Steuerberater-Jahrbuch: Steuerberater-Jahrbuch 2015/2016 9783504384999

Unternehmenssteuerrecht 1 Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Kapitalgesellschaften, Gosch Rec

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German Pages 647 [634] Year 2016

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Steuerberater-Jahrbuch: Steuerberater-Jahrbuch 2015/2016
 9783504384999

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Steuerberater-Jahrbuch 2015/2016

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Steuerberater-Jahrbuch 2015/2016 zugleich Bericht über den 67. Fachkongress der Steuerberater Köln, 27. und 28. Oktober 2015

Herausgegeben im Auftrag des Fachinstituts der Steuerberater von

Prof. Dr. Thomas Rödder

Prof. Dr. Rainer Hüttemann

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer

Universitätsprofessor

Zitierempfehlung: Verfasser, StbJb. 2015/2016, Seite …

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISSN 0081-5519 ISBN 978-3-504-62662-4 ©2016 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche­ rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs­ beständig und umweltfreundlich. Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort Der 67. Fachkongress der Steuerberater, der am 27. und 28. Oktober 2015 traditionell in der Industrie- und Handelskammer zu Köln stattfand, eröffnete das Leitthema Unternehmenssteuerrecht 1 mit Vorträgen, die sich mit den Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht sowohl der Personengesellschaften als auch der Kapitalgesellschaften intensiv auseinandersetzten. Der Beitrag zu „aktuellen steuerpolitischen Entwicklungen“ bot einen Überblick und eine Einschätzung der bevorstehenden Entwicklungen und Regelungen zur Unternehmensbesteuerung in 2016; dabei spielte auch die Zukunft und Ausgestaltung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts eine Rolle. Das Leitthema Unternehmenssteuerrecht 2 beschäftigte sich im ersten Beitrag zum einen mit der Änderung der Konzernklausel des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG und desweiteren mit den Regelungsänderungen zu sonstigen Gegenleistungen bei Einbringungen im UmwStG. Im Folgenden war die „gebotene Entschärfung des § 50i EStG“ Thema. Dieser Beitrag untersucht unter anderem, ob und inwieweit die wesentlichen Kritikpunkte zur Anwendung des § 50i EStG ausgeräumt werden können. Das Leitthema wurde geschlossen mit einem Beitrag zu „den deutschen Entstrickungsregeln im Lichte der Rechtsprechung“, der sich mit aus diesen Regelungen ergebenden Konsequenzen für den deutschen Mittelstand beschäftigte. Das 3. Leitthema „Unternehmenserbschaftsteuerrecht“ befasste sich schwerpunktmäßig mit dem Gesetzentwurf zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und SchenkungsteuerG an die Rechtsprechung des BVerfG. Der erste Beitrag beschäftigte sich mit dem wesentlichen Inhalt der geplanten Neuerungen, während in einem weiteren Beitrag „zentrale Praxisfragen des geplanten neuen Unternehmenserbschaftsteuerrechts“ umfassend erörtert wurden. Im Rahmen des Leitthemas Bilanzsteuerrecht wurden die „Rückstellungen in der Steuerbilanz“ unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung analysiert. Die „Pensionsrückstellungen und der Abzinsungssatz des § 6a EStG“ waren Thema des anschließenden Beitrages. Weiteres Thema waren auch in diesem Jahr die „aktuellen Fälle des Bilanzsteuerrechts.“ Unter dem Leitthema Internationales Steuerrecht befasste sich der erste Vortrag mit den „Rechtsprechungs-Highlights zum Internationalen Steu-

V

Vorwort

errecht“. Der nachfolgende Beitrag stellte die Ergebnisse des BEPS-Projekts vor. Nach einem Überblick über das Projekt insgesamt wurden einzelne ausgewählte Aktionspunkte etwas näher beleuchtet. Die aus dem BEPS-Projekt resultierenden verschiedenen Möglichkeiten für die Umsetzung der BEPS-Maßnahmen durch den deutschen Gesetzgeber waren Gegenstand des dritten und letzten Beitrages zu diesem Leitthema. Das Leitthema Umsatzsteuerecht beschäftigte sich zunächst mit den „Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht“. Die Entwicklung der Reihengeschäfte unter Berücksichtigung der dazu ergangenen maßgeblichen Rechtsprechung war Gegenstand des folgenden Vortrags. Mit der Frage des Vorliegens einer Organschaft und der Auswertung der mit den in jüngerer Vergangenheit dazu ergangenen BFH-Entscheidungen des V. und XI. Senats beschäftigte sich der abschließende Vortrag zu diesem Leitthema. Unter dem Leitthema Steuerrecht und besondere Beratungsrisiken bot der erste Beitrag mit Blick auf die Veräußerungsgewinnbesteuerung für Streubesitzanteile und auf das neue Investmentsteuerrecht einen Überblick über die geplante Besteuerung. Die grenzüberschreitenden Betriebsprüfungen waren Gegenstand des zweiten Vortrags mit der Maßgabe, einzelne „Ausformungen“ grenzüberschreitender Betriebsprüfungsaktivitäten, ihre jeweilige Bedeutung und damit verbunden ihre Rechtsgrundlage näher zu beleuchten. Thematisch daran anknüpfend beschäftigte sich der nachfolgende Beitrag mit den Voraussetzungen und Möglichkeiten der „zeitnahen Betriebsprüfung“. Der abschließende Beitrag hatte die „Praxisfragen rund um § 153 AO und die Abgrenzung zur Selbstanzeige“ zum Inhalt. Köln, im September 2016 Thomas Rödder

VI

Rainer Hüttemann

Inhalt* Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

1. Leitthema: Unternehmenssteuerrecht 1 Professor Dr. Dietmar Gosch Vorsitzender Richter am BFH, München Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

I. Rückblicke und Ausblicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

II. Gewerbesteuerrechtlicher Organkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

III. Bekanntes und Neues zum steuerlichen Einlagekonto . . . . . . . .

24

IV. Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt: Tilgung aus Bilanzgewinn und Liquidationsüberschuss (BFH v. 5.4.2015 – I R 44/14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

Michael Wendt Vorsitzender Richter am BFH, München Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

1. Fiktive gewerbliche Einkünfte bei Abfärbung . . . . . . . . . . . . . . . .

36

2. Anteil an Komplementär-GmbH nicht immer Sonderbetriebsvermögen II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

3. Unangemessene Gewinnverteilung bei GmbH & atypisch Still . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

4. Betriebliche Veranlassung von Darlehen an Personengesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

5. Abschreibung in Ergänzungsbilanz bei Erwerb eines Mitunternehmeranteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

6. Gesamtplan – noch immer kein Ende der Diskussion . . . . . . . . .

61

* Ausführliche Inhaltsübersichten jeweils zu Beginn der Beiträge.

VII

Inhalt

Ministerialdirigent Dr. Steffen Neumann Finanzministerium NRW, Düsseldorf Unternehmensbesteuerung 2016 – Aktuelle steuerliche Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

B. Steuerliche Einzelmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

C. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

2. Leitthema: Unternehmenssteuerrecht 2 Oberregierungsrat Friedbert Lang OFD Karlsruhe Professor Dr. Andreas Schumacher Steuerberater, Bonn Ertragsteuerliche Änderungen für Unternehmen durch das Steueränderungsgesetz 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. Änderung der Konzernklausel des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG . . . . 108 III. Änderung der Regelungen zu sonstigen Gegenleistungen bei Einbringungen im UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Oberregierungsrätin Alexandra Pung Landesamt für Steuern, Koblenz Dr. Norbert Schneider Rechtsanwalt, Steuerberater, Köln Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 B. Status Quo vor Erlass des BMF-Schreibens v. 21.12.2015 . . . . . . 135 C. Entschärfung der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 D. § 50i EStG und funktionale Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

VIII

Inhalt

Dr. Stefanie Beinert Steuerberaterin, Rechtsanwältin, Frankfurt a.M. Leitender Regierungsdirektor Franz Hruschka München Die deutschen Entstrickungsregeln im Lichte der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Entstrickungsregeln (DBA-Freistellungs-Betriebsstätte) . . . . . . 173 II. Im Lichte der deutschen Rechtsprechung; offene Fragen: § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/AOA – § 6 Abs. 5 EStG . . . . . . . . . . . . . . 181 III. Ausschluss oder Beschränkung durch Verbringen ins Ausland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 IV. Offene Fragen: § 4 Abs. 1 Sätze 3 ff. EStG – § 1 Abs. 5, 1 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 V. Stundungsmöglichkeiten in Entstrickungsfällen . . . . . . . . . . . . 189 VI. Verdoppelung stiller Reserven – EuGH/FG Hamburg . . . . . . . . 192 VII. Im Lichte der europäischen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 199 VIII. Und ihre Konsequenzen für den Mittelstand: § 6b EStG . . . . . 205 IX. Und ihre Konsequenzen für den Mittelstand: Geschäftsleitende Holding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

3. Leitthema: Unternehmenserbschaftsteuerrecht Ministerialrätin Hofmann Bundesministerium der Finanzen, Berlin Der Regierungsentwurf des neuen Unternehmenserbschaftsteuerrechts nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Wesentliche Aussagen im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 III. Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 IV. Weiterführende Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

IX

Inhalt

Dr. Marc Jülicher Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Bonn Dr. Jörg Stalleiken Steuerberater, Rechtsanwalt, Bonn Leitender Ministerialrat Dr. Ingo van Lishaut Finanzministerium NRW, Düsseldorf Fragen des geplanten neuen Unternehmens-Erbschaftsteuerrechts . 237 1. Einleitung und Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . 237 2. Hauptzweckansatz contra fortgeschriebener Verwaltungsvermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 3. Schuldenverrechnung und Berechnung begünstigten Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 4. Betriebsaufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 5. „Satzungstest“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 6. Einschränkungen bei der Begünstigungsfähigkeit von Holdinggesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 7. Großerwerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 8. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

4. Leitthema: Bilanzsteuerrecht Professor Dr. Joachim Hennrichs Universität zu Köln Rückstellungen in der Steuerbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 II. Aktuelle Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

X

Inhalt

Ministerialdirigent Dr. Rolf Möhlenbrock Bundesministerium der Finanzen, Berlin Rechtsanwalt Georg Geberth Siemens AG, München Pensionsrückstellungen und der Abzinsungssatz des § 6a EStG – Änderungsbedarf? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 II. Höhe des Rechnungszinses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 III. Gleichstellung beitragsorientierter Direktzusagen . . . . . . . . . . . 289 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Professor Dr. Ulrich Prinz Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Köln Aktuelle Fälle des Bilanzsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 I. Zum Einstieg: Permanenter Wandel im Bilanzsteuerrecht . . . . 296 II. Realisationsprinzip bei Abschlagszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . 296 III. Unionsrechtsfragen zu § 6b EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 IV. Vermarktungskostenzuschuss als partiarisches Darlehen . . . . 309 V. Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt . . . . . . . 313 VI. Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und Schätzungsbefugnis der Betriebsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 VII. Bilanzrechtsrelevante Tour d’Horizon zum Schluss . . . . . . . . . . 322

5. Leitthema: Internationales Steuerrecht Dr. Peter Brandis Richter am BFH, München Rechtsprechungs-Highlights zum internationalen Steuerrecht . . . . 331 I. Sog. Sperrwirkung von Art. 9 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 II. Bindungswirkung einer Konsultationsvereinbarung . . . . . . . . . 340 III. Update zur Berücksichtigung ausländischer Verluste . . . . . . . . 342

XI

Inhalt

IV. Gewerbesteuerrechtliche Kürzung des Gewinns bei AStG-Hinzurechnungsbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 V. Schachtelprivileg bei Auslandsdividende im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 VI. Grenzüberschreitende Anrechnung einer Körperschaftsteuer (KStG a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Professor Dr. Stefan Köhler Steuerberater, Eschborn Regierungsdirektor Dr. Wendelin Staats, LL.M. Bundesministerium der Finanzen, Berlin Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene . . . . . . . . . 361 I. Einleitung (Staats) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 II. Das BEPS-Projekt im Überblick (Staats) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 III. Ausgewählte Aktionspunkte (Köhler/Staats) . . . . . . . . . . . . . . . . 373 IV. Ausblick (Köhler/Staats) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 Oberregierungsrat Thomas Rupp Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg, Stuttgart Professor Dr. Jens Blumenberg Steuerberater, Frankfurt a.M. Zu erwartende BEPS-Reaktionen des deutschen Gesetzgebers . . . . . 399 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 2. Rechtsetzung – Umsetzung von BEPS-Empfehlungen . . . . . . . . . 400 3. Anti-BEPS-Maßnahmen der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 4. Ausgewählte BEPS-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409

XII

Inhalt

6. Leitthema: Umsatzsteuerrecht Professor Dr. Bernd Heuermann Vorsitzender Richter am BFH, München Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . 425 1. Die Rechtsprechung des V. Senats zu den Formalanforderungen bei innergemeinschaftlicher Lieferung . . . . . . . . . 426 2. Die Rechtsprechung des V. Senats zum Guten Glauben beim Vorsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 3. Der EuGH zur Missbrauchsvermeidung – Italmoda . . . . . . . . . . . . 439 4. Rechtsprechung des XI. Senats zum Reihengeschäft . . . . . . . . . . . 446 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 Ministerialrat Stephan Filtzinger Mainz Reihengeschäfte – Aktuelle Rechtsprechung und Entwicklung . . . . 455 1. Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 2. Rechtsprechungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 3. Folgefragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 4. Mögliche gesetzliche Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 Professor Dr. Thomas Küffner Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, München Dr. Michael Rust Rechtsanwalt, München Neues zur Organschaft und Vorsteueraufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 1. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 2. Vorsteuerabzug einer (Führungs-)Holding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 3. Vorliegen einer Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485

XIII

Inhalt

7. Leitthema: Steuerrecht und besondere Beratungsrisiken Regierungsdirektorin Dr. Bianca Lang Oberfinanzdirektion Karlsruhe Veräußerungsgewinnbesteuerung für Streubesitzanteile und neues Investmentsteuerrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 2. Streubesitzbeteiligung – Funktionsweise des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 3. Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 4. Unterjähriger Erwerb und Aufstockung der Beteiligung . . . . . . 496 5. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 6. UmwStG: Redaktionelle Anpassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 7. Steuerermäßigung nach § 26a KStG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 8. Zeitliche Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 Professor Dr. Jochen Lüdicke Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht, Düsseldorf Neues Investmentsteuerrecht – Besteuerung von Investmentfonds gemäß dem Gesetzentwurf der Bundesregierung des InvStRefG v. 24. Februar 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 I. Gesetzesanlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 II. Zielsetzung der vorgeschlagenen Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . 520 III. Geplante Besteuerung des Publikums-Investmentfonds . . . . . 523 IV. Ermittlung der Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 V. Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 VI. Besteuerung des Anlegers eines Publikums-Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 VII. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 VIII. Spezial-Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 IX. Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531

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Inhalt

Oberregierungsrat Jörg Eimler Oberfinanzdirektion NRW, Köln/Münster Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 I. Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 II. Zwischenstaatlicher Informationsaustausch im Wege der Amtshilfe – Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 III. Steuerprüfungen im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 IV. Gleichzeitige Prüfungen/Simultanprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . 561 V. Multilaterale Prüfungen (Multilateral Control)/FiscalisPrüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 VI. Joint Audit/Gemeinsame steuerliche Außenprüfungen . . . . . . 569 VII. Rechte des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 VIII. Antragsrecht bzw. Anspruch des Steuerpflichtigen auf eine „grenzüberschreitende Betriebsprüfung“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 IX. Problempunkte und aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . 581 X. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 Dr. Christian Dorenkamp, LL.M. Rechtsanwalt, Steuerberater, Bonn Zeitnahe Betriebsprüfung – Win Win für Unternehmen und Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 II. Herkömmliche Betriebsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 III. Zeitnahe Betriebsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 IV. Win Win-Situation für Unternehmen und Finanzverwaltung – Voraussetzungen, Vorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 V. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601

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Inhalt

Leitender Regierungsdirektor Harald von Frantzki Finanzamt für Steuerfahndung und Steuerstrafsachen, Essen Dr. Karsten Randt Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, Bonn Praxisfragen rund um § 153 AO und die Abgrenzung zur Selbstanzeige nach § 371 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 II. Normzweck des § 153 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 III. Unterlassen einer Berichtigung nach § 153 AO ist Steuerstraftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 IV. Tatbestandsmäßigkeit des § 153 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 V. Anzeige nach § 153 AO als „Fremdanzeige“ nach § 371 Abs. 4 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 VI. Vorsatz und Implementierung eines Tax Compliance Management System-CMS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616 VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619

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Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Kapitalgesellschaften Professor Dr. Dietmar Gosch Vorsitzender Richter am BFH, München Inhaltsübersicht I. Rückblicke und Ausblicke 1. Kein Vorläufigkeitsvermerk bei sog. Mindestbesteuerung (BFH v. 17.12.2014 – I R 32/13) 2. Schlussurteil zu den EuGH-Urteilen Meilicke I und Meilicke II: Anrechnung niederländischer und dänischer Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer (BFH v. 15.1.2015 – I R 69/12) II. Gewerbesteuerrechtlicher Organkreis 1. Kein Verstoß gegen unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit durch Hinzurechnung sog. Dauerschuldentgelte bei der inländischen Muttergesellschaft als Zinsschuldnerin einer belgischen Tochtergesellschaft (BFH v. 17.9.2014 – I R 30/13) 2. Volle „Schachtelprivilegierung“ im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis infolge sog. Bruttomethode (BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14)

3. Teilwertabschreibung trotz Konzernrückhalts und das Abkommensprinzip des dealing at arm’s length? (BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13 und v. 24.6.2015 – I R 29/14) III. Bekanntes und Neues zum steuerlichen Einlagekonto 1. Einlagekonto: kein Direktzugriff, Bindung der Steuerbescheinigung (BFH v. 11.2.2015 – I R 3/14) 2. Leistungen der Kapitalgesellschaft i.S. von § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG in Abgrenzung zur Rückzahlung von Nennkapital (BFH v. 21.10.2014 – I R 31/13) 3. Bindung des Gesellschafters an die Feststellungen des steuerlichen Einlagekontos, Änderungsbescheid als rückwirkendes Ereignis (BFH v. 8.1.2015 – I R 70/13) IV. Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt: Tilgung aus Bilanzgewinn und Liquidationsüberschuss (BFH v. 5.4.2015 – I R 44/14)

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I. Rückblicke und Ausblicke 1. Kein Vorläufigkeitsvermerk bei sog. Mindestbesteuerung (BFH v. 17.12.2014 – I R 32/13) In der durch das BFH-Urteil v. 17.12.2014 abgeschlossenen Revision I R 32/131 wurde darum gestritten, ob das FA verpflichtet ist, Festsetzungen oder Feststellungen im Jahre 01 wegen der Anwendung der sog. Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG und § 10a Satz 2 GewStG mit einem Vorläufigkeitsvermerk i.S. des § 165 Abs. 1 AO zu versehen, weil sich –

die Mindestbesteuerung in späteren Jahren (z.B. in 09, 10 oder 11 oder sonstwann) zu einem definitiven Verlust des Verlustabzugs „auswachsen“ könnte,



was wiederum u.U. verfassungswidrig wäre und deswegen in verfassungskonformer Weise rückwirkend den Verlustabzug doch noch auch im Jahre 01 ermöglichen würde. Die klagende GmbH spekulierte dabei auf die einschlägigen Verfassungsfragen, welche Gegenstand zum einen des BFH-Beschlusses v. 26.2.2014 – I R 59/122 und zum anderen des dazu verfassten letztjährigen Beitrags in StbJb 2014/20153 gewesen sind.

Unabhängig davon, ob die letztere Annahme – die verfassungskonforme Rückwirkung der „Definitivsituation“ bei der sog. Mindestbesteuerung – zutrifft, gibt der BFH einem solchen Ansinnen auf einen „vorgreiflichen“ Vorläufigkeitsvermerk keine Chance. Es fehlt schlicht an den tatbestandlichen Erfordernissen des § 165 Abs. 1 Satz 1 AO. Denn dazu gehört die tatsächliche Ungewissheit über die Entstehung der betreffenden Steuer. Davon kann unter den gegebenen Umständen jedoch keine Rede sein, auch dann nicht, wenn sich Jahre später ein rückwirkendes Korrekturerfordernis des betreffenden Veranlagungszeitraums herausstellen sollte, hier infolge des sog. Definitiveffektes im Zusammenhang mit der Mindestbesteuerung, zu welchem sich Einzelnes dem BFH-Urteil v. 22.8.2012 – I R 9/114 entnehmen lässt. Allein maßgebend ist die „Perspektive des Steuerentstehungszeitpunktes“.

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BStBl. II 2015, 575. BStBl. II 2014, 1016. Rödder/Hüttemann (Hrsg.), StbJb 2014/2015, 38. BStBl. II 2013, 512.

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Es fehlt aber auch an einem „Vorläufigkeitsgrund“ i.S.v. § 165 Abs. 1 Satz 2 AO. Dafür bedürfte es eines beim EuGH, beim BVerfG oder bei einem Bundesgericht anhängigen einschlägigen Rechtsstreits, in welchem die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand ist. Auch das ist nicht der Fall. Zwar „hängt“ beim BVerfG die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 2998/12 gegen das BFH-Urteil v. 22.8.2012 – I R 9/11.5 Nur betrifft jenes Urteil die Frage, ob ein Definitiveffekt schon aus einer aktuell und voraussichtlich auch zukünftig gewinnlosen Geschäftstätigkeit erwächst. Es ist nicht die Frage der in die Vergangenheit zurückwirkenden künftigen Definitivsituation. Ob und in welcher Weise dem Steuerpflichtigen geholfen werden kann, wenn es denn dermaleinst tatsächlich zu einem solchen zurückwirkenden Definitiveffekt kommt, steht in den Sternen. Vermutlich wird das über § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gelingen6. Im Ergebnis belässt der BFH das aber offen. Er schließt auch nicht aus, dass das Verfahrensrecht dafür in Einzelfällen und in bestimmten Konstellationen dann kein Instrument zur Verfügung stellt, beispielweise, weil die Festsetzungsfristen zum gegebenen Zeitpunkt bereits abgelaufen sein könnten: Die Klägerin machte dazu geltend, eine rückwirkende Korrektur nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO drohe wegen Zeitablaufs zu scheitern, obschon die Frist nach Maßgabe von § 175 Abs. 1 Satz 2 AO hinausgeschoben werde. Denn die Frist begänne danach mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eintritt; das aber sei bei einem schädlichen Beteiligungserwerb i.S. des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG der Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums und nicht der Zeitpunkt, in welchem der den gesetzlich entstandenen Steueranspruch lediglich konkretisierende Änderungsbescheid unter erstmaliger Anwendung des § 8c KStG für das Jahr 2008 bekanntgegeben werde. Auch das gibt dem BFH indessen keinen Grund, den Tatbestand des § 165 Abs. 1 AO vorgreiflich zu „dehnen“.

2. Schlussurteil zu den EuGH-Urteilen Meilicke I und Meilicke II: Anrechnung niederländischer und dänischer Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer (BFH v. 15.1.2015 – I R 69/12) a) „Viel Gewese um nichts“ oder „Außer Spesen nichts gewesen“. So ließe sich etwas „platt“ umschreiben, was hier für die Kläger nach allem 5 BStBl. II 2013, 512. 6 S. dazu bereits Gosch, BFH/PR 2013, 41.

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bei ihrer schon geradezu „historischen“ Klage „herausgekommen“ ist. Denn nachdem sie über das Instanzgericht (dem FG Köln) gleich zweifach kraft Vorabentscheidungsersuchen vor die Schranken des EuGH geraten waren, stehen sie nach der nunmehr anschließenden Revision letzten Endes und nach einer veritablen Achterbahnfahrt zwischen dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot und dem unionsrechtlichen Frustrationsverbot einerseits und dem (inner-)staatlichen Anrechnungshürden andererseits mit leeren Händen da:7 Erster Akt: Im ersten Anlauf gab der EuGH ihnen in seinem Urteil Meilicke I v. 6.3.2007 – Rs. C-292/048 auf ganzer Linie Recht: Auch in der Outbound-Situation gebietet es die unionsrechtliche Gleichbehandlung, Inlands- und Auslandsengagements gleichzubehandeln. Im Ausland festgesetzte KSt ist deswegen prinzipiell auf die im Inland individuell festgesetzte ESt der Anteilseigner anzurechnen. Das strukturelle „Binnensystem“ des früheren KSt-Anrechnungsverfahren ändert daran nichts. Die Freude beim Kläger war groß, die Ängste des Fiskus nicht minder; man errechnete (oder gab jedenfalls vor, errechnet zu haben) alsbald einen Einnahmeausfall für anstehende KSt-Erstattungen in Höhe von 25 Mill. Euro, die im Laufe der nächsten Jahre dann aber auf nur (aber immerhin und noch immer) rd. 5 Mill. Euro zusammenschmolzen. Zweiter Akt: Allerdings, so ließ der EuGH sodann in seiner Entscheidung Meilicke II vom 30.6.2011 – Rs. C-262/099 auf erneuten Vorlagebeschluss des FG Köln10 wissen, darf es für das Auslandsengagement auch keine „Marscherleichterung“ geben: Alle diejenigen (und zum Teil recht komplexen) tatbestandlichen Erfordernisse, die im reinen Inlandsfall zu beachten sind, muss der Anteilseigner hier wie dort erfüllen. Das tut dieser nicht, wenn er allein auf die tatsächlich entrichtete KSt im Ausland hinweist und diese belegt: „Die Detailliertheit und die Präsentationsform der Nachweise, die ein (…) Empfänger beizubringen hat, (müssen) der Detailliertheit und der Präsentationsform entsprechen (…), die verlangt werden, wenn die ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz im Besteuerungsmitgliedstaat des Empfängers hat. Die Steuerbehörden des letztgenannten Mitgliedstaats sind befugt, von dem Empfänger die Vorlage von Belegen zu verlangen, anhand derer sie eindeutig und genau 7 BFH v. 15.1.2015 – I R 69/12, DStR 2015, 1297, zwischenzeitlich in der Sache bestätigt durch BFH v. 18.8.2015 – I R 38/12 (n.v.). 8 BFH/NV 2007, Beilage 3, 273. 9 BFH/NV 2011, 1467. 10 FG Köln v. 14.5.2009 – 2 K 2241/02, EFG 2009, 1491, EFG 2010, 441.

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überprüfen können, ob die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Steuergutschrift vorliegen, ohne dass sie dabei die Steuergutschrift schätzen dürfen.“ Und ohne solche Nachweise muss die Steuerbehörde auch nicht von den Möglichkeiten der EG-Amtshilfe-Richtlinie Gebrauch machen. Damit sah das alles für den Anleger schon wieder weit weniger prächtig aus, durfte es doch einigermaßen schwerfallen, die der Anrechnung vorausgehende Eigenkapitalgliederung für die Auslands-Kapitalgesellschaft und die daraus abgeleitete Verwendungsfiktion mir nichts, dir nichts zu simulieren. Eine solche Gliederungsrechnung ist im Ausland letztlich unbekannt. Das Ganze bewegt sich am Rande einer Dokumentationsunmöglichkeit. Dritter Akt: Mit der Revision sollte nun der drohende Pyrrhussieg-Effekt nach der voreiligen Freude infolge Meilicke I verhindert werden. Doch der BFH zeigte sich ebenso unerbittlich wie vorangehend schon das FG: Der BFH erachtet die erbrachten Nachweise als schlicht zu „dünn“; die notwendige Gleichbehandlung mit dem Inländer im Guten wie im Bösen ließ sich so nicht herstellen. Insbesondere genügt es eben nicht, (nur) eine Bescheinigung der dividendenbetreuenden und depotführenden Auslandsbank beizubringen.11 Zwar mag eine derartige Bankbescheinigung – formal entsprechend § 45 KStG für den Inlandsfall – im Inland regelmäßig ausreichen. Doch ist es auch hier bloß der vordergründige „Schein“ ihrer Richtigkeit, der genügt. Hat die Finanzbehörde daran und damit an der Richtigkeit der Bescheinigung Zweifel, dann kann sie beim Anleger nachfassen und den Dingen im Einzelnen nachgehen. Auch dann genügt die bloße Bescheinigung also nicht. b) Der BFH tut sich nun recht schwer damit, die vom EuGH in Meilicke II auch verfahrensrechtlich eingeforderte Gleichbehandlung herzustellen. Immerhin: Es bedarf keiner „Schatten-Eigenkapitalgliederung“. Eine solche ließe sich auch kaum reproduzieren. Die schon angesprochene Dokumentationsunmöglichkeit würde Realität. „Denn“, so der BFH, „es bestehen keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, den Anrechnungsbetrag ausgehend vom letzten maßgeblichen Wirtschaftsjahr („retrograd“) zu belegen, und zwar unter Zuhilfenahme aller verfügbaren Beweismittel“. Viel geholfen ist dem Anleger damit im Zweifel aber wohl nicht. Selbst wenn die letztere Hürde genommen wird, bleibt Weiteres und Streitentscheidendes zu beachten: Der Anleger muss nicht nur sein eigentliches Ziel – die Anrechnung der Auslands-KSt – verfolgen, indem 11 Krit. dagegen Intemann, NWB 2016, 36.

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er einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO erwirkt und diesen dann anficht. Er muss sich vielmehr auch gegen den vorangegangenen ESt-Bescheid wehren und auf dessen „Verböserung“ durch Erfassung der anzurechnenden KSt drängen. Dieser Nachteil ist beim Inlandsengagement hinzunehmen, und damit auch beim Auslandsengagement. Die Erfassung der KSt auf der Einnahmeseite ist gewissermaßen systemisch. Sie kann nicht mit dem Hinweis abgewendet werden, dass das Unionsrecht ja schließlich im Kern nur vor diskriminierenden Benachteiligungen schütze. Es gilt dem BFH aus Gründen der konsequenten Gleichbehandlung die „Tropfentheorie“, nach welcher derjenige, der den guten Tropfen nimmt – die Anrechnung der Auslands-KSt –, auch den schlechten Tropfen – nämlich deren Erfassung als Einkunft – zu akzeptieren hat. Ganz so konsequent wie das dünkt, ist dieser Mechanismus in der Vergangenheit allerdings keineswegs immer beachtet worden: Bis 1995 verlangte das Gesetz in § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG 1990 a.F. nach der in ständiger (früherer) Spruchpraxis gepflegten Lesart des BFH12 eine solche vorherige Erfassung der KSt auf der Einnahmeseite nämlich nicht. Sie gilt erst, nachdem das Gesetz seinerzeit nachgebessert wurde. c) Was folgt aus alledem für die Praxis? Die vom Fiskus beschworene Drohkulisse der geradezu gigantischen Einnahmeausfälle ist Schall und Rauch. Vermutlich wird jetzt in manchem Fall und „im Abgesang“ noch über die besagte „retrograde“ Ermittlung des Anrechnungsbetrag ausgehend vom letzten maßgeblichen Wirtschaftsjahr gestritten. Das kann dann zumeist tatrichterlich abgearbeitet werden und wird, das sei prophezeit, zumeist zu Lasten der Steuerpflichtigen ausgehen. Der BFH hilft dem Gesetzgeber damit vermittels der vielfach bewährten sog. geltungserhaltenden Reduktion aus der Patsche. Das entspricht einer Art Staatsraison, ist methodisch indessen durchaus fragwürdig, geht das, was den (Fach-)Gerichten hier abverlangt wird, doch über deren Auftrag innerhalb der grundgesetzlichen Dreiteilung der Gewalten, nämlich den der Regelungsauslegung und -anwendung, weit hinaus. Das ist eigentlich schon Rechtsetzung und das lässt sich eigentlich nicht mehr halten.13 Und „verdient“ hat der Gesetzgeber die judizielle Hilfe auch nicht. Denn er wusste seit Jahrzehnten um die Sollbruchstellen des früheren KSt-Anrechnungsverfahrens. Er hat dennoch in all diesen Jahren abwartend durch Nichtstun reagiert. In Anbetracht dessen ist ein legislatives Un12 Z.B. BFH v. 6.10.1993 – I R 101/92, BStBl. II 1994, 191. 13 S. dazu z.B. und grundsätzlich Gosch, DStR 2007, 1553.

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tätigbleiben zu konstatieren. Man hätte angesichts dessen die spezifischen Anrechnungserfordernisse des gesetzten Rechts im OutboundFall deshalb wohl ohne Weiteres schlicht unangewandt belassen können. Womöglich beschäftigt das auch noch einmal die Zivilgerichte im Rahmen der staatshaftungsrechtlichen Inanspruchnahme. Davon abgesehen, dürfte der finanzgerichtliche Rechtszug jetzt aber im Sinne einer „höheren“ Gerechtigkeit erschöpft sein. (Was nichts daran ändert, dass der Prozessvertreter in der Rechtssache Meilicke sich gegen das BFH-Schlussurteil derzeit sowohl mit Verfassungsbeschwerde an das BVerfG14 als auch mit Beschwerde an die Europäische Kommission wegen Nichtumsetzung der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH wehrt.)15

II. Gewerbesteuerrechtlicher Organkreis 1. Kein Verstoß gegen unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit durch Hinzurechnung sog. Dauerschuldentgelte bei der inländischen Muttergesellschaft als Zinsschuldnerin einer belgischen Tochtergesellschaft (BFH v. 17.9.2014 – I R 30/13) a) Im Urteil des BFH v. 17.9.2014 – I R 30/1316 ging es um die Hinzurechnung sog. Dauerschuldentgelte nach § 8 Nr. 1 GewStG (a.F.). Ist eine solche Hinzurechnung bezogen auf eine Auslandsgesellschaft unionsrechtswidrig? Das Urteil verneint das und beendet eine langjährige Diskussion: Durch Urteil v. 21.7.2011 – Rs. C-397/0917 hatte (zunächst) der EuGH in Sachen „Scheuten Solar Technology“ dazu auf Vorabentscheidungsersuchen des BFH18 und hat sodann der BFH in seinem dazu ergangenen Schlussurteil v. 7.12.2011 – I R 30/0819 wie folgt entschieden: Art. 1 Abs. 1 der Zins-/Lizenz-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er einer Bestimmung des nationalen Steuerrechts nicht entgegensteht, wonach die Darlehenszinsen, die ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat an ein in einem anderen Mitgliedstaat belegenes verbundenes Unternehmen zahlt, der Bemessungsgrundlage für die GewSt hinzugerechnet werden, der das erstgenannte Unternehmen unterliegt.

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Az. 2 BvR 1452/15. S. Meilicke, DB 2015, 2601; s.a. ders., IStR 2015, 482. DStR 2014, 2561. BStBl. II 2012, 528. BFH v. 27.5.2009 – I R 30/08, BFH/NV 2009, 2059. BStBl. II 2012, 507.

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Nun war aber bereits seinerzeit bedauert und bemängelt worden, der BFH habe das Problem nicht vollends ausgeschöpft und sich nur auf einen (?) möglichen Verstoß gegen unionsrechtliches Sekundärrecht ein- und einen Verstoß gegen unionsrechtliches Primärrecht durch Verletzung der Niederlassungsfreiheit außer Acht gelassen.20 Grund für diese Kritik war die innerstaatlich eröffnete Möglichkeit, ein Organschaftsverhältnis zu begründen. Im Hinblick darauf wurde und wird geltend gemacht, eine „verdächtige“ Ungleichbehandlung folge schon daraus, dass sich die Hinzurechnung im Inlandsfall mittels Organschaft vermeiden lasse. Dass dann eine solche Vermeidung gelingt, ergibt sich aus der einschlägigen Spruchpraxis des BFH und – darauf aufbauend – aus Abschn. 41 Abs. 1 Sätze 5 und 6 GewStR 1998 bzw. (jetzt) R 7.1 Abs. 5 GewStR 2009. Danach verzichtet die Finanzverwaltung im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis auf die Hinzurechnung nach § 8 GewStG, wenn sich hierbei doppelte Erfassungen ergeben. Dazu kann es bei Anwendung der sog. gebrochenen Einheitstheorie kommen, weil die Gewerbeerträge des Organträgers einerseits und der Organgesellschaft andererseits getrennt ermittelt und erst beim Organträger nach Zurechnung zusammengerechnet werden. Hinzurechnung und Vereinnahmung der Zinsen können dadurch die Zweifacherfassung ein und desselben Betrags nach sich ziehen. De lege lata lässt sich dagegen nichts machen. Deshalb erweist sich der Hinzurechnungsverzicht denn auch als Billigkeitserweis. Den Einwand eines infolgedessen ausgelösten unionsrechtlichen Primärrechtsverstoßes hatte der BFH in seinem besagten Schlussurteil v. 7.12.2011 gekontert: –

Die Organschaft muss „faktisch gelebt“ werden, soll sie grenzüberschreitend anerkannt werden. Daran fehlt es, wenn nicht einmal der Versuch unternommen wird, einen grenzüberschreitenden Ergebnisabführungsvertrag zu schließen.



Auch ein Verstoß gegen den sog. Effektivitätsgrundsatz oder das sog. Frustrationsverbot scheidet aus. Zwar hat der EuGH wiederholt bekundet, es sei unionsrechtswidrig zu verlangen, dass vor den nationalen Gerichten ein Rechtsstreit um etwas geführt wird, das von vornherein aussichtslos ist. Doch schließt das nicht aus, dass alles versucht wird, um den innerstaatlichen Anforderungen zu genügen. Und aus deutscher Sicht ist es durchaus möglich, einen grenzüber-

20 Z.B. Rehm/Nagler, GmbHR 2012, 541; Thömmes in Drüen (Hrsg.), JbFStR 2012/2013, 34.

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schreitenden Ergebnisabführungsvertrag mit einer inländischen Organgesellschaft zu schließen. Sollte das ausländische Gesellschaftsrecht das nicht ermöglichen, muss Deutschland das nicht unbedingt „stören“. Zumindest aber wird zu verlangen sein, dass – zum einen – die Muttergesellschaft beständig laufende Verluste der Tochter durch Eigenkapitalzufuhr ausgleicht und die Tochter ihre Gewinne ununterbrochen an die Mutter abführt. Zum anderen muss die – seinerzeitige – Absicht, ein Organschaftsverhältnis begründen zu wollen, gegenüber den Finanzbehörden nach außen hin verdeutlicht worden sein. Solches erst im Nachhinein unter Hinweis auf die tatsächlichen Gegebenheiten, die das ermöglicht hätten, nur zu behaupten, sollte nicht genügen. Schließlich kennt das deutsche Steuerrecht keinen Organschaftszwang, nur weil die einschlägigen Voraussetzungen erfüllt sein könnten. Fazit: Ohne entsprechende Bemühungen, insbesondere ohne Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrages, läuft ein späteres Berufen auf die Möglichkeit, ein Organschaftsverhältnis begründen zu können, regelmäßig ins Leere. Damit stand fest, dass die (hälftige) Hinzurechnung sog. Dauerschuldzinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG (a.F.) auch im grenzüberschreitenden Bereich unionsrechtmäßig ist. b) Das alles erschütterte die im Besprechungsfall klagende US-Inc. indessen nicht. Sie setzte sich dennoch gegen die Hinzurechnung zur Wehr. Allerdings: Es wurde nicht nur versucht, das „Tor noch einmal aufzumachen“. Es gab vielmehr auch Unterschiede in der Rechts- und Sachlage: Zum einen ging es hier um die Streitjahre 1999 bis 2001 und damit um Jahre, in denen die gewerbesteuerrechtliche Organschaft – abweichend vom KSt-Recht – noch nicht von dem Erfordernis eines Ergebnisabführungsvertrages abhängig war. Es genügte vielmehr die rechtliche, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung, und diese lag objektiv zweifelsfrei vor. Zum anderen verfügte die US-Gesellschaft im Inland über eine Niederlassung und konnte deshalb über diese Niederlassung als potentielle Organträgerin gegenüber der (hier belgischen) Tochtergesellschaft fungieren, welche wiederum ihr das kapitalverstärkende und dauerschuldauslösende Darlehen begeben hatte; die potenzielle Organträgerin war also Zinsschuldnerin und nicht – wie in dem seinerzeit entschiedenen Fall – Zinsgläubigerin.

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c) Geändert haben diese Unterschiede im Ergebnis aber nichts. Der BFH durchläuft dabei vier alternative Erwägungsstufen: aa) Auch eine ausländische Tochtergesellschaft konnte nach der in den Streitjahren geltenden Regelungslage jederzeit gewerbesteuerrechtliche Organgesellschaft sein, vorausgesetzt, sie verfügte über eine inländische Betriebsstätte, welche die Eingliederungserfordernisse erfüllte. Lediglich ausländische Betriebsstätten blieben unberücksichtigt, was aber in gleicher Weise die ausländischen Betriebsstätten inländischer Organgesellschaften betraf, weil sich die GewSt eben „strukturell“ auf das Inland beschränkt. In Anbetracht dessen wurden In- und Auslandssachverhalte letzten Endes gleichbehandelt. bb) Es verhielte es sich aber auch nicht anders, würde man den strikten inländischen Betriebsstättenbezug als solchen aus unionsrechtlicher Sicht21 als problematisch einschätzen und deswegen die Bildung einer gewerbesteuerrechtlichen Organschaft „über die Grenze“ unmittelbar zu der ausländischen Tochtergesellschaft als Organgesellschaft zulassen wollen. Denn das hätte lediglich zur Folge, dass die Tochtergesellschaft fiktiv als Betriebsstätte der inländischen Muttergesellschaft gälte (§ 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 GewStG). Zwar wird der Gewerbeertrag des Organträgers und der Organgesellschaft gleichwohl und nach wie vor nicht einheitlich, sondern getrennt ermittelt. Doch wäre deshalb der Teil des Gewerbeertrags, der auf die fiktive Organgesellschaft als fiktive Betriebsstätte entfiele, wieder herauszurechnen: Entweder bereits im Rahmen der Gewinnermittlung nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. Art. 2 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. e) OECD-MA infolge der dort geregelten Besteuerungszuordnung; das würde allerdings bedingen, dass man die unilaterale Betriebsstättenfiktion als auch abkommensrechtlich maßgebend ansähe. Oder aber erst bei der Ermittlung des Gewerbeertrags infolge Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG, weil der betreffende Gewerbeertrag auf eine tatsächlich nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. Für einen Verzicht auf die Hinzurechnung besteht dann aber so oder so kein Grund, weil eine doppelte Belastung mit dem Hinzurechnungsbetrag jedenfalls im Inland nicht droht. Auch insoweit fehlt im Ergebnis eine Ungleichbehandlung zwischen einer gewerbesteuerrechtlichen Organschaft zu einer Inlands- oder zu einer Auslands-Tochtergesellschaft.

21 Ggf. mit EuGH v. 12.6.2014 – Rs. C-39/13, C-40/13 und C-41/13 – SCA Group Holding, IStR 2014, 486.

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cc) Sollte es im „wirtschaftlichen Saldo“ wider Erwarten doch zu einer Mehrfachbelastung kommen, weil auch im Ausland eine der GewSt vergleichbare Steuer erhoben und die Zahlungsempfängerin dadurch belastet wird, bliebe solches unbeachtlich. Dieser Steuernachteil würde sich nämlich daraus ergeben, dass die beiden betroffenen Mitgliedstaaten ihre Besteuerungsbefugnis parallel zueinander ausüben. Das Unionsrecht schreibt aber bei seinem gegenwärtigen Entwicklungsstand in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb des Binnenmarktes keine allgemeinen Kriterien für die Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. dd) Selbst wenn man aber auch von Letzterem – dem Fehlen einer einschlägigen Doppelerfassung ein und desselben Betrages – absähe, weil andernfalls ein Verzicht auf die Hinzurechnung in grenzüberschreitenden Konstellationen praktisch ausgeschlossen wäre, wäre dieses Ergebnis im Sinne der einschlägigen Spruchpraxis des EuGH steuerlich „kohärent“ und deswegen gerechtfertigt. Der EuGH lässt es zwar durchgängig nicht genügen, wenn der Steuernachteil bei dem einen Steuerpflichtigen nur mittelbar durch einen Steuervorteil bei einer anderen Person (hier in Gestalt der fehlenden gewerbesteuerrechtlichen Erfassung der Zinsen durch die Auslandsgesellschaft) kompensiert wird, und wenn die daran ausgerichtete unterschiedliche Behandlung des inländischen Steuerpflichtigen allein davon abhängt, ob sie die Zinsen an eine Person in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat zahlt22. So liegt es aber nicht, wenn sich wie hier infolge der Betriebsstättenfiktion die steuerlichen Nachund Vorteile – die Einbeziehung der Zinserträge im Rahmen der fiktiven Betriebsstättengewinne in die Bemessungsgrundlage des Gewerbeertrags ebenso wie die anschließende Herauskürzung jener Erträge – unmittelbar in ein und derselben Person auswirken, nämlich bei dem im Inland steuerpflichtigen potenziellen Organträger, die im Ergebnis durch die nachfolgende Hinzurechnung des Zinsaufwands in ihrer Person denn auch nicht doppelt, sondern, wie gesetzlich „gewollt“, bloß einfach „hälftig“ belastet wird. Von einer nur mittelbaren Steuerkompensation kann demgegenüber keine Rede sein. d) Der BFH lässt einige Fragen ausdrücklich offen, nämlich: aa) Kann sich eine US-Inc. als Drittstaatengesellschaft unter den Umständen des Streitfalls überhaupt auf die Unionsfreiheiten berufen? Der 22 Vgl. – ebenfalls zur GewSt – EuGH v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97 – Eurowings Luftverkehr, BStBl. II 1999, 851.

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EuGH hat das in seinem Urteil v. 11.9.2014 – Rs. C 47/12 – Kronos International23 für eine vergleichbare Situation kürzlich verneint. bb) Verhielte es sich anders als im Streitfall, wenn wir es mit einem umgekehrten Sachverhalt zu tun hätten: Als virtuelle Organträger-Gesellschaft fungiert die ausländische Muttergesellschaft, virtuelle Organgesellschaft ist die inländische Gesellschaft? Es wäre denkbar, dass die Hinzurechnung in dieser Konstellation an den Grundsätzen scheitern könnte, welche der EuGH in dem zitierten Urteil in Sachen „Eurowings“ aufgestellt hat. Es könnte sich dann auch die Frage stellen, ob das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot verletzt wird; im Urteil v. 9.2.2011 – I R 54, 55/1024 hatte der BFH das bejaht. cc) Ist der billigkeitsweise Verzicht auf die Hinzurechnung, wie er der Verwaltungspraxis in Organschaftsfällen entspricht, womöglich eine unionsrechtlich unzulässige Beihilfe, die ohnehin unanwendbar bleiben müsste? Auch das ließe sich hören, ist die maßgebende Referenzgröße doch die Hinzurechnung und gibt es de lege lata für einen Hinzurechnungsverzicht keinen Grund.25 e) Der BFH sah nach alledem davon ab, deswegen (und abermals) den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens anzurufen. Die Richtigkeit dieses Vorgehens mag nunmehr in Frage zu stellen sein, nachdem der EuGH in der Rs. C-386/14 Groupe Steria durch Urteil v. 2.9.201526 (für die französische Gruppenbesteuerung) erkannt hat: „Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zur Konzernbesteuerung entgegensteht, wonach bei der Muttergesellschaft eines steuerlichen Konzerns die Hinzurechnung eines Anteils für Ausgaben und Aufwendungen, der pauschal auf 5 % des Nettobetrags der Dividenden, die sie von den in den steuerlichen Konzern einbezogenen gebietsansässigen Gesellschaften erhält, festgelegt ist, neutralisiert wird, während ihr nach diesen Rechtsvorschriften eine solche Neutralisierung für diejenigen Dividenden versagt wird, die von ihren Tochtergesellschaften an sie ausgeschüttet werden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind und die, wenn sie gebietsansässig 23 IStR 2014, 724. 24 BStBl. II 2012, 106. 25 S. insoweit auch die Suche nach der maßgebenden „Referenzgröße“ bezogen auf die sog. Sanierungsklausel in § 8c KStG in den Urt. des (erstinstanzlichen) EuG v. 4.2.2016 – T-620/11, DStR 2016, 390, und T-287/11 (s. GmbHR 2016, 384, redaktioneller Leitsatz). 26 DStR 2015, 2125.

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wären, objektiv für die Wahl der Konzernbesteuerung in Betracht kämen“. „Übersetzt“ man diese Aussage auf das deutsche Steuerrecht, so bleibt es zumindest vorstellbar, daß die Hinzurechnungsversagung doch gegen Unionsrecht verstößt. Anders als der BFH27 meinte, könnte das „Unternehmen eines grenzüberschreitenden Verbunds“ nämlich vielleicht doch – so der BFH – „unter Berufung auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten nachträglich einzelne, für sie vorteilhafte Elemente der Organschaftsbesteuerung für sich in Anspruch nehmen, ohne dass sie im relevanten Zeitraum zumindest den Willen bekundet haben, eine Organschaft bilden zu wollen, und ohne dass sie zumindest versucht haben, die für die steuerliche Anerkennung der Organschaft im Inlandsfall erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen.“ Das gilt freilich immer nur dann, wenn es (wie hier in casu) keines Ergebnisabführungsvertrages bedarf, im „Normalfall“ somit nicht.28

2. Volle „Schachtelprivilegierung“ im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis infolge sog. Bruttomethode (BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14) Das BFH-Urteil v. 17.12.2014 – I R 39/1429 war, so hört man aus Verwaltungskreisen, genauso, wie es nun ergangen ist, erwartet worden. Doch hinderte das die Finanzverwaltung nicht, „kräftig“ um ein anderes Ergebnis zu „kämpfen“. Worum ging und geht es? a) § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 KStG ordnet für den körperschaftsteuerrechtlichen Organkreis die sog. Bruttomethode an: Zwar sind die Einkommen von Organgesellschaft und Organträger unbeschadet der Organschaftsbeziehung unabhängig und isoliert voneinander zu ermitteln. Doch gilt das nicht für Dividendeneinkünfte der Organgesellschaft aus § 8b-relevanten (Unter-)Beteiligungen. § 8b Abs. 1 bis 6 KStG ist nicht anzuwenden. Die empfangenden Dividenden bleiben also in die Bemessungsgrundlage einbezogen und werden dem Organträger mitsamt dem sonstigen Einkommensbestandteilen „brutto“ zugerechnet. Erst auf der Besteuerungsebene des Organträgers gelangt man zur Anwendung des § 8b KStG. Die besagten Dividenden bleiben bei ihm außer Ansatz. Zugleich wird er in Höhe von 5 % nach § 8b Abs. 5 KStG „schachtelbestraft“. 27 S.a. BFH v. 7.12.2011 – I R 30/08, BStBl. II 2012, 507. 28 Insoweit a.A. z.B. Schnitger, IStR 2015, 772. 29 BStBl. II 2015, 1052.

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b) Gilt das aber genauso für die Gewerbesteuer? aa) § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG wendet die körperschaftsteuerrechtlichen Regelungen für den gewerbesteuerrechtlichen Organkreis uneingeschränkt an. In jenem letzteren Organkreis fungiert die Organgesellschaft dann als fiktive Betriebsstätte des Organträgers. Organträger und Organgesellschaft bilden ein virtuelles Einheitsunternehmen. Das ändert nach langjähriger Spruch- und Verwaltungspraxis jedoch nichts daran, dass auch hier – bei der Ermittlung der Gewerbeerträge – eine jeweils getrennte Gewerbeertragsermittlung für beide Gesellschaften vorzunehmen ist. Man spricht deswegen bekanntlich von der sog. gebrochenen Einheitstheorie. bb) Auf dieser Basis bestimmt sich die Gewerbeertragsermittlung im Ausgangspunkt wiederum nach den Regeln des KStG. Das ordnet § 7 Satz 1 GewStG an. Und das bedeutet dann zugleich, dass auch die erwähnte besagte Bruttomethode Anwendung findet. Dass § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis die Rechtsfolge eines virtuellen Einheitsunternehmens auslöst, ist davon unabhängig: § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG bestimmt unter Bezugnahme auf §§ 14, 17 und 18 KStG lediglich die Voraussetzungen einer gewerbesteuerrechtlichen Organschaft, sagt aber nichts darüber aus, wie der dem Organträger zuzurechnende Gewerbeertrag der Organgesellschaft zu ermitteln und wie der zugerechnete Gewerbeertrag beim Organträger zu behandeln ist. All das wäre aber auch nicht weiter problematisch und würde lediglich dem Gleichlauf von Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerrecht Rechnung tragen. cc) Es kommt aber etwas hinzu, nämlich das gewerbesteuerrechtliche Schachtelprivileg des § 9 Nr. 2a GewStG (für nationale Konstellationen) oder des § 9 Nr. 7 GewStG (für internationale Konstellationen). Und danach ist die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen nach § 7 Satz 1 GewStG um „Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft“ zu kürzen. Mit anderen Worten: Findet das gewerbesteuerrechtliche Schachtelprivileg bei der Organgesellschaft auf die besagten Dividenden Anwendung, dann sind diese Dividenden in dem Gewerbebetrag, welche die Organgesellschaft im Organkreis dem Organträger anschließend zurechnet, nicht mehr i.S.v. § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 1. Halbsatz KStG „enthalten“. Das aber wäre Voraussetzung, um beim Organträger § 8b KStG i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG zu „aktivieren“. Daraus folgt: Mangelt es am „Enthalten“, dann bliebe beim Organträger deshalb kein Raum mehr für die „Schachtelbestrafung“.

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dd) Ob es sich tatsächlich so verhält, hängt indessen noch von einer weiteren „Klippe“ ab: § 9 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 9 Nr. 2a Satz 4 GewStG kürzt den Kürzungsbetrag seinerseits um die Schachtelstrafe des § 8b Abs. 5 KStG. Das widerspricht zwar dem BFH-Urteil v. 10.1.2007 – I R 53/0630, ist aber gerade deshalb auf eine „rechtsprechungsbrechende“ Gesetzesnachbesserung zurückzuführen. Der BFH nimmt im Zuge seiner Gesetzesauslegung diese „Klippe“, indem er die besagte Schachtelstrafe auch hier leerlaufen lässt. Grund dafür gibt ihm abermals die Bruttomethode: Wenn § 8b Abs. 1 bis 6 KStG im Organkreis bei der Organgesellschaft ausgespart bleiben soll, dann gilt das vollends und ausnahmslos. Es gilt dann auch im Rahmen der Ermittlung des Kürzungsumfangs nach § 9 Nr. 2a Satz 1 und Nr. 7 Satz 1 (i.V.m. § 7 Satz 1) GewStG. ee) Die solcherart „technisch“ gewonnene Gesetzesableitung ist denn nach allem das Ergebnis des BFH. Das entspricht dem, das bereits im BFHUrteil v. 14.1.2009 – I R 47/0831 zum abkommensrechtlichen Schachtelprivileg gesagt worden ist. (Auch) dort hatte der Gesetzgeber – vermittels § 15 Satz 2 KStG – gesetzlich nachgebessert und dadurch das Bruttoprinzip auf das abkommensrechtliche Schachtelprivileg ausgedehnt. Es wird, dazu bedarf es keiner Prophetie, nicht lange dauern, bis der Gesetzgeber für die nun „gescheiterte“ Schachtelbestrafung im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis Gleiches tun und das Gesetz reparieren wird. c) Bemerkenswert ist, dass der in der mündlichen Verhandlung vor dem BFH für das FA aufgetretene Vertreter des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums sich vehement gegen die Anwendung der gebrochenen Einheitstheorie gewandt hatte. Offenbar war ihm – frei nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“ – der „Bruch“ der in R 7.1 Abs. 5 GewStR 2009 niedergelegten jahrzehntealten Verwaltungspraxis „lieber“, als den drohenden Nachteil eines Prozeßunterliegens hinzunehmen. Ob das mit dem BMF abgesprochen war? Immerhin: Angesichts der in § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG angelegten Betriebsstättenfiktion mag die gebrochene Einheitstheorie keineswegs über jeden Zweifel erhaben sein.32 Das ist dem besagten FA-Vertreter zuzugestehen. Doch rechtfertigt das kaum, die langjährige Praxis aufzugeben. Der BFH bezeichnete das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung denn auch als „unspezifisch“.

30 BStBl. II 2007, 585. 31 BStBl. II 2011, 131. 32 DStR 2015, 466.

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d) Ein Letztes: Das FA hatte noch erwogen, eine „schachtelbestrafende“ Gegenkorrektur über eine „Sinnanwendung“ von § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG in Analogie bewerkstelligen zu können. Auch das findet vor dem BFH kein Gefallen: Wenn der Gesetzgeber sich überaus feinsinnig und differenziert auf eine Regelung wie in § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 KStG einlässt, dann muß er sich daran auch festhalten lassen. Das Speziellere „schlägt“ dann das Allgemeine.

3. Teilwertabschreibung trotz Konzernrückhalts und das Abkommensprinzip des dealing at arm’s length? (BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13 und v. 24.6.2015 – I R 29/14) a) Beide Urteile des BFH, das Urteil v. 17.12.2014 – I R 23/1333 ebenso wie das Anschlussurteil v. 24.6.2015 – I R 29/14,34 betreffen zunächst die Steuervergangenheit: Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen sind keine bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigenden Gewinnminderungen i.S.v. § 8b Abs. 3 KStG a.F. (i.d.F. bis zur Änderung durch das JStG 2008). Der BFH bekräftigt damit das, was er bereits in seinem Urteil v. 14.1.2009 – I R 52/0835 zum Ausdruck gebracht hat. Jenes Urteil aus dem Jahre 2009 hatte den Gesetzgeber bewogen, die Abzugsverbote des § 8b Abs. 3 KStG entsprechend „nachzubessern“. § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG in der Neufassung schließt entsprechende Gewinnminderungen auf Gesellschafterdarlehen umfassend vom Abzug aus. Davon erfasst werden jegliche Darlehen und Sicherheitengestellungen von Gesellschaftern, diesen Nahestehenden und von sog. rückgriffsbewehrten Dritten. Erfasst werden gleichermaßen jegliche sonstigen Rechtshandlungen, die einer Darlehensgewährung wirtschaftlich vergleichbar sind. Nachdem der X. Senat des BFH sich in gleicher Weise wie zuvor der I. Senat bekannt hat, was die entsprechende Ausgangslage bei privat gehaltenen Gesellschaftsanteilen im Zusammenhang mit § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG anbelangt36, hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich nochmals reagiert: Durch das ZollkodexAnpG vom 22.12.2014 wurde unlängst auch § 3c Abs. 2 EStG „auf Spur gebracht“.

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BStBl. II 2009, 674. DStR 2015, 2120. BStBl. II 2009, 674. BFH v. 18.4.2012 – X R 5/10, BStBl. II 2013, 785.

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b) Für die Gegenwart und Zukunft ist also gesetzlich vorgesorgt. Was aber ist mit der (noch jüngeren) Vergangenheit? Gibt es auch dafür – aus Sicht der Finanzverwaltung – Möglichkeiten einer fiskalen Gegenwehr? Die Finanzverwaltung hat sich in einem umfassenden Begleitschreiben in diesem Sinne bekannt, das der Veröffentlichung des BFH-Urteils v. 14.1.2009 – I R 52/08 beigefügt wurde, dem BMF-Schreiben v. 29.3.201137. Handelt es sich um einen „grenzüberschreitenden“ Sachverhalt, wird danach Abhilfe über eine Einkommenskorrektur nach § 1 AStG gesucht: Gesellschafterdarlehen mögen nach den allgemeinen Regeln abgeschrieben werden können. Resultiert die Teilwertabschreibung indessen daraus, dass das Darlehen unbesichert begeben worden ist, dann sei das nicht fremdüblich und rechtfertige besagte außerbilanzielle Korrektur. Dagegen ist viel Kritik laut geworden. Geltend gemacht wird namentlich, die Abschreibung gründe in nationalen Bewertungsvorschriften (des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) und enthebe sich als solche der Einkünftekorrektur. Die mangelnde Darlehensbesicherung möge für die Abschreibung ursächlich sein. Dass abgeschrieben werden könne, sei aber nicht im Umkehrschluss durch die fehlende Darlehensbesicherung verursacht. Letzteres aber müsse sein, um eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG zu bewerkstelligen („dadurch“).38 c) Letzterem dürfte schon der unilaterale Regelungsbefehl des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG entgegenstehen, der einer Korrektur nach § 1 Abs. 1 AStG schon deswegen nicht zugänglich sein wird, weil er nicht als fremdvergleichsabhängige Gewinnverlagerung „über die Grenze“ ausdeutbar ist.39 Der BFH entzieht sich einer Antwort darauf aber, ebenso wie auf die Frage, ob es sich bei der fehlenden Besicherung überhaupt um eine „Bedingung“ i.S.v. § 1 Abs. 1 AStG handelt. Er setzt an einer 37 BStBl. I 2011, 277. 38 Teilweise wird das bejaht (so z.B. Thüringer FG v. 29.1.2014 – 3 K 43/13, EFG 2014, 1401), teilweise (und zu Recht) verneint (so z.B. FG Düsseldorf v. 28.3.2014 – 6 K 4087/11 F, EFG 2014, 1275; ebenso z.B. Ditz/Quilitzsch, ISR 2014, 109, 113; Ditz in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 9 OECD-MA Rz. 18 ff., 19, und Andresen, IStR 2014, 207; Gosch, KStG, 3. Aufl., § 8b Rz. 278c, jew. m.w.N. 39 Zu erwägen wäre auch, in dem Abschreibungsverbot einen isolierten Unionsrechtsverstoß zu sehen. Denn betroffen sind von der Rückgängigmachung nur Auslandssachverhalte. Just das aber hat der EuGH erst soeben für unakzeptabel gehalten und mit einem entsprechenden Verdikt belegt, s. für einen Fall der österreichischen Gruppensteuer EuGH v. 6.10.2015 – Rs. C-66/14 – FA Linz, IStR 2015, 879.

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anderen argumentativen Stelle an, nämlich bei der beschränkenden Wirkung, welche ein DBA bewirkt, das nach Maßgabe des OECD-MA ausgestaltet ist und sich dort an Art. 9 Abs. 1 und dem Grundsatz des dealing at arm’s length orientiert (im Urteilsfall war das Art. 9 Abs. 1 DBA-USA 1989): Zwar ermächtigt Art. 9 Abs. 1 OECD-MA die Vertragsstaaten zur Gewinnkorrektur, wenn miteinander verbundene Unternehmen „in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden“. Jedoch betrifft das nur die Angemessenheit, also die Höhe des Vereinbarten und mithin den Verrechnungspreis. Anderweitige Konditionen, die fremdunüblich sind, mögen durchaus geeignet sein, diesen Preis zu beeinflussen. So mag eine fehlende Besicherung einen höheren Zins rechtfertigen. Doch bleibt es dabei: Es ist immer der Preis, der hiernach einer Prüfung und einer Korrektur unterfällt, die Konditionen als solche sind das nicht. Nun ist Art. 9 Abs. 1 OECD-MA „non self-executing“. Es bedarf einer unilateralen Vorschrift, die das bilateral Vorgegebene auch umsetzt und verifiziert. In Deutschland ist das (auch) durch § 1 AStG geschehen. Überträgt man den abkommensrechtlichen Korrekturmaßstab auf das innerstaatliche Recht, dann müssen sich die Maßstäbe hier wie dort decken. Dazu hat Deutschland sich über den Völkerrechtsvertrag verpflichtet. Das zu Ende gedacht, greift Art. 9 Abs. 1 OECD-MA dann aber „sperrwirkend“ auf § 1 Abs. 1 AStG zu. Da die nationale Einkünftekorrekturvorschrift erkennbar nicht als Treaty override ausgestaltet ist, ist sie – jedenfalls wenn in casu ein entsprechendes Abkommen vereinbart wird – in ihren Korrekturerfordernissen gewissermaßen kupiert: Nur der Verrechnungspreis kann der Korrektur unterfallen, die Konditionen können das auch hier nicht. Bei einem Darlehen ist das der Zins, es ist das nicht die fehlende Besicherung der Darlehensvaluta. d) Ähnlich hatte der BFH vor noch nicht allzu langer Zeit entschieden, in seinem Urteil v. 11.10.2012 – I R 75/11.40 Dort wirkte sich Art. 9 Abs. 1 OECD-MA „sperrend“ auf jene Sonderbedingungen aus, welche gängigerweise im Rahmen des sog. formellen Fremdvergleichs Kapitalgesellschaften in Bezug auf ihre beherrschenden Gesellschafter ausgesetzt sind. Unbeeinflusst von der DBA-Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA bleibt hingegen (nach wie vor) das Abzugsverbot des § 8b 40 BStBl. II 2013, 1046.

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Abs. 3 Satz 4 ff. KStG. In diesem Verbot artikuliert sich (lediglich) eine spezielle Missbrauchsvermeidung zur Umgehung des Abzugsverbots nach § 8b Abs. 3 Satz 1 bis 3 KStG, nicht mehr und nicht weniger41. § 1 Abs. 1 AStG ist wie Art. 9 Abs. 1 OECD-MA eine Vorschrift zur Einkommenskorrektur. Darum aber handelt es sich bei § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG nicht, und das betrifft auch grenzüberschreitende Zusammenhänge. Unbeeinflusst bleiben ganz allgemein die Fremdvergleichsmaßstäbe im Inlandsfall. Die abkommensrechtliche Sperrwirkung greift nur da, wo sie einschlägig ist, sonst nicht, auch nicht aus Gründen des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes.42 e) Was folgt aus alledem? aa) Zum einen wurde lange diskutiert, ob § 1 Abs. 1 AStG als solcher unionsrechtlichen Anforderungen standhält. Der EuGH hat das zwischenzeitlich prinzipiell bejaht, in seinem Urteil v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 – „SGI“43, und dem hat der BFH sich explizit angeschlossen44. Rechtfertigender Umstand für den Eingriff in die Grundfreiheiten war ihm dabei die Formel von der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten. Dieser „Allzweck“-Rechtfertigungsgrund und -Aufteilungsmodus orientiert sich indes seinerseits (auch) an den abkommensrechtlich vereinbarten Vorgaben. Werden diese „beschädigt“, sollte deswegen auch die Rechtfertigung scheitern und ein Unionsrechtsverstoß zu konstatieren sein. Das wird zu berücksichtigen sein, sollte der Gesetzgeber – zum anderen – auf Abhilfe sinnen und § 1 Abs. 1 AStG nun doch als Treaty override zu Lasten von Art. 9 Abs. 1 OECD-MA ausgestalten. Er müsste, um auch aus Unionssicht sicherzugehen, dann wohl schon den Korrekturmechanismus auch auf Inlandssachverhalte ausdehnen, was wiederum ein hoher (aber, kennt man „seine Fiskal-Pappenheimer“, keineswegs „undenkbarer“) (Folge-)Preis wäre. bb) Unabhängig davon verbleibt noch eine andere Frage, das wurde oben unter lit. c) schon erwähnt, nämlich jene, ob die fehlende Besicherung preisbeeinflussend ist. Das ist im Einzelfall zu untersuchen, wobei ggf. ein sog. Konzernrückhalt zu beachten ist: Da die Obergesellschaft in al-

41 BFH v. 12.3.2014 – I R 87/12, BStBl. II 2014, 859. 42 Zum dadurch entstehenden Problem der sog. umgekehrten Inländerdiskriminierung s. z.B. BFH v. 15.7.2005 – I R 21/04, BStBl. II 2005, 716. 43 Slg. 2010, I-487, BFH/NV 2010, 571. 44 BFH v. 25.6.2014 – I R 88/12, BFH/NV 2015, 57.

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ler Regel für den etwaigen Ausfall der Darlehenssumme „geradesteht“, wird eine Besicherung nicht zwingend und unter allen Umständen einzufordern sein. Genau deswegen wird aber oftmals auch ohnehin kein tragfähiger Grund dafür bestehen, die Forderung auf Rückzahlung des Darlehens überhaupt auf ihren Teilwert abzuschreiben: Im Rahmen des Konzernrückhalts ist die Rückzahlung doch nicht ernsthaft gefährdet. Das alles fußt auf dem BFH-Urteil v. 20.10.2004 – I R 7/0445, wonach die Hingabe von Darlehen einer inländischen GmbH an die ausländische Muttergesellschaft auch bei fehlender Besicherung keine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt, wenn die GmbH gleichzeitig werthaltige Gegenansprüche erhält und aktiviert. Allerdings ist das nach (umstrittener)46 Auffassung des BFH regelmäßig vermittels eines angemessenen Risikoaufschlags auf den vereinbarten Zins auszugleichen. Soweit die Finanzverwaltung diese Rechtsprechung zum Beleg dafür nehmen will, (im Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 AStG) eine an sich gebotene Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG mangels dauernder Wertminderung auszuschließen, wird die Kernaussage der BFH-Spruchpraxis freilich missverstanden. Es geht dem BFH nicht darum, dem Konzernrückhalt eine „immerwährende“ Besicherung zu entlehnen, sondern nur darum, für den Fall der Konzernierung die Kreditbedingungen zu justieren. Ob der Rückhalt im Besicherungsfall aber tatsächlich und uneingeschränkt sichernd greift, ist damit noch nicht ausgemacht. Dass die Muttergesellschaft regelmäßig für Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft gegenüber Dritten einsteht (sog. Eventualverbindlichkeit), lässt keine Rückschlüsse auf die Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeit durch die Tochtergesellschaft zu. Gerade dann, wenn die Tochtergesellschaft auf die Inanspruchnahme des Konzernrückhalts angewiesen ist, um Drittgläubiger zu befriedigen, ist davon auszugehen, dass die Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Muttergesellschaft nicht bedient wird. Das bedeutet – und ist zudem überaus praxisrelevant: Die Teilwertabschreibung im Konzernzusammenhang ist das eine, die „Vereinbarungserleichterungen“ zwischen konzernverbundenen Unternehmen bei Darlehensverträgen ist das andere. Beides steht nebeneinander und beides dient nicht als bloße Schablone für das andere. „Bequem zurücklehnen“ kann sich die Finanzverwaltung also nicht. Steht die Teilwertabschreibung nach Maßgabe von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG außer Frage, greift dann im Abkommensfall auch die besagte Sperrwirkung. Einer „urteils45 BFH/NV 2005, 916. 46 S. z.B. Bogenschütz, Ubg 2014, 155, 159 ff., der a.A. ist.

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nichtanwendenden“ Regelungskorrektur ist diese Wirkung nicht zugänglich – es sei denn als Treaty override. Der BFH hält ausdrücklich fest, dass er für die Annahme einer Abkommensüberschreibung de lege lata keinen Anlass sieht. f) Schließlich und zu guter Letzt konnte der präsumtiven Anwendung von § 1 Abs. 1 AStG noch ein Weiteres entgegenstehen, nämlich ein etwaiger eigenkapitalersetzender Charakter des Darlehens. Das „schuldrechtliche Gewand“ des Darlehens würde dann – jedenfalls nach § 1 Abs. 1 AStG a.F. – nichts daran ändern, daß es sich materiell nicht um eine „Geschäftsbeziehung“ i.S. von § 1 Abs. 1 und 4 AStG a.F. handeln würde. Das Vorliegen einer Geschäftsbeziehung ist aber Voraussetzung dafür, den Korrekturmechanismus über § 1 Abs. 1 AStG a.F. überhaupt auszulösen. Dazu ist auf das BFH-Urteil v. 29.11.2000 – I R 85/9947 zu verweisen; dieses wurde z.B. durch das Urteil v. 27.8.2008 – I R 28/0748 und v. 29.4.2009 – I R 26/0849 für zinslose und unbesicherte Darlehen bestätigt. Es ist allerdings für zinslose Darlehen auch abgrenzend modifiziert worden, nämlich durch die Urteile v. 23.6.2010 – I R 37/0950 und v. 25.6.2014 – I R 88/1251. Infolge der zwischenzeitlichen Neuformulierung des § 1 Abs. 4 AStG (im Jahre 2003 durch das StVergAbG und neuerlich – in 2014 – durch das ZollkodexAnpG52 reicht so oder so die schuldrechtliche Beziehung aus und wird nach dem eigenkapitalersetzenden Charakter im Grundsatz und von Ausnahmen abgesehen nicht mehr gefragt. So lag es auch im hiesigen Urteilsfall. g) Es ist zu befürchten, dass die Finanzverwaltung sich alledem nicht anschließen53 und den Gesetzgeber „beauftragen“ wird, ein Nichtanwendungsgesetz zu produzieren. Augenfällig wähnt man sich trotz der nunmehr gleich dreifachen Bestätigung der höchstrichterlichen Spruchpraxis im Recht. Zum einen, weil sich aus § 1 Abs. 1 AStG Gegenteiliges ergebe. Das ist sicher richtig, zugleich aber zirkelschlüssig, weil Art. 9 Abs. 1

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BStBl. II 2002, 720. BFH/NV 2009, 123. BFH/NV 209, 1648. BStBl. II 2010, 895. BFH/NV 2015, 57. ZollkodexAnpG v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2417. S. denn auch zwischenzeitlich das BMF-Schreiben v. 30.3.2016, durch welches die Nichtanwendung der Urteile verfügt worden ist, und das in einer im Ton gegenüber dem BFH höchst sachunangemessenen Weise, die einer gewissen Hybris Ausdruck verleiht.

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OECD-MA eben etwas anderes vorgibt. Auch das wird aus Fiskalsicht freilich geleugnet, weil – zum anderen – die OECD in ihren Kommentierungen in Nr. 4 zu Art. 9 Abs. 1 OECD-MA den darin präzisierten Fremdvergleichsgrundsatz tendenziell anders verstehen wolle. Mit dem Abkommenstext hat das indessen nur wenig zu tun. Das potentielle Nichtanwendungsgesetz wäre so gesehen ein abermaliges Treaty overriding, zu dem das BVerfG54 die von der Exekutive (und damit den „Präparatoren in den Ministerien“)55 ferngesteuerte Legislative (in einer gewissen „Überhöhung“ des real gehandhabten Demokratieprinzips) allerdings zwischenzeitlich in Gestalt eines Freibriefs56 ermuntert hat.

III. Bekanntes und Neues zum steuerlichen Einlagekonto Im „Berichtszeitraum“ sind (abermals) einige Urteile zum steuerlichen Einlagekonto ergangen. Daraus ergibt sich einiges Neues, einiges aber auch bloß Bestätigendes:

1. Einlagekonto: kein Direktzugriff, Bindung der Steuerbescheinigung (BFH v. 11.2.2015 – I R 3/14) Durch das Urteil v. 11.2.2015 – I R 3/1457 rekurriert der BFH im Kern auf vorhandene (und jüngere) Spruchpraxis und verstetigt diese: a) In seinem Urteil v. 30.1.2013 – I R 35/1158 hat der BFH entschieden, dass die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos ungeachtet unterjähriger Zugänge zum steuerlichen Einlagekonto auf den zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres festgestellten positiven Bestand des Kontos begrenzt ist. Ein direkter Zugriff auf das Einlagekonto ist ausgeschlossen. Er wird durch die vorangegangene Feststellung der Bestände des Kontos versperrt. Grund dafür ist, dass es sich bei dem steuerlichen Einlagekonto um eine reine Rechengröße handelt. Das Konto weist deshalb ohne Bindung an das Handelsrecht die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen aus und dient im Falle der Vermögensauskehrung, d.h. der durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Leistungen i.S. von § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG 2002 n.F., der Identifizierung der beim Gesell-

54 55 56 57 58

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BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359. Drüen, JZ 2010, 91. S. dazu zutreffend M. Lang, DStJG Bd. 36 (2013), 7, 12 ff. (13). BStBl. II 2015, 816. BStBl. II 2013, 560.

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schafter nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht steuerpflichtigen Einlagenrückgewähr sowie deren Separierung von den nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich steuerpflichtigen Kapitalerträgen. Daran hält der BFH nun uneingeschränkt fest. Es bleibt also dabei: Der direkte Zugriff auf das Einlagekonto ist ausgeschlossen. Verfassungs- oder Unionsrechtsbedenken dagegen erachtet der BFH als unbegründet. b) Sodann bestätigt der BFH jene Aussage, die er bereits in seinem Urteil v. 19.5.2010 – I R 51/0959 getroffen hat: Nach § 27 Abs. 3 KStG hat eine Kapitalgesellschaft im Falle von Abgängen aus dem steuerlichen Einlagekonto nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG nach amtlichen Muster ihrem Anteilseigner als Adressat der Erklärung namentlich und unter Angabe seiner Wohnanschrift die Höhe sowie den Zahltag der Leistungen, die das steuerliche Einlagekonto gemindert haben, zu bescheinigen. Wird dem nicht oder nur unzutreffend genügt, unterscheidet § 27 Abs. 5 KStG danach, ob die Kürzung des Einlagebetrags überhöht oder zu niedrig bescheinigt worden ist. –

In ersterem Fall des überhöhten Ausweises eröffnet § 27 Abs. 5 Satz 3 KStG die Möglichkeit, die Steuerbescheinigung zu berichtigen. Erweist sich dies als nicht praxistauglich, sieht § 27 Abs. 3 Satz 4 KStG eine verschuldensunabhängige Haftung der Kapitalgesellschaft für die (aufgrund der überhöht bescheinigten Minderung des Einlagekontos) zu Unrecht nicht einbehaltene und abgeführte KapESt vor.



Wird hingegen der Abgang aus dem Einlagekonto zu niedrig bescheinigt, schreibt § 27 Abs. 5 Satz 1 KStG die Verwendung der Eigenkapitalteile gemäß der Bescheinigung fest, so dass diese zugleich der Feststellung des Einlagekontos zugrunde zu legen ist; eine Berichtigung der Bescheinigung ist nach § 27 Abs. 5 Satz 3 KStG ausgeschlossen. Ist bis zum Tag der erstmaligen Feststellung nach § 27 Abs. 2 KStG keine Steuerbescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG erteilt worden, gilt nach § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit 0 Euro bescheinigt; auch hier ist nach § 27 Abs. 5 Satz 3 KStG eine Korrektur der Steuerbescheinigung ausgeschlossen.

Bei alldem gilt: Gegenüber der ausschüttenden Kapitalgesellschaft ergangene Feststellungsbescheide über den Bestand des steuerlichen Ein-

59 BStBl. II 2014, 937.

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lagekontos sind auch für die Besteuerung des Gesellschafters bindend (siehe dazu nachfolgend unter III. 3.). Auch das alles und insbesondere die von der Steuerbescheinigung ausgehende materielle Präklusionswirkung bleibt verfassungsrechtlich unbeanstandet. c) Kurzum: Es ist größte Sorgfalt darauf zu verwenden, ob und in welcher Höhe und Zusammensetzung der Bestand des Einlagekontos festgestellt worden ist, gerade dann, wenn die Einlagenrückgewähr gestalterisch proaktiv als steuerlich günstigere Alternative genutzt werden soll. Die allumfassende Wirkung dieser Feststellung lässt sich im Nachhinein kaum noch korrigieren. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Feststellungsbescheid unangefochten geblieben und deswegen bestandskräftig geworden ist.

2. Leistungen der Kapitalgesellschaft i.S. von § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG in Abgrenzung zur Rückzahlung von Nennkapital (BFH v. 21.10.2014 – I R 31/13) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG hat die unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf einem besonderen Konto (steuerliches Einlagekonto) auszuweisen. Das steuerliche Einlagekonto ist nach Satz 2 der Vorschrift ausgehend von dem Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs fortzuschreiben. Satz 3 der Vorschrift bestimmt, dass Leistungen der Kapitalgesellschaft mit Ausnahme der Rückzahlung von Nennkapital i.S. des § 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 KStG das steuerliche Einlagekonto unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung nur mindern, soweit sie den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen (Einlagenrückgewähr). Im Fall der Herabsetzung des Nennkapitals oder der Auflösung der Körperschaft wird nach § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG zunächst der Sonderausweis zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs gemindert; ein übersteigender Betrag ist dem steuerlichen Einlagekonto gutzuschreiben, soweit die Einlage in das Nennkapital geleistet ist. Die Rückzahlung des Nennkapitals gilt, soweit der Sonderausweis zu mindern ist, nach § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Bezügen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG führt. Ein den Sonderausweis übersteigender Betrag ist vom positiven Bestand des steuerlichen Einlagekontos abzuziehen (§ 28 Abs. 2 Satz 3 KStG).

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Vor diesem Regelungshintergrund entscheidet sich nach Auffassung des BFH im Urteil v. 21.10.2014 – I R 31/1360 am jeweiligen Einzelfall und nach dessen Gegebenheiten, ob Nennkapital rückgezahlt oder aber, ob ein Gewinn ausgeschüttet wird. Dazu setzt der BFH die folgenden „Eckdaten“: –

§ 28 Abs. 2 Satz 2 KStG ist nicht zu entnehmen, dass die Rückzahlung oder der Rückzahlungsbetrag bereits konkret Inhalt des Herabsetzungsbeschlusses sein muss. Vielmehr ist ein Direktzugriff auf das Einlagekonto nach steuerrechtlichen Maßgaben immer dann zuzulassen, wenn die Leistung anderweitig und unmissverständlich als Auszahlung des Herabsetzungsbetrags qualifiziert werden kann. Das ermisst sich sowohl anhand des Wortlauts des Kapitalherabsetzungsbeschlusses als auch erforderlichenfalls unter Würdigung der weiteren tatsächlichen Umstände, wozu namentlich ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Beschluss und Auszahlung gehört.



Soweit der Zahlungsbetrag wie im Falle einer ordentlichen Kapitalherabsetzung (§ 58 GmbHG) als Rückzahlung an die Anteilseigner identifizierbar und eine (freie) Bestimmung über die Rechtsfolgen einer Leistung der Kapitalgesellschaft ausgeschlossen ist, lässt das Gesetz eine (unmittelbare) Minderung des um den Betrag der Herabsetzung des Nennkapitals zunächst erhöhten Einlagekontos (§ 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 KStG) zu.



Diese Minderung muss sich nicht auf das Jahr beziehen, in welchem der Herabsetzungsbeschluss wirksam und der betreffende Betrag dem Einlagekonto gutgeschrieben werden.61

Konsequenz: Man tut in der pro-aktiven Gestaltung nach wie vor gut daran, die „Absicht“ der Nennkapitalrückzahlung klar und deutlich in dem Herabsetzungsbeschluss selbst zu verankern. Wird das unterlassen, muss – reaktiv – schon einiges dargetan werden, um die Verklammerung des Beschlusses mit der zeitlich eng nachfolgenden Ausschüttung tatsächlichindiziell zu belegen. Andernfalls handelt es sich um zwei voneinander losgelöste und separate Vorgänge. Der Zugriff auf das Einlagekonto wird dann versperrt und es liegt eine „normale“ Dividendenausschüttung vor. Das alles ist „gut und schön“. Steuervereinfachend wäre es gewiss gewe-

60 DStR 2015, 411. 61 BMF v. 4.6.2003, BStBl. I 2003, 366, Rz. 429.

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sen, man hätte sich strikt an dem Gesellschafterbeschluss orientiert. Die Beteiligten haben es schließlich jederzeit in der Hand, hier von vornherein für klare Verhältnisse zu sorgen. Der BFH ist indessen anderer Ansicht.

3. Bindung des Gesellschafters an die Feststellungen des steuerlichen Einlagekontos, Änderungsbescheid als rückwirkendes Ereignis (BFH v. 8.1.2015 – I R 70/13) a) Leistungen einer Kapitalgesellschaft, die aus dem steuerlichen Einlagekonto des § 27 KStG erbracht werden, gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG nicht als „sonstige Bezüge“ zu den „Einnahmen“ und als solche auch nicht zu den „Einkünften“ aus Kapitalvermögen. Vielmehr handelt es sich um Kapitalrückzahlungen. Wird auf dieser Basis der Bestand des steuerlichen Einlagekontos gegenüber der Kapitalgesellschaft nach Maßgabe von § 27 Abs. 2 KStG gesondert festgestellt, dann wirkt diese Feststellung unmittelbar nur gegenüber der betreffenden Kapitalgesellschaft. Über die Tatbestandsmäßigkeit des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG schlägt diese Feststellung indessen materiell-rechtlich auf die Anteilseignerebene durch. Der Anteilseigner ist hiernach gehindert, die Richtigkeit der festgestellten Beträge im Rahmen seiner ESt-Veranlagung mit Erfolg anzuzweifeln; eine eigene Prüfung der Bestände des Einlagekontos findet insoweit und an dieser Stelle nicht mehr statt. All das hatte der BFH durch sein Urteil v. 19.5.2010 – I R 51/0962 entschieden, und daran knüpft er nunmehr im Urteil v. 28.1.2015 – I R 70/1363 nochmals (s. bereits vorstehend unter III. 1.) bestätigend an. b) Der BFH geht den eingeschlagenen Weg aber auch in anderer Hinsicht konsequent zu Ende: Die vorgenannte Bindung schlägt auf die KapESt durch, sei es in Gestalt deren Anmeldung oder Festsetzung, sei es – und so im Urteilsfall – in Gestalt eines Nachforderungsbescheids. Daran ändert auch eine etwaige ESt-Festsetzung nichts, falls sich daraus ergibt, dass eine Nennkapitalrückzahlung und deswegen keine Kapitaleinkünfte vorliegen. Denn die (nachfolgende) Feststellung des steuerlichen Eigenkapitals stellt ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Sie kann sich also auf eine vorgängige ESt-Festsetzung leichthin auswirken, weil sie im Hinblick darauf die Anlaufhemmung des § 175 Abs. 1 Satz 2 AO auslöst. 62 BStBl. II 2014, 937. 63 DStR 2015, 1242.

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Und schließlich erweist sich das Ganze für die Kapitalgesellschaft als haftungsrelevant: Erklärt sie nämlich fälschlich, eine Ausschüttung speise sich aus dem steuerlichen Einlagekonto, dann muss sie sich das als grob fahrlässig i.S. von § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG entgegenhalten lassen, wenn die Bescheidlage dem widerspricht. So gesehen wirkt die Feststellung des Einlagekontobestandes also auch gegen die (ausschüttende) Kapitalgesellschaft als Entrichtungssteuerschuldnerin.

IV. Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt: Tilgung aus Bilanzgewinn und Liquidationsüberschuss (BFH v. 5.4.2015 – I R 44/14) Im Urteil v. 15.4.2015 – I R 44/1464 musste sich der BFH um die (fortbestehende) Passivierung der Verbindlichkeit bei einem (einfachen) Rangrücktritt kümmern, der eine Gläubigerbefriedigung (nur) aus künftigen Gewinnen und Liquidationsüberschüssen vorsieht. Das dazu ergangene, in der Fachwelt vielfach erwartete Urteil des BFH bringt allerdings nur zum Teil (das aber durchaus überraschend) „kehrtwendend“ Neues. Im Ausgangspukt bestätigt sich hingegen die bisherige Linie: 1. Entscheidet sich der Gläubiger eines notleidenden Unternehmens, seinen Sanierungsbeitrag mittels eines (einfachen) Rangrückritts zu leisten, tritt er also überschuldungsbedingt im Rang hinter alle anderen Gläubiger zurück, dann ist die zugrundeliegende Schuld gleichwohl nach wie vor „passivisch“ auszuweisen. Letzteres gilt jedenfalls dann, wenn der Gläubiger fortan nur noch gleichrangig mit dem Eigenkapital und nur noch aus künftigen Gewinnen, Liquidationsüberschüssen und dem sonstigen freien Vermögen des Schuldners Befriedigung erlangen kann. Der BFH spricht hierbei von einem „spezifizierten“ Rangrücktritt. 2. Anders liegen die Dinge indessen, wenn die Befriedigung aus dem sonstigen freien Vermögen ausscheidet und sich alles auf die Befriedigung aus künftigen Gewinnen reduziert. Es fehlt dann an der gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung des Schuldners am Bilanzstichtag. § 5 Abs. 2a EStG ordnet für diesen Fall ein Ausweisverbot an. Das ändert sich erst, wenn die künftigen Gewinne „real“ werden; die Schuld ist dann wieder einzubuchen. Dieses wirtschaftliche Verständnis gilt gleichermaßen für den einfachen ebenso wie den (besagten) spezifizierten

64 BStBl. II 2015, 769.

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Rangrücktritt. In beiden Konstellationen hängen Einnahmen und Verbindlichkeiten voneinander ab. 3. Das alles fand sich bereits in dem BFH-Urteil v. 30.11.2011 – I R 100/1065. Der BFH hat das nochmals bestätigt, und er hat insofern die Kritik an seinem Urteil nicht aufgegriffen. Das betrifft namentlich den Einwand, dass § 5 Abs. 2a EStG (nur) an künftige Gewinne oder Einnahmen anknüpfe, also an solche Verbindlichkeiten, deren Entstehen durch die „Künftigkeit“ bedingt sind. Für nachträgliche Vereinbarungen (wie einen Rangrücktritt) sei die Regelung indessen nicht einschlägig. Der BFH kann sich aber (immerhin) für seine Sichtweise auf den weitgefassten Regelungswortlaut des § 5 Nr. 2a EStG stützen. In Anbetracht dessen mag man über die Sinnhaftigkeit der Vorschrift sinnieren. Man mag auch einwenden, dass die wirtschaftliche Last trotz besagter „Künftigkeit“ unverändert fortbesteht. Ausschlaggebend ist jedoch, dass sich das in der steuerspezifischen Regelung nicht unmittelbar niederschlägt. Aufmerksamkeit verdient, dass der BFH nunmehr nicht mehr, wie noch in seinem Urteil v. 30.11.2011 – I R 100/1066, von einem „qualifiziertem“ Rangrücktritt spricht, sondern diesen, wie erwähnt, als „spezifiziert“ bezeichnet. Grund ist eine Begriffsverwirrung, die hier eintrat, weil der qualifizierte Rangrücktritt terminologisch für diejenige Situation reserviert ist, dass die Darlehensforderung (nur) wie Einlagerückgewähransprüche behandelt werden sollen. Darum aber geht es hier nicht. Die jetzt als „Spezifizierung“ bezeichnete „Qualifizierung“ trägt allein dem Umstand Rechnung, dass der Gläubiger die Befriedigung seiner Forderungen nur aus künftigen Jahresüberschüssen und/oder Liquidationsüberschüssen speisen will. Die Rede ist also gewissermaßen von einem „unspezifischen Qualifizieren“. Das wiederum deckt sich dann mit der Verwaltungspraxis im BMF-Schreiben vom 8.9.200667, die den qualifizierten Rangrücktritt nicht den Regularien des § 5 Abs. 2a EStG unterwirft. 4. Der Vertrags- und Gestaltungspraxis ist folglich nach wie vor dringend anzuraten, dies zu beachten, soll entsprechender „Bilanzierungsschiffbruch“ und ein unerwarteter steuerlicher Ertrag vermieden werden. U.U. sind entsprechende Vereinbarungen anzupassen. Der Rangrücktritt und die daraus abgeleitete Tilgungsabrede sollten sich stets (auch) auf sonstiges freies Vermögen beziehen, nicht nur auf zukünftiges. Dabei genügt

65 BStBl. II 2012, 332. 66 BStBl. II 2012, 332. 67 BStBl. I 2006, 497.

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es, Entsprechendes zu kontrahieren; eine Überprüfung, ob die Forderung dann tatsächlich aus dem freien Vermögen gespeist wird, unterbleibt. Offen bleibt, ob es sich wiederum anders verhält, wenn in der Rangrücktrittsvereinbarung überhaupt nichts darüber aussagt, aus welchem Vermögen und Ertrag die Verbindlichkeit zu bedienen ist. Folgt man hierzu dem IV. Senat des BFH in dessen Urteil v. 30.11.2011 – I R 100/1068, dann liegt in dem Schweigen nicht ein Verzicht darauf, sich aus dem sonstigen freien Vermögen zu bedienen. Die Passivierung bliebe erhalten. Das BMF scheint das aber abweichend zu behandeln,69 und die nunmehrige Spruchpraxis des BFH ist in diesem Punkt alles andere als klar. Das wird denn auch zutreffend kritisch von Karsten Schmidt beäugt,70 der überdies die Schwierigkeiten aufzeigt, den Spagat zwischen § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO und der dazu ergangenen Rechtsprechung des BGH71 einerseits und § 5 Abs. 2a EStG und der einschlägigen BFH-Rechtsprechung andererseits „kraft“ bloßer Formulierung zu schaffen: „Diesen Überschneidungsbereich mit der Vereinbarung zu treffen – das ist das Bestreben, das ist die Kunst!“72 5. Ein derartiger Rangrücktritt kann allerdings – und darin steckt das gegenüber der bisherigen Erkenntnis Neue (und im Einzelfall „Entschärfende“) – als ertragsneutral(isierend)e (verdeckte) Einlage zu behandeln sein. In diesem Punkt weicht der BFH also von der zitierten Referenzentscheidung v. 30.11.2011 – I R 100/10 ausdrücklich ab. Um eine verdeckte Einlage könne es sich, so hatte der BFH seinerzeit argumentiert, nur handeln, wenn sich die Befriedigungsmöglichkeit auf die Liquidationsüberschüsse reduziert, nicht aber, wenn auch zukünftige Gewinne „im Spiel“ sind. Die Schuldtilgung könne dann schon vor einer Liquidation verlangt werden, was wiederum den „Eigenkapitalersatz“ ausschließt. Das wird nun nicht länger aufrechterhalten: Auch in Fällen des Forderungsverzichts gegen Besserungsschein führt der Eintritt des Besserungsfalls zu einer erneuten Umqualifikation des Darlehens (in Fremdkapital). Bis zu diesem Zeitpunkt ist damit davon auszugehen, dass dem Schuldner (temporär) Eigenkapital zur Verfügung stand. In Einklang damit kann

68 69 70 71

BFH v. 10.11.2005 – IV R 13/04, BStBl. II 2006, 618. BMF v. 8.9.2006, BStBl. I 2006, 497. K. Schmidt, BB 2016, 2, 4. BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, BB 2015, 973, dazu K. Schmidt, ZIP 2015, 901. 72 K. Schmidt, BB 2016, 2.

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auch der Wegfall eines Passivpostens (oder dessen Verminderung) den Tatbestand einer (steuerlichen) Einlage erfüllen. Diese „bereinigte“ Betrachtungsweise korrespondiert damit, dass der BFH es einerseits – auf der ersten Stufe – das Vorliegen einer gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung verneint hat, weil die Verbindlichkeit aus künftigen Gewinnen und Einnahmen zu speisen ist. Wenn dem aber so ist, dann kann die latente Zahlungsverpflichtung andererseits – auf der zweiten Stufe – nicht dem Ausweis von Eigenkapital entgegenstehen. Es verhält sich letzten Endes ebenso wie – dort bei entsprechender Werthaltigkeit der Forderung – bei einem Verzicht auf Besserung. Dass beides nur „vorübergehend“ entlastet, ändert hier wie dort nichts. Die gewandelte Erkenntnis des BFH ist also konsequent. Sie ist in Einzelfällen freilich nicht leicht zu praktizieren, wird es gemeinhin doch einigen Aufwand (und viel Ungewissheit) einfordern, den „wahren“ Wert im Rücktrittszeitpunkt zu ermitteln: „Der schmale Grat, der die Abgründe der Insolvenzverschleppung auf der einen und der Herbeiführung eines verhängnisvollen Wegfallgewinns auf der anderen Seite trennt, ist und bleibt schwer begehbar“.73 6. Nicht zu verkennen ist, dass das Ganze zu weiteren und noch unbeantworteten Fragestellungen führt. So beschäftigt sich der BFH in seiner Entscheidung nur mit der Gesellschaft, nicht aber mit der Ebene des Gesellschafters. Dazu bestand sachbezogen kein Anlass. Richtig ist es aber wohl, auf dessen Ebene auf jegliche „Beeinflussung“ durch § 5 Abs. 2a EStG zu verzichten. Die ausgewiesene Forderung bleibt hier eine solche. Sie ist allen einschlägigen Regeln uneingeschränkt unterworfen, im Darlehensfall also z.B. § 8 b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG oder, was die Zinsen anbelangt, § 4h EStG. Auch die gewandelte Spruchpraxis des BFH zur Einlage im Kontext des Rangrücktritts ist nicht folgenlos. So gilt es, den Forderungswert zu ermitteln und der wird in der gegebenen Situation häufig Null sein, was einen entsprechenden (und natürlich unterwünschten) Ertrag nach sich zieht. Verhält es sich so, dann bedarf es systemkonsequent aber einer Gegenkorrektur, falls bei späterer Werterholung die Wiedereinbuchung der Verbindlichkeit geboten ist. Es ist zweifelhaft, ob während der Zeit des Nichtausweises auflaufende Zinsen gleichwohl als Betriebsausgaben abziehbar bleiben; eher sind sie dann wohl eigenkapitalbezogen. Gestalterisch nutzen lässt sich das Ganze wiederum, um Erträge zu produzie-

73 K. Schmidt, BB 2016, 2, 4.

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ren und zugleich Verluste zu effektuieren.74 Schließlich läuft auch hier die steuerliche Behandlung der Einlage bei der Gesellschaft und der Forderung beim Gesellschafter auseinander: Bei entsprechender Werthaltigkeit besteht keine Korrespondenz.75

74 Rätke, StuB 2015, 771; Schnitger, DB 2015, 1989. 75 S. zu alledem z.B. Schnitger, DB 2015, 1989; Schänzle/Birker, StB 2015, 431; Helios/Kröger, DStR 2015, 2478. – Zu der Gefahr eines vergleichbaren Auseinanderfallens bei der Abfindung einer Pensionszusage einerseits und der damit einhergehenden Auflösung der Pensionsrückstellung infolge Verzichts auf die Versorgungszusage und der sog. geschäftsvorfallbezogenen Betrachtungsweise des BFH im Kontext von Gewinnkorrekturvorschriften s. Briese, BB 2014, 1567.

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Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Personengesellschaften Michael Wendt Vorsitzender Richter am BFH, München Inhaltsübersicht 1. Fiktive gewerbliche Einkünfte bei Abfärbung 1.1. Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG 1.2. Verfassungsmäßigkeit der Regelung 1.3. Grenze nicht abfärbender gewerblicher Tätigkeiten 1.3.1. Notwendigkeit der Bestimmung abstrakter Grenzen 1.3.2. BFH-Urteil vom 27.8.2014 – VIII R 6/12 1.3.3. Bedeutung der Abfärbungsgrenze 1.4. Abfärbung wegen Besonderheiten bei Freiberuflern 1.5. Abfärbung durch Halten einer gewerblichen Beteiligung 1.5.1. Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 2 EStG 1.5.2. BFH-Urteil vom 26.6.2014 – IV R 5/11 2. Anteil an KomplementärGmbH nicht immer Sonderbetriebsvermögen II 2.1. Voraussetzungen für Sonderbetriebsvermögen II 2.2. BFH-Urteil vom 16.4.2015 – IV R 1/12 3. Unangemessene Gewinnverteilung bei GmbH & atypisch Still

3.1. BFH-Urteil vom 18.6.2015 – IV R 5/12 3.2. Verdeckte Gewinnausschüttung durch Gewinnverteilung einer Personengesellschaft 4. Betriebliche Veranlassung von Darlehen an Personengesellschafter 4.1. BFH-Urteil vom 16.10.2014 – IV R 15/11 4.2. Ertragsteuerliche Behandlung außerbetrieblich veranlasster Darlehen einer Personengesellschaft 5. Abschreibung in Ergänzungsbilanz bei Erwerb eines Mitunternehmeranteils 5.1. Ergänzungsbilanz als Instrument zum Ausweis gesellschafterbezogener Anschaffungskosten für Güter des Gesellschaftsvermögens 5.2. BFH-Urteil vom 20.11.2014 – IV R 1/11 5.3. Unterschiedliche Abschreibung in Gesamthands- und Ergänzungsbilanz 6. Gesamtplan – noch immer kein Ende der Diskussion 6.1. Gesamtplan als teleologisches Auslegungskriterium

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht 6.2. Gesamtplan und Tarifvergünstigung nach § 34 EStG 6.2.1. Ausgangspunkt: BFH-Urteil vom 6.9.2000 – IV R 18/99 6.2.2. BFH-Urteil vom 9.12.2014 – IV R 36/13 6.2.3. BFH-Urteil vom 17.12.2014 – IV R 57/11

6.2.4. BFH-Urteil vom 28.5.2015 – IV R 26/12 6.3. Gesamtplan und Buchwerttransfers 6.3.1. Anknüpfung an zeitraumbezogene Merkmale 6.3.2. BFH-Urteil vom 9.12.2014 – IV R 29/14

1. Fiktive gewerbliche Einkünfte bei Abfärbung 1.1. Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 1 EStG ordnet an, dass Einkünfte einer Personengesellschaft, die nur teilweise eine originäre gewerbliche Tätigkeit ausübt, einheitlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind. Bildlich gesprochen färbt diese gewerbliche Tätigkeit auf alle anderen Tätigkeiten der Personengesellschaft ab; zum Teil wird der Effekt auch als Infektion oder Durchsäuerung bezeichnet. Die Norm verfolgt zwei Ziele, nämlich einerseits Abgrenzungsfragen zwischen verschiedenen Tätigkeiten mit unterschiedlicher Einkünfteermittlung zu vermeiden und andererseits das Gewerbesteueraufkommen zu schützen1. Die systematische Begründung liegt darin, dass eine Personengesellschaft handelsrechtlich nur eine einheitliche Gewinnermittlung aufzustellen hat, auch wenn sie verschiedenen Tätigkeiten nachgeht. Eine Ermittlung der Vermögensbestandteile, die von den anderen, nichtgewerblichen Einkünften abhängen, wäre infolge der einheitlichen handelsrechtlichen Gewinnermittlung nicht möglich2. Obwohl diese Begründung für die nicht dem Handelsrecht unterliegende GbR nicht trägt, findet die Vorschrift nach nahezu allgemeiner Meinung dennoch auch auf diese Gesellschaften Anwendung.

1 Vgl. z.B. BFH, Urt. v. 10.11.1983 – IV R 86/80, BStBl. II 1984, 152. 2 Diese Begründung wurde schon für die Schaffung der ersten Vorgängerregelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG im Jahr 1930 herangezogen, vgl. Strutz, EStG 1925, § 29 Anm. 30.

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1.2. Verfassungsmäßigkeit der Regelung Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung, die sich seit 1986 im EStG befindet, zuvor aber schon gleichlautend in § 2 Abs. 2 GewStG normiert war, war Gegenstand intensiver Diskussion. Diese ist auch nicht zum Erliegen gekommen, nachdem das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit in einer ausführlichen Entscheidung bestätigt hat3. Ausgangspunkt für die Verfassungszweifel ist in erster Linie, dass keine ausreichende Rechtfertigung dafür gesehen wird, den Stpfl. je nach dem unterschiedlich zu behandeln, ob er als Einzelperson oder als Gesellschafter einer Personengesellschaft einkunftserzielend tätig wird. Dem BVerfG haben die Erleichterung der Einkünfteermittlung und die Sicherung des Gewerbesteueraufkommens als Rechtfertigung für die aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG folgende Ungleichbehandlung der gemischt tätigen Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmern ausgereicht. Die infolge der Abfärberegelung nicht unbeträchtliche Schlechterstellung der Personengesellschaften werde aber entscheidend durch die ihnen offen stehende Möglichkeit aufgefangen, der Abfärbewirkung durch entsprechende gesellschaftsrechtliche Gestaltung auszuweichen. Dogmatisch betrachtet bedeutet diese Sichtweise des BVerfG, dass eine Besteuerungsnorm jedenfalls dann nicht verfassungswidrig ist, wenn man ihr durch zivilrechtliche Gestaltung ausweichen kann. Die hier denkbare Ausweichgestaltung ist die Auslagerung der gewerblichen Tätigkeit in eine personenidentische Schwesterpersonengesellschaft. Eine solche Gestaltung kann nicht als Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO beurteilt werden, nachdem sie ausdrücklich vom BVerfG für die Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG herangezogen4 und vom BFH auch empfohlen worden ist5. In der Praxis werden dementsprechende Gestaltungen deshalb auch von der Verwaltung akzeptiert6. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bestehen auch unter einem weiteren Aspekt, nämlich im Hinblick auf die Formulierung, zur Abfärbung komme es, wenn die Gesellschaft „auch“ gewerblich tätig sei. Danach löst jede noch so geringfügige gewerbliche Betätigung die Abfärbung aus. Der BFH sah darin eine Verletzung des aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Übermaßverbots, erachtete die Regelung deshalb allerdings nicht in Gänze als verfassungswidrig, sondern 3 4 5 6

BVerfG, Beschl. v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1. BVerfG, a.a.O. (Fn. 3). BFH, Urt. v. 19.2.1998 – IV R 11/97, BStBl. II 1998, 603. BMF v. 14.5.1997, BStBl. I 1997, 566; H 15.8 (5) EStH.

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nahm eine verfassungskonform einschränkende Auslegung vor, wonach eine äußerst geringfügige gewerbliche Betätigung keine Abfärbung zur Folge haben dürfe7. Das BVerfG hat dieser Auslegung ausdrücklich zugestimmt und betrachtet § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nur bei Beachtung dieser Grenze als verfassungsgemäß8. Mit konkreten Folgerungen daraus hatte sich der BFH im vergangenen Jahr in mehreren Revisionsverfahren zu befassen.

1.3. Grenze nicht abfärbender gewerblicher Tätigkeiten 1.3.1. Notwendigkeit der Bestimmung abstrakter Grenzen Wo die Grenze der Abfärbung bei geringfügiger gewerblicher Betätigung liegt, wird seit der „Erfindung“ dieser Grenze durch das BFH-Urteil vom 11.8.19999 diskutiert10. Nachdem das BVerfG der Rechtsprechung des BFH beigepflichtet hatte, wäre es Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, die Grenze der Abfärbung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG unter Beachtung des Übermaßverbots zu regeln und damit eine vorhersehbare und gleichheitsgerechte Anwendung der Norm sicherzustellen. Dieser Aufgabe ist der Gesetzgeber aber bis heute nicht nachgekommen, so dass die Rechtsprechung die verfassungskonforme Anwendung der Regelung zu gewährleisten hat. Nun war aus der gewerblichen Tätigkeit im damals vom BFH entschiedenen Fall 1,25 % des Gesamtumsatzes der Personengesellschaft erwirtschaftet worden. Daraus war verbreitet und insbesondere z.T. auch in Anweisungen der Finanzverwaltung der Schluss gezogen worden, dieser Prozentsatz markiere die Grenze der unschädlichen gewerblichen Tätigkeit11. Eine solche allgemeinverbindliche Grenze hatte der BFH seinerzeit aber nicht bestimmen wollen. Weil zwischenzeitlich weder der Gesetzgeber noch das BVerfG eine allgemeine Grenze definiert hatten, lag es auf der Hand, dass der BFH bei erneuter Befassung mit dem Problem zur Gewährleistung einer gleichheitsgerechten Anwendung der Norm

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BFH, Urt. v. 11.8.1999 – XI R 12/98 BStBl. II 2000, 229. BVerfG, a.a.O. (Fn. 3). A.a.O. (Fn. 7). Vgl. etwa BFH, Beschl. v. 8.3.2004 – IV B 212/03, BFH/NV 2004, 954. So z.B. Bayerisches Landesamt für Steuern v. 20.4.2007 – S 2240-21 St32/St33, ESt-Kartei BY § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG Karte 6.3.2, unter Hinweis auf ein BMFSchreiben v. 26.3.2007 – IV B 2 - S 2240/07/0005.

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Aussagen zu einer abstrakten Beschreibung der Grenze machen musste. Dazu kam es nun im Jahr 2014 mit drei Urteilen des VIII. Senats vom 27.8.2014. Leitentscheidung ist das Urteil in dem Verfahren VIII R 6/1212. 1.3.2. BFH-Urteil vom 27.8.2014 – VIII R 6/12 Im Fall dieses Urteils war ein Rechtsanwalt (X) als einer von sieben Sozien einer Rechtsanwalts-GbR auch als Insolvenzverwalter tätig. Die Sozietät beschäftigte u.a. drei angestellte Rechtsanwälte, von denen ebenfalls einer (Y) mit Insolvenzverwaltung beschäftigt war und wiederholt zum Treuhänder oder vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wurde. Daraus ergaben sich Nettoeinnahmen der GbR von ca. 15.000 Euro (2003) bzw. 21.000 Euro (2004). Insgesamt betrugen die Nettoumsätze der GbR in diesen beiden Jahren ca. 848.000 Euro bzw. 787.000 Euro. Das FA war der Meinung, die GbR habe aus der insolvenzverwaltenden Tätigkeit wegen Beschäftigung qualifizierten Personals, das nicht eigenverantwortlich von der GbR geleitet worden sei, Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, die nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zur Gewerblichkeit der gesamten Einkunftserzielung der GbR führten. Gegen die entsprechenden Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuermessbescheide erhob die GbR Klage. Nach Auffassung des FG13 erzielte die GbR insgesamt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Zu diesem Ergebnis kam auch der BFH, der die Revision des FA zurückwies. Zwar sei die Sozietät gewerblich tätig geworden, soweit sie dem angestellten Rechtsanwalt eine eigenverantwortliche Durchführung von Insolvenzverfahren überlassen habe. Dadurch komme es jedoch nicht nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zur Umqualifizierung sämtlicher Einkünfte der GbR zu solchen aus Gewerbebetrieb, weil die Nettoumsatzerlöse aus der gewerblichen Tätigkeit im Veranlagungszeitraum weder relativ 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft noch absolut den Betrag von 24.500 Euro überschritten hätten.

12 BFH, Urt. v. 27.8.2014 – VIII R 6/12, BStBl. II 2015, 1002; Anm. dazu etwa von Korn, NWB 2015, 1042; ders., BeSt 2015, 13; Kanzler, FR 2015, 512; Kratzsch, GStB 2015, 99; Marfels, StBW 2015, 254; Moritz, AktStR 2015, 243; ms, KOESDI 2015, 19381; Pezzer, BFH/PR 2015, 149; Siebenhüter, EStB 2015, 79; Steinhauff, jurisPR-SteuerR 16/2015 Anm. 3; Weiss, EStB 2015, 179; Wiegand, AgrB 5-2015, 16. 13 FG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 15.12.2011 – 2 K 412/08, juris.

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Mit diesem Urteil sowie den gleichzeitig ergangenen Urteilen VIII R 16/1114 (Verkauf von Merchandising-Produkten einer Gesangsgruppe) und VIII R 41/1115 (Provisionseinnahmen einer Werbeagentur) beantwortet der BFH die Frage, wie die Grenze für eine nicht zur Abfärbung führende geringfügige gewerbliche Tätigkeit zu bestimmen ist. Er hat sich dazu entschlossen ein relatives und ein absolutes Kriterium für die Grenze zur Geringfügigkeit zu bestimmen. Relativ dürfen nicht mehr als 3 % der Nettoumsätze gewerblich sein, absolut darf der betreffende Umsatz 24.500 Euro nicht übersteigen. Die beiden Grenzen müssen kumulativ eingehalten werden. Der absolute Betrag von 24.500 Euro ist danach eine Höchstgrenze. 1.3.3. Bedeutung der Abfärbungsgrenze Absolute und relative Grenzen: Zur Begründung für den Höchstbetrag verweist der BFH auf den Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG. Denn soweit mit diesem Hinweis auf den Zweck des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG Bezug genommen wird, das GewSt-Aufkommen zu schützen, kann die Verwirklichung dieses Zwecks nicht Anlass dafür sein, eine Tätigkeit zur Abfärbung führen zu lassen, die ihrerseits keine GewSt auslösen würde. Allerdings setzt der BFH diesen Gedanken m.E. nicht konsequent um, denn dann hätte er den absoluten Grenzbetrag als Mindestbetrag behandeln müssen. Selbst wenn relativ mehr als 3 % des Umsatzes auf gewerbliche Tätigkeit entfällt, dürfte bei Unterschreitung des absoluten Betrags von 24.500 Euro keine Abfärbung stattfinden. Überraschend erscheint zudem, dass unter Hinweis auf den GewSt-Freibetrag eine Erlös- und keine Gewinngrenze geschaffen wird. Dabei ist nicht zu kritisieren, dass überhaupt auf den Erlös abgestellt wird. Denn dies vermeidet den sonst vorprogrammierten Streit darüber, welche Betriebsausgaben der gewerblichen und der nicht gewerblichen Tätigkeit zuzuordnen sind. Nicht überzeugend erscheint aber, dass nach der jetzt gefundenen Lösung bei der gewerblichen Tätigkeit überhaupt keine Betriebsausgaben abgezogen werden. Hier hätte ein typisierter Betriebsausgabenabzug erwogen werden können, etwa durch eine Anleihe bei den Grundsätzen zur Abgrenzung zwischen land- und forstwirtschaftlichen und gewerblichen Einkünften beim Betrieb eines Hofladens. Nach R 15.5 Abs. 11 EStR wird ein Hofladen insgesamt der Landwirtschaft zugeordnet, wenn der Nettoerlös aus zugekauften Waren 51.500 Euro nicht 14 BFH, Urt. v. 27.8.2014 – VIII R 16/11, BStBl. II 2015, 996. 15 BFH, Urt. v. 27.8.2014 – VIII R 41/11, BStBl. II 2015, 999.

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übersteigt. Bezogen auf einen Gewinn von 24.500 Euro entspräche das einem Rohgewinnsatz von etwa 47,5 %. Läge es nicht nahe, dieser erprobten und vom BFH gebilligten Handhabung auch für die Grenze der Abfärbung zu folgen?16 Einheitliche Einkünfte bei Unterschreitung der Grenzen? Rechtsfolge einer Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze war im Urteilsfall, dass alle Einkünfte der Personengesellschaft als freiberuflich betrachtet wurden. Dies ist insoweit bemerkenswert, als damit eine umgekehrte Umqualifizierung gewerblicher Einkünfte in die Art von Einkünften stattgefunden hat, die hauptsächlich von der Gesellschaft erzielt werden. Das können neben Einkünften aus selbständiger Arbeit Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aber auch vermögensverwaltende Einkünfte sein. Vor dem Hintergrund, dass die genuin gewerblichen Erlöse höchstens die Höhe des GewSt-Freibetrags erreichen können, könnte man diese Handhabung bei hauptsächlich erzielten unternehmerischen Einkünften aus Vereinfachungsgründen insofern akzeptieren, als es ja auch bei einer Behandlung als gewerbliche Einkünfte niemals zur Erhebung von GewSt käme. Allerdings ginge mit der Umqualifizierung auch einher, dass die Einkünfte methodisch einheitlich und für einen einheitlichen Zeitraum ermittelt werden. Diese Rechtsfolge lässt sich allerdings mit dem Gesetz m.E. nicht vereinbaren. Zwar kann mit einer Abfärbung auch die Anwendung der für gewerbliche Einkünfte geltenden Gewinnermittlungsvorschriften einhergehen. Umgekehrt kann aber aus dem Absehen von einer Abfärbung keine Wirkung auf die Gewinnermittlung ausgehen. Für die nicht zur Abfärbung führenden gewerblichen Einkünfte muss es bei den Gewinnermittlungsvorschriften verbleiben, die für diese Einkunftsart gelten. Ist die Haupttätigkeit eine solche im Sinn des § 18 EStG, würde dadurch weder die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich noch die Wahl eines abweichenden Wirtschaftsjahrs verdrängt. Bei einem land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb würde das für diesen Betrieb nach § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG geltende Wirtschaftsjahr nicht auf die gewerblichen Einkünfte durchschlagen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die von der Abfärbung ausgenommenen Einkünfte auch solche aus einer Beteiligung an einer gewerblichen Untergesellschaft sein können (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 2 EStG),

16 Befürwortend Wiegand, AgrB 5-2015, 16, 20.

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die nach den für die Untergesellschaft geltenden Kriterien ermittelt und bezogen werden17. Wenn von der Personengesellschaft hauptsächlich vermögensverwaltende Einkünfte erzielt werden, bedeutet die Umqualifizierung der gewerblichen Einkünfte nicht nur das Entfallen einer GewSt-Belastung, sondern auch das Entfallen der umfassenden Verstrickung der stillen Reserven. Dafür eine gesetzliche Rechtfertigung zu finden, dürfte schwer fallen. Es ist nicht ersichtlich, womit begründet werden könnte, dass die stillen Reserven in den unternehmerisch genutzten Wirtschaftsgütern im Fall der Entnahme oder Betriebsaufgabe nicht zu besteuern sind. Anders, als vom BFH entschieden, muss deshalb im Fall äußerst geringfügiger gewerblicher Tätigkeit m.E. von der Erzielung von Einkünften aus zwei Einkunftsarten ausgegangen werden. Die gewerbliche Tätigkeit führt auch weiter zu gewerblichen Einkünften, die lediglich nicht die Folge der Abfärbung haben18. Nachhaltigkeitskriterium? Nicht zu entscheiden hatte der BFH in dem hier berichteten Fall über die Frage, wie es sich verhält, wenn die Geringfügigkeitsgrenze in einem Jahr überschritten, im nächsten Jahr aber wieder unterschritten wird. Hier stellt sich die Frage danach, ob es nicht eines Nachhaltigkeitskriteriums bedarf, um einen ständigen Wechsel zwischen Gewerbebetrieb und Nicht-Gewerbebetrieb zu vermeiden. Denn dieser Wechsel würde jeweils eine Betriebseröffnung oder Betriebsaufgabe bedeuten. Derartige Effekte werden in einem vergleichbaren Fall, nämlich beim Strukturwandel von einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu einem Gewerbebetrieb, nach vom BFH bisher nicht beanstandeter Verwaltungsauffassung dadurch abgemildert, dass von einem dreijährigen Beobachtungszeitraum ausgegangen wird, wenn das Überschreiten der Grenze zur Gewerblichkeit nicht auf einer dauerhaft wirkenden Umorganisation des Betriebs beruht (R 15.5 Abs. 2 Satz 4 EStR). Auch hier kann es sich anbieten, die für die Abgrenzung von land- und forstwirtschaftlichen Einkünften von gewerblichen Einkünften geschaffene Regelung auch im Bereich des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG anzuwenden19.

17 Vgl. das nachstehend unter 1.5. erläuterte Urteil des BFH v. 26.6.2014 – IV R 5/11, BStBl. II 2014, 972. 18 A.A. Kanzler, FR 2015, 512, 513; für eine vereinfachende Handhabung durch die Verwaltung Wiegand, AgrB 5-2015, 16, 20. 19 Gl.A. Korn, NWB 2015, 1042, 1047 f.

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In dem Parallelurteil vom 27.8.2014 – VIII R 41/1120 hätte der BFH zu dieser Frage Ausführungen machen können. Dort war er von der Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze ausgegangen und hat in den beiden Streitjahren eine Abfärbung angenommen. Seit wann der dort beurteilte Betrieb so strukturiert war und ob die Voraussetzungen für die Abfärbung schon in vorangegangenen Jahren erfüllt waren, lässt sich dem vom BFH mitgeteilten Sachverhalt aber nicht entnehmen21.

1.4. Abfärbung wegen Besonderheiten bei Freiberuflern Die allgemeinen einkommensteuerlichen Grundsätze für Personengesellschaften finden wegen des Verweises auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG auch auf Personengesellschaften Anwendung, aus denen Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt werden. Besonderheiten ergeben sich aber daraus, dass Einkünfte aus selbständiger Arbeit an die zusätzlichen Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 EStG gebunden sind, bei Erbringung freiberuflicher Leistungen also an die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Gesellschafter der Personengesellschaft müssen deshalb die Bedingungen erfüllen, die auch von einem als Einzelunternehmer Tätigen erfüllt sein müssen, damit seine Einkünfte als freiberuflich beurteilt werden. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen des BFH zu einer Personengesellschaft, in der die Gesellschafter teils freiberuflich iSd. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, teils aber auch in einer unter § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG fallenden Weise tätig sind, durchaus bemerkenswert. Der BFH sieht die Einkünfte einer solchen, von ihm als interprofessionell bezeichneten Mitunternehmerschaft nicht als solche aus Gewerbebetrieb an. Damit betritt er – anders als die Verweise auf frühere Entscheidungen in Rz. 18 des Urteils vermuten lassen – Neuland. Bisher waren nur Personengesellschaften Gegenstand der Rechtsprechung gewesen, in denen sich Angehörige verschiedener freier Berufe zusammengeschlossen hatten. Dies wird jetzt auf Zusammenschlüsse zwischen Freiberuflern und solchen Personen, die Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit erzielen, erweitert. Zwischen den beiden Formen der Erzielung von Einkünften aus selbständiger Arbeit braucht insoweit nicht mehr unterschieden zu werden, seit der BFH die Vervielfältigungstheorie für die Einkünfte aus sons20 Fn. 15. 21 Aus dem erstinstanzlichen Urteil des Niedersächsischen FG v. 14.9.2011 – 3 K 447/10, EFG 2012, 625, ergibt sich, dass die Personengesellschaft nur in den beiden Streitjahren existiert hat.

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tiger selbständiger Arbeit aufgegeben hat und § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG entsprechend auf § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG anwendet22. Ist Mitglied einer freiberuflich tätigen Personengesellschaft ein Gesellschafter, der in seiner Person die Qualifikation für freiberufliche Einkünfte nicht erfüllt, erzielt die gesamte Personengesellschaft ungeachtet des Umfang der Beteiligung des nicht qualifizierten Gesellschafters insgesamt gewerbliche Einkünfte. Der BFH formuliert das in Rz. 17 des Urteils VIII R 6/1223 unter Übernahme des Wortlauts früherer Urteile24 so: „Nach ständiger Rechtsprechung des BFH entfaltet eine Personengesellschaft nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S. von § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern nur von natürlichen Personen erfüllt werden. Das Handeln der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit und damit das Handeln der Gesellschaft darf kein Element einer nicht freiberuflichen Tätigkeit enthalten.“

Dies bedeutet, dass § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auf eine solche Personengesellschaft nicht anzuwenden ist, denn die Gesellschaft ist schon mangels freiberuflicher Qualifikation ausschließlich gewerblich tätig. Demgemäß spielt auch die Geringfügigkeitsgrenze des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insoweit keine Rolle. Dass der BFH im hiesigen Fall überhaupt auf § 15 Abs. 3 EStG einzugehen hatte, ergibt sich daraus, dass er die Beschäftigung von qualifiziertem Personal unter Überschreitung der Grenzen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG als gewerbliche Tätigkeit der Gesellschaft versteht und damit ebenso behandelt wie die Erbringung genuin gewerblicher Leistungen gegenüber den Geschäftspartnern der Gesellschaft. Dies eröffnet die Möglichkeit, auf derartige Fälle auch die Geringfügigkeitsgrenze anzuwenden.

1.5. Abfärbung durch Halten einer gewerblichen Beteiligung 1.5.1. Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 2 EStG Während § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 1 EStG eine Abfärbung originär gewerblicher Tätigkeiten vorsieht, erweitert Halbs. 2 der Vorschrift die Abfärbung auch auf das Halten von Anteilen an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft. Die Beteiligung an einer gewerblichen Unterper22 BFH, Urt. v. 15.12.2010 – VIII R 50/09, BStBl. II 2011, 506. 23 Fn. 12. 24 Insbesondere BFH, Urt. v. 28.10.2008 – VIII R 73/06, BStBl. II 2009, 647.

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sonengesellschaft ist für sich genommen keine gewerbliche Tätigkeit, weshalb der BFH darin früher keine Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 1 EStG gesehen hatte25. Mit dem durch das JStG 200726 rückwirkend eingefügten Halbs. 2 hat der Gesetzgeber auf diese Rechtsprechung reagiert. Er berief sich darauf, die Abfärberegelung verfolge das Ziel, dass bei einer Personengesellschaft neben gewerblichen Einkünften keine Einkünfte aus anderen Einkunftsarten entstehen sollten. Dieses Ziel werde verfehlt, wenn die Obergesellschaft neben ihren gewerblichen Einkünften als Mitunternehmerin noch Einkünfte aus einer anderen Einkunftsart erzielen würde27. Dass allerdings nicht die Bewahrung eines Systems, sondern massive fiskalische Folgen des BFH-Urteils die eigentliche Triebfeder für die Gesetzesänderung waren, lässt die weitere Begründung des Gesetzentwurfs erkennen. Es wurde nämlich befürchtet, dass stille Reserven auf vermögensverwaltende, aber nach damaliger Ansicht der Finanzverwaltung wegen der Abfärbung fiktiv gewerbliche Obergesellschaften übertragen worden seien, die mit der Entscheidung des BFH endgültig der Besteuerung entzogen worden wären28. 1.5.2. BFH-Urteil vom 26.6.2014 – IV R 5/11 Im Fall des BFH-Urteils vom 26.6.2014 – IV R 5/1129 ging es den Beteiligten einerseits um die Klärung der Frage, ob die rückwirkende Einführung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 2 EStG verfassungsrechtlich zulässig war und ob bejahendenfalls in der konkreten Fallkonstellation nicht das Übermaßverbot einer Abfärbung entgegenstehe. Die Klägerin, eine – infolge der Geschäftsführungsbefugnis des Kommanditisten – nicht gewerblich geprägte und vermögensverwaltend tätige GmbH & Co. KG, erzielte im Jahr 2005 negative Einkünfte aus der Beteiligung an einer GmbH von ca. 61.000 Euro. Aufgrund eines im Oktober 2005 geschlossenen und auf den 1.7.2005 rückwirkenden Kaufvertrags erwarb sie eine Beteiligung an einer gewerblich tätigen KG, deren Wirtschaftsjahr vom 1.7. bis zum 30.6. lief. Der Anteil der Klägerin am 25 26 27 28 29

BFH, Urt. v. 6.10.2004 – IX R 53/01, BStBl. II 2005, 383. Jahressteuergesetz 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. BT-Drucks. 16/2712, 44 f. BT-Drucks. 16/2712, 45. BFH, Urt. v. 26.6.2014 – IV R 5/11, BStBl. II 2014, 972 mit Anm. etwa von Dötsch, jurisPR-SteuerR 46/2014, Anm. 1; Hilbertz, StBW 2014, 818; SchülerTäsch, HFR 2015, 27; Wendt, FR 2014, 978; ders., BFH/PR 2014, 415; Wischmann, GmbH-StB 2014, 309.

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Gewinn des Wj. 2005/2006 betrug rd. 231.000 Euro. Das FA war der Auffassung, die Klägerin habe im Jahr 2005 ausschließlich gewerbliche Einkünfte erzielt, weil sie die Beteiligung an der gewerblichen Tochter-KG gehalten habe und dies auf die übrigen Einkünfte abfärbe. Das FG gab der Klage überwiegend statt30. Es behandelte nur die auf den Zeitraum vom Kaufvertragsabschluss bis zum 31.12.2005 entfallenden Verluste aus Kapitalvermögen von 8,70 Euro als gewerbliche Einkünfte; im Übrigen blieb es bei negativen Einkünften aus Kapitalvermögen. Mit der dagegen wegen der verbliebenen gewerblichen Einkünfte eingelegten Revision hatte die Klägerin Erfolg. Der BFH entschied, es seien ausschließlich Einkünfte aus Kapitalvermögen festzustellen. Die Klägerin habe im Streitjahr 2005 keinen Gewinnanteil von der Tochtergesellschaft bezogen, denn nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG werde der Gewinn aus Gewerbebetrieb bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr mit dessen Ablauf bezogen, hier also erstmals im Jahr 2006. Weil er danach bereits die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 2 EStG nicht als erfüllt ansah, nahm der BFH zu den von den Beteiligten in dem Prozess eigentlich diskutierten Fragen nach der rückwirkenden Einführung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 2 EStG und der Anwendung des Übermaßverbots keine Stellung. Auf die Einkünfte der (Ober-)Personengesellschaft färben also nur von der Untergesellschaft „bezogene“ gewerbliche Einkünfte ab. Das Halten der Beteiligung führt für sich genommen nicht zur Abfärbung. Da Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit Ablauf des Wj. „bezogen“ werden, kann danach erstmals mit Ablauf des ersten nach Erwerb der Beteiligung endenden Wj. der Untergesellschaft eine Abfärbung durch die dann bezogenen Einkünfte ausgelöst werden. Endet das Wj. der Untergesellschaft erst nach Ende des Kj. des Erwerbs, kommt es also im Jahr des Beteiligungserwerbs noch nicht zur Abfärbung. Von diesem Regelfall gibt es eine – vermutlich sehr selten vorkommende – Ausnahme, die der BFH im Urteilsfall erwähnt31, allerdings nicht entscheiden musste. Veräußert die Obergesellschaft die Beteiligung noch in demselben Kj., in dem sie sie erworben hat, oder kommt es noch in demselben Kj. zur Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung bei der Untergesellschaft, „bezieht“ die Obergesellschaft im Zeitpunkt der Ver-

30 Niedersächsisches FG, Urt. v. 8.12.2010 – 2 K 295/08, EFG 2011, 870. 31 Rz. 26 der Entscheidungsgründe.

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äußerung oder Aufgabe Einkünfte aus der Beteiligung32. Damit wird dann die Abfärbung noch in dem Kj. des Erwerbs ausgelöst. Die Umqualifizierung der negativen Einkünfte war für die Ober-KG im Ergebnis wohl nicht nachteilig. Für ein Klageverfahren gab es aus dieser Perspektive keinen Grund. Tatsächlich ging es der Ober-KG aber um eine andere und auch die Folgejahre betreffende Frage, nämlich die Frage nach den Grenzen der Abfärbung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Es sollte wohl die Grenze der äußersten Geringfügigkeit für eine Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 EStG wegen des Bezugs gewerblicher Einkünfte aus einer Beteiligung ausgelotet werden. Die Ober-KG verglich dazu die wirtschaftliche Bedeutung der Beteiligung an der gewerblichen Personengesellschaft mit der im Übrigen gehaltenen Beteiligung an einer GmbH. Der Klärung dieser Frage ist die Ober-KG mit dem hiesigen Urteil keinen Schritt näher gekommen. Die Freude über den Erfolg im Revisionsverfahren dürfte deshalb nicht besonders groß gewesen sein. Die Frage wird nun im Licht der oben erläuterten neuen Rechtsprechung des BFH zur Bestimmung der Abfärbungsgrenze in einem Folgejahr beantwortet werden müssen.

2. Anteil an Komplementär-GmbH nicht immer Sonderbetriebsvermögen II 2.1. Voraussetzungen für Sonderbetriebsvermögen II Wie alle Wirtschaftsgüter sind auch Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nur dann Sonderbetriebsvermögen II des Anteilseigners im Zusammenhang mit einer von diesem zugleich gehaltenen Beteiligung an einer Personengesellschaft, wenn sie entweder dazu dienen, besonderen Einfluss auf die Personengesellschaft auszuüben und damit unmittelbar die Stellung des Gesellschafters in der Personengesellschaft zu stärken, oder wenn sie dem Erwerb der Gesellschafterstellung dienen33. Eine Kapitalbeteiligung kann die Beteiligung des Gesellschafters an einer Personengesellschaft etwa dadurch stärken, dass sie dem Gesellschafter stärkere Mitwirkungsrechte vermittelt (Stellung des Gesellschafters bei Abstimmungen in der Gesellschafterversammlung; Einfluss auf die Geschäftsführung), oder dadurch, dass das Unternehmen der Personengesellschaft 32 Zum Bezug der Einkünfte bei Veräußerung des Mitunternehmeranteils s. BFH, Urt. v. 18.8.2010 – X R 8/07, BStBl. II 2010, 1043. 33 Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH, Urt. v. 10.11.1994 – IV R 15/93, BStBl. II 1995, 452.

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wirtschaftliche Vorteile aus der Beteiligung zieht und der Gesellschafter dadurch Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg der Personengesellschaft gewinnt. Andererseits kann die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft auch zur Begründung der Mitunternehmerstellung dienen, nämlich z.B. im Fall einer Ein-Mann-GmbH & Co. KG, bei der die Stellung als beschränkt haftender Kommanditist nur denkbar ist, weil eine GmbH existiert, die als Komplementär fungiert. Gestärkt wird die Beteiligung des Kommanditisten an der KG durch die Beteiligung an der Komplementär-GmbH, wenn die GmbH-Beteiligung dem Kommanditisten mittelbar Einfluss auf die Geschäftsführung der KG vermittelt, von der er in seiner Stellung als Kommanditist ansonsten ausgeschlossen ist. Das setzt voraus, dass der Gesellschafter durch seine Mitwirkung an Gesellschafterbeschlüssen mit Bezug zur Geschäftsführung Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH hat. Eine solche Einflussnahme ist einem Mehrheitsgesellschafter möglich, wenn Abstimmungen in der Gesellschafterversammlung wie üblich dem Mehrheitsprinzip folgen. Aber wie es bei Minderheitsgesellschaftern, wenn sie nicht ausnahmsweise dadurch Einfluss ausüben können, dass Einstimmigkeit für die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der GmbH vereinbart worden ist? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein BFH-Urteil vom 16.4.201534.

2.2. BFH-Urteil vom 16.4.2015 – IV R 1/12 Der Urteilsfall war außergewöhnlich gelagert, weil der KomplementärGmbH 99 % des Gewinns der KG zustanden, während die beiden Kommanditisten zusammen nur 1 % hielten. Am Vermögen der KG und der Komplementär-GmbH waren der Kläger mit 5 % und ein zweiter Gesellschafter mit 95 % beteiligt. Im Jahr 2001 verkaufte der Kläger die Kommandit- und die GmbH-Beteiligung. Er erlöste für den KG-Anteil ca. 36.000 DM und für den GmbH-Anteil ca. 3,7 Mio. DM. Den Gewinn aus der Veräußerung des GmbH-Anteils hielt der Kläger für nicht steuerbar, weil er den Anteil als Privatvermögen ansah. Das FA war der Meinung, der Anteil sei notwendiges Sonderbetriebsvermögen II bei der KG

34 BFH, Urt. v. 16.4.2015 – IV R 1/12, BStBl. II 2015, 705 mit Anm. etwa von Bode, NWB 2015, 1968; Bünning, BB 2015, 2097; Carlé, BeSt 2015, 33; Fischer, jurisPR-SteuerR 32/2015, Anm. 4; Krohn, AktStR 2015, 469; Tiede, StuB 2015, 703; Wendt, BFH/PR 2015, 286; ders., FR 2015, 849; Wit, DStR 2015, 1366.

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gewesen, und berücksichtigte auch den auf den GmbH-Anteil entfallenden Veräußerungsgewinn bei der Gewinnfeststellung der KG. Die dagegen erhobene Klage hatte erstinstanzlich keinen Erfolg35. Das FG beurteilte die GmbH-Beteiligung wegen der hohen Gewinnbeteiligung der GmbH als notwendiges Sonderbetriebsvermögen. Der BFH gab der Revision des Klägers statt und verwies das Verfahren an das FG zurück. Eine Minderheitsbeteiligung des Kommanditisten an der geschäftsführungsbefugten Komplementär-GmbH von weniger als 10 % sei grundsätzlich kein notwendiges Sonderbetriebsvermögen II, wenn für Abstimmungen in der Gesellschafterversammlung der GmbH wie üblich das Mehrheitsprinzip gelte. Eine außergewöhnlich hohe Gewinnbeteiligung der Komplementär-GmbH ändere daran nichts. Auf Letzteres habe sich das FG danach fehlerhaft für die Behandlung der Minderheitsbeteiligung als notwendiges Sonderbetriebsvermögen II des Klägers gestützt. Die Voraussetzungen dafür seien nur erfüllt, wenn in der Satzung der GmbH abweichend von der gesetzlichen Regelung in § 47 Abs. 1 GmbHG die Mehrheitserfordernisse für die den Gesellschaftern in § 46 Nrn. 5 und 6 GmbHG eingeräumten Rechte und Befugnisse so weit gesteigert seien, dass eine Beschlussfassung ohne die Stimmen des Klägers nicht möglich wäre. Das FG habe dazu noch Feststellungen zu treffen. Das Urteil betrifft also einen Minderheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von weniger als 10 %. Dieser hat nach den dispositiven Regelungen des GmbHG keine Minderheitsrechte und kann bei Abstimmungen in der Gesellschafterversammlung Beschlüsse weder durchsetzen noch verhindern. Seine GmbH-Beteiligung vermittelt ihm folglich keinen Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH und damit zugleich auch keinen über seine Kommanditistenstellung hinausgehenden Einfluss auf die KG. Aus diesem Grund behandelt der BFH eine solche GmbHBeteiligung nicht als Sonderbetriebsvermögen II. Von notwendigem Sonderbetriebsvermögen ist aber dann auszugehen, wenn dem betreffenden Gesellschafter gesellschaftsvertraglich derart gesteigerte Mitwirkungsrechte eingeräumt sind, dass eine Beschlussfassung gegen seinen Willen unmöglich ist. Ausdrücklich offen gelassen hat der BFH, wie bei einem Gesellschafter zu entscheiden ist, der 10 % bis einschließlich 25 % der Anteile hält.

35 FG München, Urt. v. 10.12.2010 – 13 K 1724/07, juris.

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Ein solcher Gesellschafter hat einige Minderheitsrechte (z.B. nach § 50 GmbHG), von denen aber zweifelhaft ist, ob sie bereits einen solchen Einfluss auf die Geschäftsführung vermitteln, dass darin eine Stärkung der Beteiligung des Kommanditisten gesehen werden kann36. Bei einem mit mehr als 25 % beteiligten Gesellschafter gibt der BFH allerdings zu erkennen, dass er dessen Sperrminorität gem. § 53 Abs. 2 GmbHG für eine hinreichende Einflussmöglichkeit auf die GmbH hält, um dadurch die Kommanditbeteiligung zu stärken. Eine solche Beteiligung wäre also dem notwendigen Sonderbetriebsvermögen zuzuordnen. Sind die Voraussetzungen für die Zuordnung der Beteiligung zum Sonderbetriebsvermögen II erfüllt, stellt sich in einigen Fällen die weitere Frage, ob die Beteiligung auch eine wesentliche Betriebsgrundlage ist. So müssen etwa bei Einbringungen nach §§ 20, 24 UmwStG alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen eingebracht bzw. bei § 24 UmwStG zumindest Sonderbetriebsvermögen der Zielgesellschaft werden. Oder ein Mitunternehmeranteil geht nur dann nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 EStG zum Buchwert über, wenn alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens mit übertragen werden. Für Beteiligungen unter 10 % steht nach dem hiesigen Urteil fest, dass sie kein Sonderbetriebsvermögen sind und schon deshalb in den genannten Fällen unberücksichtigt bleiben. Die vom BFH noch nicht beantwortete Frage geht aber dahin, ob dann alle Beteiligungen, die notwendiges Sonderbetriebsvermögen sind, auch zugleich die Voraussetzungen einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage erfüllen. M.E. ist diese Frage zu bejahen37, denn wenn eine Einflussmöglichkeit auf die Personengesellschaft besteht, ist die Beteiligung nicht mehr unwesentlich für deren Geschäftstätigkeit und damit eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage.

3. Unangemessene Gewinnverteilung bei GmbH & atypisch Still 3.1. BFH-Urteil vom 18.6.2015 – IV R 5/12 Über ertragsteuerliche Fragen bei der atypisch stillen Gesellschaft hatte der BFH in den letzten Jahren mehrfach zu entscheiden. Einige Urteile gehörten auch zu den Rechtsprechungs-Highlights des vergangenen Jah36 Befürwortend z.B. Tiede, StuB 2015, 703, 706. 37 Ebenso Wit, DStR 2015, 1366, 1367; a.A. Tiede, StuB 2015, 703, 707.

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res38. In diesem Jahr beschäftigte den IV. Senat ein weiterer Fall, der eine GmbH & atypisch Still betraf39. Diese war bei der Aufspaltung eines Buchbinder-Einzelunternehmens im Wege echter Betriebsaufspaltung zum 1.1.2001 errichtet worden. Der Buchbinder hatte das ihm gehörende Betriebsgrundstück einer von ihm errichteten und mit einem Stammkapital von 100.000 Euro ausgestatteten Ein-Mann-GmbH verpachtet. Zugleich hatte er mit der GmbH die Errichtung einer „(typisch) stillen Gesellschaft“ vereinbart, wobei seine Einlage darin bestehen sollte, dass er „der GmbH die Nutzung der in seinem Eigentum stehenden Mobilien“ sowie „die Nutzung des von ihm geschaffenen Geschäftswerts zur Verfügung stellt“. Die GmbH erhielt eine „Vorwegzuweisung“ des Gewinns von 20 %, mindestens 50.000 DM. Von dem verbleibenden Gewinn sollte der stille Gesellschafter „den Anteil nach Maßgabe seines Beitrags im Verhältnis zum Beitrag der GmbH“ erhalten. Beitrag der GmbH sollte das in der Steuerbilanz zu Beginn des Geschäftsjahres ausgewiesene Eigenkapital der GmbH (100.000 Euro) sein. Der Beitrag des stillen Gesellschafters sollte „durch den Nutzen aus dem vorgehaltenen und nutzbaren beweglichen Anlagevermögen des stillen Gesellschafters zu Beginn des Geschäftsjahres bestimmt“ werden. Der Geschäftswert wurde auf 255.646 Euro geschätzt und für das bewegliche Anlagevermögen wurde der Buchwert von ca. 1,1 Mio. Euro angesetzt. Im Streitjahr 2001 ergab sich dadurch eine Gewinnverteilung von 6,9 % für die GmbH und 93,1 % für den stillen Gesellschafter. Das FA war der Meinung, es liege eine atypisch stille Gesellschaft vor. Der Geschäftswert sei nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG auf die Mitunternehmerschaft übergegangen, was in Höhe des Anteils der GmbH zur Aufdeckung stiller Reserven gem. § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG und dadurch zu einem Gewinn im Sonderbetriebsvermögen des Stillen geführt habe. Für Zwecke der Gewinnverteilung sei der Geschäftswert ganz der GmbH zuzurechnen, so dass sich ein angemessener Gewinnanteil der GmbH von 21,8 % ergebe. In Höhe der Differenz zu dem tatsächlich erhaltenen Gewinnanteil liege eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, die nach dem Halbeinkünfteverfahren zur Hälfte den Gewinn der Mitunternehmerschaft erhöhe.

38 Wendt, StbJb 2014/15, 3, 4. 39 BFH, Urt. v. 18.6.2015 – IV R 5/12, BStBl. II 2015, 935 mit Anm. von Görden, EStB 2015, 394; Kleinmanns, BB 2015, 2674; Schießl, StuB 2015, 777.

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Die Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid hatte erstinstanzlich nur insoweit Erfolg, als das FG40 von einem Übergang des Geschäftswerts zum Buchwert ausging und damit der Sonderbetriebsgewinn des Stillen entfiel. FA und Kläger legten gegen das Urteil Revision ein. Der BFH gab der Revision der Kläger statt, weil er die Gewinnverteilung nicht für unangemessen hielt. Allerdings war die Angemessenheit seiner Meinung nach im Verfahren über die Gewinnfeststellung zu prüfen. Der Kapitalgesellschaft werde bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der Mitunternehmerschaft der angemessene Gewinnanteil zugerechnet. Die vertragliche Gewinnverteilung bedürfe für Zwecke der Zurechnung der Einkünfte einer Korrektur, wenn die Kapitalgesellschaft im Interesse des stillen Gesellschafters auf eine Gewinnbeteiligung verzichte, die ihr unter Fremden eingeräumt worden wäre.

3.2. Verdeckte Gewinnausschüttung durch Gewinnverteilung einer Personengesellschaft Mit Personengesellschaften werden Fragestellungen rund um die verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) gemeinhin nicht verbunden, wird doch der Gewinn der Personengesellschaft unabhängig von einer „Ausschüttung“ den Gesellschaftern unmittelbar als deren Einkünfte zugeordnet. Dennoch gibt es Fallgestaltungen, in denen sich vGA auch im Zusammenhang mit einer Personengesellschaft ereignen können, insbesondere dann, wenn an der Personengesellschaft eine Kapitalgesellschaft und zugleich auch ein Gesellschafter der Kapitalgesellschaft nahestehende Person beteiligt sind. Die Verteilung des Gewinns der Personengesellschaft bzw. die Leistung von Sondervergütungen an den Doppelgesellschafter kann zur Folge haben, dass der Kapitalgesellschaft nicht der fremdübliche, sondern ein zugunsten eines Doppelgesellschafters reduzierter Anteil am Gewinn der Personengesellschaft zugewiesen wird. Das Einkommen der Kapitalgesellschaft wäre dann im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG gemindert und müsste außerbilanziell erhöht werden. Grundsätzlich folgt das Einkommensteuerrecht der handelsrechtlich vereinbarten und praktizierten Gewinnverteilung der Personengesellschaft. Die Rechtsprechung hat allerdings in einigen Fällen Ausnahmen von diesem Grundsatz gemacht und eine dieser Ausnahmen ist der Fall 40 Hessisches FG, Urt. v. 7.12.2011 – 13 K 367/07, juris.

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einer vGA, die sich unmittelbar aus der Gewinnminderung der Kapitalgesellschaft ergibt. Ertragsteuerlich wird der Kapitalgesellschaft dann nämlich nicht der um die vGA geminderte Gewinnanteil, sondern der ungeminderte Gewinnanteil zugerechnet. Das körperschaftsteuerliche Einkommen der Kapitalgesellschaft ist somit nicht um die vGA gemindert, so dass es keiner Hinzurechnung zum Einkommen iSd. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG mehr bedarf. Dies ist für die GmbH & Co. KG bereits im Jahr 1967 vom BFH so entschieden worden41, seither ständige Rechtsprechung geblieben und hat auch die verschiedenen KSt-Systeme überdauert42. Weil damit eine Ausnahme nicht nur von dem Grundsatz der Anknüpfung an die handelsrechtliche Gewinnverteilung, sondern auch von dem Grundsatz geschaffen worden ist, dass über vGA im KSt-Bescheid der Kapitalgesellschaft zu entscheiden ist, muss diese Doppelausnahme eng begrenzt bleiben und darf nur Fälle erfassen, in denen die vGA untrennbar mit der Höhe des Gewinnanteils der GmbH bei der KG verbunden ist43. Das Urteil vom 18.6.2015 enthält insofern also keine neue Erfindung des BFH, sondern wendet die an der GmbH & Co. KG erprobte Rechtsprechung nun auch auf die unter diesem Aspekt vergleichbare GmbH & atypisch Still an. Es mag allerdings verwirren, dass es in diesem Fall nur einen Gewinn zu geben scheint, nämlich den der GmbH, dessen unangemessene Minderung nur nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG korrigierbar wäre. Diese Verwirrung lässt sich aber leicht mit dem Hinweis auflösen, dass die GmbH ihren Gewinn nicht für eigene Rechnung, sondern für Rechnung der stillen Gesellschaft erwirtschaftet. Das der stillen Gesellschaft gewidmete Betriebsvermögen des Inhabers des Handelsgewerbes wird als mitunternehmerisches Vermögen angesehen, welches vom Inhaber des Handelsgewerbes im eigenen Namen, aber für Rechnung der Mitunternehmerschaft verwaltet wird. Der Gewinn entsteht dann auf Ebene der Mitunternehmerschaft und wird dort auf den Inhaber des Handelsgewerbes und den Stillen verteilt. Der Inhaber des Handelsgewerbes bezieht also einen von der Mitunternehmerschaft abgeleiteten Gewinnanteil und nicht einen originär erzielten Gewinn. Der Bescheid über die Gewinnfeststellung ist Grundlagenbescheid für die KSt- bzw. ESt-Festsetzung des Inhabers des Handelsgewerbes und nicht umge41 BFH, Urt. v. 15.11.1967 – IV R 139/67, BStBl. II 1968, 152. 42 Vgl. etwa BFH, Urt. v. 24.3.1998 – I R 79/97, BStBl. II 1998, 578 zum Anrechnungssystem; näher dazu auch Wassermeyer, GmbHR 1999, 18. 43 So ausdrücklich BFH, Urt. v. 15.9.2004 – I R 7/02, BStBl. II 2005, 867.

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kehrt44. Deshalb kann eine in der Gewinnverteilung der stillen Gesellschaft angelegte vGA in gleicher Weise korrigiert werden wie bei einer GmbH & Co. KG.

4. Betriebliche Veranlassung von Darlehen an Personengesellschafter 4.1. BFH-Urteil vom 16.10.2014 – IV R 15/11 Stattet ein Personengesellschafter seine Gesellschaft mit Fremdkapital – etwa in Gestalt eines Darlehens – aus, wird dieses zwar nicht ebenso behandelt wie Eigenkapital. In mancher Hinsicht wirkt dieses Kapital aber im Ergebnis doch wie Eigenkapital, denn die Darlehensvaluta ist Sonderbetriebsvermögen I des Gesellschafters bei der Personengesellschaft und die ggf. von der Gesellschaft gezahlten Zinsen sind Sondervergütungen iSd. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG. Im umgekehrten Fall, wenn also die Gesellschaft dem Gesellschafter ein Darlehen gibt, greift die Korrektur des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht ein. Die Darlehensvaluta bleibt als Forderung der Mitunternehmerschaft deren Gesamthandsvermögen, die vom Gesellschafter zu zahlenden Zinsen erhöhen als Betriebseinnahme den Gewinn der Mitunternehmerschaft. Vermögensgegenstände des Gesamthandsvermögens sind allerdings nicht automatisch wegen des Grundsatzes der Maßgeblichkeit auch Betriebsvermögen. Vielmehr gehören Güter des Gesamthandsvermögens dann nicht zum Betriebsvermögen, wenn ihre Zugehörigkeit zum Gesellschaftsvermögen nicht betrieblich veranlasst ist. Ein ohne betriebliche Veranlassung gewährtes Darlehen an den Gesellschafter ist damit kein Betriebsvermögen. Die Auszahlung muss dann steuerbilanziell als Entnahme behandelt werden. Vom Fehlen einer solchen betrieblichen Veranlassung war das FA im Fall des BFH-Urteils vom 16.10.201445 ausgegangen. Die Kommanditisten der klagenden KG hatten Lebensversicherungen abgeschlossen und an eine Bank zur Sicherung betrieblicher Darlehen abgetreten. Die zur Finanzierung der Versicherungsbeiträge erforderlichen Zahlungen wur44 So ausdrücklich zuletzt BFH, Urt. v. 12.2.2015 – IV R 48/11, BFH/NV 2015, 1075. 45 BFH, Urt. v. 16.10.2014 – IV R 15/11, BStBl. II 2015, 267 mit Anm. etwa von Fichtelmann, GStB 2015, 350; Lüdenbach, StuB 2015, 227; Pohl, StuB 2015, 330; Schimmele, EStB 2015, 80; Seppelt, BB 2015, 498; Wendt, FR 2015, 277; ders., BFH/PR 2015, 111.

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den zunächst von der KG geleistet und als Entnahme der Gesellschafter behandelt. Im Hinblick auf eine angespannte Finanzlage der KG vereinbarten die Gesellschafter später ein Entnahmeverbot. Die Zahlung der Versicherungsbeiträge sollte künftig als Darlehen der KG an die Gesellschafter behandelt werden. Die Darlehen waren bei Fälligkeit der Versicherung zu tilgen und mit einem Satz zu verzinsen, der den Garantiezins für Kapitallebensversicherungen nicht überschritt. Konkret wurde eine Verzinsung mit 4 % vereinbart. Das FA erkannte die Darlehensvereinbarungen nicht an und behandelte die Zahlungen auch weiter als Entnahmen, die dann zur Entstehung negativer Kapitalkonten mit der Folge führten, dass Verlustanteile der Kommanditisten nur noch als verrechenbar iSd. § 15a EStG festgestellt wurden. Die gegen die Feststellung der verrechenbaren Verluste gerichtete Klage hatte vor dem FG zunächst keinen Erfolg46. Der BFH hob das Urteil auf und verwies das Verfahren zur näheren Überprüfung der festzustellenden verrechenbaren Verluste an das FG zurück. Ein Darlehen gehöre nur dann nicht zum Betriebsvermögen einer Personengesellschaft, wenn festgestellt werden könne, dass keine wesentliche betriebliche Veranlassung für seine Ausreichung bestehe. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung komme den Kriterien des Fremdvergleichs lediglich indizielle Bedeutung zu. Nicht jede Abweichung vom Üblichen schließe schon die betriebliche Veranlassung aus. So habe insbesondere das Erfordernis einer Sicherheitsleistung für Darlehensansprüche im Rahmen des Fremdvergleichs keinen Selbstzweck47. Zudem könne selbst ein unverzinsliches und nicht verkehrsüblich gesichertes Darlehen betrieblich veranlasst sein, wenn es dem Betrieb anderweitige Vorteile bringe, die den Nachteil der Ertragslosigkeit ausgleichen und den Verzicht auf ausreichende Sicherheiten als betrieblich veranlasst erscheinen ließen.

4.2. Ertragsteuerliche Behandlung außerbetrieblich veranlasster Darlehen einer Personengesellschaft Bestehen zivilrechtlich keine Zweifel daran, dass die Personengesellschaft ihrem Gesellschafter ein Darlehen gewährt hat, dass also eine Rückzahlungspflicht des Gesellschafters besteht, muss das Darlehen handelsrechtlich als Forderung der Gesellschaft aktiviert werden. Steu46 FG Nürnberg, Urt. v. 28.1.2010 – 4 K 612/2007, juris, mit Anm. Behlau, StBW 2010, 438. 47 Vgl. BFH, Urt. v. 6.3.2003 – IV R 21/01, BFH/NV 2003, 1542.

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errechtlich kann die Darlehensauszahlung aber gleichwohl als Entnahme zu werten sein, wenn keine betriebliche Veranlassung für das Darlehen besteht. Dann stellt sich die Frage, wie die Entnahme bilanziell dargestellt werden kann. Im Urteil vom 16.10.2014 musste der BFH dazu nicht Stellung nehmen, weil er von der betrieblichen Veranlassung der Darlehen ausging. Nicht in Betracht kommt die Aufnahme des Darlehens in eine Sonderbilanz, denn dort können nur Wirtschaftsgüter des Sonder„betriebs“vermögens, also solche Güter erfasst werden, für die eine betriebliche Veranlassung besteht. M.E. sollte ein solches Darlehen in einer Ergänzungsbilanz abgebildet werden. Die Ergänzungsbilanz dient nach ständiger und jüngst im nachstehend erläuterten Urteil vom 20.11.2014 – IV R 1/1148 bestätigter Rechtsprechung des BFH u.a. dazu, den Mitunternehmer einem Einzelunternehmer möglichst gleichzustellen. Die Gewährung eines Darlehens, das nicht Betriebsvermögen ist, bedeutet steuerlich die Entstehung notwendigen Privatvermögens. Dieses ist wegen der Zugehörigkeit zum Gesamthandsvermögen allerdings nicht allein dem Darlehensempfänger, sondern allen Mitunternehmern nach ihrem gesellschaftsrechtlich vereinbarten Anteil am Gesamthandsvermögen zuzurechnen. Es muss also für alle Mitunternehmer in Höhe des sie betreffenden Teilbetrags von einer steuerlichen (Zwangs-)Entnahme durch Bildung notwendigen Privatvermögens ausgegangen werden. Die dadurch gesunkenen steuerlichen Kapitalkonten könnten dann nur durch negative Ergänzungsbilanzen abgebildet werden, weil das Darlehen weiter zum Gesamthandsvermögen gehört und in der Handelsbilanz der Gesellschaft auszuweisen wäre. Darlehenstilgungen würden dann umgekehrt zur entsprechenden Auflösung der negativen Ergänzungsbilanzen führen und damit – wiederum für alle Mitunternehmer – den Effekt einer die Kapitalkonten erhöhenden Einlage haben. Als Einlage aller am Gesamthandsvermögen beteiligten Mitunternehmer dürften dann wohl auch die laufenden Zinszahlungen des Darlehensnehmers zu behandeln sein. Im Rahmen des § 15a EStG wäre das Volumen für ausgleichsfähige Verluste gemindert, denn Ergänzungsbilanzen sind bei der Bestimmung des Kapitalkontos iSd. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG einzubeziehen. Keine steuerliche Zwangsentnahme läge allerdings vor, wenn ein solches Darlehen als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden könnte. Da gewillkürtes Betriebsvermögen nach ständiger Rechtspre-

48 Nachstehend unter 5.2.

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chung des BFH und h.M. mit dem gesetzlichen Begriff des Betriebsvermögens in § 4 Abs. 1 EStG vereinbar ist49, muss dem Grundsatz gemäß, dass der Mitunternehmer dem Einzelunternehmer möglichst gleich gestellt werden soll, auch einem Mitunternehmer die Bildung gewillkürten Betriebsvermögens gestattet sein50. Gewillkürtes Betriebsvermögen kann bei einer Personengesellschaft allerdings nicht für Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens in Betracht kommen; diese sind entweder Betriebsvermögen oder aber bei unwesentlicher betrieblicher Nutzung notwendiges Privatvermögen. Für Wirtschaftsgüter im Eigentum eines oder mehrerer Gesellschafter kommt aber gewillkürtes Betriebsvermögen in Betracht. Mangels Zugehörigkeit zum Gesellschaftsvermögen kann es nicht in der Gesellschaftsbilanz erfasst werden. Es handelt sich dann um Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters, und zwar entweder um Sonderbetriebsvermögen I, wenn das Gut von der Gesellschaft oder vom Gesellschafter für Zwecke der Gesellschaft genutzt wird, oder um Sonderbetriebsvermögen II, wenn das Gut geeignet ist, die Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft zu stärken.

5. Abschreibung in Ergänzungsbilanz bei Erwerb eines Mitunternehmeranteils 5.1. Ergänzungsbilanz als Instrument zum Ausweis gesellschafterbezogener Anschaffungskosten für Güter des Gesellschaftsvermögens Der Erwerb eines Personengesellschaftsanteils ist aus handelsbilanzieller Sicht als Anschaffung eines Vermögensgegenstands des nicht abnutzbaren Anlagevermögens zu beurteilen. Der Anteil wird dann ebenso behandelt wie ein Kapitalgesellschaftsanteil, also insbesondere mit den Anschaffungskosten bilanziert. Ertragsteuerlich gilt allerdings der Transparenzgrundsatz, der dahin verstanden wird, dass der Erwerber des Gesellschaftsanteils steuerlich anteilig die Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens erwirbt. Der Kaufpreis ist auf die vorhandenen Güter des Gesellschaftsvermögens aufzuteilen; die Teilbeträge sind aus der Sicht

49 Die insbesondere von Wassermeyer in DStJG 3 (1980), 315 vertretene Gegenauffassung hat sich bisher nicht durchsetzen können; vgl. z.B. BFH, Urt. v. 2.10.2003 – IV R 13/03, BStBl. II 2004, 985. 50 A.A. evtl. Pohl, StuB 2015, 330.

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des Erwerbers dessen Anschaffungskosten für die anteiligen Güter. Entspricht der Kaufpreis als Saldo aus den Teilbeträgen für die positiven und negativen Wirtschaftsgüter dem Kapitalkonto in der Gesellschaftsbilanz, sind die auf den Erwerber entfallenden Teilbeträge in der Gesellschaftsbilanz vollständig und richtig abgebildet. Liegt der Kaufpreis für den Gesellschaftsanteil aber über dem Kapitalkonto, weil zum Gesellschaftsvermögen Güter gehören, die nicht oder mit einem nicht dem Verkehrswert entsprechenden Wert bilanziert sind, werden die Anschaffungskosten des Anteilserwerbers nicht von der Gesellschaftsbilanz widergespiegelt. Es bedarf dann einer Ergänzung der Gesellschaftsbilanz, in der die Mehrbeträge des betreffenden Gesellschafters ausgewiesen werden. Dieses Rechenwerk wird mit dem Begriff Ergänzungsbilanz bezeichnet. Das Ertragsteuerrecht verwendet den Begriff der Ergänzungsbilanz auch als Gesetzesbegriff, nämlich in § 24 Abs. 2 und 3 UmwStG und in § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG. Eine Legaldefinition des Begriffs gibt es allerdings bislang nicht. Dementsprechend gibt es auch keine Normen, in denen Ansatz oder Bewertung in der Ergänzungsbilanz geregelt werden. Die Rechtsprechung kann sich den zahlreichen Bilanzierungsfragen nur über die Entscheidung von Einzelfällen nähern. Eine besonders wichtige Frage aus diesem Komplex, nämlich die Frage nach der Abschreibung in Ergänzungsbilanzen bei Mehranschaffungskosten für Wirtschaftsgüter der abnutzbaren Anlagevermögens, hat der BFH jetzt in einem Urteil vom 20.11.201451 klären können.

5.2. BFH-Urteil vom 20.11.2014 – IV R 1/11 In dem entschiedenen Fall ging es um den Erwerb von Anteilen an einem Schiffsfonds in der Rechtsform einer KG. Der Fonds hatte das von ihm betriebene Containerschiff 1985 erworben und zunächst degressiv abgeschrieben, bevor er im Jahr 1993 für die Restnutzungsdauer von 4,5 Jahren zur linearen AfA übergegangen war. In den Jahren 1992–1995 wurden vier Kommanditanteile zu über dem Kapitalkonto liegenden Preisen veräußert. Die Mehrbeträge entfielen unstreitig allein auf das Schiff. Sie wurden dementsprechend als Anschaffungskosten des jeweils

51 BFH, Urt. v. 20.11.2014 – IV R 1/11, DStR 2015, 283 mit Anm. etwa von Bahlburg, StuB 2015, 455; Bodden, BeSt 2015, 11; Bolk, DStZ 2015, 472; Eckl, BB 2015, 562; Freikamp, DB 2015, 1063; Paus, FR 2015, 548; Kraft/Kraft, NWB 2015, 1452; Schimmele, EStB 2015, 78; Wendt, BFH/PR 2015, 120; ders., FR 2015, 554.

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auf die Anteilserwerber entfallenden Teils des Schiffs in deren Ergänzungsbilanzen aktiviert und anschließend linear über die von der Gesellschaft der Abschreibung in der Gesamthandsbilanz zugrunde gelegte Restnutzungsdauer des Schiffs abgeschrieben. Das FA war der Auffassung, im Fall eines Anteilserwerbs sei für den jeweiligen Erwerber die Restnutzungsdauer bezogen auf den Zeitpunkt des Anteilserwerbs zu bestimmen. Danach ergaben sich für die Erwerber im Streitfall längere Restnutzungsdauern als sie der Abschreibung in der Gesamthandsbilanz zugrunde lagen. Das FA erkannte nur die daraus folgende geringere AfA in den Ergänzungsbilanzen an. Das FG teilte die Auffassung der Fonds-KG, dass auch in den Ergänzungsbilanzen bis zum Ende der für die Gesamthandsbilanz geltenden Nutzungsdauer abzuschreiben sei52. Die dagegen vom FA erhobene Revision hatte Erfolg, denn der BFH teilte im Kern die Auffassung der Finanzverwaltung. Die Mehranschaffungskosten im Rahmen des Anteilserwerbs seien bilanziell so zu erfassen, dass der Erwerber soweit wie möglich einem Einzelunternehmer, dem Anschaffungskosten für entsprechende Wirtschaftsgüter entstanden seien, gleichgestellt werde. Deshalb seien AfA auf die im Zeitpunkt des Anteilserwerbs geltende Restnutzungsdauer eines abnutzbaren Wirtschaftsguts des Gesellschaftsvermögens vorzunehmen. Allerdings ständen dem Erwerber dann auch dieselben Abschreibungswahlrechte wie einem Einzelunternehmer zu, der ein entsprechendes Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Anteilserwerbs angeschafft hätte. Weil die Erwerber hilfsweise geltend gemacht hatten, ein in den Streitjahren bestehendes Wahlrecht auf Inanspruchnahme degressiver AfA in Anspruch nehmen zu wollen, verwies der BFH das Verfahren zur Klärung der diesbezüglichen Voraussetzungen an das FG zurück.

5.3. Unterschiedliche Abschreibung in Gesamthands- und Ergänzungsbilanz Nach schon älterer Rechtsprechung des BFH stellen die in einer Ergänzungsbilanz ausgewiesenen Beträge Korrekturen zu den Wertansätzen von Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens in der Steuerbilanz der Gesellschaft dar. Die Ergebnisse aus einer Ergänzungsbilanz sollen danach „im Interesse einer zutreffenden Besteuerung“ zu einer Korrektur des Gewinnanteils des Gesellschafters iSd. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 52 Niedersächsisches FG, Urt. v. 20.10.2009 – 8 K 323/05, EFG 2010, 558 mit Anm. Kolbe, StuB 2010, 398.

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EStG führen53. Daran knüpft das Urteil vom 20.11.2014 an und erkennt als einen Aspekt der „zutreffenden Besteuerung“ die von der Rechtsprechung geforderte Gleichstellung des Mitunternehmers mit dem Einzelunternehmer. Dem Anteilserwerber steht danach der Abschreibungsbetrag zu, der einem Einzelerwerber des oder der betreffenden Wirtschaftsgüter zugestanden hätte. Es ist also zu fragen, nach welcher Methode und mit welchem Satz bei Erwerb eines solchen gebrauchten Wirtschaftsguts abzuschreiben wäre. In diesem Zusammenhang können auch Abschreibungswahlrechte ausgeübt werden. Bilanziell wird die Abschreibung so dargestellt, dass in der Ergänzungsbilanz der Differenzbetrag zu der dem Gesellschafter bereits anteilig über die Gesamthandsbilanz zuzuordnenden Abschreibungsbeträge ausgewiesen wird. Demnach enthält die Ergänzungsbilanz keine neben der Gesamthandsbilanz vorzunehmenden Abschreibungen, sondern Korrekturen zur Abschreibung in der Gesamthandsbilanz, die positiv oder negativ ausfallen können. Werden dem Anteilserwerber aus der Gesamthandsbilanz anteilig höhere AfA zugewiesen, als sie ihm bei einem Erwerb als Einzelunternehmer zugestanden hätten, wird der überhöhte Betrag durch eine negative AfA in der Ergänzungsbilanz ausgeglichen54. Nicht zu entscheiden war in dem Urteilsfall, wie bei einer negativen Ergänzungsbilanz wegen eines hinter dem Kapitalkonto zurückbleibenden Kaufpreises für den Anteil zu verfahren ist. Soweit Minderwerte auf abnutzbare Anlagegüter des Gesamthandsvermögens entfallen, ist nach bisheriger Rechtsprechung an die Abschreibung in der Gesellschaftsbilanz anzuknüpfen und eine spiegelbildlich negative Abschreibung in der Ergänzungsbilanz vorzunehmen. Dies wurde vom BFH damit begründet, dass eine zu hohe Abschreibung gesellschafterbezogen zu korrigieren sei. Ob daran auch in der Zukunft festzuhalten ist, wird nach der jetzigen Entscheidung zur positiven Ergänzungsbilanz bezweifelt55. Eine individuelle Abschreibung für den Anteilserwerber wäre in der Tat unabhängig davon vorzunehmen, ob der anteilige Kaufpreis höher oder niedriger als der Restbuchwert in der Gesamthandsbilanz war. Damit

53 So BFH, Urt. v. 28.9.1995 – IV R 57/94, BStBl. II 1996, 68. 54 Gl.A. Bolk, DStZ 2015, 472; anders und m.E. deshalb unzutreffend die Beispiele bei Freiberg, DB 2015, 1063; auf demselben fehlerhaften Verständnis beruhend wohl auch die Kritik von Paus, FR 2015, 548. 55 Etwa von Bolk, DStZ 2015, 472.

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wird sich der BFH auseinandersetzen müssen. Die Frage sollte also bald in einem geeigneten Fall an ihn herangetragen werden.

6. Gesamtplan – noch immer kein Ende der Diskussion 6.1. Gesamtplan als teleologisches Auslegungskriterium Der Topos „Gesamtplan“ ist seit vielen Jahren aus Betriebsprüfungen und Fortbildungsveranstaltungen nicht mehr wegzudenken. Weil es bisher nicht gelungen ist, den Begriff des Gesamtplans mit einem eindeutigen und von der Finanzverwaltung umgesetzten Inhalt zu versehen, gehen die Meinungen darüber, was sich hinter dem Begriff verbirgt, zum Teil weit auseinander. Die Rechtsprechung des BFH betraf naturgemäß jeweils Einzelfälle, mit deren Entscheidung bisher noch keine umfassende Klärung der Frage gelungen ist. In den letzten Jahren verdichtet sich aber das Bild dessen, was sich der BFH unter dem Begriff des Gesamtplans vorstellt. Insbesondere ein Urteil des IV. Senats vom 2.8.201256 hat energischen Widerspruch der Finanzverwaltung erfahren57 und zu der aus Kreisen der Verwaltung geäußerten Annahme geführt, der Gesamtplan sei tot58. Dass diese Vermutung nicht zutrifft, hat der BFH seither in mehreren Entscheidungen des III., IV. und X. Senats widerlegt59. Allerdings hat der Begriff danach nicht den Inhalt, den ihm die Finanzverwaltung beigemessen hat. Es handelt sich nicht um eine richterrechtliche „Verlängerung“ des § 42 AO, sondern um ein Kriterium zur teleologischen Auslegung von begünstigenden Steuernormen. Wo eine solche Norm an einer zeitpunktbezogenen Voraussetzung ansetzt, diese Voraussetzung aber nur durch eine in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem zu besteuernden Vorgang vorgenommene Gestaltung erfüllt worden ist, muss untersucht werden, ob der Zweck der Steuervergünstigung erreicht wird, wenn sie für diesen Vorgang gewährt würde. Der Gesamtplan schafft deshalb weder einen neuen Besteuerungstatbestand noch führt er dazu, dass unter Abweichung von der zivilrechtlichen Gestaltung ein fik56 BFH, Urt. v. 2.8.2012 – IV R 41/11, DStR 2012, 2118; näher hierzu auch Wendt in StbJb. 2012/2013, 29. 57 „Vorläufiger“ Nichtanwendungserlass, BMF v. 12.9.2013, BStBl. I 2013, 1164; hierzu näher auch Wendt, StbJb. 2013/2014, 34. 58 So Brandenberg, DB 2013, 17, 23. 59 BFH, Urt. v. 30.8.2012 – IV R 44/10, BFH/NV 2013, 376; v. 22.10.2013 – X R 14/11, BStBl. II 2014, 158; v. 5.2.2014 – X R 22/12, BStBl. II 2014, 388; v. 22.10.2013 – III B 35/12, BFH/NV 2014, 531, sowie die nachstehend berichteten Entscheidungen aus dem Jahr 2014.

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tiver Sachverhalt besteuert wird, wie es § 42 AO vorsieht. Er begrenzt vielmehr den Anwendungsbereich einer Steuervergünstigung im Hinblick auf deren Zweck und kann dadurch beispielsweise bewirken, dass ein zeitpunktbezogen formuliertes Tatbestandsmerkmal der Begünstigungsnorm zeitraumbezogen verstanden wird, wenn der Zweck der Steuervergünstigung dies erfordert. Entscheidend kommt es also darauf an, zu erkennen, welche Norm eine Steuervergünstigung enthält und welcher Zweck mit der so identifizierten Vergünstigung verfolgt wird.

6.2. Gesamtplan und Tarifvergünstigung nach § 34 EStG 6.2.1. Ausgangspunkt: BFH-Urteil vom 6.9.2000 – IV R 18/99 Ausgangspunkt der bis heute geführten Diskussion über den Gesamtplan war ein Urteil des BFH vom 6.9.200060. Dort war über die Gewährung des ermäßigten ESt-Satzes für einen Gewinn zu entscheiden gewesen, der aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen erzielt worden war. Obwohl die Voraussetzungen des heutigen § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt waren, weil die Gesellschafter ihre gesamten Mitunternehmeranteile an der Personengesellschaft veräußert hatten, verweigerte der BFH damals die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes für die Veräußerungsgewinne. Denn aufgrund eines einheitlichen Plans seien kurz zuvor Wirtschaftsgüter mit erheblichen stillen Reserven zum Buchwert in eine Schwestergesellschaft ausgegliedert und deshalb mit der Veräußerung der Anteile nicht alle stillen Reserven in der früheren Personengesellschaft geballt aufgedeckt worden. Auch wenn das Wort „Gesamtplan“ in der Entscheidung nicht verwendet wird, wurde in der Diskussion über das Urteil der früher geprägte Begriff des Gesamtplans aufgenommen und mit dieser Entscheidung verbunden, so dass das Urteil gewissermaßen als Geburtsstunde der heutigen Gesamtplandiskussion angesehen werden kann. Zugleich hat die begriffliche Verkürzung aber das eigentliche Anliegen des damaligen Urteils überdeckt, das sich in folgender Passage der Entscheidungsgründe findet: „Nach Auffassung des Senats gebietet es der Zweck der Tarifbegünstigung, sie auch dann nicht zu gewähren, wenn aufgrund einheitlicher Planung und in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils wesentliche Betriebsgrundlagen der Personengesellschaft ohne Aufdeckung sämtlicher stillen Reserven aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft ausgeschieden

60 BFH, Urt. v. 6.9.2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht sind. Denn dann sind durch die Veräußerung nicht alle in den Mitunternehmeranteilen ruhenden stillen Reserven aufgedeckt worden … … Die Gewährung der Tarifbegünstigung für den erzielten Gewinn aus der Anteilsveräußerung würde bedeuten, dass sie trotz nur teilweiser Aufdeckung der stillen Reserven in Anspruch genommen werden könnte. Ein solches Ergebnis steht im Widerspruch zu dem Zweck der Tarifbegünstigung, die Progressionswirkung durch die geballte Aufdeckung der stillen Reserven zu mildern. Verursacht wäre das Ergebnis nur durch die Besonderheiten der Mitunternehmerbesteuerung, während ein Einzelunternehmer nicht die Möglichkeit hätte, die Tarifbegünstigung trotz teilweiser Beibehaltung stiller Reserven zu erlangen.“

Mit drei neuen Urteilen hat der BFH diese Gedanken erneut aufgegriffen. 6.2.2. BFH-Urteil vom 9.12.2014 – IV R 36/13 Ein Kommanditist, der auch an der Komplementär-GmbH der KG beteiligt war, hatte einen Teil seiner Kommanditbeteiligung zusammen mit dem entsprechenden Teil des Anteils an der Komplementär-GmbH seiner Ehefrau geschenkt, bevor er noch am gleichen Tag den verbliebenen Teil seiner Beteiligung an KG und GmbH an einen Dritten veräußerte. Das FA lehnte es ab, den erzielten Veräußerungsgewinn im Gewinnfeststellungsbescheid der KG als tarifbegünstigt auszuweisen. Die deswegen von der KG erhobene Klage wies das FG ab61. Der BFH bestätigte das Urteil des FG62. Der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils unterliege nicht der Tarifbegünstigung, wenn der Mitunternehmer zuvor aufgrund einheitlicher Planung und im zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung einen Teil seines Anteils ohne Aufdeckung der stillen Reserven übertragen habe. Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils werden häufig verkürzt als Gewinn gem. §§ 16, 34 EStG gekennzeichnet. Damit wird verdeckt, dass § 16 EStG und § 34 EStG je-

61 Hessisches FG, Urt. v. 15.8.2013 – 1 K 2111/09, EFG 2013, 1924. 62 BFH, Urt. v. 9.12.2014 – IV R 36/13, BStBl. II 2015, 529 mit Anm. etwa von Bode, NWB 2015, 1374; Demuth, EStB 2015, 254; Dötsch, jurisPR-SteuerR 16/2015, Anm. 4; Marfels, StBW 2015, 253; Messner, AktStR 2015, 217; Rogge, BB 2015, 998; Schulze zur Wiesche, DStR 2015, 1161; Strahl, BeSt 2015, 9; Suchanek, GmbHR 2015, 388; Wendt, BFH/PR 2015, 147; ders., FR 2015, 712; Wischmann, EStB 2015, 118.

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weils eigene Tatbestandsvoraussetzungen beinhalten und unterschiedliche Regelungsziele verfolgen. § 16 EStG ordnet an, dass auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe der Einkunftsquelle zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört, und enthält außerdem Regelungen zur Ermittlung des Gewinns. § 34 EStG enthält demgegenüber eine Steuervergünstigung für bestimmte außerordentliche Einkünfte, die dem in § 34 Abs. 1 EStG bzw. bei Vorliegen der dortigen Voraussetzungen dem in § 34 Abs. 3 EStG bestimmten begünstigten Tarif unterliegen. Voraussetzung für die Tarifbegünstigung ist, dass es sich um „außerordentliche“ Einkünfte handelt. Welche Einkünfte dem Grunde nach dafür in Betracht kommen, bestimmt § 34 Abs. 2 EStG. Die dort genannten Einkünfte sind aber nicht immer automatisch auch außerordentliche Einkünfte. Dass Einkünfte in § 34 Abs. 2 EStG genannt werden – dies gilt insbesondere nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG für Gewinne iSd. § 16 EStG – ist eine notwendige, nicht aber bereits ausreichende Voraussetzung für die Tarifbegünstigung. Die Außerordentlichkeit der Einkünfte muss hinzukommen. Im Fall der Gewinne gem. § 16 EStG ist Voraussetzung für die Außerordentlichkeit, dass es zur geballten Aufdeckung der stillen Reserven in dem veräußerten Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil gekommen ist. Wie der IV. Senat des BFH bereits mehrfach betont hat, ist die Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils immer zeitpunktbezogen zu würdigen. Die Voraussetzungen der an die Übertragung anknüpfenden Norm sind erfüllt, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen, die im Zeitpunkt der Übertragung zu dem Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil gehörten, übertragen worden sind. Im Fall des hier besprochenen Urteils hatte der Kommanditist zunächst einen Teil seines Mitunternehmeranteils unentgeltlich übertragen, was nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG ohne Aufdeckung stiller Reserven vonstatten ging. Da er anschließend alle ihm noch verbliebenen wesentlichen Betriebsgrundlagen des Mitunternehmeranteils veräußert hatte, war dieser Vorgang unter § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu fassen: es wurde ein ganzer Mitunternehmeranteil veräußert. Der Gewinn aus der Veräußerung ist tarifbegünstigt, wenn er außerordentlich ist, also zur Aufdeckung aller stillen Reserven geführt hat. Das wäre der Fall, wenn man auch unter diesem Aspekt strikt zeitpunktbezogen prüfen würde. Der Zweck des § 34 EStG, die Progression des ESt-Tarifs abzumildern, welche nur eine Folge der geballten Auf-

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deckung aller stillen Reserven ist, macht es aber nach der bereits in dem oben genannten Ausgangsurteil vom 6.9.200063 erläuterten Meinung des BFH erforderlich, insoweit zu berücksichtigen, ob gezielt stille Reserven durch Buchwerttransfers aus der anschließend veräußerten Sachgesamtheit herausverlagert worden sind. War das der Fall, hat im Ergebnis keine geballte Realisierung aller stillen Reserven stattgefunden, so dass der von § 34 EStG verfolgte Zweck nicht erreicht werden kann. Dagegen könnte man einwenden, dass der BFH doch in ständiger Rechtsprechung die Tarifbegünstigung nicht davon abhängig mache, dass bei der Veräußerung ein angemessener Kaufpreis gezahlt worden ist. Auch eine verbilligte (sog. teilentgeltliche) Übertragung sei nach der Rechtsprechung tarifbegünstigt64. Dieses Argument weist der BFH jedoch mit der Begründung zurück, dass er Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Rechtsprechung habe. Er wolle diese Rechtsprechung zwar aus Gründen der Kontinuität nicht aufgeben, sie andererseits aber auch nicht als Argument für weitere systemwidrige Begünstigungen anerkennen. Es bleibt abzuwarten, ob sich daraufhin der Gesetzgeber aufgerufen fühlen wird, die Tarifbegünstigung teilentgeltlicher Übertragungen zumindest für die Zukunft „abzuschaffen“65. 6.2.3. BFH-Urteil vom 17.12.2014 – IV R 57/11 Im Fall des BFH-Urteils IV R 57/1166 war die Veräußerung von Teilanteilen an einer Personengesellschaft zu beurteilen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Veräußerung gegründet worden war. Es handelte sich um eine personenidentische Schwestergesellschaft zu einer seit langem bestehenden GmbH & Co. KG, die Teile ihres Geschäfts, die allerdings keinen Teilbetrieb bildeten, an den Erwerber veräußern wollte. Zu diesem Zweck wurde die Zweitgesellschaft errichtet, um ihr sodann

63 Fn. 60. 64 Z.B. BFH, Urt. v. 10.7.1986 – IV R 12/81, BStBl. II 1986, 811; v. 6.12.2000 – VIII R 21/00, BStBl. II 2003, 194. 65 Wie z.B. bei der Tarifbegünstigung für Teilanteilsveräußerungen im Anschluss an einen Beschluss des Großen Senats des BFH (Fn. 69). 66 BFH, Urt. v. 17.12.2014 – IV R 57/11, BStBl. II 2015, 536, Verfassungsbeschwerde beim BVerfG anhängig unter 2 BvR 504/15, mit Anm. etwa von Bode, NWB 2015, 1374; Demuth, EStB 2015, 254; Dötsch, jurisPR-SteuerR 18/2015, Anm. 3; Krämer, EStB 2015, 119; Messner, AktStR 2015, 217; Schulze zur Wiesche, DStR 2015, 1161; Strahl, BeSt 2015, 9; Suchanek, GmbHR 2015, 388; Wendt, BFH/PR 2015, 148; ders., FR 2015, 525.

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die Teile des Betriebsvermögens zu übertragen, an denen der Investor interessiert war. Ein Grundstück mit erheblichen stillen Reserven sowie das bewegliche Anlagevermögen verblieben bei der Ausgangsgesellschaft. Am gleichen Tag des Jahres 1997 veräußerten die Altgesellschafter Teile ihrer Kommanditanteile an der zweiten KG sowie deren Komplementär-GmbH an den Investor, der zudem eine Option auf den Kauf der restlichen Anteile erhielt. Von der Option wurde später auch Gebrauch gemacht. Den aus dem Verkauf der ersten Tranche im Jahr 1997 erzielten Gewinn hielten die Gesellschafter für tarifbegünstigt. Das FA lehnte eine entsprechende Feststellung im Gewinnfeststellungsbescheid für die neu gegründete KG ab. Nach zunächst erfolgreicher Klage beim FG67 gab der BFH dem FA Recht. Die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 EStG sei nicht zu gewähren, weil nicht alle in der Person des Veräußerers (Mitunternehmers) vorhandenen stillen Reserven in einem einheitlichen Vorgang aufgedeckt worden seien. Zwar sei im Streitjahr die Veräußerung von Teilanteilen ein Vorgang der zu tarifbegünstigten außerordentlichen Einkünften führen könne. Dies setze aber voraus, dass alle stillen Reserven in dem Teilanteil geballt realisiert würden. Daran fehle es hier. Im Fall dieses Urteils ging es also um die Tarifbegünstigung des Gewinns aus der Veräußerung eines Teilmitunternehmeranteils. Ein solcher Gewinn ist nach heutiger Rechtslage generell nicht mehr tarifbegünstigt. Denn § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG erklärt ihn zu einem „laufenden Gewinn“. Die Regelung gehört sachlich an sich zu § 34 EStG, weil sie nichts daran ändern soll, dass der Gewinn nach § 16 EStG steuerbar ist, sondern lediglich die fehlende Tarifbegünstigung zum Ausdruck bringt. Im Streitjahr des Urteilsfalls 1997 gab es diese Regelung noch nicht68. Vielmehr konnte nach der damaligen Rechtsprechung auch eine Teilanteilsveräußerung tarifbegünstigt sein69. Daran hat die Rechtsprechung für die Veranlagungszeiträume bis zur erstmaligen Geltung des § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG (Veräußerungsgewinne ab VZ

67 Niedersächsisches FG, Urt. v. 25.10.2011 – 15 K 10217/09, juris. 68 Eingeführt durch Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858. 69 Dies wurde erstmals im Beschluss des Großen Senats des BFH v. 18.10.1999 – GrS 2/98, BStBl. II 2000, 123 für unvereinbar mit der Konzeption der Tarifvergünstigung des § 34 EStG erklärt.

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2002) festgehalten70, so dass auch im Urteilsfall eine Tarifbegünstigung möglich gewesen wäre. Der Veräußerungsvorgang ist für sich genommen allein bezogen auf den Zeitpunkt zu betrachten, zu dem die Veräußerung stattgefunden hat. Der BFH geht aber über die zeitpunktbezogene Betrachtung hinaus und bezieht Transaktionen mit ein, die in engem zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung stattgefunden haben. Der hier entschiedene Fall enthält gewissermaßen die Umkehrung des dem Ausgangsurteil vom 6.9.200071 zugrunde liegenden Sachverhalts, denn hier wurden die Anteile an der Schwestergesellschaft veräußert, während Wirtschaftsgüter mit erheblichen stillen Reserven in der Altgesellschaft zurückgeblieben waren. Bei einer Aufspaltung der stillen Reserven auf zwei Personengesellschaften kann es nach Meinung des BFH keine Rolle spielen, ob anschließend Anteile an der einen oder der anderen Gesellschaft veräußert werden. Denn in beiden Fällen werden planmäßig nicht alle stillen Reserven geballt realisiert. 6.2.4. BFH-Urteil vom 28.5.2015 – IV R 26/12 In diesem Fall hatte eine Ein-Mann-GmbH & Co. KG ihren Geschäftsbetrieb eingestellt, nachdem die Komplementär-GmbH ausgeschieden und das Vermögen der KG vom Gesellschafter in dessen Privatvermögen übernommen worden war. Zum Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei der KG hatte neben der Beteiligung an der KomplementärGmbH auch noch die 100prozentige Beteiligung an einer wertvollen Betriebs-GmbH gehört. Beide GmbH-Anteile überführte der Gesellschafter zum Buchwert in sein Sonderbetriebsvermögen bei einer zweiten KG. Das FA beurteilte den Vorgang als Betriebsaufgabe der KG und wies den Gewinn dem Gesellschafter zu. Dabei lehnte es ab, den Gewinn als tarifbegünstigt festzustellen, weil infolge der Buchwertüberführung der GmbH-Anteile nicht alle stillen Reserven des Betriebsvermögens der KG aufgedeckt worden seien. Diese Auffassung wurde zwar vom FG72, nicht aber vom BFH gebilligt. Der BFH entschied, dass der Gewinn aus der Aufgabe eines Betriebs auch dann nach § 34 EStG tarifbegünstigt sei, wenn zuvor im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe eine das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Ka70 Erstmals BFH, Urt. v. 16.9.2004 – IV R 11/03, BStBl. II 2004, 1068. 71 Fn. 60. 72 FG Nürnberg, Urt. v. 19.6.2012 – 6 K 633/10, juris.

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pitalgesellschaft zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen übertragen oder überführt worden sei73. Das Urteil schließt an frühere Entscheidungen aus den Jahren 2008 und 2010 an, in denen die Liquidation einer zum Betriebsvermögen gehörenden 100prozentigen GmbH-Beteiligung trotz Fortsetzung des verbleibenden Betriebs74 und die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils nach Buchwertausgliederung einer von der Personengesellschaft gehaltenen Beteiligung an einer Tochter-Personengesellschaft75 als tarifbegünstigt beurteilt worden waren. Allen drei Entscheidungen liegt die Ausgangsüberlegung zugrunde, dass die Veräußerung bzw. Aufgabe der in § 16 Abs. 1 EStG genannten Sachgesamtheiten jeweils für sich genommen zu einem tarifbegünstigten Gewinn führt. Dies muss auch dann gelten, wenn mehrere der dort genannten Sachgesamtheiten miteinander zu einem Gesamtbetrieb gehören, wie sich eindeutig aus der Tarifbegünstigung der Teilbetriebsveräußerung ergibt. Umgekehrt ist daraus zu schließen, dass die Tarifbegünstigung des Teils des Gesamtbetriebs, der nicht eine eigenständig begünstigte Sachgesamtheit bildet, nicht davon abhängt, was mit den zum Betriebsvermögen gehörenden Sachgesamtheiten geschieht. Insbesondere müssen die in jenen Sachgesamtheiten ruhenden stillen Reserven nicht aufgedeckt werden. Diese Sichtweise scheint der vorerwähnten Rechtsprechung des BFH zu widersprechen, nach der der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils nicht der Tarifbegünstigung unterliegt, wenn der Steuerpflichtige zuvor aufgrund einheitlicher Planung und im zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung einen Teil des ursprünglichen Mitunternehmeranteils ohne Aufdeckung der stillen Reserven übertragen76 oder Einzelwirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen ausgegliedert77 hat. Von diesen beiden Fällen zu unterscheiden ist aber die Ausgliederung von Betriebsvermögen, das selbst die Voraussetzungen für eine tarifbegünstigte Aufgabe oder Veräußerung erfüllt, weil es eine Sachgesamt73 BFH, Urt. v. 28.5.2015 – IV R 26/12, BStBl. II 2015, 797 mit Anm. etwa von Bode, NWB 2015, 2924; Fischer, jurisPR-SteuerR 36/2015, Anm. 3; Wendt, BFH/ PR 2015, 335; ders., FR 2015, 894. 74 BFH v. 16.10.2008 – IV R 74/06, BFH/NV 2009, 725. 75 BFH v. 25.2.2010 – IV R 49/08, BStBl. II 2010, 726. 76 So im Fall des BFH-Urteils v. 9.12.2014 – IV R 36/13 (Fn. 62). 77 So im Fall des BFH-Urteils v. 17.12.2014 – IV R 57/11 (Fn. 66).

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heit iSd. § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG ist. Die dort genannten Sachgesamtheiten können nach dem Willen des Gesetzgebers jeweils tarifbegünstigt veräußert oder aufgegeben werden, auch wenn sie ihrerseits Teil einer größeren Sachgesamtheit sind und nur einen Teil der gesamten stillen Reserven der übergeordneten Sachgesamtheit beinhalten. Die tarifbegünstigte Veräußerung oder Aufgabe einer solchen untergeordneten Sachgesamtheit berührt den Fortbestand der Begünstigung für die übrigen Untereinheiten ebenso wenig wie die Begünstigung der dann verkleinerten übergeordneten Sachgesamtheit (Betrieb). Besteht der Betrieb beispielsweise aus drei Teilbetrieben, sind nach dem Gesetzeswortlaut sowohl der gesamte Betrieb als auch jeder der drei Teilbetriebe für sich gesehen begünstigte Sachgesamtheiten. Wird nun einer der Teilbetriebe veräußert, verkleinert sich dadurch der Gesamtbetrieb, ohne dass dadurch die Begünstigung für diesen entfällt. Auch die Begünstigung der beiden verbliebenen Teilbetriebe bleibt bestehen. Die Finanzverwaltung hat durch Abdruck des Urteils vom 25.2.2010 im BStBl. II78 sowie durch dessen Aufnahme in EStH 16 (4) zum Ausdruck gebracht, dass sie der Gesetzesauslegung des BFH folgt. Dass es nun trotzdem noch einmal zu einer Entscheidung des BFH kommen musste, hängt mit der Besonderheit zusammen, dass eine 100prozentige GmbHBeteiligung sowohl eine nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG begünstigte Sachgesamtheit als auch ein Einzelwirtschaftsgut ist. Hier war eine solche Beteiligung vor der Aufgabe des (Rest-)Betriebs der Personengesellschaft aus dem Sonderbetriebsvermögen des alleinigen Kommanditisten in ein anderes Sonderbetriebsvermögen bei einer Schwestergesellschaft überführt worden. Dieser Vorgang hatte nach § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG zwingend zum Buchwert stattgefunden. Die erheblichen stillen Reserven in der Beteiligung waren also ausgegliedert worden, bevor der Betrieb der Personengesellschaft aufgegeben wurde. Betrachtet man diesen Vorgang unter dem Aspekt, dass aufgrund einheitlicher Planung und in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufgabe des Betriebs eine diesem zugeordnete wesentliche Betriebsgrundlage ohne Aufdeckung sämtlicher stillen Reserven aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden ist, würde nach der Rechtsprechung zum Gesamtplan die Tarifbegünstigung für den Aufgabegewinn entfallen. Denn diese Einkünfte wären keine außerordentlichen Einkünfte iSd. § 34 EStG. Stellt man demgegenüber darauf ab, dass die Beteiligung eine

78 BStBl. II 2010, 726.

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Sachgesamtheit iSd. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist, würde deren Ausgliederung die Tarifbegünstigung des Aufgabegewinns nicht gefährden. Der BFH hat sich nun aber dafür entschieden, die Beteiligung vorrangig als Sachgesamtheit zu betrachten. Dies ergibt sich aus der Fiktion der 100prozentigen Beteiligung als Teilbetrieb, die § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG als spezialgesetzliche Regelung für Zwecke der Tarifbegünstigung eines Veräußerungs- oder Aufgabegewinns – und auch nur für diese Zwecke79 – gebietet. Erfreulicherweise hat sich die Finanzverwaltung durch einen Abdruck der Entscheidung im BStBl. II80 der Auffassung des BFH angeschlossen, so dass für Vorgänge dieser Art jetzt umfassend Rechtssicherheit besteht.

