Deut. 32:41-43 identifiziert worden : 7od ]ois
fr ] ]
]aX[ ]cos ovv vo[ avrovs 6[ TQ[
Das letzte Beispiel ist den von O'Callaghan vorgeführten Rekonstruktionen sachlich am nächsten, nur es hat — einmal von seinem sehr viel umfangreicheren Buchstaben- bzw. Wortbestand abgesehen — einen ganz anderen "Sitz im Leben". In den Qumran-Höhlen sind ausschließlich Texte aus dem alttestamentlich-j üdischen Bereich 21
S. 93, 99, 95.
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überliefert, Höhle 7 gliedert sich dem mit Fragment 1 = Ex. 28:4-7 voll ein, dazu paßt ein Stück der Epistula Jeremiae sozusagen nahtlos, während die von O'Callaghan postulierten neutestamentlichen Fragmente eine ixeraßaais eis aAAo yevos voraussetzen. Außerdem — und das erst rückt die Dinge ins richtige Licht — stellt die Identifikation von P. Rylands 458 (um bei der bisherigen Reihenfolge zu bleiben) nur eine nahehegende Konsequenz dar: Fragment 1 des Papyrus enthält Deut. 23:25-26; 24:1-3, Fragment 2 Deut. 15:1-3, Fragment 3 Deut. 26:12, Fragment 4 Deut. 26:17-19, Fragment 6 Deut. 28:21-33 (Fragment 7 und 8 sind bisher nicht eingeordnet), wenn P. Katz Fragment 5 mit Deut. 27:15 identifizierte, was hegt der Sache nach näher ? Vom Papyrus Fuad Inv. Nr. 266 sind insgesamt 115 (116) Fragmente erhalten, die mit Gen. 7:17-20; 38:10-12; Deut. 17:14-33:29 (mit Lücken) identifiziert waren. Wenn Dunand die Fragmente 91-92 und 111 mit Deut. 30:3-4 (mit erheblichen Resten), 30:6-7 und 32:41-43 (diese mit wenigen Buchstaben, vgl. o.S. 19) identifizierte, so bewegte er sich innerhalb eines vorgegebenen Rahmens. In allen genannten Fällen war die Zugehörigkeit der in Frage stehenden Fragmente zu den bisher entzifferten durch Fundund Aufbewahrungsort, Paläographie usw. von vornherein gesichert, die möglichen Textgrenzen waren abgesteckt. Bei P 9 und P. Med. Inv. Nr. 151 — auf die O'Callaghan außerdem Bezug nimmt — liegen die Dinge noch anders, und zwar grundlegend anders. Denn hier handelt es sich um Kodexfragmente. Beim Mailänder Fragment kam die Stützung durch P. Mich. Inv. Nr. 27 mit Eccl. 6:3-5, 8, 11 hinzu; nachdem die Zusammengehörigkeit des Mailänder Fragments mit ihm erkannt war, war ein direkter Hinweis auf den voraussichtlichen Inhalt von vornherein gegeben. Und selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, hätte doch die Tatsache, daß das Fragment beidseitig beschrieben war, eine zuverlässige Kontrolle der Identifikation abgegeben. Das wird am Beispiel von P 9 noch deutlicher (Harvard University, Cambridge/Mass., Sem. Mus. 3736; P. Oxy III, 402). O'Callaghan stützt sich hier auf die textlich anstößigen Stellen der Vorderseite (ranpiaev statt rjycnrrjaev, roveiv statt TOV 8V) und fragt: "se hubiera podido identificar este papiro como del N.T. ?". 22 Diese 22 Bíblica 53 (1972) 530; O'Callaghan hatte für seine Darlegungen nur die Edition in Bd. III der Oxyrhynchus-Papyri von 1903 sowie den Aufsatz von Greenlee (zum Verso!) in HTR 51 (1958) 187 zur Verfügung, aber kein Foto. Anhand dessen wäre mancherlei zum Text des bisher nicht ausreichend edierten Papyrus zu sagen, aber das möge auf eine andere Gelegenheit verschoben bleiben.
