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German Pages 457 [448] Year 2005
Steuerberater-Jahrbuch 2004/2005
Steuerberater-Jahrbuch 2004/2005 zugleich Bericht über den 56. Fachkongress der Steuerberater Köln, 12. und 13. Oktober 2004
Herausgegeben im Auftrag des Fachinstituts der Steuerberater von
Prof. Dr. Norbert Herzig
Dipl.-Kfm. Manfred Günkel
Steuerberater u. Wirtschaftsprüfer
Steuerberater u. Wirtschaftsprüfer
Dr. Dr. Ursula Niemann Steuerberater
Zitierweise: Verfasser, StbJb. 2004/2005, Seite
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel.: 02 21/9 37 38-01, Fax: 02 21/9 37 38-9 43 e-mail: [email protected] www.otto-schmidt.de
ISSN 0081 - 5519 ISBN 3-504-62650-X
© 2005 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesamtherstellung: Bercker, Kevelaer Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Printed in Germany
Vorwort der Herausgeber Der Einladung des Fachinstituts der Steuerberater zum 56. Fachkongress am 12. und 13. Oktober 2004 sind wiederum zahlreiche Vertreter aus Beratungspraxis, Unternehmen, Finanzverwaltung. Gerichtsbarkeit und Wissenschaft in die Industrie- und Handelskammer zu Köln gefolgt. Die in diesem Band dokumentierten Beiträge enthalten die z. T. erheblich überarbeiteten Vorträge, die zu Leitthemen gebündelt worden sind. Das 1. Leitthema war notwendigen oder gerade umgesetzten Reformen gewidmet. Erörtert wurden der Reformbedarf im deutschen interrultionalen Steuerrecht, die gerade verabschiedeten Neuregelungen der Rentenbesteuerung sowie notwendige Reformen im Bereich der Steuerveranlagung. die sicherstellen, dass der Vollzug des Steuerrechts gewährleistet werden kann. Aus dem Bereich des interrultionalen Steuerrechts wurden- angestoßen durch die OECD-Diskussion- neue Aspekte zur Abgrenzung einer Betriebsstätte behandelt. Daneben standen Fragen der Wegzugsbesteuerung für natürliche und juristische Personen im Mittelpunkt des Interesses. Aus dem stets aktuellen Problemfeld der Besteuerung von Personengesellschaften wurden die Rechtsprechung zu§ 15a EStG erörtert, die Möglichkeit der steuerneutralen Realteilungen im Ertragsteuerrecht diskutiert und die Übertragung von Wirtschaftsgütern im Zusammenhang mit der Gesamtplanrechtsprechung behandelt. Die Pflege des Bilanzrechts und Bilanzsteuerrechts ist seit Jahren ein zentraler Bestandteil des Fachkongresses. In diesem Jahr stand die Modernisierung des Bilanzrechts und die Zukunft des Kapitalerhaltungsgrundsatzes im Vordergrund. Der Beitrag zum Tax Accounting beleuchtet einen Perspektivenwechsel, der für die Praxis in den kommenden Jahren von zentraler Bedeutung sein wird. Schließlich fand auch in diesem Jahr die Diskussion aktueller Problemfälle des Bilanzsteuerrechts wiederum große Resonanz. Aus dem Komplex der Besteuerung von Kapitalgesellschaften und Konzernen wurde in diesem Jahr die Rechtsprechung zur Kö~perschaftsteuer aus berufenem Munde vorgestellt und die notwendige Weiterentwicklung des europäischen Umwandlungsteuerrechts diskutiert. Neue Entwicklungen im Bereich der Umsatzsteuer und erste Erfahrungen mit der Steueramnestie beschlossen den Kongress, der auch in diesem Jahr wieder zu einem lebendigen Meinungsaustausch zwischen Praxis, Rechtsprechung, Finanzverwaltung und Wissenschaft geführt hat. V
Vorwort der Herausgeber
Der Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2004 wurde fr zwei herausragende Dissertationen verliehen, und zwar an Dipl.-Kff. Dr. Andrea Schmalz fr ihre Arbeit „Internationalisierung des Umwandlungsteuergesetzes“ und Dipl.-Kfm. Dr. Uwe Lochmann fr seine Arbeit „Besteuerung aktienkursorientierter Vergtungsinstrumente“. Beide Arbeiten wurden von Herrn Prof. Dr. Kessler in seiner Laudatio gewrdigt. Das Fachinstitut hofft, dass auch das diesjhrige Steuerberater-Jahrbuch wiederum als Arbeitshilfe und Ideenspender fr Praxis und Wissenschaft dient. Kln, im August 2005 Norbert Herzig
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Ursula Niemann
Manfred Gnkel
Inhaltsverzeichnis*1 Seite Vorwort der Herausgeber
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Professor Dr. Wolfgang Kessler Steuerberater, Albert-Ludwigs-Universitt, Freiburg i. Br. Verleihung des „Gerhard-Thoma-Ehrenpreises 2004“ des Fachinstituts der Steuerberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Laudatio Dr. Andrea Schmalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Laudatio Dr. Uwe Lochmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Leitthema: Reformen im Steuerrecht Professor Dr. Franz Wassermeyer Vors. Richter am Bundesfinanzhof, Mnchen Reformbedarf im deutschen internationalen Steuerrecht I. Einfhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Quellensteuereinbehalt nach § 50a EStG . . . . . . III. Auslandsverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Betriebsstttengewinnermittlung . . . . . . . . . . . V. Internationale Umwandlungen . . . . . . . . . . . . VI. Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . VII. Wegzugsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Neuregelung der Rentenbesteuerung I. Einfhrung: Steuersystem, Altersvorsorge und Rentenbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Gesetzesentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Professor Dr. Peter Bareis Universitt Hohenheim, Stuttgart
* Ausfhrliche Inhaltsbersicht zu Beginn der jeweiligen Beitge.
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Inhaltsverzeichnis
III. „Endstufe“ der steuerlichen Behandlung der Altersvorsorge nach dem Vorschlag der Sachverstndigen-Kommission . . IV. Die gesetzliche Regelung fr die „Endstufe“ . . . . . . . . . V. bergangsphase: „Kohortenmodell“ der Kommission . . . VI. Fiskalische Auswirkungen und Sicherung der Besteuerung VII. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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35 39 42 50 51
Reform der Steuerveranlagung I. Periodische Bewltigung von Verfahrensmassen als Vollzugsrealitt und realittsfremde „100%-Doktrin“ . . . . . . . . . . II. Wandel vom hoheitlichen zum kooperativen Staat . . . . . . III. Effizienzgewinn durch Einfhrung einer Selbstveranlagung . IV. Risikomanagement zur Sicherung der Gesetz- und Gleichmßigkeit der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ausbau der Service-Leistungen der Finanzverwaltung . . . . .
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Aktuelle Tendenzen der OECD-Arbeiten zur Betriebssttte, insbesondere bei Vertretern und Dienstleistungen I. berblick: Hauptforen und ihre derzeitigen Arbeitsschwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Professor Dr. Roman Seer Ruhr-Universitt Bochum
2. Leitthema: Internationale Besteuerung Dr. Maximilian Grl Rechtsanwalt, Mnchen Aktuelle Aspekte des Betriebsstttenbegriffs unter besonderer Bercksichtigung der Prsenzanforderungen I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung des Betriebsstttenbegriffs . . . . . . . . . . . . III. Prsenzanforderungen des Betriebsstttenbegriffs . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Michael Wichmann Bundesministerium der Finanzen, Berlin
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Inhaltsverzeichnis
II. Wichtigste nderungen durch die Revision 2003 . . . . . III. Geplante Revision 2005: Reaktion auf „Philipp Morris“ IV. Revision 2006 und laufende Arbeiten . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Professor Dr. Jrg Manfred Mssner Universitt Osnabrck Wegzugsbesteuerung I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einkommensbegriff und Vermgenswertsteigerungen III. Realisation als Element des Einkommensbegriffs . . IV. Entstrickungstheorie und Territorialittsprinzip . . . V. Binnenmarkt und Territorialittsprinzip . . . . . . . . VI. Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . VII. Auswirkungen auf das deutsche Steuerrecht . . . . . VIII. Gemeinschaftskonforme Lsungsmglichkeiten . . .
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Hermann Bernwart Brandenberg Leitender Ministerialrat, Finanzministerium NRW, Dsseldorf Wegzugsbesteuerung, § 6 AStG I. Gemeinschaftsrechtliche Zulssigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Konsequenzen der EuGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 161
3. Leitthema: Besteuerung von Personengesellschaften Dr. Roland Wacker Richter am Bundesfinanzhof, Mnchen Aktuelle Rechtsprechng des BFH zu § 15a EStG I. berblick ber die Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verlustdeckungszusage als Einlage? . . . . . . . . . . . . . . . III. Wechsel des Komplementrs in die Kommanditistenstellung IV. Wechsel des Kommanditisten in die Komplementrstellung . V. „Vorgezogene Einlagen“ und § 15a EStG – BFH-Urteil vom 14. 10. 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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169 171 175 178
. 184 . 199 IX
Inhaltsverzeichnis
Werner Seitz Ministerialrat, Finanzministerium Baden-Wrttemberg, Stuttgart Realteilung von Personengesellschaften im Ertragsteuerrecht I. Rechtsgrundlagen der Realteilung . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff der Realteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Voraussetzung der steuerneutralen Realteilung . . . . . . . IV. Realteilung mit Spitzenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . V. Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Krperschaftsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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202 205 211 219 221 224
Professor Dr. Guido Frster Steuerberater, Dsseldorf bertragung von Wirtschaftsgtern und Gesamtplanrechtsprechung I. Problemflle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundlagen der Gesamtplanrechtsprechung . . . . . . . . . . III. Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung auf die Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Leitthema: Bilanzrecht und Bilanzsteuerrecht Professor Dr. Joachim Hennrichs Universitt zu Kln Modernisierung des Bilanzrechts und Zukunft des Kapitalerhaltungsgrundsatzes I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Modernisierung des Bilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bilanzrecht und Gesellschaftsrecht: Haftungsprivileg – Kapitalschutz – Bilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Reform des HGB-Bilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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257 259 260 270 273
Inhaltsverzeichnis
Dr. Michael Krner Steuerberater, Frankfurt a. M. Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel I. Anlsse und Hintergrnde fr den Perspektivenwechsel II. Die drei Kernelemente der Neuorientierung . . . . . . . III. Tax Accounting als Basis fr Tax Management . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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275 278 287 294
Dipl.-Kfm. Manfred Gnkel Wirtschaftsprfer und Steuerberater, Dsseldorf Ausgewhlte Probleme zum Bilanzsteuerrecht I. Ansatz- und Bewertungsfragen bei Sozialplanrckstellungen . . II. Reichweite des sog. Nachholverbotes fr Pensionsrckstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rckstellung fr ffentlich-rechtliche Verpflichtung bei Entsorgungsverpflichtungen (Umweltschutz) . . . . . . . . . . . . . IV. Aktivierung von Beratungskosten/innerbetrieblichen Leistungen bei Einfhrung neuer Software . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rckstellungen fr aufschiebend bedingte sog. „RetentionBonus-Regelungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rckstellung fr Mietgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . . .
296 303 309 311 315 319
5. Leitthema: Kapitalgesellschaften und Konzerne Dr. Dietmar Gosch Vors. Richter am Bundesfinanzhof, Mnchen Neue Rechtsprechung zur Krperschaftsteuer mit Schwerpunkt Organschaft I. Einschaltung von Zwischengesellschaften im Ausland und Gestaltungsmissbrauch – erste steuerliche Folgeentscheidung des BFH zum EuGH-Urteil „Inspire Art“ . . . . . . . . . . . . . 325 II. Aktuelles zu Organschaftsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 III. Verfahrensrechtliche Verknpfungen beim Verlustabzug, im Organkreis und bei der rckwirkenden Krperschaftsteueranrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
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Inhaltsverzeichnis
Dr. Andreas Schumacher Steuerberater, Bonn Weiterentwicklung des europischen Umwandlungssteuerrechts I. Einleitung, Stand der Umsetzung der Fusionsrichtlinie . . . . II. Handlungsbedarf: Europische Aktiengesellschaft . . . . . . . III. nderung der Fusionsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einfluss des primren Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . .
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351 352 363 366
6. Leitthema: Umsatzsteuer und Steueramnestie Werner Widmann Ministerialdirigent, Mainz Neue Entwicklungen im Bereich der Umsatzsteuer I. Neues aus Brssel: Wichtige EU-Mehrwertsteuer-Richtlinien . II. Der Europische Gerichtshof als verbindlicher Interpret der Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Maßnahmen des deutschen Gesetzgebers zur UmsatzsteuerBetrugsbekmpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Notwendige nderungen am Mehrwertsteuersystem: Aktuelle Vorschlge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
372 376 383 391
Professor Dr. Detlev J. Piltz Rechtsanwalt, Bonn Erfahrungen mit der Steueramnestie I. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . III. Erfahrungen der Finanzverwaltung . . IV. Erfahrungen der Steuerpflichtigen und V. Erfahrungen der Berater . . . . . . . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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395 397 399 400 416 419
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421
XII
Verleihung des „Gerhard-Thoma-Ehrenpreises 2004“ des Fachinstituts der Steuerberater Professor Dr. Wolfgang Kessler Steuerberater, Albert-Ludwigs-Universitt, Freiburg i. Br.