6.3. Gesamtplan und Buchwerttransfers 6.3.1. Anknüpfung an zeitraumbezogene Merkmale Die Argumentationsmuster des BFH für die Bedeutung des Gesamtplans bei der Inanspruchnahme des ermäßigten ESt-Satzes lassen sich nur auf Steuervergünstigungen übertragen, die an zeitraumbezogene Merkmale anknüpfen. Derartige Merkmale finden sich etwa in § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG oder in § 24 UmwStG nicht, weshalb der BFH hier die Gesamtplanbetrachtung abgelehnt hat. Im Fall des Urteils vom 9.11.2011 – X R 60/0981 war streitig, ob das Wahlrecht des § 24 Abs. 2 UmwStG zum Ansatz von Zwischenwerten bei Einbringung eines Betriebs in eine Personengesellschaft in Anspruch genommen werden konnte. Der Betriebsinhaber hatte unmittelbar vor der Einbringung ein funktional und quantitativ wesentliches Betriebsgrundstück unter voller Aufdeckung der darin ruhenden stillen Reserven an seine Ehefrau veräußert. Das FA war der Meinung, es sei nicht der ganze Betrieb eingebracht worden, weshalb die Voraussetzungen des § 24 UmwStG nicht erfüllt seien. Dass der Betrieb im Zeitpunkt der Einbringung bereits um das Grundstück verkleinert war, hielt das FA unter Hinweis auf die sog. Gesamtplanrechtsprechung des BFH für unbedeutend. Der BFH entschied demgegenüber, entscheidend für die Beurteilung eines Wirtschaftsguts als wesentliche Betriebsgrundlage sei der Zeitpunkt der tatsächlichen Einbringung. Werde ein Wirtschaftsgut

79 Vgl. BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 80 BStBl. II 2015, 797. 81 BFH, Urt. v. 9.11.2011 – X R 60/09, BStBl. II 2012, 638.

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vorher veräußert, gehöre es nicht mehr zu dem einzubringenden Betriebsvermögen. Im Fall des Urteils vom 2.8.2012 – IV R 41/1182 war vor einer unentgeltlichen Anteilsübertragung das im Sonderbetriebsvermögen des Übertragenden befindliche Betriebsgrundstück gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zum Buchwert auf eine Schwestergesellschaft ausgegliedert worden. Das FA war der Auffassung, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG seien nicht erfüllt, weil nicht der ganze Anteil übertragen worden sei, so dass alle stillen Reserven im übertragenen Anteil aufzudecken seien. Der BFH teilte diese Auffassung nicht und entschied, die Aufdeckung der stillen Reserven im unentgeltlich übertragenen Mitunternehmeranteil scheide auch dann aus, wenn ein funktional wesentliches Betriebsgrundstück des Sonderbetriebsvermögens vorher bzw. zeitgleich zum Buchwert nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG übertragen worden sei. Dass die beiden Vorgänge auf einem einheitlichen Plan beruhten, war unstreitig, stand der Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG nach Meinung des BFH aber nicht entgegen. Während das erstgenannte Urteil im BStBl. II abgedruckt83 und damit augenscheinlich von der Finanzverwaltung akzeptiert wurde, stieß das Urteil zu § 6 Abs. 3 EStG auf Ablehnung, die sich in einem „vorläufigen“ Nichtanwendungserlass niederschlug84. Mittlerweile hatte der BFH erneut Gelegenheit, zu Fragen des Gesamtplans bei § 6 Abs. 3 EStG Stellung zu nehmen. 6.3.2. BFH-Urteil vom 9.12.2014 – IV R 29/14 Im Fall des Urteils vom 9.12.2014 – IV R 29/1485 hatten Vater und Sohn ihr Einzelhandelsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG betrieben. Zum Sonderbetriebsvermögen des Vaters gehörten zwei Grundstücke, in denen die KG ursprünglich Ladengeschäfte unterhalten 82 83 84 85

Fn. 56. BStBl. II 2012, 638. BMF v. 12.9.2013, BStBl. I 2013, 1164. BFH, Urt. v. 9.12.2014 – IV R 29/14, DStR 2015, 211 mit Anm. etwa von Bünning, BB 2015, 370; Demuth, EStB 2015, 254; Hänsch, NWB 2015, 1914; Hoheisel/Tippelhofer, StuB 2015, 334; Keller/Sundheimer, DB 2015, 708; Krämer, EStB 2015, 77; Messner, AktStR 2015, 217; Mielke, DStR 2015, 673; Pflüger, GStB 2015, 78; Schmidtmann, GmbHR 2015, 265; Schulze zur Wiesche, DStR 2015, 1161; Strahl, BeSt 2015, 9; Wendt, BFH/PR 2015, 113; ders., FR 2015, 459.

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hatte. Nach Aufgabe des einen Geschäfts waren die Geschäftsräume an eine Eisdiele verpachtet worden. Das andere Geschäft wurde von einer Betriebs-GmbH weitergeführt, an der die KG beteiligt war und an die sie die Geschäftsräume einschließlich der Ausstattung vermietete. Jahre später verkaufte der Vater das von der Eisdiele genutzte Grundstück an den Mieter, bevor er wenige Wochen danach seinen Kommanditanteil, den Anteil an der Komplementär-GmbH und das verbliebene Grundstück auf den Sohn übertrug. Den Gewinn aus dem Verkauf des ersten Grundstücks erklärte die KG als Sonderbetriebseinnahme des Vaters. Das FA war der Auffassung, der Vater habe seinen Mitunternehmeranteil aufgegeben, weil er ihn nicht ganz auf den Sohn übertragen, sondern zuvor in engem zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang eine wesentliche Betriebsgrundlage veräußert habe. Gegen den Gewinnfeststellungsbescheid, in dem das FA den Gewinn in Höhe der stillen Reserven im Kommanditanteil und dem übertragenen Grundstück zusammen mit dem Gewinn aus der Veräußerung des anderen Grundstücks als tarifbegünstigen Aufgabegewinn des Vaters erfasst hatte, legte die KG erfolglos Einspruch ein. Der anschließend erhobenen Klage gab das FG statt86 und wurde darin vom BFH bestätigt. Mit der Entscheidung lehnt es der BFH erneut ab, Gesamtplanüberlegungen auf die unentgeltliche Übertragung von Sachgesamtheiten nach § 6 Abs. 3 EStG zu erstrecken. Im Fall des Urteils vom 2.8.2012 – IV R 41/1187 hatte der BFH die Verknüpfung einer Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 3 EStG mit einer zweiten Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 5 EStG zugelassen, während das Sonderbetriebsvermögen im jetzt entschiedenen Fall unter Aufdeckung aller stillen Reserven veräußert worden war. Dass die Finanzverwaltung eine Buchwertübertragung des verbliebenen Mitunternehmeranteils nicht zulassen wollte, zeigt, dass Kern der Meinungsverschiedenheit mit dem BFH nicht die Verknüpfung mehrerer Buchwertübertragungen, sondern die Vorstellung davon ist, was Gegenstand der nach § 6 Abs. 3 EStG zu übertragenden Sachgesamtheit sein muss. Die Finanzverwaltung meint, die Sachgesamtheit dürfe nicht im Zusammenhang mit der Übertragung verkleinert werden, sei es unter Abspaltung stiller Reserven, sei es unter deren Aufdeckung. Dieser Auffassung folgt der BFH nicht, indem er formuliert, für die Fortführung des Buchwerts nach § 6 Abs. 3 Sätze 1 und 3 EStG sei es ohne 86 FG Münster, Urt. v. 9.5.2014 – 12 K 3303/11 F, EFG 2014, 1369 mit Anm. Hennigfeld. 87 Fn. 56.

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Bedeutung, ob und wann zuvor ein Wirtschaftsgut dem Betriebsvermögen zugegangen sei oder dieses verlassen habe und unter welchen Umständen und mit welchen steuerlichen Folgen dieser Vorgang stattgefunden habe. Die hier vom BFH gefundenen Auslegungsergebnisse haben über § 6 Abs. 3 EStG hinaus auch Bedeutung für § 24 UmwStG. Die Buchwertfortführung wird in beiden Fällen trotz Rechtsträgerwechsels wegen fortdauernder Erzielung betrieblicher Einkünfte aus der Sachgesamtheit zugelassen. Dass beide Regelungen vergleichbar sind, lässt sich bereits den Gesetzesmaterialien zu § 6 Abs. 3 EStG entnehmen und wird im hiesigen Urteil vom BFH ausdrücklich hervorgehoben. In seinem Urteil vom 9.11.2011 – X R 60/0988 hat der BFH auch bereits entschieden, dass es der Fortführung der Buchwerte nach der Einbringung nicht entgegen steht, wenn vor der Einbringung eine wesentliche Betriebsgrundlage des einzubringenden Betriebs unter Aufdeckung der stillen Reserven veräußert worden ist.

88 Fn. 81.

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Unternehmensbesteuerung 2016 Aktuelle steuerliche Entwicklungen Ministerialdirigent Dr. Steffen Neumann Finanzministerium NRW, Düsseldorf Inhaltsübersicht A. Einleitung B. Steuerliche Einzelmaßnahmen I. Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften – nunmehr: Steueränderungsgesetz 2015 1. Ermittlung des Entnahmewerts bei der privaten Nutzung eines Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugs (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3 EStG) 2. Anpassung des § 6b EStG an die EuGH-Rechtsprechung v. 16.4.2015 3. Abschaffung des Funktionsbenennungserfordernisses beim Investitionsabzugsbetrag (§ 7g EStG) 4. Konzernklausel des § 8c Abs. 1 S. 5 KStG 5. Abzinsung von Schwankungs- und Großrisikenrückstellungen (§ 20 KStG)

6. Höchstbetrag der ungebundenen Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen bei Lebensversicherungsunternehmen (§ 21 Abs. 2 KStG) 7. Begrenzung der Zuzahlung und der Gewährung anderer Gegenleistungen in Einbringungsfällen gem. §§ 20, 21, 24 UmwStG 8. Grunderwerbsteuer bei mittelbarer Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG) 9. Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 97 Abs. 1b BewG) 10. Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen in Bezug auf Betriebsvorrichtungen 11. Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand II. Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie – Bürokratieentlastungsgesetz

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Neumann, Unternehmensbesteuerung 2016 III. Automatischer Informationsaustausch im internationalen Bereich 1. Referentenentwurf für ein Gesetz zu der Mehrseitigen Vereinbarung vom 29. Oktober 2014 zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten 2. Entwurf eines Gesetzes zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen und zur Änderung des EU-Amtshilfegesetzes und anderer Gesetze IV. Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

1. Freistellung von Kleinstbetrieben von der Lohnsummenregelung (Lohnsummentest) 2. Abgrenzung des begünstigten von dem nicht begünstigten Vermögen im Wege des Hauptzweckansatzes 3. Verschonungsbedarfsprüfung für den Erwerb großer Betriebsvermögen 4. Abschmelzmodell als Wahlrecht für den Erwerb großer Betriebsvermögen 5. Satzungstest bei „Familienunternehmen“ 6. Vereinfachte Bewertung nach §§ 199 ff. BewG V. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens VI. Investmentbesteuerung VII. BEPS VIII. Grundsteuer IX. Finale Verluste C. Ausblick

A. Einleitung Der Herbst 2015 ist steuerpolitisch von drei herausragenden, von der Öffentlichkeit begleiteten Schwerpunkten geprägt. Einer dieser Schwerpunkte ist die Debatte um die Zukunft und Ausgestaltung des Erbschaftund Schenkungsteuerrechts nach der Entscheidung des BVerfG aus Dezember 2014. Lobbyisten und Politiker von Bund und Ländern haben sich mit ihren gegenläufigen Interessen und Vorstellungen derart verhakt, dass es völlig offen ist, wie das Knäuel bis zum Sommer 2016 entwirrt werden kann. – In einer weltumspannenden Verabredung hat ein Großteil der Staatengemeinschaft sich gegenseitig versprochen, ihre Erkenntnisse über steuerlich relevante Finanzbeziehungen von Ausländern dem jeweiligen Heimatstaat des Steuerpflichtigen automatisch mitteilen zu wol-

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len. Einen weiteren Schwerpunkt bilden daher das Gesetz, mit dem diese völkerrechtliche Vereinbarung vom Oktober 2014 in das innerstaatliche Recht transformiert werden soll, und ein Gesetz, mit dem die Einzelheiten zur Beschaffung der notwendigen Informationen und zu deren Weitergabe geregelt werden. – Der dritte Schwerpunkt hat wiederum internationale Bezüge und dabei die steuerlichen grenzüberschreitenden Beziehungen von multinational aufgestellten Konzernen im Blick. Die OECD hat ihre Arbeiten zu ihrem BEPS-Programm mit Empfehlungen zu 15 Einzelmaßnahmen, die auf eine Eindämmung von nicht zu billigenden Steuervermeidungs- und -verlagerungsmechanismen gerichtet sind, abgeschlossen. Die Regierungschefs der G20-Staaten verständigten sich Anfang November 2015 auf eine Umsetzung der Empfehlungen der OECD. Damit ist der Startschuss gefallen, den gesetzgeberischen Umsetzungsbedarf herauszufiltern und mit der Erarbeitung der notwendigen Vorschriften zu beginnen. Die hiervon angestoßenen Diskussionen zeigen, dass die Bemühungen, den OECD-Vorschlägen gerecht zu werden, von erheblicher Kritik seitens der betroffenen Unternehmen begleitet werden. – Im „Windschatten“ dieser „großen“ steuerlichen Themen ist nahezu unbemerkt das Steueränderungsgesetz 2015 mit zum Teil bemerkenswerten Änderungen von erheblicher Tragweite verabschiedet worden. Der nachstehende Beitrag bemüht sich, einen Überblick über eine steuerliche Momentaufnahme im Herbst 2015 zu geben.

B. Steuerliche Einzelmaßnahmen I. Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften – nunmehr: Steueränderungsgesetz 2015 Das Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.20151 fußt auf einem Entwurf des BMF, mit dem dieser solche Maßnahmen umgesetzt hat, die der Bundesrat Ende 2014 zum „Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ vom 22.12.20142 vorgeschlagen hatte. Um seinerzeit die Einleitung eines Vermittlungsverfahrens, das drohte, weil etliche Anliegen der Länder vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen worden waren, zu

1 BR-Drs. 418/15, BGBl. I 2015, 1834. 2 BGBl. I 2014, 2417.

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verhindern, versprach die Bundesregierung in einer Erklärung, die während des zweiten Durchgangs beim Bundesrat zu Protokoll gegeben wurde, bestimmte gesetzgeberische Maßnahmen zeitnah aufzugreifen. Dies geschah in einem Referentenentwurf vom 19.2.2015. Der ursprüngliche Entwurf ist inzwischen deutlich angereichert worden. Der o.g. sperrige Gesetzesname wurde umgeändert in „Steueränderungsgesetz 2015“. Infolge der zahlreichen Änderungsvorschriften, die eine Fülle von Gesetzen betreffen, hat dieses Gesetz den Charakter eines Jahressteuergesetzes erhalten, so dass die Umbenennung völlig zu Recht erfolgte. Der Bundesrat hatte ursprünglich politische Maßnahmen eingefordert, die nicht in dem Gesetz aufgegriffen worden sind. Er verlangte u.a. eine Neuausrichtung bei der Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Streubesitz an Kapitalgesellschaften und die Neutralisierung von Steuereffekten bei hybriden Gestaltungen (weiße Einkünfte, doppelter Betriebsausgabenabzug). Das BMF klammerte diese Bereiche in seinem Gesetzentwurf aus und verwies in Bezug auf die Streubesitzbesteuerung auf die Reform zur Investmentbesteuerung und hinsichtlich der hybriden Steuergestaltungen auf die Umsetzung von BEPS-Maßnahmen. Folgende für die Besteuerung von Unternehmen bedeutsame Änderungen sind im Steueränderungsgesetz 2015 vorgenommen worden: 1. Ermittlung des Entnahmewerts bei der privaten Nutzung eines Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugs (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3 EStG) Bei der bisherigen Gesetzesfassung bestand die Sorge, dass bei der Fahrtenbuchlösung und in den Fällen der betrieblichen Nutzung zwischen 10 % und 50 %, für die die 1 %-Regelung ausscheidet, zum einen eine Kürzung der Gesamtkosten um die Minderungsbeträge in Bezug auf die Batteriekapazität und dann noch einmal eine Minderung des Entnahmewerts auf der Basis der ungekürzten Anschaffungskosten geltend gemacht werden können. Dem soll durch die Neufassung vorgebeugt werden, indem die AfA-Beträge, die geltend gemacht werden können, sich auf die um die Minderungsbeträge gekürzten Anschaffungskosten beziehen. Die Rechtsänderung bezweckt also klarstellend nur eine Verdeutlichung des bislang bereits Gewollten.

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2. Anpassung des § 6b EStG an die EuGH-Rechtsprechung v. 16.4.20153 In einem Vertragsverletzungsverfahren hat der EuGH entschieden, dass § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG, der die Begünstigung davon abhängig macht, dass die Ersatzinvestitionen sich in einer inländischen Betriebsstätte befinden, gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV verstößt. Der Steuerpflichtige, der plant, den aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts erzielten Gewinn in die Anschaffung/Herstellung eines Wirtschaftsguts in einer ausländischen im EU/EWR-Raum belegenen Betriebsstätte zu investieren, wird nach bisheriger Rechtslage nicht begünstigt und muss den Veräußerungsgewinn sofort besteuern. Der EuGH verlangt nicht, dass Deutschland die Vergünstigung des § 6b EStG auch dann gewähren muss, wenn der Steuerpflichtige die Reinvestition in einer ausländischen Betriebsstätte vornehmen will, sondern hat Deutschland dazu verurteilt, dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht einzuräumen, die auf den Veräußerungsgewinn entfallende festgesetzte Steuer sofort zu zahlen oder in fünf gleichen Jahresraten zu entrichten. Das Gesetz setzt diese Entscheidung des EuGH mit einem neuen § 6 b Abs. 2a EStG um, so dass der Steuerpflichtige nunmehr folgende Möglichkeiten hat. Er kann den Veräußerungsgewinn sofort versteuern. Er kann den Veräußerungsgewinn auf ein schon vorhandenes oder im Wirtschaftsjahr der Veräußerung noch anzuschaffendes Reinvestitionsobjekt übertragen, sofern sich dieses in einer inländischen Betriebsstätte befindet. Beabsichtigt er hingegen die Übertragung auf ein Reinvestitionsobjekt, das sich in einer ausländischen Betriebsstätte innerhalb des EU-/EWR-Raumes befindet, kann er im Jahr der Veräußerung die gleichmäßige Steuerverteilung auf fünf Jahre wählen. Schließlich kann der Steuerpflichtige eine Rücklage für zukünftige Investitionen bilden. Entschließt er sich hingegen später, die Rücklage aufzulösen und den Gewinn auf ein Wirtschaftsgut in einer ausländischen Betriebsstätte im EU-/EWR-Raum zu übertragen, hat er den Gewinn zu versteuern. Eine Verteilung der hierauf entfallenden Steuer ist dann nicht vorgesehen. Die Neuregelung des § 6 b Abs. 2a EStG ist auch auf Gewinne anwendbar, die vor dem 6.11.20154 entstanden sind.

3 Rs. C-591/13. 4 Das StÄndG 2015 ist am 5.11.2015 im BGBl. I verkündet worden.

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3. Abschaffung des Funktionsbenennungserfordernisses beim Investitionsabzugsbetrag (§ 7g EStG) Ein Investitionsabzug kann nach derzeitiger Rechtslage nur geltend gemacht werden, wenn der Steuerpflichtige gegenüber dem Finanzamt Angaben macht, welche Funktion das anzuschaffende Wirtschaftsgut haben soll und wie hoch die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten voraussichtlich sein werden. Diese Angabe in § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 3 EStG soll künftig verzichtbar sein. Dies entspricht einem Wunsch der CDU/CSUFraktion im BT zur Mittelstandsförderung. Steuerstundungseffekte dürften sich hierdurch vermehren. Die Neuregelung findet erstmals für Investitionsabzüge Anwendung, die in Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen werden, die nach dem 31.12.2015 enden (§ 52 Abs. 16 EStG). 4. Konzernklausel des § 8c Abs. 1 S. 5 KStG Hiermit soll ein Anliegen des Bundesrats umgesetzt werden. Die Verlustvorträge bleiben erhalten, wenn infolge der Konzernklausel bei bestimmten konzerninternen Umstrukturierungen gewährleistet ist, dass an dem übertragenden und übernehmenden Rechtsträger jeweils dieselbe Person zu 100 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Ist die Konzernspitze hingegen selbst an der Umstrukturierung beteiligt, greift die Konzernklausel nicht ein, weil an der Konzernspitze notwendigerweise nicht mehr ein und dieselbe Person zu 100 % beteiligt sein kann. Auch sind Personenhandelsgesellschaften, die an nachgelagerten Gesellschaften zu 100 % beteiligt sind, bislang nicht als „dieselbe Person“ angesehen worden. Die Nachbesserung der Konzernklausel soll nunmehr diese beiden Fallgruppen ebenfalls in ihre Begünstigung einschließen. Insbesondere die folgenden Fallgestaltungen sind damit begünstigt: –

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§ 8c Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 KStG: Eine Tochtergesellschaft, an der die Konzernspitze zu 100 % beteiligt ist, wird auf ihre 100 %-ige Tochtergesellschaft (= Enkelgesellschaft der Konzernspitze) verschmolzen; die Tochtergesellschaft wird auf die Konzernspitze verschmolzen, so dass die Konzernspitze unmittelbar an der Enkelgesellschaft beteiligt ist; die Tochtergesellschaft veräußert ihre Beteiligung an der Enkelgesellschaft an die Konzernspitze, so dass Tochter- und Enkelgesellschaft Schwestergesellschaften werden.

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§ 8c Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 KStG: Konzernspitze bringt eine Gesellschaft, an der sie zu 100 % beteiligt ist, in eine andere Konzerngesellschaft ein, an der sie ebenfalls zu 100 % beteiligt ist.



§ 8c Abs. 1 Satz 5 Nr. 3: Personenhandelsgesellschaften sind als Konzernspitze ebenfalls bei Umwandlungen der o.g. Art begünstigt. Die 100 %-ige Beteiligung an unmittelbar gehaltenen Konzerngesellschaften muss sich in deren Gesamthandsvermögen befinden.

Anwendbar ist die Neuregelung des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG auf alle Erwerbe nach dem 31.12.2009, soweit die jeweiligen Fälle noch offen sind (§ 34 Abs. 6 Satz 5 KStG). 5. Abzinsung von Schwankungs- und Großrisikenrückstellungen (§ 20 KStG) Nach § 341h HGB dürfen Versicherer handelsrechtliche Vorsorge für schwankende Schadensverläufe künftiger Jahre bilden, wenn die hierfür in § 341h HGB und § 20 Abs. 1 KStG genannten weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Unklar ist dabei, ob diese gebildeten Rückstellungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a lit. c EStG abzuzinsen sind. Die bisherige Rechtslage spricht dafür. Ein Abzinsungsverbot ist § 20 KStG nicht zu entnehmen. Die Art der Rückstellung beinhaltet auch kein Finanzierungselement, das bei der Bewertung der Rückstellung bereits berücksichtigt würde. Gegen eine Abzinsung spricht allerdings § 341e Abs. 1 S. 3 HGB, der die versicherungstechnischen Rückstellungen, zu denen auch die Rückstellungen nach § 341h HGB zählen, von der Abzinsung nach § 253 Abs. 2 HGB ausnimmt. Die bisher bestehende Unklarheit ist nunmehr beseitigt worden, indem § 20 Abs. 1 KStG ausdrücklich die Ausnahme vom Abzinsungsgebot regelt. Aus Sorge vor einer anderweitigen Sicht der Finanzverwaltung in der Vergangenheit bestimmt § 34 Abs. 7a S. 1 KStG, dass diese Bestimmung auch für frühere Veranlagungszeiträume vor 2016 gilt. 6. Höchstbetrag der ungebundenen Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen bei Lebensversicherungsunternehmen (§ 21 Abs. 2 KStG) Lebensversicherungsunternehmen erwirtschaften aus den Beiträgen der Altkunden Überschüsse, die sie an den gegenwärtigen Versichertenstamm, also auch an die Neukunden zurückgeben müssen. Sie gebühren

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nicht dem Versicherungsunternehmen. Soweit es sich dabei um nicht gebundene Beträge für die Beitragsrückerstattungen handelt, erlaubt das Gesetz in § 21 Abs. 2 KStG die Bildung einer Rückstellung. Da bei übermäßiger Bildung die Interessen der Versicherten tangiert sind, begrenzt es die Höhe der Rückstellung, hatte allerdings diese wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase durch das Gesetz zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (Lebensversicherungsrefomgesetz – LVRG) v. 1.8.2014 angehoben. § 34 Abs. 8 KStG erlaubt zeitlich befristet auf die Veranlagungszeiträume von 2010 bis 2015 eine steuerlich erhöhte, wenngleich gedeckelte Bildung der Rückstellung. Diese Unterstützungsmaßnahme wird durch die Neuregelung bis zum Veranlagungszeitraum 2017 einschließlich ausgeweitet. Weitergehenden Forderungen der Lebensversicherungswirtschaft, die steuerliche Bildung an die großzügigeren aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten der Rückstellungsbildung zu koppeln, ist der Gesetzgeber mit dieser Änderung nicht gefolgt. 7. Begrenzung der Zuzahlung und der Gewährung anderer Gegenleistungen in Einbringungsfällen gem. §§ 20, 21, 24 UmwStG Dieses politische Anliegen fußt auf einer spektakulären, in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Umstrukturierungsmaßnahme innerhalb des damaligen VW-Porsche-Konzerns, bei der die Einbringung des Porsche-Konzerns in den VW-Konzern nach § 21 UmwStG erfolgte und die Gewährung einer einzigen Stammaktie an der VW-Konzernspitze mit einer Ausgleichszahlung in Milliardenhöhe verknüpft wurde. Der Bundesrat hatte schon bei der Beratung zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 die Bundesregierung auf diese Gestaltung hingewiesen und sie gebeten zu prüfen, ob solche unerwünschten Gestaltungen durch eine Änderung insbesondere der §§ 20, 21 UmwStG vermieden werden können.5 Dieses Anliegen wiederholte der Bundesrat in einer Stellungnahme zum Zollkodexanpassungsgesetz v. 22.12.20146. Nunmehr ist es aufgegriffen worden. In den Fällen der Verschmelzung und Aufspaltung ist schon jetzt die Gewährung einer Gegenleistung schädlich (§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, § 15 Abs. 1 mit § 11 Abs. 2 UmwStG). Diese Rechtslage wird durch die Gesetzesänderung auch für die Einbringungen nach §§ 20, 21 und 24 UmwStG nachvollzogen allerdings in eingeschränkter Form. In 5 Vgl. BR-Drs. 302/1/12 v. 22.6.2012, 106. 6 BT-Drs. 18/3158.

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der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass ein Bedürfnis zum Wertausgleich durch Gewährung von Geld oder einer anderen Gegenleistung bei Unternehmenszusammenschlüssen (z.B. Joint-Ventures) durchaus bestehe. Das Gesetz erlaubt daher Gegenleistungen bis zu einer Höhe von 500.000 Euro ohne Beschränkung durch einen prozentualen Anteil am Unternehmenswert. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit allerdings nicht eindeutig. Ansonsten soll die Grenze der Zuzahlungsmöglichkeit bei 25 % des Buchwerts des eingebrachten Betriebsvermögens liegen. Wenn z.B. der Buchwert des Unternehmens 1.500.000 Euro beträgt, können max. Gegenleistungen in Höhe von 500.000 Euro gewährt werden, auch wenn sie 33,3 % des Buchwerts des Unternehmens darstellen. Beträgt der Buchwert des Unternehmens z.B. 2,4 Mio. Euro, können Gegenleistungen bis zu 25 % dieses Werts, also bis zu 600.000 Euro neben der Gewährung von neuen Anteilen erbracht werden. Die im Gesetz genannten 500.000 Euro bilden insoweit keine Obergrenze (so die Gesetzesbegründung). Übersteigen die zulässigen Gegenleistungen hingegen den Buchwert, tritt mit dem übersteigenden Betrag eine anteilige Gewinnrealisierung ein. Werden die o.g. Grenzen für unschädliche Gegenleistungen nicht eingehalten, ist das eingebrachte Betriebsvermögen mindestens mit dem gemeinen Wert der Gegenleistungen anzusetzen. Der „absolute“ Betrag von 500.000 Euro bzw. die Grenze von 25 % stellen nach § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG und der Gesetzesbegründung keine Freibeträge dar, die etwa insoweit die anteilige Gewinnrealisierung verhindern. Die Überschreitung der Zuzahlungsgrenzen führt gleichwohl nur zur anteiligen Gewinnrealisierung, nicht etwa zur vollständigen Aufdeckung der stillen Reserven und zum Ansatz mit den gemeinen Werten. Daher ist das Risiko, wenn die Grenze verfehlt wird, begrenzt. Die teilweise aufgedeckten stillen Reserven führen beim Einbringenden zu einem entsprechenden Einbringungsgewinn und zu erhöhten Anschaffungskosten in Bezug auf die erworbene Beteiligung an der übernehmenden Gesellschaft. Die übernehmende Gesellschaft hat das erworbene Betriebsvermögen mit dem Anteil des bisherigen Buchwerts, der nicht von der Gewinnrealisierung betroffen ist, anzusetzen und um den Wert der sonstigen Gegenleistung zu erhöhen. Kritisiert wird, dass die Grenze von 25 % sich auf den Buchwert und nicht den gemeinen Wert des eingebrachten Betriebsvermögens beziehe. Damit würden „alte“ Betriebsvermögen mit hohem stillen Reserve-

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potential oder Unternehmen mit einem hohen Geschäftswert oder anderen immateriellen Wirtschaftsgütern schlechter behandelt als „junge“ Betriebsvermögen, bei denen sich Buchwert und gemeiner Wert ihres Betriebsvermögens kaum unterscheiden. Diese Kritik ist zwar im Kern berechtigt. Zur Verteidigung des Gesetzes ist jedoch zu sagen, dass die Grenzziehung mit einem Bezug zum vorhandenen Betriebsvermögen im Grundsatz sachgerecht ist und dass der Buchwert als Bezugsgröße aus Gründen der Praktikabilität Vorzüge hat. Wollte man den gemeinen Wert heranziehen, erforderte jeder Einbringungsvorgang eine Unternehmungsbewertung nach Ertragswertgrundsätzen. Dies ist aufwändig und teuer. Im Übrigen sind noch viele Detailfragen offen, die in einem BMF-Schreiben erläutert werden sollten. Klärungsbedürftig sind insbesondere folgende Details: –

Sind die Einbringungen mehrerer Personen jeweils für sich zu beurteilen?



Lösen mehrere Einbringungen durch dieselbe Person die Rechtsfolgen der Neuregelung jeweils erneut aus?



Wie sind Ketteneinbringungen zu beurteilen?



Welche Formen der sonstigen Gegenleistungen sind zulässig?

8. Grunderwerbsteuer bei mittelbarer Änderung im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG) Mit diesem Gesetzesvorschlag geht es um das Problem, wie die Änderung des mittelbaren Gesellschafterbestandes an einer ein Grundstück haltenden Personengesellschaft beschaffen sein muss, damit das Grundstück als auf eine neue Personengesellschaft übertragen gilt. Nach bisheriger Verwaltungsauffassung kommt es dabei auf die Rechtsform des unmittelbar beteiligten Gesellschafters an. Ist an der das Grundstück haltenden Personengesellschaft nur eine Kapitalgesellschaft beteiligt, tritt die Rechtsfolge des § 1 Abs. 2a GrEStG dann ein, wenn mindestens 95 % der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft auf einen neuen Gesellschafter übergehen. Ist an der Unterpersonengesellschaft hingegen eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligt, dann muss im Wege der Durchrechnung geprüft werden, ob auf der Ebene der mittelbaren Gesellschafter eine Anteilsvereinigung in Höhe von mindestens 95 % an der Untergesellschaft erfolgt. Beispiel: An der Untergesellschaft ist die

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A-KG zu 60 % und die B-KG zu 40 % beteiligt. Der Gesellschafter X ist an der A-KG zu 80 % und an der B-KG zu 90 % beteiligt. Er ist an der Untergesellschaft mittelbar zu 80 %*60 % = 48 % und zu 90 %*40 % = 36 %, mithin insgesamt zu 84 % beteiligt. Nunmehr erwirbt er an der A-KG weitere 20 % hinzu und ist dann mittelbar an der Untergesellschaft zu 60 % + 36 % = 96 % beteiligt, so dass die Rechtsfolge des § 1 Abs. 2a GrEStG eintritt, obgleich er an der B-KG unter 95 % beteiligt ist. Der BFH will diese wirtschaftliche Betrachtung auch dann zugrunde legen, wenn eine Kapitalgesellschaft Gesellschafterin der das Grundstück haltenden Personengesellschaft ist. Beispiel auf der Grundlage der BFH-Entscheidung v. 23.5.20137: An der GmbH & Co. KG, die das Grundstück hält, sind die A-GmbH zu 6 % und die X-AG zu 94 % beteiligt. An der A-GmbH ist die B-GmbH zu 100 % beteiligt, die wiederum von der C-GmbH ebenfalls zu 100 % gehalten wird. A-GmbH und X-AG sind nicht miteinander verbunden. Nun veräußert die X-AG ihre Beteiligung vollständig an die fremde Y-AG. Die C-GmbH veräußert ihre Beteiligung an der B-GmbH zu 50 % an den außenstehenden K und zu 50 % an eine weitere Tochtergesellschaft, die T-GmbH, an der sie ebenfalls zu 100 % beteiligt ist. Die Finanzverwaltung stellt darauf ab, dass die Gesellschafter der B-GmbH zu 100 % durch die T-GmbH und den K ausgewechselt worden sind, so dass der mittelbare Gesellschafter, der 6 % an der GmbH & Co. KG hält, vollständig gewechselt hat. Da an die Stelle der X-AG die Y-AG getreten ist, sind mehr als 95 % der Gesellschafter ausgetauscht worden, so dass der Grunderwerbsteuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt ist. Der BFH hingegen schließt einen Gesellschafterwechsel auf der Ebene der B-GmbH aus, weil dort die C-GmbH mittelbar über die T-GmbH zu 50 % beteiligt bleibt. Damit hat ein Gesellschafterwechsel bei der KG nur in Höhe von 94 % stattgefunden, was für die Auslösung der Grunderwerbsteuer nicht ausreicht.

Das Gesetz richtet sich gegen diese Entscheidung des BFH und bestätigt nunmehr die bisherige Verwaltungsauffassung. Die Neuregelung ist allerdings erst auf Erwerbsvorgänge anwendbar, die nach dem 5.11.20158 verwirklicht werden, misst sich also keine Rückwirkung auf die Fälle zu, die wegen des Nichtanwendungserlasses der Länder offen geblieben sind.

7 BFH v. 23.5.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833, belegt mit Nichtanwendungserlass der Länder v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1278. 8 Erscheinungsdatum des BGBl. I Nr. 43, mit dem das Steueränderungsgesetz 2015 verkündet worden ist.

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9. Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 97 Abs. 1b BewG) Ist ein Gesellschafter an einer Kapitalgesellschaft nicht zu 100 % beteiligt, so bestimmt sich der Wert seines Anteils prozentual zum gemeinen Wert der Kapitalgesellschaft. Diese Beurteilung erscheint nicht sachgerecht, wenn die Gesellschafter eine inkongruente Gewinnausschüttung der Kapitalgesellschaft an sich vereinbart haben. Wenn in einem solchen Fall § 9 Abs. 2 und 3 BewG tatbestandlich nicht eingreift, soll eine Ergänzung in § 97 Abs. 1b BewG erlauben, dass eine Bewertung abweichend von der verhältnismäßigen Zuordnung in Abhängigkeit der Beteiligungshöhe möglich sein kann. 10. Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen in Bezug auf Betriebsvorrichtungen § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG sieht ausdrücklich die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf den Empfänger von Bauleistungen vor. Die Verwaltung legt den Begriff des Bauwerks sehr weit aus und war bislang der Auffassung, dass die Herstellung einer Betriebsvorrichtung, die gem. § 68 Abs. 2 S. 1 BewG bewertungsrechtlich nicht zum Grundvermögen gehört, ebenfalls zu den Bauleistungen zählt.9 Der BFH hat mit Urteil v. 28.8.201410 jedoch entschieden, dass Betriebsvorrichtungen hingegen keine Bauleistungen im Sinne dieser Regelung seien, so dass insoweit eine Verlagerung der Steuerschuldnerschaft ausscheide. Betriebsvorrichtungen hätten keine Funktion für das Bauwerk; sie seien dort lediglich untergebracht. Dem widerspricht die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben v. 28.7.201511 mit dem Hinweis, dass der Begriff „Betriebsvorrichtung“ unionsrechtlich auszulegen sei. Das Verständnis des BewG sei hierfür nicht maßgebend. Nach Auslegung des Art. 199 Abs. 1 lit. a MwStSystRL zusammen mit Art. 13b und 31a der MwSt-Durchführungsverordnung zählen auch Sachen, die einen wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes oder eines Bauwerks bilden, ohne die das Gebäude oder das Bauwerk unvollständig ist (Türen, Treppen, Fenster, Aufzüge u.ä.), sowie Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu verändern oder zu zerstö9 Abschn. 13b Abs. 2 UStAE. 10 V R 7/14, BStBl. II 2015, 682. 11 BStBl. I 2015, 623.

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ren, zu den Bauwerken. In dem BMF-Schreiben wird weiterhin völlig zu Recht auf die praktischen Probleme bei der Umsetzung des BFH-Urteils hingewiesen. Der leistende Handwerker wird nur extrem schwer beurteilen können, ob seine eingebaute Anlage eigenständigen Zwecken dient oder ob sie mit dem Gebäude/Bauwerk untrennbar funktionsgebend verknüpft ist. Diese Funktion wird in der Regel vom Besteller vorgegeben, die der Bauleistende in Bezug auf seine mitunter kleinteiligen Beiträge nicht überblickt. Dies hat zur Folge, dass der leistende Handwerker nicht beurteilen kann, ob er Steuerschuldner ist oder ob die Steuerschuldnerschaft auf den Besteller übergegangen ist. Die mit dem BMF-Schreiben v. 28.7.2015 angeordnete Nichtanwendung der BFH-Entscheidung ist damit sachgerecht. Nunmehr ist § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG so umformuliert worden, dass der genannten BFH-Entscheidung die Grundlage entzogen wird und Betriebsvorrichtungen und sonstige Einbauten zu den Bauleistungen zählen, wenn sie auf Dauer installiert sind und deren Entfernung zu einer Zerstörung oder Veränderung des Gebäudes oder Bauwerks führen würde. 11. Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand In einem neuen § 2b UStG sollen die Grundsätze der Steuerpflicht der öffentlichen Hand geregelt werden. Vorausgegangen ist eine jahrelange Vorgeschichte. Die Finanzverwaltung knüpfte die Umsatzsteuerpflicht – wie in § 2 Abs. 3 UStG vorgeschrieben – stets an die Existenz eines unternehmerisch tätigen Betriebs gewerblicher Art, deren Vorliegen sich nach körperschaftsteuerlichen Grundsätzen richtet. Zu Streitigkeiten kam es in der Vergangenheit immer wieder in Fällen interkommunaler Zusammenarbeit, die von der Finanzverwaltung nicht in der von den betroffenen Kommunen gewünschten Art beurteilt wurden. So hat z.B. nach dem dem Urteil des BFH v. 10.11.201112 zugrunde liegenden Sachverhalt eine Gemeinde eine Sport- und Freizeithalle errichtet und diese entgeltlich an eine Nachbargemeinde vermietet. Die vermietende Gemeinde beanspruchte die Vorsteuer aus den Eingangsrechnungen der Bauhandwerker für die Errichtung der Halle. Das Finanzamt erkannte den geltend gemachten Vorsteueranspruch nicht an, weil die Halle nicht einem Betrieb gewerblicher Art (BgA) zugerechnet werden könne. Das FG gab dem Finanzamt Recht. Der BFH jedoch hob die Entscheidung 12 V R 41/10, BFH/NV 2012, 670.

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auf und beanstandete den Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung. Ob ein BgA vorliege, sei unionsrechtlich für die Beurteilung, ob die Gemeinde Umsatzsteuersubjekt ist, ohne Bedeutung. Entscheidend sei, ob die Gemeinde eine wirtschaftliche und damit nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen ausübe. Erbringt sie diese Leistungen auf privatrechtlicher Basis, sei die Umsatzsteuerpflicht unstreitig. Erbringt sie die Tätigkeit auf öffentlich-rechtlicher Basis, ist die Gemeinde dann Unternehmerin, wenn ihre Behandlung als Nichtunternehmerin zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Diese mittlerweile ständige Rechtsprechung des BFH ist bislang vom Gesetzgeber schon seit nunmehr etlichen Jahren nicht umgesetzt worden mit der Folge, dass die öffentliche Hand es sich faktisch aussuchen kann, ob sie sich auf das gegenwärtige nationale Recht mit Anknüpfung an einen BgA (§ 2 Abs. 3 UStG) oder auf das EU-Recht in der vom BFH vorgenommenen Auslegung beruft. Den Finanzämtern sind die Hände gebunden; sie sind gehalten, unverändert § 2 Abs. 3 UStG zu beachten, weil die Entscheidungen des BFH bislang nicht im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht worden sind. Ist im Einzelfall eine juristische Person des öffentlichen Rechts mit der Haltung der Finanzverwaltung nicht einverstanden, wird sie vor den Finanzgerichten obsiegen. Dieser unglückliche Zustand wird nun beendet. Der neue § 2b UStG greift die Rechtsprechung des BFH auf und setzt sie wie folgt um: –

Ist die juristische Person des öffentlichen Rechts auf privatrechtlicher Grundlage tätig, ist der Anwendungsbereich des § 2b UStG nicht eröffnet. Deren Leistung unterliegt dann stets der Umsatzbesteuerung.



Ist die juristische Person des öffentlichen Rechts auf öffentlichrechtlicher Grundlage tätig, gilt sie nicht als Unternehmerin i.S.d § 2 UStG, es sei denn, „eine Behandlung als Nichtunternehmer würde zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen“ (§ 2b Abs. 1 S. 1 UStG).



§ 2b Abs. 2 UStG beschreibt zwei Fallgestaltungen, in denen es unwiderlegbar zu keinen größeren Wettbewerbsverzerrungen kommt. Das ist einmal der Fall, wenn die erzielten Umsätze im Kalenderjahr 17.500 Euro nicht übersteigen. Das ist weiter der Fall, wenn die Tätigkeit – unterstellt sie würde auf privater Grundlage erfolgen – steuerfrei wäre.

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§ 2b Abs. 3 UStG zählt für die sog. Beistandsleistungen unter juristischen Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere für die interkommunale Zusammenarbeit Fallgruppen auf, in denen der Gesetzgeber nicht von einer größeren Wettbewerbsverzerrung infolge der Nichtbesteuerung ausgeht. Das ist einmal der Fall, wenn die Leistungen nur von juristischen Personen des öffentlichen Rechts ausgeübt werden können (z.B. Kommunen zentralisieren ihre Einwohnermeldeämter). Weiterhin sei dies der Fall, wenn die „Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird“, wobei das Gesetz Regelbeispiele an die Hand gibt, die dem Wettbewerbsbegriff im Vergaberecht, wie er auf europäischer Ebene verstanden wird, entlehnt sind.

Eine großzügige Übergangsregelung in § 27 Abs. 22 UStG räumt den juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Möglichkeit ein, mit ihrer gesamten Tätigkeit längstens bis zum Veranlagungszeitraum 2020 weiterhin nach dem bisherigen Recht besteuert zu werden und sich in dieser Zeitspanne auf das neue Recht vorzubereiten. Sie kann während der Übergangsfrist zum neuen Recht wechseln, dann aber nicht mehr zum alten Recht zurückkehren. Es ist zu erwarten, dass etliche Beistandsleistungen, die bislang als nicht umsatzsteuerbar behandelt worden sind, künftig umsatzsteuerpflichtig sein werden. Private Wettbewerber können sich mit Konkurrentenschutzklagen gegen eine vermeintliche Besserstellung der öffentlichen Hand zur Wehr setzen, wenn sie in der von der Finanzverwaltung gewährten Nichtbesteuerung eine relevante Wettbewerbsverzerrung sehen.

II. Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie – Bürokratieentlastungsgesetz Dieser Entwurf stammt aus der Feder des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und enthält eine Reihe von Vorschlägen zum Bürokratieabbau, die nicht steuerlicher Art sind. Als steuerliche Regeln finden sich dort im Wesentlichen folgende Dinge: –

Die Grenzen der Buchführungspflicht in § 141 AO sollen erhöht werden, so dass Gewerbetreibende und Land- und Forstwirte nur dann buchführungspflichtig sind, wenn deren Umsätze mehr als 600.000 Euro (bisher 500.000 Euro) oder die Gewinne mehr als 60.000 Euro (bisher 50.000 Euro) betragen.

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Zusammenveranlagte Steuerpflichtige können das Faktorverfahren für eine Dauer von zwei Jahren wählen.



Die Pauschalierungsgrenze für kurzfristig Beschäftigte (§ 40 a Abs. 1 EStG) soll auf 68 Euro je Arbeitstag (bisher 62 Euro) steigen.

Nicht enthalten ist jedoch der Wunsch der Wirtschaft, die Grenze der Anschaffungs-/Herstellungskosten für geringwertige Wirtschaftsgüter, die nach § 6 Abs. 2 S. 1 EStG sofort als Betriebsausgaben geltend gemacht werden können, von 410 Euro auf 800 Euro anzuheben. Im Referentenentwurf war die Anhebung noch vorgesehen, im Gesetzentwurf aus Kostengründen hingegen nicht mehr.

III. Automatischer Informationsaustausch im internationalen Bereich 1. Referentenentwurf für ein Gesetz zu der Mehrseitigen Vereinbarung vom 29. Oktober 2014 zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten Vor dem Hintergrund des FATCA-Abkommens vieler Staaten mit den USA hatten die G20-Staaten die OECD um die Erarbeitung eines globalen Standards zum automatischen Austausch von Informationen von Finanzkonten in Steuersachen gebeten. Die OECD hat diesem Wunsch entsprochen und ein entsprechendes Werk erarbeitet. Am 28./29.10.2014 fand in Berlin das „Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes“ statt mit 120 Teilnehmerländern, bei dem das von der OECD entwickelte Standardwerk vorgestellt wurde. An 29.10.2014 haben die Bundesregierung und weitere 50 andere Staaten das auf der Basis des OECD-Standards entwickelte (Rahmen-)Abkommen über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten zur Bekämpfung des Steuerbetrugs unterzeichnet. Der Vertragstext der Mehrseitigen Vereinbarung soll mit diesem Gesetzentwurf als völkerrechtlicher Vertrag in das innerstaatliche Recht transformiert werden. Dieser Vertrag begründet eine völkerrechtliche Verpflichtung der unterzeichnenden Staaten, Informationen über Finanzbeziehungen untereinander auszutauschen. Jedoch bedarf es hierzu noch zusätzlicher innerstaatlicher Regelungen, die die Einzelheiten zur Datenerhebung und Weiterleitung regeln. Die Bundesrepublik Deutschland hat zu § 7 der Vereinbarung eine Erklärung zu Schutzbestimmungen abgegeben. Hiernach wird eine Information an einen anderen Staat

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nur dann weitergeleitet, wenn der andere Staat sie in erster Linie für steuerliche Zwecke verwendet, nicht etwa zur Strafverfolgung. Sollten sie doch in einem Gerichtsverfahren offengelegt werden, hat der andere Staat dafür Sorge zu tragen, dass gegen Personen, deren Daten bekanntgegeben worden sind, nicht die Todesstrafe verhängt wird (nicht wegen einer möglichen Steuerhinterziehung, allerdings vielfach dann, wenn mit der steuerlichen Behandlung offenbar wird, dass zugleich ein Korruptionsvergehen vorliegt). Der empfangende Staat hat des Weiteren für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Daten zu sorgen. Sie müssen wirksam gegen unbefugten Zugang, unbefugte Veränderung und unbefugte Bekanntgabe geschützt sein. 2. Entwurf eines Gesetzes zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen und zur Änderung des EU-Amtshilfegesetzes und anderer Gesetze Auf EU-Ebene hat man die o.g. OECD-Standards aufgegriffen und in die Amtshilferichtlinie integriert. Dieses Gesetz dient nunmehr der Überführung der Regeln zum automatischen Informationsaustausch in das innerstaatliche Recht. Mit dem Artikelgesetz ist die Schaffung eines Spezialgesetzes vorgesehen, das sich dieser Materie im Einzelnen annehmen soll, sich also mit dem Verfahren zur Beschaffung der erforderlichen Daten von innerstaatlichen Finanzinstituten und mit der Beachtung verschiedenster Sorgfalts- und Prüfungspflichten mit dem Ziel der Weitergabe an den jeweiligen ausländischen Staat befasst, die im Interesse der betroffenen Kontoinhaber zu beachten sind. Die Zinsrichtlinie ist damit überflüssig geworden. Das Gesetzgebungsverfahren wird bis Ende 2015 zu beiden Vorhaben abgeschlossen sein.

IV. Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Dieser Gesetzentwurf will die Konsequenzen umsetzen, die sich aus der Entscheidung des BVerfG v. 17.12.201413 ergeben. Der Entwurf vom 14.8.201514 beinhaltet damit im Wesentlichen folgende Umsetzungsschritte: 13 1 BvL 21/12, BGBl. I 2015, 50. 14 BR-Drs. 353/15.

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1. Freistellung von Kleinstbetrieben von der Lohnsummenregelung (Lohnsummentest) Ein Lohnsummentest findet bei Betrieben mit bis zu drei Beschäftigten nicht statt. Bei Betrieben mit mehr als drei, aber nicht mehr als zehn Beschäftigten beträgt die Mindestlohnsumme innerhalb der Lohnsummenfrist von fünf Jahren 250 Prozent. Bei Betrieben mit mehr als zehn, aber nicht mehr als 15 Beschäftigten beträgt die Mindestlohnsumme innerhalb der Lohnsummenfrist 300 Prozent. Bei Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten beträgt die Mindestlohnsumme dann 400 Prozent. Mit dieser Absenkung kommt man den Anforderungen des BVerfG entgegen. Ob sie ausreicht, ist angesichts der Vorgabe des BVerfG fraglich, weil es verlangt, dass die Freistellung vom Lohnsummentest nur auf eine relativ kleine Gruppe von Betriebsübergängen beschränkt bleiben darf.15 Zu bedenken ist, dass in Deutschland die Hälfte der Unternehmen überhaupt keine Arbeitnehmer beschäftigt und dass von den verbleibenden Unternehmen mit Arbeitnehmern etwa die Hälfte weniger als drei Arbeitnehmer hat. Mit der Neuregelung ist sicherlich die vom BVerfG verlangte Größenvorgabe in Bezug auf die Freistellung vom Lohnsummentest nicht erfüllt. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Punkt wiederum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde werden wird. Hier sollte bedacht werden, dass die von dem Lohnsummentest freigestellten Unternehmen in der Regel kleine Unternehmen sind, die erbschaftsteuerlich ohne Bedeutung sein werden. Bei einer weiteren Absenkung auf zwei Beschäftigte oder einem Beschäftigten stiege zudem die potenzielle Zahl der im Grundsatz zu prüfenden Fälle exponentiell an und würde einen beträchtlichen Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten bedeuten. An diesem Punkt wiederum eine Verfassungswidrigkeit des neuen Rechtes auszumachen, mutet unverhältnismäßig an. Die Neufassung sollte akzeptiert werden. Großzügiger wiederum kann der Gesetzgeber angesichts der Vorgaben des BVerfG aber auch nicht sein. 2. Abgrenzung des begünstigten von dem nicht begünstigten Vermögen im Wege des Hauptzweckansatzes Im Entwurf findet zur Abgrenzung des begünstigten Betriebsvermögens von dem nicht begünstigten Betriebsvermögen ein Paradigmenwechsel statt. Während das derzeitige Recht die Abgrenzung negativ vornimmt, indem § 13b ErbStG das nicht begünstigte Verwaltungsvermögen be15 BVerfG, aaO, Rz. 229.

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schreibt und aufzählt, wählt der Gesetzesentwurf den Weg, das begünstigte Vermögen positiv zu umschreiben. Er bedient sich dabei einem sog. Hauptzweckansatz, will heißen, zum begünstigten Vermögen gehören alle Teile des begünstigungsfähigen Betriebsvermögens, die nach ihrem Hauptzweck überwiegend einer originären gewerblichen Tätigkeit, einer land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit oder einer selbstständigen Arbeit dienen. Diese Form der Abgrenzung ist auf dem ersten Blick beeindruckend, erweist sich bei näherem Hinsehen jedoch als sehr verwaltungsaufwändig für beide Seite, weil für jedes einzelne Wirtschaftsgut beurteilt werden muss, ob und in welchem Umfang es dem Unternehmenszweck dient. Demgegenüber kann in einem abschließenden Katalog solcher Wirtschaftsgüter, die nicht zu den begünstigten gehören, geprüft werden, ob das nämliche Wirtschaftsgut darunter fällt. Ist dies nicht der Fall, gehört es zwingend zum begünstigten Vermögen. 3. Verschonungsbedarfsprüfung für den Erwerb großer Betriebsvermögen Das BVerfG verlangt für Großerwerbe eine individuelle Prüfung, ob ein Verschonungsbedarf überhaupt besteht. Nach dem Gesetzentwurf ist eine Verschonungsbedarfsprüfung vorzunehmen, wenn die Schwelle je Erwerb 26 Mio. Euro bzw. 52 Mio. Euro – bezogen auf das begünstigte Vermögen – übersteigt. Der Gesamtwert des Unternehmens ist ohne Bedeutung. Man wird trefflich darüber streiten können, ob diese Erwerbsgrenzen zu hoch oder zu gering sind. Für beide Auffassungen gibt es Vertreter und Argumente. Willkürlich ist der vom BMF gewählte Betrag nicht: er orientiert sich an der Grenze des höchsten Steuersatzes in der Steuerklasse I (§ 19 ErbStG), der für satzungsbeschränkte (Familien-)Unternehmen zum Ausgleich verdoppelt wird. Bei der Verschonungsbedarfsprüfung gem. § 28a ErbStG-E besteht ein Disput darüber, ob und in welchem Umfang eigenes schon vorhandenes nicht begünstigtes Vermögen – das ist zum einen das Privatvermögen und zum anderen nicht begünstigtes anderweitiges Betriebsvermögen – für eine Steuerzahlung eingesetzt werden muss. Einigkeit besteht wohl darin, dass mit dem Erwerb des Betriebsvermögens zusätzlich erworbenes Privatvermögen auf jeden Fall zur Hälfte für die Steuerzahlung zu verwenden ist. Diese Diskussion wird wohl politisch entschieden werden müssen. In der Diskussion haben sich – soweit es zu beobachten ist – nicht diejenigen Erben zu Wort gemeldet, die z.B. vermieteten Grundbesitz des Privatvermögens geerbt haben. Bei solchen Erben fragt der

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Staat nicht, auf welche Weise der Erbe die ihn treffende Steuer zahlen wird. Hier wird von ihm durchaus verlangt, dass er notfalls das keineswegs fungible Ererbte verkaufen muss, um die Steuer zu bezahlen. Diese Gruppe von Steuerpflichtigen kann auch die Frage stellen, warum Unternehmenserben, die in ihrem Unternehmen keinerlei Arbeitnehmer beschäftigen, so dass bei einer Zerschlagung des Unternehmens keine Arbeitsplätze gefährdet werden, gleichwohl deutlich besser gestellt werden sollen. 4. Abschmelzmodell als Wahlrecht für den Erwerb großer Betriebsvermögen Der Gesetzentwurf sieht neben der Verschonungsprüfung wahlweise vor, dass die Unternehmenserben eine abhängig von der Größe des Erwerbs verminderte Verschonung in Anspruch nehmen können. § 13c Abs. 1 ErbStG-E sieht in Schritten von 1,5 Mio. Euro eine Verminderung des Verschonungsabschlags vor, der bei der Regelverschonung letztlich bei 20 % bzw. in den Fällen der Optionsverschonung bei 35 % endet. Insoweit wird also eine Mindestverschonung eingeräumt. Streit besteht, ob eine solche Mindestverschonung gerechtfertigt ist. Es gibt Stimmen, die eine solche Sockelverschonung wiederum für eine verfassungswidrige Begünstigung halten. Auch sei die Abschmelzung des Verschonungsabschlags in Schritten von 1,5 Mio. Euro viel zu großzügig. Der Abbau der Gleitzone (bei Beginn mit 26 Mio. Euro bis 116 Mio. Euro und Beginn mit 52 Mio. Euro bis zu 142 Mio. Euro) müsse schneller erfolgen. Es verwundert nicht, dass zu diesen Fragen auch das genaue Gegenteil vertreten wird. 5. Satzungstest bei „Familienunternehmen“ Der Einstieg in den Beginn der Gleitzone für die Abschmelzung ab 52 Mio. Euro ist nur denjenigen Erwerben von solchen Unternehmen vorbehalten, deren Satzungen die in § 13a Abs. 9 S. 5 und 6 ErbStG-E beschriebenen Beschränkungen aufweisen (erhebliche Entnahme- und Verfügungsbeschränkungen, Verweis auf einen deutlich unter dem gemeinen Wert liegenden Abfindungsbetrag im Falle des Ausscheidens). Die Interessenvertreter greifen diese Regelung vehement als nicht genügend an und fordern die Aufhebung des § 9 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 BewG, also die Regelung, die bestimmt, dass bei einer Bewertung des Anteils an einem Betriebsvermögen persönliche Verhältnisse wie insbesondere Verfügungsbeschränkungen unberücksichtigt zu sein haben. M.E. wird diese

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Forderung nicht erfüllbar sein, weil § 9 Abs. 2 und 3 BewG auch für Bewertungsfragen des EStG und des AStG entscheidende, nicht verzichtbare Bedeutung hat. Zu bedenken ist weiterhin, dass die Verdoppelung des Schwellenwertes auf 52 Mio. Euro zum Ausdruck bringt, dass die Nichtberücksichtigung der persönlichen Verhältnisse zu einer Verdoppelung des Werts gegenüber einer Bewertung unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse führt. Ob dies realitätsgerecht ist, bezweifle ich, so dass der gesetzgeberische Ansatz m.E. durchaus großzügig und letztlich sachgerecht ist. 6. Vereinfachte Bewertung nach §§ 199 ff. BewG Immer wieder sind Klagen zu hören, dass gerade in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase das vereinfachte Bewertungsverfahren nach §§ 199 ff. BewG zu viel zu hohen Werten führe. Dem kann man nur entgegnen, dass die Steuerpflichtigen frei sind, den „wahren“ Wert durch ein Sachverständigengutachten im Ertragswertverfahren ermitteln zu lassen (vgl. § 11 Abs. 2 BewG). Im Übrigen ist das vereinfachte Bewertungsverfahren auch nur für „einfache“ Fälle gedacht. Bei komplexen Konzernstrukturen, in denen das Bewertungsverfahren nach §§ 199 ff. BewG zu offenbar unrichtigen Ergebnissen führen kann, ist die Finanzverwaltung selbst gehalten, dieses Verfahren nicht zu akzeptieren.16 Nach dem ursprünglichen Zeitplan sollte die 2.und 3. Lesung des Bundestags am 6.11.2015 erfolgen und der Bundesrat am 27.11.2015 über den Gesetzesbeschluss befinden. Dieser Zeitplan wird nach dem Ergebnis der Anhörung des Finanzausschusses im Bundestag am 12.10.2015 nicht mehr eingehalten, so dass mit einer Verabschiedung des Gesetzes erst in 2016 gerechnet werden muss.

V. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens Hintergrund dieses Entwurfs ist der Umstand, dass die technischen Möglichkeiten der Datenverarbeitung und der elektronischen Kommunikation das Arbeitsumfeld der Finanzverwaltung und die Anforderungen an die Finanzverwaltung in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert hat. Dies erfordert einen grundlegenden Anpassungsprozess des geltenden Rechts an die vorzufindenden Veränderungen. Zum anderen eröffnet die 16 R B 199.1 Abs. 6 ErbStR.

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fortschreitende Digitalisierung neue, bislang nicht zur Verfügung stehende Möglichkeiten. Als Beispiel sei auf den mit inzwischen weit über 60 Staaten in der gesamten Welt vereinbarten Rahmen zum gegenseitigen Informationsaustausch von Kapitalkonten verwiesen. Nur der Fortschritt in der Technologie der Digitalisierung erlaubt es, dass die mit dem zu erwartenden Informationsaustausch verbundenen Datenmengen überhaupt in sinnvoller Weise verarbeitet werden können. In früheren Zeiten wäre damit unweigerlich ein strukturelles Vollzugsdefizit verbunden gewesen. Die zwischenstaatlichen Mitteilungspflichten werden zudem nicht weniger, sondern eher mehr. Der Austausch von Daten zu den erteilten verbindlichen Auskünften (Tax rulings) und die auszutauschende Datenmenge bei dem kommenden Country-by-Country Reporting und den künftigen Verrechnungspreisdokumentationen belegen dies. Die Wahrung des Datenschutzes vor Unbefugten und speziell die Wahrung des Steuergeheimnisses stehen dabei auf dem Prüfstand. Zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens existiert ein Referentenentwurf des BMF vom 27.8.2015 mit folgenden wesentlichen Inhalten: –

Gesetzliche Vollmachtsvermutung für Angehörige der steuerberatenden Berufe (§ 80 Abs. 2 AO-E)



Rechtsgrundlage für die von den Steuerberaterkammern entwickelte Vollmachtsdatenbank (§ 80a AO-E)



Zurückdrängen der Steuererklärung auf Papier; Belegvorhalte- und Belegaufbewahrungspflicht statt Belegvorlagepflicht (z.B. Spendenbescheinigungen, nicht jedoch Bescheinigungen über den Kapitalertragsteuerabzug im Unternehmensbereich)



Anpassung des Amtsermittlungsgrundsatzes:

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Ausdrückliche Zulassung von „Wirtschaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitsgesichtpunkten“ bei der Tatbestandsermittlung



Gesetzliche Verankerung von Risikomanagementsystemen (auch Zeitreihenvergleiche mit Hilfe der E-Bilanzen), die es erlauben, dass eingehende Steuererklärungen ausschließlich elektronisch nach bestimmten Risikoklassen (z.B. ermittelt aus E-Bilanzen) gerechnet werden. Eine Zufallsauswahl muss dabei allerdings stets eingebaut sein



Zulässigkeit von Steuerfestsetzungen und -abrechnungen, die von Anbeginn bis zum Ende automationsgestützt ohne jegliche personelle Beteiligung bearbeitet werden

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Weitgehende Beisteuerung von steuererheblichen Daten von dritter Seite (§ 93c AO-E)



Klarstellung, dass vollautomatische Steuerfestsetzungen Verwaltungsakte i.S.d. § 118 AO sind mit ergänzenden Regelungen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses der behördlichen Willensbildung



Elektronischer Zugang von Steuerbescheiden mit Zugangsfiktion



Besondere Berichtigungsvorschriften bei fehlerhaften Eingaben des Steuerpflichtigen (§ 173a AO-E); besondere Korrekturvorschrift bei geänderten Datenlieferungen durch Dritte (§ 175b AO-E)



Neufassung zur Regelung zu den Steuererklärungsfristen für Angehörige der steuerberatenden Berufe, Verschärfung bei der Festsetzung von Verspätungszuschlägen

Das Gesetzesvorhaben soll in 2016 abgeschlossen werden und im Grundsatz erstmals für solche Verwaltungsakte gelten, die nach dem 31.12.2016 ergehen.

VI. Investmentbesteuerung Nach dem Koalitionsvertrag der die Regierung stellenden Parteien soll das Investmentsteuerrecht reformiert werden. Um den Koalitionsvertrag umzusetzen, hat das BMF bislang einen Diskussionsentwurf entwickelt. Es ist zu erwarten, dass dieser Entwurf in absehbarer Zeit in einen Referentenentwurf der Bundesregierung münden wird. Kern der Reformbemühungen sind Änderungen bei der Besteuerung der Publikumsfonds. Dort soll im Wesentlichen das dort bestehende Transparenzprinzip aufgehoben werden, so dass die Besteuerung der Dividenden-, Zins- und Immobilienerträge auf Fondsebene erfolgen soll. Bei Ausschüttungen an die Anleger erfolgt die Besteuerung dort unabhängig davon, aus welchen Quellen die Ausschüttungen gespeist werden. Das Besteuerungssystem für Spezialinvestmentfonds soll demgegenüber im Wesentlichen unberührt bleiben. Ziel der Änderung ist eine Vereinfachung des bisherigen Rechts, das europarechtlichen Anforderungen genügt. In diesem Zusammenhang war gemäß den Vorgaben des Koalitionsvertrags der die Bundesregierung stellenden Parteien in dem Entwurf zunächst vorgesehen, dass auch die Gewinne aus der Veräußerung von Streubesitzbeteiligungen – wie bereits die Dividenden aus solchen Beteiligungen – der Steuer unterworfen werden. Man verspricht sich im Rah-

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men der Investmentbesteuerung eine gleichmäßigere steuerliche Behandlung der Fondserträge als bislang. Die Kehrseite dieser Vorstellung ist die Schlechterstellung von Business Angels und Start-up-Unternehmen. Die Geschäftsidee besteht hierbei darin, dass Beteiligungen an jungen Kapitalgesellschaften in Höhe von weniger als 10 % gehalten werden und auf eine laufende Ausschüttung von Gewinnen verzichtet wird. Im Veräußerungsfalle wird der Gewinn realisiert, der entweder nach § 8b KStG steuerfrei oder nach § 3 Nr. 40 EStG im Teileinkünfteverfahren zu besteuern ist. Diese Erleichterung und damit der Anreiz, sich an Start-ups zu beteiligen, würden in Zukunft entfallen. Der Diskussionsentwurf sieht hierfür in § 26a KStG-E eine Ersatzlösung vor, die aber keineswegs befriedigt. Sie will eine Steuerermäßigung in Höhe von 30 % der Anschaffungskosten gewähren. Diese Regelung orientiert sich an den Bestimmungen der EU zu staatlichen Beihilfen und an den hierzu ergangenen Rechtsakten. Das Ergebnis ist eine ausgesprochen schwerfällige Regelung, die den Erfordernissen eines schnellen und spontanen Engagements an jungen Start-ups schlechthin nicht genügt. Hinzu kommt, dass die angedachte Neuregelung bei geringen Veräußerungsgewinnen zwar zu einer Entlastung führt, die bei hohen Veräußerungsgewinnen schnell vollkommen verpufft und gegenüber einer Besteuerung einer Beteiligung von mindestens 10 % eine deutliche Verteuerung zur Konsequenz hat. Dies führt zu dem Anreiz, dass steuerlich lediglich eine Beteiligung von mindestens 10 % sinnvoll ist, was wiederum für den Business Angels zur Folge hat, dass er sich auf weniger Engagements als zuvor beschränken muss. Weiterhin führt die Neuregelung dazu, dass die Finanzierung des Deckungskapitals für Pensionsrückstellungen, das regelmäßig aus Streubesitzbeteiligungen besteht, infolge der steuerlichen Belastung beeinträchtigt wird. Dies schlägt sich wiederum auf die Finanzierbarkeit von Pensionslasten nieder. Die Neuregelung führt schließlich für den Fiskus zu anfänglichen finanziellen Nachteilen. Beteiligungsbesitz mit stillen Reserven dürfte vor der Gesetzesänderung veräußert und umgeschichtet werden, um noch die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne – von der Betriebsausgabenkürzung in Höhe von 5 % einmal abgesehen – zu nutzen. Verlustbeteiligungen bleiben hingegen unrealisiert, um das in den Beteiligungen steckende Verlustpotential erst nach der Gesetzesänderung ertragswirksam zu realisieren. Dieser Gestaltung könnte man entgehen, wenn der Streu-

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besitz einer Stichtagsbewertung unterzogen würde; dies ist administrativ jedoch nicht leistbar. Nach alledem sprechen gute Gründe dafür, auf die geplante Erweiterung der Steuerpflicht in Bezug auf Streubesitzbeteiligungen zu verzichten, so dass die Herausnahme dieser Regelung aus dem Referentenentwurf zu begrüßen ist.

VII. BEPS Die OECD hat ihre Arbeiten an den BEPS-Maßnahmen beendet, und die Finanzminister der G20-Staaten haben am 8.10.2015 die vorgeschlagenen Maßnahmen begrüßt. Am 15./16.11.2015 haben die Regierungschefs der G20-Staaten das positive Votum ihrer Finanzminister gutgeheißen. Innenpolitisch besteht nunmehr die Erwartung, dass die BEPS-Maßnahmen im Kern in das innerstaatliche Recht umgesetzt werden, so dass sich die Frage stellt, ob und inwieweit bei jeder Maßnahme ein entsprechendes Bedürfnis zur Umsetzung besteht. Von den 15 Aktionspunkten werden voraussichtlich die folgenden besonders im Fokus stehen: –

Hybride Gestaltungen (Aktionspunkt 2) Der Bundesrat hatte schon Vorschläge unterbreitet, wie hybride Gestaltungen, also die Generierung von weißen Einkünften und doppelter Verlustnutzung – unterbunden werden könnten. Über den Vorstoß des Bundesrats hinaus ist bislang nichts passiert. Es ist wahrscheinlich, dass das Anliegen des Bundesrats im Grundsatz aufgegriffen werden wird. Offen ist allerdings, ob die Bundesregierung sich auch dem vorgeschlagenen Regelungsumfang des Bundesrats anschließen wird. Sicher ist, dass der Bundesrat Vorschläge gemacht hat, die über die der OECD hinausgehen, die sich im Wesentlichen auf die Vermeidung konzerninterner hybrider Finanzierungen beschränkt.



Schädlicher Steuerwettbewerb (Aktionspunkt 5) Die Bestrebungen zur Einschränkung des schädlichen Steuerwettbewerbs werden ausdrücklich begrüßt. In diesem Zusammenhang stehen auch die Patentboxen im Blickpunkt, die steuerliche Vergünstigungen auch für Entgelte solcher Rechte vorsehen, die auf Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zurückzuführen sind, die nicht in dem jeweiligen Staat vorgenommen worden sind. Der Nexus-Ansatz hingegen, also die Möglichkeit einer steuerlichen Ver-

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günstigung für die Verwertung solcher von Unternehmen lediglich im Inland vorgenommenen Tätigkeiten, wird begrüßt. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass auch Deutschland eine dem Nexus-Ansatz genügende Patentbox ebenfalls einführen wird. Dies dürfte eher unwahrscheinlich sein. Weiterhin steht die angestrebte Vereinbarung zum automatischen Austausch erteilter Tax Rulings ebenfalls im Kontext mit der Verhinderung schädlichen Steuerwettbewerbs. –

Aktualisierung des Betriebsstättenbegriffs (Aktionspunkt 7) Hier sind Bemühungen angesprochen, den Betriebsstättenbegriff schärfer als bisher zu umreißen, damit Steuergestaltungen vermieden werden, die darauf zielen, je nach gewünschtem steuerlichen Ergebnis eine Betriebsstätte zu vermeiden oder anzunehmen. Eine verbesserte Definition im OECD-MA würde in Deutschland den künftigen DBAVerhandlungen zugrunde gelegt werden.



Entwicklung von Offenlegungsregelungen für aggressive Steuerplanungen (Aktionspunkt 12) Hier geht es darum, dass die Finanzverwaltungen frühzeitig über neue modellhafte Steuergestaltungen informiert werden. Hier wird zu prüfen sein, ob anknüpfend an frühere Überlegungen eine solche Mitteilungspflicht gesetzlich verankert werden soll.



Verrechnungspreisdokumentationen und Country-by-Country Reporting (Aktionspunkt 13) Auf OECD-Ebene sind Dokumentationsanforderungen im Bereich der Verrechnungspreise vereinbart worden, die international agierende Unternehmen erfüllen müssen. Damit soll der Fremdvergleichsgrundsatz untermauert werden. Diese Informationen sollen aber auch die jeweils anderen Finanzverwaltungen erfahren, damit die Überprüfung der Richtigkeit der Verrechnungspreise auf i.d.R. beiden Seiten gewährleistet ist. Die Dokumentationspflichten werden dabei wohl über die engeren Informationen zu den konkret ermittelten Verrechnungspreisen hinausgehen. Sie sollen vielmehr den anderen Staaten auch einen Überblick über die Art der wirtschaftlichen Aktivitäten des Unternehmens in den jeweiligen Ländern und über die Aufteilung seiner Erträge und Steuern auf diese Länder geben. Die innerstaatliche Umsetzung wird in § 90 Abs. 3 und in den neuen Absätzen 4 und 5 zu § 90 AO erfolgen. Vorgesehen ist, dass die Unternehmen folgende Sachverhalte aufzeichnen:

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Neumann, Unternehmensbesteuerung 2016



Art und Inhalt der Geschäftsbeziehung mit nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG



Grundlagen zu den vereinbarten Verrechnungspreisen



Außergewöhnliche Geschäftsvorfälle

Hinzu kommt die Fertigung einer –

Stammdokumentation (Master File), die einen Überblick über die Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe gibt (Darstellung der Art der weltweiten Geschäftstätigkeit, Verrechnungspreispolitik),



landesspezifischen, unternehmensbezogenen Dokumentation (Local File), die genaue Informationen zu den wesentlichen Geschäftsvorfällen des Unternehmens bezogen auf die Unternehmensteile in den jeweiligen ausländischen Staaten geben müssen.

Der länderbezogene Bericht (in der Terminologie der OECD „Countryby-country Reporting) muss nach Steuerhoheitsgebieten gegliedert sein und deutlich machen, wie die Geschäftstätigkeit des Konzerns sich auf die einzelnen Staaten verteilt (Stammhaus, Betriebsstätten, Tochterunternehmen). Dies muss anhand folgender Positionen ausgewiesen werden: –

Umsatzerlöse



Jahresergebnis vor Steuern



Eigenkapital



Thesaurierter Gewinn



Zahl der Beschäftigten



Materielle Vermögenswerte.

Es werden hierzu die Befürchtungen laut, dass die bisherige Steuerverteilung ihr bewährtes Gefüge verliere und dass damit die Gefahr von Doppelbesteuerungen beträchtlich steige. Bemängelt wird auch, dass im Zusammenhang mit Aktionspunkt 13 keine verbindliche Verabredung zu Verständigungs- oder Schiedsverfahren im Falle der Mehrfachbelastung getroffen worden sei. Die Einführung von Verständigungs- oder Schiedsverfahren werde nur allgemein in Aktionspunkt 14 angesprochen, wonach sie lediglich Sache der jeweiligen DBA-Verhandlungen sei.

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Neumann, Unternehmensbesteuerung 2016

Die anderen Vorschläge der OECD sind für Deutschland nicht von zentralem Interesse, weil hierfür vielfach schon gesetzliche Regelungen existieren. Das gilt insbesondere für die Hinzurechnungsbesteuerung (Aktionspunkt 3) und die Zinsschranke (Aktionspunkt 4). Das Konzept einer sog. digitalen Betriebsstätte wird nicht verfolgt, weil es gegenüber dem herkömmlichen Betriebsstättenbegriff nicht überlegen ist.

VIII. Grundsteuer Der Koalitionsvertrag hat die Länder aufgefordert, eine verfassungskonforme Neubewertung des Grundbesitzes für Zwecke der Grundsteuer zu erarbeiten. Die Länder haben ein entsprechendes Konzept geliefert, das das BMF jedoch für unzulänglich hält. Mit einem eigenen Vorschlag hält sich das BMF jedoch zurück und will wohl die aufgrund des Vorlageschlusses des BFH v. 22.10.201417 ergehende Entscheidung des BVerfG18 abwarten.

IX. Finale Verluste Neue Erkenntnisse zur Behandlung finaler Verluste darf man von der anstehenden Entscheidung des EuGH, Rechtssache C-388/14 „Timac Agro Deutschland GmbH“ erwarten. Die Timac Agro mit Sitz in Deutschland unterhielt in den Jahren 1997 bis 2005 eine Betriebsstätte in Österreich, in der sie Verluste erwirtschaftete, die sie bei der Einkommensermittlung des Stammhauses berücksichtigt wissen wollte. In 2005 wurde die Betriebsstätte auf eine in Österreich ansässige konzernangehörige Gesellschaft übertragen. Der Generalanwalt Wathelet betonte in seinen Schlussanträgen, dass bei konzerninternen Veräußerungen es den Beteiligten – wenngleich in den Grenzen den Fremdvergleichsgrundsatzes, den zu überprüfen in konzerninternen Veräußerungsfällen schwer fällt – freisteht, die Höhe des Verkaufspreises einer Betriebsstätte festzulegen und somit dem Mitgliedsstaat, in dem sich das Stammhaus befindet, die Möglichkeit zu nehmen, den Veräußerungsgewinn sowie künftige Gewinne aus dieser Einkunftsquelle der Besteuerung zu unterwerfen. Deshalb seien Vorschriften, die nach den Regeln der Freistellungsmethode auch eine inländische Verlustberücksichtigung nicht vorsehen, „im Hinblick auf die 17 II R 16/13, BStBl. II 2014, 957. 18 Az. des BVerfG: 1 BvL 11/14.

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Kohärenz des maßgeblichen Steuersystems gerechtfertigt“ und auch angemessen.19

C. Ausblick Der Überblick aus der Perspektive des Herbstes 2015 hat gezeigt, dass in 2016 noch einige Gesetzesvorhaben abzuschließen sind. Es bleibt abzuwarten, ob insbesondere die „großen“ Vorhaben, also die Pläne zur Umsetzung der BEPS-Maßnahmen und vor allem die Neuregelung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht bis zu dem vom BVerfG gesetzten Termin zu einem vernünftigen Ende gebracht werden. Man muss sehen, dass in 2016 in fünf Bundesländern20 die Landtage gewählt werden und im Frühjahr 2017 die von weiteren drei Ländern.21 Im Herbst steht dann die Bundestagswahl an. In der Bundesrepublik wird also während eines Zeitraums von eineinhalb Jahren in 2016/2017 nahezu ständig irgendwo ein Wahlkampf stattfinden, so dass die Neigung der Politiker, sich auf politisch brisante Gesetzesvorhaben einzulassen, erfahrungsgemäß in solchen Zeiten deutlich sinken wird. Man darf also gespannt sein, ob und mit welchen Inhalten der in dieser Abhandlung vorgestellte Regelungsstoff letztlich im Bundesgesetzblatt abgedruckt werden wird.

19 EuGH, Schlussanträge v. 3.9.2015, C-388/14, Celex-Nr. 62014CC0388, Rz. 50 ff. 20 Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin. 21 Saarland, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen.

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Ertragsteuerliche Änderungen für Unternehmen durch das Steueränderungsgesetz 2015 Oberregierungsrat Friedbert Lang, OFD Karlsruhe Professor Dr. Andreas Schumacher, Steuerberater, Bonn Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Änderung der Konzernklausel des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG 1. Grundprinzip und bisherige Hauptprobleme der Konzernklausel 2. Begriffsbestimmungen 3. Die neu begünstigten Fälle 3.1 Die gesetzliche Neuregelung 3.2 Der erste Grundfall der neuen Nr. 1 3.3 Der zweite Grundfall der neuen Nr. 1 3.4 Der dritte Grundfall der neuen Nr. 1

3.5 Der Grundfall der neuen Nr. 2 3.6 Der Grundfall der neuen Nr. 3 3.7 Zeitliche Anwendung 3.8 Fazit und weiter bestehende Probleme der Konzernklausel III. Änderung der Regelungen zu sonstigen Gegenleistungen bei Einbringungen im UmwStG 1. Bisherige Rechtslage 2. Neuregelung 3. Gestaltungsfragen

I. Einleitung Das Steueränderungsgesetz 20151 enthält eine Vielzahl steuerlicher Änderungen. Nachfolgend werden nur die beiden bedeutsamsten ertragsteuerlichen Änderungen für Unternehmen einer ersten Analyse unterzogen. Daneben ist aus Unternehmenssicht insbesondere auf die Änderungen im Grunderwerbsteuerrecht hinzuweisen (Definition des mittelbaren Gesellschafterwechsels im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG entgegen der Rechtsprechung des BFH; Anwendung der erbschaftsteuerlichen Grund-

1 StÄndG v. 2.11.2015, BGBl. I, 1834. Gesetzentwurf in BT-Drs. 18/4902; Beschlussempfehlung des Finanzausschusses in BT-Drs. 18/6094.

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Lang/Schumacher, Änderungen für Unternehmen durch d. StÄndG 2015

besitzbewertung auch für Zwecke der Grunderwerbsteuer in den Fällen des § 8 Abs. 2 GrEStG als Folge der BVerfG-Rechtsprechung).

II. Änderung der Konzernklausel des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG 1. Grundprinzip und bisherige Hauptprobleme der Konzernklausel Nach § 8c Abs. 1 Satz 1 und 2 KStG sind die bis zu einem schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten Verluste einer Körperschaft grundsätzlich vollständig (bei Übertragung von mehr als 50 % der Anteile) oder anteilig (bei Übertragung von mehr als 25 % bis 50 % der Anteile) nicht mehr abziehbar, wenn mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 % bzw. mehr als 50 % der Anteile übertragen werden. Von diesem Grundsatz gibt es allerdings drei gesetzliche Ausnahmen: –

Nach der sog. Stille-Reserven-Klausel (§ 8c Abs. 1 Satz 6 ff. KStG) kann ein nicht genutzter Verlust abweichend von § 8c Abs. 1 Satz 1 und 2 KStG abgezogen werden, soweit der Verlust die anteiligen (Fälle des Satzes 1) bzw. gesamten (Fälle des Satzes 2) zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs vorhandenen im Inland steuerpflichtigen stillen Reserven des Betriebsvermögens der Körperschaft nicht übersteigt. Diese Stille-Reserven-Klausel wurde durch das StÄndG 2015 nicht verändert. Sie soll deshalb nicht Gegenstand dieses Aufsatzes sein.



Die sog. Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG ist derzeit gesetzlich ausgesetzt. Nach § 34 Abs. 6 Satz 2 KStG ist die Klausel nur anzuwenden, wenn eine rechtskräftige Entscheidung des Gerichts oder des Gerichtshofs der Europäischen Union den Beschluss der Europäischen Kommission K(2011) L 235 vom 26. Januar 2011 im Verfahren Staatliche Beihilfe, C-7/20102 für nichtig erklärt und feststellt, dass es sich bei § 8c Abs. 1a KStG nicht um eine staatliche Beihilfe i.S. des Artikels 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union handelt. Allerdings haben sowohl der Europäische Gerichtshof als auch das Europäische Gericht eine derartige Feststellung bisher nicht getroffen – im Gegenteil: Die Klage der Bundesregierung gegen die Entscheidung der EU-Kommission ist zwischenzeitlich

2 ABl. L 235 v. 10.9.2011, 26.

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wegen Unzulässigkeit erledigt.3 Außerdem hat das EuG u.a. mit Urteilen vom 4.2.2016 – T-620/11 und T-287/11 in mehreren der anhängigen Klageverfahren die Rechtmäßigkeit des Beschlusses der EUKommission zur Sanierungsklausel bestätigt. Gegen die EuG-Urteile wurden allerdings Rechtsmittel beim EuGH eingelegt.4 –

Daneben gibt es seit 2010 die sog. Konzernklausel in § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG. Diese Klausel sollte bereits bisher bewirken, dass Verlustvorträge bei bestimmten konzerninternen Umstrukturierungsmaßnahmen erhalten bleiben können. Im Rahmen des StÄndG 2015 wurde diese Klausel nun geändert und ihr Anwendungsbereich ausgeweitet.

Der bisherige Wortlaut der Konzernklausel (§ 8c Abs. 1 Satz 5 KStG a.F.) lautete: „Ein schädlicher Beteiligungserwerb liegt nicht vor, wenn an dem übertragenden und an dem übernehmenden Rechtsträger dieselbe Person zu jeweils 100 Prozent mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist.“

Nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers5 sollten durch die Ausnahmeregelung Umstrukturierungen im Konzern verschont werden, bei denen die Verschiebung von Verlusten auf Dritte ausgeschlossen ist. In der Anwendungspraxis führte der bisherige Wortlaut der Konzernklausel allerdings zu erheblichen Problemen, was im Ergebnis zu einem nur sehr eingeschränkten Anwendungsbereich führte:6 –

Die Klausel erforderte eine 100 %-Beteiligung sowohl am übertragenden als auch am übernehmenden Rechtsträger. Das 100 %-Erfordernis schloss die Anwendung der Konzernklausel aus (und tut dies grds. auch weiterhin; dazu s.u.), wenn – ggf. auch nur in geringem Umfang – am übertragenden oder übernehmenden Rechtsträger auch weitere Gesellschafter beteiligt sind. Eine 100 %-Beteiligung an der Verlustgesellschaft war und ist aber nicht erforderlich.



Die Konzernklausel erforderte bisher einen dreistufigen Konzernaufbau. Dies bedeutete, dass die Konzernklausel insbesondere Übertragungen von und an die Konzernspitze nicht begünstigte.7

3 EuGH, Beschl. v. 3.7.2014 – Rs. C-102/13 P, der damit das Urteil des EuG v. 18.12.2012 – T-205/11, DStR 2013, 132, bestätigt hat. 4 Az. C-209/16 P, C-203/16 P und C-208/16 P. 5 BT-Drs. 18/4902, 54. 6 Vgl. auch Unterberg, GmbHR 2015, 1190, 1191, m.w.N. 7 Vgl. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 8c KStG Rz. 59i.

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Lang/Schumacher, Änderungen für Unternehmen durch d. StÄndG 2015



Unklar war bisher, wer „dieselbe Person“ i.S. der Konzernklausel sein kann. Fraglich war dies vor allem bei Personengesellschaften. Nach Auffassung der Finanzverwaltung konnten Personengesellschaften nicht „Person“ in diesem Sinne sein.8



Streit gab (und gibt) es auch darum, ob mehrere (nahestehende) Personen für die Prüfung der 100 %-Grenze zusammengerechnet werden können.9 Die Finanzverwaltung lehnt dies ab.10

Der Gesetzeswortlaut hat den tatsächlichen Willen des Gesetzgebers also nur sehr unzureichend wiedergegeben.

2. Begriffsbestimmungen Für die Anwendung der Konzernklausel werden die verschiedenen Ebenen allgemein wie folgt bezeichnet:11 Dieselbe Person, die zu jeweils 100 % am übertragenden und am übernehmenden Rechtsträger beteiligt ist sog. Zurechnungsebene

M AG

100 %

T1 GmbH

100 %

T2 GmbH

Übertragender und übernehmender Rechtsträger sog. Handlungsebene

V GmbH

Verlustgesellschaft sog. Verlustebene

> 25 %

V GmbH

Der dargestellte Sachverhalt war bereits nach dem bisherigen Gesetzeswortlaut begünstigt: Werden mehr als 25 % der Anteile an der V GmbH von der T1 GmbH auf die T2 GmbH übertragen, ist eine Person (nämlich die A AG; sog. Zurechnungsebene) sowohl am übertragenden Rechtsträger (T1 GmbH) als auch am übernehmenden Rechtsträger (T2 GmbH) zu

8 Entwurf eines an die Verbände zur Stellungnahme übersandten erweiterten BMF-Schreibens zu § 8c KStG vom 15.4.2014 (nachfolgend: „Verbandsentwurf“), Rz. 41. 9 Dazu z.B. vgl. Eisgruber/Schaden, Ubg 2010, 73. 10 Zum Streitstand vgl. z.B. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, 8c KStG Rz. 59k. 11 Vgl. Verbandsentwurf, Rz. 39.

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Lang/Schumacher, Änderungen für Unternehmen durch d. StÄndG 2015

100 % beteiligt (sog. Handlungsebene). Auf die Höhe der Beteiligung auf der Verlustebene (V GmbH) kam es nicht an.

3. Die neu begünstigten Fälle 3.1 Die gesetzliche Neuregelung Die neue Konzernklausel des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG lautet nach der Neufassung durch das StÄndG 2015 nun wie folgt: „Ein schädlicher Beteiligungserwerb liegt nicht vor, wenn 1. an dem übertragenden Rechtsträger der Erwerber zu 100 Prozent mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist und der Erwerber eine natürliche oder juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft ist, 2. an dem übernehmenden Rechtsträger der Veräußerer zu 100 Prozent mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist und der Veräußerer eine natürliche oder juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft ist oder 3. an dem übertragenden und an dem übernehmenden Rechtsträger dieselbe natürliche oder juristische Person oder dieselbe Personenhandelsgesellschaft zu jeweils 100 Prozent mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist.“

Die Neuregelung ist erstmals auf Beteiligungserwerbe nach dem 31. Dezember 2009 anzuwenden (§ 34 Abs. 6 Satz 5 KStG). Sie gilt also rückwirkend ab 2010 und wirkt damit auf den Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung der Konzernklausel zurück.12 3.2 Der erste Grundfall der neuen Nr. 1 § 8c Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 KStG betrifft Fälle, in denen eine Muttergesellschaft die Anteile von einer nachgeordneten Gesellschaft erwirbt, an der sie mittelbar oder unmittelbar zu 100 % beteiligt ist. Beispiel: Die M AG, an der zahlreiche Aktionäre beteiligt sind, hält 100 % der Anteile an der T GmbH und diese wiederum 100 % an der V GmbH. Die V GmbH verfügt über einen steuerlichen Verlustvortrag. Die T GmbH wird auf die V GmbH verschmolzen („Abwärtsverschmelzung“).

12 Näheres zur zeitlichen Anwendung vgl. unten Tz. 3.7.

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Lang/Schumacher, Änderungen für Unternehmen durch d. StÄndG 2015 Schaubild:

M AG

100 %

T GmbH 100 %

Verschmelzung

V GmbH

Bisherige Lösung: Der Fall war bisher – zumindest nach Verwaltungsauffassung – nicht begünstigt, da die M AG übernehmender Rechtsträger der Anteile an der V GmbH ist; an der M AG besteht jedoch keine 100 %-Beteiligung. Bei der Auslegung des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG a.F. galt nämlich eine normspezifische Sichtweise.13 Aus umwandlungssteuerrechtlicher Sicht ist nämlich die V GmbH (und nicht die M AG) übernehmender Rechtsträger. Diese Sichtweise sollte aber bei der Auslegung des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG nicht anwendbar sein. Neue Lösung: Nun ist der Sachverhalt nach der neuen Nr. 1 des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG von der Konzernklausel begünstigt. Der Erwerber der Anteile (an der V GmbH) ist am übertragenden Rechtsträger (T GmbH) nämlich zu 100 % (unmittelbar) beteiligt; der Erwerber (M AG) ist eine juristische Person. Es ist unschädlich, dass nach der Übertragung kein dreistufiger Konzernaufbau mehr vorliegt. Hinweis: Die umgekehrte Verschmelzungsrichtung (V GmbH auf T GmbH) würde zum Wegfall der Verluste der V GmbH nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG führen; an dieser Rechtslage ändert auch die nun erweiterte Konzernklausel nichts.

Auf die Rechtsform des 100 %-Gesellschafters kommt es nicht entscheidend an. Statt der M AG könnte also z.B. auch eine natürliche Person (M) an der T GmbH beteiligt sein. Dies gilt selbst dann, wenn M die Anteile an der T GmbH in seinem Privatvermögen halten würde. Ebenso würde die Konzernklausel nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auch bei einer 100 %-Beteiligung einer Personenhandelsgesellschaft (OHG, KG) eingreifen. Schädlich wäre in diesem Zusammenhang aller-

13 Vgl. Verbandsentwurf, Rz. 45.

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Lang/Schumacher, Änderungen für Unternehmen durch d. StÄndG 2015

dings die Beteiligung einer Personengesellschaft, die keine Personenhandelsgesellschaft ist (z.B. eine GbR).14 Ein entsprechendes Ergebnis ergibt sich im obigen Beispiel im Übrigen, wenn die T GmbH die Anteile an der V GmbH an die M AG veräußern würde. Die V GmbH würde in diesem Fall zur Schwestergesellschaft der T GmbH werden. Bei der erworbenen Beteiligung i.S. der neuen Nr. 1 kann es sich u.E. auch um eine mittelbare Beteiligung an einer Verlustgesellschaft handeln. Es ist also unschädlich, wenn zwischen dem übertragenden Rechtsträger und der Verlustgesellschaft eine weitere Gesellschaft „zwischengeschaltet“ ist.15 Von der Grundvoraussetzung, dass der Erwerber zu 100 % am übertragenden Rechtsträger beteiligt sein muss, lässt der Gesetzeswortlaut keine Ausnahme zu. Dies gilt unabhängig von der Höhe der Beteiligung eines ggf. vorhandenen weiteren Gesellschafters und auch dann, wenn es sich bei dem weiteren Gesellschafter um eine nahestehende Person des Erwerbers handelt.16 Es kann Sachverhalte geben, in denen ein Anteilserwerb sowohl die Voraussetzungen von § 8c Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 KStG als auch von Nr. 3 erfüllt. Dies wäre im obigen Grundfall z.B. dann gegeben, wenn an der M AG ebenfalls eine 100 %-Beteiligung bestünde und erst an diesem Gesellschafter mehrere Personen beteiligt wären. Ein bestimmtes Rangverhältnis zwischen den einzelnen Nummern in § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG besteht nicht. Im Hinblick auf die identischen Rechtsfolgen ist dies auch nicht von entscheidender Bedeutung.17 3.3 Der zweite Grundfall der neuen Nr. 1 Die neue Nr. 1 umfasst daneben auch Fälle, in denen eine Umwandlung einer zwischengeschalteten Gesellschaft auf das Mutterunternehmen erfolgt.

14 15 16 17

Zu Abgrenzungsfragen in diesem Zusammenhang vgl. unten Tz. 3.6. Ebenso Dötsch/Leibner in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 8c KStG Rz. 110. Kritisch dazu Hinder/Hentschel, GmbHR 2015, 16. Ebenso Adrian, Ubg 2015, 288, 290.

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Lang/Schumacher, Änderungen für Unternehmen durch d. StÄndG 2015 Beispiel: Die M AG, an der zahlreiche Aktionäre beteiligt sind, hält 100 % der Anteile an der T GmbH und diese wiederum 100 % an der V GmbH. Die V GmbH verfügt über einen steuerlichen Verlustvortrag. Die T GmbH wird auf die M AG verschmolzen werden („Aufwärtsverschmelzung“). Schaubild:

M AG 100 %

Verschmelzung

T GmbH 100 %

V GmbH

Bisherige Lösung: Auch dieser Fall war bisher – zumindest nach Verwaltungsauffassung – nicht begünstigt, da die M AG übernehmender Rechtsträger der Anteile an der V GmbH ist; an der M AG besteht jedoch keine 100 %-Beteiligung. Neue Lösung: Nun ist dieser Sachverhalt nach der neuen Nr. 1 begünstigt. Der Erwerber der Anteile (an der V GmbH) ist am übertragenden Rechtsträger (T GmbH) zu 100 % (unmittelbar) beteiligt; der Erwerber (M AG) ist eine juristische Person. Auch in diesem Fall besteht nach der Umstrukturierung kein dreistufiger Konzernaufbau mehr.

3.4 Der dritte Grundfall der neuen Nr. 1 Ebenfalls von der neuen Nr. 1 begünstigt sind nun Fälle, in denen eine Tochtergesellschaft eine Beteiligung an einer Verlustgesellschaft im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf ihre Muttergesellschaft überträgt. Beispiel: Die M AG, an der zahlreiche Aktionäre beteiligt sind, hält 100 % der Anteile an der T GmbH und diese wiederum 100 % an der V GmbH. Die V GmbH verfügt über einen steuerlichen Verlustvortrag. Die T GmbH überträgt die Anteile an der V GmbH auf die M AG.

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Lang/Schumacher, Änderungen für Unternehmen durch d. StÄndG 2015 Schaubild:

M AG

100 %

Veräußerung an die MAG

T GmbH 100 % V GmbH

Bisherige Lösung: Der Fall war bisher nicht begünstigt, da die M AG übernehmender Rechtsträger der Anteile an der V GmbH ist; an der M AG besteht jedoch keine 100 %-Beteiligung.18 Neue Lösung: Nun ist der Sachverhalt nach der neuen Nr. 1 begünstigt. Der Erwerber der Anteile (an der V GmbH) ist am übertragenden Rechtsträger (T GmbH) zu 100 % (unmittelbar) beteiligt; der Erwerber (M AG) ist eine juristische Person. Dies gilt auch hier unabhängig davon, dass nach der Anteilsübertragung kein dreistufiger Konzernaufbau mehr besteht, sondern Schwestergesellschaften entstanden sind. Abwandlung: Der Fall wäre nun auch begünstigt, wenn statt der M AG die natürliche Person M die Anteile an der T GmbH und (nach der Übertragung) an der V GmbH hält (oder auch eine Personenhandelsgesellschaft).

3.5 Der Grundfall der neuen Nr. 2 § 8c Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 KStG erfasst Veräußerungen der Muttergesellschaft an nachgeordnete Gesellschaften, an denen sie mittelbar oder unmittelbar zu 100 % beteiligt ist. Beispiel: Die M AG, an der zahlreiche Aktionäre beteiligt sind, hält jeweils 100 % der Anteile an der T GmbH und an der V GmbH. Die V GmbH verfügt über einen steuerlichen Verlustvortrag. Die M AG überträgt die Anteile an der V GmbH auf die T GmbH.

18 Verbandsentwurf v. 15.4.2014, Rz. 45.

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Lang/Schumacher, Änderungen für Unternehmen durch d. StÄndG 2015 Schaubild:

M AG

100 % 100 %

T GmbH

V GmbH

Bisherige Lösung: Der Fall war bisher nicht begünstigt, da die M AG übertragender Rechtsträger der Anteile an der V GmbH ist; an der M AG besteht jedoch keine 100 %-Beteiligung. Neue Lösung: Nun ist die Übertragung nach der neuen Nr. 2 begünstigt. Am übernehmenden Rechtsträger der Anteile (T GmbH) ist der Veräußerer (M AG) nämlich zu 100 % (unmittelbar) beteiligt; Veräußerer ist eine juristische Person (M AG). Vor der Übertragung war kein (mindestens) dreistufiger Konzernaufbau gegeben; nach der Übertragung liegt eine dreistufige Konstellation vor. Abwandlung 1: Dies gilt auch, wenn Gesellschafter der T GmbH und der V GmbH nicht die M AG, sondern die natürliche Person M ist. Abwandlung 2: Ebenso ist § 8c Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 KStG anwendbar, wenn die M AG nicht unmittelbar an der V GmbH, sondern nur mittelbar über die Z GmbH an der V GmbH beteiligt wäre und die Anteile an der Z GmbH auf die T GmbH übertragen würde. Die M AG ist in diesem Fall zu 100 % an dem Erwerber der Anteile an der V GmbH beteiligt.

Fraglich ist allerdings, ob von Nr. 2 auch Übertragungen im Wege einer verdeckten Einlage betroffen sind. Der Gesetzeswortlaut spricht vom „Veräußerer“; bei einer verdeckten Einlage liegt jedoch gerade keine Veräußerung vor. An anderen Stellen im Ertragsteuerrecht, die ebenfalls eine Veräußerung als Tatbestandsvoraussetzung haben, wird eine verdeckte Einlage jeweils gesetzlich (im Wege einer Fiktion) einer Veräußerung gleichgestellt (z.B. in § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG, in § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 EStG und in § 8b Abs. 2 Satz 6 KStG). Nach Sinn und Zweck der Konzernklausel müsste allerdings eine Begünstigung gegeben sein. Für die Frage, ob eine Übertragung innerhalb eines

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Lang/Schumacher, Änderungen für Unternehmen durch d. StÄndG 2015

Konzerns oder einer Unternehmensgruppe erfolgt ist (oder ob eine Beteiligung Dritter erfolgt), kann es nämlich auf die Art der Übertragung nicht ankommen. Die Konzernklausel sollte alle unter den Grundtatbestand des § 8c Abs. 1 Satz 1 und 2 KStG fallenden Erwerbsvorgänge erfassen.19 Es spricht deshalb Einiges dafür, eine normspezifische Auslegung von § 8c Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 KStG vorzunehmen und auch verdeckte Einlagen in die Begünstigung einzubeziehen.20 Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Finanzverwaltung dem folgen wird. 3.6 Der Grundfall der neuen Nr. 3 § 8c Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 KStG regelt die bereits bisher von der Konzernklausel erfassten Fallkonstellationen, erweitert diese allerdings um Personenhandelsgesellschaften als Konzernspitze. Wie bisher muss es sich bei der Beteiligung an der Verlustgesellschaft nicht um eine 100 %-Beteiligung handeln. Beispiel: Die ABC KG, an der mehrere Gesellschafter beteiligt sind, hält jeweils 100 % der Anteile an der T1 GmbH und an der T2 GmbH. Die T1 GmbH ist Mehrheitsgesellschafterin der V GmbH. Die V GmbH verfügt über einen steuerlichen Verlustvortrag. Die T1 GmbH überträgt die Anteile an der V GmbH auf die T2 GmbH. Schaubild

ABC KG

100 %

T1 GmbH

100 %

T2 GmbH

> 50 %

V GmbH

V GmbH

19 Vgl. Unterberg, GmbHR 2015, 1190, 1198. 20 Ebenso Dötsch/Leibner in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 8c KStG Rz. 115; Adrian, Ubg 2015, 288, 290.

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Lang/Schumacher, Änderungen für Unternehmen durch d. StÄndG 2015 Bisherige Lösung: Der Fall entspricht zwar fast dem oben unter Abschnitt II.2 dargestellten Grundfall der bisherigen Konzernklausel. Allerdings ist hier eine Personengesellschaft „Konzernspitze“ (statt einer Kapitalgesellschaft wie in II.2). Die Finanzverwaltung hat hierzu bisher die Auffassung vertreten, dass eine Personengesellschaft nicht „Person“ sein könne, die am übertragenden und übernehmenden Rechtsträger beteiligt ist.21 Zwar war die h.M. in dieser Frage anderer Auffassung.22 Für die Praxis half dies jedoch bei der Sichtweise der Finanzverwaltung nicht weiter; Gestaltungssicherheit war jedenfalls nicht zu erlangen. Neue Lösung: Seit der Gesetzesänderung durch das StÄndG 2015 ist die Übertragung der Anteile an der V GmbH nach der neuen Nr. 3 begünstigt. Der Gesetztext sieht nun nämlich – wie auch in Nr. 1 und Nr. 2 – eindeutig vor, dass auch eine Personenhandelsgesellschaft eine „Person“ sein kann, die zu 100 % am übertragenden und am übernehmenden Rechtsträger beteiligt sein kann.

Die Ausweitung auf Personenhandelsgesellschaften ist dem Grunde nach zu begrüßen; sie bringt allerdings etliche Problempunkte und neue Zweifelsfragen mit sich: –

Nach dem Gesetzeswortlaut ist eindeutig, dass nicht jede Art von Personengesellschaft, sondern nur eine Personenhandelsgesellschaft „Person“ i.S. von § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG sein kann. Damit sind z.B. Gesellschaften bürgerlichen Rechts oder Partnerschaftsgesellschaften keine begünstigten Personen in diesem Sinne.23 In der Gesetzesbegründung24 wird für diese Einschränkung keine Begründung genannt. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass nun eine OHG (§§ 105 ff. HGB) oder eine KG (§§ 161 ff. HGB) oder vergleichbare ausländische Personenhandelsgesellschaften als Konzernspitze zugelassen seien. Eine GmbH & Co. KG ist auch dann eine Personenhandelsgesellschaft in diesem Sinne, wenn sie nur über ihre gewerbliche Prägung (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) ein Gewerbebetrieb ist. Es wird allein auf die handelsrechtliche Einordnung der Personengesellschaft abgestellt.25



Keine Personenhandelsgesellschaft ist u.E. eine stille Gesellschaft. Die gesetzlichen Grundlagen der stillen Gesellschaft sind zwar im HGB geregelt. Dennoch ist eine stille Gesellschaft keine Personen-

21 Verbandsentwurf, Rz. 41. 22 Vgl. z.B. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 8c KStG Rz. 17; Unterberg, GmbHR 2015, 1190, 1193 m.w.N. 23 Vgl. Ritzer/Stangl, DStR 2015, 849, 851; Unterberg, GmbHR 2015, 1190, 1200. 24 BT-Drs. 18/4902, 54. 25 Vgl. Gläser/Zöller, BB 2015, 1117, 1118.

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handelsgesellschaft. Dies ergibt sich bereits aus der Überschrift zum 2. Buch des HGB: „Handelsgesellschaften und stille Gesellschaft“. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich aus steuerlicher Sicht um eine typisch stille oder um eine atypisch stille Gesellschaft handelt. Fraglich ist in diesem Zusammenhang dann aber, ob der Geschäftsinhaber „Person“ i.S. der Regelung ist. Zivilrechtlich hält nämlich er allein (und nicht auch anteilig der stille Gesellschafter) die Anteile am übertragenden bzw. übernehmenden Rechtsträger. Der stille Gesellschafter hat bei der späteren Auseinandersetzung lediglich einen Geldanspruch gegenüber dem Geschäftsinhaber (§ 235 HGB); seine Einlage ist in das Vermögens des Inhabers des Handelsgeschäfts übergegangen (§ 230 Abs. 1 HGB). –

Das Gesetz stellt nicht auf den steuerlichen Begriff der Mitunternehmerschaft, sondern auf das Handelsrecht ab. Ob eine Personenhandelsgesellschaft eine Mitunternehmerschaft ist oder nicht, ist nicht entscheidend. Somit kann auch eine rein vermögensverwaltende OHG oder KG, die steuerlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen erzielt, Konzernspitze i.S. von § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG sein.



Nach der Gesetzesbegründung26 können auch ausländische Personenhandelsgesellschaften Konzernspitze sein, wenn sie einer inländischen Personenhandelsgesellschaft vergleichbar sind. Dies ist u.E. schlüssig, da der Gesetzestext keine Einschränkung auf inländische Personenhandelsgesellschaften enthält. Zumindest im EU-Bereich ist diese Erweiterung auf ausländische Gesellschaften auch notwendig, um einen Diskriminierung (Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit) zu vermeiden. Für die Prüfung der Vergleichbarkeit ist ein Rechtstypenvergleich vorzunehmen; starke Indizien werden dabei die gesetzliche Regelung in einem Handelsgesetz des ausländischen Staates und die Eintragung in das dortige Handelsregister sein;27 in der Praxis kann die Abgrenzung im Einzelfall allerdings Mühe machen.



Die 100 %-Beteiligung muss sich nach der Gesetzesbegründung im Gesamthandsvermögen der Personenhandelsgesellschaft befinden. Eine Zusammenrechnung von Anteilen im Gesamthands- und im

26 BT-Drs. 18/4902, 54. 27 Gläser/Zöller, BB 2015, 1117, 1119.

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Sonderbetriebsvermögen wäre danach nicht zulässig.28 Die Aussage der Gesetzesbegründung ist insoweit schlüssig, wie auch bei der Abgrenzung der Gesellschaften auf das Handelsrecht und nicht auf steuerliche Begrifflichkeiten („Mitunternehmerschaft“) abgestellt wird. Auch die Zusammenrechnung mehrerer Anteile, die sich im Sonderbetriebsvermögen unterschiedlicher Gesellschafter befinden, kommt demnach nicht in Betracht. Eine Begünstigung kann allerdings dann gegeben sein, wenn sich eine 100 %-Beteiligung im Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft befindet. In diesem Fall ist dann aber nicht die Personenhandelsgesellschaft als übertragender oder übernehmender Rechtsträger anzusehen, sondern ihr Gesellschafter (als natürliche oder juristische Person oder ggf. auch als andere Personenhandelsgesellschaft, die an dieser Personenhandelsgesellschaft beteiligt ist). U.E. kommt es auf das handelsrechtliche Gesamthandsvermögen an.29 Das steuerliche Gesamthandsvermögen, also das gesamthänderische Betriebsvermögen einer ertragsteuerlichen Mitunternehmerschaft, kann deshalb nicht maßgeblich sein, weil der Gesetzeswortlaut nicht auf das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft, sondern einer Personenhandelsgesellschaft abstellt. Die Erweiterung des Gesetzeswortlauts auf Personenhandelsgesellschaften (und die damit verbundenen Abgrenzungsfragen) betrifft alle drei Arten der Konzernklausel; in der Nr. 1 kann nämlich der Erwerber und in Nr. 2 der Veräußerer (auch) eine Personenhandelsgesellschaft sein. 3.7 Zeitliche Anwendung Nach § 34 Abs. 6 Satz 5 KStG ist die Neufassung des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG „… erstmals auf Beteiligungserwerbe nach dem 31. Dezember 2009 anzuwenden“. Die Altfassung von § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG, die durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz30 für Übertragungen nach dem 31. Dezember 2009 eingeführt worden war, kommt damit in allen Fällen nicht mehr zur Anwendung (seinerzeit eingeführt ab 2010).

28 A.A. Adrian, Ubg 2015, 288, 293. 29 Ebenso Gohr/Richter, DB 2016, 127, 131; Unterberg, GmbHR 2015, 1190, 1201; Gläser/Zöller, BB 2015, 1117, 1118; Dötsch/Leibner in Dötsch/Pung/ Möhlenbrock, § 8c KStG Rz. 127. 30 Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950.

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Nach der Gesetzesbegründung31 handelt es sich bei der Neufassung des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG um eine begünstigende Regelung, sodass die rückwirkende Anwendung verfassungsrechtlich zulässig sein soll. Dem ist in den meisten Fällen zuzustimmen. Problematisch kann die rückwirkende Anwendung allerdings in folgenden Fallkonstellationen sein: –

Folgt man der h.M. in der Fachliteratur, wonach Personengesellschaften bereits nach bisherigem Recht „beteiligte Person“ i.S. von § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG a.F. sein konnten,32 wirkt die Neuregelung verschärfend für Fälle, in denen eine Personengesellschaft, die nicht Personenhandelsgesellschaft ist (also z.B. eine GbR), Konzernspitze ist.33 Die Finanzverwaltung wird hier allerdings sicherlich die Auffassung vertreten, dass sich daraus kein Vertrauensschutztatbestand ergeben konnte, wenn sie selbst zu keiner Zeit die Auffassung vertreten hatte, dass eine GbR als beteiligte Person zugelassen werden kann.



Außerdem kann es durchaus Fälle geben, in denen Steuerpflichtige in Sachverhaltskonstellationen, die nun nach § 8c Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 oder 2 KStG rückwirkend begünstigt sind, die bisherige Rechtslage im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut akzeptiert und gegen die Annahme eines schädlichen Beteiligungserwerbs keinen Rechtsbehelf eingelegt haben. Ist ein solcher Verlustfeststellungsbescheid bestandskräftig, wird er nun auch nach der Gesetzesänderung nicht mehr änderbar sein. Eine Korrekturmöglichkeit für bestandskräftige Steuer- und Feststellungsbescheide hat der Gesetzgeber jedenfalls im Zusammenhang mit der rückwirkenden Gesetzesänderung nicht vorgesehen; sie ist auch aus den bisherigen Korrekturvorschriften der AO nicht ersichtlich, sofern kein Vorbehalt der Nachprüfung i.S. von § 164 Abs. 1 AO besteht. Solche bestandskräftigen Bescheide sollten allerdings im Hinblick auf die spätestens seit 2011 offenkundige Problematik hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von § 8c KStG eher selten sein.34

31 BT-Drs. 18/4902, 54. 32 Vgl. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 8c KStG Rz. 17, m.w.N. 33 Zur Problematik einer unzulässigen echten Rückwirkung in diesem Zusammenhang vgl. Gläser/Zöller, BB 2015, 1117, 1119. 34 Vgl. Vorlagebeschluss des FG Hamburg an das BVerfG v. 4.4.2011 – 2 K 33/10, DB 2011, 1259; Normenkontrollverfahren beim BVerfG unter dem Az. 2 BvL 6/11 anhängig.

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3.8 Fazit und weiter bestehende Probleme der Konzernklausel Die Neufassung des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG ist aus Sicht der Steuerpflichtigen eindeutig zu begrüßen, weil sie nun wesentlich mehr Fälle begünstigt als dies beim bisherigen Gesetzeswortlaut der Fall war. Der Gesetzeswortlaut wurde damit der ursprünglichen Intention der Regelung wesentlich stärker angenähert. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen Anteilsübertragungen von einer und auf eine Konzernspitze erfolgen. Außerdem ist für die Praxis hilfreich, dass Fragestellungen rund um Personengesellschaften als beteiligte Personen nun weitgehend geklärt sind. Dennoch sind mit der Neuregelung nicht alle Problemstellungen der Konzernklausel gelöst; teilweise ergeben sich auch neue Fragen: –

Nach wie vor ist für die Anwendbarkeit der Konzernklausel eine 100 %-Beteiligung am übertragenden und/oder am übernehmenden Rechtsträger erforderlich. Kleinbeteiligungen Dritter schließen die Begünstigung also auch nach der Neuregelung aus.



Nach wie vor ist fraglich, ob die Verkürzung der Beteiligungskette überhaupt unter § 8c Abs. 1 Satz 1 und 2 KStG fällt. Es bleibt abzuwarten, wie der BFH die hierzu anhängigen Revisionen I R 79/11 und I R 71/14 entscheiden wird.



Eine Zusammenrechnung mehrerer Personen zu einer Personengruppe sieht § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG weiterhin nicht vor. Damit kann eine Personengruppe zwar zu einer Zusammenrechnung für das Vorliegen des Grundtatbestands (§ 8c Abs. 1 Satz 3 KStG), nicht jedoch für die Anwendbarkeit der Konzernklausel vorgenommen werden; Entsprechendes gilt für eine Beteiligung mehrerer nahestehender Personen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Finanzverwaltung eine solche Zusammenrechnung im Verwaltungswege zulassen wird.35



Die neuen Begriffe „Erwerber“ und „Veräußerer“ führen zu neuen Abgrenzungsproblemen, insbesondere bei unentgeltlichen Übertragungen.

35 Für eine Gleichstellung aber z.B. Hinder/Hentschel, GmbHR 2015, 16; zur Thematik vgl. auch Gohr/Richter, DB 2016, 127, 132.

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III. Änderung der Regelungen zu sonstigen Gegenleistungen bei Einbringungen im UmwStG 1. Bisherige Rechtslage Ausgangsfall: A -

Unternehmensteil

Neue Anteile Geld

A GmbH

A bringt einen Unternehmensteil (Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil) in die A GmbH ein. Als Gegenleistung erhält A neue Anteile und einen Geldbetrag. Die A GmbH soll gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG den Antrag auf Buchwertansatz stellen, damit A keinen Veräußerungsgewinn erzielt (§ 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG).

Gem. § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG a.F. hatte die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mindestens mit dem gemeinen Wert der gewährten anderen Wirtschaftsgüter (hier: Geldbetrag) anzusetzen. Die Anschaffungskosten der neuen Anteile verringerten sich um den gemeinen Wert der anderen Wirtschaftsgüter (§ 20 Abs. 3 Satz 3 UmwStG a.F.). Bis zur Höhe des Buchwerts des eingebrachten Unternehmensteils konnten somit andere Wirtschaftsgüter ohne sofortige Gewinnrealisierung gewährt werden; die Versteuerung erfolgte erst bei Veräußerung der neuen Anteile durch den Einbringenden. § 21 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 20 Abs. 3 Satz 3 UmwStG a.F. enthielt entsprechende Regelungen für den Anteilstausch. § 24 UmwStG a.F. enthielt keine Regelung zu einer sonstigen Gegenleistung bei Einbringung von Unternehmensteilen in eine Mitunternehmerschaft. Nach Verwaltungsauffassung erfolgte eine anteilige Gewinnrealisierung.36 Der BFH hat hingegen unter Anwendung der „Einheitstheorie“ entschieden, dass eine sonstige Gegenleistung nicht zur Gewinnrealisierung führte, wenn die Summe aus dem Nominalbetrag der Gutschrift auf dem Kapitalkonto und dem gemeinen Wert der sonstigen Gegenleistung den Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens nicht überstieg.37 36 Vgl. BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314 („UmwSt-Erlass“), Rz. 24.07. 37 Vgl. BFH, Urt. v. 18.9.2013 – X R 42/10, BFH/NV 2013, 1325.

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Bei der Weitereinbringung von Anteilen, die als Gegenleistung für eine Einbringung nach § 20 UmwStG gewährt wurden, führte die Gewährung einer anderen Gegenleistung nicht zur Besteuerung eines Einbringungsgewinns I, soweit sie die Anschaffungskosten bzw. den Buchwert dieser Anteile nicht überstieg (§ 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2, 4 u. 5 UmwStG; dies galt gem. § 22 Abs. 2 Satz 6 UmwStG entsprechend im Rahmen des Einbringungsgewinns II). Im Gegensatz dazu führte nach bisheriger Rechtslage eine sonstige Gegenleistung bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften immer zu einer anteiligen Gewinnrealisierung auf Ebene der Kapitalgesellschaft (§§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG) und des Gesellschafters (insoweit keine Anwendung des § 13 UmwStG38). Die EU-Fusionsrichtlinie lässt die Gewährung einer anderen Gegenleistung grds. bis zu 10 % des Nennwerts der gewährten Anteile zu (Art. 2 FRL; Ausnahme: Einbringung von Unternehmensteilen) und ermöglicht eine Besteuerung beim Gesellschafter (Art. 8 Abs. 9 FRL). Eine weitergehende Begünstigung durch den nationalen Gesetzgeber ist jedoch möglich39.

2. Neuregelung Insbesondere die Regelungen in §§ 20, 21 UmwStG waren wegen „unerwünschter steuerinduzierter Gestaltungen“40 seit einiger Zeit im steuerpolitischen Fokus. Dies führte letztlich zu den Änderungen durch das StÄndG 2015. § 20 Abs. 2 Satz 2 ff. UmwStG wurde wie folgt geändert: „Abweichend von Satz 1 kann das übernommene Betriebsvermögen auf Antrag mit dem Buchwert […] angesetzt werden, soweit […] 4. der gemeine Wert von sonstigen Gegenleistungen, die neben den neuen Gesellschaftsanteilen gewährt werden, nicht mehr beträgt als a) 25 Prozent des Buchwerts des eingebrachten Betriebsvermögens oder b) 500 000 Euro, höchstens jedoch den Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens. 38 Vgl. UmwSt-Erlass, Rz. 13.02. 39 Zur EU-Rechtswidrigkeit der Einstufung der Gewährung eigener Anteile als andere Gegenleistung vgl. Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Vorab-Komm Rz. 27. 40 Vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 121/15, 54.

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Lang/Schumacher, Änderungen für Unternehmen durch d. StÄndG 2015 […] Erhält der Einbringende neben den neuen Gesellschaftsanteilen auch sonstige Gegenleistungen, ist das eingebrachte Betriebsvermögen abweichend von Satz 2 mindestens mit dem gemeinen Wert der sonstigen Gegenleistungen anzusetzen, wenn dieser den sich nach Satz 2 ergebenden Wert übersteigt.“

Entsprechende Änderungen erfolgten in §§ 21 und 24 UmwStG.41 Keine Änderung erfolgte in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG. Dort wird die Behandlung sonstiger Gegenleistungen durch den Großen Senat des BFH geklärt werden.42 Die Neuregelung gilt bei Umwandlungsbeschlüssen und Vertragsabschlüssen nach dem 31.12.2014. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser teilweise echten Rückwirkung ist zweifelhaft.43 Hinsichtlich der Altfälle im Rahmen des § 24 UmwStG ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung die Rechtsprechung des BFH anwendet. Systematisch ist die Neuregelung jedenfalls bei der Einbringung von Unternehmensteilen äußerst fragwürdig, weil dort grundsätzlich die Einheitstheorie gilt und zudem Entnahmen bis zur Höhe des Buchwerts bzw. bei der Einbringung in Personengesellschaften auch darüber hinaus ohne Besteuerung möglich sind (dazu auch unter A.III.3). Aufgrund der Gesetzesänderung stellt sich zunächst die Frage, ob der Begriff „sonstige Gegenleistungen“ anders auszulegen ist als der bisher verwendete Begriff „andere Wirtschaftsgüter“. Dies dürfte im Ergebnis zu verneinen sein, zumal bei den Anschaffungskosten der neuen Anteile gem. § 20 Abs. 3 Satz 3 UmwStG unverändert der gemeine Wert der „anderen Wirtschaftsgüter“ abgezogen wird.44 Die Anwendung der Neuregelung erfordert mehrere Rechenschritte. Berechnungsbeispiel: A bringt einen Betrieb in die A GmbH ein. Der steuerliche Buchwert beträgt 4 Mio. Euro, der gemeine Wert 10 Mio Euro. Als Gegenleistung erhält A neben neuen Anteilen an der A GmbH eine Darlehensforderung i.H.v. 2 Mio. Euro

41 Zur Frage, ob im Rahmen des § 24 UmwStG entgegen der bisherigen Rechtslage auch Zuzahlungen von Dritten, insbesondere anderen Gesellschaftern der übernehmenden Personengesellschaft, unter die Neuregelung fallen vgl. Nöcker, DB 2016, 72. 42 Vgl. die Vorlage des X. Senats; BFH, Beschl. v. 27.10.2015 – X R 28/12, BStBl. II 2016, 90. 43 Zur Diskussion vgl. Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 20 UmwStG VorabKomm Rz. 31. 44 Vgl. Patt in Dötsch/Patt/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Vorab-Komm Rz. 7.

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Lang/Schumacher, Änderungen für Unternehmen durch d. StÄndG 2015 (1) Ermittlung des „unschädlichen“ Teils der sonstigen Gegenleistung: – 25 % von 4 Mio. Euro = 1 Mio. Euro, oder – 500.000 Euro, höchstens Buchwert (nur soweit unter 500.000 Euro; hier: 4 Mio. Euro) – Maßgebender höherer Betrag: 1 Mio. Euro (2) „Schädlicher“ Teil der sonstigen Gegenleistung: 2 Mio. Euro ./. 1 Mio. Euro = 1 Mio. Euro (3) „Soweit“-Rechnung für die Buchwertfortführung (Anteil der unschädlichen Gegenleistung an der gesamten Gegenleistung): (10 Mio. Euro ./. 1 Mio. Euro)/10 Mio. Euro = 90 % (4) Wertansatz (90 % des Buchwerts + schädlicher Teil der sonstigen Gegenleistung): = 0,9 * 4 Mio. Euro + 1 Mio. Euro = 4,6 Mio. Euro A erzielt somit gem. § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG einen Veräußerungsgewinn von 600.000 Euro (= 4,6 Mio. Euro ./. 4 Mio. Euro). Die AK der Anteile betragen 2,6 Mio. Euro

Zu beachten ist daneben § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG n.F., nach dem – wie bisher – mindestens der gemeine Wert der sonstigen Gegenleistungen anzusetzen ist. Variante: Die Darlehensforderung beträgt 10 Mio. Euro „Schädlicher“ Teil der sonstigen Gegenleistung: 10 Mio. Euro ./. 1 Mio. Euro = 9 Mio. Euro „Soweit“-Rechnung (Anteil der unschädlichen Gegenleistung an der gesamten Gegenleistung): (10 Mio. Euro ./. 9 Mio. Euro)/10 Mio. Euro = 10 % Wertansatz (10 % des Buchwerts + schädlicher Teil der sonstigen Gegenleistung): 0,1 * 4 Mio. Euro + 9 Mio. Euro = 9,4 Mio. Euro Dies würde zu negativen Anschaffungskosten der Anteile i.H.v. ./. 600.000 Euro (= 9,4 Mio. Euro ./. 10 Mio. Euro) führen. Daher ist gem. § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG n.F. der gemeine Wert der sonstigen Gegenleistung anzusetzen. Somit hat die A GmbH den Betrieb mit 10 Mio. Euro anzusetzen und A erzielt einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 6 Mio. Euro. Die AK der Anteile betragen 0 Euro.

Die Unschädlichkeitsgrenze gilt – wie bisher – grundsätzlich für jeden Einbringenden und jeden Einbringungsgegenstand.

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Lang/Schumacher, Änderungen für Unternehmen durch d. StÄndG 2015 Beispiel 1: A, B, C und D sind jeweils zu 25 % an der A KG beteiligt und bringen ihre Mitunternehmeranteile gleichzeitig gem. § 20 UmwStG in die A GmbH ein. Bei jedem Einbringenden ist der unschädliche Betrag der sonstigen Gegenleistungen getrennt zu ermitteln, so dass auch der Unschädlichkeitsbetrag von 500.000 Euro jedem Einbringenden gewährt wird. Beispiel 2: A, B, C und D sind jeweils zu 25 % an der A KG beteiligt, die gem. § 20 UmwStG auf die A GmbH verschmolzen wird (oder durch Formwechsel in die A GmbH umgewandelt wird). Einbringungsgegenstand ist nach streitiger Verwaltungsauffassung der Betrieb der A KG, obwohl die Gesellschafter die Einbringenden sind.45 Dennoch sollte eine getrennte Prüfung der Unschädlichkeitsgrenze erfolgen, zumal die Buchwerte für jeden Mitunternehmer abweichen können. Beispiel 3: A, B, C und D sind jeweils zu 25 % an der A KG beteiligt, die ihren Betrieb gem. § 20 UmwStG in die A GmbH einbringt, an der sie zu 100 % beteiligt ist. Einbringender ist die A KG.46 Es liegt danach ein einheitlicher Einbringungsvorgang vor, so dass die Unschädlichkeitsgrenze einheitlich zu prüfen ist. Dies dürfte auch dann gelten, wenn der Betrieb aus mehreren Teilbetrieben besteht. Beispiel 4: A ist zu jeweils 25 % an der A KG und der B KG beteiligt und bringt beide Mitunternehmeranteile gleichzeitig gem. § 20 UmwStG in die C GmbH ein. Es liegen zwei getrennte Einbringungsvorgänge vor, für die jeweils die Unschädlichkeitsgrenze zu ermitteln ist (eine einheitlich gewährte sonstige Gegenleistung ist wohl quotal im Verhältnis der Verkehrswerte aufzuteilen). Beispiel 5: A hält einen Mitunternehmeranteil an der A KG. Im Abstand von jeweils einem Jahr bringt er jeweils ein Drittel dieses Mitunternehmeranteils in die A GmbH ein. Die Einbringung eines Teil-Mitunternehmeranteils erfüllt die Voraussetzungen des § 20 UmwStG.47 Der Unschädlichkeitsbetrag von 500.000 Euro ist pro Einbringungsvorgang zu gewähren. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass die Finanzverwaltung bei zu großer Zeitnähe zwischen den einzelnen Einbringungen einen Gestaltungsmissbrauch annehmen wird.

45 Vgl. UmwSt-Erlass, Rz. 20.03 u. 20.05. 46 Vgl. UmwSt-Erlass, Rz. 20.03. 47 Vgl. UmwSt-Erlass, Rz. 20.11.

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Lang/Schumacher, Änderungen für Unternehmen durch d. StÄndG 2015 Beispiel 6: A, B, C und D sind jeweils zu 25 % an der M KG beteiligt, die wiederum zu 100 % an der T KG beteiligt ist. A, B, C und D bringen ihre Mitunternehmeranteile gleichzeitig gem. § 20 UmwStG in die A GmbH ein. Nach Verwaltungsauffassung liegt hinsichtlich der Mitunternehmeranteile an der M KG und der T KG ein einheitlich zu beurteilender Einbringungsvorgang vor.48 Der Unschädlichkeitsbetrag von 500.000 Euro ist daher pro Gesellschafter nur einmal zu gewähren, in die 25 %-Grenze geht der Buchwert des Betriebsvermögens der T KG jedoch über die Spiegelbildmethode mit ein. Beispiel 7: A, B, C und D sind jeweils zu 25 % an der A GmbH beteiligt und bringen ihre Anteile gleichzeitig gem. § 21 UmwStG in die H GmbH ein. Die Tatsache, dass keine der Einbringungen isoliert einen qualifizierten Anteilstausch darstellt und sie daher in einem einheitlichen Kapitalerhöhungsvorgang erfolgen müssen,49 ändert nichts daran, dass vier getrennte Einbringungen mit getrenntem Ansatzwahlrecht vorliegen. Daher sollte auch die Unschädlichkeitsgrenze getrennt zu prüfen sein.

Die Einbringung der für die Einbringung eines Unternehmensteils erhaltenen neuen Anteile ist – wie bisher – unschädlich, wenn diese gem. §§ 20, 21 UmwStG zu Buchwerten erfolgt. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UmwStG wurde wie folgt gefasst: „Die Sätze 1 bis 6 gelten entsprechend, wenn […] der Einbringende die erhaltenen Anteile entgeltlich überträgt, es sei denn, er weist nach, dass die Übertragung durch einen Vorgang im Sinne des § 20 Absatz 1 oder § 21 Absatz 1 oder auf Grund vergleichbarer ausländischer Vorgänge zu Buchwerten erfolgte und keine sonstigen Gegenleistungen erbracht wurden, die die Grenze des § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 oder die Grenze des § 21 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 übersteigen“.

§ 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 4 u. 5 UmwStG wurden für Folgeeinbringungen entsprechend ergänzt. Weiterhin führt auch eine geringfügige Überschreitung der Unschädlichkeitsgrenzen und damit des Buchwerts dazu, dass die Einbringungsgewinnbesteuerung vollumfänglich ausgelöst wird („wenn“). Da die Buchwertfortführung im Inlandsfall ohnehin nur möglich ist, wenn die Grenze der unschädlichen sonstigen Gegenleistung nicht überschritten wird, dürfte die Ergänzung hinsichtlich der sonstigen Gegenleistung nur bei einer grenzüberschreitenden Ketteneinbringung materielle Bedeutung haben. 48 Vgl. UmwSt-Erlass, Rz. 20.12. 49 Vgl. UmwSt-Erlass, Rz. 21.09.

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Nach der Systematik der Regelung bezieht sich die Beschränkung der sonstigen Gegenleistung auf die Anteilsübertragung, nicht auf die ursprüngliche Einbringung. Dadurch ergibt sich bei Ketteneinbringungen eine mehrfache Anwendung der Unschädlichkeitsgrenzen. Fortführung des Berechnungsbeispiels: A bringt die Anteile an der A GmbH in die H GmbH ein. Eine sonstige Gegenleistung ist bis zu einem Betrag von 650.000 Euro (= 25 % der Anschaffungskosten i.H.v. 2,6 Mio. Euro) unschädlich. Die AK der neuen Anteile an der H GmbH betragen 1,95 Mio. Euro. Bei einer weiteren Folgeeinbringung wäre eine sonstige Gegenleistung bis zu einem Betrag von 500.000 Euro unschädlich, etc.

3. Gestaltungsfragen Aufgrund der Neuregelung hat die „zutreffende“ Zuordnung aktiver und passiver Wirtschaftsgüter zu einem Unternehmensteil eine erheblich größere Bedeutung als bisher. Zum einen ist bei der Einbringung von Unternehmensteilen die Entnahme insbesondere von Geld oder Forderungen bzw. die Zurückbehaltung solcher Wirtschaftsgüter, die keine wesentlichen Betriebsgrundlagen sind, möglich50. Dies führt bei der Einbringung in Kapitalgesellschaften bis zur Höhe des Buchwerts (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG) und bei der Einbringung in Personengesellschaften auch darüber hinaus51 nicht zu einer Gewinnrealisierung. Wenn keine Entnahme erfolgt, sondern in gleicher Höhe eine sonstige Gegenleistung gewährt wird, kommt es bei Überschreiten der Unschädlichkeitsgrenzen zu einer anteiligen Gewinnrealisierung. Bei der Einbringung von Teilbetrieben ist zu beachten, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung alle wirtschaftlich zuordenbaren Wirtschaftsgüter mit übertragen werden müssen.52 Im Falle der Notwendigkeit einer Fremdfinanzierung von Entnahmen ist die betriebliche Veranlassung der Verbindlichkeit zu prüfen (anderenfalls liegt in der Übernahme dieser Verbindlichkeit eine sonstige Gegenleistung). Dies kann durch das „Zwei-Konten-Modell“ sichergestellt werden.53 Bei Teilbetrieben können (und müssen) nach Verwaltungsauffassung die wirtschaftlich zuordenbaren Verbindlichkeiten mit übertragen werden; 50 Aufgrund von § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG wohl auch nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag. 51 Vgl. UmwSt-Erlass, Rz. 24.04. 52 Vgl. UmwSt-Erlass, Rz. 20.06 i.V.m. 15.07. 53 Vgl. dazu BFH, Beschl. v. 8.12.1997 – GrS 1-2/95, BStBl. II 1998, 193.

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eine freie Zuordnung von Verbindlichkeiten ist daher nur sehr eingeschränkt möglich. Die „falsche“ Zuordnung einer Verbindlichkeit führt zu einer sonstigen Gegenleistung.54 Des Weiteren stellt sich die Frage, ob Ausschüttungen im Zusammenhang mit der Einbringung als sonstige Gegenleistung angesehen werden könnten. Beispiel: Die A AG bringt einen Teilbetrieb (steuerlicher Buchwert 10 Mio. Euro, gemeiner Wert 100 Mio. Euro) mit steuerlichem Übertragungsstichtag 31.12.2015 in die neu gegründete T GmbH ein und erhält dafür nur neue Anteile im Nennwert von 100.000 Euro als Gegenleistung. Die T GmbH setzt in ihrer Handelsbilanz den Buchwert i.H.v. 10 Mio. Euro an und bildet eine Kapitalrücklage i.H.v. 9,9 Mio. Euro. Im Mai 2016 erfolgt eine Ausschüttung aus der Kapitalrücklage i.H.v. 9,9 Mio. Euro. Die Ausschüttungsforderung wird in ein Darlehen umgewandelt.

Mangels eines ausschüttbaren Gewinns zum 31.12.2015 gilt gem. § 27 Abs. 1 Satz 3, 5 KStG bis zu einem Betrag i.H.v. 9,9 Mio. Euro das steuerliche Einlagekonto als verwendet (im ersten Wirtschaftsjahr nach Gründung ist § 27 Abs. 2 Satz 3 KStG anzuwenden).55 Dies führt nicht zur Besteuerung eines Einbringungsgewinns gem. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG, da der Buchwert der Beteiligung nicht überschritten wird.56 Nach der Rechtsprechung des EuGH zur Fusionsrichtlinie liegt in einer Ausschüttung nach Einbringung keine sonstige Gegenleistung, allerdings kann danach im Einzelfall ein Rechtsmissbrauch vorliegen.57 Eine Anwendung des § 42 AO dürfte allerdings kaum in Betracht kommen, da der Steuerpflichtige von den drei Alternativen – Entnahme vor Einbringung, sonstige Gegenleistung, Ausschüttung nach Einbringung – die für ihn steuerlich günstigste wählen kann.58 Die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos für eine Auszahlung in Höhe des steuerlichen Buchwerts kann auch dadurch erreicht werden, dass bei der Einbringung in voller Höhe Stammkapital gebildet wird.

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Vgl. Patt in Dötsch/Patt/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Vorab-Komm Rz. 12. Vgl. Dötsch in Dötsch/Patt/Möhlenbrock, § 27 KStG Rz. 124. Vgl. UmwSt-Erlass, Rz. 22.24. Vgl. EuGH, Urt. v. 5.7.2007 – C-321/05, Slg 2007, I-5795. Vgl. BFH, Urt. v. 12.7.2012 – I R 23/11, BFH/NV 2012, 1901, Rz. 30 m.w.N.

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Wenn zu einem späteren Zeitpunkt eine Kapitalherabsetzung erfolgt, gilt für diese gem. § 28 Abs. 2 Satz 3 KStG vorrangig das steuerliche Einlagekonto als verwendet. Soweit – bei einer über das Einlagekonto hinausgehenden Ausschüttung (denkbar bis zum gemeinen Wert (abzügl. Stammkapital) bei entsprechendem Ansatz in der Handelsbilanz) – der ausschüttbare Gewinn als verwendet gilt, liegt ein Bezug i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor, der bei einer einbringenden Kapitalgesellschaft gem. § 8b Abs. 1 KStG zu 95 % freigestellt ist. Für Zwecke der Gewerbesteuer erfordert dies gem. § 8 Nr. 5 i.V.m. 9 Nr. 2a GewStG, dass die Ausschüttung zu Beginn des Erhebungszeitraums (grds. Kalenderjahr) mindestens 15 % beträgt. Dies sollte auch bei Neugründung durch eine steuerliche Rückwirkung der Einbringung gem. § 20 Abs. 5, 6 UmwStG auf den 31.12. des Vorjahres gewährleistet sein, da die gewährten Anteile dem Einbringenden mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags zuzurechnen sind.59 Für Zwecke des § 8b Abs. 4 KStG gilt zudem die Rückwirkungsfiktion des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG.

59 Vgl. UmwSt-Erlass, Rz. 20.14 a.E. Dies ist anders gelagert als der Anteilstausch, bei dem keine steuerliche Rückwirkung möglich ist; vgl. zur Gesellschaftsebene BFH, Urt. v. 16.4.2014 – I R 44/13, BStBl. II 2015, 303.

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Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG Oberregierungsrätin Alexandra Pung1 Landesamt für Steuern, Koblenz Dr. Norbert Schneider2 Rechtsanwalt, Steuerberater, Köln Inhaltsübersicht A. Einleitung B. Status Quo vor Erlass des BMF-Schreibens v. 21.12.2015 I. Entstehungsgeschichte der Norm II. Funktionsweise des § 50i EStG 1. Einführung des § 50i EStG durch das AmtshilfeRLUmsG 2. Verschärfung des § 50i EStG in 2014 durch das KroatienAnpG a) § 50i Abs. 1 S. 2 EStG b) § 50i Abs. 2 S. 1 EStG c) § 50i Abs. 2 S. 2 EStG d) § 50i Abs. 2 S. 3 EStG 3. Persönlicher Anwendungsbereich von § 50i EStG III. Überblick über die derzeit erfassten Grundfälle C. Entschärfung der Regelung I. Einschränkung des zeitlichen Anwendungsbereichs von § 50i Abs. 1 EStG

1. Eindeutig erfasste oder nicht erfasste Fälle 2. Anwendung bei Einlage vor und Wegzug nach dem 29.6.2013? II. Einschränkung des Besteuerungsumfangs III. Tatbestandliche Begrenzung des § 50i Abs. 2 EStG 1. Überblick über Problemkonstellationen 2. Beschränkung auf Steuerpflichtige mit Ansässigkeit im Ausland 3. Beschränkung auf reine Wegzugsfälle IV. Begrenzung durch das neue BMF-Schreiben vom 21.12.2015 aus Sicht der Finanzverwaltung 1. Hintergrund des BMFSchreibens 2. Grundsätze des BMFSchreibens 3. Einzelfälle

1 Alexandra Pung ist als Oberregierungsrätin im Landesamt für Steuern Rheinland-Pfalz tätig. 2 RA/StB Dr. Norbert Schneider ist Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP im Rheinland Büro und Leiter der Steuerpraxis Deutschland/Österreich. Der Beitrag beruht auf dem Vortrag beim Fachkongress 2015 am 27. Oktober 2015; Frau Pung hat den Teil zum neuen BMF-Schreiben vom 21.12.2015 verfasst, die übrigen Teile Herr Dr. Schneider.

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Pung/Schneider, Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG a) Beispiel zur Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG (i) Alternative a): Erbe im Inland (ii) Alternative b): Erbe im Ausland b) Beispiel zur Übertragung nach § 6 Abs. 5 EStG (iii) Alternative a): aufnehmende PersG ist gewerblich tätig (iv) Alternative b): aufnehmende PersG ist nur gewerblich geprägt c) Beispiel zum Strukturwandel

d) Beispiel zur Einbringung in eine Kapitalgesellschaft nach § 20 UmwStG (v) Alternative a): Formwechsel in deutsche GmbH (vi) Alternative b): Einbringung in Luxemburger S.A. D. § 50i EStG und funktionale Zuordnung I. Grundsätze der funktionalen Zuordnung von Beteiligungen II. Zuordnung bei Betriebsstätten, die als geschäftsleitende Holding fungieren

A. Einleitung § 50i EStG ist seit seiner Einführung im Jahr 2013 eine umstrittene Norm, deren Inhalt und Anwendung eine Vielzahl (teils sehr grundsätzlicher) Fragen aufwirft. Die erhebliche Kritik in der Literatur richtet sich vor allem gegen den ausufernden Anwendungsbereich der Norm, der sich insbesondere durch die Erweiterung der Norm um einen Abs. 2 im Jahr 2014 ergeben hat. Seither werden regelmäßig Forderungen nach Begrenzungen der Norm durch eine Gesetzesänderung oder zumindest den Erlass eines begrenzenden Verwaltungserlasses erhoben. Die „erste Gelegenheit“ hat das BMF 2014 verstreichen lassen, indem es in der Neufassung des Schreibens zur internationalen Besteuerung von Personengesellschaften3 zwar einige Ausführungen zum Anwendungsbereich des § 50i EStG aufnahm, inhaltlich aber eben keinerlei Begrenzung vornahm. Trotz der Befassung mit dem Komplex § 50i EStG auf den Fachkongressen 2013 und 20144 war dies Anlass genug, der Frage einer sinnvollen

3 Vgl. BMF, Schr. v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.3.3. 4 Vgl. die entsprechenden Beiträge von Hruschka/Lüdicke, StbJb 2013/2014, S. 237 sowie Lang/Benz, StbJb 2014/2015, S. 183.

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Pung/Schneider, Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG

Begrenzung dieser Norm auf dem Fachkongress 2015 erneut nachzugehen. Kurze Zeit danach erließ die Finanzverwaltung dann doch ein inhaltlich begrenzendes BMF-Schreiben zur Anwendung des § 50i EStG (im Folgenden „BMF-Schreiben“).5 Dieser Beitrag stellt die Diskussion um die Begrenzung dar und untersucht, ob und inwieweit die wesentlichen Kritikpunkte durch das neue BMF-Schreiben ausgeräumt wurden.

B. Status Quo vor Erlass des BMF-Schreibens v. 21.12.2015 Die Einführung des § 50i EStG und seine Entwicklung zur aktuellen Fassung sind geprägt von Reaktionen des Gesetzgebers auf befürchtete Besteuerungslücken, ausgelöst durch eine spätestens seit 2010 ständige Rechtsprechung des BFH.

I. Entstehungsgeschichte der Norm Die Einführung des § 50i EStG war zunächst eine gesetzgeberische Reaktion auf die Rechtsprechung des BFH. Der BFH hatte in einem Urteil aus dem Jahr 20106 entschieden, dass Zinserträge einer amerikanischen gewerblich geprägten Personengesellschaft (die nach nationalem Recht also gewerbliche Einkünfte erzielt, § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) Zinseinnahmen i.S.d. DBA sind (Art. 11 Abs. 1 DBA-USA) und nicht Unternehmensgewinne i.S.d. Art. 7 Abs. 1 DBA-USA. Zur Begründung führte der BFH aus, dass der Begriff „Gewinne eines Unternehmens“ in den DBA (bzw. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) abkommensrechtlich zwar nicht definiert sei, ihm aber eine abkommensspezifische Bedeutung zukomme, die einen Rückgriff auf das nationale Recht (hier § 15 Abs. 3 EStG) über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA verbiete. Der Begriff „Gewinne eines Unternehmens“ erfordere eine originär gewerbliche Tätigkeit, innerstaatliche Fiktionen dürften hier nicht zur Anwendung gelangen. Infolge dieser BFH-Rechtsprechung können im Ergebnis (vorbehaltlich spezieller Regelungen in einzelnen DBA) nur noch originär gewerblich tätige Personengesellschaften Unternehmensgewinne i.S.d. Abkommensrechts erzielen. Da gem. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA eine Betriebsstätte ebenfalls zur Erzielung von Unternehmensgewinnen genutzt werden muss, kann grundsätzlich auch

5 BMF, Schr. v. 21.12.2015, BStBl. I 2016, 7. 6 BFH, Urt. v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754.

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Pung/Schneider, Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG

nur eine originär gewerblich tätige Personengesellschaft eine DBA-Betriebsstätte vermitteln. Die Finanzverwaltung war indes stets davon ausgegangen, dass auch die nach nationalem Recht gewerblich geprägte bzw. infizierte Personengesellschaft grundsätzlich Unternehmensgewinne erziele und eine Betriebsstätte vermitteln könne.7 Insofern hatte sie über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA die nationalen Regeln (§ 15 Abs. 3 EStG) auf das Abkommensrecht durchschlagen lassen. Ihre Ansicht hatte die Finanzverwaltung vor (und zum Teil auch weiterhin nach) dem oben genannten BFH-Urteil aus 2010 auch in verbindlichen Auskünften bestätigt. Die ausländischen Staaten, in denen der Gesellschafter ansässig war oder wurde, hatten in diesem Zusammenhang oftmals Bescheinigungen ausgestellt, die (mit teils sehr unterschiedlichen Formulierungen) im Ergebnis das deutsche Besteuerungsrecht auf der Basis eines bestimmten angenommenen Sachverhalts bestätigen sollten. Die alte Verwaltungsauffassung führte dazu, dass der Wegzug des Gesellschafters einer gewerblich geprägten Personengesellschaft aus Deutschland in ein DBA-Land zu keiner Entstrickung (§ 4 Abs. 1 S. 3, 4 EStG) führte und auch nicht zu einer Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG), da das Besteuerungsrecht bezüglich der in dem (nationalen) Betriebsvermögen bzw. den Kapitalgesellschaftsanteilen enthaltenen stillen Reserven über die Regelung in Art. 13 Abs. 2 OECD-MA in Deutschland verbleiben sollte. Bezüglich der laufenden Einkünfte hätte Deutschland auf Basis dieser Auffassung das Besteuerungsrecht nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA zugestanden. Die Ansicht der Finanzverwaltung ermöglichte es dem Inhaber von Kapitalgesellschaftsanteilen steuerfrei aus Deutschland wegzuziehen, indem diese Anteile in eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG eingelegt wurden, die eben nach Auffassung der Finanzverwaltung eine Betriebsstätte i.S.d. jeweiligen DBA vermittelte, der dieses Vermögen auch zugeordnet wurde. Dieser Vorgehensweise wurde (spätestens) durch das erwähnte BFH-Urteil die Grundlage entzogen. Für die von der Finanzverwaltung nach ihrer alten Auffassung bereits beschiedenen Fälle stellte sich das Problem, dass nicht nur der Wegzug des Gesellschafters ins Ausland ohne Aufdeckung der stillen Reserven erfolgt war, sondern auch – infolge der BFH-Rechtsprechung – das deutsche Besteuerungsrecht an den stillen Reserven im (nur natio-

7 BMF, Schr. v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1.

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Pung/Schneider, Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG

nalen) Betriebsvermögen oder in den Kapitalgesellschaftsanteilen verloren ging; ob und inwieweit die oft vorliegenden „Anerkennungsbescheinigungen“ des Zuzugsstaats an diesem Ergebnis etwas ändern würden, war unklar.

Abb. 1: Verlust des deutschen Besteuerungsrechts bei Wegzug.

II. Funktionsweise des § 50i EStG 1. Einführung des § 50i EStG durch das AmtshilfeRLUmsG Diese „Lücke“ nahm der Gesetzgeber im Jahr 2013 zum Anlass, § 50i EStG zu schaffen.8 Die Norm enthielt zum damaligen Zeitpunkt in S. 1 die Regelung, dass der Gewinn aus der späteren Veräußerung der Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen der betroffenen Personengesellschaft bzw. der von ihr gehaltenen Kapitalgesellschaftsanteile von dem weggezogenen Gesellschafter zu versteuern ist. Die Regelung sollte damit das Abkommensrecht, das nach der BFH-Rechtsprechung gerade nicht Deutschland das Besteuerungsrecht zuwies, für die erfassten „Altfälle“ überschreiben („ungeachtet entgegenstehender Bestimmungen des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung“). § 50i EStG findet nur auf Veräußerungsvorgänge Anwendung, die nach dem 29.6.2013 erfolgen (§ 52 Abs. 48 S. 1 EStG) und sich auf Wirt-

8 Eingeführt durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809.

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Pung/Schneider, Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG

schaftsgüter bzw. Kapitalgesellschaftsanteile beziehen, die vor diesem Datum in das Betriebsvermögen der Personengesellschaft überführt worden sind (§ 50i S. 1 EStG a.F.; jetzt § 50i Abs. 1 S. 1 EStG). Für die Anwendung des § 50i EStG ist es irrelevant, welche Art von Wirtschaftsgütern übertragen werden. Sie müssen nur zu dem Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten oder infizierten Personengesellschaft gehören. Bei den Kapitalgesellschaftsanteilen muss es sich um solche i.S.d. § 17 EStG handeln. Entscheidend ist schließlich, dass die stillen Reserven im Zeitpunkt der Übertragung/Überführung der Wirtschaftsgüter/ Kapitalgesellschaftsanteile in das Betriebsvermögen nicht aufgedeckt worden sind. Dies erfasst vor allem die Fälle der Übertragung/Überführung gem. § 6 Abs. 5 EStG zum Buchwert und (nach der Verwaltungsauffassung9) auch zum Zwischenwert. In § 50i S. 3 EStG a.F. (jetzt § 50i Abs. 1 S. 4 EStG) wurde die entsprechende Anwendung dieser Regelungen auf Besitzpersonengesellschaften i.R. der Betriebsaufspaltung angeordnet. In § 50i S. 2 EStG a.F. (jetzt § 50i Abs. 1 S. 3 EStG) wurde diese Regelung auch auf die laufenden Einkünfte ausgedehnt. Bezüglich der laufenden Einkünfte gibt es keine zeitliche Einschränkung; die Regelung ist auf alle noch offenen Fälle anzuwenden (§ 52 Abs. 48 S. 2 EStG). Durch den in § 50i EStG enthaltenen Treaty-Override besteht die Gefahr der Doppelbesteuerung. Diese ist zwar grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der ausländische Staat die bereits erwähnte Zusicherung abgegeben hat, dass er den Veräußerungsgewinn nicht besteuern werde. Dies war z.B. regelmäßig bei der Schweiz und Österreich der Fall. In den übrigen Fällen kann die Doppelbesteuerung aber nur durch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens vermieden werden.10 2. Verschärfung des § 50i EStG in 2014 durch das KroatienAnpG Mit dem Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.7.201411 wurde § 50i EStG in zwei Absätze aufgeteilt. Während der erste Absatz nunmehr die (um einen neuen S. 2 ergänzte)

9 BMF, Schr. v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.3.3.2. a.E. 10 BMF, Schr. v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.3.3.6. 11 BGBl. I 2014, 1266.

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Pung/Schneider, Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG

Altfassung des § 50i EStG enthält, ist § 50i Abs. 2 EStG vollständig neu hinzugefügt worden. a) § 50i Abs. 1 S. 2 EStG Mit der Einführung des § 50i Abs. 1 S. 2 EStG soll erneut eine „Lücke“ geschlossen werden. Diese hatte sich dadurch ergeben, dass § 50i S. 1 EStG a.F. nur die Übertragung oder Überführung von Wirtschaftsgütern oder Kapitalgesellschaftsanteilen i.S.d. § 17 EStG in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft erfasste. Die Regelung konnte dadurch vermieden werden, dass die Wirtschaftsgüter/Anteile nicht in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft überführt wurden, sondern – gleichsam umgekehrt – die originär gewerblich tätige GmbH & Co. KG ihren (operativ tätigen) Betrieb gem. § 20 UmwStG in eine Tochterkapitalgesellschaft einbrachte. Damit wird die GmbH & Co. KG zu einer reinen vermögensverwaltenden Holding, die aber gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägt ist. Damit wäre sie eigentlich eine „50i-Gesellschaft“. Dadurch, dass aber keine Übertragung/Überführung von Wirtschaftsgütern/Anteilen in die Personengesellschaft stattgefunden hat, sondern eine Einbringung eines (Teil-)Betriebs aus der Personengesellschaft heraus (§ 20 UmwStG), konnte § 50i S. 1 EStG a.F. gemäß seines alten Wortlauts nicht eingreifen.

Abb. 2: Vermeidung der § 50i EStG Qualifikation durch Ausgliederung der aktiven Tätigkeit in GmbH.

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Pung/Schneider, Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG

Mit dem neuen § 50i Abs. 1 S. 2 EStG werden auch diese Fälle nunmehr grundsätzlich erfasst. Die Regelungstechnik besteht darin, die infolge der Einbringung erfolgte Gewährung neuer Anteile an der Tochterkapitalgesellschaft als Übertragung/Überführung anzusehen. Damit werden auch solche gewerblich geprägten Personengesellschaften von § 50i EStG erfasst, die erst infolge der Ausgliederung ihres operativen Betriebs entstanden sind. b) § 50i Abs. 2 S. 1 EStG § 50i Abs. 2 S. 1 EStG soll die Fälle erfassen, in denen eine „50i-Gesellschaft“ durch eine Umwandlung oder Einbringung aus dem Anwendungsbereich des § 50i Abs. 1 EStG herausfallen würde. Hintergrund der Regelung ist der Wortlaut von § 50i Abs. 1 S. 1 EStG. Dieser ordnet das deutsche Besteuerungsrecht nur für die „Veräußerung oder Entnahme dieser Wirtschaftsgüter oder Anteile“ an. Konkret bedeutet dies, dass es nach der alten Gesetzesfassung möglich gewesen wäre, dem Anwendungsbereich des § 50i EStG zu entgehen, indem man –

einen (Teil-)Betrieb aus der „50i-Gesellschaft“ (oder Mitunternehmeranteile an ihr) in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 UmwStG) oder Personengesellschaft (§ 24 UmwStG) einbrachte, oder



die bestehende „50i-Gesellschaft“ in eine Kapitalgesellschaft zu Buchwerten formwechselte (§ 25 UmwStG)

und anschließend die neu erhaltenen Anteile veräußerte. Da die Umwandlungen zu Buchwerten möglich waren, wäre es insofern zu keiner Aufdeckung stiller Reserven gekommen. Zudem würde die Regelung des § 50i Abs. 1 S. 1 EStG nicht greifen, da nicht die Wirtschaftsgüter oder Anteile in der „50i-Gesellschaft“ veräußert würden, sondern die neu erhaltenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft. Die einzige Steuerverhaftung bestand nach § 22 Abs. 1 UmwStG für einen Einbringungsgewinn; erfolgte die Veräußerung aber nach Ablauf der in § 22 UmwStG vorgesehenen 7-Jahres-Frist, würde Deutschland gar kein Besteuerungsrecht hinsichtlich des Veräußerungsgewinns an den Anteilen zustehen (wohl aber – was dem § 50i-Gesetzgeber aber nicht reicht – an dem Betriebsvermögen der übernehmenden Kapitalgesellschaft). Es käme insofern mittelfristig zu einer steuerfreien Entstrickung der Anteile.

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Pung/Schneider, Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG

Abb. 3: Verlust des deutschen Besteuerungsrechts an Anteilen 7 Jahre nach Einbringung/Umwandlung in Kapitalgesellschaft.

Um solche Gestaltungen zu vermeiden, wurde in § 50i Abs. 2 S. 1 EStG angeordnet, dass Umwandlungen und Einbringungen von „50i-Gesellschaften“ nicht mehr zu Buchwerten oder Zwischenwerten möglich sind. Die Regelung zwingt somit zur vollständigen Aufdeckung stiller Reserven und verdrängt damit die Regelungen des UmwStG. Sie gilt für alle Umwandlungen, die (vereinfacht) nach dem 31.12.2013 erfolgt sind (§ 52 Abs. 48 S. 4 EStG). c) § 50i Abs. 2 S. 2 EStG In § 50i Abs. 2 S. 2 EStG wird weiterhin die Aufdeckung der stillen Reserven für den Fall der unentgeltlichen Übertragung/Überführung (i) eines Mitunternehmeranteils an der „50i-Gesellschaft“ oder (ii) der in das Gesamthandsvermögen der „50i-Gesellschaft“ bzw. Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers überführten/übertragenen Wirtschaftsgüter/Anteile angeordnet. Durch die Regelung wird die Anwendung von § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG auf „50i-Gesellschaften“ ausgeschlossen. Hinter diesem Ausschluss steht die gesetzgeberische Befürchtung, dass der Inhaber der KG-Anteile diese oder die in die KG eingebrachten Wirtschaftsgüter/Anteile verschenken könnte und damit nicht nur eine Übertragung zu Buchwerten gem. § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG erfolgte, sondern durch die Schenkung auch noch das Besteuerungsrecht bezüglich der Veräußerung der Wirtschaftsgüter/Anteile i.S.d. § 50i EStG ver-

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Pung/Schneider, Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG

loren ginge. Dies wäre dann der Fall, wenn sich die Regelung des § 50i EStG beim Beschenkten nicht fortsetzen würde.12 Die Regelung ist gültig für Übertragungen/Überführungen, die nach dem 31.12.2013 erfolgt sind (§ 52 Abs. 48 S. 5 EStG). d) § 50i Abs. 2 S. 3 EStG Einen völlig neuen Realisationstatbestand hat der Gesetzgeber mit § 50i Abs. 2 S. 3 EStG geschaffen. Mit dem sog. „Strukturwandel“ soll der Fall erfasst werden, dass die „50i-Gesellschaft“ zu einer originär gewerblich tätigen KG wird. Die Regelung greift insofern ein, sobald nicht mehr eine gewerbliche Prägung oder Infizierung nach § 15 Abs. 3 EStG vorliegt, sondern die KG dazu übergeht, insgesamt eine eigengewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG auszuüben. Ab diesem Zeitpunkt würde § 50i EStG tatbestandlich nicht mehr anwendbar sein, das deutsche Besteuerungsrecht könnte also wieder (z.B. durch nachfolgende Umwandlungen) ausgeschlossen werden. Allerdings ist zu beachten, dass durch die gewerbliche Tätigkeit in Deutschland eine Betriebsstätte entsteht und somit gem. Art. 5 und 7 OECD-MA Deutschland wieder das Besteuerungsrecht – auch hinsichtlich der Veräußerung der Wirtschaftsgüter und Anteile – zusteht. Dennoch wird über § 50i Abs. 2 S. 3 EStG ein sofortiges Aufdecken der stillen Reserven im Zeitpunkt des Strukturwandels angeordnet. Diese Regelung greift für Strukturwandel, die nach dem 31.12.2013 stattfinden, § 52 Abs. 48 S. 5 EStG. 3. Persönlicher Anwendungsbereich von § 50i EStG Der persönliche Anwendungsbereich von § 50i EStG war aufgrund der offenen Formulierung der Norm von Anfang an umstritten. Unbestritten ist zunächst nur die Frage nach der Rechtsnatur des Einlegenden. Der Gesetzeswortlaut macht insofern keine Einschränkungen, so dass davon auszugehen ist, dass derjenige, der die Wirtschaftsgüter/Anteile in die Personengesellschaft einlegt, sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person sein kann. Weiterhin äußert sich § 50i Abs. 1 EStG nicht genau zu der Ansässigkeit des Einlegenden. Dem Wortlaut nach ist die Norm auf denjenigen Steuerpflichtigen anwendbar, der im DBA-Ausland ansässig ist. Diese For-

12 Ob eine Rechtsnachfolge in die § 50i EStG-Regelung stattfindet, ist nicht eindeutig, vgl. Lang/Benz, StbJb 2014/2015, S. 183, 210 m.w.N.

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Pung/Schneider, Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG

mulierung überrascht, da die Norm ihrem Sinn und Zweck nach dafür geschaffen wurde, den Verlust des deutschen Besteuerungsrechts aufgrund des Wegzugs zu erfassen. Dementsprechend wäre zu vermuten, dass nur diejenigen Steuerpflichtigen erfasst werden, die zuvor in Deutschland ansässig waren. Nach dem derzeitigen Gesetzestext werden aber auch diejenigen Gesellschafter erfasst, die von jeher im DBAAusland ansässig waren. In Bezug auf § 50i Abs. 2 EStG verschärft sich das Problem noch. Denn § 50i Abs. 2 EStG sieht aufgrund einer (missglückten) Verweistechnik wohl überhaupt keine Regelung für die Ansässigkeit des entsprechenden Gesellschafters vor. Insofern könnten grundsätzlich auch im Inland ansässige Gesellschafter erfasst sein. Dass ein derartig weiter Anwendungsbereich nicht beabsichtigt sein kann, liegt zwar in Anbetracht der Gesetzesbegründung, die § 50i Abs. 2 EStG als eine Ergänzung zu § 6 AStG sieht,13 nahe. Auch aufgrund des systematischen Zusammenhangs steht zu vermuten, dass sich der persönliche Anwendungsbereich von § 50i Abs. 1 und Abs. 2 EStG decken. Ein solches Verständnis hat aber keinen ausreichenden Niederschlag im Gesetzeswortlaut gefunden; z.T. wird auch geltend gemacht, dass eine solche Begrenzung in Anbetracht der damit verbundenen evtl. Diskriminierung von EU-Ausländern problematisch sein könnte.14

III. Überblick über die derzeit erfassten Grundfälle Zusammenfassend werden derzeit folgende Grundfälle von § 50i EStG erfasst: Betroffener Gegenstand

Vorgang

Rechtsgrundlage/-folge

In „50i-Gesellschaft“ (vor Veräußerung/Entnahme dem 29.6.2013) eingelegte der WGer nach dem WGer des BV 29.6.2013

§ 50i Abs. 1 S. 1 Alt. 1 EStG: Besteuerungsrecht bzgl. Veräußerungsgewinn in DEU

In „50i-Gesellschaft“ (vor Veräußerung/Entnahme dem 29.6.2013) eingelegte der Anteile nach dem Anteile i.S.d. § 17 EStG 29.6.2013

§ 50i Abs. 1 S. 1 Alt. 2 EStG: Besteuerungsrecht bzgl. Veräußerungsgewinn in DEU

13 BT-Drs. 18/1995, S. 106 f. 14 Näher dazu s.u. unter C. III.

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Pung/Schneider, Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG Betroffener Gegenstand

Vorgang

Rechtsgrundlage/-folge

Einbringung des operativen (Teil-)Betriebs aus einer originär gewerblich tätigen PersGes in KapGes (vor dem 29.6.2013)

Veräußerung/Entnahme von WGern/Anteilen nach dem 29.6.2013

§ 50i Abs. 1 S. 2: Besteuerungsrecht bzgl. Veräußerungsgewinn in DEU

Laufende Einkünfte aus der Beteiligung an der „50i-Gesellschaft“

Einkünfteerzielung über die „50i-Gesellschaft“, soweit noch nicht bestandskräftig festgesetzt

§ 50i Abs. 1 S. 3 EStG: Besteuerungsrecht bzgl. laufender Einkünfte in DEU

Sachgesamtheiten von WGern und Anteilen i.S.d. § 50i Abs. 1 EStG

Umwandlungen und § 50i Abs. 2 S. 1 EStG: Einbringungen nach dem Ansatz der Sachgesamt31.12.2013 heit mit dem gemeinen Wert

WGer und Anteile i.S.d. § 50i Abs. 1 EStG MU-Anteil an „50i-Gesellschaft“

Unentgeltliche Übertragung gem. § 6 Abs. 3 EStG oder Überführung eines WG gem. § 6 Abs. 5 EStG nach dem 31.12.2013

§ 50i Abs. 2 S. 2 EStG: Ansatz der WGer/Anteile mit dem gemeinen Wert

WGer und Anteile i.S.d. § 50i Abs. 1 EStG

Nutzung der WGer/ Anteile für gewerbliche Tätigkeit nach dem 31.12.2013

§ 50i Abs. 2 S. 3 EStG: Ansatz der WGer/Anteile mit dem gemeinen Wert

Aus der Übersicht wird deutlich, dass § 50i EStG in seiner derzeitigen Fassung einen sehr breiten sachlichen Anwendungsbereich hat. Es werden viele unterschiedliche Gegenstände (Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens, Anteile i.S.d. § 17 EStG, laufende Einkünfte, (Teil-)Betriebe, Mitunternehmeranteile) und Vorgänge (Veräußerung, Entnahme, laufende Einkünfteerzielung, Umwandlungen, Einbringungen, Übertragungen gem. § 6 Abs. 3 EStG, Überführungen gem. § 6 Abs. 5 EStG, Strukturwandel) erfasst. Diese Vorgänge werden auch – zumindest nach dem Gesetzeswortlaut – ohne Beschränkung auf reine Wegzugsfälle erfasst, so dass der Anwendungsbereich auch in persönlicher Hinsicht geradezu uneingeschränkt ist. Dem Anlass und Zweck der Norm entsprechend war daher eine Entschärfung durch den Gesetzgeber oder die Finanzverwaltung dringend erforderlich und eigentlich auch lange erwartet.

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Pung/Schneider, Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG

C. Entschärfung der Regelung Eine Entschärfung des § 50i EStG ist generell mit Blick auf die Erfassung der stillen Reserven und laufenden Einkünfte nach dem Wegzug erforderlich (zeitlicher Anwendungsbereich). Darüber hinaus ist § 50i Abs. 2 EStG im Hinblick auf seinen sachlichen und persönlichen Anwendungsbereichs einzuschränken.

I. Einschränkung des zeitlichen Anwendungsbereichs von § 50i Abs. 1 EStG 1. Eindeutig erfasste oder nicht erfasste Fälle In zeitlicher Hinsicht verlangt § 50i Abs. 1 S. 1 EStG, dass die Wirtschaftsgüter/Anteile vor dem 29.6.2013 in die „50i-Gesellschaft“ eingelegt worden sind. Zieht der Gesellschafter ebenfalls vor dem 29.6.2013 in einen anderen DBA-Staat, so ist § 50i EStG zweifellos anwendbar. Die nach dem 29.6.2013 erfolgende Veräußerung der Wirtschaftsgüter/ Anteile unterfällt damit dem deutschen Besteuerungsrecht. Sind Einlage und Wegzug nach dem 29.6.2013 erfolgt, ist § 50i EStG hingegen nicht anwendbar. Stattdessen kommt es – der BFH-Rechtsprechung entsprechend – zu einer Entstrickung der Wirtschaftsgüter/Anteile. Die steuerliche Behandlung richtet sich in diesem Fall nach der Reihenfolge von Einlage und Wegzug. Werden zuerst die Wirtschaftsgüter/Anteile in die Personengesellschaft eingelegt und zieht der Gesellschafter anschließend ins DBA-Ausland, kommt es zur Entstrickungsbesteuerung nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG. Zieht der Gesellschafter ins DBA-Ausland, ohne zuvor Wirtschaftsgüter/Anteile in die Personengesellschaft eingelegt zu haben, kommt es ohne Rücksicht darauf, ob nachfolgend noch eine Einlage erfolgt oder nicht, zur Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG. Der Weg über die Wegzugsbesteuerung ist dabei zu empfehlen, da bei ihr z.B. die Steuer bei Rückzug u.U. wieder entfallen kann (§ 6 Abs. 3 AStG), eine zinslose Stundung möglich ist (§ 6 Abs. 4, 5 AStG) und Umwandlungsvorgänge in dieser Hinsicht unschädlich sein können (§ 6 Abs. 5 S. 5 AStG). 2. Anwendung bei Einlage vor und Wegzug nach dem 29.6.2013? Fraglich könnte die Anwendung sein in dem Fall, dass der Gesellschafter die Einlage in die Personengesellschaft vor dem 29.6.2013 erbringt, aber erst nach diesem Stichtag ins DBA-Ausland verzieht. Da – ohne Eingreifen des § 50i EStG – der Wegzug aufgrund der neueren BFH-Recht-

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sprechung zu einem Verlust deutschen Besteuerungsrechts führt, wird dem Grunde nach in dieser Konstellation eine unmittelbare Entstrickungs- oder Wegzugsbesteuerung ausgelöst; insofern bestünde aus Sicht des Fiskus bei diesen „Wegzugs-Neufällen“ gar kein Bedürfnis für die Anwendung des § 50i EStG und damit für die Sicherung des deutschen Besteuerungsrechts für spätere Veräußerungen. Dennoch ordnet § 52 Abs. 48 S. 1 EStG die Anwendung von § 50i Abs. 1 S. 1 EStG ausdrücklich für alle Fälle an, in denen die Veräußerung nach dem 29.6.2013 erfolgt, unabhängig vom Wegzugsdatum. Davon geht offenbar auch die Finanzverwaltung aus, da es nach ihrer Auffassung nicht auf den Zeitpunkt des Wegzugs ankommt.15 Da durch die so angeordnete Anwendung des § 50i EStG das deutsche Besteuerungsrecht beim Wegzug nicht verloren geht, fehlt es aber auch an den Voraussetzungen für eine Entstrickungs- oder Wegzugsbesteuerung – insofern wirkt § 50i EStG in dieser Konstellation dem Grunde nach erst einmal vorteilhaft für den Steuerpflichtigen, da eine Besteuerung im Wegzugszeitpunkt vermieden wird, d.h. der Wegzug ist zunächst einmal steuerneutral möglich.16 Dies dürfte auch der Auffassung der Finanzverwaltung entsprechen. Erst bei der späteren Veräußerung der verstrickten Wirtschaftsgüter/Anteile soll es zur Aufdeckung der stillen Reserven kommen. Die Tz. macht deutlich, dass die Finanzverwaltung bei „Alt-Einbringungsfällen“ im Prinzip weiter so verfahren will, wie sie es vor dem BFH-Urteil getan hat. Die abkommenswidrige Besteuerung soll in diesem Fall nur durch § 50i EStG legitimiert werden.17

II. Einschränkung des Besteuerungsumfangs Auch der sachliche Anwendungsbereich des § 50i Abs. 1 EStG ist deutlich zu weit geraten. Dem Wortlaut nach werden von § 50i Abs. 1 S. 1 EStG sämtliche stille Reserven erfasst, die zum Zeitpunkt der Veräußerung bestehen. Damit bezieht sich das deutsche Besteuerungsrecht nicht nur auf die zum Zeitpunkt des Wegzugs bestehenden stillen Reserven, sondern auch solche, die erst nach dem Wegzug entstanden sind. Insoweit werden dem deutschen Besteuerungsrecht Wertsteigerungen unterworfen, die gar nicht im Inland, sondern im DBA-Ausland erwirtschaftet worden sind. In gleicher Weise werden gem. § 50i Abs. 1 S. 3 15 BMF, Schr. v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.3.3.1. S. 2. 16 Ebenso Liekenbrock in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 50i EStG Rz. 58 und 109 (Okt. 2014). 17 Vgl. Gosch, IWB 2012, 779, 789.

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EStG die laufenden Einkünfte, die nach dem Wegzug über die „50i-Gesellschaft“ erwirtschaftet werden, dem deutschen Besteuerungsrecht unterworfen. Damit geht der Besteuerungsumfang in beiderlei Hinsicht über das hinaus, was in Fällen einer Entstrickungs- oder Wegzugsbesteuerung erfasst und versteuert worden wäre. Mit dieser sachlich nicht notwendigen Ausweitung des deutschen Besteuerungsrechts verhält sich Deutschland u.E. abermals abkommensrechtswidrig. Das Besteuerungsrecht bzgl. der nach dem Wegzug entstandenen stillen Reserven steht nach Art. 13 Abs. 5 OECD-MA grundsätzlich dem (neuen) Ansässigkeitsstaat zu. Für die laufenden Einkünfte ergibt sich dies aus dem jeweiligen Einkünfteartikel. Insofern kann die Anwendung von § 50i EStG zu einer Doppelbesteuerung führen. Eine derartige Ausweitung widerspricht auch dem Zweck des § 50i EStG, der vom Gesetzgeber selbst als eine Ergänzung der Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG verstanden worden ist.18 Im Rahmen des § 6 AStG werden aber nur die stillen Reserven besteuert, die bis zum Wegzug entstanden sind. Spätere Wertsteigerungen werden von § 6 AStG nicht erfasst.19 Soll § 50i EStG die Wegzugsbesteuerung ergänzen bzw. vor Umgehungen schützen, so kann daher auch aus systematischen Gründen der sachliche Anwendungsbereich nicht weiter gehen als derjenige des § 6 AStG.20 Zuletzt sprechen auch Bedenken bzgl. der Unionsrechtskonformität gegen diese Tatbestandsausweitung. Der EuGH erkennt aus dem Blickwinkel der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) nur solche Wegzugsbesteuerungen an, die sich auf Wertsteigerungen beziehen, die im Inland erwirtschaftet worden sind.21 Nur diese Wertsteigerungen können es rechtfertigen, dass der Mitgliedstaat die Aufdeckung stiller Reserven ohne eine entsprechende Realisierung anordnet. Genau diese Grenze überschreitet aber § 50i EStG, indem er – zumindest dem Wortlaut nach – alle Wertzuwächse erfasst, die bis zur Veräußerung entstanden sind, unabhängig davon, ob sie im Inland oder Ausland erwirtschaftet worden sind.

18 Vgl. BT-Drs. 18/1995, 106: „Folge ist, dass die deutschen Entstrickungsregelungen (insbesondere § 6 AStG) in ihren Wirkungen umgangen werden können. Der neue Absatz 2 verhindert derartige Steuergestaltungen.“ 19 Vgl. nur BMF, Schr. v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1/2004, Tz. 6.1.4.1. 20 Vgl. i.E. auch Liekenbrock, IStR 2013, 690, 697; Bron, DStR 2014, 1849, 1852. 21 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 „DMC“, DStR 2014, 193, Tz. 52.

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Der sich aus der Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs ergebenden Gefahr der Doppelbesteuerung kann nach derzeitiger Rechtslage nur über die Durchführung eines Verständigungsverfahrens begegnet werden, in dessen Rahmen Deutschland auf sein Besteuerungsrecht verzichtet. Sollte allerdings der ausländische Staat bereits beim Wegzug eine Erklärung abgegeben haben, dass er auf die Besteuerung der stillen Reserven verzichtet, und hält er sich auch an diese „Zusicherung“, dann dürfte regelmäßig keine Doppelbesteuerung eintreten.22

III. Tatbestandliche Begrenzung des § 50i Abs. 2 EStG 1. Überblick über Problemkonstellationen Wie bereits angeführt, ist der persönliche Anwendungsbereich des § 50i Abs. 2 EStG nicht auf Steuerpflichtige mit Ansässigkeit im DBA-Ausland beschränkt. Im Gegensatz zu § 50i Abs. 1 EStG, der ausdrücklich die Ansässigkeit im DBA-Ausland verlangt, werden von der Regelung in § 50i Abs. 2 EStG auch die im Inland ansässigen Gesellschafter einer „50i-Gesellschaft“ erfasst. Dies verwundert umso mehr, als dass die in § 50i Abs. 2 EStG vorgesehenen Regelungen ungleich schärfer sind als diejenigen in § 50i Abs. 1 EStG: Durch § 50i Abs. 2 EStG werden i.E. insbesondere das gesamte UmwStG sowie § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG außer Kraft gesetzt, während durch § 50i Abs. 1 EStG „nur“ DBA-Regelungen für den Fall einer Veräußerung verdrängt werden. Die Zwangsrealisierungen des § 50i Abs. 2 EStG führen faktisch zu einer weitgehenden „Veränderungssperre“, und zwar nach dem zu weiten Wortlaut ohne konkrete Gefährdung deutschen Besteuerungsrechts. Der überschießende Regelungsgehalt von § 50i Abs. 2 EStG zeigt sich sehr deutlich bei einem Vergleich mit § 50i Abs. 1 EStG. Auf Tatbestandsebene erfasst § 50i Abs. 1 EStG inländische gewerblich geprägte oder infizierte Personengesellschaften, in deren Betriebsvermögen Wirtschaftsgüter oder Anteile i.S.d. § 17 EStG zu Buchwerten überführt/ übertragen worden sind. Die Rechtsfolge – Ausschluss des jeweils anwendbaren DBA – bezieht indes nur Personen ein, die im DBA-Ausland ansässig sind. Mithin ist der persönliche Anwendungsbereich des § 50i

22 Vgl. BMF, Schr. v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.3.3.6; zum Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen vgl. von Brocke/Rottenmoser, SteuK 2013, 419, 422.

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Abs. 1 EStG im Tatbestand zwar recht offen, in der Rechtsfolge aber auf DBA-Ausländer begrenzt. § 50i Abs. 2 S. 1 EStG nimmt zwar auf § 50i Abs. 1 EStG Bezug, die Bezugnahme ist aber auf dessen Tatbestand begrenzt („Sachgesamtheiten, die Wirtschaftsgüter und Anteile im Sinne des Absatzes 1 enthalten“). In der Rechtsfolge hingegen nimmt § 50i Abs. 2 EStG keinen Bezug auf § 50i Abs. 1 EStG. Dadurch muss davon ausgegangen werden, dass die Rechtsfolge auch sämtliche Steuerpflichtige treffen kann, unabhängig davon, ob sie im Inland oder DBA-Ausland ansässig sind. Berücksichtigt man, dass die angeordnete Rechtsfolge von § 50i Abs. 2 EStG einen Dispens vom UmwStG sowie § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG enthält, wird der Regelungsumfang des § 50i Abs. 2 EStG erst recht deutlich. Wendet man § 50i Abs. 2 EStG wortlautgetreu an, so sind buchwertneutrale Umwandlungen i.S.d. UmwStG sowie Übertragungen und Überführungen i.S.d. § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG bei gewerblich geprägten oder infizierten Personengesellschaften, in die Wirtschaftsgüter/Anteile i.S.d. § 17 EStG buchwertneutral eingelegt worden sind, nicht mehr möglich. Dieser Dispens gilt unabhängig davon, ob ein Wegzug stattgefunden hat, ja sogar unabhängig davon, ob überhaupt ein Gesellschafter im Ausland ansässig ist. 2. Beschränkung auf Steuerpflichtige mit Ansässigkeit im Ausland Dass dieser Regelungsumfang so nicht gewollt sein kann, leuchtet ein. Dies gilt vor allem in Anbetracht des Zwecks der Regelung, Lücken in § 50i Abs. 1 EStG zu schließen und damit die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG zu ergänzen.23 Dennoch wird in der Literatur angenommen, dass aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Norm keine Rechtsfolgenbegrenzung vorgenommen werden könne.24 Stattdessen ruhten die Hoffnungen seit Erlass des § 50i Abs. 2 EStG auf dem Erlass eines einschränkenden BMF-Schreibens oder gar einer Gesetzesänderung. Vorgeschlagen wurde eine Begrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Steuerpflichtige mit Ansässigkeit im Ausland sowie auf Wegzugsfälle.25 Diese 23 Vgl. BT-Drs. 18/1995, 106. 24 Gosch in Kirchhof, EStG, § 50i Rz. 27 (14. Aufl. 2015); Loschelder in Schmidt, EStG, § 50i Rz. 123 (4. Aufl. 2015); a.A. (teleologische Reduktion) Liekenbrock in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 50i EStG Rz. 172 (Okt. 2014); Patt, EStB 2014, 377, 379; Rehfeld in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, § 50i Rz. 27 (Mai 2015). 25 Vgl. Kuder/Kahlenberg/Mroz, ISR 2014, 257, 263; Rödder/Kuhr/Heimig, Ubg 2014, 477, 479 f.

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Variante schien jedoch in der Finanzverwaltung und auch im Finanzausschuss des Bundestags die Sorge vor einer evtl. Unionsrechtswidrigkeit hervorgerufen zu haben.26 Ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 63 AEUV erscheint in dieser Hinsicht auch gegeben. Denn würde man nur den EUAusländern die Buchwertfortführung versagen, würden diese im Gegensatz zu den (weiterhin) in Deutschland ansässigen Gesellschaftern einen Liquiditätsnachteil erleiden. Während im Hinblick auf die ausländischen Gesellschafter beim Wegzug in das EU-Ausland eine sofortige Aufdeckung der stillen Reserven erfolgte, würde diese bei den inländischen Gesellschaftern erst mit der Veräußerung erfolgen. Vor dem Hintergrund dieser Regelung könnten ausländische Investoren davon abgehalten werden, Kapital in deutsche „50i-Gesellschaften“ zu investieren, womit ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gegeben wäre.27 Indes führt der Verstoß gegen Art. 63 AEUV nicht automatisch zur Unionsrechtswidrigkeit. Die Ungleichbehandlung könnte unter dem Gesichtspunkt der „Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsverhältnisse“ gerechtfertigt sein. Insofern ist es ständige Rechtsprechung des EuGH, dass jeder Mitgliedstaat das Recht hat, den in seinem Hoheitsgebiet erzielten latenten Wertzuwachs zu besteuern, auch wenn dieser noch nicht realisiert worden ist.28 In diesem Zusammenhang ist die Wegzugs- bzw. Entstrickungsbesteuerung generell vom EuGH anerkannt.29 Sofern sich § 50i EStG also darauf beschränkt, die inländischen Wertzuwächse zu erfassen, dürfte sich die Norm u.E. i.R.d. rechtfertigenden Aufteilung der Besteuerungsverhältnisse bewegen. Der EuGH hat jedoch auch der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsverhältnisse durch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung Grenzen gesetzt. Insofern ist dem Steuerpflichtigen die Wahl zwischen einer sofortigen Zahlung der Steuer und einer Steuerstundung zu gewähren, um nicht über das Maß hinauszugehen, das zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsverhältnisse erforderlich ist.30 Um die Unionsrechtswidrigkeit auf jeden Fall zu vermeiden, sollte in diesem Fall daher eine Stundungsmöglichkeit in Bezug auf die „Wegzugssteuer“ – wie es sie auch in § 6 Abs. 3 und Abs. 5 AStG sowie § 4g EStG gibt – in § 50i EStG vorgesehen werden. 26 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 75. 27 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 „DMC“, DStR 2014, 193, Tz. 40 f. 28 EuGH, a.a.O., Tz. 52 f. 29 EuGH, a.a.O., Tz. 49. 30 EuGH, a.a.O., Tz. 61.

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3. Beschränkung auf reine Wegzugsfälle Die Bedeutung des § 50i EStG als Norm der Wegzugsbesteuerung sollte u.E. auch zu einer Begrenzung des § 50i Abs. 2 EStG auf reine Wegzugsfälle führen. Ansonsten würden auch Gesellschafter erfasst, die von Anfang an im Ausland ansässig sind. Als Beispiel kann eine deutsche GmbH & Co. KG dienen, in deren Betriebsvermögen ein in Deutschland ansässiger Gesellschafter (B) vor dem 29.6.2013 einen originär gewerblichen Teilbetrieb steuerneutral eingebracht hat. Gäbe es noch einen in Österreich ansässigen Gesellschafter (A) und würde dieser einen Anteil i.S.d. § 17 EStG vor dem 29.6.2013 in das Betriebsvermögen der Personengesellschaft ohne Aufdeckung der stillen Reserven einbringen, so würde der Verkauf seines Anteils gem. § 50i Abs. 1 S. 1 EStG in Deutschland steuerpflichtig sein, auch wenn A niemals in Deutschland ansässig gewesen ist. Unter Anwendung des § 50i Abs. 2 S. 1 EStG wäre zudem die Einbringung des Anteils an der Personengesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft gem. § 20 UmwStG nicht zum Buchwert möglich. Die sich daraus ergebende Sperrfristverhaftung nach § 22 UmwStG steht dem nicht entgegen. § 50i EStG verdrängt als Wegzugsbesteuerung vielmehr § 22 UmwStG („abweichend von den Bestimmungen des Umwandlungssteuergesetzes“).

Abb. 4: Einheitliche Qualifikation (Infizierung) einer Personengesellschaft als § 50i-Gesellschaft bei erfasster Übertragung durch nur einen Gesellschafter.

Besonders augenfällig wird der ausufernde Tatbestand des § 50i Abs. 2 EStG, wenn die „50i-Gesellschaft“ formgewechselt wird. Der Form-

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wechsel stellt eine Umwandlung i.S.d. §§ 20 ff. UmwStG dar, vgl. § 25 UmwStG. Für den Formwechsel (als Umwandlung) ordnet § 50i Abs. 2 S. 1 EStG die Aufdeckung der stillen Reserven an. Dem Wortlaut nach sind alle stillen Reserven in dem Betriebsvermögen aufzudecken, denn § 50i Abs. 2 S. 1 EStG erfasst in der Rechtsfolge allgemein „Sachgesamtheiten, die Wirtschaftsgüter und Anteile im Sinne des Absatzes 1 enthalten“. Die Norm unterscheidet also ebenso wenig zwischen den Wirtschaftsgütern/Anteilen i.S.d. § 50i Abs. 1 S. 1 EStG und unschädlichen Wirtschaftsgütern wie zwischen der Ansässigkeit der Gesellschafter. Damit wären bei wortlautgetreuer Anwendung der Norm sämtliche stillen Reserven im Betriebsvermögen der „50i-Gesellschaft“ aufzudecken, unabhängig davon, ob sie sich in schädlichen Wirtschaftsgütern/ Anteilen befinden oder im Ausland ansässigen Gesellschaftern zuzuordnen sind. In dem o.g. Beispiel würde der Formwechsel daher zu einer Aufdeckung aller stiller Reserven sowohl bei A als auch bei B führen, obwohl B weder im Ausland ansässig ist, noch schädliche Wirtschaftsgüter/Anteile i.S.d. § 50i Abs. 1 S. 1 EStG eingebracht hat. Die Einbringung eines originär gewerblichen Teilbetriebs fällt nicht unter § 50i EStG, da durch den Teilbetrieb die Personengesellschaft ihre Eigenschaft als fiktiver Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 Abs. 3 EStG verliert. In der Folge ist die Personengesellschaft keine „50i-Gesellschaft“ mehr.31 In dem Beispielsfall waren indes durch A schädliche Anteile in die Personengesellschaft eingebracht worden, so dass insoweit die „50i-Gesellschaft“ fortbestand. Das Beispiel verdeutlicht aber, dass § 50i Abs. 2 EStG in der Rechtsfolge nicht zwischen den beiden Gesellschaftern unterscheidet, sondern auch den unbeteiligten B mit einbezieht.32

IV. Begrenzung durch das neue BMF-Schreiben vom 21.12.2015 aus Sicht der Finanzverwaltung 1. Hintergrund des BMF-Schreibens Der durch das KroatienAnpG eingefügte § 50i Abs. 2 EStG hat in der Praxis dazu geführt, dass die dort genannten Übertragungsvorgänge we-

31 Vgl. näher dazu Liekenbrock in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 50i EStG, Rz. 89 (Okt. 2014). 32 Daher ist nach u.E. überzeugender Auffassung in der Literatur regelmäßig der persönliche Anwendungsbereich des § 50i Abs. 2 EStG abweichend vom Wortlaut zu beschränken, vgl. Liekenbrock in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/ Schönfeld, Außensteuerrecht, § 50i EStG, Rz. 172 m.w.N. (Okt. 2014).

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gen der Gefahr der Aufdeckung der stillen Reserven auch in reinen Inlandsfällen ab dem VZ 2014 nicht mehr frei von Steuerrisiken durchgeführt werden konnten33. Diese für die Steuerpflichtigen sehr unbefriedigende Rechtslage ist nunmehr durch das BMF-Schreiben vom 21.12.2015 deutlich entschärft worden. Für bestimmte Fallkonstellationen, die nachfolgend näher erläutert werden, ist nunmehr eine Buchwertfortführung möglich. Dass das neue BMF-Schreiben nicht alle denkbaren Fallgestaltungen von der Besteuerung nach § 50i Abs. 2 EStG ausnimmt und keine weiteren „Entschärfungen“ der Vorschrift vornimmt, ist m.E. hinzunehmen. Weitergehende „Entschärfungen“ müssen einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren vorbehalten bleiben.34 2. Grundsätze des BMF-Schreibens Das BMF-Schreiben stellt unter 1. klar, dass nach Verwaltungsauffassung eine Aufdeckung der stillen Reserven nach § 50i Abs. 2 EStG auch dann zu erfolgen hat, wenn der Steuerpflichtige nicht in einem DBAStaat ansässig ist. D.h. es werden auch Übertragungen durch Inländer erfasst, obwohl deutsche Besteuerungsrechte weder eingeschränkt noch ausgeschlossen werden.35 Unter den nachfolgend erläuterten Voraussetzungen eröffnet das BMF-Schreiben aus Gründen sachlicher Unbilligkeit nach § 163 AO die Möglichkeit, von einer Aufdeckung der stillen Reserven nach § 50i Abs. 2 EStG abzusehen. Die Finanzverwaltung hat sich mit der Billigkeitsregelung gegen eine teleologische Reduktion des Wortlauts der Vorschrift entschieden, für den aus ihrer Sicht wohl auch kein Raum bestand. Die antragsgebundene Billigkeitsregelung führt zu einer Bindung auch des übernehmenden Rechtsträgers, der sich später nicht auf einen für ihn günstigeren höheren Wertansatz berufen kann.36 Die Nichtanwendung des § 50i Abs. 2 EStG und die damit verbundene Möglichkeit der Buchwertfortführung ist an folgende Voraussetzungen geknüpft: 1) Vorliegen eines (übereinstimmenden) Antrags, wobei keine besonderen Voraussetzungen hinsichtlich des Antrags gelten. Aus Beweissi-

33 S. auch Benz/Böhmer, DStR 2016, 145 und van Lishaut/Hannig, FR 2016, 50. 34 S. auch van Lishaut/Hannig, FR 2016, 50, 57. 35 S. auch Benz/Böhmer, DStR 2016, 145, 146. 36 S. auch van Lishaut/Hannig, FR 2016, 50, 51 und Benz/Böhmer, DStR 2016, 145, 147.

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cherungsgründen sollte der Antrag schriftlich gestellt werden.37 Er ist m.E. bei der Finanzbehörde zu stellen, bei der ohne den Antrag eine Aufdeckung der stillen Reserven zu erfolgen hätte. Dies ist z.B. bei Einbringungen nach §§ 20 und 24 UmwStG das Finanzamt der aufnehmenden Gesellschaft und in den Fällen des § 6 Abs. 3 EStG des Finanzamt des Überträgers. Der Antrag ist zu stellen: a) in Einbringungsfällen von dem Einbringenden und der übernehmenden Gesellschaft; b) in anderen Umwandlungsfällen und Fällen des § 6 Abs. 3 EStG von dem übertragenden und übernehmenden Rechtsträger; c) bei Überführungen oder Übertragungen nach § 6 Abs. 5 EStG von dem überführenden bzw. übertragenden und dem übernehmenden Rechtsträger sowie d) beim Strukturwandel von dem Rechtsträger i.S.d. § 50i EStG. 2) Das deutsche Besteuerungsrecht wird hinsichtlich der laufenden Einkünfte und des Veräußerungsgewinns nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen. Da § 50i EStG nicht nur den Veräußerungsgewinn, sondern auch die laufenden Einkünfte besteuert, war eine Einschränkung auf den Erhalt des Besteuerungsrechts nur an dem Veräußerungsgewinn nicht möglich. Bei einem partiellen Ausschluss oder einer partiellen Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts kommt es nur insoweit zu einer Aufdeckung der stillen Reserven. Das BMF-Schreiben enthält nur Beispiele hinsichtlich einer personenbezogenen, nicht hingegen einer objektbezogenen Aufteilung.38 Im Ergebnis sind rein inländische Sachverhalte, also solche Sachverhalte, bei denen nach dem einschlägigen DBA ein deutsches Besteuerungsrecht besteht (z.B. i.d.R. bei inländischem Grundbesitz) oder bei denen das deutsche Besteuerungsrecht verstärkt wird (z.B. die „Herein-Schenkung/-Vererbung und der Strukturwandel bei einer funktionalen Zuordnung der Wirtschaftsgüter zur inländischen Betriebsstätte), einer Buchwertfortführung im Billigkeitswege zugänglich.39

37 S. van Lishaut/Hannig, FR 2016, 50, 52 und Benz/Böhmer, DStR 2016, 145, 147. 38 S. auch van Lishaut/Hannig, FR 2016, 50, 56. 39 S. auch van Lishaut/Hannig, FR 2016, 50, 53 ff.

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Der Erhalt des deutschen Besteuerungsrechts bezieht sich a) bei einer Einbringung nach § 20 UmwStG und einem Formwechsel nach § 25 UmwStG auf die erhaltenen Anteile.40 Damit ist i.d.R. eine steuerneutrale Einbringung in eine EU-/EWR-ausländische Kapitalgesellschaft nicht möglich, da hier zumindest ein Quellenbesteuerungsrecht des ausländischen Staates an den laufenden Einkünften besteht; b) in anderen Umwandlungsfällen auf das eingebrachte/übertragene Betriebsvermögen, wobei die Steuerverstrickung nach § 50i EStG unberücksichtigt bleibt; c) in den Fällen des § 6 Abs. 3 EStG, des § 6 Abs. 5 EStG sowie des Strukturwandels auf die Wirtschaftsgüter i.S.d. § 50i EStG, wobei die Steuerverstrickung nach § 50i EStG unberücksichtigt bleibt. Für Fälle des § 6 Abs. 3 EStG ist die Billigkeitsregelung auf natürliche Personen als Rechtsnachfolger beschränkt. M.E. ist diese Einschränkung gerechtfertigt, da z.B. bei einer Übertragung auf eine steuerpflichtige Stiftung anschließend die Möglichkeit des steuerfreien Wegzugs des Stifters besteht. Hier greift weder die Einbringungsgewinnbesteuerung nach § 22 UmwStG noch die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG.41 In anderen als den in dem BMF-Schreiben genannten Fällen besteht für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit eines allgemeinen Billigkeitsantrags nach § 163 AO. Über diesen ist entsprechend der in dem BMFSchreiben genannten Maßstäbe zu entscheiden.42

40 Die von Benz/Böhmer, DStR 2016, 145, 148 geäußerte Kritik, dass damit wieder eine doppelte Steuerverstrickung, wie bei § 20 Abs. 3 UmwStG a.F. geschaffen wird, ist m.E. unberechtigt. Hätte die Finanzverwaltung in dem BMFSchreiben nicht auf ein bestehendes Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen, sondern an dem eingebrachten Vermögen abgestellt, wäre § 50i Abs. 2 EStG auch für den Fall, für den er geschaffen worden ist, gänzlich leer gelaufen. 41 Insoweit überzeugt m.E. auch die Argumentation von Benz/Böhmer, DStR 2016, 145, 148 nicht. 42 S. auch van Lishaut/Hannig, FR 2016, 50, 53, die auch auf die Problematik des Anteilstauschs nach § 21 UmwStG eingehen, der m.E. zumindest vom Wortlaut des § 50i Abs. 2 EStG nicht erfasst wird.

