Strafprozessuale Schutzrechte und parlamentarische Aufklärung in Untersuchungsausschüssen mit strafrechtlich relevantem: Dissertationsschrift 9783428130269, 342813026X

Untersuchungsausschüsse haben oft strafrechtlich relevante Vorgänge zum Gegenstand, wobei nicht selten der umfassenden S

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German Pages 446 [447] Year 2009

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Strafprozessuale Schutzrechte und parlamentarische Aufklärung in Untersuchungsausschüssen mit strafrechtlich relevantem: Dissertationsschrift
 9783428130269, 342813026X

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Schriften zum Strafrecht Heft 205

Strafprozessuale Schutzrechte und parlamentarische Aufklärung in Untersuchungsausschüssen mit strafrechtlich relevantem Verfahrensgegenstand Von

Diana Lucke

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

DIANA LUCKE

Strafprozessuale Schutzrechte und parlamentarische Aufklärung in Untersuchungsausschüssen mit strafrechtlich relevantem Verfahrensgegenstand

Schriften zum Strafrecht Heft 205

Strafprozessuale Schutzrechte und parlamentarische Aufklärung in Untersuchungsausschüssen mit strafrechtlich relevantem Verfahrensgegenstand

Von

Diana Lucke

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-13026-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist von der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam im Wintersemester 2008/2009 als Dissertation angenommen worden. Rechtsprechung und Literatur sind bis September 2008 berücksichtigt worden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Uwe Hellmann für die fachliche Betreuung der Arbeit. Er hat mich stets mit wertvollen Hinweisen und wohlwollender Kritik unterstützt. Zudem ermöglichte er mir während des Promotionsvorhabens eine wissenschaftliche Tätigkeit an seinem Lehrstuhl, die für mich eine großartige Erfahrung darstellte und mich in meiner fachlichen sowie persönlichen Entwicklung geprägt hat. Ferner gebührt mein Dank Herrn Prof. Dr. Georg Küpper für die Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich auch meinen Freunden für die zahlreichen Diskussionen, die hilfreichen Anregungen und die stete Ermutigung. Meine Eltern haben mich bei meiner Ausbildung in jeder erdenklichen Weise unterstützt. Ihnen widme ich diese Arbeit. Potsdam, im Dezember 2008

Diana Lucke

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

A. Bedeutung des Untersuchungsthemas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „CDU-Parteispenden-Untersuchungsausschuss“ des Bundestages . . . . . II. „Schreiber-Untersuchungsausschuss“ des bayerischen Landtages . . . . . III. „Flugaffären-Untersuchungsausschuss“ in Nordrhein-Westfalen. . . . . . . IV. „FlowTex-Untersuchungsausschuss“ des Landtages Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Berliner Untersuchungsausschuss zur „Spenden- und Bankenaffäre“ . . VI. Berliner „Tempodrom-Untersuchungsausschuss“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Bremer Untersuchungsausschuss „Bau & Immobilien“ . . . . . . . . . . . . . . VIII. Bayerischer Untersuchungsausschuss zur „Hohlmeier-Affäre“ . . . . . . . . IX. Saarländischer „Bähr-Untersuchungsausschuss“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 28 30 31 32 34 35 36 37 38

B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

1. Kapitel Grundlagen, Umfang und Grenzen des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts

43

A. Rechtsgrundlagen für die Beweiserhebung durch den PUA . . . . . . . . . . . . I. Regelungen auf Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das bundesrechtliche PUAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unveränderte Fortgeltung des Art. 44 GG und deren Konsequenzen II. Regelungen auf Landesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43 43 43 44 45

B. Terminologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Beweiserhebung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einbeziehung der Beweissicherung und -beschaffung außerhalb der öffentlichen Verhandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung von Beweiserhebung und Beweisverwertung. . . . . . . . . a) Allgemeiner Sprachgebrauch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Teleologische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Systematik der StPO und sonstiger gesetzlich geregelter Beweisverwertungsverbote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. „Sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess“ in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48 48 49 51 51 55 57 59 60

8

Inhaltsverzeichnis

III.

1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrensvergleich als Ausgangspunkt der Begriffsauslegung . . . . . a) Gemeinsamkeiten des Straf- und des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterschiede zwischen Strafverfahren und PUV. . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterschiedliche Zweckrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Sanktionsverhängung durch den PUA . . . . . . . . . . . . . . (1) Öffentlichkeitswirkung als Sanktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Abschlussbericht als Sanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine Ausübung von Rechtsprechung durch den PUA . . . . . (1) Rechtsstellung der Untersuchungsausschussmitglieder . (a) Richterliche Unabhängigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Neutralität der Ausschussmitglieder? . . . . . . . . . . . . . (2) Urteilsfindung durch einen PUA?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bedeutung der Öffentlichkeit im PUV und im Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Strafverfahrensrechtlicher Öffentlichkeitsgrundsatz . . . . (2) Funktion der Öffentlichkeit des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Inquisitorische Ausgestaltung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenzen für die „sinngemäße Anwendung“ . . . . . . . . . . . . . . . . Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens . . . . . 1. PUA als Kontrollinstrument des Parlaments. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. PUA als Informationsbeschaffungsmittel des Parlaments . . . . . . . . . . 3. PUA als Mittel der Parlamentsminderheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60 61 62 65 65 66 66 68 69 70 70 71 72 74 74 74 76 77 78 79 80 80 82 85 86

C. Grenzen des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 86 I. Rechtsnatur des parlamentarischen Untersuchungsausschusses . . . . . . . . 87 II. Korollartheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Enge Korollartheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Weite Korollartheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Kompetenzbegrenzung des Untersuchungsausschusses durch das Gewaltenteilungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Kompetenzbegrenzung des Untersuchungsausschusses durch das Bundesstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 c) Kompetenzbegrenzung des Untersuchungsausschusses durch das Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 aa) Grundrechte und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. . . . . . . . . . . 97 bb) Bestimmtheitsgrundsatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

Inhaltsverzeichnis III.

Kompetenzbegrenzung durch das „öffentliche Interesse“. . . . . . . . . . . . . 1. Erforderlichkeit eines öffentlichen Interesses an der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriff des „öffentlichen Interesses“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Faktische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Normative Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Staatsgerichtete Enqueten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Privatgerichtete Enqueten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorliegen eines Anfangsverdachts als öffentliches Interesse . . . . . . . a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wortlaut des Art. 44 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Teleologische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Historische Erwägungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) § 44c AbgG als gesetzliche Regelung des konkreten Anfangsverdachts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 102 103 105 105 107 107 108 112 112 113 116 116 117 121 124 125

2. Kapitel Das Nebeneinander von Strafverfahren und PUV und die Freiheit des beiderseitigen Informationentransfers

126

A. Gefahren bei einem Zusammentreffen beider Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . 126 B. Generelle Aussetzungspflicht des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens oder des Strafverfahrens zur Abwehr der drohenden Gefahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Regelung zur Aussetzung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vergleich mit der Aussetzungspflicht im Disziplinarverfahren . . . . . . . . III. Pflicht zur Aussetzung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens aus dem Rechtsstaatsprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verstoß gegen Art. 97 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fähigkeit des Richters zur unbeeinflussten Entscheidung . . . . . . b) Unzulässigkeit öffentlicher Stellungnahmen durch den PUA vor Abschluss seiner Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erhöhte Anforderungen an die Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflicht zur Aussetzung wegen gegenseitiger Behinderungen bei der Ermittlungstätigkeit durch den PUA und die Strafverfolgungsbehörden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beeinträchtigung von Beweismitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

127 128 129 130 131 132 133 134 135 136

136 137

10

Inhaltsverzeichnis b) Einflussnahme der Exekutive auf die strafrechtlichen Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitliche Verzögerungen durch den Austausch von Akten . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grundsatz des Nebeneinanders beider Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz der Gleichrangigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Optimale Zweckerreichung beider Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Freier Informationsaustausch zwischen Strafverfahren und PUV . . . . . . . I. Rechtsgrundlagen für das Auskunfts-, Akteneinsichts- und Aktenvorlagerecht des Untersuchungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung der Amts- und Rechtshilferegelungen für den freien Informationsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verbot des freien Informationsaustausches zum Schutz der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . 2. Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG . . . . . . . a) Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zweckbindung der im PUV und im Strafverfahren erhobenen Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zweckgemeinschaft von PUV und Strafverfahren aufgrund eines weiten Verständnisses der Zweckbindung? . . . . . . . . . . cc) Spezielle Befugnisnorm für die Datenweitergabe an die Strafverfolgungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Art. 35 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) § 474 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) §§ 161 Abs. 1, 95 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Behördeneigenschaft des Untersuchungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) §§ 161 Abs. 1, 95 StPO als spezialgesetzliche Amtshilferegelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Wirksamkeit der §§ 161, 95 StPO . . . . . . . . . . . . . . . dd) Spezielle Befugnisnorm für die Datenweitergabe an den PUA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Art. 44 Abs. 3 GG / § 18 Abs. 4 PUAG . . . . . . . . . . . . . (2) §§ 161 Abs. 1 S. 1, 95 Abs. 1, 474 Abs. 1 StPO . . . . . . (a) Anwendbarkeit der Regelungen im PUV . . . . . . . . . (b) Wirksamkeit der §§ 95, 161 Abs. 1 bzw. § 474 Abs. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

138 140 140 140 141 142 143 143 144 145 146 146 148 148 149 150 152 152 152 153 153 154 156 157 157 157 158 160 162

D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

Inhaltsverzeichnis

11

3. Kapitel Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte infolge des Nebeneinanders der Verfahren A. Gesetzeslage und Streitstand zur Rechtsstellung des Betroffenen im PUV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Streitstand in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschuldigtenstatus des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Differenzierte Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeugenstatus des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Brauchbarkeit des Beschuldigtenbegriffs zur Kennzeichnung der Rechtsstellung des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Selbstbelastungsfreiheit und Betroffenenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Sanktionsverhängung durch den PUA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konfliktlage im PUV als Rechtfertigung für die Einräumung der Beschuldigtenstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsstellung der Aussagepersonen in anderen sanktionslosen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zweck- und Strukturunterschiede zwischen PUV und Strafverfahren . . IV. Gefährdung des strafprozessualen Schweigerechts des Beschuldigten wegen der Mitwirkung im PUV? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Möglichkeit der Zeugenvernehmung, der Erzwingung des Zeugnisses und des Herausgabeverlangens durch den PUA. . . . . . . . . . . . . . . a) Zeugenvernehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Herausgabeverlangen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anordnung von Beugemitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Richtervorbehalt nach Art. 104 Abs. 2 GG. . . . . . . . . . . . . . . bb) Beachtung der Grundrechte und der Verhältnismäßigkeit . . 2. Schutz vor strafrechtlicher Selbstbelastung wegen der Aussageund Herausgabepflichten im PUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 157 StGB als Schutz vor den materiellrechtlichen Nachteilen b) Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte als Schutz vor strafprozessualen Nachteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 55 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anwendbarkeit im PUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unkenntnis des Auskunftsverweigerungsberechtigten über Voraussetzungen und Grenzen des Auskunftsverweigerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Faktische Selbstbelastung durch die Auskunftsverweigerung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Glaubhaftmachung des Auskunftsverweigerungsrechts

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Inhaltsverzeichnis

V.

(5) Selbstbelastungsgefahr bei fehlender oder fehlerhafter Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verwertbarkeit der Aussage im Strafverfahren. . . . . (b) Verwertbarkeit der Aussage im PUV . . . . . . . . . . . . . (6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 384 Nr. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Wortlaut des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG und Zweck der parlamentarischen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . (b) Vergleich mit dem Verwaltungs- und Zivilgerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Anwendung des § 68a StPO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Schutz der Ehre von Abgeordneten und Amtsträgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefährdung strafprozessualer Schutzrechte des Beschuldigten bei einer Durchsuchung und Beschlagnahme durch den PUA? . . . . . . . . . . . 1. Anordnungsbefugnis des Untersuchungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . a) Beschlagnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterschiedliche Zielrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erfordernis einer richterlichen Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchsuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Richterliche Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gesetzliche Grundlage für die Durchsuchung . . . . . . . . . . . . . 2. Sinngemäße Geltung des § 97 StPO im PUV? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Reichweite des § 97 Abs. 1 StPO im Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wörtliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Schutzzweck des § 52 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Schutzzweck des § 53 Abs. 1 Nr. 1–3b StPO . . . . . (c) Widerspruch zwischen den Zeugnisverweigerungsrechten und § 97 Abs. 1 StPO bei der Anwendbarkeit auf Dritte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unanwendbarkeit des § 97 Abs. 1 StPO im PUV . . . . . . . . . . . . .

195 195 196 197 197 197 198 198 199 201 202 203 204 204 205 205 206 210 211 211 211 211 213 213 213 214 214 215 215 216 217 218

219 222

Inhaltsverzeichnis 3. Schutz vor einer Umgehung der Beschlagnahmefreiheit nach § 97 Abs. 1 StPO im Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Parlamentarisches Beschlagnahmeverbot wegen Rollentauschs? b) Parlamentarisches Beschlagnahmeverbot nach Art. 47 S. 2 GG? c) Verbot der Beschlagnahme durch den PUA bei Zeugnisverweigerungsberechtigten im Sinne des § 52 StPO . . . . . . . . . . . aa) Grundrechtsbetroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schutzrichtung des Geheimhaltungsinteresses . . . . . . . . (2) Eingriff in das Recht auf Schutz der Privatsphäre. . . . . bb) Rechtfertigung des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bestimmung des unantastbaren Kernbereichs . . . . . . . . . (2) Privat- und Sozialsphäre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Geheimhaltungsmaßnahmen zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Möglichkeit des Ausschlusses der Öffentlichkeit . . (b) Verschwiegenheitspflicht und Geheimnisschutz nach der GSO-BT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Einstufungsgrade nach der GSO-BT. . . . . . . . . (bb) Zuordnung der Informationen aus dem Vertrauensverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Rechtfertigung des Eingriffs in das Öffentlichkeitsprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Sicherung des Geheimnisschutzes durch §§ 29 Abs. 3, 30 Abs. 1, 3 PUAG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Strafrechtliche Absicherung des privaten Geheimnisschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) § 203 Abs. 2 Nr. 1, 2, 4 StGB. . . . . . . . . . . . . . (bb) § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verbot der Beschlagnahme durch den PUA bei Zeugnisverweigerungsberechtigten im Sinne des § 53 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 160a Abs. 1 S. 1 StPO n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 160a Abs. 2 S. 1 StPO n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verbot der Beschlagnahme von Unterlagen des Untersuchungsausschusses im Strafverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beschlagnahmefähigkeit von Behördenakten . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz des Vertrauensverhältnisses zu Angehörigen im Sinne des § 52 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Beschlagnahmeverbot nach Art. 47 GG . . . . . . . . . . . . . . (2) Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1 StPO . . . . . . . .

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225 226 227 228 228 229 231 231 232 234 235 236 237 238 239 239 242 243 243 244 246 246 246 247 250 250 251 252 252 253

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Inhaltsverzeichnis (a) Gewahrsamserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Unfreiwilliger Gewahrsamsverlust . . . . . . . . . . . (bb) Zurechnung des staatlichen Gewahrsams . . . . . (b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Beschlagnahme- und Übermittlungsverbot von Verfassungs wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Eröffnung des Schutzbereiches des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Allgemeine Schutzbereichsbestimmung . . . . . . (bb) Vertraulichkeit der Informationen trotz des Gewahrsams des Untersuchungsausschusses? (b) Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Rechtfertigung des Eingriffs in das Recht auf Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schutz des Vertrauensverhältnisses zu Berufsgeheimnisträgern im Sinne des § 53 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Reichweite der strafprozessualen Beweiserhebungsverbote

253 254 254 256 256 257 257 257 259 259 262 263

C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 4. Kapitel Aufklärungsschwierigkeiten im PUV infolge des Nebeneinanders der Verfahren

268

1. Abschnitt Zeugenvernehmung und Herausgabeverlangen A. Behinderung der Aufklärung im PUV im Fall der Aussage- und Mitwirkungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Glaubhaftmachung der Gründe des Auskunftsverweigerungsrechts . . . . III. Erweiterung des Auskunftsverweigerungsrechts durch § 22 Abs. 2 PUAG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Missbrauchsgefahr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Förderung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses . . . . . . . I. Einsatz eines Ermittlungsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Uneingeschränkte Aussage- und Herausgabepflicht im PUV . . . . . . . . . . 1. Vereinbarkeit mit dem nemo-tenetur-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt und Herleitung des nemo-tenetur-Prinzips . . . . . . . . . . . . . . b) Reichweite des nemo-tenetur-Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Persönlicher Schutzbereich im Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . bb) Geltung in anderen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

268

268 268 270 271 271 272 272 274 275 275 277 277 278

Inhaltsverzeichnis cc) Anwendbarkeit auf die Herausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine Beschränkung auf kommunikative Akte . . . . . . . (2) Differenzierung nach Aktivität und Passivität . . . . . . . . c) Begriff des „Zwangs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auffassungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwangsanwendung im PUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Grenzen des nemo-tenetur-Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtfertigung eines Eingriffs in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zwangsmittel gegen den Beschuldigten zur Herbeiführung einer Mitwirkung im Sanktionsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erzwingung selbstbelastender Aussagen in sanktionslosen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gemeinschuldnerbeschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) BGHZ 41, 318, 322 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Besteuerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Anforderungen an einen zulässigen Zwangsmitteleinsatz in sanktionslosen Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Übertragung der Abwägungskriterien auf das PUV . . . . . . . (1) Vorliegen eines Drittinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wahrung der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Geeignetheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz vor unverhältnismäßigen Eingriffen in die Selbstbelastungsfreiheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentlichkeitsausschluss während der Vernehmung im PUV. . . b) Zusicherung von Straffreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Übertragbare Regelungen zur Gewährung von Straffreiheit (1) Einstellungsregelungen der StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einstellungs- und Strafzumessungsregelungen im Kern- und Nebenstrafrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Art. 46 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einführung einer „Straffreiheitsregelung“ im PUV . . . . . . . . cc) Kriminalpolitische Bedenken gegen eine Straffreiheitsregelung im PUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vereinbarkeit einer Straffreiheitsregelung im PUV mit der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gleichbehandlungsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . (a) Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 279 279 279 282 282 283 284 285 285 286 287 287 288 288 289 290 292 292 294 294 294 296 301 302 302 304 304 304 305 306 306 307 309 309 309

16

Inhaltsverzeichnis

III.

(b) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . (aa) Vorliegen eines sachlichen Grundes. . . . . . . . . . (bb) Wahrung der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . (2) Gewaltenteilungs- und Rechtsstaatsprinzip. . . . . . . . . . . . (a) Eingriff in Art. 20 Abs. 2, 3 GG. . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Untauglichkeit der Straffreiheitsregelung zum verhältnismäßigen Interessenausgleich. . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Strafprozessuales Beweisverwertungsverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verlesungsverbot des § 254 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Selbstständiges Beweisverwertungsverbot von Verfassungs wegen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fernwirkung des Beweisverwertungsverbotes . . . . . . . . . . . . . (1) Meinungsstand im Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) „Fruit of the poisonous tree doctrine“ . . . . . . . . . . . . (b) Ablehnung der Fernwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Lehre von der Hypothesenbildung . . . . . . . . . . . . . . . (d) Abwägungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fernwirkung des Verbots der Verwertung im PUV erlangter Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Verwendungsverbot für die Strafverfolgungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Keine Differenzierung nach der Deliktsschwere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Untauglichkeit eines Offenbarungsverbots . . . . (dd) Vermutung unzulässiger Beweisgewinnung . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anreize zu einer freiwilligen Aussage- oder Mitwirkungsbereitschaft bei Selbstbelastungsgefahr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zusicherung von Straffreiheit bzw. einer Höchststrafe im Einzelfall 2. Gewährung eines Beweisverwertungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Strafmilderungsregelung aufgrund der Mitwirkung im PUV . . . . . . . a) Verringerung der – negativen – „Auswirkungen der Tat“. . . . . . . b) Schadenswiedergutmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bekundung von Reue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erreichung des Strafzwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Prävention als Hauptzweck der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Generalpräventive Wirkung des Geständnisses . . . . . . . . . . . . (1) Geständnis als „Actus contrarius“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Freiwilligkeit des Nachtatverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . .

310 310 311 312 312 315 316 317 317 318 319 320 320 320 321 322 322 324 324 326 326 327 328 329 333 334 334 336 338 338 340 341 342 342 343 344 346

Inhaltsverzeichnis

IV.

cc) Geständnis vor dem PUA als „Actus contrarius“ . . . . . . . . . e) Ausgestaltung einer Strafmilderungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Vereinbarkeit der Strafmilderungsregelung mit dem GG und der StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Folgen eines unrichtigen Geständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einschränkung der Gewährung von Strafmilderung . . . . . . . bb) Wiederaufnahme des Strafverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfung des Auskunftsverweigerungsrechts im geheimen Verfahren. . .

17 349 350 352 354 354 356 357 357

2. Abschnitt Post- und Briefbeschlagnahme, Überwachung der Telekommunikation sowie sonstige technische Überwachungsmaßnahmen 359 A. Eingriffe des Untersuchungsausschusses in den Brief- und Telekommunikationsverkehr sowie mit sonstigen technischen Mitteln . . I. Brief- und Postbeschlagnahme, Telekommunikationsüberwachung . . . . 1. Sinngemäße Anwendung der §§ 94, 99, 100a StPO . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarkeit mit dem Zweck des Untersuchungsverfahrens . . . b) Beachtung der Grundrechte und der Verhältnismäßigkeit . . . . . . c) Bedenken gegen die Möglichkeit einer sinngemäßen Anwendung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschränkungen aus Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Befugnis zur Vornahme von Abhör- und Observationsmaßnahmen im PUV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bildaufzeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einsatz technischer Observationsmittel und akustischer Abhörmaßnahmen außerhalb der Wohnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abhörmaßnahmen in der Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verwertung im Strafverfahren erlangter Informationen durch den PUA I. Anspruch auf Übermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grenzen des Übermittlungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reichweite des Verbots aus Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG. . . . . . . . . . . . . . a) Verletzung des Art. 10 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beweiserhebung im Sinne des Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

360 360 360 361 361 362 364 364 365 367 367 368 369 370 371 372 372 373 374 375 376 376 377 379

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Inhaltsverzeichnis 2. Übermittlungsbeschränkungen nach der StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beachtung der Verhältnismäßigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahrung des Zitiergebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

379 382 382 383

C. Exkurs: Verwendung von Erkenntnissen des MfS im PUV . . . . . . . . . . . . . I. Anspruchsgrundlage für die Herausgabe von Abhörprotokollen . . . . . . . 1. Amtshilferechtliches Ersuchen um Aktenherausgabe und -einsicht . 2. Notwendigkeit einer spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zur Herausgabe an den PUA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eingriff in Art. 10 GG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Spezialgesetzliche Ermächtigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. §§ 94-96, 161 Abs. 1 StPO . . . . b) Übermittlungsbefugnisse des StUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unbeschränkter Zugriff nach § 22 StUG . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einschränkende Auslegung des § 22 StUG . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Herausgabe der Abhörprotokolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zitiergebot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen des Volkszählungsurteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnismäßigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Begrenzung des Herausgabeanspruchs durch § 23 Abs. 1 S. 3 StUG . . 1. Beweisverwertungsverbot nach § 136a Abs. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit im PUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beweiserhebung durch Vernehmung der Aussageperson. . . . . . . . c) Anwendung auf rechtswidrige private Ermittlungsergebnisse . . . d) Übertragung der Grundsätze auf das PUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Zurechnung der rechtswidrigen Beweisgewinnung . . bb) Schwerwiegende Verletzung der Menschenwürde durch das MfS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweisverwertungsverbot nach § 477 Abs. 2 S. 2 StPO n. F. . . . . . . IV. Verwertung sonstiger Erkenntnisse des MfS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

384 384 384

III. IV.

385 385 387 387 387 388 388 390 391 391 391 392 396 396 396 396 397 400 400 401 403 405 407

Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444

Abkürzungsverzeichnis a. A. AbgG Abghs.-Drucks. Abs. a. F. AG AK GG AK StPO Anm. AnwBl. AO AöR Art. AsylVfG AT AufenthG Az. BayObLG BayUAG BayVBl. BayVerfGH BayVerfGHE BB Bbg. BBG BDO BezG BFH BGBl. BGH BGHSt. BGHZ. BImSchG BK BRAO BRRG

anderer Ansicht Abgeordnetengesetz Drucksache des Abgeordnetenhauses Berlin Absatz alte Fassung Amtsgericht Alternativkommentar zum Grundgesetz Alternativkommentar zur Strafprozessordnung Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Asylverfahrensgesetz Allgemeiner Teil Aufenthaltsgesetz Aktenzeichen Bayerisches Oberstes Landgericht Bayerisches Untersuchungsausschussgesetz Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidungen des BayVerfGH Betriebsberater Brandenburg, brandenburgisch Bundesbeamtengesetz Bundesdisziplinarordnung Bezirksgericht Bundesfinanzhof Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Bundes-Immissionsschutzgesetz Bonner Kommentar zum Grundgesetz Bundesrechtsanwaltsordnung Beamtenrechtsrahmengesetz

20 BSeuchG BT BT-Drucks. BtMG BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BW BZ bzw. CR ders. d.h. dies. DJT DNotZ DÖV DRiG DRiZ DVBl. EGMR Einf. Einl. EMRK EV f. FamRZ FAZ FG FGG Fn. FS G GA GG GO-BT GSO-BT GVG HandwO HK StPO

Abkürzungsverzeichnis Bundesseuchengesetz Bundestag Bundestags-Drucksache Betäubungsmittelgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württemberg Berliner Zeitung beziehungsweise Computer und Recht derselbe das heißt dieselbe Deutscher Juristentag Deutsche Notar-Zeitschrift Die öffentliche Verwaltung Deutsches Richtergesetz Deutsche Richterzeitung Deutsches Verwaltungsblatt Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführung Einleitung Europäische Menschenrechtskonvention Einigungsvertrag folgende Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Fußnote Festschrift Gesetz Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Grundgesetz Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz zur Ordnung des Handwerks Heidelberger Kommentar zur Strafprozessordnung

Abkürzungsverzeichnis h. M. HS i. E. InsO i. V. m. JA JR Jura JuS JZ KG KK StPO KMR krit. LG LHO L&L LR StPO LT LT-Drucks. M/D/H MDR MfS MRK MschrKrim MVP Nds. n. F. NJ NJW NJW-RR Nr. NRW NStZ NStZ-RR NVwZ NVwZ-RR o. ä. OBG OLG OVG OWiG

herrschende Meinung Halbsatz im Ergebnis Insolvenzordnung in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kammergericht Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung Kleinknecht/Müller/Reitberger, Kommentar zur StPO kritisch Landgericht Landeshaushaltsordnung Life & Law Löwe-Rosenberg, Kommentar zur Strafprozessordnung Landtag Landtags-Drucksache Maunz/Dürig/Herzog, GG, Kommentar Monatsschrift des Deutschen Rechts Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR Menschenrechtskonvention Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Mecklenburg-Vorpommern niedersächsisch neue Fassung Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Strafrecht NStR-Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungs-Report oder ähnlich Ordnungsbehördengesetz Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

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22 PolG PUA PUAG RegE RG RGSt. RGZ Rn. RStGH RuP S. SA Sächs. SGB SK StGB SK StPO sog. StA StaatsR StGB StGH StPO str. StraFo StUG StuW StV StVÄG SZ taz thür. TKG u. a. u. ä. UAG UZwGBw

VereinsG Verf. VerfGH VG

Abkürzungsverzeichnis Polizeigesetz Parlamentarischer Untersuchungsausschuss Parlamentarisches Untersuchungsausschussgesetz des Bundes Regierungsentwurf Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Reichsstaatsgerichtshof Recht und Politik Satz oder Seite Sachsen-Anhalt sächsisch Sozialgesetzbuch Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung sogenannt Staatsanwaltschaft Staatsrecht Strafgesetzbuch Staatsgerichtshof Strafprozessordnung streitig Strafverteidiger Forum Stasiunterlagengesetz Zeitschrift für Steuern und Wirtschaft Strafverteidiger Strafverfahrensänderungsgesetz Süddeutsche Zeitung Tageszeitung Thüringen, thüringisch Telekommunikationsgesetz unter anderem und ähnlich Untersuchungsausschussgesetz Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts Verfassung Verfassungsgerichtshof Verwaltungsgericht

Abkürzungsverzeichnis VGH vgl. Vorb. vorl. VR VRS VwGO VwVfG WaffG wistra WRV z. B. ZfP ZInsO ZParl ZPO ZRP ZStW

Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vorbemerkung vorläufig Verwaltungsrundschau Verkehrsrechtssammlung Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Waffengesetz Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Weimarer Reichsverfassung zum Beispiel Zeitschrift für Politik Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Parlamentsfragen Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

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Einführung „Verehrtes Publikum, jetzt kein Verdruss: Wir wissen wohl, dass ist kein rechter Schluss. Vorschwebte uns: die goldene Legende. Unter der Hand nahm sie ein bitteres Ende. Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen: Den Vorhang zu und alle Fragen offen . . .“ (Bertolt Brecht, „Der gute Mensch von Sezuan“, S. 106)

Obwohl Brecht die Sätze in einem ganz anderen Zusammenhang schrieb, spiegeln sie genau die von Ohnmacht gekennzeichnete Situation parlamentarischer Untersuchungsausschüsse der letzten Jahre wider. Nach jahrelanger Untersuchungstätigkeit kann der parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) am Ende der Legislaturperiode oft keine handfesten, konkreten und verwertbaren Erkenntnisse präsentieren, und die von den Fraktionen abgefassten Abschlussberichte widersprechen sich zumeist in den wesentlichen Untersuchungspunkten. Die Gründe für den oft bescheidenen Erfolg der Aufklärungsarbeit der Untersuchungsausschüsse liegen darin, dass sich wichtige Zeugen auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen, weil gegen sie die Staatsanwaltschaft ermittelt1, oder schweigen, weil sie sich an den Vorgang nicht mehr erinnern können oder wollen.2 Die Zeugen verweigern oft sogar die Aussage, wenn sie ohne eine Selbstbelastungsgefahr Auskünfte hätten geben können oder ohne die Gründe für eine Selbstbelastungsgefahr glaubhaft darzulegen.3 Zudem verfügen die Untersuchungsausschüsse oft noch nicht über alle für die Verhandlung entscheidenden Akten, weil diese noch in anderen Verfahren – beispielsweise in Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft oder in strafgerichtlichen Verfahren – benötigt werden, weil wichtige Akten und Daten, die den Untersuchungsgegenstand betreffen und als Beweismittel hätten bedeutsam werden können, verschwinden4 oder weil sich Ausschussmitglieder vor 1 Vgl. hierzu die Fälle paralleler Ermittlungs- und Strafgerichtsverfahren und die Fälle, in denen sich die Zeugen auf ein Auskunftsverweigerungsrecht beriefen, im CDU-Parteispenden-PUA: Abschlussbericht des 1. PUA des BT, BT-Drucks. 14/ 9300, S. 35 ff., 87 f., 89 f. 2 Abschlussbericht des 1. PUA des BT, BT-Drucks. 14/9300, S. 190. 3 Abschlussbericht des 1. PUA des BT, BT-Drucks. 14/9300, S. 365 f. 4 So verschwanden im CDU-Parteispenden-PUA z. B. eine als wichtiges Beweismittel dienende Computerfestplatte bei der Staatsanwaltschaft Augsburg: FAZ vom

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wichtigen Zeugenvernehmungen noch einmal mit den Auskunftspersonen verabreden und beraten bzw. die Zeugen ihre Aussagen untereinander abstimmen5. Hinzu kommt, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse zunehmend als politische Kampfinstrumente eingesetzt werden, neben das Aufklärungsinteresse daher ein Parteienwettbewerb und die Propaganda eigener politischer Positionen treten, wodurch das parlamentarische Untersuchungsrecht immer häufiger in die Kritik gerät.6 Nicht selten kommt es zwischen den Fraktionen im PUA wegen der divergierenden Aufklärungsinteressen zu politischen Konfrontationen7, welche die Aufklärung und Tatsachenwürdigung verzögern und verschleppen und letztlich dazu beitragen, dass am Ende so viele Abschlussberichte abgefasst werden, wie es politische Haltungen gibt. Da parlamentarische Untersuchungsausschüsse in erster Linie als Kontrollinstrumente zur Aufklärung von Missständen und Rechtsverletzungen eingesetzt werden, ist es keine Seltenheit, dass neben einem PUA zeitgleich ein strafrechtliches Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren zu demselben Lebenssachverhalt läuft8, ein solches Verfahren einem parlamentarischen Untersuchungsverfahren (PUV) vorangegangen ist oder infolge der parlamentarischen Untersuchung eingeleitet wird. Für den von einer parlamentarischen Untersuchung unmittelbar Betroffenen, der zugleich Beschuldigter eines solchen Strafverfahrens ist, entstehen im Strafverfahren Interessenskonflikte. Eine Aussage- und Herausgabepflicht des Betroffenen im PUV beispielsweise würde das ihm als Beschuldigtem im Strafverfahren eingeräumte umfassende Schweigerecht nach § 136 StPO und die Befreiung von der Herausgabepflicht aushöhlen, wenn die vom PUA gewonnenen Erkennt13.04.2000, S. 4; Volksstimme vom 13.04.2000, S. 2 und für die Aufklärung bedeutsame Akten im Bundeskanzleramt, oder es wurden wichtige Daten gelöscht: Abschlussbericht des 1. PUA des BT, BT-Drucks. 14/9300, S. 60, 363 f.; der PUA des LT Sachsen-Anhalt zur Aufklärung eines Verdachts wegen Amtsmissbrauchs des Justizministers musste seine Zeugenvernehmungen unterbrechen, weil entscheidende handschriftliche Vermerke des Justizministers in den Akten fehlten, Volksstimme vom 14.02.2004, S. 1, 2. 5 So geschehen beispielsweise im CDU-Parteispendenskandal: Abschlussbericht des 1. PUA des BT, BT-Drucks. 14/9300, S. 366; Berliner Zeitung vom 30.06.2000, S. 1; Lölhöffel, Das Parlament vom 07.07.2000, S. 13; Volksstimme vom 24.02.2000, S. 1. 6 Z. B. Jung, Richter II-FS, 267, 270; Klein, FAZ vom 28.05.2001, S. 10: die Tätigkeit der Untersuchungsausschüsse entarte zu einem „Schmierentheater“, ende wie das „Hornberger Schießen“ und beschädige das Ansehen des Parlaments; Schmidt, FAZ vom 17.10.2001, S. 16; Scholz, FAZ vom 23.12.1999, S. 12: der Rummel um die „CDU-Parteispendenaffäre“ nehme für Demokratie und Rechtsstaat kaum noch erträgliche Formen an. 7 Danckert, ZRP 2000, 476, 480; Rixen, JZ 2002, 435, 437 f. 8 Kramer, ZRP 2000, 386.

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nisse nunmehr im Strafverfahren zum Nachteil des Beschuldigten verwendet würden, und kollidiert mit dem Interesse des Beschuldigten an einem Schutz vor zwangsweiser strafrechtlicher Selbstbelastung. Eine Übertragung des umfassenden strafprozessualen Schweigerechts auf das PUV lähmt aber die Aufklärungsarbeit. Es verwundert nicht, dass seit Jahren die Rechtsstellung des Betroffenen, seine Rechte und Pflichten im PUV kontrovers diskutiert werden. Nicht minder streitig sind die Befugnisse der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse. Ursache war nicht zuletzt der Umstand, dass es auf Bundesebene bis zum Jahr 2001 nur den pauschalen Verweis des Art. 44 GG auf den Strafprozess, aber kein Ausführungsgesetz gab. Aufgrund der Strukturunterschiede zwischen dem PUV und dem Strafverfahren – die es noch näher zu erläutern gilt – sowie der dadurch bedingten, bloß sinngemäßen Anwendung des Strafprozessrechts bestand Streit über Art und Umfang der Befugnisse des parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Das Untersuchungsausschussgesetz vom 19.06.2001 (PUAG) regelt nun das Verfahren von Untersuchungsausschüssen, die der Bundestag einsetzt. Der Gesetzgeber versäumte es jedoch, die in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG angeordnete sinngemäße Anwendung der Regelungen des Strafprozesses aufzuheben, so dass zum Teil unklar ist, welche Folgen die Fortgeltung des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG für die Auslegung des PUAG hat und ob die Regelungen des PUAG sowie die landesrechtlichen Regelungen der Funktion parlamentarischer Untersuchungsausschüsse gerecht werden. Die Behinderungen der Aufklärungsarbeit der Untersuchungsausschüsse sind jedenfalls für ein zur Wahrung des demokratischen Systems so wichtiges Instrument wie den PUA, der zur Selbstreinigung der Politik beitragen und durch die öffentliche Aufklärung das Vertrauen in die Institutionen eines demokratischen Staates zurückgewinnen soll9, besonders unbefriedigend und unhaltbar. Das parlamentarische Untersuchungsrecht ist eines der wichtigsten und ältesten Mittel zur Information und Kontrolle, die das Parlament besitzt.10 Das Parlament hat von Verfassungs wegen das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, die schwerpunktmäßig politische, aber auch gesellschaftliche oder wirtschaftliche Missstände im Bereich der Regierung, Verwaltung oder Judikative und das Fehlverhalten politischer Mandatsträger aufklären sowie die für den Missstand Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Die öffentliche Beweiserhebung durch einen PUA und die Erstattung eines Abschlussberichts machen die Vorfälle für die Öffentlichkeit erkennbar und ermöglichen ihr, Anstoß zu nehmen sowie auf die Missstände und Verfehlungen zu reagieren. Außerdem unterstützt der PUA durch seine 9 10

Schnabel, Untersuchungsausschuss, 5; Vetter, ZParl 1993, 211, 221. BVerfGE 49, 70, 85; 77, 1, 42 f.; BVerwGE 109, 258, 262 f.

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Aufklärungsarbeit und die im Abschlussbericht zusammengetragenen Erkenntnisse und Empfehlungen das Parlament bei seiner Aufgabenerfüllung und bereitet dessen Entscheidungen vor. Diese große Bedeutung der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse für die Aufrechterhaltung des demokratischen Systems erfordert eine wirksame parlamentarische Kontrolle der anderen Staatsgewalten, die aber auch nicht grenzenlos geschehen darf, sondern der PUA muss bei der Ausübung des parlamentarischen Kontrollrechts zur Wahrung der verfassungsrechtlichen Einheit die Grundsätze des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung beachten. Erforderlich ist deshalb, die Aufklärungshindernisse auf ein Minimum zu reduzieren, aber gleichzeitig die Rechte des Betroffenen ausreichend zu gewährleisten. Diese Untersuchung soll klären, ob das PUAG bzw. die landesrechtlichen Regelungen einen harmonischen Ausgleich von effektiver Tatsachenermittlung und rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung herbeiführen oder – falls dieser sich nicht feststellen lässt – wie er vorzunehmen ist.

A. Bedeutung des Untersuchungsthemas Die Aktualität der hier zu behandelnden Problematik lässt sich an einigen PUV aufzeigen, die in den vergangenen Jahren Vorkommnisse aufklären sollten, die gleichzeitig oder nach Abschluss des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens Gegenstand eines Strafverfahrens waren.

I. „CDU-Parteispenden-Untersuchungsausschuss“ des Bundestages Der wohl spektakulärste PUA der jüngsten Vergangenheit, in dem sich die Machtlosigkeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse infolge des Nebeneinanders von Strafverfahren und PUV besonders deutlich widerspiegelte, war der „CDU-Parteispendenuntersuchungsausschuss“ des Bundestages. Dieser am 02.12.1999 auf Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingesetzte PUA sollte die Hingabe anonymer Parteispenden und den Zufluss anderer finanzieller Mittel an die ehemalige Bundesregierung aufklären, um festzustellen, ob Verstöße gegen das Parteiengesetz begangen worden waren.11 Dabei war der Ausschuss nicht selten in den Kernfragen des Untersuchungsgegenstandes vor Aufklärungshindernisse gestellt, die zum Teil aus dem Nebeneinander von PUV und Strafverfahren resultierten. Einige „Schlüsselfiguren“ des Parteispendenskandals machten nämlich keine Angaben zum Verbleib von Spendengeldern, zu den Namen 11

BT-Drucks. 14/2139.

A. Bedeutung des Untersuchungsthemas

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der Spender12, zu illegalen Finanztransaktionen oder unberechtigten Entgegennahmen anonymer Spendengelder. So verweigerte der frühere CDUSchatzmeister Walther Leisler Kiep unter Hinweis auf ein gegen ihn eingeleitetes Ermittlungsverfahren vollständig die Aussage.13 Auch Karl Heinz Schreiber, der wegen des Verdachts von Zahlungen im Zusammenhang mit einem Panzergeschäft mit Saudi-Arabien als einer der Hauptzeugen vor dem PUA aussagen sollte, ließ durch seinen Rechtsanwalt mitteilen, dass er aufgrund eines von der Staatsanwaltschaft Augsburg gegen ihn betriebenen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Begehung von Steuerdelikten vor dem PUA nicht als Zeuge aussagen werde.14 Ebenso hatte sich der ehemalige Wirtschaftsprüfer Horst Weyrauch bei seiner Vernehmung am 16.03.2000 vor dem PUA auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen, da gegen ihn zwei Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften Bonn und Wiesbaden liefen. Er teilte mit, er könne keine Frage beantworten, weil alles „wie bei einem Mosaik miteinander verzahnt“ sei.15 Über die Zulässigkeit seiner Aussageverweigerung entstand im PUA Streit. Während einige Mitglieder die Aussageverweigerung als rechtmäßig ansahen, da ihm ein Recht zur Auskunftsverweigerung gesetzlich zustehe und niemand gezwungen werden dürfe, sich selbst zu belasten, meinten andere, das Schweigen blockiere die Aufklärungsarbeit des Ausschusses übermäßig und lasse das parlamentarische Untersuchungsrecht verkümmern.16 Ähnlich verlief die Vernehmung des früheren Verwaltungschefs Hans Terlinden vor dem PUA, dessen Rechtsanwalt sogar ein Schweigerecht nach § 136 StPO i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG geltend machte, da seine Stellung vor einem PUA der eines Beschuldigten im Strafprozess vergleichbar sei und gegen ihn ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Bonn laufe.17 Der PUA setzte gegen die Zeugen Weyrauch und Terlinden wegen unberechtigter Aussageverweigerung Ordnungsgelder fest und beantragte beim AG Tiergarten, Beugehaft gegen Hans Terlinden zu verhängen.18 Das Gericht hob den Ordnungsgeldbeschluss als rechtswidrig auf und lehnte auch die Verhängung der Beugehaft ab, da den Zeugen ein umfassendes Aussageverweigerungs12 Berliner Zeitung vom 30.06.2000, S. 1, 2; Stern, Heft 52 vom 22.12.1999, S. 136, 138. 13 Abschlussbericht des 1. PUA des BT vom 07.06.2002, BT-Drucks. 14/9300, S. 88; Lölhöffel, Das Parlament vom 15.12.2000, S. 2. 14 FAZ vom 26.03.2000, S. 2; taz vom 18./19.03.2000, S. 8. 15 Abschlussbericht des 1. PUA des BT vom 07.06.2002, BT-Drucks. 14/9300, S. 88, 91, 188; FAZ vom 16.03.2000, S. 2; FAZ vom 17.03.2000, S. 1, 2. 16 FAZ vom 17.03.2000, S. 2. 17 Abschlussbericht des 1. PUA des BT vom 07.06.2002, BT-Drucks. 14/9300, S. 88 f., 93; FAZ vom 24.03.2000, S. 4. 18 Abschlussbericht des 1. PUA des BT vom 07.06.2002, BT-Drucks. 14/9300, S. 90 ff.; FAZ vom 24.03.2000, S. 4; FAZ vom 07.04.2000, S. 1.

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recht gemäß §§ 55 Abs. 1 i. V. m. 70 Abs. 1, 2 StPO i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG zustünde, die Aussageverweigerung daher auf einem gesetzlichen Grund beruhe und keine Beugemittel zulässig seien.19 Auch die Literatur kritisierte die Androhung und Anwendung von Ordnungsgeld bzw. -haft und Beugehaft, weil der PUA wesentliche rechtsstaatliche Grundsätze missachtet habe.20 Gegen die Entscheidung des AG Tiergarten wird jedoch ins Feld geführt, dass ein Zeuge durch die bloße Glaubhaftmachung der Behauptung, sich mit seiner Aussage einer Selbstbelastungsgefahr auszusetzen, das Recht auf Schweigen erwirken und damit selbst die Grenzen seiner Aussagepflicht festlegen könne.21 Während der Untersuchungen stellte der PUA die Existenz von Abhörprotokollen des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (MfS) fest, die belegten, dass das MfS bereits seit 1976 von den CDUSchwarzkonten und den illegalen Finanztransaktionen Kenntnis und darüber umfangreiche Informationen gesammelt hatte.22 Über die Verwendung der Akten als Beweismittel im PUV herrschte Dissens. Während einige für eine Verwendung im PUV plädierten, weil eine Tabuisierung des Aktenmaterials des MfS dem Stasiunterlagengesetz (StUG) widerspreche, das eine Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter vornehme, um die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen ausreichend zu schützen23, lehnten andere eine Verwendung im PUV ab, weil die Unterlagen des MfS unter Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip entstanden seien, ihre Benutzung im PUV dem vom StUG beabsichtigten Opferschutz zuwider laufe und sich der PUA durch eine Nutzung zum Werkzeug des „verbrecherischen Stasi-Spitzelsystems“ machen würde24. Letztlich sprach sich die Mehrheit der Ausschussmitglieder gegen eine Verwendung der Abhörprotokolle des MfS aus.

II. „Schreiber-Untersuchungsausschuss“ des bayerischen Landtages In engem Zusammenhang mit den Ermittlungen des „Parteispendenuntersuchungsausschusses“ und dem Verschwinden für dieses Verfahren wichtiger 19 Abschlussbericht der CDU vom 07.06.2002, BT-Drucks. 14/9300, S. 94 ff.; FAZ vom 12.07.2000, S. 2; Tagesspiegel vom 12.07.2000, S. 1, 4. 20 Pabel, NJW 2000, 788; Scholz, FAZ vom 23.12.99, S. 12. 21 FAZ vom 12.07.2000, S. 2; Tagesspiegel vom 12.07.2000, S. 4. 22 FAZ vom 29.03.2000, S. 1; Volksstimme vom 29.03.2000, S. 2. 23 FAZ vom 13.04.2000, S. 1, 2; Volksstimme vom 31.03.2000, S. 2. 24 FAZ vom 31.03.2000, S. 4; FAZ vom 07.04.2000, S. 12; FAZ vom 14.04.2000, S. 2; Volksstimme vom 29.03.2000, S. 2; Volksstimme vom 31.03.2000, S. 2.

A. Bedeutung des Untersuchungsthemas

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Beweismittel stand der Untersuchungsgegenstand des vom bayerischen Landtag am 15.02.2001 eingesetzten „Schreiber-Untersuchungsausschusses“, der unzulässige Einflussnahmen durch bayerische Amtsträger auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen Karl Heinz Schreiber, Max Strauß und Holger Pfahls zum Gegenstand hatte.25 Es bestand der Verdacht, dass die bayerische Staatsregierung Einfluss auf die Ermittlungsverfahren gegen Schreiber und Strauß wegen dubioser Geldgeschäfte bei einer Panzerlieferung nach Saudi-Arabien genommen hatte. Auch Zuwendungen Schreibers an CSU-Politiker und Warnungen der Beschuldigten vor Hausdurchsuchungen waren Untersuchungsgegenstände des Ausschusses. Bei der Augsburger Staatsanwaltschaft verschwanden Sicherungsbänder und eine PC-Festplatte von Max Strauß, wichtige Beweismittel in den Ermittlungsverfahren. Die Generalstaatsanwaltschaft setzte zwecks – angeblicher – Überprüfung Haftbefehle wegen Verdunkelungs- und Fluchtgefahr gegen den früheren Verteidigungsstaatssekretär Holger Pfahls und zwei ehemalige Thyssenmanager außer Vollzug, so dass sich Pfahls seiner Verhaftung entziehen konnte.26 Gegen den Generalstaatsanwalt hatte die Partei Die Grünen am 18.05.2000 bereits Strafanzeige wegen versuchter Strafvereitelung im Amt erstattet. Ein Ermittlungsverfahren leitete die Staatsanwaltschaft jedoch nicht ein.27 Als eine der Hauptfiguren trug Max Strauß in seiner Vernehmung durch den PUA am 14.03.2002 nicht wesentlich zur Sachverhaltsklärung bei, weil er durch seinen Rechtsanwalt unter Hinweis auf laufende Ermittlungsverfahren von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machte.28

III. „Flugaffären-Untersuchungsausschuss“ in Nordrhein-Westfalen Ähnlich wie die beiden soeben geschilderten Untersuchungsausschüsse verlief auch der vom nordrhein-westfälischen Landtag eingesetzte PUA zur sog. Flugaffäre. Der Ausschuss sollte die Umstände im Zusammenhang mit Flügen von Finanzminister Heinz Schleußer sowie anderen Mitgliedern der Landesregierung und des nordrhein-westfälischen Landtages mit der Charterfluggesellschaft PJC, eigenen Flugzeugen der Westdeutschen Landesbank (WestLB) oder sonstigen von der WestLB gecharterten Flugzeugen ab der 10. Legislaturperiode (1985) untersuchen und nach Abschluss 25 Einsetzungsbeschluss vom 15.02.2001, LT-Drucks. 14/5770; Einsetzungsantrag vom 08.02.2001, LT-Drucks. 14/5736; taz vom 11.07.2002, S. 10. 26 Abschlussbericht von SPD/Die Grünen, LT-Drucks. 14/10000 vom 09.07.2002, S. 33, Lölhöffel, Das Parlament vom 15.12.2000, S. 2; taz vom 11.07.2002, S. 2, 10. 27 Münchener Merkur von 21.07.2000, S. 3. 28 Siehe taz München vom 15.03.2002, S. 2.

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Einführung

der Untersuchung dem LT entsprechend § 25 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen des LT NW einen Abschlussbericht vorlegen, aus dem sich ergeben sollte, welche Rückschlüsse aus den Ermittlungsergebnissen zu ziehen seien.29 Kurz nach Einsetzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses leitete die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ein Ermittlungsverfahren gegen Heinz Schleußer wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses ein, um zu klären, ob dieser den WestLB-Vorstandsvorsitzenden Friedel Neuber vorab über eine bevorstehende Großrazzia im Bankhaus informiert habe.30 Gegen Neuber ermittelte nämlich die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den Flügen wegen des Verdachts der Untreue. In seiner Vernehmung vor dem PUA berief sich Neuber wegen des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens auf ein „umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht“.31 Auch der im Zusammenhang mit der Flugaffäre zurückgetretene Finanzminister schwieg in seiner Vernehmung vor dem PUA. Sein Rechtsanwalt begründete dessen Schweigen damit, Schleußer stehe nicht als bloßer Zeuge vor dem PUA, sondern als Beschuldigter.32 Einige Ausschussmitglieder hielten das Schweigen der wichtigsten Aussagepersonen für unzulässig, weil die Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrechte nur dazu ausgenutzt würden, die Aufklärung des Sachverhalts zu verhindern und die Untersuchungstätigkeit lahm zu legen.33 Andere kritisierten das Vorgehen des Ausschussvorsitzenden, der die Beweiswürdigung vorweggenommen habe, indem er nach der Vernehmung einer wichtigen Belastungszeugin öffentlich vor der Anhörung der anderen Zeugen ihre Aussage als glaubhaft bezeichnete und damit alle späteren, zu dieser im Widerspruch stehenden Zeugenaussagen von vornherein als unglaubhaft erscheinen ließ.34

IV. „FlowTex-Untersuchungsausschuss“ des Landtages Baden-Württemberg In Baden-Württemberg setzte der Landtag am 07.03.2002 auf Antrag von SPD und Die Grünen einen PUA mit dem Auftrag ein, das Verhalten der Landesregierung und von Landesbehörden im Zusammenhang mit kriminellen Aktivitäten von Manfred Schmider und Klaus Kleiser, den Haupt29 30 31 32 33 34

Einsetzungsantrag vom 15.12.99, LT-Drucks. NRW 12/4560. Beucker, Kölner Woche vom 06.01.2000. Beucker, taz Köln vom 05.02.2000. Siehe taz Köln vom 18.03.2000, S. 7. Beucker, taz Köln vom 05.02.2000. Beucker, taz Köln vom 05.02.2000.

A. Bedeutung des Untersuchungsthemas

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gesellschaftern der Firma FlowTex, zu untersuchen.35 Das Unternehmen hatte durch Leasinggeschäfte mit nicht existenten Bohrgeräten Schäden in Milliardenhöhe verursacht. Nach mehreren Strafverfahren gegen Mitarbeiter des FlowTex-Konzerns wegen Betruges, Geldwäsche und Steuerhinterziehung bestand auch der Verdacht, dass ein früherer Betriebsprüfer des Finanzamtes Karlsruhe-Durlach, der 1996 den FlowTex-Konzern überprüfte, trotz Verdachtsmomenten den Skandal um fingierte Leasinggeschäfte nicht verfolgt hatte. Die Karlsruher Finanzbeamten sollen 1996 außerdem versucht haben, die Steuerfahnder des Finanzamtes Erfurt, die gegen die im Zusammenhang mit FlowTex stehende, vermeintliche Herstellerfirma „KSK Guided Microtunneling Technologies Spezial-Tiefbaugeräte GmbH & Co. KG“ (KSK) ermittelten, an geplanten Durchsuchungen der Betriebsräume der KSK und der Privatwohnungen ihrer Mitarbeiter zu hindern.36 Die Staatsanwaltschaft Mannheim leitete daraufhin gegen die Karlsruher Steuerfahnder und Betriebsprüfer ein Ermittlungsverfahren wegen Strafvereitelung im Amt ein.37 In der Vernehmung der Beamten des Finanzamtes Karlsruhe-Durlach vor dem PUA am 08.05.2002 machten vier der fünf Vernommenen unter Berufung auf die gegen sie laufenden Ermittlungsverfahren von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, um sich nicht selbst zu belasten.38 Auch der baden-württembergische Wirtschaftsminister Walter Döring, der vom PUA zu möglichen, nicht im Rechenschaftsbericht deklarierten Parteispenden oder sonstigen Vergünstigungen, die er im Zusammenhang mit einer Umfrage zur Wirtschaftspolitik von einem Tochterunternehmen der FlowTex-Firma erhalten haben soll, vernommen wurde, berief sich – nach einer vorbereiteten Erklärung – auf sein Aussageverweigerungsrecht, um sich nicht strafrechtlich wegen des Verdachts der Vorteilsannahme selbst zu belasten.39

35 Einsetzungsbeschluss vom 07.03.2002, LT-Drucks. BW 13/843; Einsetzungsantrag vom 01.03.2002, LT-Drucks. BW 13/808. 36 Mannheimer Morgen vom 07.05.2002, S. 7; Mannheimer Morgen vom 10.05.2002, S. 7. 37 Mannheimer Morgen vom 07.05.2002, S. 7; vgl. auch ngo-online vom 08.05.2002, FlowTex-Prozess, Das Schweigen der Zeugen, abrufbar unter: www. ngo-online.de. 38 Mannheimer Morgen vom 10.05.2002, S. 7; vgl. auch ngo-online vom 08.05.2002, FlowTex-Prozess, Das Schweigen der Zeugen, abrufbar unter: www. ngo-online.de. 39 Dörries, SZ vom 23.04.2004, S. 7; Dörries, SZ vom 25.04.2004, S. 6; Pressemitteilung der Fraktion Die Grünen im LT BW vom 23.04.2004, Nr. 124/2004.

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Einführung

V. Berliner Untersuchungsausschuss zur „Spenden- und Bankenaffäre“ Der Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses sollte die Vorgänge bei der Berliner Bankgesellschaft, der Landesbank Berlin und den Umgang mit Parteispenden untersuchen. Insbesondere beabsichtigte der Ausschuss zu klären und festzustellen, ob zwischen einer 40.000 DMParteispende der Geschäftsführer der Firma Aubis an den damaligen CDUFraktionsvorsitzenden Klaus Landowsky und einem von der Berlin-Hannoverschen Hypothekenbank (Berlin Hyp), deren Vorstandsvorsitzender Klaus Landowsky war, an die Aubis-Gruppe für den Erwerb von Plattenbauten gewährten Kredit in Höhe von 600 Mio. DM ein Zusammenhang bestand.40 Außerdem sollte der PUA Fondgeschäfte der Bankgesellschaft Berlin AG (BAG), sonstige Kreditgeschäfte der BAG-Töchter sowie Hintergründe des versuchten Verkaufs des Immobilienunternehmens IBAG, einem Tochterunternehmen der BAG, an eine Scheinfirma überprüfen.41 Gegen die Geschäftsführer der Aubis-Gruppe Klaus Wienhold und Dr. Christian Neuling sowie gegen Klaus Landowsky ermittelte parallel die Staatsanwaltschaft.42 Landowsky berief sich in seiner Vernehmung vor dem PUA am 18.05.2001 wegen des gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens auf sein Aussageverweigerungsrecht und schwieg.43 Auch Klaus Wienhold weigerte sich, jegliche Fragen zu den Vorgängen bei der AubisGruppe zu beantworten und machte sein Aussageverweigerungsrecht wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens geltend, obwohl der Ausschussvorsitzende angedroht hatte, Zwangsmittel beim AG Tiergarten zu beantragen.44 Ebenso verweigerten die frühere Chefin der Firma Aubis und ehemalige Mitarbeiterin der Berlin Hyp45 sowie weitere Mitarbeiter der Berlin Hyp die Aussage vor dem PUA, der wegen der Aussageverweigerungen die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 1000 DM beim AG Tiergarten beantragte46. Auf die Aufklärungsarbeit des Ausschusses wirkte sich das Schweigen der wichtigsten Zeugen besonders misslich aus. Wegen Ablaufs der Wahlperiode endete – jedoch ohne konkrete Ergebnisse – die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses. In der neuen Wahlperiode setzte das Abgeordnetenhaus einen neuen PUA zur Aufklärung des Ban40

Einsetzungsantrag der SPD vom 07.03.2001, Abghs.-Drucks. 14/1054. Tagesspiegel vom 12.04.2001, S. 12. 42 Berliner Zeitung vom 17.02.2003, S. 1. 43 Berliner Zeitung vom 19.05.2001, S. 4, 21; Tagesspiegel vom 19.05.2001, S. 1, 8, 9. 44 Tagesspiegel vom 27.07.2001, S. 7. 45 Tagesspiegel vom 27.07.2001, S. 7. 46 Lautenschläger, taz Berlin vom 09.06.2001, S. 22. 41

A. Bedeutung des Untersuchungsthemas

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kenskandals ein, der im März 2002 seine Ermittlungstätigkeit aufnahm.47 Einige Ausschussmitglieder waren der Auffassung, die Geltendmachung eines Aussageverweigerungsrechts durch Zeugen müsse jedenfalls dann unzulässig sein, wenn es keine konkreten strafrechtlichen Ermittlungen gegen sie gebe, sondern diese lediglich für die Zukunft nicht auszuschließen seien. Sie forderten eine Gesetzesänderung, um das „Kartell des Schweigens“ zu beenden.48

VI. Berliner „Tempodrom-Untersuchungsausschuss“ Dieser im März 2004 eingesetzte PUA sollte klären, wie und unter wessen Beteiligung es möglich war, dass unter dem Deckmantel einer privaten Stiftung der überdimensionierte Bau des Tempodroms ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanziert wurde. Im Rahmen der parlamentarischen Untersuchung seien fehlende Kontrollen der Regierung und unzureichende Abstimmungen zwischen den Finanz- und Wirtschaftssenaten offenbar geworden und trotz der Finanzierungsprobleme des Bauprojekts sei auf der Grundlage eines mangelhaften Gutachtens ohne nähere Überprüfung eine Bürgschaft bewilligt worden. Es seien Auszahlungen aufgrund des Umweltförderprogramms erfolgt, obwohl wesentliche Förderbedingungen nicht vorgelegen hätten.49 Gegen den daraufhin zurückgetretenen ehemaligen Stadtentwicklungssenator Strieder, den Wirtschaftsstaatssekretär Strauch und den Finanzsenator Sarrazin leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue und des Verstoßes gegen die Verfassung sowie die LHO ein.50 Unter Hinweis auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft beriefen sich Peter Strieder51, Irene Moessinger und Norbert Waehl52 während ihrer Vernehmungen vor dem PUA auf ein Auskunftsverweigerungsrecht. Auch der ehemalige Stiftungsratsvorsitzende Rating verweigerte die Aussage vor dem PUA, obwohl die Staatsanwaltschaft nicht gegen ihn ermittelte.53 Die Ausschussmitglieder kritisierten die Aussageverweigerungen der Schlüsselfiguren in der Tempodromaffäre als „eine politische Unkultur“, zumal sogar zu unverfänglichen Inhalten keine Aus47 Einsetzungsantrag der SPD, CDU, PDS, FDP, Bündnis 90/Die Grünen vom 16.01.2002, Abghs.-Drucks. 15/100; Plenarprotokoll 15/4 vom 31.01.2002, S. 123, 198 C. 48 Tagesspiegel vom 27.07.2001, S. 7. 49 Anker, Die Welt vom 18.05.2004; ders., Berliner Morgenpost vom 17.08.2004. 50 Siehe taz Berlin vom 10./11.04.2004, S. 5; Berliner Morgenpost vom 17.08.2004. 51 Berliner Morgenpost vom 17.08.2004. 52 Anker, Die Welt vom 18.05.2004. 53 Anker, Die Welt vom 18.05.2004.

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Einführung

sagen gemacht würden.54 Sowohl Peter Strieder55 als auch der Bauunternehmer Roland Specker56 übten dagegen Kritik an den Vorverurteilungen des Ausschussvorsitzenden; Specker klagte sogar erfolgreich vor dem Landgericht auf Unterlassung57. Zudem kam die Justizverwaltung in den Verdacht, in unzulässiger Weise Einfluss auf die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft genommen zu haben. Es war ein Schreiben der Justizverwaltung an die Staatsanwaltschaft bekannt geworden, in dem die Justizverwaltung die Bewertung der Untreuevorwürfe durch die Staatsanwaltschaft gegen Regierungsmitglieder in Frage stellte.58

VII. Bremer Untersuchungsausschuss „Bau & Immobilien“ Der Abschlussbericht59 des Bremer Untersuchungsausschusses „Bau & Immobilien“ zeigt, wie uneinig sich die Fraktionen am Ende einer Untersuchung sein können. Mit Beschluss vom 14.03.2002 setzte die Bremische Bürgerschaft einen PUA mit dem Auftrag ein zu untersuchen, ob die Regierung in unzulässiger Weise bei Grundstückskäufen und -verkäufen, Bauaufträgen und Anmietungsentscheidungen Einfluss genommen oder Dritte in unzulässiger Weise bevorzugt und das Land Bremen hierdurch finanziell geschädigt habe. Der PUA sollte die Vorgänge aufklären, um Vorschläge für zukünftige Handlungsempfehlungen zu unterbreiten. Anlass für die Einsetzung waren Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen den früheren Abteilungsleiter des Senats für Bau, Verkehr und Stadtentwicklung, Prof. Zantke, und gegen vier weitere Beamte wegen des Verdachts der Vorteilsannahme sowie gegen Vertreter der Firma Zechbau wegen des Verdachts der Bestechung. Hintergrund der Ermittlungen waren der Verkauf des „Siemens-Hochhauses“ im Jahr 2000 und die Vergabe des „Investorengrundstücks Bahnhofsvorplatz“ im Jahr 2002 an das Unternehmen Zechbau. Gleichzeitig mietete die Stadtgemeinde Bremen das „Siemens-Hochhaus“ zu Behördenzwecken für 30 Jahre zu einem überhöhten Mietzins an. Der frühere Abteilungsleiter des Bausenats soll in die Vergabeentscheidungsprozesse involviert gewesen sein. Während die CDU- und SPD-Fraktionen in ihrem Mehrheitsvotum die Vermutungen aus dem Einsetzungsbeschluss als nicht bestätigt ansahen, weil dem Land Bremen trotz falscher Rechnungen 54 55 56 57 58 59

Anker, Die Welt vom 18.05.2004. Anker, Berliner Morgenpost vom 17.08.2004. Siehe taz Berlin vom 08.06.2004, S. 21. Thomsen, Berliner Zeitung vom 03.03.2005, S. 20. Berliner Morgenpost vom 17.08.2004. Abschlussbericht vom 11.02.2003, Drucks. 15/1372.

A. Bedeutung des Untersuchungsthemas

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und unzulässigem Verzicht auf eine Ausschreibung tatsächlich kein Schaden entstanden sei60, kam die Oppositionsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Minderheitsvotum zum gegenteiligen Ergebnis. Die Fraktion beklagte, dass sie es von Beginn an sehr schwer gehabt habe, sich gegen die große Koalition durchzusetzen. SPD und CDU hätten sich mit den Betroffenen und deren Anwälten, den betroffenen Senatsbehörden und privaten Bremer Gesellschaften zusammengeschlossen und versucht, Staatsanwaltschaft, Kriminalpolizei und die Oppositionsfraktion zu diffamieren.61 Beweise seien schwer zu erbringen gewesen. Teilweise habe die Staatsanwaltschaft bereits „gesäuberte“ Akten beschlagnahmt.62 Andere Akten gaben zwar Hinweise auf unzulässige Einflussnahmen bei Vergabeentscheidungen, die entscheidenden Zeugen verhinderten aber eine nähere Aufklärung der Geschehnisse, indem sie sich umfassend auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht beriefen.63 Von insgesamt 114 Zeugen verweigerten 7 Zeugen aufgrund staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren gemäß § 55 StPO die Aussage.64

VIII. Bayerischer Untersuchungsausschuss zur „Hohlmeier-Affäre“ Der bayerische Landtag setzte am 16.12.2004 einen PUA ein, der klären sollte, ob die Kultusministerin Monika Hohlmeier über den Wahlfälschungsskandal der Münchener CSU informiert war, gegebenenfalls ob sie diesen nicht verhinderte oder ihn sogar unterstützte. Zudem stand Monika Hohlmeier im Verdacht, Parteigeschäfte, Ministeramt und Privatangelegenheiten unzulässig miteinander vermischt zu haben. Die Kultusministerin soll eine Blindenschule, an der ihr Mann arbeitete, finanziell bevorzugt und Schulrektoren nach deren Parteibuch berufen, andere aufgrund kritischer Haltungen zur Politik willkürlich gemaßregelt haben.65 Anlass der 60 Abschlussbericht vom 11.02.2003, Drucks. 15/1372; Kahlcke, taz Bremen vom 29.01.2003, S. 21. 61 Journal – Nr. 12 – PUA spezial, März 2003, Zeitung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Bremischen Bürgerschaft. 62 Journal – Nr. 12 – PUA spezial, März 2003, Zeitung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Bremischen Bürgerschaft, Gastkommentar II von Kahlcke. 63 Journal – Nr. 12 – PUA spezial, März 2003, Zeitung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Bremischen Bürgerschaft, inklusive Gastkommentar II von Kahlcke; Kahlcke, taz Bremen vom 11.10.2002, S. 22; Kahlcke, taz Bremen vom 29.01.2003, S. 21. 64 Abschlussbericht vom 11.02.2003, Drucks. 15/1372; Kahlcke, taz Bremen vom 11.10.2002, S. 22. 65 Einsetzungsantrag vom 02.11.2004, Bayerische LT-Drucks. 15/1930; Einsetzungsbeschluss vom 16.12.2004, Bayerische LT-Drucks. 15/2432.

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Einsetzung waren im Februar 2003 publik gewordene Vorgänge zur Wahlmanipulation der Münchener CSU, die durch Geldzahlungen um neue Mitglieder warb, um durch die Neumitglieder das Wahlergebnis zu beeinflussen. In diesem Zusammenhang waren der ehemalige JU-Vorsitzende Graber und der frühere Stadtrat Baretti bereits zu hohen Geldstrafen verurteilt worden. Es bestand der Verdacht, dass die Kultusministerin schon früh von den gefälschten Mitgliedsanträgen und dem Stimmenkauf gewusst, aber nichts dagegen unternommen habe.66 Die CSU-Mehrheit im PUA hatte beschlossen, Monika Hohlmeier den Betroffenenstatus, der ihr die Rechte eines Beschuldigten im Strafverfahren gewährt, einzuräumen.67 Dem der CSU angehörenden PUA-Vorsitzenden wurde deshalb vorgeworfen, dass ihm offensichtlich wenig an einer Aufklärung gelegen sei.68 Die Kultusministerin berief sich jedoch nicht auf ihr Aussageverweigerungsrecht, sondern sie nutzte die Vernehmung, um sich gegen die Vorwürfe zu wehren. Sie sagte aus, von den Wahlfälschungen erst im Februar 2003 Kenntnis erlangt zu haben, räumte aber auch Fehler ein, weil sie Beschwerden und Anfragen des früheren Stadtrates Baretti nicht hinterfragt habe.69 Der Ausschuss stufte die Aussage von Monika Hohlmeier als wenig glaubhaft ein, weil vom PUA vernommene Staatsanwälte und der Vorsitzende der CSU-Stadtratsfraktion Podiuk aussagten, es habe Telefonate und Mitteilungen gegeben, die bestätigten, dass die Kultusministerin schon früher von den gefälschten Mitgliedsanträgen und den Mitgliedskäufen gewusst hatte.70

IX. Saarländischer „Bähr-Untersuchungsausschuss“ Der sog. Bähr-Untersuchungsausschuss, eingesetzt vom saarländischen Landtag am 21.02.200271, sollte aufklären, welche Nachteile dem Gebührenzahler bei der Abfallentsorgung seit 1992 durch vertragliche Gestaltungen zwischen dem KABV/Entsorgungsverband Saar (EVS) bzw. seinen Tochter- und Beteiligungsunternehmen durch Verträge mit Dritten entstanden sind und wer dafür verantwortlich ist. Außerdem sollte der PUA eine Empfehlung abgeben, welche Maßnahmen notwendig seien, um entstandene Schäden wieder gutzumachen bzw. um Nachteilen für die Gebührenzahler 66

SZ vom 08.04.2005, S. 34; SZ vom 30./31.07.2005, S. 1, 3. SZ vom 20.01.2005, S. 30; SZ vom 21.01.2005, S. 35. 68 SZ vom 20.01.2005, S. 30; SZ vom 21.01.2005, S. 35. 69 SZ vom 30./31.07.2005, S. 1, 3. 70 SZ vom 08.04.2005, S. 34; SZ vom 30./31.07.2005, S. 3. 71 Einsetzungsantrag der CDU vom 21.02.2002, LT-Drucks. 12/594; Plenarprotokoll 12/37 vom 27.02.2002, S. 1906–1915. 67

B. Gang der Untersuchung

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in Zukunft vorzubeugen. Parallel hierzu ermittelte die Staatsanwaltschaft u. a. gegen den früheren Chef des EVS Peter Bähr und den früheren Geschäftsführer der „Abfallwirtschaftsgesellschaft Saarbrücken“ (ASS) wegen des Verdachts der Untreue.72 Die Ermittlungen konzentrierten sich auf fingierte Rechnungen über nicht erbrachte Leistungen, unnötige Transportaufträge sowie Vermögensverschiebungen zu Lasten des EVS. Die Staatsanwaltschaft ermittelte ebenfalls gegen die frühere Saarbrücker Bürgermeisterin und Aufsichtsratsvorsitzende der ASS wegen des Verdachts der Bilanzfälschung, weil sie möglicherweise Kenntnis von den Scheinrechnungen und den falschen Angaben im ASS-Jahresabschluss für das Jahr 1998 gehabt hatte und auf ihre Anweisung die Bilanz um 250.000 DM gefälscht wurde.73 Bähr wehrte sich gegen die „Vorverurteilungen“ durch den PUA und wollte gerichtlich durchsetzen, dass der Ausschuss nicht mehr seinen Namen trägt.74 PUA-Mitglieder tauschten sich mit dem Betroffenen aus.75 Die CDU warf dem SPD-Obmann im PUA wegen freundschaftlicher Kontakte zu Bähr eine Solidarisierung vor, welche die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses hemme. Der SPD-Obmann habe sich beispielsweise vehement dafür eingesetzt, dass Bähr der Betroffenen-Status zukomme, der ihm zusätzliche Rechte einräume.76

B. Gang der Untersuchung Die soeben skizzierten Widrigkeiten in zahlreichen Untersuchungsausschüssen verdeutlichen die praktischen Schwierigkeiten, die aus dem Nebeneinander von Strafverfahren und PUV resultieren. Sie geben Anlass, die Abläufe beider Verfahren, die Rechte des Betroffenen und die Auswirkungen des Nebeneinanders für den Betroffenen näher zu analysieren. Die Untersuchung beschränkt sich auf die Fallkonstellationen, in denen sich die Ermittlungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses von Anfang an gegen eine konkrete Person richten oder sich im Lauf des Verfahrens herausstellt, dass gegen eine bestimmte Person Vorwürfe zu erheben sind, und gegen diesen „Betroffenen“ bereits vor oder während der parlamentarischen Untersuchung ein Strafverfahren eingeleitet wurde oder mit großer Wahr72

Der Spiegel vom 13.05.2002, Heft 20, S. 61. Mannheimer Morgen vom 29.06.2002, S. 5. 74 Saarländischer VerfGH, NVwZ-RR 2003, 393; Der Spiegel vom 13.05.2002, Heft 20, S. 61. 75 Plenarprotokoll 12/58 vom 08.10.2003, S. 2987, 2995. 76 Mitteilung der CDU-Saar vom 07.06.2002: Ist die SPD verlängerter Arm der Müll-Mafia?, abrufbar unter: http://www.cdu-saar.de/presse; Plenarprotokoll 12/58 vom 08.10.2003, S. 2987. 73

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Einführung

scheinlichkeit in naher Zukunft mit einer Einleitung eines Strafverfahrens zu rechnen ist. Das Nebeneinander beider Verfahren kann zu zahlreichen Konfliktsituationen führen. Um sie herauszuarbeiten, ist es erforderlich, im 1. Kapitel die Ermächtigungsgrundlage für die Beweiserhebungsmaßnahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses und die allgemeinen Grenzen des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts zu klären, damit die konkreten Ermittlungsbefugnisse eines Untersuchungsausschusses und deren Reichweite bestimmt werden können. Außerdem leiten die Grenzen des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts zum Folgeproblem der Zulässigkeit eines Nebeneinanders beider Verfahren im 2. Kapitel über. Die Untersuchung desselben Verfahrensgegenstandes durch einen PUA, der mit ähnlichen Ermittlungsbefugnissen wie ein Strafgericht ausgestattet ist, lässt zum einen befürchten, dass die vorherige öffentliche Bekanntgabe der Erkenntnisse eines Untersuchungsausschusses oder die Abfassung und Veröffentlichung des Abschlussberichts an das Parlament den Richter beeinflusst. Zum anderen erscheint es möglich, dass die Anforderung von Beweismitteln aus dem anderen Verfahren die Aufklärung in beiden Verfahren behindert und sie verzögert. Die Grundsätze der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit des Richters könnten daher dazu zwingen, das parlamentarische Beweiserhebungsrecht von Verfassungs wegen zu begrenzen oder das PUV bis zum Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen. Bestünde eine solche Aussetzungspflicht, so könnte ein späteres PUV, in welchem dem Betroffenen Mitwirkungspflichten auferlegt sind, keine selbstbelastenden Auswirkungen für den Betroffenen im Strafverfahren mehr haben. Erst wenn feststeht, dass eine Parallelität beider Verfahren zulässig ist, können die daraus folgenden konkreten Konfliktsituationen für den Betroffenen (3. Kapitel) und den PUA (4. Kapitel) untersucht werden. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die noch immer umstrittene Rechtsstellung des Betroffenen77 im PUV, insbesondere wenn gegen ihn zeitgleich ein Strafverfahren läuft oder ein solches zu erwarten ist. Für eine Beschuldigtenstellung des Betroffenen im PUV scheint zu sprechen, dass ein Fehlverhalten des Betroffenen – ähnlich wie im Strafverfahren – den Gegenstand des Untersuchungsverfahrens bildet. Während der parlamentarischen Ermittlungen 77

Für eine Beschuldigtenstellung: Kohlmann, JA 1984, 670, 672 f.; Müller-Boysen, Betroffener, 137 ff.; Robbers, JuS 1996, 116, 118, Schenke, JZ 1988, 805, 814 ff.; Wohlers, NVwZ 1994, 40, 42. Für eine Zeugenstellung: Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 47; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 208; Kudlich, L&L 2000, 141, 142; Magiera in: Sachs, GG, Art. 44, Rn. 23; Pabel, NJW 2000, 788, 790; differenzierend: Schröder in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 46, Rn. 38; Schröder, NJW 2000, 1455, 1457.

B. Gang der Untersuchung

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können Tatsachen zur Sprache kommen, die in einem laufenden oder zu erwartenden Strafverfahren zum Nachteil des Betroffenen verwendet werden oder ihn in der Öffentlichkeit in Misskredit bringen könnten. Gegen eine Übertragung der Beschuldigtenstellung auf das PUV kann jedoch ins Feld geführt werden, dass der PUA gegenüber dem Betroffenen – im Gegensatz zum Gericht – keine Freiheits- oder Geldstrafe durch Urteil verhängt. Die parlamentarische Aufklärung leidet zudem, wenn der Betroffene, der am besten über das Geschehen Bescheid weiß, sich im PUA wegen eines parallelen Ermittlungsverfahrens auf ein umfassendes Schweigerecht berufen darf. Das Interesse des Ausschusses an einer effektiven Aufklärung zur Wahrung der Demokratie könnte es rechtfertigen, den Betroffenen generell als Zeugen anzusehen, um dem PUA die weiter reichenden Ermittlungsbefugnisse einzuräumen. Jedoch ist das Schweigerecht des Beschuldigten eine Ausprägung des rechtsstaatlichen Grundsatzes, sich nicht selbst belasten zu müssen, den auch der PUA zu beachten haben könnte. Wäre der Betroffene Zeuge, so hätte er aufgrund des Verweises in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG auf das Strafprozessrecht grundsätzlich eine Erscheinens-, Aussage-, Wahrheits- und Eidespflicht. Nach § 95 Abs. 1 StPO träfe ihn darüber hinaus die Pflicht, in seinem Gewahrsam befindliche Gegenstände auf Erfordern des Ausschusses vorzulegen und auszuliefern. Gemäß § 70 StPO bzw. gemäß §§ 95 Abs. 2, 70 StPO könnte der PUA unter Umständen gegen den Betroffenen Ordnungsgeld und -haft sowie Beugehaft und im Fall des Nichterscheinens gemäß § 51 StPO Ordnungsgeld und -haft oder die zwangsweise Vorführung anordnen, sofern er ohne gesetzlichen Grund die Mitwirkung verweigert. Dem Zeugen steht zwar gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, § 55 StPO bzw. § 22 Abs. 2 PUAG i. V. m. § 29 Abs. 2 PUAG ein Auskunftsverweigerungsrecht über Tatsachen bzw. ein Herausgabeverweigerungsrecht für Gegenstände zu, wenn die Offenbarung bzw. Herausgabe ihn der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen würde. Teilweise wird aber behauptet, das nur beschränkte Auskunftsverweigerungsrecht gewähre dem Betroffenen keinen ausreichenden strafprozessualen Schutz, weil die Berufung darauf den Rückschluss erlaube, dass der Betroffene die Tat begangen habe.78 Ob der Betroffene sich durch die Geltendmachung des Auskunftsverweigerungsrechts tatsächlich faktisch selbst belastet und somit die Einräumung einer Beschuldigtenstellung geboten ist, bleibt zu klären. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG könnte zudem die Befugnis des Untersuchungsausschusses zur Beschlagnahme und Durchsuchung erfassen. Wäre dies der Fall, so stellt sich die Frage, ob der PUA auch beweisbedeutsame Gegenstände des Betroffenen, die dieser einer gemäß §§ 52, 53 StPO zeugnisver78 David, Verfassung Hamburg, Art. 25, Rn. 65; Jacobi, 34. DJT/II, 69, 82 f.; Rosenberg, 34. DJT/I, 3, 26; Schenke, JZ 1988, 807, 814.

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Einführung

weigerungsberechtigten Person übergeben hatte, beschlagnahmen darf. Vertretbar wäre einerseits der Standpunkt, dass § 97 StPO aufgrund seiner Schutzzwecke – nämlich das Vertrauensverhältnis zwischen diesen Personen und dem Beschuldigten zu schützen sowie die Umgehung des Zeugnisverweigerungsrechts zu verhindern79 – auch auf den Betroffenen im PUV anzuwenden sei, und zwar unabhängig von seiner möglichen Stellung als Zeuge. Andererseits wäre es aber auch denkbar, dass § 97 StPO aufgrund seines Wortlautes nur im PUV gilt, wenn der Betroffene Beschuldigter ist.80 Da der PUA einen Sachverhalt unter rein politischen Gesichtspunkten zur Stärkung des demokratischen Systems aufklären will, ohne gegenüber dem Verantwortlichen eine Strafe zu verhängen, könnten Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens gegen eine Übertragung des § 97 Abs. 1 StPO auf das PUV sprechen. Ein daraus eventuell resultierender Konflikt mit einem Strafverfahren, in dem die belastenden Unterlagen des Betroffenen, die sich im Gewahrsam der zeugnisverweigerungsberechtigten Personen befinden, grundsätzlich einem Beschlagnahmeverbot unterfallen, wäre dann auf andere Weise zu bewältigen. Im 4. Kapitel werden die Nachteile, die für den PUA aus dem Nebeneinander von Strafverfahren und PUV resultieren, erörtert. Hierbei ist – unter Berücksichtigung der im 3. Kapitel gefundenen Erkenntnisse – vor allem auf die Folgen der Geltendmachung von Aussageverweigerungsrechten für die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses einzugehen. Ein weiteres Informationsdefizit könnte dem PUA im Bereich der Telekommunikation und des Briefverkehrs durch Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG entstehen, weil dieser dem PUA Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bei der parlamentarischen Beweiserhebung verbietet. Zu klären ist deshalb, ob Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis schrankenlos im PUV gewährleistet oder einen bloßen Hinweis auf das Grundrecht aus Art. 10 GG und dessen einfachen Gesetzesvorbehalt gibt. Wäre Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG als absolutes Verbot zu verstehen, bliebe zu prüfen, ob und wie ein Aufklärungsdefizit im PUV auszugleichen ist.

79 80

Lemke in: HK, StPO, § 97, Rn. 1; Nack in: KK, StPO, § 97, Rn. 1. So BVerfG, NVwZ 1994, 54, 55; i. E. ebenso Robbers, JuS 1996, 116, 118.

1. Kapitel

Grundlagen, Umfang und Grenzen des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts Um die Rechte und Pflichten des von einer parlamentarischen Untersuchung Betroffenen und die einzelnen Beweiserhebungsbefugnisse im PUV konkret bestimmen zu können, müssen zunächst anhand des Aufgabenbereiches und des Sinns und Zwecks parlamentarischer Untersuchungsausschüsse das Fundament der Beweiserhebung im PUV sowie die allgemeinen Grenzen der Beweiserhebung ermittelt werden.

A. Rechtsgrundlagen für die Beweiserhebung durch den PUA I. Regelungen auf Bundesebene 1. Das bundesrechtliche PUAG Der Forderung, ein Gesetz zu schaffen, das anders als die pauschale Regelung in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG die Befugnisse des Untersuchungsausschusses sowie die Rechte und Pflichten der Verfahrensbeteiligten und Auskunftspersonen konkret ausgestalten sollte, ist der Bundestag mit dem am 19.06.2001 verabschiedeten Untersuchungsausschussgesetz (PUAG)1 nachgekommen. Zuvor existierte – außer dem pauschalen Verweis auf die Normen des Strafprozesses in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG – lediglich ein Entwurf der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft (IPA) vom 14.05.1969, der nicht in das Gesetzgebungsverfahren gelangt ist und damit – wie die Geschäftsordnung des Bundestages (GO-BT), die das interne Verfahren des parlamentarischen Untersuchungsrechts, z. B. die Organisation, den Arbeitsplan u. a. regelt – bloßes parlamentarisches Innenrecht darstellt, also keine Auswirkungen auf das Außenverhältnis von PUA und Bürger hatte2. 1 BGBl. I, S. 1142 ff. verkündet am 25.06.2001 und gemäß Art. 3 am 26.06.2001 in Kraft getreten; BT-Drucks. 14/5790. 2 BT-Drucks. 5/4209; Hamm, ZRP 2002, 11, 12; Schröder, NJW 2000, 1455, 1456; Wiefelspütz, ZRP 2002, 14, 15.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

2. Unveränderte Fortgeltung des Art. 44 GG und deren Konsequenzen Allerdings unterließ es der Gesetzgeber, den pauschalen Verweis auf die sinngemäße Anwendung der Regelungen des Strafprozesses in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG aufzuheben. Dies hat Auswirkungen auf die einfachgesetzlichen Regelungen des PUAG. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, der gegenüber dem PUAG höherrangiges Recht darstellt, regelt nämlich mit der Verweisung auf die sinngemäße Geltung des Strafprozesses von Verfassungs wegen die Rechte eines Untersuchungsausschusses des Bundestages bei der Beweiserhebung in Anlehnung an den Strafprozess erschöpfend. Daher muss jede Regelung des einfachen Bundesrechts über die Beweiserhebungsbefugnisse und -beschränkungen des Untersuchungsausschusses auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG überprüft werden, d.h., die Vorschriften des PUAG dürfen nicht im Widerspruch zu den über Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG sinngemäß in Bezug genommenen Regelungen des Strafprozesses stehen.3 Da aber nur die Rechtsprechung, nicht dagegen die Legislative, die Verfassung verbindlich auslegt und die Vereinbarkeit einfachgesetzlicher Regelungen mit der Verfassung überprüft, ist das PUAG nur ein Interpretationsversuch des Bundestages, welche strafprozessualen Regelungen „sinngemäß“ auf das PUV zu übertragen sind.4 Darüber war sich auch der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung bei den Beratungen zum PUAG im Klaren. Dem Plenarprotokoll ist zu entnehmen, dass der Wahlprüfungsausschuss „vor dem Hintergrund der weiterhin von Art. 44 GG angeordneten sinngemäßen Anwendung der Regelungen des Strafprozesses eine über die Regelungen des Untersuchungsausschussgesetzes hinausgehende Anerkennung von Rechten für Zeugen in bestimmten Sonderkonstellationen durch die Rechtsprechung nicht ausschließen könne“.5 Das PUAG kann und soll damit das parlamentarische Untersuchungsrecht nicht abschließend regeln.6 Die Zulässigkeit konkreter Maßnahmen zur Beweiserhebung im PUV ist daher weiterhin nach Maßgabe der in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG angeordneten sinngemäßen Anwendbarkeit der Regelungen des Strafprozesses zu bestimmen.7 3 Groß, ZRP 2002, 91; Hamm, ZRP 2002, 11; Hermanns/Hülsmann, JA 2003, 573, 576; Jung, Richter II-FS, 267, 272; Löwer, Protokoll G 32/27; Seidel, BayVBl. 2002, 97, 98; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 35, 75; Wiefelspütz, ZRP 2002 14, 17. 4 Hamm, ZRP 2002, 11; Klein, FAZ vom 28.5.2001, S. 10; Löwer, Protokoll G 32/27; Plöd, Die Stellung des Zeugen, 189; Schulte, Jura 2003, 505, 508; Seidel, BayVBl. 2002, 97, 98; Wiefelspütz, ZRP 2002, 14, 17; a. A.: wohl Rixen, JZ 2002, 435, 436 Fn. 11. 5 BT-Plenarprotokoll 14/165 vom 6.4.2001, S. 16148. 6 Mager, Der Staat 2002, 597, 602, Fn. 34; Schulte, Jura 2003, 505, 508.

A. Rechtsgrundlagen für die Beweiserhebung durch den PUA

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Es kann dahinstehen, ob erst Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG8 oder schon Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG9 die Rechtsgrundlage für die parlamentarische Beweiserhebung darstellt, denn selbst wenn Art. 44 Abs. 1 GG die Befugnis zur Beweiserhebung enthielte, kann die Beweiserhebungsbefugnis nicht losgelöst von Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, sondern nur im Zusammenhang mit ihm gesehen werden, da der Vorschrift zumindest befugnisbegrenzende Wirkung zukommt10. Damit ist nach allen Auffassungen für die Anwendbarkeit und den Umfang der strafprozessualen Befugnisnormen im PUV Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG maßgeblich. Die Regelung stellt durch den Verweis auf den Strafprozess klar, wie die Beweiserhebung unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ausgestaltet sein soll. Dieser Verweis erfasst in erster Linie die Regelungen der StPO und des GVG in ihren jeweils aktuellen Fassungen11, gibt dem PUA damit eine Richtlinie für die Verfahrensgestaltung und räumt ihm Rechte zur Beibringung der für die Erfüllung des Untersuchungsauftrages notwendigen Beweismittel ein12, dient aber auch der Wahrung der Rechte des Betroffenen, indem er die Anordnung bestimmter Maßnahmen dem Richter vorbehält und dem Betroffenen die Schutzrechte der StPO vor Selbstbelastung sowie verbotenen Vernehmungsmethoden gewährt13. Somit muss nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG für jede strafprozessuale Beweiserhebungsermächtigung geprüft werden, ob sie sinngemäß bei der Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses Anwendung finden darf.

II. Regelungen auf Landesebene In den meisten Bundesländern existieren Untersuchungsausschussgesetze (UAG), die zum Teil selbstständig die Befugnisse des Untersuchungsaus7

Glauben/Brocker, PUA, § 3, Rn. 25; Hamm, ZRP 2002, 11; Rogall, Protokoll G 32/104; Schröder, Protokoll G 32/52. 8 Lesch, NJW 2000, 3035, 3036; Stern, AöR 109 (1984), 199, 217 f. 9 BVerfGE 67, 100, 128, 133; 76, 363, 383, 385 ff.; Berthy in: Damkowski, Untersuchungsausschuss, 32; Di Fabio, Rechtsschutz, 46; Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 41, 44; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 206; Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 218; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 212 f., 273 f.; Pabel, NJW 2000, 788, 789. 10 BVerfGE 76, 363, 382, 383; 77, 1, 48, 50 f. 11 BVerfGE 76, 363, 383, 385 ff.; Groß, ZRP 2002, 91; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44., Rn. 29, 168; Lesch, NJW 2000, 3035, 3037; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Hopfauf, GG, Art. 44, Rn. 6. 12 BVerfGE 76, 363, 382; Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 46; Güther/Seiler, NStZ 1993, 305, 307. 13 BVerfGE 77, 1, 51; Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 41, 46; Pabel, NJW 2000, 788, 789.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

schusses regeln14, zum Teil auf die jeweilige strafprozessuale Regelung verweisen15. Hessen und Niedersachsen haben dagegen kein UAG verabschiedet, sondern Art. 92 Verf. Hessen ordnet – ähnlich wie Art. 44 GG – an, dass die Vorschriften der StPO sinngemäß gelten und das Postgeheimnis bei der Beweiserhebung unberührt bleibt.16 Nach § 18 GO LT Nds. muss der niedersächsische Landtag das Verfahren jedes eingesetzten parlamentarischen Untersuchungsausschusses durch eine Geschäftsordnung regeln. Die UAG der übrigen Länder mit eigenen Verfahrensvorschriften zum parlamentarischen Untersuchungsrecht regeln selbst die Beweisaufnahme, die Zeugenvernehmung und den Zeugniszwang sowie die Belehrung über die Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte. Die Normen sind inhaltlich im Wesentlichen an §§ 52, 53, 53a, 55, 56, 57, 58, 70, 76, 244 StPO angelehnt. Sie erweitern das Auskunftsverweigerungsrecht, wenn dem Zeugen durch seine Aussage die Gefahr einer Minister-, Richter- oder Abgeordnetenanklage droht.17 Teilweise sehen die landesrechtlichen Regelungen ein Auskunftsverweigerungsrecht auch für den Fall vor, dass die Beantwortung der Frage der Auskunftsperson oder deren Angehörigen im Sinne von § 52 StPO zur Unehre gereichen oder schwerwiegende Nachteile bringen würde.18 § 17 S. 3 UAG Bbg. stellt klar, dass die Erscheinenspflicht nicht mit der Landesgrenze endet, also auch die Zeugen trifft, die ihren Wohnsitz nicht im Land Brandenburg haben, aber eine persönliche, sachliche und räumliche Beziehung zum Untersuchungsgegenstand besitzen. Vergleichbare Regelungen existieren in den anderen Landesgesetzen indessen nicht. Unterschiedliche Regelungen finden sich zur Rechtsstellung der Aussagepersonen. Einige UAG unterscheiden ausdrücklich zwischen Zeugen und Betroffenen19 und gewähren teilweise dem Betroffenen Beschuldigten14 Vgl. zur Ermächtigungsnorm: Art. 35 Abs. 4 Verf. BW; Art. 48 Abs. 6 Verf. Berlin; Art. 72 Abs. 5 Verf. Bbg.; Art. 34 Abs. 7 Verf. MVP; Art. 72 Abs. 6 Verf. Nds.; Art. 41 Abs. 1 S. 5 Verf. NRW; Art. 54 Abs. 6 Verf. Sachsen; Art. 54 Abs. 8 Verf. SA; Art. 18 Abs. 6 Verf. Schleswig-Holstein; Art. 64 Abs. 7 Verf. Thüringen. 15 Art. 11 Abs. 1 S. 2 UAG Bayern (Anlage 5 der GO LT); Art. 26 Abs. 3 Verf. Hamburg und § 17 Abs. 4 S. 1 UAG Hamburg; Art. 91 Abs. 4 Verf. RheinlandPfalz; § 11 Abs. 4 UAG Schleswig-Holstein. 16 Art. 92 Verf. Hessen. 17 § 19 Abs. 2 UAG Bbg. gewährt ein Auskunftsverweigerungsrecht bei Gefahr einer Ministeranklage; § 26 UAG MVP; § 17 Abs. 2 UAG BW und § 17 Abs. 2 UAG Sachsen räumen es auch bei Gefahr einer Abgeordnetenanklage ein; § 16 Abs. 3 S. 2 UAG Rheinland-Pfalz und § 16 Abs. 3 S. 2 UAG Thüringen erstrecken das Auskunftsverweigerungsrecht zudem auf die Gefahr einer Abgeordneten-, Minister- und Richteranklage gegen den Zeugen oder seine Angehörigen im Sinne von § 52 StPO und die Gefahr schwerer Nachteile für diese. 18 § 12 Abs. 2 UAG Berlin; § 18 Abs. 2 UAG SA.

A. Rechtsgrundlagen für die Beweiserhebung durch den PUA

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rechte20, andere behandeln – wie das PUAG – alle Aussagepersonen gleich und räumen keine Beschuldigtenrechte ein21. Die meisten Landesuntersuchungsausschussgesetze regeln zudem die Pflicht der Behörden, die vom PUA angeforderten Akten vorzulegen sowie dem Ersuchen um Erteilung der erforderlichen Aussagegenehmigungen nachzukommen. Die Pflicht entfällt regelmäßig, wenn dem PUA offensichtlich die räumliche, sachliche oder zeitliche Untersuchungskompetenz fehlt oder wenn die mitzuteilenden Informationen Geheimhaltungsvorschriften unterliegen und der PUA keine ausreichenden Schutzvorkehrungen getroffen hat. In Baden-Württemberg ist das Recht der Behörden, die Aktenvorlage, die Auskunftserteilung und die Aussagegenehmigung zu verweigern, enger gefasst. § 14 Abs. 2 UAG BW beschränkt das Verweigerungsrecht auf Fälle, in denen dies aus Gründen der Sicherheit des Staates geboten erscheint oder ein Widerspruch zu anderen Landesgesetzen besteht. Nahezu alle UAG bestimmen, dass eine Vereidigung von Zeugen nur erfolgen soll, wenn die Tatsachen für die Sachverhaltsaufklärung von Bedeutung sind oder die Vereidigung für die Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage geboten erscheint. Abzusehen ist von der Vereidigung, wenn die Person zur Zeit der Vernehmung noch nicht das 16. Lebensjahr vollendet hat, nicht die genügende Verstandesreife besitzt oder der Verdacht einer Beteiligung des Zeugen an einer Straftat besteht.22 Die Regelung entspricht inhaltlich den §§ 59, 60 StPO n. F. § 18 UAG BW und Art. 16 Abs. 4 UAG Bayern untersagen die Vereidigung darüber hinaus, wenn für den Zeugen die Gefahr einer Abgeordneten-, Minister- oder Richteranklage besteht. Nach § 20 UAG Thüringen ist von der Vereidigung des Zeugen auch abzusehen, wenn dieser Betroffener ist. § 12 Abs. 3 UAG Berlin schließt die Vereidigung außerdem für den Fall aus, dass der Zeuge trotz eines ihm wegen der Gefahr einer Ehrverletzung oder schwerer Nachteile zustehenden Auskunftsverweigerungsrechts aussagt. Zur Erhebung weiterer für die Erfüllung des Untersuchungsauftrages notwendiger Beweismittel räumen die UAG dem PUA die Möglichkeit ein, durch seinen Vorsitzenden beim zuständigen Gericht die Anordnung einer Beschlagnahme und Durchsuchung beantragen zu lassen. Zur Durchführung 19 Art. 13 Abs. 2 UAG Bayern, § 19 Abs. 1, 3, 6 UAG BW; § 19 UAG Hamburg; § 15 Abs. 1 UAG Rheinland-Pfalz; § 54 Abs. 1 Saarländisches LT-Gesetz, § 19 Abs. 1, 3, 6 UAG Sachsen; § 18 Abs. 1, 3 UAG Schleswig-Holstein; § 15 Abs. 1, 3, 4, 5 UAG Thüringen. 20 Art. 13 Abs. 2 UAG Bayern, § 18 Abs. 3 UAG Schleswig-Holstein. 21 UAG Berlin, Bbg., Bremen, MVP, NRW, SA. 22 § 18 UAG BW; § 12 Abs. 3 UAG Berlin; § 22 Abs. 2 UAG Bbg.; § 22 UAG SA; § 20 Abs. 2, 4 UAG Thüringen.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

der Anordnung einer Beschlagnahme und Durchsuchung verweisen die Landesgesetze regelmäßig auf den 8. Abschnitt des ersten Buches der StPO. Im Übrigen weisen sie alle ausdrücklich auf die Unantastbarkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses hin.23 Dieser Überblick zeigt, dass die UAG der Bundesländer die Rechtsstellung des Betroffenen und die daraus resultierenden Konsequenzen für die Aussageverweigerungsrechte, die Mitwirkungsrechte des Betroffenen und die Vereidigung nicht einheitlich regeln, eine Klärung dieser Probleme also nicht festzustellen ist.

B. Terminologische Grundlagen Maßgebend für das parlamentarische Beweiserhebungsrecht eines vom Bundestag eingesetzten Untersuchungsausschusses ist – wie dargelegt24 – die Befugnisnorm des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, nach der die Vorschriften des Strafprozesses sinngemäß zur Anwendung kommen sollen. Entsprechendes gilt für die Bundesländer Hessen, Schleswig-Holstein, Bayern und Bremen, die ebenfalls in ihrer Landesverfassung auf die Vorschriften des Strafprozesses verweisen.25 Da dem Begriff „sinngemäß“ nicht eindeutig zu entnehmen ist, ob alle strafprozessualen Normen analog im PUV gelten oder – gegebenenfalls modifiziert – nur diejenigen, die dem Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens entsprechen, und auch der Terminus „Beweiserhebung“ einem engen oder einem weiten Verständnis zugänglich ist, bedarf es zunächst der Klärung, in welchem Sinn Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG die Begriffe verwendet, um anschließend Inhalt und Reichweite der Beweiserhebungsbefugnisse bestimmen zu können.

I. „Beweiserhebung“ Bei der Auslegung des Begriffs „Beweiserhebung“ ist umstritten, ob er den Prozess der Beweisbeschaffung außerhalb der öffentlichen Verhandlung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses und die Beweissicherung miterfasst oder sich nur auf die Beweisaufnahme in der öffentlichen Verhandlung beschränkt. Bei einem weiten Verständnis hätte der PUA nach 23 § 16 Abs. 4, 5 UAG BW; § 13 Abs. 1 UAG Berlin; § 23 UAG Bbg.; § 11 Abs. 4 UAG Bremen; §§ 17 Abs. 4 S. 2, 18 Abs. 6 S. 2 UAG Hamburg; § 23 UAG Rheinland-Pfalz; § 51 Abs. 4 Saarländisches LT-Gesetz; § 25 UAG SA; § 16 Abs. 3 UAG Schleswig-Holstein; § 23 UAG Thüringen. 24 1. Kapitel, A. I. 2. 25 Art. 25 Abs. 2 Verf. Bayern, Art. 105 Abs. 2 Verf. Bremen; Art. 92 Verf. Hessen, Art. 15 Abs. 2 Verf. Schleswig-Holstein.

B. Terminologische Grundlagen

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Maßgabe des Strafverfahrensrechts auch die Befugnisse der Beweissicherung und -beschaffung außerhalb der öffentlichen Verhandlung. Außerdem muss die „Beweiserhebung“ von der „Beweisverwertung“ abgegrenzt werden, um die Reichweite des Hinweises auf Art. 10 GG in Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG, der nach h. M. absolut, d.h. ohne Einschränkungsvorbehalt zu verstehen ist26, bestimmen zu können. 1. Einbeziehung der Beweissicherung und -beschaffung außerhalb der öffentlichen Verhandlung Eine Auffassung beschränkt die „Beweiserhebung“ auf den Prozess der Beweisaufnahme in der öffentlichen Verhandlung im Sinne des § 244 StPO.27 Diese Beschränkung wird damit begründet, dass der PUA als Hilfsorgan des Parlaments nach außen wirkende staatliche Zwangsmaßnahmen ausüben dürfe, die sonst lediglich Gerichten oder besonderen Behörden, aber grundsätzlich keinem Legislativorgan zustünden. Nur ausnahmsweise seien die hoheitlichen Mittel also über Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG einem Legislativorgan zur Erfüllung einer für die Demokratie bedeutsamen Aufgabe gewährt. Wegen dieses Ausnahmecharakters sei die Vorschrift eng auszulegen. Die Systematik des Art. 44 GG streitet jedenfalls für eine enge Auslegung der Beweiserhebung. Weil Art. 44 Abs. 1 GG bestimmt, dass der PUA in öffentlicher Verhandlung Beweise erhebt, legt das den Schluss nahe, die Beweiserhebung in Abs. 2 nehme auf den Begriff in Abs. 1 Bezug. Bei diesem Verständnis wäre Art. 44 Abs. 2 GG auf die in öffentlicher Verhandlung stattfindende Beweiserhebung beschränkt. Der Begriff der Beweiserhebung wäre dann zu verstehen wie in § 244 Abs. 2 StPO. Die h. M.28 gelangt unter Berufung auf Sinn und Zweck des Art. 44 Abs. 2 GG dagegen zu einem umfassenderen Verständnis der Beweiserhebung. Der Verweis auf das Strafprozessrecht übertrage dem PUA zur Informationsverschaffung ein Aufklärungsinstrumentarium, das es ihm ermögliche, den Untersuchungsauftrag erfüllen zu können. Der Begriff der „Be26

Dazu näher im 4. Kapitel, 2. Abschnitt, A. I. 2. Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 172; Partsch, 45. DJT/I, 70 ff.; Rosenberg, 34. DJT/I, 3, 19; Schröder, ZParl 1984, 473, 477; Stern, AöR 109 (1984), 199, 243. 28 BVerfGE 67, 100, 128 ff.; 77, 1, 48 f.; BVerfG, Beschluss vom 14.12.2001, Az.: 2 BvR 1565/94, 2 BvR 173/95; BezG Schwerin, NVwZ 1994, 95; Cordes, Untersuchungsausschüsse, 98; David, Verfassung Hamburg, Art. 25, Rn. 56 ff.; Hermanns/Hülsmann, JA 2003, 573, 576; Köhler, Grenzen des PUR, 161; Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 114 ff.; Magiera in: Sachs, GG, Art. 44, Rn. 22; v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schulte, Bonner GG, Art. 44, Rn. 117; Schachtel, Verfahren der Untersuchungsausschüsse, 38; Schleich, UntersuchungsR, 22, 26; Vogt, Kollision, 77. 27

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

weiserhebung“ könne daher nicht nur die eigentliche Beweisaufnahme meinen, sondern müsse alle Prozesse der Beweisverschaffung und Beweissicherung umfassen. Das BVerfG plädierte in seiner Entscheidung zum PUA „Neue Heimat“ für eine weite Auslegung und begründete dies mit dem Wortlaut und der Systematik der StPO. Während die §§ 201, 202, 244 Abs. 3 StPO die Beweiserhebung meinten, verwende § 244 Abs. 1, 2 StPO für die Einführung des Beweismittels in die Hauptverhandlung den engen Begriff der „Beweisaufnahme“.29 Die Auslegung des Begriffs kann sich wegen der Strukturähnlichkeit des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens mit dem Strafprozess am Strafverfahrensrecht orientieren. Zwar unterscheidet die StPO, z. B. in den §§ 201, 202, 160 StPO, zwischen Beweiserhebung und Beweissicherung. § 160 Abs. 2 StPO stellt aber klar, dass die Beweissicherung Teil der Beweiserhebung ist, wenn der Verlust von Beweisen zu besorgen ist30. Ferner zeigt § 163a Abs. 2 StPO, dass auch außerhalb der Hauptverhandlung Beweiserhebungen erfolgen können. §§ 201, 202 StPO, die für das Stadium des Zwischenverfahrens gelten, sehen ebenfalls bereits in diesem Verfahrensstadium die Möglichkeit von Beweiserhebungen vor. Daher kann der Begriff der Beweiserhebung nach dem Sprachgebrauch des Gesetzes nicht allein auf die öffentliche Hauptverhandlung beschränkt sein. Zwar verwendet § 244 Abs. 3 StPO den Begriff der „Beweiserhebung“, jedoch ist die Erhebung von Beweisen in der öffentlichen Hauptverhandlung gemäß § 244 StPO als „Beweisaufnahme“ bezeichnet. Obwohl die StPO das Beweisverfahren also zweistufig regelt, ist dennoch das gesamte Strafverfahren ein einheitliches Beweisverfahren, das die Beschaffung verfahrensrelevanter Informationen zum Ziel hat. Jede Sachverhaltserforschung zu Strafverfolgungszwecken ist – unabhängig davon, ob sie als Informationserhebung im Ermittlungsverfahren oder als förmliche Beweiserhebung in der Hauptverhandlung erfolgt – beweisgeleitet und somit Beweiserhebung.31 Da auch die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren von Gesetzes wegen Beweise erheben kann, ist der Begriff „Beweiserhebung“ weit zu verstehen und nicht auf die Hauptverhandlung zu beschränken. Bei Auslegung anhand von Sinn und Zweck des Art. 44 Abs. 2 GG, des Wortlauts und der systematischen Anordnung der Regelungen in der StPO sprechen die besseren Argumente dafür, den Begriff der „Beweiserhebung“ in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG weit auszulegen, so dass er sowohl die Verschaffung von Beweismitteln außerhalb und während der öffentlichen Verhandlung als auch die Sicherung von Beweismitteln erfasst. 29

BVerfGE 77, 1, 49. Meyer-Goßner, StPO, § 160, Rn. 15; Nagel, Verwertung, 187. 31 Nagel, Verwertung, 46, Fn. 121, 175, 176 f.; Rogall, Beweisverbote, 145, Fn. 202; Störmer, Jura 1994, 393, 394, Fn. 28. 30

B. Terminologische Grundlagen

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2. Abgrenzung von Beweiserhebung und Beweisverwertung Die Abgrenzung der Beweiserhebung von der Beweisverwertung ist nötig, um die Reichweite des Art. 44 Abs. 2 S. 1, 2 GG bestimmen zu können. Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG, der sich auf Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG bezieht, untersagt nach h. M. jegliche Eingriffe in Art. 10 GG – unabhängig vom Gesetzesvorbehalt des Art. 10 Abs. 2 GG – durch die Beweiserhebung, statuiert also ein absolutes Beweiserhebungsverbot.32 Nun wäre es aber möglich, dass der PUA selbst den Beweis nicht unter Verletzung des Art. 10 GG erhebt, sondern erst die Verwendung des Beweismittels im PUV das Grundrecht aus Art. 10 GG verletzt. Eine solche Fallkonstellation liegt beispielsweise vor, wenn staatliche Organe in einem anderen Verfahren oder Privatpersonen unter Eingriff in Art. 10 GG Beweismittel gewinnen, die der PUA anschließend im Untersuchungsverfahren verwendet. Ist jede weitere Verwendung des Beweismittels im PUV schon eine Beweisverwertung, wäre Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG nach seinem Wortlaut und seiner Systematik nicht einschlägig, da er sich nur auf die Beweiserhebung bezieht. Es bedarf daher der Klärung, wie die Beweiserhebung von der Beweisverwertung abzugrenzen ist. Wegen des Bezugs des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG auf den Strafprozess und der verfahrensrechtlichen Strukturähnlichkeit mit dem Strafverfahren muss sich die Abgrenzung im PUV wiederum nach der im Strafverfahren richten. a) Allgemeiner Sprachgebrauch Auch im Strafverfahren stößt die terminologische Abgrenzung von Beweiserhebung und -verwertung auf Schwierigkeiten, die in den Regelungen der StPO begründet liegen. Die StPO bindet das Beweisrecht eng an die (Streng-)Beweiserhebung in der Hauptverhandlung, so dass eine Beweisverwertung erst im Anschluss an die Beweisaufnahme mit der Beweiswürdigung beginnen würde. Jedoch ermittelt bereits die Staatsanwaltschaft zum Zweck der Strafverfolgung Informationen, an die weitere belastende Maßnahmen als Verwertungsakte anknüpfen könnten. Die im Ermittlungsverfahren gewonnenen Beweismittel sind zudem austauschbar, beispielsweise kann aus einem Sachbeweismittel im Ermittlungsverfahren ein Personalbeweismittel werden, indem der die Ermittlungsmaßnahme durchführende Beamte in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen wird, oder ein Personalbeweismittel kann sich zum Urkundsbeweis wandeln, indem ein Vernehmungsprotokoll der Staatsanwaltschaft über eine Zeugenaussage in die Hauptverhandlung eingeführt wird. 32

Siehe ausführlich 4. Kapitel, 2. Abschnitt, A. I. 2. b).

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

Überwiegend wird nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter einer Beweiserhebung das Ausforschen und Ermitteln eines Sachverhaltes durch ein gezieltes Verschaffen von Informationen verstanden.33 Wie bereits festgestellt, erfasst der Begriff die planmäßige Suche der Strafverfolgungsbehörden nach Beweismitteln und deren tatsächliche Erlangung34 sowohl außerhalb als auch während der öffentlichen Verhandlung – z. B. durch Augenscheinseinnahme oder Zeugenvernehmung –, um die Beweismittel zur Gewinnung eines Beweisergebnisses zu verwenden35. „Beweisverwertung“ ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein Vorgang, durch den die staatlichen Organe eine Beziehung zwischen dem Beweismittel und der vom Verfahren beabsichtigten Rechtsverwirklichung herstellen. Sie verwenden das Beweismittel für einen konkreten Verfahrenszweck.36 Das setzt zwangsläufig voraus, dass die Strafverfolgungsbehörden ein Beweismittel erlangt haben, das sie im weiteren Verfahrensverlauf nutzen können. Die Beweiserhebung geht also grundsätzlich der Beweisverwertung voraus.37 Ein solches Verständnis sagt aber noch nichts darüber aus, ab welchem Zeitpunkt nach Erlangung des Beweismittels der Prozess der „Beweisverwertung“ beginnt. Einerseits könnte entsprechend der §§ 244, 261 StPO, die das förmliche Beweisverfahren regeln, die Beweisverwertung die Berücksichtigung des Beweismittels bei der Beweiswürdigung und tatrichterlichen Urteilsfindung, die im Anschluss an die Beweismittelerlangung durch die gerichtliche Beweisaufnahme erfolgen, sein.38 Andererseits wäre es auch denkbar, bereits vor bzw. mit der Hauptverhandlung den Prozess der Beweisverwertung beginnen zu lassen. Wird der Beweiserhebung nämlich ein weites Verständnis zu Grunde gelegt, d.h., stellt schon die erstmalige Beschaffung von Informationen durch die Staatsanwaltschaft im konkreten Ermittlungsverfahren zum Zweck der Strafverfolgung eine Beweiserhebung dar, kann jede Benutzung dieses Beweismittels für belastende strafprozessuale Maßnahmen – unabhängig vom Verfahrensstadium – Beweisverwertung sein und nicht erst die Berücksichtigung bei 33 Beckemper/Wegner, JA 2003, 510, 511; Gössel, GA 1991, 483, 484; Joerden, Jura 1990, 633, 642; Rogall, JZ 1996, 944, 948; Störmer, Jura 1994, 393, 394. 34 Schleich, UntersuchungsR, 22; Störmer, Jura 1994, 393, 394. 35 Beckemper/Wegner, JA 2003, 510, 511; Meyer-Goßner, StPO, Einl., Rn. 48. 36 Nagel, Verwertung, 52; ähnlich Rogall, JZ 1996, 944, 948; ders., Beweisverbote, 145. 37 Nagel, Verwertung, 184; Reinecke, Fernwirkung, 40, 41. 38 Baumann, GA 1959, 33, 42 f.; Beulke, StrafprozessR, Rn. 455; Gössel, GA 1991, 483, 484; Meyer-Goßner, StPO, Einl., Rn. 55; Pfeiffer, StPO, Einl., Rn. 14; Sax, JZ 1965, 1, 5; wohl auch Senge in: KK, StPO, vor § 48, Rn. 27.

B. Terminologische Grundlagen

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der Beweiswürdigung und Urteilsfindung.39 Eine Beweisverwertung läge damit noch nicht vor, wenn den Strafverfolgungsbehörden ein Beweismittel zur Kenntnis gelangt. Erst in dem Moment, in dem sie vom Inhalt des Beweismittels Kenntnis nehmen, um es einer belastenden Maßnahme zur Strafverfolgung zu Grunde zu legen40, bzw. in dem sie das Beweismittel nach der Kenntnisnahme von seinem Inhalt handlungsleitend zum Verfahrenszweck bei der Durchführung einer belastenden Ermittlungsmaßnahme einsetzen41, würden die Strafverfolgungsbehörden das Beweismittel verwerten. Für die erste Auslegung spricht zumindest der Wortlaut der §§ 244, 261 StPO sowie der §§ 241 Abs. 2 S. 1, 245 Abs. 1 S. 2, 246 Abs. 1, 2 StPO, welche die Beweiserhebung im Sinne der Beweisaufnahme verstehen. Dennoch bestätigen §§ 160 Abs. 2, 163a Abs. 2, 201, 202 StPO, dass die StPO von Beweiserhebungen im Ermittlungs- und Zwischenverfahren ausgeht. Zwar regelt die StPO beide Verfahrensstadien getrennt vom gerichtlichen Beweisverfahren, das Gesetz betrachtet sie aber als selbstständige Teile eines ganzen Strafverfahrens.42 Die strafprozessualen Befugnisnormen zur Beweiserhebung regeln den Weg zu einem bestimmten Gegenstand oder einer bestimmten Information. Dieser Gegenstand bzw. diese Information soll der Wahrnehmung durch die Strafverfolgungsorgane zugeführt werden, um ihn bzw. sie einer Bewertung über die Relevanz für das Verfahren zu Zwecken der Strafverfolgung zu unterziehen. Ist die Information für das Verfahren relevant, bildet sie den Ansatzpunkt für weitere Ermittlungen oder veranlasst dazu, bestimmte Prozesshandlungen oder prozessuale Realakte vorzunehmen.43 Die Beweiserhebung endet damit in dem Zeitpunkt, in dem die Strafverfolgungsbehörden das Beweismittel erlangt haben und es ihnen zur Wahrnehmung zur Verfügung steht. Indem die staatlichen Organe die Information zur Kenntnis nehmen, verwenden sie diese bereits, weil sie dadurch überprüfen, ob die Information für den weiteren Verfahrenszweck re39

Beckemper/Wegner, JA 2003, 510, 511; Dencker, StV 1994, 667, 670; Gropp, StV 1989, 216, 217; Nagel, Verwertung, 176 f., 182, 192, 294 ff.; Reinecke, Fernwirkung, 23 ff., 39 ff.; Rogall, Beweisverbote, 145, Fn. 207; ders., JZ 1996, 944, 948; wohl auch Schlothauer, Lüderssen-FS, 761, 762, 763 Fn. 14; Schroeder, StrafprozessR, Rn. 121 f., der neben Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverboten noch Verbote der Einführung in die Hauptverhandlung als eigene Kategorie aufstellt; Störmer, Jura 1994, 393, 394 f. 40 Gropp, StV 1989, 216, 217; Nagel, Verwertung, 167, 172. 41 Brenner, Fernmeldeverkehr, 108 f.; Rogall, Beweisverbote, 145; ders., JZ 1996, 944, 948; ähnlich wohl Wolter in: SK, StPO, vor § 151, Rn. 186, 190, 194, wenn er dem Beweisverwertungsverbot, das bei der Überzeugungsbildung unberücksichtigt zu bleiben hat, eine „Vorwirkung“ zuschreibt. 42 Nagel, Verwertung, 210. 43 Dencker, StV 1994, 667, 669 f.; ähnlich auch Meyer-Goßner, StPO, Einl., Rn. 47, 48; Rogall, JZ 1996, 944, 948.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

levant wird und weiteren strafprozessualen Maßnahmen zu Beweiszwecken zu Grunde gelegt werden kann.44 Damit stellen die Strafverfolgungsorgane eine Beziehung zwischen dem Beweismittel und dem Strafverfolgungszweck her. Zur Feststellung der Verwertbarkeit eines Ermittlungsergebnisses bei der Beweiswürdigung und Urteilsfindung muss das Gericht ebenfalls Kenntnis vom Inhalt des Beweismittels haben. Anknüpfungspunkt für die Beweiswürdigung ist nicht objektiv die Existenz des Beweismittels, sondern der darin verkörperte oder geistige Inhalt.45 Die staatsanwaltschaftliche Ermittlungstätigkeit sowie die richterliche Beweiswürdigung verlangen also notwendigerweise für ihre Durchführung ein Wissen, das auf der Beweiskraft des Beweismittels aufbaut.46 Wird das rechtswidrig erlangte Beweismittel der Suche nach neuen Erkenntnissen zu Grunde gelegt, so geht das im rechtswidrig erlangten Beweismittel verkörperte Verfahrenswissen in dem neuen Beweismittel auf, das von seinem Beweisgehalt unter Umständen für den Betroffenen von größerem Nachteil sein kann.47 Nach §§ 199, 200 StPO entscheidet das Gericht über die Eröffnung der Hauptverhandlung auf der Grundlage der bisher von der Staatsanwaltschaft ermittelten Ergebnisse. Damit beruht das richterliche Wissen auf den Beweisergebnissen des Ermittlungsverfahrens48, d.h., das Verfahrenswissen der Staatsanwaltschaft manifestiert sich im richterlichen Wissen. Insoweit spricht vieles dafür, bereits die Kenntnisnahme vom Inhalt des Beweismittels und die Benutzung des gewonnenen Verfahrenswissens zu weiteren Ermittlungszwecken als Beweisverwertung anzusehen. Überzeugender ist es somit, unter „Beweisverwertung“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch jede Verwendung eines verfügbaren Beweismittels durch das staatliche Organ im konkreten Strafverfahren zu Beweiszwecken beginnend mit der Kenntnisnahme vom Inhalt des Beweismittels und fortgesetzt in jeder weiteren Nutzung für eine ermittlungsbehördliche oder tatrichterliche Entscheidungsfindung zu verstehen.49 In Abgrenzung hierzu 44 Cramer, NStZ 1996, 209, 211; Gropp, StV 1989, 216, 217; Nagel, Verwertung, 167, 172, 184, 294; ablehnend: Brenner, Fernmeldeverkehr, 108 f.; ohne nähere Begründung Dencker, Verwertungsverbote, 7; Rogall, Beweisverbote, 145; ders., JZ 1996, 944, 948, der die bloße Kenntnisnahme und interne Schlussfolgerungen nicht der Verwertung zuordnet. Seiner Ansicht nach sind diese Akte der Verwertung vorgelagert. Es gäbe aber durchaus gute Gründe, dass Vorkehrungen die Strafverfolgungsorgane daran hindern müssten, unzulässige Informationen zur Kenntnis zu nehmen. 45 Nagel, Verwertung, 99 f.; Reinecke, Fernwirkung, 24. 46 Reinecke, Fernwirkung, 26. 47 Reinecke, Fernwirkung, 37. 48 Nagel, Verwertung, 195 f.

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handelt es sich um eine bloße Informationsverwertung, wenn verfahrensextern erlangte Informationen ohne eine eigene Untersuchungsmaßnahme der Strafverfolgungsbehörde zum Zweck der Strafverfolgung zur Kenntnis genommen und verfahrensbegründenden oder -leitenden Entscheidungen zu Grunde gelegt werden, z. B. zur Begründung eines Anfangsverdachts.50 Teilweise wird jedoch behauptet, ein rechtswidrig erlangtes Ermittlungsergebnis könne zumindest zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens herangezogen werden, weil es noch an einer die Rechte und Pflichten der StPO begründenden Verfahrenseinleitung fehle, die StPO also nicht den Maßstab für die Verwertbarkeit bilden könne und die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens keines Nachweises bedürfe, damit nicht beweisgeleitet sei und deshalb ein Beweisverbot keine Wirksamkeit entfalten könne. Lediglich zu Beweiszwecken dürfe das rechtswidrig erlangte Ermittlungsergebnis nicht verwendet werden.51 Letzterer Gesichtspunkt trifft zwar zu, weshalb auch nicht von Beweisverwertungsverboten, sondern nur von Verwertungsverboten gesprochen werden kann. Die Verwendung des verfahrensexternen Ermittlungsergebnisses zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mangels Beweisführung für zulässig zu halten, würde aber verkennen, dass die zweckentfremdende Nutzung von Informationen, die durch einen Grundrechtseingriff erlangt worden sind, regelmäßig zu einem neuen, vertiefenden Grundrechtseingriff führt, vor dem der Betroffene zu schützen ist.52 Eine Verwertbarkeit dieser Erkenntnisse würde wegen der Fortwirkung in den Folgeerkenntnissen das spätere Beweisverwertungsverbot bei der Beweiswürdigung und Urteilsfindung entwerten.53 b) Teleologische Erwägungen Auch die Funktion der Beweisverwertungsverbote erfordert ein über das gerichtliche Beweisverfahren hinausgehendes Verständnis der „Beweisverwertung“. Ein Beweisverwertungsverbot verfolgt den Sinn und Zweck, ein rechtsstaatliches Verfahren zu gewährleisten und die Individualrechte des Beschuldigten zu sichern.54 49 So auch Globig, ZRP 1991, 289; wohl auch Gössel, JZ 1984, 361; Gropp, StV 1989, 216, 217; Nagel, Verwertung, 294. 50 I. E. Beulke in: LR, StPO, § 152, Rn. 27; Nagel, Verwertung, 201 ff.; ähnlich Störmer, StV 1994, 393, 394 f.; Wolter in: SK, StPO, vor § 151, Rn. 206. 51 I. E. Aselmann, NStZ 2003, 71, 73; Dencker, Beweisverbote, 76; Grünwald, JZ 1966, 489, 499 f.; Hefendehl, wistra 2003, 1, 6; Nack in: KK, StPO, § 100a, Rn. 50; Reinecke, Fernwirkung, 227. 52 Wolter in: SK, StPO, vor § 151, Rn. 190. 53 Wolter in: SK, StPO, vor § 151, Rn. 206. 54 Zur Funktion der Beweisverwertungsverbote unter 3. Kapitel, B. V. 3. d) dd).

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

Da das gesamte Strafverfahren beweisgeleitet ist, beginnt das Beweisverfahren also nicht erst mit der gerichtlichen Hauptverhandlung. Daher können die Strafverfolgungsorgane grundsätzlich bereits im Ermittlungsverfahren oder mit der Einführung in die Hauptverhandlung rechtswidrig erlangte Beweismittel zu Beweiszwecken ihren Entscheidungen zu Grunde legen, die für die Rechtsstellung des Beschuldigten nachteilig sind und dessen Rechte tangieren.55 Folgt aus einer rechtswidrigen Beweiserhebung durch die Staatsanwaltschaft oder Polizei ein Beweisverwertungsverbot für das gewonnene Beweismittel erst bei der Beweiswürdigung und Entscheidungsfindung durch den Richter, hätte ein solches Verständnis aber die sinnwidrige Konsequenz, dass das Beweismittel zunächst noch für belastende Entscheidungen genutzt werden dürfte und in die Hauptverhandlung eingeführt werden könnte, obwohl bereits feststeht, dass es für die Urteilsfindung außer Betracht zu bleiben hat.56 Dabei perpetuiert und vertieft die Nutzung und Einführung des rechtswidrig gewonnenen Beweismittels schon mit der Kenntnisnahme durch einen größeren Personenkreis in der Regel den vorherigen rechtswidrigen Eingriff bei der Beweisgewinnung.57 Auch die Verwendung eines rechtmäßig gewonnenen Beweismittels bei der Durchführung ermittlungsbehördlicher Maßnahmen oder die Einführung dieses Beweismittels in die öffentliche Hauptverhandlung wäre dann ein unverhältnismäßiger Eingriff, wenn das Beweismittel zwar anfangs noch rechtmäßig erlangt war, dessen Verwertung aber nunmehr wegen einer Änderung der Umstände unzulässig ist58 und das Beweismittel deshalb ohnehin nicht bei der späteren Beweiswürdigung und Entscheidungsfindung verwertet werden dürfte59. Ein Beweisverwertungsverbot, das erst bei der Beweiswürdigung und Urteilsfindung zum Tragen kommt, würde teilweise seinen Sinn verlieren, weil es nicht ausreichend die Rechte des Beschuldigten wahren und ein rechtsstaatliches Verfahren gewährleisten würde. Die Rechtsprechung stellt daher bei der Bestimmung eines Beweisverwertungsverbots regelmäßig auch auf die Kenntnisnahme vom Inhalt der Beweismittel ab60 oder verlangt zumindest, dass die Informationen, die einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, „rückwirkend“ nicht zu Entscheidungen im Ermittlungsverfahren oder zur Einführung in die Hauptverhandlung herangezogen werden dürfen61. Ein Beweisverwertungsverbot hätte dann zur Folge, dass die Strafverfolgungs55

Nagel, Verwertung, 127. So auch Beckemper/Wegner, JA 2003, 510, 511. 57 Nagel, Verwertung, 127, 181; Wolter in: SK, StPO, vor § 151, Rn. 132a, 190. 58 Hierzu sind zum Beispiel der Fall des § 252 StPO oder § 81c Abs. 3 S. 5 StPO zu zählen. 59 Brenner, Fernmeldeverkehr, 109. 60 BVerfGE 34, 238, 251; BGHSt. 29, 23, 24; 31, 296, 298 f. 61 BGHSt. 28, 122, 129; 36, 167, 172; 36, 396, 402. 56

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behörden das rechtswidrige Beweismittel nicht zur Kenntnis nehmen dürfen und – falls die Kenntnisnahme doch erfolgt – jedenfalls keinen weiteren belastenden Ermittlungsmaßnahmen zu Grunde legen, nicht in die Hauptverhandlung einführen und zu Beweiszwecken benutzen dürfen. Im parlamentarischen Untersuchungsrecht ist gerade die Öffentlichkeit des Verfahrens und nicht erst der Abschlussbericht an das Parlament bedeutsam. Die Transparenz des politischen Handelns von Regierung und Verwaltung für die Öffentlichkeit ist ein entscheidendes Ziel einer parlamentarischen Untersuchung. Würde ein Beweisverwertungsverbot für ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel erst für die Beweiswürdigung und das Zugrundelegen im Abschlussbericht gelten, könnte das Beweismittel noch in die öffentliche Verhandlung eingeführt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, die dann selbst eine Wertung des Vorwurfs vornimmt. Damit würde der bei der Beweisgewinnung vorgenommene rechtswidrige Eingriff aber regelmäßig perpetuiert und vertieft und partiell der Zweck der parlamentarischen Untersuchung, nämlich die Transparenz für die Öffentlichkeit, auf rechtswidrige Beweise gestützt. Später im Abschlussbericht an das Parlament, das über den weiteren Verlauf entscheidet, dürfte das Beweismittel jedoch keinen Eingang finden. Hier erscheint es rechtlich sogar noch zwingender als im Strafverfahren, die Beweisverwertung bereits an der Kenntnisnahme vom Inhalt des Beweismittels auszurichten. Die Wirkung der öffentlichen Erörterung des rechtswidrigen Beweismittels auf die Bevölkerung ist zwar für den Beschuldigten genauso schwerwiegend wie für den Betroffenen im PUV. Während im Strafverfahren das Beweisverwertungsverbot bei der Beweiswürdigung und Urteilsfindung jedoch zumindest die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs durch eine Sanktionsverhängung auf der Grundlage rechtswidriger Beweismittel verhindert, würde aber im PUV ein Beweisverwertungsverbot bei der Abfassung des Abschlussberichts seinen Sinn verlieren, da der eigentliche Zweck des Untersuchungsrechts durch eine öffentliche Beweisaufnahme bereits verwirklicht ist, weil die Allgemeinheit über den politischen Missstand aufgeklärt wurde und entsprechend reagieren kann, z. B. durch das Wahlverhalten. Der Betroffene darf deshalb der Wirkung einer öffentlichen Erörterung des Beweismittels durch den PUA – ebenso wie der Beschuldigte im Strafverfahren – nicht ausgesetzt werden, wenn das Beweismittel für den Verfahrensausgang ohnehin irrelevant ist. c) Systematik der StPO und sonstiger gesetzlich geregelter Beweisverwertungsverbote Das Verständnis des Begriffs der „Beweisverwertung“ ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme vom Inhalt des tatsächlich erlangten Beweismittels und in jeder fortdauernden Verwendung für den jeweiligen Verfahrenszweck

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

– unabhängig vom Verfahrensstadium – bestätigen auch die Regelungen der StPO und die gesetzlich geregelten Verwertungsverbote. Gemäß § 200 Abs. 1 S. 2-4 StPO muss die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift die Beweismittel angeben, um das Gericht und die Verfahrensbeteiligten darüber zu informieren, aus welchen Gründen sie die Anklage erhebt. Dabei sind nur die Beweismittel anzugeben, deren Verwendung die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung für nötig hält. Außerdem hat sie nach § 200 Abs. 2 StPO das wesentliche Ermittlungsergebnis darzustellen.62 Damit beruht das richterliche Wissen auf einer Kenntnisnahme von Beweisergebnissen aus dem Ermittlungsverfahren. Jede weitere richterliche Entscheidung und Untersuchung ist damit bereits ein Akt der Beweisverwertung.63 Nach § 252 StPO darf beispielsweise eine Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, nicht verlesen werden, also nicht in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Obwohl die Aussage in die Hauptverhandlung nicht durch Verlesung ihres Inhalts eingeführt werden darf, wird hier allgemein von einem Beweisverwertungsverbot gesprochen64. Auch die ausdrücklich als Verwertungs- bzw. Verwendungsverbote formulierten Regelungen in § 81a Abs. 3 S. 1, § 81c Abs. 3 S. 5, § 161 Abs. 2, § 100d Abs. 5, § 477 Abs. 2 S. 2 StPO, § 393 Abs. 2 AO, § 97 Abs. 1 S. 3 InsO besagen, dass die bereits gewonnenen Beweismittel in einem anderen Strafverfahren (gegebenenfalls unter bestimmten Voraussetzungen) nicht verwertet bzw. verwendet werden dürfen. Dabei bedarf es auch hier tatsächlich noch einer Beweiserhebung nach § 244 Abs. 2 StPO im Sinne einer Einführung der erlangten Beweismittel in die Hauptverhandlung. Diese Regelungen bestätigen also, dass eine Beweisverwertung bereits vor der Hauptverhandlung bzw. mit der Einführung in die Hauptverhandlung erfolgen kann. Die Differenzierung zwischen Verwendung und Beweisverwertung findet sich im Übrigen in der StPO. So regeln § 161 Abs. 2, § 100d Abs. 5, § 477 Abs. 2 S. 2 StPO, dass die durch die jeweiligen Ermittlungsmaßnahmen erlangten personenbezogenen Daten in anderen Strafverfahren zu Beweiszwecken nur verwendet werden dürfen, soweit sie der Aufklärung einer Katalogtat dienen. Ihrem eindeutigen Wortlaut nach implizieren diese Vorschriften wegen des Beweisbezuges ein Beweisverwertungsverbot für die Aufklärung 62 Hellmann, StrafprozessR, Rn. 602; Meyer-Goßner, StPO, § 200, Rn. 17, 18; Pfeiffer, StPO, § 200, Rn. 7. 63 Nagel, Verwertung, 195, 197. 64 Beulke, StrafprozessR, Rn. 419, 465; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 669, 786; Meyer-Goßner, StPO, § 252, Rn. 1 f., 12.

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sonstiger Straftaten. Die Staatsanwaltschaft darf die Informationen nur zu Beweiszwecken nicht verwenden, sie kann die Informationen aber in anderen Strafverfahren als Spurenansatz für neue Ermittlungen nutzbar machen.65 § 81c Abs. 3 S. 5 StPO statuiert ein verfahrensinternes Beweisverwertungsverbot, indem er die Verwendung des durch eine eigene Untersuchungsmaßnahme erlangten Beweismittels für das weitere Strafverfahren untersagt.66 § 108 Abs. 2 StPO verbietet dagegen die Verwendung verfahrensextern erlangter Daten in einem Strafverfahren gegen den Patienten. Nach § 393 Abs. 2 AO dürfen die aus Steuerakten der Finanzbehörde erlangten Erkenntnisse nicht zur Verfolgung einer Nichtsteuerstraftat gegenüber dem Steuerpflichtigen verwendet werden, und § 97 Abs. 1 InsO untersagt die Verwendung von Auskünften des Gemeinschuldners, die dieser im Insolvenzverfahren machte, in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren. Bei diesen Regelungen handelt es sich um Verwendungs- und Beweisverwertungsverbote, weil sie den Strafverfolgungsbehörden untersagen, verfahrensextern erlangte Informationen den Entscheidungen zu Strafverfolgungszwecken oder anderen Zwecken zu Grunde zu legen. Da das Gesetz nicht die Nutzung der Informationen zu Beweiszwecken, sondern allgemein die Nutzung in anderen Strafverfahren verbietet, dürfen die Informationen auch nicht als Grundlage für nicht beweisgeleitete Ermittlungsmaßnahmen oder verfahrenseinleitende Handlungen dienen. Der Gesetzgeber gebraucht den Begriff „Verwendung“ hier als Oberbegriff sowohl für jede Art der Verwertung als auch die Beweisverwertung.67 Diese verfahrensextern erlangten Informationen können der Staatsanwaltschaft entweder ohne eine eigene Untersuchungshandlung – z. B. durch eine Informationsübermittlung seitens der Behörde ohne eine Veranlassung der Staatsanwaltschaft – oder durch eine eigene beweisgeleitete Untersuchungshandlung – z. B. ein Auskunftsoder Akteneinsichtsersuchen – zur Kenntnis gelangt sein. Im ersten Fall ist die Kenntnisnahme der Information eine Verwertung, im zweiten Fall ist die Information bereits ein Beweisergebnis, das zur Kenntnis genommen wird, so dass die Kenntnisnahme eine Beweisverwertung ist. 3. Zwischenergebnis Die Beweiserhebung erstreckt sich auf jede erstmalige Gewinnung eines Beweismittels sowohl außerhalb als auch in der öffentlichen Verhandlung 65 Beulke, StrafprozessR, Rn. 456; Nagel, Verwertung, 164; Pfeiffer, StPO, § 100d, Rn. 4; Wolter in: SK, StPO, vor § 151, Rn. 189. 66 Nagel, Verwertung, 204. 67 I. E. wohl auch Kohlmann, AO, § 393, Rn. 82 – zu § 393 AO; Nagel, Verwertung, 205 f. – zu § 81a Abs. 3 StPO.

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eines konkreten Verfahrens durch die Strafverfolgungs-/Ermittlungsbehörde bzw. das Gericht sowie auf die Sicherung von Beweismitteln, deren Verlust zu besorgen ist. Die Beweisverwertung erfasst jeden nach der tatsächlichen Erlangung des Beweismittels daran anknüpfenden Benutzungsakt des staatlichen Organs zu Beweiszwecken. Die besseren Argumente sprechen dafür, die Beweisverwertung zum effektiven Schutz der Individualrechtsgüter des Betroffenen bereits regelmäßig mit der Kenntnisnahme vom Inhalt als ersten Akt der Benutzung des Beweismittels beginnen und in jeder den Betroffenen bzw. Beschuldigten belastenden Ermittlungshandlung sowie in der Einführung in die öffentliche Verhandlung und in jeder weiteren Verwendung fortsetzen zu lassen. Die Nutzbarmachung des Verfahrenswissens, das durch das Beweismittel gewonnen wurde, gehört in jeder Form zur Verwertung des Beweismittels. Liegt ein Beweisverwertungsverbot vor, ist die Verwertung des Beweismittels in jedem Verfahrensstadium gleichermaßen verboten. Die Gewinnung neuer Beweismittel auf der Grundlage eines unverwertbaren Beweismittels ist zugleich eine Verwertung des Ausgangsbeweismittels, so dass sich Beweisverbote und -verwertungsverbote als Folge des weiten Verwertungsbegriffs zwangsläufig überschneiden können.68

II. „Sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess“ in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG ordnet an, dass auf die Beweiserhebung sinngemäß die Vorschriften des Strafprozesses anzuwenden sind. Insoweit benutzt das Grundgesetz einen unbestimmten Rechtsbegriff, der von Rechtsprechung und Literatur in unterschiedlicher Weise konkretisiert wird und zur Folge hat, dass die strafprozessualen Vorschriften im PUV in unterschiedlichem Umfang anwendbar sind. 1. Meinungsstand Teilweise wird der Begriff „sinngemäße Anwendung der Vorschriften des Strafprozesses“ so interpretiert, dass alle Normen des Strafverfahrens bzw. der StPO auf das PUV entsprechend bzw. analog anzuwenden sind.69 Andere wenden nur die Regelungen des Strafprozesses analog auf das PUV 68

Reinecke, Fernwirkung, 41. So die Enquetekommission-Verfassungsreform, BT-Drucks. 6/3829, S. 17; Schröer, DÖV 1986, 85, 92; auch einige Landesverfassungen sehen eine entsprechende Geltung der Regelungen des Strafprozesses bzw. der StPO vor, siehe Art. 25 Abs. 2 Verf. Bayern, Art. 105 Abs. 2 Verf. Bremen, Art. 15 Abs. 2 Verf. SchleswigHolstein. 69

B. Terminologische Grundlagen

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an, die auf die Funktion, den Zweck und die Struktur parlamentarischer Untersuchungsausschüsse und nicht auf ein strafgerichtliches Verfahren mit einem neutralen Richter oder die Verurteilung des Täters zugeschnitten sind.70 Die Gegenauffassung legt den Begriff „sinngemäße Anwendung“ in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG so aus, dass er dem PUA ein Reglement an die Hand gibt, das der Funktion und dem Ziel des parlamentarischen Untersuchungsrechts entspricht und das dem PUA ermöglicht, seinen Untersuchungsauftrag effektiv zu erfüllen.71 Unter Heranziehung von Sinn und Zweck sowie dem inneren Rechtfertigungsgrund der Norm sei zu prüfen, welche strafprozessuale Vorschrift in welchem Umfang anzuwenden sei.72 Ausgehend vom Telos der konkreten Strafprozessnorm sei also zu untersuchen, ob sie der Zielrichtung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens entspricht und trotz der Strukturunterschiede unverändert übertragen werden kann. Sei dies nicht der Fall, müsse den Strukturunterschieden und dem andersartigen Zweck durch eine Modifikation der Regelung in entsprechender Weise Rechnung getragen oder – falls eine Abänderung der Norm nicht möglich ist, ohne ihre Funktion zu vereiteln – von einer Übertragung gänzlich abgesehen werden.73 2. Verfahrensvergleich als Ausgangspunkt der Begriffsauslegung Eine analoge bzw. entsprechende Anwendung der Vorschriften des Strafprozesses, also eine unveränderte Übernahme der Normen in das Untersuchungsverfahren, setzt voraus, dass beide Verfahren miteinander vergleichbar sind, d.h. eine ähnliche Sachlage im PUV wie im Strafverfahren besteht.

70 Bryde, Protokoll G 32/82; Maunz in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 49 (Vorauflage); Rechenberg in: BK, GG, Art. 44, Rn. 22; Stern, AöR 109 (1984), 199, 235. 71 BVerfGE 67, 100, 128, 133 f.; 76, 363, 382, 387; 77, 1, 50; Brocker, ZParl 1999, 739, 742; Ciesinski in: Damkowski, Untersuchungsausschuss, 22; Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 46; Groß, ZRP 2002, 91; Jarass/Pieroth, GG, Art. 44, Rn. 8; Magiera in: Sachs, GG, Art. 44, Rn. 23; v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schulte, Bonner GG, Art. 44, Rn. 120; Sälzer, Protokoll G 32/68; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 147; Wiefelspütz, ZRP 2002, 14, 16. 72 BVerfGE 67, 100, 128, 133 f.; 77, 1, 50; Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 121. 73 David, Verfassung Hamburg, Art. 25, Rn. 57; Gollwitzer, Dünnebier-FS, 327, 332; Güther/Seiler, NStZ 1993, 305, 307; Kipke, Untersuchungsausschüsse des BT, 58; ähnlich auch Quaas/Zuck, NJW 1988, 1873, 1875 f.; Schaefer, NJW 1998, 434, 435; ders., NJW 2002, 490; Schleich, UntersuchungsR, 20 f.; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 147; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 554.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

a) Gemeinsamkeiten des Straf- und des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens Sowohl das Strafverfahren als auch das PUV stimmen darin überein, dass sie einen Lebenssachverhalt untersuchen, die Ermittlungsergebnisse und deren Wahrheitsgehalt würdigen und zusammenfassen. Dabei wollen beide Verfahren die materielle Wahrheit erforschen.74 Der lückenlosen Aufklärung des Sachverhalts durch einen PUA kommt keine geringere Bedeutung zu als der Tatsachenermittlung im Strafverfahren.75 Beide Verfahren dienen bedeutsamen, verfassungsrechtlich geschützten öffentlichen Interessen76; das Strafverfahren sichert die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, das PUV kontrolliert das Verhalten der handelnden Organe staatlicher Institutionen und Privater, deren Handeln zwar im nichtstaatlichen Bereich liegt, aber von öffentlichem Interesse ist, und klärt Missstände und Fehlverhalten in diesen Bereichen auf. Wegen der Verfolgung der verfassungsrechtlich verankerten öffentlichen Interessen und der Suche nach der materiellen Wahrheit müssen die Tatsachen sowohl im Strafverfahren als auch im PUV von Amts wegen aufgeklärt werden. Nicht der einzelne Bürger, sondern nur der Staat darf darüber entscheiden, wann das Verfahren zur Durchsetzung der Interessen aufgenommen und wie das weitere Verfahren betrieben wird.77 Während im Strafverfahren die Staatsanwaltschaft über die Einleitung des Strafverfahrens entscheidet, obliegt die Einleitung eines parlamentarischen Untersuchungsverfahrens dem Parlament bzw. dem Quorum, das einen PUA zu einem von ihm festgelegten Untersuchungsgegenstand einsetzt. Es entscheidet also der Staat und nicht der Bürger in beiden Verfahren über die Einleitung und den Verlauf des Verfahrens.78 Somit gilt in beiden Verfahren die Offizialmaxime. Das Strafverfahren wird zudem wegen der Sicherung öffentlicher Interessen und der materiellen Wahrheitserforschung vom Ermittlungsgrundsatz beherrscht, nach dem das Gericht von Amts wegen die materielle Wahrheit selbstständig und ohne Bindung an die von den Verfahrensbeteiligten ge74

Glauben, DRiZ 1992, 395, 396; Gollwitzer, Dünnebier-FS, 327; Groß, ZRP 2002, 91; Jahn, 45. DJT/II, E 93; Jung, Richter II-FS, 267, 270; Kästner, NJW 1990, 2649, 2651; Lesch, NJW 2000, 3035, 3037; Quaas/Zuck, NJW 1988, 1873, 1875; Wiefelspütz, NJ 2002, 398, 399; ders., ZParl 2002, 551, 564. 75 BVerfGE 67, 100, 130, 146; 77, 1, 48; BVerwGE 79, 339, 345; 109, 258, 268; Gielen, JR 2000, 140, 142. 76 Gollwitzer, BayVBl. 1982, 417; ders., Dünnebier-FS, 327; Lesch, NJW 2000, 3035, 3037; Stern, AöR 109 (1984), 199, 239. 77 Beulke, StrafprozessR, Rn. 16; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 77 zum Strafverfahren. 78 Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 128; Müller-Boysen, Betroffener, 150.

B. Terminologische Grundlagen

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stellten Anträge erforscht.79 Da auch das PUV auf die Feststellung des tatsächlichen Geschehens abzielt, ermittelt dementsprechend der PUA selbstständig von Amts wegen alle zur Sachverhaltsaufklärung bedeutsamen und erforderlichen Tatsachen.80 Er bedarf zur Beweiserhebung nicht erst eines hierauf gerichteten Beweisantrags der einzelnen Fraktionen oder des Betroffenen. Der PUA erhebt innerhalb der ihm nach Art. 44 Abs. 1, 2 S. 1 GG verliehenen Befugnisse alle für die Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes erforderlichen und für unerlässlich gehaltenen Beweise. Er ermittelt also selbst, d.h., er verschafft sich die zur Aufklärung erforderlichen Tatsachen und untersucht den Vorgang unter allen in Betracht kommenden tatsächlichen und politischen Aspekten. Der PUA ist lediglich an den vom Parlament bzw. vom Quorum festgelegten Untersuchungsauftrag gebunden und hierdurch in der Beweiserhebung beschränkt. Darin liegt aber kein wesentlicher Unterschied zum Strafverfahren. Auch das Strafgericht darf nur über die Taten befinden, die von der Staatsanwaltschaft angeklagt wurden. Will das Gericht weitere Straftatbestände aburteilen, die durch dieselbe strafprozessuale Tat verwirklicht wurden, so bedarf es eines rechtlichen Hinweises des Gerichts nach § 265 StPO. Liegt eine andere prozessuale Tat vor, erfordert die Aburteilung dieser Tat eine Nachtragsanklage gemäß § 266 StPO.81 Ähnlich liegt es im PUV, denn das Plenum kann nachträglich den Untersuchungsauftrag erweitern.82 Allerdings ist der PUA als bloßes Hilfsorgan des Parlaments bei der Beweiserhebung an dessen Anträge bzw. an die Anträge des Quorums einer Minderheitenenquete83 gebunden, soweit das Parlament bzw. die qualifizierte parlamentarische Minderheit die Erhebung bestimmter Beweise verlangt84. Dabei ist den Beweisanträgen zu entsprechen und ein Beweisbeschluss zu 79 Beulke, StrafprozessR, Rn. 21; Ranft, StrafprozessR, Rn. 1540; Roxin, StrafverfahrensR, § 15 A I, Rn. 3; Schoreit in: KK, StPO, § 155, Rn. 8. 80 Alsberg, 34. DJT/I, 332, 356, 358; Gollwitzer, BayVBl. 1982, 417; ders., Dünnebier-FS, 327, 345; Jarass/Pieroth, GG, Art. 44, Rn. 9; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 170, 206; Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 128; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 565. 81 Beulke, StrafprozessR, Rn. 20; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 820, 822. 82 Jarass/Pieroth, GG, Art. 44, Rn. 3. 83 BVerfGE 49, 70, 85 f.; nach BVerfG, NJW 2002, 1936, 1937 und Wiefelspütz, NJ 2002, 398, 400 hat auch die qualifizierte Minderheit einer Mehrheitsenquete das Recht auf eine angemessene Berücksichtigung ihrer Beweisanträge, da sie ansonsten gezwungen wäre, zusätzlich zur Mehrheitsenquete eine Minderheitsenquete einzusetzen mit der Folge doppelter Beweiserhebungen oder einer wechselseitigen Behinderung bei der Erfüllung des Untersuchungsauftrages; Sächs. VerfGH, Urteil vom 20.04.2007, Az.: Vf. 18-I-07; Engels, Untersuchungsausschüsse, 149; Jarass/ Pieroth, GG, Art. 44, Rn. 3, 5, 6. 84 Gollwitzer, Dünnebier-FS, 327, 344; Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 69.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

fassen, wenn eine weitere Sachaufklärung zu erwarten ist.85 Aber auch hierin unterscheidet sich das PUV nicht wesentlich vom Strafverfahren. Die Amtsaufklärungspflicht des Gerichts schließt es ebenfalls nicht aus, dass andere Verfahrensbeteiligte die Beweisaufnahme beeinflussen, indem sie Beweisanträge stellen. Der Richter hat dann wegen seiner Aufklärungspflicht und §§ 244 Abs. 3-6, 245, 246 StPO die Beweisanträge grundsätzlich zu beachten. Ein auf die Herbeischaffung eines Beweismittels gerichteter Beweisantrag darf nur bei Vorliegen eines der in §§ 244 Abs. 3-5 StPO genannten Gründe abgelehnt werden.86 Ähnlich liegt die Situation in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Da die Ausschussmitglieder im Gegensatz zum Strafverfahren, in dem Antragsberechtigter nur eine Person außerhalb des erkennenden Gerichts sein kann, selbst die „Beweisanträge“ stellen, handelt es sich zwar nicht um einen Beweisantrag im Sinne des § 244 StPO. Die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3-5 StPO geben aber wegen der Parallelen zum Strafprozess eine Leitlinie für die Behandlung der Anträge.87 Somit darf der PUA Beweisanträge ablehnen, wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, wenn die Tatsache bedeutungslos ist, z. B. weil zwischen ihr und dem Untersuchungsauftrag kein Zusammenhang besteht, sie also zur Aufklärung nichts beiträgt, wenn die Tatsache bereits erwiesen ist, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet ist, Beweis über die Tatsache zu erbringen, wenn die Beweiserhebung nur der Verfahrensverzögerung dient oder wenn das Beweismittel nicht mit den einem PUA zustehenden Erhebungsmaßnahmen erreichbar ist. Der PUA muss einen Beweisantrag ablehnen, wenn die Beweiserhebung unzulässig wäre, beispielsweise weil sie außerhalb des Untersuchungsauftrages oder außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Parlaments liegt, gegen ein Beweisverbot verstößt oder weil das öffentliche Interesse entfallen ist.88 Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass die Beweisaufnahme sowohl im strafgerichtlichen Hauptverfahren als auch im PUV grundsätzlich öffentlich erfolgen muss. Die Öffentlichkeit dient in beiden Verfahren primär der Kontrolle des Verfahrensvorganges.