Im Jahr 2003 hat das Fachinstitut der Steuerberater an dieser Stelle mit Herrn Prof. Dr. Jochen Thiel das bisherige Gesamtschaffen einer Persnlichkeit gewrdigt, die sich als Vertreter der Finanzverwaltung, Wissenschaftler und Lehrender in ganz besonderem Maße um das Steuerrecht verdient gemacht hat. Mit der Verleihung des Gerhard-Thoma-Ehrenpreises 2004 will das Fachinstitut wieder den steuerwissenschaftlichen Nachwuchs ehren und frdern. Erfreulicherweise war die Zahl der in Betracht kommenden Arbeiten in diesem Jahr besonders groß. Um der Vielzahl qualitativ hochwertiger Arbeiten Rechnung zu tragen und die Qual der Wahl in vertretbaren Grenzen zu halten, haben sich die Mitglieder des Fachinstituts dazu entschlossen, den Ehrenpreis zu gleichen Teilen an zwei Nachwuchswissenschaftler zu vergeben. Trger des Gerhard-Thoma-Ehrenpreises 2004 sind: Fr. Dipl.-Kff. Dr. Andrea Schmalz mit ihrer Arbeit „Internationalisierung des Umwandlungssteuergesetzes“ und Herr Dipl.-Kfm. Dr. Uwe Lochmann mit seiner Arbeit „Besteuerung aktienkursorientierter Vergtungsinstrumente“ Als Vorsitzender der Jury habe ich die angenehme Aufgabe, dem Kongress die Arbeiten und die Preistrger vorzustellen und anschließend die Urkunden zu berreichen. Beide Arbeiten beschftigen sich mit sehr komplexen, aktuellen und praxisrelevanten Fragestellungen und zeichnen sich durch die Ableitung berzeugender, eigenstndiger Lsungsvorschlge aus. Beiden Verfassern ist es berdies sehr gut gelungen, das kaum noch berschaubare Schrifttum zu verarbeiten, in die Arbeit zu integrieren und fr die eigene Argumentation nutzbar zu machen. In der Ausrichtung unterscheiden sich die Arbeiten durch die primr steuerpolitische bzw. die primr 1
Kessler, „Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2004“
auf die praktische Rechtsanwendung ausgerichtete Perspektive, ohne dabei jedoch den jeweils anderen Aspekt sowie die Konsequenzen fr die Steuergestaltung außer Acht zu lassen.
I. Laudatio Dr. Andrea Schmalz Die Monographie von Frau Dr. Andrea Schmalz entstand – und darber freue ich mich natrlich ganz besonders – als betriebswirtschaftliche Dissertation an meinem Lehrstuhl, dem Seminar fr Betriebswirtschaftslehre Abt. V (Betriebswirtschaftliche Steuerlehre) der Albert-Ludwigs-Universitt Freiburg i. Br. und ist soeben im IDW-Verlag, Dsseldorf erschienen. Die Arbeit wurde mit der Note „summa cum laude“ bewertete und umfasst 264 gehaltvolle Textseiten. Das Ziel der Arbeit von Frau Schmalz bestand darin, bergeordnete Prinzipien fr die Konzeption eines internationalisierten Umwandlungssteuergesetzes herauszuarbeiten und inhaltlich ausdifferenzierte Empfehlungen de lege ferenda abzuleiten. Voraussetzung hierfr war zunchst eine Bestandsaufnahme der wesentlichen Fallkonstellationen, in denen nach geltendem Umwandlungssteuergesetz im grenzberschreitenden Fall eine (Zwangs-)Realisierung stiller Reserven auf Gesellschafts- und/oder Gesellschafterebene droht. Interessant ist dabei, dass das Umwandlungssteuergesetz nicht durchgngig eine Steuerentstrickung vorsieht, sondern hinsichtlich des bergehenden Vermgens lediglich im dritten Teil in § 11 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG und bezglich der als Gegenleistung gewhrten (einbringunsgeborenen) Anteile im achten Teil (§§ 20 Abs. 3 und 23 Abs. 4 UmwStG)1, whrend z. B. fr die Einbringung in eine Mitunternehmerschaft nach § 24 UmwStG weder fr die bernehmende Gesellschaft noch den einbringenden Gesellschafter eine territoriale Begrenzung gilt. Die aus der Analyse des geltenden Umwandlungssteuergesetzes gewonnenen Erkenntnisse wurden im nchsten Schritt mit den Vorgaben des EG-Rechts konfrontiert. Nach der Rechtsprechung des EuGH fordert das primre Gemeinschaftsrecht eine doppelte Gleichbehandlung: Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit verhindern eine nicht gerechtfertigte Beschrnkung sowohl von EU-Auslndern mit Inlandsaktivitten als auch von Inlndern mit Aktivitten im EU-Ausland. Fr grenz1 § 21 UmwStG dient dagegen (primr) nicht der Entstrickung, sondern der Missbrauchsabwehr.
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Kessler, „Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2004“
berschreitende Umstrukturierungsflle hat der EuGH diese Grundstze in der Rechtssache X und Y und de Lasteyrie du Saillant konkretisiert. Darber welche Konsequenzen sich hieraus fr den Wegzug von Unternehmen ergeben, wird derzeit im Fachschrifttum und sicher auch heute Nachmittag hier auf dem Podium intensiv und kontrovers diskutiert. Die Arbeit von Fr. Dr. Schmalz kommt daher genau zum richtigen Zeitpunkt, denn sie zeigt Ansatzpunkte fr eine gemeinschaftsrechtskonforme Internationalisierung des Umwandlungssteuergesetzes auf, die in den bislang vorliegenden Verffentlichungen nicht in dieser Schrfe und Tiefe errtert werden. Besonders hervorzuheben sind dabei drei Aspekte: – Grundlage fr die Internationalisierung ist die analoge Anwendung des innerstaatlich praktizierten Aufschubs der Besteuerung bis zur Realisation der stillen Reserven am Markt auf transnationale Umwandlungen innerhalb des EG-Binnenmarkts und (bei Gegenseitigkeit auch gegenber) Drittstaaten durch explizite Einbeziehung auslndischer Rechtstrger (§§ 3–19 UmwStG; § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG), beschrnkt steuerpflichtiger natrlicher Personen (§ 20 Abs. 3 UmwStG) und Personengesellschaften (§ 23 Abs. 1–3 UmwStG). Soweit das geltende Umwandlungssteuerrecht an die Gesamtrechtsnachfolge nach deutschem Zivilrecht anknpft, bedarf es einer ffnung fr gleichwertige Vorgnge des auslndischen Gesellschaftsrechts. – Die Verneinung einer Gewinnrealisierung im Umstrukturierungszeitpunkt ist ebenso wie im innerstaatlichen Fall zwingend an eine Sicherstellung der spteren Besteuerung der bertragenen stillen Reserven zu koppeln2. Steuersystematisch und rechtstechnisch kann dieses Ziel auf zwei unterschiedlichen Wegen erreicht werden: – Durch eine Vereinbarung zwischen Wegzugs- und Zuzugsstaat ber die Aufteilung des Besteuerungsrechts. Sichergestellt werden muss dabei zum einen, dass das innerstaatliche Besteuerungsrecht des Wegzugsstaats fr die bis zum Ansssigkeitswechsel entstandenen stillen Reserven bei spterer Realisierung im Zuzugsstaat nicht eingeschrnkt wird und zum anderen, dass die Wirtschaftsgter im Zuzugsstaat nicht mit ihren historischen Anschaffungskosten bewertet werden, sondern mit dem bei der steuerlichen Schlussbewertung im Wegzugsstaat angesetzten Wert. Verfahrensrechtlich setzt 2 Luckey, Steuerliche Gewinnrealisierung bei Umwandlung von Unternehmungen und bertragung einzelner Wirtschaftsgter, Wiesbaden 1977, zugleich Diss. Universitt Kln, S. 132.
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Kessler, „Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2004“
dies eine vorlufige Feststellung der Bemessungsgrundlagen im Wegzugsstaat voraus, weshalb ich diesen Ansatz hier als Feststellungskonzept bezeichnen mchte. Der am 21. 9. 2004 vom sterreichischen BMF vorgelegte Gesetzentwurf basiert im Wesentlichen auf diesem Konzept. – Alternativ hierzu knnte der Wegzugsstaat sein Besteuerungssubstrat auch ber spezialgesetzliche Entstrickungsklauseln zu schtzen versuchen. Dieser Ansatz hat zwar den Charme, dass er ohne Mitwirken anderer Staaten allein auf Grundlage des nationalen Rechts umgesetzt werden knnte (das geplante BMF-Schreiben zu § 6 AStG arbeitet denn auch mit dieser Technik); EG-rechtlich ist dieses Vorgehen jedoch sehr angreifbar, da die Entstehung der Steuerschuld – abweichend vom innerstaatlichen Recht – bereits an den Wegzug anknpft. Die daraus resultierende Ungleichbehandlung ließe sich zwar durch eine umfassende (zinslose) Stundung mildern; logisch nicht lsbare Probleme treten bei diesem Konzept aber sptestens dann auf, wenn das Wirtschaftsgut spter nicht mit Gewinn, sondern mit Verlust verußert wird oder der maßgebliche Steuersatz sich verndert. Es verwundert daher, dass in der aktuellen deutschen Literatur bislang mehrheitlich dieser Lsungsansatz diskutiert wird, der verfahrensrechtlich auf einer (vorlufigen) Festsetzung der Steuerschuld basiert (Festsetzungskonzept). Hinzu kommt, dass auch bei diesem Ansatz die Anknpfung der Bewertung im Zuzugsstaat an die Schlussbewertung im Wegzugsstaat EG- oder DBA-rechtlich flankiert werden muss. In der Arbeit von Frau Dr. Schmalz werden in diesem Zusammenhang die Vor- und Nachteile einer allgemeiner Entstrickungsklausel versus spezialgesetzlicher Regelungen ausfhrlich errtert. Die Verfasserin pldiert dabei sehr engagiert und berzeugend fr eine spezialgesetzliche Lsung, da allein diese der Komplexitt der betrachteten Entstrickungssachverhalte auf Gesellschafter- und Gesellschaftsebene Rechnung tragen kann. – Aus Sicht der betroffenen Steuerpflichtigen sollte „last but not least“ sichergestellt werden, dass der Steueraufschub nicht per Saldo zu einer definitiven Doppelbesteuerung oder Doppelbelastung fhrt. Im Zusammenwirken mit anderen auslndischen Steuerrechtsordnungen kann es zu derartigen Doppelbelastungen kommen, wenn die stillen Reserven in beiden Staaten steuerverstrickt sind und beispielsweise die Besteuerungszeitpunkte auseinander fallen, weil der Quellenstaat bereits im Zeitpunkt der Umstrukturierung und der Wohnsitzstaat 4
Kessler, „Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2004“
erst im Zeitpunkt der spteren Realisation besteuert. Um hier zumindest eine Anrechnung der auslndischen Steuer zu ermglichen, bedarf es eines (wirksamen und mglichst auch selektiven) Wahlrechts zur freiwilligen Wertaufstockung im Wohnsitzstaat. Durch das freiwillige Vorziehen der Besteuerung im Wohnsitzstaat knnte die Besteuerung in beiden Staaten synchronisiert werden und eine definitive Doppelbesteuerung vermieden oder zumindest gemildert werden. Vorbild fr ein derart umfassend internationalisiertes Umwandlungssteuergesetz knnte das sterreichische Umgrndungssteuergesetz sein, das bereits seit der ersten Fassung aus dem Jahr 1991 international ausgerichtet ist und seitdem mehrfach und ausdrcklich mit dem Ziel der „Internationalisierung“ fortentwickelt wurde. sterreich eignet sich aus deutscher Sicht auch deshalb als Referenz so gut, weil das Gesellschafts- und Steuerrecht beider Lnder im Kern noch immer große hnlichkeiten aufweist. Frau Dr. Schmalz hat das sterreichische Umgrndungssteuergesetz und dessen Entwicklung mit großer Akribie und kritischem Verstand analysiert und die dabei gewonnenen Erkenntnisse fr ihre Arbeit fruchtbar gemacht. Ziel dieses rechtsvergleichenden Ansatzes war es in erster Linie, aus den Erfahrungen der Nachbarn zu lernen und das Problembewusstsein fr Einzelfragen zu schrfen. Abgesehen davon, dass auch das sterreichische Umgrndungssteuergesetz in zentralen Punkten an die Rechtsprechung des EuGH angepasst werden muss, gibt der Blick ber den Tellerrand des deutschen Rechts vielfltige Anregungen zur konkreten Ausgestaltung des zuknftigen deutschen Rechts. Frau Dr. Schmalz wurde am 28. 1. 1969 in Lauterbach (Nordhessen) geboren, hat nach ihrem Studium an der Johann Wolfgang Goethe-Universitt in Frankfurt am Main in der gestaltenden Steuerberatung gearbeitet, legte 1998 die Steuerberaterprfung ab und hat in den Jahren 2000 und 2001 das Aufbaustudium „Internationales Steuerrecht“ an der Wirtschaftsuniversitt Wien absolviert und mit dem akademischen Grad eines LL. M. abgeschlossen. Seit September 2001 arbeitet Frau Schmalz in der Niederlassung Freiburg einer renommierten Wirtschaftsprfungsgesellschaft.