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Pung/Schneider, Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG

3. Einzelfälle a) Beispiel zur Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG

Abb. 5: Unentgeltliche Übertragung einer „50i-Gesellschaft“ auf einen Erben mit Ansässigkeit im Inland (Alternative a), linke Abb.) bzw. Ausland (Alternative b), rechte Abb.).

Nach dem Wortlaut des § 50i Abs. 2 EStG müssten die stillen Reserven i.R.d. Übertragung bei beiden Alternativen aufgedeckt werden. (i) Alternative a): Erbe im Inland Auf Antrag des Erben ist aus sachlichen Billigkeitsgründen § 50i Abs. 2 EStG nicht anzuwenden, d.h. es ist eine Buchwertfortführung möglich (Abschn. 2.2 des BMF-Schreibens vom 21.12.2015). Dies gilt auch dann, wenn der Erblasser vor dem Erbfall im DBA-Ausland ansässig gewesen wäre. (ii) Alternative b): Erbe im Ausland Eine Nichtanwendung des § 50i Abs. 2 EStG aus sachlichen Billigkeitsgründen ist nach Abschn. 2.2 des BMF-Schreibens vom 21.12.2015 nicht möglich, da an dem Mitunternehmeranteil des in Luxemburg ansässigen Erben ein deutsches Besteuerungsrecht nicht mehr besteht. Die stillen Reserven sind daher nach § 50i Abs. 2 EStG aufzudecken.

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Pung/Schneider, Zur gebotenen Entschärfung des § 50i EStG

b) Beispiel zur Übertragung nach § 6 Abs. 5 EStG

Abb. 6: Übertragung der Anteile an der B-GmbH aus dem Sonderbetriebsvermögen einer „50i-Ge-sellschaft“ in das Gesamthandsvermögen einer gewerblich tätigen A-KG (Alternative a), linke Abb.) bzw. einer anderen „50i-Gesellschaft“ (Alternative b), rechte Abb.).

Nach dem Wortlaut des § 50i Abs. 2 EStG müssten die stillen Reserven i.R.d. Übertragung bei beiden Alternativen aufgedeckt werden. (iii) Alternative a): aufnehmende PersG ist gewerblich tätig Ist die Beteiligung an der B-GmbH der inländischen Betriebsstätte der A-KG funktional zuzurechnen, ist auf Antrag des Kommanditisten und der A-KG § 50i Abs. 2 EStG aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht anzuwenden (Abschn. 2.3 des BMF-Schreibens v. 21.12.2015). (iv) Alternative b): aufnehmende PersG ist nur gewerblich geprägt Eine Nichtanwendung des § 50i Abs. 2 EStG aus sachlichen Billigkeitsgründen ist nach Abschn. 2.3 des BMF-Schreibens vom 21.12.2015 nicht möglich, da an dem Mitunternehmeranteil an der „§ 50i-KG 2“ ein deutsches Besteuerungsrecht nicht mehr besteht. Die stillen Reserven sind nach § 50i Abs. 2 EStG aufzudecken. Das gilt auch dann, wenn eine Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft (oder umgekehrt) erfolgt.

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c) Beispiel zum Strukturwandel

Abb. 7: Strukturwandel: Aus der gewerblich geprägten „50i-A-KG“ wird die gewerblich tätige A-KG.

Nach dem Wortlaut des § 50i Abs. 2 EStG müssten die stillen Reserven bei Aufnahme der originär gewerblichen Tätigkeit aufgedeckt werden. Nach Abschn. 2.3 des BMF-Schreibens vom 21.12.2015 können auf Antrag aus sachlichen Billigkeitsgründen die Buchwerte fortgeführt werden. Da der Kommanditist im Inland ansässig ist, bleibt das deutsche Besteuerungsrecht unzweifelhaft bestehen. Ist der Kommanditist dagegen bereits im DBA-Ausland ansässig, ist ein Antrag nur dann zulässig, wenn das deutsche Besteuerungsrecht ohne Berücksichtigung des § 50i EStG nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Dies setzt die funktionale Zuordnung der Beteiligung an der B-GmbH zur inländischen Betriebsstätte des Kommanditisten voraus.

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d) Beispiel zur Einbringung in eine Kapitalgesellschaft nach § 20 UmwStG

Abb. 8: Formwechsel einer „50i-Gesellschaft“ in eine GmbH (Alternative a), linke Abb.) bzw. Einbringung einer „50i-Gesellschaft“ in eine luxemburgische S.A. (Alternative b), rechte Abb.).

Nach dem Wortlaut des § 50i Abs. 2 EStG müssten die stillen Reserven i.R.d Einbringung bei beiden Alternativen aufgedeckt werden. (v) Alternative a): Formwechsel in deutsche GmbH Nach Abschn. 2.1.1 des BMF-Schreibens vom 21.12.2015 unterbleibt auf den übereinstimmenden Antrag des Kommanditisten (Einbringender, Rn. 20.03 des UmwSt-Erlasses 2011) und der aufnehmenden GmbH eine Aufdeckung der stillen Reserven. Dies gilt entsprechend für andere Umwandlungsfälle. In Fällen des § 24 UmwStG ist zusätzlich Voraussetzung für die Anwendung der Billigkeitsregelung, dass die Umwandlung nicht zu einer veränderten Zurechnung der Einkünfte führt. (vi) Alternative b): Einbringung in Luxemburger S.A. Eine Nichtanwendung des § 50i Abs. 2 EStG aus sachlichen Billigkeitsgründen ist nicht möglich, da das Besteuerungsrecht an den laufenden Einkünften der S.A. eingeschränkt ist.

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D. § 50i EStG und funktionale Zuordnung Eine weitere, sehr praxisrelevante Problematik im Rahmen der Besteuerung von Personengesellschaften mit Gesellschaftern, die in einem anderen Land ansässig sind, stellt sich bzgl. der sog. funktionalen Zuordnung von Wirtschaftsgütern. Über den Artikel für Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) kann das Besteuerungsrecht am Sitzort der Personengesellschaft grundsätzlich43 nur begründet werden, wenn sie (i) dort eine DBA-Betriebsstätte hat44 und (ii) die in Rede stehenden Wirtschaftsgüter dieser Betriebsstätte auch funktional zuzuordnen sind; liegt eine der beiden Voraussetzungen nicht vor, bestimmt sich das Besteuerungsrecht nach den allgemeinen Einkünfteartikeln, was bei Veräußerungsgewinnen grds. nach Art. 13 Abs. 5 OECD-MA45 zu einem Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats des Gesellschafters führt. Die Frage, ob eine funktionale Zuordnung eines solchen Wirtschaftsguts zu einer Betriebsstätte einer Personengesellschaft möglich ist, bestimmt also sehr wesentlich darüber, welchem Staat das Besteuerungsrecht zusteht. Dieses Thema ist nicht nur im Kontext des § 50i EStG relevant (denn bei funktionaler Zuordnung zur deutschen Betriebsstätte der Personengesellschaft wäre das deutsche Besteuerungsrecht ja gar nicht gefährdet), sondern auch in einer Reihe anderer Normkomplexe: das gilt insbesondere bei Umwandlungen, bei denen eine Buchwertfortführung regelmäßig ausgeschlossen ist, wenn das Besteuerungsrecht Deutschlands ausgeschlossen wird (vgl. z.B. § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 UmwStG); das Gleiche gilt bei der Frage, ob ein Entstrickungsfall vorliegt (vgl. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG). Seit 2013 ist die Frage auch relevant für die Anerkennung einer Organschaft, denn sie setzt nunmehr voraus, dass die Beteiligung an der Organgesellschaft beim Organträger zu einer (deutschen und DBA-rechtlichen) Betriebsstätte gehört und daher ein deutsches Besteuerungsrecht für diese Beteiligung

43 Vorbehaltlich Sonderregelungen, die z.B. in aller Regel für Immobilien im Quellenstaat bestehen, Art. 13 Abs. 1 OECD-MA. 44 Insofern stellt sich die im Folgenden dargestellte Frage gar nicht bei rein gewerblich geprägten Personengesellschaften, da diese bereits keine relevante DBA-Betriebsstätte haben. 45 Etwas anderes gilt allerdings nach Art. 13 Abs. 4 OECD-MA für Beteiligungen an Immobilien-Kapitalgesellschaften mit überwiegendem Immobilienbesitz in Deutschland.

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besteht.46 Die Frage der funktionalen Zuordnung eines Wirtschaftsguts (allgemein und i.R. einer Organschaft der Beteiligung an der Organgesellschaft) hat daher heutzutage eine erhebliche steuerliche Bedeutung. Im Folgenden werden die Zuordnungsgrundsätze untersucht und dargestellt, und zwar konkret für die praktisch besonders wichtigen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften.

I. Grundsätze der funktionalen Zuordnung von Beteiligungen Art. 10 Abs. 4 OECD-MA spricht davon, dass die Beteiligung „tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehört“, nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA muss die Beteiligung „Betriebsvermögen einer Betriebsstätte“ sein. Die Kriterien für die Zuordnung einer Beteiligung sind aus dem Wortlaut der DBA allein nicht erkennbar. In der Literatur besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass die Zugehörigkeit zu einer Betriebsstätte in Art. 10 Abs. 4 und Art. 13 Abs. 2 OECD-MA nach den gleichen Kriterien zu behandeln ist.47 Demnach kommt es für die Zuordnung von Beteiligungen nicht auf eine rechtliche, sondern eine rein tatsächliche Betrachtungsweise an.48 Keine Zuordnungskriterien sind daher die sachenrechtliche Zuordnung (Eigentum), die steuerrechtliche Behandlung als Betriebsvermögen (z.B. über § 15 Abs. 1 EStG) oder die Ausweisung in der Bilanz der betreffenden Gesellschaft.49 Nach der BFH-Rechtsprechung zu Art. 10 Abs. 2 OECD-MA kommt es vielmehr auf eine tatsächlich-funktionale Betrachtungsweise an. Diese versteht der BFH so, dass „die Beteiligung in einem funktionalen Zusammenhang zu einer in der Betriebsstätte ausgeübten aktiven Tätigkeit steht und sich deshalb die Beteiligungserträge bei funktionaler Betrachtungsweise als Nebenerträge der aktiven Betriebsstättentätigkeit darstellen“50. Zusammenfassend 46 Vgl. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4, 7 KStG in der Form des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.2.2013, BGBl. I S. 285. 47 Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 13 OECD-MA, Rz. 77a (Mai 2011); Reimer in Vogel/Lehner, DBA, Art. 13 OECD-MA Rz. 81 (6. Aufl. 2015); Lieber in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 13 OECD-MA Rz. 50 (2013); a.A. BFH, Urt. v. 12.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414, Tz. 48 (jurisTz.). 48 Grundlegend BFH, Urt. v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444, Tz. 33 und BFH, Urt. v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/NV 1992, 385, Tz. 24 (jeweils juris-Tz.). 49 Vgl. Häck, ISR 2015, 113, 114. 50 BFH, Urt. v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937, Tz. 21 (juris-Tz.).

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ist demnach zu fragen, ob die Beteiligung der in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit dient.51 Nach Tz. 32.1 des Musterkommentars zu Art. 10 OECD-MA soll die Zuordnung von Beteiligungen nach den gleichen Kriterien ermittelt werden wie i.R.d. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA. Entscheidend ist demnach eine hypothetische Betrachtung, bei der die Betriebsstätte wie ein selbstständiges und unabhängiges Unternehmen angesehen wird, das in eigenständigen Geschäftsbeziehungen mit den anderen Unternehmensteilen steht. Auf dieser Betrachtung aufbauend wird dann geprüft, welche Funktionen die Betriebsstätte ausübt, welche Wirtschaftsgüter sie zur Ausübung dieser Funktionen benötigt und welche Chancen und Risiken damit verbunden sind. Der in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA verankerte Maßstab ist im Jahr 2010 eingefügt worden und wird als „Authorized OECD-Approach“ (AOA) bezeichnet. Die in Tz. 32.1 des Musterkommentars zu Art. 10 OECD-MA eingefügte Anordnung der entsprechenden Anwendung des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA ist im Zuge der Einfügung des AOA ebenfalls dort vorgesehen worden. Der BFH scheint sich in seiner Rechtsprechung auf der Linie des AOA zu bewegen. So hat auch er sich bereits dahingehend geäußert, dass die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA den gleichen Kriterien folge wie diejenige nach dem jeweiligen Betriebsstättenvorbehalt.52 Insofern scheinen die o.g. BFHRechtsprechung und der AOA zu demselben Ergebnis zu gelangen.53 Die Umsetzung des AOA ist allerdings noch nicht in alle von Deutschland abgeschlossenen DBA erfolgt und wird erst sukzessive in diese eingearbeitet. Im nationalen Recht hat er bereits Niederschlag in § 1 Abs. 5 AStG54 und § 7 Abs. 1 Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) gefunden. Die Finanzverwaltung verweist darüber hinaus nun auch in dem neuen BMF-Schreiben55 zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften für die Frage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte auf § 1 Abs. 5 AStG.56 51 Vgl. hierzu allgemein Kraft/Ungemach, DStZ 2015, 716, 717 m.w.N. 52 BFH, Urt. v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788, Tz. 19 (juris-Tz.). 53 Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 10 OECDMA, Rz. 168 (Aug. 2012). 54 § 1 Abs. 5 AStG wurde eingeführt durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013, BGBl. I, 1809. 55 BMF, Schr. v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.4.1. 56 Die Finanzverwaltung geht insofern davon aus, dass die Grundsätze des § 1 Abs. 5 AStG mit der Rechtsprechung zum funktionalen Zusammenhang übereinstimmen.

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Aus der Reihenfolge der nach dem AOA zu prüfenden Merkmale wird ersichtlich, dass der Ermittlung der in der Betriebsstätte ausgeübten Funktionen zentrale Bedeutung zukommt.57 Erst nach der Festlegung der ausgeübten Funktionen können die dafür benötigten Wirtschaftsgüter und Risiken ermittelt werden.58 Im Rahmen der Zuordnung von Beteiligungen ist daher in erster Linie zu ermitteln, welche Funktionen in und durch die Betriebsstätte ausgeübt werden und welche Beteiligungen dieser Funktion dienen. Bei der Ermittlung der Funktionen setzt der AOA vor allem auf die von dem Personal der Betriebsstätte ausgeübten Funktionen („significant people functions“).59 Aufgrund dieser eigenständigen Betrachtungsweise kann es auf die von der Finanzverwaltung jedenfalls früher herangezogene und umstrittene These von der „Zentralfunktion des Stammhauses“60 nicht mehr ankommen.61 Die Sichtweise des AOA verdeutlicht das folgende Beispiel. Die C-AG mit Sitz in der Schweiz hat mit der D-GmbH & Co. KG eine deutsche Betriebsstätte, die wiederum 100 % der Anteile an der B-GmbH hält. Die D-GmbH & Co. KG produziert Reifen, während die B-GmbH Folien produziert. Die produzierten Folien liefert die B-GmbH ausschließlich an die C-AG, mit der D-GmbH & Co. KG hat sie i.R. ihrer Geschäftstätigkeit keine wesentlichen Geschäftsbeziehungen. Insofern besteht kein operativer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit der B-GmbH und der D-GmbH & Co. KG. Auch übernimmt die D-GmbH & Co. KG nicht die Geschäftsleitung der B-GmbH oder greift sonst in wesentlicher Hinsicht in diese ein.

57 Vgl. Häck, ISR 2015, 113, 116. 58 Vgl. OECD-MK, Art. 7, Tz. 21. 59 OECD-MK, Art. 7, Tz. 21, zweiter Spiegelstrich; ausführlich hierzu im Hinblick auf die Organschaft Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 287 ff. (2015). 60 BMF, Schr. v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 („Betriebsstättenerlass“), Tz. 2.4. 61 Nach dieser bislang von der Finanzverwaltung vertretenen Zentralfunktionsthese sollte eine Beteiligung regelmäßig dem Stammhaus zuzurechnen sein. Diese These ist auch mit dem in § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV nunmehr niedergelegten AOA nicht mehr kompatibel, vgl. Wassermeyer, IStR 2012, 277, 280.

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Abb. 9: Zuordnung der Beteiligung an der B-GmbH an die deutsche Betriebsstätte oder das ausländische Stammhaus.

Sowohl nach der funktionalen Betrachtungsweise als auch dem AOA ist die Beteiligung an der B-GmbH dem Stammhaus, der C-AG, und nicht der deutschen KG/Betriebsstätte zuzuordnen. Die Beteiligung dient funktional allein der C-AG und nicht der D-GmbH & Co. KG. Sie ist aus funktionaler Sicht damit keine Beteiligung der KG und damit der deutschen Betriebsstätte der C-AG. Trotz des nunmehr in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA verankerten AOA, dem wohl auch der BFH zu folgen scheint, kommt es im konkreten Einzelfall oft zu Zuordnungsschwierigkeiten. Dies gilt praktisch auch vor dem Hintergrund, dass in einer grenzüberschreitenden Konstellation nicht nur die inländische, sondern auch die ausländische Finanzverwaltung involviert ist. Insofern ist es möglich, dass es bei der Sachverhaltsbewertung zu unterschiedlichen Ansichten zwischen den Finanzverwaltungen kommen kann. In diesem Fall empfiehlt die Finanzverwaltung eine vorherige Abstimmung zwischen dem Steuerpflichtigen und der ausländischen Finanzverwaltung.62

62 Vgl. BMF, Schr. v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 6.3.

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II. Zuordnung bei Betriebsstätten, die als geschäftsleitende Holding fungieren Praktisch erhebliche Bedeutung hat die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen einer Betriebsstätte, die als Holding tätig ist, die nachgeordneten Beteiligungen funktional zugeordnet werden können. Klar ist, dass eine funktionale Zuordnung zur Betriebsstätte ausscheidet, wenn sich die Holding als solche bzw. ihre entsprechende Betriebsstätte auf das bloße Halten und Verwalten der Beteiligungen unter normaler Ausübung der Gesellschafterrechte beschränkt. Es muss schon ein Mehr hinzukommen, nämlich – vereinfacht vorab – dass die entsprechende Einheit geschäftsleitende Funktionen im Hinblick auf die (i.d.R. Tochter-)-Beteiligungen ausübt. Die BFH-Rechtsprechung ist allerdings in dieser Hinsicht nicht ganz eindeutig. Zunächst schien der BFH in einem Urteil aus dem Jahr 2003 dahin zu tendieren, einer Betriebsstätte als geschäftsleitender Holding keine Beteiligungen funktional zuzuordnen, da lediglich „Erträge aus Wirtschaftsgütern dem Betriebsstättenstaat zur Besteuerung zugewiesen werden, die tatsächlich von der Betriebsstätte genutzt werden und zu ihrem Betriebsergebnis beigetragen haben“63. Dies sei bei einer geschäftsleitenden Holding nicht der Fall.64 Demnach wäre die funktionale Zuordnung einer Beteiligung zu einer Betriebsstätte in Form einer geschäftsleitenden Holding bereits dem Grunde nach ausgeschlossen. Aus einer nachfolgenden Entscheidung aus 2007 lässt sich indes der Schluss ziehen, dass der BFH eine Zuordnung zur Betriebsstätte auf Grundlage deren Tätigkeit als geschäftsleitende Holding doch für möglich erachtet.65 Die Zuordnung der Beteiligungen lehnte der BFH in dem Fall zwar ab, da „nichts dafür dargetan oder festgestellt [war], dass […] ihr (= der Betriebsstätte, Anm. d. Verf.) neben dem Stammhaus bestimmte geschäftsleitende Holdingfunktionen über die anderen Auslands-Vertriebsgesellschaften übertragen worden wären, die nach dem Veranlassungsprinzip und dem Funktionszusammenhang eine Zuordnung der Beteiligungen bei der [Personengesellschaft] rechtfertigen könnten“66. An dieser Stelle geht der BFH offenbar davon aus, dass eine Tätigkeit als 63 BFH, Urt. v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771, Tz. 18 (juris-Tz.). 64 Vgl. BFH, Urt. v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771, Tz. 18 (jurisTz.). 65 Vgl. BFH, Urt. v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510, Tz. 18 (jurisTz.). 66 BFH, Urt. v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510, Tz. 18 (juris-Tz.).

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geschäftsleitende Holding doch ausreichen kann, um die Beteiligungen funktional der Betriebsstätte zuzuordnen. Die beiden BFH-Urteile scheinen sich in dieser Hinsicht zu widersprechen. Kaeser/Wassermeyer lösen den Widerspruch dahingehend auf, dass im ersten BFH-Urteil die Zuordnung der Beteiligung deshalb abgelehnt worden sei, weil die Betriebsstätte nur teilweise Geschäftsleitungsaufgaben übernommen habe. Dies reiche für eine Beteiligungszuordnung nicht aus, beinhalte aber auch nicht die Aussage, dass einer geschäftsleitenden Betriebsstätte generell keine Beteiligungen zugeordnet werden könnten.67 Demnach würden sich die beiden Urteile mangels vergleichbarer Sachverhalte nicht widersprechen. Das FG Münster diskutierte das Problem in einem Urteil aus dem Jahr 2014 ebenfalls, konnte es aber i.E. offen lassen.68 Interessant sind die Ausführungen des FG Münster allerdings insofern, als dass sie – in einem obiter dictum – die Möglichkeiten enthalten, nach denen eine Betriebsstätte als geschäftsleitende Holding eingeordnet werden könnte. Dabei sieht das FG Münster zwei Möglichkeiten, an denen man sich zur Feststellung der geschäftsleitenden Tätigkeit orientieren könnte: einerseits die – unter der recht alten Rechtslage – bei der Organschaft früher relevanten Kriterien des beherrschenden Gesellschafters, andererseits die zu § 50d Abs. 3 EStG entwickelten Kriterien zur Feststellung einer geschäftsleitenden Tätigkeit.69 Nach der früheren BFH-Rechtsprechung war eine Obergesellschaft i.R. einer Organschaft dann als geschäftsleitende Holding anzusehen, wenn anhand äußerer Merkmale erkennbar ist, dass die Konzernleitung durch die Obergesellschaft selbst ausgeübt wird.70 Die Erkennbarkeit der Konzernleitung sollte dann gegeben sein, wenn das herrschende Unternehmen Richtlinien zur Geschäftspolitik der abhängigen Unternehmen aufstellt und diesen zuleitet oder den abhängigen Unternehmen schriftliche Weisungen erteilt. In jedem Fall muss die Leitung schriftlich dokumentiert werden.71

67 Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 10 OECDMA, Rz. 167 (Aug. 2012). 68 FG Münster, Urt. v. 15.12.2014 – 13 K 624/11 F, EFG 2015, 704, Tz. 69 ff. (juris-Tz.), Revision eingelegt unter BFH-Az.: I R 10/15. 69 FG Münster, a.a.O., Tz. 83–84 (juris-Tz.). 70 BFH, Urt. v. 9.2.2011 – I R 54/10, BStBl. II 2012, 106, Tz. 13 (juris-Tz.). 71 BFH, Beschl. v. 10.8.2005 – I B 27/05, BFH/NV 2006, 133, Tz. 6 f. (juris-Tz.).

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Die Kriterien einer geschäftsleitenden Holding i.R.d. § 50d Abs. 3 EStG sind von der Finanzverwaltung konkretisiert worden. Demnach zeichne sich eine geschäftsleitende Holding dadurch aus, dass sie Führungsentscheidungen treffe, wobei Führungsentscheidungen durch ihre langfristige Natur, Grundsätzlichkeit und Bedeutung gekennzeichnet seien.72 Auch diese Führungsentscheidungen müssten jedoch schriftlich dokumentiert werden. Beachtenswert ist, dass die Finanzverwaltung in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hinweist, dass es nicht ausreiche, wenn die Gesellschaft – wenn sie sonst keine andere unternehmerische Tätigkeit ausübt – lediglich gegenüber einer Tochtergesellschaft geschäftsleitende Funktionen ausübt oder die (wenn auch mehrere) Beteiligungen nur hält und sich auf die Ausübung der Gesellschafterrechte beschränkt (sog. „passive Beteiligungsverwaltung“). Vielmehr sei notwendig, dass mehrere Beteiligungen von einigem Gewicht erworben worden seien und gegenüber diesen auch geschäftsleitende Funktionen getätigt würden (sog. „aktive Beteiligungsverwaltung“).73 Auch an dieser Stelle musste sich das FG Münster jedoch nicht für eine der beiden Beurteilungsmethoden entscheiden und konnte offen lassen, nach welcher Methode es die Geschäftsleitungsfunktion einer Betriebsstätte ermitteln würde. In der Literatur wird im Anschluss an diese Entscheidung ein kombinierter Ansatz beider Methoden vorgeschlagen.74 Ob diese teils alten, teils von der Finanzverwaltung für völlig andere Zwecke vorgegebenen Kriterien zutreffend sind für die Bestimmung der funktionalen Zuordnung, mag man durchaus kritisch sehen. Legt man sie zugrunde, spricht einiges dafür, dass die praktischen Ergebnisse ähnlich sein dürften. Sowohl bei der alten Organschafts-Voraussetzung als auch i.R.d. § 50d Abs. 3 EStG kommt es nach Rechtsprechung bzw. Finanzverwaltung darauf an, dass die Obergesellschaft schriftliche Führungsentscheidungen trifft. Zwar wird i.R.d. Organschaft auf die „Konzernleitung“ und nicht „Führungsentscheidungen“ abgestellt, die beiden Begriffe dürften jedoch synonym zu verwenden sein; insbesondere darf Konzernleitung nicht verstanden werden als eine Leitung ausschließlich durch die oberste Konzernspitze; auch Zwischenholdings können im beschriebenen Sinne Leitung für die ihnen zugeordneten Tochtergesellschaften übernehmen. So ist aus der BFH-Rechtsprechung ebenfalls erkennbar, dass es bei der Konzernleitung nicht darauf an72 BMF, Schr. v. 24.1.2012, BStBl. I 2012, 171, Tz. 5.3. 73 BMF, a.a.O., Tz. 5.2. 74 Vgl. Kraft/Ungemach, DStZ 2015, 716, 720 f.

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kommt, alle Einzelentscheidungen zu treffen, sondern „die Grundlinien der Geschäftspolitik […] und sonst grundlegende Fragen der Geschäftspolitik der Konzernunternehmen“75. Auch bei der Mindestzahl der geforderten Beteiligungen besteht u.E. Gleichlauf, sofern echte Holdings ohne sonstige unternehmerische Tätigkeit vorliegen: es sind mindestens zwei Beteiligungen erforderlich. Dies verlangte der BFH für die alte Anerkennung der Organschaft.76 Und so sieht das auch die Finanzverwaltung i.R.d. § 50d Abs. 3 EStG als zwingend an (was allerdings durchaus umstritten ist, insbesondere auch weil sich die Organschaftsvoraussetzungen signifikant geändert haben77). Praktisch wird man daher bis auf Weiteres davon ausgehen müssen, dass eine rein als geschäftsleitende Holding tätige Betriebsstätte nur dann als solche anerkannt werden wird, wenn sie an mindestens zwei Beteiligungsgesellschaften beteiligt ist, aktiv Führungsentscheidungen in Bezug auf die Geschäftspolitik der Beteiligungsgesellschaften trifft78 und diese schriftlich dokumentiert. Nach Ansicht von Pung muss die geschäftsleitende Holding darüber hinaus nicht nur überhaupt geschäftsleitend für die nachgeordneten Gesellschaften tätig sein. Vielmehr ergebe sich aus der funktionalen Betrachtung das Erfordernis eines quantitativen Elements, sodass ein gewisser (und u.U. nicht kleiner) Mindestumfang in Bezug auf die Tätigkeit zu fordern sei. Aus der bisherigen Rechtsprechung lässt sich dieses Erfordernis allerdings nicht entnehmen; fraglich ist auch, wo insofern die Grenze zu ziehen wäre. Die Finanzverwaltung fordert i.R.d. § 50d Abs. 3 EStG Beteiligungen „von einigem Gewicht“, konkretisiert dies aber auch nicht weiter klar.79

75 BFH, Urt. v. 17.12.1969 – I R 252/64, BStBl. II 1970, 257, Tz. 37 (juris-Tz.); auf dieses Urteil nimmt der BFH auch in jüngerer Zeit Bezug, vgl. BFH, Beschl. v. 10.8.2005 – I B 27/05, BFH/NV 2006, 133, Tz. 7 (juris-Tz.). 76 BFH, Urt. v. 21.1.1976 – I R 21/74, BStBl. II 1976, 389, Tz. 14 (juris-Tz.). 77 Vgl. z.B. Klein, in JbFSt 2012/2013, S. 544, 549 m.w.N. 78 Hierzu könnten z.B. Entscheidungen über Personalangelegenheiten, Fragen der Preispolitik, der Werbung, der Öffentlichkeitsarbeit, des Vertriebs oder der Unternehmensstrategie zählen, FG Münster, Urt. v. 15.12.2014 – 13 K 624/11 F, EFG 2015, 704, Tz. 82 (juris-Tz.) mit Verweis auf BFH, Urt. v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771, Tz. 18 (juris-Tz.). 79 BMF, Schr. v. 24.1.2012, BStBl. I 2012, 171, Tz. 5.2 („… hängt nicht von der kapitalmäßigen Beteiligung ab. Es kommt darauf an, dass auf das Geschäft der Beteiligungsgesellschaft tatsächlich Einfluss genommen wird.“).

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Auch wenn bezüglich der konkreten Anforderungen Uneinigkeit bestehen mag, so ist m.E. jedenfalls dem Grunde nach davon auszugehen, dass die Anerkennung einer Betriebsstätte als geschäftsleitende Holding generell möglich ist. Dies gilt insbesondere, nachdem der AOA in das deutsche Recht bereits überführt wurde (vgl. § 1 Abs. 5 AStG, § 7 Abs. 1 BsGaV) und sukzessive auch in den DBA umgesetzt werden wird. Nach dem AOA wird in der abkommensrechtlichen Beurteilung die Betriebsstätte wie ein selbstständiges Unternehmen betrachtet werden. Dementsprechend muss auch die Betriebsstätte – wie ein selbstständiges Unternehmen – grundsätzlich als Holding angesehen werden können, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.80 Was genau die Voraussetzungen sind – u.a. ob man sich tatsächlich an der Rechtsprechung zur Organschaft oder den zu § 50d Abs. 3 EStG entwickelten Kriterien orientieren kann – bleibt noch etwas unklar. Für die Praxis wäre eine Klärung angesichts der Bedeutung der Frage von erheblicher Bedeutung.

80 Vgl. auch Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 10 OECD-MA, Rz. 163 (März 2013).

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Die deutschen Entstrickungsregeln im Lichte der Rechtsprechung Dr. Stefanie Beinert Steuerberaterin, Rechtsanwältin, Frankfurt a.M. Leitender Regierungsdirektor Franz Hruschka München1 Inhaltsübersicht I. Entstrickungsregeln (DBAFreistellungs-Betriebsstätte) 1. Geltung der Theorie der finalen Entnahme a) Kein kodifizierter Entstrickungstatbestand b) Sonderfall des § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 2. Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 5 EStG a) Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte desselben Steuerpflichtigen b) Überführung/Übertragung eines Wirtschaftsguts in ein ausländisches Sonderbetriebs-/Gesamthandsvermögen 3. Ägide des Grundtatbestands des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (§ 12 Abs. 1 KStG) a) Schaffung einer gesetzlichen Entstrickungsregelung

b) Aufgabe der finalen Entnahmetheorie, § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG, § 12 Abs. 1 Satz 4 KStG 4. Ägide der Regelbeispiele a) Schaffung der Regelbeispiele b) Ergänzung der Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 5 EStG aa) Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte desselben Steuerpflichtigen bb) Überführung/ Übertragung eines Wirtschaftsguts in ein ausländisches Sonderbetriebs-/ Gesamthandsvermögen c) §§ 16 Abs. 3a, 36 Abs. 5 EStG 5. § 1 Abs. 5 AStG, BsGaV a) Ergänzung von § 1 AStG b) BsGaV

1 Fr. Dr. Stefanie Beinert ist Partner der Sozietät Hengeler Mueller, Frankfurt a.M. und LRD Franz Hruschka ist Leiter der Abteilung Betriebsprüfung des Finanzamts München.

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Beinert/Hruschka, Die Entstrickungsregeln in der Rechtsprechung II. … im Lichte der deutschen Rechtsprechung; offene Fragen: § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/ AOA – § 6 Abs. 5 EStG 1. Entwicklung des Entstrickungskonzepts vor der Rechtsprechungsänderung a) Abhängigkeit von der Vorfrage des deutsche Besteuerungsrechts b) Überschneidungen mit der Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 5 EStG 2. Korrektur von Entstrickungsregelungen und Bewertungsvorschrift a) Wirkung des Regelbeispiels b) Überschneidungen mit der Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 5 EStG c) Ungeklärte Rückwirkung III. Ausschluss oder Beschränkung durch Verbringen ins Ausland? IV. Offene Fragen: § 4 Abs. 1 Sätze 3 ff. EStG – § 1 Abs. 5, 1 AStG V. Stundungsmöglichkeiten in Entstrickungsfällen 1. § 4g EStG 2. Fehlen von Stundungsregelungen VI. Verdoppelung stiller Reserven – EuGH/FG Hamburg 1. Rechtslage 1995 2. Sachverhalt des FG Hamburg a) EuGH-Urteil DMC b) FG Hamburg

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3. Bedeutung für unter das UmwStG 2006 zu subsumierende Sachverhalte 4. Fortbestehende Steuerverstrickung auf einer Ebene nach „Verdopplung“ der stillen Reserven ausreichend? VII. Im Lichte der europäischen Rechtsprechung 1. Privatvermögen 2. Betriebsvermögen 3. Thesenförmige Zusammenfassung der EuGHRechtsprechung zum betrieblichen Bereich 4. Auswirkungen auf inländische Vorschriften VIII. Und ihre Konsequenzen für den Mittelstand: § 6b EStG 1. Grundstück 2. Beteiligung IX. Und ihre Konsequenzen für den Mittelstand: Geschäftsleitende Holding 1. Betriebsstätte i.S.v. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA a) Erfordernis einer „unternehmerischen“ Tätigkeit b) Geschäftsleitende Holding dem Grunde nach c) Rückgriff auf die von einer Kapitalgesellschaft erwartete Tätigkeit d) Rückgriff auf die Grundsätze zur ertragsteuerlichen Organschaft und zu § 50d Abs. 3 EStG aa) Konzernleitungsfunktionen ausreichend

Beinert/Hruschka, Die Entstrickungsregeln in der Rechtsprechung bb) Keine (zusätzlichen) Dienstleistungen nötig cc) Erfordernis mindestens zweier Tochtergesellschaften? e) Ausübung von Leitungsfunktionen

2. (Funktionale) Zuordnung der Beteiligung a) Zuordnungsmaßstäbe b) Weitere (Mitunternehmer-)Betriebsstätte nicht vorhanden c) Quantitative Elemente? d) Sonderfall: Sonderbetriebsvermögen II

I. Entstrickungsregeln (DBA-Freistellungs-Betriebsstätte2) 1. Geltung der Theorie der finalen Entnahme a) Kein kodifizierter Entstrickungstatbestand Seit Ende der 1960er Jahre wurde vom BFH bei der Überführung von Wirtschaftsgütern über die Grenze angenommen, dass im Zeitpunkt der letzten Zugriffsmöglichkeit des Fiskus die darin enthaltenen stillen Reserven einer Entstrickungsbesteuerung zu unterwerfen sind (Theorie der finalen Entnahme).3 Maßgebend für den BFH war, dass die Besteuerung der stillen Reserven nicht „sichergestellt“ sei, weil nach damaliger Auslegung des Betriebsstätten-Artikels (Art. 7 OECD-MA) der in der ausländischen Betriebsstätte nach der Überführung erzielte Veräußerungsgewinn für das Wirtschaftsgut – auch soweit er die bis zur Überführung in Deutschland entstandenen stillen Reserven umfasste – nur dem Ergebnis der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen und in Deutschland freizustellen war.4 Dieser Rechtsprechung folgte die Finanzverwaltung, milderte diese aber mit Schreiben vom 12.2.1990 aus Billigkeit dadurch ab, dass sie die Bildung eines Ausgleichspostens zuließ, der erst bei Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus der ausländischen Betriebsstätte (bei nichtabnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bzw. Wirtschaftsgütern des Umlagevermögens) bzw. zeitanteilig nach der tatsächlichen Nutzungsdauer (bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens) aufzulösen

2 Die Anrechnungsbetriebsstätte wird nachfolgend nicht beleuchtet. 3 BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175. 4 Zur Entwicklung der Rspr. Levedag in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2013, Rz. 11.7 ff.

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war.5 Dieser Regelungsansatz wurde im Betriebsstätten-Erlass übernommen, aber durch eine zeitliche Höchstgrenze (10 Jahre) ergänzt.6 b) Sonderfall des § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 Das UmwStG enthält keine Entstrickungsregelungen im eigentlichen Sinne, wohl aber Anforderungen an eine Buchwertfortführung, die im Ergebnis einer Entstrickungsregelung gleichkommen. Das UmwStG 1995 enthielt (neben dem bereits 1972 eingeführten § 6 AStG für das Privatvermögen7) einen ersten entstrickungsähnlichen Tatbestand: Nach § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 musste das in eine Kapitalgesellschaft eingebrachte Betriebsvermögen mit dem Teilwert angesetzt werden, wenn das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus einer Veräußerung der dem Einbringenden gewährten Gesellschaftsanteile im Zeitpunkt der Sacheinlage ausgeschlossen war. Der Wert, mit dem die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzte, galt nach § 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 1995 für den Einbringenden als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile. Die anfallende Steuer konnte nach § 20 Abs. 6 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995 in jährlichen Teilbeträgen von mindestens je einem Fünftel entrichtet werden, wenn die Entrichtung der Teilbeträge sichergestellt war.

2. Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 5 EStG § 6 Abs. 5 EStG wurde durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/ 20028 als Teil einer systematischen Kodifizierung der bis dahin gesetzlich nicht geregelten Besteuerungsfolgen bei Überführung von Wirtschaftsgütern eingeführt.9 Die Vorschrift erfasst Vorgänge nach dem 31.12.1998.

5 BMF v. 12.2.1990, BStBl. I 1990, 72. 6 BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076. Vgl. dazu u.a. Kahle/Eichholz in Wöhrle/Schelle/Gross, AStG, § 4 EStG Rz. 3 ff. (März 2015). 7 Gesetz zur Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit bei Auslandsbeziehungen und zur Verbesserung der steuerlichen Wettbewerbslage bei Auslandsinvestitionen, BGBl. I 1972, 1713. 8 BStBl. I 1999, 304. 9 BT-Drs. 14/23, 172.

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a) Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte desselben Steuerpflichtigen Nach § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG führt die Überführung eines Wirtschaftsguts von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen zur Buchwertfortführung, wenn die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Da eine ausländische Betriebsstätte desselben Steuerpflichtigen nicht als „anderer Betrieb“ qualifiziert, sondern nur als ein anderer Betriebsteil, findet § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG auf die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte keine Anwendung; es fehlt an einer Überführung „zwischen zwei Betrieben“.10 Die Rechtslage ist allerdings nicht abschließend geklärt, weil die Gesetzesbegründung – wenn auch ohne nähere Begründung – davon ausgeht, dass § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG auch die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte erfasst.11 Hinweis: Die Implementierung des AOA in das innerstaatliche Recht durch § 1 Abs. 5 AStG ändert unseres Erachtens nichts an diesem Befund. Zwar gilt eine Betriebsstätte danach als selbständig; dies führt aber nicht dazu, dass die Überführung eines Wirtschaftsguts nunmehr für Zwecke des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG als (echte) Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG qualifiziert.12 b) Überführung/Übertragung eines Wirtschaftsguts in ein ausländisches Sonderbetriebs-/Gesamthandsvermögen Die Überführung/Übertragung eines Wirtschaftsguts in ein ausländisches Sonderbetriebs-/Gesamthandsvermögen fällt unter § 6 Abs. 5 Sätze 2, 3 EStG. Es kommt zur Buchwertfortführung, wenn das deutsche Besteuerungsrecht gesichert ist (Verweis auf Satz 1).

10 Vgl. u.a. Wied in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 4 EStG Rz. 486 (August 2013); Gosch in Kirchhof, EStG, 14. Aufl. 2015, § 49 Rz. 16; Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Rz. 1440b (Juni 2014). 11 BT-Drs. 14/23, 173. 12 A.A. Levedag in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2013, Rz. 11.94.

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3. Ägide des Grundtatbestands des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (§ 12 Abs. 1 KStG) a) Schaffung einer gesetzlichen Entstrickungsregelung Die Entstrickungsbesteuerung wurde durch das SEStEG erstmals gesetzlich geregelt.13 Neben zahlreichen Neuregelungen im Umwandlungssteuerrecht14 wurden mit Wirkung ab 2006 „allgemeine“ Entstrickungstatbestände in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG eingefügt. Danach werden Sachverhalte, bei denen das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt wird, einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke gleichgestellt. Es wird eine Entnahme fingiert, die zum gemeinen Wert (§ 9 Abs. 2 BewG) zu bewerten ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 2. Halbsatz EStG).15 Der Gesetzgeber knüpft die Entnahmefiktion nicht an die Überführung des betroffenen Wirtschaftsguts an, sondern an den „Ausschluss“ oder die „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts. Dadurch wird der Entstrickungstatbestand von der (damals umstrittenen) rechtlichen Vorfrage abhängig, ob Deutschland ein fortbestehendes Besteuerungsrecht an den im Inland gebildeten stillen Reserven hat.16 Zugleich wurde auch eine zeitliche Streckung der Entstrickungsbesteuerung in § 4g EStG auf Anregung des Bundesrats17 als europarechtskonforme Ausgestaltung der Entstrickung geregelt.

13 BGBl. I 2006, 2782. Dabei wird nicht mehr nur – wie beim finalen Entnahmebegriff des BFH – nur die Überführung des Wirtschaftsguts in eine Freistellungs-Betriebsstätte erfasst. 14 Die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen gehen § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG als lex specialis vor; BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 03.18 und 11.09. 15 Im Falle der Überführung von Wirtschaftsgütern einer Kapitalgesellschaft in ihre ausländische Betriebsstätte wird die Fiktion einer Entnahme von Wirtschaftsgütern durch die Annahme einer Veräußerung oder Überlassung ersetzt (§ 12 Abs. 1 KStG). 16 Gosch in Kirchhof, EStG, 14. Aufl. 2015, § 49 Rz. 16; Levedag in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2013, Rz. 11.47. 17 BR-Drs. 542/06.

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b) Aufgabe der finalen Entnahmetheorie, § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG, § 12 Abs. 1 Satz 4 KStG Zwei Jahre später, im Jahre 2008, gab der BFH die finale Entnahmetheorie für einen Fall aus dem Jahr 1995 auf.18 Wie das SEStEG deutlich gemacht habe, fehlte es an einer gesetzlichen Grundlage für die Entstrickungsbesteuerung für die Zeit vor 2006. Außerdem sei das deutsche Besteuerungsrecht für die in Deutschland entstandenen stillen Reserven im Verhältnis zu Staaten mit Freistellungsklausel im DBA nicht verloren, denn die bis zum Grenzübertritt entstandenen stillen Reserven blieben in Deutschland steuerverhaftet.

4. Ägide der Regelbeispiele a) Schaffung der Regelbeispiele Der Gesetzgeber reagierte mit dem JStG 201019 und ergänzte § 4 Abs. 1 EStG (und § 12 Abs. 1 KStG) um einen neuen Satz 4, wonach eine Entstrickung insbesondere dann vorliegt, „wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen BS zuzuordnen ist“. Zugleich fasste er § 52 Abs. 8b Sätze 2–3 EStG neu und ordnete eine Rückwirkung der (so neu geregelten Entstrickungsbesteuerung) auch für die Jahre vor 2006 an. Es soll sich laut Gesetzesbegründung um „klarstellende Regelbeispiele“20 handeln, die die bisherige Rechtslage „aus Sicherheitsgründen“ klarstellen sollen.21 Nach den Regelbeispielen erfüllt der reine Zuordnungswechsel eines Wirtschaftsguts in Form einer Überführung in eine ausländische Betriebsstätte den Tatbestand der Entstrickung und führt nach Auffassung der Finanzverwaltung zur Besteuerung der stillen Reserven.22

18 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. Die Entscheidung des BFH erging zur Rechtslage vor Einführung des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG. Die Folgen einer Überführung einzelner Wirtschaftsgüter von einem Betriebsvermögen auf ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen waren für das Streitjahr 1995 noch nicht gesetzlich geregelt. 19 BGBl. I 2010, 1768. 20 BT-Drs. 17/3549, 19. 21 Mitschke, Ubg 2011, 336. 22 BMF v. 18.11.2011, BStBl. I 2011, 1278.

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b) Ergänzung der Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 5 EStG Durch das JStG 2010 wurde auch § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG um eine „entsprechende“ Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG ergänzt. Die Bedeutung des Verweises ist allerdings unklar: aa) Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte desselben Steuerpflichtigen Unseres Erachtens findet § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG keine Anwendung, wenn ein Wirtschaftsgut in eine ausländische Betriebsstätte desselben Steuerpflichtigen überführt wird. Sollte man das anders sehen, stellt sich die Frage, ob der Verweis auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG dazu führt, dass die Sicherstellung der stillen Reserven nicht mehr gegeben ist. Dabei wäre unseres Erachtens – sollte § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG anwendbar sein – diese Norm vorrangig vor § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG anzuwenden. bb) Überführung/Übertragung eines Wirtschaftsguts in ein ausländisches Sonderbetriebs-/Gesamthandsvermögen Bei Überführungen oder Übertragungen von Wirtschaftsgütern (mit oder ohne Rechtsträgerwechsel) in ein ausländisches Sonderbetriebs-/Gesamthandsvermögen fehlt es unseres Erachtens an einem innerbetrieblichen Zuordnungswechsel i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG. Es liegt vielmehr eine „echte“ Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG – und zwar aus dem Blickwinkel des abgebenden Betriebs zu betriebsfremden Zwecken – (mit anschließender Einlage) vor, für die § 6 Abs. 5 EStG die Buchwertfortführung anordnet. c) §§ 16 Abs. 3a, 36 Abs. 5 EStG Da der BFH konsequenterweise auch die Theorie der finalen Betriebsaufgabe aufgab,23 wurde diese Theorie im Rahmen des JStG 2010 in einem neuen § 16 Abs. 3a EStG kodifiziert,24 der über § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG auch für Körperschaften gilt.25 Danach wird bei einem Ausschluss oder 23 BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019. 24 Wacker in Schmidt, EStG, 34. Aufl. 2015, § 16 Rz. 175. 25 Vgl. Thömmes, JbFSt 2012/2013, 91; Benecke/Staats in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 12 KStG Rz. 639, 642 (April 2015); Gosch in Kirchhof, EStG, 14. Aufl. 2015, § 36 Rz. 26.

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einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter des Betriebs oder eines Teilbetriebs die Betriebsaufgabe fingiert. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG findet im Fall der Betriebsverlegung analog Anwendung (§ 16 Abs. 3a Satz 1 2. Halbsatz EStG). Für Fälle der Betriebsverlegung in einen anderen EU/EWR-Staat ist die festgesetzte Steuer auf den (fiktiven) Aufgabegewinn auf Antrag des Steuerpflichtigen in fünf gleichen Jahresraten zinslos zu entrichten (§ 36 Abs. 5 EStG).26 § 4g EStG findet folglich keine Anwendung; im Gegensatz zu § 4g EStG ist ein Antrag nach § 36 Abs. 5 EStG auch bei Überführungen in EWR-Staaten möglich und steht auch beschränkt Steuerpflichtigen offen.27 §§ 36 Abs. 5, 16 Abs. 3a EStG sind nach dem Willen des Gesetzgebers auf alle offenen Fälle anzuwenden (§§ 52 Abs. 34 Satz 5, Abs. 50d Satz 3 EStG in der Fassung vor dem Kroatienanpassungsgesetz).

5. § 1 Abs. 5 AStG, BsGaV a) Ergänzung von § 1 AStG Durch die Änderung des § 1 AStG im Rahmen des AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.201328 (erstmals anwendbar auf nach dem 31.12.2012 beginnende Wirtschaftsjahres) wurde der „Authorized OECD-Approach“ (AOA) in das deutsche Steuerrecht integriert. Im Zuge der Fiktion einer Betriebsstätte als selbständiges und unabhängiges Unternehmen ist gem. § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG zu prüfen, inwiefern anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte vorliegen. Unklar ist die Anwendung von § 1 Abs. 5 AStG allerdings im Zusammenhang mit DBA, die den AOA noch nicht implementiert haben.29 Zuordnungsmethodik: Mangels Anhaltspunkte zur Zuordnungsmethodik wäre grundsätzlich das OECD-Konzept zur Anwendung zu bringen

26 Vgl. Loschelder in Schmidt, EStG, 34. Aufl. 2015, § 36 Rz. 28. 27 Vgl. Richter/Heyd, Ubg 2011, 176; Prinz, GmbHR 2012, 196; Schaumburg, ISR 2013, 201; Gosch in Kirchhof, EStG, 14. Aufl. 2015, § 36 Rz. 28. Für eine entsprechende Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 4g EStG Beinert/ Benecke, FR 2010, 1012; Bodden in Korn, EStG, § 4g Rz. 26 (Januar 2014). 28 BGBl. I 2013, 1809. 29 Kraft/Dombrowski, IWB 2015, 87; Häck in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 10 Rz. 142 (Juni 2015).

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wie es in dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010 und der OECD-MK 2010 zum Ausdruck kommt.30 b) BsGaV Auf Basis der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 6 AStG erging am 13.10.2014 die Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV).31 Diese ist für alle ab dem 31.12.2014 beginnenden Wirtschaftsjahre (§ 40 BsGaV) anzuwenden. Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 BsGaV liegt eine „anzunehmende schuldrechtlichen Beziehung“ vor, wenn eine Änderung der Zuordnung des Wirtschaftsguts zu der Betriebsstätte i.S.d. BsGaV bewirkt wird. Die identifizierten anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen sind gem. § 16 Abs. 2 BsGaV fremdvergleichskonform zu bewerten und generieren fiktive Betriebseinnahmen und -ausgaben. Zuordnungsmethodik: Die Zuordnung richtet sich analog dem OECDKonzept32 grundsätzlich nach den maßgeblichen Personalfunktionen (Significant People Functions), § 1 Abs. 2 Nr. 2 BsGaV. Die BsGaV enthält dann aber doch signifikante Abweichungen in der Zuordnungsmethodik z.B. bei Beteiligungen. Nach dem OECD-Konzept käme es auf die Chancen und Risiken als Zuordnungskriterium an, in § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 BsGaV wird aber auf den als Nutzung im Sinne eines „mittelbaren Gebrauchs“ qualifizierten funktionalen Zusammenhang der Beteiligung zur Geschäftstätigkeit der BS abgestellt.33 Eine nähere Umschreibung, wann ein solcher funktionaler Zusammenhang gegeben ist, findet sich nicht. Im Schrifttum wird eine zumindest partielle Kehrtwende zurück zu den Maßstäben der „funktionalen Zurechnung“ im Sinne der BFH-Rechtsprechung angenommen.34 Die Finanzverwaltung versucht die entstehenden Zuordnungsfragen zu vermeiden. Obwohl § 1 Abs. 5 AStG erst auf nach dem 31.12.2012 beginnende Wirtschaftsjahre Anwendung findet und die BsGaV sogar erst mit Wirkung ab 31.12.2014 gilt, sollen nach dem BMF-Schreiben v. 26.9.201435 die nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 5 AStG zu treffenden Entscheidungen für alle offenen Fälle und unabhängig davon maßgeb30 31 32 33 34

Häck, ISR 2015, 113, 118. BGBl. I 2014, 1603. OECD-Betriebsstättenbericht Rz. 15, 16. Verordnungsbegründung v. 28.8.2014, BR-Drs. 401/14, 64. Häck, ISR 2015, 113, 119, 120; Häck in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 10 Rz. 142 (Juni 2015). 35 BMF v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 354.

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lich sein, ob der AOA in dem im Einzelfall anwendbaren DBA bereits implementiert wurde. Die Finanzverwaltung geht dabei davon aus, dass die Zuordnung einer Beteiligung zu einer Betriebsstätte mittels § 1 Abs. 5 AStG in ihren „Grundzügen“ der funktionalen Zurechnung des BFH entspricht.36 Worin die „Grundsätze“ des § 1 Abs. 5 AStG bestehen und was (noch) zu den „Grundzügen“ der BFH-Rechtsprechung gehört, wird nicht weiter erläutert. Die Formulierung zeigt aber, dass es selbst nach Auffassung der Finanzverwaltung Unterschiede geben kann. Zudem ist keineswegs gesichert, dass die bisherige funktionale Betrachtung des BFH den Grundsätzen des AOA entspricht, von denen § 1 Abs. 5 AStG ausgeht.37

II. … im Lichte der deutschen Rechtsprechung; offene Fragen: § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/AOA – § 6 Abs. 5 EStG Nach der früher vom BFH vertretenen Theorie der finalen Entnahme entsprach die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine Freistellungs-Betriebsstätte einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke zum Teilwert.38 Nach der Theorie der aufgeschobenen Gewinnrealisierung beendet die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine Freistellungs-Betriebsstätte dagegen nicht die Betriebszugehörigkeit des Wirtschaftsguts (d.h. keine Entnahme).39

1. Entwicklung des Entstrickungskonzepts vor der Rechtsprechungsänderung Der Gesetzgeber hatte schon vor der Rechtsprechungsänderung mit Wirkung ab 1.1.2006 ein Entstrickungskonzept (also eine fingierte Entnah36 BMF v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 354. Danach wird die abkommensrechtliche „tatsächliche Zurechnung“ von Beteiligungen zu einer Betriebsstätte nur bejaht, wenn sie nach § 1 Abs. 5 AStG der Betriebsstätte zuzurechnen ist. 37 Vgl. Kaeser, ISR 2012, 63, 67 (nach der Rechtsprechung des BFH muss das Wirtschaftsgut der Betriebsstätte dienen, die AOA fragt danach, ob die in der Betriebsstätte ausgeübte Funktion für das Wirtschaftsgut als solches relevant ist). Vgl. auch Ditz, ISR 2013, 261, 264; Ditz/Luckhaupt, ISR 2015, 1, 8; Häck, ISR 2015, 113, 120; Häck in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 5 Rz. 142 (Juni 2015). Nach Hruschka, IStR 2014, 785, 790, bleibt abzuwarten, ob sich die Einschätzung der Finanzverwaltung zum AOA in der Praxis bewährt. 38 BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175. 39 BFH v. 17.8.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464.

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me) gesetzlich verankert. Daraus erwuchsen im Wesentlichen zwei Probleme: a) Abhängigkeit von der Vorfrage des deutsche Besteuerungsrechts Zum einen knüpfte das Entstrickungskonzept an die Vorfrage des Bestehens eines deutschen Besteuerungsrechts an und war daher anfällig für eine geänderte Rechtsauffassung dazu. Dem wird versucht entgegenzutreten, indem man § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG als Gefährdungstatbestände interpretiert, so dass ein „Ausschluss“ oder eine „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts bei grenzüberschreitender Überführung eines Wirtschaftsguts immer vorliege, da danach der Besteuerungszugriff auf die stillen Reserven erschwert sei.40 Dies ist unzutreffend: Die Entstrickungsregelungen knüpfen an eine tatsächliche Statusverschlechterung in Bezug auf das deutsche Besteuerungsrecht an. Hätte der Gesetzgeber einen reinen Gefährdungstatbestand gewollt, hätte er nicht zwischen der Überführung in Freistellungs-Betriebsstätte und Anrechnungs-Betriebsstätte/Nicht-DBA-Betriebsstätte differenziert.41 b) Überschneidungen mit der Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 5 EStG Zum anderen knüpft auch die ab dem 1.1.1998 geltende Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 5 EStG an die Sicherstellung der stillen Reserven an. Hält man – entgegen unserer Auffassung – § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG auch für Überführungen eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte desselben Steuerpflichtigen für anwendbar, kommt man zur zwingenden Buchwertfortführung, wenn das deutsche Besteuerungsrecht sichergestellt ist. Dies wäre nach der Rechtsprechungsänderung der Fall. Dem wird im BMF-Schreiben zu § 6 Abs. 5 EStG v. 8.12.2011 versucht entgegenzutreten, indem man das deutsche Besteuerungsrecht deshalb als nicht „gesichert“ ansieht, weil Deutschland die „künftigen“ stillen Reserven nicht besteuern dürfe.42 Diese Sichtweise ist aber unzutreffend, da auch eine Sofortbesteuerung zu keinem Besteuerungszugriff auf

40 Musil, FR 2012, 32. 41 Levedag in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2013, Rz. 11.59. 42 BMF v. 8.12.2011, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 7 Satz 1.

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„künftige“ stillen Reserven führt, diese also nicht Zielrichtung des Gesetzgebers sein können.43

2. Korrektur von Entstrickungsregelungen und Bewertungsvorschrift Nach der Rechtsprechungsänderung wurde eine rückwirkende Korrektur der Entstrickungsregelungen und der Bewertungsvorschrift versucht, durch Ergänzung eines Regelbeispiels. Das hat weitere Fragen aufgeworfen, insbesondere: a) Wirkung des Regelbeispiels Es ist unklar, ob das Regelbeispiel die erhoffte Wirkung hat. b) Überschneidungen mit der Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 5 EStG § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG wurde um eine „entsprechende“ Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG ergänzt. Für die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte desselben Steuerpflichtigen ist der Verweis irrelevant, da § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG für diese Fallkonstellation nicht anwendbar ist. Bei Überführungen oder Übertragungen von Wirtschaftsgütern (mit oder ohne Rechtsträgerwechsel) in ausländische Sonder- und Gesamthandsvermögen ist § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG anwendbar. Es fehlt hier aber an einem betrieblichen Zuordnungswechsel i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG. Es liegt vielmehr eine „echte“ Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG (gefolgt von einer Einlage) vor, für die § 6 Abs. 5 EStG die Buchwertfortführung anordnet, sofern die Besteuerung der stillen Reserven gesichert ist. Offen ist, in welchem Umfang der Verweis in § 6 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz EStG auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG Wirkung entfaltet. Beinert: Auf der Grundlage der neuen BFH-Rechtsprechung ist die für § 6 Abs. 5 EStG erforderliche Sicherung der stillen Reserven meines Erachtens gegeben. Der Verweis in § 6 Abs. 5 EStG auf § 4 Abs. 1 Satz 4

43 Levedag in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2013, Rz. 11.33 unter Hinweis auf BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019.

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EStG geht insoweit ins Leere.44 Die Tatsache, dass § 6 Abs. 5 EStG aus der Zeit vor der Aufgabe der finalen Entnahmetheorie stammt, steht einer parallelen Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG meines Erachtens entgegen.45 Die Verwaltungsauffassung, wie sie im BMF-Schreiben zu § 6 Abs. 5 EStG v. 8.12.2011 zum Ausdruck kommt, versucht offenbar hier entgegenzuhalten, indem sie darauf abstellt, dass das Besteuerungsrecht deshalb nicht „gesichert“ sei, weil Deutschland die „künftigen“ stillen Reserven nicht besteuern dürfe.46 Diese Sichtweise ist aber unzutreffend. Auch eine Sofortbesteuerung würde zu keinem deutschen Besteuerungszugriff auf künftige stille Reserven führen, so dass diese nicht Zielrichtung des Gesetzgebers sein können.47 Hruschka: Es sollte bedacht werden, dass § 6 Abs. 5 EStG lediglich die entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG anordnet. Im Sinne eines Rechtsfolgenverweises ist sie daher als Regelbeispiel dahingehend zu verstehen, dass die Besteuerung der stillen Reserven nach Überführung eines Wirtschaftsguts in ein anderes Betriebsvermögen im Ausland typischerweise nicht mehr sichergestellt ist. Wann dies der Fall ist, wird in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG beschrieben. Dort ist – im Unterschied zum herkömmlichen Verständnis der Sicherstellung der stillen Reserven – von einer Verschlechterung des Besteuerungsrechts auch auszugehen, wenn die Überführung in eine Anrechnungsbetriebsstätte erfolgt.48 Ein Unterschied zu § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bleibt jedoch erhalten. § 6 Abs. 5 EStG regelt einen Fall der Normalentnahme, die mit dem Teilwert zu bewerten ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 1. Halbsatz EStG); indes ist die Entstrickungsentnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 2. Halbsatz EStG). Die Tatsache, dass § 6 Abs. 5 EStG aus der Zeit vor der Aufgabe der finalen Entnahmetheorie stammt, steht dem Spezialitätsvorrang der Vorschrift im Verhältnis zu § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG meines Erachtens nicht entgegen. 44 Vgl. auch Levedag in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2013, Rz. 11.114; Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Rz. 1443, 1449 (Januar 2012). 45 Körner, IStR 2009, 741; Jochimsen/Kraft, FR 2015, 629, 631. 46 BMF v. 8.12.2011, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 7 Satz 1. 47 Levedag in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2013, Rz. 11.33 unter Hinweis auf BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019. 48 Ebenso Ehmcke in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 6 EStG Rz. 1293 (August 2014).

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c) Ungeklärte Rückwirkung Es ist unklar, für welche Zeiträume – wenn überhaupt – die Anordnung der Rückwirkung gesetzlich zulässig ist. Ggf. ist hier für die Zeiträume vor Inkrafttreten von § 6 Abs. 5 EStG und § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG sowie für die Zeiträume danach zu differenzieren.

III. Ausschluss oder Beschränkung durch Verbringen ins Ausland? Es ist nach wie vor strittig, ob der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG sein Ziel der Aufdeckung der stillen Reserven im Zeitpunkt der Überführung – vorbehaltlich des § 4g EStG – erreicht.49 In der Sache geht es um die Frage, ob der nicht erfüllte Grundtatbestand des Satzes 3 durch Einfügung eines Regelbeispiels fingiert werden kann oder ob ein Regelbeispiel nicht weiter gehen kann als der Grundtatbestand. Hruschka: Für die Ansicht des Gesetzgebers spricht neben seinem historischen Willen sein international anerkanntes Verständnis,50 dass Besteuerungsrechte der Zuordnung von Wirtschaftsgütern folgen und stille Reserven als nicht realisierte Gewinne grundsätzlich51 untrennbar mit dem Wirtschaftsgut verbunden sind, dem sie anhaften. Aus diesem Verständnis folgt das Recht, die stille Reserve im Wirtschaftsgut vorzei-

49 Zustimmend u.a. Richter/Heyd, Ubg 2011, 174 f.; Musil, FR 2011, 549 f.; Mitschke, FR 2011, 707; Frotscher in Frotscher/Geurts, EStG, § 4 EStG Rz. 375g (März 2011); Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 EStG Rz. 225 (November 2013); Lampert in Gosch, KStG, 3. Aufl. 2015, § 12 Rz. 33. A.A. u.a. Lendewig/Jaschke, StuB 2011, 94; Kessler/Philipp, DStR 2012, 270; Schnitger, IFSt-Schrift Nr. 487, 2013, S. 25; Ditz in Wassermeyer/ Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. 2015, Rz. 12.10; Dürrschmidt in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Vor Art. 6–22 Rz. 8b; v. Freeden in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2015, § 12 Rz. 62 sowie Gosch u.a. in IStR 2015, 709, 715. Zur ebenfalls strittigen Frage der Rückwirkung vgl. z.B. Benecke/Staats in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 12 KStG Rz. 36a (April 2015) m.w.N. zur Diskussion. 50 Siehe nur EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, IStR 2012, 27; EuGH v. 21.5.2015 – Rs.-C 657/13 – Verder Lab Tec, IStR 2015, 440. 51 Etwas anderes mag gelten, wenn die Trennung ausnahmsweise gesetzlich geregelt ist wie etwa bei Bildung einer gewinnmindernden Rücklage (§ 6b EStG; § 7g EStG; Rücklage für Ersatzbeschaffung u.ä.).

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tig bei Verlassen des Hoheitsgebiets zu besteuern. Spricht man sich indes gegen das internationale Verständnis aus, scheitert die Anwendung von Satz 4 daran, dass das Besteuerungsrecht Deutschlands nach der Rechtsprechung des BFH durch den Vorgang gerade nicht – wie von Satz 3 gefordert – ausgeschlossen oder beschränkt wird. Beinert: Der Gesetzeswortlaut ist eindeutig; es fehlt an dem auch für Satz 4 erforderlichen Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts. Folgt man der ersten Ansicht, ist weiter zu prüfen, ob das deutsche Besteuerungsrecht nicht ausnahmsweise erhalten bleibt aufgrund von DBA-Aktivitätsklausel oder DBA- und unilateralen Rückfallklauseln.52 Das FG Düsseldorf geht in seinem Vorlagebeschluss zum EuGH in Sachen Verder LabTec davon aus, dass § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG die vom Gesetzgeber beabsichtigte Wirkung hat.53 Abschließend wird es darüber nunmehr im Nachgang zum EuGH-Urteil54 zu entscheiden haben, nachdem dieser die Entstrickungsbesteuerung mit ratierlicher Stundung für europarechtskonform befunden hat. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH in einem möglichen Revisionsverfahren Gelegenheit haben wird, sich dazu zu äußern.55 Gegen die erste Ansicht sprechen neben der Gesetzestechnik auch eine ganze Reihe materieller Gründe: Die Argumentation des Gesetzgebers, die neue BFH-Rechtsprechung zur Aufgabe der finalen Entnahmetheorie sei mit verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Vollzugsdefiziten verbunden und nur schwer zu administrieren,56 kann nicht völlig überzeugen. Zwar müsste der Verbleib der überführten Wirtschaftsgüter in der ausländischen Betriebsstätte verfolgt werden, wenn die Besteuerung erst bei einem Außenumsatz eintreten soll. Mithilfe der Gesamtbilanz des inländischen Stammhauses dürfte dies aber möglich sein.57 Zudem können mit der Amtshilferichtlinie und der Beitreibungsrichtlinie die notwendigen Informationen über den Verbleib der Wirtschaftsgüter beschafft und Steueransprüche durchgesetzt werden.58 Außerdem können nach der 52 Levedag in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2013, Rz. 11.66. 53 FG Düsseldorf v. 5.12.2013 – 8 K 3664/11 F, EFG 2014, 119 (EuGH-Vorlage). 54 EuGH v. 21.5.2015 – Rs. C-675/13 – Verder Lab Tec, IStR 2015, 440. 55 Dazu Müller, ISR 2014, 58, 62. 56 Vgl. BR-Drucks. 318/1/10, 9, 11; hierzu auch Musil, FR 2011, 549. 57 Richter/Heyd, Ubg 2011, 175; Kahle, StuB 2011, 906. 58 Eickmann/Stein, DStZ 2007, 728; Richter/Heyd, Ubg 2011, 175.

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EuGH-Rechtsprechung59 bloße Verwaltungserschwernisse keinen Rechtfertigungsgrund für die Behinderung einer EG-Grundfreiheit darstellen.60 Zudem ist die steuerliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht eindeutig;61 so könnte ein Wirtschaftsgut mehreren Betriebsstätten anteilig zuordenbar sein.62 Sollte das FG Düsseldorf (bzw. ggf. der BFH in einem möglichen Revisionsverfahren) entscheiden, dass die angestrebte Fiktion gesetzlich nicht ausreichend verankert wurde, bliebe das betroffene Wirtschaftsgut – gedeckelt auf die im Zeitpunkt des Zuordnungswechsels vorhandenen stillen Reserven im Inland – steuerverstrickt. Sollte es zu einer tatsächlichen Realisation kommen, könnte diese konsequenterweise dann auch im Inland besteuert werden. Wie bei einem noch im Inland zugeordneten Wirtschaftsgut könnten ggf. Wahlrechte zur Buchwertfortführung ausgeübt werden. Wenn es sich also bei dem Wirtschaftsgut z.B. um eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft handelt, die später verschmolzen wird, könnte (müsste aber wohl auch) ein Antrag auf Buchwertfortführung nach § 13 Abs. 2 UmwStG gestellt werden.

IV. Offene Fragen: § 4 Abs. 1 Sätze 3 ff. EStG – § 1 Abs. 5, 1 AStG Grundsätzlich steht § 1 Abs. 5 ASG neben den Entstrickungsregelungen der § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG und § 16 Abs. 3a EStG. Vom Wortlaut der Norm gehen die allgemeinen Entstrickungsregelungen vor, da die nationalen Korrekturvorschriften i.S.d. AOA nur „unbeschadet anderer Vorschriften“ gem. § 1 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 AStG gelten.63 Aus dem Verweis in § 1 Abs. 5 Satz 6 AStG auf § 4g EStG ergibt sich nichts anderes.64

59 EuGH v. 4.3.2004 – Rs. C-334/02 – Kommission ./. Frankreich, Slg. 2004, I-2244, Rz. 29 f. 60 Richter/Heyd, Ubg 2011, 175; Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2. Aufl. 2013, Anh. 7 Rz. 33b. 61 Richter/Heyd, Ubg 2011, 175; Lendewig/Jaschke, StuB 2011, 94 f. 62 Z.B. immaterielle Wirtschaftsgüter, die von mehreren Betriebsstätten gleichzeitig genutzt werden, vgl. hierzu Wissenschaftlicher Beirat von Ernst & Young tax, DB 2010, 1777. 63 Begründung zu § 3 Abs. 1 Satz 1 BsGaV. Vgl. auch Benecke/Blumenberg, StbJb 2014/2015, 419, 428. 64 Ditz/Luckhaupt, ISR 2015, 1, 7.

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Richtigerweise ist § 1 Abs. 5 AStG als Einkünftekorrekturnorm überhaupt keine Entstrickungsregel. Deutlich wird dies, wenn man die Entstrickungsregelungen als spezielle Ersatzrealisationstatbestände versteht, die zu einer Aufstockung der Werte in der Steuerbilanz i.S.v. § 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV zwingen, während die Korrekturen i.S.v. § 1 Abs. 5, Abs. 1 AStG in einer zusätzlichen Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 BsGaV) abzubilden sind und als solche lediglich das zu versteuernde Einkommen außerhalb der Bilanz beeinflussen. Nur wenn die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu weitergehenden Berichtigungen als eine Entstrickung führt, sind die weitergehenden Berichtigungen neben den Rechtsfolgen der Entstrickungsregelungen durchzuführen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG). Soweit sich also die Rechtsfolgen der Entstrickungsregeln und des § 1 Abs. 5 AStG decken, sprechen unseres Erachtens gute Argumente gegen die Anwendbarkeit der zuletzt genannten Vorschrift.65 Für die Praxis würde dies bedeuten, dass etwa beim Transfer von Wirtschaftsgütern in die ausländische Betriebsstätte – entgegen dem historischen Willen des Gesetzgebers – die Korrekturtatbestände des § 1 Abs. 5 Satz 4, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Abs. 6 AStG i.V.m. der BsGaV nicht zur Anwendung kommen, da deren Rechtsfolgen nicht über die der Entstrickungsregelungen hinausgehen. Vielmehr kämen diese Regeln nur zum Tragen, wenn die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. § 1 AStG zu daneben bestehenden Berichtigungen führen.66 Hruschka: Dies wäre etwa der Fall, soweit das inländische Stammhaus an die Betriebsstätte Dienstleistungen erbringt, die zum Fremdvergleichspreis abzurechnen sind, die erst im folgenden Wirtschaftsjahr zu einem abkommensrechtlich aufzuteilenden Gewinn führen (Art. 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 OECD-MA 2010).67 Denn § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG 65 Ebenso Ditz/Luckhaupt, ISR 2015, 1, 7; Rasch/Wenzel, ISR 2015, 128, 132. 66 Ditz/Luckhaupt, ISR 2015, 1, 7; Rasch/Wenzel, ISR 2015, 128, 132. 67 Eine internationale Anwaltssozietät mit Hauptsitz in Deutschland berät durch ihre ausländische Betriebsstätte ein Mandat. Zur umfassenden Beurteilung „liefert“ das Stammhaus im Jahr 01 an die Betriebsstätte Beratungsleistungen zur Würdigung des Vorgangs nach deutschem Recht (Selbstkosten: 30; gemeiner Wert/Fremdpreis: 100). Im Jahr 02 rechnet die Betriebsstätte das Mandat zum Preis von 300 ab. Unter ausschließlicher Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und dem Veranlassungsprinzip kann das Stammhaus im Jahr 01 nur die Selbstkosten (30) im Wege der Kostenzuordnung an die Betriebsstätte belasten. Mangels selfexecuting Wirkung ist der Gewinn erst mit seiner Entstehung im Jahr 02 gem.

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bzw. § 12 Abs. 1 KStG enthalten keinen Realisationstatbestand für grenzüberschreitende Dienstleistungen. Ferner liegt ein Problem der Konkurrenz in der Zuordnung der Wirtschaftsgüter. Es ist nicht sichergestellt, dass die Zuordnung eines Vermögenswerts nach § 1 AStG (i.V.m. BsGaV) nicht zu einem anderen Ergebnis führt als die Anwendung der Entstrickungsregelungen des § 4 Abs. 1 Sätze 3, 4 EStG, § 12 Abs. 1 KStG (s. unten).

V. Stundungsmöglichkeiten in Entstrickungsfällen 1. § 4g EStG Bei Vorliegen des Tatbestands des § 4 Abs. 1 Sätze 3, 4 EStG kann auf Antrag des Steuerpflichtigen eine über fünf Jahre gestreckte Besteuerung der stillen Reserven erfolgen, indem für den Unterschiedsbetrag zwischen dem Buchwert und dem gemeinen Wert des überführten Wirtschaftsguts ein Ausgleichsposten gebildet wird, der im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den folgenden vier Wirtschaftsjahren zu jeweils einem Fünftel gewinnerhöhend aufzulösen ist.68 Nach der Überführung auftretende Wertminderungen des Wirtschaftsguts führen nicht zu einer Verringerung des zeitlich gestreckt zu besteuernden Entstrickungsgewinns.69 Nach h.M. darf bei einer Überführung von Wirtschaftsgütern aufgrund einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung kein Ausgleichsposten gebildet werden.70 Vorübergehende Nutzungsüberlassungen fallen nicht unter § 4g EStG.71 In bestimmten, abschließend in § 4g Abs. 2

68 69 70

71

Art. 7 Abs. 2 OECD-MA aufzuteilen und daher dem Stammhaus ein Gewinnanteil i.H.v. 70 (= 100 – 30) zuzuweisen. Unter Geltung des AOA sind im Jahr 01 dem Stammhaus zum einen die Selbstkosten i.H.v. 30 zuzuordnen sowie zum anderen eine Forderung aus der Erbringung des Gutachtens (anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung) i.H.v. 100 gegen die Betriebsstätte zuzuweisen. Im Ergebnis wird der Gewinn damit bereits im Jahr 01 korrigiert. Vgl. u.a. Kahle/Eichholz, FR 2015, 7. Kahle, IStR 2007, 763. Vgl. Geberth/Fingerhuth, IStR 2009, 447; Dötsch/Pung, DB 2006, 2651; Kolbe in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4g EStG Rz. 17 (Februar 2010); Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015, Rz. 8.86. Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2. Aufl. 2013, Anh. 7 Rz. 139; Heinicke in Schmidt, EStG, 34. Aufl. 2015, § 4g Rz. 4.

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Satz 2 EStG aufgezählten Fällen kommt es zu einer sofortigen Auflösung des gebildeten Ausgleichspostens.72

2. Fehlen von Stundungsregelungen Der Anwendungsbereich des § 4g EStG ist auf die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter ohne Rechtsträgerwechsel beschränkt und findet daher auf Gewinnrealisierungen nach dem UmwStG keine Anwendung (§ 4g Abs. 1 Satz 5 EStG).73 Da § 4g EStG keine Anwendung findet, wird bei EU-Sachverhalten die Europarechtskonformität der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsnormen zu Recht angezweifelt und die Auffassung vertreten, dass im Wege einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung § 4g EStG – entgegen dem Wortlaut des § 4g Abs. 1 Satz 5 EStG – auch im Falle der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickung zur Anwendung gelangen sollte.74 Es werden aber auch zahlreiche weitere Vorgänge nicht von § 4g EStG erfasst, insbesondere: –

§ 4g EStG gilt nicht im EWR-Raum75



§ 4g EStG findet keine Anwendung für beschränkt Steuerpflichtige, so dass die Überführung eines Wirtschaftsguts von einer inländischen Betriebsstätte in ein ausländisches EU-Stammhaus oder in ei-

72 Zur Auflösung des Ausgleichspostens bei Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten (§ 4g Abs. 5 EStG) vgl. Kahle in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht, 2. Aufl. 2014, Rz. 3007. 73 Dötsch/Pung, DB 2006, 2705; Heinicke in Schmidt, EStG, 34. Aufl. 2015, § 4g EStG Rz. 4. Sofern das deutsche Besteuerungsrecht an einem einzelnen Wirtschaftsgut aber erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag ausgeschlossen oder beschränkt wird, kommt es zu einer Entstrickung i.S.v. § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG, § 12 Abs. 1 KStG, so dass die Ausgleichspostenbildung nach § 4g EStG möglich ist, vgl. Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2013, Rz. 8.251; Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rz. 132. 74 Richter/Heydt, Ubg 2011, 175; Hahn, BB 2012, 687; Brinkmann/Reiter, DB 2012, 19; Momen, RIW 2012, 307; Bodden in Korn, EStG, § 4g EStG Rz. 12.1 (Januar 2014). A.A. z.B. Lohmar, FR 2013, 596. 75 Heinicke in Schmidt, EStG, 34. Aufl. 2015, § 4g Rz. 2; Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015, Rz. 8.92. Für eine Ausdehnung des § 4g EStG auf den EWR-Raum im Wege einer europarechtskonformen Auslegung Crezelius in Kirchhof, EStG, 14. Aufl. 2015, § 4g Rz. 5, 9. In das Protokoll zum DBA Liechtenstein wurde eine dem § 4g EStG vergleichbare Regelung aufgenommen.

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ne andere EU-Betriebsstätte desselben EU-Stammhauses nicht erfasst wird;76 –

§ 4g EStG findet nach h.M. keine Anwendung bei einer Überführung von Wirtschaftsgütern aufgrund einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung, bei der die unbeschränkte Steuerpflicht nicht fortbesteht;77



§ 4g EStG findet nach Verwaltungsauffassung keine Anwendung bei einer Überführung in ein ausländisches Gesamthandsvermögen78 oder Sonderbetriebsvermögen79;



§ 4g EStG findet keine Anwendung bei der Überführung eines Wirtschaftsguts in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen (§ 6 Abs. 5 EStG);80



§ 4g EStG gilt nicht für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens.81

Im Ergebnis führt dies zur EU-Widrigkeit des § 4g EStG.82 In diesen Fällen führt die Überführung zu einer Sofortbesteuerung, während eine Überführung im reinen Inlandsfall zu keiner steuerlichen Belastung führt. Denkbar wäre insoweit nur ein Rückgriff auf die allgemeine Stundungsregel des § 222 AO83 oder eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 5 AStG.

76 Kahle/Eichholz, FR 2015, 7, 17; Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015, Rz. 8.92. 77 Es geht also nicht um Fälle, in denen die Gesellschaft zwar ihren Ort der Geschäftsleitung ins Ausland verlegt, ihren Satzungssitz aber im Inland beibehält, sondern um die Verlagerung des Orts der Geschäftsleitung einer ausländischen Gesellschaft ins Ausland; vgl. Schnittker/Pitzal in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2012, Rz. 10.38. Es kommt zu keiner vorzeitigen Auflösung des Ausgleichspostens wenn die unbeschränkte Steuerpflicht erst später entfällt (Goebel/Jenet/Franke, IStR 2010, 236; Kahle/Eichholz, FR 2015, 7, 8). 78 BMF v. 11.8.2008, BStBl. I 2008, 838 Rz. 39; Crezelius in Kirchhof, EStG, 14. Aufl. 2015, § 4g Rz. 7. A.A. u.a. Bodden in Korn, EStG, § 4g Rz. 30 (Januar 2014); Kahle/Eichholz, FR 2015, 7, 9. 79 Vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.4. Daher kein Umkehrschluss aus BMF v. 11.8.2008, BStBl. I 2008, 838 Rz. 39 (dort wird nur Gesamthandsvermögen erwähnt). 80 Kahle/Eichholz, FR 2015, 7, 10. 81 Kahle/Eichholz, FR 2015, 7, 18; Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015, Rz. 8.92. 82 Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015, Rz. 8.92. 83 So wohl Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG/GewStG, § 12 KStG Rz. 110b (September 2014).

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VI. Verdoppelung stiller Reserven – EuGH/FG Hamburg Gegenstand der Entscheidung des FG Hamburg84 war eine Einbringung von Mitunternehmeranteilen in eine inländische Kapitalgesellschaft nach § 20 UmwStG 1995. Im Entscheidungsfall ließ das FG Hamburg im Ergebnis eine Buchwertfortführung zu, da das eingebrachte Betriebsvermögen weiterhin im Inland steuerverstrickt blieb, auch wenn Deutschland kein Besteuerungsrecht an den für die Einbringung erhaltenen Geschäftsanteilen hatte.

1. Rechtslage 1995 Nach § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 war das in eine Kapitalgesellschaft eingebrachte Betriebsvermögen mit dem Teilwert anzusetzen, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus einer Veräußerung der dem Einbringenden gewährten Gesellschaftsanteile im Zeitpunkt der Sacheinlage ausgeschlossen war. Der Wert, mit dem die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, galt nach § 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 1995 für den Einbringenden als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile. Die so anfallende Steuer auf den Veräußerungsgewinn konnte nach § 20 Abs. 6 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995 in jährlichen Teilbeträgen von mindestens je einem Fünftel entrichtet werden, wenn die Entrichtung der Teilbeträge sichergestellt ist.

2. Sachverhalt des FG Hamburg Im Fall des FG Hamburg waren die Mitunternehmeranteile in Deutschland steuerverhaftet. Bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils bestand ein Besteuerungsrecht Deutschlands nach Art. 4 Abs. 1 und 4 DBA Österreich 1954 (heute: Art. 13 Abs. 3 DBA Österreich 200085). Nach der Einbringung und dem damit verbundenen Untergang der Personengesellschaft bestand kein deutsches Besteuerungsrecht am Gewinn aus einer Veräußerung der den Einbringenden gewährten Geschäftsanteile (mehr). Der eventuelle Gewinn aus einer Veräußerung der Anteile an

84 FG Hamburg v. 15.4.2015 – 2 K 66/14, EFG 2015, 1404. 85 Verkündung im Jahre 2002 (vgl. BGBl. II 2002, 2435, BStBl. I 2002, 958), deshalb nach Art. 31 Abs. 2 DBA Österreich 2000 Geltung ab dem 1.1.2003.

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einer Kapitalgesellschaft stand nach Art. 7 Abs. 1 DBA Österreich 1954 (heute: Art. 13 Abs. 5 DBA Österreich 2000) Österreich zu.86 a) EuGH-Urteil DMC Der EuGH maß § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 nicht an der Niederlassungsfreiheit, sondern an der Kapitalverkehrsfreiheit, da es für § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 unerheblich sei, ob die Beteiligung an der Personengesellschaft einen Einfluss auf die Geschäftsführung vermittle oder nicht.87 Dies entspricht der Rechtsprechung des EuGH,88 wenngleich der EuGH in der Rs. Oy das Umwandlungssteuerrecht im Allgemeinen als Mittel zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit betont.89 Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit lag vor, da § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 zu einem Liquiditätsnachteil ausländischer Investoren im Verhältnis zu inländischen Investoren führte und daher geeignet war, ausländische Investoren von einer Beteiligung an einer deutschen Personengesellschaft abzuhalten.90 Das Bestreben des nationalen Steuergesetzgebers, Besteuerungssubstrat dort zu besteuern, wo es entstanden ist, dient für den EuGH der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse und wird damit grundsätzlich als legitimes Ziel anerkannt, das eine Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit rechtfertigen kann.91 Nicht erforderlich ist, dass „tatsächlich realisiert“ wird.92

86 Bei der Kapitalgesellschaft handelte es sich um die ehemalige KomplementärGmbH. Mit der Auflösung der KG entfiel die Eigenschaft der Anteile als Sonderbetriebsvermögen. 87 EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12, IStR 2014, 106, Rz. 34. 88 EuGH v. 13.11.2012 – Rs. C-35/11 – Test Claimants in the FII Group Litigation, IStR 2012, 924, Rz. 90 f. 89 EuGH v. 21.2.2013 – Rs. C-123/11 – Oy, IStR 2013, 239, Rz. 24. Daher wird die Anwendung der Kapitalverkehrs- statt der Niederlassungsfreiheit im Schrifttum auch als überraschend gewertet (Musil, FR 2014, 470, 471). 90 EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, IStR 2014, 106, Rz. 41 bis 43 mit Verweis auf die Rechtsprechungslinie aus EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, IStR 2012, 27, Rz. 38. 91 EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, IStR 2014, 106, Rz. 46 mit Verweis auf die Rechtsprechungslinie aus EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, IStR 2006, 19, Rz. 45. 92 EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, IStR 2014, 106, Rz. 53.

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Der EuGH weist aber darauf hin, dass Deutschland auch tatsächlich an der Besteuerung der stillen Reserven gehindert sein muss,93 und beauftragte daher das FG Hamburg mit der Prüfung, ob ein fortbestehendes Besteuerungsrecht Deutschlands an den stillen Reserven in den eingebrachten Wirtschaftsgütern bestand und damit eine Ausübung der Steuerhoheit gewahrt sei:94 „Im vorliegenden Fall ist aber aus dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht zweifelsfrei ersichtlich, dass die Bundesrepublik Deutschland tatsächlich jedes Recht verliert, die nicht realisierten Wertzuwächse im Zusammenhang mit den Anteilen an einer Personengesellschaft zu besteuern, sobald diese gegen Anteile einer Kapitalgesellschaft ausgetauscht werden. Es scheint nämlich nicht ausgeschlossen, dass diese nicht realisierten Wertzuwächse im Zusammenhang mit den in das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft eingebrachten Anteilen bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer berücksichtigt werden können, der die aufnehmende Kapitalgesellschaft, hier die DMC GmbH, in Deutschland unterliegt. Dies festzustellen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.“

b) FG Hamburg Im Schrifttum wurde von – wenn auch nur zur Vorsicht mahnenden95 – Autoren96 die Auffassung vertreten, der EuGH habe die deutschen Regeln für (weitgehend) europarechtskonform gehalten. Das FG Hamburg stellt demgegenüber darauf ab, dass Deutschland aufgrund der Einbringung der Mitunternehmeranteile in die Kapitalgesellschaft nicht jedes Besteuerungsrecht an den nicht realisierten Wertzuwächsen in dem Betriebsvermögen der Personengesellschaft verloren hat.97 Nach der Entscheidung des EuGH v. 7.2.2014 (Rs. C-164/12, DMC) reiche es aus, dass die stillen Reserven in dem durch den Einbringungsvorgang „angereicherten“ Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft der deutschen Besteuerung unterliegt. Auf die Besteuerung der – personenbezogenen – Anteile an der Kapitalgesellschaft und damit auf die persönliche Steuerpflicht komme es nicht an. Die Auffassung, für die Frage der Sicherung des Deutschland zustehenden Besteuerungssubstrats sei nicht auf die stillen Reserven in dem eingebrachten Betriebsvermögen abzustellen, sondern auf die stillen Reser93 94 95 96

EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, IStR 2014, 106, Rz. 58. EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, IStR 2014, 106, Rz. 56–58. Isselmann, BB 2015, 1585. Z.B. Musil, FR 2014, 470; Zwirner, ISR 2014, 96, 100; Mitschke, IStR 2014, 216. 97 FG Hamburg v. 15.4.2015 – 2 K 66/14, EFG 2015, 1404.

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ven in den einbringungsgeborenen Anteilen und die Sofortbesteuerung der stillen Reserven gem. § 20 Abs. 3 und 4 UmwStG 1995, erweise sich deshalb als unionsrechtskonform,98 setze sich über den eindeutigen Wortlaut der Entscheidung des EuGH hinweg. Dieser habe seine Erwägungen zu den Vorlagefragen in Rz. 57 explizit unter den Vorbehalt des gänzlichen Verlustes des steuerlichen Zugriffs gestellt. Dass dieser Vorbehalt lediglich „vorsorglich wegen der Komplexität des Umwandlungssteuergesetzes“ aufgenommen worden sei99 bzw. sich als „abrundende Vorsichtsmaßnahme“ erweise,100 lasse ihn nicht unbeachtlich werden. Schließlich sei auch nicht erkennbar, dass die Besteuerung der stillen Reserven in dem eingebrachten Betriebsvermögen nicht ausreichend sein könnte, insbesondere ein besonderes Risiko bestünde, dass sich die stillen Reserven verflüchtigen.101 Denn die Gefahr der Verflüchtigung stiller Reserven bestehe auch bei den Kapitalanteilen und ohnehin bei jedem steuerbegünstigten Einbringungsvorgang. Es komme auch zu keiner unangemessenen Bevorzugung gegenüber dem reinen Inlandsfall. Zwar müsse der Inländer bei der Einbringung zu Buchwerten den Nachteil des Entstehens einbringungsgeborener Anteile gem. § 21 UmwStG 1995 hinnehmen, während der Ausländer die Anteile veräußern könne, ohne einen entsprechenden Veräußerungsgewinn gem. § 21 UmwStG 1995 versteuern zu müssen (umgekehrte Inländerdiskriminierung). Auch der Inländer könne aber mit Blick auf § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 KStG 2002 bei Veräußerungen nach dem 1.1.2002 mit Ablauf einer Mindesthaltedauer der Anteile von sieben Jahren diese ohne Besteuerung der stillen Reserven veräußern, und zwar auch dann, wenn sie noch unter der Geltung des Anrechnungsverfahrens entstanden waren.102 Und selbst wenn eine Inländerdiskriminierung zu bejahen wäre, liege darin weder ein Unionsrechtsverstoß noch eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung.103

98 Sydow, DB 2014, 265, Mitschke, IStR 2014, 112 und 214; Zwirner, ISR 2014, 96; Musil, FR 2014, 470. 99 So Zwirner, ISR 2014, 96; Sydow, DB 2014, 265, 268. 100 So Mitschke, IStR 2014, 111 und 214. 101 Zwirner, ISR 2014, 96, 100; Mitschke, IStR 2014, 216, 217. 102 Vgl. BMF v. 28.4.2003, BStBl. I 2003, 292, Tz. 42. 103 Ständige Rspr., vgl. z.B. BFH v. 15.7.2005 – I R 21/04, BStBl. II 2005, 716 m.w.N. A.A. Mitschke, IStR 2015, 521, 527 unter Hinweis auf BFH v. 15.1.2015 – I R 69/12, BFH/NV 2015, 1037, nach dem das Unionsrecht eine substantielle Besserstellung grenzüberschreitender Sachverhalte nicht gebiete.

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Im Fokus stand auch ein die Zulässigkeit der Klage betreffender Aspekt: Da der Wertansatz der aufnehmenden Kapitalgesellschaft für das eingebrachte Betriebsvermögen für den Einbringenden bindend ist (§ 20 Abs. 4 UmwStG 1995), kann nach der jüngeren Rechtsprechung des BFH das aufnehmende Unternehmen mangels Beschwer nicht im Wege der Anfechtung seiner Steuerfestsetzung geltend machen, der angesetzte Wert sei zu hoch. Ein solches Begehren könne nur der Einbringende im Wege der sog. Drittanfechtung durchsetzen, und zwar gegen den Körperschaftsteuerbescheid der aufnehmenden Gesellschaft.104 Hier hat der Einbringende den Feststellungsbescheid der Personengesellschaft, nicht aber den Körperschaftsteuerbescheid der Kapitalgesellschaft angefochten. Nach Ansicht des FG Hamburg ist diese Klage nicht unzulässig: „[…], kann diese materielle Bindungswirkung entsprechend § 20 Abs. 4 UmwStG 1995 aber dann nicht zum Tragen kommen, wenn die Regelung, die die Bewertung des eingebrachten Betriebsvermögens vorgibt und auf der die hiervon ausgehende Bindungswirkung beruht, unionsrechtswidrig ist. Gerade dies ist […] der Fall. Für die Zulässigkeit der Klage gegen den Feststellungsbescheid des Einbringenden ist es ausreichend, wenn er das Bestehen der materiellen Bindungswirkung – hier aus unionsrechtlichen Gründen – bestreitet. Die Klägerin macht damit eine Rechtsverletzung im Sinne von Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes geltend.“105

Dabei kam es nicht darauf an, dass im konkreten Fall der Teilwertansatz bei der Kapitalgesellschaft bereits bestandskräftig war. Die Folge war eine „Keinmalbesteuerung“, weil die Finanzverwaltung den Steuerbescheid der Kapitalgesellschaft hatte bestandskräftig werden lassen. Das FG Hamburg hat keine Revision zugelassen, weil es sich bei § 20 UmwStG 1995 um ausgelaufenes Recht handelt; Nichtzulassungsbeschwerde wurde seitens der Finanzverwaltung eingelegt.106

3. Bedeutung für unter das UmwStG 2006 zu subsumierende Sachverhalte Auch der Gesetzgeber hatte bei der Reform des Umwandlungssteuerrechts die Sorge, dass die alten Regelungen unionsrechtswidrig wa104 Vgl. BFH v. 8.6.2011 – I R 79/10, BStBl. II 2012, 421; BFH v. 20.4.2011 – I R 97/10, BStBl. II 2011, 815; BFH v. 19.12.2007 – I R 111/05, BStBl. II 2008, 536. 105 FG Hamburg v. 15.4.2015 – 2 K 66/14, EFG 2015, 1404. 106 Az. des BFH: I B 66/15.

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ren.107 Er erlaubt die Übertragung zu Buchwerten zwar auch weiterhin nur, wenn das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Bezugspunkt ist in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG aber nunmehr der Gewinn aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden Gesellschaft. Damit wird (wie im Umwandlungssteuerrecht sonst auch üblich) ein Überspringen der stillen Reserven erlaubt, wenn nur das Steuersubstrat weiter steuerverstrickt bleibt. Der Perspektivenwechsel des Gesetzes ist insoweit aber nicht vollständig,108 als zwar bei der Einbringung auf das eingebrachten Betriebsvermögen und damit auf die Ebene der Gesellschaft abgestellt wird; später, während der durch die Einbringung ausgelösten siebenjährigen Frist, wird aber auf die Anteile an der Kapitalgesellschaft und damit auf die Ebene der Gesellschafter abgestellt (s. § 22 UmwStG und die schädlichen Realisierungs- bzw. Ersatzrealisierungstatbestände). Es stellt sich daher die Frage, ob es ausgehend von dem Urteil des FG Hamburg auch für die geltende Rechtslage Korrekturbedarf gibt, dergestalt, dass die fehlende Steuerverhaftung der Anteile an der einbringenden EU-Kapitalgesellschaft bzw. der Wegzug einer einbringenden deutschen Kapitalgesellschaft ins EU-Ausland nicht zur Entstrickungsbesteuerung führen darf. Das Gesetz – insoweit konsequent – erlaubt aber bereits derzeit beides ohne Entstrickung: –

EU-Gesellschaften können z.B. ihre deutsche Betriebsstätte zu Buchwerten nach § 20 UmwStG in eine deutsche Kapitalgesellschaft einbringen (s. § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa) i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG und Art. 54 AEUV), und entsprechend



ist die Einbringung durch eine deutsche Gesellschaft, die danach ins EU-Ausland verzieht, nach §§ 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 i.V.m. 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG und Art. 54 AEUV ebenfalls unschädlich.109

107 BT-Drs. 16/3369. 108 Dem EuGH bzw. sich gegenseitig Missverständnisse vorwerfend hinsichtlich der Frage, auf welche stillen Reserven es nun ankommt (jene auf Ebene der Gesellschaft oder jene auf Ebene der Gesellschafter): Linn in IStR 2014, 136, der sich auf Mitschke in IStR 2014, 311 bezieht, der in IStR 2014, 216 diesen Vorwurf zurückweist. 109 Vgl. Klein in DAI, Internationales Steuerrecht 2015.

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Die Entscheidungen des EuGH und des FG Hamburg haben aber Bedeutung für Drittstaatenfälle, da der EuGH nicht die Niederlassungsfreiheit, sondern die Kapitalverkehrsfreiheit geprüft und beschränkt gesehen hat. Das berücksichtigt das (nur europäisierte) UmwStG 2006 nicht: Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG, der im Ergebnis der Regelung des § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 entspricht, ist § 20 UmwStG nur anwendbar, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der als Gegenleistung erhaltenen Anteile an der Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist. Das FG Hamburg musste sich mit dieser Frage nicht auseinandersetzen, da es einen EU-Fall zu entscheiden hatte. Es wäre aber die logische Konsequenz. Da sich das FG Hamburg auf die Kapitalverkehrsfreiheit beruft, die grundsätzlich auch Einbringende in Drittstaaten erfasst, müsste auch diese Norm unanwendbar sein.110

4. Fortbestehende Steuerverstrickung auf einer Ebene nach „Verdopplung“ der stillen Reserven ausreichend? Nach Auffassung des FG Hamburg führt die „Verdopplung“ der stillen Reserven aufgrund der doppelten Buchwertverknüpfung bei Einbringung im entschiedenen Fall dazu, dass Deutschland nicht jedes Besteuerungsrecht an den im Inland erwirtschafteten Wertzuwächsen verliert. Es stellt sich dann die Frage, ob dies auch außerhalb des eigentlichen Einbringungsvorgangs einer deutschen Entstrickungsbesteuerung entgegensteht. Zieht beispielsweise unmittelbar im Anschluss an eine rein nationale Einbringung zu Buchwerten der Einbringende mit seiner Beteiligung an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft ins Ausland, so löst dies (eine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft von mind. 1 % unterstellt) Wegzugsteuer nach § 6 Abs. 1 AStG aus. Es ließe sich dann argumentieren, dass Deutschland nicht jedes Besteuerungsrecht an den Wertzuwächsen im Inland verliert, da die im Inland erzielten Wertzuwächse aufgrund der „Verdopplung“ der stillen Reserven bei Einbringung weiterhin im Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft steuerverstrickt sind. Die gleiche Überlegung könnte man im umgekehrten Fall anstellen, wenn nach Einbringung die Kapitalgesellschaft ins Ausland verzieht, ohne in Deutschland eine Betriebsstät-

110 Isselmann, BB 2015, 1585. Zu stand-still-Regelung in Art. 64 Abs. 1 AEUV vgl. Benecke/Blumenberg, StbJb 2014/2015, 419, 437.

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te zu hinterlassen (Entstrickung nach § 12 Abs. 1 KStG),111 der Einbringende aber im Inland unbeschränkt steuerpflichtig bleibt. Hruschka: Meines Erachtens ist dies abzulehnen, da die Besteuerung der stillen Reserven in Kapitalgesellschaften seit Einführung des Teileinkünfteverfahrens zweistufig, nämlich auf Ebene sowohl der Gesellschaft (mit 15 % KöSt + GewSt) als auch des Gesellschafters (60 % Ausschüttung × ESt-Satz), erfolgt und daher der Wegzug eines der beiden Beteiligten jeweils zu einem endgültigen Verlust des anteiligen Besteuerungsrechts auf Ebene des wegziehenden Steuerpflichtigen führt. Für den Fall aus dem Jahr 2000, den der EuGH zu entscheiden hatte, und die damals geltende Regelung des § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 greift dieses Argument nicht, da damals noch das Anrechnungsverfahren galt und daher die stillen Reserven bei der Kapitalgesellschaft abschließend mit 30 % Ausschüttungssteuersatz + GewSt sowie beim Gesellschafter mit 15 % Quellensteuer auf die Ausschüttung besteuert wurden.

VII. Im Lichte der europäischen Rechtsprechung 1. Privatvermögen Entstrickungen im Privatvermögen waren Gegenstand der Rechtssachen de Lasteyrie du Saillant112 und N113, die dem § 6 AStG vergleichbare französische und niederländische Wegzugssteuertatbestände zum Gegenstand hatten. Nach Auffassung des EuGH stellt die sofortige Realisierung stiller Reserven bei Wegzug (ohne Veräußerung) eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Während er mögliche Rechtfertigungsgründe bei der französische Regelung noch vornehmlich unter dem Aspekt der Missbrauchsverhinderung prüft (kurzfristige Wohnsitzverlegung ins Ausland zur Steuerumgehung), stellt er bei der niederländische Regelung auf den Gesichtspunkt der angemessenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedsstaaten ab. Auch danach ist aber nicht die sofortige Besteuerung im Wegzugszeitpunkt notwendig, sondern es reicht aus, wenn die Staaten die Besteuerung der im Inland entstanden stillen Reserven zu einem späteren Zeitpunkt sicherstellen. Dem entspricht die sog. Stundungslösung, bei der die Steuer zwar im Zeitpunkt des Wegzugs festgesetzt, aber bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Realisation gestun-

111 Unterstellt, dass Deutschland tatsächlich das Besteuerungsrecht verliert. 112 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – De Lasteyrie du Saillant, IStR 2004, 236. 113 EuGH v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – N, IStR 2006, 702.

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det wird. In den konkret entschiedenen Fällen war zwar eine Stundung möglich, knüpfte aber an (nach Auffassung des EuGH) zu hohe Voraussetzungen an (Stellung von Sicherheiten) und war damit nicht verhältnismäßig, so dass die Regelungen im Ergebnis den Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nicht rechtfertigen konnten. Aus der Rechtssache N ergibt sich zudem, dass der Wegzugsstaat nachträgliche Wertverluste berücksichtigen muss, falls diese nicht bereits im Zuzugsstaat berücksichtigt werden. Die deutsche Wegzugsteuer nach § 6 AStG a.F. sah, im Unterschied zu den französischen und niederländischen Regelungen, nicht einmal eine zeitlich unbegrenzte Stundung vor, sondern eröffnete dem Steuerpflichtigen nur die Möglichkeit, die Steuer in Härtefällen und gegen Sicherheitsleistung zeitlich gestreckt über maximal fünf Jahre zu zahlen (§ 6 Abs. 5 AStG a.F.). Auf ein gegen Deutschland schon vor der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache de Lasteyrie du Saillan eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren reagierte Deutschland zunächst mit einer Billigkeitsregelung im Erlasswege114 und schließlich mit einer Neufassung des § 6 AStG im Rahmen des SEStEG. Die nunmehr in § 6 Abs. 5 AStG vorgesehen zeitlich unbegrenzte Stundung der Wegzugsteuer gilt über § 27 Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 UmwStG auch für einbringungsgeborene Anteile alten Rechts, für die § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1995 einen eigenen und gegenüber § 6 AStG vorrangigen Entstrickungstatbestand normiert.

2. Betriebsvermögen Mit den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen National Grid Indus115, DMC116 und nunmehr auch Verder LabTec117 ist anerkannt, dass eine Entstrickungsbesteuerung europarechtlich zulässig ist. Der EuGH billigt den Mitgliedsstaaten ausdrücklich das Recht zu, die in ihrem Territorium entstandenen stillen Reserven zu besteuern, auch wenn es nicht zu einer tatsächlichen Realisierung der stillen Reserven kommt.118 Da die direkten Steuern nicht harmonisiert sind, dürfen die Mitgliedsstaaten zur Vermeidung von Doppelbesteuerung die Kriterien,

114 115 116 117 118

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BMF v. 8.6.2005, BStBl. I 2005, 714. EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, IStR 2012, 27. EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, IStR 2014, 106. EuGH v. 21.5.2015 – Rs. C-657/13 – Verder Lab Tec, IStR 2015, 440. EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, IStR 2014, 106, Rz. 53.

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nach denen die Besteuerungsbefugnis aufgeteilt wird, einseitig oder vertraglich festlegen.119 Zwar nimmt er weiterhin an, dass eine Entstrickungsbesteuerung eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (bzw. Kapitalverkehrsfreiheit) darstellt. Diese könne aber unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt sein. Dieser stelle einen legitimen und aus Gründen des Allgemeinwohls anzuerkennenden Rechtfertigungsgrund dar. Der EuGH unterscheidet zwischen der (untechnisch verstandenen) Festsetzung der Steuer einerseits und der Erhebung der Steuer andererseits. Zulässig sei die Festsetzung der Steuer schon im Wegzugszeitpunkt. Insbesondere müssten nachträgliche Wertveränderungen in dem entstrickten Wirtschaftsgut vom Wegzugsstaats nicht berücksichtigt werden. Diese zu Entstrickungen im Privatvermögen (Rechtssache N) abweichende Auffassung rechtfertigt der EuGH damit, dass die Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen unmittelbar wirtschaftlichen Tätigkeiten zugeordnet sind, die auf Gewinn ausgerichtet sind. Zudem würde die Bewertung der Wirtschaftsgüter in der Bilanz der Gesellschaft den Gewinn beeinflussen (z.B. über Abschreibungen). Da dem Zuzugsstaat das Besteuerungsrecht am Gewinn zustehe, müsse dieser auch Wertschwankungen berücksichtigen.120 Wenn auch die sofortige Festsetzung der Besteuerung bei Wegzug gerechtfertigt ist, so ist die sofortige Erhebung der Steuer nicht notwendig und damit unzulässig. Dies würde über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels (angemessene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedsstaaten) notwendig ist. Eine gleich wirksame aber weniger einschneidende Maßnahme wäre eine Regelung, nach der dem Steuerpflichtigen die Wahl gelassen wird zwischen Einzug der Steuer im Wegzugszeitpunkt und Stundung bis zur tatsächlicher Realisation mit einhergehendem Verwaltungsaufwand (Meldepflichten etc.) und ggfs. gegen Sicherheitsleistung und Zinsen. In den Entscheidungen DMC und Verder LabTec sieht der EuGH zudem eine ratierliche Stundung der festgesetzten Steuer über fünf bzw. zehn Jahre als eine solche gleich wirksame aber weniger einschneidende Regelung an.

119 EuGH v. 16.4.2015 – Rs. C-591/13, IStR 2015, 361, Rz. 64. 120 EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, IStR 2012, 27, Rz. 56 ff.

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3. Thesenförmige Zusammenfassung der EuGH-Rechtsprechung zum betrieblichen Bereich Die vom EuGH seit National Grid Indus zur Entstrickung im betrieblichen Bereich getroffenen Aussagen lassen sich thesenförmig zusammenfassen: –

Eine Besteuerung im Zeitpunkt der Entstrickung (ohne Realisation) verstößt gegen die Niederlassungs- bzw. Kapitalverkehrsfreiheit, da der betroffene Steuerpflichtige einen Liquiditätsnachteil im Vergleich zu rein inländischen Sachverhalten erleidet.



Der Verstoß gegen die Grundfreiheiten kann aber gerechtfertigt sein. Das Prinzip der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten nach dem Territorialitätsprinzip ist ein zulässiger Rechtfertigungsgrund.



Die Festsetzung der Steuern im Zeitpunkt der Entstrickung ist ein geeignetes und zulässiges Mittel, dem Prinzip der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zur Geltung zu verhelfen. Spätere Wertminderungen müssen nicht berücksichtigt werden.



Unzulässig ist aber die ausnahmslose sofortige Einziehung der Steuern im Zeitpunkt der Entstrickung, da es regelmäßig mildere Mittel gibt, die die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis gleichermaßen gewährleisten.



Als milderes Mittel ist dem Steuerpflichtigen grundsätzlich die Wahl zu lassen zwischen einer sofortigen Zahlung der Steuern und einer Stundung, gegebenenfalls zuzüglich Zinsen und Sicherheitsleistungen nach den nationalen Regelungen.



Die zinsfreie Streckung der Steuern über einen Zeitraum von fünf/ zehn Jahren kann ein gegenüber der sofortigen Einziehung der Steuer milderes und europarechtlich zulässiges Mittel sein.

4. Auswirkungen auf inländische Vorschriften Bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache DMC war umstritten, ob die bestehenden inländischen Regelungen, die teilweise auf Festsetzungsebene (§ 4g EStG), teilweise auf Erhebungsebene (§ 36 Abs. 5 EStG) eingreifen und im Ergebnis zu einer ratierlichen Zahlung der Steuern führen, den in National Grid Indus niedergelegten Anforderungen des EuGH standhalten. Während Vertreter der Finanzverwaltung dies be-

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jahten,121 hielt das übrige Schrifttum eine ratierliche „Stundung“ überwiegend für unzureichend.122 Hauptargument war, dass eine lediglich zeitlich gestreckte Zahlungspflicht (sei es durch die Stundung der festgesetzten Steuern, sei es durch die gewinnwirksame Auflösung eines Ausgleichspostens) die Belastung des Steuerpflichtigen nicht beseitigen, sondern lediglich vermindern würde. Ihm entsteht unmittelbar ein Liquiditätsnachteil, welcher aber Anlass für den EuGH war, in der sofortigen Besteuerung eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzunehmen. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache DMC überrascht insoweit, als der EuGH sich in den Urteilsgründen mit der Frage des Liquiditätsnachteils nicht auseinandersetzt, sondern es bei der schlichten Feststellung belässt, dass eine ratierliche Stundung nicht zu beanstanden sei. Als einziges Argument führt der EuGH an, dass damit dem steigenden Risiko der Nichteinbringung der Steuern Rechnung getragen würde. Da es der EuGH aber im gleichen Urteil den Mitgliedsstaaten zusätzlich erlaubt, dem Risiko der Nichteinbringung dadurch Rechnung zu tragen, dass die Stundung an die Gestellung von Sicherheiten geknüpft werden kann, ist dieser Begründungsansatz nicht nachvollziehbar. Mit der Entscheidung in der Rechtssache Verder LabTec, die einen „klassischen“ Entstrickungstatbestand zum Gegenstand hatte, bestätigte der EuGH, dass die Entscheidung in DMC nicht bloß für umwandlungssteuerrechtliche Sachverhalte von Bedeutung ist. Dabei scheint der EuGH nicht danach zu differenzieren, ob die Zahlungsstreckung auf Ebene der Steuerfestsetzung (wie bei Verder LabTec) oder auf Ebene der Steuererhebung (wie bei DMC) ansetzt. Im Schrifttum wurde überwiegend, aber nicht einhellig, die Auffassung vertreten, mit der Entscheidung in derf Rechtssache DMC wäre die Eu-

121 Mitschke, IStR 2011, 294, 297 ff.; IStR 2012, 6, 8; IStR 2012, 305, 311; DStR 2012, 629, 632; IStR 2013, 393; tendenziell auch Sydow, JbFSt 2012/2013, 213, 221. 122 Thömmes, JbFSt 2012/2013, 88, 96; Gosch, IWB 2012, 779, 783 f.; Thömmes/ Linn, IStR 2012, 282, 283 f.; im Ergebnis für § 4g EStG auch Hahn, BB 2012, 681, 686. Sieker, FR 2012, 352, 354 hält eine ratierliche Zahlung für möglich, den Zeitraum von fünf Jahren aber für zu kurz. Offen gelassen von Kessler/ Phipp, DStR 2012, 267, 272, die aber eine ratierliche Zahlung bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern für sachgerecht erachten.

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roparechtskonformität der deutschen Regelungen zur Zahlungsstreckung (§§ 4g, 36 Abs. 5 EStG) bestätigt.123 Nach der Entscheidung Verder LabTec dürfte es sehr fraglich sein, ob der EuGH in einer ratierlichen Stundung oder der Fünfjahresfrist des § 4g EStG generell einen Verstoß gegen EU-Recht sehen würde.124 Eine pauschalierte Realisierung durch (Ab)nutzung im Betrieb tritt aber z.B. bei Kapitalgesellschaftsanteilen nicht ein. Bei ihnen wirkt sich der durch die ratierliche Stundung bewirkte Liquiditätsverlust unmittelbar belastend aus, ohne dass dem eine entsprechende Kompensation durch Nutzung im Unternehmen gegenübersteht. Daher wird im Schrifttum darauf hingewiesen, dass hierzu noch keine Entscheidung des EuGH vorliege.125 Es würde der Differenzierung zwischen abnutzbaren und nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nach der Ausgleichspostenmethode im Betriebsstätten-Erlass vom 24.12.1999 entsprechen,126 dem „Vorgängermodell“ des § 4g EStG. Der Betriebsstätten-Erlass erlaubte bei der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische DBAFreistellungsbetriebsstätte, auf Antrag (Wahlrecht) die stillen Reserven eines Wirtschaftsguts im Zeitpunkt der Überführung sofort aufzudecken oder die Realisierung mittels eines passiven Ausgleichspostens zu strecken. Bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens war der Merkposten zeitanteilig entsprechend dem Verlauf der AfA über die Restnutzungsdauer in der ausländischen Betriebsstätte aufzulösen; ein verbleibender Merkposten war mit Ablauf der zehn Jahre aufzulösen. Bei nicht abnutzbarem Anlagevermögen war der Ausgleichsposten aber erst dann erfolgswirksam aufzulösen, wenn das Wirtschaftsgut aus der ausländischen Betriebsstätte ausschied.

123 Z.B. Schön, JbFSt 2014/2015, 25, 33; Musil, FR 2014, 466, 471; Gosch, IWB 2014, 183, 188; Zwirner, ISR 2014, 96, 100. Zweifelnd etwa Ditz/Quilitzsch, DStR 2015, 545, 551 und Müller, ISR 2014, 58 ff., der eine Beschränkung auf umwandlungsrechtliche Sachverhalte für denkbar hielt. Offen lassend Kahle/Eichholz, FR 2015, 7, 17 und wohl auch Crezelius in Kirchhof, EStG, 14. Aufl. 2015, § 4g Rz. 9. 124 Vgl. auch Korn, SteuK 2015, 242. Wie es mit den anhängigen Vertragsverletzungsverfahren weiter geht (zu diesen vgl. Benecke/Staats in Dötsch/Pung/ Möhlenbrock, KSt, § 12 KStG Rz. 45 [April 2015]), bleibt abzuwarten. 125 Kahle/Beinert, FR 2015, 585; ähnlich Müller, ISR 2015, 148. 126 Vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.1. Diese Regelung galt auch für das Umlaufvermögen.

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VIII. Und ihre Konsequenzen für den Mittelstand: § 6b EStG 1. Grundstück § 6b EStG erlaubt die „Neutralisierung“ der bei der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter127 dem Grunde nach eintretenden Gewinnrealisierung durch Übertragung der stillen Reserven auf gesetzlich definierte Reinvestitionsgüter. Der erzielte Veräußerungsgewinn wird von deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgezogen. Faktisch kann in diesem Fall die realisierte stille Reserve ausnahmsweise vom Wirtschaftsgut getrennt und auf ein anderes übertragen werden. Wirtschaftlich wird so eine Stundung der Steuerschuld für den Veräußerungsgewinn erreicht. Bei einer Übertragung der stillen Reserven auf das Reinvestitionsgut Grund und Boden kommt es zu einer Stundung bis zu dessen Veräußerung, bei Übertragung auf abschreibungsfähige Wirtschaftsgut kommt es zu einer Minderung der (künftigen) Afa-Bemessungsgrundlage und somit zu einer ratierlich abnehmenden Stundung über die Nutzungsdauer des Reinvestitionsguts. Nach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG muss das angeschaffte Reinvestitionsgut zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören. Eine Reinvestition in ein Wirtschaftsgut, das zum Anlagevermögen einer ausländischen Betriebsstätte gehört, wird nicht begünstigt. Der Steuerpflichtige kann den Veräußerungsgewinn nach § 6b Abs. 3 EStG in eine steuerfreie Rücklage einstellen. Sofern er innerhalb der Fristen des § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG128 aber kein qualifizierendes Reinvestitionsgut erwirbt, auf welches die § 6b-Rücklage übertragen werden kann, muss die Rücklagenbildung rückgängig gemacht und zudem gem. § 6b Abs. 7 EStG verzinst werden.129 Im konkreten Fall wäre keine Übertragung der stillen Reserven möglich. Ein im Ausland belegenes Grundstück kann nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden, da das Besteuerungsrecht für Veräußerungsgewinne von Grundstü127 Nach § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG Grund und Boden, Aufwuchs auf Grund und Boden mit dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn der Aufwuchs zu einem land- und fortwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehört, Gebäude oder Binnenschiffe. Zudem ist nach § 6b Abs. 10 EStG eine Übertragung von stillen Reserven in Anteilen an Kapitalgesellschaften möglich. 128 Vier – bei begonnener Herstellung maximal sechs – Wirtschaftsjahre. 129 6 % für jedes vollständig bilanzierte Wirtschaftsjahr.

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cken, die in einem anderen Vertragsstaat belegen sind, nach den DBA dem Belegenheitsstaat zusteht.130 Der EuGH hat in einem Vertragsverletzungsverfahren auf Klage der Europäischen Kommission am 16.4.2015 entschieden, dass die Übertragung der stillen Reserven nur auf inländische Reinvestitionsgüter (§ 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG) gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, Art. 31 EWR-Abkommen) verstößt. Der Verstoß sei nicht gerechtfertigt, da die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden könne.131 Der EuGH hat, Sinn und Zweck des Vertragsverletzungsverfahrens entsprechend,132 nur den Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit festgestellt, aber nicht aufgezeigt, wie der Unionrechtswidrigkeit abzuhelfen ist. Der Anwendungsbereich des § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG muss auf EUund EWR-Betriebsstätten ausgedehnt werden. Denkbar wäre, die (realisierten) stillen Reserven festzustellen, um sie später zu besteuern (verbunden mit jährlichen Mitteilungspflichten über den Verbleib des Reinvestitionsguts analog § 6b Abs. 7 AStG).133 Denkbar wäre auch, mit dem FG Niedersachsen134 – trotz der praktischen Probleme – die Bildung einer § 6b-Rücklage zuzulassen.135 Bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern wäre die Erfassung der stillen Reserven über den Zeitraum der (fiktiven) Abschreibung des Reinvestitionsguts zu verteilen.136 Es wird auch eine ratierliche Stundung analog § 4g EStG diskutiert (wohl ohne zusätzliche ratierliche Auflösung des Stundungsbetrags/Ausgleichspostens wegen der „fiktiven“ Afa).137 Es stellt sich aber die Frage, ob der 5-Jahreszeitraum des § 4g EStG nicht unangemessen kurz ist,138 insbesondere weil die von § 6b EStG erfassten Reinvestitionsgüter nur

130 Jahndorf/Kleinmanns, DStR 2010, 1697, 1698; Vogel/Cortez, FR 2015, 437, 440. 131 EuGH v. 16.4.2015 – Rs. C-591/13, IStR 2015, 361. 132 Kischel, IWB 2015, 279. 133 Kanzler, FR 2015, 465, 467. 134 FG Niedersachsen v. 1.12.2011 – 6 K 435/09, EFG 2012, 1031. Ähnlich wohl auch Gosch, IWB 2012, 779, 787. 135 Ebenso Lohschelder in Schmidt, EStG, 34. Aufl. 2015, § 6b Rz. 78. 136 Lipp/Vogel, DStZ 2015, 681, 687. 137 Vgl. Thömmes, JbFst 2013/2014, 73, 80. 138 Kanzler, FR 2015, 465, 467; Lipp/Vogel, DStZ 2015, 681, 687 Fn. 59. A.A. Strahl, KÖSDI 2015, 19440; Schiefer, IWB 2015, 539, 543.

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über lange Zeiträume abschreibbar sind, wenn überhaupt. Eine Stundung analog § 4g EStG würde daher in vielen Fällen weit hinter der Begünstigung von Inlandsfällen durch § 6b EStG zurückbleiben.139 Es stellt sich aber die Frage, ob § 4g EStG überhaupt passt. Der § 6b EStG-Fall unterscheidet sich von einer Entstrickung insoweit, als es dort – mangels Realisation – keine Falllösung für Inlandsfälle gibt, an dem die Europarechtswidrigkeit konkret bemessen werden könnte.140 Das ist bei § 6b EStG anders. Nach der vom Gesetzgeber vorgeschlagenen Ergänzung des § 6b EStG hat der Steuerpflichtige – wie bisher – das Wahlrecht, den Gewinn sofort zu versteuern, ihn im Wirtschaftsjahr der Veräußerung auf ein begünstigtes Reinvestitionsobjekt zu übertragen oder eine Rücklage für eine zukünftige Investition zu bilden. Zusätzlich soll die Möglichkeit bestehen, auf Antrag bei einer beabsichtigten Investition im EU-/EWR-Raum die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer über einen Zeitraum von fünf Jahren zu verteilen. Dieser Antrag kann nach Satz 2 des neuen Abs. 2a nur im Wirtschaftsjahr der Veräußerung der in § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG bezeichneten Wirtschaftsgüter gestellt werden.141 Beim BFH ist noch ein Revisionsverfahren anhängig;142 viel Neues ist davon wohl nicht zu erwarten.

2. Beteiligung § 6b Abs. 10 EStG erlaubt Steuerpflichtigen, die keine Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen sind, den Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bis zu einer Höhe von 500.000 Euro pro Wirtschaftsjahr auf bestimmte Reinvestitionsgüter zu übertragen. Der Gesetzgeber will damit zur Förderung des Mittelstandes die Benachteiligung natürlicher Personen und Personengesellschaften gegenüber Körperschaften abmildern, da bei diesen der Gewinn aus Beteiligungsveräußerungen nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gestellt wird.143 § 6b Abs. 10 Satz 4 EStG verweist auf die Regelungen zum Inlandsbezug

139 140 141 142

Müller, ISR 2015, 220, 222. Müller, ISR 2015, 220, 222. Vgl. Steueränderungsgesetz 2015-E, BR-Drs. 418/15. FG München v. 7.7.2014 – 5 K 1206/14, EFG 2014, 1775 (Az. des BFH: IV R 35/14). 143 Schießl in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 6b EStG Rz. 291 (Mai 2015).

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in § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG. Auch wenn der Tatbestand des § 6b Abs. 10 EStG offenkundig nicht Gegenstand des Vertragsverletzungsverfahren war, dürfte das Inlandserfordernis des § 6b Abs. 10 EStG aus den gleichen Gründen wie das Inlandserfordernis des Grundtatbestandes europarechtswidrig sein.144 Es sind keine Gründe ersichtlich, dies bei der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen anders zu sehen.

IX. Und ihre Konsequenzen für den Mittelstand: Geschäftsleitende Holding Nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA steht Deutschland ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens zu, das Betriebsvermögen einer deutschen BS ist, die ein Unternehmen des anderen Staates in Deutschland hat. Zu diesem beweglichen Vermögen gehören auch die anteilig den Gesellschaftern zuzurechnenden Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft, damit auch die Anteile an der Kapitalgesellschaft.

1. Betriebsstätte i.S.v. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA145 a) Erfordernis einer „unternehmerischen“ Tätigkeit Es bedarf einer „unternehmerischen“ Tätigkeit, um eine Betriebsstätte i.S.v. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA annehmen zu können, der die Beteiligung gem. Art. 10 Abs. 4 (Dividenden) bzw. Art. 13 Abs. 2 OECDMA (Veräußerungsgewinne) zugeordnet werden kann. Der von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA verwandte Begriff der „Unternehmensgewinne“ wird im OECD-MA nicht abschließend definiert.146 Es greift daher Art. 3 Abs. 2 OECD-MA, wonach der Rückgriff auf innerstaatliches Recht bei der Auslegung von Abkommensbegriffen zulässig ist, wenn der Begriff nicht schon im Abkommen definiert ist und zudem

144 So wohl auch Kanzler, FR 2015, 465, 466, der insbesondere den § 6b Abs. 10 EStG als Beleg dafür sieht, dass § 6b EStG dem Unternehmer eine verbesserte Finanzierung seiner unternehmerischen Tätigkeit ermöglichen soll, was dafür spreche, in dem Inlandserfordernis des § 6b EStG nicht nur (wie vom EuGH angenommen) einen Verstoß gegen die Niederlassungs-, sondern auch gegen die Kapitalverkehrsfreiheit zu sehen. 145 Auf die Fallgruppe der Nicht-DBA-Staaten wird nicht eingegangen. 146 Art. 3 Abs. 1 Buchst. c) OECD-MA definiert das „Unternehmen“ zwar als die Ausübung einer Geschäftstätigkeit, aber erläutert das nicht weiter.

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der Abkommenszusammenhang nichts anderes erfordert. Demzufolge ist der Begriff der „Unternehmensgewinne“ im Sinne der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG auszulegen, soweit der Abkommenszusammenhang nicht ein anderes Verständnis erfordert. Danach fallen unter Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG, die auf eine ihrer Art nach „unternehmerische“ Tätigkeit zurückzuführen sind. Das sind die „originär“ gewerblichen Tätigkeiten des § 15 Abs. 2 EStG, so dass bei deren Vorliegen i.d.R. auch ein Unternehmen i.S.v. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA bejaht werden kann.147 b) Geschäftsleitende Holding dem Grunde nach Eine geschäftsleitende Holding entfaltet dem Grunde nach eine originär gewerbliche Tätigkeit mit DBA-rechtlich hinreichender BetriebsstättenFunktion. Die gewerbliche Tätigkeit kann sich dabei aus zwei Aspekten ergeben: Eine Holding ist gewerblich tätig, wenn sie Dienstleistungen (EDV, Buchführung etc.) zu Bedingungen wie unter fremden Dritten, also gegen ein angemessenes Entgelt erbringt, wobei es ausreicht, wenn die Leistungen gegenüber einer oder mehrere Konzerngesellschaften erbracht werden. Der nur eingeschränkte Nachfragerkreis schließt die nach § 15 Abs. 2 EStG erforderliche Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht aus.148 Aber auch eine Holding, die nur Leitungsfunktionen wahrnimmt, kann ein gewerbliches Unternehmen betreiben. Zwar stellt eine rein vermögensverwaltende Tätigkeit keine gewerbliche Tätigkeit dar,149 so

147 Die rein innerstaatliche Fiktion gewerblicher Einkünfte allein auf Grund gewerblicher Prägung schlägt nicht auf die Abkommensebene durch, BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754; BFH v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482; BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764. So nunmehr auch BMF v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258 Tz. 2.2.1. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist auch eine gewerbliche Infektion unbeachtlich und sind Tätigkeiten separat zu würdigen, sofern sie sich nicht gegenseitig unlösbar bedingen (BMF v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258 Tz. 2.2.1). 148 BMF v. 10.11.2005, BStBl. I 2005, 1038 (zur Organträgerfähigkeit von Personengesellschaft). 149 BMF v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.3.

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dass es nicht reicht, wenn Beteiligungen lediglich gehalten werden, auch wenn mit ihnen Gesellschafterrechte verbunden sind.150 Das bloße Abhalten von Gesellschafterversammlungen und/oder das Fassen von Ausschüttungsbeschlüssen führt demnach nicht zur gewerblichen Tätigkeit.151 Eine geschäftsleitende Tätigkeit qualifiziert aber als gewerbliche Tätigkeit.152 Der BFH hatte mit Urteil v. 17.12.2003153 in einem obiter dictum zwar ausgeführt, dass eine rein unterstützende dienstleistende Tätigkeit der Personengesellschaft für die von ihr gehaltenen Beteiligungsgesellschaften und die (partielle) Wahrnehmung von deren Geschäftsleitungsaufgaben für eine funktionale Zuordnung nicht ausreiche. Die fortbestehende Relevanz dieses Urteils ist aber jedenfalls zweifelhaft. Mit Beschluss v. 19.12.2007154 hatte der BFH im konkreten Fall eine Zuordnung abgelehnt; insbesondere – so der BFH – sei nicht zu erkennen gewesen, dass die Personengesellschaft als geschäftsleitende Holding hätte angesehen werden können. Aus diesem Beschluss wird, wenngleich mit unterschiedlicher Auffassung zur erforderlichen Ausformung der Holding, zu Recht abgeleitet, dass eine Personengesellschaft als geschäftsleitende Holding-BS installiert werden kann und ihr dann auch die Beteiligungen zuzurechnen sind.155 Der BFH hatte bislang allerdings noch keine Gelegenheit, den Begriff der geschäftsleitenden Holding im abkommensrechtlichen Kontext näher zu konkretisieren; ein Revisionsverfahren ist anhängig.156

150 BFH v. 30.6.1971 – I R 57/70, BStBl. II 1971, 753. 151 Hruschka, StbJb 2014/2015, 399, 406. 152 BFH v. 17.12.1969 – I 252/64, BStBl. II 1970, 257; BFH v. 15.4.1970 – I R 122/66, BStBl. II 1970, 544; BFH v. 17.9.2003 – I R 95/98/01, BFH/NV 2004, 808. BFH v. 28.10.2008 – VIII R 73/06, BStBl. II 2009, 647; Wacker in Schmidt, EStG, 34. Aufl. 2015, § 15 Rz. 90. 153 BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771. 154 BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 155 Vgl. u.a. Schönfeld, IStR 2008, 370; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, DBA, Art. 10 MA Rz. 163 (März 2013); Schönfeld in Schönfeld/Ditz, DBA, 2013, Art. 10 Rz. 204; Dötsch/Pung, DB 2014, 1215, 1217. Wohl auch Neumann in Gosch, KStG, 3. Aufl. 2015, § 14 Rz. 112. Kritisch Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. 2015, Rz. 6.63. 156 FG Münster v. 15.12.2014 – 13 K 624/11, EFG 2015, 704 (Rev. eingelegt; Az. des BFH: I R 10/15).

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Die Finanzverwaltung äußert sich im BMF-Schreiben v. 26.9.2014 nicht zur Frage, wann eine Holdingtätigkeit als Unternehmenstätigkeit i.S.v. Art 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA qualifiziert, so dass diese Entscheidung vom jeweils zuständigen Finanzamt zu treffen ist, aber auch getroffen werden darf.157 c) Rückgriff auf die von einer Kapitalgesellschaft erwartete Tätigkeit Da die abkommensrechtliche Betriebsstätte eine unternehmerische Tätigkeit erfordert, wird es regelmäßig nicht ausreichen, sich auf die Funktionen zu beschränken, die bei einer Kapitalgesellschaft erforderlich wären, damit diese nicht als funktionslose Basisgesellschaft qualifiziert wird, auch wenn dies an sich die konsequente Abbildung der fiktiven Selbständigkeit der Betriebsstätte nach den Grundsätzen der AOA wäre.158 d) Rückgriff auf die Grundsätze zur ertragsteuerlichen Organschaft und zu § 50d Abs. 3 EStG Die Frage, ob eine Holding als gewerbliches Unternehmen qualifiziert, spielt insbesondere auch bei der ertragsteuerlichen Organschaft eine Rolle. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG muss eine Personengesellschaft, um Organträger sein zu können, eine Tätigkeit i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausüben. aa) Konzernleitungsfunktionen ausreichend Nach wohl h.M. im Schrifttum qualifizieren Konzernleitungsfunktionen für eine solche Tätigkeit.159 Dabei kann nach zutreffender Auffassung grundsätzlich auf die Rechtsprechung zu der früher für die ertragsteuerliche Organschaft erforderlichen wirtschaftlichen Eingliederung zurück157 Nach Auffassung von Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. 2015, Rz. 6.62 ist BMF v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.2.4.1 die Aussage zu entnehmen, dass die geschäftsleitende Funktion für sich nicht ausreiche, einen wesentlichen funktionalen Zusammenhang zu begründen. Das kann dem BMF-Schreiben unseres Erachtens nicht entnommen werden. 158 Kaeser, ISR 2012, 63, 67 f.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, DBA, Art. 10 OECD-MA Rz. 163, 167 (März 2013); Häck in Flick/Wassermeyer/ Kempermann, DBA Deutschland-Schweiz, Art. 10 Rz. 144 (Mai 2015). 159 Vgl. u.a. Walter in E&Y, KStG, § 14 Rz. 235 (August 2014) m.w.N.; Dötsch/ Pung, DB 2014, 1215, 1217.

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gegriffen werden.160 Danach kann eine eigene gewerbliche Tätigkeit auch darin bestehen, dass die Personengesellschaft als geschäftsleitende Holding die einheitliche Leitung über mehrere Organgesellschaften ausübt und diese damit zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenfasst, die neben die einzelnen Unternehmen tritt. Der Obergesellschaft komme die Qualität einer geschäftsleitenden Holding aber nicht bereits dann zu, wenn die Konzernleitung mittels Personalunion in der Geschäftsleitung der Konzerngesellschaften wahrgenommen wird; vielmehr muss anhand äußerer Merkmale (schriftliche, nicht nur mündliche Weisungen bzw. Richtlinien) erkennbar sein, dass die Konzernleitung durch die Obergesellschaft selbst ausgeübt wird.161 bb) Keine (zusätzlichen) Dienstleistungen nötig Nach der Verwaltungsauffassung, wie sie im BMF-Schreiben v. 10.11.2005 zur Organträgerfähigkeit einer Personengesellschaft zum Ausdruck kommt, reicht das Halten von Beteiligungen, verbunden mit einer Geschäftsführungstätigkeit dagegen nicht aus, um die Voraussetzungen der eigene gewerblichen Tätigkeit i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG zu erfüllen. Es müssen vielmehr ergänzend sonstige Dienstleitungen erbracht werden.162 Eine Begründung für diese Abweichung von der Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Eingliederung wird nicht gegeben.163 Möglicherweise steht dahinter die Sorge, dass das zugerechnete Organeinkommen der Gewerbesteuer entzogen wird,164 so dass die Verwaltungsauffassung eine spezielle Aussage nur für die ertragsteuerliche Organschaft ist und hier nicht weiter relevant ist. Es bleibt aber jedenfalls unklar, warum Leitungsfunktionen durch daneben bestehende, in ihrer Bedeutung untergeordnete Dienstleitungen „aufgewertet“ werden müssen.

160 So u.a. Orth, DB 2005, 741, 742; Neumann in Gosch, KStG, 3. Aufl. 2015, § 14 Rz. 112; Kraft/Ungemach, DStZ 2015, 716, 719. A.A. Bäuml in Prinz/ Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz. 16.23 unter Verweis auf BMF v. 10.11.2005, BStBl. I 2005, 1083. 161 BFH v. 17.12.1969 – I 252/64, BStBl. II 1970, 257; BFH v. 15.4.1970 – I 122/66, BStBl. II 1970, 554; BFH v. 17.9.2003 – I R 98/01, BFH/NV 2004, 808. 162 BMF v. 10.11.2005, BStBl. I 2005, 1083 Rz. 19. 163 Kritisch u.a. auch Schade/S. Wagner in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz. 27.60. 164 Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 14 KStG Rz. 97 (August 2014).

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cc) Erfordernis mindestens zweier Tochtergesellschaften? Die Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Eingliederung hielt am Erfordernis von mindestens zwei Tochtergesellschaften fest;165 ein Dogma, für das jedenfalls nach Wegfall der wirtschaftlichen Eingliederung keine Rechtsgrundlage (mehr) besteht.166 Die alte Rechtsprechung findet sich aber immer noch gespiegelt im BMF-Schreiben zu § 50d Abs. 3 EStG (Entlastung von KapESt), wonach eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. § 50d Abs. 3 EStG nur dann vorliegt, wenn mindestens zwei Beteiligungen von einigem Gewicht gehalten und diesen gegenüber geschäftsleitende Funktionen wahrgenommen werden.167 Vertreter der Finanzverwaltung gehen daher auch im abkommensrechtlichen Kontext weiterhin von der Notwendigkeit von mindestens zwei Beteiligungen aus,168 teilweise auch unter Hinweis auf ein Urteil des BFH zur missbräuchlichen Einschaltung von Basisgesellschaften.169 Die Tochtergesellschaften müssen dabei nicht im Inland ansässig sein.170 Die Leitungsfunktion muss auch nicht unmittelbar auf Tochtergesellschaften ausgeübt werden. Es reicht aus, wenn Enkelgesellschaften gesteuert werden, vermittelt über eine zwischengeschaltete Tochterkapital- oder Personengesellschaft.171 e) Ausübung von Leitungsfunktionen Geschäftsleitende Tätigkeit bedeutet (in Abgrenzung von der vermögensverwaltenden Holding) Ausübung von Leitungsfunktionen.172 Das heißt 165 BFH v. 15.4.1970 – I 122/66, BStBl. II 1970, 554; BFH v. 13.9.1989 – I R 110/88, BStBl. II 1990, 24. 166 Neumann in Gosch, KStG, 3. Aufl. 2015, § 14 Rz. 112; Schade/S. Wagner in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz. 27.60; vgl. auch Hruschka, StbJb 2014/2015, 399, 407 (allerdings unter Hinweis darauf, dass die Finanzverwaltung an das im BStBl. veröffentlichte Urteil des BFH v. 15.4.1970 – I R 122/66, gebunden sei). 167 BMF v. 24.1.2012, BStBl. I 2012, 171. 168 Vgl. den Hinweis von Perwein, ISR 2014, 231, 232 auf eine zwischen BZSt und BMF abgestimmte verbindliche Auskunft zu § 50d Abs. 3 EStG. Vgl. aus dem Schrifttum auch Kraft/Ungemach, DStZ 2015, 716, 722. 169 Dötsch/Pung, DB 2014, 1215, 1217 Fn. 17 unter Hinweis auf BFH v. 9.12.1980 – VIII R 11/77, BStBl. II 1981, 339. 170 Nach Perwein, ISR 2014, 232, 233, muss eine der Tochtergesellschaften im Inland ansässig sein. 171 Neumann in Gosch, KStG, 3. Aufl. 2015, § 24 Rz. 114. 172 Hruschka, DStR 2014, 2421, 2424; Schade/S. Wagner in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz. 27.61.

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nicht, dass bei der geschäftsleitenden Holding der Ort der Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft i.S.v. § 10 AO begründet werden muss.173 Der Geschäftsführung der Beteiligungsgesellschaft kann also ein echter Spielraum für unternehmerische Entscheidungen verbleiben. Die Ausübung von Leitungsfunktionen muss auch nicht umfassend sein; die teilweise Ausübung einzelner Leitungsfunktionen durch die Betriebsstätte (vgl. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA), z.B. die Vorgaben fürs Tagesgeschäft der Beteiligungsgesellschaft in einzelnen Geschäftsbereichen und Kontrolle ihrer Einhaltung, reicht aus.174 Nach der Verwaltungsauffassung zur Kapitalertragsteuerentlastung nach § 50d Abs. 3 EStG werden Leitungsfunktionen durch (schriftlich dokumentierte) Führungsentscheidungen ausgeübt, die sich durch ihre langfristige Natur, Grundsätzlichkeit und Bedeutung auszeichnen, welche sie für den Bestand der Beteiligungsgesellschaft (geleitete Gesellschaft) haben. Sie sind von Entscheidungen zu unterscheiden, die kurzfristig und ausführungsbezogen sind. Die Durchführung nur einzelner Geschäftsfunktionen, wie z.B. Lizenzverwertung und/oder Kreditgewährung, reiche – so das BMF-Schreiben zu § 50d Abs. 3 EStG – für die Qualifizierung als aktive Beteiligungsverwaltung nicht aus.175 Offen ist, ob diese Aussagen auch abkommensrechtlich relevant sind. Die Führungsentscheidungen können dabei auch als Zustimmungsvorbehalte ausgestaltet sein.176 Da die Personengesellschaft über eine feste Geschäftseinrichtung und damit Betriebsstätte (Art. 5 Abs. 1, 2 OECD-MA) im Inland verfügt, ist diese allen beteiligten Gesellschaftern wie eine eigene Betriebsstätte zuzurechnen. Damit nehmen die Gesellschafter als Kommanditisten der Personengesellschaft im Inland eine eigene unternehmerische Tätigkeit durch die hier belegene Betriebsstätte wahr. 173 Hruschka, DStR 2014, 2421, 2425; Hruschka, StbJb 2014/2015, 399, 407. 174 BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771. Vgl. auch Hruschka, DStR 2014, 2421, 2425; Dötsch/Pung, DB 2014, 1215, 1217. Tendenziell enger Lang/Benz, StbJb 2014/2015, 183, 220 (etliche oder alle Zentralfunktionen müssen in der Holding ausgeübt werden). 175 BMF v. 24.1.2012, BStBl. I 2012, 171 Rz. 5.3. 176 Nach Hruschka, DStR 2014, 2421, 2425; Hruschka, StbJb 2014/2015, 399, 407, müssen die Zustimmungsvorbehalte so weitreichend sein, dass der Geschäftsführung der Beteiligungsgesellschaft kein echter Spielraum für unternehmerische Entscheidungen bleibt. Vgl. auch Schade/S. Wagner in Prinz/ Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz. 27.61.

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2. (Funktionale) Zuordnung der Beteiligung a) Zuordnungsmaßstäbe Die Anteile an der Kapitalgesellschaft müssen der inländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzurechnen sein. Der BFH differenziert möglicherweise zwischen Dividenden und Veräußerungsgewinnen. Dividenden zählen nach Ansicht des BFH grundsätzlich dann zu den Unternehmensgewinnen der Betriebsstätte, wenn sie in einem funktionalen Zusammenhang mit der in der Betriebsstätte ausgeübten unmittelbaren unternehmerischen Tätigkeit stehen, so dass es sich um Nebenerträge dieser Tätigkeit handelt.177 Art. 13 Abs. 2 OECD-MA knüpft bei Veräußerung der Beteiligung demgegenüber nicht an die „tatsächliche“ Zugehörigkeit der Beteiligung zur Betriebsstätte an, sondern stellt darauf ab, ob die (veräußerte) Beteiligung „Betriebsvermögen der Betriebsstätte darstellt“. Der BFH entschied mit Urteil vom 13.2.2008 zum DBA-Schweiz, dass demzufolge nicht notwendig ein und dasselbe gemeint sei. Während der abkommensrechtliche Begriff „tatsächlich“ eine Loslösung von rein (steuer-)rechtlichen Zuordnungskriterien zum Ausdruck bringe, gehe es bei Art. 13 Abs. 2 DBA-Schweiz um eine Zuordnung, die sich am Maßstab der wirtschaftlichen Zugehörigkeit orientiere.178 Ob aus dem Urteil v. 13.2.2008 eine grundsätzliche Aufweichung der funktionalen Zuordnung dergestalt folgt, dass bei Veräußerungen keine funktionale Zuordnung erforderlich ist, sondern bereits eine wirtschaftliche Zuordnung ausreicht, ist unklar. Das Urteil betraf den Sonderfall einer Zuordnung zum Sonderbetriebsvermögen II eines Gesellschafters bei einer Personengesellschaft.179 Es spricht aber vieles dafür, dass aus dem Urteil folgt, dass wenn das DBA eine nur wirtschaftliche Zuordnung verlangt, § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG dergestalt auf das Abkommensrecht ausstrahlt, dass es reicht, wenn eine Beteiligung zum Gesamt-

177 BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 178 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 179 Kritisch Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerecht, 2. Aufl. 2015, Rz. 6.107. Nach Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 13 OECD-MA Rz. 81 (2009) führen die tatsächlich-funktionale und die wirtschaftliche Zuordnung gemeinhin zu übereinstimmenden Ergebnissen.

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handsvermögen einer gewerblich tätigen Personengesellschaft gehört, es also keiner weiteren funktionalen Zuordnung bedarf.180 Die Finanzverwaltung sieht dies allerdings wohl anders. § 1 Abs. 5 AStG, mit dem der AOA innerstaatlich verankert wurde, ist eine reine Einkünftekorrekturvorschrift mit eigenständigen tatbestandlichen Merkmalen, die keinen Entstrickungstatbestand statuiert.181 Die Finanzverwaltung zieht § 1 Abs. 5 AStG dennoch auch für die Frage der Betriebsstätten-Zuordnung heran.182 Dabei gelten nach Verwaltungsauffassung für Dividenden und Veräußerungsgewinne einheitliche Regeln.183 b) Weitere (Mitunternehmer-)Betriebsstätte nicht vorhanden Es stellt sich die Frage, welche Schlüsse aus der sog. Thailand-Entscheidung des BFH v. 12.6.2013184 folgen. In diesem Fall hielt ein in Thailand ansässiger Gesellschafter eine britische Kapitalgesellschaft, die zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen einer deutschen Personengesellschaft gehörte. Die Drittstaatenbeteiligung wurde der inländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft zugeordnet. Grundsätzlich sind die besonderen DBA-Verteilungsartikel für Dividenden und Zinsen (Art. 10, 11 OECD-MA) gegenüber den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA) vorrangig und tritt dieser Vorrang im Rahmen einer Gegenausnahme nur dann zurück, wenn die Tatbestandsmerkmale des in den besonderen Verteilungsartikeln erwähnten Betriebsstättenvorbehalts erfüllt sind (tatsächlich funktionale Zuordnung der Beteiligung). Da es sich um eine Drittstaatenbeteiligung handelte, war der besondere DBA-Verteilungsartikel aber nicht einschlägig, sondern Art. 7 Abs. 2 Satz 2 DBA Thailand.185 Der BFH betont, dass es keine betriebsstättenlo-

180 Lieber in Schönfeld/Ditz, DBA, 2013, Art. 13 Rz. 52. 181 Gosch, JbFSt 2014/2015, 568; Gosch in Kirchhof, EStG, 14. Aufl. 2015, § 50 Rz. 19a. 182 BMF v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.2.4.1. 183 BMF v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.2.4.1. 184 BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770. 185 Das DBA-Thailand kennt keine Auffangklausel nach Art. 21 OECD-MA, wonach Drittstaatendividenden dem Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats zugewiesen werden, sofern sie nicht tatsächlich zu der Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat gehören.

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sen gewerblichen Einkünfte gibt. Der BFH führt aus, dass eine Beteiligung jedenfalls dann zum Betriebsvermögen der inländischen Betriebsstätte gehört, wenn der Gesellschafter nicht außerhalb Deutschlands weitere (ggf. sog. Mitunternehmer-)Betriebsstätten im abkommensrechtlichen Sinn besitzt. Eine Mitunternehmer-Betriebsstätte werde nicht durch das bloße Innehaben einer Kapitalgesellschafts-Beteiligung begründet. Für den konkreten Fall heißt dies, dass eine Zuordnung der (anteiligen) Anteile an der Kapitalgesellschaft zu einer ausländischen Betriebsstätte nicht in Betracht kommt. Zwar sind abkommensrechtlich über Art. 3 Abs. 1 Buchst. d) OECD-MA wegen der Transparenz der Personengesellschaft die Gesellschafter faktisch als (anteilige) Betreiber des Unternehmens der Personengesellschaft anzusehen. Daraus folgt, dass jeder Gesellschafter sich die Betriebsstätten der Personengesellschaft wie eigene Betriebsstätten zurechnen lassen muss. Daraus folgt aber keine Mitunternehmer-Betriebsstätte.186 Teile des Schrifttums räumen dem Thailand-Urteil allerdings Relevanz allenfalls für Drittstaatenbeteiligungen ein. Ansonsten gelten die besonderen DBA-Verteilungsartikel für Dividenden und Zinsen (Art. 10, 11 OECD-MA), die durch den Betriebsstättenvorbehalt nur außer Kraft gesetzt würden, wenn eine tatsächlich funktionale Zuordnung der Beteiligung vorliege. Ohne diese Zuordnung hätte der Betriebsstätten-Staat selbst dann kein Besteuerungsrecht, wenn die im Ausland ansässigen Gesellschafter keine „konkurrierende Betriebsstätte“ im Ausland unterhalten.187 Beinert: Die Auffassung des Schrifttums ist abzulehnen. Wenn der Gesellschafter über keine Mitunternehmer-Betriebsstätte verfügt, bleibt für die Anwendung der speziellen Verteilungsartikel kein Raum. Die Einkünfte können dann nur dem Unternehmensgewinn der (inländischen) Betriebsstätte der Personengesellschaft gem. Art. 7 OECD-MA zugerechnet werden. Andernfalls gäbe es betriebsstättenlose gewerbliche Einkünfte.188

186 Wassermeyer in Wassermeyer, DBA, Art. 7 (2000) OECD-MA Rz. 64 (66a) ff. (Oktober 2013); Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. 2015, Rz. 2.35. Vgl. auch Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 13 OECD-MA Rz. 71, 81 (2009). 187 Dötsch/Pung, DB 2014, 1215, 1216 Fn. 12. 188 Brandenberg, DStZ 2015, 393, 397.

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Auch der Gedanke eines Stammhauses ist überholt. Das BMF-Schreiben v. 26.9.2014189 verweist zwar auch auf die Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze v. 24.12.1999190 und damit auf die dort niedergelegte „Zentralfunktion des Stammhauses“. Die nach § 1 Abs. 5 AStG (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BsGaV) maßgeblichen Personalfunktionen sind aber nicht kompatibel mit einer (angeblichen) „Zentralfunktion des Stammhauses“. Wenn eine Betriebsstätte als fiktiv selbständiges Unternehmen anzusehen ist, kann es kein grundsätzliches Zuordnungsgebot zum Stammhaus geben.191 Spätestens mit der Umsetzung des AOA in nationales Recht ist der Zentralfunktion des Stammhauses daher vollständig die Grundlage entzogen worden.192 Es ist allerdings nicht völlig geklärt, ob die Finanzverwaltung an der Zentralfunktion des Stammhauses noch festhält,193 es gibt immer noch Hinweise im Schrifttum auf diese Theorie.194 Die Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze sollen aktualisiert werden, u.a. um die Umsetzung des AOA in § 1 Abs. 5 AStG und die BsGaV nachzuvollziehen. Es ist zu erwarten, dass es auch Aussagen zur Zuordnung von Beteiligungen zu Betriebsstätten im abkommensrechtlichen Kontext geben wird.195 Hruschka: Die eben von Beinert dargestellten Ansichten teile ich weitgehend nicht. Eine eigenständige – von der anteiligen Gesamthandsbetriebsstätte zu trennende, abkommensrechtliche Mitunternehmer-Betriebsstätte gibt es – entgegen der Ansicht des BFH196 – nicht. Sie ist auch nicht notwendig, um Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens dem Quellen-

189 BMF v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258. 190 BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076. 191 Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2012, Rz. 8.265. 192 Kraft/Dombrowski, FR 2014, 1105, 1109; Häck, ISR 2015, 113, 118; Häck in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA Deutschland-Schweiz, Art. 10 Rz. 137 (Mai 2015). 193 Kraft/Dombrowski, FR 2014, 1109 sowie Schade/S. Wagner in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz. 27.54 gehen davon aus, dass das nicht der Fall ist. Häck, ISR 2015, 113, 118, hält das für unklar. 194 Kraft/Ungemach, DStZ 2015, 716, 717; Neumann in Gosch, KStG, 3. Aufl. 2015, § 14 Rz. 120a. 195 Kraft/Ungemach, DStZ 2015, 716, 717. 196 BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770.

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staat (in welchem sich auch die Gesamthandsbetriebsstätte befindet) zuzuordnen. Denn abkommensrechtlich existiert die zivilrechtlich bestehende Personengesellschaft für Deutschland als Anwenderstaat nicht, weil sie weder Einkommensteuer- noch Körperschaftssteuersubjekt und daher keine ansässige Person i.S.v. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA ist. Sie ist lediglich ein transparentes Gebilde, das die auf der Gesamthandsebene verwirklichten Zustände und Sachverhalte anteilig an ihre Gesellschafter vermittelt. Eine Betriebsstätte der Gesamthand ist daher anteilig den Gesellschaftern zuzurechnen. Ist aber die Gesamthandsbetriebsstätte eine anteilige des Gesellschafters, verfügt dieser im Quellenstaat über eine eigene (anteilige) Betriebsstätte, der auch Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens zugeordnet werden können. Eine andere Frage ist aber, ob Wirtschaftsgüter des Gesamthands- bzw. Sonderbetriebsvermögens auch dann dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zugeordnet werden können, wenn der Gesellschafter dort über keine Betriebsstätte verfügt. Die Rechtsprechung hat dies abgelehnt.197 Einen Grund für diese Auffassung hat sie nicht genannt. Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum Wirtschaftsgüter auch außerhalb des Gewerbesteuerrechts ausschließlich Betriebsstätten zugeordnet werden können sollen. Dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 EStG folgend hängt die Gewerblichkeit von Einkünften von der Tätigkeit des Steuersubjekts und nicht von der Existenz einer Betriebsstätte ab, der die Einkünfte zugeordnet werden können.198 Im Fall der Verpachtung von Immobilien durch eine betriebsstättenlose gewerblich geprägte Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) ist anerkannt, dass die Einkünfte ggf. beschränkt einkommensteuer- oder. körperschaftsteuerpflichtig gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG sind, jedoch der Gewinn mangels Betriebsstätte im Inland nicht der Gewerbesteuer unterfällt (arg. § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Diese Sichtweise wird auch vom Abkommensrecht getragen, das dem Unternehmensstaat gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA das vollumfängliche Besteuerungsrecht für sämtliche Unternehmensgewinne zu-

197 BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770; BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 198 Ebenso Kramer, IStR 2004, 672, 674; a.A. Wassermeyer, IStR 2004, 676, der dies mit § 2 Abs. 1 GewStG begründet, ohne auf die Vorschrift des § 15 Abs. 2 EStG näher einzugehen.

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weist, sofern diese nicht durch eine Betriebsstätte im anderen Staat erwirtschaftet worden sind. Unternehmensstaat i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA ist aber nicht der Staat, in dem sich der wichtigste Teil des Betrieb oder gar eine Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 OECD-MA befindet, sondern der Staat, in dem der Unternehmer ansässig i.S.v. Art. 4 OECD-MA ist. Und nochmal: Das Tatbestandsmerkmal „Betriebsstätte“ enthält die Vorschrift zur Definition des Unternehmensstaates nicht. Dies bedeutet: Das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats verlangt im Falle von Unternehmensgewinnen keinerlei Betriebsstätte auf seinem Hoheitsgebiet. Zuordnungsgrund ist vielmehr die Ansässigkeit des Steuersubjekts; diesem sind sämtliche Unternehmensgewinne zuzuweisen, es sei denn sie werden durch eine Betriebsstätte im anderen Staat erwirtschaftet. Dies folgt auch aus den sog. Betriebsstättenvorbehalten der Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3 sowie Art. 21 Abs. 2 OECD-MA, die sämtlich eine Zuordnung zum Ansässigkeitsstaat vornehmen, sofern diese in keinem tatsächlich „funktionalem“ Zusammenhang mit der Tätigkeit der Betriebsstätte im Quellenstaat stehen. Im Ergebnis erlaubt daher der Wortlaut von § 15 Abs. 2 EStG199 ebenso wie der von Art. 7 Abs. 1 OECD-MA die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Steuersubjekt, ohne dass dort die Voraussetzungen einer Betriebsstätte erfüllt sein müssen. Schließlich hat Beinert die Frage aufgeworfen, ob die Zuordnungsmöglichkeit zum betriebsstättenlosen Ansässigkeitsstaat unter Anwendung des AOA gem. § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV noch Bestand haben kann. Die dahingehende Skepsis ist berechtigt. Durch die weitergehende steuerrechtliche Verselbständigung der Betriebsstätte und die zunehmende Bedeutung der Personalfunktion (§ 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 AStG, § 1 Abs. 2 Nr. 1 BsGaV) erhält die Voraussetzung des Vorhandenseins einer Betriebsstätte mehr Gewicht (§ 4 Abs. 2 BsGaV).

199 Wegen der den Grundtatbestand des § 12 Satz 1 AO erweiternden Wirkung des Satz 2 liegt für Zwecke des nationalen Rechts dort eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO vor (vgl. BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; BFH v. 17.2.1955 – IV 77/53 S, BStBl. III 1955, 100), sodass die Frage der Betriebsstättenlosigkeit von gewerblichen Einkünften bei rein nach nationalem Recht zu beurteilenden Sachverhalten grundsätzlich nicht relevant wird. Für den Betriebsstättenbegriff des Art. 5 OECD-MA gilt diese erweiternde Wirkung jedoch nicht (ebenso: Görl in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Art. 5 Rz. 37; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, DBA, Art. 5 OECD-MA, Rz. 61).

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c) Quantitative Elemente? Bei der Frage, ob eine Personengesellschaft als ertragsteuerlicher Organträger qualifiziert, darf nach Verwaltungsauffassung200 die dafür erforderliche „originär“ gewerbliche Tätigkeit der Personengesellschaft „nicht nur geringfügig“ sein, ohne dass hierzu nähere Angaben gemacht werden. Die Auffassungen im Schrifttum dazu sind geteilt und reichen von der Ansicht, dass eine nur insgesamt originär gewerblich tätige Personengesellschaft tauglicher Organträger sein könne201 bis zur Ansicht, dass jegliche gewerbliche Tätigkeit der Personengesellschaft dafür genüge.202 Bei der funktionalen Zuordnung wird das quantitative Element teilweise noch weiter ausgebaut und verlangt, dass die geschäftsleitende und dienstleitende Tätigkeit der Holding umfassend und von einigem Gewicht sein muss (erhebliches Personal, erheblicher Umsatz).203 Je wertvoller die Beteiligung sei, umso größer müsse der Geschäftsbetrieb der Personengesellschaft sein, dem die Anteile zugeordnet werden sollen.204 Dies wird offenbar „automatisch“ aus der funktionalen Betrachtung abgeleitet. Es wird daher – wenngleich vereinzelt – verlangt, dass zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft (wesentliche) Liefer- und Leistungsbeziehungen bestehen und dass es für die wirtschaftliche Betätigung der Betriebsstätte wichtig ist, dass sie über das Stimmrecht die Geschäftstätigkeit der Organgesellschaft beeinflussen kann. Der Lieferungs- und Leistungsverkehr müsse in seinem Umfang und in seiner Bedeutung denjenigen übersteigen, der üblicherweise mit Lieferanten und Kunden besteht. Dies sei für jede einzelne Organgesellschaft zu prüfen.205 Diese Auffassung ist abzulehnen. Die Ausübung von Leitungsfunktion ist bereits isoliert betrachtet ausreichend, die funktionale Zuordnung zu

200 BMF v. 10.11.2005, BStBl. I 2005, 1039 Rz. 17. 201 Neumann in Gosch, KStG, 3. Aufl. 2015, § 14 Rz. 80. 202 Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 14 KStG Rz. 164 (Januar 2015); Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 320. 203 Dötsch/Pung, DB 2014, 1215, 1216. Vgl. auch Bäuml in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz. 16.61; Herbener in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz. 17.24; Lang/Benz, StbJb 2014/2015, 183, 219. 204 Lang/Benz, StbJb 2014/2015, 183, 218. 205 Dötsch/Pung, DB 2014, 1215, 1216.

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begründen.206 Es ist nicht ersichtlich, warum die funktionale Zuordnung mehr verlangt als dass sich die Holdingtätigkeit auch auf die Beteiligung bezieht, wovon auszugehen ist, wenn diese zum Gesamthandsvermögen der Holding-Personengesellschaft gehört. Umgekehrt gilt: In Anlehnung an die von der Finanzverwaltung anerkannten Tätigkeiten, die eine Organträgerfähigkeit einer Personengesellschaft begründen können,207 reicht die Erbringung entgeltlicher Dienstleistungen gegenüber Tochtergesellschaften (z.B. Erstellung der Buchführung oder EDV-Unterstützung) aus, um eine abkommensrechtliche Betriebsstätte anzunehmen.208 Die funktionale Zuordnung der jeweiligen Beteiligung ergibt sich in diesem Fall zwanglos aus der Tatsache, dass diese für den Dienstleistungsbetrieb der Betriebsstätte objektiv förderlich ist.209 d) Sonderfall: Sonderbetriebsvermögen II Der Bereich des Sonderbetriebsvermögens II ist komplexer. Halten Gesellschafter einer Personengesellschaft Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Alleineigentum (also außerhalb des Gesamthandsvermögens), können diese als Sonderbetriebsvermögen II steuerlich zum Bereich der Personengesellschaft gehören.210 Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist dies aber nur ausnahmsweise der Fall, wenn eine besonders enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen Personengesellschaft und Kapitalgesellschaft dergestalt besteht, dass die eine Gesellschaft eine wesentliche wirtschaftliche Funktion der anderen erfüllt.211

206 So auch Schade/S. Wagner in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz. 27.62. 207 BMF v. 10.11.2005, BStBl. I 2005, 1038 Rz. 17–20. 208 Bilitewski/Schifferdecker, Ubg 2013, 559, 563; Bodden, KÖSDI 2014, 19017, 19022; Schnittker/Haselmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. 2015, Rz. 14.5; Bodden, KÖSDI 2015, 19247, 19258. 209 Bilitewski/Schifferdecker, Ubg 2013, 559, 563; Bodden, KÖSDI 2014, 19017, 19022; Bodden, KÖSDI 2015, 19247, 19258. 210 Das Sonderbetriebsvermögen II beruht auf einer Auslegung von § 2 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. §§ 4 ff. und § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, die sich innerhalb der Grenzen verfassungsrechtlich zulässigen Rechtsfortbildung bewegt, BFH v. 16.4.2015 – IV R 1/12, BStBl. II 2015, 705. 211 OFD Frankfurt a.M. v. 13.2.2014, juris, Rz. 23.

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Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass das Sonderbetriebsvermögen II im abkommensrechtlichen Zusammenhang grundsätzlich irrelevant sei.212 Es wird allerdings auch die Auffassung vertreten, wonach Beteiligungen des Sonderbetriebsvermögens II auch abkommensrechtlich regelmäßig der Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen seien.213 Ob eine Beteiligung abkommensrechtlich zum Bereich der Personengesellschaft gehöre, ergebe sich nämlich im Wesentlichen aus denselben Umständen, die innerstaatlich für die Qualifizierung der Beteiligung als Sonderbetriebsvermögen II maßgeblich seien.214 Demzufolge könne auch die Veräußerung von solchen Beteiligungen unter Art. 13 Abs. 2 OECD-MA fallen.215 Selbst wenn man das für richtig hält, ist jedenfalls der im Schrifttum zur ertragsteuerlichen Organschaft (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 7 KStG) vertretenen Auffassung eine Absage zu erteilen, wonach ein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer funktionalen Zuordnung gegeben sei, wenn von Sonderbetriebsvermögen II auszugehen wäre, wenn die Beteiligung nicht im Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft, sondern zivilrechtlich im Alleineigentum eines Gesellschafters stünde.216 Es handelt sich beim Sonderbetriebsvermögen II um Kriterien nationalen Rechts, die Wirtschaftsgüter des Gesellschafters, wenn er ansonsten Privater ist, in den gewerblichen Bereich ziehen. Wenn der Gesellschafter selber bereits

212 Vgl. BFH v. 9.8.2006 – II R 59/05, BStBl. II 2009, 758; Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerecht, 2. Aufl. 2015, Rz. 6.65. 213 FG Baden-Württemberg v. 26.10.2011 – 7 K 3484/08, EFG 2012, 1355; BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770 (dort allerdings zu Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA, wo ein „wirtschaftlicher Zusammenhang“ für die Zuordnung der Beteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte ausreicht). Vgl. auch Kempermann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerecht, 2. Aufl. 2015, Rz. 2.87, allerdings unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass der BFH nicht ausschließe, dass das Sonderbetriebsvermögen auch einer Betriebsstätte des Gesellschafter selbst (Mitunternehmer-Betriebsstätte) zuzuordnen sein kann, BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 214 FG Baden-Württemberg v. 26.10.2011 – 7 K 3484/08, EFG 2012, 1355. 215 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770; Kempermann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. 2015, Rz. 2.88. 216 Kaminski/Strunk, Stbg 2014, 449, 454; Schade/S. Wagner in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz. 27.41, Rz. 27.57.

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gewerblich tätig ist, geht es darum, das Wirtschaftsgut nicht dem Gewerbetrieb des Gesellschafters, sondern dem der Personengesellschaft zuzuordnen. Ähnlich der gewerblichen Prägung ist das ein innerstaatliches, im Wege der Rechtsfortbildung gewonnenes Rechtskonstrukt, das abkommensrechtlich grundsätzlich nicht interessiert.

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Der Regierungsentwurf des neuen Unternehmenserbschaftsteuerrechts nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Überblick Ministerialrätin Hofmann Bundesministerium der Finanzen, Berlin Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Wesentliche Aussagen im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 1. Lohnsummenregelung 2. Verschonung über den Bereich von kleineren und mittleren Unternehmen 3. Gestaltungsmöglichkeiten 4. Verwaltungsvermögen III. Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

1. Vorgeschichte 2. Wesentlicher Inhalt der Neuerungen a) Lohnsummenregelung b) Verschonungskonzept c) Verschonungsabschlag bei Großerwerben d) Verschonungsbedarfsprüfung bei Großerwerben e) Begünstigtes Vermögen IV. Weiterführende Hinweise

I. Einleitung Mit Urteil vom 17. Dezember 20141 hat das Bundesverfassungsgericht die jetzige Regelung der Verschonung nach § 13a und § 13b i.V.m. § 19 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG), nämlich die Steuerbefreiung von begünstigten Vermögen bei Betriebsvermögen, bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und Anteilen an Kapitalgesellschaften, bei denen zum Vermögen der Kapitalgesellschaft begünstigtes Vermögen gehört, für unvereinbar mit der Verfassung erklärt. Die

1 1BvL 21/22, BGBl. I 2015, 4.

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Hofmann, Der Regierungsentwurf d. neuen Unternehmenserbschaftsteuerrechts

Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) der §§ 13a2, 13b i.V.m. § 19 ErbStG gilt seit dem Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes3 zum 1. Januar 2009. Das bisherige Recht ist jedoch bis zu einer Neuregelung anwendbar. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 30. Juni 2016 zu treffen. Aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts ist die Verschonungsregel § 13a ErbStG grundsätzlich geeignet und erforderlich um die Verschonung betrieblichen und land- und forstwirtschaftlichen begünstigten Vermögens (§ 13b ErbStG) und von Anteilen an Kapitalgesellschaften, zu deren Vermögen begünstigtes Vermögen i.S. des § 13b ErbStG gehört, gegenüber nicht betrieblichen Vermögen zu rechtfertigen. Jedoch sind die Verschonungsregeln (§§ 13a, 13b ErbStG) in ihrer konkreten Ausgestaltung angesichts ihres Übermaßes und der eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten nicht mit dem Grundsatz der steuerlichen Belastungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren.

II. Wesentliche Aussagen im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 20144 1. Lohnsummenregelung5 Im Grundsatz ist die Lohnsummenregelung (vgl. § 13a Abs. 1, 4 und 8 ErbStG) verfassungsgemäß. Sinn und Zweck der Lohnsummenregelung ist, den Erwerber von verschonungswürdigen Vermögen zur Erhaltung der Arbeitsplätze zu veranlassen. Mit der Einhaltung der Lohnsumme über den von Gesetzes wegen bestimmten Zeitraum wird der Nachweis des Arbeitsplatzerhalts erbracht. Der Umstand, dass alle Unternehmen mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung der Lohnsummenregelung freigestellt sind, ist jedoch zu weitgehend. In diesem Fall wird die Einhaltung der Lohnsummenregelung zum Arbeitsplatzerhalt als Ausnahme zur Regel gemacht.

2 In der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums – Wachstumsbeschleunigungsgesetz – vom 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. 3 Vgl. Art. 1 Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts – Erbschaftsteuerreformgesetz – ErbStRG vom 24.12.2008, BGBl. 2008, 3018. 4 S. Fn. 1. 5 S. Fn. 1; vgl. Tz. 229.

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2. Verschonung über den Bereich von kleineren und mittleren Unternehmen6 Wird die Größe kleiner und mittlerer Unternehmen überschritten, so ist das Verschonungsregime nicht verhältnismäßig soweit der unentgeltliche Erwerb von begünstigten betrieblichen und land- und forstwirtschaftlichen Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften, in deren Vermögen sich begünstigtes Vermögen befindet, ohne eine Bedürfnisprüfung weitgehend oder sogar vollständig von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit wird. Ein Verschonungsbedarf darf nicht ohne Weiteres beim Erwerb von großen Vermögen unterstellt werden.

3. Gestaltungsmöglichkeiten7 Gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen gesetzliche Regelungen, die besondere steuerliche Gestaltungen zulassen. Derartige gesetzliche Regelungen führen zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung. Verfassungswidrig sind solche gesetzlichen Regelungen, die entgegen ihrer Zwecksetzung steuermindernde Gestaltungen in einem erheblichen Umfang zulassen.

4. Verwaltungsvermögen8 Den Verwaltungsvermögenskatalog (vgl. § 13b Abs. 2 ErbStG) als solchen, nämlich die Umschreibung desjenigen Vermögens, welches grundsätzlich für nicht förderungswürdig gehalten wird, beanstandete das Bundesverfassungsgericht nicht. Unverhältnismäßig und damit nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass an sich für nicht förderungswürdig gehaltenes Vermögen (Verwaltungsvermögen) in Höhe bis zu 50 Prozent des Gesamtwerts des betrieblichen und des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und der Anteile an Kapitalgesellschaften, in denen sich das Vermögen befindet, bei der Regelverschonung trotzdem verschont wird. Das Nämliche gelte auch im umgekehrten Fall, dass bei Überschreiten der 50 Prozent nicht förderungswürdigen Vermögens (Verwaltungsvermögen) sämtliches Vermögen des Betriebs, des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft sowie der Anteile an Kaptalgesellschaften und deren Vermögen nicht mehr verschont wird. Das Ziel des Gesetz6 S. Fn. 1; vgl. Tz. 171 f. und Tz. 174 f. 7 S. Fn. 1; vgl. Tz. 253 ff. 8 S. Fn. 1; vgl. Tz. 231 ff.

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gebers, Verwaltungsvermögen aus der Verschonung auszunehmen und steuerliche Gestaltungen zu unterbinden, wäre mit der Begrenzung der Verschonung auf den jeweils festgestellten Teil des förderungswürdigen Vermögens ohne Weiteres möglich.9

III. Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 1. Vorgeschichte Das Bundesministerium der Finanzen veröffentlichte im März 2015 erste Eckwerte zur Umsetzung der Vorgaben aus dem bundesverfassungsgerichtlichen Urteil. Diese Eckpunkte wurden sowohl von den Fraktionen und den Ländern als auch von den Verbänden intensiv diskutiert. Nach Gesprächen mit den Fraktionen, Ländern und Verbänden wurde im Juni 2015 der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts veröffentlicht. Am 8. Juli 2015 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschlossen.10

2. Wesentlicher Inhalt der Neuerungen Bei einem Erwerb begünstigten Vermögens bis 26 Mio. Euro bleibt es weitestgehend beim bisherigen Verschonungskonzept. Dies bedeutet, dass die Regelverschonung11, nämlich ein Abschlag von 85 Prozent vom begünstigungsfähigen Vermögen und die Optionsverschonung12, nämlich 100 Prozent vom begünstigungsfähigen Vermögen beibehalten wird. Der Erwerber muss die jeweiligen Behaltens-13 und Lohnsummenbedingungen14 einhalten.

9 10 11 12 13 14

S. Fn. 1; vgl. Tz. 244. BR-Drs. 353/15 v. 14.8.2015; BT-Drs. 18/59/5923 v. 7.9.2015. § 13a Abs. 1 ErbStG-E. § 13a Abs. 10 Nr. 1 ErbStG-E. § 13a Abs. 6 ErbStG-E. § 13a Abs. 3 Satz 1 ErbStG-E im Rahmen der Regelverschonung, vgl. Fn. 11, bzw. § 13a Abs. 10 Nr. 2 ErbStG-E im Rahmen der Optionsverschonung, vgl. Fn. 12.

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a) Lohnsummenregelung Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wird die Aufgriffgrenze für die Freistellung von der Lohnsummenregelung auf Betriebe mit nicht mehr als drei Beschäftigten festgelegt. Rechnet man bei den Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die auch der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Grunde lagen15, die Betriebe ohne Beschäftigte aus der Gesamtzahl der Betriebe heraus, verringert sich der Anteil der Betriebe, die von der Lohnsummenregelung ausgenommen werden, bei drei Beschäftigten auf 56,47 Prozent. Unternehmen mit bis zu drei Beschäftigten sind vollständig von der Lohnsummenregelung ausgenommen.16 Bei einem Unternehmen mit vier bis zehn Beschäftigten beträgt die Mindestlohnsumme17 in der Regelverschonung18 250 Prozent und in der Optionsverschonung19 500 Prozent. Die Mindestlohnsumme beträgt bei Unternehmen mit mehr als zehn bis 15 Beschäftigten in der Regelverschonung20 300 Prozent und in der Optionsverschonung21 565 Prozent. Bei einem Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten beträgt die Mindestlohnsumme in der Regelverschonung22 400 Prozent und in der Optionsverschonung23 700 Prozent. Damit Fälle der Betriebsaufspaltung24 sich nicht auf die Lohnsummen auswirken, werden die Lohnsummen und die Anzahl der Beschäftigten zusammengerechnet. Die Zusammenrechnung führt dazu, dass die Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen die Lohnsummenregelung sowohl auf die Besitz- als auch auf die Betriebsgesellschaft angewendet werden. b) Verschonungskonzept Hinsichtlich der vom Bundesverfassungsgericht25 geforderten Prüfung, ob es einer Verschonung bei Erwerben ab einer gewissen Größe bedarf, richtet sich der Gesetzesentwurf der Bundesregierung an den Ausführun15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

S. Fn. 1, vgl. Tz. 220 ff. § 13a Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 ErbStG-E. Vgl. dazu § 13a Abs. 3 Sätze 5 ff. ErbStG-E. Vgl. Fn. 11, § 13a Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 ErbStG-E. Vgl. Fn. 12, § 13a Abs. 10 Nr. 4 ErbStG-E. Vgl. Fn. 11, § 13a Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 ErbStG-E. Vgl. Fn. 12, § 13a Abs. 10 Nr. 5 ErbStG-E. Vgl. Fn. 11, § 13a Abs. 3 Satz 1ErbStG-E. Vgl. Fn. 12, § 13a Abs. 10 Nr. 3 ErbStG-E. § 13a Abs. 3 Satz 13 ErbStG-E. Fn. 1; vgl. Tz. 175.

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gen des Bundesverfassungsgerichts26 aus. Bei einem Erwerb von begünstigten Vermögen von mehr als 26 Mio. Euro27 handelt es sich um einen sog. Großerwerb von begünstigten Vermögen28. In einem solchen Fall hat der Erwerber von Großvermögen die Wahl zwischen einem besonderen Verschonungsabschlag (§ 13c ErbStG-E) oder einer individuellen Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG-E). Die Prüfschwelle von über 26 Mio. Euro ist erbschaft- und schenkungsteuersystematisch konsequent erwerberbezogen ausgestaltet. Für die Beantwortung der Frage, ob die Prüfschwelle von mehr als 26 Mio. Euro überschritten wird, werden mehrere Erwerbe des Erwerbers innerhalb von zehn Jahren zusammengerechnet29. Denn der Erwerber ist durch den Erwerb begünstigten Vermögens bereichert und damit in seiner subjektiven Leistungsfähigkeit gestärkt und nicht das erworbene Unternehmen. Innerhalb der deutschen Unternehmensstruktur weisen insbesondere familiengeführte Unternehmen regelmäßig die Besonderheit auf, dass eine vergleichsweise starke Kapitalbindung der Gesellschafter in den Unternehmen erfolgt. Typisch ist bei solchen Unternehmen, dass die Unternehmensführung auf die langfristige Sicherung und Fortführung des Unternehmens ausgerichtet ist. Durch gesellschaftsrechtliche oder satzungsmäßige Bestimmungen liegen regelmäßig Entnahme-, Verfügungs- und Abfindungsbeschränkungen vor. Um dem besonderen Verschonungsbedürfnis in einem solchen Fall Rechnung zu tragen erhöht sich die Prüfschwelle auf 52 Mio. Euro30. Voraussetzung ist, dass die tatsächlichen Verhältnisse mit den Bestimmungen im Einklang stehen und zehn Jahre vor und 30 Jahre (entspricht einer Generationenfolge – vgl. § 1 Absatz 1 Nummer 4 ErbStG) nach der Entstehung der Steuer vorliegen31. Diese Voraussetzungen dienen dazu, Steuervermeidung entgegenzuwirken. c) Verschonungsabschlag bei Großerwerben Der in § 13c ErbStG-E normierte Verschonungsabschlag bei Großerwerben von begünstigten Vermögen sieht vor, dass für jede vollen 1,5 Mio. Euro oberhalb der Prüfschwelle (sei diese 26 Mio. Euro, sei diese 52 Mio. 26 Fn. 25. 27 § 13a Abs. 9 Satz 1 ErbStG-E, s. dazu § 19 Abs. 1 ErbStG: Bei einem steuerpflichtigen Erwerb über 26 Mio. Euro ist in jeder Steuerklasse der höchste Prozentsatz anzuwenden. 28 § 13a Abs. 9 Satz 1 ErbStG-E. 29 § 13a Abs. 9 Satz 2 ErbStG-E. 30 § 13a Abs. 9 Satz 5 ErbStG-E. 31 § 13a Abs. 9 Satz 5 a.E. und Satz 6 ErbStG-E.

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Euro) sich der Verschonungsabschlag um jeweils 1 Prozent verringert32. Ab einem Vermögenswert in Höhe von 116 Mio. Euro wird der Verschonungsabschlag im Rahmen der Regelverschonung33 in Höhe von 20 Prozent und im Rahmen der Optionsverschonung34 in Höhe von 35 Prozent gewährt35, wenn das erworbene begünstigte Vermögen die Prüfschwelle von 26 Mio. Euro übersteigt. Beträgt die Prüfschwelle 52 Mio. Euro, weil die Voraussetzungen des § 13a Abs. 9 Sätze 5 und 6 ErbStG-E vorliegen, tritt an die Stelle des Betrages von 116 Mio. Euro der Betrag von 142 Mio. Euro36. Der Erwerber, der den Verschonungsabschlag nach § 13c Abs. 1 und 2 ErbStG-E wählt, ist verpflichtet die jeweiligen Behaltensregelungen (§ 13a Absatz 6 ErbStG-E) sowie die Lohnsummenregelungen (§ 13a Abs. 3 Satz 1 bzw. § 13a Abs. 10 Nr. 2 ErbStG-E) einzuhalten37. d) Verschonungsbedarfsprüfung bei Großerwerben Bei einem Erwerb von begünstigten Vermögen von mehr als 26 Mio. Euro (52 Mio. Euro) kann der Erwerber statt des Verschonungsabschlags die Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG-E) wählen. Bei der Verschonungsbedarfsprüfung wird die Steuer, die auf das begünstigte Vermögen38 entfällt, erlassen, wenn und soweit der Erwerber die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuer nicht aus 50 Prozent des verfügbaren Vermögens begleichen kann39. Verfügbares Vermögen ist sämtliches mitübergegangenes oder bereits vorhandenes Vermögen mit Ausnahme von begünstigungsfähigen Vermögen nach § 13b Abs. 1 ErbStG-E40. Zur Vermeidung erheblicher Härten kann dem Erwerber die nicht zu erlassende Steuer bis zu sechs Monaten nach den allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung gestundet werden41 um beispielsweise nicht fungibles Vermögen zu veräußern. Dieser Steuererlass steht unter auflösender Bedingung42: In das verfügbare Vermögen wird verfügbares Vermögen einbezogen, welches der Erwerber von begünstigtem Vermögen innerhalb 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42

§ 13c Abs. 1 ErbStG-E. Fn. 11. Fn. 12. § 13c Abs. 2 Satz 2 ErbStG-E. § 13 c Abs. 2 Satz 3 ErbStG-E. § 13c Abs. 3 Satz 1 ErbStG-E. § 13a Abs. 1 ErbStG-E. § 28a Abs. 1 Satz 1 ErbStG-E. § 28a Abs. 2 ErbStG-E. § 28a Abs. 3 ErbStG-E. § 28a Abs. 4 ErbStG-E.

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von zehn Jahren von Todes wegen oder durch Schenkungen erwirbt43. Der Erwerber begünstigten Vermögens muss die Mindestlohnsumme von 700 Prozent44 und die Behaltensfrist45 sieben Jahre lang einhalten. Soweit das verfügbare Vermögen nicht zur Begleichung der Steuer ausreicht, wird sie bei Einhaltung der beschriebenen Voraussetzungen erlassen. Wird kein Erlass gewährt, ist die auf das begünstigte Vermögen entfallene Steuer bis zu zehn Jahre zu stunden46. Die Stundung ist bei Schenkungen unter Lebenden zu verzinsen; beim Erwerb von Todes wegen erfolgt die Stundung zinslos. e) Begünstigtes Vermögen Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts47 muss das vom Gesetzgeber für nicht verschonungswürdig gehaltene Vermögen grundsätzlich der Besteuerung zugeführt und steuermindernde Gestaltungen vermieden werden. Die präzise Abgrenzung des begünstigten vom nicht begünstigten Vermögen gewinnt deshalb erheblich an Bedeutung. Nach § 13b Abs. 3 ErbStG-E gehören alle Teile eines Betriebs, die im Erwerbszeitpunkt überwiegend einer land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit nach ihrem Hauptzweck dienen, zum begünstigten Vermögen. Nicht dem Hauptzweck dient dasjenige Vermögen, das ohne die betriebliche Tätigkeit zu beeinträchtigen aus dem Betriebsvermögen herausgelöst werden kann48. Im Anschluss wird der Finanzmitteltest durchgeführt49. Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und andere Forderungen werden zunächst mit den Schulden verrechnet und in Höhe von 20 Prozent des gemeinen Werts des Betriebsvermögens des Betriebs/der Gesellschaft wie begünstigtes Vermögen behandelt. Die nach dem Finanzmitteltest verbleibenden Schulden werden dann quotal dem begünstigten und dem nicht begünstigten Vermögen zugeordnet (Nettowert des begünstigten und des nicht begünstigen Vermögens)50. Der Nettowert des 43 44 45 46 47 48 49 50

§ 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ErbStG-E. § 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ErbStG-E. § 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ErbStG-E. § 28a Abs. 7 ErbStG-E. Fn. 1, Tz. 231 ff. Dies ist bestehende Gesetzeslage: vgl. § 200 BewG. § 13b Abs. 4 ErbStG-E. § 13b Abs. 5 ErbStG-E.

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nicht begünstigten Vermögens wird wie begünstigtes Vermögen behandelt, soweit der Nettowert des nicht begünstigten Vermögens zehn Prozent des Nettowerts des begünstigten Vermögens nicht übersteigt51. Stets unberücksichtigt bleibt das junge nicht begünstigte Vermögen, also dasjenige Vermögen, welches dem Betrieb weniger als zwei Jahre vor der Entstehung der Steuer zuzurechnen ist52. Um den vom Bundesverfassungsgericht monierten Kaskadeneffet zu vermeiden53 wird in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen das ermittelte begünstigte Vermögen konsolidiert und eine Verbundvermögensaufstellung vorgenommen54. In der Verbundvermögensaufstellung sind anstelle der Beteiligungen an Personengesellschaften oder der Anteile an Kapitalgesellschaften die anteiligen (gemeinen) Werte des begünstigten und des nicht begünstigten Vermögens auszuweisen. Finanzmittel55, junges nicht begünstigtes Vermögen56 sowie der Saldo aus eingelegten und entnommenen Finanzmittel sind gesondert aufzuführen. Der Wert des begünstigten Vermögens ist wie folgt zu ermitteln57: Die Begünstigungsquote ist: Nettowert des begünstigten Vermögens Nettowert des gesamten Betriebsvermögens Der Wert des begünstigten Vermögens ist: Gemeiner Wert des Betriebs, der Personengesellschaft, der Kapitalgesellschaft × Begünstigungsquote.

IV. Weiterführende Hinweise –

Gesetzentwurf der Bundesregierung (v. 7. September 2015, BT-Drs. 18/6279 und v. 14. August 2015, BR-Drs. 353/15



Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates vom 15. September 2015 (BR-Drs. 353/1/15)



Stellungnahme des Bundesrates vom 25. September 2015 (BR-Drs. 353/15 - Beschluss)

51 52 53 54 55 56 57

§ 13b Abs. 6 Satz 1 ErbStG-E. § 13b Abs. 6 Satz 2 ErbStG-E. Vgl. Fn. 1, Tz. 259. § 13b Abs. 7 ErbStG-E. Fn. 49, 50. Fn. 52. § 13b Abs. 8 ErbStG-E.

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Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht der 125. Sitzung vom 25. September 2015 (Plenarprotokoll 18/125)



Bundesrat, Stenografischer Bericht der 936. Sitzung vom 25. September 2015 (Plenarprotokoll 936)



Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung vom 8. Oktober 2015 (BT-Drs. 18/6279).

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Fragen des geplanten neuen Unternehmens-Erbschaftsteuerrechts Dr. Marc Jülicher Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Bonn Dr. Jörg Stalleiken Steuerberater, Rechtsanwalt, Bonn Leitender Ministerialrat Dr. Ingo van Lishaut Finanzministerium NRW, Düsseldorf Inhaltsübersicht 1. Einleitung und Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens 2. Hauptzweckansatz contra fortgeschriebener Verwaltungsvermögensbegriff 2.1 Grundsätzliches zum Hauptzweck 2.2 Einzelfälle zum Hauptzweck 2.3 Länder: Festhalten an einem fortgeschriebenen Verwaltungsvermögensbegriff 2.4 Vergleich der Ansätze 3. Schuldenverrechnung und Berechnung begünstigten Vermögens 3.1 Gemeinsamkeiten der Entwürfe

3.2 Unterschiede 4. Betriebsaufspaltung 5. „Satzungstest“ 6. Einschränkungen bei der Begünstigungsfähigkeit von Holdinggesellschaften 7. Großerwerbe 7.1 Verkürztes und „gleitendes“ Abschmelzungsmodell (§ 13c ErbStG-LE) 7.2 Erlass und individuelle Bedürfnisprüfung (§ 28a ErbStG-RegE) 8. Fazit und Ausblick

1. Einleitung und Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens Das BVerfG hat in seiner Entscheidung v. 17.12.20141 dem Gesetzgeber einen „Reparaturauftrag“ zum ErbStG 2009 bis zum 30.6.2016 erteilt. Die Vorschriften der §§ 13a, b ErbStG sind in Verbindung mit der Tarif1 BStBl. II 2015, 50; zur Literatur Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Stand 2015, § 19 Tz. 30.

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vorschrift des § 19 ErbStG in mehreren Bereichen für verfassungswidrig erklärt worden. Viele der gerügten Missbräuche u.a. durch sog. „Cash GmbHs“ waren allerdings bereits durch das AmtshilfeRLUmsG v. 7.6.20132 ausgeschaltet worden. Nachdem das BMF zunächst in einem sog. „Eckwertepapier“ wesentliche Inhalte seiner geplanten Neuregelung skizziert hatte, folgte Anfang Juni ein erster Referentenentwurf des BMF.3 Seit dem 8.7.2015 liegt nunmehr der Regierungsentwurf zur Reform des ErbStG vor (nachfolgend auch „ErbStG-RegE“).4 Über den „Reparaturauftrag“ des BVerfG hinaus enthält der Regierungsentwurf weiterreichende Eingriffe in die Begünstigungssystematik des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts, so z.B. eine Abkehr vom bisherigen Verwaltungsvermögenstest (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG) zugunsten einer Abgrenzung des begünstigten vom nicht begünstigten Vermögen anhand einer Hauptzweckprüfung. Auf Rechtsfolgenseite werden bei Überschreiten bestimmter Größenschwellen die Verschonungsabschläge für betriebliches Vermögen entweder gekürzt (§ 13c ErbStG-RegE) oder von der Erfüllung einer individuellen Bedürfnisprüfung des Erwerbers abhängig gemacht (§ 28a ErbStG-RegE). Gegen Teile der geplanten Neuregelung, insbesondere die streitanfällige und unbestimmte Abgrenzung des begünstigten Vermögens nach dem Hauptzweck der betrieblichen Tätigkeit hat sich früh Widerstand sowohl in der Literatur5 als auch von Seiten der Bundesländer geregt. Diese haben über den Bundesrat einen Alternativentwurf6 in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht, der an wesentlichen Stellen von dem Regierungsentwurf abweicht (nachfolgend auch „ErbStG-LE“). Hauptstreitpunkte und nachfolgend Schwerpunkte der Erörterung sind die Abgrenzung des begünstigungsfähigen Vermögens von anderem Vermögen, die Schuldenberücksichtigung und -zuordnung und letztlich die rechnerische Ermittlung des begünstigungsfähigen Vermögens. Daneben sind politisch hochumstritten die besonderen Anforderungen für sog. Großerwerbe, d.h. eine Bedürfnisprüfung oder eine Abschmelzung der 2 BGBl. I 2013, 1809; dazu Stalleiken, DB 2013, 1382; Erkis/Mannek/van Lishaut, FR 2013, 245. 3 Hierzu Korezkij, DStR 2015, 1337; von Oertzen/Reich, DB 2015, 1559; Wachter, DB 2015, 1368; Stalleiken/Kotzenberg, GmbHR 2015, 673. 4 BR-Drs. 353/15 v. 14.8.2015, inhaltsgleich BT-Drs. 18/5923 v. 7.9.2015; hierzu Stalleiken/Holtz, ErbR 2015, 423; Hannes, ZEV 2015, 371. 5 Vgl. nur von Oertzen/Reich, BB 2015, 1559, 1560; Korezkij, DStR 2015, 1649 f., Steger/Königer, BB 2015, 1623, 1624. 6 Stellungnahme des Bundesrates v. 25.9.2015, BR-Drs. 353/15 (B).

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Verschonungsabschläge. Nur am Rande zu erwähnen ist die geplante Herabsetzung der Arbeitnehmergrenze für den Lohnsummentest von 20 auf 3, verbunden mit einer nach Arbeitnehmerzahl gestaffelten Mindestlohnsumme, sowie eine Zusammenfassung des Lohnsummentests in den Fällen der „Betriebsaufspaltung“.

2. Hauptzweckansatz contra fortgeschriebener Verwaltungsvermögensbegriff 2.1 Grundsätzliches zum Hauptzweck Die Bundesregierung hat im Regierungsentwurf v. 8.7.2015 bzw. inhaltsgleichen Gesetzentwurf v. 7.9.2015 zur Abgrenzung des begünstigungsfähigen Vermögens ein vom BVerfG nicht gefordertes und bisher im ErbStG nur selektiv in einzelnen Bereichen (bei Rückausnahmen zum Verwaltungsvermögen) angewandtes Kriterium aufgegriffen. Das ist der sog. „Hauptzweck“ des § 13b Abs. 3 ErbStG-RegE7. Die Bundesregierung sah wohl insbesondere die bisherige kasuistische Definition des Verwaltungsvermögens mit ihren umfangreichen Rückausnahmen als nicht mehr sachgerecht an. § 13b Abs. 3 Satz 1 ErbStG bezieht sich auf begünstigungsfähiges Vermögen nach Abs. 1 Nrn. 2 und 3, damit auf inländisches Betriebsvermögen oder Anteile an einer Kapitalgesellschaft. Begünstigt sind dort jetzt alle Teile, die im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) einer Tätigkeit i.S.d. § 13 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 (luf Tätigkeit), § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 (gewerbliche Tätigkeit) oder § 18 Abs. 1 Nrn. 1, 2 EStG (freiberufliche Tätigkeit) nach ihrem Hauptzweck8 dienen. Die Regelung enthält damit qualitative und quantitative Merkmale. Die Regelung orientiert sich an § 200 Abs. 2 BewG. In § 13b Abs. 3 Satz 2 ErbStG-RegE werden als nicht dem Hauptzweck dienend gerade diejenigen Teile des an sich begünstigungsfähigen Vermögens definiert, die ohne Beeinträchtigung der eigentlichen betrieblichen Tätigkeit aus dem Betriebsvermögen herausgelöst werden können.

7 BT-Drs. 18/5923. 8 Zum Begriff auch Thonemann-Micker/Krogoll, ErbStB 2015, 273.

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2.2 Einzelfälle zum Hauptzweck Der Hauptzweckansatz führt insgesamt eher zu einer Ausweitung des begünstigten Vermögens, z.B. durch die Begünstigung aller Betriebsverpachtungen und Betriebsaufspaltungen, ohne die bisherigen Restriktionen9: Es scheint auch so, dass der Hauptzweckansatz im Einzelfall zu einer Einschränkung der bisherigen Begünstigungen führen kann, in anderen Fällen gerade zu einer Ausdehnung. Arbeitnehmerwohnungen oder auch Wohnungsunternehmen können weiterhin dann begünstigt sein, wenn sie gewerblich betrieben werden, z.B. auch erstmals bei Vermietung von Immobilien zu gewerblichen und nicht zu Wohnzwecken. Umgekehrt wäre die Herauslösbarkeit vieler für den Betrieb im Einzelfall durchaus notwendiger Wirtschaftsgüter für ihre Begünstigungsfähigkeit ein „K.O.Kriterium“. Für gewerblich geprägte Gesellschaften mit Immobilienbesitz wäre die Begünstigung nur noch bei originär gewerblicher Tätigkeit möglich. Das kann zu einer Besser- oder Schlechterstellung führen. Vielfach war bisher aufgrund der Rückausnahme in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. d) ErbStG auch ein sog. Wohnungsunternehmen begünstigt, allein durch gewerbliche Nebenleistungen. Notwendig war nur eine überwiegende Vermietung zu Wohnzwecken. Nunmehr kommt es auf die originäre gewerbliche Tätigkeit an, wobei jedoch eine bislang nicht begünstigte Vermietung zu gewerblichen Zwecken unter den vorgenannten Kriterien erstmals auch begünstigt sein kann10. Allerdings ist die Auslagerung von Tätigkeiten auf ein externes Dienstleistungsunternehmen nicht mehr möglich11. Die Abgrenzung nach dem Hauptzweck erzwingt eine Einzelprüfung und später Einzelbewertung, die bislang auch bei der Ermittlung des Substanzwertes nach § 11 Abs. 2 BewG kaum stattgefunden hat12, und erhöht damit den Verwaltungsaufwand erheblich. Erstmals begünstigt sein können auch Wertpapiere. Sie sind nicht mehr zwingend nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG, fließen aber mangels eines Forderungscharakters 9 10 11 12

Erkis, DStR 2015, 1409, 1411. Vgl. Stalleiken/Kotzenberg, GmbHR 2015, 673, 675. Von Oertzen/Reich, BB 2015, 1559, 1560. Stalleiken/Kotzenberg, GmbHR 2015, 673, 675; Erkis, DStR 2015, 1409, 1409, 1410.