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Die Identifikation kleiner Fragmente
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Frage bleibt rhetorisch, denn jedermann (auch O'Callaghan) tut das. Aber: wenn die Vorderseite tatsächlich noch Zweifel übrig ließ, so hatte der Papyrus doch noch eine Rückseite — dieses Verso und die damit gegebene völlig andere Situation wird bei O'Callaghan überhaupt nicht einmal erwähnt. "Me voy a fijar solo en el comienzo de dicho papyro que contiene 1 Jn 4,11-12", erklärt er — aber auf der Rückseite steht eben, jeweils mit mehr als der Hälfte der Textzeile erhalten, eindeutig 1. Joh. 4:14-17 (und zwar mit weniger Mißverständnissen als auf dem Recto). Die Textgestaltung — besser die Mißverständnisse des Schreibers dabei — auf dem Recto hätten vielleicht Zweifel an der Identifikation aufkommen lassen, aber das Verso beseitigte jede Möglichkeit dafür. Bei beidseitig beschriebenen Kodexfragmenten befindet man sich eben, was Identifizierungsprobleme angeht, in einer völlig anderen Welt als bei einseitig beschriebenen Fragmenten von Rollen, mit denen es O'Callaghan bei Höhle 7 von Qumran ausschließlich zu tun hatte. Das gilt schon dann, wenn das Kodex-Fragment nur zwei Zeilen aufweist (je größer die Zeilenzahl ist, umso mehr multipliziert sich der Sicherheitsgrad). Je mehr von den Zeilen erhalten ist, umso größer ist die Sicherheit, die dabei erlangt werden kann, vorausgesetzt, daß man als zusätzlichen Kontrollgang die Rekonstruktion des ursprünglichen Blattes einschaltet. Aus den erhaltenen Resten der Zeilen ergibt sich mit Hilfe der Ergänzung die urspüngliche Buchstabenzahl der Zeile, die Berechnung der Differenz bis zum Text der Rückseite die Zahl der bis dahin fehlenden Zeilen und daraus die Gesamtzeilenzahl des Blattes. Die Größe der Buchstaben und der Zeilenabstand sind aus dem Fragment zu erschließen, alle Angaben zusammengenommen ergeben mit ziemlicher Zuverlässigkeit die Länge und Breite des Schriftspiegels und somit die Rekonstruktion der Blattgröße (selbst wenn vom Rand nichts erhalten ist). Entspricht die so rekonstruierte Blattgröße den uns sonst bekannten Maßen, kann die Identifikation des Fragments als gesichert gelten. Beispiele für relativ kleine Fragmente, die trotzdem als sicher rekonstruiert angesehen werden, gibt es in der neutestamentlichen Handschriftenliste noch mehrere über P 9 hinaus, z.B. P 21 (in seiner heutigen Gestalt), P 29 , P 4 3 (obwohl die Situation hier wegen der verschiedenen Hände schwierig ist), P44, P('4 (vor Auffindung von P67 und seiner Zusammenführung damit). Die Colt Papyri (P 59 mit Fragment 1, 2, 5, 6, 11, 12 usw., Po» mit Fragment I, III, XIX, XX usw., P « mit Fragment IV usw.) könnten auch hierher gerechnet werden,
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Die Identifikation kleiner Fragmente
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jedoch ist die Situation hier insofern eine andere (und der bei den vorhin behandelten Rollen-Fragmenten ähnlich), als neben diesen z.T. winzigen Stücken eine z.T. nicht geringe Anzahl größerer erhalten ist, welche die Fetzen von vornherein in einen Gesamtzusammenhang stellen. In manchen Fällen (vgl. z.B. P61) ist es trotzdem nicht gelungen, alle Bruchstücke zu identifizieren (so auch bei P13, hier liegt aber die zusätzliche Schwierigkeit der einseitigen Beschriftung vor, der Hebräerbrief ist als Opistograph auf einer Livius-Rolle geschrieben). Das eindrücklichste Beispiel dafür ist P. Bodmer II, P 66 mit dem Johannesevangelium auf 75 Blättern, die bis Blatt 51 (Joh. 14:17) vollständig erhalten sind, auch Blatt 52 kann noch hierher gerechnet werden (Joh. 14:18-26). Erst von Blatt 53 (dabei sind die beiden fehlenden Blätter mit 6:11-35 nicht mitgezählt, sondern es ist von der Zählung der Reproduktion ausgegangen) ab setzt der fragmentierte Zustand ein. Mit großer Kunst und viel Scharfsinn sind diese Blätter aus den Fragmenten (unter Einschluß des Stückes bei Chester Beatty) zusammengefügt worden, wobei auch ganz winzige Bruchstücke, nicht selten aus zwei bis drei Buchstaben einer Zeile bestehend (vgl. z.B. Tafel 130/131),23 identifiziert und in den ursprünglichen Zusammenhang wieder eingefügt werden konnten. 39 Fragmente widerstanden jedoch allem Müheaufwand und allem Scharfsinn der Bearbeiter und mußten als "Fragments non placés" auf Tafel 151/152 der Ausgabe angehängt werden. Daß diese Fragmente eines der prominentesten neutestamentlichen Papyri die Aufmerksamkeit der Fachleute auf sich gezogen haben und sozusagen als Provokation wirkten, trotz des Scheiterns der Herausgeber doch eine Identifikation zu erreichen, versteht sich. Charakteristisch ist das freimütige Eingeständnis von Gordon D. Fee : "This problem (der Identifizierung von Fragmenten) is partieularly telling to me, for I have attempted from time to time to identify some of the remaining fragmenta
23
Papyrus Bodmer II, Supplément, Nouvelle édition (Bibliotheca Bodmeriana 1966).