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Kessler, „Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2004“
II. Laudatio Dr. Uwe Lochmann Die 443 Textseiten umfassende Arbeit von Herrn Dr. Uwe Lochmann mit dem Titel „Besteuerung aktienkursorientierter Vergtungsinstrumente“ wurde im Wintersemester 2003/04 als betriebswirtschaftliche Dissertation an der Universitt zu Kln mit der Note „summa cum laude“ angenommen. Angeregt und betreut wurde die Arbeit von meinem verehrten akademischen Lehrer, Herrn Kollegen Herzig. Das Werk wurde im Dezember 2003 im IDW Verlag verffentlicht. Aktienkursorientierte Vergtungsinstrumente – wie Stock Options – sind in der Praxis nach wie vor weit verbreitet und werfen aus steuerlicher Sicht ausgesprochen grundlegende und komplexe Problemstellungen auf, deren Folgewirkungen zudem vielfach sehr weit reichen. Zu denken ist dabei nicht nur an die wohl am hufigsten diskutierte Frage nach dem Besteuerungszeitpunkt. Steuerliche Konsequenzen ergeben sich nmlich nicht nur bei dem begnstigten Mitarbeiter, sondern – regelmßig mit umgekehrtem Vorzeichen – auch bei seinem Arbeitgeber sowie ggf. bei den Altaktionren und anderen (verbundenen) Unternehmen (z. B. der Muttergesellschaft). Die Arbeit von Dr. Lochmann bezieht all diese Ebenen in die Untersuchung ein und unterscheidet sich bereits hierdurch deutlich von den bislang vorliegenden Monographien zu diesem Thema. Zudem beschrnkt sich die Arbeit keinesfalls auf die steuerliche Behandlung von Stock Options. Aufbauend auf einer sehr differenzierten und fundierten Analyse der konomischen Ziele, der Kosten, der Gestaltungselemente und der Gestaltungskriterien unterscheidet der Verfasser drei typische Fallgruppen, deren steuerlichen Behandlung prinzipielle Unterschiede aufweisen: – Vergtungsinstrumente, die auf einen verbilligten Erwerb von Aktien durch den Mitarbeiter gerichtet sind. Hierzu zhlen neben den klassischen Belegschaftsaktien auch die sog. Stock Options. – Vergtungsinstrumente, bei denen der Mitarbeiter die Aktien zum Marktpreis erwirbt und sogar Verfgungsbeschrnkungen fr eine bestimmte Zeit in Kauf nimmt, zum Ausgleich aber von aktientypischen Risiken, wie dem Kurs- oder Renditerisiko, freigestellt wird. Im Ergebnis nutzt der Mitarbeiter die Chancen der Aktienanlage (Kurssteigerungen, Dividenden) ohne Risiko eines Kursrckgangs oder einer Dividendenkrzung. – Vergtungsinstrumente, die nicht auf die bertragung von Aktien, sondern auf eine Barzahlung gerichtet sind, deren Hhe von der Kurs6
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entwicklung bzw. der Aktienrendite abhngig ist; sog. Phantom Shares oder Stock Appreciation Rights. Aufbauend auf dieser Falldifferenzierung untersucht die Arbeit in einem ersten Schritt die Besteuerung beim Mitarbeiter. Ausgangspunkt ist dabei eine sorgfltige Analyse der relevanten Einkunftstatbestnde des Einkommensteuergesetzes, ergnzt um erbschaft- und schenkungsteuerliche berlegungen. Bei Instrumenten mit verbilligtem Aktienerwerb fließt Arbeitslohn regelmßig im Zeitpunkt der Ausbung des Optionsrechts zu. Eine Anfangsbesteuerung kommt dagegen nach der berzeugenden Auffassung des Verfassers nur zum Zug, wenn auch ein Dritter einen eigenen Anspruch gegenber dem Stillhalter gelten machen kann und die Aktien fr die Mitarbeiter tatschlich verußerbar sind. Das von der Finanzverwaltung zugrunde gelegte Kriterium der abstrakten Handelbarkeit geht daher eindeutig zu weit. Fr beide Fallvarianten untersucht Dr. Lochmann zustzlich die der Optionsausbung vorgelagerte Phase des Aktienerwerbsrechts und die nachgelagerte Phase der Aktienhaltung und unterstreicht damit erneut seinen „ganzheitlichen“ Ansatz. Bei Vergtungsinstrumenten mit Aktienerwerb und Absicherung kommt es dagegen erst und nur dann zu steuerpflichtigem Arbeitslohn, wenn die Aktien zu einem ber dem aktuellen Brsenkurs liegenden Wert vom Arbeitgeber zurckgekauft werden (Endbesteuerung). Bei steigenden Aktienkursen ergeben sich fr den Mitarbeiter – abgesehen von Einknften aus der Dividende – i. d. R. keine weiteren steuerpflichtigen Einknfte, es sei denn, er wrde die Aktien vor Ablauf der Spekulationsfrist ber den Markt verußern. Barzahlungen des Arbeitgebers an den Mitarbeiter bei Vergtungsinstrumenten mit Barvergtung fließen erst mit der Erfllung als Arbeitslohn zu; da tatschlich verußerbare Differenzzahlungsrechte in der Praxis unblich sind, besteht insoweit kein Raum fr eine Anfangsbesteuerung. Aus wissenschaftlicher und noch mehr aus praktischer Sicht von besonderem Interesse sind die Ausfhrungen zu den steuerlichen Folgen auf Seiten des Arbeitgebers. Der Verfasser betritt damit wissenschaftliches Neuland, erarbeitet auf der Basis einer kritischen Auseinandersetzung mit der h. M. ein steuersystematisch berzeugendes und in sich geschlossenes Konzept fr die Besteuerung aktienkursorientierter Vergtungsinstrumente auf Seiten des Arbeitgebers. Sein umfassender Ansatz hilft ihm dabei, Schwachpunkte in der bisherigen Diskussion aufzudecken und zu berwinden, die bei einer rein punktuellen Betrachtung nicht sichtbar werden. Die zentrale Frage lautet, ob die Besteuerung eines Vorteils beim Arbeitnehmer mit einem entsprechenden Betriebs7
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ausgabenabzug bei der arbeitgebenden Gesellschaft korrespondiert. Die bisher h. M. verneint dies, wenn der Arbeitgeber seine Verpflichtung mit eigenen jungen Aktien aus einer Kapitalerhhung erfllt. Eine Einkommensminderung soll allenfalls in Betracht kommen, soweit der Arbeitgeber seine Verpflichtung mit eigenen alten Aktien erfllt und der Bezugskurs des Mitarbeiters unter dem Buchwert der Anteile liegt. Nach der bislang h. M. kommt es daher im Ergebnis auf Ebene des Arbeitgebers fr die einzelnen Gestaltungsvarianten zu sehr unterschiedlichen Konsequenzen. Aufbauend auf einer fundierten Analyse erarbeitet Dr. Lochmann ein grundlegend neues Konzept fr eine steuersystematisch berzeugende korrespondierende Besteuerung beim Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ausgangspunkt der berlegung ist, dass es bei der Ausgabe eigener junger Aktien nur dann zu eine Betriebsausgabe auf Ebene der Gesellschaft kommen kann, wenn zuvor eine Einlage in das Vermgen der Gesellschaft erfolgt, deren Gegenwert durch Ausgabe der Aktien unter dem Brsenkurs wieder verbraucht wird. Diese Einlagethese wird auch in der aktuellen Rechnungslegungsdebatte errtert. Noch nicht geklrt ist damit aber, ob diese Einlage von den Altaktionren oder von den begnstigten Arbeitnehmern als zuknftigen Aktionren geleistet wird. Der Verfasser lehnt eine Einlage der Altaktionre zu Recht ab und pldiert mit berzeugenden Argumenten fr eine Einlage durch die begnstigten Mitarbeiter. Wissenschaftlich ist dies einer der Hhepunkte der Arbeit, da es hier um nicht weniger als eine konsistente Fortentwicklung des Begriffs der verdeckten Einlage geht. Der Ansatz des Verfassers berzeugt auch vom Ergebnis her, da er zu einer korrespondierenden Behandlung bei Arbeitnehmer und Arbeitgeber fhrt. Herr Dr. Lochmann wurde am 31. 1. 1972 in Dessau (Sachsen-Anhalt) geboren, hat an der Universitt zu Kln Betriebswirtschaftslehre studiert und arbeitet seit 1998 als wissenschaftlicher Angestellter am Seminar fr Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre dieser Universitt. Im April 2004 wurde er zum Steuerberater bestellt. Beide Preistrger haben mit ihren Arbeiten bewiesen, dass sie in der Lage sind, ein wissenschaftlich anspruchsvolles und praktisch relevantes Thema mit Sachverstand, Scharfsinn, Kreativitt und Beharrlichkeit zu bearbeiten. Mit der Preisverleihung mchte das Fachinstitut beide Preistrger anspornen, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen und das steuerliche Schrifttum durch weitere wissenschaftliche Arbeiten zu bereichern. 8
Reformbedarf im deutschen internationalen Steuerrecht Professor Dr. Franz Wassermeyer Vors. Richter am Bundesfinanzhof, Mnchen Inhaltsbersicht I. Einfhrung II. Quellensteuereinbehalt nach § 50a EStG III. Auslandsverluste
V. Internationale Umwandlungen VI. Hinzurechnungsbesteuerung VII. Wegzugsbesteuerung VIII. Schlusswort
IV. Betriebsstttengewinnermittlung
I. Einfhrung Aus den letzten sechs Monaten mchte ich nur beispielhaft folgende Ereignisse in Ihre Erinnerung zurckrufen: – Das FG Kln1 hat dem EuGH die Frage nach der EGV-Konformitt des krperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens vorgelegt. – Der BFH2 hat dem EuGH in fnf Beschlssen Fragen zur EGV-Konformitt der Quellensteuererhebung in den Fllen des § 50a EStG, des § 50 Abs. 1 Satz 5, des § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 und des § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG heutige Fassung vorgelegt. – In einem Aussetzungsverfahren hat er die Vollziehung von Steueranmeldungen gemß § 50a EStG aufgehoben3. – Das FG Hamburg4 hielt eine Verletzung des EGV durch § 8b Abs. 7 KStG aF fr so eindeutig, dass es von einer Vorlage an den EuGH abgesehen und unter Nichtanwendung der Vorschrift in der Sache durch entschieden hat.
1 FG Kln, Beschl. v. 24. 6. 2004 – 2 K 2241/02, DB 2004, 1864. 2 BFH, Beschl. v. 28. 4. 2004 – I R 39/04, DB 2004, 1588; v. 26. 5. 2004 – I R 93/ 03, DB 2004, 2021; v. 26. 5. 2004 – I R 113/03, DB 2004, 1916; v. 14. 7. 2004 – I R 94/02, DB 2004, 2135; v. 14. 7. 2004 – I R 17/03, DB 2004, 2615. 3 BFH, Beschl. v. 16. 6. 2004 – I B 44/04, DB 2004, 1758. 4 FG Hamburg, Urt. v. 29. 4. 2004 – VI 53/02, IStR 2004, 611.