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auch nicht in den Finanzmitteltest nach Abs. 4 RegE (vormals Abs. 2 Nr. 4a) ein. Sie können damit z.B., wenn sie dem Hauptzweck des Betriebes dienen, zur Absicherung von Pensionsverpflichtungen etc., oder sonst bei kurzfristiger liquider Anlage möglicherweise begünstigt sein13. Die Gesetzesbegründung fordert allerdings, dass Wirtschaftsgüter „unmittelbar“ zur Ausübung der Tätigkeiten des Betriebs genutzt werden14, so dass die Berücksichtigung nicht zweifelsfrei ist. Zudem wäre auch offen und im praktischen Einzelfall jeweils zu klären, in welchem Umfang vorhandene Wertpapiere als Pensionsdeckungsvermögen erforderlich sind. Erstmals können auch Beteiligungen an Kapitalgesellschaften unterhalb der „Mehr-als-25 %-Grenze“, die sie bisher nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ErbStG kategorisch ausschloss, begünstigtes Vermögen sein. Es muss nur ein Nutzungsverhältnis zwischen einer nicht rein vermögensverwaltenden Beteiligungsgesellschaft und dem sie haltenden Betrieb bestehen15. Die 25 %-Beteiligungsgrenze als bislang typisierendes Indiz für unternehmerische Beteiligungen wäre damit überspielt. Welche Anforderungen an das Nutzungsverhältnis zu stellen sind, ist dem Gesetz wie auch der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. Bei Beteiligungen muss die Tochtergesellschaft eine originär gewerbliche Tätigkeit betreiben und dem Geschäftsbetrieb der Muttergesellschaft dienen, etwa als Lieferant oder umgekehrt als Vertriebsgesellschaft, ggf. auch in der Forschung. Das Ausmaß der notwendigen geschäftlichen Verbindung ist jedoch nicht ganz geklärt, insbesondere bei Finanzierungsgesellschaften oder Zwischenholdings. Beteiligungen selbst über 25 % können ggf. aus der Begünstigung herausfallen, wenn sie dem Hauptzweck der Obergesellschaft nicht dienen, etwa nur zu Anlagezwecken gehalten werden.

2.3 Länder: Festhalten an einem fortgeschriebenen Verwaltungsvermögensbegriff Die Länder haben über den Bundesrat16 u.a. gegen den Hauptzweckansatz grundsätzliche Bedenken vorgebracht und gefordert, das bisherige

13 14 15 16

Korezkij, DStR 2015, 1337, 1339. BR-Drs. 353/15 v. 14.8.2015, 24. Erkis, DStR 2015, 1409, 1411. BR-Drs. 353/15 (B) v. 25.9.2015.

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Konzept des Verwaltungsvermögens, sachlich definiert bislang in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1–5 ErbStG, mit Änderungen beizubehalten. Bei Verpachtungen darf wieder der Hauptzweck nicht in der Überlassung von Grundstücken etc. liegen, außer denen eines Wohnungsunternehmens (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. d). Die schon bisher nicht begünstigten Gegenstände werden in § 13b Abs. 2 Nr. 3 ErbStG-LE (bisher Nr. 5) um Wirtschaftsgüter ergänzt, die vom Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 oder 7 EStG betroffen sind, wie z.B. Hobbyfahrzeuge, etc. Damit wird dem Vernehmen nach einer Forderung des BMF Rechnung getragen. Aus dem Bereich der immer, ohne vollen Schuldenabzug oder Sockelbetrag schädlichen Wertpapiere (Nr. 4) werden Wertpapiere zur Rückdeckung von betrieblichen Pensionsverpflichtungen in den Bereich der durch Schuldenabzug (hier der Pensionsverpflichtungen) entlasteten Finanzmittel überführt (nunmehr Nr. 5, vormals Nr. 4a). Finanzvermögen soll nur dann noch durch einen Sockelbetrag von 20 % des Wertes des Betriebsvermögens entlastet werden, wenn das Vermögen überwiegend einer aktiven Tätigkeit i.S.d. §§ 13, 15 oder 18 EStG dient. Dadurch soll vermieden werden, dass sog. Cash-GmbHs mit angehängtem „kleinem“ originär gewerblichem Bereich ungewollt entlastet werden.

2.4 Vergleich der Ansätze Die Ansätze von Bund und Ländern können, betreffend die Abgrenzung des begünstigungsfähigen Vermögens, konträrer kaum sein: Der bisherige Verwaltungsvermögenskatalog ist über Jahre durch Anwendungserlasse, Richtlinien und schließlich die Gesetzesänderung im AmtshilfeRLUmsG konkretisiert worden. Sein Vorteil ist, wie auch in der BR-Drs. zum Länderentwurf betont, die klare Kasuistik. Es kommt nicht etwa zu einer Einzelprüfung in jedem Fall, inwiefern ein konkretes Wirtschaftsgut für den Betrieb individuell notwendig ist oder ohne Beeinträchtigung herausgelöst werden kann. Wie immer, wenn keine Generalklausel verwandt wird, wird es dafür in der Praxis Möglichkeiten geben, wenn auch in erheblich geringerem Umfang als bisher, „unter den Katalogtatbeständen herzuziehen“. Gravierende Gestaltungen solcher Art sind allerdings – mit Ausnahme der zur Cash-GmbH – in der Praxis nicht bekannt geworden.

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Ausscheiden beim vielleicht entsprechend dem Regierungsentwurf neu eingeführten Hauptzweckansatz soll insbesondere gewillkürtes Betriebsvermögen, um missbräuchlichen Einlagen und entsprechenden Gestaltungen entgegenzuwirken17. Deshalb kann die Bedeutung von § 13b Abs. 3 Satz 2 RegE gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Hier liegt das Korrektiv des Gesetzgebers, auch bei Bejahung eines gewerblichen etc. Hauptzwecks und des Beitrags des einzelnen Wirtschaftsgutes dazu, insbesondere kurzfristig eingelegte Wirtschaftsgüter von hohem Wert aus der Begünstigung auszuschließen. Je nach Unternehmenszweck können nämlich z.B. auch Grundstücke oder Gebäude und Beteiligungen hierunter fallen. In der Literatur wird z.T. auch statt der abstrakten Herauslösbarkeit mildernd verlangt, dass das Herauslösen die operative Geschäftstätigkeit nicht einschränkt18. Die Entlastung für Wertpapiere zur Abdeckung von Pensionsverpflichtungen im Länderentwurf stellt sie im Ergebnis auch ohne alternative Qualifikation durch eine Hauptzweckwidmung wieder mit dem Regierungsentwurf gleich und diese werden durch Saldierung von Aktiva und Passiva weitestgehend neutralisiert. Sie gehen ggf. mit diesem Überschuss in die allgemeine Prüfung der Finanzmittel ein. Das ist wichtig. Denn Finanzmittel sind z.B. auch Kundenforderungen, die bei auf Kredit liefernden Unternehmen – anders als bei Sofortzahlung verlangenden Unternehmen – schnell aufgebläht sein können und den Sockelbetrag aufzehren. Bei den Wertpapieren ist ohnehin für Forderungswertpapiere, die auch Forderungen i.S.d. Nr. 4a sein könnten, der Vorrang der Nr. 4 oder Nr. 4a nicht völlig geklärt19.

3. Schuldenverrechnung und Berechnung begünstigten Vermögens 3.1 Gemeinsamkeiten der Entwürfe Im Bereich des Schuldenabzugs, der Schuldenzuordnung und Schuldenberechnung sind die Unterschiede zwischen den beiden Entwürfen der Bundesregierung und der Bundesländer weniger groß, weil auch die Bun17 von Oertzen/Reich, BB 2015, 1559, 1560. 18 Thonemann-Micker/Kanders, DStZ 2015, 510, 515. 19 Für Vorrang der Nr. 4 in diesen Fällen Erlasse v. 10.10.2013, BStBl. I 2013, 1272, Tz. 2.1; dagegen z.B. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 13b Tz. 311.

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desländer letztlich dem Konzept im begrenzten Umfang möglichen Schuldenabzug auch beim nicht begünstigungsfähigen Vermögen bzw. Verwaltungsvermögen anhängen. Beide Ansätze gewähren zunächst für Finanzmittel den vollen Schuldenabzug aller betrieblichen Schulden ohne nähere Zuordnung. Beide Entwürfe gehen weiter davon aus, dass die übrigen Schulden quotal dem begünstigen und nicht begünstigen Vermögen zuzuordnen sind, also zumindest ein teilweiser Schuldenabzug möglich ist. Bis hierhin gehen die Gemeinsamkeiten; dann folgen die Unterschiede:

3.2 Unterschiede Die aufwendige Einzelbewertung der Wirtschaftsgüter des Betriebes im Entwurf der Bundesregierung wird von den Ländern vermieden, indem sie das Verwaltungsvermögen in Relation „zum gemeinen Wert zum Betriebsvermögen des Betriebs oder der Gesellschaft zzgl. der nach Anwendung des Abs. 2 verbleibenden Schulden“ setzen (§ 13b Abs. 3 ErbStGLE). Gezielte Einlagen kurz vor dem Stichtag versucht der Länderentwurf durch den Ausschluss der Saldierung von Schulden mit solchen Gegenständen des Verwaltungsvermögens, die aus einer kurzfristigen Einlage innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Stichtag i.S.d. § 9 ErbStG stammen, zu neutralisieren (§ 13b Abs. 4 Satz 1 ErbStG-LE). Auch werden Schulden (dort Satz 2 LE) von der Verrechnung ausgeschlossen, soweit ihre Summe den durchschnittlichen Schuldenstand der letzten drei Bilanzstichtage vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer übersteigt. Nur für die Erhöhung des Schuldenstands durch Betriebstätigkeit soll hier eine Ausnahme gelten. Der Länderentwurf versucht an dieser Stelle, ein gezieltes Aufblähen der Schulden vor dem Übertragungsstichtag zu vermeiden. Die Frage, welche Schulden bei einer Erhöhung des Schuldenstandes durch die Betriebstätigkeit veranlasst sind, ist allerdings angesichts der denkbaren verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten eines Unternehmens erkennbar streitanfällig. Unschädlich sind nach dem Länderentwurf reine Umschichtungen von Wertpapieren, was zu begrüßen ist. Entsprechende frühere Entwürfe und Anregungen des Bundesrats waren von der früheren Bundesregierung in den Jahren 2010 und 2011 wiederholt zurückgewiesen worden20. 20 Nachweise bei Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 13b Tz. 326.

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Für die Praxis kann das eine hohe Bedeutung haben, angesichts der stärkeren Volatilität der Börsen, wenn etwa Wertpapiere einer Gattung (sogar im Verhältnis Stämme und Vorzüge) nach langer Haltezeit nur gegen eine andere getauscht werden. Das wird zumindest im Bereich der Neuanlagen ab 1.1.2009 wegen der uneingeschränkten Veräußerungsgewinnbesteuerung häufiger der Fall sein. Ebenso wird in einer Verbundvermögensaufstellung die Saldierung von konzerninternen Forderungen und Verbindlichkeiten vermieden (§ 13b Abs. 5 Satz 3 ErbStG-LE); Hintergrund der Regelung ist der Umstand, dass Forderungsabschreibungen sich insoweit nicht auswirken sollen. Im Länderentwurf sind schließlich wirtschaftlich wertlose Gesellschaften nicht nach den Regelgrundsätzen zu beurteilen, sondern als Verwaltungsvermögen anzusetzen (§ 13b Abs. 5 letzter Satz ErbStG-LE). Diese Einschränkung rührt aus entsprechenden Erfahrungen bei der Ertragsteuer her, dass eine überschuldete Gesellschaft durch die Unternehmensgruppe und eine – ggf. rangrücktrittsbefangene – Forderung gegen die Gesellschaft durch eine nahestehende Person erworben wird (so Begründung). Es ist erkennbar, dass der Länderansatz insgesamt bei der Schuldenberücksichtigung weitergeht und im Regierungsentwurf entdeckte gezielte Beeinflussungsmöglichkeiten ausschaltet, hier um den Preis der höheren Komplexität. Während der Länderentwurf durch den Verzicht auf die Hauptzweckprüfung bei der sachlichen Qualifikation begünstigungsfähigen Vermögens für die Praxis leichter handhabbar erscheint, wird die Schuldenverrechnung deutlich differenzierter. Weitere Auffälligkeit des Länderentwurfs gegenüber dem Entwurf der Bundesregierung ist, dass es keinen unschädlichen Sockelbetrag für nicht begünstigtes Vermögen außerhalb des Finanzmitteltests geben soll, während im Entwurf der Bundesregierung nicht begünstigtes Vermögen durch einen Freibetrag von bis zu 10 % des begünstigten Nettovermögens als begünstigtes Vermögen behandelt werden soll (§ 13b Abs. 6 ErbStGRegE). Auch bindet der Länderentwurf die Vollverschonung daran, dass die schon bisher geltende 10 %-Grenze für Verwaltungsvermögen nach § 13a Abs. 8 Nr. 3 ErbStG eingehalten wird. Es ist klar, dass dadurch die Vollbefreiung des § 13a Abs. 8 [Abs. 10 des Entwurfs] ErbStG schwerer erreichbar sein wird. Dieser Unterschied ist eindeutig fiskalisch moti-

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viert. In der Begründung der Ländervorlage wird die Sorge geäußert, dass die vom BMF zugesicherte Aufkommensneutralität sonst gefährdet sei.

4. Betriebsaufspaltung Die Änderungsvorschläge der Länder in den übrigen Bereichen, die nicht die Definition des begünstigten Vermögens, die Schuldenbewertung und -zuordnung oder Wertrelationen betreffen, zu § 13a ErbStG-RegE beschränken sich auf einige wenige Punkte. So soll zunächst in § 13a Abs. 3 letzter Satz ErbStG-LE die erbschaftsteuerliche Betriebsaufspaltung definiert werden. Bereits der Regierungsentwurf hatte vorgesehen, dass – entsprechend der Beanstandung des BVerfG – die Lohnsummen von Betrieben des Erblassers, die mittels einer Betriebsaufspaltung verbunden sind, zusammenzurechnen sind, um entsprechende Gestaltungen zur Vermeidung der Lohnsumme zu verhindern. Der Länderentwurf konkretisiert zum einen den Begriff der Betriebsaufspaltung, indem er klarstellt, dass eine solche vorliegt, wenn der Erblasser oder Schenker allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen kann und das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlässt (s. schon § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a) ErbStG bisheriger Fassung). Auch die Rechtsfolgen der Annahme einer solchen Betriebsaufspaltung sind gegenüber dem RegE klarer formuliert21.

5. „Satzungstest“ Eine inhaltliche Änderung in § 13a Abs. 9 ErbStG-E sah noch die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Bundesrats v. 15.9.201522 vor. Sie betraf die Erwerbsschwelle, bis zu der der Erwerber die ungekürzten Verschonungsabschläge ohne individuelle Bedürfnisprüfung in Anspruch nehmen kann. Diese Schwelle erhöht sich nach dem Regierungsentwurf für Gesellschaftsverträge mit bestimmten Entnahme-, Verfügungs- und Abfindungsbeschränkungen von 26 Mio. Euro auf 52 Mio. Euro. Nach § 13a Abs. 9 Satz 6 f ErbStG-RegE müssen diese Beschränkungen bereits 10 Jahre vor und 30 Jahre nach dem Steuerentstehungszeitpunkt vorliegen. Hier anerkannten die Länder ursprünglich, dass die insgesamt 40-jährige Zeitdauer deutlich zu lang bemessen ist. Eine Ver21 Zustimmend z.B. die Stellungnahme des Deutschen Finanzgerichtstags vom 9.10.2015 zur Anhörung des Bundestags am 12.10.2015, S. 7. 22 BR-Drs. 353/1/15.

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meidung missbräuchlicher Gestaltungen ließ sich nach seinerzeitiger Auffassung der Länder auch mit einer 10-jährigen Nachlauffrist erreichen. Dies ist an sich richtig, wenngleich sich nach wie vor nicht erschließt, warum die Frist für diese gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen länger als die allgemeine Behaltensfrist sein soll.23 In dem nun verabschiedeten Bundesratsbeschluss ist indes von einer solchen Verkürzung nichts mehr zu lesen; demnach bleibt es bei der 30-jährigen Nachlauffrist. Bedauerlicherweise sind die Länder bislang nicht auf die inhaltlichen Voraussetzungen für die Erhöhung der Erwerbsschwelle von 26 Mio. Euro auf 52 Mio. Euro eingegangen, welche nicht nur aus erbschaftsteuerlicher, sondern auch aus gesellschaftsrechtlicher Sicht als missglückt anzusehen sind.24 Das Gesetz fordert in § 13a Abs. 9 Satz 3 Nrn. 1 bis 3 ErbStG-RegE eine „nahezu vollständige“ Beschränkung von Entnahmen oder Ausschüttungen, eine Beschränkung von Anteilsübertragungen ausschließlich auf Angehörige i.S.d. § 15 Abs. 1 AO sowie eine „erheblich unter dem gemeinen Wert“ liegende Abfindungsbeschränkung bei Ausscheiden des Gesellschafters. Abgesehen davon, was mit diesen unbestimmten Formulierungen („nahezu vollständig“, „erheblich“) konkret gemeint ist, stoßen die Regelungen auch auf rechtliche Bedenken25: Abfindungsbeschränkungen sind bekanntlich nur in gewissem Umfang zulässig, unterhalb einer kritischen Schwelle sieht die Rechtsprechung solche Klauseln regelmäßig als unwirksam an mit der Folge, dass u.U. eine volle Verkehrswertabfindung stattzufinden hat. Auch können Entnahmerechte von Gesellschaftern, insbesondere bei Personengesellschaften, nicht beliebig beschränkt werden, jedenfalls nicht über das Maß der Entnahmen hinaus, die der Gesellschafter zur Begleichung seiner persönlichen Steuern, die ihm aus der Beteiligung erwachsen, erhalten muss. Schließlich erfasst eine Übertragung an Angehörige i.S.d. § 15 Abs. 1 AO keine Familiengesellschaft oder -Stiftung, beides jedoch wichtige Instrumente der Nachfolgeplanung in Familienunternehmen.26 An dieser Stelle besteht also auch drängender inhaltlicher Nachbesserungsbedarf.

23 So bereits von Oertzen/Reich, BB 2015, 1559, 1561. 24 Kritisch zu den Voraussetzungen insgesamt Bockhoff/Eick, DB 2015, 1685; Stalleiken/Kotzenberg, GmbHR 2015, 673, 677 f. 25 Stalleiken/Kotzenberg, GmbHR 2015, 673, 678. 26 Zutr. Bockhoff/Eick, DB 2015, 1685, 1687; Erkis, DStR 2015, 1409, 1413.

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6. Einschränkungen bei der Begünstigungsfähigkeit von Holdinggesellschaften Der Regierungsentwurf sieht vor, dass vermögensverwaltende Personenund Kapitalgesellschaften anders als bisher nur noch unter eingeschränkten Voraussetzungen nach § 13b Abs. 1 ErbStG-RegE begünstigungsfähig sind. In § 13b Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG-RegE heißt es hierzu: „Beteiligungen an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft (…) sind begünstigungsfähig, soweit sie begünstigungsfähige Beteiligungen an anderen Personengesellschaften oder begünstigungsfähige Anteile an Kapitalgesellschaften halten.“ Im Zusammenspiel mit § 13b Abs. 3 ErbSt-RegE ergibt sich daraus das Erfordernis einer originären land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit der Personengesellschaft; eine bloß gewerbliche Prägung i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG reicht für die Begünstigungsfähigkeit nicht aus. Hält eine (vermögensverwaltende) Personengesellschaft Beteiligungen an anderen gewerblich tätigen oder gewerblich infizierten Personengesellschaften, ist diese bereits gewerblich kraft Infektion (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG), so dass es auf eine gewerbliche Prägung nicht mehr ankommt. Auch in diesem Fall würde nach dem Wortlaut des Gesetzes die „Holdingregelung“ auf die Personengesellschaft unanwendbar sein.27 Wenn ferner eine gewerblich geprägte Personengesellschaft ihren nachgeordneten operativen Gesellschaften z.B. Finanzmittel überlässt, wären diese infolge der „soweit“-Klausel anders als bisher nicht begünstigt. Dasselbe gilt, wenn der gewerblich geprägten Gesellschaft Beteiligungen an nicht begünstigungsfähigen Drittstaaten-Gesellschaften unmittelbar nachgeordnet sind. Bei Kapitalgesellschaften will der Regierungsentwurf anders differenzieren, wenn auch mit gleichem Regelungsziel. In § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStG-RegE heißt es: „Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Sinne des Satzes 1, deren Vermögen ausschließlich aus Beteiligungen an Personengesellschaften oder Anteilen an anderen Kapitalgesellschaften sowie Finanzmitteln besteht, sind begünstigungsfähig, soweit diese begünstigungsfähige Beteiligungen an Personengesellschaften oder begünstigungsfähige Anteile an Kapitalgesellschaften halten“. Insbesondere die Regelung bei vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaften war aufgrund ihrer gesetzestechnischen Unzulänglichkeit kritisiert wor-

27 Gl.A. von Oertzen/Reich, BB 2015, 1559, 1560.

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den.28 Sobald nämlich eine Kapitalgesellschaft neben Beteiligungen an weiteren Gesellschaften sowie Finanzmitteln noch sonstiges Vermögen hält, fällt sie aus dem Anwendungsbereich des Satzes 3 heraus und zurück in Satz 1, wonach ohne Weiteres eine Begünstigungsfähigkeit gegeben ist.29 An dieser Stelle setzt der Länderentwurf an und führt die Begünstigungsfähigkeit vermögensverwaltender Kapitalgesellschaften – systematisch richtig – auf deren gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit zurück, indem Anteile an einer Kapitalgesellschaft, „die keine Tätigkeit im Sinne des § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 oder § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ausübt“, nur begünstigungsfähig sind, soweit diese wiederum begünstigungsfähige Beteiligungen hält. Gleichwohl ist die Rechtsfolge dieses Satzes auch im Länderentwurf nicht geglückt, wie sich etwa bei der Überlassung von Finanzmitteln an nachgeordnete operative Gesellschaften oder bei Vorhandensein von Tochtergesellschaften aus Drittstaaten zeigt.

7. Großerwerbe Der nicht begünstigte Anteil des gemeinen Wertes des betrieblichen Vermögens unterliegt der vollen Versteuerung. Der begünstigte Anteil des gemeinen Wertes unterliegt hingegen nach dem Regierungsentwurf einem differenzierten Verschonungssystem. Bei Überschreiten bestimmter Wertgrenzen hat der Erwerber die Wahl zwischen einer Abschmelzung der Verschonungsabschläge („Abschmelzungsmodell“, § 13c ErbStG-RegE, dazu sogleich 7.1) oder einem vollständigen oder teilweisen Erlass nach Nachweis individueller Bedürftigkeit („Erlassmodell“, § 28a ErbStG-RegE, dazu sogleich 7.2). Dieses System wird vom Länderentwurf im Kern beibehalten, jedoch an einigen entscheidenden Stellen modifiziert.

7.1 Verkürztes und „gleitendes“ Abschmelzungsmodell (§ 13c ErbStG-LE) Gemäß § 13c ErbStG-RegE ist bis zu einer Erwerbsgrenze des begünstigten Vermögens von nicht mehr als 26 Mio. Euro das bereits nach geltendem Recht anzuwendende System aus Regel- und Vollverschonung (85 %-iger bzw. 100 %-iger Wertabschlag) anzuwenden. Übersteigt der 28 Korezkij, DStR 2015, 1337; Stalleiken/Holtz, ErbR 2015, 423, 424; Hannes, ZEV 2015, 371, 372. 29 Erkis, DStR 2015, 1409, 1410.

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Wert des begünstigten Vermögens diese Grenze (bei Familiengesellschaften i.S.d. § 13a Abs. 9 RegE 52 Mio. Euro), schmelzen die vorgenannten Verschonungsabschläge ab, und zwar um 1 Prozentpunkt je 1,5 Mio. übersteigenden Wert des Erwerbs (§ 13c Abs. 1 ErbStG-RegE). Bei einem Wert des begünstigten Vermögens von mehr als 116 Mio. Euro (für besondere Familiengesellschaften 142 Mio. Euro) verbleibt es gem. § 13c Abs. 2 ErbStG-RegE bei einer Sockelverschonung von 20 % (Regelverschonung) bzw. 35 % (Vollverschonung,). Dieses Abschmelzungsmodell wird von den Ländern erheblich zu Lasten des Erwerbers verschärft. Nach der im Länderentwurf vorgesehenen Neufassung des § 13c Abs. 1 ErbStG-LE verringert sich die „Abschmelzungszone“ auf den Bereich zwischen 26 Mio. Euro und 34 Mio. Euro bzw. für besondere Familiengesellschaften auf den Bereich zwischen 52 Mio. Euro und 60 Mio. Euro. Die Abschmelzung soll innerhalb dieser Zone linear graduell verlaufen, so dass es zu keinen „Tabellensprüngen“ bei Überschreiten bestimmter Erwerbsgrenzen kommen kann. Mathematisch ist die Abschmelzungszone damit geglättet; beide Verschonungsformen (Regel- und Vollverschonung) laufen in der „Länge“ dieses Abschmelzungsbereiches zusammen. Am Ende der Abschmelzungszone (34 Mio. Euro bzw. 60 Mio. Euro für Familienunternehmen) ist die Abschmelzung auf Null abgesunken. Der Länderentwurf sieht also zugleich keinerlei Sockelverschonungsbetrag für Großerwerbe mehr vor. Der Fortfall der Sockelverschonung sowie die Verkürzung der Abschmelzzone sind vor allem für die großen Familiengesellschaften, die die vorgenannten verringerten Erwerbsschwellen regelmäßig überschreiten dürften, bedauerlich und unverhältnismäßig. Erwerber, die dann noch an irgendeine Art von Begünstigung kommen wollen, müssen dementsprechend auf das Erlassmodell (§ 28a ErbStG-LE) und die damit verbundene individuelle Bedürfnisprüfung ausweichen.

7.2 Erlass und individuelle Bedürfnisprüfung (§ 28a ErbStG-RegE) Die Regelungen zur individuellen Bedürfnisprüfung bleiben mit all ihren Unzulänglichkeiten durch den Länderentwurf weitgehend unverändert. Nach § 28a Abs. 1 ErbStG-RegE kann der Erwerber für das begünstigte Vermögen alternativ einen Erlass der Steuer beantragen, wenn er nachweist, dass er im Sinne einer individuellen Bedürftigkeit nicht zur Zahlung der festgesetzten Erbschaft- und Schenkungsteuer in der

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Lage ist. Hierzu ist das gesamte erworbene und bereits vorhandene (Privat-)Vermögen des Erwerbers daraufhin zu prüfen, ob es verfügbares Vermögen i.S.d. § 28a Abs. 2 ErbStG-RegE darstellt. Zum verfügbaren Vermögen in diesem Sinne gehört nicht begünstigtes Vermögen, das der Erwerber zugleich mit dem Erbfall oder der Schenkung, für die er den Erlass beantragt, erworben hat oder welches sich im Zeitpunkt der Schenkung oder Erbschaft bereits in seinen Händen befindet. Das verfügbare Vermögen ist zur Hälfte seines Wertes zur Steuerzahlung auf den Erwerb heranzuziehen. Falls es aus nicht-liquidem Vermögen (z.B. dem selbstgenutzten Einfamilienhaus des Erwerbers) besteht, sieht der Regierungsentwurf eine bis zu sechsmonatige verzinsliche Stundung vor (§ 28a Abs. 3 ErbStG-RegE). Da der Länderentwurf diesbezüglich keine Änderungen vorsieht, ist die Kritik30 an der Regelung des Regierungsentwurfs zu wiederholen: Erstens schleust das Erlassmodell den Steuersatz für miterworbene nicht begünstigte (Privat-)Vermögen hoch, da zunächst eine Steuerfestsetzung ohne Berücksichtigung jeglicher Verschonungen „auf den vollen Erwerb“ erfolgt (Progressionswirkung). Und zum anderen ist miterworbenes nicht begünstigtes Vermögen mit einem Anteil von bis zu 100 % der Steuer zu unterwerfen. Denn ein Erwerber der Steuerklassen II oder III im Höchststeuersatz muss auf das nicht begünstigte Vermögen bereits 50 % Erbschaft- und Schenkungsteuer zahlen und die andere „Hälfte“ nach § 28a ErbStG-RegE zur Zahlung der Steuer auf den begünstigten Erwerb aufwenden.31 Dasselbe soll gelten, wenn der Erwerber innerhalb von 10 Jahren nach dem Übertragungsstichtag vom selben Schenker oder von dritter Seite unentgeltliche Zuwendungen erhält. In diesem Fall entfällt der Erlass und ist unter Berücksichtigung des hinzuerworbenen verfügbaren Vermögens neu festzusetzen.32 Hier wäre eine Klarstellung wünschenswert, dass die auf den Anteil des nicht begünstigten Vermögens anfallende Erbschaft- und Schenkungsteuer den Wert des verfügbaren Vermögens mindert.33 Der derzeitige Wortlaut der Norm dürfte nämlich eher dagegen sprechen.34 Zudem sollten auch die

30 Z.B. Wachter, DB 2015, 1368, 1375 f. 31 Stalleiken/Holtz, ErbR 2015, 423, 426. 32 Zu den hieraus folgenden wundersamen Konsequenzen in der Praxis vgl. nur Korezkij, DStR 2015, 1337, 1342; Wachter, DB 2015, 1368, 1376; Hannes, ZEV 2015, 371, 377. 33 So Kischisch/Maiterth, DB 2015, 2033, 2036, Fn. 25. 34 Gl.A. Hannes, ZEV 2015, 371, 377.

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einkommensteuerlichen Folgen einer Verwertung von Vermögen berücksichtigt werden. Durch den Länderentwurf gestrichen wird die Stundungsregelung in § 28a Abs. 7 ErbStG-RegE, danach könnte voraussetzungslos eine 10jährige Stundung für begünstigtes Vermögen gewährt werden. Dies ist nach Auffassung der Bundesländer angesichts der bereits bestehenden 6-monatigen Stundungsmöglichkeit bei Erfordernis der Liquidation von verfügbarem Vermögen nicht weiter notwendig.

8. Fazit und Ausblick Eine Annäherung der dargestellten Standpunkte von Bundesregierung und Bundesrat ist derzeit nicht in Sicht. Bei der Bundestags-Anhörung am 12.10.2015 ist der Regierungsentwurf von den Berufs- und Interessenverbänden ganz überwiegend kritisiert worden, die Stimmen gingen insgesamt eher in Richtung des Länderentwurfs35. Vor allem der Hauptzweckansatz wurde ganz überwiegend abgelehnt; selbst die neutraleren Stimmen haben gefordert, den Hauptzweckansatz wenn überhaupt nur mit grundlegenden Änderungen zu verwirklichen. Außerdem wurde z.B. von der Bundessteuerberaterkammer wie auch von der deutschen Steuergewerkschaft der erhebliche Administrationsaufwand gerügt, der sich namentlich beim Regierungsentwurf ergibt. Ferner wurden Einwände gegen die Unternehmensbewertung erhoben. Zum einen wurde der Zuschlag von 4,5 nach § 203 Abs. 1 BewG angegriffen, weil er inzwischen zu gering sei. Zum anderen wurde gefordert, Entnahme- und Verfügungsbeschränkungen wertmindernd zu berücksichtigen, was bislang wegen § 9 Abs. 3 BewG versperrt ist. Es bleibt abzuwarten, ob innerhalb der vom BVerfG gesetzten Frist 30.6.2016 eine Lösung gelingt, die für die Unternehmen schonend, rechtssicher, praktisch handhabbar und zudem verfassungsfest ist. Wünschen wir den politisch Verantwortlichen dazu eine glückliche Hand!

35 Vgl. Wortprotokoll der 54. Sitzung des Finanzausschusses BT, ProtokollNr. 18/54 nebst Anlagen.

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Rückstellungen in der Steuerbilanz Professor Dr. Joachim Hennrichs Universität zu Köln1 Inhaltsübersicht I. Grundlagen 1. Maßgeblichkeitsgrundsatz 2. Überblick über die Passivierungsvoraussetzungen 3. Legitimation von Rückstellungen bei der steuerlichen Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich II. Aktuelle Rechtsprechung 1. BFH IV R 26/11: Rückstellungen für Prüfungskosten a) Grundfall: gesetzliche Prüfungspflicht b) Abwandlung 1: Vertraglich mit Dritten vereinbarte Prüfungspflicht c) Abwandlung 2: Ausschließlich im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Prüfungspflicht 2. BFH VIII R 45/12: Rückstellungen bei Passivprozessen

a) Bei Passivprozessen: in dubio pro Rückstellung b) Anforderungen an das (Rechts-)Gutachten? c) Spannungsverhältnis zu BFH XI R 64/04 einerseits und BFH I R 68/00 andererseits d) Folgefragen 3. BFH IV R 45/09: Friseurgutscheine – übertragbar auf Geschenkgutscheine? a) Friseurgutscheine: Rabatt auf künftige Leistungen b) Verkaufte Geschenk(Wert-)Gutscheine c) Andere Vertriebswege für Geschenk-Gutscheine III. Fazit

I. Grundlagen 1. Maßgeblichkeitsgrundsatz Wolfgang Schön hat schon vor rund 20 Jahren formuliert, dass Rückstellungen ein „Ewigkeitsproblem des Bilanzrechts“ seien und der „Kampf 1 Prof. Dr. Joachim Hennrichs ist Direktor des Instituts für Gesellschaftsrecht und Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Bilanz- und Steuerrecht der Universität zu Köln. Der Beitrag beruht auf einem Vortrag anlässlich des 67. Fachkongresses der Steuerberater am 28.10.2015 in Köln. Der Vortrag wurde um einige Fußnoten ergänzt. Die Vortragsform wurde teilweise beibehalten.

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Hennrichs, Rückstellungen in der Steuerbilanz

um den Ausweis von Rückstellungen zu immer neuen Streitigkeiten in der Praxis der Betriebsprüfung“ führe2. Das ist auch heute noch richtig. Dabei ist der normative Ausgangspunkt vergleichsweise schlicht: Gem. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) gilt für bilanzierende Steuerpflichtige der Grundsatz der Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB. Hinsichtlich des Ansatzes von Rückstellungen in der sog. Steuerbilanz wird damit § 249 HGB in Bezug genommen. Danach sind insbes. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden (§ 249 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. HGB). Nähere Passivierungsvoraussetzungen statuiert das Gesetz dem Wortlaut nach nicht. Spiegelt man diesen schlanken Gesetzestext an der reichhaltigen Rechtsprechung und Literatur zu Rückstellungen (in der Handels- und Steuerbilanz), so mag der Laie doch einigermaßen überrascht sein, was der juristische Fachmann (oder die Fachfrau) aus dem knappen Gesetzestext alles herauszulesen vermag. Der Grundsatz der Maßgeblichkeit wird freilich vielfach durchbrochen. Diese sog. Steuervorbehalte betreffen sowohl den Ansatz von Rückstellungen (§ 5 Abs. 2a bis 4b EStG) als auch deren Bewertung (§ 5 Abs. 6 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3a, § 6a EStG); erst kürzlich kamen neue steuerliche Sondervorschriften für den Fall angeschaffter Rückstellungen hinzu (§ 4f, § 5 Abs. 7 EStG). Vor allem bei der Bewertung von Rückstellungen bleibt von der grundsätzlichen Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG i.V.m. § 253 Abs. 1 S. 2, 3, Abs. 2 HGB) nicht mehr viel übrig, weil die relevanten Bewertungsparameter nahezu flächendeckend steuerrechtlich eigenständig geregelt sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a und § 6a EStG)3.

2. Überblick über die Passivierungsvoraussetzungen Wie angedeutet, gilt für den Ansatz von Rückstellungen in Handelsund Steuerbilanz zunächst der schlanke Satz: Rückstellungen sind für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden (§ 249 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. HGB). Die Passivierungsvoraussetzungen sind hiernach:

2 Schön, BB Beil. 9/1994, 2. 3 Zur umstrittenen Reichweite der „Rest-Maßgeblichkeit“ für die Bewertung von Rückstellungen und des Einleitungssatzes zu § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG („höchstens insbesondere“) s. einerseits R 6.11 Abs. 3 EStÄR 2012; OFD Münster DStR 2012, 1606; Meurer, BB 2012, 2807; andererseits Günkel, StbJb. 2012/13, S. 385, 391 f.; Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 9 Rz. 288b; Zwirner/Endert/Sepetauz, DStR 2012, 2094.

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Erstens muss es sich um eine Verbindlichkeit handeln. Gemeint ist damit eine Außenverpflichtung gegenüber einem Dritten. Innenobliegenheiten des Kaufmanns gegenüber sich selbst genügen nicht. Die Abgrenzung kann im Einzelfall durchaus problematisch sein (Stichwort sog. eigenbetrieblicher Aufwand).



Zweitens muss diese Verbindlichkeit ungewiss sein (weil sie sonst nicht bei den Rückstellungen, sondern bei den „echten“ Verbindlichkeiten gem. § 266 Abs. 3 Buchst. C HGB zu passivieren ist).

Freilich kann wohl kaum jede noch so ungewisse Verbindlichkeit zur Passivierung in der Handels- und Steuerbilanz qualifizieren. Sonst würden auch völlig unwahrscheinliche Lasten heute schon ausschüttungs- und steuermindernd erfasst. Die Rechtsprechung des BFH hat deshalb das Merkmal „ungewiss“ seit jeher als „zwar ungewiss, aber wahrscheinlich“ gelesen. Die erforderliche Wahrscheinlichkeitsschwelle wurde dabei sogar im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit („51 %“4) verstanden (was handelsrechtlich freilich wiederum problematisch und folglich auch umstritten ist5). Rückstellungsfähig sind hiernach also zwar ungewisse, aber überwiegend wahrscheinliche (Außen-)Verbindlichkeiten. Auch damit sind die Passivierungsvoraussetzungen allerdings noch nicht erschöpfend aufgelistet. Die Ungewissheit einer Verbindlichkeiten kann nämlich mehrere Dimensionen haben. Beispiele: Ist der Kaufmann/Steuerpflichtige am Bilanzstichtag wegen eines angeblichen Produktfehlers von einem Kunden belangt, bestreitet er aber den Produktfehler, so ist das eine Verbindlichkeit, die dem Grunde nach ungewiss ist. Bestreitet der verklagte Kaufmann nicht nur den Anspruchsgrund, sondern außerdem die Schadenshöhe, ist die Verbindlichkeit dem Grunde und der Höhe nach ungewiss. Eine Verbindlichkeit kann ferner nur dem Grunde nach ungewiss sein (z.B. eine Vertragsstrafe, die der Höhe nach feststeht, bei der aber unklar ist, ob der Tatbestand gegeben ist) oder auch nur der Höhe nach (z.B. eine dem Grunde nach eingestandene Produkthaftung, bei der allein über die Höhe des Schadens gestritten wird).

In jedem der bisher genannten Beispiele ist die Verbindlichkeit, wenn und soweit sie besteht, eine am Bilanzstichtag bereits bestehende Schuld.

4 Vgl. BFH BStBl. II 1985, 44; 1993, 153. 5 Vgl. Moxter, BB 1999, 519, 520; Kleindiek in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2014, § 249 Rz. 35; D. Schubert, Der Ansatz von gewissen und ungewissen Verbindlichkeiten in der HGB-Bilanz, 2007, S. 37 f.

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Die Ungewissheit kann aber auch eine zeitliche Dimension haben. Es kann sein, dass eine Verbindlichkeit zwar am Bilanzstichtag (rechtlich) noch nicht besteht, sie aber möglicherweise künftig entstehen wird. Was ist mit solchen künftigen ungewissen Verbindlichkeiten? Wiederum einige Beispiele: Der Kaufmann erhält im Geschäftsjahr 01 einen Bescheid, in dem er aufgefordert wird, seine technischen Anlagen bis zum Ablauf des Geschäftsjahres 03 so anzupassen, dass neue Umweltstandards eingehalten werden. Oder: der Kaufmann möchte für zukünftige Abfindungen nach dem KündSchG oder für künftige Verpflichtungen zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder für die Kosten künftiger Hauptversammlungen usw. Rückstellungen bilden.

Dass solche künftigen ungewissen Verbindlichkeiten überhaupt rückstellungsfähig sind, ist keineswegs selbstverständlich. Man könnte insoweit auch für ein striktes Passivierungsverbot eintreten, weil solche Verbindlichkeiten eben erst in späteren Geschäftsjahren entstehen und damit das Stichtagsvermögen selbst noch nicht belasten. Rechtsprechung und Literatur lassen dagegen auch für solche künftigen ungewissen Verbindlichkeiten Rückstellungen zu, freilich nur unter zusätzlichen, einschränkenden Voraussetzungen: Für künftige ungewisse Verbindlichkeiten dürfen Rückstellungen nach h.M.6 nur gebildet werden, wenn es –

erstens überwiegend wahrscheinlich ist, dass sie künftig tatsächlich entstehen werden; und



zweitens die fragliche Verbindlichkeit zwar erst in der Zukunft rechtlich entstehen wird, ihr maßgeblicher Anknüpfungspunkt aber in der Vergangenheit (bis spätestens zum Bilanzstichtag) liegt. Die Rechtsprechung formuliert: wenn die künftige Verbindlichkeit an Vergangenes anknüpft und Vergangenes abgilt, wenn sie am Bilanzstichtag zwar noch nicht rechtlich entstanden, wohl aber bei wertender Gesamtbetrachtung doch „wirtschaftlich verursacht“ ist7.

6 Vgl. BFH v. 6.2.2013 – I R 8/12, BStBl. II 2013, 686 (Tz. 11); BFH v. 6.2.2013 – I R 62/11, BStBl. II 2013, 954 (Tz. 11); nun auch BFH v. 17.10.2013 – IV R 7/11, BStBl. II 2014, 302 (Tz. 24 f.); aus der Lit. namentlich Osterloh-Konrad, DStR 2003, 1675; Schulze-Osterloh, FS Siegel, 2005, 185 (189); Hennrichs in Tipke/ Lang (Fn. 3), § 9 Rz. 171, 177 ff. 7 Vgl. BFH BStBl. II 1987, 848; 1989, 893; 1992, 600 (602) und öfter; R 5.7 V EStR.

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Auch damit ist die Liste der Passivierungsvoraussetzungen aber noch nicht vollständig. Sämtliche ungewisse Verbindlichkeiten sind ferner nach allg. Meinung nur rückstellungsfähig, wenn eine Inanspruchnahme wahrscheinlich ist. Und schließlich dürfen für künftige (aktivierungsfähige) Anschaffungs- oder Herstellungskosten ebenfalls keine Rückstellungen gebildet werden. Das stellt § 5 Abs. 4b S. 1 EStG für die Steuerbilanz ausdrücklich klar, gilt richtigerweise aber auch handelsrechtlich, weil Aufwendungen, die in künftigen Geschäftsjahren als Anschaffungsoder Herstellungskosten eines Vermögensgegenstands zu aktivieren sind, erst diese Folgejahre betreffen und die Aufwandsverrechnung nicht via Rückstellungsbildung schon vorgezogen werden soll8. Zusammenfassend lassen sich die Voraussetzungen für die Passivierung von Verbindlichkeitsrückstellungen daher wie folgt benennen9: 1. Außenverpflichtung gegenüber einem Dritte, die a. entweder dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewiss ist, aber als gegenwärtige Verpflichtung am Bilanzstichtag wahrscheinlich besteht; oder b. die als künftige Verpflichtung wahrscheinlich entstehen wird und in der Vergangenheit wirtschaftlich verursacht ist; 2. Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme; 3. keine aktivierungsfähigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Vermögensgegenstands/Wirtschaftsguts.

3. Legitimation von Rückstellungen bei der steuerlichen Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich Die Legitimation von Rückstellungen bei der steuerlichen Gewinnermittlung wird gelegentlich in Zweifel gezogen10. Die Einwände machen teils an der Streitanfälligkeit der Rückstellungen fest. Überspitzt und zynisch könnte man formulieren, Rückstellungen abzuschaffen sei ein Beitrag zur Vereinfachung des Steuerrechts. Einwände gegen Rückstellungen werden außerdem vor dem Hintergrund des Gleichheitssat-

8 Hennrichs in MünchKomm. BilanzR, § 249 HGB, Rz. 67 m.w.N. 9 BFH v. 17.10.2013 – IV R 7/11, BStBl. II 2014, 302; BFH v. 6.2.2013 – I R 62/11, BStBl. II 2013, 954; BFH v. 8.9.2011 – IV R 5/09, BStBl. II 2012, 122; ferner Buciek in Blümich, § 5 EStG Rz. 791; Hennrichs in Tipke/Lang (Fn. 3), § 9 Rz. 171. 10 Vgl. Doralt, DB 1998, 1357 f.

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zes erhoben, weil Rückstellungen allein im System der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich möglich sind, nicht dagegen für Überschussrechner. Weder das eine noch das andere ist allerdings überzeugend. Sicher sind Rückstellungen streitanfällig. Deshalb aber Rückstellungen bei der steuerlichen Gewinnermittlung ganz zu versagen, hieße, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Die an Gesetzgebung, Rechtsprechung und Rechtswissenschaft gestellte Aufgabe lautet, das System der Passivierung von Rückstellungen möglichst rechtssicher auszuformen, nicht, vor dieser Aufgabe zu kapitulieren. Im Ganzen sind jedenfalls in Rechtsprechung und Wissenschaft dazu in den letzten Jahren auch einige Fortschritte erzielt worden. Insbesondere die systematische Zweiteilung nach gegenwärtigen, wahrscheinlich am Bilanzsticht bestehenden Verpflichtungen einerseits (bei denen das [wahrscheinliche] rechtliche Bestehen die ausreichende wirtschaftliche Belastung begründet und es auf das unsichere Merkmal der wirtschaftlichen Verursachung nicht ankommt) und künftigen ungewissen Verpflichtungen andererseits (die nur passivierungsfähig sind, wenn sie in der Vergangenheit wirtschaftlich verursacht sind) trägt maßgeblich zur rechtssicheren Strukturierung des Rechts der Rückstellungen bei. Allein der Gesetzgeber verdient einen Tadel, denn er trägt durch immer neue, zumeist allein oder schwerpunktmäßig fiskalisch motivierte Steuervorbehalte zur Erhöhung der Komplexität des Steuerrechts bei. Für den Bereich der Rückstellungen geben davon die neuen Vorschriften betreffend angeschaffte Rückstellungen (§§ 4f, 5 Abs. 7 EStG), durch die eine unliebsame Rechtsprechung korrigiert wurde, erneut beredtes Zeugnis ab. Auch mit dem Gleichheitssatz lassen sich Rückstellungen bei der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nicht überzeugend kritisieren. Im Gegenteil. In einem System der (steuerlichen) Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich sind Rückstellungen systemkonform. Sie bilden wahrscheinliche Lasten ab, die den gewissen Verbindlichkeiten für die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gleichstehen und nach den Prinzipien des vollständigen Schuldenausweises und der periodengerechten Aufwandszuordnung geboten sind11.

11 Anzinger in H/H/R, § 5 EStG Rz. 54 f.; Hennrichs, DStJG 24 (2001), 301, 319 ff. Zuletzt Prinz, DB 2015, 147.

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II. Aktuelle Rechtsprechung 1. BFH IV R 26/11: Rückstellungen für Prüfungskosten Vor diesem Hintergrund seien nun einige ausgewählte aktuelle Fälle zu Rückstellungen näher betrachtet. Beginnen wir mit einer Entscheidung des IV. Senats des BFH betreffend Rückstellungen für die Kosten der Prüfung von Jahresabschlüssen12. a) Grundfall: gesetzliche Prüfungspflicht Über die Beurteilung des Grundfalls besteht, soweit ersichtlich, noch Einigkeit: Ausgangssachverhalt: Die X-AG ist eine mittelgroße Gesellschaft i.S. des § 267 HGB. Sie unterliegt gem. § 316 Abs. 1 HGB einer gesetzlichen Prüfungspflicht. Die Gesellschaft passiviert die voraussichtlichen Kosten für die Durchführung der Prüfung des Jahresabschlusses des vergangenen Geschäftsjahres.

Die voraussichtlichen Prüfungskosten bezogen auf den Abschluss des vergangenen Geschäftsjahres sind bei gesetzlicher Prüfungspflicht nach allgemeiner Meinung rückstellungsfähig13. Wurde, wie im Regelfall, vor dem Bilanzstichtag schon der Prüfungsvertrag geschlossen (und mit der Prüfung auch bereits begonnen), ist die Zahlungsverpflichtung dem Grunde nach bereits entstanden, aber der Höhe nach noch ungewiss. Weil es sich dann um eine am Stichtag bereits bestehende Verpflichtung handelt, kommt es auf das Merkmal der wirtschaftlichen Verursachung nicht an. Diese wäre im Übrigen zu bejahen, weil es um die Prüfung des Abschlusses für das vergangene Geschäftsjahr geht. Nicht rückstellungsfähig sind dagegen die Kosten für die Prüfung der künftigen Abschlüsse. Sie sind am Bilanzstichtag weder rechtlich entstanden noch wirtschaftlich verursacht, sondern betreffen die Zukunft. b) Abwandlung 1: Vertraglich mit Dritten vereinbarte Prüfungspflicht Ebenfalls noch klar sein sollte die erste Abwandlung des Grundfalls: Die X-GmbH ist eine kleine Gesellschaft i.S. des § 267 HGB. (Alternativ: es handelt sich um eine nach dem Gesetz nicht prüfungspflichtige OHG oder KG.) Die 12 BFH v. 5.6.2014 – IV R 26/11, BStBl. II 2014, 886; dazu Hennrichs, StuW 2015, 65; Prinz, DB 2014, 2188; ders., DB 2015, 147; Oser, DStR 2014, 2309; Riedel, FR 2015, 371; Sick/Lukaschek/Binding, DStR 2015, 712. 13 BFH BStBl. II 1981, 62; IDW RH HFA 1.009 Tz. 5; Schubert in Beck’scher Bilanzkomm., 10. Aufl. 2016, § 249 Rz. 100 „Jahresabschluss“.

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Hennrichs, Rückstellungen in der Steuerbilanz Gesellschaft hat aber in einem Kreditvertrag mit der Hausbank vereinbart, dass die Abschlüsse wie bei gesetzlicher Prüfungspflicht geprüft werden sollen.

In diesem Beispiel ist die Gesellschaft nach dem Gesetz an sich nicht prüfungspflichtig (arg. e. § 316 Abs. 1 HGB). Eine Prüfungspflicht ist aber in einem Vertrag mit einem Dritten (typischerweise in einem Kreditvertrag mit einer Bank) vereinbart. Auch diese vertraglich mit einem Dritten vereinbarte Prüfungspflicht qualifiziert zur Rückstellung der voraussichtlichen Prüfungskosten für die Prüfung des vergangenen Geschäftsjahres14. Wiederum liegt eine Außenverpflichtung gegenüber einem Dritten vor. Der Fall unterscheidet sich vom Grundfall nur dadurch, dass Rechtsgrund der Prüfungspflicht einmal das Gesetz selbst, das andere Mal ein Schuldvertrag mit einem Dritten ist. Für die Rückstellungsfähigkeit kann das keinen Unterschied machen. c) Abwandlung 2: Ausschließlich im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Prüfungspflicht Problematisch ist dagegen folgende zweite Abwandlung: Wie Abwandlung 1, aber die Prüfungspflicht ist nun nicht in einem Kreditvertrag mit einem Dritten, sondern ausschließlich im Gesellschaftsvertrag vorgesehen.

Nach BFH v. 5.6.2014 – IV R 26/1115 soll in diesem Fall bei Personenhandelsgesellschaften keine Rückstellung für die Prüfungskosten gebildet werden dürfen. Es liege bei dieser Sachlage nämlich lediglich eine Innenverpflichtung unter den Gesellschaftern vor, es fehle also an einer Außenverpflichtung gegenüber einem Dritten. Ob der BFH bei kleinen Kapitalgesellschaften anders entscheiden würde, ist einstweilen offen. Zuständig hierfür wäre auch nicht der IV. Senat des BFH, sondern der I. Senat. Der Entscheidung ist nicht zu folgen16. Die Beurteilung, im Streitfall bestehe keine Außenverbindlichkeit der Gesellschaft, beruht auf steuerlichen Transparenzgedanken, die systemwidrig auf die Ebene der Gesellschaftsbilanz übertragen werden. Tatsächlich gilt für die Bilanzierung 14 Zutr. IDW RH HFA 1.009 Tz. 6; Schubert in Beck’scher Bilanzkomm., 10. Aufl. 2016, § 249 Rz. 100 „Jahresabschluss“. 15 BFH BStBl. II 2014, 886. 16 IDW-FN 1/2015, 53; IDW RH HFA 1.009 Tz. 6; Hennrichs, StuW 2015, 65 ff.; Schubert in Beck’scher Bilanzkomm. (Fn. 13), § 249 Rz. 100 „Jahresabschluss“; Prinz, DB 2014, 2188.

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auf Ebene der Gesellschaft zunächst das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip, wonach die Personenhandelsgesellschaft ein von den Gesellschaftern zu unterscheidender eigener Rechtsträger ist (§ 124 HGB). Aus Sicht dieses Rechtsträgers besteht auch bei nur im Gesellschaftsvertrag bestimmter Prüfungspflicht eine Rechtspflicht, die das Gesellschaftsvermögen zivilrechtlich und wirtschaftlich belastet. Im Fall einer (kleinen) Kapitalgesellschaft wäre das noch klarer, weil die Kapitalgesellschaft sogar eine juristische Person ist. Nicht anders verhält es sich wegen § 124 HGB aber gesellschaftsrechtlich bei einer Personenhandelsgesellschaft. Hinzu kommt, dass die Kostenpflicht in den fraglichen Fällen aus dem Prüfungsvertrag resultiert, der, wie angedeutet, üblicherweise am Bilanzstichtag bereits geschlossen ist. Der Prüfungsvertrag begründet aber doch unzweifelhaft eine rechtliche Außenverpflichtung der Gesellschaft gegenüber dem Abschlussprüfer17. Last but not least wäre eine Verneinung der Rückstellung in Fällen wie der Abwandlung 2 auch teleologisch nicht einleuchtend. Die Kostenlast bei lediglich im Gesellschaftsvertrag begründeter Prüfungspflicht belastet das Gesellschaftsvermögen ebenso wie bei einer gesetzlichen Prüfungspflicht. Für die (zivil-)rechtliche und wirtschaftliche Belastungssituation der Gesellschaft macht es keinen Unterschied, auf welchem Rechtsgrund die Prüfungspflicht beruht und wem gegenüber sie besteht. Es ist deshalb zu begrüßen, dass der HFA des IDW zu dieser Frage dem BFH die Gefolgschaft verweigert hat18 und weiterhin auf einer Rückstellung auch in Fällen wie der Abwandlung 2 besteht. Der BFH sollte Gelegenheit erhalten, seine Rechtsposition zu überdenken.

2. BFH VIII R 45/12: Rückstellungen bei Passivprozessen a) Bei Passivprozessen: in dubio pro Rückstellung Der zweite Fall, der hier erörtert werden soll, hat eine ganz aktuelle Sprengkraft. Es geht um Rückstellungen wegen möglicher Zahlungsverpflichtungen bei Passivprozessen. Nicht nur für VW, sondern auch für die öffentlichen Haushalte hat diese Thematik derzeit eine ungeahnte Dramatik. 17 Prinz, DB 2014, 2188, 2189; Oser, DStR 2014, 2309, 2310. 18 IDW-FN 1/2015, 53; ebenso Schubert in Beck’scher Bilanzkomm. (Fn. 13), § 249 Rz. 100 „Jahresabschluss“.

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Hennrichs, Rückstellungen in der Steuerbilanz Die X-AG sei in den USA auf Schadenersatz i.H. von mehreren Mrd. EUR wegen angeblicher Produktmängel verklagt. Die X-AG bestreitet ihre Verantwortlichkeit. Die Anwälte sind, ggf. unterstützt durch ein Rechtsgutachten eines externen Experten, guter Dinge, den Prozess zu gewinnen. Daher wird keine Rückstellung gebildet. Der Abschluss wird uneingeschränkt testiert.

Das FG Schleswig-Holstein19 hat hierzu einen bemerkenswerten Leitsatz formuliert: „Wird gegen den Steuerpflichtigen gerichtlich ein Anspruch geltend gemacht, hat der Steuerpflichtige eine Rückstellung zu bilden. Auf die Erfolgsaussichten der Klage kommt es nicht an, es sei denn die Klage ist dem Grunde und/oder der Höhe nach offensichtlich willkürlich oder erkennbar nur zum Schein erhoben worden.“ In den Gründen findet sich ein noch bemerkenswerterer Satz: „Die Verpflichtung, die der im Fall eines Rechtsstreits zu bildenden Rückstellung zugrunde liegt, ist in der Regel sowohl dem Grund als auch der Höhe nach ungewiss. Die Rückstellung ist daher grundsätzlich mit dem eingeklagten Betrag zu bewerten.“20 Wäre das richtig, würden die Bilanzen etlicher Unternehmen, die z.B. Rechtsstreitigkeiten in den USA führen müssen, auf der Passivseite erheblich belastet. Für die Steuerbilanzen käme das den Gesellschaften vielleicht sogar zupass – wobei der Fiskus darüber weniger erfreut sein dürfte. Da das FG Schleswig-Holstein die bemerkenswerten Sätze aber nicht etwa in Anwendung besonderer steuerrechtlicher Vorschriften geäußert hat, sondern es sich hierbei um die vorgreiflichen handelsrechtlichen GoB handeln soll, so wie der Senat sie versteht, müsste konsequent Selbiges auch für die handelsrechtlichen Abschlüsse gelten. Das wiederum dürfte den Unternehmen, die ihre Abschlüsse dem Publikum erklären müssen, weniger gefallen. Und so streng, wie es dem norddeutschen Finanzgericht vorschwebt, verfährt die handelsrechtliche Praxis derzeit zumindest nicht. Vielmehr werden im Einzelfall die Klageaussichten gewürdigt, wobei u.a. der Stand des Verfahrens, die Auffassung der Anwälte und Experten sowie Erfahrungen aus vergleichbaren Fällen berücksichtigt werden21, ferner die Absicht und Möglichkeiten eines außergerichtlichen Vergleichs22.

19 FG Schleswig-Holstein v. 25.9.2012 – 3 K 77/11, EFG 2013, 11 = BB 2013, 302 m. Anm. Ortmann-Babel. 20 FG Schleswig-Holstein a.a.O. (s. Vornote), Tz. 67. 21 Vgl. auch IAS 37.IE Example 10. 22 Zutr. Günkel, BB 2015, 2091, 2093.

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Der Fall ging erwartungsgemäß in Revision. Der VIII. Senat des BFH23 hat nun die Dinge zumindest teilweise zurecht gerückt. Der BFH hebt zunächst zutreffend hervor, dass bei der Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zwischen der Wahrscheinlichkeit des Bestehens der Verbindlichkeit und der Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme hieraus zu unterscheiden ist. Eine Klage belegt zwar die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme, aber für sich genommen nicht die Wahrscheinlichkeit des Bestehens der Verbindlichkeit. Das ist sicher zutreffend. Sodann macht der Senat weitere Ausführungen zur Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Bestehens der Verbindlichkeit: Der Steuerpflichtige könne „nach den Umständen des Einzelfalls nicht verpflichtet sein, eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit wegen eines gegen ihn geführten Klageverfahrens zu bilden, wenn nach einem von fachkundiger dritter Seite erstellten Gutachten sein Unterliegen im Prozess am Bilanzstichtag nicht überwiegend wahrscheinlich ist.“ Diese Teile der Entscheidung des VIII. Senats des BFH sind zwar vorsichtiger formuliert als noch die Gründe des FG Schleswig-Holstein, aber die Anforderungen sind doch streng. Man kann es auch anders herum sagen: Der Steuerpflichtige darf nach Ansicht des VIII. Senats bei gegen ihn angestrengten Prozessen grundsätzlich von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens der eingeklagten Verbindlichkeit ausgehen. Soll trotz Passivprozess ausnahmsweise eine Rückstellung unterbleiben, müssen zusätzliche Umstände wie ein einschlägiges Rechtsgutachten eines Experten angeführt werden können. Oder anders: bei Passivprozessen gilt in dubio pro Rückstellung24. Mit den bisherigen Maßstäben der (handelsrechtlichen) Praxis dürfte das nicht vollständig übereinstimmen. Man darf gespannt sein, ob in Folge der Entscheidung des BFH die Passivierung bei Passivprozessen künftig offensiver als bislang vorgenommen wird und, falls ja, wie der Fiskus darauf dann reagieren wird. Die FinVerw. hat das Urteil zwar im BStBl. veröffentlicht und damit signalisiert, sich daran halten zu wollen. Sollten hierdurch aber (aus Sicht des Fiskus) zu aggressive Passivierungs-

23 BFH v. 16.12.2014 – VIII R 45/12, BStBl. II 2015, 759 = BB 2015, 1839 ff. m. Anm. Hennrichs. Dazu Günkel, BB 2015, 2091; Prinz, FR 2015, 750; WeberGrellet, FR 2015, 758; Wendt, FS Korth, 2016, 13. 24 Hennrichs, a.a.O. (s. Vornote).

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schübe ausgelöst werden, dürfte ein neuerlicher Steuervorbehalt zu befürchten sein. Weiterer Diskussion verdient außerdem der Einwand von Wendt, die skizzierte Rechtsprechung schaffe ein faktisches Passivierungswahlrecht und es sei eigentlich kein Grund dafür ersichtlich, warum die Rechtsansicht eines Gutachters wahrscheinlicher derjenigen entsprechen soll, die am Ende das letztinstanzliche Gericht vertreten wird, als die Ansicht der anderen Rechtsexperten, die in dem Verfahren involviert sind (beispielsweise der Anwälte der Klägerseite)25. Mich überzeugt dieser Einwand freilich noch nicht. Es geht nicht um ein Wahlrecht, sondern um die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Bestehens einer rechtlich umstrittenen Verbindlichkeit als Voraussetzung gem. § 249 HGB. Dies erfordert eine Prognose, der Unwägbarkeiten und Einschätzungsspielräume immanent sind. Sicher genügt keine subjektive, willkürliche Einschätzung des Steuerpflichtigen, sondern geboten ist eine vernünftige kaufmännische Beurteilung. Hierbei sind aber eben auch Expertenmeinungen einzubeziehen. Aus Sicht der Steuerpflichtigen mag man sogar fragen: Was denn sonst? Der Kaufmann ist ja typischerweise kein Rechtsexperte. Wenn ihm seine juristischen Berater sagen, die Klage werde erfolglos bleiben, dann ist eine Passivierung nicht geboten. Der Kaufmann braucht nicht schlauer zu sein als die juristischen Fachleute. b) Anforderungen an das (Rechts-)Gutachten? Freilich stellt sich vor diesem Hintergrund sogleich eine interessante Anschlussfrage: Welche Anforderungen muss eine Expertenmeinung erfüllen, damit trotz Klage von einer Rückstellung ausnahmsweise abgesehen werden kann? Im Streitfall der Entscheidung des VIII. Senats des BFH lag ein externes, „von fachkundiger dritter Seite“ erstelltes Gutachten vor, das zu dem Ergebnis kam, ein Unterliegen im Prozess sei aus Sicht am Bilanzstichtag nicht überwiegend wahrscheinlich. Darauf nahm der BFH im 2. Leitsatzes Bezug. Namentlich Günkel hat hieran anschließend betont, an ein Gutachten seien hinsichtlich Qualität und Neutralität hohe Anforderungen zu stellen; „die bloße Einschätzung der Prozesschancen durch die Prozessanwälte dürfte […] nicht ausreichen“26. Das Gutachten müsse sich zudem mit allen vom Prozessgegner geltend gemachten Ansprü25 Wendt, FS Korth, 2016, 13, 24 f. 26 Günkel, BB 2015, 2091, 2093.

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chen und den Fragen der prozessual notwendigen Beweiserhebung auseinandersetzen. Andererseits konzediert auch Günkel, dass man vom Steuerpflichtigen nicht verlangen sollte, zur Beurteilung der Prozessaussichten stets unabhängige externe Gutachten einzuholen. In der Sache dürfte eine Anknüpfung an die Maßstäbe sachgerecht sein, die in der gesellschaftsrechtlichen Rechtsprechung27 und Literatur28 zur sog. Business Judgment Rule29 und hier speziell zum Vertrauendürfen auf Expertenrat entwickelt worden sind. Hiernach kommen als Geber einschlägigen Rats durchaus auch die eigene Rechtsabteilung und (insoweit entgegen Günkel) die prozessführenden Anwälte in Betracht. Diese kennen den Sach- und Streitstand im Zweifel sogar am besten. Der VIII. Senat des BFH dürfte nicht anders zu verstehen sein. Denn er betont (zu Recht), dass sämtliche objektiven Umstände zu würdigen sind. Dazu gehörte im Streitfall (!) ein von fachkundiger dritter Seite erstelltes Gutachten30. Das heißt aber nicht, dass stets ein Drittgutachten einzuholen wäre. Entscheidend ist die eigene Prognoseentscheidung des Steuerpflichtigen und deren Plausibilisierung. Zu beachten ist außerdem noch, dass prozessbeendende Maßnahmen, die erst nach dem Stichtag erfolgen (wie eine Klagerücknahme oder der Abschluss eines Vergleichs), nicht werterhellend, sondern wertbegründend wirken, wie der Senat zu Recht nochmals betont. Sie hindern also als solche nicht die Passivierung, sondern sind erst in dem Jahr zu berücksichtigen, in dem sie eintreten. c) Spannungsverhältnis zu BFH XI R 64/04 einerseits und BFH I R 68/00 andererseits Die Entscheidung des VIII. Senats steht freilich im Spannungsverhältnis zu anderen Entscheidungen anderer Senate des BFH. So soll nach BFH v. 27 BGH v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, Tz. 18. 28 Dazu statt aller Koch/Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 93 Rz. 45; Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 140 f.; je m.w.N. 29 S. BT-Drs. 15/5092, 12: „Keinesfalls zielt der Entwurf darauf, dass durch routinemäßiges Einholen von Sachverständigengutachten, Beratervoten oder externe Marktanalysen eine rein formale Absicherung stattfindet. Die Frage, ob und in welchem Umfang externe Gutachten eingeholt werden, ist nach betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten sowie den eigenen Möglichkeiten der Gesellschaft zu beantworten und nicht nach formalen Absicherungsstrategien zu entscheiden“. 30 Vgl. BFH a.a.O. (Fn. 11), Tz. 30.

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19.10.2005 – XI R 64/0431 selbst ein erstinstanzliches Urteil gegen einen Steuerpflichtigen in vergleichbarer Sache nicht stets genügen, um eine Rückstellungsbildung zu rechtfertigen. Gleichsam umgekehrt hat der I. Senat des BFH (I R 68/0032) entschieden, dass eine Rückstellung wegen eines im Klagewege gegen den Kaufmann geltend gemachten Anspruchs nicht aufzulösen sei, bevor die Klage rechtskräftig abgewiesen worden ist; ein Obsiegen in erster Instanz allein genüg nicht, wenn der Gegner noch Rechtsmittel habe. Wie diese Judikate zueinander passen, bleibt unerfindlich. Freilich war der Entscheidung des XI. Senats ohnehin nicht zuzustimmen, weil sie die Anforderungen an eine Rückstellungsbildung überspannt33. Man kann von dem Steuerpflichtigen vernünftigerweise nicht erwarten, dass er bei der Einschätzung der Prozessaussichten „schlauer“ zu sein hat als ein Gericht. d) Folgefragen Die Entscheidung des VIII. Senats lässt einige Fragen offen. Erstens: Auf welcher Basis hat ein Gutachten eigentlich die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Prozessausgangs zu beurteilen? Allein auf Basis des objektiven Rechts? Oder sind die Unwägbarkeiten jedes gerichtlichen Verfahrens gleichsam „einzupreisen“? Letzteres kann kaum gemeint sein, weil sonst kein seriöses Gutachten je zu dem Schluss kommen könnte, man werde den Prozess wahrscheinlich gewinnen. Denn vor Überraschungen und (auch persönlichen) Unwägbarkeiten ist man auch vor Gericht leider nicht gefeit34. Zweitens: Die Entscheidung betraf Passivprozesse, also gerichtlich geltend gemachte Ansprüche gegen den Steuerpflichtigen. Sind die Grundsätze auf andere Konstellationen übertragbar? Gilt beispielsweise auch für von der steuerlichen Betriebsprüfung „festgestellte“ Risiken künftig „in dubio pro Rückstellung“? Darf von Rückstellungen für BP-Risiken nur abgesehen werden, wenn eine entsprechende Legal Opinion vorhanden ist? Hierfür lässt sich anführen, dass eine steuerliche BP-Feststellung für den Steuerpflichtigen wohl ein vergleichbares Risiko wie eine Klage vor einem Gericht manifestiert. Die Bilanzierung bei BP-Streitig31 32 33 34

BFH BStBl. II 2006, 371 = BB 2006, 543 m. Anm. Moxter. BFH BStBl. II 2002, 688. Hennrichs in MünchKomm. BilanzR, 2013, § 249 HGB Rz. 50 m.w.N. Darauf hebt auch Wendt (FS Korth, 2016, 13 ff.) ab.

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keiten ist freilich ein eigenes Thema, das sowohl die Passivseite (Passivierung von BP-Risiken) als auch die Aktivseite (Aktivierung von Zahlungen, die auf streitige Steueränderungsbescheide geleistet werden?) betrifft. Das muss einer besonderen Untersuchung vorbehalten bleiben.

3. BFH IV R 45/09: Friseurgutscheine – übertragbar auf Geschenkgutscheine? Auf dem Schnittbereich von Rückstellungen und echten Verbindlichkeiten liegt eine schon etwas ältere Entscheidung des IV. Senats, deren Reichweite aber unsicher ist und die aktuell in einigen Betriebsprüfungen für neue Streitigkeiten sorgt. Es geht um die zutreffende bilanzielle Abbildung von Gutscheinen. a) Friseurgutscheine: Rabatt auf künftige Leistungen Gutscheine werden in der Praxis zu verschiedenen Zwecken und in großer Vielfalt verwendet. In einer Entscheidung vom 19.9.2012 hatte der IV. Senat sich mit Geschenkgutscheinen eines Friseurs zu befassen35. Im Streitfall hatte ein Friseur Gutscheine an Kunden als Weihnachtsgeschenk ausgegeben, nämlich als Zugabe zum letzten Frisör-Besuch im Dezember. Die Gutscheine gewährten einen Anspruch auf Preisermäßigung bei Inanspruchnahme von Frisör-Dienstleistungen im Folgejahr. Eine isolierte Einlösung in bar oder durch Eintausch gegen eine Sachleistung war vereinbarungsgemäß nicht möglich.

Bei dieser Konstellation sollen nach Ansicht des IV. Senats des BFH im Ausgabejahr des Gutscheins weder Verbindlichkeiten noch Rückstellungen zu bilden sein. Verbindlichkeiten i.e.S. lägen nicht vor, weil ungewiss sei, ob die Frisör-Dienstleistung im Folgejahr überhaupt in Anspruch genommen werde. Aber auch eine Rückstellung sei nicht statthaft, weil die Verbindlichkeit im Ausgabejahr weder rechtlich entstanden noch wirtschaftlich verursacht sei. Der Anspruch auf Preisermäßigung sei vielmehr rechtlich unselbständiger Teil des künftigen Geschäfts und könne nicht früher wirtschaftlich verursacht sein als das Geschäft, auf das er sich bezieht. Im Friseur-Gutschein-Sachverhalt begehrte der Steuerpflichtige eine Aufwandsbuchung, der kein Kassenzugang korrespondierte; er hatte die Gutscheine nicht verkauft, sondern als Zugabe zum Anreiz weiterer Besuche (Kundenbindung) gegeben. Dass der BFH ihm das versagte, ist im 35 BFH v. 19.9.2012 – IV R 45/09, BStBl. II 2013, 123; dazu Kolbe, StuB 2013, 140.

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Ergebnis nachvollziehbar, wenn auch die Begründung angreifbar erscheint. b) Verkaufte Geschenk-(Wert-)Gutscheine Im Tatsächlichen ganz anders gelagert sind dagegen Fälle, in denen (Wert-)Gutscheine verkauft werden. In Rede steht dann nicht eine erfolgswirksame Aufwandsverbuchung (wie im Friseur-Gutschein-Fall), sondern die erfolgsneutrale Stornierung eines Kassenzugangs. Kennzeichnend ist das folgende Beispiel: Elektronikmarkt A-GmbH, Köln, verkauft Gutscheine als Geschenkgutscheine, z.B. einen Gutschein mit dem Wert 50 Euro zum Preis von 50 Euro. Der Geschenkgutschein ist beliebig übertragbar. Der jeweilige Inhaber (Beschenkte) kann mit dem Gutschein Waren (oder Dienstleistungen) im aufgedruckten Wert erwerben und zahlt mit dem Geschenk-Gutschein als Geld-Äquivalent. Ggf. kann der Gutschein sogar bei einem anderen Markt (z.B. der B-GmbH, Bonn) derselben Kette (rechtlich: bei einer anderen Tochtergesellschaft desselben Konzerns) gegen Waren (oder Dienstleistungen) oder, je nach Gestaltung, sogar gegen bar eingelöst werden.

Solche Geschenk-Gutscheine werfen allerlei interessante Fragen auf. Beispielsweise ist die sog. E-Geld-Qualität des Gutscheins denkbar. Eine Verpflichtung zur Einlösung in bar kann vereinbart sein, sich aber auch aus dem Gesetz ergeben (nämlich bei E-Geld-Qualität, s. §§ 1 Abs. 3, 23b Abs. 1 S. 2 ZAG; Art. 2 E-Geld-Richtlinie)36. Bei Rechtsträger-übergreifender Einlösbarkeit (also einlösbar nicht nur bei dem Rechtsträger, der den Gutschein ausgegeben hat, sondern auch bei einem anderen konzernverbundenen Rechtsträger) stellen sich ferner konzernrechtliche Abwicklungsfragen. Problematisch ist schließlich die ertrag- und umsatzsteuerliche Beurteilung solcher Gutscheine. Im Folgenden geht es nur um die zutreffende bilanzrechtliche Beurteilung. Klar ist, dass der Steuerpflichtige, der den Geschenkgutschein verkauft (im Beispiel: die A-GmbH, Köln), einen Betrag i.H. des Kaufpreises (im Beispiel: 50 Euro) vereinnahmt. Was ist aber dazu die richtige Gegenbuchung? Theoretisch sind mehrere Alternativen denkbar: –

Man könnte zunächst erwägen, den Kassenzugang durch eine entsprechende Verbindlichkeitsbuchung zu neutralisieren („Kasse an Verbindlichkeiten 50“). Denn die A-GmbH verpflichtet sich, den Gutschein jedem Vorleger gegenüber einzulösen (wobei der Inhalt

36 Vgl. Terlau, BB 2013, 1996, 2001.

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der Einlöseverpflichtung wiederum davon abhängt, ob eine Bareinlöseverpflichtung entweder gesetzlich besteht oder zumindest vertraglich vereinbart worden ist; falls keine Bareinlöseverpflichtung gegeben ist, besteht der Inhalt der Verpflichtung in der Anrechnung des Gutscheinwerts auf den Preis für ein Folgegeschäft). –

Da die Vorlage des Gutscheins ein künftiges, ungewisses Ereignis ist, könnte man auch an eine Rückstellung (statt eine Verbindlichkeit i.e.S.) denken. Zu buchen wäre dann „Kasse an Rückstellungen 50“. Sollte eine statistisch belegbare Quote an Gutscheinen wahrscheinlich nie vorgelegt werden, wäre der Betrag der Rückstellung entsprechend zu mindern, die Differenz wäre als Ertrag zu erfassen (z.B. „Kasse 50 an Rückstellungen 49 und Ertrag 1“ bei 2 %iger Nichtvorlagequote).



Schließlich könnte man (sehr) theoretisch auch noch erwägen, wie im Friseurgutschein-Fall weder eine Verbindlichkeit noch eine Rückstellung zuzulassen. Das würde im Fall des Geschenkgutschein-Kaufs dann allerdings zu einer ganz fragwürdigen Verbuchung führen: Der Kassenzugang wäre dann nämlich mangels anderweitiger Stornierung in voller Höhe erfolgswirksam als Ertrag zu erfassen („Kasse an Ertrag 50“).

Die dritte Variante scheidet m.E. aus. Ein Ertragsausweis verstieße gegen das Realisationsprinzip. Rechtlich und wirtschaftlich ist der Gutscheinverkauf ein Tausch von Bargeld gegen ein (gesetzliches oder vereinbartes) Bargeld-Äquivalent. Dieser darf wie der Bargeldtausch keine Erfolgswirkungen auslösen. Anders als im Friseur-Gutschein-Fall, wo der Friseur eine erfolgswirksame Aufwandsbuchung generieren wollte, steht bei den Kaufgutschein-Fällen eben die Gegenbuchung zu einem Kassenzugang in Rede. Richtig erscheint, die im Gutschein verkörperte Verpflichtung entsprechend den Grundsätzen der sog. Gutmünzenentscheidung des BFH37 als Verbindlichkeit auszuweisen. Die Verbindlichkeit besteht darin, dass der Steuerpflichtige sich unbedingt zur Einlösung (bei E-Geld-Qualität in bar, sonst durch Verrechnung des Gutscheinwerts gegen eine eigene Geldforderung) verpflichtet. Diese Verpflichtung ist mit Begebung des Gutscheins unbedingt rechtlich entstanden. Dass die Verpflichtung – aus Sicht des Gutscheininhabers: die verbriefte Forderung – durch Vorlage des Gutscheins noch geltend gemacht werden muss, steht der Ver37 BFH v. 22.11.1988 – VIII R 62/85, BStBl. II 1989, 359.

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bindlichkeitsbuchung hier wie sonst nicht entgegen und qualifiziert die Verbindlichkeit nicht zu einer Rückstellung. Dass ein Forderungsinhaber eine Forderung auch geltend machen muss, ist jeder Forderung immanent. Auch Sichteinlagen bei Banken müssen geltend gemacht werden, dennoch bezweifelt zu Recht niemand die Verbindlichkeitsqualität der Einlagen in der Bankbilanz. Ein Verbindlichkeitsausweis ist zumindest in den Fällen, in denen ein Gutschein auch bei anderen rechtlich selbständigen (Konzern-)Gesellschaften eingelöst werden kann, auch wegen des sog. Individualsteuerprinzips veranlasst. Nach diesem das deutsche Ertragsteuerrecht prägenden Grundsatz ist das Einkommen des jeweiligen Steuersubjekts zu ermitteln38. Bei Einlösung einer bei der A-GmbH, Köln, gekauften Gutscheinkarte in einem Markt der B-GmbH, Bonn, partizipiert die A-GmbH nicht an dem neuen Wareneinkauf des Inhabers der Gutscheinkarte bei der B-GmbH. Wohl aber bleibt die A-GmbH mit der Verbindlichkeit aus der Gutscheinkarte rechtlich und wirtschaftlich belastet, weil die B-GmbH den Betrag, den sie dem Vorleger des Gutscheins anrechnet, gegenüber der A-GmbH durch konzerninterne Verrechnung geltend macht. Die den Gutschein verkaufende A-GmbH bleibt also in jedem Fall mit einer Verbindlichkeit belastet: Diese ist entweder gegenüber dem Kunden zu erfüllen, wenn dieser den Gutschein bei der A-GmbH selbst vorlegt, sonst gegenüber dem verbundenen Unternehmen B-GmbH. c) Andere Vertriebswege für Geschenk-Gutscheine Fraglich ist, ob sich an dieser Beurteilung etwas ändert, wenn die Geschenk-Gutscheine auf anderen Vertriebswegen an den Kunden gelangen. Beispielsweise können Gutscheine auch als „Zugabe“ zu einer gekauften Ware vertrieben werden. Beispiel: Die Elektronikhandel A-GmbH startet eine Verkaufsaktion, bei der Kunden, die Waren im Mindesteinkaufswert von 500 Euro kaufen, einen Geschenk-Gutschein von 50 Euro erhalten. Kunde K erwirbt eine Waschmaschine für 500 Euro. An der Kasse zahlt er 500 Euro. Dafür erhält er zusätzlich zur Waschmaschine noch einen 50 Euro-Geschenk-Gutschein.

Solche Gestaltungen liegen auf den ersten Blick näher an der FriseurGutschein-Fallkonstellation als der Grundfall des Verkaufs von Ge38 Statt aller Hey in Tipke/Lang, § 3 Rz. 14, § 8 Rz. 22.

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schenk-Gutscheinen. In steuerlichen Betriebsprüfungen wird deshalb zunehmend vertreten, solche Fälle analog den Grundsätzen der Entscheidung BFH IV R 45/09 zu beurteilen und den Gutscheinbetrag erst dann zu berücksichtigen, wenn der Gutschein vorgelegt wird. Im Beispiel hätte die A-GmbH danach beim Erstgeschäft 500 Euro für die Waschmaschine erlöst. Erst ein etwaiges Folgegeschäft bei Gutscheineinlösung würde um den Betrag des Gutscheins gekürzt. Fortsetzung des Beispiels: K kauft am gleichen Tag in dem Markt der A-GmbH für 50 Euro noch Büromaterial (z.B. Druckerpatronen) und bezahlt diese mit dem eben als Zugabe zu dem Waschmaschinen-Kauf erhaltenen Gutschein.

Nach der Lesart der Betriebsprüfung soll bei dieser Fortsetzung des Falles (erst) der Erlös aus dem Folgegeschäft um den Gutscheinwert zu mindern sein. Im Beispiel hätte das zur Konsequenz, dass beim Folgeumsatz eigentlich gar nichts mehr erlöst würde! Die zuletzt beschriebene Konsequenz zeigt, dass an dieser Betrachtung etwas nicht richtig sein kann. Tatsächlich setzen die A-GmbH und K ja auch durch das Folgegeschäft etwas um, nämlich eben 50 Euro, nur zahlt der K statt in bar mit seinem Gutschein. Richtigerweise darf deshalb nicht der Folgeerlös um den Gutscheinwert gekürzt werden – bei diesem ist nur das Zahlungsmittel vereinbarungsgemäß ein anderes als Bargeld. Wirtschaftlich betrachtet bezieht sich der Gutschein vielmehr auf den Erlös des Ausgangsgeschäfts, zu dem der Gutschein gegeben wurde. Tatsächlich dürfte deshalb bei Ausgabe von Gutscheinen zum Verkauf von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen bilanzrechtlich ein verdecktes Mehrkomponentengeschäft vorliegen: Deshalb ist der Erlös aus dem Erstgeschäft aufzuteilen in ein rabattiertes Waren- oder Dienstleistungsgeschäft einerseits und einen Gutschein-Verkauf andererseits, wobei letzterer analog dem Grundfall zu beurteilen ist. Im Beispiel sind also bilanzrechtlich39 die Umsatzerlöse aus dem ersten Warenverkauf der Waschmaschine gekürzt um den Gutscheinwert zu verbuchen40. Der 39 Umsatzsteuerlich erfolgt die Erlösschmälerung bezogen auf den Ausgangsumsatz allerdings erst bei Einlösung des Gutscheins. Bilanz- und umsatzsteuerliche Beurteilung unterscheiden sich also zwar nicht konzeptionell, wohl aber hinsichtlich der zeitlichen Berücksichtigung der Erlösminderung (bilanzrechtlich gemäß dem Prinzip der Periodenabgrenzung mit Ausgabe der Gutscheine, umsatzsteuerlich erst mit deren Einlösung). 40 Vgl. Schmidt/Peun in Beck’scher Bilanzkomm., 10. Aufl. 2016, § 275 HGB Rz. 62–64; Endert/Sepetanz, BBK 2012, 115; Küting/Pilhofer, BB 2002, 2059, 2060 f.

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Gutschein selbst ist, wie im Grundfall, Gegenstand eines verdeckten zweiten Geschäfts, bei dem er als vereinbartes Bargeldäquivalent zum Gutscheinwert gegen Bargeld getauscht wird und folgerichtig gegen Verbindlichkeiten zu buchen ist („Kasse 50 an Verbindlichkeiten 50“). Diese Beurteilung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Gutschein im einen wie im anderen Fall für den Gutscheininhaber und den Verpflichteten denselben rechtlichen Inhalt und denselben wirtschaftlichen Gehalt hat: Der Gutschein verkörpert stets dieselbe Verpflichtung gegenüber dem Inhaber des Gutscheins, aus Sicht aller Beteiligten hat der Gutschein stets dieselbe Geld-Äquivalenzfunktion, er ist ein vereinbartes Ersatzzahlungsmittel. Dem Gutschein sieht man seinen Vertriebsweg (ob er separat verkauft oder als Zugabe zu einem anderen Kauf gegeben worden ist) ja auch nicht an. Daher sollten die bilanziellen Folgen in allen Fällen gleich sein.

III. Fazit Rückstellungen für die Kosten der Prüfung des Jahresabschlusses des vergangenen Geschäftsjahres sind entgegen der Rechtsprechung des IV. Senats des BFH auch dann zu bilden, wenn die Verpflichtung zur Prüfung allein im Gesellschaftsvertrag begründet ist. Bei Passivprozessen gilt nach der Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH „in dubio pro Rückstellung“. Tatsächlich ist aber hier wie sonst die (überwiegende) Wahrscheinlichkeit des Bestehens der ungewissen Verbindlichkeit abzuschätzen. Dazu kommt es auf die Prognose der Prozessaussichten an. Hierbei kann ein externes Gutachten eine gewichtige Schätzgrundlage sein. Aber auch die Auffassung der eigenen Rechtsabteilung sowie der prozessführenden Rechtsanwälte kann in die Prognose einfließen. Verkaufte Geschenk-Gutscheine verkörpern aus Sicht des ausgebenden Steuerpflichtigen passivierungspflichtige Verbindlichkeiten (und zwar Verbindlichkeiten i.e.S.). Dasselbe gilt richtigerweise auch für Gutscheine, die auf anderen Vertriebswegen entgeltlich in den Verkehr gebracht werden (z.B. „Zugabe“ von Gutscheinen bei Abschluss von anderen entgeltlichen Geschäften). In den zuletzt genannten Fällen von verdeckten Mehrkomponentengeschäften ist das Entgelt bilanzrechtlich auf die einzelnen Komponenten aufzuteilen, diese sind gesondert zu bilanzieren.

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Pensionsrückstellungen und der Abzinsungssatz des § 6a EStG – Änderungsbedarf? Ministerialdirigent Dr. Rolf Möhlenbrock1 Bundesministerium der Finanzen, Berlin Rechtsanwalt Georg Geberth2 Siemens AG, München Inhaltsübersicht Vorwort I. Einleitung II. Höhe des Rechnungszinses 1. Problembeschreibung – lang anhaltendes Niedrigzinsumfeld 2. Problemlösung – „kontrollierte“ Absenkung des steuerlichen Rechnungszinses a) Berechnungsgrundlagen

b) Lösung 1 – Senkung des Rechnungszinses und zeitliche Streckung des Aufwands c) Lösung 2 – Flexibilisierung mit „fiskalischem Sicherheitsabstand“ III. Gleichstellung beitragsorientierter Direktzusagen IV. Fazit 1. Höhe des Rechnungszinses 2. Gleichstellung beitragsorientierter Direktzusagen

Vorwort Der gemeinsame Vortrag beruhte im Wesentlichen auf einem Beitrag von Herrn Geberth zum steuerpolitischen Ideenwettbewerb des Instituts Finanzen und Steuern unter der Schirmherrschaft des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Meister im Bundesfinanzministerium, der am 3. Dezember 2015 mit dem 1. Preis prämiert wurde. Herr Dr. Möhlenbrock und Herr Geberth diskutierten die darin vorgestellten beiden Themen – Zinshöhe und Bewertungsverfahren – sowie das Nachholverbot teilweise kontrovers und teilweise übereinstimmend. 1 Herr Dr. Möhlenbrock leitet die Unterabteilung für nationale Einkommenund Ertragsteuern, Unternehmensbesteuerung, Erbschaftsteuer, Grundsteuer, Verkehrsteuern u.a. 2 Herr Geberth ist Director Global Tax Policy für nationale und internationale Steuern.

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Möhlenbrock/Geberth, Pensionsrückstellungen und Abzinsungssatz d. § 6a EStG

Zur Zinshöhe bestand Übereinstimmung bezüglich der Analyse, dass „die“ richtige Höhe des Rechnungszinses wissenschaftlich nicht ermittelbar sei. Dies befreie den Gesetzgeber jedoch nicht davon, einen möglichst plausiblen Näherungswert gesetzlich festzulegen. Insbesondere erscheine ein zu starkes Auseinanderfallen zwischen dem handelsrechtlichen und dem steuerlichen Rechnungszins auf Dauer nicht zweckmäßig. Kontrovers wurde hingegen besprochen, ob der steuerliche Rechnungszins in § 6a EStG einer Anpassung bedürfe oder ob lediglich der handelsrechtliche Zins an den steuerlichen anzupassen sei. Herr Geberth vertrat die Auffassung, dass der zunehmende Höhenunterschied durch eine Anpassung auf beiden Seiten – also handelsrechtlich und steuerlich – verringert werden sollte. Herr Dr. Möhlenbrock war hingegen der Meinung, dass beim steuerlichen Rechnungszins kein Handlungsbedarf bestehe. Denn dieser orientiere sich ausweislich der Gesetzesbegründung zur letzten Zinserhöhung an der Eigenkapitalrendite der Unternehmen. Und da diese deutlich über 6 % liege, müsse allenfalls der handelsrechtliche Zins stabilisiert bzw. erhöht werden. Hinsichtlich des Bewertungsverfahrens wurde das Problem der veränderten Landschaft bei Pensionszusagen dargestellt. Immer weniger Unternehmen geben ihren Mitarbeitern heutzutage noch reine Leistungszusagen. Andere, modernere Zusagen – wie z.B. die beitragsorientierten Zusagen sowie gewinnorientierte Zusagen – würden durch das geltende Teilwertverfahren wesentlich diskriminiert. Dieses sei schlicht ungeeignet, derartige Zusagen steuerbilanziell adäquat abzubilden. Auch von Herrn Dr. Möhlenbrock wurde Handlungsbedarf erkannt. Allerdings sei es schwierig, eine technisch überzeugende Lösung zu finden. Zudem seien die fiskalischen Auswirkungen schwer abschätzbar. Wolle der Gesetzgeber die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung nicht behindern bzw. wolle er den Rückzug der Unternehmen aus dieser gesamtgesellschaftlich bedeutenden Aufgabe stoppen, aufhalten oder sogar umkehren, so sollte er nach Ansicht von Herrn Geberth wie folgt vorgehen: –

Absenkung des steuerlichen Rechnungszinses um 1,5 Prozentpunkte in Verbindung mit der oben skizzierten „kontrollierten Flexibilisierung“ mit „fiskalischem Sicherheitsabstand“ sowie



Umstellung vom Teil- auf das Barwertverfahren als Option für die Unternehmen.

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Schließlich wurde das Nachholverbot diskutiert. Es bestand Einigkeit, dass durch die Abschaffung des Passivierungswahlrechts im Handelsrecht keine Berechtigung für den Fortbestand des Nachholverbots bestehe.

I. Einleitung Menschen leben immer länger und das ist gut so. Für die betriebliche Altersversorgung – und gleichermaßen für die private Altersvorsorge – führt dies zu besonderen Herausforderungen. Haben Unternehmen ihren Mitarbeitern eine Betriebsrente zugesagt, bleiben sie durch die erhöhte „Langlebigkeit“ immer länger in der Pflicht, die Rente auszubezahlen. Der Fachjargon hat für die hiermit verbundenen finanziellen Implikationen das Stichwort des „Langlebigkeitsrisikos“ herausgebildet. Dieser Begriff, der durchaus als Kandidat für das Unwort des Jahres geeignet wäre, kann auch auf Rechtsnormen angewandt werden. Insbesondere solche des Steuerrechts altern rasch oder – präziser: sie veralten. Für das steuerpflichtige Unternehmen entsteht dann ein Risiko, das gerade bei der Bildung von Pensionsrückstellungen gem. § 6a EStG zutreffend als ein weiteres „Langlebigkeitsrisiko“ bezeichnet werden kann. Bei vielen deutschen Unternehmen sind Pensionszusagen in Form der Direktzusage an Mitarbeiter ein wichtiger und traditionell fester Bestandteil der Gesamtvergütung. Dies geschieht auch im Interesse der (betrieblichen) Altersversorgung einer zunehmend alternden Gesellschaft. Angesichts der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung ist nachvollziehbar, dass der Ausbau dieser dritten Säule der Alterssicherung – neben der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der privaten Altersvorsorge – von der Politik beständig eingefordert wird. Von den Unternehmen wird erwartet, die Lücken in der gesetzlichen Rentenversicherung durch ein höheres Leistungsniveau bei der betrieblichen Altersvorsorge aufzufüllen.3 Angesichts dieser Erwartungshaltung sollte es selbstverständlich sein, dass die betriebliche Altersversorgung nicht durch zweckwidrige Regelungen behindert wird. Die von den Unternehmen eingegangenen Verpflichtungen weisen häufig eine beträchtliche Höhe auf und können leicht 25 % der Bilanzsumme nach den International Financial Accounting Standards (IFRS) aus3 Vgl. jüngste Diskussion zur „Nahles-Rente“, Handelsblatt v. 17.3.2015, 6.

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machen. Dabei unterliegt der steuerbilanzielle Ausweis von Pensionsverpflichtungen einer deutlichen Beschränkung im Vergleich zu anderen Rechnungslegungsvorschriften wie denen des Handelsgesetzbuchs (vgl. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB) oder gar denen der IFRS (vgl. IAS 19)4. Die Gründe hierfür sind rein fiskalischer Natur. Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Höhe der nach § 6a EStG berechneten steuerbilanziellen Rückstellungen völlig unzureichend, die tatsächlich bestehende Verpflichtung wird nicht realistisch abgebildet. Die realistische Bewertung von Pensionsverpflichtungen nach den internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen IFRS liegt häufig um 100 % höher, als dieselbe Verpflichtung nach den steuerlichen Vorschriften ausgewiesen werden darf. Diese weitaus höheren Werte werden bei der Übernahme von Pensionsverpflichtungen im Rahmen von Betriebsveräußerungen, also zwischen fremden Dritten, in der Regel zugrunde gelegt. Da „sich Kaufleute untereinander nichts schenken“, wird daran deutlich, dass die steuerlichen Bewertungsregeln nicht zutreffen können. Folge dieser fiskalisch geprägten Norm ist, dass in den Steuerbilanzen der Unternehmen beträchtliche stille Lasten entstanden sind, die zwar nicht heute, aber in künftigen Steuerabschnitten aufgelöst werden können. Um dies zu verhindern, hat der Gesetzgeber die §§ 4f Abs. 1 Satz 3 und 5 Abs. 7 EStG eingeführt. Hierzu wurde angemerkt, es handele sich dabei um den „Fluch der bösen Tat“5. Die „böse Tat“ bestehe in dem Passivierungsverbot in § 5 Abs. 4a EStG und der Passivierungsbeschränkung in § 6a EStG. Ohne diese – sowie andere, ähnlich strukturierte – Vorschriften wäre eine weitere „systematische Verunstaltung und Zersetzung des Steuerbilanzrechts wider alle Leistungsfähigkeitsprinzipien“6 durch §§ 4f Abs. 1 Satz 3 und 5 Abs. 7 EStG nicht erforderlich gewesen. Die Passivierungsbeschränkung in § 6a EStG manifestiert sich in mehrfacher Weise. Bereits die fehlende Berücksichtigung der gem. § 16 Abs. 1 Betriebsrentengesetz vorgeschriebenen Rentenanpassungen bei Pensionären sowie die Außerachtlassung der durchschnittlichen Entgeltsteigerungen bei im Unternehmen noch tätigen Mitarbeitern führen zu einer unrealistisch niedrigen Rückstellung. 4 Wenn im Zusammenhang mit den IFRS im Folgenden von „Pensionsrückstellungen“ gesprochen wird, so ist hiermit der Verpflichtungswert der DBO (Defined Benefit Obligation) gemeint. 5 Hennrichs in Simon, ifst-Schrift 498 (2014), 21. 6 Hennrichs, a.a.O., 21.

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Trotz der derzeit sprudelnden Steuereinnahmen und des ersten ausgeglichenen Haushalts seit Jahrzehnten erscheint eine vollständige Angleichung der steuerlichen Rückstellung an die realistischeren Werte der handelsrechtlichen bzw. der internationalen Rechnungslegungsvorschriften allerdings nicht wahrscheinlich. In dieser Ausarbeitung sollen daher ausschließlich die beiden nachfolgenden – besonders drängenden – Problempunkte in die steuerpolitische Diskussion eingebracht werden: 1. Besondere Brisanz birgt, angesichts des seit mehreren Jahren anhaltenden und nicht enden wollenden Niedrigzinsumfelds, der Rechnungszins von 6 % in § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG. Dieser Rechnungszins ist deutlich zu hoch angesetzt (unter II.). 2. Ein weiteres Problemfeld mit stetig wachsender Bedeutung betrifft die sog. beitragsorientierte Pensionszusage. Diese im Vergleich zur traditionellen Leistungszusage „modernere“ Form der Pensionszusage findet in den Unternehmen immer weitere Verbreitung. Denn anders als die Leistungszusage – bei der eine bestimmte Rente/Leistung zugesagt wird, ohne im Moment der Zusage die Finanzierungskosten bis zum Renteneintritt bereits zu kennen – bürdet die beitragsorientierte Pensionszusage den Unternehmen keine unkalkulierbaren Finanzierungsrisiken auf. Auf konjunkturell schwache Jahre können sie daher angemessen flexibel reagieren. Allerdings wird die beitragsorientierte Zusage steuerlich diskriminiert. Ihre steuerliche Bewertung unterliegt weiteren – völlig willkürlichen – Abschlägen, die zu einer noch unrealistischeren steuerlichen Abbildung der eingegangenen Pensionsverpflichtungen führen (unter III.).

II. Höhe des Rechnungszinses 1. Problembeschreibung – lang anhaltendes Niedrigzinsumfeld Bis 2009 konnten Unternehmen dieselbe Pensionsrückstellung in der Handels- sowie der Steuerbilanz ansetzen. Mit Einführung des BilMoG im Jahr 2009 wurden die handelsbilanziellen Regelungen an die Bilanzierung nach den internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen angenähert. Seitdem wird eine Berechnung der Pensionsrückstellungen „in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrages“ verlangt, vgl. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB. Daher müssen die steuerpflichtigen Unternehmen für die künftigen Gehalts- oder Rentenerhöhungen bei der Bewertung langfristig für realistisch gehaltene

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Trendannahmen ansetzen. Weiterhin muss ein Rechnungszins gewählt werden, der dem jeweiligen Marktzins einer laufzeitkongruenten – also einer langläufigen – Verpflichtung entspricht, vgl. § 253 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 HGB. In ihrem Satz 2 beinhaltet die genannte Vorschrift eine Spezialregelung für Altersversorgungsverpflichtungen. Anstelle des Marktzinses für laufzeitkongruente Verpflichtungen kann die Verpflichtungsrückstellung pauschal mit dem durchschnittlichen Marktzins abgezinst werden, der sich bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren ergibt. Aus der Langläufigkeit der zugrunde zu legenden Verpflichtungen resultiert in der Regel ein geringerer Zinssatz als bei kurzfristigen Verbindlichkeiten. Insbesondere ist, um zu rasche Änderungen des Rechnungszinses zu vermeiden, im Gegensatz zu den IFRS der Durchschnittszins der letzten sieben Jahre maßgeblich. Insgesamt wirken sich die vom Gesetzgeber im Handelsgesetzbuch vorgenommenen Änderungen wie folgt aus: Änderung

Konsequenz

Ansetzen eines Rechnungszinses , 6 %

Das Absenken des Rechnungszinses auf unter 6 % erhöht die Pensionsrückstellungen wegen der geringeren Abzinsung künftiger Rentenzahlungen.

Berücksichtigung von künftigen Entgeltsteigerungen

Die Berücksichtigung der voraussichtlichen Entgeltsteigerungen bis zum Rentenbeginn erhöht die Pensionsrückstellungen.

Berücksichtigung von künftigen Rentensteigerungen

Die Berücksichtigung der voraussichtlichen Rentensteigerungen führt ebenfalls zu einer Erhöhung der Pensionsrückstellungen.

Während sich die Pensionsrückstellungen in der Handelsbilanz folglich erhöhen, sinkt – hiermit korrespondierend – der handelsbilanzielle Gewinn, auf den der Unternehmensinhaber bzw. der Aktionär zugreifen darf (Ausschüttungsbemessungsfunktion der Handelsbilanz). Da sich die steuerbilanziellen Vorschriften nicht geändert haben, greift der Fiskus bei der Ertragsbesteuerung auf einen deutlich höheren Gewinn zu, als er es dem Eigentümer des Unternehmens bei der Gewinnentnahme zugesteht. Unter den o.g. Faktoren hat der Rechnungszins die größten Auswirkungen auf die Höhe von Pensionsverpflichtungen und kann so als das „Hauptbilanzierungsrisiko“ auf der Verpflichtungsseite der betrieblichen Altersversorgung klassifiziert werden. In den IFRS-Bilanzen führt

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das „Niedrigzinsumfeld“ derzeit zu gravierenden Auswirkungen auf Bilanzrelationen und Eigenkapitalquoten.7 So haben sich die Pensionsrückstellungen der DAX-Unternehmen für das Jahr 2014 im Durchschnitt um nahezu 100 % gegenüber dem Jahr 2008 erhöht.8 Summe der Verpflichtungswerte aller DAX-Unternehmen in Mrd. Euro 400 350 300 250 200 150 100 50

2014

2013

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2009

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2006

2005

2004

2003

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2001

2000

1999

0

Nun ist die Kritik der Wirtschaft an der Höhe des Rechnungszinses in § 6a EStG nicht neu. In zahlreichen Eingaben haben diverse Verbände auf die Notwendigkeit einer Senkung bzw. einer Flexibilisierung des Rechnungszinses hingewiesen und diesen Wunsch sowohl an die Fachebene der jeweils zuständigen Bundesministerien als auch an die Politik herangetragen. Das Anliegen wurde stets mit derselben Argumentation abgelehnt: Bei Pensionszusagen handele es sich um langfristige Verbindlichkeiten, weshalb auf einen langfristigen Zins abzustellen sei. Mit 6 % entspreche der Rechnungszins in § 6a EStG dieser Maßgabe. Die Begründung war unter den bis vor einigen Jahren gegebenen Umständen eines schwankenden, mal höheren und mal niedrigeren Marktzinses zumindest nicht offensichtlich abwegig und wurde daher zumindest hingenommen. Zwei neue Umstände sind jedoch hinzugetreten, die in ihrem Zusammenwirken eine brisante Mischung ergeben: Während sich bisher aufgrund der – insbesondere im Mittelstand meist praktizierten – Ein7 Vgl. Börsenzeitung v. 26.3.2015, 11. 8 Daten stammen aus der Studie „DAX-Pensionswerke 2014“ v. 25.3.2015, die von dem auf betriebliche Altersversorgung spezialisierten Beratungsunternehmen Towers Watson erstellt wurde.

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heitsbilanz keine Diskrepanz zwischen der handels- sowie der steuerbilanziellen Pensionsrückstellung ergab, hat sich dies mit Einführung des BilMoG geändert. Damit konnte sich ein Auseinanderfallen der steuerlichen und handelsrechtlichen Rechnungszinssätze bei den Unternehmen erstmalig manifestieren. Sodann hat sich im Gefolge der Finanz-, Wirtschafts- und Währungskrise durch die Zinspolitik der EZB sowie mit wohlwollender Unterstützung der Finanzpolitik ein – allen Prognosen nach – dauerhaftes Niedrigzinsumfeld herausgebildet. Die Zinsentwicklung für HGB und IFRS kann der folgenden Grafik entnommen werden9; zum Vergleich wird auch der steuerliche Rechnungszins aufgeführt: 7,00% 6,00%

EStG 5,00% 4,00%

HGB

3,00%

IFRS

2,00% 1,00%

2020

2019

2018

2017

2016

2015

2014

2013

2012

2011

0,00%

Dennoch halten Gesetzgeber und Finanzverwaltung an der bisherigen Argumentation fest. Zuletzt konnte dies als ein Zitat des Bundesfinanzministeriums in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 3.2.2015 nachgelesen werden: „Auch wenn derzeit das Zinsniveau allgemein stark gesunken ist, ist der Zinssatz von 6 % im Hinblick auf die Langfristigkeit der Pensionsverpflichtungen gerechtfertigt und liegt innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers“10. Das niedrige Zinsniveau wird zwar in einem Halbsatz erwähnt. Gleichzeitig wird es, mit der Behauptung, der Zinssatz sei nur „derzeit“ stark gesunken, als 9 Die Prognosen zum HGB-Rechnungszins entstammen einer Grafik von Puschinsky (Towers Watson), die auf der diesjährigen Jahrestagung der „Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung e.V.“ am 8.5.2015 präsentiert wurde. 10 http://fazjob.net/ratgeber-und-service/beruf-und-chance/fuehrungskraefte/ 125776_Wirtschaft-aechzt-wegen-EZB-Politik-unter-Pensionslast.html.

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Argument für eine Senkung des Rechnungszinses verworfen. Der Zinssatz von 6 % sei daher weiterhin angemessen. Selbst wenn diese Annahme – dass der Rechnungszins in § 6a EStG über die Zeitläufte von mehreren Jahrzehnten dem durchschnittlichen Zinsniveau entspricht – zuträfe, würden die momentanen Probleme der Unternehmen dadurch nicht gelöst. Diese sind zweifach: Einerseits betrifft der Niedrigzins die Aktivseite vieler Unternehmen, soweit diese ein zur Deckung der Pensionsverbindlichkeiten „reserviertes“ Vermögen aufgebaut haben. Durch die zumeist vorsichtige Anlagepolitik (mit Pensionsvermögen wird nicht „spekuliert“) können keine nennenswerten Renditen mehr erzielt werden, so dass die den Mitarbeitern zugesagten Garantieverzinsungen nicht erwirtschaftet werden können. Die Differenz muss durch weiteres Vermögen des Unternehmens ausgeglichen werden. Ein kurzer Exkurs sei gestattet: Dass die Politik plant, die Rendite insbesondere von Aktieninvestments durch massive Steuererhöhungen zusätzlich zu schmälern, ist unter den gegebenen Umständen schwer nachvollziehbar: Nachdem Streubesitzdividenden bereits der Besteuerung unterworfen wurden, sollen nun auch die Veräußerungsgewinne aus Streubesitz besteuert, eine Finanztransaktionssteuer11 eingeführt und eine Investmentsteuerreform durchgeführt werden.12 Alle diese Maßnahmen führen absehbar zu einer deutlichen Mehrbelastung und damit zu einer Renditeminderung für das betriebliche Pensionsvermögen. In der Folge entstünde zusätzlicher Aufwand für die Unternehmen, um das bisherige Versorgungsniveau ihrer Mitarbeiter aufrechtzuerhalten. Alternativ müssten sie das Versorgungsniveau absenken, um die fiskalpolitisch verursachten Zusatzkosten auszugleichen. Andererseits betrifft der niedrige Zins die Passivseite aller Unternehmen: Wie oben beschrieben, erhöht sich die handelsrechtliche Rückstellung nach HGB und IFRS. Dadurch sinkt zum einen, bei gleichbleibendem Deckungsvermögen, der Deckungsgrad der Pensionsverpflichtungen. Während der Deckungsgrad im Jahr 2007 noch 71 % betrug, ist er seitdem auf 61 % gesunken. Allein im letzten Jahr fiel er um vier Prozentpunkte.

11 Vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD „Deutschlands Zukunft gestalten“, 46 sowie Pressemitteilung von Heribert Karch, aba 2014, 468. 12 Vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD „Deutschlands Zukunft gestalten“, 64.

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Auch berichten kleine und mittlere Unternehmen zunehmend darüber, dass sie aufgrund der „durch die Decke schießenden“ handelsrechtlichen Pensionsrückstellungen kaum ausschüttbaren Gewinn zur Verfügung haben. Diese Problematik wird durch die gleichbleibend niedrige steuerliche Pensionsrückstellung gem. § 6a EStG verstärkt. Denn der steuerliche Gewinn ist damit vergleichsweise hoch auszuweisen und die darauf anfallenden Steuern mindern den niedrigen handelsrechtlichen Gewinn zusätzlich. Zwar führen die niedrigen steuerlichen Pensionsrückstellungen und die immer höheren in der Handelsbilanz auszuweisenden Pensionsrückstellungen zum Anstieg aktiver latenter Steuern, für die das HGB ein Aktivierungswahlrecht vorsieht (§ 274 Abs. 1 S. 2 HGB). Infolge dessen ergibt sich – bei Ausübung des Wahlrechts – ein Ausgleich für die erhöhte Steuerzahlung. Für den insoweit erhöhten handelsrechtlichen Gewinn besteht jedoch grundsätzlich eine Ausschüttungssperre. Nur wenn gem. § 268 Abs. 8 S. 2 HGB die verbleibenden frei verfügbaren Rücklagen – zuzüglich eines ggf. vorhandenen Verlustvortrags – nach Ausschüttung den Stand der aktiven latenten Steuern (nach Saldierung mit ggf. vorhandenen passiven latenten Steuern) übersteigen, kann eine Ausschüttung vorgenommen werden. In dieser schwierigen Situation muss der Gesetzgeber einschreiten und – auch im Interesse der (betrieblichen) Altersversorgung einer zunehmend alternden Gesellschaft – die dringend notwendige Abhilfe schaffen. Gleichzeitig sollte das Interesse des Staates an der Stetigkeit des Steueraufkommens beachtet werden, damit er seine Aufgaben kontinuierlich erfüllen kann. Dieses Interesse kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Ausgestaltung der Steuernormen (zu Recht) berücksichtigt werden. Ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden sollte, dass der deutsche Staatshaushalt von dem Niedrigzinsumfeld stark profitiert. Laut einer kürzlich erschienen Studie beträgt der so entstandene Vorteil mittlere einstellige Milliardenbeträge pro Jahr13. Die Studie untersucht, wie sich die niedrigen Zinsen seit dem Jahr 2010 finanziell auf die staatlichen (sowie die privaten) Haushalte ausgewirkt haben. Dabei wird das derzeitige Zinsniveau mit dem langjährigen Durchschnittszins ohne außergewöhn13 http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/sparen-und-geld-anlegen/ private-sparer-verlieren-190-milliarden-euro-in-vergangenen-fuenf-jahren13528997.html.

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liche Inflationsereignisse und größere Krisen verglichen. Dieses „Normalzinsniveau“ wird auf 4,2 % festgelegt. Es soll dem Durchschnittszinsniveau in der Phase zwischen 1998 und Mitte 2009 entsprechen. An diesem „Normalzinsniveau“ wird – kaum überraschend – deutlich, wie überhöht der steuerliche Rechnungszins ist. Wäre er mit 6 % zutreffend, würde man also ein höheres „Normalzinsniveau“ zugrunde legen, ergäbe sich allerdings ein noch höherer Zinsgewinn für den Staatshaushalt. Aus dieser Zwickmühle führt nur ein Weg heraus: Der Rechnungszins muss kontrolliert abgesenkt bzw. (ebenfalls kontrolliert) flexibilisiert werden. Das staatliche Interesse an einer Verstetigung des Steueraufkommens hat seinen Niederschlag in der derzeitigen Regelung des § 6a EStG mit einem hohen und gleichzeitig fixen Rechnungszins gefunden. Im Folgenden sollen zwei Lösungen vorgeschlagen werden, die den Fiskalinteressen sowie den unternehmerischen Zwängen und Nöten gleichermaßen Rechnung tragen und damit möglichst ausgewogen sind.

2. Problemlösung – „kontrollierte“ Absenkung des steuerlichen Rechnungszinses Eine vom Steueraufkommen nicht beeinflusste steuerliche Regelung zur Ermittlung der „angemessenen“ Pensionsverpflichtungen wäre naheliegend wie folgt auszugestalten: Der Gesetzgeber müsste den Zinssatz nicht nur absenken, sondern auch vollständig flexibilisieren, ihn also an das jeweils aktuelle Zinsniveau anpassen. Ob dies über einen durchschnittlichen Rechnungszins (HGB) oder über den gegenwärtigen Rechnungszins zu einem bestimmten Stichtag (IFRS) erfolgen würde, wäre dann eine Frage der Ausgestaltung im Detail. Jedoch sind bei realitätsnaher Betrachtung auf politischer Ebene die haushalterischen Auswirkungen einer Reform des § 6a EStG Dreh- und Angelpunkt der Diskussion. Die Grundlagen zu deren Berechnung sind daher zu analysieren, wobei eine Schätzung bzw. die Angabe einer Größenordnung zunächst ausreichen soll. So sehr die Flexibilisierung des Rechnungszinses und mithin die Orientierung an einem Marktzins aus systematischer und wirtschaftlicher Sicht wünschenswert wäre, so sehr ist dies doch mit dem Prädikat „unrealistisch“ zu versehen. Denn damit würde das Steueraufkommen in einem der Höhe nach relevanten Bereich an die Entwicklung an den Finanzmärkten gekoppelt. In der Folge soll daher weniger die Flexibilisierung als vielmehr die „kontrollierte“ Absenkung des Rechnungszinses

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näher untersucht werden. Insbesondere soll auch eine Flexibilisierung mit „fiskalischem Sicherheitsabstand“ diskutiert werden. a) Berechnungsgrundlagen Die Höhe der nach § 6a EStG gebildeten steuerlichen Pensionsrückstellungen lässt sich recht präzise dem Geschäftsbericht des Pensions-Sicherungs-Vereins auf Gegenseitigkeit (PSV a.G.) entnehmen. Dieser Verein wurde durch den Gesetzgeber errichtet, um die von den Arbeitgebern erteilten Pensionszusagen zugunsten der Mitarbeiter abzusichern. Er ist mit einer Pflichtmitgliedschaft für die Unternehmen versehen, die für ihre Mitgliedschaft einen Jahresbeitrag entrichten müssen. Bemessungsgrundlage für diesen Pflichtbeitrag ist im Wesentlichen der Wert der steuerlichen Pensionsrückstellungen des jeweiligen Unternehmens, sofern es eine unmittelbare Versorgungszusage erteilt hat. In seinem Jahresbericht führt der PSV a.G. die Gesamtbemessungsgrundlage für seine Beitragserhebung auf. Diese betrug für das Jahr 2013 insgesamt 312 Mrd. Euro. Davon entfallen laut Geschäftsbericht des PSV a.G. 87,2 % auf unmittelbare Versorgungszusagen. Denn Art. 28 EGHGB sieht für Unterstützungskassenzusagen, widerrufliche Direktversicherungen und Pensionsfondszusagen ein Passivierungswahlrecht vor, welches steuerlich zu einem Ansatzverbot führt. Damit betragen die steuerlichen Rückstellungen für unmittelbare Versorgungszusagen für alle Unternehmen in etwa 272 Mrd. Euro14. Um die Auswirkungen einer Absenkung des steuerlichen Rechnungszinses abschätzen zu können, ist auch die Reagibilität der steuerlichen Rückstellungen auf die Höhe des Rechnungszinses eine erforderliche Kenngröße. Hierbei gehen Aktuare bei einer Senkung des Rechnungszinses um einen Prozentpunkt nach einer „Faustformel“ üblicherweise von einer Erhöhung der Verpflichtungswerte um ca. 15 % aus15. Dies gilt jedenfalls für einen ausgewogenen Mischbestand aus Anwärtern und Rentnern und dürfte daher auf den Gesamtbestand aller Unternehmen hinreichend präzise zutreffen. Hingegen wirkt sich eine Änderung des Rechnungszinses bei jungen Anwärtern auf die Pensionsrückstellung stärker aus als bei Anwärtern, die kurz vor dem Renteneintritt stehen. 14 Betriebsrenten oberhalb der Sicherungsgrenze des PSV a.G., die gem. § 7 Abs. 3 BetrAVG derzeit bei 7.875 Euro im Monat liegt, sind in dieser Berechnung nicht enthalten, da sie der Beitragsbemessung des PSV a.G. nicht zugrunde gelegt werden. 15 Vgl. Höfer et al., Der Betrieb 2014, 2663.

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Somit würde die Absenkung des Rechnungszinses in § 6a EStG um einen Prozentpunkt auf 5 % zu einer Erhöhung der steuerlichen Rückstellungen um knapp 41 Mrd. Euro führen. Die steuerliche Bemessungsgrundlage würde um denselben Betrag einmalig verringert werden. An dieser Stelle sei angemerkt, dass für den Staatshaushalt im Wesentlichen16 ein einmaliges Minderaufkommen entsteht. Auf längere Sicht hingegen bleibt das Steueraufkommen in gleicher Höhe erhalten. Es handelt sich somit um einen „timing effect“, also um eine zeitliche Verschiebung der Steuerzahlung, nicht um eine dauerhafte Senkung des Steuerniveaus. Denn spätestens mit der Auszahlung der Betriebsrenten wäre es sowieso zum steuerlichen Abzug gekommen, der insoweit lediglich vorgezogen wird. Unter Zugrundelegung eines Steuersatzes von 30 % käme es zunächst zu einer Verringerung des Steueraufkommens in Höhe von ca. 12 Mrd. Euro. Diese Berechnung lässt allerdings außer Acht, dass sich nicht alle Unternehmen stets in einer Gewinnsituation befinden. Da auf Gewinnphasen erfahrungsgemäß auch immer wieder Verlustphasen folgen, soll im Folgenden ein pauschaler Abschlag vorgenommen und deshalb von einem durchschnittlichen Steuersatz von 25 % ausgegangen werden. Auf dieser Grundlage käme es zu einer haushaltswirksamen Mindereinnahme im ersten Jahr der Absenkung des Rechnungszinses auf 5 % von ca. 10 Mrd. Euro. Die Differenz von 2 Mrd. Euro würde in den nächsten Jahren als Verlustvortrag nach und nach – gebremst durch die Mindestgewinnbesteuerung – haushaltswirksam werden. Die sofortige und vollständige Umsetzung einer Senkung des Rechnungszinses – wie etwa kürzlich in Österreich auf 3,5 % für die Steuerbilanz – wird in Deutschland angesichts der Mindereinnahmen politisch wohl auf Ablehnung stoßen. Dies gilt zumal, da die Differenz zwischen dem Rechnungszins nach Handels- sowie nach Steuerrecht schon jetzt ca. 1,5 % beträgt. Die Differenz wird in den Folgejahren weiter wachsen. In einem aktuellen Fachaufsatz wird für das Jahr 2018 ein Zinssatz von 2,44 % prognostiziert17.

16 Die haushalterischen Auswirkungen auf künftige Pensionszusagen sollen an dieser Stelle nicht erörtert werden. Zwar werden diese wegen des gesenkten Rechnungszinses zu weniger hohen Rückstellungen führen, allerdings wird dieser Effekt durch die – aufgrund der erforderlichen Neubewertung – geringeren Ausbuchungen der Altzusagen kompensiert. 17 Vgl. Thurnes et al., Der Betrieb 2012, Tabelle 3.

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Als Alternativen können daher zwei Möglichkeiten in Betracht gezogen werden: b) Lösung 1 – Senkung des Rechnungszinses und zeitliche Streckung des Aufwands Die haushalterischen Auswirkungen der Senkung des Rechnungszinses könnten über einen Zeitraum von 10 Jahren gestreckt werden. Zu diesem Zweck würde die Erhöhung der steuerlichen Rückstellung durch die Unternehmen verpflichtend zu gleichen Teilen auf 10 bis 15 Jahre ab Inkrafttreten der Neuregelung verteilt werden. Diese Lösung entspricht dem üblichen Vorgehen bei fiskalisch problematischen Rechtsänderungen im hochvolumigen Bereich (in jüngster Gesetzgebungsvergangenheit etwa §§ 4f Abs. 1 Satz 3 und 5 Abs. 7 EStG). Aber nicht nur im Steuerrecht, sondern auch im HGB wurde bei der BilMoG-Einführung – allerdings als Wahlrecht – in einer ähnlichen Weise verfahren, um den durch die realistischere Bewertung bewirkten massiven Anstieg der Pensionsrückstellungen für die Unternehmen abzufedern. Problematisch ist allerdings, dass diese Lösung nicht von Dauer wäre, da sie eine kontinuierliche Anpassung des Rechnungszinses durch den Gesetzgeber erfordert. Vorzugswürdig wäre daher die folgende Lösung: c) Lösung 2 – Flexibilisierung mit „fiskalischem Sicherheitsabstand“ Der steuerliche Rechnungszins könnte an künftige Entwicklungen des handelsrechtlichen Rechnungszinses gekoppelt werden: Sinkt dieser um 0,5 Prozentpunkte, würde der steuerliche Rechnungszins im darauffolgenden Jahr ebenfalls um 0,5 Prozentpunkte, mithin von 6 % auf 5,5 % gesenkt werden. Die seit der BilMoG-Reform bereits aufgetretene Differenz zwischen dem handelsrechtlichen und dem steuerlichen Rechnungszins würde damit bestehen bleiben. Nur künftige Entwicklungen würden bei der Anpassung berücksichtigt werden. Der Fiskus würde insoweit nicht in voller Höhe ins Risiko gehen, sondern stattdessen einen „fiskalischen Sicherheitsabstand“ in Höhe der derzeitigen Differenz zwischen dem handelsrechtlichen und dem steuerlichen Zinssatz bewahren. Auch diese Absenkung könnte in ihrer Wirkung auf 10 bis 15 Jahre verteilt werden. Da für nächstes Jahr eine handelsrechtliche Absenkung des Rechnungszinses von ca. einem halben Prozentpunkt prognostiziert wird, würde die haushalterische Auswir-

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kung die Hälfte der oben – für eine Absenkung um einen Prozentpunkt – beschriebenen Effekte betragen. Freilich müsste ein ebensolcher Sicherheitsabstand eingehalten werden, falls der Rechnungszins – eines fern erscheinenden Tages – wieder ansteigen sollte. Dies könnte gesetzgeberisch umgesetzt werden, indem die Anpassung des steuerlichen Rechnungszinses auf einen bestimmten Zinssatz begrenzt würde (der besser bei 5 % als bei 6 % liegen sollte), um erst dann wieder einzusetzen, wenn der handelsrechtliche Zinssatz diese Begrenzung um den „Sicherheitsabstand“ übersteigt. Im Ergebnis würde es zu drei verschiedenen Rechnungszinsen mit unterschiedlich stark ausgeprägten Volatilitäten kommen. Der Zins nach den IFRS wäre weiterhin extrem volatil, da der zum jeweiligen Stichtag geltende Zinssatz zur Berechnung der Pensionsrückstellungen herangezogen würde. Dies ist für die Unternehmen in der Regel verkraftbar, weil die dadurch bedingten Erhöhungen und Absenkungen der Pensionsrückstellungen gem. IAS 19 unmittelbar ins Eigenkapital gebucht werden und mithin den Unternehmensgewinn weder erhöhen noch schmälern. Die Volatilität des handelsrechtlichen Zinses wäre durch die siebenjährige Durchschnittsbetrachtung vergleichsweise stark zeitverzögert, würde aber nach Ablauf einer solchen Periode mit Niedrigzins in voller Höhe gewinnwirksam werden. Der steuerliche Rechnungszins schließlich würde durch seine Koppelung an den handelsrechtlichen Zinssatz von dessen zeitlich verzögerter Volatilität profitieren. Darüber hinaus würde er sich stets um die oben vorgeschlagenen 1,5 % näher an der – durch den Gesetzgeber festzulegenden – „Mitte“ befinden. Seine Volatilität wäre damit nicht nur zeitlich verzögert, sondern auch der Höhe nach um insgesamt 3 Prozentpunkte gemindert. Diese Maßnahmen zur Verringerung der kurzfristigen Ausschläge des steuerlichen Rechnungszinses kämen sowohl dem Fiskus als auch den Unternehmen entgegen. Der Fiskus hätte ein stetigeres Steueraufkommen zur besseren Planbarkeit der Haushaltsausgaben und die Unternehmen hätten – spiegelbildlich – ebenfalls den Vorteil der besseren Planbarkeit ihres Steueraufwands.

III. Gleichstellung beitragsorientierter Direktzusagen Die oben aufgeführten Unzulänglichkeiten in § 6a EStG wurden vom Gesetzgeber teilweise bewusst kodifiziert – so die fehlende Einbeziehung von künftigen Gehalts-, Karriere- und Rentenentwicklungen. An-

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dere Entwicklungen – so der niedrige Zins infolge der Eurokrise – waren zum damaligen Zeitpunkt (im Jahr 1974) nicht vorhersehbar, sind aber grundsätzlich bekannt, auch wenn die Auswirkungen noch unterschätzt werden. Schließlich bestehen auch unbeabsichtigte Defizite bei der Bilanzierung bestimmter Arten von Pensionszusagen, die noch nicht ins politische Bewusstsein vorgedrungen sind. Sie betreffen die Bilanzierung sog. beitragsorientierter Pensionszusagen. Mit der traditionellen Leistungszusage in ihrer einfachsten Ausformung wird dem Mitarbeiter ein bestimmter monatlicher Geldbetrag im Falle des Renteneintritts zugesagt. In den letzten Jahren erfreuen sich in Deutschland jedoch beitragsorientierte Pensionszusagen bei den Unternehmen immer größerer Beliebtheit. Denn mit ihnen kann der Arbeitgeber seine Zusage auf einen bestimmten Zeitraum – bspw. für das jeweils vergangene Geschäftsjahr – beschränken. Zum einen kann so die Höhe des jeweils zugesagten Beitrags an die persönliche Leistung des Mitarbeiters in diesem Zeitraum gekoppelt werden. Zum anderen kann auch die wirtschaftliche Lage des Unternehmens in die Höhe des jeweils zugesagten Beitrags einfließen und damit eine antizyklische Verteilung des Pensionsaufwands in der Anwartschaftsphase der Pensionszusage erreicht werden. Die Höhe der zugesagten Beiträge „atmet“ so mit dem Unternehmen und seinem wirtschaftlichen Erfolg mit: In wirtschaftlich erfolgreichen Jahren erhält der Mitarbeiter höhere Beiträge und in wirtschaftlich weniger erfolgreichen Jahren fällt der Beitrag geringer aus. In für das Unternehmen existenzbedrohenden Situationen kann der Beitrag für den entsprechenden Zeitraum sogar vollständig ausgesetzt werden, um zunächst die Sanierung des Unternehmens bewältigen zu können. Umgekehrt hängen bei einer Leistungszusage die künftigen Zuführungen zur Pensionsrückstellung auch in wirtschaftlich schlechten Jahren bzw. in Krisensituationen wie ein „Mühlstein“ an der Ertragskraft des Unternehmens und ziehen es weiter in Richtung Abgrund. So wirtschaftlich sinnvoll diese Form der Pensionszusage ist, so sehr wird sie durch das geltende Steuerrecht diskriminiert. Dabei geht es – anders als bei den oben geschilderten Passivierungsbeschränkungen – nicht um einzelne Parameter, die der Höhe nach nicht zu einem realistischen Ausweis der Rückstellung führen. Vielmehr ist die vom Gesetzgeber vor Jahrzehnten gewählte Berechnungsmethode bereits dem Grunde nach un-

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geeignet, die Verpflichtung aus einer beitragsorientierten Pensionszusage realistisch abzubilden. Dies sei – stark vereinfacht – wie folgt erläutert: Bei der in § 6a EStG normierten Teilwertmethode ist für eine Leistungszusage das für den zugesagten Leistungsbetrag erforderliche Versorgungskapital der Ausgangspunkt; dieses wird mit 6 % abgezinst und auf die bereits erdienten Jahre aufgeteilt. Bei einer Laufzeit einer Leistungszusage von 30 Jahren und einer Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren wird der abgezinste Betrag mithin durch drei geteilt (präziser: durch 30 mal 10 Jahre) und als Rückstellung in die steuerliche Bilanz eingestellt. Dies ist grundsätzlich sachgerecht, da zu diesem Zeitpunkt erst ein Drittel der zugesagten Leistung erdient wurde. Verlässt der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt das Unternehmen, so verliert er – untechnisch formuliert – zwei Drittel seiner für den Renteneintritt zugesagten Leistung. Die vom Arbeitnehmer bis zum jeweiligen Bilanzstichtag erdiente Altersversorgung in der steuerlichen Rückstellung abzubilden, war das erklärte Ziel des Gesetzgebers bei Einführung des Teilwertverfahrens in § 6a EStG18. Bei der beitragsorientierten Zusage versagt das Teilwertverfahren jedoch: Denn der jeweils am Bilanzstichtag festgestellte Stand des Versorgungskontos (die Summe der vom Arbeitgeber zugesagten Jahresbeträge einschließlich zugesagter Garantieverzinsung) in der betrieblichen Altersversorgung ist bereits in voller Höhe erdient und wird dennoch nur zu einem Bruchteil als Rückstellung passiviert. In dem Beispiel würde das Versorgungskapital ebenfalls durch drei geteilt, obwohl die Verpflichtung des Arbeitgebers bereits in voller Höhe besteht. Diese offensichtlich nicht sachgerechte Bewertung wurde für den Bereich der Entgeltumwandlung bei deren Einführung im Jahr 2001 erkannt. Aufgrund dieser Erkenntnis wurde das Teilwertverfahren zu Zwecken der Entgeltumwandlung in § 6a Abs. 3 Satz 2, Nr. 1, Satz 1, Halbsatz 2 EStG vom Gesetzgeber durch das Barwertverfahren abgelöst. So können die durch den Arbeitnehmer bereits umgewandelten Beträge in voller (mit 6 % abgezinster und mit dem vom Arbeitgeber zugesagten Garantiezins aufgezinster) Höhe passiviert werden, ohne auf die verbleibende Anwartschaftszeit aufgeteilt werden zu müssen. Für die eng verwandte beitragsorientierte Pensionszusage gilt hingegen nach wie vor das klassische Teilwertverfahren. Obwohl der einzige Unterschied zwischen der beitragsorientierten Zusage und der Entgelt18 BT-Drs. 7/1281, 2, 37 und 39.

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umwandlung in der Herkunft der Beiträge – durch den Arbeitgeber oder durch den Arbeitnehmer finanziert – besteht, wurde die Anpassung bei der beitragsorientierten Zusage bis heute nicht nachvollzogen. Insbesondere zu Beginn der Anwartschaftsphase ist die Diskrepanz zwischen dem Teilwert- und dem Barwertverfahren bei beitragsorientierten Pensionszusagen besonders groß. Im Laufe der Anwartschaftsphase gleichen sich beide Werte bis zum Renteneintritt des Mitarbeiters immer stärker an. Dies soll an zwei vereinfachten Beispielen verdeutlicht werden19: Zwei Mitarbeiter seien mit 30 Jahren ins Unternehmen eingetreten, mit einem Finanzierungsendalter (FA) von 60 Jahren. Sie mögen – der Einfachheit halber – jährlich eine Zusage von 1.000 Euro erhalten haben. Die vom Unternehmen garantierte Mindestverzinsung betrage 2,5 %. Beispiel 1: aktuelles Alter: aktuelle Dienstjahre: Dienstjahre bis FA:

35 5 25

Beispiel 2: aktuelles Alter: aktuelle Dienstjahre: Dienstjahre bis FA:

50 20 10

Vergleich von Bar- und Teilwerten bei einer beitragsorientierten Direktzusage Rückstellungshöhe in Euro

12.000 10.410 10.000

8.771

8.000 Barwert

6.000 4.000

Teilwert 3.208

2.000

998

0 1

19 Eigene Berechnungen.

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2

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IV. Fazit Den Unternehmen ist das Langlebigkeitsrisiko ihrer Mitarbeiter zuzumuten, der Eintritt dieses Risikos ist sogar Grund zu Freude und Zufriedenheit mit dem erreichten Stand sowie dem unaufhörlichen Fortschreiten der medizinischen Versorgung in unserem Land. Veraltete Normen, die eine sinnvolle Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung im Sinne unserer Mitarbeiter verhindern, sind hingegen nicht hinnehmbar. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass § 6a EStG in den folgenden beiden Bereichen dringend zu reformieren ist:

1. Höhe des Rechnungszinses Dies ergibt sich zum einen aus dem derzeitigen Niedrigzinsumfeld und gilt für alle Arten von Pensionszusagen. Die Lösung für das Zinsproblem ist gesetzestechnisch durch eine Senkung des Rechnungszinses in § 6a EStG einfach zu bewerkstelligen. Letzten Endes wird die Entscheidung darüber eine fiskalpolitische sein. Wie eine haushalterisch schonende Lösung im Einzelnen durchgeführt werden könnte, wurde oben unter II. dargestellt. An dieser Stelle muss betont werden, dass eine Reform des § 6a EStG, wenn sie ihren Zweck erreichen soll, nicht aufkommensneutral durchgeführt werden kann. Falls die politische Diskussion zu diesem Ergebnis führen sollte, wäre das Unterlassen der Reform im Zweifel vorzugswürdig. Die oben vorgeschlagenen Lösungen antizipieren bereits – traditionelle Verhandlungstaktiken ignorierend, aber im Sinne einer Versachlichung der Diskussion – einen Ausgleich der Interessen bzw. einen Kompromiss.

2. Gleichstellung beitragsorientierter Direktzusagen Zum anderen ist durch den zunehmenden Einsatz der beitragsorientierten Pensionszusage ein noch dringenderer Reformbedarf entstanden. Denn die entstandene Ungleichbehandlung der verschiedenen Arten von Pensionszusagen weist nicht zuletzt verfassungsrechtliche Brisanz auf und wirkt sich auf die – an Zahl stetig zunehmenden – Unternehmen noch gravierender aus. In der politischen Diskussion ist die Problematik – soweit dem Autor bekannt – bisher nicht erörtert worden. Eventuell kann sie de lege lata durch eine analoge Anwendung der Bilanzierungsvorschrift für Gehaltsumwandlungen (durch den Arbeitnehmer

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finanzierte Pensionszusagen) gem. § 6a Abs. 3 Satz 2, Nr. 1, Satz 1, Halbsatz 2 EStG gelöst werden. Hierzu bedürfte es einer planwidrigen Regelungslücke. Da den Gesetzesmaterialien zur Einführung des Barwertverfahrens für Gehaltsumwandlungen keine Aussagen entnommen werden können, wonach der Gesetzgeber für identische – allerdings vom Arbeitgeber finanzierte – Pensionszusagen bewusst das Teilwertverfahren beibehalten hat, könnte eine solche planwidrige Regelungslücke angenommen werden. Eindeutig vorzugswürdig wäre hingegen eine ausdrückliche Regelung im Gesetz. Die Anwendung des Barwertverfahrens in § 6a Abs. 3 Satz 2, Nr. 1, Satz 1, Halbsatz 2 EStG müsste auf beitragsorientierte Zusagen ausgedehnt werden. Daraus entstehendes Minderaufkommen kann mit öffentlich zugänglichen Zahlen zur betrieblichen Altersversorgung leider nicht – auch nicht näherungsweise – berechnet werden. Hierzu bedarf es einer Studie, die angesichts der deutlichen Ungleichbehandlung von beitragsorientierten und Leistungszusagen schleunigst in Auftrag gegeben werden sollte. Der Gesetzgeber darf nicht auf Dauer hinnehmen, dass die sinnwidrige Anwendung einer veralteten Bewertungsmethode auf moderne Formen der Pensionszusage gesetzlich erzwungen wird, und damit die Modernisierung der betrieblichen Altersversorgung durch eine unsachgemäße steuerliche Verteuerung behindern. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die fiskalischen Auswirkungen umso größer sein werden, je länger eine gesetzliche Regelung auf die lange Bank geschoben wird.

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Aktuelle Fälle des Bilanzsteuerrechts Professor Dr. Ulrich Prinz Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Köln Inhaltsübersicht I. Zum Einstieg: Permanenter Wandel im Bilanzsteuerrecht II. Realisationsprinzip bei Abschlagszahlungen 1. BFH vom 14.5.2014 – VIII R 25/11: Sonderfall der Gewinnrealisation bei berufsrechtlicher Honorarordnung (Fall 1) 2. Reaktion und Ausweitung durch BMF vom 29.6.2015 3. Kritische Würdigung der Verwaltungsauffassung 4. Nachtrag: Beurteilungsänderung durch BMF v. 15.3.2016 III. Unionsrechtsfragen zu § 6b EStG 1. Einige Grundlagen zu § 6b EStG 2. EuGH vom 16.4.2015 – Rs. C-591/13 sowie diskriminierungsrelevante Judikatur zur Inlandsbeschränkung des § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG (Fall 2) 3. Unionsrechtskonforme Umgestaltung des § 6b EStG im StÄndG 2015 IV. Vermarktungskostenzuschuss als partiarisches Darlehen 1. BFH vom 21.5.2015 – IV R 25/12: Medienfondsbesteuerung und gewährter Vermarktungskostenzuschuss (Fall 3) 2. Kritische Stellungnahme

V. Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt 1. Fortentwicklung der Rangrücktritts-Judikatur durch BFH vom 15.4.2015 – I R 44/14 (Fall 4) 2. Kritische Stellungnahme und Beratungsüberlegungen VI. Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und Schätzungsbefugnis der Betriebsprüfung 1. BFH vom 25.3.2015 – X R 20/13: Problematische Hinzuschätzungen nach Zeitreihenvergleich (Fall 5) 2. Kritische Anmerkungen und Beratungsüberlegungen 3. Weitere praxiswichtige „Buchführungserkenntnisse“ VII. Bilanzrechtsrelevante Tour d’Horizon zum Schluss 1. Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) vom 17.7.2015 2. Bürokratieentlastungsgesetz (BükrEG) vom 28.7.2015 3. Steueränderungsgesetz (StÄndG) 2015 vom 2.11.2015 4. BMF-Schreiben vom 12.5.2015 zu Lifo-Methode 5. Weitere praktische Streitfelder

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Prinz, Aktuelle Fälle des Bilanzsteuerrechts

I. Zum Einstieg: Permanenter Wandel im Bilanzsteuerrecht Es soll ein fallgruppenbezogener Überblick zu praxisrelevanten Bilanzsteuerrechtsfragen 2015/20161 gegeben werden, um Entwicklungslinien in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung deutlich zu machen und Unternehmen/Beratern Hilfe in Streitfragen zu geben. Rückstellungen mit ihren vielfältigen Facetten bleiben im Folgenden außer Betracht.2 Interessant ist mit Blick auf die Rechtsprechung zweierlei: –

Zum einen hat sich die Judikatur des BFH in verschiedenen Senaten (I., IV., VIII. sowie X.) mit wichtigen Bilanzsteuerrechtsthemen befasst. Dies hat mitunter abweichende Akzentuierungen zur Folge, die in Einzelfällen eine Anrufung des Großen Senats beim BFH erforderlich machen.



Zum anderen hat einmal mehr die EuGH-Rechtsprechung in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland zu einer für die Praxis wichtigen Gesetzesänderung geführt, die zu neuen Diskussionen und möglicherweise auch Verwerfungen führt. Konkret betroffen im Berichtszeitraum ist die Steuerstundungsregelung des § 6b EStG (s. Gliederungspunkt III.).

II. Realisationsprinzip bei Abschlagszahlungen 1. BFH vom 14.5.2014 – VIII R 25/11: Sonderfall der Gewinnrealisation bei berufsrechtlicher Honorarordnung (Fall 1) Das Realisationsprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4, 2. Halbs. HGB hat als kodifizierter GoB über den Maßgeblichkeitsgrundsatz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) unmittelbare Steuerrelevanz und bedarf „seiner Natur nach“ mangels steuergesetzlicher Sonderregelungen einheitlicher Auslegung für handels- und steuerbilanzielle Zwecke. Ein neues steuerrechtliches Judikat stellt dies nun für die Praxis in Teilen in Frage. Konkret: Der VIII. Senat des BFH hat mit seinem Urteil vom 14.5.20143 über die Gewinnrealisierung bei Dienst- oder Werkleistungen von Architekten und Ingenieuren entschieden, die auf Basis einer öffentlich-rechtlichen Honorar1 Stand des Beitrags: Mai 2016. 2 Vgl. dazu Hennrichs, StbJb 2015/2016, 255; sowie Möhlenbrock/Geberth, StbJb 2015/2016, 275. Vgl. ergänzend aus Sicht der Rechtsprechung Wacker in Lüdicke/Mellinghoff/Rödder (Hrsg.), Festschrift Gosch, 2016, 413–426. 3 BFH v. 14.5.2014 – VIII R 25/11, BStBl. II 2014, 968. Zu Anmerkungen dazu vgl. Weber-Grellet, FR 2014, 1138; Pezzer, BFH/PR 12/2014, 410.

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ordnung (= öffentliches Preisrecht) tätig werden. Inhaltlich geht es deshalb um einen Sonderfall der Gewinnrealisierung. Das BFH-Judikat betrifft das Streitjahr 2000 und hat „viel Staub aufgewirbelt“. Sachverhalt: Eine Freiberufler-KG (= Ingenieurbüro für Bautechnik) ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Sie aktiviert „unfertige Leistungen“ und passiviert Zahlungseingänge in Gestalt von Abschlagszahlungen auf erbrachte Planungsleistungen als „erhaltene Anzahlungen“. Eine Gewinnrealisierung nimmt die Freiberufler-KG insoweit nicht vor. Wegen der Sonderregelungen in der geltenden Gebührenordnung – konkret: § 8 Abs. 2 HOAI (= § 15 Abs. 2 HOAI 2013/2015) – verlangt die Betriebsprüfung eine „vorgezogene Gewinnrealisierung“ für Abschläge (Aktivierung als Forderung, keine „unfertigen Erzeugnisse“), erkennt aber für mögliche Belastungen durch Restarbeiten/Planungsfehler eine Rückstellung an. Es kommt zu einem finanzgerichtlichen Rechtsstreit. Lösung des BFH: Die FinVerw. obsiegt in dem Fall. Die beiden Leitsätze der Entscheidung des VIII. Senats beim BFH vom 14.5.2014 lauten: „1. Die Gewinnrealisierung tritt bei Planungsleistungen eines Ingenieurs nicht erst mit der Abnahme oder Stellung der Honorarschlussrechnung ein, sondern bereits dann, wenn der Anspruch auf Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI entstanden ist. 2. Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI sind nicht wie Anzahlungen auf schwebende Geschäfte zu bilanzieren.“

Die Argumentation des BFH zur Begründung seines Ergebnisses ist dreistufig aufgebaut: –

Stufe 1: Zunächst benennt der BFH das Realisationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB und qualifiziert es als „handelsrechtlichen GoB“ mit Geltung auch für Steuerbilanzzwecke (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG). Die handelsrechtliche Gesetzesbestimmung besagt: „Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind.“ Eine nähere Ausfüllung des Realisationstatbestands nimmt der Gesetzgeber allerdings nicht vor. Deshalb sind die einschlägigen Grundsätze der Rechtsprechung (faktisch der des BFH) anzuwenden. Der eigentlich für das Handelsbilanzrecht zuständige BGH befasst sich nur selten mit Bilanzrechtsthemen.



Stufe 2: Ein Gewinn ist nach übereinstimmender Meinung der Rechtsprechung dann realisiert, wenn die geschuldete Dienst- oder Werkleistung im Wesentlichen erbracht, also „wirtschaftlich erfüllt“ ist. Die Forderung auf die Gegenleistung muss „so gut wie sicher“ sein.

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Dies entspricht der Vorstellung einer „Unentziehbarkeit des Anspruchs“ bei entsprechender Leistungserbringung. Die Rechnungserteilung am Bilanzstichtag, die Fälligkeit der Forderung sowie etwaige Zahlungseingänge sind dagegen bei einem auf den Grundsätzen kaufmännischer Rechnungslegung aufbauenden Betriebsvermögensvergleich unerheblich. Bei Werkverträgen (§ 631 BGB) bedarf es grundsätzlich der Übergabe/Abnahme des Werks durch den Besteller. Dies bewirkt den wirtschaftlichen Übergang von Chancen und Risiken. –

Stufe 3: Die auf die Werkabnahme bezogenen Grundsätze der Gewinnrealisierung bedürfen allerdings nach Meinung des BFH einer Modifizierung, sofern Sonderregelungen in einer einschlägigen Gebührenordnung gelten. § 8 Abs. 2 HOAI 1995 wird als ein solcher Ausnahmefall vom BFH qualifiziert. Die Regelung lautet: „Abschlagszahlungen können in angemessenen zeitlichen Abständen für nachgewiesene Leistungen gefordert werden.“

Der Zweck dieser gebührenrechtlichen Sonderregelung ist: Ingenieure/Architekten sollen als Auftragnehmer entsprechend ihrer Vorleistungspflicht Vergütungen erhalten, weil ihnen ansonsten ein beträchtlicher Teil des Honorars ohne sachliche Rechtfertigung für längere Zeit trotz Leistungserbringung vorenthalten würde.4 Nach Meinung des BFH wirken derartige unentziehbare Abschlagszahlungen „leistungsfähigkeitssteigernd“. Eine Vereinbarung oder tatsächliche Durchführung einer Teilabnahme ist danach nicht mehr nötig. Bereits mit „auftragsgemäßer Erbringung der Planungsleistungen“ hat der Ingenieur/Architekt die Abschlagszahlung verdient und zwar unabhängig von Abnahme/Stellung der Honorarabschlussrechnung. Den späteren Nachweis seiner Leistungserbringung durch eine prüfbare Honorarabschlussrechnung hat der Steuerpflichtige selbst in der Hand. Eine Behandlung solchermaßen ausgestalteter Abschlagszahlungen auf Basis des § 8 Abs. 2 HOAI 1995 als (realisationslose) Anzahlung auf schwebende Geschäfte lehnt der VIII. Senat des BFH ausdrücklich ab.

2. Reaktion und Ausweitung durch BMF vom 29.6.2015 Zeitgleich mit der Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 14.5.2014 im BStBl. II nimmt die FinVerw. in einem begleitenden BMF-Schreiben

4 Vgl. dazu auch BGH v. 22.12.2005 – VII ZB 84/05, BGHZ 165, 332.

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vom 29.6.20155 eine deutlich erweiterte Anwendung der BFH-Grundsätze für Abschlagszahlungen vor. Dabei sollen Ausnahmen zum abnahmebezogenen Realisationsprinzip auch bei Abschlagszahlungen nach § 15 Abs. 2 HOAI (Neufassung 2013/2015) und (überraschend) für Werkverträge nach § 632a BGB6 gelten. Nach Meinung der FinVerw. handelt sich es sich auch bei derartigen Abschlagszahlungen um die Abrechnung von bereits verdienten Ansprüchen. Denn der Schuldner des Werkvertrags habe seine Leistung, unabhängig von einer späteren Werkabnahme, bereits erbracht und damit sein Honorar verdient. Allerdings sollen Abschlagszahlungen von „bloßen Vorschüssen“ abzugrenzen sein. Insoweit tritt nach Meinung des BMF auch weiterhin keine Gewinnrealisierung ein. Schließlich versieht die FinVerw. ihr Anwendungsschreiben mit einer Nichtbeanstandungsregelung (Billigkeit/Vertrauensschutz): Die Anwendung der BFH-Grundsätze soll erstmals im Wirtschaftsjahr erfolgen, dass nach dem 23.12.2014 (= Veröffentlichung der BFH-Entscheidung im BStBl. II) beginnt. Die FinVerw. räumt insoweit ein Wahlrecht für betroffene Steuerpflichtige aus der erstmaligen Anwendung der BFH-Grundsätze durch gleichmäßige Verteilung des Erstgewinns auf zwei bis drei Wirtschaftsjahre ein. Dies soll die Liquiditätsbelastung aus der verwaltungsseitigen Rechtsverschärfung abmildern. Ansonsten gilt die Verwaltungsanweisung aber für Alt- und Neuprojekte gleichermaßen.

3. Kritische Würdigung der Verwaltungsauffassung Die Rechtsprechung des BFH, aber mehr noch deren deutliche Ausweitung der Anwendungsfälle durch die FinVerw., ist in weiten Teilen des Schrifttums auf Kritik und Ablehnung gestoßen.7 Die Bedenken lauten zusammengefasst: Abschlagszahlungen auf Werkverträge nach § 632a BGB sowie § 15 Abs. 2 HOAI n.F. lösen nur eine „vorläufige wirtschaftliche Anzahlung“ auf die Hauptforderung aus; es fehlt deshalb an der Unentziehbarkeit des Anspruchs, sofern keine Werkabnahme erfolgt ist.

5 BMF v. 29.6.2015 – IV C 6 – S 2130/15/10001, BStBl. I 2015, 1778. Zu Erläuterungen Meurer, BB 2015, 1778 sowie Ortmann-Babel, DB 2015, 1690. 6 Die Regelung wurde eingeführt durch das „Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen“ v. 30.3.2000 (BGBl. I 2000, 330) und gilt für Vertragsabschlüsse mit Wirkung ab dem 1.5.2000. 7 Vgl. weiterführend Marx/Juds, DStR 2015, 1014 und 1462; Strahl, KÖSDI 2015, 19437; Adrian, StuB 2014, 893; Hoffmann StuB 2015, 609; Prinz, DB 2016, 371; Oser/Bolik/Wirtz, DB 2016, 421.

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Infolgedessen bewirkt das BMF-Schreiben rechtsverschärfend eine dauerhafte Steuer- und Liquiditätsvorverlagerung in Teilen der Bauindustrie. Auch wird eine „Aufweichung“ der handelsrechtlichen GoB durch bloße berufsrechtliche Gebührenordnungen kritisch gesehen.8 Interessenvertreter der Wirtschaft bemühen sich daher um eine Rücknahme der Verwaltungsauffassung. Gelingt dies nicht, muss zumindest eine handhabbare Abgrenzung der Abschlagszahlungen von Vorschüssen ausgearbeitet werden. Schließlich erscheint auch eine Erweiterung der Übergangsregelung geboten; allenfalls Neuprojekte sollten von der geänderten Verwaltungsauffassung erfasst werden. Allerdings lässt sich bei Anwendung der Grundsätze der FinVerw. in der Praxis die Gewinnrealisierung durch leistungskonforme Abschlagszahlungen steuern. Auch kann das Verteilungswahlrecht für Erstgewinne für optimierende Gestaltungen genutzt werden. Im Übrigen ergeben sich aus der Anwendung der FinVerw.-Auffassung neue steuerbilanzielle Abgrenzungsschwierigkeiten für „teilfertige Arbeiten“. Wichtige Anwendungsbeschränkungen für die Verwaltungsgrundsätze bestehen in der Praxis in folgenden Bereichen: –

In der handelsrechtlichen Rechnungslegung wird die vorgezogene Gewinnrealisierung nach Maßgabe von Abschlagszahlungen bei Werkverträgen und aufgrund von Honorarordnungen abgelehnt. Das BMF-Schreiben führt deshalb zu einer steuergesetzlich „eigentlich“ nicht gerechtfertigten „verwaltungstechnischen Durchbrechung der Maßgeblichkeit“.9 Dies bewirkt trotz „unteilbarer“ Maßgeblichkeit neue Steuerlatenzen in der Handelsbilanz. Die handelsrechtliche Rechnungslegung, die durch das IDW als privater Standardsetzer mitgeprägt wird, stellt nach wie vor auf die Übergabe/Abnahme des Gesamtwerks bei endgültiger Honorarentstehung und Gefahrenübergang (ohne Rückzahlungsverpflichtungen) ab. Insoweit soll eine Parallelität auch zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Teilleistungen gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG hergestellt werden (Abschn. 13.3 Abs. 1 UStAE).



Weiterhin sollten keine praktischen Änderungen bei langfristiger Auftragsfertigung hinsichtlich der Completed Contract Methode entstehen. Teilgewinnrealisierungen sind im Hinblick auf Gläubigerschutz

8 Vgl. insb. Weber-Grellet, FR 2015, 1138. 9 Vgl. die 241. Sitzung des HFA v. 10./11.9.2015, IDW Life 11/2015, 616, 618. Siehe auch bereits die 239. Sitzung v. 4./5.3.2015, Fachnachrichten-IDW 4/2015, 237.

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und die Grundsätze der Leistungsfähigkeitsbesteuerung nur geboten, wenn das Gesamtwerk in Teilleistungen zerlegt werden kann und eine Teilabnahme vertraglich vorgesehen ist sowie durchgeführt wird. Die bei langfristiger Fertigung unter sehr restriktiven Bedingungen denkbare Percentage-of-Completion-Methode wird durch die FinVerw.-Auffassung meines Erachtens nicht ausgedehnt. –

Schließlich lässt sich die Anwendung öffentlich-rechtlicher Honorarordnungen durch individualvertragliche Vereinbarung von Abschlagszahlungen bzw. leistungsfortschrittsunabhängigen Vorschüssen vermeiden. Insoweit gelten auch nach der Rechtsprechung die allgemeinen Gewinnrealisierungsgrundsätze.

4. Nachtrag: Beurteilungsänderung durch BMF v. 15.3.2016 Die Breite der Kritik in Fachkreisen am BMF Schreiben vom 29.6.2015 hat im Ergebnis ein schrittweises Umdenken der FinVerw. bewirkt. Zunächst wurde am 18.2.2016 ein Antwortschreiben des BMF an verschiedene Interessenverbände der Wirtschaft bekannt, wonach die BMF-Grundsätze zur Gewinnrealisierung der Abschlagszahlungen erstmals auf Verträge angewandt werden sollten, die nach dem 30.6.2016 abgeschlossen werden. Bei weiterem Nachdenken im Rahmen von Bund-Länder-Besprechungen hat man sich dann aber seitens der FinVerw. letztlich zu einer „Grundbereinigung“ der Situation der Abschlagszahlungen entschlossen. Im BMF-Schreiben vom 15.3.201610 wird das problematische Schreiben vom 29.6.2015 nun gänzlich aufgehoben. Zudem werden die BFH-Grundsätze im Urteil vom 14.5.2014 auf Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI a.F. begrenzt, unter Beibehaltung der bisherigen Nichtbeanstandungs- und Härteregelung. Konkret betroffen von § 8 Abs. 2 HOAI a.F. sind nur solche Leistungen, die bis zum 17.8.2009 vertraglich vereinbart wurden (letztmalige Geltung der HOAI-Altfassung). Im Umkehrschluss bedeutet dies: Abschlagszahlungen nach § 15 Abs. 2 HOAI n.F. und Werkverträge nach § 632a BGB lösen keine Gewinnrealisation aus. Sie bleiben steuerbilanzsystematisch erfolgsneutral zu erfassende „erhaltene Anzahlungen“. Damit wird für einen Gleichklang der Behandlung von Abschlagszahlungen in Handels- und Steuerbilanz gesorgt und das Realisationsprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB zutreffend umgesetzt. Steuerlatenzen gem. § 274 HGB und handelsbilanzielle Risikobe-

10 BMF v. 15.3.2016 – IV C 6 – S 2130/15/10001, BStBl. I 2016, 279.

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urteilungen von Steuerpositionen entfallen insoweit. Insgesamt dokumentiert das neue BMF-Schreiben vom 15.3.2016 einen klugen und weitsichtigen Beurteilungswandel der FinVerw.11

III. Unionsrechtsfragen zu § 6b EStG 1. Einige Grundlagen zu § 6b EStG § 6b EStG gehört zum klassischen Instrumentarium steuerbilanzieller Gestaltungsmöglichkeiten. Die Vorschrift erlaubt Gewinnermittlern nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG die bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter realisierten stillen Reserven auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Reinvestitionsobjekt (Wirtschaftsjahr der Veräußerung/Vorjahr) zu übertragen oder in einer gewinnmindernden Rücklage „zwischenzuparken“ (4 folgende Wirtschaftsjahre, bei bestimmten Gebäuden 6 folgende Wirtschaftsjahre). Betroffen sind vor allem stille Reserven in Grund und Boden sowie Gebäude mit einer mindestens 6-jährigen ununterbrochenen Zugehörigkeit zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebstätte des Steuerpflichtigen. Für veräußerte Kapitalgesellschaftsanteile bestehen wegen des Teileinkünfte-/§ 8b KStG-Regimes höchstbetragsbegrenzte Besonderheiten, die auf natürliche Personen und entsprechende PersGes beschränkt sind (§ 6b Abs. 10 EStG). Die Anwendung des § 6b EStG entfaltet eine bloße Steuerstundungswirkung, die im Wesentlichen vom Steuerstatus des Reinvestitionsobjekts abhängt (abnutzbare oder nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter, keine definitive Steuerersparnis). Bei letztlich unterbleibender Reinvestition wird die Rücklagenauflösung um einen jährlich 6 %igen Gewinnzuschlag erhöht (§ 6b Abs. 7 EStG). Telos der § 6b-Regelung ist es, sinnvolle strukturelle Anpassungen von Produktion, Vertrieb und Standort zu ermöglichen und dabei eine Substanzbesteuerung von Anlagevermögen zu vermeiden.12 Aus Gestaltungssicht ist wichtig: § 6b EStG enthält ein eigenständiges steuerbilanzielles Wahlrecht (§ 5 Abs. 1 EStG) ohne Umkehrmaßgeb11 Zur Einordnung der neuen BMF-Sichtweise vgl. Prinz, DB 2016, 684; J. Müller, Ubg 2016, 474. Umfassend zum Realisationsprinzip bei Abschlagszahlungen Velte/Stawinoga, StuW, 2016, 118 sowie Marx, StuB 2016, 327 und FR 2016, 389. 12 Vgl. zu Details der Ausgestaltung des § 6b EStG Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl. 2016, § 6b Rz. 1; Sievert/Kamradt in Prinz/Kanzler (Hrsg.), NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht, 2. Aufl. 2014, Rz. 5275 ff. Für Gewinnermittler nach § 4 Abs. 3 EStG gilt § 6c EStG.

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lichkeit für die Handelsbilanz. In der Handelsbilanz sind allerdings ggf. passive latente Steuern gem. § 274 Abs. 1 HGB zu berücksichtigen. Im Übrigen besteht wegen der gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise bei transparent besteuerten Mitunternehmerschaften eine hohe Flexibilität an § 6b-Übertragungsmöglichkeiten.13 Schließlich hat das Wahlrecht des § 6b EStG nach der einschlägigen zivilrechtlichen Rechtsprechung Haftungsrelevanz für die steuerliche Beratung.14 Zu konstatieren ist insgesamt: § 6b EStG hat als Subventionswahlrecht vor allem bei mittelständischen Personengesellschaften mit Immobilienbesitz hohe Praxisrelevanz.

2. EuGH vom 16.4.2015 – Rs. C-591/13 sowie diskriminierungsrelevante Judikatur zur Inlandsbeschränkung des § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG (Fall 2) § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG verlangt für die Anwendung der Steuerstundungsmöglichkeit, dass das Ersatzwirtschaftsgut „zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte“ gehört. Diese Tatbestandsvoraussetzung des § 6b EStG stand seit Längerem im „Verdacht“, gegen die europäische Niederlassungsfreiheit zu verstoßen (Art. 49 AEUV). Im Hinblick auf den Anwendungsbereich des § 6b Abs. 10 EStG kommt zudem ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (mit Drittstaatenwirkung) in Betracht (Art. 63 AEUV). Dieser diskriminierungsrelevante Tatbestandsteil des § 6b EStG ist kürzlich von der Rechtsprechung in den Blick genommen worden. Sachverhalt: Eine niederländische KapGes ist mit ihren inländischen Betriebsstätteneinkünften beschränkt steuerpflichtig (§ 2 Abs. 1 KStG, § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG). Das DBA Niederlande weist Deutschland das Besteuerungsrecht zu. Aus einem Grundstücksverkauf in 2006 wurde ein Veräußerungsgewinn i.H.v. rund 3,6 Mio. Euro erzielt und zum 31.12.2006 in eine § 6b-Rücklage eingestellt. In 2008 erwirbt die niederländische KapGes in den Niederlanden ein Grundstück (kein betriebsfunktionaler Zusammenhang mit der Betriebsstätte) und will einen Teil der § 6b-Rücklage darauf übertragen. Nur der Rest der § 6b-Rücklage wird erfolgswirksam und mit Zinsfolgen im Inland aufgelöst. Steht dies im Einklang mit dem Unionsrecht (Art. 49 AEUV)? Ist eine Rücklagenübertragung auf den niederländischen Erwerbsvorgang durch richtlini13 Zu Details vgl. R 6b.2 Abs. 6, 7 EStR 2012. Vgl. ergänzend Schmudlach, StuB 2016, 132; Neu/Hamacher, GmbHR 2016, 1; Bolk, DStR 2015, 1355. 14 S. etwa OLG Koblenz v. 22.10.2014, DStR 2015, 1991. Kritisch Bolk, DStR 2016, 458.

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enkonforme Auslegung/geltungserhaltende Reduktion des § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG möglich?

Lösungen in der Rechtsprechung: Chronologisch betrachtet ist die Diskriminierungsthematik des § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG in den letzten Jahren unter zwei Gesichtspunkten aufgegriffen worden: –

Unionsrechtskonforme Auslegung des § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG durch die nationalstaatliche Rechtsprechung (ohne Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 267 AEUV): Nach einer rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Niedersächsischen FG vom 1.12.2011 verstößt die Inlandsbeschränkung der Ersatzinvestition gegen Gemeinschaftsrecht. Die Rechtsnorm des § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG muss deshalb im Wege richtlinienkonformer Auslegung zu einer Betriebsstätte im Gemeinschaftsgebiet „uminterpretiert“ werden.15 Die Leitsätze der Entscheidung lauten: „1. Die Auffassung, Reinvestitionsgüter i.S. des § 6b EStG müssten im Inland belegen sein, wird vom Wortlaut der gesetzlichen Regelung nicht gedeckt. Auch Wirtschaftsgüter im Ausland können aufgrund wirtschaftlich-funktionaler Gesichtspunkte zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehören. 2. § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG erfordert keine Zugehörigkeit des Reinvestitionsguts zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte, sondern zu einer Betriebsstätte im Gemeinschaftsgebiet. 3. Der Inlandsbezug in § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG beschränkt die freie Wahl der Niederlassung.“

Im Ergebnis erlaubt das Finanzgericht somit eine Übertragung der stillen Reserven auf die Anschaffungskosten des Auslandsgrundstücks

15 Niedersächsisches FG v. 1.12.2011 – 6 K 435/09, EFG 2012, 1031. Erläuterungen dazu von Günkel, BB 2012, 441.

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durch geltungserhaltene Reduktion des § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG ohne Entstehung eines Zinszuschlags. Die vom Finanzgericht zugelassene Revision wird zwar durch die FinVerw. eingelegt. Der BFH allerdings qualifiziert diese Revision durch Entscheidung vom 20.8.2012 als unzulässig. Argument ist: Es liegt eine unzulängliche Revisionsbegründung durch die FinVerw. vor.16 Hinzu kommt: Das FG München wendet in seinem Urteil vom 7.7.2014 im Fall einer Reinvestition einer ungarischen PersGes ebenfalls die Methodik richtlinienkonformer Auslegung des § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG an.17 Das Gericht erkennt dabei zutreffend, dass die nationalstaatliche Regelung einer Rücklagenübertragung im EU-Ausland keine Anwendung finden kann und verwendet deshalb einen bilanztechnischen passiven Ausgleichsposten, der ratierlich aufgelöst wird. Die FinVerw. hat gegen die Entscheidung des FG München Revision beim BFH eingelegt.18 –

Durch EuGH-Urteil vom 16.4.2015 festgestellter Unionsrechtsverstoß mit Gesetzgebungsauftrag: Aufgrund eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland gem. Art. 258 AEUV hat der EuGH nach einem erfolglosen Vorverfahren durch Urteil vom 16.4.2015 entschieden, dass die Inlandsbeschränkung der Ersatzinvestition gegen die europäische Niederlassungsfreiheit sowie gegen Art. 31 EWR-Abkommen verstößt.19 Die Versteuerung des realisierten Gewinns aus der Wirtschaftsgutveräußerung muss allerdings in Deutschland erfolgen. Da der Stundungseffekt durch Übertragung stiller Reserven mit liquiditätsschonender Wirkung nach § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG nur in Inlandsfällen erreichbar ist, werden EU/EWR-Reinvestitionen nach zutreffender Meinung des EuGH diskriminiert. Dies ist nicht durch eine objektiv unterschiedliche Situation im Reinvestitionsbereich erklärbar. Allerdings knüpft der EuGH bei seinen Verhältnismäßigkeitsüberlegungen an das National Grid Indus Judikat vom 29.11.2011 an und fordert ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen zur Sofortentrichtung der Steuer oder zur zinslosen Stundung ein. Eine Sofortbesteuerung bei Auslandsreinvestitio-

16 BFH v. 20.8.2012 – I R 3/12, BFH/NV 2012, 1990. 17 FG München v. 7.7.2014 – 5 K 1206/14, EFG 2014, 1775. 18 Das Revisionsverfahren wird unter dem Az. IV R 35/14 geführt und wird sich mit der rückwirkenden Einführung des § 6b Abs. 2a EStG durch das Steueränderungsgesetz 2015 befassen müssen. 19 Vgl. EuGH v. 16.4.2014 – Rs. C-591/13, DB 2015, 949 mit Kurzkommentierung von Prinz; Kanzler, FR 2015, 465; Vogel/Cortez, FR 2015, 437; Strahl, KÖSDI 2015, 19440; Sydow, NWB 2015, 1980; Klepsch, StBW 2015, 466.

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nen und Stundungsmöglichkeit im Inlandsfall wirkt demgegenüber diskriminierend. Der damit durch den EuGH festgestellte Unionsrechtsverstoß des § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG hat nun den deutschen Steuergesetzgeber zum Handeln gezwungen.

3. Unionsrechtskonforme Umgestaltung des § 6b EStG im StÄndG 2015 Durch die EuGH-Entscheidung vom 16.4.2015 war der deutsche Gesetzgeber zur Beseitigung des unionsrechtswidrigen § 6b-Zustands gezwungen. Denn die Nichtumsetzung eines europarechtlichen Feststellungsurteils kann pauschale Strafzahlungen/Zwangsgelder auslösen.20 Im Übrigen besteht ein Anwendungsvorrang für Unionsrecht bei § 6b-Reinvestitionen in EU/EWR-Betriebstätten. Richtigerweise hat sich der deutsche Gesetzgeber gegen eine Abschaffung des § 6b EStG als Folge seiner EU-Problematik entschieden und mit § 6b Abs. 2a EStG eine neue antragsgebundene Stundungsmöglichkeit für EU/EWR-Reinvestitionsfälle geschaffen. Im Übrigen bleibt § 6b EStG für Inlandsfälle unberührt. Dadurch entsteht eine neue „dualistische § 6b-Struktur“, die im Einzelfall „Bruchstellen“ aufweist und neue Gestaltungsmöglichkeiten – etwa zur Vermeidung eines § 6b Abs. 7-Gewinnzuschlags bei fehlender Reinvestition – eröffnet. Dessen ungeachtet ist der vom Gesetzgeber im Steueränderungsgesetz 2015 vom 2.11.2015 eingeschlagene Weg meines Erachtens im Grundsatz zutreffend. Denn das seit 1964 bestehende § 6b-Wahlrecht hat als wirtschaftsförderndes Steuerstundungsinstrument eine lange und erfolgreiche Tradition mit flexibilitätsverbessernder Wirkung bei den Unternehmen, die erhaltenswert ist. Insgesamt dürfte für § 6c-Fälle Entsprechendes gelten. Ausgestaltung der EU/EWR-Stundungsmöglichkeit21: Die festgesetzte Steuer auf die aufgedeckten § 6b-Reserven kann nach der Neuregelung des § 6b Abs. 2a EStG durch Antrag des Steuerpflichtigen in (erfolgten oder in einem 4- bzw. 6-Jahreszeitraum geplanten) EU/EWR-Reinvestitionsfällen gleichmäßig auf 5 Jahre ohne Verzinsung gestreckt werden. In § 6b-Fällen mit Verlustsituationen entfällt die Stundungsmöglichkeit. 20 Vgl. Ismer, HHR, Einf. ESt, Anm. 421. 21 Vgl. zu ersten Erläuterungen Prinz, GmbHR 2015, R 257; Förster, WPg 2015, 1319; Adrian/Tigges, StuB 2015, 858; Kanzler, NWB 2015, 3814; Marcziniak/ Gebhardt/Buchholz, Ubg 2015, 685; Schiefer/Scheuch, FR 2016, 11; Loschelder, DStR 2016, 9; Watrin/Riegler, FR 2016, 345; Bannes/Holle, IStR 2016, 411; Weiss, EStB 2016, 102.

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Eine Reinvestition in Drittstaaten ist nicht begünstigt. Die erste Stundungsrate ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids, ansonsten jeweils am 31.5. der Folgejahre, fällig. Bilanziell ist eine entsprechende Steuerverbindlichkeit zu passivieren. Wird das Reinvestitionsgut während dieser Zeitspanne entnommen, veräußert oder außerhalb des EU/EWR-Raums verlegt, dürfte die noch nicht entrichtete verbleibende Steuer innerhalb Monatsfrist fällig werden. Der Rechtsverweis auf die sinngemäße Anwendung des § 36 Abs. 5 S. 2–5 EStG bei Betrieb-/Teilbetriebsaufgabe ist insoweit auslegungsbedürftig und letztlich sehr unscharf. Der Gesetzgeber geht erkennbar von einer zum Reinvestitionszeitpunkt bestehenden EU/EWR-Betriebstätte aus, der das Reinvestitionsobjekt objektiv zuzuordnen ist. Wird die Reinvestition unterlassen, entfällt die zinslose Verteilungsmöglichkeit rückwirkend. Schließlich soll die Regelung für alle offenen EU/EWR-Reinvestitionsfälle gelten (§ 52 Abs. 14 EStG). Kritische Stellungnahme: Die „rückwirkende Reparaturmaßnahme“ durch den deutschen Steuergesetzgeber als Folge der EuGH-Entscheidung vom 16.4.2015 durch Schaffung einer wahlweisen 5-Jahres-Stundung in Anlehnung an die Regelung der finalen Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3a i.V.m. § 36 Abs. 5 EStG) scheint mir ein zutreffender gesetzgeberischer Weg zu sein. Weitergehende Stundungsinstrumente – wie etwa eine Ausgleichspostenlösung oder eine Analogie zu § 6 Abs. 5 AStG mit einer zinslosen Steuerstundungsmöglichkeit jeweils bis zur Veräußerung des Reinvestitionsguts – wären zwar vorstellbar, aber aus Fiskalsicht vermutlich „zu teuer“. Ungeachtet dessen bleibt Kritik an diversen gesetzgeberischen Details und Unschärfen, mit denen sich vermutlich die Rechtsprechung befassen wird. Zu nennen sind im Wesentlichen: –

Der vom Gesetzgeber vorgesehene 5jährige Stundungszeitraum erscheint in Anbetracht der von 6b EStG betroffenen langlebigen Wirtschaftsgüter zu kurz bemessen und könnte zu einer erneuten Unionsrechtswidrigkeit des § 6b EStG führen. Allerdings wird man konzedieren müssen, dass der EuGH in seiner DMC-Entscheidung vom 23.1.201422 in einem Einbringungsfall die 5-Jahresfrist und in seinem Verder Lab Tec Judikat vom 21.5.201523 für Betriebsstättenfälle die 10-Jahresfrist als unionsrechtskonform beurteilt hat. § 6b EStG entfaltet allerdings eine typologisch langfristigere Wirkweise.

22 EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12, GmbHR 2014, 210. 23 EuGH v. 21.5.2015 – Rs. C-657/13, GmbHR 2015, 942.

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Nach dem Gesetzeswortlaut ist fraglich, ob die § 6b-Stundungsmöglichkeit auch auf die Gewerbesteuer ausstrahlt. Dies sollte, nicht zuletzt aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung des § 6b Abs. 2a EStG, auch von Seiten der FinVerw. akzeptiert werden.



Die zeitliche Befristung der Antragsstellung auf das Wirtschaftsjahr der Veräußerung ist zu eng und sollte seitens der FinVerw. im Billigkeitswege nicht als Ausschlussfrist behandelt werden. Im Übrigen würde auch die Rückwirkungsmöglichkeit des § 6b Abs. 2a EStG sinnwidrig in offenen Altfällen leer laufen.



Weiterhin klar unionsrechtsproblematisch scheint mir zu sein: § 6b Abs. 10 EStG mit den Besonderheiten bei durch natürliche Personen veräußerten KapGes-Anteilen im Teileinkünfteverfahren wird von § 6b Abs. 2a EStG nicht mitumfasst. Ob dies im Wege unionsrechtskonformer Auslegung geheilt werden kann, erscheint offen. Im Übrigen wurde die Inlandsbeschränkung des § 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG auf der Veräußerungsseite – 6-jähriges Mindestzeiterfordernis bestimmter Anlagegüter mit ununterbrochener Zurechnung zu einer inländischen Betriebstätte – dem EuGH bislang noch nicht vorgelegt. Betroffen davon dürften beispielsweise Veräußerungen in DBA-Anrechnungsbetriebsstätten sein.24

Lösung des Niederlande-Sachverhalts: Aufgrund der zeitlichen Anwendungsbestimmung des § 52 Abs. 14 EStG i.d.F. Steueränderungsgesetz 2015 – der bestehende Steuerbescheid 2006 darf nicht endgültig bestandskräftig sein – kann die § 6b-Veräußerungssteuer 2006 zinslos gleichmäßig auf 5 Jahre verteilt werden. Die Antragstellung kann erstmals im Anschluss an die Verabschiedung des Steueränderungsgesetzes 2015 erfolgen. Die Höhe der Reinvestition lässt den Umfang der Stundungsmöglichkeit unbeeinflusst; eine konkrete Reinvestitionsabsicht muss im Veräußerungsjahr nicht bestehen. Ausreichen dürfte die objektive Möglichkeit einer späteren Reinvestition in das Betriebsvermögen einer EU/EWR-Betriebsstätte.25 Die durch die Reinvestition in den Niederlanden ausgelösten Steuerfolgen bleiben von der nachträglichen inländischen Steuerstundungsmöglichkeit unbeeinflusst.

24 Zu weitergehenden Konstellationen auch Förster, WPg 2015, 1319, 1321 Fn. 14. 25 So zutreffend Loschelder, DStR 2016, 9, 13.

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IV. Vermarktungskostenzuschuss als partiarisches Darlehen 1. BFH vom 21.5.2015 – IV R 25/12: Medienfondsbesteuerung und gewährter Vermarktungskostenzuschuss (Fall 3) Die diversen komplexen Steuerrechtsfragen rund um geschlossene Medienfonds befinden sich noch immer in Klärung.26 Zunächst hatte der IV. Senat des BFH für die Produktionsseite des Fonds in seinem Aussetzungsbeschluss vom 6.11.200827 das Verfahren wegen unzureichender Tatsachenfeststellungen an die Erstinstanz zurückverwiesen. Materiellrechtlich ging es dabei im Wesentlichen um Fragen der Herstellereigenschaft hinsichtlich des Films durch den Fonds (unechte Auftragsproduktion). Nun gibt es mit dem BFH-Urteil vom 21.5.201528 eine erste Entscheidung zu Steuerfragen der Vertriebsseite der Medienfonds-Konzeption. Spezialfragen der Defeasance-Struktur (abstraktes Schuldanerkenntnis einer Bank als Aktivum des Medienfonds) sind nach wie vor offen.29 Sachverhalt: Es geht um die steuerbilanzielle Abbildung eines durch den Filmproduktionsfonds verausgabten Vermarktungskostenzuschusses. Das Streitjahr ist 2001 (keine Anwendung des § 15b EStG, der erst ab 11.11.2005 gilt). Der zwischen der Filmproduktionsfonds GmbH & Co. KG (= Lizenzgeber) und der ausländischen Verwertungsgesellschaft C-BV (= Lizenznehmer) abgeschlossene komplexe Lizenzvertrag sah neben einer festen halbjährlich anfallenden Lizenzgebühr die Leistung einer erfolgsabhängigen Schlusszahlung an den inländischen Medienfonds vor. Im Gegenzug wurde vom Medienfonds ein einmaliger Vermarktungskostenzuschuss (= verlorener Zuschuss) geleistet, der das Marketing und den Kinostart des Films sowie die Reklame- und Verkaufsförderrechte stärken sollte.

26 Vgl. dazu Wassermeyer, DB 2010, 354; Herzig/Briesemeister, Ubg 2011, 581; Theisen/Lins, DStR 2010, 1649; Elicker/Hartrott, BB 2011, 1879. Zu den zivilrechtlichen Aspekten der Prospekthaftung vgl. ergänzend BGH v. 22.10.2015 – III ZR 264/14, DB 2015, 2812. 27 BFH v. 6.11.2008 – IV B 126/07, BStBl. II 2009, 156. 28 BFH v. 21.5.2015 – IV R 25/12, BStBl. II 2015, 772. 29 Vgl. etwa FG München v. 8.4.2011 – 1 K 3669/09, EFG 2011, 1974.

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Der Medienfonds behandelt den „verlorenen Zuschuss“ als Betriebsausgabe im Entstehungsjahr und „sichert“ diese steuerliche Beurteilung zeitnah in einem Schriftwechsel mit der FinVerw. ab, ohne dass dies als verbindliche Auskunft (= abschließende Entscheidung) zu verstehen ist. Die Erfordernisse eines aktiven RAP (= Vorleistung im Rahmen eines schwebenden Geschäftes, § 5 Abs. 5 Nr. 1 EStG) sind demnach nicht erfüllt. Die steuerliche Behandlung wird im Anschluss an eine Außenprüfung 2009 streitig gestellt. Lösung des BFH: Während das FG München30 in der erstinstanzlichen Entscheidung vom 23.5.2012 den Zuschuss als aktiven RAP (= Vorleistung im Rahmen eines schwebenden Geschäftes) behandelt und gewinnmindernd linear über die Laufzeit des Lizenzvertrages auflöst, kommt der BFH im Revisionsverfahren zu einem völlig abweichenden Ergebnis. Er nimmt wegen einzelfallbezogener Besonderheiten eine „wirtschaftliche Umdeutung“ des Sachverhalts abweichend von den komplexen zivilrechtlichen Rechtsgrundlagen vor. Der Leitsatz der BFH-Entscheidung lautet: „Zahlt ein Filmproduktionsfonds dem zum Alleinvertrieb des Films berechtigten Lizenznehmer einen Einmalbetrag für Medien-, Marketing- und Kinostartkosten, kann darin ungeachtet der Bezeichnung als verlorener Zuschuss die Gewährung eines partiarischen Darlehens gesehen werden, wenn mit der Zahlung eine Erhöhung der Lizenzgebühren verbunden und die Rückzahlung des Betrages abgesichert ist.“

30 FG München, Urt. v. 23.5.2012 – 1 K 3735/09, EFG 2012, 1906. Kritisch dazu Lüdicke, DB 2015, 1070.

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Im Ergebnis gelangt der BFH im Wege der wirtschaftlichen Würdigung des Sachverhalts und ungeachtet der Vertragsbezeichnung zu einer Wertung des „Einmalbetrags für Medien-, Marketing- und Kinostartkosten“ als „partiarisches Darlehen“ für steuerbilanzielle Zwecke. Nur das finanzgerichtliche Verböserungsverbot (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) verhindert eine Korrektur des vom Finanzamt angesetzten aktiven RAP im Streitjahr. Die wesentlichen Gründe für die „revisionsrechtliche Umdeutung“ durch den BFH auf Grundlage der Tatsachenfeststellungen des Finanzgerichts sind: –

Die als Vermarktungskostenzuschuss „ausgereichte Geldsumme“ wird wegen der vertraglich vereinbarten Schlusszahlung wieder zurückgezahlt (= vertraglicher Rückforderungsanspruch, Rz. 21).



Das partiarische Darlehensentgelt besteht in einer Beteiligung an erhöhten fixen/variablen Lizenzerträgen bzw. den Erlösen aus der Veräußerung eines über die Schlusszahlung hinausgehenden Marktwerts (Rz. 20/22). Insoweit besteht nach Meinung des BFH eine synallagmatische Verknüpfung der Vermarktungskostenzahlung mit den Lizenzerträgen (Rz. 27, mit Hinweis auf „Modelle mit/ohne Vermarktungskostenzuschuss“).



Hinsichtlich des Vermarktungskostenzuschusses fehlt ein Ausfallrisiko wegen der Bankgarantie der ausländischen Verwertungsgesellschaft (Rz. 26). Schließlich sind die aufgeworfenen Rechtsfragen zum aktiven RAP nach Meinung des BFH wegen der vorgreiflichen Aktivierung des „verlorenen Zuschusses“ als Forderung nicht entscheidungserheblich. Der objektive Fehlerbegriff erlaubt insoweit eine Steuerbilanzkorrektur.

2. Kritische Stellungnahme Das vom BFH im Revisionsverfahren gefundene Ergebnis einer sehr weitreichenden „wirtschaftlichen Umdeutung“ der zivilrechtlich gewollten Behandlung als „verlorener Zuschuss“ hat die Fachwelt überrascht.31 Erwartet wurde eine Auseinandersetzung mit der Rechtsfrage, ob eine Behandlung des verlorenen Zuschusses als aktiver RAP anstelle eines sofor-

31 Vgl. zu ersten Einordnungen des Urteils Kleinmanns, BB 2015, 2034; Wendt, FR 2015, 943; Hoffmann, StuB 2015, 810 sowie DStR 2015, 1795.

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tigen Ausgabenabzugs in Betracht kommt. Auch wenn die Lösung des BFH im branchenbezogenen Streitfall zutreffend sein mag, beschreitet der BFH damit einen „gefährlichen Weg“, der kaum rechtssicher zu beantwortende Folgefragen nach sich zieht. Als „Steilvorlage“ für die FinVerw. für allgemeine Umdeutungsversuche ist die Entscheidung des BFH sicherlich nicht zu verstehen. Denn normalerweise ist das zivilrechtlich Vereinbarte auch das wirtschaftlich Gewollte. Man muss allerdings konstatieren, dass die hohe Vertragskomplexität des medienfondsbezogenen Streitfalls den BFH zu seinen wirtschaftlichen Wertungen „ermuntert“ haben mag. Ungelöste Folgefragen der Rechtsprechung lassen sich wie folgt umreißen: –

Der partiarische Darlehensanspruch beim inländischen Lizenzgeber ist steuerbilanziell als aktives Wirtschaftsgut zu werten, bei dem zukünftige Teilwertabschreibungen wegen voraussichtlich dauernder Wertminderung möglich sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Die später vom Lizenznehmer zu leistende Schlusszahlung ist in der Konsequenz als Tilgung des partiarischen Darlehens zu werten, stellt also insoweit keinen zukünftigen Ertrag dar. Im Übrigen stellt sich die Frage, ob die vom Lizenzgeber vereinnahmten Lizenzgebühren nach der Beurteilungskonzeption des BFH Zinserträge im Sinne des § 4h Abs. 3 EStG darstellen müssten. Zu all diesen Fragen finden sich in der BFH-Entscheidung selbst keine direkten Hinweise.



Im Hinblick auf die beim inländischen Lizenzgeber gem. § 5 Abs. 1 EStG anzuwendenden handelsrechtlichen GoB stellt sich die Frage, ob die wirtschaftliche Umdeutung des Vermarktungskostenzuschusses als partiarische Darlehensforderung in die Handelsbilanz des Medienfonds zu übernehmen ist. Dies ist schwerlich vorstellbar, trotz eigentlich „unteilbarer“ handelsrechtlicher GoB. Denn die Rechtsstrukturen der Vertragsbeziehungen zwischen Filmproduktionsfonds und ausländischer Verwertungsgesellschaft lassen letztlich nur eine Behandlung des Vermarktungskostenzuschusses als laufenden Betriebsaufwand oder aktiven RAP in der Handelsbilanz zu. Insoweit könnten sich auch in den laufenden Handelsbilanzen der Filmproduktionsfonds Fragen zu Steuerlatenzen ergeben.



Schließlich stellen sich Rechtsfolgenfragen beim Lizenznehmer, sofern dieser inländischen steuerbilanziellen Verpflichtungen unterliegt. Der vom Lizenznehmer empfangene Vermarktungskosten-

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zuschuss dürfte in der Konsequenz der Beurteilung durch den BFH keinen sofortigen Ertrag darstellen, sondern als partiarische Darlehensverbindlichkeit zu passivieren sein. Im Einzelfall wird man prüfen müssen, ob das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG erfüllt ist. Hinzu kommt, dass die vom Lizenznehmer geleisteten laufenden Lizenzzahlungen partiell in Zinsaufwendungen sowie Tilgungsbeträge umzuqualifizieren wären.

V. Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt 1. Fortentwicklung der Rangrücktritts-Judikatur durch BFH vom 15.4.2015 – I R 44/14 (Fall 4) Rangrücktrittsvereinbarungen in der Krise einer Gesellschaft stellen trotz der Rechtsprechung von BGH/BFH nach wie vor ein hoch praxisrelevantes „ungelöstes Gestaltungsproblem“ im Spannungsfeld von Insolvenzrecht/Steuerbilanzrecht dar.32 Das übliche Ziel einer Rangrücktrittsvereinbarung aus Schuldnersicht ist auf der einen Seite die Vermeidung einer handelsbilanziellen Überschuldung, ohne – auf der anderen Seite – den steuerbilanziellen Passivierungsaufschub gem. § 5 Abs. 2a EStG anwenden zu müssen. Im Insolvenzverfahren gilt ein Nachrang für entsprechende Gesellschafterdarlehen gem. §§ 19 Abs. 2, 39 Abs. 2 InsO. Sachverhalt (vereinfacht nachgebildet BFH vom 15.4.2015): Die UPGmbH erhält von ihrer Muttergesellschaft im Zuge einer Umstrukturierung zwei fremdüblich ausgestaltete Konzerndarlehen über insgesamt rd. 9 Mio. Euro. Zur Abwendung einer bilanziellen Überschuldung wird ein Rangrücktritt verbunden mit einer Besserungsabrede (= spezifizierter Rangrücktritt) folgenden Inhalts vereinbart: Die Muttergesellschaft tritt mit ihren Ansprüchen dergestalt hinter die Forderungen sämtlicher anderer Gläubiger zurück, dass sie „Tilgung und Verzinsung des Darlehens nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss verlangen kann“.

32 So zutreffend K. Schmidt, DB 2015, 600 und ergänzend in BB 2016, 2. Instruktiv aus steuerlicher Sicht Neumann/Förster, StbJb. 2012/2013, 377–383 mit einer Unterscheidung der verschiedenen Varianten von Rangrücktrittserklärungen vor/nach MoMiG v. 23.10.2008 (Rangrücktritt ohne Besserungsabrede, einfacher und qualifizierter Rangrücktritt durch Gleichstellung mit Einlagerückgewähransprüchen). Ergänzend auch Taplan/G. Baumgartner/E. Baumgartner, GmbHR 2015, 347.

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Die Betriebsprüfung postuliert im Streitjahr 2005 im Hinblick auf das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG die „Vollauflösung“ der Verbindlichkeit. Wegen Anwendung der Mindestbesteuerung kommt es trotz körperschaftsteuerlicher/gewerbesteuerlicher Verlustabzüge zu einer erheblichen Steuerbelastung. Die UP-GmbH wehrt sich finanzgerichtlich dagegen. Lösung des BFH:33 Das Ergebnis des Rechtsspruchs beim I. Senat ist „zweigeteilt“. Es erfolgt eine Zurückverweisung zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Finanzgericht. –

Tatbestand: Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG ist bei einer Verbindlichkeit geboten, die nur aus „künftigen Gewinnen und einem etwaigen Liquidationsüberschuss“ zu tilgen ist. Es fehlt nach Meinung des I. Senats an einer gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung, was wegen der steuergesetzlichen Sonderregelung des § 5 Abs. 2a EStG eine steuerbilanzielle Durchbrechung der Maßgeblichkeit bedeutet. Dies gilt – jedenfalls im Streitfall und abweichend von der erstinstanzlichen Entscheidung des Niedersächsischen FG vom 12.6.201434 – auch bei einer Bezugnahme auf „künftige Bilanzgewinne“. Nach der Definition in § 158 Abs. 1 AktG sind im „Bilanzgewinn“ abweichend zum Jahresüberschuss zwar auch aufgelöste Kapitalrücklagen enthalten. Im konkreten Sachverhalt waren sie aber nicht in ausreichender Höhe vorhanden. Der Senat bestätigt insoweit ausdrücklich seine Entscheidung vom 30.11.2011.35



Rechtsfolge: Der entstehende „Wegfallgewinn“ kann allerdings durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein und erfüllt dann in Höhe seines werthaltigen Teils den Einlagetatbestand. Insoweit nimmt der I. Senat eine Rechtsprechungskorrektur vor. Die Neutralisierung des Wegfallgewinns in Höhe des Teilwerts der betroffenen Darlehensforderung erfolgt außerbilanziell. Ausgelöst durch § 5 Abs. 2a EStG entsteht eine Art „temporäres Eigenkapital“. Der BFH zieht insoweit eine ausdrückliche Parallele zum Forderungsverzicht gegen Besserungsschein, obgleich der Rangrücktritt rein zivilrecht-

33 BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, BStBl. II 2015, 769. Die Rechtsfolgen aus Sicht des Darlehensgläubigers (§ 8b Abs. 3 KStG, bei natürlichen Personen § 3c Abs. 2 EStG) bleiben außer Betracht. Eine materielle Korrespondenz zur steuerlichen Behandlung beim Schuldner besteht nicht. Dazu auch Hoffmann, StuB 2015, 769 f. 34 Niedersächsisches FG v. 12.6.2014 – 6 K 324/12, EFG 2014, 1601. 35 BFH v. 30.11.2011 – I R 100/10, BStBl. II 2012, 332.

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lich betrachtet gerade keinen bedingten Forderungserlass, sondern vielmehr einen zu Gunsten der Gläubigergesamtheit wirkenden verfügenden Schuldänderungsvertrag gem. § 311 Abs. 1 BGB (mit vorinsolvenzrechtlicher Durchsetzungssperre) darstellt. Insoweit als ein Wegfallgewinn betrieblich veranlasst entsteht, ergibt sich eine steuerliche Einkommenserhöhung.

2. Kritische Stellungnahme und Beratungsüberlegungen Die BFH-Entscheidung vom 15.4.2015 ist hoch praxisrelevant und wirkt ambivalent. Denn einerseits wird die Vorgängerentscheidung vom 30.11.2011 bestätigt, andererseits korrigiert sich der I. Senat selbst hinsichtlich des Einlagetatbestands.36 Als allgemeine Empfehlung wird aus der BFH-Entscheidung für spezifizierte Rangrücktrittsformulierungen abgeleitet: Die Erfüllung der subordinierten Verbindlichkeit im späteren Besserungsfall sollte stets auch aus dem „sonstigen freien Vermögen“ erfolgen.37 Bei einem nicht spezifizierten Rangrücktritt (ohne konkrete Besserungsabrede) stellt sich allerdings die Frage, ob insoweit in der BFH-Entscheidung vom 15.4.2015 ein „verdeckter Dissens“ zu BFH vom 10.11.2005 besteht.38 Die Frage, ob auch bei einer solchen Gestaltung das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG eingreift, bedarf lt. Rz. 16 des Urteils vom 15.4.2015 keiner Entscheidung. Der insoweit einschlägige Leitsatz 3 des BFH-Urteils vom 10.11.2005, in welcher sich der IV. Senat den BFH dagegen eindeutig zur Nichtanwendbarkeit des § 5 Abs. 2a EStG bekennt, lautet: „Eine Rangrücktrittsvereinbarung führt nicht schon dann zur Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG …, wenn eine ausdrückliche Bezugnahme der Vereinbarung auf die Möglichkeit der Tilgung aus einem Liquidationsüberschuss oder aus sonstigem freien Vermögen fehlt …“

36 Vgl. dazu auch Kraft/Schreiber, NWB 36/2015, 2640: „krude Rechtsfolgen“ des § 5 Abs. 2a EStG werden in Teilbereichen abgemildert. 37 Vgl. übereinstimmend Oser, BB 2015, 1906; Hoffmann, DStR 2015, 1554; Briese, GmbHR 2015, 884: als „freies Vermögen“ wird das die sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners übersteigende Vermögen definiert; Bergmann/ Clemens, DB 2015, 1867; Scheifele/Nees, DK 2015, 417; Weber-Grellet, BB 2015, 2667; Rätke, StuB 2015, 771; Helios/Kröger, DStR 2015, 2478; Altrichter-Herzberg, GmbHR 2015, 1121; Paus, FR 2015, 980; Kahlert, DStR 2016, 209. 38 BFH v. 10.11.2005 – IV R 13/04, BStBl. II 2006, 618. Siehe dazu auch Wendt, StbJb 2003/2004, 247, 260.