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of P 6 6 . Suocess has been possible in several instances on the basis of one aide of a fragment, but has always been undermined by the text on the reverse". 24
In der Tat wird man zugeben müssen, daß eine Kombination von vielen glücklichen Zufällen notwendig ist, um auf die konventionelle Weise bei den 39 Fragmenten auf Tafel 151/152 mit ihren wenigen Buchstaben Identifikationen zu erzielen. Die Frage war nun, ob es nicht andere | Mittel und Methoden gäbe, die unüberwindlich scheinenden Schwierigkeiten bei der Identifizierung solcher Fragmente zu lösen. Diese Frage war um so dringlicher, als die Publikation zweier neutestamentlicher Papyri, für welche ich die Vorarbeiten längst geleistet hatte, an solchen Fragmenten ins Stocken geraten war. Die Ausgräber hatten die Papyrus- und Pergamentstücke, die sie gefunden hatten, ohne jede Ordnung — außer der, wie die Stücke größenmäßig zueinander paßten — unter Glas gebracht, wie das so üblich ist. Die größeren Stücke zusammenzufassen, war kein Problem, aber eine größere Zahl kleiner Fragmente wehrte sich hartnäckig gegen die Zuordnung zu den vorangegangenen Identifikationen. Aus dieser Situation heraus entstand das Bemühen, die Hilfsmittel des Instituts für neutestamentliche Textforschung für die Identifizierung solcher Fragmente fruchtbar zu machen. Denn hier war das ganze Neue Testament im Computer gespeichert, und zwar so, daß jede Einzelheit abrufbar war, vom einzelnen Wort-, ja Buchstabenbestand bis hin zur Beantwortung aller grammatikalischen und stilistischen Fragen. Die Frage war nun, ob es nicht mit Hilfe des Computers möglich wäre, die Buchstabenverbindungen auf den Fragmenten zu lokalisieren. Es handelt sich in allen Fällen ja um Kodex-Fragmente, für welche die Kontrollmöglichkeit von den Buchstaben auf der Rückseite her möglich war. So entstand das "Fragment-Identifizierungsprogramm". Als Testfall zur Erprobung des Programms wählte ich drei künstliche "Fragmente", einfach aus dem Nestle hergestellt, und zwar
24
"Some dissenting Notes on 7Q5", JBL 12 (1973) 112.
128
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Die Identifikation kleiner Fragmente
durch starke Bleistifteinzeichnung, die sich auf die Rückseite durchdrückte, so daß ein "Recto" und ein "Verso" entstand : 1)
iS
vs
Ka
KT
re
T€
IV
as
VjX
ai
¡XTT
aa
Xco
Xtt ra
2)
iaS
iovS
V7T
riv
3)
oy
os
cre
7TT
Die erste Stelle ist Nestle25 S. 160/161 (Luk. 6), die zweite S. 352/353 (Apg. 17) und die dritte S. 400/401 (Rom. 5) entnommen — selbstverständlich war niemand von den Bearbeitern über die Herkunft der Texte informiert. Das Resultat war folgendes: Zu 1) lieferte der Computer für das "Recto" zwei Stellen: Mark. 6:38-39 und Luk. 6:23-25, für das "Verso" dagegen nur eine einzige: nämlich Luk. 6:35-38. Damit war von vornherein klar, daß nur Luk. 6 in Frage kommen konnte — wie es in der Tat auch war. Immerhin war interessant, daß der Computer Mark. 6:38-39 wie Luk. 6:23-25 auf doppelte Weise vorgeschlagen hatte und Luk. 6:35-38 gleich viermal, und zwar mit folgenden Zahlen für die einzelnen Buchstabenkombinationen :
Mark. 6:38-39 : Luk. 6:23-25 :
Luk. 6:35-38 :
18
Ka
46 46 41 41
52 52 83 83
vs
KT
189 189 189 189
233 233 333 233
IV
V¡1
¡ITT
132 132
129 129
119 119 153 153
142 157 142 157 216 257 216 257
re
as
T€ 61 76
260 260 278 268
318 318 318 318
197
208 ai 358 369 358 369
XA¡
aa
ATT
ra
404 404 404 404
450 450 450 450
496 496 496 496
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Die Identifikation kleiner Fragmente