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Die Ereignisse lassen eigentlich nur das Fazit zu, dass es um unser Steuerrecht schlecht bestellt ist. Diese Erkenntnis wird zum einen dadurch geprgt, dass der deutsche Gesetzgeber bisher den Einfluss des EG-Rechts auf das deutsche Steuerrecht deutlich unterschtzt hat. Wir stehen insoweit vor einem Erosionsprozess, der wesentliche Teile unserer nationalen Steuerrechtsordnung in Frage stellt. Das aus dem Jahre 1934 stammende EStG wird den Grundfreiheiten nach dem EGV nicht mehr gerecht. Dies sollte man eigentlich alsbald ndern. Die erforderlichen nderungen sind allerdings sehr grundstzlicher Natur und gehen deshalb an das Eingemachte. Zum anderen ist die Bereitschaft des deutschen Gesetzgebers zu konstatieren, immer wieder komplexe Fragenbereiche hchst komplizierten Regelungen zu unterwerfen, wobei die Regelungen hufig mehr oder weniger schlecht durchdacht sind. § 8a KStG und die nderungen im AStG belegen die Richtigkeit dieser Feststellung. Diese stndigen Komplizierungen des deutschen Steuerrechts lsen bei den Rechtsanwendern Frust und Widerstand aus. Sie stehen im klaren Widerspruch zu der allgemein anerkannten Forderung nach einem einfacheren Steuerrecht. Die Akzeptanz der Regelungen ist deutlich zurckgegangen. Die Auseinandersetzungen werden hrter, zumal wenn der Eindruck entsteht, dass der deutsche Gesetzgeber aus der Rechtsprechung des EuGH zu Vorschriften auslndischen Rechts nichts lernt, sondern es darauf ankommen lsst, in einem Parallelverfahren betreffend das deutsche Steuerrecht „noch einmal“ verurteilt zu werden. Ich verweise insoweit nur auf das Urteil de Laysterie du Saillant. Wir mssen erkennen, dass das deutsche internationale Steuerrecht, das sich sicherlich ber Jahrzehnte hinweg bewhrt hatte, heute nicht mehr in die EG-Landschaft passt. Es bedarf weitgehender und grundlegender Reformen. Die Diskussion um diese Reformen htte lngst viel intensiver gefhrt werden mssen. Der Gesetzgeber sollte sich sehr viel strker in diese Diskussion einbringen. Ich mchte dazu einen kleinen Beitrag leisten.
II. Quellensteuereinbehalt nach § 50a EStG In Deutschland hat die Quellensteuererhebung große Tradition. Sie ist eigentlich eine geniale Erfindung, auf die der deutsche Gesetzgeber vernnftigerweise nicht verzichten kann. Dennoch mssen wir zwischen Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer und dem Steuerabzug bei Bauleistungen einerseits und den Quellensteuern nach § 50a EStG andererseits unterscheiden. Der Grund fr die Unterscheidung ist einfach. Whrend die 12
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Lohnsteuer, die Kapitalertragsteuer und der Steuerabzug bei Bauleistungen unbeschrnkt und beschrnkt steuerpflichtige Personen gleichermaßen treffen, werden die Quellensteuern nach § 50a EStG nur von sog. Steuerauslndern erhoben. Fr diesen Bereich ist also eine eklatante Ungleichbehandlung zwischen unbeschrnkt und beschrnkt Steuerpflichtigen festzustellen. Die Ungleichbehandlung schließt die bestehenden Haftungstatbestnde ein. Nach dem EuGH-Urteil in der Sache Gerritse stehen die deutschen Chancen schlecht, die Regelung des § 50a EStG unverndert zu erhalten. Es ist deshalb ein Nachdenken ber potenzielle nderungen geboten. Das Nachdenken muss bei der Tatsache ansetzen, dass wir bei Gewerbetreibenden – von Ausnahmen abgesehen – inlndische Einknfte nur annehmen, wenn sie durch eine inlndische Betriebssttte erzielt werden. Fr Freiberufler gilt zumindest abkommensrechtlich das Gleiche. Beim Sportler, der seinerseits auch als Gewerbetreibender behandelt wird, und beim Knstler, der seinerseits unter § 18 EStG zu subsumieren ist, lassen wir das entgeltliche kurzfristige Auftreten im Inland gengen. Die Ungleichbehandlung liegt auf der Hand. Ihre Rechtfertigung ist zumindest fragwrdig. Selbst wenn wir in Verfolgung des BMFSchreibens vom 3. 11. 20035 ber eine vereinfachte Nettobesteuerung nachdenken, kommt im Einzelfall ein gravierendes Zeitbezugsproblem hinzu. Dazu mag man sich einen Knstler oder Sportler vorstellen, der am 1. 1. 2005 in Deutschland auftritt und fr seinen Auftritt ein Entgelt erhlt. Im Zweifel werden die Reisekosten fr den Auftritt noch im Jahr 2004 anfallen, in dem der auslndische Knstler oder Sportler in Deutschland nicht steuerpflichtig sein muss. Wir mssen uns also Gedanken darber machen, wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten, die in 2004 angefallen sind, auch in 2005 noch abgezogen bzw. als Verlust vorgetragen werden knnen. Dahinter steht das weitergehende Problem, in welchem Umfang allgemeine Vorbereitungs- bzw. Gemeinkosten einem bestimmten Auftritt steuerlich zugeordnet werden knnen. Der Quellensteuerabzug nach § 50a EStG betrifft zum einen bekannte Sportler oder Knstler, die nicht selten ein relativ hohes Entgelt fr ihren einzelnen Auftritt erhalten, weshalb fr sie der Quellensteuereinbehalt von 20 v. H. in der Regel unproblematisch ist. Problematisch ist der Quellensteuereinbehalt dagegen bei kleineren Knstler- und Sportlergruppen. Mir ist z. B. der Fall eines sterreichischen Tourneetheaters unterbreitet worden, das das Schauspiel „Die Irre von Chaillot“ von 5 BMF, Schr. v. 3. 11. 2003 – IV A 5 – S 2411 – 26/03, DStR 2003, 1980.
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Jean Giraudoux whrend dreier Monate 65 mal in Deutschland auffhren will. Das Theater kalkuliert mit Unkosten in Hhe von 473 000 Euro und Einnahmen in Hhe von 487 000 Euro. Der kalkulierte Gewinn liegt demnach bei 14 000 Euro. In dem Unkostenbetrag sind die Gagen an die 11 Mitwirkenden in Hhe von rd. 165 000 Euro enthalten, die pro Vorstellung 250 Euro bekommen. Geht man in einem solchen Fall von einem Quellensteuerabzug von 20 v. H. von 487 000 Euro aus, so sind das Steuern in Hhe von 97 400 Euro. Aus dem Gewinn von rd. 14 000 Euro wird selbst dann ein Verlust von rd. 50 000 Euro, wenn man bedenkt, dass von dem Betrag von 97 400 Euro 20 v. H. von 165 000 Euro = 33 000 Euro mit den Gagen der Schauspieler verrechnet werden knnen. Das verbleibende Risiko eines Verlustes von rd. 50 000 Euro kann das Tourneetheater eigentlich gar nicht tragen. Vor allem ist das Tourneetheater nicht in der Lage, den Betrag von rd. 64 000 Euro vorzufinanzieren, bis das BfF letztlich ber die Hhe des tatschlichen Gewinns aus der Tournee entschieden haben wird. Hier werden wir ber ein Freistellungsverfahren nachdenken mssen, in dem Betriebsausgaben oder Werbungskosten glaubhaft zu machen sind, wie dies auch bei der Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte geschieht. Darauf hinzuweisen ist, dass die inlndischen Veranstalter einem erheblichen Haftungsrisiko ausgesetzt sind, das bei der Beschftigung eines inlndischen Tourneetheaters nicht besteht. Auch das ist mit der sog. Dienstleistungsfreiheit nach dem EGV unvereinbar. Danach mssen in- und auslndische Knstler und Sportler sowohl hinsichtlich der Hhe der Steuer als auch hinsichtlich der Erhebungsform gleichbehandelt werden. Wir mssen zu einer Nettobesteuerung bergehen. Auslndische gemeinntzige Kultureinrichtungen drfen keiner Besteuerung unterworfen werden. Liebhaberei ist auch bei einer Pauschalbesteuerung zu bercksichtigen. Letztlich muss auch fr den Steuerauslnder eine Jahreseinkommensteuer ermittelt und festgesetzt werden. Wir stehen deshalb vor der Frage, entweder die Quellensteuer nach § 50a EStG auf alle vergleichbaren Inlnder auszudehnen, wobei dem Steuerauslnder ein Recht auf Antragsveranlagung eingerumt werden muss, oder aber die Steuer von dem Auslnder nur noch im Wege der Veranlagung zu erheben. Vernnftigerweise wird man die 1. Alternative whlen. Dann mssen aber die Mglichkeiten eines Freistellungs- und Ermßigungsverfahrens ausgeweitet werden.
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III. Auslandsverluste Grundstzlich sind positive und negative Einknfte eines Steuerpflichtigen in demselben Veranlagungszeitraum im Rahmen des § 2 Abs. 3 EStG auszugleichen. Demgegenber beschrnkt § 2a EStG den Abzug bestimmter Auslandsverluste von positiven inlndischen Einknften. Betroffen sind sicherlich auch Investitionen in unerwnschte Verlustzuweisungsmodelle, die der Volkswirtschaft keinen erkennbaren Nutzen bringen. Bekanntlich sieht der BFH6 in der unterschiedlichen Behandlung von In- und Auslandsverlusten einen Verstoß gegen die Niederlassungs- und gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des EGV. Auch wenn die Entscheidung des EuGH abzuwarten sein wird, liegt es gewissermaßen auf der Hand, dass die unterschiedliche Behandlung von Verlusten auf Dauer nicht zu halten sein wird. § 2a EStG muss entweder ersatzlos gestrichen oder auf Inlandsverluste ausgedehnt werden. Sollte man eine Ausdehnung auf Inlandsverluste beabsichtigen, so stellt sich die Frage, ob sich damit nicht zugleich alle berlegungen ber eine Mindestbesteuerung erledigen. Ferner wird man die Auswirkungen auf unbeschrnkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften bedenken mssen, die wegen § 8 Abs. 2 KStG nur Einknfte aus Gewerbebetrieb erzielen. Es darf letztlich nicht sein, dass der Verlustabzug bei Kapitalgesellschaften ein anderer als bei Personengesellschaften oder Einzelunternehmen ist. Dies belegt auch § 2a Abs. 1 Nr. 7 EStG. Zu dem Thema Auslandsverluste gehrt auch die DBA-rechtliche Behandlung von auslndischen Betriebsstttenverlusten bei Anwendung der sog. Freistellungsmethode. Bekanntlich entspricht es stndiger RFHund BFH-Rechtsprechung, dass bei Anwendung der sog. Freistellungsmethode auslndische Betriebsstttenverluste die Summe der Einknfte nicht mindern kann. Die Freistellungsmethode fhrt in diesen Fllen zu einer Erhhung des Einkommens und des zu versteuernden Einkommens, obwohl man den DBA allgemein bescheinigt, dass sie nur die inlndischen Besteuerungsansprche beschrnken, jedoch nicht erweitern. Es wre sachlich richtig, diesen Gedanken im innerstaatlichen Recht zu verankern. Dies kann aber nur funktionieren, wenn man fr den Fall spterer Betriebsstttengewinne eine Nachversteuerung der ursprnglich abgesetzten Verluste vorsieht. Die Nachversteuerung msste auch im Falle spterer Umwandlungen noch greifen. Sie sollte nicht
6 BFH v. 13. 11. 2002 – I R 13/02, BFHE 201, 73 = BStBl. II 2003, 795 mit Anm. Cordewener, IStR 2003, 413.
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davon abhngig gemacht werden, ob der Betriebsstttenverlust im Ausland vorgetragen werden kann. Auch sollte sich die Hhe der Nachversteuerung ausschließlich danach richten, ob sich nach deutschem Steuerrecht in den Folgejahren ein Betriebsstttengewinn ergibt. Schließlich gehrt zu dem Thema „Auslandsverluste“ gewissermaßen die Zukunft der Organschaft. Bekanntlich ist vor dem EuGH die Sache Marks & Spencer anhngig7. Sie betrifft die Frage, ob die Organschaft nicht innerhalb der EG grenzberschreitend ausgestaltet werden muss. Dies ist vor allem fr die Frage von Interesse, ob Verluste einer auslndischen Organgesellschaft beim inlndischen Organtrger mit der Maßgabe abgesetzt werden knnen mssen, dass sptere Gewinne der Organgesellschaft einer Nachversteuerung der Verluste auslsen. Auch insoweit steht der deutsche Gesetzgeber vor den Alternativen, entweder die Organschaft auf grenzberschreitende Konzerne auszudehnen oder sie einzuschrnken bzw. ersatzlos aufzuheben. Letzteres wrde zu Einheitsunternehmen fhren, was organisationsrechtlich gesehen unsinnig ist.