85

Gollwitzer, Dünnebier-FS, 327, 345. Beulke, StrafprozessR, Rn. 434, 439, 450; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 775 f. 87 Gollwitzer, Dünnebier-FS, 327, 344 f.; siehe auch § 17 Abs. 2 PUAG, der eine Beachtung der Beweisanträge ablehnt, wenn die Beweiserhebung unzulässig ist oder das Beweismittel unerreichbar ist. 88 BVerfG, NJW 2002, 1936, 1938; Ehmke, 45. DJT/II, E 7, E 46; Gollwitzer, Dünnebier-FS, 327, 345; ähnlich Wiefelspütz, NJ 2002, 398, 400, 402. 86

B. Terminologische Grundlagen

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b) Unterschiede zwischen Strafverfahren und PUV Es bestehen aber auch bedeutsame Unterschiede zwischen beiden Verfahren, die einer vollständigen Übernahme der strafprozessualen Vorschriften entgegenstehen könnten. aa) Unterschiedliche Zweckrichtung Die Staatsanwaltschaft ist gemäß § 152 StPO grundsätzlich verpflichtet, bei Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten. Als „Herrin des Vorverfahrens“ führt sie die Ermittlungen, um zu klären, ob ein hinreichender Tatverdacht für eine Anklage besteht.89 Liegt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ein hinreichender Tatverdacht vor, so erhebt sie Anklage und beantragt die Eröffnung des Hauptverfahrens, in dem das Gericht gegebenenfalls die schuldhafte Begehung einer Straftat feststellt und eine Strafe verhängt.90 Das Parlament ist dagegen nicht verpflichtet, bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte wegen aller verfolgbaren Missstände eine Enquete zu beschließen. Es darf sich zudem auf die Untersuchung von Teilbereichen oder der Verantwortlichkeit einzelner Personen beschränken, solange es nicht willkürlich entscheidet.91 Der PUA erhebt keine gegen eine bestimmte Person gerichtete Anklage mit dem Ziel, anschließend in einem gerichtlichen Verfahren die Schuld durch ein Urteil nachweisen zu lassen.92 Die Aufgabe des Untersuchungsausschusses erschöpft sich in der Aufklärung eines Sachverhaltes unter politischen Gesichtspunkten – z. B. der Aufklärung von Missständen – und der Weiterleitung der durch die Ermittlungen gewonnenen Untersuchungsergebnisse an das Parlament. Allerdings kann auch im PUV unter Umständen – vor allem zur Vorbereitung einer Präsidenten-, Richter- und Abgeordnetenanklage, aber auch bei Skandal- und Missstandsenqueten93 – ein Fehlverhalten bestimmter Personen nachgewiesen werden, das möglicherweise in der Begehung von Straftaten besteht.94 Dieses Fehl89 Krehl in: HK, StPO, Einl., Rn. 5; Pfeiffer in: KK, StPO, Einl., Rn. 33; Pfeiffer, StPO, § 152, Rn. 2. 90 Engels, Untersuchungsausschüsse, 77 f.; Gollwitzer, Dünnebier-FS, 332; Jekewitz, RuP 2000, 215, 216; Pfeiffer, StPO, § 160, Rn. 4. 91 Saarländischer VerfGH, NVwZ-RR 2003, 393, 396. 92 Brocker, ZParl 1999, 739, 740, 742 f.; Engels, Untersuchungsausschüsse, 77 f.; Glauben, DRiZ 1992, 395, 396; Groß, ZRP 2002, 91; Jekewitz, RuP 2000, 215, 216; Partsch, 45. DJT/I, 163; Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 52; Vetter, ZParl 1989, 343, 348; Wiefelspütz, NJ 2002, 398, 399. 93 Zu den Begriffen: 1. Kapitel, B. III. 1. 94 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 86 f.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

verhalten stellt der PUA aber lediglich zu politischen Zwecken unter politischen Gesichtspunkten durch einen unverbindlichen Abschlussbericht fest.95 Der PUA wird somit nicht auf dem Gebiet der Strafrechtspflege tätig, sondern er geht seiner verfassungsrechtlichen Aufklärungsfunktion unter politischer Zweckrichtung nach. Daher werden auch die erhobenen Beweise zu unterschiedlichen Verfahrenszwecken verwendet. Während im Strafverfahren die Beweismittel das Fundament für den Nachweis der Schuld und das spätere Urteil sind, sollen die Beweismittel im PUV „nur“ die Erfüllung des Untersuchungsauftrages und somit die Aufklärung des Missstandes unter politischer Betrachtungsweise ermöglichen96. bb) Keine Sanktionsverhängung durch den PUA Ein Strafverfahren endet in der Regel mit einem Sachurteil, durch das der Strafrichter einen Schuldspruch über das vom Täter begangene Tatunrecht und eine Kriminalstrafe (Freiheits- oder Geldstrafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt oder mit Geldbuße und das Absehen von Strafe97) verhängt oder den Angeklagten vom Tatvorwurf freispricht. Nicht einheitlich beantwortet die Literatur, ob der PUA gegen denjenigen, gegen den sich die Untersuchungstätigkeit richtet, eine Sanktion verhängt. Unbestreitbar ist, dass der PUA jedenfalls keine Sanktion im Sinne einer Kriminalstrafe verhängt, die Öffentlichkeitswirkung und der Abschlussbericht könnten jedoch der Kriminalstrafe vergleichbare Sanktionen sein. (1) Öffentlichkeitswirkung als Sanktion Eine Auffassung sieht in der Wirkung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens auf die Öffentlichkeit das Sanktionspotential eines Untersuchungsausschusses98. Es trifft zwar zu, dass die öffentliche Aufklärung und die Reaktion der Gesellschaft auf das Fehlverhalten des Betroffenen dem parlamentarischen Untersuchungsrecht seine Effektivität verleihen. Dennoch sind ein Ansehensverlust oder der Verlust von Wählerstimmen u. ä. als Konsequenzen der öffentlichen Aufklärung nur „mittelbare“ Folgen 95 Arndt, DRiZ 1964, 290, 291; Badura, DÖV 1984, 759, 762; Güther/Seiler, NStZ 1993, 305, 307; v. Heydebreck, 45. DJT/II, E 64, E 67; Kästner, NJW 1990, 2649, 2651; Schaefer, NJW 1998, 434, 435; ders., NJW 2002, 490. 96 Arndt, DRiZ 1964, 290, 291; Güther/Seiler, NStZ 1993, 305, 307. 97 BVerwG, NJW 1991, 2583, 2584; Fischer, StGB, vor § 38, Rn. 5; § 59, Rn. 2; Wagner, Anwaltsgerichtliches Verfahren, 97. 98 Güther/Seiler, NStZ 1993, 305, 305, 307; wohl auch Horn/Herbert, VR 1997, 163, 167; Jung, Eser-FS, 335, 340 f.; Schenke, JZ 1988, 805, 814; Wohlers, NVwZ 1994, 40, 41.

B. Terminologische Grundlagen

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des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens, da erst die Reaktion der Allgemeinheit auf das vom PUA aufgeklärte Fehlverhalten des Betroffenen die Nachteile auslöst. Allerdings kann auch ein mittelbarer Eingriff ein Grundrecht verletzen, wenn er final, vorhersehbar oder von besonderer Intensität ist.99 Das PUV beabsichtigt gerade durch sein öffentliches Beweiserhebungsverfahren, eine Reaktion der Gesellschaft auf die Vorgänge herbeizuführen. Es ist auch vorhersehbar, dass die öffentliche Aufklärung das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen tangieren kann. Dennoch kann die Öffentlichkeitswirkung nicht einer Sanktion gleichgestellt werden. Reaktionen der Öffentlichkeit treffen nämlich nicht nur den Betroffenen im PUV, sondern auch Betroffene anderer öffentlicher Verfahren (z. B. Zivil- oder Verwaltungsgerichtsverfahren), in denen strafrechtlich relevantes Verhalten erörtert wird (z. B. § 823 Abs. 2 BGB; Gewerbeuntersagung wegen einer Straftatbegehung u. ä.). Trotzdem wird diesen Reaktionen kein Sanktionscharakter zugesprochen. Zudem tritt auch in Strafverfahren und anderen sanktionsbewehrten Verfahren (gerichtliche Disziplinarverfahren, Präsidenten- oder Richteranklage vor dem BVerfG u. ä.) zu der eigentlichen Sanktion noch die durch das öffentliche Verfahren in der Gesellschaft hervorgerufene Ehrverletzung hinzu. Die „bloßen“ ehrverletzenden Belastungen durch das PUV ohne zusätzliche Sanktion wiegen deshalb nicht so schwer wie die Auswirkungen eines Strafverfahrens oder eines anderen sanktionsbewehrten Verfahrens, in denen zusätzlich zu der eigentlichen Strafe noch die Rufschädigung in der Gesellschaft hinzukommt. Jeder Einzelne in der Gesellschaft muss sich vielmehr im Klaren darüber sein, dass die Allgemeinheit seine Handlungen kontrolliert, kritisch betrachtet und hierauf in bestimmter Weise reagiert.100 Diese Reaktionen der Gesellschaft auf das Fehlverhalten hat der Betroffene hinzunehmen. Außerdem besitzt die Verfahrensöffentlichkeit eine Doppelfunktion. Sie dient nämlich nicht nur der Schaffung von Transparenz der staatlichen Vorgänge, damit die Öffentlichkeit auf Missstände und Fehlverhalten der Volksvertreter reagieren kann. Die Öffentlichkeit des Verfahrens ermöglicht es dem Betroffenen nämlich auch, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und sein Verhalten zu rechtfertigen. Außerdem kann die Außenwelt überprüfen, inwieweit der PUA das Verfahren rechtsstaatlich durchführt. Die Nachteile, die von der Wirkung des PUV in der Öffentlichkeit ausgehen, haben jedenfalls nicht dasselbe Gewicht wie das strafgerichtliche Urteil und besitzen somit keinen Sanktionscharakter, der mit einer Kriminalstrafe vergleichbar ist. 99 Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 28, 29; Murswiek, NVwZ 2003, 1, 2, 5, 6. 100 Müller-Boysen, Betroffener, 109.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

(2) Abschlussbericht als Sanktion Ausgehend von der Definition der „Sanktion“ als staatliche repressive Reaktion auf Normabweichungen101, einer historischen Analyse der Prangerstrafe, welche den Straftäter der öffentlichen Schande aussetzte, und einem Vergleich mit dem Strafrechtssystem der DDR, das die Möglichkeit vorsah, den Täter bei Normübertretungen mit einem „öffentlichen Tadel“ zu bestrafen, kommt eine andere Auffassung zu dem Ergebnis, dass der Abschlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses Sanktionspotential aufweise, das mit dem des Strafverfahrens zu vergleichen sei102. Die Veröffentlichung des Abschlussberichts sei geeignet, den Betroffenen als „Täter“ für ein bestimmtes Fehlverhalten öffentlich verantwortlich zu machen und dessen Ehre zu verletzen. Das Sanktionspotential des Abschlussberichts verstärke sich noch dadurch, dass der Betroffene wegen Art. 44 Abs. 4 GG keinerlei Rechtschutzmöglichkeiten gegen den Abschlussbericht habe.103 Richtig ist zwar, dass der Abschlussbericht selbst nicht der richterlichen Kontrolle unterliegt und dem Betroffenen dadurch eine wichtige Korrekturmöglichkeit genommen wird. Jedoch ist ein Gericht, das dasselbe Fehlverhalten des Betroffenen unmittelbar oder nur inzident untersucht, nicht gehindert, das Handeln rechtlich anders zu bewerten. Denn die Gerichte sind in der Bewertung und Würdigung des Sachverhalts gemäß Art. 44 Abs. 4 S. 2 GG frei. Ein vom Abschlussbericht abweichendes gerichtliches Urteil würde das Ergebnis des Untersuchungsausschusses wieder in Zweifel ziehen. Die These, der Abschlussbericht sei wegen der nicht vorhandenen Rechtschutzmöglichkeiten eine Sanktion, lässt sich teilweise dadurch entkräften, dass der Betroffene bereits aufgrund der öffentlichen Verhandlung die Möglichkeit hat, sich gegen den Vorwurf zur Wehr zu setzen und die öffentliche Verfahrensdurchführung teilweise eine Kontrolle des Verfahrensablaufs ermöglicht. Außerdem gibt § 32 PUAG jeder Person, die durch den Abschlussbericht erheblich in ihren Rechten verletzt ist, die Gelegenheit innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Der wesentliche Inhalt der Stellungnahme ist nach § 32 Abs. 2 PUAG im Abschlussbericht wiederzugeben. Wenn auch die unbestimmten Rechtsbegriffe „erheblich“ und „we101

Buchholz, Untersuchungsausschuss, 82. Buchholz, Untersuchungsausschuss, 82; Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, 132; ähnlich Kohl, Rechtsstellung, 139 ff., die den Abschlussbericht der strafprozessualen Nebenstrafe vergleichbar hält. 103 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 84; wohl auch Plöd, Die Stellung des Zeugen, 46; Wolf, PUA und Strafjustiz, 75. 102

B. Terminologische Grundlagen

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sentlich“ den Schutz schmälern104, erhält dennoch jede vom Abschlussbericht betroffene Person durch das rechtliche Gehör nach § 32 PUAG einen gewissen Schutz. Zudem kommt der PUA bei seinen Ermittlungen nur selten zu einem einheitlichen Ergebnis. Mehr- und Minderheitsvoten weichen häufig voneinander ab, obwohl ihnen der gleiche Sachverhalt zu Grunde liegt.105 Die verschiedenen Positionen der Fraktionen finden Eingang in den Abschlussbericht. Da oft kein einstimmiges Ergebnis veröffentlicht wird, kann die Bevölkerung nicht eindeutig von der „Schuld“ des Betroffenen überzeugt sein. Der Allgemeinheit ist auch bekannt, dass sich die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses im Raum politischer Auseinandersetzungen, die das Aufklärungsergebnis mitbestimmen und subjektiv beeinflussen, vollzieht.106 Die Bevölkerung kann daher das Ergebnis des Abschlussberichts nicht so unbefangen akzeptieren, wie das bei einem Urteil der Fall wäre. Die Belastungen, die vom Abschlussbericht ausgehen, sind demnach nicht mit denen eines Strafurteils gleichzusetzen. Gegen einen Sanktionscharakter des Abschlussberichts – ähnlich dem eines strafrechtlichen Urteils – lässt sich des Weiteren anführen, dass der Abschlussbericht nicht als Sanktionierung konzipiert ist, sondern primär dem Parlament unverbindlich alle Fakten darlegen und dessen Entscheidungen vorbereiten soll, und dass er keine Rechtskraft entfaltet. Er ist daher weder mit einer richterlichen Entscheidung noch mit deren Wirkkraft vergleichbar.107 Auch Auswirkungen des Abschlussberichts in der Öffentlichkeit, die für den Betroffenen mit ehrverletzenden, beruflichen oder politischen Belastungen verbunden sein können, sind wie die durch eine öffentliche Beweiserhebung hervorgerufenen Reaktionen nur „mittelbare“ Folgen. Damit kommt den vom Abschlussbericht ausgehenden Rufschädigungen ebenfalls kein Sanktionspotential zu, das dem eines Strafurteils vergleichbar ist. cc) Keine Ausübung von Rechtsprechung durch den PUA Ein weiterer wesentlicher Unterschied zum Strafverfahren besteht in der personellen Besetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Im Strafverfahren darf nur ein Gericht verbindliche Entscheidungen über die Schuld des Täters fällen. Ein Gericht ist gemäß Art. 92, 97, 101 GG ein Spruchkörper, in dem sachlich unabhängige Richter Recht sprechen, d.h. Normen interpretieren, Lebenssachverhalte unter die Tatbestandsmerkmale 104

So die Kritik von Plöd, Stellung des Zeugen, 194. Glauben, DRiZ 1992, 395; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 163. 106 Wolf, PUA und Strafjustiz, 76. 107 BVerfGE 77, 1, 42; Brocker, ZParl 1999, 739, 743; Di Fabio, Rechtsschutz, 45; Wiefelspütz, UAG, 254. 105

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

dieser Normen subsumieren, Rechtsstreitigkeiten entscheiden, Feststellungen über die Schuld des Täters treffen und in einem rechtsstaatlichen Verfahren eine verbindliche Entscheidung fällen, die rechtliche Auswirkung hat und das Verfahren abschließt.108 (1) Rechtsstellung der Untersuchungsausschussmitglieder Nach Art. 92 GG ist die Rechtsprechung ausschließlich den Richtern anvertraut. Ein wesentliches Kennzeichen der Gerichtsbarkeit ist daher die Rechtsprechung durch Richter. Richterliche Tätigkeit zeichnet sich vor allem durch die in Art. 97 GG niedergelegte Unabhängigkeit der Richter aus. (a) Richterliche Unabhängigkeit Art. 97 Abs. 1 GG garantiert die sachliche Unabhängigkeit, d.h. die Freiheit eines jeden Richters von Weisungen der Exekutive und der Judikative bei der Rechtsprechung. Gebunden ist der Richter gemäß Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG nur an das Gesetz und das Recht. Art. 97 Abs. 2 GG gewährt darüber hinaus die persönliche Unabhängigkeit des Richters, in dem er ein Leerlaufen der sachlichen Unabhängigkeit durch eine Umsetzung oder Entlassung hauptamtlicher oder endgültig eingesetzter Richter verhindert.109 Während die sachliche Unabhängigkeit für Berufs- und Laienrichter gleichermaßen gilt, hat die Regelung der persönlichen Unabhängigkeit nach Art. 97 Abs. 2 GG nur für den Berufsrichter Bedeutung.110 Der PUA besteht als verkleinertes Abbild des Parlaments aus Abgeordneten. Zweifelhaft ist schon, ob die Mitglieder eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ebenfalls sachlich unabhängig sind. Sachliche und persönliche Unabhängigkeit bedeuten vor allem Weisungsfreiheit und Unentziehbarkeit des Amtes. Nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG sind Abgeordnete als Vertreter des ganzen Volkes nicht an Aufträge und Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Aus dieser Regelung ergibt sich auch für den Abgeordneten eine sachliche Unabhängigkeit für alle Entscheidungen, die er im Parlament zu treffen hat. Die in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG umschriebene Freiheit umfasst neben der sachlichen auch die persönliche Unabhängigkeit der Abgeordneten bei der Mandatsausübung, d.h. die grund108

Hesse, Grundzüge, Rn. 530 f., 547 ff.; Ipsen, StaatsR I, Rn. 758, 824 ff.; Kommission, DRiZ 1968, 357, 361. 109 Herrmann, DRiZ 1982, 286, 290; Ipsen, StaatsR I, Rn. 825 ff., 832 ff.; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 97, Rn. 2, 11 ff. 110 BVerfGE 4, 331, 344 f.; 31, 137, 140; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 97, Rn. 12.

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sätzliche Unentziehbarkeit des Mandats.111 Insoweit lässt sich eine Parallele zum Richter ziehen. (b) Neutralität der Ausschussmitglieder? Die richterliche Tätigkeit erfordert zudem Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten.112 Ein zur Streitentscheidung berufenes Gericht darf nicht zugleich Partei in einem von ihm zu entscheidenden Rechtsstreit sein.113 Den Mitgliedern eines Untersuchungsausschusses fehlen dagegen die für das Richteramt erforderliche Neutralität und Distanz zum Untersuchungsgegenstand. In zunehmendem Maß werden Untersuchungsausschüsse nämlich als „politisches Kampfinstrument“ und als Mittel der Opposition eingesetzt. Es kann deshalb zu politischen Auseinandersetzungen kommen, bei denen diejenigen, die sich von der Aufklärung einen Vorteil versprechen, denjenigen, denen ein Fehlverhalten nachgewiesen werden soll, gegenüberstehen. Die Ausschussmitglieder streben wegen ihrer Parteiangehörigkeit ein konkretes, ihren politischen Interessen entsprechendes Aufklärungsziel an114, weshalb sie zumeist aus einer politischen Motivation heraus handeln und je nach Interessenlage die Aufklärung der Missstände behindern oder fördern. Die Aufklärung von Missständen ist zudem häufig begleitet von einer Verächtlichmachung des politischen Gegners und der Publikation der eigenen politischen Ziele. Oftmals müssen bei der politischen Auseinandersetzung „publizistische Reizmethoden“115 eingesetzt werden, um bei der Öffentlichkeit ein Interesse für das Geschehen zu wecken.116 Daher haben die Mitglieder des Untersuchungsausschusses wegen des parlamentarischen und politischen Eigeninteresses an der Aufklärung nicht die Neutralität und Distanz zum Untersuchungsgegenstand, wie dies von einem Richter erwartet wird. Auch die Position des Ausschussvorsitzenden lässt sich nicht mit der des Richters ver111

Jarass/Pieroth, GG, Art. 38, Rn. 26. BVerfGE 60, 175, 214; 87, 68, 85; BVerfG, NJW 2001, 1048, 1053; Ipsen, StaatsR I, Rn. 758. 113 BVerfGE 60, 175, 202 f.; 67, 65, 68; BVerfG, NJW 2001, 1049, 1053. 114 Brocker, ZParl 1999, 739, 743; Danckert, ZRP 2000, 476, 480; Detjen, ZRP 2001, 187; Engels, Untersuchungsausschüsse, 79; Kipke, RuP 2000, 202, 203; Lesch, NJW 2000, 3035, 3037; Rixen, JZ 2002, 435, 437 f.; Schaefer, NJW 1998, 434, 435; ders., NJW 2002, 490; Ule, 45. DJT/II, E 90; Wiefelspütz, ZRP 2002, 14, 17; ders., ZParl 2002, 551, 559. 115 So Vetter, ZParl 1993, 211, 227. 116 Badura, DÖV 1984, 760, 762; Güther/Seiler, NStZ 1993, 305, 306, 307; Kästner, NJW 1990, 2649, 2651, 2656; Lesch, NJW 2000, 3035, 3037; Schleich, UntersuchungsR, 14; Schmidt, FAZ vom 17.10.2001, S. 16; Stern, AöR 109 (1984), 199, 218; Vetter, ZParl 1993, 211, 227. 112

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

gleichen. Da der Ausschussvorsitzende selbst Mitglied einer Fraktion des Parlamentes ist, besitzt er ebenfalls ein gewisses politisches Eigeninteresse, das ihm die erforderliche Objektivität zum Untersuchungsgegenstand nimmt. Außerdem legt nicht zwangsläufig eine Fraktion die Antragssteller, den Untersuchungsgegenstand und den Ausschussvorsitzenden fest, sondern es kann sogar sein, dass – wie im Flick-Untersuchungsausschuss – ein Ausschussvorsitzender aus dem Regierungskreis ein von der Opposition eingeleitetes PUV leiten muss. Dabei können bei der Vermittlung zwischen den widerstreitenden Parteien durch den Vorsitzenden ebenfalls der Wille zur politischen Auseinandersetzung und die Pflicht zur neutralen Amtsführung kollidieren.117 Allerdings sind nicht alle Gerichte ausschließlich mit hauptamtlichen Richtern besetzt, sondern bei den Finanz-, Arbeits-, Sozial- und Schöffengerichten wirken auch „Laienrichter“ mit. Die Mitglieder eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses sind aber nicht mit Laienrichter vergleichbar, da sie durch die Öffentlichkeit stärker beeinflussbar sind.118 Die Mitglieder eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses besitzen folglich nicht die Stellung eines neutralen unbefangenen Richters. (2) Urteilsfindung durch einen PUA? Für die Ausübung von Rechtsprechung durch einen PUA könnte jedoch sprechen, dass der PUA einen Sachverhalt zum Zweck der objektiven Wahrheitsfindung mit den über Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG zugewiesenen gerichtsähnlichen Mitteln aufklärt. Rechtsprechung kann in einem materiellen und in einem funktionellen Sinn verstanden werden. Um Rechtsprechung im materiellen Sinne handelt es sich, wenn bestimmte hoheitsrechtliche Befugnisse bereits durch die Verfassung allein den Richtern vorbehalten sind oder die sachliche Tätigkeit dem traditionellen Kernbereich der Rechtsprechung zuzuordnen ist.119 Es liegt auf der Hand, dass bei diesem Verständnis die Anwendung strafprozessualer, gerichtsähnlicher Erhebungsbefugnisse durch den PUA allein seine Tätigkeit noch nicht zu Rechtsprechung macht. Denn die strafprozessualen Erhebungsbefugnisse, wie Zeugenvernehmung, Herausgabeverlangen oder Durchsuchung, sind nicht allein dem Richter durch die Verfassung vorbehalten, sondern sie können – wenn unter Umständen nur in eingeschränktem Maße – auch von der Staatsanwaltschaft oder der Polizei durchgeführt werden. 117 Busch, Parlamentarische Kontrolle, 97; Engels, Untersuchungsausschüsse, 145; ähnlich auch Klein, FAZ vom 28.05.2001, S. 10. 118 Müller-Boysen, Betroffener, 48; allgemein zur Abhängigkeit der Politiker: Schmitt Glaeser, ZRP 2006, 10, 11. 119 BVerfGE 22, 49, 76 f.; BVerfG, NJW 2001, 1048, 1052.

B. Terminologische Grundlagen

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Zum Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit gehört es zudem, Kriminalstrafen einschließlich Geldstrafen zu verhängen.120 Der PUA verhängt aber – wie dargelegt121 – selbst keine Sanktionen. Auch der Abschlussbericht und die Sachverhaltsermittlungen, z. B. zur Vorbereitung einer Präsidenten-, Richter- oder Ministeranklage, entfalten noch keine Verbindlichkeit oder unmittelbaren Nachteile, da sie lediglich entweder der Vorbereitung einer (rechtsverbindlichen) Entscheidung des Parlaments dienen (z. B. eines Gesetzesbeschlusses oder eines Misstrauensvotums) oder einer Entscheidung des Parlaments, ob es eine Anklage vor dem BVerfG erhebt, das anschließend die auf eine Schuldfeststellung gerichtete Entscheidung und eine Rechtsfolge trifft. Der PUA übt also keine Rechtsprechung im materiellen Sinn aus. Um Rechtsprechung im funktionellen Sinn handelt es sich, wenn in einem vom Gesetzgeber geregelten gerichtsförmigen Verfahren hoheitlicher Streitbeilegung die zuständigen Organe den zu treffenden Entscheidungen eine letztverbindliche, der Rechtskraft fähigen Feststellung darüber, was rechtens ist, verleihen.122 Rechtsprechung im funktionellen Sinn ist somit – nach der Ermittlung des Sachverhalts und dem Abschluss der Beweisaufnahme – der Erlass eines Urteils, das die Schuld des Täters verbindlich mit Außenwirkung feststellt und eine bestimmte, der Schuld angemessene Rechtsfolge verhängt. Zwar führt der PUA Ermittlungstätigkeiten durch, um den Sachverhalt festzustellen und aufzuklären, und er subsumiert den festgestellten Sachverhalt unter die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden sein soll. Ausschlaggebend für Rechtsprechung im formellen Sinn ist aber die Entscheidung einer Streitigkeit durch ein der Rechtskraft fähiges, verbindliches Urteil. Der PUA fasst jedoch nach Beendigung seiner Ermittlungstätigkeit und Würdigung der Beweismittel lediglich seine Erkenntnisse in einem Abschlussbericht zusammen und leitet diesen – gegebenenfalls mit möglichen Empfehlungen – an das Parlament weiter, das die vom PUA gewonnenen Erkenntnisse seinen Entscheidungen zu Grunde legt. Dieser Bericht beendet zwar ebenso wie das Urteil im Strafverfahren das PUV. Der PUA trifft aber keine verbindliche Entscheidung. Allenfalls das Parlament erhebt unter Umständen auf der Grundlage der Erkenntnisse im Abschlussbericht eine Anklage vor dem BVerfG, das dann durch ein verbindliches Urteil die Schuld der betreffenden Person feststellt und eine Sanktion, z. B. den Amtsverlust, eine Versetzung u. a., verhängt. Die Anklage des Parlaments beruht zwar auf den Ermittlungen und möglichen Empfehlungen des parlamentarischen 120

BVerfGE 22, 49, 79 ff.; 22, 125, 130; Groß, ZRP 2002, 91; Jarass/Pieroth, GG, Art. 92, Rn. 3. 121 Zum Sanktionspotential eines Untersuchungsausschusses: 1. Kapitel, B. II. 2. b) bb). 122 BVerfGE 60, 253, 269 f.; BVerfG, NJW 2001, 1048, 1052; Arndt, DRiZ 1964, 290, 291.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

Untersuchungsausschusses. Diese sind für das Parlament aber nicht bindend. Der PUA fällt somit selbst keine verbindliche Entscheidung, die einen Streit endgültig abschließt123, übt also keine Rechtsprechung aus. (3) Zwischenergebnis Die Untersuchungsausschussmitglieder weisen wegen ihrer Parteiangehörigkeit nicht die einen Richter charakterisierende Neutralität und Unbefangenheit zum Untersuchungsgegenstand auf. Zudem trifft ein PUA weder eine rechtskräftige, auf eine Schuldfeststellung gerichtete Entscheidung noch verhängt er eine Sanktion, d.h., er übt weder eine Rechtsprechungstätigkeit im materiellen noch im funktionalen Sinn aus. Ein PUA ist somit weder ein Gericht noch mit einem solchen vergleichbar.124 dd) Bedeutung der Öffentlichkeit im PUV und im Strafverfahren Wie schon oben festgestellt125, hat der PUA – wie das Strafgericht – gemäß Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG seine Beweiserhebungen in öffentlicher Verhandlung durchzuführen. Gleichwohl geht der Zweck der öffentlichen Durchführung eines parlamentarischen Untersuchungsverfahrens über den der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens hinaus. (1) Strafverfahrensrechtlicher Öffentlichkeitsgrundsatz Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung gehört, insbesondere im Strafverfahren, zu den „grundlegenden Einrichtungen des Rechtsstaates“.126 Dennoch ist er nicht mit Verfassungsrang ausgestattet, sondern nur in den einfachgesetzlichen Regelungen der §§ 169 ff. GVG niedergelegt. Er verlangt, dass allen Bürgern die Teilnahme am Gerichtsverfahren als Zuhörer zu gestatten ist.127 Damit ermöglicht er der Öffentlichkeit, die vor Gericht stattfindenden Vorgänge zu kontrollieren, um das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Rechtspflege zu stärken.128 Das Vertrauen in die 123

Arndt, DRiZ 1964, 290, 291; Güther/Seiler, NStZ 1993, 305, 307; Quaas/ Zuck, NJW 1988, 1873, 1875; Richter, Privatpersonen, 40. 124 So i. E. auch Brocker, ZParl 1999, 739, 743; Quaas/Zuck, NJW 1988, 1873, 1875; Schaefer, NJW 1998, 434, 435; ders., NJW 2002, 490. 125 1. Kapitel, B. II. 2. a). 126 BVerfG, NJW 2001, 1633, 1635; BGHSt. 9, 280, 281; 22, 297, 301; 28, 341, 343 ff.; Kudlich, JA 2000, 970. 127 BVerfG, NJW 2001, 1633, 1635; Krehl in: HK, StPO, Einl., Rn. 27; Kudlich, JA 2000, 970, 971; Pfeiffer, StPO, Einl., Rn. 13; Ranft, StrafprozessR, Rn. 1420.

B. Terminologische Grundlagen

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Rechtsprechung bildet wiederum die Voraussetzung für eine bessere Zusammenarbeit der Bevölkerung mit den Strafverfolgungsbehörden, z. B. durch eine höhere Anzeigebereitschaft.129 Teilweise wird heute das primäre Ziel des strafprozessualen Öffentlichkeitsgrundsatzes allerdings in der Information der Bevölkerung gesehen.130 Zwar kann nicht geleugnet werden, dass durch die öffentliche Verhandlung die Allgemeinheit über das Tatgeschehen und die Verhältnisse des Angeklagten informiert wird. Dennoch besteht die Aufgabe des Öffentlichkeitsgrundsatzes im Strafverfahren nach zutreffender Auffassung nicht in erster Linie in der Befriedigung von Informationsinteressen der Bevölkerung, sondern in der Kontrolle des Verfahrens zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit.131 Darüber hinaus stärkt die Öffentlichkeit des Verfahrens das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung, festigt das Vertrauen der Bevölkerung in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung132 und erfüllt eine generalpräventive Funktion, indem sie andere von einer ähnlichen Tatbegehung abschreckt. Zugleich kann das öffentliche Verfahren auf das zukünftige Verhalten des Täters wegen der öffentlichen Verurteilung spezialpräventiv und resozialisierend wirken.133 Außerdem gibt die Öffentlichkeit der Verhandlung dem Angeklagten die Möglichkeit, den gegen ihn bestehenden Verdacht öffentlich zu entkräften oder sich sogar zu rehabilitieren.134 Auf der anderen Seite unterliegt der Öffentlichkeitsgrundsatz auch Beschränkungen, um den Angeklagten vor einer Massenöffentlichkeit sowie einer bloßen Zurschaustellung im Gerichtsverfahren zu schützen und damit ein rechtsstaatliches Verfahren zu gewährleisten.135 Im Zuge des Einsatzes moderner Massenmedien ist es nämlich möglich, das Gerichtsverfahren einer breiteren Öffentlichkeit, die sich nicht nur auf die anwesenden Zuhörer beschränkt, zugänglich zu machen. Deshalb verbietet § 169 S. 2 GVG zum 128 BVerfG, NJW 2001, 1633, 1635, 1636; BGHSt. 9, 280, 281 f.; BGH, wistra 1997, 341, 344; Bräcklein, ZRP 2003, 348, 350; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 646; Hillermeier, DRiZ 1982, 282; Huff, NJW 2001, 1622; Kudlich, JA 2000, 970; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 288. 129 Hillermeier, DRiZ 1982, 282; Kudlich, JA 2000, 970. 130 Beulke, StrafprozessR, Rn. 376; Hillermeier, DRiZ 1982, 282; Meyer-Goßner, StPO, § 169 GVG, Rn. 1. 131 So auch Bräcklein, ZRP 2003, 348, 350; Güther/Seiler, NStZ 1993, 305, 309; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 646; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 288, Fn. 270. 132 BGHSt. 9, 280, 281; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 646; Ranft, StrafprozessR, Rn 1421. 133 Hillermeier, DRiZ 1982, 282, 283. 134 Güther/Seiler, NStZ 1993, 305, 309; Hillermeier, DRiZ 1982, 282, 283; Richter, Privatpersonen, 101. 135 BVerfG, NJW 2001, 1633, 1635 ff.; Huff, NJW 2001, 1622.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

Schutz des Angeklagten Ton-, Rundfunk- und Fernsehaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen der öffentlichen Hauptverhandlung zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts.136 Außerdem ist der Zutritt der Öffentlichkeit zu den Verhandlungen von der räumlichen Kapazität abhängig. Wenn die Zuhörerzahl die räumlichen Möglichkeiten des Gerichts übersteigt, darf die Gerichtsverhandlung beispielsweise nicht in einen universitären Hörsaal verlegt oder auf die Flure mit Hilfe von Videotechnik oder Lautsprechern übertragen werden. Eine solche Erweiterung der Öffentlichkeit würde den Angeklagten nämlich zum bloßen Schauobjekt degradieren und dessen Menschenwürde verletzen.137 (2) Funktion der Öffentlichkeit des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens Die Öffentlichkeit der Verhandlung vor dem PUA ist nicht nur einfachgesetzlich, sondern verfassungsrechtlich in Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG verankert. Im PUV soll die öffentliche Beweiserhebung zwar auch einen ordnungsgemäßen Verfahrensverlauf garantieren und dadurch das Rechtsstaatsprinzip wahren, wofür gerade wegen des inquisitorischen Charakters und der politisch ambitionierten Vorgehensweise des Ausschusses ein großes Bedürfnis besteht.138 Die Öffentlichkeit des Verfahrens gibt dem Betroffenen zugleich die Möglichkeit, vor einem großen Auditorium zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und sich gegebenenfalls gegen sie zu wehren.139 Die Öffentlichkeit der Beweiserhebung dient im Wesentlichen aber der Information der Allgemeinheit, während diese Funktion im Strafverfahren nach zutreffender Auffassung nur von untergeordneter Bedeutung ist. Durch die Öffentlichkeit werden der Allgemeinheit das politische Handeln, die politischen Entscheidungen und die aufgedeckten Missstände transparent gemacht.140 Die öffentliche Beweiserhebung soll ermöglichen, dass die Bevölkerung das Vertrauen in die Politik behält bzw. zurückerhält, weil das Fehlverhalten und die Missstände nicht verschleiert, sondern öffentlich aufgeklärt und kritisch gewürdigt werden. Es soll nicht der Eindruck entstehen, 136

BVerfG, NJW 2001, 1633, 1637. Kudlich, JA 2000, 970, 971; Meyer-Goßner, StPO, § 169 GVG, Rn. 5. 138 Gollwitzer, Dünnebier-FS, 327, 331; Richter, Privatpersonen, 102. 139 Partsch, 45. DJT/I, 205. 140 Arndt, DRiZ 1964, 290, 292; Badura, DÖV 1984, 759, 763; Bräcklein, ZRP 2003, 348, 349, 350; David, Verfassung Hamburg, Art. 25, Rn. 53; Güther/Seiler, NStZ 1993, 305, 309; Kißler in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 36, Rn. 16; Linck, ZParl 1992, 673, 696; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 288; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 266 f.; Quaas/Zuck, NJW 1988, 1873, 1876; Wolf, PUA und Strafjustiz, 72 f. 137

B. Terminologische Grundlagen

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dass hinter verschlossenen Türen das Fehlverhalten der Regierung oder der Verwaltung „unter den Teppich gekehrt wird“. Dadurch wird der einzelne Bürger in die Lage versetzt, Einblick in das staatliche Handeln seines Volksvertreters zu erhalten und sich von dessen Vertrauenswürdigkeit zu überzeugen. Insbesondere für die Minderheit ist das öffentliche parlamentarische Aufklärungsverfahren ein wichtiges Mittel, um die Regierung zu kontrollieren und deren politische Verantwortung für bestimmte Missstände in der Bevölkerung darzustellen.141 Durch die Offenlegung der Machenschaften von Regierung und Verwaltung, der Verantwortung für bestimmte Missstände und der Intentionen der Volkvertreter ist das Volk imstande, sich eine politische Meinung zu bilden und auf das Geschehen zu reagieren, z. B. indem der Verantwortliche sein Ansehen oder das Vertrauen der Bürger verliert oder bei der nächsten Wahl weniger Wählerstimmen erhält.142 Der Öffentlichkeit des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens kommt damit im Unterschied zum Strafverfahren eine bedeutende demokratische Funktion zu. Die Verantwortung der Regierung für ihr Handeln gegenüber dem Parlament stellt durch das öffentliche Verfahren zugleich eine Verantwortung gegenüber dem Volk als Träger der Staatsgewalt dar. Als demokratisch-legitimierte Staatsorgane müssen die Regierungsmitglieder dem Volk Rechenschaft ablegen und ihr staatliches Handeln für die Allgemeinheit sichtbar machen.143 (3) Zwischenergebnis Die Öffentlichkeit des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens besitzt eine über die Bedeutung der Öffentlichkeit des Strafverfahrens hinausgehende Funktion, weil der Zweck nicht nur darin besteht, den Verfahrensablauf zu kontrollieren, sondern die Öffentlichkeit des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens dient vornehmlich der Information der Bürger und der Stärkung demokratischer Grundsätze. 141

Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 293; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 276; Quaas/Zuck, NJW 1988, 1873, 1876; Richter, Privatpersonen, 103; Studenroth, Private Bereiche, 138. 142 I. E. auch Binder, DVBl. 1985, 1112, 1117; Bräcklein, ZRP 2003, 348, 349, 350; Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 9, 13; Güther/Seiler, NStZ 1993, 305, 307, 309; Köhler, Grenzen des PUR, 101; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 288; Richter, Privatpersonen, 104. 143 Binder, DVBl. 1985, 1112, 1114, 1118; Bräcklein, ZRP 2003, 348, 349; v. Heydebreck, 45. DJT/II, E 64, E 77; Kißler in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 36, Rn. 16; Linck, DÖV 1973, 513, 515; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 290; Richter, Privatpersonen, 102; Studenroth, Private Bereiche, 138; i. E. auch Wolf, PUA und Strafjustiz, 72 f.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

ee) Inquisitorische Ausgestaltung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens Im Inquisitionsprozess ermittelte der Strafrichter den Sachverhalt und fällte das Urteil. Er vereinte also die heute im Strafprozess unabhängig voneinander wirkenden Instanzen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts in seiner Person.144 Der Ablauf des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens entspricht eher dieser inquisitorischen als der kontradiktorischen Verfahrensgestaltung im Strafverfahren, in dem voneinander unabhängige Personen jeweils die Aufgaben der Anklage, der Verteidigung und der Entscheidung durch ein Urteil wahrnehmen. Das PUV trennt nämlich nicht Ermittlungs-, Zwischen- und Hauptverfahren, und es kennt auch keine Verfahrensbeteiligten im Sinne des Strafprozesses. Vielmehr ermittelt der PUA den Sachverhalt, würdigt zugleich die erhobenen Beweise und fasst sie in einem Abschlussbericht zusammen. Der PUA ist also allein für die Sachverhaltsaufklärung, die Beweismittelbeschaffung, die Sichtung des Verfahrensstoffes und dessen Würdigung zuständig.145 Es stehen sich zwar regelmäßig Fraktionen gegenüber, die durch die Untersuchung entweder einen Vorteil erzielen oder einen Nachteil erleiden. Daher unterstützt die Fraktion, welcher der Betroffene angehört, ihr Mitglied zumeist im Verfahren und nimmt insoweit eine Art Verteidigerfunktion wahr. Jedoch richten parlamentarische Untersuchungsausschüsse ihr Verfahren unter besonderen Voraussetzungen146 auch gegen Private, die keine Parlamentsmitglieder sind und somit nicht zwangsläufig eine Unterstützung durch eine Fraktion erhalten. Ferner existieren Fälle, in denen sich die Fraktion, welcher der Betroffene angehört, vom Betroffenen abwendet und damit der gesamte PUA einheitlich die Erfüllung des Untersuchungsgegenstandes anstrebt, die Fraktion den Betroffenen also nicht unterstützt und somit die Verteidigerrolle nicht übernimmt.147 Es steht dem Betroffenen aber durchaus zu, zur Ausübung und Wahrung seiner Rechte als Zeuge einen Rechtsbeistand beizuziehen.148 Wegen dieser einseitigen Interessenverfolgung des ganzen Untersuchungsausschusses ist es diesem unmöglich, gegenüber dem Betroffenen eine neutrale Stellung zu wahren und objektiv den Sachverhalt zu würdigen. Dem PUV fehlt die das Strafverfahren kennzeichnende kontradiktorische 144

Beulke, StrafprozessR, Rn. 18, 21. Engels, Untersuchungsausschüsse, 75 ff.; Gollwitzer, BayVBl. 1982, 417; ders., Dünnebier-FS, 327, 333; Jekewitz, RuP 2000, 215, 216; Müller-Boysen, Betroffener, 48; Quaas/Zuck, NJW 1988, 1873, 1875. 146 Ausführlich unter 1. Kapitel, C. III. 2. b) bb). 147 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 142. 148 Ausführlich im 3. Kapitel, IV. 2. b) aa) (2). 145

B. Terminologische Grundlagen

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Verfahrensstruktur. Die inquisitorische Verfahrensausgestaltung erhöht die Gefahr, dass PUA-Mitglieder voreingenommen tätig werden und politisch motiviert agieren. 3. Konsequenzen für die „sinngemäße Anwendung“ Zwischen Strafverfahren und PUV bestehen signifikante Unterschiede, die der vollständigen und unveränderten Übernahme aller Vorschriften des Strafprozesses in das PUV entgegenstehen. Der Ansicht, die den Begriff „sinngemäß“ im Sinne einer Analogie versteht, kann daher nicht gefolgt werden. Dennoch ähnelt das PUV wegen der Gemeinsamkeiten bei der Ermittlungstätigkeit zur Sicherung eines verfassungsrechtlich besonders bedeutsamen öffentlichen Interesses und der objektiven Wahrheitserforschung dem Strafverfahren. Deshalb ist es gerechtfertigt, dass das Grundgesetz die Beweiserhebung statt an anderen Verfahrensordnungen – z. B. dem Ziviloder Verwaltungsgerichtsverfahren – am Strafverfahren orientiert und den PUA zur wahrheitsgemäßen sowie effektiven Erfüllung des parlamentarischen Kontrollrechts grundsätzlich mit den strafprozessualen Erhebungsbefugnissen ausstattet.149 Da der PUA das Informations- und Kontrollrecht des Parlaments optimal gewährleisten und umsetzen, aber gleichzeitig ein rechtsstaatliches Verfahren sicherstellen soll, ist es vorzugswürdig, die „sinngemäße Anwendung“ sowohl nach Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts auszulegen, als auch die Unterschiede zwischen PUV und Strafverfahren bei der Klärung der Anwendbarkeit der Vorschriften des Strafprozesses zu berücksichtigen. Somit ist es unter Umständen notwendig, die im PUV anzuwendenden Vorschriften in einer den Strukturunterschieden und der andersartigen Zwecksetzung entsprechenden Art zu modifizieren, ohne den von der einschlägigen Norm verfolgten Schutzzweck zu unterlaufen. Gerade hierdurch kann es aber zu Kollisionen mit dem Strafverfahren kommen, wenn eines der Verfahren weiter gehende Befugnisse erhält oder stärkere Einschränkungen bei der Aufklärung infolge umfassenderer Rechte der am Verfahren Mitwirkenden hinzunehmen hat. Eine unveränderte Übertragung der Regelungen des Strafprozesses auf das PUV ist dagegen möglich, wenn Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift auch auf das PUV zutreffen und die Regelung der Verfahrensausgestaltung eines Untersuchungsausschusses nicht widerspricht.

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Ähnlich auch BVerfG, Beschluss vom 14.12.2001, Az.: 2 BvR 1565/94, 2 BvR 173/95; Lesch, NJW 2000, 3035, 3037; Quaas/Zuck, NJW 1988, 1873, 1875; Stern, AöR 109 (1984), 199, 238 f.; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 565.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

III. Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens Da bei der „sinngemäßen“ Übertragung der strafprozessualen Vorschriften neben den bereits festgestellten Strukturunterschieden von Strafverfahren und PUV auch Sinn und Zweck des Untersuchungsrechts zu beachten sind, ist es nötig, diese näher herauszuarbeiten, um sie später bei der Überprüfung der Anwendbarkeit der einzelnen strafprozessualen Normen berücksichtigen zu können. 1. PUA als Kontrollinstrument des Parlaments Untersuchungsausschüsse werden primär als Kontrollinstrumente des Parlaments eingesetzt, um vermutete öffentlich bedeutsame Unzulänglichkeiten aufzuklären.150 Dabei werden Untersuchungsausschüsse in verschiedene Enquetearten unterteilt.151 Während Kontrollenqueten die Aktivitäten von Mitgliedern der Regierung, Verwaltung oder Justiz kontrollieren, kritisieren und interne Miss150 BVerfG, NJW 2002, 1936, 1937; BVerwG, DVBl. 2000, 487, 488; StGH BW, DÖV 2003, 201; LG Magdeburg, Beschluss vom 18.06.2008, Az.: 21 Qs 44b/08; Bräcklein, ZRP 2003, 348, 349; Kunig, Jura 1993; 223; Magiera in: Sachs, GG, Art. 44, Rn. 1; Morlok, RuP 2000, 208, 209; Pötzsch, Demokratie, 64; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 554. 151 Die Einteilung ist lediglich begrifflicher Natur, sie hat keine rechtlichen Auswirkungen und ist daher auch nicht zwingend. Die Einordnung hilft auch nicht weiter, um die hier untersuchte Thematik der gegenseitigen Einflussnahme von Strafverfahren und PUV einzugrenzen, weil eine eindeutige Trennung der Enquetearten nicht möglich ist und parlamentarische Untersuchungsausschüsse oft mehrere Enquetearten in einem Verfahren vereinigen. So vermengte der PUA „Neue Heimat“ (BT-Drucks. 10/5575), der Gesetzesverstöße der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft „Neuen Heimat“ sowie der mit ihr in Verbindung stehenden Privatunternehmen aufklären und untersuchen sollte, ob die Unternehmen die Regierung und Verwaltung zum Erlass bestimmter gesetzlicher Regelungen veranlassten und welche Konsequenzen hieraus für die künftige Tätigkeit des Parlaments zu ziehen seien, Elemente der Kontroll-, Missstands-, Skandal- und Gesetzgebungsenquete miteinander. Auch der PUA „Förderpraxis bei der ländlichen Sozialberatung der Bauernverbände“ in Baden-Württemberg (LT-Drucks. 12/4458), der dem Zweck diente, die Vergabepraxis von Fördermitteln durch die Landesregierung und das Zustandekommen des Vergleichs zwischen Landesregierung und Bauernverbänden aufzuklären und Empfehlungen für eine Neuregelung der Förderpraxis zu geben, enthielt Elemente der Missstands- und Gesetzgebungsenquete. Im „Fibag“-UA (BT-Drucks. 4/247), der das Fehlverhalten des früheren Verteidigungsministers Strauß bei der Zuteilung von Aufträgen an bestimmte Privatpersonen aufklären sollte und dabei auch das Verhalten der Privatpersonen zum Gegenstand seiner Untersuchung machte, überschnitten sich ebenfalls Kontroll-, Missstands- und Skandalenquete.

B. Terminologische Grundlagen

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stände in diesen Bereichen aufklären, beispielsweise zur Vorbereitung einer Minister-, Richter- oder Präsidentenanklage des Parlaments beim Bundesoder Landesverfassungsgericht152, verfolgen Kollegialenqueten das Ziel, parlamentsinterne Angelegenheiten parlamentarischer Organe oder Abgeordneter zu überprüfen, z. B. um eine Abgeordnetenanklage vorzubereiten. Kollegialenqueten werden zwar zum Teil für verfassungswidrig gehalten, weil sie die Freiheit des Mandats eines Abgeordneten unzulässig beeinträchtigen würden. Die politische und moralische Bewertung des Verhaltens eines Abgeordneten erzeuge für diesen einen Rechtfertigungsdruck gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit, welcher der Freiheit des Mandats widerspreche.153 Die überwiegende Auffassung hält eine Kollegialenquete aber zutreffend für zulässig. Art. 38 GG kollidiert zwar mit dem Untersuchungsrecht aus Art. 44 GG, beide Verfassungsgüter müssen aber zueinander in einen harmonischen Ausgleich gebracht werden, der zum Schutz vor Gefährdungen der Parlamentsarbeit sowie der Funktionserhaltung und der Bedeutung des Parlaments Untersuchungen zur Aufklärung schwerster Verfehlungen eines Abgeordneten, z. B. bei einem Missbrauch des Mandats, beharrlicher Verweigerung der Pflichtenerfüllung oder einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht, in Vorbereitung einer Abgeordnetenanklage oder eines Parlamentsausschlusses zulässt.154 Skandalenqueten sind parlamentarische Untersuchungsausschüsse, die Sachverhalte von gewissem öffentlichen Interesse im nichtstaatlichen Bereich aufklären sollen und nach dem für den Missstand Verantwortlichen suchen. Die Missstandsenquete soll hingegen die Missstände und Schwächen im Bereich von Verwaltung und Regierung aufdecken, sie ist also eigentlich eine Art Kontrollenquete.155 Die Untersuchung politischer Skandale bzw. Missstände in öffentlichen und gesellschaftlichen Bereichen durch eine öffentliche Verhandlung ermöglicht eine gewisse Transparenz des staatlichen Handelns für die Bevölkerung und bewirkt zumeist, dass die Öffentlichkeit eine Reaktion auf diese 152 Engels, Untersuchungsausschüsse, 17; Hermanns/Hülsmann, JA 2003, 573, 574; Kästner, NJW 1990, 2649, 2654; Magiera in: Sachs, GG, Art. 44, Rn. 4, 6; Memminger, DÖV 1986, 15, 16; Müller-Boysen, Betroffener, 29. 153 Arndt, DRiZ 1964, 290, 292. 154 Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 16, 32; i. E. Kretschmer, DVBl. 1988, 811, 813; Rechenberg in: BK, GG, Art. 44, Rn. 2; so wohl auch Simons, UntersuchungsR, 108 f., der aber eine im Wege der parlamentarischen Untersuchung geforderte Rechenschaftspflicht eines Abgeordneten über sein parlamentarisches Verhalten, einschließlich der Ausforschung seiner politischen Meinungsfreiheit wegen der Beeinträchtigung des Kernbereichs der Freiheit des Mandats ohne Abwägung mit dem Recht des Parlaments für unzulässig hält; Stock, ZRP 1995, 286, 289. 155 Engels, Untersuchungsausschüsse, 17; Magiera in: Sachs, GG, Art. 44, Rn. 6; Müller-Boysen, Betroffener, 30.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

Vorgänge zeigt. Folglich geht es bei der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses in der Hauptsache um Sachverhaltsaufklärung, Kontrolle und Publikation der erforschten Tatsachen.156 Damit nimmt der PUA eine wesentliche demokratische Funktion wahr, indem dem Parlament ein eigenes Mittel an die Hand gegeben wird, als Vertreter des Volkes klärungsbedürftige Sachverhalte zu untersuchen und darüber der Allgemeinheit Rechenschaft abzulegen.157 Nicht zu verkennen ist, dass Untersuchungsausschüsse zunehmend neben dieser Kontrollaufgabe ein politisches Ziel verfolgen. Sie werden nicht selten bewusst als „politische Kampfinstrumente“ eingesetzt, um den politischen Gegner herabzuwerten, zu diffamieren und dessen Ruf zu schädigen.158 Zu diesem Zweck wurde das parlamentarische Untersuchungsrecht allerdings nicht geschaffen. 2. PUA als Informationsbeschaffungsmittel des Parlaments Obwohl das Parlament zum Erlass von Gesetzen befugt ist, besteht Streit darüber, ob es auch zur Beschaffung von Informationsmaterial für ein bestimmtes Gesetzgebungsvorhaben einen PUA einsetzen darf. Gesetzgebungsenqueten sollen Informationen sammeln und Gesetzesvorhaben unterstützen und vorbereiten. Ihre Bedeutung hat aber wegen der Einschaltung der Enquetekommissionen, die der Bundestag nach § 56 GO-BT zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe einsetzen kann, sowie der öffentlichen Anhörungssitzungen der Fachausschüsse stark abgenommen159. Insbesondere die Einführung von Enquetekommissionen ist eine Ursache dafür, dass die Zulässigkeit von Gesetzgebungsenqueten heftig diskutiert wird. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse nur als Kontroll- und Aufklärungsinstrumente, nicht 156 Güther/Seiler, NStZ 1993, 305; Landfried, Protokoll G 32/26, die in der Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses auch einen Beitrag zur politischen Erziehung sieht. 157 BVerwG, DVBl. 2000, 487, 488; Gielen, JR 2000, 140, 142; Jung, Richter II-FS, 267, 270; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 290. 158 Di Fabio, JZ 1995, 828; Güther/Seiler, NStZ 1993, 305, 306; Kipke, RuP 2000, 202, 203; Lüdemann, JA 1996, 959, 964; Müller-Boysen, Betroffener, 14; Schröder in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 46, Rn. 8; Steinberger, Rechtsgutachten, 1181, 1216, 1217; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 554. 159 Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 16; Kästner, NJW 1990, 2649, 2654; Kretschmer, DVBl. 1986, 923, 924; Schröder in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 46, Rn. 7.

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hingegen zur Verschaffung von Informationen für Gesetzgebungsvorhaben des Parlaments eingesetzt werden dürfen.160 Dafür spreche, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse im Gegensatz zu den anderen parlamentarischen Ausschüssen mit Zwangsbefugnissen ausgestattet seien, das PUV als Recht der parlamentarischen Minderheit konzipiert sei und zudem eine öffentliche Beweiserhebung voraussetze. Diese Besonderheiten wiesen darauf hin, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse der Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber staatlichem Handeln dienen und deren Einsetzung auch nur zu diesem Zweck gerechtfertigt sei.161 Reine Gesetzgebungsenqueten gebe es im Übrigen gar nicht, sondern sie dienten im Wesentlichen der Verschleierung anderer Zwecke.162 Gegen die Zulässigkeit von Gesetzgebungsenqueten wird zudem die Einführung der Enquetekommissionen gemäß § 56 GO-BT ins Feld geführt. Daraus folge, dass das Parlament vorbereitende Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe nur noch durch dieses Instrument, das auf eine freiwillige Zusammenarbeit ohne Zwangsmittelanwendung angewiesen ist, ausführen lassen wolle und damit sein Recht auf Einsetzung von Gesetzgebungsenqueten, die mit Zwangsmitteln ausgestattet sind, aufgegeben habe. Gefolgert wird hieraus, dass gemeinwohlrelevanten, gesellschaftlichen Sachverhalten, die auf eine fehlende oder ungenügende gesetzliche Regelung hindeuteten und die Triebfeder für Gesetzgebungsvorhaben bildeten, lediglich durch eine Enquetekommission nachgegangen werden könne.163 Zwar ist dieser Auffassung darin zuzustimmen, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse in erster Linie Instrumente zur Kontrolle staatlichen Verhaltens sind. Zuzugeben ist auch, dass mit der Möglichkeit der Enquetekommissionen die Einsetzung von Gesetzgebungsenqueten weniger bedeutsam geworden ist.164 Abzulehnen ist indes die Schlussfolgerung, dass 160

Depenheuer/Winands, ZRP 1988, 258, 260; Ehmke, 45. DJT/II, E 7, E 21 f., 26 f., 29, 49; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 258 ff.; Schäfer, 45. DJT/ II, E 95; Schnabel, Untersuchungsausschuss, 7 ff.; Schneider in: AK, GG, Art. 44, Rn. 3; Schröder, Redeker-FS, 173, 175, 185, der eine Beschränkung des Untersuchungsrechts auf Kontroll- und Missstandsenqueten von Verfassungs wegen zur besseren Abgrenzung von Enquetekommissionen für erforderlich hält; Zeh, DÖV 1988, 701, 709 f. 161 Ehmke, 45. DJT/II, E 7, E 22, E 26, E 49; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 259; Schnabel, Untersuchungsausschuss, 7 ff. 162 Ehmke, 45. DJT/II, E 7, E 21; Meyer, Rechtsgutachten I, 58, 63, 88; Partsch, 45. DJT/I, 21; Schnabel, Untersuchungsausschuss, 19 ff. 163 Ähnlich Ehmke, 45. DJT/II, E 7, E 19, E 27; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 221 ff., 231 ff., 298 f.; Meyer, Rechtsgutachten I, 58, 64, 88; in diesem Sinne wohl auch Schäfer, 45. DJT/II, E 95; Zeh, DÖV 1988, 701, 709 f. 164 Richter, Privatpersonen, 37.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

die Einsetzung einer Gesetzgebungsenquete durch die Einführung der Enquetekommissionen ausgeschlossen werden sollte. Zum einen sind der Entstehungsgeschichte des § 56 GO-BT keinerlei Anhaltspunkte für eine Aufgabe der Gesetzgebungsenqueten zu entnehmen.165 Zum anderen hat das Parlament als „Forum der Nation“ das Recht, alle grundlegenden Fragen der Öffentlichkeit zu diskutieren, und ihm steht die Gesetzgebungskompetenz zu. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, vor allem der Parlamentsvorbehalt, verlangen, dass wichtige Sachentscheidungen vom Parlament geregelt werden.166 Daher muss es auch die Möglichkeit haben, sich über die Einhaltung und Auswirkungen gesetzlicher Regelungen zu informieren167 und Informationen über mögliche untersuchungsfähige Vorfälle einzuholen, um diese durch ein neues Gesetz lösen und regeln zu können. Das parlamentarische Untersuchungsrecht soll dem Parlament gerade ein Instrumentarium an die Hand geben, mit dessen Hilfe es sich die erforderlichen Informationen zur Erfüllung seiner Aufgaben – unter Umständen auch mit Zwangsmaßnahmen – verschaffen kann. Die Einführung von Enquetekommissionen sollte im Übrigen an der Möglichkeit, eine Gesetzgebungsenquete einzusetzen, nichts ändern. Zunächst muss das Parlament zwar Enquetekommissionen zur Aufklärung konkreter Sachkomplexe einsetzen, um die Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zu wahren, indem es umfassende Sachkomplexe zur Vorbereitung seiner Entscheidungen vornehmlich durch ein ohne Zwangsmittel ausgestattetes Gremium klären lässt. Erst wenn eine Informationsverschaffung auf diese Weise nicht möglich sein sollte bzw. die Ungeeignetheit der Enquetekommission von Beginn an offensichtlich ist, muss es dem Parlament unbenommen sein, eine Gesetzgebungsenquete einzusetzen, welche die Information unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit den Zwangsmitteln des Art. 44 Abs. 1, 2 S. 1 GG beschafft.168 Für dieses Ergebnis spricht auch, dass die GO-BT als bloßes Innenrecht nicht die verfassungs165 Engels, Untersuchungsausschüsse, 43; Richter, Privatpersonen, 37; gegen einen solchen Verfassungswandel auch Schröder, Redeker-FS, 173, 175 f.; Studenroth, Private Bereiche, 171. 166 BVerfGE 40, 276, 283 f.; 49, 89, 127; Ipsen, StaatsR I, Rn. 768; Katz, StaatsR, Rn. 195, 334. 167 I. E. Hermanns/Hülsmann, JA 2003, 573, 574; Kretschmer, DVBl. 1986, 923, 924; ders., DVBl. 1988, 811, 813; Linck, ZRP 1987, 11, 12; Steinberger, Rechtsgutachten, 1181, 1193. 168 I. E. v. Heydebreck, 45. DJT/II, E 64, E 66; Himmelreich, UntersuchungsR, 42 f.; i. E. Jahn, 45. DJT/II, E 113; Linck, ZRP 1987, 11, 12 Fn. 25a; ähnlich Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 62; Richter, Privatpersonen, 37; Schröder, Redeker-FS, 173, 181; Studenroth, Private Bereiche, 187 ff.; i. E. auch Wiefelspütz, UAG, 49.

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rechtliche Regelung aufheben kann und die Vorschläge über eine Grundgesetzänderung oder eine verfassungsrechtliche Regelung der Enquetekommission keinen Fürspruch fanden.169 Daher unterfallen also auch Gesetzgebungsenqueten dem Aufgabenbereich und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts. 3. PUA als Mittel der Parlamentsminderheit Die Pflicht des Parlaments nach Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG, auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder einen PUA einzusetzen, belegt, dass eine wichtige Funktion des parlamentarischen Untersuchungsausschusses in der Kontrolle der Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit durch die Opposition besteht.170 Die Ausgestaltung des Untersuchungsrechts als Recht der qualifizierten parlamentarischen Minderheit ist notwendig, da die Fraktionen der Regierungsparteien wegen der Besetzung eines Untersuchungsausschusses nach dem Stärkeverhältnis im Parlament auch im PUA die Mehrheit haben und gewöhnlich nicht daran interessiert sind, Verfehlungen der Regierung aufzuklären und ihr Schaden zuzufügen. Außerdem können die Abgeordneten der Regierungsfraktionen die erforderlichen Auskünfte über die von ihr getragene Bundesregierung regelmäßig auch ohne Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erhalten.171 Wie der CDU-Parteispenden-PUA zeigt, kann aber auch die Parlamentsmehrheit ein Interesse an der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses haben, z. B. um ein Fehlverhalten der früheren Regierung aufzuklären. Dennoch ist das parlamentarische Untersuchungsrecht in der Regel ein Mittel der qualifizierten Parlamentsminderheit. Dieser Zweck bedarf bei der Prüfung der Anwendbarkeit der strafprozessualen Normen besonderer Berücksichtigung.

169 Engels, Untersuchungsausschüsse, 43; Höpfner, Parlamentarische Kontrolle, 70; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 44, Rn. 34; Schröder in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 47, Rn. 1; Steinberger, Rechtsgutachten, 1181, 1195; Studenroth, Private Bereiche, 170. 170 BVerfGE 49, 70, 85 ff.; BVerfG, NJW 2002, 1936, 1937; Sächs. VerfGH, Urteil vom 20.04.2007, Az.: Vf. 18-I-07; StGH BW, DÖV 2003, 201; Landfried, Protokoll G 32/26; Morlok, RuP 2000, 208; Partsch, 45. DJT/I, 199; Redeker, 45. DJT/ II, E 107; Seidel, BayVBl. 2002, 97, 98. 171 Enquetekommission-Verfassungsreform, BT-Drucks. 7/5924, 50; BW StGH, NVwZ-RR 1992, 593, 594; Ehmke, 45. DJT/II, E 7, E 22; Engels, Untersuchungsausschüsse, 19, 26; Güther/Seiler, NStZ 1993, 305; Köhler, Grenzen des PUR, 100, 101; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 274 ff., 292 f., 295 f.; Morlok, RuP 2000, 208; Partsch, 45. DJT/I, 199 f.; Pötzsch, Demokratie, 64; Redeker, 45. DJT/ II, E 107; Rosenberg, 34. DJT/I, 3, 4; Seidel, BayVBl. 2002, 97, 98; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 44.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

4. Zwischenergebnis Parlamentarische Untersuchungsausschüsse dienen vorwiegend als Instrumente zur Kontrolle der Regierung und Verwaltung, um in diesen Bereichen Missstände und Fehlverhalten aufzuklären und der Öffentlichkeit die Unzulänglichkeiten ihrer Volksvertreter zuzutragen. Daneben hat das Parlament auch die Möglichkeit, einen PUA zur Beschaffung von Informationen für ein Gesetzgebungsvorhaben einzusetzen. Das parlamentarische Untersuchungsrecht ist hauptsächlich ein Instrument der Opposition zur Kontrolle und Informationserlangung. Diese Zwecke müssen bei der Bestimmung, inwieweit die strafprozessualen Regelungen im PUV anwendbar sind, neben den strukturellen Unterschieden beider Verfahren berücksichtigt werden. Das Parlament, das als Repräsentant des Volkes seine Machtausübung vom Volk ableitet, muss eine effektive Möglichkeit haben, alle Sachverhalte, die es für untersuchungsfähig und -bedürftig hält, kontrollieren und aufklären zu können, um Machtmissbräuche zu verhindern sowie den demokratischen Rechtsstaat aufrechtzuerhalten und zu stärken. Deshalb muss das Beweiserhebungsrecht nach Art. 44 GG so ausgestaltet sein, dass es der Funktion eines Untersuchungsausschusses gerecht werden kann.

C. Grenzen des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts Trotz der Bedeutung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens für die Demokratie darf dem PUA jedoch kein unbeschränktes Beweiserhebungsrecht zustehen. Zwar enthält der Wortlaut des Art. 44 GG selbst keine Beschränkungen des parlamentarischen Untersuchungsrechts. Der Grundsatz, die Einheit der Verfassung zu wahren, gebietet es aber, Art. 44 GG im Zusammenhang mit der gesamten Verfassung zu lesen und auszulegen. Eine äußerste Grenze der Tätigkeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse könnte sich daher möglicherweise aus der Rechtsnatur des parlamentarischen Untersuchungsausschusses ergeben. Ist der PUA als vom Parlament konstituierte staatliche Institution lediglich Hilfsorgan des Parlaments, dürfte er konsequenterweise nur in dessen Zuständigkeitsbereich tätig werden. Damit wäre der PUA nach Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG auch an die Verfassung, insbesondere an die Grundrechte und die verfassungsrechtliche Gewaltenteilung zwischen den obersten Verfassungsorganen, gebunden. Davon geht § 1 Abs. 3 PUAG im Übrigen aus. Kann das Parlament einen PUA nur unter gewissen Voraussetzungen einsetzen oder hat der PUA bei seiner Beweiserhebung bestimmte Grundsätze zu beachten, wirkt sich dies auch darauf aus, welche Beweiserhebungsbefug-

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nisse in welchem Umfang ihm im konkreten Einzelfall zustehen. Aus den Grenzen könnten sich insbesondere Konsequenzen für ein Nebeneinander von PUV und Strafverfahren ergeben. Hat der PUA bei seiner Beweiserhebung nämlich den Gewaltenteilungsgrundsatz zu beachten, ließe sich ein Nebeneinander beider Verfahren in Zweifel ziehen, weil der PUA als Teil des Parlaments ebenso wie ein Strafgericht einen Sachverhalt erforscht sowie bewertet und weil sich beide Verfahren unter Umständen im Falle eines Aktenaustausches gegenseitig behindern können. Hätte der PUA die Grundrechte zu beachten, könnte dies gegen ein Nebeneinander beider Verfahren bzw. gegen einen freien Informationsaustausch sprechen, weil ein gegenseitiger Austausch personenbezogener Informationen des Betroffenen dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Privatsphäre tangieren könnte.

I. Rechtsnatur des parlamentarischen Untersuchungsausschusses Parlamentarische Untersuchungsausschüsse sind keine fortwährenden Ausschüsse, sondern können jederzeit ad hoc aus einem konkreten untersuchungsfähigen Anlass durch einen Beschluss des Bundestages oder eines Landtages eingesetzt werden. Beim parlamentarischen Untersuchungsrecht handelt es sich also um ein Recht des Parlaments.172 In der Weimarer Republik war die Rechtsnatur des Untersuchungsausschusses dennoch strittig. Zum Teil wurde das parlamentarische Untersuchungsrecht als eigenständiges Recht und damit der PUA als selbstständige Institution und nicht nur als Hilfsinstrument des Parlaments zur Ausübung des parlamentarischen Kontrollrechts verstanden. Begründet wurde diese Sicht damit, dass der PUA eine eigenständige Integrationsfunktion erfülle, indem er politische Fragen, welche die politische Einheit störten, aufkläre und die politische Verbundenheit wiederherstelle.173 Auf der Grundlage dieses Verfassungsverständnisses – nämlich der Integrationsfunktion der Verfassung – billigte diese Auffassung dem PUA zwar eine Generalkontrollkompetenz zu, fand aber Schranken des parlamentarischen Untersuchungsrechts in der Zuständigkeit anderer Verfassungsorgane und den Länderkompetenzen.174 Eine andere Ansicht gestand den Untersuchungsausschüssen als politischen Enqueten eine umfassende Zuständigkeit zu mit der Folge, dass deren Kompetenzbereich nicht durch den des Parlaments begrenzt werde. Gestützt 172

Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 16; Köhler, Grenzen des PUR, 100, 101; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 174; Seidel, BayVBl. 2002, 97, 100. 173 Smend, Verfassung, 118 ff., 140 ff. 174 Simons, UntersuchungsR, 61; Smend, Verfassung, 119 ff., 142.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

wurde die Meinung auf das Argument, politische Enqueten besäßen im Gegensatz zu Gesetzgebungsenqueten eine funktionale Unabhängigkeit von der parlamentarischen Tätigkeit und hätten daher eine eigenständige Bedeutung. Da Befugnisse zur Beweiserhebung einem Parlament nicht zustünden, könnte ein PUA über die in der Verfassung geregelte Zuständigkeit des Parlaments hinausgehende Kompetenzen wahrnehmen. Art. 34 WRV statuiere eine selbstständige materielle Zuständigkeitsnorm, die dem PUA eine Generalkontrollkompetenz zuweise.175 Die Annahme einer Generalkontrollkompetenz des parlamentarischen Untersuchungsausschusses wurde zudem auf die Behauptung gestützt, für ein ausgewogenes Kräfteverhältnis von Legislative und Exekutive, zur Verhinderung von Machtkonzentrationen in der Verwaltung und Regierung sowie für ein erfolgreiches Tätigwerden eines Untersuchungsausschusses sei ein sachlich unbeschränkter Kompetenzbereich unabdingbar. Anderenfalls würde die politische Funktion des parlamentarischen Untersuchungsrechts illusorisch.176 Dem wird jedoch zu Recht entgegengehalten, dass eine Generalkontrollkompetenz einer eigenständigen Regelung – ähnlich der einem Parlament untypischen Befugnis zur Beweiserhebung in Art. 34 WRV als Vorläufer des heute geltenden Art. 44 GG – bedarf, die jedoch fehlt. Dass der Verfassungsgeber mit Art. 34 WRV bzw. Art. 44 GG eine so weitgehende eigene Regelung einer Generalkontrollkompetenz des Untersuchungsausschusses schaffen wollte, ist in der Verfassung nicht zum Ausdruck gekommen.177 Gegen die Theorie von der Generalkontrollkompetenz spricht auch, dass eine Erweiterung der Kompetenzen über die des Parlaments hinaus sowohl dem Gewaltenteilungsprinzip als auch dem Bundesstaatsprinzip widerspräche und zu Machtverschiebungen innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung führen würde.178 Die Theorie von der Generalkontrollkompetenz eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses fand folglich auch keine Zustimmung in der Rechtsprechung und der Literatur. Heute ist daher unumstritten, dass der PUA nur als Hilfsorgan des Parlaments tätig wird. Gemäß Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG hat der Bundestag das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder sogar die Pflicht, einen PUA einzusetzen. Das Parlament hat das Recht zur Informationsbeschaffung und zur Kontrolle von Exekutive und Judikative. Hierzu setzt es einen PUA ein, bestimmt den Untersuchungsauftrag und stellt auch Be175

Lewald, AöR 44 (1923), 269, 289, 291 ff. Fraenkel, ZfP 1954, 99, 126 ff., 129 f.; Simons, UntersuchungsR, 61. 177 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 21; Di Fabio, Rechtsschutz, 25; Himmelreich, UntersuchungsR, 39; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 101; Schleich, UntersuchungsR, 15; Simons, UntersuchungsR, 62. 178 Kipke, Untersuchungsausschüsse des BT, 39; Memminger, DÖV 1986, 15, 17; Simons, UntersuchungsR, 62, 94 f. 176

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weisanträge, an die der PUA gebunden ist. Er unterstützt das Parlament nur bei der Kontrolle der Staatsgewalten der Exekutive und Judikative und bereitet die Parlamentsentscheidungen vor. Daher ist er nicht selbst „Herr des Untersuchungsverfahrens“, sondern dies ist das Parlament. Es bedient sich des Untersuchungsausschusses lediglich als Hilfsmittel zur Wahrnehmung und Durchführung des parlamentarischen Kontrollrechts.179 Daher kann die Zuständigkeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses nicht über die des Parlaments hinausgehen.

II. Korollartheorie Diese äußerste Begrenzung des Beweiserhebungsrechts eines Untersuchungsausschusses durch die Parlamentszuständigkeit ist auch der Ausgangspunkt der – heute weitgehend anerkannten – Korollartheorie. Nach ihr kann ein PUA als unselbstständiges Hilfs- bzw. Unterorgan des Parlaments nur innerhalb dessen Kompetenzbereichs tätig werden.180 Uneinigkeit herrscht angesichts der gegenständlich kaum begrenzten Reichweite der Kompetenzen des Parlaments als „Forum der Nation“ jedoch darüber, wie weit die Befugnisse des parlamentarischen Untersuchungsausschusses genau reichen. 1. Enge Korollartheorie Die Vertreter der engen Korollartheorie sehen die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nur zur Vorbereitung rechtsverbindlicher Hoheitsakte des Parlaments, z. B. einer Präsidenten-, Richterund Ministeranklage oder eines Gesetzesbeschlusses, als zulässig an.181 Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur bloßen Vorbereitung von Empfehlungen des Parlaments oder zur Aufklärung von Missständen im privaten Bereich wäre nach dieser Ansicht grundsätzlich unzulässig. 179 BVerfGE 67, 100, 125; 77, 1, 41; 83, 175, 180; BVerfG, NJW 2002, 1936; BVerwG, DVBl. 2000, 487, 488; BayVerfGH, NVwZ 1996, 1206, 1207; Seidel, BayVBl. 2002, 97, 100; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 555. 180 BVerfG, DVBl. 1988, 200, 202; Aulehner, DÖV 1994, 853, 861; Blümel/ Ronellenfitsch, Untersuchungsausschüsse, 26 f.; Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 18; Engels, Untersuchungsausschüsse, 36 f.; Frey, Parlamentarische Kontrolle, 115; Hilf, NVwZ 1987, 537, 539; Kipke, Untersuchungsausschüsse des BT, 39; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 104; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 178; Memminger, DÖV 1986, 15, 22; Ortmann, Jura 2003, 847, 850; Schenke, JZ 1988, 805, 808; Schleich, UntersuchungsR, 15, 17 f.; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 44, Rn. 3, 7; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 555. 181 Hessischer StGH, DÖV 1967, 51, 55; Anschütz, WRV, Art. 34, Anm. 3, 218; Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 23, 50.

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Zur Begründung führen die Anhänger dieser Theorie an, dass die intensiven Eingriffsbefugnisse des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Beweiserhebung einer besonderen Rechtfertigung bedürften, die nur darin liegen könne, dass der PUA mit dem Untersuchungsergebnis einen konkreten rechtsverbindlichen Hoheitsakt des Parlaments vorbereitet.182 Empfehlungsenqueten seien dagegen unzulässig, weil ihre Einsetzung und ihre Durchführung unter Einsatz von Zwangsmitteln keinen konkreten Anlass voraussetzen würden, sondern vom bloßen Einsetzungswillen des Parlaments abhängig seien. Deshalb würden Empfehlungsenqueten lediglich der Ausforschung oder dem Zweck dienen, dass das Parlament seinen eigenen politischen Willen bekundet oder aus konkreten politischen Ambitionen heraus den politischen Gegner diskriminiert.183 Es fehle somit die besondere Rechtfertigung für den Einsatz von Zwangsmitteln. Für eine solche Beschränkung der Einsetzungsmöglichkeit zur Vorbereitung rechtsverbindlicher Parlamentsentscheidungen spreche ferner, dass sonst in fast jedem Bereich parlamentarische Untersuchungsausschüsse möglich wären, wodurch die sich aus dem Bundesstaats- und Gewaltenteilungsprinzip ergebenden Grenzen verwischt würden. Zudem würden Empfehlungsenqueten wegen der Befugnisse zu Eingriffen in den Privatbereich die rechtsstaatliche Balance der Machtverteilung zwischen dem Organ, dem die Empfehlung gelte, und dem Privatbereich missachten.184 Nach einer anderen Meinung sollen Empfehlungsenqueten zwar grundsätzlich unzulässig, ausnahmsweise aber gestattet sein, wenn sie in einem Sachzusammenhang zu Gesetzgebungs- und Kontrollenqueten stehen. Nur „isolierte“ Empfehlungsenqueten seien generell unzulässig.185 Eine weitere Auffassung hält Untersuchungen mit personell-bestimmtem Ermittlungszweck186 nur zur Vorbereitung verbindlicher Parlamentsentscheidungen für statthaft. Da es im PUV an den strafverfahrensrechtlichen Schutzvorkehrungen, wie Rechtsmitteln gegen die verfahrensbeendende Entscheidung, Nichtöffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens oder Durchführung der Untersuchung durch neutrale Richter fehle, aber personell-be182

Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 23. Kipke, Untersuchungsausschüsse des BT, 38; Meyer, Rechtsgutachten II, 20 ff.; Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 24. 184 Meyer, Rechtsgutachten II, 20 ff., 25, 54, 56 ff., 59, 63. 185 Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 24 f. 186 Enqueten mit generellem Ermittlungszweck seien solche, die neutral einen Sachverhalt untersuchen, sich also nicht auf eine konkrete Person konzentrieren. Hierzu zählen vor allem Gesetzgebungs- und Missstandsenqueten. Unter Enqueten mit personell-bestimmtem Ermittlungszweck fallen in erster Linie die Ermittlungstätigkeiten zur Vorbereitung von Präsidenten-, Abgeordneten-, Minister- und Richteranklagen, vgl. Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 48. 183

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stimmten Ermittlungsenqueten trotz der fehlenden Schutzvorkehrungen – rechtsstaatlich nicht unbedenklich – die gleichen gerichtlichen Zwangsmittel zur Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung stehen, seien die Zwangsmittelbefugnisse nur mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar, wenn sie der Vorbereitung verbindlicher Parlamentsbeschlüsse dienten.187 Diese Einschränkung, parlamentarische Untersuchungsausschüsse allein zur Vorbereitung verbindlicher Parlamentsentscheidungen einzusetzen, vermag indes nicht zu überzeugen. Gegen die Behauptung, Empfehlungsenqueten seien unzulässig, spricht, dass das Parlament als einziges durch unmittelbare Wahl demokratisch legitimiertes, oberstes Verfassungsorgan und als „der institutionelle Mittelpunkt des politischen Lebens der Bundesrepublik“188 über alle wesentlichen Angelegenheiten der Allgemeinheit entscheiden und diese Bereiche kritisch betrachten kann. Mit diesem Bedeutungswandel des Parlaments als Volksvertretung hat es im Verhältnis zur Verfassung der konstitutionellen Monarchie, die von einem Organdualismus zwischen Monarch und Parlament geprägt war und in der die Staatsgewalt vom Monarchen ausging, zusätzliche ungeschriebene politische Kompetenzen erhalten und ist nicht mehr nur auf eine reagierende Funktion gegenüber der handelnden Exekutive beschränkt.189 Dem Parlament stehen daher über die im Grundgesetz ausdrücklich geregelten Befugnisse zur Kontrolle der Exekutive und zur Gesetzgebungstätigkeit weitere Kompetenzen zu, so dass es auch Vorgänge im privaten, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich kontrollieren und diskutieren kann, um als Vertreter des Volkes – zwar rechtlich unverbindlich, aber doch politisch bedeutsam – Stellung nehmen zu können. Diese Kompetenzerweiterung des Parlaments als „Forum der Nation“ zieht nach der Korollartheorie konsequenterweise eine Ausdehnung des Untersuchungsrechts nach sich, das sich somit nicht nur auf verbindliche Hoheitsakte oder rechtliche Beschlüsse, sondern auch auf unverbindliche politische Beschlüsse des Parlaments oder die Kontrolle von Vorgängen im gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Leben erstreckt.190 Eine Einbeziehung von Empfehlungsenqueten kann daher keine Verletzung des Gewaltenteilungs- oder Bundesstaatsprinzips sein, weil der PUA als 187

Wagner, GA 1976, 257, 261 ff. Hesse, Grundzüge, § 15 I, Rn. 574; Katz, StaatsR, Rn. 334. 189 Badura, DÖV 1984, 760, 761; Kerbein, ZRP 2001, 302. 190 Badura, DÖV 1984, 760, 761; Böckenförde, AöR 103 (1978), 1, 6 ff.; Buchholz, Untersuchungsausschuss, 33; Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 19; Höpfner, Parlamentarische Kontrolle, 100; Kerbein, ZRP 2001, 302 f.; i. E. Kipke, Untersuchungsausschüsse des BT, 38 unter Berufung auf die Parlamentspraxis; Köhler, Grenzen des PUR, 78; Kohl Rechtsstellung des Betroffenen, 59 ff.; wohl auch Linck, ZRP 1987, 11, 13; Richter, Privatpersonen, 29; Simons, UntersuchungsR, 97; Steinberger, Rechtsgutachten, 1181, 1192; Stock, ZRP 1995, 286, 288; Studenroth, Private Bereiche, 107 f.; Wiefelspütz, UAG, 35. 188

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

Hilfsorgan des Parlaments – ebenso wie das Parlament selbst – auch im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich das Gewaltenteilungs- und Bundesstaatsprinzip beachten muss.191 Das Argument der beliebigen Ausforschung zur politischen Willensbildung überzeugt ebenfalls nicht, da eine Empfehlungsenquete unter Umständen größere politische Relevanz besitzt als ein PUA zur Vorbereitung verbindlicher Parlamentsentscheidungen und der Einsetzung auch ein konkreter Anlass für die Untersuchung vorausgeht. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses setzt außerdem – was noch zu zeigen ist192 – stets ein öffentliches Interesse an der Aufklärung und einen konkreten Anlass zur Untersuchung eines bestimmten Gegenstandes voraus. Damit wird sich die Empfehlungsenquete zwar häufig mit einer Kontrollenquete überschneiden, aber nur beim Vorliegen der zusätzlichen Voraussetzungen des öffentlichen Interesses und des Untersuchungsanlasses lassen sich Ausforschungen verhindern und die Einsätze von Zwangsmitteln rechtfertigen. Wäre die Empfehlungsenquete generell unzulässig, würde dem Parlament ein wichtiges politisches Aufklärungsinstrument genommen werden.193 Darüber hinaus ist ein Ausschluss von Empfehlungsenqueten auch aus parlamentspraktischen Erwägungen bedenklich, da Unzulänglichkeiten konkreter Personen nur noch untersucht werden könnten, wenn das Parlament insoweit eine verfassungsrechtliche Entscheidungskompetenz über diese Personen hat, z. B. wegen der Möglichkeit einer Präsidenten- oder Ministeranklage. Eine Untersuchung des Fehlverhaltens Angehöriger des öffentlichen Dienstes oder Privater wäre ausgeschlossen. Da das Fehlverhalten der Minister oder des Präsidenten oft nicht isoliert vom Fehlverhalten Dritter, gegenüber denen das Parlament keine Entscheidungsbefugnis besitzt (z. B. der begünstigten Privatperson oder eines Teilnehmers an dem Fehlverhalten), aufklärbar ist, hätte die enge Korollartheorie zur Folge, dass der PUA seinen Untersuchungsauftrag nicht erfüllen kann, wenn es erforderlich ist, die Untersuchung auch auf den privaten oder gesellschaftlichen Bereich zu erstrecken.194 Dies bestätigt der Flick-Untersuchungsausschuss, der ohne eine Einbeziehung der Spendenpraxis des Flick-Unternehmens das Regierungshandeln nicht hätte aufdecken können, oder auch der Barschel-PfeifferAusschuss, der das Fehlverhalten des Ministerpräsidenten nicht ohne die Untersuchung des Fehlverhaltens seines Referenten hätte aufklären können.195 191

Buchholz, Untersuchungsausschuss, 33. Ausführlich: 1. Kapitel, C. III. 193 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 31 ff.; Di Fabio, Rechtsschutz, 39, 40; Richter, Privatpersonen, 29, 30; Simons, UntersuchungsR, 98. 194 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 35; Engels, Untersuchungsausschüsse, 18. 195 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 35; Engels, Untersuchungsausschüsse, 18. 192

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Eine strikte Trennung von Untersuchungen gegen Personen, gegenüber denen das Parlament eine Entscheidungskompetenz besitzt, und Untersuchungen gegen sonstige Hoheitsträger oder Private ist aufgrund der bereits oben aufgezeigten Überschneidungen der Bereiche196 praktisch auch nicht umsetzbar. Zur Zeit der Einsetzung kann zudem oftmals noch nicht eindeutig geklärt werden, ob die Informationen nur für eine Empfehlung oder für ein Gesetzgebungsvorhaben oder eine Richter-, Minister-, Abgeordneten- oder Präsidentenanklage verwertet werden sollen.197 Außerdem muss der PUA als Informationsverschaffungsinstrument des Parlaments imstande sein, dem Parlament die für dessen Entscheidungen erforderlichen Materialien zuzutragen und ein Informationsdefizit auch in Bereichen auszugleichen, in denen das Parlament keine rechtsverbindliche Entscheidungskompetenz hat.198 2. Weite Korollartheorie Zustimmung verdient aus den soeben gegen die enge Auffassung angeführten Gründen die weite Korollartheorie, die für die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses lediglich voraussetzt, dass der Untersuchungsgegenstand wegen der Funktion des Untersuchungsausschusses als Hilfs- bzw. Unterorgan des Parlaments in dessen Zuständigkeitsbereich fällt. Eine Beschränkung auf rechtsverbindliche Entscheidungen bzw. ein genereller Ausschluss von Empfehlungsenqueten ist nicht zu befürworten.199 Auch das BVerfG hält eine Durchführung von Empfehlungsenqueten zu politischen Zwecken grundsätzlich für zulässig und ist in seiner Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Neue Heimat“ der weiten Korollartheorie beigetreten.200 Der Kompetenzrahmen des Parlaments ist damit die Grenze des parlamentarischen Untersuchungsrechts. Die Verfassung verleiht dem Parlament zahlreiche Kompetenzen, sie steckt allerdings den Kompetenzbereich nicht präzise ab. Da das Parlament das einzige unmittelbar durch Wahlen demokra196

Siehe 1. Kapitel, B. III. 1., Fn. 151. Köhler, Grenzen des PUR, 78; ähnlich Simons, UntersuchungsR, 98. 198 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 33; Di Fabio, Rechtsschutz, 39; Köhler, Grenzen des PUR, 78; Schenke, JZ 1988, 805, 808, Simons, UntersuchungsR, 97 f. 199 Böckenförde, AöR 103 (1978), 1, 6 ff.; Buchholz, Untersuchungsausschuss, 20, 28 ff., 38, 39; Kerbein, ZRP 2001, 302 f.; Köhler, Grenzen des PUR, 76 ff.; Ortmann, Jura 2003, 847, 850; Partsch, 45. DJT/I, 15 ff.; Richter, Privatpersonen, 26 ff.; Steinberger, Rechtsgutachten, 1181, 1191 f.; Stock, ZRP 1995, 286, 288. 200 BVerfGE 77, 1, 45. 197

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tisch legitimierte Verfassungsorgan (Art. 38 f., 54, 63, 94 GG) ist, besitzt es eine umfassende Zuständigkeit, die aber durch die Zuständigkeiten der anderen Verfassungsorgane begrenzt wird und daher den Schranken nach Art. 20 Abs. 1, 2, 3 GG, insbesondere der Schranke des Gewaltenteilungs-, des Bundesstaats- und des Rechtsstaatsprinzips, unterliegt.201 a) Kompetenzbegrenzung des Untersuchungsausschusses durch das Gewaltenteilungsprinzip Aus dem in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG niedergelegten Gewaltenteilungsprinzip folgt, dass das Parlament nicht in den Kernbereich der anderen Staatsgewalten eingreifen darf.202 In konsequenter Anwendung der weiten Korollartheorie ist der PUA folglich nur zur Untersuchung solcher Sachverhalte berechtigt, die nicht in den Kernbereich der Zuständigkeit von Exekutive und Judikative fallen. Daher darf sich ein zur Regierungs- und Verwaltungskontrolle eingesetzter PUA lediglich mit abgeschlossenen Vorgängen der Exekutive befassen. Unzulässig sind parlamentarische Untersuchungen zur Vorbereitung, Planung und Abwägung von Entscheidungen der Verwaltung. Das Parlament darf einen PUA nur ad-hoc einsetzen, damit der Exekutive ein eigener Initiativ-, Handlungs- und Beratungsbereich verbleibt.203 Untersuchungen zur Begleitung von Verwaltungsvorgängen oder zur vorbeugenden Kontrolle sind nicht erlaubt.204 Dürfte der PUA den Exekutivbereich nämlich laufend uneingeschränkt untersuchen und kontrollieren, würde er die Exekutive in unzumutbarer Weise behindern. Dadurch verlöre die Exekutive ihre Funktion als eigene Staatsgewalt und würde zum bloßen Ausführungsorgan der Legislative umfunktioniert.205 Aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz folgt auch, dass Eingriffe des Untersuchungsausschusses in den Kompetenzbereich der Judikative, z. B. durch eine ständige Kontrolle oder eine Überprüfung von Gerichtsentscheidungen – soweit der Richtervorbehalt oder die richterliche Unabhängigkeit reicht – unzulässig sind.206 201

BVerfGE 49, 89, 124 f.; Katz, StaatsR, Rn. 334. Ipsen, StaatsR I, Rn. 767; Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 24; Katz, StaatsR, Rn. 186; Memminger, DÖV 1986, 15, 18; Seidel, BayVBl. 2002, 97, 102; Simons, UntersuchungsR, 111; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 556. 203 BVerfGE 67, 100, 139; BayVerfGH, NVwZ 1986, 822, 824; FG München, NVwZ 1994, 100, 102; Nds. StGH, NVwZ 1996, 1208; Blümel/Ronellenfitsch, Untersuchungsausschüsse, 34; Engels, Untersuchungsausschüsse, 37; Glauben, DRiZ 1992, 395; Hilf, NVwZ 1987, 537, 539; Höpfner, Parlamentarische Kontrolle, 130 ff.; Memminger, DÖV 1986, 15, 18; Ortmann, Jura 2003, 847, 852 f.; Schenke, JZ 1988, 805, 809; Seidel, BayVBl. 2002, 97, 102. 204 BVerfGE 49, 89, 124 ff.; BayVerfGH, NVwZ 1986, 822, 824; Sächs. VerfGH, Urteil vom 29.08.2008, Az.: Vf. 154-I-07; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 556. 205 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 23. 202

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b) Kompetenzbegrenzung des Untersuchungsausschusses durch das Bundesstaatsprinzip Da das Bundesstaatsprinzip die Zuständigkeit des Parlaments begrenzt, müsste nach der Korollartheorie, die den Zuständigkeitsbereich des Parlaments als äußersten Rahmen des Untersuchungsrechts versteht, das Bundesstaatsprinzip folgerichtig eine weitere Grenze der Einsetzbarkeit von Untersuchungsausschüssen bilden. Art. 20 Abs. 1 GG legt das Bundesstaatsprinzip fest, das die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern aufteilt und damit die politische Macht begrenzt.207 Dabei besitzen die Bundesländer ebenso wie der durch den Zusammenschluss der Bundesländer entstandene Gesamtstaat die Qualität eines eigenen Staates, der mit einer eigenen staatlichen Hoheitsmacht ausgestattet ist. Dies gilt jedoch nicht umfassend und unbeschränkt, sondern nur in den durch das Grundgesetz jeweils zugestandenen Aufgabenbereichen208. Der Bundestag darf sich also nur mit Sachverhalten auseinandersetzen, die in dem ihm zugewiesenen Kompetenzbereich liegen (z. B. Art. 71, 73; Art. 72 Abs. 2, 74 GG; Art. 87 GG), also nicht der Landeskompetenz unterfallen.209 Konsequenterweise ist es allgemeine Auffassung der Vertreter der Korollartheorie, dass ein PUA des Bundestages keine Vorgänge untersuchen darf, die ausschließlich in die Länderkompetenzen fallen.210 Uneinigkeit besteht allerdings darüber, ob ein PUA des Bundestages Sachverhalte, die der Landeskompetenz zugewiesen sind, untersuchen darf, wenn dies zur Untersuchung und Aufklärung eines Gegenstandes, der in die Zuständigkeit des Bundes fällt, notwendig ist.211 Ein Teil der Literatur lässt dies zu, weil sich der Bundestag als „Forum der Nation“ – unabhängig von möglichen Länderkompetenzen – mit allen Angelegenheiten, die von ge206 OLG Koblenz, StV 1988, 531; Frey, Parlamentarische Kontrolle, 116; Himmelreich, UntersuchungsR, 78 f.; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 166; Ortmann, Jura 2003, 847, 852; Rechenberg in: BK, GG, Art. 44, Rn. 7; Schulte, Jura 2003, 505, 506; vgl. 2. Kapitel, B. III. 1., 2. 207 BVerfGE 55, 274, 318 f.; Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 16, 18. 208 Ipsen, StaatsR I, Rn. 534 ff.; Katz, StaatsR, Rn. 68 ff., 240, 242. 209 Blümel/Ronellenfitsch, Untersuchungsausschüsse, 37; Engels, Untersuchungsausschüsse, 36; Himmelreich, UntersuchungsR, 60; Kipke, Untersuchungsausschüsse des BT, 42; Schröder in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 46, Rn. 17. 210 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 21; Frey, Parlamentarische Kontrolle, 115; Himmelreich, UntersuchungsR, 60 f.; Kipke, Untersuchungsausschüsse des BT, 42 f.; Richter, Privatpersonen, 46; Schulte, Jura 2003, 505, 506; Seidel, BayVBl. 2002, 102; Simons, UntersuchungsR, 112 f. 211 Schröder in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 46, Rn. 18; Zeh, DÖV 1987, 701, 707.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

samtstaatlichem Interesse sind, befassen dürfe, soweit dies zur Erfüllung des Untersuchungsgegenstandes notwendig ist.212 Dagegen ist aber einzuwenden, dass die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch den Bundestag mit der teilweisen Überprüfung von Sachverhalten, die der Landeskompetenz unterfallen, zur Erfüllung des eigenen bundesstaatlichen Untersuchungsgegenstandes jegliche Grenzen zwischen Bundes- und Länderzuständigkeiten aufweicht. Die Zulässigkeit von Untersuchungen durch vom Bundestag eingesetzte Untersuchungsausschüsse ist daher allein nach den bundesrechtlichen Kompetenzen zu beurteilen.213 Innerhalb der Verwaltungskontrolle kann der Bundestag deshalb parlamentarische Untersuchungsausschüsse zur Untersuchung der bundeseigenen Verwaltung einsetzen.214 Da der Bundestag das Kontrollrecht über die Bundesregierung und diese wiederum in bestimmten Fällen (z. B. in Art. 84, 85 GG) die Aufsicht und Kontrolle über die Länder wahrnimmt, hat der Bundestag auch das Recht, einen PUA zur Überprüfung solcher Sachverhalte, die der Landesverwaltung zuzuordnen sind, einzusetzen, sofern die Bundesregierung darüber ein Kontroll- bzw. Aufsichtsrecht hat. Diese Einsetzungsmöglichkeit darf aber nicht dazu dienen, die Grenzen des Bundesstaatsprinzips zu umgehen und die Tätigkeit der Landesverwaltung zum direkten Untersuchungsgegenstand zu machen, sondern die Untersuchung unter Rückgriff auf das Verhalten der Landesverwaltung bleibt beschränkt auf die Feststellung, ob die Bundesregierung ihre Aufsichtspflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hat.215 c) Kompetenzbegrenzung des Untersuchungsausschusses durch das Rechtsstaatsprinzip Nach Art. 20 Abs. 3 GG unterliegen das Parlament und damit auch sein Hilfsorgan – der PUA – einer weiteren Beschränkung des Zuständigkeitsbereiches durch das Rechtsstaatsprinzip. 212

LG Frankfurt a. M., NJW 1987, 787, 788; Kölble, DVBl. 1964, 701, 704 f. Schröder in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 46, Rn. 18; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 106. 214 Himmelreich, UntersuchungsR, 78; Kipke, Untersuchungsausschüsse des BT, 42; Simons, UntersuchungsR, 101 ff. 215 BVerwG, NJW 2000, 160, 163; Blümel/Ronellenfitsch, Untersuchungsausschüsse, 37; Böckenförde, AöR 103 (1978), 1, 25; Himmelreich, UntersuchungsR, 70 f.; Höpfner, Parlamentarische Kontrolle, 215; Kipke, Untersuchungsausschüsse des BT, 42; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 140; Klenke, NVwZ 1995, 644, 645; Köhler, Grenzen des PUR, 192; Kunig, Jura 1993, 220, 222; v. Mangoldt/ Klein/Achterberg/Schulte, Bonner GG, Art. 44, Rn. 36 ff.; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 151; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 44, Rn. 8; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 107; Wiefelspütz, UAG, 80, 81. 213

C. Grenzen des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts

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Aufgrund der Bedeutung des Parlaments als „Forum der Nation“ und der damit einhergehenden Erweiterung seiner Kompetenzen hat das Parlament auch das Recht, als Vertreter des Volkes alle für das Gemeinwesen relevanten Sachverhalte zu erörtern und hierzu erforderlichenfalls auch Vorkommnisse in Wirtschaft und Gesellschaft einer parlamentarischen Untersuchung zu unterziehen.216 Zunehmend richten sich daher Beweiserhebungen durch Untersuchungsausschüsse auch gegen Privatpersonen. Wenn ein PUA die Rechtssphäre Privater untersucht, hat er die rechtsstaatlichen Grundsätze und Freiheiten nach Art. 20 Abs. 3 GG zu beachten. Zu den Essentialia eines Rechtsstaates gehört zum einen das Recht auf ein rechtsstaatliches, faires Verfahren, in dem der Einzelne nicht bloßes Objekt, sondern ein mit Rechten und Schutzmechanismen ausgestattetes Subjekt des Verfahrens ist.217 Eng damit im Zusammenhang stehen die Gewährleistung und Beachtung von Grundrechten in einem rechtsstaatlichen Verfahren. Zum anderen umfasst das Rechtsstaatsprinzip den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit218 sowie den Grundsatz der Begrenztheit und Voraussehbarkeit staatlichen Handelns219. aa) Grundrechte und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Da der Bundestag als Gesetzgebungsorgan gemäß Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG an die Grundrechte und die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist und der PUA als Hilfsorgan des Parlaments ebenfalls öffentliche Gewalt ausübt, müssen bei der Untersuchung nichtstaatlicher Bereiche, also Wirtschaft und Gesellschaft, zum Schutz der betroffenen Privatpersonen die Grundrechte und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Beachtung finden.220 Auch bei der Untersuchung eines Fehlverhaltens von Regierungsmitgliedern oder sonstigen Mandats- und Amtsträgern können die Grundrechte relevant werden. Zwar gelten sie nur im Verhältnis zwischen Staat und Bürger, also 216

Vgl. 1. Kapitel, C. II. 1.; des Weiteren Böckenförde, AöR 103 (1978), 1, 6 ff.; Kölble, DVBl. 1964, 701, 702; Richter, Privatpersonen, 27. 217 Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 31a, b, 98 f.; Schaefer, NJW 2002, 490; Schneider, 57. DJT/II, M 54, M 83 f.; allgemein zum Grundsatz eines fairen Verfahrens im Strafverfahren: Beulke, StrafprozessR, Rn. 28; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 9. 218 Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 30. 219 BVerfGE 56, 1, 12; BVerwGE 100, 230, 236 f.; Badura, DÖV 1984, 760, 762; Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 60, 61. 220 BayVerfGH, NVwZ 1996, 1206, 1207; BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1128; Aulehner, DÖV 1994, 853, 861; Engels, Untersuchungsausschüsse, 37, 39; Kästner, NJW 1990, 2649, 2655; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 115; Linck, ZRP 1987, 11, 14; Ortmann, Jura 2003, 847, 850; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 44, Rn. 10; Schröder in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 46, Rn. 23 ff.; Schulte, Jura 2003, 505, 507; Vetter, ZParl 1993, 211, 223; Wiefelspütz, UAG, 82.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

nicht für Mandats- und Amtsmitglieder, die wegen ihrer Tätigkeit für den Staat in die öffentliche Staatsgewalt eingebunden und in diesem amtlichen Bereich berührt sind. Anderes gilt aber dann, wenn die Amts- und Mandatsmitglieder ausschließlich als Privatpersonen in ihrem Privatbereich von der Untersuchung betroffen sind.221 Bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist – mangels Außenwirkung – diese Beschränkung durch Grundrechte und Verhältnismäßigkeit aber eher selten von Bedeutung. Denn grundsätzlich bestimmt das Parlament bei der Einsetzung nur, dass der PUA einen konkreten Vorgang, dessen Aufklärung im Interesse der Allgemeinheit liegt, zu untersuchen habe, d.h., die Einsetzung greift in der Regel noch nicht in die Grundrechte des Bürgers ein.222 Die Grundrechte und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind jedoch bei der Durchführung des Untersuchungsrechts zu beachten.223 Allerdings gibt es Konstellationen, in denen bereits der Einsetzungsbeschluss wegen der Öffentlichkeitswirkungen unter Beachtung der Grundrechte gefasst werden muss. Dies ist dann der Fall, wenn die Einsetzung unmittelbar die Rechtssphäre des Bürgers berührt, z. B. weil der PUA ein Fehlverhalten des Bürgers aufzuklären hat und das Parlament dessen Verhalten schon durch den Einsetzungsbeschluss öffentlich angreift224 oder weil der PUA den Namen des Betroffenen trägt und darin eine Vorverurteilung des Betroffenen liegen könnte225. In solchen Konstellationen müssen die Grundrechte und die Verhältnismäßigkeit bereits bei der Einsetzung beachtet werden. Wenn nämlich erst bei der Durchführung des Verfahrens eine Abwägung zwischen dem parlamentarischen Aufklärungsinteresse und dem Interesse des Einzelnen am Schutz seines Grundrechts vorgenommen würde mit dem Ergebnis, dass eine konkrete Beweiserhebung durch den PUA wegen eines unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffs nicht erfolgen darf, könnte die Einsetzung des Untersuchungsausschusses ohnehin nicht die gewünschte Aufklärung erzielen, weil dem PUA die dazu erforderlichen 221 Bräcklein, ZRP 2003, 348, 352; Masing, FAZ vom 08.02.2001, S. 14; Vetter, ZParl 1993, 211, 223; ausführlich unter 3. Kapitel, B. IV. 2. b) bb) (2) (d). 222 BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1128; BayVerfGH, JZ 1995, 826; BayVerfGH, NVwZ 1996, 1206; Schulte, Jura 2003, 505, 507. 223 BayVerfGH, JZ 1995, 826; BayVerfGH, NVwZ 1996, 1206; Hilf, NVwZ 1987, 537, 539; Nettesheim/Vetter, JuS 2004, 219, 223; Schulte, Jura 2003, 505, 507. 224 BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1128; BayVerfGH, NVwZ 1995, 681; BayVerfGH, NVwZ 1996, 1206; Caspar, DVBl. 2004, 845, 847 f.; Höpfner, Parlamentarische Kontrolle, 276; Kästner, NJW 1990, 2649, 2651 f.; Köhler, NVwZ 1995, 664 f.; Ortmann, Jura 2003, 847, 851, Fn. 55; Seidel, BayVBl. 2002, 97, 103; Wiefelspütz, UAG, 82. 225 Saarländischer VerfGH, NVwZ-RR 2003, 393, 394; Caspar, DVBl. 2004, 845, 847 f.

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Eingriffsbefugnisse zur Beweisverschaffung fehlen.226 Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der keinerlei Beweise erheben und folglich den Untersuchungsauftrag nicht erfüllen kann, widerspräche aber dem Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts. Außerdem kann schon die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung eines konkreten Fehlverhaltens der Privatperson in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, dass der Vorwurf der Wahrheit entspricht. Der Beachtung der Rechte des Betroffenen bedarf es somit schon bei der Einsetzung, weil bereits in diesem Stadium eine gewisse Öffentlichkeitswirkung erzielt wird, die dem Privaten Nachteile bereiten kann.227 Gleichwohl wird behauptet, dass die Grundrechte erst bei der Durchführung des Untersuchungsverfahrens Geltung beanspruchen würden, da sonst das Untersuchungsrecht zu eng und nicht seiner Bedeutung entsprechend ausgelegt werden könnte.228 Eine wirksame Grundrechtskontrolle erfordert jedoch wegen der intensiven Eingriffsbefugnisse und Wirkungen der parlamentarischen Untersuchung auf die Privatsphäre des Einzelnen schon bei der Einsetzung eine qualifizierte Abwägung der Interessen der Öffentlichkeit an der Aufklärung und den grundgesetzlich geschützten Interessen des Privaten.229 Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses bzw. die Durchführung der parlamentarischen Untersuchung können insbesondere das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder das Recht am Gewerbebetrieb beeinträchtigen.230 Daher müssen Intensität und Art des Eingriffs gegen Zweck und Bedeutung der parlamentarischen Untersuchung so abgewogen werden, dass sowohl die Grundrechte als auch das PUV eine optimale Wirkung entfalten können.231 Diese Abwägung hat insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren, nach dem ein den Privaten belastendes Handeln so durchzuführen ist, dass dessen individuelle Rechte und Interessen so weit wie möglich geschützt bleiben und Beeinträchtigungen nur vorgenommen werden, soweit sie zur Erfüllung öffentlicher Aufklärungsinteressen notwendig sind.232 Die 226 227

BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1128. Höpfner, Parlamentarische Kontrolle, 276; Nettesheim/Vetter, JuS 2004, 219,

223. 228

Köhler, NVwZ 1995, 664 f.; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 122. BayVerfGH, NVwZ 1996, 1206; BW StGH, NVwZ-RR 1992, 593, 596. 230 Richter, Privatpersonen, 56 ff., 64 ff., 78 ff. 231 BVerfGE 67, 100, 142 ff.; 76, 363, 388; BayVerfGH, JZ 1995, 826, 827; Badura, DÖV 1984, 760, 763; Kästner, NJW 1990, 2649, 2655; Klenke, NVwZ 1995, 644, 646. 232 BVerfGE 20, 45, 49 f.; 65, 1, 44; 67, 100, 143. 229

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

das Grundrecht beeinträchtigende Maßnahme muss geeignet, erforderlich und angemessen sein, den Untersuchungsauftrag zu erfüllen. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Untersuchungsmaßnahme ist zu beachten, dass möglicherweise mildere Mittel gleichermaßen geeignet sind, den Zweck zu erreichen. Daraus folgt, dass insbesondere Enquetekommissionen, die bei der Durchführung ihrer Untersuchung nicht befugt sind, die Eingriffsbefugnisse der StPO anzuwenden, zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe grundsätzlich als in die Privatsphäre des Bürgers weniger einschneidende Maßnahmen vorrangig eingesetzt werden müssen. Die Ermittlungstätigkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gegen Private ist danach unverhältnismäßig, wenn die Sachverhaltsermittlungen zur Vorbereitung von Empfehlungen und Gesetzgebungsvorhaben auch durch die Einsetzung einer Enquetekommission erfolgen können.233 Nur wenn diese mit ihren „schwächeren Aufklärungsmitteln“ nicht zur Sachverhaltsermittlung imstande ist, wäre eine Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Sachverhaltsaufklärung erforderlich und damit verhältnismäßig, denn der Bundestag hat – wie bereits oben erörtert234 – mit der Einführung von Enquetekommissionen nicht auf sein stärkeres Mittel der parlamentarischen Untersuchung verzichtet. bb) Bestimmtheitsgrundsatz Da eine Kompetenzbegrenzung des Untersuchungsausschusses durch die Grundrechte nur durch eine Abwägung mit dem Zweck der parlamentarischen Untersuchung festzustellen ist, ergibt sich zugleich die Notwendigkeit der hinreichenden Bestimmtheit, Messbarkeit und Begrenztheit des parlamentarischen Handelns durch den Untersuchungsauftrag.235 Die Rechtsprechung hat aus dem Bestimmtheitsgebot einige Leitlinien entwickelt, die das Parlament bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu beachten hat. Der Untersuchungsauftrag muss so bestimmt sein, dass er möglichst genau den Gang der parlamentarischen Untersuchung umschreibt236 und die aufzuklärenden Fragen zeitlich und personell begrenzt237. Das Beweisthema muss zudem so eingegrenzt und überschaubar 233 Anm. zu BVerwG, DVBl. 2000, 487 ff., L&L 2000, 500, 502; Schröder, Redeker-FS, 173, 174, 181. 234 Siehe 1. Kapitel, B. III. 2. 235 Caspar, DVBl. 2004, 845, 847. 236 BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1131; BayVerfGH, NVwZ 1995, 681, 685; Sächs. VerfGH, Urteil vom 29.08.2008, Az.: Vf. 154-I-07. 237 BayVerfGHE 30, 48, 66; BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1131; BayVerfGH, NVwZ 1995, 681, 685.

C. Grenzen des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts

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sein, dass der PUA den Untersuchungsauftrag mit realisierbarem Aufwand erfüllen kann.238 Das Beweisthema muss aus dem Einsetzungsbeschluss also hinreichend deutlich abzuleiten sein.239 Insoweit kommt dem aus dem Rechtstaatsprinzip hergeleiteten Bestimmtheitsgrundsatz zum Schutz der Grundrechte eine besondere Funktion zu, indem er der Privatperson ermöglicht, aus dem klar formulierten Einsetzungsantrag zu erkennen, dass sie von der parlamentarischen Untersuchung betroffen ist bzw. betroffen sein kann. Der Betroffene wird dadurch befähigt, sich gegebenenfalls mit den entsprechenden Rechtsschutzmitteln gegen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses und die Durchführung der Untersuchung zur Wehr zu setzen.240 Die Beschreibung des Beweisthemas im Einsetzungsbeschluss legt gleichzeitig die Reichweite des Vernehmungsgegenstandes fest. Dadurch können Aussagepersonen erkennen, wozu sie auszusagen haben und wie weit ihre grundrechtlichen Freiheiten reichen, d.h., wann sie ein Zeugnisoder Auskunftsverweigerungsrecht geltend machen können.241 Der Untersuchungsauftrag steckt zugleich den Rahmen für die Aktenvorlage, das Beschlagnahmerecht und andere Zwangsmaßnahmen ab.242 Dem Bestimmtheitsgebot kommen im parlamentarischen Untersuchungsrecht darüber hinaus weitere Funktionen zu. Da der PUA lediglich Hilfsorgan des Parlaments – das die Verfahrensherrschaft ausübt – ist, bestimmt das Parlament auch den Untersuchungsgegenstand. Wäre der Einsetzungsbeschluss nicht hinreichend beschrieben, stünde der PUA vor Auslegungsschwierigkeiten und könnte selbst den Untersuchungsgegenstand festlegen, obwohl er dieses Recht als Hilfsorgan gar nicht hat.243 Ein hinreichend be238

BW StGH, NVwZ-RR 1992, 593, 596. Anm. zu BVerwG, DVBl. 2000, 487 ff., L&L 2000, 500, 501; Bickel, 57. DJT/II, M 7, M 23; Depenheuer/Winands, ZRP 1988, 258, 260; Engels, Untersuchungsausschüsse, 39 f.; Hermanns/Hülsmann, JA 2003, 573, 574; Hilf, NVwZ 1987, 537, 539; Kirste, JuS 2003, 61, 62; Klenke, NVwZ 1995, 644, 646; Schulte, Jura 2003, 505, 507; Seidel, BayVBl. 2002, 97, 102; Steinberger, Rechtsgutachten, 1181, 1202. 240 BayVerfGH, NVwZ 1986, 822, 824; Caspar, DVBl. 2004, 845, 847; Klenke, NVwZ 1995, 644, 646; Richter, Privatpersonen, 48; Schröder, NJW 2000, 1455, 1457. 241 BW StGH, NVwZ-RR 1992, 593, 596; BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1130; OLG Koblenz, StV 1988, 531 f.; Engels, Untersuchungsausschüsse, 40; Partsch, 45. DJT/I, 92. 242 Blümel/Ronellenfitsch, Untersuchungsausschüsse, 92; Caspar, DVBl. 2004, 845, 847. 243 BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1129; Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 178; Steinberger, Rechtsgutachten, 1181, 1200; Stock, ZRP 1995, 286, 287. 239

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

stimmter Untersuchungsgegenstand schränkt den Aufgabenbereich des Untersuchungsausschusses ein, grenzt ihn zugleich von der Zuständigkeit anderer Verfassungsorgane ab und ermöglicht dadurch, die Einhaltung des Gewaltenteilungsgrundsatzes sowie den rechtsstaatlichen Ablauf des Untersuchungsverfahrens zu kontrollieren.244 Je nach Zweck des eingesetzten Untersuchungsausschusses sind an die Bestimmtheit des Beweisthemas unterschiedliche Anforderungen zu stellen.245 Vor allem bei Missstands-, Skandal- und Kontrollenqueten muss der Untersuchungsauftrag einen konkreten Anfangsverdacht für ein konkretes Fehlverhalten246 erkennen lassen, um eine willkürliche Ausforschung von vornherein ausschließen zu können247. cc) Zwischenergebnis Der PUA darf als Hilfsorgan des Parlaments nach der Korollartheorie nur in den Grenzen der Parlamentskompetenz tätig werden, also nicht in den Kernbereich von Exekutive und Judikative oder in das Bundesstaatsprinzip eingreifen. Er muss bei der Untersuchung privater Sachverhalte die Grundrechte und das Verhältnismäßigkeitsprinzip wahren. Eine Beschränkung des parlamentarischen Untersuchungsrechts auf die Vorbereitung rechtsverbindlicher Parlamentsentscheidungen oder ein Ausschluss von Gesetzgebungsenqueten widerspricht jedoch dem Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts und würde dessen Effektivität zu weitgehend einschränken.

III. Kompetenzbegrenzung durch das „öffentliche Interesse“ Die Grundsätze der Korollartheorie bilden allerdings nur die äußerste Grenze des parlamentarischen Untersuchungsrechts.248 Wegen der bereits oben erörterten Funktion des Parlaments als „Forum der Nation“ und der damit einhergehenden Kompetenzerweiterung des Parlaments klären Untersuchungsausschüsse in zunehmendem Maße die Angelegenheiten Privater 244 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 38; Richter, Privatpersonen, 48; Steinberger, Rechtsgutachten, 1181, 1201. 245 BW StGH, NVwZ-RR 1992, 593, 596; BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1131. 246 Ausführlich zum Anfangsverdacht: 1. Kapitel, C. III. 3. 247 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 38; Depenheuer/Winands, ZRP 1988, 258, 262; Steinberger, Rechtsgutachten, 1181, 1202. 248 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 21; Köhler, Grenzen des PUR, 79.

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im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich auf, so dass auf die Korollartheorie allein keine ausreichende Begrenzung des parlamentarischen Untersuchungsrechts mehr gestützt werden kann. Die Ausweitung der Kompetenzen des Parlaments und des Untersuchungsausschusses berechtigen nicht jedoch dazu, die Sphäre von Privatpersonen beliebig mit den Maßnahmen nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG zu untersuchen und damit intensiv in deren Grundrechte einzugreifen.249 Eine ausreichende Schranke zum Schutz Privater oder zum Schutz vor willkürlichen Untersuchungen ist allein mit der Korollartheorie folglich noch nicht gegeben, weil die Theorie unter diesem Aspekt auch nicht erarbeitet wurde250, sondern das Tätigkeitsfeld des Untersuchungsausschusses, der als bloßes Hilfsinstrument mit dem Hauptorgan Parlament zusammenwirkt, zur Abgrenzung von den anderen Staatsgewalten festlegen wollte. Aus der Natur des Untersuchungsausschusses als parlamentarisches und damit staatliches Gremium könnte deshalb zusätzlich zu folgern sein, dass der Untersuchungsgegenstand im öffentlichen Interesse liegen muss. Die Privatsphäre dürfte dann nicht allein Gegenstand der Untersuchung sein.251 Das Erfordernis des öffentlichen Interesses könnte daher den staatlichen und privaten Bereich vor bloßer Ausforschung durch den PUA schützen. 1. Erforderlichkeit eines öffentlichen Interesses an der Untersuchung Obwohl sich dieses Erfordernis aus der Natur eines Untersuchungsausschusses als parlamentarisches, staatliches Organ erschließt und daher die überwiegende Auffassung diese Schranke als Korrektiv für die Ausdehnung des Gegenstandsbereiches parlamentarischer Untersuchungen für erforderlich hält252, lehnt eine Gegenauffassung das „öffentliche Interesse“ als Ein249

Engels, Untersuchungsausschüsse, 44; Richter, Privatpersonen, 43. Engels, Untersuchungsausschüsse, 44; Köhler, Grenzen des PUR, 79; Richter, Privatpersonen, 27. 251 So BayVerfGH, NVwZ 1996, 1206, 1207; Aulehner, DÖV 1994, 853, 861; Buchholz, Untersuchungsausschuss, 25; Di Fabio, Rechtsschutz, 41; Hilf, NVwZ 1987, 537, 539; Lüdemann, JA 1996, 959, 961; Vetter, ZParl 1993, 211, 221. 252 BVerfGE 67, 100, 140; 76, 363, 382; 77, 1, 39, 44; BW StGH, NVwZ-RR 1992, 593, 594; Böckenförde, AöR 103 (1978), 1, 14; Glauben/Brocker, PUA, § 5, Rn. 13; Hermanns/Hülsmann, JA 2003, 573, 574; Höpfner, Parlamentarische Kontrolle, 267 ff.; Kipke, Untersuchungsausschüsse des BT, 45; Kirste, JuS 2003, 61, 62; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 112; Köhler, Grenzen des PUR, 80 ff., 84; Memminger, DÖV 1986, 15, 22 f.; Nettesheim/Vetter, JuS 2004, 219, 222; Partsch, 45. DJT/I, 16 ff.; Richter, Privatpersonen, 30 ff.; Schleich, UntersuchungsR, 32; Scholz, AöR 105 (1980), 564, 594; Schröder, NJW 2000, 1455, 1456; Steinberger, Rechtsgutachten, 1181, 1195; Stern, AöR 109 (1984), 199, 229; Vetter, DÖV 1987, 250

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

setzungsvoraussetzung ab.253 Zur Begründung führt diese Auffassung an, dass die Voraussetzung des „öffentlichen Interesses“ wegen ihrer Unbestimmtheit zur Beschränkung des Untersuchungsrechts unbrauchbar sei, eine bloße Alibifunktion zur Rechtfertigung des Zwangsmitteleinsatzes besitze und Einfallstore für eine Umgehung des Rechts der parlamentarischen Minderheit öffne, indem die Parlamentsmehrheit das „öffentliche Interesse“ mangels griffiger Kriterien nach Belieben ablehnen und damit die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verhindern könne.254 Weder das Grundgesetz255 noch das PUAG256 würden ein öffentliches Interesse an der Untersuchung verlangen, sondern das Parlament müsse als „Forum der Nation“ alle Gegenstände, die es beraten und diskutieren dürfe, der Untersuchung durch einen PUA unterziehen können257. Werden die Gesetzgebungsmaterialien und die Entstehungsgeschichte genauer betrachtet, ist die Auffassung, ein „öffentliches Interesse“ sei für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verzichtbar, nicht aufrechtzuerhalten. Bereits § 1 Abs. 3 PUAG besagt, dass die Einsetzung nur innerhalb der verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Bundestages erfolgen darf. Die Gesetzgebungsmaterialien zu § 1 PUAG belegen, dass der Gesetzgeber durch diese unspezifische und auslegungsbedürftige Regelung nicht auf das „öffentliche Interesse“ bei der Einsetzung verzichten wollte. Untersuchungsausschüsse dürften jedenfalls dann nicht eingesetzt werden, wenn sie bezweckten, rein private Sachverhalte auszuforschen, denn die Untersuchung müsse im öffentlichen Interesse liegen.258 Ebenso verlangten frühere Gesetzesentwürfe259 ein öffentliches Interesse an der parlamentarischen Untersuchung und auch die meisten Landesuntersuchungsausschussgesetze sehen dieses Erfordernis vor260. Außerdem ergibt sich diese Schranke bereits aus der Natur des parlamentarischen Untersuchungsausschusses als Hilfsorgan des Parlaments 426, 430; Wiefelspütz, NJ 2002, 398, 399; ders., ZParl 2002, 551, 555; ders., UAG, 38. 253 Engels, Untersuchungsausschüsse, 45 f., 62; Meyer, Rechtsgutachten II, 24, 37; Schneider, NJW 2001, 2604, 2605; Studenroth, Private Bereiche, 74 f.; krit. auch Zeh, DÖV 1988, 701, 704 f. 254 Gesetzentwurf, Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 13/11227, S. 9; Engels, Untersuchungsausschüsse, 45 f., 62; Meyer, Rechtsgutachten II, 24; Studenroth, Private Bereiche, 74 f. 255 Engels, Untersuchungsausschüsse, 62. 256 Schneider, NJW 2001, 2604, 2605. 257 So die Begründung im Gesetzentwurf Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 13/11227, S. 9. 258 BT-Drucks. 14/5790, S. 14. 259 BT-Drucks. 10/6587, S. 3; BT-Drucks. 11/1896, S. 3; BT-Drucks. 11/8085, S. 5, 15.

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bei der Kontrolle der anderen Staatsgewalten. Staatliches Handeln und damit auch die Tätigkeit des Parlaments legitimiert sich stets als im öffentlichen Interesse stehendes, gemeinwohlorientiertes Handeln.261 Deshalb spricht auch der Umstand, dass Art. 44 GG die Grenze des öffentlichen Interesses selbst nicht nennt, nicht gegen dieses Erfordernis. Zur Zeit der Weimarer Republik, in der das Parlament einen PUA hauptsächlich zum Tätigwerden im Bereich der Verwaltung, Regierung oder Gesetzgebung einsetzte, war dieses Kriterium praktisch fast bedeutungslos, da in diesen Bereichen regelmäßig ein öffentliches Interesse vorlag. Daher wurde dieses Abgrenzungsmerkmal im Gesetz nicht durch eine spezielle Regelung besonders hervorgehoben.262 Diskussionen über die Auslegung des Kriteriums eines „öffentlichen Interesses“ kamen erstmals mit der Erweiterung der Parlamentskompetenzen durch das Grundgesetz und der zunehmenden Einbeziehung privater Sachverhalte in die parlamentarische Untersuchung auf. Ein vollständiger Ausschluss von Untersuchungen im Privatbereich wäre dem Ziel des parlamentarischen Untersuchungsrechts abträglich, da – wie dargelegt263 – die Aufklärung im öffentlichen Bereich oft zwangsläufig auch Untersuchungen im Privatbereich erfordert.264 Daher richtete sich der Fokus zunehmend auf die Frage, ob und wie durch die Auslegung eines „öffentlichen Interesses“ dem Schutz vor Ausforschung privater und staatlicher Bereiche Rechnung getragen werden kann.

2. Begriff des „öffentlichen Interesses“ a) Faktische Betrachtung Eine Auffassung bestimmt das „öffentliche Interesse“ faktisch. Danach genügt bereits ein tatsächliches öffentliches Interesse für die Einsetzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Es soll immer dann vorliegen, wenn die Thematik, die untersucht wird, für die Allgemeinheit tatsäch260 § 1 UAG Bbg.; Art. 2 der Anlage 5 zur GO LT Bayern; § 38 Gesetz über LT des Saarlandes; § 1 Abs. 1 UAG Schleswig-Holstein; § 1 Abs. 1 UAG RheinlandPfalz; § 1 Abs. 1 UAG Bremen; § 1 Abs. 1 UAG Hamburg. 261 Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 114; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 199 f.; Richter, Privatpersonen, 35, 36; Vetter, DÖV 1987, 426, 430; Wiefelspütz, NVwZ 2002, 10, 12. 262 RStGH, RGZ 104, 423, 429; Cohn, 25. Sitzung vom 8.4.1919 zu den Verhandlungen der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Aktenstück Nr. 391, Art. 55; S. 265; Köhler, Grenzen des PUR, 81; Richter, Privatpersonen, 31 f.; Rosenberg, 34. DJT/I, 3, 9; Wiefelspütz, NVwZ 2002, 10, 12. 263 1. Kapitel, C. II. 1. 264 BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1129 f.; Klenke, NVwZ 1995, 644, 646.

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lich von Bedeutung ist.265 Das sei der Fall, wenn der Untersuchungsgegenstand faktisch alle oder eine Mehrheit betrifft bzw. beschäftigt und sich dadurch aus der reinen Privatsphäre heraushebt.266 Die politische Willensbildung wäre nicht mehr frei, durch öffentliche Debatten neue öffentliche Materien zu bestimmen, wenn das öffentliche Interesse normativ definiert würde, d.h., wenn es sich objektiv um eine Angelegenheit des öffentlichen Bereiches handeln müsste.267 Dann wäre es z. B. unmöglich, eine Angelegenheit, die einst dem Privatbereich zugeordnet wurde, aber im Lauf der Entwicklung zunehmend den Gegenstand öffentlicher Diskussionen bildet und dadurch in das Bewusstsein der Allgemeinheit gerückt ist, in eine öffentliche Angelegenheit umzuwandeln.268 Indizien für ein faktisches öffentliches Interesse könnten die Antragsstellung durch die Parlamentsminderheit, öffentliche Debatten oder Presseveröffentlichungen sein.269 Dieser faktischen Auslegung des Begriffs ist jedoch entgegenzuhalten, dass es damit in der Hand des Antragstellers läge, eine Privatperson zum Untersuchungsgegenstand werden zu lassen, indem er die Angelegenheit zuvor zum Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen macht und hierdurch die Öffentlichkeit zur Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt anregt. Da in den meisten Fällen bereits Publikationen in der Presse sowie Berichterstattungen in Rundfunk und Fernsehen vorausgegangen sind, so dass die Allgemeinheit sich mit dem privaten Sachverhalt bereits beschäftigt hat, besteht bei einer faktischen Auslegung nahezu immer ein öffentliches Interesse.270 Dem Erfordernis des „öffentlichen Interesses“ kommt bei einem so weiten Verständnis keinerlei besondere Bedeutung zu, es vermag insbesondere keinen Schutz für Privatpersonen vor beliebiger Ausforschung durch das Parlament zu eröffnen.271 265

Böckenförde, AöR 103 (1978), 1, 15; Di Fabio, Rechtsschutz, 42 f.; Vetter, DÖV 1987, 426, 430. 266 Böckenförde, AöR 103 (1978), 1, 15. 267 Di Fabio, Rechtsschutz, 43. 268 Vgl. das Beispiel der Emissionen eines Industrieunternehmens, die zu Beginn des Jahrhunderts noch eine Angelegenheit des Privatrechts bildeten und erst infolge der Sensibilisierung der Allgemeinheit für die Thematik durch öffentliche Debatten zur öffentlichen Angelegenheit wurden, bei Di Fabio, Rechtsschutz, 43. 269 Di Fabio, Rechtsschutz, 42; Kerbein, ZRP 2002, 302, 303; Scholz, AöR 105 (1980), 564, 595. 270 I. E. Glauben/Brocker, PUA, § 5, Rn. 19; Höpfner, Parlamentarische Kontrolle, 270 f., Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 64 ff.; Richter, Privatpersonen, 33. 271 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 26; Himmelreich, UntersuchungsR, 56; Höpfner, Parlamentarische Kontrolle, 270; Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 64 ff.; Ortmann, Jura 2003, 847, 851, 852; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 118 f.

C. Grenzen des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts

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Zum Teil wird zur Verhinderung einer unangemessenen Ausdehnung der parlamentarischen Untersuchung auf Privatpersonen auch von den Anhängern eines faktischen öffentlichen Interesses vorgeschlagen, das öffentliche Interesse den privaten Interessen gegenüberzustellen und beide Interessen abzuwägen. Erst beim Überwiegen des öffentlichen Interesses sei eine Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses möglich.272 Auch diese eingeschränkte Interpretation eines faktischen öffentlichen Interesses ist jedoch kein taugliches Kriterium, da die Abwägung zum einen – je nach Maßstab des Betrachters – unterschiedlich ausfallen kann, zum anderen ein überwiegendes öffentliches Interesse durch eine stark öffentlichkeitswirksame Untersuchung leicht zu begründen ist.273 Der Begriff des „öffentlichen Interesses“ muss deshalb eng ausgelegt werden, um eine Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur bloßen Ausforschung privater Angelegenheiten für politische Entscheidungen des Parlaments zu verhindern. b) Normative Betrachtung Nach zutreffender Auffassung ist der unbestimmte Rechtsbegriff des „öffentlichen Interesses“ daher in jedem Einzelfall anhand objektiver Maßstäbe auszulegen. Danach besteht ein öffentliches Interesse nur, wenn die Erfüllung des Untersuchungsauftrags dem Gemeinwohl dient, d.h., wenn der Untersuchungsgegenstand sich auf eine Angelegenheit bezieht, die im Zusammenhang mit einem staatlichen Handeln steht und an deren Aufklärung die Allgemeinheit ein objektives Interesse hat.274 aa) Staatsgerichtete Enqueten Bei staatsgerichteten Enqueten, d.h. bei solchen Untersuchungsausschüssen, die ein hoheitliches Verhalten aufklären wollen, ist das öffentliche Interesse regelmäßig unproblematisch erfüllt, da sie naturgemäß Vorgänge aus 272

Böckenförde, AöR 103 (1978), 1, 15. Himmelreich, UntersuchungsR, 56. 274 BayVerfGH, NVwZ 1986, 822, 824; BW StGH, NVwZ-RR 1992, 593, 595; BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1129; BayVerfGH, NVwZ 1996, 1206, 1207; Buchholz, Untersuchungsausschuss, 26 f.; Glauben/Brocker, PUA, § 5, Rn. 18; Himmelreich, UntersuchungsR, 56 f.; Kerbein, ZRP 2001, 302, 303; Kipke, Untersuchungsausschüsse des BT, 45; Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 65; Richter, Privatpersonen, 35 f.; Schleich, UntersuchungsR, 32; Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 21 f.; Schulte, Jura 2003, 505, 506; Steinberger, Rechtsgutachten, 1181, 1195; Stock, ZRP 1995, 286, 288; Vetter, ZParl 1993, 211, 221, i. E. auch Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 555 f. 273

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

dem staatlichen Verantwortungsbereich von Verwaltung und Regierung aufklären.275 Ein öffentliches Interesse kann aber auch hier fehlen, wenn der vermeintlich aufklärungsbedürftige Sachverhalt bereits aufgeklärt oder offenkundig ist276, die Aufklärung willkürlich oder überflüssig ist277 oder der Vorgang bereits lange Zeit zurückliegt und deshalb kein aktuelles Aufklärungsinteresse mehr besteht278. bb) Privatgerichtete Enqueten Das „öffentliche Interesse“ kann Privatpersonen vor einer parlamentarischen Untersuchung nur insoweit schützen, als eine reine Privatenquete, d.h. ein PUV, das allein ein Privatverhalten ohne irgendeinen staatlichen Bezug aufklären will, unzulässig ist. Schwieriger zu bestimmen ist die Zulässigkeit von parlamentarischen Enqueten, deren Untersuchungsgegenstand einen Bezug zu einem konkreten staatlichen Handeln aufweist und dessen Aufklärung auch im öffentlichen Interesse steht, aber erfordert, dass der Bereich von Privatpersonen untersucht wird. Gegen eine Zulässigkeit solcher gegen Private gerichteten Enqueten könnte Art. 20 Abs. 3 GG sprechen, nach dem lediglich Exekutive und Judikative, nicht aber Privatpersonen verpflichtet sind, dem Parlament über Vorkommnisse Auskunft zu geben. Wegen der starken Verflechtungen von staatlichen und privaten Sachverhalten wäre es aber in den meisten Fällen kaum möglich, den auf die Aufklärung staatlicher Missstände gerichteten Untersuchungsauftrag zu erfüllen, ohne den privaten Bereich in die parlamentarische Untersuchung einzubeziehen. Mit diesem Argument rechtfertigten in der Vergangenheit auch das BVerfG und der BayVerfGH die Einbeziehung des Privatbereichs in die parlamentarische Untersuchung. Das BVerfG ließ in seiner Entscheidung zum „Neue Heimat“-PUA die Einbeziehung von Privatpersonen in das PUV ausnahmsweise zu, weil das private Unternehmen einem gemeinnützigen Zweck diente.279 Nach dem BayVerfGH sei die Erforschung des Privat275 BVerfGE 77, 1, 43; Linck, ZRP 1987, 11, 14; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 83; Schneider, 57. DJT/II, M 54, M 72; Steinberger, Rechtsgutachten, 1181, 1196; Wiefelspütz, NVwZ 2002, 10, 14. 276 BayVerfGHE 38, 165, 175, 177; Memminger, DÖV 1986, 15, 23; Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 22; Seidel, BayVBl 2002, 97, 103; Studenroth, Private Bereiche, 59, 63; Wiefelspütz, NVwZ 2002, 10, 14; a. A.: Schneider, 57. DJT/II, M 54, M 72. 277 Wiefelspütz, NVwZ 2002, 10, 14. 278 BayVerfGHE 30, 48, 64; Memminger, DÖV 1986, 15, 23; Seidel, BayVBl. 2002, 97, 103; Stock, ZRP 1995, 286, 288; Studenroth, Private Bereiche, 63. 279 BVerfG, DVBl. 1988, 200, 202.

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bereichs zulässig, wenn der Untersuchungsgegenstand in einem Zusammenhang mit staatlichen Aufgaben oder einer Amtstätigkeit des Betroffenen stehe und die Untersuchung des Privatbereichs für die Überprüfung und Kontrolle der staatlichen Tätigkeit sachdienlich sei.280 Ein großer Teil der Literatur vertritt jedoch die Auffassung, dass Privatpersonen weder durch ein faktisch noch durch ein normativ verstandenes öffentliches Interesse hinreichend Schutz gewährt wird.281 Wie bereits oben dargelegt282, bietet ein faktisch verstandenes öffentliches Interesse Privatpersonen keinen Schutz, weil es sich nahezu immer begründen lässt und zu seiner Feststellung keine eindeutigen Kriterien existieren.283 Die normative Theorie ist bei dem oben dargelegten Verständnis für einen Schutz der Privatperson vor einer unverhältnismäßigen Einbeziehung in die parlamentarische Untersuchung ebenso wenig hilfreich, da auch ihr taugliche Kriterien für eine Bestimmung des objektiven öffentlichen Interesses zur Abgrenzung des öffentlichen vom privaten Bereich fehlen.284 Rechtliche Kriterien zur Bestimmung des Gemeinwohls sind untauglich, weil nahezu jedes menschliche Verhalten aufgrund zwischenmenschlicher Kontakte über die Privatsphäre hinausreicht und damit potentiell öffentlich ist.285 Außerdem steht dem Parlament bzw. der parlamentarischen Einsetzungsminderheit wegen der Unbestimmtheit des Begriffs bei der Begründung des öffentlichen Interesses ein Beurteilungsspielraum zu286, der nur einer eingeschränkten ge280

BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1130. Buchholz, Untersuchungsausschuss, 27; Höpfner, Parlamentarische Kontrolle, 271; Kirste, JuS 2003, 61, 63; Köhler, Grenzen des PUR, 82, 84; Kretschmer, DVBl. 1988, 811, 813; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 88; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 120. 282 1. Kapitel, C. III. 2. a). 283 Ebenso Buchholz, Untersuchungsausschuss, 27; Köhler, Grenzen des PUR, 82, 84; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 88. 284 So auch BayVerfGH, NVwZ 1995, 681, 684; BayVerfGH, NVwZ 1996, 1206, 1207; Kirste, JuS 2003, 61, 63; Köhler, Grenzen des PUR, 82, der die Veröffentlichungen durch die Presse als mögliches Kriterium für die Entscheidung, ob ein Interesse der Allgemeinheit vorliegt, zunächst in Betracht zieht, dann aber ablehnt, da vornehmlich die Boulevardpresse Private, die in der Öffentlichkeit stehen, „unter die Lupe nimmt“ und skandalöse Vorgänge als Sensationsmeldung aufdeckt, wodurch sowohl private als auch öffentliche Interessen berührt werden; allein die Anzahl der Veröffentlichungen sollte daher nicht für ein Überwiegen des öffentlichen Interesses entscheidend sein; Richter, Privatpersonen, 35 f. 285 Köhler, Grenzen des PUR, 82; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 209; Studenroth, Private Bereiche, 73. 286 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 27, Rechenberg in: BK, GG, Art. 44, Rn. 9; Wiefelspütz, NVwZ 2002, 10, 13, nach dem die Einschätzungsprärogative für das Vorliegen eines öffentlichen Interesses immer beim Parlament liegt, auch dann, wenn das Quorum den Einsetzungsantrag stellt. 281

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

richtlichen Überprüfung auf Beurteilungsfehler, insbesondere einer willkürlichen oder auf sachfremden Erwägungen beruhenden Annahme eines öffentlichen Interesses287 oder einer offenkundigen Verletzung des Beurteilungsspielraums288, zugänglich ist289. Damit kann die Privatperson gegen die unzutreffende Annahme eines öffentlichen Interesses und ihre unzulässige Einbeziehung in die parlamentarische Untersuchung nur sehr begrenzt gerichtlich vorgehen. Trotz dieser Schwächen sollte auf ein normativ verstandenes öffentliches Interesse als Einsetzungsvoraussetzung jedoch nicht generell verzichtet werden, denn bei staatsgerichteten Enqueten kommt dem Merkmal jedenfalls eine eigenständige Bedeutung zu, weil es Anlass zur Prüfung gibt, ob das Parlament den PUA tatsächlich zu einem aufklärungsbedürftigen Zweck einsetzen will.290 Die Schwierigkeiten bei der Feststellung und der gerichtlichen Überprüfbarkeit des Merkmals „öffentliches Interesse“ zeigen aber, dass seine Bedeutung zum Schutz Privater nicht überbewertet werden darf. Allein ein öffentliches Interesse im normativen Sinn kann es deshalb nicht rechtfertigen, dass der PUA im Privatbereich Zwangsmittel anwendet. Es bedarf vielmehr einer Modifikation des normativ zu bestimmenden öffentlichen Interesses, die eindeutige Kriterien für dessen Feststellung benennt, damit die Privatperson eine Einbeziehung in die parlamentarische Untersuchung und die Möglichkeit eines Zwangsmitteleinsatzes vorhersehen und sich gegen unzulässige Maßnahmen zur Wehr setzen kann. Dieses Bedürfnis ergibt sich schon aus dem vom Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Bestimmtheitsgebot. Es verlangt, dass das staatliche Handeln für jedermann voraussehbar ist.291 Zutreffenderweise hält ein großer Teil des Schrifttums ausgehend vom Wortsinn des öffentlichen Interesses als Gemeinwohlzweck bzw. als Interesse der Allgemeinheit und unter Rückgriff auf die verschiedenen Zwecke der Enquetearten eine Einbeziehung von Privatpersonen in Kontroll-, Missstands- und Skandalenqueten dann für zulässig, wenn die Privatperson aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm, die der Aufrechterhaltung und dem Schutz des Gemeinwohls dient und deren Beachtung daher für die All287 Di Fabio, Rechtsschutz, 137; Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 68 f.; Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 22. 288 Steinberger, Rechtsgutachten, 1181, 1196. 289 Weiter gehend Buchholz, Untersuchungsausschuss, 27, der eine gerichtliche Überprüfung zum Schutz Privater zulassen will; enger Höpfner, Parlamentarische Kontrolle, 271; Köhler, Grenzen des PUR, 83 f.; Schneider in: AK, GG, Art. 44, Rn. 11, nach denen das öffentliche Interesse ausschließlich der gerichtlich nicht kontrollierbaren, politischen Einschätzungsprärogative der Antragssteller unterliegt. 290 Köhler, Grenzen des PUR, 84. 291 Katz, StaatsR, Rn. 163.

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gemeinheit von besonderem Interesse ist, zum Staat in Beziehung steht und in schwerer Weise gegen diese Norm verstößt.292 Ein schwerer Verstoß liegt jedenfalls dann vor, wenn die Privatperson in Kenntnis der öffentlich-rechtlichen Norm gegen diese verstoßen hat, um selbst Vorteile zu erzielen bzw. um sich Aufwendungen zu ersparen, und die Gefahr für die Allgemeinheit, vor der die Norm schützen will, billigend in Kauf nimmt. In diesem Fall überwiegt das öffentliche Aufklärungsinteresse regelmäßig das Interesse des Einzelnen am Schutz seiner Rechte auf Privatheit und auf informationelle Selbstbestimmung über die Erhebung und Weitergabe seiner personenbezogenen Daten. Ein so verstandenes normatives öffentliches Interesse schafft zum Schutz von Privatpersonen klare Abgrenzungskriterien. Zwar können noch immer bei der Bestimmung des öffentlichen Interesses Auslegungsprobleme auftreten, z. B. bei der Feststellung des besonderen Interesses für die Allgemeinheit oder der Bestimmung der Rechtsverletzung von einigem Gewicht. Aber mit dem Erfordernis, dass zwischen dem Staat und der Privatperson eine Beziehung durch eine öffentlich-rechtliche Norm besteht und die Privatperson diese Norm verletzt haben muss, werden dem Einzelnen Leitlinien vorgegeben, anhand derer er erkennt, wann er in eine parlamentarische Untersuchung einbezogen werden kann. Es wird somit verhindert, dass ein PUA willkürlich gegen eine Privatperson die Eingriffsbefugnisse nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG anwendet und die Privatperson die Folgen einer Ermittlung des Untersuchungsausschusses nicht im Vorhinein erkennen kann.293 Ein öffentliches Interesse an einer Gesetzgebungsenquete, in welcher der PUA seine Untersuchung auch gegen Privatpersonen führt, besteht, wenn das vom Parlament angestrebte Neuregelungsvorhaben sich auf einen Sachverhalt erstreckt, der eine Vielzahl von Privatpersonen betrifft und für die Allgemeinheit von besonderem Interesse ist. Unzulässig ist eine Gesetzgebungsenquete, die nur gegen eine konkrete Person gerichtet ist294, weil Art. 19 Abs. 1 GG eine Einzelfallgesetzgebung verbietet, d.h., Gesetze müssen allgemein gelten. Allgemeingültige Tatsachengrundlagen für ein die Allgemeinheit betreffendes Neuregelungsvorhaben sind aber erst geschaffen, wenn die Informationen von einer Vielzahl von Privatpersonen stammen, weil Erkenntnisse aus dem Privatbereich einer einzelnen Person nicht schon für die Vielschichtigkeit eines die Allgemeinheit betreffenden 292

Engels, Untersuchungsausschüsse, 47; ähnlich Kirste, JuS 2003, 61, 63; Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 66; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 90 ff.; Ortmann, Jura 2003, 847, 851; Pabel, NJW 2000, 788, 790; Richter, Privatpersonen, 42; ähnlich Schröder, 57. DJT, E 5, E 20 f. 293 Pabel, NJW 2000, 788, 790; Richter, Privatpersonen, 42 ff. 294 Richter, Privatpersonen, 38.

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Lebenssachverhaltes stehen.295 Ein solches Verständnis des öffentlichen Interesses an einer Gesetzgebungsenquete verhindert, dass eine einzelne Person willkürlich zu deren Untersuchungsgegenstand wird. Zugleich wird Versuchen, eine Missstands- oder Skandalenquete unter dem Deckmantel einer Gesetzgebungsenquete gegen eine konkrete Person zu führen, vorgebeugt. c) Zwischenergebnis Trotz seiner Unbestimmtheit ist das öffentliche Interesse ein zwingend erforderliches Kriterium für die Einsetzung und das Tätigwerden des parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Denn das parlamentarische Untersuchungsrecht gibt dem Parlament kein Mittel gegenüber Exekutive, Judikative und Privatpersonen an die Hand, um einen Bereich ohne öffentlichen Anlass unter Einsatz der strafprozessualen Ermittlungsbefugnisse auszuforschen und nach Missständen zu suchen.296 Das öffentliche Interesse ist bei parlamentarischen Untersuchungen im öffentlichen Bereich normativ zu verstehen, d.h., die Erfüllung des Untersuchungsauftrags muss dem Gemeinwohl dienen. Um Privatpersonen vor beliebiger Einbeziehung in das PUV zu schützen, ist die normative Theorie dahin gehend zu modifizieren, dass eine Einsetzung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse gegen eine Privatperson zur Aufdeckung eines Missstandes oder eines Fehlverhaltens nur zulässig ist, wenn die Privatperson gegen eine öffentlich-rechtliche Norm, die der Aufrechterhaltung und dem Schutz des Gemeinwohls dient, in schwerer Weise verstoßen hat. 3. Vorliegen eines Anfangsverdachts als öffentliches Interesse Mit dem Einsetzungserfordernis des „öffentlichen Interesses“ ist lediglich eine Voraussetzung gefunden, die verhindert, dass sich ein PUA allein mit einer Angelegenheit des Privatbereiches befasst und willkürlich den Privatbereich einer Person zum Gegenstand einer öffentlichen Untersuchung macht, ohne dass an der Aufklärung ein besonderes Allgemeininteresse besteht. Diese Einsetzungsvoraussetzung schützt aber noch nicht davor, dass der PUA einen Sachverhalt des öffentlichen oder privaten Bereiches, an dessen Aufklärung jedoch ein öffentliches Interesse besteht, „ins Blaue 295

Richter, Privatpersonen, 38. Memminger, DÖV 1986, 15, 23; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 89; Schneider, 57. DJT/II, M 54, M 72; Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 21; Seidel, BayVBl. 2002, 97, 103; Stock, ZRP 1995, 286, 287; Vetter, ZParl 1993, 211, 221. 296

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hinein“, d.h. aufgrund allgemeiner bzw. gefühlsmäßiger Vermutungen oder Hinweise, also ohne konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten untersucht. Gerade der – infolge der Kompetenzerweiterung des Parlaments – verstärkte Einsatz parlamentarischer Untersuchungsausschüsse als politisches Kampfinstrument lässt derartige Ermittlungen ins „Blaue hinein“ aber befürchten. Umstritten ist, ob und in welchem Stadium der Untersuchung das Vorliegen tatsachengestützter Anhaltspunkte bzw. eines konkreten Anfangsverdachts zu verlangen ist, um insbesondere Privatpersonen vor einer bloßen Ausforschung durch den PUA zu schützen. Das PUAG stellt ein solches Erfordernis nicht auf. Auch Art. 44 GG erwähnt ausdrücklich eine solche Einsetzungsvoraussetzung nicht. Da Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG auf die Regelungen des Strafprozesses verweist, könnte der Verweis auf § 152 StPO einen Anfangsverdacht als Einsetzungsvoraussetzung erfordern und zur verfassungskonformen Auslegung des PUAG zwingen. a) Meinungsstand Eine Auffassung wendet sich generell gegen die Forderung nach einem Anfangsverdacht für das Vorliegen des Untersuchungsgegenstandes. Ein Anfangsverdacht sei weder für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses noch für die Durchführung der parlamentarischen Untersuchung erforderlich297, zumal der Begriff des Anfangsverdachts unbestimmt sei, so dass keinerlei normative Kriterien für dessen Bestimmung bestünden und die praktische Umsetzung dieser Voraussetzung deshalb fragwürdig erscheine298. Zudem widerspreche die Voraussetzung eines Anfangsverdachts dem Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts, da ein PUA danach nur noch unter den gleichen Voraussetzungen und in demselben Umfang wie die Staatsanwaltschaft Zwangsmittel anwenden dürfte. Da das PUV gerade kein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren sei, würde der Untersuchungsauftrag einer politisch veranlassten Gesetz297 BT-Drucks. 11/8085, S. 15, 16; Gottschalck, DVBl. 1992, 790, 791; Klenke, NVwZ 1995, 644, 646; Masing, ZRP 2001, 36, 38; ders., FAZ vom 08.02.2001, S. 14; Schneider, 57. DJT/I, M 54, M 72 f.; Seidel, BayVBl. 2002, 97, 103; Wiefelspütz, NVwZ 2002, 10, 13, 14; ders., ZParl 2002, 551, 556; ders., UAG, 46, 62 ff.; Wolf, PUA und Strafjustiz, 61, jedoch im Widerspruch zu S. 176, wo er auch ein privates Geheimnis in das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses einbezieht, wenn „tatsachengestützte Anhaltspunkte“ dafür vorliegen, dass es der Aufklärung des Missstandes dient. 298 Klenke, NVwZ 1995, 644, 646; ähnlich Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 118, der meint, ein Anfangsverdacht lasse sich stets konstruieren und gebe damit keinen wirklichen Schutz.

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gebungs-, Kontroll- oder Missstandsenquete sowie einer privatgerichteten Skandalenquete mangels strafrechtlichen Anfangsverdachts die Voraussetzungen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nur selten erfüllen.299 Die Auffassung, die einen Anfangsverdacht fordert, lehne sich zu stark an das funktional und strukturell andersartige strafverfahrensrechtliche Ermittlungsverfahren an.300 Eine solche Verfahrensausgestaltung erfasse aber die Aufgabe und Funktion eines parlamentarischen Untersuchungsverfahrens nicht erschöpfend. Empfehlungs- und Gesetzgebungsenqueten seien auch ohne Rechtsverstoß denkbar.301 Die Gegenauffassung in der Literatur fordert einen Anfangsverdacht für den Untersuchungsauftrag. Eine Einsetzung des Untersuchungsausschusses, vor allem als Missstands- oder Skandalenquete, sei nur zulässig, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für einen Missstand vorliegen.302 Nur ein solcher Anfangsverdacht könne die Durchführung von Beweiserhebungsmaßnahmen, die mit schweren Grundrechtseingriffen verbunden sind, rechtfertigen.303 Außerdem setze jede Einleitung eines rechtsstaatlichen Verfahrens einen konkreten Anlass voraus.304 Ohne das Erfordernis eines Anfangsverdachts diene das wegen des möglichen Zwangsmitteleinsatzes grundrechtsbeeinträchtigende Instrumentarium eines Untersuchungsausschusses nur dazu, dass das Parlament die öffentlichkeitswirksame Untersuchung nach Belieben dazu nutzt, seinen eigenen politischen Willen der Öffentlichkeit kundzutun oder den politischen Gegner abzuwerten.305 Während der BayVerfGH in seinen älteren Entscheidungen einen konkreten Anfangsverdacht als Voraussetzung für eine Einsetzung noch ablehnte306, verlangt zunehmend auch die Rechtsprechung – vor allem für eine Missstandsenquete – tatsachengestützte Anhaltspunkte als Einsetzungsvoraussetzung307, die allerdings – jedenfalls nach Auffassung des Bay299 Gottschalck, DVBl. 1992, 790, 791; Ortmann, Jura 2003, 847, 851, Fn. 53; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 556. 300 Masing, ZRP 2001, 36, 38; Schneider, 57. DJT/I, M 54, M 72 f.; Wiefelspütz, NVwZ 2002, 10, 13 f. 301 Wiefelspütz, NVwZ 2002, 10, 14; ders., UAG, 46, 62 ff.; Wolf, PUA und Strafjustiz, 61. 302 Bickel, 57. DJT/II, M 7, M 23 f.; Depenheuer/Winands, ZRP 1988, 258, 262; so auch der Vorschlag bei Engels, Untersuchungsausschüsse, 47; ähnlich Memminger, DÖV 1986, 15, 23; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 89 ff.; Richter, Privatpersonen, 40; Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 20 f.; ders., NJW 2000, 1455, 1457 (ohne nähere Begründung); Stock, ZRP 1995, 286, 287. 303 Depenheuer/Winands, ZRP 1988, 258, 262; Engels, Untersuchungsausschüsse, 46 f. 304 Richter, Privatpersonen, 40; Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 21. 305 Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 24 f. 306 BayVerfGHE 38, 165, 176; BayVerfGH, NVwZ 1986, 822, 824 f.