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Eventuell könnte es in einem solchen Rangrücktrittsfall eines „fernen Tages“ zur Anrufung des Großen Senats kommen. Denn es dürfte wenig Hoffnung auf eine erneute Rechtsprechungskorrektur des I. Senats bestehen.39 Schließlich ist die Sicht der FinVerw. zum Rangrücktritt nach wie vor im Schreiben vom 8.9.2006 dokumentiert.40 Allerdings könnte eine Neujustierung der Verwaltungsauffassung geboten sein. Auch ist eine Übergangsregelung im Hinblick auf den Einlagetatbestand aufgrund der BFH-Entscheidung vom 15.4.2015 denkbar.41 Schließlich bedarf eine nachträgliche Aufhebung/Änderung einer Rangrücktrittsvereinbarung zumindest ab Eintritt der Insolvenzreife als „Vertrag zugunsten Dritter“ der Mitwirkung der begünstigten Gläubiger.42 Im Zusammenhang mit der Neujustierung des Anwendungsbereichs von § 5 Abs. 2a EStG durch das BFH-Urteil vom 15.4.2015 ergeben sich Folgefragen: –

Forderungsverzichte mit Besserungsschein wurden steuergestalterisch mitunter als „loss refresher“ genutzt. Grundgedanke dieser Verlustnutzungsstrategie ist: Die Erträge aus dem Forderungsverzicht laufen gegen zukünftig möglicherweise gefährdete steuerliche Verlustabzüge, die spätere „Wiedereinbuchung“ der Verbindlichkeit im Besserungsfall führt zu Betriebsausgaben. Im Hinblick auf die neue Einlagelösung des BFH bei Gesellschafterdarlehen könnten sich neue Rechtsprobleme im späteren Wiedereinbuchungsfall ergeben. In diesem Zusammenhang erscheint eine „Werthaltigkeitsdokumentation“ für relevante Einlagen erforderlich. Insoweit, als die FinVerw. den ursprünglichen Wegfallgewinn nicht über eine Einlage ganz oder teilweise kompensiert hat, dürfte es bei späterer Wiedereinbuchung beim Betriebsausgabenabzug verbleiben. Bei einer Übertragung von § 5 Abs. 2a EStG-Darlehen auf einen Dritten dürfte sich kein Anwendungsbereich für § 4f EStG ergeben.

39 Vgl. auch den Fortgang des Revisionsverfahrens zu FG Köln v. 26.3.2015 – 10 K 3777/09, EFG 2015, 1212. Das Az. des Revisionsverfahrens beim BFH lautet I R 25/15. 40 BMF v. 8.9.2006, BStBl. I 2006, 497. 41 Vgl. dazu auch Kraft/Schreiber, NWB 2015, 2647. Zu einem Fallbeispiel auch Schnitger, DB 2015, 1991. 42 So BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, DStR 2015, 767. Dazu auch Kahlert, DStR 2015, 734 sowie Westpfahl/Kresser, DB 2016, 33. Zur Diskussion um die handelsbilanzielle Behandlung des Rangrücktritts vgl. W. Müller, BB 2016, 491; Kahlert, BB 2016, 878 und Erwiderung von W. Müller, BB 2016, 880.

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Es wird im Zusammenhang mit der Passivierung einer Verbindlichkeit in der Liquidations-Schlussbilanz diskutiert, ob eine ertragswirksame Auflösung der Verbindlichkeit auch dann erforderlich wird, wenn sie mangels ausreichendem Aktivvermögen in Liquidationsverfahren nicht zurückgezahlt werden kann. Dies ist m.E. nicht der Fall, da die letztlich nicht getilgte Verbindlichkeit rechtlich bestehen bleibt, sofern kein Forderungsverzicht direkter oder indirekter Art erfolgt und eine „wiedereröffnete“ Nachtragsliquidation möglich ist. Dies entspricht im Ergebnis der Entscheidung des FG Köln vom 6.3.2012.43 Im Revisionsverfahren dazu hat der BFH die Frage des Bestehenbleibens der Verbindlichkeit letztlich offen gelassen, aber als „zumindest diskussionswürdig“ bezeichnet.44 Letztlich sollte im Ergebnis kein Wegfallgewinn im Zusammenhang mit der Verbindlichkeit in der Liquidations-Schlussbilanz entstehen.

VI. Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und Schätzungsbefugnis der Betriebsprüfung 1. BFH vom 25.3.2015 – X R 20/13: Problematische Hinzuschätzungen nach Zeitreihenvergleich (Fall 5) Arbeitsteilige Digitalisierung bei Erstellung der Buchführung, Integration in das Rechnungswesen sowie deren Überprüfung ist „auf dem Vormarsch“. Gerade in Betriebsprüfungen kleinerer und mittlerer Unternehmen gehören „Schätzungsversuche“ der FinVerw. vor allem bei bargeldnah tätigen Gewerbetreibenden zum Alltag. Insoweit geraten mitunter die Rechtsaspekte aus dem Blick, insbes. das Verbot der Umkehr der Beweislast ohne Gesetzesgrundlage. Die Ordnungsmäßigkeit der (handels- sowie steuerlichen) Buchführung und der rechnungslegungsmäßigen Aufzeichnungen (§§ 145, 146 AO) sind für deren Beweiskraft (§ 158 AO) unabdingbar. Nur wenn Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Rechnungslegung bestehen, sind „Schätzungen“ der FinVerw. erlaubt (§ 162 AO). Ebenfalls spielt die Mitwirkungsbereitschaft des Steuerpflichtigen zur Aufklärung von Fragen und die Vorlage von der BP gewünschter Unterlagen eine wichtige 43 Vgl. FG Köln v. 6.3.2012 – 13 K 3006/2011, EFG 2012, 1421. Dazu auch Farle, DStR 2012, 1590. 44 BFH v. 5.2.2014 – I R 34/12, DStR 2014, 1601. Dazu Mayer/Betzinger, DStR 2014, 1573. Zur Diskussion um ein Sanierungssteuerrecht auch Blumenberg/ Neumann, Ubg 2016 181, 256.

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Rolle. Insoweit sind im Zusammenhang mit Schätzungserwägungen der FinVerw. differenzierte Verhältnismäßigkeitserwägungen anzustellen. Besonders betroffen sind Betriebe der „Bargeldbranche“. Die Finanzverwaltung ist insoweit stets auf der Suche nach „verschwiegenen Erlösen“, „ausgefeilt geplanten Doppelverkürzungen“ (Wareneinsatz und Erlöse werden gemeinsam verschwiegen), vermutet „unvollständige Inventuren“ und setzt „Manipulationssoftware“ ein. Im Übrigen gibt es mittlerweile eine Reihe EDV-gestützter Schätzungs- und Verprobungstechniken (etwa Benfords-Gesetz, Chi-Quadrat-Test), die mitunter auch in Konzernfällen zum Einsatz kommen, aber zunächst einmal nur als „Anregung“ für vertiefte Prüfungen im Einzelfall verstanden werden dürfen.45 Hinweis: Das BMF hat am 18.3.2016 den Referentenentwurf eines „Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ sowie den dazugehörigen Entwurf einer „Technischen Verordnung zur Durchführung des Gesetztes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ veröffentlicht. Derzeit befindet sich der Entwurf in den parlamentarischen Beratungen. Geplant ist das Inkrafttreten der Neuregelungen ab 1.1.2019. Mittels verschiedener Änderungen in der Abgabenordnung – insbesondere einen neuen § 146a AO – sollen vor allem Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen verhindert, gleichzeitig soll deren Unveränderbarkeit sichergestellt werden. Zudem ist als neues Kontrollinstrument der Finanzverwaltung eine Kassennachschau geplant (neuer § 146b AO). Verstöße gegen die neuen Grundaufzeichnungsgebote werden sanktioniert (insbesondere durch Erweiterung des Steuergefährdungstatbestands gem. § 379 AO). Schließlich wird dem sogenannten INSIKA-Konzept (integrierte Sicherheitslösung für messwertverarbeitende Kassensysteme) im Ergebnis eine Absage erteilt. Die von der Finanzverwaltung vorgeschlagenen Maßnahmen und vor allem die Absage an das INSIKA-Konzept sind in der Fachwelt – selbst in den „eigenen Reihen“ der FinVerw. – hoch umstritten.46 Im Zusammenhang mit der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der daran gekoppelten Schätzungsbefugnis der Betriebsprüfung ist ein

45 Vgl. dazu Schumann/Wähnert, Stbg 2012, 535; instruktiv auch die Diskussion zwischen Petersen und Wähnert, Stbg 2015, 506–519. Ergänzend auch Anders/ Gärtner, Stbg 2016, 67. 46 Zur Diskussion vgl. A. Becker, DB 2016, 1090 sowie 1158; Herrfurth, StuB 2016, 384.

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neues bemerkenswertes BFH-Urteil vom 25.3.2015 zu beachten, das die Rechtssituation und konkrete Beweislastverteilung in detaillierter und subtiler Form ausleuchtet.47 Sachverhalt: Die Eheleute A betreiben gemeinsam eine „Schank- und Speisewirtschaft“ (GbR/OHG) und ermitteln ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Es wird eine „elektronische Registrierkasse“ sowie eine „Barkasse“ für die Thekeneinnahmen verwendet. Im Rahmen einer Außenprüfung werden diverse Buchführungsmängel beanstandet (bspw. teils fehlende Tagesendsummenbons, keine Inventur, Programmierprotokolle der Registrierkasse fehlen, Speisekarte wurde nicht vorgelegt). Daraufhin schätzt die BP mittels eines Zeitreihenvergleichs (Ermittlung von Rohgewinnaufschlagsätzen unter Verwendung von „höchstens 10-Wochen-Durchschnittswerten“) und gelangt zu pauschalierten Gewinnerhöhungen. Die Streitjahre sind 2001 und 2003. Die Steuerpflichtigen wehren sich gegen die Hinzuschätzungen. Steuerstrafrechtliche Überlegungen bleiben „außen vor“. Lösung des BFH: Nach Zulassung der Revision durch den BFH wurde das klageabweisende erstinstanzliche Urteil des FG Münster vom 26.7.2012 aufgehoben und zur Entscheidung zurückverwiesen. Damit hat der Steuerpflichtige einen „Teilsieg“ errungen, der endgültige Ausgang des Rechtstreits bleibt aber offen. Die BFH-Lösung ist differenziert, mit Folgeschwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung. Folgende Rechtsaspekte des Urteils sind wichtig: –

Der BFH erklärt seine „erkennbare Skepsis“ gegenüber dem Zeitreihenvergleich als mathematisch-statistische Verprobungsmethode. Dieses Zeitreihenverfahren setzt ein konstantes Verhältnis zwischen Wareneinsatz/Erlösen voraus und schafft bei Änderungen in der Betriebsstruktur große Unschärfen wegen „mathematischer Hebelwirkungen“. Nach Meinung des X. Senats beim BFH sind bloße „Geldverkehrsrechnungen“ abhängig vom Fehlergrad der Buchführung als Schätzungsverfahren vorrangig.



Nach Meinung des BFH ist die verwaltungsseitige Schätzungsbefugnis nach dem „Fehlergrad der Buchführung“ in drei Stufen abzuschichten. Es handelt sich um eine Art typisierte Ordnungsmäßigkeitskategorisierung.

47 Vgl. BFH v. 5.3.2015 – X R 20/13, BStBl. II 2015, 743. Instruktiv dazu Kulosa, DB 2015, 1797; Bahlburg, StuB 2015, 851.

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Bei geringfügigen formellen Mängeln in der Buchführung kann eine materielle Unrichtigkeit nicht allein auf den Zeitreihenvergleich gestützt werden.



Bei formell nicht ordnungsmäßiger Buchführung ohne konkreten Nachweis materieller Unrichtigkeiten der Einnahmenerfassung, sind andere Schätzungsmethoden vorrangig (Verwendung betriebsinterner Daten, Berücksichtigung individueller Verhältnisse). Der Zeitreihenvergleich ist insoweit nur nachrangig einsetzbar. Zudem sind dann über „bloße Abrundungen“ hinausgehende Abschläge erforderlich. Der konkrete Streitfall beim BFH wird in diese „mittlere Fehlerkategorie“ eingeordnet.



Schwere Buchführungsmängel: Weiterhin ist bei einer formell und inhaltlich nachgewiesenermaßen und signifikant unrichtigen Buchführung (Bagatellschwelle ist überschritten) ein technisch korrekt durchgeführter Zeitreihenvergleich zur Hinzuschätzung möglich, sofern sich im Einzelfall keine präzisere Schätzungsmethode aufdrängt.

Schließlich gibt der X. Senat des BFH konkrete besteuerungspraktische Hinweise zu „programmierbaren Kassensystemen“. Danach stellt das Fehlen der aufbewahrungspflichtigen Betriebsanleitung sowie der Protokolle nachträglicher Programmänderungen einen schweren formellen Mangel dar, der zu einer Hinzuschätzung berechtigt. Dies ist hinsichtlich der Fehlerqualität gleichgestellt mit dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse oder dem Fehlen von Kassenberichten bei einer offenen Ladenkasse.

2. Kritische Anmerkungen und Beratungsüberlegungen Die Entscheidung des X. Senats vom 25.3.2015 ist ein wichtiges Grundsatzurteil zur Zulässigkeit von Schätzungs- und Prüfungsmethoden, welches für „Abwehrüberlegungen“ bei betroffenen Steuerpflichtigen hilfreich ist. Allerdings ist die Unterscheidung der vom BFH typisierten Ordnungsmäßigkeitskategorien in der Besteuerungspraxis nicht immer einfach zu bewerkstelligen. Dies könnte in Einzelfällen zu einer „Überforderung“ von FinVerw. und Steuerpflichtigen gleichermaßen führen. Folgende Beratungserkenntnisse erscheinen wichtig: –

Schätzungsbefugnisse der Finanzverwaltung dem Grunde nach und Schätzungen der Höhe nach erfordern unterschiedliche Abwehrstrategien des Steuerpflichtigen. Stets ist eine lückenlose Systemdoku-

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mentation des elektronischen Kassensystems (einschließlich etwaiger Programmanpassungen) vorzuhalten. Die dokumentierbare Mitwirkungsbereitschaft des Steuerpflichtigen bei der Aufklärung des Sachverhalts ist praktisch wichtig. –

Falls Schätzungen seitens der BP zulässig sind, muss die für den Einzelfall geeignete Schätzungsmethode verwendet werden. Es ist deshalb nicht zulässig, dass die Finanzverwaltung „irgendeine“ oder die fiskaleinträglichste Schätzungsmethode verwendet. Die Methode des Zeitreihenvergleichs ist unter Berücksichtigung der Überlegung des X. Senats meist „second best“.



Steuerpflichtige sollten im Vorfeld von Betriebsprüfungen alles tun, um die Beweiskraft der Buchführung im Hinblick auf deren formelle und (noch wichtiger) materielle Richtigkeit sicherzustellen. Ansonsten „drohen“ Voll- oder Teilschätzungen, gegen die man sich rechtlich nur schwer wehren kann.



Schätzungen der FinVerw. bewirken keine generelle Umkehr der Beweislast für den Stpfl., sondern können rechtlich nur eine „vertiefte Prüfung des Einzelfalls“ anregen, die dann konkrete Buchführungsmängel zu Tage fördern muss.

3. Weitere praxiswichtige „Buchführungserkenntnisse“ Das BMF-Schreiben vom 14.11.2014 über die „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)“ enthält eine Reihe wichtiger Hinweise zur Stärkung der Beweiskraft der Buchführung. Die GoBD sind hoch praxisrelevant auch für den Datenzugriff gem. § 147 Abs. 6 AO. Die zunehmende DV-Durchdringung der Buchführung mit neuartigen Verprobungs- und Kontrollmöglichkeiten der FinVerw. setzt letztlich auf den neuartigen Risikomanagementsystemen der FinVerw. im Zuge der Modernisierung des Besteuerungsverfahrens auf.48 Neben der Entscheidung des BFH vom 25.3.2015 zum Zeitreihenvergleich sind einige wichtige weitere Judikate zu beachten, die verwaltungsseitigem Handeln bei DV-gestützter Buchführung Grenzen setzen:

48 Vgl. dazu auch Schumann, EStB 2015, 297; Goldshteyn/Thelen, DB 2015, 1126; Henn, DB 2015, 2660; Schwenker, DB 2016, 375. Der Gesetzgeber konzipiert derzeit ein neues „Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens“.

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In seiner Entscheidung vom 16.12.2014 leuchtet der VIII. Senat des BFH die Grenzen der Speicherung digitalisierter Steuerdaten aufgrund einer Außenprüfung bei Freiberuflern aus.49 Danach kann die FinVerw. die Herausgabe digitalisierter Steuerdaten zur Speicherung und Auswertung auf mobilen Rechnern der Prüfer nur verlangen, wenn Zugriff und Auswertung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen oder in den Diensträumen der FinVerw. stattfinden. Darüber hinaus ist eine Speicherung von Daten über den tatsächlichen Abschluss der Prüfung hinaus verfahrensrechtlich nur gedeckt, soweit und solange die Daten noch für Zwecke des Besteuerungsverfahrens (etwa bis zum Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens) benötigt werden. Derartige Verwendungsgrenzen für digitalisierte Buchführungsdaten müssen mitunter in Betriebsprüfungen klar gemacht und eingefordert werden.



In seiner Entscheidung vom 16.12.2014 befasst sich der X. Senat mit den Möglichkeiten des Zugriffs auf Kassendaten einer Apotheke im Rahmen einer Außenprüfung.50 Wichtig ist: Buchführungspflichtige Einzelhändler müssen im Rahmen der Zumutbarkeit sämtliche Geschäftsvorfälle einschließlich der über die Kasse bar vereinnahmten Umsätze einzeln aufzeichnen. Entsprechendes gilt nach Meinung des III. Senats51 beim BFH für bargeldbezogene Aufzeichnungspflichten im Taxigewerbe; die Einnahmeursprungsaufzeichnungen sollten für BP Prüfungszwecke aufbewahrt werden. Die Sorgfaltsanforderungen des BFH sind insoweit recht streng und tragen den Missbrauchsmöglichkeiten bei Bargeschäften Rechnung.

VII. Bilanzrechtsrelevante Tour d’Horizon zum Schluss 1. Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) vom 17.7.2015 Das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) datiert auf den 17.7.2015 und ist am 23.7.2015 in Kraft getreten.52 Damit wurde die EUBilanzrichtlinie 2013/34/EU in Deutschland fristgerecht in nationales 49 Vgl. BFH v. 16.12.2014 – VIII R 52/12, DStR 2015, 1920. Kritisch dazu Ochs/ Wargowske, DStR 2015, 2689. 50 BFH v. 16.12.2014 – X R 42/13, DStR 2015, 892. 51 BFH v. 18.3.2015 – III B 43/14, DStRE 2015, 769. 52 BilRUG v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245. Zu den zahlreichen Details vgl. Zwirner/Petersen, WPg 2015, 811. Oser/Orth/Wirtz, DB 2015, 1729; Reitmeier/Rimmelsbacher u.a., DB Beilage 5 zu Heft 36/2015; Zwirner u.a., DB Beilage Nr. 6 zu Heft 48/2015.

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Recht umgesetzt. Darüber hinaus ist eine weitere Harmonisierung der Rechnungslegung und Finanzberichterstattung in Europa geplant. Das BilRUG ist erstmalig anzuwenden auf Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2015 beginnen. Es besteht ein Unternehmenswahlrecht für die vorzeitige Anwendung der erhöhten Schwellenwerte (§§ 267, 293 HGB) in Verbindung mit der Neudefinition der Umsatzerlöse (§ 277 Abs. 1 HGB) für Geschäftsjahre die nach dem 31.12.2013 beginnen. Das BilRUG enthält eine Vielzahl wichtiger handelsrechtlicher Detailänderungen. Zu nennen sind bspw. die Konkretisierung der Erleichterungsvorschriften für bestimmte, in einen Konzernabschluss einbezogene Tochterunternehmen (§ 264 Abs. 3 HGB) sowie die neue Ausschüttungssperre für phasengleich vereinnahmte Beteiligungserträge gem. § 272 Abs. 5 HGB, die in ihren Anwendungswirkungen streitig ist. Unmittelbare Ausstrahlungen auf das Bilanzsteuerrecht ergeben sich durch das BilRUG nicht. Allerdings hat der Deutsche Bundestag in einer zeitgleich mit der Verabschiedung des BilRUG erfolgten Entschließung vom 18.6.2015 die Bundesregierung aufgefordert kurzfristig zu prüfen, ob der 7-jährige Bezugszeitraum für den Diskontierungszinssatz gem. § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB für Pensionsrückstellungen wegen der dauerhaften Niedrigzinsphase anzupassen ist. Gedacht wird an eine Verlängerung des Durchschnittszeitraums in Kombination mit einer Ausschüttungssperre, die allerdings im Jahre 2015 wegen denkbarer Weiterungen nicht umgesetzt worden ist. Im Übrigen ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung zu einer Kleinen Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen vom 9.9.2015, dass die Bundesregierung auch eine Anpassung der bilanzsteuerlichen Abzinsungssätze (6 % für Pensionsrückstellungen gem. § 6a Abs. 3 Satz 1 HGB sowie 5,5 % bei längerfristigen Verbindlichkeiten/Rückstellungen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3, 3a Buchst. c EStG) prüfen wird.53 Hinweis: Zwischenzeitlich hat der Handelsgesetzesgeber der Niedrigzinsthematik zu Beginn des Jahres 2016 Rechnung getragen und im „Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften“ vom 11.3.201654 die in § 253 Abs. 2 HGB angeordnete durchschnittliche Marktzinsberechnung für Geschäftsjahre ab 2016 – wahlweise auch bereits ab 2015 – von 7 auf 10 Jahre verlängert. Dies führt zu einem für die Unternehmen besser „verkraft53 Zur Diskussion mit weiteren Details vgl. Prinz, WPg 2015, 1223, 1225 f.; Prinz, DB 2016, 9. 54 BGBl. I 2016, 396.

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baren“ Pensionsrückstellungsaufbau. Flankiert wird diese handelsbilanzielle Zinsverstetigung von einer (im Detail allerdings misslungenen) Ausschüttungssperre (§ 253 Abs. 6 HGB n.F.) sowie Erläuterungen zum Unterschiedsbetrag aus der Abzinsung mit einem Bezugszeitraum von 7 und von 10 Jahren in jedem Geschäftsjahr im Anhang der Bilanz oder „unter der Bilanz“. Im Steuerbilanzrecht besteht dagegen auch weiterhin „gesetzgeberischer Stillstand“. Vor allem der marktferne Stichtagszins von 6 % bei der Bewertung von Pensionsrückstellungen gemäß § 6a Abs. 3 Satz 1 HGB gerät zunehmend in den verfassungsrechtlichen „Blickpunkt“.55

2. Bürokratieentlastungsgesetz (BükrEG) vom 28.7.2015 Im BükrEG vom 28.7.201556 ist eine Anhebung der Größengrenzen für die handelsrechtliche und steuerliche Buchführungspflicht gem. §§ 241a HGB/141 AO mit Geltung für Geschäftsjahre/Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2015 beginnen, erfolgt. Die Gewinngrenze wurde von 50.000 Euro auf 60.000 Euro, die Umsatzgrenze von 500.000 Euro auf 600.000 Euro erhöht. Die ebenfalls im Zuge der Diskussion um das BükrEG ins Auge gefasste Erhöhung der 410-Euro-Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 2 EStG) wurde nicht umgesetzt, bleibt aber dem Vernehmen nach in der politischen Diskussion (Zielgröße 1.200 Euro bei Abschaffung von Sammelposten/Pauschalabschreibung gem. § 6 Abs. 2a EStG).57 Auch wurde die Diskussion um die handelsund steuerbilanziellen Abweichungen der Herstellungskosten-Untergrenze hinsichtlich der Kosten der allgemeinen Verwaltung usw. gem. § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB durch den Gesetzgeber bislang nicht aufgegriffen. Nach wie vor in Diskussion steht insoweit, die handels- und steuerbilanzielle Wahlrechtsausübung „gleichzuschalten“.58 Die seit dem 55 Vgl. als Überblick Prinz/Keller, DB 2016 1033–1041; ergänzend auch Hey, FR 2016, 485. 56 BükrEG v. 28.7.2015, BGBl. I 2015, 1004. 57 Vgl. Ortmann-Babel, DB 2015, 1753. Eingehend mit einer Analyse des gesetzgeberischen Anpassungsbedarfs für GWG’s vgl. Wengerofski, DStR 2015, 2744. 58 In die parlamentarischen Verhandlungen zum „Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens“ ist auf Initiative des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages im Mai 2016 eine entsprechende Regelung zu den wahlweisen Herstellungskosten in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG-E aufgenommen worden, die rückwirkend für alle offenen Fälle gelten soll. Dabei ist geplant, das steuerbilanzielle Wahlrecht bei Gewinnermittlung nach § 5 EStG nur in

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BilMoG 2009 abgeschaffte Umkehrmaßgeblichkeit hätte dann einen erneuten Anwendungsbereich.

3. Steueränderungsgesetz (StÄndG) 2015 vom 2.11.2015 Das StÄndG 2015 vom 2.11.201559 hat im Steuerbilanzrecht die wichtige europarechtsinduzierte Modifikation des § 6b EStG gebracht. Darüber hinaus wurde der Investitionsabzugsbetrag gem. § 7g Abs. 1–4 EStG durch Wegfall des Funktionsbenennungserfordernisses sowie der Investitionsabsicht mit Wirkung ab 1.1.2016 flexibilisiert. Zu beachten ist ungeachtet dieser Flexibilisierung allerdings: Der Investitionsabzugsbetrag ist in die amtliche Datenübermittlung durch Datenfernübertragung einzubeziehen. Ansonsten wurde die Altregelung des § 7g EStG beibehalten. Schließlich ist in diesem Zusammenhang der neue Beschluss des Großen Senats beim BFH vom 14.4.2015 zu § 7g EStG 200260 betreffend das Streitjahr 2003 bedeutsam. Eine Ansparabschreibung kommt danach nicht in Betracht, wenn im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung beim Finanzamt bereits feststeht, dass der Betrieb zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werden soll. Der Große Senat folgt darin der Rechtsauffassung des I. Senats, nicht aber des vorlegenden X. Senats. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis des Großen Senats, dass sich durch die Einbringung ebenso wie bei einer Veräußerung der Rechtsträger des Betriebs in Folge eines entgeltlichen Vorgangs ändert. Die von der FinVerw. im Umwandlungssteuererlass vom 11.11.2011 vertretene Meinung61, dass Umwandlungsfälle im Grundsatz als veräußerungs- und tauschähnliche Vorgänge einzustufen sind, wird insoweit vom Großen Senat bestätigt. Eine „Vereinigung der Leistungsfähigkeit“ der einbringenden mit der aufnehmenden Kapitalgesellschaft erfolgt durch einen Einbringungsvorgang nicht. Die Rechtsnachfolge bei Einbringungsvorgängen erstreckt sich demnach nur auf objektbezogene Besteuerungsmerkmale, die den eingebrachten Wirtschaftsgütern anhaften, aber nicht auf die Person des Steuerpflichtigen.

Übereinstimmung mit der Handelsbilanz ausübbar zu machen. Dies soll der Vereinfachung und dem Bürokratieabbau dienen. 59 StÄndG v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1833. Vgl. Grützner, StuB 2015, 904. 60 BFH v. 14.4.2015 – GrS 2/12, BStBl. II 2015, BFH/NV 2015, 1737. Dazu kritisch Weber-Grellet, FR 2015, 1085. 61 Vgl. BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 00.02, 00.03.

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4. BMF-Schreiben vom 12.5.2015 zu Lifo-Methode Die Lifo-Methode des § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG zur Bewertung gleichartiger Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens ist ein eigenständiges steuerliches Wahlrecht bei Gewinnermittlern nach § 5 Abs. 1 EStG, welches unabhängig von der Handelsbilanz (§ 256 HGB) und auch einer Einzelbewertung nach IFRS-Grundsätzen ausgeübt werden kann. Eine Maßgeblichkeitsverknüpfung besteht nicht. Die FinVerw. hat ihre Anwendungsüberlegungen zur Lifo-Methode in einem begrüßenswerten neuen BMF-Schreiben vom 12.5.2015 aufgearbeitet.62 Wichtig für die Praxis ist: –

Der Einsatz elektronischer Warenbewirtschaftungssysteme schließt die Anwendung des Lifo-Verfahrens im Grundsatz nicht aus. Allerdings bestehen bei Handelswaren – dies sind zum Verkauf und nicht zur weiteren Ver- oder Bearbeitung bestimmte Vorräte – vereinfachungsbedingte Restriktionen.



Bei verderblichen Waren, die eine Haltbarkeitsdauer von bis zu einem Jahr haben, ist die Lifo-Methode wegen des GoB-Entsprechensvorbehalts nach Meinung der FinVerw. ausgeschlossen. Dies erscheint im Grundsatz nachvollziehbar.



Schließlich ist das BMF-Schreiben in allen offenen Fällen anwendbar. Wegen der praktischen Handhabung der Lifo-Methode durch die FinVerw. in der Vergangenheit, wirkt diese Anwendungsbestimmung streitschlichtend.

Schließlich ist der Gesetzgeber Ratschlägen zur Streichung des GoB-Bezugs in § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG63 bislang nicht gefolgt.

5. Weitere praktische Streitfelder Abschließend sollen drei für die Steuerbilanzierungspraxis wichtige Diskussionspunkte genannt werden: –

In zwei Judikaten lotet der IV. Senat des BFH die Grenzen korrespondierender Bilanzierung im Rahmen der Mitunternehmerschaftsbesteuerung aus. Es geht um die Bilanzierung von Instandhaltungs-

62 BMF v. 12.5.2015, BStBl. I 2015, 462. Zu Erläuterungen vgl. Prinz, DB 2015, 1196 sowie eingehend zur Thematik StbJb 2014/2015, 376–382; Marx, StuB 2015, 443; Bolik/Bureck, NWB 2015, 2214; ergänzend auch Weinzierl/Risse/ Möller, StuB 2016, 172. 63 Vgl. die Eingabe des IDW v. 5.11.2014 zum Zollkodex-Anpassungsgesetz.

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ansprüchen bei Sonderbetriebsvermögen und Betriebsaufspaltung. Unabhängig von einer Rückstellung für rückständige Instandhaltungsverpflichtungen in der Gesamthandsbilanz der PersGes kommt beim verpachtenden Mitunternehmer die Aktivierung eines Instandhaltungsanspruchs regelmäßig nicht in Betracht.64 –

In der „Jahresabschluss-Saison 2014/2015“ werden Teilwertzuschreibungen bei Schweizer Franken Verbindlichkeiten aufgrund voraussichtlich dauerhafter Teilwerterhöhung intensiv diskutiert. Die auftretenden Rechtsfragen sind offen. Die FinVerw. hat in ihrem Teilwerterlass vom 16.7.2014, Rz. 13 eine voraussichtlich dauernde Teilwerterhöhung nur für den Fall von Fremdwährungsverbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von jedenfalls zehn Jahren abgelehnt. Die Währungsschwankungen gleichen sich insoweit nach Meinung des BFH in der Regel aus.65



Schließlich sind derzeit Mehrkomponentengeschäfte intensiv im Gespräch.66 Steuerbilanzielle Details dazu sind zu entwickeln.

64 BFH v. 12.2.2015 – IV R 29/12, BFH/NV 2015, 895 sowie v. 12.2.2015 – IV R 63/11, BFH/NV 2015, 832. Dazu auch Tiedchen, StuW 2015, 281; Kolbe StuB 2015, 530; Weber-Grellet, FR 2015, 557; Hoffmann, DStR 2015, 814; Korn/ Strahl, NWB 2015, 3731 f. 65 Vgl. zur Diskussion Hölscher, DStR 2015, 1401; Prinz, StBJb 2014/2015, 365, 373–376. Vgl. BMF-Schreiben v. 16.7.2014 – IV C 6 – S 2171 – B/09/10002, BStBl. I 2014, 1162. 66 Vgl. HFA v. 2./3.6.2015 zur handelsrechtlichen Bilanzierung bei verbilligter Abgabe von Mobilfunktelefonen, Fachnachrichten-IDW 7/2015, 388.

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Rechtsprechungs-Highlights zum internationalen Steuerrecht Dr. Peter Brandis Richter am BFH, München Inhaltsübersicht I. Sog. Sperrwirkung von Art. 9 OECD-MA 1. Ein kurzer Rückblick 2. Ausstrahlung auf die „Berichtigung von Einkünften“ i.S. § 1 AStG II. Bindungswirkung einer Konsultationsvereinbarung III. Update zur Berücksichtigung ausländischer Verluste 1. Zuordnung bei gescheitertem/beendetem Engagement

2. Verlustberücksichtigung bei ausländischer (EU-/ EWR-)Betriebsstätte IV. Gewerbesteuerrechtliche Kürzung des Gewinns bei AStG-Hinzurechnungsbetrag V. Schachtelprivileg bei Auslandsdividende im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis VI. Grenzüberschreitende Anrechnung einer Körperschaftsteuer (KStG a.F.)

I. Sog. Sperrwirkung von Art. 9 OECD-MA 1. Ein kurzer Rückblick Mit dem BFH-Urteil vom 11.10.2012 – I R 75/111 wurde zu einer (schriftlich nachträglich fixierten, nicht vorherig erkennbaren) Kostenumlagevereinbarung mit der niederländischen 100 %-Muttergesellschaft Folgendes entschieden: „Der abkommensrechtliche Grundsatz des „dealing at arm’s length“ (nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA, hier: nach Art. 6 Abs. 1 DBA-Niederlande 1959) entfaltet bei 1 BStBl. II 2013, 1046. Literatur: Andresen/Immenkötter/Frohn, DB 2013, 534; Böhmer, IStR 2013, 270; Böing, BB 2013, 360 u. GmbH-StB 2013, 68; Ditz, ISR 2013, 54; Engel/Hilbert, IWB 2013, 123; Gosch, BFH/PR 2013, 88 u. in Gosch/ Korn/Strahl, Steuerrechtsprechungs-Forum 2012/2013, 2013, Tz. A/23 u. in StBJb 2013/2014, 3, 27 f.; Haverkamp, ISR 2013, 96; Kircher/Moll, DStR 2013, 1111; Kröner/Köth, BB 2013, 2007, 2011; Märtens, jurisPR-SteuerR 6/2013 Anm. 2; Pezzer, FR 2013, 417; Schmidjell-Dommes, SWI 2013, 191; Schnorberger/Becker, IStR 2013, 112.

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Brandis, Rechtsprechungs-Highlights zum internationalen Steuerrecht verbundenen Unternehmen eine Sperrwirkung gegenüber den sog. Sonderbedingungen, denen beherrschende Unternehmen im Rahmen der Einkommenskorrektur nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG bei Annahme einer vGA unterworfen sind.“

Im Urteil ist ausgeführt, dass ein einkommenserhöhender Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA – § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) unter Hinweis auf die „Sonderbedingungen in der Beherrschungssituation“ (klare, vorherige, rechtswirksame und tatsächlich durchgeführte Vereinbarung) infolge einer sog. abkommensrechtlichen Sperrwirkung des Art. 6 Abs. 1 DBA-NL 1959 ausgeschlossen ist. Jene Regelung (entsprechend Art. 9 Abs. 1 OECD-MA/DE-VG) ermöglicht eine – mit § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG inhaltlich vergleichbare – Gewinnberichtigung („arm’s length-Prinzip“): Es „dürfen“ Gewinne, die eines der beiden verbundenen Unternehmen üblicherweise erzielt hätte, aber wegen nicht fremdvergleichsgerechter Bedingungen nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet und entsprechend besteuert werden. Zwar bestimmt die Regelung den Fremdvergleichsmaßstab konstitutiv; sie erfordert allerdings eine innerstaatliche Rechtsgrundlage, die ihrerseits die Gewinnberichtigung ermöglicht (Gewinnabgrenzungs-, keine Gewinnkorrekturnorm [keine „self executing-Wirkung“]). Art. 6 Abs. 1 DBA-NL 1959 bestimmt den „Rahmen“ der abkommensrechtlichen Bedingungen, errichtet gleichzeitig „Schranken“ – die Regelung „sperrt“ für ihren Anwendungsbereich weitergehende, innerstaatlich zulässige Korrekturmöglichkeiten aus. Die „wirtschaftlichen oder finanziellen Bedingungen“ können zwar auch durch gesellschaftsrechtlich veranlasste Vorgänge beeinflusst werden; die Regelung erfasst aber nur Vorgänge, die die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten berühren – eine Prüfung einer „vorgelagerten“ Stufe zum „Grund“ (Üblichkeit, Ernsthaftigkeit) sei dem „arm’s length“-Prinzip fremd (lediglich „Scheingeschäfte“ im formalen Gewand einer schuldrechtlichen Vereinbarung könnten davon auszunehmen sein). Die „Sperrwirkung“ hat dabei auch zur Folge, andernfalls drohende doppelte Besteuerungen – Besteuerung sowohl in dem einen wie in dem anderen Vertragsstaat (eine Gegenkorrektur i.S. Art. 9 Abs. 2 OECDMA/DE-VG kennt die vGA nicht [evtl. nur: Verständigungs- oder Schiedsverfahren]) – zu vermeiden. Damit waren verschiedene Folgefragen aufgeworfen: Weiteranwendung der Grundsätze („Sonderbedingungen“) bei Inlandssachverhalten als Verstoß gegen Art. 3 GG („versteckte Inländerdiskriminierung“)2 oder bei Sachverhalten „über die Grenze“ bei fehlender Sperrklausel als Ver2 Z.B. dazu abl. Gosch, StBJb 2013/2014, 3, 27 f.

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Brandis, Rechtsprechungs-Highlights zum internationalen Steuerrecht

stoß gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit? Dokumentationsanforderungen (Verrechnungspreise) als Formalanforderungen i.d.S.3 oder ist eine nachvollziehbare Dokumentation als Grundlage der Angemessenheitsentscheidung anzusehen bzw. abgedeckt durch § 90 Abs. 3 AO?4 Gibt es weitergehende „Sperrwirkungen“ für die Einkünftekorrektur gem. § 1 AStG?

2. Ausstrahlung auf die „Berichtigung von Einkünften“ i.S. § 1 AStG An dieses BFH-Urteil I R 75/11 (s.o.) schließt das BFH-Urteil vom 17.12.2014 – I R 23/135 an: „… 2. Der abkommensrechtliche Grundsatz des „dealing at arm’s length“ nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: nach Art. 9 Abs. 1 DBA-USA 1989) ermöglicht eine Einkünftekorrektur nach nationalen Vorschriften der Vertragsstaaten (hier nach § 1 Abs. 1 AStG i.d.F. des StVergAbG v. 16.5.2003) nur dann, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis (hier: ein Darlehenszins) seiner Höhe, also seiner Angemessenheit nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhält. Er ermöglicht indessen nicht die Korrektur einer Abschreibung, die (nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 2002) auf den Teilwert der Forderung auf Rückzahlung der Darlehensvaluta und auf Zinsrückstände vorzunehmen ist, weil die inländische Muttergesellschaft das Darlehen ihrer ausländischen (hier:

3 So werden weitergehende „Sperrwirkungen“ für die Einkünftekorrektur gem. § 1 AStG z.B. von Engel/Hilbert, IWB 2013, 123, 126 abgeleitet (zur Fiktion der umfassenden Kenntnis beim sog. hypothetischen Fremdvergleich in § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG [„Hellseherklausel“ – s.a. Böhmer, IStR 2013, 270, 273]; zum Abstellen auf den Median bei der Verrechnungspreiskorrektur in § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG [ebenso Böhmer, IStR 2013, 270, 274]; zur Ermittlung der Vergütungen für die Funktionsverlagerungen anhand des Transferpaketansatzes; zur widerlegbaren Vermutung einer Preisanpassungsklausel sowie zur Anpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG). S.a. Vogel, StuB 2015, 590, 594 ff.; allerdings liegen darin möglicherweise z.T. „nur“ materielle Aspekte des Fremdvergleichs (s. z.B. Ditz, ISR 2013, 54, 56; Hruschka, ISR 2013, 123, 124). 4 S. insoweit BFH, Urt. v. 10.4.2013 – I R 45/11, BStBl. II 2013, 771. 5 BStBl. II 2016, 261 (mit Nichtanwendungsschreiben des BMF v. 30.3.2016, BStBl. I 2016, 455 – dazu z.B. Greil/Wargowske, ISR 2016, 157; Hölscher, IStR 2016, 350; Weiss, GmbH-StB 16, 134). Literatur z.B. Berner, ISR 2015, 254; Gosch, BFH/PR 2015, 173 u. StBJb 2015/2016, 3; Hagemann/Kahlenberg, NWB 2015, 2724; Hagemann/Kahlenberg/Cloer, BB 2015, 2455, 2457; Krämer, GmbH-StB 2015, 126; Rasch/Chwalek, IWB 2015, 377; Rudolf, BB 2015, 626; Schnorberger/ Langkau, IStR 2015, 242; Vogel, StuB 2015, 590.

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Brandis, Rechtsprechungs-Highlights zum internationalen Steuerrecht US-amerikanischen) Tochtergesellschaft in fremdunüblicher Weise unbesichert begeben hat (Abweichung vom BMF-Schreiben v. 29.3.2011, BStBl. I 2011, 277, dort Rz. 3). 3. Ob die Teilwertabschreibung der Rückzahlungsforderungen infolge der fehlenden Besicherung gerechtfertigt ist, bestimmt sich (auch) nach den Maßstäben des sog. Konzernrückhalts (insoweit Bestätigung des BMF-Schreibens, a.a.O., dort Rz. 13).“

Dabei ging es um eine GmbH, die im Jahr 2000 zusammen mit einem anderen Unternehmen zur Erschließung des US-amerikanischen Marktes eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft (H-Inc.) gegründet hatte (Beteiligung: 60 %); nach dem Ausscheiden des anderen Gesellschafters leistete sie auf eine Bürgschaftsverpflichtung (bezogen auf ein Bankdarlehen an die H-Inc.) und gewährte in den Streitjahren mit 5 % verzinste aber unbesicherte Darlehen, die aus der Liquidität zukünftiger Gewinne der H-Inc. zurückgezahlt werden sollten. Bereits in dem jeweiligen Jahr ihrer Hingabe wurden die Darlehensforderungen einzelwertberichtigt, wobei das FA die Einkünfte insoweit unter Hinweis auf § 1 Abs. 1 AStG korrigierte. In diesem Zusammenhang wären folgende Fragen (Tatbestandsvoraussetzungen) zu beantworten gewesen: Ist die fehlende Besicherung des Darlehens eine „Bedingung“ i.S. § 1 AStG? Wenn ja: Ist die fehlende Besicherung und die infolgedessen ausgelöste Teilwertabschreibung für die Einkünfteminderung als Gewinnverlagerung in das Ausland ursächlich („dadurch“)? Wäre eine Korrektur verfassungs- und unionsrechtskonform? Der BFH konzentrierte sich auf einen anderen Aspekt: „Selbst wenn alle Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AStG a.F. erfüllt wären, müsste eine Einkünftekorrektur wegen einer fehlenden Darlehensbesicherung ausscheiden, weil sie sich nicht mit der im Streitfall einschlägigen Abkommenslage nach Maßgabe von Art. 9 Abs. 1 DBA-USA 1989 und mit dem darin bestimmten Fremdvergleichsmaßstab vertrüge.“ Die „Sperrwirkung“ (s.o. zu 1. – hier bezogen auf das DBA-USA und ohne Hindernis in Prot. Nr. 7 zum DBA6) betreffe auch § 1 Abs. 1 AStG a.F.: Damit muss die erlittene Gewinnminderung in einem Zusammenhang mit den auferlegten oder vereinbarten Bedingungen stehen. Die Vereinbarungskonditionen können sich nach dem in Art. 9 Abs. 1 OECD-MA angelegten Prüfmaßstab nur insofern auswirken, als deren „Qualität“ die Zinshöhe im Fremdvergleich „nach oben“ oder „nach unten“ beeinflusst; die Konditionen bilden insoweit stets (nur) die Grundlage für die Überprüfung der Ver6 S. insoweit Vogel, StuB 2015, 590, 593 f.

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rechnungspreise. Bedingungen, die im Rahmen einer Geschäftsbeziehung zwischen verbundenen Unternehmen vereinbart worden sind, können sich deswegen in Einklang mit dem abkommensrechtlich zulässigen Korrekturmaßstab auf die nach § 1 Abs. 1 AStG a.F. vorzunehmende Einkommenskorrektur regelmäßig bloß dann auswirken, wenn sie tatsächlichen Einfluss auf die Höhe der Leistungsbedingungen nehmen. Dazu („Höhe des Zinses“) gehören im Einzelfall auch die Risiken, die aus einer fehlenden Darlehensbesicherung resultieren. Anders kann es sich allerdings unter den Gegebenheiten des sog. Konzernrückhalts7 verhalten, welcher alle Vorteile eines Unternehmens beschreibt, die sich allein aus der Zugehörigkeit zum Unternehmensverbund ergeben: Dann kann sich eine Risiko-Kompensation durch den vereinbarten Zinssatz erübrigen, solange der beherrschende Gesellschafter die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft sicherstellt, solange diese also ihren Außenverpflichtungen nachkommt (Konzernrückhalt als ausreichende Sicherheit). Damit kann sich eine Korrektur nur auf jene Beträge (= Einkommenswirkungen) beziehen, die durch einen nicht fremdvergleichsgerechten (zu niedrigen Zins) bewirkt werden; im Umfang der Teilwertabschreibungen (Bestand der Forderung) scheidet eine Korrektur aus. Da § 1 Abs. 1 AStG a.F. auch nicht als „treaty override“ abkommenserweiternd ausgestaltet ist, muss die Regelung in seinen Wirkungen das abkommensrechtliche Maß (das allerdings in jedem Einzelfall zu prüfen ist [evtl. länderspezielle Öffnungsklauseln im jeweiligen DBA möglich!]) einhalten. Damit dürfte aber nicht ausgeschlossen sein, eine durch eine andere gesetzgeberische Motivation (als die Gewinnabgrenzung) getragene (nationale) Regelung der Einkommensermittlung anzuwenden, insb. § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG als spezielle Missbrauchsvermeidungsnorm mit Blick auf das Abzugsverbot in § 8b Abs. 3 Satz 1–3 KStG (zeitliche Anwendung ab VZ 2008),8 evtl. auch die sog. Zinsschranke.9 Zu § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG sollte nicht der Blick auf den dortigen Satz 6 7 Aus der Sicht des Darlehensnehmers: Auch Dritte würden bei einer Darlehensvergabe im Hinblick auf die Konzernzugehörigkeit günstigere (Sonder-)Konditionen einräumen. 8 S. Gosch, BFH/PR 2015, 173, 174 u. StBJb 2015/2016, 3; abw. Rudolf, BB 2015, 626; Schnorberger/Langkau, IStR 2015, 244; Rasch/Chwalek, IWB 2015, 383; Hagemann/Kahlenberg, NWB 2015, 2728; Hagemann/Kahlenberg/Cloer, BB 2015, 2458; Buschmann, DB 2015, 1859 f.; prononciert Berner, ISR 2015, 254 ff.; s.a. zu § 3c EStG n.F. Ditz/Quilitzsch, ISR 2015, 123, 124. 9 Kurzdarstellung der unterschiedlichen Standpunkte bei Hagemann/Kahlenberg/Cloer, BB 2015, 2458 f.

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(„Fremdvergleichs-Escape“) gerichtet sein (um die Verbindung zur „Sperrwirkung“ herzustellen), sondern auf den ursprünglichen Belastungsgrund in § 8b Abs. 3 Satz 1–3 KStG, der keine Nähe zu Art. 9 Abs. 1 OECD-MA aufweist. Im Streitfall ist der sog. Konzernrückhalt (hier auf der Grundlage der unmittelbaren Beteiligung an der Schuldnerin10) insoweit fruchtbar gemacht worden, dass die fehlende Besicherung durch die Schuldnerin (Tochtergesellschaft) nicht zinserhöhend wirken muss11 – jedenfalls besteht, wenn der Zins unter den Umständen des Konzernrückhalts angemessen ist, kein Anlass für eine Korrektur. Dieser Rückhalt kann aber nicht eine Teilwertabschreibung (Bewertung der Werthaltigkeit des Anspruchs durch einen fiktiven Betriebserwerber, § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) der Darlehensforderung (wegen fehlender Realisierungsmöglichkeit) auf Dauer ausschließen.12 Allerdings kann (bei „prekärer wirtschaftlicher Lage der Schuldnerin“) auch eine Würdigung des „Darlehensverhältnisses“ dahin möglich sein, dass schon die „Darlehenshingabe“ eine Einlageleistung darstellt.13 Der BFH hat im Übrigen zur abkommensrechtlichen Situation des DBARussland keinen Sachunterschied gesehen und die in einem NZB-Verfahren beantragte Revision nicht zugelassen:14 „Der abkommensrechtliche Grundsatz des „dealing at arm’s length“ nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: nach Art. 9 DBA-Russland 1996) ermöglicht eine Einkünftekorrektur nach nationalen Vorschriften der Vertragsstaaten (hier nach § 1 Abs. 1 AStG i.d.F. des StVergAbG v. 16.5.2003) nur dann, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis (hier: ein Darlehenszins) seiner Höhe, also seiner Angemessenheit nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhält. Er ermöglicht indessen nicht die Korrektur einer Abschreibung, die (nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 2002) auf den Teilwert der Forderung auf Rückzahlung der Darlehensvaluta und auf Zinsrückstände vorzunehmen ist, weil die inländische Muttergesellschaft das Darlehen ihrer ausländischen (hier: russischen) Tochtergesellschaft in fremdunüblicher Weise unbesichert begeben hat (Bestätigung des Senatsurteils v. 17.12.2014 I R 23/13, Abweichung vom BMFSchreiben v. 29.3.2011, BStBl I 2011, 277, dort Rz. 3).“ 10 Die weitergehende Interpretation „allgemein im Konzern“ – s. Schnorberger/ Langkau, IStR 2015, 244 – ist bisher ungesichert. 11 Dies ist nach Schnorberger/Langkau (s. Fn. 8) eine konzerninduzierte Modifikation des Fremdvergleichs. 12 Gosch, BFH/PR 2015, 175; s.a. Schnorberger/Langkau, IStR 2015, 245. 13 Ebenso Schnorberger/Langkau, IStR 2015, 243. 14 S. BFH, Beschl. v. 24.3.2015 – I B 103/13, BFH/NV 2015, 1009; Literatur: Vogel, StuB 2015, 590.

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Auch das FG Köln war dieser Linie (hier: „Schrankenwirkung“ des Art. 6 DBA-NL mit Blick auf vGA auf der Grundlage von § 8a Abs. 6 KStG a.F.) schon gefolgt.15 Ein (weiterer) Parallelfall (jetzt zu Art. IV DBA-GB 1964) ist durch das BFH-Urteil vom 24.6.2015 – I R 29/14 entschieden worden:16 „1. Aufgrund des sog. Rückhalts im Konzern kann es fremdvergleichsgerecht sein, bei einer Darlehensgewährung zwischen Kapitalgesellschaften in einem Konzern von Sicherheiten abzusehen (Bestätigung des Senatsurteils v. 29.10.1997 I R 24/97, …). Der Konzernrückhalt lässt jedoch keinen Schluss auf die Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeit durch die Tochtergesellschaft und damit die Werthaltigkeit des Rückforderungsanspruchs aus dem gewährten Darlehen zu (Abweichung vom BMF-Schreiben v. 29.3.2011, BStBl I 2011, 277, dort unter 3.). 2. Der abkommensrechtliche Grundsatz des „dealing at arm’s length“ nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: nach Art. IV DBA-Großbritannien 1964) ermöglicht eine Einkünftekorrektur nach nationalen Vorschriften der Vertragsstaaten (hier: nach § 1 Abs. 1 AStG i.d.F. bis zur Änderung durch das StVergAbG v. 16.5.2003, …) nur dann, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis (hier: der Darlehenszins) seiner Höhe, also seiner Angemessenheit nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhält. Er ermöglicht indessen nicht die Korrektur einer Abschreibung, die (nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 2002) auf den Teilwert der Forderung auf Rückzahlung der Darlehensvaluta und auf Zinsrückstände vorzunehmen ist, weil die inländische Muttergesellschaft das Darlehen ihrer ausländischen (hier: englischen) Tochtergesellschaft in (ggf.) fremdunüblicher Weise unbesichert begeben hat (Bestätigung des Senatsurteils v. 17.12.2014 I R 23/13, …; Abweichung vom BMF-Schreiben v. 29.3.2011, BStBl I 2011, 277, dort unter 3.). Die fehlende Besicherung schlägt sich insoweit nur im entsprechend bepreisten Zins nieder (Bestätigung des Senatsurteils v. 21.12.1994 I R 65/94 …).“

Dabei stellt der BFH zum Konzernrückhalt klar: „Es ging dem Senat nicht darum, dem Konzernrückhalt eine „immerwährende“ Besicherung zu entlehnen, welche „nach Art eines ‚In-sich-Geschäfts‘ zur notwendigen Beurteilung der aus sich selbst generierten Werthaltigkeit“ (…) Einfluss auf die Werthaltigkeit des der Tochtergesellschaft gewährten Darlehens nähme, sondern nur darum, für den Fall der Konzernierung die Kreditbedingungen zu justieren. Bei Darlehensgewährungen zwischen Kapitalge15 Das Urt. v. 18.5.2015 – 13 K 1830/09, EFG 2015, 2102, ist inzwischen rechtskräftig, da das FA die Revision I R 60/15 zurückgenommen hat. 16 BStBl. II 2016, 258 (mit Nichtanwendungsschreiben des BMF v. 30.3.2016, BStBl. I 2016, 455 – dazu z.B. Greil/Wargowske, ISR 2016, 157; Hölscher, IStR 2016, 350; Weiss, GmbH-StB 16, 134). Literatur z.B. Engelen/Luckhaupt/Quilitzsch, ISR 2015, 373; Gosch, BFH/PR 2015, 407 u. in StBJb 2015/2016, 3; Greinert/Metzner, DK 2015, 427; Isselmann, BB 2015, 2546; Roser, GmbHR 2015, 1110; Weiss, EStB 2015, 350 u. GmbH-StB 2015, 339.

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sellschaften in einem Konzern kann es hiernach fremdvergleichsgerecht sein, von Sicherheiten abzusehen, wenn die Konzernbeziehungen für sich gesehen eine Sicherheit bedeuten. Ob der Rückhalt im Besicherungsfall aber tatsächlich und uneingeschränkt greift, ist damit noch nicht ausgemacht. Dass die Muttergesellschaft im Außenverhältnis regelmäßig für Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft gegenüber Dritten einsteht (sog. Eventualverbindlichkeit), lässt keinen zwingenden Schluss auf die Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeit durch die Tochtergesellschaft zu. Gerade dann, wenn die Tochtergesellschaft auf die Inanspruchnahme des Konzernrückhalts angewiesen ist, um Drittgläubiger zu befriedigen, ist vielmehr davon auszugehen, dass die Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Muttergesellschaft nicht bedient wird (…). Und so gesehen beeinflusst der Konzernrückhalt die handels- wie steuerrechtlich gebotene sog. Teilwertabschreibung einer konzerninternen Darlehensforderung prinzipiell und auch unter den vom FG festgestellten Gegebenheiten des Streitfalls nicht.“ Darüber hinaus heißt es: „3. Vor diesem Hintergrund streiten die Beteiligten (weiter) darüber, ob die durch die Teilwertabschreibung bedingte Gewinnminderung außerbilanziell zu neutralisieren ist. Der ursprünglich verfochtene Ansatz zu einer derartigen Korrektur über § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. wird vom FA zwischenzeitlich nicht weiterverfolgt. Dem ist beizupflichten … Anders liegt es insoweit jedoch, was die Vorschrift des § 1 Abs. 1 AStG a.F. anbelangt. Eine darauf gestützte außerbilanzielle Korrektur hält das FA nach wie vor für möglich und geboten. Das FG hat aber auch das zutreffend verneint.“ Damit ist – vor Inkrafttreten von § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG (VZ 2008) bzw. außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs (Beteiligung nicht über 25 %) – eine Einkommenskorrektur (zur Teilwertabschreibung des Darlehens) ohne Rechtsgrundlage. Im Übrigen verbleibt eine aktuelle Bedeutung für die Situation darlehensgewährender Mutter-Einzelunternehmen/-Personengesellschaften unter dem Vorbehalt des § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG n.F. Exkurs: Zur Frage der Unionsrechtskonformität des § 1 AStG (im Streitfall: Einkünftekorrektur nach § 1 AStG bei unverzinslichem Darlehen) heißt es im BFH-Urteil vom 25.6.2014 – I R 88/12:17 „1. § 1 Abs. 1 AStG in der im Streitjahr 2001 geltenden Fassung (a.F.) ermöglicht im Fall der Gewährung eines zinslosen Darlehens an eine ausländische (hier: bel17 BFH/NV 2015, 58; Literatur z.B. Böing, GmbH-StB 2015, 4; Glahe, IStR 2015, 97; Hagemann/Kahlenberg/Cloer, BB 2015, 2455, 2456; Rasch, ISR 2015, 10.

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Brandis, Rechtsprechungs-Highlights zum internationalen Steuerrecht gische) Tochtergesellschaft eine Einkünfteberichtigung auf der Grundlage des (allgemeinen) Fremdvergleichs, soweit das Darlehen Gegenstand einer „Geschäftsbeziehung“ (§ 1 Abs. 4 AStG a.F.) ist. Eine solche Einkünfteberichtigung, die den Einfluss der wirtschaftlichen Verflechtung zwischen den Geschäftspartnern auf die Preisbildung im konkreten Fall ausschließt, nicht aber sachbezogene wirtschaftliche Gründe der Parteien, ist als Maßnahme zur Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten geeignet und jedenfalls nicht unverhältnismäßig, sodass insoweit nach Maßgabe des EuGH-Urteils v. 21.1.2010 C-311/08 „SGI“ (Slg 2010, I-487) keine unionsrechtlichen Bedenken bestehen. 2. Den i.S. § 1 Abs. 1 und 3 AStG a.F. fremdvergleichsgerechten Preis für die Darlehensgewährung im konkreten Einzelfall ermittelt das FG. § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1999 kann dabei nicht als Bewertungsmaßstab herangezogen werden.“

In dieser Entscheidung wird vom BFH angedeutet, dass bei fremdunüblicher Verzinsung (hier: unverzinsliches Darlehen) eine Einkünftekorrektur unionsrechtskonform sein könnte – ein „fremdvergleichsgerechter Zins“ (Tatsachenfeststellung des FG!, kein Rückgriff auf die sog. safe haven-Regelung des § 8a KStG a.F.) berücksichtige sachbezogene wirtschaftliche Gründe und sei geeignet, zur „Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse der beteiligten Staaten“ (als Rechtfertigungsgrund) beizutragen.18 Es ist darüber hinaus zur Kenntnis zu nehmen, dass der X. Senat des BFH in seinem Beschluss vom 5.2.2014 – X B 138/1319 ausgeführt hat: „Es spricht einiges dafür, dass die Regelung des § 1 Abs. 1 AStG den Anforderungen genügt, die der EuGH (… „SGI“) an die Rechtfertigung einer Berührung der Niederlassungsfreiheit durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls stellt.“ Allerdings handelt es sich um eine Aussage in einem NZB-Beschluss, mit dem wegen eines Verfahrensfehlers das FG-Urteil aufgehoben wurde und im Übrigen „ohne die Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO – auf folgende Punkte hin(gewiesen)“ wurde.20 Nachtrag: Dem BMF-Nichtanwendungsschreiben (s. Fn. 5, 16) lässt der Gesetzgeber voraussichtlich ein „Nichtanwendungsgesetz“ folgen (s. dazu Art. 9 des BMF-Referentenentwurfs eines „Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren

18 Diese weitgehende Gleichstellung „Fremdvergleich = Rechtfertigung“ wird von Rasch (ISR 2015, 10, 13) und Glahe (IStR 2015, 97, 99 ff.) in Zweifel gezogen: Wirtschaftliche Gründe könnten auch eine Abweichung vom Fremdvergleichspreis rechtfertigen. 19 BFH/NV 2014, 720. 20 Rz. 44 der dortigen Gründe.

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Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und – verlagerungen“ [Stand: 31.5.2016] mit entsprechender Anpassung des § 1 AStG).

II. Bindungswirkung einer Konsultationsvereinbarung Die Frage einer Bindung der Gerichtsbarkeit klärt das BFH-Urteil vom 10.6.2015 – I R 79/13:21 „1. Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 ermöglicht kein deutsches Besteuerungsrecht für eine Abfindungszahlung, die eine zuvor in Deutschland wohnende Person nach ihrem Wegzug in die Schweiz von ihrem bisherigen inländischen Arbeitgeber aus Anlass der Auflösung des Arbeitsverhältnisses erhält (Bestätigung der st. Rspr.). 2. Eine Übereinkunft zwischen den deutschen und Schweizer Steuerbehörden (hier: Konsultationsvereinbarung mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung zu der Frage des Besteuerungsrechts von Abfindungen an Arbeitnehmer v. 17.3.2010 …) nach Maßgabe von Art. 26 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971 bindet die Gerichte nicht (…). § 2 Abs. 2 AO (i.d.F. des JStG 2010) i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 2 KonsVerCHEV v. 20.12.2010 (BGBl I 2010, 2187) ändert daran nichts; § 2 Abs. 2 AO … genügt insoweit nicht den Bestimmtheitsanforderungen, die nach Art. 80 Abs. 1 GG an eine Verordnungsermächtigung zu stellen sind. 3. Die Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 2 KonsVerCHEV ist unbeschadet des in § 25 KonsVerCHEV (i.V.m. Art. 97 § 1 Abs. 9 EGAO i.d.F. des JStG 2010) auf den 1.1.2010 bestimmten Anwendungszeitpunkts für die deutsch-schweizerische Konsultationsverordnung nicht vor dem Zeitpunkt ihres tatsächlichen Inkrafttretens am 23.12.2010 anzuwenden.“

Abkommensrechtlich geht es um die Auslegung des Art. 15 Abs. 1 DBACH – und zwar mit dem Ergebnis, dass keine „dafür (in dem anderen Vertragsstaat ausgeübte Arbeit) bezogenen Vergütungen“ vorliegen, wenn die Abfindungszahlung nach dem Wegzug des Arbeitnehmers gezahlt wird (damit: Wohnsitzstaat). Zum Einfluss der Verständigungsvereinbarung der deutschen und eidgenössischen Finanzbehörden zur Besteuerung von Abfindungen (auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich ergangenen ergänzenden Konsultationsvereinbarung v. 17.3.2010) heißt

21 BStBl. II 2016, 326 (u. dazu Anwendungsschreiben des BMF v. 31.3.2016, BStBl. I 2016, 474 mit Hinweis auf Auswirkungen auf andere Konsultationsvereinbarungen). Literatur z.B. Anger, IStR 2016, 57; Gosch, BFH/PR 2015, 437; Kempermann, ISR 16, 10; Kubaile, NWB 2015, 3144 (s.a. ders., IWB 2015, 515); Lehner, IStR 2015, 790; Meyen/Muscheites, DB 2015, 2903; Mroz/Blume, Ubg 2016, 152; Salzmann, IWB 2015, 855; Tschesche/Leskovar, BB 2016, 1111.

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es: Es geht um eine Verständigung (Art. 26 Abs. 3 Satz 1 DBA-CH) dahin, das Besteuerungsrecht (zur Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung) danach zuzuteilen, ob der Abfindung Versorgungscharakter beizumessen ist (dann Art. 18 DBA-CH: Wohnsitzstaat) oder ob es sich um eine Nachzahlung von Lohn, Gehalt oder Tantiemen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder die Abfindung allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt wird (dann Art. 15 Abs. 1 DBA-CH: Tätigkeitsortprinzip). Zwar hat eine solche Vereinbarung Bedeutung für die DBA-Auslegung (s. Art. 31 WÜRV). „Grenzmarke“ ist aber der DBAWortlaut (und dazu entscheidet der BFH letztverbindlich!). § 2 Abs. 2 AO ermächtigt das BMF zwar, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zu erlassen. Konsultationsvereinbarungen i.d.S. sind einvernehmliche Vereinbarungen der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten eines DBA mit dem Ziel, Einzelheiten der Durchführung des Abkommens zu regeln, insbesondere Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des jeweiligen Abkommens bestehen, zu beseitigen. Damit sollen Konsultationsvereinbarungen in den „Rang“ von RVO erhoben werden (hier: § 24 Abs. 2 KonsVerCHEV). Um für die Rechtsauslegung verbindlich zu sein, müssen allerdings die Formalanforderungen des Art. 80 I GG gewahrt sein; in § 2 Abs. 2 AO (als Ermächtigungsgrundlage) sind aber Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung jedenfalls bezogen auf die Frage nach der Besteuerung von Abfindungszahlungen an einen (ehemals) nichtselbständig tätigen Arbeitnehmer nicht hinreichend bestimmt. Jedenfalls ist es ausgeschlossen, über eine Interpretation des Gesetzes hinausgehend den Abkommenstext und damit die besagte Besteuerungszuordnung für die betreffenden Einkünfte zu verändern. Das in § 2 Abs. 2 Satz 1 AO qualifizierte zusätzliche Ermächtigungsziel (Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung) ändert nichts, da es bezogen auf das DBA-CH (1971!), das allein die Freistellungsmethode anwendet und damit vorbehaltlos auf eine virtuelle Doppelbesteuerung abhebt, keine Wirkung entfaltet. § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV wirkt sinnverändernd als Rückfallklausel, die dem Abkommen widerspricht. Es ist für ein entsprechendes Ergebnis eine Abkommensergänzung (Zustimmung des nationalen Parlaments) notwendig, die bisher fehlt. Damit ist die RVO insoweit zu verwerfen.

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Dieses Ergebnis („Vorrang des Gesetzeswortlauts“) wird auch für weitere Konsultationsvereinbarungen von Bedeutung sein.22 Im Übrigen kann – was Lehner23 hervorhebt – zur Situation einer entsprechenden Vereinbarung mit (abkommens-)wortlautkonformer Auslegung fraglich sein, ob § 2 Abs. 2 AO „unbestimmt“ ist, was nicht zu einer Verwerfung durch das Fachgericht, sondern zu einer Vorlage an das BVerfG (Art. 100 Abs. 1 GG) führen müsste. Davon unabhängig kann die „Abkommensauslegung“ nicht rückwirkend für den Zeitraum 1.1. bis 22.12.2010 bestimmt werden („Vertrauensschutz für bereits abgeschlossene Sachverhalte“ – Hinweis auf den von der BFH-Rspr. in zeitlicher Sicht verwendeten sog. statischen [im Gegensatz zum sog. dynamischen] Auslegungsmodus,24 dies zwar insb. mit Blick auf die Musterkommentierung zum OECD-MA, aber mit Geltung auch für bilaterale Konsultationsvereinbarungen).

III. Update zur Berücksichtigung ausländischer Verluste 1. Zuordnung bei gescheitertem/beendetem Engagement Im BFH-Urteil vom 26.2.2014 – I R 56/1225 heißt es: „Gründungsaufwand für die im Ausland belegene feste Einrichtung eines Freiberuflers führt nicht zu einem Betriebsausgabenabzug bei der Ermittlung der Einkünfte aus der inländischen Tätigkeit. Dieser Aufwand ist durch die in Aussicht genommene Tätigkeit im Ausland veranlasst (Bestätigung des BMF-Schreibens v. 24.12.1999, BStBl I 1999, 1076, Tz. 2.9.1.). Unterfällt jene Tätigkeit der abkommensrechtlichen Freistellung, betrifft dies den Gründungsaufwand (negative Einkünfte) auch dann, wenn die Errichtung der festen Einrichtung später scheitert (vergebliche vorweggenommene Aufwendungen).“

Maßgebend war die Überlegung, dass der Gründungsaufwand durch einen Veranlassungszusammenhang mit dem Ort der Investition (Quellenstaat) getragen wird, wobei diese Zuordnung von der tatsächlichen (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) Existenz der festen Einrichtung oder einer tatsächlichen Aufnahme der dortigen Tätigkeit unabhängig ist. Diese „strenge“ Geltung des Veranlassungsprinzips (hier als „zielgerichtete Mittelverwendung“) war auch tragend für die BFH-Rechtspre-

22 S. insoweit auch Fn. 21. Weitere beim BFH anhängige Revision: I R 40/14 zu FG Baden-Württemberg, Urt. v. 19.12.2013 – 3 K 1189/13 (juris; Ls. in BB 2014, 2071), zu Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-CH. 23 IStR 2015, 790. 24 S. zuletzt m.w.N. Gosch, SWI 2015, 505. 25 BStBl. II 2014, 703.

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chung zur Aufgabe der sog. Theorie der finalen Betriebsaufgabe, sie bestimmt ganz allgemein die sog. Schrankenwirkung des Abkommens gegenüber dem nationalen Recht.26 Aus diesem Urteil I R 56/12 konnte folgen:27 Zum Veranlassungszusammenhang besteht kein Unterschied zwischen einer Inbound- (dort: Verlustvortrag im Rahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a oder Nr. 3 EStG bei entsprechender Deklaration!) und der streitgegenständlichen OutboundSituation. Wenn diese Grundsätze auf eine (gewerbliche) Betriebsstätte übertragen werden, betrifft die abkommensrechtliche Freistellung auch die GewSt; eine betriebsstättenbezogene Kürzung (§ 9 Nr. 3 GewStG) um den vergeblichen Aufwand könnte wegen der strikten Objektbezogenheit ausgeschlossen sein.28 Besteht kein DBA oder sieht das DBA die Anrechnungsmethode (z.B. Art. 22 Abs. 1 DBA-VAE 2010; s.a. DBA-Mauritius und DBA-Zypern) vor, sind im Rahmen der inländischen Besteuerung (Welteinkommensprinzip) inländische Abzugsbeschränkungen (§ 2a Abs. 1 EStG bei Drittstaatsbetriebsstätten [mit Nachweismöglichkeit aktiver Tätigkeit]) zu berücksichtigen. Bei DBA mit Freistellungsmethode (im Streitfall als DBA-VAE 1995 einschlägig): Die Zuordnung führt nach der sog. Symmetriethese (die abkommensrechtliche Freistellung umfasst sowohl positive als auch negative Einkünfte) „nur“ (kein § 2 AIG a.F. bzw. § 2a Abs. 3 EStG a.F.!) zu einer Freistellung (mit [negativem] Progressionsvorbehalt), soweit nicht (nur für Betriebsstätten) die Freistellung wiederum infolge eines Betriebsstätten-Aktivitätsvorbehalts entfällt („Methodenwechsel“, z.B. DBA-VAE 1995; Prot. Nr. 6 zu Art. 24 Abs. 2 DBA-China – Anknüpfungspunkt können bei vergeblichen vorweggenommenen Aufwendungen allenfalls die geplanten aktiven/passiven Aktivitäten in der Betriebsstätte sein). Ist ein Progressionseffekt aus-

26 Gosch, IStR 2014, 698, 702 f.; ders., in Festgabe zum 75. Geburtstag von Franz Wassermeyer, 2015, Beitrag 29/S. 209 ff. = IStR 2015, 709. 27 S. aus der Vielzahl der Anmerkungen/Besprechungen insb. Cloer/Leich, IWB 2014, 660; Girlich/Philipp, DB 2015, 459; Gosch, BFH/PR 2014, 334; Haase, ISR 2014, 273; Hagemann, BB 2015, 226 u. SWI 2004, 513; Hagemann/Kahlenberg/Cloer, BB 2015, 2455, 2462; Heinsen/Wendland, GmbHR 2014, 1033; Kraft, NWB 2014, 2482; Märtens, jurisPR-SteuerR 32/2014 Anm. 1; Schäfer, IStR 2015, 346; Schnorberger/Dust, BB 2015, 608; Schwenke, in Lüdicke/Mellinghoff/Rödder (Hrsg.), Nationale und internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung – Festschrift für Dietmar Gosch, 2016, 377, 382 ff. 28 Gosch in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 9 GewStG Rz. 221.

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geschlossen (z.B. betr. ESt: in diesem Veranlagungszeitraum kein positives zu versteuerndes Einkommen oder Situation des § 2a EStG als Korrektiv im Progressionsvorbehalt; z.B. betr. KSt), geht der Aufwand vollen Umfangs steuerlich verloren, da auch der „Quellenstaat“ keine Entlastung bringen wird. Die Freistellung muss konsequenterweise auch vorab (vor der Fertigstellung/Errichtung) entstandene Gewinne betreffen. Für einen EU-/EWR-Mitgliedstaat ist die abkommensrechtliche Symmetrieidee durchbrochen.29 Es spricht im Übrigen einiges dafür, die Situation vergeblicher Aufwendungen für eine Betriebsstättengründung gleichzubehandeln mit der Situation nach erfolgreicher Gründung und späterer Finalität der laufenden Verluste („finale Verluste“ auf der Grundlage der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit).30 Aus diesem BFH-Urteil I R 56/12 können Dokumentationsanforderungen folgen und evtl. notwendig werdende Zuordnungsentscheidungen im betrieblichen Rechnungswesen (sind die Aufwendungen evtl. auch im inländischen Stammhaus nutzbar?) sowie Beweislastfragen insb. bei „unbeabsichtigten Auslandsbetriebsstätten“. Wird die Betriebsstätte erfolgreich errichtet, sieht aber der Betriebsstättenstaat eine Zuordnung des Gründungsaufwands zum Stammhausstaat als sachgerecht an, kann der Aufwand evtl. wie bei einer subject-to-tax-Situation im Stammhausstaat zu berücksichtigen sein. Die Entscheidung I R 56/12 wurde aber auch heftig kritisiert:31 Nach dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA (2010) geht es um das Ausüben der Geschäftstätigkeit „durch eine dort belegene Betriebsstätte“. Der Wortlaut kann aber auch dahin gedeutet werden, dass dort nicht der Zeitbezug abgebildet ist, vielmehr nur das Objekt der Zuordnung.32 Ob nach dem Inkrafttreten des § 1 Abs. 5 Satz 2 AStG (2013) bzw. ab BsGAV (VZ 2015 – dort § 1 Abs. 2, §§ 4 ff. [„Personalfunktion“, AOA])

29 Hinweis auf EuGH, Urt. v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06, BStBl. II 2009, 976 – „Deutsche Shell“ betr. Währungsverluste und unionsrechtlich gebotenem Abzug im Ansässigkeitsstaat, da im Quellenstaat kein Betriebsstättenbezug besteht (dortige Gewinnermittlung in lokaler Währung). 30 Diese Frage war bereits Gegenstand des nach Rücknahme der Revision durch das FA rechtskräftig gewordenen Urt. des FG Köln v. 13.3.2013 – 10 K 2067/12, EFG 2013, 1430 („verlorene Anzahlungen“). S. allg. zur Struktur „finale Auslandsverluste“ Verf., in Festgabe Franz Wassermeyer (hier Fn. 26), Beitrag 59/S. 433 ff.; Hey in Festschrift Dietmar Gosch (hier Fn. 27), 161; Kögel, ebenda, 205. 31 Z.B. Wassermeyer, IStR 2015, 37, 38. 32 So Gosch, IStR 2015, 709, 711 f.

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eine Überlagerung des Veranlassungsprinzips eingreift, ist offen33 – zwar besteht bei vergeblichem Gründungsaufwand keine (Weiter-)Belastungsmöglichkeit für das Stammhaus, was eine Zuordnung zum Stammhausstaat nahelegt, aber es ist zu fragen, ob eine solche Belastung stets und immer vorzunehmen ist.34 Ausweislich des BFH-Urteils vom 20.5.2015 – I R 75/1435 hat der BFH seinen Standpunkt jedenfalls zur Situation „nachträglicher Erträge“ aufrechterhalten: „Der (nachträgliche) Ertrag aus der Auflösung einer Rückstellung, die während der Zeit des Bestehens einer in Belgien gelegenen Betriebsstätte für deren Tätigkeiten gebildet worden war, ist nach Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 DBA-Belgien 1969 in Deutschland von der Steuer befreit. Dass die Betriebsstätte zwischenzeitlich aufgegeben worden ist, ändert daran nichts.“

Dazu ist von juris als „Orientierungssatz“ formuliert: „1. Durch Art. 7 Abs. 1 Satz 1 DBA-Belgien 1969 wird lediglich der Bezug zu einer unterhaltenen Betriebsstätte im Quellenstaat sichergestellt. Es verbleibt jedoch dabei, dass nachlaufende Einnahmen (und Ausgaben) nach nationalem Steuerrecht (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA-Belgien 1969) zu ermitteln und dass die Einnahmen und Ausgaben danach veranlassungsbezogen zuzuordnen sind (vgl. § 2 Abs. 1 EStG 2009, § 4 Abs. 3 und 4 EStG 2009; Festhaltung an Senatsrechtsprechung; entgegen Verwaltungsmeinung). … .“ Exkurs: Zur Frage der Aufteilung von Gemeinkosten bei gemäß DBA steuerfreien Einnahmen (wirtschaftlicher Zusammenhang i.S. § 3c Abs. 1 EStG) sind nach einem Urteil des FG Köln36 auch solche Gemeinkosten vom Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG erfasst, wenn sie zwar auch ohne die steuerfreien Grundstücksgeschäfte im Ausland angefallen wären, aber auch dann angefallen wären, wenn der Steuerpflich-

33 S. dazu z.B. Girlich/Philipp, DB 2015, 459; Schnorberger/Dust, BB 2014, 608; s.a. Roser, Ubg 2015, 582, 585; Dürrschmidt, IStR 2015, 885, 886 f. 34 Hinweis auf Gosch, IStR 2015, 709, 713 (bei nachträglichen Betriebseinnahmen/-ausgaben Zuordnung zur jeweiligen Tätigkeit, bei vergeblichem Aufwand weiterhin Veranlassungszusammenhang); s.a. Hagemann/Kahlenberg/ Cloer, BB 2015, 2455, 2464 („Überlagerung“ nur für die Situation nach Schließung der Betriebsstätte). 35 BFH/NV 2015, 1687. Literatur: Böhmer, ISR 2015, 416; Dürrschmidt, IStR 2015, 885; Schwenke (hier Fn. 27), 377, 384 f. 36 FG Köln, Urt. v. 11.12.2014 – 10 K 2892/14, EFG 2015, 573, rechtskräftig; Literatur: Müller, NWB 2015, 473.

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tige ausschließlich steuerfreie Einnahmen erzielt hätte. Zu einer evtl. ähnlich zu entscheidenden Frage (hier: im Zusammenhang mit § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG – „Veräußerungskosten“ bei „Anteilsveräußerungsgesellschaft“) s. ebenfalls das FG Köln.37

2. Verlustberücksichtigung bei ausländischer (EU-/EWR-) Betriebsstätte Im Urteil vom 5.2.2014 – I R 48/1138 hatte der BFH an seiner Rechtsprechung zur sog. Symmetriethese festgehalten (dort Leitsatz 1) und zum Abzug „finaler“ ausländischer Betriebsstättenverluste entschieden: „… 2. Ein Verlustabzug kommt abweichend davon (Anm: der Symmetriethese) aus Gründen des Unionsrechts nur ausnahmsweise in Betracht, sofern und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im Quellenstaat – als sog. finale Verluste – steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar sind (Anschluss an die ständige Rechtsprechung des EuGH). Eine derartige „Finalität“ ist gegeben, wenn die Verluste im Quellenstaat aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden können oder ihr Abzug in jenem Staat zwar theoretisch noch möglich, aus tatsächlichen Gründen aber so gut wie ausgeschlossen ist und ein wider Erwarten dennoch erfolgter späterer Abzug im Inland verfahrensrechtlich noch rückwirkend nachvollzogen werden könnte (Bestätigung des Senatsurteils v. 9.6.2010 I R 107/09).“

Die Klage der Kommission (Vertragsverletzungsverfahren gegen GB), weil die gesetzgeberische Umsetzung der „Marks & Spencer-Ausnahme“ (eventuell zu enge Fristen) zu restriktiv ausgefallen sei, war erfolglos (Urteil der Großen Kammer des EuGH vom 3.2.2015 – C-172/13).39 Der juris-Orientierungssatz lautet: „Mit der Vertragsverletzungsklage der Kommission gegen das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland …, wurde beantragt festzustellen, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Pflichten aus Art. 49 … (AEUV) und Art. 31 … (EWR) verstoßen hat, dass es Voraussetzungen für den grenzübergreifenden Verlustausgleich in Konzernen aufgestellt hat, die es praktisch unmöglich machen, einen solchen Ausgleich vornehmen zu können, und 37 FG Köln, Urt. v. 1.10.2014 – 10 K 3593/12, EFG 2015, 151, Revision I R 64/14 (mündliche Verhandlung am 15.6.2016); Literatur: Riedel, Ubg. 2015, 76. 38 DStR 2014, 837. S. dazu auch die Diskussion in JbFStR 2014/2015, 14 ff. u. die Erörterung der EuGH-Rspr. von Henze, ISR 2015, 398, 394 ff. S.a. Verf. (hier Fn. 30) u. krit. zu Restriktionen Schön, ebenda, Beitrag 2/S. 7, 10. 39 DStR 2015, 337; Literatur z.B. Benecke/Staats, IStR 2015, 140; Cordewener, EuZW 2015, 295; Hackethal, EWS 2015, 32; Linn/Oumar, IWB 2015, 259; Möller, BB 2015, 616; Müller, ISR 2015, 139.

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diesen Ausgleich auf Zeiträume nach dem 1.4.2006 beschränkt hat.“ Nun wird schon befürchtet, man könne die restriktive britische Regelung als „Blaupause“ für zukünftiges nationales Recht einsetzen.40 Das FG Hamburg hält „viele Fragen im Zusammenhang mit finalen Verlusten für noch klärungsbedürftig“, hat aber – da nach deutschem Recht kein (ausländischer) Gesamtverlust entstanden war – rechtskräftig zum Nachteil der Klägerin entschieden.41 Dagegen hat sich der 2. Senat dieses FG dem BFH angeschlossen42 – zur NZB s. sogleich. Ausweislich der EuGH-Vorlage des FG Köln43 (Az. beim EuGH: C-388/14 „Timac Agro Deutschland“) vermisst das FG (im Gegensatz zu BFH und anderen FG [bzw. einem Parallelsenat]) ausreichende Sicherheit bei der Bestimmung der abstrakten Kriterien, wann ein „finaler Verlust“ vorliegt. Er folgt damit nicht der vom BFH herangezogenen Parallelwertung zu § 2a Abs. 4 EStG a.F. und sieht die Unterscheidung von rechtlicher Finalität (Verursachung im ausländischen Rechtssystem [z.B. eingeschränkter Verlustvortrag; Verlustabzugssperre] – die ist nach BFHRechtsprechung unbeachtlich) und tatsächlicher Finalität (beachtlich) als zweifelhaft an. Der BFH hat die zur Zeit anhängigen NZB-Verfahren (zu FG Hamburg: I B 95/14; zu FG Düsseldorf44: I B 132/14) unter Hinweis auf die anhängige EuGH-Vorlage C-388/14 nach § 74 FGO ausgesetzt (Beschlüsse vom 5.8.2015, n.v.). Zur Zeit ist darüber hinaus beim BFH eine Revision I R 2/15 (zu FG Nürnberg45) anhängig, die sich auch auf „finale Verluste“ bezieht (insoweit dem BFH zustimmend). Nun sind die Schlussanträge von GA Wathelet (C-388/14) vom 3.9.2015 bekannt geworden.46 Aus ihnen lässt sich auf eine Unionsrechtskonformität der „Symmetriethese“ schließen; die Fragen zur „Finalität“ blei40 Linn/Oumar, IWB 2015, 263 f. 41 FG Hamburg, Urt. v. 23.9.2014 – 6 K 224/13, EFG 2015, 156; Literatur: Barche, IStR 2015, 411. 42 FG Hamburg, Urt. v. 6.8.2014 – 2 K 355/12, EFG 2014, 2084; Literatur z.B.: Zimmermann, EFG 2014, 2087; Kögel, IStR 2015, 664. 43 FG Köln, Beschl. v. 19.2.2014 – 13 K 3906/09, EFG 2014, 1901; Literatur z.B. Cloer/Leich, IWB 2014, 923; Mitschke, IStR 2014, 738; Schulz-Trieglaff, StuB 2014, 879. 44 FG Düsseldorf, Urt. v. 28.10.2014 – 6 K 50/10 K, EFG 2015, 313; Literatur: Hennigfeld, EFG 2015, 314. 45 FG Nürnberg, Urt. v. 27.11.2014 – 6 K 866/12, EFG 2015, 537; Literatur: Jung/ Bartelt/Rode, IStR 2016, 36. 46 IStR 2015, 738; Literatur z.B. Kippenberg, IStR 2015, 743; Müller, ISR 2015, 364; Schulz-Trieglaff, StuB 2015, 926; Vogel, BB 2015, 2344.

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ben aber unbeantwortet, da die Verluste nicht endgültig gewesen seien (wohingegen aus der Sicht des BFH die rein theoretische Möglichkeit einer späteren Verlustnutzung die Finalität nicht hindert, s. BFH I R 48/11).47 Müller48 betont die Differenz zu den Grundsätzen des EuGH („Lidl Belgium“) und der BFH-Rechtsprechung. Exkurs: Der EuGH hat mit Urteil vom 10.6.2015 – C-686/13 „X AB“49 entschieden, dass „Art. 49 AEUV dahin auszulegen ist, dass er steuerrechtlichen Vorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die grundsätzlich Gewinne aus Geschäftszwecken dienenden Anteilen von der Körperschaftsteuer befreien und dementsprechend den Abzug von Verlusten aus solchen Anteilen selbst dann ausschließen, wenn sich diese Verluste aus Wechselkursverlusten ergeben.“

Insoweit hat der EuGH (aus seiner Sicht ohne Abweichung von der Rs. C-293/06 Deutsche Shell50) ein Abzugsverbot wie § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG als unionsrechtskonform angesehen. Immerhin wird daraus – ungeachtet der (national-)gesetzgeberischen Zielsetzung des § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG, eine Umgehung von § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG zu verhindern – geschlossen, eine Ausnahme vom Abzugsverbot konzerninterner Währungsverluste im Zusammenhang mit einer Darlehensgewährung (§ 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG) sei geboten.51 Nachtrag: Das EuGH-Urteil C-388/14 datiert vom 17.12.2015 (BStBl. II 2016, 362).

IV. Gewerbesteuerrechtliche Kürzung des Gewinns bei AStG-Hinzurechnungsbetrag Das BFH-Urteil vom 11.3.2015 – I R 10/1452 lässt die gewerbesteuerrechtliche Kürzung des Gewinns bei einem AStG-Hinzurechnungsbetrag zu: 47 Zutr. Vogel, BB 2015, 2344. 48 ISR 2015, 365 f. 49 IStR 2015, 557; Literatur z.B. Buschmann, DB 2015, 1856; Eiling/Oppel, ISR 2015, 328. 50 S. Fn. 29. 51 So Buschmann, DB 2015, 1856. 52 BStBl. II 2015, 1049 (mit Nichtanwendungserlassen der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.12.2015, BStBl. I 2015, 1090 – dazu z.B. Kraft, FR 2016, 257; Weiss, GmbH-StB 2016, 43). Literatur z.B. Adrian/Fey, StuB 2015, 470; Anger/Wagemann, IWB 2015, 460; Becker/Loose, Ubg 2015, 399; Böing, EStB 2015, 200/GmbH-StB 2015, 187; Gläser/Birk, ISR 2015, 233; Gosch, BFH/PR

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Brandis, Rechtsprechungs-Highlights zum internationalen Steuerrecht „Bei dem Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG handelt es sich um einen Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. Der Gewinn des inländischen Unternehmens ist deswegen um diesen Betrag nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002 zu kürzen.“

Die Äußerungen dazu in der Literatur haben ein breites Spektrum, das sowohl den „Paukenschlag“53 umfasst als auch (mit gegenläufiger Qualifizierungstendenz) das Erstaunen darüber, „wie mutig sich der … BFH … über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt“.54 Im Streitfall ging es um eine GmbH, die im Streitjahr 2009 alleinige Gesellschafterin einer singapurischen Kapitalgesellschaft (der A-Ltd.) war, welche Einkünfte aus sog. passiver Tätigkeit (Zinsen und Währungsdifferenzen) i.S. von § 10 Abs. 2 (i.V.m. §§ 7 f.) AStG erzielte. Dieser Betrag wurde dem körperschaftsteuerrechtlichen Einkommen der klagenden GmbH hinzugerechnet. In ihrer Gewerbesteuererklärung kürzte sie jedoch diesen Betrag nach § 7 Satz 1 i.V.m. § 9 Nr. 3 GewStG 2002 („Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt“). Dem folgte das FA (anders als in den Vorjahren) nicht. Dazu hat der BFH zunächst festgehalten, dass dem Gesetzeswortlaut (§ 21 AStG) eindeutig zu entnehmen ist, dass die GewSt den Hinzurechnungsbetrag (bei Beteiligung an niedrig besteuerten Zwischengesellschaften mit passiven Einkünften) nicht „ausspart“, er ist damit – obgleich die inkriminierten Einkünfte von der ausländischen Gesellschaft (dort) erwirtschaftet werden – Teil des inländischen Gewerbeertrags des inländischen Unternehmens (s.a. § 10 Abs. 2 Satz 2 AStG). Allerdings sieht das GewStG keine Anrechnung von (ausländischen) Steuern vor, mit denen der Hinzurechnungsbetrag belastet ist („überschießende Tendenz“).55 Die den strukturellen Inlandsbezug der GewSt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG) wahrende Kürzungsnorm des § 9 Nr. 3 GewStG bezieht sich in Satz 1 auf den ersten Blick zwar auf einen durch das inländische Unternehmen im Ausland (vermittels einer dortigen [Auslands-]Betriebsstätte) selbst erwirtschafteten Gewerbeertrag (originäre Einkünfte2015, 256; Haase, IStR 2015, 966; Hielscher, BB 2015, 1320; Hielscher/Beermann, BB 2015, 2782; Klein, FR 2015, 722; Kollruss, FR 2015, 693; Kramer, IStR 2015, 669; Kröger/Philipp, DB 2015, 1432; Patzner/Nagler, GmbHR 2015, 670; Quilitzsch, ISR 2015, 276; Tauser/Keller, IStR 2015, 447. 53 Becker/Loose, Ubg 2015, 399. 54 So Kramer, IStR 2015, 669. 55 Z.B. Quilitzsch, ISR 2015, 276, 277.

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erzielung) – und jener ist zu kürzen. Der Wortlaut lässt es aber mit Blick auf den Regelungszweck (Wahrung des Inlandsbezugs der GewSt) auch zu, eine „nicht im Inland belegene Betriebsstätte“ der Zwischengesellschaft zu betreffen (Voraussetzungen: Betriebsstätteneigenschaft [§ 12 AO – mit „Substanz“56] erfüllt?; dortige eigene Einkünfteerzielung?) – und insoweit verweist der BFH „materiell“ auf die AStG-bedingte Zuordnung der dort erzielten Einkünfte zum inländischen Unternehmen.57 Der Rückgriff auf § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG ist nicht durch § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG (sog. Schachtelkürzung [mit besonderen Aktivitätserfordernissen oder Mutter-Tochter-Richtlinie]) ausgeschlossen,58 auch nicht durch § 9 Nr. 8 GewStG (DBA-„Freistellung“ [i.a.R. nur unter bestimmten Aktivitätsvoraussetzungen]). Es besteht, wenn man nicht zwischen „Gewinnen aus Anteilen“ (Hinzurechnungsbetrag) und „Gewinnanteilen“ (§ 9 Nr. 7, 8 GewStG) unterscheidet, aus der Sicht des Steuerpflichtigen „Anspruchskonkurrenz“ der Normen.59 Gosch60 verweist auf „Weiterungen“, wenn man § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG herangezogen hätte; zwar nicht im konkreten Streitfall („Beherrschungssituation“ führt zu einer „Direktinvestition“, was die „stand-still-Klausel“ des Art. 64 Abs. 1 AEUV auslöst, was wiederum unionsrechtliche Grenzen in diesem Drittstaatsfall ausgeschlossen hätte)61, aber bei anderer Sachverhaltskonstellation wären unionsrechtliche Fragestellungen aufgeworfen worden (Aktivitätserfordernisse als Missbrauchsvermeidungsklausel ohne „Escape-Möglichkeit“ im Einzelfall), die evtl. auch nicht durch eine geltungserhaltende Reduktion ausgeglichen werden könnten.62 Es sollte im Übrigen63 weder auf die Art der passiven Einkünfte noch auf die Höhe der Beteiligung an der Zwischengesellschaft ankommen.64 56 S. Becker/Loose, Ubg 2015, 399, 401. 57 S.a. Kraft/Schreiber, IStR 2015, 149, 153; dazu abl. Kramer, IStR 2015, 669, 670 (es lägen Beteiligungseinkünfte der inländischen Betriebsstätte der Klägerin vor). 58 A.A. Kramer, IStR 2015, 669, 671. 59 Patzner/Nagler, GmbHR 2015, 670, 671; abl. Kollruss, FR 2015, 693. 60 BFH/PR 2015, 256, 257. 61 Insoweit a.A. Kröger/Philipp, DB 2015, 1432, 1434; Quilitzsch, ISR 2015, 276, 278. 62 S.a. Patzner/Nagler, GmbHR 2015, 670, 671; Kröger/Philipp, DB 2015, 1432, 1434. 63 Anschaulich zu weiteren Praxisfällen (neben Konzernstrukturen auch Managementbeteiligungen oder Fondsstrukturen) Tauser/Keller, IStR 2015, 448. 64 Adrian/Fey, StuB 2015, 470 f.

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Das Besteuerungsergebnis entspricht der Situation bei passiven Einkünften einer ausländischen Betriebsstätte (§ 20 Abs. 2 AStG – „switch over“ – und gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG). Es könnte aber evtl. irritieren, dass als Ergebnis der Entscheidung die AStG-Hinzurechnung (ausländische Beteiligungsgesellschaft; „passive, niedrig besteuerte Einkünfte“) gegenüber anderen Auslandseinkünften (ausländische Beteiligungsgesellschaft; „passive, nicht niedrig besteuerte Einkünfte“: keine Kürzung i.S. § 9 Nr. 7 GewStG [wegen passiver Einkünfte], soweit die einschränkenden Maßgaben unionsrechtskonform sind) privilegiert wird.65 Allenthalben wird erwartet, dass der Gesetzgeber alsbald „gegenläufig“ tätig werden wird,66 was aber im „Steueränderungsgesetz 2015“67 noch nicht stattfand. Exkurs: Zur Frage, ob für § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO (s.o.) oder der des einschlägigen DBA maßgebend ist, vertritt das FG Köln68 die Ansicht, es sei die DBA-Begriffsbestimmung vorrangig („der von § 12 Satz 2 Nr. 6 AO abweichenden Begriffsbestimmung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. d DBA Türkei 1985 für ein in der Türkei belegenes Einkaufsbüro komme Vorrang zu“ – so der juris-Orientierungssatz). Nachsatz: Dem Nichtanwendungsschreiben (s. Fn. 52) lässt der Gesetzgeber voraussichtlich ein „Nichtanwendungsgesetz“ folgen (s. dazu Art. 11 des BMF-Referentenentwurfs eines „Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und – verlagerungen“ [Stand: 31.5.2016] mit entsprechender Anpassung der §§ 7, 9 GewStG).

65 Ein „erstaunliches Ergebnis“ nach Klein, FR 2015, 722, 723 (was aber durch eine funktionale Zuordnung der Beteiligung zu einer ausländischen Betriebsstätte i.S. einer Gleichstellung ausgeglichen werden könnte). Kramer sieht in der Befreiung des Hinzurechnungsbetrags i.Ü. ganz allgemein einen Verstoß gegen § 21 AStG (IStR 2015, 669). 66 Z.B. Gosch, BFH/PR 2015, 256, 258; Gläser/Birk, ISR 2015, 233 (dort insb. mit Hinweis auf AStG-innergesetzliche Folgefragen). Eine „rückwirkende Klarstellung“ (befürchtet von Quilitzsch, ISR 2015, 276, 278) wird dabei nach den Maßstäben des BVerfG (BVerfG, Beschl. v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1) eher ausgeschlossen sein. 67 V. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834, BStBl. I 2015, 846. 68 FG Köln, Urt. v. 7.5.2015 – 10 K 73/13, EFG 2015, 1558, anhängige Revision I R 50/15; Literatur z.B. van der Ham/Retzer, DStR 2015, 2650; Hielscher, BB 2015, 2088; Kahlenberg, ISR 2015, 380 u. IWB 2015, 940; Kollruss, IStR 2016, 419; Lüdicke, IStR 2015, 770.

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V. Schachtelprivileg bei Auslandsdividende im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis Zum Schachtelprivileg (und zur sog. Schachtelstrafe) im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis ist das BFH-Urteil v. 17.12.2014 – I R 39/14 ergangen:69 „1. An der in ständiger Spruchpraxis des BFH sowie in ständiger Verwaltungspraxis vertretenen sog. gebrochenen oder eingeschränkten Einheitstheorie ist bei der Ermittlung des Gewerbeertrags im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis festzuhalten. 2. Die im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis für die Ermittlung der Gewerbeerträge der Organgesellschaft und des Organträgers nach § 7 Satz 1 (i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2) GewStG 2002 maßgebenden Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes zur Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb umfassen auch die in § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 (i.V.m. § 8b Abs. 1 bis 6) KStG 2002 (i.d.F. des SEStEG) angeordnete sog. Bruttomethode (Übereinstimmung mit BMF-Schreiben v. 26.8.2003, BStBl I 2003, 437, dort Rz. 28 ff.). 3. Deswegen ist – zum einen – bei der Organgesellschaft ein von dieser vereinnahmter Gewinn aus Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft bei der Berechnung des Kürzungsbetrags im Rahmen des sog. gewerbesteuerrechtlichen Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG 2002 nicht nach § 9 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 9 Nr. 2a Satz 4 GewStG 2002 (i.d.F. des JStG 2007) um fiktive nichtabziehbare Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 (der sog. Schachtelstrafe) zu vermindern, und beim Organträger ist der Gewinn aus den Kapitalanteilen – zum anderen – infolge des der Organgesellschaft gewährten sog. Schachtelprivilegs in dem ihm (nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 2002) zugerechneten Gewerbeertrag nicht i.S. von § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG 2002 (i.d.F. des SEStEG) enthalten, weshalb auch bei ihm keine Hinzurechnung von fiktiven nichtabziehbaren Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 vorzunehmen ist; eine sich daraus ggf. ergebende „Hinzurechnungslücke“ lässt sich weder durch Auslegung oder Analogie noch durch eine spezifisch organschaftliche Korrektur über § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 2002 schließen.“

Die klagende GmbH & Co. KG war im Streitjahr 2006 alleinige Gesellschafterin der Y-GmbH und dieser im Rahmen einer gewerbesteuerrechtlichen Organschaft als Organträgerin verbunden. Die Y-GmbH wiederum war zu 72,3 % an einer italienischen Kapitalgesellschaft (YS.p.A.) beteiligt. Die Y-GmbH bezog von der Y-S.p.A. eine Dividende, die sie bei der Ermittlung ihres Gewerbeertrags nach § 7 Satz 1 GewStG 69 BStBl. II 2015, 1052. Literatur z.B. Engel/Hilbert, IWB 2015, 335; El Mourabit/ Fischnaler, DB 2015, 1552; Gosch, BFH/PR 2015, 204 u. in StbJb 2015/2016, 3; Heurung/Bresgen/Fröhr, BB 2015, 1431; Hielscher, BB 2015, 873; Jochimsen/Zinowsky, DStR 2015, 1999; Lieber, jurisPR-SteuerR 23/2015 Anm. 5; Roser, FR 2015, 475; Rupp, NWB 2015, 3604; Schwetlik, EStB 2015, 195; Suchanek/Rüsch, GmbHR 2015, 493.

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2002 in Einklang mit § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG 2002 n.F. zunächst als Gewinn erfasste und sodann nach § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG 2002 wieder herauskürzte; eine Hinzurechnung nichtabziehbarer Betriebsausgaben auf die Dividende nach Maßgabe von § 9 Nr. 7 Satz 3 und § 9 Nr. 2a Satz 4 (und § 36 Abs. 8 Satz 5) GewStG 2002 n.F. i.V.m. § 8b Abs. 5 KStG 2002 unterblieb. Die Klägerin bezog den ihr von der Y-GmbH nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 2002 zugerechneten Gewerbeertrag bei der Ermittlung ihres Gewerbeertrags ein. Auch sie sah von einer Hinzurechnung der auf die Dividende der Y-S.p.A. entfallenden nichtabziehbaren Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 (und § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2) KStG 2002 (n.F.) i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG 2002 ab. Es geht um die organschaftliche Bruttomethode (§ 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG: der Gewinn der Organgesellschaft wird ohne Anwendung von § 8b Abs. 1 bis 6 KStG ermittelt – die Privilegierung des § 8b KStG soll beim Organträger eingreifen [und nur dann, wenn es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt]) und die „eingeschränkte Einheitstheorie“ (auch wenn nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 2002 eine KapGes, die Organgesellschaft i.S. der §§ 14, 17 oder 18 KStG 2002 ist, als Betriebsstätte des Organträgers gilt, besteht kein einheitliches Unternehmen [selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind, wobei dabei auf dieser ersten Stufe die Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften [§§ 8, 9 GewStG 2002] zu beachten sind, und erst der selbständig ermittelte Gewerbeertrag der Organgesellschaft sodann – auf einer zweiten Stufe – mit dem für den Organträger selbst ermittelten Gewerbeertrag zusammenzurechnen ist [ergeben sich dabei unberechtigte doppelte steuerrechtliche Be- oder Entlastungen, sind diese auszuscheiden]). Im Einzelnen zum Gewerbeertrag der Y-GmbH: Die Dividende ist nach § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG 2002 zu kürzen. Der Kürzungsbetrag ist seinerseits nicht nach § 9 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 9 Nr. 2a Satz 4 GewStG 2002 n.F. um fiktive nichtabziehbare Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 zu vermindern – zwar sind solche fiktiven Betriebsausgaben kraft ausdrücklicher Gesetzesanordnung keine kürzungsfähigen Gewinne aus Anteilen i.S. von § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG 2002, jedoch wirkt sich dies nicht aus, weil die Anwendung von § 8b KStG 2002 infolge der „Bruttoanordnung“ in § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG 2002 n.F. (auch) in diesem Punkt suspendiert ist. Damit sind die Dividenden aus der Beteiligungsgesellschaft rechnerisch wie rechtlich vollen Umfangs nicht (mehr) Bestandteil des ermittelten Gewerbeertrags der Y-GmbH (Organgesellschaft). Und

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zum Gewerbeertrag der Klägerin (Organträgerin): Der Gewerbeertrag der Y-GmbH wird der Klägerin (nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 2002) als Saldogröße zugerechnet (d.h. er wird nicht in Einzelbestandteile und Einzelbeträge zerlegt und erst bei dem Organträger im Rahmen des für diesen zu ermittelnden Gewerbeertrags entsprechend „zusammengesetzt“). Die Dividende der Y-S.p.A. ist in dem zugerechneten Gewerbeertrag deswegen nicht mehr – wie aber nach § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. i.V.m. § 7 Satz 1 und § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 2002 erforderlich – „enthalten“. Sie kann infolgedessen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Organträgerin – einerseits – nicht mehr nach Maßgabe von § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 (i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG 2002) außer Ansatz bleiben; zugleich unterbleibt – andererseits – eine Hinzurechnung von 5 % der Dividende als Ausgaben, die nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG 2002 nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. Es verhält sich insoweit nicht anders als beispielsweise bei steuerfreien Betriebseinnahmen der Organgesellschaft, die gleichermaßen auf deren Ebene außerbilanziell „herausgekürzt“, sodann dem Organträger in dieser Höhe zugerechnet werden und deswegen nicht im zugerechneten Einkommen enthalten sind. Im Ergebnis hat daher die Verlagerung der Entscheidung zur Anwendung des § 8b KStG auf den Organträger („Bruttomethode“) im Zusammenhang mit der gewerbesteuerrechtlichen Schachtelprivilegierung bei der Organgesellschaft den gewerbesteuerlichen Effekt, die Belastungswirkung der Schachtelstrafe im Organkreis auszuschließen („Hinzurechnungslücke“). Ausdrücklich wird vom BFH eine (belastende!) Lückenschließung aus dem Rechtsgedanken des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG heraus (es liege eine „ungerechtfertigte doppelte Entlastung“ vor) abgelehnt – denn der Effekt beruht nicht auf der getrennten Ermittlung des Gewerbeertrags, sondern auf § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG 2002. Über die konkret streitgegenständliche Norm (§ 9 Nr. 7 GewStG) hinausgehend wird man eine Auswirkung auch auf § 9 Nr. 8 GewStG (sog. DBA-Schachtelprivileg) und auf § 9 Nr. 2a GewStG (inländische Beteiligungserträge! [Beteiligungsgrenze 15 %]) annehmen können.70 Bei körperschaftsteuerrechtlichen Streubesitzdividenden (§ 8b Abs. 4 KStG n.F.) ist die Mindestbeteiligungsgrenze für die gewerbesteuerrechtliche Kürzung bei der Organgesellschaft nicht erreicht, so dass die Dividende im Gewerbeertrag (auch) der Organträgerin ankommt, und dort findet keine 70 Lieber, jurisPR-SteuerR 23/2015 Anm. 5 (zu D.); El Mourabit/Fischnaler, DB 2015, 1552, 1556; zu § 9 Nr. 8 GewStG s.a. Jochimsen/Zinowsky, DStR 2015, 1999, 2003 f.

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(evtl. mit Blick auf „eigenen Beteiligungsbesitz“ denkbare) Zusammenrechnung von Beteiligungsquoten statt (damit keine Freistellung, Belastung mit KSt/GewSt in voller Höhe). Ist die Grenze des § 8b Abs. 4 KStG n.F. überschritten, nicht aber die gewerbesteuerrechtliche Mindestbeteiligungsquote erreicht, wird die Dividende bei der Organgesellschaft nicht gekürzt, bei der Organträgerin findet eine körperschaftsteuerliche Entlastung statt (95 %), aber auch insoweit eine (belastende) gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG.71 Jochimsen/Zinowsky72 machen darauf aufmerksam, dass die Lösung zu modifizieren ist, soweit bei der Organgesellschaft Betriebsausgaben vorliegen, die im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den zu kürzenden Dividenden stehen – denn dann mindert sich insoweit der Kürzungsbetrag des § 9 Nr. 7 GewStG (dort Satz 2: entsprechende Anwendung von § 9 Nr. 2a Satz 3 GewStG), so dass noch Dividenden im Gewerbeertrag der Organgesellschaft vorhanden sind, welche dann beim Organträger („zweite Stufe“) zur Anwendung von § 8b Abs. 1 KStG und (anteilig) § 8b Abs. 5 KStG mit gewerbesteuerlicher Auswirkung führen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei Veräußerungsgewinnen eine abweichende Rechtslage besteht, da insoweit das GewStG keine Kürzungsvorschrift vorsieht. Zwar sah der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum ProtErklUmsG (BT-Drucks. 18/4902) keine Gesetzesergänzung vor, die Bundesregierung hatte aber zugesagt, einer entsprechenden Prüfbitte des Bundesrates nachzukommen (dort Anlage 3).73 Immerhin sieht das „Steueränderungsgesetz 2015“74 keine „rechtsprechungsbrechende Korrektur“ vor. Exkurs 1: Die Rechtsfrage, ob § 8b Abs. 5 KStG im VZ 2008 auch auf durch DBA freigestellte Dividenden anwendbar ist, hat das FG Düsseldorf75 bejaht (s. zu § 8b Abs. 7 KStG a.F. bereits BFH-Urteil vom 29.8.2012 – I R 7/1276). Dem ist das FG des Saarlandes77 gefolgt: „Das 71 S. El Mourabit/Fischnaler, DB 2015, 1552, 1556. 72 DStR 2015, 1999, 2003. S. insoweit auch OFD Karlsruhe, Vfg. v. 17.2.2016, Der Konzern 2016, 153. 73 Zu möglichem Vertrauensschutz El Mourabit/Fischnaler, DB 2015, 1552, 1557 f. 74 S. Fn. 67. 75 Rechtskräftiges Urteil v. 16.9.2014 – 6 K 2018/12 K, EFG 2015, 155; Literatur: Hielscher, BB 2015, 1000; s.a. Kollruss, IStR 2015, 868. 76 BStBl. II 2013, 89. 77 FG Saarland, Urt. v. 24.3.2015 – 1 K 1162/13, EFG 2015, 1850 – anhängige Revision I R 29/15; s.a. Kollruss, IStR 2015, 868; Weiss, StuB 2016, 182.

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pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot des § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG gilt auch bei Dividenden, die nach DBA steuerfrei sind. § 8b Abs. 5 KStG stellt kein „Treaty Override“ dar. Die auf erster Stufe vorzunehmende Abkommensfreistellung bleibt durch die auf zweiter Stufe zu prüfende Abzugsfähigkeit der mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Ausgaben – hier pauschaliert nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG – unberührt.“ (juris-Leitsatz). Ob eine Sondersituation im Anwendungsbereich des DBA-Frankreich vorliegt (Steuerfreistellung der „Nettoeinkünfte“)78, ist streitig.79 Exkurs 2: Das EuGH-Urteil v. 2.9.2015 – C-386/14 „Groupe Steria SCA …“80 – „Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zur Konzernbesteuerung entgegensteht, wonach bei der Muttergesellschaft eines steuerlichen Konzerns die Hinzurechnung eines Anteils für Ausgaben und Aufwendungen, der pauschal auf 5 % des Nettobetrags der Dividenden, die sie von den in den steuerlichen Konzern einbezogenen gebietsansässigen Gesellschaften erhält, festgelegt ist, neutralisiert wird, während ihr nach diesen Rechtsvorschriften eine solche Neutralisierung für diejenigen Dividenden versagt wird, die von ihren Tochtergesellschaften an sie ausgeschüttet werden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind und die, wenn sie gebietsansässig wären, objektiv für die Wahl der Konzernbesteuerung in Betracht kämen.“ – löst die Frage nach der Übertragbarkeit dieses Frankreich betreffenden Falls auf die deutsche Rechtslage („Organschaft vermeidet Schachtelstrafe“, faktischer Ausschluss ausländischer Tochtergesellschaften, soweit diese nicht ihre Geschäftsleitung im Inland haben) aus.81 Mit Schiefer82 ist auf die zur französischen Rechtslage abweichende Abführungs- und Zurechnungssystematik bei der Organschaft zu verweisen (§ 8b Abs. 5 KStG findet „mangels Ausschüttung“ keine Anwendung). Es verbliebe die „größere Frage“ der Unionsrechtskonformität der (national beschränkten) Organschaft: Mit Urteil v. 17.9.2014 – I R 78 S. den Hinweis von JH (DStZ 2015, 236) auf SenFin Berlin v. 29.8.2014, IStR 2014, 939. 79 Abl. Kollruss, IStR 2015, 868, 874 f. 80 DStR 2015, 2125; Literatur z.B. Heurung/Fröhr/Schmidt, BB 2016, 727, 732; Heurung/Schmidt//Kollmann, GmbHR 2016, 449; Linn, IWB 2015, 819; Mitschke, FR 2015, 1117; Müller, ISR 2015, 361; Schnitger, IStR 2015, 772. 81 Z.B. Geberth/Bartelt, GmbHR 2015, R929 (Heft 19). 82 IStR 2015, 567, 568 (als Anmerkung zu den entsprechenden Schlussanträgen der GA in Kokott in IStR 2015, 563).

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30/1383 hat der BFH es jedenfalls verwehrt, sich bezogen auf bestimmte einzelne Steuervergünstigungen auf einen Unionsrechtsverstoß zu berufen („Der in Abschn. 41 Abs. 1 Satz 5 und 6 GewStR 1998 (nunmehr in R 7.1 Abs. 5 Satz 3 und 4 GewStR 2009) für den gewerbesteuerrechtlichen Organkreis billigkeitsweise angeordnete Verzicht auf die Hinzurechnungen zum Gewinn aus Gewerbebetrieb nach Maßgabe von § 8 GewStG (1999) setzt voraus, dass die jeweilige Hinzurechnung zu einer doppelten gewerbesteuerlichen Belastung führt. Daran fehlt es bei einer – aus Gründen der unionsrechtlichen Gleichbehandlung entgegen § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1999 i.V.m. § 14 Nr. 1 bis 3 KStG 1999 als möglich unterstellten – Organschaft zwischen einer inländischen Muttergesellschaft und deren ausländischen (hier: belgischen) Tochtergesellschaft. Die bei der Muttergesellschaft nach § 8 Nr. 1 GewStG 1999 vorzunehmende Hinzurechnung von Zinsen, die diese für ein ihr gewährtes Darlehen an die Tochtergesellschaft gezahlt hat, verstößt deswegen nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit.“).84 Nachtrag: Der Gesetzgeber lässt voraussichtlich ein „Nichtanwendungsgesetz“ folgen (s. dazu Art. 11 des BMF-Referentenentwurfs eines „Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und – verlagerungen“ [Stand: 31.5.2016] mit Einfügung eines § 7a GewStG).

VI. Grenzüberschreitende Anrechnung einer Körperschaftsteuer (KStG a.F.) Ob die „veritable(n) Achterbahnfahrt zwischen dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot und dem unionsrechtlichen Frustrationsverbot einerseits und den (inner-)staatlichen Anrechnungshürden andererseits“85 durch das BFH-Urteil vom 15.1.2015 – I R 69/1286 („Schlussurteil zu 83 DStR 2014, 2561; Literatur z.B. Gosch, BFH/PR 2015, 91 u. in StBJb 2015/2016, 3; Kahlenberg, StuB 2015, 257; Müller, ISR 2015, 63; Patzner/Nagler, GmbHR 2015, 218; Schwetlik, EStB 2015, 46. 84 Zum Gesichtspunkt „Rosinenpickerei“ mit Blick auf das EuGH-Urteil C-386/14 (hier Fn. 83) s. Henze, ISR 2015, 398, 404 f. 85 So Gosch, BFH/PR 2015, 266, 267. 86 DStR 2015, 1297; Literatur z.B. Böing, EStB 2015, 233 u. GmbH-StB 2015, 250; Gosch, BFH/PR 2015, 267; Intemann, NWB 2016, 36; Meilicke, IStR 2015, 482 u. DB 2015, 2601; Roser, GmbHR 2015, 765; Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2015 Anm. 3; Sydow, IStR 2015, 551. S.a. FinMin Schleswig-Holstein v. 30.12.2015, IStR 2016, 264.

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den EuGH-Urteilen Meilicke I und Meilicke II“) bereits am Endpunkt angelangt ist, mag man bezweifeln (Streitjahre: 1995, 1996, 1997): „1. Die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft wird nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG 1990 n.F./1997 nicht angerechnet, wenn die Einnahmen oder die anrechenbare Körperschaftsteuer bei der Veranlagung nicht erfasst werden. Dass die Anrechnungsbeschränkung auf unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Körperschaften gegen die unionsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit verstößt (Anschluss an EuGH-Urteil Meilicke I v. 6.3.2007 C-292/04, EU:C:2007:132, Slg. 2007, I-1835), ändert daran nichts. Anders verhielt es sich bezogen auf die anrechenbare Körperschaftsteuer allerdings nach Maßgabe von § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG 1990 a.F. für Veranlagungszeiträume bis 1995 (insoweit Bestätigung des Senatsurteils v. 6.10.1993 I R 101/92, BFHE 172, 370, BStBl II 1994, 191).“

Zunächst ist bedeutsam, dass die Körperschaftsteuer-Anrechnung (Rechtslage bis 2000) verfahrensrechtlich aufgespalten ist in das Festsetzungsverfahren einerseits (korrespondierende Einnahmeerfassung/§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG ab VZ 1996; Beschwer i.S. § 40 Abs. 2 FGO trotz „Verböserung“ wegen der faktischen Folgewirkung87 auf das Erhebungsverfahren) und das Erhebungsverfahren andererseits (Anrechnungsverfügung/Abrechnungsbescheid). Daher sind gesonderte Vorverfahren als Voraussetzung des Anfechtungs-/Verpflichtungsbegehrens erforderlich. Hier ging es um einen Streit im Erhebungsverfahren. Die Unionsrechtswidrigkeit des Anrechnungsausschlusses (Kapitalverkehrsfreiheit [Drittstaaten?] – hier: Anrechnung aus EU-Mitgliedstaaten) führt nicht zur Nichtigkeit der jeweiligen Norm, soweit die Reduktion von unionsrechtswidrigen Normbestandteilen möglich ist („geltungserhaltende Reduktion“): Dies ermöglicht eine Anrechnung ausländischer KSt (allerdings konsequent [als „Rechtsreflex“/zugleich mit dem Zweck, eine „Inländerdiskriminierung“ auszuschließen]: belastende Ausweitung des § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG) und Anpassung der Nachweisvoraussetzungen. Verbleibende Anrechnungsvoraussetzung ist der Nachweis einer auf diese Dividenden entfallenden ausländischen KSt. (alle Beweismittel möglich!) – der Anrechnungsbetrag kann nicht rein rechnerisch über den ausländischen nominellen Steuersatz auf die Beteiligungserträge nachgewiesen werden (im Inlandsfall sei durch die Gliederungsrechnung und das Be-

87 „Wie ein Grundlagenbescheid“ (s. BFH, Urt. v. 29.10.2013 – VII R 68/11, BStBl. II 2016, 115) mit Neubeginn der Zahlungsverjährung.

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scheinigungserfordernis „modellhaft“ sichergestellt gewesen, dass das Anrechnungsvolumen nicht den tatsächlich gezahlten KSt.-Betrag übersteigen würde). Eine tatsächliche Zahlung von KSt. durch die Kapitalgesellschaft (Zahlungsnachweis) ist (wie im Inlandsfall) nicht erforderlich, ebenso geht es nicht darum, eine konkrete Belastungshöhe bei der Kapitalgesellschaft im Zeitraum des Erwirtschaftens des Ausschüttungsvolumens nachzuweisen („Verwendungsfiktion“); es muss nur ersichtlich sein, dass im Moment der Ausschüttung noch ein Belastungsvolumen bei der Kapitalgesellschaft (tatsächlich geschuldete Steuer – nicht zwingend aus dem Wirtschaftsjahr, für das ausgeschüttet wird) vorhanden war (keine Ermittlung „ab 1977“, sondern Möglichkeit einer Ermittlung der „Vorbelastung“ ausgehend vom letzten maßgeblichen Wirtschaftsjahr [„retrograd“] ohne besondere EK-Gliederungsrechnung). Nachweisobliegenheit und Nachweisrisiko liegt beim Anrechnungspetenten (ungeachtet praktischer Probleme [insb. bei Streubesitz!]) – der betroffene Mitgliedstaat muss ein entsprechendes Informationsdefizit auf Anlegerseite nicht ausgleichen (kein Amtshilfeerfordernis). Eine Schätzung ist ausgeschlossen. Eine dazu getroffene tatrichterliche Würdigung des FG bindet im Revisionsverfahren (§ 118 Abs. 2 FGO).88 Im Streitfall: Vorlage von Bescheinigungen niederländischer/dänischer Banken (ausschüttende Gesellschaft, Auszahlungsdatum, Höhe der Bruttodividende, Höhe der anrechenbaren KSt. [als Bruchteil der Bruttodividende entsprechend dem jeweiligen ausländischen Ausschüttungssteuersatz]) und Ausführungen zum tatsächlichen Ausschüttungsverhalten der Kapitalgesellschaft.89 Je-

88 In gewisser Weise eine Parallelsituation zum Nachweis „über die Grenze“ im BFH-Urteil v. 21.1.2015 – X R 7/13, BStBl. II 2015, 588: „… 2. Aus unionsrechtlichen Gründen kann nicht verlangt werden, dass die Zuwendungsbestätigung einer ausländischen Stiftung dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck gemäß § 50 EStDV entspricht. Zu den notwendigen Bestandteilen der Zuwendungsbestätigung einer ausländischen Stiftung gehört aber, dass die ausländische Stiftung bescheinigt, sie habe die Spende erhalten, verfolge den satzungsgemäßen gemeinnützigen Zweck und setze die Spende ausschließlich satzungsgemäß ein.“ 89 Dazu erläuternd und zur BFH-Entscheidung krit. (insb. unter Hinweis auf § 45 KStG a.F. [aber dort „Ausstellerhaftung“!]) Meilicke, IStR 2015, 482, 483 f., u. dazu „Gegenkritik“ von Sydow, IStR 2015, 551, 553 f., mit Entgegnung Meilicke, DB 2015, 2601. Roser fordert, dass „die durch das … (EUAHiG) jüngst erheblich erweiterten Möglichkeiten der Amtshilfe bei der Abwägung der Beweis- und Nachweisnot künftig Berücksichtigung finden“ soll (GmbHR 2015, 765, 766).

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denfalls hat der BFH keine „gutachterlichen Hinweise“ zu Bedingungen eines Nachweiserfolgs erteilt.90 Nach Meilicke91 ist bei der Kommission inzwischen eine Vertragsverletzungsbeschwerde anhängig gemacht (Untätigkeit des deutschen Gesetzgebers betr. Verpflichtung zur Klarstellung der Berechnungsvoraussetzungen)92 und im Übrigen ist Verfassungsbeschwerde erhoben worden.93 Nachtrag: Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 29.3.2016 – 2 BvR 1452/15).

90 Zu dieser Frage s. die Revision I R 38/12 (zu FG Münster, Urt. v. 19.1.2012 – 5 K 105/07 E, EFG 2012, 946 mit Anmerkung Hoffmann [Streitjahre 1996 ff.]): „1. Die Grundsätze der Anrechnung von ausländischer Körperschaftsteuer sind vom EuGH geklärt. Ob und welche Unterlagen im Einzelnen vorgelegt werden müssen, ist von den nationalen Gerichten zu entscheiden. 2. Die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer setzt eine – nicht den Erfordernissen des § 44 KStG genügen müssende – Bescheinigung der ausschüttenden Körperschaft über die tatsächliche Körperschaftsteuerbelastung der ausgeschütteten Dividenden voraus. Es genügt nicht, die in den Ansässigkeitsstaaten der ausländischen Körperschaften geltenden Körperschaftsteuersätze zu ermitteln und von den bezogenen Dividenden auf die Bruttodividende hochzurechnen, um durch deren Einkommensbesteuerung die Anrechnung der Körperschaftsteuer zu ermöglichen. 3. Das Nichtvorliegen von Bescheinigungen der ausländischen ausschüttenden Körperschaft über die tatsächliche Höhe der auf den Dividenden lastenden Körperschaftsteuer führt auch dann zur Versagung der Anrechnung, wenn eine Beschaffung solcher Bescheinigungen tatsächlich praktisch unmöglich oder zu schwierig gewesen wäre. Eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Unterlagenbeschaffung ist nicht vorzunehmen. …“ (juris-Orientierungssatz). Die Revisions-Entscheidung des BFH datiert v. 18.8.2015, s. Spies, ISR 2016, 138. S. i.Ü. zur nachträglichen Belegvorlage (und § 175 Abs. 2 Satz 2 AO) FG Köln, Urt. v. 11.12.2014 – 10 K 2414/12, EFG 2015, 566 mit Anmerkung Kuhfus, rechtskräftig. 91 IStR 2015, 482, 483. Gosch bringt in BFH/PR 2015, 268 das Staatshaftungsrecht ins Spiel (dagegen Sydow, IStR 2015, 552). 92 Dazu könnte zu bedenken sein, dass das EuGH-Urteil v. 3.2.2015 – Rs. C-172/13 – Kommission ./. Vereinigtes Königreich zum „finalen Verlust“ (s. Fn. 39) eine Rüge der fehlenden gesetzlichen Umsetzung von „Marks & Spencer“ zurückgewiesen hat, da eine grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung im Wege der Auslegung des bestehenden Rechts zu erlangen war. 93 DB 2015, 2601.

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Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene Professor Dr. Stefan Köhler Steuerberater, Eschborn Regierungsdirektor Dr. Wendelin Staats, LL.M. Bundesministerium der Finanzen, Berlin Inhaltsübersicht I. Einleitung (Staats) II. Das BEPS-Projekt im Überblick (Staats) 1. Hintergrund und Ziele des BEPS-Projekts 2. Übersicht über die Aktionspunkte 3. Zum Verbindlichkeitsgrad 4. Status und BEPS-Folgemaßnahmen III. Ausgewählte Aktionspunkte 1. Hybride Gestaltungen (Aktionspunkt 2) (Staats) 2. Zinsabzug (Aktionspunkt 4) (Staats)

3. Schädliche Steuerpraktiken (Aktionspunkt 5) (Köhler) 4. Abkommensmissbrauch (Aktionspunkt 6) (Köhler) 5. Verrechnungspreise (Aktionspunkte 8–10) (Köhler) 6. Streitbeilegung (Aktionspunkt 14) (Köhler) 7. Multilaterales Instrument (Aktionspunkt 15) (Köhler) IV. Ausblick (Köhler/Staats)

I. Einleitung1 (Staats) Mit dem G20/OECD-BEPS-Projekt und dem dazugehörigen Aktionsplan vom Juni 20132 wurde der breit aufgestellte Versuch angestoßen, unerwünschten Steuergestaltungen und unfairem Steuerwettbewerb der Staaten international abgestimmt zu begegnen. Im September 2014 wurden zu den ersten 7 Aktionspunkten erste (vorläufige) Ergebnisse vor1 Das Dokument basiert anteilig auch auf dem gehaltenen Vortrag und beinhaltet entsprechende Dialogteile. 2 Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting, OECD (2013). Online abrufbar unter http://dx.doi.org/10.1787/9789264202719-en. Der letzte Abruf sämtlicher in diesem Beitrag genannten Internetquellen erfolgte am 10.6.2016.

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene

gelegt,3 die bereits Thema auf dem Fachkongress 2014 waren.4 Am 5. Oktober 2015 folgte dann mit Veröffentlichung der 13 Abschlussberichte zu allen 15 Aktionspunkten des Aktionsplans ein erster Abschluss des Projekts.5 Dass die OECD überhaupt innerhalb des sehr ambitioniert festgelegten Zeitrahmens von etwas mehr als zwei Jahren zu allen 15 Aktionspunkten Handlungsempfehlungen vorlegen würde, war zu Beginn des Projekts nicht unbedingt absehbar. Zumal eine ganze Reihe der Handlungsempfehlungen durchaus substantiellen Gehalt haben. Eine entsprechende Umsetzung durch die an dem Projekt teilnehmenden Staaten vorausgesetzt, dürfte das BEPS-Projekt damit erhebliche Auswirkungen auf die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für die betroffenen Unternehmen und Staaten haben.6 Der folgende Beitrag will die Ergebnisse des BEPS-Projekts kurz vorstellen. Nach einem Überblick über das BEPS-Projekt insgesamt (unter II.) werden einzelne ausgewählte Aktionspunkte etwas näher beleuchtet (unter III.). Es handelt sich hierbei um einige der Aktionspunkte, denen aus deutscher Sicht eine besondere Bedeutung zukommen dürfte. Bei einigen Punkten gilt dies gerade auch aufgrund einer hohen Umsetzungswahrscheinlichkeit wegen des von der OECD (politisch) vorgegebenen Verbindlichkeitsgrads oder wegen der sich vereinzelt bereits abzeichnenden Gesetzgebungsaktivität. Dabei beschäftigt sich dieser Beitrag primär mit dem Stand der Arbeiten auf Ebene der OECD/G20-Staaten. Die mögliche Umsetzung in deutsches Recht und die daraus resultierenden Konsequenzen werden in dem nachfolgenden Beitrag von Rupp/Blumenberg dargelegt.7 3 Die sog. „7 deliverables“ für das Jahr 2014, alle online abrufbar unter http:// www.oecd.org/ctp/beps-2014-deliverables.htm. 4 Vgl. hierzu den Tagungsbericht von Dorenkamp, StbJb 2014/2015, S. 443 ff. 5 Online abrufbar unter http://www.oecd-ilibrary.org/taxation/oecd-g20-baseerosion-and-profit-shifting-project_23132612. Zu Überlegungen einer möglichen „POST-BEPS-Agenda“ vgl. noch unten unter II.4. 6 Bereits im StbJb 2014/2015 spricht etwa Dorenkamp, a.a.O. (Fn. 4) davon, dass die BEPS-Diskussion die „Fortentwicklung des Internationalen Steuerrechts wie keine zweite prägen dürfte“. 7 Hingewiesen sei außerdem auf den mittlerweile vorliegenden Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen“ vom 31.5.2016, abrufbar unter http://www.bundesfinanz ministerium.de.

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene

II. Das BEPS-Projekt im Überblick (Staats) 1. Hintergrund und Ziele des BEPS-Projekts Dem BEPS-Projekt liegt die Erkenntnis zugrunde, dass international aufgestellte, grenzüberschreitend tätige Unternehmen gezielt legale Steuergestaltungsmöglichkeiten ausnutzen, um ihre effektive Steuerbelastung im Rahmen des legal Möglichen auf ein Minimum zu senken. Es handelte sich hierbei im Grundsatz nicht um neue Erkenntnisse. Viele der im Rahmen des BEPS-Projekts adressierten Problemfelder wurden bereits lange diskutiert und waren teilweise auch schon Gegenstand konkreter Arbeiten auf OECD-Ebene. Allerdings wurde die Gewinnverlagerung internationaler Konzerne in den letzten Jahren von der Öffentlichkeit und damit einhergehend auch von der Politik zunehmend kritisch gesehen. Begleitet und auch angeheizt wurde die Diskussion durch eine breite Medienberichterstattung. In Deutschland kann man das Interesse der Politik an diesem Thema nicht zuletzt dem aktuellen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD entnehmen. Dort heißt es: „Wir erwarten den Abschluss der Arbeiten zur OECD-BEPS-Initiative im Jahre 2015, einem Vorhaben, um internationaler Steuervermeidung entgegenzuwirken, welches wir aktiv unterstützen.“8 Daran anknüpfend heißt es sogar: „Soweit sich unsere Ziele im Rahmen der OECD-BEPS-Initiative in diesem Zeitraum nicht realisieren lassen, werden wir nationale Maßnahmen ergreifen.“9 Das Thema „Bekämpfung von BEPS“ ist also ein durchaus wichtiges steuerpolitisches Anliegen der aktuellen Bundesregierung. Von Seiten der Unternehmen wurde gelegentlich – und teils durchaus zu Recht – eine Versachlichung der Debatte angemahnt. So bewegen sich viele der bekannten Gewinnverlagerungsstrategien grenzüberschreitend tätiger Unternehmen nicht nur im Bereich des rechtlich Erlaubten, sondern beruhen sogar auf nachvollziehbaren unternehmerischen Überlegungen. Wenn einzelne Länder Steuervorteile gezielt einsetzen, um die eigene steuerliche Attraktivität zu erhöhen, sind insoweit auch nicht al-

8 Vgl. Seite 65 des Koalitionsvertrags der CDU, CSU und SPD vom 16.12.2013; abrufbar z.B. unter https://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/ koalitionsvertrag.pdf. 9 A.a.O. (Fn. 8).

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene

lein die Unternehmen, die sich davon anziehen lassen, zu kritisieren. Eine sachliche und problemorientierte Diskussion hat dann aber durchaus stattgefunden. Es ging und geht letztlich nicht um das Anprangern Einzelner, sondern um eine Überprüfung der steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für grenzüberschreitend tätige Unternehmen. Ein Ziel des BEPS-Projekts ist dabei besonders wichtig: Durch das gemeinsame Handeln sollen Wettbewerbsnachteile einzelner Länder aufgrund nationaler Alleingänge vermieden werden. Etwaige steuerliche Restriktionen sollten im Idealfall möglichst in allen Ländern und weitgehend abgestimmt zur Anwendung kommen.10 Wesentliche Geschäftsgrundlage des BEPS-Projekts ist also der Gedanke der Schaffung eines entsprechenden „level playing field“.11 Dies war auch einer der treibenden Gründe dafür, eine möglichst breite Unterstützung des Projekts anzustreben. Die Handlungsempfehlungen sollten nicht nur für die OECD-Mitglieder, sondern auch für alle G20-Staaten akzeptabel und umsetzbar sein, die (noch) nicht Mitglied der OECD sind. Hierdurch wurde möglich, dass einige wirtschaftlich wichtige Schwellenländer, wie zum Beispiel Indien und China das Projekt mittragen. Dies wiederum verleiht dem Projekt insgesamt eine größere politische Bedeutung, was auch die Umsetzungswahrscheinlichkeit erhöhen dürfte.12

2. Übersicht über die Aktionspunkte Folgende 15 Aktionspunkte und die dazugehörigen 13 Abschlussberichte umfasst das BEPS-Projekt13:

10 Vgl. hierzu auch Kreienbaum, IStR 2015, 753, sowie die zahlreichen Hinweise hierzu in der „Erläuterung“ zu den Abschlussberichten 2015, abrufbar unter http://www.oecd.org/berlin/publikationen/beps-explanatory-statement-2015_ GER.pdf. In diesem Zusammenhang weisen z.B. auch Rödder/Pinkernell auf das Problem von drohenden Wettbewerbsverzerrungen hin und mahnen einen vorsichtigen Umgang des deutschen Gesetzgebers mit etwaigen BEPS-Gegenmaßnahmen gegenüber die eigenen Steuerpflichtigen an, vgl. IStR 2013, 619. 11 Vgl. Kreienbaum a.a.O. (Fn. 10). 12 Vgl. in diesem Zusammenhang auch weiter unten unter II. 3. zu der Frage, wie der Verbindlichkeitsgrad der Empfehlungen einzuordnen ist. 13 Mit der Kennzeichnung „2014“ sind diejenigen Aktionspunkte versehen, zu denen bereits im September 2014 erste (vorläufige) Ergebnisse vorgelegt wurden.

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene Action 1: digital economy2014

Action 15: multilateral instrument2014 Action 11: data on BEPS Action 12: disclosure Action 13: transfer pricing documentary & CbC-reporting2014

Action plan on Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)

Action 14: dispute resolution

Action 2: hybrid mismatches2014 Action 3: CFC rules Action 4: interest Action 5: harmful tax practices2014

Action 6: treaty abuse2014 Action 7: permanent establishment Action 8, 9 und 10: aligning Transfer Pricing outcomes with value creation2014

Auf die Aktionspunkte 2, 4, 5, 6, 8–10, 14 und 15 wird weiter unten (unter III.) näher eingegangen. Zu den übrigen Aktionspunkten sei im Rahmen eines Überblicks auf Folgendes hingewiesen: – Aktionspunkt 1: Digitale Wirtschaft Es bestand schnell Einvernehmen bei der OECD darüber, dass es keine für steuerrechtliche Zwecke abgrenzbare „digitale Wirtschaft“, sondern vielmehr eine Digitalisierung der gesamten Wirtschaft gibt.14 Konkrete, sofort umsetzbare Handlungsempfehlungen finden sich in dem Abschlussbericht nicht. Allerdings findet eine umfassende Aufarbeitung der wirtschaftlichen Hintergründe der Digitalisierung, einschließlich der steuerrechtlichen Implikationen, statt. Daneben konnte man sich auf eine – maßvolle – Modifizierung bestehender Kriterien für die Zuordnung von Besteuerungsrechten bei Betriebsstätten einigen (vgl. noch hierzu unten zu Aktionspunkt 7), ein grundlegender Neuansatz hin zu einer Art „digitale Betriebsstätte“ wird aber nicht ausdrücklich empfohlen. Allerdings wurde dies durchaus kontrovers diskutiert, und in dem Bericht finden sich entsprechende Optionen, die hierzu entwickelt wurden.15

14 Vgl. den Abschlussbericht der OECD zu AP 1 a.a.O. (Fn. 5), 11. 15 Vgl. den Abschlussbericht der OECD zu AP 1, a.a.O. (Fn. 5), 106 ff. Näher zu dem Bericht Fehling, IStR 2015, 797, sowie bereits zu dem ersten Bericht 2014 Fehling, IStR 2014, 638 sowie Dorenkamp, a.a.O. (Fn. 4), 448 f. Vgl. zu dem Thema Besteuerung der digitalen Wirtschaft auch Rogge, BB 2015, 2966.

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene

– Aktionspunkt 3: Hinzurechnungsbesteuerung Der Bericht „Designing Effective Controlled Foreign Company Rules“16 enthält keine sehr konkreten und verbindlichen Handlungsempfehlungen, insbesondere keinen Mindeststandard, wie er aus deutscher Sicht zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen durchaus wünschenswert gewesen wäre.17 Im Wesentlichen werden bereits existierende Hinzurechnungsregeln verschiedener Staaten sowie deren Effektivität zur Bekämpfung von BEPS analysiert. Daran anknüpfend werden sog „building blocks“ als Empfehlung für „bewährte Verfahren“ („best practices“) dargestellt. Die Handlungsempfehlungen dürften damit sowohl für Staaten interessant sein, die bisher noch keine Hinzurechnungsregeln haben und die Einführung solcher Regeln in Betracht ziehen, als auch für Staaten mit bereits bestehenden Hinzurechnungsregimen, die aufgrund der Empfehlungen ihr System verbessern möchten. Aus deutscher Sicht dürfte es wohl allenfalls im Detail Anpassungsbedarf geben. Vielleicht bietet sich dann auch die Gelegenheit, die Beherrschungsgrenze im Sinne der OECD anzupassen. Die OECD empfiehlt jedenfalls, abweichend vom deutschen Recht, Beteiligungen zum Erreichen der Mehrheitsbeteiligung nur dann zusammenzurechnen, wenn auch ein gemeinschaftliches Zusammenwirken („acting in concert“) vorliegt.18 – Aktionspunkt 7: Betriebsstättenbegriff Die OECD empfiehlt im Grundsatz keine Abkehr vom bisherigen Betriebsstättenbegriff (siehe hierzu bereits oben zu Aktionspunkt 1). Hinsichtlich einzelner Gesichtspunkte werden aber konkret Änderungen am OECD-MA empfohlen.19 Das betrifft zum Beispiel eine Erweiterung der Definition der Vertreter-Betriebsstätte in Art. 5 Abs. 5 und 6 OECDMA beim Komissionärsmodell20 sowie eine allgemeine Einschränkung der Betriebsstätten-Ausnahmen für bestimmte Tätigkeiten in Art. 5 Abs. 4 OECD-MA auf vorbereitende Tätigkeiten bzw. Hilfstätigkeiten21. Schließlich sei noch die empfohlene Verhinderung der „Aufsplitterung“

16 Vgl. den Abschlussbericht der OECD zu AP 3, a.a.O. (Fn. 5). 17 So auch Radmanesh, IStR 2015, 895. 18 Vgl. den Abschlussbericht der OECD zu AP 3, a.a.O. (Fn. 5), 21. Vgl. hierzu auch näher Radmanesh, a.a.O. (Fn. 17), 895 (900). 19 Vgl. den Abschlussbericht der OECD zu AP 7, a.a.O. (Fn. 5); hierzu z.B. Collier, TNI 2015, 249. 20 Vgl. den Abschlussbericht der OECD zu AP 7, a.a.O. (Fn. 5), 15 ff. 21 Vgl. den Abschlussbericht der OECD zu AP 7, a.a.O. (Fn. 5), 28 ff.

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von Verträgen zur Umgehung der 12-Monatsgrenze des Art. 5 Abs. 3 OECD-MA genannt.22 – Aktionspunkt 11: Daten zu BEPS Aktionspunkt 11 betrifft „Measuring and Monitoring BEPS“.23 Letztlich wird die Ausgangsthese, dass negative ökonomische Effekte durch BEPS entstehen und entsprechender Handlungsbedarf zur Bekämpfung von BEPS vorhanden ist, bestätigt.24 – Aktionspunkt 12: Offenlegungspflichten Hier wird im Rahmen einer Empfehlung für „bewährte Verfahren“ („best practices“) die Einführung einer Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle, die insbesondere auch grenzüberschreitende Gestaltungen erfasst, empfohlen.25 Da es sich um keinen Mindeststandard handelt, verhält sich ein Staat aber auch OECD-konform, wenn er eine solche Anzeigepflicht nicht in nationales Recht umsetzt. In Deutschland sah zuletzt der Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2008 die Einführung eines § 138a AO-E vor. Dieser Vorschlag wurde seinerzeit steuerpolitisch heftig diskutiert und fand letztlich nicht den Weg in das Bundesgesetzblatt.26 Insoweit wird abzuwarten sein, ob der deutsche Gesetzgeber einen neuen Anlauf mit BEPS-Rückenwind unternehmen wird. Bereits im Mai 2014 hatte immerhin der Bundesrat erneut die Bundesregierung aufgefordert, sich für eine europaweite Anzeige- und Registrierungspflicht von internationalen Steuergestaltungen einzusetzen und im Vorgriff darauf eine entsprechende nationale Regelung einzuführen.27

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Vgl. den Abschlussbericht der OECD zu AP 7, a.a.O. (Fn. 5), 42 ff. Vgl. den Abschlussbericht der OECD zu AP 11, a.a.O. (Fn. 5). Vgl. den Abschlussbericht der OECD zu AP 11, a.a.O. (Fn. 5), 79 ff. Vgl. den Abschlussbericht der OECD zu AP 12, a.a.O. (Fn. 5). Die OECD hat dies im Grundsatz bereits vor dem BEPS-Projekt als Mittel gegen aggressive Steuerplanung und missbräuchliche Steuergestaltungen empfohlen. Vgl. Hierzu „Study into the Role of Tax Intermediaries“ (OECD 2008), 19 u. 29; Tackling Aggressive Tax Planning through Improved Transparency and Disclosure (OECD 2011), 19; Hybrid Mismatch Arrangements: Tax Policy and Compliance Issues, (OECD 2012), 25. 26 Vgl. hierzu z.B. Flämig, DStR 2007, Beihefter zu Heft 44, 2 ff.; Kessler/Eicke, BB 2007, 2370; Lichtinghagen/Verpoorten, StuB 2007, 734 (738 f.). 27 Entschließung des Bundesrats zur Bekämpfung internationaler Steuergestaltungen vom 23.5.2014, BR-Drs. 205/14, 2 Nr. 5; vgl. hierzu auch Beuchert/Osterloh-Konrad, IStR 2014, 643. Aktuell wurde das Max-Planck-Institut für

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– Aktionspunkt 13: Dokumentation von Verrechnungspreisen und CbC-Reporting Die OECD empfiehlt – im Grundsatz als Mindeststandard – eine länderbezogene Steuerberichterstattung („Country-by-Country Reporting“).28 Hierzu lag bereits 2014 ein erster Bericht vor.29 Steuerverwaltungen sollen sich durch das Country-by-Country Reporting einen Überblick darüber verschaffen können, wo die Gewinne, Steuern und Wirtschaftsaktivitäten der multinationalen Unternehmen ausgewiesen werden, und sie sollen in die Lage versetzt werden, diese Informationen zu nutzen, um Risiken der Verrechnungspreisgestaltung und andere BEPS-Risiken abzuschätzen, so dass sie die Prüfungsressourcen verstärkt dort einsetzen können, wo sie am effektivsten sind.30 Konkret wurde hier für multinationale Unternehmen mit jährlichen konsolidierten Konzernumsätzen von mindestens 750 Mio. Euro ein dreistufiges Konzept erarbeitet.31 Eine Publizitätspflicht wird nicht empfohlen, ein Informationsaustausch soll also nur zwischen den Finanzverwaltungen der betroffenen Länder stattfinden.

3. Zum Verbindlichkeitsgrad Den Empfehlungen der OECD kommt ganz allgemein keine verbindliche Rechtsqualität zu.32 Dies gilt naturgemäß auch für die im Rahmen des OECD-BEPS-Projekts erarbeiteten Empfehlungen. Es handelt sich letztlich um politische Bekenntnisse. Gerade beim BEPS-Projekt besteht aber ein besonderer politischer Handlungsdruck in den teilnehmenden Ländern. Das gesamte Projekt wurde von vielen Ländern mit Nachdruck vorangetrieben.33 Hinzu kommt, dass das BEPS-Projekt durch die Ein-

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Steuerrecht und öffentliche Finanzen in München vom BMF mit einem Gutachten zu diesem Themenkomplex beauftragt. Vgl. den Abschlussbericht zu AP 13, a.a.O. (Fn. 5). OECD, a.a.O. (Fn. 3); hierzu bereits ausführlich z.B. Kroppen/Rasch, ISR 2014, 358; Mank, IWB 2014, 750; Naumann/Groß, IStR 2014, 792; Rasch/Mank/ Tomson, IStR 2014, 424; Pinkernell, FR 2014, 964. Vgl. außerdem Dorenkamp, a.a.O. (Fn. 4), 453 f. Vgl. OECD in der „Erläuterung“, a.a.O. (Fn. 10), 7. („Master File“, „Local File“ und „Country-by Country report“), zu Einzelheiten vgl. den Abschlussbericht zu AP 13, a.a.O. (Fn. 5), 14 ff. Vgl. hierzu konkret im Zusammenhang mit dem BEPS-Projekt: Piltz, IStR 2015, 529. Vgl. in diesem Zusammenhang aus deutscher Sicht auch die oben unter II.1 zitierten Aussagen im aktuellen Koalitionsvertrag. Auf den politischen Druck hinweisend auch Piltz, a.a.O. (Fn. 32), 529 (530).

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bindung der G 20 eine weitere politische Aufwertung erfahren hat. Die Staats- und Regierungschefs der G 20 haben das Projekt bei der OECD in Auftrag gegeben und anlässlich ihres Treffens am 15. und 16. November 2015 in Antalya haben sie die vorgelegten Ergebnisse akzeptiert. Daneben kann bei den Handlungsempfehlungen der OECD regelmäßig zwischen den Empfehlungen zu „bewährten Verfahren“ („best practices“) und „Mindeststandards“ („mimimum standards“) unterschieden werden. Bei ersteren handelt es sich um Empfehlungen, deren Umsetzung zwar empfohlen, aber letztlich nicht zwingend vorgesehen ist. Auch bei einer Nichtumsetzung verhält sich ein Land also OECD-konform. Bei einem Mindeststandard setzt ein OECD-konformes Verhalten dagegen eine entsprechende Umsetzung voraus. Im weiteren Verlauf des BEPS-Projekts rückte dann aber verstärkt das Anliegen in den Vordergrund, BEPS gemeinsam mit abgestimmten Maßnahmen zu bekämpfen, um steuerliche Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Staaten zu vermeiden.34 Zugleich konnte man sich bei einigen wichtigen Aktionspunkten dennoch nicht dazu durchringen, einen Mindeststandard zur vereinbaren. Dies führte schließlich dazu, dass von der OECD der neue Standard „steuerpolitische Gesamtausrichtung“ („common approach“) entwickelt wurde.35 Näher führt die OECD hierzu aus: „Es wird erwartet, dass sich die Staaten in diesen Bereichen im Lauf der Zeit durch die Umsetzung der vereinbarten gemeinsamen Ansätze einander angleichen werden, so dass anschließend geprüft werden kann, ob derartige Maßnahmen in Zukunft Mindeststandards werden sollten.“36 Mit dem Begriff „steuerpolitische Gesamtausrichtung“ soll deutlich gemacht werden, dass die Empfehlungen einen verbindlicheren Charakter haben sollen als Empfehlungen zu „bewährten Verfahren“. Konkret betrifft dass insbesondere die Empfehlungen zu „hybriden Gestaltungen“ und zum „Zinsabzug“.

4. Status und BEPS-Folgemaßnahmen Das BEPS-Projekt fand mit den 13 Abschlussberichten vom 5. Oktober 2015 zunächst nur seinen vorläufigen Abschluss. Weitere Arbeiten – auch auf OECD-Ebene – werden also erforderlich sein und sind auch be-

34 Vgl. hierzu auch weiter oben unter 1. und 2. sowie Fn. 10. 35 OECD, „Erläuterung“, a.a.O. (Fn. 10), 6. 36 OECD, „Erläuterung“, a.a.O. (Fn. 10), 6.

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reits geplant. Dies betrifft zunächst Handlungsempfehlungen, die ohne weitere Aufarbeitung noch nicht abschließend als umsetzungsreif angesehen werden. Beispiele hierfür sind die Regeln für die Zurechnung von Gewinnen zu Betriebsstätten in Anbetracht der Änderungen der Betriebsstättendefinition, die sog. „group ratio rule“ als Zinsabzugsbeschränkung (siehe hierzu unten unter III. 1.), oder die Entwicklung einer Strategie zur Ausweitung der Mitwirkung nicht der OECD bzw. den G20 angehörender Staaten an den Arbeiten zu schädlichen Steuerpraktiken, einschließlich einer möglichen Überarbeitung der entsprechenden Kriterien.37 Insbesondere aber hat die OECD im Rahmen der „BEPS-Folgemaßnahmen“ ein umfassendes Monitoring der Umsetzung und Wirkung einzelner Maßnahmen vorgesehen.38 Dies betrifft im Schwerpunkt („insbesondere“) die als Mindeststandard vereinbarten Empfehlungen.39 Abschließend hält die OECD in der „Erläuterung“ zu den Abschlussberichten hierzu fest: „Die OECD- und G20-Länder werden ihre Zusammenarbeit bei BEPS bis 2020 verlängern, um ausstehende Arbeiten abzuschließen und ein effizientes zielgerichtetes Monitoring der vereinbarten Maßnahmen sicherzustellen. Sie werden Anfang 2016 einen Monitoringrahmen entwickeln, der eine bessere Einbeziehung anderer interessierter Staaten und Gebiete ermöglichen soll.“40 Die OECD verweist im Übrigen auch darauf, dass die Bekämpfung von BEPS möglichst keine Doppelbesteuerung verursachen sollte. Gerade auch „um das Eintreten von Doppelbesteuerung auf ein Minimum zu begrenzen“, sind die „Mechanismen zur Unterstützung und Überwachung der Umsetzung der Maßnahmen ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil der BEPS-Reformen“.41 Anmerkungen Köhler: Soweit ein erster Überblick über die 15 Aktionspunkte. Die resultierenden 13 Reports umfassen insgesamt 1880 Seiten. Manche Teile davon sind relativ weit ausgereift und enthalten klare Aussagen bzw. Empfehlungen, manche jedoch weniger. Wenn man so ein umfassendes Programm betrachtet und dies würdigen sowie einordnen will, muss man

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Vgl. OECD, „Erläuterung“, a.a.O. (Fn. 10), 11 (dort insbesondere Rz. 26). Vgl. OECD, „Erläuterung“, a.a.O. (Fn. 10), 10. Vgl. OECD, „Erläuterung“, a.a.O. (Fn. 10), 12 (dort Rz. 29). Vgl. OECD, „Erläuterung“, a.a.O. (Fn. 10), 12. Vgl. OECD, „Erläuterung“, a.a.O. (Fn. 10), 5 (dort insbesondere Rz. 3, 7 und 8).

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die Frage stellen: was ist der Programmsatz, was sind die Grundsätze und Ziele und inwieweit erfüllen die vorgestellten Aktionspunkte auch die gesetzten Ziele und sind damit programmatisch in sich konsistent? Das BEPS-Projekt ist mit dem Anspruch gestartet, aggressiven Steuerwettbewerb sowie aggressive Steuerplanung zu bekämpfen. Die Unternehmen sind bzw. waren in diesem Zusammenhang, wenn man so will, der Nutznießer von Angeboten, die die Staaten machen bzw. machten. Unternehmen sind nicht anders wie Kunden: wenn sie in den teuren Supermarkt gehen können oder in einen billigen, dann gehen sie doch im Zweifel lieber in den billigen Supermarkt. Insoweit bedeutet auch der Steuerwettbewerb zwischen den Staaten etwas, was „den Kunden“, hier den Unternehmen, gewisse Wahlfreiheiten eingeräumt hat. Nunmehr sollen diese Möglichkeiten beschränkt werden. Die Frage ist aber, ob tatsächlich die wirklichen Ursachen bekämpft werden oder es an der einen oder anderen Stelle doch mehr nur Symptome sind, gegen die vorgegangen wird. So soll z.B. die Hinzurechnungsbesteuerung kein zwingendes Element der BEPS-Initiative sein, obwohl dies wünschenswert gewesen wäre. Naheliegend wäre es z.B. auch gewesen, dass sich alle „BEPS-Staaten“ (so zusammenfassend bezeichnend die OECD und die G20-Staaten) auf einen verbindlichen Mindeststeuersatz geeinigt hätten. Das hätte das Steuersatzgefälle zwischen den Staaten entsprechend stark reduziert und damit den natürlichen Druck auf die Unternehmen, „den billigsten Wirt“ zu finden, dadurch in erheblichem Maße zurückgedrängt. Eine derartige Überlegung oder gar Empfehlung ist aber den 1880 Seiten nicht zu entnehmen. Hybride Gestaltungen, ein Kernelement der BEPS-Initiative (allein mehr als 450 Seiten beschäftigen sich nur mit der hybriden Gestaltung)42, hätte man im Kern wohl besser damit begegnen können, indem man eine einheitliche Definitionen jeweils für Eigen- und Fremdkapital festgelegt hätte, um damit das Problem der Hybridität im Kern zu bekämpfen. Auch das ist nicht geschehen. Und so gibt es eine ganze Reihe Punkte, wo man es hätte vielleicht systematischer, grundsätzlicher zumindest versuchen können, um wirklich an den Ursachen anzugreifen und damit die Eingriffe in das System der internationalen Besteuerung gering zu halten.

42 Vgl. den Abschlussbericht der OECD zu AP 2, a.a.O. (Fn. 5).

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Anmerkungen Staats: Was Herr Köhler sagt, ist in der Praxis letztlich sehr schwierig. Wenn man sich klar macht, was auch in Europa bei der GKKB voraussichtlich in absehbarer Zeit nicht passieren wird, kann man sich die Frage stellen, inwieweit eine weitergehende Harmonisierung des Steuerrechts dann international auf OECD/G20 durchsetzbar sein soll. Bei der OECD wurde über dieses Thema dennoch durchaus gesprochen, etwa mit Blick auf mögliche Harmonisierungen im Bereich Fremd- und Eigenkapital. Letztlich wurde dies aber allein schon mit Blick auf die fehlende Einigungsund Umsetzungswahrscheinlichkeit nicht weiter verfolgt. Man darf aber Folgendes hier nicht aus den Augen verlieren: Ich vermute, dass viele Beobachter des BEPS-Projekts viel weniger erwartet haben als das, was jetzt herausgekommen ist. Denn wenn man sich die Meinungsfindungsprozesse anschaut, die ja auf Einstimmigkeit basieren, dann lässt sich das Ergebnis meines Erachtens sehen. Es gibt natürlich trotzdem manchmal auch dem politischen Prozess geschuldet Aussagen der OECD, bei denen manche Formulierung vielleicht weniger konkret ist als erhofft. Man wird auch das Monitoring und die sonstigen weiteren Arbeiten (nach BEPS ist sozusagen vor BEPS) beobachten müssen. Das gilt übrigens auch mit Blick auf die Vermeidung von Doppelbesteuerung. Es mag vielleicht nicht das primäre Anliegen des BEPSProjekts sein, Doppelbesteuerung zu bekämpfen. Aber es kann natürlich kein wünschenswertes Ergebnis sein, dass die Bekämpfung von BEPS zur Doppelbesteuerung führt. Ich glaube da sind auch alle einer Meinung. Anmerkungen Köhler: In diesem Zusammenhang möchte ich aus den einleitenden Erläuterungen zu den finalen BEPS-Reports43, Folgendes hieraus zitieren: „Die Umsetzung beginnt jetzt. Die Staaten sind souverän, es liegt an ihnen diese Änderungen umzusetzen. Bei der Entwicklung der Maßnahmen sind verschiedene Herausforderungen aufgetreten. Einige Staaten haben unilaterale Maßnahmen verabschiedet, einige Steuerverwaltungen haben aggressiver gehandelt und einige Fachleute haben zunehmende Unsicherheit, sowohl auf die Veränderungen der Weltwirtschaft, als auch auf die stärkere Sensibilisierung für BEPS-Fragen zurückgeführt. Wie im BEPS-Aktionsplan aufgeführt wird, könnten konkurrierende internationale Standards ent-

43 Vgl. OECD, „Erläuterung“, a.a.O. (Fn. 9) 10, Rz. 23 und 24.

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene stehen und unilaterale Maßnahmen den heutigen konsensbasierten Rahmen ersetzen. Dies könnte ein weltweites Besteuerungschaos verursachen, das von einem massiven Wiederauftreten der Doppelbesteuerung gekennzeichnet ist“.

Das ist sicherlich ein wichtiger Weckruf. Die Frage ist, ob dieser im weiteren Projektverlauf auch beachtet und damit im Rahmen der Umsetzung Berücksichtigung finden wird. Dies wäre dringend zu wünschen, und in der Sache auch notwendig. Denn es geht nicht an, bei der Bekämpfung von aggressiven Gestaltungen auch diejenigen zu pönalisieren, die sich nichts vorzuwerfen haben.

III. Ausgewählte Aktionspunkte 1. Hybride Gestaltungen (Aktionspunkt 2) (Staats) Der Bericht zu Aktionspunkt 2 setzt sich mit dem Problem hybrider Gestaltungen auseinander, die ihre Ursache in den unterschiedlichen Steuersystemen der Länder haben.44 Eine hybride Gestaltung setzt nach dem OECD-Bericht im Wesentlichen voraus, dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung einer Zahlung in verschiedenen Ländern aufgrund eines hybriden Elements zu einer Besteuerungsinkongruenz führt und hierdurch die Gesamtsteuerlast gemindert wird. Eine Besteuerungskongruenz liegt vor, wenn entweder –

ein „Deduction/No Inclusion“-Ergebnis45 (im Folgenden „D/NI-Ergebnis“) entsteht, also eine Zahlung in einem Staat als Betriebsausgabe abzugsfähig ist, im anderen Staat aber nicht als ordentliche Einnahme erfasst wird; oder



ein „Double Deduction“-Ergebnis46 (im Folgenden „DD-Ergebnis“) eintritt, wenn es in zwei Staaten zu einem unangemessenen doppelten Betriebsausgabenabzug kommt.

Die eigentlichen Empfehlungen der OECD zu diesem Aktionspunkt wurden bereits im Herbst 2014 vorgelegt.47 Der Abschlussbericht knüpft an den ersten Bericht an und nimmt keine grundsätzlichen Änderungen an

44 Vgl. den Abschlussbericht zu AP 2, OECD, a.a.O. (Fn. 5). 45 = „Betriebsausgabenabzug/Nichtberücksichtigung als Einnahme“; vgl. OECD, a.a.O. (Fn. 5), 121. 46 = „doppelter Betriebsausgabenabzug“; vgl. OECD, a.a.O. (Fn. 5), 121. 47 Vgl. OECD, a.a.O. (Fn. 3). Hierzu z.B. Staats, IStR 2015, 749 sowie Dorenkamp, a.a.O. (Fn. 4), 449 ff.

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den eigentlichen Handlungsempfehlungen vor. Konkret wurden mit einer ganzen Reihen von sog. Korrespondenzregeln („linking rules“) in einem ersten Teil Empfehlungen zum nationalen Recht erarbeitet, die nach entsprechender Umsetzung die dargestellten Besteuerungslücken schließen sollen. Daneben werden in einem zweiten Teil Änderungen am OECDMusterabkommen empfohlen. Der Abschlussbericht 2015 erläutert die Empfehlungen in einer größeren Detailtiefe als noch der erste Bericht 2014, und darüber hinaus findet sich im Anhang eine sehr umfangreiche Sammlung von Beispielen.48 Der Bericht aus dem Jahr 2014 nannte außerdem einzelne Fragen, zu denen – wenn möglich – noch Lösungen erarbeitet werden sollten. Dies betraf insbesondere die Behandlung konzerninterner Zahlungen in Verbindung mit zusätzlichem Kernkapital nach Art. 51 ff. CRR49 (Basel III) sowie die Frage, inwieweit im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung besteuerte Einnahmen als „ordentliche Einnahmen“ berücksichtigt werden.50 Näher prüfen wollte die OECD daneben bestimmte die Regeln zu importierten hybriden Gestaltungen.51 Hierzu folgende Grundstruktur der Empfehlung bei einem hybriden Finanzinstrument:

Land A

A Co.

Zahlung (in Land B: Zins, in Land A: steuerbefreite Dividende)

Land B

B AG

48 Vgl. den Abschlussbericht zu AP 2, OECD, a.a.O. (Fn. 5), 169 ff. Mit 285 Seiten macht der Beispielapparat über die Hälfte des gesamten Berichts aus. 49 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 v. 26.6.2013, ABl. EU, L 176. 50 Vgl. OECD, a.a.O. (Fn. 3), Rz. 6 f. 51 Vgl. OECD, a.a.O. (Fn. 3), Rz. 111.

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Empfohlen wurden bereits 2014 folgende Maßnahmen (in der vorgegebenen Reihenfolge) zur Beseitigung der hybriden Gestaltung52: –

Versagung der Dividendenfreistellung in Land A;



Maßnahme („Response“): Versagung des BA-Abzugs in Land B;



Abwehrregel („Defensive rule“): Besteuerung in Land A;



Maßnahme und Abwehrregel gelten jeweils nur bei Nahestehenden (25 %) oder bei strukturierten Gestaltungen.

Die Abwehrregel („Defensive rule“) ist in diesem Fall durch die Versagung der Dividendenfreistellung hinfällig, Bedeutung hat sie aber z.B. in Fällen, in denen im Land A kein „ordinary income“ vorliegt, weil eine indirekte Steueranrechnung erfolgt. Ergänzend zu den Aussagen des ersten Berichts vom September 2014 finden sich zu diesem Sachverhalt u.a. folgende weitergehenden Aussagen: –

Im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung besteuerte Einnahmen können unter bestimmten Voraussetzungen (unter anderen mit Blick auf die Beweislast) als „ordentliche Einnahmen“ berücksichtigt werden. –

Im Grundsatz soll eine Versagung des BA-Abzugs in Land B auch dann möglich sein, wenn eine Quellensteuer erhoben wird.



Länder können eine teilweise Versagung des BA-Abzugs in Land B prüfen, soweit die Dividende nur teilweise nicht besteuert wird.

Eine Ausnahme oder Nichtausnahme von konzerninternen Zahlungen in Verbindung mit zusätzlichem Kernkapital nach Art. 51 ff. CRR (Basel III) enthält der Bericht nicht; es bleibt damit dabei, dass die Staaten dies unterschiedlich handhaben können, ohne sich in Widerspruch zu OECD-Empfehlungen zu setzen. Bei den Empfehlungen zu hybriden Rechtsträgern hebt der Abschlussbericht vor, dass es bei den Konstellationen, bei denen ein doppelter Betriebsausgabenabzug droht, just der letzte Gesichtspunkt für die Frage maßgeblich ist, ob überhaupt ein „hybrider Rechtsträger“ vorliegt.

52 Vgl. den Abschlussbericht zu AP 2, OECD, a.a.O. (Fn. 5), 23 f. und 45. Vgl. hierzu im Grundsatz bereits den OECD-Bericht 2014, vgl. OECD, a.a.O. (Fn. 3), Rz. 71.

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Hierzu folgendes Beispiel:

Land A

A Co.

Land B

B AG

C AG

Bank

Zinszahlung

Die Zinszahlung der B-AG wird in beiden Ländern berücksichtigt, wobei das Gruppenbesteuerungsregime in Land B ermöglicht, die Verluste zu nutzen und zugleich doppelt besteuertes „dual inclusion income“ zu vermeiden. Wie schon 2014 werden auch in dem Abschlussbericht folgende Maßnahmen (in der vorgegebenen Reihenfolge) zur Beseitigung der hybriden Gestaltung vorgesehen:53 –

Als „Maßnahme“ („Response“) soll der Staat der Muttergesellschaft (Land A) den Betriebsausgabenabzug versagen.



Wenn der Staat A die empfohlene „Maßnahme“ nicht umsetzt, soll als „Abwehrregel“ („Defensive rule“) der Staat des Zahlungsleisters den Betriebsausgabenabzug verwehren.



Die Empfehlung soll nur im Konzern oder bei strukturierten Gestaltungen gelten. Die Empfehlung soll außerdem nicht gelten, soweit der Betriebsausgabenabzug für die Zahlung in Bezug auf doppelt berücksichtigte Einnahmen („dual inclusion income“) erfolgt.

53 Vgl. den Abschlussbericht zu AP 2, OECD, a.a.O. (Fn. 5), 67. Vgl. hierzu im Grundsatz bereits den OECD-Bericht 2014, vgl. OECD, a.a.O. (Fn. 3), Rz. 99.

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Maßgeblich für die Frage, ob die B-AG ein hybrider Rechtsträger ist, ist der doppelte Betriebsausgabenabzug. Die Empfehlungen gelten also auch dann, wenn die B-AG kein hybrider Rechtsträger im klassischen Sinne ist. Insbesondere wäre dies der Fall, wenn es sich bei der B-AG schlicht um eine Anrechnungsbetriebsstätte der A Co. handeln würde, die von beiden Ländern als solche eingeordnet wird. Schließlich sei noch auf die Ausführungen im Abschlussbericht zu „importierten hybriden Gestaltungen“ hingewiesen. Hierzu folgendes Beispiel:

Land A Land C

A Co.

C Co. „hybrid“

Eigenkapital

B Co.

Land B DEU Land E D GmbH

E Co.



Weder Land A noch Land B haben die allgemeinen OECD-Empfehlung zu hybriden Finanzinstrumenten umgesetzt



Frage: Welches der Länder C, DEU und/oder E kann den BA-Abzug nach der speziellen Empfehlung zu importierten hybriden Gestaltungen verwehren?



In welcher Höhe?

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Das eigentliche Problem einer hybriden Gestaltung liegt hier in einem hybriden Finanzinstrument zwischen A Co. und B Co. Wenn nun aber weder Land A noch Land B die allgemeinen OECD-Empfehlung zu hybriden Finanzinstrumenten (s.o.) umgesetzt haben, sollen die mittelbar betroffenen Länder C, E und DEU ein Betriebsausgabenabzugsverbot vorsehen können. Hierzu hat der Abschlussbericht als nicht zwingenden Vorschlag „tracing and priority rules“ entwickelt, damit nicht in mehreren Ländern zugleich ein vollumfängliches Abzugsverbot droht.54 Auf die weiteren Aussagen und Empfehlungen in dem Anschlussbericht soll hier nicht näher eingegangen werden, sonst würde der Rahmen dieses Beitrags gesprengt. Hingewiesen sei aber ergänzend auf die Ausführungen von Blumenberg/Rupp in diesem Tagungsband zu möglichen Umsetzungsmaßnahmen des deutschen Gesetzgebers.55 Anmerkungen Köhler: In diesem Zusammenhang folgende kleinere, ergänzende Kommentare: In dem Bericht zu den hybriden Instrumenten gibt es einen Anhang mit extrem vielen Beispielen, wovon manche klarer, andere unklarer gefasst sind. Zum Teil entsteht auch der Eindruck, es seien nur die Gegenausnahmen und nicht die Grundfälle adressiert. Jedenfalls meine ich verstanden zu haben, dass man bei den hybriden Instrumenten im Prinzip davon ausgeht, dass wenn Hybridität vorliegt (d.h. abweichende Qualifikationen bei Zahler und Empfänger der Leistung), dann sollen Maßnahmen greifen, die in der einen oder anderen beschriebenen Form die Einmalbesteuerung sicherstellen. Weitere Beispiele beschäftigen sich mit Fällen, in denen gar keine klassische Hybridität vorliegt, sondern aus anderen Gründen keine Vollbesteuerung erfolgt. So wird z.B. auch der „Malta-Fall“56 diskutiert, d.h. wenn bei der Ausschüttung aus der (maltesischen) Gesellschaft ein Teil der Körperschaftsteuer bei dem Gesellschafter zur Erstattung kommt (wie insbes. im KSt-System von Malta), dann sei das auch ein schädlicher Fall, der als hybrid einzustufen sei und daher die Dividendenfreistellung bei dem Empfänger zu entfallen habe. Eine weitere Fallgruppe beschäftigt sich mit reinen Zinsfällen; also sowohl beim Zahler als auch beim Empfänger wird von Zins ausgegangen, folglich liegt hier gar keine Hybridität vor. Folglich sind grundsätzlich die empfohlenen Abwehrmechanismen für die hybriden 54 Vgl. den Abschlussbericht zu AP 2, OECD, a.a.O. (Fn. 5), 86 ff., sowie die dazugehörigen Beispiele. 55 Vgl. S. 399. 56 Vgl. OECD, Abschlussbericht AP 2, 205, Example 1.11.

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Finanzinstrumente auch nicht anzuwenden, mit dem Ergebnis, und da gibt es dann ausdrückliche Beispielsfälle hierzu, dass auch dann, wenn der Empfänger entweder persönlich steuerbefreit57 ist oder z.B. in einer Jurisdiktion ansässig ist, die gar keine58 oder in bestimmten Fällen59 keine Körperschaftsteuer erhebt, es dennoch bei dem Zahler bei der Abzugsfähigkeit bleibt, obwohl bei dem Empfänger der Leistung keine (effektive) Besteuerung erfolgt. Ein durchgehaltenes Prinzip der Sicherung der Einmalbesteuerung ist damit dem Report insofern auch nicht zu entnehmen und das Beispiel Malta macht auch klar, dass die Frage; „was ist denn eigentlich hybrid“ im Detail auch ungeklärt bleibt.

2. Zinsabzug (Aktionspunkt 4) (Staats) Der OECD-Abschlussbericht bezeichnet die Möglichkeit, Gewinne innerhalb eines Konzerns zu verlagern als die „vielleicht einfachsten Gewinnverlagerungstechnik, die der internationalen Steuerplanung zur Verfügung steht“.60 Der Bericht verweist daneben auf die „Mobilität und Fungibilität“ von Geld und nennt drei Grundszenarien, die zu einer entsprechenden Gewinnverlagerung führen können: –

Konzerngesellschaften in Hochsteuerländern nehmen eine höhere Außenfinanzierung („third party debt“) im Vergleich zum Gesamtkonzern auf.



Konzerne generieren mithilfe von Innenfinanzierungen („intragroup loans“) Zinsabzüge, die höher sind als die Außenfinanzierung des Gesamtkonzerns.



Konzerne nutzen Außen- oder Innenfinanzierungen um steuerfreies Einkommen zu generieren.61

Ergänzend wird auf eine ganze Reihe von Studien verwiesen, die die Existenz von Gewinnverlagerungen mithilfe von Zinszahlungen belegen.62 57 58 59 60 61

Vgl. OECD, Abschlussbericht AP 2, 192, Example 1.5. Vgl. OECD, Abschlussbericht AP 2, 194, Example 1.6. Vgl. OECD, Abschlussbericht AP 2, 195, Example 1.7. OECD, a.a.O. (Fn. 5), 15. OECD, a.a.O. (Fn. 5), 11. Auf d. Seite 16 finden sich hierzu ergänzend zwei Beispiele. 62 Vgl. die Nachweise in OECD, a.a.O. (Fn. 5), 17 sowie 23 f. Allein mit dem deutschen Recht befassen sich drei der von der OECD genannten Studien: Buslei/Simmler, DIW Discussions Paper Nr. 1215 (2012); Ruf/Schindler, NHH Discussion Paper RRR Nr. 06-2012 (2012); Weichenrieder/Windischbauer, CESifo Working Paper Nr. 2456 (2008).

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Der Bericht enthält im Kapitel 1 einen Überblick über die Handlungsempfehlung insgesamt, die aus verschiedenen Elementen besteht. Die meisten der Elemente stellen „optionale“ Ergänzungen der Grundempfehlung dar. Kapitel 2 bis 10 erläutern die in Kapitel 1 vorgestellte Handlungsempfehlung näher, wobei die Kapitel 2 bis 5 – quasi als Allgemeiner Teil – sich mit grundsätzlichen Fragen befassen (zum Beispiel: Was ist unter einer Zinszahlung zu verstehen? Wer soll in den Anwendungsbereich der Regelung fallen?) und die Kapitel 6 bis 10 die einzelnen Elemente der Handlungsempfehlung näher erläutern. Kapitel 11 schließlich befasst sich mit Umsetzungsfragen. Die Handlungsempfehlung insgesamt sieht wie folgt aus63: De minimis monetary threshold to Based on net interest expense of local group Fixed ra rest expense up to a benchmark net interest/EBITDA ra Relevant factors help a country set its benchmark ra of 10%-30%

Group ra rest expense up to its group’s net interest/EBITDA ra , where this is higher than the benchmark fixed ra to a group’s net third party interest expense of up to 10%

fo Op

for a country to apply a different group ra

ra

Carry forward of disallowed interest /unused interest capacity and/or carry back of disallowed interest

Targeted rules to support general interest

rules and address specific risks

Specific rules to address issues raised by the banking and insurance sectors

Kernelement ist eine sog. „fixed ratio rule“. Wie bei der deutschen Zinsschranke handelt es sich um eine Abzugsbeschränkung, bei der der Nettozins – zumindest vorübergehend – nur in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes (im Bereich 10–30 %) des EBITDA steuerlich abziehbar ist. Dieses – einzig zwingende – Element ist Dreh- und Angelpunkt der gesamten Handlungsempfehlung.

63 OECD, a.a.O. (Fn. 5), 25.

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Zweites wichtiges Element ist eine optional vorgesehene „group ratio rule“, wobei auch hier ein der deutschen Regelung vergleichbarer Eigenkapitalvergleich64 als Alternativmodell vorgesehen werden kann („different group ratio rule“65). Schon anhand der Übersicht ist also deutlich zu erkennen, dass die Handlungsempfehlungen Ähnlichkeiten mit der deutschen Zinsschranke aufweist. Dies gilt nicht nur für das Grundkonzept („fixed ratio rule“ und daneben die Berücksichtigung der Situation der gesamten Unternehmensgruppe), sondern auch für weitere Details, wie etwa die Freigrenze und etwaige Vortragsmöglichkeiten (Zins- und EBITDA-Vortrag). Eine (optionale) Freigrenze soll übrigens nach dem OECD-Bericht ausdrücklich nur einmalig für den im Inland tätigen Gruppenteil („local group“) gewährt werden, damit eine Gruppe keine Atomisierungsgestaltungen nutzen kann.66 Dieser Gesichtspunkt ist aus deutscher Sicht nicht ganz unwichtig, weil die deutsche Zinsschranke eine Freigrenze von 3 Mio. Euro für jeden Betrieb gewährt. Auf alle Kapitel des Berichts und Elemente der Handlungsempfehlung kann hier nicht eingegangen werden.67 Zu den beiden Elementen „fixed ratio rule“ und „group ratio rule“ sind aber – gerade auch aus deutscher Sicht – ein paar Hinweise angezeigt: Den für die „fixed ratio rule“ vorgesehenen Abzugsrahmen sollen die einzelnen Staaten innerhalb eines Korridors von 10–30 % des EBITDA festlegen. Folgende Kriterien sollen dabei dafür sprechen, dass ein Abzugsrahmen oberhalb von 10 % möglich ist: –

Es gibt ergänzend zur „fixed ratio rule“ keine „group ratio rule“ bzw. keinen Equity-Escape.



Es gibt keinen Vor- oder Rücktrag der nicht abziehbaren Zinsen bzw. des nichtgenutzten EBITDA-Abzugsrahmens.



Es gibt keine weiteren ergänzenden Regelungen („targeted rules“).



In dem betroffenen Land herrscht ein hohes Zinsumfeld.

64 Vgl. § 4h Abs. 2 Buchstabe c) EStG. 65 Im Anhang C findet sich unter „The equity escape rule“ eine Darstellung dieser möglichen Alternative, vgl. OECD, a.a.O. (Fn. 5), 91. 66 OECD, a.a.O. (Fn. 5), 35. 67 Vgl. etwas näher auf den Aktionspunkt 4 eingehend z.B. Staats, IStR 2016, 135 ff.

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Es gibt verfassungsrechtliche oder europarechtliche Vorgaben, die einen höheren Abzugsrahmen erforderlich machen.68

Außerdem sollen die Länder je nach Größe einer Unternehmensgruppe unterschiedliche Abzugsrahmen vorsehen können. Hintergrund ist die Beobachtung der OECD, dass große Unternehmensgruppen (im Sinne einer hohen Marktkapitalisierung) eine geringere Außenfinanzierung im Verhältnis zu gruppenweiten EBITDA aufweisen.69 Aus deutscher Sicht lässt sich feststellen, dass nicht alle der oben genannten Kriterien vorliegen, die einen eher höheren Abzugsrahmen ermöglichen sollen. Insbesondere herrscht in Deutschland ein niedriges Zinsumfeld, und die deutsche Zinsschranke kennt einen Equity-Escape, sieht Zinsvorträge bzw. EBITDA-Rückträge vor und hat mit § 8a KStG zumindest ein Stück weit ergänzende Regelungen für dem Fall schädlicher Gesellschafterfremdfinanzierungen. Es ließe sich aber wohl vertreten, dass ein allzu enger Abzugsrahmen, der zwangsläufig eine Pauschalierung und Typisierung darstellt, verfassungsrechtlich kritisch gesehen werden kann, zumal der Bundesfinanzhof von der Verfassungswidrigkeit der derzeit geltenden Zinsschranke überzeugt ist und ein entsprechendes Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht eingeleitet hat.70 Im Übrigen bewegt sich die deutsche Zinsschranke mit einem Abzugsrahmen von 30 % des EBITDA innerhalb des insgesamt zulässigen Korridors. Aus den OECD-Empfehlungen lässt sich damit meines Erachtens zumindest kein zwingender Umsetzungsbedarf in Deutschland im Sinne einer Absenkung des Abzugsrahmens ableiten. Deutlich wird aber, dass die OECD einen Abzugsrahmen von 30 % des EBITDA für die äußerste Grenze des akzeptablen hält. Hingewiesen sei noch auf die Wirkweise der „group ratio rule“, die eine Zinsabzugsbeschränkung mithilfe der konzernweiten Außenfinanzierungswerte und des konzernweiten EBITDA vorsieht. Zinsen können dann nur bis zu dem Zins-EBITDA-Verhältnis der Gruppe abgezogen

68 OECD, a.a.O. (Fn. 5), 50 f. Daneben findet sich im Anhang D auf d. Seite 98 ff. das Beispiel 5, dass die Wirkweise der vorgegebenen Kriterien näher erklären soll. 69 OECD, a.a.O. (Fn. 5), 52 f. 70 BFH v. 14.10.2015 (veröffentlicht am 10.2.2016), I R 20/15, DStR 2016, 301. Allgemein zu verfassungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Zinsschranke vgl. außerdem z.B. Glahe, Ubg 2015, 454 und Staats, UbG 2014, 520, beide m.w.N.

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werden. Anders als bei dem Nettozins des jeweiligen Gruppenmitglieds wird bei der Ermittlung des gruppenweiten Verhältnisses nur der gruppenexterne Nettozins berücksichtigt. Hierzu zwei vereinfachte Beispiele: r erne (ext 0 = Zins

Ausland

)

Bank

A Co

(konzern interner) Zins=5

Deutschland B Co

EBITDA

Nettozins

Schranke (anteiliges EBITDA* gruppenweite Außenfinanzierung)

Gruppe

100

A Co

50

(5)

0 (50/100*0)

B Co

50

5

0 (50/100*0)

Die Besonderheit in diesem Beispiel ist die fehlende Außenfinanzierung der Gruppe. Die Gruppe insgesamt ist also komplett eigenkapitalfinanziert. Es gibt lediglich ein gruppeninternes Darlehen von der A Co. an die B Co, das einen Zins von 5 zur Folge hat. Die „group ratio rule“ führt dazu, dass keinerlei konzerninterner Zins abziehbar ist. Die Gruppe insgesamt hat einen externen Nettozins von 0 – damit beträgt das gruppenweite Zins-EBITDA-Verhältnis 0 von 100 = 0. Das trifft nur die B Co., da nur diese überhaupt einen Zinsaufwand hat. In dem zweiten Beispiel dagegen wird die Gruppe insgesamt auch mithilfe von Fremdkapital finanziert:

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r) erne (ext 10 = Zins

Ausland

Bank

A Co

(konzern interner) Zins=5

Deutschland B Co

EBITDA

Gruppe

Nettozins

Schranke (anteiliges EBITDA* gruppenweite Außenfinanzierung)

100

A Co

50

5

5 (50/100*0)

B Co

50

5

5 (50/100*0)

Die Außenfinanzierung des Konzerns wird in diesem Beispiel entsprechend des jeweiligen EBITDA-Anteils auf die Konzerngesellschaften verteilt. Folge ist, dass der jeweilige Zins voll abzugsfähig ist. Speziell bei der „group ratio rule“ gibt es zahlreiche offene Fragen. Die OECD möchte deshalb die Arbeiten hierzu fortsetzen.71 Gleiches gilt auch für die Arbeiten an Sonderreglungen für die Banken- und Versicherungswirtschaft sowie an anderen speziellen Regelungen („targeted rules“). Anmerkungen Köhler: Die Parallelität der Grundmuster der Vorschläge zu den Regelungen der Zinsschranke führen naturgemäß direkt wieder in die Diskussion zur Zinsschranke: Sollte konzernexterner Aufwand nicht anders (also generell nicht limitiert) zu behandeln sein? Externer Aufwand bedeutet unzweifelhaft „echte Betriebsausgaben“. Da die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit auch ein Ziel von BEPS ist, sollte dies auch bedeuten, 71 OECD, a.a.O. (Fn. 5), 66.

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dass (gegenüber Dritten geleistete) Betriebsausgaben abzugsfähig sein sollten. Was weiterhin bei dem Zinsbericht auffällt: anders als bei dem Bericht zu den Hybriden, in dem ausdrücklich „Linking Rules“ sowie eine Anwendungsreihenfolge verankert wurden, wodurch die Behandlung bei dem einen von der Behandlung bei dem anderen abhängt und eine Doppelbesteuerung entsprechend vermieden werden soll72, hat man im Zinsbericht auf Linking Rules verzichtet. Mit anderen Worten, wenn der Zins bei dem einen nicht mehr steuerlich abzugsfähig sein soll, muss der Empfänger den Zins dennoch weiterhin besteuern, sodass eine erhebliche Doppelbesteuerung eintritt. Es wäre daher sehr wünschenswert gewesen, dass die Autoren zum Aktionspunkt 4 bei Aktionspunkt 2 „Anleihen“ genommen hätten und gleichfalls durch Linking Rules insoweit eine offenkundig drohende Doppelbesteuerung zumindest eingedämmt hätten.

3. Schädliche Steuerpraktiken (Aktionspunkt 5) (Köhler) Aktionspunkt 5: Bekämpfung von Präferenzregimen. Die in diesem Bericht enthaltenen Empfehlungen richten sich primär an die (betroffenen) Staaten und (ausnahmsweise) nicht gegen die Steuerpflichtigen. Zum einen geht es um die Einführung des sog. Modified Nexus Approach, verkürzt gesagt, Patent Boxen soll es nur noch dann und insoweit geben, als auch tatsächlich qualifizierende Betriebsausgaben in der jeweiligen Jurisdiktion entstehen, also die entsprechenden darunter liegenden Aktivitäten gleichfalls „vor Ort“ ausgeführt wurden73. Irland hat zeitnah bereits am 13. Oktober 2015 daraufhin als erster Staat angekündigt, man wolle eine solche „neue“ IP Box etablieren (Steuersatz 6.25 %), die in Übereinstimmung mit dem Modified Nexus Approach stehe. Hieran erkennt man, dass es auch nach BEPS in Zukunft weiter „Angebote“ and die Unternehmen geben wird, die dann sozusagen sogar „BEPS proof“ („zertifiziert“) sind. Weiterhin geht es unter diesem Aktionspunkt um die Einführung einer erhöhten Transparenz. Zwischen den BEPS-Staaten und auch innerhalb der EU soll diesbzgl. ein Auskunftsaustausch stattfinden74. Der ECOFin Rat hat dies am 6. Oktober auch für die EU verabschiedet. Hiernach

72 Vgl. OECD, Abschlussbericht zu AP 2, 15, Rz. 15. 73 Vgl. OECD, Abschlussbericht zu AP 5, 23 ff. 74 Vgl. OECD, Abschlussbericht zu AP 5, 45 ff.

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werden Rulings, die einen grenzüberschreitenden Bezug haben in einen automatischen Auskunftsaustausch hinein gegeben.75.

4. Abkommensmissbrauch (Aktionspunkt 6) (Köhler) In dem Aktionspunkt 6 geht es um Modifikationen des OECD-Musterabkommen, die im Rahmen des sog. multilateralen Instruments in den einzelnen DBA umgesetzt werden sollen. Es sind drei Aspekte zu nennen: –

Im Titel und der Präambel soll festgeschrieben werden, dass die DBA nicht zur Herbeiführung einer doppelten Nichtbesteuerung geeignet sein sollen76. Also nicht mehr das Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung gilt allein als Oberziel, sondern, es erfolgt eine Umstellung der Zielsetzung hin zu einer Sicherung der Einmalbesteuerung. Es steht zu hoffen, dass dann wenigstens dieses Ziel eingehalten wird und es tatsächlich auch nur zu einer Einmalbesteuerung kommt.



Weiterhin sollen es LOB Rules eingeführt werden (Limitation of Benefits)77. Deutschland hat z.B. im DBA Liechtenstein eine sog. Realwirtschaftsklausel vereinbart, das DBA USA enthält einen Artikel 28, der mehrere Seiten füllt und äußerst komplex abgefasst ist. Hier dürfte es von großer Bedeutung sein, wie die Regelungen letztlich formuliert sein werden.



Weiterhin (alternativ oder zusätzlich zu den LOB Rules) soll ein sog. Principle Purpose Test78 zusätzlich oder alternativ in die DBAs eingepflegt werden soll: Ein allgemeiner Missbrauchsschutz, der dann greifen soll, „if one of the principle purposes is to obtain treaty benefits“79, also dann bereits greifen soll, wenn die Erzielung von Abkommensvorteilen nur eines der Ziele ist. Wenn man das an § 42 AO misst, erkennt man, dass dies weitergehend ist, misst man es an der EuGH-Rechtsprechung, nach der die Niederlassung in einem bestimmten Land auch und gerade zur Erzielung von Steuervorteilen durch Nutzung des Standorts ein zulässiges und explizit geschütztes

75 Vgl. OECD, Abschlussbericht zu AP 5, 74 ff. des Berichts enthält den Vorschlag für ein Formblatt in der Sache. 76 Vgl. OECD, Abschlussbericht, AP 6, 91 ff. 77 Vgl. OECD, Abschlussbericht, AP 6, 17 ff. 78 Vgl. OECD, Abschlussbericht, AP 6, 55 ff. 79 Vgl. OECD, Abschlussbericht, AP 6, 55 ff.

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene

Ziel darstellt80, erscheint dies u.U. nicht voll kompatibel. Für die Unternehmen droht erhebliche Rechtsunsicherheit und den damit verbundenen Risiken des Verlustes von Abkommensschutz.

5. Verrechnungspreise (Aktionspunkte 8–10) (Köhler) Die Aktionspunkte 8–10 sind sicherlich von besonderer Bedeutung, da es hier um einen Kernbereich geht: Die Verteilung des Gewinns zwischen den Staaten; also „nicht nur“ um die Einebnung von besonderen Steuervorteilen, sondern um die „Verteilung des gesamten Steuerkuchens“. Bei manchen Staaten mag dies sicherlich mit der Hoffnung verbunden sein, dass der jeweilige lokale Anteil am Steueraufkommen sich besonders erhöht, bzw. besonders schnell wächst. Die Ankündigung des Aktionspunkt 11, dass man ca. 100–250 Mrd. Euro mehr Steueraufkommen pro Jahr heben kann, schüren womöglich diese Hoffnung. Vieles davon wird sich im Bereich der Verrechnungspreise abbilden. Ausgangspunkt ist der Programmsatz, der auch als Titel verwendet wird: „die Ergebnisse der Verrechnungspreise mit der Wertschöpfung in Übereinstimmung zu bringen“. Mit anderen Worten: Substance over form wird sehr stark in den Vordergrund gestellt und der Report arbeitet sich da an vielen Einzelaspekten ab, die hier nicht alle dargestellt werden können. Es seien aber nach einigen, wenigen einführenden Überlegungen einige kleine Beispiel kurz andiskutiert, die die Fragen womöglich besser auf den Punkt bringen als den Report im Detail wiederzugeben. Die Aktionspunkte zu den Verrechnungspreisen beschäftigen sich insbesondere mit der Weiterentwicklung bzw. „Verbesserung“ des Verständnisses des Drittvergleichsgrundsatzes.81 Die Reports diskutieren diesbezüglich mehrerer Anwendungsgebiete und die damit verbundene Anwendungsreichweite. Generell soll neben dem Bestehen von rechtlichem Eigentum und der Bedeutung abgeschlossener Verträge dem Tatsächlichen82 (was immer dies auch in Abgrenzung dazu bedeuten soll) ein im Vergleich zur Vergangenheit weitaus größere Bedeutung beigemessen werden. Hierbei soll dann insbesondere die Möglichkeit zur Kontrolle eines Risikos (mit anderen Worten: wer entscheidet tatsächlich, dass ein Unternehmen Risiken eingeht oder Risiken minimiert werden etc.) sowie die tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten und Ka80 Vgl. EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadburry Schweppes. 81 Vgl. OECD, Abschlussbericht, AP 8-10, 9. 82 Vgl. OECD, Abschlussbericht, AP 8–10, 10.

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene

pazitäten, die Risiken auch materiell abzudecken, von Bedeutung sein.83 Diese Aspekte werden dann insbesondere für Finanzierungs-84 oder Lizenzierungsgesellschaften (hier insbesondere Übertragung und wirtschaftliche Zurechnung von immateriellen Wirtschaftsgütern)85 ausgeführt, aber diese Passagen besitzen auch darüber hinaus allgemeine Bedeutung. Im Zusammenhang mit einer der Wertschöpfung entsprechenden Zuordnung (und damit Aufteilung) der Besteuerungsrechte, werden unter anderem z.B. auch die sogenannten Location Savings86 angesprochen: d.h. Vorteile, die in besonderer Weise mit bestimmten lokalen Kosten – oder anderen Vorteilen (ggf. aber auch Nachteilen) verknüpft sind. Die Parallelen zum sogenannten AOA-Approach sind offenkundig: Dort (womöglich im. Zusammenhang mit dem Betriebsstättenkonzept aber weit zutreffender, da keine getrennten rechtlichen Einheiten vorliegen)87 kommt den Personen und dem Ort, wo die Personen ihre Funktionen ausüben (sogenannte People Function) eine entscheidende Bedeutung zu. Dies scheint auch im Denkansatz der OECD Reports zu den Aktionspunkten 8–10 eine große (womöglich zu große) Bedeutung erlangt zu haben. Dies deshalb, da wie auch bereits eingangs angemerkt, das Risiko eines fehlenden Konsens bezüglich der Gewinnabgrenzung als äußerst hoch zu beurteilen ist und infolgedessen der gleiche Gewinn in mehreren Staaten einer Besteuerung unterworfen werden könnte, mit der Konsequenz einer (drohenden) Doppelbesteuerung. Die Problematik lässt sich an folgendem schlichten Beispiel und resultierenden Grundfragen verdeutlichen: Ein deutsches Industrieunternehmen hat die Unternehmensleitung sowie die zentrale Forschung im Inland. Die Produktion erfolgt im In- und Ausland. Genauso der Vertrieb der Produkte. Es stellt sich nunmehr die Frage, an welchem Ort und in welchem Umfang die Wertschöpfung entsteht: Wie wichtig ist dafür der Vorstand, sowie andere allgemeine Stabsabteilungen, die der Optimierung des Geschäfts dienen (z.B. Controlling), die Forschung, die Produktion, der Vertrieb, das allgemeine Marketing, oder im speziellen die Konzerndachmarke bzw. die einzelnen Produktmarken? Nur wenn alle 83 84 85 86 87

Vgl. OECD, Abschlussbericht, AP 8–10, 10, 30 ff. Vgl. OECD, Abschlussbericht, AP 8–10, 11. Vgl. OECD, Abschlussbericht, AP 8–10, 73 ff. Vgl. OECD, Abschlussbericht, AP 8–10, 43 ff. Vgl. zur Umsetzung in deutsches Recht § 1 Abs. 5 Sätze 2 ff. AStG sowie die dazu ergangene Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung v. 13.10.2014.