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Das "Fragment-Identifizierungsprogramm", u m diese Zusammenstellungen zu erklären, ist so angelegt, daß nicht nur Stellenangabe und Textausdruck geliefert werden, sondern jeweils auch gleich angegeben wird, auf welcher Stelle (der Text ist durchgezählt) die gesuchte Buchstabenkombination begegnet. Diese Zahlenangaben bedeuten eine große Erleichterung, erlauben sie es doch, auf den ersten Blick den Abstand zwischen den eingegebenen Buchstabenkombinationen zu erkennen. Damit ist die Kontrolle, ob die vom Computer vorgeschlagene Möglichkeit ernsthaft in Betracht kommt, entscheidend erleichert. Bei Mark. 6:38-39 scheiden beide vorgeschlagenen Möglichkeiten (das eine Mal wird yvovrc? = 61, das andere Mal nevre = 76 als Verifizierung f ü r die Kombination re genommen) auf Grund des Abstandes zwischen den Buchstabenkombinationen aus : da sie im Fragment untereinander stehen, muß die Zahl der Buchstaben zwischen ihnen immer ungefähr gleich sein. Wenn bei Mark. 6:38-39 sich folgende Abstände ( = Zeilenlängen) ergeben : 6 - 9 (bzw. 24) - 58 (bzw. 43) - 1 3 - 1 0 - 1 5 so ist von vornherein klar, daß der Identifizierungsvorschlag nicht zutreffen kann. Bei Luk. 6:23-25 entstehen die zwei Vorschläge daraus, daß der Computer einmal vficav ( = 204) und einmal vfiiv ( = 216) als Rekonstruktionsbasis für V/J. genommen hat. Die Abstandszahlen ( = Zeilenlängen) a) 42 46 24 44 19 41 b) 42 46 24 55 8 41 lassen von vornherein die erste (a) der zweiten (b) vorziehen (daß auch bei (a) 24 und 19 aus dem Rahmen fallen, wird noch zu behandeln sein). Bei Luk. 6:35-38 ergeben sich gleich vier verschiedene Möglichkeiten, weil der Computer einmal Kpivere ( = 260) und Kpidrjre ( = 278), das andere Mal KM ( = 358) und SoOrjaerai ( = 369) als Rekonstruktion der Kombinationen t c und ai genommen hat. Die Abstände zwischen den vier auf diese Weise f ü r Luk. 6:35-38 gegebenen Möglichkeiten sehen so aus : a) b) c) d)
44 44 44 44
27 27 45 45
58 58 40 40
40 51 40 51
46 35 46 35
46 46 46 46
46 46 46 46
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Auch hier zeigt der erste Blick, daß die Variante c) die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat, weil sie die größte Gleichmäßigkeit der Zeilenlängen ( = Abstandsdifferenz zwischen den gegebenen Buchstabenkombinationen) für sich hat. Alle anderen sind schwankend: a) hat 27 und 58, b) 27, 58, 51, 35 und auch bei d) (das sonst relativ gleichmäßig ist) fallen die 51 und 35 aus dem Rahmen. Das alles mag vielleicht reichlich theoretisch klingen. Deshalb zum Schluß der Betrachtung dieser ersten Testfälle die beiden Computerausdrucke für Luk. 6:23-25 in der Form a) und für Luk. 6:35-38 in der Form c ) : Luk. 6:23-25 (Form a) : XAPHTE EN EKEINH TH 'HMEPA KAI EKIPTHEA TE- IAOY rAP MIE0OE 'YMQN nOAYZ EN TQ OYPANQ• RATA TA AYTA rAP ETIOIOYN TOIEIJPO0HTAIE 'OlÜATEPEE AYTQN. I7AHN OYAI' YMIN TOIEIIAO YEIOIE, 'OTIAIIEXETE THN TIAPAKAHEIN 'YMQN. OYAI 'YMIN, 'Ol EMTTEilA HEMENOl NYN, 'OTI ÜEINAEETE. OY AI, 'Ol rEAQNTEE NYN, 'OTI nENGHEETE KAI KAAYEETE.
41
83
129
153
197
216
257
Luk. 6:35-38 (Form c ) : nAHN ATAFIA TE TO YE EX0PO YE' YMQN KAI A rA&OÜOIEITE KAI AANIZETE MHAEN AI7EAIIIZONTEZ- KAI EETAI 'O MIE&OE' YMQN IIOA YE, KAI EEEE0E 'YIOI 'YVIETOY, 'OTI AYTOE XPHETOE EETIN Em TOYE AXAPIETOYEKAI ÜONHPOYE. riNEEOE OIKTIPMONEE, KA0QE 'O II AT HP 'YMQN OIKTIPMQN EETIN. KAI MH KPINETE, KAI OY MH KPI6HTE• KAI MH KATAAIKAZETE, KAI OY MH KATAAIKAE&HTE. AÜOAYETE, KAI AIIOA Y9HEEE&E- AIAOTE, KAI AO&HEETAI 'YMIN- METPON KAAON TIEIIIEEMENON EEEAAEYMENON ' YÜEPEKXYNNOMENON AQEOYEIN EIE TON KOAJJON 'YMQN- 'Q rAP METPQ METPEITE ANTIMETPH0HEETAI 'YMIN.