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VerfGH und des BW StGH – nicht dem Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO entsprechen. Ein echter Anfangsverdacht sei nur für die Einleitung eines Strafverfahrens notwendig. Tatsachengestützte Anhaltspunkte für eine Einsetzung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse lägen dagegen schon vor, wenn Umstände gegeben sind, die bei vernünftiger Betrachtung auf eine Rechtsverletzung oder Missstände hindeuten und daher eine Aufklärung erforderlich erscheinen lassen.308 Der BayVerfGH sieht darin keinen Widerspruch zu seinen früheren Entscheidungen, in denen er das Erfordernis eines Anfangsverdachts als Voraussetzung abgelehnt hatte, weil „tatsachengestützte Anhaltspunkte“ ein „Weniger“ zum Anfangsverdacht darstellten und sich zudem die Entscheidungen auf eine Verwaltungsenquete bezogen, für die ein derartiger Verdacht ohnehin nicht zu fordern sei.309 Die Sicht des BayVerfGH ist in der Literatur zum Teil auf Zustimmung gestoßen. Es sei jedoch nach Enquetearten zu differenzieren. Während Missstands- und Skandalenqueten tatsächliche Anhaltspunkte wegen eines Missstandes oder Fehlverhaltens voraussetzen würden, d.h. Umstände vorliegen müssten, die es bei vernünftiger ex-ante Betrachtung möglich erscheinen lassen, dass die Rechtsnorm verletzt worden ist, sollen für Gesetzgebungsenqueten geringere Anforderungen gelten, d.h., die Ermittlungen dürften nur gegen Personen gerichtet sein, die im engen Sachzusammenhang zum Untersuchungsgegenstand stehen.310 Das Bezirksgericht Schwerin verlangt hingegen erst bei der Durchführung einer konkreten Beweiserhebungsmaßnahme durch den PUA und nicht schon bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses einen konkreten Anfangsverdacht für das Vorliegen des Untersuchungsgegenstandes. Wegen der sinngemäßen Anwendbarkeit der strafprozessualen Beweiserhebungsbefugnisse im PUV und der hohen Eingriffsintensität der Ermittlungsmaßnahmen dürften für den Anfangsverdacht keine geringeren Anforderungen gelten als im Strafverfahren.311 Auch ein Teil der Literatur fordert erst bei der Durchführung der konkreten Beweiserhebungsmaßnahme einen tatsachenbezogenen Anfangsverdacht, um den Bürger vor einer willkürlichen Ausforschung seines Privatbereiches zu schützen. Gegen das Erfordernis, einen Anfangsverdacht 307

BW StGH, NVwZ-RR 1992, 593, 596; BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1128 f.; BayVerfGH, NVwZ 1995, 681, 683; Saarländischer VerfGH, NVwZ-RR 2003, 393, 395. 308 BW StGH, NVwZ-RR 1992, 593, 596; BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1128 f.; BayVerfGH, NVwZ 1995, 681, 683. 309 BayVerfGH, NVwZ 1995, 681, 683. 310 Steinberger, Rechtsgutachten, 1181, 1201 f., 1213 ff.; Vetter, ZParl 1993, 211, 224 f. 311 BezG Schwerin, DVBl. 1992, 789 f.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

schon bei der Einsetzung zu verlangen, spreche, dass das Parlament als „Forum der Nation“ in der Lage sein müsse, alle bedeutsamen Gegenstände diskutieren und diese Sachbereiche einer parlamentarischen Untersuchung unterziehen zu können. Dürfe das Parlament einen PUA nur bei Vorliegen eines Anfangsverdachts wegen eines Missstandes einsetzen, wäre die Möglichkeit parlamentarischer Untersuchungen erheblich eingeschränkt. Dies widerspreche der Bedeutung des parlamentarischen Untersuchungsrechts. Außerdem fehle es für eine derartige Auslegung an einer gesetzlichen Regelung in der Verfassung.312 b) Stellungnahme aa) Wortlaut des Art. 44 GG Für das Erfordernis eines konkreten Anfangsverdachts streitet jedenfalls der Wortlaut des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, der für die Beweiserhebung die sinngemäße Geltung der Vorschriften des Strafverfahrens anordnet. Die Anwendung der Zwangsmittel im Strafverfahren erfordert als Mindestvoraussetzung gemäß §§ 152 Abs. 2, 160 StPO einen auf zureichende Tatsachen gegründeten Anfangsverdacht.313 Da Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG nicht nur Befugnisse begründet, sondern zur Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Verfahrens auch Befugnisse begrenzt, scheint auch das Erfordernis eines Anfangsverdachts im PUV zu gelten. Allerdings ist die oben vom BayVerfGH vertretene Auffassung, „tatsachengestützte Anhaltspunkte“ stellten ein „Weniger“ zum Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO dar, abzulehnen. Ein Anfangsverdacht ist nämlich zu bejahen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Nichts anderes ist mit dem Begriff „tatsachengestützte Anhaltspunkte“ beschrieben. Sollte der BayVerfGH seine Ansicht unter Rückgriff auf die im Strafverfahrensrecht vertretene Auffassung gestützt haben, dass ein strafprozessualer Anfangsverdacht erst vorliege, wenn die Begehung einer Straftat wahrscheinlich ist314, muss dem ebenfalls widersprochen werden. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte sind nach h. M. schon dann gegeben, wenn die Tatsachen nach kriminalistischer Erfahrung die Begehung einer Straftat möglich erscheinen lassen. Bloße Vermutungen rechtfertigen die Einleitung von Ermittlungstätigkeiten zwar noch nicht, eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Straftatbegehung erfordert die Einleitung aber auch nicht.315 Die An312 313

Köhler, NVwZ 1995, 664 f. BezG Schwerin, DVBl. 1992, 789; Depenheuer/Winands, ZRP 1988, 258,

262. 314

Beulke in: LR, StPO, § 152, Rn. 25; Plöd in: KMR, StPO, § 152, Rn. 18, 19.

C. Grenzen des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts

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knüpfung des Tatverdachts an einen Wahrscheinlichkeitsgrad führt vielmehr zu Rechtsunsicherheiten, weil nicht feststeht, ab welchem Prozentsatz (30%, 51% etc.) von einer Wahrscheinlichkeit einer Tatbegehung auszugehen ist. An keiner Stelle definiert die StPO, welche Art von Wahrscheinlichkeitsurteil gemeint ist. Vielmehr verpflichtet das Gesetz die Staatsanwaltschaft und die Polizei – ungeachtet des Opportunitätsprinzips und der Antragsdelikte – zur Aufnahme der Ermittlungen, sobald zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Straftatbegehung vorliegen. Die Strafverfolgungsbehörden haben zwar auch zu untersuchen, ob Umstände vorhanden sind, welche die Begehung einer verfolgbaren Straftat sicher ausschließen. Bleibt bei der Prüfung aber auch nur ein kleiner Rest an Unsicherheit, besteht ein einfacher Tatverdacht.316 Die unterschiedliche Umschreibung der Verdachtsarten in §§ 152 Abs. 2, 170 Abs. 2, 203, 112 StPO zeigt, dass der Anfangsverdacht unter dem Verdachtsgrad des § 170 Abs. 2 StPO liegen kann. Ausdrücklich ordnet Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG jedoch nicht an, dass ein Anfangsverdacht für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses oder die Durchführung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens erforderlich ist. Über den Wortlaut kann allein auch noch keine sichere Aussage über das Bezugsobjekt eines Anfangsverdachts (Straftat oder Missstand) gewonnen werden. bb) Teleologische Erwägungen Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens stehen einer Anwendung der §§ 152 Abs. 2, 160 StPO nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG nicht entgegen, obwohl der für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erforderliche konkrete Anfangsverdacht, d.h. das Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte, auf eine Straftat bezogen ist.317 Daraus folgt nämlich nicht, dass sich der Anfangsverdacht auch im PUV auf eine Straftat beziehen muss. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG ordnet lediglich die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des Strafverfahrens an. Die strafprozessualen Vorschriften bedürfen also unter Umständen einer Modifikation, wenn der Zweck und die Strukturunterschiede des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens und des Strafverfahrens es erfordern.318 Dient das 315 Beulke, StrafprozessR, Rn. 311; Geerds, Übungen, 52 ff., 66; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 57; Kramer, Grundbegriffe, Rn. 171; Lohner, Tatverdacht, 61 ff.; Meyer-Goßner, StPO, § 152, Rn. 4; Pfeiffer, StPO, § 152, Rn. 1a, 3; Roxin, StrafverfahrensR, § 37, Rn. 13; Schoreit in: KK, StPO, § 152, Rn. 28; Weßlau in: SK, StPO, § 152, Rn. 15. 316 Geerds, Übungen, 52 f., 66; Schoreit in: KK, StPO, § 152, Rn. 29, 31. 317 Pfeiffer, StPO, § 152, Rn. 1a, § 160, Rn. 3. 318 Zur „sinngemäßen Anwendung“: 1. Kapitel, B. II. 2., 3.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

PUV der Aufklärung von Missständen, politischem Fehlverhalten und schweren Verletzungen öffentlich-rechtlicher Normen319, so müssen die §§ 152 Abs. 2, 160 StPO – entsprechend dieser andersartigen Zwecksetzung des parlamentarischen Untersuchungsrechts – sinngemäß modifiziert werden. Es muss somit der konkrete Anfangsverdacht bestehen, dass sich klärungsbedürftige Missstände oder schwere Verletzungen öffentlich-rechtlicher Normen ereignet haben.320 Bei der Einsetzung einen Anfangsverdacht wegen der Begehung einer Straftat zu fordern bzw. die Anwendung parlamentarischer Ermittlungsmaßnahmen von einem Anfangsverdacht, der auf die Begehung einer Straftat bezogen ist, abhängig zu machen321, würde den Einsetzungs- und Untersuchungsbereich eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses und dessen Bedeutung zu stark einschränken. Damit ist der Entscheidung des BayVerfGH, dass die tatsächlichen Anhaltspunkte nicht auf eine mögliche Straftat, sondern auf eine Verletzung öffentlich-rechtlicher Normen oder auf Missstände hindeuten müssen, zuzustimmen. Der Anfangsverdacht im PUV unterscheidet sich also von dem im Strafverfahren darin, dass sie jeweils auf einen anderen untersuchungsfähigen Verfahrensgegenstand gerichtet sind. Mit Ausnahme des Verfahrensgegenstandes sind aber im Übrigen für den Anfangsverdacht dieselben Anforderungen wie im Strafverfahren zu verlangen, da Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, der dem PUA einerseits Zwangsmittel und andere Ermittlungsmaßnahmen von gleicher Intensität und gleichem Ausmaß wie der Strafverfolgungsbehörde einräumt und damit besonders schwere Eingriffe in die Rechtssphäre des Einzelnen legitimiert, andererseits auch ein rechtsstaatliches Verfahren gewährleisten und dem PUA keine über das Instrumentarium der Strafverfolgungsbehörden hinausgehenden Befugnisse zur Verfügung stellen will. Die Beweiserhebungsmaßnahmen des Ausschusses, die in die Grundrechte des Betroffenen eingreifen, sind nämlich nur bei einem Anfangsverdacht wegen eines Missstandes oder einer Rechtsverletzung verhältnismäßig.322 Dieselben Anforderungen für den Anfangsverdacht wie im Strafverfahren sind – abgesehen vom Verfahrensgegenstand als Bezugsobjekt – auch deshalb zu fordern, weil der PUA bei der Einleitung und Durchführung seines 319

1. Kapitel, B. II. 2. b), aa), III. 1. Ähnlich auch BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1128; ders., NVwZ 1995, 681, 683; ähnlich BezG Schwerin, DVBl. 1992, 789; Saarländischer VerfGH, NVwZ-RR 2003, 393, 395; Depenheuer/Winands, ZRP 1988, 258, 262. 321 So wohl Scholz, FAZ vom 23.12.99, S. 12, der bei der Beweiserhebung für die Anordnung der Beugehaft bzw. vergleichbarer Sanktionen einen Anfangsverdacht wegen einer Straftat verlangt. 322 Depenheuer/Winands, ZRP 1988, 258, 262; Vetter, ZParl 1993, 211, 224. 320

C. Grenzen des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts

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Verfahrens nicht über die gleichen strafverfahrensrechtlichen Schutzvorkehrungen für den Betroffenen verfügt.323 Es fehlt an neutralen Richtern, die objektiv den Sachverhalt aufklären, an einer kontradiktorischen Verfahrensausgestaltung, an einem Rechtsmittel gegen den Abschlussbericht und an einem nichtöffentlichen Ermittlungsverfahren, in dem eine Person – wie ein Staatsanwalt – objektiv, d.h. auch entlastende Tatsachen ermittelt. Zwar sieht § 10 PUAG vor, dass der PUA einen Ermittlungsbeauftragten zur Vorbereitung der parlamentarischen Untersuchung einsetzen kann, der bei seiner Voruntersuchung zur Vornahme konkreter Beweiserhebungsmaßnahmen befugt ist. Nach § 10 Abs. 4 S. 1 PUAG muss der Ermittlungsbeauftragte bei der Erfüllung des Auftrages unabhängig sein. Dennoch besteht grundsätzlich – außer bei Antrag eines Viertels der Mitglieder – keine Pflicht zur Einsetzung eines Ermittlungsbeauftragten und der PUA darf parallel weiterermitteln. Wegen der Schwere des Eingriffs bei der Beweiserhebung, dem Fehlen besonderer Schutzvorkehrungen für die Individualrechtsgüter sowie zur Verhinderung beliebiger Ausforschungen ist ein konkreter Anfangsverdacht für ein rechtsstaatliches Verfahren unabdingbar. Damit steht allerdings noch nicht fest, in welchem Stadium der parlamentarischen Untersuchung ein konkreter Anfangsverdacht zu fordern ist. Nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, der nur auf Beweiserhebungen die Vorschriften des Strafprozesses zur Anwendung bringen will, wäre ein konkreter Anfangsverdacht erst bei der Beweiserhebung, also bei der Durchführung der parlamentarischen Untersuchung erforderlich. Dafür spricht auch, dass lediglich die Beweiserhebung öffentlich ist und gerade dieser Öffentlichkeitsbezug des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens eine Wirkung erzielt, welche die betroffene Person erheblich diffamieren kann. Diese Feststellung ist jedoch nicht zwingend, weil es durchaus sinnvoll erscheint, einen konkreten Anfangsverdacht bereits bei der Einsetzung eines Ausschusses zu verlangen. Wenn erst bei der Durchführung der Untersuchung festgestellt wird, dass mangels konkreten Anfangsverdachts die Beweiserhebung unzulässig ist, wäre die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wirkungslos, da der PUA seinen Untersuchungsauftrag ohne Vornahme konkreter Beweiserhebungsmaßnahmen nicht erfüllen könnte. Zudem kann bereits die Einsetzung eines Ausschusses, der in öffentlicher Verhandlung Beweise erheben und Zwangsmaßnahmen anwenden darf, für den Betroffenen wegen der Medienberichterstattung, der gesellschaftlichen Vorverurteilung und der wirtschaftlichen, psychischen oder beruflichen Nachteile faktische Auswirkungen im sozialen Umfeld haben und damit den Betroffenen in seinem Lebensbereich und seinen Interessen betreffen. 323

BVerfG, DVBl. 1988, 200, 203; BezG Schwerin, DVBl. 1992, 789, 790.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

Das Strafverfahren beginnt zudem mit der Einleitung des nichtöffentlichen Ermittlungsverfahrens, deren Voraussetzung ein Anfangsverdacht ist. Mit der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens ist die Staatsanwaltschaft nach § 160 StPO verpflichtet, den Sachverhalt zu erforschen, d.h. Beweise zu erheben und zu sichern. Vorermittlungen, die sich zunächst auf Umstände unterhalb der Schwelle des Anfangsverdachts stützen und aufgrund derer die Staatsanwaltschaft erst Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gewinnen will, sind strafprozessual nach zutreffender Auffassung unzulässig.324 In diesem Stadium sind jedenfalls Grundrechtseingriffe stets verboten.325 Das Parlament leitet das PUV mit seinem Beschluss, einen PUA zur Erfüllung eines konkreten Untersuchungsauftrages einzusetzen, und der tatsächlichen Einrichtung des Untersuchungsausschusses ein. Ab diesem Zeitpunkt ist der PUA verpflichtet, den Sachverhalt zu ermitteln und den Untersuchungsauftrag zu erfüllen, indem er Beweise mit Hilfe des strafprozessualen Instrumentariums erhebt. Um dem Parlament und dem PUA keine weiter gehenden Befugnisse als den Strafverfolgungsbehörden zuzugestehen, ist es daher sachgerecht, schon – wie im Strafverfahren – für die Einleitung des Verfahrens einen Anfangsverdacht zu fordern. Da bereits die Einsetzung des Untersuchungsausschusses unter Umständen in Grundrechte der Betroffenen eingreifen kann, müssen zu diesem Zeitpunkt bereits tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen des Untersuchungsgegenstandes bestehen, um den Grundrechtseingriff zu legitimieren. Fraglich ist aber, ob die aus der Forderung eines Anfangsverdachts als Einsetzungsvoraussetzung folgende Beschränkung des Einsetzungsrechts der Bedeutung und dem Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts gerecht wird326. Die Untersuchung kann möglicherweise in einigen Bereichen auch ohne die – zumindest einen Anfangsverdacht voraussetzenden – grundrechtsbeeinträchtigenden Ermittlungsmaßnahmen und Zwangsmittelanwendungen erfolgreich sein, so dass die Forderung eines konkreten Anfangsverdachts als Einsetzungsvoraussetzung das parlamentarische Untersuchungsrecht ohne sachlichen Grund beschneiden würde.327 Allerdings wird eine Aufklärung ohne das strafprozessuale Befugnisinstrumentarium zumeist – vor allem im Bereich der Missstandsenqueten – kaum erfolgreich sein, da dem PUA andere Mittel zur Sachverhaltsaufklärung häufig nicht zur Verfügung stehen. 324 Beulke, StrafprozessR, Rn. 311; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 68; Kramer, Grundbegriffe, Rn. 172; Meyer-Goßner, StPO, § 152, Rn. 4a; Pfeiffer, StPO, § 152, Rn. 1b; a. A.: LG Offenbach, NStZ 1993, 506 f. 325 Beulke, StrafprozessR, Rn. 311. 326 Bezweifelt wird dies von Köhler, NVwZ 1995, 664. 327 Köhler, NVwZ 1995, 664.

C. Grenzen des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts

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Vor allem würde das Erfordernis des konkreten Anfangsverdachts als Einsetzungsvoraussetzung verhindern, dass das Parlament aufgrund bloßer Vermutungen einen PUA zu dem Zweck einsetzt, willkürlich bestimmte öffentliche oder private Bereiche zu durchleuchten und eventuelle Ungereimtheiten aufzudecken, die dann im politischen Machtkampf gegen den Gegner verwertet werden könnten.328 Eine willkürliche Ausforschung zum Zweck der öffentlichen Diffamierung ist mit der Funktion und Bedeutung des parlamentarischen Untersuchungsrechts nicht zu vereinbaren. Es wurde geschaffen, um dem Parlament stärkere Kontrollmöglichkeiten gegenüber Regierung und Verwaltung an die Hand zu geben und konkrete Fehlleistungen sowie Missstände aufklären zu können, nicht dagegen, um „ins Blaue hinein“ zu forschen, dabei auf ein eventuelles Fehlverhalten zu stoßen und dieses dann in der Öffentlichkeit auszubreiten. cc) Historische Erwägungen Für das Vorliegen eines konkreten Anfangsverdachts spricht auch die Entstehungsgeschichte des Art. 34 WRV als Vorläufer des Art. 44 GG. Nach dem Preuß’schen Verfassungsentwurf sollte eine Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nur erfolgen, wenn Zweifel an der Gesetzlichkeit und Lauterkeit des Handelns der Exekutive bestehen.329 Daraus wird gefolgert, dass der konkrete Anfangsverdacht wegen eines Missstandes oder einer Rechtsverletzung trotz des Fehlens dieser Voraussetzung im Verfassungstext als ungeschriebenes Merkmal der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Art. 44 GG fortgelten sollte.330 Dem hält die Gegenauffassung jedoch entgegen, den Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung sei zu entnehmen, dass die Beschränkung auf Verwaltungs- und Regierungshandeln bewusst nicht in die Verfassung aufgenommen wurde, um weiterhin eine Einsetzung von Gesetzgebungsenqueten zu ermöglichen. Aus historischer Sicht könne daher kein Anfangsverdacht aus Art. 44 GG hergeleitet werden.331 Letzterem ist zwar insoweit zuzustimmen, dass die Formulierung im Preuß’schen Verfassungsentwurf, nach der die Gesetzlichkeit und Lauterkeit 328 BayVerfGH, DVBl. 1994, 1126, 1129; BayVerfGH, NVwZ 1995, 681, 683; Scholz, FAZ vom 23.12.99, S. 12; Steinberger, Rechtsgutachten, 1181, 1202. 329 RStGH, RGZ 104, 423, 428 f.; Anschütz, WRV, Art. 34, Rn. 2; Depenheuer/ Winands, ZRP 1988, 258, 263; Memminger, DÖV 1986, 15; Schultz, 25. Sitzung der Nationalversammlung am 8.4.1919, Stenografischer Bericht, Art. 55, S. 3; Triepel, Quellensammlung, 14. 330 Depenheuer/Winands, ZRP 1988, 258, 263; ähnlich auch Memminger, DÖV 1986, 15, 21, 23. 331 Köhler, Grenzen des PUR, 95.

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

von Regierung und Verwaltung angezweifelt sein muss, in Art. 34 WRV auch keinen Eingang fand, um Gesetzgebungsenqueten zu ermöglichen332. Der Verfassungsgeber strich die Worte hauptsächlich wegen ihrer Unbestimmtheit.333 Er wollte vermeiden, dass die Einsetzung von Ausschüssen als „Misstrauensvotum“ gegen die Regierung unter Ausschluss der Einsetzungsmöglichkeit eines Untersuchungsausschusses als Gesetzgebungsenquete verstanden würde, wenn Art. 34 WRV ausdrücklich Zweifel an der Gesetzlichkeit und Lauterkeit der Exekutive als Einsetzungsvoraussetzung verlangt hätte. Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung von Missständen hatte der Gesetzgeber mit der Regelung des Art. 34 WRV allerdings keine inhaltliche Änderung beabsichtigt334, d.h., er wollte für Kontroll- und Missstandsenqueten weiterhin trotz fehlender ausdrücklicher Regelung am Erfordernis des Missstandsverdachts bzw. des Zweifels an der Lauterkeit und Gesetzlichkeit der Exekutive festhalten. Aus der unterlassenen Übernahme der „Zweifelsregelung“ des Preuß’schen Verfassungsentwurfs in Art. 34 WRV lässt sich also nicht der Schluss ziehen, dass auf das Vorliegen von Zweifeln an der Gesetzlichkeit oder Lauterkeit des Regierungs- und Verwaltungshandelns als ungeschriebenes Merkmal tatsächlich verzichtet werden sollte. Gegen einen bewussten Verzicht auf das Merkmal eines Zweifels an der Gesetzlichkeit und Lauterkeit des Verwaltungshandelns als Einsetzungsvoraussetzung spricht ferner, dass zur damaligen Zeit ein PUA als Kontroll-, Missstands- oder Gesetzgebungsenquete und nicht – wie es heute oft der Fall ist – als politisches Kampfinstrument oder privatgerichtete Skandalenquete tätig war. Der Verfassungsgeber hielt es damals daher für selbstverständlich, die Einsetzung einer Missstands- und Kontrollenquete vom Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für Missstände oder für eine Gesetzesverletzung abhängig zu machen, so dass diese Einsetzungsvoraussetzung keiner ausdrücklichen Erwähnung in der Verfassung bedurfte, sondern ungeschrieben fortgelten sollte. Erst durch die Veränderung des Verfassungsverständnisses über die Rolle des Parlaments und den Einsatz parlamentarischer Untersuchungsausschüsse als politische Kampfinstrumente erhöhte sich die Gefahr einer willkürlichen Ausforschung des staatlichen und pri332 Gröber, 25. Sitzung der Nationalversammlung am 8.4.1919, Stenografischer Bericht, Art. 55, S. 5. 333 Memminger, DÖV 1986, 15, 21; Preuß, 25. Sitzung der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung am 8.4.1919, Stenografischer Bericht, Art. 55, S. 4; Rosenberg, 34. DJT/I, 3, 9; Simons, UntersuchungsR, 86. 334 RStGH, RGZ 104, 423, 428 f.; Depenheuer/Winands, ZRP 1988, 258, 263; Gröber, 25. Sitzung der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung am 8.4.1919, Stenografischer Bericht, Art. 55, S. 5; Memminger, DÖV 1986, 15, 21; Rosenberg, 34. DJT/I, 3, 9.

C. Grenzen des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts

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vaten Bereiches. Art. 44 GG muss daher so ausgelegt werden, dass ein PUA – jedenfalls wenn er als Kontroll-, Missstands- und Skandalenquete tätig wird – nur bei Vorliegen eines konkreten Anfangsverdachts wegen eines Missstandes oder einer Rechtsverletzung eingesetzt werden darf. Aber selbst wenn der Verfassungsgeber einen Anfangsverdacht als Einschränkungsvoraussetzung allein auf Kontroll-, Missstands- und Skandalenqueten beschränken wollte, könnte die Einführung der Enquetekommissionen gemäß § 56 GO-BT für ein verändertes Verständnis sprechen. Zwar ist die Enquetekommission nur in der GO-BT als ein dem Grundgesetz nachrangiges Recht geregelt, dennoch liefert deren Einführung einen verfassungskonkretisierenden und -entwickelnden Aspekt, der bei der Auslegung des Art. 44 GG zu berücksichtigen ist.335 § 56 GO-BT verschafft dem Parlament ein Instrument, das ein Gegengewicht zu den zahlreichen Informationsmöglichkeiten der Bundesregierung bildet und die Erörterung größerer Sachkomplexe ermöglicht. Damit werden nunmehr die Sach- und Gesetzgebungsenqueten, durch die sich das Parlament die erforderlichen Informationen für bestimmte Sachmaterien oder Regierungsvorhaben beschafft, ohnehin zum großen Teil in den Bereich der Enquetekommissionen eingegliedert.336 Mit der Einführung von Enquetekommissionen hat das Parlament grundsätzlich die Möglichkeit, sich erforderliche Informationen für umfassende und bedeutsame Sachmaterien zu beschaffen, ohne dass bestimmte Verdachtsmomente Voraussetzung sind. Konsequenterweise sind Enquetekommissionen deshalb auch nicht mit den Zwangsmittelbefugnissen eines Untersuchungsausschusses ausgestattet, sondern sie sind auf eine freiwillige Zusammenarbeit angewiesen. Daher ist vorrangig aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zur Informationsbeschaffung anstelle einer Gesetzgebungsenquete eine Enquetekommission einzusetzen, um den Zwangsmitteleinsatz im PUV zum Zweck der Gesetzesvorbereitung auf das erforderliche Maß zu beschränken. Die Einführung der Enquetekommission beruhte vor allem auf dem Gedanken, politisch weniger umstrittene Sachverhalte zur Vorbereitung von Gesetzen oder anderen politischen Maßnahmen vom Anschein des Vorliegens eines Missstandes oder Skandals freizuhalten.337 Die Einsetzung einer Gesetzgebungsenquete mit den eingriffsintensiven Befugnissen nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG ist daher nur gerechtfertigt, wenn ein Verdacht konkreter Rechtsverletzungen bzw. konkreter Missstände den Anlass für ein Neuregelungsvorhaben bildet, für das der PUA die nötigen Informationen beschaffen soll. 335

Studenroth, Private Bereiche, 192; Zeh, DÖV 1988, 701, 709. Klein, FAZ vom 28.05.2001, S. 10; Kretschmer, DVBl. 1986, 923, 924; Schröder in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 46, Rn. 6, § 47, Rn. 1. 337 Enquetekommission-Verfassungsreform, BT-Drucks. 7/5924, S. 50; Studenroth, Private Bereiche, 192; Zeh, DÖV 1988, 701, 709. 336

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1. Kap.: Grundlagen, Umfang und Grenzen des Beweiserhebungsrechts

Diese Voraussetzung schränkt das parlamentarische Untersuchungsrecht zur Beschaffung von Informationen für Gesetzgebungsvorhaben auch nicht gravierend ein, da – wie die Praxis zeigt – reine Gesetzgebungsenqueten eher die Ausnahme bilden338 und im Übrigen zur Informationsbeschaffung die Möglichkeit, eine Enquetekommission ohne das Erfordernis des Verdachtsmomentes einzusetzen, vorgesehen ist. Zugleich begegnet die Voraussetzung eines Anfangsverdachts wegen einer konkreten Rechtsverletzung oder eines Misstandes als Anlass zur Neuregelung der Materie für die Einsetzung einer Gesetzgebungsenquete den befürchteten Umgehungsversuchen339, eine tatsächliche Kontroll-, Skandal- oder Missstandsenquete könne durch eine geschickte Formulierung des Einsetzungsantrags unter dem Deckmantel der Gesetzgebungs- oder Sachstandsenqueten den Staatsund Privatbereich auf Missstände oder Rechtsverletzungen ohne Verdachtsmomente untersuchen. dd) § 44c AbgG als gesetzliche Regelung des konkreten Anfangsverdachts Bei der Auslegung des Art. 44 GG ist auch § 44c AbgG zu berücksichtigen, der es ermöglicht, dass der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages einzelne Abgeordnete auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit oder politische Verantwortung für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR überprüft. Nach § 44c Abs. 2 AbgG findet eine Überprüfung ohne Zustimmung des Bundestagspräsidenten nur statt, wenn der Ausschuss das Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten für den Verdacht einer solchen Tätigkeit oder Verantwortung festgestellt hat. Obwohl der Wahlprüfungsausschuss die Untersuchung anstelle eines Untersuchungsausschusses durchführt, wird die Überprüfung der Abgeordneten auf eine Tätigkeit beim Ministerium für Staatssicherheit als ein Fall des parlamentarischen Untersuchungsrechts – beruhend auf der Kompetenznorm des Art. 44 GG – verstanden.340 Für diese einfachgesetzliche Ausgestaltung des parlamentarischen Untersuchungsrechts hat der Gesetzgeber selbst die Möglichkeit einer Untersuchung durch das Erfordernis eines Anfangsverdachts beschränkt. Dies spricht ebenfalls dafür, einen konkreten Anfangsverdacht für eine parlamentarische Untersuchung, insbesondere bei der Aufklärung von Rechtsverstößen oder Missständen durch Skandal- und Missstandsenqueten, zu fordern. 338

Vgl. Partsch, 45. DJT/I, 21; Richter, Privatpersonen, 36. So wohl Schröder, Redeker-FS, 173, 185. 340 Jarass/Pieroth, GG, Art. 38, Rn. 26; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 159; Stock, ZRP 1995, 286, 287. 339

C. Grenzen des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts

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ee) Zwischenergebnis Zum Schutz vor einer willkürlichen Ausforschung von Sachverhalten im staatlichen oder privaten Bereich ist nach der sinngemäßen Anwendung des § 152 Abs. 2 StPO i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, aus historischen und teleologischen Gründen und unter Heranziehung der § 56 GO-BT und § 44c AbgG ein konkreter Anfangsverdacht wegen eines untersuchungsfähigen Vorfalls als Voraussetzung für eine parlamentarische Untersuchung zu fordern. Dieser Anfangsverdacht muss schon bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses vorliegen, um die von einer parlamentarischen Untersuchung betroffene Person, die bereits durch die Einsetzung des Ausschusses erhebliche Nachteile erleiden kann, effektiv zu schützen und um zu verhindern, dass das Parlament einen PUA einsetzt, der seinen Untersuchungsauftrag von vornherein nicht erfüllen kann, weil er mangels konkreten Anfangsverdachts bei der Durchführung der Untersuchung keine grundrechtsbeeinträchtigenden Ermittlungsmaßnahmen und Zwangsmittel ausüben darf.

2. Kapitel

Das Nebeneinander von Strafverfahren und PUV und die Freiheit des beiderseitigen Informationentransfers In der Vergangenheit stimmten die Gegenstände zahlreicher Untersuchungsausschüsse zumindest teilweise mit denen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren überein1. Laufen PUV und Strafverfahren, die sich – teilweise – mit demselben Verfahrensgegenstand befassen, zeitgleich nebeneinander ab, sind Belastungsgefahren für den Betroffenen im PUV bzw. für den Beschuldigten im Strafverfahren nicht auszuschließen.

A. Gefahren bei einem Zusammentreffen beider Verfahren Die Gefährdung strafverfahrensrechtlicher Schutzrechte läge nahe, wenn der Betroffene vor dem PUA uneingeschränkt aussagen oder selbstbelastende Unterlagen herausgeben müsste, die Durchsetzung dieser Mitwirkungspflichten sogar zwangsweise durchgesetzt und die selbstbelastenden Erkenntnisse ungehindert ins Strafverfahren eingeführt und verwendet werden dürften. Dann bestünde die Gefahr, dass sich der Betroffene durch seine Mitwirkung im PUV in einem gleichzeitig stattfindenden oder später eingeleiteten Strafverfahren selbst belasten und damit erheblichen Nachteilen aussetzen würde. Der PUA würde damit in das in Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG verankerte Recht, dass sich niemand unter Zwang selbst belasten muss, eingreifen. Ein ungehinderter Austausch personenbezogener Daten des Betroffenen zwischen PUV und Strafverfahren, um die Daten zur Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes im jeweiligen Verfahren zu nutzen, könnte ferner das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG verletzen, weil der Betroffene befürchten muss, dass seine offenbarten 1 Atomskandal, BT-Drucks. 11/1680, 11/1683; Berliner Parteispendenaffäre, Abghs.-Drucks. 10/2444; CDU-Parteispendenaffäre, BT-Drucks. 14/2139, 14/9300, S. 35 ff.; Flick-Ausschuss, BT-Drucks. 10/5079, S. 3 ff.; Guillaume-Ausschuss, BTDrucks. 7/3242.

B. Generelle Aussetzungspflicht zur Abwehr der drohenden Gefahren?

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persönlichen Daten in einem anderen Verfahren genutzt werden und für ihn in unüberschaubarer Weise nachteilige Konsequenzen herbeiführen könnten. Auch eine Verletzung des Rechts auf Privatsphäre läge nahe, weil der vertrauliche private Inhalt (z. B. familiäre, gesundheitliche Informationen) an Dritte weitergegeben wird. Der PUA hat aber bei seiner Beweiserhebung die Grundrechte des Einzelnen und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren. Zum Schutz der Grundrechte des Betroffenen, insbesondere der Selbstbelastungsfreiheit, könnte der PUA deshalb gezwungen sein, sein Verfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen. Denkbar wäre es aber auch, dass zum Schutz der Grundrechte des Betroffenen ein generelles Verbot des gegenseitigen Informationsaustausches von Verfassungs wegen bestünde. Weil der PUA mit gerichtsähnlichen Mitteln denselben Sachverhalt wie das Strafgericht erforscht, die Beweismittel würdigt und auf der Grundlage der ermittelten Beweise eine politische Wertung abgibt, die er in einem Abschlussbericht zusammenfasst und dem Parlament sowie der Allgemeinheit mitteilt, könnte – obwohl wie oben festgestellt der PUA selbst keine Rechtsprechung ausübt2 – eine Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips vorliegen, wenn die ermittelten Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses Bindungswirkung gegenüber dem (Straf-)Gericht entfalten würden oder aber der Strafrichter die vom PUA ermittelten Erkenntnisse bereits außerhalb der Hauptverhandlung würdigen würde und sich dadurch in seiner unabhängigen Urteilsfindung beeinflussen ließe. Wäre dies der Fall, könnte das Gewaltenteilungsprinzip – das der PUA bei seiner Beweiserhebung zu beachten hat3 – zur generellen Aussetzung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens von Verfassungs wegen zwingen. Für eine Aussetzung könnte zudem sprechen, dass unter Umständen – beispielsweise durch die Anforderung und Übersendung von Strafakten – Ermittlungsverfahren zeitlich verzögert oder Zeugen aufgrund der Zeugenvernehmung im PUV auf ihre Aussage im Strafverfahren vorbereitet sein und beeinflusst würden.

B. Generelle Aussetzungspflicht des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens oder des Strafverfahrens zur Abwehr der drohenden Gefahren? Die Aussetzung eines der beiden Verfahren wäre geboten, wenn eine parallele Durchführung beider Verfahren unter Beachtung der im 1. Kapitel he2 3

Vgl. 1. Kapitel, B. II. 2. b) cc). Vgl. 1. Kapitel, C. II. 2. a).

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2. Kap.: Das Nebeneinander von Strafverfahren und PUV

rausgearbeiteten Grenzen des parlamentarischen Untersuchungsrechts durch den Gewaltenteilungsgrundsatz oder die Grundrechte unzulässig wäre. Mehrere Möglichkeiten einer Aussetzungspflicht wären denkbar: Das PUV könnte generell Vorrang haben und zur Aussetzung des Strafverfahrens zwingen. Es könnte aber auch das zuerst eingeleitete Verfahren die Durchführung des späteren Verfahrens hindern. Die dritte Möglichkeit bestünde darin, das PUV immer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen. Wirksamer Schutz vor den Gefahren des Nebeneinanders beider Verfahren würde dem Betroffenen nur gewährt werden, wenn das PUV erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens stattfindet, weil dem Betroffenen dann keine strafrechtliche Selbstbelastungsgefahr droht. Zudem wären die Beweismittel, die im Strafverfahren herangezogen werden, nicht durch das PUV beeinflusst worden. Der PUA könnte nach dem Abschluss des Strafverfahrens den Sachverhalt neu untersuchen, ohne an die Erkenntnisse des Strafverfahrens gebunden zu sein.

I. Gesetzliche Regelung zur Aussetzung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens Art. 44 GG enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, dass das PUV mit der Einleitung eines denselben Verfahrensgegenstand betreffenden Strafverfahrens auszusetzen ist. Auch das PUAG sieht für diesen Fall keine Aussetzungspflicht vor. Der PUA könnte nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 262 Abs. 2 S. 1 StPO zur Aussetzung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens berechtigt sein, um ein außerverfahrensrechtliches Urteil abzuwarten. Unabhängig davon, dass die Norm keine generelle Aussetzungspflicht begründen, sondern die Aussetzung in das Ermessen des Untersuchungsausschusses bzw. des Parlaments stellen würde, stehen der Sinn und Zweck des § 262 Abs. 2 S. 1 StPO einer Übertragung auf das PUV zur Verhinderung von Gefahren, die aus dem Nebeneinander von PUV und Strafverfahren resultieren, entgegen. § 262 Abs. 2 S. 1 StPO ermöglicht eine Aussetzung des Strafverfahrens bis zur Entscheidung in einem außerstrafrechtlichen Verfahren, wenn die Strafbarkeit von der Beurteilung eines außerstrafrechtlichen Rechtsverhältnisses, gleichgültig, ob es sich um eine zivil- oder öffentlichrechtliche Vorfrage handelt4, abhängt. Daran fehlt es aber, wenn die Aussetzung zu dem Zweck erfolgen würde, gegenseitige Beeinträchtigungen von PUV und Strafverfahren infolge eines Nebeneinanders zu verhindern. 4

Meyer-Goßner, StPO, § 262, Rn. 10; Pfeiffer, StPO, § 262, Rn. 2.

B. Generelle Aussetzungspflicht zur Abwehr der drohenden Gefahren?

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Die Untersuchungsausschussgesetze der Bundesländer sehen ebenfalls keine Pflicht zur Aussetzung des Untersuchungsverfahrens vor, wenn ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Sie halten ein Nebeneinander beider Verfahren somit grundsätzlich für zulässig. Einige Landesuntersuchungsausschussgesetze regeln lediglich, dass das PUV ausgesetzt werden kann, wenn eine alsbaldige Aufklärung auf eine andere Weise zu erwarten ist5 oder die Gefahr besteht, dass gerichtliche Verfahren oder Ermittlungsverfahren beeinträchtigt werden6. Die Aussetzung steht also im pflichtgemäßen Ermessen des Ausschusses.

II. Vergleich mit der Aussetzungspflicht im Disziplinarverfahren Die Situation des Betroffenen, der im PUV der Gefahr einer strafrechtlichen Selbstbelastung ausgesetzt ist, scheint der des Beamten, gegen den ein Disziplinarverfahren durchgeführt wird, dessen Verfahrensgegenstand sich mit dem eines parallelen Strafverfahrens deckt, vergleichbar zu sein. § 22 Abs. 1 S. 1 BDG begründet für das Disziplinarrecht jedoch die Pflicht, ein anhängiges Disziplinarverfahren auszusetzen, sobald ein Strafverfahren eingeleitet wird. § 22 Abs. 1 S. 2 BDG erlaubt die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens nur, wenn keine begründeten Zweifel am Sachverhalt bestehen oder das Strafverfahren aus Gründen, die in der Person des Beamten liegen, nicht stattfinden kann. § 22 Abs. 1 S. 1 BDG legt damit den Vorrang des Strafverfahrens vor einem in gleicher Sache eingeleiteten Disziplinarverfahren fest. Nach § 23 Abs. 1 BDG ist das Gericht im Disziplinarverfahren an die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils gebunden. Ein anwaltsgerichtliches Verfahren ist ebenfalls nach § 118 Abs. 1 S. 1, 2 BRAO bis zur Beendigung des Strafverfahrens auszusetzen. Es kann fortgesetzt werden, wenn die Sachaufklärung so gesichert scheint, dass widersprüchliche Entscheidungen nicht zu erwarten sind oder ein Strafverfahren aus Gründen, die in der Person des Anwalts liegen, nicht erfolgen kann. Gemäß § 118 Abs. 3 S. 1 BRAO sind die tatsächlichen Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils ebenfalls bindend, wenn das Anwaltsgericht nicht die erneute Prüfung beschließt. Die disziplinarrechtlichen Regelungen schützen davor, widersprüchliche Entscheidungen in Straf- und Disziplinarverfahren in derselben Sache her5 § 27 UAG Bbg.; § 19 Abs. 1 UAG Bremen; § 27 Abs. 1 UAG RheinlandPfalz; § 58 Abs. 1 Gesetz des LT des Saarlandes; § 28 UAG SA, § 23 Abs. 1 UAG Schleswig-Holstein; § 27 UAG Thüringen. 6 § 22 Abs. 1 UAG BW; § 18 Abs. 1 UAG Berlin; § 27 Abs. 1 UAG Bbg.; § 28 Abs. 1 UAG SA; § 27 Abs. 1 UAG Thüringen.

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2. Kap.: Das Nebeneinander von Strafverfahren und PUV

beizuführen.7 Zum Zweck der Einheitlichkeit zweier Verfahren, die nicht nur formell ähnlich ablaufen, sondern auch beide die Sanktionierung desselben Verhaltens verfolgen, bedarf es des Vorranges eines Verfahrens.8 Als allgemeineres Verfahren mit den umfassenderen Aufklärungsmitteln und der Bindung des disziplinar- bzw. anwaltsgerichtlichen Verfahrens an die tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils kommt dem Strafverfahren der Vorrang zu9, zumal die Sanktionierung den Einzelnen nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen darf und in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat stehen muss, so dass bei der Sanktionsverhängung im Disziplinarverfahren das Ausmaß der Strafe des Strafverfahrens zu berücksichtigen ist10. Diese Grundsätze können jedoch nicht auf das Verhältnis zwischen Strafverfahren und PUV übertragen werden, obwohl beide Verfahren formell ähnlich ablaufen. Der PUA verhängt nämlich keine Sanktion11, so dass beide Verfahren nicht auf die Sanktionierung desselben Verhaltens gerichtet sind. Nach Art. 44 Abs. 4 S. 2 GG ist das (Straf-)Gericht deshalb auch nicht an die Feststellungen des Untersuchungsausschusses gebunden. Der PUA darf ebenfalls frei ermitteln und seine Feststellungen frei würdigen. Aus dem Grundgesetz ergibt sich gerade nicht der Zweck, widersprüchliche Ergebnisse beider Verfahren durch einen Vorrang eines Verfahrens zu verhindern.

III. Pflicht zur Aussetzung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens aus dem Rechtsstaatsprinzip? Eine Pflicht zur Aussetzung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens aus dem Rechtsstaatsprinzip wird in der Literatur unter zwei Gesichtspunkten erörtert. Zum einen könnte der PUA durch die Untersuchung desselben Sachverhalts mit gerichtlichen Mitteln und der Feststellung und Bewertung der Ermittlungsergebnisse im Abschlussbericht das Gewaltenteilungsprinzip verletzen. Zum anderen könnte die Ermittlung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu einer Beeinflussung des Strafrichters führen, die gegen Art. 97 GG verstößt.

7

BGHSt. 28, 178, 180 f.; Wagner, Anwaltsgerichtliches Verfahren, 39 ff. Wagner, Anwaltsgerichtliches Verfahren, 41. 9 Wagner, Anwaltsgerichtliches Verfahren, 41 ff. 10 Wagner, Anwaltsgerichtliches Verfahren, 94 ff.; BayObLG, ArztR 2005, 124, 125 für die strafgerichtliche und berufsrechtliche Verurteilung eines Arztes. 11 Vgl. 1. Kapitel, B. II. 2. b) bb). 8

B. Generelle Aussetzungspflicht zur Abwehr der drohenden Gefahren?

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1. Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips? Da der PUA – ähnlich wie ein Gericht – Sachverhaltsfeststellungen und -aufklärungen mittels Eingriffsbefugnissen trifft, die regelmäßig nur den (Straf-)Gerichten oder der Staatsanwaltschaft zustehen, könnten seine Ermittlungen die Zuständigkeit der Judikative oder der Exekutive und damit das Gewaltenteilungsprinzip verletzen. Das ist aber erst der Fall, wenn eine Gewalt in den Kernbereich einer anderen eingreift.12 Nach Art. 92 GG wird die Rechtsprechung ausschließlich von den Gerichten ausgeübt. Wie bereits oben13 ausgeführt, fällt der PUA keine rechtsverbindlichen Urteile, übt also keine Rechtsprechung aus. Er stellt zur Erfüllung des Untersuchungsauftrags lediglich den Sachverhalt unter politischen Aspekten fest, klärt Missstände auf und informiert darüber das Parlament, damit dieses sein Kontrollrecht wahrnehmen kann. Gegen ein Nebeneinander von PUV und Strafverfahren lässt sich zudem nicht überzeugend ins Feld führen, dass der PUA durch seine Erkenntnisse im Abschlussbericht, zu denen er durch eine politische Wertung gelangt ist, die richterliche Entscheidung beeinflusse und bei abweichendem Ergebnis deren Autorität untergrabe.14 Zum einen entfalten die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses nämlich nach Art. 44 Abs. 4 S. 2 GG keine Bindungswirkung15, die Gerichte sind in der rechtlichen Beurteilung und Würdigung des in der parlamentarischen Untersuchung festgestellten Sachverhalts also frei. Der Strafrichter muss somit in einem (parallelen) Strafverfahren den Sachverhalt selbstständig rechtlich untersuchen und er kann gegebenenfalls zu anderen Erkenntnissen gelangen. Zum anderen werten PUA und Strafverfolgungsbehörden bzw. Strafgericht wegen der unterschiedlichen Zielsetzung ihrer Verfahren die Beweismittel nicht unter identischen Gesichtspunkten, so dass widersprüchliche Ergebnisse nicht geeignet sind, die Autorität der Strafverfolgungsbehörden und des Strafgerichts in Frage zu stellen.16 Daher greift der PUA nicht schon deshalb in den Kernbereich des Rechtsprechungsmonopols der Gerichte ein, weil er sich – gegebenenfalls mit 12 BVerfGE 22, 106, 111; 34, 52, 59; Ipsen, StaatsR I, Rn. 767; Katz, StaatsR, Rn. 186. 13 Vgl. 1. Kapitel, B. II. 2. b) cc) (2). 14 Kirste, JuS 2003, 61, 62. 15 Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 229; Magiera in: Sachs, GG, Art. 44, Rn. 29. 16 Ortmann, Jura 2003, 847, 852.

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2. Kap.: Das Nebeneinander von Strafverfahren und PUV

Hilfe von Zwangsmitteln – selbstständig in einem eigenen, abschließenden Verfahren mit einem Sachverhalt auseinandersetzt, der ganz oder teilweise Gegenstand eines strafgerichtlichen Verfahrens ist.17 Das Gewaltenteilungsprinzip wäre erst verletzt, wenn sich ein PUA anmaßt, selbst eine bestimmte gerichtliche Entscheidung zu treffen, zu überprüfen oder hierzu anzuweisen.18 Eine generelle Pflicht, das PUV auszusetzen, folgt aus dem Gewaltenteilungsprinzip somit nicht. 2. Verstoß gegen Art. 97 Abs. 1 GG? Zum Teil wird behauptet, dass die Durchführung eines parlamentarischen Untersuchungsverfahrens, das parallel zum Strafverfahren läuft, gegen Art. 97 Abs. 1 GG verstoße. Zwar liege kein unmittelbarer Eingriff in Art. 97 GG vor, weil der PUA gegenüber den Gerichten keine Weisungen in Bezug auf ihre rechtsprechende Tätigkeit erteilt.19 Mittelbar werde allerdings die richterliche Unabhängigkeit durch die öffentliche Beweisaufnahme im PUV und die dadurch nach außen tretenden politischen Meinungen beeinträchtigt, weil die öffentliche Erörterung eine Beeinflussung der richterlichen Objektivität bei der Tatsachenfeststellung und -würdigung befürchten lasse.20 Diese Bedenken sind nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, weil der Betroffene durch das öffentlichkeitswirksame PUV vor Abschluss des Strafverfahrens vorverurteilt werden kann, wenn der PUA in der öffentlichen Verhandlung Tatsachen aus herbeigezogenen Strafakten erörtert, seine Mitglieder bereits vor der Abfassung des Abschlussberichts gegenüber der Presse Kommentare zu den Vorwürfen abgeben oder die Presse begleitend zu den Untersuchungen über die Ergebnisse und Wertungen öffentlich Bericht erstattet21. 17

Alsberg, 34. DJT/I, 332, 351, 361; Arndt, DRiZ 1964, 290, 292; Cordes, Untersuchungsausschüsse, 190; Groß, DVBl. 1971, 638, 639; i. E. Jacobi, 34. DJT/II, 69, 75; Kipke, Untersuchungsausschüsse des BT, 47; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 155; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 301; Schleich, UntersuchungsR, 65; Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 12; Studenroth, Private Bereiche, 97; Vogt, Kollision, 20 f. 18 Jacobi, 34. DJT/II, 69, 75, 77 f.; Vogt, Kollision, 22, 45. 19 Berliner Parteispendenaffäre, Abghs.-Drucks. 10/2444, S. 18; Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 59; Jacobi, 34. DJT/II, 69, 75 ff.; Vetter, ZParl 1989, 345, 349. 20 Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 59; Jacobi, 34. DJT/II, 69, 70, 75 ff.; Kirste, JuS 2003, 61, 62 und Ortmann, Jura 2003, 847, 852; Partsch, 45. DJT/I, 168; Vetter, ZParl 1989, 345, 355. 21 Brocker, ZParl 1999, 739, 741; Dahs, Rudolphi-FS, 597, 607 f.; Damkowski, ZRP 1988, 340, 344; Derksen, NStZ 1993, 311, 312; Glauben, DRiZ 2000, 122,

B. Generelle Aussetzungspflicht zur Abwehr der drohenden Gefahren?

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a) Fähigkeit des Richters zur unbeeinflussten Entscheidung Diese Gefahr der Vorverurteilung durch das öffentliche PUV beruht jedoch nicht auf einer zielgerichteten Beeinflussung, sondern auf einer bloßen Nebenwirkung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens.22 Vergleichbaren Einflüssen ist der Strafrichter auch durch die öffentliche Berichterstattung in den Medien während eines Strafverfahrens oder die Erörterung des Rechtsfalles in der Wissenschaft ausgesetzt. Der Strafrichter muss fähig sein, sich bei seiner Entscheidung nicht von Mitteilungen und Publikationen des Untersuchungsausschusses leiten zu lassen.23 Das gilt jedenfalls für die Berufsrichter, die häufig mit ähnlichen „Vorverurteilungen“ konfrontiert werden. Zweifelhaft kann allenfalls sein, ob Laienrichter dazu ebenfalls in der Lage sind. Indem die StPO Berufs- und Laienrichter gleichstellt, bringt sie zum Ausdruck, dass auch Schöffen grundsätzlich zu der notwendigen Unparteilichkeit befähigt sind und die Pflicht, ihre Überzeugung ausschließlich aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu gewinnen, kennen und beachten. Hat der Betroffene aber dennoch aufgrund konkreter Anhaltspunkte Grund zu der Annahme, der Berufs- oder Laienrichter besitze eine innere Einstellung, die seine Unparteilichkeit negativ beeinflusst, steht ihm das Recht zu, den Richter oder Schöffen gemäß § 24 bzw. §§ 24, 31 StPO wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.24 Von außen kommende Einwirkungen auf die Überzeugungsbildung eines Gerichts, z. B. durch eine bloße Kenntnisnahme von Pressemitteilungen oder die Mitwirkung eines Richters in einem früheren, gegen den Betroffenen geführten (außerstrafrechtlichen) Verfahren mit gleichem Sachverhalt, allein reichen allerdings noch nicht, um die Befürchtung einer Befangenheit zu begründen. Erst wenn zusätzliche sichere Anhaltspunkte vorliegen, die auf eine Voreingenommenheit schließen lassen, kann eine Ablehnung wegen Befangenheit erfolgen.25 Anhand der schriftlichen Urteilsgründe sowie des Hauptverhandlungsprotokolls bzw. des Inhalts der Zeugenaussagen (§§ 264, 267, 271 ff. StPO) 123; Huff, NJW 2001, 1622, 1623; Jacobi, 34. DJT/II, 69, 85; krit. auch Klein, FAZ vom 28.05.2001, S. 10; Kretschmer, DVBl. 1988, 811, 819; Plöd, Stellung des Zeugen, 191; Scholz, FAZ vom 23.12.99, S. 12. 22 Vogt, Kollision, 47. 23 Alsberg, 34. DJT/I, 332, 386; Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 60; Jacobi, 34. DJT/II, 69, 81; Vogt, Kollision, 48. 24 Meyer-Goßner, StPO, § 24, Rn. 8; Vetter, ZParl 1989, 345, 355. 25 BGHSt. 1, 34, 37 f.; 4, 264, 267 ff.; 21, 334, 341 f.; 22, 289, 294; BGH, NStZ 1991, 595.

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2. Kap.: Das Nebeneinander von Strafverfahren und PUV

kann außerdem nachvollzogen werden, ob das Gericht seine Entscheidungen nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gemäß § 261 StPO geschöpften Überzeugung getroffen oder sich von äußeren Einflüssen leiten lassen hat.26 Ergeben die Urteilsgründe oder das Hauptverhandlungsprotokoll, dass sich der Strafrichter bei der Urteilsfindung von äußeren Umständen beeinflussen ließ, so können Staatsanwaltschaft und Angeklagter dies im Revisionsverfahren gemäß §§ 333, 337 StPO geltend machen.27 b) Unzulässigkeit öffentlicher Stellungnahmen durch den PUA vor Abschluss seiner Beweisaufnahme Die Gefahr einer Vorverurteilung wäre zumindest erheblich reduziert, wenn Mitglieder des Untersuchungsausschusses vor Abschluss der Beweisaufnahme im PUV keine öffentlichen Stellungnahmen zum Untersuchungsgegenstand abgeben würden. Entgegen der tatsächlichen Praxis ist es den Mitgliedern untersagt, vor Abgabe des Abschlussberichts wertend zum Ablauf der Untersuchung öffentlich Stellung zu nehmen28, denn auch der PUA hat nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 261 StPO die Wertungen aus dem Inbegriff der öffentlichen Verhandlung vorzunehmen. Äußert sich ein Mitglied schon vorher gegenüber der Presse oder in anderer öffentlicher Form, so legt es sich bereits auf eine bestimmte Meinung fest und ist deshalb gehindert, die Tatsachen später nach der Maßgabe des § 261 StPO zu werten. Der Gesetzgeber hat es jedoch versäumt, diese Verhaltenspflicht im PUAG ausdrücklich – gegebenenfalls mit entsprechenden Sanktionen im Fall der Verletzung – zu regeln.29 Lediglich für den Ermittlungsbeauftragten sieht § 10 Abs. 3 S. 11 PUAG vor, dass dieser im Verkehr nach außen Zurückhaltung üben muss und keine öffentlichen Erklärungen abgeben darf. Die Pflicht, die Wertungen aus dem Inbegriff der Verhandlung vorzunehmen, ergibt sich für die Ausschussmitglieder also trotz fehlender Regelung – wie dargelegt – aus Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 261 StPO. Aus Art. 1 Abs. 3 GG folgt zudem, dass die Ausschussmitglieder die Grundrechte der Betroffenen zu wahren, insbesondere ehrverletzende Äußerungen zu unterlassen haben und verpflichtet sind, ein faires Verfahren zu gewährleisten.30 Die Grundrechte, vor allem das Allgemeine Persönlich26

Ähnlich Pfeiffer, StPO, § 337, Rn. 6 f.; Vetter, ZParl 1989, 345, 356. Meyer-Goßner, StPO, § 261, Rn. 38, 38a; § 337, Rn. 26 ff.; Pfeiffer, StPO, § 337, Rn. 7, 11 f. 28 So bereits Jacobi, 34. DJT/II, 69, 71, 98; Klein, FAZ vom 28.05.2001, S. 10. 29 Bereits gefordert von Damkowski, ZRP 1988, 340, 344; Kretschmer, DVBl. 1988, 811, 819. 30 Vgl. 1. Kapitel, C. II. 2. c) aa). 27

B. Generelle Aussetzungspflicht zur Abwehr der drohenden Gefahren?

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keitsrecht, und der Fair-trial-Grundsatz, der aus Art. 20 Abs. 3 GG folgt, begrenzen von Verfassungs wegen das Rederecht des Abgeordneten aus Art. 38 GG. Die Abgeordneten sind demnach verpflichtet, vor Abschluss der Beratungen über das Beweisthema Zurückhaltung außerhalb der öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses zu üben.31 Beachtet der PUA diese Grundsätze, mindert er die drohende Gefahr, den Betroffenen öffentlich vorzuverurteilen. c) Erhöhte Anforderungen an die Berichterstattung Die Gefahr einer potentiellen Beeinflussung des Strafrichters durch eine öffentliche Berichterstattung lässt sich zwar nicht – wie zum Teil vorgeschlagen wird32 – durch einen generellen Ausschluss der Presse beseitigen. Ein solcher Eingriff in die Funktion des parlamentarischen Untersuchungsrechts und die Pressefreiheit wäre nämlich unangemessen.33 Die öffentliche Durchführung der parlamentarischen Untersuchung soll gerade bestimmte Vorfälle für die Allgemeinheit transparent machen, damit die Bevölkerung zu einer eigenen Wertung befähigt wird. Mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit würde zudem dem Betroffenen – mangels gerichtlicher Überprüfung des Abschlussberichts – eine wichtige Schutzmöglichkeit gegen eine Subjektivität des Untersuchungsausschusses genommen.34 Die Gefahr einer Vorverurteilung lässt sich aber durch eine Übertragung der Anforderungen, welche die Rechtsprechung an eine Verdachtsberichterstattung im Strafverfahren stellt, verringern. Eine Verdachtsberichterstattung erfordert ein Mindestmaß an Beweistatsachen35, die der Journalist auf ihre Richtigkeit zu überprüfen hat. Diese Kontrollpflicht ist umso größer, je intensiver die Veröffentlichung den Betroffenen in der Öffentlichkeit diskreditieren kann.36 Dabei darf die Veröffentlichung keine unrichtigen Äußerun31 Glauben, DRiZ 2000, 122, 123; Kretschmer, DVBl. 1988, 811, 819; Quaas/ Zuck, NJW 1988, 1873, 1879; a. A.: Brocker, ZParl 1999, 739, 744, 746, der keine verfassungsrechtliche Pflicht zur Zurückhaltung bejaht, aber annimmt, dass sich die Abgeordneten das Zurückhaltungsgebot freiwillig als Selbstbeschränkung ihres Rederechts auferlegten; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 433 ff., die eine Pflicht zur Zurückhaltung als Verstoß gegen Art. 38 GG versteht, dabei aber die verfassungsimmanenten Grenzen verkennt. 32 Alsberg, 34. DJT/I, 332, 371 f.; Jacobi, 34. DJT/II, 69, 71, 98; Vogt, Kollision, 91. 33 Richter, Privatpersonen, 105; Schenke, JZ 1988, 701, 706 f.; Vetter, ZParl 1989, 345, 356. 34 Alsberg, 34. DJT/I, 332, 374 f.; Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 84; Müller-Boysen, Betroffener, 133. 35 BGH, NJW 1997, 1148, 1149; BGH, JZ 2000, 618. 36 BGH, JZ 2000, 618; OLG Bbg., NJW 1995, 886, 888.

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2. Kap.: Das Nebeneinander von Strafverfahren und PUV

gen enthalten, die fälschlicherweise den Schluss darauf zulassen, dem Betroffenen sei bereits das Fehlverhalten durch die Ermittlungen nachgewiesen worden.37 Unzulässig ist es auch, die Tatsachen zu verfälschen oder einseitig auf Sensationsmeldungen abzuzielen38, ohne den Betroffenen vor der Veröffentlichung anzuhören39. d) Zwischenergebnis Der Berufsrichter ist imstande, trotz öffentlicher Äußerungen über den Verfahrensgegenstand im PUV unabhängig zu urteilen, indem er unverwertbares und außerhalb der Hauptverhandlung erlangtes Wissen nicht in der Beweiswürdigung berücksichtigt. Das Gesetz setzt auch bei Schöffen die Fähigkeit voraus, zu erkennen, dass die im PUA vorgenommenen politischen Wertungen aufgrund der unterschiedlichen Zielrichtung den Ausgang des Strafverfahrens nicht präjudizieren, sondern das Strafverfahren zu anderen Ergebnissen führen kann und Pressemitteilungen keine verbindliche Tatsachengrundlage für die Urteilsfindung sein können. Die Gefahr einer Beeinflussung wird gemindert, wenn die PUA-Mitglieder ihre Pflicht, keine öffentliche Stellungnahme vor dem Abschluss der Untersuchung abzugeben, einhalten und die Presse die Anforderungen an eine Verdachtsberichterstattung erfüllt. 3. Pflicht zur Aussetzung wegen gegenseitiger Behinderungen bei der Ermittlungstätigkeit durch den PUA und die Strafverfolgungsbehörden? Durch die zeitgleichen Ermittlungen von PUA und Strafverfolgungsbehörden ist es möglich, dass durch eine öffentliche Beweisaufnahme im PUV Beweismittel, die im Strafverfahren bedeutsam sind, beeinträchtigt werden, oder dass der Austausch von Akten und anderen Beweismitteln die Verfahren zeitlich verzögern oder dass die von der parlamentarischen Untersuchung betroffene Exekutive Einfluss auf die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft nimmt, um belastendes Beweismaterial zu beseitigen. Eine Aussetzungspflicht begründen diese Gefahren letztlich dennoch nicht.

37

OLG Bbg., NJW 1995, 886, 888; OLG München, NJW-RR 1996, 1487, 1488; OLG München, NJW-RR 1996, 1493, 1494. 38 BVerfGE 35, 202, 232; BGH, NJW 1965, 2395, 2396. 39 BGHZ 132, 13, 25; BGH, JZ 2000, 618, 619.

B. Generelle Aussetzungspflicht zur Abwehr der drohenden Gefahren?

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a) Beeinträchtigung von Beweismitteln Das Strafverfahren ist bei seiner Wahrheitsfindung auf unbeeinflusste Beweismittel hoher Qualität angewiesen. Eine zeitgleiche Untersuchung desselben Sachverhalts im PUV birgt aber die Gefahr, dass sich die Zeugen aufgrund bereits veröffentlichter Ergebnisse durch den PUA oder der Kenntnis der Aussagen anderer Zeugen auf ihre Aussagen einstellen können bzw. eigene Wahrnehmungen mit Gelesenem vermischen.40 Zeugen können sich möglicherweise durch ihre erste Aussage, die sie vor dem PUA abgegeben haben, auf deren Inhalt festgelegt fühlen und eine nachträglich festgestellte Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit ihrer Aussage nicht mitteilen, um sich nicht der Gefahr einer Falschaussage auszusetzen. Außerdem ist es möglich, dass sich die Zeugen vor ihrer Aussage im PUV mit Ausschussmitgliedern treffen und schon im Vorhinein den Inhalt ihrer Aussage absprechen41, die sie im Strafverfahren wiederholen, um nicht den Verdacht einer Falschaussage entstehen zu lassen. Solche Vorgehensweisen mindern die Qualität des Zeugenbeweises im Strafverfahren. Das PUV ist allerdings ebenfalls auf Wahrheitserforschung gerichtet und daher auf unbeeinträchtigte Beweismittel angewiesen.42 Die Möglichkeit, Aussagen abzusprechen oder auf andere Weise den Sachverhalt zu verdunkeln, ist zudem ein allgemeines Problem, das auch im Strafverfahren und anderen gleichzeitig stattfindenden Zivil- oder Verwaltungsgerichtsverfahren besteht. Im Strafverfahren werden Zeugen ebenso nicht selten mehrfach durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht in der Hauptverhandlung vernommen, sie legen sich deshalb unter Umständen schon mit der ersten Vernehmung auf den Aussageinhalt fest und sehen sich an einer späteren Korrektur gehindert. Auch im strafgerichtlichen Verfahren kann die Medienberichterstattung auf das Aussageverhalten der Zeugen Einfluss nehmen.43 Die These, der PUA beeinflusse das Aussageverhalten der Zeugen im Strafverfahren, zwingt somit nicht dazu, das PUV stets auszusetzen, sobald ein Strafverfahren mit gleichem Verfahrensgegenstand anhängig ist. 40 Sächs. VerfGH, Beschluss vom 29.01.2004, Az.: Vf. 87-I-03; Derksen, NStZ 1993, 311, 312 f.; Dichgans, NJW 1964, 957, 958; Engels, Untersuchungsausschüsse, 137; Jacobi, 34. DJT/II, 69, 82 f.; Kirste, JuS 2003, 61, 62; v. Mangoldt/ Klein/Achterberg/Schulte, Bonner GG, Art. 44, Rn. 16 ff.; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 116; Ortmann, Jura 2003, 847, 852; Rosenberg, 34. DJT/I, 3, 24; Schleich, UntersuchungsR, 64; Vogt, Kollision, 85 ff.; Wiefelspütz, UAG, 76 f. 41 So geschehen im „CDU-Parteispendenuntersuchungsausschuss“ – vgl. Lölhöffel, Das Parlament vom 07.07.2000, S. 13; Die Welt vom 06.07.2000, S. 2. 42 v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schulte, Bonner GG, Art. 44, Rn. 16; Schleich, UntersuchungsR, 64. 43 Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 105; Ortmann, Jura 2003, 847, 852.

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2. Kap.: Das Nebeneinander von Strafverfahren und PUV

Die Beeinträchtigungen der Ermittlungen müssen unter Reduzierung auf das notwendigste Maß hingenommen werden.44 Sowohl der PUA als auch die Strafverfolgungsbehörden müssen ihre Ermittlungen in schonender Weise durchführen, um das andere Verfahren nicht unverhältnismäßig zu beeinträchtigen. So sind z. B. die Termine über die Zeugenvernehmung untereinander abzusprechen45, ist die Reihenfolge der Vernehmungen unter Umständen zu ändern oder eine im PUV anstehende Zeugenvernehmung bis zum Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen46, sofern dieses nicht mehr lange andauert. Schriftstücke aus dem Strafverfahren sollte der PUA nur dann in öffentlicher Sitzung vorlesen, wenn sie für den Untersuchungsauftrag von Bedeutung sind und nicht ohne Schaden für die Erfüllung des Untersuchungsauftrages in anderer Form als durch eine öffentliche Verlesung – z. B. durch das Selbstleseverfahren oder Geheimschutzmaßnahmen – verwertet werden können.47 Durch eine solche Verfahrensweise kann der PUA weitgehend verhindern, dass Zeugen oder Tatverdächtige über den Erkenntnisstand im Strafverfahren Informationen erhalten und sich so auf den Umfang ihrer Vernehmung im Strafverfahren einstellen können. b) Einflussnahme der Exekutive auf die strafrechtlichen Ermittlungen Die von einer parlamentarischen Untersuchung betroffene Exekutive könnte versuchen, belastende Unterlagen zu beseitigen und der Beweisführung des Untersuchungsausschusses und der Strafgerichte zu entziehen, indem das Ministerium der nachgeordneten Staatsanwaltschaft hierzu Anweisungen erteilt.48 Dass eine solche Gefahr besteht, zeigt der „CDU-Parteispendenuntersuchungsausschuss“; bei der Augsburger Staatsanwaltschaft verschwanden für den Ausschuss bedeutsame Beweismittel, weil die bayerische Regierung vermutlich die Staatsanwaltschaft bei der Ermittlungstätigkeit beeinflusst hatte49. Die Berliner Justizverwaltung stand im „Tempodrom-Untersuchungsausschuss“ im Verdacht, sich aufgrund politischer Motivation in die Arbeit der Staatsanwaltschaft eingemischt und Druck ausgeübt zu haben.50 44

Derksen, NStZ 1993, 311, 313. Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 116. 46 Wolf, PUA und Strafjustiz, 199. 47 Ähnlich Sächs. VerfGH, Beschluss vom 29.01.2004, Az.: Vf. 87-I-03; Derksen, NStZ 1993, 311, 313. 48 Alsberg, 34. DJT/I, 332, 366; Engels, Untersuchungsausschüsse, 136; Jacobi, 34. DJT/II, 69, 82 f.; v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schulte, Bonner GG, Art. 44, Rn. 16; vgl. auch allgemein Rautenberg, NJ 2003, 169, 170, 173 f.; Rosenberg, 34. DJT/I, 3, 25. 49 Volksstimme vom 13.04.2000, S. 2. 50 Berliner Morgenpost vom 17.08.2004. 45

B. Generelle Aussetzungspflicht zur Abwehr der drohenden Gefahren?

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Es ist zwar nicht völlig ausgeschlossen, dass die Exekutive versucht, die Strafverfolgungsbehörden zu beeinflussen, indem sie die Weisung erteilt, belastende Beweismittel zu beseitigen. Allerdings wird der Versuch nur selten erfolgreich sein. Zum einen macht sich ein Staatsanwalt oder Polizist, der Beweismittel beseitigt, wegen Verwahrungsbruchs, Strafvereitelung im Amt u. ä. strafbar, so dass er deshalb die Weisung nicht umsetzen darf und dies in der Regel auch nicht tun wird. Zum anderen ist das Recht des Ministeriums, durch Weisungen auf die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft einzuwirken, verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Weisungsberechtigte sich nur von sachlichen und rechtlichen Erwägungen leiten lassen darf.51 Eine Weisung aus sachfremden Erwägungen, beispielsweise um Untersuchungsergebnisse zu manipulieren, ist somit rechtswidrig und nicht zu befolgen. Außerdem beruht die Gefahr einer Beeinflussung der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit durch Weisungen des Ministeriums auf dem Gewaltenteilungsprinzip, d.h. auf der Zuordnung der Staatsanwaltschaft zur Exekutive. Diese Gefahr lässt sich deshalb nicht durch eine Aussetzung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens beseitigen, weil das Ministerium auch ohne dessen Durchführung Weisungen an die Staatsanwaltschaft erteilen kann, um Einfluss auf den Ausgang eines Strafverfahrens zu nehmen. Eine Einflussnahme des Justizministeriums auf die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft wäre dagegen ausgeschlossen, wenn der Gesetzgeber den Forderungen in der Literatur52 nachkommen und das Weisungsrecht aus §§ 146, 147 GVG beschränken würde, indem er Art. 92 GG ändert und auch auf die Staatsanwaltschaft für anwendbar erklärt. Hat der Betroffene den Verdacht, der Staatsanwalt ermittele im Strafverfahren, das gegen den Betroffenen zeitgleich zum PUV durchgeführt wird, wegen einer Beeinflussung durch Weisungen der Exekutive oder durch die Ermittlung des Untersuchungsausschusses nicht objektiv, kann er diesen zwar nicht wegen Befangenheit ablehnen, weil die §§ 22 ff. StPO weder direkt noch – mangels planwidriger Regelungslücke – analog anwendbar sind53. Jedoch kann er die vorgesetzte Behörde darum ersuchen, den disqualifizierten Staatsanwalt kraft behördlichen Weisungsrechts nach §§ 145, 146 GVG ablösen zu lassen, wenn ein Ablehnungsgrund vorliegt.54 Das Strafgericht kann ebenfalls die Ersetzung des disqualifizierten Staatsanwalts verlangen, darf sie aber nicht gegen den Willen der Staatsanwaltschaft 51

BVerfGE 9, 223, 228 f. Vgl. den Vorschlag von Rautenberg, NJ 2003, 169, 174. 53 Hellmann, StrafprozessR, Rn. 102 f.; Pfeiffer, StPO, § 22, Rn. 3. 54 BVerfGE 25, 336, 345; LG Köln, NStZ 1985, 230, 231; NStZ 1991, 595; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 105; Meyer-Goßner, StPO, vor § 22, Rn. 3, 4; Pfeiffer, StPO, § 22, Rn. 3. 52

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2. Kap.: Das Nebeneinander von Strafverfahren und PUV

durchsetzen.55 Erfährt der Vorgesetzte vom Vorliegen eines Ausschließungsoder Ablehnungsgrundes, ist er im Übrigen von Amts wegen verpflichtet, den befangenen Staatsanwalt zu ersetzen.56 Geschieht eine Ersetzung nicht, kann der Angeklagte die Mitwirkung des befangenen Staatsanwalts in der Hauptverhandlung mit der Revision nach § 337 StPO rügen.57 Insoweit ist der Beschuldigte auch vor den Gefahren eines befangenen Staatsanwaltes ausreichend geschützt. c) Zeitliche Verzögerungen durch den Austausch von Akten Gegenseitige Beeinträchtigungen durch die Anforderungen von Akten sind angesichts neuer technischer Medien nicht so schwerwiegend, dass ihnen nur durch die Aussetzung eines Verfahrens zu begegnen wäre. Eine länger andauernde Unterbrechung der Ermittlungen im eigenen Verfahren wegen einer Übersendung der Ermittlungsakten ist nicht mehr zu befürchten, da beispielsweise Kopien übersendet oder Dateien mittels Internet versendet werden können, so dass die Originalakten in der eigenen Behörde verbleiben. d) Zwischenergebnis Beachtet der PUA das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und reduziert er verfahrensrechtliche Behinderungen auf das unvermeidbare Maß, dann gibt es keinen Grund, der dazu zwingt, das PUV bis zum Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen. 4. Grundsatz des Nebeneinanders beider Verfahren Die unterschiedliche und wesensverschiedene Zielrichtung58 beider Verfahren, die jeweils in der Verfassung niedergelegt sind, spricht grundsätzlich für ein Nebeneinander beider Verfahren.

55 LG Mönchengladbach, StV 1987, 333, 334; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 105; Meyer-Goßner, StPO, vor § 22, Rn. 4. 56 Hellmann, StrafprozessR, Rn. 105. 57 Hellmann, StrafprozessR, Rn. 105; Meyer-Goßner; StPO, vor § 22, Rn. 6; Pfeiffer, StPO, § 22, Rn. 4, 5. 58 1. Kapitel, B. II. 2. b) aa).

B. Generelle Aussetzungspflicht zur Abwehr der drohenden Gefahren?

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a) Grundsatz der Gleichrangigkeit Das Strafverfahren verwirklicht den in Art. 20 Abs. 3 GG niedergelegten staatlichen Strafanspruch, das PUV setzt das in Art. 44 GG festgeschriebene parlamentarische Kontrollrecht um. Da beide Verfahren also Aufgaben von Verfassungsrang erfüllen, wäre ein Vorrang eines der beiden Verfahren, z. B. im Sinne einer Privilegierung des zeitlich früheren Verfahrens, nicht sachgerecht. Der staatliche Strafanspruch und das aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Recht auf ein faires Verfahren zählen aber zu den tragenden Verfassungsprinzipien des grundgesetzlichen Wertesystems59, welche die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG besonders absichert. Jedoch dient Art. 44 GG der Stärkung der parlamentarischen Kontrolle und des Demokratieprinzips aus Art. 20 Abs. 1 GG, für das ebenfalls Art. 79 Abs. 3 GG gilt und das mit dem Rechtsstaatsprinzip auf gleicher Stufe steht. Somit hat keines der beiden Verfahren ein generelles Übergewicht60. Deshalb sollen nach Art. 44 Abs. 4 S. 1, 2 GG auch beide Verfahren getrennt und unabhängig voneinander durchführbar sein.61 Ein Zwang zur Aussetzung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens scheidet also aus diesem Grund aus.62 Ein PUV ist zudem nur dann wirkungsvoll und zulässig, wenn es noch einen aktuellen Bezug zum Untersuchungsthema hat, also von öffentlichem Interesse ist63. Das Strafverfahren kann sich jedoch über Jahre hinziehen, so dass die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wegen Wegfalls 59

BVerfGE 57, 250, 275 ff.; 63, 45, 61; Geppert, Jura 1992, 597. I. E. BVerwGE 79, 339, 345; BVerwG, NJW 2000, 160, 162; OLG Köln, NJW 1985, 336; Berliner Parteispendenaffäre, Abghs.-Drucks. 10/2444, S. 18; Derksen, NStZ 1993, 311, 312; Gielen, JR 2000, 140, 142; Heinemann, 45. DJT/II, E 53, E 59; Klenke, NVwZ 1995, 644, 646; v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schulte, Bonner GG, Art. 44, Rn. 16 ff. 61 So schon Alsberg, 34. DJT/I, 332, 358; Cordes, Untersuchungsausschüsse, 189 f., 192; Frey, Parlamentarische Kontrolle, 139; Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 57 ff., 155; Jarass/Pieroth, GG, Art. 44, Rn. 2; Kipke, Untersuchungsausschüsse des BT, 46; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 155; Magiera in: Sachs, GG, Art. 44, Rn. 29; Masing, ZRP 2001, 36, 41; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 113; Partsch, 45. DJT/I, 167 f.; Platter, Das Untersuchungsverfahren, 82; Stern, AöR 109 (1984), 199, 218; Studenroth, Bereiche Privater, 97; Vetter, ZParl 1989, 345, 348; vgl. auch Berliner Parteispendenaffäre, Abghs.-Drucks. 10/2444, S. 18. 62 I. E. Kirste, JuS 2003, 61, 62; Ortmann, Jura 2003, 847, 852; Schulte, Jura 2003, 505, 506; Vetter, ZParl 1989, 345, 348; anders der Vorschlag von Klein, FAZ vom 28.05.2001, S. 10: „Der Bundestag täte sich einen Gefallen, ließe er der Justiz den Vortritt.“; Rosenberg, 34. DJT/I, 3, 28. 63 Zum öffentlichen Interesse als Einsetzungsvoraussetzung: 1. Kapitel, C. III. 60

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2. Kap.: Das Nebeneinander von Strafverfahren und PUV

des öffentlichen Interesses oder wegen Ablaufs der Legislaturperiode vereitelt würde.64 Außerdem hätte es die Exekutive in der Hand, durch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ein unliebsames PUV zu verhindern.65 b) Optimale Zweckerreichung beider Verfahren Allerdings müssen die Spannungen aus dem Nebeneinander von PUV und Strafverfahren durch die Herstellung einer praktischen Konkordanz aufgelöst werden. Nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz findet keine schlichte Güterabwägung mit dem Ziel der Feststellung des Vorranges eines der beiden Rechtsgüter statt, sondern es ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den widerstreitenden Rechtsgütern herzustellen, um der Einheit der Verfassung gerecht zu werden. Beide Rechtsgüter sollen dabei ihre größtmögliche Wirkung erreichen.66 Kein Verfahren darf also in seinem Bedeutungsgehalt vollständig aufgegeben werden, sondern beide Verfahren müssen nebeneinander so ablaufen, dass sie einerseits ihren Verfahrenszweck effektiv erfüllen können, andererseits aber die Beeinträchtigung des jeweils anderen Verfahrens so gering wie möglich halten67, z. B. durch Geheimschutzvorkehrungen für das Aktenmaterial und durch eine Unterwerfung der PUA-Mitglieder unter Geheimhaltungspflichten zur Wahrung bekannt gewordener Informationen68, durch eine Abstimmung von Vernehmungsterminen zur Verhinderung von Doppelbefragungen69, Einsichtnahme in Akten oder Übersendung von Ablichtungen statt Herausgabe u. a. Nur in besonderen Ausnahmefällen muss ein Verfahren im Einzelfall zurücktreten, wenn die Einhaltung essentieller Grundsätze des anderen Verfahrens oder verfassungsrechtlicher Prinzipien es erfordern, Geheimhaltungsmaßnahmen oder sonstige Möglichkeiten zur Rücksichtnahme nicht ausreichen und das andere Verfahren anderenfalls nicht hinnehmbar beeinträchtigt wird.70 64 Alsberg, 34. DJT/I, 332, 359; Derksen, NStZ 1993, 311, 312; Jacobi, 34. DJT/ II, 69, 70, 88 f.; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 155; v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schulte, Bonner GG, Art. 44, Rn. 19. 65 Jacobi, 34. DJT/II, 69, 89; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 155; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 300 f.; ähnlich auch Müller-Boysen, Betroffener, 134. 66 BVerfGE 28, 243, 261; 67, 100, 144; 83, 130, 143; Katz, StaatsR, Rn. 649. 67 BVerfGE 67, 100, 143 f.; OLG Köln, NJW 1985, 336, 337; LG Bonn, NJW 1987, 790, 792; Berliner Parteispendenaffäre, Abghs.-Drucks. 10/2444, S. 18 f., 21; Derksen, NStZ 1993, 311, 312, 313; Engels, Untersuchungsausschüsse, 139 f.; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 155; ähnlich Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 115; Schleich, UntersuchungsR, 66; Vetter, ZParl 1989, 345, 360. 68 So im CDU-Parteispendenskandal, BT-Drucks. 14/9300, S. 44 f. 69 Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 116; Wolf, PUA und Strafjustiz, 199.

C. Freier Informationsaustausch zwischen Strafverfahren und PUV

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Dasselbe muss gelten, um den verfassungsrechtlich garantierten Schutz vor strafrechtlicher Selbstbelastung zu wahren. Der Schutz des nemo-tenetur-Grundsatzes kann nicht in der Aussetzung des gleichfalls verfassungsrechtlich gewährleisteten parlamentarischen Untersuchungsverfahrens, sondern nur in einem schonenden Ausgleich beider Verfassungswerte, beispielsweise durch die Gewährleistung von Schweige- oder Auskunftsverweigerungsrechten oder einem Beweisverwertungsverbot, bestehen71. 5. Zwischenergebnis Der PUA greift mit seiner Ermittlungstätigkeit nicht in den Kernbereich der Rechtsprechung ein. Die Lösung der verfahrensrechtlichen Konflikte, die aus einem Nebeneinander von PUV und Strafverfahren resultieren, kann wegen der verfassungsrechtlichen Bedeutung beider Verfahren nicht in einer Pflicht zur generellen Aussetzung eines der beiden Verfahren gefunden werden. Die Einheit der Verfassung erfordert es grundsätzlich, dass beide Verfahren nebeneinander unter gegenseitiger Rücksichtnahme durchgeführt werden.

C. Freier Informationsaustausch zwischen Strafverfahren und PUV Die oben72 geschilderten Gefahren eines Nebeneinanders beider Verfahren, das von Verfassungs wegen grundsätzlich zwingend ist, könnten aber durch ein generelles Verbot des gegenseitigen Informationsflusses vermieden werden, wenn es zwischen den widerstreitenden Interessen einen harmonischen Ausgleich herstellen könnte. Da Ergebnisse eines Strafverfahrens im PUV und dessen Ergebnisse im Strafverfahren bedeutsam sein könnten, ist zu klären, ob Informationen des einen Verfahrens, die für die Sachverhaltsaufklärung in dem anderen Verfahren erforderlich sind, herangezogen werden dürfen oder ob zur Vermeidung der Gefahren, die aus der Benutzung der Informationen aus dem jeweils anderen Verfahren für den Betroffenen drohen können, ein Verbot des Informationsaustausches besteht oder zu fordern ist.

70 I. E. Berliner Parteispendenaffäre, Abghs.-Drucks. 10/2444, S. 19; Müller-Boysen, Betroffener, 136; ähnlich Vetter, ZParl 1989, 345, 359 – alle beziehen sich aber nur auf die Aussetzung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens. 71 Ausführlich im 3. Kapitel, B. IV. 2. b); 4. Kapitel, 1. Abschnitt, B. II. 2. c). 72 Vgl. 2. Kapitel, A.

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2. Kap.: Das Nebeneinander von Strafverfahren und PUV

I. Rechtsgrundlagen für das Auskunfts-, Akteneinsichts- und Aktenvorlagerecht des Untersuchungsausschusses Noch nicht geklärt ist, ob das Auskunfts- und Aktenvorlagerecht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses als Teil des originären Beweiserhebungsrechts nach Art. 44 Abs. 1 GG oder als Amtshilfe zu qualifizieren ist. Die Amtshilfe kennzeichnet sich durch eine bloße Unterstützung der ersuchten Behörde ohne Übernahme und Fortführung des Verfahrens an Stelle der ersuchenden Behörde73 sowie durch ein gleichberechtigtes und voneinander unabhängiges Tätigwerden beider Behörden74. Amtshilfe ist daher nicht gegeben, wenn die Behörden zueinander in einem weisungsabhängigen Über-Unterordnungsverhältnis stehen und die übergeordnete Behörde die Hilfeleistung über ihr Weisungsrecht anfordern kann.75 Auf dieser Grundlage vertreten Rechtsprechung und ein Teil der Literatur die Auffassung, dass zwischen dem Parlament und der Exekutive sowie der Judikative ein der Amts- oder Rechtshilfe entgegenstehendes Über-Unterordnungsverhältnis bestehe, wenn das Parlament durch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses seine Kontrollfunktion wahrnimmt. In diesem Kontrollverhältnis trete der PUA nämlich übergeordnet gegenüber der kontrollierten Behörden auf. Das Recht auf Auskunft und Aktenvorlage ergebe sich in diesem Fall aus dem originären parlamentarischen Beweiserhebungsrecht des Kontrollverhältnisses nach Art. 44 Abs. 1 GG bzw. § 18 Abs. 1 PUAG, jedenfalls soweit der PUA zur Kontrolle der Regierung eingesetzt werde. Ein solches Über-Unterordnungsverhältnis müsse aber dann verneint werden, wenn der PUA ein Auskunfts- oder Aktenvorlageersuchen an Behörden stellt, die nicht dem Kontrollrecht des Parlaments unterliegen. In diesem Verhältnis sei die Aktenvorlage als Teil der Amtshilfe anzusehen.76 73 Denninger, JA 1980, 280, 281; Dreher, Amtshilfe, 30 f.; Lehner, Gesetzesvorbehalt, 116 f. 74 Denninger, JA 1980, 280, 281; Dreher, Amtshilfe, 18; Gubelt in: v. Münch/ Kunig, GG, Art. 35, Rn. 8; Lehner, Gesetzesvorbehalt, 127 f.; Meyer-Teschendorf, JuS 1981, 187, 189. 75 Denninger, JA 1980, 280, 281; Gubelt in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 35, Rn. 8; Meyer-Teschendorf, JuS 1981, 187, 189. 76 BVerfGE 67, 100, 127 f.; OLG Frankfurt a. M., NStZ-RR 2001, 44, 46; Berthy in: Damkowski, Untersuchungsausschuss, 33 ff.; Cordes, Untersuchungsausschüsse, 117; Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 49, 50, 53; Kirste, JuS 2003, 61, 63; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 182, 223; Magiera in: Sachs, GG, Art. 44, Rn. 25; v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schulte, Bonner GG, Art. 44, Rn. 149; i. E. wohl auch Nettesheim/Vetter, JuS 2004, 219, 223; Schröder, ZParl 1984, 473, 476 f., der die Aktenvorlage darüber hinaus als Teil der Beweiserhebung ansieht, wenn sie außerhalb der Beweisaufnahme im Rahmen der Voruntersuchung erfolgt; Simons, Un-

C. Freier Informationsaustausch zwischen Strafverfahren und PUV

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Danach wäre auch im Verhältnis zwischen PUA und Staatsanwaltschaft Amtshilfe zu bejahen, weil der PUA nicht von einem Kontrollierten, sondern von einer anderen Bundes- bzw. Landesbehörde die Informationen verlangt. Etwas anderes würde nur gelten, wenn der PUA ein Fehlverhalten der Staatsanwaltschaft oder eine unzulässige Einflussnahme des Ministeriums auf die Staatsanwaltschaft aufzuklären hat. Eine Gegenauffassung versteht das Recht, Auskunft, Aktenvorlage und Akteneinsicht zu verlangen, stets als Amtshilfe im Sinne des Art. 44 Abs. 3 GG.77 Andere sehen die Amtshilfe generell als subsidiär gegenüber dem Beweiserhebungsrecht an.78 Wie schon im 1. Kapitel erwähnt79, ist Art. 44 Abs. 1 GG lediglich eine Aufgabenzuweisungsnorm, die keinerlei Befugnisse begründet. Damit kann sich das Auskunfts- und Aktenvorlagerecht also nicht schon aus Art. 44 Abs. 1 GG ergeben. Die tatsächliche Befugnisnorm stellt erst Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG dar, der sinngemäß die strafprozessualen Vorschriften und damit auch die §§ 95, 161 Abs. 1, 474 Abs. 1 StPO zur Anwendung bringt.80 Diese Regelungen sind aber gerade spezialgesetzliche Ausprägungen des Amtshilfegrundsatzes.81 Damit ist das Verlangen nach Auskunft, Akteneinsicht und -vorlage an die Staatsanwaltschaft oder das Strafgericht ein Ersuchen um Amtshilfe.82 Da der PUA die Informationen zu Beweiszwecken für das konkrete PUV anfordert und beschafft83, erhebt er zugleich Beweise.

II. Bedeutung der Amts- und Rechtshilferegelungen für den freien Informationsaustausch Grundsätzlich ist aus den verfassungsrechtlichen Rechts- und Amtshilferegelungen der Art. 44 Abs. 3, 35 Abs. 1 GG sowie den einfachgesetzlichen Vorschriften des § 18 Abs. 4 PUAG bzw. der §§ 161 Abs. 1, 94, 95, 474 StPO tersuchungsR, 153 f.; Vetter, DÖV 1986, 590, 597, ders., ZParl 1989, 345, 357 f., der das Aktenvorlageersuchen gegenüber der Exekutive, einschließlich der Staatsanwaltschaft, als originäre Beweiserhebung und das gegenüber Gerichten und Landesbehörden als Amtshilfe ansieht; Versteyl in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 44, Rn. 35. 77 OLG Köln, NJW 1985, 336; OLG Stuttgart, NJW 1996, 1908; Löwer, Jura 1985, 358, 363; Schröer, DÖV 1986, 85, 91; Stern, AöR 109 (1984), 199, 243 ff. 78 Scholz, AöR 105 (1980), 564, 587. 79 Vgl. 1. Kapitel, A. I. 2. 80 So auch Lesch, NJW 2000, 3035, 3036 f.; Schleich, UntersuchungsR, 25. 81 Kurth, NStZ 1983, 541, 543; Reiß, StV 1988, 31, 33; Stratenwerth, JZ 1959, 693. 82 I. E. BGH, wistra 2001, 186; OLG Köln, NJW 1985, 336; OLG Stuttgart, NJW 1996, 1908; Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 50, 53; v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schulte, Bonner GG, Art. 44, Rn. 154. 83 Zum Begriff der „Beweiserhebung“: 1. Kapitel, B. I. 1.

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2. Kap.: Das Nebeneinander von Strafverfahren und PUV

das Prinzip des freien Informationsaustausches zwischen PUV und Strafverfahren zu folgern. Es gibt auch keine Regelung, die – wie z. B. das Steuergeheimnis nach § 30 AO oder das Sozialgeheimnis nach § 35 SGB I – den Informationstransfer zwischen dem PUA und dem Strafverfahren generell untersagt. Die Ermittlungsorgane im PUV und im Strafverfahren sind vielmehr verpflichtet, von Amts wegen alle erforderlichen Beweise zu erheben. Sie können deshalb im Wege der Amts- und Rechtshilfe alle Beweismittel heranziehen, die für die Erfüllung der Untersuchung notwendig sind und von der ersuchenden Behörde ohne Schaden für die eigene Sachverhaltsermittlung nicht durch andere Maßnahmen von geringerer Intensität beschafft und verwertet werden können.84 Bei der Durchführung der Amtsund Rechtshilfe dürfen die Behörden aber weder die Grundrechte der von den Untersuchungsmaßnahmen Betroffenen und den Gewaltenteilungsgrundsatz verletzen noch das andere Verfahren in seiner Funktion unverhältnismäßig beeinträchtigen.

III. Verbot des freien Informationsaustausches zum Schutz der Grundrechte Die Amts- und Rechtshilfe zwischen den Behörden erfolgt nicht unbeschränkt, wenn sie den behördeninternen Bereich verlässt, d.h. nach außen im Verhältnis zum Bürger wirkt und in dessen Grundrechte eingreift. Sie ist bei einer Grundrechtsbeeinträchtigung des Bürgers nur unter Beachtung der speziellen Grundrechtsschranken zulässig.85 Die Weitergabe der Erkenntnisse aus einem PUV an die Strafverfolgungsbehörden zu Strafverfolgungszwecken bzw. aus einem Strafverfahren an den PUA könnte in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen eingreifen, wenn durch einen freien Informationsaustausch personenbezogene Daten des Betroffenen in unzulässiger Weise zu einem anderen als dem ursprünglichen Verfahrenszweck herangezogen werden. Aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung könnte deshalb ein Verbot des Austausches personenbezogener Daten abzuleiten sein. 1. Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährt dem Einzelnen das Recht, frei über die Verfügbarkeit, Preisgabe und Benutzung seiner per84 Berliner Parteispendenaffäre, Abghs.-Drucks. 10/2444, S. 21; Derksen, NStZ 1993, 311, 313; allgemein Scholz/Pitschas, Selbstbestimmung, 121; Vetter, ZParl 1989, 345, 360 f. 85 Erbguth in: Sachs, GG, Art. 35, Rn. 27; Jarass/Pieroth, GG, Art. 35, Rn. 2.

C. Freier Informationsaustausch zwischen Strafverfahren und PUV

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sonenbezogenen Daten zu bestimmen. Der Anwendungsbereich dieses Grundrechts beschränkt sich nicht auf die automatisierte Datenerhebung und -verwendung86, sondern es soll generell gewährleisten, dass der Bürger erkennen kann, welche Behörde welche personenbezogenen Daten über ihn kennt und zu welchem Zweck erfasst hat. Durch eine unbegrenzte Weitergabe der personenbezogenen Daten wird der Personenkreis, der von den persönlichen Informationen Kenntnis erhält, in nicht mehr überschaubarer Weise erweitert. Dadurch wird die Freiheit, aus eigener Selbstbestimmung zu entscheiden und unbefangen zu kommunizieren, beeinträchtigt87, weil der Betroffene befürchten muss, dass seine Äußerungen oder die von ihm übergebenen Schriftstücke – ungeachtet des ursprünglichen Verwendungszwecks – beliebig an andere Behörden weitergegeben und zu einem anderen Verwendungszweck benutzt werden.88 Diese Gefahr tritt auch auf, wenn der PUA und die Strafverfolgungsbehörden die erhobenen personenbezogenen Daten untereinander – z. B. im Wege der Akteneinsicht oder Auskunft – austauschen. Während der PUA die Daten allein zum Zweck der Erfüllung des Untersuchungsauftrages, politische Aufklärung zu betreiben, erhebt und benutzt, können die Strafverfolgungsbehörden die erhobenen Daten zur Überführung des Täters wegen der Begehung einer Straftat verwenden und umgekehrt. Die Freiheit des Betroffenen, unbefangen zu kommunizieren, wird beeinträchtigt, weil der Betroffene befürchten muss, dass die von ihm vor dem PUA offenbarten Informationen seinem Einfluss- und Entscheidungsbereich entzogen und seiner strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde gelegt werden können. Gleiches gilt für den Informationsaustausch in umgekehrter Richtung, weil für den Angeklagten die Gefahr besteht, dass die im Strafverfahren offenbarte Information zur politischen Aufklärung im PUV verwendet und die Aufklärung die politischen Konsequenzen, wie Verlust des Amtes, des Ansehens oder der Wählerstimmen, auslösen wird. Durch die öffentliche Beweisaufnahme vor dem PUA und dem Strafgericht wird der Personenkreis, der von den personenbezogenen Daten des Betroffenen erfährt, immer größer, so dass der Betroffene nicht mehr überschauen kann, wer welche Daten über ihn erfasst hat und zu welchem Zweck benutzen wird. Die Weitergabe der Daten an die Strafverfolgungsbehörden bzw. an 86 BVerfGE 77, 84; BVerfG, NJW 1988, 3009; BVerfG, NJW 2006, 976, 980; Heußner, BB 1990, 1281, 1282; Rosenbaum, Jura 1988, 178, 179; Seer, StuW 1991, 165, 167; Wolter, Jura 1992, 520, 528, Fn. 84. 87 BVerfGE 65, 1, 43; Heußner, BB 1990, 1281 f.; Rosenbaum, Jura 1988, 178 f.; Seer, StuW 1991, 165, 166; Wölfl, Jura 2003, 742, 743. 88 BVerfGE 65, 1, 42; Heußner, BB 1990, 1281, 1283; Kunig, Jura 1993, 595, 601; Rosenbaum, Jura 1988, 178, 180; Wölfl, Jura 2003, 742, 743.

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2. Kap.: Das Nebeneinander von Strafverfahren und PUV

den PUA stellt somit einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar89, der einer Rechtfertigung bedarf. 2. Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährt, sondern der Einzelne hat Einschränkungen im überwiegenden Allgemeininteresse zu dulden, wenn dafür eine verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage vorhanden und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist.90 a) Gesetzesvorbehalt Die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage muss dem Gebot der Normenklarheit entsprechen, d.h., sie muss Voraussetzungen und Umfang der Beschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung klar festlegen. Zum Schutz vor einer Verwendung der Daten zu anderen Zwecken als dem, zu dem sie erhoben worden sind, hat das BVerfG im Volkszählungsurteil an die Ermächtigungsgrundlage, die einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erlaubt, über das Gebot der Normenklarheit hinausgehende Anforderungen gestellt. Die Ermächtigungsgrundlage muss den Zweck, zu dem die Daten erhoben und verwendet werden sollen, bereichsspezifisch begrenzen und gegebenenfalls Weitergabe- und Verwertungsverbote vorsehen, um den Bürger vor einer zweckentfremdenden Verarbeitung der Daten in anderen Verfahren zu schützen.91 Die bereichsspezifische Begrenzung des Verwendungszwecks hindert die Behörde daran, das Recht des Bürgers, selbst über die Preisgabe und Benutzung der ihn betreffenden Daten zu bestimmen, dadurch zu umgehen, dass die Behörde die Daten auf der Grundlage zu unbestimmter Gesetze zum Nachteil des Bürgers weitergibt und verwertet, z. B. indem die Daten der strafgerichtlichen Verurteilung des Betroffenen zu Grunde gelegt werden.92 Konsequenterweise ist die Weitergabe von Daten keine eigenständige, über die Erhebung der Daten hinausgehende Grundrechtsverletzung, wenn 89

Nettesheim/Vetter, JuS 2004, 219, 223; Richter, Privatpersonen, 66. Bull, DÖV 1979, 689, 692, 693; Heußner, BB 1990, 1281, 1282; Krause, JuS 1984, 268, 271; Poppenhäger, NVwZ 1992, 149; Rosenbaum, Jura 1988, 178, 182. 91 BVerfGE 65, 1, 46; BVerfG, NJW 2006, 976, 980; Hessischer VGH, DVBl. 1996, 570; AG Wolfratshausen, StV 1995, 355; Groß, AöR 113, (1988), 161, 169; Heußner, BB 1990, 1281, 1283; Krause, JuS 1984, 268, 271; Riegel, DVBl. 1988, 121, 122; Rosenbaum, Jura 1988, 178, 184. 92 BVerfGE 65, 1, 46; Cramer, NStZ 1996, 209, 210; Ernst, Zweckbindung, 73, 74; Poppenhäger, NVwZ 1992, 149, 151; Siebrecht, StV 1996, 566, 567. 90

C. Freier Informationsaustausch zwischen Strafverfahren und PUV

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sie zu dem gesetzlich bestimmten Datenerhebungszweck erfolgt. Die Datenweitergabe ist in diesem Fall wegen ihrer Vorhersehbarkeit für den Bürger noch von der Datenerhebungsermächtigung gedeckt und gerechtfertigt. Jede Übermittlung der Daten zu einem Zweck, der dem bei der Datenerhebung verfolgten Zweck nicht mehr entspricht, stellt dagegen einen neuen, von der Datenerhebung unabhängigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Dieser Eingriff ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Weitergabe auf einer spezialgesetzlichen Befugnisnorm zur Datenübermittlung, welche die Anforderungen des BVerfG im Volkszählungsurteil erfüllt, beruht und einem überwiegenden Allgemeininteresse dient.93 Die Ermächtigung zur Datenerhebung ist somit maßgebend für die Bestimmung der Reichweite der Zweckbestimmung. aa) Zweckbindung der im PUV und im Strafverfahren erhobenen Daten Aus den soeben dargestellten Grundsätzen folgt, dass eine Weitergabe und Verwendung der vom PUA erhobenen Daten im Strafverfahren bzw. im Strafverfahren erhobenen Daten im PUV noch von der Datenerhebungsbefugnis des jeweiligen Verfahrens gedeckt wäre, wenn der Zweck, den die Datenerhebung im PUV bzw. im Strafverfahren verfolgt, auch die Weitergabe der Daten an das andere Verfahren erfasst. Dienen die übermittelten Daten in dem anderen Verfahren dagegen einem Zweck, der nicht mehr mit dem der Datenerhebungsnorm übereinstimmt, wäre eine wirksame spezialgesetzliche Grundlage für die Weitergabe und Verwendung der Daten zu diesem Verfahrenszweck erforderlich. Die Erhebung personenbezogener Daten im PUV erfolgt auf der Grundlage der Regelungen des PUAG bzw. des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. den Vorschriften der StPO. Unter Berücksichtigung des in Art. 44 GG niedergelegten Sachzusammenhangs sind die Erhebungsbefugnisnormen für den PUA verfassungskonform dahingehend auszulegen94, dass sie nur zur Informationserhebung zum Zwecke der Erfüllung des konkreten Untersuchungsauftrages ermächtigen. Nach § 17 Abs. 1 PUAG erhebt der PUA 93 AG Wolfratshausen, StV 1995, 355; ähnlich Cramer, NStZ 1996, 209, 210; Ernst, Zweckbindung, 73 ff., 154; Groß, AöR 113 (1988), 161, 170; Rogall, ZStW 103 (1991) 907, 930; ders., Beweisverbote, 113, 146 f.; Siebrecht, StV 1996, 566, 567; Wolter, Jura 1992, 520, 523. 94 BVerfGE 2, 266, 282; 8, 28, 34; Ernst, Zweckbindung, 77; Siebrecht, StV 1996, 566, 568 – allgemein zur verfassungskonformen Auslegung der Regelungen in der StPO, die – soweit sie vor dem Volkszählungsurteil entstanden waren – keine ausdrückliche bereichspezifische Regelung des Verwendungszwecks enthalten.

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die durch den Untersuchungsauftrag – an den der PUA nach § 3 PUAG gebunden ist – gebotenen Beweise. Die Erhebung von Daten durch die Strafverfolgungsbehörden auf der Grundlage der StPO erfolgt hingegen zum Zweck der Strafverfolgung wegen einer konkreten Straftat im prozessualen Sinn.95 Ein Umkehrschluss aus § 474 StPO und den Regelungen zur Verwertung von Zufallserkenntnissen indizieren eine Beschränkung des Erhebungszwecks auf die Strafverfolgung für das die Erhebung auslösende Verfahren.96 Obwohl die Datenerhebung im Strafverfahren und im PUV somit verschiedene Zwecke verfolgt, behauptet ein Teil der Literatur, Strafverfolgung und parlamentarische Untersuchung hätten einen gemeinsamen Zweck, der einen Austausch der erhobenen Daten ohne spezielle Übermittlungsbefugnis legitimiere.97 Die Richtigkeit dieser Auffassung hängt davon ab, wie weit das Verständnis von der Zweckbindung, die das BVerfG im Volkszählungsurteil gefordert hat, reicht. bb) Zweckgemeinschaft von PUV und Strafverfahren aufgrund eines weiten Verständnisses der Zweckbindung? Das Schrifttum vertritt teilweise ein weites Verständnis der Zweckbindung, um den Amtshilfegrundsatz nach Art. 35 GG nicht auszuhebeln und um zu verhindern, dass bestimmte Behörden einen Wissensvorsprung erhalten.98 Eine Weitergabe sei auch dann noch durch die Datenerhebungsermächtigung legitimiert, wenn die Behörden zwar in unterschiedlicher Zuständigkeit tätig werden, aber ihre Befugnisse einen gemeinsamen Wirkungszusammenhang aufweisen, der auf dasselbe Grundvorhaben bezogen bleibt. Die Behörden müssten also zumindest einen gemeinsamen Handlungszweck dem Grunde nach verfolgen.99 Dieses weite Verständnis hätte für das Verhältnis von PUV und Strafverfahren zur Konsequenz, dass auch zwischen diesen beiden Verfahren eine 95 BVerfG, NJW 2005, 1917, 1920; BVerfG, NJW 2006, 976, 980; weiter gehend Ernst, Zweckbindung, 77; Graumann, Vertrauensschutz und Absprachen, 148; Seer, StuW 1991, 165, 167; Siebrecht, StV 1996, 566, 568, die vor der Klarstellung durch § 474 StPO eine Zweckbestimmung der Erhebungsbefugnisse allgemein zur Strafverfolgung festlegten. 96 I. E. Graumann, Vertrauensschutz und Absprachen, 148; Siebrecht, StV 1996, 566, 567. 97 Richter, Privatpersonen, 71. 98 Richter, Privatpersonen, 68; Scholz/Pitschas, Selbstbestimmung, 113 ff., 119; Steinbömer, DVBl. 1981, 340, 347. 99 Scholz/Pitschas, Selbstbestimmung, 119; 122 f.; ähnlich auch Globig, ZRP 1991, 81, 83, 84; ders., ZRP 1991, 289, 290.

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Zweckeinheit bestünde, wenn der strafrechtliche Tatvorwurf mit dem Kern des Untersuchungsauftrages übereinstimmt. Weil bei kongruentem Verfahrensgegenstand ein Funktionszusammenhang zwischen beiden Verfahren vorläge, wäre die Übermittlung zum gleichen Zweck erfolgt.100 Es trifft zwar zu, dass beide Verfahren denselben historischen Sachverhalt mit Hilfe grundrechtsbeeinträchtigender Befugnisse aufklären, um ein Fehlverhalten aufzudecken und öffentliche Interessen zu sichern. Das Handeln ist insofern auf dasselbe Grundvorhaben (= Sachverhaltsaufklärung zur Feststellung desselben Fehlverhaltens) gerichtet. Zwischen PUV und Strafverfahren bestehen aber auch erhebliche Unterschiede. Vor allem haben die Verfahren verschiedene Zielrichtungen101 und sie sind verfassungsrechtlich in verschiedenen Normen verankert und damit getrennt voneinander geregelt. Aus dem Umstand, dass die Sachaufklärung in beiden Verfahren aufgrund gleicher oder zumindest ähnlicher Befugnisse nach der StPO erfolgt, kann nicht zugleich auf gleiche Aufgaben und Zwecke geschlossen werden. Gegen ein weites Verständnis von der Zweckbindung spricht zudem, dass sich ein gemeinsamer Grundzweck fast immer irgendwie konstruieren lässt mit der Folge, dass die Behörde die personenbezogenen Daten ohne eine spezielle Übermittlungsbefugnis an das andere Verfahren weiterleiten dürfte. Ein gemeinsamer Grundzweck im Sinne einer Aufklärung desselben historischen Sachverhalts läge nahezu bei allen zeitgleich ablaufenden Verfahren vor, die dasselbe Handlungsgeschehen unter verschiedenen Gesichtspunkten untersuchen. Damit würde aber dem Erfordernis einer Zweckbindung nicht die Wirkung zukommen, den Bürger vor den Gefahren des Umgangs mit seinen persönlichen Daten zu schützen.102 Allein die Aufklärung desselben historischen Sachverhalts durch den PUA und die Strafverfolgungsbehörden vermag demnach eine Zweckeinheit nicht zu begründen, weil anderenfalls die Verschiedenartigkeit beider Verfahren negiert würde. Somit ist die Weitergabe der im PUV erhobenen personenbezogenen Daten an die Strafverfolgungsbehörden und vice versa eine Zweckentfremdung und damit ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, der zu seiner Rechtfertigung einer selbstständigen gesetzlichen Grundlage und Verhältnismäßigkeitsprüfung bedarf.

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So Richter, Privatpersonen, 71. Siehe 1. Kapitel, B. II. 2. b) aa). 102 Ähnlich Ernst, Zweckbindung, 90; Groß, AöR 113 (1988), 161, 208; Hassemer, ZRP 1991, 121, 122, 124; in diesem Sinne wohl auch Heußner, BB 1990, 1281, 1283; Siebrecht, StV 1996, 566, 570; Simitis, NJW 1986, 2795, 2799 f.; Wolter, Jura 1992, 520, 532. 101

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cc) Spezielle Befugnisnorm für die Datenweitergabe an die Strafverfolgungsbehörden (1) Art. 35 GG Zur Rechtfertigung des Eingriffs durch die Weitergabe der Informationen kann nicht auf die Amtshilfevorschrift des Art. 35 GG zurückgegriffen werden, da die Regelung nur Kompetenzbeeinträchtigungen der am Amtshilfeverhältnis beteiligten Behörden, nicht aber unbeteiligter Behörden oder Rechtsverletzungen Privater erlaubt. Es ist allgemein anerkannt, dass die Amtshilfevorschrift nicht zur Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geeignet ist, weil sie nur die formelle Rechtsgrundlage für die Amtshilfe bildet, also keine bereichsspezifische Zweckregelung enthält sowie Voraussetzungen und Umfang der Amtshilfe nicht klar festlegt.103 Nur wenn für die um Datenweitergabe ersuchte Behörde eine Spezialregelung besteht, die über die allgemeine Beistandspflicht hinausgeht und die Preisgabe personenbezogener Daten regelt, liegt eine ausreichende Spezialregelung zur Legitimation des Eingriffs in das Selbstbestimmungsrecht vor.104 (2) § 474 StPO Auch § 474 StPO scheidet als Ermächtigungsgrundlage für die Datenweitergabe durch den PUA auf Verlangen der Strafverfolgungsbehörden aus, da § 474 Abs. 1 StPO nur die Einsicht in die Akten eines Strafverfahrens regelt. § 474 Abs. 2 StPO gewährt nur öffentlichen Stellen und der präventiv tätig werdenden Polizei das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen Auskunft aus Strafakten von der Strafverfolgungsbehörde zu erhalten. Er regelt also nur die Informationsweitergabe durch die Strafverfolgungsbehörden an die öffentlichen Stellen und nicht den Informationseingang bei der Strafverfolgungsbehörde, d.h. das Ersuchen der Strafverfolgungsbehörde um Daten von anderen öffentlichen Behörden.105 103 AG Wolfratshausen, StV 1995, 355; Bull, DÖV 1979, 689, 692, 693; Erbguth in: Sachs, GG, Art. 35, Rn. 27; Jarass/Pieroth, GG, Art. 35, Rn. 2; Riegel, DVBl. 1988, 121, 122; Rosenbaum, Jura 1988, 178, 184; Seer, StuW 1991, 165, 167; Stern, AöR 109 (1984), 199, 232. 104 Bull, DÖV 1979, 689, 692; Heußner, BB 1990, 1281, 1283; Jarass/Pieroth, GG, Art. 35, Rn. 2; Rosenbaum, Jura 1988, 178, 184; Seer, StuW 1991, 165, 167. 105 Hilger in: LR, StPO, Vor § 474, Rn. 2; Anders liegt es aber im Fall des Akteneinsichtsverlangens in Strafakten durch Gerichte, Staatsanwaltschaften und sonstige Justizbehörden. Hier ergänzt § 474 Abs. 1 StPO die §§ 161, 163 StPO, die sich nur auf die behördliche Auskunft beschränken, vgl. BT-Drucks. 14/1484, S. 26; Meyer-Goßner, StPO, § 474, Rn. 1, 2, 5; Temming in: HK, StPO, § 474, Rn. 2.

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(3) §§ 161 Abs. 1, 95 StPO Als Ermächtigungsgrundlage für die Informationsweitergabe durch den PUA auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft kommen somit nur die §§ 161 Abs. 1, 95 StPO in Betracht. Nach § 161 Abs. 1 StPO ist die Staatsanwaltschaft befugt, zum Zwecke der Ermittlung des Sachverhalts im Ermittlungsverfahren von allen Behörden Auskunft zu verlangen, soweit nicht andere gesetzliche Bestimmungen ihre Befugnis besonders regeln. Gemäß §§ 202, 244 Abs. 2 StPO steht diese Befugnis auch dem Gericht zu.106 Damit korrespondiert zugleich eine Pflicht der ersuchten Behörde zur Weitergabe.107 Nach § 95 StPO haben Behörden die in ihrem Gewahrsam befindlichen Akten und anderen Schriftstücke auf Verlangen herauszugeben. Der Begriff „in amtlicher Verwahrung befindlicher Schriftstücke“ ist weit zu verstehen; er erfasst auch private Unterlagen, welche die Behörde wegen ihres Inhalts in amtliche Verwahrung genommen hat.108 (a) Behördeneigenschaft des Untersuchungsausschusses § 161 Abs. 1 StPO gilt jedoch nur für Ersuchen der Staatsanwaltschaft, die an eine Behörde gerichtet sind. Nach § 1 VwVfG ist eine Behörde jede Stelle, die eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Ob ein PUA eine Behörde ist, ist streitig. Eine Ansicht lehnt die Behördeneigenschaft ab, da ein PUA keine auf Dauer geschaffene Stelle, die Aufgaben der Exekutive wahrnehme, sondern eine ad hoc eingesetzte Institution der Legislative sei. Daher sei die Einführung des Art. 44 Abs. 3 GG erforderlich gewesen, der ansonsten überflüssig wäre, weil sich eine Amtshilfepflicht bereits aus Art. 35 GG ergeben hätte. Nach Art. 44 Abs. 3 GG könne der PUA zwar andere Behörden um Amtsund Rechtshilfe ersuchen, aber nicht selbst zu deren Leistung verpflichtet werden.109 Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG verleihe dem PUA durch die Einräumung von Zwangsbefugnissen eher eine gerichtsähnliche als eine behördenähnliche Funktion.110 Dennoch schreiben innerhalb dieser Ansicht einige 106 BVerfG, NJW 1981, 1719, 1723; BGHSt. 36, 328, 337 = BGH, NJW 1990, 1426, 1428. 107 OLG Karlsruhe, NJW 1986, 145, 146; Kurth, NStZ 1983, 541, 543; MeyerGoßner, StPO, § 161, Rn. 1a; Pfeiffer, StPO, § 161, Rn. 2. 108 Meyer-Goßner, StPO, § 96, Rn. 3; Pfeiffer, StPO, § 96, Rn. 2. 109 OVG Lüneburg, DVBl. 1986, 476; Di Fabio, Rechtsschutz, 80 f.; Dreher, Amtshilfe, 43 f.; Engel, Stasiunterlagen, 228 f.; Lässig, DÖV 1976, 727, 731; Rosenberg, 34. DJT/I, 3, 27; Schneider, Aktenvorlage, 65; Vetter, DÖV 1986, 590, 596. 110 Di Fabio, Rechtsschutz, 73, 78; Stern, AöR 109 (1984), 199, 217 f.

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Vertreter dem PUA zumindest dann eine behördenähnliche Qualität zu, wenn er wie eine Behörde Zwangs- bzw. Ermittlungsmaßnahmen ausführt.111 Die wohl h. M. bejaht die Behördeneigenschaft des Untersuchungsausschusses112, weil Art. 44 Abs. 3 GG dem PUA das Recht, um Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen, ausdrücklich einräumt und der PUA nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen anwenden darf, also hoheitliche Befugnisse ausübt. Weder die nur fakultative Einrichtung eines Untersuchungsausschusses noch seine zeitlich beschränkte Existenz schlössen die Behördeneigenschaft im verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinne aus, da das dauerhafte Wirken und Bestehen einer Institution kein konstitutives Merkmal der Behörde seien.113 § 96 StPO spricht zumindest für eine behördenähnliche Eigenschaft des Untersuchungsausschusses. Die Regelung bringt zum Ausdruck, dass auch das Parlament der Amtshilfepflicht in den Grenzen des § 96 StPO unterliegen soll. § 96 Abs. 1 S. 2 StPO stellt das Parlament einer Behörde gerade gleich, obwohl es sich um ein Legislativorgan handelt. Als Hilfsorgan des Parlaments ist der PUA konsequenterweise einer Behörde gleichzusetzen.114 Zudem kann der PUA Ermittlungs- und Zwangsmaßnahmen durchführen, zu deren Vornahme – neben Gerichten – regelmäßig nur Behörden befugt sind. Deshalb kann auch ein PUA tauglicher Adressat eines Ersuchens der Staatsanwaltschaft nach §§ 95, 161 Abs. 1 StPO sein. (b) §§ 161 Abs. 1, 95 StPO als spezialgesetzliche Amtshilferegelung Entstehungsgeschichte und Systematik der StPO sprechen dafür, dass die §§ 161 Abs. 1, 95 StPO nicht nur einfachgesetzliche Wiederholungen der formellen Amtshilferegelung sind, sondern eine über diese hinausgehende spezialgesetzliche Auskunfts- und Herausgabepflicht begründen. 111

So wohl Berthy in: Damkowski, Untersuchungsausschuss, 49. BVerfG, NVwZ 1994, 54, 55; BVerwG, BayVBl. 1981, 214; OVG Berlin, DVBl. 1970, 293, 294; OVG Münster, DVBl. 1987, 100, 102; OLG Köln, NJW 1985, 336; OLG Stuttgart, NJW 1996, 1908; Anschütz, WRV, Art. 34, Anm. 4, 219 f.; Engel, Stasiunterlagen, 228; Erbguth in: Sachs, GG, Art. 35, Rn. 7; Jarass/ Pieroth, GG, Art. 35, Rn. 3; Art. 44, Rn. 1; offen gelassen Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 225, er nimmt aber zumindest einen behördenähnlichen Charakter an; v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schulte, Bonner GG, Art. 44, Rn. 186; Meyer, Rechtsgutachten I, 35 f., 86; Richter II, Lüderssen-FS, 739, 747. 113 OVG Berlin, DVBl. 1970, 293, 294; OVG Münster, DVBl. 1987, 100, 102; Engel, Stasiunterlagen, 228 f., Meyer, Rechtsgutachten I, 34, 35. 114 Engel, Stasiunterlagen, 228 f.; Schneider, Aktenvorlage, 65. 112

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§§ 95, 161 Abs. 1 StPO sind bereits vor Inkrafttreten des Grundgesetzes zu einer Zeit entstanden, in der die Amtshilfe nur lückenhaft geregelt war. Die Vorschriften sollten als spezialgesetzliche Grundlage der Staatsanwaltschaft zur Erforschung des Sachverhalts die Befugnis einräumen, von den Behörden die erforderlichen Auskünfte einzuholen und bestimmte Schriftstücke herauszuverlangen.115 Sie stellen also selbstständige Regelungen dar, die lediglich auf dem Amtshilfegrundsatz basieren. § 96 StPO ist zudem hinter §§ 94, 95 StPO angeordnet und steht deshalb in Beziehung zu diesen Regelungen.116 Daraus ist zu folgern, dass § 96 StPO nicht nur eine Beschränkung der allgemeinen Amtshilfepflicht aus Art. 35 GG117, sondern eine Beschränkung der besonders geregelten Pflicht zur Aktenherausgabe darstellt. Der Gesetzgeber hat den Interessenskonflikt zwischen Wahrheitsfindung und behördlichem Geheimnisschutz im Strafverfahren durch § 161 StPO und § 95 StPO zu Gunsten der Strafrechtspflege entschieden und eine nahezu uneingeschränkte, über die allgemeine Amtshilfepflicht nach Art. 35 GG hinausgehende, spezielle Auskunfts- und Herausgabepflicht der Behörden statuiert.118 Die Informations- und Herausgabepflicht geht der Pflicht zur Wahrung des allgemeinen Dienstgeheimnisses grundsätzlich vor. Ihre Grenze findet sie nur in den Beschlagnahmeverboten nach § 97 StPO, der Sperrerklärung nach § 96 StPO, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und speziellen Geheimhaltungspflichten.119 Anders als Art. 35 GG sind die §§ 161, 95 StPO damit spezialgesetzliche Regelungen, die – unter 115

Kurth, NStZ 1983, 541, 543; Reiß, StV 1988, 31, 33; Stratenwerth, JZ 1959,

693. 116 OLG Karlsruhe, NJW 1986, 145, 146; Meyer-Goßner, StPO, § 96, Rn. 1; wohl auch Müller in: KMR, StPO, § 96, Rn. 1; Nack in: KK, StPO, § 96, Rn. 1; a. A.: Reiß, StV 1988, 31, 33 f., der davon ausgeht, dass § 96 StPO zwar im Zusammenhang mit § 95 StPO stehe, aber keine spezialgesetzliche Ausprägung der allgemeinen Amtshilfe, sondern Bestandteil des von der allgemeinen Amtshilfe zu unterscheidenden Beweiserhebungsrechts sei. 117 So aber Rudolphi in: SK, StPO, § 96, Rn. 2; Schäfer in: LR, StPO, § 96, Rn. 1, 5; Schneider, Aktenvorlage, 46. 118 BVerfGE 57, 250, 282 = NJW 1981, 1719, 1723; BGHSt. 36, 328, 337; OLG Karlsruhe, NJW 1986, 145, 146; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 107 für § 161 StPO; Kurth, NStZ 1983, 541, 543; Meyer-Goßner, StPO, § 96, Rn. 1, § 161, Rn. 1a; Pfeiffer, StPO, § 161, Rn. 2; wohl auch Plöd in: KMR, StPO, § 161, Rn. 2; Reiß, StV 1988, 31, 35 f. für § 161 StPO; Rieß in: LR, StPO, § 161, Rn. 5; Rogall, ZStW 103 (1991), 907, 936, Fn. 170; zweifelnd Stratenwerth, JZ 1959, 693; unklar Taschke, CR 1989, 410; Wache in: KK, StPO, § 161, Rn. 2; Wagner, JZ 1987, 705, 709; Wolter, Jura 1992, 520, 523; a. A.: Meyer-Teschendorf, JuS 1981, 187, 192. 119 OLG Karlsruhe, NJW 1986, 145, 146; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 108 ff.; Meyer-Goßner, StPO, § 161, Rn. 3 ff.; Pfeiffer, StPO, § 161, Rn. 3 ff.

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dem Vorbehalt ihrer Wirksamkeit – den durch die Datenweitergabe verursachten Grundrechtseingriff legitimieren. (c) Wirksamkeit der §§ 161, 95 StPO Die Ermächtigungsgrundlage muss zum Schutz vor einer Zweckentfremdung der Daten die Voraussetzungen und den Umfang der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG für den Bürger klar regeln und die Verwendung der von einer anderen Stelle erhobenen personenbezogenen Daten durch die Strafverfolgungsbehörden bereichsspezifisch begrenzen. Wegen der Vielschichtigkeit und der Komplexität der zu regelnden Materien genügt es aber, wenn der Inhalt der Regelung durch Auslegung zu ermitteln ist.120 §§ 95, 161 Abs. 1 StPO regeln erkennbar die Voraussetzungen, unter denen eine Beschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zulässig sein soll. Die Grenzen der Auskunfts- und Herausgabepflicht der Behörden gegenüber den Strafverfolgungsbehörden folgen aus besonderen gesetzlichen Geheimhaltungspflichten, z. B. aus § 30 AO, § 35 SGB I, § 88 TKG, §§ 96, 97, 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 S. 2 StPO. Zudem ergibt sich – zumindest im Wege der Auslegung121 –, dass die Strafverfolgungsbehörden die von der Behörde – hier dem PUA – übermittelten Daten nur zur Sachverhaltsaufklärung im konkreten Strafverfahren nutzen dürfen. Darüber hinaus muss die Auskunfts- und Herausgabepflicht nach §§ 95, 161 Abs. 1 StPO den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren. Das Auskunfts- und Herausgabeverlangen soll eine ausreichende Tatsachengrundlage sicherstellen, um den staatlichen Strafanspruch – ein verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut122 – durchzusetzen. Die Auskunfts- und Herausgabepflicht der Behörden ist grundsätzlich geeignet, den Strafverfolgungsbehörden gute Beweismittel zu liefern, und zu diesem Zweck auch erforderlich. §§ 95, 161 StPO wahren auch die Zweck-Mittel-Relation, weil eine wirksame Strafrechtspflege einen hohen Verfassungsrang besitzt und deshalb gegenüber privaten oder dienstlichen Geheimhaltungsinteressen grundsätzlich Vorrang hat. Ausnahmsweise beschränken spezialgesetzliche Geheimhaltungsregelungen (z. B. § 30 AO, § 35 SGB I) und Beschlagnahmeverbote nach § 97 StPO die behördliche Auskunfts- und Herausgabepflicht, wenn besonders sensible Informationen betroffen sind. Die ersuchte Behörde kann im Einzelfall die Auskunft oder Herausgabe verwei120

BVerfGE 48, 48, 56; 78, 205, 212; 78, 374, 389; 84, 133, 149; 86, 288, 311; Sachs in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 127. 121 2. Kapitel, C. III. 2. a) aa). 122 BVerfGE 34, 238, 248 f.; 80, 367, 375.

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gern, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, dass das Bekanntwerden des Inhalts – entsprechend § 96 StPO – dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteil bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben erheblich gefährdet oder erschwert würde.123 §§ 161 Abs. 1, 94, 95 StPO stellen somit verfassungsgemäße Befugnisnormen zur Weitergabe personenbezogener Informationen124 durch den PUA an die Strafverfolgungsbehörden dar, die den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich rechtfertigen. dd) Spezielle Befugnisnorm für die Datenweitergabe an den PUA (1) Art. 44 Abs. 3 GG / § 18 Abs. 4 PUAG Art. 44 Abs. 3 GG ist dagegen als „formelle“ Amtshilferegelung nicht geeignet, den durch die Informationsweitergabe verursachten Eingriff in Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu rechtfertigen. Er erlaubt nur eine Informationsübermittlung zwischen den Behörden oder zwischen Gericht und Behörde, die nicht den Rechtskreis des Bürgers berührt. Greift die Informationsweitergabe in die Grundrechte des Bürgers ein, ist eine spezialgesetzliche Regelung nötig125, welche die tatbestandlichen Voraussetzungen – den Anforderungen des Volkszählungsurteils entsprechend – festlegt126. Gleiches gilt für § 18 Abs. 4 PUAG, weil er den Inhalt des Art. 44 Abs. 3 GG lediglich einfach-gesetzlich wiederholt. (2) §§ 161 Abs. 1 S. 1, 95 Abs. 1, 474 Abs. 1 StPO Eine spezialgesetzliche Befugnis zur Informationsübermittlung durch die Staatsanwaltschaft und das Gericht an den PUA könnte in den §§ 161 Abs. 1 S. 1, 95 Abs. 1, 474 Abs. 1 StPO zu finden sein. Der PUA wäre nach § 161 Abs. 1 S. 1 StPO i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG befugt, von allen Behörden Auskunft zu erhalten, soweit nicht andere gesetzliche Bestimmungen ihre Befugnisse besonders regeln. Bei sinngemäßer Anwen123 OLG Karlsruhe, NJW 1986, 145, 146; Kurth, NStZ 1983, 541, 543; MeyerGoßner, StPO, § 161, Rn. 1a; Pfeiffer, StPO, § 161, Rn. 2; Taschke, CR 1989, 410, 411; Walter, NJW 1978, 868, 869 f. 124 OLG Karlsruhe, NJW 1986, 145, 146; wohl auch Berthy in: Damkowski, Untersuchungsausschuss, 49. 125 Erbguth in: Sachs, GG, Art. 35, Rn. 27; Gubelt in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 35, Rn. 15; Jarass/Pieroth, GG, Art. 35, Rn. 2; Kamlah, NJW 1976, 510; a. A. wohl: Pfeiffer, StPO, § 474, Rn. 5. 126 Bull, DÖV 1979, 689, 692; Kamlah, NJW 1976, 510; Seer, StuW 1991, 165, 167; Wolter, Jura 1992, 520, 523.

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dung des § 95 Abs. 1 StPO könnte der PUA unter Beachtung des § 96 StPO die Vorlage im Gewahrsam der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts befindlicher Akten verlangen. Nach § 474 Abs. 1 StPO wäre dem PUA Akteneinsicht von Gerichten, Staatsanwaltschaften und anderen Justizbehörden zu gewähren. (a) Anwendbarkeit der Regelungen im PUV § 474 Abs. 1 StPO regelt die Gewährung von Akteneinsicht und Auskunftserteilung über Daten eines Strafverfahrens an amtliche Stellen im Wege der Amts- und Rechtshilfe. Er statuiert eine spezialgesetzlich geregelte Pflicht zur Gewährung von Akteneinsicht und Auskunftserteilung127, stellt also eine über die bloße Amts- und Rechtshilferegelung des Art. 35 GG hinausgehende spezielle Ermächtigungsgrundlage für eine Informationsübermittlung zu verfahrensexternen Zwecken dar. Seinem Wortlaut nach gilt § 474 Abs. 1 StPO jedoch nur für die Staatsanwaltschaft, das Gericht und andere Justizbehörden (z. B. Polizei und Finanzbehörden, soweit sie strafverfolgend tätig werden) zum Zwecke der Rechtspflege. Nach der Entwurfsbegründung soll § 474 Abs. 1 StPO aber sinngemäß auch auf das PUV angewendet werden. Eine ausdrückliche Aufnahme des Untersuchungsausschusses als Anspruchsberechtigter sei nicht nötig, weil sich die sinngemäße Anwendung bereits aus Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG ergebe128. Die Entwurfsverfasser gingen also davon aus, dass Auskunfts-, Akteneinsichts- und -vorlagerecht dem Beweiserhebungsrecht im Sinne des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG unterfallen. Auch die Anordnung in § 474 Abs. 6 StPO, nach der landesgesetzliche Regelungen zum Akteneinsichtsrecht eines Untersuchungsausschusses unberührt bleiben, zeigt, dass § 474 Abs. 1 StPO ein Akteneinsichtsrecht für parlamentarische Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages verleihen soll. Die aktenführenden Strafverfolgungsbehörden und Gerichte sind folglich bei sinngemäßer Anwendung des § 474 Abs. 1 StPO i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG verpflichtet, Untersuchungsausschüssen des Bundestages Akteneinsicht zu gewähren129, sofern diese für Zwecke der parlamentarischen Kontrolle, also zur Erfüllung des konkreten Untersuchungsauftrages erforderlich ist. 127

Temming in: HK, StPO, § 474, Rn. 1; wohl auch Meyer-Goßner, StPO, § 474, Rn. 1, 2, der die Aktenübersendung an übergeordnete Stellen zur Wahrnehmung der Aufsichts-, Kontroll- und Weisungsbefugnisse, die keinen Fall der Amtshilfe darstellen, nicht als von der Regelung erfasst sieht. 128 BT-Drucks. 14/1484, S. 26. 129 BT-Drucks. 14/1484, S. 26; Gemählich in: KMR, StPO, § 474, Rn. 12; Meyer-Goßner, StPO, § 474, Rn. 9; Pfeiffer, StPO, § 474, Rn. 5; Temming in: HK, StPO, § 474, Rn. 4.

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§ 474 Abs. 1 StPO verpflichtet nicht nur zur Gewährung der Akteneinsicht, sondern die Vorschrift enthält als Minus die Pflicht zur Auskunftserteilung über Informationen aus den Akten. Die ersuchende Behörde muss aber nicht vorrangig die Auskunft aus den Akten verlangen.130 Die ersuchte Behörde darf die Akteneinsicht nicht selbst auf einzelne Aktenteile beschränken, denn den Umfang der Akteneinsicht bestimmt allein die ersuchende Behörde. Damit enthält § 474 Abs. 1 StPO eine spezielle Befugnis für eine Informationsübermittlung durch Auskunftserteilung aus Akten oder Akteneinsicht. § 474 Abs. 1, 5 StPO erlaubt zudem eine Aktenvorlage an Behörden, die nicht an dem konkreten Strafverfahren beteiligt sind. Eines Rückgriffs auf § 95 Abs. 1 StPO bedarf es somit nicht. Der Auskunftsanspruch nach § 161 Abs. 1 StPO ist nicht vollständig identisch mit dem Akteneinsichtsrecht, sondern er umfasst darüber hinaus die Pflicht, behördliches Wissen zu offenbaren, das nicht aktenmäßig gespeichert ist.131 Sinn und Zweck des Untersuchungsverfahrens, schnellstmöglich und effektiv den Untersuchungsgegenstand auf der Grundlage guter Beweismittel aufzuklären, erfordern es, dass der PUA auch Auskünfte über behördliche Erkenntnisse, die nicht in Akten enthalten sind, einholen kann. § 161 Abs. 1 StPO findet deshalb gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG sinngemäß auf das PUV Anwendung, so dass der PUA von allen Behörden, also auch von der Polizei, der Staatsanwaltschaft und den Gerichten, Auskünfte verlangen darf. § 474 Abs. 1 StPO ergänzt die Befugnis des Untersuchungsausschusses zum Verlangen nach Auskunftserteilung aus § 161 Abs. 1 StPO um das Recht, Einsicht in Strafakten und Auskunft daraus zu erhalten, wenn eine Auskunft nach § 161 Abs. 1 StPO dem Ermittlungszweck nicht genügen würde.132 Befinden sich neben den Akten andere Schriftstücke oder sonstige Gegenstände in der Verwahrung der Strafverfolgungsbehörden, dann kann der PUA in sinngemäßer Anwendung des § 95 StPO die Herausgabe der Gegenstände oder nach § 474 Abs. 4 StPO deren Besichtigung verlangen, wenn die Gegenstände oder sonstigen Schriftstücke als Beweismittel für den PUA zur Erfüllung des konkreten Untersuchungsauftrags von Bedeutung sind. Denn nur auf der Grundlage guter Beweismittel ist der PUA imstande, seinen Untersuchungsauftrag zu erfüllen. 130 Hilger, NStZ 2001, 15, Fn. 61; Hilger in: LR, StPO, § 474, Rn. 3; MeyerGoßner, StPO, § 474, Rn. 2; Temming in: HK, StPO, § 474, Rn. 4. 131 Pfeiffer, StPO, § 161, Rn. 2. 132 Zum Verhältnis von § 474 StPO zu den §§ 161 Abs. 1, 163 Abs. 1, 202, 244 Abs. 2 StPO: BT-Drucks. 14/1484, S. 26; Hilger, NStZ 2000, 15; Hilger in: LR, StPO, § 474, Rn. 4; Meyer-Goßner, StPO, § 474, Rn. 2; Temming in: HK, StPO, § 474, Rn. 2.

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2. Kap.: Das Nebeneinander von Strafverfahren und PUV

(b) Wirksamkeit der §§ 95, 161 Abs. 1 bzw. § 474 Abs. 1 StPO § 474 Abs. 1 StPO bzw. §§ 161 Abs. 1, 95 StPO würden eine Informationsübermittlung an den PUA im Wege der Amtshilfe jedoch nur legitimieren, wenn sie die Anforderungen erfüllen, die das BVerfG zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aufgestellt hat. Sie müssen also dem Grundsatz der Normenklarheit genügen und den Verwendungszweck hinreichend beschränken. Oben133 ist bereits festgestellt worden, dass die Regelungen der §§ 161, 95 StPO den Anforderungen des BVerfG entsprechen, da sie aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung unter Berücksichtigung des Zwecks von Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, dem PUA zur Aufklärung des Untersuchungsauftrages die strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen, die Voraussetzungen und die erforderliche Zweckbindung hinreichend klar erkennen lassen. Die Datenübermittlung im Wege der Auskunftserteilung oder der Herausgabe der Schriftstücke oder Gegenstände darf allerdings nur zum Zwecke der Erfüllung des konkreten Untersuchungsauftrages erfolgen. Auch § 474 Abs. 1 StPO normiert erkennbar die Tatbestandsvoraussetzungen, den Adressatenkreis sowie die Rechtsfolge des Akteneinsichtsrechts. Er begrenzt zudem den Verwendungszweck der übermittelten Daten auf die Rechtspflege. Bei sinngemäßer Anwendung des § 474 StPO ist dem PUA die Akteneinsicht daher nur zur Ausübung des parlamentarischen Kontrollrechts zu gestatten. § 477 Abs. 5 StPO konkretisiert den Begriff „Zweck der Rechtspflege“ dahingehend, dass die Behörde die übermittelten Informationen nur zu dem Zweck verwenden darf, zu dem die ersuchte Behörde die Daten weitergegeben hat. Der PUA darf die übermittelten Daten daher regelmäßig ausschließlich zur Aufklärung des konkreten Untersuchungsauftrages nutzen. Damit stellt § 477 Abs. 5 StPO die erforderliche bereichsspezifische Zweckbindung auf.134 Die Ermächtigungen zur Datenübermittlung in §§ 95, 161 Abs. 1, 474 Abs. 1 StPO wahren auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da die Datenübermittlung zur Verwirklichung des bereichsspezifisch festgelegten Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen ist.135 Die Informationsübermittlungen durch die Strafverfolgungsbehörden an den PUA aus Strafverfahren mit dem gleichen Untersuchungsgegenstand sind nämlich geeignet, 133

2. Kapitel, C. III. 2. a) cc) (3) (c). Allgemein zu § 477 Abs. 5 StPO: Hilger, NStZ 2001, 15, 16; Meyer-Goßner, StPO, § 477, Rn. 15; Pfeiffer, StPO, § 477, Rn. 5; Temming in: HK, StPO, § 477, Rn. 8. 135 BVerfG, NJW 2000, 55, 56; Hilger in: LR, StPO, Vor § 474, Rn. 5, 6. 134

C. Freier Informationsaustausch zwischen Strafverfahren und PUV

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das parlamentarische Kontrollrecht zu gewährleisten und die Demokratie zu stärken, indem sie zur Sachverhaltsaufklärung im PUV beitragen. § 474 Abs. 1 StPO stellt außerdem das Akteneinsichtsrecht selbst unter die Voraussetzung der Erforderlichkeit, um dem Verhältnismäßigkeitsprinzip gerecht zu werden.136 Die ersuchende Behörde muss also selbstständig die Erforderlichkeit ihres Ersuchens prüfen137, ist aber nicht verpflichtet, auf Verlangen der ersuchten Behörde die Gründe für die Erforderlichkeit darzulegen. Diese wird unwiderlegbar vermutet, wenn die ersuchende Behörde die Akteneinsicht auf der Grundlage eines gerichtlichen Beschlusses für Zwecke eines anderen Verfahrens begehrt oder in dem Verfahren der Amtsermittlungsgrundsatz gilt138 und die Verfahrensordnung ein Akteneinsichtsoder Auskunftsrecht gegenüber den Ermittlungsbehörden enthält139. Zur Wahrung der Angemessenheit der Akteneinsicht beschränkt § 477 Abs. 2 S. 2 StPO n. F. die Übermittlungsbefugnis, wenn die Daten im Strafverfahren durch besonders nachhaltig in die Grundrechte der Betroffenen eingreifende Maßnahmen, z. B. Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, gewonnen wurden. Darüber hinaus ist die Akteneinsicht zu versagen, wenn bundes- oder landesrechtliche Verwendungsbeschränkungen entgegenstehen oder die Übermittlung Zwecken des Strafverfahrens zuwider läuft. Letzteres ist z. B. der Fall, wenn die Akteneinsicht den Verfahrenszweck gefährdet, das Verfahren in überflüssiger Weise erheblich verzögert oder infolge des Aufwandes belastet.140 Als weniger intensives Mittel kann die Strafverfolgungsbehörde dann Auskunft über die in den Akten enthaltenen Informationen erteilen oder Abschriften überlassen, um eine Verfahrensverzögerung durch eine Aktenübersendung oder einen unverhältnismäßigen Aufwand durch die Auskunftserteilung zu verhindern. Nach § 474 Abs. 5 StPO hat sie auch die Möglichkeit, die Akten zur Einsichtnahme zu übersenden. §§ 474 ff. StPO erfüllen somit die verfassungsrechtlichen Anforderungen.141 §§ 161 Abs. 1, 95 StPO wahren bei verfassungskonformer Auslegung unter Beachtung der spezialgesetzlichen Geheimhaltungsinteressen, der Verwendungsbeschränkung für Daten aus besonders schwerwiegenden Ermittlungsmaßnahmen nach § 161 Abs. 2 StPO n. F., der Beschlagnahmeverbote 136

Pfeiffer, StPO, § 474, Rn. 2; Temming in: HK, StPO, § 474, Rn. 5. Hilger in: LR, StPO, § 474, Rn. 6; Temming in: HK, StPO, § 474, Rn. 5. 138 Zur Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes im PUV: 1. Kapitel, B. II. 2. a). 139 BT-Drucks. 14/1484, S. 26; Hilger in: LR, StPO, § 474, Rn. 6; Meyer-Goßner, StPO, § 474, Rn. 4; Pfeiffer, StPO, § 474, Rn. 2; Temming in: HK, StPO, § 474, Rn. 5. 140 Meyer-Goßner, StPO, § 477, Rn. 4; Pfeiffer, StPO, § 477, Rn. 2; Temming in: HK, StPO, § 477, Rn. 3. 141 Wohl auch Hilger in: LR, StPO, Vor § 474, Rn. 14. 137

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2. Kap.: Das Nebeneinander von Strafverfahren und PUV

und der Regelung des § 96 StPO ebenfalls den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.142 Die Vorschriften bilden damit taugliche spezialgesetzliche Befugnisnormen für die Übermittlung von Informationen durch die Staatsanwaltschaft, die Gerichte und sonstige Justizbehörden an den PUA.143 b) Zwischenergebnis Grundsätzlich ist ein Austausch der Informationen und der Beweismittel zwischen PUV und Strafverfahren zulässig.144 Ein Verbot des freien Austausches personenbezogener Daten folgt nicht aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. §§ 95, 161 Abs. 1 StPO bzw. §§ 202, 244 Abs. 2 StPO erlauben dem PUA, auf Verlangen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts an diese Stellen personenbezogene Daten weiterzugeben, und legitimieren damit den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Weitergabe. Gleiches gilt nach §§ 474 Abs. 1, 161 Abs. 1, 95 StPO für den Informationstransfer personenbezogener Daten durch die Staatsanwaltschaft oder das Strafgericht an den PUA. Nur im Einzelfall kann die ersuchte Behörde die Auskunft oder Akteneinsicht verweigern, wenn die Datenweitergabe den Untersuchungszweck des Verfahrens der ersuchten Stelle erheblich gefährden würde oder wenn besondere Verwendungs- bzw. Übermittlungsbeschränkungen entgegenstehen (§§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 StPO).

D. Ergebnis Ein Nebeneinander von PUV und Strafverfahren, denen ganz oder teilweise die gleichen Untersuchungsgegenstände zu Grunde liegen, sowie ein gegenseitiger Informationsaustausch der ermittelten Informationen sind mit der Verfassung vereinbar und gewährleisten grundsätzlich ein eigenständiges und effektives parlamentarisches Untersuchungsrecht. Zwar ist nicht auszuschließen, dass sich beide Verfahren infolge ihres gleichzeitigen Ablaufs der Ermittlungen beeinflussen können. Die Gefahren einer Beeinflussung sind jedoch auf das mögliche Mindestmaß (im Sinne einer praktischen 142

Siehe 2. Kapitel, C. III. 2. a) cc) (3) (c). Offen gelassen von BGH, wistra 2001, 186. 144 I. E. OLG Köln, NStZ 1986, 88, 89; Derksen, NStZ 1993, 311, 313, der speziell ein Beweisgewinnungsverbot nach § 353d StGB für den PUA ablehnte, Jekewitz, NStZ 1986, 90 f.; Masing, ZRP 2001, 36, 41; Schäfer, NStZ 1985, 198, 203; Vetter, ZParl 1989, 345, 360; a. A.: LG Bonn, NStZ 1986, 89 (vgl. Sachverhalt). 143

D. Ergebnis

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Konkordanz) zu reduzieren, indem beispielsweise öffentliche Stellungnahmen zum Ermittlungsstand und Wertungen vor dem Abschluss der Beweisaufnahme unterlassen, Sitzungstermine und Termine für Zeugenvernehmungen aufeinander abgestimmt oder Informationen aus Akten durch Auskünfte bzw. Kopien übermittelt werden. Eine Beeinflussung des Strafrichters durch den zeitgleichen Ablauf des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens ist nicht zu befürchten, da er imstande ist, außerhalb der Hauptverhandlung erlangte Kenntnisse nicht zu berücksichtigen und seine Entscheidung frei aufgrund seiner persönlichen Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu treffen. Beide Verfahren erfüllen wesensmäßig verschiedene Funktionen, die für einen demokratischen Rechtsstaat unabdingbar und von gleicher Bedeutung sind. Daher kann die Beseitigung der aus einem Nebeneinander beider Verfahren drohenden Gefahren nicht durch einen generellen Ausschluss eines der Verfahren oder des freien Informationsaustauschs erfolgen. Die Lösung muss auf anderer Ebene gesucht werden.

3. Kapitel

Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte infolge des Nebeneinanders der Verfahren Bei zeitgleichem Ablauf des parlamentarischen Untersuchungs- und des Strafverfahrens mit – teilweise – übereinstimmenden Verfahrensgegenständen können sich negative Auswirkungen für den Betroffenen ergeben. Die möglichen Konflikte sind nach dem im 2. Kapitel erörterten Grundsatz der praktischen Konkordanz1 so aufzulösen, dass einerseits dem Aufklärungsinteresse des parlamentarischen Untersuchungsausschusses und andererseits den Rechten des Betroffenen, der zugleich Beschuldigter im Strafverfahren ist, sowie der Funktionstüchtigkeit des Strafverfahrens die größtmögliche Entfaltung ermöglicht wird.

A. Gesetzeslage und Streitstand zur Rechtsstellung des Betroffenen im PUV Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG verweist für die Beweiserhebung auf die Regelungen des Strafprozesses. Dieser Verweis könnte sowohl auf die Vorschriften zur Rechtsstellung des Beschuldigten in §§ 133 ff. StPO als auch auf die der Rechtsstellung des Zeugen in §§ 48 ff. StPO Bezug nehmen. Da sich das Strafverfahren gegen eine konkrete Person – den Beschuldigten – als den für eine Straftat möglicherweise Verantwortlichen richtet und das PUV unter Umständen ein konkretes Fehlverhalten des Betroffenen zum Gegenstand hat, scheint der Betroffene eine dem Beschuldigten im Strafverfahren vergleichbare Rechtsstellung innezuhaben. Gegen diese Sicht lässt sich jedoch ins Feld führen, dass die Strafgerichte – im Gegensatz zum PUA2 – die persönliche Schuld des Angeklagten wegen der Begehung einer Straftat untersuchen, um gegebenenfalls – entsprechend der festgestellten Tatschuld – eine Strafe zu verhängen. In Rechtsprechung und Literatur ist deshalb umstritten, welche Rechtsstellung der Betroffene hat. Sie ist aber für Art und Umfang der Beweiserhebungsmaßnahmen von grundlegender Bedeutung. Wäre der Betroffene 1 2

2. Kapitel, B. III. 4. b). Keine Sanktionsverhängung durch den PUA: 1. Kapitel, B. II. 2. b) bb).

A. Gesetzeslage zur Rechtsstellung des Betroffenen im PUV

165

nämlich nicht Beschuldigter, sondern Zeuge, so träfen ihn Pflichten – namentlich Aussage-, Erscheinens- und Wahrheitspflicht –, die er als Beschuldigter nicht hätte. Die auferlegte Zeugnispflicht würde nur durch Zeugnisund Auskunftsverweigerungsrechte beschränkt. Wäre der Betroffene im PUV dagegen wie ein Beschuldigter im Strafverfahren zu behandeln, dann wäre er zwar vor einer Anwendung von Zwang zur aktiven Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung geschützt, müsste aber Eingriffsmaßnahmen – wie Beschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen u. ä. – dulden, die gegen einen Zeugen unter Umständen nicht oder nur unter strengeren Voraussetzungen zulässig wären.3 Dennoch dürfte der Sachverhalt durch den PUA besser aufzuklären sein, wenn der Betroffene – wie ein Zeuge – aussagen und mitwirken, z. B. Unterlagen herausgeben müsste. Die Beschränkung auf den Zeugenstatus würde aber rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechen, wenn durch die aktive Mitwirkung des Betroffenen bei der Sachverhaltsaufklärung im PUV wesentliche Schutzrechte des Beschuldigten im Strafverfahren umgangen würden.

I. Gesetzliche Regelungen Das PUAG betrachtet alle Aussagepersonen als Zeugen, um Diskussionen und Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Feststellung des Betroffenenstatus oder einer Beschuldigtenstellung zu vermeiden. Die Plenarprotokolle belegen aber, dass die Entwurfsverfasser damit nicht völlig ausschließen wollten, dass die Gerichte der Aussageperson im konkreten Einzelfall bei Vorliegen besonderer Umstände den Betroffenenstatus mit Sonderrechten einräumen.4 Die meisten Untersuchungsausschussgesetze der Länder regeln zwar die Rechtsstellung des Betroffenen, sie tun dies aber nicht einheitlich. Nach Art. 13 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BayUAG (Anlage 5 zur GO des Bayerischen Landtages) darf der PUA die betroffenen Personen nicht als Zeugen vernehmen, sondern muss sie nach Art eines Beschuldigten anhören. Gemäß § 18 Abs. 3 UAG Schleswig-Holstein ist ein Betroffener, gegen den sich die Untersuchung richtet, nur zu vernehmen, wenn der PUA mit einem Fünftel seiner Mitglieder die Vernehmung zur Sachverhaltsaufklärung für erforderlich hält. Die Untersuchungsausschussgesetze von Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen sehen alle Aussagepersonen einheitlich als Zeugen an. Auch nach den Untersuchungsausschussgesetzen der Länder Sachsen, Baden-Württemberg, Thüringen, Hamburg, Saarland und Rheinland-Pfalz ist der Betroffene als 3 4

Näher im 4. Kapitel, 1. Abschnitt, B. II. 1. b) cc) (2). Plenarprotokoll 14/165, S. 16144, 16148.