IV. Betriebsstttengewinnermittlung Am 2. 8. 2004 hat die OECD einen Entwurf zu einem Teil I fr einen Bericht ber die Abgrenzung von Gewinnen zwischen Stammhaus und Betriebssttten herausgegeben. Aufhnger fr den Berichtsentwurf sind der weltweite Handel mit Wertpapieren einerseits und der elektronische Handel ber weltweit aufgestellte Computer andererseits. Ziel des Berichtsentwurfs ist die Gleichstellung einer Betriebssttte mit einer rechtlich selbstndigen Tochtergesellschaft. Die Gewinne von Stammhaus und Betriebssttte sollen so ermittelt werden, wie sie entstnden, wenn Stammhaus und Betriebssttte jeweils selbstndige Unternehmen wren. Auf der Grundlage einer Fiktion sollen Stammhaus und Betriebssttte in einen den Gewinn realisierenden Leistungsverkehr treten knnen. Die in dem Berichtsentwurf vertretene Grundhaltung muss in Deutschland zu erheblichen Anwendungsschwierigkeiten fhren. Unsere innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften (§§ 4 bis 7k EStG) enthalten keine entsprechende Fiktion der Selbstndigkeit der Betriebssttte. Sie bauen stattdessen auf dem Veranlassungsprinzip auf. Im Klartext bedeutet dies, dass sog. Innentransaktionen zwischen Teilen eines
7 Rs C-446/03; vgl. auch Drr, Der Konzern 2004, 15.
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Unternehmens weder Verußerung noch Anschaffung oder Herstellung weder Entnahme noch Einlage sein knnen. Innentransaktionen lsen weder eine Gewinnrealisierung noch eine Ersatzgewinnrealisierung aus. Auch § 1 AStG findet auf Innentransaktionen keine Anwendung. Die dem entgegen stehende ltere BFH-Rechtsprechung ist berholt. Dies zeigt der Blick auf das EG-Recht. Stellt man sich die berfhrung eines Wirtschaftsgutes mit hohen stillen Reserven aus einem Stammhaus in Hamburg in eine Betriebssttte desselben Unternehmens in Mnchen vor, so wird kein deutscher Betriebsprfer auf die Idee kommen, in der berfhrung einen den Gewinn realisierenden Vorgang zu sehen. Wenn dem aber so ist, darf eine entsprechende berfhrung in eine Betriebssttte in London, Paris oder Brssel aus Grnden des EG-Rechts nicht anders beurteilt werden. Zwar knnte man daran denken, die Entnahme und die Einlage in dem Sinne gesetzlich neu zu definieren, dass darunter auch sog. Innentransaktionen fallen. Dies wrde jedoch einerseits die Erhebung von Steuern auf nicht realisierte Gewinne bedeuten. Andererseits wrde in Deutschland ein heftiger Streit darber einsetzen, wann eine den Gewinn realisierende berfhrung in eine Betriebssttte und wann eine den Gewinn nicht realisierende berfhrung in einen sonstigen Unternehmensteil anzunehmen ist. Dieser Streit wrde keinen Sinn machen. Um das Problem an einem praktischen Beispiel aufzuzeigen, stelle man sich ein inlndisches Stammhaus vor, das ein Produkt zu Herstellungskosten von 50 herstellt. Das Produkt soll blicherweise vom Stammhaus an Großhndler zu 80 verkauft werden. Es wird allerdings auch ber eine auslndische Betriebssttte an Einzelhndler vertrieben. Die Betriebssttte erzielt blicherweise einen Verkaufpreis von 100. Bei ihr fallen allerdings Vertriebskosten pro Produkteinheit von 10 an. In diesem Fall erzielt das Unternehmen jeweils im Zeitpunkt der Erbringung des Außenumsatzes pro Produkt einen Gewinn von 40, der in Hhe von 30 dem Stammhaus und in Hhe von 10 der Betriebssttte zuzuordnen ist. Stellt man sich jetzt weiter vor, dass eines dieser Produkte innerhalb der Betriebssttte zerstrt wird, wobei die Zerstrung auf hherer Gewalt oder auf dem Verschulden von Stammhaus oder Betriebssttte beruhen kann, so stellt sich die Frage, ob im Stammhaus dennoch Gewinnrealisierung eintritt. Diese Frage ist nach deutschem innerstaatlichen Recht eindeutig zu verneinen, weil es an jedem Außenumsatz fehlt. Richtigerweise entsteht ein Verlust von 60, der zwischen Stammhaus und Betriebssttte abzugrenzen ist. Das Stammhaus trgt das Risiko, seine Herstellungskosten vermarkten zu knnen. Dieses Risiko besteht bis zur Durchfhrung des Außenumsatzes. Entsprechend ist dem Stammhaus ein Verlust in Hhe seiner Herstellungs17
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kosten von 50 zuzuordnen. Die Betriebssttte muss das Risiko tragen, ihre Vertriebskosten vermarkten zu knnen. Sie trgt deshalb einen Verlust von 10. Dies gilt unabhngig davon, auf wessen Verschulden die Zerstrung beruht. Zwischen Stammhaus und Betriebssttte sind Schadensersatzansprche undenkbar. Ebenso kann das Stammhaus sein Risiko nicht auf die Betriebssttte bertragen, weil beide keine Vertrge miteinander abschließen knnen. Insoweit ist die Rechtslage eine wesentlich andere als die zwischen eigenstndigen Gesellschaften. Die OECD ist deshalb auf einem Weg, den Deutschland wegen seines anderen innerstaatlichen Rechts nicht mitgehen kann. Die Kollisionen mit dem EG-Recht sind gewissermaßen vorprogrammiert. Die OECD scheint das Kind mit dem Bade ausschtten zu wollen. Der deutsche Gesetzgeber wre gut beraten, den Weg nicht mitzugehen und die bestehenden Bedenken bei der OECD einzubringen.
V. Internationale Umwandlungen Herzig8 hat in einem Vortrag am 7. 12. 2001 auf der 18. Hamburger Tagung zur Internationalen Besteuerung den Handlungsbedarf des deutschen Gesetzgebers im Bereich internationaler Umwandlung aufgezeigt. Danach gilt der Grundgedanke des Umwandlungsrechts, einen Besteuerungsaufschub fr stillen Reserven jedenfalls dann herbeizufhren, wenn das Engagement fortgefhrt wird und die Besteuerung der stillen Reserven in der Zukunft gesichert ist, bisher nur fr sog. Inlandsflle. Im Zeitalter der Globalisierung ist eine Internationalisierung dieser Vorstellung dringend geboten. Dies kann jedoch nur funktionieren, wenn man die Bindung des UmwStG an das deutsche UmwG lockert. Es muss ein Besteuerungsaufschub auch fr nach auslndischem Recht vollzogene Umwandlungen gewhrt werden. Mglicherweise muss die Bindung des Steuerrechts an das Zivilrecht fr diesen Bereich insgesamt aufgehoben werden. Es darf nicht sein, dass wir eine Umwandlung nach auslndischem Recht zum Anlass nehmen, eine Hinzurechnungsbesteuerung durchzufhren, weil die Umwandlung im Ausland nicht besteuert wurde. In diesem Zusammenhang darf daran erinnert werden, dass der deutsche Gesetzgeber die Fusionsrichtlinie bis heute nicht voll-
8 Herzig, Internationale Umwandlungen, in Ldicke (Hrsg.), Fortentwicklung der Internationalen Unternehmensbesteuerung, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 23, Kln 2002.
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stndig umgesetzt hat9. Dies gilt insbesondere fr Flle der Verschmelzung und Spaltung mit Auslandsbezug. Schließlich wird man berlegungen darber anstellen mssen, wie man die sptere Besteuerung realisierter stiller Reserven in dem Staat sicherstellen kann, der den Besteuerungsaufschub gewhrt. Mglicherweise muss das entsprechende Besteuerungsrecht auch abkommensrechtlich abgesichert werden. Obwohl Herzig schon im Jahre 2001 auf diese Hausaufgaben hingewiesen hat, sind die letzten drei Jahre ohne jedes erkennbares Bemhen des Gesetzgebers um die Lsung der Fragen verstrichen.
VI. Hinzurechnungsbesteuerung Bekanntlich hat ein englisches Gericht dem EuGH die Frage nach der Vereinbarkeit der englischen CFC-Gesetzgebung mit dem EGV vorgelegt. Dies sollte fr den deutschen Gesetzgeber Anlass genug sein, auch ber die Vereinbarkeit der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung mit den Grundfreiheiten nach dem EGV nachzudenken. Ausgangspunkt aller berlegungen muss sein, dass die Beteiligung unbeschrnkt Steuerpflichtiger an auslndischen Kapitalgesellschaften anders als die an inlndischen Kapitalgesellschaften besteuert wird. Im Falle der Beteiligung an einer auslndischen Gesellschaft droht in der Form der Hinzurechnungsbesteuerung eine vom Inland erhobene Nachsteuer. Bei der Beteiligung an einer inlndischen Gesellschaft besteht keine entsprechende Gefahr. Die Ungleichbehandlung bedeutet eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit und mglicherweise auch der Niederlassungsfreiheit, die einer Rechtfertigung bedarf. Rechtfertigungsgrnde sind aber nicht erkennbar. Insoweit kann offen bleiben, in welchen Grenzen Deutschland missbruchliche Gestaltungen bekmpfen darf. Tatschlich orientiert sich die Hinzurechnungsbesteuerung nicht an einer Missbrauchsbekmpfung. Dies zeigt sich bereits bei der Niedrigbesteuerung. Vergleicht man den § 8 Abs. 3 AStG mit der Annahme einer Niedrigbesteuerung durch andere Staaten, so wird dort regelmßig gefordert, dass der Steuersatz im Ausland um 10 bis 40 v. H. unter dem inlndischen Steuersatz liegt. In Deutschland betrgt dagegen der KSt-Satz 25 v. H. Eine Niedrigbesteuerung beginnt bereits bei einem Satz von 24,99999 v. H. Im brigen gilt fr den Bereich der EG, dass die Ertragsteuern nicht harmonisiert sind. Es besteht insoweit ein Wettbewerb 9 Vgl. Herzig/Griemla, Steuerliche Aspekte der Europischen Aktiengesellschaft, StuW 2002, 55 ff., 59 ff.