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene

diese Fragen klar beantwortet und folglich auch (hinreichend eindeutig) quantifiziert werden können, bestünde wiederum hinreichende Klarheit über den Bedeutungsgehalt der Aktionspunkte 8–10). Was bedeuten die Aktionspunkte für die Unternehmen? Wenn im Rahmen der Aktionspunkte 8–10 tatsächlich eine Weiterentwicklung des Fremdvergleichsgrundsatzes angestrebt bzw. erfolgt sein sollte, so können die bisher angewandten Maßstäbe eigentlich nicht mehr richtig sein. Welches wäre dann aber in Zukunft der richtige Maßstab und führt zu der „richtigen“ Aufteilung? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? –

Wie ist sichergestellt, dass etwaige APA (Advanced Pricing Agreements) nicht als Beihilfe gebrandmarkt werden, weil sie von den (neuen) OECD Standards abweichen



Wie kann sichergestellt werden, dass es überhaupt ein einheitliches Verständnis über die Auslegung der OECD TP Guideline überhaupt gibt?



Wie schafft es ein Unternehmen mit einer globalen Wertschöpfungskette (noch) in allen Ländern zutreffende Steuererklärungen abzugeben: Wie können die Unternehmen sicherstellen, dass sie richtige, vollständige Steuererklärung abgeben, wenn keine gemeinsame Basis bezüglich der Fragestellung besteht, was der richtige Verrechnungspreis/richtige Fremdvergleichspreis (in Zukunft) sein soll?

Werden die Unternehmen bezüglich dieser Fragestellungen alleine gelassen, sind Doppelbesteuerung und eine Vielzahl von (zum Teil aussichtslosen) Verständigungsverfahren (sowie ggf. auch drohende Steuerstrafverfahren) vorprogrammiert. Da weiterhin eine Reihe von Staaten einem verbindlichen und zwingenden Streitbeilegungsmodus nicht zustimmen wollen (vgl. hierzu nachstehend zu Aktionspunkt 15), wird es wohl noch häufiger zu definitiven Doppelbesteuerungen kommen. Darüber hinaus: In jedem Einzelfall wird auch zu prüfen sein, ob der einzelne Doppelbesteuerungsfall überhaupt unter dem Streitbeilegungsmechanismus (selbst bei Fällen innerhalb der sog. „Koalition der Willigen“) zu einer Einigung führen muss, da es auch in diesen Fällen stets auf die Erfüllung aller notwendigen Voraussetzungen für den Zugang zu diesem Anspruch ankommt. Begrün-

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene

det sich die Doppelbesteuerung z.B. nicht aus der Anwendung des DBAs, sondern aus einem jeweils abweichenden lokalen Verständnis über den Wertschöpfungsbeitrag, mag man bereits bezweifeln, dass überhaupt der Zugang zu einem Verständigungsverfahren bzw. das Anrecht auf eine zwingende Streitbeilegung unter Beseitigung der Doppelbesteuerung gem. DBA besteht. Der Programmsatz eine Besteuerung entlang bzw. nach der realen Wertschöpfungskette erscheint damit dem Grunde nach ein nachvollziehbar formuliertes Ziel zu sein. Für die Praxis ist gleichwohl zu konstatieren, dass eine fehlende Trennschärfe als Kernproblem bleibt: was genau und in welcher Höhe definiert einen Wertbeitrag. Wie stellt man sicher, dass der gesamten Wertschöpfungskette nie mehr als 100 % des Gewinns zugewiesen und damit auch besteuert wird. Eine fehlende Operationalität und fehlende exakte Bestimmbarkeit führen zu (weitreichenden) Interpretationsspielräumen für die involvierten Staaten und damit auch zu entsprechend weitgehenden Risiken für den Steuerpflichtigen. Da die neuen Kapitel zur OECD Transfer Pricing Guideline in vielen Staaten als sogenanntes Soft Law zum Teil auch unmittelbar anwendbares Recht darstellen und damit bereits „in Kraft“ sind, droht hier schneller und schärfer eine Doppelbesteuerung als womöglich bislang vermutet. Anhand von vier kleinen Beispielen soll die Problematik zugespitzt werden, um aufzuzeigen, dass wenn man die Reports liest, die Dinge wohl formuliert erscheinen. Wenn man jedoch versucht, praktische Fälle zu lösen, man feststellen muss, dass das eine oder andere vielleicht gar nicht so klar ist, bzw. durch die Loslösung von den rechtlichen Grundlagen hin zu einer sehr wirtschaftlichen Würdigung paradoxe Situationen sowie Widersprüche entstehen, die kaum bzw. nicht mehr auflösbar erscheinen. Dabei soll zunächst auf die Finanzierungsfunktion eingegangen werden. Die Beschränkung des Zinsabzug wird an vielen Stellen der Reports immer wieder erwähnt: Finanzierungsaufwendungen sollen im Rahmen des BEPS-Projekts in ganz besonderem Maße erfasst werden. So ist in diesem Zusammenhang von einem sogenannten „Holistic Approach“88 die Rede, nach dem in Bezug auf Finanzierungsgesellschaften89 (ggf.): 88 Vgl. OECD, Abschlussbericht, AP 8–10, 11. 89 Vgl. OECD, Abschlussbericht, AP 8–10, 11.

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene

(1) nur ein risikofreier Ertrag zugewiesen werden soll (gemäß Aktionspunkt 8–10) (2) Zinsabzugsbeschränkungen an der Quelle gemäß Aktionspunkt 4 greifen sollen (3) zusätzlich eine Quellensteuer erhoben werden soll (als Reaktion gegen den Missbrauch der Abkommen in Übereinstimmung mit Aktionspunkt 6) sowie (4) bei Vorliegen von lediglich begrenzten substantiellen Tätigkeiten auch eine Hinzurechnungsbesteuerung gemäß Aktionspunkt 3 eintreten kann. Sog. „Cash Box Gesellschaften“ soll daher nur noch ein risikofreier Mindestertrag zugewiesen werden, wenn dort nicht tatsächlich die Kontrolle über das Risiko erfolgt. Beispiel 1:

D-AG 1

OpCo 2

OpCo

FinCo 3

Ein deutscher Konzern will eine Konzernfinanzierung mit einem Volumen von z.B. 3 Mrd. EUR etablieren. Dies kann er unmittelbar aus der Konzernmutter heraus tun (Alternative 1) oder er legt die 3 Mrd. in die OpCo (Alternative 2) oder in eine FinCo (Alternative 3) ein. Objektiv braucht man für eine Konzernfinanzierung nicht viel Personal, unabhängig davon, wo man diese durchführt. Prüft man nun, wo diese relevanten Aktivitäten und die Risikokontrolle sind, so stellt sich die Frage: können diese in jeder der drei Gesellschaften sein? Dies sollte wohl dann zu bejahen sein, wenn die Personen, auf die es wirklich ankommt, lokal tätig sind. Geht es aber für die Zuordnungsentscheidung (auch) um eine Art „Letztentscheidungsrecht“, so wird diese bei solchen Beträgen im Zweifel (zumindest auch) bei der Konzernmutter liegen (die in

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene

dem Zusammenhang zumindest Veto-Rechte haben wird). Es stellt sich dann die Folgefrage, wo das Einkommen in solchen Fällen zuzuordnen wäre bzw. es dann ggf. zu splitten wäre zwischen dem risikofreien Mindestzins (der gegenwärtig ca. Null beträgt) und dem Mehrzins, der das Risiko vergütet und wo dieser dann hinzuallokieren wäre? Könnte dieser auch zu der OpCo oder FinCo allokiert werden oder wäre der Mehrzins nur (noch) bei der Muttergesellschaft darstellbar? Beispiel 2:

US Inc.

OpCo

OpCo

German FinCo 3 Mrd. Euro

Man kann diese Überlegungen nun zuspitzen. Die Ausgangslage sei ähnlich wie zuvor, jedoch nunmehr in Form einer Inbound Struktur mit USMutter sowie u.a. einer deutschen Tochter. Die deutsche Tochtergesellschaft verfüge über Steuerattribute, die zu verbrauchen sind (Zins-und Verlustvorträge). Der US-Konzern legt drei Milliarden Euro in die deutsche Tochter ein. Der US-Treasurer zieht mit um, damit die relevanten Entscheidungen und Aktivitäten in Deutschland getroffen werden. Nachdem die Steuerattribute in Deutschland verbraucht sind, zieht man den Treasurer wieder ab, zurück in die USA und stellt statt dessen eine ungelernte Halbtagskraft ein, die nicht in der Lage ist, das Risiko zu kontrollieren. Fraglich ist nun, ob ab dem Zeitpunkt, in dem die personelle Substanz aus der deutschen GmbH abgezogen wurde, das Einkommen Deutschland fast bzw. gar nicht mehr zuzurechnen ist (da der risikolose Zins jedenfalls im gegenwärtigen Kapitalmarktumfeld Null betrüge)? Weiter, was passiert z.B. im Folgejahr, falls der Schuldner ausfällt und das Darlehen dann abzuschreiben wäre? Wäre der Aufwand in Deutschland oder in den USA zu verorten (an dem Ort, an dem auch die Risikoprämie (zuletzt) vereinnahmt wurde?)

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene Beispiel 3:

IP Transfer

D-AG Verluste

IP-Co EU

Lizenz

OpCo

– Die D-AG befindet sich Verlustsituation – Die D-AG „nutzt“ die Verluste und veräußert die Markenrechte an die EU IPCo – EU IP-Co beschäftigt einen Anwalt und einen kaufmännischen Angestellten – Tätigkeiten – Verwaltung/Schutz der Markenrechte – Prüfung der Einhaltung der Markenüberlassungsverträge – Vereinnahmung der Lizenzentgelte – Buchhaltung Jahresabschluss, Steuererklärung – Rechtsfolgen unter BEPS? – Keine steuerlich wirksame Übertragung/keine Gewinnrealisierung? – Wer erzielt die Einkünfte? – Wer kann in welcher Höhe AfA geltend machen? – Welches DBA ist auf die Lizenzen anzuwenden? – Kann OpCo der Abzug versagt werden? – EU Country besteuert Einkünfte R Doppelbesteuerung?

In diesem Beispiel spitzt sich das Thema weiter zu. Im Rahmen von Finanzierungen ergeben sich primär Fragen bzgl. der laufenden Einkünfte. In diesem Beispiel 3 ist die Problematik dadurch erweitert, dass Wirtschaftsgüter übertragen werden, die bereits im Übertragungszeitpunkt stille Reserven aufweisen. Hier stellt sich als Eingangsfrage: hat überhaupt eine wirksame Übertragung stattgefunden, kommt es überhaupt zur Realisierung oder würde man bei fehlender Übertragung von Kon-

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene

trolle von gar keiner Übertragung ausgehen? Weiterhin, was wäre, wenn sich die zuordnungsrelevanten Kriterien im Zeitlauf einmal oder mehrfach verändern: Würde dann jeweils das (wirtschaftliche) Eigentum (wieder) übergehen? Zusätzlich ergibt sich auch hier stets die Frage, welche Staaten in welchem Umfang ein Besteuerungsrecht wahrnehmen können. Beispiel 4:

Vorher

Nachher Übernahme

3rd Party

US i-Co

fe

r

US i-Co

9.500 MA

ASIA Ltd.

D-GmbH

f ger 90.000 MA

D-GmbH

500 MA

Gewinnverteilung je Telefon: Gemäß Vertragslage ASIA Ltd.: 1€ US i-Co: 470 € D-GmbH: 29 € Gesamt: 500 €

ASIA Ltd.

? Nach Köpfen? /Entstrickung? ASIA Ltd.: 450,0 € US i-Co: 47,5 € D-GmbH: 2,5 € Gesamt: 500,0 €

Bei der US-amerikanischen i-Co, einem Mobiltelefonhersteller, der hohe Gewinne pro Telefon erzielt, werden diese Gewinne im Ausgangsfall fast ausschließlich in die USA ausgewiesen. Die Produktion erfolgt dabei per Auftragsfertigung in asiatischen Billiglohnländern. Zu einem späteren Zeitpunkt erwirbt i-Co den Lohnfertiger in Asien, wodurch Produktion, Entwicklung und Vertrieb nun „unter einem Konzerndach“ vereint werden. Kommt es (unter BEPS) ab diesem Zeitpunkt nun zu einer Veränderung der Gewinnallokation? Ist nun die Frage neu und anders zu stellen bzw. zu beurteilen, nach welchen Maßstäben welche Wertschöpfungsbeiträge in welchem Ausmaß an welchem Ort zum Ergebnis beitragen? Wenn man z.B. dann statt nach der (bis zum Erwerb wohl relevanten) Vertragslage z.B. nach Mitarbeiten (MA) den Gewinn zuordnete, ergäben sich

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene

erhebliche Abweichungen im Hinblick auf den laufenden Gewinn. Womöglich wäre daneben auch im Hinblick auf mögliche Entstrickungstatbestände eine Prüfung vorzunehmen. Auch wenn die Beispiele sicherlich etwas akzentuiert gewählt sind, so sollten die aufgezeigten, Aspekte gleichwohl hilfreich sein, um die Problematik besser zu konturieren und daraus Erkenntnisse abzuleiten, die für eine konsistente und eine Überbesteuerung vermeidende Umsetzung hilfreich sind.

6. Streitbeilegung (Aktionspunkt 14) (Köhler) Aktionspunkt 14 beschäftigt sich mit dem Ziel der schnelleren und effektiveren grenzüberschreitenden Streitbeilegung bezüglich der Interpretation und Anwendung der DBA im Rahmen von Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-Musterabkommen – sogenannte Mutual Agreement Procedures (MAP)).90 Der grundsätzlich von allen Staaten umzusetzende Mindeststandard91 geht dahin, dass die in den DBA enthaltenen Verpflichtungen bezüglich der Verständigungsverfahren vollständig umgesetzt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass die Verständigungsverfahren zeitgerecht durchgeführt sowie Verwaltungsabläufe sowohl zur Vorbeugung von Verständigungsverfahren, aber gleichfalls im Falle ihres Eintretens auch zur zeitgerechten Bearbeitung und Beilegung von Abkommensstreitigkeiten implementiert werden. Gleichfalls soll sichergestellt werden, dass Steuerpflichtige, soweit sie berechtigt sind, auch tatsächlichen Zugang zu den Verständigungsverfahren erhalten.92 Dieser Mindeststandard zielt damit auf die Sicherung der Einrichtung und Durchführung der Verfahren sowie (hoffentlich) der Reduzierung der Verfahrensdauer. Ein entscheidendes Kernelement allerdings, nämlich die zwingende Durchführung eines Schiedsverfahrens, welches zur Beseitigung der Doppelbesteuerung führt, ergibt sich aus dem Mindeststandard jedoch nicht. Nur bestimmte Länder (sog. Koalition der Willigen) haben sich darauf verständigt, in ihren DBA ein zwingendes und verbindliches Schiedsverfahren aufzunehmen um DBA-bezogene Streitigkeiten (dies bedeutet im 90 Vgl. OECD, Abschlussbericht AP 14, 9. 91 Vgl. OECD, Abschlussbericht AP 14, 9. 92 Vgl. OECD, Abschlussbericht AP 14, 9.

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Umkehrschluss, dass andere Streitigkeiten nicht darunter fallen) innerhalb eines bestimmten Zeitfensters beizulegen. Die betreffenden Staaten sind Australien, Belgien, Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Neuseeland, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden, Schweiz, Slowenien, Spanien, Großbritannien sowie USA.93 Im Hinblick auf alle weiteren Staaten fehlt also das korrespondierende und extrem wichtige Gegengewicht zu den vielen anderen BEPSInitiativen, nämlich das klare Bekenntnis dazu, nicht nur gegen die Keinmalbesteuerung vorgehen zu wollen, sondern in gleichem Maße auch die Doppelbesteuerung zu vermeiden. Zu dieser Gruppe von Ländern gehören zum Beispiel Brasilien, Indien und China.

7. Multilaterales Instrument (Aktionspunkt 15) (Köhler) Es bestehen zurzeit über 3000 DBAs weltweit.94 Diese alle einzeln neu zu verhandeln und anzupassen würde extrem lange dauern. Vor diesem Hintergrund ist beabsichtigt, ein sogenanntes multilaterales Instrument auszuhandeln. Durch Umsetzung des multilateralen Instrumentes würde dann eine begrenzte Anzahl von Bestimmungen der DBA neu und in Übereinstimmung mit den BEPS Aktionspunkten geregelt. Das multilaterale Instrument wäre grundsätzlich ein neben den DBA bestehendes Instrument, welches gleichfalls dem Völkerrecht unterläge und für die Vertragsparteien rechtsverbindlichen Charakter besitzt. Völkerrechtlich überschreibt jeder jüngere Vertrag den älteren. Damit würde das multilaterale Instrument nicht die bestehenden DBA (vollständig) ersetzen, vielmehr wäre das multilaterale Instrument wohl eine Art Rahmenabkommen zuzüglich Änderungsprotokollen, mit denen jeweils gezielt der abweichende Wortlaut jedes der über 3000 DBAs an BEPS im notwendigen bzw. gewünschten Umfang angepasst werden kann. Denn eine flexible Anpassung wird nicht nur wegen den unterschiedlichen Wünschen, Vorstellungen und steuerpolitischen Grundsätzen der einzelnen Vertragsstaaten angestrebt werden, sondern auch bereits deshalb, weil viele unterschiedliche Textfassungen (sowohl aufgrund abweichender Zeitpunkte des Abschlusses des jeweiligen DBA als auch hinsichtlich der Sprachfassung, Unterschiede aufgrund der jeweiligen Verhandlungsführung usw.) bestehen, infolgedessen eine einheitliche Regelung im Sinne eines „One fits all“ wohl praktisch ausscheidet.95 93 Vgl. OECD, Abschlussbericht AP 14, 10. 94 Vgl. OECD/G20-Projekt BEPS, Hrsg. BDI/EY/VDA, 115. 95 Vgl. OECD, Abschlussbericht AP 15, 29 f.

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Köhler/Staats, Das BEPS-Projekt – Stand der Arbeiten auf OECD-Ebene

Weiterhin sind sogenannte „Opts in“ oder „Opts out“ vorgesehen, durch die die Staaten die Umsetzung nochmals flexibler an die jeweiligen Gegebenheiten anpassen können.96 Dies verschärft naturgemäß zugleich auch die Risiken, den Überblick darüber zu verlieren, in welchem DBA nunmehr „was eigentlich wie genau gilt“. Vor diesem Hintergrund wären womöglich nach Umsetzung des multilateralen Instruments die Herausgabe konsolidierter DBA-Neufassungen ein wichtiger Beitrag zur Wahrung der Rechtssicherheit bzw. des einheitlichen Verständnisses über Wortlaut und Inhalt des jeweiligen DBA. Das multilaterale Instrument soll im Rahmen einer internationalen Konferenz beraten und verabschiedet werden. Bislang nehmen hieran 90 Staaten teil. Die Unterzeichnung ist bis Ende 2016 angestrebt. Hervorgehoben wird in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Teilnahme nicht zugleich zur Unterzeichnung des multilateralen Instruments verpflichtet. Nach Unterzeichnung durch die Vertragsstaaten (nur solche Staaten, die bereits ein DBA mit einem anderen Staat abgeschlossen haben, können dies überhaupt im Rahmen des multilateralen Instruments modifizieren, d.h., soweit keine DBA bestehen, werden diese auch nicht kurzfristig durch ein multilaterales Instrument ins Leben gerufen) dürften wohl die üblichen, regulären Ratifikationsverfahren in diesem Vertragsstaat erfolgen. Im Ergebnis wird daher, selbst wenn in dem tendenziell kurzen Zeitraum ein multilaterales Instrument ausgehandelt würde, dann wohl noch einige Zeit ins Land gehen bis zu deren tatsächlicher Umsetzung, da jedenfalls nach dem hier bestehenden Verständnis das multilaterale Instrument als Rahmenvertrag zunächst nur den Rahmen für die individuellen Änderungsprotokolle setzt, die dann noch jeweils mit der Gegenseite auszuhandeln und dann zu ratifizieren sind.

IV. Ausblick (Köhler/Staats) Die (finalen) Berichte zum BEPS-Projekt vom 5. Oktober 2015 sind letztlich in gewisser Weise auch nur ein Zwischenstand in Bezug auf Vollendung und Umsetzung der durch das BEPS-Projekt verfolgten Ziele. Das BEPS-Projekt selbst soll nunmehr bis 2020 fortgeführt werden. Parallel zu dieser internationalen Ebene soll bzw. wird eine (wohl zumin96 Vgl. OECD, Abschlussbericht AP 15, 43 ff.

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dest teilweise unterschiedliche) Umsetzung der Regelungen in nationales Recht erfolgen sowie eine immer weitergehende Adaption des „Soft Laws“ in der Rechtsanwendung zumindest durch die Finanzverwaltungen der betreffenden Länder (z.B. geänderte Kapitel bzgl. Transfer Pricing Guideline). Es bleibt zu hoffen, dass die Umsetzung mit Augenmaß erfolgt und möglichst zielgenau Minderbesteuerungen eindämmt, ohne dass es zugleich zu einer erhöhten Anzahl von Doppelbesteuerungsfällen kommt.

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Zu erwartende BEPS-Reaktionen des deutschen Gesetzgebers Oberregierungsrat Thomas Rupp Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg, Stuttgart Professor Dr. Jens Blumenberg Steuerberater, Frankfurt a.M. Inhaltsübersicht 1. Einleitung 2. Rechtsetzung – Umsetzung von BEPS-Empfehlungen 3. Anti-BEPS-Maßnahmen der Kommission 3.1 Neuauflage der Gemeinsamen Konsolidierten KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage („GKKB“) 3.2 Sicherstellung einer fairen Besteuerung am Ort der Gewinnentstehung 3.3 Schaffung eines besseren Umfelds für Unternehmen in der EU 3.4 Verbesserung der Steuertransparenz für eine gerechtere Besteuerung und bessere Bekämpfung des Missbrauchs 3.5 Verbesserung der Zusammenarbeit in der EU durch die Schaffung EU-weiter Koordinierungsinstrumente 3.6 Pläne der luxemburgischen Ratspräsidentschaft 4. Ausgewählte BEPS-Maßnahmen 4.1 Maßnahme 2: Neutralisierung von hybriden Instrumenten

4.2

Maßnahme 3: Stärkung der Hinzurechnungsbesteuerung 4.3 Maßnahme 5: Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs 4.4 Maßnahme 6: Verhinderung von Abkommensmissbrauch 4.5 Maßnahme 8: Verrechnungspreise – Immaterielle Wirtschaftsgüter 4.6 Maßnahme 9: Verrechnungspreise – Risiken und Kapital 4.7 Maßnahme 9: Verrechnungspreise – Besondere Geschäftsvorfälle 4.8 Maßnahmen 8, 9, 10 – Umfangreiche Detailregelungen 4.9 Maßnahme 12: Offenlegung aggressiver Steuerplanungsmodelle 4.10 Maßnahme 13: Verrechnungspreis-Dokumentation/ Country-by-Country Reporting 4.11 Maßnahme 14: Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit in Verständigungs- und Schiedsverfahren

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Rupp/Blumenberg, Zu erwartende BEPS-Reaktionen des deutschen Gesetzgebers

1. Einleitung Die erste Etappe des Projekts der OECD- und G20-Staaten zum Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewinnverlagerungen und der Erosion von Bemessungsgrundlagen (Base Erosion Profit Shifting, kurz „BEPS“) wurde im November 2015 abgeschlossen. Vorausgegangen waren Jahre intensiver Verhandlungen, 62 Staaten waren beteiligt, mehr als 12.000 Seiten Stellungnahmen wurden eingereicht, 23 Diskussionsentwürfe veröffentlicht und 11 öffentliche Anhörungen abgehalten. Auslöser des BEPS-Aktionsplans war die sich verfestigende Einschätzung der G20- und OECD-Staaten, dass multinationale Unternehmen durch Ausnutzung des Steuerwettbewerbs und durch aggressive Steuerplanung ihre Steuerlast in unzulässiger Weise senkten. Dies wiederum bewirke erhebliche Steuermindereinnahmen und reale Wettbewerbsverzerrungen, denen nur ein international abgestimmtes Vorgehen begegnen könne. Die OECD hat die Ergebnisse ihres BEPS-Projekts im Oktober 2015 in einem Abschlussbericht veröffentlicht. Die Regierungschefs der G20 haben diesen Bericht bei ihrem Jahrestreffen am 15./16. November 2015 gebilligt. Der Abschlussbericht beinhaltet teils konkrete, teils unverbindliche Empfehlungen zu 15 Aktionspunkten. Zentrales Ergebnis ist, dass die Besteuerung am Ort der unternehmerischen Tätigkeit und wirtschaftlichen Wertschöpfung erfolgen soll. Nachfolgend werden die verschiedenen Rechtsetzungsmöglichkeiten für die Umsetzung der BEPS-Maßnahmen dargestellt. Sodann werden die Anti-BEPS-Maßnahmen der Kommission vorgestellt und anschließend ausgewählte BEPS-Maßnahmen (action items) betrachtet.

2. Rechtsetzung – Umsetzung von BEPS-Empfehlungen Die Implementierungsphase für die BEPS-Maßnahmen steht derzeit noch ganz am Anfang. Wie die Umsetzung konkret erfolgt, ist noch unklar. Bei den Empfehlungen der OECD zu den 15 Aktionspunkten handelt es sich um sog. soft law, das keine Rechtspflicht begründen kann. Letzteres ist (Steuer-)Gesetzen vorbehalten. Allerdings erwirken die BEPS-Empfehlungen einen politischen Befolgungsdruck. Von Staaten, die – wie Deutschland – das BEPS-Projekt unterstützt und vorangetrieben haben, wird eine Umsetzung der beschlossenen Empfehlungen faktisch erwartet.

400

Rupp/Blumenberg, Zu erwartende BEPS-Reaktionen des deutschen Gesetzgebers

Die Umsetzung der einzelnen Empfehlungen zur Bekämpfung von BEPS kann grundsätzlich uni-, multi- oder supranational erfolgen. In der Vergangenheit hat es Initiativen verschiedener Bundesländer zu Maßnahmen gegeben, mit denen einzelne Empfehlungen in nationales Steuerrecht umgesetzt werden sollten.1 Denkbar wäre ein BEPS-Umsetzungsgesetz, mit dem punktuelle Änderungen bzw. Ergänzungen in der AO oder dem EStG/KStG vorgenommen werden.2 Auch im Rahmen des Unionsrechts wäre die Implementierung von BEPS-Maßnahmen möglich. Die Kommission hat bereits angekündigt, dass sie entsprechende Vorschläge ausarbeitet. Grundsätzlich stehen insoweit die folgenden Rechtsakte zur Verfügung: Verordnung, Richtlinie, Beschluss, Empfehlung und Stellungnahme. Hiervon löst lediglich eine Verordnung eine unmittelbare innerstaatliche Geltung aus. Richtlinien sind nur hinsichtlich des Ziels verbindlich und müssen – da sie dem jeweiligen Mitgliedstaat die Wahl von Form und Mittel überlassen – in nationales Recht umgesetzt werden, um anwendbar zu sein. Empfehlungen und Stellungnahmen sind hingegen nicht verbindlich.3 Sofern die BEPS-Empfehlungen zu Änderungen der Doppelbesteuerungsabkommen („DBA“) führen, wird ein sog. multilaterales Instrument diskutiert.4 Die Implementierung der vorgeschlagenen Maßnahmen in den über 90 von Deutschland abgeschlossenen Abkommen wäre äußerst zeitaufwendig: Jedes DBA müsste bilateral neu verhandelt und anschließend per Vertragsgesetz (Art. 59 Abs. 2 GG) in nationales Recht transformiert werden.5 Ziel des deshalb erwogenen multilateralen Instruments ist es, die BEPS-Maßnahmen derart in die Abkommen zu integrieren, dass nicht jedes einzelne DBA neu verhandelt werden muss. Hierzu

1 Vgl. etwa Antrag des Landes Hessen zu Patentboxen, BR-Drs. 318/15 sowie BRAntrag zu § 4Abs. 5a EStG-E, BR-Drs. 432/14 zu hybrids. Dem Vernehmen nach wird in Rheinland-Pfalz auch die im Rahmen des Jahressteuergesetz 2008 bereits diskutierte Einführung eines § 138a AO wieder erwogen. 2 Am 1. Juni 2016 veröffentlichte das BMF den Referentenentwurf des „Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen“. 3 Vgl. Ruffert in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 288, Rz. 16 ff., 23 ff., 85 ff., 95 ff. 4 Vgl. etwa Reimer, IStR 2015, 1 ff. 5 Vgl. zu diesem Prozess Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, 2011, Rz. 570; Frotscher in Frotscher/Geurts, EStG, § 50d, Tz. 4; Haase, AStG/ DBA 2012, 670, Rz. 58; Brähler, IStR 2010, 105 f.

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Rupp/Blumenberg, Zu erwartende BEPS-Reaktionen des deutschen Gesetzgebers

zielt das multilaterale Übereinkommen auf eine Anpassung der DBATexte ab.6 Ein erster Entwurf wird für Ende 2016 erwartet.

3. Anti-BEPS-Maßnahmen der Kommission Auch die Kommission hat sich die Bekämpfung von BEPS zum Ziel gesetzt. Als „Hüterin der Verträge“ überwacht sie nicht nur die Einhaltung des Europarechts, sondern besitzt grundsätzlich das alleinige Initiativrecht im EU-Gesetzgebungsverfahren.7 Die aktuellen steuerpolitischen Vorhaben der EU-Kommission decken sich teils mit den Anti-BEPS-Vorschlägen der G20/OECD, teilweise gehen sie auch darüber hinaus. Bereits im Dezember 2012 hat die Kommission einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung vorgelegt.8 In diesem Aktionsplan stellte sie von ihr kurzfristig ergriffene Maßnahmen und zukünftige Initiativen vor. Als kurzfristiges Ziel ist bspw. die Überarbeitung der Mutter-Tochter-Richtlinie im Hinblick auf hybride Gestaltungen bereits abgeschlossen.9 Mittelfristig (bis 2014) wurde die Verstärkung des Informationsaustauschs angestrebt. Auch dieses Vorhaben hat bereits Eingang in Gesetzesinitiativen gefunden.10 Auch die grenzüberschreitende gemeinsame Betriebsprüfung, die im Aktionsplan 2012 unter den langfristigen Maßnahmen aufgeführt war, ist mit dem zum 1. Januar 2013 verabschiedeten EU-Amtshilfegesetz bereits umgesetzt.11

6 Das Ziel knüpft an Überlegungen zur simultanen Änderung aller bestehenden DBA nach Änderung des OECD-MA an. Vgl. hierzu Reimer, IStR 2015, 1 ff. 7 Siehe Art. 17 Abs. 2 EUV. In einigen in den Verträgen genannten Fällen können das Europäische Parlament und der Rat auch ohne Vorschlag der Kommission Vorschriften nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen, z.B. zum Datenschutz (Art. 16 Abs. 2 AEUV), zum Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV) oder zur Freizügigkeit im Binnenmarkt (Art. 21 Abs. 2 AEUV). Der Rat allein kann nach Anhörung des Parlaments einstimmig Maßnahmen zum sozialen Schutz oder zur sozialen Sicherheit erlassen (Art. 21 Abs. 3 AEUV). 8 Vgl. Mitteilung der Kommission an das EU-Parlament und den Rat, Aktionsplan zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung v. 6.12.2012, COM(2012) 722 final. 9 Vgl. RL 2014/86/EU des Rates v. 8.7.2014 zur Änderung der RL 2011/96/EU über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. EU L 291 v. 25.7.2014, 40. Hierzu Benz/ Böhmer, DB 2015, 1679; Desens, IStR 2014, 852; Haase, IStR 2014, 650; Hagemann/Kahlenberg, IStR 2014, 840. 10 Vgl. hierzu Benz/Böhmer, IStR 2015, 380; Czakert, DStR 2015, 2697. 11 Vgl. Peters/Kircher/Moll, IStR 2016, 2.

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Im Juni 2014 gab die Kommission bekannt12 förmliche Prüfverfahren in Bezug auf die Erteilung von Tax Rulings durch Irland (Apple),13 die Niederlande (Starbucks)14 und Luxemburg (Fiat Finance and Trade)15 zu eröffnen. Im Oktober 2014 wurde das förmliche Beihilfe-Prüfverfahren bezüglich der Tax Rulings, die Amazon in Luxemburg gewährt wurden, eröffnet.16 Dem Vernehmen nach ist mit der Eröffnung weiterer Prüfverfahren zu rechnen.17 Um missbräuchlichen Steuergestaltungen entgegenzuwirken, strebt die Kommission eine grundlegende Reform der Unternehmensbesteuerung in der EU an. Mit dem Ziel, nachhaltige Einnahmen zu gewährleisten und das Geschäftsumfeld im europäischen Binnenmarkt zu verbessern, hat sie am 18. März 2015 ein Transparenzpaket18 und am 17. Juni 2015 einen Aktionsplan19 vorgelegt. In einem Beschluss vom 25. September 2015 hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert,20 sich auf europäischer Ebene für eine zügige Umsetzung dieser Vorschläge einzusetzen.21

3.1 Neuauflage der Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage („GKKB“) Zentraler Punkt des Aktionsplans vom 17. Juni 2015 ist die stufenweise Einführung der GKKB. Die Kommission arbeitete an der Entwicklung der GKKB bereits seit dem Jahre 2001,22 in 2011 wurde ein Richtlinien12 13 14 15 16 17 18

19

20 21 22

Vgl. IP/14/663 v. 11.6.2014. Vgl. Eröffnungsbeschluss SA.38373 (anh.), ABl. v. 17.10.2014, C 369/22. Vgl. Eröffnungsbeschluss SA.38374 (anh.), ABl. v. 19.12.2014, C 460/11. Vgl. Eröffnungsbeschluss SA.38375 (anh.), ABl. v. 17.10.2014, C 369/37. Vgl. Eröffnungsbeschluss SA.38944 (anh.), ABl. v. 6.2.2015, C 44/13. Vgl. Linn, IStR 2015, 144. Vgl. Mitteilung der Kommission an das EU-Parlament und den Rat über Steuertransparenz als Mittel gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung vom 18.3.2015, Com(2015) 136 final. Vgl. Mitteilung der Kommission an das EU-Parlament und den Rat über eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union – Fünf Aktionsschwerpunkte vom 17.6.2015, Com(2015) 302 final, 8. Siehe unten 3.3 für eine Darstellung der Vorbehalte bzgl. der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung. Vgl. BR-Drs. 269/15. Vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss – Ein Binnenmarkt ohne steuerliche Hindernisse – Strategie zur Schaffung einer konsolidierten Körperschaftsteu-

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entwurf vorgelegt.23 Zur Umsetzung kam es jedoch nicht; insbesondere die Konsolidierung der Bemessungsgrundlage erwies sich bei den Verhandlungen der Mitgliedstaaten als streitanfällig. Nach dem neuen Richtlinienentwurf sollen die Unternehmen nicht mehr freiwillig zur GKKB für einen Zeitraum von fünf Jahren optieren können (Art. 6 Abs. 1 RL-E). Vielmehr ist eine verpflichtende Einführung der GKKB vorgesehen. Nach Auffassung der Kommission dürfen multinationale Unternehmen, die ihre steuerbaren Gewinne durch aggressive Steuergestaltung minimieren, sich anderenfalls kaum für die GKKB entscheiden. Ein sog. level playing field würde gerade nicht entstehen.24 Geplant ist eine stufenweise Einführung der GKKB: Zunächst soll eine gemeinsame Bemessungsgrundlage entwickelt werden, bevor in einem nächsten Schritt die Konsolidierung der Bemessungsgrundlage eingeführt werden soll. Der Entwurf soll im Frühjahr 2016 vorliegen.

3.2 Sicherstellung einer fairen Besteuerung am Ort der Gewinnentstehung Als fair erachtet die Kommission eine effektive Besteuerung am Ort der Wertschöpfung. Entsprechend schlägt die Kommission vor, dass der Rat innerhalb von zwölf Monaten – das hieße bis zum Juni 2016 – rechtlich verbindliche Regelungen zur Neufassung der Betriebsstättendefinition und zur Hinzurechnungsbesteuerung beschließt. Auch Zinsen und Lizenzgebühren sollen am Ort der Wertschöpfung effektiv besteuert werden. Dazu soll – nach den Vorstellungen der Kommission – die Zins- und Lizenzrichtlinie geändert werden: Mitgliedstaaten sollen nicht länger dazu verpflichtet sein, Zinszahlungen und Lizenzgebühren steuerlich zu begünstigen, sofern diese nicht anderswo in der EU effektiv besteuert werden.25 Eine Reform der Richtlinie wurde bereits in 2011 vorgeschlagen. Vorgesehen war damals, die Mindestbeteiligungser-Bemessungsgrundlage für die grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeit in der EU, Com(2001) 582. 23 Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, KOM(2011) 121/4. 24 Vgl. Mitteilung der Kommission an das EU-Parlament und den Rat über eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union – Fünf Aktionsschwerpunkte v. 17.6.2015, Com(2015) 302 final, 9. 25 Vgl. Mitteilung der Kommission an das EU-Parlament und den Rat über eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union – Fünf Aktionsschwerpunkte v. 17.6.2015, Com(2015) 302 final, 11.

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höhe von 25 % auf 10 % abzusenken, den Katalog der unter die Richtlinie fallenden Gesellschaften zu erweitern und eine subject-to-tax-Klausel einzuführen.26 Eine Mehrheit für die Umsetzung dieser Vorschläge fand sich bislang allerdings nicht. Im Juni 2015 wurde dem Rat „Wirtschaft und Finanzen“ ein abgeänderter Vorschlag zur Änderung der Zins- und Lizenzrichtlinie vorgelegt. Vorgesehen war darin die isolierte Verabschiedung einer Anti-Missbrauchsklausel. Eine Reihe von Mitgliedsstaaten sprachen sich gegen diese punktuelle Änderung und für eine ganzheitliche Überarbeitung der Richtlinie im Rahmen des BEPS-Projekts aus: Regelungen dieser Art seien bereits in vielen nationalen Rechtsverordnungen verankert.27 Eine faire Besteuerung bedeutet für die Kommission auch, dass Steuervergünstigungen an den Ort der Wertschöpfung gebunden werden sollen. Damit soll sichergestellt werden, dass in dem Staat, der die Steuervergünstigung gewährt, auch wirtschaftliche Substanz vorliegt und die Wirtschaftstätigkeit somit direkt gefördert wird (Nexus-Ansatz). Im Hinblick auf Patent- und Lizenzboxen wird etwa vorgeschlagen, dass die Steuervergünstigung und die betreffenden Forschungs- und Entwicklungsausgaben in direkter Verbindung stehen müssen.28 Eine Harmonisierung der Körperschaftsteuersätze in der EU wird laut Aktionsplan nicht angestrebt.

3.3 Schaffung eines besseren Umfelds für Unternehmen in der EU Im Mittelpunkt des Aktionsplans steht die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen durch die Einführung der GKKB. Auf diese Weise soll der Verwaltungsaufwand gemindert und eine unionsweite Verrechnung von Gewinnen und Verlusten ermöglicht werden. Da die Implementierung der GKKB jedoch noch Zeit in Anspruch nehmen wird, werden parallel zwei Initiativen verfolgt, um die steuerlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. 26 Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie der Rates über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten, KOM(2011) 714 endg., 10 ff. 27 Vgl. Outcome of the council meeting, Economic and Financial Affairs, Luxembourg, 19 June 2015, 7. 28 Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie der Rates über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten, KOM(2011) 714 endg., 11 f.

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Zum einen sollen die Streitbelegungsmechanismen in Doppelbesteuerungsangelegenheiten verbessert werden. Zwar kennen die meisten DBA Verfahren zur Streitbeilegung. Diese sind jedoch regelmäßig langwierig, kostenintensiv und führen oftmals – mangels Einigungszwang – nicht zur Beilegung des Streits. Die Kommission hat angekündigt, bis Sommer 2016 Vorschläge zur Verbesserung der gegenwärtigen Streitbeilegungsverfahren in der Union vorzulegen. Zum andern beabsichtigt die Kommission, einen Vorschlag zum grenzüberschreitenden Verlustausgleich innerhalb der EU vorzulegen. Fallen später in der Unternehmensgruppe Gewinne an, soll es zur Nachversteuerung der zuvor verrechneten Verluste kommen. Die Umsetzung eines solchen Vorschlags zur grenzüberschreitenden Verlustverrechnung in innerdeutsches Recht ist allerdings unklar. Grundsätzliche Fragen zu der mit dem Urteil in der Rs. Marks & Spencer29 eingeführten Figur der „finalen Verluste“ sind noch ungeklärt.30 Auch das jüngste Urteil des EuGH zur grenzüberschreitenden Verlustverrechnung in der Rs. Timac Agro lieferte insoweit keine neuen Erkenntnisse. Nach den Ausführungen des österreichischen Vertreters wurden nämlich nicht alle Möglichkeiten zur Berücksichtigung der Verluste in Österreich ausgeschöpft. Die Prüfung der Marks & SpencerAusnahme war dementsprechend nicht erforderlich.31 Vertreter der Finanzverwaltung gehen hingegen von der faktischen Aufgabe der Marks & Spencer-Rechtsprechung in DBA-Freistellungsfällen aus.32 Aber auch jenseits dieser technischen Schwierigkeiten erscheint eine innerdeutsche Umsetzung zweifelhaft. So hat der Bundesrat bereits signalisiert, dass er eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung aufgrund der Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte ablehnt.33

29 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03, Marks & Spencer, IStR 2006, 19. 30 Vgl. etwa Kippenberg, IStR 2015, 738; Mitschke, IStR 2014, 733; FG Köln, Beschl. v. 9.2.2014 – 13 K 3906/09, EFG 2014, 1901; Schlussanträge GA Kokott v. 19.7.2012 – Rs. C-123/11, A Oy, IStR 2012, 618 Tz. 26, 55 ff. m. Anm. Mitschke. 31 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.12.2015 – Rs. C-388/14, Timac Agro, BB 2016, 162, Rz. 56. 32 Vgl. Schütz, IWB 2016, 81 und Benecke/Staats, IStR 2016, 74. 33 Vgl. BR-Drs. 296/15, 2.

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3.4 Verbesserung der Steuertransparenz für eine gerechtere Besteuerung und bessere Bekämpfung des Missbrauchs Im März 2015 hat die Kommission ein Transparenzpaket34 mit fünf Schwerpunkten als Mittel gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung vorgelegt. Im Zentrum steht ein Vorschlag zur Einführung eines verpflichtenden automatischen Informationsaustausches über verbindliche Auskünfte mit grenzüberschreitendem Bezug sowie über verbindliche Vorabzusagen über Verrechnungspreise (APAs).35 Die Umsetzung sollte über eine Änderung der Amtshilferichtlinie erfolgen.36 Nach dem neuen Art. 8a Abs. 1 sollte die zuständige Behörde eines Mitgliedstaates verpflichtet werden, relevante Informationen des Vorbescheids (der verbindlichen Auskunft i.S.d. § 89 Abs. 2 AO oder des APA) der Kommission oder den zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten mitzuteilen. Außerdem sollten Rulings, die innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren vor Inkrafttreten der Richtlinie erlassen wurden (Alt-Rulings) im Wege des Informationsaustauschs übermittelt werden, soweit sie noch gültig sind. Der Bundesrat hat diese umfassende Übersendung von Steuervorbescheiden (an alle Mitgliedstaaten und die Kommission) in einem Beschluss aus dem Mai 2015 aus Gründen des Datenschutzes und Steuergeheimnisses abgelehnt. Auch die Rückwirkung auf die letzten zehn Jahre wird abgelehnt.37 Am 6. Oktober 2015 hat sich der Rat auf eine Änderung der Richtlinie verständigt.38 Die Mitgliedstaaten werden zum automatischen Austausch von Informationen über grenzüberschreitende Steuervorbescheide und Vorabverständigungsvereinbarungen verpflichtet. Die Kommission darf ein sicheres Zentralverzeichnis einrichten, in dem die ausgetauschten Informationen gespeichert werden. Dieses Verzeichnis soll für alle Mitgliedstaaten und grundsätzlich auch für die Kommission zugänglich sein. Die neuen Vorschriften sollen ab dem 1. Januar 2017 anzuwenden sein. Steuervorbescheide die zwischen dem 1. Januar 2012 und dem 31. De34 Vgl. Mitteilung der Kommission an das EU-Parlament und den Rat über Steuertransparenz als Mittel gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung vom 18.3.2015, Com(2015) 136 final. 35 Vgl. hierzu Grotherr, IStR 2015, 293. 36 Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung, Com(2015)135 final. 37 Vgl. BR-Drs. 111/15. 38 Vgl. Pressemitteilung 703/15 v. 6.10.2015.

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zember 2013 erteilt, getroffen, geändert oder erneuert wurden, müssen nur übermittelt werden, sofern sie am 1. Januar 2014 noch gültig sind. Steuervorbescheide, die zwischen dem 1. Januar 2014 und dem 31. Dezember 2016 erteilt, getroffen, geändert oder erneuert wurden, müssen unabhängig von ihrer Gültigkeit übermittelt werden.39 Im Vorgriff auf diese Regelung und unter Hinweis auf das Beihilferecht hat die Kommission bereits die Daten diverser deutscher Unternehmen für die Vergangenheit angefordert. Dem Vernehmen nach klagen Unternehmen dagegen.

3.5 Verbesserung der Zusammenarbeit in der EU durch die Schaffung EU-weiter Koordinierungsinstrumente Die Zusammenarbeit in der Union soll ferner durch gemeinsame Betriebsprüfungen (sog. joint audits) bei grenzüberschreitend tätigen Unternehmen verbessert werden. Gemischte Prüferteams, bestehend jeweils aus Beamten der betroffenen Mitgliedstaaten, sollen die Außenprüfung gemeinsam durchführen, um ein wirklichkeitsgetreues Bild der steuerrelevanten Sachverhalte zu ermitteln.40 Eine gemeinsame Prüfung soll es ermöglichen, schnell Planungs- und Rechtssicherheit zu erlangen und Doppelbesteuerung wirksam vermeiden.41 Unabhängig von diesem Vorschlag der Kommission setzt auch die deutsche Finanzverwaltung verstärkt auf joint audits nach dem bayerischen Muster der Steuerkompetenzzentren. Als weiteres Koordinierungsinstrument will die Kommission den Code of Conduct nachbessern.42 Zwar handelt es sich bei diesem Verhaltenskodex43 um eine freiwillige, zwischenstaatliche Regelung; in den Augen der Kommission hat sie sich jedoch als wirksames und wichtiges Instrument zur Verhinderung schädlicher Steuerpraktiken erwiesen. Es hat sich allerdings am Beispiel der sog. Patent- und Lizenzboxen jüngst gezeigt, dass der Verhaltenskodex, der aus den 1990er Jahren stammt, für die Beurteilung derart moderner Formen von Steueranreizen nicht geeignet ist. Eine Reform wird daher vorbereitet.

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Vgl. Pressemitteilung 703/15 v. 6.10.2015. Vgl. Meickmann, IStR 2014, 591. Vgl. Peters/Kircher/Moll, IStR 2016, 2. Vgl. Pressemitteilung 908/15 v. 8.12.2015. Vgl. Schlussfolgerungen des Rates „Wirtschafts- und Finanzfragen“ v. 1.12.1997 zur Steuerpolitik, ABl. EU 1998, C 2/2.

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3.6 Pläne der luxemburgischen Ratspräsidentschaft Luxemburg hatte die Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2015 inne. Gemeinsam mit der Kommission befürwortete die Ratspräsidentschaft die koordinierte Umsetzung der einschlägigen BEPS-Empfehlungen der G20/OECD über eine Gesetzgebung auf EU-Ebene. Unilaterale Änderungen durch die Mitgliedstaaten wurden abgelehnt. Es wurde den Mitgliedstaaten allerdings nicht verboten, im Einklang mit der angestrebten EU-Gesetzgebung unilateral tätig zu werden. Geplant war, zu den als zentral identifizierten Inhalten – wie etwa der Betriebsstättendefinition, einer generellen Anti-Missbrauchsregelung, der Hinzurechnungsbesteuerung oder zu sog. hybrid mismatches – im Sommer 2016 Gesetzesentwürfe vorzulegen. Es bleibt abzuwarten, ob dieser knappe und ambitionierte Zeitplan eingehalten werden kann.

4. Ausgewählte BEPS-Maßnahmen 4.1 Maßnahme 2: Neutralisierung von hybriden Instrumenten Hybride Gestaltungen machen sich bei grenzüberschreitenden Transaktionen nicht selten zwischen den beteiligten Staaten divergierende steuerrechtliche Qualifikationen bestimmter Finanzierungsinstrumente oder Gesellschaftsformen zu Nutze. Der Einsatz hybrider Instrumente kann dazu führen, dass Einkünfte keinmal besteuert werden, d.h. sog. weiße Einkünfte entstehen. Ausgewiesene Zielsetzung der OECD ist es, die Keinmalbesteuerung zu beseitigen, ohne hierdurch eine Doppelbesteuerung zu verursachen. Entsprechende Abwehrregelungen sind im deutschen Steuerrecht bereits enthalten. Zu nennen ist beispielsweise die Reaktion der Finanzverwaltung auf die Refinanzierung von Personengesellschaften in Gestalt einer Änderung der Praxis bei Sonderbetriebsausgaben. Mit § 50d Abs. 10 EStG wird die steuerliche Behandlung von Sondervergütungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten profiskalisch geregelt. Nach der Neufassung des Abs. 10 im Rahmen des AmtshilfeRLUmsG gelten für Deutschland als Anwenderstaat eines DBA Vergütungen sowie die durch das Sonderbetriebsvermögen veranlassten Erträge und Aufwendungen, einschließlich der Gewinne aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen, als Unternehmensgewinne. Dies soll unabhängig davon gelten, ob es sich um Sondervergütungen des im Inland ansässigen Gesellschafters einer ausländischen Personengesellschaft oder um Son-

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dervergütungen des im Ausland ansässigen Gesellschafters einer inländischen Personengesellschaft handelt. Sondervergütungen – etwa Zinsen an den ausländischen Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft – sind somit der inländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzurechnen. § 50d Abs. 10 EStG ist hingegen bei unentgeltlichen Überlassungen nicht anwendbar, wenn keine Sondervergütungen geleistet werden. Bei teilentgeltlichen Überlassungen gilt § 50d Abs. 10 EStG nur für den entgeltlichen Teil der Überlassung.44 Als weitere Maßnahme zur Neutralisierung von hybriden Instrumenten hat der Finanzausschuss dem Bundesrat in den Beratungen zum Zollkodex-Anpassungsgesetz im Oktober 2014 einen Vorschlag zu einem Betriebsausgabenabzugsverbot unterbreitet. Der Bundesrat ist diesem Vorschlag am 7. November 2014 gefolgt.45 Die Bundesregierung stimmte der Initiative zwar grundsätzlich zu; bis jetzt erfolgte jedoch noch keine Umsetzung. Folgender Gesetzeswortlauf war ursprünglich für § 4 Abs. 5a EStG-E vorgesehen: „Aufwendungen sind nicht als Betriebsausgaben abziehbar, soweit sie beim unmittelbaren oder mittelbaren Empfänger nicht als Einnahmen in der Steuerbemessungsgrundlage berücksichtigt werden oder einer Steuerbefreiung unterliegen, weil das zugrunde liegende Rechtsverhältnis bei der Besteuerung des Leistenden und des Empfängers nicht einheitlich als Fremdkapitalüberlassung behandelt wird. Die einer Betriebsausgabe zugrunde liegenden Aufwendungen sind nur abziehbar, soweit die nämlichen Aufwendungen nicht in einem anderen Staat die Steuerbemessungsgrundlage mindern. Satz 2 gilt nicht, wenn die Berücksichtigung der Aufwendungen ausschließlich dazu dient, einen Progressionsvorbehalt im Sinne des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 oder eine Steueranrechnung im Sinne § 34c EStG oder im Sinne des § 26 Abs. 1 KStG zu berücksichtigen.“

Satz 1 hält die Grundregel des Korrespondenzprinzips für Betriebsausgaben fest. Im Falle der steuerlichen Nichterfassung als Einnahme beim Empfänger (unmittelbar oder mittelbar) verwehrt § 4 Abs. 5a Satz 1 EStG-E dem Leistenden den Betriebsausgabenabzug. In der Nomenklatur der OECD wird diese – auch in praxi bedeutsame – Konstellation als deduction/no inclusion bezeichnet. Satz 2 behandelt den Fall des doppelten Abzugs von Aufwendungen (double deduction). Den Sonderfall, dass die Aufwendungen allein im Rahmen des negativen Progressions44 Vgl. BMF, Schr. v. 26.9.2014, Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, IV B 5 – S 1300/09/10003, BStBl. I 1258, Rz. 5.1.1; Rogall/Schwan, DStR 2015, 2633; Rosenberg/Placke, DB 2014, 2434. 45 Vgl. BR-Drs. 432/14 (B), 12.

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vorbehalts oder bei der Steueranrechnung berücksichtigt werden, regelt Satz 3. Der Entwurf wurde im Schrifttum bereits kritisch diskutiert.46 Gemäß Definition der OECD wird eine Besteuerungsinkongruenz durch sog. hybride Zahlungen verursacht. Hybride Zahlungen sind getätigte Zahlungen, die in den beteiligten Staaten unterschiedlich steuerlich behandelt werden.47 Ordentliche Einnahmen sollen hingegen vorliegen, wenn die Einnahmen dem vollen Grenzsteuersatz des Steuerpflichtigen unterliegen.48 Zeitliche Abweichungen sollen grundsätzlich nicht so behandelt werden, als führten sie zu einem deduction/no inclusion-Ergebnis.49 Die Gegenüberstellung der Empfehlungen der G20/OECD mit dem in Deutschland diskutierten Vorschlag des § 4 Abs. 5a EStG-E wirft zahlreiche Fragen auf, mit denen sich der deutsche Gesetzgeber vor einer Umsetzung auseinandersetzen muss. Beide Vorschläge zielen auf Aufwendungen aus hybriden Rechtsverhältnissen ab. Beispielsweise hat sich Österreich bei der Implementierung einer Regelung zur Vermeidung von hybriden Betriebsausgabenabzügen durch Finanzinstrumente50 dafür entschieden, Zinsen und Lizenzgebühren im Sinne der EUZins- und Lizenzrichtlinie zu erfassen. Zweifelhaft ist darüber hinaus auch, wie sich die Steuerfreiheit eines Zahlungsempfängers auswirken würde. Nach dem Verständnis der G20/OECD wäre dies wohl kein Fall einer hybriden Gestaltung. Der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5a EStG-E wäre wohl dennoch eröffnet. Offen ist auch, wie eine fiktive Eigenkapitalverzinsung51 zu qualifizieren wäre. Komplexe Fragen ergeben sich ferner bezüglich der Behandlung von partiell ordentlichen Einnahmen (nach OECD partielles Abzugsverbot) oder der Berücksichtigung von zeitlichen Verschiebungen. Auch sollten Sonderregelungen aus Wettbewerbsgründen – etwa für den Bankenbereich – in Erwägung gezo46 Vgl. Geberth, GmbHR 2016, R26; Rüsch, DStZ 2015, 783; Körner, IStR 2015, 449; Hierstetter, DB 2015, Beilage 12, 3; Wittenstein, IStR 2015, 160; Milanin, IStR 2015, 861; Linn, IStR 2014, 920; IDW, Stellungnahme zum Entwurf des Zollkodex-Anpassungsgesetzes, BB 2014, 2857. 47 Vgl. OECD, Neutralisierung der Effekte hybrider Gestaltungen, Aktionspunkt 2: Arbeitsergebnis 2014, 35. 48 Vgl. OECD, Neutralisierung der Effekte hybrider Gestaltungen, Aktionspunkt 2: Arbeitsergebnis 2014, 72. 49 Vgl. OECD, Neutralisierung der Effekte hybrider Gestaltungen, Aktionspunkt 2: Arbeitsergebnis 2014, 34. 50 Siehe § 12 Abs. 1 Ziffer 10 ÖKStG, vgl. auch Wittenstein, IStR 2015, 160. 51 Zur notional interest deduction in Belgien vgl. Piront, IStR-LB 2011, 71.

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gen werden. Eine Beschränkung auf konzerninterne Sachverhalte – wie sie der Vorschlag der G20/OECD oder die österreichische Regelung enthalten – sieht § 4 Abs. 5a EStG-E nicht vor. Allerdings sind hybride Rechtsträger, deren Berücksichtigung die OECD empfiehlt, nicht erfasst. Die zahlreichen und teilweise ungelösten Fragestellungen zeigen, dass eine allgemeine Regelung zur Neutralisierung von hybriden Instrumenten äußerst komplex und somit auch streitanfällig werden dürfte.

4.2 Maßnahme 3: Stärkung der Hinzurechnungsbesteuerung Die Hinzurechnungsbesteuerung soll der künstlichen Verlagerung von Einkünften auf niedrig besteuerte, funktionslose ausländische Körperschaften entgegenwirken. Im OECD-Report wurden die grundlegenden Prinzipien für ein effektives Hinzurechnungsbesteuerungssystem formuliert. Zentrales Thema ist die Bestimmung der hinzurechnungspflichtigen Einkünfte, d.h. jener Einkünfte, die zum einen niedrig besteuert werden und zum andern keiner tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit der beherrschten ausländischen Körperschaft zuzuordnen sind. Daran anknüpfend gilt es zu bestimmen, welche ausländischen Körperschaften – auch mittelbar – beherrscht werden. Die Empfehlungen des Berichts sind flexibel gehalten, so dass sie auch mit der steuerpolitischen Grundausrichtung eines Steuersystems in Einklang gebracht werden können. Grundsätzlich sind sie auch kompatibel mit Unionsrecht. Inwieweit Anpassungen des deutschen Systems erfolgen werden, ist derzeit offen. Eine strukturelle Überarbeitung – insbesondere eine Neufassung des Katalogs der Zwischeneinkünfte – wird im Schrifttum gefordert bzw. begrüßt.52

4.3 Maßnahme 5: Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs Im Rahmen des BEPS-Projekts wurden diverse steuerliche Sonderregime im Hinblick auf ihre potentielle Schädlichkeit untersucht. Festzuhalten ist insoweit zunächst, dass Präferenzregime nicht per se verboten werden sollen. Entscheidend ist vielmehr die unschädliche Ausgestaltung des Präferenzregimes. Als unschädlich gilt eine dem Nexus-Ansatz folgende Implementierung.53

52 Vgl. Eilers/Henning, ISR 2015, 422; Haarmann, BB 2015, 22; Pinkernell, IStRLB 2015, 45; Radmanesh, IStR 2015, 895. 53 Vgl. BDI/EY/VDA, OECD/G20 – Projekt BEPS, 2015, Rz. 57 ff.

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In diesem Zusammenhang verdienen insbesondere Patentboxen besondere Beachtung. Derartige Regimes nehmen zu und Bestrebungen zu ihrer Abschaffung haben geringe Erfolgsaussichten.54 Österreich hat jüngst eine sog. Lizenzschranke eingefügt.55 Danach sind Zahlungen nicht als Betriebsausgaben abziehbar, wenn Lizenzgeber und -nehmer verbundene Unternehmen sind und die Lizenzeinnahmen beim Nutzungsberechtigten niedrig besteuert werden.56 Eine Niedrigbesteuerung kann sich ergeben, wenn (1) der Empfänger vollständig persönlich oder sachlich steuerbefreit ist, (2) die Einkünfte einem nominellen Steuersatz von weniger als 10 % unterliegen oder (3) seine effektive Steuerbelastung aufgrund einer für die Zinsen und Lizenzgebühren vorgesehenen Steuerermäßigung kleiner als 10 % ist. Auch das Land Hessen hat sich in einem Antrag im Bundesrat für nationale Abwehrregelungen gegen Lizenzboxen ausgesprochen.57 Eine mögliche Regelung könnte vorsehen, dass konzerninterne Lizenzzahlungen ganz oder teilweise nur dann abzugsfähig sein sollen, wenn sie im Empfängerstaat mit einem Steuersatz von mindestens 25 % besteuert werden. Gedacht wird auch an die Erhebung von Quellensteuern oder die Versagung des Betriebsausgabenabzugs, falls die steuerliche Belastung der entsprechenden Erträge nicht dem inländischen Niveau entspricht. Durch eine derartige Abwehrregelung könnten jährliche Steuermehreinnahmen i.H.v. ca. EUR 1 Mrd. generiert werden.58 Problematisch wäre indes eine unionsrechtskonforme Ausgestaltung. Auch Gegenreaktion anderer Staaten können nicht ausgeschlossen werden.

4.4 Maßnahme 6: Verhinderung von Abkommensmissbrauch Eine der Hauptursachen der BEPS-Problematik sehen G20 und OECD in der als missbräuchlich empfundenen Nutzung von DBA.59 Diese Thematik weist zahlreiche Verbindungen zu anderen Initiativen – etwa Maßnahme 7 „Verhinderung der künstlichen Umgehung des Status als 54 Vgl. die Übersicht über Patentboxregelungen in Europa bei Fehling/Schmid, IStR 2015, 493. 55 Vgl. § 12 Abs. 1 Ziffer 10 öKStG. 56 Vgl. Fehling/Schmid, IStR 2015, 493. 57 Vgl. BR-Drs. 318/15. 58 Vgl. von Ghemen, BB 2014, 2645. 59 Vgl. OECD/G20, Preventing the Granting of Treaty Benefits in Inappropriate Circumstances, Action 6: Deliverable, 2014, 9; Wichmann/Schmidt-Heß, IStR 2014, 883.

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Betriebsstätte“ oder Maßnahmen 8 bis 10 „Wertschöpfung als Anknüpfungspunkt für Verrechnungspreise“ – auf.60 Der OECD-Report schlägt eine Kombination von unterschiedlichen Maßnahmen vor.61 Zunächst soll die Verhinderung von Abkommensmissbrauch ausdrücklich in Titel und Präambel der DBA aufgenommen werden. Demnach soll eine Abkommensvergünstigung stets dann versagt werden, wenn vornehmlicher Zweck einer Gestaltung das Erlangen der Vergünstigung ist. Ebenfalls vorgeschlagen wird die Ergänzung der DBA um sog. Limitation on Benefit-Clauses („LOB“). Die Gewährung des Abkommensschutzes wird insoweit an das Vorliegen weiterer (persönlicher) Voraussetzungen geknüpft. Schließlich soll Treaty Shopping durch eine allgemeine Anti-Missbrauchsklausel, ein sog. Prinicipal Purpose Test („PPT“) verhindert werden. In der deutschen Abkommenspraxis wurde dieser Dreiklang etwa im neu abgeschlossenen DBA-Japan bereits umgesetzt.62 Auch im DBASchweiz wird auf eine Kombination aus PPT, LOB und nationalen Antimissbrauchsregelungen – wie § 50d Abs. 3 EStG oder § 42 AO – gesetzt.

4.5 Maßnahme 8: Verrechnungspreise – Immaterielle Wirtschaftsgüter Die Ansiedlung von immateriellen Werten innerhalb eines Konzerns wird als eine der Hauptursache für BEPS gesehen. Ein immaterielles Wirtschaftsgut soll nach der Definition der OECD dann vorliegen, „wenn etwas Werthaltiges existiert, das kein materielles oder rein finanzielles Wirtschaftsgut ist und für kommerzielle Zwecke als Eigentum betrachtet und „kontrolliert“ werden kann. Darüber hinaus sollten fremde Dritte unter vergleichbaren Umständen bereit sein, für die Übertragung oder Nutzung eines solchen Gegenstands eine Vergütung zu zahlen.“63

60 Vgl. BDI/EY/VDA, OECD/G20 – Projekt BEPS, 2015, Rz. 61. 61 Vgl. Jochimsen, IStR 2014, 865. 62 Vgl. Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan zur Beseitigung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern sowie zur Verhinderung der Steuerverkürzung und -umgehung vom 17. Dezember 2015, noch nicht veröffentlicht. 63 Vgl. OECD/G20, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations 2010, 2010, 192, Rz. 6.3.

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Standortvorteile, qualifizierte Mitarbeiter oder Synergieeffekte sind mangels Kontrollierbarkeit keine eigenständigen immateriellen Wirtschaftsgüter. Diese Faktoren wären jedoch ggf. in eine Risikoanalyse einzubeziehen. Gewinne aus der Übertragung oder Nutzung von immateriellen Wirtschaftsgütern sollen zukünftig im Einklang mit der Wertschöpfung zuzuordnen sein. Das zivilrechtliche Eigentum an immateriellen Werten bildet insoweit lediglich den Ausgangspunkt der Zuordnung. Nur wenn der zivilrechtliche Eigentümer auch alle wesentlichen Funktionen selbst kontrolliert und die wesentlichen Risiken trägt, sind ihm die Erträge zuzurechnen.64 Bei sog. Hard-to-value Intangibles wird eine Informationsasymmetrie zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung festgestellt, die zu BEPS führen kann. Als Maßnahme empfiehlt der Report grundsätzlich eine ex-ante Preisermittlung, erkennt jedoch an, dass unter bestimmten Voraussetzung auf eine ex-post Preisermittlung zurückgegriffen werden kann.65

4.6 Maßnahme 9: Verrechnungspreise – Risiken und Kapital Die Verlagerung von Risiken im Konzern und die Zuordnung von (übermäßigem) Kapital an Konzerngesellschaften werden als eine weitere Quelle von BEPS identifiziert. Ziel ist es daher sicherzustellen, dass Gewinne – als Resultat der Ausstattung mit Kapital und der Übernahme von Risiken – in Übereinstimmung mit der Wertschöpfung stehen. Im Bericht direkt angesprochen werden etwa die Finanzierung von Forschung und Entwicklung, die Allokation der Erträge bei der Auftragsforschung oder die Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern im Zuge von konzerninternen Umstrukturierungen. Für diese und weiteren Fälle sollen Verrechnungspreisregeln und besonderen Methoden entwickelt werden, die das Entstehen unangemessener Gewinne, die allein aufgrund einer vertraglichen Risikoübernahme oder Kapitalausstattung vermeiden.

4.7 Maßnahme 9: Verrechnungspreise – Besondere Geschäftsvorfälle Geschäftsvorfälle, die nicht oder nur selten zwischen unverbundenen Unternehmen stattfinden, werden als weitere Ursachen für BEPS angesehen. Diesbezüglich sollen Verrechnungspreisregeln oder besondere 64 Vgl. BDI/EY/VDA, OECD/G20 – Projekt BEPS, 2015, Rz. 96 ff. 65 Vgl. BDI/EY/VDA, OECD/G20 – Projekt BEPS, 2015, Rz. 98.

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Methoden etabliert werden. Zunächst gilt es allerdings zu bestimmen, wann Geschäftsvorfälle als „anders“ charakterisiert werden können. Anschließend soll festgelegt werden, wann welche Verrechnungspreismethoden (etwa ein profit-split) im Zusammenhang mit globalen Wertschöpfungsketten Anwendung finden können. Schließlich gilt es BEPS durch gängige steuermindernde Zahlungen, wie etwa Verwaltungskosten und Aufwendungen der Konzernleitung zu vermeiden.

4.8 Maßnahmen 8, 9, 10 – Umfangreiche Detailregelungen Im Aktionsplan aus 2013 wurde eine Überarbeitung der Regelungen zur Verrechnungspreisfindung für notwendig erachtet, da bei internationalen Unternehmen die Gewinnallokation nicht mit dem Ort der Wertschöpfung übereingestimmt habe. Die Arbeiten konzentrierten sich auf die Aktionspunkte 8, 9 und 10. Im finalen Bericht sind die Ergebnisse nun zusammengefasst.66 Verrechnungspreise sollen die ausgeübten Funktionen, die verwendeten Vermögenswerte und die getragenen Risiken reflektieren. Dies gilt insbesondere bei immateriellen Werten, bei denen die Frage nach dem rechtlichen Eigentum nur noch der Ausgangspunkt der Verrechnungspreisermittlung darstellt.67 Im Rahmen der eigentlichen Ermittlung ist sodann notwendigerweise zu prüfen, welches bzw. welche verbundenen Unternehmen zuständig für Entwicklung und Kontrolle des Forschungsprogramms, die Bestimmung der Forschungsschwerpunkte und die Verwaltung und Kontrolle des Budgets ist bzw. sind.68 Eine solche Analyse der Funktionen ist um eine Risikoanalyse zu ergänzen, die offenlegen soll, welches verbundene Unternehmen welches Risiko übernommen hat, welches die Kosten des jeweiligen Risikos trägt, wann und weshalb sich bestimmte Risiken materialisieren und verbundene Unternehmen im Schadensfall Kapital zur Verfügung stellen muss.69

66 Vgl. OECD/G20, Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation, Actions 8–10: 2015 Final Reports. 67 Vgl. OECD/G20, Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation, Actions 8–10: 2015 Final Reports, Rz. 6.32. 68 Vgl. OECD/G20, Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation, Actions 8–10: 2015 Final Reports, Rz. 6.56. 69 Vgl. Vögele/Vögele in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 2015, Kapitel E, Rz. 139.

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Die OECD hat im finalen Bericht eine 6-stufige Risikoanalyse vorgelegt:70 In einem ersten Schritt sollen die wesentlichen wirtschaftlichen Risiken identifiziert werden. Daran anschließend gilt es zu bestimmen, welche Konzerneinheit vertraglich verpflichtet ist, diese Risiken zu übernehmen. In einem dritten Schritt soll ermittelt werden, welche Unternehmen die Kontrollfunktionen und die Risikoabsicherungsfunktion tatsächlich ausüben, die positiven und negativen Konsequenzen des Risikos tragen und über die finanzielle Fähigkeit verfügen, das Risiko tatsächlich zu übernehmen. Sodann wird überprüft, ob die vertragliche Risikoübernahme mit dem tatsächlichen Verhalten übereinstimmt. Falls dies verneint wird, ist in Schritt 5 eine anderweitige Zuordnung des Risikos vorzunehmen und schließlich ein Verrechnungspreis für den so ermittelten (fiktiven) Geschäftsvorfall zu ermitteln. Zweck und Ziel dieser Prüfung ist, dass funktionslose Geldgeber, die nicht in der Lage sind, die entsprechenden Risiken zu tragen, deshalb allenfalls eine risikofreie Vergütung für die Finanzierung erhalten sollen.

4.9 Maßnahme 12: Offenlegung aggressiver Steuerplanungsmodelle Der finale Bericht entwirft in Aktionspunkt 12 einen Rahmen, den Staaten ohne verbindliche Offenlegungsvorschriften nutzen können, um Maßnahmen zur Offenlegung aggressiver oder missbräuchlicher Steuerplanungsmodelle einzuführen. Die Empfehlungen der OECD sind nach dem Baukastenprinzip gestaltet, so dass die Staaten die Möglichkeit haben, lediglich die Elemente zu übernehmen, die auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten sind. In den Augen der G20/OECD und einer wachsenden Zahl von Staaten führt eine Offenlegung dieser Informationen dazu, dass Gesetzgeber bzw. die zuständige Steuerbehörden schnell und effizient auf möglicherweise unerwünschte Strategien reagieren können.71 In Deutschland besteht bislang keine Anzeigepflicht für Steuergestaltungen. Erstmals wurde eine solche Pflicht im Rahmen der Jahressteuergesetze 2007 sowie 2008 diskutiert und ein ausformulierter Gesetzes-

70 Vgl. OECD/G20, Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation, Actions 8–10: 2015 Final Reports, Rz. 1.60. 71 Vgl. Pross/Czakert, IStR 2011, 279, für eine Übersicht über frühzeitige Meldeoder Offenlegungspflichten.

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vorschlag zu § 138a AO-E vorgelegt.72 Angesichts massiver Kritik73 wurde von einer Umsetzung abgesehen. Im Mai 2014 forderte der Bundesrat die Bundesregierung auf, sich für eine europaweite – bzw. im Vorgriff darauf – für eine nationale Regelung zur Anzeige- und Registrierungspflicht von internationalen Steuergestaltungen einzusetzen.74 Zu einer Umsetzung kam es wiederum nicht. Im März 2015 hat das BMF nun ein Forschungsvorhaben ausgeschrieben. Die Ergebnisse werden in 2016 erwartet.75 Ob sich ein weiteres Gesetzesvorhaben anschließt, bleibt abzuwarten.

4.10 Maßnahme 13: Verrechnungspreis-Dokumentation/ Country-by-Country Reporting Das in Maßnahme 13 beschriebene Country-by-Country Reporting („CbCR“) soll international agierende Unternehmen zur Offenlegung verpflichten, in welchen Ländern sie tätig sind, welche Umsätze und Gewinne sie in welchem Land generieren und in welcher Höhe in welchem Land Steuern gezahlt wurden. Dies soll den Finanzbehörden eine Beurteilung ermöglichen, ob die internationale Aufteilung der Konzernsteuerlast den internationalen Wertschöpfungsbeiträgen entspricht. Bekannt ist ein solches CbCR bereits aus den USA. Der zwischenzeitlich außer Kraft gesetzte Dodd-Frank Act verpflichtete an der US-Börse notierte Rohstoffunternehmen dazu, Zahlungen (etwa Steuern, Lizenzen, Bonuszahlungen und Dividenden) an amerikanische und ausländische Regierungen für den Abbau und die Verarbeitung von Erdöl, Erdgas und anderen Bodenschätzen offenzulegen.76 Auch der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD nennt – zumindest für den Bankbereich und den Rohstoffhandel – das Ziel, ein CbCR aufzubauen.77

72 Der Gesetzentwurf ist abrufbar unter http://www.gmbhr.de/heft/15_07/St GestAnzPflG_RefEntw.pdf., abgerufen am 15.1.2016. Vgl. auch Beuchert/Osterloh-Konrad, IStR 2014, 643. 73 Vgl. Flämig, DStR 2007, Beihefter zu Heft 44, 2; Kessler/Eicke, BB 2007, 2370; Lichtinghagen/Verpoorten, StuB 2007, 734; Albert, IFSt Nr. 455, 2009, 20; IDW, Stellungnahme zum JStG 2008, 11. 74 Vgl. BR-Drs. 205/14(B), 2. 75 Vgl. BDI/EY/VDA, OECD/G20 – Projekt BEPS, 2015, Rz. 122. 76 Vgl. Evers/Hundsdoerfer, Country-by-Country Reporting, Fachbereich Wirtschaftswissenschaft Diskussionsbeiträge, FACTS, 2014/20, 6/31. 77 Vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode, 91.

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In diesem Zusammenhang sind Probleme des Datenschutzes zu lösen. Nicht nur werden Daten zu zahlreichen und auch sensiblen Unternehmensbereichen abgefragt, vielmehr sollen diese auch automatisch über Finanzkonten in Steuersachen zwischen den Staaten ausgetauscht werden.78 Die Wahrung des Steuergeheimnisses bzw. die Sicherstellung der Vertraulichkeit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie die ausschließliche Auswertung der Daten für steuerliche Zwecke auch im Ausland sind daher schwierig.79 Ein automatischer Informationsaustausch zwischen den Steuerverwaltungen soll nur insoweit stattfinden, als die Staaten die Vertraulichkeit der Informationen, die Einheitlichkeit der Anwendung und eine sachgerechte Verwendung zusichern. Das CbCR soll durch die ultimative Konzernobergesellschaft erstellt und nur im Ansässigkeitsstaat der ultimativen Konzernobergesellschaft abgegeben werden, d.h. beim Finanzamt der obersten Konzerngesellschaft.80 Die erstmalige Erstellung ist für Wirtschaftsjahre vorgesehen, die nach dem 31. Dezember 2015 beginnen. Nach Ablauf des Wirtschaftsjahres wird dem multinationalen Unternehmen ein Jahr zur Abgabe der entsprechenden Berichte eingeräumt. Die ersten CbCR müssten somit bei kalendergleichen Wirtschaftsjahren zum 31. Dezember 2017 abgegeben werden. Die Berichtspflicht soll nur für multinationale Unternehmen mit einem jährlichen konsolidierten Konzernumsatz von mind. EUR 750 Mio. gelten.81 Nach Schätzungen der G20/OECD sollten durch diese Grenze 85 %-90 % aller Konzernunternehmen von der standardisierten länderbezogenen Berichterstattung ausgenommen sein. Die Umsetzung des CbCR würde aus zwei Rechtsakten bestehen: erstens aus einem nationalen Gesetz (sog. Model Legislation related to CbCR) und zweitens aus einem auf Art. 6 OECD-Amtshilfeübereinkommen basierenden multilateralem völkerrechtlichen Vertrag (sog. Multilateral Competent Authority Agreement on the Exchange of CbCR).

78 Vgl. Grotherr, IStR 2015, 845. 79 Vgl. Rasch/Mank/Thomson, IStR 2015, 428; BDI/EY/VDA, OECD/G20 – Projekt BEPS, 2015, Rz. 126. 80 Besteht in diesem Staat jedoch gerade keine Verpflichtung zur Erstellung eines CbCR oder keine Vereinbarung zum Informationsaustausch, sollte die Verpflichtung auf die nachgeordnete Konzerngesellschaft übergehen, vgl. Rasch/ Mank/Thomson, IStR 2015, 429. 81 Vgl. OECD/G20, Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting, Action 13: 2015 Final Report, Rz. 52.

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In Deutschland ist für die Etablierung des CbCR zwingend eine gesetzliche Rechtsgrundlage erforderlich. In diesem Zusammenhang ist auf das Urteil des FG Köln vom 7. September 2015 hinzuweisen. Das Gericht hat einen Informationsaustausch ohne Anonymisierung und unabhängig von der konkreten Besteuerung einer Gesellschaft als unzulässig eingestuft. Es hat festgestellt, dass die Offenbarung steuerlicher Verhältnisse, die dem Steuergeheimnis nach § 30 Abs. 2 AO unterliegen, nur dann ausnahmsweise zulässig ist, wenn sie durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Hieran mangelte es im Streitfall, da Grundlage des durch die Behörden angestrebten Austauschs lediglich die sog. E6-Vereinbarung war.82 Ursprünglich war die gesetzliche Implementierung des CbCR in § 90 AO und die verwaltungsseitige Umsetzung im Herbst 2015 geplant. In 2015 ist jedoch keine Implementierung erfolgt. Sofern der Gesetzgeber dennoch den vom G20/OECD vorgegebenen Zeitplan einhalten will – wonach CbCR erstmals für Wirtschaftsjahre zu erstellen sind, die nach dem 31. Dezember 2015 beginnen – wird eine rückwirkende Anwendung der noch zu schaffenden gesetzlichen Vorschriften zum 1. Januar 2016 erforderlich.83 Dies erscheint nach Lage der Dinge unrealistisch. Weniger Änderungsbedarf beinhaltet der Vorschlag, eine Verrechnungspreisdokumentation zukünftig nach einem dreistufigen standardisierten Ansatz aufzubauen: einer Stammdokumentation (Master File), der landesspezifischen Dokumentationen (Local File) und einem länderbezogenen Bericht (CbCR).84 Im Master File sollen die multinationalen Unternehmen den zuständigen Steuerverwaltungen übergeordnete Informationen über die weltweite Geschäftstätigkeit und die Verrechnungspreispolitik zusammenstellen. In einer landesspezifischen Dokumentation sollen dann alle wesentlichen, das jeweilige Land betreffenden Geschäftsvorfälle mit nahestehenden

82 Vgl. FG Köln, EFG 2015, 1769–1776. Im Rahmen der Maßnahme 1 des BEPSProjekts hatte Deutschland mit Australien, Frankreich, Großbritannien, Japan und Kanada (sog „E6-Gruppe“) Anfang 2014 vereinbart, weitreichende Informationen über diverse Unternehmen der digitalen Wirtschaft ohne Anonymisierung und unabhängig von der konkreten Besteuerung der einzelnen Gesellschaften auszutauschen. 83 Vgl. BDI/EY/VDA, OECD/G20 – Projekt BEPS, 2015, Rz. 126. 84 Vgl. OECD/G20, Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting, Action 13: 2015 Final Report, Rz. 16.

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Dritten, die Beträge, um die es bei diesen Geschäftsvorfällen geht, sowie die Analysen der Verrechnungspreisbestimmung, die das multinationale Unternehmen in Bezug auf diese Geschäftsvorfälle vorgenommen hat, erfasst werden. Im jährlich zu erstellenden CbCR für alle Steuerhoheitsgebiete, in denen ein multinationales Unternehmen einer Geschäftstätigkeit nachgeht, soll die Höhe der Einkünfte, der Vorsteuergewinn sowie die bereits gezahlten und noch zu zahlenden Ertragsteuern ausgewiesen werden. Die zu erwartenden Neuregelungen zum CbCR werden die Berichtspflichten deutlich erweitern. Sie führen somit auch zu administrativen und finanziellen Mehrbelastungen für die Unternehmen. Inwieweit insbesondere für Deutschland ein Mehrwehrt durch eine gesteigerte Transparenz generiert werden kann, bleibt hingegen abzuwarten.

4.11 Maßnahme 14: Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit in Verständigungs- und Schiedsverfahren Die Verbesserung der Streitbeilegungsmechanismen gilt als notwendiges Komplementärprogramm zu den Maßnahmen 12 (Offenlegungspflicht) und 13 (Country-by-Country Reporting).85 Da die Umsetzung der letztgenannten Maßnahmen zumindest befürchten lässt, dass eine Offenlegung Begehrlichkeiten auslöst und Doppelbesteuerung droht, wird eine Verbesserung bei den Verständigungs- und Schiedsverfahren erforderlich. Die Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit ist auch deshalb dringend notwendig, weil die durchschnittliche Verfahrensdauer im – statistisch zuletzt erfassten – Jahr 2013 bei 23,57 Monaten lag und für Deutschland 858 Verfahren noch nicht abgeschlossen waren.86 Im finalen Bericht haben sich die G20/OECD-Staaten auf einen Mindeststandard zur Verbesserung des Verfahrens geeinigt. Die Einhaltung soll durch einen peer review überwacht werden.87 Die Besteuerungspraxis soll am Ziel der Vermeidung von Abkommenskonflikten und deren zeitgerechter Erledigung ausgerichtet werden. Zusätzlich sollen Steuerpflichtige, die die Anforderungen von Art. 25 Abs. 1 OECD-MA erfüllen, tatsächlichen Zugang zum Verständigungsverfahren erhalten.

85 Vgl. zu Maßnahme 14 auch Flüchter, IStR 2015, 943. 86 Vgl. http://www.oecd.org/ctp/dispute/map-statistics-2013.htm, zuletzt abgerufen am 15.1.2016. 87 Vgl. BDI/EY/VDA, OECD/G20 – Projekt BEPS, 2015, Rz. 128.

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Darüber hinaus haben sich zwanzig Staaten – darunter auch Deutschland – verpflichtet, ein Schiedsverfahren in ihre bilateralen DBA aufzunehmen.88 Diese Entwicklung ist zu begrüßen. Es bleibt zu hoffen, dass eine flächendeckendere Etablierung von Schiedsklauseln Druck auf die zuständigen Behörden ausübt, noch im Verständigungsverfahren eine Einigung herbeizuführen.89

88 Vgl. OECD/G20, Making Dispute Resolution Mechanisms More Effective, Acton 14: 2015 Final Report, 41, Commitment to mandatory binding MAP arbitration. 89 Vgl. auch BDI/EY/VDA, OECD/G20 – Projekt BEPS, 2015, Rz. 131.

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Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht Professor Dr. Bernd Heuermann, Vorsitzender Richter am BFH, München1 Inhaltsübersicht 1. Die Rechtsprechung des V. Senats zu den Formalanforderungen bei innergemeinschaftlicher Lieferung a) Belegnachweise b) Verbringens- oder Gelangensbestätigung und der Gute Glaube c) Verzicht auf den Belegnachweis d) Grenze: Verhältnismäßigkeitsprinzip 2. Die Rechtsprechung des V. Senats zum Guten Glauben beim Vorsteuerabzug a) Grundstruktur des Vorsteuerabzugs b) Die problematische Einordnung des subjektiven Tatbestandsmerkmals aa) Fallgruppe 2 bb) Fallgruppe 3 cc) Guter Glaube als 6. Tatbestandsmerkmal mit Kompensationskompetenz? c) Zweistufigkeit des Verfahrens 3. Der EuGH zur Missbrauchsvermeidung – Italmoda a) Problem und Fallgruppen

b) Die Problemlösung durch den EuGH aa) Kernaussage des EuGH – Italmoda bb) Klassische Fallstruktur cc) Lösung dd) Auswirkungen bisheriger Rechtsprechung ee) Die Innovation durch Italmoda und methodisch fundierte Rechtsfortbildung c) Der Umsetzungsbefehl d) Richtlinienkonforme Rechtsanwendung des nationalen Rechts e) Offene Fragen 4. Rechtsprechung des XI. Senats zum Reihengeschäft a) § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG ist nicht anwendbar aa) Der Gegenstand der Lieferung wird durch A nach C bewegt bb) Der Gegenstand der Lieferung wird durch C bewegt b) § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG ist anwendbar c) Kein gesetzlicher Änderungsbedarf 5. Fazit

1 Der Autor ist Vorsitzender des V. Senats des Bundesfinanzhofs und Honorarprofessor an der Ruprecht Karls Universität in Heidelberg. Der Beitrag wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.

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Wenn wir uns mit einigen Höhepunkten der Rechtsprechung zum Umsatzsteuerrecht beschäftigen wollen, müssen wir – was die höchstrichterliche Ebene betrifft – drei Akteure in den Blick nehmen. Es sind dies der EuGH und im BFH der V. Senat und der XI. Senat. In der Tat werden wir uns heute mit den Rechtsprechungen dieser drei Akteure beschäftigten. Dabei ist unser Leitthema, das wir in ganz unterschiedlichen Ausprägungen bearbeiten werden, das des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs. Und hier lassen wir kein Thema aus und werden – ganz konzis zwar – auch zur EuGH-Entscheidung Italmoda2 und zur neuen Rechtsprechung des XI. Senats des BFH zum Reihengeschäft kommen3. Dabei steigern wir uns im Komplexitätsgrad; das Reihengeschäft führt uns schließlich zu einem institutionellen Höhepunkt des Umsatzsteuerrechts.

1. Die Rechtsprechung des V. Senats zu den Formalanforderungen bei innergemeinschaftlicher Lieferung In einer Reihe von drei Grundsatzentscheidungen musste sich V. Senat des BFH mit Formvoraussetzungen des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs beschäftigen4. Er hat klare Prinzipien entwickelt, um das Recht einfach zu handhaben. Das entspricht der Intention der unionsrechtlichen Ermächtigung in der MwStSystRL: Art. 131 MwStSystRL gewährt die Steuerbefreiungen des Titels IX. der MwStSystRL (Steuerbefreiungen im innergemeinschaftlichen Warenverkehr) nur unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung oder Missbrauch festlegen. Form ist Freiheitsgarantie und beruht auf einer übereinstimmenden europäischen Rechtstradition, wie dies Rudolf von Ihering formulierte: „Denn die Form hält der Verlockung der Freiheit zur Zügellosigkeit das Gegengewicht, sie lenkt die Freiheitssubstanz in feste Bahnen …“5.

2 EuGH-Urteil Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti v. 18.12.2014 – Rs. C-131/13, EU:C:2014:2455. 3 BFH v. 25.2.2015 – XI R 15/14, BFHE 249, 343, UR 2015, 391; v. 25.2.2015 – XI R 30/13, BFHE 249, 336, UR 2015, 402. 4 BFH v. 22.7.2015 – V R 23/14, UR 2015, 796; v. 22.7.2015 – V R 38/14, UR 2015, 793, v. 19.3.2015 – V R 14/14, UR 2015, 719. 5 Rudolf von Ihering, Geist des römischen Rechts, 2. Teil, 2. Abteilung, 2. Aufl. 1869, 455 ff.

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Heuermann, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht

a) Belegnachweise Unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b), § 6a UStG ist die innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei. Steuerbar ist korrespondierend der innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsland. Der Unternehmer muss die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nachweisen, § 6a Abs. 3 i.V.m. § 17a UStDV. Mit den Anforderungen an den Belegnachweis beschäftigen sich die Urteile vom 22. Juli 2015 – V R 38/146 und V R 23/147. § 17a UStDV ist in seiner neuen Fassung ab 2012 anwendbar8, Die Vorschrift lässt mehrere Möglichkeiten zu, wie der Nachweis erbracht werden kann. Die formalen Anforderungen an den Nachweis sind unionsrechtlich legitimiert. Art. 131 MwStSystRL bildet die Ermächtigungsgrundlage für mitgliedstaatlich gesetztes Formalrecht. Als erstes nennt das Gesetz die sog. Gelangensbestätigung (§ 17a Abs. 2 UStDV), die sich cum grano salis als Nachfolgerin der sog. Verbringensbestätigung erweist, die das Gesetz in § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV a.F. regelte. In beiden Ausprägungen muss der Abnehmer oder sein Beauftragter unterschreiben (Gelangensbestätigung) oder versichern (Verbringensbestätigung), dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist. Dabei wird die Gelangensbestätigung aus der Retrospektive abgegeben („gelangt ist“), während die Verbringensbestätigung in die Zukunft gerichtete Angaben enthält (Versicherung, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern). Der Wortlaut der Vorschriften verwendet die Konjunktion „oder“, so dass die Bestätigung von beiden dort genannten Personen abgegeben werden kann. Das ist allerdings nicht unumstritten9; der BFH musste dazu aber in seinen neuen Urteilen keine Stellung nehmen, weil es an anderen Voraussetzungen fehlte10. Neben Gemeinsamkeiten der Bestätigungen gibt es Unterschiede. So gilt die Verbringensbestätigung grundsätzlich nur in Beförderungsfällen, während die Gelangensbestätigung bei beiden Arten der Warenbewegung anwendbar ist. Die UStDV vor 2012 unterschied strenger zwischen Beförderung (§ 3 Abs. 6 Satz 2 UStG) und Versendung (§ 3 Abs. 6 Satz 3 UStG: Befördern durch selbständig Beauftragten). Die Verbringensbestätigung gilt nach § 17a Abs. 4 Satz 2 UStDV a.F. bei Versendungen nur 6 7 8 9 10

UR 2015, 793. UR 2015, 796; eingehend dazu Heuermann, MwStR 2015, 798 ff. Gilt mit Wirkung v. 1.1.12 durch VO v. 2.12.2011, BGBl. I, 2416. Siehe BFH v. 21.7.2011 – V B 102/10, BFH/NV 2011, 1930, Rz. 5. BFH v. 22.7.2015 – V R 38/14, UR 2015, 793, Rz. 29.

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dann, wenn der Unternehmer keinen Versendungsnachweis nach § 17a Abs. 4 Satz 1 UStDV erbringen, also z.B. keinen Frachtbrief (§ 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV a.F.) vorlegen kann. Die Rangfolge unter den Nachweisen ist heute anders; denn nach § 17a Abs. 3 Satz 1 UStDV kann der Unternehmer den Nachweis auch durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch einen Frachtbrief führen (§ 17a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a)11, Doppelbuchst. aa) UStDV).

b) Verbringens- oder Gelangensbestätigung und der Gute Glaube Die Verbringensbestätigung stand nach § 17a Abs. 2 UStDV a.F. im Zusammenhang mit einem handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergeben muss. Die gleiche Rechtslage gilt nun explizit; denn die Gelangensbestätigung umfasst nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Br. 2 Buchst. c) UStDV den Ort des Erhalts des Gegenstandes. Diese Voraussetzung lag im Fall V R 38/1412 nicht vor. Wenn dort die Fahrzeuge „ordnungsgemäß aus Deutschland“ oder „in og. Bestimmungsland“ ausgeführt werden, so reicht das nicht. Aus dem Beleg muss sich nämlich der Ort ergeben. § 6a Abs. 4 UStG13 behandelt die Lieferung gleichwohl als steuerfrei, wenn der Unternehmer auf die Angaben des Abnehmers vertrauen durfte. Indes war im Fall V R 38/1414 evident, dass es an der Angabe des Bestimmungsorts fehlte. Das wusste der Unternehmer und konnte in einer Parallelwertung auch den richtigen Schluss ziehen. Vertrauensschutz kommt also nicht in Betracht.

c) Verzicht auf den Belegnachweis Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten gem. § 6a Abs. 3, § 17a UStDV nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind15. Etwas anderes gilt dann, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH. Zu unterscheiden ist zwischen den materiel11 Dazu Heuermann, MwStR 2015, 798 ff. 12 BFH v. 22.7.2015 – V R 38/14, UR 2015, 793. 13 Hierzu jüngst auch FG München v. 28.10.2014 – 2 K 1412/11, MwStR 2015, 651 mit Anm. Masuch. 14 BFH v. 22.7.2015 – V R 38/14, UR 2015, 793. 15 Einhellige Rspr., vgl. z.B. BFH v. 22.7.2015 – V R 23/14, Leitsatz 3.

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len Befreiungsvoraussetzungen und den formellen Nachweispflichten. So versagte in der Rechtssache Collée trotz späterer Stornierung der Rechnung und Erklärung als innergemeinschaftliche Lieferung die Finanzbehörde eine Steuerbefreiung, weil es an den erforderlichen zeitnahen und laufenden Aufzeichnungen fehlte16. Dem erteilte der EuGH eine Absage. Nach dem Neutralitätsgrundsatz ist die innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Die Befreiung ist stets dann zu gewähren, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige gewissen formellen Anforderungen nicht genügt. Das gilt aber nur, wenn der Verstoß gegen die formellen Pflichten nicht den sicheren Nachweis der materiellen Voraussetzungen verhindert17. Die Frage ist aber, ob und wie ein sicherer Nachweis jenseits von Belegen zu erlangen ist und ob den formellen Nachweispflichten letztlich nur eine beweislastverteilende Funktion zukommt18. Kann der Steuerpflichtige den Beweis durch alle anderen Beweismittel antreten? Diese Fragestellungen rücken den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in den Vordergrund. In seinem Grundsatzurteil vom 19. März 201519 hat sich der BFH mit dieser Frage beschäftigt und sie eindeutig beantwortet. Es ging um Fahrzeuge: K fakturierte 2001 bis 2004 Fahrzeuge an die Fa. CC in Italien, die angeblich von Deutschland nach Italien befördert worden waren. K begehrt die Steuerfreiheit der Beförderungslieferungen. Vorgelegte Frachtbriefe enthielten keine Angaben zu den Auslieferungsorten. Versicherungen nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV (Verbringensbestätigung) fehlten. K bot den Geschäftsführer der CC, Herrn B, als Zeugen dafür an, dass und wie die Fahrzeuge nach Italien befördert worden waren.

Fraglich war, ob das Finanzamt oder das Finanzgericht in der gegebenen Fallkonstellation den – möglicherweise präsentierten – Zeugen vernehmen muss. Diese Frage verneint der BFH. Eine solche Pflicht besteht 16 Dazu auch Heidner, UR 2015, 773 ff. 17 EuGH v. 27.9.2007 – Rs. C-146/05 – Collée, EU:C:2007:549, Rz. 31 f.; so auch EuGH v. 6.9.2012 – Rs. C-271/11 – Mecsek-Gabona, EU:C:2012:547, Rz. 63; EuGH v. 4.10.2014 – Rs. C-492/13 – Traum, EU:C:2014:2267, Rz. 36; EuGH v. 27.9.2012 – Rs. C-587/10 – VSTR, EU:C:2012:592, Rz. 51; dem EuGH folgend z.B. BFH v. 24.7.2014 – V R 44/13, BFHE 246, 207, BStBl. II 2014, 955; v. 21.5.2014 – V R 34/13, BFHE 246, 232, BStBl. II 2014, 914 und v. 14.11.2012 – XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl. II 2013, 407. 18 Dazu Englisch, UR 2008, 481 ff.; vgl. auch Zirkl, a.a.O., 130. 19 BFH v. 19.3.2015 – V R 14/14, UR 2105, 719, DStR 2015, 1917, mit Anm. Heu.

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weder auf Antrag noch von Amts wegen (§ 76 FGO). Könnte der Steuerpflichtige den ihm obliegenden Formalbeweis z.B. durch einen Zeugenbeweis ersetzen, würde der sog. Buch- und Belegnachweis seine Bedeutung verlieren. Das Gesetz sieht keine abweichende Nachweismöglichkeit vor. Es schreibt in § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. § 17a ff. UStDV den Nachweis durch Belege zwingend vor. Dies geschieht mit expliziter unionsrechtlicher Legitimation, Art. 131 MwStSystRL. Die dort postulierte einfache Anwendung der Steuerbefreiungen würde zudem konterkariert, würde man jedes andere Beweismittel von vornherein zulassen. Man stelle sich die Zeugenvernehmung in der Steuer-Massenverwaltung vor. Strenge formale Anforderungen dienen auch der Missbrauchsprävention. In Umkehrung einer Formulierung des EuGH in der Rechtssache Collée20 gewährleisten die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis der materiellen Voraussetzungen.

d) Grenze: Verhältnismäßigkeitsprinzip Prinzipien gelten nie ausnahmslos21. Führen sie zu einer unverhältnismäßigen Besteuerung, gelten sie nicht. So verhält es sich auch mit den Formalvoraussetzungen. Kann der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden, gebietet es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ihn in anderer Form zuzulassen22. Dieses Prinzip ist abzugrenzen vom Äquivalenzprinzip, das hier nicht einschlägig ist. Es „überformt“ den Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, indem die innerstaatliche Rechtsordnung mit Blick auf die Anwendung von Unionsrecht zwei Bedingungen erfüllen muss. Deren Modalitäten dürfen – erstens – nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegende Sachverhalte regeln (Äquivalenzprinzip), und sie dürfen – zweitens – die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip)23. Wenn es aber um die Nachweisvoraussetzungen geht, handelt es sich nicht um Rechtsangleichung, in deren Rahmen diese Prinzipien gelten, sondern um originäres Unionsrecht, das die Mitgliedstaaten in 20 EuGH v. 27.9.2007 – Rs. C-146/05 – Collée, EU:C:2007:549, Rz. 31, letzter Satz. 21 Ronald Dworkin, Taking Rights Seriously, 1978, Kap. 2.3. 22 So BFH v. 19.3.2015 – V R 14/14, DStR 2015, 1917, Rz. 19. 23 Ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. EuGH v. 17.7.2014 – Rs. C-169/14 – Sánchez Morcillo und Abril García, EU:C:2014:2099, Rz. 31.

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Art. 131 MwStSystRL ausdrücklich dazu ermächtigt, die Steuerbefreiungen von formalen Bedingungen abhängig zu machen. In der Rechtssache Teleos leitet der EuGH aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ab, dass die Mitgliedstaaten Mittel einsetzen müssen, die es zwar erlauben, das vom innerstaatlichen Recht verfolgte Ziel wirksam zu erreichen, die jedoch die Ziele und Grundsätze des einschlägigen Gemeinschaftsrechts möglichst wenig beeinträchtigen24. Unzumutbar wäre es für den Steuerpflichtigen, den Buch- und Belegnachweis zu führen, wenn sein Unvermögen für ihn nicht zu vertreten wäre, ihm die Belege abhandengekommen sind. So hat der BFH z.B. von der Vorlage der Originalrechnung als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit suspendiert, wenn die Rechnung ohne Verschulden verloren gegangen, gestohlen oder vernichtet wurde25. Diese Maßstäbe gelten natürlich auch beim Belegnachweis. Sind dem Steuerpflichtigen also Belege ohne sein Verschulden abhandengekommen, darf er sich anderer Nachweise bedienen. Der Intention des Gesetzes folgend sollten das aber vorrangig (andere) Belege sein. Der Zeugenbeweis sollte erst dann angetreten werden dürfen, wenn keinerlei schriftliche Nachweise vorliegen. Der BFH verwendet den Begriff „Objektivnachweis“ nicht mehr. Denn das mit diesem Ausdruck suggerierte Bestehen eines „Subjektivnachweises“ wäre ein Widerspruch in sich26. Die Prinzipien der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit müssen also in eine Art von praktischer Konkordanz zueinander gebracht werden: Ist der Belegnachweis nicht oder nicht zumutbar zu erbringen, kann sich der Unternehmer anderer Beweismittel bedienen, nach der Intention des Gesetzes aber nur äußerstenfalls des Beweisantritts durch Zeugen. Beispiel: Der Nachweis soll durch einen Frachtbrief i.S. des § 17a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) UStDV erbracht werden. Geht dieser Frachtbrief z.B. bei einem Brand in den Firmenräumen des Unternehmers verloren, ohne dass diesen ein Verschulden daran trifft, kann er den Nachweis durch einen anderen Beleg erbringen, etwa durch eine Abschrift des Frachtbriefes, die er vom Abnehmer (Empfänger) oder aber vom Frachtführer erhält. Ist kein Beleg greifbar, muss K dies

24 EuGH v. 27.9.2007 – Rs. C-409/04 – Teleos u.a., EU:C:2007:548, Rz. 52. 25 Vgl. BFH v. 19.11.2014 – V R 39/13, BFHE 248, 399, BStBl. II 2015, 352, Rz. 20 zum Vergütungsantrag und nicht vertretbarem Unvermögen zur Vorlage, und BFH v. 23.10.2014 – V R 23/13, BFHE 247, 480, BStBl. II 2015, 313, zum Totalverlust der Rechnungen. 26 Vgl. dazu auch Heidner, UR 2015, 773, 776.

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Heuermann, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht vortragen und ggf. beweisen. Gelingt ihm das, kann er einen Zeugen zum Nachweis der materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit benennen.

Der Steuerpflichtige kann den Nachweis mit der Gelangensbestätigung in der Regel ebenso einfach und noch in der mündlichen Verhandlung vor dem FG erbringen27. Werden Belegangaben in Zweifel gezogen28, kann der Steuerpflichtige natürlich alle Beweismittel aufbieten, um diese Zweifel zu zerstreuen. Nur eines geht nicht: Von vornherein auf den Belegnachweis zugunsten eines Zeugenbeweises zu verzichten. Das verstieße gegen § 6a Abs. 3 UStG, § 17a UStDV29.

2. Die Rechtsprechung des V. Senats zum Guten Glauben beim Vorsteuerabzug Wenn wir unseren Blick auf die Eingangsumsätze wenden, so haben wir auch dort formale Voraussetzungen, die der Steuerpflichtige erfüllen muss, will er den Vorsteuerabzug geltend machen. Wir nennen diese Voraussetzungen hier Ausübungsvoraussetzungen. Wichtigste dieser Voraussetzung ist die Rechnung. Das entstandene Recht auf Vorsteuerabzug kann erst dann ausgeübt werden, wenn der Steuerpflichtige im Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung ist30. An dieser sog. Ausübungsvoraussetzung31 gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG fehlt es, wenn die Rechnung entgegen § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG (Art. 178 Buchst. a, Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL) nicht die vollständige Anschrift des Unternehmers enthält. Vollständige Anschrift ist Angabe der Anschrift des leistenden Unternehmers, unter der er seine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet32. Ein Briefkastensitz reicht nicht, ebenso wenig die Angaben eines Postfachs. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Rechnung: Das Finanzamt soll anhand der Rechnung das Tatbestandsmerkmal der Leistung leicht und eindeutig nachprüfen können. Ein „Briefkastensitz“ bildet die wirtschaftlichen Realitäten nicht ab, sondern verschleiert sie33. 27 Ständige Rechtsprechung, vgl. BFH v. 28.8.2014 – V R 16/14, BFHE 246, 573, BStBl. II 2015, 46, m.w.N. 28 Vgl. BFH v. 12.5.2009 – V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl. II 2010, 511. 29 Teilweise a.A. Wäger, UR 2015, 702 ff. 30 Z.B. EuGH v. 29.4.2004 – Rs. C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, EU:C:2004:268, Rz. 31. 31 Grundlegend BFH v. 23.10.2014 – V R 23/13, BFHE 247, 480, BStBl. II 2015, 313, Rz. 14 ff. 32 BFH v. 22.7.2015 – V R 23/14. UR 2015, 796, Rz. 28, m.w.N. 33 Dazu auch Heuermann, MwStR 2015, 798, 801.

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Heuermann, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht Fall V R 23/14: K handelt damit. Er bezieht solche von Fa. D. D hat in ihren Rechnungen einen Briefkastensitz angegeben. Unter der Anschrift war D nur postalisch erreichbar. Ein Buchhaltungsbüro hat die Post der D entgegengenommen. K liefert die Fahrzeuge an die Fa. B in Mallorca. Indes waren die Fahrzeuge gar nicht nach Spanien verbracht worden, sondern wurden im Inland weiter vermarktet. Der Bestimmungsort wurde nicht belegt34. K begehrt Vorsteuerabzug aus den Lieferungen der D und die Steuerfreiheit der Ausgangsleistungen an B.

Hier ist die Rechnung also nicht ordnungsgemäß, so dass es für den Vorsteuerabzug an einer Ausübungsvoraussetzung fehlt. Zugleich bestehen Zweifel, ob D überhaupt Unternehmer und nicht vielmehr nur ein Scheinunternehmer ist, so dass eine weitere objektive Voraussetzung für den Vorsteuerabzug fehlt. Mit seiner Grundsatzentscheidung vom 22.7.2015 – V R 23/1435 hat der V. Senat sich mit der Struktur der Tatbestandsmerkmale befasst und sich mit den Einwirkungen des Unionsrechts grundlegend auseinandergesetzt.

a) Grundstruktur des Vorsteuerabzugs Vergegenwärtigen wird uns zunächst die Struktur des Vorsteuerabzugs:

Grundschema des Vorsteuerabzugs 3. Kaufpreis + USt (II)

1. Kaufpreis + USt (I)

Endverbraucher

B

A

Ausgangsumsatz

Eingangsumsatz 4. USt (II)

2. USt (I)

V. Vorsteuerabzug (I)

Finanzamt

34 Die innergemeinschaftliche Lieferung ist also mangels Belegnachweises nicht steuerfrei, siehe oben unter 1. Gutglaubensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG kommt nicht in Betracht, weil der Belegnachweis nicht vollständig ist. 35 UR 2015, 796.

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Die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs ergeben sich aus der folgenden Übersicht:

Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG (vereinfacht)

Objektive Tatbestandsmerkmale: 1. Lieferung oder sonstige Leistung 2. eines Unternehmers 3. an den Steuerpflichtigen für sein Unternehmen. 4. Ausübungsvoraussetzung: Rechnung mit offenem Steuerausweis (§§ 14, 14a UStG) 5. Keine Abzugsperre nach § 15 Abs. 1a UStG „Subjektives Tatbestandsmerkmal“ (ungeschrieben): 6. Guter Glaube

b) Die problematische Einordnung des subjektiven Tatbestandsmerkmals Aufgrund der ständigen Rechtsprechung36 kann man folgende Fallgruppen unterscheiden:

36 Grundlegend BFH v. 30.4.2009 – V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl. II 2009, 744; v. 22.7.2015 – V R 23/14, UR 2015, 796; v. 8.7.2009 – XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256; zur Rechtsentwicklung und ihr gegenüber kritisch Wagner in Sölch/Ringleb, § 15 Rz. 87 ff.

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Vier Fallgruppen: Objektive Tatbestandsmerkmale/

JA

NEIN

Guter Glaube JA

1. Obj. Tatbestand (+) & Guter 2. Obj. Tatbestand (-) & Glaube (+) Guter Glaube (+) Æ Vorsteuerabzug Æ „Vorsteuerabzug“ nur im Rahmen des Billigkeitsverfahren nach §§ 163, 227 AO

NEIN

3. Obj. Tatbestand (+) & Guter Glaube (-) Æ Kein Vorsteuerabzug

4. Obj. Tatbestand (-) & Guter Glaube (-) Æ Kein Vorsteuerabzug

Der gute Glaube muss sich stets auf etwas Objektives beziehen. Notwendig ist also – wenn Sie so wollen – ein Träger, im Zivilrecht ist dies z.B. der Besitz an der Sache, die Vollmachtsurkunde, die Eintragung im Grundbuch u.s.w. Im Umsatzsteuerrecht ist der Träger z.B. die Rechnung oder auch die Gelangensbestätigung. aa) Fallgruppe 2 In der Fallgruppe 2 ergibt sich nach der dargestellten h.M. folgendes Bild, wenn also nicht alle objektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, A aber den Rechnungsangaben vertrauen konnte:

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Beispiel für 2. Fallgruppe; Obj. Tb. (-), guter Glaube ((+)) 1. Kaufpreis + USt (I)

3. Kaufpreis + USt (II) A

Scheinunternehmer

B

Lieferung

Lieferung

4. USt (II)

V. Vorsteuerabzug (I) X, aber ggf. Berücksichgung nach §§ 163, 227 AO Finanzamt

2. USt (I) X

A kann in diesem Fall keinen Vorsteuerabzug geltend machen. er ist hinsichtlich seines guten Glaubens an die Rechnungsangaben des D auf das Billigkeitsverfahren verwiesen. bb) Fallgruppe 3

Beispiel für 3. Fallgruppe; Obj. Tb. (+), guter Glaube b (-) () 3. Kaufpreis + USt (II)

1. Kaufpreis + USt (I)

C

B

A

Lieferung

Lieferung

2. USt (I) X

4. USt (II)

Lieferung

7. USt (III)

5. Vorsteuerabzug (I)

Finanzamt

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6. Kaufpreis + USt (III)

8. Vorsteuerabzug (II) X

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In dieser Fallgruppe, die hier zur Abgrenzung dargestellt wird, erfüllt C die objektiven Voraussetzung des Vorsteuerabzugs. Er ist aber bösgläubig, was A angeht. Er musste z.B. wissen, dass A ein Scheinunternehmer ist, der die von ihm geschuldete Umsatzsteuer nicht an das FA abführt. Hier haben wir bereits die klassische Italmoda37-Struktur, mit der wir uns anschließend beschäftigen wollen (unter 3.). In dieser Fallgruppe besteht nach ganz h.M. kein Vorsteuerabzugsrecht38. Es handelt sich bei dem „bösen Glauben“ um einen eigenständigen Vorsteuerversagungsgrund39, ein negatives Tatbestandsmerkmal. cc) Guter Glaube als 6. Tatbestandsmerkmal mit Kompensationskompetenz? Bleiben wir zunächst bei der Fallgruppe 2. Ohne ordnungsgemäße Rechnung kann A sein (entstandenes) Recht auf Vorsteuerabzug nicht ausüben. Dies gilt auch dann, wenn er in Bezug auf die Rechnungsangaben gutgläubig war, also davon ausgehen konnte, dass an der angegebenen Anschrift auch wirtschaftliche Tätigkeiten erbracht werden. Infolgedessen wird die Umsatzsteuer ohne Abzug der Vorsteuerbeträge festgesetzt. Die ständige Rechtsprechung schützt den guten Glauben in einem besonderen (Billigkeits-)Verfahren, etwa im Rahmen einer abweichenden Festsetzung der Umsatzsteuer aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO40. Darin liegt der Unterschied zum in das Festsetzungsverfahren integrierten Gutglaubensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen nach § 6a Abs. 4 UStG. Fraglich ist aber, ob es bei dieser Rechtsprechung bleiben kann und ob – mit anderen Worten – die neuere EuGH-Rechtsprechung41 nicht dazu zwingt, Gutglaubensschutzgesichtspunkte – sozusagen als sechstes Tatbestandsmerkmal mit Kompensationskompetenz – im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigen, und zwar in dem Sinne, dass der Gute Glau37 EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-131/13 – Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti, EU:C:2014:2455. 38 BFH v. 19.4.2007 – V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl. II 2009, 315; dazu eingehend Oelmaier in Sölch/Ringleb, § 15 Rz. 374a ff., m.w.N. auf die Rechtsprechung des EuGH; Heidner in Bunjes, 14. Aufl., § 15 Rz. 184. 39 BFH v. 5.8.2010 – V R 13/09, BFH/NV 2011, 81. 40 Z.B. BFH v. 2.9.2010 – V R 55/09, BFHE 231, 332, BStBl. II 2011, 235; v. 8.7.2009 – XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256. 41 EuGH v. 21.6.2012 – Rs. C-80/11 – Mahagebén und Dávid, EU:C:2012:373; EuGH v. 13.2.2014 – Rs. C-18/13 – Maks Pen, EU:C:2014:69, und EuGH Bonik v. 6.12.2012 – Rs. C-285/11 – Bonik, EU:C:2012:774.

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be an ein objektives Tatbestandsmerkmal für den Vorsteuerabzug über dessen Fehlen hinweg hilft. Indes begrenzt der EuGH die Verfahrensautonomie Deutschlands nicht und setzt kein bestimmtes Verfahren voraus, um Vertrauensschutz zu gewähren. Es ist vielmehr umgekehrt: Nach dem EuGH ist der Vorsteuerabzug begrenzt, indem der Vorsteuerabzug selbst dann versagt wird, wenn dessen Voraussetzungen zwar tatsächlich vorliegen, indes aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangenen Steuerhinterziehung einbezogen war. Die Rechtsprechung des EuGH zielt aber nicht darauf ab, ein nicht vorliegendes Tatbestandsmerkmal des Vorsteuerabzugs durch den guten Glauben des Leistungsempfängers an dessen Vorliegen zu ersetzen42.

c) Zweistufigkeit des Verfahrens Es bleibt also nach der neuen Rechtsprechung des V. Senats43 bei der Praxis der Zweistufigkeit des Verfahrens bei Gutgläubigkeit des Unternehmers: Der gute Glaube vermag es nicht, fehlende Tatbestandsmerkmale im objektiven Tatbestand, z.B. die in der Rechnung erforderliche „vollständige Anschrift“ (Ausübungsvoraussetzung für den Vorsteuerabzug) zu ersetzen. Aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH ergibt sich vielmehr allein die Umkehrung: Böser Glaube schadet, auch wenn alle Tatbestandsmerkmale für den Vorsteuerabzug vorliegen. Das bedeutet: Die Umsatzsteuer wird ohne Abzug der Vorsteuerbeträge festgesetzt, weil die Ausübungsvoraussetzungen fehlen. Der gute Glaube des Unternehmers wird aber im Billigkeitsverfahren geschützt (§ 163 AO). Das ist Ermessensverwaltung, keine Beliebigkeit. Entscheidungen sind nach § 102 FGO auf Ermessensfehler überprüfbar. Ist der Steuerpflichtige im Hinblick auf das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals gutgläubig, mag es zu einer Ermessensreduktion auf Null kommen, in der das Finanzamt den Vorsteuerabzug aus sachlichen Billigkeitsgründen gewähren muss. So verhält es sich etwa im Fall des EuGH Maks Pen, in denen sich der Steuerpflichtige über die Identität des Leistenden irrte44. An42 So BFH v. 22.7.2015 – V R 23/14, UR 2015, 796, Rz. 33 ff. 43 BFH v. 22.7.2015 – V R 23/14, UR 2015, 796. 44 Konstellation bei EuGH v. 13.2.2014 – Rs. C-18/13 – Maks Pen, EU:C:2014:69, Rz. 31.

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derseits mögen besonders gelagerte Geschäfte oder ungewöhnliche Preisgestaltungen eine erhöhte Aufmerksamkeit des Steuerpflichtigen bedingen. Die Entscheidung im Billigkeitsverfahren ist regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden (§ 163 Satz 3 AO). Keine Verbindung kommt aber in Betracht, wenn der Billigkeitsantrag nach der Bekanntgabe der Steuerfestsetzung gestellt wird45. Hier muss deshalb genau darauf geachtet werden, den Antrag im richtigen zeitlichen Zusammenhang zu stellen, am besten gleich in der Steuererklärung. Nach dem Prinzip der Meistbegünstigung wird man einen entsprechenden Vortrag aber durchaus als Antrag auslegen können. Dann gilt: Die Entscheidung im Billigkeitsverfahren ist mit derjenigen im Festsetzungsverfahren zu verbinden.

3. Der EuGH zur Missbrauchsvermeidung – Italmoda Wenn wir nun unseren Blick weiten und sowohl die Eingangsseite (die Eingangsumsätze) wie auch die Ausgangsumsätze in unser Kalkül einbeziehen, kommen wir recht schnell zur Struktur der Missbrauchsvermeidung durch den EuGH bei innergemeinschaftlichen Lieferungen. Vergegenwärtigen wir uns noch der Fallgruppe 3, die bereits eine Italmoda46-Struktur aufweist, so müssen wir nur noch eine innergemeinschaftliche Lieferung als Ausgangsumsatz in das Bild integrieren.

Objekver Tatbestand (+), guter Glaube (-) 3. Kaufpreis + Umsatzsteuer (II)

1. Kaufpreis + Umsatzsteuer (I)

C

B

A

Lieferung

Lieferung

7. USt (III) 2. Umsatzsteuer (I) X

4. USt (II)

6. Kaufpreis Umsatzsteuerfrei?

V. Vorsteuerabzug (I)

Innergemeinschaliche Lieferung 8. Vorsteuerabzug (II) X

Finanzamt

45 BFH v. 22.7.2015 – V R 23/14, UR 2015, 796, Rz. 46. 46 EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-131/13 – Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti, EU:C:2014:2455.

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Der EuGH musste sich neben den schon besprochenen Problemen immer wieder mit der Missbrauchsprävention beschäftigen.

a) Problem und Fallgruppen Problematische Fallgruppen sind etwa –

Vortäuschen innergemeinschaftlicher Lieferung im Ursprungsland



Verschleiern des Erwerbs im Bestimmungsland



Nichtzahlung und Vorsteuerabzug im „Umsatzsteuerkarussell“.

Die EuGH-Entscheidung Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti, Rs. C-131/1347 ermöglicht nun Reaktionen, die über das hinausgehen, was bis dahin denkbar und praktiziert wurde.

b) Die Problemlösung durch den EuGH aa) Kernaussage des EuGH – Italmoda Nach den Kernsätzen dieser Entscheidung sind die Rechte auf Abzug oder auf Befreiung der auf eine innergemeinschaftliche Lieferung entfallenden Mehrwertsteuer zu versagen, wenn sie betrügerisch oder missbräuchlich geltend gemacht werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige selbst zwar keine Steuerhinterziehung begeht, er indes wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit dem betreffenden Umsatz an einem Umsatz beteiligt, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war48. bb) Klassische Fallstruktur Fallstruktur Italmoda: Die Eingangsseite Der Modehändler U in Deutschland erwirbt von seinen Lieferanten L1, L2 und L3 im Inland steuerpflichtig Ware. U weiß, dass L1 die Lieferungen an ihn nicht ordnungsgemäß „versteuert“. Auch L2 versteuert die Lieferungen an U nicht, das weiß U aber nicht und kann es auch nicht erkennen. L3 versteuert seine Umsätze dagegen ordnungsgemäß

47 EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-131/13 – Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti, EU:C:2014:2455. 48 EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-131/13 – Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti, EU:C:2014:2455, Rz. 49, 50.

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Heuermann, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht Fallstruktur Italmoda: Die Ausgangsseite U liefert die Modeartikel an drei Unternehmer, an den portugiesischen Kunden P, den ungarischen Kunden M und an den deutschen Kunden D. Auf Vorschlag des P stellt U die Rechnung auf das Scheinunternehmen X aus, dem in Portugal eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt wurde, damit P die Ware in Portugal unerkannt und ohne Versteuerung („schwarz“) verkaufen kann. Auch I und M erwerben die Modeartikel, um sie steuerbetrügerisch („schwarz“) an Abnehmer zu liefern. U erteilt ordnungsgemäße Rechnungen, wusste aber nicht, hätte aber wissen müssen, dass M steuerbetrügerisch handelt. U konnte aber annehmen, dass D ordnungsgemäß versteuert.

cc) Lösung Steuerbefreiung: Die innergemeinschaftliche Lieferung des U an P ist nicht nach Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL steuerfrei, und zwar schon nach bisheriger Rechtsprechung nicht49; denn U beteiligt sich aktiv an einer Steuerhinterziehung. Steuerbefreit ist auch nicht die Lieferung an M, denn insoweit musste U wissen, dass der ungarische Empfänger Steuern hinterzieht. Die Lieferung an D ist ohnehin steuerpflichtig. Vorsteuerabzug: U kann ihn nicht beanspruchen, soweit er die gelieferten Modeartikel an P und an M weiterliefert; denn insoweit liegt der Missbrauch in der Lieferkette (Ausgangsseite) vor, der den Vorsteuerabzug unabhängig davon „infiziert“, ob die Eingangsleistungen selbst missbrauchsbelastet sind (neu durch Italmoda). Einzig mit Blick auf die Lieferung an D handelt U ohne Missbrauch. Er kann also die von L2 und L3 in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für die Modeartikel als Vorsteuer abziehen, soweit er sie an D weiterlieferte; denn er wusste nichts von der unkorrekten Versteuerung durch L2; L3 versteuert ohnehin ordnungsgemäß. Die von L1 insoweit in Rechnung gestellte Vorsteuer kann er aber nicht abziehen, denn er weiß um die inkorrekte Versteuerung dieses Lieferers. dd) Auswirkungen bisheriger Rechtsprechung Der Fall kann zum großen Teil bereits aufgrund der bisherigen Rechtsprechung gelöst werden. Jenseits des Grundsatzes, dass jeder Umsatz für sich zu betrachten ist50, versagt der EuGH den Vorsteuerabzug, wenn der Steuerpflichtige – was aufgrund objektiver Umstände feststeht 49 Siehe dazu BFH v. 17.2.2011 – V R 30/10, BStBl. II 2011, 769 m.w.N. 50 Dazu EuGH v. 12.1.2006 – Rs. C-354/03 – Optigen ua, EU:C:2006:16, Rz. 46, DStR 2006, 133.

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– wusste oder hätte wissen müssen, dass er in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist51, er sich also mit seiner Leistung an einem Umsatz beteiligte, der in eine vom Lieferer oder vom Leistenden oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Liefer- oder Leistungskette begangene Steuerhinterziehung einging52. BFH und BGH sind dieser Rechtsprechung gefolgt53. Auch in Bezug auf die Ausgangsumsätze hatte der EuGH bereits im Jahr 2012 eine innergemeinschaftliche Lieferung als steuerpflichtig behandelt, wenn der Lieferer wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft war und er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um seine eigene Beteiligung an dieser Steuerhinterziehung zu verhindern54. ee) Die Innovation durch Italmoda und methodisch fundierte Rechtsfortbildung Das eigentlich Innovative an der Entscheidung Italmoda55 ist die Kumulation des Rechtsverlusts, die Kombination und der Kaskadeneffekt56. Andreas Treiber57 kommt in seiner Analyse dazu, dass der reale Steuersatz bezogen auf den Endumsatz letztlich 43,9 % beträgt. Wegen dieser Wirkung hat der EuGH im Schrifttum vielfach Kritik erfahren58. Indes ist m.E. dem EuGH zuzustimmen. Die Entscheidung ist eingebettet in eine kontinuierliche Rechtsentwicklung. Der EuGH findet seine Maßstäbe im Zweck der MwStSystRL. Sein Begründungsduktus beruht auf Primärrecht. Es gilt ein unionsrechtliches Prinzip, wonach das miss51 EuGH v. 6.7.2006 – Rs. C-439/04 – Kittel und Recolta Recycling, EU:C:2006: 446, Rz. 56. 52 EuGH v. 21.7.2012 – Rs. C-80/11 – Mahagében und Dávid, EU:C:2012:373, Rz. 42 bis 47; EuGH v. 13.2.2014 – Rs. C-18/13 – Maks Pen, EU:C:2014:69, Rz. 28; EuGH v. 6.12.2013 – Rs. C-285/11 – Bonik, EU:C:2012:774, Rz. 40. 53 Z.B: BFH v. 5.8.2010 – V R 13/09, BFH/NV 2011, 81; BFH v. 19.5.2010 – XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132; BGH v. 1.10.2013 – 1 StR 312/13, DStR 2014, 365. 54 EuGH v. 6.9.2012 – Rs. C-273/11 – Mecsek-Gabona, EU:C:2012:547, Rz. 55. 55 EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-131/13 – Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti, EU:C:2014:2455. 56 Vgl. auch Wäger, UR 2015, 81, 92 ff. 57 Treiber, MwStR 2015, 626, 629. 58 Grundlegend dazu Wäger, UR 2015, 81 ff.; Drüen, MwStR 2015, Heft 21, jeweils m.w.N.

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bräuchliche oder betrügerische Berufen auf Unionsrecht nicht gestattet ist59. Eine „betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht“ ist „nicht erlaubt“60. Da damit auch das Primärrecht gemeint ist (z.B. die Grundfreiheiten61), muss die Einschränkung selbst im Primärrecht fußen. Der EuGH hat die ausschließliche Kompetenz zur Auslegung der Richtlinie. Sein Auftrag gem. Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV, das Recht zu wahren, umfasst Auslegung und Rechtsfortbildung in methodisch gebundener Rechtsprechung62. Die Maßstäbe, die der EuGH in seiner Entscheidung Italmoda63 entwickelt hat, sind – wie wir gesehen haben – prinzipiengeleitet. Durch die erga-omnes-Wirkung ist der nationale Rechtsanwender daran gebunden.

c) Der Umsetzungsbefehl Neu ist an der Entscheidung Italmoda vor allem der Umsetzungsbefehl: 1. Die nationalen Gerichte müssen – das ist so neu noch nicht – „das nationale Recht so weit wie möglich im Licht des Wortlauts und der Zielsetzung der MwStSystRL auslegen, um das mit dieser verfolgte Ziel zu erreichen, was erfordert, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der in diesem anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt“64. 2. Enthält das nationale Recht keine konform auslegbaren Regeln, ist – das ist das Innovative – gleichwohl der Vorteil aus einem in der MwStSystRL vorgesehenen Recht im Fall einer Steuerhinterziehung zu versagen65. 59 Vgl. eingehend dazu Heuermann, DStR 2015, 1416 ff., Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015, Rz. 12.45 ff. m.w.N. 60 So explizit EuGH v. 3.3.2005 – Rs. C-32/03 – Fini H, EU:C:2005:128. 61 Seit EuGH v. 3.12.1974 – Rs. C-33/74 – Van Binsbergen/Bedrijfsvereniging voor de Metaalnijverheid, EU:C:1974:131, Rz. 13. 62 BVerfG v. 6.7.2010 – 2 BvR 2661/06, Mangold-Urteil EuGH, Honeywell, Ultravires-Kontrolle, DE:BVerfG:2010:rs20100706.2bvr266106, BVerfGE 126, 286, Rz. 52. 63 EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-131/13 – Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti, EU:C:2014:2455. 64 EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-131/13 – Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti, EU:C:2014:2455, Rz. 52; deutlich auch EuGH v. 13.2.2014 – Rs. C-18/13 – Maks Pen, EU:C:2014:69, Rz. 36. 65 EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-131/13 – Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti, EU:C:2014:2455, Rz. 54.

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Es noch nicht untersucht, wie man dies verstehen soll: Gibt es keine Möglichkeit der Auslegung oder Rechtsfortbildung des nationalen Rechts, wäre die Versagungsnorm direkt aus der vom EuGH ausgelegten Richtlinie zu folgern. Das wäre dann eine Art Ersatznorm. Denn das Berufungsrecht (Anwendungsvorrang) gibt es ja nur bei den für den Steuerpflichtigen günstigen Vorschriften der Richtlinie. Die Ersatznorm wäre dann eine zweite Art, in der man direkt auf das vom EuGH ausgelegte und fortgebildete Unionsrecht zurückgreift – allerdings dann zum Nachteil des Steuerpflichtigen und unbeschadet einer Berufung.

d) Richtlinienkonforme Rechtsanwendung des nationalen Rechts Ob sich diese Ersatznorm vermeiden lässt, darüber wird im Schrifttum kontrovers diskutiert. So sehen einige keine Legitimation für eine Umsetzung im deutschen Recht66. Klaus Dieter Drüen67 arbeitet den Konflikt zwischen gesetzlichen und richterlichen Instrumenten im Kampf gegen Steuermissbrauch heraus. Wie Christoph Roman Wäger68 sieht auch er in der Haftungsnorm des § 25d UStG ein spezielles, vom Gesetzgeber zur Verfügung gestelltes Mittel zur Vermeidung von Karussellgeschäften. Sicherlich kann der nationale Gesetzgeber aufgrund seiner Verfahrensautonomie bestimmen, in welchem Verfahren er die Ziele der MwStSystRL verwirklichen will. Wie wir oben gesehen haben, schützt er den guten Glauben an Rechnungsangaben beim Vorsteuerabzug im Rahmen eines Billigkeitsverfahrens. Indes setzt die Rechtsprechung des EuGH systematisch auf einer Stufe zuvor an. Sie versagt den Vorsteuerabzug in Missbrauchsfällen. Dieser besondere Versagungsgrund69 lässt den Vorsteueranspruch von vornherein nicht entstehen70. Deshalb fehlt für ein Einstehenmüssen nach § 25d UStG für eine Umsatzsteuer-Primärschuld des Unternehmers auf einer vorangegangen Stufe (Umsatzsteuer aus vorangegangenem Umsatz) der Grund. Soll damit dem Missbrauch des Vorsteuerabzugsrechts begegnet werden71, so entsteht dieses

66 67 68 69 70

Reiß, Umsatzsteuerrecht, 2015, Rz. 192. Drüen, MwStR 2015, Heft 21. Wäger, UR 2015, 81 ff. BFH v. 5.8.2010 – V R 13/09, BFH/NV 2011, 81. Ständige Rechtsprechung, so z.B EuGH v. 6.12.2013 – Rs. C-285/11 – Bonik, EU:C:2012:774, Rz. 37, m.w.N. 71 BT-Drs. 14/7471.

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Recht aufgrund des besonderen Versagungsgrundes ja nicht und kann mithin nicht missbraucht werden. Das Problem, das § 25d UStG lösen soll, tritt nicht auf. Eine (zusätzliche) Haftung trotz Versagen des Vorsteuerabzugs würde überdies das Neutralitätsprinzip verletzen und zu einer unverhältnismäßigen Besteuerung führen. Schon tatbestandlich kommt die Haftung nicht bei der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung in Betracht. Es müssen demnach andere Instrumente erwogen werden, um das Diktum des EuGH zu erfüllen. Hier kommen in Betracht die richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts wie auch eine Rechtsfortbildung in Form z.B. der teleologischen Reduktion. Man kann damit beide Aspekte der Italmoda-Entscheidung in den Griff bekommen. Andres Treiber72 hat eingehend und überzeugend für eine richtlinienkonforme Auslegung der § 6a und § 15 Abs. 1 UStG plädiert, und zwar insbesondere im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH. Dennoch spricht m.E. mehr für eine teleologische Reduktion73: Der nationale Gesetzgeber muss die Richtlinie umsetzen (Art. 291 Abs. 1 AEUV); er hat kein Wahlrecht dahingehend, mit Blick auf eine Beteiligung des Unternehmers an einer Steuerhinterziehung anders zu entscheiden. Das UStG bezieht seine Teleologie bei unbedingten Vorgaben des Unionsrechts aus derjenigen der MwStSystRL. § 4 Nr. 1 Buchst. b), § 6a UStG und § 15 Abs. 1 UStG müssen nach dem vom EuGH gefundenen Zweck der MwStSystR jeweils eine Einschränkung vorsehen; denn es ist dem System der Mehrwertsteuer inhärent oder immanent, dass Rechte nicht wahrgenommen werden, wenn der Unternehmer hätte wissen müssen, dass er sich mit dem betreffenden Umsatz an einem Umsatz beteiligte, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war. Der Wortlaut der Normen enthält eine derartige Einschränkung aber nicht. Danach ist diese Einschränkung der Steuerbefreiung wie auch der Vorschrift über den Vorsteuerabzug hinzuzufügen und der Anwendungsbereich entsprechend „teleologisch“ zu reduzieren.

72 Treiber, MwStR 2015, 626, 629 ff. 73 Eingehend Heuermann, DStR 2015, 1416.

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e) Offene Fragen Selbst wenn also die Integration der EuGH-Grundsätze in das nationale Recht gelingt, bleiben im Detail noch viele Fragen offen. Dies trifft m.E. für den Umfang einer möglichen Steuerhinterziehung ebenso zu wie für die Definition dessen, was der Steuerpflichtige „hätte wissen müssen“. Möglicherweise handelt es sich um autonome, weil einheitlich auszulegende Begriffe des Unionsrechts, so dass man den EuGH hierzu wird fragen müssen74.

4. Rechtsprechung des XI. Senats zum Reihengeschäft Wer sich mit dem Reihengeschäft beschäftigen muss, wird Friedrich Nietzsche zustimmen, wenn er uns in ALSO SPRACH ZARATHUSTRA zuruft: „Alles, was viel bedacht wird, wird bedenklich“75. Und in der Tat ist die Steuerrechtslage in Bezug auf Reihengeschäft bedenklich geworden, so dass man die Fülle der Rechtsprechung, der Aufsätze, Beiträge und Kommentierungen kaum mehr überblicken kann76. Die Rechtsprechung des XI. Senats zum Reihengeschäft77 hat nun Klarheit in diesen Wirrwarr gebracht. Notwendig ist – gestatten Sie diesen Allgemeinplatz – eine Lösung, die sich streng am Gesetz orientiert. Dabei ist die Ausgangsfrage zunächst recht wenig komplex, geht es doch nur darum, wo sich der Leistungsort befindet. Doch zunächst der Fall VStR: B aus den USA mit fester Niederlassung in Portugal bestellt bei A im Inland eine Maschine für 1 Mio. B teilte A mit, die Maschine an C in Finnland weiterveräußert zu haben und teilte A die USt-IdNr. des C mit. Die Maschine wurde sodann von einer Spedition, die B beauftragt hatte, nach Bremen verbracht und von da aus nach Finnland verschifft.

74 Zutreffend Treiber, MwStR 2015, 626, 634 f. 75 Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra, aus Kap. 23, Von den Fliegen des Marktes. 76 Vgl. z.B. Salder, MwStR 2015, 752; Reiß, UR 2015, 733; Wäger, UR 2015, 576; Heuermann, DB 2015, 1303; Streit, BB 2015, 1819; Lohse, BB 2015, 1942–1946; Maunz, DStR 2015, 1025; Ismer/Pull, MwStR 2015, 394; Langer NWB 2015, 1684; Sterzinger, UR 2015, 399; Nieskens, UR 2015, 419; Heinrichshofen/Matheis, UVR 2015, 175; instruktiv die Darstellung von Englisch in Tipke/Lang, 22. Aufl., 2015, § 17 Rz. 425 ff. 77 BFH v. 25.2.2015 – XI R 15/14, BFHE 249, 343, UR 2015, 391; v. 25.2.2015 – XI R 30/13, BFHE 249, 336, UR 2015, 402.

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Das Reihengeschä Sachverhalt:

B bestellt Maschine bei A

A (Inland)

B (USA) Portugiesische Niederlassung

Maschine wird durch Spedion in B´s Aurag vom Inland nach C befördert

C (Finnland)

Die Maßstäbe des XI. Senats sind dem Fachpublikum bekannt. Sie hier erneut darzulegen hieße Eulen nach Athen zu tragen. Es kommt also auf die Übertragung der Verfügungsbefähigung an. Vier Grundsätze seien hervorgehoben, von denen wir im Folgenden ausgehen werden: 1. Die Warenbewegung (Beförderung oder Versendung) ist nur einer der Lieferungen zuzuordnen. 2. § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG ist richtlinienkonform. 3. Gesamtwürdigung aufgrund objektiver Umstände, ob dem Zweiterwerber (C) die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, vor dem Beginn der Warenbewegung bereits im Inland übertragen bekam. 4. Im Zweifel ist die Warenbewegung der ersten Lieferung des A an B zuordenbar. Nun versuchen wir, uns der Problematik einmal von einer anderen Seite her zu nähern, und zwar vom Gesetz her. Wir unterscheiden die Fälle danach, ob § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG anwendbar ist oder nicht. Dabei lassen wir die Problematik der USt-IdNr. weg. Diese Probleme stellen sich

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nämlich nach dem Gesetz zunächst nicht bei der Frage des Lieferorts, sondern bei der Erwerbsbesteuerung (vgl. dazu insbesondere § 3d UStG) und bei der Spezialregelung des Dreiecksgeschäfts (§ 25b UStG).

a) § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG ist nicht anwendbar Hier können wir zwei Fallgruppen isolieren: aa) Der Gegenstand der Lieferung wird durch A nach C bewegt Hierunter ist der Fall zu subsumieren, dass A, der Erstlieferer, den Gegenstand aus dem Abgangsmitgliedstaat (Inland) in das Bestimmungsmitgliedsland befördert oder versendet. Er schließt also z.B. einen Transportvertrag mit einem Spediteur: § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG in nicht anwendbar; denn A ist ja nicht zugleich Abnehmer und Lieferer, er ist allein Lieferer. Die Lieferung des A ist steuerbar; denn nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG gilt sie an dem Ort als ausgeführt, wo die Warenbewegung beginnt, das ist hier das Inland. Die zweite Lieferung ist keine warenbewegte; denn die Beförderung oder Versendung wird nach § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer Lieferung zugeordnet78. Die Lieferung des A ist die warenbewegte; denn A versendet, indem er die Beförderung durch einen selbständig Beauftragen ausführt (§ 3 Abs. 6 Satz 3 UStG). Die Lieferung durch A ist als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei (§ 4 Nr. 1 Buchst. b), § 6a UStG). B verwirklicht in Portugal einen innergemeinschaftlichen Erwerb (Art. 2 Abs. 1 Buchst. b), Art. 20 ff., Art. 40 MwStSystRL). Hier bestehen in Bezug auf das Reihengeschäft keinerlei Probleme. bb) Der Gegenstand der Lieferung wird durch C bewegt Wenn C, also der Letzte im Bunde, den Gegenstand befördert oder versendet, also bei A abholt oder abholen lässt, ist § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG ebenso wenig anwendbar, wie wenn A den Gegenstand der Lieferung bewegt hätte; denn C ist kein Lieferer, nur Abnehmer. Damit gilt § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG. Die Lieferung ist im Inland steuerbar, weil sich dort der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Warenbewegung befindet (Art. 32 Abs. 1 MwStSystRL). Da C die Versendung durchführt, ist

78 EuGH v. 16.10.2010 – Rs. C-430/09 – Euro Tyre Holding, EU: C:2010:786, Rz. 21.

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die Lieferung an ihn die warenbewegte; denn C handelt lediglich als Abnehmer und nicht zugleich als Lieferer. Deshalb kommt nur eine Lieferung, nämlich die von B an C, als warenbewegte in Betracht. Dieses am Gesetz orientierte Ergebnis entspricht der EuGH-Judikatur: Dem Zweiterwerber ist nämlich mit der Übergabe des Gegenstandes an ihn oder an den von ihm beauftragten Spediteur (schon im Inland) die Verfügungsbefähigung übertragen worden79. A hat mit der Übergabe an C seine Pflichten gegenüber B erfüllt, so dass auch B – in einer logischen Sekunde vor C – die Verfügungsbefähigung übertragen worden war80. Natürlich gibt es Ausnahmen, die eine Gesamtwürdigung auch in diesem Fall bedingen81, aber wir wollen hier vom Regelfall ausgehen. Das bedeutet: Die Lieferung des B an C ist eine innergemeinschaftliche Lieferung, steuerbar im Inland, aber steuerfrei. C – nicht B wie im ersten Fall – muss den Erwerb in Portugal versteuern. Problematisiert werden könnte, ob hier überhaupt ein Reihengeschäft vorliegt. Denn wenn C z.B. die Ware bei A abholt und nach Portugal befördert, haben sowohl A wie auch B jeweils die Verfügungsbefähigung übertragen. Damit sind die Lieferungen A an B und B an C ausgeführt (§ 3 Abs. 1 UStG). Man könnte meinen, die anschließende Beförderung sei nur noch ein Internum; denn wenn C bereits die Verfügungsbefähigung über den Gegenstand hat, „gelangt dieser Gegenstand“ nicht – wie dies § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG voraussetzt – „bei der Beförderung … unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer“. Vielmehr hat ihn der C ja schon und verbringt diesen Gegenstand seines Unternehmens in das übrige Gemeinschaftsgebiet, was den Tatbestand der Erwerbsbesteuerung nach § 3 Abs. 1a UStG erfüllt. Indes sollte man § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG anders verstehen: Diese Vorschrift steht im systematischen Kontext zu § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG (Art. 32 MwStSystRL) mit seiner unwiderleglichen Vermutung für die

79 Vgl. EuGH v. 27.9.2012 – Rs. C 587/10 – VSTR, EU:C:2012:592, Rz. 32; EuGH v. 16.10.2010 – Rs. C-430/09 – Euro Tyre Holding, EU:C:2010:786, Rz. 33. 80 Zunächst muss nämlich der Zwischenerwerber die Verfügungsbefähigung erlangt haben, EuGH v. 16.10.2010 – Rs. C-430/09 – Euro Tyre Holding, EU:C: 2010:786, Rz. 31. 81 Es geht hier nicht um eine auf § 3 Abs. 6 Satz 6, 2. Halbsatz UStG gestützte Gesamtwürdigung, die aber auch den Grundsätzen des EuGH zu entsprechen hat, vgl. insbesondere EuGH v. 27.9.2012 – Rs. C 587/10 – VSTR, EU:C:2012: 592, Rz. 37.

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Bestimmung des Orts der Lieferung. Für diese Norm hat die Übertragung der Verfügungsbefähigung keinerlei Bedeutung. Ort der Lieferung ist dort, wo die Warenbewegung beginnt, gleich durch wen sie ausgeführt wird. Daran knüpft auch § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG an und regelt in einem ersten Schritt die Zuordnung der Warenbewegung ebenfalls unabhängig von der Verschaffung der Verfügungsmacht. Erst in einem zweiten Schritt, bei der Frage nämlich, welcher Lieferung die Warenbewegung zuordenbar ist, kommt es auf das Verschaffen der Verfügungsbefähigung an. Wer diese Ebenen streng unterscheidet, gerät nicht in einen Zirkelschluss82.

b) § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG ist anwendbar Wenn wir nun im dritten Komplex zur Anwendbarkeit des § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG kommen, so bezieht sich diese Vorschrift allein auf die Fälle, in denen der Gegenstand durch einen Abnehmer befördert oder versendet wird, der zugleich Lieferer ist. Das ist in unserem Fall nur B. Dabei betont die Existenz dieser Vorschrift zunächst die Richtigkeit unserer Analyse des § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG. Denn wenn B z.B. die Sache bei A abholt, wäre die Lieferung A – B in diesem Moment ausgeführt und die (anschließende) Warenbewegung würde sich nur zwischen B und C abspielen. So ist es aber eben nicht, wie sich m.E. klar aus § 3 Abs. 6 Satz 1 erschließt. Im Übrigen meine ich, dass der XI. Senat des BFH zutreffend die Unionsrechtskonformität der Vorschrift bejaht83. Sie löst die Probleme systemgerecht, wenn sie widerleglich die Warenbewegung der ersten Lieferung, also derjenigen zwischen A und B zuordnet und sich in ihrem zweiten Teil für eine Gesamtwürdigung öffnet. Die Gesamtwürdigung betrifft also nur die zweite Lieferung zwischen B und C und die Frage, ob „die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, stattgefunden hat, bevor die innergemeinschaftliche Beförderung erfolgt“, und zwar ebenfalls im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der ersten Lieferung84. Dies kann man gar nicht feststellen,

82 Erwogen von Nieskens, DB 2013, 1872; ders., UR 2013, 823, 824 ff.; Nieskens/ Heinrichshofen/Matheis, UR 2014, 513, 516; siehe auch BFH v. 25.2.2015 – XI R 15/14, BFHE 249, 343, Rz. 55. 83 BFH v. 25.2.2015 – XI R 15/14, BFHE 249, 343, Rz. 62. 84 EuGH v. 27.9.2012 – Rs. C 587/10 – VSTR, EU:C:2012:592, Rz. 32; EuGH v. 16.10.2010 – Rs. C-430/09 – Euro Tyre Holding, EU:C:2010:786, Rz. 33.

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ohne die Gesamtumstände in den Blick zu nehmen, also z.B. das Zivilrecht, die Handelsklauseln, aber auch den Transportauftrag85 oder die USt-IdNr. Das ist ganz normale Rechtsanwendung, wie wir sie auch bei der Subsumtion unter § 3 Abs. 1 UStG kennen86. Darüber hinaus enthält § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG – was in der Diskussion nur ungenügend beachtet wird – eine verfahrensrechtliche Komponente: § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG enthält zunächst eine materielle Regelung zur Steuerbarkeit bewegter Lieferungen. Sie geht aber darüber hinaus und regelt zugleich die Darlegungs- und Feststellungslast87. Die im ersten Satzteil enthaltene (widerlegliche) Vermutung für den Ort der Lieferung steuert die Darlegungslast. A z.B. muss nichts weiter vortragen als dies in unserer Sachverhaltswiedergabe geschehen ist. Daraus ergeben sich nämlich die Voraussetzungen des § 3 Abs. 6 Satz 6, 1. Halbsatz UStG, an die das Gesetz die Vermutung knüpft. Auch das Finanzamt und Finanzgericht brauchen nicht weiter zu ermitteln und müssen von der Vermutung ausgehen, solange keine weiteren Erkenntnisse für einen abweichenden Geschehensablauf gegeben sind88. § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG enthält eine Ausnahme von der regelmäßigen Zuordnung der Warenbewegung nur dann, wenn er nachweist, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert hat. Mit „er“ meint das Gesetz nicht etwa das Finanzamt, sondern den Abnehmer, der zugleich Lieferer ist. Er ist der zweite Lieferer, nämlich B. B ist aber am Rechtsverhältnis des A gegenüber dem Finanzamt zunächst nicht beteiligt. Begehrt A z.B. die Steuerfreiheit seiner Lieferung an B, lehnt das Finanzamt dies aber ab, kommt B in diesem Verfahren nicht vor und kann dann auch nichts nachweisen. Allerdings ist B an dem Rechtsverhältnis so beteiligt, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Denn entscheidet das Finanzamt oder auf die Klage das Finanzgericht, dass die (erste) Lieferung eine warenbewegte innergemeinschaftliche Lieferung ist, hat das notwendigerweise Auswirkungen auf B, so dass hier m.E. eine notwendige Hinzuziehung (§ 360 Abs. 3 AO) oder Beiladung (§ 60 Abs. 3

85 Siehe auch Salder, MwStR 2015, 762. 86 Vgl. zu den einzelnen Kriterien BFH v. 25.2.2015 – XI R 15/14, BFHE 249, 343, UR 2015, 391; Heuermann in Söch/Ringleb, 75. EL (Dezember 2015), § 3 Rz. 483 ff. 87 Vgl. zur Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten BFH v. 19.12.2013 – V R 5/12, BFHE 244, 494, Rz. 42, m.w.N. 88 Zutreffend Treiber, HFR 2015, 600.

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FGO) in Betracht kommt. Die materielle Verknüpfung, wie sie in § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG angelegt ist, ist insofern intensiver als der allgemeine Konnex zwischen leistendem Unternehmer und vorsteuerabzugsberechtigtem Leistungsempfänger, der grundsätzlich nur zu einer einfachen Beiladung führt89. Im Änderungsverfahren ergibt sich die Beteiligung des zweiten Lieferers über § 174 Abs. 5 AO.

c) Kein gesetzlicher Änderungsbedarf Wie die Ausführungen ergeben haben, können die in § 3 Abs. 6 UStG enthaltenen Vorschriften systemgerecht und unionskonform interpretiert werden. Dem XI. Senat ist mithin zuzustimmen90. Ein gesetzlicher Änderungsbedarf ist m.E. nicht gegeben91. Es kann ja nach den obigen Ausführungen nur um Ausprägungen einzelner Aspekte der Gesamtwürdigung gehen. Diese Umstände – wie z.B. das vereinbarte Zivilrecht oder bestimmte Handelsklauseln – sind aber dem Umsatzsteuergesetzgeber vorgegeben und können von ihm nicht geregelt werden. In der Tat geht man von einem Prinzip der Vorherigkeit z.B. der zivilrechtlichen Wertungen für das Steuerrecht aus92. Ein Abstellen auf die USt-IdNr. wäre m.E. nicht unionsrechtskonform (der EuGH stellt auf die Verfügungsbefähigung ab) und auch nicht systemgerecht: Auf sie kommt es bei der Erwerbsbesteuerung an. Damit enden wir in freier Variation mit Montesquieu93; WENN ES NICHT NOTWENDIG IST, EIN UMSATZSTEUERGESETZ ZU ÄNDERN, SO IST ES NOTWENDIG, KEIN UMSATZSTEUERGESETZ ZU ÄNDERN.

5. Fazit Unsere Tour d’Horizon durch Rechtsprechungshöhepunkte im innergemeinschaftlichen Warenverkehr hat uns von mehr oder weniger formalen Anforderungen an die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen über die Struktur des Vorsteuerabzug bei gutem Glauben hineingeführt in Grundsatzprobleme des Umsatzsteuerrechts und des Unionsrechts. Wir haben gesehen, dass die Weiterungen durch die Ent-

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Dazu BFH, Beschl. v. 27.12.2012 – V B 31/11, BFH/NV 2013, 944, m.w.N. Dazu auch schon Heuermann, DB 2015, 1303 ff. So auch Reiß, UR 2015, 733, 755 ff. BVerfG, Beschl. v. 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212; BFH v. 29.1.2015 – V R 5/14, BFHE 249, 283, BStBl. II 2015, 567, Rz. 36. 93 Montesquieu, De l’esprit des lois, Paris 1838, Buch XXIX, Kap. XVI, 477.

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scheidung Italmoda94 so gar nicht allein dastehen, sondern getragen werden von einer ständigen Rechtsprechung des EuGH und des BFH. Wir haben uns dann ein wenig an das nicht enden wollende Thema des Reihengeschäfts herangetraut und gesehen, dass eine streng am Gesetz orientierte Rechtsfindung, wie sie der XI. Senat des BFH zutreffend vorbereitet hat, einige Probleme in den Griff bekommt. Das ist schon viel.

94 EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-131/13 – Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti, EU:C:2014:2455.

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Reihengeschäfte – Aktuelle Rechtsprechung und Entwicklung Ministerialrat Stephan Filtzinger, Mainz1 Inhaltsübersicht 1. Ausgangssituation 1.1. Hergebrachte Bedingungen im nationalen Recht 1.2. Grundfall eines innergemeinschaftlichen Reihengeschäfts 1.3. Abwandlung: Gebrochene Warenbewegung im Reihengeschäft 2. Rechtsprechungsentwicklung 2.1. Im Fall der Transportverantwortlichkeit des mittleren Unternehmers 2.1.1. Bisherige Rechtsprechung im Überblick 2.1.2. BFH v. 25.2.2015, XI R 15/14 – VSTR II 2.2. Im Fall der Transportverantwortlichkeit des letzten Abnehmers 2.3. Im Fall der Transportverantwortlichkeit des ersten Unternehmers

3. Folgefragen 3.1. Gibt es das Reihengeschäft noch? 3.2. Zuordnung der Warenbewegung anhand der Verschaffung der Verfügungsmacht? 3.3. Zeitliche oder örtliche Betrachtung maßgebend? 3.4. Umfassende Einzelfallwürdigung im Massengeschäft handhabbar? 3.5. Reihengeschäft auch bei gebrochener Lieferung? 3.6. Berücksichtigung der übereinstimmenden Behandlung durch die Umsatzbeteiligten? 3.7. Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung trotz nicht existenter USt-IdNr. des Abnehmers? 4. Mögliche gesetzliche Reaktionen 5. Fazit

1 Ministerialrat Stephan Filtzinger ist Angehöriger des Finanzministeriums Rheinland-Pfalz. Dieser Beitrag wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.

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1. Ausgangssituation 1.1. Hergebrachte Bedingungen im nationalen Recht Der Ort der bewegten Lieferung ist geregelt in § 3 Abs. 6 UStG. Danach liegt der Lieferort einer Beförderungs- oder Versendungslieferung zwischen zwei Unternehmern dort, wo diese beginnt2. Beim Reihengeschäft erfolgen allerdings mehrere hintereinandergeschaltete Lieferungen desselben Gegenstandes, bei denen dieser unmittelbar vom ersten an den letzten Unternehmer gelangt3. Liegen in diesem Fall also mehrere Beförderungs- oder Versendungslieferungen vor? Nein. Denn für diesen Fall legt das Gesetz fest, dass die Warenbewegung des Liefergegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen ist4. Dies ist die (einzige) „bewegte Lieferung“, deren Lieferort sich nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG richtet. Alle anderen Lieferungen im Reihengeschäft sind „ruhend“. Für sie gibt es eigenständige Lieferortfiktionen in § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG: der Abgangsort der Ware ist maßgebend für die Lieferungen, die der bewegten Lieferung vorangehen, der Ankunftsort gilt als Ort aller Lieferungen, die der bewegten Lieferung nachfolgen. Die genannte Differenzierung ist im Fall des Inlandsreihengeschäftes ohne größere praktische Relevanz. Bei grenzüberschreitenden Reihengeschäften kommt es auf diese Unterscheidung dagegen an. Denn grenzüberschreitende Lieferungen sind steuerfrei, entweder als Ausfuhren5 oder als innergemeinschaftliche Lieferungen6. Die Steuerbefreiung setzt in beiden Fällen voraus, dass der Liefergegenstand bei der Lieferung aus dem Inland in das Gebiet eines anderen Staates befördert oder versendet wird7. Daraus folgt, dass nur die bewegte Lieferung im Reihengeschäft steuerfrei sein kann; für die ruhenden Lieferungen kommt diese Befreiung nicht in Betracht. Für die Beurteilung eines grenzüberschreitenden Reihengeschäftes ist die zutreffende Identifizierung der bewegten Lieferung daher von ausschlaggebender Bedeutung. Hierfür enthält das Gesetz allerdings keine erschöpfenden Regelungen: in § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG ist lediglich bestimmt, dass im Fall der Beförderung oder Versendung durch einen Ab2 3 4 5 6 7

§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG. § 3 Abs. 6 Satz 5 1. Halbsatz UStG. § 3 Abs. 6 Satz 5 2. Halbsatz UStG. § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 UStG. § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG. Vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG und § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG.

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nehmer, der zugleich Lieferer ist8, die bewegte Lieferung der Lieferung an ihn zuzuordnen ist, „es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat“. Das Gesetz vermutet also, dass ein mittlerer Unternehmer im Reihengeschäft normalerweise als Käufer auftritt und nicht als Verkäufer. Für den Fall, dass die Beförderung oder Versendung nicht durch einen mittleren Unternehmer erfolgt, sondern den ersten oder letzten Unternehmer, enthält das Gesetz keine Festlegung. Die bislang – soweit ersichtlich – nicht bestrittene Verwaltungsauffassung sieht diesbezüglich in Abschn. 3.14 Abs. 8 UStAE Folgendes vor: –

bei Transport durch den ersten Unternehmer ist seiner Lieferung die Warenbewegung zuzuordnen;



bei Transport durch den letzten Abnehmer ist die Warenbewegung der Lieferung des letzten Lieferers zuzuordnen.

Herleiten lässt sich dies aus § 3 Abs. 6 S. 1 UStG. Wenn der erste Unternehmer die Ware zum Endabnehmer transportiert, bewegt er die Ware als Lieferer im Rahmen seiner Lieferung; ein Handeln als Abnehmer kommt nicht in Betracht. Wenn der letzte Unternehmer transportiert, handelt es sich im Gegenzug um einen Abholfall, der nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG als Beförderung oder Versendung durch den Abnehmer gilt9. Die vorgehend geschilderten rechtlichen Rahmenbedingungen machen es daher unabdingbar, beim grenzüberschreitenden Reihengeschäft zum einen festzustellen, welcher der beteiligten Unternehmer den Liefergegenstand befördert oder versendet, also wer für den Transport verantwortlich ist. Ist das ein mittlerer Unternehmer in der Reihe, muss zum anderen geklärt werden, ob er als Lieferer oder als Abnehmer handelt. Dazu vertritt die deutsche Finanzverwaltung bislang folgende Auffassung:

8 Also einen „mittleren“ Unternehmer. 9 Als Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nach der Rechtsprechung des V. BFH-Senats in Betracht, dass der (nichtunternehmerische) Letztabnehmer vom mittleren Unternehmer zur Abholung förmlich bevollmächtigt wurde; in diesem eher ungewöhnlichen Fall soll nach dem BFH-Urteil v. 11.8.2011, V R 3/10, UR 2011, 909, Rz. 19, der Warentransport nicht dem Letztabnehmer, sondern dem mittleren Unternehmer zuzurechnen sein und die Eigenschaft des Letzterwerbers als Abnehmer im Reihengeschäft hinter dessen Bevollmächtigtenstellung zurücktreten. Diese Rspr. wird m.E. zu Recht von Reiß, UR 2015, 733 (750), kritisiert.

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a) Zur Feststellung der Transportverantwortlichkeit ist im Fall der Versendung auf die Auftragserteilung an den selbständigen Beauftragten abzustellen. Sollte sich aus den Geschäftsunterlagen nichts anderes ergeben, soll auf die Frachtzahlerkonditionen abzustellen sein.10 b) Zur Klärung, ob ein transportverantwortlicher mittlerer Unternehmer ausnahmsweise als Lieferer handelt und nicht als Abnehmer der Vorlieferung, wird bestimmt, dass davon regelmäßig ausgegangen werden könne, wenn der Unternehmer unter der USt-IdNr. des Mitgliedstaates auftritt, in dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt, und wenn er auf Grund der mit seinem Vorlieferanten und seinem Auftraggeber vereinbarten Lieferkonditionen Gefahr und Kosten der Beförderung oder Versendung übernommen hat. Den Anforderungen an die Lieferkonditionen sei genügt, wenn handelsübliche Lieferklauseln (z.B. Incoterms) verwendet werden.11 c) Für den Fall, dass die Zuordnung der Warenbewegung zu einer der Lieferungen von einem an dem Reihengeschäft beteiligten Unternehmer auf Grund des Rechts eines anderen Mitgliedstaates ausnahmsweise abweichend von den vorgenannten Grundsätzen vorgenommen worden sein sollte, soll es nicht beanstandet werden, wenn dieser Zuordnung gefolgt wird (Kollisionsklausel)12.

1.2. Grundfall eines innergemeinschaftlichen Reihengeschäfts Ausgangspunkt der Betrachtung in diesem Beitrag soll der Grundfall eines innergemeinschaftlichen Reihengeschäfts zwischen drei beteiligten Unternehmern A, B und C sein, bei dem der mittlere Unternehmer, hier B, den Transport von A zu C ins übrige Gemeinschaftsgebiet, hier das Vereinigte Königreich13, beauftragt. Jeder Unternehmer tritt dabei unter der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer14 seines Sitzstaates auf. In diesem Fall für den Transport verantwortlich ist also der mittlere Unternehmer B. Folglich ist die Warenbewegung daher grundsätzlich der ersten Lieferung zuzuordnen (§ 3 Abs. 6 S. 6 UStG). Diese gesetzliche Vermutung wird nach hergebrachter Rechtsauffassung vorliegend nicht widerlegt, da keine besonderen Lieferklauseln vereinbart sind und B 10 11 12 13 14

Abschn. 3.14 Abs. 7 UStAE. Abschn. 3.14 Abs. 10 UStAE. Abschn. 3.14 Abs. 11 UStAE. Im Folgenden: „UK“. Im Folgenden: USt-IdNr.

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nicht unter der USt-IdNr. des Abgangsstaates (D) auftritt. Die Lieferung A an B ist damit in Deutschland steuerbar und als warenbewegte innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei. B muss in UK einen innergemeinschaftlichen Erwerb besteuern. Die Lieferung B an C ist als der warenbewegten Lieferung folgende ruhende Lieferung im Ankunftsstaat (UK) steuerbar und steuerpflichtig (§ 3 Abs. 7 S. 2 UStG).

1.3. Abwandlung: Gebrochene Warenbewegung im Reihengeschäft Fraglich ist, ob sich an der Beurteilung des Grundfalls etwas ändert, wenn zwei am Reihengeschäft beteiligte Unternehmer sich den Transport teilen. In der Fallabwandlung soll daher A die Ware nach Dover (UK) bringen, von wo B sie nach London (UK) zum letzten Abnehmer C transportieren lässt. Nach § 3 Abs. 6 S. 5 setzt das Reihengeschäft voraus, dass der Liefergegenstand „unmittelbar“ vom ersten an den letzten Unternehmer gelangt. Nach Verwaltungsauffassung setzt dies grundsätzlich eine Beförderung oder Versendung durch nur einen beteiligten Unternehmer voraus; diese Voraussetzung sei bei der Beförderung oder Versendung durch mehrere beteiligte Unternehmer (sog. gebrochene Beförderung oder Versendung) daher nicht erfüllt15. Zur Annahme einer „gebrochenen“ Lieferung im Reihengeschäft kommt es nach Verwaltungsauffassung nicht darauf an, welche am Reihengeschäft beteiligten Unternehmer sich den Transport teilen; auch solche Lieferungen gelten danach als „gebrochen“, in denen der Transport auf der letzten Teilstrecke bis zum Bestimmungsort vom Letztabnehmer übernommen wird.16 In der Fallabwandlung 1.3 teilen sich der erste Unternehmer A und der mittlere Unternehmer B die Transportverantwortung. Vorliegend handelt es sich daher mangels unmittelbaren Gelangens zum Letztabnehmer nicht um ein Reihengeschäft, sondern um zwei eigenständig zu beurteilende Lieferungen. Die Lieferung A an B ist im Abgangsstaat D steuerbar (§ 3 Abs. 6 S. 1 UStG) und als warenbewegte innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei. B muss in UK einen innergemeinschaftlichen Erwerb besteuern. Die Lieferung B an C ist ebenfalls eine warenbewegten Lieferung. Sie ist im Abgangsstaat (Dover, UK) steuerbar und steuerpflichtig. 15 Abschn. 3.14 Abs. 4 UStAE. 16 Siehe dazu unten Tz. 3.5.

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2. Rechtsprechungsentwicklung 2.1. Im Fall der Transportverantwortlichkeit des mittleren Unternehmers 2.1.1. Bisherige Rechtsprechung im Überblick Bislang hatte sich die jüngere Rechtsprechung insbesondere mit innergemeinschaftlichen Reihengeschäften zu befassen, bei denen der mittlere Unternehmer die Transportverantwortung innehatte und streitig war, ob er in seiner Eigenschaft als Lieferer oder Abnehmer aufgetreten war. Die sich aus diesen Urteilen zur Zuordnung der Warenbewegung ergebenden Kernaussagen werden nachfolgend in chronologischer Reihenfolge für ein Reihengeschäft zwischen drei Unternehmern A, B und C zusammengefasst dargestellt: a) EuGH v. 6.4.2006, Rs. C-245/04, EMAG Handel Eder17 Feststellung, dass nur eine Lieferung warenbewegt sein kann; damit Bestätigung der Zuordnungsregelung in § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG. b) EuGH v. 16.12.2010, Rs. C-430/09, Euro Tyre Holding18 Die Zuordnung der Warenbewegung erfordert eine „umfassende Würdigung des Einzelfalls“; die erste Lieferung ist unter folgenden Voraussetzungen warenbewegt: –

B erlangt „Verfügungsmacht“ im Abgangsmitgliedstaat (= örtliche Betrachtung),



B bekundet die Absicht, den Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat zu befördern,



B verwendet USt-IdNr. des Bestimmungslandes und



C erlangt „Verfügungsmacht“ im Bestimmungsland (= örtliche Betrachtung).

c) BFH v. 11.8.2011, V R 3/1019 Der V. Senat greift das EuGH-Urteil Euro-Tyre-Holding zwar auf, stellt für die Zuordnung der Warenbewegung aus Praktikabilitätsüberlegungen aber vorrangig auf die Mitteilung des Weiterverkaufs ab. Im Ergebnis ha-

17 EuGH, Urt. v. 6.4.2006, Rs. C-245/04, EMAG Handel Eder, UR 2006, 342. 18 EuGH, Urt. v. 16.12.2010, Rs. C-430/09, Euro Tyre Holding, UR 2011, 176. 19 BFH, Urt. v. 11.8.2011, V R 3/10, UR 2011, 909.

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be danach der mittlere Unternehmer B die Möglichkeit, durch Mitteilung oder Verschweigen des Weiterverkaufs die Warenbewegung der ersten oder zweiten Lieferung zuzuordnen. d) EuGH v. 27.9.2012, Rs. C-587/10, VSTR20 Der EuGH greift zwar auf seine Euro-Tyre-Holding-Rechtsprechung zur umfassenden Einzelfallwürdigung hinsichtlich des Orts des Übergangs der Verfügungsmacht zurück, stellt dabei aber nunmehr zugleich auf den Zeitpunkt des Übergangs der „Verfügungsmacht“ ab: die erste Lieferung könne dann nicht mehr als bewegt angesehen werden, wenn die „Verfügungsmacht“ auf C übergegangen ist, „bevor die innergemeinschaftliche Lieferung stattgefunden hat“ (= zeitliche Betrachtung). e) BFH v. 28.5.2013, XI R 11/09, Folgeurteil VSTR I21 Der XI. Senat schließt sich ausdrücklich nicht der Entscheidung des V. Senats vom 11.8.2011, V R 3/10, an, sondern übernimmt die Rechtsprechung des EuGH: es komme auf eine umfassende Würdigung des Einzelfalls und insbesondere die Feststellung an, ob zwischen dem Erstabnehmer B und dem Zweitabnehmer C die „Verfügungsmacht“ übergegangen ist, bevor die innergemeinschaftliche Versendung erfolgte (= zeitliche Betrachtung). f) FG Münster v. 16.1.2014, 5 K 3930/10 U22 Das FG Münster wiederum folgt dem XI. Senat ausdrücklich nicht und bezeichnet dessen Entscheidung als problematisch. Mit dem V. Senat sieht es vielmehr bei der Einzelfallwürdigung für die Frage, welchem Umsatzgeschäft die Warenbewegung zuzurechnen ist, als wichtiges Indiz an, ob der Zwischenerwerber B dem Ausgangslieferanten A mitgeteilt hat, dass er die Ware bereits vor der Beförderung oder Versendung an einen Endabnehmer C weiterverkauft hat. g) FG Sachsen v. 12.3.2014, 2 K 1127/13 – Zweiter Rechtsgang VSTR23 Das FG Sachsen entscheidet den Fall auf der Basis des Revisionsurteils des XI. Senats nach Beweislastgrundsätzen dahingehend, dass die gesetzliche Vermutung der Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Liefe-

20 21 22 23

EuGH, Urt. v. 27.9.2012, Rs. C-587/10, VSTR, UR 2012, 832. BFH, Urt. v. 28.5.2013, XI R 11/09, UR 2013, 756. FG Münster, Urt. v. 16.1.2014, 5 K 3930/10 U, MwStR 2014, 281. FG Sachsen, Urt. v. 12.3.2014, 2 K 1127/13, MwStR 2014, 619.

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rung vorliegend nicht wiederlegt werden konnte. Damit sei die erste Lieferung die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. 2.1.2. BFH v. 25.2.2015, XI R 15/14 – VSTR II Angesichts der Widersprüche zum Urteil des Finanzgerichts Münster legte die Finanzverwaltung gegen das Urteil des FG Sachsen in der Rechtssache VSTR erneut Revision beim Bundesfinanzhof ein. Die daraufhin erfolgte zweite Revisionsentscheidung des XI. Senats in diesem Fall24 setzt sich umfassend mit der bisherigen Rechtsprechung und der daran geäußerten Kritik auseinander. Die Würdigung des Urteils macht es allerdings erforderlich, den konkreten Sachverhalt zu verdeutlichen, der sich so nicht allein aus den Gründen des BFH-Urteils erschließt25, sondern nur unter zusätzlicher Berücksichtigung der Sachverhaltsdarstellungen im EuGH-Urteil und im Urteil des FG Sachsen26. a) Urteilssachverhalt Vereinfacht dargestellt wurde im VSTR-Fall folgender Sachverhalt verwirklicht: Es liegen zwei Lieferungen über denselben Gegenstand vor, eine Lieferung von A an eine US-amerikanische Firma (B) und eine zweite Lieferung von B an einen finnischen Letztabnehmer (C). B beauftragt eine Spedition, die Ware bei A abzuholen und zu einem Empfänger „Frachtkontor Finnland“ nach Lübeck zu bringen. B berechnet C den Transport bis dorthin („including transport to Lübeck“). Anschließend wird die Ware dann auf Kosten der C nach Finnland verschifft. B hat in der EU keine USt-IdNr., sondern verweist ersatzweise auf die USt-IdNr. des C. b) Lösung des VSTR-Falls nach Verwaltungsauffassung Bei dieser Sachverhaltsgestaltung wäre der Fall nach den eingangs dargestellten Verwaltungsgrundsätzen wie folgt zu entscheiden gewesen: Nach § 3 Abs. 6 S. 5 UStG setzt ein Reihengeschäft das unmittelbare Gelangen des Liefergegenstands vom Erstlieferanten an den letzten Abnehmer voraus. Hier teilen sich B und C die Transportverantwortung

24 BFH, Urt. v. 25.2.2015, XI R 15/14, UR 2015, 391. 25 Heuermann geht bei seiner Darstellung des VSTR-Falls in DB 2015, 1303 ff., offensichtlich von dem in den Gründen des BFH-Urteils XI R 15/14 nicht vollständig dargestellten Sachverhalt aus. 26 Vgl. dazu auch Wäger, UR 2015, 576 (579).

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auf dem Weg zum Bestimmungsort (Finnland). Nach Abschn. 3.14 Abs. 4 Satz 1 UStAE ist daher von einer sog. gebrochenen Beförderung durch B und C auszugehen. Es liegt daher kein Reihengeschäft vor; die Lieferungen sind vielmehr als Einzellieferungen zu beurteilen. Die Lieferung A-B, die in Lübeck endet, ist folglich als (bewegte) Inlandslieferung in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig. c) Entscheidung des XI. Senats Der XI. Senat wies die Revision des FA dagegen als unbegründet zurück. Die Auffassung des FG Münster, wonach es allein auf die „Verpflichtung und Absichtsbekundung“ ankomme, lehnt er ab27. Als ausschlaggebend sieht er vielmehr unter Bezugnahme auf das VSTR-Urteil des EuGH die Verschaffung der Verfügungsmacht beim Zweiterwerber C an. Dabei stellt der XI. Senat nunmehr allerdings eine örtliche Betrachtung an: es komme auf eine Würdigung des Einzelfalls an, ob die „Verfügungsmacht“ auf den Letzterwerber noch im Inland übergegangen ist28. Zutreffend habe das FG Sachsen geurteilt, dass dies vorliegend nicht der Fall sei; die gesetzliche Regelvermutung, wonach die erste Lieferung die warenbewegte ist, sei vorliegend nicht widerlegt worden29. Die fehlende USt-IdNr. des B soll für die Steuerfreiheit der daher als bewegt anzusehenden Lieferung A-B im Übrigen nicht schädlich sein, weil die A alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um die USt-IdNr. des B zu bekommen30. Im vorliegenden Fall obsiegte demzufolge der deutsche Kläger A. Eine Aussage zur Frage der gebrochenen Beförderung enthält das Urteil nicht. d) Lösung des VSTR-Falls nach den Leitsätzen des XI. Senats Der XI. Senat hat zu dieser Entscheidung vier Leitsätze gebildet, die wie folgt zusammengefasst werden können: 1. Im Reihengeschäft ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. 2. Bei einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft mit drei Beteiligten A, B und C erfolgt die Zuordnung der Warenbewegung anhand einer umfassenden Würdigung des Einzelfalls insbesondere dazu, ob B

27 28 29 30

BFH, Urt. v. 25.2.2015, XI R 15/14, UR 2015, 391, Rz. 38. BFH, Urt. v. 25.2.2015, XI R 15/14, UR 2015, 391, Rz. 53. BFH, Urt. v. 25.2.2015, XI R 15/14, UR 2015, 391, Rz. 73 ff. BFH, Urt. v. 25.2.2015, XI R 15/14, UR 2015, 391, Rz. 83.

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dem C die Verfügungsmacht über den Gegenstand noch im Inland übertragen hat. 3. Maßgebend dafür sind objektive Umstände; hiervon abweichende Absichtsbekundungen können im Rahmen der Prüfung des Vertrauensschutzes von Bedeutung sein. 4. Verbleiben nicht behebbare Zweifel daran, dass B dem C die Verfügungsmacht noch im Inland übertragen hat, ist die Warenbewegung der ersten Lieferung (A an B) zuzuordnen. Legt man nun an den oben unter a) erläuterten Sachverhalt den vom BFH in den genannten Leitsätzen gebildeten Maßstab zur Beurteilung von Reihengeschäften an, ergibt sich allerdings m.E. ein anderes Ergebnis als das, zu dem der BFH gekommen ist. Wenn man die Frage der gebrochenen Lieferung außen vor lässt und vorliegend also ein Reihengeschäft annimmt, führt die Anwendung der Leitsätze des XI. Senats nämlich bezogen auf den konkreten Fall zu folgender Lösung: Es kommt auf die Feststellung an, ob B dem C die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, im Inland übertragen hat. Verbleiben nicht behebbare Zweifel daran, dass B dem C die Verfügungsmacht noch im Inland übertragen hat, ist die Warenbewegung der ersten Lieferung A-B zuzuordnen. Vorliegend berechnet aber B dem C den Transport nur bis Lübeck. Der Transport ab Lübeck wird auf Kosten von C durchgeführt. Damit wurde die Ware dem C oder zumindest einem Beauftragten des C (dem Frachtkontor oder dem von C mit dem Weitertransport beauftragten Unternehmer) noch im Inland (Lübeck) übergeben. Aus dem Sachverhalt ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl, etwa wegen besonderer Vertragsbedingungen31, ein Übergang der Verfügungsmacht auf C bzw. dessen Beauftragten bei Ablieferung in Lübeck noch nicht erfolgt sein könnte. Vorliegend bestehen also keine Zweifel daran, dass C noch in Deutschland Verfügungsmacht verschafft worden ist. Damit ist die gesetzliche Vermutung, wonach grundsätzlich die Lieferung A-B die bewegte ist, hier widerlegt. Die Warenbewegung findet richtigerweise zwischen B und C statt, die vorgehende Lieferung A-B ist ruhend und in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig. Unter Berücksichtigung der Leitsätze des BFH wäre also der VSTR-Fall im Ergebnis eigentlich genau so zu entscheiden gewesen, wie nach der

31 Vgl. dazu unten unter 3.2.

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oben unter b) dargestellten Verwaltungsauffassung auch. Gleichwohl kommt der XI. Senat vorliegend zu dem gegenteiligen Ergebnis32.

2.2. Im Fall der Transportverantwortlichkeit des letzten Abnehmers Die vorstehend erläuterte Entscheidung ist damit zwar bezogen auf den Urteilssachverhalt in sich nicht schlüssig und lässt sich allenfalls noch mit unterschiedlichen Betonungen einzelner Sachverhaltselemente durch die verschiedenen Spruchkörper erklären. Die vom BFH gebildeten Leitsätze sind aber vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zu erwarten gewesen. Am selben Tag hat der XI. Senat allerdings unter dem Aktenzeichen XI R 30/13 ein weiteres Urteil verkündet. Und das stellt eine echte Überraschung dar. a) Urteilssachverhalt BFH v. 25.2.2015, XI R 30/1333 Der diesem Verfahren zu Grunde liegende Sachverhalt ist vereinfacht dargestellt folgender: Der deutsche Unternehmer A sowie die britischen Unternehmer B und C sind an einem Reihengeschäft über Neufahrzeuge beteiligt. C beauftragt einen britischen Transportunternehmer (T), die Ware bei A in Deutschland abholen und zu sich nach UK zu bringen. A weiß nicht, dass B die Ware an C weiterverkauft hat und der T von C beauftragt wurde. b) Lösung nach Verwaltungsauffassung Transportverantwortlich ist vorliegend der letzte Abnehmer C. Die Warenbewegung ist daher nach den oben unter 1.1 dargestellten Grundsätzen der Lieferung B-C zuzuordnen, weil keiner der an der Lieferung A-B beteiligten Unternehmer den Transport verantworten, sondern C als Abnehmer des B die Ware für sich über die Grenze transportieren lässt. Eine Feststellung, ob C als Lieferer oder als Abnehmer auftritt erübrigt sich; auf die Verwendung besonderer Lieferklauseln oder der USt-IdNr. kommt es damit nicht an, auch nicht auf die Kenntnis des A. Folglich ist die Lieferung B-C als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, sofern die Buch- und Belegnachweise geführt werden.

32 Wäger stellt insoweit in UR 2015, 576 ff., m.E. zu Recht die provokante Frage „Gehört Lübeck noch zum Inland?“ 33 BFH, Urt. v. 25.2.2015, XI R 30/13, UR 2015, 402.

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c) Entscheidung des XI. Senats Der XI. Senat beurteilt den Fall dagegen völlig anders. Unter Hinweis auf das Urteil XI R 15/14 vom selben Tag34 und die dort für den Fall der Transportverantwortlichkeit des mittleren Unternehmers im Reihengeschäft entwickelten Grundsätze bildet er folgenden Leitsatz (Kürzungen durch den Verfasser): Befördert […] der letzte Abnehmer (C) den Gegenstand der Lieferung, ist die Beförderung oder Versendung der ersten Lieferung (A an B) zuzuordnen, es sei denn, der erste Abnehmer (B) hat dem letzten Abnehmer (C) die Befugnis, über den Gegenstand der Lieferung wie ein Eigentümer zu verfügen, bereits im Inland übertragen. […]“. Zur Prüfung, ob die Verfügungsmacht vorliegend noch in Deutschland auf C übergegangen ist, verweist der BFH den Fall zurück an das Finanzgericht Rheinland-Pfalz35. Der XI. Senat will also die Warenbewegung im Reihengeschäft auch dann grundsätzlich der ersten Lieferung zuordnen, wenn keiner der an dieser Lieferung beteiligten Unternehmer die Ware transportiert, sondern der daran unbeteiligte Letzterwerber die Ware beim Erstlieferanten abholt bzw. abholen lässt. Das hat zuvor – soweit ersichtlich – noch niemand so gesehen. Begründet wird diese Auffassung damit, dass aus der MwStSystRL eine Unterscheidung danach, wer den Warentransport übernimmt, nicht hervorgehe36. Die „Beteiligung“ des Zweiterwerbers an der Warenbeförderung könne nach der EuGH-Rechtsprechung im Fall Euro-Tyre-Holding die Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Lieferung nicht ausschließen37. Wenn der Zweiterwerber den Liefergegenstand beim Erstlieferanten abholt, sei daher die erste Lieferung die warenbewegte, es sei denn die Verfügungsmacht ist nach umfassender Würdigung des Einzelfalls noch im Inland auf den Letzterwerber übergegangen. Das wiederum sei allerdings bei Abholung durch den Zweiterwerber „oftmals“ der Fall; aus den Gesamtumständen könne sich wiederum aber „Abweichendes“ ergeben38. Für einen Übergang der Verfügungsmacht auf C erst im Bestimmungs-

34 BFH, Urt. v. 25.2.2015, XI R 15/14, UR 2015, 391. 35 Vorgehend war das Urteil des FG Rheinland-Pfalz v. 4.12.2012, 6 K 2104/10, EFG 2013, 1711. 36 BFH, Urt. v. 25.2.2015, XI R 30/13, UR 2015, 402, Rz. 29. 37 BFH, Urt. v. 25.2.2015, XI R 30/13, UR 2015, 402, Rz. 31. 38 BFH, Urt. v. 25.2.2015, XI R 30/13, UR 2015, 402, Rz. 35.

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land spreche vorliegend außerdem, dass B und C den Umsatz mit britischer MwSt abgerechnet hätten39.

2.3. Im Fall der Transportverantwortlichkeit des ersten Unternehmers Das BFH-Urteil XI R 30/13 ist von der Fachwelt stark kritisiert worden40. Bislang – jedenfalls im Zusammenhang mit der Reihengeschäftsproblematik – noch völlig unbeachtet geblieben ist dagegen das EuGHUrteil vom 3.9.2015, Rs. C-526/13, „Fast Bunkering Klaipèda“.41 a) Urteilssachverhalt Rs. C-526/13, „Fast Bunkering Klaipèda“ Der EuGH hatte über eine Vorlagefrage aus Litauen zu entscheiden, in der es um ein Inlandsreihengeschäft über Schiffsdiesel mit drei Beteiligten, der Fast Bunkering Klaipèda (A), einem Zwischenhändler (B) und dem Schiffseigener (C) ging. M trat als Mittelsperson im eigenen Namen auf. A brachte den Kraftstoff unmittelbar zu den von C betriebenen Seeschiffen und füllte ihn dort ein. Das Rechtstreit betraf in erster Linie die Frage der Anwendung der sog. Vorstufenbefreiung auf die Lieferung von Gegenständen zur Versorgung von Seeschiffen (vgl. Art. 148 Buchst. a MwStSystRL sowie §§ 4 Nr. 2 i.V.m. 8 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Diese ist grundsätzlich nur für die Lieferung auf der letzten Handelsstufe unmittelbar an den Betreiber des Seeschiffs anwendbar. Vorliegend war streitig, ob die Befreiung auch für die erste Lieferung A-B zur Anwendung kommt. b) Lösung nach bisheriger Auffassung Nach bislang völlig herrschender Auffassung handelt es sich vorliegend um mehrere Lieferungen desselben Gegenstandes, bei denen dieser unmittelbar vom ersten (A) an den letzten Unternehmer (C) gelangt, also ein Reihengeschäft. Transportverantwortlich war der erste Lieferer A.

39 BFH, Urt. v. 25.2.2015, XI R 30/13, UR 2015, 402, Rz. 39. 40 Insbesondere nach Reiß, UR 2015, 733 (752), kommt eine Zuordnung der Warenbewegung zu einer Lieferung, an der der befördernde Unternehmer weder als Lieferer noch als Abnehmer beteiligt ist, erkennbar nicht in Frage; ebenfalls ablehnend Wäger, UR 2015, 576 (581); kritisch auch Nieskens, UR, 2015, 419 (424); Heinrichshofen/Matheis, UVR 2015, 175 (179). 41 EuGH, Urt. v. 3.9.2015, Rs. C-526/13, Fast-Bunkering Klaipèda, UR 2015, 785.

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Die Warenbewegung ist daher der Lieferung A-B zuzuordnen; die Lieferung B-C ist ruhend. Auf die Lieferung A-B ist die Vorstufenbefreiung nicht anwendbar, da es sich um eine der endgültigen Lieferung B-C vorhergehende Handelsstufe handelt. c) Entscheidung des EuGH Der EuGH kam vorliegend allerdings unerwartet zum gegenteiligen Ergebnis und entschied wie folgt (Kürzung des Tenors durch den Verfasser): 1. Art. 148 Buchst. a der MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung grundsätzlich nicht auf Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung von Schiffen an im eigenen Namen handelnde Mittelspersonen anwendbar ist […]. 2. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens kann diese Steuerbefreiung jedoch anwendbar sein, wenn die Übertragung des Eigentums an den betreffenden Gegenständen auf diese Mittelspersonen […] frühestens mit dem Zeitpunkt zusammenfällt, zu dem den Betreibern der auf hoher See eingesetzten Schiffe die Befähigung übertragen wurde, über diese Gegenstände faktisch so zu verfügen, als wären sie ihr Eigentümer […]. Zur näheren Begründung enthält das Urteil folgende bemerkenswerte Ausführungen (Kürzungen und Umstellungen durch den Verfasser): „[Die] Mittelspersonen [waren], auch wenn das Eigentum am Kraftstoff formell […] auf sie übertragen worden war und […] sie im eigenen Namen handelten, zu keinem Zeitpunkt in der Lage […], über die gelieferten Mengen zu verfügen, da die Verfügungsgewalt darüber ab dem Einfüllen des Treibstoffs […] den Schiffsbetreibern zustand.42. […] [Daher] können die […] Umsätze nicht als Lieferungen an im eigenen Namen handelnde Mittelspersonen eingestuft werden, sondern sind als unmittelbar an die Schiffsbetreiber erfolgte Lieferungen anzusehen […]43“

Der EuGH verneint also in einem Fall, in dem der Liefergegenstand (hier: Bunkeröl) unmittelbar vom Erstlieferanten (A) an den Letztabnehmer (C) gelangt, das Vorliegen einer Lieferkette über den Zwischenhändler (B). Er geht von nur einer unmittelbaren Lieferung A an C aus. Begründet wird dies damit, dass hier der mittlere Unternehmer (B) letztlich keine Ver-

42 EuGH, Urt. v. 3.9.2015, Rs. C-526/13, Fast-Bunkering Klaipèda, UR 2015, 785, Rz. 50. 43 EuGH, Urt. v. 3.9.2015, Rs. C-526/13, Fast-Bunkering Klaipèda, UR 2015, 785, Rz. 52.

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fügungsmacht erlange, da diese bereits zeitgleich dem Letztabnehmer verschafft werde. Damit wird der für mehrere hintereinandergeschaltete Umsätze im Reihengeschäft gerade typische und erforderliche Durchgangserwerb beim mittleren Unternehmer negiert.

3. Folgefragen Die unter Ziff. 2 dargestellten neuen höchstrichterlichen Urteile geben Anlass zu einer Reihe von Fragen, auf die nachfolgend näher eingegangen werden soll.

3.1. Gibt es das Reihengeschäft noch? Nimmt man den EuGH beim Wort, wären die oben wiedergegebenen Passagen aus der Begründung des EuGH-Urteils vom 3.9.2015, Rs. C-526/13, Fast-Bunkering Klaipèda, wohl so zu verstehen, dass immer dann, wenn bei hintereinandergeschalteten Lieferungen über denselben Gegenstand dieser unmittelbar i.S.d. § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt, der Zwischenerwerber (also der mittlere Unternehmer) keine Verfügungsmacht erlangt. Umsatzsteuerlich fände damit gar keine Lieferung an den mittleren Unternehmer statt. Damit läge nur eine Lieferung des ersten an den letzten Unternehmer vor. In einem Reihengeschäft mit drei Beteiligten A, B und C müsste daher A nicht B sondern C den Umsatz in Rechnung stellen; aus einer Rechnung an B würde die Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet. B hätte aus dieser Rechnung keinen Vorsteuerabzug. Es ist indes ziemlich offenkundig, dass sich der EuGH in der zitierten Entscheidung nicht zum Reihengeschäft äußern und schon gar nicht die von ihm selbst in den Urteilen EMAG Handel Eder, Euro-Tyre-Holding und VSTR mitgeprägte neue Reihengeschäftsdogmatik über den Haufen werfen wollte. Andernfalls hätte er sich mit der genannten Rechtsprechung abgrenzend auseinandersetzen müssen. Möglicherweise ist er auf die Reihengeschäftsproblematik im vorgelegten Fall auch deshalb nicht gekommen, weil es sich dabei um einen reinen Inlandssachverhalt gehandelt hat. Erkennbar sind die Ausführungen des EuGH fokussiert auf die Begründung der Vorstufenbefreiung für die Lieferung an den Zwischenhändler44. Im Urteilstenor finden sich die problematischen Be44 Dass das Urteil in dieser Hinsicht allerdings ebenfalls nicht überzeugt, soll hier nicht erörtert werden.

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gründungselemente auch nicht wieder. Im Gegenteil: hier wird auf die „Lieferungen […] an im eigenen Namen handelnde Mittelspersonen“ abgestellt. Entgegen der Urteilsbegründung scheint der EuGH sie also doch als existent vorauszusetzen. Daran sollte man ihn festhalten, das Urteil im Übrigen unter der Rubrik „Irrungen“ ablegen und die hier gestellte Frage nach seiner Auswirkung auf das umsatzsteuerliche Reihengeschäft verneinen.

3.2. Zuordnung der Warenbewegung anhand der Verschaffung der Verfügungsmacht? Grundsätzlich richtet sich der Zeitpunkt der Lieferung gem. § 3 Abs. 1 UStG nach der Verschaffung der Verfügungsmacht. Bei bewegten Lieferungen und ruhenden Lieferungen im Reihengeschäft werden Umsatzort und damit nach h.M. auch -zeitpunkt45 unabhängig von der tatsächlichen Verschaffung der Verfügungsmacht nach § 3 Abs. 6 S. 1 und Abs. 7 S. 2 UStG auf den Beginn bzw. das Ende der Beförderung/Versendung festgelegt. Das scheint auch der BFH so zu sehen46. Nach der Rechtsprechung des EuGH und des XI. Senats soll gleichwohl für die Zuordnung der Warenbewegung im Reihengeschäft die Verschaffung der Verfügungsmacht maßgebend sein. Sie könne, so Rz. 66 des Urteils XI R 15/14, z.B. in der Eigentumsübertragung oder der freiwilligen Übergabe an den Erwerber zu sehen sein. Verfügungsmacht i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG setzt allerdings die Befähigung, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen, voraus. Dafür ist die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag am Gegenstand erforderlich47. Der Übergang des Eigentums ist dagegen für die Verschaffung der Verfügungsmacht i.S.v. § 3 Abs. 1 UStG gerade nicht entscheidend48, die bloße körperliche Übergabe ebensowenig. So findet z.B. bei der Sicherungsübereignung trotz Eigentümerwechsel keine Verschaffung der Verfügungsmacht statt, beim Verkauf unter Eigentumsvorbehalt dagegen schon; im Fall des Kaufs auf Probe kommt es trotz körperlicher Übergabe (zunächst) zu keiner Verschaffung der Verfügungsmacht49.

45 Vgl. m.w.N. Nieskens, UR 2013, 823 (825), vgl. auch Abschn. 3.12. Abs. 7 Satz 1 UStAE. 46 BFH, Urt. v. 25.2.2015, XI R 15/14, UR 2015, 391, Rz. 56 f. 47 BFH, Urt. v. 8.9.2011, V R 43/10, BStBl. II 2014, 203. 48 Martin, Sölch/Ringleb, § 3 Rz. 70. 49 Flückiger in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 3 Abs. 1, Rz. 147.

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Was also konkret meint die Rechtsprechung mit ihren wenig präzisen Hinweisen zum Verfügungsmachtwechsel? Eine neue, faktische50 Form der Verfügungsmacht? Und unter welchen Bedingungen geht die eigentümerähnliche Verfügungsmacht nicht auf den Letzterwerber über, wenn dieser die Ware beim Lieferanten abholt und in eigener Verantwortung transportiert? Hierbei dürfte es sich allenfalls um völlig atypisch gelagerte Fälle wie z.B. ein auflösend bedingtes Mietverhältnis oder einen Kauf auf Probe handeln51. Im Regelfall wird bei Liefergeschäften die Verschaffung der Verfügungsmacht bei Abholung auf den Abholer stattfinden, da der Lieferer dann alles Erforderliche für den Eintritt des Liefererfolgs getan hat. Rz. 35 des Urteils XI R 30/13 scheint ebenfalls von diesem Regelfall auszugehen. Im Leitsatz desselben Urteils werden dagegen die Ausnahme (keine Verschaffung der Verfügungsmacht) zum theoretischen Regelfall und der tatsächliche Regelfall (Verschaffung der Verfügungsmacht) zur nachweispflichtigen Ausnahme.

3.3. Zeitliche oder örtliche Betrachtung maßgebend? Sofern es mit der Rechtsprechung für die Zuordnung der Warenbewegung auf die Verschaffung der Verfügungsmacht auf den Zweiterwerber ankommen soll, wird aus der Gesamtschau aller Entscheidungen von EuGH und BFH nicht deutlich, ob dabei eine zeitliche Betrachtung („bevor die innergemeinschaftliche Beförderung erfolgt“) oder eine örtliche Betrachtung („bereits im Inland“) anzustellen ist; die Urteile verwenden sowohl die eine als auch die andere Formulierung. Ausweislich der beiden jüngsten Entscheidungen des XI. Senats scheint man sich aber für eine örtliche Betrachtungsweise entschieden zu haben. Danach reicht der Übergang der Verfügungsmacht im Abgangsmitgliedstaat aus, er muss nicht zwingend noch vor dem Beginn des Transports stattfinden. Unklar bleibt dann aber, warum der BFH im konkreten VSTRFall nicht von einem Übergang der Verfügungsmacht auf den Letzterwerber im Inland (nämlich Lübeck) ausgegangen ist und damit eine Zuordnung der Warenbewegung zur zweiten Lieferung vorgenommen hat.

50 So drückt es Heuermann in DB 2015, 1303 (1305) aus. 51 So auch Wäger in UR 2015, 576 (581).

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3.4. Umfassende Einzelfallwürdigung im Massengeschäft handhabbar? Nach der Rechtsprechung des EuGH und BFH soll die Frage der Verschaffung der Verfügungsmacht anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantwortet werden. Die bisherige Praxis stellt dagegen weitgehend typisierend auf die Lieferbedingungen („Incoterms“) und die verwendete USt-IdNr. ab52. Dies kommt dem Bedürfnis nach einfacher und rechtssicherer Zuordnung der Warenbewegung entgegen, da beide Kriterien in der Regel von den mit der Abwicklung der Umsätze betrauten Mitarbeitern in den beteiligten Unternehmen einfach und sofort feststellbar sein dürften. Insbesondere die verwendete USt-IdNr. ist ein klares Kriterium, das eigentlich keine Zweifel aufkommen lassen sollte. Demgegenüber soll nach der Rechtsprechung jedes Geschäft en détail auf die konkreten Umstände geprüft werden, um „das jeweils Vereinbarte“53 zu ergründen. Indes: eine umfassende Würdigung aller Gesamtumstände des Einzelfalls ist im Tagesmassengeschäft kaum zu bewältigen und wäre auch nicht rechtssicher54, solange erst im Nachhinein alles zur Beurteilung Relevante ermittelt werden kann. Auch nach der Entscheidung des XI. Senats in der Rechtssache XI R 30/13 steht z.B. weiterhin nicht fest, wie der Sachverhalt sich am Ende der erneuten Würdigung, die das Finanzgericht nun auf Grund der Zurückverweisung nochmals vornehmen muss, darstellen wird. Der praktischen, i.E. standardisierten Handhabung sind die Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung aufstellt, abträglich. Auch der Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG hilft hier nicht weiter, da er nur zum Tragen kommt, wenn der Abnehmer den Lieferer täuscht, nicht aber, wenn sich ein Beteiligter in der rechtlichen Gesamtwürdigung des Falls irrt.