189
233
278
318
358
404
450
496
Hier sind die zugrundegelegten Buchstabenkombinationen unterstrichen, die Form der Wiedergabe entspricht dem Original-Output. Wenn nun dieser Text einmal mit Seite 160/161 des Nestle25 verglichen wird, ergibt sich, daß die unterstrichenen Stellen hier genau untereinander stehen, selbst die befremdende Tatsache, daß bei Luk. 6:23 — 25 a) die Abstandszahlen (42 - 46 - 24 - 44 - 19 - 41) eine überraschende Unregelmäßigkeit aufweisen (24 | und 19 fallen absolut aus dem Rahmen), erklärt
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sich ohne weiteres: Nestle hat in 6:23 wie in 6:24 infolge des stichischen Satzes bei den Wehrufen zwei Halbzeilen. Dieser Versuch ist also ohne Rest aufgegangen, umso befriedigender, als der hier gewählte Testfall, ein schmaler Papyrusstreifen mit nur wenigen Buchstaben darauf, in der Praxis häufig begegnet. Nun waren im Probefall auf der Vorderseite sieben und auf der Rückseite acht Zeilenreste mit je zwei Buchstaben angenommen. Die Frage ist, wie sieht das Resultat aus, wenn nur drei Zeilen mit je zwei Buchstaben erhalten sind, wenn das "Fragment" also folgendermaßen aussieht: vs KT
T€ Auch dieser Fall ist am Computer erprobt worden, und zwar, um es vorwegzusagen, mit Erfolg. Aber es war einige Mühe erforderlich. Denn jetzt schwoll das vom Computer gelieferte Material an: für die Vorderseite lieferte er 420 theoretische Möglichkeiten, für die Rückseite 170. Schon die unterschiedlichen Zahlen sind interessant: denn auf den ersten Blick sehen die Buchstabenkombinationen auf den beiden Seiten gleich aus (zum Teil sind sie sogar identisch), aber für den Computer ergibt sich ein anderes Bild. Bei der praktischen Arbeit war wegen der geringeren Zahl selbstverständlich mit der Rückseite zu beginnen. Zunächst wurden die Vorschläge ausgeschieden, bei denen die Abstände zwischen den Fragmenten zu ungleich waren (z.B. Matth. 4:2: 31-5; 10:14: 31-7 ; 14: 31: 4-60 usw.). Dadurch verringerte sich die Zahl von 170 Vorschlägen entscheidend. Aber immer noch blieben 33 Fälle übrig, in denen die Abstandsdifferenz nur relativ gering war (z.B. Matth. 21:35: 42-39; Matth. 24:31: 14-18; Luk. 23:34: 37-33 usw.). Hier mußten die Vorschläge für die Vorderseite herangezogen und geprüft werden, ob die hier gegebenen Möglichkeiten in der Nähe der 33 in Betracht kommenden Fälle ein Komplement abgaben. 31 Mal erwies sich, daß entweder die Abstände zwischen den vom Computer gefundenen Buchstabenkombinationen zu ungleichmäßig waren, oder daß der Abstand zwischen der sich so ergebenden Vorder- und Rückseite einfach zu groß war. Nur zwei Möglichkeiten blieben auf diese Weise übrig: a) Apok. 9:20 (Vorderseite) mit den Abstandszahlen 39-36, Apok. 10:7/8 (Rückseite) mit den Abstandszahlen 35-31 b) Luk. 6:23 (Vorderseite) mit den Abstandszahlen 45-43, Luk. 6:35-37
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(Rückseite) mit den Abstandszahlen 49-46. Die Abstände zwischen Vorderseite und Rückseite waren in beiden Fällen derart, daß sich ein einwandfrei rekonstruiertes Blatt ergab, aber die Abstandszahlen a) 39-36 (Vorderseite), 35-31 (Rückseite) b) 45-43 (Vorderseite), 49-46 (Rückseite) ergaben doch eindeutig, daß nur Möglichkeit b), die Lukasstelle, in Betracht kam: hier war die Differenz zwischen der niedrigsten und der höchsten Zahl (die Abstandszahlen entsprechen ja der ursprünglichen Zeilenlänge) nur 6, im Fall a) dagegen 8, ganz abgesehen davon, daß der Mittelwert (im Fall a) 35, im Fall b) 46) von vornherein für den Fall b) sprach — die Nachprüfung auf S. 160/161 des Nestle25 (hier stimmen Vorder- und Rückseite) bzw. S. 631 /32 (hier stehen die Stellen seitenverkehrt) ergibt die letzte Bestätigung. Auch der zweite Testfall, bei dem, wie berichtet, für das "Recto" IOVS und TIV, für das "Verso" ia8 und vir als Zeilenreste in den Computer eingegeben wurden, verlief voll zufriedenstellend. Für das erste "Fragment" lieferte der Computer 31 theoretische Identifizierungsmöglichkeiten, für das zweite 12. Nun könnte jemand einwenden, bei der hier gegebenen