166

3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Zeuge zur Aussage verpflichtet.5 Die Gesetze räumen dem Betroffenen aber weiter gehende Rechte ein, z. B. Antragsrechte, umfangreichere Auskunftsund Zeugnisverweigerungsrechte, Rechte zur Befragung von Zeugen und Sachverständigen und zur Anwesenheit bei der Beweisaufnahme, auch wenn sie nicht öffentlich stattfindet.

II. Streitstand in Rechtsprechung und Literatur Auch in der Rechtsprechung und der Literatur findet sich ein breites Meinungsspektrum zur Rechtsstellung des Betroffenen. 1. Beschuldigtenstatus des Betroffenen Zum Teil wird dem Betroffenen eines parlamentarischen Untersuchungsverfahrens dieselbe Stellung wie einem Beschuldigten im Strafverfahren zugesprochen, um den rechtsstaatlichen Grundsatz, sich nicht selbst belasten zu müssen, zu gewährleisten. Die Zeugenrechte würden den Betroffenen nämlich nicht hinreichend schützen.6 Das gelte insbesondere für § 55 StPO, da der Betroffene die Gründe für die Berechtigung eines Auskunftsverweigerungsrechts glaubhaft machen müsse und die Ausschussmitglieder, Strafverfolgungsbehörden und die Öffentlichkeit aus einer Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrechts Rückschlüsse auf die Verantwortlichkeit des Betroffenen ziehen könnten.7 Der Betroffene in einem PUV befinde sich in einem ähnlichen Interessenkonflikt wie der Beschuldigte bzw. der Angeklagte im Strafverfahren, so dass es sachgerecht sei, ihm die Schutzmechanismen eines Beschuldigten zu gewähren. Der Betroffene könne in einem späteren Strafverfahren bzw. in einem parallelen Ermittlungsverfahren seine Rechte als Beschuldigter bzw. Angeklagter nur wirkungsvoll wahrnehmen, wenn ihm im PUV diese Rechte ebenfalls zustehen.8 Zum Teil hält die Li5 § 19 UAG BW, § 19 UAG Hamburg, § 15 UAG Rheinland-Pfalz, § 54 UAG Saarland, § 19 UAG Sachsen, § 15 UAG Thüringen. 6 I. E. Heinemann, 45. DJT/II, E 53, E 59; Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, 200 ff.; Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 263; Kohlmann, JA 1984, 670, 673; Maunz in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 54 (Vorauflage); Quaas/Zuck, NJW 1988, 1873, 1877; wohl auch Rixen, JZ 2002, 435, 439 f.; Schaefer, NJW 1998, 434, 435; Schenke, JZ 1988, 805, 814 f.; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 233 ff., 253 ff. 7 Jacobi, 34. DJT/II, 69, 82 f.; Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, 200; Rosenberg, 34. DJT/I, 3, 26; Schenke, JZ 1988, 805, 814; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 255 ff. 8 Gollwitzer, Dünnebier-FS, 328, 336; Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 185 ff.; Kohlmann, JA 1984, 670, 673; Quaas/Zuck, NJW 1988, 1873, 1877; Schröder in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 46, Rn. 38.

A. Gesetzeslage zur Rechtsstellung des Betroffenen im PUV

167

teratur die Übertragung der Beschuldigtenstellung auch wegen der Öffentlichkeitswirkung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens und des Abschlussberichts, die einen ähnlichen Sanktionscharakter wie ein Strafurteil aufweisen würden, für erforderlich.9 Uneinigkeit besteht jedoch darüber, ab welchem Zeitpunkt dem Betroffenen der Beschuldigtenstatus zukomme. Während der Beschuldigtenstatus des Betroffenen im PUV von einigen erst bejaht wird, wenn gegen die Aussageperson ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde oder bereits ein strafrechtlicher Tatverdacht besteht10, nehmen andere eine Beschuldigtenstellung für alle Personen an, gegen die sich das PUV unmittelbar richtet11. 2. Differenzierte Betrachtungsweise Zum Teil wird zwischen Amtsträgern und Privatpersonen unterschieden. Privatpersonen, die von der parlamentarischen Untersuchung unmittelbar betroffen sind, seien immer Beschuldigte. Ihnen müsse, jedenfalls wenn ihnen später straf- oder verwaltungsrechtliche Konsequenzen drohen, die völlige Einlassungsfreiheit nach § 136 StPO gewährt werden.12 Die Nachteile für den Betroffenen würden zwar geringer wiegen als die Nachteile für den Beschuldigten im Strafverfahren, da sie lediglich „mittelbar“ durch die Öffentlichkeitswirkung drohten.13 Der Betroffene stehe aber ebenso wie der Beschuldigte im Mittelpunkt des Verfahrens und sei Objekt der Untersuchung. Daher ähnle seine Stellung mehr der des Beschuldigten als der des Zeugen, so dass ihm grundsätzlich die Rechte des Beschuldigten zustehen sollten.14 Eine Ausnahme soll jedoch für Auskunftspersonen bestehen, die als Abgeordnete, Minister oder sonstige Angehörige der Exekutive zu höherer Rechenschaft gegenüber der Öffentlichkeit verpflichtet sind. Aufgrund des Kontroll- und Informationsrechtes des Parlaments sei dieser Personenkreis nur auf das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO15 oder das Zeug9 Jung, Eser-FS, 335, 341, 344; Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, 132, 200 f.; Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 139 ff.; Schenke, JZ 1988, 805, 814; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 233 ff., 255 ff. 10 Kohlmann, JA 1984, 670, 673; Schröder in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 46, Rn. 38. 11 Schenke, JZ 1988, 805, 814. 12 Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 266; ders., ZRP 2001, 36, 38, 42; Müller-Boysen, Betroffener, 157 ff.; Schenke, JZ 1988, 805, 815; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 233 ff., 253 ff. 13 Müller-Boysen, Betroffener, 153. 14 Müller-Boysen, Betroffener, 157 ff. 15 Masing, ZRP 2001, 36, 38 f.; Schenke, JZ 1988, 805, 815; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 265 f.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

nisverweigerungsrecht des § 384 ZPO16 zu verweisen, damit einerseits die Informations- und Kontrollrechte des Parlaments nicht ausgehöhlt werden, andererseits aber auch der strafrechtlichen Selbstbelastungsfreiheit Rechnung getragen werde. Ein generelles Schweigerecht für diesen Personenkreis sei dem Aufklärungsinteresse des Untersuchungsausschusses in großem Maße abträglich. Diesen Aussagepersonen komme daher nur die Zeugenstellung zu. Eine andere Auffassung differenziert nach der Art der parlamentarischen Untersuchung. Der Betroffene einer personell-bestimmten Ermittlungsenquete sei wegen der Gefahr, dass das Parlament gegen ihn im Anschluss an das PUV aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse eine Abgeordneten-, Präsidenten- oder Richteranklage beim Bundes- bzw. Landesverfassungsgericht erhebt, in einer ähnlichen Konfliktlage wie der Beschuldigte im Strafprozess. Die parlamentarische Untersuchung als vorgelagerte Ermittlung für das verfassungsgerichtliche Verfahren sei mit dem Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft vergleichbar17, so dass dem Betroffenen die Rechte eines Beschuldigten zustehen müssten. Der Aussageperson vor einer Enquete mit generellem Ermittlungszweck sei dagegen nur eine Zeugenstellung einzuräumen, weil sie nicht selbst als „rechtlich Angegriffener“ im Mittelpunkt des Verfahrens stehe.18 Das gelte selbst dann, wenn gegen die Aussageperson bereits parallel ein Strafverfahren läuft, so dass ihr generell nur ein Auskunftsverweigerungsrecht nach Maßgabe des § 55 StPO einzuräumen sei.19 3. Zeugenstatus des Betroffenen Die Gegenauffassung lehnt eine Beschuldigten- oder sonstige Sonderstellung des Betroffenen ab und befürwortet generell den Zeugenstatus für alle Aussagepersonen, also auch für den Betroffenen.20 Diese Sicht wird darauf 16

Müller-Boysen, Betroffener, 163 f. OLG Köln, NJW 1988, 2485, 2487; Beckedorf, ZParl 1989, 35, 49 f.; Bickel, 57. DJT/II, M 7, M 29 ff.; Gollwitzer, Dünnebier-FS, 327, 335 f., 338; Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 100; v. Heydebreck, 45. DJT/II, E 64, E 73; Plöd, Die Stellung des Zeugen, 45, 115 f.; Schachtel, Verfahren der Untersuchungsausschüsse, 21; Schleich, UntersuchungsR, 52 ff. 18 BGHSt. 17, 128, 130; OLG Köln, NJW 1988, 2485, 2487; Beckedorf, ZParl 1989, 35, 50; Bickel, 57. DJT/II, M 7, M 29 ff.; Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 99; Schachtel, Verfahren der Untersuchungsausschüsse, 21; Schleich, UntersuchungsR, 52 ff. 19 Halstenberg, Verfahren parlamentarischer Untersuchungen, 104. 20 Cordes, Untersuchungsausschüsse, 71 f.; Di Fabio, Rechtsschutz, 48 f.; wohl auch Ehmke, 45. DJT/II, E 7, E 50 f.; Engels, Protokoll G 32/18, 81; Kipke, RuP 2000, 202, 204; Köhler, Grenzen des PUR, 209 ff.; Kudlich, L&L 2000, 141, 143; 17

B. Eigene Stellungnahme

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gestützt, dass unterschiedliche Zielrichtungen beider Verfahren vorlägen, weil das PUV nicht wie das Strafverfahren der Feststellung der Schuld des Täters wegen der Verwirklichung eines Straftatbestandes diene, sondern regelmäßig nur einen politischen Sachverhalt aufklären soll. Der PUA verhänge am Ende der Untersuchung zudem unmittelbar keine Sanktion. Der Aussageperson sei daher die Aufklärungspflicht solange zuzumuten, wie ihr nicht die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung drohe.21 Eine Übertragung der strafprozessualen Beschuldigtenstellung sei im Übrigen nicht mit dem Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens zu vereinbaren. Die Gewährung der Beschuldigtenstellung bzw. weiterer Verfahrensrechte (Recht zur Befragung von Zeugen/Sachverständigen u. ä.) für den Betroffenen, durch die dieser einen erheblichen Einfluss auf den Gang des Verfahrens nehmen kann, würde die Aufklärungsarbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses in erheblichem Umfang erschweren und blockieren. § 55 StPO schütze den Betroffenen hinreichend vor einem unzulässigen Zwang zur strafrechtlichen Selbstbelastung.22 Ferner würde eine Übertragung der strafrechtlichen Beschuldigtenstellung zu einer völligen Angleichung der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens an das Strafverfahren führen und die Unterschiede zwischen dem PUV und dem Strafverfahren verkennen.23

B. Eigene Stellungnahme Die Behauptung, es habe sich eine herrschende Meinung gebildet, die dem Betroffenen die Stellung eines Beschuldigten einräume24, trifft nicht zu. Wie oben dargelegt wurde, treffen die Untersuchungsausschussgesetze der einzelnen Bundesländer unterschiedliche Regelungen, die von einer Beschuldigtenstellung über einen speziellen Betroffenenstatus bis hin zur bloßen Zeugenstellung reichen, und auch ein großer Teil der Literatur räumt dem Betroffenen im PUV nur die Zeugenrechte ein. Mager, Der Staat 2002, 597, 613 f.; Morlok, Protokoll G 32/89; Pabel, NJW 2000, 788, 790; Platter, Untersuchungsverfahren, 70 ff.; Rogall, Protokoll G 32/40, 106; Schneider, 57. DJT/II, M 54, M 84 f.; Schröder, NJW 2000, 1455, 1457; Zeh, DÖV 1988, 701, 705 ff. 21 Di Fabio, Rechtsschutz, 45, 48; Glauben, DRiZ 1992, 395, 396; Mager, Der Staat 2002, 597, 613; Morlok, Protokoll G 32/89; Pabel, NJW 2000, 788, 790; Platter, Untersuchungsverfahren, 70; Schneider, 57. DJT/II, M 54, M 84 f. 22 Groß, DVBl. 1971, 638, 640; Köhler, Grenzen des PUR, 209 f.; Kudlich, L&L 2000, 141, 143; Masing, ZRP 2001, 36, 38 f., 42 in Bezug auf betroffene Amtsträger; Pabel, NJW 2000, 788, 790; Schneider, 57. DJT/II, M 54, M 84 f.; Zeh, DÖV 1988, 701, 706. 23 Köhler, Grenzen des PUR, 210; Zeh, DÖV 1988, 701, 705. 24 Robbers, JuS 1996, 116, 118; Wohlers, NVwZ 1994, 40, 41.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Zustimmung verdient die Position, die einerseits dem PUV die größtmögliche Wirksamkeit und andererseits dem Betroffenen den unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten erforderlichen Schutz gewährt. Beide Forderungen haben allerdings gegenläufige Wirkungen, weil die Einräumung weitgehender Rechte für den Betroffenen die Effizienz der Aufklärung durch den PUA beschränken kann, während die Ausstattung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses mit weitgehenden Befugnissen gegenüber dem Betroffenen dessen Rechtsstellung im Strafverfahren schmälern kann. Wegen der sinngemäßen Anwendung der Vorschriften des Strafprozesses über Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG kommt im PUV einerseits die Anwendung der §§ 133 ff. StPO für den Beschuldigten, andererseits die Anwendung der §§ 48 ff. StPO für Zeugen in Betracht. Daher liegt es nahe, die Verfahrensrollen der Beteiligten im Strafverfahren als Ausgangspunkt zur Klärung der Rechtsstellung des Betroffenen heranzuziehen, um festzustellen, welche der Verfahrensrollen dem Sinn und Zweck sowie den Unterschieden des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens zum Strafverfahren gerecht wird.

I. Brauchbarkeit des Beschuldigtenbegriffs zur Kennzeichnung der Rechtsstellung des Betroffenen Die Begriffe des Zeugen und Beschuldigten sind in der StPO nicht ausdrücklich definiert. Der Zeuge wird allgemein als Beweismittel verstanden, das in einem nicht gegen ihn gerichteten Strafverfahren Auskunft über die Wahrnehmung von Tatsachen gibt.25 Der Zeugenbegriff wird deshalb üblicherweise durch eine Negativabgrenzung vom Beschuldigtenbegriff bestimmt.26 Zeuge kann nur derjenige sein, der nicht zugleich Beschuldigter in dem konkreten Strafverfahren ist. Wann eine Person zum Beschuldigten eines Strafverfahrens wird, ist jedoch umstritten. Nach überwiegender Ansicht begründen nicht allein objektive Anhaltspunkte im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO gegen eine Person die Beschuldigtenstellung.27 Sonst wären nämlich die Regelungen der §§ 55, 60 Nr. 2 StPO überflüssig, denn die betreffenden Personen müssten wegen des objektiven Tatverdachts als Beschuldigte behandelt werden, so dass sie weder zur Aussage noch zu deren Beeidigung verpflichtet wären.28 25 RGSt. 52, 289; Beulke, StrafprozessR, Rn. 181; Meyer-Goßner, StPO, vor § 48, Rn. 1; Prittwitz, NStZ 1981, 463. 26 BGHSt. 10, 8, 10. 27 So aber Grünwald, BeweisR, 78; Kühne, StrafprozessR, Rn. 43, Fn. 3; Peters, Strafprozess, 200 f. 28 BGHSt. 10, 8, 12; 38, 214, 228; BGH NStZ 1997, 398; BGH, StraFo 2005, 27; Dingeldey, JA 1984, 407, 410; Grosjean, Beschuldigter, 12 f.; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 61; Rogall, NStZ 1997, 399, 400.

B. Eigene Stellungnahme

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Zum Teil wird sogar behauptet, es bedürfe zur Begründung der Beschuldigtenstellung eines Willensaktes der Strafverfolgungsbehörden, der zum Ausdruck bringe, dass die Ermittlungsbehörde gegen jemanden wegen des Verdachts einer begangenen Straftat das Ermittlungsverfahren betreiben wolle, und der regelmäßig in der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bestehe.29 Da für die Feststellung des Anfangsverdachts keine eindeutigen Kriterien existieren, stehe den Strafverfolgungsbehörden bei der Beurteilung, wann ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist und jemandem der Beschuldigtenstatus zukommt, ein Spielraum zu.30 Dieser Beurteilungsspielraum eröffnet den Strafverfolgungsbehörden allerdings die Möglichkeit, ihre Befugnisse zu missbrauchen, indem die Behörden den Verdächtigen weiterhin formal als Zeugen behandeln, um seine Aussagepflicht zu erhalten.31 Der BGH hat jedoch überzeugend dargelegt, dass die Strafverfolgungsbehörde durch die missbräuchliche Zuschreibung des Zeugenstatus dem Verdächtigen die ihm zu gewährenden Rechte eines Beschuldigten nicht vorenthalten dürfe. Der Verdächtige habe im Fall des Missbrauchs trotz Fehlens eines Willensaktes der Strafverfolgungsbehörde den Beschuldigtenstatus.32 Deshalb bejaht die h. M. – in entsprechender Anwendung der Regelung des § 397 AO – zu Recht den Beschuldigtenstatus, wenn entweder die Strafverfolgungsbehörde einen Anfangsverdacht gegen eine Person, d.h. einen Verfolgungswillen hat oder wenn die gegenüber einer Person vorgenommene Ermittlungsmaßnahme nach ihrem äußeren Erscheinungsbild den Willen der Strafverfolgungsbehörde manifestiert, gegen diese Person wegen einer Straftat strafrechtlich vorzugehen.33 Gegen die Anwendung des Beschuldigtenbegriffs auf den Betroffenen scheint jedoch zu sprechen, dass der PUA seine Untersuchung im Gegensatz zum Strafverfahren, das sich zwangsläufig gegen einen – wenn auch noch unbekannten – Täter einer verfolgbaren Straftat richtet, nicht immer gegen eine bestimmte Person führt. Ist der Untersuchungsgegenstand und 29 BGH, NStZ 1987, 83; Bärlein/Pananis/Rehmsmeier, NJW 2002, 1825, 1829; Lesch, JA 1995, 157, 158; Meyer-Goßner, StPO, Einl., Rn. 76 ff.; Pfeiffer, StPO, § 52, Rn. 5; Rogall, NStZ 1997, 399, 400. 30 BGHSt. 10, 8, 12; 38, 214, 228; BGH, NStZ 1997, 398; BGH, StraFo 2005, 27; Dingeldey, JA 1984, 407, 410; Grosjean, Beschuldigter, 12 f.; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 61; Rogall, NStZ 1997, 399, 400. 31 BGHSt. 10, 8, 12; Lesch, JA 1995, 157, 158 f. 32 BGHSt. 10, 8, 12. 33 BVerfG, StV 2001, 257, 258; BGHSt. 38, 214, 227 f.; BGH, NStZ 1997, 398 f.; BGH, Urteil vom 03.07.2007, Az.: 1 StR 3/07; OLG Hamburg, StV 1995, 588, 589; Dingeldey, JA 1984, 407, 410; Grosjean, Beschuldigter, 43; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 67, 427; Lesch, JA 1995, 157, 158; Rogall, NStZ 1997, 399 f.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

-verlauf sach- und nicht personenbezogen, wie das bei einer Sachstandsenquete der Fall ist, bei welcher der PUA nur ein Geschehen oder einen allgemeinen Zustand in der Politik oder Gesellschaft feststellen will, ohne einer konkreten Person ein Fehlverhalten nachzuweisen, dann scheidet eine Übertragung des Beschuldigtenbegriffs auf den Betroffenen aus. Denn die Ermittlungsmaßnahmen des Untersuchungsausschusses richten sich weder gegen einen Verdächtigen noch belegen sie nach außen, gegen eine konkrete Person als Verantwortlichen eines Missstands das Untersuchungsverfahren betreiben zu wollen. Der Betroffene im PUV könnte aber eine dem Beschuldigten vergleichbare Stellung einnehmen, wenn der Ausschuss ein Fehlverhalten des Betroffenen strafbarer, ehrenrühriger oder dienstrechtlicher Art aufklären will und für dieses Fehlverhalten ein konkreter Anfangsverdacht vorliegt.34 Da es nach zutreffender Auffassung35 für die Begründung des Beschuldigtenstatus nicht auf einen formalen Akt ankommt, steht der Anwendung des Beschuldigtenbegriffs auf den Betroffenen nicht entgegen, dass im PUV weder ein Ermittlungsverfahren formell eingeleitet noch eine Anklage, aus der sich eindeutig die Untersuchungsrichtung ergibt, erhoben wird, zumal auch das Parlament zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses einen Beschluss fasst, aus dem gegebenenfalls die Ausrichtung auf bestimmte Personen zu entnehmen ist. Im Fall einer solchen personell-bestimmten Enquete (z. B. zur Vorbereitung einer Abgeordneten-, Richter- oder Präsidentenanklage) – so ließe sich argumentieren – wären diese Personen Beschuldigte, weil sich nach dem Wortlaut des Einsetzungsbeschlusses das Verfahren gegen sie richtet.36 Dem Betroffenen stünden die Beschuldigtenrechte auch zu, sobald der PUA den Betroffenenstatus beschließt, denn dieser Zuschreibungsakt bringt zum Ausdruck, gegen wen sich das Verfahren richtet.37 Die Bestimmung des Beschuldigtenstatus anhand des Einsetzungsbeschlusses versagt jedoch, wenn sich die Untersuchung nicht von Anfang an gegen eine konkrete Person richtet, sondern der PUA erst im Lauf der Untersuchung wegen eines inzwischen eingetretenen Verdachts das Verhalten bestimmter Personen erforscht.38 Diese Personen sind dann in gleicher Weise von der Untersuchung betroffen wie diejenigen, gegen die sich das 34

BGHSt. 17, 128, 130; OLG Köln, NJW 1988, 2485, 2487. Vgl. 3. Kapitel, B. I. 36 Gollwitzer, Dünnebier-FS, 327, 336; Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 38, 100; Schenke, JZ 1988, 805, 814. 37 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 157. 38 Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 233; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 260 ff. 35

B. Eigene Stellungnahme

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PUV von Beginn an richtet. Außerdem formuliert das Parlament den Einsetzungsbeschluss oft unpräzise oder so geschickt, dass der Eindruck einer scheinbaren Sachstandsenquete entsteht und die Beschuldigtenstellung umgangen werden könnte. Es könnte also letztlich willkürlich über die Einräumung oder Versagung des Betroffenenstatus entschieden werden.39 Die Einräumung des Betroffenenstatus durch einen Mehrheitsbeschluss40 birgt die Gefahr, dass die parlamentarische Mehrheit ihre politischen Interessen durch eine missbräuchliche Zuerkennung oder Versagung des Betroffenenstatus verfolgt und die Aufklärungsarbeit beeinflusst.41 Wie dargelegt42, kann sich die Beschuldigtenstellung aber auch aus den Umständen und der Art der vorgenommenen Ermittlungsmaßnahme ergeben. Lässt sich der konkreten Untersuchungshandlung des Ausschusses entnehmen, dass er eine bestimmte Person für den Missstand verantwortlich macht und das PUV nunmehr gegen sie betreiben will, dann wären der Person konsequenterweise ab diesem Zeitpunkt die Beschuldigtenrechte einzuräumen. Jede Maßnahme des Untersuchungsausschusses, die erkennbar darauf abzielt, ein straf-, disziplinar-, standes- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich relevantes Verhalten einer konkreten Person aufzuklären43, würde dieser somit den Beschuldigtenstatus verschaffen. Dieser Sicht kann nicht entgegen gehalten werden, sie mache alle in den Missstand involvierten Personen, die zur Aufklärung beitragen sollen, zu Beschuldigten, so dass es im PUV keinen tatverdächtigen Zeugen im Sinne des § 60 StPO mehr geben könne44. Denn im PUV wäre tatverdächtiger Zeuge, wer an dem Missstand, der den Gegenstand des Untersuchungsauftrages bildet, beteiligt, aber nicht selbst im Einsetzungsantrag als Verantwortlicher benannt ist.45 Solange der PUA gegen diesen tatverdächtigen Zeugen nicht den Verdacht hegt, an dem Missstand beteiligt gewesen zu sein, bzw. keine Maßnahme vornimmt, die den Willen des Untersuchungs39

I. E. Enquetekommission-Verfassungsreform, BT-Drucks. 6/3829, S. 18; Beckedorf, ZParl 1989, 35, 41; Buchholz, Untersuchungsausschuss, 160, 178 ff.; ähnlich Hamm, ZRP 2002, 11, 12; Horn/Herbert, VR 1997, 163, 167; Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 233 ff.; ähnliche Bedenken Schaefer, NJW 2002, 490; krit. auch Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 47, E 52; Schulte, Jura 2003, 505, 510. 40 So der Vorschlag von Weisgerber, BeweiserhebungsR, 268. 41 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 157; Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 328 ff.; Zeh, DÖV 1988, 701, 705. 42 Vgl. 3. Kapitel, B. I. 43 Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 233 ff. 44 So Buchholz, Untersuchungsausschuss, 160 ff. 45 A. A. wohl: Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 238 ff., die davon ausgeht, ein tatverdächtiger Zeuge könne nur jemand sein, dessen Fehlverhalten nicht den Untersuchungsgegenstand bildet.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

ausschusses manifestiert, nun auch gegen den tatverdächtigen Zeugen als Verantwortlichen des Missstandes ermitteln zu wollen, stünden dem Betroffenen nur die Zeugenrechte zu. Allein der objektive Verdacht, an dem Missstand beteiligt zu sein, würde nicht genügen, die Beschuldigtenstellung zu begründen. Der im Strafverfahren von der h. M. vertretene Beschuldigtenbegriff ist im PUV also durchaus brauchbar. Einige Beweiserhebungsmaßnahmen – z. B. Beschlagnahmen, Durchsuchungen, Vernehmungen – können sich zwar sowohl gegen den Zeugen als auch gegen den Beschuldigten richten, so dass es unter Umständen schwer feststellbar sein kann, ob die Maßnahme eindeutig den Willen des Untersuchungsausschusses manifestiert, die Untersuchung von nun an gegen diese konkrete Person als Beschuldigten zu führen. Wenn der PUA die Maßnahmen der Beschlagnahme und Durchsuchung beim Richter beantragt und dazu die Voraussetzungen darlegen muss, wird die Begründung ergeben, ob die Maßnahme gegen einen Beschuldigten oder gegen einen Dritten gerichtet ist.

II. Selbstbelastungsfreiheit und Betroffenenstellung Der Übertragung des Beschuldigtenstatus auf den Betroffenen würde es allerdings entgegenstehen, wenn die Gründe für die Freistellung des Beschuldigten von Aussage- und Mitwirkungspflichten bei dem Betroffenen nicht vorlägen. Die Beschuldigtenrechte nach §§ 136 Abs. 1 S. 2, 136a Abs. 3, 4, 243 Abs. 4 S. 1 StPO sind Ausdruck des nemo-tenetur-Grundsatzes, der die Ausübung von Zwang verbietet, um den Beschuldigten zur aktiven Mitwirkung an seiner strafrechtlichen Überführung zu veranlassen, sich also selbst zu belasten.46 Die umfassende Freistellung des Beschuldigten von der Aussage- und Mitwirkungspflicht im Strafverfahren beruht darauf, dass der Beschuldigte sonst gezwungen wäre, belastende Tatsachen zu offenbaren, die unmittelbar zu seiner Überführung und der Verhängung einer Sanktion beitragen können. Die Androhung oder Anwendung von Zwang zur Herbeiführung einer selbstbelastenden Aussage oder sonstigen aktiven Mitwirkung an dem gegen den Beschuldigten gerichteten – auf die Verhängung einer Sanktion zielenden – Verfahren verletzt die Menschenwürde und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht.47 Der Zeuge, dem im Strafverfahren keine Sanktion 46 BVerfGE 38, 105, 113; 56, 37, 41 f.; BGHSt. 11, 213, 216; 34, 39, 46; BGH, NStZ 1996, 502, 504. 47 Zur Reichweite des nemo-tenetur-Prinzips für Beschuldigte und Zeugen: 4. Kapitel, 1. Abschnitt, B. II. 1. b), e); Kramer, ZRP 2001, 386 f.; Rogall in: SK, StPO, vor § 133, Rn. 130 ff.; Stürner, NJW 1981, 1757.

B. Eigene Stellungnahme

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droht, ist dagegen ausreichend geschützt, wenn seine Aussage- und Mitwirkungspflicht nur im Fall der Selbstbelastungsgefahr aufgehoben ist. Der Betroffene eines parlamentarischen Untersuchungsverfahrens befände sich demzufolge nur dann in einer dem Beschuldigten eines Strafverfahrens vergleichbaren Konfliktlage, wenn der PUA gegen ihn unmittelbar eine Sanktion verhängen könnte. Nur dann wäre es verfassungsrechtlich zwingend, ihm dieselben Schutzrechte wie einem Beschuldigten im Strafverfahren zu gewähren. Anderenfalls würde es genügen, dem Recht des Betroffenen, sich nicht selbst belasten zu müssen, dadurch Rechnung zu tragen, dass er selbstbelastende Fragen unbeantwortet lassen darf. 1. Keine Sanktionsverhängung durch den PUA Wie erörtert48, stellt weder die Wirkung des öffentlichen parlamentarischen Untersuchungsverfahrens noch der Abschlussbericht des Ausschusses eine Sanktion dar, die zum Schutz der Selbstbelastungsfreiheit die umfassenden Aussage- und Mitwirkungsverweigerungsrechte eines Beschuldigten im Strafverfahren erfordern würde. Die potentiellen negativen Auswirkungen des Abschlussberichts auf das Privatleben und die „faktische Berufsausübung“49 des Betroffenen – wie der Verlust des Amtes, des Mandates oder der Wählerstimmen sowie Rufschädigungen – sind nur „mittelbare“ Folgen des Untersuchungsverfahrens, weil sie erst durch die Reaktion der Allgemeinheit auf die veröffentlichten Untersuchungsergebnisse ausgelöst werden. Sie sind nicht mit den Wirkungen einer Kriminal- oder Disziplinarstrafe vergleichbar und genügen daher nicht, das Schweigerecht nach § 136 StPO zu begründen.50 Aus dem nemo-tenetur-Grundsatz lässt sich nämlich kein umfassendes Schweigerecht eines Beschuldigten herleiten, wenn dem Beschuldigten lediglich ehrverletzende Nachteile drohen. Der nemo-tenetur-Grundsatz schützt nicht vor der Anwendung von Zwang zu Äußerungen, die Nachteile wirtschaftlicher, politischer oder ehrverletzender Natur bewirken, sondern nur vor einer Anwendung von Zwang zu Äußerungen, die strafrechtliche oder vergleichbare Nachteile herbeiführen.51 Sonst würde die Gewährleistung des nemo-tenetur-Grundsatzes mit Abwägungsvorgängen belastet und zur „klei48

Vgl. 1. Kapitel, B. II. 2. b) bb). Der Abgeordnete übt keinen Beruf im Sinne des Art. 12 GG aus. Seine Tätigkeit hat sich aber professionalisiert und lässt sich als faktische Berufsausübung bezeichnen; Schmitt Glaeser, ZRP 2006, 10, 11. 50 Wiefelspütz, UAG, 240, 254. 51 Bosch, nemo-tenetur, 57; ders., Jura 1998, 236, 242; Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 218; Masing, ZRP 2001, 36, 38; a. A.: Rixen, JZ 2002, 435, 439 f. 49

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

nen Münze“ verkommen52, weil das Interesse an der Wahrheitsfindung dem jeweiligen Individualinteresse (z. B. dem Persönlichkeitsrecht bei Ehrverletzungen oder der Berufsfreiheit bei beruflichen Nachteilen u. ä.) gegenübergestellt werden müsste und ein Schweigerecht aus dem nemo-tenetur-Grundsatz nur bei einem Überwiegen des Individualinteresses folgen würde. 2. Konfliktlage im PUV als Rechtfertigung für die Einräumung der Beschuldigtenstellung Dennoch wird zum Teil behauptet, dass sich der Betroffene beim zeitgleichen Ablauf von PUV und Strafverfahren mit – teilweise – identischem Verfahrensgegenstand in der gleichen Konfliktlage wie der Beschuldigte eines Strafverfahrens befinde. Der Betroffene würde sich mit seiner selbstbelastenden Aussage vor dem PUA stets der Gefahr aussetzen, dass ein Strafverfahren gegen seine Person eingeleitet oder er sich im parallelen Strafverfahren belasten würde. Zum Schutz vor einem unzulässigen Selbstbelastungszwang erscheine deshalb eine Übertragung der Beschuldigtenstellung als gerechtfertigt.53 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Aussage oder Mitwirkung des Betroffenen im PUV nur „mittelbar“ zu einer Sanktionierung führen kann. Die Selbstbelastungsgefahr droht dem Betroffenen nicht unmittelbar im PUV, weil der Ausschuss keine Sanktion verhängt. Die Selbstbelastungsgefahr droht unmittelbar erst im Strafverfahren, in dem die Strafverfolgungsbehörden den Inhalt der Aussage oder das Ergebnis der Mitwirkungshandlung des Betroffenen im PUV als Grundlage für ihre Ermittlungen gegen den Betroffenen als Beschuldigten nehmen. Vorausgesetzt, die Feststellungen können in die Hauptverhandlung eingebracht werden, kann das Strafgericht zudem hierauf später sein Urteil gegen den Betroffenen stützen. Das nemo-tenetur-Prinzip gilt zwar auch für „mittelbar“ drohende Sanktionen, um zu verhindern, dass die strafprozessualen Schweigerechte ausgehöhlt werden.54 Aber auch der (tatverdächtige) Zeuge unterliegt im Strafverfahren grundsätzlich einer umfassenden Aussage- und Mitwirkungspflicht sowie stets der Wahrheitspflicht. Droht ihm durch seine Mitwirkung in einem gegen einen anderen gerichteten Strafverfahren die Gefahr, sich 52 Bosch, nemo-tenetur, 57; ders., Jura 1998, 236, 242; Lorenz, JZ 1992, 1000, 1006, Fn. 81. 53 Beckedorf, ZParl 1989, 35, 49; Buchholz, Untersuchungsausschuss, 81; Gollwitzer, Dünnebier-FS, 328, 336; Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, 200; Kohl, Die Rechtsstellung des Betroffenen, 185 ff.; Kohlmann, JA 1984, 670, 673; Quaas/Zuck, NJW 1988, 1873, 1877; Wohlers, NVwZ 1994, 40, 41. 54 4. Kapitel, 1. Abschnitt, B. II. 1. b) bb).

B. Eigene Stellungnahme

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wegen einer Straftat selbst belasten zu müssen, so hat der Zeuge – statt eines umfassenden Schweigerechts nach § 136 StPO – nur das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO. Das spricht dafür, dem Betroffenen im PUV wie dem Zeugen im Strafverfahren nur dieses Auskunftsverweigerungsrecht zu gewähren, weil der PUA dem Parlament nur einen unverbindlichen Abschlussbericht zuleitet55, ohne selbst gegenüber dem Betroffenen eine Sanktion zu beschließen, an deren Verhängung der Betroffene mitzuwirken hätte56. Die Konfliktlage des Betroffenen ist deshalb gerade nicht mit der des Beschuldigten im Strafverfahren vergleichbar, gegen den das Strafgericht unmittelbar ein Urteil über die festgestellte Schuld ausspricht und eine entsprechende Sanktion verhängt. Daher wäre die Übertragung der Beschuldigtenstellung auf den Betroffenen des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens auch nicht gerechtfertigt.57 Den Betroffenen als wichtigstes Aufklärungsmittel von der Aussage- und Wahrheitspflicht zu befreien, gebietet der nemo-tenetur-Grundsatz nur in dem Umfang, in dem der Betroffene strafrechtlich selbstbelastende Tatsachen offenbaren muss. 3. Rechtsstellung der Aussagepersonen in anderen sanktionslosen Verfahren Diese Sicht ordnet sich im Übrigen in das Rechtssystem ein, weil die zeugenschaftliche Vernehmung des Beschuldigten eines Strafverfahrens in einem anderen Verfahren mit – teilweise – identischem Gegenstand durchaus üblich ist. Den Beteiligten in anderen sanktionslosen Verfahren, z. B. Verwaltungsverfahren, stehen regelmäßig ebenfalls nur die Rechte eines Zeugen zu. So hat das BVerfG58 in der Gemeinschuldnerentscheidung festgestellt, dass ein Unternehmer in einem Insolvenzverfahren auch dann mit Zwangsmaßnahmen zur Aussage veranlasst werden kann, wenn ihn die Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen der Gefahr einer Selbstbelastung und Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens aussetzen würden. Der nemo-tenetur-Grundsatz führe allerdings zu einem Verwertungsverbot im Strafverfahren. 55 Cordes, Untersuchungsausschüsse, 18, 19; Di Fabio, Rechtsschutz, 45; Magiera in: Sachs, GG, Art. 44, Rn. 26; Schachtel, Verfahren der Untersuchungsausschüsse, 21; Schröder in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 46, Rn. 41. 56 BVerfGE 77, 1, 42; Di Fabio, Rechtsschutz, 45, 48; Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 218, Fn. 9; Pabel, NJW 2000, 788, 790. 57 Di Fabio, Rechtsschutz, 45; Müller-Boysen, Betroffener, 109; Wiefelspütz, UAG, 240. 58 BVerfGE 56, 37 ff.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

In anderen außerstrafrechtlichen Verfahren sind Aussage- und Mitwirkungspflichten nur dann beschränkt, wenn der Aussagende oder Mitwirkende Gefahr läuft, sich durch die Aussage oder sonstige Mitwirkung strafrechtlich selbst zu belasten. Der Selbstbelastungsfreiheit wird regelmäßig durch ein begrenztes Zeugnisverweigerungsrecht, nicht aber durch ein umfassendes Schweigerecht – wie es dem Beschuldigten zusteht – Rechnung getragen (z. B. § 22 Abs. 3 GaststG, § 52 Abs. 5 BImSchG, § 39 Abs. 1 WaffG, § 14 Abs. 3, 6 KrWaffKG, § 16 Abs. 2, 4 TierSchG, § 17 Abs. 3 HwO). Selbst im Strafverfahren ist es nach h. M. zulässig, das gemeinsame Verfahren zweier Mitbeschuldigter – nicht nur vorübergehend59 – voneinander zu trennen, um den einen Mitbeschuldigten im Verfahren gegen den anderen Mitbeschuldigten als Zeugen zum gleichen Tatgeschehen vernehmen zu können60, weil sich der frühere Mitbeschuldigte dann durch seine Aussage nicht unmittelbar selbst belasten müsse. Unzulässig sei die Verfahrenstrennung jedoch, wenn sie willkürlich zu dem Zweck erfolgt, einen Mitbeschuldigten zu dem Sachverhalt zu vernehmen, der ihm selbst zur Last gelegt wird, denn eine solche Vorgehensweise höhlt den Grundsatz aus, dass ein Angeklagter in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren nicht als Zeuge vernommen werden darf.61 Ein Teil der Literatur lässt den Vergleich des Betroffenen im PUV mit dem tatverdächtigen Zeugen nicht gelten, weil sich das PUV gegen den Betroffenen richte.62 Dabei wird jedoch übersehen, dass dem tatverdächtigen Zeugen trotz der ihm drohenden Selbstbelastungsgefahr selbst im Strafverfahren nur die Rechte des Zeugen zustehen, weil ihm in dem konkreten Verfahren unmittelbar keine Sanktion droht. Nicht anders stellt sich die Lage für den Betroffenen vor dem PUA dar. Auch ihm droht unmittelbar keine Sanktion, sondern es besteht lediglich die Gefahr, dass er strafrechtlich relevante Umstände offenbaren müsste, die ihm in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren zum Nachteil gereichen können. Dieser Gefahr einer drohen59 BGHSt. 10, 8, 11; 38, 96, 98; BGH, NJW 1964, 1034; BGH, NStZ 1984, 464, 465: Ist das Verfahren nur vorübergehend abgetrennt, ist die Vernehmung nur zulässig, wenn sie sich auf eine Tat bezieht, die dem vernommenen Mitbeschuldigten nicht selbst zur Last gelegt wird, oder wenn ihm wegen einer endgültigen Einstellung des Verfahrens keine Selbstbelastungsgefahr durch seine Aussage droht. 60 BGHSt. 27, 139, 141; BGH, StV 1984, 361 f.; BGH, NStZ 1984, 464 f.; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 718 ff.; a. A.: Lesch, JA 1995, 157, 163 ff.; Roxin, StrafverfahrensR, § 26, Rn. 5 f., die bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens jeden – unabhängig von der formalen Prozessrolle – als Beschuldigten ansehen, gegen den die Strafverfolgungsbehörde ein Ermittlungsverfahren führt. 61 BGH, JR 1969, 148, 149; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 720; Holtz, MDR 1977, 637, 639; krit. wegen der Schwierigkeiten beim Nachweis des Missbrauchs: Prittwitz, NStZ 1981, 463, 468, 469. 62 So Kohl, Die Rechtsstellung des Betroffenen, 189.

B. Eigene Stellungnahme

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den Selbstbelastung kann durch ein Auskunftsverweigerungsrecht im PUV oder durch ein Verwertungsverbot im Strafverfahren begegnet werden. Die Einräumung des Beschuldigtenstatus erfordert diese Situation nicht.

III. Zweck- und Strukturunterschiede zwischen PUV und Strafverfahren Auch die Verweisung in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, die strafprozessualen Regelungen im PUV anzuwenden, soweit Sinn und Zweck eines effektiven parlamentarischen Untersuchungsrechts dies erfordern63 und Strukturunterschiede beider Verfahren nicht entgegenstehen64, spricht dagegen, die strafprozessualen Schweige- und Mitwirkungsverweigerungsrechte des Beschuldigten auf den Betroffenen im PUV zu übertragen, weil der PUA – wie dargelegt – keine Sanktion verhängt und seine Aufklärungsarbeit eine andere Zielrichtung als die des Strafgerichts hat. Das Kontrollrecht kann der PUA zudem nur dann effektiv ausüben, wenn er ein Aufklärungsinstrumentarium erhält, mit dessen Hilfe er zügig, ungehindert und inhaltlich möglichst lückenlos ermitteln kann.65 Stünde dem Betroffenen die Beschuldigtenstellung zu, hätte dies zur Folge, dass sich die Zentralfiguren des Geschehens, die am besten über den Vorfall Bescheid wissen, auf ihr umfassendes Aussageverweigerungsrecht berufen könnten. Eine Sachverhaltsermittlung wäre durch Randfiguren, die nicht selbst an den zu untersuchenden Vorgängen beteiligt sind, die aber eventuell Auskunft über Art und Umfang der Beteiligung anderer Personen geben können, häufig nur fragmentarisch möglich.66 Die regelmäßig von einer parlamentarischen Untersuchung betroffenen Hoheitsträger sind aber wegen der von ihnen ausgeübten hoheitlichen Funktion rechenschaftspflichtig und müssen es grundsätzlich hinnehmen, dass der PUA deren ermitteltes Fehlverhalten der Öffentlichkeit zuträgt. Würden allein die ehrverletzenden oder beruflichen Belastungen für den Betroffenen, die aus der Reaktion der Bevölkerung auf die im Abschlussbericht veröffentlichten Erkenntnisse drohen, genügen, um eine Beschuldigtenstellung zu begründen, könnte sich der Betroffene durch die Berufung auf sein Schweigerecht nach § 136 StPO seiner Rechenschaftspflicht entziehen.67 Steht dem Betroffenen nur das 63

1. Kapitel, B. III. 1. Kapitel, B. II. 2. b). 65 BVerfGE 77, 1, 49 ff.; Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 219. 66 Pabel, NJW 2000, 788, 790; Schneider, NJW 2000, 3332; Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 55; ders., NJW 2000, 1455, 1457; Zeh, DÖV 1988, 701, 706. 67 Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 266; ders., ZRP 2001, 36, 38; Müller-Boysen, Betroffener, 109 f.; Pabel, NJW 2000, 788, 790. 64

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zu, so muss er dagegen zumindest die Fragen beantworten, die ihn keiner strafrechtlichen Selbstbelastungsgefahr aussetzen. Eine wirksame Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses erfordert zudem, dass die Aufklärung möglichst zeitnah zum Geschehen erfolgt, weil sich die Öffentlichkeit dann verstärkt für das Untersuchungsgeschehen interessieren und auf den aufgeklärten Vorfall reagieren wird. Daher kann nur ein aktueller Themenbezug das für die Durchführung der parlamentarischen Untersuchung vorausgesetzte öffentliche Interesse begründen.68 Außerdem unterliegt der PUA dem Diskontinuitätsgrundsatz, nach dem sich die Anträge des Parlaments automatisch erledigen, die am Ende der Legislaturperiode noch nicht abgeschlossen sind.69 Die Arbeit eines Untersuchungsausschusses endet folglich mit dem Ablauf der Wahlperiode. Daher muss die Ermittlungstätigkeit durch den PUA zügig und ungehindert ablaufen.70 Die Einräumung der Beschuldigtenstellung mit einem generellen Aussageverweigerungsrecht sowie Frage- und Antragsrechten des Betroffenen würde die Aufklärung des Sachverhaltes erschweren und den Verfahrensablauf hinauszögern. Die Untersuchungsausschussgesetze einiger Länder sehen zwar vor, dass unter Umständen die Beschuldigten- oder Betroffenenstellung zuzubilligen sei, sie regeln aber nicht einheitlich, unter welchen Voraussetzungen dies zu geschehen habe.71 Die Uneinheitlichkeit dieser Regelungen birgt die Gefahr von gerichtlichen Auseinandersetzungen und Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Feststellung, ob der Aussageperson diese Stellung zukommen soll oder nicht, die das PUV wiederum verzögern und die Ermittlungstätigkeit behindern würden.72 Deshalb hat der Bundesgesetzgeber auf eine Regelung des Betroffenenstatus im PUAG verzichtet.73 68

Zum Erfordernis des öffentlichen Interesses: 1. Kapitel, C. III. BVerwG, DÖV 2000, 487, 489; Derksen, JR 1994, 173; Gielen, JR 2000, 140, 142; Kästner, NJW 1990, 2649, 2655; Magiera in: Sachs, GG, Art. 44, Rn. 27; Schröder in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 46, Rn. 43; Seidel, BayVBl. 2002, 97, 104, 106. 70 Gielen, JR 2000, 140, 142. 71 Beispielsweise sieht Art. 13 BayUAG die Beschuldigtenstellung vor, sobald sich aus dem Untersuchungsauftrag eindeutig ergibt, dass sich die Untersuchung ausschließlich oder ganz überwiegend gegen eine Person richtet. Nach § 15 UAG Thüringen soll eine Person den Betroffenenstatus erhalten, wenn sich nach dem Sinn des Untersuchungsauftrages die Untersuchung gegen sie richtet. § 19 UAG Sachsen und § 19 UAG BW räumen einer Person den Betroffenenstatus ein, wenn gegen sie die Untersuchung mit dem Ziel geführt wird, eine Minister- oder Richteranklage abzugeben, wenn sie be- oder entlastet werden soll oder wenn der PUA im Bericht eine Äußerung über sie wegen einer persönlichen Verfehlung abgeben will. 72 Enquetekommissionen-Verfassungsreform, BT-Drucks. 6/3829, S. 18; 7/5924, S. 54 f.; Kipke, RuP 2000, 202, 204. 69

B. Eigene Stellungnahme

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IV. Gefährdung des strafprozessualen Schweigerechts des Beschuldigten wegen der Mitwirkung im PUV? Zum Teil wird jedoch behauptet, die Charakterisierung des Betroffenen im PUV als Zeuge würde seine Beschuldigtenstellung im Strafverfahren besonders nachhaltig gefährden.74 Sollten die Rechte des Zeugen tatsächlich selbst bei einer Modifikation im Sinne einer „sinngemäßen Anwendung“ des Strafprozessrechts oder durch eine Unterbrechung des freien Informationsaustausches durch ein Verwendungsverbot im Strafverfahren nicht ausreichen, um die Rechte des Betroffenen als Beschuldigten in einem zeitgleich stattfindenden Strafverfahren hinreichend zu gewährleisten, würde dies dafür sprechen, dem Betroffenen im PUV den Beschuldigtenstatus einzuräumen. 1. Möglichkeit der Zeugenvernehmung, der Erzwingung des Zeugnisses und des Herausgabeverlangens durch den PUA Die Rechte des Beschuldigten im Strafverfahren könnten dadurch geschmälert werden, dass der PUA den Betroffenen als Zeugen – gegebenenfalls unter Anwendung von Zwang – vernimmt oder selbstbelastende Gegenstände vom Betroffenen erzwingbar herausverlangt. Der Betroffene würde durch eine mit Zwangsmitteln durchsetzbare Aussage- und Herausgabepflicht im PUV vor die Wahl gestellt, entweder falsch auszusagen bzw. die Aussage oder Herausgabe zu verweigern und die Beugemittel zu dulden oder aber sich selbst zu belasten. a) Zeugenvernehmung Gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG stehen dem PUA zur Beweiserhebung die strafprozessualen Befugnisse sinngemäß zu. Da der PUA in erster Linie Missstände und Fehlverhalten von Regierung und Verwaltung wahrheitsgemäß aufklären soll, müssen ihm grundsätzlich alle Befugnisse zur Verfügung stehen, die zur Beschaffung von Informationen beitragen können. Insbesondere Zeugenaussagen sind wichtige Beweismittel für die Aufklärung unklarer Sachverhalte. Aus diesem Grund steht dem PUA unstreitig das Recht zu, Zeugen zu vernehmen.75 § 24 Abs. 1 PUAG regelt dies für Untersuchungsausschüsse des Bundestages ausdrücklich. 73

BT-Plenarprotokoll 14/165, S. 16144, 16148. Kohlmann, JA 1984, 670, 673; Quaas/Zuck, NJW 1988, 1873, 1877; Schenke, JZ 1988, 805, 814 f. 75 Brocker, ZParl 1999, 739, 740; Partsch, 45. DJT/I, 88. 74

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

b) Herausgabeverlangen § 29 Abs. 1 S. 1 PUAG räumt dem PUA zudem die Befugnis ein, von Personen beweisbedeutsame Gegenstände herauszuverlangen. Diese Regelung ist mit Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG vereinbar, weil es verfehlt wäre und die Effektivität des Untersuchungsrechts einschränken würde, wenn die Befugnis zur Herausgabeanordnung anders behandelt würde als die Möglichkeit der Zeugenvernehmung. Zwar sprach ein Teil der Literatur vor Einführung des § 29 PUAG dem PUA das Recht zum Herausgabeverlangen ab, zumal auch andere Gesetze (z. B. das Wahlprüfungsgesetz) zwar Zeugenvernehmungen und die Anwendung von Zeugniszwang, nicht aber die Befugnis zum Herausgabeverlangen vorsehen.76 Diese Auffassung widerspricht aber Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG. Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts erfordern nämlich gerade auch die Möglichkeit, sachliche Beweismittel zur Sachverhaltsaufklärung heranzuziehen. Schriftlich festgehaltene Informationen können für die Aufklärung von komplexen Sachverhalten sehr aufschlussreich sein, sind oft verlässlicher und haben daher unter Umständen einen höheren Beweiswert als Aussagen von Zeugen, da deren Erinnerungsvermögen nachlässt und sie bestimmte Geschehen subjektiv wahrnehmen.77 Die in § 29 Abs. 1 S. 1 PUAG geregelte Herausgabepflicht ist folglich mit Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG vereinbar, zumal § 29 Abs. 1 S. 2 PUAG die Pflicht zur Herausgabe von Gegenständen, die aufgrund ihres streng persönlichen Charakters dem unantastbaren Kernbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuzuordnen sind, ausschließt. c) Anordnung von Beugemitteln §§ 27, 29 Abs. 2 PUAG räumen dem PUA die Befugnis zur Anordnung von Zwangsmaßnahmen ein, behalten die Verhängung von Ordnungs- und Beugehaft aber dem Richter vor. Diese Befugnis des Untersuchungsausschusses zur Anwendung von Zwangsmitteln steht mit Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, der auch § 70 StPO bzw. § 95 Abs. 2 i. V. m. § 70 StPO in Bezug nimmt, im Einklang, weil der PUA ein effektives Aufklärungsinstrumentarium benötigt. Die Aufklärung wäre erheblich eingeschränkt, wenn es dem PUA verwehrt wäre, gegen Aussagepersonen, die nicht zur Vernehmung er76 Cordes, Untersuchungsausschüsse, 108; Schachtel, Verfahren der Untersuchungsausschüsse, 39. 77 BVerfGE 77, 1, 48; BVerfG, NJW 1988, 890, 893; LG Kiel, NVwZ 1994, 54, 55.

B. Eigene Stellungnahme

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scheinen oder trotz Erscheinens – ohne ein Verweigerungsrecht zu haben – die Aussage zum Sachverhalt bzw. die Herausgabe bestimmter Gegenstände verweigern, zur Durchsetzung der Pflichten ein Ordnungsgeld zu verhängen oder Ordnungs- und Beugehaft zu beantragen, die wirksame Mittel zur Einwirkung auf die Zeugen, die sich wegen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit von einem Ordnungsgeld nicht beeindrucken lassen, darstellen.78 aa) Richtervorbehalt nach Art. 104 Abs. 2 GG Nach Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG fällt die Entscheidung über freiheitsentziehende Maßnahmen in den Bereich der rechtsprechenden Gewalt. Deshalb ist der PUA selbst nicht befugt, Beuge- und Ordnungshaft anzuordnen, weil er keine rechtsprechende Tätigkeit ausübt und bei seiner Untersuchungsarbeit keine neutralen Richter mitwirken79. Die Anordnung der Ordnungsund Beugehaft durch den PUA würde gegen das Gewaltenteilungsprinzip verstoßen. Nach Art. 44 Abs. 3 GG kann der PUA jedoch die Anordnung der Beugehaft durch den Richter beantragen.80 bb) Beachtung der Grundrechte und der Verhältnismäßigkeit Der PUA hat bei der Durchführung des Untersuchungsverfahrens die Grundrechte und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren.81 Die Anordnung von Ordnungsgeld, Ordnungs- und Beugehaft muss folglich zur Erreichung des Untersuchungszwecks geeignet und erforderlich sein.82 Genügt ein Ordnungsgeld, um den Betroffenen zur Aussage oder Herausgabe zu veranlassen, hat der PUA deshalb zunächst dieses als milderes Mittel zu verhängen, bevor er die – nicht erforderliche – Ordnungs- und Beugehaft 78 BVerfGE 76, 363, 383 f., 385 f.; BVerfG, NStZ 1988, 138, 139; BVerfG, Beschluss vom 14.12.2001, Az.: 2 BvR 1565/94, 2 BvR 173/95; VG Berlin, Urteil vom 11.06.2003, Az.: 2 A 36.02, welches das vom Parteispenden-Untersuchungsausschuss wegen Weigerung der Beeidigung einer Zeugenaussage verhängte Ordnungsgeld für rechtmäßig hielt; i. E. LG Magdeburg, Beschluss vom 18.06.2008, Az.: 21 Qs 44b/08; Bickel, 57. DJT/II, M 7, M 33; Jarass/Pieroth, GG, Art. 44, Rn. 11; Pabel, NJW 2000, 788, 789; Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 62, E 64, der aber die Beugehaft für unzulässig hält; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 187 ff., 197 ff. 79 1. Kapitel, B. II. 2. b) cc). 80 BVerfGE 76, 363, 383; BVerfG, NStZ 1988, 138; StGH Bremen, NJW 1970, 1309, 1310, 1311 im Hinblick auf die Beantragung der Durchsuchung beim Richter; Bickel, 57. DJT/II, M 7, M 33. 81 1. Kapitel, C. II. 2. c) aa). 82 BVerfGE 76, 363, 383, 385, 389; BVerfG, NStZ 1988, 138, 139; BVerfG, Beschluss vom 14.12.2001, Az.: 2 BvR 1565/94, 2 BvR 173/95; Hermanns/Hülsmann, JA 2003, 573, 578; Pabel, NJW 2000, 788, 789.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

beantragt. Ist hingegen offensichtlich, dass die Verhängung eines Ordnungsgeldes den Zeugen, z. B. wegen seiner guten finanziellen Situation, nicht zur Erfüllung seiner Aussagepflicht bewegen kann, ist es ausnahmsweise zulässig, sogleich die Ordnungs- oder Beugehaft zu beantragen83, da dann kein milderes, aber gleich geeignetes Mittel zur Erreichung der Aussagebereitschaft zur Verfügung steht. Der PUA muss sich bei evidenter Wirkungslosigkeit eines verhängten Ordnungsgeldes nicht auf dieses – im konkreten Fall – ineffektive Mittel einlassen. Die zum Teil vertretene Auffassung, die Beugehaft dürfe auch zusammen mit dem Ordnungsgeld verhängt werden84, ist abzulehnen. Sie widerspricht sowohl der Warnfunktion der Anordnung von Ordnungsgeld als auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da sich der Betroffene unter Umständen schon allein durch das verhängte Ordnungsgeld zur Aussage oder Herausgabe bewegen lässt.85 Die Anwendung der Ordnungs- und Beugehaft setzt nicht voraus, dass der PUA einen Sachverhalt mit strafrechtlicher Relevanz aufklären will86, sondern sie kommt auch bei einem rein politischen Fehlverhalten in Betracht. Der PUA kann Beweise erheben, soweit dies zur Sachverhaltsaufklärung und zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages erforderlich ist. Die Beweiserhebung bedarf daher keines konkreten Anfangsverdachts wegen einer Straftat.87 Dies ergibt sich bereits aus der unterschiedlichen Zielsetzung von PUV und Strafverfahren sowie aus dem Wortlaut des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, der lediglich eine sinngemäße Anwendung der strafprozessualen Vorschriften anordnet. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist der Höchstbetrag eines verhängten Ordnungsgeldes im Strafprozess nach Art. 6 Abs. 1 EGStGB auf 1000 e, die Höchstdauer einer Ordnungshaft nach Art. 6 Abs. 2 EGStGB auf 6 Wochen und die einer Beugehaft nach § 70 Abs. 2 StPO auf 6 Monate begrenzt. § 27 Abs. 1 PUAG legt indessen die Höchstgrenze des Ordnungsgeldes auf 10.000 e fest, obwohl Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG auf die Regelungen des Strafprozesses verweist. Dem PUA steht also bei der Höhe des festzusetzenden Ordnungsgeldes ein größerer Ermessensspielraum zu als 83

AG Bonn, JR 1994, 171, 172; Derksen, JR 1994, 173; Pabel, NJW 2000, 788, 789; a. A.: Weisgerber, BeweiserhebungsR, 200 mit der Begründung, dass diese Vorgehensweise Art. 3 GG verletze. 84 Meyer-Goßner, StPO, § 70, Rn. 12; Pabel, NJW 2000, 788, 789. 85 AG Bonn, JR 1994, 171, 172; Derksen, JR 1994, 173. 86 So aber Scholz, FAZ vom 23.12.1999, S. 12, der für die Anordnung der Beugehaft im PUV das Vorliegen eines konkreten Anfangsverdachts wegen der Begehung einer Straftat verlangt. 87 BVerfGE 67, 100, 128; Pabel, NJW 2000, 788, 789.

B. Eigene Stellungnahme

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dem Richter im Strafverfahren. Wegen der Überschreitung der strafprozessualen Höchstgrenze hält ein Teil der Literatur § 27 Abs. 1 PUAG für verfassungswidrig.88 Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG schreibt jedoch nur die sinngemäße Anwendung des Strafprozessrechts vor. Da der PUA regelmäßig Missstände im politischen Bereich untersucht, die Vermögensverhältnisse der Abgeordneten aber die eines „durchschnittlichen“ Zeugen im Strafverfahren übersteigen, ist ein Ordnungsgeld von maximal 1000 e oft zu gering, um den Abgeordneten zur – unberechtigt verweigerten – Aussage zu veranlassen.89 Der PUA hat im Übrigen keineswegs das Recht, stets den Höchstbetrag festzusetzen, sondern der Ausschuss ist verpflichtet, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles – wie der Bedeutung der Zeugenaussage für den Untersuchungsauftrag, der Vermögensverhältnisse des Zeugen und der Hartnäckigkeit der Aussageverweigerung – ein angemessenes Ordnungsgeld zu verhängen. 2. Schutz vor strafrechtlicher Selbstbelastung wegen der Aussage- und Herausgabepflichten im PUV Aufgrund der erzwingbaren Aussage- und Mitwirkungspflichten im PUV drohen dem Betroffenen Nachteile für seine Beschuldigtenstellung im Strafverfahren, weil er zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet ist und sich deshalb – beispielsweise wegen juristischer Unkenntnis oder wegen der psychischen Last – im PUV selbst belastet. Sagt der Betroffene aus Angst vor einer strafrechtlichen Selbstbelastung vor dem PUA uneidlich falsch aus, macht er sich nach § 153 Abs. 1 StGB strafbar.90 § 153 Abs. 2 StGB stellt den PUA nämlich einer zur Vereidigung zuständigen Stelle gleich. Der Betroffene gerät dadurch in den Konflikt, entweder wahrheitsgemäß auszusagen und sich selbst strafrechtlich zu belasten, die Aussage zu verweigern und dann durch Beugemittel zur Aussage angehalten zu werden oder wahrheitswidrig auszusagen und sich wegen einer Falschaussage nach § 153 StGB strafbar zu machen. § 157 StGB und §§ 55, 60 StPO gewähren dem Betroffenen aber einen ausreichenden Schutz vor einer Schmälerung seiner Rechte als Beschuldigter im Strafverfahren durch die Erfüllung der Zeugenpflichten im PUV.

88

Rogall, Protokoll G 32/71; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 308 f. Schröder, Protokoll G 32/64 f. 90 OLG Celle, Urteil vom 04.11.2003, Az.: 22 Ss 142/03; krit. Vorbaum, JZ 2002, 166, 169, 170, der die Gleichstellung für fragwürdig und wesensfremd hält, weil die Strafbarkeit nach §§ 153 ff. StGB sowohl historisch als auch strukturell der Rechtspflege vorbehalten bleiben sollte und das politische Aufklärungsinteresse weder eine Strafandrohung noch die Einschaltung der Strafjustiz verlange. 89

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

a) § 157 StGB als Schutz vor den materiellrechtlichen Nachteilen § 157 Abs. 1 StGB räumt dem Strafrichter bei der Entscheidung über das Strafmaß wegen uneidlicher Falschaussage nach § 153 StGB ein Ermessen ein, bei dessen Ausübung er die Konfliktsituation des Betroffenen im PUV zu berücksichtigen hat. Der Richter kann – je nach Interessenkonflikt – sogar ganz von Strafe absehen. Zu weit geht es allerdings, wenn zum Teil behauptet wird, das Ermessen des Richters sei bei einer uneidlichen Falschaussage des Betroffenen vor dem PUA wegen der Konfliktsituation, in der sich der Betroffene, der am Missstand beteiligt ist, befindet, auf Null reduziert mit der Folge, dass generell von Strafe abzusehen sei91. In diesem Fall hat der Betroffene nämlich ein Auskunftsverweigerungsrecht92, das den Konflikt entschärft, so dass eine so weitgehende Ermessensreduzierung nicht gerechtfertigt erscheint. Ob sich der Betroffene als Zeuge wegen Meineides nach § 154 StGB vor einem PUA strafbar machen kann, ist noch nicht geklärt. Grundsätzlich nimmt Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG auch die Befugnis, Zeugen zu vereidigen, in Bezug, da die eidliche Vernehmung das parlamentarische Untersuchungsrecht, einen Sachverhalt wahrheitsgemäß aufzuklären, stärken würde93, zumal eine beeidete Aussage einen höheren Beweiswert haben kann. Art. 34 WRV räumte deshalb dem PUA ausdrücklich eine Vereidigungsbefugnis ein.94 Dennoch scheidet eine Vereidigungsbefugnis des Untersuchungsausschusses aus. Nach § 61 StPO ist nur das Gericht befugt, den Zeugen zu vereidigen. Der PUA ist jedoch kein Gericht. Nach h. M. kann zwar im Strafverfahren der Vorsitzende anstelle des Strafgerichts vorab über die Vereidigung entscheiden.95 Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses steht dem Vorsitzenden Richter aber nicht gleich, zumal der Ausschussvorsitzende parteipolitische Interessen verfolgen wird, ihm also die erforderliche Objektivität fehlt.96 Die Strukturunterschiede beider Verfahren sprechen somit gegen eine Vereidigungsbefugnis des Untersuchungsausschusses.97 Das StGB stellt den PUA konsequenterweise nur in § 153 StGB ausdrücklich einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle gleich. In § 154 91 Montenbruck, JZ 1985, 976, 979, 983; Rogall, NJW 1978, 2535, 2538 – beide zum tatverdächtigen Zeugen. 92 Vgl. unten 3. Kapitel, B. IV. 2. b) aa). 93 Wiefelspütz, ZRP 2002, 14, 16. 94 VG Berlin, Urteil vom 11.06.2003, Az.: 2 A 36.02 – noch zur alten Rechtslage; Rixen, JZ 2002, 435, 438. 95 Dahs in: LR, StPO, § 59, Rn. 15; Meyer-Goßner, StPO, § 59, Rn. 9, 10. 96 1. Kapitel, B. II. 2. b) cc) (1) (b). 97 Schmidt, FAZ vom 17.10.2001, S. 16; Vormbaum, JZ 2001, 166, 168 f.

B. Eigene Stellungnahme

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StGB fehlt eine solche Regelung, so dass ein Falscheid vor dem PUA nicht nach § 154 StGB strafbar ist98. Der Bestimmtheitsgrundsatz verbietet es, § 153 Abs. 2 StGB auf § 154 StGB analog anzuwenden. Anders läge es, wenn die gesetzliche Gleichstellung im Allgemeinen Teil geregelt worden wäre.99 Wenn ein Falscheid vor dem PUA nicht nach § 154 StGB strafbar ist, kann eine Vereidigung die Wahrheitsfindung nicht fördern, weil die Aussageperson wegen eines Falscheides keine – höhere – Strafe zu befürchten hätte. Selbst wenn eine grundsätzliche Vereidigungsbefugnis des Untersuchungsausschusses bestehen würde, dürften Personen, die eines strafbaren oder dienstlichen Fehlverhaltens, das den Gegenstand der parlamentarischen Untersuchung bildet, verdächtig sind, in sinngemäßer Anwendung des § 60 Nr. 2 StPO nicht vereidigt werden. Die Strafbarkeit wegen Meineides nach § 154 StGB wäre also auch aus diesem Grund ausgeschlossen.100 Das materielle Strafrecht gebietet es somit nicht, den Betroffenen statt der Zeugendie Beschuldigtenrechte zu gewähren. b) Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte als Schutz vor strafprozessualen Nachteilen Die Aussage-, Mitwirkungs- und Duldungspflichten des Betroffenen im PUV beeinträchtigen bei näherer Betrachtung dessen Schweige- und Mitwirkungsverweigerungsrechte als Beschuldigter im Strafverfahren nicht, so dass es auch unter diesem Gesichtspunkt der Übertragung der Beschuldigtenstellung auf das PUV nicht bedarf. aa) § 55 StPO Allein tauglich zur Lösung des Interessenkonflikts, sich entweder vor dem PUA selbst strafrechtlich belasten zu müssen oder Zwangsmaßnahmen ausgesetzt zu sehen, scheint das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zu sein, zumal das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO schon 98

Dahs, Rudolphi-FS, 597, 603; Groß, ZRP 2002, 91; Hamm, ZRP 2002, 11, 13; Löwer, Protokoll G 32/77; Platter, Das Untersuchungsverfahren, 75; Schaefer, NJW 2002, 490, 491; Schmidt, FAZ vom 17.10.2001, S. 16. 99 OLG Celle, Urteil vom 04.11.2003, Az.: 22 Ss 142/03; FAZ vom 17.11.2001, S. 8; Groß, ZRP 2002, 91; Hamm, ZRP 2002, 11, 13; i. E. Vormbaum, JZ 2002, 166, 168, 170. 100 BGHSt. 17, 128, 131, 133, 135; VG Berlin, Urteil vom 11.06.2003, Az.: 2 A 36.02; Beckedorf, ZParl 1989, 35, 51; Gollwitzer, Dünnebier-FS, 327, 340 f.; v. Heydebreck, 45. DJT/II, E 64, E 74; Rixen, JZ 2002, 435, 441, Fn. 56; Schleich, UntersuchungsR, 45; Wiefelspütz, ZRP 2002, 14, 16; ders., UAG, 266.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

nicht einschlägig ist, weil sich die Untersuchung des Ausschusses nicht gegen einen Beschuldigten richtet101, und es nicht die Gefahr vor der eigenen strafrechtlichen Selbstbelastung beseitigen soll102. Auch das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 54 StPO schützt nicht umfassend vor der drohenden Selbstbelastungsgefahr, weil es nur beschränkt für öffentlich Bedienstete und für Tatsachen gilt, auf die sich die Amtsverschwiegenheitspflicht erstreckt, d.h. auf öffentliche Angelegenheiten, die dem Betroffenen bei seiner amtlichen Ausübung bekannt geworden sind, nicht dagegen auf amtlich bekannt gewordene Privatgeheimnisse103. Das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 4 StPO bzw. Art. 47 GG gewährt ebenfalls keinen Schutz vor – erzwungener – Selbstbelastung, zumal es primär das Vertrauensverhältnis und die ungehinderte Kommunikation zwischen dem Abgeordneten und dem Wähler, mittelbar zudem die Funktionsfähigkeit des Parlaments und die demokratische Willensbildung zu sichern beabsichtigt.104 Dieser Schutzzweck würde aber unterlaufen, wenn sich der von einem PUV betroffene Abgeordnete durch die Verweigerung des Zeugnisses seiner politischen Verantwortung vor dem Volk entziehen, damit die Aufklärung verhindern und das parlamentarische Kontrollrecht, das zugleich die Funktion des Parlaments und die Demokratie stärken soll, vereiteln könnte. Konsequenterweise dürfte dem Abgeordneten das Zeugnisverweigerungsrecht in diesem Fall nicht zugebilligt werden. Zudem gilt § 53 Abs. 1 Nr. 4 StPO bzw. Art. 47 GG nur für Tatsachen, die der Abgeordnete einem Dritten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Abgeordneter im Parlament105, nicht aber für solche, die er einem Dritten im privaten oder geschäftlichen Tätigkeitsbereich106 anvertraut hat. Deshalb ist zweifelhaft, ob Tatsachen, die der Abgeordnete in Ausübung seiner Regierungstätigkeit einem Dritten mitgeteilt hat, von Art. 47 GG bzw. § 53 Abs. 1 Nr. 4 StPO erfasst sind, denn die Regierungstätigkeit ist im engen Sinne keine Tätigkeit des Abgeordneten im Parlament mehr. § 55 StPO, der dem Zeugen das Recht zur Verweigerung der Beantwortung einer Frage gibt, wenn er sich selbst – oder einen der in § 52 Abs. 1 StPO bezeichneten Angehörigen – durch die Antwort der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu wer101

Kramer, ZRP 2001, 386; Plöd, Stellung des Zeugen, 108. Meyer-Goßner, StPO, § 52, Rn. 1; Pfeiffer, StPO, § 52, Rn. 1. 103 Meyer-Goßner, StPO, § 54, Rn. 1. 104 Jarass/Pieroth, GG, Art. 47, Rn. 1; Magiera in: Sachs, GG, Art. 47, Rn. 1. 105 Dreier/Schulze-Fielitz, GG, Art. 47, Rn. 8; Jarass/Pieroth, GG, Art. 47, Rn. 2; Magiera in: Sachs, GG, Art. 47, Rn. 4. 106 Magiera in: Sachs, GG, Art. 47, Rn. 4; Maunz in: M/D/H, GG, Art. 47, Rn. 10; Umbach in: BK, GG, Art. 47, Rn. 8. 102

B. Eigene Stellungnahme

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den, scheint den Betroffenen jedoch umfassend vor der drohenden Selbstbelastungsgefahr im PUV zu schützen. (1) Anwendbarkeit im PUV Gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG gilt das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO im PUV, denn auch der Zeuge muss davor bewahrt werden, sich durch seine Aussage vor dem PUA der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung bzw. eines Ordnungswidrigkeitenverfahren aussetzen müssen. Die Pflicht zur Herausgabe eines Gegenstandes ist jedenfalls suspendiert, wenn die Gefahr besteht, dass sich der Betroffene selbst belasten würde. § 95 Abs. 2 S. 2 StPO nimmt seinem Wortlaut nach zwar nur auf das Recht zur Zeugnisverweigerung Bezug. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass § 95 Abs. 2 S. 2 StPO für Personen, die nach § 55 StPO zur Auskunftsverweigerung berechtigt sind, entsprechend gilt.107 §§ 22 Abs. 2, 29 Abs. 2 S. 4 PUAG begrenzen konsequenterweise die Aussage- und Mitwirkungspflicht des Zeugen im PUV, wenn dieser sich durch die Beantwortung der Fragen bzw. durch die Herausgabe der Gegenstände selbst oder einen in § 52 StPO genannten Angehörigen belasten müsste. Ein Teil der Literatur bezweifelt aber, dass § 55 StPO dem „betroffenen“ Zeugen einen ausreichenden Schutz gewährt. (2) Unkenntnis des Auskunftsverweigerungsberechtigten über Voraussetzungen und Grenzen des Auskunftsverweigerungsrechts Vereinzelt wird behauptet, § 55 StPO biete keinen ausreichenden Schutz, weil der Aussagende sich oftmals nicht bewusst sei, dass ihm ein Auskunftsverweigerungsrecht zustehe. Er kenne Ausmaß und Grenzen nicht oder wisse nicht, dass ihn die Aussage selbst belasten könne.108 Jedoch besteht dieses Problem nicht nur bei § 55 StPO, sondern auch bei anderen Aussageverweigerungsrechten. Es mag zwar schwieriger sein, das Vorliegen des Rechts nach § 55 StPO zu erkennen, weil es – im Gegensatz zu den Zeugnisverweigerungsrechten – nicht generell gilt, sondern erst eingreift, wenn eine Selbstbelastungsgefahr droht. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Betroffene rechtlichen Beistand erhält, um seine Rechte im PUV wahrnehmen zu können. Der Vorsitzende muss den Zeugen zum einen darüber belehren, dass es ihm im Falle einer eigenen Verfolgungsgefahr oder einer Verfolgungsgefahr 107 108

Meyer-Goßner, StPO, § 95, Rn. 10; Pfeiffer, StPO, § 95, Rn. 2. Kohlmann, JA 1984, 670, 671.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

für die in § 52 StPO aufgeführten Angehörigen freistehe, sich zu dieser Tatsache zu äußern. Zwar entsteht die Pflicht zur Belehrung nach § 55 Abs. 2 StPO grundsätzlich erst, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Selbstbelastungsgefahr durch die Aussage zu Tage treten. Die Belehrung muss also nicht generell vor der Zeugenvernehmung erfolgen.109 Eine frühzeitige Belehrung zu Beginn der Vernehmung könnte nämlich die Zeugen in ihrem Aussageverhalten beeinflussen, weil sie befürchten, gegen sie werde bereits ein Tatverdacht gehegt.110 Es ist aber anerkannt, dass die Belehrung über das Auskunftsverweigerungsrecht schon vor Beginn der Zeugenvernehmung erfolgen muss, wenn sich bereits zu diesem Zeitpunkt die Gefahr einer Selbstbelastung eröffnet. Das ist bei offensichtlich Tatbeteiligten regelmäßig zu bejahen.111 Der Zeuge hat zudem das Recht, sich des Beistandes eines Rechtsanwalts zu bedienen. Dieses Recht folgt aus dem Gebot einer fairen Verfahrensgestaltung.112 Durch die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands, der ihn auf den Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts und auf die Folgen seiner Aussage hinweist, ist der Zeuge davor geschützt, dass er sich selbst durch seine Aussage strafrechtlich belastet, weil er möglicherweise sein Aussageverhalten falsch interpretiert oder nicht weiß, dass er unter diesen Umständen zur Aussage berechtigt ist.113 Im PUV ist das Recht auf einen Rechtsbeistand eher noch wichtiger als im Strafverfahren. Da die Vernehmung nicht durch unabhängige Richter, sondern durch parteipolitisch motivierte Mitglieder des Untersuchungsausschusses erfolgt, ist die Belehrung nicht selten unvollständig oder fehlerhaft. Die Aussageverweigerung des Betroffenen wird zudem oft als Schuldeingeständnis gewertet oder die Vernehmung des Betroffenen wird wegen der politischen Interessen der Ausschussmitglieder einseitig in die gewünschte Richtung gesteuert.114 Es besteht daher ein erhöhtes Bedürfnis, den Betroffenen im PUV vor den Gefahren einer strafrechtlichen Selbst109 Bosch, nemo-tenetur, 256; Dencker, Verwertungsverbote, 94; Haffke, GA 1973, 65, 73; Meyer-Goßner, StPO, § 55, Rn. 14; Rogall, NJW 1978, 2535, 2537. 110 BGH, NJW 1968, 1388, 1390; OLG Stuttgart, MDR 1977, 70; Bosch, nemotenetur, 259. 111 Meyer-Goßner, StPO, § 55, Rn. 14. 112 BVerfGE 38, 105, 112 f.; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 722; Meyer-Goßner, StPO, vor §§ 48, Rn. 11. 113 BVerfGE 38, 105, 112 f.; OLG Stuttgart, StV 1992, 262 f.; LG Hannover, StV 1987, 526 f.; Berliner Parteispendenuntersuchungsausschuss, Abghs.-Drucks. 10/2444, S. 19 f.; Buchholz, Untersuchungsausschuss, 103; Engels, Untersuchungsausschüsse, 87, 164; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 722; Meyer-Goßner, StPO, vor §§ 48, Rn. 11. 114 OVG Berlin, NJW 2002, 313, 315; Dahs, Rudolphi-FS, 597, 604; Schaefer, NJW 1998, 434, 435; ders., NJW 2002, 490.

B. Eigene Stellungnahme

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belastung zu schützen. Diesem Schutzbedürfnis hat der Gesetzgeber mit der Regelung in § 20 Abs. 2 PUAG, nach welcher der Zeuge schon in der Ladung auf sein Recht, dass er einen Rechtsbeistand hinzuziehen darf, hinzuweisen ist, Rechnung getragen. Eine weitere Stärkung würde die Stellung des Betroffenen erfahren, wenn der Ausschussvorsitzende eine juristische Ausbildung besitzen müsste, weil dies dazu beitragen könnte, dass die Belehrung ordnungsgemäß erfolgt. Die These, das Recht des Zeugen auf einen Rechtsbeistand sei zur Sicherung des Auskunftsverweigerungsrechts nur eingeschränkt tauglich, weil der Zeuge, der nicht selten erst während der Vernehmung die Gefahr einer möglichen Selbstbelastung erkennt, die Aussage nicht bis zur Beiziehung eines Rechtsanwalts unterbrechen könne, sondern den Beistand vorsorglich zur Verhandlung mitbringen müsse115, überzeugt ebenfalls nicht. § 68b StPO sieht vor, einem Zeugen, der noch keinen anwaltlichen Beistand hat, für die Dauer der Vernehmung einen Rechtsanwalt als Beistand beizuordnen, wenn ersichtlich ist, dass der Zeuge seine Befugnisse bei der Vernehmung nicht selbst wahrnehmen kann. Das PUAG bestimmt dies zwar nicht ausdrücklich. § 68b StPO findet im PUV gemäß Art. 44 Abs. 2 GG jedoch befugnisbegrenzend Anwendung, weil sich der Zeuge vor dem PUA in der gleichen Situation wie der Zeuge im Strafverfahren befindet und seine Rechte ebenso schutzwürdig und -bedürftig sind.116 Die Behauptung, § 55 StPO biete keinen hinreichenden Schutz, weil der Betroffene seine Rechte oft nicht kenne, trifft somit nicht zu. (3) Faktische Selbstbelastung durch die Auskunftsverweigerung? Nachteile im Strafverfahren könnten dem Betroffenen aber durch die Berufung auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO drohen, weil er dadurch den Anschein erweckt, etwas zu verbergen zu haben. Zum Teil wird deshalb behauptet, dass der Betroffene, der vor dem PUA von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch sein Schweigen mittelbar zugebe, das vom PUA aufzuklärende Fehlverhalten – das zugleich im parallelen Strafverfahren Untersuchungsgegenstand ist – begangen zu haben. Der Betroffene belaste sich dadurch mittelbar auch strafrechtlich. Daher müsse er schon im PUV als Beschuldigter behandelt werden.117 115

Lesch, JA 1995, 157, 165. Plöd, Stellung des Zeugen, 101; Rogall, Protokoll G 32/107. 117 Jacobi, 34. DJT/II, 69, 82 f.; Rosenberg, 34. DJT/I, 3, 26; Schenke, JZ 1988, 807, 814. 116

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Diese Situation tritt in gleicher Weise im Strafverfahren ein, wenn z. B. ein Beschuldigter in einem anderen Verfahren zur selben strafprozessualen Tat nach der endgültigen Verfahrenstrennung gegen seinen früheren Mitbeschuldigten als Zeuge aussagen muss.118 Nach Auffassung des BGH löst das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO den Interessenkonflikt zwischen der Aussagepflicht als Zeuge im Verfahren gegen den Beschuldigten und dem Recht, sich nicht selbst strafrechtlich belasten zu müssen, jedoch befriedigend, weil aus der Berufung auf § 55 StPO in einem gegen den Beschuldigten geführten Strafverfahren keine nachteiligen Schlüsse in einem gegen ihn selbst gerichteten Verfahren gezogen werden dürften. Das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, geriete nämlich in Gefahr, wenn die Aussageperson damit rechnen müsste, dass ihre Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO ihr im eigenen Verfahren als Beschuldigtem zum Nachteil gereichen würde.119 Diese Entscheidung lässt sich wegen des vergleichbaren Interessenkonflikts des Betroffenen vor dem PUA auf das PUV übertragen. Der Einwand, niemand könne verhindern, dass aus der Geltendmachung des Auskunftsverweigerungsrechts im PUV Rückschlüsse im Strafverfahren gezogen und Ermittlungsmaßnahmen gegen den Zeugen – nun als Beschuldigten – ergriffen würden120, überzeugt nicht. Beruht das Strafurteil in unzulässiger Weise auf der Berücksichtigung der Berufung auf § 55 StPO, so kann der Angeklagte das Urteil mit der Revision (Sachrüge) anfechten.121 Das Gericht darf der Auskunftsverweigerung nach § 55 StPO nämlich keine beweiskräftigen Tatsachen entnehmen, auf die es sein Urteil stützt. Es ist zudem anerkannt, dass die Geltendmachung des Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 StPO nicht davon abhängt, welche Aussage des Zeugen (die Verneinung oder die Bejahung) auf die Frage wahrheitsgemäß und zugleich belastend ist. Vielmehr hat der Zeuge das Recht, sowohl be118 BVerfG, JA 1985, 494 ff.; Lesch, JA 1995, 157, 165; Prittwitz, NStZ 1981, 463, 464, 469. 119 BGHSt. 38, 302, 306 = NJW 1992, 2304, 2306; dem BGH insoweit zustimmend: OLG Stuttgart, NStZ 1981, 272, 273; Dahs/Langkeit, NStZ 1993, 213, 215, die jedoch die Einschränkung des BGH, im Falle einer Teileinlassung des Zeugen könne sein früheres Schweigen zu einzelnen Fragen verwertet werden, monieren. Eine Gleichsetzung der Teileinlassung des Zeugen bis an die Grenze des § 55 StPO mit dem partiellen Schweigen des Beschuldigten sei nicht möglich, da § 55 StPO grundsätzlich nur ein Auskunftsverweigerungsrecht für einzelne Fragen gewährt. Eine Gleichsetzung mit dem partiellen Schweigen des Beschuldigten könne nur dann erfolgen, wenn das Auskunftsverweigerungsrecht unter besonderen Umständen zum vollständigen Aussageverweigerungsrecht erstarkt, die Aussageperson dann aber nicht gänzlich, sondern nur teilweise schweigt. 120 So Lesch, JA 1995, 157, 165 für den tatverdächtigen Zeugen im Strafverfahren. 121 OLG Stuttgart, NStZ 1981, 272, 273; Dahs/Langkeit; NStZ 1993, 213, 214.

B. Eigene Stellungnahme

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lastende als auch entlastende Tatsachen zu verschweigen.122 Bei der Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen des § 55 StPO vorliegen, muss das Gericht bzw. der Vorsitzende im PUV die Bejahung und die Verneinung der Frage in gleicher Weise berücksichtigen. Wenn auch nur eine der möglichen Antworten den Zeugen oder einen seiner Angehörigen in die Gefahr der Selbstbelastung bringt, ist die Berufung auf § 55 StPO berechtigt123, unabhängig davon, ob die Antwort den Zeugen tatsächlich belastet. Der Zeuge darf also auch entlastende Tatsachen verschweigen, wenn die ebenfalls in Betracht zu ziehende gegenteilige Annahme selbstbelastend wirken und ihn der Gefahr einer Sanktionsverhängung aussetzen würde. Stellt der PUA dem Betroffenen z. B. die Frage, ob er sich am Tattag am Tatort befunden habe, würde die Bejahung der Frage für den Betroffenen selbstbelastend wirken. Selbst wenn der Betroffene am Tattag nicht am Tatort war, also die Frage wahrheitsgemäß verneinen müsste, dürfte er sich dennoch auf das Auskunftsverweigerungsrecht berufen, da der PUA-Vorsitzende bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Auskunftsverweigerungsrechts die Bejahung und die Verneinung der Frage gleichermaßen in Betracht ziehen muss und hier eine Bejahung der Frage selbstbelastend wirkt. Der Richter bzw. der Vorsitzende des parlamentarischen Untersuchungsausschusses kann also nicht feststellen, ob der Zeuge sich durch die Beantwortung der Frage tatsächlich strafrechtlich belasten würde, und er darf deshalb aus dem Schweigen keine eindeutigen Rückschlüsse zum Nachteil des Beschuldigten ziehen.124 (4) Glaubhaftmachung des Auskunftsverweigerungsrechts Gefahren für die Rechtsstellung des „betroffenen“ Zeugen im PUV als Beschuldigter im Strafverfahren resultieren auch nicht aus § 56 StPO, der vorschreibt, dass der Zeuge die Tatsachen, auf die er sein Recht zur Verweigerung des Zeugnisses stützt, auf Verlangen glaubhaft zu machen hat. § 56 StPO findet zwar nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG im PUV „sinngemäß“ Anwendung, da der PUA auf die Aussagen des Zeugen angewiesen ist und die Umstände für die Zeugnis- oder Auskunftsverweigerung kennen 122

RGSt. 36, 114, 117; BGH, StV 1993, 340; Meyer-Goßner, StPO, § 55, Rn. 2; Richter II, StV 1996, 457, 461. 123 BVerfG, NJW 1999, 779; BGH, StV 1993, 340; BGH, MDR 1993, 722; Nack, Protokoll G 32/93. 124 So auch Richter II, StV 1996, 457, 461: „Tatsächlich wird man sich darüber Rechenschaft ablegen müssen, dass bei völliger Unkenntnis des Motivs der Auskunftsverweigerung und deren alleinigen Bezugs auf den Gegenstand der Frage für eine Beweiswürdigung nur ein Nullum verbleibt.“

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

muss, um überprüfen zu können, ob der Zeuge das Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht berechtigt in Anspruch nimmt. Der PUA kann den Sachverhalt nicht vollständig aufklären, wenn die Aussage wahrheitswidrig erfolgt oder die Zeugen unerlaubt bei der Wahrheitserforschung nicht mitwirken. § 22 Abs. 4 PUAG sieht deshalb die Glaubhaftmachung, ohne dass dies verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre, vor. Die Behauptung, eine Pflicht zur Darlegung der Gründe, die zur Auskunftsverweigerung berechtigen, impliziere zugleich die Offenbarung belastender Tatsachen, welche die Strafverfolgungsbehörden im Verfahren gegen den Betroffenen als Beschuldigten zu dessen Nachteil verwenden könnten125, trifft dennoch nicht zu. Der BGH stellt an die Glaubhaftmachung der Berechtigung zur Auskunftsverweigerung nämlich nur geringe Anforderungen. Da der Zeuge bereits die Auskunft verweigern darf, wenn ihn entweder die Bejahung oder die Verneinung der gestellten Frage, die das Gericht bei der Prüfung des § 55 StPO in gleicher Weise in Erwägung zu ziehen hat, der Gefahr der Strafverfolgung zuziehen würde126, darf das Gericht eine Glaubhaftmachung nicht mehr verlangen, wenn die Aktenlage ergibt, dass eine Beantwortung der Frage in Beziehung zu einem möglichen, sanktionsbewehrten Verhalten steht und die Beantwortung der Frage die Aussageperson in die Gefahr einer Selbstbelastung bringen würde127. Ist die selbstbelastende Wirkung, die durch die Beantwortung der Frage droht, nicht aus den Akten ersichtlich und weiß nur der Zeuge, ob die Beantwortung selbstbelastend wirkt, kann das Gericht nicht erwarten, dass der Zeuge die Tatsachen glaubhaft macht, welche die Selbstbelastungsgefahr begründen. Müsste er die Gründe darlegen, würde dies einer selbstbelastenden Aussage gleichkommen und damit das Auskunftsverweigerungsrecht aushöhlen.128 Es kann in dieser Situation nur verlangt werden, dass der Zeuge das Vorliegen der Selbstbelastungsgefahr – gegebenenfalls eidlich – versichert.129 Beachtet der PUA diese Maßstäbe bei der Glaubhaftmachung des Auskunftsverweigerungsrechts, ist dem Schutzbedürfnis des Betroffenen vor einer Selbstbelastung hinreichend Rechnung getragen.130 125

Kohl, Die Rechtsstellung des Betroffenen, 190; Kohlmann, JA 1984, 670, 671; Schenke, JZ 1988, 807, 814. 126 BVerfG, NJW 1999, 779; RGSt. 36, 114, 117; BGH, StV 1993, 340; BGH, MDR 1993, 722. 127 Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 218; Richter II, StV 1996, 457, 461. 128 BGH, StV 1986, 282; BGH, StV 1987, 328, 329; OVG Münster, NJW 1999, 80, 81; Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 218. 129 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 107; Dahs, Rudolphi-FS, 597, 604; Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 218; Morlok, Protokoll G 32/90.

B. Eigene Stellungnahme

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(5) Selbstbelastungsgefahr bei fehlender oder fehlerhafter Belehrung In der Praxis geht der PUA mit den Schutzvorkehrungen allerdings bisweilen nachlässig um131, indem er den „betroffenen“ Zeugen nicht oder nur unvollständig belehrt. Sagt der Betroffene vor dem PUA dann selbstbelastend aus und dürften die Strafverfolgungsbehörden die selbstbelastenden Informationen nunmehr in das Strafverfahren einführen und verwenden, hätte der Betroffene durch seine Aussage vor dem PUA seine Schutzrechte als Beschuldigter erheblich geschmälert. Nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 55 Abs. 2 StPO ist der Betroffene über das Auskunftsverweigerungsrecht zu belehren. Entsprechendes regelt § 22 Abs. 3 PUAG. Unterrichtet der PUA den Zeugen nicht über sein Auskunftsverweigerungsrecht, ist es möglich, dass der Betroffene, der dieses Recht nicht kennt, die selbstbelastenden Tatsachen offenbart, weil er irrtümlich annimmt, aussagen zu müssen. Fraglich ist, ob eine belastende Aussage infolge der unterlassenen oder fehlerhaften Belehrung über das Auskunftsverweigerungsrecht im PUV und im Strafverfahren verwertbar ist. (a) Verwertbarkeit der Aussage im Strafverfahren Unstreitig ist, dass eine selbstbelastende Aussage, die ein Zeuge wegen einer unterlassenen oder fehlerhaften Belehrung in einem Strafverfahren gegen eine andere Person abgegeben hat, nicht in einem gegen ihn selbst gerichteten Strafverfahren verwertet werden darf, weil der Zeuge sonst an seiner eigenen Verurteilung mitwirken müsste, zumal die Verwendung seiner Aussage in dem gegen ihn gerichteten Verfahren den eigenen Rechtskreis des ehemaligen Zeugen berühren würde, nämlich das Recht auf Selbstbelastungsfreiheit.132 Die Situation des „betroffenen“ Zeugen im PUV ist der Situation des Zeugen im Strafverfahren vergleichbar. Der Betroffene offenbart infolge der unterlassenen Belehrung ebenfalls ihn belastendes Material, das in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung beitragen könnte. Der Schutz des Betroffenen vor strafrechtlicher Selbstbelastung erfordert deshalb ein Verwertungsverbot im Strafverfahren für die selbstbelastenden Tatsachen, die der Betroffene vor dem PUA auf130

Die Schwierigkeiten, die aus den geringen Anforderungen der Glaubhaftmachung und der Geltendmachung des Auskunftsverweigerungsrechts für den PUA bei der Aufklärung resultieren, werden im 4. Kapitel, 1. Abschnitt, A. erörtert. 131 Schaefer, NJW 2002, 490. 132 BGHSt. 11, 213, 217; BGH, NJW 1992, 2304, 2305; Rogall, JZ 1996, 944, 953.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

grund der unterlassenen oder fehlerhaften Belehrung offenbart hat. Die rechtsstaatlichen Grundsätze sind nämlich dort wiederherzustellen, wo sich der begangene Verfahrensfehler tatsächlich auswirkt.133 (b) Verwertbarkeit der Aussage im PUV Der PUA darf die selbstbelastende Aussage des Betroffenen vor dem PUA dagegen trotz unterlassener oder fehlerhafter Belehrung zur Sachverhaltsaufklärung nutzen. Wegen der Öffentlichkeit der Beweisaufnahme im PUV kann die selbstbelastende Aussage des Betroffenen zwar seine Reputation in der Gesellschaft schädigen, die selbstbelastende Aussage wirkt sich also auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen (Ehrschutz) aus. Das Auskunftsverweigerungsrecht und die Belehrungspflicht schützen aber nicht vor möglichen ehrverletzenden Nachteilen der Aussage, sondern sie sollen der Aussageperson den Konflikt ersparen, sich durch die Aussage selbst strafrechtlich belasten und an der eigenen strafgerichtlichen Verurteilung mitwirken zu müssen. Der PUA verhängt aber keine Sanktion. Der Belehrungsfehler erfordert somit nur ein Verwertungsverbot im Strafverfahren. Ein Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht wegen der ehrverletzenden Auswirkung der öffentlichen Untersuchung in der Gesellschaft begründet zudem auch deshalb kein Verwertungsverbot im PUV, weil das parlamentarische Interesse an der Aufklärung der persönlichen Verfehlung des Betroffenen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht regelmäßig überwiegt und den Eingriff rechtfertigt. Da das offenbarte Fehlverhalten in der Regel im Zusammenhang mit den hoheitlichen Aufgaben steht, kann sich ein Mandats- oder Amtsträger, der von der parlamentarischen Untersuchung betroffen ist, zumeist nicht auf den Grundrechtsschutz berufen. Erst die Sanktionierung berührt den politischen Mandatsträger in seinem persönlichen Lebensbereich.134 Der Gefahr, dass der PUA den Betroffenen – unter Hinnahme eines strafprozessualen Verwertungsverbotes – missbräuchlich nicht belehrt, um ihn zur Offenbarung belastenden Materials zu veranlassen, lässt sich begegnen, indem die selbstbelastende Aussage des Betroffenen im Missbrauchsfall auch im PUV einem Verwertungsverbot unterliegt.

133

BGHSt. 11, 213, 217; BGH, NJW 1992, 2304, 2305; Rogall, JZ 1996, 944,

953. 134 Näheres im 3. Kapitel, B. IV. 2. b) bb) (2) (d); Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 218, Fn. 13; Masing, ZRP 2001, 36, 39, 41.

B. Eigene Stellungnahme

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(6) Zwischenergebnis Das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO bzw. § 22 Abs. 2 PUAG schützt den Betroffenen ausreichend vor den Nachteilen im Strafprozess, die aus seiner Aussage-, Wahrheits- und Herausgabepflicht als Zeuge im PUV entstehen können. Der Betroffene darf vor dem PUA die Beantwortung von Fragen, durch die er sich der Gefahr eines Strafverfahrens oder vergleichbaren Verfahrens aussetzen könnte, und die Herausgabe belastender Gegenstände verweigern. Der Betroffene ist über diese Rechte zu belehren, er kann sich eines Rechtsbeistandes bei der Vernehmung bedienen und er muss die Gründe, auf die er sein Mitwirkungsverweigerungsrecht stützt, nicht darlegen, soweit er sich schon dadurch belasten würde. Belehrt der PUA den Betroffenen nicht oder falsch und sagt der Betroffene wegen fehlender Kenntnis seiner Rechte selbstbelastend aus, ist die Aussage im Strafverfahren gegen den Betroffenen unverwertbar. Aus der Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht vor dem PUA dürfen die Strafverfolgungsbehörde und das Strafgericht keine Rückschlüsse zu Lasten des Betroffenen ziehen. bb) § 384 Nr. 2 ZPO Das Eingeständnis eines Fehlverhaltens vor dem PUA kann den Betroffenen verächtlich machen und ihn in der Öffentlichkeit diskreditieren. § 55 StPO schützt nicht vor bloßen Rufschädigungen. Strittig ist, ob die strafprozessualen Zeugenrechte gemäß § 384 Nr. 2 ZPO um den Schutz vor Ehrverletzungen zu erweitern sind. (1) Meinungsstand Um dem Betroffenen einen effektiven Schutz zu gewährleisten, befürworten einige Vertreter in der Literatur die Ergänzung der strafprozessualen Zeugenschutzrechte um das Zeugnisverweigerungsrecht des § 384 Nr. 2 ZPO bei solchen Fragen, deren Beantwortung dem Betroffenen oder einem seiner Angehörigen zur Unehre gereichen.135 Dies sei geboten, weil das Interesse an der Aufklärung unehrenhaften politischen Fehlverhaltens gegenüber dem Interesse am Schutz der Ehre nachrangig sei.136 Wie in Verwaltungs- und Zivilgerichtsverfahren gebühre dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch im PUV Vorrang vor dem Allgemeininteresse.137 § 68a 135

Buchholz, Untersuchungsausschuss, 97 ff., 102 ff.; Müller-Boysen, Betroffener, 162 ff. 136 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 99; Müller-Boysen, Betroffener, 162. 137 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 100 f.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

StPO sei auf das PUV nicht übertragbar, weil das Interesse am Schutz der Ehre das Aufklärungsinteresse – im Gegensatz zum Strafverfahren – überwiege. Der in § 68a StPO vorgesehene Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 GVG sei zudem dem Zweck der parlamentarischen Untersuchung abträglich, weil erst die öffentliche Beweisaufnahme die politischen Vorgänge für das Volk transparent und kontrollierbar mache. Da der PUA gerade das Fehlverhalten des Betroffenen aufklären wolle, liefe eine Pflicht des Betroffenen, sein unehrenhaftes Verhalten zu offenbaren, auf einen Geständniszwang im PUV hinaus.138 Der Betroffene geriete in einen unauflösbaren Interessenkonflikt, weil er sich öffentlich entweder seines unehrenhaften Fehlverhaltens bezichtigen und sich selbst diskreditieren oder aber schweigen und sich dadurch Zwangsmaßnahmen aussetzen müsste. Um ihm diesen Interessenkonflikt zu ersparen, sei ihm das Zeugnisverweigerungsrecht des § 384 Nr. 2 ZPO zu gewähren.139 (2) Stellungnahme Bei näherer Betrachtung scheidet die analoge Anwendung des § 384 Nr. 2 ZPO aus. (a) Wortlaut des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG und Zweck der parlamentarischen Untersuchung Die Anerkennung eines Rechts zur Verweigerung ehrverletzender Antworten findet in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, der ausdrücklich nur die Vorschriften des Strafprozesses sinngemäß für anwendbar erklärt, jedenfalls keine Grundlage.140 Das Auskunftsverweigerungsrecht des § 384 Nr. 2 ZPO würde zudem die Sachverhaltsaufklärung in noch größerem Maß als das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO beeinträchtigen.141 Da der Vorwurf einer schlechten Amtsführung, der mit einer parlamentarischen Untersuchung regelmäßig verbunden ist, dem Betroffenen generell zur Unehre gereicht, könnte er 138

Buchholz, Untersuchungsausschuss, 100. Müller-Boysen, Betroffener, 164, bezogen auf politische Mandatsträger, denen sie im Gegensatz zu anderen Aussagepersonen im PUV wegen ihrer besonderen Rechenschaftspflicht gegenüber der Allgemeinheit keine Beschuldigtenstellung zugesteht. 140 ähnlich Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 208, Fn. 2; v. Mangoldt/Klein/ Achterberg/Schulte, Bonner GG, Art. 44, Rn. 142. 141 Enquetekommission-Verfassungsreform, BT-Drucks. 6/3829, S. 17; i. E. Rogall, Protokoll G 32/106; Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 59. 139

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sich nahezu immer auf ein Zeugnisverweigerungsrecht wegen der Gefahr einer Ehrverletzung berufen und die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses erheblich behindern. Dadurch wären Sinn und Zweck der parlamentarischen Untersuchung, die eine lückenlose, zügige Aufklärung und eine zeitnahe Aufarbeitung des Geschehens anstrebt, gefährdet. Die Pflicht zur ehrverletzenden Aussage im PUV bedeutet auch keinen unzulässigen Geständniszwang, weil – wie oben erörtert142 – der nemo-tenetur-Grundsatz nicht vor der erzwungenen Offenbarung von Umständen, die dem Zeugen zur Unehre gereichen, schützt. (b) Vergleich mit dem Verwaltungs- und Zivilgerichtsverfahren Die These, das PUV ähnle dem Verwaltungs- und dem Zivilgerichtsverfahren, so dass § 384 Nr. 2 ZPO entsprechend anwendbar sei, überzeugt im Übrigen nicht. Während das PUV öffentliche Interessen verfolgt, dient der Zivilprozess der Entscheidung von Streitigkeiten über privatrechtliche Ansprüche. Deshalb haben im Zivilprozess die Parteien die Dispositionsbefugnis über ihre Ansprüche mit der Folge, dass sie selbst über den Streitgegenstand sowie über Beginn und Beendigung des gerichtlichen Verfahrens entscheiden können.143 Die Parteien im Zivilprozess befinden zudem über die Einführung der Tatsachen in das Verfahren, die das Gericht seiner Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs zu Grunde legt.144 Im Zivilprozess ist ein über § 55 StPO hinausgehendes Aussageverweigerungsrecht, das die Sachverhaltsaufklärung auch einschränkt bei der Gefahr, unehrenhafte Tatsachen offenbaren zu müssen, hinnehmbar, weil das Zivilgericht keine die Allgemeinheit betreffenden Interessen, sondern bloße Privatinteressen aufklären soll. Den Parteien steht es daher frei, in welcher Weise sie der Wahrheits- und Darlegungspflicht gemäß § 138 Abs. 1 ZPO sowie ihrer Beweislast nachkommen, d.h., ob sie beispielsweise einen Zeugen benennen, der alle Tatsachen vollständig offenbart oder zum Schutz der eigenen Ehre besser schweigt. Im Verwaltungsgerichtsverfahren geht es zwar ebenso wie im Strafverfahren und PUV um öffentliche Interessen, nämlich um die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Ansprüche im Verhältnis des Staates zum Bürger bzw. um die Aufhebung öffentlich-rechtlicher Handlungsformen.145 Im laufenden 142

3. Kapitel, B. II. 1. Jauernig, ZPO, § 24, S. 84 ff.; Müller-Boysen, Betroffener, 148 ff. 144 Jauernig, ZPO, § 25, S. 86 ff.; Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, Einl. I, Rn. 1–5. 145 Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 66. 143

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Verwaltungsgerichtsverfahren herrscht wegen des öffentlichen Interesses an der Wahrheitsermittlung deshalb auch der Ermittlungsgrundsatz, der dem Gericht die Pflicht zur selbstständigen Ermittlung und Bewertung des Tatsachenstoffs ex officio auferlegt, ohne an die Anträge der Verfahrensbeteiligten gebunden zu sein.146 Verwaltungs- und Zivilgerichtsverfahren haben allerdings gemeinsam, dass das Risiko der Nichtaufklärbarkeit im Falle des Schweigens eines Zeugen und der Benachteiligung bei der Beweiswürdigung die beweisbelastete Partei im Zivilverfahren147 und der Antragsteller im Verwaltungsprozess148 tragen, wenn sie die Voraussetzungen ihres Anspruchs nicht darlegen können bzw. ihre Mitwirkungspflichten nicht erfüllen und das Gericht trotz Zuhilfenahme anderer Beweismittel, zu der es aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes im Verwaltungsgerichtsverfahren verpflichtet ist, die Anspruchsvoraussetzungen nicht klären kann. Eine Schonung wirtschaftlicher und vermögensrechtlicher Interessen sowie ein umfassender Ehrschutz des Zeugen zum Nachteil der Wahrheitsfindung und der Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs sind akzeptabel, weil nicht der Staat und die Allgemeinheit das Risiko von Beweisschwierigkeiten tragen. Die Unmöglichkeit der Aufklärung des Sachverhalts im Strafprozess und im PUV geht dagegen nicht zu Lasten des Angeklagten bzw. des Betroffenen, sondern zum Nachteil des Staates bzw. der Allgemeinheit, weil das Fehlen tragfähiger Beweise für die Schuld des Täters bzw. die persönliche Verfehlung des Betroffenen verhindern würde, dass eine strafrechtliche Sanktion verhängt wird bzw. die politische Meinungsbildung erfolgt. Auch bei der Aufklärung von Verfehlungen im politischen Bereich sind verlässliche Informationen mit einem Tatsachenkern nötig, damit das Volk darauf sein politisches Urteil stützen kann. Allein durch die Behauptung nicht belegbarer Umstände kann das Vertrauen der Bevölkerung nicht wiederhergestellt werden.149 Wegen der Unterschiede zwischen Zivil- und Verwaltungsgerichtsverfahren auf der einen Seite und Strafverfahren und PUV auf der anderen Seite erscheint es deshalb nicht sachgerecht, das Auskunftsverweigerungsrecht des § 384 Nr. 2 ZPO auf das PUV zu übertragen.

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Kopp/Schenke, VwGO, § 86, Rn. 1. BVerfGE 56, 37, 44 f.; Berthold, nemo-tenetur, 30, 33; Böse, wistra 1999, 451, 452 f.; Müller-Boysen, Betroffener, 163; Stürner, NJW 1981, 1757, 1759. 148 Berthold, nemo-tenetur, 37 f., 41; Kopp/Schenke, VwGO, § 86, Rn. 12; Reiß, NJW 1982, 2540 f. 149 Masing, ZRP 2001, 36, 39; Wolf, PUA und Strafjustiz, 133. 147

B. Eigene Stellungnahme

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(c) Anwendung des § 68a StPO Stattdessen ist § 68a StPO gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG im PUV entsprechend anwendbar mit der Folge, dass der PUA von Fragen nach Tatsachen, die dem Zeugen zur Unehre gereichen würden, absehen kann, wenn die Beantwortung dieser Fragen für die Sachverhaltsaufklärung nicht unerlässlich ist. § 68a StPO stellt klar, dass das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung grundsätzlich höher zu bewerten ist als das Interesse des Zeugen am Schutz seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Konsequenterweise setzt die Übertragung der Norm auf das PUV voraus, dass das öffentliche Interesse an der Aufklärung politischer Missstände das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen überwiegt. Schon im 2. Kapitel wurde festgestellt, dass der politischen Aufklärung im PUV wegen ihrer Bedeutung für die politische Meinungsbildung des Volkes, für die Gewährleistung des Kontrollrechts des Parlaments und für die Demokratie keine geringere Bedeutung zukommt als der Aufklärung im Strafverfahren.150 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Aussageperson ist deshalb – wie im Strafverfahren – grundsätzlich gegenüber dem Aufklärungsinteresse des Untersuchungsausschusses nachrangig. Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens, umfassend das persönliche Fehlverhalten oder den Missstand aufzuklären, erfordern es, dem Zeugen die Offenbarung entehrender Tatsachen nur dann zu ersparen, wenn die Aussage für die Sachverhaltsaufklärung entbehrlich ist. Unerlässlich ist die Befragung, wenn sonst die Wahrheit nicht ermittelt werden kann.151 Wird die Erforschung des Sachverhalts ohne die Beantwortung der Frage nicht erheblich beeinträchtigt und kann der PUA den Untersuchungsauftrag auch ohne die Aussage des Betroffenen erfüllen, rechtfertigt die Bedeutung des parlamentarischen Untersuchungsrechts nicht, die Beantwortung entehrender Fragen zu verlangen. § 68a StPO ist also nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG auf das PUV zu übertragen.152

150

1. Kapitel, B. II. 2. a); 2. Kapitel, B. III. 4. a); BVerfGE 67, 100, 130, 146; 77, 1, 48; BVerwGE 79, 339, 345. 151 Meyer-Goßner, StPO, § 68a, Rn. 5; Pfeiffer, StPO, § 68a, Rn. 1. 152 I. E. BVerfGE 76, 363, 387; BVerfG, NStZ 1988, 138, 139; Brocker, ZParl 1999, 739, 744; Dahs, Rudolphi-FS, 597, 606; v. Mangoldt/Klein/Achterberg/ Schulte, Bonner GG, Art. 44, Rn. 141; Plöd, Stellung des Zeugen, 43; Rogall, Protokoll G 32/107; Schleich, UntersuchungsR, 42; Schulte, Jura 2003, 505, 508; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 181.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

(d) Schutz der Ehre von Abgeordneten und Amtsträgern Fraglich ist allerdings, ob sich Abgeordnete und Amtsträger im PUV auf einen Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und damit auf eine Anwendung des § 68a StPO berufen können. Abgeordnete und Amtsträger, die regelmäßig von der parlamentarischen Untersuchung betroffen sind, sind mit der Ausübung eines Mandates oder eines Amtes betraut. Wegen des politischen Vertrauens, das sie bei der Amts- oder Mandatsausübung erhalten, stehen sie – im Gegensatz zum Bürger – in einer besonderen Beziehung zum Staat und sind ihm und der Öffentlichkeit zur Rechenschaft verpflichtet.153 Würde § 384 Nr. 2 ZPO bzw. § 68a StPO für Amts- und Mandatsträger gelten, könnten sie sich ihrer politischen Verantwortung entziehen. Amts- und Mandatsträger können sich deshalb nicht auf Grundrechte berufen, wenn sie über die Ausübung ihres Amtes/Mandates Rechenschaft abzulegen haben.154 Schutz genießt dagegen ihre Privatsphäre. Stehen Tatsachen aus dem Privatleben jedoch im Zusammenhang mit der Amtsführung, haben die Amtsträger auch hierüber öffentlich Rechenschaft abzulegen. Das Auskunftsverlangen greift dann nämlich nicht in die Beziehung Staat – Bürger ein, in der die Grundrechte unmittelbar gelten, sondern die Amtsträger sind insoweit in die staatliche Organisation einbezogen.155 Der PUA will regelmäßig politische Missstände und persönliche Verfehlungen einzelner Personen in der Verwaltung oder Regierung aufklären. Deshalb haben die von einer parlamentarischen Untersuchung Betroffenen in der Regel Stellung dazu zu nehmen, ob sie die ihnen betrauten Ämter oder Mandate ordnungsgemäß ausgeführt haben. Müssen sie öffentlich Fehler bei der Amtsausübung einräumen, die ihr Ansehen in der Öffentlichkeit schädigen oder ihre politische Position gefährden können, haben sie die Rufschädigungen oder beruflichen Nachteile hinzunehmen. Sie können sich also nicht auf einen Ehrschutz nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG berufen und zwar selbst dann nicht, wenn sie private Informationen, die im Zusammenhang mit der Amtsführung stehen, offenbaren müssen. Die strafrechtliche Beurteilung der politischen Verfehlung greift allerdings in den persönlichen Freiheitsbereich des Betroffenen ein, d.h., der nemo-tenetur-Grundsatz gilt auch für Amtsund Mandatsträger.156 Persönliche Verunglimpfungen in der politischen Auseinandersetzung im PUV überschreiten zwar ebenfalls den Bereich der politi153

Bräcklein, ZRP 2003, 348, 352; Masing, ZRP 2001, 36, 37. BVerfG, NVwZ 1994, 56, 57; BVerfG, DVBl. 2000, 353, 356; Masing, ZRP 2001, 36, 37. 155 BVerfGE 101, 361, 383; BVerfG, NVwZ 1994, 56, 57; BVerfG, DVBl. 2000, 353, 356; ähnlich Bräcklein, ZRP 2003, 348, 352; Masing, ZRP 2001, 36, 37 f.; Pabel, NJW 2000, 788, 790. 156 Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 218, Fn. 13; Masing, ZRP 2001, 36, 39, 41. 154

B. Eigene Stellungnahme

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schen Verantwortung und können den Amtsträger in seiner Ehre verletzen.157 Als Personen der Zeitgeschichte158 sind politische Mandatsträger aber weniger schutzwürdig und müssen – je nach den Umständen des Einzelfalls – schwerere Eingriffe in ihre persönliche Ehre dulden als andere Bürger.159 Will der PUA nur ein privates Fehlverhalten des Betroffenen untersuchen, das weder einen Bezug zur Amtsführung aufweist noch gegen eine öffentlich-rechtliche Norm verstößt, fehlt es am öffentlichen Interesse der Untersuchung, d.h., die Einsetzung des Untersuchungsausschusses ist unzulässig.160 Stellt der PUA an den Betroffenen Fragen nach entehrenden Tatsachen oder sonstige Fragen, die persönliche Umstände aus der Privatsphäre betreffen, deren Beantwortung aber für die aufzuklärende Verfehlung bei der Amtsausübung bedeutungslos sind, dann kann sich der Betroffene auf sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen. Nach § 68a StPO ist es dem PUA untersagt eine solche Frage zu stellen, weil ihre Beantwortung für den Untersuchungsgegenstand erlässlich ist. 3. Zwischenergebnis Sowohl Wortlaut des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG als auch Sinn und Zweck des Untersuchungsrechts stehen einer Erweiterung des Auskunftsverweigerungsrechts durch § 384 Nr. 2 ZPO entgegen. § 68a StPO trägt einerseits dem Ehrschutz der Zeugen und andererseits der Bedeutung des Untersuchungsrechts für die Demokratie Rechnung. Politische Mandats- und Amtsträger, die vor dem PUA die Verantwortung für ihre hoheitliche Funktionsausübung übernehmen sollen, können sich nicht auf einen persönlichen Ehrschutz berufen, soweit der PUA die Fragen auf das dienstliche Fehlverhalten beschränkt. Betreffen die Fragen allein den Privatbereich des Hoheitsträgers ohne irgendeinen Bezug zu seinem staatlichen Amt/Mandat oder befragt der PUA Personen, die nicht in die staatliche Organisation eingebunden sind, aber zur Sachverhaltsaufklärung beitragen können, ist § 68a StPO grundsätzlich anwendbar. Die Fragen nach entehrenden oder persönlichen Tatsachen sind dann unzulässig, wenn die Beantwortung für die Aufklärung des Untersuchungsgegenstands erlässlich ist. 157

Masing, ZRP 2001, 36, 37. BGHSt. 18, 182, 186; Bräcklein, ZRP 2003, 348, 352. 159 BGH, Urteil vom 06.03.2007, Az.: VI ZR 13/06; BGH, Urteil vom 13.11.2007, Az.: VI ZR 265/06; OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1996, 1490, 1491 f.; Bräcklein, ZRP 2003, 348, 352; Derksen, NStZ 1993, 311, 313; Kübler, NJW 1999, 1281, 1285, 1286; Richter, Privatpersonen, 61 ff. 160 Zur Einsetzungsvoraussetzung des öffentlichen Interesses: 1. Kapitel, C. III. 158

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Mit § 157 StGB sowie §§ 55, 60 Nr. 2, 68a, b StPO stehen dem Betroffenen – wie dargelegt – ausreichende Schutzmechanismen zur Verfügung, die eine Beeinträchtigung seiner Beschuldigtenrechte im Strafverfahren durch die ihm im PUV auferlegten Aussage- und Mitwirkungspflichten verhindern, so dass die strafprozessuale Beschuldigtenstellung nicht auf das PUV übertragen werden muss.

V. Gefährdung strafprozessualer Schutzrechte des Beschuldigten bei einer Durchsuchung und Beschlagnahme durch den PUA? Eine partielle Beeinträchtigung der Beschuldigtenrechte könnte jedoch eintreten, wenn der PUA belastende Unterlagen, die der Betroffene einer Vertrauensperson anvertraut hat und die deshalb in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren dem Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO unterfallen würden, beschlagnahmen dürfte. Durch die Auswertung dieser Unterlagen in öffentlicher Verhandlung durch den PUA würden die vertraulichen Informationen zur Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden gelangen und können Anlass zu strafrechtlichen Ermittlungen geben. Der freie Informationsaustausch161 würde es grundsätzlich sogar ermöglichen, dass die Strafverfolgungsbehörden die Unterlagen vom PUA zum Zweck der Strafverfolgung anfordern und dadurch das Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO im Strafverfahren umgehen könnten. 1. Anordnungsbefugnis des Untersuchungsausschusses §§ 29 Abs. 3, 30 PUAG räumen dem PUA ausdrücklich die Befugnis zur Beschlagnahme und Durchsuchung ein. Da Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG den Maßstab für die Übertragung der strafprozessualen Regelungen auf das PUV bildet, müssen einfachgesetzliche Normen, die dem PUA Ermittlungsbefugnisse gewähren, mit Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG vereinbar sein.162 Daher sind §§ 29 Abs. 3, 30 PUAG nur verfassungsgemäß, wenn sie dem Verweis auf den Strafprozess genügen.

161

2. Kapitel, C. 1. Kapitel, A. I. 2.; Hamm, ZRP 2002, 11; Klein, FAZ vom 28.05.2001, S. 10; Wiefelspütz, ZRP 2002, 14, 17. 162

B. Eigene Stellungnahme

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a) Beschlagnahme Rechtsprechung und Literatur beurteilen nicht einheitlich, ob der PUA berechtigt ist, beweisbedeutsame Gegenstände zu beschlagnahmen. Einer Beschlagnahmebefugnis steht nicht schon entgegen, dass Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG dem PUA nur Befugnisse zur Beweiserhebung, nicht aber solche der Beweissicherung zuweist.163 Wie bereits im 1. Kapitel dargelegt164, ist der Begriff der „Beweiserhebung“ weit auszulegen, so dass er auch die Beweissicherung und -beschaffung außerhalb der Beweisaufnahme in der öffentlichen Verhandlung umfasst. Die Befugnis des Untersuchungsausschusses zur Beschlagnahme hängt nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG davon ab, ob Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts die Durchführung der Beschlagnahme durch den PUA erfordern und die Unterschiede des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens zum Strafverfahren einer Übertragung der §§ 94 ff. StPO nicht entgegenstehen. aa) Unterschiedliche Zielrichtung Zum Teil lehnt die Literatur eine Beschlagnahmebefugnis des Untersuchungsausschusses ab, weil der Verweis auf die StPO lediglich eine ordnungsgemäße Verfahrensgestaltung gewährleisten solle und das parlamentarische Untersuchungsrecht nur politische Ziele verfolge. Die Beschlagnahmevorschriften dienten jedoch speziell der Überführung eines Straftäters, damit das Gericht gegebenenfalls ein Urteil verhängen kann. Die Beschlagnahme sei ein typisch strafprozessuales Zwangsmittel, das in Verfahren mit anderer Zielrichtung nicht angewendet werden dürfe. Der rein politische Zweck des Enqueterechts erfordere daher diese Befugnis nicht.165 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Verweis auf die StPO – neben der Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Verfahrens – den PUA mit einem Instrumentarium ausstattet, das ihm die Erfüllung des Untersuchungsauftrags ermöglicht. Die Betroffenen wollen sich in der Regel nicht freiwillig durch die Herausgabe belastender Unterlagen selbst bezichtigen und verweigern daher 163 So aber Alsberg, 34. DJT/I, 332, 342; Ehmke, DÖV 1956, 417, 418; Jacobi, 34. DJT/I, 69, 102; Pfander, NJW 1970, 314; Rosenberg, 34. DJT/I, 3, 19. 164 1. Kapitel, B. I. 1. 165 Alsberg, 34. DJT/I, 342; Anschütz, WRV, 222 f.; Cordes, Untersuchungsausschüsse, 100, 105 f.; Jacobi, 34. DJT/II, 102; Pfander, NJW 1970, 314, 315; Rosenberg, 34. DJT/I, 3, 19; Schachtel, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 37.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

die Mitwirkung. Außerdem sind Urkunden oftmals bessere und sichere Beweismittel als Zeugen, deren Erinnerungsvermögen sie im Stich lässt oder die sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen.166 Dem PUA wäre eine effektive parlamentarische Kontrolle ohne das Mittel der Beschlagnahme nicht möglich.167 Im Übrigen ist die Beschlagnahme nicht nur im Strafverfahren zulässig, sondern in zahlreichen anderen Verfahren, die zum Teil ein geringeres Aufklärungsinteresse als das Straf- und Untersuchungsverfahren haben (z. B. § 76 Abs. 3 AO, § 27 BDG, § 22 Abs. 1 Nr. 3, 4 BtMG, §§ 38, 47 BVerfGG, § 23 OBG Bbg., §§ 46 Abs. 1, 53 OWiG, §§ 21, 22, 23, 25 PolG Bbg., § 7 Abs. 2 UZwGBw, § 4 Abs. 4 VereinsG).168 Dem PUA ist die Beschlagnahmebefugnis auch nicht schon deshalb generell abzusprechen, weil das Parlament andere Zugriffsmöglichkeiten hat, um notwendige Informationen von der Exekutive zu erhalten.169 Denn das parlamentarische Untersuchungsrecht ist zum einen nicht auf die Kontrolle der Exekutive beschränkt und zum anderen können andere Aufklärungsmittel, die zur Informationserlangung genauso gut geeignet sind wie eine Beschlagnahme, aber die Grundrechte des Betroffenen weniger beeinträchtigen, bei der Verhältnismäßigkeit einer Beschlagnahme berücksichtigt werden. Steht dem PUA ein gleich geeignetes, aber milderes Aufklärungsmittel zur Verfügung, wäre eine Beschlagnahme im konkreten Einzelfall unzulässig. bb) Erfordernis einer richterlichen Anordnung Zum Teil führt die Literatur gegen eine Beschlagnahmebefugnis des Untersuchungsausschusses ins Feld, die Beschlagnahme beeinträchtige erheblich die Grundrechte und deren Anordnung sei deshalb ausdrücklich dem Richter vorbehalten. Der PUA sei aber kein unabhängiges Gericht, das 166 BVerfGE 77, 1, 48; BVerfG, NJW 1988, 890, 893; BVerwGE 109, 258, 263 f., LG Kiel, NVwZ 1994, 96, 97. 167 BVerfGE 77, 1, 48; BVerfG, NJW 1988, 890, 893 f.; BVerfG, NVwZ 1994, 54, 55; StGH Bremen, NJW 1970, 1309 f.; LG Kiel, NVwZ 1994, 96, 97; Di Fabio, Rechtsschutz, 57; Engels, Untersuchungsausschüsse, 104; Groß, DVBl. 1971, 638, 641; Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchungen, 120 f.; Köhler, Grenzen des PUR, 160; Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 167 ff.; Lässig, DÖV 1976, 727, 728; Schachtel, Verfahren der Untersuchungsausschüsse, 33; Schleich, UntersuchungsR, 25 ff.; Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 84; Vogt, Kollision, 77 f. 168 BVerfGE 77, 1, 49; Groß, DVBl. 1971, 638, 641; Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 122; Lässig, DÖV 1976, 727, 728; Schleich, UntersuchungsR, 25 ff. 169 So i. E. BVerfGE 77, 1, 49.

B. Eigene Stellungnahme

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unbeeinflusst über die Zulässigkeit einer Beschlagnahme entscheidet.170 Aus Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG, der eine Beweiserhebung unter Eingriff in Art. 10 GG untersagt, folge, dass der PUA auch vergleichbare Grundrechtseingriffe nicht vornehmen dürfe.171 Das PUV besitze keine Vorkehrungen zum Schutz vor unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffen durch eine öffentliche Erörterung der privaten Informationen, weil keine unabhängige Person die Beweiserheblichkeit prüfe und der PUA – im Gegensatz zu den Strafverfolgungsbehörden – die Beweise weder in einem nicht öffentlichen Verfahren ermittelt noch seinen Mitgliedern eine straf- und disziplinarrechtlich bewehrte Schweigepflicht auferlegt.172 Diese Argumente greifen jedoch nicht durch. Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG spricht nicht gegen ein Beschlagnahmerecht des Untersuchungsausschusses. Die Regelung verbietet ausdrücklich nur Eingriffe in Art. 10 GG. Dem Verfassungsgeber war bekannt, dass die Beschlagnahme die Grundrechte aus Art. 14, 12, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG berühren kann. Hätte er dem PUA diese grundrechtsbeeinträchtigende Maßnahme generell untersagen wollen, hätte er die Grundrechte ausdrücklich in Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG aufgenommen. Dies ist jedoch nicht geschehen, so dass der PUA nach Art. 1 Abs. 3 GG nur den Gesetzesvorbehalt und die Verhältnismäßigkeit zu beachten hat. Da das parlamentarische Aufklärungsinteresse in einem gleichen Rang steht wie das Strafverfolgungsinteresse, sind die Eingriffe, die eine Beschlagnahme verursacht, keineswegs generell unverhältnismäßig.173 Gegen eine Beschlagnahmebefugnis des Untersuchungsausschusses kann bei näherer Betrachtung auch nicht überzeugend eingewandt werden, das PUV verfüge nicht über die Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz vor unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffen174. Es trifft zwar zu, dass im PUV nicht die Möglichkeit besteht, die Tatsachen erst der Öffentlichkeit preiszugeben, wenn die Beweiserheblichkeit feststeht, weil es kein nicht öffentliches parlamentarisches Ermittlungsverfahren gibt. Der PUA kann zwar gemäß § 10 PUAG einen Ermittlungsbeauftragten einsetzen, der die erforderlichen sächlichen Beweismittel sichtet und die Untersuchung vorbereitet. Zur Einsetzung ist der PUA aber nur verpflichtet, wenn ein Viertel seiner Mitglieder dies beantragt. Er darf auch dann parallel ermitteln, und der 170 Badura, DÖV 1984, 760, 763 f.; Cordes, Untersuchungsausschüsse, 100 ff., 107; Pfander, NJW 1970, 314, 315; Schachtel, Verfahren der Untersuchungsausschüsse, 36. 171 Cordes, Untersuchungsausschüsse, 102. 172 Vgl. Klenke, NVwZ 1995, 644, 647; ähnlich auch Cordes, Untersuchungsausschüsse, 74, 107. 173 Hermanns/Hülsmann, JA 2003, 573, 577; Schleich, UntersuchungsR, 25 ff. 174 So aber Klenke, NVwZ 1995, 644, 647.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Auftrag des Ermittlungsbeauftragten ist auf höchstens 6 Monate begrenzt. Erörtern die Ausschussmitglieder die Unterlagen bereits vor der Hauptverhandlung öffentlich, machen sie sich – anders als dies in vergleichbaren Fällen im Strafverfahren wäre – nicht nach § 353d StGB strafbar.175 Zwar hat der PUA die Möglichkeit, Maßnahmen zum Schutz der Geheimhaltung zu treffen (Ausschluss der Öffentlichkeit, Anwendung der GSO-BT), in der Regel erörtert der PUA die für die Aufklärung relevanten Beweismittel dennoch alsbald in öffentlicher Verhandlung, ohne dass eine unabhängige Person zuvor die Beweiserheblichkeit der betreffenden Unterlagen überprüft.176 Das BVerfG177 hat dem PUA deshalb die Anordnung der Beschlagnahme von Unterlagen untersagt und eine richterliche Anordnung im Wege der Rechtshilfe gefordert. Die Unterlagen seien dem Richter vor der Beschlagnahme zur Überprüfung der Beweiserheblichkeit im Einzelnen vorzulegen. Der Richter müsse zudem feststellen, dass Maßnahmen zum Geheimnisschutz nicht notwendig sind. Will der PUA auf Unterlagen zugreifen, die grundrechtlich geschützte Daten enthalten, die aber ersichtlich nur zum Teil potentielle Beweisbedeutung besitzen, dürfe das Gericht die Beschlagnahme zunächst nur vorläufig anordnen, um eine Einzelprüfung der potentiell beweisbedeutsamen Unterlagen vornehmen zu können. Nach der Prüfung habe es die nicht beweiserheblichen Unterlagen freizugeben und die beweiserheblichen dem PUA auszuhändigen. Hält das Gericht die vorläufig beschlagnahmten Unterlagen für geheimhaltungsbedürftig, dürfe es die Beschlagnahme endgültig erst anordnen, wenn es die Beweiserheblichkeit und einen ausreichenden Geheimnisschutz im konkreten Einzelfall festgestellt hat. Steht die potentielle Beweisbedeutung der Gegenstände im Ganzen von vornherein fest und sind keine Geheimschutzmaßnahmen nötig bzw. hat der PUA ausreichende Vorkehrungen zur Geheimhaltung getroffen, könne das Gericht die Herausgabe der beschlagnahmten Unterlagen direkt an den PUA anordnen.178 Für das Erfordernis einer richterlichen Anordnung spricht im Übrigen der Verweis in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG auf den Strafprozess und damit auch auf § 98 StPO, der die Anordnungskompetenz im Regelfall dem Richter vorbehält; sie somit ausdrücklich der rechtsprechenden Gewalt zuordnet. Die 175

Derksen, NStZ 1993, 311, 313. BVerfGE 77, 1, 53 f.; Klenke, NVwZ 1995, 644, 647. 177 BVerfGE 77, 1, 55; BVerfG, NJW 1988, 890, 894 f. 178 Ebenso wie BVerfGE 77, 1 ff.: BVerfG, NVwZ 1994, 54, 55; StGH Bremen, NJW 1970, 1309, 1310 f.; LG Bonn, NStZ 1990, 555, 556; LG Kiel, NVwZ 1994, 96; Engels, Untersuchungsausschüsse, 105 ff.; Glauben, DRiZ 1992, 395, 396; Schleich, UntersuchungsR, 25 ff. 176

B. Eigene Stellungnahme

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Forderung einer richterlichen Anordnung der Beschlagnahme im PUV wahrt diesen Grundsatz.179 Die vorherige Beweiserheblichkeitsprüfung durch den anordnenden Richter wird allerdings teilweise abgelehnt, weil sie die verfassungsrechtliche Kompetenz des Untersuchungsausschusses aus Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG beeinträchtige180 und den Richter wegen des fehlenden Einblicks in die Untersuchungsmaterie bei der Überprüfung der Beweiseignung wohl überfordern werde181. Keine andere Staatsgewalt dürfe sich anmaßen, dem PUA Beweismittel unter Berufung auf eine mögliche Gefährdung der Grundrechte Privater vorzuenthalten.182 Diese These widerlegt die Sicht des BVerfG jedoch nicht. Der PUA kann durch seine vorherigen Ermittlungen zwar einen besseren Kenntnisstand als der für die Überprüfung zuständige Richter haben. Es ist aber dennoch nicht anzunehmen, dass den Richter die Beweiserheblichkeitsprüfung überfordert, zumal er sich auch in anderen Verfahren in kurzer Zeit einen Überblick über den wesentlichen Sach- und Streitstand verschaffen muss. Die zweifellos vorhandene Beschränkung der Kompetenz des Untersuchungsausschusses durch die richterliche Beweiserheblichkeitsprüfung stellt jedenfalls kein schlagendes Argument dar, denn der PUA muss auch in anderen Fällen eine Einschränkung seines Aufgabenbereiches dulden, nämlich wenn das Gericht im (einstweiligen) Rechtsschutzverfahren über die Zulässigkeit der Beschlagnahme entscheidet und die Maßnahme (vorläufig) als rechtswidrig untersagt bzw. aufhebt183. Zudem kann der Betroffene schon durch die Kenntnisnahme der PUA-Mitglieder von seinen persönlichen, nicht untersuchungsrelevanten Informationen erhebliche Nachteile erleiden, weil die Mitglieder möglicherweise die persönlichen Informationen in der politischen Auseinandersetzung im PUV gegen den politischen Gegner einsetzen. Vor dieser Missbrauchsgefahr muss und soll die richterliche Anordnung schützen. Das PUAG hat die Vorgaben des BVerfG nur teilweise umgesetzt. Nach § 29 Abs. 3 PUAG entscheidet der Ermittlungsrichter des BGH auf Antrag des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder über die Durchsuchung bzw. über die Beschlagnahme von Gegenständen, die der 179

Ähnlich StGH Bremen, NJW 1970, 1309, 1310 f. Kästner, NJW 1990, 2649, 2655, 2656; Klenke, NVwZ 1995, 644, 646 f. 181 So LG Frankfurt, NJW 1987, 787, 789; Engels, Untersuchungsausschüsse, 109; Kästner, NJW 1990, 2649, 2655 f.; Klenke, NVwZ 1995, 644, 646 f.; MeyerBohl, Untersuchungsausschüsse, 277 f. 182 Gielen, JR 2000, 140, 143; Kästner, NJW 1990, 2649, 2655, 2656; Scholz, AöR 105 (1980), 564, 621. 183 BVerfGE 77, 1, 52. 180

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Zeuge nicht freiwillig herausgibt, d.h., die Regelung beachtet den Richtervorbehalt in § 98 StPO. § 29 Abs. 3 PUAG stellt durch den Verweis auf § 29 Abs. 1 PUAG klar, dass der Richter die Beschlagnahme nur anordnen darf, wenn der Gegenstand für die Untersuchung von Bedeutung sein kann und keine Informationen enthält, deren Weitergabe wegen des streng persönlichen Charakters für den Betroffenen unzumutbar ist. Der Richter ist also verpflichtet, die potentielle Beweisbedeutung der Gegenstände und die Verhältnismäßigkeit der Beschlagnahme festzustellen. Wendet der Betroffene ein, dass der beschlagnahmte Gegenstand ohne Bedeutung für die Untersuchung sei oder ein Geheimnis im Sinn des § 14 PUAG betreffe, dann darf der Richter nach § 30 Abs. 1 S. 1 PUAG die Herausgabe an den PUA nur anordnen, wenn das Beweismittel keine streng persönlichen Informationen enthält und der PUA den Geheimhaltungsgrad „geheim“ beschlossen hat. Der Richter prüft also auch die Geheimschutzvorkehrungen. Die Durchsicht und die Prüfung der Beweiserheblichkeit der vorgelegten Beweismittel stehen gemäß § 30 Abs. 2 PUAG dem PUA zu. Er soll also letztlich entscheiden, welche Unterlagen – beispielsweise aus einem Aktenordner – im Einzelnen für den Untersuchungsauftrag beweiserheblich sind, während der Richter nur überprüft, ob der Inhalt des Aktenordners allgemein geeignet ist, zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen. Sind bestimmte Unterlagen im Aktenordner potentiell beweisbedeutsam, hat der Richter den gesamten Ordner an den PUA herauszugeben, wenn darin keine Informationen mit streng persönlichem Inhalt enthalten sind. Damit würde aber der PUA auch Kenntnis von nicht untersuchungsrelevanten Informationen mit privatem Inhalt erhalten. Der Schutz nicht untersuchungsrelevanter Unterlagen mit persönlichem Inhalt war aber gerade Anliegen des BVerfG, als es entschieden hat, dass der Richter nur die Protokolle oder Protokollteile, die er nach einer Prüfung im Einzelnen als beweiserheblich erachtet hat, dem PUA übergeben darf.184 Die Regelung nach § 30 Abs. 2 PUAG ist wegen des Widerspruchs zur Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich bedenklich.185 cc) Zwischenergebnis Im PUV ist eine Beschlagnahme beweisbedeutsamer Gegenstände nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 94 StPO zulässig. Zur Sicherung der Grundrechte und der Verhältnismäßigkeit darf der PUA die Beschlagnahme 184

BVerfGE 77, 1, 55, 61. Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 185; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 308 ff. 185

B. Eigene Stellungnahme

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aber nicht selbst anordnen, sondern er hat die Anordnung beim Richter zu beantragen, der die Notwendigkeit von Geheimschutzmaßnahmen und die Beweisbedeutung im Einzelnen feststellt, bevor er die einzelnen beweiserheblichen Unterlagen an den PUA zur öffentlichen Erörterung herausgibt. § 29 Abs. 3 PUAG steht daher im Einklang mit Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG. Die Verfassungsmäßigkeit des § 30 Abs. 2 PUAG, der die Beweiserheblichkeitsprüfung der Unterlagen im Einzelnen dem PUA überlässt, ist allerdings zweifelhaft. b) Durchsuchung aa) Zulässigkeit Entgegen einer in der Literatur186 vertretenen Auffassung ist im PUV eine Durchsuchung zulässig, da sie regelmäßig dem Auffinden von zu beschlagnahmenden Gegenständen dient und daher der Beschlagnahme meist vorausgeht. Da Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG ausdrücklich nur Eingriffe in Art. 10 GG bei der Beweiserhebung generell untersagt, ist das Argument, eine Durchsuchung sei eine besonders grundrechtsbeeinträchtigende Maßnahme, nicht geeignet, dem PUA das Recht zur Durchsuchung gänzlich abzusprechen187. Es versteht sich von selbst, dass der PUA als Hilfsorgan des Parlaments gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten hat, so dass ihm im Einzelfall das Durchsuchungsrecht zu versagen ist, wenn das parlamentarische Aufklärungsinteresse den Eingriff in Art. 13 GG nicht rechtfertigen kann. bb) Richterliche Anordnung Da auch die Durchsuchung gemäß Art. 13 Abs. 2 GG und § 105 StPO unter Richtervorbehalt steht, muss der PUA ihre Anordnung – wie die der Beschlagnahme – bei dem Richter beantragen. cc) Gesetzliche Grundlage für die Durchsuchung Mit der Feststellung, dass im PUV die Durchsuchung zulässig ist, ist aber noch nicht geklärt, auf welche Rechtsgrundlage der PUA sein Vorgehen konkret stützen darf. In Betracht kommt eine Durchsuchung beim Verdächtigen nach § 102 StPO oder bei einem Dritten gemäß § 103 StPO. 186 I. E. Ehmke, 45. DJT/II, E 7, E 27, E 51; Halstenberg, Verfahren der parlamentarischen Untersuchung, 126 f.; Partsch, 45. DJT/I, 124; Vogt, Kollision, 78. 187 Di Fabio, Rechtsschutz, 59.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Gemäß § 102 StPO dürfen die Strafverfolgungsbehörden bei demjenigen, der als Täter oder Teilnehmer einer Straftat verdächtig ist, die Wohnung, andere Räume, seine Person oder Sachen zum Zwecke der Ergreifung oder zum Auffinden vermuteter Beweismittel durchsuchen. Dagegen ist gemäß § 103 StPO eine Durchsuchung bei anderen Personen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit des besonders schwerwiegenden Eingriffs in die Grundrechte Unbeteiligter nur zur Ergreifung des Beschuldigten bzw. zum Auffinden bestimmter Gegenstände und Spuren gestattet, d.h., es müssen bereits konkrete Tatsachen für die Annahme, dass sich der Gegenstand in den Räumen und Sachen oder in bzw. unter der Kleidung einer anderen Person befindet, vorliegen.188 Die Anwendung des § 102 StPO würde voraussetzen, dass die Situation des Verdächtigen der des „betroffenen Zeugen“ im PUV gleicht. Das ist jedoch nicht der Fall. Zwar vertritt ein Teil der Literatur im Strafprozessrecht die Auffassung, dass der Tatverdächtige noch kein Beschuldigter sein müsse, also auch derjenige, den die Staatsanwaltschaft informatorisch als Zeugen vernehmen darf, auf der Grundlage des § 102 StPO durchsucht werden könne.189 Mit der h. M. ist allerdings davon auszugehen, dass § 102 StPO nur eingreift, wenn gegen den von der Durchsuchung Betroffenen ein Tatverdacht vorliegt. Denn Ermittlungsmaßnahmen aufgrund von Vermutungen, welche die Anforderung an einen Anfangsverdacht unterschreiten, sind generell unzulässig.190 Da die Durchsuchung beim Tatverdächtigen intensiv in dessen Grundrechte eingreift und ein solcher Eingriff nur gerechtfertigt sein kann, wenn er verhältnismäßig ist, erfordert § 102 StPO einen Anfangsverdacht nach § 152 Abs. 2 StPO.191 Die Durchsuchung des Tatverdächtigen aufgrund eines gegen ihn bestehenden Anfangsverdachts macht ihn damit zum Beschuldigten.192 Da das PUV keinen Beschuldigten kennt, kann § 102 StPO gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG nicht sinngemäß zur Anwendung kommen. Der PUA kann die Durchsuchung also nur auf § 103 StPO stützen.193 § 29 Abs. 3 S. 2 PUAG, der die Anordnung der Durchsuchung durch den Ermittlungsrichter des BGH zulässt, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen 188 BGH, StV 2002, 62, 63; LG Berlin, StV 2002, 69, 70; LG Frankfurt a. M., StV 2002, 70, 71; Beulke, StrafprozessR, Rn. 256, 257; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 303, 304; Schmidt, MDR 1990, 102, 105. 189 Meyer-Goßner, StPO, § 102, Rn. 3; Rogall, NJW 1978, 2535. 190 Hellmann, StrafprozessR, Rn. 303; Pfeiffer, StPO, § 102, Rn. 1; Schäfer in: LR, StPO, § 102, Rn. 12; Sommermeyer, Jura 1992, 449, 451; vgl. auch 1. Kapitel, C. III. 3. b) bb). 191 Sommermeyer, Jura 1992, 449, 451. 192 Hellmann, StrafprozessR, Rn. 303. 193 I. E. StGH Bremen, NJW 1970, 1309, 1310; BezG Schwerin, NVwZ 1994, 95; Lässig, DÖV 1976, 727, 728, Fn. 20.

B. Eigene Stellungnahme

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zu schließen ist, dass sich der gesuchte Gegenstand in den zu durchsuchenden Räumen befindet, greift daher zutreffend § 103 Abs. 1 S. 1 StPO auf. Der Begriff der Durchsuchung im Sinne des § 103 StPO entspricht im Strafverfahren – trotz des Bezuges auf die Durchsuchung von Räumen – dem des § 102 StPO, umfasst also nicht nur die Wohnung oder sonstige Räume der nicht beschuldigten Person, sondern auch deren Sachen und Gegenstände in oder unter der Kleidung.194 Der Durchsuchungsbegriff in § 29 Abs. 3 S. 2 PUAG ist in gleicher Weise auszulegen. 2. Sinngemäße Geltung des § 97 StPO im PUV? Die Beschlagnahme ist im Strafverfahren unzulässig, wenn der Gegenstand einem Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO unterliegt. Da der Grundrechtseingriff, den eine Durchsuchung verursacht, unverhältnismäßig ist, wenn die Strafverfolgungsbehörden den bei der Durchsuchung aufgefundenen Gegenstand ohnehin nicht beschlagnahmen dürften, besteht für diese dem § 97 StPO unterfallenden Gegenstände zugleich ein Durchsuchungsverbot.195 Ob § 97 StPO sinngemäß im PUV anzuwenden ist, lässt sich bezweifeln, da er seinem Wortlaut nach den Beschuldigten in seiner Vertrauensbeziehung zu bestimmten Personen zu schützen scheint. Würde § 97 StPO im PUV mangels Beschuldigtenstatus nicht gelten, könnten die strafprozessualen Beschuldigtenrechte jedoch geschmälert werden, wenn der PUA zeitgleich zum Strafverfahren gegen den Betroffenen ein Untersuchungsverfahren führt und einen dem strafprozessualen Beschlagnahmeverbot unterliegenden Gegenstand beschlagnahmt und öffentlich auswertet. a) Anwendungsbereich und Reichweite des § 97 Abs. 1 StPO im Strafprozess Die Reichweite des § 97 Abs. 1 StPO ist aber im Strafprozess umstritten. aa) Meinungsstand Die Beschlagnahmeverbote des § 97 Abs. 1 Nr. 1, 2 StPO schützen im Strafverfahren unstreitig nur Gegenstände und Informationen, die der Beschuldigte dem Zeugnisverweigerungsberechtigten anvertraut hat. Ob das auch für § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO gilt oder ob das Beschlagnahmeverbot so194

Hellmann, StrafprozessR, Rn. 290, 304; Meyer-Goßner, StPO, § 103, Rn. 3. So i. E. auch BGH, JZ 1974, 421, 422; Groß, StV 1996, 559, 563; Krekeler, NStZ 1987, 199, 200; Sommermeyer, Jura 1992, 449, 451. 195

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

gar eingreift, wenn ein Dritter dem Zeugnisverweigerungsberechtigten vertrauliche Informationen über den Beschuldigten mitgeteilt hat, ist dagegen umstritten. Nach einer Ansicht erstreckt sich das Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO – im Gegensatz zu § 97 Abs. 1 Nr. 1, 2 StPO – auch auf das Verhältnis des Zeugnisverweigerungsberechtigten zu Dritten, die ihm – den Beschuldigten belastende – Unterlagen übergeben oder Informationen mitteilen, die der Zeugnisverweigerungsberechtigte schriftlich festhält. Nur damit werde dem Wortlaut, der sich – im Gegensatz zu § 97 Abs. 1 Nr. 1, 2 StPO – nicht ausdrücklich auf Gegenstände beschränkt, die der Beschuldigte dem Zeugnisverweigerungsberechtigten anvertraut hat, Rechnung getragen.196 Zudem soll § 97 StPO eine Umgehung der Zeugnisverweigerungsrechte verhindern, die sich jedoch nicht nur auf Tatsachen beschränken, die der Beschuldigte dem Zeugnisverweigerungsberechtigten mitgeteilt hat.197 Die Gegenauffassung gelangt unter Berufung auf die Gesetzessystematik zu einer Beschränkung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO auf sonstige Gegenstände, die der Beschuldigte dem Zeugnisverweigerungsberechtigten innerhalb des zu diesem bestehenden Vertrauensverhältnisses anvertraut hat.198 bb) Stellungnahme (1) Wörtliche Auslegung Der Wortlaut des § 97 Abs. 1 StPO umschreibt den Anwendungsbereich des Beschlagnahmeverbots nicht klar. § 97 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 regelt ausdrücklich die Beschlagnahmefreiheit von Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und dem Zeugnisverweigerungsberechtigten oder Aufzeichnungen über Tatsachen, die der Beschuldigte dem Zeugnisverweigerungsberechtigten anvertraut hat. § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO erstreckt die Beschlagnahmefreiheit dagegen allgemein – ohne Beschränkung auf das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Zeugnisverweigerungsberechtigten – auf andere Gegenstände. 196 OLG Frankfurt a. M., StraFo 2005, 421; Amelung, DNotZ 1984, 195, 206 f.; i. E. auch Klug, 46. DJT/II, F 30, F 69; Krekeler, NStZ 1987, 199, 201. 197 OLG Köln, NStZ 1991, 452; Amelung, DNotZ 1984, 195, 206 f.; Bandisch, NJW 1987, 2200, 2204; Kohlhaas, JR 1965, 109, 110; Krekeler, NStZ 1987, 199, 201. 198 OLG Celle, JR 1965, 107; LG Hamburg, NJW 1990, 780 f.; LG Fulda, NJW 1990, 2946; Görtz-Leible, Beschlagnahmeverbote, 212 ff.; Meyer-Goßner, StPO, § 97, Rn. 10; Schäfer in: LR, § 97, Rn. 21; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 116, 117; Welp, NStZ 1986, 294, 297.

B. Eigene Stellungnahme

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Aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Beschränkung des Beschlagnahmeschutzes auf das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Zeugnisverweigerungsberechtigten folgt jedoch nicht ohne weiteres, dass ebenso den Beschuldigten betreffende und belastende Schriftstücke, Mitteilungen und sonstige Gegenstände, die ein Dritter dem Zeugnisverweigerungsberechtigten zukommen lässt bzw. deren Informationen der Zeugnisverweigerungsberechtigte gegebenenfalls schriftlich vermerkt, von einer Beschlagnahme ausgeschlossen sein sollen. Der Terminus „andere Gegenstände“ lässt sich auch so interpretieren, dass § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO nur Beweismittel von anderer Art als die in den Nr. 1, 2 genannten, d.h. nicht nur schriftliche Mitteilungen oder Aufzeichnungen erfasst. Wäre eine Ausweitung über das Verhältnis von Beschuldigtem und Zeugnisverweigerungsberechtigtem auf Dritte gewollt gewesen, wäre dies durch eine andere Formulierung, z. B. als „Gegenstände anderer“, zum Ausdruck gekommen. Die als Beispiel für „andere Gegenstände“ angeführten ärztlichen Untersuchungsbefunde sprechen ebenfalls für diese Sicht. Der Wortlaut lässt beide Deutungen zu. (2) Historische Auslegung Die Entstehungsgeschichte belegt jedoch, dass das Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO – quasi als Auffangtatbestand – nur Gegenstände von anderer Beschaffenheit als die schriftlichen Mitteilungen oder Aufzeichnungen des § 97 Abs. 1 Nr. 1, 2 StPO vor der Beschlagnahme schützen soll. Eine Erweiterung der Beschlagnahmefreiheit auf Gegenstände, die ein Dritter dem Zeugnisverweigerungsberechtigten übergibt, war vom Gesetzgeber nicht gewollt.199 (3) Systematische Auslegung Die systematische Anordnung des § 97 Abs. 1 StPO lässt ebenfalls darauf schließen, dass § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO die Beschlagnahmeverbote lediglich auf bestimmte Arten von Beweismitteln erweitert. § 97 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO regeln ausdrücklich die Fälle, in denen der Beschuldigte dem Zeugnisverweigerungsberechtigten die Tatsachen in den Aufzeichnungen anvertraut hat bzw. die schriftlichen Mitteilungen vom Beschuldigten stammen oder von dem Zeugnisverweigerungsberechtigten an ihn gerichtet sind. 199 BT-Drucks. 1/3713, S. 49; OLG Celle, JR 1965, 107, 108; LG Hildesheim, NStZ 1982, 394, 395; Butenuth, Wirkung von ZVR, 191 f.; Görtz-Leible, Beschlagnahmeverbote, 220 f.; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 117; dies., wistra 1993, 9, 12, Fn. 36; Spangenberg, Beschlagnahme, 106.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Die Nr. 3 knüpft daran an und nimmt damit auf die Beschränkung, dass die Informationen und Gegenstände zwischen dem Beschuldigten und dem Zeugnisverweigerungsberechtigten ausgetauscht werden, Bezug.200 Für dieses enge Verständnis spricht aus systematischer Sicht zudem, dass in § 97 Abs. 3, 5 StPO umfassende Beschlagnahmeverbote geregelt sind, die auch Gegenstände oder Informationen erfassen, die ein Dritter dem Zeugnisverweigerungsberechtigten anvertraut hat. (4) Teleologische Auslegung Diesen Befund bestätigt überdies die teleologische Auslegung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO. Nach h. M.201 besteht der Zweck dieses Beschlagnahmeverbots darin, eine Umgehung der Zeugnisverweigerungsrechte zu verhindern. Wenn die Strafverfolgungsbehörden auf sachliche Beweismittel, die Informationen enthalten, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt, zur Verwertung im Strafverfahren zurückgreifen dürften, würden sie die Zeugnisverweigerungsrechte aushöhlen. Sie beschränken sich jedoch nicht nur auf Tatsachen, die der Beschuldigte dem Zeugnisverweigerungsberechtigten anvertraut, sondern auch auf solche, die der Zeugnisverweigerungsberechtigte von Dritten erfahren hat. Würde sich § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO – wie die Nr. 1 und 2 – nur auf die Gegenstände aus der Vertrauensbeziehung zwischen dem Zeugnisverweigerungsberechtigten und dem Beschuldigten erstrecken, könnten die Strafverfolgungsbehörden beim Zeugnisverweigerungsberechtigten Schriftstücke oder Aufzeichnungen mit Informationen, die ihm ein Dritter über den Beschuldigten anvertraut hat, beschlagnahmen, obwohl der Zeugnisverweigerungsberechtigte über die Mitteilungen des Dritten nicht Zeugnis ablegen müsste. Damit würden die Strafverfolgungsbehörden durch den Rückgriff auf das dingliche Beweismittel den Schutz durch das Zeugnisverweigerungsrecht unterlaufen. Um einen effektiven Schutz vor einer Umgehung der Zeugnisverweigerungsrechte zu gewähren, scheint es notwendig zu sein, § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO auch auf Gegenstände, Aufzeichnungen u. ä. zu erstrecken, die ein Dritter dem Zeugnisverweigerungsberechtigten übergeben hat oder die Informationen über den Beschuldigten enthalten, die ein Dritter dem Zeugnisverweigerungsberechtigten mitgeteilt hat. 200 Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 116, 117; dies., wistra 1993, 9, 12, Fn. 36; i. E. ebenfalls Spangenberg, Beschlagnahme, 106. 201 BGH, NJW 1992, 763, 764; Amelung, DNotZ 1984, 195, 198, 207; Bandisch, NJW 1987, 2200, 2204; Bringewat, NJW 1974, 1740; Groß, StV 1996, 559, 560; Gülzow, NJW 1981, 265; Krekeler, NStZ 1987, 199, 201; Kudlich/Roy, JA 2003, 565, 573; Stahl, wistra 1990, 94.