3.5. Reihengeschäft auch bei gebrochener Lieferung? Der BFH geht in den beiden VSTR-Entscheidungen nicht auf die Frage des gebrochenen Transports im Reihengeschäft ein. Vielmehr wird die noch im Inland auf den Zweiterwerber übergehende Verfügungsmacht ausdrücklich als Fall der Widerlegung der gesetzlichen Regelvermutung angesehen. 52 Abschn. 3.14. Abs. 10 UStAE. 53 Heuermann, DB 2015, 1303 (1305). 54 So etwa Nieskens, UR 2015, 419 (425); Looks, MwStR 2015, 52 (55).

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Verfügungsmacht kann jedoch, wenn keine Direktabholung durch den Letzterwerber beim Erstlieferanten vorliegt, auf den Letzterwerber im Inland nur dann bereits übergehen, wenn auch die Transportverantwortlichkeit von einem Vorlieferanten zum Letztabnehmer wechselt, also nur dann, wenn der erste Teil der Beförderung oder Versendung durch den Erstlieferer oder den mittleren Unternehmer wahrgenommen wird und der Letztabnehmer nur für den letzten Teil des Weges die Beförderung selbst – im Wege des Selbsteintritts oder der Beauftragung eines Transporteurs – übernommen hat. Das wäre entsprechend der oben unter 1.2. dargestellten Verwaltungsauffassung aber eine Durchbrechung des unmittelbaren Transports zum Bestimmungsort, es läge mithin kein Reihengeschäft vor. Bei genauerer Betrachtung des Gesetzeswortlauts verlangt § 3 Abs. 6 S. 5 UStG aber nur das unmittelbare Gelangen der Ware „an den letzten Abnehmer“, nicht aber – wie es die Verwaltungsauffassung fälschlicherweise annimmt – zum Bestimmungsort. Nach dem Gesetz reicht es also aus, dass die Ware bis dorthin gelangt, wo sie der letzte Abnehmer (bestimmungsgemäß) übernimmt. Das muss nicht der Ort sein, wohin die Ware letztlich gelangt. Für die Annahme eines Reihengeschäfts ausreichend ist mithin, wenn der Transport vom ersten Lieferer bis zur Übernahme durch den Letzterwerber ungebrochen ist. Der Weitertransport durch den Letzterwerber an den endgültigen Bestimmungsort schließt sich daran nur als unternehmensinterner, für das Reihengeschäft irrelevanter Vorgang an55. Dieser führte im Fall des Grenzübertritts m.E. nicht zu einem innergemeinschaftlichen Verbringen nach § 3 Abs. 1a UStG, woraus eine Registrierungspflicht des Letztabnehmers im Inland resultierte. Vielmehr wäre der Vorgang analog § 3 Abs. 6 S. 1 UStG als Abholung (Beförderung oder Versendung durch den Abnehmer) im Lieferverhältnis zwischen dem mittleren Unternehmer und dem Letztabnehmer zu würdigen, die dem mittleren Unternehmer zugerechnet wird. Auch bei dieser Sichtweise wäre im VSTR-Fall allerdings die erste Lieferung steuerpflichtig gewesen und nicht die zweite.

55 Vgl. auch Wäger, UR 2015, 576 (579).

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3.6. Berücksichtigung der übereinstimmenden Behandlung durch die Umsatzbeteiligten? Der XI. Senat hält es für möglich, bei der Gesamtwürdigung zum Übergang der Verfügungsmacht zusätzlich zu berücksichtigen, dass alle Beteiligten den Umsatz in bestimmter Weise abgerechnet haben56. Bedeutet dies, dass aus einer Rechnungsstellung, die zwar nach der gesetzlichen Subsumtion falsch, aber immerhin konsequent falsch (also gewissermaßen folgerichtig) ist, das Vorliegen des tatsächlichen Sachverhalts hergeleitet werden kann? Das überrascht. Denn für die tatbestandliche Zuordnung der Warenbewegung sollen eigentlich objektive Umstände maßgebend sein, wie auch der XI. Senat selbst nochmal bekräftigt hat57. Die subjektive Behandlung durch die Beteiligten kann danach eigentlich keine entscheidende Rolle spielen. Denn ein verwirklichter steuerlicher Tatbestand wird nicht durch eine ggf. falsche steuerliche Würdigung durch die Beteiligten, z.B. den fehlerhaften Ausweis der Umsatzsteuer in der Rechnung, beeinflusst. Subjektive Vorstellungen der Beteiligten verändern nämlich den objektiv verwirklichten Tatbestand nicht. Vielmehr ist es umgekehrt, dass die Tatbestandsverwirklichung die Rechnungsstellung determiniert. Könnte ein verwirklichter steuerlicher Tatbestand durch eine ggf. falsche steuerliche Würdigung durch die Beteiligten beeinflusst werden, bekäme die Rechtsfolge Tatbestandswirkung. Man wird den BFH also nur dahingehend verstehen können, dass die Rechnungsstellung ein Indiz sein kann für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts. Allerdings kann dies nicht das allein entscheidende oder auch nur das ausschlaggebende Indiz für die nach objektiven Umständen zu beurteilende Zuordnung der Warenbewegung sein. Der Gesichtspunkt der Rechnungsstellung kann m.E. allenfalls zur Bestätigung eines bereits anderweitig gefundenen Ergebnisses herangezogen werden. Die objektiven Umstände haben Vorrang.58

3.7. Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung trotz nicht existenter USt-IdNr. des Abnehmers? Eine aus Sicht der Umsatzsteuerkontrolle nicht unerhebliche Frage ist auch die, wie es in der causa VSTR möglich sein soll, dass die Lieferung

56 BFH, Urt. v. 25.2.2015, XI R 30/13, UR 2015, 402, Rz. 39. 57 BFH, Urt. v. 25.2.2015, XI R 14/15, UR 2015, 391, 3. Leitsatz. 58 Wäger, UR 2015, 576 (582).

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des inländischen Klägers an den mittleren Unternehmer – unterstellt, diese sei eine bewegte Lieferung im Reihengeschäft – steuerfrei ist. Denn der Abnehmer des inländischen Klägers hat keine USt-IdNr. und ist in keinem Mitgliedstaat der EU registriert. Die verwendete USt-IdNr. gehörte vielmehr einem Dritten, dem Letztabnehmer. Die USt-IdNr. wurde bei Einführung des Binnenmarktes als Ersatz für den Wegfall der physischen Grenzkontrollen geschaffen, um sicherzustellen, dass auch im Binnenmarkt die zutreffende Belastung des Endverbrauchs mit Mehrwertsteuer gewährleistet bleibt. Sie ist damit zentrales Element in dem in sich geschlossenen System der steuerlichen Behandlung innergemeinschaftlicher Liefer- und Erwerbsvorgänge. Gleichwohl hat es die Rechtsprechung in bestimmten Fällen zugelassen, dass ein grenzüberschreitender Liefervorgang auch ohne Aufzeichnung einer USt-IdNr. des Lieferempfängers umsatzsteuerfrei sein kann, und zwar dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG (insbesondere das Gelangen in den anderen Mitgliedstaat) vorliegen59. Die Rechtsprechung beschränkte sich bislang allerdings im Wesentlichen auf Aussagen zur formellen Nachweisführung und damit in Bezug auf die USt-IdNr. auf deren Aufzeichnung als Bestandteil des Buchnachweises, der seinerseits keine materielle Tatbestandsvoraussetzung für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung sein soll. Auch im Urteil vom 21.1.2015 verneint der BFH60 erneut eine materielle Bedeutung der USt-IdNr. für die Steuerbefreiung. Vielmehr ergebe sich aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass es sich dabei um ein formelles Erfordernis handele61. Es bestehe jedenfalls keine strenge Konnexität in der Weise, dass die Steuerbefreiung nur zu gewähren ist, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb tatsächlich besteuert wird. Letzteres ist zwar zutreffend. Auch mögen Fehler bei der Aufzeichnung der USt-IdNr. dann unschädlich sein, wenn der Abnehmer im anderen MS registriert ist und die Ware objektiv auch dorthin gelangt ist. Dann ist die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Erwerbs-

59 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.9.2007, Rs. C-409/04, Teleos, BStBl. II 2009, 70, und Rs. C-146/05, Collèe, BStBl. II 2009, 78; BFH, Urt. v. 6.12.2007, V R 59/03, BStBl. II 2009, 57. 60 BFH, Urt. v. 21.1.2015, XI R 5/13, BStBl. II 2015, 724. 61 BFH, Urt. v. 21.1.2015, XI R 5/13, BStBl. II 2015, 724, Rz. 36 m.w.N.

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mitgliedstaat erforderlich und möglich; die korrespondierende Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung im Ursprungsland kann daher gewährt werden. Zu hinterfragen ist aber, ob es ebenfalls ohne materielle Wirkung auf die Steuerbefreiung sein kann, wenn der Empfänger im Empfangsland, z.B. weil er dort nicht gebietsansässig ist und auch keine Niederlassung unterhält, gar nicht steuerlich registriert ist und damit überhaupt keine USt-IdNr. hat. Denn der Liefervorgang unterliegt dann mangels Registrierung m.E. nicht, wie es § 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG materiell voraussetzt, beim Empfänger im Bestimmungsmitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung. Dies gilt erst Recht deshalb, weil in einem solchen Fall kaum anzunehmen ist, dass er seine Registrierungspflicht im Bestimmungsland nachträglich erfüllen würde. Denn er hätte dazu keinerlei Anreiz mehr, da er die Ware bereits steuerentlastet erhalten hat. Im EuGH-Verfahren Rs. C-24/15, Josef Plöckl,62 wird die Bedeutung der USt-IdNr. für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung erneut eine Rolle spielen63. Das Problem hat allerdings durch das Grundsatzurteil des BFH vom 19.3.201564 m.E. an Bedeutung eingebüßt. Denn in dieser Entscheidung nähert sich der BFH wieder der früheren Rechtslage an, nach der Belegund Buchnachweise materielle Voraussetzung der Steuerfreiheit sind65. Steht danach nicht bereits objektiv und unbestreitbar fest, dass die Ware in einen anderen Mitgliedstaat gelangt ist, ist eine Nachweisführung, etwa durch Zeugenbeweis, nur möglich, wenn der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden kann. Fehlt eine USt-IdNr. des Leistungsempfängers, wird danach die Befreiung also schon meist deshalb ausscheiden, weil der Buch- und Belegnachweis nach § 17a und § 17c UStDV nicht vollständig geführt werden kann. Wenn dem Lieferant bekannt ist, dass es sich nicht um die USt-IdNr. seines Abnehmers handelt (so z.B. im VSTR-Fall), kommt wegen der Aufzeichnung der falschen USt-IdNr. auch kein Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG in Betracht. Denn der Lieferant unterlag keiner Täuschung.

62 Vgl. Vorlagebeschluss des FG München v. 4.12.2014, 14 K 1511/14, EFG 2015, 516. 63 Hier geht es darum, ob eine Steuerbefreiung für ein innergemeinschaftliches Verbringen zu versagen ist, wenn der Verbringer keine USt-IdNr. im Empfangsland besitzt und dementsprechend auch nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet hat. 64 BFH, Urt. v. 19.3.2014, V R 14/14, UR 2015, 719. 65 Auch Wäger, UR 2015, 702, (704) versteht die Entscheidung offenbar so.

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4. Mögliche gesetzliche Reaktionen Die umsatzsteuerliche Behandlung des Reihengeschäfts ist in der MwStSystRL nicht ausdrücklich geregelt, hat aber die dazu ergangene unionsrechtliche Rechtsprechung zu berücksichtigen. In seinen abstrakten Rechtsaussagen zur Zuordnung der Warenbewegung im Reihengeschäft bezieht sich der BFH dementsprechend auf die Auslegung der MwStSystRL durch den EuGH. Trotz aller vorstehend geäußerten Kritik wird man deshalb auf untergesetzlichem Weg allenfalls übergangsweise die praxisgerechtere bisherige, oben unter Tz. 1.1. dargestellte Behandlung des Reihengeschäfts auf der Basis des Umsatzsteueranwendungserlasses noch fortführen können. Auch der XI. Senat selbst hat die Praxisfolgen offenbar im Auge, wenn er eine gesetzliche Regelung zur Zuordnung der Warenbewegung, insbesondere die Schaffung anderer widerlegbarer Vermutungen anregt, wobei er dem Gesetzgeber – im Rahmen des Unionsrechts – in der Typisierung der Zuordnung der Warenbewegung im Reihengeschäft m.E. einen gewissen Spielraum zuerkennt66. Dies hat der Bundesrat in seinem Beschluss vom 8.5.2015 aufgegriffen und eine praxisgerechte Ausgestaltung des § 3 Abs. 6 Sätze 5 und 6 UStG angemahnt, die die durch die Rechtsprechung entstandenen Rechtsunsicherheiten wieder beseitigt67. Die Fachebene der Verwaltung favorisiert zwischenzeitlich eine gesetzliche Regelung, nach der die Zuordnung der Beförderung oder Versendung bei Reihengeschäften so eindeutig klargestellt wird, dass eine umfassende Einzelfallwürdigung mit allen sich daraus ergebenden Unwägbarkeiten möglichst überflüssig gemacht wird. Grundsätzlich soll daher auf ein für alle Beteiligten gleichermaßen eindeutig festzustellendes Kriterium abgestellt werden. Dies ist aus der Sicht der Praxis die verwendete UStIdNr.68, zumal dies auch kompatibel mit den Regelungen zum innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft (§ 25 b UStG) und zum § 3d Satz 2 UStG wäre, die ebenfalls tatbestandlich an der Verwendung bestimmter USt-IdNrn. anknüpfen. Wegen des Abstellens der EuGH-Rechtsprechung auf den Einzelfall soll das Gesetz aber gleichwohl Tatbestandselemente des Übergangs der Verfügungsmacht enthalten.

66 BFH, Urt. v. 25.2.2015, XI R 14/15, UR 2015, 391, Rz. 71. 67 BR-Drs. 121/15. 68 Vgl. dazu u.a. Nieskens, UR 2013, 823 (830); Heinrichshofen/Matheis, UVR 2015, 175 (181).

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Folgende Eckpunkte einer Neuregelung haben sich in der Diskussion herauskristallisiert: –

Beibehaltung des Grundsatzes, dass es im Reihengeschäft nur eine bewegte Lieferung gibt.



Beibehaltung der Differenzierung der bisherigen drei Fallgruppen nach der Transportverantwortlichkeit des ersten Lieferers, des letzten Abnehmers und des mittleren Unternehmers: (1) bei Transportverantwortlichkeit des ersten Lieferers ist seine Lieferung die bewegte (denn die Verschaffung der Verfügungsmacht findet hier stets erst bei Ablieferung beim Letztabnehmer statt); (2) bei Transportverantwortlichkeit des letzten Abnehmers ist die Lieferung an ihn die bewegte (denn die Verschaffung der Verfügungsmacht findet hier stets bereits bei Abholung beim Erstlieferanten statt); (3) bei Transportverantwortlichkeit des mittleren Unternehmers muss dessen Eigenschaft als Lieferer zum Zwecke der Zuordnung der Warenbewegung anhand nachfolgender Kriterien festgestellt werden: –

Gesetzliche Regelvermutung: Handeln als Abnehmer, daher ist die erste Lieferung die bewegte.



Zur Widerlegung der Vermutung ist als vereinfachter Nachweis des Handelns als Lieferer





bei innergemeinschaftlichen Lieferungen die Verwendung der USt-IdNr. des Abgangsstaates ausreichend (spätestens bei Ausführung der Lieferung);



bei Drittlandsreihengeschäften soll die zollrechtliche Eigenschaft als Ausführer bzw. Einführer maßgebend sein.

Eine umfassende Einzelfallwürdigung zur Feststellung der Verschaffung der Verfügungsmacht soll Auffangkriterium sein für den Fall, dass nach den vorgenannten Kriterien keine Zuordnung erfolgen kann. Hierbei sollen insbesondere die Mitteilung des Weiterverkaufs sowie die vereinbarten Lieferkonditionen eine indizielle Rolle spielen.

Eine gesetzliche Regelung mit vorstehend beschriebenen Eckpunkten würde die von der Rechtsprechung vorgesehene Anknüpfung an die Verschaffung der Verfügungsmacht in typisierender Form aufgreifen. Denn

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im Fall des Transports durch den ersten oder letzten Abnehmer würde der Verfügungsmachtübergang gesetzlich fingiert. Und im Fall des Transports durch einen mittleren Unternehmer reichte als Nachweis einer abweichenden Zuordnung der Warenbewegung in aller Regel allein die verwendete USt-IdNr. aus und damit an ein von allen Beteiligten einfach und sicher festzustellendes Merkmal. Nur in Ausnahmefällen käme es ersatzweise noch auf die aufwändige Einzelfallwürdigung an.

5. Fazit Die umsatzsteuerliche Beurteilung von innergemeinschaftlichen Reihengeschäften ist durch die jüngere Rechtsprechung des BFH erneut nicht geklärt worden. Die Grundsätze, die der BFH herausgearbeitet hat, sind zum einen wenig praxistauglich. Zum anderen stimmen sie in Bezug auf Reihengeschäfte, bei denen der Letztabnehmer den Transport der Waren übernimmt, nicht mit den regelmäßig in diesen Fällen vorzufindenden tatsächlichen Verhältnissen überein. Den Lösungsweg hat der BFH allerdings selbst vorgezeichnet: es bedarf einer gesetzlichen Regelung. Eine Änderung des § 3 Abs. 6 UStG nach dem hier skizzierten Modell würde das Reihengeschäft für die Beteiligten in der Regel rechtssicher gestaltbar machen und wäre gleichwohl unionsrechtskonform, da eine Einzelfallwürdigung im Ausnahmefall noch möglich bleibt. Eine Entscheidung dazu, wann eine solche Regelung gesetzgeberisch umgesetzt werden soll, steht allerdings derzeit noch aus.

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Neues zur Organschaft und Vorsteueraufteilung Professor Dr. Thomas Küffner Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, München Dr. Michael Rust Rechtsanwalt, München Inhaltsübersicht 1. Hintergrund 2. Vorsteuerabzug einer (Führungs-)Holding 2.1 Vorgaben des EuGH 2.2 Entscheidung des BFH in Hinblick auf das Recht auf Vorsteuerabzug

3. Vorliegen einer Organschaft 3.1 GmbH & Co. KG als Organgesellschaft 3.2 Organisatorische Eingliederung

1. Hintergrund Der BFH1 hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, welche Vorsteuerquote eine Führungsholding anzuwenden habe. Inzident setzte der BFH dabei voraus, dass die Eingangsleistungen auch teilweise im Zusammenhang mit dem nicht steuerbaren Erwerb und dem Halten der Beteiligungen stünden. Dem widersprach der EuGH in den verbundenen Rechtssachen Larentia + Minerva & Marenave2. Er bestätigte, dass ein volles Vorsteuerabzugsrecht besteht, wenn die Holding in die Verwaltung der Tochtergesellschaft eingreift und hierdurch steuerpflichtige Umsätze erbringt. Im Hinblick auf die weitere Vorlagefrage des BFH entschied der EuGH, dass es auch einer Personengesellschaft aufgrund von Art. 11 MwStSystRL grundsätzlich möglich sein muss, Organgesellschaft zu sein. Das Unionsrecht lasse den Mitgliedstaaten grundsätzlich keinen Spielraum, um Personengesellschaften von der Organschaft auszuschließen. § 2 Abs. 2

1 BFH, Beschl. v. 11.12.2013 – XI R 17/11, BStBl. II 2014, 417; BFH, Beschl. v. 11.12.2013 – XI R 38/12, BStBl. II 2014, 428. 2 EuGH, Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14, Rs. C-109/14, Larentia + Minerva & Marenave, DB 2015, 1696.

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Küffner/Rust, Neues zur Organschaft und Vorsteueraufteilung

Nr. 2 UStG muss diese Möglichkeit daher prinzipiell vorsehen. Der Ausschluss könne allenfalls damit begründet werden, dass er der Vermeidung einer Steuerhinterziehung dient (vgl. Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL). Ob der Ausschluss einer Personengesellschaft diesem Ziel tatsächlich dient, sei aber vom nationalen Gericht zu prüfen. Ebenso hat der EuGH zum nationalen Erfordernis einer Eingliederung in Form eines Unterordnungsverhältnisses entschieden. Auch ein solches Erfordernis kann nur mit der Vermeidung von Steuermissbrauch begründet werden, da die Richtlinie lediglich eine enge Verbundenheit fordert. Nun war es an dem XI. Senat als vorlegendes Gericht, die Vorgaben des EuGH auf den konkreten Sachverhalt anzuwenden. Interessanterweise hatte vor dem vorlegenden XI. Senat bereits der V. Senat des BFH versucht, die Vorgaben zur Organschaft auf das nationale Recht zu übertragen. Der V. Senat ist mit Urteil vom 2.12.20153 zu dem Ergebnis gelangt, dass Personengesellschaften in eine Organschaft einbezogen werden können, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Der vorlegende XI. Senat des BFH hat nunmehr mit Urteil vom 19.1.20164 seine erste Nachfolgeentscheidung gefällt. Der Sachverhalt stellte sich zusammengefasst wie folgt dar: Die Klägerin war eine (Führungs-)Holding in der Rechtsform einer AG. Sie war als Kommanditistin an mehreren GmbH & Co. KGs jeweils zu mehr als 99 % beteiligt. Weitere Kommanditistin war eine dritte Person. Die AG erbrachte an die GmbH & Co. KGs entgeltlich Geschäftsführungsleistungen und erhielt Zinsen für Darlehensgewährungen. Daneben vereinnahmte sie Zinsen aus Geldanlagen bei Kreditinstituten. Streitig war der Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen im Zusammenhang mit Kapitalerhöhungen der GmbH & Co. KGs.

2. Vorsteuerabzug einer (Führungs-)Holding 2.1 Vorgaben des EuGH Zur Erinnerung: Im Hinblick auf die Frage des Vorsteuerabzugs der (Führungs-)Holding trat der EuGH in seiner Entscheidung vom 16.7.20155 3 BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 25/13, DB 2016, 267. 4 BFH, Urt. v. 19.1.2016 – XI R 38/12, DB 2016, 626. 5 EuGH, Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14, Rs. C-109/14, Larentia + Minerva & Marenave, DB 2015, 1696.

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der Auffassung des BFH in dessen Vorlagebeschlüssen entgegen und bestätigte seine bisherige Rechtsprechung. Der EuGH stellte fest, dass Eingriffe einer Holding in die Verwaltung von Gesellschaften als wirtschaftliche Tätigkeit einzustufen sind, wenn sie entgeltlich erbracht werden. Solche (Führungs-)Holdings werden insoweit unternehmerisch tätig und erbringen an ihre Tochtergesellschaften steuerpflichtige Umsätze, wie z.B. administrative, finanzielle, kaufmännische und technische Dienstleistungen6. Aus diesem Grund steht diesen Holdings auch das Recht auf Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen zu. Nach dem EuGH ist der Vorsteuerabzug nur dann möglich, wenn die Eingangsleistungen direkt und unmittelbar mit zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen zusammenhängen. Denn gem. Art. 168 MwStSystRL kommt der Vorsteuerabzug eines Unternehmers nur in Betracht, wenn die Eingangsleistungen „für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden“. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete USt als Vorsteuer abziehen, wenn diese aus Lieferungen und Leistungen „für sein Unternehmen“ resultiert. Notwendig ist insoweit ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang der Eingangsleistung mit der wirtschaftlichen Tätigkeit, d.h. mit entgeltlichen Leistungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG des Unternehmers7. Ein Vorsteuerabzug scheidet hingegen aus, wenn ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit oder einem steuerfreien Umsatz besteht8. Sofern ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsatz fehlt, ist nach Auffassung des EuGH der Vorsteuerabzug auch möglich, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Stpfl. gehören und Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen – so der EuGH – direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Stpfl. zusammen9. Soweit ein Steuerpflichtiger ausschließlich zum Vorsteuerabzug berechtigende Ausgangsumsätze hat, kann er derartige Vorsteuern vollständig abziehen. Soweit ein Unternehmer neben derartigen Umsätzen auch sog. Aus6 Vgl. dazu auch Abschn. 2.3. Abs. 3 UStAE. 7 Vgl. auch Abschn. 15.2b Abs. 2 Satz 1, 4 Nr. 1 UStAE. 8 Vgl. Abschn. 15.2b Abs. 2 Satz 4 Nr. 2, Abschn. 15.17. Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UStAE. 9 Vgl. Abschn. 15.2b Abs. 2 Satz 4 Nr. 3 UStAE.

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schlussumsätze erbringt, darf er allgemeine Aufwendungen nur nach einer zu bildenden Vorsteuerquote abziehen. Der BFH hatte nunmehr nach einer Aufteilungsquote für die Vorsteuern der aktiven Holding gefragt. Dabei hat er in der rechtlichen Begründung der Vorlagefrage vorausgesetzt, dass die Kosten der Holding zumindest auch – oder sogar in erster Linie – dem nicht steuerbaren Erwerb und dem nicht steuerbaren Halten der Beteiligung dienen. Hieraus ergäbe sich, dass die Holding allgemeine Aufwendungen nur nach einer Vorsteuerquote abziehen darf. Der EuGH erteilte diesem Ansatz des BFH eine Absage. Soweit eine Holding wirtschaftliche Leistungen an die von ihr gehaltenen Gesellschaften erbringt, existiert ein nichtwirtschaftlicher Bereich bei der Holding insoweit nicht. Somit ist die Führungsholding grundsätzlich zum vollständigen Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen berechtigt. Lediglich für den Fall, dass die Führungsholding nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende steuerfreie Umsätze erbringt, wäre der Vorsteuerabzug nur anteilig möglich. Hierfür gelten dann die Vorgaben der Art. 173–175 MwStSystRL.

2.2 Entscheidung des BFH in Hinblick auf das Recht auf Vorsteuerabzug Der BFH hat sich in seiner Nachfolgeentscheidung der Auffassung des EuGH angeschlossen. Da an die beiden GmbH & Co. KGs entgeltlich Umsätze erbracht wurden, handelt es sich um eine wirtschaftlich tätige Führungsholding. Der BFH gesteht das Recht auf Vorsteuerabzug deshalb grundsätzlich in vollem Umfang zu. Seinen früheren Einwand, dass nur ein teilweiser Vorsteuerabzug möglich sei, da die Kapitalbeschaffung auch mit dem (nichtwirtschaftlichen) Halten der Beteiligungen im Zusammenhang stehe, gibt der BFH auf. Aus diesen allgemeinen Kosten dürfe der volle Vorsteuerabzug in Anspruch genommen werden. Der BFH macht aber auf einer zweiten Stufe eine wichtige Einschränkung: Es müsse nämlich berücksichtigt werden, dass bei Finanzumsätzen der Vorsteuerabzug möglicherweise zu versagen ist. Denn bei Zinsen handelt es sich grundsätzlich um steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 8 UStG, die den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausschließen. Das bedeutet, durch derartige steuerfreie Ausgangsumsätze der Holding ist doch eine Vorsteuerquote zu bilden, bei der die Zinseinnahmen als schädliche Umsätze zu berücksichtigen sind.

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Etwas anderes gilt nur dann, wenn es sich bei der Darlehensvergabe, die zu den Zinsen führt, um einen Hilfsumsatz handeln würde, der nach der Vereinfachungsregel des § 43 Nr. 3 UStDV unberücksichtigt bleiben kann. In Bezug auf die Frage, was als „Hilfsumsatz“ zu werten ist, verweist der BFH darauf, dass § 43 Nr. 3 UStDV im Lichte des Zwecks von Art. 174 Abs. 2 Buchst. b und c MwStSystRL richtlinienkonform auszulegen ist. Im konkreten Fall lehnt der BFH die Annahme eines Hilfsumsatzes ab. Unerheblich sei bei dieser Frage, in welchem Verhältnis die Zinseinnahmen zu den Umsätzen aus der Haupttätigkeit stehen. Ausschlaggebend für die Verneinung eines Hilfsumsatzes war für den BFH vielmehr die Tatsache, dass die Zinseinnahmen nach den Feststellungen des FGs zur Haupttätigkeit der Holding gehörten. Gegenstand des Unternehmens waren u.a. der Erwerb und die Verwaltung von Finanzanlagen. Der BFH verweist insoweit auf die Tatsachenfeststellungen „auf S. 4 des FG-Urteils“. Mehr sagt der BFH an dieser zentralen Stelle des Urteils nicht.

3. Vorliegen einer Organschaft 3.1 GmbH & Co. KG als Organgesellschaft Der BFH schließt sich der Rspr. des V. Senats10 an und kommt zu dem Ergebnis, dass eine GmbH & Co. KG – obgleich der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur juristische Personen aufführt – eine Organgesellschaft sein kann. Er begründet dies mit der richtlinienkonformen Auslegung des Begriffs „juristische Person“. Der V. Senat11 ist zu dem gleichen Ergebnis gekommen, jedoch mit dem „Kunstgriff“ der teleologischen Extension12. Diese sei aber nach Auffassung des V. Senats nur möglich, wenn als Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur solche Personen fungieren, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Diese zusätzliche Einschränkung macht der XI. Senat bei GmbH & Co. KGs nicht. Er stellt lediglich fest, dass jedenfalls bei kapitalistisch strukturierten Personengesellschaften die richtlinienkonforme Auslegung möglich ist. Dies gebiete nicht nur der Grundsatz der Rechtsformneutralität, sondern es ergebe sich auch aus der Rspr. des BVerfG13 und des 10 11 12 13

BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 25/13, DB 2016, 267. BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 25/13, DB 2016, 267. Streit/Rust, DStR 2015, 2097, 2100 f. BVerfG, Beschl. v. 19.7.2000 – 1 BvR 539/96, BVerfGE 102, 197 = RS0815719.

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BVerwG14, die dieselbe Auslegung in anderem Zusammenhang bereits ebenfalls vorgenommen haben. Der XI. Senat beteuert, dass er im Ergebnis mit diesem Urteil nicht von der Rspr. des V. Senats abweicht, sondern nur in der Begründung. Dies trifft auf den ersten Blick auch zu. Gleichwohl ist zu bedenken, dass die AG im vorliegenden Streitfall nur 99 % der Anteile innehatte und es einen dritten Gesellschafter mit einem Mini-Anteil gab, der in die AG nicht finanziell eingegliedert war. Der V. Senat hatte demgegenüber gefordert, dass der Organträger oder finanziell in ihn eingegliederte Personen 100 % der Anteile halten müssen. Dies stellt u.E. sehr wohl eine Abweichung dar. Zumindest die Praxis der Steueranwender hätte hier von den beiden USt-Senaten eine einheitliche Linie erwartet. Dazu kam es leider nicht. So bleibt z.B. weiterhin unklar, ob eine GmbH & Co. KG, deren Kommanditist beispielsweise nur 80 % ihrer Anteile hält, in das Unternehmen des Kommanditisten eingegliedert sein kann. Hierzu wird in Kürze das BMF Stellung nehmen, wenn es sein angekündigtes BMF-Schreiben zur Thematik umsatzsteuerrechtliche Organschaft erlässt.

3.2 Organisatorische Eingliederung Interessant sind noch die Ausführungen des BFH zum Merkmal der organisatorischen Eingliederung. Wir erinnern uns: Der V. Senat hatte festgestellt, dass im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der Personengesellschaft notwendig ist. Nur wenn institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten bestehen, liege eine Eingliederung vor. Der V. Senat lehnte es ausdrücklich ab, die Organschaft aus Gründen des Unionsrechts auf lediglich eng miteinander verbundene Personen zu erweitern. Die Praxis wird es freuen, dass der XI. Senat eine solch enge Betrachtungsweise wohl nicht teilt. Er ließ die Frage aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen des FG offen. Er verwies lediglich auf den Schlussantrag des Generalanwalts, der die Voraussetzung eines starren Über- und Unterordnungsverhältnis als kritisch ansieht. So bleibt die Hoffnung für viele Konzerne, dass auch Konzernrichtlinien u.U. für die organisatorische Eingliederung ausreichend sein können.

14 BVerwG, Urt. v. 1.10.2015 – 7 C 8.14, D, RS1188654 = DVBl 2016, 188.

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Denn die Annahme, dass die Personenidentität der Geschäftsführungsorgane in einer Konzernstruktur möglich sei, ist lebensfremd. Die Willensdurchsetzung kann auch auf andere Weise geschehen. Dies zeigt auch die Praxis: Hält sich ein Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft nicht an die Konzernvorgaben, so war er die längste Zeit Geschäftsführer. Es wäre daher gut, wenn die Diskussion mit etwas mehr Augenmaß geführt würde.

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Veräußerungsgewinnbesteuerung für Streubesitzanteile und neues Investmentsteuerrecht? Regierungsdirektorin Dr. Bianca Lang Oberfinanzdirektion Karlsruhe Inhaltsübersicht 1. Einführung 2. Streubesitzbeteiligung – Funktionsweise des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG-E 3. Zeitpunkt 4. Unterjähriger Erwerb und Aufstockung der Beteiligung 5. Funktionsweise 5.1. Streubesitzdividende 5.1.1. Allgemeines 5.1.2. Gewerbesteuer 5.2 Veräußerungsgewinne bei Streubesitz 5.2.1 Ermittlung des Veräußerungsgewinns 5.2.2. Aufwendungen

5.2.3 Gewerbesteuer 5.2.4. Außensteuergesetz 5.3. Gewinnminderungen aus Streubesitz 5.3.1. Begriff der Gewinnminderung und verrechenbare Veräußerungsgewinne 5.3.2. Schedulenbesteuerung 6. UmwStG: Redaktionelle Anpassungen 7. Steuerermäßigung nach § 26a KStG-E 8. Zeitliche Anwendung

1. Einführung Seit dem Systemwechsel vom Vollanrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren durch das Steuersenkungsgesetz waren in- und ausländische Beteiligungserträge (Dividenden und Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen) bei Körperschaften nach § 8b KStG steuerfrei. Mit dem Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 in der Rechtssache C-284/09 (BGBl. I 2013, 561) wurde eine Steuerpflicht für Dividenden aus Beteiligungen im Streubesitz (Streubesitzdividenden) eingeführt. Mit der Aufhebung der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG für Streubesitzdividenden, die von inländischen Körperschaften und ausländischen Körperschaften mit einer inländischen Betriebsstätte bezogen werden, wurde die Dividendenbesteuerung für inländische und ausländische Kapitalgesellschaften angeglichen. Die Besteuerung erfolgt für in-

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ländische Kapitalgesellschaften und für ausländische Kapitalgesellschaften mit inländischer Betriebsstätte im Rahmen der Veranlagung und für ausländische Kapitalgesellschaften ohne inländische Betriebsstätte durch den abgeltenden Steuerabzug. In einer Protokollerklärung zu dem Gesetz zur Umsetzung des EuGHUrteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 hatte sich die Bundesregierung verpflichtet, im Zusammenhang mit der grundlegenden Reform der Investmentbesteuerung die künftige steuerliche Behandlung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitz erneut ergebnisoffen aufzugreifen und die notwendigen Folgerungen zu ziehen. Durch die Änderung des § 8b Abs. 4 werden künftig auch Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen im Streubesitz in die Steuerpflicht einbezogen. Da die Veräußerung einer Beteiligung einer Ausschüttung aller auf diese Beteiligung entfallenden offenen Rücklagen und stillen Reserven gleichkommt, meint die Bundesregierung sei eine steuerliche Gleichbehandlung systematisch gerechtfertigt. Durch den Gleichlauf der Besteuerung von Dividendenerträgen und Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungen im Streubesitz würden zudem Gestaltungen zur Umgehung der Steuerpflicht von Streubesitzdividenden vermieden. Eine Evaluierung des Verhaltens der Steuerpflichtigen nach Verabschiedung des Streubesitzdividendengesetzes im März 2013 ist allerdings bislang unterblieben. Im Übrigen bestand auch keine europarechtliche Notwendigkeit, die Veräußerung von Streubesitzbeteiligungen entsprechend den Streubesitzdividenden zu regeln. Das o.g. EuGH-Urteil vom 20.10.2011 greift lediglich die Diskriminierung ausländischer Muttergesellschaften hinsichtlich der Besteuerung von Dividendenerträgen auf. Während inländische Kapitalgesellschaften eine nahezu vollständige Entlastung von der KapSt verlangen können – ausgenommen ist lediglich der 5 %-Betrag gem. § 8b Abs. 5 KStG – kann eine im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft keine solche Entlastung in Deutschland geltend machen. Die KapSt hat hier abgeltende Wirkung (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG, § 50 Abs. 5 Satz 1 EStG). Betroffen sind hiervon lediglich Streubesitzdividenden. Denn nach § 43b EStG, der die M/T-RL umsetzt, wird ab einer Beteiligung von mindestens 10 % (ab 2009, vorher 15 %) grds. keine KapSt erhoben. Ansonsten beträgt die KapSt grds. 25 % (+ SolZ), wird aber im Regelfall durch DBA auf 15 % oder 10 % abgesenkt. Die Steuerpflicht bei Streubesitz gilt nur für Körperschaften. Bei Einkommensteuerpflichtigen, die Streubesitzerträge im Betriebsvermögen

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erzielen und bei Veräußerungen von Anteilen im Privatvermögen, die mindestens 1 % betragen (§ 17 EStG), gilt weiterhin das Teileinkünfteverfahren. Bei Beteiligungserträgen im Privatvermögen bleibt es bei der Besteuerung im Rahmen der Abgeltungsteuer. Anders als ursprünglich geplant wurde im Rahmen der Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuerreformgesetz – im Bundestag bereits beschlossen) das Gesetzesvorhaben nicht weiter verfolgt.

2. Streubesitzbeteiligung – Funktionsweise des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG-E Nach dieser Vorschrift wird nunmehr auch die Steuerbefreiung eines Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2 KStG versagt, wenn die unmittelbare Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres weniger als 10 % des Nennkapitals beträgt. Es kommt nicht zur steuerlichen Freistellung des Gewinns, sondern zur Berücksichtigung im Rahmen des zu versteuernden Einkommens gem. § 7 Abs. 1 KStG. Im Gegenzug findet auch § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG (5 %-Pauschale) keine Anwendung.1 § 8b Abs. 4 KStG-E fungiert somit als Ausnahme vom Grundsatz des § 8b Abs. 2 KStG, wonach „Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 EStG gehören (…), bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz“ bleiben. Wenn die Vorschrift somit auf eine Beteiligung abhebt, so kann dies nur eine sein, die zu „Bezügen“ i.S. der genannten einkommensteuerrechtlichen Vorschrift führt.2 Die Beteiligung muss „unmittelbar“ bestehen. Eine Zusammenrechnung unmittelbarer und mittelbarer Beteiligungen (z.B. über Tochtergesellschaften oder Organgesellschaften) kommt grds. nicht in Betracht. Eine Ausnahme besteht gem. § 8b Abs. 4 Satz 4 und 5 KStG lediglich hinsichtlich der über eine Mitunternehmerschaft gemittelten Beteiligung. Hier gelten dieselben Grundsätze wie bei der Streubesitzdividendenbesteuerung: Grds. ist nach § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG nur eine unmittelbare Beteiligung zu berücksichtigen. Einbezogen werden können daher grundsätzlich nur 1 Wiese/Lay, GmbHR 2013, 404, 408. 2 Herlinghaus, FR 2013, 529, 534; Benz/Jetter, DStR 2013, 489, 490; Hechtner/ Schnitger, Ubg 2013, 269, 271.

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Anteile an der Beteiligungskörperschaft, die dem Anteilseigner selbst als (wirtschaftlichem) Eigentümer gem. § 39 AO zuzurechnen sind. Eine mittelbare Beteiligung über eine andere Körperschaft zählt nicht. Hiervon sieht § 8b Abs. 4 Sätze 3 bis 6 und 8 KStG bestimmte Modifikationen vor. Diese Modifikationen gelten nur für Zwecke der Ermittlung der Beteiligungsgrenze gem. § 8b Abs. 4 KStG; sie ändern nichts an der personellen Zurechnung der zugrunde liegenden Anteile und der hieraus fließenden Einkünfte: –

In den Fällen der Wertpapierleihe durch eine verleihende Körperschaft werden die überlassenen Anteile für Zwecke der Ermittlung der Beteiligungsgrenze gem. § 8b Abs. 4 Satz 3 KStG der überlassenden Körperschaft zugerechnet, sofern der Entleiher zur Rückgabe dieser oder gleichartiger Anteile verpflichtet ist.



Beteiligungen über eine Mitunternehmerschaft sind gem. § 8b Abs. 4 Satz 4 und 5 KStG für Zwecke der Beteiligungsgrenze dem Mitunternehmer anteilig zuzurechnen und gelten als unmittelbare Beteiligung. Beispiel: Die A-GmbH ist unmittelbar mit 6 % an der X-GmbH beteiligt. Gleichzeitig ist sie mit einem Gewinnanteil von 30 % Mitunternehmerin der B-KG, die ihrerseits 20 % der Anteile an der X-GmbH in ihrem Gesamthandsvermögen hält. § 8b Abs. 4 KStG greift nicht, weil die A-GmbH mit insgesamt 12 % an der X-GmbH beteiligt ist (6 % + (30 % von 20 =) 6 %).



Beteiligungen über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft sind wegen § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO dem Gesellschafter unmittelbar und anteilig zuzurechnen.



Bei Treuhandverhältnissen sind die Anteile dem Treugeber und beim Sicherungseigentum dem Sicherungsgeber unmittelbar zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO).



Beteiligungen von Kreditinstituten, die Mitglied einer kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe i.S. des § 1 Abs. 10 Nr. 13 ZDAG sind, an anderen Unternehmen und Einrichtungen dieser Verbundgruppe sind gem. § 8b Abs. 4 Satz 8 KStG zusammenzurechnen. Betroffen sind Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit ihren Beteiligungen an anderen Unternehmen der eigenen Verbundgruppe.



Nach dem neu eingeführten § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG werden Organgesellschaft und Organträger für Zwecke der Bestimmung der

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Beteiligungsgrenze des § 8b Abs. 4 KStG getrennt betrachtet. Sind im Einkommen der Organgesellschaft folglich Dividenden aus Streubesitzbeteiligungen enthalten, kommt es auf der Ebene des Organträgers insoweit zu keiner Steuerbegünstigung nach § 8b Abs. 1 KStG bzw. § 3 Nr. 40 EStG. Dies gilt auch in den Fällen, in denen Beteiligungen an der ausschüttenden Gesellschaft von mehreren Organgesellschaften desselben Organträgers gehalten werden. Eine Streubesitzbeteiligung liegt vor, wenn die Beteiligung unmittelbar weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals beträgt; ist ein Grundoder Stammkapital nicht vorhanden, ist die Beteiligung an dem Vermögen, bei Genossenschaften die Beteiligung an der Summe der Geschäftsguthaben maßgebend (§ 8b Abs. 4 Satz 1 KStG). Entscheidend ist regelmäßig die Kapitalbeteiligung; der Umfang der Stimmrechte ist unerheblich. Beim Grund- oder Stammkapital sind eigene Anteile der Beteiligungs-Körperschaft außer Ansatz zu lassen.3 Erhält im Rahmen einer Verschmelzung, Aufspaltung oder Abspaltung einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft ein Anteilseigner der übertragenden Körperschaft Anteile an der übernehmenden Körperschaft, so treten diese für Zwecke der Ermittlung der Beteiligungsgrenze nicht an die Stelle der alten Anteile. § 8b Abs. 4 Satz 2 KStG schließt insoweit ausdrücklich die Anwendung der Regelung des § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG aus. Maßgebend ist vielmehr der tatsächliche Beteiligungsumfang an der übernehmenden Körperschaft. Nach Verwaltungsauffassung ist das Genussrechtskapital für die Berechnung der Beteiligungsquote nicht miteinzubeziehen, da das Gesetz ausdrücklich auf die Beteiligung am Grund- oder Stammkapital abstellt. Besitzt der Genussrechtsinhaber nicht zusätzlich eine Beteiligung am Stammkapital von mindestens 10 %, sind auch die Bezüge aus Genussrechtskapital steuerpflichtig, das eine dem Eigenkapital ähnliche Rechtsposition einräumt.

3. Zeitpunkt Maßgebend für die Ermittlung der Beteiligungsgrenze ist gem. § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG der Beginn des Kalenderjahres (1.1., 0.00 Uhr). Ver3 Zum vergleichbaren Problem bei der Anwendung von § 17 EStG vgl. BFH, Urt. v. 24.9.1970 – IV R 138/69, BStBl. II 1971, 89; zum GewSt-Recht vgl. FG Schl.Holst., Urt. v. 31.1.2013 – 1 K 82/11, DStRE 2013, 993, Rev. beim BFH unter Az. I R 12/13 anhängig.

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änderungen der Beteiligungshöhe nach dem Stichtag sind grundsätzlich unbeachtlich. Bei abweichendem Wirtschaftsjahr ist fraglich, ob auf den Beginn des Kalenderjahres vor der Ausschüttung/der Veräußerung oder auf den Beginn des Kalenderjahres vor Beginn des Wirtschaftsjahres abzustellen ist. Beispiel: Die A-GmbH mit abweichendem Wj. 1.7.01 bis 30.6.02 war an der B-GmbH zunächst mit 15 % beteiligt. Sie veräußert im November 01 7 % der Beteiligung. Der Veräußerungsgewinn ist steuerfrei, da die GmbH mit 15 % beteiligt war. Am 1.4.02 veräußert die A-GmbH die verbliebene Beteiligung von 8 %. Nach einer Alternative ist für die Ermittlung der Beteiligungsgrenze auf die Verhältnisse zum 1.1. vor der Veräußerung abzustellen, das ist in diesem Fall der 1.1.02. Da hier die Beteiligung lediglich noch 8 % beträgt, ist ein Veräußerungsgewinn nach § 8b Abs. 4 KStG steuerpflichtig.4 Würde man auf den 1.1. vor Beginn des Wirtschaftsjahrs abstellen, in dem die Veräußerung erfolgt, d.h. auf den 1.1.01, wäre der Veräußerungsgewinn gleichfalls steuerfrei.

Eine Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres kann sich auch aus den umwandlungssteuerrechtlichen Rückwirkungsfiktionen gem. § 2 Abs. 1, § 20 Abs. 5 und § 24 Abs. 4 UmwStG ergeben. Dabei ist es unerheblich, ob die Anteilseigner-Körperschaft zu Beginn des Kalenderjahres zivilrechtlich bereits existiert. Beispiel: Die A-GmbH spaltete rückwirkend zum 31.12.01 die 100 %-ige Beteiligung an der T-GmbH auf die N-GmbH (Abspaltung zur Neugründung) ab. Der Beschluss über die Abspaltung erfolgt am 1.8.02, die Handelsregistereintragungen am 15.10.02. Am 1.4.02 nahm die T-GmbH eine Ausschüttung vor. Gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG ist das Einkommen der N-GmbH so zu ermitteln, als ob das Vermögen mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags (31.12.01) auf sie übergegangen wäre. Demgemäß gilt die N-GmbH als zu Beginn des Kalenderjahrs 02 mit mindestens 10 % beteiligt; die Ausschüttung der T-GmbH ist – mit Ausnahme von 5 % – steuerfrei (§ 8b Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 KStG).

4. Unterjähriger Erwerb und Aufstockung der Beteiligung Nach § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG liegt eine Streubesitzbeteiligung vor, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres weniger als 10 % be4 Haisch/Helios/Niedling, DB 2012, 2062; Kusch, NWB 2013, 1071; Herlinghaus, FR 2013, 534.

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tragen hat. Dies würde auch in den Fällen des Ersterwerbs oder eines Hinzuerwerbs einer mindestens 10 %-igen Beteiligung innerhalb eines Veranlagungszeitraums dazu führen, dass die Streubesitzregelung anzuwenden ist. Diesen Effekt soll der bisherige Satz 6 vermeiden, indem in diesen Fällen der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % durch Fiktion auf den Beginn des Kalenderjahres zurückbezogen wird (sog. Rückwirkungsfiktion). Nach Auffassung der Finanzverwaltung gilt die Rückbeziehung eines Erwerbs im laufenden Kalenderjahr auf den Beginn des Kalenderjahres nach § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG ausschließlich für den Erwerb eines Anteilspaketes von mindestens 10 % durch einen einzelnen Erwerbsvorgang. Die Regelung hat keine Auswirkung auf die Behandlung von Anteilen, die zum Beginn des Kalenderjahres bereits bestehen und ist auch nicht anzuwenden, wenn im laufenden Kalenderjahr durch verschiedene Erwerbsvorgänge jeweils Anteile von weniger als 10 % erworben werden, die Erwerbe insgesamt aber die Grenze von 10 % erreichen (keine Positivinfektion). Diese Auslegung ergäbe sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, der die Ausnahme für „den Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 Prozent“ vorsieht. Die Ausnahmevorschrift habe den Zweck, Härten zu vermeiden. Ohne die Rückbeziehung wäre auf Beteiligungen, die im Laufe eines Veranlagungszeitraums erworben werden, stets die Streubesitzregelung anzuwenden mit der Folge, dass Dividenden aus der Beteiligung im Erstjahr stets steuerpflichtig zu behandeln wären. Da es sich aber um eine Ausnahmevorschrift handele, sei ihr Anwendungsbereich eng auszulegen. Auf Bundesebene wurde über folgende Fallkonstellationen entschieden:5 –



Keine Beteiligung zu Beginn des Jahres, Hinzuerwerb im Laufe des Jahres von 11 %: § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG regelt, dass für Zwecke dieses Absatzes der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt. Durch die Rückbeziehung findet § 8b Abs. 4 KStG auf Erträge aus dieser Beteiligung keine Anwendung (aber: Hinzurechnung bei der GewSt nach § 8 Nr. 5 GewStG). Beteiligungshöhe zu Beginn des Jahres 4 %, Hinzuerwerb im Laufe des Jahres von 7 %:

5 Verfügung der OFD Frankfurt v. 2.12.2013, DB 2014, 329.

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Zu Beginn des Kalenderjahres besteht eine Beteiligung von weniger als 10 %. Nach dem Hinzuerwerb ist der Steuerpflichtige zu insgesamt 11 % beteiligt. Die Regelung des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG ist jedoch nicht anzuwenden, da nicht mindestens 10 % hinzuerworben wurden. Die Beteiligungserträge sind in diesem Jahr in voller Höhe steuerpflichtig. –

Beteiligungshöhe zu Beginn des Jahres 4 %, Hinzuerwerb im Laufe des Jahres 11 %: Zu Beginn des Kalenderjahres besteht eine Beteiligung von weniger als 10 %. Nach dem Hinzuerwerb ist der Steuerpflichtige zu insgesamt 15 % beteiligt. Die Regelung des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG ist nur für den hinzuerworbenen Anteil von 11 % anzuwenden. Erzielt der Steuerpflichtige in diesem Jahr Erträge aus der Beteiligung, sind diese insoweit steuerfrei, als sie auf den hinzuerworbenen 11 %-igen Anteil entfallen und steuerpflichtig, soweit sie auf den Anteil von 4 % entfallen (GewSt: Hinzurechnung der Dividende, die auf die Beteiligung von 11 % entfällt).



Keine Beteiligung zu Beginn des Jahres, Erwerb einer Beteiligung von 20 % am 1.4. und einer Beteiligung von 7 % am 1.6. und einer Beteiligung von 4 % am 1.9.: Die Regelung des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG ist nur für den Erwerb der Beteiligung i.H.v. 20 % am 1.4. anzuwenden. Am 1.6. und 1.9. wurden jeweils Beteiligungen von weniger als 10 % erworben, sodass eine Rückbeziehung nicht in Betracht kommt. Erzielt der Steuerpflichtige in diesem Jahr Erträge aus der Beteiligung, sind diese insoweit steuerfrei, als sie auf den am 1.4. erworbenen 20 %-igen Anteil entfallen und steuerpflichtig, soweit sie auf die Anteile von 7 % und 4 % entfallen.



Keine Beteiligung zu Beginn des Jahres, Hinzuerwerb von 5 % von Veräußerer 1 und Hinzuerwerb von 5 % von Veräußerer 2: Die Regelung des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG ist nicht anzuwenden, da die Beteiligungen nicht in einem Erwerbsvorgang von mindestens 10 % erworben wurden.



Erwerb von 15 % und Veräußerung von 10 % im gleichen Jahr; anschließende Ausschüttung: Der Erwerb der Beteiligung von 15 % gilt als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt. Durch die Rückbeziehung findet § 8b Abs. 4 KStG auf Erträge aus dieser Beteiligung keine Anwendung, auch wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Ausschüttung nur noch zu 5 % beteiligt

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Lang, Veräußerungsgewinnbesteuerung für Streubesitzanteile

ist. Der Erwerber der Beteiligung, der 10 % hinzuerwirbt, profitiert ebenfalls von der Regelung des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG und kann die auf ihn entfallenen Beteiligungserträge steuerfrei vereinnahmen. Im Rahmen der Gesetzesänderung soll dieser Satz 6 neu gefasst werden. Danach soll eine Besteuerung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen bei Streubesitz nicht erfolgen bei Bezügen „aus einer im Kalenderjahr auf einen bestimmten Zeitpunkt erworbenen Beteiligung von mindestens 10 %, die dem Erwerber bis zum Ablauf des Kalenderjahrs zuzurechnen ist.“ Der neu gefasste Satz 6 verzichtet auf eine Rückwirkungsfiktion. Maßgebend für die Anwendung der Streubesitzregelung ist die Höhe der Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres. Die Anwendung der Streubesitzregelung scheidet aus, wenn die Beteiligung an einer Gesellschaft zu Beginn des Kalenderjahres mindestens 10 % beträgt. Ist diese Voraussetzung erfüllt, sind alle Ausschüttungen oder Veräußerungsgewinne im Zusammenhang mit dieser Beteiligung, die in diesem Kalenderjahr erfolgen, nach § 8b Abs. 1 und Abs. 2 KStG steuerfrei. Dies gilt auch, soweit weitere Anteile hinzuerworben werden oder wenn die Beteiligung durch Veräußerungen im Kalenderjahr auf einen Anteil von weniger als 10 % absinkt. Dies ist bereits nach bisheriger Rechtslage so. Besteht zu Beginn des Kalenderjahrs eine qualifizierte Beteiligung, so ist die erhaltene Dividende steuerfrei nach § 8b Abs. 1 KStG, gleichgültig ob weitere Anteile hinzuerworben oder vorhandene Anteile veräußert werden, auch wenn die Beteiligung dadurch unter 10 % sinkt. Besteht zu Beginn eines Kalenderjahres eine Beteiligung von weniger als 10 %, bleiben Ausschüttungen oder Veräußerungsgewinne im Zusammenhang mit dieser Beteiligung grundsätzlich auch dann steuerpflichtig, wenn im Laufe des Kalenderjahrs Anteile hinzuerworben werden und die Beteiligung dadurch auf 10 % oder mehr steigt. Dabei wird auch der Erwerb mehrerer Anteile von verschiedenen Veräußerern erfasst, wenn er zu einem einheitlichen Zeitpunkt erfolgt. Lediglich wenn eine Beteiligung in Höhe von 10 % erworben wird, ist die darauf entfallende Dividende nicht steuerpflichtig (Ausnahmetatbestand). Es erfolgt aber nach wie vor keine Positivinfektion für bereits vorhandene Beteiligungen, die unter 10 % sind. Ggf. ist die Dividende aufzuteilen. Dass nach dem neuen Abs. 6 keine Rückwirkungsfiktion mehr vorgesehen ist, wird damit begründet, dass diese in der Praxis zu Anwendungs-

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Lang, Veräußerungsgewinnbesteuerung für Streubesitzanteile

fragen geführt habe. Die geänderte Formulierung beseitige diese Fragen und bringe das Ziel der Regelung besser zum Ausdruck.6 Tatsächlich ist durch die Verfügung der OFD Frankfurt7, die auf einem Beschluss der Referatsleiter des Bundes und der Länder basiert, die Funktionsweise der Rückwirkung im geltenden Abs. 6 hinreichend klargestellt (s.o.). Auf der Grundlage der bisherigen Verwaltungsmeinung ergeben sich Unterschiede zur geplanten Neuregelung lediglich in zwei Fällen: –

Unterjähriger Hinzuerwerb von verschiedenen Veräußerern



Unterjährige Veräußerung eines gleichfalls unterjährig hinzuerworbenen Anteils.

Beispiel 1:8 Die A-GmbH ist am 1.1.01 an der X-AG zu 5 % beteiligt, am 5.4.01 und am 10.9.01 erwirbt die A-GmbH jeweils weitere 5 % an der X-AG hinzu. Am 10.10.01 erfolgt eine Ausschüttung. Zu diesem Zeitpunkt ist die A-GmbH zwar mit 15 % (also zu mehr als 10 %) beteiligt, zum maßgeblichen Stichtag 1.1. betrug die Beteiligung aber weniger als 10 %, sodass die Ausschüttung in voller Höhe steuerpflichtig ist. Der Hinzuerwerb von zweimal 5 % erfolgt nicht in einem Erwerbsvorgang, deshalb ist die Dividenden auch nicht in Höhe von 10/15 steuerbefreit. Dies ist nach geltender Rechtslage identisch. Abwandlung 1: Wie Ausgangsfall, die A-GmbH erwirbt zu einem Zeitpunkt 10 % an der X-AG hinzu. Es erfolgt eine Aufteilung, die Dividende ist zu 10/15 steuerfrei und zu 5/15 steuerpflichtig; keine Positivinfektion. Die Rechtsfolge ist identisch nach geltendem Recht identisch. Abwandlung 2: Wie Ausgangsfall, die A-GmbH erwirbt 10 % der Anteile an der X-AG von mehreren Erwerbern zu einem einheitlichen Zeitpunkt. Die Rechtslage nach dem BMF-E ist identisch wie bei Abwandlung 1, d.h. Aufteilung der Dividende in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil. Nach geltendem Recht ist die Dividende insgesamt steuerpflichtig, da kein einheitlicher Erwerbsvorgang vorliegt. 6 Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung v. 21.7.2015, S. 92. 7 OFD Frankfurt v. 2.12.2013, DB 2014, 329. 8 Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung v. 21.7.2015, S. 93.

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Lang, Veräußerungsgewinnbesteuerung für Streubesitzanteile Abwandlung 3: Die A-GmbH ist am 1.1.01 nicht an der X-AG beteiligt. Sie erwirbt im Laufe des Kalenderjahrs 10 % Anteile an der X-AG. Danach erfolgt eine Ausschüttung. Sowohl nach BMF-E als auch nach geltendem Recht (Rückwirkungsfiktion) ist die Dividende voll steuerfrei.

Nach dem BMF-Entwurf ist die Streubesitzregelung auf Dividenden nicht anzuwenden, wenn die unterjährig erworbene Beteiligung von 10 % bis zum Ablauf des Kalenderjahrs nicht veräußert wird. Bestand bereits zu Beginn des Kalenderjahrs eine Beteiligung von weniger als 10 % an der nämlichen Gesellschaft, ist die Voraussetzung dann erfüllt, wenn die Beteiligung insgesamt nicht unter den erworbenen Anteil absinkt. Die Privilegierung des unterjährigen Beteiligungserwerbs gilt nur hinsichtlich der Besteuerung von Dividenden; auf die Besteuerung der Veräußerungsgewinne ist die Vorschrift nicht anwendbar. Für diese wird die Steuerfreiheit immer versagt, wenn die Beteiligungshöhe zu Beginn des Kalenderjahrs nicht 10 % beträgt. Hiervon sind Fallkonstellationen erfasst, in denen An- und Verkäufe innerhalb eines Veranlagungszeitraums stattfinden.9 Beispiel 2:10 Die A-GmbH ist am 1.1.01 zu 5 % an der X-AG beteiligt. Am 1.6.01 erwirbt sie weitere 20 % an der X-AG hinzu. Am 10.10.01 veräußert die A-GmbH 10 % ihrer Beteiligung mit Gewinn. Am 10.12.01 schüttet die X-AG aus, die A-GmbH hält zu diesem Zeitpunkt 15 % der X-AG. Die Ausschüttung ist in vollem Umfang steuerpflichtig, weil die Beteiligung an der X-AG auf unter 20 Prozent (hinzuerworbener Anteil) gesunken ist. Die Behaltepflicht ist daher nicht erfüllt. Nach BMF-E ist der Veräußerungsgewinn gleichfalls voll steuerpflichtig. Nach aktueller Rechtslage ist die Dividende aufzuteilen in 5/15 steuerpflichtig und 10/15 steuerfrei. Der Erwerb der 20 %-Beteiligung wirkt auf den 1.1. zurück, die spätere Veräußerung ist unbeachtlich. Abwandlung I: Wie Ausgangsfall, aber die A-GmbH veräußert keinen Anteil an der X-AG. Zum Zeitpunkt der Ausschüttung hält die A-GmbH 25 Prozent der X-AG.

9 Hierdurch werde eine Art „Spekulationsgewinnbesteuerung“ eingeführt, so Ritzer/Stangl, DStR 2015, 2203, 2010. 10 Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung v. 21.7.2015, S. 93.

501

Lang, Veräußerungsgewinnbesteuerung für Streubesitzanteile Die Ausschüttung ist zu 20/25 steuerfrei und zu 5/25 steuerpflichtig. Dies entspricht auch der geltenden Rechtslage. Abwandlung II: Wie Ausgangsfall, die A-GmbH veräußert aber lediglich einen Anteil von 5 % an der X-AG mit Gewinn. Sie hält im Zeitpunkt der Ausschüttung noch 20 % der X-AG. Die Beteiligung ist nicht unter 20 % (hinzuerworbener Anteil) gesunken. Die Ausschüttung ist m.E. voll steuerfrei, da die Gesamtbeteiligung (20 %) nicht unter den Hinzuerwerb (20 %) gesunken ist. Der Veräußerungsgewinn ist voll steuerpflichtig, § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG ist hierauf nicht anzuwenden.

5. Funktionsweise Übersicht Beteiligung , 10 %

Beteiligung 10 % bis , 15 %

Beteiligung ab 15 %

Dividenden bei KSt

Steuerpflicht

Steuerbefreiung Steuerbefreiung mit mit 5 %-Pauscha- 5 %-Pauschale le

Laufender Beteiligungsaufwand

abzugsfähig

abzugsfähig

Dividenden bei der GewSt

KSt-Pflicht schlägt auch auf GewSt durch

Anwendung von Tatbestand § 9 Nr. 2a § 8 Nr. 5 GewStG GewStG erfüllt, aber (Hinzurechnung) keine Korrektur (KSt-Freiheit schlägt auch auf GewSt durch)

Veräußerungsgewinn

steuerpflichtig

steuerfrei mit 5 %-Pauschale

abzugsfähig

steuerfrei mit 5 %-Pauschale

Veräußerungsver- Grds. nicht abnicht abzugsfähig nicht abzugsfähig luste/Teilwertab- zugsfähig, aber schreibungen verrechenbar mit VG oder gesonderte Feststellung (Schedulenbesteuerung)

502

Lang, Veräußerungsgewinnbesteuerung für Streubesitzanteile

5.1. Streubesitzdividende 5.1.1. Allgemeines Seit dem Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-284/09 v. 21.3.201311 sind Inlands- und Auslandsbezüge aus einer Streubesitzbeteiligung nicht mehr nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei, sondern gem. § 8b Abs. 4 KStG voll steuerpflichtig. Die 5 %-Pauschale des § 8b Abs. 5 KStG findet keine Anwendung. Aufwendungen auf die Beteiligung, wie z.B. Finanzierungskosten oder Depotgebühren sind steuerlich voll berücksichtigungsfähig. Da die Einnahmen voll steuerpflichtig sind, findet sich für die Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG kein Ansatzpunkt. Der in der Literatur vertretenen Auffassung, dass in den Anwendungsfällen des § 8b Abs. 4 KStG das Teileinkünfteverfahren des § 3 Nr. 40 EStG (Steuerbefreiung i.H.v. 40 %) zur Anwendung kommen soll, folgt die Finanzverwaltung nicht.12 Bei Streubesitzdividenden aus dem Ausland wirkt sich die Neuregelung i.d.R. nicht negativ aus. Zwar wird auch für diese Dividenden die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG nach § 8b Abs. 4 KStG nun versagt, wenn es sich um Streubesitz handelt. Allerdings ist dafür die ausländische Kapitalertragsteuer, die je nach DBA i.H.v. 10 % oder 15 % erhoben wird, nach § 26 Abs. 1 KStG auf die deutsche KSt anrechenbar. Die Anrechnung wird deshalb in der Regel die neue deutsche KSt-Belastung ausgleichen. 5.1.2. Gewerbesteuer Für die Ermittlung des Gewerbeertrags sind die Kürzungs- und Hinzurechnungsvorschriften § 9 Nr. 2a und § 8 Nr. 5 GewStG zu prüfen. Die Kürzungsvorschrift betreffend Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft setzt voraus, dass der Empfänger am Nennkapital der ausschüttenden Gesellschaft zu Beginn des Erhebungszeitraums zu mindestens 15 % beteiligt ist. Nach dem Grundprinzip der Kürzungsvorschrift, das auch Eingang in die Formulierung des § 9 Nr. 2a GewStG gefunden hat, dürfen die Gewinne nur dann gekürzt werden, wenn „die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns gem. § 7 GewStG angesetzt worden sind“. Dies führt dazu, dass 11 BGBl. I 2013, 561. 12 Beyme, NWB 2014, 867, Rathke/Ritter, DStR 2014, 1207.

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Lang, Veräußerungsgewinnbesteuerung für Streubesitzanteile

bei einer Beteiligung ab 15 % keine Kürzung stattfindet, da die Dividende bereits nach § 8b Abs. 1 KStG gekürzt ist und die 5 %-Pauschale nicht gekürzt werden darf, wogegen die nunmehr steuerpflichtige Streubesitzdividende wegen Nichterreichen der Beteiligungshöhe nicht gekürzt werden kann. Gem. § 8 Nr. 5 GewStG sind die nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile aus Anteilen an Kapitalgesellschaften bei der Ermittlung des Gewerbeertrags wieder hinzuzurechnen, soweit die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a GewStG nicht erfüllt sind. Ist dies nicht der Fall, d.h. beträgt die Beteiligung weniger als 15 % oder besteht sie nicht zu Beginn des Erhebungszeitraums, so ist der Beteiligungsertrag, soweit er den Gewinn aus Gewerbebetrieb gemindert hat, zu Gewerbesteuerzwecken wieder hinzuzurechnen. Dies trifft auf die steuerpflichtige Streubesitzdividende nicht zu, da diese sich nicht mindernd auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb ausgewirkt hat. Unterschiede zwischen dem körperschaftsteuerlichen und dem gewerbesteuerlichen Schachtelprivileg bei inländischen Beteiligungen: KSt

GewSt

Beteiligungshöhe

10 %

Zählweise

Grds. nur unmittelbare Unmittelbare und mittelBeteiligungen bare Beteiligungen Ausnahme: bei zwischengeschalteter Personengesellschaft zählen auch die mittelbaren Beteiligungen

Maßgeblicher Zeitpunkt

Zu Beginn des Kalenderjahrs Zu Beginn des Erhebungs= 1.1. zeitraums = 1.1.

Unterjähriger Erwerb

Bisher: Rückwirkung Neu: Ausnahmeregelung

Keine Rückwirkung, d.h. bei unterjährigem Erwerb kein Schachtelprivileg

Behaltenszeitraum

Gleichgültig, wenn 10 %-Beteiligung zum 1.1. besteht; Bei unterj. Erwerb: Bis zum Ablauf des Kj. darf Erwerbsquote nicht unterschritten werden

Bis zur Ausschüttung (str.)

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15 %

Lang, Veräußerungsgewinnbesteuerung für Streubesitzanteile

Ist die unmittelbare Beteiligung geringer als 10 %, übersteigt die Addition der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligung aber die 15 %-Grenze, so ist das gewerbesteuerliche Ergebnis für die Steuerpflichtigen günstiger als bei einer unmittelbaren 15 %-Beteiligung. Unmittelbare Beteiligung , 10 % mittelbare + unmittelbare Beteiligung 15 %

Unmittelbare Beteiligung 15 %

Dividendenertrag

100

100

Außerbilanzielle Korrektur § 8b Abs. 1 KStG § 8b Abs. 5 KStG



./. 100 +5

100

5

./. 100

entfällt

0

5

zvE = Gewinn aus GB Kürzung § 9 Nr. 2a GewStG Gewerbeertrag

5.2 Veräußerungsgewinne bei Streubesitz Nach § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG-E soll auch ein Veräußerungsgewinn aus einem Anteil i.S. des § 8b Abs. 2 KStG, wenn es sich um einen Streubesitzanteil handelt, gleichfalls steuerpflichtig sein. 5.2.1 Ermittlung des Veräußerungsgewinns Die Legaldefinition des Veräußerungsgewinns findet sich in § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG. Danach ist Veräußerungsgewinn „der Betrag, um den der Veräußerungspreis oder der an dessen Stelle tretende Wert nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert übersteigt, der sich nach den Vorschriften über die steuerliche Gewinnermittlung im Zeitpunkt der Veräußerung ergibt (Buchwert)“. Veräußerungspreis ./. Veräußerungskosten ./. Buchwert = Veräußerungsgewinn/-verlust

505

Lang, Veräußerungsgewinnbesteuerung für Streubesitzanteile

Dabei ist festzuhalten, dass sich Veräußerungspreis, Veräußerungskosten und Buchwert sich gewinnwirksam als Ertrag bzw. Aufwand in der Bilanz darstellen, wogegen die Korrektur des Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG außerbilanziell stattfindet (außerbilanzielle Gewinnermittlungsvorschrift). Der Vorgang kann sich über mehrere Jahre hinziehen. So können die Kosten in einem anderen Jahr anfallen als der Veräußerungserlös. Dieser wiederum kann bei entsprechender Vereinbarung in einem späteren Jahr aufgestockt werden. Bilanziell sind die Vorgänge immer im zutreffenden Wirtschaftsjahr zu erfassen. Die Frage stellt sich, in welchem Jahr nunmehr die Korrektur nach § 8b Abs. 2 KStG vorzunehmen ist. BFH und Finanzverwaltung haben hierzu entschieden, dass die in einem anderen Wirtschaftsjahr entstandenen Veräußerungskosten oder Veränderungen des Kaufpreises bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns oder Veräußerungsverlusts nach den Grundsätzen des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG in dem VZ, in dem das Wirtschaftsjahr der Veräußerung der Beteiligung endet, zu berücksichtigen sind. Der danach ermittelte Veräußerungsgewinn oder -verlust unterliegt den allgemeinen Regelungen des § 8b KStG. In einem anderen Wirtschaftsjahr entstandene Veräußerungskosten oder nachträgliche Veränderungen des Kaufpreises für die Beteiligung erhöhen oder mindern danach die nach § 8b Abs. 2 und 3 KStG außerbilanziell vorzunehmende Einkommenskorrektur im Veranlagungszeitraum, in dem das Wirtschaftsjahr der Veräußerung endet. Soweit die Veränderung des Kaufpreises oder die Veräußerungskosten bilanziell in anderen Wirtschaftsjahren berücksichtigt wurden, ist der steuerbilanzielle Gewinn dieser Wirtschaftsjahre und der steuerbilanzielle Gewinn des Jahres, in dem die Veräußerung erfolgt ist, außerbilanziell entsprechend zu korrigieren.13

13 BFH v. 22.12.2010 – I R 58/10, BStBl. II 2015, 668; v. 12.3.2014 – I R 55/13, BStBl. II 2015, 658; BMF v. 24.7.2015, BStBl. I 2015, 612.

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Lang, Veräußerungsgewinnbesteuerung für Streubesitzanteile

Veräußerungskosten 2010 Veräußerung in 2011 Kaufpreis (gestundet) Buchwert Veräußerungskosten Veräußerungsgewinn § 8b Abs. 2 KStG § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG Korrektur im Aufwandsjahr Außerbil. Korrektur im Veräußerungsjahr (lt. BFH) Einkommen vor Änderung Ausfall der KP-Forderung in 2013 (bilanziell) Veräußerungskosten 2010 (bilanziell) Änderung in 2011 Ertrag aus KP-Forderung Veräußerungsgewinn gem. § 8b Abs. 2 KStG: KP 0 BW - 170.000 VK - 50.000 Veräuß.verlust (§ 8b Abs. 3) - 220.000 Außerbil. Korrektur im Aufwandsjahr (lt. BFH) Außerbil. Korrektur im Veräußerungsjahr (lt. BFH) Einkommen nach Änderung

Gesamt - 50.000

Jahr 2010 - 50.000

Jahr 2011

+ 3.800.000 - 170.000

Jahr 2013

3.800.000 - 170.000 - 50.000 3.580.000 - 3.580.000 + 179.000

- 3.580.000 179.000 + 50.000

+ 50.000

- 50.000 179.000

0

- 50.000 179.000

- 3.800.000 - 50.000

- 3.800.000 - 50.000

3.800.000

3.800.000

- 170.000

- 170.000

+ 220.000

+ 220.000

+ 3.850.000

+ 50.000

- 3.850.000 0

+ 3.800.000 - 3.850.000

0

0

0

Handelt es sich um eine Streubesitzbeteiligung, so stellen sich folgende Fragen: 1.) Ist im Jahr der Veräußerung überhaupt ein Veräußerungsgewinn nach der Definition des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG zu ermitteln? Die Ermittlung des Veräußerungsgewinns dient lediglich der außerbilanziellen Korrektur. Findet eine solche nicht statt, so werden alle für die Besteuerung relevanten Werte als Ertrag bzw. Aufwand in der Bilanz erfasst, der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG bedarf es folglich nicht. Kann allerdings ein Veräußerungsgewinn mit einer Gewinnminderung aus Streubesitz verrechnet werden, muss dieser auch entsprechend der Legaldefinition ermittelt werden; es findet dann eine außerbilanzielle Korrektur statt. Ein Veräußerungsverlust ist in jedem Fall entsprechend der o.g. Legaldefinition zu ermitteln, da er im selben VZ ausgeglichen oder in andere VZ vorgetragen werden kann.

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Lang, Veräußerungsgewinnbesteuerung für Streubesitzanteile

2.) Wenn ein Veräußerungsgewinn/-verlust zu ermitteln ist, gelten dann auch die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 24.7.2015? M.E. kann bei einer Streubesitzbeteiligung nichts anderes gelten. 5.2.2. Aufwendungen Ist der Veräußerungsvorgang nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG steuerfrei, so mindern die im Zusammenhang mit der Veräußerung entstandenen Kosten diesen steuerfreien Gewinn. Nichtsdestotrotz werden gem. § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG zusätzlich 5 % des Veräußerungsgewinns als pauschale nichtabzugsfähige Betriebsausgaben hinzugerechnet. Eine Verrechnung mit den tatsächlich entstandenen Aufwendungen, d.h. den Veräußerungskosten findet nicht statt. § 3c Abs. 1 EStG ist darüber hinaus gem. § 8b Abs. 3 Satz 2 KStG nicht anwendbar. Diese Regelung ist § 8b Abs. 5 KStG nachgebildet, wo sie auch Sinn macht. Ohne die Regelung in Satz 2 wäre bei steuerfreien Dividenden § 3c Abs. 1 EStG anwendbar, wenn die tatsächlichen Aufwendungen die 5 %-Pauschale übersteigen. Bei § 8b Abs. 2 mindern die tatsächlichen Aufwendungen bereits den steuerfreien Gewinn, weshalb es eines Ausschlusses des § 3c Abs. 1 EStG nicht bedurft hätte. Ist der Veräußerungsgewinn nach § 8b Abs. 4 KStG-E steuerpflichtig, so liegen keine „steuerfreien Einnahmen“ i.S. des § 3c Abs. 1 EStG vor. Veräußerungskosten können somit schon von der Sache her nicht unter § 3c Abs. 1 EStG fallen. Es bedarf deshalb keiner Suspendierung des § 8b Abs. 3 Satz 2 KStG.14 5.2.3 Gewerbesteuer Die Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns schlägt gem. § 7 Satz 1 GewStG auch auf die GewSt durch. Hinzurechnungs- oder Kürzungsvorschriften gibt es für Veräußerungsgewinne nicht, § 9 Nr. 2a, 7, 8 und § 8 Nr. 5 regelt lediglich die Behandlung von Gewinnen aus Anteilen, d.h. Dividenden.

14 Auch bei § 8b Abs. 5 KStG bedürfte es keiner Suspendierung des Satzes 2, da § 3c Abs. 1 EStG bei steuerpflichtigen Dividenden vom Grunde her keine Anwendung findet; trotzdem wird sie gemacht. Dies führt m.E. aber zu keinen unterschiedlichen Rechtsfolgen. Zweifelnd Ritzer/Stangl, DStR 2015, 2203, 2204.

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Lang, Veräußerungsgewinnbesteuerung für Streubesitzanteile

5.2.4. Außensteuergesetz Im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 10 AStG kann es zu einer Doppelbesteuerung kommen: Beispiel: Mehrere unbeschränkt Steuerpflichtige sind an einer ausländischen Zwischengesellschaft i.S.v. § 7 AStG zu insgesamt mehr als der Hälfte beteiligt. Die Einkünfte werden gem. § 10 AStG anteilig hinzugerechnet. Einer der unbeschränkt Steuerpflichtigen ist eine Körperschaft, die die ausländischen Anteile im Streubesitz hält. Bei einer Veräußerung entsteht eine Doppelbesteuerungssituation infolge der früheren Hinzurechnungsbesteuerung und nunmehrigen Besteuerung des Veräußerungsgewinns.

5.3. Gewinnminderungen aus Streubesitz Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit Beteiligungen im Streubesitz stehen, können grds. nur mit Gewinnen aus Streubesitzbeteiligungen verrechnet werden. Die Verrechnung bezieht sich hierbei nicht auf die jeweilige einzelne Streubesitzbeteiligung, sondern auf die Gesamtheit aller gehaltenen Streubesitzbeteiligungen.15 Aus der Berücksichtigung von Gewinnminderungen entstehende Verluste können nicht mit anderen positiven Erträgen der Körperschaft verrechnet werden. Verluste aus Streubesitzbeteiligung sollen nur in einer eigenen Schedule abzugsfähig sein. Als Begründung führt der BMF-Entwurf an, dass eine solche Beschränkung der Verlustverrechnung die Berücksichtigung hoher Verluste aus Portfoliobeteiligungen in Zeiten stark fallender Börsenwerte verhindere und damit der Sicherung einer geordneten Haushaltsführung diene. Die Regelung verhindere ebenfalls insbesondere Steuergestaltungen, die darauf beruhen würden, die unterschiedlichen Besteuerungssysteme (Steuerfreiheit bei Schachtelerträgen und Steuerpflicht bei Streubesitzerträgen) dafür zu nutzen, Verluste in den steuerpflichtigen Bereich zu verlagern.16 Damit könnte gemeint sein, sich im Verlustfall von Streu-

15 Rogall/Dreßler, BB 2015, 2009, 2011. 16 Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung v. 21.7.2015, S. 94.

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besitzanteilen zu trennen und im Gewinnfall durch Aufstockung der Beteiligung zur Steuerfreiheit zu gelangen.17 5.3.1. Begriff der Gewinnminderung und verrechenbare Veräußerungsgewinne § 8b Abs. 4 Satz 8 KStG-E regelt „Gewinnminderungen im Zusammenhang mit einem in § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG-E genannten Anteil“, d.h. einem Streubesitzanteil. Was Gewinnminderungen im Zusammenhang mit einem Anteil sind, bestimmt sich nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG. Nach der Rspr. des BFH, dem sich die Finanzverwaltung angeschlossen hat, fallen unter § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG ausschließlich substanzbezogene Wertminderungen des Anteils und nicht jegliche mit dem Anteil wirtschaftlich zusammenhängende Aufwendungen.18 Dies sind regelmäßig Veräußerungsverluste sowie Teilwertabschreibungen auf die Beteiligung. Es fragt sich, ob zu den Gewinnminderungen „im Zusammenhang mit einem Anteil“ auch die Gewinnminderungen „im Zusammenhang mit einer Darlehensforderung oder aus der Inanspruchnahme von Sicherheiten“ i.S. des § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG zu zählen sind. Dafür spräche die Formulierung in Satz 4, wonach „zu den Gewinnminderungen i.S. des Satzes 3“ auch die genannten Gewinnminderungen gehören. Diese Gewinnminderungen sind nach wie vor grds. nicht abzugsfähig. Sie können nach § 8b Abs. Sätze 8 und 10 KStG-E nur verrechnet werden mit (1) Gewinnen aus der Veräußerung von Streubesitzanteilen, (2) Gewinnen aus einer Wertaufholung bei Streubesitzanteilen. Derartige Gewinne unterliegen grds. § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG, d.h. sie sind wie Veräußerungsgewinne grds. steuerfrei. Bei Anteilen im Streubesitz unterliegen sie dann aber der Steuerpflicht. Dies gilt unabhängig davon, ob die der Wertaufholung zugrunde liegende frühere Teilwertabschreibung steuerwirksam war oder nicht. (3) Veräußerungsgewinnen bei nicht wertaufgeholten früheren steuerwirksamen Teilwertabschreibungen. Diese Veräußerungsgewinne

17 Ritzer/Stangl, DStR 2015, 2203, 2204. 18 BFH v. 14.1.2009 – I R 52/08, BStBl. II 2009, 674; v. 9.1.2013 – I R 72/11, BStBl. II 2013, 343.

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sind auch nach derzeitiger Rechtslage steuerpflichtig gem. § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG. Eine Gewinnminderung aus Streubesitz kann mit einem derartigen Veräußerungsgewinn verrechnet werden, auch wenn der Gewinn nicht aus dem Verkauf eines Streubesitzanteils, sondern einer Schachtelbeteiligung stammt, da der Verweis auf § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG ohne Einschränkung erfolgt. (4) Veräußerungsgewinnen in den Fällen steuerwirksam vorgenommener Abzüge nach § 6b EStG. Die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne scheidet bereits nach derzeitiger Rechtslage aus, wenn der Buchwert der betreffenden Anteile vor der Veräußerung durch eine Reinvestitionsrücklage gemindert worden ist. Hiervon betroffen sind allerdings nur Altfälle. Seit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens schließt § 6b Abs. 10 EStG die Möglichkeit für Körperschaften, stille Reserven auf Anteile zu übertragen, aus. Für die Prüfungsreihenfolge bedeutet dies: 1. Zunächst Ausgleich einer in einem VZ erzielten Gewinnminderung (GM) mit einem o.g. Veräußerungsgewinn im selben VZ. GM , VG R Steuerpflicht des VG 2. Wird in diesem VZ kein VG erzielt oder ist die GM . VG, dann wird die (Differenz-)GM zunächst außerbilanziell hinzugerechnet (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG) sowie gem. § 10d Abs. 4 EStG festgestellt und in die folgenden VZ vorgetragen. 3. Entstehen in einem späteren VZ o.g. Gewinn, dann werden sie mit den vorgetragenen GM verrechnet 5.3.2. Schedulenbesteuerung Die Verluste aus Streubesitz werden in einem eigenen System erfasst und dürfen nur isoliert mit den o.g. Gewinnen verrechnet werden. Die Verrechnung der Gewinnminderung ist nicht zulässig mit Erträgen aus Streubesitzdividenden.19 Die Differenzierung aus dem Gesetzeswortlaut, der zwischen „Bezügen i.S. des Abs. 1“ und Gewinnen i.S. des Abs. 2“ unterscheidet. Dies ist vor dem Hintergrund der Gesetzesbegründung, eine steuerliche Gleichbehandlung von Veräußerungsgewinnen und Dividendenerträgen bei Streubesitzbeteiligungen herzustellen, unsystematisch.

19 Helios/Philipp, Der Konzern 2015, 369, 371; Ritzer/Stangl, DStR 2015, 2203, 2205.

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Die Gewinnminderungen sind zunächst mit den in Ziffern (1) bis (4) genannten Gewinnen desselben VZ auszugleichen. Ist kein entsprechender Gewinn vorhanden oder verbleibt trotz Verrechnung ein Verlust, wird dieser gem. § 10d Abs. 4 EStG gesondert festgestellt und in künftige VZ vorgetragen, wo er dann mit den genannten Gewinnen verrechnet werden kann; ein Rücktrag ist nicht zulässig. Beispiel:20 Die B-GmbH nimmt im Jahr 2018 auf ihre 5 %-ige Beteiligung an der Y-GmbH eine Teilwertabschreibung von 100 vor. Gewinne aus Streubesitz-Beteiligungen werden im VZ 2018 nicht erzielt. Der Saldo von Aufwendungen und Erträgen aus Streubesitz-Beteiligungen beträgt also im VZ 2018 ./. 100. Lösung: Da die B-GmbH nicht zu Beginn des Kalenderjahrs 2018 mit mindestens 10 % an der Y-GmbH beteiligt war, handelt es sich um Streubesitz. Im Jahr 2018 ist keine Verrechnung mit Gewinnen aus Streubesitz möglich, da solche nicht erzielt werden. Der Verlust aus der Teilwertabschreibung ist deshalb zunächst außerbilanziell gem. § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG hinzuzurechnen und gleichzeitig gem. § 10d Abs. 4 EStG gesondert festzustellen. Beispiel Fortsetzung: Im Jahr 2019 kauft die B-GmbH weitere 20 % der Anteile an der Y-GmbH hinzu. Im VZ 2020 veräußert sie 10 % der Beteiligung an der Y-GmbH mit einem Gewinn von 200. Lösung: Der Gewinn bleibt nach § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG nur i.H.v 100 steuerfrei (Veräußerungsgewinn 200 abzgl. TW-Abschreibung aus 2018 von 100). Es wird ein Anteil einer Schachtelbeteiligung verkauft, deshalb greift hier grds. § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG. Allerdings war im Jahr 2018 eine steuerwirksame (!) Teilwertabschreibung i.H.v. 100 vorgenommen worden, weshalb der VG gem. § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG i.H.v. 100 nicht steuerfrei ist. Die Teilwertabschreibung in 2018 wird als steuerwirksam behandelt, obwohl sie sich noch nicht ausgewirkt hat. Dieser wegen § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG steuerpflichtige Teil des Veräußerungsgewinns (100) kann mit den bisher nicht ausgeglichenen, aber festgestellten Gewinnminderungen aus 2018 (./. 100) verrechnet werden.

Bei einem schädlichen Anteilserwerb i.S. des § 8c KStG geht ein festgestellter Verlust anteilig oder vollständig unter. Wird der Verlust in den

20 Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung v. 21.7.2015, S. 94.

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folgenden VZ genutzt, ist die Mindestgewinnbesteuerung gem. § 10d Abs. 2 EStG zu beachten.21 Zwar wird in § 8b Abs. 4 Satz 10 a.E. KStG-E lediglich § 10d Abs. 4 EStG zitiert, dieser nimmt aber Bezug auf die „nach Abs. 2 abziehbaren Beträge“, d.h. festgestellt werden die der Mindestgewinnbesteuerung unterliegenden Verluste.

6. UmwStG: Redaktionelle Anpassungen § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwStG enthält eine Verlustnutzungsbeschränkung. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass aufgrund der steuerlichen Rückwirkungsfiktion in § 2 Abs. 1 und 2 UmwStG gestalterisch eine Verlustnutzung erreicht werden kann. Voraussetzung für die Verlustnutzung ist, dass diese auch ohne die steuerliche Rückwirkung nach § 2 Abs. 1 oder 2 UmwStG möglich gewesen wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, ob z.B. im Falle des § 8c KStG ein schädlicher Beteiligungserwerb vor dem Umwandlungsbeschluss oder in dem Zeitraum nach dem Umwandlungsbeschluss bis zur Eintragung der Umwandlung erfolgt (Rn. 02.39 UmwStErl). § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwStG betrifft den übertragenden Rechtsträger und setzt einen Übertragungsgewinn voraus, greift somit nicht bei Umwandlungen zu Buchwerten. Diese Regelung wird auf die nicht verrechneten Verluste aus der Veräußerung von Streubesitzanteilen ausgedehnt. Beispiel: Die X-GmbH hat zum 31.12.2018 einen festgestellten verrechenbaren Verlust nach § 8b Abs. 4 Satz 10 KStG-E i.H.v. 100. Alleingesellschafter X veräußert seine Beteiligung am 31.5.2019 an die E-AG. Nach dem Erwerb wird die X-GmbH rückwirkend zum 31.12.2018 auf die E-AG verschmolzen. In der steuerlichen Übertragungsbilanz setzt die X-GmbH die Wirtschaftsgüter – darunter auch Streubesitzbeteiligungen – zum gemeinen Wert an (stille Reserven 1000, davon entfallen 100 auf die Streubesitzbeteiligungen). § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwStG kommt zur Anwendung. Ein Ausgleich des Übertragungsgewinns betreffend die Streubesitzbeteiligungen mit dem verrechenbaren Verlust nach § 8b Abs. 4 Satz 10 KStG-E ist nicht zulässig.

Ebenfalls wird § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG erweitert und die Verrechnung von Verlusten des übernehmenden Rechtsträgers aus der Veräußerung von Streubesitzanteilen mit entsprechenden Gewinnen des übertragen-

21 A.A. Ritzer/Stangl, DStR 2015, 2203, 2205.

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den Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum unterbunden, es sei denn, übertragender und übernehmender Rechtsträger sind verbundene Unternehmen i.S. des § 271 Abs. 2 HGB. Die Verluste werden auch in § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG-E aufgenommen. In dieser Vorschrift wird generell ein Übergang von Verlusten des übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger ausgeschlossen. Bei Umwandlung gem. §§ 3 ff. UmwStG ist der Abzug eines Übernahmeverlusts gem. § 4 Abs. 6 Satz 2 UmwStG bis zur Höhe des Ansatzes der Kapitaleinkünfte (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 7 UmwStG) möglich, wenn der Gesellschafter eine Körperschaft ist, die auf die Anteile an der übertragenden Körperschaft § 8b Abs. 4 KStG-E anzuwenden hat. Das UmwStG muss insoweit angepasst werden. Für Streubesitzanteile nach bisheriger Rechtslage hat dies noch nicht gegolten, da die Regelung in § 8b Abs. 4 KStG nur Dividendenerträge, nicht aber Veräußerungsgewinne/-verluste erfasst.22

7. Steuerermäßigung nach § 26a KStG-E Mit § 26a KStG-E wird eine Steuerermäßigung für Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von Anteilen an beihilfefähigen Unternehmen im Sinne der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikofinanzierungen vom 22.1.2014 (2014/C 19/04) eingeführt. Beihilfefähige Unternehmen können insbesondere auch Startup-Unternehmen sein. Für eine steuerliche Ausnahmeregelung sind die Bestimmungen der EU zu staatlichen Beihilfen in Art. 107, 108 AEUV und die dazu ergangenen Rechtsakte und Mitteilungen der Europäischen Kommission zu beachten. Dies sind vorliegend insbesondere die Mitteilung der Kommission: Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikofinanzierungen (ABl. der Europäischen Union 2014/C/19/04). Auf der Grundlage dieser Leitlinien ist der Anwendungsbereich der Steuervergünstigung an konkrete Voraussetzungen zu knüpfen, die in den Abs. 1 bis 3 der Neuregelung aufgeführt sind: –

Die Ermäßigung ist auf bestimmte beihilfefähige Unternehmen (Tz. 87, 120 i.V.m. 52 iv der Leitlinien) begrenzt,

22 Van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2. Aufl., § 4 Rz. 113.

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Sie darf eine gewisse Höhe nicht übersteigen (30 % des investierten Betrags, höchstens die ohne die Vergünstigung zu zahlende Körperschaftsteuer, Tz. 151 der Leitlinien).



Die Regelung darf nur „unabhängigen privaten Investoren“ gewährt werden und nur für neu vom beihilfefähigen Unternehmen ausgegebene Stammaktien, die mindestens drei Jahre gehalten wurden, gelten (Tz. 150 der Leitlinien). Als „unabhängiger privater Investor“ gilt derjenige, der kein Anteilseigner des beihilfefähigen Unternehmens ist, in das er investiert. Die Europäische Kommission betrachtet bei der Gründung eines neuen Unternehmens alle privaten Investoren, einschließlich der Gründer, als vom Unternehmen unabhängig (vgl. Tz. 52 xvii der Leitlinien).



Dasselbe gilt für private Investoren, die durch eine Kapitalerhöhung des beihilfefähigen Unternehmens neu ausgegebene Stammaktien am beihilfefähigen Unternehmen erwerben und damit eine erstmalige Beteiligung begründen.



Das beihilfefähige Unternehmen darf nicht börsennotiert sein und die Aktienausgabe darf nicht im Zusammenhang mit einem BuyOut stehen (Tz. 22 und 25 der Leitlinien).



Das beihilfefähige Unternehmen darf sich des Weiteren nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden (Tz. 26 der Leitlinien).

Um den Vorgaben des Europäischen Beihilferechts effektiv Rechnung tragen zu können, wird der Weg einer antragsgebundenen Steuerermäßigung gewählt. Damit sind im Rahmen der Einkommensermittlung hinsichtlich der Anwendung der Streubesitzregelung keine Ausnahmen zu prüfen, was das Verfahren erheblich erleichtert. Mit dem Antrag hat der Antragsteller die Voraussetzungen des § 26a Abs. 3 KStG-E nachzuweisen. Durch dieses Verfahren wird auch erreicht, dass sich in den Fällen, in denen die höchstmögliche Förderung bereits ausgeschöpft worden ist, gar keine Auswirkungen auf das Besteuerungsverfahren mehr ergeben. Die Steuerermäßigung nach § 26a KStG-E wird nur gewährt, wenn die Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils nach § 8b Abs. 4 KStG-E an einem beihilfefähigen Unternehmen nach Anwendung von § 8b Abs. 4 Satz 8 KStG-E im zu versteuernden Einkommen enthalten sind. Ist der Veräußerungsgewinn bereits vollständig oder teilweise nach § 8b Abs. 4 Satz 8 KStG-E mit Gewinnminderungen verrechnet worden, kommt keine bzw. nur eine anteilige Steuerermäßigung nach § 26a KStG-E in Betracht.

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Sofern in einem Veranlagungszeitraum die Körperschaftsteuer 0 Euro beträgt, kommt eine Gewährung der Steuerermäßigung nicht in Betracht. Es erfolgt keine Erstattung. Ein Vortrag in den nächsten Veranlagungszeitraum scheidet gleichfalls aus.23

8. Zeitliche Anwendung Die Neuregelungen zur Behandlung von Veräußerungsgewinnen und Gewinnminderungen bei Streubesitz in § 8b Abs. 4 Sätze 1 und 7 bis 10 KStG-E sind gem. § 39 Abs. 5 Satz 2 KStG-E erstmals ab dem 1.1.2018 anwendbar. Sowohl für Körperschaften mit kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr als auch für solche mit abweichendem Wirtschaftsjahr gelten die Neuregelungen somit erstmals ab dem VZ 2018.24 Wertsteigerungen aus dem Zeitraum davor werden bei rechtzeitiger Veräußerung nicht erfasst. Laut Begründung im BMF-Entwurf sei aufgrund der langen Vorlaufzeit eine Abgrenzung von Wertsteigerungen, die vor dem 31.12.2017 entstanden sind, nicht erforderlich. Es sei zwar grds. vorstellbar, dass es zur Versteuerung einer Vermögensposition kommen könne, die vor Einführung der Neuregelung steuerfrei hätte vereinnahmt werden können. Allerdings seien insbesondere Streubesitzanteile regelmäßig größeren Wertschwankungen unterworfen, so dass eine eindeutige Zuordnung stiller Reserven in der Regel nicht möglich sei.25 Hier besteht Handlungsbedarf für den Steuerpflichtigen: Die stillen Reserven sollten vor dem 1.1.2018 realisiert oder die Beteiligung vor der Veräußerung auf über 10 % aufgestockt werden. Die erstmalige Anwendung von § 26a KStG-E korrespondiert gem. § 34 Abs. 9a KStG-E mit der erstmaligen Anwendung der Regelungen zur Steuerpflicht der Gewinne aus Streubesitzbeteiligungen. Hinsichtlich der Anwendung von § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG-E findet sich keine Anwendungsregelung im BMF-E. Hier gelten dann die allgemeinen Grundsätze, d.h. wenn das Gesetzesvorhaben noch in diesem Jahr verabschiedet wird, greift für diese Neuregelung die allgemeine Anwen-

23 Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung v. 21.7.2015, S. 95 f. 24 Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit bei Ritzer/Stangl, DStR 2015, 2203, 2207; Haselmann/Albrecht, DStG 2015, 2212 ff. 25 Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung v. 21.7.2015, S. 96.

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dungsvorschrift in § 34 Abs. 1 i.d. Fassung durch das StÄndG 201526, d.h. Anwendung ab VZ 2016. Nach dem durch dieses Gesetz neu eingefügten § 27 Abs. 14 UmwStG-E findet die Änderung in § 4 Abs. 6 UmwStG erstmals bei Umwandlungen Anwendung, wenn im Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung in das für die Wirksamkeit der Umwandlung maßgebende öffentliche Register die Neufassung des § 8b Abs. 4 KStG für die Anteile an der übertragenden Körperschaft bereits Anwendung fände. Nach dem durch dieses Gesetz neu eingefügten § 27 Abs. 11 Satz 2 UmwStG-E gilt die Neufassung des § 8b Abs. 4 KStG-E für Gewinne i.S. des § 8b Abs. 2 KStG aufgrund einer Umwandlung (z.B. aufgrund eines Ansatzes der übertragenen Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz zu einem Wert oberhalb des Buchwerts, aufgrund § 7 UmwStG oder aufgrund § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG) oder einer Einbringung (aufgrund eines Ansatzes der eingebrachten Wirtschaftsgüter zu einem Wert oberhalb des Buchwerts) bereits erstmals vor dem 1.1.2018, wenn die Anmeldung der Umwandlung oder Einbringung zur Eintragung in das für die Wirksamkeit des jeweiligen Vorgangs maßgebende öffentliche Register nach dem 31.12.2017 erfolgt. Abs. 11 Satz 2 ist für jeden beteiligten Rechtsträger („Einkünftebezieher“) – nach dessen Merkmalen – gesondert anzuwenden. Durch diese Regelung wird die Anwendung der Neufassung des § 8b Abs. 4 KStG-E in den Veranlagungszeitraum vorverlagert zu dem der steuerliche Übertragungsstichtag gehört, wenn im Zeitpunkt der Anmeldung die Neufassung des § 8b Abs. 4 KStG-E bereits Anwendung findet. Bei Einbringungen, deren Wirksamkeit keine Eintragung in ein öffentliches Register voraussetzt, ist der Zeitpunkt des Abschlusses des Einbringungsvertrags maßgebend.27

26 Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015. 27 Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung v. 21.7.2015, S. 97.

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Neues Investmentsteuerrecht – Besteuerung von Investmentfonds gemäß dem Gesetzentwurf der Bundesregierung des InvStRefG v. 24. Februar 20161 Professor Dr. Jochen Lüdicke Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht, Düsseldorf2 Inhaltsübersicht I. Gesetzesanlass II. Zielsetzung der vorgeschlagenen Neuregelung III. Geplante Besteuerung des Publikums-Investmentfonds IV. Ermittlung der Einkünfte

VI. Besteuerung des Anlegers eines Publikums-Investmentfonds VII. Zwischenfazit VIII. Spezial-Investmentfonds IX. Inkrafttreten

V. Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds

I. Gesetzesanlass Das derzeitige Investmentsteuerrecht passt nicht mehr zur aufsichtsrechtlichen Ausgestaltung von Investmentvermögen. Der Koalitionsvertrag der derzeitigen Koalition hat ergebnisoffen eine grundlegende Reform der Investmentbesteuerung vorgesehen3. Am 22.7.2015 wurde ein Gesetzesentwurf vorgestellt4. Der für September 2015 angekündigte Referentenentwurf steht immer noch aus; zwischenzeitlich wurde aber am 24. Februar 2016 der Gesetzesentwurf der Bundesregierung verabschie1 Der frühere Entwurf wurde vor Drucklegung durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung ersetzt. Die Bezugnahmen erfolgen in der schriftlichen Fassung auf den aktuellen Entwurf. 2 Prof. Dr. Jochen Lüdicke ist Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Düsseldorf, Honorarprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Präsident des Bundesverbandes der Steuerberater. 3 Koalitionsvertrag vom 27.11.2013 zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode, „Deutschlands Zukunft gestalten“, S. 64. 4 BMF-online.

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det. Die Anwendung des derzeitigen Rechts wurde mit BMF-Schreiben vom 15.12.20155 bis zum 1.1.2018 weiter zugelassen. Nach der Veröffentlichung des (früheren) Gesetzesentwurfes wurde mit BMF-Schreiben vom 28.7.20156 entsprechend dem EuGH-Urteil in der Rs. van Caster und van Caster (C-326/12) der Nachweis von tatsächlichen statt pauschal geschätzten Erträgen zugelassen.

II. Zielsetzung der vorgeschlagenen Neuregelung Zukünftig soll für Zwecke der Besteuerung nur noch eine Unterscheidung zwischen Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds erfolgen. Voraussichtlich ab dem 1. Januar 2018 sollen daher sämtliche Investitionsvehikel, welche in den Anwendungsbereich des Entwurfs des InvStRefG („InvStRefG-E“) fallen, als sogenannte Investmentfonds einzuordnen sein. Spezial-Investmentfonds sollen darüber hinaus vorliegen, wenn die Voraussetzungen des § 20 InvStRefG-E erfüllt sind. Anlass für die Gesetzesänderung sind laut der Entwurfsbegründung die Verfolgung mehrerer Ziele. So sollen einerseits EU-rechtliche Risiken ausgeräumt werden. Hiermit bezieht sich der Entwurf zum einen auf das Urteil des EuGH vom 10. Mai 2012 – „Santander“.7 In diesem entschied der Europäische Gerichtshof, dass Rechtsvorschriften, die unterschiedliche steuerliche Folgen für Dividenden inländischer Herkunft vorsehen, je nachdem ob diese von gebietsansässigen oder von gebietsfremden Investmentfonds bezogen werden, gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen. Hintergrund war die Tatsache, dass französische Investmentfonds Dividenden von französischen Kapitalgesellschaften steuerfrei beziehen konnten, während ausländische Investmentfonds einer beschränkten Steuerpflicht unterlagen. In der Entscheidung „Emerging Markets“ vom 10. April 2014, in der das polnische Investmentsteuerrecht betroffen war, hat der EuGH seine eigene Rechtsauffassung bestätigt.8 Zum anderen will der Gesetzesentwurf auch der administrativen Mehrbelastung, die aus der EuGH-Entscheidung van Caster und van Caster9 eintreten könnte, bereits im Ansatz ausschließen.

5 IV C 1 – S 1980 – 1/08/10011:003 DOK 2015/1156061. 6 IV C 1 – S 1980 – 1/11/10014:005 DOK 2015/0662532. 7 EuGH, Urt. v. 10.5.2012 – Rs. C-338/11 und C-339/11 bis C-347/11, IStR 2012, 432. 8 EuGH, Urt. v. 10.4.2014 – Rs. C-190/12, IStR 2014, 334. 9 EuGH, Urt. v. 9.10.2014 – Rs. C-326/12, IStR 2014, 808.

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Weiterhin sollen laut Entwurfsbegründung aggressive Steuergestaltungen, insbesondere die Umgehung der Dividendenbesteuerung durch Nutzung eines inländischen Fonds, Wertpapierleihe sowie Derivate verhindert werden. Hierunter fällt unter anderem die Nutzung von Investmentfonds für sogenannte Cum-Ex-Gestaltungen, bei welchen durch Leerverkäufe über den Dividendenstichtag Ansprüche auf Erstattung von Kapitalertragsteuer erzeugt werden sollten, ohne dass zuvor Steuer abgeführt wurde, oder auch die sogenannten Kopplungsgeschäfte. Eine empirisch belegte Evidenz, dass derartige Gestaltungen mittels der Nutzung von Fonds in nennenswertem Umfang erfolgt wäre, enthält der Gesetzesentwurf nicht. Außerdem soll der Aufwand für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen auf Seiten sowohl der Wirtschaft als auch des Bürgers sowie der Kontrollaufwand der Verwaltung in den Massenverfahren bei Publikums-Investmentfonds und deren Anlegern verringert werden. Die Bundesregierung fürchtet, durch die vor dem Hintergrund der „van Caster und van Caster“-Entscheidung des EuGH vom 9. Oktober 201410 dem Anleger einzuräumende Möglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen nachzuweisen, sei erforderlich, in den einzelnen Finanzämtern Personal vorzuhalten11. Dass diese Begründung nicht trägt, liegt auf der Hand, weil ja der Nachweis verfahrensrechtlich (und unionsrechtlich) unproblematisch in ein vorgelagertes Feststellungsverfahren hätte überführt werden können, für das eine Spezialzuständigkeit bei den bislang schon mit dem Investmentsteuerrecht vertrauten Ämtern hätte angeordnet werden können. Die Begründung indiziert leider erneut einen problematischen Umgang mit (missliebigen) EuGH-Entscheidungen: statt im Sinne einer unionsfreundlichen Umsetzung nach einem Verwaltungsweg zu suchen, der gangbar ist, wird das System zu Lasten der Steuerpflichtigen geändert, obwohl auch andere Wege zur Verfügung gestanden hätten. Schließlich soll verfahrensrechtlich eine rückwirkende Fehlerkorrektur ermöglicht werden, die bei Publikums-Investmentfonds derzeit praktisch nicht möglich ist. Dies liegt daran, dass die Anleger dem Publikums-Investmentfonds nicht bekannt sind und sich auch die Anlegerzusammensetzung in dem Zeitraum zwischen der Fehlerentstehung der Fehlerentdeckung mehrmals geändert haben kann.

10 EuGH, Urt. v. 9.10.2014 – Rs. C-326/12, IStR 2014, 808. 11 Vgl. Begründung, allgemeiner Teil, A. I, 60.

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Nicht unerwünschte – aber unbenannte – Nebenfolge der Neuregelung ist sicher auch, dass die steuerfreie Rückgabe von Investmentanteilen, die unter die Alt-Übergangsregelung (Erwerb vor 2009 oder in Sonderfällen vor 2007) mit der gesetzlichen Neuregelung endet. Die von den Fondsanlegern erwartete Steuerfreiheit von Erträgen, derentwegen einzelne Anleger Kursverluste hingenommen haben, wird damit ohne die Möglichkeit der nachträglichen Option zur voll transparenten Besteuerung kassiert. Verlässlichkeit des Gesetzgebers bei Systemumstellungen hätte ein anderes Vorgehen nahegelegt. Die Anleger, die in Erwartung der steuerfreien Rückgabe von Fondsanteile auf deren Rückgabe in der Finanzkrise verzichtet und dadurch dazu beigetragen haben, den Finanzmarkt zu stabilisieren, werden jetzt durch die Vollbesteuerung um den (steuerlichen) Ertrag ihrer zivilgesellschaftlich richtigen Entscheidung gebracht. Ein Staat, der auf bürgerschaftliches Engagement Wert legt, muss mit seinen Bürgern anders umgehen, als ihnen im Nachhinein die Frucht dieser Entscheidung zu entziehen. Ebenfalls wenig bürgerfreundlich und unverändert ist vorgesehen, dass der Anleger die Richtigkeit seiner Steuerangaben auch in Bezug auf Investmentfonds mit seiner Unterschrift unter der Steuererklärung zu bestätigen hat. Der Entwurf führt zur Begründung des Systemwechsels aus: „Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen ist derart komplex und setzt eine Kenntnis der Geschäftsvorgänge des Investmentfonds voraus, dass weder den Anlegern – selbst wenn diese steuerlich beraten sind – noch den Veranlagungsbeamten eine Überprüfung möglich ist.“12 Der Befund ist zweifellos zutreffend, die daraus unmittelbar zwingend notwendige Folge, den Steuerpflichtigen mit sofortiger Wirkung von der Bestätigungspflicht zu befreien, wird jedoch weder im Referentenentwurf noch in dem folgenden Gesetzentwurf der Bundesregierung gezogen. Hier besteht m.E. dringender Nachbesserungs- und rechtsstaatlicher Schulungsbedarf. Es ist für ein Ministerium eines Rechtsstaats ein Armutszeugnis, vom Gesetzesbetroffenen etwas zu verlangen, was dieser nach der Erkenntnis eben jenes Ministeriums nicht erfüllen kann. Bis dahin kann nur empfohlen werden, bei Unterzeichnung der Steuererklärung eine Einschränkung dahin vorzunehmen, dass die Einkünfte aus Investmentfonds ohne eigene Prüfungsmöglichkeit und ohne Richtigkeitsgewähr durch Übernahme der Daten der Fondsverwaltung in die Steuererklärung angegeben wurden.

12 Begründung des Gesetzesentwurfs, S. 59.

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Ebenfalls befremdlich wirkt der Hinweis, dass die Übergangsfrist zwischen Entwurf (Gesetzesbeschluss) und Inkrafttreten lange genug bemessen sei, um auf Übergangsregelungen verzichten zu können. Im Regelfall konnten Investoren im Jahre 2008 zwischen einer Immobiliendirektinvestition und einer indirekten Investition über einen Immobilienfonds wählen. Wollten sie die Immobilie bis 2018 verkaufen, wäre beim Immobilienfonds Steuerfreiheit eingetreten, bei der Direktinvestition erst nach Ablauf von 10 Jahren nach Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. Muss nun zum Erhalt der Steuerfreiheit der Fonds vor dem 1.1.2018 verkauft werden, lässt sich die 10-jährige Investitionsphase nicht steuerfrei abschließen. Die Argumente pro bzw. contra Direkt- vs. Fondsinvestment aus dem Jahre 2008 können sich damit in ihr Gegenteil verkehren. Auch dieser Aspekt legt eine Änderung zumindest sehr nahe und zeigt, dass der Gesetzesentwurf zu stark den administrativen Vollzug (auch bei den von Umtauschgebühren begünstigten Fondshäuser) und zu wenig die Interessen der Steuerpflichtigen in den Blick nimmt. Ungeachtet dieser generellen Kritik ist der Gesetzgeber bei der Übergangsregelung im Übrigen mit Augenmaß vorgegangen. § 56 Abs. 1 S. 4 InvStG-E regelt, dass die Fondsgesellschaften die (schwieriger zu ermittelnden) Besteuerungsgrundlagen für 2017 erst bis zum 31. Dezember 2018 zu veröffentlichen haben, wenn aus der Systemänderung ein zusätzliches Rumpfgeschäftsjahr folgt. Ferner wird für die Fassung des Ausschüttungsbeschlusses betreffend den Rumpfjahresgewinn die Frist auf acht Monate verdoppelt. Schließlich wird die Feststellung des Gewinnes aus dem Systemwechsel nicht sofort kassenwirksam, sondern es wird die Besteuerung erst bei tatsächlicher Durchführung der Veräußerung vorgenommen, wodurch – traut man hier dem Gesetzgeber – eine Dauerstundung resultieren könnte, § 56 Abs. 3 InvStG-E. Zutreffend sollen nach § 56 Abs. 6 InvStG-E bei bestandsgeschützten Altanteilen Wertveränderungen zwischen dem Anschaffungszeitpunkt und dem 31. Dezember 2017 nicht und danach nur besteuert werden, wenn ein Freibetrag von 100.000 Euro insgesamt (nach Verrechnung mit etwaigen vorgängigen Veräußerungsverlusten) überschritten ist.

III. Geplante Besteuerung des Publikums-Investmentfonds Für Zwecke der Besteuerung gelten inländische Investmentfonds gem. § 6 Abs. 1 InvStG-E als Zweckvermögen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 5

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KStG. Eine inländische Körperschaftsteuerpflicht entsteht hiernach bei Auslandsfonds mit inländischen Einnahmen gem. § 2 Nr. 1 KStG. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung unterliegen Investmentfonds mit ihren inländischen Einkünften gem. § 6 Abs. 2–5 InvStG-E in Verbindung mit § 49 Abs. 1 EStG der Körperschaftsteuer und sind damit nicht mehr insgesamt steuerbefreit. So stellen unter anderem Dividenden und Aufgabegewinne sowie Entgelte, Einnahmen oder Bezüge im Sinne von § 2 Nr. 2 KStG, also insbesondere Steuerabzugseinkünfte und Leihentgelte, inländische Beteiligungseinnahmen im Sinne von § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 1a EStG dar. Demgegenüber sind auch inländische Zinsen, Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren, Gewinne aus Termingeschäften, ausländische Dividenden und ausländische Immobilienerträge steuerfrei zu vereinnahmen. Die Beteiligungsertragsbefreiung des § 8b KStG soll gem. § 6 Abs. 6 InvStG-E nicht zur Anwendung kommen. Dies soll ausweislich der Entwurfsbegründung13 zu einer Gleichbehandlung von Streubesitzbeteiligungen auf Anlegerebene führen, unabhängig davon ob diese mittelbar oder unmittelbar über einen Investmentfonds gehalten werden. Auch inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte im Sinne von § 49 Abs. 1 EStG stellen gem. § 6 Abs. 4 und 5 InvStG-E inländische Einkünfte dar. Bei den Immobilienerträgen ist zu beachten, dass im Gegensatz zu § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG Veräußerungsgewinne – wie bei Kapitalgesellschaften üblich aber für private Direktinvestoren unüblich – auch bei einer Haltedauer von über zehn Jahren erfasst werden. Für Fälle, bei denen die 10-jährige Haltefrist vor einer Verkündung des Gesetzes abgelaufen ist, enthält die Regelung in § 6 Abs. 4 InvStG-E einen Bestandsschutz, nachdem dessen Fehlen bei der Verlängerung auch abgelaufener Spekulationsfristen bei der Neuregelung des § 23 EStG vom BVerfG als verfassungswidrig beurteilt worden war.14 Allerdings werden die steuerfreien Gewinne bei der Ausschüttung an die Anleger unter Beachtung der Teilfreistellung, § 20 Abs. 3 InvStG-E, nachbelastet. Die Gesetzesbegründung15 geht davon aus, dass diese Besteuerung insgesamt zulässig sei, weil auch die Anleger von ab 2009 erworbenen Fonds nicht die Möglichkeit der steuerfreien Realisierung der Immobilienveräußerungserträge haben. Dies ist zwar zutreffend, berücksichtigt aber nicht die Situation der bestandsgeschützten 13 Begründung B zu Artikel 1 zu Kapitel 1 zu § 6 zu Absatz 6, S. 89. 14 BverfG, Beschl. v. 7.7.2010 – 2 BvL 13/05, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04. 15 Begründung B zu Artikel 1 zu Kapitel 1 zu § 6 zu Absatz 4 zu Nummer 2, S. 85.

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Altanleger, für die m.E. aus den in der Gesetzesbegründung genannten Überlegungen eine Vollbefreiung auch im Falle der Ausschüttung nach 2017 erforderlich wäre. Durch die Steuererhebung auf Ebene des Fonds lässt sich – unabhängig vom Anleger – eine steuerliche Gleichbehandlung der Fondserträge sicherstellen. Um insofern steuerbefreite Anleger, z.B. Kirchen und gemeinnützige Stiftungen, nicht vom Fondserwerb auszuschließen, sieht § 8 InvStG-E ein Bescheinigungsverfahren für diese Anleger (zutreffend auch vergleichbare ausländische steuerbefreite Einrichtungen) vor, die auf Fondsebene die Steuerfreiheit absichert. Damit die Systemumstellung auch inhaltlich funktioniert, muss die Fondssatzung im Zweifel angepasst werden, damit es zwei Gesellschafterklassen geben kann, deren Ausschüttungen sich unterschiedlich darstellen, da anderenfalls alle Anleger von der Steuerfreiheit einzelner Mitanleger profitieren würden. Ob alle Fondsgesellschaften dies richtig umsetzen oder ob einige Fondsgesellschaften zur Vermeidung des administrativen Mehraufwandes diese Fondsanleger generell ausschließen, wird sich erst in der Zukunft weisen. Ebenso wird zu beobachten sein, ob der Mehraufwand zu höheren Kosten für diese Anleger führen wird und sie daher unter einer weiteren politischen Entscheidung – neben der ihre Aufgabenerfüllung beeinträchtigenden Niedrigzinspolitik – zu leiden haben.

IV. Ermittlung der Einkünfte Die Einkünfte sind – wie bei privaten Anlegern und abweichend von den allgemeinen Regeln bei Kapitalgesellschaften – nicht durch Betriebsvermögensvergleich, sondern gem. § 6 Abs. 7 InvStG-E als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln. Ein Ansatz von Werbungskosten ist bezüglich von Einkünften, die einem Steuerabzug unterliegen, ebenso ausgeschlossen, wie die Verrechnung mit negativen Einkünften. Damit fällt ein weiterer derzeit bestehender Vorteil von Fonds gegenüber Direktanlagen weg. Während die Kosten der Anlageverwaltung im privaten Bereich nicht abzugsfähig sind (Ausschluss des Werbungskostenabzugs bei Abgeltungssteuereinnahmen), konnten Fonds die Kosten ansetzen. Sie waren zwar steuerbefreit, die Anleger wurden aber regelmäßig nur mit den Netto-Ausschüttungen besteuert.

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V. Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds Gem. § 7 Abs. 1 InvStG-E beträgt die Kapitalertragsteuer bei Einkünften von in- und ausländischen Investmentfonds mit Beteiligungseinnahmen im Sinne des § 6 Abs. 2 InvStG-E 15 % des Kapitalertrages. Der Steuersatz spiegelt den DBA-Höchstsatz von 15 % auf Streubesitzdividenden wider und dient damit der Wettbewerbsfähigkeit von inländischen gegenüber ausländischen Investmentfonds. Vorteile, die sich aus einer Verbundinvestition ergeben könnten, weil bei höheren Beteiligungsquoten ein niedrigerer DBA-Steuersatz zur Anwendung kommt, werden dem Investmentfonds nicht zur Verfügung gestellt. Die Absenkung der Quellensteuer auf 15 % bedarf gem. § 7 Abs. 3 InvStG-E der Vorlage einer Bescheinigung des Bundeszentralamts für Steuern, aus welcher sich der Status als Investmentfonds ergeben muss. Die Geltungsdauer der Bescheinigung darf dabei einen Zeitraum von drei Jahren nicht überschreiten. Auch hier werden möglicherweise verfolgte Nebenziele dieser Belastungsentscheidung bezüglich eines Investmentfonds nicht angegeben, so dass es rein spekulativ ist, ob der Entwurfsverfasser diese verfolgt hat. Jedenfalls ist das nicht offenzulegende „Anschleichen“ an eine Kapitalgesellschaft über Investmentfonds, die als Publikumsfonds ausgestaltet sind, bei denen aber einem oder einer Gruppe von Anlegern die weit überwiegende Mehrheit oder gar alle Anteile gehören, damit wirtschaftlich unattraktiver gemacht worden.

VI. Besteuerung des Anlegers eines PublikumsInvestmentfonds Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG in der Fassung des InvStRefG-E Investmenterträge im Sinne von § 16 InvStG-E und nach Nr. 3 a Spezial-Investmenterträge nach § 34 InvStG-E. Durch die Bezugnahme auf § 16 InvStG-E sind neben den Ausschüttungen auch die Vorabpauschalen im Sinne von § 18 InvStG-E und Veräußerungsgewinne im Sinne von § 19 InvStG-E erfasst. Das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG und § 8 b KStG sind nicht anzuwenden, § 16 Abs. 3 InvStG-E. Die Besteuerung der Erträge aus Investmentfonds soll gem. § 16 InvStG-E im Kern dann erfolgen, wenn Ausschüttungen erfolgen oder der

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Anleger Fondsanteile veräußert. Eine Ausnahme gilt jedoch in Bezug auf sogenannte Vorabpauschalen. Dies sind gem. § 18 InvStG-E Beträge, welche sich aus der Multiplikation des Rücknahmepreises des Investmentanteils zu Beginn des Kalenderjahres mit 70 % des Basiszinssatzes im Sinne des § 203 Abs. 2 BewG ergeben (sog. Basisertrag), vermindert um die Ausschüttungen im laufenden Kalenderjahr. Bei nur unterjährigem Halten wird auch für „Tagesanleger“ ein Zwölftel der Pauschale als Mindestwert angesetzt, also eine Mindestbesitzperiode von einem Monat und ein gleichmäßiger Mittelzufluss beim Fonds fingiert. Im Rahmen der Fiktion wird der Zufluss auf das Ende des Kalenderjahres, nicht Wirtschaftsjahres, festgelegt, § 18 Abs. 3 InvStG-E, so dass in Gesellschaften mit abweichenden Wirtschaftsjahren gehaltene Investmentfonds einen Steueraufschub realisieren können. Durch die Vorabpauschale wird das Grundsystem, eine Besteuerung nur im Falle von Ausschüttungen vorzunehmen, systemwidrig durchbrochen; angesichts der Niedrigzinspolitik und einem Basiszinssatz von 1,10 %, also einer Vorabpauschale von (in 2016) nur 0,77 % stellt sich m.E. die Frage, ob diese komplizierte Regelung tatsächlich benötigt wird oder nicht jedenfalls so lange ausgesetzt wird, wie der Basiszins unterhalb von z.B. 1,50 % verbleibt. Auch im Falle der seinerzeitigen Kapitalertragsteuer blieben Guthabenzinsen auf Girokonten außen vor, weil ein Missverhältnis von Aufwand und Ertrag gesehen wurde. Die Vorabpauschale wird nur als Differenzbetrag zu den tatsächlichen Ausschüttungen und nur insofern ermittelt, als dass die tatsächlichen Ausschüttungen niedriger sind. Werden Vorabpauschalen angesetzt, so werden die während der Besitzdauer angesetzten Vorabpauschalen auf die Veräußerungserlöse in voller Höhe und vor den Teilfreistellungen (§ 20 InvStG-E) angerechnet, § 19 Abs. 1 S. 3 InvStG-E. Da die Vorabpauschale sachlich zutreffend erst am Ende eines Jahres ermittelt werden kann, erscheint die Formulierung nicht ganz gelungen. Die Vorabpauschale ist zutreffenderweise auch dann anzurechnen, wenn sie für die Besitzzeit, aber nach Veräußerung der Anteile, angesetzt wird. Eine Rückerstattung der Steuern bei einem Gesamtverlust oder einer Stornobuchung ex nunc ist nicht vorgesehen. Verfassungsrechtlich scheint mir diese Regelung sehr fragwürdig zu sein. Investmentfonds mögen in Ländern oder Branchen oder Anleihetypen investiert sein, in denen Ausschüttungen unüblich sind. Der Anleger wird zwar hoffen, dass ein Gesamtgewinn entsteht, bei negativen Zinsen ist „Gesamtgewinn“ aber möglicherweise bereits der nominale Kapitalerhalt. Dies

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muss auch keineswegs durch einen bereits zu Jahresanfang festgesetzten negativen Basiszins belegt sein; die Zinsen können auch im Jahresverlauf unter die Nulllinie sinken oder es kann ein Unterschied zwischen dem Anlageverhalten des Fonds (Kurzläufer) und der Bemessung der in den Basiszins eingehenden Zinszeiträumen bestehen. Der Staat erhebt dann Steuern auf Nichterträge. (Auch) an dieser Stelle muss der Entwurf nachgebessert werden. Hierbei wäre es sachgerecht, auf die Vorabpauschale zu verzichten, weil im Niedrigzinsumfeld die Beträge im groben Missverhältnis zum Verwaltungs- und Erklärungsaufwand stehen. Jedenfalls muss bei fehlenden Ausschüttungen und Nichterzielung eines (ausreichenden) Veräußerungsgewinnes eine Erstattung der Steuer (mindestens nach den Regeln des § 175 AO) vorgesehen werden, da beim Anleger keinerlei Zuwachs der Leistungsfähigkeit (weder temporär noch in der Gesamtperiode) eingetreten ist. Im Rahmen von § 20 Abs. 1 bis 3 InvStG-E kommt es zu einer teilweisen Freistellung bei Aktien- und Immobilienfonds, um die auf Fondsebene eingetretene steuerliche Vorbelastung für Zwecke der Einkommenbzw. Körperschaftsteuer (in stark pauschaler und recht fiskalfreundlich geschätzter Form) abzumildern. Nach der Teilfreistellungsregelung bleiben 30 % der Erträge bei Aktienfonds steuerfrei; die Aktienteilfreistellung verdoppelt sich auf 60 % bei Anteilen im Betriebsvermögen und bei körperschaftsteuerpflichtigen Anlegern auf 80 %. Ob sich hieraus eine gleichheitswidrige Bevorzugung von bestimmten Körperschaften ergibt, wird zu untersuchen sein, da der Gesetzesentwurf die Quelle der empirischen Untersuchung, die zu den Teilfreistellungssätzen geführt hat, nicht benennt.16 Aktienfonds sind Fonds, die gemäß den Anlagebedingungen fortlaufend mindestens 51 % ihres Wertes in Aktien anlegen. Bei Mischfonds, nach § 2 Abs. 7 InvStG-E Fonds mit einer Kapitalbeteiligungsquote von mindestens 25 %, sind die hälftigen Sätze zu gewähren, § 20 Abs. 2 InvStG-E. Bei Immobilienfonds ist eine Steuerfreistellung von 60 % bzw. 80 % vorgesehen, wenn die Investmentfonds ihren Anlagebedingungen nach zu mindestens 51 % in Immobilien und Immobilien-Gesellschaften investieren (60 %) beziehungsweise mindestens 51 % in ausländischen Immobilien und ausländischen Immobiliengesellschaften, die ihrerseits nur in ausländische Immobilien investieren, angelegt werden (80 %). 16 Begründung B zu Artikel 1 zu Kapitel 1 zu § 20 zu Absatz 1, S. 106.

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Entgegen dem Prinzip der Verwaltungsvereinfachung durch das InvStRefG-E ist dem Anleger in Übereinstimmung mit der van Caster und van Caster-Entscheidung des EuGH17 zutreffend der Nachweis der tatsächlich dauernden Überschreitung der Quoten, auch wenn die Statuten des Fonds eine Unterschreitung zulassen, eröffnet, § 20 Abs. 4 InvStG-E. Die Teilfreistellung betrifft wiederum Ausschüttungen, Vorabpauschalen und Anteilsveräußerungen im oben genannten Sinne. Sie erfolgt jedoch gem. § 20 Abs. 5 InvStG-E für Zwecke der Gewerbesteuer nur hälftig, unabhängig davon, ob der Investmentfonds gem. § 15 InvStG-E selbst von der Gewerbesteuer befreit ist. Damit trägt die Begründung18, der Fondsertrag sei gewerbesteuerlich nicht vorbelastet nicht. Dies scheint auch dem Verfasser aufgefallen zu sein, der davon berichtet, dass „grundsätzlich keine Gewerbesteuer anfällt“. Mithin hat der Gesetzesverfasser gesehen und die Bundesregierung billigend in Kauf genommen, dass in den Fällen, in denen der Fonds der Gewerbesteuer unterliegt, eine systemwidrige gewerbesteuerliche Doppelbelastung vorliegt, ohne hieraus durch einen Verweis auf § 15 InvStG-E und § 20 Abs. 5 InvStG-E die naheliegenden richtigen Folgen zu ziehen. Ob diese Regelung verfassungsrechtlichen Bestand hat, ist zweifelhaft. Für Anleger, welche die Erträge im Privatvermögen erzielen, gilt im Rahmen der Besteuerung die Abgeltungsteuer. Die Teilfreistellungen im Sinne von § 20 InvStG-E mindern im Hinblick auf die Abgeltungsteuer deren Bemessungsgrundlage.

VII. Zwischenfazit Die angedachte Neuregelung (Diskussionsentwurf und Gesetzesentwurf) ist im deutschen Schrifttum19 zwar bereits weitgehend rezipiert. Rechtsgrundsätzliche und -systematische Untersuchungen stehen jedoch noch aus. Angesichts des Mangels an ertragreichen Anlagen in der Niedrigzinszeit sollte Anlegern ein möglichst einfaches und diskriminierungsfreies Investmentsteuerrecht geboten werden und es sollten auch Kleinanleger nicht schlechter gestellt werden als bei einer Direkt17 EuGH, Urt. v. 9.10.2014 – Rs. C-326/12, IStR 2014, 808. 18 Begründung B zu Artikel 1 zu Kapitel 1 zu § 20 zu Absatz 5, S. 107 f. 19 Vgl. Bron, Stbg 2015, 391 ff.; Höring, DStZ 2015, 835 ff.; Kempf/Fischer, SteuK 2015, 339 ff.; Kotten/Heinemann, DStR 2015, 1889 ff.; Kral/Watzlaw, BB 2015, 2198 ff.; Rehm/Nagler; BB 2015, 1248 ff.; dies., BB 2015, 2006 ff.; Roth, StBW 2015, 829 ff.; Stadler/Jetter, DStR 2015, 1833 ff.

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investition. Hierzu müsste – wie bei (zu Recht lobbystarken) steuerbefreiten Anlegern – die Möglichkeit der Durchreichung von NV-Bescheinigungen und Sparerfreibeträgen an die Fondsgesellschaften bestehen, weil weder der Sache noch der Technik nach ein Unterschied zu steuerbefreiten Organisationen besteht. Wird hierauf verzichtet, muss die Politik – in welcher Zusammensetzung dann auch immer – dem Verfassungsgericht erklären können, warum die Bevölkerungsmehrheit bei der Fondsinvestition steuerliche Nachteile gegenüber einer Direktinvestition erleiden soll. Soziale Politik ist dies sicher nicht.

VIII. Spezial-Investmentfonds Für Zwecke der Besteuerung von Spezial-Investmentfonds wird die intransparente durch eine semi-transparente Besteuerung ersetzt. Das bedeutet, dass, anders als bei Personengesellschaften, nicht alle Einkünfte dem Anleger zugerechnet werden. Die Merkmale eines Spezialinvestmentfonds ergeben sich aus § 26 InvStG-E. Demgemäß muss dieser gem. § 15 Abs. 2 und 3 InvStG-E (gewerbe-)steuerbefreit sein und die weiteren Voraussetzungen des § 26 InvStG-E erfüllen. Inländische Spezial-Investmentfonds können gem. § 27 InvStG-E als Sondervermögen im Sinne von § 1 Abs. 10 KAAG oder in Form einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital im Sinne des § 108 KAGB gebildet werden. Da die §§ 3 Nr. 40 EStG, bzw. 8b KStG gem. § 34 Abs. 2 InvStG-E nicht zur Anwendung kommen, unterliegen Spezial-Investmentfonds grundsätzlich in voller Höhe der Besteuerung. Gem. § 30 Abs. 1 InvStG-E gibt es jedoch die Möglichkeit, eine Transparenzoption auszuüben. In diesem Falle gelten die Anleger des Spezialinvestmentfonds als Gläubiger der inländischen Beteiligungseinnahmen und als Schuldner der Kapitalertragsteuer. Die Einkünfte werden dann auf Ebene der Anleger unter Einbehalt der Kapitalertragsteuer so besteuert, als ob die Beteiligungseinnahmen ihnen unmittelbar selbst zu geflossen wären, § 31 Abs. 1 InvStG-E. Diese Transparenz ist angesichts der aufsichtsrechtlichen Beschränkung der Anlegeranzahl und der Notwendigkeit der Anlegerqualifizierung als „professioneller Anleger“ sowie der Mindestanlagesummen einfacher umsetzbar, als bei Publikumsfonds. Gem. § 33 Abs. 1 InvStG-E entfällt die Steuerbefreiung der Spezial-Investmentfonds auf die Erträge aus Immobiliengeschäften, wenn der Spezial-Investmentfonds Kapitalertragsteuer erhebt. Dies gilt auch für sons-

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tige inländische Einkünfte, die bei Zufluss bei dem Spezial-Investmentfonds keinem Steuerabzug unterliegen. Der Gesetzgeber benennt für diese – gegenüber der Entwurfsfassung modifizierten – Regelung keinen Anwendungsfall. Das Konzept der ausschüttungsgleichen Erträge (§ 36 InvStG-E) wird modifiziert beibehalten. Auf Anlegerebene sind Erträge grundsätzlich voll steuerpflichtig. Allerdings erfolgt bei inländischen Beteiligungserträgen zu 60 % und bei inländischen Immobilienerträgen zu 20 % eine Teilfreistellung, § 42 Abs. 4 und 5 InvStG-E.

IX. Inkrafttreten Für alle Fonds sollen die Neuregelungen zum 1. Januar 2018 zur Anwendung kommen. § 56 InvStG-E fingiert zu diesem Zweck einen fiktiven Verkauf sowie eine fiktive Neuanschaffung zum Jahreswechsel 31.12.2007/1.1.2018. Dementsprechend gilt für Fonds mit einem abweichenden Geschäftsjahr ein zum 31.12.2017 endendes Rumpfwirtschaftsjahr. Als Veräußerungspreis sowie als Anschaffungskosten gilt gem. § 56 Abs. 2 S. 2 InvStG-E der letzte im Kalenderjahr 2017 festgesetzte Rücknahmepreis. Der fiktive Veräußerungsgewinn soll gesondert festgestellt und in dem Zeitpunkt versteuert werden, in welchem der Anteil veräußert wird. Der Entwurfsverfasser meint, dass damit das Rückwirkungsproblem beseitigt sei. Ich habe diesbezüglich Zweifel. Wenn nämlich eine fiktive Veräußerung angesetzt ist, entsteht ein Gewinn auf der Anlegerebene. Dieser verändert mangels flankierender Gesetzgebung im Bilanzrecht bei Bilanzierungspflichtigen die Rücklagen und die Vermögenswerte. Bei gemeinnützigen Einrichtungen muss der Gewinn – obwohl nicht „wirklich“ realisiert – gemeinnützigkeitsentsprechend ausgegeben werden. Dies wird oftmals ohne Anteilsveräußerungen nicht gehen. Der Kapitalerhaltungsgrundsatz für das Stiftungskapital wird insoweit durchbrochen. Satzungen sehen in aller Regel für eine solche Fiktion keine Ausschüttungsbeschränkungen oder Rücklagenbildungen vor. Eine entsprechende Ergänzung z.B. die Einfügung eines § 56 Abs. 7 InvStG-E („Wird eine Veräußerung zum 31. Dezember 2017 nach Abs. 2 fingiert, ist ein hieraus resultierender Gewinn auch für andere Gesetze nicht vor der tatsächlichen Veräußerung der Anteile zu erfassen.“) ist auch aus diesem Grunde dringend wünschenswert.

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Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen Oberregierungsrat Jörg Eimler Oberfinanzdirektion NRW, Köln/Münster1 Inhaltsübersicht I. Ausgangssituation II. Zwischenstaatlicher Informationsaustausch im Wege der Amtshilfe – Allgemeines III. Steuerprüfungen im Ausland 1. Durchführung bestimmter eigenständiger Ermittlungshandlungen auf fremden Hoheitsgebiet 1.1 Art. 6 Abs. 1 OECDMusterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen 1.2 Art. 26 OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen 2. Anwesenheit des Bediensteten des ersuchenden Staates bei Ermittlungen der Finanzverwaltung des ersuchten Staates – Passive Anwesenheit 2.1 Grundsätze 2.2 Art. 6 Abs. 2 und 3 OECD-Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen

2.3 Art. 26 OECD-MA 2.4 Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen 2.5 EU-Amtshilferichtlinie bzw. EU-Amtshilfegesetz 2.6 Verordnung (EU) Nr. 904/2010 2.7 Tabellarische Zusammenfassung 3. Anwesenheit des Bediensteten des ersuchenden Staates bei Ermittlungen der Finanzverwaltung des ersuchten Staates – Aktive Anwesenheit 3.1 Grundsätze 3.2 Art. 6 Abs. 2 und 3 OECD-Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen 3.3 Art. 26 OECD-MA 3.4 Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen 3.5 EU-Amtshilferichtlinie bzw. EU-Amtshilfegesetz 3.6 Verordnung (EU) Nr. 904/2010 3.7 Tabellarische Zusammenfassung

1 Dipl.-Finw. (FH) Jörg Eimler ist Referent für Internationales Steuerrecht in der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen. Der Aufsatz gibt die persönliche Auffassung des Verfassers wieder. Er wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.

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Eimler, Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen IV. Gleichzeitige Prüfungen/ Simultanprüfungen 1. Grundsätze 2. Art. 26 OECD-MA 3. Amtshilfeübereinkommen 4. EU-Amtshilferichtlinie bzw. EU-Amtshilfegesetz 5. Verordnung (EU) Nr. 904/2010 6. Tabellarische Zusammenfassung V. Multilaterale Prüfungen (Multilateral Control)/ Fiscalis-Prüfungen VI. Joint Audit/Gemeinsame steuerliche Außenprüfungen 1. Grundsätze

2. Definition von Joint Audit i.S.d. OECD 3. Hauptziele einer Joint Audit i.S.d. OECD 4. Joint Audits bzw. gemeinsame Prüfungen aus Sicht Deutschlands VII. Rechte des Steuerpflichtigen VIII. Antragsrecht bzw. Anspruch des Steuerpflichtigen auf eine „grenzüberschreitende Betriebsprüfung“? IX. Problempunkte und aktuelle Entwicklungen X. Fazit

In der jüngsten Vergangenheit hat das Thema „Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen“ zunehmend an Interesse gewonnen. Hierzu haben sicherlich Aktivitäten auf internationaler Ebene wie z.B. das Joint AuditProjekt des Forum on Tax Administration (kurz: FTA) der OECD2 und die Schaffung verbesserter rechtlicher Rahmenbedingungen für eine Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen der einzelnen Staaten3 beigetragen. Begriffe wie „multilaterale Prüfungen“, „Steuerprüfungen im Ausland“, „gleichzeitige Prüfungen“, „Simultanprüfungen“, „Joint Audit“ usw. haben Einzug in die rechtlichen Erörterungen und Diskussionen gehalten. Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen ist es, einzelne „Ausformungen“ grenzüberschreitender Betriebsprüfungsaktivitäten, ihre jeweilige Bedeutung und damit verbunden ihre Rechtsgrundlage näher zu beleuchten.

2 Der im September 2010 veröffentlichte Joint Audit Report der OECD ist unter www.oecd.org abrufbar. 3 Beispielhaft sei auf die Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (kurz: EUAHiRL), Amtsblatt der Europäischen Union vom 11.3.2011, L 64/1 ff., hingewiesen.

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Eimler, Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen

I. Ausgangssituation Zunächst einmal sei die Ausgangssituation beleuchtet. Im Rahmen der unbeschränkten Einkommen- und Körperschaftsteuerpflicht kommt das sog. materielle Universalitätsprinzip zur Anwendung4, d.h. es wird das vom jeweiligen Steuerpflichtigen erzielte Welteinkommen der deutschen Besteuerung unterworfen. Somit werden auch grenzüberschreitende Sachverhalte bzw. außerhalb des eigenen Hoheitsgebietes verwirklichte Sachverhalte steuerlich erfasst, sofern nur die tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen Einkunftsart verwirklicht worden sind5. Dies ist verglichen mit den Besteuerungsverfahren anderer Staaten nicht ungewöhnlich und völkerrechtlich auch zulässig, wenn ein tatsächlicher Anknüpfungspunkt zum jeweiligen Staat besteht6. Verfahrensrechtlich gelten jedoch andere Grundsätze. Zunächst einmal ist der in § 85 AO verankerte Grundsatz zu beachten, dass die Finanzbehörden die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben haben. Hierbei kommt der sog. Untersuchungsgrundsatz zur Anwendung, d.h. die Finanzbehörden haben den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln7. Diese Ermittlungspflicht endet auch nicht an der Staatsgrenze8. Es ist einem Staat bzw. seinen Behörden jedoch völkerrechtlich verwehrt, im Hoheitsgebiet eines anderen Staates ohne dessen Zustimmung hoheitlich tätig zu werden9. Dieses Prinzip der sog. formellen Territorialität führt dazu, dass das staatliche Handeln grds. auf das eigene Staatsgebiet beschränkt wird. Dies gilt auch für die Durchführung von Betriebsprüfungen bzw. die Vornahme von Ermittlungshandlungen im Rahmen von Betriebsprüfungen10. Hierzu zählen auch Ermittlungsmaßnahmen rein tatsächlicher Art11. Nach den vorstehenden Ausführungen ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen den rechtlichen Verpflichtungen der deutschen Finanzbehör4 5 6 7 8

Vgl. Hendricks in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 117 AO, Rz. 5. § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 EStG, § 1 i.V.m. § 8 KStG. Vgl. Hendricks in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 117 AO, Rz. 5. Vgl. § 88 AO. Vgl. Beckmann, Gemeinsame Betriebsprüfung durch deutsche und ausländische Finanzverwaltungen, StBp 2014, 66, Tz. I. 9 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, BVerGE 63, 343, Tz. B II.3 Buchst. b Doppelbuchst. Aa. 10 Vgl. Beckmann, Gemeinsame Betriebsprüfung durch deutsche und ausländische Finanzverwaltungen, StBp 2014, 66, Tz. I. 11 Vgl. Hendricks in Wassermeyer, MA-InfAust, Art. 6, Rz. 7.

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den und den ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten oder anders formuliert zwischen dem Verwaltungsauftrag und dem Verwaltungskönnen12. Dieses Spannungsfeld wird durch eine Reihe gesetzlicher Regelungen entschärft, wie z.B. durch vom Steuerpflichtigen zu erfüllende erhöhte Mitwirkungspflichten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gem. § 90 Abs. 2 AO und die Pflicht zur Vorlage von Verrechnungspreisdokumentationen gem. § 90 Abs. 3 AO, wenn Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG unterhalten werden. Bei einem Verstoß gegen diese Vorschriften eröffnen sich für die Finanzverwaltung Schätzungsbefugnisse gem. § 162 Abs. 3 AO und es „drohen“ unter bestimmten Voraussetzungen Strafzuschläge gem. § 162 Abs. 4 AO. Nicht unerwähnt bleiben dürfen an dieser Stelle die Meldepflichten gem. § 138 Abs. 2 AO. Doch auch angesichts der dem jeweiligen Steuerpflichtigen auferlegten Pflichten bedarf es teilweise weitergehender Informationen, damit eine abschließende rechtliche Würdigung durch die Finanzverwaltung vorgenommen werden kann13. Es stellt sich damit auch im Rahmen von Betriebsprüfungen angesichts stets steigender internationaler Verflechtungen der Wirtschaft zunehmend die Frage, welche (zusätzlichen) Möglichkeiten zur Sachverhaltsermittlung bestehen, wenn grenzüberschreitende Sachverhalte bzw. in einem anderen Staat verwirklichte Sachverhalte im Rahmen einer Betriebsprüfung zu würdigen sind. Eine Möglichkeit wird in der Durchführung sog. „Multilateraler Betriebsprüfungen“ gesehen14. In diesem Zusammenhang werden auch gerne andere Begriff wie „Gleichzeitige Prüfungen“, „Simultanprüfungen“, „Joint Audit“ usw. verwendet. Die Begriffe stellen jedoch keine Synonyme dar, sondern weisen z.T. unterschiedliche Bedeutungsinhalte auf. Es gilt somit eine hinreichend klare Differenzierung der Begriffe vorzunehmen. Damit einhergehend ist es erforderlich, zwischen den einzelnen Rechtsgrundlagen für entsprechende Ermittlungsmaßnahmen zu differenzie12 Vgl. Hendricks in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 117 AO, Rz. 5 u. 6; Beckmann, Gemeinsame Betriebsprüfung durch deutsche und ausländische Finanzverwaltungen, StBp 2014, 66, Tz. I; FG Rheinland-Pfalz v. 17.9.1992 – 4 K 1921/90, EFG 1993, 127. 13 Vgl. Reiffs, Prüfungstätigkeit im Ausland – eine zulässige Entwicklung, StBp 1999, 116, Tz. I; Czakert, Generalthema 2 und Seminar D: Der Internationale Informationsaustausch und die grenzüberschreitende Kooperation der Steuerverwaltungen, IStR 2013, 596, 601, Tz. 7. 14 Vgl. Drüen, Rechtsrahmen und Rechtsfragen der multilateralen Betriebsprüfung, DStR, Beihefter Heft 41/2013, 82.

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ren. Beides ist nicht nur erforderlich um Missverständnisse in der Diskussion dieses Themas zu vermeiden, sondern auch um den Verfahrensbeteiligten die in der Praxis bestehenden Möglichkeiten aufzuzeigen und eine zutreffende Anwendung zu erleichtern. Ausgangspunkt der Überlegungen ist regelmäßig die Überprüfung grenzüberschreitender Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen. Die derzeit noch übliche Praxis sieht so aus, dass diese Geschäftsbeziehungen im Rahmen von getrennten Betriebsprüfungen der hierfür jeweils zuständigen Steuerverwaltungen gewürdigt werden. Eine daraufhin einseitig vorgenommene Korrektur des Verrechnungspreises führt zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung – mit der Folge, dass sich vielfach ein aufwendiges und langwieriges Rechtsbehelfs- oder Verständigungsverfahren anschließt. Mit dem Begriff der „Joint Audit“ hingegen wird regelmäßig die Vorstellung verbunden, dass die grenzüberschreitende Geschäftsbeziehung durch die Finanzverwaltungen der beteiligten Staaten auf der Basis eines gemeinsamen Sachverhaltsverständnisses einheitlich gewürdigt wird und sich somit im Falle einer Korrektur erst gar keine Doppelbesteuerung ergibt, sondern zeitnah Rechtssicherheit eintritt15. Schaubild: bisher übliches Verfahren

15 Vgl. Baumhoff, „Joint Audits“ als Instrument zur Reduktion von Verrechnungspreisrisiken aus Unternehmens- und Beratersicht; DB Heft 49/2015, M 5.

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Die vorstehenden Ausführungen zeigen, welche Schwierigkeiten bei der Aufklärung grenzüberschreitender Sachverhalte bestehen und welche Folgen sich daraus ergeben können. Es ist daher von Interesse, die für eine verbesserte Sachverhaltsaufklärung in Betracht kommenden Möglichkeiten näher zu beleuchten.

II. Zwischenstaatlicher Informationsaustausch im Wege der Amtshilfe – Allgemeines Das Thema „Multilaterale Betriebsprüfung“ oder „Grenzüberschreitende Betriebsprüfung“ ist – wie die nachfolgenden Ausführungen insbesondere zu den jeweiligen Rechtsgrundlagen zeigen werden – ein Thema, das in den Regelungsbereich des zwischenstaatlichen Informationsaustausches im Wege der Amtshilfe gehört16. „Multilaterale Betriebsprüfungen“ oder „grenzüberschreitende Betriebsprüfungen“ stellen keine besondere „Ausprägung“ einer Betriebsprüfungsform, wie z.B. eine Zeitnahe Betriebsprüfung gem. § 4a Betriebsprüfungsordnung (BpO), dar, die formell von den Finanzverwaltungen zweier oder mehrerer Staaten gemeinsam durchgeführt wird. Auch im Falle grenzüberschreitender Betriebsprüfungen kommen die allgemeinen Vorschriften der §§ 193 ff. AO und der BpO uneingeschränkt zur Anwendung. Zentrale nationale Vorschrift für den zwischenstaatlichen Informationsaustausch im Wege der Amtshilfe ist § 117 AO. Dieser verweist in seinem Absatz 2 auf weitergehende Rechtsgrundlagen für den Informationsaustausch. Diese sind letztendlich maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob, in welcher Form und in welchem Umfang grenzüberschreitende Prüfungsaktivitäten in Betracht kommen17. Die Inanspruchnahme ent16 Vgl. Drüen, Rechtsrahmen und Rechtsfragen der multilateralen Betriebsprüfung, DStR, Beihefter Heft 41/2013, 82, 85, Tz. 3.2, zur Zuordnung der simultanen Betriebsprüfung zum Auskunfts- bzw. Informationsaustausch. 17 Zu den bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen gehört auch der grds. weiterhin gültige Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechtschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom 4.10.1954, BStBl. I 1955, 434. Aufgrund der deutsch-österreichischen Konsultationsvereinbarung vom 6.11.2013, BStBl. I 2014, 1460, finden die Bestimmungen des Amtshilfevertrages, die sich auf die Leistung von Amtshilfe durch Informationsaustausch beziehen, grds. mit Wirkung vom 1.1.2013 keine Anwendung mehr (vgl. Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen – Stand 1.1.2013, BMF vom 23.11.2015, nachfolgend kurz: Amtshilfemerkblatt, BStBl. I 2015, 928, Tz. 1.5.1.3). Daher wird im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen auf

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sprechender zwischenstaatlicher Amtshilfe kommt aufgrund des zu beachtenden Subsidiaritätsprinzips erst dann zum Tragen, wenn die (weitere) Sachverhaltsaufklärung beim Steuerpflichtigen mit unverhältnismäßig großem Aufwand verbunden wäre oder keinen Erfolg verspricht. Inwieweit Ermittlungen als zweckmäßig und Erfolg versprechend angesehen werden, entscheidet die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen18. Damit sind grundsätzlich zuerst die inländischen Ermittlungsmöglichkeiten unter Beachtung der erhöhten Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten zu nutzen, bevor die zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch genommen werden kann. Dieser erste Schritt wird aber nicht in allen Fällen ausreichend sein, um eine abschließende Würdigung vornehmen zu können19. Der zwischenstaatliche Informationsaustausch wird grundsätzlich im schriftlichen Verfahren über das Bundeszentralamt für Steuern20 durchgeführt21. Dieser im üblichen schriftlichen Verfahren durchgeführte Informationsaustausch wird insbesondere für die Aufklärung einfach gelagerter Sachverhalte in Betracht kommen, wenn also die erforderlichen Informationen durch die Beantwortung konkreter Einzelfragen durch die ersuchte Finanzverwaltung bereit gestellt werden können. Zur Aufklärung komplexerer Gesamtsachverhalte, die schwerlich nur durch eine einmalige Fragestellung aufgeklärt werden können, sondern sich aufgrund der erteilten Auskünfte Folgefragen ergeben, eignet sich dieses Verfahren nur eingeschränkt. Trotz Einsatzes elektronischer Medien nimmt die Übermittlung der Ersuchen und deren Beantwortung zudem immer noch eine gewisse Zeit in Anspruch. Ferner lässt sich ein gemeinsames Verständnis des Sachverhaltes bzw. der damit verbundenen Problematik im schriftlichen Verfahren schwieriger herstellen als im

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den Amtshilfevertrag vom 4.10.1954 nicht weiter eingegangen. Im Übrigen Hinweis auf Spensberger/Steiner, Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen – Praktische Erfahrungen mit Österreich, ISR 2015, 156, 158. Vgl. Amtshilfemerkblatt, Tz. 4.1.2; vgl. Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 137 ff. zum unterschiedlichen Verständnis des Subsidiaritätsprinzips. Vgl. Czakert, Generalthema 2 und Seminar D: Der Internationale Informationsaustausch und die grenzüberschreitende Kooperation der Steuerverwaltungen, IStR 2013, 596, 601, Tz. 7. Vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 5 Finanzverwaltungsgesetz (FVG), Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen – Stand 1.1.2013, BMF vom 23.11.2015, BStBl. I 2015, 928, Tz. 1.5.1.1. Vgl. insbesondere Amtshilfemerkblatt, Tz. 9.

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Rahmen grenzüberschreitender Prüfungen, die einen unmittelbaren Informationsaustausch zwischen den Prüfern22 zulassen. Weitergehende allgemeine Erörterungen zum Thema „Zwischenstaatliche Amtshilfe durch Informationsaustausch“ erfolgen an dieser Stelle nicht. Im Hinblick auf den ertragsteuerlichen Informationsaustausch sei insoweit auf die weiteren Ausführungen in dem vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) veröffentlichten Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen – Stand 1. Januar 2013 vom 23.11.2015 (kurz: Amtshilfemerkblatt)23 hingewiesen.

III. Steuerprüfungen im Ausland 1. Durchführung bestimmter eigenständiger Ermittlungshandlungen auf fremden Hoheitsgebiet 1.1 Art. 6 Abs. 1 OECD-Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen Den Begriff „Steuerprüfungen im Ausland“ verwendet Art. 6 des OECDMusterabkommens über den Informationsaustausch in Steuersachen (kurz: MA-InfAust). Dieses Musterabkommen wurde von einer Arbeitsgruppe des Global Forums der OECD ausgearbeitet und im Jahr 2002 von der OECD unter der Bezeichnung „Tax Information Exchange Model Agreement“ veröffentlicht24. Es beruht auf den Arbeiten der OECD gegen den unlauteren Steuerwettbewerb25 und wurde insbesondere zur Regelung des Informationsaustausches zwischen OECD-Staaten und vermeintlichen Steueroasen entwickelt26. Das Abkommen wurde als Muster sowohl für multilaterale Vereinbarungen als auch für bilaterale Verträge erarbeitet. Die beiden entsprechenden Fassungen des hier zu erörternden Art. 6 Abs. 1 MA-InfAust 22 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit des Textes wird nur die männliche Form gewählt. 23 BStBl. I 2015, 928. 24 Das Musterabkommen ist unter www.oecd.org/ctp/exchange-of-tax-informa tion/2082215.pdf abrufbar. 25 Vgl. Hendricks in Wassermeyer, MA-InfAust, vor Art. 1, MK 3; Czakert in Schönfeld/Ditz, Doppelbesteuerungsabkommen, Anh. 3, Rz. 1. 26 Vgl. Grotherr, Auswirkungen einer innerstaatlichen Anwendbarkeit des Europarats-/OECD-Übereinkommens 1988/2010 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, IStR 2015, 845, 850.

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sind jedoch wortgleich. Nach dieser Regelung kann eine Vertragspartei Vertretern der zuständigen Behörde der anderen Vertragspartei die Einreise in ihr Gebiet zur Befragung natürlicher Personen und Prüfung von Unterlagen mit schriftlicher Einwilligung der betroffenen Personen gestatten. Die zuständige Behörde der anderen, also der einreisenden Vertragspartei unterrichtet die zuständige Behörde des Vertragsstaates, in den die Einreise erfolgt, über Zeitpunkt und Ort des geplanten Treffens mit den betroffenen Personen. Aus Sicht der deutschen Finanzverwaltung lassen es die Regelungen in Art. 6 Abs. 1 MA-InfAust zu, dass deutsche Prüfer in das Staatsgebiet des anderen Vertragsstaates einreisen können, um dort bestimmte eigenständige Prüfungshandlungen vorzunehmen. Hierfür ist allerdings die ausdrückliche Genehmigung des anderen Vertragsstaates erforderlich, da ansonsten die Vornahme entsprechender Prüfungsmaßnahmen völkerrechtswidrig wäre27. Auch wenn es der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 MA-InfAust nicht ausdrücklich formuliert, ist ein entsprechendes Ersuchen an die zuständige Behörde des Vertragsstaates, der die Einreise erlauben soll, Voraussetzung für diese besondere Form der Amtshilfe. Dies ergibt sich bereits denklogisch aus dem Verfahrensablauf, wird aber auch durch den Musterkommentar28 zum MA-InfAust durch die Formulierung zum Ausdruck gebracht, dass die „requested party“ darüber entscheidet, ob entsprechende Ermittlungen im eigenen Hoheitsgebiet zugelassen werden29. Demzufolge sind auch die in Art. 5 MA-InfAust „Informationsaustausch auf Ersuchen“ getroffenen Regelungen zu beachten. Dies gilt insbesondere für die in Art. 5 Abs. 5 MA-InfAust benannten Anforderungen an das Ersuchen30. Zu beachten ist, dass Art. 6 Abs. 1 MA-InfAust nicht jedwede Ermittlungsmaßnahmen im anderen Vertragsstaat erlaubt, sondern nur bestimmte: Befragung natürlicher Personen und Prüfung von Unterlagen. Weitere Voraussetzung für die Gestattung von Ermittlungsmaßnahmen im anderen Vertragsstaat ist, dass die betroffene Person ihre schriftliche Einwilligung hierzu gibt. Das Schriftformerfordernis dient Nachweiszwecken. Hierdurch wird u.a. sichergestellt, Klarheit über den Umfang 27 Vgl. Ausführungen unter Tz. I Einleitung; vgl. Hendricks in Wassermeyer, MA-InfAust, Art. 6, Rz. 1 und 7. 28 Der Musterkommentar ist ebenfalls unter www.oecd.org/ctp/exchange-oftax-information/2082215.pdf abrufbar. 29 Vgl. MK zum MA- InfAust; Nrn. 66 und 69. 30 Vgl. auch Hendricks in Wassermeyer, MA-InfAust, Art. 6, Rz. 8.

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der erteilten Einwilligung zu erhalten, da diese auch z.B. in Bezug auf bestimmte Fragen oder zu prüfende Unterlagen begrenzt werden könnte. Die Einwilligung der betroffenen Person zur Vornahme von Ermittlungsmaßnahmen kann die Genehmigung des ersuchten Staates als völkerrechtliche Voraussetzung für die Zulässigkeit, auf fremdem Staatsgebiet Hoheitsakte auszuüben, nicht ersetzen31. Deutschland hat mit einer Reihe von Staaten Informationsaustauschabkommen abgeschlossen (Tax Information Exchange Agreement, kurz: TIEA), die eine dem Art. 6 Abs. 1 MA-InfAust entsprechende Regelung enthalten. Beispielhaft sei auf Art. 6 Abs. 1 TIEA-Jersey vom 18.6.200932 verwiesen. Zur Anwendung der TIEA hat das BMF mit Schreiben vom 10.11.2015 – IV B 6 – S 1301/11/10002 (kurz: TIEA-Merkblatt) Stellung genommen33. Auf die hier angesprochene Thematik geht das BMFSchreiben unter der Überschrift „Anwesenheit in- oder ausländischer Bediensteter bei Ermittlungsmaßnahmen im anderen Vertragsstaat im Wege der Amtshilfe“ ein. Nach dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 MA-InfAust ist die Vornahme von Ermittlungsmaßnahmen des deutschen Prüfers im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates nicht daran geknüpft, dass diese Ermittlungsmaßnahmen mit Ermittlungen des anderen Vertragsstaates verbunden sind. Dies bedeutet aber nicht, dass die deutschen Prüfer agieren können, ohne dass ein Bediensteter des ersuchten Staates anwesend ist, bzw. einen Anspruch hierauf haben. Deutschland selbst erteilt, wie die Ausführungen im TIEA-Merkblatt an der vorgenannten Stelle zeigen, im umgekehrten Fall seine Zustimmung für entsprechende Ermittlungen nur unter der Bedingung, dass inländische Bedienstete während der gesamten Dauer der Befragung und der Einsichtnahme der Unterlagen anwesend sind. Die praktischen Erfahrungen bleiben m.E. abzuwarten. Dem TIEA-Merkblatt ist als Anlage 1 eine Aufstellung beigefügt, mit welchen Staaten entsprechende Informationsaustauschabkommen abgeschlossen sind. Die Aufstellung gibt insoweit eine Momentaufnahme wieder, wie das Zustimmungsgesetz vom 20. November 2015 zu dem am 19. Oktober 2010 mit der Föderation St. Kitts und Nevis abgeschlossenen 31 Vgl. auch Hendricks in Wassermeyer, MA-InfAust, Art. 6, Rz. 9; FG Rheinland-Pfalz v. 17.9.1992 – 4 K 1921/90. 32 Vgl. BStBl. I 2010, 166. 33 Vgl. www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/ Internationales_Steuerrecht/Allgemeine_Informationen/2015-11-10-Informa tionstausch-Anwendungsschreiben-TIEAs.html

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und noch nicht in der Anlage zum Merkblatt aufgeführten TIEA zeigt34. Die von Deutschland abgeschlossenen TIEA können aber auch dem jährlich aktualisierten BMF-Schreiben zum „Stand der Doppelbesteuerungsabkommen und Doppelbesteuerungsverhandlungen“ entnommen werden35. Aus der Anlage zum TIEA-Merkblatt sind u.a. auch die vom jeweiligen TIEA erfassten Steuerarten und Angaben zum Anwendungszeitraum zu ersehen. Bei den Staaten, mit denen entsprechende Informationsaustauschabkommen bestehen, handelt es sich tendenziell um als „Steueroasen“ einzustufende Steuerhoheiten36. Die praktische Relevanz des Art. 6 Abs. 1 MA-InfAust bzw. der entsprechenden Vorschrift in einem konkret abgeschlossenen TIEA bleibt abzuwarten. Eine entsprechende Handhabung wird nach meiner Einschätzung kein „Massengeschäft“ werden, sondern nur in besonderes gelagerten Einzelfällen zu erwarten sein37. 1.2 Art. 26 OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen Das OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen (kurz: OECD-MA) regelt in Art. 26 den Informationsaustausch zwischen den Vertragsstaaten. Nach Art. 26 Abs. 1 OECD-MA38 sind grundsätzlich drei verschiedene Arten des Informationsaustausches vorgesehen: auf Ersuchen, automatisch und spontan39. Durch den Musterkommentar zu Art. 26 OECD-MA wird allerdings hervorgehoben, dass Art. 26 OECDMA die Möglichkeiten des Informationsaustausches nicht auf diese drei

34 Vgl. BGBl. I 2015, 1286. 35 Vgl. zuletzt BMF v. 19.1.2016, IV B 2-S 1301/07/10017-07, BStBl. I 2016, 76. 36 Vgl. Grotherr, Auswirkungen einer innerstaatlichen Anwendbarkeit des Europarats-/OECD-Übereinkommens 1988/2010 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, IStR 2015, 845, 849. 37 Vgl. auch Meickmann, Verfahrensrechtliche Probleme bei der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte – Gemeinsame Betriebsprüfungen als Lösungsmodell, IStR 2014, 591, 594, nach dessen Auffassung Art. 6 MA-InfAust in Deutschland praktisch keine Rolle spielt. 38 Nachfolgend wird grundsätzlich von der am 17.7.2012 beschlossenen Fassung des Art. 26 OECD-MA und der dazu ergangenen Musterkommentierung ausgegangen; Quelle: http://www.oecd.org/ctp/exchange-of-tax-information/ 120718_Article%2026-ENG_no%20cover%20 %282 %29.pdf. 39 Vgl. MK zu Art. 26, Nr. 9.

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vorgenannten Arten des Informationsaustausches beschränkt. Andere Verfahren zur Durchführung des Informationsaustausches sind möglich, wobei die „Steuerprüfung im Ausland“ ausdrücklich als eine Möglichkeit benannt wird40. Danach können durchaus die Informationen durch die Anwesenheit von Vertretern der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates im Staatsgebiet des ersuchten Staates erlangt werden. Soweit es das innerstaatliche Recht des ersuchten Staates erlaubt, kann ein Vertragsstaat bevollmächtigten Vertretern des anderen Vertragsstaates erlauben, in sein Staatsgebiet einzureisen, um in einem zuvor festgelegten Verfahren natürliche Personen zu befragen oder Bücher und Aufzeichnungen einer Person zu prüfen. Diese Art von Amtshilfe wird auf der Grundlage der Gegenseitigkeit gewährt. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, dass die Gesetze und Praktiken in den einzelnen Staaten, Bediensteten einer ausländischen Finanzverwaltung Rechte einzuräumen, sehr unterschiedlich sind41. Dementsprechend beinhaltet Art. 26 Abs. 3 OECD-MA z.B. auch eine Begrenzung der Unterstützungspflicht des ersuchten Staates. In der Literatur wird unter Verweis auf das Urteil des FG RheinlandPfalz vom 17.9.199242 in der Vornahme einer „völlig eigenständigen Ermittlungsmaßnahme“ durch einen Bediensteten eines Vertragsstaates, der in den anderen Vertragsstaat entsandt worden ist, ein Vorgang gesehen, der begrifflich schon gar nicht als Informationsaustausch gewertet werden kann, da die Verwaltung des Vertragsstaates, auf dessen Staatsgebiet die Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt und somit die Informationen gewonnen werden, selbst keine Kenntnis an diesen Informationen erlangt hat43. Diese enge Auslegung ist aus meiner Sicht nicht zwingend, wenn die Ermittlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einem an den anderen Vertragsstaat gerichteten Auskunftsersuchen stehen. Eine andere Auslegung scheint mir vertretbar, wenn man die zuvor in Tz. 1.1 aufgeführten Ermittlungsmöglichkeiten auf der Grundlage des Art. 6 Abs. 1 MA-InfAust als Ausformung des zwischenstaatlichen Informationsaustausches berücksichtigt. Die Zustimmung des Vertrags40 41 42 43

Vgl. MK zu Art. 26, Nr. 9.1. Vgl. MK zu Art. 26, Nr. 9.1. EFG 193, 127 (127). Vgl. Hendricks, Internationale Rechtshilfe im Steuerverfahren, 179 f. „Exkurs: Gestattung eigenständiger Ermittlungsmaßnahmen auf der Grundlage von Art. 26 DBA“; Meickmann, Verfahrensrechtliche Probleme bei der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte – Gemeinsame Betriebsprüfungen als Lösungsmodell, IStR 2014 591, 594, Tz. 4.2.

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staates, in dessen Hoheitsgebiet die Ermittlungsmaßnahme vorgenommen werden soll, ist hierfür wieder Grundvoraussetzung. Es ist an dieser Stelle noch ein weiterer Aspekt zu erörtern. Im Rahmen der Durchführung des zwischenstaatlichen Informationsaustausches ist das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung zu beachten. Dessen Einschränkung erfordert eine gesetzliche Grundlage, die dem Gebot der Normenklarheit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt44. Es ist allerdings fraglich, ob das jeweilige konkrete DBA, das eine Art. 26 OECD-MA entsprechende Regelung beinhaltet, eine ausreichende Rechtsgrundlage für eine „Steuerprüfung im Ausland“ darstellt. Das konkrete DBA mit einer dem Art. 26 OECD-MA entsprechenden Regelung ist durch das maßgebliche Zustimmungsgesetz anwendbares innerstaatliches Recht geworden. Es kann jedoch in Frage gestellt werden, ob dies ausreicht, um insoweit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot zu genügen oder ob eine flankierende innerstaatliche Regelung erforderlich ist, die dies ausdrücklich erlaubt45. In erster Linie geht es bei der an dieser Stelle geführten rechtlichen Erörterung allerdings um die Frage, ob Art. 26 Abs. 2 OECD-MA die entsprechende Anwesenheit von Bediensteten einer ausländischen Finanzverwaltung in Deutschland ermöglicht oder ob es einer weitergehenden, hierzu legitimierenden innerstaatlichen Rechtsgrundlage bedarf46. Im Hinblick auf die umgekehrte Konstellation, nämlich der Anwesenheit eines Bediensteten der deutschen Finanzverwaltung in einem anderen DBA-Vertragsstaat mag dies (zunächst) anders aussehen. Die Grundrechte binden die

44 Vgl. Hendricks in Wassermeyer, MA Art. 26, Rz. 11; Hendricks, Internationale Rechtshilfe im Steuerverfahren, 178. 45 Vgl. Meickmann, Verfahrensrechtliche Probleme bei der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte – Gemeinsame Betriebsprüfungen als Lösungsmodell, IStR 2014 591, 594, Tz. 4.2; vgl. ebenso Grotherr, Auswirkungen einer innerstaatlichen Anwendbarkeit des Europarats-/OECD-Übereinkommens 1998/2010 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, IStR 2015, 845 (854) sowie Beckmann, Gemeinsame Betriebsprüfungen durch deutsche und ausländische Finanzverwaltungen, StBp 2014, 66, im Hinblick auf simultane bzw. gemeinsame Betriebsprüfungen. 46 Vgl. Meickmann, Verfahrensrechtliche Probleme bei der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte – Gemeinsame Betriebsprüfungen als Lösungsmodell, IStR 2014 591, 594, Tz. 4.2 zur Differenzierung von gemeinsamen Prüfungen im In- und Ausland.

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deutsche öffentliche Gewalt zwar auch, soweit Wirkungen ihrer Betätigung im Ausland eintreten47. Eine Grundrechtsverletzung liegt jedoch nicht vor, soweit die Inanspruchnahme der Amtshilfe unter Einhaltung des § 117 Abs. 1 AO erfolgt48. Die in § 117 Abs. 1 AO geregelte Berechtigung zur Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amtshilfe knüpft tatbestandsmäßig nicht an weitere Rechtsgrundlagen an. Amtshilfe kann somit nicht nur dann in Anspruch genommen werden, wenn dies beispielsweise durch völkerrechtliche Verträge ausdrücklich zugelassen wird. Einschränkungen könnten sich jedoch aufgrund des Rechtes des anderen DBA-Vertragsstaates ergeben. Es ist jedoch an dieser Stelle auch der im Rahmen des zwischenstaatlichen Informationsaustausches zu wahrende Aspekt der Gegenseitigkeit zu berücksichtigen, wenn Deutschland eine entsprechende Amtshilfe generell nicht leisten kann. Angesichts der vorstehend aufgezeigten rechtlichen Vorbehalte ist davon auszugehen, dass in der Praxis andere Lösungsansätze als die „Steuerprüfung im Ausland“, also die Durchführung eigenständiger Ermittlungsmaßnahmen zur Sachverhaltsermittlung auf der Grundlage des Art. 26 OECD-MA gesucht werden dürften.

2. Anwesenheit des Bediensteten des ersuchenden Staates bei Ermittlungen der Finanzverwaltung des ersuchten Staates – Passive Anwesenheit 2.1 Grundsätze Nachfolgend wird auf die Möglichkeit der deutschen Prüfer, bei Ermittlungshandlungen einer ausländischen Finanzverwaltung anwesend zu sein, eingegangen. Dem deutschen Prüfer werden hierbei jedoch keine eigenen Ermittlungsmöglichkeiten eingeräumt. Er kann somit lediglich eine passive Rolle einnehmen. Der ersuchte Staat leistet dem ersuchenden Staat Amtshilfe, in dem er diesem ermöglicht, dass ein Bediensteter seiner Steuerverwaltung bei den maßgeblichen Ermittlungen der Informationen, die für die Durchführung des Besteuerungsverfahrens im ersuchenden Staat benötigt werden, zugegen ist. Die Ermittlungen werden also von einem Bediensteten

47 Vgl. BVerfG v. 21.5.1957 – 1 BvR 65/54. 48 Vgl. Hendricks in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Zum 75. Geburtstag von Franz Wassermeyer, 75. Joint Audits und Abkommensrecht, Rz. 13.

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der ersuchten Steuerverwaltung durchgeführt. Der anwesende deutsche Prüfer schaut dem ausländischen Bediensteten hierbei quasi nur „über die Schulter49. Der wesentliche Vorteil dürfte darin bestehen, dass der deutsche Prüfer bei Bedarf die Gelegenheit erhält, sein Ersuchen zu erläutern und damit die zielgerichtete Beantwortung der Fragen und Bereitstellung der maßgeblichen und somit aussagefähigen Unterlagen zu erleichtern. Hinzukommen kann ein zeitlicher Vorteil. Während bei der Beantwortung eines üblichen Auskunftsersuchens die Zeitpunkte der Informationsbeschaffung und Bereitstellung auseinanderfallen, können sie auf diesem Wege u.U. identisch sein. Dies hängt insbesondere davon ab, ob es einer Sichtung der Unterlagen durch den Bediensteten der ersuchten Behörde bedarf, bevor sie an den deutschen Prüfer ausgehändigt werden50. Die Entsendung von Bediensteten der deutschen Finanzverwaltung in den ersuchten Staat sowie die Anwesenheit von Bediensteten der ersuchenden ausländischen Behörde können somit der Beschleunigung und Erleichterung des Informationsaustausches dienen51. Verfahrensrechtlich ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass dem deutschen Prüfer vom BZSt als an sich für den Informationsaustausch zuständiger Behörde die Befugnis zur Durchführung des zwischenstaatlichen Informationsaustausches übertragen werden muss52. 2.2 Art. 6 Abs. 2 und 3 OECD-Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen Art. 6 Abs. 2 MA-InfAust sieht sowohl in der multilateralen wie auch in der bilateralen Fassung die Möglichkeit vor, dass auf Ersuchen der zuständigen Behörde einer Vertragspartei die zuständige Behörde des ersuchten Staates einem Vertreter der ersuchenden Behörde die Anwesenheit während des relevanten Teils einer Steuerprüfung gestatten kann. Der Abkommenstext setzt hier bereits von seinem Wortlaut her ein Auskunftsersuchen voraus, so dass die in Art. 5 MA-InfAust enthalten Regelungen zu beachten sind. In diesem Zusammenhang sei wiederum insbesondere auf die Angaben, die das Ersuchen gem. Art. 5 Abs. 5 MAInfAust enthalten muss, hingewiesen53. 49 Vgl. Hendricks in Wassermeyer, Art. 6 MA-InfAust, Rz. 19; Czakert in Schönfeld/Ditz, Anh. 3, Rz. 59. 50 Vgl. Hendricks in Wassermeyer, Art. 6 MA-InfAust, Rz. 18. 51 Vgl. Amtshilfemerkblatt, Tz. 4.2.3 und 5.2.4. 52 Vgl. Czakert in Schönfeld/Ditz, Anh. 3, Rz. 60. 53 Vgl. Hendricks in Wassermeyer, Art. 6 InfAust, Rz. 21.

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Nach den Erläuterungen im Musterkommentar zum MA-InfAust sollen in dem Ersuchen auch die besonderen Gründe erläutert werden, warum die physische Anwesenheit eines Bediensteten des ersuchenden Staates als wichtig erachtet wird54. Da sich zudem aus der Musterkommentierung ergibt, dass ein entsprechendes Ersuchen nicht in kleineren Fällen („minor cases“55) gestellt werden sollte56, reduziert sich die Anwendung des Art. 6 Abs. 2 MA-InfAust auf bedeutende Fälle. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass eine Hinzuziehung eines deutschen Prüfers zu einer ausländischen Steuerprüfung auf der Grundlage des Art. 6 Abs. 2 MA-InfAust nicht von der Einwilligung der betroffenen Person abhängt. 2.3 Art. 26 OECD-MA Bereits unter Tz. III 1.2 wurde dargelegt, dass der zwischenstaatliche Informationsaustausch gem. Art. 26 OECD-MA nicht auf die drei Arten „auf Ersuchen, automatisch und spontan“ beschränkt wird. Aus dem Telos der Norm ergibt sich, dass die Regelung vielmehr einen möglichst weitergehenden Informationsaustausch gewährleisten soll57. Der hier nun zu erörternde Aspekt, ob ein Bediensteter eines Vertragsstaates in das Gebiet des anderen Vertragsstaates einreisen kann, um bei den Prüfungen des anderen Staates anwesend zu sein, wird auch wiederum ausdrücklich in der Musterkommentierung zu Art. 26 OECD-MA unter dem Stichwort „Steuerprüfung im Ausland“ angesprochen58. Es handelt sich um eine weitere unter diese Regelung fallende Variante, den Informationsaustausch durchzuführen. Eine Verpflichtung, einen Vertreter der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates bei den maßgeblichen Ermittlungen anwesend sein zu lassen, besteht für den ersuchten Vertragsstaat nicht59. Da die Ermittlungen zur Beantwortung des Auskunftsersuchens nunmehr von dem Bediensteten der Finanzverwaltung des ersuchten Ver54 Vgl. MK zu MA-InfAust, Nr. 68. 55 Für diese Qualifizierung ist nicht unbedingt die Höhe des betroffenen Steuerbetrages entscheidend; vgl. MK zu MA-InfAust, Nr. 67. 56 Vgl. MK zu MA-InfAust, Nr. 67. 57 Vgl. auch Beckmann, Gemeinsame Betriebsprüfung durch deutsche und ausländische Finanzverwaltungen, StBp 2014, 66, 66. 58 Vgl. MK zu Art. 26, Nr. 9.1. 59 Vgl. Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, S. 176 f.

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tragsstaates durchgeführt werden, dürfte die Zuordnung des Vorgangs in den Bereich der zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch unstreitig sein60. Die hier ebenfalls angesprochene passive Anwesenheit eines ausländischen Prüfers bei Ermittlungsmaßnahmen der deutschen Finanzverwaltung kann jedoch auch einen Eingriff in das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung darstellen. Im dem Moment, in dem z.B. der gegenüber der deutschen Finanzverwaltung mitwirkungspflichtige Steuerpflichtige die erbetenen Informationen im Rahmen einer Befragung mitteilt, werden diese zeitgleich dem Vertreter der ausländischen Finanzverwaltung zur Verfügung gestellt. Für den darin gesehenen Eingriff in das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung bedarf es – wie bereits vorstehend in Tz. III 1.2 ausgeführt – einer gesetzlichen Grundlage, die dem Gebot der Normenklarheit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Da Art. 26 OECD-MA jedoch maßgebliche Verfahrensfragen offen lässt, wie z.B. den Aspekt, in welcher Funktion die Vertreter der beiden beteiligten Finanzverwaltungen agieren und welche Befugnisse damit verbunden sind, wird in der Literatur bezweifelt, dass die Umsetzung der Abkommensregelung durch Zustimmungsgesetz in nationales Recht ausreicht, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen. Eine Hinzuziehung des Bediensteten der ausländischen Steuerverwaltung zu Ermittlungsmaßnahmen der deutschen Finanzverwaltung auf der Grundlage des Art. 26 OECD-MA wird daher als unzulässig angesehen61. Im Hinblick auf die Möglichkeit, dass ein Bediensteter der deutschen Finanzverwaltung bei Ermittlungsmaßnahmen der Finanzverwaltung des anderen Vertragsstaates anwesend ist, mag die Situation wiederum anders aussehen62. Letztendlich ist auch hier der Grundsatz der Gegenseitigkeit zu berücksichtigen.

60 Vgl. hierzu Ausführungen in Tz. III 1.2: Bei einer Steuerprüfung im Ausland in der Form, dass dem eingereisten Bediensteten des ersuchenden Vertragsstaates die Durchführung bestimmter Ermittlungsmaßen gestattet wird, wird z.T. eine andere Auffassung vertreten. 61 Vgl. Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, S. 177 f.; vgl. aber z.B. auch Czakert in Schönfeld/Ditz, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 26, Rz. 48, der an dieser Stelle nur im Zusammenhang mit der sog. aktiven Rolle eines ausländischen Prüfers auf die Einschränkung durch das nationale Recht hinweist. 62 Vgl. diesbezügliche Ausführungen in Tz. III. 1.2.

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Exkurs: Da das Problem nicht auf der völkerrechtlichen, sondern auf der innerstaatlichen Ebene zu verorten ist, muss in der Praxis u.U. nicht unbedingt auf die Möglichkeit, ausländische Prüfer zu inländischen Ermittlungsmaßnahmen hinzuzuziehen bzw. inländische Prüfer zu ausländischen Ermittlungen zu entsenden, verzichtet werden. So zeigt Hendricks die Möglichkeit auf, dass Bedienstete der ausländischen Finanzverwaltung hinzugezogen werden können, wenn der inländische Steuerpflichtige einem solchen Verfahren ausdrücklich zustimmt. Als Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen wird § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO herangezogen63. Diese Handhabung wäre m.E. im Hinblick auf eine Entsendung eines deutschen Prüfers in den anderen DBA-Staat zur Beantwortung eines deutschen Auskunftsersuchens ebenfalls in Betracht zu ziehen, wobei natürlich das innerstaatliche Recht des anderen Vertragsstaates eine entsprechende Vorgehensweise eröffnen muss. Die Zustimmung des Steuerpflichtigen bzw. der im anderen Staat betroffenen Person kann die völkerrechtliche Einverständniserklärung des jeweiligen Staates, die Vornahme von grenzüberschreitenden Hoheitsmaßnahmen auf seinem Staatsgebiet zu dulden, nicht ersetzen64. 2.4 Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen Das Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen (nachfolgend kurz: Amtshilfeübereinkommen) sieht in Art. 9 eine ausdrückliche Regelung für Steuerprüfungen im Ausland vor. Zunächst einmal ein paar allgemeine Anmerkungen zum Amtshilfeübereinkommen, da das Abkommen in der Praxis u.U. noch nicht so bekannt ist. Das Übereinkommen wurde bereits im Jahr 1988 vom Europarat und der OECD verabschiedet. Von Deutschland wurde es aber erst im Jahr 2008, also Jahre später unterzeichnet und nunmehr im Juli 2015 als völkerrechtliche Vereinbarung für innerstaatlich anwendbar er-

63 Vgl. Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, S. 178 f. 64 Hinweis auf Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, S. 288 f., wonach es sich bei einer entsprechenden Vorgehensweise auf Grundlage des § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO nicht um einen Fall internationaler Informationshilfe handelt. Die Möglichkeit, einer ausländischen Finanzverwaltung zur Entlastung einer Person auf deren Antrag zu übermitteln, wird im Amtshilfemerkblatt in Tz. 1.3.5 angesprochen.

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klärt65, 66. Es ist bei der Anwendung des Amtshilfeübereinkommens zu berücksichtigen, dass das in 1988 verabschiedete Übereinkommen durch das Änderungsprotokoll vom 27.5.2010 durchaus maßgeblich modifiziert wurde. Mangels konsolidierter Fassung muss daher zunächst geprüft werden, ob das Protokoll eine für die zu klärende Frage relevante Regelung enthält, um das (Gesamt-)Abkommen zutreffend anwenden zu können. Für den an dieser Stelle interessierenden Art. 9 beinhaltet das Protokoll keine Regelungen, so dass der ursprüngliche Abkommenstext der maßgebliche ist. Zur Auslegung des Amtshilfeübereinkommens sei zudem auf die von der OECD herausgegebene „Musterkommentierung“ hingewiesen67, 68. Nach Art. 9 Abs. 1 des Amtshilfeübereinkommens kann die zuständige Behörde des ersuchten Staates gestatten, dass Vertreter der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates während des relevanten Teils einer Steuerprüfung im ersuchten Staat anwesend sind. Die Teilnahme an einer Steuerprüfung im anderen Unterzeichnerstaat setzt ein Amtshilfersuchen gem. Art. 5 des Amtshilfeübereinkommens voraus69. Die Teilnahme an der Steuerprüfung des ersuchten Staates stellt damit eine besondere Form zur Beantwortung dieses Auskunftsersuchens dar. Dies wird m.E. auch durch die Formulierung in Art. 9 Abs. 1 Amtshilfeübereinkommen, dass die Teilnahme an der Steuerprüfung auf den relevanten Teil der Steuerprüfung im anderen Vertragsstaat begrenzt ist, zum Ausdruck gebracht.

65 Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25.1.1988 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen und zu dem Protokoll vom 27.5.2010 zur Änderung des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, BGBl. II 2015, 966. 66 Zur historischen Entwicklung des Amtshilfeübereinkommens und zu grundsätzlichen Erwägungen vgl. z.B. Grotherr, Auswirkungen einer innerstaatlichen Anwendbarkeit des Europarats-/OECD-Übereinkommens 1988/2010 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, IStR 2015, 845, 845 ff. 67 Text Of The Revised Explanatory Report To the Convention On Mutual Administrative Assistance in Tax Matters As Amended By Protocol; abrufbar über http://www.oecd.org/tax/exchange-of-tax-information/Explanatory_Report_ ENG_%2015_04_2010.pdf. 68 Der Musterkommentar zum Amtshilfeübereinkommen (MK Amtshilfeübereinkommen) enthält in den Tz. 83 bis 86 Vorbemerkungen, in den Tz. 87 bis 91 Kommentare zu Art.l 9 des Amtshilfeübereinkommens. 69 Vgl. MK Amtshilfeübereinkommen, Tz. 87.

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Hinsichtlich der Anwendung des Art. 9 Amtshilfeübereinkommen wird grds. von folgendem Ablauf ausgegangen: Der ersuchende Staat richtet zunächst ein Auskunftsersuchen gem. Art. 5 Amtshilfeübereinkommen an den anderen Unterzeichnerstaat. Sofern dem ersuchten Staat die zur Beantwortung dieses Ersuchens erforderlichen Informationen nicht vorliegen und zu deren Beschaffung eine spezielle Ermittlungsmaßnahme erforderlich ist, wird der ersuchende Staat hierüber informiert, so dass dieser ein Ersuchen zur Teilnahme an der Steuerprüfung stellen kann70. Es ist aber ebenso denkbar, dass das Ersuchen auf Teilnahme an der Steuerprüfung im anderen Unterzeichnerstaat zugleich mit dem Auskunftsersuchen gem. Art. 5 Amtshilfeübereinkommen gestellt werden kann, wenn nämlich davon auszugehen ist, dass die erbetenen Information nur im Rahmen einer gesonderten Überprüfung erlangt werden können71. In dem Ersuchen an den anderen Unterzeichnerstaat sollte dargelegt werden, welche bedeutenden Gründe für die physische Anwesenheit eines Bediensteten der ersuchenden Behörde bei der Steuerprüfung im anderen Staat vorliegen. Ferner sollten besondere Wünsche, wie z.B. zum Zeitpunkt der Durchführung der Ermittlungsmaßnahme, angegeben werden72. Es wird davon ausgegangen, dass eine entsprechende Vorgehensweise nur dann gewählt wird, wenn Grund zur Annahme besteht, dass sie in einem erheblichen Maß zur Lösung der anstehenden steuerlichen Fragestellung beiträgt. Ein entsprechendes Ersuchen sollte daher nicht in kleineren Fällen („minor cases“) gestellt werden. Für die Gewichtung des Steuerfalles kommt es aber nicht unbedingt auf die Größe des von der Prüfung betroffenen Steuerbetrages an73. Die Übereinstimmung in der Musterkommentierung zum MA-InfAust und zum Amtshilfeübereinkommen ist an dieser Stelle augenfällig. In Art. 9 Abs. 2 Amtshilfeübereinkommen werden weitere Verfahrensfragen geregelt, wenn dem Ersuchen auf Teilnahme an einer Steuerprüfung im Ausland stattgegeben wird. Hierbei ist besonders auf den letzten Satz des Art. 9 Abs. 2 Amtshilfeübereinkommen hinzuweisen, wonach alle Entscheidungen im Zusammenhang mit der Durchführung der Steuerprüfung der ersuchte Unterzeichnerstaat trifft. Damit ist auch

70 71 72 73

Vgl. MK Amtshilfeübereinkommen, Tz. 87. Vgl. MK Amtshilfeübereinkommen, Tz. 88. Vgl. MK Amtshilfeübereinkommen, Tz. 90. Vgl. MK Amtshilfeübereinkommen, Tz. 89.

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klargestellt, dass das Verfahrensrecht des ersuchten Staates das maßgebliche ist74. Welche Staaten das Amtshilfeübereinkommen unterzeichnet haben und in welchen Staaten es bereits in Kraft getreten ist, kann einer von der OECD bereitgestellten Übersicht entnommen werden75. In der am 27.11.2015 aufgestellten Übersicht werden 92 Staaten bzw. Jurisdiktionen aufgeführt. Danach eröffnet der zwischenstaatliche Informationsaustausch mit Staaten, mit denen dies bisher nicht oder zumindest nicht in dem nach dem Amtshilfeübereinkommen nunmehr zulässigen Umfang möglich war. Es ist aber nicht zwingend davon auszugehen, dass alle Unterzeichnerstaaten die Möglichkeit einer Teilnahme an einer Steuerprüfung im Ausland einräumen. Nach Art. 9 Abs. 3 Amtshilfeübereinkommen haben die einzelnen Unterzeichnerstaaten die Möglichkeit, entsprechende Ersuchen nicht anzunehmen. Eine Aufstellung, von welchem Staat bzw. von welcher Jurisdiktion einschränkende Erklärungen zu bestimmten Regelungen des Amtshilfeübereinkommens abgeben worden sind, kann unter folgendem Link abgerufen werden: http://www. coe.int/de/web/conventions/search-on-treaties/-/conventions/treaty/127/ declarations76. Hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs des Amtshilfeübereinkommens ist darauf hinzuweisen, dass dieser im Vergleich zu dem Informationsaustausch auf der Grundlage von DBA bzw. der EU-Amtshilferichtlinie (EUAHiRL) bzw. des EU-Amtshilfegesetzes (EU-AHiG) weiter gefasst ist. So fallen seitens Deutschlands z.B. auch die Erbschaftund Schenkungsteuer sowie die Umsatzsteuer in den Anwendungsbereich des Amtshilfeübereinkommens77. In Bezug auf DBA-Staaten, die nicht zugleich auch EU-Mitgliedstaaten sind, eröffnet sich zudem eine Möglichkeit zur passiven Teilnahme an Ermittlungsmaßnahmen der Finanzverwaltung des ersuchten Staates, die nicht mehr von dem An-

74 Vgl. MK Amtshilfeübereinkommen, Tz. 94. 75 Abrufbar über http://www.oecd.org/tax/exchange-of-tax-information/Status_ of_convention.pdf. 76 Erklärungen bzw. Vorbehalte Deutschlands zu dem Amtshilfeübereinkommen werden auf der Webseite des BZSt veröffentlicht, vgl. BR-Drs. 200/15 v. 1.5.2015; S. 27. 77 Wegen weiterer Einzelheiten hierzu vgl. Grotherr, Auswirkungen einer innerstaatlichen Anwendbarkeit des Europarats-/OECD-Übereinkommens 1988/ 2010 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, IStR 2015, 845, 848 f.

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trag des Steuerpflichtigen abhängig ist78. Anders als Art. 26 OECD-MA führt das Amtshilfeübereinkommen die Steuerprüfung als Maßnahme des zwischenstaatlichen Informationsaustausches ausdrücklich auf. Damit besteht eine ausreichend klare gesetzliche Grundlage für diese Vorgehensweise. Abschließend ist noch auf den Anwendungszeitraum des Amtshilfeübereinkommens einzugehen. Das Übereinkommen wurde durch Deutschland am 28.8.2015 ratifiziert und ist damit am 1.12.2015 in Kraft getreten79. Damit gilt das Amtshilfeübereinkommen in der durch das Protokoll von 2010 geänderten Fassung für die Amtshilfe grds. im Zusammenhang mit Besteuerungszeiträumen, die am oder nach dem 1. Januar des Jahres beginnen, das auf das Jahr folgt, in dem das Übereinkommen in Kraft getreten ist80. Somit ist das Amtshilfeübereinkommen grds. ab dem Veranlagungszeitraum 2016 anwendbar81, 82. Die Vertragsparteien können jedoch in gegenseitigem Einvernehmen vereinbaren, dass die Amtshilfe auch für frühere Besteuerungszeiträume gilt83. Voraussetzung für den zwischenstaatlichen Informationsaustausch ist selbstverständlich, dass das Amtshilfeübereinkommen auch in dem anderen Unterzeichnerstaat bereits entsprechend anwendbar ist. 2.5 EU-Amtshilferichtlinie bzw. EU-Amtshilfegesetz Der Rat der Europäischen Union hat am 15. Februar 2011 die Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799 EWG erlassen84. Diese auch als EU-Amtshilferichtline (kurz: EU-AHiRL) bezeichnete Richtlinie regelt den zwischenstaatlichen Informationsaus78 Vgl. Ausführungen in Tz. III 2.3 „Exkurs“. 79 Vgl. Art. 28 Abs. 3 Amtshilfeübereinkommen. 80 Vgl. Art. 28 Abs. 6 Satz 1 Amtshilfeübereinkommen i.d.F. des Protokolls aus 2010, Art. VIII. 81 Bezüglich strafrechtlich relevanter Sachverhalte ist Amtshilfe auch für frühere Zeiträume möglich. Wegen Einzelheiten vgl. Art. 28 Abs. 7 und Art. 30 Abs. 1 Buchst. f Amtshilfeübereinkommen i.d.F. des Protokolls aus 2010, Art. VIII. 82 Hinsichtlich sog. „vorvertraglicher Steuerinformationen“ Hinweis auf Grotherr, Auswirkungen einer innerstaatlichen Anwendbarkeit des Europarats-/ OECD-Übereinkommens 1988/2010 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, IStR 2015, 845, 855. 83 Vgl. Art. 28 Abs. 6 Satz 2 Amtshilfeübereinkommen i.d.F. des Protokolls aus 2010, Art. VIII. 84 ABl. der Europäischen Union L 64 v. 11.3.2011, 1.