Buchstabenkombination wäre auch mit der bisherigen Methode eine Identifizierung ohne weiteres möglich gewesen, man hätte in der Konkondanz nur die mit iovS beginnenden Wörter nachzuschlagen brauchen (angefangen bei 'IovSala bis hin zu 'IovBas, rein gefühlsmäßig würde man bei den 'IovSaloi anfangen) und darauf zu achten, ob in einigem Abstand ein TIV (gefühlsmäßig : ¿OTIV, rivey oder ähnlich) folge. Aber abgesehen davon, daß die mit iovS beginnenden Wörter in der Konkordanz von Bruder schon 6 enggedruckte Spalten ausmachen, zeigt die Computer-Liste, daß solche instinktiven Einfälle nicht richtig sein müssen. Unter den 31 Vorschlägen, die der Computer machte, befinden sich zwar 19 mal 'IovSaTot. in den verschiedenen in Betracht kommenden Formen, ebenso aber auch x-at ovSeis (2X), OTi ovSeis (3X), sowie : a>eAet ovSev (2x), KaroiKei ov8e, eyyiCei ovSe, epyerai ovSeis, acurripiov Sefacrfle und >o\e7rrat ov Siopvaaovoiv, was dann doch nachdenklich stimmt. Bei TIV zeigte sich die Richtigkeit der ersten Eingebung: die erdrückende Mehrzahl der Computernachweise ergab ¿CTTIV, nur viermal ein Tives (bzw. w a s , t i v o s ) , aber gleichzeitig auch ein TTIOTIV als warnendes Ausrufungszeichen vor zu schnellen Folgerungen. Nun war die nächste Überlegung nicht so einfach wie beim ersten Testfall. Hier konnten von vornherein aufgrund der Abstandszahlen
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Entscheidungen getroffen werden: nur der Vorschlag konnte richtig sein, bei dem zwischen den gegebenen Buchstabenkombinationen ein gleichmäßiger Abstand herrschte. Hier aber lagen nur Reste von zwei Zeilen und eine Abstandszahl vor, deshalb war eine solche Entscheidung nicht möglich. Dennoch stand vom ersten Experiment her fest, daß die Zeilenlänge zwischen 40 und 50 betragen mußte (im vorliegenden Fall Buchstaben + Satzzeichen + Abstand zwischen den Worten, es wurde j a der Nestle untersucht). Alle Hinweise des Computers auf Texte, bei denen der Abstand deutlich darunter lag (die niedrigste Zahl: 11), sollten zunächst einmal ausgeschieden werden, da von der Tatsache ausgegangen wurde, daß hier eine ganze Nestle-Zeile vorlag. Alle Abstandszahlen, die deutlich darüber lagen (höchste Zahl: 61), konnten von vornherein ausgeschieden werden. Das sind insgesamt nicht weniger als 24, übrig blieben folgende Möglichkeiten: Matth. 6:20 (Abstand: 45), J o h . 5:1-2 (43), J o h . 6:63 (47), Apg. 17:5 (47), Rom. 2:20-21 (40), Eph. 6:17 (47). Genau so war beim " V e r s o " zu verfahren. Hier hatte der Computer nur 12 Stellen als möglich vorgeschlagen (interessant übrigens die Auflösung des taS: oi_a8eXoi ( 5 X ) , Kai aSrjfioveiv ( 2 x ) , yiXiaSes (Stov) ( 2 x ) , aber auch Sia SavirjX, 4>opria SvoßaaraKTa, KOIVCOVta Sc). 7 Stellen konnten nach dem gleichen Verfahren ausgeschieden werden, es blieben übrig: Matth. 12:49-50 (46), Luk. 11:46 (47), Luk. 14:31-32 (43), Apg. 17:14 (42), Apok. 14:1 (44). Ein Vergleich mit den für das erste Fragment erhobenen Möglichkeiten ergibt nun auf den ersten Blick, daß nur Apg. 17:5 für die Vorderseite und Apg. 17:14 für die Rückseite in Betracht kommen: Matth. 6:20 (Vorderseite) ist von Matth. 12:49-50 viel zu weit entfernt, Texte aus Joh., Rom. und Eph. begegnen auf der Vorderseite zweimal, auf der Rückseite dagegen gar nicht, während umgekehrt Luk. and Apok. nur auf dem " V e r s o " und nicht auf dem " R e c t o " erscheinen. Und in der T a t b e i : Apg. 17:5 :
und Apg. 17:14 :
l',r)Xs etri rrjv daXaaaav vveßeivav re o re oiXas Kai o ...
stehen nicht nur die angegebenen Buchstabenkombinationen in je
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zwei Zeilen genau übereinander, sondern auf Nestle25 S. 352/353 entsprechen sich diese Zeilen auch deckungsgleich. Die dritte Teststelle war, um es vorwegzusagen, von Nestle S. 400/401 genommen, aus Rom. 5:6 und 5:16 : R o m . 5:6 :
SoOevros
R o m . 5:16 :
t j f i i v et y e
vcav
€Tt
Karo.
yap
Kpifxa
€K ttoXXcjv
Kaipov
e£
evos
ypiaros virep
eis
ovtidv
KaraKpifia,
TrapaiTTOjßaTiDv
r/fitov
aaeßcov
eis
aarde-
airedavev. ro
xaPlalJLa
Se
SiKaicofia.