B. Eigene Stellungnahme

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Nicht zu bezweifeln ist die Wirkung des § 97 Abs. 1 StPO, im sachlichen Bereich die Zeugnisverweigerungsrechte zu ergänzen.202 Ob dies zugleich bedeutet, dass die Beschlagnahmeverbote umfassend vor einer Umgehung der Zeugnisverweigerungsrechte schützen müssen, erscheint aber fraglich. Denn der Gesetzgeber hat durch die Regelungen in § 97 Abs. 2 StPO die Kongruenz zwischen Beschlagnahmeverbot und Zeugnisverweigerungsrecht ohnehin schon durchbrochen, so dass – selbst bei Erweiterung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO auf das Verhältnis des Zeugnisverweigerungsberechtigten zu Dritten – kein umfassender Umgehungsschutz durch die Beschlagnahmeverbote gewährleistet ist.203 Die Zeugnisverweigerungsrechte entfallen – im Gegensatz zu § 97 StPO – nämlich nicht, wenn der Zeugnisverweigerungsberechtigte der Teilnahme an der Tat verdächtig ist. Soll § 97 StPO verhindern, dass die Strafverfolgungsbehörden die Zeugnisverweigerungsrechte umgehen, indem sie auf sachliche Beweismittel zurückgreifen, dann muss das Zeugnisverweigerungsrecht einen Zweck verfolgen, der zugleich ein Beschlagnahmeverbot im dinglichen Bereich erfordert. Verlangen die Zwecke des Zeugnisverweigerungsrechts auch ein Beschlagnahmeverbot für Gegenstände, die ein Dritter dem Zeugnisverweigerungsberechtigten anvertraut hat, dann müsste konsequenterweise auch das Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO teleologisch weit ausgelegt werden.204 (a) Schutzzweck des § 52 StPO § 52 StPO soll dem zeugnisverweigerungsberechtigten Angehörigen des Beschuldigten zum einen den Gewissenskonflikt ersparen, entweder den Beschuldigten durch die wahrheitsgemäße Aussage zu belasten oder wahrheitswidrig auszusagen und sich nach §§ 153 ff. StGB strafbar zu machen.205 Gleichzeitig soll mit der Auflösung des Gewissenskonflikts der Wahrheitsfindung Rechnung getragen werden.206 Zum anderen soll § 52 StPO eine unbefangene innerfamiliäre Kommunikation gewährleisten.207 202

Hellmann, StrafprozessR, Rn. 388; Schmitt, wistra 1993, 9, 12. Butenuth, Wirkung von ZVR, 192 ff.; ähnlich bereits Welp, JZ 1974, 423, 424. 204 So Amelung, DNotZ 1984, 195, 202; Butenuth, Wirkung von ZVR, 139 ff., 192 ff.; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 46. 205 BGHSt. 10, 393, 394; BGHSt. 22, 35, 36; BGHSt. 27, 231, 232; BGH, StV 1990, 435, 436; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 391; Kudlich/Roy, JA 2003, 565, 566; Pfeiffer, StPO, § 52, Rn. 1; Roxin, StrafverfahrensR, § 26 B II, Rn. 14; Volk, JuS 2001, 130. 206 BGHSt. 10, 393, 394; Gössel, GA 1991, 483, 489; a. A.: Meyer-Goßner, StPO, § 52, Rn. 1; Schöneborn, MDR 1974, 457. 207 BGHSt. 31, 296, 300; Butenuth, Wirkung von ZVR, 194; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 54. 203

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Die Familie ist ein Bereich, in den sich der Einzelne zurückzieht, um sich persönlich frei zu entfalten. Eine freie und unbefangene Kommunikation innerhalb des familiären Bereichs, in dem Empfindungen oder Eindrücke von Erlebnissen zum Ausdruck gebracht werden, ist Grundvoraussetzung für eine Persönlichkeitsentfaltung und für eine freie private Lebensgestaltung. Vertrauen und eine unbefangene Kommunikation können im familiären Bereich nur erreicht werden, wenn für die Gesprächspartner aus dem Kontakt keinerlei Nachteile erwachsen, wie es beispielsweise bei der Verwertung eines innerfamiliären Gesprächs zu Strafverfolgungszwecken gegen einen der Kommunikationspartner der Fall wäre.208 (b) Schutzzweck des § 53 Abs. 1 Nr. 1–3b StPO § 53 StPO soll die Berufsgeheimnisträger vor einem inneren Gewissenskonflikt, nämlich entweder die religiöse oder berufsethische Schweigepflicht zu brechen oder eine Falschaussage zu begehen, bewahren.209 Dadurch trägt die Vorschrift auch dem Interesse der Wahrheitsfindung Rechnung210, obwohl die Gefahr einer Falschaussage wegen der fehlenden emotionalen Bindung – wie sie unter Angehörigen besteht – geringer ist211. In erster Linie bezwecken die Zeugnisverweigerungsrechte des § 53 StPO jedoch – wie § 52 StPO für die familiäre Beziehung –, das Vertrauen derjenigen, welche die Hilfe und Sachkunde des Berufsangehörigen in Anspruch nehmen, in die Verschwiegenheit der Zeugnisverweigerungsberechtigten zu stärken. Der Mandant/Patient benötigt in einer Situation, die er allein nicht bewältigen kann, die Hilfe oder den Rat der zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgruppen. Um eine effektive Beratung und Hilfe erhalten zu können, muss er oft Einblicke in seine Privatsphäre geben und sich rückhaltlos offenbaren. Das setzt wiederum das vollständige Vertrauen der Hilfesuchenden in die Verschwiegenheit der Berufsgeheimnisträger voraus. Dieses Vertrauen hat der Mandant/Patient aber nur, wenn er nicht befürchten muss, dass der Berufsgeheimnisträger das ihm Anvertraute als Zeuge zum Nachteil des Anvertrauenden preisgeben muss.212 208 BGHSt. 31, 296, 300; Dünnebier, MDR 1964, 965; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 61, 68. 209 BGHSt. 9, 59, 61; BGH, StV 1990, 435, 436; Butenuth, Wirkung von ZVR, 199; Kudlich/Roy, JA 2003, 565, 568; Pfeiffer, StPO, § 53, Rn. 1; Samson, StV 2000, 55, 56; Wagmann, ZeugnisverweigerungsR, 30; krit. Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 119 ff., die diesen Schutzzweck nur für den Geistlichen anerkennen will. 210 Niese, JZ 1953, 219, 223; a. A.: Rudolphi, MDR 1970, 93, 96. 211 Butenuth, Wirkung von ZVR, 195. 212 BVerfGE 33, 367, 377; 38, 312, 323; Amelung, DNotZ 1984, 195, 202; Butenuth, Wirkung von ZVR, 194, 201 f., 204, 206 f.; Cramer, NStZ 1996, 209, 212;

B. Eigene Stellungnahme

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(c) Widerspruch zwischen den Zeugnisverweigerungsrechten und § 97 Abs. 1 StPO bei der Anwendbarkeit auf Dritte? Um dem Zeugnisverweigerungsberechtigten den Gewissenskonflikt, entweder auszusagen und den Angehörigen zu belasten bzw. die berufsethische Schweigepflicht zu brechen oder aber falsch auszusagen, zu ersparen, muss sich das Zeugnisverweigerungsrecht auch auf Informationen von Dritten beziehen. Denn der Gewissenskonflikt besteht für den Zeugnisverweigerungsberechtigten unabhängig davon, wer die belastenden Informationen mitgeteilt hat. Auch wenn der Zeugnisverweigerungsberechtigte die Informationen, die den Beschuldigten belasten, von einem Dritten erfahren hat, ist er dem Konflikt ausgesetzt, entweder falsch auszusagen oder den Beschuldigten, der Angehöriger ist, zu belasten bzw. die berufsethische Schweigepflicht zu brechen. Der Zeugnisverweigerungsberechtigte wird geneigt sein, bestimmte belastende Tatsachen zu verschweigen oder anders darzustellen, um zu verhindern, dass der Angehörige oder der Mandant/Patient bestraft wird. Bei der Beschlagnahme kann ein Gewissenskonflikt, einen Familienangehörigen strafrechtlich zu belasten bzw. die berufsethische Schweigepflicht zu verletzen, nicht – zumindest nicht in einem solchen Ausmaß wie bei §§ 52, 53 StPO – entstehen, da der Zeugnisverweigerungsberechtigte nicht aktiv an der Überführung des Beschuldigten mitwirken muss, sondern die Beschlagnahme lediglich zu dulden hat. Selbst der Beschuldigte muss grundsätzlich die Beschlagnahme dulden. Die Konfliktlage, in der sich der Zeugnisverweigerungsberechtigte durch die Duldung der Beschlagnahme von Unterlagen, die den Angehörigen oder Mandanten/Patienten belasten, befindet, ist nicht mit der Konfliktlage vergleichbar, die entsteht, wenn der Zeugnisverweigerungsberechtigte aktiv an der Überführung des Angehörigen mitwirken oder aktiv Geheimnisse des Klienten offenbaren müsste.213 Ein Gewissenskonflikt, durch die Duldung der Beschlagnahme die materiellrechtliche Schweigepflicht zu verletzen, kann ebenfalls nicht entstehen. Eine Strafbarkeit wegen einer Schweigepflichtverletzung nach § 203 StGB ist zwar grundsätzlich durch ein Unterlassen möglich, wenn der Geheimhaltungspflichtige einen Dritten nicht daran hindert, Kenntnis von dem vertraulichen Inhalt zu nehmen. Das setzt aber voraus, dass dem Geheimhaltungspflichtigen die Verhinderung der Kenntnisnahme möglich ist. Bei einer Beschlagnahme durch staatliche Organe ist dies regelmäßig nicht der Fall. Kudlich/Roy, JA 2003, 565, 568; Lenckner, NJW 1965, 321, 322; Meyer-Goßner, StPO, § 53, Rn. 1; Pfeiffer, StPO, § 53, Rn. 1; Rudolphi, MDR 1970, 93, 96; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 122, 124; Wagmann, ZeugnisverweigerungsR, 30. 213 Butenuth, Wirkung von ZVR, 200; Dünnebier, MDR 1964, 965; Kudlich/Roy, JA 2003, 565, 573; Samson, StV 2000, 55, 56; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 46, 58, 68.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Da der innere Konflikt des Zeugnisverweigerungsberechtigten, den Angehörigen belasten oder Geheimnisse der Klienten offenbaren zu müssen, bei einer Beschlagnahme gering ist bzw. gänzlich fehlt, ist auch die Versuchung, Beweismittel zu manipulieren, um die Gefahr einer Bestrafung des Angehörigen oder einer Schweigepflichtverletzung abzuwenden, ausgeschlossen bzw. zumindest erheblich geringer, als dies bei einer Pflicht, als Zeuge auszusagen und den Beschuldigten aktiv zu belasten, der Fall ist. Die Gefahr einer Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung besteht bei einer Beschlagnahme daher kaum.214 Der Ergänzung durch ein Beschlagnahmeverbot bedürfen die Zeugnisverweigerungsrechte aber im sachlichen Bereich, um eine unbefangene Kommunikation im familiären Bereich bzw. eine unbefangene Inanspruchnahme des Berufsgeheimnisträgers durch den Beschuldigten zu ermöglichen. Müsste der Beschuldigte damit rechnen, dass die Schriftstücke oder sonstigen Gegenstände, die er einer Vertrauensperson übergibt, beschlagnahmt und in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren verwertet werden, würde er solche Gegenstände nicht preisgeben und ein unbefangenes familiäres Zusammenleben bzw. eine unbefangene Inanspruchnahme der Hilfe oder Beratung durch Berufsgeheimnisträger wäre erheblich gefährdet. Das Beschlagnahmeverbot soll deshalb das Vertrauensverhältnis und die unbefangene Kommunikation zwischen Zeugnisverweigerungsberechtigtem und Beschuldigtem schützen215 und verhindern, dass die Zeugnisverweigerungsberechtigten trotz Berufung auf ihr Schweigerecht zum Aufklärungsmittel der Strafrechtspflege gemacht werden, indem die sich bei ihnen befindenden Unterlagen beschlagnahmt und das darin verkörperte Wissen im Strafverfahren gegen den Beschuldigten verwertet wird. § 97 StPO soll auch davor schützen, dass sich der Beschuldigte, der sich einem Angehörigen oder einem Berufsgeheimnisträger anvertraut, um von diesem Hilfe zu erhalten, mittelbar selbst belastet und in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren Nachteile erleidet.216 Zwar kann nicht geleugnet werden, dass auch am Strafverfahren unbeteiligte Personen ein Interesse daran haben können, dass der Inhalt, den sie 214

Butenuth, Wirkung von ZVR, 139, 195; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 51,

121. 215 OLG Celle, NJW 1963, 406, 407; Butenuth, Wirkung von ZVR, 204, 206 f.; Dünnebier, MDR 1964, 965; Groß, StV 1996, 559, 560; Grünwald, BeweisR, 145; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 391 für das Beschlagnahmeverbot gegenüber Berufsangehörigen; Krekeler, NJW 1977, 1417, 1418; ders., NStZ 1987, 199, 201; Roxin, StrafverfahrensR, § 34 C II, Rn. 12; Rudolphi in: SK, StPO, § 97, Rn. 2; Schmitt, wistra 1993, 9, 12; Welp, JZ 1974, 423; Werle, JZ 1991, 482, 485; Weyand, wistra 1990, 4, 5, 8. 216 OLG Celle, NJW 1963, 406, 407; Butenuth, Wirkung von ZVR, 204, 206 f.; Görtz-Leible, Beschlagnahmeverbote, 217; Rudolphi in: SK, StPO, § 97, Rn. 2; Schmitt, wistra 1993, 9, 12; Welp, JZ 1974, 423.

B. Eigene Stellungnahme

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bestimmten Berufsgeheimnisträgern anvertraut haben, vertraulich behandelt wird.217 Dennoch hat der Gesetzgeber nur dem Vertraulichkeitsinteresse im Verhältnis des Zeugnisverweigerungsberechtigten zum Beschuldigten Vorrang vor der Wahrheitsfindung im Strafverfahren eingeräumt und diese kommunikative Beziehung – mit Ausnahme des Teilnahmeverdachts – generell von einer Beschlagnahme freigehalten, solange sich die Gegenstände im Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten befinden. Das Interesse eines Dritten an der vertraulichen Behandlung der an den Angehörigen oder Berufsgeheimnisträger übermittelten personenbezogenen Daten hat der Gesetzgeber in § 97 Abs. 1 StPO geringer bewertet als das des Beschuldigten und gegenüber dem Interesse an einer umfassenden Wahrheitsermittlung im Strafverfahren grundsätzlich für nachrangig erachtet.218 Das liegt darin begründet, dass der Beschuldigte den Nachteil einer unmittelbaren Sanktionsverhängung befürchten muss, während einem am Verfahren Unbeteiligten lediglich die Offenbarung des privaten Inhalts an Außenstehende droht.219 Die Verhängung einer Strafe ist ein gravierenderer Eingriff in das Freiheitsrecht als der durch eine Offenbarung der privaten Informationen an Außenstehende verursachte Eingriff in die Privatsphäre, den auch der Beschuldigte zusätzlich zur Sanktionierung erleiden würde, wenn die privaten und selbstbelastenden Informationen öffentlich verwendet würden. Eine unbefangene Kommunikation zwischen dem Beschuldigten und dem Zeugnisverweigerungsberechtigten ist durch eine Beschlagnahme vertraulicher Unterlagen erheblich stärker gefährdet als die zwischen einem unbeteiligten Dritten und dem Zeugnisverweigerungsberechtigten, weil der Beschuldigte befürchten muss, mittelbar an seiner Verurteilung mitwirken zu müssen. Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, die Beziehung zwischen Beschuldigtem und Zeugnisverweigerungsberechtigtem generell – außer beim Teilnahmeverdacht – von der Beschlagnahme freizuhalten, solange der Zeugnisverweigerungsberechtigte den Gegenstand im Gewahrsam hat. Zudem unterliegt auch der nicht beschuldigte Dritte grundsätzlich einer vollumfänglichen Zeugnispflicht, so dass er bei seiner Vernehmung gezwungen wäre, diesen privaten Inhalt zu offenbaren und die daraus resultierenden Nachteile hinzunehmen, soweit die Informationen zur Sachverhaltsaufklärung nicht unerlässlich sind (§ 68a StPO). Demzufolge wird der Zeugnisverweigerungsberechtigte in der Regel durch seine Duldungspflicht nicht genötigt, den nicht beschuldigten Dritten, der ihm private Informationen innerhalb des Vertrauensverhältnisses anvertraut, Nachteile durch die Offenbarung des privaten Inhalts zu bereiten, die über das Maß hinausgehen, das 217

Butenuth, Wirkung von ZVR, 207 f. BVerfG, NVwZ 1994, 54, 56; Butenuth, Wirkung von ZVR, 210, 212, 213; Görtz-Leible, Beschlagnahmeverbote, 218; Welp, JZ 1974, 423. 219 Görtz-Leible, Beschlagnahmeverbote, 217, 218. 218

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

dem nicht beschuldigten Dritten bei seiner Vernehmung als Zeuge selbst droht.220 Für den unbeteiligten Dritten kann sich im Einzelfall allerdings bei einem Eingriff in die unantastbare Intimsphäre oder bei einem wesentlichen Überwiegen seiner Geheimhaltungsinteressen gegenüber dem Interesse an der Wahrheitsfindung ein Beschlagnahmeverbot aus § 160a StPO n. F. bzw. aus dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ergeben.221 Eine Beschränkung des Beschlagnahmeverbotes auf die Beziehung des Beschuldigten zu einem Zeugnisverweigerungsberechtigten steht somit nicht im Widerspruch zum Zeugnisverweigerungsrecht, weil die Schutzzwecke, dem Zeugnisverweigerungsberechtigten einen Gewissenskonflikt zu ersparen und die Wahrheitsfindung zu sichern, – wie oben dargelegt – keiner Ergänzung durch einen Beschlagnahmeschutz bedürfen. Den weiteren Schutzzweck der §§ 52, 53 StPO, das Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Zeugnisverweigerungsberechtigtem zu schützen, sichert § 97 Abs. 1 StPO dadurch ab, dass er die Beschlagnahme von Unterlagen, die vertrauliche Informationen aus der Kommunikation und dem Schriftverkehr zwischen Beschuldigtem und Zeugnisverweigerungsberechtigtem enthalten und sich im Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten befinden, grundsätzlich verbietet. b) Unanwendbarkeit des § 97 Abs. 1 StPO im PUV Da die Beschlagnahmeverbote nach § 97 Abs. 1 StPO nur für Gegenstände gelten, die im Verhältnis Beschuldigter – Zeugnisverweigerungsberechtigter anvertraut worden sind, könnte ihre Übertragung auf das PUV problematisch sein. § 29 Abs. 3 S. 1, 2. HS PUAG ordnet jedoch eine entsprechende Geltung des Beschlagnahmeverbotes nach § 97 StPO im PUV an. Auch in der Rechtsprechung und Literatur wird häufig die Auffassung vertreten, dass § 97 Abs. 1 StPO im PUV zur Anwendung komme.222 Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 97 Abs. 1 StPO ist eine Übertragung der Vorschrift auf das PUV jedoch abzulehnen. Sie schützt – wie dargelegt223 – das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Zeugnisverweigerungsberechtigten, indem sie verhindert, dass die anvertrauten Materialien zur Verhängung einer Sanktion gegenüber dem Beschuldigten in das Verfahren eingeführt werden. Dem Betroffenen drohen 220

Görtz-Leible, Beschlagnahmeverbote, 218. BGH, NJW 1992, 763; LG Fulda, NJW 1990, 2946. 222 BVerfG, NVwZ 1994, 54, 56; LG Kiel, NVwZ 1994, 96, 97; Kempf/Richter II, AnwBl. 2000, 513, 515; Robbers, JuS 1996, 116, 118; Schleich, UntersuchungsR, 44. 223 3. Kapitel, B. V. 2. a) bb) (4) (c). 221

B. Eigene Stellungnahme

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im PUV aber gerade keine unmittelbaren Sanktionen224, zu deren Verhängung er durch die Beschlagnahme der an die Zeugnisverweigerungsberechtigten übergebenen persönlichen Daten mittelbar beitragen würde. Das Interesse des Betroffenen und des Zeugnisverweigerungsberechtigten, dass bestimmte Tatsachen nicht der Öffentlichkeit zugänglich werden, entspricht vielmehr dem Vertraulichkeitsinteresse des Zeugnisverweigerungsberechtigten und des nicht beschuldigten Dritten im Strafverfahren. Durch die Auswertung der privaten Informationen im PUV, die der Betroffene einem Berufsangehörigen anvertraut hat, entstehen dem Betroffenen lediglich berufliche oder wirtschaftliche Nachteile bzw. ein Ansehensverlust in der Gesellschaft, die von ähnlichem Ausmaß sind wie die Folgen, die einem unbeteiligten Dritten im Strafverfahren drohen, wenn dessen persönliche Daten im Verfahren gegen den Beschuldigten öffentlich erörtert werden. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass der Betroffene im Mittelpunkt der parlamentarischen Untersuchung steht, wenn gerade sein Fehlverhalten aufgeklärt werden soll, während das Strafgericht keine Verfehlung des Zeugen untersucht. Trotzdem sind die Auswirkungen in der Öffentlichkeit nicht mit einer strafgerichtlichen Verurteilung vergleichbar.225 Als Hoheitsträger haben die Mandats- und Amtsträger eine besondere Rechenschaftspflicht gegenüber dem Volk, aufgrund derer nicht der gesamte Bereich ihres privaten Lebens unter dem Schutz der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG steht226, sondern sie müssen staatliche Maßnahmen durch den PUA zur Aufklärung politischer Angelegenheiten unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots hinnehmen und die politische Verantwortung vor dem Volk übernehmen. Allein die gesellschaftlichen und beruflichen Nachteile, die auch ein Beschuldigter zusätzlich zur Strafe erleidet, geben daher keine Rechtfertigung dafür, das Vertrauensverhältnis des Betroffenen und des Zeugnisverweigerungsberechtigten dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Berufsangehörigen gleichzusetzen und von der Möglichkeit einer Beschlagnahme völlig freizuhalten. § 97 Abs. 1 StPO findet demnach keine sinngemäße Anwendung im PUV.227 Die Beschlagnahmeverbote aus § 97 Abs. 3 und § 97 Abs. 5 StPO sind hingegen im PUV anwendbar. Die Funktionen, die Abgeordnete und Journalisten ausüben, sind nämlich von besonderem öffentlichen Interesse und dienen der Kontrolle staatlichen Handelns.228 Die Beschlagnahmefreiheit 224

1. Kapitel, B. II. 2. b) bb); 3. Kapitel, B. II. 1. 1. Kapitel, B. II. 2. b) bb). 226 3. Kapitel, B. IV. 2. b) dd) (2) (d). 227 I. E. LG Frankfurt a. M., NJW 1987, 787, 789. 228 Abgeordnete haben als Mitglieder eines Staatsorganes die Kontrollfunktion inne. Journalisten nehmen eine staatliche Kontrollfunktion wahr, indem sie staat225

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

darf sich nicht nur auf das Verhältnis des Beschuldigten und des Journalisten/Abgeordneten beschränken, sondern sie muss auch Informationen nicht beschuldigter Dritter erfassen229, weil die §§ 97 Abs. 3, 5 StPO nicht die Privatsphäre des Einzelnen gewährleisten, sondern eine unabhängige freie Presse und eine effektive Kontrolle staatlichen Handelns durch den Abgeordneten als unabdingbare Aufgaben in einer Demokratie230. Journalisten und Abgeordnete sind deshalb darauf angewiesen, dass ihnen Informanten ungehindert die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen. Nur durch ausreichende und aktuelle Auskünfte können die Abgeordneten bzw. die Presseangehörigen ihre Kontrollfunktion effektiv ausüben. Sie erhalten die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen aber nur, wenn sichergestellt ist, dass den Informanten keine Nachteile drohen. Der Bürger sieht sich aber nicht erst durch die Gefahr einer Verurteilung, sondern durch jeden Nachteil – auch durch eine Rufschädigung oder einen Amts- bzw. Arbeitsplatzverlust u. ä. – gehindert, Informationen an diese Stellen herauszugeben. Eine geminderte Auskunftsbereitschaft der Bürger behindert die Kontrollfunktion von Presse und Abgeordneten wegen fehlender Informationen und lässt sich nur durch einen absoluten Quellenschutz, d.h. auch einen Schutz der Identität und des Inhalts der Mitteilung nicht beschuldigter Informanten, beseitigen.231 Die Beschlagnahmefreiheit nach § 97 Abs. 3 und § 97 Abs. 5 StPO muss daher ihrem Zweck nach auch im PUV Anwendung finden. Gäbe es im PUV keinen absoluten Quellenschutz, sähe sich der Bürger gehindert, Auskünfte an Journalisten und Abgeordnete zu geben, und die Aufgabenerfüllung durch die Presse und durch Abgeordnete wäre gefährdet. Das Vertrauensinteresse der Presse bzw. des Abgeordneten und des Informanten hat grundsätzlich Vorrang vor dem parlamentarischen Aufklärungsinteresse. Allerdings ist in die Abwägung die Bedeutung des parlamentarischen Untersuchungsrechts für die Demokratie einzustellen. Auch der PUA soll durch seine Ermittlungen eine effektive Kontrolle staatlichen Handelns und die politische Meinungsbildung des Volkes ermöglichen. Dem parlamentarischen Aufklärungsinteresse wird dadurch Rechnung getragen, dass der Beliches Handeln offenbaren, kontrollierbar machen und die politische Meinungsbildung fördern, BVerfG, NStZ 2001, 43; Görtz-Leible, Beschlagnahmeverbote, 129 ff.; Groß, StV 1996, 559, 560 f.; Neumann, ZParl 2000, 797, 799; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 189, 209. 229 Kunert, NStZ 2002, 169, 171 für die Presse; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 190. 230 BVerfG, Beschluss vom 22.08.2000, Az.: 1 BvR 77/96 für die Pressefreiheit. 231 BVerfG, NStZ 2001, 43 für die freie Presse; Dünnebier, MDR 1964, 965 f.; Gerhardt, ZRP 2001, 319, 320 für die Presse; Groß, StV 1996, 559, 560 f.; Neumann, ZParl 2000, 797, 799 für Abgeordnete; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 190.

B. Eigene Stellungnahme

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schlagnahmeschutz nach sinngemäßer Anwendung des § 97 Abs. 5 S. 2 StPO entfällt, wenn der Pressemitarbeiter an dem Fehlverhalten, das den Untersuchungsgegenstand im PUV bildet, beteiligt ist, den Betroffenen begünstigt oder dessen Bestrafung vereitelt und wenn der PUA den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt. Eine solche Ausnahme sieht § 97 Abs. 3 StPO jedoch für den Abgeordneten nicht vor. In sinngemäßer Anwendung der Beschlagnahmeverbote des §§ 97 Abs. 3, 5 StPO ist dem parlamentarischen Aufklärungsinteresse dann der Vorrang vor den Geheimhaltungsinteressen einzuräumen, wenn der Betroffene die Unterlagen dem Zeugnisverweigerungsberechtigten nur übergibt, um sie dem Zugriff des Untersuchungsausschusses zu entziehen. Im Missbrauchsfall bedarf es weder zum Schutz des Kontrollrechts des Abgeordneten noch zur Gewährleistung einer freien Presse eines Beschlagnahmeschutzes, weil zum einen dem Zeugnisverweigerungsberechtigten die Informationen nicht im Zusammenhang mit seinem besonderen Status anvertraut worden sind und zum anderen der Zeugnisverweigerungsberechtigte seine Stellung nur ausnutzt, um die Kontrolle staatlichen Handelns zu vereiteln, die gerade auch Aufgabe des parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist. Die Beschlagnahmeverbote der §§ 97 Abs. 3, 5 StPO gelten folglich auch im PUV sinngemäß. Hat der Betroffene einem Abgeordneten oder Journalisten Gegenstände anvertraut, dürfen sie auch dann grundsätzlich weder im Strafverfahren noch im PUV beschlagnahmt werden, wenn sie zur Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes erforderlich sind. 3. Schutz vor einer Umgehung der Beschlagnahmefreiheit nach § 97 Abs. 1 StPO im Strafverfahren Da § 97 Abs. 1 StPO – wie soeben dargelegt – im PUV nicht anwendbar ist, scheint der PUA Räume nach schriftlichen Aufzeichnungen oder sonstigen beweisbedeutsamen Gegenständen, die sich im Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten nach §§ 52, 53 Abs. 1 Nr. 1–3b StPO befinden, durchsuchen sowie die aufgefundenen Gegenstände beschlagnahmen und im PUV öffentlich auswerten zu dürfen.232 Dagegen könnte aber sprechen, dass die Staatsanwaltschaft grundsätzlich die in den Unterlagen ent232 Es ist bereits hier darauf hinzuweisen, dass eine Spannungslage zu § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO nicht auftritt, wenn der PUA Schriftstücke beschlagnahmt, die der Empfänger noch nicht zur Kenntnis genommen hat, die also dem Briefgeheimnis unterliegen. In diesem Fall darf der PUA nicht beschlagnahmen, weil ihm Eingriffe in das Briefgeheimnis generell nach Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG untersagt sind – siehe dazu unten 4. Kapitel, 2. Abschnitt, A. I. 2. b).

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

haltenen persönlichen Tatsachen zum Nachteil des Beschuldigten in das Strafverfahren einführen oder vom PUA nach §§ 161 Abs. 1, 94, 95 StPO Auskunft über diese Tatsachen verlangen, Akteneinsicht beantragen oder die Akten vom PUA herausverlangen bzw. bei Weigerung unter Umständen beschlagnahmen kann233. Dadurch würde im Ergebnis das im Strafverfahren geltende Beschlagnahmeverbot umgangen werden. a) Parlamentarisches Beschlagnahmeverbot wegen Rollentauschs? Dem steht die Rechtsprechung des BGH234 zur Annahme eines Beschlagnahmeverbots wegen Rollentauschs nicht entgegen. Die Entscheidung betraf einen Fall, in dem die Staatsanwaltschaft gegen zwei Mitbeschuldigte ermittelte und Beweismittel verwenden wollte, die im Verhältnis zu einem Beschuldigten einem Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1 StPO unterfielen. Die Staatsanwaltschaft trennte das Strafverfahren gegen diesen ab, behandelte ihn als Zeugen in dem Verfahren gegen den früheren Mitbeschuldigten, beschlagnahmte die Gegenstände, die in dem gemeinsam geführten Strafverfahren dem Beschlagnahmeverbot unterfielen, und führte sie in das Verfahren gegen den Beschuldigten ein. Obwohl das Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1 StPO nur für Gegenstände aus dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Zeugnisverweigerungsberechtigten gilt, bejahte der BGH das Beschlagnahmeverbot aus § 97 Abs. 1 StPO auch für die Gegenstände, die der frühere Mitbeschuldigte und jetzige Zeuge dem Zeugnisverweigerungsberechtigten anvertraut hatte. Ließe sich diese Entscheidung auf den Betroffenen im PUV, der dort Zeuge, im Strafverfahren aber Beschuldigter ist, übertragen, dürfte konsequenterweise auch der PUA die Gegenstände, die der Betroffene, der Beschuldigter eines Strafverfahrens ist, einem Zeugnisverweigerungsberechtigten anvertraut hat, nicht nach § 97 Abs. 1 StPO beschlagnahmen, obwohl der Betroffene im PUV nur Zeuge ist. Der BGH begründete seine Entscheidung allerdings damit, dass der Beschlagnahmeschutz für den Beschuldigten auch nach der Verfahrenstrennung fortgelten müsse, da allein der formale Akt der Verfahrenstrennung eine beschuldigtenschützende Vorschrift nicht beseitigen dürfe. Das Zeugnisverweigerungsrecht des Angehörigen nach § 52 StPO sei unteilbar und gelte im Verfahren gegen einen Mitbeschuldigten, der nicht Angehöriger ist, fort. Zum Schutz vor einer Umgehung des § 52 StPO durch Beschlagnahmen sei § 97 Abs. 1 StPO ebenfalls im abgetrennten Verfahren gegen 233 234

Zum freien Informationsaustausch: 2. Kapitel, C. BGHSt. 34, 138, 139.

B. Eigene Stellungnahme

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einen Beschuldigten, der kein Angehöriger ist, anwendbar.235 Gleiches gelte für das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO. Voraussetzung sei aber, dass der durch § 53 StPO unmittelbar Geschützte weiterhin Beschuldigter in einem Verfahren ist, das dieselbe prozessuale Tat betrifft, und vor der Abtrennung eine prozessuale Gemeinsamkeit bestand.236 Die Situation des Mitbeschuldigten unterscheidet sich verfahrensrechtlich jedoch von der des Betroffenen im PUV, der zugleich Beschuldigter im Strafverfahren ist. Zwar wird sowohl im Untersuchungsverfahren als auch im parallelen Strafverfahren derselbe geschichtliche Sachverhalt untersucht, aber mit jeweils anderer Zielrichtung. Das PUV will den Sachverhalt „nur“ politisch aufklären, ohne an das aufgeklärte Fehlverhalten unmittelbar eine Sanktion zu knüpfen. Zudem hat der BGH darauf abgestellt, dass gegen beide Mittäter zunächst ein einheitliches Verfahren geführt wurde und allein die Verfahrenstrennung die den Beschuldigten schützende Beschlagnahmefreiheit im abgetrennten Verfahren gegen den früheren Mitbeschuldigten nicht beseitigen dürfe.237 Die faktische Gleichzeitigkeit der Ermittlungen allein stellt folglich nach Auffassung des BGH noch kein zusammenhängendes einheitliches Verfahren her. Die prozessuale Gemeinsamkeit der Verfahren muss vielmehr durch eine ausdrückliche oder zumindest konkludente Willensentscheidung der Staatsanwaltschaft begründet worden sein.238 Mangels früherer prozessualer Gemeinsamkeit lässt sich § 97 Abs. 1 StPO also unter dem Gesichtspunkt des „Rollentausches“ nicht auf das PUV übertragen. b) Parlamentarisches Beschlagnahmeverbot nach Art. 47 S. 2 GG? Art. 47 S. 2 GG schützt den Betroffenen im Strafverfahren ebenfalls nicht. Dieses Beschlagnahmeprivileg sichert die Vertrauensbeziehung zwischen dem Abgeordneten und Dritten sowie das freie Mandat des Abgeordneten. Eine Beschlagnahme von Schriftstücken, die dieses Verhältnis betreffen, ist nur zulässig, wenn der Abgeordnete selbst Beschuldigter ist.239 Art. 47 S. 2 GG verbietet deshalb die Beschlagnahme von Schriftstücken, die ein Abgeordneter im Gewahrsam hat, nicht aber die Beschlagnahme von Schriftstücken, die sich im Gewahrsam eines Dritten befinden, der kein Abgeordneter ist. Der PUA darf nach Art. 47 S. 2 GG also Schriftstücke 235

Vgl. hierzu BGHSt. 34, 138, 139; 34, 215, 216. BGH, NJW 1998, 840, 841. 237 BGHSt. 34, 138, 139; 34, 215, 216; BGH, NJW 1998, 840, 841. 238 BGHSt. 34, 138, 141; BGH, NStZ 1985, 419, 420; BGH, NStZ 1987, 83; Kudlich/Roy, JA 2003, 565, 568; Meyer-Goßner, StPO, § 52, Rn. 11. 239 BVerfG, DÖV 2003, 989, 990. 236

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

nur dann nicht beschlagnahmen, wenn der Betroffene sie einem Abgeordneten im Zusammenhang mit dessen Abgeordnetentätigkeit anvertraut hat. Dies bestimmt aber auch § 97 Abs. 3 StPO, der – wie oben erörtert240 – im PUV anwendbar ist. c) Verbot der Beschlagnahme durch den PUA bei Zeugnisverweigerungsberechtigten im Sinne des § 52 StPO Da dem PUA einfachgesetzlich die Beschlagnahme von Gegenständen, die sich im Gewahrsam eines Zeugnisverweigerungsberechtigten nach § 52 StPO befinden, nicht untersagt ist, könnte sich ein generelles Beschlagnahmeverbot im PUV nur unmittelbar aus dem Grundgesetz ergeben. Das setzt voraus, dass die Beschlagnahme in den grundrechtlich geschützten Bereich unter Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingreift.241 Das wäre der Fall, wenn die Beschlagnahme entweder den unantastbaren Kernbereich eines Grundrechts des Betroffenen berühren oder wenn das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen gegenüber dem parlamentarischen Aufklärungsinteresse generell überwiegen würde. aa) Grundrechtsbetroffenheit Beschlagnahmt der PUA private Aufzeichnungen, die im Strafverfahren dem Verbot aus § 97 Abs. 1 StPO unterfallen, also aus der Geheimsphäre der Familienangehörigen untereinander stammen, beeinträchtigt er das Geheimhaltungsinteresse der Betroffenen. Der Geheimnisschutz betrifft das Recht auf private Lebensgestaltung242, so dass sich ein generelles parlamentarisches Beschlagnahmeverbot möglicherweise aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht ableiten ließe. Dabei kommt eine Ableitung aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung243 oder dem Recht auf den Schutz der Privatsphäre244 in Betracht.

240

3. Kapitel, B. V. 2. b). BGH, NJW 1998, 840; OLG Celle, NJW 1963, 406, 408; OLG Celle, JR 1965, 107 f., 109; LG Frankfurt a. M., NJW 1987, 787, 789; LG Hamburg, NJW 1990, 780; LG Fulda, NJW 1990, 2946; Deutscher Juristinnenbund, StV 1990, 46. 242 BVerfGE 32, 373, 379; OLG Celle, NJW 1963, 406, 408; LG Köln, MDR 1988, 252, 253; LG Fulda, NJW 1990, 2946, 2947. 243 So Bandisch, NJW 1987, 2200, 2203; Lorenz, MDR 1992, 313 ff. 244 So BVerfGE 32, 373, 378; 33, 367, 377 f.; OLG Celle, JR 1965, 107, 109; LG Hamburg, NJW 1990, 780, 781; LG Fulda, NJW 1990, 2946, 2947; Bandisch, NJW 1987, 2200, 2202; Weyand, wistra 1990, 4, 8. 241

B. Eigene Stellungnahme

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(1) Schutzrichtung des Geheimhaltungsinteresses Der Begriff des Vertrauens- oder Geheimnisschutzes legt nur den äußeren Rahmen des Schutzbereiches fest.245 Der Vertrauens- und Geheimnisschutz kann inhaltlich nämlich in zweierlei Richtungen gewährt werden. Einerseits kann ein Geheimhaltungsinteresse am Kommunikationsinhalt bestehen, d.h. das Interesse des Betroffenen, vor den Gefahren des Umgangs mit den personenbezogenen Daten im öffentlichen Bereich geschützt zu werden. Der Einzelne soll grundsätzlich selbst entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen er persönliche Daten offenbart und weitergibt. Wird er daran gehindert, wäre insoweit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen.246 Andererseits garantiert das Allgemeine Persönlichkeitsrecht einen vom Geheimnisschutz geprägten privaten Lebensbereich, in den sich der Einzelne zurückziehen und in dem er vertraulich mit ausgewählten Vertrauten in Beziehung treten kann, ohne Einblicke durch den Staat und die Öffentlichkeit befürchten zu müssen. Insoweit würde sich das Recht des Einzelnen auf Privatsphäre verwirklichen.247 Teilweise wird behauptet, eine Beschlagnahme von Unterlagen aus Vertrauenssphären, wie dem familiären Bereich, der Beziehung Arzt-Patient u. ä., zu Beweiszwecken tangiere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.248 Für den Betroffenen ergebe sich insbesondere bei der Beschlagnahme von Gegenständen, die er Dritten überlassen hat, eine besondere Belastung, weil er die persönlichen Daten nicht selbst enthüllen müsse, sondern ein Familienangehöriger oder Berufsangehöriger. Damit steige die Gefahr, die Kontrolle und den Überblick über Preisgegebenes zu verlieren, weil der Betroffene nicht mehr selbst über die Preisgabe seiner Daten entscheiden könne.249 In einem Verbot, Unterlagen zu beschlagnahmen, die Daten aus besonders vertraulichen Bereichen (Verwandte, Ehe- und Lebenspartner u. ä.) enthalten, realisiert sich tatsächlich das Recht auf Privatsphäre. Es soll dem Einzelnen ermöglichen, vertraulich und unbefangen mit bestimmten Vertrauenspersonen zu kommunizieren und ihm einen Vertrauensbereich wahren, in dem er sich frei entfalten und sich zur Entfaltung seiner Individua245

Lorenz, MDR 1992, 313, 315; Spangenberg, Beschlagnahme, 30. Groß, AöR 113 (1988), 161, 208; Heußner, BB 1990, 1281; Lorenz, MDR 1992, 313, 315. 247 Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 47; Lorenz, MDR 1992, 313, 315; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 123. 248 Butenuth, Wirkung von ZVR, 222; Lorenz, MDR 1992, 313, 315. 249 Butenuth, Wirkung von ZVR, 222. 246

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

lität sowie zur Lösung privater Konflikte anderen offenbaren kann. Nur ein Schutz vor einem staatlichen Zugriff kann diesen Vertrauensbereich garantieren. Das Verbot, Unterlagen aus einer besonderen Vertrauenssphäre zu beschlagnahmen, schützt den Bürger davor, dass der Staat Kenntnis von seinen privaten Daten nimmt. Der Bürger soll die Gewähr erhalten, dass seine höchstpersönlichen Angaben, die er freiwillig im Vertrauen auf Geheimhaltung macht, auch vertraulich behandelt und vor fremden Einblicken bewahrt werden.250 Das Beschlagnahmeverbot schützt also die Art und Weise der Kommunikationsbeziehung, d.h. die Unbefangenheit der Kommunikation und das Vertrauen darin. Es sichert dem Einzelnen einen Rückzugsbereich zu, der dem staatlichen Zugriff entzogen ist und dazu dient, dass der Einzelne persönliche Gedanken, Gefühle, Eindrücke über Erlebtes ausdrücken und mit anderen nahe stehenden Personen austauschen kann. Primär sichert das Verbot, Unterlagen aus vertraulichen Bereichen zu beschlagnahmen, also das Recht auf Privatsphäre und schützt nicht in erster Linie vor der Verwendung der personenbezogenen Daten und den daraus resultierenden Gefahren. Allerdings ist der Schutz vor einer unbefugten Verwendung notwendig, um die Vertraulichkeit und Unbefangenheit der Kommunikationsbeziehung zu wahren. Bestätigung findet diese These in § 30 Abs. 2 AO, der ebenfalls den Geheimhaltungsschutz garantieren soll251, allerdings in eine andere Richtung. Die Vorschrift schützt lediglich vor den Gefahren im Umgang mit den persönlichen Daten im Verhältnis zu anderen Behörden, sie ist also eine einfachgesetzliche Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.252 Das Steuergeheimnis stellt sicher, dass die Daten nicht unbefugt offenbart und zu einem anderen Zweck benutzt werden. Dieser Schutz ist nötig, um zu verhindern, dass der Einzelne Informationen wegen einer drohenden Gefahr von Nachteilen verschweigt. Die umfassende und richtige Darlegung der steuerlich relevanten Tatsachen ist erforderlich, damit die Finanzbehörde ihre öffentliche Aufgabe, die Steuern gleichmäßig und vollständig zu erheben, erfüllen kann. § 30 Abs. 2 AO verwirklicht somit nicht das Recht des Einzelnen, sich in einen privaten Bereich zurückzuziehen oder anderen zur privaten Lebensgestaltung persönliche Informationen mitzuteilen, weil dem Steuerpflichtigen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben eine Mitwirkungs- und Offenbarungspflicht obliegt, welche die Behörde im Wege der Zwangsmittelanwendung durchsetzen kann. Das Steuergeheimnis 250

BVerfGE 32, 373, 380; 33, 367, 377; BGHSt. 31, 296, 300; OLG Celle, JR 1965, 107, 109; LG Hamburg, NJW 1990, 780, 781; LG Fulda, NJW 1990, 2946, 2947; Bandisch, NJW 1987, 2200, 2202; Krekeler, NJW 1977, 1417, 1418; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 124; Weyand, wistra 1990, 4, 8. 251 Reiß, Besteuerungsverfahren, 92 ff.; Weyand, wistra 1990, 4, 7, 8. 252 Ähnlich auch Reiß, Besteuerungsverfahren, 115.

B. Eigene Stellungnahme

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soll dem Steuerpflichtigen die Sicherheit geben, dass er aus der Offenbarung persönlicher, steuerrechtlich relevanter Tatsachen keine Nachteile erleidet. Vertraut sich der Einzelne einem Angehörigen oder einer Vertrauensperson an und offenbart er private Informationen, um einen Rat oder Hilfe zur privaten Lebensgestaltung zu erhalten, so handelt er freiwillig. Er befindet sich allerdings in einem inneren persönlichen Konflikt, zu dessen Lösung er die Hilfe anderer beansprucht. Eine optimale Hilfe bei der Lösung privater Probleme setzt eine rückhaltlose Offenbarung persönlicher Angelegenheiten voraus. Tiefe Einblicke in seine Privat- und Intimsphäre gewährt der Einzelne aber nur, wenn er auf umfassende Verschwiegenheit vertrauen kann und keinen Nachteil befürchten muss. Dieser Schutz wird durch das Grundrecht auf Privatsphäre garantiert253, indem die Daten dem staatlichen Zugriff entzogen sind und nicht zum Nachteil des Anvertrauenden zu anderen Zwecken weitergegeben und verwendet werden dürfen. Das Verbot, die Unterlagen beim Zeugnisverweigerungsberechtigten zu beschlagnahmen und zu Beweiszwecken zu verwenden, dient somit primär dem Schutz der privaten Lebensgestaltung durch eine vertrauliche Kommunikation mit nahe stehenden Personen oder Vertrauenspersonen. (2) Eingriff in das Recht auf Schutz der Privatsphäre Die Beschlagnahme der persönlichen Gegenstände bzw. der Aufzeichnungen mit persönlichem Inhalt und die anschließende Auswertung im PUV tragen den Inhalt über das vertrauliche Verhältnis hinaus und machen ihn einem unüberschaubaren Personenkreis zugänglich. Diese Art und Weise der öffentlichen Darstellung beeinträchtigt das Geheimhaltungsinteresse und das den Familien- oder Berufsangehörigen entgegengebrachte Vertrauen des Betroffenen. Er wird sich nicht mehr unbefangen, ohne die Befürchtung, dass die anvertrauten persönlichen Informationen zu seinem Nachteil weitergegeben und verwendet werden könnten, einer Vertrauensperson zur Lösung seiner persönlichen Konflikte offenbaren. Die Beschlagnahme von Mitteilungen, Aufzeichnungen oder sonstigen Gegenständen höchstpersönlichen Inhalts greift also in das Recht auf Privatsphäre ein. bb) Rechtfertigung des Eingriffs Dieses Recht gilt aber nicht schrankenlos, sondern es kann aufgrund eines Gesetzes zum Schutz höherrangiger Interessen Dritter, der verfassungs253 LG Hamburg, NJW 1990, 780, 781; LG Fulda, NJW 1990, 2946, 2947; Ranft, StrafprozessR, § 24, Rn. 551; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 124 f.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

mäßigen Ordnung oder des Sittengesetzes eingeschränkt werden. Gesetzliche Grundlage, die den Eingriff in Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG gestattet, ist § 94 StPO i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG bzw. § 29 Abs. 3 PUAG. Die Aufklärung politischer Missstände durch den PUA ist für das Parlament und die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung. Das Aufklärungsinteresse des Untersuchungsausschusses ist daher grundsätzlich geeignet, den Eingriff in das Recht des einzelnen Bürgers auf Privatsphäre, den der PUA durch die Beschlagnahme vertraulicher Unterlagen verursacht, zu rechtfertigen.254 Allerdings hat der PUA bei der Durchführung seiner Beweiserhebung die Verhältnismäßigkeit zu wahren, d.h., die Beschlagnahme muss zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und erforderlich sein und darf nicht unangemessen in das Recht auf Privatsphäre eingreifen. Außerdem hat der PUA den Kernbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu beachten, der jeglichem staatlichen Zugriff entzogen ist.255 (1) Bestimmung des unantastbaren Kernbereichs Nach der Sphärentheorie des BVerfG gehören zum unantastbaren Kernbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts Informationen mit höchstpersönlichem Charakter, die keinen oder nur einen mittelbaren Sozialbezug aufweisen und die der Betroffene geheim halten will.256 Der höchstpersönliche Charakter ist anhand objektiver Kriterien zu bestimmen und erfasst alle Umstände, die das Wesen und den Charakter eines Menschen kennzeichnen. Die Gefühle, Ängste, persönlichen Erlebnisse, Ziele, Schwächen eines Menschen, Sexualität oder Krankheiten sind regelmäßig höchstpersönlicher Natur. Auch die Umstände einer Straftatbegehung können einen höchstpersönlichen Charakter aufweisen, z. B. die Motivation, Reue, Zwänge oder krankhafte Triebe. Offenbart der Betroffene nur, eine Straftat begangen zu haben, ohne über die Ursachen zu reflektieren, ist der höchstpersönliche Charakter allerdings zu verneinen.257 Derartige höchstpersönliche Informationen äußert der Betroffene in der Regel gegenüber Angehörigen, Lebenspartnern, engen Freunden, Geistlichen, Psychologen, Ärzten oder unter Umständen gegenüber Rechtsanwälten. Dagegen fehlt der 254

Scholz, AöR 105 (1980), 564, 606. BVerfGE 27, 344, 351; 75, 369, 380; Beckemper/Wegner, JA 2003, 510, 514; Geis, JZ 1991, 112, 113; Höfling, JuS 1995, 857, 859; Kunig, Jura 1993, 595, 602; v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner GG, Art. 2, Rn. 16; Murswiek in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 105; Niebler, BayVBl. 1989, 737, 738; Rogall, StV 1996, 63, 64; Wölfl, NVwZ 2002, 49, 50; Wolter, NStZ 1993, 1, 3; Zacharias, NJW 2001, 2950. 256 BVerfGE 6, 389, 433; 80, 367, 374; Wölfl, NVwZ 2002, 49, 51. 257 BVerfGE 80, 367, 375; BGHSt. 19, 325, 331; Ellbogen, NStZ 2001, 460, 463; Otto, Kleinknecht-FS, 319, 328. 255

B. Eigene Stellungnahme

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höchstpersönliche Charakter regelmäßig, wenn sich der Betroffene nur mit Bekannten oder Arbeitskollegen unterhält oder wenn aus wirtschaftlichen bzw. geschäftlichen Daten oder Steuererklärungen, die der Betroffene einem Wirtschaftsprüfer, Buchhalter oder Steuerberater vertraulich mitteilt, Rückschlüsse auf eine Straftat bzw. ein sonstiges Fehlverhalten gezogen werden können.258 Der Geheimhaltungswille ist nur durch die Indizien des konkreten Einzelfalles zu bestimmen. Allein die Weitergabe der Daten an einen Dritten beseitigt nicht schon den Geheimhaltungswillen, da er von familiären und persönlichen Vertrauensverhältnissen überlagert sein kann.259 Daher besteht trotz der Weitergabe an diese Personen ein Geheimhaltungswille des Betroffenen, sofern keine weiteren Umstände vorliegen, die gegen eine vertrauliche Behandlung der Informationen sprechen. Zudem setzt eine Zuordnung der Informationen zum Kernbereich voraus, dass sie keinen oder nur einen mittelbaren Sozialbezug haben. Ein Sozialbezug liegt vor, sobald der Inhalt die Persönlichkeitssphäre eines anderen berührt, also Außenwirkung, z. B. durch eine Verwertung oder Veröffentlichung von Aufzeichnungen, erlangt. Nur Äußerungen, die der Einzelne ohne Bezugnahme auf eine andere Person abgibt, unterfallen somit dem unantastbaren Kernbereich.260 Ein so eng verstandener Kernbereich würde allerdings dazu führen, dass nur noch die Gedanken des Einzelnen in seinem Gehirn oder seine Träume absolut geschützt wären. Selbst Tagebuchaufzeichnungen würden wegen der Niederschrift schon einen Sozialbezug aufweisen. Der Einzelne dürfte seine Gedanken mit niemandem austauschen, weil er mit dem Gedankenaustausch bereits eine Außenwirkung herstellt, die einen Sozialbezug begründet. Der Mensch müsste sich isolieren, um seine Intimität vor staatlichen Zugriffen zu bewahren. Eine Isolierung des Menschen läuft aber der freien Entfaltung der Persönlichkeit, die das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleisten will, zuwider.261 Der Einzelne muss auch über höchstpersönliche Informationen zumindest mit besonders nahe stehenden Personen (wie Familienangehörigen, Ehegatten, Lebenspartnern) reden können, ohne einen staatlichen Zugriff befürchten zu müssen, weil er zur Entwicklung seiner eigenen Persönlichkeit der Kommunikation mit anderen bedarf.262 Daher muss 258 BVerfGE 34, 238, 246; BGHSt. 19, 325, 331; i. E. auch Butenuth, Wirkung von ZVR, 204. 259 BGHSt. 19, 325, 333; Ellbogen, NStZ 2001, 460, 463 f. 260 BVerfGE 6, 389, 433; 80, 367, 374; Ellbogen, NStZ 2001, 460, 463; Gössel, JZ 1984, 361, 362; Richter, Privatpersonen, 57; Wölfl, NVwZ 2002, 49, 51. 261 Geis, JZ 1991, 112, 115. 262 BGHSt. 31, 296, 299 f.; Geis, JZ 1991, 112, 115.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

der Austausch höchstpersönlicher Informationen im Bereich der Familie und Ehe dem absoluten Kernbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterfallen.263 Der PUA darf deshalb generell keine Unterlagen mit höchstpersönlichem Inhalt aus dem Bereich der Familie und Ehe beschlagnahmen. Allerdings will der PUA ein Fehlverhalten von Mandats- und Amtsträgern aufklären, so dass in der Regel nur persönliche Informationen aus dem familiären und ehelichen Bereich, die einen dienstlichen Bezug haben, untersuchungsrelevant sein werden. Diesen Informationen wird dann regelmäßig der höchstpersönliche Charakter fehlen. Außerdem ist der Grundrechtsschutz für Hoheitsträger eingeschränkt.264 Eher selten werden höchstpersönliche, intime Umstände beweisbedeutsam sein. Das wäre beispielsweise anzunehmen, wenn der Betroffene mit seinem Ehegatten über die Motive für sein Fehlverhalten, einen Zwang oder über „Gewissensbisse“ wegen der Verfehlung spricht. Ähnliches gilt, wenn sich die parlamentarische Untersuchung gegen eine Privatperson richtet. Die Untersuchung ist nur zulässig, wenn die Privatperson gegen eine öffentlich-rechtliche Norm verstoßen hat265, z. B. gegen eine gesetzliche Subventionsvorschrift oder eine gewerberechtliche Verbotsnorm u. ä. Die untersuchungsrelevanten Informationen betreffen also meistens den gewerblichen oder beruflichen Bereich, d.h., sie sind selten höchstpersönlicher Natur.266 (2) Privat- und Sozialsphäre Persönliche Aufzeichnungen, Mitteilungen und sonstige Gegenstände des Betroffenen, die sich im Gewahrsam des zeugnisverweigerungsberechtigten Familienangehörigen befinden und der Privat- oder Sozialsphäre zugehören, unterliegen im PUV einem ausnahmslosen Beschlagnahmeverbot nur, wenn das Persönlichkeitsinteresse generell das öffentliche Aufklärungsinteresse wesentlich überwiegt. Der Staat darf in die Bereiche der Privat- bzw. Sozialsphäre nämlich nur im überwiegenden Allgemeininteresse unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit eingreifen.267 Die Beschlagnahme vertraulicher Unterlagen, die für den Untersuchungsgegenstand beweisbedeutsam sind, dient der parlamentarischen Kontrolle, die wegen der Bedeutung für die parlamentarische Demokratie und für das 263 BVerfGE 6, 389, 433; BGHSt. 31, 296, 299 f.; LG Saarbrücken, NStZ 1988, 424 f.; Geis, JZ 1991, 112, 115; Richter, Privatpersonen, 58. 264 3. Kapitel, B. IV. 2. b) bb) (2) (d). 265 1. Kapitel, C. III. 2. b) bb). 266 Richter, Privatpersonen, 59. 267 Beckemper/Wegner, JA 2003, 510, 514; Ellbogen, NStZ 2001, 460, 462; Geis, JZ 1991, 112, 113; Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 21; Kunig, Jura 1993, 595, 602.

B. Eigene Stellungnahme

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Ansehen des Staates verfassungsrechtlich legitimiert ist.268 Wenn ein privates Geheimhaltungsinteresse im Bereich der Privat- und Sozialsphäre mit dem staatlichen Aufklärungsinteresse kollidiert, besteht deshalb regelmäßig ein Vorrang des Aufklärungsinteresses des Untersuchungsausschusses.269 Dennoch ist zu beachten, dass die Unterlagen mitunter Informationen enthalten können, die zwar der Privatsphäre angehören, jedoch einen höchstpersönlichen Charakter aufweisen, der dem des Kernbereiches sehr nahe kommt. Je näher sich der Eingriff in Richtung des Kernbereiches bewegt, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit.270 Aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG folgt aber wegen der besonderen Bedeutung des parlamentarischen Untersuchungsrechts kein generelles Beschlagnahmeverbot. (3) Geheimhaltungsmaßnahmen zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts Ein Verbot der Beschlagnahme von Unterlagen mit Informationen, die nicht dem Kernbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugehören, kann nur im Einzelfall vorliegen, wenn eine Weitergabe der Information wegen ihres persönlichen Charakters für den Betroffenen unzumutbar ist und Geheimhaltungsvorkehrungen im PUV unzureichend sind, also das Persönlichkeitsinteresse des Betroffenen das Aufklärungsinteresse des parlamentarischen Untersuchungsausschusses wesentlich überwiegt271. Der PUA hat deshalb die Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um die Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf das notwendigste Maß zu beschränken. Der Ausschluss der Öffentlichkeit könnte auch im PUV eine wirksame Maßnahme sein, um die einander widerstreitenden Verfassungswerte in Einklang zu bringen und zu beidseitiger optimaler Wirksamkeit zu verhelfen.272 Wie oben dargelegt273, darf der Richter nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Beschlagnahme privater Unterlagen nur anordnen, wenn die Gegenstände im Einzelnen untersuchungsrelevant sind und der PUA ausreichende Geheimschutzvorkehrungen getroffen hat274. 268

LG Bonn, NStZ 1990, 555, 556; Gielen, JR 2000, 140, 142. Scholz, AöR 105 (1980), 564, 620. 270 Kunig, Jura 1993, 595, 602; Richter, Privatpersonen, 59. 271 BVerfGE 67, 100, 144; 77, 1, 47; OVG NW, DÖV 1989, 78, 79; LG Bonn, NStZ 1990, 555, 556; Richter, Privatpersonen, 60. 272 BVerfG, DÖV 1984, 759, 760; David, Verfassung Hamburg, Art. 25, Rn. 53; Linck, ZParl 1992, 673, 689 f. 273 Vgl. 3. Kapitel, B. V. 1. a) bb). 274 BVerfGE 77, 1, 55; BVerfG, NJW 1988, 890, 894 f.; BVerfG, NVwZ 1994, 54, 55. 269

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Auch §§ 29 Abs. 3, 30 Abs. 1 PUAG lassen die Beschlagnahme nur unter der Voraussetzung zu, dass der PUA den Geheimhaltungsgrad „Geheim“ beschlossen hat. Fraglich ist allerdings, ob dieses Vorgehen mit dem Recht des Untersuchungsausschusses nach Art. 44 Abs. 1 GG, die erforderlichen Beweise in öffentlicher Verhandlung zu erheben, noch vereinbar ist. (a) Möglichkeit des Ausschlusses der Öffentlichkeit Nach Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG erhebt der PUA grundsätzlich in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise. Art. 44 Abs. 1 S. 2 GG gestattet jedoch, die Öffentlichkeit auszuschließen. Ein Öffentlichkeitsausschluss scheidet daher von Verfassungs wegen nicht von vornherein aus. Art. 44 Abs. 1 S. 2 GG regelt jedoch nicht, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang der PUA die Öffentlichkeit ausschließen darf. Das BVerfG hatte im Flick-Untersuchungsausschuss275 die Voraussetzungen für einen Öffentlichkeitsausschluss aus §§ 171 ff. GVG abgeleitet. § 14 PUAG hat die Ausschlussgründe der §§ 171, 172 GVG fast wortgetreu übernommen. Die Übertragung der Vorschriften des GVG ist grundsätzlich zulässig, weil Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG die Regelungen des Strafprozesses, also auch des GVG276, im PUV für anwendbar erklärt. Allerdings kommt der Öffentlichkeit im PUV eine weiter gehende Funktion zu als der Öffentlichkeit im Strafverfahren, weil sie nicht nur einen rechtsstaatlichen Verfahrensablauf sicherstellen soll. Der PUA will in der öffentlichen Untersuchung die politischen Missstände für das Volk transparent machen und ihm eine Tatsachengrundlage für die politische Meinungsbildung geben.277 Die besondere Bedeutung der parlamentarischen Öffentlichkeit führt nicht zwangsläufig zur Unanwendbarkeit der §§ 171 ff. GVG, denn deren Ausgestaltung als Ermessensvorschriften ermöglicht es, die Besonderheiten der parlamentarischen Öffentlichkeit in die Abwägung einfließen zu lassen.278 275

BVerfGE 67, 100, 134. So BVerfGE 67, 100, 134; 77, 1, 47; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 168, 176; Magiera in: Sachs, GG, Art. 44, Rn. 19; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 562; a. A.: Dreier/Morlok, Art. 44, Rn. 42; Linck, ZRP 1987, 11, 15; v. Mangoldt/Klein/ Achterberg/Schulte, Bonner GG, Art. 44, Rn. 109, 110, die Art. 44 Abs. 1 S. 1, 2 GG aufgrund der Ausstattung mit Verfassungsrang für abschließend halten und daher die Übertragung der Regelungen des GVG zweifelhaft sei; Morlok, RuP 2000, 208, 213. 277 1. Kapitel, B. II. 2. b) dd) (2). 278 Richter, Privatpersonen, 106; a. A.: Linck, ZRP 1987, 11, 15, v. Mangoldt/ Klein/Achterberg/Schulte, Bonner GG, Art. 44, Rn. 110, die der Ansicht sind, dass eine Übertragung der einfachgesetzlichen Ausschlussregelungen des GVG auf ein verfassungsrechtliches Öffentlichkeitsgebot wegen des Sinns und Zwecks des par276

B. Eigene Stellungnahme

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Auch nach § 14 Abs. 1 Nr. 1, 3 PUAG kann der PUA die besondere Bedeutung der Öffentlichkeit berücksichtigen, obwohl die Vorschrift bei der Entscheidung über einen Öffentlichkeitsausschluss kein Ermessen einräumt. Jedoch verlangt die Regelung als Voraussetzung für einen Öffentlichkeitsausschluss ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse, dessen Feststellung eine Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalls erfordert.279 Die im Zusammenhang mit einem Vertrauensverhältnis im Sinne des § 52 StPO übergebenen und vom PUA rechtmäßig beschlagnahmten Unterlagen betreffen regelmäßig den persönlichen Lebens- oder den Geschäftsbereich des Zeugen. Soweit sie nicht schon wegen ihres höchstpersönlichen Charakters und der familiären oder ehelichen Vertraulichkeit dem Kernbereich unterfallen, können die Unterlagen (sehr) persönliche Informationen aus der Privatsphäre oder aber auch Steuer-, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, die der Sozialsphäre zuzuordnen sind.280 Bei überwiegendem Interesse ist im Einzelfall grundsätzlich nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 172 Nr. 2, 3 GVG bzw. § 14 Abs. 1 Nr. 1, 3 PUAG ein Ausschluss der Öffentlichkeit möglich. (b) Verschwiegenheitspflicht und Geheimnisschutz nach der GSO-BT Der Ausschluss der Öffentlichkeit während der Beweisaufnahme über die beschlagnahmten Unterlagen in der parlamentarischen Sitzung bietet dem Betroffenen vor einer Ausforschung seiner vertraulichen Beziehung zu den in § 52 StPO aufgeführten Familienangehörigen jedoch noch keinen ausreichenden Schutz, denn er hindert die Ausschussmitglieder nicht, die in der nicht öffentlichen Verhandlung erhaltenen Informationen an die Öffentlichkeit weiterzugeben. Unzulässig ist nur die wortgetreue Wiedergabe der Verhandlung.281 Leiten die Ausschussmitglieder die Informationen über die privaten Tatsachen des Betroffenen, die sie aus der Beschlagnahme gewonnen haben, im Anschluss an die nichtöffentliche Verhandlung der Öffentlichkeit zu, können die Erkenntnisse trotz eines Öffentlichkeitsausschlusses als Ansatz für strafrechtliche Ermittlungen und als Beweismittel bei der Urteilsfindung des Strafgerichts dienen. Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht wäre nur gewährleistet, wenn die Ausschussmitglieder den Vernehlamentarischen Untersuchungsverfahrens, insbesondere des Minderheitenschutzes, bedenklich erscheine. 279 Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 178. 280 3. Kapitel, B. V. 3. c) bb) (1), (2). 281 Engels, Untersuchungsausschüsse, 167 f.; Linck, ZRP 1987, 11, 14; ders., ZParl 1992, 673, 677, 689; Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 60.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

mungsgegenstand der Öffentlichkeit nicht bekannt geben dürfen, d.h. ihn vertraulich behandeln müssen. Dies wäre nur sichergestellt, wenn die PUAMitglieder zur Verschwiegenheit verpflichtet wären oder der PUA zusätzlich zum Ausschluss der Öffentlichkeit die Geheimhaltung oder Vertraulichkeit des Sachverhalts beschließt. Nach § 16 Abs. 2, 3 PUAG unterliegt ein Ausschussmitglied, dem eine Verschlusssache oder ein Privatgeheimnis während der Untersuchungshandlung bekannt wird, einer Verschwiegenheitspflicht. § 15 PUAG sieht zudem die Möglichkeit des Geheimnisschutzes vor. § 15 Abs. 2, 3 PUAG verweisen auf die Geheimschutzordnung des Bundestages (= GSO-BT)282, um die geheim zu haltenden Tatsachen je nach Inhalt und Geheimhaltungsbedürftigkeit in einen bestimmten Geheimhaltungsgrad einzustufen. (aa) Einstufungsgrade nach der GSO-BT § 2 GSO-BT regelt die Geheimhaltungsgrade, in die der PUA eine Verschlusssache einstufen kann. Keinerlei Angaben über den Inhalt dürfen die Ausschussmitglieder erst ab dem Geheimhaltungsgrad „vertraulich“ machen.283 Vor Erlass des PUAG unterfiel eine Angelegenheit einem Geheimhaltungsgrad nach der GSO-BT nur, wenn die Kenntnis durch Unbefugte für die Interessen oder das Ansehen der Bundesrepublik oder eines Bundeslandes nachteilig oder besonders gefährlich war. Die Untersuchungsausschüsse wendeten in der Praxis entweder die Regelungen der GSO-BT zum Schutz von Privatinteressen analog an oder stuften Privatangelegenheiten ohne Rückgriff auf die GSO-BT als vertraulich ein.284 Seit Inkrafttreten des PUAG285 kann der PUA nach § 2a Abs. 1 GSO-BT auch wichtige Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs-, Steuer- oder sonstige private Geheimnisse oder Umstände des persönlichen Lebensbereiches als „geheim“ einstufen, wenn deren Kenntnis durch Unbefugte dem Geheimnisinhaber schweren Schaden zufügen würden. Nach § 2a Abs. 2 GSO-BT kann der PUA sie als „vertraulich“ einstufen, wenn die Kenntnis durch Unbefugte dem Interesse des Geheimnisinhabers abträglich sein könnte.

282

Vgl. Anlage 3, GSO BT. Jahn/Engels in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 20, Rn. 20. 284 Engels, Untersuchungsausschüsse, 167 f.; Jahn/Engels in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 20, Rn. 21; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 564. 285 BT-Drucks. 14/5791. 283

B. Eigene Stellungnahme

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(bb) Zuordnung der Informationen aus dem Vertrauensverhältnis Unter § 2a GSO-BT lassen sich auch die aus dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Betroffenen und seinen Angehörigen bzw. bestimmten Berufsgruppen stammenden Unterlagen subsumieren, wenn der Betroffene diesen Personen familiäre, gesundheitliche oder aber gegenüber seinem Anwalt oder Wirtschaftsprüfer finanzielle, betriebliche oder sonstige wirtschaftliche Tatsachen anvertraut hat. Um die Informationen in die Geheimhaltungsgrade „geheim“ und „vertraulich“ einzustufen, ist auf die Schutzbedürftigkeit der Tatsache und die konkreten Maßnahmen des jeweiligen Geheimhaltungsgrades zum Schutz der Vertraulichkeit abzustellen. Ist ein ausreichender Geheimnisschutz nur durch eine Nichtprotokollierung der Verhandlung gemäß § 7 Abs. 2 GSO-BT und eine strenge Aufbewahrung sowie Weiterleitung der Verschlusssache im Sinne der §§ 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 GSO-BT möglich, dann ist die Einstufung der Verschlusssache als „geheim“ notwendig.286 Anderenfalls ist sie als vertraulich im Sinne des § 2a Abs. 2 GSO-BT einzustufen. Der PUA muss bei der Einstufung insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten. § 3 GSO-BT fordert, dass Verschlusssachen nicht höher einzustufen sind, als es zum Schutz ihres Inhalts unbedingt nötig ist. (c) Rechtfertigung des Eingriffs in das Öffentlichkeitsprinzip Öffentlichkeitsausschluss und Verschwiegenheits- bzw. Geheimhaltungspflicht greifen in das Recht des Untersuchungsausschusses aus Art. 44 Abs. 1 GG ein, die Beweise in öffentlicher Verhandlung zu erheben. Ein Eingriff in das Recht, die Beweise öffentlich zu erheben, ist jedoch zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts zulässig, wenn sich dadurch das parlamentarische Aufklärungsinteresse und das Geheimhaltungsinteresse in einen harmonischen Ausgleich bringen lassen. Der Öffentlichkeitsausschluss bzw. die Verpflichtung zur Geheimhaltung erfolgen zum Schutz des vertraulichen Verhältnisses des Betroffenen und seiner Familienangehörigen bzw. Berufsgeheimnisträgern, also zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die geheime Erörterung der vertraulichen und unter Umständen den Betroffenen belastenden Unterlagen im PUV verhindert, dass die Daten der Allgemeinheit, vor allem den Strafverfolgungsbehörden für weitere Ermittlungsansätze zugänglich werden. Das Vertraulichkeitsverhältnis zwischen dem Betroffenen und den Vertrauenspersonen ist weiterhin gewährleistet, weil der Betroffene nicht befürchten müsste, sich durch die vertrauliche Of286

Richter, Privatpersonen, 111.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

fenbarung mittelbar strafrechtlich zu belasten. Der PUA kann jedoch zur Erfüllung seines Untersuchungsauftrages nützliche Informationen aus dem Privatbereich, die im Zusammenhang mit der Dienstausübung stehen, erlangen. Die Daten können im Abschlussbericht allerdings allenfalls anonymisiert ausgewertet werden, damit eine Zuordnung der persönlichen Daten zu einer konkreten Person nicht möglich und der Geheimnisschutz gewährleistet ist. Der Ausgleich zwischen dem Recht des Untersuchungsausschusses, öffentlich die Beweise zu erheben, und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen gestaltet sich jedoch schwierig, wenn der PUA vom Parlament beauftragt ist, das persönliche Fehlverhalten des Betroffenen aufzuklären. Dann betreffen die vom PUA beschlagnahmten Unterlagen aus dem Vertrauensbereich, die private Informationen des Betroffenen enthalten, den Kern des Untersuchungsauftrages. Müsste der PUA zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen die Öffentlichkeit ausschließen und die vertraulichen, aber zugleich untersuchungsrelevanten Informationen geheim halten, wäre das parlamentarische Untersuchungsrecht geschmälert, weil der PUA diese Erkenntnisse weder der Öffentlichkeit noch dem Parlament mitteilen dürfte.287 Grundsätzlich ist jedoch dem betroffenen Amts- und Mandatsträger wegen seiner Rechenschaftspflicht gegenüber dem Volk eine hohe Duldungspflicht aufzuerlegen, die je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (insbesondere bei großem Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit einerseits und geringem Vertraulichkeitsgrad der persönlichen Informationen mit Geringfügigkeit der drohenden Nachteile im Falle der Veröffentlichung andererseits) eine (teilweise) Veröffentlichung der vertraulichen Informationen, die im Zusammenhang mit seiner Dienstausübung stehen, rechtfertigt. Die politische Verantwortung vor dem Volk findet allerdings dann ihre Grenze, wenn die beschlagnahmten Unterlagen zwar den Kern des Untersuchungsauftrages betreffen, aber zugleich strafrechtlich relevant sind. Denn schon eine mittelbare Gefahr einer strafrechtlichen Selbstbelastung durch eine Veröffentlichung der Daten im PUV tangiert die persönlichen Freiheitsrechte des Betroffenen, weil er unter Umständen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird und mit seiner persönlichen Freiheit oder seinem persönlichen Vermögen haftet.288 Das Interesse an der Vertraulichkeit des Informationsaustausches zwischen dem Betroffenen und einem Familienangehörigen/Berufsgeheimnisträger steigt, je gravierender die Nachteile sind, die dem Betroffenen durch ein Hinaustreten aus der Geheimnissphäre drohen. Auch wenn der PUA selbst keine Sanktion verhängt, droht dem Be287 288

Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 221; Richter, Privatpersonen, 105, 115. Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 218, Fn. 13; Masing, ZRP 2001, 36, 39, 41.

B. Eigene Stellungnahme

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troffenen dadurch, dass er persönliche und zugleich strafrechtlich relevante Informationen einem Familienangehörigen oder Berufsgeheimnisträger anvertraut, mittelbar die Gefahr einer strafrechtlichen Sanktion, wenn der PUA die Unterlagen beschlagnahmen und öffentlich auswerten dürfte und die Strafverfolgungsbehörden Kenntnis vom Inhalt der Unterlagen erhielten. Das Interesse an der Vertraulichkeit der Beziehung des Betroffenen zu seinen Familienangehörigen kommt dem Interesse an der Vertraulichkeit der Beziehung des Beschuldigten zu diesen Personen daher zumindest nahe. Müsste der Betroffene befürchten, dass die anvertrauten Informationen vom PUA beschlagnahmt und veröffentlicht werden und er zugleich mittelbar an seiner strafrechtlichen Überführung mitwirkt, würde er sich den Vertrauenspersonen nicht mehr offenbaren. Dem Vertraulichkeitsinteresse des Betroffenen kann allerdings in dem Fall, dass der PUA eine strafrechtlich relevante Verfehlung des Betroffenen aufzuklären hat, nicht durch einen Ausschluss der Öffentlichkeit und Geheimnisschutzmaßnahmen Rechnung getragen werden, weil der PUA zur Erfüllung seines Untersuchungsauftrages die Informationen transparent machen müsste. Allein die Feststellung im Abschlussbericht, dass sich die persönliche Verfehlung bestätigt habe, ohne konkrete Angaben zum Inhalt der Akten über den Vorfall zu machen, wäre wenig hilfreich, weil die bloße Veröffentlichung des Untersuchungsergebnisses ohne Untermauerung konkreter Tatsachen kaum geeignet ist, bei der Bevölkerung Vertrauen und Akzeptanz zu finden.289 Aber selbst eine solche Feststellung würde der Staatsanwaltschaft schon Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Anfangsverdachts bieten, um ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Betreffen die anvertrauten Tatsachen den Kernbereich des personell-bestimmten Untersuchungsauftrages und sind sie zugleich strafrechtlich relevant, dann besteht deshalb ein verfassungsrechtliches Beschlagnahmeverbot im PUV, denn die beschlagnahmten Unterlagen könnten nicht dem Zweck dienen, den Untersuchungsauftrag zu erfüllen, weil der PUA deren vertraulichen Inhalt zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen weder der Allgemeinheit bekannt noch im Abschlussbericht öffentlich machen darf, d.h., der Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die Beschlagnahme wäre unverhältnismäßig. Soll der PUA hingegen nur allgemein einen Missstand in der Regierung oder Verwaltung ohne Bezug zu einer konkreten Person aufklären (sog. generell-bestimmter Untersuchungsauftrag), um gesetzliche Veränderungsvorschläge zu unterbreiten o. ä., dann könnte der PUA auch die vertraulichen und zugleich strafrechtlich relevanten Informationen zur Erfüllung des Un289

39.

Saarländischer VerfGH, NVwZ-RR 2003, 393, 395; Masing, ZRP 2001, 36,

242

3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

tersuchungsauftrages verwenden, wenn sie eine Vorfrage oder einen Annex des Untersuchungsauftrags darstellen.290 Der PUA müsste die Erkenntnisse aus den vertraulichen Akten nämlich nicht zwingend im Abschlussbericht auswerten, um den Untersuchungsauftrag zu erfüllen, weil das konkrete Fehlverhalten nicht Gegenstand der Untersuchung ist. Lediglich einen Teilbereich der Verhandlung dürfte der PUA nicht öffentlich verhandeln und die gewonnenen Erkenntnisse könnte er gegebenenfalls im Einzelfall anonymisiert im Bericht auswerten und feststellen, ohne auf eine konkrete Person hinzuweisen. Dem hohen Interesse des Betroffenen am Geheimnisschutz kann durch einen Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Beweiserhebung und einer Verschwiegenheits- oder Geheimhaltungspflicht der PUA-Mitglieder über den vertraulichen Inhalt Rechnung getragen werden. Damit könnte der PUA seinen Auftrag erfüllen, ohne dass die Informationen im Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft Verdachtsmomente gegen eine bestimmte Person liefern, auf die sich eine strafgerichtliche Verurteilung stützen ließe. (d) Sicherung des Geheimnisschutzes durch §§ 29 Abs. 3, 30 Abs. 1, 3 PUAG Die §§ 29, 30 PUAG stellen die Wahrung des Geheimhaltungsinteresses des Betroffenen sicher. Der Richter darf – wie dargelegt291 – beschlagnahmte und im Einzelnen beweisbedeutsame Unterlagen an den PUA nur herausgeben, wenn die Offenbarung der Information trotz deren höchstpersönlichen Charakters zumutbar ist und der PUA ausreichende Geheimschutzvorkehrungen getroffen hat. §§ 29 Abs. 3, 30 Abs. 1 PUAG haben diese Forderungen des BVerfG292 insoweit in einfaches Recht umgesetzt, als die Vorschriften eine Beschlagnahme nur zulassen, wenn die Weitergabe der Information wegen deren streng vertraulichen Charakters nicht unzumutbar ist und der PUA den Geheimhaltungsgrad „Geheim“ beschlossen hat. Allerdings kann der PUA nach der Durchsicht der Unterlagen gemäß § 30 Abs. 3 PUAG die Einstufung des Geheimhaltungsgrades für Geheimnisse im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1–4 PUAG wieder aufheben, wenn die Veröffentlichung für die Untersuchung unerlässlich und nicht unverhältnismäßig ist. Über die Aufhebung entscheidet jedoch kein neutraler Richter, sondern der PUA, dessen Mitglieder wegen ihrer Parteizugehörigkeit bei der Entscheidung politisch beeinflusst sind. Der PUA muss aber die Person, die über das Beweismittel verfügungsberechtigt ist, anhören. Widerspricht 290 291 292

Richter, Privatpersonen, 105, 115. 3. Kapitel, B. II., V. 1. a) bb). BVerfGE 77, 1, 55.

B. Eigene Stellungnahme

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sie der Aufhebung, muss der PUA den Geheimhaltungsgrad aufrechterhalten, wenn nicht der Ermittlungsrichter beim BGH auf Antrag des Untersuchungsausschusses die Aufhebung des Geheimhaltungsgrades für zulässig hält, § 30 Abs. 4 PUAG. Die Entscheidungskompetenz über eine ausreichende Geheimhaltungsvorkehrung verbleibt somit bei einem neutralen Richter. Den Geheimhaltungsinteressen des Geheimnisinhabers wird damit ausreichend Rechnung getragen. Widerspricht er der Aufhebung des Geheimhaltungsgrades nach seiner Anhörung nicht, dann verzichtet er auf seinen Grundrechtsschutz. (e) Strafrechtliche Absicherung des privaten Geheimnisschutzes Der Schutz der Vertrauenssphäre im Verhältnis des Betroffenen zu seinen Familienangehörigen würde noch verstärkt, wenn den PUA-Mitgliedern bei einer Verletzung ihrer Geheimhaltungspflicht eine Sanktion drohen würde. (aa) § 203 Abs. 2 Nr. 1, 2, 4 StGB § 203 Abs. 2 Nr. 1, 2, 4 StGB ist jedoch nicht einschlägig. Als Täter dieses Tatbestandes kommen im PUV gemäß § 203 Abs. 2 Nr. 1, 4 StGB nur Amtsträger oder Mitglieder eines für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder Landes tätigen Untersuchungsausschusses, sonstigen Ausschusses oder Rates, die nicht selbst Mitglieder des Gesetzgebungsorgans sind, oder Hilfskräfte eines solchen Ausschusses oder Rates in Betracht, denen in Ausführung ihrer Aufgabe die geheimhaltungspflichtige Tatsache anvertraut oder bekannt gemacht wurde. Der zum Teil vertretenen Ansicht293, PUA-Mitglieder seien wegen der eingeräumten Ermittlungsbefugnisse Amtsträger, ist unter Hinweis auf den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers294, die gesetzgebende Gewalt im Ganzen vom Amtsträgerbegriff auszunehmen, entgegenzutreten. Mitglieder des Untersuchungsausschusses, der ein verkleinertes Abbild des Parlaments ist, gehören zugleich dem Gesetzgebungsorgan an. Auf Abgeordnete ist § 203 StGB somit selbst dann nicht anwendbar295, wenn sie innerhalb der gesetzgebenden Gewalt Funktionsträger mit Verwaltungsaufgaben sind. Abgeordnete sind auch keine für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB i. V. m. § 1 Abs. 1 VerpflG, weil die Vorschrift nur für eine Tätigkeit in der 293

Heinrich, Amtsträgerbegriff, 672 f.; Wagner, Amtsverbrechen, 140. BT-Drucks. 7/550, S. 209. 295 Fischer, StGB, § 203, Rn. 27; Lackner/Kühl, StGB, § 203, Rn. 9, § 11, Rn. 11; Löwer, Jura 1985, 358, 367 f.; Mager, Der Staat 2002, 597, 609, Fn. 68; Sch/Sch/Lenckner, StGB, § 203, Rn. 23. 294

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Verwaltung als solche gilt, nicht hingegen für eine sonstige staatliche Tätigkeit, wie Gesetzgebung oder Rechtsprechung.296 PUA-Mitglieder sind deshalb nicht wegen einer unbefugten Offenbarung eines Privatgeheimnisses des Betroffenen gemäß § 203 Abs. 2 StGB strafbar. (bb) § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB Ein Untersuchungsausschussmitglied könnte allerdings nach § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar sein, da es als Abgeordneter aufgrund eines Beschlusses des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Geheimhaltung der Tatsachen des Betroffenen, die dieser Familien- und Berufsangehörigen im Sinne der §§ 52, 53 StPO anvertraut hat, verpflichtet ist297, und diese Tatsachen unbefugt offenbart, wenn es diese an einen anderen gelangen lässt oder öffentlich bekannt macht. Jedoch setzt der Tatbestand des § 353b StGB voraus, dass die Offenbarung wichtige öffentliche Interessen gefährdet. Die Offenbarung der anvertrauten Tatsachen an Dritte und die Verwertung der anvertrauten Tatsachen in einem Strafverfahren beeinträchtigen „nur“ das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen unverhältnismäßig. Die Offenbarung scheint somit lediglich ein privates Interesse zu gefährden. Allerdings schwächen die Abgeordneten das Vertrauen in die Arbeit des Untersuchungsausschusses und dessen Ansehen, wenn sie ihre Geheimhaltungspflichten verletzen. Nach wohl h. M. greift § 353b StGB nicht nur ein, wenn wichtige öffentliche Interessen unmittelbar gefährdet sind, sondern auch, wenn sie durch die Erschütterung des Vertrauens der Bevölkerung in die Unparteilichkeit von Staat und Verwaltung infolge der Offenbarung von Privatgeheimnissen mittelbar gefährdet werden.298 Für dieses Verständnis spricht zudem die Entstehungsgeschichte.299 Umstritten ist jedoch, ob es ausreicht, dass nach den Umständen des Einzelfalls die Gefahr des Ansehensverlustes der Behörde wegen der Schwere des Vertrauensbruches besteht300 oder ob der Vertrauensverlust oder zumindest eine Vertrauensminderung tatsächlich eingetreten sein muss301. Zustimmung verdient die erste Ansicht, denn § 353b StGB ist seinem Charakter nach ein konkretes Gefährdungsdelikt, so dass 296

Sch/Sch/Eser, StGB, § 11, Rn. 23, 37. Fischer, StGB, § 353b, Rn. 6; Lackner/Kühl, StGB, § 353b, Rn. 2, 4. 298 BGHSt. 11, 401, 404; OLG Köln, NJW 1988, 2489, 2490 f.; BayObLG, NStZ 1999, 568 f.; LG Ulm, NJW 2000, 822, 823; Wagner, JZ 1987, 658, 666. 299 BayObLG, NStZ 1999, 568, 569. 300 OLG Köln, NJW 1988, 2489, 2490; BayObLG, NStZ 1999, 568, 569; OLG Köln, StraFo 2005, 216. 301 So wohl OLG Düsseldorf, NStZ 1985, 169. 297

B. Eigene Stellungnahme

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ein Erfolg im Sinne eines Vertrauensverlustes nicht erforderlich ist. Die konkrete Gefahr eines Vertrauensverlusts liegt vor, wenn sein Eintritt nach den konkreten Umständen im Einzelfall nahe liegt und wahrscheinlich ist.302 Um dem Merkmal der „Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen“ einen eigenständigen Bedeutungsgehalt zu erhalten und den höheren Strafrahmen des § 353b StGB gegenüber § 203 Abs. 2 StGB, der primär vor einer rechtswidrigen Offenbarung von Privatgeheimnissen schützt, zu rechtfertigen303, lässt die h. M. allerdings nicht schon jeden Vertrauensverlust in die Integrität der Behörde wegen einer Offenbarung geheimhaltungspflichtiger Privatgeheimnisse für eine Strafbarkeit nach § 353b StGB ausreichen. Durch die Offenbarung müssen wichtige öffentliche Interessen verletzt sein, die aufgrund einer Gesamtbetrachtung des Einzelfalls festzustellen sind. In die Abwägung sind der Inhalt und Umfang der geheim zu haltenden Informationen, die Form der Kundgabe oder das Motiv der Offenbarung einzustellen.304 Eine Verletzung wichtiger öffentlicher Interessen lehnt die Rechtsprechung deshalb ab, wenn die Behörde durch die Offenbarung der geheimhaltungspflichtigen Daten eine Gesetzesverletzung für die Öffentlichkeit transparent macht, um die Bevölkerung als Verbündeten zu gewinnen und auf ein gesetzmäßiges Verhalten hinzuwirken.305 Dann nehme die Behörde nämlich selbst ein öffentliches Interesse wahr. Diese Argumentation ist auf eine Offenbarung geheimhaltungspflichtiger Privatgeheimnisse durch ein PUA-Mitglied zu übertragen, wenn es – entgegen der Geheimhaltungspflicht – die Daten zur Aufklärung eines Missstandes oder eines Fehlverhaltens der Bevölkerung kundtut und damit ein eigenes öffentliches Interesse verfolgt. Anderes muss aber gelten, wenn der Abgeordnete besonders sensible Daten des Betroffenen allein zu politischen Zwecken offenbart, um den politischen Gegner öffentlich zu diffamieren. Das PUA-Mitglied würde sich zudem nach § 353b StGB strafbar machen, wenn es die geheimhaltungspflichtigen privaten Daten anderen Personen preisgibt, damit diese sich auf ihre Zeugenvernehmung vor dem PUA vorbereiten können306. 302

BayObLG, NStZ 1999, 568, 569; OLG Köln, StraFo 2005, 216. So die Kritik der Gegenauffassung: OLG Düsseldorf, NJW 1982, 2883 f.; OLG Hamm, NJW 2000, 1278, 1279 f.; Hoyer in: SK, StGB, § 353b, Rn. 8, 13; Perron, JZ 2002, 50, 51; Sch/Sch/Lenckner/Perron, StGB, § 353b, Rn. 6, 9. 304 BGH, NStZ 2000, 596, 598; BGH, NJW 2003, 979, 980; OLG Köln, StraFo 2005, 216; Fischer, StGB, § 353b, Rn. 13a, b. 305 BGH, NJW 2003, 979, 980. 306 Vgl. die „Protokollaffäre“ in Hamburg, wo vertrauliche Akten aus einem PUA, der Missstände in einem Heim straffälliger Jugendlicher aufklären sollte, an die Justiz- und Sozialbehörden sowie an Rechtsanwälte und Zeugen weitergegeben 303

246

3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Die Strafbarkeitslücke, die wegen der Unanwendbarkeit des § 203 Abs. 2 StGB entsteht, wenn der Abgeordnete seine Pflicht, ein im PUV zur Kenntnis gelangtes Privatgeheimnis zu wahren, verletzt, lässt sich somit zwar nicht vollständig durch § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB schließen. Eine Strafbarkeit ergibt sich aber zumindest, wenn der Abgeordnete das Privatgeheimnis aus eigennützigen Motiven öffentlich macht. cc) Zwischenergebnis Trotz der Unanwendbarkeit des § 97 Abs. 1 StPO im PUV gilt ein – aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG resultierendes – generelles Durchsuchungs- und Beschlagnahmeverbot für höchstpersönliche Informationen des Betroffenen im Bereich von Familie und Ehe. Unterlagen mit persönlichen Informationen, die der Betroffene Familienangehörigen übergeben hat und die zugleich strafrechtlich relevante Angaben enthalten sowie den Kern des Untersuchungsauftrages betreffen, darf der PUA ebenfalls nicht beschlagnahmen. Sonstige Unterlagen mit persönlichen Informationen des Betroffenen, die er im familiären Bereich anvertraut hat, kann der PUA beschlagnahmen. Er hat aber ausreichende Geheimschutzvorkehrungen zu treffen. In den beschriebenen Grenzen sind die Geheimhaltungsinteressen strafrechtlich geschützt. d) Verbot der Beschlagnahme durch den PUA bei Zeugnisverweigerungsberechtigten im Sinne des § 53 StPO aa) Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 160a Abs. 1 S. 1 StPO n. F. Da § 160a StPO das Vertrauensverhältnis von Berufsgeheimnisträgern und Personen, die deren Hilfe und Rat in Anspruch nehmen, umfassend schützen will, muss die Regelung auch im PUV über den Verweis in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, der die Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze sicherstellt, zur Anwendung kommen. Dem steht § 160a Abs. 5 StPO n. F. nicht entgegen, weil § 97 StPO als lex specialis nur § 160a StPO verdrängt, soweit § 97 StPO eine besondere Regelung vorsieht307. Mangels Anwendbarkeit des § 97 Abs. 1 StPO im PUV ist das nicht der Fall. Demzufolge ist dem PUA gemäß § 160a Abs. 1 S. 1 StPO n. F. die Beschlagnahme von Gegenständen, die sich im Gewahrsam eines Geistlichen oder des Strafverteidigers eines Beschuldigten, d.h. auch des Rechtsanwalts worden waren, u. a. zu dem Zweck, sich auf die Aussage im PUV vorbereiten zu können; Berliner Zeitung vom 27.03.2006, S. 4; FAZ vom 27.03.2006, S. 4. 307 BT-Drucks. 16/5846, S. 38.

B. Eigene Stellungnahme

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des Betroffenen, der dessen Verteidigung im Strafverfahren übernommen hat, befinden und auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 1, 2 StPO erstreckt, grundsätzlich untersagt, es sei denn, gegen diese Personen besteht der Verdacht der Beteiligung an der Tat, der Begünstigung, der Strafvereitelung oder der Hehlerei. Ein Verbot der Beschlagnahme bei Abgeordneten ergibt sich für den PUA bereits aus Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 97 Abs. 3 StPO, so dass ein Rückgriff auf § 160a Abs. 1 S. 1 StPO n. F. wegen § 160a Abs. 5 StPO n. F. nicht möglich und auch nicht nötig ist. Das gleiche Ergebnis ergab sich nach der Rechtslage, die bis zum 01.01.2008 bestand, aus § 148 StPO, weil diese Vorschrift dem Verteidiger ein uneingeschränktes Verkehrsrecht mit seinem Mandanten einräumt. Alle schriftlichen Mitteilungen des Verteidigers an den Beschuldigten, Aufzeichnungen über Mitteilungen des Beschuldigten oder sonstige Gegenstände, die der Betroffene als Beschuldigter oder ein Dritter dem Verteidiger übergeben haben oder Unterlagen an den Verteidiger, die der Betroffene bei sich aufbewahrt, unterfielen im Strafverfahren einem Beschlagnahmeverbot, soweit sie die Verteidigung betrafen. Dies resultierte aus der prozessualen Stellung des Verteidigers, der zur Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten auf eine umfassende Kenntnis des Sachverhalts angewiesen ist und alle erforderlichen Unterlagen vom Beschuldigten benötigt.308 Dieses Beschlagnahmeverbot musste auch der PUA beachten. Würde dem Beschuldigten die Gefahr drohen, dass der PUA Unterlagen, die seine Verteidigung betreffen, zu seinem Nachteil beschlagnahmen, öffentlich auswerten und der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis bringen könnte, würde er seinem Verteidiger keine belastenden Informationen anvertrauen und für seinen Verteidiger keine Unterlagen zu Verteidigungszwecken anfertigen. Das Verbot der Beschlagnahme durch den PUA bei Geistlichen leitete sich zum Schutz des besonderen Vertrauensverhältnisses zur anvertrauenden Person nach der alten Rechtslage unmittelbar aus der Religionsfreiheit und Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG her, da das Gespräch mit dem Seelsorger dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnen ist.309 bb) Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 160a Abs. 2 S. 1 StPO n. F. Wie bereits bei § 160a Abs. 1 S. 1 StPO erörtert, hat der PUA auch § 160a Abs. 2 S. 1 StPO zu beachten. Nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 160a Abs. 2 S. 1 StPO darf der PUA Unterlagen, die sich im 308 BGH, NJW 1973, 2035; BGH, NJW 1982, 2508; BGH, JZ 1974, 421, 422; LG Fulda, wistra 2000, 155, 156; Roxin, NJW 1995, 17, 22; i. E. auch Satzger, JA 1998, 632, 635, der jedoch die Herleitung des BGH kritisiert; Welp, JZ 1974, 423; ders., NStZ 1986, 294, 296; Werle, JZ 1991, 482, 487. 309 BVerfGE 109, 279, 322.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Gewahrsam von Berufsangehörigen im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 3–3b StPO (Ärzte, Rechtsanwälte etc.) befinden und über deren Inhalt die Berufsangehörigen das Zeugnis verweigern dürfen, zwar grundsätzlich beschlagnahmen. Das gilt jedoch nicht, wenn das Interesse an der Geheimhaltung der vertraulichen Informationen das Interesse an der Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes überwiegt. Die Abwägung richtet sich nach denselben Grundsätzen, die für das Verbot der Beschlagnahme bei Zeugnisverweigerungsberechtigten im Sinne des § 52 StPO entwickelt wurden. Zu berücksichtigen sind insbesondere der Vertraulichkeitsbereich (Kern-, Privat- oder Sozialsphäre), dem die anvertrauten Informationen zuzuordnen sind, die Möglichkeit von Geheimhaltungsmaßnahmen und die Bedeutung des Untersuchungsgegenstandes. Unterlagen mit Informationen aus der Intimsphäre dürfen generell nicht vom PUA beschlagnahmt werden. Die Weitergabe der vertraulichen Informationen an die in § 53 Abs. 1 Nr. 3–3b StPO genannten Berufsgruppen beseitigt den Geheimhaltungswillen des Betroffenen zwar nicht, denn zum einen handelt es sich um persönliche Vertrauensverhältnisse zu einem begrenzten und überschaubaren Personenkreis und zum anderen unterliegen diese Berufsgruppen regelmäßig einer Schweigepflicht nach § 203 StGB sowie einem strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrecht, so dass die vertraulichen Informationen nicht einer Vielzahl von Menschen zugänglich sind, der Betroffene also nicht mit der Kenntnisnahme durch weitere Personen rechnen muss. Der Betroffene übergibt aber regelmäßig schriftliche Mitteilungen mit höchstpersönlichen Informationen an Berufsgeheimnisträger oder teilt ihnen die Informationen mit, d.h., er tritt aus seinem privaten Umfeld heraus. Die Vertrauensbeziehung zu Berufsgeheimnisträgern weist daher – im Gegensatz zum familiären Bereich – einen Sozialbezug auf310, so dass die Informationen – mit Ausnahme der Informationsweitergabe an den Strafverteidiger oder den Geistlichen aufgrund der besonderen Vertrauensbeziehung – nicht dem Kernbereich zuzuordnen sind. Allerdings ist zu beachten, dass die Unterlagen Informationen enthalten können, die dem Kernbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts sehr nahe kommen (Daten aus dem Arzt-Patienten-Verhältnis, wie Diagnose, Anamnese u. ä.) und deshalb in der Regel wegen des hohen Geheimhaltungsinteresses des Betroffenen, welches das allgemeine Aufklärungsinteresse meist überwiegt, beschlagnahmefrei sind.311 Die übrigen vertraulichen Unterlagen, die der Betroffene an den Berufsgeheimnisträger übergibt bzw. die dieser über vertrauliche Mitteilungen des Betroffenen anfertigt, sind wegen des Sozialbezuges dagegen nicht mehr dem unantastbaren Kernbereich bzw. 310

BVerfGE 6, 389, 433. BT-Drucks. 16/5846, S. 37; BVerfG, Urteil vom 06.06.2006, Az.: 2 BvR 1349/05. 311

B. Eigene Stellungnahme

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dem diesen sehr nahe kommenden Bereich zuzuordnen und grundsätzlich einer staatlichen Untersuchung zugänglich. Ausnahmsweise unterliegen auch diese Unterlagen jedoch einem Beschlagnahmeverbot, wenn die darin enthaltene Information den Untersuchungsgegenstand in seinem Kern betrifft, zugleich strafrechtlich relevant ist und Geheimhaltungsmaßnahmen im PUV deshalb nicht angeordnet werden können, weil sie den Aufklärungserfolg völlig vereiteln würden.312 Ein generelles Beschlagnahmeverbot für den PUA muss regelmäßig auch für Gegenstände aus der Beziehung des Betroffenen zu seinem Rechtsanwalt, den er in dem konkreten Untersuchungsverfahren als Beistand beizieht, gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 160a Abs. 2 S. 1 StPO n. F. und dem Gebot einer fairen Verfahrensgestaltung bestehen. Denn dieses Gebot erfordert ein Beschlagnahmeverbot zumindest für Unterlagen des Betroffenen, dessen persönliche Verfehlung der PUA aufklären will. Der Betroffene kann seine Zeugenrechte nur wirksam wahrnehmen, wenn er seinem Anwalt alles – auch strafrechtlich relevante Tatsachen – offen anvertrauen kann, damit dieser die Gefahr einer strafrechtlichen Selbstbelastung durch eine Aussage des Betroffenen beurteilen kann. Die Beziehung des Betroffenen zu dem für das konkrete PUV bestellten Rechtsbeistand muss vor staatlichen Zugriffen grundsätzlich geschützt sein, um eine rückhaltlose Offenbarung des Betroffenen zu ermöglichen. Das Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst umfassenden politischen Aufklärung durch den PUA überwiegt das Geheimhaltungsinteresse und das Interesse an einer fairen Verfahrensgestaltung allerdings dann, wenn der Betroffene und der Rechtsanwalt kollusiv zusammenwirken, d.h., wenn die Übergabe der Unterlagen nur erfolgt, um sie der Aufklärung im PUV zu entziehen oder wenn der Rechtsanwalt gemäß § 160a Abs. 4 StPO n. F. der Teilnahme an der Verfehlung des Betroffenen, der Strafvereitelung, der Hehlerei oder der Begünstigung verdächtig ist. In diesen Fällen erfolgt die Zusammenarbeit nicht zur effektiven Wahrnehmung der Zeugenrechte, sondern zur Verschleierung von Tatsachen. Dieses Ergebnis galt im Übrigen auch vor der Einführung des § 160a Abs. 2 S. 1 StPO n. F., weil ein Beschlagnahmeverbot für den PUA bereits aus dem Verfassungsrecht folgt und die widerstreitenden Interessen (Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen, Aufklärungsinteresse des Untersuchungsausschusses) in gleicher Weise wie nach § 160a Abs. 2 S. 1 StPO n. F. gegeneinander abzuwägen sind.

312

Vgl. 3. Kapitel, B. V. 3. c) bb) (3) (c).

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

cc) Zwischenergebnis Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 160a Abs. 1 S. 1 StPO untersagt dem PUA generell die Durchsuchung und Beschlagnahme zum Zweck des Auffindens und der Sicherstellung von Unterlagen mit persönlichen Informationen des Betroffenen, die dieser einem Geistlichen oder einem im Strafverfahren beigezogenen Verteidiger anvertraut hat oder die dem Geistlichen oder Verteidiger in dieser Eigenschaft sonst bekannt geworden sind. Grundsätzlich folgt aus Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. §§ 160a Abs. 2 S. 1, 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO und dem Gebot einer fairen Verfahrensgestaltung ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmeverbot, soweit Informationen aus der Beziehung des Betroffenen zu seinem im PUV beigezogenen Rechtsbeistand stammen. Unterlagen mit persönlichen Informationen, die der Betroffene sonstigen Berufsgeheimnisträgern nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3–3b StPO anvertraut hat und die zugleich strafrechtlich relevant sind, darf der PUA ebenfalls nicht beschlagnahmen, wenn er ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Betroffenen aufzuklären hat. Sonstige Unterlagen mit persönlichen Informationen des Betroffenen, die er gegenüber Berufsgeheimnisträgern im Sinne der § 53 Abs. 1 Nr. 3–3b StPO mitgeteilt hat, kann der PUA grundsätzlich unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beschlagnahmen. Gegebenenfalls muss er zur Wahrung der – teilweise strafrechtlich geschützten313 – Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen Geheimschutzmaßnahmen anordnen. e) Verbot der Beschlagnahme von Unterlagen des Untersuchungsausschusses im Strafverfahren Da der PUA auch vertrauliche, strafrechtlich relevante Unterlagen des Betroffenen, die sich im Gewahrsam eines Familienangehörigen oder Berufsgeheimnisträgers im Sinne der § 53 Abs. 1 Nr. 3–3b StPO befinden, beschlagnahmen darf, wenn das strafrechtlich relevante Fehlverhalten des Betroffenen nicht den Kern des Untersuchungsauftrages bildet und der PUA die erforderlichen Geheimschutzvorkehrungen trifft, muss gewährleistet sein, dass die Strafverfolgungsbehörden die Unterlagen nicht beim PUA beschlagnahmen dürfen. Anderenfalls könnten die Strafverfolgungsbehörden die Unterlagen der strafgerichtlichen Verurteilung des Betroffenen zu Grunde legen.

313

Vgl. 3. Kapitel, B. V. 3. c) bb) (3) (e).

B. Eigene Stellungnahme

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aa) Beschlagnahmefähigkeit von Behördenakten Die Beschlagnahmefähigkeit von Unterlagen, die sich im staatlichen Gewahrsam befinden, ist strittig. Während eine Auffassung sie unter Berufung auf ein fehlendes Über-Unterordnungsverhältnis sowie wegen Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips und der Unmöglichkeit der Inverwahrnahme des Gegenstandes wegen des bereits bestehenden staatlichen Gewahrsams an den Gegenständen ablehnt314, geht die h. M. von einer Beschlagnahmefähigkeit aus315. Zuzustimmen ist letzterer Ansicht. Zum einen herrscht heute kein strenges Verständnis des Gewaltenteilungsprinzips mehr vor, sondern es gilt das Prinzip der Gewaltenverschränkung, das lediglich einen Eingriff in den Kernbereich einer anderen Gewalt untersagt.316 Auch andere Rechtsgebiete, z. B. §§ 170, 172 VwGO, § 882a ZPO, sehen Vollzugsakte und Vollstreckungsmaßnahmen innerhalb des staatlichen Bereiches vor. Ein effektiver Rechtschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG ist nur möglich, wenn die Behörden die gerichtliche Entscheidung gegenüber der Verwaltung – notfalls mit Zwang – durchsetzen können. Zum anderen besteht nach Art. 35 GG eine gegenseitige Beistandspflicht der Behörden. Da die ersuchte Behörde befürchtet, die eigenen Aufgaben nicht erfüllen zu können, wenn sie die notwendigen Unterlagen an eine andere Behörde herausgibt, verweigert sie nicht selten unberechtigt die Herausgabe der Akten. Ohne die Möglichkeit der Beschlagnahme könnte die ersuchte Behörde durch die unberechtigte Verweigerung der Amtshilfeleistung die Strafrechtspflege lahm legen.317 Die Strafverfolgungsbehörden wären auf eine freiwillige Mitarbeit der ersuchten Behörden angewiesen. Daher erfordern Sinn und Zweck der §§ 94 ff. StPO ihre Anwendung auf behördliche Unterlagen und sonstige behördliche Gegenstände. Auch der bereits bestehende staatliche Gewahrsam steht der Beschlagnahme nicht entgegen, da der Begriff „Inverwahrungnahme“ in §§ 94 ff. 314 KG, JR 1980, 476, 477; LG Wuppertal, NJW 1978, 902; Klinghardt, NJ 1992, 185, 188; Rudolphi in: SK, StPO, § 96, Rn. 8; Schäfer in: LR, StPO, § 96, Rn. 5 ff.; Stratenwerth, JZ 1959, 693, 694. 315 BGHSt. 38, 237, 238 ff.; LG Bremen, NJW 1955, 1850, 1851; LG Hannover, NJW 1959, 351, 352; LG Darmstadt, NJW 1978, 901; LG Koblenz, wistra 1983, 166; LG Oldenburg, wistra 1990, 76; LG Bonn, NStZ 1990, 555, 556; Amelung, NStZ 1993, 48 ff.; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 387; Kramer, NJW 1984, 1502 ff.; Meyer-Goßner, StPO, § 96, Rn. 2; Ranft, StrafprozessR, § 39 B I, Rn. 980; Walter, NJW 1978, 868, 871. 316 LG Koblenz, wistra 1983, 166; Walter, NJW 1978, 868, 871. 317 LG Bremen, NJW 1955, 1850, 1851; LG Oldenburg, wistra 1990, 76; Amelung, NStZ 1993, 48, 49.

252

3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

StPO als Überführung der Sache in den Besitz der Strafverfolgungsbehörden zum Zweck der Strafverfolgung auszulegen ist.318 Die systematische Anordnung des § 96 StPO hinter § 94 StPO im 8. Abschnitt „Beschlagnahme, Überwachung und Durchsuchung“ lässt darauf schließen, dass die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich herauszugebende, in behördlichen Gewahrsam befindliche Gegenstände in den von § 96 StPO gezogenen Grenzen beschlagnahmen dürfen.319 Das gilt grundsätzlich auch für die sich im Gewahrsam des Untersuchungsausschusses320 befindenden Unterlagen. bb) Schutz des Vertrauensverhältnisses zu Angehörigen im Sinne des § 52 StPO (1) Beschlagnahmeverbot nach Art. 47 GG Art. 47 GG steht der Beschlagnahme der Unterlagen beim PUA, die dieser von Familienangehörigen erlangt hat, durch die Strafverfolgungsbehörden nicht entgegen. Zwar wird zum Teil – ohne nähere Begründung – die Auffassung vertreten, dass Art. 47 GG bzw. §§ 97 Abs. 3, 53 Abs. 1 Nr. 4, 95 Abs. 2 S. 2 StPO nicht nur für Tatsachen, die dem Abgeordneten anvertraut wurden, sondern auch für sonstige bekannt gewordene Tatsachen gelten.321 Der eindeutige Wortlaut dieser Regelungen widerspricht aber einem solchen Verständnis. Art. 47 GG und seine einfachgesetzlichen Ausprägungen in §§ 53 Abs. 1 Nr. 4, 97 Abs. 3, 95 Abs. 2 S. 2 StPO erfassen im Gegensatz zu den sonstigen strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrechten und Beschlagnahmeverboten ausdrücklich nur anvertraute Tatsachen und Gegenstände.322 Anvertraut sind sie, wenn sie unter dem Verlangen oder der stillschweigenden Erwartung der Geheimhaltung schriftlich oder mündlich mitgeteilt oder dadurch preisgegeben werden, dass dem Abgeordneten die Gelegenheit zu Beobachtungen und Untersuchungen gegeben wird.323 Bei einer zwangsweisen Beschlagnahme aufklärungsbedeutsamer Unterlagen beim Zeugnis318

BGHSt. 38, 237, 243. LG Bremen, NJW 1955, 1850, 1851; LG Hannover, NJW 1959, 351, 352; LG Darmstadt, NJW 1978, 901; LG Koblenz, wistra 1983, 166; Amelung, NStZ 1993, 48; Kramer, NJW 1984, 1502, 1505; Walter, NJW 1978, 868, 871. 320 Zur Behördeneigenschaft: 2. Kapitel, C. III. 2. a) cc) (3) (a). 321 Dahs in: LR, StPO, § 53, Rn. 43; Meyer-Goßner, StPO, § 53, Rn. 24. 322 Magiera in: Sachs, GG, Art. 47, Rn. 4; Pfeiffer, StPO, § 53, Rn. 3; wohl auch Roxin, StrafverfahrensR, § 26 B II, Rn. 27; Senge in: KK, StPO, § 53, Rn. 24. 323 Meyer-Goßner, StPO, § 53, Rn. 8, § 97, Rn. 43; Pfeiffer, StPO, § 53, Rn. 3. 319

B. Eigene Stellungnahme

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verweigerungsberechtigten durch den PUA fehlt es an einer solchen vertraulichen Preisgabe, denn die Beschlagnahme erfolgt gerade unter der Duldung der Wegnahme zum Zweck der Aufklärung im PUV, ohne dass der Zeugnisverweigerungsberechtigte die Möglichkeit hatte, die Kenntnisnahme des vertraulichen Inhalts durch den PUA zu verhindern. Art. 47 GG verfolgt zudem einen anderen Schutzzweck. Er will das Vertrauensverhältnis und einen unbehinderten Informationsaustausch des Wählers mit dem einzelnen Abgeordneten gewährleisten.324 Lässt der PUA die belastenden Schriftstücke oder sonstigen Gegenstände beim Zeugnisverweigerungsberechtigten beschlagnahmen, werden die Informationen der gesamten Institution „PUA“, nicht aber dem einzelnen Abgeordneten gegenüber bekannt und die Unterlagen befinden sich im Gewahrsam der Institution. Art. 47 GG bzw. § 97 Abs. 3 StPO sind auf Tatsachen, die dem PUA als Institution bekannt geworden sind, somit nicht anwendbar. (2) Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1 StPO Dem Betroffenen würde aus ihn belastenden Unterlagen, die der PUA bei Zeugnisverweigerungsberechtigten im Sinne des § 52 StPO beschlagnahmt hat, mittelbar keine strafrechtliche Selbstbezichtigung drohen, wenn § 97 Abs. 1 StPO der Beschlagnahme solcher Unterlagen durch die Strafverfolgungsbehörden entgegen stünde und der PUA den Inhalt der Unterlagen vertraulich behandeln müsste. Gegen die Anwendbarkeit der Vorschrift auf unsere Konstellation scheint jedoch § 97 Abs. 2 S. 1 StPO zu sprechen, nach dem der Zeugnisverweigerungsberechtigte, d.h. der Familienangehörige, die in § 97 Abs. 1 StPO aufgeführten Unterlagen und Gegenstände in seinem Gewahrsam haben muss. (a) Gewahrsamserfordernis Da der PUA die Gegenstände beschlagnahmte, hat der Zeugnisverweigerungsberechtigte die unmittelbare Verfügungsgewalt über den Gegenstand – wenn auch unfreiwillig – verloren. Der von § 97 Abs. 2 S. 1 StPO geforderte Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten ist damit nicht gegeben, so dass dem Wortlaut des § 97 Abs. 2 S. 1 StPO nach ein Beschlagnahmeverbot im Strafverfahren ausscheidet.

324 BVerfG, DÖV 2003, 989, 990; Badura in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 15, Rn. 61.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

(aa) Unfreiwilliger Gewahrsamsverlust Ein Teil des Schrifttums vertritt jedoch die Ansicht, das Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1 StPO müsse – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – bestehen bleiben, wenn der Zeugnisverweigerungsberechtigte den Gewahrsam durch die staatliche Beschlagnahme in einem anderen staatlichen Verfahren verloren hat. Würde sich der Staat nun auf den eigenen Gewahrsam berufen, würde er sich damit dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens aussetzen und könnte das Beschlagnahmeverbot auf diese Weise häufig umgehen.325 Diese Auffassung erscheint unter Beachtung des ausdrücklichen Wortlauts jedoch bedenklich. § 97 Abs. 1, 2 S. 1 StPO verbietet nämlich – mit Ausnahme der gesetzlichen Regelungen für Krankenanstalten und Presseunternehmen – gerade nicht die Beschlagnahme vertraulicher Unterlagen, an denen der Zeugnisverweigerungsberechtigte keinen Gewahrsam (mehr) hat.326 § 97 Abs. 1, 2 S. 1 StPO könnte allenfalls analog Anwendung finden, wenn der Zeugnisverweigerungsberechtigte unfreiwillig den Gewahrsam an den vertraulichen Unterlagen verloren hat. Eine Analogie ist aber angesichts des ausdrücklichen Wortlauts abzulehnen, weil es unzulässig ist, eine Norm über ihren Wortsinn hinaus auszulegen327. Die Formulierung des § 97 Abs. 2 S. 1 StPO lässt kein weiter gehendes oder anderes Verständnis zu und setzt somit einer erweiternden Auslegung des § 97 Abs. 1, 2 S. 1 StPO eine absolute Grenze328. (bb) Zurechnung des staatlichen Gewahrsams Für das Gewahrsamserfordernis in § 97 Abs. 2 S. 1 StPO könnte jedoch bereits genügen, dass der Zeugnisverweigerungsberechtigte an den vom Staat beschlagnahmten Gegenständen Mitgewahrsam behält. Nach h. M. ist es nicht erforderlich, dass der Zeugnisverweigerungsberechtigte Alleingewahrsam hat. Es soll ausreichen, wenn zwischen dem Zeugnisverweigerungsberechtigten und einem nicht beschuldigten Dritten Mitgewahrsam an 325 Cramer, NStZ 1996, 209, 213 f.; Meyer-Goßner, StPO, § 97, Rn. 13, 49; Müller in: KMR, StPO, § 97, Rn. 6; Pfeiffer, StPO, § 97, Rn. 11; Rudolphi in: SK, StPO, § 97, Rn. 17; Schäfer in: LR, StPO, § 97, Rn. 34; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 79. 326 Satzger, JA 1998, 632, 635; Spangenberg, Beschlagnahme, 166. 327 BVerfGE 92, 1, 12 f.; BVerfG, NJW 1995, 2776, 2777; OLG Celle, JR 1965, 107, 108; Degenhart in: Sachs, GG, Art. 103, Rn. 70. 328 Allgemein zu den Auslegungsgrenzen: BVerfGE 11, 126, 129 f.; 35, 263, 278 ff.; 71, 81, 106; Jarass/Pieroth, GG, Einl., Rn. 5, 7; Katz, StaatsR, Rn. 117, 120.

B. Eigene Stellungnahme

255

den Gegenständen besteht.329 Durch die Beschlagnahme entsteht zwischen dem Staat und dem betroffenen Zeugnisverweigerungsberechtigten ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis, auf das die §§ 688 ff. BGB analog anzuwenden sind.330 Dieses Verwahrungsverhältnis könnte möglicherweise einen Mitgewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten begründen. Gewahrsam ist das von einem Herrschaftswillen getragene, tatsächliche Herrschaftsverhältnis einer Person über eine Sache, wobei zur Feststellung insbesondere die Verkehrsanschauung maßgebend ist.331 Nach § 695 BGB kann der Hinterleger jederzeit die Sache zurückfordern. Bei einem jederzeitigen Rückforderungsrecht lässt sich vertretbar eine tatsächliche Sachherrschaft des Zeugnisverweigerungsberechtigten über den Gegenstand annehmen. § 695 BGB ist aber auf das durch die Beschlagnahme begründete öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis nicht übertragbar. Ein Rückforderungsanspruch entsteht hier nämlich erst mit der Beendigung der Beschlagnahme, zu der es eines Aufhebungsaktes – hier durch den PUA – bedarf. Die Aufhebung erfolgt jedoch erst, wenn der PUA die beschlagnahmte Sache nicht mehr zum Zweck der Sachverhaltserforschung benötigt.332 Damit fehlt es bis zu diesem Zeitpunkt an einer unmittelbaren und jederzeitigen Möglichkeit, den Rückgabeanspruch geltend zu machen. Der Zeugnisverweigerungsberechtigte kann sich somit nicht ungehindert den Zugang zum Beschlagnahmegegenstand verschaffen, sondern er bedarf des Mitwirkungsaktes der staatlichen Behörden, hier des Ausschusses. Der Zeugnisverweigerungsberechtigte hat folglich keine tatsächliche Herrschaftsgewalt über die Sache. Aus zivilrechtlicher Sicht mag er mittelbarer Besitzer im Sinne des § 868 BGB sein. Der mittelbare Besitz begründet aber keinen Gewahrsam, denn dieser besteht in der faktischen Verfügungsgewalt über die Sache, die hier fehlt. Ein Mitgewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten scheidet also aus. Eine Parallele zu dem in § 97 Abs. 2 S. 2, Abs. 5 S. 1 StPO geregelten Gewahrsam von Krankenanstalten und Presseunternehmen, der dem Gewahrsam bestimmter Zeugnisverweigerungsberechtigter gleichgestellt ist, lässt sich ebenfalls nicht ziehen.333 In diesen Fällen verwahren die Institu329

Amelung, DNotZ 1984, 195, 198; Görtz-Leible, Beschlagnahmeverbote, 256, 262 f.; Höser, MDR 1982, 535, 536; Kohlhaas, NJW 1964, 1162, 1165; Müller in: KMR, StPO, § 97, Rn. 4; Roxin, NJW 1995, 17, 22; Rudolphi in: SK, StPO, § 97, Rn. 10. 330 OLG Stuttgart, wistra 1984, 240, 241; Roxin, StrafverfahrensR, § 34, Rn. 10. 331 BGHSt. 16, 271, 273. 332 Allgemein OLG Stuttgart, wistra 1984, 240, 241; Roxin, StrafverfahrensR, § 34, Rn. 11. 333 Anders wohl Cramer, NStZ 1996, 209, 214.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

tionen die Unterlagen in der Regel nur aus verwaltungstechnischen Gründen und der Zeugnisverweigerungsberechtigte hat deshalb – im Gegensatz zum Zeugnisverweigerungsberechtigten im PUV – wegen der ihm verbleibenden tatsächlichen Möglichkeit des Zugriffs auf die Unterlagen regelmäßig noch einen Mitgewahrsam an den Sachen.334 Der PUA verwaltet die Unterlagen dagegen nicht für den Zeugnisverweigerungsberechtigten zur gemeinsamen Aufgabenerfüllung, sondern er hat die Unterlagen zur Erfüllung eigener Aufgaben im Gewahrsam. (b) Zwischenergebnis Ein strafprozessuales Verbot nach § 97 Abs. 1 StPO, die sich im Gewahrsam des Untersuchungsausschusses befindenden, den Betroffenen belastenden Unterlagen oder sonstigen Gegenstände zu beschlagnahmen, besteht nicht, weil der Zeugnisverweigerungsberechtigte nicht mehr den von § 97 Abs. 2 S. 1 StPO geforderten (Mit-)Gewahrsam an den von den Strafverfolgungsbehörden zu beschlagnahmenden Gegenständen hat. Die Vorschrift verbietet deshalb die Beschlagnahme nicht und der eindeutige Wortlaut steht einer analogen Anwendung entgegen. (3) Beschlagnahme- und Übermittlungsverbot von Verfassungs wegen Ein Beschlagnahmeverbot könnte sich wegen der Bindung des Staates an die Verfassung allerdings unmittelbar aus den Grundrechten ergeben. Ein Verbot, dass die Strafverfolgungsbehörde vertrauliche Unterlagen des Betroffenen, die der PUA beim Zeugnisverweigerungsberechtigten beschlagnahmt hat, nicht beschlagnahmen darf, könnte aus dem Recht auf Schutz der Privatsphäre nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG abzuleiten sein. Das setzt aber voraus, dass die Strafverfolgungsbehörden mit der Beschlagnahme der vertraulichen Unterlagen des Betroffenen beim PUA unverhältnismäßig in das Recht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG eingreifen. Eine Verletzung des Rechts auf Schutz der Privatsphäre kommt in Betracht, weil die sich im Gewahrsam des Untersuchungsausschusses befindenden Unterlagen ursprünglich aus dem Vertrauensverhältnis des Betroffenen zum Zeugnisverweigerungsberechtigten stammen.

334

OLG Celle, MDR 1952, 376, 377.

B. Eigene Stellungnahme

257

(a) Eröffnung des Schutzbereiches des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (aa) Allgemeine Schutzbereichsbestimmung Wie bereits oben erörtert335, ist es zur freien Persönlichkeitsentfaltung und zur privaten Lebensgestaltung nötig, dass der Einzelne einen privaten Rückzugsbereich hat, in dem er mit anderen Vertrauenspersonen – wie Familienangehörigen oder Berufsgeheimnisträgern – kommunizieren und sich ihnen anvertrauen kann. Der Betroffene darf erwarten, dass die Vertrauenspersonen über die vertraulichen Informationen Verschwiegenheit bewahren, damit ihm aus der Offenbarung keine strafrechtlichen Nachteile drohen.336 Diese Gewähr bestünde nicht, wenn die Staatsanwaltschaft beim PUA vertrauliche Unterlagen des Betroffenen, die der PUA in zulässiger Weise beim Zeugnisverweigerungsberechtigten beschlagnahmen durfte, beschlagnahmt und der strafgerichtlichen Verurteilung des Betroffenen zu Grunde legt. Wegen dieser Befürchtung könnte sich der Einzelne gehindert sehen, mit Vertrauenspersonen unbefangen zu kommunizieren. Allerdings verlangt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ein gewisses Maß an Privatheit und Vertraulichkeit des Informationsgehaltes, d.h., den Informationen muss ein Öffentlichkeitsbezug fehlen.337 (bb) Vertraulichkeit der Informationen trotz des Gewahrsams des Untersuchungsausschusses? Der Betroffene könnte jedoch seinen Privatschutz verloren haben, weil der Vertrauensbereich bereits durch die Beschlagnahme des Untersuchungsausschusses und die Kenntnisnahme der PUA-Mitglieder vom vertraulichen Inhalt der Akten durchbrochen wurde.338 Indem der PUA die Unterlagen beim Zeugnisverweigerungsberechtigten beschlagnahmte und von ihrem Inhalt Kenntnis nahm, sind die vertraulichen Informationen des Betroffenen nach außen gelangt, haben den abgeschirmten Vertrauensbereich verlassen und sind einem größeren Personenkreis zugänglich geworden. Allerdings muss der PUA die vertraulichen Informationen geheim halten und darf sie nicht öffentlich erörtern. 335

3. Kapitel, B. V. 3. c) aa) (1). BVerfGE 32, 373, 380; 33, 367, 377 f.; LG Hamburg, NJW 1990, 780, 781; Weyand, wistra 1990, 4, 8. 337 BVerfGE 101, 361, 382 ff.; Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 47; Wölfl, Jura 2003, 742, 743. 338 Creifelds, GA 1960, 65, 74, 75. 336

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Grundsätzlich trägt das Gewahrsamserfordernis dem Umstand Rechnung, dass mit der Weitergabe der Unterlagen an Dritte, die nicht in das Vertrauensverhältnis einbezogen sind, die persönliche Information den Bereich der Privatsphäre verlassen hat, weil ein größerer Personenkreis Kenntnis von der Information erlangt hat. Das Vertrauensverhältnis ist also bereits gestört und bedarf deshalb keines weiteren Schutzes mehr. Der Betroffene muss nunmehr damit rechnen, dass auch weitere Personen von seinen persönlichen Daten Kenntnis erhalten.339 Zum Teil wird vertreten, dass ein Hinausgelangen aus der Privatsphäre sowie eine Störung des Vertrauensverhältnisses nicht nur für die freiwillige Aufgabe des Gewahrsams, sondern auch für den unfreiwilligen Gewahrsamsverlust zu gelten habe, z. B. beim bloßen Verlieren der Sache oder beim Diebstahl.340 Dem ist jedoch nur teilweise zuzustimmen. Grundsätzlich steht dem Einzelnen die Entscheidung darüber zu, wem er sich anvertraut, und er hat selbst dafür Sorge zu tragen, den Kommunikationsinhalt geheim zu halten. Trifft der Einzelne keine ausreichenden Schutzvorkehrungen oder ist er im Kommunikations- und Schriftverkehr nachlässig mit den persönlichen Daten, hat er deren Kenntnisnahme durch Dritte hinzunehmen und bedarf keines Schutzes.341 Dies muss grundsätzlich auch gelten, wenn die Vertrauensperson eigenverantwortlich die Daten weitergibt oder der Gewahrsamsverlust an den vertraulichen Unterlagen auf einer Fahrlässigkeit der Vertrauensperson beruht. Der Anvertrauende wählt den Kommunikationspartner nämlich selbst aus. Ist dieser nicht vertrauenswürdig oder sorglos im Umgang mit den vertraulichen Informationen, muss sich der Anvertrauende dessen Unzuverlässigkeit grundsätzlich zurechnen lassen. Hat er bzw. der Zeugnisverweigerungsberechtigte dagegen alle möglichen Schutzvorkehrungen getroffen, muss der Geheimnisschutz erhalten bleiben, wenn dem Zeugnisverweigerungsberechtigten trotzdem der Gewahrsam an den vertraulichen Unterlagen ohne dessen Willen entzogen wird.342 Verbleibt dem Gewahrsamsinhaber keine Wahlmöglichkeit, sich gegen den Gewahrsamsverlust an den vertraulichen Unterlagen zu entscheiden, oder stehen ihm keine Mittel zur Verfügung, um den drohenden Gewahrsamsverlust abzuwenden, ist den Kommunikationspartnern der Geheimnisschutz nicht 339 Cramer, NStZ 1996, 209, 213; Creifelds, GA 1960, 65, 74, 75; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 74, 76. 340 Müller in: KMR, StPO, § 97, Rn. 6; Rudolphi in: SK, StPO, § 97, Rn. 17; Schäfer in: LR, StPO, § 97, Rn. 33. 341 Ebenso Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 77. 342 Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 78; i. E. auch Spangenberg, Beschlagnahme, 165.

B. Eigene Stellungnahme

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zu versagen. Das gilt auch, wenn dem Zeugnisverweigerungsberechtigten im Fall der Beschlagnahme der vertraulichen Unterlagen durch den PUA keine echte Handlungsmöglichkeit verbleibt, um den Gewahrsamsverlust abzuwenden. Der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ist somit eröffnet. (b) Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf Privatsphäre Die Beschlagnahme der Unterlagen durch die Strafverfolgungsbehörden sowie deren spätere Verwertung im Strafverfahren greifen also in den Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein. Die Möglichkeit der Beschlagnahme persönlicher Unterlagen des Betroffenen durch die Strafverfolgungsbehörden und deren öffentliche Verwertung im Strafverfahren zum Zweck seiner Verurteilung verhindert eine ungestörte und unbefangene Kommunikation des Betroffenen mit Vertrauenspersonen, weil er befürchten müsste, sich durch das Anvertrauen seiner persönlichen Daten unter Umständen selbst zu belasten. Der Aufbau von Vertrauensbeziehungen im Privatbereich sowie die freie Entfaltung der Persönlichkeit wären gefährdet. (c) Rechtfertigung des Eingriffs in das Recht auf Privatsphäre Im Bereich der Privat- und Sozialsphäre gilt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht schrankenlos, sondern schutzwürdige Rechte Dritter, die verfassungsmäßige Ordnung, das Sittengesetz oder kollidierendes Verfassungsrecht können es unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit einschränken. Ein Beschlagnahmeverbot der Strafverfolgungsbehörden setzt deshalb voraus, dass das Interesse des Betroffenen an dem Geheimnisschutz das Interesse der Strafverfolgungsbehörden an einer funktionsfähigen Strafrechtspflege als ein von Verfassungs wegen zu beachtendes Rechtsgut343 überwiegt. Das ist dann anzunehmen, wenn die Beschlagnahme der persönlichen Unterlagen unverhältnismäßig in das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen eingreift. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinn ist abzuwägen, welches Rechtsgut (Strafrechtspflege oder Geheimhaltungsinteresse) überwiegt. Zur Bestimmung des überwiegenden Interesses an der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs ist auf der einen Seite das vom Täter verschuldete Tatunrecht zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist in die Abwägung einzustellen, dass die Strafverfolgungsbehörden sehr persönliche 343

BVerfGE 34, 238, 248 f.; 80, 367, 375.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

Informationen aus einem Vertrauensbereich, in dem der Betroffene seine Individualität frei entfalten möchte, verwerten und als Mittel zu seiner eigenen Verurteilung einsetzen. Müsste der Betroffene befürchten, dass sich der Staat von allen (höchst-)persönlichen Informationen, die er beruflichen Vertrauenspersonen bzw. Familienangehörigen unter dem Siegel der Verschwiegenheit offenbart, im Wege der weder vom Beschuldigten noch vom Zeugnisverweigerungsberechtigten abwendbaren Beschlagnahme Kenntnis verschafft und sie in einem gegen ihn als Beschuldigtem gerichteten Strafverfahren verwendet, wäre er nicht mehr bereit, sich diesen Personenkreisen rückhaltlos zu offenbaren. Das Vertrauensverhältnis wäre erschüttert.344 Er wäre gezwungen, alle persönlichen Sachverhalte für sich zu behalten, könnte weder mit seiner Familie noch mit anderen Vertrauenspersonen über private Dinge und Belastungen reden. Aber gerade die unbefangene Kommunikation mit anderen über private Themen, Sorgen, Ängste, Empfindungen u. ä., in einem Bereich, in dem er durch niemanden Nachteile zu befürchten hat, ist ein menschliches Bedürfnis und ein elementarer Bestandteil des Menschseins, ohne den eine freie Entfaltung und Weiterentwicklung der eigenen Individualität nicht möglich ist.345 Der Schutz der Vertraulichkeit privater Lebensbereiche ist daher ein hohes Rechtsgut. Dieses Interesse an Vertraulichkeit ist bei demjenigen, gegen den sich ein strafgerichtliches Verfahren richtet, größer als bei anderen Personen, die sich nicht unmittelbar strafrechtlich belasten müssen. Der Grund liegt darin, dass die Verurteilung ein schwerwiegender Eingriff in die Freiheit des Einzelnen ist. Ein Eingriff in einen vertraulichen Lebensbereich des Einzelnen durch den Staat zum Zweck der strafgerichtlichen Verurteilung hätte auf die Vertrauensbeziehung und die eigene Persönlichkeitsentfaltung stärkere Auswirkung als bei demjenigen, der strafrechtlich nichts zu befürchten hat.346 Bei der Abwägung beider Rechtsgüter darf zudem nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Gesetzgeber mit § 97 Abs. 1 StPO selbst bereits eine Wertung über die Zuordnung der kollidierenden Rechtsgüter vorgenommen hat. Mit der Freistellung der Vertrauensbeziehung Beschuldigter – Zeugnisverweigerungsberechtigter von der Beschlagnahme hat er dem Schutz dieser Vertrauensbeziehung einen generellen Vorrang vor dem Interesse an einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege eingeräumt, soweit der Zeugnisverweigerungsberechtigte den Gegenstand im Gewahrsam hat und nicht teilnahmeverdächtig ist. Damit ist der durch die Beschlagnahme der persönlichen Un344 Dünnebier, MDR 1964, 965; Kohlhaas, NJW 1962, 670, 671; Weyand, wistra 1990, 4, 8. 345 BGHSt. 31, 296, 299 f.; Geis, JZ 1991, 112, 115; Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 54 f., 58. 346 Ähnlich Görtz-Leible, Beschlagnahmeverbote, 217.

B. Eigene Stellungnahme

261

terlagen des Beschuldigten verursachte Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht durch das Interesse an einer effektiven Strafrechtspflege gerechtfertigt. Das Vertraulichkeitsinteresse des Betroffenen, gegen den ein paralleles Strafverfahren läuft, hat deshalb grundsätzlich Vorrang vor dem Aufklärungsinteresse im Strafverfahren. Dem steht auch nicht entgegen, dass nicht mehr der Zeugnisverweigerungsberechtigte, sondern der PUA die vertraulichen Unterlagen in seinem Gewahrsam hat. Zwar stellt der Verlust des Gewahrsams grundsätzlich ein Indiz für den Wegfall der Vertraulichkeit der Information dar. Allerdings hat der PUA – wie schon erörtert347 – dem Zeugnisverweigerungsberechtigten die vertraulichen Unterlagen entgegen dessen Willen durch eine Beschlagnahme entzogen, ohne dass der Zeugnisverweigerungsberechtigte eine Möglichkeit hatte, sich der Beschlagnahme zu widersetzen. Außerdem ist der PUA zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts verpflichtet, die vertraulichen Informationen in einer nicht öffentlichen Verhandlung zu erheben und geheim zu halten. Die Informationen haben deshalb ihre Vertraulichkeit nicht durch die Beschlagnahme des Untersuchungsausschusses verloren. Eine Ausnahme vom Vorrang des Vertraulichkeitsinteresses des Betroffenen in der Beziehung zu Angehörigen oder Berufsgeheimnisträgern vor dem Interesse an einer umfassenden Strafverfolgung besteht jedoch, wenn der Zeugnisverweigerungsberechtigte der Teilnahme an der Straftat des Betroffenen, einer Hehlerei, Begünstigung oder Strafvereitelung verdächtig ist, die Gegenstände aus einer Straftat herrühren bzw. zur Begehung einer Straftat bestimmt sind oder wenn der Betroffene die Unterlagen dem Zeugnisverweigerungsberechtigten nur überlassen hatte, um sie der Aufklärung im Strafverfahren zu entziehen. Die Vertrauensbeziehung war in diesen Fällen – schon vor der Beschlagnahme durch den PUA – nicht schutzbedürftig und schutzwürdig.348 Im Ergebnis dürfen die Strafverfolgungsbehörden nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG die persönlichen Unterlagen des Betroffenen, die der PUA bei einem Zeugnisverweigerungsberechtigten im Sinne des § 52 StPO beschlagnahmt hat, nicht beschlagnahmen, vom PUA über den Inhalt der beschlagnahmten Unterlagen keine Auskunft verlangen und nicht um Akteneinsicht ersuchen. Zugleich besteht auch ein Verbot der Durchsuchung, da ein mit ihr einhergehender Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen unverhältnismäßig ist, wenn der Gegenstand nicht beschlagnahmt werden darf.

347 348

3. Kapitel, B. V. 3. e) bb) (3) (a) (bb). BVerfGE 32, 376, 381; LG Fulda, wistra 2004, 155, 157.

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

cc) Schutz des Vertrauensverhältnisses zu Berufsgeheimnisträgern im Sinne des § 53 StPO Seit dem 01.01.2008 regelt § 160a Abs. 2 S. 1, 2 StPO n. F., dass eine Ermittlungsmaßnahme, durch die zeugnisverweigerungsberechtigte Berufsangehörige im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 3–3b, 5 StPO (z. B. Ärzte, Anwälte, Journalisten) betroffen wären und Erkenntnisse erlangt würden, über die diese Personen das Zeugnis verweigern dürften, unzulässig ist, wenn das Geheimhaltungsinteresse das Strafverfolgungsinteresse überwiegt. § 160a StPO n. F. gilt für alle Ermittlungsmaßnahmen349, also auch für das Auskunftsverlangen und das Ersuchen um Akteneinsicht. Fraglich ist, ob § 160a Abs. 2 StPO n. F. auf die Beschlagnahme Anwendung findet, da § 160a Abs. 5 StPO n. F. anordnet, dass § 97 StPO lex specialis ist. Der Vorrang dieser Norm gilt jedoch nur so weit, wie sie eine Regelung trifft. Fehlt eine spezielle Anordnung, ist § 160a StPO n. F. ergänzend anzuwenden350. Da § 97 Abs. 1 StPO die Beschlagnahme von Unterlagen, die persönliche Informationen aus dem Verhältnis des Beschuldigten zu einem Zeugnisverweigerungsberechtigten im Sinne des § 53 StPO enthalten, bei einem Dritten nicht verbietet, könnte § 160a Abs. 2 StPO n. F. eingreifen, wenn er sich zur Beziehung zu Dritten (hier: PUA) verhält. Dies wäre zu verneinen, wenn das Wort „betroffen“ wie in Absatz 1 als „richten gegen“ auszulegen wäre mit der Folge, dass der Zeugnisverweigerungsberechtigte Gewahrsamsinhaber sein müsste und § 160a Abs. 2 StPO n. F. nicht zur Anwendung käme, weil dies schon § 97 Abs. 1 StPO regelt. Gegen diese Sicht lassen sich aber zum einen die Wortbedeutung und zum anderen der Sinn und Zweck des § 160a StPO n. F. anführen. Die Formulierung „Betroffensein“ kann auch bedeuten, dass sie jeden erfasst, dessen Rechtskreis durch die Maßnahme berührt wird. Dazu gehört bei der Beschlagnahme persönlicher Unterlagen nicht nur die Privatperson, deren Daten ausgespäht werden, sondern hierzu zählen ebenfalls die Berufsgeheimnisträger, weil sie in ihrer Berufsfreiheit berührt sind. Ein solches Verständnis stützt der Regelungszweck, der darin besteht, das Vertrauensverhältnis der dort genannten Berufsgruppen zu demjenigen, der die Leistungen des Berufsgeheimnisträgers in Anspruch nimmt, umfassend unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu schützen351. Diesen Zweck bestätigt § 160a Abs. 1 StPO n. F., dessen absolutes Beweiserhebungsverbot sich gemäß Satz 3 auch auf Dritte erstreckt. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung in der vorliegenden Konstellation fällt zu Gunsten des Geheimhaltungsinteresses aus, da die Interessenabwägung wie 349 350 351

BT-Drucks. 16/5846, S. 25. BT-Drucks. 16/5846, S. 38. BT-Drucks. 16/5846, S. 24 f., 36.

B. Eigene Stellungnahme

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beim verfassungsrechtlichen Verbot der Beweiserhebung von Informationen, die einen Familienangehörigen betreffen, zu erfolgen hat.352 Deshalb darf die Staatsanwaltschaft keine Unterlagen beim PUA beschlagnahmen oder zur Akteneinsicht anfordern sowie keine Auskunft aus den Unterlagen verlangen, die der PUA durch eine Beschlagnahme bei den Berufsangehörigen nach § 53 Abs. 1 Nr. 3–3b StPO zulässigerweise erlangt hat. Da der PUA gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 97 Abs. 5 StPO regelmäßig selbst keine Unterlagen bei Journalisten beschlagnahmen darf, ist ein Beweiserhebungsverbot nach § 160a Abs. 2 S. 1, 2 StPO n. F. insoweit nicht erforderlich. Dieser Befund ergab sich im Übrigen auch auf der Grundlage des vor dem 01.01.2008 geltenden Rechts, weil Beschlagnahme- und Übermittlungsverbot schon aus dem Verfassungsrecht, nämlich aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, resultieren. dd) Reichweite der strafprozessualen Beweiserhebungsverbote Werden die verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Beschlagnahme- und Übermittlungsverbote missachtet, sind die Erkenntnisse, welche die Strafverfolgungsbehörde bzw. der Strafrichter rechtswidrig aus den vertraulichen Unterlagen des Betroffenen, den eingesehenen Akten des Untersuchungsausschusses oder aus einer unzulässigen Auskunft vom PUA über die vertraulichen Informationen des Betroffenen gewonnen hat, im Strafverfahren gegen den Betroffenen unverwertbar. Dies erfordert der Zweck eines Beweisverwertungsverbotes, der nach zutreffender Ansicht in der Sicherstellung eines rechtsstaatlichen und fairen Strafverfahrens besteht353. Die Existenz selbstständiger Beweisverwertungsverbote sowie die gesetzlich geregelten Verwertungsverbote nach § 393 Abs. 2 AO und § 97 Abs. 1 InsO zeigen, dass der Zweck eines Beweisverwertungsverbotes grundsätzlich nicht in der Disziplinierung der Strafverfolgungsbehörden354 zu sehen ist. Die Beweiserhebung erfolgt in diesen Fällen nämlich rechtmäßig, so dass es keiner Disziplinierung der staatlichen Behörden bedarf. Zudem bringen die Regelungen in § 393 Abs. 2 AO und § 97 Abs. 1 InsO zum Ausdruck, dass der Grund für ein Beweisverwertungsverbot auch nicht in der Schmälerung 352

3. Kapitel, B. V. 3. e) bb) (3) (c). BGHSt. 24, 125, 131; KG, StraFo 1997, 108, 109, 110, 112; Hauf, NStZ 1993, 457, 458 f.; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 781; Küpper, JZ 1990, 416, 417; Roxin, StrafverfahrensR, § 24, Rn. 22; Schroth, JuS 1998, 969, 974. 354 Die Disziplinierung der Strafverfolgungsbehörden sehen aber Dencker, Verwertungsverbote, 52 ff.; Otto, GA 1970, 289, 290; Prittwitz, NStZ 1981, 463, 468; wohl auch Reichert-Hammer, JuS 1989, 446, 449; ansatzweise auch Grünwald, StV 1987, 470, 472 f. als Zweck der Beweisverwertungsverbote. 353

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

des Beweiswerts355 rechtswidrig erlangter Beweismittel liegt. Denn im Besteuerungs- und im Insolvenzverfahren darf die Aussage erzwungen und in diesem Verfahren ohne weiteres verwendet werden, obwohl deren Wahrheitsgehalt aufgrund des Zwangsmitteleinsatzes ebenso fragwürdig erscheinen müsste.356 Sowohl die Disziplinierungs- als auch die Wahrheitsfindungstheorie und die Theorie, die ein Beweisverwertungsverbot fordert, um die Glaubwürdigkeit des Staates und die Rechtsordnung zu wahren357, sowie die Theorien, die ein Beweisverwertungsverbot aus spezial358- oder generalpräventiven359 Gründen verlangen, sind längst überholt. Die Vertreter dieser Ansichten müssten nämlich konsequenterweise für jeden Verfahrensfehler bei der Beweisgewinnung ein Beweisverwertungsverbot annehmen mit der Folge, dass eine Vielzahl schwerer Straftaten ohne rechtliche Konsequenzen blieben und damit der Rechtsstaat und die Rechtsordnung erheblichen Gefahren ausgesetzt würden.360 Um den Staat nicht zu stark bei der Umsetzung des staatlichen Strafanspruchs zu beschränken, fordert heute niemand mehr in dieser Strenge ein Beweisverwertungsverbot für jeden Verfahrensverstoß. Beweisverwertungsverbote verfolgen im Übrigen nicht allein den Zweck, die Individualrechtsgüter zu schützen361, obwohl sich ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot regelmäßig aus den Grundrechten, die dem Schutz des Einzelnen dienen, ableitet. Nur beschränkt sich das Beweisverwertungsverbot nicht auf diese Funktion. Nicht jede rechtswidrige Beweisgewinnung, die auf einer Individualrechtsgutsverletzung beruht, zieht zwangsläufig ein Beweisverwertungsverbot nach sich (z. B. § 81a StPO, § 81d StPO) bzw. nicht jedes Verwertungsverbot resultiert aus einer Individualrechtsgutsverletzung (z. B. § 252 StPO).362 Der Staat hat nach Art. 20 Abs. 3 GG jedoch die Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens sicherzustellen363 und sich deshalb zum Nach355

So aber Rudolphi, MDR 1970, 93, 98; Schöneborn, MDR 1971, 713, 715. Bienert, Private Ermittlungen, 65; Götting, Beweisverwertungsverbote, 37. 357 Haffke, GA 1973, 65, 72. 358 Otto, GA 1970, 289, 290, 297. 359 Dencker, Verwertungsverbote, 59 ff.; Grünwald, StV 1987, 470, 472. 360 Bienert, Private Ermittlungen, 69; Küpper, JZ 1990, 416, 417; Otto, GA 1970, 289, 291; Ranft, Spendel-FS, 719, 723; Rogall, ZStW 91 (1979), 1, 13 f.; Wichmann, Berufsgeheimnis, 122. 361 Götting, Beweisverwertungsverbote, 45, 47 f.; Rogall, ZStW 91 (1979), 1, 20 ff.; ders., NStZ 1988, 385 ff.; Schöneborn, MDR 1971, 713, 715; Spangenberg, Beschlagnahme, 84; wohl auch Störmer, Jura 1994, 393, 396. 362 Gössel, GA 1991, 483, 486; Küpper, JZ 1990, 416, 417; Rudolphi, MDR 1970, 93, 97. 363 Hauf, NStZ 1993, 457, 458; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 9; Ranft, SpendelFS, 719, 721. 356

B. Eigene Stellungnahme

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teil der Wahrheitsfindung Selbstbeschränkungen unterworfen, die er nicht nur aus Individualrechtsgütern herleitet und die dem Beschuldigten ein Abwehrrecht gegen hoheitliche Eingriffe gewähren364. Eine rechtsstaatliche Verfahrensgestaltung verlangt, dass der Staat die Rechte des Beschuldigten bei der Beweiserhebung beachtet und unerlaubt gewonnene oder grundrechtsverletzende Beweise nicht verwertet.365 Der Staat hat den Straftäter aber auch zu verfolgen, abzuurteilen und einer gerechten Strafe zu unterwerfen, jedoch nur im Rahmen der geltenden Gesetze.366 Wegen des Verfassungsranges der Strafrechtspflege darf nicht jeder Verfahrensfehler zu einem Beweisverwertungsverbot führen.367 Hat sich der Gesetzgeber nicht schon selbst zu Lasten der Strafverfolgung ausdrücklich die Verwertung eines (rechtswidrig) gewonnenen Beweismittels untersagt (z. B. § 136a Abs. 3 S. 2 StPO, §§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 S. 2 StPO n. F., § 100d Abs. 5 StPO n. F., § 252 StPO), dann hat im Einzelfall eine Abwägung zwischen dem geschützten Interesse des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse des Staates stattzufinden.368 Bei dieser Abwägung sind die Schwere des Tatvorwurfs und des Verfahrensfehlers, die Bedeutung des Beweismittels, des Schutzzwecks des Beweiserhebungsverbots und die hypothetische Möglichkeit einer rechtmäßigen Beweisgewinnung zu berücksichtigen.369 Die Anwendung dieser Abwägungskriterien ergibt in der vorliegenden Konstellation ein Beweisverwertungsverbot, weil die Verwertung der vertraulichen Informationen im Strafverfahren gegen den Betroffenen erneut in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreift, da das berechtigte Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen überwiegt370 und die unbefugte Kenntnisnahme von Privatgeheimnissen des Familienangehörigen zur strafrechtlichen Überführung regelmäßig einen schwerwiegenden Eingriff in dessen Geheimnissphäre darstellt371. Der Zweck der oben herausgebildeten Beweiserhe364

Hauf, NStZ 1993, 457, 459; Küpper, JZ 1990, 416, 417. Küpper, JZ 1990, 416, 417; Prittwitz, NStZ 1981, 463, 468. 366 BVerfGE 46, 214, 222 f.; 51, 324, 343; BVerfG, NStZ 1987, 419. 367 Wolter, NStZ 1984, 276, 277, 278; ders., NStZ 1993, 1, 3. 368 BVerfGE 34, 238, 250; BGHSt. 24, 125, 130; Gössel, NStZ 1998, 126, 127, 129; Hauf, NStZ 1993, 457, 459 f.; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 781; Rogall, NStZ 1988, 385, 391 ff. 369 Hellmann, StrafprozessR, Rn. 781; Rogall, NStZ 1988, 385, 391; Schroth, JuS 1998, 969, 974. 370 Allgemein: BGHSt. 18, 227, 228; Beulke, StrafprozessR, Rn. 463; Krekeler, NStZ 1987, 199, 203; Pfeiffer, StPO, § 97, Rn. 11; Roxin, StrafverfahrensR, § 34 C II, Rn. 18; Rudolphi in: SK, StPO, § 97, Rn. 64; Spangenberg, Beschlagnahme, 167. 371 Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 103 f.; Spangenberg, Beschlagnahme, 89. 365

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3. Kap.: Beeinträchtigung strafprozessualer Schutzrechte

bungsverbote, dem Betroffenen einen Privatbereich zu gewährleisten, in dem er sich einem anderen Familienangehörigen anvertrauen kann, ohne strafrechtliche Nachteile befürchten zu müssen, erfordert ein Verwertungsverbot.372 Eine Verwertung würde sowohl den Rechtskreis des durch das Beschlagnahmeverbot Geschützten berühren als auch dessen Individualrechtsgut – nämlich den Geheimnisschutz des „betroffenen“ Zeugen im PUV und jetzigen Beschuldigten im Strafverfahren – verletzen. Eine Ausnahme vom Verwertungsverbot besteht nur dann, wenn die Strafverfolgungsbehörden die Unterlagen auch auf ordnungsgemäßem Weg hätten erlangen können.373 In diesem Fall realisiert sich in dem Auffinden der Beweismittel nicht der Verfahrensfehler, sondern das allgemeine Überführungsrisiko. Entsprechendes gilt für die Verletzung der Beweiserhebungsverbote nach § 160a Abs. 2 S. 1 StPO n. F., da gemäß § 160a Abs. 2 S. 3 StPO n. F.374 bei der Feststellung der Verwertbarkeit von Erkenntnissen zu Beweiszwecken eine Abwägung der widerstreitenden Interessen zu erfolgen hat, die in der vorliegenden Konstellation mit dem vorstehenden Ergebnis ausfällt.