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der Steuersysteme. Dieser Wettbewerb ist gewollt. Gerade deshalb ist es die freie Entscheidung eines jeden Mitgliedstaates, ob er hohe oder niedrige Ertragsteuern erhebt. Die brigen Mitgliedstaaten haben diese Entscheidung jedenfalls dann zu respektieren, wenn der betreffende Staat seinerseits nicht gegen einen Code of conduct verstßt. Deshalb ist es ein unmglicher Zustand, dass Deutschland glaubt, eine Niedrigbesteuerung von Kapitalgesellschaften im Ausland zum Anlass nehmen zu knnen, bei den beteiligten Gesellschaftern eine Nachsteuer zu erheben. Das Gleiche gilt fr die Abgrenzung zwischen aktiven und passiven Ttigkeiten. Schon die Tatsache, dass alles, was in § 8 Abs. 1 AStG nicht ausdrcklich fr aktiv erklrt ist, passiv sein soll, belegt die These, dass die Abgrenzung sich gerade nicht am Missbrauch orientiert. Der EuGH verlangt jedenfalls den Nachweis des Missbrauchs im Einzelfall. Er lsst die Missbrauchsbekmpfung nur gegenber ganz willkrlichen Gestaltungen zu. Betrachten wir die Tatbestnde des § 8 Abs. 1 Nrn. 3–5 AStG, so wird dort jeweils die Geschftsbeziehung zu einem unbeschrnkt steuerpflichtigen Gesellschafter der Zwischengesellschaft oder zu einer ihm nahe stehenden Person bzw. die Mitwirkung unbeschrnkt steuerpflichtiger Gesellschafter der Zwischengesellschaft oder einer ihm nahe stehenden Person zum Anlass genommen, um Einknfte aus dem Betrieb von Kreditinstituten oder Versicherungen, aus dem Handel und aus Dienstleistungen fr passiv zu erklren. Auch dies hat mit Missbrauch nichts zu tun und ist mit der Freiheit eines Binnenmarktes unvereinbar. Danach mssen Handel und Dienstleistungen mit jedermann erlaubt sein. Die Vorschriften verletzen auch den Grundsatz der Verhltnismßigkeit. Insbesondere htte man es in allen Mitwirkungsfllen bei einer Entgeltkorrektur entsprechend dem Rechtsgedanken des § 1 AStG belassen knnen und sollen. Schließlich zeigen die Regelungen in § 7 Abs. 6 und in § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG, dass auslndische Finanzierungsgesellschaften fr den deutschen Gesetzgeber offenbar ein rotes Tuch sind. Es muss stark bezweifelt werden, dass der EuGH diese Einschtzung teilen wird. Finanzierungsgesellschaften gehren zu einem freien Binnenmarkt. Die Tatsache, dass sich Finanzierungsgesellschaften besonders leicht im Ausland errichten lassen, reicht allein nicht aus, um eine diesbezgliche Hinzurechnungsbesteuerung zu rechtfertigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Finanzierungsgesellschaft in der Form eines in kaufmnnischer eingerichteten Geschftsbetriebs unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gefhrt wird. Ferner sollte die in § 7 Abs. 6 AStG getroffene Regelung den Blick auf die Beteiligungsanforderungen lenken. Unter dem Missbrauchsgesichtspunkt sollte eine Hinzurechnungsbesteuerung nur 20
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dann gerechtfertigt sein, wenn diejenigen, denen gegenber hinzugerechnet wird, die auslndische Zwischengesellschaft beherrschen. Dabei knnen die Beteiligungen von Personen zusammengerechnet werden, die nachweislich parallele Interessen verfolgen. Ist jedoch ein unbeschrnkt Steuerpflichtiger nur zu 1 v. H. oder gar zu weniger als 1 v. H. an der auslndischen Gesellschaft beteiligt, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafr, dass er auf die Gesellschaft nicht einwirken kann und sie deshalb auch nicht zu Missbrauchszwecken einsetzt. Die Hinzurechnungsbesteuerung speziell von Zwischeneinknften mit Kapitalanlagecharakter ist insoweit ein Widerspruch in sich. Ihre Rechtfertigung ist deshalb im hchsten Maße angreifbar. Nicht ganz zuletzt sei auf verschiedene Sonderlasten wie Gewinnermittlungsund Nachweispflichten hingewiesen, denen nur Gesellschafter von auslndischen Zwischengesellschaften unterworfen sind, ohne dass es fr Gesellschafter von inlndischen Gesellschaften etwas Vergleichbares gbe. Zusammenfassend kann man nur feststellen, dass die Hinzurechnungsbesteuerung an Haupt und Gliedern marode ist. Natrlich muss man darber nachdenken, ob man nicht eine EG-Recht konforme Hinzurechnungsbesteuerung schaffen kann. Dies ist ußerst zweifelhaft. Man kann de facto die Hinzurechnungsbesteuerung nicht auf die Beteiligung an inlndischen Gesellschaften ausdehnen. Dies stnde im Widerspruch zur Rechtsfhigkeit der Kapitalgesellschaft und wrde zu unlsbaren praktischen Schwierigkeiten fhren. In der Regel weiß bei einer inlndischen Publikumskapitalgesellschaft keiner, ob unbeschrnkt Steuerpflichtige an ihr zu mehr als 50 v. H. beteiligt sind. Man kann ebenso daran denken, dass man die Hinzurechnungsbesteuerung erst an den Grenzen der EG greifen lsst. Dies htte aus deutscher Sicht den Nachteil, dass sich der Steuerpflichtige den EG-Mitgliedstaat aussuchen kann, der die gnstigste Hinzurechnungsbesteuerung anbietet. Dort wrde eine Holdinggesellschaft gegrndet, die die passiven Auslandsinvestitionen hlt. Deutschland ginge also letztlich leer aus. Am aussichtsreichen erscheint mir die berlegung, dass die EG-Mitgliedstaaten ber eine einheitliche CFC-Gesetzgebung nachdenken, die in allen Staaten einzufhren und mglicherweise durch eine Richtlinie abzusichern wre. Das Problem wird allerdings die Kapitalverkehrsfreiheit sein, die sich nach dem Wortlaut des Art. 56 EG und nach der herrschenden Meinung auch auf Beteiligungen erstreckt, die an Gesellschaften bestehen, die in Staaten außerhalb der EG ansssig sind. Letztlich wird der EuGH darber zu entscheiden haben, unter welchen Voraussetzungen eine Hinzurechnungsbesteuerung innerhalb oder außerhalb der EG mit den Grundfreiheiten des EGV vereinbar ist. 21
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VII. Wegzugsbesteuerung Das Thema „Wegzugsbesteuerung“ hat viele Teilaspekte. Zum einen geht es um § 6 AStG. Die Vorschrift scheint nach dem EuGH-Urteil in der Sache de Laysterie du Saillant10 nicht mehr haltbar zu sein. Deutschland darf zwar die stillen Reserven besteuern, die einer Beteiligung whrend der Dauer der unbeschrnkten Steuerpflicht zugewachsen sind. Die Besteuerung darf sich aber nicht auf den Zeitpunkt des Wegzuges, sondern nur auf den einer spteren Beteiligungsverußerung beziehen. Außerdem mssen die zugewachsenen stillen Reserven im Verußerungsfall realisiert worden sein. Deutschland muss deshalb einerseits die Mglichkeit einer nachgelagerten Besteuerung schaffen. Diese Mglichkeit muss sich auch auf die Verußerungen von Beteiligungen an auslndischen Gesellschaften erstrecken. Sie muss zustzlich abkommensrechtlich abgesichert werden11. Dabei wird man sich auch ber die Durchsetzbarkeit einer entsprechenden Besteuerung Gedanken machen mssen. Hier mssen die Mglichkeiten z. B. der EUAmtshilferichtlinie sehr viel strker genutzt werden, was voraussetzt, dass auch Deutschland bereit ist, strker bei der Durchsetzung auslndischer Steueransprche mitzuwirken. Das Thema „Wegzugsbesteuerung“ berhrt allerdings auch den Anwendungsbereich von § 12 KStG. Insoweit scheint mir durch das EuGHUrteil in der Sache de Laysterie du Saillant geklrt zu sein, dass wir zumindest fr den Bereich der EG § 12 KStG teleologisch reduziert auslegen mssen. Verlegt eine bisher inlndische Gesellschaft Sitz und Geschftsleitung in einen anderen EG-Mitgliedstaat und behlt sie in Deutschland eine Betriebssttte zurck, so darf auf die Wirtschaftsgter, die in der inlndischen Betriebssttte verbleiben, § 12 Abs. 1 KStG nicht angewendet werden. Die sptere Besteuerung der stillen Reserven im Inland ist sicher. § 12 Abs. 1 KStG darf wahrscheinlich auch nicht auf die in das auslndische Stammhaus berfhrten Wirtschaftsgter angewendet werden. Insoweit muss die sptere Verußerung abgewartet werden. Erst dann darf Deutschland den Teil des Verußerungsgewinnes besteuern, der den stillen Reserven entspricht, die whrend der Dauer der Inlandszugehrigkeit zugewachsen sind. Natrlich wird man berlegungen darber anstellen mssen, ob Ausweichgestaltungen denkbar sind, die die sptere Durchsetzung der Besteuerung in Frage 10 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2004 – Rs C-9/02 – de Laysterie du Saillant, GmbHR 2004, 504. 11 A. A. Ismer/Reimer/Rust, Ist § 6 AStG noch zu halten?, EWS 2004, 207.
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stellen. Zu denken ist an alle Flle einer Gesamtrechtsnachfolge. Die Besteuerung muss auch gegenber dem Gesamtrechtsnachfolger mglich sein. Sollte es mehrere Gesamtrechtsnachfolger geben, mssen sie fr die Steuer gesamtschuldnerisch einstehen. Das fr mich ungeklrte Rechtsproblem liegt in der Frage, ob Deutschland dann besteuern darf, wenn im Inland jegliche Betriebssttte aufgegeben wird. Immerhin fehlt es dann an einem Anknpfungspunkt fr eine Steuerpflicht. Ich sehe mich zu keiner Prognose in der Lage, wie der EuGH diese Frage einmal entscheiden wird.
VIII. Schlusswort Der deutsche Gesetzgeber steht vor der großen Herausforderung, einerseits den Steuerwettbewerb innerhalb der EG annehmen und andererseits das deutsche Steuerrecht in Einklang mit den Grundfreiheiten nach dem EGV bringen zu mssen. Wir mssen die Besteuerung grenzberschreitender Sachverhalte in Einklang mit der Besteuerung rein inlndischer Sachverhalte bringen. Das in Deutschland geltende Ertragsteuerrecht gewhrleistet diesen Einklang bisher nicht. Die Reparaturarbeiten erfordern ein Umdenken in grundstzlichen Fragen. Die grundstzlichen Fragen betreffen die Gleichheit von Steuerin- und Steuerauslndern in Fragen der Einknfteermittlung und der Steuererhebung. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass sog. Innentransaktionen nicht allein wegen ihres grenzberschreitenden Charakters Gewinn realisierend behandelt werden drfen. Es ist fr mich nicht erkennbar, dass der deutsche Gesetzgeber sich um die Bewltigung dieser Aufgaben ernsthaft bemhen wrde. Wir mssen deshalb alle dieses Bemhen lautstark einfordern.
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Neuregelung der Rentenbesteuerung Professor Dr. Peter Bareis Universitt Hohenheim, Stuttgart Inhaltsbersicht I. Einfhrung: Steuersystem, Altersvorsorge und Rentenbesteuerung 1. Der Zusammenhang zwischen Steuersystem und Rentenbesteuerung 2. Definitionsmglichkeiten fr „Altersvorsorge“ bei einer Steuer vom Einkommenstyp II. Die Gesetzesentwicklung 1. Die Forderungen des BVerfG 2. Mitglieder, Auftrag und Ergebnisse der Sachverstndigen-Kommission 3. Der Gang der Gesetzgebung und die Motive des Gesetzgebers III. „Endstufe“ der steuerlichen Behandlung der Altersvorsorge nach dem Vorschlag der Sachverstndigen-Kommission 1. Das „Drei-Schichten-Modell“ im berblick 2. Die Behandlung der Produkte der zweiten Schicht 3. Die Behandlung der Produkte der dritten Schicht 4. Wrdigung im Vergleich mit dem frheren Recht
IV. Die gesetzliche Regelung fr die „Endstufe“ V. bergangsphase: „Kohortenmodell“ der Kommission 1. Abziehbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen der ersten Schicht 2. Besteuerung der Altersbezge von 2005 bis 2040 3. Altersentlastungsbetrag, Versorgungs-Freibetrag, Werbungskosten und Sonderausgaben 4. Das Verbot der Zweifachbesteuerung 5. Wrdigung 6. Die gesetzliche Regelung fr die bergangsphase bis 2040 VI. Fiskalische Auswirkungen und Sicherung der Besteuerung 1. Auswirkungen nach dem Vorschlag der SachverstndigenKommission 2. Auswirkungen des Gesetzes VII. Ausblick
I. Einfhrung: Steuersystem, Altersvorsorge und Rentenbesteuerung 1. Der Zusammenhang zwischen Steuersystem und Rentenbesteuerung Das Thema, ber das ich sprechen soll, lautet zwar nur: „Neuregelung der Rentenbesteuerung“. Um ein abgerundetes Bild zu entwerfen, muss 25
Bareis, Neuregelung der Rentenbesteuerung
es jedoch um die Definition und die steuerliche Behandlung der Beitrge zur Altersvorsorge erweitert werden. In der politischen Diskussion wird der Begriff „Altersvorsorge“ unterschiedlich interpretiert. Wer genau analysiert, stellt rasch fest, dass dies wenig mit systematischen berlegungen, dafr um so mehr damit zu tun hat, welche Interessengruppe gerade einen besonders hohen Druck auf die jeweilige politische Richtung ausbt und wie die politisch Verantwortlichen darauf die Folgen fr ihre Wahlchancen kalkulieren. Es ist allzu verlockend, diesen positiv bewerteten Begriff mit Wahlversprechen zu verknpfen: Wir helfen bei der – angesichts der demografischen Entwicklung – so notwendigen „Altersvorsorge“ und definieren diese so, dass wir gezielt denjenigen Whlern, die bei der nchsten Wahl das „Znglein an der Waage“ sein drften, Vorteile zukommen lassen. Diese knnen dann als notwendige Maßnahmen „verkauft“ werden. Vielleicht werden Sie das fr eine berspitzte Darstellung halten, aber es gibt hierfr Belege, z. B. die bemerkenswerte Einordnung von Kapitallebensversicherungen. Doch zunchst sollen die begriffliche Abgrenzung und die Diskussion hierber innerhalb der Steuerwissenschaften angesprochen werden. Fr den Begriffsinhalt ist entscheidend, ob eine „klassische Einkommensteuer“ oder eine Konsumausgabensteuer im Gewande der Einkommensteuer angestrebt wird. Wer letzteres verwirklichen mchte, wird jegliches Sparen (Investieren) als „Vorsorge“ und natrlich auch als „Altersvorsorge“ von der heutigen Besteuerung ausnehmen. Dafr stehen verschiedene Instrumente – z. B. die „Zinsbereinigung“ oder die „Sparbereinigung“ – zur Verfgung. Dabei sollte sehr sorgfltig der Ausgangspunkt im Blick bleiben: letztlich soll allein der Konsum, der private Verbrauch also, besteuert werden. Daraus folgt keineswegs, dass whrend der Arbeitsphase jemand immer weniger als sein Einkommen besteuern lassen muss. Es folgt auch nicht, dass im Alter das ganze Einkommen versteuert wird. Die Hhe der Besteuerung wird in diesem System von Spar-, aber auch von Entsparvorgngen wesentlich beeinflusst. Wer also in der Jugendzeit mehr konsumiert, als er verdient, wird hher besteuert als bei einer „klassischen“ Einkommensteuer. Und wer im Alter immer noch spart, bei dem werden die Alterseinknfte keineswegs vollstndig besteuert. Dieses System wird von mir aus verschiedenen Grnden nicht vertreten. Der wichtigste Grund ist der, dass m. E. Zinsen als Preis fr einen Konsumaufschub bzw. fr vorgezogenen Konsum aufzufassen sind und es keine stichhaltige Begrndung dafr gibt, weshalb derartige Vermeh26