ei
yap
ra> ... Beide Zeilen und die ausgewählten
25
OS
OS
ae
7tt
Buchstabenkombinationen:
stehen auf Nestle S. 400/401 genau so deckungsgleich, wie bei den beiden anderen Experimenten. Hier war der Versuch einmal bis ins Extreme vorgetrieben. Schon bei den anderen Fällen handelte es sich um Allerweltskombinationen, wie sie jederzeit im Neuen Testament vorkommen, hier aber wird die äußerste Möglichkeit vorausgesetzt. Das Resultat war dementsprechend : für Vorderseite wie für Rückseite bot der Computer jeweils rund 1800 verschiedene theoretische Möglichkeiten an. Auch bei diesen 1800 Möglichkeiten könnte man mit der bei Experiment 2 beschriebenen Methode vorgehen : zunächst Ausscheidung der wegen zu geringer oder zu großer Abstandszahlen nicht in Betracht kommenden Möglichkeiten, dann Ausscheidung der Vorschläge, die entweder nur für die eine Seite gegeben werden oder bei denen die möglicherweise korrespondierenden Texte nach den für die Nestle-Seite leicht zu berechnenden Durchschnittswerten (an Zeilen bzw. an Buchstaben) zu weit auseinanderliegen und schließlich Überprüfung, welche der verbleibenden Vorschläge den vorgetragenen Kriterien möglichst genau entsprechen. Aber auf diesen Versuch habe ich verzichtet, denn die zu erwartende Zahl der für den letzten Arbeitsgang übrigbleibenden Textvorschläge dürfte so hoch sein, daß ein sicheres Ergebnis methodisch nicht zu erwarten ist (es muß ja so gearbeitet werden, als ob der von vornherein gegebene Ausgangspunkt Rom. 5:6/16 nicht existierte). Was ergibt sich nun als Resultat aus diesen Betrachtungen ? M.E. eindeutig das Folgende: Unter der Voraussetzung, daß der Text des Neuen Testaments hinreichend für den Computer zugerichtet und für diesen ein alle
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Möglichkeiten und Notwendigkeiten von vornherein berücksichtigendes Programm erstellt ist (was keineswegs so einfach ist, wie viele meinen), lassen sich auch kleine und kleinste Fragmente mit Sicherheit bestimmen, vorausgesetzt, daß die auf ihnen erhaltenen Buchstabenkombinationen genügend distinktiv sind. Was "genügend distinktiv" ist, ergibt sich jeweils erst bei der praktischen Erprobung. Denn allein der Computer ist imstande, alle vorkommenden Möglichkeiten festzustellen. Nur ein Beispiel dafür: Unter den von O'Callaghan für das Neue Testament in Anspruch genommenen Fragmenten befindet sich auch 7Q6,2 ( = Apg. 27:38). Hier ist in der zweiten Zeile mit Sicherheit ov zu lesen (in der ersten Zeile lesen die Herausgeber TOP, O'Callaghan /cpp, der außerdem ov auf ovi erweitert). Auf den ersten Blick scheint ov eine seltene Kombination. Auf den zweiten Blick ergibt sich, daß diese Kombination entstehen kann aus einem vorangehenden Genetiv (bzw. einem ov) und einem mit beginnenden Substantiv, Verb, Adjektiv usw. Das ergibt bereits eine nicht geringe Zahl von Möglichkeiten. Aber erst der Computer enthüllt die Fülle der allein für das Neue Testament in Betracht kommenden Fälle: an nicht weniger als 94 Stellen25 begegnet hier die Wortverbindung ovg>. Zu den bereits ins Auge gefaßten Möglichkeiten kommt hinzu : 18ov 4>oivrj (Matth. 3:17; 17:5), aov covn (Mark. 1:2), aov wTeivov (Matth. 6:22), avTov (f>iXimTos (Matth. 10:2), ßov ayiXnrirov
(Luk.
3:1),
avaTTovov
aye ( 1 2 : 1 9 )
usw. Selbst wenn man das von O'Callaghan vorausgesetzte ovi annimmt, hat der Computer noch acht Möglichkeiten zu bieten : gyrov (¡HXITTTTOS (Matth. 10:2), ripcoSov tjuXimrov (Luk. 3:1), ITJCJOV 4>iXr]aai (Luk. 22:47), icogwov (frtXeis (Joh. 21:17), TOV (¡¡IXITTTTOV (Apg. 8:6), eKovi£ov (Apg. 27:38), ov iXei (1. Kor. 16:22), ov faßwaeis (1. Tim. 5:18). Also: eine genügende Sicherheit für solche Identifikationen ist nur gegeben, wenn es sich um Fragmente eines Kodex handelt (was beim Neuen Testament in der Regel der Fall ist). Einseitig beschriebene Fragmente auf Papyrus (d.h. Reste einer Rolle) oder Pergament erfordern für ihre sichere Identifizierung erhebliche und eindeutige | Textbestände. Die in Höhle 7 von Qumran erhaltenen Fragmente, 2 8 Nicht nur 19 bzw. 20, wie sie O'Callaghan in "Tres probables Papiros", Studio, Papyrologica 11 (1972) S. 85 Anm. 3 annimmt.