C. Ergebnis Der nemo-tenetur-Grundsatz zwingt nicht dazu, dem von einer parlamentarischen Untersuchung Betroffenen die Beschuldigtenstellung mit umfassenden Mitwirkungsverweigerungsrechten einzuräumen, weil der PUA keine staatliche Sanktion gegen den Betroffenen verhängt. Der Betroffene muss sich also nicht unmittelbar durch seine Aussage oder Mitwirkung selbst belasten. Zwar gilt der nemo-tenetur-Grundsatz auch in nicht sanktionsbewehrten Verfahren. Ihm wird aber dadurch Rechnung getragen, dass der Betroffene seine Mitwirkung oder die Beantwortung von Fragen, durch die er sich in die Gefahr der Selbstbelastung bringt, verweigern darf. Aus den Mitwirkungspflichten entstehen dem Betroffenen im PUV keine Nachteile für seine strafprozessuale Stellung als Beschuldigter im Strafverfahren, weil er durch Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 157 StGB, §§ 55 Abs. 1, 1. Alt., 60, 68a, b StPO ausreichend geschützt ist. Damit ist er aber nicht gänzlich von seiner Mitwirkungs- und Aussagepflicht vor dem PUA befreit, d.h., er hat grundsätzlich zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen. Die Aussage- und Mitwirkungspflicht des Betroffenen im PUV, die nur bei einer 372

I. E. Grünwald, JZ 1966, 489, 498; Kühne, JZ 1981, 647, 652; Spangenberg, Beschlagnahme, 90. 373 Schmitt, ZeugnisverweigerungsR, 102 f. 374 Ein Rückgriff auf § 160 Abs. 2 S. 3 StPO n. F. ist trotz des Abs. 5 möglich, da § 97 StPO die Verwertbarkeit von beschlagnahmefreien Gegenständen nicht regelt, BT-Drucks. 16/5846, S. 38.

C. Ergebnis

267

Selbstbelastungsgefahr ausgesetzt ist, verschafft also auch dem Zweck des Untersuchungsrechts Geltung. Der PUA erhält vom Betroffenen zumindest strafrechtlich unverfängliche Auskünfte zum Untersuchungsgegenstand. Der Betroffene muss insoweit vor dem Parlament und dem Volk die Verantwortung für sein Verhalten übernehmen. Auch aus der Unanwendbarkeit des § 97 Abs. 1 StPO im PUV entstehen dem Betroffenen keine Nachteile. Zwar darf der Richter auf Ersuchen des Untersuchungsausschusses Gegenstände beschlagnahmen. Höchstpersönliche Unterlagen des Betroffenen, die er Familienangehörigen anvertraut hat, dürfen jedoch ebenso wenig beschlagnahmt werden wie vertrauliche Unterlagen des Betroffenen, die er seinem im konkreten PUV hinzugezogenen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte bzw. seinem Verteidiger im Strafverfahren oder einem Seelsorger überlassen hat. Ein Beschlagnahmeverbot besteht für den PUA zudem für solche Unterlagen, die der Betroffene den Zeugnisverweigerungsberechtigten im Sinne der §§ 52, 53, 53a StPO übergeben hat und die strafrechtlich belastende Informationen enthalten, wenn der PUA das konkrete strafrechtlich relevante Fehlverhalten des Betroffenen aufzuklären hat. Im Übrigen hat der PUA den Inhalt der beschlagnahmten Unterlagen des Betroffenen, die dieser Familienangehörigen oder Berufsgeheimnisträgern nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3–3b StPO anvertraut hat, geheim zu halten, in geheimer Sitzung zu erörtern und – soweit notwendig – im Abschlussbericht zu anonymisieren. Den Strafverfolgungsbehörden ist es nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG bzw. § 160a Abs. 2 S. 1 StPO untersagt, die vertraulichen Unterlagen des Betroffenen beim PUA zu beschlagnahmen, den PUA um Auskunft, Akteneinsicht und Aktenvorlage zu ersuchen. Eine Verletzung dieser Erhebungsverbote durch die Strafverfolgungsbehörden führt wegen der Bedeutung des Vertrauensverhältnisses des Beschuldigten zu den Vertrauenspersonen zu einem umfassenden strafprozessualen Verwertungsverbot.

4. Kapitel

Aufklärungsschwierigkeiten im PUV infolge des Nebeneinanders der Verfahren Die eingangs1 geschilderten Fälle zeigen, dass bei einer – teilweisen – Übereinstimmung der Gegenstände eines parlamentarischen Untersuchungsverfahrens und eines Strafverfahrens die Sachverhaltsaufklärung beeinträchtigt werden kann, indem wichtige Aussagepersonen unter Berufung auf ein Auskunftsverweigerungsrecht wegen laufender Ermittlungs- oder Strafgerichtsverfahren die Aussage und Herausgabe wichtiger Beweismittel verweigern. 1. Abschnitt

Zeugenvernehmung und Herausgabeverlangen A. Behinderung der Aufklärung im PUV im Fall der Aussage- und Mitwirkungsverweigerung I. Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts Wie oben dargelegt2, darf der Betroffene im PUV nur die Beantwortung selbstbelastender Fragen sowie die Herausgabe belastender Gegenstände verweigern. Steht die gesamte Aussage jedoch in einem engen und untrennbaren Zusammenhang mit einem – teilweise – strafrechtlich relevanten Sachverhalt, dann bringt die Beantwortung jeglicher Fragen den Betroffenen in die Gefahr der Selbstbelastung. Das ist vor allem der Fall bei Fragen, die ein Teilstück in einem mosaikartigen Beweisgebäude betreffen und deren Beantwortung (mittelbar) zu einer Belastung des Zeugen beitragen können.3 Ein partielles Auskunftsverweigerungsrecht schützt den Betroffenen dann nicht, sondern ihm ist ein umfassendes Aussageverweigerungs1

Vgl. B. Vgl. 3. Kapitel, B. IV. 2. b) aa), bb). 3 BVerfG, StV 2002, 177, 178; BGH, StV 1987, 328, 329; BGH, NStZ 1994, 499, 500; OVG Münster, NJW 1999, 80 f.; Danckert, ZRP 2000, 476, 477, Prittwitz, NStZ 1981, 463, 467. 2

A. Behinderung im Fall der Aussage- und Mitwirkungsverweigerung

269

recht zuzugestehen.4 Solche Konstellationen, in denen sich das Auskunftsverweigerungsrecht zum umfassenden Schweigerecht verdichtet, finden sich regelmäßig im Strafverfahren beim tatbeteiligten Zeugen5 und im parlamentarischen Untersuchungsrecht bei dem Zeugen, dessen Fehlverhalten direkt oder indirekt Gegenstand des Untersuchungsverfahrens ist. Diese weite Auslegung des Auskunftsverweigerungsrechts kehrt im parlamentarischen Untersuchungsrecht das Regel-Ausnahme-Verhältnis des Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 StPO um und kann dadurch die Sachverhaltsaufklärung im PUV weitgehend verhindern, weil sich die wichtigsten Aussagepersonen, nämlich die Schlüsselfiguren des Missstandes, regelmäßig auf ein umfassendes Schweigerecht nach dieser Vorschrift berufen können. Da häufig mehrere Personen in die politischen Machenschaften verwickelt sind, ist der Kreis der involvierten Personen entsprechend groß. Dieser Personenkreis wäre zwar wegen seiner Nähe zum Geschehen ein ideales Aufklärungsmittel, das dem PUA aber nicht zur Verfügung steht.6 Dem PUA ist es in diesem Fall auch verwehrt, gegenüber diesen schweigenden Zeugen Ordnungs- und Beugemittel nach § 70 StPO zu verhängen, weil die Zeugen wegen des umfassenden Schweigerechts berechtigt die Aussage verweigern.7 Dem PUA bleibt dann lediglich die Vernehmung von Randfiguren. Da dieser Personenkreis nur unzureichend über das Geschehen Bescheid weiß, also nur bruchstückhaft zur Aufklärung beitragen kann, ist der PUA häufig nicht imstande, den Untersuchungsauftrag zeitnah und vollständig zu erfüllen. Im äußersten Fall wird die Aufklärungsarbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses lahm gelegt. Hinzu kommt, dass die Pflicht zur Aussage in der öffentlichen Sitzung dem PUA eine intensive Befragung ermöglichen soll. Die Politiker sollen nicht nur vorbereitete Erklärungen vorlesen oder der Beantwortung von Fragen ausweichen, sondern für ihr Handeln die politische Verantwortung übernehmen8, um der Wählergemeinschaft das zur politischen Meinungsbildung erforderliche Tatsachenmaterial zur Verfügung zu stellen und so deren verlorenes Vertrauen durch ein Mindestmaß an Tatsachen wieder zurückzugewinnen9. 4 BGH, StV 1987, 328, 329; BGH, wistra 1988, 358; OVG Münster, NJW 1999, 80 f.; Dingeldey, JA 1984, 407, 410; Engels, Untersuchungsausschüsse, 91; MüllerChristmann, JuS 2000, 165, 167. 5 Prittwitz, NStZ 1981, 463, 467. 6 Allein im Parteispendenuntersuchungsausschuss des BT hatten sich insgesamt 24 Zeugen auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen und die Aussage verweigert, vgl. BT-Drucks. 14/9300, S. 87. 7 Danckert, ZRP 2000, 476; Schneider, NJW 2000, 3332, 3333. 8 Schneider, NJW 2001, 2604, 2605; Wolf, PUA und Strafjustiz, 132, 134. 9 Saarländischer VerfGH, NVwZ-RR 2003, 393, 395; Masing, ZRP 2001, 36, 39; Wolf, PUA und Strafjustiz, 133.

270

4. Kap., 1. Abschn.: Zeugenvernehmung und Herausgabeverlangen

Eine Zeugenaussage ist zudem gerade im PUV besonders wertvoll, auch wenn der Zeugenbeweis wegen des nachlassenden Erinnerungsvermögens der Aussageperson nicht ganz so zuverlässig ist wie ein Urkundsbeweis.10 Denn die Politiker haben nicht alle Vorgänge, die politisch – fehlerhaft – umgesetzt worden sind, schriftlich festgehalten, z. B. Telefongespräche, Treffen u. ä., so dass der PUA die Informationen nicht durch einen Urkundsbeweis ins Verfahren einführen kann.

II. Glaubhaftmachung der Gründe des Auskunftsverweigerungsrechts Zusätzlich behindern die geringen Anforderungen, welche die Rechtsprechung an die Glaubhaftmachung des Auskunftsverweigerungsrechts stellt, eine zeitnahe Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes. Der (betroffene) Zeuge ist – wie bereits oben erörtert11 – nicht dazu verpflichtet, die Gründe für sein Schweigerecht glaubhaft zu machen, wenn er dadurch den aufzuklärenden Sachverhalt offenbaren und sich der Gefahr einer Selbstbelastung aussetzen müsste. Würde der PUA vom (betroffenen) Zeugen auch in diesem Fall eine Darlegung der Gründe, die zur Auskunftsverweigerung berechtigen, verlangen, so liefe der Schutzzweck des § 55 StPO weitgehend leer. Daher muss sich der PUA unter Umständen damit begnügen, dass der Zeuge nach bestem Wissen eidlich versichert, die Beantwortung der Frage bringe ihn in die Gefahr einer Selbstbelastung. Die geringen Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Auskunftsverweigerungsrechts erschweren es dem PUA festzustellen, ob der Zeuge sich berechtigterweise auf das Auskunftsverweigerungsrecht beruft oder lediglich versucht, dem PUA eine den Untersuchungsgegenstand betreffende Aussage vorzuenthalten und dadurch die Aufklärungsarbeit sowie die Wahrheitsfindung zu behindern oder zu vereiteln.12 Dadurch kann der Zeuge faktisch weitgehend die Herrschaft über den Zugriff auf sein Wissen im PUV unkontrollierbar ausüben13 und den Fortschritt sowie die Richtung der Aufklärungsarbeit steuern. Dem PUA fehlen dann die Mittel zur Tatsachenaufklärung, die ihm die Verfassung durch die §§ 48 ff., 56, 70 StPO zur Verfügung stellt.

10 BVerfGE 77, 1, 48; BVerfG, NJW 1988, 890, 893; BVerwGE 109, 258, 268; LG Kiel, NVwZ 1994, 96, 97; Nack, Protokoll G 32/36. 11 3. Kapitel, B. IV. 2. b) aa) (4). 12 Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 218; Schneider, NJW 2000, 3332, 3333. 13 Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 218; Morlok, Protokoll G 32/33, 90.

A. Behinderung im Fall der Aussage- und Mitwirkungsverweigerung

271

III. Erweiterung des Auskunftsverweigerungsrechts durch § 22 Abs. 2 PUAG § 22 Abs. 2 PUAG erschwert die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses zusätzlich, weil er nicht nur – wie es § 55 StPO vorsieht – das Recht gibt, die Beantwortung von Fragen, die ihn der Gefahr einer Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens aussetzen, zu verweigern, sondern ihm ein Auskunftsverweigerungsrecht gewährt, sobald sich der Zeuge durch die Beantwortung von Fragen der Gefahr einer Untersuchung durch ein anderes gesetzlich geordnetes Verfahren aussetzen würde. Denn die Auskunftspersonen dürfen danach auch die Offenbarung solcher Tatsachen, die sie der Gefahr einer Minister-, Abgeordneten-, Präsidentenanklage oder eines beamtenrechtlichen Disziplinarverfahrens aussetzen würden, verweigern.14

IV. Missbrauchsgefahr Hinzukommt, dass der Betroffene die Voraussetzungen für ein Auskunftsverweigerungsrecht leicht selbst herbeiführen kann, indem er durch eine anonyme Anzeigenerstattung die Polizei oder Staatsanwaltschaft über den Sachverhalt in Kenntnis setzt und anregt zu prüfen, ob ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren einzuleiten ist.15 Die Staatsanwaltschaft muss dann gemäß § 160 StPO grundsätzlich dem anonymen Vortrag nachgehen und den Sachverhalt erforschen, sofern er nicht völlig abwegig oder substanzlos erscheint.16 § 152 Abs. 2 StPO verpflichtet sie bei Vorliegen eines Anfangsverdachts, gegen den Betroffenen das Ermittlungsverfahren einzuleiten. Ebenso einfach ist es, ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst einzuleiten, um sich in „zulässiger“ Weise auf das Auskunftsverweigerungsrecht berufen zu können. Der Betroffene muss die Einleitung des Disziplinarverfahrens nur beantragen.17 Die Initiative zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens könnte sogar durch Weisung von der Regierung ausgehen, um die Aufklärungsarbeit zu lähmen.18

14

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, BT-Drucks. 14/5790, zu § 22, S. 18. 15 Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 208, Fn. 2; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 116; Wolf, PUA und Strafjustiz, 139; ders., ZParl 2005, 876, 878. 16 Kramer, Grundbegriffe, Rn. 171, 173; Meyer-Goßner, StPO, § 160, Rn. 9. 17 Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 208, Fn. 2; Schneider, NJW 2001, 2604, 2607; Schulte, Jura 2003, 505, 510; Wolf, PUA und Strafjustiz, 140; ders., ZParl 2005, 876, 880. 18 Jacobi, 34. DJT/II, 69, 82 f.; Wolf, ZParl 2005, 876, 878.

272

4. Kap., 1. Abschn.: Zeugenvernehmung und Herausgabeverlangen

B. Förderung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses Wie schon im 2. Kapitel erörtert19, kann die Lösung nicht darin bestehen, eines der beiden Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des anderen Verfahrens auszusetzen, weil beide Verfahren verfassungsrechtlich legitimiert und von nahezu gleicher Bedeutung für die Allgemeinheit sind. Es bedarf deshalb eines Weges, der sowohl die Aufklärung im PUV und die Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs gewährleistet als auch dem verfassungsrechtlich verankerten (strafrechtlichen) Selbstbelastungsschutz Rechnung trägt. Das diese widerstreitenden Interessen zum Ausgleich bringende Lösungsmodell muss darüber hinaus der über Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG angeordneten sinngemäßen Geltung der Vorschriften des Strafverfahrens entsprechen.

I. Einsatz eines Ermittlungsbeauftragten Nach § 10 PUAG hat der PUA die Möglichkeit, einen Ermittlungsbeauftragten einzusetzen, der durch eine Vorermittlung die Beweismittel beschaffen, sichten und die zu beurteilenden Sachverhalte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aufbereiten soll, damit der PUA aufgrund der soliden Vorarbeit des Ermittlungsbeauftragten gezielter und schneller den Untersuchungsauftrag erfüllen kann.20 Das Gesetz will mit der Vorarbeit des Ermittlungsbeauftragten ermöglichen, dass der PUA früher als bislang weiß, welche Aussage der geladene Zeuge machen wird.21 Dadurch ist der Ausschuss unter Umständen befähigt zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine Auskunftsverweigerung tatsächlich vorliegen, und den Zeugen gegebenenfalls daran zu hindern, das Auskunftsverweigerungsrecht missbräuchlich auszuüben. Die Literatur vertritt zum Teil die Auffassung, der PUA verletze den auch im PUV geltenden Unmittelbarkeitsgrundsatz, wenn er sich nicht selbst die Beweismittel beschafft und die Tatsachengrundlagen ermittelt, sondern diese Arbeit auf den Ermittlungsbeauftragten überträgt.22 Über Art. 44 Abs. 1 GG stehe zudem das Beweiserhebungsrecht und damit schon 19

2. Kapitel, B. III. 4. BT-Drucks. 14/5790, S. 15; Plenarprotokoll 14/165, S. 16146, 16148; Bachmaier, NJW 2002, 348; Klein, FAZ vom 28.05.2001, S. 10; Schneider, NJW 2000, 3332, 3333; ders., NJW 2001, 2604, 2605. 21 Plenarprotokoll 14/165, S. 16146. 22 Plöd, Stellung des Zeugen, 90; Schneider, NJW 2001, 2604, 2608; Wolf, PUA und Strafjustiz, 92. 20

B. Förderung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses

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das Recht zur Beschaffung der Beweismittel allein dem PUA als Ganzem zu.23 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass allein die Vorarbeit eines Ermittlungsbeauftragten den Unmittelbarkeitsgrundsatz noch nicht beeinträchtigt. Auch im Strafverfahren führen Staatsanwaltschaft und Polizei Vorermittlungen durch, ohne dass darin eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes zu sehen ist. Die Prozessbeteiligten führen die Beweismittel nämlich in die öffentliche Hauptverhandlung ein, erörtern sie dort öffentlich, so dass sich das Gericht selbst einen unmittelbaren persönlichen Eindruck von den Beweismitteln verschafft. Ähnlich erfolgt dies auch im PUV. Nach § 13 PUAG erhebt der PUA die Beweise in öffentlicher Sitzung, so dass die Ausschussmitglieder selbst die Beweismittel, wie Zeugenaussagen und Urkunden, wahrnehmen.24 Allerdings ist der Ermittlungsbeauftragten bei der Beschaffung des Tatsachenmaterials auf die freiwillige Mitwirkung und die bloße informatorische Anhörung von Personen unter Ausschluss von Zwangsmitteln beschränkt. Gemäß § 10 Abs. 3 PUAG hat der Ermittlungsbeauftragte nur das Recht, die Herausgabe von Beweismitteln zu verlangen, den Augenschein einzunehmen und Personen informatorisch anzuhören. Kommt der Betreffende seiner Mitwirkungspflicht nicht freiwillig nach, so kann der Ermittlungsbeauftragte keine Zwangsmittel einsetzen, sondern er bedarf eines Beweisbeschlusses des Untersuchungsausschusses, da die Anwendung von Zwang allein dem Ausschuss vorbehalten ist. Daher wird der Einsatz eines Ermittlungsbeauftragten zur Lösung des Konflikts, den das Auskunftsverweigerungsrecht innerhalb der Aussageund Herausgabepflicht des Betroffenen verursacht, nur wenig beitragen. Ist der Ermittlungsbeauftragte auf die freiwillige Mitwirkung angewiesen und stehen ihm keine weiter gehenden Aufklärungsmöglichkeiten zu als dem PUA, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit vor derselben „Schweigemauer“ stehen wie dieser25 und die Sachlage für den PUA auch nicht immer umfassend vorbereiten können26. Der Zweck des Einsatzes eines Ermittlungsbeauftragten besteht im Übrigen auch nicht in der Auflösung des Konflikts, den das Auskunftsverweigerungsrecht verursacht, sondern darin, die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu beschleunigen und zu erleich23 Plöd, Stellung des Zeugen, 90; Rogall, Protokoll G 32/105; Schröder, Protokoll G 32/66. 24 Bachmaier, NJW 2002, 348. 25 Ähnlich die Kritik von Gres, Protokoll G 32/22 an einem in den Beratungen zum PUAG diskutierten Unterausschuss. 26 CMS Hasche/Sigle/Eschenlohr/Peltzer, Protokoll G 32/116; Gres, Protokoll G 32/22.

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4. Kap., 1. Abschn.: Zeugenvernehmung und Herausgabeverlangen

tern27. Die Feststellung, ob die Voraussetzungen für eine Auskunftsverweigerung vorliegen, ist allenfalls eine – nicht unerwünschte – Nebenfolge der Vorarbeit. Wegen der Beschränkung auf die Befugnisse des Untersuchungsausschusses und dem Fehlen von Sanktionsmöglichkeiten des Ermittlungsbeauftragten im Fall der Verweigerung einer freiwilligen Mitwirkung wird dieser Effekt aber nur selten tatsächlich eintreten.

II. Uneingeschränkte Aussage- und Herausgabepflicht im PUV Das Aufklärungsdefizit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses bestünde nicht, wenn der Betroffene einer vollständigen Aussage- und Herausgabepflicht unterliegen würde.28 Ein genereller Ausschluss eines Aussage- und Herausgabeverweigerungsrechts für alle Aussagepersonen würde den PUA in die Lage versetzen, seine Aufklärungsarbeit lückenlos und schnell zu betreiben und damit die Kontrollfunktion des Parlaments und die politische Meinungsbildung zu gewährleisten. Insbesondere die Zentralfiguren des Geschehens wären daran gehindert, sich ihrer Rechenschaftspflicht gegenüber der Bevölkerung und dem Parlament zu entziehen, indem sie unter Berufung auf eine Selbstbelastungsgefahr in einem parallelen Strafverfahren ein Aussage- bzw. Auskunftsverweigerungsrecht geltend machen. Der Wortlaut des Art. 44 Abs. 1, 2 S. 1 GG spricht nicht gegen eine umfassende Aussage- und Herausgabepflicht. Zwar verweist Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG auf die Regelungen der StPO und damit auch grundsätzlich auf das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG ordnet aber nur die sinngemäße Geltung der strafprozessualen Vorschriften an. Die Übertragung muss also dem Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens entsprechen. Ist das nicht der Fall, sind die strafprozessualen Normen gegebenenfalls zu modifizieren oder sie können sogar unanwendbar sein. Gegen die Einräumung der strafverfahrensrechtlichen Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte spricht jedenfalls, dass sie die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses erheblich erschweren. Für ihre Geltung ist jedoch ins Feld zu führen, dass der PUA bei seiner Beweiserhebung nach Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG die rechtsstaatlichen Grundsätze und die Grundrechte zu achten hat. Da der Betroffene bei Annahme einer unbeschränkten Aussage- und Herausgabepflicht unter Umständen auch ver27

So jedenfalls die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/5790, S. 15. Mit diesem Thema befassten sich auch die Teilnehmer auf dem 51. Deutschen Anwaltstag, vgl. Beilage zur NJW 2000, Heft 34, S. 5. 28

B. Förderung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses

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pflichtet wäre, sein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten zu offenbaren und belastende Gegenstände herauszugeben und nach § 70 StPO mit Zwangsmitteln, deren Anwendung der PUA beim Gericht29 beantragen muss, zur Erfüllung dieser Pflichten gezwungen werden könnte, stellt sich die Frage, ob eine generelle Aussage- und Herausgabepflicht des Betroffenen noch mit dem nemo-tenetur-Grundsatz zu vereinbaren wäre. 1. Vereinbarkeit mit dem nemo-tenetur-Prinzip a) Inhalt und Herleitung des nemo-tenetur-Prinzips Der nemo-tenetur-Grundsatz verbietet, jemanden zu zwingen, sich selbst durch eine Aussage und Mitwirkung im Strafverfahren zu belasten und damit zu seiner eigenen Überführung beizutragen.30 Auch Abgeordnete und Amtsträger können sich trotz ihrer Verbindung zum Staat und der daraus resultierenden Rechenschaftspflicht auf den Schutz durch das nemo-tenetur-Prinzip berufen. Da ihnen gegenüber im Strafverfahren ein sozialethisches Unwerturteil getroffen und eine Sanktion verhängt wird, werden die Abgeordneten und Amtsträger in ihrem persönlichen Freiheitsbereich betroffen. Sie bedürfen im Strafverfahren – ebenso wie jeder andere Bürger – eines besonderen Schutzes, da sie sich in einer emotional stark belastenden Situation befinden und persönlich mit ihrem Vermögen oder ihrer Freiheit „haften“.31 Das nemo-tenetur-Prinzip bewahrt die Aussageperson vor der Androhung sowie Anwendung von Zwang zur Selbstbelastung und damit vor Eingriffen in die Willensentschließungsfreiheit. Die Aussageperson hat das Recht, darüber zu entscheiden, ob sie freiwillig selbstbelastende Tatsachen offenbaren will.32 Eine durch Zwang erzielte Aussage oder Mitwirkung im Strafverfahren greift in die Handlungsfreiheit und in die Menschenwürde des Aussagenden bzw. Mitwirkenden ein, weil er unmittelbar an seiner eigenen Überführung mitwirken muss und dadurch zum bloßen Objekt des Strafverfahrens degradiert wird.33 29

3. Kapitel, B. IV. 1. c). BVerfGE 38, 105, 113; 56, 37, 49; BGHSt. 34, 39, 46; 36, 328, 332; BGH, NStZ 1996, 502, 504. 31 BVerfG, NJW 2001, 1633, 1637 allgemein zum Persönlichkeitsschutz von Politikern, Mandats- und Amtsträgern; Bräcklein, ZRP 2003, 348, 352; Masing, ZRP 2001, 36, 41; ders., FAZ vom 08.02.2001, S. 14. 32 Bosch, nemo-tenetur, 121. 33 BVerfGE 6, 32, 41; 30, 1, 9; 56, 37, 41, 42; Besson, Steuergeheimnis, 81; Heerspink, wistra 2001, 441, 443; Höfling, JuS 1995, 857, 859; Niebler, BayVBl. 1989, 737, 739; Rogall, StV 1996, 63, 64; ders., StV 1996, 68, 69; Schäfer, Dünnebier-FS, 11, 30; Stürner, NJW 1981, 1757. 30

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4. Kap., 1. Abschn.: Zeugenvernehmung und Herausgabeverlangen

Nach herrschender und zutreffender Ansicht hat der nemo-tenetur-Grundsatz seine verfassungsrechtliche Grundlage im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG34 i. V. m. dem Recht auf ein faires Verfahren.35 Unabhängig von dem Streit, ob die Menschenwürdegarantie als bloße objektive Werteordnung36 oder als eigenes Grundrecht37 bei der dogmatischen Herleitung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts heranzuziehen ist, geht die überwiegende Ansicht davon aus, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht primär in Art. 2 Abs. 1 GG niedergelegt und an dessen Schranken zu messen ist, der Menschenwürdegehalt aber bei der inhaltlichen Auslegung und der Bestimmung der Reichweite des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts bedeutsam ist.38 Die Menschenwürde verstärkt dadurch zugleich den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, da sie einen strengeren Rechtfertigungsmaßstab für Eingriffe in dessen Schutzbereich aufstellt, als dies bei bloßen Eingriffen in die allgemeine Handlungsfreiheit der Fall ist.39 Die Heranziehung der Menschenwürde zur Konkretisierung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat daher nicht zur Konsequenz, dass zwei Grundrechte beeinträchtigt werden. Es ist allein das 34

BVerfGE 56, 37, 43, 49; BGH NStZ 1996, 502, 504; Bärlein/Pananis/Rehmsmeier, NJW 2002, 1825; Böse, wistra 1999, 451; Dingeldey, NStZ 1984, 529 ff.; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 433; Wolf, PUA und Strafjustiz, 115; zu weiteren verfassungsrechtlichen Herleitungsversuchen Berthold, nemo-tenetur, 5, 12; Besson, Steuergeheimnis, 73 ff.; Böse, GA 2002, 98 ff. 35 Das Recht auf ein faires Verfahren ist ein akzessorisches Recht, das dazu verpflichtet, bereits bestehende Rechte effektiv umzusetzen. Damit kann es also nicht eigenständige Grundlage für das nemo-tenetur-Prinzip sein, sondern es bedarf zu seiner Ausfüllung bereits bestehender Rechte; vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner GG, Art. 2, Rn. 86; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 140; Wichmann, Berufsgeheimnis, 127; Wolf, PUA und Strafjustiz, 104 f. 36 Für dieses Verständnis der Werteordnung als bloße objektiv-rechtliche Verpflichtung und nicht als selbstständiges Grundrecht spricht der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1, 3 GG („sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt“ oder „die nachfolgenden Grundrechte“) und die fehlende ausdrückliche Ausprägung als subjektives Recht; so auch Dürig in: M/D/H, GG, Art. 2, Rn. 13; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2, Rn. 15; Murswiek in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 136; Wolter, NStZ 1993, 1, 3. 37 Höfling, JuS 1995, 857, 858, der Art. 1 GG als eigenständiges Grundrecht ansieht. Der Begründungsversuch über Art. 1 Abs. 3 GG sei reiner „spitzförmiger Formalismus“. Seine Ansicht werde durch Art. 142 GG bestätigt, der den Grundrechtscharakter des Art. 1 GG voraussetze. 38 BVerfGE 54, 148, 153 f.; Dreier, GG, Art. 2, Rn. 68; Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 38, 39; Lücke, DÖV 2002, 93, 95; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2, Rn. 15. 39 BVerfGE 34, 238, 245; 54, 148, 153; Dreier, GG, Art. 2, Rn. 68; Geis, JZ 1991, 112, 113; Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 38, 39; Lücke, DÖV 2002, 93, 95 ff.; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2, Rn. 15; Murswiek in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 62.

B. Förderung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses

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Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt40, bei dessen Auslegung Art. 1 GG jedoch als Interpretationshilfe dient. Das BVerfG schreibt dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht einen „unantastbaren Bereich“ zu, der sich zum einen aus der Menschenwürdegarantie des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie zum anderen aus der Wesensgehaltsgarantie nach Art. 19 Abs. 2 GG ableitet und jedem staatlichen Zugriff entzogen ist.41 b) Reichweite des nemo-tenetur-Prinzips aa) Persönlicher Schutzbereich im Strafverfahren Der nemo-tenetur-Grundsatz kommt in dem Schweigerecht des Beschuldigten nach §§ 136, 136a StPO und dem Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen nach § 55 StPO zum Ausdruck.42 In erster Linie schützt der nemotenetur-Grundsatz zwar die Willensentschließungsfreiheit des Beschuldigten, der sonst entweder an seiner strafrechtlichen Überführung eigenhändig mitwirken oder – im Fall einer Mitwirkungsverweigerung – Zwangsmaßnahmen hinnehmen müsste. Das Prinzip gilt aber auch für Zeugen und Sachverständige, die grundsätzlich einer umfassenden Aussage- und Wahrheitspflicht unterliegen, unter Umständen aber ebenfalls der Gefahr einer Selbstbelastung ausgesetzt sein können. Die Zwangslage, in der sich der Zeuge oder Sachverständige dann durch die ihm auferlegte und nach § 70 bzw. § 77 StPO mittels Ordnungs- und Zwangsmaßnahmen durchsetzbare Aussage- und Herausgabepflicht befindet, ist der des Beschuldigten ähnlich, weil der Zeuge oder Sachverständige mittelbar Beweismaterial für die eigene strafrechtliche Überführung liefern müsste. Das rechtfertigt es, den nemo-tenetur-Grundsatz auch auf diesen Personenkreis auszudehnen.43 § 55 StPO und § 77 StPO gestehen deshalb Zeugen sowie Sachverständigen das Recht zur Auskunftsverweigerung zu, wenn sie sich durch die Offenbarung der Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit aussetzen würden. Darüber hinaus bleiben sie aber zur Aussage verpflichtet, während der Beschuldigte in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren umfassend schweigen darf. 40

Dreier, GG, Art. 2, Rn. 68; Murswiek in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 62, 63. BVerfGE 34, 238, 245; 54, 148, 153. 42 BVerfGE 38, 105, 113; BGHSt. 11, 213, 216; 20, 281, 282; BGH, NStZ 1996, 502, 504; BGH, NJW 1992, 2304, 2305; Dahs/Langkeit, NStZ 1993, 213, 214; Heerspink, wistra 2001, 441, 446. 43 BVerfG, StV 2001, 257, 258; BVerfG, StV 2002, 177; Bärlein/Pananis/Rehmsmeier, NJW 2002, 1825; Besson, Steuergeheimnis, 86; Dingeldey, JA 1984, 407, 410; Duttge, JZ 1996, 556, 562; Heerspink, wistra 2001, 441, 446; i. E. auch Müller, wistra 2001, 167, 171. 41

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4. Kap., 1. Abschn.: Zeugenvernehmung und Herausgabeverlangen

bb) Geltung in anderen Verfahren Der nemo-tenetur-Grundsatz gilt nicht nur im Strafverfahren, sondern ebenso in anderen Verfahren, d.h. auch im PUV. Nach Auffassung des BVerfG kommt das nemo-tenetur-Prinzip in allen Verfahren zur Anwendung, in denen der Staat eine dem Strafurteil vergleichbare repressive Sanktion verhängt. Hierzu zählen nach Ansicht der Rechtsprechung und eines Teils der Literatur insbesondere Disziplinar- und berufsgerichtliche Verfahren44 sowie Verfahren, die aufgrund einer Präsidenten-, Minister-, Abgeordneten- und Richteranklage stattfinden45. Nach zutreffender Auffassung ist zudem die Verhängung einer Geldbuße mit einer strafgerichtlichen Verurteilung vergleichbar, weil die Geldbuße teilweise sehr hoch sein und den Betroffenen daher genauso oder ähnlich schwer wie eine Geldstrafe belasten kann.46 Der PUA verhängt dagegen unmittelbar keine Sanktion gegen den Betroffenen.47 Das nemo-tenetur-Prinzip schützt aber auch davor, dass der Betroffene sich durch eine erzwungene Aussage im PUV selbst strafrechtlich belastet, indem die Strafverfolgungsbehörde die bekannt gewordene selbstbelastende Tatsachenäußerung wegen des grundsätzlich freien Informationsaustausches in das sanktionsbewehrte Verfahren einführt und der Betroffene dadurch mittelbar zur Sanktionierung seines Verhaltens beitragen würde. Um eine derartige Umgehung des im Grundgesetz verankerten Selbstbelastungsverbots zu verhindern, muss der nemo-tenetur-Grundsatz in allen sanktionslosen Verfahren, in denen ein sanktionierbares Verhalten zur Sprache kommt, ebenso gelten.48 Der nemo-tenetur-Grundsatz ist also im PUV zu beachten.

44 BVerfGE 56, 37, 43, 49; BGHSt. 37, 340, 342; Buchholz, Untersuchungsausschuss, 95 f.; Koch, ZParl 1996, 405 ff.; Schäfer, Dünnebier-FS, 11, 31. 45 BGHSt. 17, 128, 135; OLG Köln, NJW 1988, 2485, 2487; Dahs in: LR, StPO, § 55, Rn. 9; Gollwitzer, Dünnebier-FS, 327, 342; Koch, ZParl 1996, 405 ff.; MeyerGoßner, StPO, § 55, Rn. 4; Schleich, UntersuchungsR, 41. 46 BVerfGE 55, 144, 150; Dingeldey, NStZ 1984, 529, 531; Rogall in: SK, StPO, vor § 133, Rn. 148; Schäfer, Dünnebier-FS, 11, 48 ff. 47 1. Kapitel, B. II. 2. b) bb); 3. Kapitel, B. II. 1. 48 BVerfGE 56, 37, 48 ff.; Böse, wistra 1999, 451, 452; Buchholz, Untersuchungsausschuss, 82, 96; Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 219; Miebach, NStZ 2000, 234, 235; Nack, Protokoll G 32/93, 94; ähnlich Reiß, Besteuerungsverfahren, 191; Richter, wistra 2000, 1; Rogall in: SK, StPO, vor § 133, Rn. 142; Schäfer, FAZ vom 23.03.2000, S. 5; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 251 f.; Wolf, PUA und Strafjustiz, 116 f.

B. Förderung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses

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cc) Anwendbarkeit auf die Herausgabepflicht (1) Keine Beschränkung auf kommunikative Akte Zum Teil wird der nemo-tenetur-Grundsatz auf kommunikative Akte beschränkt, so dass eine mit Zwangsmitteln durchsetzbare Herausgabepflicht des Betroffenen nicht gegen das Prinzip verstoßen würde. Dies folge schon aus der historischen Entwicklung des nemo-tenetur-Grundsatzes. Zudem vermeide diese Sicht Abgrenzungsschwierigkeiten. Die Androhung bzw. Anwendung von Zwang zur Durchsetzung einer Herausgabepflicht unterfalle dem nemo-tenetur-Grundsatz nicht, weil der Mitwirkungspflichtige an der Offenlegung eigener Verfehlungen nicht so unmittelbar und aktiv mitwirken müsse wie ein Auskunftspflichtiger. Weder der StPO noch dem OWiG sei zu entnehmen, dass der Gesetzgeber auch andere Erkenntnismöglichkeiten, die den Bereich der Aussagefreiheit nicht berühren, einschränken wollte.49 Diese Auffassung kann nicht überzeugen. Durch die Herausgabe von Beweismitteln, die zu seiner Überführung geeignet sind, belastet sich der Beschuldigte in gleicher Weise wie durch die Äußerung belastender Umstände. Die psychische Belastung durch die Erfüllung der Herausgabepflicht entspricht der, die aus einer erzwungenen selbstbelastenden Aussage resultiert.50 Es erscheint deshalb willkürlich, im ersten Fall einen Zwang zuzulassen, im zweiten dagegen nicht. (2) Differenzierung nach Aktivität und Passivität Nach h. M. schützt der nemo-tenetur-Grundsatz nur vor der Androhung bzw. Anwendung von Zwang zur Selbstbelastung durch eine aktive Mitwirkung bzw. Aussage, nicht hingegen vor Selbstbelastungen durch Maßnahmen, die der Betroffene/Beschuldigte lediglich passiv zu dulden hat.51 Der Beschuldigte darf also nicht zwangsweise zur Herausgabe bzw. Offenbarung belastenden Materials bewegt werden. Derartiges belastendes Mate49 BVerfGE 55, 144, 150 f. – das Gericht beschränkt in dieser Entscheidung das nemo-tenetur-Prinzip außerhalb des Strafverfahrens im öffentlich-rechtlichen Bereich auf Aussagen; Lorenz, JZ 1992, 1000, 1006; Müller, wistra 2001, 167, 169; Richter, wistra 2000, 1, 3; Verrel, NStZ 1997, 361, 363. 50 I. E. Meyer-Goßner, StPO, § 95, Rn. 5; Rogall in: SK, StPO, vor § 133, Rn. 143. 51 EGMR, NJW 2002, 499, 501; BVerfGE 56, 37, 42; BGHSt. 34, 39, 45 f.; BGH, NStZ 1996, 502, 504; Bärlein/Pananis/Rehmsmeier, NJW 2002, 1825, 1826; Dingeldey, NStZ 1984, 529, 534; Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 64; Müller, wistra 2001, 167, 170; Rogall in: SK, StPO, vor § 133, Rn. 141; Spangenberg, Beschlagnahme, 95, 97; Verrel, NStZ 1997, 361, 362, 363, 415, 417 ff.

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4. Kap., 1. Abschn.: Zeugenvernehmung und Herausgabeverlangen

rial darf aber – notfalls unter Einsatz von Zwangsmitteln – bei ihm beschlagnahmt werden. Eine Ausdehnung des nemo-tenetur-Grundsatzes auf passive Duldungspflichten sei abzulehnen, weil die Ermittlungsmaßnahmen, die eine bloße Duldung der Maßnahme abverlangen, weniger in die Willensentschließungsfreiheit eingreifen als die Nötigung, durch eigene Äußerungen oder Mitwirkungen strafbare Handlungen offen legen zu müssen.52 Das Selbstschutzinteresse sei nur zu beachten, wenn der Beschuldigte „eigenhändig“ aktiv an seiner Überführung mitwirken müsse.53 Eine im Vordringen befindliche Auffassung hält jedoch die Unterscheidung zwischen Aktivität und Passivität für unzureichend, um die Grenze des nemo-tenetur-Grundsatzes zu bestimmen.54 Eine Abgrenzung beider Fälle sei wegen der fließenden Übergänge schwierig, so dass die Bestimmung über die Anwendung des nemo-tenetur-Grundsatzes nach anderen Kriterien erfolgen müsse.55 Richtig ist, dass es bisweilen – insbesondere in Randbereichen – schwer fällt, die Abgrenzung Aktivität/Passivität konsequent durchzuführen. Wird beispielsweise bei der Gegenüberstellung dem Betroffenen eine Sprechprobe oder das Einnehmen einer bestimmten Haltung abverlangt, um seine Täterschaft feststellen zu können, ist sein Verhalten nicht rein passiv zu werten, sondern der Betroffene muss Energie aufwenden und aktiv mitwirken. Nach h. M. ist es zulässig, dem Beschuldigten die Pflicht aufzuerlegen, an einer Gegenüberstellung mitzuwirken.56 Auch die Blutentnahme nach § 81a StPO ist zulässig, obwohl der Beschuldigte zum Ort der Blutentnahme mitgeht, also aktiv ist. Um eine willkürliche Handhabung des nemo-tenetur-Grundsatzes, insbesondere bei einem Zusammentreffen von Handlungs- und Duldungspflichten, zu vermeiden, sind mehrere Faktoren bei der Abgrenzung zu berücksichtigen. Da der Schutz der Willensentschließungsfreiheit der maßgebliche Grund für die Geltung des nemo-tenetur-Prinzips ist, wird die durch die auferlegte konkrete Pflicht entstandene Selbstbelastungswirkung, d.h. das Maß der 52

BVerfGE 56, 37, 42, 43. Rogall in: SK, StPO, vor § 133, Rn. 136; Stürner, NJW 1981, 1757. 54 Bosch, nemo-tenetur, 277 f.; Grünwald, JZ 1981, 423, 428 f.; Lorenz, JZ 1992, 1000, 1005 f.; Verrel, NStZ 1997, 415, 417 f.; Wolfslast, NStZ 1987, 103, 104. 55 Bosch, nemo-tenetur, 277 f.; Grünwald, JZ 1981, 423, 428; Lorenz, JZ 1992, 1000, 1005; Verrel, NStZ 1997, 415, 417; Wolfslast, NStZ 1987, 103, 104. 56 BGHSt. 34, 39, 49; 39, 96, 98 f.; KG, NJW 1979, 1668, 1669 – beide beschränkt auf die passive Duldung des bloßen Augenscheins, ohne eine bestimmte Haltung oder Mimik einnehmen zu müssen; Beulke, StrafprozessR, Rn. 127; MeyerGoßner, StPO, § 58, Rn. 9. 53

B. Förderung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses

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psychischen Belastung durch die auferlegte Pflicht relevant.57 Des Weiteren ist entscheidend, ob der offenbarte Umstand einen hohen Persönlichkeitsbezug aufweist.58 Durch eine Aussage muss der Beschuldigte Informationen über die von ihm begangene Straftat offenbaren. Diese Offenbarung steht in sehr engem Zusammenhang mit dem Innersten des Beschuldigten und ihr kommt daher eine große Persönlichkeitsnähe zu. Andere Mitwirkungshandlungen müssen den gleichen oder zumindest einen ähnlich intensiven Persönlichkeitsbezug aufweisen, um in den Geltungsbereich des nemo-teneturGrundsatzes einbezogen werden zu können. Für die Herausgabe belastender Gegenstände ist ein vergleichbarer Persönlichkeitsbezug gegeben, weil der Beschuldigte selbst die Unterlagen oder Gegenstände, die seine innersten Gedanken und Gefühle enthalten können oder häufig aus seinem persönlichen Bereich stammen, der dem Zugriff der Öffentlichkeit entzogen ist, übergibt und bei der Aufklärung der Tat mitwirkt. Da außerdem erst die Eignung der offenbarten Tatsache als Beweismaterial eine Selbstbelastungswirkung herbeiführen kann, ist als dritter Aspekt die Beweiseignung der offenbarten Tatsachen zur Bestimmung der Anwendbarkeit des nemo-tenetur-Grundsatzes heranzuziehen.59 Die Aussage des Beschuldigten ist ein wichtiges Beweismittel zur Überführung des Täters. Anderen Mitwirkungshandlungen muss deshalb ebenfalls ein vergleichbarer eigenständiger Beweiswert zukommen. Einen solchen besitzen z. B. die vom Beschuldigten herausgegebenen belastenden Unterlagen, aber auch die bei der grundsätzlich nur zu duldenden Gegenüberstellung abzugebende Sprechprobe oder die Einnahme einer bestimmten Haltung, weil der Zeuge den Beschuldigten durch diese Handlungen besser als Täter identifizieren kann. Der Beschuldigte gerät dadurch in eine ähnlich hohe Bedrängnis wie bei einer belastenden Aussage. Anders liegt es beim bloßen Mitgehen zur Blutentnahme oder beim Hinhalten des Armes. Diese Maßnahmen beschränken sich nur auf die Ermöglichung der Blutentnahme, bergen aber in sich nicht schon selbst die Gefahr einer Selbstbelastung. Der Beweiswert resultiert nämlich erst aus der Blutentnahme.60 Diese Verhaltensweisen fallen folglich aus dem Schutzbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes heraus. Dennoch ist grundsätzlich daran festzuhalten, dass der nemo-teneturGrundsatz verbietet, den Betroffenen durch Zwang dazu zu bewegen, aktiv und eigenhändig an seiner Überführung mitzuwirken, nicht dagegen, etwas nur zu dulden. Bei der Pflicht zur Duldung einer Maßnahme resultiert die 57 Bosch, nemo-tenetur, 281; Hefendehl, wistra 2003, 1, 8; Verrel, NStZ 1997, 415, 418 f.; Wolfslast, NStZ 1987, 103, 104. 58 Verrel, NStZ 1997, 415, 418. 59 Bosch, nemo-tenetur, 284; Verrel, NStZ 1997, 415, 418; Wolfslast, NStZ 1987, 103, 104. 60 Verrel, NStZ 1997, 415, 418.

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4. Kap., 1. Abschn.: Zeugenvernehmung und Herausgabeverlangen

Belastung nämlich in der Regel erst aus der eigenen Ermittlung der Behörde, so dass sich in der Überführung des Täters nur das allgemeine Entdeckungsrisiko realisiert.61 Die Selbstbelastungswirkung und damit der Eingriff in die Willensentschließungsfreiheit sind größer, wenn der Betroffene aktiv an seiner Überführung mitwirken muss.62 Der nemo-tenetur-Grundsatz gilt somit auch bei einem Zusammentreffen von Mitwirkungs- und Duldungspflichten, wenn der Beschuldigte eine zumindest nicht völlig unbedeutende aktive Mitwirkungshandlung, die einen eigenen Beweiswert besitzt, vornimmt.63 c) Begriff des „Zwangs“ Nicht jede Konfliktlage des Betroffenen stellt allerdings einen verbotenen Zwang zur Selbstbelastung dar. Was unter „Zwang“ im Sinne des nemo-tenetur-Grundsatzes zu verstehen ist, ist strittig. aa) Auffassungen in der Literatur Zum Teil verlangt die Literatur für eine Zwangswirkung im Sinne des nemo-tenetur-Grundsatzes, dass der Mitwirkende in einen Konflikt gerät, sich entweder selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen, durch eine Falschaussage eine neue Straftat zu begehen oder wegen des Schweigens staatlichen Zwangsmitteln ausgesetzt zu sein.64 Andere definieren „Zwang“ als jede unmittelbare oder mittelbare Ausübung von Druck, wie das Inaussichtstellen von Rechtsnachteilen wegen der Verweigerung von Mitwirkungshandlungen, um den Pflichtigen final zu einer selbstbelastenden Aussage oder Mitwirkung zu veranlassen. Danach läge ein Zwang vor, wenn die angedrohten Nachteile an die Verletzung der Auskunftspflicht anknüpfen, indem entweder staatliche Zwangsmittel die Auskunftspflicht durchsetzen oder wegen der Pflichtverletzung Ahndungsmöglichkeiten (Geldbuße, Kriminalstrafe) bestehen, um den Auskunftspflichtigen zur Erfüllung seiner Aussagepflicht zu veranlassen.65 61

Müller, wistra 2001, 167, 170; Verrel, NStZ 1997, 415, 417. BVerfGE 56, 37, 42. 63 Bosch, nemo-tenetur, 284; Verrel, NStZ 1997, 415, 418. 64 Bärlein/Pananis/Rehmsmeier, NJW 2002, 1825, 1827; Dingeldey, NStZ 1984, 529, 531; Ranft, StV 2000, 520, 522; Reiß, NJW 1982, 2540 f.; Schäfer, DünnebierFS, 11, 29; Verrel, NStZ 1997, 415, 416. 65 Böse, wistra 1999, 451, 453; Kadelbach, StV 1992, 506, der eine Zwangswirkung im Sinne des nemo-tenetur-Grundsatzes auch bejaht, wenn die Ausländerbehörde gegen den Asylbewerber aufenthaltsbeendende Maßnahmen einleitet, indem 62

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Eine weitere Auffassung versteht unter „Zwang“ im Sinne des nemo-tenetur-Grundsatzes sowohl den abstrakten als auch den konkreten Zwang. Um konkreten Zwang handele es sich, wenn die Mitwirkungspflicht durch bestimmte Maßnahmen durchgesetzt werden soll. Abstrakter Zwang bestehe dagegen bereits bei dem bloßen Vorliegen einer Mitwirkungspflicht.66 bb) Rechtsprechung Die Rechtsprechung bejaht einen Zwang im Sinne des nemo-tenetur-Prinzips, wenn die Aussageperson zur Aussage verpflichtet ist und der Staat Zwangsmittel androhen und anwenden darf, um die Aussagepflicht bei unberechtigter Mitwirkungsverweigerung durchzusetzen.67 Die Androhung oder Anwendung staatlicher Zwangsmittel zur Durchsetzung der Aussagepflicht sei mit der Verfassung nur vereinbar, wenn der Aussageperson entweder ein Schweige- oder Auskunftsverweigerungsrecht bei drohender Selbstbelastungsgefahr gewährt oder die Geheimhaltung der selbstbelastenden Umstände bzw. ein Verwertungsverbot für die selbstbelastende Aussage im Strafverfahren angeordnet wird, damit die selbstbelastenden Informationen der Aussageperson in einem Strafverfahren nicht zum Nachteil gereicht.68 Verneint hat die Rechtsprechung dagegen einen Zwang im Sinne des nemo-tenetur-Prinzips, wenn die Aussageverweigerung durch den Auskunftspflichtigen nur ein finanzielles oder sonstiges Übel – beispielsweise eine drohende Abschiebung – zur Folge hat. In diesen Fällen sei es der Aussageperson zuzumuten, sich zwischen der Möglichkeit, zu schweigen und das finanzielle oder sonstige Übel auf sich zu nehmen oder aber der Alternative, das Übel durch eine selbstbelastende Aussage abzuwenden, zu entscheiden.69 Überwiegend hält es die Rechtsprechung mit dem nemo-tenetur-Prinzip für vereinbar, wenn z. B. der Versicherungsnehmer, der sich sie ihn innerhalb einer gesetzten Frist und unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise auffordert, weil er nicht seiner Aussagepflicht im Asylantragsverfahren nachgekommen ist. Als Zwangsmaßnahme werde bei einer Verweigerung der Aussage die Abschiebehaft verfügt. Um dieser zu entgehen, muss der Asylbewerber möglicherweise den Sachverhalt, der die Gefahr der Selbstbelastung begründet, vollständig darlegen; Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 219; Rogall in: SK, StPO, vor § 133, Rn. 139. 66 Besson, Steuergeheimnis, 88 ff. 67 BVerfGE 56, 37, 41, 47; BVerfG, NStZ 1995, 599, 600; BGHSt. 36, 328, 332, 333; 37, 340, 342 f. – §§ 900, 901 ZPO zur Durchsetzung der Offenbarungspflicht des Zwangsvollstreckungsschuldners; KG, NStZ 1995, 146, 147. 68 BVerfGE 56, 37, 45, 47, 51; BGHSt. 37, 340, 343. 69 BVerfG, NStZ 1995, 599, 600; BGHSt. 36, 328, 334; KG, NStZ 1995, 146 f.; OLG Düsseldorf, NStZ 1992, 349, für den Fall, dass ein Ausländer umfassend – gegebenenfalls auch selbstbelastend – aussagt, um Asyl gewährt zu bekommen

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wegen einer strafrechtlichen Selbstbelastungsgefahr weigert, den Sachverhalt zur Schadensregulierung aufzuklären, den entstandenen Schaden nach den versicherungsvertraglichen Vereinbarungen selbst zu tragen habe.70 Der Verlust des Versicherungsschutzes sei nicht dem Übel, das durch den Einsatz staatlicher Zwangsmittel drohe, vergleichbar, zumal die Schadenshöhe begrenzt sei und deshalb der Verlust des Versicherungsschutzes keine existenzvernichtende Notlage herbeiführe.71 cc) Stellungnahme Rechtsprechung und Literatur bejahen zu Recht einen „Zwang“ im Sinne des nemo-tenetur-Grundsatzes jedenfalls dann, wenn der Betroffene eine Aussage- oder Mitwirkungspflicht hat, die im Fall einer unberechtigten Mitwirkungsverweigerung mit staatlichen Zwangsmitteln durchgesetzt werden darf72, unabhängig davon, ob tatsächlich eingesetzte staatliche Zwangsmittel die Aussage oder Mitwirkung im konkreten Verfahren herbeigeführt haben. Maßgeblich ist, dass sich der Betroffene in einer Konfliktlage befindet, entweder im Verfahren gegen sich selbst auszusagen oder im Fall einer Mitwirkungsverweigerung die daraufhin angewendeten staatlichen Zwangsmittel erdulden zu müssen. Der Anwendungsbereich des nemo-tenetur-Prinzips darf jedoch nicht auf die Erzwingung der Mitwirkungspflicht durch staatliche Zwangsmittel, nämlich ein Ordnungs- oder Zwangsgeld von maximal 1000 e nach Art. 6 EGStGB oder eine angeordnete Zwangshaft für die Höchstdauer von 6 Monaten nach § 70 Abs. 2 StPO, beschränkt werden, sondern „Zwang“ liegt auch bei Nachteilen von ähnlicher Intensität vor. Rechtsnachteile, die an die Pflichtverletzung anknüpfen oder Folge einer Mitwirkungsverweigerung sind, unterfallen deshalb dem Zwangsbegriff, wenn sie eine der Zwangsmittelanwendung vergleichbare Maßnahme oder ein deren Intensität ähnliches Übel (z. B. eine Bußgeldverhängung bei Verweigerung) darstellen und dem Betroffenen keine Wahlmöglichkeit einräumen. Denn es wäre willkürlich, nur Zwangsmittelandrohungen zu erfassen, andere vergleichbare Nachteile aber unberücksichtigt zu lassen, obwohl diese bei dem Betroffenen denselben oder einen ähnlichen Konflikt verursachen und ihn zur Selbstbelastung bewegen können. oder schweigt mit der Folge, dass sein Asylantrag abgelehnt und die Abschiebehaft verfügt wird. 70 BVerfG, NStZ 1995, 599, 600; KG, NStZ 1995, 146 f.; a. A. allerdings: OLG Celle, JR 1982, 475, 476. 71 KG, NStZ 1995, 146, 147; a. A. allerdings: OLG Celle, JR 1982, 475, 476. 72 BVerfG, wistra 2005, 175, 176.

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Voraussetzung für den geforderten Rechtsnachteil muss aber sein, dass er staatlichen Ursprungs ist, da der in Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG verankerte nemo-tenetur-Grundsatz nur ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe bildet.73 Zivilrechtlich begründete Zahlungspflichten als Folge der Mitwirkungsverweigerung sind folglich kein Zwang im Sinne des nemo-teneturPrinzips. Das nemo-tenetur-Prinzip berührt es daher nicht, wenn der Beklagte im Zivilprozess, der auf Antrag des Klägers vernommen wird, wegen einer Selbstbelastungsgefahr eine Erklärung verweigert und daraufhin unter Berücksichtigung der gesamten Sachlage und der Weigerungsgründe zur Zahlung verurteilt wird oder wenn der Versicherungsnehmer, der gegenüber seiner Versicherung wegen der Gefahr einer strafrechtlichen Selbstbelastung keine Aussage über das Unfallgeschehen macht, deshalb den Schaden selbst zu regulieren hat. d) Zwangsanwendung im PUV Das PUV ist aber ein staatliches Verfahren. Träfe den Betroffenen eine uneingeschränkte Aussage- und Herausgabepflicht, dann dürfte der PUA gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 70 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 StPO gegen den Betroffenen, Ordnungsgeld sowie Ordnungs- oder Beugehaft anordnen74, weil dieser ohne gesetzlichen Grund die Aussage bzw. Herausgabe verweigert. Der Betroffene hätte dann nur die Wahlmöglichkeit zwischen zwei Übeln, nämlich entweder gleich die selbstbelastenden Umstände zu offenbaren und sich dadurch der Strafverfolgungsgefahr auszusetzen, oder die Zwangsmittel im PUV hinzunehmen. Die Annahme einer uneingeschränkten Aussage- und Herausgabepflicht, zu deren Durchsetzung der PUA gegenüber dem Betroffenen staatliche Zwangsmittel anwenden darf, tangiert somit bei einer Selbstbelastungsgefahr den Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und das daraus abgeleitete Verbot einer durch Androhung oder Anwendung von Zwang hervorgebrachten Selbstbelastung. Eine erzwingbare – selbstbelastende – Mitwirkung im PUV unterfällt damit grundsätzlich dem nemo-tenetur-Prinzip. e) Grenzen des nemo-tenetur-Prinzips Grundrechtseingriffe sind jedoch nicht notwendig generell unzulässig, sondern sie können gerechtfertigt sein. Ob und unter welchen Voraussetzungen dies auch für einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, aus dem sich das nemo-tenetur-Prinzip herleitet, gilt, ist – wegen 73 74

Ähnlich BVerfG, NStZ 1995, 146, 147. 3. Kapitel, B. IV. 1. c).

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der Heranziehung der Menschenwürde (vgl. Art. 79 Abs. 3 GG) – allerdings zweifelhaft. aa) Rechtfertigung eines Eingriffs in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht Grundsätzlich ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zum Schutz der Rechte Dritter, der verfassungsmäßigen Ordnung, d.h. zum Schutz formell und materiell rechtmäßiger Rechtssätze, zum Schutz des Sittengesetzes und zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts einschränkbar.75 Allerdings gewährt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als Ausdruck der Eigenständigkeit des Menschen einen unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung, der die freie Entfaltung der Persönlichkeit ermöglicht und dem Zugriff der öffentlichen Gewalt entzogen ist.76 Dieser „unantastbare Bereich“ leitet sich zum einen aus der Menschenwürdegarantie des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und zum anderen aus der Wesensgehaltsgarantie nach Art. 19 Abs. 2 GG ab. Jeder Eingriff in diesen „unantastbaren Bereich“ durch die Anwendung von Zwang zur Selbstbelastung stellt zugleich eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar77, weil das Allgemeine Persönlichkeitsrecht – soweit es Ausdruck der Menschenwürde ist – absolut und uneinschränkbar ist78. Ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht außerhalb des unantastbaren Kernbereichs betroffen, hat jedermann staatliche Maßnahmen im Interesse der Allgemeinheit zu dulden, sofern sie sich innerhalb der Grundrechtsschranken des Art. 2 Abs. 1 GG bewegen.79 Somit kann ein Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht außerhalb des Kernbereichs gerechtfertigt sein. Der Klärung bedarf daher, welche Sphäre ein Zwang zur selbstbelastenden Mitwirkung tangiert. 75

Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 17 ff., 59 ff.; Murswiek in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 89 ff. 76 BVerfGE 80, 367, 373 f.; Geis, JZ 1991, 112, 113; Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 38, 39, 62; Murswiek in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 62, 103, 104; Niebler, BayVBl. 1989, 737, 738. 77 BVerfGE 27, 344, 351; 34, 238, 245; Dürig in: M/D/H, GG, Art. 2, Rn. 13; Geis, JZ 1991, 112, 113; Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 46, 64; v. Mangoldt/ Klein/Starck, Bonner GG, Art. 2, Rn. 14 f., 85; Murswiek in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 62, 63, 72; Rogall, StV 1996, 63, 64; Stürner, NJW 1981, 1757; Wölfl, NVwZ 2002, 49, 50. 78 BVerfGE 27, 344, 351; 75, 369, 380; Geis, JZ 1991, 112, 113; Höfling, JuS 1995, 857, 859; Kunig, Jura 1993, 595, 602; v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner GG, Art. 2, Rn. 16; Murswiek in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 104; Niebler, BayVBl. 1989, 737, 738; Rogall, StV 1996, 63, 64; Wölfl, NVwZ 2002, 49, 50; Wolter, NStZ 1993, 1, 3; Zacharias, NJW 2001, 2950. 79 BVerfGE 27, 344, 348, 351; 45, 187, 227; Berthold, nemo-tenetur, 5 f.; Geis, JZ 1991, 112, 113; Niebler, BayVBl. 1989, 737, 738; Wolter, NStZ 1993, 1, 3.

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bb) Zwangsmittel gegen den Beschuldigten zur Herbeiführung einer Mitwirkung im Sanktionsverfahren Würde dem Beschuldigten im Strafverfahren oder in einem vergleichbaren Sanktionsverfahren eine umfassende Aussage- und Herausgabepflicht auferlegt, zu deren Durchsetzung der Staat Zwangsmittel einsetzen dürfte, dann würde der Staat den Beschuldigten zum bloßen Objekt der Wahrheitsfindung, nämlich zum Beweismittel gegen sich selbst machen, wenn die unter Androhung oder Anwendung von Zwang erlangten selbstbelastenden Informationen unmittelbar der in dem Verfahren verhängten strafgerichtlichen Verurteilung oder vergleichbaren Sanktion zu Grunde gelegt würden. Den Beschuldigten zu verpflichten, unmittelbar die Voraussetzungen für seine eigene Verurteilung in dem gegen ihn geführten Strafverfahren oder einem vergleichbaren Sanktionsverfahren zu schaffen, spricht ihm den sozialen Achtungs- und Wertanspruch ab80 und verletzt dadurch seine Menschenwürde81, also den unantastbaren Kernbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Beschuldigte muss frei darüber entscheiden können, ob er selbst an seiner Überführung mitwirkt.82 Dem Schutz der Menschenwürde des Beschuldigten und dem unantastbaren Kernbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts trägt die StPO durch ein vollständiges Schweigerecht und eine umfassende Entbindung von der Herausgabepflicht Rechnung. cc) Erzwingung selbstbelastender Aussagen in sanktionslosen Verfahren Da der Betroffene im PUV durch die Erfüllung der Aussage- bzw. Herausgabepflicht nicht unmittelbar die Voraussetzung für seine eigene Verurteilung liefert, weil der PUA ihm gegenüber keine Sanktion verhängt83, ist insoweit der unantastbare Kernbereich des Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG nicht betroffen. In sanktionslosen Verfahren ist unter besonderen Umständen eine erzwingbare Pflicht zu einer selbstbelastenden Mitwirkung verfassungsrechtlich zulässig, wenn zum Schutz der Selbstbelastungsfreiheit sichergestellt ist, dass im Strafverfahren gegen den Erklärenden die belastenden Angaben nicht ohne dessen Willen verwendet werden. 80 BVerfGE 56, 37, 43, 49; Berthold, nemo-tenetur, 6; Besson, Steuergeheimnis, 82, der sich ausdrücklich aber nur auf das Strafverfahren bezieht; Schäfer, Dünnebier-FS, 11, 36. 81 BVerfGE 56, 37, 49; i. E. Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 219; Nack, Protokoll G 32/92, 94; Rogall, StV 1996, 63, 64; ders., StV 1996, 68, 69; Schäfer, Dünnebier-FS, 11, 37. 82 BVerfGE 56, 37, 43. 83 1. Kapitel, B. II. 2. b) bb).

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(1) Gemeinschuldnerbeschluss Im Gemeinschuldnerbeschluss84 gestand das BVerfG dem Gemeinschuldner eines Insolvenzverfahrens zwar kein Aussage- bzw. Auskunftsverweigerungsrecht zu, forderte aber, dass Äußerungen, durch die sich der Schuldner selbst einer Straftat bezichtigt, im Strafverfahren nicht verwertet werden dürfen, um den rechtsstaatlichen nemo-tenetur-Grundsatz zu wahren und den schutzwürdigen Belangen des Aussagenden Rechnung zu tragen. Das strafrechtliche Schweige- oder Auskunftsverweigerungsrecht sei auf das Insolvenzverfahren nicht übertragbar, weil der Gemeinschuldner im Insolvenzverfahren nicht an seiner eigenen Verurteilung mitwirke, aber in einem besonderen Pflichtenverhältnis zu den Gläubigern stünde und aufgrund des Umstandes, dass er am besten über die Vermögensverhältnisse Bescheid weiß, zur umfassenden Auskunft verpflichtet sein müsse. Das Verbot von Zwang zur Selbstbelastung gewähre keinen lückenlosen Schutz, sondern finde seine Grenzen an den Rechten Dritter, hier dem schutzwürdigen Interesse der Gläubiger. Könnte der Schuldner sich auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen, weil er sich sonst der Gefahr der Selbstbelastung aussetzen müsste, wären eine Aufklärung nicht oder nur teilweise möglich und die Interessen der Gläubiger in erheblicher Weise beeinträchtigt. Ein Auskunftsverweigerungsrecht würde die Person bevorzugen, deren Verhalten gerade ursächlich für die Nachteile der Gläubiger ist. Im Interesse der Gläubiger müsse der Gemeinschuldner im Insolvenzverfahren deshalb auch strafrechtlich relevante Informationen offenbaren. Der nemo-tenetur-Grundsatz fordere aber einen Schutz des Gemeinschuldners vor den strafrechtlichen Folgen, so dass ein Verwertungsverbot für seine selbstbelastende Aussage im Strafverfahren bestehe. (2) BGHZ 41, 318, 322 ff. Nach Auffassung des VII. Zivilsenats des BGH ist der Beauftragte seinem Auftraggeber umfassend und wahrheitsgemäß zur Auskunft und zur Ableistung eines Offenbarungseides verpflichtet, auch wenn er dadurch möglicherweise strafbare Handlungen offenbaren muss. Verweigert der Beauftragte die Auskunftserteilung, könne ihn der Auftraggeber auf Auskunftserteilung verklagen und nach einer Verurteilung gemäß § 888 ZPO gegebenenfalls mit Zwangsmitteln zur Auskunft bewegen. Die Pflicht des Beauftragten nach § 666 BGB, Auskunft über den Stand der Geschäfte zu 84

BVerfGE 56, 37, 48 ff.; dem BVerfG zustimmend: Dingeldey, NStZ 1984, 529, 531; Müller, wistra 2001, 167, 170; Schäfer, Dünnebier-FS, 11, 28 ff.; Stürner, NJW 1981, 1757 ff.

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geben und Rechenschaft abzulegen, sei für den Auftraggeber besonders bedeutsam, wenn der Beauftragte gegen die ihm auferlegten Pflichten verstoßen habe, beispielsweise den Auftraggeber vorsätzlich geschädigt und eine Straftat nach §§ 246, 263, 266 StGB begangen habe. Würde der Beauftragte bei einer strafrechtlichen Selbstbelastungsgefahr von der Aussagepflicht entbunden, würde dem Gläubiger häufig die Möglichkeit eines Schadensersatzes genommen, weil er mangels ausreichender Informationen nicht imstande wäre, seinen Schadensersatzanspruch darzulegen und Beweis anzutreten. Der Beauftragte, der ein fremdes Rechtsgut verletzt habe, müsse den Schaden aber wieder gutmachen und habe dabei in Kauf zu nehmen, sich durch die Auskünfte einer Straftat bezichtigen zu müssen. Er habe sich durch sein eigenes Verschulden in die Situation gebracht, Auskunft über sein strafrechtlich relevantes Verhalten geben zu müssen. Es sei mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, dem Interesse des Geschädigten im Zivilverfahren den Vorrang vor dem Interesse des Beauftragten an der Selbstbelastungsfreiheit einzuräumen. Die selbstbelastenden Tatsachen dürften aber nicht in das Strafverfahren gegen den Beauftragten eingeführt werden. (3) Besteuerungsverfahren Im Besteuerungsverfahren hat der Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen weitreichende Mitwirkungs- und Offenbarungspflichten auferlegt. Die Mitwirkungspflichten dürfen nach § 393 Abs. 1 AO zwar nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn der Steuerpflichtige eigene Steuerstraftaten offenbaren müsste. Das Zwangsmittelverbot gilt aber nicht bei einer Selbstbelastungsgefahr wegen einer Nichtsteuerstraftat. Die zwangsmittelbewehrten Offenbarungs- und Mitwirkungspflichten sind zur Wahrung der Steuergerechtigkeit und zur Sicherung des Steueraufkommens für den Staat sachlich gerechtfertigt.85 Das nemo-tenetur-Prinzip verbietet jedoch, eine strafrechtliche Verurteilung wegen einer Nichtsteuerstraftat auf diese außerhalb des Strafverfahrens offenbarten Tatsachen gegen den Willen des Steuerpflichtigen zu stützen. Eine zwangsweise herbeigeführte Selbstbezichtigung ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn sie mit einem strafrechtlichen Verwertungsverbot einhergeht.86 Deshalb dürfen die Strafverfolgungsbehörden die Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Erfüllung seiner steuerrechtlichen Pflichten offenbart hat, nach § 393 Abs. 2 S. 1 AO nicht zur Verfolgung einer nichtsteuerstrafrechtlichen Tat zum Nachteil des Steuerpflichti85 BVerfG, wistra 1988, 302; BVerfG, wistra 2005, 175, 176; BGH, wistra 2005, 228, 229. 86 BVerfG, wistra 2005, 175, 176.

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gen verwenden. Eine – in der Literatur87 nicht unumstrittene – Ausnahme sieht das Gesetz nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO allerdings für Straftaten vor, an deren Verfolgung ein besonderes öffentliches Interesse besteht. (4) Anforderungen an einen zulässigen Zwangsmitteleinsatz in sanktionslosen Verfahren Der Gesetzgeber kann den Konflikt zwischen der Selbstbelastungsfreiheit und dem staatlichen Aufklärungsinteresse in einem Verfahren, in dem der Aussageperson nicht unmittelbar die Verhängung einer Sanktion droht, lösen, indem entweder die Aussagepflicht im Fall der Selbstbelastungsgefahr durch ein Auskunftsverweigerungsrecht bzw. durch eine Untersagung des Zwangsmitteleinsatzes aufgehoben wird oder eine umfassende Aussagepflicht bestehen bleibt, aber – beispielsweise durch ein Beweisverwertungsverbot – sichergestellt wird, dass die belastende Aussage nicht im Sanktionsverfahren gegen die Aussageperson verwendet wird. Grundsätzlich hat das Aufklärungsinteresse der Allgemeinheit hinter dem Interesse an einer Selbstbelastungsfreiheit des Einzelnen zwar zurückzustehen mit der Folge, dass die Aussageperson ein Recht zur Verweigerung selbstbelastender Tatsachen hat (vgl. § 55 StPO für den Zeugen im Strafprozess, § 50 Abs. 3 BNatSchG, § 73 Abs. 6 TierSG oder § 39 Abs. 1 S. 2 WaffG). Etwas anderes gilt aber, wenn ein weiteres schutzwürdiges Interesse hinzutritt, welches das Interesse an der Selbstbelastungsfreiheit überwiegt.88 Um dieses vorrangige Drittinteresse zu gewährleisten, kann die Auskunftsperson zur selbstbelastenden Aussage verpflichtet sein, muss aber vor den strafrechtlichen Folgen geschützt werden.89 Der Schutz vor Selbstbelastung ist nämlich nicht ausnahmslos zu gewähren, sondern seine Grenze besteht in den schutzwürdigen Belangen Dritter, welche die Information des Aussagepflichtigen zur Vermeidung eigener Rechtsnachteile oder zur Erfüllung eigener Ziele benötigen.90 Das Grundgesetz hat die Spannung zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit der Person entschieden. Der Einzelne muss sich daher diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des so87

Franzen/Gast/Joecks, § 393, Rn. 72; Hellmann in: H/H/Sp, § 393, Rn. 180 ff. Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 219; Morlok, Protokoll G 32/88. 89 So im Anschluss an BVerfGE 56, 37 ff. auch: Bosch, nemo-tenetur, 37 ff.; Dingeldey, NStZ 1984, 529, 531; Joecks, wistra 1998, 86, 89; Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 219; Schäfer, Dünnebier-FS, 11, 28 ff.; Stürner, NJW 1981, 1757, 1759, 1761. 90 BVerfGE 56, 37, 48 f. 88

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zialen Zusammenlebens in den Grenzen des allgemein Zumutbaren vorsieht, vorausgesetzt, dass die Eigenständigkeit der Person gewahrt wird.91 Das BVerfG nimmt eine Interessenabwägung vor, die zugleich zum Ausdruck bringt, dass eine erzwingbare Selbstbezichtigung außerhalb eines Sanktionsverfahrens nicht den unantastbaren Kernbereich – die Menschenwürde – betrifft, sondern die Privatsphäre des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Anderenfalls wäre nämlich wegen der Unantastbarkeit der Menschenwürde – wie beim Beschuldigten – jeder Zwang zur selbstbelastenden Aussage und Mitwirkung unzulässig. Eine genaue Begründung für den Ausschluss des Interessenkonflikts eines Auskunftspflichtigen in einem sanktionslosen Verfahren aus dem Kernbereich fehlt jedoch. Der Grund kann nur in der geringeren Intensität des Eingriffs in die Willensentschließungsfreiheit liegen. Die Zwangswirkung einer Aussagepflicht wäre beim Beschuldigten, gegen den im Strafverfahren unmittelbar eine Sanktion verhängt wird, ungleich größer als bei einer Auskunftsperson im sanktionslosen Verfahren, deren Interesse an der Selbstbelastungsfreiheit durch einen Schutz vor den strafrechtlichen Folgen Rechnung getragen werden kann. Denn die Verhängung einer Kriminalstrafe oder einer vergleichbaren Sanktion stellt einen gravierenderen Eingriff in die Freiheit des Beschuldigten dar als die sonstigen Nachteile, die eine Offenbarung für den Auskunftspflichtigen im sanktionslosen Verfahren hervorruft, wie z. B. Rufschädigungen, die auch der Beschuldigte zumeist zusätzlich zur Sanktionierung erleidet. Das Menschenunwürdige liegt bei einer erzwingbaren Aussagepflicht des Beschuldigten im Strafverfahren darin, dass der Beschuldigte entgegen seinem Selbsterhaltungstrieb unmittelbar zur Selbstüberführung gezwungen würde.92 Allerdings ist die Androhung oder Anwendung von Zwang auch gegen eine Auskunftsperson in sanktionslosen Verfahren stets unzulässig, wenn es sich um eine menschenunwürdige Methode handelt, durch die der Auskunftspflichtige zur Aussage veranlasst werden soll, z. B. Quälerei, Folter oder Ermüdung. Aus den oben erörterten Entscheidungen folgt allerdings auch, dass die Erzwingung einer Selbstbelastung in sanktionslosen Verfahren gegen das nemo-tenetur-Prinzip verstößt, wenn das Drittinteresse nicht überwiegt, da der Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nur unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gerechtfertigt ist. Der Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG muss also geeignet und erforderlich sein, das Interesse des Dritten zu gewährleisten. Zudem muss der Eingriff angemessen sein. Das ist nur der Fall, wenn das Interesse des Dritten das Interesse an der Selbst91 92

BVerfGE 4, 7, 15; 27, 344, 351; 45, 187, 227 f.; 56, 37, 49. I. E. Nack, Protokoll G 32/94 f.; Rogall in: SK, StPO, vor § 133, Rn. 132.

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4. Kap., 1. Abschn.: Zeugenvernehmung und Herausgabeverlangen

belastungsfreiheit überwiegt. Ein überwiegendes Drittinteresse wird unter Berücksichtigung der vorstehenden Gerichtsentscheidungen anzunehmen sein, wenn beispielsweise der Auskunftspflichtige in einem besonderen Pflichtenverhältnis zu dem Dritten steht, den Interessenkonflikt durch die Begehung der Straftat verschuldet hat, die erforderlichen Informationen nicht auf andere Weise erlangt werden können oder der Dritte seine Rechte ohne die erzwingbaren Mitwirkungspflichten nicht oder nur teilweise durchzusetzen vermag. dd) Übertragung der Abwägungskriterien auf das PUV Das PUV ist ein sanktionsloses Verfahren93, so dass die Rechtfertigung des Eingriffs in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, der durch die Auferlegung einer erzwingbaren und umfassenden Aussage- und Herausgabepflicht vor dem PUA entsteht, ein Drittinteresse voraussetzt, welches das Interesse des Einzelnen am Schutz vor einer strafrechtlichen Selbstbelastung überwiegt. Würde ein solches Drittinteresse fehlen oder das Interesse an einer Selbstbelastungsfreiheit zumindest nicht überwiegen, so stünde dem Betroffenen im PUV das Recht zur Auskunftsverweigerung nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 55 StPO/§ 22 Abs. 2 PUAG zu. (1) Vorliegen eines Drittinteresses Zum Teil wird behauptet, die Auferlegung einer Aussage- und Herausgabepflicht müsse im PUV scheitern, weil sich nur – wie im Strafverfahren – das öffentliche Interesse an der Aufklärung von Delinquenz im weitesten Sinne und das Recht des Bürgers, sich nicht selbst zwangsweise belasten zu müssen, gegenüberstünden.94 Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Sie übersieht nämlich, dass sich im PUV nicht nur das öffentliche Interesse an der Aufklärung von Missständen und das Interesse des Betroffenen vor Selbstbelastung gegenüberstehen, sondern weitere schutzwürdige Interessen hinzutreten, nämlich die politische Meinungsbildung und die Ausübung des Wahlrechts durch das Volk sowie die Kontrolle der politischen Macht der Exekutive, also die Gewährleistung demokratischer Grundsätze (Volkssouveränität) durch die Aufklärung politischer oder gesellschaftlicher Missstände.95 Das parlamentarische Untersuchungsrecht dient somit Drittinteres93

1. Kapitel, B. II. 2. b) bb). Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, 161; Rogall, Protokoll G 32/41. 95 Ähnlich auch Gielen, JR 2000, 140, 142; Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 219; Morlok, Protokoll G 32/32, 88; Schneider, NJW 2000, 3332, 3334. 94

B. Förderung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses

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sen, die das Allgemeine Persönlichkeitsrecht beschränken können, wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist. Andere lehnen eine Übertragung der Grundsätze aus dem Gemeinschuldnerbeschluss auf das PUV ab, weil das parlamentarische Untersuchungsrecht keine grundrechtlich geschützte privatrechtliche Position, sondern nur ein öffentliches Drittinteresse stärke.96 Auch diese Auffassung ist abzulehnen. Eine Differenzierung zwischen einem privaten und einem hoheitlichen Drittinteresse nahm das BVerfG97 nicht vor. Die Beschränkung des nemo-tenetur-Grundsatzes zu Gunsten der Interessen Dritter hat das Gericht aus den Rechten Dritter, die eine Grundrechtsschranke des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts bilden, abgeleitet.98 Dazu zählen aber nicht nur die Rechte Dritter, sondern auch der Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung, des Sittengesetzes und kollidierenden Verfassungsrechts.99 Daher muss eine erzwingbare Aussage- und Herausgabepflicht auch zu Gunsten kollidierenden Verfassungsrechts möglich sein.100 Zu den Rechten Dritter gehören zudem nicht nur private Individualrechte, sondern alle nach der Verfassung schutzwürdigen subjektiven öffentlichen Rechte, vor allem die Grundrechte.101 Die Aufklärung von Missständen und die Beschaffung von Informationen sollen das parlamentarische Kontrollrecht und damit das Gewaltenteilungsprinzip, die politische Meinungsbildung und das Wahlrecht der Bevölkerung als besondere Ausgestaltungen des Demokratieprinzips (Volkssouveränität) optimieren, d.h., sie dienen dem Schutz kollidierenden Verfassungsrechts. Da die Auskunft des Betroffenen vor dem PUA dem Bürger zugleich die Gründe, Absichten und Abwicklungen politischer oder behördlicher Entscheidungen offenbart, kann sich der Einzelne über staatliche Vorgänge informieren und ein Urteil über die Richtigkeit des Handelns bilden. Die Auskunfts- und Mitwirkungspflicht vor dem PUA fördern damit den Prozess freier politischer Meinungsbildung und -äußerung des Individuums102 und das Wahlrecht der Bürger103, die persönliche subjektive Rechte des Einzelnen sind. Sie dienen also auch dem Schutz der Rechte Dritter104. 96 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 90 f.; Nack, Protokoll G 32/99, 100; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 275. 97 BVerfGE 56, 37, 49, 50. 98 BVerfGE 56, 37, 49. 99 Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 17 ff., 59 ff.; Murswiek in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 89 f. 100 I. E. auch Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 219. 101 Katz, StaatsR, Rn. 690; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2, Rn. 34. 102 Bethge in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 18, 19, 24. 103 BVerfGE 89, 155, 171 f.; Magiera in: Sachs, GG, Art. 38, Rn. 100. 104 Diese Güter stellen auch dann eine ausreichende Schranke dar, wenn man mit Lücke, DÖV 2002, 93, 94 ff., die Schrankentrias wegen der Verbindung des All-

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(2) Wahrung der Verhältnismäßigkeit Die Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG setzt allerdings voraus, dass das Drittinteresse das Interesse des Betroffenen am Schutz vor Selbstbelastung überwiegt, die Versagung des Zeugnis- bzw. Auskunftsverweigerungsrechts unter Inkaufnahme einer Selbstbezichtigung also verhältnismäßig erscheint. (a) Geeignetheit Eine unbeschränkte Aussage- und Herausgabepflicht aller Beteiligten ist grundsätzlich geeignet, das Aufklärungspotential des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu optimieren und damit das parlamentarische Kontrollrecht, die politische Meinungsbildung und das Wahlrecht des Einzelnen, d.h. die demokratischen Grundsätze zu fördern. (b) Erforderlichkeit Umstritten ist, ob eine umfassende Aussage- und Herausgabepflicht im PUV erforderlich ist, um den Sachverhalt vollständig aufklären zu können. Ein Teil der Literatur verneint die Erforderlichkeit, weil der Betroffene im PUV gerade nicht – wie der Gemeinschuldner – allein imstande sei, die notwendigen Informationen zur Gewährleistung des Drittinteresses zu geben. Es gebe regelmäßig mehrere Zeugen, die Auskunft über das Geschehen geben könnten.105 Dem Staat stünden im Gegensatz zum Privaten in weit aus größerem Umfang Möglichkeiten zur Verfügung, sich die erforderlichen Informationen zu beschaffen. So könne das Parlament andere Personen vernehmen, die sich nicht selbst belasten müssten. Die Aufklärung werde kaum von der Einlassung der belasteten Person abhängen. Für eine Gesetzgebungsenquete bilde die einzelne Aussage des Betroffenen ohgemeinen Persönlichkeitsrechts mit der Menschenwürde enger auslegt. Nach seiner Ansicht seien als „Rechte Dritter“ nur die Grundrechte und als „verfassungsmäßige Ordnung“ allein die Verfassungswerte außerhalb des Grundrechtskatalogs, die der Gemeinschaft dienen und den Grundrechten an Bedeutung gleichkommen, zu verstehen. Das durch ein effektives parlamentarisches Untersuchungsrecht gestärkte Demokratieprinzip ist ein hoher Verfassungswert, welcher der Gewährleistung der Grundrechte, insbesondere der Kommunikationsgrundrechte nach Art. 5, 8, 9 GG und dem Gleichheitsgrundrecht, dient und damit eine den Grundrechten gleichkommende Bedeutung besitzt. Auch das von einer verbesserten parlamentarischen Aufklärung profitierende Wahlrecht in Art. 38 GG ist ein grundrechtsgleiches Recht. 105 Nack, Protokoll G 32/98, 99; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 276 ff.; Wiefelspütz, UAG, 260.

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nehin keine hinreichende Grundlage, weil in der Gesetzgebung Einzelfallgesetze nicht erlaubt seien, so dass die selbstbelastende Aussage des Betroffenen nicht das einzige Mittel zur Informationsbeschaffung des Parlaments sein könne.106 Diese Argumentation greift jedoch nicht. Zum einen ist schon im 1. Kapitel107 erörtert worden, dass die Einsetzung einer Gesetzgebungsenquete mit den grundrechtsbeeinträchtigenden Befugnissen nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG nur gerechtfertigt ist, wenn ein Verdacht konkreter Rechtsverletzungen bzw. konkreter Missstände den Anlass für ein Neuregelungsvorhaben, für das der PUA die notwendigen Informationen beschaffen soll, bildet. Daher steht die Gesetzgebungsenquete regelmäßig im Zusammenhang mit einem Missstand, der Ausgangspunkt für das Neuregelungsvorhaben ist und der Aufklärung unter Mitwirkung seiner Verursacher bedarf. Aufklärungsschwierigkeiten ergeben sich für den PUA wegen der Geltendmachung des Auskunftsverweigerungsrechts meistens nur in Skandal-, Kontroll- und Missstandsenqueten, weil die Betroffenen regelmäßig nur dann etwas zu befürchten haben. Zum anderen gibt es auch im Insolvenzverfahren oftmals weitere Personen, wie Mitarbeiter von Banken, Finanz- oder Sozialämtern, die Auskünfte zur Vermögenslage des Gemeinschuldners geben können. Nicht abzustreiten ist jedoch, dass der Insolvenzschuldner am sichersten und vollständig seine Finanzen darlegen kann. Die Auffassung, dass er allein Auskunft über seine Vermögensverhältnisse geben kann, ist aber praxisfern.108 Die Situation im PUV ist mit der im Insolvenzverfahren vergleichbar. Der Untersuchungsauftrag erstreckt sich meistens auf sehr komplexe, unüberschaubare und über Jahre hinweg andauernde Sachverhalte. In der Regel haben mehrere Personen an der Entwicklung der Situation eigenverantwortlich mitgewirkt. Es kann daher nicht nur eine einzige Person Auskunft geben, sondern jeder Zeuge kann vor dem PUA oft nur zu einem kleinen Teil des Geschehens eine Aussage machen. Erst die Zusammensetzung der einzelnen Aussagen gibt dem PUA ein Bild über das gesamte Geschehen.109 Wenn die wichtigsten Aussagepersonen im PUV für die selbstbelastenden Tatsachen aber ein Auskunftsverweigerungsrecht geltend machen können, das sich bei den Hauptverantwortlichen fast immer zu einem umfassenden Aussageverweigerungsrecht verdichtet, tragen nur noch Randfiguren zur Aufklärung des Sachverhalts bei. Der PUA könnte die Sachlage dann gar 106 107 108 109

Buchholz, Untersuchungsausschuss, 90 f. 1. Kapitel, C. III. 3. Wolf, PUA und Strafjustiz, 170. Wolf, PUA und Strafjustiz, 170.

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nicht oder nur unvollständig aufklären, wobei sich die prekäre Aufklärungssituation oftmals noch weiter verstärkt, weil sich erst im Verlauf der Untersuchung das tatsächliche Ausmaß des Missstandes und der Kreis der involvierten Personen herausstellt und sich der Personenkreis, der sich auf das Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht beruft, damit vergrößert. Dies bestätigte insbesondere der vom Bundestag eingesetzte Parteispendenuntersuchungsausschuss, in dem die von der parlamentarischen Untersuchung Betroffenen in der Regel Zentralgestalten des Geschehens waren und am besten Auskunft über das Geschehen geben konnten. Insgesamt 24 von 117 Aussagepersonen beriefen sich aber auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht und behinderten die Aufklärungsarbeit im PUV.110 Auskunftspersonen, die sich nicht selbst belasten müssen, können in der Regel nur zu einzelnen Teilen des Geschehens Informationen geben. Eine umfassende Kenntnis über das Gesamtgeschehen erhält der PUA hierdurch oft nicht. Es bleiben Zweifel an der Verantwortlichkeit der Betroffenen, die letztlich die Glaubwürdigkeit des Untersuchungsausschusses und das Vertrauen in eine parlamentarische Untersuchung schmälern. Für ein effektives PUV sind insbesondere Zeugen- und Urkundsbeweis unerlässlich.111 Beweisschwierigkeiten lassen sich in der Regel nur vermeiden, wenn die Betroffenen der Untersuchung einer uneingeschränkten Aussage- und Herausgabepflicht unterliegen. Allerdings ist die Beweislage nicht immer so schlecht, dass eine Aufklärung nur durch den Betroffenen selbst möglich ist. Die unbeschränkte Auskunfts- und Herausgabepflicht des Betroffenen ist deshalb nicht erforderlich, wenn andere Beweismittel zur Verfügung stehen, die geeignet sind, den Untersuchungsauftrag umfassend aufzuklären, d.h., sie besteht nur im Fall einer Beweisnot.112 (c) Angemessenheit Des Weiteren muss der Eingriff in Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG durch die Auferlegung einer erzwingbaren Auskunfts- und Herausgabepflicht angemessen sein, d.h., Zweck und Mittel dürfen im Einzelfall nicht außer Verhältnis stehen. In die Abwägung sind vor allem die Intensität des Eingriffs, das Gewicht und die Dringlichkeit der Gemeinwohlinteressen sowie die den Grundrechten zu entnehmenden Individualinteressen einzustellen.113 Der 110 Beschlussempfehlung und Bericht des 1. PUA des 14. BT, BT-Drucks. 14/9300, S. 89. 111 BVerfGE 76, 363, 384; Nack, Protokoll G 32/97; Wolf, PUA und Strafjustiz, 169. 112 Ähnlich Ströbele, Protokoll G 32/57. 113 BVerfGE 17, 306, 314 f.; 44, 353, 373 f.; 49, 24, 58 ff.

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Eingriff ist jedenfalls dann angemessen, wenn nach einer Abwägung der kollidierenden Rechtsgüter dem Drittinteresse an der Aufklärung der Vorrang vor dem Interesse, sich nicht selbst strafrechtlich belasten zu müssen, einzuräumen ist. Die Literatur114 verneint jedoch zum Teil ein höherrangiges Drittinteresse mit der Begründung, dass die Aufklärung eines strafrechtlich relevanten Sachverhalts im PUV gerade auch die Aufgabe des Strafverfahrens ist. Im Strafverfahren trete zum öffentlichen Aufklärungsinteresse das öffentliche Interesse hinzu, den staatlichen Strafanspruch durchzusetzen, das im PUV hingegen fehle. Daher sei das parlamentarische Aufklärungsinteresse geringer zu bewerten als das Aufklärungsinteresse des Strafgerichts, so dass im PUV ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehen bleiben müsse, um die Strafrechtspflege nicht zu behindern.115 Diese Argumentation hält einer genaueren Überprüfung jedoch nicht Stand. Gegen einen Vorrang des strafgerichtlichen Aufklärungsinteresses vor dem parlamentarischen Aufklärungsinteresse spricht, dass beide Rechtsgüter in der Verfassung niedergelegt sind und das parlamentarische Untersuchungsrecht wegen seiner Funktion, die demokratischen Grundsätze zu stärken, eine gleich große Bedeutung wie das Strafverfahren besitzt116. Dem Grundgesetz scheint es zudem auch nicht fremd zu sein, dem Parlamentsrecht (teilweise) den Vorrang vor dem Strafverfahren einzuräumen. Denn beispielsweise erklärt Art. 46 GG den staatlichen Strafanspruch im Verhältnis zur Immunität und Indemnität, welche die Funktionstüchtigkeit des Parlaments gewährleisten sollen, für nachrangig. Außerdem hat das BVerfG im Gemeinschuldnerbeschluss festgestellt, dass ein bloßes staatliches oder öffentliches Informationsbedürfnis für die Versagung des Aussageverweigerungsrechts nicht genügt, sondern ein höherrangiges Drittinteresse hinzukommen muss. Ein solches Drittinteresse besteht wie dargelegt. Wegen der großen Bedeutung des Untersuchungsrechts für die Demokratie, die politische Meinungsbildung und das Wahlrecht der Bevölkerung sind die berechtigten Informationsinteressen des Untersuchungsausschusses und des Volkes mit den Interessen des Insolvenzgläubigers und der Finanzbehörde durchaus vergleichbar.117 114 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 90 f.; gegen die Einschränkung des nemotenetur-Prinzips auch Kempf/Richter II, AnwBl. 2000, 513, 514; Nack, Protokoll G 32/100; Schäffer, FAZ vom 23.03.2000, S. 5; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 276 ff.; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 570; Wolf, PUA und Strafjustiz, 175 – die beiden letzten Autoren jedenfalls für die Aussage von Privatpersonen. 115 Buchholz, Untersuchungsausschuss, 90 f. 116 1. Kapitel, B. II. 2. a); 2. Kapitel, B. III. 4. a). 117 Nack, Protokoll G 32/97 (siehe auch Fn. 18).

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Auf das PUV übertragen lässt sich auch die These des BVerfG, die Versagung der Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte folge insbesondere daraus, dass der Schuldner zu den Gläubigern in einem besonderen Pflichtenverhältnis steht und am besten über die Vermögensverhältnisse Bescheid weiß. Die Aufklärungsschwierigkeiten gingen nicht zu Lasten des Schuldners, sondern zum Nachteil der Gläubiger, die ihre Ansprüche gegen den Insolvenzschuldner nicht durchsetzen könnten.118 Der für den Missstand Verantwortliche kennt die Vorgänge – wie dargelegt119 – ebenfalls am besten und kann am effektivsten zur Sachverhaltsaufklärung beitragen. Dem Betroffenen ein Auskunftsverweigerungsrecht einzuräumen, behindert die Aufklärungsarbeit und widerspricht dem Sinn und Zweck der parlamentarischen Untersuchung. Das Parlament als Vertreter des Volkes kann unzulässige Machtverschiebungen nicht verhindern.120 Die Bürger kennen die politischen Vorgänge nicht umfassend, können sich also ihre politische Meinung nicht auf einer richtigen Tatsachengrundlage bilden, um ihr Wahlrecht bestmöglich auszuüben. Die Aufklärungsschwierigkeiten gehen daher nicht zu Lasten des Betroffenen, sondern zu Lasten der Demokratie, der politischen Meinungsbildung und des Wahlrechts der Bevölkerung. Denn bloße Vermutungen ohne ein Mindestmaß an Tatsachengrundlage genügen nicht, um der Wählergemeinschaft das zur politischen Meinungsbildung erforderliche Tatsachenmaterial zur Verfügung zu stellen, ihr Wahlverhalten danach auszurichten und das verlorene Vertrauen in die Politik wiederherzustellen.121 Regierungsmitglieder stehen zudem in einem besonderen Pflichtenverhältnis zum Parlament und zum Volk. Nach Art. 43 GG können der Bundestag und seine Ausschüsse die Anwesenheit jedes Regierungsmitgliedes verlangen. Die Pflicht zu erscheinen, umfasst die Pflicht, Rede und Antwort zu stehen.122 Gemäß Art. 38 GG steht dem einzelnen Abgeordneten ein Fragerecht gegenüber den Regierungsmitgliedern zu. Der Bundeskanzler trägt für die Richtlinien der Politik die Verantwortung, jeder Bundesminister leitet sein Ressort selbstständig und unter eigener Verantwortung (Art. 65 GG). Für ihr Handeln müssen die Regierungsmitglieder vor dem Parlament Rechenschaft ablegen. Kommen sie dieser Pflicht nach, übernehmen sie gleichzeitig die politische Verantwortung vor dem Volk. Die Regierungsmitglieder sind mit dem Amtseid nach Art. 64 Abs. 2 GG und der Amtsüber118 119 120 121 122

4, 6.

BVerfGE 56, 37, 45, 50. 4. Kapitel, 1. Abschnitt, B. II. 1. e) dd) (2) (b). Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 219. Masing, ZRP 2001, 36, 39; Wolf, PUA und Strafjustiz, 133. Jarass/Pieroth, GG, Art. 43, Rn. 3; Magiera in: Sachs, GG, Art. 43, Rn. 1,

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nahme aufgrund eigenen Willensentschlusses dieses besondere Treueverhältnis eingegangen, infolgedessen sie zu erhöhter Rechenschaft gegenüber dem Volk verpflichtet sind.123 Die Regierungsmitglieder verfolgen mit der Pflichtenübernahme ein Eigeninteresse, weil sie öffentliches Ansehen gewinnen wollen.124 Es ist daher kein Grund ersichtlich, das Interesse des Parlaments und des Volkes an der Aufklärung weniger zu schützen als das Aufklärungsinteresse des Gläubigers gegenüber dem Gemeinschuldner. Beamte und sonstige öffentlich Bedienstete stehen ebenfalls in einem besonderen Pflichten- und Treueverhältnis zum Staat (Art. 33 Abs. 4 GG, §§ 52 ff. BBG, § 3 TVöD-AT, § 41 TVöD-BT). Sie sind zur Verschwiegenheit, zum offenen, vertrauensvollen, wahrhaften Verhalten gegenüber dem Vorgesetzten, zur gewissenhaften und ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung, zur Neutralität und Verfassungstreue und zur Zurückhaltung bei politischer Betätigung verpflichtet. Sie dienen dem Wohl des ganzen Volkes (§ 52 BBG). Der Dienstherr übt ihnen gegenüber das Direktionsrecht aus und kann unter Umständen Auskunft über die Dienstaufgabenerfüllung verlangen. Mit der Entgegennahme der Ernennungsurkunde und der Vereidigung (§ 58 BBG) bzw. dem Abschluss des Dienstvertrages und der Aufnahme der Tätigkeit geht auch dieser Personenkreis aufgrund eines eigenverantwortlichen Willensentschlusses dieses besondere Treueverhältnis zum Staat ein. Als Gegenleistung erhalten die Beamten und sonstigen öffentlich Bediensteten vom Staat besondere Vergünstigungen (Schutz und Fürsorge durch den Staat, Alterszusatzversorgung) und eine sichere berufliche Position (Grundsatz der Ämterstabilität). Ein Teil der Literatur lehnt ein überwiegendes Drittinteresse an der Aufklärung des Verhaltens von Privatpersonen jedoch ab, weil diese nicht in einem freiwillig übernommenen, besonderen Pflichtenverhältnis stünden.125 Privatpersonen gerieten unverschuldet, uneigennützig und unfreiwillig in die Zeugenrolle im PUV.126 Darin unterscheide sich die Situation erheblich von der des Gemeinschuldners, der im eigenen Interesse und freiwillig die besonderen Pflichten übernehme.127 Dieser These kann nicht ohne Einschränkungen gefolgt werden. Privatpersonen, die von einer parlamentarischen Untersuchung betroffen sind, können im konkreten Fall durchaus weniger schutzwürdig sein als andere 123

Masing, FAZ vom 08.02.2001, S. 14; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 570. Wolf, PUA und Strafjustiz, 193; ders., ZParl 2005, 876, 884 f. 125 Nack, Protokoll G 32/99; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 276 ff.; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 570; ders., UAG, 261; Wolf, PUA und Strafjustiz, 175. 126 Wolf, PUA und Strafjustiz, 175, 178 f., 190 ff.; ders., ZParl 2005, 876, 884. 127 Nack, Protokoll G 32/98; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 570; Wolf, ZParl 2005, 876, 884. 124

300

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„normale“ Bürger und deshalb gegenüber der Bevölkerung zur Auskunft verpflichtet sein. Die Einbeziehung von Privatpersonen in die parlamentarische Untersuchung ist nämlich nur zulässig, wenn sie durch eine öffentlichrechtliche Norm, die der Aufrechterhaltung und dem Schutz des Gemeinwohls dient und deren Beachtung daher für die Allgemeinheit von erheblichem Interesse ist, zum Staat in besonderer Beziehung stehen. Die Privatperson muss in besonders schwerer Weise gegen diese Norm verstoßen und eine Gefahr bzw. einen Schaden für die Allgemeinheit billigend in Kauf genommen haben.128 Erhält zum Beispiel ein privates Wirtschaftsunternehmen aufgrund einer gesetzlichen Regelung staatliche Subventionen mit der Auflage, diese für einen ganz bestimmten Gemeinwohlzweck zu verwenden, und will der PUA bei Vorliegen eines Anfangsverdachts aufklären, ob diese Subventionen rechtswidrig vergeben und nicht ordnungsgemäß eingesetzt worden sind, dann ist die Einbeziehung des Privatunternehmens zulässig, wenn es z. B. vorsätzlich gegen die Vergaberegelung verstoßen und die staatlichen Gelder eigennützig verwendet hat. Die verantwortlichen Personen im Unternehmen sind durch einen eigenen Willensentschluss mit der Beantragung und Entgegennahme der Subventionen zugleich eine erhöhte Pflicht zur Dokumentation des Einsatzes der Gelder eingegangen, um eine finanzielle Zuwendung zu erhalten und die wirtschaftliche Position des Unternehmens auszubauen. Zwar besteht die Dokumentationspflicht der Privatperson nur gegenüber dem Staat. Der Staat hat aber seine Vergabeentscheidung vor dem Volk zu verantworten. Es ist kein Grund ersichtlich, warum das Privatunternehmen schutzwürdiger sein sollte als der Insolvenzschuldner und eine umfassende Auskunftspflicht über die Verwendung der Subventionen zur Aufklärung der im Allgemeininteresse liegenden Umstände über die öffentliche Subventionsvergabe ausscheiden sollte. Gleiches gilt z. B. für die Fälle der öffentlichen Vergabe von Aufträgen über Bauleistungen oder andere Maßnahmen, die der Daseinsvorsorge dienen. Der private Auftragnehmer geht gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber freiwillig besondere Auskunfts- und Vorlagepflichten (z. B. Vorlage von Werkzeichnungen, Ergebnissen der Güteprüfungen, Berechnungen) ein. Seine Pflichtenstellung beurteilt sich nicht anders als die des Beauftragten im Zivilrecht. Denkbar ist es aber auch, dass das Parlament einen PUA einsetzt, der nur aufklären soll, ob eine Privatperson oder ein Unternehmen unter Verletzung des öffentlich-rechtlichen Verbots nach §§ 17, 18, 18a KrWaffKG Kriegswaffen illegal hergestellt und in ein Kriegsgebiet verkauft oder sich die erforderliche Genehmigung durch eine Geldleistung an Regierungsmitglieder 128

1. Kapitel, C. III 2. b) bb).

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erkauft hat.129 In solchen Fällen fehlt es an einem besonderen Pflichtenverhältnis zum Staat. Die Privatperson hat jedoch frei verantwortlich ihren Tatentschluss zur Begehung der verbotswidrigen Handlung, die Untersuchungsgegenstand ist, gebildet und sich mit der Verletzung der Vorschrift zugleich erkennbar der Gefahr einer parlamentarischen Untersuchung ausgesetzt. Durch den Verkauf illegaler Waffen hat sie sich rechtswidrig bereichert und das friedliche Zusammenleben der Völker und damit auch das Wohl des deutschen Volkes erheblich gefährdet. Der Bürger ist durch sein eigenes Verschulden in den Konflikt geraten, im PUV als Zeuge aussagen zu müssen. Wer den Rechtsfrieden bricht, durch sein eigenes Verschulden Rechtsgüter der Gemeinschaft verletzt oder gefährdet, muss nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich auch dulden, dass das durch sein Verhalten erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit befriedigt wird.130 Ob die Rechtsprechung – über die Duldung einer parlamentarischen Untersuchung hinaus – von dem Bürger, der gegenüber dem Staat keine besondere Pflicht eingegangen ist, allerdings verlangen würde, sich zur Aufklärung selbst strafrechtlich zu belasten, erscheint jedoch zweifelhaft. Dagegen spricht, dass der PUA seine Untersuchung nur aufgrund eines Verdachts führt und der Bürger tatsächlich unschuldig sein kann, während in den Fällen, in denen ein Pflichtverhältnis besteht, tatsächlich ein Legitimationsgrund vorhanden ist. Fraglich ist indessen, ob das Kriterium der freiwilligen Pflichtenübernahme ein zwingendes Erfordernis für die Übertragung der Grundsätze aus dem Gemeinschuldnerbeschluss darstellt. Die Freiwilligkeit der Übernahme des Pflichtenkreises ist ein wichtiges Kriterium bei der Abwägung des Interesses des Gemeinschuldners am Schutz vor einer Selbstbelastungsgefahr und des Aufklärungsinteresses der Gläubiger. Das Besteuerungsverfahren zeigt aber, dass zur Erfüllung eines besonderen öffentlichen Interesses auch ohne eine freiwillige Pflichtenübernahme dem Bürger – dort dem Steuerpflichtigen – eine Auskunftspflicht auferlegt werden kann. Jedenfalls in den Fällen, in denen Privatpersonen eine besondere Pflicht gegenüber dem Staat eingehen, um eigene Vorteile aus der Beziehung zu erlangen, spricht nichts dagegen, ihnen eine umfassende Auskunftspflicht gegenüber dem PUA aufzuerlegen. f) Zwischenergebnis Im Ergebnis besteht ein Drittinteresse an der Aufklärung des Sachverhalts im PUV, welches das Interesse am Selbstbelastungsschutz der Mandatsund Amtsträger sowie der Privatperson, die zum Staat in einem Pflichten129 130

Siehe der Fall bei Ortmann, Jura 2003, 847 ff. BVerfGE 35, 202, 231 f.

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verhältnis steht, überwiegt. Dieses Drittinteresse ist geeignet, den Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht durch eine Versagung des Aussageverweigerungsrechts zu rechtfertigen. 2. Schutz vor unverhältnismäßigen Eingriffen in die Selbstbelastungsfreiheit Das BVerfG hat im Gemeinschuldnerbeschluss allerdings betont, dass es unverhältnismäßig wäre, wenn die selbstbelastenden Aussagen oder Dokumente des Aussagepflichtigen gegen seinen Willen zweckentfremdet werden, indem die (Strafverfolgungs-)Behörden sie in das gegen den Betroffenen gerichtete Strafverfahren oder vergleichbare Sanktionsverfahren einführen und zum Nachteil des Betroffenen verwenden. Wäre eine solche Zweckentfremdung erlaubt, würde das ihm im Strafverfahren zustehende Schweigerecht ausgehöhlt.131 Der Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die Auferlegung der unbeschränkten Aussage- und Herausgabepflicht vor dem PUA wäre also nur dann verhältnismäßig, wenn besondere Vorkehrungen verhindern, dass die selbstbelastende Aussage des Betroffenen bzw. das herausgegebene Dokument in einem – gleichzeitig oder später – gegen den Betroffenen geführten Sanktionsverfahren verwendet wird. a) Öffentlichkeitsausschluss während der Vernehmung im PUV In der Gemeinschuldnerentscheidung hatte das BVerfG erwogen, den Auskunftspflichtigen uneingeschränkt, d.h. auch zur selbstbelastenden Aussage zu verpflichten, sofern die Informationen der Geheimhaltung unterlägen.132 Ein Öffentlichkeitsausschluss – gegebenenfalls verstärkt durch ein Offenbarungsverbot – für den Teil der Vernehmung, in dem der Betroffene seine selbstbelastende Aussage macht und sich normalerweise als Zeuge auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO hätte berufen können, würde grundsätzlich sicherstellen, dass die selbstbelastenden Tatsachen nicht zur Kenntnis der Presse, der Strafverfolgungsbehörden und der Bevölkerung gelangen und so keine Grundlage für die Verurteilung des Betroffenen im Strafverfahren bzw. in vergleichbaren Sanktionsverfahren bilden. Wie oben dargelegt133, kann der PUA zum Schutz eines persönlichen Geheimnisses bei überwiegendem Interesse im Einzelfall nach § 14 Abs. 1 131

BVerfGE 56, 37, 50 f.; Berthold, nemo-tenetur, 10; Dingeldey, NStZ 1984, 529, 530; Schäfer, Dünnebier-FS, 11, 37. 132 BVerfGE 56, 37, 47. 133 3. Kapitel, B. V. 3. c) bb) (3) (a).

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Nr. 1, 3 PUAG bzw. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 172 GVG die Öffentlichkeit ausschließen. Nach § 15 PUAG i. V. m. § 2a GSO-BT können Umstände des persönlichen Lebensbereiches als geheim eingestuft werden. Unter diese Vorschrift lassen sich auch die selbstbelastenden privaten, geschäftlichen, betrieblichen oder steuerrechtlichen Tatsachen des Betroffenen, die er im PUV gegebenenfalls zu offenbaren hätte, subsumieren. Nach § 16 Abs. 2, 3 PUAG unterliegen die Ausschussmitglieder einer Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich des Inhalts dieser vor dem PUA offenbarten Geheimnisse. Ein Ausschluss der Öffentlichkeit ist zwar zum Schutz der privaten Geheimnisse geeignet, er darf aber den Zweck der parlamentarischen Untersuchung nicht vereiteln.134 Wie oben dargelegt135, ist bei Kontroll-, Missstands- und Skandalenqueten im konkreten Einzelfall ein Öffentlichkeitsausschluss und Geheimnisschutz zulässig, wenn die vertraulich zu behandelnde Information aus dem privaten Lebensbereich nur eine untergeordnete Bedeutung für die Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes hat. Ein Öffentlichkeitsausschluss scheidet dagegen aus, wenn der offenbarte Umstand aus dem privaten Lebensbereich zur Kernaufgabe des Untersuchungsausschusses gehört, weil ein Öffentlichkeitsausschluss während dieses Teils der Beweiserhebung und ein Geheimnisschutz für die bekannt gewordenen Tatsachen die Erfüllung des Untersuchungsauftrages vereitelt.136 Richtet sich die parlamentarische Untersuchung gerade gegen den Betroffenen, um dessen persönliche Verfehlung aufzuklären, dann berühren die selbstbelastenden Aussagen und Unterlagen des Betroffenen den Hauptgegenstand des Untersuchungsauftrages. Sie enthalten die entscheidenden Tatsachen, auf welche die Öffentlichkeit zur Beurteilung des Fehlverhaltens angewiesen ist. Öffentlichkeitsausschluss und Geheimnisschutz hätten zur Folge, dass die selbstbelastende Aussage des Betroffenen bzw. die belastenden Informationen aus dessen Akten weder im Abschlussbericht auftauchen, noch der Bevölkerung zugänglich gemacht werden dürften. Damit würde das PUV seinen Zweck verfehlen, weil sich das Volk mangels Transparenz der Vorgänge keine eigene politische Meinung bilden könnte und gehindert wäre, frei darüber zu entscheiden, ob der Betroffene bei der nächsten Wahl erneut als Vertreter des Volkes gewählt werden soll. Die verbesserte Aufklärungsarbeit, die gerade mit der Auferlegung einer uneingeschränkten Aussage- und Herausgabepflicht des Betroffenen verfolgt wird, würde wieder in ihr Gegenteil verkehrt. Ein Öffentlichkeitsausschluss 134 Jarass/Pieroth, GG, Art. 44, Rn. 7; Linck, ZRP 1987, 11, 17; ders., ZParl 1992, 673, 690 f.; Magiera in: Sachs, GG, Art. 44, Rn. 19. 135 3. Kapitel, B. V. 3. c) bb) (3) (c). 136 Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 221; Richter, Privatpersonen, 115 f.; ähnlich Schröder in: Schneider/Zeh, ParlamentsR, § 46, Rn. 24.

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und eine Pflicht der Mitglieder des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Geheimhaltung der vom Betroffenen im PUV offenbarten selbstbelastenden Informationen sind deshalb zwar grundsätzlich taugliche Mittel zur Wahrung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen, beeinträchtigen aber das parlamentarische Untersuchungsrecht unverhältnismäßig. b) Zusicherung von Straffreiheit In den Vorarbeiten zum PUAG stellten einige Sachverständige zur Diskussion, dem Betroffenen Immunität zuzusichern, wenn er im PUV einer unbeschränkten, erzwingbaren Aussage- und Herausgabepflicht unterliegt.137 Der von einer parlamentarischen Untersuchung Betroffene würde zu einer uneingeschränkten Aussage nur bereit sein und dürfte – ohne verfassungswidrige Verletzung des nemo-tenetur-Grundsatzes – dazu auch nur gezwungen werden, wenn er die Strafverfolgung auf Grund seiner selbstbelastenden Aussage nicht zu befürchten hätte. Die Gewährung von Straffreiheit sei deshalb geeignet, das parlamentarische Untersuchungsrecht und den nemo-tenetur-Grundsatz zu sichern. aa) Übertragbare Regelungen zur Gewährung von Straffreiheit Die gegenwärtigen Regelungen, die einem Täter Straffreiheit, -milderung oder -aufhebung gewähren oder die Einstellung des Strafverfahrens vorsehen, sind für die Situation des Betroffenen im PUV jedoch nicht fruchtbar zu machen. (1) Einstellungsregelungen der StPO Die §§ 153 ff. StPO sind in unserem Zusammenhang nicht anwendbar, denn sie verfolgen andere Zwecke, nämlich die Verfahrensbeschleunigung und die Entlastung des Strafverfolgungsapparates bei der Verfolgung geringfügiger Delikte.138 Eine parlamentarische Einstellungsregelung würde 137 Morlok, Protokoll G 32/33, 89; Nack, Protokoll G 32/36; Rogall, Protokoll G 32/39, 73. Derartige Vorschläge fanden sich auch als Lösungsansätze in: Plenarprotokoll 14/165, S. 16146, 16150; Beckedorf, ZParl 1989, 35, 53 f.; Kempf/Richter II, AnwBl. 2000, 513, 514 f.; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 208, Fn. 2; Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 221; Schneider, NJW 2000, 3332, 3333; krit.: Wiefelspütz, UAG, 261. 138 Faller, Maunz-FS, 69 ff.; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 555; Jung, Kronzeuge, 61.

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dagegen das Recht des Betroffenen, sich nicht selbst belasten zu müssen, umfassend absichern, d.h., sie müsste für alle Delikte gelten. Als Ausnahme vom Legalitätsprinzip stehen die Entscheidungen über die Einstellung des Verfahrens nach der StPO zudem im Ermessen der zuständigen Behörde, die bei der Abwägung der verschiedenen Interessen im konkreten Einzelfall139 allein den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren muss.140 Charakteristisch ist für die Vorschriften, die der Staatsanwaltschaft eine Einstellungsbefugnis einräumen, dass die staatsanwaltschaftlichen Einstellungsentscheidungen in der Regel keine bzw. im Fall des § 153a StPO nur eine beschränkte Rechtskraftwirkung entfalten. Zum lückenlosen Schutz vor erzwingbarer strafrechtlicher Selbstbelastung müsste die parlamentarische Einstellungsregelung jedoch ausnahmslos die Pflicht zur Einstellung eines Strafverfahrens bestimmen und die Entscheidung über die Einstellung müsste endgültig und abschließend sein. (2) Einstellungs- und Strafzumessungsregelungen im Kern- und Nebenstrafrecht Nach §§ 31 BtMG, 261 Abs. 10 StGB kann ein Straftäter, der über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus bei der Überführung anderer Mittäter oder Teilnehmer oder an der Aufklärung weiterer Straftaten mitwirkt, für diese freiwillige Offenbarung eine Strafmilderung erhalten, unter Umständen kann von der Bestrafung sogar ganz abgesehen werden.141 Im PUV würde der Betroffene aber nicht für die Offenbarung von Taten anderer Personen honoriert werden, sondern er soll sein eigenes strafrechtlich relevantes Fehlverhalten offenbaren und Straffreiheit erlangen, um sich nicht strafrechtlich selbst belasten zu müssen. Außerdem stehen die Kronzeugenregelungen als Ausnahmen zum Legalitätsprinzip ebenso im Ermessen der Strafverfolgungsbehörde. Die „kronzeugenähnlichen“ Normen, die für das Offenbaren einer eigenen Straftat eine Strafmilderung bzw. ein Absehen von Strafe vorsehen, z. B. die §§ 149 Abs. 2, 275 Abs. 3, 158, 239a Abs. 4, 265b Abs. 2, 306e, 314a, 320 StGB, verlangen eine tätige Reue, die Offenbarung muss also freiwillig erfolgen. Unabhängig davon, ob die Freiwilligkeit als Handeln 139 Erb, Opportunität, 66 ff., 85, 265; Faller, Maunz-FS, 69 ff.; Jung, Kronzeuge, 55, 58. 140 Näheres zu den Ermessensvorbehalten der Einstellungsvorschriften in der StPO: Erb, Opportunität, 68 ff. 141 Denny, ZStW 103 (1991), 269, 270; Mühlhoff/Pfeiffer, ZRP 2000, 121, 122; Weber, BtMG, § 31, Rn. 55; vgl. hierzu auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur neuen Kronzeugenregelung vom 24.08.2007, BT-Drucks. 16/6268.

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aus autonomen Gründen142, als Handeln frei von jeglichem Zwang143 oder als Bekenntnis zur Rechtstreue144 verstanden wird, wäre die selbstbelastende Offenbarung des „betroffenen“ Zeugen im PUV nicht „freiwillig“, da er gerade gesetzlich zur Auskunft verpflichtet werden soll. Der Betroffene würde sich somit nicht frei entscheiden und auch nicht seine Rechtstreue dokumentieren, so dass seine Aussage nicht geeignet wäre, den durch die Tathandlung verursachten Rechtsbruch auszugleichen. (3) Art. 46 Abs. 2 GG Auch Art. 46 Abs. 2 GG lässt sich nicht direkt auf das PUV übertragen, weil die Vorschrift die Immunität nur zur Sicherung der Funktions- und Arbeitsfähigkeit des Parlaments gewährt145 und deshalb an die Dauer des Mandats koppelt, nach Beendigung des Mandats eine Aufnahme der Verfolgungstätigkeit also möglich wäre146. Dem Betroffenen im PUV müsste dagegen ein umfassender Schutz vor Selbstbelastung und vor der Mitwirkung an der eigenen strafrechtlichen Überführung gewährleistet werden. Es bedürfte daher einer Regelung, die eine dauerhafte Immunität garantiert und das Parlament bzw. den PUA verpflichtet, die Genehmigung zur Strafverfolgung generell zu verweigern. bb) Einführung einer „Straffreiheitsregelung“ im PUV Denkbar wäre eine Regelung, die – ähnlich wie § 31 BtMG – das Absehen von einer Bestrafung anordnet147 oder die Ermittlungspflicht der Staatsanwaltschaft dauerhaft aufhebt bzw. die Staatsanwaltschaft verpflichtet, das Verfahren endgültig einzustellen148. Das nemo-tenetur-Prinzip ließe sich zudem durch die Errichtung eines Verfahrenshindernisses schützen, indem der PUA – gegebenenfalls unter Mitwirkung der Staatsanwaltschaft oder eines Richters – dem Betroffenen wegen der im PUV offenbarten Straftat dauerhaft Immunität zusichert.149 142 Fischer, StGB, § 24, Rn. 19, 20; Sch/Sch/Eser, StGB, § 24, Rn. 43, 44; Wessels/Beulke, AT, Rn. 651. 143 BGHSt. 7, 296, 299; 35, 184, 186; BGH, NStZ 1992, 536, 537; BGH, NStZ 1994, 428, 429. 144 Feltes, GA 1992, 395, 418 f.; Krauß, JuS 1981, 883, 888. 145 BVerfG, DÖV 2003, 989, 992; Magiera in: Sachs, GG, Art. 46, Rn. 11. 146 Butzer, Immunität, 97; Magiera in: Sachs, GG, Art. 46, Rn. 11, 12; Wurbs, Immunität, 20. 147 Vgl. nur Rogall, Protokoll G 32/40; Wolf, PUA und Strafjustiz, 206. 148 Rogall, Protokoll G 32/40.

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Da die Betroffenen in der Praxis das Auskunftsverweigerungsrecht zumeist unter Berufung auf ein laufendes Ermittlungsverfahren oder die Gefahr der Einleitung aufgrund der zu offenbarenden Tatsachen geltend machen, das Strafverfahren also nicht schon so weit fortgeschritten ist, dass dessen Beendigung abgewartet werden könnte, um den Betroffenen im PUV anschließend zu vernehmen, hält die Literatur zu Recht die Aufhebung der Ermittlungspflicht der Staatsanwaltschaft oder die Schaffung eines Verfahrenshindernisses wegen der prozessualen Tat für praxisnäher.150 cc) Kriminalpolitische Bedenken gegen eine Straffreiheitsregelung im PUV Ein Teil der Literatur wendet gegen die Anwendung einer Immunitätsregelung im PUV ein, eine Gewährung von Straffreiheit gegenüber Abgeordneten und öffentlichen Bediensteten könnte bei der Bevölkerung auf Widerstand stoßen, weil der Amts- oder Mandatsträger für sein Fehlverhalten strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen würde.151 Dem kann aber entgegengehalten werden, dass es wahrscheinlich in gleicher Weise auf Unverständnis stößt, wenn sich die Mandats- und Amtsträger vor dem PUA auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht berufen und sich so ihrer politischen Verantwortung entziehen. Dadurch schüren die Abgeordneten die politische Verdrossenheit der Bevölkerung. Die Straffreiheit wird gerade gewährt, um das Fehlverhalten im PUV aufklären zu können. Steht die Wahrheit fest, kann das Parlament auf das Fehlverhalten des Abgeordneten reagieren, indem es Gesetze erlässt oder neue Kontrollmöglichkeiten einführt, um eine Wiederholung zu verhindern. In der Regel hat die Aufklärung im PUV auch für die politische Karriere des Betroffenen Konsequenzen. Entweder tritt der Betroffene freiwillig von seinem Amt zurück bzw. wird hierzu gedrängt oder er wird nicht wieder gewählt bzw. nicht mehr als Kandidat aufgestellt. Die „parlamentarische Straffreiheitsregelung“ würde die Bevölkerung also in die Lage versetzen, auf das Fehlverhalten des Abgeordneten durch ein entsprechendes Wahlverhalten zu reagieren. Auch wenn die „parlamentarische Straffreiheitsregelung“ verhindert, dass aufgrund der Offenbarung selbstbelastender Tatsachen Sanktionen gegenüber dem Betroffenen verhängt werden können, würde die Straffreiheit wegen ihrer negativen Auswirkungen auf die politische Karriere des Betroffenen bei der Bevölkerung möglicherweise nicht auf so großes Unverständnis stoßen. 149 Rogall, Protokoll G 32/40; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 281 ff.; Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 570. 150 Rogall, Protokoll G 32/73; Wolf, PUA und Strafjustiz, 206. 151 Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, 176; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 292; Wolf, PUA und Strafjustiz, 212.

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Als zweites Gegenargument führt die Literatur – in Anlehnung an die Gegner der Kronzeugenregelung152 – an, der Betroffene würde die Zusicherung von Straffreiheit womöglich missbrauchen, indem er das von ihm begangene Unrecht als weniger schlimm darstelle, aber dennoch im Gegenzug Straffreiheit für diese prozessuale Tat erlange und sich dadurch der strafrechtlichen Verurteilung entziehe. Daher sei seine Aussage nicht glaubwürdig.153 Die Gefahr, dass die Aussageperson im PUV die eigene Tat zwar eingestehen, aber verharmlosen würde, um so ihr politisches Ansehen noch zu wahren und die politischen Folgen für sich gering zu halten, ist nicht völlig von der Hand zu weisen. Der „betroffene“ Zeuge ist jedoch verpflichtet, im PUV die Wahrheit zu sagen. Gibt er vorsätzlich das Geschehen vor dem PUA falsch wieder, macht er sich nach § 153 StGB strafbar. Die Strafandrohung erzeugt einen gewissen Abschreckungseffekt, vor dem PUA falsch auszusagen. Im Einzelfall verbleibende Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Betroffenen sind bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen und lassen sich durch eine Gesamtbetrachtung aller vom Betroffenen gemachten Angaben sowie durch weitere, die Aussage des Betroffenen bestätigende Zeugenaussagen oder andere Beweismittel unter Umständen ausräumen.154 Jedenfalls ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass die Aussage des Betroffenen vor dem PUA generell ungeeignet wäre, zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen. Die Verknüpfung der Immunitätszusicherung mit der Möglichkeit, das eingestellte Strafverfahren nach Feststellung einer Falschaussage wieder aufzunehmen – so wie es im Rahmen der Kronzeugenregelung vorgeschlagen wurde155 –, ist allerdings nicht möglich. Denn unabhängig davon, dass ein solcher Wiederaufnahmegrund erst noch geregelt werden müsste, würde der Betroffene – im Gegensatz zum Kronzeugen – nicht freiwillig, sondern aufgrund einer erzwingbaren Pflicht aussagen. Seine Aussage im PUV und darauf beruhende Folgebeweismittel dürften deshalb ohnehin nicht in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren wegen der – teilweise – offenbarten Tat verwendet werden, ohne gegen den nemo-tenetur-Grundsatz zu verstoßen.

152 Kunert/Bernsmann, NStZ 1989, 449, 456 ff.; Lammer, ZRP 1989, 248, 252; Mühlhoff/Pfeiffer, ZRP 2000, 121, 124; Peglau, ZRP 2001, 103, 104; Schaefer, NJW 2000, 2325, 2326; Turner/Gallandi, ZRP 1988, 117, 118. 153 Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, 168 f.; Schneider, NJW 2000, 3332, 3333. 154 Prüfer, StV 1998, 232, 233, 235. 155 Mühlhoff/Pfeiffer, ZRP 2000, 121, 126; Peglau, ZRP 2001, 103, 105.

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dd) Vereinbarkeit einer Straffreiheitsregelung im PUV mit der Verfassung (1) Gleichbehandlungsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG Die Zusicherung von Straffreiheit würde sich auf Personen beschränken, die von einer parlamentarischen Untersuchung betroffen sind, während „normale“ Straftäter, welche die gleiche Straftat begangen haben, bestraft würden. Deshalb wird zum Teil die Auffassung vertreten, die Zusicherung von Straffreiheit verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.156 Diese Sicht träfe jedoch nur zu, wenn vergleichbare Sachverhalte ohne sachlichen Grund ungleich behandelt würden157. (a) Ungleichbehandlung Problematisch ist schon, ob sich ein Straftäter überhaupt mit Erfolg auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen kann. Denn ein Anspruch auf eine Gleichbehandlung im Unrecht und damit ein Anspruch darauf, wie ein anderer wegen des gleichen Verhaltens nicht oder milder bestraft zu werden, werden überwiegend abgelehnt.158 Eine gesetzliche Norm ist grundsätzlich nicht deshalb verfassungswidrig, weil bestimmte Sachverhalte, die einen entsprechenden Unrechtsgehalt aufweisen, von ihr nicht erfasst werden.159 Ungeachtet dessen müssten die Personengruppen zunächst miteinander vergleichbar sein. Daran könnten in unserem Zusammenhang Zweifel bestehen, weil die Amts- und Mandatsträger einer erhöhten Rechenschaftspflicht unterliegen, aufgrund derer sie gerade im PUV zur selbstbelastenden Aussage verpflichtet werden sollen. Jedoch beschränkt sich diese Ungleichheit nur auf den politischen Bereich, so dass es nicht gegen Art. 3 GG verstößt, den Amts- bzw. Mandatsträger einer umfassenden Aussage- und Herausgabepflicht im PUV zu unterwerfen. Ihr strafrechtliches Verhalten ist aber nicht anders als das „normaler“ Bürger zu beurteilen. Der Umstand, dass die Tat des Betroffenen mit seinem politischen Amt im Zusammenhang steht, ändert am strafrechtlichen Unrechtsgehalt nichts. Die Immunitätsregelung hätte zur Folge, dass der Staat den Betroffenen, dessen strafrechtlich relevantes Fehlverhalten der PUA aufklären will, wegen der begangenen Straftat nicht schuldangemessen bestrafen darf. Dem156

Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 221; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 296 f. Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 4; Osterloh in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 83. 158 BVerfGE 50, 142, 166; BVerfG, wistra 1997, 297, 298; Ioakimidis, Absprache, 55; Osterloh in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 213. 159 BVerfGE 50, 142, 166. 157

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gegenüber erhalten Straftäter, gegen die sich keine parlamentarische Untersuchung richtet, die aber die gleichen Delikte oder Delikte ähnlichen Unrechtsgehalts mit gleicher Tatschuld begangen haben, eine schuldangemessene Strafe. Eine Ungleichbehandlung zu Gunsten von Straftätern, welche die Straftaten während ihrer Amts- oder Mandatsausübung begangen haben und gegen die sich deshalb eine parlamentarische Untersuchung richtet, ist somit festzustellen.160 (b) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung Eine Ungleichbehandlung ist jedoch nicht per se verfassungswidrig, sondern sie kann gerechtfertigt sein. Nach der alten Willkürformel darf die Ungleichbehandlung nicht willkürlich erfolgen, d.h., sie ist nur aufgrund eines sachlichen Grundes zulässig, und muss einem legitimen öffentlichen Interesse dienen. Darüber hinaus muss die Ungleichbehandlung nach der neuen Willkürformel verhältnismäßig sein.161 (aa) Vorliegen eines sachlichen Grundes Zum Teil wird ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung von Betroffenen im PUV und „normalen“ Straftätern verneint, weil es – im Gegensatz zu sonstigen Strafmilderungs- und Strafaufhebungsgründen – an einem freiwilligen, honorierwürdigen Nachtatverhalten des Betroffenen fehle.162 Diese Ansicht übersieht aber, dass der Betroffene im PUV aussagen müsste und die Straffreiheit die Selbstbelastungsfreiheit gewährleistet, um die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses zu verbessern. Dieses Anliegen unterscheidet sich schon von dem sonstiger Strafmilderungsnormen bei einem Nachtatverhalten. Die Notwendigkeit einer effektiven Aufklärung von politischen Missständen durch den PUA und eine verbesserte Kontrolle von Regierung und Verwaltung durch das Parlament sind legitime sachliche Gründe, welche die Ungleichbehandlung des strafrechtlichen Verhaltens von Amts- oder Mandatsträgern und von Personen, die gleiche oder vergleichbar schwere Delikte begangen haben, aber nicht von einer parlamentarischen Untersuchung betroffen sind, rechtfertigen können. 160

Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 221. BVerfGE 95, 267, 317, Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 17, 19 ff., 26, 27, die jedenfalls die strenge Bindung an die Verhältnismäßigkeitserfordernisse verlangen, wenn – wie hier – verschiedene Personengruppen ungleich behandelt werden und eine Gruppe den begünstigten Sachverhalt in ihrer Person nicht oder nur schwer erfüllen kann; Osterloh in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 8 ff., 13 ff.; krit. zur neuen Willkürformel insbesondere Michael, JuS 2001, 148, 152 ff. 162 Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 221; Weisgerber, BeweiserhebungsR, 296. 161

B. Förderung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses

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(bb) Wahrung der Verhältnismäßigkeit Die Regelung einer Zusicherung von Straffreiheit bei belastender Aussage vor dem PUA muss aber das Übermaßverbot wahren. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert es, dass die Regelung geeignet ist, das legitime Gemeinwohlziel zu fördern, d.h., die Regelung darf nicht „schlechthin“ zur Zielerreichung ungeeignet sein.163 Die Zusicherung von Straffreiheit würde es erst ermöglichen, den Betroffenen im PUV zur Offenbarung aller Umstände, also auch strafrechtlich relevanter Tatsachen, die zur Aufklärung seiner Verfehlung notwendig sind, zu verpflichten. Eine derartige Regelung wäre somit nicht „schlechthin“ ungeeignet, das legitime Gemeinwohlziel, nämlich die Aufklärung durch den PUA sowie die Förderung demokratischer Prinzipien, zu erreichen. Erforderlich ist die Zusicherung von Straffreiheit gegen eine Aussage des Betroffenen, wenn kein milderes, weniger einschneidendes Mittel zur effektiven Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes zur Verfügung steht. Mildere Mittel sind in erster Linie die Erhebung und Verwertung anderer strafprozessualer Beweismittel, wie z. B. die Vernehmung anderer unbeteiligter Zeugen, die sich nicht selbst belasten müssen, oder die Verwendung von Urkunden. Erst wenn durch derartige Maßnahmen eine Aufklärung nicht möglich ist, ist es erforderlich, den Betroffenen zur Offenbarung aller selbstbelastenden Tatsachen zu verpflichten und ihm Straffreiheit für die offenbarte Straftat zuzusichern. Die umfassende Aussagepflicht unter Gewährung von Straffreiheit setzt deshalb eine Beweisnot voraus.164 Eine Straffreiheitsregelung, die dies konkret verlangt, wäre „erforderlich“, zumal eine Vernehmung unter Ausschluss der Öffentlichkeit kein gleich geeignetes Mittel ist, die konfligierenden Rechtsgüter in einen harmonischen Ausgleich zu bringen. Wie noch zu zeigen ist, gilt dies auch für ein Beweisverwertungsverbot.165 Die Regelung muss ferner verhältnismäßig im engeren Sinn sein. Das gewählte Mittel muss bei einer Gesamtabwägung von Ziel, Mittel und Auswirkungen der Maßnahme in vernünftiger Relation zum angestrebten Erfolg stehen. Dabei sind Bedeutung und Wertgehalt von Zweck und Mittel miteinander zu vergleichen und gegeneinander abzuwägen. Die Differenzierungsgründe und -ziele müssen von solcher Art und solchem Gewicht sein, dass sie die ungleiche Behandlung und deren Wirkungen rechtfertigen können. Je gewichtiger die sachlichen Gründe für eine Ungleichbehandlung sind, desto eher rechtfertigen sie die rechtlichen Differenzierungen.166 163 164 165

BVerfGE 65, 116, 126. Hierzu bereits 4. Kapitel, 1. Abschnitt, B. II. 1. e) dd) (2) (b). Vgl. 4. Kapitel, 1. Abschnitt, B. II. 2. c) cc) (2) (b).

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Die Gewährung von Immunität als Gegenleistung für die Aussage- und Herausgabepflicht des Betroffenen soll die parlamentarische Kontrolle und das Demokratieprinzip stärken.167 Die Demokratie ist eines der wichtigsten Verfassungsgüter und nach Art. 79 Abs. 3 GG von höchstem Verfassungsrang. Deshalb überwiegt das Interesse des parlamentarischen Untersuchungsausschusses an einer lückenlosen Aufklärung zum Zweck der Förderung der Demokratie das Interesse an einer Gleichbehandlung und rechtfertigt die durch die Straffreiheitsgewährung verursachte strafrechtliche Ungleichbehandlung von Straftätern, deren strafrechtlich relevantes Verhalten zugleich Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung ist, und sonstigen Straftätern, welche die gleiche Straftat begangen haben, aber nicht von einer parlamentarischen Untersuchung betroffen sind. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist deshalb zu verneinen. (2) Gewaltenteilungs- und Rechtsstaatsprinzip Wie dargelegt168, muss der PUA bei der Beweiserhebung den Gewaltenteilungsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 2 GG und das Rechtsstaatsprinzip beachten. Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet den Staat, für eine funktionstüchtige Strafrechtspflege und die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen sowie die Einhaltung der Individualrechte sicherzustellen. Die Zusicherung von Straffreiheit durch das Parlament oder den PUA, also einen Teil der Legislative, würde ein Verfahrenshindernis für die Strafverfolgung aufstellen oder die Staatsanwaltschaft gesetzlich verpflichten, das Verfahren endgültig einzustellen. Darin könnte ein Eingriff in das Gewaltenteilungsprinzip liegen. (a) Eingriff in Art. 20 Abs. 2, 3 GG Nach Art. 20 Abs. 2, 92 S. 1, 1. HS GG obliegt die Rechtsprechung den Gerichten. Die Ahndung von strafbarem Verhalten unterfällt dem Kernbereich der Rechtskontrolle durch den Richter.169 Nur der Richter darf daher das verwirklichte Strafübel bestimmen und die Kriminalstrafe, die gemäß § 46 StGB der festgestellten Schuld entsprechen muss, verhängen. Daher ist es dem Gesetzgeber verwehrt, andere Organe als die der Recht166 BVerfGE 88, 87, 97; 91, 389, 401; 95, 267, 317; Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 27; Michael, JuS 2001, 148, 154; Osterloh in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 22 ff. 167 Ausführlich zu den profitierenden Rechtsgütern: 4. Kapitel, 1. Abschnitt, B. I. 1. e) dd) (1). 168 1. Kapitel, C. II. 2. a), c). 169 BVerfGE 9, 268, 280; 22, 49, 77 f., 80 f.; Detterbeck in: Sachs, GG, Art. 92, Rn. 22; Herzog in: M/D/H, GG, Art. 20, 2. Abschnitt, V, Rn. 75; Jarass/Pieroth, GG, Art. 92, Rn. 3.

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sprechung mit der Ahndung von Tatbeständen zu beauftragen, die zum Kernbereich des Strafrechts gehören.170 Deshalb darf das Parlament nicht allein den PUA berechtigen, dem Betroffenen Straffreiheit endgültig zuzusichern, wenn dieser im PUV selbstbelastend aussagt, bzw. die Staatsanwaltschaft verpflichten, das Strafverfahren letztverbindlich und endgültig einzustellen. Die endgültige Zusicherung von Straffreiheit entweder durch den PUA oder durch die Staatsanwaltschaft nimmt dem Richter das Recht, im Kernbereich des Strafrechts über die Schuld des Täters wegen dessen strafbaren Verhaltens zu befinden und den Täter gemäß § 46 StGB entsprechend seiner Schuld zu bestrafen. Damit würde die Legislative bzw. die Exekutive171 in den Sanktionsmechanismus der Gerichte eingreifen. Zudem läge ein unzulässiger Eingriff der Legislative in den Bereich der Exekutive (= Staatsanwaltschaft) vor, wenn sich das Parlament bzw. der PUA mit der Immunitätsgewährung das Recht anmaßt, über die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens zu entscheiden und die Staatsanwaltschaft daran hindert, den staatlichen Strafanspruch in allen Fällen durchzusetzen, in denen das öffentliche Interesse dies verlangt.172 Zwar sind wechselseitige Eingriffe der Gewalten als Durchbrechungen des Gewaltenteilungsprinzips zur Machtbalancierung erlaubt, solange die anmaßende Gewalt nicht in den Kernbereich einer anderen Gewalt eingreift und kein wesentliches Übergewicht zu den anderen Gewalten erhält.173 Solche zulässigen Gewaltenverschränkungen sind beispielsweise die Begnadigung nach Art. 60 Abs. 2 GG, die Immunität nach Art. 46 Abs. 2 GG oder das Opportunitätsprinzip nach §§ 153 ff. StPO bzw. § 31a BtMG. Allerdings bestätigen diese Regelungen, dass die zum Schutz des nemo-teneturPrinzips erforderliche „parlamentarische Straffreiheitsregelung“ den Kernbereich von Judikative bzw. Exekutive berührt. Während Art. 46 Abs. 2 GG die Immunität auf den Zeitraum des Mandats beschränkt, die Strafverfolgung also nicht für immer ausgeschlossen ist und die Verjährung während der Immunität nach § 78b Abs. 2 Nr. 1, 2 170 BVerfGE 22, 49, 81; 64, 261, 294 f.; Detterbeck in: Sachs, GG, Art. 92, Rn. 18. 171 Über eine Negativabgrenzung zur Legislative und Judikative im Sinne des Art. 92 GG wird hier die StA der Exekutive zugeordnet, so auch BGHSt. 15, 155, 160; Butzer, Immunität, 94; Rautenberg, NJ 2003, 169, 172; a. A.: Wurbs, Immunität, 20, der die StA als Mischorgan zwischen Exekutive und Judikative und daher als Organ der Rechtspflege ansieht. 172 Faller, Maunz-FS, 69 ff. 173 Butzer, Immunität, 95; Faller, Maunz-FS, 69 ff.; Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 24; Sachs in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 85, 93; Vogel, NJW 1996, 1505, 1506; Wurbs, Immunität, 19.

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StGB ruht174, müsste die „parlamentarische Immunitätsregelung“ zum lückenlosen Schutz des nemo-tenetur-Prinzips die Straffreiheit endgültig und abschließend zusichern oder die Staatsanwaltschaft zur endgültigen und dauerhaften Einstellung des Strafverfahrens verpflichten. Die Strafverfolgung würde also nicht nur vorübergehend ausgesetzt. Das Begnadigungsrecht des Bundespräsidenten nach Art. 60 Abs. 2 GG hebt lediglich die Vollstreckbarkeit des Urteils auf, lässt die Gründe des Urteils, die Schuldfeststellung und den Registervermerk als wesentliche Elemente der richterlichen Entscheidung dagegen unberührt.175 Eine „parlamentarische Straffreiheitsregelung“ müsste jedoch schon die Einleitung eines Ermittlungs- und gerichtlichen Verfahrens verhindern mit der Folge, dass ein rechtskräftiges Urteil gar nicht erst ergehen könnte. Die §§ 153 ff. StPO, § 31a BtMG oder Art. 4 der früheren Kronzeugenregelung sind nach h. M. zulässige Gewaltenverschränkungen, weil sie regelmäßig eine gerichtliche Zustimmung erfordern, die Einstellung in das Ermessen der Staatsanwaltschaft stellen und die Entscheidung über die Einstellung nicht bzw. im Fall des § 153a Abs. 1 S. 4 StPO nur beschränkt in Rechtskraft erwächst.176 Die Entscheidung über eine Zusicherung von Straffreiheit im PUV stünde dagegen nicht im Ermessen von Staatsanwaltschaft und Strafgericht, sondern sie müsste zum Schutz der Selbstbelastungsfreiheit des Betroffenen endgültig und abschließend gewährt werden, obwohl der Betroffene seine Schuld vor dem PUA eingeräumt hat. Damit käme die Straffreiheitsgewährung einer Entscheidung mit Rechtskraftwirkung gleich und würde damit dauerhaft eine gerichtliche Sanktionsverhängung vereiteln. Darin läge ein Eingriff in den Kernbereich der Judikative. Die Gewährung umfassender und dauerhafter Immunität würde die gesetzlich vorgesehene Aburteilung einer Straftat des Betroffenen durch die Verhängung einer schuldangemessenen Strafe und die daraus resultierende Stärkung des Rechtsbewusstseins der Bevölkerung sowie der spezial- und generalpräventiven Strafzwecke verhindern.177 Die Immunitätszusicherung würde dadurch auch in das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG ein174 Butzer, Immunität, 97; Magiera in: Sachs, GG, Art. 46, Rn. 12; Wurbs, Immunität, 20. 175 Dimoulis, Begnadigung, 283 ff.; Holste, Jura 2003, 738; Mickisch, Gnade, 37; Müller-Dietz, DRiZ 1987, 474, 476; Nierhaus in: Sachs, GG, Art. 60, Rn. 13. 176 Kunert/Bernsmann, NStZ 1989, 449, 459, Fn. 84, 460; Lammer, ZRP 1989, 248, 250; Meyer-Goßner, StPO, § 153, Rn. 10, 37, § 153a, Rn. 9, 45, § 153b, Rn. 2, § 153c, Rn. 1; eine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes bejahen: BGHSt. 15, 155, 158 f.; Faller, Maunz-FS, 69 ff.; Kühne, StrafprozessR, Rn. 300; Roxin, StrafverfahrensR, § 14, Rn. 5. 177 BVerfGE 33, 367, 383; 51, 324, 343 f.; 74, 257, 261 f.; Hoyer, JZ 1994, 233, 235; Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, 175; Sachs in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 162; Schlüchter, ZRP 1997, 65, 69.

B. Förderung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses

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greifen, weil die Verfolgung der im PUV offenbarten Straftaten vollständig lahm gelegt wäre. Zwar hindert auch die Indemnitätsregelung nach Art. 46 Abs. 1 GG die Ermittlungsbehörden an der Verfolgung sowie die Strafgerichte endgültig an der Sanktionierung und räumt der Funktionsfähigkeit des Parlaments einen generellen Vorrang vor dem Rechtsstaatsprinzip ein. Allerdings beschränkt sich die Indemnität auf geringfügige Delikte178, nämlich Ehrschutzdelikte bei Abstimmungen und Äußerungen der Abgeordneten im Parlament und in dessen Ausschüssen. Andere Straftaten, die ein Abgeordneter begangen hat, sind – vorbehaltlich der Regelung des Art. 46 Abs. 2 GG – strafrechtlich verfolgbar. (b) Untauglichkeit der Straffreiheitsregelung zum verhältnismäßigen Interessenausgleich Der Eingriff in das Gewaltenteilungs- und Rechtsstaatsprinzip durch die Straffreiheitsgewährung wäre nur verhältnismäßig, wenn die widerstreitenden Interessen (Strafanspruch des Staates, Wahrung des Kernbereichs der Judikative, parlamentarisches Untersuchungsrecht, Selbstbelastungsfreiheit) in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinander stehen. Hierzu müsste die Straffreiheitsregelung wegen selbstbelastender Aussagen vor dem PUA zumindest den Richter an den Beratungen des Untersuchungsausschusses über die Gewährung der Straffreiheit bzw. an der Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Einstellung beteiligen und dem Gericht einen Entscheidungsspielraum belassen, weil anderenfalls das Zustimmungserfordernis nur reiner Formalismus wäre. Die Immunitätsgewährung müsste jedenfalls bei schwerwiegenden Straftaten, an deren Verfolgung ein öffentliches Interesse besteht, in der Entscheidung des Gerichts stehen. Spräche es sich gegen eine Zusicherung von Straffreiheit aus, müsste dem Betroffenen zum lückenlosen Schutz seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts wieder ein Auskunftsverweigerungsrecht zustehen. Damit würde gewährleistet, dass die Strafverfolgungsbehörden von einer Verfolgung schwerster Straftaten nicht absehen müssten179 und der Kernbereich des Strafrechts unangetastet bliebe, der PUA aber Verfehlungen, deren strafrechtlicher Unrechtsgehalt nur geringfügig ist, ungehindert aufklären könnte. Denkbar wäre auch eine gesetzliche Bestimmung, dass ein Betroffener, der im PUV aufgrund seiner Aussagepflicht eine Straftat offenbart, wegen dieser offenbarten Straftat nicht strafbar ist, so dass der Entscheidungs178 Jarass/Pieroth, GG, Art. 46, Rn. 2; Magiera in: Sachs, GG, Art. 46, Rn. 3 ff.; Wurbs, Immunität, 93 f. 179 Faller, Maunz-FS, 69 ff.; Jung, Kronzeuge, 68 ff.

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4. Kap., 1. Abschn.: Zeugenvernehmung und Herausgabeverlangen

bereich der Rechtsprechung gar nicht erst eröffnet wäre.180 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz würde allerdings nur eine Regelung tragen, welche die Gewährung von Straffreiheit auf geringfügige Delikte beschränkt. Eine Regelung, welche die Gewährung von Straffreiheit auf geringfügige Straftaten beschränkt, wäre aber unter zwei Aspekten bedenklich. Zum einen werden zu Beginn der Untersuchungstätigkeit des Untersuchungsausschusses die strafrechtlichen Ermittlungen häufig erst am Anfang stehen oder noch gar nicht eingeleitet sein. Oftmals wird in diesem frühen Stadium noch nicht feststehen, welche Straftat der Betroffene tatsächlich begangen hat und ob diese von einer Immunität betroffen wäre.181 Hält der PUA die Tat nach dem bisherigen Untersuchungsstand nur für ein Vergehen und gewährt deshalb für die prozessuale Tat Immunität, stellt sich die prozessuale Tat später aber als schwerwiegender dar, so könnte sie dennoch nicht mehr verfolgt werden. Selbst wenn die Immunität wegen einer Falschaussage des Betroffenen wieder aufzuheben wäre, dürften die Strafverfolgungsbehörden aber weder seine Aussage noch die darauf beruhenden Beweismittel zum Schutz des nemo-tenetur-Prinzips verwenden. Außerdem könnten die Strafverfolgungsbehörden aus dem Umstand, dass der Betroffene sich im PUV auf ein Auskunftsverweigerungsrecht beruft, mit großer Sicherheit den Rückschluss ziehen, dass der Betroffene eine schwere Straftat begangen hat, welche die Gewährung von Straffreiheit ausschließt.182 Das könnte die Strafverfolgungsbehörde zum Anlass nehmen, Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten oder zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Der nemo-teneturGrundsatz würde dadurch letztlich ausgehöhlt. ee) Zwischenergebnis Die Auferlegung einer unbeschränkten Aussage- und Herausgabepflicht unter gleichzeitiger Gewährung von Straffreiheit ist nicht geeignet, die widerstreitenden Interessen – nämlich das parlamentarische Aufklärungsinteresse, das Strafverfolgungsinteresse und das Interesse am Schutz der Selbstbelastungsfreiheit – in Einklang zu bringen. Zwar würde eine Immunitätsgewährung nicht gegen Art. 3 GG verstoßen. Die Zusicherung von Straffreiheit müsste aber auf geringfügige Straftaten beschränkt werden. Bei schweren Straftaten müsste dagegen das Gericht entscheiden, ob der Betroffene gegen Gewährung von Immunität auszusagen hat oder ihm das Aus180 Allgemein zur Reduzierung bzw. Ausweitung des materiellen Strafrechts durch den Gesetzgeber: BVerfGE 27, 18, 28, 33; 23, 113, 126; Detterbeck in: Sachs, GG, Art. 92, Rn. 11. 181 Nack, Protokoll G 32/36. 182 Nack, Protokoll G 32/74.