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rungen des Konsumpotentials beim Sparer oder dessen grßere Sicherheit, spter Konsumpotential zur Verfgung zu haben, steuerlich nicht als Vermehrung der finanziellen Leistungsfhigkeit betrachtet werden sollen. Auch ist das finanzielle Ziel der Menschen unter Unsicherheit nicht der bloße Konsum, das Leben von der Hand in den Mund. Ziel ist „gesicherter“ Konsum, was nur heißen kann, dass Vermgensmehrung ein finanzielles Ziel ist und deshalb grundstzlich besteuert werden kann, aus Gleichheits- und Verteilungsgrnden auch – maßvoll – besteuert werden sollte. Daher wird der systematische Ansatz, Sparvorgnge von der Besteuerung freizustellen oder, was modellgemß zu demselben Ergebnis fhrt, Zinsen steuerfrei zu belassen, hier nicht weiter verfolgt. Wer – m. E. begrndet – ein „klassisches“ Einkommensteuersystem befrwortet, darf das Sparen bzw. darf die Habenzinsen nicht von der Besteuerung freistellen. In einem solchen System ist das erwirtschaftete Einkommen einer Periode vor Abzug der Konsumausgaben die Bemessungsgrundlage. Zusammen mit dem Anfangsvermgen ergibt sich daraus das in einer Periode verfgbare Konsumpotential. Danach ist jeder Sparvorgang, also auch die finanzielle „Altersvorsorge“ grundstzlich zu besteuern. Anders gewendet: wenn Einkommen als Summe aus Konsum und Ersparnis (Y = C + I) zu verstehen und eine Einkommensteuer erwnscht ist, ist als Bemessungsgrundlage das Einkommen und nicht nur der Konsum zu verstehen [T = T (Y) und nicht: T = T (C)]. In beiden reinen Systemen msste ber unser Thema nicht weiter nachgedacht werden. Die finanzielle „Altersvorsorge“ – also vor allem die Beitrge zur Gesetzlichen Rentenversicherung – wren bei einem reinen Steuersystem vom Konsumausgabentyp steuerfrei, denn jegliche Ersparnis wre steuerfrei. Wird das Ersparte – die sptere Rente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung – aufgezehrt, wird dieser Konsum besteuert. Soweit Rente nicht verbraucht wird, bleibt es bei der Steuerfreiheit. Im „klassischen“ Einkommensteuersystem wre die finanzielle Vorsorge aus Einkommen steuerpflichtig. Insoweit aber, als damit Kapital angesammelt worden ist, ist dieses akkumulierte Kapital bei Verbrauch steuerfrei. Hier muss dann untersucht werden, welcher Teil der Rente bereits als versteuert zu gelten hat. Soweit in den Rentenzahlungen Zinsen enthalten sind, sind sie der Besteuerung zu unterwerfen. Beide reinen Systeme bentigen keine Sonderbehandlung der „Alters“Vorsorge. Beide Systeme fhren allerdings zu erheblich verschiedenem 27
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Anfall der Steuereinnahmen beim Fiskus. Auch die Menschen werden in unterschiedlichen Lebenssituationen – folgen sie allein ihren Interessen – unterschiedlich fr die beiden Systeme votieren. Blankart zeigt mit einer einfachen berlegung, dass Jngere whrend ihres Arbeitslebens eher fr eine Konsumausgabensteuer, ltere, da sie Erspartes aufzehren, eher fr eine Einkommensteuer pldieren werden.1 Sie wissen alle, dass wir alles andere, nur kein eindeutiges Einkommensteuersystem haben. Da werden Zinsen anders als Dividenden behandelt, beide wieder anders im Vergleich mit Verußerungsgewinnen, da gibt es die unterschiedlichsten Frdermaßnahmen zur Vermgensbildung und vieles andere mehr.2 Dieses wie jedes andere „Mischsystem“ braucht, will es Regeln fr die Behandlung der Altersvorsorge (Beitragsleistung) wie den Rentenbezug abweichend vom reinen System behandeln, ein eindeutiges Abgrenzungskriterium zwischen „normalem“ Sparen bzw. Investieren und „Vorsorgesparen bzw. Vorsorgeinvestieren“.3 Ein solches Mischsystem ist nur zu rechtfertigen, wenn bestimmte Umweltbedingungen nicht oder nur auf sehr lange Zeit verndert werden knnen und sich das Steuersystem aus bergeordneten Grnden dem anpassen muss. Diese bergeordneten Grnde gibt es – leider. Der wichtigste dieser Grnde ist die existierende Gesetzliche Rentenversicherung mit ihren Zwangsabgaben fr die ihr unterworfenen Beitragspflichtigen, wobei deren Gelder sofort in die Hnde der Rentnergeneration gelangen, also ein reines Umverteilungssystem ohne Kapitaldeckung praktiziert wird. Die Beitragszahler haben niemals die Mglichkeit, sich das angesammelte Konsumpotential auszahlen zu lassen. Auch wenn sie todkrank sind und deshalb das Rentenalter nicht erreichen werden, gibt es bei der GRV keinerlei „Kapitalrckzahlung“. Eine vom Steuerrecht nicht zu ndernde Randbedingung ist zudem die Beamtenversorgung. Seit jeher zahlen Beamte keine Beitrge in die Gesetzliche Rentenversicherung. Sie werden im Alter von ihrem Dienstherrn „nach den hergebrachten Grundstzen des Beamtentums“ (vgl. Art. 33 Abs. 5 GG) alimentiert. 1 Blankart, Die ffentlichen Finanzen in der Demokratie, 5. Aufl., Mnchen 2003, S. 325 ff. 2 Abschlussbericht der Sachverstndigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezgen, BMF-Schriftenreihe Band 74, Berlin 2003 (im Folgenden zitiert als: Bericht), bersicht ber geltendes Recht, S. 79 ff. 3 Bareis, Zur Kritik am „Karlsruher Entwurf zur Reform des EStG“, StuW 2002, 142–146.
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Die unterschiedliche Behandlung dieser beiden Gruppen war denn auch Anlass und letztlich Ursache fr die Neuordnung der Rentenbesteuerung, ber die hier zu berichten ist. Dabei lege ich angesichts des knappen Zeitrahmens den Schwerpunkt auf die Behandlung der Altersvorsorge im engeren Sinne, behandle daher nur rudimentr die wichtigsten nderungen bei der sog. „Riester-Rente“. 2. Definitionsmglichkeiten fr „Altersvorsorge“ bei einer Steuer vom Einkommenstyp In einem „Mischsystem“ ist es besonders wichtig, die Definitionsmglichkeiten fr „Altersvorsorge“ bzw. „Altersbezge“ zu erwgen und hieraus ein mglichst schlssiges System zu entwerfen. So sind vor allem folgende Fragen zu beantworten: a) Soll nur „Markteinkommen“4 besteuert werden, bleiben also Staatszuschsse (Transfers) unbesteuert? Dies hat das BVerfG eindeutig geklrt. Danach drfen Transfers besteuert werden. Das ist m. E. deshalb sinnvoll, weil nur dadurch die individuellen Verhltnisse auch steuerlich bercksichtigt werden knnen.5 b) Nach dem sog. SHS-System (v. Schanz, Haig, Simons) ist „Einkommen“ der realisierte Reinvermgenszugang einer Periode (nicht: -zuwachs, also ohne unrealisierte Erfolge).6 Hierbei mssen Erbschaften und Schenkungen aus dem Einkommensbegriff ausgeklammert werden, da deren Besteuerung im ErbStG gesondert geregelt ist. Zu prfen ist weiter, ob die Zahlung der Arbeitnehmerbeitrge zur GRV „aus“ dem realisierten Reinvermgenszugang erfolgt oder bereits zuvor dessen 4 Dazu z. B. Paul Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch. Ein Vorschlag zur Reform der Einkommen- und Krperschaftsteuer, Heidelberg 2003, S. 42 (§ 2 Rz. 25) m. w. N. 5 Denkbar ist die Argumentation, das sei eine unntige Mehrfacharbeit, wenn der Staat auf der einen Seite gibt, auf der anderen Seite nimmt. Da jedoch die Zuschusshhe nur schwer nach der individuellen Leistungsfhigkeit bemessen werden kann, sollten die Transfers bei der (progressiven) Einkommensbesteuerung in deren Bemessungsgrundlage einbezogen werden. 6 Grundlegend hierzu: Dieter Schneider, Steuerbilanzen, Wiesbaden 1978, S. 45 ff.; ders., Steuerlast und Steuerwirkung. Einfhrung in die steuerliche Betriebswirtschaftslehre, Mnchen/Wien 2002, S. 239 ff. (Einkommen als verwirklichter Mittelerwerb). Theodor Siegel kommt in seinem Beitrag zum Thema „System der Einkommensteuer und Rechtsformneutralitt“, FS Wagner, Wiesbaden 2004, S. 193–208 (197–198), zu dem Ergebnis, dass die „nachgelagerte Besteuerung“ bei Zwangsabgaben mit bloßen „Renten-Hoffnungen“ im „System der Einkommensteuer konsistent“ ist.
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Minderung bewirkt hat, so dass in Hhe der Beitrge gar kein Vermgenszugang vorhanden ist. Letzteres ist m. E. zutreffend. Erst recht knnen die Arbeitgeberbeitrge, die von diesen direkt an die Rentenversicherung abgefhrt werden, als heutiges Einkommen des Arbeitnehmers definiert werden. c) Im geltenden ESt-Recht muss ggf. noch zwischen Gewinn- und berschusseinknften unterschieden werden. Daraus ergibt sich, dass die mgliche Einordnung der Beitrge zur GRV unter die „Werbungskosten“ bei Arbeitnehmern zur Folge haben msste, dass vergleichbare Beitrge von Selbstndigen, Gewerbetreibenden, Landwirten als „Betriebsausgaben“ zu definieren wren. Aus den gesetzlichen Definitionen (§ 4 Abs. 4 EStG bzw. § 9 EStG) wird deutlich, dass es sich um primre, inhaltlich durch die „eigentliche“ erwerbswirtschaftliche Ttigkeit – z. B. als Abteilungsleiter in einem Betrieb – „erwachsene“ Aufwendungen handelt. Die Beitrge an die GRV folgen erst sekundr, knnen deshalb m. E. nur fiktiv als „durch die erwerbswirtschaftliche Ttigkeit bedingt“ definiert werden. d) Schließlich gibt es im geltenden Recht unterschiedliche Verfahren zur Bercksichtigung sog. „indisponibler Privatausgaben“: Das Existenzminimum ist ohnehin steuerfrei zu belassen, darber hinaus knnen aber auch Sonderausgaben unter diesen Begriff subsumiert werden. Nach dem „subjektiven Nettoprinzip“ sind „indisponible“ Privatausgaben unbedingt von der Bemessungsgrundlage abzuziehen, sind also vom zuvor ermittelten, erwirtschafteten „Netto-Einkommen“ abzuziehen. Wer Beitrge zur GRV (und vergleichbare Zahlungen) als indisponible Privatausgaben betrachtet, ordnet diese (in voller Hhe!) unter die Sonderausgaben ein. Es handelt sich dann begrifflich weder um Werbungskosten noch um Betriebsausgaben. Dogmatische Schwierigkeiten bietet die Hhe der Beitrge, denn „indisponibel“ in einem engen Sinne sind nur Aufwendungen zur Erhaltung des Existenzminimums im Alter. Fasst man als „indisponibel“ die gesamten Beitrge auf, so muss dies mit deren Abgabencharakter begrndet werden. Die heutige Nichtbesteuerung freiwilliger und hnlicher Beitrge muss zustzlich begrndet werden. e) Statt dessen knnte auch das „objektive Nettoprinzip“ verfolgt werden, wonach kein Abzug von der Bemessungsgrundlage erfolgen darf. Wer sich fr das objektive Nettoprinzip und („dennoch“) fr eine „nachgelagerte“ Besteuerung ausspricht, muss auf dieser Ebene begrnden, weshalb die Beitrge zur GRV keinen „realisierten Reinvermgenszugang“ darstellen. Das erfolgt mit der Erwgung, dass diese Betrge 30
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(Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) heute nicht zu einem Reinvermgenszugang gefhrt haben. Es handelt sich um „Abgaben“, die heute noch nicht realisierte Vermgensmehrungen sind, denn ihnen steht nur eine „Anwartschaft“ gegenber, die hchstpersnlich ist und daher nicht als Aktivvermgen bewertet werden kann. Wer zustzlich freiwillige Beitrge zur GRV und zu vergleichbaren Leibrentenversicherungen hchstpersnlicher und nicht kapitalisierbarer Art „heute“ von der Besteuerung freistellen will, leitet dies aus dem Gleichheitssatz ab, muss dann aber zu einer gesetzlichen Fiktion greifen, wonach diese Beitrge nicht als heutiges Einkommen „gelten“. Mein persnliches Ergebnis lautet: Da die Beitrge zur GRV Abgabencharakter haben und heute nicht als Konsumpotential vorhanden sind und bei vielen Beitragspflichtigen auch niemals Konsumpotential werden (weil sie frher sterben), gehren diese Beitrge nicht zum heutigen Einkommen.7 Sie sind heute voll von der Besteuerung freizustellen. Das hat die logische Folge, dass die gesamten Rentenbezge steuerpflichtig sein mssen. Aus Gleichheitsgrnden mssen Beitrge fr private Versicherungen mit vergleichbaren Bedingungen wie die GRV ebenso behandelt werden. Weitere „nachgelagerte“ Besteuerungsflle sind jedoch nicht begrndbar. Vor allem sind Kapitallebensversicherungen mit der GRV nicht vergleichbar und deshalb keine Altersvorsorge im hier vertretenen engen Sinne.