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welche O'Callaghan bearbeitet hat, reichen in ihrem Buchstabenbestand bei weitem nicht aus, zumal gegen ihre Inanspruchnahme für das Neue Testament von vornherein schwerwiegende methodologische Bedenken sprechen:26 Alter, Fundort und dessen "Sitz im Leben". Denn die identifizierten Fragmente 7Q1 (mit einem Text aus Exodus) und 7Q2 (mit einem Text aus der Epistula Jeremiae) wie die nichtidentifizierten größeren Fragmente 7Q19, welche ebenfalls zu einem apokryphen jüdischen Text zu gehören scheinen, weisen eindeutig auf eine alttestamentlich-jüdisch bestimmte Gemeinschaft hin. Der Computer führt weit über die Möglichkeiten hinaus, die auch der Kombinationsfähigkeit des die Konkordanz fleißig gebrauchenden Textkritikers gesetzt sind. Aber — und das ist wichtig: der Computer kann das nur bei genügender Größe (das Rechenzentrum Münster arbeitet mit dem Rechner IBM 360/50) und wenn er ohne Rücksicht auf finanzielle Konsequenzen eingesetzt werden kann. Der genannte Rechner braucht für einen Durchlauf (er muß dabei ja den ganzen Wortlaut des Neuen Testaments durchgehen) etwa eine Stunde Maschinenzeit (davon allein ca. 20 Minuten reine Rechenzeit) — eine Stunde für ein Fragment, das ergibt bei den üblichen kommerziellen Kostensätzen Beträge, die niemand aufbringen kann. Nur im Universitätsverbund bzw. unter ganz besonderen Bedingungen der Zusammenarbeit ist dergleichen praktisch durchführbar. Dann aber gehen die Möglichkeiten des Computers weit über das hinaus, was man annehmen möchte. Das soll zum Schluß in aller Kürze bewiesen werden. Denn mit Hilfe des Computers ist es gelungen, Fragmente von P 8 ', die bisher für unidentifizierbar galten, 27 eindeutig festzulegen, obwohl sie z.T. nur wenige Buchstabenreste boten. Auf S. 151/152 des "Supplément" von Papyrus Bodmer II sind die "Fragments non placés" wiedergegeben, im ganzen 39. Von ihnen konnten unter Zuhilfenahme der geschilderten Methoden und Kontrollinstanzen bisher nicht weniger als sechs identifiziert werden : Fragment 2 (oberste Reihe) von S. 151 des "Supplément" 28 lesbar recto : 26
coy.
verso : Qy pv
Vgl. dazu meinen Aufsatz in NTS 20 (1974), 357-81 "Neue Neutestamentliche Papyri III". 2 ' Vgl. o. S. 23. 28 Auf S. 151/152 sind hier recto und verso zu tauschen, wie sich daraus ergibt, daß auch die Faserrichtung des Fragments genau der des Blattes entspricht, in das es eingefügt wurde.
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als Joh. 20:15-16/19. Dabei ergibt die Identifikation des Fragments die Möglichkeit der Rekonstruktion von jeweils 4-5 Zeilen, wobei die auf den anderen Fragmentresten der jeweiligen Seite noch vorhandenen Buchstabenreste die Rekonstruktion bestätigen : 20:15-16 :
njpvpos
[eoTiv
eß]o.oTacra[s e0r)Kas
avrov
Xeyei
avrr)
eKeivrj 20:19 :
XJeyei Kayio
o
is
a[v
TTO[V
(¡L[VTOV OT]pq.[eiaa
avrw orrojy
-qaay
avvr]yp.evoi
TIÜV toSaiwv
Kai
fioi]
ap]TÜ
K]eK[Xei]puev a i y R/Xdav Tai
Kai
Tea£a]v
TOV ra
fiey
o
eis ra tSta u / e r a
p,aOT)TT)]$ afvTjriv
OTI
rjSr]
Sii/«^>;
[ovv
oi
irps (ob P 6 6 den Artikel las oder nicht, ist nicht sicher zu entscheiden). Der Papyrus geht hier entweder mit B (ohne Artikel) oder mit 021,1242 (mit Artikel). Dass in Zeile 3 das iva reXeuod-q t? ypar) nicht steht, bedeutet dagegen keine Textvariante, sondern nur eine Flüchtigkeit des Schreibers, er (bzw. der Korrektor) hat den Text am unteren Rand der Seite nachgetragen (vgl. S. 135 des Faksimile).
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Fragment 12 (zweite Reihe, fünftes von links auf S. 151) lesbar recto :
. .
verso : .
.ev
.ap.
als Joh. 21:5-6/8, wobei auch hier die Einfügung des Fragments in das vorhandene Material die dort vorhandenen Buchstabenreste genau ergänzt (hier wie in den anderen Fällen durch Fotomontage genauer nachgewiesen): 21:5-6:
. . . ex€re]\
a.[n€Kpi]6r][aav
. . . o Se €l]tt€V 21:8:
. . . oJc8[e ...
w[™]is aXXoi]
rj]X6o[v .. -JyrjS
ov]
...
•••
u[adr)Tai yap
ri[oav
... ...
g-XXg. cos