B. Förderung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses

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kunftsverweigerungsrecht zusteht. Im Fall der Ablehnung der Immunität müsste sich der Betroffene auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berufen dürfen. Mit dessen Ausübung würde der Betroffene indirekt eingestehen, dass er sich strafbar gemacht haben könnte. Dies könnte zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens führen. c) Strafprozessuales Beweisverwertungsverbot Ein Ausweg aus dem Dilemma könnte darin bestehen, dass selbstbelastende Aussagen im PUV einem Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren unterfallen. Nach dem Gemeinschuldnerbeschluss des BVerfG ist es zulässig, den Gemeinschuldner einer umfassenden Aussagepflicht zu unterwerfen, wenn die Aussage im Strafprozess gegen ihn unverwertbar ist. Das Beweisverwertungsverbot folgt unmittelbar aus der Verfassung.183 Ein Teil der Literatur befürwortet, die Beweisverwertungsverbotslösung auf das parlamentarische Untersuchungsrecht zu übertragen.184 aa) Verlesungsverbot des § 254 StPO § 254 StPO macht ein eigenständiges Beweisverwertungsverbot nicht überflüssig. Er verbietet lediglich, dass Erklärungen des Angeklagten in einer früheren nichtrichterlichen Vernehmung, die in einem nichtrichterlichen Protokoll enthalten sind, zum Zweck der Beweisaufnahme über ein Geständnis verlesen werden. Zwar behauptet eine Auffassung im Schrifttum185, dass nicht nur die Verlesung nichtrichterlicher Protokolle, sondern auch die Einführung der Ergebnisse auf mittelbarem Weg, z. B. durch die Vernehmung der früheren Verhörsperson, untersagt sei, weil die Vernehmung der nichtrichterlichen Verhörsperson einer unzulässigen Verlesung eines nichtrichterlichen Protokolls gleichkäme. Der Gesetzeswortlaut lässt eine solche Deutung jedoch nicht zu. § 254 Abs. 1 StPO regelt nur die Zulässigkeit von Verlesungen früherer Aussagen des Beschuldigten in richterlichen Protokollen. Daraus folgert die h. M. zwar zu Recht ein Verlesungsverbot für nichtrichterliche Protokolle.186 Der Vernehmung der früheren 183

BVerfGE 56, 37, 49 f. So Danckert, ZRP 2000, 476, 478 f.; Masing, FAZ vom 08.02.2001, S. 14; ders., ZRP 2001, 36, 42; Schneider, NJW 2000, 3332, 3333 f.; Ströbele, Protokoll G 32/56 f.; Wolf, PUA und Strafjustiz, 164 f.; a. A.: Jekewitz, RuP 2000, 215, 219; Kempf/Richter II, AnwBl 2000, 513, 514; Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 220. 185 Grünwald, JZ 1968, 752, 753; Hanack, JZ 1972, 274. 186 BGHSt. 14, 310, 311, 312; BGH, NStZ 1995, 47; OLG Frankfurt a. M., StV 1996, 202; Beulke, StrafprozessR, Rn. 416; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 675; Meyer-Goßner, StPO, § 254, Rn. 6; Pfeiffer, StPO, § 254, Rn. 1. 184

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Verhörsperson als Zeuge187 oder dem Vorhalt des Protokolls188 steht die Regelung aber nicht entgegen. Die Vorschrift verhindert somit nicht umfassend, dass die Aussage des Betroffenen vor dem PUA keinen Eingang ins Strafverfahren findet. bb) Selbstständiges Beweisverwertungsverbot von Verfassungs wegen Bestünde eine erzwingbare Aussage- und Herausgabepflicht im PUV auch bei Selbstbelastungsgefahr, würde das Beweisverwertungsverbot den nemo-tenetur-Grundsatz absichern, indem es verhindert, dass die Strafverfolgungsbehörden die selbstbelastenden Informationen der Sanktionierung des Betroffenen zu Grunde legen. Die erzwingbare Pflicht, selbstbelastend auszusagen, tangiert das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG und den Fairtrial-Grundsatz. Werden die Daten nicht zur politischen Aufklärung benutzt, sondern legen die Strafverfolgungsbehörden die unter Zwangsmittelandrohung oder -anwendung erhaltenen selbstbelastenden Daten des Betroffenen im PUV nunmehr der strafrechtlichen Sanktionierung zu Grunde, zweckentfremden die Strafverfolgungsbehörden die Informationen. Die Benutzung der vom PUA durch die erzwingbare Aussage- und Herausgabepflicht erlangten Information perpetuiert und vertieft den Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht; sie ist ein selbstständiger Grundrechtseingriff.189 Die Verwendung der Ergebnisse im Strafverfahren gegen den Willen des Betroffenen beeinträchtigt sogar das Allgemeine Persönlichkeitsrecht unverhältnismäßig in seinem Kernbereich190, weil der Betroffene mittelbar aktiv an seiner eigenen Überführung im Strafverfahren mitwirken würde. Die Strafverfolgungsbehörden würden den Betroffenen dadurch zum bloßen Objekt der Wahrheitserforschung herabqualifizieren und nicht wie ein Rechtssubjekt des Strafverfahrens behandeln.191 Der Betroffene muss aber frei entscheiden können, ob er als Werkzeug zur Überführung seiner selbst benutzt werden darf. Denn es ist menschenunwürdig und unzumutbar, jemanden 187 BGHSt. 14, 310, 312; BGH, NStZ 1995, 47; Beulke, StrafprozessR, Rn. 416; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 675; Meyer-Goßner, StPO, § 254, Rn. 8; Pfeiffer, StPO, § 254, Rn. 1; Roxin, StrafverfahrensR, § 44, Rn. 18. 188 BGHSt. 14, 310, 312; OLG Frankfurt a. M., StV 1996, 202; Beulke, StrafprozessR, Rn. 421; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 675; Meyer-Goßner, StPO, § 254, Rn. 7; Pfeiffer, StPO, § 254, Rn. 1; a. A.: Niese, JZ 1953, 594, 598; Riegner, NJW 1961, 63, 64; Roxin, StrafverfahrensR, § 44, Rn. 18. 189 Allgemein: Reinecke, Fernwirkung, 172, 229. 190 4. Kapitel, 1. Abschnitt, B. II. 1. e) bb). 191 BVerfGE 38, 105, 113; BGHSt. 14, 358, 364; Hauf, NStZ 1993, 457, 460.

B. Förderung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses

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– entgegen seinem natürlichen Selbstschutzinteresse – zu zwingen, selbstbelastende Informationen zu liefern, die anschließend bei seiner Verurteilung und Sanktionierung gegen ihn verwendet werden.192 Die Behörden verletzen mit einer Verwertung der im PUV erlangten selbstbelastenden Informationen im Strafverfahren somit das Allgemeine Persönlichkeitsrecht im Kernbereich, nämlich die Menschenwürde. Da der Kernbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts unantastbar ist, verbietet sich auch eine Abwägung mit dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung.193 Das Informationsinteresse Dritter rechtfertigt es demzufolge nicht, dass der Betroffene zugleich zu seiner Verurteilung beitragen muss, indem die Strafverfolgungsbehörde seine außerstrafrechtlich abgegebene selbstbelastende Aussage im gegen ihn gerichteten Strafverfahren verwertet.194 Die selbstbelastende Aussage und die selbstbelastenden Unterlagen oder sonstigen Gegenstände des Betroffenen, die er im PUV offenbart hat, unterliegen deshalb im Strafverfahren einem Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Fair-trial-Grundsatz. Das bedeutet zugleich, dass die Akten des Untersuchungsausschusses, in denen er die selbstbelastende Auskunft des Betroffenen dokumentiert, nicht von den Strafverfolgungsbehörden beigezogen oder beschlagnahmt werden dürfen. Es ist unverhältnismäßig, Akten zu beschlagnahmen, deren Informationen im Strafverfahren nicht verwendet werden dürften.195 cc) Fernwirkung des Beweisverwertungsverbotes Im PUV sitzen bisweilen Staatsanwälte, welche die Aussage des Betroffenen oder den Inhalt aus den vom Betroffenen herausgegebenen Akten oder sonstigen Gegenständen zur Kenntnis nehmen. Die Staatsanwaltschaft kann dann Maßnahmen einleiten, um offenbarte Gegenstände sicherzustellen und gegebenenfalls für weitere Ermittlungen zu nutzen. Die unmittelbar erlangte und für die Strafverfolgungsbehörde unverwertbare Auskunft oder der unverwertbare Gegenstand des Betroffenen kann somit einen Ansatz für weitere strafverfahrensrechtliche Ermittlungen bilden, die neue Beweismittel liefern. Der Betroffene wäre vor einer selbstbelastenden Wirkung seiner Mitarbeit im PUV deshalb nur umfassend geschützt, wenn sich das Beweis192 BVerfGE 56, 37, 43 f.; Rogall in: SK, StPO, vor § 133, Rn. 132; Schäfer, Dünnebier-FS, 11, 36. 193 BVerfGE 27, 344, 351; 75, 369, 380; Höfling, JuS 1995, 857, 859; Kunig, Jura 1993, 595, 602. 194 BVerfGE 56, 37, 50 f. 195 LG Stuttgart, wistra 2000, 439.

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verwertungsverbot auch auf solche Beweismittel erstreckt, die aufgrund des unverwertbaren Beweismittels gewonnen wurden. (1) Meinungsstand im Strafprozess Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Beweisverwertungsverbot Fernwirkung entfaltet, also die aufgrund eines unverwertbaren Beweismittels aufgefundenen Beweismittel im Strafverfahren ebenfalls nicht verwertet werden dürfen, ist heftig umstritten. (a) „Fruit of the poisonous tree doctrine“ In Anlehnung an die amerikanische Rechtsfigur der „Fruit of the poisonous tree doctrine“ behauptet ein Teil der Literatur, dass sich das Beweisverwertungsverbot auch auf das Beweismittel erstrecke, das die Strafverfolgungsbehörden erst aufgrund des unverwertbaren Beweismittels aufgefunden haben.196 Die Anerkennung dieser Fernwirkung solle eine Umgehung des Verwertungsverbotes sicherstellen und die Strafverfolgungsbehörden zu einem rechtsstaatlichen Handeln anhalten.197 Die Strafverfolgungsbehörden könnten sonst unter bewusster Missachtung des Beweisverwertungsverbotes weitere Beweismittel erlangen und verwerten, obwohl sie diese ohne Verfahrensverstoß gar nicht erlangt hätten.198 Erfasse das Beweisverwertungsverbot nur das unmittelbar unter einem Verfahrensverstoß gewonnene Beweismittel, blieben Verfahrensfehler weitgehend ohne negative Auswirkungen, weil der Beweismittelverlust durch die Beweismittel, die aufgrund der rechtswidrig erlangten Information aufgefunden werden, kompensiert werde.199 (b) Ablehnung der Fernwirkung Die Gegenauffassung lehnt eine Fernwirkung des Beweisverwertungsverbotes grundsätzlich ab200, weil sie die Strafverfolgungstätigkeit lahm legen 196

Fezer, JZ 1987, 937, 938 f.; Grünwald, StV 1987, 470, 473; Müller, wistra 2001, 167, 170 f.; Neuhaus, NJW 1990, 1221 f.; ders., StV 1994, 36, 37; Otto, GA 1970, 289, 294; Streck, StV 1981, 362, 363. 197 Fezer, JZ 1987, 937, 939; Maiwald, JuS 1978, 379, 384; Müller, wistra 2001, 167, 170 f.; Otto, GA 1970, 289, 294; Reichert-Hammer, JuS 1989, 446, 448; Streck, StV 1981, 362, 363. 198 Maiwald, JuS 1978, 379, 384; Neuhaus, NJW 1990, 1221, 1222; ders., StV 1994, 36, 37 Reichert-Hammer, JuS 1989, 446, 448; Schroth, JuS 1998, 969, 970. 199 Schroth, JuS 1998, 969, 970. 200 BGHSt. 27, 355, 358; BGHSt. 32, 68, 71 = BGH, StV 1984, 1, 2; BGHSt. 34, 362, 364; OLG Stuttgart, NJW 1973, 1941, 1942; OLG Hamburg, MDR 1976, 601;

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und schon ein kleiner Verfahrensfehler den in Art. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 S. 1 GG verankerten staatlichen Strafanspruch beeinträchtigen könne. Würde der infolge der erlangten Beweismittel überführte Straftäter nicht bestraft, verletze dies zudem das Schuldprinzip sowie den Gleichheitsgrundsatz und stünde im Widerspruch zum Gerechtigkeitsempfinden der Allgemeinheit.201 Es sei im Übrigen häufig schwierig, die Ursächlichkeit der unmittelbar – rechtswidrig – gewonnenen Erkenntnisse für die mittelbar aufgefundenen Beweismittel nachzuweisen.202 (c) Lehre von der Hypothesenbildung Um eine völlige Lahmlegung des Strafverfahrens zu verhindern, schränkt eine Ansicht die Fernwirkung des Beweisverwertungsverbotes dann ein, wenn die Strafverfolgungsbehörden das Beweismittel auch auf legalem Weg hätten erlangen können. Ein derartiger hypothetischer Ermittlungsverlauf unterbreche den normativen Zusammenhang zwischen Rechtsfehler und Beweismittelerlangung.203 Im materiellen Strafrecht sei anerkannt, dass dem Täter der Erfolg nicht zuzurechnen sei, wenn der Erfolg auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre. Dies sei auf das Strafverfahrensrecht zu übertragen.204 Wenn die Behörden das Beweismittel auch auf „sauberem Weg“ hätten erlangen können, realisiere sich in der Auffindung des Beweismittels nicht der Verfahrensfehler, sondern das allgemeine Überführungsrisiko.205 Umstritten ist allerdings, wie wahrscheinlich ein derartiger hypothetischer Ermittlungsverlauf, der den normativen Zurechnungszusammenhang zwischen Rechtsfehler und Beweismittelerlangung unterbreche, sein muss. Die Lösungsansätze reichen von der bloßen abstrakten Möglichkeit der Erreichung desselben Ergebnisses206 über die größere Kramer, Jura 1988, 520, 524 f.; ders., Grundbegriffe, Rn. 165; Meyer-Goßner, StPO, Einl., Rn. 57, § 136a, Rn. 31. 201 BGHSt. 32, 68, 71; 34, 362, 364; OLG Hamburg, MDR 1976, 601; Seidel, 46. DJT/II, F 106. 202 BGHSt. 32, 68, 71; 34, 362, 364 f. 203 BGH, NStZ 1989, 375, 376; LG Stuttgart, wistra 2000, 439; Aulehner, DÖV 1994, 853, 861; Besson, Steuergeheimnis, 150 f.; Fahl, JuS 1996, 1013, 1018; Fezer, JR 1991, 85, 87; Harris, StV 1991, 313, 320 ff.; Jahn/Dallmeyer, NStZ 2005, 297 ff.; Klug, 46. DJT/II, F 30, F 46 f.; Reichert-Hammer, JuS 1989, 446, 450; Richter, wistra 2000, 440; Roxin, StrafverfahrensR, § 24, Rn. 21; Schlüchter, JR 1984, 517, 520; dies., StrafprozessR, Rn. 4.3; Schroth, JuS 1998, 969, 970; Weiler, NStZ 1995, 98, 99; Weyand, ZInsO 2001, 108, 109; Wohlers, NStZ 1990, 245, 246. 204 Schlüchter, JR 1984, 517, 519; Wolter, NStZ 1984, 276, 277 (allerdings für die Abwägungslehre). 205 Besson, Steuergeheimnis, 150; Reinecke, Fernwirkung, 207. 206 BGHSt. 32, 68, 71 = BGH, StV 1984, 1, 2.

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Wahrscheinlichkeit des Auffindens als des Nichtauffindens207 oder die Höchstwahrscheinlichkeit des Auffindens des Beweismittels zur Zeit des Verfahrensfehlers208 bis hin zur Verurteilungswahrscheinlichkeit209. (d) Abwägungslehre Eine weitere Auffassung nimmt eine Abwägung zwischen dem verletzten Individualinteresse und dem Strafverfolgungsinteresse im konkreten Einzelfall vor. Eine Fernwirkung scheide aus, wenn das Strafverfolgungsinteresse das Individualinteresse des Einzelnen überwiegt. Maßgebliche Abwägungsfaktoren seien die Schwere der Tat, die Bedeutung des Beweismittels und die Schwere des Verfahrensverstoßes.210 Einige Vertreter der Abwägungslehre beziehen in die Abwägung auch hypothetische Ermittlungsverläufe ein, da diese die Schutzwürdigkeit des Betroffenen mindern könnten.211 (e) Stellungnahme Wäre der Strafverfolgungsbehörde nur die Verwertung des unmittelbaren Beweismittels verwehrt, dürfte sie also zumindest die aufgrund dieser Informationen erlangten Beweismittel benutzen, wäre der Betroffene durch ein Beweisverwertungsverbot ohne Fernwirkung benachteiligt, weil die Staatsanwaltschaft mehr Informationen erhält, als sie in rechtmäßiger Weise auf der Grundlage der StPO an Beweisen erlangen könnte. Wie bereits oben erörtert212, hat sich der Staat – vor allem zum Schutz von Individualrechtsgütern – bei der Wahrheitserforschung aber Selbstbeschränkungen unterworfen, die dem Beschuldigten ein Abwehrrecht ge207

Schlüchter, JR 1984, 517, 520. Blau, Jura 1993, 513, 519; Danckert, ZRP 2000, 476, 479; Fezer, JR 1991, 85, 87; Harris, StV 1991, 313, 322; Reichert-Hammer, JuS 1989, 446, 450; Rogall, NStZ 1988, 385, 392; Weiler, NStZ 1995, 98, 99; Wohlers, NStZ 1990, 245, 246; Wolter, NStZ 1984, 276, 277. 209 BayObLG, NJW 1997, 3454, 3455; Beulke, ZStW 103 (1991), 657, 670; Danckert, ZRP 2000, 476, 479; Eisenberg, BeweisR, Rn. 410; Fahl, JuS 1996, 1013, 1018; Roxin, StrafverfahrensR, § 24, Rn. 21. 210 Danckert, ZRP 2000, 476, 479; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 484, 784; Joerden, JuS 1993, 927, 931; wohl auch Kramer, Jura 1988, 520, 524; Maiwald, JuS 1979, 379, 385; Reichert-Hammer, JuS 1989, 446, 449 f.; Rogall, NStZ 1988, 385, 391; ders., ZStW 91 (1979), 1, 31; Wolter, NStZ 1984, 276, 278. 211 Beulke, ZStW 103 (1991), 657, 678; Danckert, ZRP 2000, 476, 479; Jahn/ Dallmeyer, NStZ 2005, 297, 301, 303, nach denen die Berücksichtigung hypothetischer Ermittlungsverläufe einer gesetzlichen Grundlage bedarf; Joerden, JuS 1993, 927, 931; Rogall, NStZ 1988, 385, 391; Wolter, NStZ 1984, 276, 277. 212 3. Kapitel, V. 3. e) dd). 208

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gen hoheitliche Eingriffe gewähren213. Eine faire und rechtsstaatliche Verfahrensgestaltung ist nur sichergestellt, wenn der Staat die Rechte des Beschuldigten, insbesondere auch die Selbstbelastungsfreiheit, wahrt und unter einer Grundrechtsverletzung erlangte Beweise nicht verwertet.214 Allerdings ist der Staat nach Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet, den staatlichen Strafanspruch effektiv umzusetzen. Eine generelle Fernwirkung des Verwertungsverbots scheidet deshalb aus, zumal die Fernwirkung eigene, von dem unverwertbaren Beweismittel unabhängige Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden nicht ausschließt.215 Es wird sich jedoch oft nur schwer klären lassen, ob das unverwertbare Beweismittel für die Ermittlung der weiteren Beweismittel ursächlich war.216 Deshalb sind das Interesse des Beschuldigten an der Wahrung seiner Rechte und das Interesse an einer effektiven Strafverfolgung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen. Hat der Gesetzgeber ein Beweisverwertungsverbot geregelt, hat er bereits eine Wertung der widerstreitenden Interessen vorgenommen. Es ist zu prüfen, ob der Schutzzweck des Verwertungsverbots es auch erfordert, dass Beweismittel, die aufgrund des unmittelbar unter Rechtsverstoß erlangten Beweismittels gewonnen wurden, ebenfalls unverwertbar sind.217 Zur Feststellung dieser Fernwirkung ist auch das Recht des Beschuldigten, das durch das Verwertungsverbot vor einer weiteren Verletzung geschützt wird, zu berücksichtigen. Je bedeutsamer das Recht des Beschuldigten ist, desto eher wird der Schutzzweck des Beweisverwertungsverbots eine Fernwirkung zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens erfordern. Bei der Abwägung sind auch hypothetische Ermittlungsverläufe zu berücksichtigen, denn der Beschuldigte ist weniger schutzwürdig, wenn die Strafverfolgungsbehörden das weitere Beweismittel auch ohne das unverwertbare Beweismittel hätten erlangen und den Beschuldigten auf dieser Grundlage hätten überführen können. Die Rechtsstellung des Beschuldigten hat sich dann nämlich nicht messbar durch die Benutzung des unverwertbaren Beweismittels verschlechtert.218 Bei der Berücksichtigung hypothetischer Ermittlungsverläufe sollte jedoch nicht schon die abstrakte Möglichkeit oder eine größere Wahrscheinlichkeit des Auffindens genügen, da 213

Hauf, NStZ 1993, 457, 459; Küpper, JZ 1990, 416, 417. Küpper, JZ 1990, 416, 417; Prittwitz, NStZ 1981, 463, 468. 215 Grünwald, StV 1987, 470, 472; Schneider, NJW 2000, 3332, 3333; Wolter, NStZ 1984, 276, 277. 216 BGHSt. 34, 362, 364 f.; Hellmann in: H/H/Sp, AO, § 393, Rn. 125. 217 Beulke, ZStW 103 (1991), 657, 669. 218 Besson, Steuergeheimnis, 150; Reinecke, Fernwirkung, 207; Rogall, NStZ 1988, 385, 391. 214

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die Verfolgungsbehörden eine solche Situation ohne weiteres darlegen könnten219, so dass die Fernwirkung leicht wieder ausgehebelt werden könnte220. Es ist deshalb eine Höchstwahrscheinlichkeit des hypothetischen Ermittlungsverlaufs, besser sogar noch eine Verurteilungswahrscheinlichkeit zu fordern, die im konkreten Fall bereits zur Zeit des Verfahrensverstoßes angelegt gewesen sein muss221, um hypothetisch die gleiche Beweislage zu erzielen. Zu beachten ist zudem, dass die Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG bzw. der Wesensgehalt der Grundrechte nach Art. 19 Abs. 2 GG unantastbar ist. Der Wesensgehalt eines Grundrechts ist berührt, wenn dem Grundrecht generell keine Bedeutung aufgrund des Eingriffs mehr verbleibt222, das Grundrecht also in seinen identitätsprägenden Merkmalen berührt ist223. In diesen Bereichen ist eine Abwägung nicht statthaft224, so dass dem Verwertungsverbot eine Fernwirkung zuzusprechen ist. Hier lässt sich allenfalls ein hypothetischer Ermittlungsverlauf als Unterbrechung des normativen Zusammenhangs zwischen dem unverwertbaren Beweismittel und der Erlangung neuer Beweismittel berücksichtigen. Die Abwägungslehre berücksichtigt somit sowohl die Interessen des Beschuldigten als auch das Strafverfolgungsinteresse am besten. Ihr ist deshalb zu folgen. (2) Fernwirkung des Verbots der Verwertung im PUV erlangter Informationen (a) Meinungsstand Unter Bezugnahme auf die Abwägungslehre bejaht ein Teil der Literatur im PUV nicht nur ein Beweisverwertungsverbot für die erzwingbare selbstbelastende Aussage des Betroffenen, sondern erstreckt das Beweisverwertungsverbot grundsätzlich auf die Ermittlungsergebnisse, die erst aufgrund der unverwertbaren Auskunft erlangt wurden.225 An die Prüfung, ob die weiteren Ermittlungsergebnisse auf der Auskunft beruhen, seien strenge Anforderungen zu stellen. Die mittelbaren Beweismittel seien schon dann un219 Eisenberg, BeweisR, Rn. 410; Gössel, NStZ 1998, 126, 129 f.; Reichert-Hammer, JuS 1989, 446, 450. 220 Beulke, ZStW 103 (1991), 657, 670 f.; Eisenberg, BeweisR, Rn. 410; MeyerGoßner, StPO, Einl., Rn. 57c. 221 Meyer-Goßner, StPO, Einl., Rn. 57c; Reichert-Hammer, JuS 1989, 446, 450; Roxin, StrafverfahrensR, § 24, Rn. 21; Weiler, NStZ 1995, 98, 99. 222 Wolter, NStZ 1993, 1, 4. 223 Middendorf, Jura 2003, 232, 236. 224 Blau, Jura 1993, 513, 519 f.; Küpper, JZ 1990, 416, 418. 225 Danckert, ZRP 2000, 476, 479; Ströbele, Protokoll G 32/56.

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verwertbar, wenn die Möglichkeit, dass die Auskunft des Betroffenen kausal für das Auffinden der weiteren Beweismittel geworden ist, nicht auszuschließen ist.226 Im Interesse der materiellen Gerechtigkeit müsse allerdings bei Straftaten, an deren Verfolgung ein besonderes öffentliches Interesse besteht, eine solche Fernwirkung ausscheiden. Ein höherrangiges öffentliches Verfolgungsinteresse liege bei Straftaten des Katalogs in § 139 Abs. 3 StGB bzw. § 30 Abs. 4 Nr. 5a AO vor. Um den Betroffenen in diesem Fall zu schützen, bleibe das Auskunftsverweigerungsrecht bestehen. Diese Ausnahme sei hinnehmbar, da eine Katalogtat ohnehin nur selten den Untersuchungsgegenstand des Untersuchungsausschusses bilden werde.227 Eine andere Auffassung nimmt in Anlehnung an § 97 InsO generell eine Fernwirkung des Verbotes der Verwertung selbstbelastender Auskünfte des Betroffenen an, weil die Strafverfolgungsbehörde die mittelbar erlangten Beweismittel unter Missachtung des nemo-tenetur-Prinzips erlangt habe. Die Fernwirkung erstrecke sich aber nicht auf solche Beweismittel, welche die Strafverfolgungsbehörden auch ohne die Auskunft des Betroffenen im PUV auf rechtmäßige Weise hätten erlangen können.228 Die Gegenmeinung lehnt eine Fernwirkung des Beweisverwertungsverbots jedoch ab, weil die Strafverfolgungsbehörden neben dem PUA weiter ermitteln dürften, die selbstbelastende Aussage als weiteren Ermittlungsansatz nutzen und so den nemo-tenetur-Grundsatz aushöhlen könnten. Deshalb bestehe für den Betroffenen im PUV keine umfassende Aussagepflicht.229 In Anlehnung an die abweichende Meinung eines Richters im Gemeinschuldnerbeschluss230 wird teilweise behauptet, ein mit Fernwirkung ausgestattetes Beweisverwertungsverbot reiche zur Wahrung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen nicht aus. Bereits die Weitergabe der Informationen an die Strafverfolgungsbehörden sei eine Zweckentfremdung, die das Allgemeine Persönlichkeitsrecht unverhältnismäßig beeinträchtige. Eine Übermittlung unverwertbarer Informationen sei nämlich nicht erforderlich. Zudem stelle erst ein Offenbarungsverbot sicher, dass die Information des Betroffenen nur für den erforderlichen Zweck und nicht im Strafverfahren verwendet werde. Daher sei das Verwertungsverbot durch ein Offen226

Danckert, ZRP 2000, 476, 479. Danckert, ZRP 2000, 476, 479; Ströbele, Protokoll G 32/56, der die Fernwirkung im Fall eines begangenen Verbrechens ausschließt. 228 Wolf, PUA und Strafjustiz, 164 f. 229 I. E. Kempf/Richter II, AnwBl. 2000, 513, 514; Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, 188 ff.; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 208, Fn. 2; Morlok, Protokoll G 32/33; Nack, Protokoll G 32/35, 75, 99; Rogall, Protokoll G 32/72. 230 Heußner, BVerfGE 56, 37, 52 ff. 227

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barungsverbot zu ergänzen.231 Zu beachten sei jedoch, dass im PUV ein solches Offenbarungsverbot praktisch nicht umgesetzt werden könne, weil der PUA zur effektiven Aufgabenerfüllung auf die Öffentlichkeit seiner Beweiserhebung angewiesen ist. Durch die öffentliche Beweisaufnahme und eine Veröffentlichung der im PUV festgestellten Tatsachen durch die Medien erlangen die Strafverfolgungsbehörden Kenntnis von den offenbarten Tatsachen. Daher sei ein mit Fernwirkung ausgestattetes Beweisverwertungsverbot für einen ausreichenden Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen nicht zureichend.232 (b) Stellungnahme (aa) Verwendungsverbot für die Strafverfolgungsbehörden Aus verfassungsrechtlichen Gründen muss es den Strafverfolgungsbehörden untersagt sein, die unter Androhung oder Anwendung von Zwang im PUV gemachte Aussage bzw. übergebenen Unterlagen zu Strafverfolgungszwecken zu verwenden. Wie bereits oben erörtert233, stellt die Verwendung selbstbelastender Aussagen und Unterlagen des Betroffenen zur Strafverfolgung eine Zweckentfremdung der Daten dar, durch die der Staat erneut in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreift und den Eingriff sogar vertieft, weil – wegen der unmittelbaren aktiven Mitwirkung an der eigenen Verurteilung – der nach Art. 79 Abs. 3, 1 Abs. 1, 19 Abs. 2 GG unantastbare Kernbereich berührt ist. Dieser Grundrechtseingriff setzt sich in der Verwendung jedes Beweismittels, das die Staatsanwaltschaft aufgrund der Aussage bzw. Unterlagen auffindet, fort. Da das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in seinem Kernbereich betroffen ist, ist jede Abwägung ausgeschlossen und zwar auch zu Gunsten des staatlichen Strafanspruchs, so dass dem Beweisverwertungsverbot Fernwirkung zukommen muss.234 Das Verbot der Verwertung selbstbelastender Aussagen und Unterlagen im Strafverfahren zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ist außerdem wenig nützlich, wenn die Staatsanwaltschaft aufgrund der im PUV zur Kenntnis genommenen Tatsachen weitere Ermittlungsmaßnahmen durchführt, durch die sie neue Beweismittel auffindet, die das Strafgericht ohne weiteres der Verurteilung zu Grunde legen dürfte. Dann würde der Betroffene letztlich durch seine Mitwirkung im PUV aktiv 231

Buchholz, Untersuchungsausschuss, 91; Rogall, Protokoll G 32/107. Buchholz, Untersuchungsausschuss, 91; Kohl, Die Rechtsstellung des Betroffenen, 191. 233 Vgl. 2. Kapitel, C. III. 2. a) bb); 4. Kapitel, 1. Abschnitt, B. II. 2. c) bb). 234 Blau, Jura 1993, 513, 519 f.; Wolter, NStZ 1993, 1, 7. 232

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zu seiner Überführung beitragen. Dies widerspricht dem nemo-teneturGrundsatz, der vor erzwungener Selbstbelastung schützt. Ein Beweisverwertungsverbot mit Fernwirkung würde es dem Betroffenen allerdings faktisch ermöglichen, durch seine Mitwirkung im PUV darüber zu bestimmen, welche Tatsachen die Strafverfolgungsbehörden in einem gleichzeitig oder später geführten Strafverfahren einführen und gegen ihn verwenden können. Je umfassender die Mitwirkung des Betroffenen im PUV wäre, d.h., je mehr Hinweise er auf Akten oder andere Mitwisser gibt, desto mehr Folgeinformationen dürften grundsätzlich nicht mehr im Strafverfahren gegen ihn verwendet werden. Mit dieser Taktik könnte der Betroffene ein gegen ihn gerichtetes Strafverfahren weitgehend lahm legen. Um dem Strafverfolgungsinteresse Rechnung zu tragen, scheidet eine Fernwirkung für solche Beweismittel aus, welche die Staatsanwaltschaft ohne die Aussage bzw. Herausgabe der Unterlagen des Betroffenen im PUV mit großer Gewissheit hätte gewinnen können bzw. gewonnen hat. Verfassungsrechtliche Gründe erfordern in diesem Fall nicht die Annahme einer Fernwirkung, denn es realisiert sich nicht das Selbstbelastungsrisiko durch die erzwingbare Mitwirkungspflicht im PUV, sondern das allgemeine Risiko des Straftäters, von den Strafverfolgungsbehörden entdeckt zu werden.235 Der nemo-tenetur-Grundsatz verlangt kein Verbot der Verwertung dieser Beweismittel. Auch das Gesetz hält die Berücksichtigung hypothetischer Ermittlungsverläufe für zulässig, wenn rechtmäßig erhobene Daten in einem anderen Zusammenhang verwendet werden sollen und die Daten in diesem Verfahren rechtmäßig hätten erhoben werden können (vgl. §§ 161 Abs. 2, 100d Abs. 5, 477 Abs. 2 StPO). (bb) Keine Differenzierung nach der Deliktsschwere Der von einigen vorgeschlagene Ausschluss der Fernwirkung des Beweisverwertungsverbotes bei Vorliegen einer schweren Straftat läuft letztlich auf eine Abwägung zwischen dem staatlichen Strafanspruch und dem nemo-tenetur-Prinzip hinaus. Wie soeben dargelegt, greift aber die Verwendung der unter Zwangsandrohung bzw. -anwendung im PUV gewonnenen selbstbelastenden Auskünfte im Strafverfahren in den abwägungsfreien Kernbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein, so dass ein Beweisverwertungsverbot nur mit einer umfassenden Fernwirkung zu gewähren ist. Es überzeugt auch nicht, die Beweisverwertungsverbotslösung auf weniger schwere Straftaten anzuwenden und dem Betroffenen im Fall einer 235 LG Stuttgart, wistra 2000, 439; Besson, Steuergeheimnis, 150; Reinecke, Fernwirkung, 205 ff. – allerdings ohne Bezug zum parlamentarischen Untersuchungsrecht.

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schweren Straftat ein Auskunftsverweigerungsrecht einzuräumen, denn der Betroffene würde durch die Geltendmachung des Auskunftsverweigerungsrechts indirekt einen konkreten Anfangsverdacht wegen einer schweren Straftat gegen sich begründen. Die Staatsanwaltschaft würde gegebenenfalls das Ermittlungsverfahren einleiten und versuchen, durch weitere Ermittlungen, wie z. B. eine Telekommunikationsüberwachung u. ä., belastende Erkenntnisse zu erlangen. Im Übrigen steht zu Beginn der parlamentarischen Untersuchung häufig noch nicht fest, welche Straftat Gegenstand der Untersuchung ist, weil entweder ein Ermittlungsverfahren noch gar nicht eingeleitet ist oder erst am Anfang steht. Womöglich stellt sich später heraus, dass es sich um eine schwere Straftat handelt.236 Unbeantwortet ist zudem die Frage, wie zu verfahren ist, wenn der Betroffene die Tat bei der Vernehmung durch den PUA verharmlost hat, sich aber im PUV infolge weiterer Ermittlungen des Untersuchungsausschusses herausstellt, dass der Verdacht einer schweren Straftat, die dem Betroffenen zur Auskunftsverweigerung berechtigt hätte, gegeben ist. Gegen das Recht, im Fall des Verdachts einer schweren Straftat die Auskunft vor dem PUA zu verweigern, spricht ferner, dass damit die Betroffenen, die ein schwereres Unrecht begangen haben, gegenüber den anderen von einer parlamentarischen Untersuchung Betroffenen politisch besser gestellt würden, weil sie sich auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht berufen dürften, anstatt sich im PUV selbst einer Straftat bezichtigen und die politischen Konsequenzen akzeptieren zu müssen. (cc) Untauglichkeit eines Offenbarungsverbots Auch die Auffassung, die eine Übertragung des Gemeinschuldnerbeschlusses auf das PUV ablehnt, weil eine Absicherung durch ein Offenbarungsverbot im PUV nicht möglich ist, kann nicht überzeugen. Ein Offenbarungsverbot ist im Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren erforderlich, weil die Weiterleitung der Informationen an außerhalb des Verfahrens stehende Personen, insbesondere an die Strafverfolgungsbehörden, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gemeinschuldners unverhältnismäßig beeinträchtigt und nicht mehr vom Zweck des Insolvenzverfahrens gedeckt ist. Im PUV liegt es anders, weil der Zweck des parlamentarischen Aufklärungsverfahrens über die Grenzen des Parlaments hinausgeht. Der PUA soll nicht nur das Parlament über den Missstand aufklären, sondern der Zweck der Untersuchung besteht auch darin, das Volk über den Sachverhalt zu informieren, damit es sich eine politische Meinung bilden kann. Erst die Ver236

Nack, Protokoll G 32/36.

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breitung der Informationen in der Gesellschaft und deren Reaktion auf das Geschehen machen das PUV zu einem wirksamen Aufklärungsverfahren.237 Daher erfordert der Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens in aller Regel die Weitergabe der ermittelten, selbstbelastenden Tatsachen an die Öffentlichkeit. Der dadurch bedingte Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ebenfalls durch das höherrangige Drittinteresse gerechtfertigt und stellt keine Zweckentfremdung dar. Der Umstand, dass zu dem informierten Personenkreis auch die Beamten der Strafverfolgungsbehörden gehören, ist zwangsläufige Folge der allgemeinen Information der Bevölkerung, also nicht zu vermeiden und deshalb im Interesse einer effektiven Verwirklichung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens hinzunehmen. Die Verwertung der selbstbelastenden Tatsachen im Sanktionsverfahren dient dagegen nicht mehr der Zweckverwirklichung des parlamentarischen Untersuchungsrechts, sie ist somit nicht erforderlich und ihr Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ist daher nicht mehr durch das Drittinteresse gerechtfertigt. Dieser Grundrechtsverletzung trägt das mit Fernwirkung ausgestattete Beweisverwertungsverbot Rechnung, so dass es das Schweigerecht des Betroffenen im Sanktionsverfahren schützt. (dd) Vermutung unzulässiger Beweisgewinnung Die Untauglichkeit der Beweisverwertungsverbotslösung im PUV folgt jedoch daraus, dass ein Beweisverwertungsverbot – selbst wenn es eine Fernwirkung besäße – nicht geeignet wäre, die konfligierenden Interessen in einen harmonischen Ausgleich zu bringen. Zwar bliebe es den Strafverfolgungsbehörden – trotz des Beweisverwertungsverbotes – unbenommen, gegen den Betroffenen strafrechtlich (weiter) zu ermitteln, da kein Strafverfolgungshindernis besteht. Es dürften also alle Erkenntnisse gegen den Betroffenen strafrechtlich benutzt werden, die unabhängig von dessen Aussage vor dem PUA aufgrund eigener Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden erlangt wurden, bzw. die zwar aufgrund der Mitwirkung des Betroffenen im PUV der Strafverfolgungsbehörde zur Kenntnis gelangt waren, aber auch mit großer Gewissheit ohne diese Mitwirkung festgestellt worden wären. Dennoch stehen gewichtige praktische Erwägungen der Berücksichtigung solcher Beweise im Strafverfahren entgegen, wenn sich der Beschuldigte auf die Unzulässigkeit der Gewinnung beruft: Grundsätzlich hat das Gericht nach § 244 Abs. 2 StPO alle Umstände der Tat von Amts wegen, d.h. unabhängig von einer Behauptung des Beschul237

Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 9, 13; Güther/Seiler, NStZ 1993, 305, 307, 309; Köhler, Grenzen des PUR, 100, 101; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, 288; Richter, Privatpersonen, 104.

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digten, aufzuklären. Die StPO kennt also keine Beweis- und Behauptungslast.238 Der Beschuldigte hat ihn begünstigende Anhaltspunkte allerdings selbst vorzubringen, wenn sie dem Gericht nicht zugänglich sind bzw. sich dem Gericht nicht aufdrängen.239 Zweifel am Vorliegen von Tatsachen, welche die Schuld des Täters betreffen, gehen zu Gunsten des Täters und das Gericht muss Indizien, die gegen die Ordnungsmäßigkeit der Beweismittelgewinnung sprechen, von Amts wegen nachgehen.240 Da Verfahrensfehler, wie die unzulässige Beweisgewinnung aufgrund der Mitwirkung des Beschuldigten im PUV, aber nicht die Schuld- und Straffrage, sondern die Art der Gewinnung des Beweismittels, also das Verfahren betreffen241, gilt nach h. M. der in-dubio-pro-reo-Grundsatz nicht mit der Folge, dass der Beschuldigte im Wege des Freibeweises den vollen Nachweis erbringen muss, ob die Beweisgewinnung fehlerhaft erfolgte242. Das Verlangen eines vollen Nachweises des Verfahrensfehlers würde den Beschuldigten in vielen Fällen jedoch schutzlos stellen, da er als Einzelner einem organisierten Justizapparat, der die Aufdeckung eines eigenen Verfahrensfehlers unter Umständen verhindern will, gegenübersteht, so dass der Beschuldigte diesen Beweis oft nicht erbringen kann.243 Deshalb muss der Richter schon dann einen Verfahrensverstoß annehmen, wenn der Beschuldigte aufgrund substanziierter Behauptungen begründete Zweifel daran aufkommen lässt, dass die Beweisgewinnung durch die Strafverfolgungsbehörden rechtmäßig war.244 Hat der Beschuldigte diese Zweifel dargetan, obliegt es der Staatsanwaltschaft nachzuweisen, dass sie das mittelbar erlangte Beweismittel unabhängig vom Verfahrensfehler gewonnen hat bzw. hätte gewinnen können. Die Verlaufshypothese muss sie aber nur im Sinne einer ex-post-Betrachtung, d.h. einer hohen bzw. an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachweisen.245 238

Dencker, ZStW 102 (1990), 51, 72 f.; Feigen, Beweislastumkehr, 50, 60. Dencker, ZStW 102 (1990), 51, 73; ähnlich Feigen, Beweislastumkehr, 50 f., 54. 240 BGH, MDR 1951, 658; Burkhard, StraFo 2001, 37, 41; Dencker, ZStW 102 (1990), 51, 72. 241 Eisenberg, BeweisR, Rn. 707; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 811. 242 BGHSt 31, 395, 400; BGH, NStZ 1992, 294, 295; LG Marburg, MDR 1993, 565, 566; Beulke, StrafprozessR, Rn. 143; Bohlander, NStZ 1992, 504, 505; Burkhard, StraFo 2001, 37, 41; Eisenberg, BeweisR, Rn. 707, 708; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 811. 243 Beulke, StrafprozessR, Rn. 143; Burkhard, StraFo 2001, 37, 41; Eisenberg, BeweisR, Rn. 708; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 812; Ransiek, StV 1994, 343, 347; Roxin, JZ 1992, 923, 924. 244 Burkhard, StraFo 2001, 37, 41; Eisenberg, BeweisR, Rn. 709; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 812; Roxin, StrafverfahrensR, § 15, Rn. 40. 245 Danckert, ZRP 2000, 476, 479; Eisenberg, BeweisR, Rn. 410. 239

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Im Falle einer selbstbelastenden Mitwirkung des Betroffenen im PUV bedeutet dies, dass der Strafrichter in einem gleichzeitig oder später stattfindenden Strafprozess gegen den Betroffenen regelmäßig Anhaltspunkte hat, welche die Vermutung, dass die Strafverfolgungsbehörden die Beweismittel unabhängig von der selbstbelastenden Aussage des Betroffenen vor dem PUA auf eine zulässige Weise erlangt haben, ernsthaft erschüttern. Denn dem Gericht ist die umfassende Offenbarungspflicht des Betroffenen im PUV bekannt und es muss davon ausgehen, dass auch die Strafverfolgungsbehörden angesichts der Öffentlichkeitswirkung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens von der Aussage Kenntnis erlangt hatten und diese möglicherweise zur weiteren Beweisgewinnung nutzten. Deshalb muss der Strafrichter zu Gunsten des Betroffenen annehmen, dass die Beweismittel im Strafverfahren unter Benutzung der selbstbelastenden Aussage im PUV gewonnen worden sind. Da nur die Staatsanwaltschaft wissen kann, ob sie das Beweismittel ohne die Aussage des Betroffenen vor dem PUA erlangt hat bzw. hätte erlangen können, der Ermittlungsverlauf dem Gericht nicht ohne weiteres klar oder bekannt sein muss, hat die Staatsanwaltschaft den (hypothetischen) Kausalverlauf darzulegen und nachzuweisen. Das Gericht ist zur Überprüfung der Verwertbarkeit des Beweismittels verpflichtet, verbleibende Zweifel gehen zu Lasten der Staatsanwaltschaft. Da es nicht zu einer faktischen „Beweislastumkehr“ kommen darf246, genügt die bloße Behauptung der Staatsanwaltschaft, sie habe das Beweismittel ohne die Aussage des Betroffenen im PUV erlangt, nicht, denn sonst könnte die Staatsanwaltschaft die Fernwirkung des Beweisverwertungsverbotes ohne weiteres wieder aushebeln. Zu Recht werden daher hohe Anforderungen an einen (hypothetischen) Kausalverlauf gestellt.247 Die Nichtursächlichkeit bzw. der hypothetische Kausalverlauf muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellbar sein. Ermittlungsverfahren dürften deshalb nur aufgrund solcher Informationen eingeleitet werden, die nicht auf der Kenntnis der Erklärungen des Betroffenen vor dem PUA beruhen. Dieser Nachweis dürfte der Staatsanwaltschaft in der Praxis jedoch kaum gelingen, wenn die Vernehmung des Betroffenen durch den PUA in Rundfunk und Fernsehen übertragen und in den Zeitungen verbreitet wurde. Darin unterscheidet sich das PUV von den anderen Verfahren, z. B. vom Insolvenz- und Besteuerungsverfahren, die nur in eingeschränktem Maße weiteren Personen als den Verfahrensbeteiligten zugänglich sind. Zwar ist es möglich, dass im Insolvenzverfahren ein Staatsanwalt als Gläubiger am Gläubigerausschuss bzw. an der Gläubigerver246 Danckert, ZRP 2000, 476, 479; Eisenberg, BeweisR, Rn. 410, 576; Franzen/ Gast/Joecks, § 393, Rn. 68; Hefendehl, wistra 2003, 1, 7. 247 Danckert, ZRP 2000, 476, 479.

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sammlung teilgenommen und so Kenntnis von den selbstbelastenden Informationen des Schuldners erlangt hat. Auch der Anzeigende kann gegebenenfalls durch Einsicht in die Insolvenz- oder Steuerakte Kenntnis von den Erklärungen des Schuldners bzw. Steuerpflichtigen erhalten haben.248 Dann ist es aber leichter nachvollziehbar und überprüfbar, wie die Strafverfolgungsbehörden Kenntnis von den offenbarten Umständen des Insolvenzoder Steuerschuldners erhalten haben. Der Umfang des Verwendungsverbotes lässt sich in solchen Fällen durchaus bestimmen, bei einer selbstbelastenden Mitwirkung des Betroffenen im PUV ist das anders. Für die Strafverfolgungsbehörden wird es bei einem schon laufenden Ermittlungsverfahren ebenfalls nahezu unmöglich sein, die Nichtursächlichkeit der Aussage des Betroffenen im PUV für die neu ermittelten Erkenntnisse bzw. einen hypothetischen Kausalverlauf nachzuweisen. In den öffentlichen Sitzungen des Untersuchungsausschusses sind unter Umständen Staatsanwälte anwesend, die alle Fakten festhalten, jedenfalls werden die Ergebnisse der parlamentarischen Beweiserhebung über die Medien verbreitet.249 Journalisten ermitteln häufig auf der Grundlage der für die Staatsanwaltschaft unverwertbaren Beweismittel weiter und veröffentlichen neue Informationen. Zum Abschluss des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens verfasst der PUA einen den Strafverfolgungsbehörden und der Allgemeinheit zugänglichen Abschlussbericht, der die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung und die Beweismittel aufschlüsselt. Die Öffentlichkeitswirkung des Untersuchungsverfahrens und die Berichterstattung sind ungleich stärker als im Straf-, Besteuerungs- oder Insolvenzverfahren.250 Die Strafverfolgungsbehörden können folglich auf vielfältige Weise Kenntnis von den Ermittlungsergebnissen des Untersuchungsausschusses erlangen. Es erscheint deshalb nahezu unmöglich, das Strafgericht im Nachhinein davon zu überzeugen, dass die Staatsanwaltschaft die Erkenntnisse unabhängig von der Aussage des Betroffenen vor dem PUA und den Informationsmitteln des Untersuchungsausschusses gewonnen hat bzw. hätte. Vereinzelt wird deshalb vorgeschlagen251, die Staatsanwaltschaft zu verpflichten, innerhalb von 20 Tagen nach Beschluss des Untersuchungsausschusses über die Gewährung eines Beweisverwertungsverbotes wegen der selbstbelastenden Aussage des Betroffenen die Ermittlungsakten beim Ge248

Bittmann/Rudolph, wistra 2001, 81, 84 f.; Richter, wistra 2000, 1, 5. Kempf/Richter II, AnwBl. 2000, 513, 514; Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, 195; Krenzler, Protokoll G 32/60; Nack, Protokoll G 32/99; Wolf, Strafjustiz und PUA, 172. 250 Nack, Protokoll G 32/99. 251 Wolf, Strafjustiz und PUA, 195 f.; ders., ZParl 2005, 876, 886. 249

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richt zu hinterlegen, damit das Gericht später feststellen kann, ob die Aussage des Betroffenen für die Ermittlungsergebnisse kausal geworden ist oder ob die Erkenntnisse schon vor der Aussage von der Staatsanwaltschaft ermittelt worden waren. Dieser Weg ist jedoch nicht praktikabel. Es ließe sich allenfalls eindeutig belegen, welche Informationen die Staatsanwaltschaft bereits vor der Aussage des Betroffenen im PUV hatte. Da die Staatsanwaltschaft aber auch nach der Beschlussfassung des Untersuchungsausschusses über die Gewährung des Beweisverwertungsverbotes weiter ermitteln dürfte, also auch neue Erkenntnisse – womöglich unabhängig von der Aussage des Betroffenen vor dem PUA – erlangen kann, würde die Hinterlegung der Akten beim Gericht die Nichtursächlichkeit der Aussage für diese Beweisgewinnung nicht mit Gewissheit belegen, sondern allenfalls Mutmaßungen erlauben, die jedoch nicht genügen. Da sowohl die Mitwirkung des Betroffenen als auch das Folgebeweismittel unverwertbar ist und die Staatsanwaltschaft ihre Erkenntnisse mangels Nachweises der Nichtursächlichkeit nicht nutzen kann, kommt die Beweisverwertungsverbotslösung einer Immunität weitgehend gleich, so dass der Staat daran gehindert ist, den Strafanspruch umzusetzen. Ein schonender Ausgleich zwischen dem Interesse an einer Selbstbelastungsfreiheit, dem parlamentarischen Aufklärungsinteresse und dem Strafverfolgungsinteresse wäre somit nicht realisierbar. dd) Zwischenergebnis Ein Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren für selbstbelastende Auskünfte und Unterlagen bzw. Gegenstände, die der Betroffene im PUV unter Androhung bzw. Anwendung von Zwang offenbart hat, ist somit nicht geeignet, die konfligierenden Interessen (nemo-tenetur-Prinzip, parlamentarisches Aufklärungsrecht, staatlicher Strafanspruch) in einen harmonischen Ausgleich zu bringen. Die Annahme einer ausnahmslosen Fernwirkung des Beweisverwertungsverbots würde die Strafverfolgungstätigkeit lahm legen. Der Ausschluss der Fernwirkung des Verwertungsverbots in allen Fällen oder jedenfalls zur Verfolgung schwerster Straftaten verstieße gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht. Die Ablehnung einer Fernwirkung des Beweisverwertungsverbots, wenn die Staatsanwaltschaft auch ohne die selbstbelastende Mitwirkung des Betroffenen im PUV die Beweismittel gewonnen hat oder rechtmäßig hätte gewinnen können, ist theoretisch zwar verfassungsgemäß, aber wegen der besonderen Öffentlichkeitswirkung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens nicht praktikabel. Die Staatsanwaltschaft könnte den Nachweis des Fehlens der Kausalität nicht mit Gewissheit erbringen mit der Folge, dass das Beweisverwertungsverbot seiner Wirkung nach faktisch einer Immunität gleichkäme.

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III. Anreize zu einer freiwilligen Aussage- oder Mitwirkungsbereitschaft bei Selbstbelastungsgefahr Da die konfligierenden Interessen, nämlich das parlamentarische Aufklärungsinteresse, die Pflicht des Staates zur Umsetzung des staatlichen Strafanspruches und die Selbstbelastungsfreiheit des Betroffenen, bei Annahme einer erzwingbaren Mitwirkung im PUV trotz Selbstbelastungsgefahr nicht in einen harmonischen Ausgleich zu bringen sind, ist auf eine ausnahmslose erzwingbare Mitwirkungspflicht im PUV zu verzichten und ein Mitwirkungsverweigerungsrecht zu bejahen. Die parlamentarische Aufklärung kann deshalb nur durch Anreize, die den Betroffenen trotz Selbstbelastungsgefahr zu einer erhöhten Aussagebereitschaft im PUV veranlassen, gefördert werden. 1. Zusicherung von Straffreiheit bzw. einer Höchststrafe im Einzelfall In der Literatur wird erwogen, dem PUA das Recht einzuräumen, den die Aussage verweigernden Betroffenen durch eine Absprache über Straffreiheit oder -milderung zu einer Aussage zum Untersuchungsgegenstand zu bewegen. Der PUA soll dem Betroffenen zusichern können, dass auf Strafverfolgung verzichtet oder nur ein bestimmter Strafrahmen in Betracht gezogen werde, wenn der Betroffene sich verpflichtet, freiwillig im PUV auszusagen, anstatt von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen.252 Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass eine vom PUA im Rahmen einer Verfahrensabsprache mit dem Betroffenen ausgehandelte Strafmilderung, die das zeitgleiche oder spätere Strafverfahren gegen den Betroffenen betrifft und eine Gegenleistung für ein vor dem PUA abgelegtes selbstbelastendes Geständnis darstellt, gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz verstoßen würde, weil die Absprache ohne Mitwirkung des Gerichts erfolgt.253 Der PUA würde mit einer verbindlichen Zusicherung eines bestimmten Strafrahmens bzw. einer Straffreiheit in das elementare Recht des Strafrichters, die Höhe der Strafe schuldangemessen festzusetzen, eingreifen. Nach der Rechtsprechung ist eine Absprache im Strafprozess ohnehin nur zulässig, wenn alle Beteiligten, die durch die Absprache in ihren (Mitwirkungs-)Rechten betroffen sind, an der Verständigung mitwirken.254 Da die Aussage des Betroffenen im PUV erfolgen soll, müsste der Betroffene also 252 Ansatzweise Rogall, Protokoll G 32/40; Wolf, PUA und Strafjustiz, 216 ff.; ähnlich der Vorschlag von Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, 204 f. 253 Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, 205; Wolf, PUA und Strafjustiz, 219 f. 254 BGHSt. 43, 195, 206; Herrmann, JuS 1999, 1162, 1164; Rönnau, wistra 1998, 49, 50.

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bereits in diesem Verfahren eine verbindliche Zusage zum Strafrahmen erhalten, damit er Vor- und Nachteile seiner selbstbelastenden Aussage als „Vorleistung“ im PUV genau abwägen kann. Eine verfassungsrechtlich zulässige Absprache würde die Beteiligung des Strafrichters bzw. des ganzen Spruchkörpers255 und der Staatsanwaltschaft erfordern. Da der PUA selbst kein Beteiligter des Strafverfahrens mit eigenen Mitwirkungsrechten ist, hat er weder an einer Verfahrensabsprache mitzuwirken, noch kann er auf deren Inhalt Einfluss nehmen und deren Zustandekommen garantieren.256 Er kann die Beteiligten des Strafverfahrens lediglich anregen257, eine Absprache für den Fall zu treffen, dass der Beschuldigte als Betroffener im PUV selbstbelastend aussagt und diese Aussage ins Strafverfahren eingeführt oder vom Betroffenen im Strafverfahren wiederholt wird. Eine solche Absprachepraxis wäre jedoch praktisch schwer umzusetzen, zumal sich das neben dem PUV durchgeführte Strafverfahren in verschiedenen Stadien befinden kann. In der Regel wird erst das Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sein. In diesem Stadium könnte der PUA zwar anregen, dass die Staatsanwaltschaft als „Gegenleistung“ für ein „Geständnis“ im PUV das Ermittlungsverfahren nach §§ 153 ff. StPO einstellt. Voraussetzung wäre aber, dass die Untersuchung ein Vergehen mit einer geringen Tatschuld des Täters zum Gegenstand hat und das Geständnis geeignet ist, das öffentliche Strafverfolgungsinteresse und die Schwere der Schuld auszugleichen. Damit wäre die Einsatzmöglichkeit einer Verfahrensabsprache im PUV auf diesen Bereich beschränkt. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Einstellung bedarf unter Umständen der Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts. Für Absprachen außerhalb des Anwendungsbereiches der §§ 153 ff. StPO ist im Ermittlungsverfahren wenig Raum, weil der Gesetzgeber die Abwägung zwischen dem Legalitätsprinzip und seinen Ausnahmen aus Gründen der Prozessökonomie schon großzügig getroffen hat, so dass weitere Ausnahmen nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände denkbar sind.258 Im Zwischenverfahren sind Absprachen selten. In diesem Stadium hat sich oftmals erst der Berichterstatter mit dem Sachverhalt beschäftigt und nicht der ganze Spruchkörper. Laienrichter sind an der Eröffnungsentscheidung gar nicht beteiligt.259 Im Zwischenverfahren ist zudem nicht die Objektivität – wie im Hauptverfahren – garantiert. Da sich das Gericht im 255

BGH, wistra 1997, 341, 344. Marsch, ZRP 2007, 220, 221. 257 Ähnlich Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, 204 ff., der PUA könne mit einer 2/3 Mehrheit seiner Mitglieder einen begründeten Antrag auf Zusicherung einer Strafmilderung beim Strafgericht stellen. 258 Rönnau, Absprache, 125, 133. 259 Marsch, ZRP 2007, 220, 221. 256

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Zwischenverfahren zum ersten Mal mit der Schuld des Angeschuldigten befasst, können die richterliche Unabhängigkeit und die Unschuldsvermutung verletzt sein oder eine Beweisantizipation vorgenommen werden, wenn die Beteiligten in diesem Stadium Absprachen treffen.260 Ist das Hauptverfahren eröffnet, ist das Strafgericht für die Absprache zuständig. Der Betroffene müsste im PUV ein zuvor der inhaltlichen Ausrichtung nach bekannt gemachtes Geständnis ablegen, das im Strafverfahren anschließend verwendet werden kann. Wenn noch keine Beweisaufnahme stattgefunden hat, kennt das Strafgericht zu dieser Zeit weder die inhaltliche Ausrichtung des Geständnisses mit der erforderlichen Sicherheit noch den tatsächlichen Schuldgehalt der Tat, so dass die Zusicherung eines schuldangemessenen Strafrahmens kaum möglich sein wird. Zwar prüft das Strafgericht im Zwischenverfahren anhand der Aktenlage, ob ein hinreichender Tatverdacht vorliegt. Es handelt sich dabei dennoch nur um Verdachtsmomente. Ist das Hauptverfahren dagegen schon vorangeschritten, kann der PUA den Ausgang des Strafverfahrens abwarten und den Betroffenen anschließend vernehmen, wenn ihn die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung wegen dieser Tat nicht mehr treffen kann. Noch schwieriger gestaltet sich die praktische Umsetzung der Möglichkeit des Untersuchungsausschusses, eine Verfahrensabsprache anzuregen, wenn noch nicht einmal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet ist. Dann steht dem PUA niemand zur Verfügung, der sich mit dem strafrechtlichen Geschehen schon auseinandergesetzt hat und mit dem der PUA und der Betroffene in Verhandlungen über die Strafhöhe treten könnten. Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass eine Verfahrensabsprache – angeregt durch den PUA – allenfalls ausnahmsweise zur effektiven Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes fruchtbar gemacht werden kann. Vor allem für ein PUV, das zeitgleich mit einem Ermittlungsverfahren abläuft, ist eine Verfahrensabsprache zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Betroffenen – angeregt durch den PUA – zwar im Einzelfall eine Möglichkeit, den Betroffenen im PUV zu einer umfassenden Aussage zu veranlassen, die Anwendbarkeit wäre aber auch dann auf geringfügige Delikte beschränkt. 2. Gewährung eines Beweisverwertungsverbots Nach einer Auffassung in der Literatur soll die freiwillig im PUV gemachte, selbstbelastende Aussage einer Privatperson, die von der parlamentarischen Untersuchung betroffen ist, im Strafverfahren gegen diese Privat260

Rönnau, Absprache, 137 ff.

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person unverwertbar sein.261 Da eine Privatperson nicht vor dem PUA zur Aussage verpflichtet sei, ihr also ein Auskunftsverweigerungsrecht für den Fall zustehe, dass sie selbstbelastende Tatsachen offenbaren muss262, sei die Gewährung eines Beweisverwertungsverbotes notwendig, um der Privatperson einen Anreiz zu bieten, selbstbelastend im PUV auszusagen. Die Ansicht kann aber nicht überzeugen. Der Zweck eines Beweisverwertungsverbotes, die staatlichen Selbstbeschränkungen im Strafverfahren aufrechtzuerhalten263, erfordert im Fall einer freiwilligen Offenbarung des Betroffenen vor dem PUA kein Beweisverwertungsverbot. Sagt der Betroffene freiwillig aus, obwohl er bei einer Selbstbelastungsgefahr die Beantwortung der Frage verweigern dürfte, berührt die Verwertung dieser selbstbelastenden Aussage im Strafverfahren das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht, denn das nemo-tenetur-Prinzip verbietet nur den Zwang zur aktiven Selbstbelastung.264 Das Beweisverwertungsverbot lässt sich ebenfalls nicht aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ableiten. Der Informationentransfer zwischen PUA und Strafverfolgungsbehörden ist grundsätzlich zulässig.265 Sagt der Betroffene freiwillig vor dem PUA in Kenntnis der Möglichkeit, dass die Daten gegen ihn im Strafverfahren verwendet werden könnten, aus, so macht der Aussagende von seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch und übt sein Grundrecht aus.266 Indem der Betroffene die Daten freiwillig in Kenntnis des freien Informationsaustauschs und der Öffentlichkeitswirkung im PUV Dritten preisgibt und sie damit aus dem geheimen Bereich entlässt, erklärt er sich zugleich mit der Verwendung zu anderen Zwecken als der parlamentarischen Aufklärung einverstanden. Verwendet der Staat die Informationen mit dem Einverständnis des Bürgers, so fehlt es an einem Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Allerdings könnte der Betroffene die selbstbelastende Aussage vor dem PUA nur unter der Bedingung gemacht haben, dass die Daten allein im PUV, nicht auch im Strafverfahren gegen ihn benutzt werden. Würde die Staatsanwaltschaft die Aussage gegen den Willen des Betroffenen verwenden, könnte ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung anzunehmen sein. Da der Betroffene aber weiß, dass die Strafverfolgungs261

Schneider, NJW 2001, 2604, 2607; Wolf, PUA und Strafjustiz, 183 f. Wolf, PUA und Strafjustiz, 183. 263 3. Kapitel, B. V. 3. e) dd). 264 Bittmann/Rudolph, wistra 2001, 81, 85; Böse, wistra 1999, 451, 455 f. – beide zum Zivil- und Strafverfahren; Jerouschek, ZStW 102 (1990), 793, 796, Fn. 7; Lammer, ZRP 1989, 248, 251. 265 2. Kapitel, C. 266 Graumann, Vertrauensschutz und Absprachen, 146. 262

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behörden und das Strafgericht bei einem Straftatverdacht zur Sachverhaltsaufklärung verpflichtet sind und nach §§ 160, 161, 95 bzw. § 244 Abs. 2 StPO Akteneinsicht und Auskunft – auch vom PUA – verlangen können, begründet der Betroffene mit seiner freiwilligen Aussage im PUV eigenverantwortlich ein Risiko für sein Grundrecht und sein Verfügungsrecht über die preisgegebenen Daten. Die §§ 160, 161, 95 StPO bzw. § 244 Abs. 2 StPO gebieten die Verwendung der Informationen zur Sachverhaltsaufklärung im Strafverfahren und legitimieren den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.267 Geht der Betroffene das Risiko ein, das mit der freiwillig vor dem PUA gemachten Aussage verbunden und das ihm auch bewusst ist, ist die Verwertung der Aussage im Strafverfahren zumutbar und verhältnismäßig.268 3. Strafmilderungsregelung aufgrund der Mitwirkung im PUV Die freiwillige Offenbarung vor dem PUA, könnte jedoch als Geständnis strafmildernd im Strafverfahren wirken. Nach § 46 StGB ist die Schuld des Täters die Grundlage für die Zumessung der Strafe. Das Gericht wägt alle für und gegen den Täter sprechenden Umstände gegeneinander ab. Dabei hat es neben den Beweggründen und der Gesinnung des Täters unter anderem auch die Auswirkungen der Tat und das Nachtatverhalten zu berücksichtigen (vgl. § 46 Abs. 2 StGB). a) Verringerung der – negativen – „Auswirkungen der Tat“ Ein Teil der Literatur betrachtet das Geständnis, das Kosten und Aufwand erspare, als kooperatives Prozessverhalten, das generell wegen der geringeren „Auswirkungen der Tat“ im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB strafmildernd wirke.269 Gegen diese Ansicht spricht schon der Wortlaut „Auswirkungen der Tat“, der nur die unmittelbaren und mittelbaren Folgen der Tatbestandsverwirklichung meint, d.h. Umstände, die regelmäßig im Zusammenhang mit dem Tatgeschehen stehen und vom Schutzzweck der Norm erfasst sind270. Die Kosten, der Aufwand und eine rasche Verfahrensbeendigung betreffen nur das Strafverfahren als solches. Zwar ist auch das Strafverfahren im weitesten Sinne noch eine Folge der Straftat, denn ohne die Tatbestandsverwirklichung müsste es nicht durchgeführt werden. Den267 268

2. Kapitel, C. III. 2. a) cc), (2), (3). So allgemein zur Absprache Graumann, Vertrauensschutz und Absprachen,

152. 269 270

Ioakimidis, Absprache, 88; Schmidt-Hieber, StV 1986, 355, 356. Fischer, StGB, § 46, Rn. 34.

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noch geht es zu weit, die Kosten- und Aufwandsfolgen noch unter den Begriff „Auswirkungen der Tat“ zu fassen, denn sie sind primär Konsequenz des Verfahrens.271 Vom Schutzzweck der Strafnorm sind die „Auswirkungen der Tat“ zudem nur erfasst, wenn sie vom Täter zumindest vorhersehbar sind.272 Ein Geständnis ist jedoch keine Folge, die der Straftäter vorhersehen konnte, zumal der Straftäter zur Zeit der Tatbegehung davon ausgehen wird, dass die Staatsanwaltschaft keinen Verdacht gegen ihn erlangen und kein Strafverfahren einleiten wird.273 Würde ein Geständnis wegen der verfahrensrechtlichen Entlastung generell die „Auswirkungen der Tat“ verringern und deshalb strafmildernd wirken, würde strafrechtliches Unrecht mit prozessökonomischen Folgen, die in keinem Zusammenhang mit der Tatschuld im Sinne des § 46 Abs. 1 StGB stehen, aufgerechnet. Wohl aus diesem Grund knüpfen der BGH und ein Teil der Literatur die strafmildernde Wirkung des Geständnisses nicht an den Begriff „Auswirkungen der Tat“, obwohl die Begründung, das Geständnis verdiene als Beitrag zur Sachaufklärung wegen der Verfahrensabkürzung eine Honorierung274, weil sich dadurch aufwändige Beweisaufnahmen, insbesondere die Vernehmung der Opfer, vermeiden ließen, in diese Richtung zu weisen scheint. Die Literatur275 hält der Rechtsprechung zutreffend entgegen, dass das Gericht zur Aufklärung nach § 244 Abs. 2 StPO verpflichtet ist276. Muss es eine umfangreiche Beweisaufnahme durchführen, um sich von der Schuld des Täters überzeugen zu können, darf es den Arbeitsaufwand nicht zu Lasten des Täters berücksichtigen. Das muss auch dann gelten, wenn der Arbeitsaufwand steigt, weil der Angeklagte seine Verteidigungsrechte in Anspruch nimmt. Sonst sähe sich der Straftäter unter Umständen veranlasst, zur Vermeidung einer höheren Strafe wegen des hohen Arbeitsaufwandes des Gerichts selbst die Beweise bzw. Informationen herbeizuschaffen und damit an seiner eigenen Überführung mitzuwirken.277 Die Gewährung einer 271 I. E. auch Beulke/Satzger, JuS 1997, 1072, 1077; Dencker, ZStW 102 (1990), 51, 58; Graumann, Vertrauensschutz und Absprachen, 191; Niemöller, StV 1990, 34, 36, Fn. 16; Sch/Sch/Stree, StGB, § 46, Rn. 41a; Schünemann, 58. DJT/I, B 9, B 112. 272 BGHSt. 37, 179, 180. 273 Hönig, Geständnis, 62. 274 BGH, wistra 1997, 341, 345; BGH, NStZ 2004, 338, 339; Niemöller, StV 1990, 34, 36, Fn. 16. 275 Dencker, ZStW 102 (1990), 51, 58; Gerlach, Absprachen, 113; Hönig, Geständnis, 63; Moldenhauer, Absprachen, 197; Rönnau, wistra 1998, 49, 53; Schünemann, 58. DJT/I, B 9, B 112. 276 So schon OLG Hamm, SJZ 1950, 844; Moldenhauer, Absprachen, 197. 277 Hönig, Geständnis, 63; Schünemann, 58. DJT/I, B 9, B 113.

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Strafmilderung allein wegen der Entlastung des Gerichts würde bedeuten, dass die höhere Strafe bei einer Absprache- oder Geständnisverweigerung aus der Wahrnehmung der strafprozessualen Rechte durch den Beschuldigten resultieren würde. Dieses Verständnis des § 46 Abs. 2 StGB widerspräche rechtsstaatlichen Prinzipien.278 b) Schadenswiedergutmachung Ein Teil der Literatur schreibt einem Geständnis als Nachtatverhalten deshalb nicht generell strafmildernde Wirkung zu, sondern nur für den Fall, dass dem Geständnis die Wirkung einer Schadenswiedergutmachung oder Versöhnung zukomme. Das sei dann zu bejahen, wenn der Täter durch sein Verteidigungsverhalten zeige, dass er den Schaden wieder gutmachen wolle.279 Strafmildernd soll beispielsweise wirken, dass der Täter dem Opfer eine belastende Vernehmung erspart und dadurch weitere Nachteile vom Opfer fernhält.280 Es trifft zwar zu, dass das Strafprozessrecht die Opferinteressen besonders berücksichtigt. Eine solche Beschränkung der strafmildernden Wirkung des Geständnisses übersieht aber zum einen, dass die Schadenswiedergutmachung und der Täter-Opfer-Ausgleich keine abschließend aufgeführten Beispiele für ein strafmildernd zu berücksichtigendes Nachtatverhalten in § 46 Abs. 2 StGB sind („. . . besonders . . .“)281, zumal die Regelung bei einem solchen Verständnis weitgehend überflüssig wäre, weil § 46a StGB die Schadenswiedergutmachung und den Täter-Opfer-Ausgleich ausdrücklich als spezielle Strafmilderungsgründe ausgestaltet. Zum anderen liegt es nicht in der Hand des Täters, mit seinem Geständnis zu verhindern, dass das Opfer im Strafverfahren als Zeuge vernommen wird und die Tat noch einmal durchleben muss, denn die Entscheidung über die Notwendigkeit der Vernehmung des Opfers als Zeuge trifft allein das Gericht.282 Der Täter würde im Übrigen keine unmittelbaren Tatfolgen im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB ausgleichen, indem er das Geständnis abgibt, sondern lediglich vom Opfer weiteres Leid abwenden, das dem Opfer durch ein rechtsstaatliches Strafverfahren zugefügt würde.283

278 279 280 281 282 283

Bosch, nemo-tenetur, 199; Moldenhauer, Absprachen, 197. Dencker, ZStW 102 (1990), 51, 60 f. Sch/Sch/Stree, StGB, § 46, Rn. 41a. Bosch, nemo-tenetur, 199 f.; Jerouschek, ZStW 102 (1990), 793, 808. Hönig, Geständnis, 110; Weßlau, KritJ 26 (1993), 461, 468 f. Hönig, Geständnis, 110; Weßlau, KritJ 26 (1993), 461, 468.

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c) Bekundung von Reue Nach Auffassung des BGH284 kann ein nachträgliches Verhalten im Prozess die Schuld des Täters zur Zeit der Tat nicht mehr beeinflussen, so dass dem Nachtatverhalten, z. B. auch einem Geständnis, keine selbstständige Bedeutung für die Bestimmung der Schuld des Täters zukommt. Es kann allenfalls ein Indiz für die Täterpersönlichkeit und für die Beurteilung der Schuld zum Zeitpunkt der Tat sein.285 Deshalb lasse nicht schon das Geständnis als solches, sondern erst die Motivation für das Geständnis, Schlüsse auf Tat sowie Täterpersönlichkeit zu286 und könne die Grundlage der Strafmilderung bilden. Ein Teil der Literatur287 hält die Lösung des BGH jedoch für inkonsequent, weil dem Nachtatverhalten über den Umweg der Indizkonstruktion letztlich doch wieder eine Schuldrelevanz beigemessen wird. Unstrittig ist, dass ein Geständnis als Nachtatverhalten strafmildernd nach § 46 Abs. 2 StGB Berücksichtigung finden kann, wenn der Täter es aus Reue, Scham oder Mitleid abgibt und damit zeigt, dass er das von ihm begangene Unrecht einsieht288, obwohl dadurch nicht die Tatschuld gemindert wird, weil das Verhalten nach der Tat die Schuld des Täters zum Tatzeitpunkt nicht mehr beeinflussen kann. Ein solches Motiv ist jedoch keine zwingende Voraussetzung für die strafmildernde Berücksichtigung eines Geständnisses. Die Kronzeugenregelungen und § 31 BtMG zeigen, dass die Strafmilderung nicht immer eine ehrlich empfundene Einsicht und Reue erfordert, sondern auch bei einem nur aus verfahrenstaktischen Gründen abgelegten Geständnis gewährt werden kann289, weil der Angeklagte mit der Offenbarung die Verantwortung für sein Handeln übernimmt und sich den Rechtsfolgen der Tat unterwirft. Strafmilderung soll der Täter nach diesen Regelungen selbst dann erhalten, wenn er versucht, durch die Offenbarung von Taten Dritter sein eigenes Verhalten zu verharmlosen290, indem er die Tat des Dritten bei284

BGH, wistra 1997, 341, 342, 345; BGH, StV 2003, 266 f.; BGH, NStZ 2004,

338 f. 285 So neben dem BGH auch Beulke/Satzger, JuS 1997, 1072, 1078; Lammer, JZ 1992, 510, 516; Rönnau, wistra 1998, 49, 53; Schünemann, 58. DJT/I, B 9, B 110; Torka, Nachtatverhalten, 38. 286 Dencker, ZStW 102 (1990), 51, 56; Lammer, JZ 1992, 510, 516; allgemein zum Nachtatverhalten Torka, Nachtatverhalten, 38. 287 Hönig, Geständnis, 124 f. 288 Beulke/Satzger, JuS 1997, 1072, 1078; Dencker, ZStW 102 (1990), 51, 76; Jerouschek, ZStW 102 (1990), 793, 805; Schünemann, 58. DJT/I, B 9, B 112. 289 BGH, wistra 1997, 341, 345; Bosch, nemo-tenetur, 199, Fn. 335; Hönig, Geständnis, 89; Schünemann, NJW 1989, 1895, 1898. 290 Weber, BtMG, § 31, Rn. 33, 34, 46.

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spielsweise erheblich gravierender als seine eigene Tat darstellt oder behauptet, dass der Dritte ihn erst zur Tat veranlasst habe, er also nur eine Marionette des Dritten gewesen sei. Eine solche Verharmlosungstaktik dokumentiert keineswegs immer Reue und Einsicht. Es ist im Übrigen schwierig, die Motivation als innere Seite des Täters zweifelsfrei festzustellen und aus ihr sichere Rückschlüsse auf das Tatunrecht und die Täterpersönlichkeit zu ziehen. Eine derartige Beurteilung geht mit vielen Wertungsfragen einher, und es fehlen für die Feststellung psychologisch fundierte Erfahrungssätze.291 Oft liegt dem Geständnis ein Bündel von Motiven zu Grunde. Insbesondere bei einem Geständnis gegen Strafnachlass ist es nicht ausgeschlossen, dass der Täter seine Stellung im Strafverfahren bedenkt, aber gleichzeitig auch Einsicht in das von ihm begangene Unrecht zeigt.292 Es ist möglich, dass der Täter schon vorher aussagen wollte, es aber wegen der drohenden Strafe nicht gewagt hat, und die Zusicherung von Strafnachlass durch das Gericht ihm lediglich den letzten Anstoß gegeben hat. Aus einem Bündel von Motiven wird sich das letztlich leitende Motiv kaum herausfiltern lassen.293 Es lässt sich zudem nicht festlegen, wie stark die Beweggründe Reue und Einsicht sein müssen, damit sie neben weiteren Motiven strafmildernd wirken. d) Erreichung des Strafzwecks Da die Strafzwecke oberste Richtschnur für die Strafzumessung sind294, liegt es nahe, dem Geständnis eine strafmildernde Wirkung zuzubilligen, wenn es zeigt, dass die Strafzwecke erreicht werden. aa) Prävention als Hauptzweck der Strafe Die heute vorherrschende Vereinigungstheorie295 versucht, die Strafzwecke – nämlich die Vergeltung und Wiederherstellung der Rechtsordnung, die Abschreckung des Täters (= Spezialprävention) und der Allgemeinheit vor künftiger Straftatbegehung und die Stärkung des Rechtsbewusstseins 291

BGH, wistra 1997, 341, 345; Beulke/Satzger, JuS 1997, 1072, 1078; Bosch, nemo-tenetur, 201; Dencker, ZStW 102 (1990), 51, 56; Frisch, ZStW 99 (1987), 751, 780; Herrmann, JuS 1999, 1162, 1165; i. E. Ioakimidis, Absprache, 86; Kintzi, JR 1998, 249, 250; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, Rn. 383. 292 Beulke/Satzger, JuS 1997, 1072, 1078; Widmaier, StV 1986, 357, 358. 293 Moldenhauer, Absprachen, 191. 294 Sch/Sch/Stree, StGB, § 46, Rn. 3. 295 BVerfGE 39, 1, 57; 45, 187, 253 ff.; BGHSt. 24, 40, 42, 44 f.; OLG Hamm, SJZ 1950, 844, 845.

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der Allgemeinheit (= Generalprävention) – in ein ausgeglichenes Verhältnis zu bringen, weil kein Strafzweck allein die Funktion der Strafe erklären kann. Da das Strafrecht dem Schutz der elementaren Güter des Gemeinschaftslebens dient296, kann die Strafe ihre Rechtfertigung primär aber nur in dieser Aufgabe finden. Zwecke der Strafe sind deshalb vor allem Spezial- und Generalprävention.297 Die resozialisierende Einwirkung auf den Täter und die Sicherung der Allgemeinheit vor dem Täter sind keine Hauptfunktionen des Strafrechts. Deshalb können sie nur im Zusammenhang mit den anderen Strafzwecken der Legitimation der Strafe dienen.298 Die materiellen Rechtsnormen können zwar den Erhalt der Normorientierung und somit die Rechtsbewährung unterstützen, aber sie zeigen den Bürgern nur, wie sie sich zu verhalten haben, um ein geordnetes Zusammenleben zu ermöglichen. Erst durch die Androhung und Auferlegung einer Strafe reagiert der Staat in schärfster Weise auf begangenes Unrecht, um die Rechtstreue der Bevölkerung zu stärken.299 Deshalb ist die positive Generalprävention eine wichtige Hauptfunktion der Strafe. Zur Begrenzung der Strafhöhe ist die Tatschuld heranzuziehen300, denn der Strafe kommt auch eine Befriedigungsfunktion zu, die zwar nicht in Rache, sondern in der Wiederherstellung der Rechtsordnung begründet liegt, um zu verhindern, dass der Einzelne unkontrollierbar Selbstjustiz betreibt. Die Strafe wirkt aber nur friedensstiftend, wenn sie schuldangemessen ist und den tatsächlich Verantwortlichen trifft.301 bb) Generalpräventive Wirkung des Geständnisses Ein im Strafprozess abgelegtes Geständnis kann nachträglich die Schuld zur Zeit der Tatbegehung nicht mehr beeinflussen302, so dass es nur noch aus Gründen der Spezial- oder Generalprävention bei der konkreten Strafhöhe innerhalb des einschlägigen Strafrahmens bedeutsam sein kann.303 296 BVerfG, NJW 1975, 573, 576; Ioakimidis, Absprache, 27; Momsen/Rackow, JA 2004, 336, 339; Roxin, StrafR AT I, § 3, Rn. 8, 37; Wessels/Beulke, AT, Rn. 6, 12a. 297 Bock, JuS 1994, 89, 95; Ioakimidis, Absprache, 29; Roxin, StrafR AT I, § 3, Rn. 37. 298 Hellmann, StrafprozessR, Rn. 2; Ioakimidis, Absprache, 29. 299 Hellmann, StrafprozessR, Rn. 3. 300 Bock, JuS 1994, 89, 95; Lesch, JA 1994, 590, 595; Roxin, StrafR AT I, § 3, Rn. 46 ff. 301 Hellmann, StrafprozessR, Rn. 4. 302 BGHSt. 1, 105, 106; BGH, wistra 1997, 341, 342, 345; BGH, StV 2003, 266 f.; BGH, NStZ 2004, 338 f. 303 Fischer, StGB, § 46, Rn. 11; Hönig, Geständnis, 124; Moldenhauer, Absprachen, 183.

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Eine Milderung der Strafe setzt deshalb voraus, dass general- und spezialpräventive Gründe infolge des abgelegten Geständnisses eine höhere Strafe nicht erfordern. (1) Geständnis als „Actus contrarius“ Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung hat der Täter für ein Nachtatverhalten eine Strafmilderung aus generalpräventiven Gründen nur verdient, wenn es die Rechtsverletzung, die für den Normgeltungsschaden ursächlich ist, zumindest teilweise behebt.304 Die Vorschriften der tätigen Reue zeigen, dass eine Strafmilderung für ein Verhalten, das der Straftat und damit der den Rechtsfrieden störenden Ursache gegenläufig ist, gewährt werden kann. §§ 149 Abs. 2 Nr. 2, 275 Abs. 3, 239a Abs. 4, 314a, 306e, 320, 330b StGB, § 371 AO, die alle zumindest eine Strafmilderung anordnen, setzen regelmäßig voraus, dass der Täter seine Tat (freiwillig) anzeigt oder offenbart und/oder die verursachte Gefahr abwendet, die Tatvollendung verhindert oder trotz Tatvollendung einem endgültigen, (weiteren) erheblichen Schadenseintritt noch entgegenwirkt. So kann das Gericht gemäß § 239a Abs. 4 StGB die Strafe mildern, wenn der Täter das gefangen genommene Opfer unter Verzicht auf die Beute freilässt und sich einer Gefahr der Wiedererkennung durch das Opfer aussetzt. Der Tatbestand des erpresserischen Menschenraubes ist bereits mit der Entführung des Opfers in der Absicht, die Entführung zu einer Erpressung auszunutzen, vollendet. Durch die Freilassung unter Verzicht auf die erstrebte Leistung wirkt der Täter der unrechtsbegründenden Handlung, der Entführung in Erpressungsabsicht, entgegen und kann deshalb milder bestraft werden. Ebenso liegt es bei einer Strafmilderung gemäß § 306e StGB. Obwohl die Brandstiftung bereits mit dem Inbrandsetzen des Gebäudes vollendet ist, kann die Strafe gemildert oder es sogar ganz von Strafe abgesehen werden, wenn der Täter durch Löschen des Brandes einen noch weiter gehenden Schaden verhindert. Der „Actus contrarius“, nämlich das Löschen des Brandes, hat somit strafmildernde oder gar strafausschließende Wirkung. Die rechtzeitige Berichtigung der Falschaussage, d.h. die Richtigstellung noch vor der das Verfahren abschließenden Entscheidung in der Instanz, in der die Aussage gemacht worden ist, kann nach § 158 StGB strafmildernd vom Gericht berücksichtigt werden. Der Täter muss also nach der Vollendung der Falschaussage die Tat offenbaren und korrigieren, so dass die berichtigte Aussage bei der Urteilsfällung berücksichtigt und der Schaden noch abgewendet werden kann. 304 Dencker, ZStW 102 (1990), 51, 60; Frisch, ZStW 99 (1987), 776, 781; Jerouschek, ZStW 102 (1990), 793, 812; Kölbel, NStZ 2003, 232, 236.

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Diese Regelungen machen deutlich, dass eine Strafmilderung für ein Verhalten nach der Tatvollendung gewährt werden kann, wenn der Täter den Folgen der Straftat effektiv entgegenwirkt und damit die Rechtsverletzung – zumindest teilweise – wieder beseitigt. Zur Rechtfertigung der Strafmilderung wegen eines Nachtatverhaltens ist also eine dem Unrecht entgegensteuernde Handlung nötig, die objektiv die Rückkehr in die Legalität dokumentiert. Ein Geständnis stellt einen solchen „Actus contrarius“ dar, denn der Täter hilft bei der Aufarbeitung des Rechtsbruchs in der Gesellschaft und beugt somit einer erneuten Schädigung der durch den verletzten Tatbestand geschützten Rechtsgüter vor.305 Durch die selbstbelastende Aussage distanziert sich der Täter von seiner Tat und übernimmt gegenüber der Bevölkerung die Verantwortung für das Tatgeschehen306, wenn das Geständnis einen eigenständigen Erklärungswert besitzt und nicht nur in der Wiedergabe schon bekannter Tatsachen besteht, weil der Täter dadurch hilft, den Sachverhalt aufzuklären. Eine mildere Bestrafung verdient der Täter demzufolge nicht, wenn die Beweislage schon so erdrückend ist, dass jegliches Leugnen vergeblich ist. Der Täter erklärt dann lediglich, was nach der Beweislage schon feststeht. Es fehlt also an einer eigenen Aufklärungshilfe durch den Täter. Die „Kronzeugenregelungen“ der § 31 BtMG, § 261 Abs. 10 StGB verlangen allerdings für die Strafmilderung eines Geständnisses einen über die Offenbarung des eigenen Tatbeitrags hinausgehenden Aufklärungserfolg, z. B. die Aufklärung von Taten Dritter oder eine Verhinderung geplanter Straftaten.307 Aus diesen Regelungen folgert eine Auffassung in der Literatur, dass ein Geständnis in der Regel nur dann strafmildernd zu berücksichtigen sei, wenn der Täter durch die Offenbarung zumindest weitere bisher unbekannte Taten aufklärt, die nicht Gegenstand des Verfahrens sind.308 Eine solche Sichtweise benachteiligt jedoch Straftäter mit geringer krimineller Energie, die keine Serientäter oder rückfällig gewordenen Straftäter sind. Diejenigen, die erstmals straffällig geworden sind, haben zwangsläufig keine weitere unbekannte Straftat zu offenbaren. Räumen sie die Tat ein, helfen sie aber auch bei der Sachverhaltsaufklärung, unterwerfen sich den Folgen des von ihnen begangenen Unrechts und nehmen die Sanktion auf sich. Es wäre unbillig, ihnen keine Strafmilderung zu gewähren, nur weil es 305

Frisch, ZStW 99 (1987), 751, 781; Ioakimidis, Absprache, 88. Herrmann, JuS 1999, 1162, 1165; Kölbel, NStZ 2003, 232, 236; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, Rn. 383; Widmaier, StV 1986, 357, 358. 307 Vgl. auch der Entwurf eines neuen Kronzeugengesetzes, der verlangt, dass der Kronzeuge die Aufklärung einer Tat im Sinne des § 100a Abs. 2 StGB eines anderen oder der eigenen Tat über den eigenen Tatbeitrag hinausgehend fördert, § 46b Abs. 1 StGB-E, BT-Drucks. 16/6268. 308 Bosch, nemo-tenetur, 201; ähnlich Jerouschek, ZStW 102 (1990), 793, 810 f. 306

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für sie unmöglich ist, eine weitere Straftat zu benennen. Rechtsprechung und Literatur erkennen im Übrigen an, dass ein Geständnis des Täters, das nicht wesentlich über den eigenen Tatbeitrag hinausreicht und deshalb die Voraussetzungen des § 31 BtMG nicht erfüllt, wegen des Bemühens um Aufklärung durchaus strafmildernd nach § 46 Abs. 2 StGB berücksichtigt werden kann.309 Dem liegt offensichtlich die Auffassung zu Grunde, dass eine Strafmilderung für ein Geständnis nach § 46 StGB nicht zwangsläufig nur bei einem weiteren Aufklärungs- oder Schadensabwendungserfolg zu gewähren ist. (2) Freiwilligkeit des Nachtatverhaltens Wie dargelegt310, muss das Geständnis nicht aus Reue oder Einsicht abgelegt werden. Erforderlich ist aber die Freiwilligkeit der Offenbarung. Unter Berücksichtigung des Strafzweckes der Generalprävention kann es nämlich nicht genügen, dass der Täter lediglich formal das Fehlverhalten einräumt. Damit bekundet er nicht immer ernsthaft, dass er künftig keine Straftaten mehr begehen und die Rechtsnorm anerkennen werde, und es wird dadurch nicht zwangsläufig das Vertrauen der Bevölkerung in den Bestand der Rechtsordnung gestärkt. Wird der Täter beispielsweise durch verfahrensunbeteiligte Dritte zur selbstbelastenden Aussage genötigt, so bringt das Geständnis nicht zum Ausdruck, dass der Täter die Rechtsordnung zukünftig achten und akzeptieren will, denn wegen der angedrohten Gewalt verbleibt ihm keine andere Entscheidungsmöglichkeit. Es ist deshalb zu fordern311, dass der Betroffene das Geständnis freiwillig in dem Bewusstsein ablegt, vom begangenen Unrecht Abstand zu nehmen. Die Rechtsprechung betrachtet ein Verhalten als freiwillig, wenn es weder durch eine äußere Zwangslage noch durch einen seelischen Druck (psychische Erschütterung, Risiko einer Anzeige oder Bestrafung) veranlasst wird312, sondern der Täter noch Herr seiner Entscheidung ist313. Nach einer Auffassung in der Literatur handelt der Täter freiwillig, wenn sein Verhalten sich als seine eigene autonome Entscheidung erweist.314 Unfreiwillig309

BGH, NStZ 1989, 580; BGH, StV 1993, 308; Weider, NStZ 1989, 581. 4. Kapitel, 1. Abschnitt, B. III. 3. c). 311 Sch/Sch/Eser, StGB, § 24, Rn. 2b. 312 BGHSt. 7, 296, 299; 35, 184, 186; BGH, NStZ 1992, 536, 537; BGH, NStZ 1992, 587; BGH, NStZ 1993, 279; BGH, NStZ 1994, 428, 429; BGH, NStZ-RR 2003, 199. 313 BGHSt. 7, 296, 299; 35, 184, 186; BGH, NStZ 1992, 536, 537; BGH, NStZ 1992, 587; BGH, NStZ 1993, 279; BGH, NStZ-RR 2003, 199. 314 Ähnlich Fischer, StGB, § 24, Rn. 19, 20, 21; Sch/Sch/Eser, StGB, § 24, Rn. 43, 44; Wessels/Beulke, AT, Rn. 651. 310

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keit liege hingegen vor, wenn der Täter durch eine Zwangslage, die unabhängig von seinem Willen (= heteronom) entstanden ist, zur Vornahme einer Handlung veranlasst wurde, die der begangenen Straftat entgegensteuert.315 Die Gegenauffassung in der Literatur versteht die Freiwilligkeit normativ. Einige verlangen ein Bekenntnis des Täters zur Rechtstreue, durch welches er das durch die Tat beeinträchtigte Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsordnung und Rechtssicherheit wieder ausgleicht und den Eindruck, ein besonders gefährlicher Täter zu sein, wieder aufhebt, weil sich sein verbrecherischer Wille doch nicht als so stark erwiesen habe.316 Andere fordern, dass das Verhalten aus der Sicht eines Verbrechers unvernünftig ist.317 Nach einer weiteren Literaturauffassung genügt schon eine Handlung, die – ohne dass darin ein Bekenntnis zur Rechtstreue bestehen müsste – den rechtserschütternden Eindruck, den der Täter in der Bevölkerung durch die begangene Straftat hinterlassen hat, beseitigt und das Vertrauen in den Bestand der Rechtsordnung wiederherstellt.318 Zum Teil wird gefordert, dass der Täter mit der Handlung, durch die er der Rechtsverletzung entgegenwirkt, den Konflikt mit der Rechtsordnung letztlich normkonform löst und gleichzeitig mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit seine Bereitschaft signalisiert, die Norm künftig zu befolgen. Die Motive für die Normbefolgungsbereitschaft seien zweitrangig.319 Der allgemeine Sprachgebrauch mag als Freiwilligkeit die Freiheit, sich ohne psychischen Druck oder Hemmung entscheiden zu können, bezeichnen.320 Ob diese Entscheidungsfreiheit vorliegt, richtet sich nach der Vorstellung des Täters. Allerdings fehlen eindeutige Kriterien, um die Vorstellung des Täters überprüfen und so die Motive, aus denen der Täter handelt, feststellen zu können.321 Außerdem ist es wegen der feinen und unendlichen Nuancen des psychischen Zwanges, den ein innerer oder äußerer Umstand auf den Täter ausübt, nahezu unmöglich, die Grenze zu ermitteln, an der die noch auf einem freien Willensentschluss beruhende Hand315 Fischer, StGB, § 24, Rn. 19; Lackner/Kühl, StGB, § 24, Rn. 17; Sch/Sch/ Eser, StGB, § 24, Rn. 45; Wessels/Beulke, AT, Rn. 652. 316 Feltes, GA 1992, 395, 418 f.; Krauß, JuS 1981, 883, 888; Sch/Sch/Eser, StGB, § 24, Rn. 2b. 317 Rudolphi in: SK, StGB, § 24, Rn. 25. 318 Jerouschek, ZStW 102 (1990), 793, 816; Streng, NStZ 1993, 582, 583; ähnlich Roxin, StrafR AT II, § 30, Rn. 379 ff., der eine Rückkehr in die Legalität verlangt. 319 Walter, GA 1981, 403, 406, 410; ähnlich auch Borchert/Hellmann, Jura 1982, 658, 663. 320 Lackner, NStZ 1988, 405, 406; Lackner/Kühl, StGB, § 24, Rn. 18. 321 Frisch, ZStW 99 (1987), 751, 780.

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lung in einen nötigenden Zwang übergeht, der dem Täter keine andere Möglichkeit einräumt, als die dem Tatunrecht entgegenwirkende Handlung vorzunehmen.322 Daher ist es sinnvoll, den Freiwilligkeitsbegriff normativ anhand rechtlicher Kriterien auszulegen.323 Dies gilt insbesondere in unserem Zusammenhang, weil die Freiwilligkeit des Geständnisses zum Ausdruck bringen muss, dass eine Bestrafung aus general- und spezialpräventiven Gründen nicht bzw. nur in geringerer Höhe erforderlich ist. Zur Feststellung, ob die Strafzwecke noch eine Bestrafung gebieten, sollte aber nicht die Verbrechervernunft zur Orientierung dienen, da die Tatschuld als Ausdruck der Subjektsqualität des Menschen individuell zu bestimmen ist324 und es daher den „Einheitsverbrecher“ nicht geben kann. Art und Weise der Tatbegehung sowie die Motive für strafbares Verhalten sind so verschieden, dass es schwierig ist, allgemeine Grundsätze aufzustellen, die den typischen Straftäter kennzeichnen.325 Der Täter handelt vielmehr dann freiwillig, wenn er mit seinem dem Tatunrecht entgegenwirkenden Verhalten seine Achtung der Rechtsordnung zum Ausdruck bringt, so dass der rechtserschütternde Eindruck in der Bevölkerung, der durch die Begehung der Straftat entstanden war, wieder aufgehoben wird. Es dürfen keine spezial- oder generalpräventiven Gründe ersichtlich sein, die eine (höhere) Bestrafung erfordern. Der rechtserschütternde Eindruck in der Bevölkerung bleibt nicht schon dann aufrechterhalten, wenn der Betroffene anfangs die Aussage verweigerte oder sich nur zögerlich oder auf Zureden seines Rechtsbeistands zur Aussage bereit erklärt. Denn ein zögerliches Aussageverhalten kann darauf beruhen, dass der Täter Angst vor den Folgen seiner Aussage hatte und Vor- und Nachteile zunächst eingehend abwägen musste. Möglicherweise ist dem Täter auch erst durch die Verhandlung das Ausmaß der Tat bewusst geworden, woraufhin er sich zur Abgabe des Geständnisses entschließt. Unter Umständen hat er schon mehrmals mit sich gerungen auszusagen, aber erst der Zuspruch durch seinen Rechtsbeistand gab ihm den letzten Anstoß zur Ablegung des Geständnisses. Entscheidend ist, ob der Betroffene trotz des abgelegten Geständnisses noch eine rechtsfeindliche Gesinnung zum Ausdruck bringt. Hat der Betroffene das Geständnis allein aus verfahrenstaktischen 322 Borchert/Hellmann, Jura 1982, 658, 662; Jäger, Rücktritt, 22 ff.; Roxin, StrafR AT II, § 30, Rn. 368 ff.; Rudolphi in: SK, StGB, § 24, Rn. 24. 323 Borchert/Hellmann, Jura 1982, 658, 663; Jerouschek, ZStW 102 (1990), 793, 816; Streng, NStZ 1993, 582, 583. 324 Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, Rn. 478, 479; Torka, Nachtatverhalten, 33, 37. 325 So zu Recht Borchert/Hellmann, Jura 1982, 658, 663; Jäger, Rücktritt, 24; Roxin, StrafR AT II, § 30, Rn. 383.

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Gründen abgegeben und ist er noch rechtsfeindlich eingestellt, erkennt er die verletzte Norm gerade nicht an und distanziert sich nicht von der Tat. Das Geständnis wäre in diesem Fall nicht geeignet, den rechtserschütternden Eindruck in der Bevölkerung zu beseitigen und das Vertrauen in den Bestand der Rechtsordnung wiederherzustellen.326 Es ist somit festzuhalten, dass es im Allgemeinen aufgrund generalpräventiver Gründe möglich ist, ein Geständnis mit einer Strafmilderung zu honorieren, wenn der Täter zur Aufklärung der von ihm begangenen Straftat beiträgt, sich von der Tat distanziert und zum Ausdruck bringt, dass er die Norm anerkennt und die Rechtsordnung künftig wahren wird. In diesem Fall beseitigt er – zumindest teilweise – den rechtserschütternden Eindruck in der Bevölkerung, den er durch die Straftat verursacht hatte. cc) Geständnis vor dem PUA als „Actus contrarius“ Diesen „Actus contrarius“ erbringt auch der Betroffene, der im PUV sein Fehlverhalten einräumt. Er korrigiert dadurch sein Fehlverhalten und signalisiert zugleich, die Rechtsordnung doch zu achten. Der Täter neutralisiert den rechtserschütternden Eindruck, den er durch die von ihm begangene Straftat in der Bevölkerung hervorgerufen hat. Der Betroffene sagt – trotz der ihm im PUV auferlegten Zeugnispflicht – freiwillig aus, da ihm das Recht zusteht, sich nicht selbst belasten zu müssen. Entscheidet er sich gegen das Schweigerecht und offenbart die Tat, belastet er sich selbst und gibt seine Verteidigungsposition auf. Sagt der Betroffene umfassend aus, hilft er dem PUA, das – auch strafrechtlich relevante – Fehlverhalten aufzuklären, und distanziert sich öffentlich durch sein Geständnis von seiner Tat. Er übernimmt gegenüber der Bevölkerung die Verantwortung für das Tatgeschehen und unterwirft sich zugleich der strafrechtlichen Sanktion, weil er weiß, dass sein Geständnis Eingang ins Strafverfahren findet.327 Über die Akzeptanz der strafrechtlichen Sanktion wegen seiner eigenen Tat hinaus trägt der Betroffene durch das Geständnis vor dem PUA auch zur politischen Aufklärung und zur Selbstbereinigung der Politik bei. Er nimmt dadurch eine weitere Belastung auf sich, indem er sich vor der Öffentlichkeit zu seiner politischen Verantwortung bekennt und sich den politischen Konsequenzen, die eventuell in einem Amts- oder Mandatsverlust oder im Verlust von Wählerstimmen bestehen können, unterwirft. Ferner unterstützt er den Staat dabei, eine Wiederholung eines solchen Vor326

Jerouschek, ZStW 102 (1990), 793, 817. Allgemein zum Geständnis des Straftäters: Herrmann, JuS 1999, 1162, 1165; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, Rn. 383; Widmaier, StV 1986, 357, 358. 327

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kommnisses zu verhindern oder gesetzliche Missstände zu beheben, indem neue Gesetze erlassen oder stärkere Kontrollen eingerichtet werden. Die Bedeutung einer solchen Offenbarung ist nicht zu unterschätzen. Der Täter muss ohnehin schon eine erhebliche innere Überwindung aufbringen, gegenüber Dritten eine Straftat einzugestehen.328 Weitaus schwieriger wird es zumeist sein, zusätzlich einen erheblichen Verlust der Reputation hinzunehmen und in einem besonders öffentlichkeitswirksamen Verfahren vor dem PUA seine Fehler zuzugeben, sich einer Straftat zu bezichtigen und ein politisches Fehlverhalten einzuräumen. Wenn der Betroffene freiwillig hilft, politisch und strafrechtlich aufzuklären und sich den gravierenden Rechtsfolgen unterwirft, hebt er den rechtserschütternden Eindruck in der Bevölkerung wenigstens teilweise wieder auf und zeigt, dass er die Rechtsordnung achtet. Dies rechtfertigt es, ihm zumindest eine Strafmilderung zu gewähren. e) Ausgestaltung einer Strafmilderungsregelung Das Geständnis des Betroffenen vor dem PUA kann somit gemäß § 46 Abs. 2 StGB strafmildernde Berücksichtigung finden. Aus der Sicht des Betroffenen im PUV ist es jedoch nötig, dass die Strafmilderung für ein belastendes Geständnis, das er vor dem PUA ablegt, nicht im Ermessen des Strafrichters steht. Um einen tatsächlichen Anreiz für den Betroffenen zu bieten, sich strafrechtlich selbst zu belasten und die politischen Konsequenzen auf sich zu nehmen, muss der Betroffene Rechtssicherheit erhalten, damit er die Folgen seiner Aussage genauer abschätzen kann. Während im Strafverfahren Rechtssicherheit für den Angeklagten durch eine Absprache über den Strafrahmen mit den Verfahrensbeteiligten herbeigeführt werden kann, scheidet diese Möglichkeit bei einem Geständnis des Betroffenen im PUV – wie oben gezeigt329 – regelmäßig aus. Der Betroffene geht aber ein erhebliches Risiko ein, wenn er vor dem PUA freiwillig selbstbelastend aussagt, ohne sich sicher sein zu können, dass der Strafrichter dieses Geständnis auch tatsächlich strafmildernd berücksichtigt. Daher wird der Betroffene nur selten bereit sein, im PUV sein Fehlverhalten einzugestehen. Der PUA ist allerdings häufig auf die Aussage des Betroffenen angewiesen, um den Untersuchungsgegenstand umfassend aufklären und die demokratische Kontrollfunktion des Parlaments effektiv ausüben zu können. Aus diesen Gründen ist es notwendig und gerechtfertigt, eine spezielle Regelung zu schaffen, die dem Strafgericht vorschreibt, das Geständnis im PUV strafmildernd zu berücksichtigen. Damit die Auswirkungen des Geständnisses auf 328 Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, Rn. 383; Widmaier, StV 1986, 357, 358. 329 4. Kapitel, 1. Abschnitt, B. III. 1.

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den Strafrahmen kalkulierbar werden, ist eine Orientierung an § 49 Abs. 1 StGB vorzuziehen, weil nach § 49 Abs. 2 StGB der gemilderte Strafrahmen nicht eindeutig bestimmt ist. Die Gewährung einer Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB versetzt den Betroffenen in die Lage, die Risiken, die aus dem Verzicht auf das Auskunftsverweigerungsrecht resultieren können, abzuschätzen. Die Strafmilderungsvorschrift sollte nicht zwischen Vergehen und Verbrechen differenzieren, weil der Wert des Geständnisses im Verhältnis zur begangenen Straftat gleich ist. Die Offenbarung eines Verbrechens erfordert eine größere Überwindung als die Aufdeckung eines Vergehens, weil die strafrechtlichen Folgen schwerer wiegen als bei einem Vergehen. Es hängt allerdings von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab, ob spezial- und generalpräventive Gründe es erfordern, den Täter zu bestrafen. Relevant sind die Art und Weise sowie der Zeitpunkt der selbstbelastenden Aussage des Betroffenen. Legt der Betroffene schon zu Beginn der ersten Sitzung eines Untersuchungsausschusses ein umfassendes Geständnis ab, hat die Allgemeinheit eher den Eindruck, dass der Betroffene sein Fehlverhalten einsieht und bedauert, für seine Tat die Konsequenzen akzeptieren will und sich künftig rechtmäßig verhalten werde, als wenn sich der Betroffene zunächst hartnäckig weigert auszusagen und erst auf mehrmaliges Anraten seines Rechtsbeistandes schleppend zur Sachverhaltsaufklärung beiträgt. Um besonderen Umständen im Einzelfall, z. B. erheblichen Vorstrafen, gerecht werden zu können, ist es sinnvoll, die Strafmilderungsvorschrift nicht als „Muss“-Vorschrift, sondern als „Soll“-Regelung zu formulieren, die zur Folge hat, dass der Richter in atypischen Fällen von der Pflicht zur Strafmilderung eine Ausnahme machen darf. In bestimmten Fällen sollte die Regelung dem Strafgericht auch die fakultative Möglichkeit einräumen oder unter Umständen sogar die Pflicht auferlegen, von einer Bestrafung abzusehen, um einen effektiven Anreiz zur selbstbelastenden Aussage vor dem PUA zu bieten. Die Befugnis, von einer Bestrafung abzusehen, sollte allerdings auf Vergehen begrenzt sein, weil Verbrechen einen hohen Unrechtsgehalt aufweisen und den Täter deshalb eine weitaus größere Schuld trifft. Das Absehen von der Bestrafung des Täters wegen eines freiwillig offenbarten Verbrechens verstieße gegen die Pflicht des Staates, Straftaten, an deren Verfolgung ein besonderes öffentliches Interesse besteht, aufzuklären und entsprechend der Schuld abzuurteilen. Das Recht des Richters, von einer Bestrafung eines offenbarten Vergehens abzusehen, sollte im Übrigen in dessen pflichtgemäßes Ermessen gestellt werden, um dem Gewaltenteilungsprinzip und dem Recht des Richters, den staatlichen Strafanspruch zu verwirklichen und die Strafe entsprechend der Schuld des Täters festzulegen, Rechnung zu tragen.

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4. Kap., 1. Abschn.: Zeugenvernehmung und Herausgabeverlangen

Die Regelung könnte wie folgt aussehen: „Das Gericht soll die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern, wenn der Betroffene im parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein von ihm begangenes Vergehen oder Verbrechen, das den Gegenstand der parlamentarischen Untersuchung bildet, freiwillig offenbart und dadurch die Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes fördert. An die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe tritt eine Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren. Das Gericht kann ganz von Strafe absehen, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen verwirkt ist. Freiwillig handelt der Betroffene, wenn er mit seinem Geständnis zum Ausdruck bringt, dass er die verletzte Rechtsnorm anerkennt und künftig befolgen wird, und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsordnung wiederherstellt.“ f) Vereinbarkeit der Strafmilderungsregelung mit dem GG und der StPO Eine solche Strafmilderungsregelung wäre mit der Verfassung und den strafprozessualen Grundsätzen vereinbar. Sie verletzt weder den Gewaltenteilungsgrundsatz noch das Recht des Staates, den Strafanspruch umzusetzen. Die Ausgestaltung als obligatorische Strafmilderungsregelung und die fakultative Möglichkeit, von einer Bestrafung eines Vergehens abzusehen, belassen dem Richter das Recht, eine schuldangemessene Sanktion zu verhängen. Hat der Betroffene ein Vergehen oder Verbrechen begangen, soll der Richter zwar die Strafe mildern, d.h., ihn trifft grundsätzlich eine Pflicht zur Strafmilderung. Die Regelung eröffnet dem Richter in einer atypischen Situation aber die Möglichkeit, von ihrer Anwendung abzusehen, so dass die Festsetzung einer schuldangemessenen Strafe gewährleistet ist. Die Beschränkung des fakultativen Absehens von Strafe auf Fälle, in denen der Täter ein Vergehen verwirklicht hat, trägt dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung. Der Zulässigkeit einer solchen Strafmilderungsregelung lässt sich nicht überzeugend entgegenhalten, dass die Gewährung von Strafnachlass für ein Geständnis den Täter in unzulässiger Weise dazu zwinge, seine Verteidigungsposition aufzugeben und die Tat zu offenbaren oder aber eine höhere Strafe hinnehmen zu müssen.330 Ein Entscheidungskonflikt besteht zwar, er verletzt den nemo-tenetur-Grundsatz aber nicht. Selbst wenn dieser Grundsatz nicht nur auf die Anwendung und Androhung staatlicher Zwangsmittel, 330 So aber grundsätzlich Bosch, nemo-tenetur, 199, 200 f.; Dencker, ZStW 102 (1990), 51, 56; Gatzweiler, NJW 1989, 1903, 1904; Hönig, Geständnis, 176.

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sondern eines jeden Nachteils von vergleichbarem Gewicht angewendet würde, fehlt es an einer Zwangslage im Sinne des nemo-tenetur-Prinzips.331 Die Strafmilderungsregelung schafft lediglich einen Anreiz, die Tat zu offenbaren332, die Entscheidung liegt jedoch beim Betroffenen, denn er kann weiterhin zwischen der Inanspruchnahme seines Auskunftsverweigerungsrechts oder dem Strafnachlass gegen ein Geständnis frei wählen333. Entscheidet er sich für die Geltendmachung des Auskunftsverweigerungsrechts, wird ihm lediglich der Vorteil des gerechtfertigten Strafnachlasses für ein Geständnis nicht gewährt334, er erleidet aber keinen Nachteil wegen seiner Mitwirkungsverweigerung. Seine Rechtsposition bleibt unangetastet, denn sein Schweigen darf im Strafverfahren nicht zu seinen Lasten verwertet werden. Zum Teil wird allerdings behauptet, die Gewährung einer Strafmilderung als Gegenleistung für ein Geständnis benachteilige den Straftäter, der von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch mache335, und verletze deshalb den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG wäre aber nur gegeben, wenn Personen einer vergleichbaren Gruppe ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würden. Zum einen ist schon fraglich, ob es sich bei Straftätern, die das gleiche Delikt begangen haben, tatsächlich um eine vergleichbare Gruppe handelt. § 46 Abs. 1 S. 1 StGB bestimmt die Schuld des Täters individuell. Trotz Verwirklichung desselben Tatbestandes können die Fälle ganz verschiedene Unrechtsgrade aufweisen, so dass die Schuld des einen Täters von der eines anderen erheblich abweichen kann.336 Eine „Pauschalstrafe“ für alle Täter, die denselben Tatbestand verwirklicht haben, würde diese als Objekt behandeln und verstieße gegen Art. 1 Abs. 1 GG.337 Deshalb gehören Straftäter nicht zwangsläufig einer vergleichbaren Gruppe an, wenn sie dasselbe Delikt begangen haben. Zudem gibt es keinen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht.338 331 I. E. BGH, NStZ 2004, 338, 339; Gerlach, Absprachen, 69 f.; Graumann, Vertrauensschutz und Absprachen, 301; Ioakimidis, Absprache, 77 f.; Kölbel, NStZ 2003, 232, 234; Lammer, ZRP 1989, 248, 251. 332 Zur Absprache: BGH, NStZ 2004, 338, 339; zur Kronzeugenregelung: Lammer, ZRP 1989, 248, 251. 333 Gerlach, Absprachen, 69 f.; Graumann, Vertrauensschutz und Absprachen, 301; Ioakimidis, Absprache, 77 f.; Kölbel, NStZ 2003, 232, 234. 334 Graumann, Vertrauensschutz und Absprachen, 301 f.; Kölbel, NStZ 2003, 232, 234. 335 Jerouschek, ZStW 102 (1990), 793, 819. 336 BT-Drucks. IV/650, S. 180; Ioakimidis, Absprache, 54. 337 Ähnlich Schäfer, Strafzumessung, Rn. 455, 485; Sch/Sch/Stree, StGB, § 46, Rn. 9a, 9b; Torka, Nachtatverhalten, 33. 338 BVerfGE 50, 142, 166; BVerfG, wistra 1997, 297, 298; Ioakimidis, Absprache, 55; Osterloh in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 213.

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4. Kap., 1. Abschn.: Zeugenvernehmung und Herausgabeverlangen

Zum anderen ist die Strafmilderung wegen der selbstbelastenden Einlassung des Betroffenen gerechtfertigt, weil das Geständnis zum Ausdruck bringt, dass er die verletzte Rechtsnorm anerkennt und hilft, den Sachverhalt sowohl unter strafrechtlichen als auch unter politischen Gesichtspunkten aufzuklären und das parlamentarische Kontrollrecht und die Demokratie zu stärken. Der schweigende Betroffene kann dagegen hoffen, dass die belastenden Umstände nicht aufgeklärt werden und er deshalb weder strafrechtlich noch politisch zur Verantwortung gezogen wird.339 Die vorgeschlagene Regelung verstößt auch nicht gegen das Schuldprinzip. Da der Betroffene mit seinem freiwilligen Geständnis zur politischen und strafrechtlichen Aufklärung beiträgt und zum Ausdruck bringt, dass er die verletzte Norm achtet sowie die Verantwortung für sein Fehlverhalten übernimmt, ist das Geständnis nach § 46 Abs. 2 StGB grundsätzlich strafmildernd zu berücksichtigen. Eine Verletzung des Schuldprinzips scheidet zudem aus, weil die Gewährung von Strafmilderung als „Soll“-Vorschrift und die Befugnis zum Strafausschluss als Ermessensnorm ausgestaltet sind, so dass das Gericht die Schwere der Tat, besondere atypische Umstände und das Gewicht der Aufklärungshilfe im Einzelfall berücksichtigen kann.340 Damit ist gewährleistet, dass die Strafe schuldangemessen ist und dem Unrechtsgehalt der Tat gerecht wird. Die befürwortete Strafmilderungsregelung stellt lediglich eine gesetzliche Ausgestaltung des § 46 Abs. 2 StGB zu Grunde liegenden Rechtsgedankens dar, die zum Ausdruck bringt, dass ein Geständnis, das außerhalb eines Strafverfahrens abgelegt wurde und das die Strafgerichte der Verurteilung zu Grunde legen dürfen, strafmildernde Bedeutung hat. Dadurch würde eine gewisse Rechtssicherheit für den Betroffenen geschaffen. g) Folgen eines unrichtigen Geständnisses aa) Einschränkung der Gewährung von Strafmilderung Der Einführung der Strafmilderungsregelung könnte entgegenstehen, dass der Betroffene sie dazu nutzen kann, zwar selbstbelastend auszusagen, die Tat aber zu verharmlosen, um so in den Genuss einer Strafmilderung zu kommen und die politischen Konsequenzen für sich gering zu halten. Gesteht der Betroffene im PUV z. B. nur eine Vorteilsannahme ein und ergibt 339 So allgemein Jerouschek, ZStW 102 (1990), 793, 819; für die Kronzeugenregelung Lammer, ZRP 1989, 248, 250. 340 Vgl. Peglau, ZRP 2001, 103, 105 für die Kronzeugenregelung; wohl auch Mühlhoff/Pfeiffer, ZRP 2000, 121, 126.

B. Förderung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses

355

die Hauptverhandlung im Strafverfahren, dass er tatsächlich eine Bestechlichkeit begangen hat, ist fraglich, ob zu Gunsten des Betroffenen die Strafmilderungsregelung innerhalb des Strafrahmens des § 332 StGB zur Anwendung kommt. Dafür spricht, dass der Betroffene mit seinem Geständnis zumindest teilweise zur Aufklärung beigetragen hat. Allerdings übernimmt er trotz seines Teilgeständnisses nicht die ganze Verantwortung für sein rechtswidriges Verhalten und dessen Folgen, so dass die Bevölkerung – ex post betrachtet – nicht den Eindruck gewinnt, er würde die Norm anerkennen und sich künftig rechtmäßig verhalten, zumal er durch die Falschaussage vor dem PUA zugleich neues Unrecht nach § 153 StGB verwirklicht. Es ist sachgerecht, dem Betroffenen im Fall einer Verharmlosung der Tat die obligatorische Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB zu versagen und es in das tatrichterliche Ermessen des Strafrichters zu stellen, inwieweit er das abgelegte Geständnis als Aufklärungshilfe nach § 46 Abs. 2 StGB – je nach Umfang des Verschweigens – strafmildernd berücksichtigt. Sinn und Zweck der vorgeschlagenen Strafmilderungsregelung bestehen nämlich darin, einen Anreiz für eine selbstbelastende Aussage zu schaffen, um den Untersuchungsgegenstand vollständig und korrekt aufzuklären. Nur so können die bestehenden Missstände umfassend beseitigt werden. Es stärkt die Demokratie nicht, wenn nur „halbe Wahrheiten“ offenbart und dann auch noch mit einer Strafmilderung honoriert werden. Da das Strafgericht das Geständnis des Betroffenen im PUV in der Hauptverhandlung gemäß § 244 Abs. 2 StPO – gegebenenfalls unter Beiziehung der Protokolle des Untersuchungsausschusses – auf Richtigkeit und Glaubhaftigkeit zu überprüfen hat341, bevor das Geständnis bei der Festlegung der Strafhöhe zu Grunde gelegt wird, und der Betroffene als Zeuge bei der Abgabe des Geständnisses vor dem PUA einer Wahrheitspflicht nach § 153 StGB unterliegt, ist das Risiko, dass der Betroffene die Regelung missbraucht, indem er seine Tat verharmlost, um sich zugleich in den Genuss der Strafmilderung zu bringen, allerdings gering342. Diese Missbrauchsgefahr ließe sich weiter reduzieren, wenn der Strafrahmen für eine Falschaussage vor dem PUA für den Fall angemessen erhöht würde, in dem der Betroffene falsch aussagt, um sich einen Strafnachlass nach der Strafmilderungsregelung zu erschleichen.

341 Allgemein: BGH, wistra 1997, 341, 344; BGH, Beschluss vom 06.11.2007, Az.: 1 StR 370/07, Rn. 19; Ioakimidis, Absprache, 95; Meyer-Goßner, StPO, Einl., Rn. 119d, 119f. 342 Vgl. hierzu 4. Kapitel, 1. Abschnitt, B. II. 2. b) cc).

356

4. Kap., 1. Abschn.: Zeugenvernehmung und Herausgabeverlangen

bb) Wiederaufnahme des Strafverfahrens Die Versagung der Strafmilderung wegen einer Falschaussage des Betroffenen im PUV kommt nur bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz im Strafverfahren in Betracht. Stellt sich erst nach dem Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils heraus, dass der Betroffene vor dem PUA die Tat nur unvollständig eingestanden hat, ließe sich das Urteil zu Ungunsten des Angeklagten allenfalls im Wege der Wiederaufnahme nach § 362 Nr. 2, 4 StPO angreifen. § 362 Nr. 4 StPO könnte eingreifen, weil der Betroffene wegen des „Mehr“ an verwirklichtem kriminellen Unrecht „freigesprochen“ worden ist. Ein Teil der Literatur vertritt die Auffassung, dass eine zu milde Bestrafung wie ein Freispruch zu behandeln und § 362 Nr. 4 StPO analog anzuwenden sei, wenn ein besonders krasser Fall vorliege. Das sei anzunehmen, wenn die Verurteilung zur verdienten Strafe außer Verhältnis stehe.343 Die h. M. lehnt die analoge Anwendung hingegen ab, weil der Gesetzgeber die Wiederaufnahme bewusst und ausdrücklich auf den Freispruch beschränkt habe, so dass eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie fehle.344 Diese Sicht trifft zu, weil eine Durchbrechung der Rechtskraft zur Herstellung der Gerechtigkeit durch eine Wiederaufnahme des Verfahrens in das Verbot der Doppelbestrafung aus Art. 103 Abs. 3 GG, das dem Angeklagten Rechtssicherheit geben soll345, eingreift und einer Rechtfertigung bedarf. Nicht jede nach Rechtskrafteintritt erkannte Unrichtigkeit des Urteils kann den Eingriff rechtfertigen, sondern nur ein Fehler, der so schwerwiegend ist, dass die Gerechtigkeit das Interesse, Rechtssicherheit zu geben und Rechtsfrieden herbeizuführen, überwiegt.346 Diese Abwägung hat der Gesetzgeber abschließend in §§ 359 ff. StPO getroffen. Auch ein Wiederaufnahmegrund nach § 362 Nr. 2 StPO greift nicht ein, wenn der Betroffene vor dem PUA als Zeuge uneidlich zu seinen Gunsten falsch aussagt. Hat der Betroffene die protokollierte Aussage aus dem PUV im Strafverfahren wiederholt, so hat er dies als Angeklagter getan. § 362 Nr. 2 StPO könnte allenfalls analog angewendet werden, wenn es sich um eine planwidrige Regelungslücke handeln würde. Es gibt aber auch 343

Peters, Strafprozess, § 76, Rn. 678. Gössel in: LR-StPO, § 362, Rn. 8; Rönnau, Absprache, 256; Roxin, StrafverfahrensR, § 55, Rn. 13. 345 Hellmann, StrafprozessR, Rn. 950; Weber-Klatt, Wiederaufnahme, 168 f. 346 Hellmann, StrafprozessR, Rn. 950; Schmidt-Assmann in: M/D/H, GG, Art. 103 III, Rn. 270; Weber-Klatt, Wiederaufnahme, 168 f. 344

B. Förderung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses

357

im Strafverfahren vergleichbare Situationen. So kann ein „Kronzeuge“ im Strafverfahren gegen einen Mittäter als Zeuge unvollständig aussagen und als Gegenleistung für die auch selbstbelastende Aussage eine Strafmilderung erhalten. Dieser Situation war sich der Gesetzgeber bewusst, ohne § 362 Nr. 2 StPO, der die Wiederaufnahme nur bei einer Falschaussage eines Zeugen oder Sachverständigen beschränkt, zu ändern. Die Zulassung der Wiederaufnahme lediglich bei einer zu milden Bestrafung des Betroffenen aufgrund seiner unvollständigen Aussagen im PUV, würde vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandeln, ohne dass ein sachlicher Differenzierungsgrund vorliegen würde. h) Zwischenergebnis Sagt der Betroffene vor dem PUA freiwillig selbstbelastend aus, ist sein Geständnis im Strafverfahren strafmildernd zu berücksichtigen. Um die Konsequenzen für den Betroffenen kalkulierbar zu machen, sollte eine ausdrückliche Regelung geschaffen werden. Die Strafmilderung kommt dem Betroffenen nur zugute, wenn er im PUV umfassend und wahrheitsgemäß aussagt. Stellt sich nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils heraus, dass das Geständnis unvollständig oder unrichtig war, ist eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens nicht möglich.

IV. Prüfung des Auskunftsverweigerungsrechts im geheimen Verfahren Ein anderer Vorschlag347 zur Gewährleistung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses geht dahin, dass der PUA auf Antrag seiner Mitglieder bzw. eines Viertels seiner Mitglieder einen externen Richter einsetzen könne, der überprüft, ob die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Auskunftsverweigerungsrechts durch den Betroffenen im PUV tatsächlich vorliegen. Der Betroffene müsse sich dem Richter in geheimer Sitzung offenbaren. Stelle der „Beichtrichter“ fest, dass die Voraussetzungen für ein Auskunftsverweigerungsrecht tatsächlich gegeben sind, dürfe sich der Betroffene vor dem PUA auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Gegen dieses Modell spricht bereits der Wortlaut des Art. 44 GG. Nach Art. 44 Abs. 1 GG steht von Verfassungs wegen die Beweiserhebung dem 347

Volksstimme vom 10.07.2000, S. 2; Kölbel/Morlok, ZRP 2000, 217, 222 f.; Morlok, Protokoll G 32/33, 89; ders., RuP 2000, 208, 211; krit. Wiefelspütz, ZParl 2002, 551, 571.

358

4. Kap., 1. Abschn.: Zeugenvernehmung und Herausgabeverlangen

PUA als Ganzem zu, und die Beurteilung der Beweisfrage unter politischer Betrachtung ist eine Kernfunktion des Untersuchungsausschusses.348 Der „Beichtrichter“ soll zwar keine Beweisfrage beurteilen, sondern lediglich klären, ob das Beweismittel überhaupt für das Beweisthema zur Verfügung steht. Das Verfahren ist also der Zeugenvernehmung vorgelagert. Der „Beichtrichter“ würde aber die Voraussetzungen des Auskunftsverweigerungsrechts prüfen, also eine Art Beweissicherung, nämlich die Sicherung einer vollständigen Zeugenaussage, vornehmen, die vom Beweiserhebungsbegriff des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG erfasst ist.349 Diese Vorschrift ordnet aber die sinngemäße Anwendung der Regelungen des Strafprozesses an. Sie enthält eine dynamische Verweisung, d.h., es kommt immer das zum jeweiligen Zeitpunkt geltende Strafverfahrensrecht zur Anwendung. Unser Strafprozessrecht kennt gegenwärtig den Einsatz eines Vertrauensrichters zur Überprüfung der Voraussetzungen des § 55 StPO nicht. Auch in anderen Verfahrensordnungen findet sich keine vergleichbare Vorgehensweise zur Überprüfung der tatsächlichen Voraussetzungen des Auskunftsverweigerungsrechtes eines Zeugen.350 Eine dem „Beichtrichter“ ähnliche Verfahrensgestaltung stellt lediglich das in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO dar, wonach das OVG auf Antrag eines Beteiligten des Verwaltungsgerichtsverfahrens in einem dem Geheimschutz unterliegenden Verfahren feststellt, ob die Verweigerung der Herausgabe von Akten, Urkunden oder der Erteilung einer Auskunft rechtmäßig ist. Dieses Verfahren ermöglicht es dem Verwaltungsgericht, unter Ausschluss weiterer Beteiligter oder Zuhörer zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Auskunftsverweigerung im konkreten Fall tatsächlich vorliegen und auf welche Tatsachen die Behörde ihre Entscheidung gestützt hat. Es dient also dem Rechtsschutzbedürfnis des Bürgers und geht zu Lasten des behördlichen Geheimnisschutzes. Liegen die Voraussetzungen für eine Verweigerung der Auskunft oder Aktenvorlage dagegen tatsächlich vor, bleibt das Geheimhaltungsinteresse der Behörde dadurch gewahrt, dass lediglich das Gericht Kenntnis von den Gründen hat. Es teilt dem Rechtsschutzsuchenden die Gründe für die Auskunftsverweigerung nicht mit351, kann aber aufgrund der zur Kenntnis genommenen Tatsachen den Rechtsstreit effektiv entscheiden. Das „in-camera-Verfahren“ bietet also eine Mög348 Gielen, JR 2000, 140, 142, 143; Kästner, NJW 1990, 2649, 2656; Löwer, Jura 1985, 358, 365; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 272; Schröder, 57. DJT/I, E 7, E 75. 349 1. Kapitel, B. I. 1. 350 Ablehnend auch Wiefelspütz, UAG, 261; ders., ZParl 2002, 551, 571, der den Beichtrichter als einen „bizarren Fremdkörper“ bezeichnet. 351 BVerfGE 101, 106, 131 f.

B. Förderung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses

359

lichkeit, den Geheimnisschutz zu wahren, ohne den Rechtsschutzanspruch des Bürgers aus Art. 19 Abs. 4 GG zu schmälern. Der Rückgriff auf § 99 Abs. 2 VwGO bzw. auf den zu Grunde liegenden Rechtsgedanken scheidet jedoch im PUV aus, da Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG zum einen die analoge Anwendung der VwGO nicht vorsieht und das Verfahren zu Lasten des Betroffenen eingeführt würde. Im PUV konfligieren das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen zur Wahrung des Grundsatzes, sich nicht selbst belasten zu müssen, und das Interesse des parlamentarischen Untersuchungsausschusses an einer effektiven Sachverhaltsaufklärung. Der Schutz des Einzelnen durch das nemo-teneturPrinzip würde zu Gunsten des staatlichen parlamentarischen Aufklärungsinteresses beschränkt, also das „in-camera-Verfahren“ würde im PUV – im Gegensatz zum Verwaltungsgerichtsverfahren – zum Nachteil des Bürgers eingeführt. Eine überzeugende Lösung liegt in der Überprüfung der Voraussetzungen des Auskunftsverweigerungsrechts durch einen Richter in einem „in-camera-Verfahren“ folglich nicht. 2. Abschnitt

Post- und Briefbeschlagnahme, Überwachung der Telekommunikation sowie sonstige technische Überwachungsmaßnahmen Eine weitere Behinderung der Aufklärung im PUV scheint sich daraus zu ergeben, dass Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG dem PUA Eingriffe in Art. 10 GG verbietet. Nach dem Wortlaut könnte es sich allerdings auch um einen bloßen Hinweis auf die Bedeutung des Grundrechts handeln, um die Beachtung durch den PUA anzumahnen. Würde Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG dem PUA jegliche Beweiserhebung, die Art. 10 GG verletzt, verbieten, stünden dem PUA weniger Eingriffsbefugnisse bei der Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung als den Strafverfolgungsbehörden. Die Beschlagnahme von Briefen sowie von Postsendungen und Telegrammen bei Postunternehmen oder die Überwachung der Telekommunikation wären dem PUA untersagt. Die Glaubwürdigkeit des Untersuchungsausschusses und das Vertrauen der Bevölkerung in parlamentarische Untersuchungen würden erheblich leiden, wenn der PUA vor dem Volk eingestehen muss, dass er wegen des Fehlens bestimmter Erkenntnismöglichkeiten die persönliche Verfehlung des Betroffenen nicht aufklären konnte, obwohl die Strafverfolgungsbehörden dem Betroffenen durch beschlagnahmte Briefe oder eine Überwachung der Telekommunikation die Straftat nachgewiesen haben.

360 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

A. Eingriffe des Untersuchungsausschusses in den Brief- und Telekommunikationsverkehr sowie mit sonstigen technischen Mitteln I. Brief- und Postbeschlagnahme, Telekommunikationsüberwachung Das PUAG enthält keine Regelung darüber, ob dem PUA die Befugnis zur Postbeschlagnahme oder Telekommunikationsüberwachung zusteht. Das besagt zwar noch nicht, dass dem PUA derartige Maßnahmen generell untersagt sind, denn Prüfungsmaßstab bleibt Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG. Jedoch ist das Fehlen einer Regelung ein Indiz dafür, dass der Gesetzgeber der Auffassung ist, der PUA sei zur Durchführung solcher Maßnahmen nicht befugt. Die Anwendung der Post- und Briefbeschlagnahme sowie der Telekommunikationsüberwachung gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. §§ 94, 99 ff. StPO würde aber ausscheiden, wenn diese Vorschriften im PUV nicht sinngemäß angewendet werden können, zumal Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis untersagt. 1. Sinngemäße Anwendung der §§ 94, 99, 100a StPO Zweifel an der Zulässigkeit der Brief- und Postbeschlagnahme sowie der Überwachung der Telekommunikation durch den PUA resultieren aus dem Gewicht der Grundrechtsbeeinträchtigungen und dem Umstand, dass im PUV keine Person den Beschuldigtenstatus hat. Andere Verfahrensordnungen, z. B. BDG, BVerfGG, PolG und OBG der Länder, die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefugnisse enthalten, gestatten Maßnahmen, die in das Post- und Fernmeldegeheimnis eingreifen, nicht. § 46 Abs. 3 OWiG verbietet der Bußgeldbehörde sogar ausdrücklich die Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen. Die Besteuerungsbehörden sind ebenfalls nicht befugt, Postsendungen zu beschlagnahmen oder die Telekommunikation zu überwachen bzw. Auskunft über Daten, die das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis betreffen und zu deren Geheimhaltung die Behörden verpflichtet sind, zu verlangen.352

352

BFH, DStR 2001, 702, 704; vgl. § 105 AO.

A. Eingriffe in den Brief- und Telekommunikationsverkehr

361

a) Vereinbarkeit mit dem Zweck des Untersuchungsverfahrens Die Überwachung der Telekommunikation sowie Post- und Briefbeschlagnahme können im konkreten Fall dazu beitragen, den Untersuchungsauftrag schnell und umfassend zu erfüllen und die parlamentarische Kontrolle zu verbessern. Vereinzelt wird gegen die Anwendbarkeit der Regelungen zur Überwachung der Telekommunikation im PUV ins Feld geführt, diese Maßnahmen würden einen laufenden Vorgang voraussetzen. Der Gewaltenteilungsgrundsatz stehe aber der Observierung laufender Verwaltungsvorgänge durch den PUA entgegen. Längerfristige Überwachungsmaßnahmen seien zudem – insbesondere bei Missstandsenqueten – nicht vorstellbar, da das Parlament einen PUA nur ad hoc einsetze.353 Diese These überzeugt jedoch nicht. Es trifft zwar zu, dass der aufzuklärende Vorfall bzw. Verwaltungsvorgang schon abgeschlossen ist und geheime Überwachungsmaßnahmen des Untersuchungsausschusses häufig keine Erkenntnisse mehr bringen werden, zumal die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses öffentlich bekannt gemacht wird, die Betroffenen also wissen, dass gegen sie eine Untersuchung läuft, und sie daher alle Handlungen unterlassen werden, durch die sie sich belasten könnten. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass die an dem Skandal Beteiligten trotz der Einsetzung des Ausschusses ihre illegalen Machenschaften (z. B. Beteiligung der Regierung an Kriegswaffenhandelsgeschäften) fortsetzen. Die Überwachungsmaßnahme könnte zudem Informationen, die der Betroffene per Post oder Telekommunikation anderen Personen übermittelt (z. B. Eingeständnis von Fehlern, Absprachen über das weitere Vorgehen oder Verdeckungsmaßnahmen) und die für die Aufklärung im PUV relevant sind, ermitteln. Überwachungsmaßnahmen können also noch während des Einsetzungszeitraumes wichtige Erkenntnisse erbringen. Der Zweck des Untersuchungsverfahrens steht dem Einsatz solcher Maßnahmen somit nicht generell entgegen. b) Beachtung der Grundrechte und der Verhältnismäßigkeit Die Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme greift aber in besonders schwerer Weise in Art. 10 GG ein, so dass der Verhältnismäßigkeit besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist. Die Überwachung der Telekommunikation gemäß § 100a StPO setzt deshalb den Anfangsverdacht wegen der dort genannten Katalogstraftaten voraus. Eine Befugnis des parlamentarischen 353

Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 221.

362 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

Untersuchungsausschusses für solche Maßnahmen käme deshalb allenfalls in Betracht, wenn der PUA aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte einen Untersuchungsgegenstand aufzuklären hat, der zumindest mit einer solchen Katalogtat im Zusammenhang steht. Das wäre z. B. der Fall, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Regierungsmitglieder sich bestechen lassen, das verbotene Einschleusen von Ausländern gefördert (§§ 96 Abs. 2, 97 AufenthG) oder bei der Ausfuhr von atomaren, chemischen oder biologischen Waffen (§ 19 Abs. 1–3, § 20 Abs. 1, 2, § 21, § 22a Abs. 1–3 KrWaffKG) mitgewirkt haben. Die Straftaten, die häufiger im PUV eine Rolle spielen, nämlich Vorteilsannahme/-gewährung, Untreue sowie Verletzungen des Parteiengesetzes, fehlen dagegen im Katalog des § 100a StPO. c) Bedenken gegen die Möglichkeit einer sinngemäßen Anwendung Bedenken gegen eine Anwendung der §§ 99, 100a StPO im PUV ergeben sich aus dem Wortlaut der Vorschriften. § 99 StPO gestattet den Strafverfolgungsbehörden, Postsendungen und Telegramme, die sich im Gewahrsam von Personen oder Unternehmen befinden, die geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienste erbringen bzw. daran mitwirken, zu beschlagnahmen. Die Vorschrift setzt voraus, dass die Postsendung an den Beschuldigten adressiert ist oder der Verdacht besteht, dass sie von diesem herrührt oder für ihn bestimmt und der Inhalt beweisbedeutsam ist.354 Gegen eine Übertragung auf das PUV könnte deshalb sprechen, dass es in diesem Verfahren keinen Beschuldigten gibt. Jedoch ist § 99 StPO nur sinngemäß anzuwenden. Die Vorschrift verlangt, dass die Sendung an den Beschuldigten adressiert sein muss oder vermutlich von ihm stammt oder an ihn gelangen soll, weil ein Anhaltspunkt zur Identifizierung nötig ist355, um einen Zusammenhang zur Tat und damit zum Aufklärungsgegenstand herzustellen. Sonst könnten Briefe beliebig durch die Strafverfolgungsbehörden geöffnet und auf ihren Inhalt überprüft werden, um anschließend einen Bezug zu bestimmten Personen herzustellen. § 99 StPO ließe sich insofern sinngemäß im PUV anwenden, wenn die Postsendung an den Betroffenen, dessen persönliches Fehlverhalten der PUA aufklären soll, adressiert ist oder anzunehmen ist, dass die Postsendung von ihm herrührt oder an ihn gelangen soll und für den Untersuchungsgegenstand beweisbedeutsam ist. 354 Beulke, StrafprozessR, Rn. 251; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 386; MeyerGoßner, StPO, § 99, Rn. 10 ff.; Roxin, StrafverfahrensR, § 34, Rn. 23, 24. 355 Nack in: KK, StPO, § 99, Rn. 8; Schäfer in: LR, StPO, § 99, Rn. 18.

A. Eingriffe in den Brief- und Telekommunikationsverkehr

363

Allerdings soll § 99 StPO wegen der Bezugnahme auf den Beschuldigten auch sicherstellen, dass staatliche Eingriffe in das Postgeheimnis in rechtsstaatlichen Grenzen gehalten werden.356 Unter Berufung auf den Wortlaut der Vorschrift vertritt die strafprozessuale Literatur die Ansicht, das Gericht dürfe im selbstständigen Einziehungsverfahren nach § 440 StPO keine Postbeschlagnahme anordnen, weil es in diesem Verfahren keinen Beschuldigten gibt.357 Erlaubt sei dagegen, die Beweismittel, die in einem vorangegangenen subjektiven staatsanwaltschaftlichen Verfahren – auch durch eine Postbeschlagnahme – erlangt worden sind, im selbstständigen Einziehungsverfahren zu verwerten.358 Auf das PUV übertragen, würde das bedeuten, dass der PUA Beweismittel nicht durch eine Postbeschlagnahme gewinnen dürfte, weil der Betroffene im PUV kein Beschuldigter ist. Für diese Einschränkung spricht, dass der Postverkehr einen besonderen Schutz verdient, weil die Briefe und Postsendungen auf dem Postwege der tatsächlichen Zugriffsmöglichkeit des Betroffenen entzogen sind und er sich deshalb nicht vor unberechtigten Eingriffen des Staates schützen kann. Eine sinngemäße Anwendung des § 99 StPO scheidet somit aus. Der Beschlagnahme von beweisbedeutsamen Briefen, die dem Schutzbereich des Art. 10 GG unterfallen und sich im Gewahrsam des Betroffenen oder anderer Personen befinden, nach § 94 StPO durch den PUA stehen dagegen weder der Wortlaut des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG noch Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts entgegen. Die Anordnung der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme ist im Strafverfahren gemäß § 100a S. 2 StPO nur gegen den Beschuldigten oder Personen zulässig, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Telekommunikationsanschluss benutzt. Diese Beschränkung des Einsatzes gegen Dritte macht deutlich, dass eine Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme gegen Nichtbeschuldigte nur im Ausnahmefall erlaubt ist, und zwar wenn diese als Nachrichtenmittler in einer besonderen Beziehung zum Beschuldigten stehen.359 Der Betroffene im PUV ist nicht Beschuldigter, sondern Dritter, der Nachrichten, die für den Untersuchungsgegenstand relevant sein können, von einer anderen unverdächtigen Person empfängt oder an diese mitteilt. Folglich ist die Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO nicht sinngemäß auf das PUV zu übertragen, 356

Rudolphi in: SK, StPO, § 99, Rn. 10. Meyer-Goßner, StPO, § 99, Rn. 7; Rudolphi in: SK, StPO, § 99, Rn. 11; Schäfer in: LR, StPO, § 99, Rn. 20. 358 Meyer-Goßner, StPO, § 99, Rn. 7; Schäfer in: LR, StPO, § 99, Rn. 20. 359 Hellmann, StrafprozessR, Rn. 330; Meyer-Goßner, StPO, § 100a, Rn. 18 ff. 357

364 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

weil dieses keinen Beschuldigten kennt, gegen den wegen einer Straftatbegehung eine Sanktion verhängt werden soll. 2. Beschränkungen aus Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG Die Befugnis des Untersuchungsausschusses nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 94 StPO zur Beschlagnahme von Briefen, die sich im Gewahrsam des Betroffenen oder eines Dritten befinden, muss allerdings unter Berücksichtigung des Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG, der Eingriffe des Untersuchungsausschusses in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bei der Beweiserhebung verbietet, in Zweifel gezogen werden. Im Schrifttum ist der Regelungsgehalt des Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG nach wie vor umstritten und die Rechtsprechung hat bisher zur Auslegung dieser Norm noch nicht eindeutig Stellung bezogen. a) Meinungsstand Eine Auffassung sieht in Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG nur eine Wiederholung des Art. 10 GG. Der Hinweis auf Art. 10 GG solle dem PUA verdeutlichen, dass auch er bei der Beweiserhebung, insbesondere bei der Beschaffung der Beweismittel, die Grundrechte zu beachten habe. Damit verweise Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG allgemein auf Art. 10 GG und dessen Gesetzesvorbehalt. Der PUA könne deshalb bei der Beweiserhebung Maßnahmen durchführen, die Art. 10 GG berühren, wenn der Ausschuss sie auf eine gesetzliche Grundlage stützen könne und die Verhältnismäßigkeit wahre. Die Annahme der Unantastbarkeit des Art. 10 GG würde wegen der daraus resultierenden Beschränkung der Aufklärungsmöglichkeiten zu Lasten der Glaubwürdigkeit des Ausschusses und der politischen Ordnung gehen.360 Die Gegenauffassung schreibt Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG konstitutive Wirkung zu.361 Die Verfassung räume Art. 10 GG generell ein höheres Gewicht als dem parlamentarischen Untersuchungsrecht ein.362 Ein Eingriff in 360 Frey, Parlamentarische Kontrolle, 136 f.; Schneider in: AK, GG, Art. 44, Rn. 15; Scholz, AöR 105 (1980), 564, 607. 361 Bäumler, JZ 1996, 156, 157; Bäumler/Gundermann, ZParl 1997, 236, 238; Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 52; Jarass/Pieroth, GG, Art. 44, Rn. 9; Kirste, JuS 2003, 61, 63; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 219; Magiera in: Sachs, GG, Art. 44, Rn. 24; v. Mangoldt/Klein/Stark, GG, Art. 44, Rn. 173; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 219 ff.; wohl auch Palm/Roy, NJW 1998, 3005, 3008; Richter, Privatpersonen, 75, 76; Schleich, UntersuchungsR, 38 f.; Versteyl in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 44, Rn. 34; offen gelassen: VerfG Hamburg, DÖV 1989, 119, 120 f.; Meyer, Rechtsgutachten I, 76; Stern, AöR 109 (1984), 199, 282 f. 362 Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 52.

A. Eingriffe in den Brief- und Telekommunikationsverkehr

365

Art. 10 GG sei daher bei der Beweiserhebung durch den PUA generell ausgeschlossen. Ein Hinweis auf das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis wäre als bloß deklaratorische Regelung überflüssig, da sich seine Beachtung ohnehin aus Art. 1 Abs. 3 GG ergebe.363 b) Stellungnahme Bereits Art. 34 Abs. 3 WRV enthielt den Passus, dass das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis bei der Beweiserhebung unberührt bleibt. Der Verfassungsgeber wollte dadurch zum Ausdruck bringen, dass der PUA die Grundrechte, insbesondere das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, bei der Beweiserhebung zu beachten hat.364 Eine solche Klarstellung hatte unter Geltung der WRV auch seine Berechtigung, da zu dieser Zeit eine Grundrechtsbindung staatlicher Organe nicht geregelt war.365 Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes legt Art. 1 Abs. 3 GG jedoch ausdrücklich fest, dass Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung die Grundrechte beachten müssen. Diese Regelung hat auch für den PUA als Teil des Parlaments unmittelbare Geltung.366 Eines ausdrücklichen Hinweises auf die Beachtung der Grundrechte in Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG bedarf es also nicht mehr. Zudem hätte der Gesetzgeber einen solchen klarstellenden Hinweis auf die besondere Gefährdung eines Grundrechts durch Maßnahmen des Untersuchungsausschusses für die gleichermaßen betroffenen Grundrechte aus Art. 13, 14, 2 Abs. 1 GG regeln müssen.367 Um Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG nicht überflüssig werden zu lassen, ist er in einem weiter gehenden Sinn auszulegen und zwar als Statuierung eines absoluten Beweiserhebungsverbots.368 Dem Einwand, die Übernahme der Formulierung des Art. 34 Abs. 3 WRV sei ein gesetzgeberisches Versehen gewesen, ist entgegenzuhalten, dass die Regelung nicht unverändert, sondern modifiziert in das Grundgesetz übernommen wurde. Während Art. 34 WRV die Beweiserhebung und das Recht zur Amts- und Rechtshilfe im gleichen Absatz regelte und 363 Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 219; Meyer, Rechtsgutachten I, 76; Rosenberg, 34. DJT/I, 19; Stern, AöR 109 (1984), 199, 282 f.; Versteyl in: v. Münch/ Kunig, GG, Art. 44, Rn. 34. 364 Vgl. 25. Sitzung der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung vom 08.04.1919, Stenografischer Bericht, Art. 55, S. 3, 4. 365 Richter, Privatpersonen, 75; Stern, AöR 109 (1984), 199, 283. 366 Vgl. 1. Kapitel, C. II. 2. c) aa). 367 Schleich, UntersuchungsR, 38 f. 368 Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 221 f.; Richter, Privatpersonen, 76; Stern, AöR 109 (1984), 199, 283.

366 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

am Ende dieses Absatzes auf das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis hinwies, führt Art. 44 GG das Recht zur Beweiserhebung (Abs. 2) und zur Amtshilfe (Abs. 3) in eigenständigen Absätzen auf, wobei sich der Hinweis auf Art. 10 GG in Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG nur noch auf das Beweiserhebungsrecht bezieht. Dies spricht dafür, dass der Verfassungsgeber seine Entscheidung bewusst getroffen hat und dem PUA Beweiserhebungsmaßnahmen, die in Art. 10 GG eingreifen, generell verbieten wollte. Diese Auslegung ist auch sachgerecht. Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 10 GG wirken besonders intensiv auf den Betroffenen ein, da sie einen sehr sensiblen, persönlichen Lebensbereich betreffen. Deshalb sind Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen sogar im Strafverfahren nur zur Aufklärung besonders schwerer Straftaten zulässig und primär gegen den Beschuldigten zu richten. Er hat stärkere Eingriffe in seine Rechtssphäre hinzunehmen als der Bürger, der sich rechtskonform verhält. Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG berücksichtigt dies, indem die Norm Eingriffe in Art. 10 GG verbietet, weil sie wegen ihrer Intensität generell unverhältnismäßig sind, wenn sie „nur“ der Aufklärung eines politischen Missstands oder Fehlverhaltens dienen.369 Im Ergebnis trifft es deshalb zu, Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG als absolutes Beweiserhebungsverbot zu verstehen, so dass dem PUA die Befugnisse nach §§ 99, 100a und 100g StPO wegen ihrer Relevanz zum Post- und Fernmeldegeheimnis nicht zustehen.370 Das Verbot umfasst aber auch die Beschlagnahme von Briefen und anderen Schriftstücken. Der Schutz des Briefgeheimnisses ist zeitlich allerdings begrenzt. Er beginnt, sobald der Absender den Brief aus der Hand gegeben hat und endet mit der Kenntnisnahme vom Inhalt durch den Empfänger.371 Der PUA darf deshalb z. B. ein Schriftstück, das im Briefkasten liegt oder das der Betroffene noch nicht inhaltlich zur Kenntnis genommen hat, nicht beschlagnahmen. Briefe und sonstige Postsendungen, die der Empfänger inhaltlich wahrgenommen hat und die sich in seinem oder dem Besitz eines Dritten, der nicht zeugnisverweigerungsberechtigt ist, befinden, dürfen dagegen grundsätzlich beschlagnahmt werden, weil der Schutzbereich des Art. 10 GG nicht tangiert ist.

369 Ähnlich Dreier/Morlok, GG, Art. 44, Rn. 52; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 221. 370 I. E. auch Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 220. 371 LG Mannheim, StV 2002, 242; Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 220; Löwer in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 10, Rn. 16; eingeschränkter: Jarass/Pieroth, GG, Art. 10, Rn. 3, die den Schutz des Briefgeheimnisses schon mit Möglichkeit der Kenntnisnahme, d.h. mit dem Zugang, enden lassen wollen.

A. Eingriffe in den Brief- und Telekommunikationsverkehr

367

II. Befugnis zur Vornahme von Abhörund Observationsmaßnahmen im PUV Das PUAG und die Landesuntersuchungsausschussgesetze enthalten keine Regelungen der Zulässigkeit des Abhörens und Aufzeichnens des nichtöffentlich gesprochenen Wortes, der Aufnahme von Lichtbildern und der Durchführung von Observationsmaßnahmen. Gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 100f StPO, § 100h Abs. 1 Nr. 1, 2 StPO n. F. (§ 100f Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 S. 1 StPO a. F.) dürfte der PUA Informationen durch solche Maßnahmen zu Beweiszwecken erheben, wenn die Durchführung dieser Beweiserhebungsmaßnahmen dem Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts entspricht. 1. Bildaufzeichnungen Gemäß § 100h Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 StPO n. F. (100f Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 StPO a. F.) dürfen Foto-, Film- und Videoaufnahmen des Beschuldigten im Strafverfahren – ohne Beschränkung auf bestimmte schwere Straftaten – bei Vorliegen eines Anfangsverdachts heimlich angefertigt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters sonst weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre. Auch zur Aufklärung eines politischen Fehlverhaltens kann es im Einzelfall durchaus erforderlich sein, Lichtbilder oder Bildaufzeichnungen herzustellen, z. B. um Treffen, Geld- oder Dokumentenübergaben zwischen den Personen, die am Missstand beteiligt sind, nachzuweisen. Der Umstand, dass das parlamentarische Untersuchungsrecht keinen Beschuldigten kennt, spricht nicht gegen die sinngemäße Anwendung des § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO n. F. (§ 100f Abs. 1 Nr. 1 StPO a. F.), weil diese Ermittlungsmethoden nicht nur gegen den Beschuldigten, sondern gemäß § 100h Abs. 2 Nr. 1 StPO n. F. (§ 100f Abs. 3 S. 2 StPO a. F.) auch gegen andere Personen zulässig sind, wenn die Sachverhaltserforschung die Maßnahme erfordert. Derartige Maßnahmen greifen wegen der Bedeutung des parlamentarischen Untersuchungsrechts zudem nicht unverhältnismäßig in die Grundrechte des Betroffenen ein, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den zu untersuchenden Missstand vorliegen, keine anderen, weniger einschneidenden Mittel zur Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung stehen und der PUA gegebenenfalls erforderliche Geheimhaltungsvorkehrungen trifft. Der PUA kann daher gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO n. F. (§ 100f Abs. 1 Nr. 1 StPO a. F.) Bildaufnahmen anfertigen lassen, wenn diese Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung erforderlich sind. Allerdings wird der PUA, der erst nach Abschluss des Verwaltungsvorganges eingesetzt werden darf, von der Befugnis, solche Maßnahmen vorzunehmen, nur

368 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

selten Gebrauch machen, weil sie wegen der Öffentlichkeitswirkung der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nur wenig Erfolg versprechen. 2. Einsatz technischer Observationsmittel und akustischer Abhörmaßnahmen außerhalb der Wohnung Obwohl Observations- und Abhörmaßnahmen nicht nur gegen den Beschuldigten, sondern auch gegen Nichtbeschuldigte eingesetzt werden dürfen, scheidet jedenfalls ihre Vornahme gemäß § 100h Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StPO n. F. (§ 100f Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 3 StPO a. F.) und § 100f Abs. 1, 2 S. 2 StPO n. F. (§ 100f Abs. 2, 3 S. 3 StPO a. F.) im PUV aus, weil sie nicht dem Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts entspricht. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Überprüfung von Missständen der Exekutive ist nur zulässig, wenn der Verwaltungsvorgang abgeschlossen ist. Dann sind meist Observierungsmaßnahmen zur Überwachung des Vorgangs selbst nicht mehr möglich. Eine spätere Observierung kann deshalb allenfalls Erkenntnisse darüber erbringen, welche Personen an dem Vorgang beteiligt waren o. ä., indem beispielsweise nachträgliche Treffen der Beteiligten beobachtet werden. Es könnten auch Gespräche der Beteiligten über die abgeschlossenen Verwaltungsvorgänge abgehört werden. Mit der öffentlichen Bekanntgabe der Einsetzung des Untersuchungsausschusses werden Observations- und Abhörmaßnahmen in der Regel jedoch kaum Erfolg versprechen, weil die Betroffenen vermeiden werden, durch ein auffälliges Verhalten den gegen sie bestehenden Verdacht zu erhärten. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass Oberservierungs- und Abhörmaßnahmen nach § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO n. F. (§ 100f Abs. 1 Nr. 2 StPO a. F.) und § 100f Abs. 1 StPO n. F. (§ 100f Abs. 2 S. 1 StPO a. F.) zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können. Observationsmaßnahmen nach § 100h Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StPO n. F. (§ 100f Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 3 StPO a. F.) bzw. § 100f Abs. 1, 2 S. 2 StPO n. F. (§ 100f Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 3 StPO a. F.) verlangen aber – neben dem Verdacht, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung372 bzw. eine Katalogtat nach § 100a StPO begangen worden ist – eine besondere Verbindung zwischen dem Beschuldigten und der nicht beschuldigten Person, die aufgrund konkreter Anhaltspunkte festzustellen ist. Nicht gegen jede unbeteiligte Person dürfen also diese Maßnahmen angeordnet werden, selbst wenn die Erforschung des Sachverhalts es erfordert, sondern nur ge372 Das ist mindestens eine solche der mittleren Kriminalität, vgl. Hellmann, StrafprozessR, Rn. 354; Meyer-Goßner, StPO, § 100h, Rn. 3.