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tausch im Wege der Amtshilfe zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Sie sieht in Art. 11 ausdrücklich Regelungen zur „Anwesenheit in den Amtsräumen von Behörden und Teilnahme an behördlichen Ermittlungen“ vor. Danach können die für den zwischenstaatlichen Informationsaustausch zuständigen Behörden des ersuchenden und ersuchten EU-Mitgliedstaates u.a. vereinbaren, dass befugte Bedienstete des ersuchenden Staates (zur Beantwortung des Auskunftsersuchens) bei den Ermittlungen im ersuchten Staat zugegen sein dürfen. Die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht erfolgte in Deutschland durch Art. I des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes85 und findet sich dort im § 10 des EU-Amtshilfegesetzes (kurz: EU-AHiG) „Anwesenheit von Bediensteten anderer Mitgliedstaaten im Inland“ sowie im § 11 EUAHiG „Anwesenheit von Bediensteten in anderen Mitgliedstaaten“ wieder. Die Anwesenheit bei Ermittlungshandlungen der Finanzverwaltung des jeweils anderen EU-Mitgliedstaates stellt eine besondere Form der Beantwortung eines Auskunftsersuchens dar. Dies wird in § 10 Abs. 4 EUAHiG dadurch zum Ausdruck gebracht, dass dem in Deutschland anwesenden Bediensteten des anderen Mitgliedstaates nur die Informationen offenbart werden dürfen, deren Übermittlung auch nach § 4 EUAHiG „Ersuchen von anderen Mitgliedstaaten“ zulässig ist. § 11 EUAHiG erfordert eine hinreichende Komplexität eines Ersuchens, um inländische Bedienstete in einen anderen EU-Mitgliedstaat entsenden zu können. Der Vorschlag an den ersuchten EU-Mitgliedstaat, zur Beantwortung des Auskunftsersuchens eine Vereinbarung über die Anwesenheit von Bediensteten des ersuchenden Staates bei den maßgeblichen Ermittlungen zu treffen, kann mit dem Auskunftsersuchen verbunden werden. Insoweit sind hier Übereinstimmungen mit den anderen zuvor dargestellten Rechtsgrundlagen, die die Anwesenheit von Bediensteten des ersuchenden Staates bei Ermittlungsmaßnahmen des ersuchten Staates betreffen, feststellbar. Sowohl dem Wortlaut des Art. 11 der EUAHiRL als auch der §§ 10 und 11 EUAHiG kann entnommen werden, dass es sich bei den Ermittlungsmaßnahmen der Finanzverwaltung des jeweils anderen EU-Mitgliedstaates nicht zwingend um eine Betriebsprüfung oder ein vergleichbares Verwaltungsverfahren handeln muss. Die Anwesenheit ist vielmehr bei allen Formen der „behördlichen Ermittlungen“ möglich. Dies eröffnet in der Praxis im Einzelfall weitere Anwendungsmöglichkeiten.

85 BStBl. I 2013, 802.

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Hinsichtlich des Anwendungsbereiches der EUAHiRL und damit des EUAHiG sei darauf hingewiesen, dass der umsatzsteuerliche Informationsaustausch nicht hierunter fällt86. Diesbezüglich ist die Verordnung (EU) Nr. 904/2010 zu beachten. 2.6 Verordnung (EU) Nr. 904/2010 Die Verordnung (EU) Nr. 904/2010 vom 7. Oktober 2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer87 (sog. Zusammenarbeitsverordnung) regelt den umsatzsteuerlichen Informationsaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Nach Art. 28 Abs. 2 dieser Verordnung können Bedienstete der ersuchenden Behörde während der behördlichen Ermittlungen, die im Hoheitsgebiet des ersuchten Mitgliedstaates durchgeführt werden, zugegen sein. Da diese behördlichen Ermittlungen ausschließlich von Beamten der ersuchten Behörde durchgeführt werden können88, können die anwesenden Bediensteten der ersuchenden Behörde bei entsprechenden Ermittlungshandlungen ganz ausdrücklich nur eine passive Rolle einnehmen. 2.7 Tabellarische Zusammenfassung Anwesenheit bei Ermittlungen der Finanzverwaltung eines anderen Staates – passive Anwesenheit: Art. 6 Abs. 2 MA-InfAust

Art. 26 OECDMA

§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO

Amtshilfeübereinkommen

EUAVerordnung HiRL/ (EU) EUAHiG Nr. 904/2010

Tz. II 2.2

Tz. II 2.3

Tz. II 2.3

Tz. II 2.4

Tz. II 2.5

Tz. II 2.6

+

-/ (?)

evtl. (nur mit Zustimmung bzw. auf Antrag des Stpfl.)

+ Art. 9

+ Art. 11/§§ 10 u. 11

+ Art. 28

86 Vgl. Art. 2 Abs. 2 EUAHiRL, § 1 Abs. 2 Nr. 1 EUAHiG. 87 ABl. der Europäischen Union L 268 v. 12.10.2010, 1. 88 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 904/2010, Art. 28 Abs. 2 S. 2.

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3. Anwesenheit des Bediensteten des ersuchenden Staates bei Ermittlungen der Finanzverwaltung des ersuchten Staates – Aktive Anwesenheit 3.1 Grundsätze Nachfolgend wird untersucht, ob den Bediensteten des ersuchenden Staates im Rahmen der Anwesenheit bei den Ermittlungen der zuständigen Behörde des ersuchten Staates die Möglichkeit eingeräumt werden kann, selber Ermittlungsmaßnahmen vorzunehmen – also eine aktive Rolle einzunehmen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es auch hier darum geht, die im Wege des Auskunftsersuchens erbetenen Informationen zu erlangen – also die Antwort auf das Auskunftsersuchen zu erhalten. Wird dem entsandten Prüfer nicht nur eine passive sondern auch aktive Rolle ermöglicht, beschränkt sich seine Anwesenheit nicht darauf, dass er dem Bediensteten des ersuchten Staates bei der Beschaffung der Informationen „über die Schulter schaut“89. Er unterstützt diesen vielmehr mit seinen Ermittlungen. Damit ist auch bezüglich dieser „unterstützenden“ Ermittlungsmaßnahmen das Verfahrensrecht des ersuchten Staates zu beachten. 3.2 Art. 6 Abs. 2 und 3 OECD-Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen Die sich aus Art. 6 Abs. 2 MA-InfAust ergebende Möglichkeit, zur Beantwortung eines Auskunftsersuchens bei den Ermittlungshandlungen der zuständigen Behörde des ersuchten Vertragsstaates anwesend zu sein, ist auf eine passive Rolle des Bediensteten des ersuchenden Staates begrenzt90. Sofern einem entsprechenden Ersuchen auf Anwesenheit bei den Ermittlungshandlungen des ersuchten Vertragsstaates stattgegeben wird, bestimmt § 6 Abs. 3 Satz 2 MA-InfAust, dass alle Entscheidungen im Zusammenhang mit der Durchführung der Steuerprüfung die die Prüfung durchführende ersuchte Vertragspartei trifft. Daraus ergibt sich, dass dem anwesenden Bediensteten des ersuchenden Vertragsstaates keine Befugnisse zustehen, den Steuerpflichtigen bzw. die Auskunftsperson zu Mitwirkungshandlungen aufzufordern91, 92. 89 90 91 92

Vgl. Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, S. 175. Vgl. Tz. III 2.2. Vgl. Hendricks in Wassermeyer, MA-InfAust Art. 6, Rz. 25. Vgl. Czakert in Schönfeld/Ditz, Doppelbesteuerungsabkommen, Anh. 3, Rz. 59, der dem anwesenden Bediensteten des ersuchenden ausländischen Vertragsstaates auch nur eine passive Rolle einräumt.

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Es stellt sich für mich jedoch die Frage, ob nicht auch eine Kombination der Absätze 1 und 2 des Art. 6 MA-InfAust in Betracht kommen kann. Dann wäre es – mit Einwilligung der betroffenen Auskunftsperson – dem Bediensteten des ersuchenden Vertragsstaates möglich, eine aktive Rolle einzunehmen. 3.3 Art. 26 OECD-MA In Tz. III 2.3 wurde bereits darauf eingegangen, dass erhebliche rechtliche Bedenken bestehen, eine passive Anwesenheit eines Bediensteten des ersuchenden Vertragsstaates auf der Grundlage des Art. 26 OECD-MA bzw. der diesem entsprechenden Regelung des konkret abgeschlossenen DBA in Deutschland zu ermöglichen. Dies muss erst recht in Bezug auf eine aktive Rolle des Bediensteten des ersuchenden Vertragsstaates gelten. Im Hinblick auf die Fallkonstellation, dass ein Bediensteter der deutschen Finanzverwaltung bei Ermittlungen des anderen Vertragsstaates anwesend ist und hierbei eine aktive Rolle einnehmen soll, kann ebenfalls auf die Ausführungen in Tz. III 2.3 verwiesen werden. Möglicherweise ergibt sich in herausragenden Einzelfällen jedoch auch in Bezug auf eine „aktive“ Anwesenheit bei Ermittlungen des anderen Vertragsstaates eine Handlungsalternative auf der Grundlage des § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO93. 3.4 Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen Für die Frage, ob dem im Rahmen einer Steuerprüfung des ersuchten Unterzeichnerstaates anwesenden Bediensteten des ersuchenden Staates auch eine aktive Rolle auf der Grundlage des Amtshilfeübereinkommens eingeräumt werden kann, ist zunächst dessen Art. 9 Abs. 2 Satz 2 zu berücksichtigen. Danach trifft der ersuchte Staat alle Entscheidungen im Zusammenhang mit der Durchführung der Steuerprüfung. Wie zuvor schon zur vergleichbaren Formulierung in Art. 6 Abs. 3 Satz 2 MA-InfAust ausgeführt94 ist daraus abzuleiten, dass dem im Rahmen einer Steuerprüfung anwesende Bedienstete des ersuchenden Staates keine aktive Rolle eingeräumt werden kann. Dies wird auch zusätzlich durch die Ausführungen in Tz. 94 des Musterkommentars zum Amtshilfeübereinkommen gestützt. Dort heißt es u.a.:

93 Vgl. hierzu Tz. III 2.3, Exkurs. 94 Vgl. Tz. III 3.2.

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Eimler, Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen „…The examination takes place under the control of the responsible official, who may decide what influence the foreign official may have on the actual conduct of the examination. The foreign official may be able to co-operate actively (for example, suggest questions) or be restricted to a passive role (being present at the examination). …“

Wenngleich die Formulierung, dass der ausländische Bedienstete eine co-operative Rolle einnehmen kann, zunächst vermuten lässt, dass ihm auch eigene Ermittlungsmöglichkeiten zugestanden würden, so lässt das erläuternde Beispiel, dass er Fragen (lediglich) vorschlagen kann, eher den Rückschluss zu, dass der Bedienstete des ersuchten Staates letztendlich bestimmt, ob die Fragestellung tatsächlich erfolgt und wenn ja, nur durch ihn selber. 3.5 EU-Amtshilferichtlinie bzw. EU-Amtshilfegesetz Vereinbaren die zuständigen Behörden der beteiligten EU-Mitgliedstaaten eine Anwesenheit eines Bediensteten des ersuchenden Mitgliedstaates in den Amtsräumen von Behörden des ersuchten Mitgliedstaates und die Teilnahme an den von diesem durchgeführten behördlichen Ermittlungen, kann diese Vereinbarung auch vorsehen, dass der anwesende Bedienstete des ersuchenden Mitgliedstaates Einzelpersonen befragen und Aufzeichnungen prüfen darf. Auf diesem Wege wird dem anwesenden Bediensteten der ersuchenden Behörde eine aktive Rolle ermöglicht. Voraussetzung hierfür ist, dass dies nach den Rechtsvorschriften des ersuchten Mitgliedstaates zulässig ist95. In Deutschland wurde diese Regelung des Art. 11 Abs. 2 EUAHiRL im Hinblick auf die Anwesenheit von Bediensteten anderer EU-Mitgliedstaaten im Inland durch § 10 Abs. 3 EU-AHiG umgesetzt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass § 10 Abs. 3 Satz 2 EUAHiG über den Wortlaut der EUAHiRL hinausgehend nur dann eine entsprechende Rolle des Bediensteten des anderen Mitgliedstaates in Deutschland zulässt, wenn der vom Auskunftsersuchen betroffene inländische Beteiligte einer entsprechenden Befragung und Prüfung von Unterlagen zustimmt96. Mit anderen Worten: Wird eine entsprechende Zustimmung nicht erteilt, kann der anwesende Bedienstete des ersuchenden Mitgliedstaates nur eine passive Rolle einnehmen. Es sind aber auch „Mischkonstellationen“ denkbar, nämlich dass z.B. nur eine eingeschränkte Zustimmung zu bestimmten Fragestellungen erteilt oder eine zunächst erteilte Ein95 Vgl. Art. 11 Abs. 2 EUAHiRL. 96 Vgl. auch Amtshilfemerkblatt v. 23.11.2015, Tz. 5.2.4.

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willigung im Laufe des Ermittlungsverfahrens widerrufen wird97. Aus dem Umstand, der der Bedienstete des ersuchenden EU-Mitgliedstaates die Möglichkeit eingeräumt wird, bei Ermittlungen der zuständigen Behörde des ersuchten Staates zugegen zu sein, ergibt sich bereits, dass ein zuständiger Bediensteter der deutschen Finanzverwaltung ebenfalls anwesend ist. § 10 Abs. 3 Satz 3 EUAHiG regelt ausdrücklich, dass die Befragung des inländischen Beteiligten bzw. die Prüfung der Unterlagen durch den Bediensteten des anderen Mitgliedstaates nur im Beisein eines inländischen Beteiligten erfolgen darf. Für die Anwesenheit inländischer Bediensteter bei Ermittlungsmaßnahmen anderer EU-Mitgliedstaaten ist § 11EUAHiG die maßgebliche innerstaatliche Vorschrift. Danach ist § 10 EUAHiG sinngemäß anzuwenden98. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass in allen anderen EU-Mitgliedstaaten eine dem § 10 Abs. 3 EUAHiG vergleichbare Regelung existiert. Bereits aus dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 2 EUAHiRL ergibt sich eine mögliche Einschränkung aufgrund des nationalen Rechts des jeweiligen EU-Mitgliedstaates. 3.6 Verordnung (EU) Nr. 904/2010 Bereits in Tz. III 2.6 wurde dargelegt, dass Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 lediglich eine passive Rolle des anwesenden Prüfers des ersuchenden Staates zulässt, eine aktive Rolle mithin ausgeschlossen ist. 3.7 Tabellarische Zusammenfassung Anwesenheit bei Ermittlungen der Finanzverwaltung eines anderen Staates – aktive Anwesenheit: Art. 6 Abs. 2 MA-InfAust

Art. 26 OECDMA

Amtshilfeübereinkommen

EUAHiRL/ EUAHiG

Verordnung (EU) Nr. 904/2010

Tz. III 3.2

Tz. III 3.3

Tz. III 3.4

Tz. III 3.5

Tz. III 3.6



-/(?)

– Art. 9

+ Art. 11/§§ 10 u. 11 Zustimmung des inländischen Beteiligten

– Art. 28

97 Vgl. FG Rheinland-Pfalz v. 17.9.1992; EFG 1993, 127, 128. 98 Vgl. § 11 Satz 2 EUAHiG.

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IV. Gleichzeitige Prüfungen/Simultanprüfungen 1. Grundsätze Zur Überprüfung grenzüberschreitender Sachverhalte können auch international koordinierte Außenprüfungen eingesetzt werden. Diese besondere Erscheinungsform der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt99 und findet sich mittlerweile – wie noch nachstehend darzustellen sein wird – in entsprechenden eigenständigen Regelungen wieder. Die gebräuchlichen Bezeichnungen für diese Form der Zusammenarbeit sind „gleichzeitige Prüfungen“ oder „Simultanprüfungen“. Im Kern geht es darum, in den beteiligten Staaten Außenprüfungen durchzuführen, um Sachverhalte, an deren Aufklärung und Würdigung ein gemeinsames oder sich ergänzendes Interesse besteht, zu prüfen und die diesbezüglich gewonnenen Erkenntnisse im Wege des zwischenstaatlichen Informationsaustausches zur Verfügung zu stellen. Aufgrund des mit den koordinierten Prüfungen verfolgten Zwecks, die relevanten Informationen untereinander austauschen zu können, wird darin eine Sonderform des internationalen Informationsaustausches gesehen100. Dies wird auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die jeweiligen, die „gleichzeitige Prüfung“ betreffenden Vorschriften in den Regelungswerken zum zwischenstaatlichen Informationsaustausch101 angesiedelt sind102. Verfahrensrechtlich wird in jedem der beteiligten Staaten eine gesonderte Außenprüfung nach seinen dafür maßgeblichen nationalen gesetzlichen Regelungen durchgeführt103. Soweit sich die deutsche Finanzverwaltung an einer gleichzeitigen Prüfung beteiligt, kommen damit „ganz normal“ die Vorschriften der §§ 193 AO ff. sowie die Bestimmungen der BpO zur Anwendung. Für die Weitergabe von Informationen an die andere aus-

99 Vgl. Hendricks, Internationale Steuerhilfe im Steuerverfahren, S. 383 ff. 100 Vgl. Drüen, Rechtsrahmen und Rechtsfragen der multilateralen Betriebsprüfung, DStR, Beihefter Heft 41/2013, 82, 83. 101 Art. 8 Amthilfeübereinkommen, Art. 12 EUAHiRL bzw. § 12 EUAHiG. 102 Hinweis aber auch auf Drüen, Rechtsrahmen und Rechtsfragen der multilateralen Betriebsprüfung, DStR, Beihefter Heft 41/2013, 82, 85. Drüen sieht unter Bezugnahme auf Runge die Möglichkeit, multinationale Betriebsprüfungen als antizipiertes Verständigungsverfahren zu werten. 103 Vgl. Drüen, Rechtsrahmen und Rechtsfragen der multilateralen Betriebsprüfung, DStR, Beihefter Heft 41/2013, 82, 83.

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ländische Steuerbehörde sind die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen für den zwischenstaatlichen Informationsaustausch zu beachten104. Bei einer „gleichzeitigen Prüfung“ oder „Simultanprüfung“ handelt es sich somit auch nicht um eine gemeinsame Prüfung einer gemeinsamen Behörde105. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die (für die Durchführung des zwischenstaatlichen Informationsaustausches) zuständigen Behörden der beteiligten Staaten eine Vereinbarung über die Durchführung gleichzeitiger Prüfungen abschließen106. Gleichzeitige Prüfungen werden als ein Mittel angesehen, Gestaltungen im Sinne aggressiver Steuerplanungen besser aufdecken und internationalen Steuervermeidungsstrategien effektiver begegnen zu können. Gleichzeitige Prüfungen können aber auch dazu dienen, Doppelbesteuerung zu vermeiden und die für die Steuerzahler mit den Prüfungen verbundenen Lasten aufgrund des koordinierten Vorgehens zu reduzieren107. Die Durchführung gleichzeitiger Prüfungen kommt für die Aufklärung sämtlicher Fälle mit grenzüberschreitendem Bezug in Betracht, wie z.B. bei: –

grenzüberschreitenden Steuergestaltungsmodellen



Verrechnungspreisfragen



Service- und Cost-Sharing Vereinbarungen



Betriebsstättenfragen



… usw.

Abschließend sei angemerkt, dass die Regelungen zur Durchführung gleichzeitiger Prüfungen nicht die Anwesenheit von Bediensteten der anderen an der gleichzeitigen Prüfung beteiligten Staaten mit umfassen. Gleichzeitige Prüfungen sehen die Anwesenheit von Bediensteten des anderen Staates, mit dem die Durchführung einer gleichzeitigen Prüfung vereinbart wurde, zunächst einmal nicht vor.

104 Vgl. Hendricks, Internationale Steuerhilfe im Steuerverfahren, S. 386 f. 105 Vgl. Hendricks in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Zum 75. Geburtstag von Franz Wassermeyer, 75. Joint Audits und Abkommensrecht, Rz. 2 und 7. 106 Vgl. hierzu z.B. die von der OECD entwickelte Mustervereinbarung, abrufbar unter http://www.oecd.org/ctp/exchange-of-tax-information/2666483.pdf. 107 Vgl. MK Amtshilfeübereinkommen, Tz. 72.

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Schaubild: Gleichzeitige Prüfung/Simultanprüfung

2. Art. 26 OECD-MA108 Es stellt sich die Frage, ob eine dem Art. 26 OECD-MA entsprechende Regelung als Rechtsgrundlage für „gleichzeitige Prüfungen“ herangezogen werden kann. Wie bereits erwähnt soll nach dem Telos der Norm ein möglichst weitgehender Informationsaustausch ermöglicht werden. Im Musterkommentar zu Art. 26 OECD-MA wird daher auch die gleichzeitige Prüfung als eine nach dieser Vorschrift zulässige Form des zwischenstaatlichen Informationsaustausches aufgeführt. Zugleich wird der Begriff der „gleichzeitigen Prüfung“ bzw. der „Simultanprüfung“ umschrieben, da es im Art. 26 OECD-MA selbst an einer Definition fehlt109. A „simultaneous examination is an arrangement between two or more parties to examine simultaneously each in its own territory, the tax affairs of taxpayers (or a taxpayer) in which they have a common or related interest with a view of exchanging any relevant information which they so obtain (…)“.

In diesem Zusammenhang ist ferner auf den von der OECD herausgegebenen Leitfaden zur Durchführung von gleichzeitigen Prüfungen hinzuweisen110. Im Rahmen der dortigen Ausführungen zum Rechtsrahmen wird 108 Aus Praxiserwägungen wird darauf verzichtet, auf das MA-InfAust einzugehen. 109 Vgl. MK zu Art. 26, Tz. 9.1. 110 Manual On The Implimitation Of Exchange Of Information Provisions For Tax Purposes, approved by the OECD Committee in Fiscal Affairs on 23 January 2006, Unclassified, Modul 5 On Conducting Simultaneous Tax Examinations; http://www.oecd.org/tax/exchange-of-tax-information/36648057. pdf.

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dargelegt, dass gleichzeitige Prüfungen mit Auskunftsersuchen einhergehen111. Diese Verbindung mit Auskunftsersuchen ergibt sich m.E. bereits daraus, dass die Finanzverwaltungen Informationsbedarf zur Würdigung bestimmter grenzüberschreitender Sachverhalte sehen. Es muss ein entsprechendes Erfordernis für die Durchführung des zwischenstaatlichen Informationsaustausches bestehen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Informationsaustausch auf die Beantwortung von Auskunftsersuchen beschränkt ist. Es können vielmehr auf der Grundlage der allgemeinen Vorschriften für den zwischenstaatlichen Informationsaustausch alle Informationen ausgetauscht werden, die im Rahmen einer gleichzeitigen Prüfung erlangt werden. Sofern die Durchführung einer gleichzeitigen Prüfung auf einer dem Art. 26 OECD-MA entsprechenden Regelung im konkret anzuwendenden DBA basiert, ist hinsichtlich der zwischen den beteiligten Staaten auszutauschenden Informationen jedoch darauf zu achten, in welchem Umfang Informationen ausgetauscht werden können, sprich ob eine sog. kleine, große oder umfassende Auskunftsklausel112 vereinbart wurde113. Wenngleich nach den vorstehenden Ausführungen mit Art. 26 OECDMA eine ausreichende internationale Rechtsgrundlage für die Durchführung gleichzeitiger Prüfungen zur Verfügung steht, wird auch diesbezüglich die weitere Frage diskutiert, ob die Umsetzung des völkerrechtlichen Vertrages durch Zustimmungsgesetz ausreicht, um dem nach nationalen Recht zu beachtenden Bestimmtheitsgebot zu genügen. So wird teilweise die Auffassung vertreten, dass diese Form der Amtshilfe als unzulässig anzusehen ist, wenn das Abkommen hierfür keine entsprechende aus111 Vgl. Tz. 9 des in der vorgenannten Fn. aufgeführten Moduls 5. 112 Vgl. hierzu Amtshilfemerkblatt v. 23.11.2015, Tz. 2. 113 Da es bei der Durchführung einer gleichzeitigen Prüfung darum geht, grenzüberschreitende Sachverhalte einer oder mehrerer Steuerpflichtiger zu prüfen, an deren Würdigung die Finanzverwaltungen der beteiligten Staaten ein gemeinsames oder sich ergänzendes Interesse haben, wird es vielfach um den Austausch von Informationen gehen, der für die Anwendung des DBA selbst notwendig ist. Hierfür reicht bereits eine sog. kleine Auskunftsklausel aus. Es ist jedoch z.B. auch denkbar, dass darüberhinausgehende Informationen bekannt werden, die nur für die Anwendung des nationalen Steuerrechts eines anderen beteiligten Staates relevant sind. Es wird daher auch tlw. die Auffassung vertreten, dass gleichzeitige Prüfungen i.d.R. nur in Betracht kommen, wenn in dem maßgeblichen DBA eine große Auskunftsklausel vereinbart wurde; so. z.B. Höppner in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 26 OECD-MA; Rz. 48.

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drückliche Ermächtigung enthält114. Die überwiegende Meinung in der Literatur geht aber wohl von einer Zulässigkeit einer gleichzeitigen Prüfung auf Basis des Art. 26 OECD-MA aus115. Seitens der Finanzverwaltung wird ebenfalls die Auffassung vertreten, dass gleichzeitige Prüfungen auf der Rechtsgrundlage eines DBA in Betracht kommen116. Dieser Rechtsansicht schließe ich mich an. Letztendlich werden in beiden Staaten formalrechtlich getrennte Betriebsprüfungen durchgeführt und der zwischenstaatliche Informationsaustausch erfolgt auf der Grundlage der hierfür geltenden allgemeinen Vorschriften. Die zwischen den beteiligten Staaten getroffene Vereinbarung über die Durchführung gleichzeitiger Prüfungen ermöglicht ein zielgerichtetes und damit effizienteres Vorgehen der Verwaltungen. Da hierbei (weiterhin) die allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zur Anwendung kommen, werden die Rechte des Steuerpflichtigen bzw. der Steuerpflichtigen nicht gemindert. Es handelt sich somit im Kern um eine besondere Form der verwaltungstechnischen Abwicklung117.

3. Amtshilfeübereinkommen Das Amtshilfeübereinkommen beinhaltet mit Art. 8 eine eigenständige Regelung zu gleichzeitigen Steuerprüfungen. Absatz 2 der Vorschrift beinhaltet die Definition, was unter einer gleichzeitigen Prüfung im Sinne des Übereinkommens zu verstehen ist118. Insoweit weicht die „Rege114 Vgl. Grotherr, Auswirkungen einer innerstaatlichen Anwendbarkeit des Europarats-/OECD-Übereinkommens 1988/2010 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, IStR 2015, 845, 854. 115 Vgl. z.B. Drüen, Rechtsrahmen und Rechtsfragen der multilateralen Betriebsprüfung, DStR, Beihefter Heft 41/2013, 82, 87; Czakert, Der internationale Informationsaustausch und die grenzüberschreitende Kooperation der Steuerverwaltungen, IStR 2013, 596, 602; siehe auch Höppner in Gosch/Kroppen/ Grotherr, DBA, Art. 26 OECD-MA, Rz. 47, nach dessen Auffassung es gar keiner speziellen Rechtsgrundlage für eine Simultanprüfung bedarf. 116 Vgl. Amtshilfemerkblatt v. 23.11.2015, Tz. 7. 117 Vgl. Höppner in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 26 OECD-MA, Rz. 47; Seer in Tippke/Kruse, AO/FGO, Vor § 193, Rz. 43. 118 Art. 8 Abs. 2 Amtshilfeübereinkommen: Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet „gleichzeitige Steuerprüfung“ eine Vereinbarung zwischen zwei der mehr Vertragsparteien, gleichzeitig im jeweils eigenen Hoheitsgebiet die steuerlichen Verhältnisse einer Person oder mehrerer Personen, an denen sie ein gemeinsames oder ergänzendes Interesse haben, zu prüfen, um die auf diesem Wege gewonnenen sachdienlichen Informationen auszutauschen.

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lungstechnik“ von der des OECD-MA, bei dem sich die Definition nur aus den Erläuterungen in der Musterkommentierung ergibt, ab. Inhaltlich besteht allerdings Übereinstimmung. In Tz. 78 der zum Amtshilfeübereinkommen ergangenen Musterkommentierung wird im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal, dass die beteiligten Vertragsstaaten ein gemeinsames oder sich ergänzendes Interesse an den steuerlichen Angelegenheiten der betroffenen Person(en) haben muss, ausgeführt, dass keine zu strengen Maßstäbe anzulegen sind, sondern eher eine weite Auslegung in Betracht kommt. Meines Erachtens gilt diese Interpretation nicht nur in Bezug auf das Amtshilfeübereinkommen. Art. 8 Abs. 1 des Amtshilfeübereinkommens regelt Fragen des Verfahrensablaufes. Zunächst einmal bedarf es eines Ersuchens eines Unterzeichnerstaates (einer Vertragspartei) zur Durchführung gleichzeitiger Prüfungen. Die für den zwischenstaatlichen Informationsaustausch zuständigen Behörden der betroffenen Vertragsstaaten konsultieren sich um zu entscheiden, in welchen Fällen gleichzeitige Prüfungen stattfinden und legen die entsprechenden Verfahren fest. Die nunmehr im Amtshilfeübereinkommen ausdrücklich geregelte Vorgehensweise entspricht derjenigen, die sich aus dem Leitfaden der OECD zur Durchführung gleichzeitiger Prüfungen auf der Basis des Art. 26 OECD-MA ergibt. Im Hinblick auf eine zu treffende Vereinbarung über die Durchführung der gleichzeitigen Prüfungen kann die von der OECD entwickelt Mustervereinbarung zugrunde gelegt werden119. Die Musterkommentierung zum Amtshilfeübereinkommen verweist zudem insgesamt auf den von der OECD herausgegebenen Leitfaden zur Durchführung des Informationsaustausches für steuerliche Zwecke120.

4. EU-Amtshilferichtlinie bzw. EU-Amtshilfegesetz Die EUAHiRL enthält in Art. 12 gesonderte Regelungen zu gleichzeitigen Prüfungen. Hierbei werden jedoch nur verfahrensrechtliche Aspekte angesprochen. Eine Definition, was unter einer gleichzeitigen Prüfung i.S.d. EUAHiRL zu verstehen ist, wird nicht vorgenommen. § 12 EUAHiG als Umsetzung der vorgenannten Richtlinie in nationales Recht beinhaltet hingegen in seinem Absatz 1 Satz 1 eine Definition, ohne sie als solche ausdrücklich zu kennzeichnen. Auch hier geht es um die Ver119 Vgl. MK Amtshilfeübereinkommen, Tz. 72. 120 Vgl. MK Amtshilfeübereinkommen, Tz. 73.

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einbarung mit einem oder mehreren Mitgliedstaaten, im jeweils eigenen Hoheitsgebiet eine gleichzeitige Prüfung einer oder mehrerer Personen von gemeinsamem oder ergänzendem Interesse durchzuführen. Es bleibt somit festzuhalten, dass sich kein inhaltlicher Unterschied im Vergleich zu gleichzeitigen Prüfungen auf der Grundlage des OECD-MA bzw. des Amtshilfeübereinkommens ergibt. Es fällt jedoch auf, dass § 12 Abs. 1 Satz 2 EUAHiG durch seine Bezugnahme auf § 4 EU-AHiG nur auf die Zulässigkeit der Beantwortung von Auskunftsersuchen eingeht. Aus der Gesetzesbegründung ergeben sich hierzu keine weitergehenden Hinweise121. Ein Ansatz für die Regelung mag sein, dass gleichzeitige Prüfungen mit Auskunftsersuchen einhergehen122 und dass deshalb im Hinblick auf die in § 4 Abs. 3 und 4 EUAHiG enthaltenen Einschränkungen ein vorsorglicher Hinweis erfolgte. Zusätzlich ist jedoch folgender Aspekt zu berücksichtigen: Sinn und Zweck gleichzeitiger Prüfungen ist es, eine effiziente Durchführung des Informationsaustausches zu erleichtern123. Eine Begrenzung des Informationsaustausches auf die Beantwortung von Auskunftsersuchen ist damit nicht in Einklang zu bringen. Es ist somit vielmehr davon ausgehen, dass die beteiligten Staaten weiterhin berechtigt sind, auf der Grundlage der bestehenden Vorschriften alle Informationen auszutauschen124. § 12 Abs. 2 bis 5 EUAHiG regeln Einzelheiten zum Ablauf des Verfahrens. Hier sei lediglich erwähnt, dass die Handhabung mit der bei gleichzeitigen Prüfungen auf der Grundlage des Art. 26 OECD-MA bzw. Art. 8 Amtshilfeübereinkommen vergleichbar ist.

5. Verordnung (EU) Nr. 904/2010 Auch für Zwecke des umsatzsteuerlichen Informationsaustausches können zwischen den EU-Mitgliedstaaten gleichzeitige Prüfungen vereinbart werden. Voraussetzung hierfür ist gem. Art. 29 ZusammenarbeitsVO, dass solche Prüfungen für wirksamer erachtet werden als die 121 Vgl. z.B. BR-Drs. 302/12 v. 25.5.2012, S. 76. 122 Vgl. hierzu Ausführungen in Tz. IV 2. 123 Vgl. MK Amtshilfeübereinkommen, Tz. 72; wegen der inhaltlichen Übereinstimmung des Begriffs der gleichzeitigen Prüfung kann m.E. bei der Auslegung des EUAHiG auch davon ausgegangen werden. 124 Vgl. Czakert, Der Internationale Informationsaustausch und die grenzüberschreitende Kooperation der Steuerverwaltungen, IStR 2013, 596, 602; Hendricks in Beermann/Gosch, AO/FGO, AO § 117; Rz. 192.

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Prüfung durch einen einzigen Staat. Verfahrensrechtliche Aspekte werden in Art. 30 Zusammenarbeits-VO angesprochen. Als Besonderheit ist in diesem Zusammenhang anzuführen, dass der ersuchte Mitgliedstaat grds. innerhalb von zwei Wochen, spätestens jedoch innerhalb eines Monats über den erhaltenen Vorschlag auf Durchführung einer gleichzeitigen Prüfung entscheiden muss.

6. Tabellarische Zusammenfassung Vereinbarung gleichzeitiger Prüfungen: Art. 26 OECDMA

Amtshilfeübereinkommen

EUAHiRL/ EUAHiG

Verordnung (EU) Nr. 904/2010

Tz. IV 2

Tz. IV 3

Tz. IV 4

Tz. IV 5

+

+ Art. 8

+ Art. 12/§ 12

+ Art. 29

V. Multilaterale Prüfungen (Multilateral Control)/ Fiscalis-Prüfungen Im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Prüfungsaktivitäten werden zudem die Begriffe „Multilaterale Prüfungen“ (multilateral control) und „Fiscalis-Prüfungen“ verwendet. Es geht hierbei nicht um eine besondere Form der Betriebsprüfung oder des zwischenstaatlichen Informationsaustausches. Es handelt sich vielmehr um ein vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union gefördertes Programm zur Verbesserung der Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten. Eine multilaterale Prüfung i.S.d. Programms bedeutet die koordinierte Prüfung der Steuerschuld einer oder mehrerer betroffener steuerpflichtiger Personen, die von zwei oder mehr Teilnehmerländern, die gemeinsame oder sich ergänzende Interessen haben und die mindestens einen Mitgliedstaat umfassen, durchgeführt wird125, 126. Der

125 Entscheidung Nr. 1482/2007/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2007 über ein Gemeinschaftsprogramm zur Verbesserung der Funktionsweise der Steuersysteme im Binnenmarkt (Fiscalis 2013) und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 2235/2002/EG, Artikel 2 Ziffer 4; ABl. der Europäischen Union L 330 v. 15.12.2007, 1. 126 Vgl. Joint Audit Report, Chapter 2, Tz. 45.

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Bezeichnung des Programms entsprechend wird auch der Begriff „FiscalisPrüfung“ benutzt. Der Begriff „Multilaterale Prüfungen“ wird in der Praxis aber auch allgemein für grenzüberschreitende Prüfungen oder gleichzeitige Prüfungen verwendet.

VI. Joint Audit/Gemeinsame steuerliche Außenprüfungen 1. Grundsätze Aufgrund der zunehmenden wirtschaftlichen Globalisierung und dem damit verbundenen stetigen Anstieg internationaler Transaktionen hat sich die OECD im Jahre 2009 dem Thema der grenzüberschreitenden Betriebsprüfungen noch einmal besonders zugewandt. Aus Sicht der OECD benötigen die Steuerverwaltungen eine Strategie, um sich den Herausforderungen, die mit dieser wirtschaftlichen Entwicklung einhergehen, effizient und effektiv stellen zu können. Hierzu gehört, dass die Steuerverwaltungen im Hinblick auf die Einhaltung nationaler wie internationaler Besteuerungsvorschriften enger zusammenarbeiten127, 128. Vom Forum on Tax Administration der OECD wurde im September 2009 der Auftrag für eine Untersuchung erteilt, wie die internationale Zusammenarbeit der an dem Projekt teilnehmenden Staaten durch den Einsatz von Joint Audits verbessert werden könnte129. Der daraufhin im September 2010 veröffentlichte Joint Audit Report fand viel Beachtung130. Von der OECD wurde zudem der Joint Audit Participants Guide131 entwickelt, um die Leitung und Durchführung einer Joint Audit zu unterstützen.

2. Definition von Joint Audit i.S.d. OECD Es stellt sich nunmehr die Frage, was aus Sicht der OECD unter einer Joint Audit zu verstehen ist. Es handelt sich nicht um einen gesetzlich 127 Auf die von der OECD im Jahre 1992 veröffentliche Mustervereinbarung zur Durchführung von gleichzeitigen Prüfungen (vgl. Fn. 99) sowie auf den zu gleichzeitigen Prüfungen im Jahre 2006 ergangenen Leitfaden (vgl. Fn. 102) wurde zuvor bereits hingewiesen. 128 Vgl. Joint Audit Report, Foreword. 129 Vgl. Joint Audit Report, Chapter I, Tz. 1. 130 Vgl. Hendricks in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Zum 75. Geburtstag von Franz Wassermeyer, 75. Joint Audits und Abkommensrecht, Rz. 1. 131 Abrufbar unter http://www.oecd.org/tax/administration/45988962.pdf.

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definierten Begriff. Der Begriff hat sich nach dem Verständnis der OECD vielmehr in der Praxis herausgebildet, um der Idee der Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehr Steuerverwaltungen Ausdruck zu verleihen132. Die OECD umschreibt den Begriff der Joint Audit wie folgt133: “A joint audit can be described as two or more countries joining together to form a single audit team to examine an issue(s)/transaction(s) of one or more related taxable persons (both legal entities an individuals) with cross-border business activities, perhaps including cross-border transactions involving related affiliated companies organized in the participating countries, and in which the countries have a common or complementary interest; where the the taxpayer jointly makes presentations and shares information with the countries, and the team includes Competent Authority representatives from each country. A joint audit can be activated for all compliance activities that can be accommodated through (1) the competent authority process outlined in the tax treaties between the participating revenue bodies and (2) the legal framework that guides the limits of collaboration between the participating parties.”

Verglichen mit den vorstehend dargestellten und erläuterten Definitionen zu gleichzeitigen Prüfungen i.S.d. Art. 26 OECD-MA, des Art. 8 Amtshilfeübereinkommen sowie § 12 Abs. 1 EUAHiG ist zunächst anzumerken, dass es auch im Falle einer Joint Audit eines gemeinsamen oder sich ergänzenden Interesses der teilnehmenden Steuerverwaltungen an den Ermittlungsmaßnahmen bedarf – was an dieser Stelle aber nicht überraschend ist. Die Umschreibung einer Joint Audit betont jedoch, dass die Vertreter der teilnehmenden Steuerverwaltungen ein einheitliches – oder anders ausgedrückt: gemischtes – Prüfungsteam bilden134. Daraus folgt, dass die Prüfer dementsprechend geschlossen gegenüber den jeweiligen der Prüfung unterliegenden Steuerpflichtigen und ihren Beratern auftreten, unabhängig in welchem Staat die Ermittlungsmaßnahme durchgeführt wird135. Dies beinhaltet nach meinem Verständnis, dass der jeweilige Prüfer auch im Hoheitsgebiet des anderen an der Joint Audit beteiligten Staates eine aktive Rolle einnehmen kann. Die Bereitstellung der Informationen durch den Steuerpflichtigen erfolgt sofort gegenüber den Vertretern aller beteiligten Finanzverwaltungen. Die anderen zuvor aufgeführten Definitionen für gleichzeitige Prüfungen regelten vielmehr, 132 Vgl. Joint Audit Report, Chapter I, Tz. 8. 133 Vgl. Joint Audit Report, Chapter I, Tz. 7. 134 Vgl. Meickmann, Verfahrensrechtliche Probleme bei der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte – Gemeinsame Betriebsprüfungen als Lösungsmodell, IStR 2014, 591, 591. 135 Vgl. Hendricks in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Zum 75. Geburtstag von Franz Wassermeyer, 75. Joint Audits und Abkommensrecht, Rz. 3.

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dass jede Steuerverwaltung in ihrem Hoheitsgebiet eine eigenständige Prüfung durchführt, mithin getrennte Prüfungen stattfinden. Zudem setzt die Umschreibung für eine Joint Audit voraus, dass zu dem Prüfungsteam eine zum Informationsaustausch befugte Person aus jedem Staat gehört. Dies ist nur eine logische Konsequenz des Gedankens, ein einheitliches Prüfungsteam zu bilden. Ansonsten dürften sich die aus den unterschiedlichen Staaten teilnehmenden Mitglieder des Prüfungsteams über den gemeinsam zu prüfenden Fall nicht unterhalten. Für die Durchführung einer Joint Audit ist die Berechtigung zum unmittelbaren Informationsaustausch daher eine unerlässliche Voraussetzung. Auf Seiten Deutschlands bedeutet dies, dass das BZSt die Befugnis für die Durchführung des Informationsaustausches auf die beteiligten Prüfer übertragen müsste. Gleichzeitige Betriebsprüfungen setzen diese Befugnis auf Ebene der involvierten Prüfer hingegen nicht voraus. Zum Abschluss einer Joint Audit ist eine entsprechende Berichtsfertigung vorgesehen136. Aus alledem ergibt sich, dass eine Joint Audit über den Rahmen einer gleichzeitigen Prüfung hinausgeht137. Schaubild: Joint Audit i.S.d. OECD

136 Vgl. Joint Audit Participants Guide, Tz. 59. 137 Vgl. Meickmann, Verfahrensrechtliche Probleme bei der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte – Gemeinsame Betriebsprüfungen als Lösungsmodell, IStR 2014, 591, 593.

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3. Hauptziele einer Joint Audit i.S.d. OECD Die mit einer Joint Audit hauptsächlich verbundenen Zielsetzungen sind in Tz. 9 des Joint Audit Reports aufgeführt. Hierzu gehören: –

Verringerung der Verwaltungslasten für den Steuerpflichtigen



Vermeidung der Doppelbesteuerung (und Nichtbesteuerung) und damit Vermeidung eines Verständigungsverfahrens



frühere Rechtssicherheit in grenzüberschreitenden Steuerfragen



besserer Gesamtblick auf Steuerrisiken, die sich aufgrund grenzüberschreitender Sachverhalte ergeben



effiziente und effektive Behandlung von grenzüberschreitenden Risiken

Aufgrund der gemeinsamen und damit untereinander abgestimmten Ermittlungsmaßnahmen können die beteiligten Finanzverwaltungen schneller eine zielgenauere und aussagefähigere Sachverhaltsermittlung durchführen. Durch die gemeinsame Erörterung kann eher sichergestellt werden, dass alle entscheidungsrelevanten Aspekte ermittelt worden sind. Damit einher geht auch die Erörterung, wie der festgestellte Sachverhalt rechtlich zu würdigen ist138. Da jeder der beteiligten Prüfer „beide Seiten“ kennenlernt, entsteht ein besseres Gesamtverständnis139. Aufgrund der gemeinsamen Sachverhaltsfeststellung und -würdigung besteht natürlich auch die Hoffnung, dass eine Doppelbesteuerung und somit sich ansonsten ggf. anschließende Rechtsbehelfs- oder Verständigungsverfahren vermieden werden können140. Eine gemeinsame Sachverhaltswürdigung bedeutet jedoch nicht, dass auch ein einheitliches Ergebnis erzielt wird. Eine Verpflichtung hierzu ergibt sich nicht aufgrund der Durchführung einer Joint Audit141, da es sich „lediglich“ um eine besondere Form des zwischenstaatlichen Informationsaustausches handelt. Sofern kein einvernehmliches Ergebnis im Rahmen der Joint Audit gefunden werden kann, bedarf es anschließend 138 Vgl. Meickmann, Verfahrensrechtliche Probleme bei der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte – Gemeinsame Betriebsprüfungen als Lösungsmodell, IStR 2014, 591, 593. 139 Vgl. Eisgruber, Praxiserfahrungen zu Joint Audits, Beihefter zu DStR, Heft 41/1993, 89, 91. 140 Vgl. Joint Audit Report, Chapter 3, Tz. 117; Seer in Tippke/Kruse, AO, Vor § 193 AO, Rz. 45. 141 Vgl. Beckmann, Gemeinsame Betriebsprüfungen durch deutsche und ausländische Finanzverwaltungen; StBp 2014, 66, 68.

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eines Rechtsbehelfsverfahrens bzw. eines förmlichen Verständigungsverfahrens gem. Art. 25 OECD-MA oder nach der Schiedskonvention.

4. Joint Audits bzw. gemeinsame Prüfungen aus Sicht Deutschlands Grundlage für die Durchführung einer Joint Audit kann nur der bestehende Rechtsrahmen sein. Hierauf weist die OECD in ihrem Joint Audit Report selbst hin142. Daraus folgt für die deutsche Finanzverwaltung, dass im Hinblick auf die Durchführung von Außenprüfungen die verfahrensrechtlichen Vorschriften der §§ 193 ff. AO und der BpO zu beachten sind. Eine Joint Audit i.S.d. OECD ist damit in formalrechtlicher Hinsicht nicht möglich. So stehen die Verfahrensvorschriften z.B. der Bildung eines formell einheitlichen Prüfungsteams, bestehend aus Prüfern der deutschen und einer ausländischen Finanzverwaltung, entgegen. Es bedarf an dieser Stelle keiner weitergehenden Begründung, dass es im Falle gemeinsamer Prüfungsmaßnahmen mit ausländischen Finanzverwaltungen einer getrennten Prüfungsanordnung (§ 194 AO, § 5 BpO), grds. einer separaten förmlichen Schlussbesprechung (§ 201 AO, § 11 BpO) und eines gesonderten formellen Bp-Berichts (§ 202 AO, § 12 BpO) usw. bedarf. Mit anderen Worten: Der Joint Audit Report der OECD ändert nichts an dem Umstand, dass in Deutschland formalrechtlich „nur“ getrennte Betriebsprüfungen möglich sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Vorteile, die mit dem von der OECD im Joint Audit Report aufgezeigten Vorgehen für alle Beteiligten verbunden sein können, nicht auch im Rahmen deutscher Außenprüfungen genutzt werden können. Es ist vielmehr im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, inwieweit es die gesetzlichen Rahmenbedingungen zulassen, im Rahmen von Außenprüfungen den zwischenstaatlichen Informationsaustausch in seinen unterschiedlichen „Formen“ bzw. in einer Kombination der unterschiedlichen Ausprägungen zu nutzen. Die einzelnen Rechtsgrundlagen sind somit daraufhin zu untersuchen, welche „Varianten“ des zwischenstaatlichen Informationsaustausches zugelassen werden143.

142 Vgl. Joint Audit Report, Chapter I, Tz. 8. 143 Aus Praxiserwägungen verzichte ich nachfolgend auf die Regelungen des MAInfAust einzugehen. Die darauf aufbauenden TIEA wurden mit Staaten abgeschlossen, die eher als Steueroasen einzustufen sind. Gemeinsame Prüfungen mit Steuerverwaltungen dieser Abkommensstaaten können m.E. an dieser Stelle vernachlässigt werden. Art. 6 Abs. 1 MA-InfAust kommt jedoch durch-

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Tabellarische Übersicht: Form des Informationsaustausches

Art. 26 OECDMA

Amtshil- EUAHiRL/EUA- Verordnung feübereinHiG (EU) kommen Nr. 904/2010

Anwesenheit bei Ermittlungen der Finanzverwaltung eines anderen Staates – passive Anwesenheit



+ Art. 9

+ Art. 11/ §§ 10 u. 11

+ Art. 28

Anwesenheit bei Ermittlungen der Finanzverwaltung eines anderen Staates – aktive Anwesenheit



– Art. 9

+ Art. 11/ §§ 10 u. 11 in D: nur mit Zustimmung des Stpfl.

– Art. 28

gleichzeitige Prüfungen

+

+ Art. 8

+ Art. 12/§ 12

+ Art. 29

Wie der vorstehend aufgeführten Tabelle entnommen werden kann, ermöglichen die Regelungen der EUAHiRL bzw. des EUAHiG einen zwischenstaatlichen Informationsaustausch im Rahmen gleichzeitig stattfindender Außenprüfungen, die dem von der OECD im Joint Audit Report beschriebenen Verfahren am nächsten kommt. Zwischen den einzelnen EU-Mitgliedstaaten können gleichzeitige Prüfungen vereinbart werden. Zudem erlauben es die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Anwesenheit des Prüfers des einen EU-Mitgliedstaates bei Ermittlungsmaßnahmen des anderen EU-Mitgliedstaates zu vereinbaren. Sofern es die Bestimmungen der einzelnen EU-Mitgliedstaaten gestatten, können die Prüfer im Rahmen der Anwesenheit bei den Ermittlungsmaßnahmen im jeweils anderen EU-Mitgliedstaat eine aktive Rolle einnehmen. Hierzu gehört aufgrund des § 10 Abs. 3 EUAHiG, dass dem in Deutschland anwesenden Prüfer des anderen EU-Mitgliedstaates nur dann eine aktive Rolle eingeräumt werden kann, wenn der inländische Steuerpflichtige einer Befragung oder Prüfung von Unterlagen zugestimmt hat. Im Hinblick auf die praktische Umsetzung bedarf es der Übertragung der Befugnis zur Durchführung des Informationsaustau-

aus als Grundlage für gemeinsame Außenprüfungen in Betracht (vgl. auch Czakert in Schönfeld/Ditz, Doppelbesteuerungsabkommen, Anh. 3, Rz. 58).

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sches von der jeweiligen Competent Authority auf die beteiligten Prüfer. Die Finanzverwaltungen der beteiligen EU-Mitgliedstaaten sind im vorstehend beschriebenen Fall in der Lage, gemeinschaftlich zuvor gemeinsam festgelegte Prüfungsschwerpunkte, an deren Überprüfung damit selbstverständlich ein gemeinsames oder sich ergänzendes Interesse besteht, zu überprüfen144. Es erfolgt eine gemeinschaftliche Sachverhaltsermittlung und es wird zudem eine gemeinsame rechtliche Würdigung ermöglicht. Eine entsprechend abgestimmte Vorgehensweise kann inhaltlich als Joint Audit oder gemeinsame steuerliche Außenprüfung bezeichnet werden. Sofern im Hinblick auf das gemeinschaftliche Agieren die aktive Rolle des Prüfers des einen EU-Mitgliedstaates im Rahmen seiner Anwesenheit bei Ermittlungen im Hoheitsgebiet des anderen EU-Mitgliedstaates gefordert wird, um von einer gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung sprechen zu können, ist zu beachten, dass die Umsatzsteuer nicht in den Anwendungsbereich der EUAHiRL bzw. des EUAHiG fällt145. Bei diesem Verständnis des Begriffs der gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung ist zudem – wie ausgeführt – die Zustimmung des inländischen Steuerpflichtigen hierfür unverzichtbare Voraussetzung. Wie sieht es z.B. aus, wenn der andere EU-Mitgliedstaat Art. 11 EUAHiRL lediglich in der Form in nationales Recht umgesetzt hat, dass generell nur eine passive Rolle des Prüfers des anderen EU-Mitgliedstaates eingenommen werden kann? Aus meiner Sicht braucht die Frage, ob eine aktive Rolle des deutschen Prüfers im Rahmen seiner Anwesenheit bei Ermittlungsmaßnahmen im anderen EU-Mitgliedstaat bzw. ob eine aktive Rolle des Prüfers des anderen EU-Mitgliedstaates im Rahmen seiner Anwesenheit bei inländischen Ermittlungsmaßnahmen für eine gemeinsame steuerliche Außenprüfung erforderlich ist, nicht weiter erörtert zu werden. Der Begriff der gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung ist nicht gesetzlich definiert. Demzufolge können sich aus den bestehenden gesetzlichen Regelungen auch keine weiteren Rechtsfolgen ergeben, die davon abhängen, ob der Begriff der gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung als erfüllt angesehen wird oder nicht146. 144 Vgl. Amtshilfemerkblatt, Tz. 8. 145 Vgl. Art. 2 Abs. 2 EUAHiRL bzw. § 1 Abs. 2 EUAHiG. 146 Die fehlende konkrete Definition des Begriffes „gemeinsame steuerliche Außenprüfung“ birgt m.E. auch ein Problem, nämlich dass Missverständnisse entstehen können, weil ein unterschiedliches Begriffsverständnis besteht.

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Meines Erachtens ist vielmehr entscheidend, im Hinblick auf die Überprüfung grenzüberschreitender Sachverhalte die Möglichkeiten des zwischenstaatlichen Informationsaustausches konstruktiv zu nutzen, um die betroffenen Besteuerungsverfahren so effizient und effektiv wie möglich durchzuführen. Angesichts der damit auch für die Steuerpflichtigen verbundenen möglichen Vorteile kann m.E. auch davon ausgegangen werden, dass die ggf. erforderliche Zustimmung durch die Steuerpflichtigen erteilt wird. Sollte aber z.B. die für die aktive Rolle des Prüfers der ausländischen Finanzverwaltung erforderliche Zustimmung nicht erteilt werden, kann sich durch eine Kombination von gleichzeitiger Prüfung gem. § 12 EUAHiG und Vereinbarung von wechselseitiger „passiver“ Anwesenheit bei Ermittlungen im jeweils anderen EU-Mitgliedstaat gem. §§ 10 und 11 EUAHiG durchaus immer noch ein effizienteres und effektiveres Vorgehen ergeben. Für diese Vorgehensweise ist die Zustimmung des Steuerpflichtigen nämlich nicht erforderlich. Im Hinblick auf steuerliche Außenprüfungen mit Staaten, die nicht Mitglied der Europäischen Union sind, eröffnet das Amtshilfeübereinkommen die Vereinbarung gemeinsamer steuerlicher Außenprüfungen – allerdings mit der Einschränkung, dass nur die wechselseitige Anwesenheit bei Ermittlungen des anderen Vertragsstaates in einer passiven Rolle wahrgenommen werden kann. Der zeitliche Anwendungsbereich des Amtshilfeübereinkommens ist natürlich zu beachten. Gemeinsame steuerliche Außenprüfungen auf der Grundlage des Art. 26 AOCD-MA sind, wenn allein auf die gesetzlichen Grundlagen des zwischenstaatlichen Informationsaustausches abgestellt wird, hingegen nicht möglich147.

VII. Rechte des Steuerpflichtigen Die zwischenstaatliche Amtshilfe durch Informationsaustausch kann einen Eingriff in die Rechte der betroffenen inländischen Beteiligten darstellen. Daher ist der inländische Beteiligte grds. rechtzeitig über den angedachten Informationsaustausch zu informieren. Ihm ist in der Form der sog. Anhörung rechtliches Gehör zu gewähren, damit er die Gelegenheit erhält, begründete Einwände gegen den Informationsaustausch vorzubringen. Diese Grundsätze gelten auch für den zwischenstaatlichen Informationsaustausch in Form der Anwesenheit eines Bediensteten einer 147 Vgl. Hendricks in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Zum 75. Geburtstag von Franz Wassermeyer, 75. Joint Audits und Abkommensrecht, Rz. 7 f.

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ausländischen Finanzverwaltung bei inländischen Ermittlungsmaßnahmen sowie in Form einer gleichzeitigen oder gemeinsamen Prüfungstätigkeit mehrerer Steuerverwaltungen148. Grundsätzlich normiert § 117 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 91 AO eine Anhörungspflicht, lässt zugleich aber auch Ausnahmen zu. Ob danach von einer Anhörung abgesehen werden kann, hat die zuständige Finanzbehörde in jedem Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden149. Aus Sicht der Finanzverwaltung ist ein Verzicht auf die Anhörung z.B. dann ermessensgerecht, wenn durch eine Anhörung der Ermittlungserfolg gefährdet erscheint150. In Bezug auf beabsichtige gleichzeitige Prüfungen151 hat nach den Ausführungen im Amtshilfemerkblatt vom 23.11.2015 eine Anhörung des inländischen Beteiligten „stets zu erfolgen“152. Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist bereits im Vorfeld der Durchführung einer gleichzeitigen Prüfung zu beachten, wenn nämlich bereits mit der Zielsetzung, Unternehmen für eine gleichzeitige Prüfung auszuwählen, Informationen mit einer ausländischen Finanzverwaltung ausgetauscht werden sollen153. Dies gilt grds. auch in Bezug auf gleichzeitige Prüfungen mit anderen EU-Mitgliedstaaten. § 12 Abs. 5 EUAHiG enthält jedoch eine Sonderregelung. Danach kann von der Anhörung des Steuerpflichtigen bis zur Bekanntgabe der Prüfungsanordnung abgesehen werden, wenn sonst der Prüfungserfolg gefährdet werden würde. Da die vorgenannte Regelung im EUAHiG die allgemeinen Rechtsgrundsätze des § 117 Abs. 4 Satz 3 AO nicht einschränkt, ist m.E. zu prüfen, ob nicht in Bezug auf gleichzeitige Prüfungen mit Nicht-EU-Mitgliedstaaten im Aus-

148 Vgl. zu Letzterem Amtshilfemerkblatt v. 23.11.2015, Tz. 3.1.1; Drüen, Rechtsrahmen und Rechtsfragen der multilateralen Betriebsprüfung, DStR, Beihefter zu Heft 41/2013, 82, 86. 149 Beachte: Auch wenn der Informationsaustausch auf der Grundlage des EUAHiG stattfindet, bedarf es dieser Ermessensentscheidung. Durch die Änderung des § 117 Abs. 4 Satz 3 AO i.R. des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes wurde lediglich die generelle Pflicht zur Anhörung aufgehoben. 150 Vgl. Amtshilfemerkblatt v. 23.11.2015, Tz. 3.1.2. 151 Vgl. Tz. IV. 152 Amtshilfemerkblatt v. 23.11.2015, Tz. 7. 153 Vgl. Amtshilfemerkblatt v. 23.11.2015, Tz. 7. So kann z.B. eine sog. Auswahlsitzung stattfinden um zu klären, ob in den für eine gleichzeitige Prüfung vorgeschlagenen Fällen die rechtlichen wie praktisch erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

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nahmefall unter Berücksichtigung der allgemeinen Rechtsgrundsätze des § 91 AO vergleichbar vorgegangen werden kann. In Bezug auf gemeinsame steuerliche Außenprüfungen154 ist zu beachten, dass sie über den Rechtsrahmen einer gleichzeitigen Prüfung hinausgehen. Der Verzicht auf eine vorgelagerte Anhörung des inländischen Steuerpflichtigen kann damit nicht – zumindest nicht vollumfänglich – auf § 12 Abs. 5 EUAHiG gestützt werden. Im Einzelfall wäre damit nach den allgemeinen Grundsätzen des § 117 Abs. 4 i.V.m. § 91 AO zu prüfen, ob eine Ausnahme von der vorgelagerten Anhörungspflicht gegeben ist155. Im Rahmen der Anhörung zu einer gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung sollte der inländische Steuerpflichtige auf die Absicht hingewiesen werden, dass Bedienstete einer ausländischen Steuerverwaltung an den Ermittlungsmaßnahmen im Inland und anders herum die deutschen Prüfer an den Ermittlungsmaßnahmen bei ausländischen Steuerpflichtigen teilnehmen. Ferner sollte der Hinweis aufgenommen werden, dass die deutschen Prüfer vorbehaltlich einer evtl. erforderlichen Zustimmung durch den ausländischen Steuerpflichtigen das Recht erhalten sollen, den ausländischen Steuerpflichtigen zu befragen und die Unterlagen des ausländischen Steuerpflichtigen zu prüfen. Ist der Steuerpflichtige als inländischer Beteiligter im Hinblick auf den beabsichtigten Informationsaustausch in Form der gleichzeitigen Prüfung oder gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung angehört worden, bedarf es grds. keiner erneuten Anhörung, wenn im weiteren Verlauf der Prüfung einzelne Informationen an die Finanzverwaltung des anderen beteiligten Staates weitergeleitet werden sollen. Der Anhörung im Vorfeld der gleichzeitigen Prüfung kommt somit eine pauschale Bedeutung zu156. Sofern sich der Steuerpflichtige gegen die Durchführung des zwischenstaatlichen Informationsaustausches wenden will, stehen ihm mehrere Möglichkeiten des Rechtschutzes zur Verfügung. Wegen weiterer Einzelheiten sei an dieser Stelle auf die Ausführungen im Amtshilfemerkblatt vom 23.11.2015, Tz. 3.2 verwiesen. Ergänzend ist auf § 41 FGO hinzuweisen157. 154 Vgl. Tz. VI. 155 Vgl. Beckmann, Gemeinsame Betriebsprüfung durch deutsche und ausländische Steuerverwaltungen, StBp 2014, 66, 67. 156 Vgl. Hendricks in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Zum 75. Geburtstag von Franz Wassermeyer, 75. Joint Audits und Abkommensrecht, Rz. 6. 157 Vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 117 AO, Rz. 44.

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Sofern der Bedienstete der ausländischen Finanzverwaltung im Rahmen seiner Anwesenheit bei inländischen Ermittlungsmöglichkeiten eine aktive Rolle einnehmen können soll, ist hierfür der Zustimmung des inländischen Beteiligten erforderlich. Mit anderen Worten: Da der Bedienstete ohne Zustimmung des Steuerpflichtigen weder eine Befragung durchführen noch Unterlagen anfordern kann, hat es der Steuerpflichtige in der Hand, ob diese Art der Umsetzung des Informationsaustausches erfolgen kann. Das Ergebnis der gemeinsamen Sachverhaltsfeststellungen und -würdigung ist im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs mit dem inländischen Steuerpflichtigen zu besprechen bzw. es ist diesem Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Einbeziehung der Steuerpflichtigen sollte frühzeitig erfolgen, damit sie ausreichend Zeit haben, ihre ggf. abweichende Sichtweise noch einmal deutlich zu machen. Dies dürfte in der Praxis aber eher eine Selbstverständlichkeit sein158. Das Ergebnis der gemeinsamen Sachverhaltsermittlung sollte zudem in einem gemeinsamen, d.h. abgestimmten Vermerk der Prüfer der beteiligten Finanzverwaltungen dargestellt werden, der als Anlage zum förmlichen Bp-Bericht gem. § 202 AO genommen werden kann. Da der zwischenstaatliche Informationsaustausch in eine formalrechtliche Außenprüfung eingebettet ist, wird dem inländischen Steuerpflichtigen zudem noch einmal rechtliches Gehör im Rahmen der förmlichen Schlussbesprechung159 gewährt. Sofern keine einvernehmliche Würdigung erzielt werden kann, steht dem inländischen Steuerpflichtigen in Bezug auf die im Rahmen der gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung ermittelten und gewürdigten grenzüberschreitenden Sachverhalte anschließend genauso das Rechtsbehelfsverfahren offen wie bei jeder anderen Prüfungsfeststellung und der daraus resultierenden Steuerfestsetzung auch. Im Falle einer aus Sicht des Steuerpflichtigen drohenden oder eingetretenen abkommenswidrigen Besteuerung bzw. eines Verstoßes gegen die Schiedskonvention besteht zudem die Möglichkeit ein Verständigungs- oder Schiedsverfahren zu beantragen160, 161. 158 Vgl. Spensberger/Steiner, Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen – Praktische Erfahrungen mit Österreich, ISR 2015, 156, 160. 159 § 201 Abs. 1 AO, § 11 BpO. 160 Hinweis auf Merkblatt zum internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen, BMF v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461. 161 Auch für den Fall, dass sich die beteiligten Finanzverwaltungen auf eine einvernehmliche Würdigung des grenzüberschreitenden Sachverhaltes im Rah-

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Zusammengefasst lässt sich aus meiner Sicht festhalten, dass dem inländischen Steuerpflichtigen umfassende Rechte zustehen, um seinen Standpunkt wahrzunehmen.

VIII. Antragsrecht bzw. Anspruch des Steuerpflichtigen auf eine „grenzüberschreitende Betriebsprüfung“? Angesichts des Umstandes, dass grenzüberschreitende Betriebsprüfungsmaßnahmen – insbesondere eine gemeinsame steuerliche Außenprüfung – für alle Beteiligten auch Vorzüge aufweisen können, wird der ein oder andere Steuerpflichtige sogar ein eigenes Interesse an einem entsprechenden Vorgehen haben. Damit verbunden stellt sich die Frage, ob ein diesbezügliches Antragsrecht bzw. ein Anspruch des Steuerpflichtigen besteht. Diese Frage lässt sich mit einem klaren „Nein“ beantworten. Es mangelt bereits an einer verfahrensrechtlichen Vorschrift im nationalen Recht, aus der ein entsprechendes Recht bzw. ein entsprechender Anspruch abgeleitet werden kann. Dies erfolgt m.E. aus gutem Grund. Die vorstehend beschriebenen Rechtsgrundlagen zum zwischenstaatlichen Informationsaustausch eröffnen der deutschen Finanzverwaltung eine weitere Möglichkeit zur Überprüfung grenzüberschreitender Sachverhalte. Sie wurden jedoch erlassen bzw. vereinbart, um die Zusammenarbeit der beteiligten Staaten zu regeln. Sie verleihen dem Steuerpflichtigen hingegen kein subjektives Recht auf Durchführung des zwischenstaatlichen Informationsaustausches162 und damit auch nicht auf Durchführung des zwischenstaatlichen Informationsaustausches in einer bestimmten Form. Für die Durchführung einer gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung kommen – wie vorstehend in Tz. VI 4 ausgeführt – maßgeblich Art. 11 men der gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung verständigt haben sollten, liegt keine förmliche Verständigungsvereinbarung i.S.d. Art. 25 OECD-MA vor. 162 Vgl. EuGH v. 29.9.2007 – Rs. C-184/05 – „Twoh International“, Rz. 29 ff. zur Richtlinie 77/799/EWG – Gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern sowie Verordnung (EWG) Nr. 218/92 – Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung; Fischer, jurisPR-SteuerR 50/2007 Anm. 5; EuGH v. 22.10.2013 – Rs. C-276/12; Rz. 36 zur Richtlinie 77/799/EWG.

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und 12 EUAHiRL in Betracht. Es bedarf somit einer entsprechenden Vereinbarung mit der Competent Authority des anderen EU-Mitgliedstaates. Aus Art. 12 Abs. 3 EUAHiRL ergibt sich allerdings, dass die für die Durchführung des zwischenstaatlichen Informationsaustausches zuständige Behörde eines jeden betroffenen Mitgliedstaates (frei) entscheidet, ob sie an einer gleichzeitigen Prüfung teilnimmt. Ein Anspruch auf Abschluss der erforderlichen Vereinbarung besteht somit seitens der Finanzverwaltung des vorschlagenden EU-Mitgliedstaates nicht163. Auch Art. 8 des Amtshilfeübereinkommens verpflichtet keinen Unterzeichnerstaat, eine gemeinsame Prüfung zu vereinbaren, sofern eine passive Rolle des Prüfers bei Anwesenheit im anderen Unterzeichnerstaat als ausreichend angesehen werden sollte. Unabhängig davon bleibt es den Steuerpflichtigen unbenommen, die Durchführung einer grenzüberschreitenden Betriebsprüfungsmaßnahme anzuregen164. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der jeweiligen in Betracht kommenden Maßnahme des zwischenstaatlichen Informationsaustausches erfüllt sein müssen. Insbesondere im Hinblick auf gemeinsame steuerliche Außenprüfungen wird seitens der deutschen Finanzverwaltung zu prüfen sein, ob die erforderliche Sachverhaltsaufklärung nicht auf anderem Wege erreicht werden kann. Die Durchführung einer gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung kann auch nicht dazu dienen, um den Steuerpflichtigen von seinen Mitwirkungs- oder Dokumentationspflichten zu entbinden. Seitens der deutschen Finanzverwaltung werden zudem die eigenen zur Verfügung stehenden Kapazitäten mit zu würdigen sein.

IX. Problempunkte und aktuelle Entwicklungen In der jüngsten Vergangenheit wurden verstärkt grenzüberschreitende Betriebsprüfungsmaßnahmen in Form gemeinsamer steuerlicher Außenprüfungen durchgeführt. Dies betrifft insbesondere entsprechende

163 Hinweis auf Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, 88 ff., der zur Vermeidung eines strukturell gleichheitswidrigen Vollzugs des internationalen Steuerrechts eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amtshilfe sieht, soweit der Fiskus in Lage ist, diese zu vollziehen. 164 Vgl. Spensberger/Steiner, Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen – Praktische Erfahrungen mit Österreich, ISR 2015, 156, 159.

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Prüfungen mit Österreich, Italien und den Niederlanden165. Die Prüfungen haben durchaus wesentliche Vorteile aufgezeigte, die mit dieser Vorgehensweise verbunden sein können. Die darin gesammelten Erfahrungen haben aber zugleich gezeigt, dass natürlich auch Probleme auftreten können. Hierzu zählen166: –

Einbettung der gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung in ein jeweils unterschiedliches nationales Verfahrensrecht, z.B. –

Anzahl der zum Prüfungszeitraum gehörenden Jahre (1 Jahr, 3 Jahre usw.)



unterschiedliche Dauer der Prüfung selbst (unbeschränkte/beschränkte Prüfungsdauer)



unterschiedliche Zeitnähe der Betriebsprüfung zu den zu prüfenden Jahren: Problem der Festlegung eines gemeinsamen Prüfungszeitraums



unterschiedlicher systematischer Prüfungsansatz (z.B. horizontal monitoring in den Niederlanden)



fehlende Fremdsprachenkenntnisse.

Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle, dass aufgrund eines falschen Verständnisses des Begriffes „Joint Audit“ z.T. auch bei den betroffenen Steuerpflichtigen eine falsche und damit nicht zu erfüllende Erwartungshaltung geweckt werden kann. Es gilt daher deutlich zu vermitteln, dass es sich „nur“ um eine besondere Form des zwischenstaatlichen Informationsaustausches handelt, damit keine gemeinsame Prüfungsanordnung und kein gemeinsamer formeller Bp-Bericht ergehen können. Die beteiligten deutschen Prüfer haben nicht zugleich ein Mandat für ein Verständigungs- oder Vorabverständigungsverfahren erhalten. Eine rechtsverbindliche Würdigung für die Zukunft kann der am Ende der gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung erstellte Abschlussvermerk daher z.B. nicht darstellen. Es wird aus meiner Sicht keine Patentlösung geben, die die vorgenannten Probleme alle auf Anhieb beseitigt. Man wird sich ihnen noch im 165 Vgl. Czakert, Der Internationale Informationsaustausch und die grenzüberschreitende Kooperation der Steuerverwaltungen, IStR 2013, 596, 603 mit Verweis auf Kippenberg im IStR-Länderbericht 2013, 74; Spensberger/Steiner, Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen – Praktische Erfahrungen mit Österreich, ISR 2015, 156. 166 Vgl. Eisgruber, Praxiserfahrungen zu Joint Audits, DStR Beihefter zu Heft 41/2013, 89 ff.

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Detail zuwenden müssen. Die bisher durchgeführten gemeinsamen steuerlichen Außenprüfungen haben aber auch gezeigt, dass eine Bewältigung der Probleme – insbesondere bei entsprechendem Willen aller Verfahrensbeteiligten – möglich ist. Derzeit wird zudem an einem BMF-Schreiben gearbeitet, in dem das Verfahren zur Durchführung gemeinsamer grenzüberschreitender Außenprüfung präzisierend erläutert werden soll. Hierbei wird es voraussichtlich um Punkte wie die Darlegung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen, der Aufgabenverteilung auf Seiten der deutschen Finanzverwaltung, der Verfahrensabläufe und der Abgrenzung zu Verständigungs- wie Vorabverständigungsverfahren gehen.

X. Fazit Grenzüberschreitende Betriebsprüfungsaktivitäten stellen ein wertvolles Mittel dar, um das Spannungsfeld zwischen materieller Universalität und formeller Territorialität bewältigen zu können. Das Thema „grenzüberschreitende Betriebsprüfungsaktivitäten“ umfasst mehrere Handlungsalternativen, die hinsichtlich ihrer Bedeutung, der für sie maßgeblichen Rechtsgrundlagen und damit hinsichtlich ihrer Anwendungsmöglichkeiten zu differenzieren sind. Dieses Verständnis ist erforderlich, um im Sinne einer effizienten und effektiven Durchführung der Besteuerungsverfahren die im Einzelfall geeignete Vorgehensweise auszuwählen oder miteinander zu kombinieren. Ein gutes Beispiel für Letzteres ist die „gemeinsame steuerliche Außenprüfung“ mit einer ausländischen Finanzverwaltung. Dieses Beispiel zeigt aber auch, dass ein zutreffendes Verständnis von den einzelnen Anwendungsmöglichkeiten erforderlich ist, um die erforderliche Abgrenzung zu anderen Verwaltungsverfahren vornehmen und Missverständnisse vermeiden zu können.

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Zeitnahe Betriebsprüfung – Win Win für Unternehmen und Finanzverwaltung Dr. Christian Dorenkamp, LL.M.1 Rechtsanwalt, Steuerberater, Bonn Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Herkömmliche Betriebsprüfung III. Zeitnahe Betriebsprüfung 1. Zeitnähe – Einjähriger Prüfungszeitraum („all in one year“-Konzept) 2. Unternehmenssicht 3. Finanzverwaltungssicht

IV. Win Win-Situation für Unternehmen und Finanzverwaltung – Voraussetzungen, Vorbehalte 1. Voraussetzungen a) „Heranprüfungszeitraum“ b) Technische Abwicklung einjähriger BP-Zeitraum 2. Vorbehalte V. Fazit und Ausblick

I. Einleitung Die Betreuung von steuerlichen Betriebsprüfungen ist bei den Kolleginnen und Kollegen einer Konzernsteuerabteilung einerseits beliebt, wird andererseits aber nur wenig gemocht. Als Bereicherung empfunden wird die hochprofessionelle Interaktion mit den regelmäßig erfahrenen Kollegen der Finanzverwaltung, sozusagen die Arbeit unmittelbar „an der Basis“, sowie die rechtliche Auseinandersetzung, d.h. der Austausch steuerlicher Argumente auf hohem fachlichen Niveau einschließlich des Auslotens etwaiger Kompromissmöglichkeiten. Weitaus geringerer Beliebtheit erfreut sich hingegen die Ermittlung und Dokumentation der zugrunde liegenden Sachverhalte in den Tiefen der Buchführungs- sowie Vertragsarchive, insbesondere wenn die Sachverhaltsverwirklichung bereits viele Jahre in der Vergangenheit liegt. Die Kollegen der Steuerabteilung (mit ihren Helfern bei dieser undankbaren Aufgabe z.B. aus den buchhaltungsnahen Bereichen) fühlen sich hier nicht selten von „Pontius nach Pilatus“ geschickt. So sind die originä1 Dipl.-Volksw. Dr. Christian Dorenkamp LL.M. (NYU) leitet die Steuerabteilung der Deutschen Telekom.

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ren Ansprechpartner aus dem „Business“ häufig nicht mehr verfügbar, d.h. haben ihre Funktionen gewechselt oder gar in der Zwischenzeit die Unternehmensgruppe verlassen, die Unterlagen erweisen sich als nur schwer auffindbar und inzwischen abgeschaltete IT-Systeme sind lediglich unter erheblichen Kraftanstrengungen zugänglich (weil im Grundsatz für niemanden im Unternehmen außerhalb der betriebsprüfungsbetreuenden Steuerabteilung noch von Relevanz). Für alle Beteiligten unbefriedigend weist der auf eine BP-Anfrage hin ermittelte Sachverhalt vor diesem Hintergrund nicht immer die Akkuratesse auf, die für eine möglichst sachgerechte steuerliche Rechtsanwendung (erforderlichenfalls durch die Finanzgerichte) wünschenswert wäre. Genau hier setzt das Instrument der zeitnahen Betriebsprüfung an. Den Kollegen der Steuerabteilung und Finanzverwaltung gleichermaßen bleibt erhebliches Frustrationspotential erspart, wenn die vertiefte Sachverhaltsermittlung und -dokumentation (einschließlich etwaiger Nachfragen hierzu) in zeitlicher Nähe zur Sachverhaltsverwirklichung erfolgt – können dann die originären Ansprechpartner doch regelmäßig noch persönlich „Rede und Antwort“ stehen. Vor dem Hintergrund effizienter Prüfungshandlungen (sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch der Finanzverwaltung) liegt zwischen den beiden Fixpunkten Sachverhaltsverwirklichung durch die Business-Kollegen und abschließender Prüfung durch die Kollegen der Finanzverwaltung optimalerweise nur ein Jahr, jedenfalls solange an dem auch in der Betriebsprüfungsordnung (BPO) kodifizierten Grundsatz festgehalten wird, dass die Betriebsprüfung erst nach Abgabe der Steuererklärung begonnen werden kann.2 Hinzu kommt eine auch steuerrechtspolitisch unbefriedigende, weil gänzlich an den ökonomischen Realitäten der gegenwärtigen Niedrigstzinsphase vorbeigehende „Pauschalverzinsung“ von BP-bedingten Steuernachforderungen in Höhe von 6 % (nach 15-monatiger Karenzzeit und hinsichtlich Ertragsteuern nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig) sowie der aus Rechtssicherheitsaspekten und auch steuer-compliance-getriebene Wunsch, Sachverhalte der Gegenwart ebenfalls mit der Betriebsprüfung zu diskutieren – ein Wunsch, der umso schwieriger zu erfüllen ist, je weiter der aktuelle BP-Zeitraum in der Vergangenheit liegt, kennen die Prüfer die aktuelle Konzernwirklichkeit doch dann noch gar nicht und haben aufgrund regelmäßiger Funktionswechsel auch inner2 Vgl. § 4a Abs. 2 Satz 1 BPO: „Grundlage zeitnaher Betriebsprüfungen sind die Steuererklärungen im Sinne des § 150 AO der zu prüfenden Besteuerungszeiträume.“

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halb der Finanzverwaltung keinen persönlichen Anreiz, durch eine Abstimmung heute die Prüfungsarbeit morgen zu entlasten. Für den Fiskus besteht zudem ein natürliches Interesse, Steuern auf BP-Mehrergebnisse möglichst früh haushaltswirksam einzunehmen, einerseits aus Liquiditätsgründen und andererseits, um sich bestmöglich vor insolvenzbedingten Ausfällen zu schützen. Sowohl aus Unternehmens- als auch Fiskalperspektive existieren also erhebliche Vorteile einer möglichst zügigen Durchführung der steuerlichen Betriebsprüfung. Nach einer detaillierteren Beschreibung dieses Instruments der betrieblichen Besteuerungspraxis versucht dieser Beitrag daher, den Weg zu einer zeitnahen Betriebsprüfung ganz konkret aufzuzeigen – auch mit dem Ziel, womöglich das eine oder andere Unternehmen sowie Finanzamt zu motivieren, dem Beispiel der Deutschen Telekom und des Bonner Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung zu folgen und diesen gemeinsam als zielführend erkannten Weg einzuschlagen, nämlich in Gestalt der Abwicklung eines einjährigen Betriebsprüfungszeitraums unmittelbar im Anschluss an die Abbildung der Steuern in der Finanzberichterstattung sowie Abgabe der Steuererklärung („all in one year“).

II. Herkömmliche Betriebsprüfung Die gegenwärtige Betriebsprüfungspraxis, die Drüen als „Status Quo zeitferner Betriebsprüfungen“ charakterisiert3, ist durch dreijährige Prüfungszeiträume und einen erheblichen Zeitverzug zwischen den geprüften Veranlagungszeiträumen und den entsprechenden Prüfungshandlungen gekennzeichnet.4 Auch wenn das BFH-Urteil vom 8. Juli 2009 (XI R 64/07, BStBl. II 2010, 4), in dem hinsichtlich des Streitjahres 1985 (!) an das Finanzgericht mit der Maßgabe zurückverwiesen wird, weitere Feststellungen zur damaligen Außenprüfung zu treffen, mit seinem 25-jährigen Zeitverzug (und einer 150 %igen ertragsteuerlich nicht abzugsfähigen Zinslast gem. § 233a AO) gewiss einen Extremfall darstellt, so dürfte die durchschnittliche Zeitspanne zwischen dem ersten Prüfungs-

3 Drüen, Modelle und Rechtsfragen zeitnaher Betriebsprüfung, IFSt-Schrift Nr. 469 (2011), S. 7. 4 Vgl. z.B. auch BDI, Reformvorschläge zur zeitnahen Betriebsprüfung, 2011: „Die bisherige Praxis der Betriebsprüfung hat dazu geführt, dass sich die Prüfungsdauer bei Großunternehmen oder Konzernen teilweise über einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren erstreckt.“

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jahr und dem Abschluss der Prüfungshandlungen auch beim Durchschnitt der Steuerpflichtigen erheblich sein. Hieraus resultieren insbesondere drei Nachteile. Zum einen wird es mit zunehmenden Zeitablauf schwieriger, die von der BP angefragten Sachverhalte hinlänglich präzise zu ermitteln und zu dokumentieren. So haben die originären Ansprechpartner in den Geschäftsbereichen, der Buchhaltung oder gar der Steuerabteilung häufig in der Zwischenzeit ihre Funktion gewechselt oder sogar das Unternehmen verlassen, sind die Dokumente oder Dateien wegen Medienbrüchen oder neuen IT-Systemen weniger komfortabel zugänglich und lässt schlicht das Erinnerungsvermögen der damals an der Sachverhaltsverwirklichung oder steuerlichen Begleitung Beteiligten nach. Spiegelbildlich sind die BPKollegen, die sich mit der fernen Vergangenheit beschäftigen, nur unzureichend mit der gegenwärtigen Realität des geprüften Unternehmens vertraut, was etwaige Abstimmungen zu laufenden Sachverhalten wie z.B. neue Geschäftsmodelle oder angedachte Reorganisationen erschwert. Zum anderen führt die Vielzahl offener Jahre zu erheblichen Risiken sowohl auf der Seite der Unternehmen als auch der des Fiskus. Wurde eine Rechtsnorm unzutreffend angewendet, beschränkt sich der Korrekturumfang zur Zeit nicht nur auf ein Jahr oder einige wenige Jahre, sondern auf zahlreiche Veranlagungszeiträume, verbunden mit womöglich einschneidenden Folgen für die Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens. Der Fiskus sieht sich bei erst spät festgesetzten Mehrsteuern hingegen einem erhöhten Insolvenzrisiko ausgesetzt, d.h. Steuernachforderungen können bei zwischenzeitlich auftretenden Zahlungsschwierigkeiten schnell uneinbringlich werden. Schließlich besteht ein erhebliches Zinsrisiko, das aus dem realitätswidrig hohen Satz von 0,5 % pro Monat bzw. 6 % p.a. folgt, und zwar wiederum für beide Seiten. Augenscheinlich ist die (ertragsteuerlich nicht abzugsfähige) Zinsbelastung für das Unternehmen, resultiert eine BP doch regelmäßig in einem Mehrergebnis und damit Mehrsteuern, die zu verzinsen sind. Werden solche BP-Mehrergebnisse vom Steuerpflichtigen aber erfolgreich vor Gericht angefochten, entsteht ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Fiskus für einen Zeitraum, der sich nicht nur auf die BP-Dauer bezieht, sondern auch das nachfolgende Gerichtsverfahren umschließt und deshalb das eine oder andere Finanzamt zur „aufgedrängten“ Aussetzung der Vollziehung motiviert hat, die das volle Zinsrisiko wieder dem Steuerpflichtigen aufbürdet („Zwangs-AdV“ vgl.

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FG Köln v. 8.9.2010 – 13 K 960/08, EFG 2011, 106 m. Anm. Neu sowie BFH v. 13.10.2012 – I R 91/10, BFH/NV 2012, 2004).

III. Zeitnahe Betriebsprüfung 1. Zeitnähe – Einjähriger Prüfungszeitraum („all in one year“Konzept) Wesensmerkmal einer zeitnahen Betriebsprüfung ist, dass keine große Zeitspanne zwischen dem kontrollierten Zeitraum (BP-Zeitraum) und dem Kontrollzeitraum liegt, in dem die BP durchgeführt wird.5 Die Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen hat das Merkmal der Zeitnähe dabei für sich dahingehend festgelegt, dass hierunter zunächst allenfalls ein ein- oder zweijähriger Prüfungszeitraum fallen kann, d.h. z.B. ein dreijähriger Prüfungszeitraum schon per definitionem aus NRW-Sicht nicht als zeitnah gilt. Zudem sollen nicht mehr als zwei Jahre zwischen dem Beginn der Prüfungshandlungen und dem „letzten Jahr“ des Prüfungszeitraums liegen.6 Zeitnah wäre nach dieser Definition z.B. eine im Oktober 2016 begonnene Betriebsprüfung also nur, wenn sie entweder lediglich den Veranlagungszeitraum 2015 oder 2014 umfassen würde (einjähriger Prüfungszeitraum) oder die Veranlagungszeiträume 2014/15 bzw. 2013/14. Über die Zeitnähe-Anforderungen der NRW-Finanzverwaltung an den Abschluss einer Betriebsprüfung trifft der Erlass zur Prüfung von Großbetrieben vom 10. September 2012 zwar keine expliziten Aussagen. Sollen allerdings „überlappende“ BP-Zeiträume vermieden werden, was bereits deshalb ratsam scheint, weil es anderenfalls an einem festen Aufsatzpunkt für die neue BP fehlt (Beginn der Folge-BP möglichst nach Abschluss der Vor-BP), wäre die BP 2013/14 im obenstehenden Beispiel im Jahre 2018 abzuschließen. Anderenfalls würde die Folge-BP 2015/16 nicht als zeitnah im NRW-Sinne gelten (Zeitraum zwischen Beginn Folge-BP 2015/16 in 2019 und 2016 als letztem Jahr dieser Folge-BP länger als zwei Jahre). 5 So eine Ableitung aus der Beschreibung der (gegenwärtig wohl eindeutig vorherrschenden) BP-Praxis einer zeitfernen Betriebsprüfung in Drüen, Modelle und Rechtsfragen zeitnaher Betriebsprüfung, IFSt-Schrift Nr. 469 (2011), S. 9. 6 Vgl. FinMin NRW v. 10.9.2012 – S 0401-10-V A 5, Erlass betr. Prüfung von Großbetrieben (StEK AO 1977 § 193 Nr. 58), den FinMin NRW-Erlass v. 10.6.2008 – S 0401-10-V A 5 zur zeitnahen Betriebsprüfung von Großbetrieben aufhebend.

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Dieser Zeitstrahl hat allerdings zur Folge, dass selbst bei Zeitnähe im NRW-Sinne immer noch fünf vollendete Steuerjahre „offen“ sind, nämlich wiederum im obigen Beispiel im Jahre 2018 die Veranlagungszeiträume ab 2013 einschließlich (Ende BP 2013/14 im Jahr 2018). Dies ist nicht unbedingt das, was ein Unternehmen unter Zeitnähe bzw. Schnelligkeit versteht, und sei es nur außerhalb der Steuerabteilung. Der Umstand fünf offener Steuerjahre führt vor Augen, dass der Schlüssel zu einer wirklich zeitnahen Betriebsprüfung in der Einjährigkeit des Betriebsprüfungszeitraums liegt, der auch von § 4a Abs. 1 Satz 2 BPO 2010 ausdrücklich zugelassen wird7. Dann nämlich müsste, um die Zweijahresanforderung an die Zeitnähe im NRW-Sinne nicht zu „reißen“, der Veranlagungszeitraum 2014 im vorliegenden Beispiel in 2017 abschließend geprüft sein (damit noch in 2017 mit der Folge-BP 2015 begonnen werden kann,). Hierdurch würde sich die Anzahl der offenen Steuerjahre bereits auf drei reduzieren und damit beinahe halbieren (auf die Veranlagungszeiträume 2014, 2015 und 2016 im Jahr 2017). Würde man zudem – über die NRW-Erlass formulierten Zeitnähe-Anforderungen hinaus – bereits in 2016 mit der Prüfung 2015 beginnen (und damit in dem Jahr, in dem die Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2015 abzugeben ist), wären zu jedem gegebenen Zeitpunkt höchstens zwei Steuerjahre offen, nämlich hier 2015 und 2016 in 2017 (und dann wieder 2016 und 2017 in 2018). Wird nun aber der einjährige Prüfungszeitraum gewählt, um mit dem Ziel möglichst weniger offener Steuerjahre wirklich zeitnah zu prüfen bzw. geprüft zu werden, liegt es zur weiteren Effizienzsteigerung nahe, sich bei der Zeiteinteilung innerhalb dieses gegenwartsnahen Jahres am sonstigen Arbeitsrhythmus von Unternehmen und/oder Finanzamt zu orientieren. Konzernsteuerabteilungen sind direkt in den ersten Wochen eines jeden Jahres mit der Erstellung des Jahresabschlusses beschäftigt. In diesem Zusammenhang ist für eine möglichst korrekte Abbildung der tatsächlichen und latenten Steuerpositionen faktisch eine Steuererklärung abzugeben (in Gestalt der steuerlichen Würdigung sämtlicher relevanter Sachverhalte). Sobald diese Arbeit erledigt und bis Mitte Februar mit den Wirtschaftsprüfern abgestimmt ist, können die hierbei ge7 Vgl. § 4a Abs. 1 BPO: „Die Finanzbehörde kann Steuerpflichtige unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 für eine zeitnahe Betriebsprüfung auswählen. Eine Betriebsprüfung ist zeitnah, wenn der Prüfungszeitraum einen oder mehrere gegenwartsnahe Besteuerungszeiträume umfasst.“ (Hervorhebungen nicht im Original).

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wonnenen Erkenntnisse, sozusagen im Wege einer „Zweitverwendung“, für Zwecke der Erstellung der Steuererklärung genutzt werden. Gelingt es, die Steuererklärungen bereits im Frühjahr eines jeden Jahres, z.B. am 31. März, abzugeben, damit die BP mit der abschließenden Prüfung der steuerrelevanten Sachverhalte, die in Abhängigkeit von ihrer Wesentlichkeit regelmäßig bereits umfassend für Abschlusszwecke gewürdigt und dokumentiert worden sein dürften, im April beginnen kann, verbleiben bis zum „Weihnachtsfrieden“ Ende Dezember neun Monate, um das soeben abgelaufene Steuerjahr abschließend zu prüfen. Die ersten drei Monate des neuen Jahres – bis zur Abgabe der Steuererklärung für das Folgejahr, mit der der Jahreskreislauf des „all in one year“-Konzepts erneut beginnt – können für die technische Abwicklung der Betriebsprüfung genutzt werden, d.h. die Erstellung der Prüferbilanzen sowie Anpassungserklärungen und den Erlass der finalen Steuerbescheide.

2. Unternehmenssicht Vor einigen Jahren überschrieb Janssen einen Zeitschriftenbeitrag mit dem Titel „Zeitnahe Betriebsprüfung – wirklich ein Vorteil für das Unternehmen?“, um diese Frage recht rigoros zu verneinen: „Das Unternehmen soll den Prüfern die Grundlagen für die Prüfungsfeststellungen nicht nur auf die Nase binden, sondern auch noch in der Umsetzung die Arbeit der Prüfer erledigen. […] Die Vorteile der zeitnahen Betriebsprüfung liegen eindeutig auf Seiten des Finanzamts.“8 Hintergrund dieser Einschätzung dürfte die – gewiss zutreffende – Vermutung sein, dass eine zeitnahe Betriebsprüfung im Ergebnis deutlich effizienter durchgeführt werden kann, d.h. sich eine gleich hohe Prüfungsdichte mit einem geringeren Ressourceneinsatz erzielen lässt (in Gestalt einer kleineren Anzahl von Betriebsprüfern, aber auch Mitarbeitern der Steuerabteilungen bzw. Steuerberater), was vermutlich niemanden beunruhigen würde. Alternativ wäre aber eben auch eine höhere Prüfungsdichte denkbar, nämlich bei einem unverändert hohen statt reduzierten Einsatz von Betriebsprüfern, was aus Unternehmenssicht nicht unbedingt erstrebenswert erscheint, zumal wenn die Steuerabteilungen der Unternehmen durch erhöhte Mitwirkungsverpflichtungen z.B. in Gestalt von Selbstauskünften oder Positivlisten im Ergebnis womöglich noch be- statt entlastet werden. 8 Janssen, GStB 2010, 148.

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Zum einen erscheint allerdings zunächst keineswegs sicher, dass Effizienzgewinne seitens der BP wirklich genutzt würden, um die Prüfungsdichte bei regelmäßig „anschlussgeprüften“ Großbetrieben weiter zu steigern (durch eine unvermindert hohe Allokation von Betriebsprüfern statt z.B. einer gewissen Verlagerung von Prüferressourcen auf andere Steuerpflichtige wie mittelständische Betriebe, die nicht durchgängig geprüft werden). So ist nicht unmittelbar plausibel, warum die Finanzverwaltung (von Bund und Ländern, d.h. das Bundeszentralamt für Steuern und die jeweils zuständigen Betriebsprüfungsfinanzämter der Länder) derzeit auf als sachgerecht empfundene Prüfungsdichte bei Großkonzernen wie z.B. den DAX-Schwergewichten verzichten sollte (indem diesen in besonderer Weise im Lichte der Öffentlichkeit stehenden Unternehmensgruppen zu wenig Prüfer zugeteilt wären). Selbst wenn mit der zeitnahen BP aber eher wider Erwarten im Einzelfall eine gewisse Erhöhung der Prüfungsdichte einhergehen würde, so sollte sich die steuerliche Risikoposition eines jeden Unternehmens dennoch signifikant reduzieren, nämlich weil schlicht weniger Veranlagungszeiträume „offen“ sind. Etwaige Streitigkeiten mit der Betriebsprüfung wirken sich nicht länger auf (beliebig) viele Steuerjahre aus – mit einer entsprechenden Vervielfältigung der BP-Mehrergebnisse aus einem Sachverhalt, zumindest wenn dieser über mehrere Jahre verwirklicht wurde (Dauersachverhalt) –, sondern entfalten Wirkung nur noch für ein, zwei oder allenfalls drei Veranlagungszeiträume. Hierdurch wird auch die bilanzielle Risikovorsorge (nach IFRS sowie HGB) erheblich entlastet und vereinfacht, was selbstredend nicht nur für steuerliche Dauerkonstellationen gilt, sondern auch für Einmalsachverhalte in „Altjahren“, die bei zeitnaher BP deutlich schneller bestandskräftig beschieden sind. Auf der Hand liegt der Vorteil aus einer zeitnäheren bestandskräftigen Veranlagung für den Steuerpflichtigen bei der Zinsthematik des § 233a AO, wonach im Anschluss an eine 15-monatige Karenzzeit Steuernachzahlungen aus BP-Mehrergebnissen mit 6 % p.a. zu verzinsen sind (0,5 % pro Monat) – und damit zu einem Zinssatz, der an der ökonomischen Realität der Niedrigstzinsphase vollkommen vorbeigeht, die nunmehr bereits seit mehreren Jahren anhält und deren Ende nicht unbedingt absehbar ist.9 Zu Zinsansprüchen des Staates von 30–40 % für Steuerjahre, die z.B. sechs oder sieben Jahre zurückliegen, gesellt sich bei den Ertragsteuern die Nichtabzugsfähigkeit dieses Stundungsent9 Vgl. hierzu nur Seer/Klemke, Neuordnung der Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, IFSt-Schrift Nr. 490 (2013).

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gelts mit inzwischen überwiegendem „penalty“- bzw. Strafcharakter (angesichts von Haben- bzw. Sollzinsen zwischen 0 und 2 %), d.h. die Zinsen an den Fiskus (ausschließlich in Gestalt der Bundesländer) sind aus dem Nach-Steuer-Gewinn zu leisten und damit noch einmal rd. ein Drittel teurer. Der Vollständigkeit halber sei allerdings erwähnt, dass der vom AO-Gesetzgeber so unrealistisch hoch kodifizierte Zinssatz von 6 % p.a. im Einzelfall auch die Finanzverwaltung belasten kann, d.h. die Reduzierung dieses Effekts (im Falle des „all in one year“-Konzepts auf Null, da bereits Ende März des zweiten Folgejahres bestandskräftig veranlagt würde und damit noch innerhalb der 15-monatigen Karenzzeit) durch die zeitnahe BP kann auch als Vorteil für die Finanzverwaltung verstanden werden, nämlich immer dann wenn anderenfalls nach einem langjährigen Gerichtsverfahren entrichtete Steuern dem Unternehmen zu erstatten sind, d.h. keine Aussetzung der Vollziehung gewährt bzw. „aufgedrängt“ wurde. Ein weiterer wesentlicher, wenn auch nur schwer quantifizierbarer Vorteil einer verkürzten Zeitspanne zwischen dem zu prüfenden Zeitraum und den Prüfungshandlungen ist, dass die Finanzverwaltung zeitlich und damit regelmäßig auch inhaltlich nahe an laufenden, d.h. den gegenwärtig verwirklichten bzw. zeitnah zu verwirklichenden Sachverhalten dran ist. Dies erleichtert bzw. ermöglicht erst eine Abstimmung auch solcher Vorgänge der betrieblichen Praxis aus Gegenwart und naher Zukunft auch außerhalb des engen Korsetts einer verbindlichen Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO. Sind Steuerabteilung und Finanzverwaltung hinsichtlich der aktuellen Geschäftsmodelle und auch gesellschaftsrechtlichen Struktur einer Unternehmensgruppe auf einem Stand, d.h. gleichermaßen „auf der Höhe“, lassen sich Zweifelsfragen bei der Einordnung gegenwärtiger Besteuerungsprobleme sehr viel einfacher einer sachgerechten Lösung zuführen. Zwar ist der Betriebsprüfer für die Gegenwart eigentlich nicht „zuständig“, sondern nur für bereits verwirklichte und „steuererklärte“ Sachverhalte. Wenn er sich bei einem einjährigen BPZeitraum bereits im kommenden Jahr – nämlich im Rahmen der Folge-BP – mit der Problematik aber ohnehin auseinandersetzen muss (und daher wegen der zeitlichen Nähe mit ziemlicher Sicherheit auch nicht etwa ein anderer Kollege der BP), wird die Bereitschaft, sich „im vorhinein“ mit der Sache zu beschäftigen und damit die Prüfungsarbeit im nächsten Jahr erheblich zu erleichtern (indem die Vorstellungen der Finanzverwaltung direkt Berücksichtigung finden), deutlich ansteigen.

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Letztlich wird mit diesem faktischen „Empowerment“ der BP, sich infolge von Zeitnähe auch laufender Sachverhalte annehmen zu können, zwar zunächst die Rechtssicherheit für die Unternehmen erhöht, indem steuerliche Risiken ganz unmittelbar reduziert werden können (an der „Wurzel“ in Form der ersten steuerlichen Würdigung bzw. entsprechend abgestimmten Sachverhaltsgestaltung). Gleichzeitig wird hierdurch aber auf das dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung gemeine Ziel einer gleichmäßigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit „eingezahlt“, für das es unerheblich bzw. sogar vorzugswürdig ist, wenn die gesetzlich geschuldete Steuer unmittelbar statt erst aufgrund von BP-Mehrergebnissen (dann zzgl. Zinsen) entrichtet wird. Das Ziel der Minimierung von Rechtsrisiken auf Unternehmensebene entspricht insoweit also dem Bestreben der Finanzverwaltung nach gesetzmäßiger Steuererhebung, weshalb es auch hier an einem Zielkonflikt fehlt, d.h. beide Seiten an einem Strang ziehen sollten.

3. Finanzverwaltungssicht Darüber hinaus erfährt der Fiskus aus einer zeitnahen Betriebsprüfung den Vorteil eines erhöhten Insolvenzschutzes. Können Steuern auf BPMehrergebnisse frühzeitig, d.h. optimalerweise bereits gut ein Jahr nach Beendigung des Veranlagungszeitraums, geltend gemacht werden, sinkt das Risiko, dass das Unternehmen in der Zwischenzeit zahlungsunfähig wird und der Fiskus deshalb faktisch leer ausgeht. Auch unabhängig von etwaigen Insolvenzrisiken haben die regelmäßig hoch verschuldeten Gebietskörperschaften als Steuergläubiger zudem ein natürliches Interesse daran, dass „Steuernachforderungen aufgrund von Prüfungsmaßnahmen schneller haushaltswirksam festgesetzt und erhoben werden“10. Aufgabe der Steuergläubiger ist es, Steuern zu erheben, nicht (gesetzliche Zwangs-)Zinseinnahmen zu „erwirtschaften“. Hinzu kommt augenscheinlich das Effizienzpotential aus einem geringeren zeitlichen Abstand zwischen Prüfungsgegenstand und Prüfungshandlung, d.h. die unproblematischere Verfügbarkeit von Sachverhaltsinformationen jedweder Art, sei es in Form unmittelbar vorliegender statt bereits archivierter Dokumente und Dateien oder der Kontaktierbarkeit der ursprünglichen Ansprechpartner aus dem Geschäft oder der Buchführung. Mit geringerem (personellen) Einsatz seitens der BP kann 10 Vgl. FinMin NRW v. 10.9.2012 – S 0401-10-V A 5 (StEK AO 1977 § 193 Nr. 58), Tz. 4.

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die gleiche Prüfungsdichte erzielt werden (oder aber die Prüfungsdichte bei konstantem Ressourceneinsatz erhöht werden). Zusätzlich werden der BP aber von den Unternehmen im Rahmen einer zeitnahen Betriebsprüfung regelmäßig weitere Erkenntnisquellen zugänglich gemacht, z.B. in Form von Selbstauskünften oder Positivlisten, zu deren Bereitstellung sich zeitnah geprüfte Unternehmen z.B. nach dem „Bielefelder Modell“ verpflichten. In einer solchen Selbstauskunft weist der Steuerpflichtige z.B. ebenso auf Änderungen aus gesellschaftsrechtlicher oder wirtschaftlicher Sicht mit steuerlicher Relevanz hin wie auf Sachverhalte, die aus Sicht des Unternehmens prüfungsrelevant sind. Darüber hinaus werden – ebenfalls jeweils mit der Zielsetzung, der Finanzverwaltung „die Konzentration auf das Wesentliche“ zu erleichtern – außerordentliche Umsatzoder Gewinnveränderungen einzelner Gesellschaften angezeigt sowie etwaige neue Geschäftsfelder beschrieben. Die Positivliste hingegen dient einer möglichst vollständigen Dokumentation von u.U. prüfungsrelevanten Sachverhalten. Hiernach sind Änderungen von Gesellschaftsverträgen sowie Unternehmenskaufverträge vorzulegen und ausländische Betriebsstätten aufzuführen. Auch Bilanzen und Bilanzierungsrichtlinien sowie Bewertungsgutachten werden hiernach regelmäßig vorab gesammelt und vorgelegt, um dem z.B. archivierungsbedingten Zeitverzug bei einer individuellen Anforderung derartiger Dokumente vorzubeugen. Auch wenn für die BP die Gefahr bestehen dürfte, von einer solchen Vielzahl von Unterlagen „erschlagen“ zu werden, d.h. den Wald vor lauter Bäumen aus den Augen zu verlieren (weshalb es aus BP-Sicht vermutlich ratsam ist, diese routine-mäßigen Herausgabeverlangen nicht allzu extensiv „zu leben“), erleichtern vermutlich gerade „qualitative“ Selbstauskünfte eine sachgerechte Schwerpunktsetzung bei der Durchführung der Betriebsprüfung. Letztlich stehen der Finanzverwaltung mehr (relevante) Informationen bzw. Dokumente schneller zur Verfügung, flankiert durch einen im Rahmen einer zeitnahen BP üblicherweise vergleichsweise großzügig eingerichteten automatischen Datenzugriff.

IV. Win Win-Situation für Unternehmen und Finanzverwaltung – Voraussetzungen, Vorbehalte Eine möglichst kurze Zeitspanne zwischen Prüfungszeitraum und Prüfungshandlungen, die aus einem einjährigen BP-Zeitraum und einer sehr

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zügigen Abgabe der Steuererklärung resultiert, geht sowohl für die steuerpflichtigen Unternehmen als auch die Finanzverwaltung mit signifikanten Vorteilen einher (Effizienzsteigerung auf beiden Seiten, weniger „offene“ Steuerjahre mit mehr Rechtssicherheit und weniger Zinsrisiken für den Steuerpflichtigen, raschere haushaltswirksame Vereinnahmung von Steuern auf BP-Mehrergebnisse sowie besserer Insolvenzschutz und größere Transparenz für den Fiskus). Insbesondere sind die Vorteile der einen Seite auch nicht spiegelbildliche Nachteile der anderen, d.h. in weiten Teilen fehlt es an einem wirklichen Interessenkonflikt (z.B. bei der einfacheren Sachverhaltsermittlung hinsichtlich „junger“ Sachverhalte bzw. einem zeitnahem Abschluss der Vergangenheit sowie der Abstimmung auch laufender Steuerangelegenheiten, die den zukünftigen Prüfungsaufwand verringert und eine unverzügliche gleichmäßige Besteuerung sichert). Allerdings haben Unternehmen und Finanzverwaltung gemeinsam einige Voraussetzungen zu schaffen, um eine zeitnahe Betriebsprüfung erst zu ermöglichen. Hierzu zählt zunächst die Bewältigung des Übergangszeitraums, d.h. die gemeinsame Gestaltung der „Heranprüfung“ an die Gegenwartsnähe. Auch stellt die Einjährigkeit des Prüfungszeitraum die BP-Praxis vor gewisse Herausforderungen, damit nicht zu viel wertvolle Prüfungszeit für „Formalien“ wie die Erstellung der Prüfungsberichte sowie Prüferbilanzen und Anpassungserklärungen verwendet wird statt inhaltlich-materiell zu prüfen. Auch gilt es den einen oder anderen Vorbehalt argumentativ auszuräumen, der bei den Kolleginnen und Kollegen sowohl der Steuerabteilungen als auch der Finanzbehörden gegen eine zeitnahe Prüfung bestehen mag.

1. Voraussetzungen a) „Heranprüfungszeitraum“ Jeder zeitnahen Betriebsprüfung jedenfalls in anschlussgeprüften (Groß-)Betrieben ist ein Übergangszeitraum immanent, der vom Status Quo eines zumeist dreijährigen BP-Zeitraums mit mehr oder weniger Zeitverzug zum Zielzustand einer BP führt, die im Folgejahr des zu prüfenden Veranlagungszeitraums abgeschlossen wird. Letztlich werden beide Seiten in diesem „Heranprüfungszeitraum“ nicht umhin kommen, sowohl mehr Ressourcen als üblich in den Betriebsprüfungsprozess zu stecken als auch die Prüfungsintensität während der Übergangs-

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zeit etwas zu reduzieren. Soll der Übergang nämlich nicht zu langwierig gestaltet werden – was wiederum auf Kosten der Eigendynamik eines entsprechenden gemeinsamen Projekts zwischen BP und Unternehmen gehen könnte –, wird das Aufholen nur ungefähr im Verhältnis 2:1 funktionieren, d.h. in einem Zeitraum von z.B. drei Jahren sind doppelt so viele Steuerjahre zu prüfen wie ohne Übergang zu einer zeitnahen BP. Als Beispiel mag der Wechsel von einem dreijährigen Prüfungszeitraums 2012/13/14 dienen, dessen Prüfung in 2015 begonnen wird und üblicherweise in 2018 beendet wäre („rechtzeitig“ zum Beginn der Folge-BP 2015/16/17 in 2018), nun aber ab dem Steuerjahr 2017 auf einen Einjahres-BP-Zeitraum umgestellt werden soll. Statt „nur“ die Jahre 2012-14 bis 2018 zu prüfen, muss die Finanzverwaltung in diesem Zeitraum sich nun auch noch die Veranlagungszeiträume 2015–17 anschauen, sinnvollerweise womöglich nach einem 3-2-1-Muster, d.h. zunächst mit einem Übergang von dem dreijährigen BP-Zeitraum 2012/13/14 auf die zwei Veranlagungszeiträume 2015 und 2016 sowie dann auf das eine Steuerjahr 2017. Um insoweit eine gewisse Verbindlichkeit auf beiden Seiten zu begründen, erscheint eine schriftliche Vereinbarung zwischen Unternehmen und Finanzamt ratsam. Hierin können Zeitpläne konkretisiert werden und auch andere „Spielregeln“ festgelegt werden wie z.B. Konkretisierungen der Mitwirkungsverpflichtungen des Steuerpflichtigen in Gestalt von Fristen zur Bearbeitung von Prüferanfragen oder IT-Unterstützung. Eine Verschriftlichung in diesem Sinne schafft nicht nur eine gewisse Unabhängigkeit von den handelnden Personen, sondern mag sich auch bei der Durchsetzung von Ressourcenansprüchen in beiden Häusern als hilfreich erweisen. Verfahrensrechtliche Grundlage sind die §§ 193 ff. AO, die dem Betriebsprüfungsfinanzamt Verfahrensermessen hinsichtlich des Prüfungsgegenstands sowie der entsprechenden Mitwirkungsverlangen einräumen, was wiederum eine „Verständigungsermächtigung“ für eine Vorababstimmung mit dem Steuerpflichtigen einschließt.11 b) Technische Abwicklung einjähriger BP-Zeitraum Eine der wesentlichen Gründe für den gegenwärtig dominierenden dreijährigen Prüfungszeitraum ist, dass dieser nur einen BP-Schlussbericht 11 Drüen, Modelle und Rechtsfragen zeitnaher Betriebsprüfung, IFSt-Schrift Nr. 469 (2011), S. 59. Vgl. ebenfalls bereits Seer, Ubg 2009, 673 (677) („Verfahrensverständigung“).

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alle drei Jahre erfordert einschließlich der hieraus resultierenden Schritte der technischen Abwicklung der BP wie z.B. Prüferbilanzen und BPAnpassungserklärungen. Nachvollziehbarerweise hat die Betriebsprüfung kein Interesse daran, einen wesentlichen Anteil der für die Prüfung zur Verfügung stehenden Zeit mit BP-„Formalien“ zu verbringen, die zeitaufwändig sein können, insbesondere die zahlentechnische Abstimmung zwischen BP und Unternehmen. Eine erhebliche Erleichterung kann hier aus einer gemeinsamen Datenbasis resultieren, auf die Steuerabteilung und Betriebsprüfung zugreifen können. IT-gestützt werden hier nicht nur Korrespondenzvorgänge verwaltet, sondern eben auch Auswirkungen von einzelnen Prüfungsfeststellungen berechnet, um genau die technische Abwicklung am Ende eines BP-Zeitraums zu erleichtern (einschließlich der Anfertigung und Abstimmung eines womöglich etwas vereinfachten Prüfungsberichts, der gem. § 4a Abs. 3 BPO weiterhin obligatorisch ist), aufbauend auf einem Tool, das auch für die steuerliche Finanzberichterstattung und die Erstellung der Steuererklärungen verwendet wird, die der Betriebsprüfung zugrunde liegen (sozusagen „BP-Abstimmung auf Knopfdruck“). Schematisch lässt sich diese gemeinsame Ausgangsbasis wie folgt darstellen:

TEO 2.0 UNTERSTÜZT PROZESSUAL UND IT-TECHNISCH EINE ZEITNAHE BETRIEBSPRÜFUNG … Deutsche Telekom AG

TEO 2.0

Finanzverwaltung

Modul Betriebsprüfung Workflow-Korrespondenzmonitor Doku Anfragen/Stellungnahmen Berechnung der steuerlichen Effekte

3

Modul Steuererklärung Erstellung und Übermittlung der Steuererklärung Entwicklung der Steuerbilanz & Übermittlung der E-Bilanz

2

Modul Ist-Abschluss Berechnung Ertragsteuern Konzernsteuer-Reporting (IFRS)

1

Gemeinsame Datenbasis

6

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…AUCH DURCH BEACHTUNG DER BEDÜRFNISSE DER FINANZVERWALTUNG Unterstützung Finanzverwaltung

teo 2.0 Modul Betriebsprüfung Modul Steuererklärung Modul IstAbschluss

Finanzverwaltung

Unterstützung und Monitoring BP-Prozess durch umfangreiche Workflowfunktionalität Transparenz in der Bearbeitung von Anfragen durch: Erstellung von Anfragen via geführter Erfassung Anfragen auf Basis der amtlichen Kennziffern Dokumentation der Korrespondenz zwischen Betriebsprüfung und Konzernsteuerabteilung Verwaltung von Anhängen und Dokumenten Auswertungsmöglichkeiten in TEO: Online-Auswertung der Veränderungen zwischen den einzelnen Berichtsanlässen Bilanzielle Auswertungen entlang der HGB-Struktur Prüfberichte für finanzielle Effekte/Fristenkontrolle Automatische Befüllung von Kennziffern der amtlichen Steuererklärungsformulare

2. Vorbehalte Vorbehalte gegen eine zeitnahe Betriebsprüfung finden sich sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch der Finanzverwaltung. Sie bedürfen einer sachgerechten Adressierung im Sinne eines Überzeugungsversuchs, beginnend mit einer sorgfältigen Abwägung sämtlicher Argumente einschließlich der Ableitung etwaiger risikomindernder Maßnahmen. Auf Unternehmensseite heißt es gelegentlich, die BP werde schlicht mehr „finden“. Hintergrund sind Befürchtungen, dass die gesteigerte Effizienz in eine erhöhte Prüfungsdichte münden werde. Letztlich würde ein solches Ungleichgewicht zwischen Betrieben, die entweder zeitnah oder zeitfern geprüft werden, die Akzeptanz der zeitnahen BP gefährden und stünde auch nicht im Einklang mit dem Gebot eines maßvollen und gleichmäßigen Gesetzesvollzugs. Effizienzgewinne in Gestalt zusätzlicher Prüferkapazitäten sind vor diesem Hintergrund auf sämtliche Betriebe zu „verteilen“ (einschließlich der derzeit nicht geprüften). Im Ergebnis begründeter erscheint die Besorgnis, die BP werde bei Zeitnähe tendenziell „konservativer“ entscheiden. So werden materiellrechtliche Entscheidungen in Anbetracht der ambitionierten Zeitpläne vor Ort häufiger getroffen werden müssen, ohne dass zuvor eine Abstim-

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mung der Finanzverwaltung auf Bund-Länder-Ebene erfolgt ist.12 Um hier auf „Nummer sicher“ zu gehen, d.h. in der lokalen BP-Praxis in Sachen „Strenge“ nicht hinter noch ausstehenden Festlegungen der Finanzverwaltungen zurückzufallen, könnten sich die Betriebsprüfer vor Ort infolge der Erforderlichkeit einer zeitnahen Festlegung veranlasst sehen, eher zuungunsten des Steuerpflichtigen zu entscheiden. Zwar kann sich der Steuerpflichtige hiergegen durch Einlegung von Rechtsmitteln wehren, um die Sache entweder „offen“ zu halten oder auch gerichtlich durchzufechten. Eine Vielzahl Verfahren vor den Finanzgerichten bzw. ein faktischer „Zwang“, infolge einer frühzeitigen Bescheidung beständig „Musterprozesse“ führen zu müssen, würde die Attraktivität einer zeitnahen BP für ein Unternehmen allerdings erheblich mindern. Deshalb ist zu wünschen – und aber auch zu erwarten –, dass die BPKollegen vor Ort, die sich auf eine zeitnahe Betriebsprüfung eingelassen haben, über das Selbstbewusstsein verfügen, streitige Rechtsfragen auch vor einer Festlegung auf Bund-Länder-Ebene sachverständig zu entscheiden, d.h. nicht regelmäßig eine „Extremposition“ zugunsten des Fiskus zu beziehen. Auf Seiten der Finanzverwaltung ist ein gewisses Unbehagen spürbar, dass sich die Betriebsprüfung bzw. das Veranlagungsfinanzamt in Form der frühzeitigen Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung (nach zeitnah abgeschlossener BP) zwar festlegen müsse, der Steuerpflichtige den Fall für etwaige positive Rechtsentwicklungen z.B. aus Urteilen des Europäischen Gerichtshofs zum primären Gemeinschaftsrecht aber durch Einlegung eines Einspruchs offen halten könne – entwickelt sich das Recht zuungunsten des Steuerpflichtigen, kann der Einspruch zurück genommen werden; verhält es sich aber umgekehrt, profitiert der Steuerpflichtige automatisch davon. In der Tat ist hier ein gewisses verfahrensrechtliches Ungleichgewicht erkennbar, das aber dem Rechtsstaatsprinzip in Gestalt der Gewaltenteilung geschuldet ist, wonach Verwaltungshandeln letztlich gerichtlich überprüfbar sein muss, weshalb z.B. auch die Forderung nach einem Rechtsmittelverzicht unverhältnismäßig wäre. Zudem kann die Finanzverwaltung den Steuerpflichtigen durch eine frühzeitige Bescheidung in einen kostenintensiven Finanzgerichtsprozess zwingen, d.h. eine rasche Bescheidung und (ablehnende) Einspruchsentscheidung erfordert vom Steuerpflichtigen, „Farbe 12 So wurde der Umwandlungssteuererlass z.B. erst am 11.11.2011 und damit immerhin fünf Jahr nach der Reform des Umwandlungssteuergesetzes veröffentlicht.

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zu bekennen“ und eigenständig sein Recht durchzusetzen. Über eine zeitnahe Bearbeitung auch von Einsprüchen hat es die Finanzverwaltung also selbst in der Hand, einer „Vorratsoffenhaltung“ sämtlicher Veranlagungszeiträume durch den Steuerpflichtigen vorzubeugen.

V. Fazit und Ausblick Die zeitnahe Betriebsprüfung wird seit Längerem als Instrument einer Verbesserung der Beziehungen zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung propagiert und auch eingesetzt. Flächendeckend durchgesetzt hat sich eine nur geringe Zeitspanne zwischen Prüfungszeitraum und Prüfungshandlungen aber in Deutschland noch nicht. Womöglich bietet die aktuelle BEPS-Diskussion, die auch die Steuertransparenz betrifft, einen gewissen Katalysator für die weitere Entwicklung in diese Richtung. Gleiches könnte allerdings auch für die zunehmende Verbreitung leistungsfähiger IT-Tools gelten, die von Unternehmen und Betriebsprüfung gemeinsam genutzt werden können. Eine gemeinsame Datenbasis erleichtert die technische Abwicklung der Betriebsprüfung wesentlich – und damit auch die Verkürzung der Prüfungszeiträume von drei auf zwei oder auch nur ein Jahr. Der einjährige BP-Zeitraum aber ist der eigentliche Schlüssel zur Zeitnähe, kann hierdurch doch die Anzahl der offenen Steuerjahre von mindestens fünf auf faktisch jeweils nur noch einen Veranlagungszeitraum reduziert werden. Eine solche Reduzierung der offenen Steuerjahre geht aber nicht nur mit einer erheblichen Steigerung der Verwaltungseffizienz sowohl auf Unternehmens- wie auch BP-Ebene einher – Sachverhalte können zeitnah bzw. im unmittelbarem Anschluss an ihre Aufbereitung für die Finanzberichterstattung und Steuererklärungserstellung durch die BP überprüft werden, d.h. unter Kontaktierung der originären Ansprechpartner innerhalb sowie außerhalb der Steuerabteilung gleichermaßen durch alle Beteiligten und anhand von Dokumenten oder Dateien, die noch nicht archiviert, d.h. unmittelbar verfügbar sind. Die zeitnahe Finalisierung der Steuerjahre reduziert vielmehr auch die Rechtsunsicherheiten und Zinslasten der Unternehmen erheblich und ermöglicht der Finanzverwaltung, vergleichsweise insolvenzsicher Steuernachforderungen frühzeitig haushaltswirksam zu vereinnahmen. Zudem werden Betriebsprüfer in die Lage versetzt, auf zeitlicher „Augenhöhe“ mit den laufenden Sachverhalten des Unternehmens zu sein und

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somit auch Vorabklärungen vorzunehmen, die dann wiederum die Folge-BP entlasten. Gewisse Restrisiken wie eine zu konservative Entscheidungspraxis einer zeitnahen BP (in Anbetracht von Bund-Länder-Abstimmungen, die noch zu erfolgen haben) oder ein „asymmetrisches“ Offenhalten von Bescheiden allein durch den Steuerpflichtigen treten hiergegen zurück. Es dürfte also davon auszugehen sein, dass Deutschland in Zukunft dem Beispiel vieler anderer Länder folgen und die Bemühungen um eine zeitnahe BP intensivieren wird. Aus den bisherigen Erfahrungen der Deutschen Telekom (und auch des Bonner Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung) kann Unternehmen und Finanzverwaltung daher gleichermaßen geraten werden, hier konstruktiv mitzuwirken, d.h. diesen Weg ebenfalls zu beschreiten.

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Praxisfragen rund um § 153 AO und die Abgrenzung zur Selbstanzeige nach § 371 AO Leitender Regierungsdirektor Harald von Frantzki Finanzamt für Steuerfahndung und Steuerstrafsachen, Essen Dr. Karsten Randt Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, Bonn Inhaltsübersicht I. Ausgangslage II. Normzweck des § 153 AO III. Unterlassen einer Berichtigung nach § 153 AO ist Steuerstraftat IV. Tatbestandsmäßigkeit des § 153 AO 1. Fehlerhafte Erklärung 2. Steuerverkürzung 3. § 153 AO und Kenntnis der Finanzbehörde 4. Nachträgliches Erkennen der Unrichtigkeit 5. Abgrenzungsversuche § 153 AO und Selbstanzeige auf der subjektiven Ebene

6. Erkennen vor Ablauf der Festsetzungsfrist 7. Zur Anzeige verpflichteter Personenkreis 8. Anzeige und Berichtigung 9. Form und Inhalt der Anzeige V. Anzeige nach § 153 AO als „Fremdanzeige“ nach § 371 Abs. 4 AO VI. Vorsatz und Implementierung eines Tax Compliance Management System-CMS VII. Fazit

I. Ausgangslage Es besteht insbesondere im Unternehmensbereich eine hohe Unsicherheit bei der Anwendung des § 153 AO und ein großes Bedürfnis, eindeutige Abgrenzungskriterien an die Hand zu bekommen. Auch nach der gesetzlichen Änderung des § 371 AO und der (Wieder-)Einführung von Teilselbstanzeigen im Bereich der Umsatzsteuer-Voranmeldungen wird von Unternehmensseite ein hohes Risiko gesehen, da Teilselbstanzeigen nicht für die Umsatzsteuer-Jahresveranlagung gelten und

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das Kompensationsverbot für die Umsatzsteuer nun nach § 398a AO gesetzlich festgeschrieben ist. Hinzu kommt eine „gefühlte Kriminalisierung“ von Unternehmen durch die Finanzbehörden, indem Nacherklärungen als Selbstanzeige gewertet würden, weil dies wegen des Zuschlags nach § 398a AO „lukrativer“ sei, als die bloße Berichtigung,1 was in der Praxis allerdings zumeist an der klaren Bestrebung der Steuerpflichtigen liegt, aus Vorsichtsgründen eine Korrektur nach § 153 AO „selbstanzeigefest“ zu machen. Tatsächlich werden in der Praxis zunehmend Sachverhalte in strafrechtlicher Hinsicht problematisiert, die in der Vergangenheit lediglich unter steuerlichen Gesichtspunkten mit der Außenprüfung besprochen wurden. Hinzu kommt, dass der NRW-Entwurf eines Verbandsstrafgesetzbuches die Diskussion um ein Unternehmensstrafrecht neu entfacht hat, indem er die Unternehmen selbst in den Mittelpunkt der Strafverfolgung rückt.2 Insgesamt überwiegt im Unternehmensbereich daher die Einschätzung, – und das haben auch die Anhörungen zum neuen BMF-Schreiben zu § 153 AO v. 23.5.20163 gezeigt –, dass Ermittlungen und Sanktionen gegen Unternehmen wegen Steuerverfehlungen eine gesteigerte Bedeutung haben und der objektive Tatbestand des § 370 AO durch simple Arbeitsfehler recht schnell erfüllt ist sowie das subjektive Tatbestandselement in Form des Eventualvorsatzes in der Praxis kein rechtssicheres (Abgrenzungs-)Merkmal darstellt.4 Hinzu kommt eine verschärfte Rechtsprechung des BGH, die zu einer wachsenden Bedeutung des § 153 AO im Unternehmensbereich beigetragen hat.5 Mit dem bereits erwähnten BMF-Schreiben v. 23.5.2016 zu § 153 AO (im folgenden BMF-Schreiben zu § 153 AO)6 hat das Bundesministerium der Finanzen erstmals den Versuch unternommen Praxisfragen rund um § 153 AO zu beantworten und Hilfestellung bei der Anwendung des

1 Schauf/Schwartz, PStR 2015, 248 ff. 2 Entwurf eines Verbandsstrafgesetzbuches (VerbStrG-E), abrufbar unter www. justiz.nrw.de. 3 BMF-Schreiben v. 23.5.2016 zu § 153 AO, BStBl. I 2016, 490. 4 Geberth/Welling, Der Betrieb 2015, 1743. 5 Vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2015 – 1 StR 373/15, wistra 2016, 157–160. 6 BMF-Schreiben v. 23.5.2016, a.a.O.

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§ 153 AO und bei der Abgrenzung zur Selbstanzeige nach § 371 AO zu geben.

II. Normzweck des § 153 AO Eine unverzügliche Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO besteht, wenn ein Steuerpflichtiger (oder dessen Gesamtrechtsnachfolger oder gesetzlicher Vertreter nach § 153 Abs. 1 Satz 2 AO) nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass eine von ihm abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und es dadurch zu einer Steuerverkürzung kommen kann oder bereits gekommen ist. Während § 371 AO die strafrechtlichen Folgen einer (vorsätzlichen oder bedingt vorsätzlichen unrichtigen oder unterlassenen) Erklärung regelt, stellt § 153 AO eine rein steuerliche Vorschrift dar und begründet eine steuerliche Erklärungspflicht, soweit eine unrichtige oder unvollständige Erklärung abgegeben wurde.7 Damit sichert § 153 AO eine gesetzmäßige Besteuerung durch Fortbestehen der Wahrheitspflicht des § 150 Abs. 2 AO und dient zugleich der Sicherung einer gesetzmäßigen Besteuerung nach § 85 AO.8 Von § 153 AO nicht erfasst wird der Fall der Nichtabgabe, da hier die steuerliche Erklärungspflicht fortbesteht (§§ 149 ff. AO).9 Überschneidungen zur Selbstanzeige können sich ergeben, wenn unklar ist, ob der Steuerpflichtige die Ursprungserklärung leichtfertig oder bedingt vorsätzlich fehlerhaft abgegeben hat. Hier kann eine Anzeige und Berichtigung zugleich als Selbstanzeige wirken. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass Anzeige und Berichtigung zusammen eingereicht werden und dass die Anzeige/Berichtigung den Voraussetzungen einer Selbstanzeige entspricht (selbstanzeigefest). Im Übrigen enthält § 153 AO keine Sperrgründe. Im Gegensatz zu § 153 Abs. 1 AO begründet § 153 Abs. 2 AO lediglich eine Anzeigepflicht und keine Berichtigungspflicht bei Wegfall der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung, Steuerermäßigung oder sonstige Steuervergünstigung (spezialgesetzliche Verpflichtungen zur Nacherklärung sind z.B. § 13a Abs. 6 ErbStG und § 68 Abs. 1 EStG).

7 Rätke in Klein, Abgabenordnung, § 153 AO, Rz. 1. 8 Rätke in Klein, Abgabenordnung, § 153 AO, Rz. 1. 9 Rätke in Klein, Abgabenordnung, § 153 AO, Rz. 3.

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III. Unterlassen einer Berichtigung nach § 153 AO ist Steuerstraftat Eine unterlassene Berichtigung nach § 153 Abs. 1 AO führt zur Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO.10 Dies auch dann, wenn der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit seiner Steuererklärung nicht positiv gekannt, aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat und später trotz positiver Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit seiner Steuererklärung keine Berichtigung vornimmt.11 Der BGH nimmt hier eine Durchbrechung des nemo-tenetur-Grundsatzes in Kauf und verweist auf die Möglichkeit der Selbstanzeige.12 Eine Berichtigungspflicht nach § 153 AO entfällt grundsätzlich erst mit der Bekanntgabe der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens.13 Hingegen besteht keine Strafbarkeit bei rechtzeitiger und vollständiger Anzeige nach § 153 AO.

IV. Tatbestandsmäßigkeit des § 153 AO Im Übrigen knüpft die Vorschrift des § 153 Abs. 1 AO an die folgenden Tatbestandsvoraussetzungen an:

1. Fehlerhafte Erklärung § 153 AO setzt zunächst eine fehlerhafte Erklärung voraus. Das heißt, dass die ursprüngliche Erklärung hinsichtlich der steuererheblichen Angaben unrichtig oder unvollständig sein muss. Die Vorschrift bezieht sich nicht nur auf Steuererklärungen, sondern erfasst auch unrichtige Auskünfte, die auf Anfrage des Finanzamtes erteilt werden, wie etwa Stundungs- und Erlassanträge sowie Anträge auf Herabsetzung von Vorauszahlungen.14 Die Ursprungserklärung muss im Zeitpunkt der Abgabe objektiv unrichtig gewesen sein. Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige entgegen

10 BGH, wistra 2008, 22; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 370 AO, Rz. 263 f. 11 BGH, wistra 2009, 312. 12 Vgl. Jäger in Klein, Abgabenordnung, § 370 AO, Rz. 63. 13 BGH, wistra 2009, 312. 14 BMF-Schreiben v. 23.5.2016, a.a.O. Tz. 3; Rätke in Klein, Abgabenordnung, § 153 AO, Rz. 2; zu Cum-/Ex-Geschäften, Pflaum, StBp, 2015, 185.

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§ 90 Abs. 2 S. 2, § 150 Abs. 2 S. 1 AO nicht alle steuerlich erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offengelegt hat.15 Für Fehler der Finanzverwaltung besteht allerdings keine Korrekturpflicht.16 Eine Berichtigungspflicht besteht nicht, wenn der Steuerpflichtige nachträglich eine rechtliche Würdigung als falsch erkennt. Die Berichtigungspflicht des § 153 AO bezieht sich ausschließlich auf Tatsachen.17 Eine Erklärung ist daher unrichtig oder unvollständig, wenn die geschilderten Tatsachen nicht den wahren Begebenheiten entsprechen oder nicht den vollständigen Sachverhalt wiedergeben.18 Allerdings besteht eine Offenbarungspflicht auch für die Tatsachen, deren rechtliche Einordnung und Würdigung zweifelhaft ist.19 Auch Tatsachen, die unrichtig oder unvollständig sind, weil ihnen eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, sind unrichtig oder unvollständig i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO.20 Dies macht es erforderlich, die der abweichenden Rechtsauffassung zugrunde liegenden Tatsachen vollständig zu offenbaren, um der Finanzbehörde eine zutreffende steuerliche Bewertung zu ermöglichen.21 Eine vorsorgliche Offenlegung ist umso erforderlicher, da der BGH annimmt, es sei dem Steuerpflichtigen regelmäßig möglich und zumutbar, offene Rechtsfragen nach Aufdeckung des vollständigen und wahren Sachverhaltes im Besteuerungsverfahren zu klären.22 Gesetzesänderungen sowie geänderte Rechtsprechung oder eine geänderte Verwaltungsauffassung lösen keine Berichtigungspflicht aus.23

2. Steuerverkürzung Die unrichtige Erklärung muss zudem zu einer Steuerverkürzung geführt haben. Eine Korrekturpflicht besteht sowohl bei eintretender Steuerverkürzung als auch bei bereits eingetretener Steuerverkürzung. Die erste Tatbestandsalternative des § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO „zu einer Steuerverkür15 16 17 18 19 20 21 22 23

BMF-Schreiben v. 23.5.2016, a.a.O. BFH v. 4.12.2012 – VIII R 50/10, DStR 13, 703. BFH, BFH/NV 2013, 1831. Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 370 AO Rz. 184. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Januar 2016, § 153 AO Rz. 7; BGH, wistra 1995, 69. Jäger in Klein, Abgabenordnung, § 370 AO, Rz. 44. Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, April 2016, § 370 AO, Rz. 244. BGH v. 8.9.2011 – 1 StR 38/11, NStZ 2012, 160 f. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Januar 2016, § 153 AO Rz. 8.

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zung kommen kann“ betrifft die der Steuerfestsetzung vorgelagerte Phase innerhalb der Finanzverwaltung, also die Phase bis zur Verkürzung von Steuern. Steuern sind „namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden“ (§ 370 Abs. 4 AO). Es gilt das Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 Satz 3 AO,24 d.h. es kommt für die Beurteilung der Tat nicht darauf an, ob die Steuer aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können. In der Praxis bedeutet das Kompensationsverbot, dass nicht der gesamte Steuerfall darauf überprüft werden muss, ob eine Steuerermäßigung gegeben ist, die den Hinterziehungsvorteil reduziert oder beseitigt.25 Mit anderen Worten der Steueranspruch ist so zu berechnen, dass anstelle der unrichtigen die zutreffenden Angaben Berücksichtigung finden. Andere begünstigende Umstände sind nicht zu berücksichtigen.26 Das Kompensationsverbot gilt nicht, wenn die verschwiegenen steuererhöhenden Umsätze in unmittelbarem Zusammenhang mit verschwiegenen steuermindernden Umständen stehen, die aus rechtlichen Gründen Berücksichtigung finden müssen, so bspw. bei Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die offensichtlich in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen stehen27. Vorsteuern hingegen stellen immer einen anderen Grund i.S.d. § 370 Abs. 4 Satz 3 AO dar,28 sind aber im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen29.

3. § 153 AO und Kenntnis der Finanzbehörde Sind der Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen bekannt (z.B. durch Übersendung von Kontrollmaterial), stellt die Verletzung der Berichtigungspflicht nach § 153 AO keine tatbestandliche Steuerhinterziehung dar und der Vorwurf der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) scheidet aus.30 Die durch Unterlassen begangene Steuerhinterziehung setzt nämlich voraus, dass der Täter eine bei der Finanz-

24 25 26 27 28 29 30

Jesse, BB, 2011, 437. Jäger in Klein, Abgabenordnung, § 370, Rz. 131. Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 370 AO Rz. 94. Blesinger in v. Wedelstädt, Abgabenordnung, § 370 AO, Rz. 47 (str.). Blesinger in v. Wedelstädt, Abgabenordnung, § 370 AO, Rz. 47. Jäger in Klein, Abgabenordnung, § 370 AO, Rz. 139. Wulf, SAM, 2014, 132; Drüen in Mellinghoff, Steuerstrafrecht an der Schnittstelle zum Steuerrecht, 2015, 219 (241).

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behörde bestehende Unkenntnis pflichtwidrig nicht beseitigt.31 Kennt die Finanzbehörde jedoch den wahren Sachverhalt trotz pflichtwidrigen Unterlassens des Täters, so dass eine zutreffende und rechtzeitige Festsetzung und Erhebung möglich wäre und wird gleichwohl die Steuer nicht festgesetzt, fehlt es am notwendigen Zusammenhang zwischen Tathandlung und Taterfolg.32 Das Unterlassen ist nicht kausal für die unterbliebene Steuerfestsetzung mit den beschriebenen Konsequenzen hinsichtlich § 153 AO. Sind also der Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen bekannt, stellt die Verletzung der Berichtigungspflicht nach § 153 AO keine tatbestandsmäßige Steuerhinterziehung dar.33 Ob es auch im Falle der Überprüfung einer Steuererklärung oder eines steuerlichen Sachverhaltes durch eine Außenprüfung einer Berichtigung durch den Steuerpflichtigen bedarf, beantwortet das BMF-Schreiben zu § 153 AO dahingehend, dass eine „Berichtigung durch den Steuerpflichtigen in Fällen von Fehlerfeststellungen durch die Betriebsprüfung für die in der Prüfungsanordnung vorgesehenen Steuerarten und Prüfungszeiträume entbehrlich ist“.34

4. Nachträgliches Erkennen der Unrichtigkeit Der Anzeigeverpflichtete muss nachträglich die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Erklärung tatsächlich erkennen. Bloßes ErkennenKönnen bzw. Erkennen-Müssen ist nicht ausreichend.35 Dies entspricht der geltenden Rechtsauffassung in Rechtsprechung36 und Literatur37 und hat insoweit lediglich klarstellenden Charakter. Eine Berichtigungspflicht besteht nach Auffassung des BGH auch dann, wenn der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit seiner Angaben bei Abgabe nicht gekannt, aber billigend in Kauf genommen hat (Eventualvorsatz) und später zu der sicheren Erkenntnis gelangt, dass die Angaben unrichtig waren.38 Der strafrechtliche nemo-tenetur-Grundsatz wird hier im Hin-

31 Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Auflage 2015, § 370 AO, Rz. 230; Wulf, SAM 2014, 132. 32 Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO, Rz. 576. 33 Wulf, SAM 2014, 132. 34 BMF-Schreiben v. 23.5.2016, a.a.O.; vgl. hierzu auch Drüen in Mellinghoff, Steuerstrafrecht an der Schnittstelle zum Steuerrecht, 2015, 219 (241). 35 BMF-Schreiben v. 23.5.2016, a.a.O. Tz. 2.4. 36 BGH v. 17.3.2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 508. 37 Rätke in Klein, Abgabenordnung, § 153 AO, Rz. 9; Kuhfus in v. Wedelstädt, Abgabenordnung, § 153 AO, Rz. 11. 38 BGH v. 17.3.2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 508.

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blick auf die mögliche Abgabe einer Selbstanzeige durchbrochen; d.h. das Gesetz mutet dem Steuerpflichtigen insoweit die Selbstanzeige zu.39 Scheidet eine Selbstanzeige z.B. wegen Vorliegens eines Sperrgrundes aus, will der BGH die erzwungene Berichtigung für ein Strafverfahren wegen der bedingt vorsätzlichen Steuerhinterziehung nicht verwerten.40

5. Abgrenzungsversuche § 153 AO und Selbstanzeige auf der subjektiven Ebene Da sowohl im Falles des § 153 AO als auch im Falle der §§ 371, 378 AO die ursprüngliche Erklärung objektiv falsch ist, besteht, wie bereits erwähnt, das Problem der Abgrenzung der Vorschriften auf der subjektiven Ebene. Hier bemüht sich das BMF-Schreiben zu § 153 AO um Klarstellung, eine abschließende Lösung der Frage, welche Vorstellung der Steuerpflichtigen bei Abgabe der Erklärung hätte haben sollen und ob ein Fehler in der Erklärung vorwerfbar ist (Vorsatz oder Leichtfertigkeit) liefert es nicht. Das war allerdings auch nicht zu erwarten. Schließlich handelt es sich um innere Tatsachen, die sich anhand allgemeingültiger Kriterien nicht beurteilen lassen.41 Auch die Aussage im BMF-Schreiben zu § 153 AO, dass „nicht jede objektive Unrichtigkeit den Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit nahelegt“42, entspricht der Handhabung des § 152 Abs. 2 StPO. Die Einleitung eines Strafverfahrens und ggf. die Beantragung von Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen bedürfen konkreter Anhaltspunkte in objektiver und subjektiver Hinsicht. Gerade im Unternehmensbereich bereitet die Feststellung des subjektiven Merkmals immer dann Probleme, wenn der Fehler auf Sachbearbeiterebene erfolgt ist. Werden Fehlbuchungen vorgenommen oder Sachverhalte unzutreffend gewürdigt, fehlt es im Regelfall am voluntativen Element des Vorsatzes, bzw. es bedarf besonderer Feststellungen, die auf den Vorsatz hindeuten. Bei komplexeren Unternehmensstrukturen bedarf es der weiteren Feststellung, ob derjenige, der Angaben im Rahmen der Steuererklärung macht, auch in Kenntnis der vorgelagerten (Arbeits-)Fehler gehandelt hat. 39 BGH v. 17.3.2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 508, so auch die h.M. Kufus in v. Wedelstädt, Abgabenordnung, § 153 AO, Rz. 10; BGH v. 17.3.2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 508. 40 BGH v. 17.3.2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 508. 41 Schauf/Schwartz, PStR 10/2015, 249. 42 BMF-Schreiben v. 23.5.2016, a.a.O., Tz. 2.5.

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Eine pauschale Zurechnung des Wissens ist angesichts des strafrechtlichen Schuldprinzips nicht möglich. wAnders kann sich die Situation aber darstellen, wenn z.B. Versäumnisse im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellt werden, die in nachgelagerten Veranlagungszeiträumen nicht abgestellt oder nicht korrigiert werden. Aber weder die Höhe des Korrekturbetrages noch der Zeitraum, für den Korrekturen erforderlich sind, vermag den Vorsatz allein zu begründen.

6. Erkennen vor Ablauf der Festsetzungsfrist Mit Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 169 AO endet die Anzeige- und Berichtigungspflicht. Eine Verlängerung der Festsetzungsfrist verlängert jedoch auch den Zeitraum, in dem eine Anzeige- und Berichtigungspflicht besteht. Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach § 153 AO oder eine Selbstanzeige, so endet nach § 171 Abs. 9 AO die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige. Unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 8.7.200943 geht das BMFSchreiben zu § 153 AO davon aus, dass „keine weitere Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 oder 5 AO“ ausgelöst wird, wenn „aufgrund der Anzeige innerhalb der Jahresfrist, aber nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung oder Ermittlung der Steuerfahndung begonnen wird“.44 Dies entspricht der geltenden Rechtslage: Die Finanzbehörde kann nicht eine weitere Ablaufhemmung über § 171 Abs. 9 AO hinaus erreichen, indem sie zwar innerhalb der Jahresfrist des § 171 Abs. 9 AO, aber nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist weitere Ermittlungen anstellt.45 Dies sieht der BFH genauso: „Der zeitlich auf ein Jahr begrenzte Umfang der Ablaufhemmung, die durch die Erstattung einer Selbstanzeige gemäß § 171 Abs. 9 AO ausgelöst wird, kann durch Steuerfahndungsermittlungen, die erst nach Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist aufgenommen wurden, nicht mehr erweitert werden“ (Leitsatz).46 Haben Außenprüfung und Steuerfahndung vor Ablauf der ungehemmten, also innerhalb der regulären Festsetzungsfrist begonnen, gilt die unbegrenzt Ablaufhemmung des § 170 Abs. 4 bzw. Abs. 5 AO.47 43 44 45 46 47

BFH v. 8.7.2009 – VIIIR 5/07, BStBl. 2010 II, 583. BMF-Schreiben v. 23.5.2016, a.a.O., Tz. 5.4. Balmes in v. Wedelstädt, Abgabenordnung, § 370 AO Rz. 91. BFH v. 8.7.2009 – VIIIR 5/07, BStBl. 2010 II, 583. Balmes in v. Wedelstädt, Abgabenordnung, § 370 AO, Rz. 85.

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Im Übrigen gelten bezüglich der Festsetzungsfrist die allgemeinen Regeln. Die Festsetzungsfrist wird im Normalfall nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre betragen (Regelverjährung), kann sich allerdings nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO im Falle einer leichtfertigen Steuerverkürzung auf fünf Jahre und im Falle einer schweren Steuerhinterziehung auf zehn Jahre verlängern.48 Im Schenkungsfall und Erbfall sind die besonderen Anlaufhemmungen des § 170 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 2 AO zu beachten. Danach beginnt die Festsetzungsfrist im Erbfall nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt (§ 170 Abs. 1 AO). Mit Kenntnis wird der Erwerber anzeigepflichtig (§ 30 Abs. 1 ErbStG)49 und die Finanzbehörde erhält die Möglichkeit zu prüfen, ob ein steuerpflichtiger Vorgang vorliegt oder nicht.50 Zeigt der Erwerber den Erwerb von Todes wegen nicht an, beginnt die Frist, sobald dem Finanzamt alle Umstände bekannt geworden sind, die es für die Prüfung, ob ein steuerbarer Vorgang vorliegt, benötigt.51 Es besteht allerdings keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO für noch nicht festsetzungsverjährte Einkommensteuer des Erblassers. Zwar endet nach § 171 Abs. 7 AO die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat verjährt ist, gemeint ist aber die Ursprungstat des Erblassers und nicht die Steuerhinterziehung des Erben durch Unterlassen der Berichtigungserklärung. Im Schenkungsfall beginnt die Festsetzungsfrist bei Anzeigepflicht des Beschenkten52 nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erhalten hat (§ 171 Abs. 5 Nr. 2 AO). Es gilt die Alternative, die als erste eingetreten ist. Wodurch die Finanzbehörde Kenntnis erlangt hat, ist ohne Bedeutung. Nicht ausreichend ist, dass die Finanzbehörde bei weiteren Nachforschung hätte erkennen können und müssen, dass ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang gegeben ist. Erforderlich ist jedoch, dass das zuständige Finanzamt mindestens Namen und Adresse des Schenkers oder Beschenkten kennt.53

48 49 50 51 52 53

FG Düsseldorf v. 9.11.2006 – 11 K 1761/05, PStR 2008/50. Ausnahmen in § 30 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 ErbStG. Rüsken in Klein, Abgabenordnung, § 170 AO, Rz. 35a. Rüsken in Klein, Abgabenordnung, § 170 AO, Rz. 35b. Ausnahmen in § 30 Abs. 3 Satz 2 ErbStG. Rüsken in Klein, Abgabenordnung, § 170 AO, Rz. 40.

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7. Zur Anzeige verpflichteter Personenkreis Zur Berichtigung verpflichtet ist der Steuerpflichtige nach § 153 Abs. 1 Satz 1 AO und der in § 153 Abs. 1 Satz 2 AO genannte Personenkreis, also der Gesamtrechtsnachfolger und die für den Steuerpflichtigen oder den Gesamtrechtsnachfolger nach §§ 34, 35 AO handelnden Personen54. Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer haben bezüglich der Angelegenheiten ihres Mandanten keine Anzeige- und Berichtigungspflicht.55 In Ergänzung hierzu besteht für den Steuerberater eine Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht nach § 57 StBerG, wenn er die Steuererklärung gem. § 150 Abs. 3 AO unterzeichnet hat.56 Die Verpflichtung des gesetzlichen Vertreters bezieht sich auf den Zeitraum ihrer Bestellung bis zu deren Ausscheiden. Auch nach Erlöschen der Vertretungs- und Verfügungsmacht bleiben für den gesetzlichen Vertreter, Vermögensverwalter oder Verfügungsberechtigten die nach §§ 34, 35 AO bestehenden Pflichten gem. § 36 AO bestehen soweit sie Zeiträume betreffen, in denen die Vertretungs- oder Verfügungsmacht bestanden hat und der Verpflichtete zur Erfüllung noch in der Lage ist.57 Bei einem Wechsel in der Geschäftsführung bzw. Vorstand besteht eine eigene Verpflichtung für neue Organmitglieder, wenn sie nachträglich erkennen, dass die vor ihrer Bestellung abgegebenen Steuererklärungen fehlerhaft sind.58 Die Verpflichtung entfällt auch nicht deshalb, weil der Vorgänger bei Abgabe der Erklärung deren Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit kannte.59 Hinsichtlich der Verfügungsberechtigung nach § 35 AO haben BGH und BFH eine mittelbare rechtliche Verfügungsmacht ausdrücklich ausreichen lassen.60 Der „faktische Geschäftsführer“, der allein aufgrund seiner tatsachlichen Befugnisse ohne rechtliche Verfügungsbefugnis tätig wird, unterfällt nicht 54 Z.B. gesetzliche Vertreter, Vermögensverwalter, Verfügungsberechtigte wie Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter. 55 BMF-Schreiben v. 23.5.2016, a.a.O. Tz. 4. 56 Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, April 2014, § 153 AO, Rz. 4. 57 Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, April 2014, § 153 AO, Rz. 9. 58 BFH v. 7.3.2007 – I B 99/06, BFH/NV 2007, 1801. 59 Rätke in Klein, Abgabenordnung, § 153 AO, Rz. 7. 60 BGH, Urt. v. 9.4.203, NZWiSt 2013, 311; BFH, Urt. v. 27.11.1990, BStBl. 1991 II, 284 zum mittelbaren Alleingesellschafter.

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der Regelung des § 35 AO61. Er kann aber nach Maßgabe des § 35 AO eine entsprechende Garantenpflicht zur Abgabe einer Berichtigung nach § 153 AO haben.62

8. Anzeige und Berichtigung § 153 AO verpflichtet den Steuerpflichtigen die fehlerhaften Angaben unverzüglich anzuzeigen und zu berichtigen. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dem Steuerpflichtigen sollte je nach Lage des Falles eine nach den Umständen zu bemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist zugestanden werden. Die im Schrifttum vertretenen zeitlichen Obergrenzen gehen von einer Zeitschiene zwischen zwei bis vier Wochen und darunter aus.63 Die Anzeige ist unverzüglich abzugeben, die Berichtigung kann später erfolgen.64 Das BMF-Schreiben zu § 153 AO sieht hier vor, dass die Finanzbehörden dem Steuerpflichtigen eine angemessene Frist gewähren.65 Im Einzelfall sollten die zeitlichen Details mit den Finanzbehörden abgesprochen und der Aufklärungsvorgang transparent gemacht werden. Problematisch wird es, wenn der Steuerpflichtige mit der Anzeige zu lange zögert oder die Berichtigung verschleppt. In diesem Fall kann die verspätete Berichtigung ggf. einen Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB darstellen oder bei bereits eingetretener Steuerhinterziehung unter den Voraussetzungen des § 371 Abs. 2 und 3 AO als Selbstanzeige angesehen werden.66 Eine vollendete Steuerhinterziehung durch Unterlassen hängt davon ab, wie spät der Entdeckungszeitpunkt liegt.67 Dies dürfte der Fall sein, wenn der Zeitpunkt verstrichen ist, zu dem bei ordnungsgemäßer Anzeige ein fiktiver Steuerbescheid ergangen wäre.

61 BGH, Urt. v. 9.4.2013, NZWiSt 2013, 311. 62 Schmitz/Wulf in MK-StGB, 2. Aufl. 2015, § 370 AO, Rz. 329. 63 Bis zu zwei Wochen: Jesse, BB 2011, 1439; Heuermann in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung, § 153 AO, Rz. 15; bis zu vier Wochen: Wulf, Stbg 2010, 298. 64 Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Januar 2016, § 153 AO, Rz. 15. 65 BMF-Schreiben v. 23.5.2016, a.a.O., Tz. 5.1. 66 Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2016, § 370 AO, Rz. 265 f. 67 Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2016, § 370 AO, Rz. 266.

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9. Form und Inhalt der Anzeige Eine besondere Form ist nicht erforderlich. Es reicht jede Mitteilung, aus der sich die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der bisherigen Steuererklärung und deren Richtigstellung ergeben.68 So kann die Anzeige und Berichtigung mündlich oder schriftlich, per elektronischer Kommunikation oder durch Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung als Korrektur der Voranmeldungszeiträume erfolgen. Eine Übermittlung der Anzeige und Berichtigung an ein unzuständiges Finanzamt hat keine Auswirkung auf die Wirksamkeit. Die Jahresfrist nach § 171 Abs. 9 AO beginnt jedoch erst mit Ablauf des Tages, an dem die weitergeleitete Anzeige bei der zuständigen Finanzbehörde eingeht.69

V. Anzeige nach § 153 AO als „Fremdanzeige“ nach § 371 Abs. 4 AO Im Unternehmensbereich ist im Zusammenhang mit Berichtigungserklärungen nach § 153 AO die Vorschrift des § 371 Abs. 4 zu beachten. Danach wird ein Dritter, der die in § 153 AO bezeichneten Erklärungen unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, wenn die in § 153 AO vorgesehene Anzeige von jemand anders rechtzeitig und ordnungsgemäß erstattet wird und weder ihm noch seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekanntgegeben wurde.70 Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt § 371 Abs. 3 AO entsprechend. § 371 Abs. 4 AO will verhindern, dass ein zur Anzeige und Berichtigung nach § 153 AO Verpflichteter durch seine Erklärung einen Dritten der Strafverfolgung aussetzt und deshalb von einer entsprechenden Erklärung absieht. Dritter i.S.d. § 371 Abs. 4 AO ist dabei derjenige, der seine Pflichten nach § 153 AO verletzt, nicht jedoch auch derjenige, der die ursprüngliche Erklärung vorsätzlich unrichtig oder unvollständig abgegeben hat.71 Anderenfalls würde der Täter, der durch seine unzutreffenden Angaben eine Steuerhinterziehung begangen hat, ohne eigenes Zutun durch eine ihn begünstigende Fremdanzeige von der Strafverfolgung ausgenommen werden, obwohl bspw. seiner eigenen Selbstanzeige ein Sperrgrund entgegen68 69 70 71

Jesse, BB 2011, 1431. BMF-Schreiben v. 23.5.2016, a.a.O. Tz. 5.4. Jäger in Klein, Abgabenordnung, § 371 AO, Rz. 241. Jäger in Klein, Abgabenordnung, § 370 AO, Rz. 241.

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stehen würde. Der Geschäftsführer, der eine ursprünglich fehlerhafte Steuererklärung abgegeben hat, ginge im Falle einer Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO im Ergebnis straffrei aus, auch wenn zu seinen Gunsten eine Selbstanzeige wegen des Vorliegens von Sperrgründen nicht mehr möglich wäre. Damit liefe die Fremdanzeige der Selbstanzeige zuwider und widerspräche dem Sinn und Zweck sowie der Systematik der Selbstanzeigeregelungen.72

VI. Vorsatz und Implementierung eines Tax Compliance Management System-CMS Bemerkenswert ist jedoch, dass das BMF-Schreiben zu § 153 AO davon ausgeht, dass die Implementierung eines Tax Compliance Management Systems ein „Indiz darstellen kann, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder Leichtfertigkeit sprechen kann“ und ergänzt „jedoch befreit dies nicht von einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls“.73 Genau dies ist die Handhabung in der Praxis. Im Hinblick auf den zunehmenden Umfang der steuerlichen Vorschriften im In- und Ausland, die zu beachten sind, und die wachsende Komplexität des Steuerrechts haben viele Unternehmen – und es werden rasant mehr – Tax Compliance Management Systeme etabliert. Beispielhaft sei hier auf den vom Steuerfachausschuss des IDW vorgelegten Entwurf eines IDW Praxishinweises 1/2016 zur Ausgestaltung und Implementierung eines „Tax Compliance Management Systems“ nach IDW PS 980 hingewiesen.74 Sind in diesem Sinne Verantwortlichkeiten geregelt, Arbeitsinhalte und Arbeitsabläufe in steuerlichen Angelegenheiten klar definiert, wird hinreichend qualifiziertes Personal mit den Aufgaben betraut und fortlaufend geschult und erfolgen zudem auch wiederholt Kontrollen der Arbeitsabläufe, kann dies ohne das Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte zunächst tatsächlich gegen Vorsatz oder Leichtfertigkeit sprechen. Aber auch hier kommt es auf den Grad der Umsetzung an.75 Ein halbherzig implementiertes und nicht das konkrete Risikoprofil des Unternehmens widerspiegelndes Tax Compliance Management System birgt nicht nur die Gefahr von Steuerstrafverfahren gegen Verantwortliche, sondern auch die 72 Jäger in Klein, Abgabenordnung, § 371 AO, Rz. 241; Ruhmannseder, StBW 2013, 943. 73 BMF-Schreiben v. 23.5.2016, a.a.O., Tz. 2.6; zu Tax Compliance in Unternehmen Geberth/Welling, Der Betrieb 2015, 1742. 74 www.idw.de 75 Aichberger/Schwartz, DStR 2015, 1758; Ball/Papasikas, BB 2016, 1495.

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Gefahr entsprechender Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Organisationsverschulden (§§ 30, 130 OWiG). Insofern besteht die Notwendigkeit einer umfassenden und nachprüfbaren Dokumentation der ergriffenen Compliance-Maßnahmen wie sie auch zur Vermeidung von Verbandsgeldbußen erforderlich sind.76 Die Dokumentation sollte neben der Existenz eines unternehmensbezogenen Tax Compliance Management Systems auch dessen Funktionsfähigkeit nachweisen.77 Hinzu kommt, dass das beste Tax Compliance System steuerlichen Missbrauch auch mit strafrechtlichen und bußgeldrechtlichen Folgen für die Verantwortlichen und das Unternehmen nicht verhindern kann. Dies ist dann die „Prüfung im Einzelfall“. Umgekehrt ist aber auch der Rückschluss nicht zulässig, dass im Falle des Fehlens eines Tax Compliance Management Systems stets von vorsätzlichem Handeln auszugehen ist. Ein funktionierendes CMS wird allerdings jedenfalls im Regelfall ein Indiz für Rechtstreue sein und gegen ein vorsätzliches oder leichtfertiges Verhalten sprechen.78

VII. Fazit Das BMF-Schreiben zu § 153 AO enthält eine Reihe von Klarstellungen und ist um Abgrenzungskriterien zur Abgrenzung von Selbstanzeige und Berichtigung nach § 371 AO bemüht, damit nicht jede Korrektur im unternehmerischen Bereich sogleich unter den verschärften Bedingungen als Selbstanzeige angesehen wird. Dies ist zwar zu begrüßen, es steht aber zu erwarten, dass der Versuch, allgemeine und akzeptierte Abgrenzungskriterien zu etablieren, in der Praxis von einer Einzelfallbewertung überlagert werden dürfte. Eine Notwendigkeit, die der Diskussionsentwurf auch sieht. Insofern liegt der eigentliche Nutzen des Diskussionsentwurfs in einer Sensibilisierung aller Beteiligten.

76 Niesler in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011, § 130 OwiG, Rz. 42. 77 Schützler, Tax compliance im Kooperationsverhältnis zwischen Unternehmen und der Finanzverwaltung, Frankfurt 2014, 109. 78 Schauf/Schwartz, PStR 2015, 248.

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Stichwortverzeichnis Verfasser: Nicola M. Niemeyer § 1 Abs. 1 AStG – Treaty override 21 – Unionsrechtskonformität 21 § 1 Abs. 2a GrEStG 84 § 1 Abs. 5 AStG – Authorized OECD-Approach 179; s. auch Entstrickungsregeln – Einkünftekorrekturnorm 188; s. auch Entstrickungsregeln § 1 Abs. 6 AStG – Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung 180; s. auch Entstrickungsregeln § 2 Abs. 1 und 2 UmwStG – Rückwirkungsfiktion 513; s. auch UmwStG, Redaktionelle Anpassungen § 2 Abs. 2 GewStG 37 § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG – Anwendung KSt-Regelungen auf den gewerbesteuerrechtlichen Organkreis 16 – Rechtsfolge eines virtuellen Einheitsunternehmens 16 § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 GewStG – Betriebsstättenfiktion 12 f. § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwStG – Verlustnutzungsbeschränkung 513; s. auch UmwStG, Redaktionelle Anpassungen § 2b UStG 88 § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG – Reihengeschäft 456; s. auch Reihengeschäft, Ausgangssituation § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG – Anwendbarkeit 450 ff.; s. auch Umsatzsteuerrecht, Reihengeschäft – Richtlinienkonformität 447 – Unanwendbarkeit 448; s. auch Umsatzsteuerrecht, Reihengeschäft § 3 Abs. 6 UStG – Änderungsbedarf 452

§ 4 Nr. 1 Buchst. b), § 6a UStG 427 § 4a Betriebsprüfungsordnung 538 f. § 5 Abs. 2a EStG 32 § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG – Teilwertabschreibung 19 ff.; s. auch Teilwertabschreibung § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG 125 § 6a Abs. 3 i.V.m. § 17a UStDV 427 § 6a Abs. 3, § 17a UStDV – Nachweispflichten 428; s. auch Formalanforderungen innergemeinschaftlicher Lieferungen, Belegnachweise § 6a EStG – Beitragsorientierte Pensionszusagen 290 ff. – Passivierungsbeschränkung 278 f. – Pensionsrückstellungen 277 – Steuerlicher Rechnungszins 276; s. auch Zinshöhe § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG – Inlandsbeschränkung 303 – Unionsrechtskonforme Auslegung 304 f. § 6b EStG – Reinvestitionsgut 205 f.; s. auch Entstrickungsregeln – Steuerbilanzielles Wahlrecht 302 f. – Stundungsmöglichkeit 306 ff. – Unionsrechtsfragen 302 ff. – Unionsrechtskonforme Ausgestaltung 306 § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 53 § 8 GewStG – Hinzurechnungsverzicht beim gewerbesteuerrechtlichen Organkreis 10 § 8 Nr. 1 GewStG (a.F.) – Hinzurechnung sog. Dauerschuldentgelte 9 f.

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Stichwortverzeichnis – Unionsrechtmäßigkeit der (hälftigen) Hinzurechnung sog. Dauerschuldzinsen 11 § 8b Abs. 4 KStG – Aufstockung der Beteiligung 496 ff. – Beteiligungsgrenze 494 – Fallkonstellationen 497 f. – Funktionsweise 502 – Kreditwirtschaftliche Verbundgruppe 494 – Mitunternehmerschaft 494 – Organgesellschaft/ -träger 494 – Rückwirkungsfiktion 497 – Steuerpflicht Streubesitz 492; s. auch Besondere Beratungsrisiken, Streubesitzdividenden – Streubesitzdividende 503; s. auch Besondere Beratungsrisiken, Streubesitzdividenden – Treuhandverhältnisse 494 – Umwandlungssteuerrechtliche Rückwirkungsfiktion 496 – Unterjähriger Erwerb 496 ff. – Veräußerungsgewinne bei Streubesitz 505; s. auch Besondere Beratungsrisiken – Vermögensverwaltende Personengesellschaft 494 – Wertpapierleihe 494 – Zeitpunkt 495 f. § 8c KStG – Schädlicher Beteiligungserwerb 513 § 9 Nr. 2a GewStG – Gewerbesteuerrechtliches Schachtelprivileg im nationalen Kontext 16 § 9 Nr. 3 GewStG – Struktureller Inlandsbezug 349; s. auch Internationales Steuerrecht, Gewerbesteuerrechtliche Gewinnkürzung bei AStG-Hinzurechnungsbetrag § 9 Nr. 7 GewStG – Gewerbesteuerrechtliches Schachtelprivileg im internationalen Kontext 16

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§ 9 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 9 Nr. 2a Satz 4 GewStG – Kürzung um Schachtelstrafe, § 8b Abs. 5 KStG 17 § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG – Hinzurechnungsbetrag 349; s. auch Internationales Steuerrecht, Gewerbesteuerrechtliche Gewinnkürzung bei AStG-Hinzurechnungsbetrag § 10a Satz 2 GewStG – Mindestbesteuerung 4; s. auch Mindestbesteuerung § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG – Mindestbesteuerung 4 § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG und § 10a Satz 2 GewStG – Definitiveffekt 4 § 13a ErbStG-RegE – Betriebsaufspaltung 246 § 13b Abs. 5 Satz 3 ErbStG-LE 245 § 13c ErbStG-LE – Abschmelzungsmodell 249 f. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG – Einheitliche Gewinnermittlung 36 – Einheitliche Qualifizierung gewerblicher Einkünfte 36 – Grenze der Abfärbung gewerblicher Tätigkeit 38 f. – Relatives und absolutes Kriterium der Grenze 40 ff. – Verfassungsmäßigkeit 37 § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG – Organschaftliche Bruttomethode 353; s. auch Schachtelprivileg im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 KStG – Bruttomethode 15 f. – körperschaftsteuerrechtlichen Organkreis 15 § 17a Abs. 2 UStDV – Gelangensbestätigung 427; s. auch Formalanforderungen innergemeinschaftlicher Lieferungen, Belegnachweise

Stichwortverzeichnis § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG 43 § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO 31 § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG 28 § 24 Abs. 2 UmwStG – Wahlrecht zum Ansatz von Zwischenwerten 70; s. auch Gesamtplanbetrachtung, Ablehnung bei § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG o. § 24 UmwStG § 25d UStG 444 f. § 26a KStG-E – Steuerermäßigung 514 f. § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG – Einlagenrückgewähr 26 – Rückzahlung von Nennkapital 26 § 27 Abs. 14 UmwStG-E 517 § 27 Abs. 22 UStG – Übergangsregelung 89 § 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 KStG 26 § 28a ErbStG-RegE 250 § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO – Zustimmung des Steuerpflichtigen 550; s. auch Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen § 34 Abs. 2 EStG – Außerordentliche Einkünfte 64; s. auch Gesamtplan, Tarifvergünstigung nach § 34 EStG § 50d Abs. 3 EStG – Ertragsteuerliche Organschaft 211 f. § 50i Abs. 2 EStG – BMF-Schreiben 153 ff. – Einbringung in Kapitalgesellschaft, § 20 UmwStG 159 – Strukturwandel 158 – Tatbestandliche Begrenzung 148 ff. – Übertragung, § 6 Abs. 3 EStG 156 f. – Übertragung, § 6 Abs. 5 EStG 157 § 50i EStG – Besteuerungsumfang 146 ff. – Entschärfung 145 – Entwicklung 135 ff. – Funktionale Zuordnung 160 f. – Funktionsweise 137 f. – Grundfälle 143 f.

– Kritik 134 f. – Persönlicher Anwendungsbereich 142 f. – Treaty override 138 – Verschärfung 138 ff. – Zeitlicher Anwendungsbereich 145 f. § 97 Abs. 1b BewG 86 § 117 AO – Amtshilfe 538; s. auch Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen, Amtshilfe § 138a AO-E 418 § 141 AO – Buchführungspflicht 89 § 153 AO 603 § 165 Abs. 1 AO – Vorläufigkeitsvermerk 4 § 165 Abs. 1 Satz 2 AO – Vorläufigkeitsgrund 5 § 218 Abs. 2 AO – Anrechnungsbescheid 8 § 371 AO 603 Abfärbung – Besonderheit bei Freiberuflern 43; s. auch § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG – Halten einer gewerblichen Beteiligung 44 ff.; s. auch § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG Abkommensmissbrauch – Doppelte Nichtbesteuerung 386 – LOB Rules 386 – Multilaterales Instrument 386 – Principle Purpose Test 386 f. – Wertschöpfung als Anknüpfungspunkt 414 Abschlagszahlungen – Erweiterte Anwendung 290; s. auch Bilanzsteuerrecht, Realisationsprinzip bei Abschlagszahlungen Abschmelzmodell 94 Abschreibung in Ergänzungsbilanz 57 Aktionsplan – BEPS 361

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Stichwortverzeichnis Aktive Anwesenheit – Zusammenfassung 560; s. auch Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen, Aktive Anwesenheit AmtshilfeRLUmsG 242 Anpassungsgesetzentwurf zum Erbschaftsteuer- und SchenkungsteuerG – Abschmelzmodell 94 – Hauptzweckansatz 92 f. – Lohnsummentest 92 – Satzungstest 94 f. – Vereinfachte Bewertung, § 199 ff. BewG 95 – Verschonungsbedarf 93 f. Antragsgebundene Steuerermäßigung 515 Anwendungsvorrang 444 Art. 148 Buchst. a MwStSystRL 468 Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV 443 Art. 26 OECD-MA – Informationsaustausch zwischen Vertragsstaaten 543 ff.; s. auch Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen – Zustimmungsgesetz 545; s. auch Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen Art. 6 Abs. 1 MA-InfAust 540 Art. 6 Abs. 1 OECD-MA – Informationsaustausch in Steuersachen 540 f.; s. auch Steuerprüfung im Ausland Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA – Betriebsstätte 208 f. Art. 9 Abs. 2 Amtshilfeübereinkommen 552 Art. 9 OECD-MA – Sperrwirkung 331 ff. Atypisch stille Gesellschaft – Gewinnverteilung 50 ff. – GmbH & atypisch Still 53 – Verdeckte Gewinnausschüttung 52 f.

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Ausländische Betriebsstättenverluste – Symmetriethese 346; s. auch Internationales Steuerrecht, Verlustberücksichtigung bei ausländischer Betriebsstätte Ausländische Verluste 342 ff. Außerbetrieblich veranlasstes Darlehen 55 f. Automatischer Informationsaustausch – Amtshilferichtlinie 91 – Informationen über Finanzbeziehungen 90 f. Begünstigtes Vermögen 234 Begünstigungsfähigkeit Holdinggesellschaft 248 BEPS – Aggressive Steuerplanung 100 – Betriebsstättenbegriff 100, 366 f. – Country-by-Country Reporting 368 – Digitale Betriebsstätte 365 – Digitale Wirtschaft 365 f. – Eigen- und Fremdkapitaldefinition 371 – Group ratio rule 370 – Hintergrund und Ziele 363 f. – Hinzurechnungsbesteuerung 366 – Hybride Gestaltungen 99 – Measuring and Monitoring 367 – Offenlegungspflichten 367 – Schädlicher Steuerwettbewerb 99 f. – Status und Folgemaßnahmen 369 ff. – Übersicht der Aktionspunkte 364 ff. – Verbindlicher Mindeststeuersatz 371 – Verbindlichkeitsgrad 368 f. – Verrechnungspreisdokumentation 100 f. BEPS-Maßnahmen – Country-by-Country Reporting 418 f. – Datenschutz 419 – Neutralisierung hybrider Instrumente 409

Stichwortverzeichnis – Offenlegungsvorschriften 417 f. – Verrechnungspreis-Dokumentation 418 f. BEPS-Umsetzung – Besteuerung am Ort der Wertschöpfung 404 f. – Grenzüberschreitender Verlustausgleich 406 – Implementierung GKKB 405 – Koordinierungsinstrumente 408 – Maßnahmen der Kommission 402 ff. – Multilaterales Instrument 401; s. auch Multilaterales Instrument, Rahmenabkommen – Neuauflage GKKB 403 f. – Neufassung Betriebsstättendefinition 404 – Soft law 400 – Steuertransparenz 407 f. – Streitbeilegungsmechanismen 406 – Subject-to-tax-Klausel 405 – Unionsrecht 401 – Zins- und Lizensrichtlinie 404 Berichtigung nach § 153 AO 603 – Unterlassen 606 Besondere Beratungsrisiken – Halbeinkünfteverfahren 491 – Streubesitzdividenden 491 – Veräußerungsgewinnbesteuerung für Streubesitzanteile 491 ff. Betriebliche Veranlassung 54 Betriebsvermögen 200 f. Betriebsvorrichtung 86 Bewertungsverfahren – Pensionszusagen 276 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – Ausschüttungssperre, § 272 Abs. 5 HGB 323 – Diskontierungszinssatz gem. § 253 Abs. 2 Satz 1HGB 323 – Konkretisierung der Erleichterungsvorschriften, § 264 Abs. 3 HGB 323 – Neudefinition der Umsatzerlöse, § 277 Abs. 1 HGB 323 – Unternehmenswahlrecht 323

Bilanzsteuerrecht – Bilanzielle Abbildung von Gutscheinen 269 ff. – Maßgeblichkeitsgrundsatz 255 f. – Mehrkomponentengeschäft 327 – Mitunternehmerschaftsbesteuerung 326 f. – Passivierungsvoraussetzungen 256 ff. – Rangrücktrittsvereinbarung 313 ff. – Realisationsprinzip bei Abschlagszahlungen 296 ff. – Rückstellungen bei Passivprozessen 263 ff. – Rückstellungen für Prüfungskosten 261 ff. – Rückstellungslegitimation 259 f. – Teilwertzuschreibungen 327 – Vermarktungskostenzuschuss als partiarisches Darlehen 309 ff. Buchwerttransfer 70 Bürokratieentlastungsgesetz – Anhebung der Größengrenzen, § 241a HGB und § 141 AO 324 – Erhöhung der Pauschalierungsgrenze für kurzfristig Beschäftigte 90 – Faktorverfahren bei Zusammenveranlagten 90 – Grenzen der Buchführungspflicht, § 141 AO 89 – Herstellungskosten-Untergrenze 324 Cash Box Gesellschaften 391 Country-by-Country Reporting 96 Darlegungs- und Feststellungslast 451 Darlehen an Personengesellschafter – Betriebliche Veranlassung 54 f. – Ertragsteuerliche Behandlung 55 ff. DBA-Freistellungs-Betriebsstätte 173 Dealing at arm’s length – Einkünftekorrektur 333 f.; s. auch Internationales Steuerrecht, Sperrwirkung, Art. 9 OECD-MA

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Stichwortverzeichnis Digitale Grundaufzeichnung – Manipulation 318 Direktzusagen 289 ff. Dodd-Frank Act 418 Eigenkapitalersatz 31 Einlagekonto – Direkter Zugriff 24 – Kapitalrückzahlung 28 – Rückwirkendes Ereignis, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 28 – Steuerbescheinigung 25 Elektro- oder Hybridelektrofahrzeug 78 EMAG Handel Eder 460 Entnahmeverbot 55 Entstrickungsregeln – Bewertungsvorschrift, § 6 Abs. 5 174 f. – Deutsche Rechtsprechung 181 f. – Ergänzung des § 6 Abs. 5 EStG 178 f. – Europäische Rechtsprechung 199 ff. – Geschäftsleitende Holding 208 ff. – Grundtatbestände, § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG u. § 12 Abs. 1 KStG 176 – Konsequenzen für den Mittelstand, § 6b EStG 205 f. – Korrektur 183 ff. – Regelbeispiele 177 – Stundungsmöglichkeiten 189 ff. – Theorie der finalen Entnahme 173 – Verdopplung stiller Reserven 192 ff. Ergänzungsbilanz – Abschreibung bei Erwerb eines Mitunternehmeranteils 57 f. – Anschaffung eines Vermögensgegenstandes 57 – Unterschiedliche Abschreibung zur Gesamthandsbilanz 59 ff. Euro Tyre Holding 460 f. Fast Bunkering Klaipèda 467 ff. FATCA-Abkommen 90 Fiktive gewerbliche Einkünfte 36

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Finale Verluste – Freistellungsmethode 102 f. Fiscalis-Prüfungen 568 Formalanforderungen innergemeinschaftlicher Lieferungen – Belegnachweise 427 – Verzicht auf Belegnachweis 428 ff. Fortgeschriebener Verwaltungsvermögensbegriff 239 Forum on Tax Administration 534 Funktionale Zuordnung – Authorized OECD-Approach 162 ff. – Beteiligung 161 ff.; s. auch § 50i EStG – Holding als Betriebsstätte 165 ff. – Tatsächlich-funktionale Betrachtungsweise 161 f. – Tatsächliche Betrachtungsweise 161 Gebrochene Einheitstheorie – Getrennte Gewerbeertragsermittlung 16 Gegenkorrektur 32 Geringfügigkeitsgrenze 44 Gesamtplan – Buchwerttransfer 70 – Tarifvergünstigung nach § 34 EStG 62 – Teleologisches Auslegungskriterium 61 – Unentgeltliche Übertragung von Sachgesamtheiten 72 – Zeitraumbezogene Merkmale 70 Gesamtplanbetrachtung – Ablehnung bei § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG oder § 24 UmwStG 70; s. auch Gesamtplan, Zeitraumbezogene Merkmale Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens – Referentenentwurf des BMF 96 f. Gewerbesteuerrechtliche Organgesellschaft – Inländische Betriebsstätte 12

Stichwortverzeichnis Gewinnminderung – Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen 18; s. auch Teilwertabschreibung Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen – Aktive Anwesenheit 557 ff. – Amtshilfe 538 – Antragsrecht des Steuerpflichtigen 580 ff. – Ausgangssituation 535 ff. – Auskunftsersuchen 547 – Erhöhte Mitwirkungspflichten 536 – Formelle Territorialität 535 – Grundsatz der Gegenseitigkeit 549 – Horizontal monitoring 582 – Informationelle Selbstbestimmung 545 – Joint Audit 569 ff. – Materielle Universalitätsprinzip 535 – Multilaterale Betriebsprüfung 536 – Multilaterale Prüfungen 568 ff. – Passive Anwesenheit 546 ff. – Problempunkte und aktuelle Entwicklungen 581 – Rechte des Steuerpflichtigen 576 ff. – Simultanprüfungen 561 – Subsidiaritätsprinzip 539 – Tax Information Exchange Agreement 542 – Übereinkommen gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen 550 f. – Untersuchungsgrundsatz 535 – wirtschaftlichen Doppelbesteuerung 537 – Zwischenstaatlicher Informationsaustausch 538 f. Grundsteuer – Verfassungskonforme Neubewertung 102 Gutgläubigkeit – Fallgruppen 434 ff.; s. auch Vorsteuerabzug, Guter Glaube

– Zweistufigkeit des Verfahrens 438 f.; s. auch Vorsteuerabzug, Guter Glaube Hauptzweckansatz 239 Hinzurechnungsbesteuerung – Hinzurechnungspflichtige Einkünfte 412 Hybride Gestaltungen – Deduction/No Inclusion-Ergebnis 373; s. auch BEPS – Defensive rule 375; s. auch BEPS – Double Deduction-Ergebnis 373; s. auch BEPS – Korrespondenzregeln 374; s. auch BEPS – Tracing and priority rules 378; s. auch BEPS Immaterielle Wirtschaftsgüter – Hard-to-value Intangibles 415; s. auch Verrechnungspreise Internationales Steuerrecht – Aufteilung von Gemeinkosten 345 f. – Berücksichtigung ausländischer Verluste 342 ff. – Bindungswirkung Konsultationsvereinbarung 340 f. – Finale Verluste 344 – Fremdvergleichs-Escape 336 – Gewerbesteuerrechtliche Gewinnkürzung bei AStG-Hinzurechnungsbetrag 348 f. – Grenzüberschreitende Anrechnung KSt 357 ff. – Konzernrückhalt 335 f. – Nachträgliche Erträge 345 – Schachtelprivileg im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis 352 ff. – Schachtelstrafe 352 – Sperrwirkung, Art. 9 OECD-MA 331 f. – Spezielle Missbrauchsvermeidungsnorm, § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG 335

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Stichwortverzeichnis – Statischer Auslegungsmodus 342 – Verlustberücksichtigung bei ausländischer Betriebsstätte 346 ff. – Verständigungsvereinbarung 340 f.; s. auch Internationales Steuerrecht, Bindungswirkung Konsultationsvereinbarung Investmentbesteuerung – Besteuerung von Publikumsfonds 97 – Business Angels und Start-up-Unternehmen 98 – Steuerpflicht bei Streubesitzbeteiligungen 97 f. Investmentsteuerrecht – Administrative Mehrbelastung 520 – Aggressive Steuergestaltung 521 – Anleger Besteuerung 526 f. – Basisertrag 527 – Besteuerung Publikums-Investmentfonds 523 ff. – Cum-Ex-Gestaltungen 521 – Ermittlung der Einkünfte 525 – Gesetzesanlass 519 f. – Inkrafttreten 531 – Investmentfonds 520 – Kapitalertragsteuer 526 – Kopplungsgeschäfte 521 – Rückwirkende Fehlerkorrektur 521 – Spezial-Investmentfonds 530 f. – Umgehung Dividendenbesteuerung 521 – Vorabpauschalen 527 – Zielsetzung der Neuregelung 520 f. InvStRefG-E 520 Joint Audit – Definition 569 f. – Grundsätze 569; s. auch Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen, Joint Audit – Hauptziele 572 f. – Sicht Deutschlands 573 f. – Übersicht 574 JStG 2007 45

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Komplementär-GmbH 47 Konsultationsvereinbarung – Bindungswirkung 340 Konzernklausel – Abwärtsverschmelzung 111 f. – Anwendungsbereich 109 f. – Aufwärtsverschmelzung 114 – Begriffsbestimmungen 110 – Erhalt der Verlustvorträge, § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG 109 – Neuregelung 111 f. – Sanierungsklausel, § 8c Abs. 1a KStG 108 f. – Stille-Reserven-Klausel, § 8c Abs. 1 Satz 6 ff. KStG 108 – Zeitliche Anwendung 120 f. Koordinierungsinstrumente – Code of Conduct 408; s. auch BEPS-Umsetzung, Koordinierungsinstrumente – Joint audits 408; s. auch BEPSUmsetzung, Koordinierungsinstrumente Leistung von Sondervergütungen 52 Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikofinanzierungen 514 Lieferortfiktionen 456 Lifo-Methode – Bewertung, § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG 326 – BMF-Schreiben 326 Liquiditätsüberschuss 29 Lizenzschranke 413 Lohnsummenregelung 228 Mangelnde USt-IdNr. – Beleg und Buchnachweise 476 – Formelle Nachweisführung 475 f.; s. auch Reihengeschäft – Materielle Tatbestandsvoraussetzung 475 f.; s. auch Reihengeschäft Medienfondbesteuerung 309

Stichwortverzeichnis Meilicke I – Gleichbehandlung in OutboundSituationen 6 Meilicke II – Gleiche Erfordernisse wie im Inlandsfall 6 Mischfonds – § 2 Abs. 7 InvStG-E 528 Model Legislation related to CbCR 419 Multilateral Competent Authority Agreement on the Exchange of CbCR 419 Multilaterale Prüfungen – Programm zur Verbesserung der Zusammenarbeit EU-Mitgliedstaaten 568; s. auch Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen, Multilaterale Prüfungen Multilaterales Instrument – Individuelle Änderungsprotokolle 397 – Opts in/ Opts out 397 – Rahmenabkommen 396 Mutter-Tochter-Richtlinie 402 Mutual Agreement Procedures 395 Nachholverbot – Abschaffung des Passivierungswahlrechts 277 Niedrigzinsumfeld 279 f. OECD Transfer Pricing Guideline 389 Ordnungsmäßigkeit der Buchführung – Hinzuschätzungen nach Zeitreihenvergleich 317 f. Organschaftsbesteuerung – Hinzurechnungsversagung 15 Passive Anwesenheit – Zusammenfassung 556; s. auch Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen, Passive Anwesenheit Passivposten 32

Pensionsrückstellung – Ausschüttungsbemessungsfunktion der Handelsbilanz 280; s. auch § 6a EStG – Berechnungsgrundlagen 286 ff.; s. auch § 6a EStG – Flexibilisierung 288 ff. – Rechnungszins s. auch Zinshöhe u. § 6a EStG – Senkung des Rechnungszinses 288 Pensionsverpflichtung – Realistische Bewertung 278; s. auch § 6a EStG Prinzip der Verwaltungsvereinfachung 529 Prinzip der Vorherigkeit 452 Privatvermögen 199 Rangrücktritt – Ausweisverbot, § 5 Abs. 2a EStG 29 – Bilanzierung 29 – Rechtsprechungskorrektur 314 f.; s. auch Bilanzsteuerrecht, Rangrücktrittsvereinbarung – Spezifizierter Rangrücktritt 29 f. – Verdeckte Einlage 31 f. Rangrücktrittsvereinbarung 30 Realisationsprinzip 296 ff. Rechte des Steuerpflichtigen – Anhörungspflicht, § 117 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 91 AO 577; s. auch Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen, Rechte des Steuerpflichtigen – Sonderregelung, § 12 Abs. 5 EUAHiG 577 Rechtssache Larentia + Minerva & Marenave 481 ff. Reihengeschäft – Ausgangssituation 456 f. – Besondere Lieferklauseln 459 – Eckpunkte Neuregelung 477 ff. – Einzelfallwürdigung im Massengeschäft 472 – Existenz Reihengeschäft 469 f. – Faktische Verfügungsmacht 471

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Stichwortverzeichnis – Feststellung Transportverantwortlichkeit 458 – Folgefragen 469 – Gebrochene Warenbewegung 459 f. – Gesetzliche Reaktionen 477 – Grenzüberschreitend 456 – Incoterms 472 – Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft 477 – Innergemeinschaftliches Reihengeschäft 458 f. – Kollisionsklausel 458 – Mangelnde USt-IdNr. 474 f. – Örtliche Betrachtung 460 f. – Rechtsprechungsentwicklung 460 ff. – Regelung zur Zuordnung Warenbewegung 477 – Sicherungsübereignung 470 f. – Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung 474 f. – Transportverantwortlichkeit ersten Unternehmers 467 – Transportverantwortlichkeit letzten Abnehmers 465 ff. – Transportverantwortlichkeit mittlerer Unternehmer 465 ff. – Übereinstimmende Behandlung Beteiligter 474 – Vorstufenbefreiung 467 – Zeitliche Betrachtung 461 – Zuordnung nach Verfügungsmacht 470 f. – Zuordnung Warenbewegung 458 Rückstellungen – Passivprozesse 263 ff. – Pensionsrückstellungen 277 ff. – Prüfungskosten 261 ff. Sachgesamtheit iSd. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 70 Satzungstest 94

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Schachtelprivileg im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis – Gebrochene und eingeschränkte Einheitstheorie 352; s. auch Internationales Steuerrecht Schädliche Steuerpraktiken – Bekämpfung von Präferenzregimen 385 f. – Modified Nexus Approach 385 – Patent Boxen 385 – Transparenzerhöhung, Auskunftsaustausch 385 f. Schädlicher Beteiligungserwerb 513 Schädlicher Steuerwettbewerb – Lizenzboxen 413 – Lizenzschranke 413 – Patentboxen 413 Schuldenverrechnung 243 Schwankungs- und Großrisikenrückstellung 81 Selbstanzeige 603 Simultanprüfung – Aggressive Steuerplanung 562 – Amtshilfeübereinkommen 565 f. – Art. 26 OECD-MA 563 ff. – Betriebsstättenfragen 562 – Doppelbesteuerung 562 – EU-Amtshilfegesetz 566 f. – EU-Amtshilferichtlinie 566 f. – Grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle 562 – Grundsätze 561 f.; s. auch Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen, Simultanprüfungen – Service- und Cost-Sharing Vereinbarungen 562 – Verrechnungspreisfragen 562 – Zusammenarbeitsverordnung 567 f. – Zusammenfassung 568 Sockelverschonung 250 Soft law 400 Sonderbetriebsvermögen II – Anteil an Komplementär-GmbH 48 ff. – Voraussetzungen 47

Stichwortverzeichnis Sonstige Gegenleistungen bei Einbringungen im UmwStG – Bisherige Rechtslage 123 f. – Gestaltungsfragen 129 ff. – Neuregelung 124 ff. Spezial-Investmentfonds – Transparenzoption 530; s. auch Investmentsteuerrecht Steueränderungsgesetz 2015 – Abzinsung für schwankende Schadensverläufe, § 20 KStG 81 – Änderung im mittelbaren Gesellschafterbestand, § 1 Abs. 2a GrEStG 84 f. – Ansparabschreibung 325 – Anteilsbewertung bei Kapitalgesellschaften, § 97 Abs. 1b BewG 86 – Begrenzung in Einbringungsfällen gem. §§ 20, 21, 24 UmwStG 82 ff. – Entnahmewertermittlung bei privater Nutzung von Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugen, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3 EStG 78 – Investitionsabzugs, § 7g EStG 80 – Investitionsabzugsbetrag, § 7g Abs. 1-4 AStG 325 – Konzernklausel, § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG 80 f. – Modifikation des § 6b EStG 325 – Rückstellungshöchstbetrag für Beitragsrückerstattungen bei Lebensversicherungsunternehmen, § 21 Abs. 2 KStG 81 f. – Steuerpflicht der öffentlichen Hand, § 2b UStG 87 ff. – Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen 86 f. – Unionsrechtsangepasste Fassung des § 6b EStG 79 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 174 Steuergeheimnis 419

Steuerprüfung im Ausland – Ermittlungshandlung auf fremden Hoheitsgebiet 540 f.; s. auch Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen Streitbeilegung – Mindeststandard 395 – Verständigungsverfahren 395 Streubesitz – Zeitliche Anwendung 516 f. Tarifbegünstigung – Bei Aufgabe eines Betriebs 67 f. – Bei Gewinn aus Veräußerung eines Teilmitunternehmeranteils, § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG 66 – Teilentgeltliche Übertragung 65; s. auch Gesamtplan, Tarifvergünstigung nach § 34 EStG – Veräußerung von Teilanteilen an einer Personengesellschaft 66 Tarifvergünstigung, § 34 EStG 62 Tax Information Exchange Model Agreement 540 Teilwertabschreibung – Dealing at arm’s length 20 – Einkünftekorrektur über § 1 Abs. 1 AStG 19 – Fremdüblichkeit 19; s. auch Gewinnminderung – Konzernrückhalt 21 f. – Nationale Bewertungsvorschriften 19 Transparenzpaket 403 Übereinkommen gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen – Anwendungszeitraum 554 – Auskunftsersuchen 552; s. auch Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen – EU-Amtshilfegesetz 553 – EU-Amtshilferichtlinie 553 Ultimative Konzernobergesellschaft 419

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Stichwortverzeichnis Umsatzsteuerrecht – Formvoraussetzungen des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs 426 f. – Italmoda 439 ff. – Missbrauchsvermeidung 439 ff.; s. auch Vorsteuerabzug, Guter Glaube – Reihengeschäft 446 ff. – Umsetzungsbefehl Italmoda 443 f. Umsetzung Country-by-Country Reporting – Master/ Local file 420 f. – Model Legislation related to CbCR 419 – Multilateral Competent Authority Agreement on the Exchange of CbCR 419 f. Umwandlungsbeschluss 513 UmwStG – Redaktionelle Anpassungen 513 ff. Unangemessene Gewinnverteilung 50 Ungebundene Rückstellungen 81 Unternehmenserbschaftsteuerrecht – Abgrenzung des begünstigungsfähigen Vermögens 242 f. – Abschmelzungsmodell 249 f. – Begünstigungsfähigkeit von Holdinggesellschaften 248 f. – Betriebsaufspaltung 246 – Entwurf Anpassungsgesetz zum ErbStG 230 ff. – Fortgeschriebener Verwaltungsvermögensbegriff 241 f. – Gestaltungsmöglichkeiten 229 – Großerwerbe 249 – Hauptzweckansatz 239 – Individuelle Bedürfnisprüfung 250 f. – Lohnsummenregelung 228 f. – Satzungstest 246 f. – Schuldenverrechnung 243 ff. – Verschonung 229 – Verschonungsregelungen, § 13a und § 13b i.V.m. § 19 ErbStG 227 f. – Verwaltungsvermögen 229 f.

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Van Caster und van Caster 521 Veräußerungsgewinne bei Streubesitz – Ermittlung des Veräußerungsgewinns 505 ff.; s. auch § 8b Abs. 4 KStG – Gewinnminderungen 509 ff.; s. auch § 8b Abs. 4 KStG Verbindliche Offenlegungsvorschriften 417 f. Verbringens-/ Gelangensbestätigung – Guter Glaube 428; s. auch Formalanforderungen innergemeinschaftlicher Lieferungen, Belegnachweise Verdopplung stiller Reserven 198 Vermarktungskostenzuschuss 309 – Medienfondsbesteuerung 309 ff.; s. auch Bilanzsteuerrecht, Vermarktungskostenzuschuss als partiarisches Darlehen Verrechnungspreise – Advanced Pricing Agreements 389 – Besondere Geschäftsvorfälle 415 f. – Cash Box Gesellschaften 391 – Drittvergleichsgrundsatz 387 f. – Finanzierungsfunktion 390 – Holistic Approach 390 f. – Immaterielle Wirtschaftsgüter 414 f. – Location Savings 388 – People Function 388 – Risiken und Kapital 415 – Risikoanalyse 416 – Streitbeilegungsmodus 389 Verschonungsabschlag 232 Verschonungsbedarfsprüfung 93; 233 Vertraulichkeit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen 419 Vervielfältigungstheorie 43 Verwaltungsverfahren – Peer review 421 – Verständigungs- und Schiedsverfahren 421 f.; s. auch Streitbeilegung

Stichwortverzeichnis Verzicht auf Belegnachweis – Grenze Verhältnismäßigkeitsprinzip 430 ff.; s. auch Formalanforderungen innergemeinschaftlicher Lieferungen Vorliegen einer Organschaft – Organisatorische Eingliederung 486; s. auch Vorsteuerabzug, Vorliegen einer Organschaft – Personelle Verflechtung 486; s. auch Vorsteuerabzug, Vorliegen einer Organschaft – Richtlinienkonforme Auslegung 485; s. auch Vorsteuerabzug, Vorliegen einer Organschaft – Starres Über-/ Unterordnungsverhältnis 486 f.; s. auch Vorsteuerabzug, Vorliegen einer Organschaft Vorsteuerabzug – BFH-Entscheidung Holding 484 f. – Führungsholding 482 f.; s. auch Vorsteueraufteilung, Quote Führungsholdung – Guter Glaube 432 ff. – Struktur 433 – Voraussetzungen 434 – Vorgaben EuGH bei Holding 482 ff. – Vorliegen einer Organschaft 485 f.; s. auch Vorsteueraufteilung, Organschaft Vorsteueraufteilung – Ausschluss Personengesellschaft 481 f. – Eingliederung im Unterordnungsverhältnis 482 – Organschaft 481 ff. – Quote Führungsholding 481

VSTR-Entscheidung 460 ff. Zeitnahe Betriebsprüfung – All in one-Konzept 589 ff. – Bilanzielle Risikovorsorge 592 – Erhöhter Insolvenzschutz 594 – Finanzverwaltungssicht 594 ff. – Heranprüfungszeitraum 596 – Herkömmliche Betriebsprüfung 587 f. – Minimierung von Rechtsrisiken 594 – Positivliste 595 – Rechtssicherheit 594 – Technische Abwicklung 597 – Unternehmenssicht 591 ff. – Verbesserungsinstrument 601 – Verfügbarkeit von Sachverhaltsinformationen 594 f. – Voraussetzungen 595 ff. – Vorbehalte 599 – Zwangs-AdV 588 Zeitreihenvergleich 317 Zins- und EBITDA-Vortrag 381 ff. Zinsabzug – Different group ratio rule 381 – Doppelbesteuerung 385 – Fixed ratio rule 380 – Group ratio rule 381 – Intragroup loans 379 – Third party debt 379 Zinshöhe – Rechnungszins 276 Zuordnung – Beteiligung 161 – Betriebsstätten 165 – Geschäftsleitende Holding 165

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