A. Eingriffe in den Brief- und Telekommunikationsverkehr

369

gen Kontaktpersonen.373 Dem PUV ist ein solches Verhältnis eines Verfahrensunbeteiligten zu einem Beschuldigten aber gerade nicht immanent, da es keinen Beschuldigten gibt, gegen den wegen eines festzustellenden Fehlverhaltens eine Sanktion verhängt werden soll und der im Kontakt mit einem Nichtbeschuldigten steht. Gegen die Befugnis des Untersuchungsausschusses zur Observation nach § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO n. F. (§ 100f Abs. 1 Nr. 2 StPO a. F.) sowie zum Abhören und Aufnehmen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes außerhalb von Wohnungen nach § 100f Abs. 1 StPO n. F. (§ 100f Abs. 2 S. 1 StPO a. F.) spricht vor allem die Eingriffsintensität dieser Maßnahmen, die mit der einer Telekommunikationsüberwachung vergleichbar ist374, weil dadurch der vertrauliche Bereich in vergleichbarer Weise heimlich ausgespäht wird. Auch der Umstand, dass die Vorschriften zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit auf besonders schwerwiegende Straftaten bzw. auf die Katalogtaten des § 100a StPO Bezug nehmen, streitet für diese Sicht. Da der Verfassungsgeber dem PUA gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG originäre Maßnahmen im Sinne des § 100a StPO wegen des unverhältnismäßigen Eingriffs untersagt hat, muss dies auch für die ebenso schweren Eingriffe nach § 100h Abs. 1 Nr. 2, § 100f Abs. 1 StPO n. F. (§ 100f Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 StPO a. F.) gelten. Zwar erwähnt Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG die Grundrechte aus Art. 13, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG nicht; diese Erhebungsmaßnahmen waren im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes aber noch nicht bekannt. Zur Beweiserhebung stehen dem PUA deshalb Maßnahmen nach § 100h Abs. 1 Nr. 2, § 100f Abs. 1 StPO n. F. (§§ 100f Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 StPO a. F.) nicht selbst zur Verfügung.375 3. Abhörmaßnahmen in der Wohnung Folgerichtig sind dem PUA auch Abhörmaßnahmen in einer Wohnung untersagt. In der Wohnung dürfen gegen den Beschuldigten eines Strafverfahrens akustische Überwachungsmaßnahmen nur durch die zuständige Strafkammer angeordnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht einer in § 100c Abs. 2 StPO aufgeführten besonders schweren Straftat begründen und die durch die Überwachung erfassten Äußerungen des Beschuldigten zur Ermittlung des Sachverhalts oder des Aufenthaltsortes bedeutsam, erforderlich und verhältnismäßig sind. Diese Ermittlungsmaßnahmen sind nach § 100c Abs. 1, 2, 3 S. 1 StPO regelmäßig nur gegen den 373

Hellmann, StrafprozessR, Rn. 354; Meyer-Goßner, StPO, § 100f, Rn. 11, § 100h, Rn. 7. 374 Meyer-Goßner, StPO, § 100f, Rn. 2, 5, § 100h, Rn. 3. 375 Offen gelassen von Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 220.

370 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

Beschuldigten, ausnahmsweise unter den engen Voraussetzungen des § 100c Abs. 3 S. 2 StPO auch in den Wohnungen anderer Personen gestattet, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich der Beschuldigte darin aufhält. Art. 13 Abs. 3 GG stellt klar, dass die Abhörmaßnahmen in Wohnräumen nur zur strafrechtlichen Überführung des Beschuldigten zulässig sind. Schon der Umstand, dass der Betroffene einer parlamentarischen Untersuchung nicht die Beschuldigteneigenschaft aufweist, steht einer sinngemäßen Anwendbarkeit des § 100c Abs. 1, 2 StPO im PUV entgegen.376 Wegen des besonderen Gewichts der Grundrechtsbeeinträchtigung durch Abhörmaßnahmen in Wohnräumen lässt die StPO sie nur zur Aufklärung besonders schwerer Katalogstraftaten zu, die allenfalls ausnahmsweise Gegenstände einer parlamentarischen Untersuchung sind. Der Straftatenkatalog ist zudem weitgehend identisch mit dem des § 100a StPO. Daraus ist zu schließen, dass Abhörmaßnahmen in der Wohnung – mindestens – die gleiche Eingriffsintensität aufweisen wie Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, die Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG dem PUA ausdrücklich verbietet. Der PUA darf somit selbst keine Maßnahmen nach § 100c Abs. 1, 2, 3 StPO durchführen.

B. Verwertung im Strafverfahren erlangter Informationen durch den PUA Da der PUA selbst keine Maßnahmen, die in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis eingreifen, sowie keine Observations- und Abhörmaßnahmen nach §§ 100c, 100f Abs. 1, 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO n. F. (§§ 100c, 100f Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StPO a. F.) vornehmen darf, stehen dem PUA weniger wirksame Aufklärungsmittel als den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung. Dieses Fehlen kann es ihm dann unter Umständen sogar unmöglich machen, den Untersuchungsauftrag zu erfüllen (z. B. bei der Aufklärung eines Vorwurfs wegen Bestechlichkeit). Die Ergebnisse beider Verfahren können voneinander abweichen, weil relevantes Informationsmaterial aus Briefen, Telefongesprächen oder Observationsmaßnahmen nicht zur Kenntnis des parlamentarischen Untersuchungsausschusses gelangt. Es stellt sich die Frage, ob er im Wege der Amtshilfe auf die durch die Strafverfolgungsbehörden erlangten Informationen Zugriff nehmen darf, um sein Wissensdefizit auszugleichen oder ob Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG für diese Daten eine Sperrwirkung in Form eines Beweisverbotes entfaltet.

376

Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 220.

B. Verwertung im Strafverfahren erlangter Informationen durch den PUA 371

I. Anspruch auf Übermittlung Der PUA darf von den Strafverfolgungsbehörden nur aufgrund einer speziellen Rechtsgrundlage verlangen, die im Strafverfahren erlangten Erkenntnisse an ihn zu übermitteln. Nicht zu folgen377 ist der Auffassung, zur Übermittlung der Telekommunikationsdaten oder der Informationen aus den Briefen sei mangels Zweckänderung keine selbstständige Rechtfertigungsgrundlage nötig, sondern die Übermittlung sei noch von der Beweiserhebungsbefugnis nach § 100a bzw. § 94 StPO gedeckt378 oder zur Weitergabe genüge eine selbstständige gesetzliche Grundlage mit geringeren Anforderungen an die Rechtfertigung des Eingriffs379. Es trifft nämlich nicht zu, dass für den durch die Weitergabe verursachten „Zweiteingriff“ geringere Rechtfertigungsvoraussetzungen als für den „Ersteingriff“ genügen würden, weil der „Zweiteingriff“ im Verhältnis zum Abhörvorgang von geringerem Gewicht sei oder sich der Grundrechtsschutz mit dem Ersteingriff gelockert habe380. Richtig ist, auf die Zweckbindung abzustellen. Da Strafverfahren und PUV andere Zwecke verfolgen, eine Weitergabe der Telekommunikationsdaten oder der Informationen aus beschlagnahmten Briefen also eine Zweckänderung bewirkt381, ist die Weitergabe dieser Daten – unabhängig davon, ob sie einen selbstständigen Eingriff in Art. 10 GG darstellt – jedenfalls auch ein Eingriff in das allgemeinere Recht auf informationelle Selbstbestimmung382. Je größer der Personenkreis der Kenntnisnehmenden wird, desto intensiver wird das Grundrecht verletzt. Die Weitergabe der Daten erfolgt regelmäßig zu einem anderen als dem ursprünglichen Erhebungszweck. Die Konsequenzen, die aus der weiteren Verwendung resultieren, treffen den Betroffenen noch zusätzlich zu denen des ursprünglichen Verwendungszwecks. Unter Umständen können diese für ihn sogar noch härter als bei der Datenerhebung ausfallen.383 Daher sind an den „Zweiteingriff“ 377 BVerfG, NJW 2000, 55, 57; Hassemer, ZRP 1991, 121, 123; Klesczewski, StV 1993, 382, 384. 378 Globig, ZRP 1991, 289 f. bezogen auf die Informationsübermittlung an die Polizei zum Zweck der Gefahrenabwehr. 379 Globig, ZRP 1991, 81, 84; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 225; Zeitler, PolizeiR, Rn. 507. 380 So aber Globig, ZRP 1991, 81, 84; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 224 f. 381 2. Kapitel, C. III. 2. a) bb). 382 BVerfGE 67, 157, 171 f.; BVerfG, NJW 2000, 55, 56; Klesczewski, StV 1993, 382, 384. 383 BVerfG, NJW 2000, 55, 57; BFH, wistra 2002, 31, 33; Schenke, JZ 2001, 997, 1000.

372 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

keine geringeren Rechtfertigungsanforderungen zu stellen. Auch dem Gesetz kann kein Anhaltspunkt für eine Abstufung der Rechtfertigungsvoraussetzungen entnommen werden. Somit kann die Weitergabe an den PUA weder durch die strafprozessuale Erhebungsbefugnis legitimiert sein, da die §§ 94, 99, 100a, 100c, 100f StPO wegen ihrer strengen Zweckbindung nur als Befugnisnorm für die Strafverfolgungsbehörden im konkreten Strafverfahren gelten384, noch durch Art. 44 Abs. 3 GG und § 18 Abs. 4 PUAG als bloße „formelle“ Verpflichtungen zur Amts- und Rechtshilfe385. Die strenge Zweckbindung ist auch und gerade wegen der sonst nicht kalkulierbaren Folgen durch eine unbegrenzte Benutzung preisgegebener Daten bei jeder Verwertung der Erkenntnisse einzuhalten. Wie bereits im 2. Kapitel386 festgestellt, ist der PUA allerdings grundsätzlich berechtigt, von den Strafverfolgungsbehörden gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. §§ 95, 161 Abs. 1, 474 StPO Auskunft über die gewonnenen Ermittlungserkenntnisse oder die Gewährung der Akteneinsicht zu verlangen und zum eigenen Untersuchungszweck zu verwenden. Demnach könnte der PUA Einsicht in die Telekommunikations-, Observations- und Briefbeschlagnahmeprotokolle nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 474 StPO nehmen oder sich zur Erörterung im PUV übergeben lassen.

II. Grenzen des Übermittlungsanspruchs Ein gegenseitiger Austausch der gewonnenen Informationen zwischen Strafverfolgungsbehörde und PUA auf der Grundlage des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. §§ 95, 161 Abs. 1, 474 Abs. 1 StPO ist nicht ausnahmslos möglich, sondern er findet seine Grenzen in den gesetzlichen Übermittlungs- und Verwendungsverboten, die zum Schutz vor unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffen bestehen. Diese Grenze ergibt sich für den Anspruch auf Akteneinsicht ausdrücklich aus § 477 Abs. 2 S. 1 StPO. 1. Reichweite des Verbots aus Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG verbietet dem PUA Beweiserhebungen, die das Post-, Brief- und Fernmeldegeheimnis verletzen. Er greift also ein, wenn bei der Informationsübermittlung zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Die Weitergabe der Telekommunikationsdaten oder der Informationen aus einer 384 BFH, wistra 2002, 31, 33; VerfG Hamburg, NJW 1989, 1081, 1082; Seer, StuW 1991, 165, 174. 385 Erbguth in: Sachs, GG, Art. 35, Rn. 27; Gubelt in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 35, Rn. 15; Jarass/Pieroth, GG, Art. 35, Rn. 2; Kamlah, NJW 1976, 510. 386 Vgl. 2. Kapitel, C. III. 2. a) dd) (2).

B. Verwertung im Strafverfahren erlangter Informationen durch den PUA 373

Briefbeschlagnahme durch eine Akteneinsicht, -herausgabe oder Auskunft muss zum einen in Art. 10 GG eingreifen, zum anderen als Beweiserhebung im Sinne des Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG zu qualifizieren sein. a) Verletzung des Art. 10 GG Das Briefgeheimnis gewährleistet den brieflichen Verkehr einzelner Personen untereinander, ohne dass die öffentliche Gewalt von dem Inhalt des Briefes Kenntnis nimmt.387 Das Postgeheimnis schützt alle der Post übergebenen Sendungen vor dem Zugriff der Staatsgewalt auf deren Inhalt und erfasst darüber hinaus auch den Schutz vor Offenbarungen der Informationen darüber, wer mit wem durch die Post Briefe und Sendungen wechselt und an welchen Ort, zu welcher Zeit und auf welche Art und Weise die Post die Sendungen verbracht hat.388 Das Fernmeldegeheimnis wahrt wegen der räumlichen Distanz zwischen den Kommunikationspartnern die private und geschäftliche Kommunikation im Fernmeldeverkehr vor fremdem Mitlesen oder Mithören sowie vor der Aufzeichnung des Inhalts der Kommunikation und garantiert das Vertrauen in die Ungestörtheit des Kommunikationsvorganges.389 Dabei beschränkt sich der Schutzzweck des Art. 10 GG nicht nur auf den Kommunikationsinhalt, sondern er erfasst auch den Schutz der näheren Umstände des Kommunikationsvorganges, wie Häufigkeit, Kommunikationspartner, Ort, Zeit der Kommunikation u. ä.390 Unstreitig ist, dass die Strafverfolgungsbehörde mit der Brief- und Postbeschlagnahme sowie der Telekommunikationsüberwachung in Art. 10 GG eingreift. Streit besteht darüber, ob die Weitergabe der durch diese Maßnahmen erlangten Daten an andere Behörden und sonstige Institutionen sowie deren Verwendung zu anderen Zwecken neue Eingriffe in Art. 10 GG sind. In der Literatur wird zum Teil vertreten, die Benutzung der aus einer Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO gewonnenen Erkenntnisse stelle keinen Eingriff in Art. 10 GG391, sondern nur einen solchen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.392 Nur der Abhörvorgang sei für Art. 10 GG relevant, jede andere Verwendung der Ergeb387

BVerfGE 33, 1, 11; 67, 157, 171. BVerfGE 67, 157, 171 ff.; BVerfG, DVBl. 1992, 823. 389 BVerfGE 85, 386, 398; BVerfG, NJW 2006, 976, 978; LG Kiel, JZ 1996, 155; Bäumler/Gundermann, ZParl 1997, 236, 238; Palm/Roy, NJW 1998, 3005. 390 BVerfGE 67, 157, 172; BVerfGE 85, 386, 398; BVerfG, DVBl. 1992, 823; BVerfG, NJW 2000, 55, 56; BVerfG, NJW 2006, 976, 978; Jarass/Pieroth, GG, Art. 10, Rn. 9; Kirste, JuS 2003, 61, 64; Pagenkopf in: Sachs, GG, Art. 10, Rn. 13, 14. 391 Schünemann, NJW 1978, 406, 407; Zeitler, PolizeiR, Rn. 507. 392 Zeitler, PolizeiR, Rn. 507. 388

374 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

nisse oder die Zeugenvernehmung der Abhörenden lägen von vornherein außerhalb des Regelungsbereiches des Art. 10 GG.393 Das Geheimnis über die im Fernmeldevorgang mitgeteilten Informationen könne nur einmal gelüftet werden. Dies sei mit der strafprozessualen Datenerhebung bereits geschehen.394 Gegen diese Auffassung spricht aber bereits die Reichweite des Schutzbereiches von Art. 10 GG. Das BVerfG hat ihn ausdrücklich nicht nur auf die Kenntnisnahme der staatlichen Stellen von dem Telekommunikationsinhalt und den damit im Zusammenhang stehenden Daten, wie Ort, Zeit, Datum u. ä. beschränkt. Art. 10 GG schütze vor allem das Vertrauen in eine ungestörte Kommunikation und den Kommunikationsinhalt. Dieser Schutzzweck werde aber auch beeinträchtigt, wenn der Einzelne befürchten müsste, dass die Erkenntnisse über die Umstände und Inhalte der Telekommunikation in anderem Zusammenhang zu seinem Nachteil oder zum Nachteil des Kommunikationspartners verwendet werden. Daher erstrecke sich der Schutzbereich des Art. 10 GG auch auf alle Informations- und Datenverarbeitungsvorgänge, die sich an die Kenntnisnahme anschließen, sowie auf die Benutzung der erlangten Erkenntnisse.395 Die Beeinträchtigung des Grundrechts setzt sich also mit jeder Kenntnisnahme des Inhalts durch Dritte fort und wird mit jeder Erweiterung des Personenkreises, der vom privaten und vertraulichen Kommunikationsinhalt Kenntnis nimmt, sowie mit jeder Benutzung zu anderen Zwecken, die unter Umständen weiter reichende Konsequenzen als der Erhebungszweck hat, intensiviert.396 Jede Weitergabe der erhobenen Daten aus einer Telekommunikation oder dem Brief- und Postverkehr an den PUA und jede Verwendung dieser Daten im PUV sind eigenständige Eingriffe in Art. 10 GG. b) Beweiserhebung im Sinne des Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG verbietet dem PUA, Beweise unter Verletzung von Art. 10 GG zu erheben. Dieses Verbot könnte unter mehreren Aspekten auch das Ersuchen um eine Übermittlung der Daten aus strafprozessualen Beweiserhebungsmaßnahmen nach §§ 94, 99, 100a StPO und die Nutzung im PUV erfassen. 393

Schünemann, NJW 1978, 406, 407. Zeitler, PolizeiR, Rn. 507. 395 BVerfG, NJW 2000, 55, 57; BFH, wistra 2002, 31, 33; VerfG Hamburg, NJW 1989, 1081, 1082; Klesczewski, StV 1993, 382, 385; Schenke, JZ 2001, 997, 1000; Seer, StuW 1991, 165, 173. 396 BVerfG, NJW 2000, 55, 59, 65; Seer, StuW 1991, 165, 173; Welp, NStZ 1986, 294, 298. 394

B. Verwertung im Strafverfahren erlangter Informationen durch den PUA 375

Zum einen könnte ein Vergleich mit Regelungen anderer Rechtsgebiete ergeben, dass eine Weitergabe und Einführung der unter Eingriff in Art. 10 GG rechtmäßig durch andere staatliche Stellen gewonnenen Beweismittel im PUV nicht gestattet ist. Beispielsweise untersagt § 46 Abs. 3 OWiG Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen. § 105 Abs. 2 AO hebt die Auskunfts- und Vorlagepflicht der Behörden gegenüber Finanzbehörden nach § 105 Abs. 1 AO auf, soweit die Behörden zur Wahrung des Art. 10 GG gesetzlich verpflichtet sind. Zum anderen würde sich der PUA durch das Auskunftsverlangen oder die Akteneinsicht Informationen zu Beweiszwecken im PUV verschaffen. Als „Beweiserhebungen“ könnten diese Vorgänge ebenfalls durch Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG untersagt sein. Die Vorschrift könnte allerdings wegen der Bedeutung des parlamentarischen Kontrollrechts für die Demokratie eng auszulegen sein. aa) Wortlaut Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG verbietet dem PUA, bei der Beweiserhebung das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis zu verletzen. Bei zutreffender Abgrenzung von Beweiserhebung und -verwertung ist der Begriff „Beweiserhebung“ in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG weit auszulegen und umfasst sowohl die Verschaffung von Beweismitteln außerhalb und während der öffentlichen Verhandlung als auch die Sicherung von Beweismitteln.397 Die Beschaffung von Informationen zu Beweiszwecken mit dem Mittel der Amtshilfe ist damit zwar Beweiserhebung, aber keine originäre Beweiserhebung. Denn sie erfolgt nicht selbst durch eine Maßnahme des Untersuchungsausschusses nach §§ 94, 99, 100a StPO i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, sondern sie ist eine von der Strafverfolgungsbehörde abgeleitete Beweiserhebung, weil die Staatsanwaltschaft die Daten unmittelbar durch eine Maßnahme nach §§ 94, 99, 100a StPO gewonnen hat. Die anschließende Einführung des übermittelten Beweismittels in die öffentliche Verhandlung und dessen Benutzung zu Beweiszwecken durch den PUA ist bereits eine Beweisverwertung. Auf Beweisverwertungsakte ist Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG wegen seines Bezuges auf Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, der ausdrücklich die Beweiserhebung regelt, seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Ob Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG sich auf die mit dem Mittel der Amtshilfe abgeleitete Beweiserhebung bezieht, lässt sein Wortlaut offen. Sein Regelungsgehalt muss daher mit Hilfe der anderen Auslegungsmethoden untersucht werden. 397

1. Kapitel, B. I. 1., 2.

376 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

bb) Gesetzessystematik Obwohl Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG auf die Beweiserhebung in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, der seinerseits auch das Auskunfts-, Akteneinsichts- und Aktenvorlagerecht nach §§ 95, 161 Abs. 1, 474 StPO erfasst, Bezug nimmt, spricht nach der Systematik des Art. 44 GG dennoch vieles für eine Zulässigkeit der Übermittlung von Informationen im Wege der Amtshilfe, die den Schutzbereich von Art. 10 GG berührt. Das Verbot von Maßnahmen, die das Fernmelde- oder Briefgeheimnis beeinträchtigen, bezieht sich nur auf die in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG geregelte Beweiserhebung. Die Amtshilfe, die erst in Abs. 3 des Art. 44 GG geregelt ist, enthält keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Beachtung des Art. 10 GG. Wäre ein genereller Ausschluss der Amtshilfe im Fall der Beeinträchtigung des Art. 10 GG gewollt gewesen, hätte der Verfassungsgeber konsequenterweise eine entsprechende Regelung für die Amtshilfe oder die Regelung des Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG im Anschluss an die Amtshilfe als Abs. 4 treffen müssen.398 cc) Entstehungsgeschichte Die Zulässigkeit abgeleiteter Beweiserhebungen trotz Eingriffs in Art. 10 GG bestätigt auch die Entstehungsgeschichte. In Art. 34 Abs. 2 WRV hieß es noch: „Gerichte und Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebungen Folge zu leisten; die Akten von Behörden sind auf Verlangen vorzulegen.“ Dieser Absatz regelte ehemals die Amtshilfepflicht. Art. 34 Abs. 3 WRV beschränkte dann sowohl das Beweiserhebungs- als auch das Amtshilferecht folgendermaßen: „Auf die Erhebungen der Ausschüsse und der von ihnen ersuchten Behörden finden die Vorschriften der Strafprozessordnung sinngemäß Anwendung, doch bleibt das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis unberührt.“ Der absolute Schutz des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses bezog sich in Art. 34 WRV ausdrücklich sowohl auf die eigene als auch auf die über die Amtshilfe ausgeübte Beweiserhebung durch die ersuchte Behörde.399 Diese Anordnung ist so aber nicht ins Grundgesetz übernommen worden. Dem ist der Wille des Verfassungsgebers zu entnehmen, dass selbstständige Beweiserhebungsmaßnahmen dem absoluten Beweiserhebungsverbot des Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG zu unterwerfen sind, die Amtshilfe 398

So auch Richter, Privatpersonen, 76. Vgl. Gesetzgebungsmaterialien zu Art. 34 WRV: 25. Sitzung der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung vom 08.04.1919, Stenografischer Bericht, Art. 55, S. 3, 4. 399

B. Verwertung im Strafverfahren erlangter Informationen durch den PUA 377

hingegen über Art. 1 Abs. 3 GG allgemein an Art. 10 GG und dessen Grundrechtsschranken zu messen ist. dd) Teleologische Auslegung Eine Beschränkung des Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG auf originäre Beweiserhebungen entspricht auch dem Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts. Eine wirksame parlamentarische Kontrolle erfordert umfangreiche und nahezu lückenlose Informationen. Gerade Akten über strafprozessuale Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen und Briefbeschlagnahmen sind wichtige Informationsquellen, die zur Aufklärung des Sachverhalts besonders beitragen können, weil die Behörden ihre Geschäfte in der Regel schriftlich oder telefonisch abwickeln. Ein Verzicht auf solche Daten bedeutet eine Erschwerung oder gar Vereitelung der parlamentarischen Sachverhaltsaufklärung.400 Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG untersagt dem PUA die originäre Datengewinnung durch eine Telekommunikationsüberwachung oder eine Beschlagnahme und Öffnung von Briefen, die sich noch auf dem Weg der Beförderung befinden oder von deren Inhalt der Empfänger noch keine Kenntnis genommen hat, weil diese Maßnahmen besonders grundrechtsbeeinträchtigend sind und für ihre Vornahme nur ein einfacher Verdacht wegen einer bestimmten (Katalog)Tat genügt. Nach dem Abhörvorgang oder dem Öffnen der Briefe kann sich herausstellen, dass sich der Verdacht nicht bestätigt. Da die Mitglieder des Untersuchungsausschusses regelmäßig parteipolitische Interessen verfolgen, also nicht die Neutralität eines Richters besitzen, können auch den Untersuchungsgegenstand nicht betreffende Informationen zur Abwertung des politischen Gegners Eingang in die öffentliche Verhandlung finden. Hinzu kommt, dass die Telekommunikationsüberwachung verdeckt erfolgt, so dass auch zahlreiche Daten Unbeteiligter erfasst und anhand der Daten Profile über die unbeteiligten Personen angefertigt werden. Wegen dieser Intensität sind dem PUA diese Ermittlungsmethoden selbst nach Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG untersagt. Bei der Auswertung der Protokolle über die Telekommunikationsüberwachung oder Briefbeschlagnahme liegt es anders, weil die Staatsanwaltschaft als ersuchte Behörde die Daten den Betroffenen klar zuordnet, Daten Unbeteiligter aussondert und erkennen kann, ob die Daten den Vorwurf des Untersuchungsausschusses bestätigen und für das Untersuchungsthema relevant sind. Bei der Übermittlung und Verwendung dieser sensiblen Daten 400 BVerfGE 67, 100, 130; Kirste, JuS 2003, 61, 64, 65; Meyer-Bohl, Untersuchungsausschüsse, 235.

378 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

kann daher wesentlich gezielter als bei der Überwachungsmaßnahme vorgegangen werden, die Verdachtsmomente und der persönliche Charakter der Daten lassen sich überprüfen und gegen die Bedeutung des Untersuchungsthemas abwägen. Je nach den Umständen des Einzelfalls (Art der Daten des Betroffenen, Bedeutung des Untersuchungsthemas) hat der PUA zudem zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ausreichende Geheimhaltungsvorkehrungen zu treffen, unter Umständen die Daten Unbeteiligter zu schwärzen oder zu anonymisieren.401 Sinn und Zweck des Untersuchungsrechts, eine wirksame parlamentarische Kontrolle zu ermöglichen, sprechen dafür, Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG eng auszulegen und nur anzuwenden, wenn der PUA erstmalig Informationen durch einen Eingriff in Art. 10 GG gewinnen und anschließend verwerten will, nicht dagegen, wenn die Informationen schon vorliegen und der PUA sie „nur“ unter Eingriff in Art. 10 GG verwertet.402 Ein Teil der Literatur hält die Informationsübermittlung im Wege der Amtshilfe jedoch für unzulässig, wenn die Behörde um Maßnahmen ersuche, zu deren Vornahme sie selbst nicht befugt sei. Mit der Verwertung der übermittelten Informationen, welche die Behörde nicht hätte gewinnen können, setze sie sich in Widerspruch zur gesetzgeberischen Wertentscheidung.403 Dieser Einwand steht der engen Auslegung des Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG allerdings nicht entgegen. Zum einen dürfte der PUA nach dieser Ansicht die Strafverfolgungsbehörden lediglich nicht gezielt darum ersuchen, Briefe des Betroffenen zu beschlagnahmen oder dessen Telekommunikationsanschluss zu überwachen, um sich anschließend die Daten von der Staatsanwaltschaft zu eigenen Untersuchungszwecken übermitteln zu lassen. Das wäre in der Tat eine bewusste Umgehung der dem PUA selbst nicht zustehenden Ermittlungsbefugnisse nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. §§ 99, 100a StPO. Die Strafverfolgungsbehörden sind hingegen durch Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG nicht gehindert, Daten aus einer Brief- oder Postbeschlagnahme oder einer Telefonüberwachung, die sie rechtmäßig in Wahrnehmung eigener Aufgaben und Befugnisse aufgrund eines eigenen Entschlusses erhoben hatten, an den ersuchenden PUA weiterzugeben. In diesem Fall erhält die ersuchende Behörde nämlich keine Herrschaft über die einzusetzenden Mittel der ersuchten Behörde, maßt sich also keine Befugnisse einer 401

Zu den Geheimschutzmaßnahmen: 3. Kapitel, B. V. 3. c) bb) (3). I. E. auch Kirste, JuS 2003, 61, 64. 403 Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 220, 221, 225; Lässig, DÖV 1976, 727, 731; Meyer-Teschendorf, JuS 1981, 187, 190; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 35, Rn. 22 ff.; Scholz/Pitschas, Selbstbestimmung, 192; Versteyl in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 44, Rn. 34. 402

B. Verwertung im Strafverfahren erlangter Informationen durch den PUA 379

anderen Behörde an, die ihr selbst nicht zustehen. Zwischen beiden Behörden entsteht auch kein unzulässiger organisatorischer Verbund.404 Zum anderen hat die Auslegung des Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG gerade gezeigt, dass es nicht dem gesetzgeberischen Willen widerspricht, wenn der PUA vorhandene Informationen, die eine andere Behörde unter Eingriff in Art. 10 GG erlangt hat, sich übermitteln lässt und verwertet. ee) Zwischenergebnis Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG sprechen dafür, dass der PUA sich grundsätzlich Informationen, welche die Strafverfolgungsbehörden rechtmäßig unter Eingriff in Art. 10 GG erhoben hatten, übermitteln lassen und im PUV verwerten darf. Auf ein Ersuchen des Untersuchungsausschusses um Auskunft, Akteneinsicht und -vorlage erstreckt sich das absolute Beweiserhebungsverbot des Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG somit nicht. 2. Übermittlungsbeschränkungen nach der StPO Nach § 477 Abs. 2 S. 2 StPO bzw. § 161 Abs. 2 StPO n. F. (§§ 100b Abs. 5, 100h Abs. 3, 100f Abs. 5 StPO a. F.) ist die Verwendung personenbezogener Daten aus Ermittlungsmaßnahmen, die nur bei Verdacht bestimmter Straftaten erlaubt sind, ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Person zu Beweiszwecken in anderen Strafverfahren lediglich zur Aufklärung solcher Straftaten zulässig, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme hätte angeordnet werden dürfen. Ähnliches regelt § 100d Abs. 5 Nr. 1 StPO n. F. (§ 100d Abs. 6 Nr. 1 StPO a. F.) für Erkenntnisse aus einer Wohnraumüberwachung. Damit stellt das Gesetz für Maßnahmen, die besonders schwerwiegend in die Grundrechte der betroffenen Personen eingreifen, eine Zweckbindung auf, um der Eingriffsintensität dieser Maßnahmen Rechnung zu tragen. Die in § 101 Abs. 10 StPO n. F. (§ 100b Abs. 6, § 100d Abs. 5, § 100f Abs. 2 S. 3 StPO a. F.) geregelte Pflicht zur Vernichtung der Unterlagen, sobald die Erkenntnisse für die Strafverfolgung nicht mehr erforderlich sind, verstärkt diese Zweckbindung zusätzlich. Fraglich ist, ob und inwieweit §§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 S. 2, 477 Abs. 2 S. 4 i. V. m. § 100d Abs. 5 Nr. 1 StPO n. F. sinngemäß auf das PUV anzuwenden sind. Da die ratio des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG gerade auch darin besteht, die Beweiserhebungsbefugnisse des Ausschusses zu begrenzen, wenn es rechtsstaatlich erforderlich ist, und die Befugnisse nicht weiter als 404

Scholz/Pitschas, Selbstbestimmung, 193.

380 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

die der Strafverfolgungsbehörden reichen sollen, ist es konsequent, §§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 S. 2, 477 Abs. 2 S. 4 i. V. m. § 100d Abs. 5 Nr. 1 StPO n. F. auf das PUV zu übertragen. Die sinngemäße Anwendung kann zweierlei bedeuten: Die Verwendung könnte auf die Straftatenkataloge des § 100a Abs. 2 StPO (i. V. m. § 100f Abs. 1, § 100g Abs. 1 Nr. 1 StPO) bzw. § 100c Abs. 2 StPO beschränkt sein. Möglich ist aber auch der Schluss, dass die Übermittlung generell nicht erfolgen darf. Für letzteres spricht der Zweck der §§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 S. 2, 477 Abs. 2 S. 4 i. V. m. § 100d Abs. 5 Nr. 1 StPO n. F., der Staatsanwaltschaft die Übermittlung der Daten aus Maßnahmen, die lediglich bei Vorliegen eines Verdachts wegen der Begehung bestimmter Straftaten zulässig sind, in ein anderes Strafverfahren nur zu gestatten, wenn auch in diesem Verfahren eine Katalogtat aufgeklärt werden soll. Denn nur dann hätten die Behörden auch in diesem Verfahren die eingriffsintensiven Maßnahmen (z. B. nach §§ 100a, 100c, 100f StPO n. F.) selbst durchführen und die Erkenntnisse ermitteln dürfen.405 Erkenntnisse aus Maßnahmen nach §§ 100a, 100c, 100f, 100g StPO sollen der Staatsanwaltschaft somit in anderen Verfahren nur zur Verfügung stehen, wenn sie die Daten selbst originär hätte erheben können. Die Wertung, die der Gesetzgeber bei der Erlangung der Daten zu Grunde legt, muss auch für die Datenverwendung gelten, die anderen Beweiszwecken dient und durch die der ursprüngliche Eingriff noch vertieft werden kann.406 §§ 100a, 100c, 100f, 100g StPO kommen aber gerade nicht sinngemäß im PUV zur Anwendung. Zwar schließt Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG nur die originäre Beweiserhebung aus, nicht dagegen die Verwertung bereits vorhandener Telekommunikationsdaten. Auch können Daten aus einer strafprozessualen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme und anderer Maßnahmen mit hoher Eingriffsintensität zur Aufklärung des parlamentarischen Untersuchungsauftrages durchaus – wie die Barschelaffäre zeigte – erforderlich sein und wichtige Erkenntnisse liefern. Da ein PUA aber selbst bei Vorliegen einer Katalogtat weder eine Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen nach § 100a StPO noch eine Wohnraumüberwachung nach § 100c StPO oder eine akustische Überwachung außerhalb der Wohnung nach § 100f StPO n. F. durchführen und keine Auskünfte nach § 100g StPO verlangen darf, sind §§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 StPO, 477 Abs. 2 S. 4 i. V. m. § 100d Abs. 5 Nr. 1 StPO n. F. ihrem Regelungszweck nach so auszulegen, dass die Strafverfolgungsbehörden strafprozessuale Erkenntnisse aus Maßnahmen nach §§ 100a, 100c, 100f, 100g StPO generell nicht, d.h. 405 Ähnlich Kramer, Grundbegriffe, Rn. 222a zur alten Rechtslage gemäß §§ 100b Abs. 5, 100d Abs. 6, 100f Abs. 5 StPO a. F. 406 BT-Drucks. 16/5846, S. 64.

B. Verwertung im Strafverfahren erlangter Informationen durch den PUA 381

auch nicht zur Aufklärung einer Katalogtat, an den PUA übermitteln dürfen.407 Zu demselben Ergebnis führte die Prüfung nach der bis zum 01.01.2008 geltenden Rechtslage, weil die einzelnen speziellen Verwendungsbeschränkungen nach §§ 100b Abs. 5, 100d Abs. 6, 100f Abs. 5, 100h Abs. 3 StPO a. F. dieselben Regelungszwecke wie §§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 S. 2, 477 Abs. 2 S. 4 i. V. m. § 100d Abs. 5 Nr. 1 StPO n. F. verfolgten und daher in gleicher Weise eng auszulegen waren. Gegen diese Sicht spricht nicht, dass Daten aus einer Briefbeschlagnahme, einer Beschlagnahme auf der Post, Observationsmaßnahmen mit sonstigen technischen Mitteln oder durch Lichtbildaufnahmen nach § 474 StPO oder § 161 Abs. 1 StPO an den PUA übermittelt werden dürfen. Ein Brief, der auf dem Postweg übermittelt wird, genießt folglich weniger Schutz als eine Datenübertragung per E-Mail oder Internettelefongespräche, obwohl der elektronische Übermittlungsweg tatsächlich sogar riskanter ist, weil die Datenübermittlung per Internet relativ leicht von Dritten aufgezeichnet werden kann. Bei Verwendung einer entsprechenden Software können, z. B. Internettelefongespräche in bester Qualität und voller Länge mitgeschnitten werden.408 Dennoch dürfen solche Telefonate, aber auch E-Mails, die noch im Mailboxsystem oder im Speicher des Providers abgelegt sind, nur nach § 100a StPO überwacht und abgerufen werden.409 Für den PUA sind diese Daten somit gänzlich unzugänglich. Auf den ersten Blick scheinen diese Ergebnisse widersprüchlich zu sein. Dieser Wertungswiderspruch ist aber in der StPO angelegt. Nach Auffassung des Gesetzgebers greift die verdeckte Telekommunikationsüberwachung intensiver in den Schutzbereich des Art. 10 GG ein als die Postbeschlagnahme. Daher sind die Anforderungen an die Zulässigkeit der Postbeschlagnahme, aber auch der Übermittlung der durch diese Maßnahmen gewonnenen Daten geringer als bei Maßnahmen nach §§ 100a, 100c, 100f, 100g StPO, weil sowohl die Anordnung dieser besonders beeinträchtigenden Überwachungsmaßnahmen als auch die Übermittlung der daraus gewonnenen Daten und der Telekommunikationsverbindungsdaten nur bei bestimmten, besonders schweren Katalogtaten zulässig ist. Da Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG die strafprozessualen Regelungen für anwendbar erklärt, ist auch der in der StPO angelegte Widerspruch hinzunehmen. 407 I. E. ist auch Klein in: M/D/H, GG, Art. 44, Rn. 220 für eine generelle Unanwendbarkeit des § 100b StPO a. F. im PUV, er leitet dieses Ergebnis aber aus Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG her. 408 Zu den Risiken bei Internettelefongesprächen: Volksstimme vom 07.10.2005, Teil IV. 409 LG Mannheim, StV 2002, 242; Beulke, StrafprozessR, Rn. 253; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 329; Kramer, Grundbegriffe, Rn. 220.

382 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

3. Beachtung der Verhältnismäßigkeit Die Übermittlung und Verwertung von Daten, die im Strafverfahren durch eine Post- oder Briefbeschlagnahme sowie durch Lichtbildaufnahmen oder Observationsmaßnahmen mit sonstigen technischen Mitteln erlangt wurden, müssen – trotz § 474 Abs. 1 StPO – wegen der Grundrechtsrelevanz auch im konkreten Fall verhältnismäßig sein. Die Unterlagen und Erkenntnisse müssen deshalb in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stehen und zur Klärung des Sachverhaltes beitragen können, da die Maßnahmen sonst schon nicht geeignet sind, die Aufklärung des Untersuchungsthemas zu fördern. Stehen andere gleichermaßen zuverlässige Beweismittel aus Ermittlungsmaßnahmen, die weniger grundrechtsbeeinträchtigend sind, zur Verfügung, muss der PUA zunächst diese als mildere Mittel heranziehen. Die Verwertbarkeit kann zudem ausscheiden, wenn die Abwägung von Art und Bedeutung des angestrebten Zwecks des Untersuchungsauftrages einerseits und der Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der betroffenen Daten andererseits ergibt, dass das Grundrecht des Einzelnen höher zu bewerten ist.410 Ist dem Grundrechtsinhaber eine Offenbarung der Erkenntnisse schlechthin nicht zuzumuten, ist die Weitergabe und Verwertung im PUV unzulässig. Bei der Verwertung der Erkenntnisse, vor allem aus einer Brief- und Postbeschlagnahme, hat der PUA im Übrigen zum Schutz der Grundrechte Geheimschutzvorkehrungen zu treffen (z. B. Öffentlichkeitsausschluss), soweit der Untersuchungszweck dies zulässt.

III. Wahrung des Zitiergebots Gegen die Zulässigkeit der Übermittlung und Verwertung von Erkenntnissen aus einer Post- und Briefbeschlagnahme spricht im Übrigen nicht, dass Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG eine Beschränkung des Grundrechts aus Art. 10 GG nicht anordnet, obwohl Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG die Angabe des Grundrechts, in welches das Gesetz eingreift, verlangt. Um den Gesetzgeber nicht unnötig zu behindern, muss das Zitiergebot eng ausgelegt werden. Eine ausdrückliche Nennung der Grundrechtsbeschränkung ist entbehrlich, wenn ein Gesetz lediglich bereits geltende Grundrechtseinschränkungen unverändert wiederholt oder auf sie verweist. Das Zitiergebot soll nämlich nur ausschließen, dass der Gesetzgeber neue grundrechtsbeeinträchtigende Maßnahmen erlaubt, ohne sich über die Tragweite Rechenschaft abzulegen.411 Durch die Verweisung in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG griff der Verfassungsgeber 410 411

BVerfGE 77, 1, 47; Bäumler/Gundermann, ZParl 1997, 236, 247. BVerfGE 35, 185, 188 f.; 61, 82, 113.

B. Verwertung im Strafverfahren erlangter Informationen durch den PUA 383

auf die herkömmlichen, grundrechtsbeschränkenden Vorschriften des Strafprozesses zurück, so dass das Zitiergebot nicht zwingend zu beachten war. Da die Beweiserhebungsmaßnahmen durch den PUA zum Schutz des parlamentarischen Kontrollrechts auf der Grundlage eines vorkonstitutionellen Gesetzes – nämlich der StPO – erfolgen, sind die Grundrechtseingriffe nicht zitierpflichtig.412 Auch aus Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG kann kein gegenteiliger Schluss gezogen werden413, da die Auslegung ergeben hat, dass Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG Eingriffe in Art. 10 GG nur bei originären Beweiserhebungen ausschließen will414. Art. 15 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG415 schränkt für die StPO ausdrücklich das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis ein.

IV. Zwischenergebnis Das Informationsdefizit, das aus der Unanwendbarkeit der §§ 99, 100a, 100c, 100f, 100g, 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO und dem Verbot der Briefbeschlagnahme im PUV entstehen kann, lässt sich – teilweise – durch das Recht auf Akteneinsicht und -herausgabe nach § 474 Abs. 1 StPO sowie durch das Recht auf Auskunft kompensieren. Zwar stellt auch die Übermittlung und Verwendung der Daten aus einer strafprozessualen Brief- und Postbeschlagnahme im PUV einen Eingriff in Art. 10 GG dar. Das Verbot in Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG ist aber eng auszulegen und beschränkt sich nur auf die originäre Beweiserhebung. §§ 474 Abs. 1, 161 Abs. 1, 95 StPO legitimieren den durch die Datenübermittlung verursachten Eingriff in Art. 10 GG bzw. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, wenn die Datenweitergabe an den PUA im konkreten Einzelfall verhältnismäßig ist. Informationen aus Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen nach § 100a StPO, aus einer akustischen Wohnraumüberwachungsmaßnahme nach § 100c StPO und einer Abhörmaßnahme außerhalb von Wohnungen nach § 100f StPO dürfen an den PUA generell nicht übermittelt werden, weil die §§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 S. 2, 477 Abs. 2 S. 4 i. V. m. § 100d Abs. 5 Nr. 1 StPO n. F. (§§ 100b Abs. 5, 100d Abs. 6, 100f Abs. 5 StPO a. F.) sinngemäß nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG so auszulegen sind, dass die Daten im PUV auch nicht zur Aufklärung eines Sachverhalts verwendet werden dürfen, der im Zusammenhang mit einer Katalogtat steht. 412 BVerfGE 28, 36, 46; 83, 130, 154; BVerwG, NVwZ 1996, 474; Zeitler, PolizeiR, Rn. 507. 413 Anders VerfG Hamburg, DÖV 1989, 119, 121. 414 Siehe 4. Kapitel, 2. Abschnitt, A. I. 2. b); II. 1. b). 415 BT-Drucks. 16/5846.

384 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

C. Exkurs: Verwendung von Erkenntnissen des MfS im PUV Die soeben gewonnenen Erkenntnisse sind auch für die Verwertung von Abhörprotokollen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) im PUV fruchtbar zu machen. Im CDU-Parteispendenuntersuchungsausschuss des Bundestages war umstritten, ob der PUA die aufgefundenen Abhörprotokolle, die das MfS der ehemaligen DDR über einige CDU-Mitglieder angelegt hatte und welche die Finanztransaktionen der CDU dokumentierten, als Beweismittel zur Sachverhaltsaufklärung heranziehen durfte.

I. Anspruchsgrundlage für die Herausgabe von Abhörprotokollen Strittig ist, auf welche Anspruchsgrundlage die Herausgabe der MfS-Protokolle zu stützen ist. Zum Teil wird das Herausgabeersuchen des Untersuchungsausschusses an den Bundesbeauftragten auf Art. 44 Abs. 3, 35 Abs. 1 GG, § 18 Abs. 4 PUAG gestützt416. Eine andere Auffassung zieht § 22 StUG i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 23 StUG heran417, während die überwiegende Auffassung418 die Anspruchsgrundlage in § 22 StUG sieht. 1. Amtshilferechtliches Ersuchen um Aktenherausgabe und -einsicht Wie dargelegt419, stellt das Verlangen des Untersuchungsausschusses an öffentliche Behörden auf Einsicht und Vorlage von Akten eine abgeleitete Beweiserhebung mit dem Mittel der Amtshilfe dar, auf die das Verbot aus Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG nicht anwendbar ist. Für ein amtshilferechtliches Verlangen um Auskunft oder Einsicht, das sich nicht nach dem Kontrollrecht aus Art. 44 Abs. 1 GG richtet420, spricht vor allem § 35 StUG, nach dem der Bundesbeauftragte eine eigenständige, in der Amtsausübung unabhängige und nur dem Gesetz unterworfene Bundesoberbehörde im Bundesinnenministerium, d.h. eine dem Bundesinnenministerium gleichberechtigte 416

Kirste, JuS 2003, 61, 63. Lesch, NJW 2000, 3035, 3037. 418 LG Kiel, JZ 1996, 155, 156 mit zustimmender Anm. Bäumler, JZ 1996, 156, 157; Bäumler/Gundermann, ZParl 1997, 236, 250; Dammann, NJW 1996, 1946, 1947; Glauben, DRiZ 2000, 165, 167, 168; Palm/Roy, NJW 1998, 3005, 3011. 419 Vgl. 2. Kapitel, C. I.; 4. Kapitel, 2. Abschnitt, B II. 1. b) aa). 420 So auch Kirste, JuS 2003, 61, 63; Lesch, NJW 2000, 3035, 3036. 417

C. Exkurs: Verwendung von Erkenntnissen des MfS im PUV

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Behörde ist. Die Daten stehen nicht in der Verfügungsgewalt der zu kontrollierenden Bundesregierung, sondern die Kenntnis über den Inhalt aus den Akten des MfS hat allein der fachlich weisungsfreie Bundesbeauftragte.421 Daher besteht weder ein der Amtshilfe entgegenstehendes ÜberUnterordnungsverhältnis noch die Gefahr, dass die Akten willkürlich und aus politischen Erwägungen zum Schutz der Bundesregierung zurückgehalten werden. 2. Notwendigkeit einer spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zur Herausgabe an den PUA Art. 44 Abs. 3 GG bzw. die diesen Amtshilfegrundsatz wiederholende einfachgesetzliche Regelung des § 18 Abs. 4 PUAG enthält keine näheren Voraussetzungen für die Rechtfertigung eines Eingriffs in die Grundrechte des Bürgers. Die Vorschriften gestalten daher nur die zwischenbehördliche Informationsübermittlung ohne Außenwirkung auf am Amtshilfeverhältnis unbeteiligte Dritte.422 Es bedarf aber jedenfalls dann einer spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Herausgabe der Protokolle des MfS, wenn die Datenweitergabe in die Grundrechte des Betroffenen eingreift. a) Eingriff in Art. 10 GG Art. 10 GG gewährleistet neben dem Brief- und Postgeheimnis auch das Fernmeldegeheimnis, welches das Vertrauen in die Ungestörtheit des Kommunikationsvorganges als auch die Vertraulichkeit des Kommunikationsinhalts und der Verbindungsdaten schützt.423 Abhörprotokolle des MfS sind durch Telekommunikationsüberwachungen und Mitschnitte von privaten und geschäftlichen Gesprächen entstanden. Die Aufzeichnungen über die abgehörten Telefongespräche unterfallen demnach dem Schutzbereich des Art. 10 GG. Da die Abhörmaßnahmen durch das MfS erfolgten, Adressaten des Art. 10 GG nach Art. 1 Abs. 3 GG aber nur Staatsorgane der BRD sein konnten, berührten die Abhörvorgänge, also die „Ersteingriffe“ Art. 10 GG nicht.424 Zum Teil wird hieraus gefolgert, dass auch die Aufbewahrung, Weitergabe und Verwendung zu weiteren Zwecken keine Eingriffe in 421

Klinghardt, NJ 1992, 185, 188; Schmidt/Dörr, StUG, § 22, Rn. 8. Erbguth in: Sachs, GG, Art. 35, Rn. 26 f.; Jarass/Pieroth, GG, Art. 35, Rn. 2. 423 Vgl. 4. Kapitel, 2. Abschnitt, B. II. 1. a). 424 LG Kiel, JZ 1996, 155; Bäumler/Gundermann, ZParl 1997, 236, 241; Dammann, NJW 1996, 1946; Glauben, DRiZ 2000, 165, 167; Lesch, NJW 2000, 3035, 3038; Palm/Roy, NJW 1998, 3005, 3006. 422

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Art. 10 GG seien, weil es an einem unzulässigen Ersteingriff fehle, der durch die weitere Verwendung perpetuiert werde. Die Übermittlung und anschließende Verwertung der Daten aus den Unterlagen des MfS würde lediglich in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG eingreifen, weil der Einzelne nicht frei darüber entscheiden und nicht mehr überschauen könne, welche personenbezogenen Daten zu welchen Zwecken an welche Behörden weitergegeben werden.425 Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden, zumal auch das BVerfG426 klargestellt hat, dass das Fernmeldegeheimnis nicht nur vor dem Abhören eines vertraulich geführten Telefongesprächs schützt. Da die eigentlichen Grundrechtsgefährdungen oft erst durch die staatliche Kenntnisnahme vom Gesprächsinhalt und die weitere Verwendung zu anderen Zwecken mit weiter reichenden Konsequenzen sowie das Anwachsen des Personenkreises, der vom Inhalt Kenntnis erlangt, eintreten, kann ein effektiver Grundrechtsschutz nicht mit dem Abschluss des Abhörvorganges enden, sondern muss darüber hinausgehen.427 Das Vertrauen in eine freie und ungestörte Kommunikation ist nicht ausreichend geschützt, wenn der Einzelne befürchten muss, dass eine staatliche Stelle ihre Kenntnisse über die Verbindungsdaten und die Kommunikationsinhalte an eine andere weitergibt, welche die Kommunikationsdaten in anderem Zusammenhang verwendet.428 Daher erstreckt sich der Schutzbereich des Art. 10 GG über den Abhörvorgang hinaus auch auf den Informations- und Datenverarbeitungsvorgang, der sich an die Kenntnisnahme von geschützten Kommunikationsvorgängen anschließt, sowie auf den Gebrauch der aus dem Kommunikationsvorgang hervorgegangenen Erkenntnisse.429 Die vom MfS aufgezeichneten Daten stammen aus einem Telekommunikationsvorgang. Seit der Wiedervereinigung Deutschlands genießen die in den Abhörprotokollen enthaltenen Informationen den Schutz der deutschen Rechtsordnung, insbesondere der Verfassung. Die Verpflichtung des Staates, die Grundrechte des Einzelnen zu schützen, erfordert wirksame Vorkehrungen gegen Grundrechtsverletzungen beim Umgang mit den personenbezogenen Informationen.430 Das gilt für jede Weitergabe zur Kenntnisnahme und Auswertung der Erkenntnisse 425 LT-Drucks. Schleswig-Holstein 13/3225, Anlage 21, 2 f.; Dammann, NJW 1996, 1946; Kirste, JuS 2003, 61, 64; Lesch, NJW 2000, 3035, 3038. 426 BVerfG, NJW 2000, 55 ff. 427 Bäumler/Gundermann, ZParl 1997, 236, 240; Hassemer, ZRP 1991, 121, 124; Welp, NStZ 1986, 294, 296. 428 BVerfG, NJW 2000, 55, 57; BFH, wistra 2002, 31, 33; Bäumler/Gundermann, ZParl 1997, 236, 240. 429 BVerfG, NJW 2000, 55, 57; BFH, wistra 2002, 31, 33. 430 Bäumler/Gundermann, ZParl 1997, 236, 248; Trute, JZ 1992, 1043, 1045.

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in anderem Sachzusammenhang durch Dritte, da darin ein neuer, eigenständiger Eingriff in Art. 10 GG liegt431, auch wenn der Abhörvorgang selbst nicht unter Verletzung des Fernmeldegeheimnisses nach dem Grundgesetz stattfand. Für dieses Ergebnis spricht zudem die nachträgliche Einfügung des § 46a StUG, der zur Wahrung des Zitiergebotes ausdrücklich Art. 10 GG beschränkt. Der Gesetzgeber ging also ebenfalls davon aus, dass jede weitere Benutzung der Erkenntnisse aus den Abhörprotokollen des MfS einen Eingriff in Art. 10 GG darstellt. b) Zwischenergebnis Die Vorlage der durch eine Telekommunikationsüberwachung des MfS ermittelten Informationen durch den Bundesbeauftragten an den PUA sowie deren Verwertung im PUV zu Beweiszwecken sind somit jeweils eigenständige Eingriffe in das verfassungsrechtlich garantierte Fernmeldegeheimnis. Auf Art. 44 Abs. 3 GG bzw. § 18 Abs. 4 PUAG kann das amtshilferechtliche Ersuchen um Akteneinsicht und -herausgabe somit nicht gestützt werden, es bedarf einer Spezialnorm. 3. Spezialgesetzliche Ermächtigung a) Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. §§ 94–96, 161 Abs. 1 StPO Eine spezialgesetzliche Befugnis zur Herausgabe der Unterlagen des MfS an den PUA ist den §§ 94–96, 161 Abs. 1 StPO, die nach Maßgabe des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG im PUV sinngemäß anwendbar sind432, nicht zu entnehmen. Ein Rückgriff auf diese Normen bei der Weitergabe und Verwendung von Unterlagen des MfS ist durch § 4 Abs. 1 StUG ausgeschlossen. Die Vorschrift verbietet die Verwendung der MfS-Protokolle, soweit das StUG nicht selbst den Zugang zu den Abhörprotokollen und deren Verwendung zulässt. Sowohl nach § 4 Abs. 1 StUG als auch nach § 43 StUG, der den Vorrang des StUG gegenüber sonstigen Vorschriften über die Zulässigkeit der Übermittlung personenbezogener Informationen 431 BVerfGE 85, 386, 398; BVerfG, NJW 2000, 55, 59; BFH, wistra 2002, 31, 33; VerfG Hamburg, DÖV 1994, 120 f.; LG Kiel, JZ 1996, 155; LG Kiel, Beschluss vom 9.8.1999, Az.: 5-37 Os 69/95; Bäumler, JZ 1996, 156; Glauben, DRiZ 2000, 165, 167; Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 172; Palm/Roy, NJW 1998, 3005, 3006. 432 2. Kapitel, C. III. 2. a) dd) (2) (a).

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regelt, verdrängt das StUG als lex specialis alle anderen einfachgesetzlichen Regelungen über die Zulässigkeit der Übermittlung personenbezogener Informationen.433 b) Übermittlungsbefugnisse des StUG § 19 Abs. 1 StUG verpflichtet den Bundesbeauftragten zu Mitteilungen an öffentliche Stellen, zur Gewährung von Einsicht in die Unterlagen und zu deren Herausgabe, soweit die Verwendung der Unterlagen nach §§ 20-23, 25, 26 StUG zulässig ist434. § 22 StUG gestattet grundsätzlich auch die Verwendung von Unterlagen des MfS für Zwecke parlamentarischer Untersuchungsausschüsse. aa) Unbeschränkter Zugriff nach § 22 StUG § 22 Abs. 1 StUG bestimmt jedoch nur, dass sich das Recht auf die Beweiserhebung durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse nach Art. 44 Abs. 1, 2 GG auch auf die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes erstreckt. Zum Teil wird aus dieser offenen Formulierung gefolgert, § 22 StUG gewähre dem PUA einen unbeschränkten Zugriff auf die Akten des MfS, der nur den allgemeinen Grenzen des parlamentarischen Untersuchungsrechts435, nicht aber den Verwendungsbeschränkungen des StUG unterliege436. Dieser Auffassung scheinen auch die Entwurfsverfasser gewesen zu sein. Das StUG solle das Informationsrecht des Parlaments nicht schmälern und durch die Regelung des § 22 StUG sicherstellen, dass Unterlagen des MfS parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zugänglich sind und die Auskunft bzw. die Aktenherausgabe nur verweigert werden darf, wenn besondere Gründe des Bundes, eines Landes oder des Gemeinwohls dies erfordern, ein Ersuchen den Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung betrifft, d.h. den Gewaltenteilungsgrundsatz verletzt, oder der PUA den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht durch besondere Geheimhaltungsvorkehrungen gewährleisten kann.437 433 Klinghardt, NJ 1992, 185, 188; Schmidt/Dörr, StUG, § 4, Rn. 2; Stoltenberg, StUG, § 4, Rn. 3; Weberling, StUG, § 4, Rn. 1. 434 Stoltenberg, StUG, § 19, Rn. 2; Weberling, StUG, § 19, Rn. 1. 435 Zu den allgemeinen Grenzen: 1. Kapitel, C. 436 VG Berlin, NJW 1993, 2548, 2552; Engel, Stasiunterlagen, 102; wohl auch Masing, ZRP 2001, 36, 41; ders., FAZ vom 08.02.2001, S. 14. 437 BT-Drucks. 12/1540, S. 48, 60.

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Dennoch kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Gegen einen unbeschränkten Zugriff spricht zum einen, dass eine Weitergabe und Verwendung der Erkenntnisse im PUV die Grundrechte des Einzelnen aus Art. 10 GG bzw. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG beeinträchtigt und es wegen der besonders rechtsstaatswidrigen Art und Weise der Erlangung der Erkenntnisse eines besonderen Schutzes der Betroffenen bedarf. Eine Untersagung der Verwendung würde zwar das parlamentarische Kontrollrecht einschränken. Da beide Rechtsgüter Verfassungsrang besitzen, sich gleichwertig gegenüberstehen und deshalb in einen harmonischen Ausgleich gebracht werden müssen, bei dem jedes Rechtsgut seine Wirksamkeit behält, scheidet aber ein unbeschränktes Zugriffsrecht des Untersuchungsausschusses auf die Unterlagen des MfS aus. Zum anderen sind auch die weiteren Verwendungszwecke des StUG, insbesondere die Verwendung im Strafverfahren, an enge Voraussetzungen gebunden.438 Eine klare Beschränkung muss daher auch für das PUV gelten, denn Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG begründet durch den Verweis auf den Strafprozess nicht nur die Befugnisse des Untersuchungsausschusses, sondern begrenzt sie zugleich, um ein rechtsstaatliches Verfahren zu gewährleisten. Der PUA soll keine weiter reichenden Befugnisse erhalten als die Strafverfolgungsbehörden.439 Gegen ein unbeschränktes Zugriffsrecht spricht zudem, dass das parlamentarische Untersuchungsrecht wegen seiner Bedeutung für die Demokratie zwar einen hohen Stellenwert in der Verfassung besitzt, das Parlament aber den PUA zunehmend als politisches Kampfinstrument einsetzt. Die Gefahr, dass der PUA die Erkenntnisse des MfS in die politische Auseinandersetzung einbezieht, um den politischen Gegner öffentlich zu diffamieren, ist deshalb groß. § 22 StUG eröffnet dem PUA daher keinen unbeschränkten Zugriff auf die Unterlagen des MfS.440 Ein so weit gehendes Zugriffsrecht widerspricht dem eigentlichen Zweck des StUG – dem Opferschutz, der aus dem Grundrecht des Einzelnen aus Art. 10 GG folgt441 – und dem Grundsatz der praktischen Konkordanz, nach dem die widerstreitenden Rechtsgüter in einen harmonischen Ausgleich zu bringen sind.442 § 22 StUG muss deshalb einschränkend ausgelegt werden. 438

Palm/Roy, NJW 1998, 3005, 3008. 1. Kapitel, A. I.; Lesch, NJW 2000, 3035, 3037. 440 Lesch, NJW 2000, 3035, 3037; Palm,/Roy, NJW 1998, 3005, 3008; Stoltenberg, StUG, § 22, Rn. 7. 441 Bäumler/Gundermann, ZParl 1997, 236, 250; Dammann, NJW 1996, 1946, 1947; Glauben, DRiZ 2000, 165, 167. 442 Aulehner, DÖV 1994, 853, 861 f. 439

390 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

bb) Einschränkende Auslegung des § 22 StUG Eine andere Auffassung legt § 22 StUG unter Beschränkung auf die Hauptzwecke des § 1 Abs. 1 Nr. 1-3 StUG und das Verbot des § 5 StUG, die Daten zum Nachteil des Betroffenen zu verwenden, aus. Die im Allgemeinen Teil geregelten §§ 1, 5 StUG müssten auf die Auslegung der nachfolgenden Vorschriften Einfluss haben. Sinn und Zweck des StUG, das Opfer der Abhörtätigkeit des MfS zu schützen, würden es zudem erfordern, § 22 StUG einzuschränken.443 Auch diese Auffassung vermag jedoch nicht zu überzeugen. Die Vorschriften des Allgemeinen Teils können nur dann die nachfolgenden besonderen Regelungen beeinflussen, wenn diese nichts Gegenteiliges regeln. § 22 StUG erklärt allerdings Art. 44 Abs. 1, 2 GG für anwendbar. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG verweist wiederum auf die Regelungen des Strafprozesses und damit auch auf § 23 StUG, der die Verwendung personenbezogener Informationen über Betroffene oder Dritte auf die Verfolgung bestimmter Katalogstraftaten beschränkt und § 5 StUG ausschließt. Der Gesetzgeber hat mit § 23 StUG bereits selbst eine Abwägung des Opferschutzes – der Hauptzweck des StUG ist – und des Aufklärungsinteresses getroffen und ausdrücklich von der Anwendbarkeit des § 5 StUG auf die Verfolgung von Katalogstraftaten abgesehen. Dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und Dritter soll durch die strafprozessualen Verwendungsbeschränkungen Rechnung getragen werden.444 Diese Regelung entspricht auch dem Grundsatz der praktischen Konkordanz, indem sie keinem der beiden Verfassungsgüter generellen Vorrang einräumt, da der Grundrechtsschutz des Opfers nur zur Aufklärung der in § 23 Abs. 1 StUG aufgeführten schweren Straftaten zurückzustehen hat. Damit ist für eine Berücksichtigung der Normen des Allgemeinen Teils bei der Auslegung des § 22 StUG kein Platz, zumal die Vorschrift lediglich klarstellt, was nach der Verfassung ohnehin gilt, nämlich dass die Regelungen des Strafprozesses sinngemäß Anwendung finden.445 Auch der bereits oben angeführte gesetzgeberische Wille446, dem PUA einen umfassenden – allein durch die allgemeinen Grenzen des Untersuchungsrechts beschränkten – Zugriff auf die Unterlagen des MfS zu ermöglichen, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Grenzen einer jeden 443 LG Kiel, JZ 1996, 155, 156 mit zustimmender Anm. Bäumler, JZ 1996, 156, 157; Bäumler/Gundermann, ZParl 1997, 236, 250; Dammann, NJW 1996, 1946, 1947; Glauben, DRiZ 2000, 165, 167, 168; Kohl, Rechtsstellung des Betroffenen, 172; Palm/Roy, NJW 1998, 3005, 3011. 444 BT-Drucks. 12/1540, S. 61; Schmidt/Dörr, StUG, § 23, Rn. 12; Weberling, StUG, § 23, Rn. 2. 445 Aulehner, DÖV 1994, 853, 854; Lesch, NJW 2000, 3035, 3037. 446 BT-Drucks. 12/1540, S. 48, 60.

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Auslegung sind nämlich der Wortlaut und die Verfassung. Der – vermeintliche – gesetzgeberische Wille, der keinen objektiven Anhaltspunkt im Gesetz gefunden hat, ist dagegen nicht maßgeblich.447 Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG beschränkt die Befugnisse des Untersuchungsausschusses aber gerade auf das nach Strafprozessrecht Zulässige. Der Herausgabeanspruch des Untersuchungsausschusses gegenüber dem Bundesbeauftragten ergibt sich folglich aus § 22 Abs. 1 StUG i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 23 StUG.

II. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Herausgabe der Abhörprotokolle Nach Art. 10 Abs. 2 S. 1 GG darf ein Gesetz zwar Art. 10 Abs. 1 GG beschränken. Es muss aber die Anforderungen des Art. 19 Abs. 1, 2 GG sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten und insbesondere den im Volkszählungsurteil entwickelten Grundsätzen entsprechen, da Art. 10 GG im Verhältnis zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung lex specialis ist. 1. Zitiergebot § 46a StUG bezeichnet – wie Art. 19 Abs. 1 GG es fordert – das eingeschränkte Grundrecht. Das StUG gilt auch für eine Vielzahl von Personen, es ist also ein allgemeines Gesetz. Dem Zitiergebot ist deshalb Genüge getan. 2. Anforderungen des Volkszählungsurteils Da Art. 10 GG die gleiche Schutzrichtung wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aufweist, sind Regelungen, die personenbezogene Informationen aus dem Brief-, Post- und Fernmeldeverkehr betreffen, trotz der Spezialität des Art. 10 GG an den Anforderungen, die das BVerfG im Volkszählungsurteil an den Umgang mit den personenbezogenen Daten und an die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aufgestellt hat, zu messen.448 Die Vorschrift muss die Voraussetzungen und den Umfang der Beschränkungen des Art. 10 GG eindeutig erkennen lassen und eine Zweckbindung aufstellen, um den Einzelnen davor zu schützen, dass seine personenbezogenen Informationen für ihn in nicht mehr überschaubarer Weise an Dritte zur anderweitigen Verwendung weitergegeben werden. 447

BVerfGE 11, 126, 129 f.; 71, 81, 106. BVerfG, NJW 2000, 55, 57; BVerfG, NJW 2005, 2603, 2604; BVerfG, NJW 2006, 976, 979 f. 448

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§ 19 StUG stellt durch den Verweis auf die §§ 20 bis 23, 25, 26 StUG die erforderliche Zweckbindung her, indem die Datenübermittlung auf die dort geregelten Zwecke beschränkt wird. Für andere Zwecke ergibt sich somit ein Verwendungsverbot. Dementsprechend regelt § 29 StUG, dass die übermittelten personenbezogenen Informationen nur für die Zwecke verarbeitet und genutzt werden dürfen, für die sie der Bundesbeauftragte übermittelt hat. Für andere Zwecke dürfen sie nur mit Zustimmung des Bundesbeauftragten verwendet werden, wenn die Voraussetzungen der §§ 20 bis 23, 25 StUG vorliegen. Nach § 22 StUG i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, § 23 Abs. 1 StUG dürfen die personenbezogenen Informationen Betroffener oder Dritter an den PUA übermittelt und von diesem verwendet werden, wenn der Untersuchungsgegenstand mit den in § 23 Abs. 1 StUG genannten Straftaten in Zusammenhang steht und keine sonstigen strafprozessualen Verwertungsverbote entgegenstehen. Nicht personenbezogene Informationen dürfen nach § 23 Abs. 2 StUG sinngemäß auch für Untersuchungsgegenstände genutzt werden, die keine Katalogtat des § 23 Abs. 1 StUG betreffen, soweit die Informationen zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages erforderlich sind. Die Vorschriften regeln somit eindeutig die Voraussetzungen für eine Weitergabe der Unterlagen des MfS an den PUA sowie für eine Verwendung der personen- bzw. nicht personenbezogenen Informationen im PUV und konkretisieren die Zweckbindungsregelungen der §§ 19 Abs. 1, 29 StUG. Informationen, die der Klärung von Untersuchungsgegenständen dienen, die außerhalb der Verwendungszwecke in §§ 22, 23 StUG liegen, unterfallen somit einem Verwendungsverbot, so dass auch die Anforderungen des BVerfG aus dem Volkszählungsurteil erfüllt sind. 3. Verhältnismäßigkeit Der Verhältnismäßigkeitgrundsatz erfordert, dass die Übermittlung und Verwendung der Erkenntnisse aus den Unterlagen des MfS zur Aufklärung des parlamentarischen Untersuchungsgegenstandes geeignet, erforderlich und angemessen sind. Die im öffentlichen Interesse liegende Aufklärung von politischen Missständen ist wegen der verfassungsrechtlichen Verankerung des parlamentarischen Untersuchungsrechts ein legitimes Ziel. Unterlagen des MfS sind grundsätzlich auch geeignet, als Beweismittel zur Klärung des Sachverhaltes beizutragen.449 449 Ausführlich zum Beweiswert von Unterlagen des MfS: Aulehner, DÖV 1994, 853, 854 ff.

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Indem § 22 StUG i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 23 Abs. 1 StUG voraussetzt, dass die Unterlagen nur in dem erforderlichen Umfang verwendet werden dürfen und § 19 Abs. 3 StUG dem Bundesbeauftragten eine Pflicht zur Prüfung auferlegt, ob die Verwendung für den Zweck tatsächlich erforderlich ist, wird dem Verhältnismäßigkeitsprinzip auch insoweit ausreichend Rechnung getragen. Zum Teil wird allerdings die Pflicht des Bundesbeauftragten zur Prüfung der Verwendung von Akten des MfS im PUV nach § 19 Abs. 3 StUG für verfassungsrechtlich bedenklich gehalten, weil damit die Einschätzungsprärogative des Untersuchungsausschusses tangiert werde und das Untersuchungsrecht zu Gunsten der Exekutive unterlaufen werden könne.450 Für die Notwendigkeit der Prüfungspflicht spricht aber die besondere Sensibilität der Daten wegen der rechtsstaatswidrigen Gewinnung. Die Überprüfung der Erforderlichkeit verhindert, dass schutzwürdige Informationen, die für das Verfahren ohne Belang sind, durch die Herausgabe bekannt werden. Da der Bundesbeauftragte gemäß § 35 Abs. 5 StUG fachlich weisungsunabhängig und allein dem Gesetz unterworfen ist, ist die Gefahr, dass er die Aufklärung durch eine willkürliche Herausgabeverweigerung verhindern könnte, nicht gegeben.451 Wenn das Fehlverhalten des Bundesbeauftragten selbst Gegenstand der parlamentarischen Untersuchung ist, müsste die Prüfung, ob die Unterlagen im PUV zur Aufklärung erforderlich sind, wegen des Interessenkonflikts des Bundesbeauftragten durch eine andere Person erfolgen. Die Weitergabe und Verwendung der Stasiunterlagen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck stehen, den die ersuchende Behörde mit der Nutzung der Informationen verfolgt. Die Weitergabe und Nutzung der Stasiunterlagen beeinträchtigen auf der einen Seite die Grundrechte der Betroffenen auf Schutz vertraulicher Kommunikationsinhalte, tangieren aber auch die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter des MfS und der durch Maßnahmen des MfS geförderten oder begünstigten Personen. Eines besonderen Schutzes der Persönlichkeitsrechte der Opfer bedarf es umso mehr, weil das MfS die Informationen auf besonders rechtsstaatswidrige Weise erlangt hatte und die Informationsbestände gar nicht hätten existieren dürfen, wenn das Grundgesetz auch für das MfS gegolten hätte. Auf der anderen Seite kann die Verwendung der Unterlagen des MfS als Beweismittel das parlamentarische Untersuchungsrecht verbessern, dessen Wert wegen der besonderen demokratischen Bedeutung452 bei der Abwägung ebenfalls 450

Stoltenberg, StUG, § 22, Rn. 11. Bäumler/Gundermann, ZParl 1997, 236, 249 f.; Dammann, NJW 1996, 1946, 1947; eingeschränkt Schmidt/Dörr, StUG, § 19, Rn. 16, § 22, Rn. 8 ff. 452 Bäumler/Gundermann, ZParl 1997, 236, 249; Gielen, JR 2000, 140, 142; Palm/Roy, NJW 1998, 3005, 3008. 451

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zu berücksichtigen ist. Da beide Rechtsgüter, d.h. das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und das parlamentarische Untersuchungsrecht, verfassungsrechtlich geschützt sind, müssen sie so miteinander in Einklang gebracht werden, dass beide Verfassungswerte ausgewogen ihre Wirksamkeit behalten. Wer sich auf den Grundrechtsschutz beruft, muss sich auch den verfassungsrechtlichen Pflichten, die sich aus der parlamentarischen Untersuchung ergeben, unterwerfen. Denn der vom parlamentarischen Kontrollrecht verfolgte Schutz der Demokratie gewährleistet zugleich den Grundrechtsschutz des Einzelnen.453 Daher kann die Lösung nicht in einem generellen Ausschluss der Verwendung von Unterlagen des MfS im PUV liegen. Dem Grundrecht des Einzelnen trägt § 22 StUG i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 23 StUG dadurch Rechnung, dass der PUA personenbezogene Informationen Betroffener nur verwenden darf, wenn der Untersuchungsauftrag im Zusammenhang mit bestimmten schweren Straftaten steht. Ein schonender Ausgleich der widerstreitenden Interessen könnte allerdings daran scheitern, dass § 23 Abs. 1 S. 2 StUG das Nachteilsverwendungsverbot ausschließt, d.h., das Strafgericht bzw. sinngemäß der PUA darf die personenbezogenen Informationen nicht nur zu Gunsten des Opfers, sondern auch zu dessen Nachteil verwerten. Das bedeutet für das Strafverfahren, dass ein Strafgericht die Unterlagen des MfS heranziehen darf, um den Betroffenen wegen der von ihm begangenen Straftat zu einer Strafe zu verurteilen. Damit würde erneut durch die Weitergabe der Daten an Dritte in das Grundrecht des Betroffenen eingegriffen und ihm zusätzlich noch eine Strafe auferlegt. Der PUA dürfte die Daten zum Nachteil des Betroffenen benutzen, um ihm ein persönliches Fehlverhalten nachzuweisen und die Öffentlichkeit hierüber in Kenntnis zu setzen. Im Strafverfahren ist es verhältnismäßig, die personenbezogenen Daten zum Nachteil des Opfers bei der Verfolgung einer Katalogstraftat zu verwenden, weil sich der Straftatenkatalog – ähnlich wie der des § 100a StPO – auf besonders schwere Delikte beschränkt und die strafprozessualen Verwendungsbeschränkungen gelten.454 Dienen die Unterlagen des MfS der Aufklärung schwerwiegender Katalogstraftaten überwiegt die Pflicht des Staates, den staatlichen Strafanspruch durchzusetzen und die Allgemeinheit zu schützen, seine Pflicht, das Grundrecht des Betroffenen zu schützen. Fraglich ist, ob der Ausschluss des Verbotes, die personenbezogenen Daten des Betroffenen zu seinem Nachteil zu verwenden, auch im PUV verhältnismäßig ist. Die vom MfS erhobenen personenbezogenen Daten sind 453 So auch Engel, Stasiunterlagen, 287 ff. für die Verwendung der Stasiunterlagen durch den Bundesnachrichtendienst. 454 Klinghardt, NJ 1992, 185, 188; Schmidt/Dörr, StUG, § 23, Rn. 1; Stoltenberg, StUG, § 23, Rn. 12.

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zwar auf besonders rechtsstaatswidrige Weise durch einen Eingriff in eine vertrauliche Kommunikationsbeziehung entstanden und deshalb muss der Umgang mit diesen Daten besonders vorsichtig erfolgen. Zu Gunsten des parlamentarischen Untersuchungsrechts fällt aber ins Gewicht, dass der PUA – im Gegensatz zu den Strafgerichten – gegenüber dem Betroffenen keine Sanktion verhängt. Allerdings findet das PUV öffentlich mit großem Medieninteresse statt, so dass die parlamentarische Untersuchung belastende Rufschädigungen für den Betroffenen herbeiführen kann. Da die Mitglieder des Untersuchungsausschusses politische Interessen verfolgen, besteht die Gefahr, dass die Ausschussmitglieder die Informationen des MfS als Mittel zum politischen Kampf in die Auseinandersetzung einbeziehen, um den politischen Gegner öffentlich zu diffamieren.455 Die Strafverfolgungsbehörden sind dagegen zur Objektivität verpflichtet und der Richter ist bei der Urteilsfindung neutral. Der Bundesbeauftragte prüft jedoch frei und weisungsunabhängig, ob die personenbezogenen Informationen des Betroffenen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag stehen und zur Aufklärung erforderlich sind. Stellt er bei seiner Prüfung fest, dass die Daten zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages nicht notwendig sind und es den Fraktionen primär nicht um die Aufklärung eines die Öffentlichkeit interessierenden Vorfalls, sondern allein um die Verächtlichmachung des politischen Gegners zur Stärkung des eigenen politischen Ansehens geht, ist er verpflichtet, die Herausgabe zu verweigern. Dem parlamentarischen Untersuchungsrecht kommt zudem eine ebenso große Bedeutung zu wie dem staatlichen Strafanspruch456; eine Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter muss also in gleicher Weise stattfinden. Es ist daher angemessen, dass der PUA personenbezogene Informationen auch zum Nachteil des Betroffenen verwendet, um seinen Untersuchungsauftrag, der die Aufklärung einer Katalogstraftat zum Gegenstand hat, zu erfüllen. Außerdem hat der PUA zum Schutz des Betroffenen ausreichende Geheimhaltungsvorkehrungen zu treffen, soweit es der Untersuchungsauftrag zulässt. § 23 Abs. 1 S. 3 StUG sieht ferner zum ausreichenden Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen vor, dass die Verwertungsverbote der StPO unberührt bleiben.457 Die Rechtsgrundlage zur Übermittlung der personenbezogenen Daten aus Akten des MfS an den PUA aus § 22 StUG i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, § 23 StUG ist damit verhältnismäßig und erfüllt die verfassungsrechtlichen Anforderungen zur Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 10 GG bzw. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG. 455 Lesch, NJW 2000, 3035, 3037; Palm/Roy, NJW 1998, 3005, 3008; Vetter, ZParl 1993, 211, 227. 456 2. Kapitel, B. III. 4. a). 457 BT-Drucks. 12/1540, S. 61; Klinghardt, NJ 1992, 185, 188; Schmidt/Dörr, StUG, § 23, Rn. 12; Weberling, StUG, § 23, Rn. 2.

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III. Begrenzung des Herausgabeanspruchs durch § 23 Abs. 1 S. 3 StUG Das MfS hat die Informationen unter anderem gewonnen, indem es Telefongespräche der Betroffenen rechtsstaatswidrig heimlich abhörte. Wegen der rechtswidrigen Beweisgewinnung könnte sich aus § 23 Abs. 1 S. 3 StUG ein Beweisverwertungsverbot im PUV ergeben. Grundsätzlich kann aus jeder rechtswidrigen Beweismittelgewinnung nach Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalles zur Wahrung der Beweiserhebungsverbote und der Grundrechte ein Beweisverwertungsverbot folgen.458 1. Beweisverwertungsverbot nach § 136a Abs. 3 StPO Da das MfS die vertraulichen Telefongespräche heimlich abhörte, die Betroffenen also irrtümlich glaubten, eine ungestörte Kommunikation zu führen, könnte für die Benutzung der Abhörprotokolle des MfS durch den PUA ein Beweisverwertungsverbot aus Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. §§ 22, 23 Abs. 1 S. 3 StUG, § 136a Abs. 3 StPO Platz greifen. a) Anwendbarkeit im PUV § 136a Abs. 3 StPO stellt ein Beweisverwertungsverbot auf, wenn die Strafverfolgungsbehörde bei der Beweiserhebung gegen das Verbot des § 136a Abs. 1, 2 StPO verstoßen, also das Beweismittel unter Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden gewonnen hat. § 136a StPO ist nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG im PUV sinngemäß anwendbar. Nach seinem Wortlaut gilt § 136a StPO zwar nur für den Beschuldigten, den es im PUV nicht gibt. Gemäß § 69 Abs. 3 StPO ist § 136a StPO aber entsprechend auf die Zeugenvernehmung anzuwenden, so dass die Vorschrift – wie es § 24 Abs. 6 PUAG zutreffend vorsieht – auch für die Zeugen im PUV gilt. b) Beweiserhebung durch Vernehmung der Aussageperson § 136a StPO setzt aber eine Vernehmung voraus, d.h., der Vernehmende muss der Aussageperson in amtlicher Funktion gegenübertreten und in dieser Eigenschaft Auskunft verlangen.459 Aus der systematischen Anordnung im 458 3. Kapitel, B. V. 3. e) dd); 4. Kapitel, 1. Abschnitt, B. II. 2. c) bb); Hellmann, StrafprozessR, Rn. 783, 784; Vetter, ZParl 1993, 211, 232. 459 BGH, StV 1994, 521; BGH, NStZ 1996, 200; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 443 f.; Meyer-Goßner, StPO, § 136a, Rn. 4; Popp, NStZ 1998, 95; Roxin, StrafverfahrensR, § 25, Rn. 14 f.

C. Exkurs: Verwendung von Erkenntnissen des MfS im PUV

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Abschnitt „Vernehmung des Beschuldigten“ ist zu folgern, dass § 136a StPO für die richterliche Vernehmung gilt, gemäß §§ 163a Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 2 StPO aber auch bei Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft und Polizeibeamte460 sowie gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG durch den PUA zu beachten ist. Abhörmaßnahmen durch das MfS sind allerdings schon deshalb keine Vernehmung, weil das MfS der ehemaligen DDR, also nicht die inländischen staatlichen Stellen der BRD, die Adressaten der Regelung des § 136a StPO sind, die Erkenntnisse in den Abhörprotokollen ermittelte. Die Staatsgewalt der BRD und damit der Geltungsbereich des Grundgesetzes sowie der StPO erstreckten sich nicht auf das Gebiet der ehemaligen DDR. Art. 1 Abs. 3 GG besagt, dass nur die Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung der BRD an die Grundrechte gebunden sind. Daher war die Beweismittelgewinnung durch das MfS nicht verfassungs- und gesetzeswidrig im Sinne des Grundgesetzes und des § 136a Abs. 1 StPO der BRD461, so dass ein Beweisverwertungsverbot nach § 136a Abs. 3 StPO auszuscheiden scheint. c) Anwendung auf rechtswidrige private Ermittlungsergebnisse Soll ein Beweismittel, das von einer Privatperson unter Verstoß gegen die Rechtsordnung erlangt wurde, im Strafverfahren gegen die Betroffenen verwertet werden, ist zu klären, ob aus der rechtswidrigen privaten Beweisgewinnung ein strafprozessuales Beweisverwertungsverbot folgt. Da das MfS nicht an das Grundgesetz und die StPO der BRD gebunden war, die Situation insofern also der Beweismittelgewinnung durch Privatpersonen ähnelt, liegt es nahe, die dazu entwickelten Grundsätze anzuwenden. Rechtsprechung und Literatur behandeln die Fälle der rechtswidrigen Beweisgewinnung durch Privatpersonen allerdings nicht einheitlich. Eine Ansicht nimmt generell ein Beweisverwertungsverbot an.462 Der Gesetzgeber habe § 136a StPO eingeführt, um eine Wiederholung der Erfahrungen aus der nationalsozialistischen Zeit, in der Wahrheitsfindung um jeden Preis betrieben worden war, zu verhindern. Dieser Zweck werde aber vereitelt, wenn der Staat nichtstaatliche Institutionen oder Privatpersonen zur Hilfe nehmen könnte, um durch Täuschung über den Anlass des Gesprächs vom Beschuldigten Informationen zu erhalten, die der Staat anschließend im Strafverfahren gegen ihn verwerten könnte.463 Der Staat perpetuiere mit der 460

Hellmann, StrafprozessR, Rn. 476; Jahn, JuS 2000, 441, 444. Lesch, NJW 2000, 3035, 3038; Vetter, ZParl 1993, 211, 232. 462 Bienert, Private Ermittlungen, 92 f.; Jahn, JuS 2000, 441, 445; Joerden, Jura 1990, 633, 642; Lagodny, StV 1996, 167, 172; wohl auch Lesch, NJW 2000, 3035, 3038; Popp, NStZ 1998, 95. 463 Jahn, JuS 2000, 441, 445; ähnlich Popp, NStZ 1998, 95. 461

398 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

Verwertung der rechtswidrig erlangten Beweismittel Privater die rechtswidrige Beweislage – ähnlich wie der Hehler die rechtswidrige Besitzlage durch das Verschaffen der Beute aus der Vortat aufrechterhalte. Die Informationsquelle sei wegen der rechtswidrigen Erhebungsweise von vornherein „vergiftet“ und müsse ausgeschaltet werden.464 Die h. M. knüpft hingegen nicht generell an die rechtswidrige Beweismittelgewinnung durch Privatpersonen ein Beweisverwertungsverbot. Die Privatpersonen befänden sich in keiner vergleichbaren Pflichtenstellung wie die staatlichen Ermittlungsbehörden. Daher könne aus der rechtswidrigen Erlangung des Beweismittels durch eine Privatperson nicht generell ein Beweisverwertungsverbot gefolgert werden.465 Eine Ausnahme bestehe aber, wenn sich die staatlichen Behörden das private Verhalten wegen der Art des Zusammenwirkens oder der Umstände der Beweisgewinnung zurechnen lassen müssen.466 Die wohl h. M. nimmt – über die Fälle der Zurechnung hinaus – ein Beweisverwertungsverbot auch an, wenn die private Beweisgewinnung durch eine extreme Menschenrechtsverletzung erfolgt.467 Andere bejahen ein Verwertungsverbot schon, wenn die Abwägung der Umstände des Einzelfalls ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Betroffenen ergibt.468 Der h. M. ist der Vorzug zu geben. Art. 1 Abs. 3 GG bestimmt, dass nur staatliche inländische Organe die Grundrechte zu beachten haben. Privatpersonen sind untereinander grundsätzlich nicht zur Beachtung der Grundrechte verpflichtet. Lediglich bei der Auslegung der Gesetze können die Grundrechte mittelbare Drittwirkung entfalten.469 Gleiches gilt für die einfachgesetzlichen Regelungen der StPO. Zwar ist der Adressat einer strafpro464 Bienert, Private Ermittlungen, 93; Gundlach in: AK, StPO, § 136a, Rn. 13; Jahn, JuS 2000, 441, 445, Joerden, JuS 1993, 927, 928; ders., Jura 1990, 633, 642; Schmidt-Leichner, 46. DJT/II, 139. 465 BGHSt. 36, 167, 173; 44, 129, 134; Aulehner, DÖV 1994, 853, 857; Beulke, StrafprozessR, Rn. 478; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 477, 530; Otto, KleinknechtFS, 319, 338; Roxin, StrafverfahrensR, § 24, Rn. 48; Sarstedt, 46. DJT/II, F 6, F 65; Wichmann, Berufsgeheimnis, 78 f. 466 BGHSt. 44, 129, 134; Lesch, GA 2000, 365, 367 f.; Roxin, NStZ 1999, 149, 150. 467 BGHSt. 34, 362, 363; Beulke, StrafprozessR, Rn. 131, 479; enger Bockemühl, Private Ermittlungen, 126, der Beweisverwertungsverbote aus der rechtswidrigen Beweisgewinnung Privater im Fall eines jeden Verstoßes gegen die Menschenwürde oder den Kernbereich der Grundrechte bejahen will; Kleinknecht, NJW 1966, 1537, 1543; Meyer-Goßner, StPO, § 136a, Rn. 3; Otto, Kleinknecht-FS, 319, 327 ff. 468 Hellmann, StrafprozessR, Rn. 530 bei einer Verletzung des unantastbaren Kernbereichs; Rogall, ZStW 91 (1979), 1, 41 f.; wohl auch Vetter, ZParl 1993, 211, 232. 469 BVerfG, NJW 2001, 957, 958; Bäumler/Gundermann, ZParl 1997, 236, 243; Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 58, 59; Art. 1, Rn. 46; Sachs in: Sachs, GG, vor Art. 1, Rn. 32.

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zessualen Regelung nicht immer deren Wortlaut zu entnehmen, die Auslegung der Vorschriften über die Vernehmung ergibt aber, dass sie sich an den Richter und die staatlichen Strafverfolgungsbehörden – bzw. nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG an den PUA – richten. Da die Verwertung des rechtswidrig erlangten Beweismittels durch den Staat zu Beweiszwecken gegebenenfalls einen eigenständigen Grundrechtseingriff darstellt, der – je nach Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter im konkreten Einzelfall – zu einem selbstständigen Beweisverwertungsverbot führen kann, ist es allerdings nicht notwendig, auf den Akt der rechtswidrigen Beweisgewinnung durch die Privatperson abzustellen. Denn der Staat hat jedenfalls bei der Verwertung des Beweismittels die Grundrechte und die Rechtsordnung zu wahren.470 Lediglich wenn er Privatpersonen zielgerichtet einsetzt, um Beweise erheben zu lassen, muss ihm auch die rechtswidrige Beweisgewinnung aus rechtsstaatlichen Gründen zugerechnet werden, da er sich ansonsten seiner Grundrechtsbindung durch eine „Flucht ins Privatrecht“ entziehen und die Beweiserhebungsverbote umgehen könnte.471 Die Zurechnung der rechtswidrigen Beweisgewinnung durch die Privatperson hat deshalb zur Folge, dass sich aus dem Beweiserhebungsverbot zugleich ein Beweisverwertungsverbot für den Staat nach § 136a Abs. 3 StPO ergibt. Wegen der Unantastbarkeit der Menschenwürde und der Pflicht des Staates, diese nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG zu schützen, ist es dem Staat jedenfalls verboten, Beweismittel, die Private unter Verletzung der Menschenwürde gewonnen haben, zu verwerten.472 Zu diesem Ergebnis gelangen im Übrigen auch die Verfechter der Ansicht, dass das Gebot der Achtung der Menschenwürde zwischen Privatpersonen unmittelbare Geltung beansprucht.473 Der BGH hat in den Tonbandentscheidungen die Verwertung durch die Strafverfolgungsbehörden ebenfalls als neuen, selbstständigen Akt angesehen, der in die Grundrechte eingreife.474 Da die Strafverfolgungsbehörde bzw. der PUA die Verfassung und das einfache Recht zu beachten hat, kann die Verwertung des Beweismittels durch den Staat unzulässig sein, wenn der Staat mit der Verwertung das Grundgesetz verletzen würde.475 470 Beulke, StrafprozessR, Rn. 480; Bockemühl, Private Ermittlungen, 128; Dünnebier, 46. DJT/II, F 126. 471 Beulke, StrafprozessR, Rn. 481; Lagodny, StV 1996, 167, 170. 472 Bockemühl, Private Ermittlungen, 126; ähnlich Otto, Kleinknecht-FS, 319, 326 ff. 473 So Jarass/Pieroth, GG, Art. 1, Rn. 3a; Kunig in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 1, Rn. 27; Zippilius in: BK, GG, Art. 1, Rn. 35. 474 BGHSt. 14, 358, 365; 36, 167, 173 f. 475 So i. E. BVerfGE 34, 238, 247; BGHSt. 36, 167, 173; BayObLG, NJW 1990, 197, 198; BayObLG, NStZ 1994, 503, 504; Aulehner, DÖV 1994, 853, 857; Bockemühl, Private Ermittlungen, 128 f.; Schmitt, JuS 1967, 19, 24 f.

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Richtig ist also die These, dass die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen sind und ein Beweisverwertungsverbot zu bejahen ist, wenn das Grundrecht des Betroffenen das Interesse, das der Staat mit der Verwertung verfolgt, überwiegt. Beweismittel, die durch eine Beeinträchtigung der Menschenwürde oder des unantastbaren Bereichs des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts erlangt wurden, sind generell unverwertbar. Festzuhalten ist damit, dass sich nicht schon aus der rechtswidrigen Beweisgewinnung durch Privatpersonen ein generelles staatliches Beweisverwertungsverbot ergibt. Ein unselbstständiges Beweisverwertungsverbot besteht nur, wenn dem Staat das private Verhalten zuzurechnen ist oder ein besonders krasser Menschenwürdeverstoß vorliegt, der es den Rechtspflegeorganen zur Vorbeugung der Beschädigung ihres Ansehens und ihrer Glaubwürdigkeit verbietet, diese rechtswidrig gewonnenen Beweismittel zu benutzen. Ansonsten ist ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot nur aus dem staatlichen Verwertungsakt abzuleiten, wenn das Interesse des von der Beweisverwertung Betroffenen das Interesse an der Wahrheitsfindung überwiegt. d) Übertragung der Grundsätze auf das PUV Diese Grundsätze gelten gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 StUG auch im PUV. Aus der rechtswidrigen Beweiserlangung durch das MfS folgt für den PUA ein unselbstständiges Beweisverwertungsverbot, wenn dem Staat das rechtswidrige Verhalten des MfS zuzurechnen ist oder die Beweismittelgewinnung extrem menschenrechtswidrig war. aa) Keine Zurechnung der rechtswidrigen Beweisgewinnung Das rechtswidrige Verhalten des MfS muss sich die BRD jedoch auch nach der Wiedervereinigung nicht zurechnen lassen. Grundsätzlich beschränken sich die Staatsgewalt und die nationale bundesrechtliche Rechtsordnung auf das eigene Staatsgebiet, d.h., die Verfassung sowie die einfachgesetzlichen Regelungen binden nur die Staatsorgane der BRD. Daran ändert auch die Wiedervereinigung nichts. Mit dem Beitritt der ehemaligen DDR nach Art. 23 GG a. F. zum Hoheitsgebiet der BRD bestand die BRD als Staat weiter fort, ihr Staatsgebiet und ihre Staatsgewalt erstrecken sich seither auf die beigetretenen Gebiete. Die DDR ging als selbstständiges Rechtssubjekt unter. Zwar ist die BRD mit der Wiedervereinigung völkerrechtlich und innerstaatlich in die Rechtsposition der ehemaligen DDR gerückt476, dies gilt 476

BVerfGE 92, 277, 348; Klein, DÖV 1991, 569, 570.

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401

aber nicht rückwirkend, sondern erst ab dem Zeitpunkt der Staatennachfolge. Erst mit der Staatennachfolge traten für die beigetretenen Gebiete – soweit im Einigungsvertrag nichts anderes geregelt war – das Grundgesetz und die bundesrechtliche Rechtsordnung in Kraft477, so dass die rechtswidrige Beweisgewinnung durch das MfS den staatlichen Organen der BRD nicht zugerechnet werden kann478. bb) Schwerwiegende Verletzung der Menschenwürde durch das MfS Ein Beweisverwertungsverbot aus § 136a Abs. 3 StPO wegen der rechtswidrigen Beweisgewinnung des MfS würde aber eingreifen, wenn die Abhörmaßnahmen des MfS eine krasse Verletzung der Menschenwürde darstellen würden, weil das MfS die Betroffenen über die Ungestörtheit ihrer Kommunikation getäuscht haben könnte. Wie dargelegt479, setzt § 136a StPO ein Tätigwerden bei einer amtlichen Vernehmung voraus, an der es bei der Abhöraktion durch das MfS fehlt. Es ist aber anerkannt, dass § 136a StPO analog gilt, wenn sich der Betroffene in einer vernehmungsähnlichen Situation befindet, in der er sich faktisch veranlasst sieht auszusagen.480 Eine solche Situation bestand bei den Abhörmaßnahmen des MfS in der Regel für das Opfer nicht. Der Abgehörte wusste, dass er gegenüber seinem Gesprächspartner nicht zur selbstbelastenden Äußerung verpflichtet war, also hätte schweigen können. Die Beweismittelerlangung durch das MfS erfolgte zumeist nicht einmal mittels Täuschung, da es an einem irreführenden Verhalten gegenüber dem Opfer fehlte. Indem das MfS ein vertrauliches Gespräch ohne Wissen der am Telefongespräch Beteiligten abhörte, konnte das Abhöropfer allenfalls über die Privatheit und Ungestörtheit des Gesprächs irren. Das MfS hat den Gesprächspartnern allerdings nicht erklärt, das Gespräch werde nicht abgehört, so dass eine Täuschungshandlung nicht feststellbar ist. Das heimliche Abhören tangiert im Übrigen den Schutzzweck des § 136a StPO nicht, denn die Vorschrift schützt vor Beeinträchtigungen der Willensentschließungs- und Willensbetätigungsfreiheit. Eine derartige Beeinträchtigung ist 477 BVerfGE 84, 90, 122 = BVerfG, JZ 1992, 200, 203; KreisG Gera-Stadt, DÖV 1991, 562, 563; Busse, DÖV 1991, 345, 347; Horn, NJW 1990, 2173, 2175; Huber in: Sachs, GG, Art. 145, Rn. 6; Jarass/Pieroth, GG, Art. 145, Rn. 3; Klein, NJW 1990, 1065, 1070 f.; ders., DÖV 1991, 569; Weis, AöR 116 (1991), 1, 25 ff. 478 Aulehner, DÖV 1994, 853, 857; Bäumler/Gundermann, ZParl 1997, 236, 242; Dammann, NJW 1996, 1946; Glauben, DRiZ 2000, 165, 167; Palm/Roy, NJW 1998, 3005, 3006; Trute, JZ 1992, 1043, 1045. 479 4. Kapitel, 2. Abschnitt, C. III. 1. b). 480 BGH, NStZ 1996, 200, 201; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 444.

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aber erst gegeben, wenn der Aussagende nicht mehr in der Lage ist, frei über seine Aussage, ihren Umfang und Inhalt zu bestimmen.481 Nicht geschützt ist die Freiheit, darüber zu entscheiden, wem sich der Aussagende gegenüber äußert.482 Das heimliche Abhören durch das MfS hinderte den Betroffenen nicht daran, sich über Aussagepflicht, Inhalt und Umfang frei zu entscheiden, da er es selbst in der Hand hatte, was er einem anderen wie und in welchem Umfang mitteilt. Er irrte lediglich darüber, dass er sich nicht nur gegenüber seinem unmittelbaren Gesprächspartner, sondern auch gegenüber dem MfS äußerte. Dieses Vorgehen beeinträchtigte aber nicht die von § 136a StPO geschützte Willensentschließungs- oder Willensbetätigungsfreiheit483. Für diese Sicht spricht auch, dass ansonsten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen generell gegen § 136a StPO verstießen, denn konsequenterweise läge darin die Täuschung, dass neben dem Gesprächspartner weitere Personen das Gespräch mithören. Aber selbst wenn die Abhörmaßnahmen des MfS als Täuschung einzustufen wären, läge darin keine krasse Menschenrechtsverletzung, da eine Täuschung nicht ohne weiteres die Menschenwürde verletzt.484 Eine extreme Menschenrechtswidrigkeit ist unbestritten bei Folterungen, Drohungen mit dem Tode, Marter oder Einkerkerungen gegeben.485 Täuschungen beeinträchtigen die Menschenrechtswürde nicht in einem vergleichbaren Ausmaß.486 Dieses Ergebnis wird durch die Strafandrohungen der §§ 201, 343 StGB bestätigt.487 § 201 Abs. 3 StGB, der auf heimliche Abhöraktionen durch Amtsträger anwendbar ist, droht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren an. Die Aussageerpressung durch Misshandlung, seelische Qual oder Gewaltandrohung ist als Verbrechenstatbestand mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bedroht. Dieser Unterschied beruht darauf, dass der Unrechtsgehalt der Aufnahme nichtöffentlicher Gespräche geringer ist als der einer Aussageerpressung. 481 BGH, NStZ 1996, 200; Beulke, StrafprozessR, Rn. 130; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 457; Lesch, NJW 2000, 3035, 3038; Meyer-Goßner, StPO, § 136a, Rn. 5. 482 Ähnlich auch BGH, NStZ 1996, 200, der die bloße Irreführung über die Rolle einer Person, die von den Ermittlungsbehörden angesetzt wurde, nicht als Verletzung des § 136a StPO ansah, da sie nicht das Gewicht der übrigen Verstöße gegen die Willensfreiheit des § 136a StPO erreiche. 483 Ähnlich Lesch, NJW 2000, 3035, 3038. 484 Beulke, StrafprozessR, Rn. 135; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 463. 485 Beulke, StrafprozessR, Rn. 479; Hellmann, StrafprozessR, Rn. 477; Lesch, NJW 2000, 3035, 3038; Meyer-Goßner, StPO, § 136a, Rn. 3. 486 Wohl auch Hellmann, StrafprozessR, Rn. 477, der die Verwertung einer von einem Privatdetektiven durch Täuschung erlangten Aussage des Beschuldigten für zulässig hält; Lesch, NJW 2000, 3035, 3038; a. A.: Trute, JZ 1992, 1043, 1050. 487 So schon überzeugend Hellmann, StrafprozessR, Rn. 484; Lesch, NJW 2000, 3035, 3038.

C. Exkurs: Verwendung von Erkenntnissen des MfS im PUV

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Ein Verwertungsverbot ergibt sich aus § 136a Abs. 3 StPO allerdings für solche Protokolle des MfS, die Informationen enthalten, die das Opfer dem MfS aufgrund von Folter, sonstiger körperlicher Gewalt oder Drohung mit dem Tode preisgegeben hat. 2. Beweisverwertungsverbot nach § 477 Abs. 2 S. 2 StPO n. F. Ein Verbot der Verwendung personenbezogener Daten aus den heimlichen Abhörmaßnahmen des MfS im PUV könnte sich aber aus § 23 Abs. 1 S. 3 StUG i. V. m. § 477 Abs. 2 S. 2 StPO n. F. (bzw. der für Abhörmaßnahmen geltenden Vorläufervorschrift des § 100b Abs. 5 StPO a. F.) ergeben. Danach dürfen personenbezogene Informationen in anderen Strafverfahren zu Beweiszwecken nur verwendet werden, wenn sie zur Aufklärung einer Katalogtat im Sinne des § 100a StPO benötigt werden. Gegen die Anwendung des § 477 Abs. 2 S. 2 StPO n. F. (§ 100b Abs. 5 StPO a. F.) spricht nicht, dass die Erkenntnisse durch das MfS vor der Wiedervereinigung gewonnen wurden, denn die Vorschrift muss ihrem Regelungszweck nach auch bei Zufallsfunden aus einer im Ausland angeordneten und durchgeführten Telekommunikationsüberwachung beachtet werden.488 Der Anwendung des § 477 Abs. 2 S. 2 StPO n. F. (§ 100b Abs. 5 StPO a. F.) steht auch nicht entgegen, dass sich die Vorschrift nur auf Zufallsfunde aus einer rechtmäßig angeordneten Telekommunikationsüberwachung bezieht, denn was für die Verwendungsbeschränkungen rechtmäßiger Beweiserhebungen gilt, muss erst recht – wenn nicht noch in strengerem Maße – für rechtsstaatswidrige Informationsgewinnungen gelten. Nicht jeder Verstoß gegen § 100a StPO zieht jedoch ein Beweisverwertungsverbot nach sich, sondern es sind die Umstände des konkreten Falles und die widerstreitenden Interessen abzuwägen. Die Rechtsprechung verneint regelmäßig dann ein Verwertungsverbot, wenn das Beweismittel zur Aufklärung schwerwiegender Straftaten beiträgt und der Rechtsverstoß nur gering ist.489 Deshalb sind Erkenntnisse aus einer Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme, die nicht richterlich angeordnet war oder die 3-Monatsfrist überschritten hat, ausnahmsweise verwertbar, z. B. wenn die materiellen Eingriffsvoraussetzungen des § 100a StPO vorliegen und die Behörde nur aufgrund eines Versehens gegen die Anordnungsvoraussetzung verstoßen hatte.490 488 I. E. Eisenberg, BeweisR, Rn. 475; Meyer-Goßner, StPO, § 100a, Rn. 31; Schuster, NStZ 2006, 657, 661; Zietsch, Kriminalistik 1996, 129, 131 zu § 100b Abs. 5 StPO a. F. 489 BGHSt. 36, 167, 174; 38, 214, 219 f.; BGH, NJW 1999, 959, 961; LG Mannheim, StV 2002, 242 f.; Meyer-Goßner, StPO, § 100a, Rn. 21; Pfeiffer, StPO, § 100a, Rn. 1. 490 Pfeiffer, StPO, § 100a, Rn. 11.

404 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

Diese Abwägung der Schwere des Verfahrensfehlers und der Bedeutung für die Aufklärung hat das Gesetz in § 23 Abs. 1 Nr. 1 StUG für das Strafverfahren bereits getroffen.491 § 23 Abs. 1 Nr. 1b StUG führt nur Straftaten auf, die auch im Straftatenkatalog des § 100a StPO enthalten sind. Der Schweregrad der Straftaten nach § 23 Abs. 1 Nr. 1a, c, d StUG entspricht dem Gewicht der in § 100a StPO genannten Delikte, die den demokratischen Rechtsstaat gefährden. § 23 Abs. 1 Nr. 1 StUG lehnt sich also an den Straftatenkatalog des § 100a StPO an und ergänzt ihn schutzzweckorientiert um solche Straftaten, die im Zusammenhang mit dem früheren DDR-Regime oder dem nationalsozialistischen Regime stehen. Im Strafverfahren ist die Verwendung der Unterlagen des MfS zur Aufklärung der in § 23 Abs. 1 Nr. 1 StUG genannten Straftaten deshalb verhältnismäßig. Die in § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StUG getroffene Abwägung ist jedoch auf das PUV nicht übertragbar. Da § 100a StPO nicht sinngemäß im PUV anwendbar ist und Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG die Unanwendbarkeit anordnet, darf der PUA – wie bereits oben dargelegt492 – gemäß § 477 Abs. 2 S. 2 StPO n. F. (§ 100b Abs. 5 StPO a. F.) i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG Erkenntnisse aus Telefonüberwachungsmaßnahmen selbst dann nicht anfordern und verwenden, wenn er ein Missverhalten aufklären soll, das in einer Katalogtat nach § 100a StPO besteht. Da dem PUA die Vornahme einer Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme generell untersagt ist, darf er nach dem Rechtsgedanken des § 477 Abs. 2 S. 2 StPO n. F. (§ 100b Abs. 5 StPO a. F.) die rechtmäßig im Strafverfahren gewonnenen Telekommunikationsdaten auch nicht verwenden. Das muss erst recht für personenbezogene Informationen Betroffener, die das MfS durch die Telekommunikationsüberwachung rechtsstaatswidrig gewonnen hatte, gelten. Dies ist auch kein unbilliges Ergebnis. Die vom MfS erfassten Daten aus rechtswidrigen Telekommunikationsüberwachungen dienten dazu, ein nahezu vollständiges Persönlichkeitsbild des Einzelnen zu erstellen und stammen aus einem besonders vertraulichen Kommunikationsbereich.493 Die Verwendung dieser Erkenntnisse zum Nachteil der Opfer im Strafverfahren unter Einhaltung der besonderen strafverfahrensrechtlichen Vorkehrungen zuzulassen, ist zur Verfolgung schwerwiegender Straftaten angemessen. Anders liegt es dagegen im PUV, da Untersuchungsausschüsse – entgegen ihrem eigentlichen Zweck – bisweilen aus einer politischen Motivation heraus 491 Klinghardt, NJ 1992, 185, 187 f.; Lesch, NJW 2000, 3035, 3039; Schmidt/ Dörr, StUG, § 23, Rn. 1; Stoltenberg, StUG, § 23, Rn. 12; ähnlich Schröder, NJW 2000, 1455, 1458, der die Verwendbarkeit von Stasiunterlagen nach § 22 StUG – ohne Rückgriff auf § 23 StUG – von der Lösung der Verwertungsproblematik rechtswidrig erlangter Beweismittel im Strafprozess abhängig macht. 492 4. Kapitel, 2. Abschnitt, B. II. 2. 493 Engel, Stasiunterlagen, 287 ff.; Glauben, DRiZ 2000, 165, 167.

C. Exkurs: Verwendung von Erkenntnissen des MfS im PUV

405

eingesetzt werden. Deshalb ist die Gefahr groß, dass die Erkenntnisse nicht zur Kontrolle der Exekutive und zur Wahrung der Demokratie verwendet, sondern im politischen Machtkampf missbraucht werden. Im PUV fehlen zudem Schutzvorkehrungen, die denen des Strafverfahrens (Prüfung durch neutrale Richter) gleichwertig sind, um Missbräuche auszuschließen.494 Das parlamentarische Interesse, Missstände aufzuklären, wird auch nicht unverhältnismäßig beschränkt. Der PUA darf nämlich nach § 22 Abs. 1 StUG i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, § 23 Abs. 2 StUG die Unterlagen des MfS über Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, die keine personenbezogenen Informationen oder nur personenbezogene Daten der Begünstigten oder der Mitarbeiter des MfS im Sinne des § 6 Abs. 3 S. 2, Abs. 4-6 StUG enthalten, zur Sachverhaltsaufklärung heranziehen.495 Darin liegt kein Widerspruch zu dem zuvor gefundenen Ergebnis, dass die sinngemäße Anwendung des § 477 Abs. 2 S. 2 StPO n. F. (§ 100b Abs. 5 StPO a. F.) eine Verwertung der Abhörprotokolle im PUV gegen den Betroffenen ausschließt. § 23 Abs. 2 StUG enthält nämlich im Gegensatz zu § 23 Abs. 1 StUG keinen Verweis auf die Verwertungsverbote der StPO. Da das StUG nach §§ 4, 43 StUG anderen gesetzlichen Vorschriften, welche die Übermittlung von Unterlagen des MfS regeln, vorgeht, steht § 23 Abs. 2 StUG dem Rückgriff auf die Verwertungsverbote der StPO entgegen. Personenbezogene Informationen über Begünstigte und Mitarbeiter des MfS sind wegen deren enger Verbindung zum MfS zudem nicht besonders schutzwürdig. Diese Personen haben daher eine stärkere Einschränkung ihrer Persönlichkeitsrechte hinzunehmen, damit der PUA den im öffentlichen Interesse liegenden Untersuchungsauftrag erfüllen kann.496 Bei der Erörterung der Informationen muss der PUA aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren. Dazu kann es erforderlich sein, im konkreten Einzelfall ausreichende Geheimschutzvorkehrungen zu treffen.

IV. Verwertung sonstiger Erkenntnisse des MfS Das MfS hatte personenbezogene Informationen nicht nur durch Telekommunikationsüberwachungen, sondern auch durch heimliche Beobachtung, Anfertigung von Fotoaufnahmen sowie durch Mithören und Aufzeichnen vertraulicher Gespräche in Wohnungen und anderen Räumlichkeiten 494 Bäumler/Gundermann, ZParl 1997, 236, 252; Lesch, NJW 2000, 3035, 3037; Palm/Roy, NJW 1998, 3005, 3008; Vetter, ZParl 1993, 211, 227. 495 BT-Drucks. 12/723, S. 24; Klinghardt, NJ 1992, 185, 188; Schmidt/Dörr, StUG, § 23, Rn. 13; Stoltenberg in: Das Deutsche Bundesrecht, § 23, S. 72; Weberling, StUG, § 23, Rn. 3 – alle allgemein zu § 23 StUG ohne Bezug zum parlamentarischen Untersuchungsrecht. 496 Schmidt/Dörr, StUG, § 23, Rn. 13.

406 4. Kap., 2. Abschn.: Post-/Briefbeschlagnahme, Überwachungsmaßnahmen

mittels „Wanzen“ gewonnen. Die Verwertung solcher Informationen im PUV greift in Art. 13 GG und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG in Form des Rechts am eigenen Bild und Wort, auf informationelle Selbstbestimmung und auf Schutz der Privatsphäre ein, so dass die Verwertung nur zulässig ist, wenn der Eingriff gerechtfertigt ist. Grundsätzlich gilt auch hier, dass der PUA die personenbezogenen Informationen der Betroffenen oder Dritten gemäß § 22 StUG i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, § 23 Abs. 1 StUG allenfalls verwenden darf, wenn der Untersuchungsgegenstand mit der Aufklärung der in § 23 Abs. 1 StUG genannten Katalogtaten im Zusammenhang steht. Es sind jedoch nach § 23 Abs. 1 S. 3 StUG die Verwertungsverbote der StPO, d.h. auch die Verwendungsbeschränkungen nach § 477 Abs. 2 S. 2 StPO n. F. und § 477 Abs. 2 S. 4 i. V. m. § 100d Abs. 5 Nr. 1 StPO n. F. (§§ 100d Abs. 6, 100f Abs. 5 StPO a. F.) zu beachten, die – wie bereits dargelegt497 – im PUV eng auszulegen sind. Mangels eigener Erhebungsbefugnisse nach § 100c StPO und § 100f Abs. 1 StPO n. F. (§ 100f Abs. 2 S. 1 StPO a. F.) darf der PUA Erkenntnisse, die in einem Strafverfahren aus einer Abhörmaßnahme oder einer Aufzeichnung des nichtöffentlich gesprochenen Wortes in und außerhalb von Wohnungen gewonnen wurden, selbst dann nicht verwenden, wenn er die Informationen zur Aufklärung eines Sachverhalts, der mit einer Katalogstraftat nach §§ 100a, 100c Abs. 2 StPO zusammenhängt, benötigt. Daraus folgt, dass der PUA alle personenbezogenen Informationen Betroffener, die das MfS durch Abhörmaßnahmen oder Aufzeichnungen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes außerhalb oder in der Wohnung mit technischen Mitteln hervorgebracht hat, nicht verwenden darf, soweit es sich um Informationen über Unbeteiligte, also Personen, die keine Mitarbeiter oder Begünstigten des MfS waren, handelt. Anderes gilt für Lichtbildaufnahmen und für Erkenntnisse aus Observationsmaßnahmen mit sonstigen technischen Mitteln, weil die StPO für die Erkenntnisse aus diesen Maßnahmen keine besondere Verwendungsbeschränkung im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 3 StUG trifft. Deshalb kann der PUA diese Ergebnisse zur Aufklärung eines Missstandes verwenden, der mit einer der in § 23 Abs. 1 S. 1 StUG genannten Straftaten im Zusammenhang steht. Für Informationen ohne Personenbezug oder personenbezogene Informationen, die ausschließlich Mitarbeiter oder Begünstigte des MfS betreffen, besteht ein Zugriffsrecht des Untersuchungsausschusses nach § 22 StUG i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, § 23 Abs. 2 StUG, das aber im Einzelfall 497

4. Kapitel, 2. Abschnitt, B. II. 2., 3.

C. Exkurs: Verwendung von Erkenntnissen des MfS im PUV

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wegen Unverhältnismäßigkeit der Verwertung begrenzt sein kann, z. B. wenn die Information höchstpersönlichen Charakter hat.

V. Ergebnis Parlamentarische Untersuchungsausschüsse dürfen grundsätzlich die vom MfS gewonnenen Erkenntnisse über die Opfer auch zu deren Nachteil nach § 22 StUG i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, § 23 Abs. 1 Nr. 1 StUG verwerten, wenn der PUA eine in § 23 Abs. 1 Nr. 1 StUG aufgeführte Katalogtat aufklären will. Eine Ausnahme besteht jedoch für personenbezogene Informationen Betroffener, die das MfS durch Telekommunikationsüberwachungen oder durch Maßnahmen zum Abhören des nichtöffentlich gesprochenen Wortes innerhalb und außerhalb der Wohnung gewonnen hat. Diese Daten sind im PUV nach § 23 Abs. 1 S. 3 StUG i. V. m. § 477 Abs. 2 S. 2 StPO n. F. bzw. § 477 Abs. 2 S. 4 i. V. m. § 100d Abs. 5 Nr. 1 StPO n. F. generell unverwertbar. Nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. §§ 22, 23 Abs. 2 StUG dürfen dagegen alle nichtpersonenbezogenen Daten und personenbezogene Daten, die Begünstigte und Mitarbeiter des MfS betreffen, uneingeschränkt – auch zu deren Nachteil ohne Beschränkung auf bestimmte Straftaten – im PUV verwendet werden.

Zusammenfassung 1. Der PUA ist ein Mittel des Parlaments, um die Exekutive zu kontrollieren. Das parlamentarische Untersuchungsrecht hat eine wesentliche Bedeutung für die Demokratie, weil der PUA einen bestimmten Missstand, dessen Aufklärung im Interesse der Öffentlichkeit liegt, untersucht und das Parlament und die Bevölkerung über die Vorgänge, Ursachen und Verantwortlichen des Missstands in Kenntnis setzt. Parlament und Bevölkerung werden durch die parlamentarische Untersuchung befähigt, auf das aufgeklärte Fehlverhalten zu reagieren. Da das PUV ebenso wie das Strafverfahren, das den staatlichen Strafanspruch durchsetzt, zur Sicherung eines bedeutenden staatlichen Interesses einen Sachverhalt wahrheitsgemäß aufzuklären hat, stehen dem PUA nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG grundsätzlich dieselben Beweiserhebungsbefugnisse zur Wahrheitserforschung zur Verfügung wie den Strafverfolgungsbehörden. Der PUA klärt den Sachverhalt aber nicht unter strafrechtlichen, sondern unter politischen Gesichtspunkten auf. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass der PUA ein Ergebnis feststellt, das von dem des Strafgerichtes abweicht. Die PUA-Mitglieder wollen als Parteiangehörige nicht nur ein konkretes Fehlverhalten objektiv aufklären, sondern sie verfolgen oft auch parteipolitische Ziele, welche die Aufklärungsarbeit im PUV beeinflussen können. Daher kommen PUA-Mitglieder nicht selten in die Versuchung, den politischen Gegner während der öffentlichen Beweisaufnahme erheblich unter Druck zu setzen, um ihn zu einer umfassenden Aussage zu bewegen oder seine Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit zu schwächen, weil er sich bei seiner Aussage in Widersprüche verstrickt. Häufig nehmen sie schon vor dem Abschluss der Untersuchung öffentlich Stellung zu dem Vorwurf und verurteilen den von der Untersuchung Betroffenen vorweg oder tadeln ihn öffentlich. Die PUA-Mitglieder weisen somit bei der Untersuchung nicht die Neutralität eines Richters im Strafprozess auf. Der PUA hat jedoch neben dem Gewaltenteilungs- und Bundesstaatsprinzip vor allem auch die Grundrechte des Einzelnen zu wahren, so dass die Gefahr stark politisch beeinflusster Untersuchungshandlungen gemindert wird. Zudem bedarf das Parlament für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eines Anfangsverdachts wegen des Vorliegens des Untersuchungsgegenstandes, um zu verhindern, dass Fraktionen einen PUA nur zur Ausforschung und Diffamierung des politischen Gegners und zur Stärkung ihres eigenen politischen Ansehens einsetzen.

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2. Ein wesentlicher Unterschied zum Strafverfahren besteht darin, dass der PUA keine Sanktion gegenüber dem Betroffenen verhängt, selbst wenn der PUA am Ende der Untersuchung dessen Fehlverhalten feststellt. Der PUA fasst sein Untersuchungsergebnis lediglich in einem Abschlussbericht zusammen und leitet diesen an das Parlament weiter, das dann anhand der Erkenntnisse über das weitere Vorgehen entscheidet. Da der PUA keine Sanktion verhängt, gibt es im PUV auch keinen Beschuldigten. Eine umfassende Freistellung von aktiven Mitwirkungspflichten – wie beim Beschuldigten im Strafprozess – widerspricht zum einen dem parlamentarischen Aufklärungsinteresse und wird zum anderen auch nicht gefordert vom nemo-tenetur-Grundsatz. Diesem Prinzip ist ausreichend Rechnung getragen, wenn der Betroffene nur dann von der Aussage- und Mitwirkungspflicht entbunden wird, falls er durch die Beantwortung einer Frage oder durch die Herausgabe eines Gegenstandes der Gefahr ausgesetzt ist, sich strafrechtlich belasten zu müssen. Ein möglicher Ansehensverlust des Betroffenen ist dagegen nur eine mittelbare Folge des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens, die erst dadurch ausgelöst wird, dass die Bevölkerung auf die im PUV bekannt gewordenen Erkenntnisse reagiert. Weder Abschlussbericht noch Rufschädigungen oder Amtsverlust im Fall eines Rücktritts u. ä. kommen in ihrer Belastung einer strafprozessualen Sanktion gleich. Der nemo-tenetur-Grundsatz schützt zudem nicht vor der Androhung oder Anwendung von Zwang zur Herbeiführung einer Mitwirkung, die eine Ehrverletzung oder berufliche bzw. wirtschaftliche Nachteile auslösen kann, sondern nur davor, dass die Ergebnisse der selbstbelastenden Mitwirkung einer staatlichen Sanktion zu Grunde gelegt werden. 3. Da PUV und Strafverfahren wesensmäßig unterschiedliche Funktionen haben, die in ihrer Wichtigkeit für die Rechts- und Gesellschaftsordnung aber von gleichem Rang sind, müssen beide Verfahren nebeneinander ablaufen können. Der PUA muss sein Verfahren also nicht bis zum Abschluss des Strafverfahrens aussetzen. Die ermittelnden Stellen beider Verfahren sind aber zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet und haben das eigene Verfahren unter größtmöglicher Schonung des anderen Verfahrens durchzuführen. 4. PUA und Strafverfolgungsbehörden bzw. Strafgerichte sind einander zur Unterstützung und Hilfe bei der Sachverhaltsaufklärung verpflichtet, so dass grundsätzlich auch die jeweils ermittelten Erkenntnisse auf Ersuchen an das andere Verfahren weitergegeben und in diesem Verfahren zu dem jeweiligen Untersuchungszweck verwendet werden dürfen. Die Weitergabe und Nutzung personenbezogener Daten zu einem anderen Verwendungszweck als dem, zu dem die Daten erhoben worden sind, stellen zwar eigenständige Eingriffe in Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG dar, die aber durch §§ 161

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Abs. 1, 95, 474 StPO (i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG) grundsätzlich gerechtfertigt sind. 5. Obwohl PUV und Strafverfahren nebeneinander ablaufen können und die Informationen zwischen beiden Verfahren grundsätzlich ausgetauscht werden dürfen, ergibt sich für den Betroffenen, der im PUV die Stellung eines Zeugen hat, keine Schmälerung seiner Beschuldigtenrechte im Strafverfahren. a) Zwar entstehen Konflikte mit der strafprozessualen Beschuldigtenstellung, weil den Betroffenen als Zeugen im PUV Aussage-, Mitwirkungsund Wahrheitspflichten treffen. Diese Zeugenpflichten beeinträchtigen die Beschuldigtenrechte im Strafverfahren aber nicht, denn im Fall einer uneidlichen Falschaussage vor dem PUA und einer Gefahr strafrechtlicher Selbstbelastung wird der Betroffene hinreichend durch § 157 StGB und § 55 Abs. 1, 1. Alt. StPO sowie das Recht, einen Rechtsbeistand beizuziehen, geschützt. Zum Schutz der Ehre des Betroffenen und zur effektiven Wahrnehmung seiner Rechte im PUV sind §§ 68a, b StPO nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG sinngemäß anzuwenden. Insoweit ist das PUAG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG zu ergänzen. Eine Erweiterung des Auskunftsverweigerungsrechts auf Fragen, deren Beantwortung den Betroffenen zur Unehre gereichen würde, ist allerdings abzulehnen. b) Nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG findet im PUV nur § 97 Abs. 3, 5 StPO entsprechende Anwendung, nicht auch § 97 Abs. 1 StPO. Trotz der Unanwendbarkeit des § 97 Abs. 1 StPO erleidet der Betroffene in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren keine Nachteile. Der PUA darf nämlich von Verfassungs wegen ebenfalls keine Unterlagen oder sonstigen Gegenstände des Betroffenen mit höchstpersönlichen Daten, die er einem Familienangehörigen überlassen hat, beschlagnahmen. Auch die persönlichen Unterlagen, die der Betroffene seinem Rechtsanwalt, den er in dem konkreten PUV hinzugezogen hat, übergibt, unterliegen wegen des Gebots einer fairen Verfahrensgestaltung grundsätzlich einem Beschlagnahmeverbot im PUV. Gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 160a Abs. 1 StPO n. F. darf der PUA auch bei den Zeugnisverweigerungsberechtigten nach § 53 Abs. 1 Nr. 1, 2 StPO oder Dritten grundsätzlich keine Unterlagen beschlagnahmen, aus denen sich voraussichtlich Erkenntnisse ergeben, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht des § 53 Abs. 1 Nr. 1, 2 StPO erstreckt. Dem PUA ist es nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG (für Familienangehörige) bzw. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. § 160a Abs. 2 StPO n. F. (für Berufsgruppen im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 3–3b StPO) zudem untersagt, vertrauliche Unterlagen des Betroffenen, die dieser einem Zeugnisverweigerungsberechtigten anvertraut hat, zu beschlagnahmen, wenn die Informationen strafrechtlich

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relevant sind und der PUA ein Fehlverhalten des Betroffenen aufzuklären hat, das zugleich Gegenstand des Strafverfahrens ist. Denn in diesem Fall müsste der PUA zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen die aus der Beschlagnahme gewonnenen persönlichen Informationen im Abschlussbericht anonymisieren und seine Mitglieder wären zur Geheimhaltung verpflichtet. Hierdurch wäre der PUA gehindert, den Untersuchungsauftrag zu erfüllen, weil die privaten Daten des Betroffenen, die das Fehlverhalten beweisen, weder in den Abschlussbericht eingehen und dem Parlament zugeleitet noch der Öffentlichkeit zugetragen werden dürften. Dann muss es dem PUA aber schon untersagt sein, die persönlichen Gegenstände zu beschlagnahmen, weil der mit der Beschlagnahme verbundene Eingriff in die Privatsphäre des Betroffenen unverhältnismäßig ist, da die privaten Informationen nicht dem Zweck der parlamentarischen Aufklärung dienlich sind. Lediglich ein strafprozessuales Verwendungs- und Beweisverwertungsverbot mit einer Fernwirkung für die durch die Beschlagnahme im PUV gewonnenen Erkenntnisse zu gewähren, wäre dagegen kein gleich geeignetes, weniger belastendes Mittel zum Schutz der Persönlichkeitssphäre des Betroffenen. Denn die Strafverfolgungsbehörden könnten wegen der Öffentlichkeitswirksamkeit des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens in der Regel den Nachweis, dass die Kausalität zwischen den öffentlich erörterten privaten Daten des Betroffenen im PUV und der eigenständigen Ermittlung dieser Daten durch die Strafverfolgungsbehörden fehlt, bzw. den Nachweis eines hypothetisch rechtmäßigen Kausalverlaufs nicht erbringen. Dies hätte zur Folge, dass die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in einem zeitgleich oder anschließend ablaufenden Strafverfahren lahm gelegt wäre. Der PUA kann aber im Einzelfall auch strafrechtlich relevante, persönliche Gegenstände des Betroffenen, die für die Sachverhaltsaufklärung notwendig sind und sich im Gewahrsam eines Zeugnisverweigerungsberechtigten (ausgenommen sind Berufsangehörige gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1, 2 StPO) befinden, beschlagnahmen, wenn die Informationen nicht den Kern des Untersuchungsauftrags, sondern nur eine Vorfrage oder einen Annex betreffen. Der PUA hat dann allerdings die beschlagnahmten Schriftstücke und sonstigen Gegenstände unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu erörtern, entsprechende Geheimschutzvorkehrungen zu treffen und die PUA-Mitglieder haben über den Inhalt der Akten Verschwiegenheit zu bewahren. Die Geheimhaltung schränkt den Untersuchungszweck nicht unverhältnismäßig ein, weil sich der Öffentlichkeitsausschluss bzw. der Geheimschutz nur auf einen Teilbereich der Untersuchung erstreckt. Damit kann der PUA seinen Auftrag erfüllen, aber zugleich das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen wahren. Der Gesetzgeber sollte aber die Pflicht der PUA-Mitglieder, das private Geheimnis des Betroffenen geheim zu halten, strafrechtlich

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absichern, indem er den Täterkreis in § 203 StGB auf die PUA-Mitglieder erweitert. Darin liegt keine unzulässige Beschränkung des Rederechts des Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG, da schon Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG von Verfassungs wegen das Rederecht zulässig beschränkt. Die Strafnorm würde also lediglich die Einhaltung der verfassungsrechtlich begründeten Geheimhaltungspflicht sichern. Für die Strafverfolgungsbehörden besteht von Verfassungs wegen bzw. nach § 160a Abs. 2 S. 1, 1., 2. HS StPO n. F. ein Verbot, vom PUA über den Inhalt der beschlagnahmten Unterlagen Auskunft zu verlangen oder die vom PUA beschlagnahmten Unterlagen oder sonstigen Gegenstände herauszuverlangen, einzusehen oder zu beschlagnahmen. Bei Verletzung dieser Beweiserhebungsverbote durch die Strafverfolgungsbehörden resultiert aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG bzw. § 160a Abs. 2 S. 2 StPO n. F. ein Beweisverwertungsverbot. 6. Wenn sich der Betroffene wegen eines gegen ihn laufenden bzw. ihm drohenden Ermittlungsverfahrens auf sein Auskunftsverweigerungsrecht beruft, beeinträchtigt er die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses, weil er diesem für die Erfüllung des Untersuchungsauftrages entscheidende Informationen vorenthält. Der PUA ist zudem nicht in der Lage zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für das Auskunftsverweigerungsrecht tatsächlich vorliegen, weil der Betroffene die Gefahr einer Selbstbelastung nicht darlegen, sondern nur eidlich versichern muss. Dem PUA stehen deshalb oft nur Randfiguren, die sich nicht selbst belasten würden, bei der Sachverhaltsermittlung zur Verfügung, so dass die Untersuchungstätigkeit erheblich länger dauert oder der PUA den Untersuchungsauftrag nicht vollständig erfüllen kann. a) Weder eine Pflicht zur Aussetzung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens oder zum Ausschluss der Öffentlichkeit noch eine Aufhebung des Auskunftsverweigerungsrechts können in gesetzlich zulässiger Weise das Aufklärungsdefizit beseitigen, das dem PUA droht, wenn sich die entscheidenden Zeugen auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht berufen. b) Würde der PUA dem Betroffenen eine uneingeschränkte Aussagepflicht auferlegen, die mit Zwangsmitteln durchsetzbar wäre, verstieße der PUA gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst strafrechtlich zu belasten. aa) Zwar sind die Voraussetzungen, die das BVerfG in der Gemeinschuldnerentscheidung für die Rechtmäßigkeit einer uneingeschränkten Aussagepflicht in einem außerstrafrechtlichen Verfahren fordert, erfüllt, weil ein höherrangiges Drittinteresse den Eingriff in das nemo-tenetur-Prinzip rechtfertigen kann. Dieses Interesse besteht darin, die Allgemeinheit in die Lage zu versetzen, sich eine umfassende politische Meinung zu bilden und die Personen, die der Wähler am geeignetsten hält, in das Parlament zu

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entsenden. Um dieser Entscheidung eine zutreffende Basis zu verschaffen – und allgemein zur Stärkung der Demokratie –, ist die Allgemeinheit auf Informationen über einen Missstand und dessen Ursachen sowie auf Informationen über die verantwortlichen Personen angewiesen. Der PUA soll der Bevölkerung dieses notwendige Wissen verschaffen. Das Interesse der Allgemeinheit überwiegt das Interesse des Betroffenen, vor der Androhung oder Anwendung von Zwang zur Herbeiführung einer Selbstbelastung geschützt zu werden. Die Hoheitsträger, die von der parlamentarischen Untersuchung betroffen sind, stehen nämlich bei der Ausübung ihrer Aufgaben in einer besonderen Beziehung zum Staat, wegen der sie gegenüber dem Parlament und dem Volk einer erhöhten Rechenschaftspflicht unterliegen. Der Hoheitsträger ist diese Beziehung zum Staat regelmäßig durch einen freiwilligen Willensentschluss eingegangen und war sich bei seiner Entscheidung der erhöhten Rechenschaftspflicht bewusst. Beruft er sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht, entzieht er sich dieser Pflicht. Der Betroffene weiß zudem am besten über das Geschehen Bescheid. Der Personenkreis, der in den politischen Skandal involviert ist und wegen der Selbstbelastungsgefahr vom Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen darf, kann unter Umständen groß sein. Ließe man ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, stünden dem PUA allenfalls Randfiguren, die nur Mosaikteile des Beweisgebäudes liefern können, zur Aufklärung zur Verfügung, so dass der PUA den Untersuchungsauftrag nur teilweise erfüllen könnte. bb) Das BVerfG hat aber in der Gemeinschuldnerentscheidung zugleich den Staat verpflichtet, sicherzustellen, dass die selbstbelastenden Informationen des Gemeinschuldners nicht im Strafverfahren gegen ihn verwendet werden. Diese Anforderung kann der PUA weder durch einen Öffentlichkeitsausschluss oder Geheimnisschutz noch durch ein Beweisverwertungsverbot mit Fernwirkung erfüllen. Denn die miteinander konfligierenden Rechtsgüter – nämlich das parlamentarische Untersuchungsrecht, das nemotenetur-Prinzip und die Pflicht des Staates zur Durchsetzung des Strafanspruchs – müssen in einen harmonischen Ausgleich im Sinne der praktischen Konkordanz gebracht werden. Öffentlichkeitsausschluss und Geheimnisschutz hindern den PUA daran, seinen Untersuchungsauftrag zu erfüllen, weil er die selbstbelastenden und geheim zu haltenden Informationen, die das Fehlverhalten beweisen, nicht der Öffentlichkeit und dem Parlament zutragen und im Abschlussbericht namentlich aufführen dürfte. Dürften die Strafverfolgungsbehörden die selbstbelastenden Informationen, die der Betroffene vor dem PUA offenbart hat, nicht verwerten und würde dem Beweisverwertungsverbot zum Schutz vor einer Selbstbelastung eine Fernwirkung zukommen, würde das Strafverfahren lahm gelegt. Denn

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eine verfassungsrechtlich zulässige Ausnahme von der Fernwirkung besteht nur, wenn die Staatsanwaltschaft bzw. das Strafgericht nachweist, dass die Beweismittel unabhängig von der selbstbelastenden Aussage oder Mitwirkung des Betroffenen im PUV erlangt wurden oder hätten erlangt werden können. Dieser Nachweis kann in der Praxis – im Gegensatz zum Insolvenz- und Besteuerungsverfahren – wegen des besonderen Öffentlichkeitsbezuges des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens regelmäßig nicht erbracht werden, es sei denn, die Staatsanwaltschaft hätte die Informationen schon vor Aufnahme der Ermittlungstätigkeit durch den PUA erlangt und dokumentiert. In diesem Fall wäre es aber nicht erforderlich, den Betroffenen im PUV der Aussagepflicht zu unterwerfen, weil der PUA sich die Information als milderes Mittel von der Staatsanwaltschaft im Wege der Amtshilfe verschaffen könnte. Auch der Vorschlag, ein Strafverfahrenshindernis zu statuieren, wenn der Betroffene einer erzwingbaren Aussage- und Herausgabepflicht im PUV unterliegt, ist dem Einwand ausgesetzt, dass dadurch die Strafverfolgung lahm gelegt wird. Die Strafverfolgungsbehörden wären nämlich gehindert, ein Strafverfahren einzuleiten bzw. weiterzuführen, könnten also der Pflicht nach Art. 20 GG, den Strafanspruch umzusetzen, nicht nachkommen. Ein Strafverfolgungshindernis nur für die Verfolgung von Vergehen zu begründen, und dem Betroffenen, der ein Verbrechen begangen hat, im PUV ein Auskunftsverweigerungsrecht einzuräumen, ist zur Lösung des Konflikts zwischen dem Ausklärungsinteresse des Ausschusses und dem Interesse des Betroffenen, vor strafrechtlicher Selbstbelastung geschützt zu werden, nicht geeignet. Zum einen steht zu Beginn der Untersuchung durch den PUA das Ausmaß des aufzuklärenden Fehlverhaltens oft noch nicht fest. Zum anderen können die Strafverfolgungsbehörden Rückschlüsse auf die begangene Tat ziehen, wenn sich der Betroffene wegen eines Verbrechensverdachts auf sein Auskunftsverweigerungsrecht beruft. Darauf könnte die Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungsmaßnahmen stützen. Auch der Vorschlag, einen „Beichtrichter“ einzuführen, der in geheimer Sitzung die Voraussetzungen für ein Auskunftsverweigerungsrecht überprüft, ist abzulehnen. Diesem Vorgehen steht schon der Verweis auf den Strafprozess in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG entgegen, weil das Strafprozessrecht die Einsetzung eines Richters, der prüft, ob die Voraussetzungen des Auskunftsverweigerungsrechts tatsächlich vorliegen, nicht vorsieht. Der Verweis auf den Strafprozess in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG steht auch der Übertragung des verwaltungsgerichtlichen „in-camera-Verfahrens“, das zudem einen Ausgleich anderer konfligierender Rechtsgüter bezweckt, entgegen, zumal die Einführung des „in-camera-Verfahrens“ in das PUV nicht – wie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren – zu Gunsten, sondern zu Lasten des Betroffenen erfolgen würde.

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7. Im Ergebnis muss dem Betroffenen im PUV ein Auskunftsverweigerungsrecht zustehen, wenn er sich durch die Beantwortung der Frage der Gefahr einer Selbstbelastung aussetzen würde. Um aber einen Anreiz dafür zu schaffen, dass der Betroffene freiwillig davon absieht, von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, und stattdessen vor dem PUA selbstbelastend und umfassend aussagt, sollte folgende Strafmilderungsregelung eingeführt werden: „Das Gericht soll die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern, wenn der Betroffene vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein von ihm begangenes Vergehen oder Verbrechen, das den Gegenstand der parlamentarischen Untersuchung bildet, freiwillig offenbart und dadurch die Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes fördert. An die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe tritt eine Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren. Das Gericht kann ganz von Strafe absehen, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen verwirkt ist. Freiwillig handelt der Betroffene, wenn er mit seinem Geständnis zum Ausdruck bringt, dass er die verletzte Rechtsnorm anerkennt und künftig befolgen wird, und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsordnung wiederherstellt.“ 8. Der PUA ist nicht befugt, Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen sowie Abhörmaßnahmen mit technischen Mitteln in und außerhalb der Wohnung nach §§ 100a, 100c Abs. 1, 2, 100f Abs. 1, 2 StPO durchzuführen. Es ist ihm auch generell untersagt, Daten, die im Strafverfahren durch diese Maßnahmen gewonnen wurden, anzufordern und zu eigenen Untersuchungszwecken zu verwenden, weil die Verwendungsregelungen nach §§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 S. 2 StPO n. F. bzw. § 477 Abs. 2 S. 4 i. V. m. § 100d Abs. 5 Nr. 1 StPO n. F. (§§ 100b Abs. 5, 100d Abs. 6, 100f Abs. 5 StPO a. F.) gemäß Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG eng auszulegen sind. 9. Der PUA darf keine Postsendungen, die sich im Gewahrsam eines Postunternehmens befinden, oder Briefe, die der Betroffene oder ein Dritter im Gewahrsam hat und von deren Inhalt der Empfänger noch keine Kenntnis erlangt hat, nach §§ 94, 99 StPO beschlagnahmen. Letzteres ergibt sich zwar nicht aus Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, weil der Durchführung dieser Maßnahmen durch den PUA weder Sinn und Zweck des Untersuchungsverfahrens noch die Unterschiede zum Strafverfahren entgegenstehen. Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG verbietet dem PUA aber bei der Erhebung seiner Beweise, Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 10 GG ohne Ausnahmen zuzulassen. Der PUA darf jedoch im Strafverfahren beschlagnahmte Briefe und Postsendungen bzw. Informationen über deren Inhalt nach §§ 161 Abs. 1, 474, 477 Abs. 1 StPO anfordern und verwerten. Das Verbot des Art. 44 Abs. 2

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Zusammenfassung

S. 2 GG ist nämlich in dem Sinn eng auszulegen, dass es sich nur auf die originäre Beweiserhebung durch den PUA bezieht, nicht dagegen auf die im Wege der Amtshilfe abgeleitete Beweiserhebung durch Auskunftsersuchen, Akteneinsicht oder -übermittlung. Sonstige Verwendungs- und Weitergabeverbote im Sinne der §§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 StPO n. F. existieren im Strafprozessrecht für Daten aus Maßnahmen nach §§ 94, 99 StPO nicht. 10. Der PUA darf grundsätzlich personenbezogene Daten, die das MfS z. B. durch Lichtbildaufnahmen, Observationen mit technischen Mitteln oder andere weniger schwerwiegende Ermittlungsmethoden über einen Betroffenen gewonnen hat, auch zum Nachteil des Betroffenen nach §§ 22, 23 StUG i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG verwenden, wenn die Daten zur Aufklärung eines Untersuchungsgegenstandes, der mit einer Katalogtat im Sinne des § 23 Abs. 1 StUG im Zusammenhang steht, erforderlich sind. Etwas anderes gilt nach § 23 Abs. 1 S. 3 StUG für personenbezogene Daten, die das MfS durch verbotene, die Menschenwürde verletzende Vernehmungsmethoden, durch Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen oder durch Abhörmaßnahmen in und außerhalb der Wohnung gewonnen hatte. In diesen Fällen stehen die – im PUV eng auszulegenden – Verwendungsverbote nach §§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 S. 2 StPO n. F. bzw. § 477 Abs. 2 S. 4 i. V. m. § 100d Abs. 5 Nr. 1 StPO n. F. (§§ 100b Abs. 5, 100d Abs. 6, 100f Abs. 5 StPO a. F.) sowie das Verwendungsverbot nach § 136a StPO i. V. m. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG einer Weitergabe und Verwendung im PUV entgegen. Der PUA darf die Daten aus solchen Maßnahmen nach § 23 Abs. 2 StUG nur verwenden, wenn die Daten entweder nicht personenbezogen sind oder aber Mitarbeiter bzw. Begünstigte des MfS betreffen.

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Stichwortverzeichnis Abhörmaßnahmen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes 368 ff., 385 f., 397, 402, 406, 415 f. Abschlussbericht 57, 66, 68 f., 73, 119, 130 ff., 134 f., 167, 175 f., 179, 240 ff., 267, 303, 332, 409, 411, 413 Actus contrarius 344 ff., 349 f. Allgemeines Persönlichkeitsrecht 99, 134, 174, 197, 201 ff., 229, 231 ff., 241, 244, 257 ff., 286, 293, 318 f., 394 Amtsermittlungsgrundsatz 62 f., 161, 200 Amtshilfe 144 ff., 152 ff., 251, 366, 370, 375 ff., 384 ff., 387, 414, 416 Anfangsverdacht 55, 102, 112 ff., 171, 172, 184, 212, 241, 271, 300, 328, 361, 367 Auskunftsverweigerungsrecht 46, 101, 165, 167, 179 f., 187 ff., 268 ff., 277, 283, 288, 290, 295 ff., 302, 307, 317, 325, 328, 334, 351, 353, 358 f., 410, 412, 414 Aussagepflicht 171, 184, 266, 274 ff., 282, 290 f., 311, 315, 317, 412 f. Aussetzungspflicht 40, 127 ff. Behörde – Begriff 153 f., 156, 244 – Beschlagnahmefähigkeit von Behördenakten 251 f. Beichtrichter 357 ff., 414 Beschlagnahme 165, 205 ff., 219, 221, 236, 242, 251 ff., 319, 359 ff., 410 f. Beschuldigter 165 ff., 191, 212, 226 f., 363

Bestimmtheitsgrundsatz 100 ff., 110, 187 Betroffener 46 f., 165 ff., 315 Beugemittel 30, 182 ff., 185, 269 Beweiserheblichkeitsprüfung 208 f. Beweiserhebungsverbot 51, 262 ff., 366, 379, 396, 399, 412 Beweisverwertungsverbot 55 ff., 143, 263 ff., 317 ff., 336 f., 396 ff., 412, 413 Bundesstaatsprinzip 88, 91 f., 95 ff., 408 Demokratie 49, 86, 141, 161, 188, 201, 224, 234, 293, 297, 312, 354, 355, 375, 394, 405, 408, 413 Durchsuchung 48, 174, 211 ff., 246 ff., 360 Ehrschutz 46, 68, 197 ff., 201, 202 f., 315, 410 Empfehlungsenquete 90 ff. Enquetekommission 82 ff., 100, 123 f. Ermittlungsbeauftragter 119, 134, 207 f., 272 ff. Fair-Trial-Grundsatz 97, 135, 190, 250, 263, 318 f., 323 Fernwirkung 319 ff., 324 ff., 411, 413 Forum der Nation 84, 89, 91, 95, 97, 102, 104, 116 Freiwilligkeit 301, 305 f., 310, 337, 346 ff., 415 Geheimnisschutz 155, 208, 228 f., 237 ff., 242 ff., 258, 266, 303, 358 f., 413

Stichwortverzeichnis Gemeinschuldnerentscheidung 177, 288, 293, 297, 301, 302, 317, 325, 328, 412 f. Generalprävention 75, 264, 314, 343, 346, 348 f., 351 Gesetzgebungsenquete 82 ff., 88, 102, 111 f., 114, 121 ff., 294 f. Geständnis 198, 317, 334 f., 338 ff., 344 f., 349 ff., 410 Gewahrsam 221 f., 227, 251, 253 ff., 362, 411, 415 Gewaltenteilungsprinzip 87, 88, 90, 94 f., 127, 131 ff., 183, 251, 293, 312 ff., 334, 351, 361, 388, 408 Glaubhaftmachung 193 f., 270 Grundrechte 86, 97 ff., 103, 118, 120, 127, 134, 146 ff., 161, 183, 202, 206 f., 210, 212, 256, 264, 274, 276, 293, 296, 324, 361, 364, 365, 379, 385, 389, 396, 398 f., 408 Herausgabeverlangen 72, 154 ff., 182, 189, 197, 268, 273, 274 f., 279 ff., 373, 384 ff. Hypothetische Kausalität 265, 321 ff., 329 ff., 411 Immunität 297, 306 ff., 333 In-camera-Verfahren 358 f., 414 Informationsbeschaffungsmittel 82 ff. Kontrollinstrument 26, 80 ff. Korollartheorie 89 ff., 102 f. Kronzeuge 305, 308 f., 314, 341, 345, 357 Menschenwürde 76, 174, 275 ff., 286 f., 291, 319, 324, 399 ff., 416 Minderheitenenquete 63, 77, 83, 85 f., 104, 106 Nemo-tenetur-Prinzip 143, 174 ff., 202, 275 ff., 285 ff., 289, 291, 306, 313 f., 316, 325, 327, 333, 337, 352 f., 359, 409, 412

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Observationsmaßnahmen 367 ff., 370, 381 f., 406, 415 Öffentliches Interesse 92, 103 ff., 112, 245, 290, 315, 325, 351 Öffentlichkeitsausschluss 236 ff., 302 f., 311, 382, 411, 413 Öffentlichkeitsgrundsatz 27, 74 ff., 83, 326 Praktische Konkordanz 142 f., 162 f., 164, 389, 390, 413 Pressefreiheit 135 f., 224 f. Privatperson – Beweisgewinnung 397 ff. – Privatgerichte Enquete 108 ff., 234, 299 ff., 336 f. Recht auf informationelle Selbstbestimmung 87, 99, 111, 126, 146 ff., 228 ff., 337 f., 371, 373, 386, 391, 406 Recht auf Privatsphäre 229 ff., 259 ff. Rechtsbeistand 78, 190 f., 197, 249 f., 348, 351, 410 Rechtsprechung 44, 69 ff., 75, 127, 131, 143, 244, 312 ff., 316, 397 Rechtsstaatsprinzip 45, 74, 76, 96 ff., 110, 130 ff., 141, 289, 312 ff. Reue 232, 305, 341 ff., 346 Richtervorbehalt 94, 183, 206 ff., 211 Rollentausch 226 f. Sanktion 57, 66 ff., 73, 130, 167, 169, 175 ff., 193, 196, 222 f., 227, 241, 266, 275, 278, 287 ff., 307, 313, 318 f., 329, 345, 349, 369, 395, 409 Selbstbelastung 27, 30, 45, 127, 143, 168, 174 ff., 185 f., 191 f., 195 f., 240, 249, 270, 275 ff., 290 f., 315, 323, 327, 337, 410, 412 Spezialprävention 75, 264, 314, 342, 344, 348 Stasiunterlagen 30, 384 ff., 393, 405 Straffreiheit 304 ff., 334 f.

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Stichwortverzeichnis

Strafmilderung 305, 310, 334, 338 ff., 415 Strafzwecke 310, 342 f., 348 Tatverdächtiger Zeuge 173 f., 176, 178, 192, 212, 269 Telekommunikationsüberwachung 161, 360 ff., 373, 377, 383, 387, 402, 403 f., 415 Unabhängigkeit 40, 70 f., 74, 94, 132 f., 336 Vereidigung 47, 185 ff. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 84, 97 ff., 127, 148, 155, 160, 183, 206, 225, 228, 239, 241, 250, 259 ff., 294 ff., 305, 311 f., 316, 392 ff., 405 Vertrauensverhältnis – Berufsgeheimnisträger 188, 214 ff., 246, 257, 262 f.

– Familienangehörige 214 ff., 239, 252 ff., 257 Volkssouveränität 292 f. Vorverurteilung 36, 39, 98, 119, 133 ff. Wiederaufnahme 308, 356 f. Wohnraumüberwachung 369 f., 379 f. Zeuge – Begriff 137, 165, 168 f., 170 – Zeugenvernehmung 181 f., 190, 245 – Zeugniszwang 46, 182 ff. Zwang – Begriff 282 ff. Zweckbindung 149 ff., 371 f., 379, 391 f.