II. Die Gesetzesentwicklung Die folgende kurze bersicht ber die Entwicklung bis zum Alterseinknftegesetz enthlt sich zunchst einer Diskussion spezieller inhaltlicher Fragen, doch ist diese Entwicklung deshalb aufschlussreich, weil dadurch manche Gesetzesformulierungen leichter erklrbar sind. 1. Die Forderungen des BVerfG Das BVerfG hatte bereits 1980 die unterschiedliche Besteuerung von Renten aus der GRV und von Beamtenpensionen fr problematisch er7 Damit ist nicht gemeint, dass es sich um „indisponibles“ Einkommen handelt, sondern dass gar kein Einkommen vorliegt. Insofern drfte bereinstimmung mit der Argumentation Theodor Siegels bestehen, die dieser in der FS Wagner, S. 197–198 niedergelegt hat; jedenfalls kommen beide Analysen zu demselben Ergebnis.
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klrt, allerdings dem Gesetzgeber keine Frist gesetzt, bis zu der nderungen erfolgen sollten.8 Ein weiterer Beschluss9 von 1992 schonte den Gesetzgeber noch mit der Begrndung, er habe sich auf die Probleme der Wiedervereinigung zu konzentrieren. Auch die Argumente des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF10, der Einkommensteuer-Kommission11 und vieler anderer12 bewirkten beim Gesetzgeber nichts; die aus den Petersberger Steuervorschlgen entwickelte Gesetzesvorlage der unionsgefhrten Bundesregierung scheiterte am Widerstand des Bundesrates. Das Urteil vom 6. 3. 2002 zeigt berdeutlich, dass die Geduld des Verfassungsgerichtes mit dem sumigen Gesetzgeber erschpft war; es setzte eine Frist.13 Nur diesem Umstand ist es zu verdanken, dass es jetzt zu einer gesetzlichen Neuordnung gekommen ist, was den beklagenswerten Zustand unseres politischen Systems verdeutlicht, rechtzeitig notwendige Reformen durchzusetzen. Aus meiner Sicht muss man angesichts der langen Zeitspanne von 1980 bis 2004 von Politikversagen sprechen. Die Vorgaben des BVerfG lassen sich verkrzt wir folgt beschreiben:14 a) Die „nachgelagerte“ Besteuerung der Beamtenpensionen und die wesentlich geringere Besteuerung der Renten aus der GRV mit deren Ertragsanteil ist gleichheits- und damit verfassungswidrig und muss sptestens ab dem 1. 1. 2005 – ggf. in Stufen – aufeinander abgestimmt sein. Wie dies geschieht, liegt im (weiten) Ermessen des Gesetzgebers. b) Die Neuordnung muss den Zusammenhang zwischen der steuerlichen Behandlung der Beitrge und der Bezge beachten („Korrespondenzprinzip“), wobei keine Zwei- oder gar Mehrfachbesteuerung eintreten darf. c) Will der Gesetzgeber Lenkungsmaßnahmen ergreifen, muss er dies deutlich zu erkennen geben und dabei ein Mindestmaß an zweckgerechter Ausgestaltung einhalten.
8 BVerfG v. 26. 3. 1980 – 1 BvR 121, 122/76, BVerfGE 54, 11. 9 BVerfG v. 24. 6. 1992 – 1 BvR 459, 467/87, BVerfGE 86, 369. 10 Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, Gutachten zur einkommensteuerlichen Behandlung von Alterseinknften. Schriftenreihe des BMF Heft 38, Bonn 1986. 11 Thesen der Einkommensteuer-Kommission zur Steuerfreistellung des Existenzminimums ab 1996 und zur Reform der Einkommensteuer, Schriftenreihe des BMF, Heft 55, Bonn 1995, S. 48. 12 Siehe dazu die Literatur- und Rechtsprechungsangaben im Urteil des BVerfG v. 6. 3. 2002, BVerfGE 105, 73. 13 BVerfG v. 6. 3. 2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73. 14 Die wrtlichen Zitate finden sich im Bericht, S. 4 ff.
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Um die vom BVerfG erkannte Problematik in Zahlen zu fassen, kann auf eine Grafik im Kommissionsbericht verwiesen werden.15 Die rotgrne Bundesregierung setzte 2002 eine „kleine“ Kommission unter Vorsitz von Bert Rrup ein, die innerhalb eines Jahres einen umsetzungsfhigen Vorschlag unterbreiten sollte, der die Vorgaben des BVerfG erfllt.16 Aus dem Bericht dieser Kommission, auf die spter zurckzukommen ist, stammt diese Information, die auch das BVerfG diskutiert hat.17 Danach ist nach dem Recht bis 2004 eine Rente aus der GRV bis zu einem Betrag von rd. 40 000 Euro steuerfrei, whrend Pensionen nur bis zu einem Betrag von rd. 13 000 Euro steuerfrei sind. Diese Differenz muss weitestgehend beseitigt werden. 2. Mitglieder, Auftrag und Ergebnisse der Sachverstndigen-Kommission Die Arbeit dieser Kommission stand fr die ffentlichkeit ganz im Schatten der „großen“ Rrup-Kommission. Dies hat – zusammen mit dem eingehaltenen Versprechen, die Beratungen vertraulich zu behandeln – wesentlich dazu beigetragen, dass intensiv und zgig gearbeitet und ein umsetzungsreifer Vorschlag entwickelt werden konnte, der im Frhjahr 2003 publiziert worden ist.18 Mitglieder und Auftrag sind dort zu finden.19 Ich bekenne gerne, dass ich als Mitglied dieser Kommission fast alle Ergebnisse fr richtig halte, lediglich in ganz wenigen Punkten gingen die Meinungen etwas auseinander. Das hngt gewiss auch damit zusammen, dass Mitglieder berufen worden sind, deren Grundeinstellung bekannt war und von denen erwartet werden konnte, dass sie sich auch gemeinsam zu einem schlssigen Konzept zusammenfinden werden. 3. Der Gang der Gesetzgebung und die Motive des Gesetzgebers Nach Vorlage des Berichts im Frhjahr 2003 haben sich die Verantwortlichen im BMF sofort an die Erarbeitung eines Referentenentwurfs gemacht und dabei fast alle Vorschlge der Kommission bernommen und
15 Bericht, S. 46. 16 Dies ist mit dem „Abschlussbericht“ geschehen: Schriftenreihe des BMF, Heft 74, Bonn 2003. 17 Bericht, S. 46; vgl. BVerfG v. 6. 3. 2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (Tab. 1 mit Betrgen fr das Jahr 1996). 18 Schriftenreihe des BMF, Heft 74, Bonn 2003. 19 Bericht, S. 3 ff.
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in Gesetzesform gegossen. Im Laufe der Gesetzesberatungen kamen verstrkt politische Interessen an Einzelfragen ins Spiel. Ich werde zunchst den wesentlichen Inhalt der Vorschlge der Kommission und ihre Begrndung darstellen und anschließend prfen, ob und inwieweit sich der Gesetzgeber an deren Empfehlungen gehalten hat bzw. wo sich diese Empfehlungen im Gesetz niedergeschlagen haben. Dabei ist zwischen zwei Phasen zu trennen: – dem Endzustand der steuerlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezgen und – der bergangsphase. Viele von uns – mich eingeschlossen – werden wohl den Endzustand nicht mehr erleben. Aber ohne dessen Kenntnis bleiben die bergangsregelungen unverstndlich. Deshalb beschreibe ich zunchst den erstrebten Endzustand – auch weil er relativ einfach ist. Das „relativ“ muss ich zuvor noch kurz erklren, denn es gibt natrlich eine erheblich einfachere Lsung. Wie Sie sich erinnern werden, schuf die erste rot-grne Bundesregierung ein Anreizsystem zur Altersvorsorge, das allgemein als „Riester-Rente“ bezeichnet wird.20 Der Grundsatz, neben die Umlagefinanzierung der GRV ein kapitalgedecktes Altersvorsorgesystem zu etablieren, ist unstrittig sinnvoll. Ob und inwieweit die Ausgestaltung zweckmßig ist, darber kann trefflich gestritten werden. Das Meinungsspektrum reicht von „sinnvollem System“ bis zu „brokratischem Monstrum“. Das sei hier dahingestellt. Die Sachverstndigen-Kommission befand sich in der Situation, wonach neben der umlagefinanzierten GRV gerade erst ein kapitalgedecktes zweites System vom Gesetzgeber implementiert worden war. Es war schnell klar, dass eine Empfehlung, die „Riester-Rente“ grundlegend umzugestalten oder gar abzuschaffen, nicht in Frage kommen konnte, sollten die Empfehlungen der Kommission politisch durchsetzbar sein. Ich bitte deshalb, die Vorschlge der Sachverstndigen-Kommission richtig einzuordnen: Wir mussten sowohl die Umlagefinanzierung der GRV als auch die Frderung der „Riester“-Rente gleichsam als im Wesentlichen unvernderliche Rand- oder „Umwelt“-Bedingung unserer Arbeit akzeptieren. Daher findet sich als Ergebnis der Sachverstndigen-Kommission ein „Drei-Schichten-Modell“, welches die GRV und die „Riester-Rente“ in zwei Abschnitte einordnet.
20 §§ 10a, 70 ff. EStG.
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III. „Endstufe“ der steuerlichen Behandlung der Altersvorsorge nach dem Vorschlag der Sachverstndigen-Kommission 1. Das „Drei-Schichten-Modell“ im berblick Die schematische Darstellung findet sich nicht im Bericht; sie erleichtert jedoch die bersicht:21
21 Es knnen bei betrieblichen Vereinbarungen auch die Voraussetzungen der Basisversorgung erfllt sein; dann gilt die dortige Regelung.
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Zum Inhalt erklrt die Kurzfassung des Berichts:22 „Die erste Schicht, die Basisversorgung, besteht aus Produkten, bei denen die erworbenen Anwartschaften nicht beleihbar, nicht vererblich, nicht verußerbar, nicht bertragbar und nicht kapitalisierbar sind (Gesetzliche Rentenversicherung, Berufsstndische Versorgung, Alterssicherung der Landwirte und auch neu zu entwickelnde private kapitalgedeckte Leibrentenversicherungen). Die zweite Schicht umfasst die Zusatzversorgung im Alter (Regelungen zur Frderung der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge nach §§ 10a und 79 ff. EStG – Riester-Rente – sowie der betrieblichen Altersversorgung). Der dritten Schicht werden Kapitalanlageprodukte zugeordnet, die auch der Altersvorsorge dienen knnen, aber nach Ansicht der Kommission vorgelagert besteuert werden sollen.“
Sie erkennen hieraus, dass sich die Kommission wie u. a. auch der sog. „Karlsruher Entwurf“23 fr eine bestimmte Definition der „Altersvorsorge“ im engsten Sinne entschieden hat. Aus individueller Sicht besteht das finanzielle Risiko fr eine aus dem Erwerbsleben aus Altersgrnden ausscheidende Person darin, dass ihr Vermgen und ihre Anwartschaften nicht ausreichen, den Lebensunterhalt bzw. den Lebensstandard bis zum individuellen Sterbezeitpunkt zu sichern. Dieser Risikoaspekt lsst sich bis zu einer gewissen Grenze durch „Vereinbarung einer bestimmten Versicherung“ ausschalten. Gilt das Gesetz der großen Zahlen, schließen sich also gengend Personen vertraglich zusammen, so knnen sie folgende Erwgung anstellen: In ihrer Gesamtheit haben sie eine bestimmte mittlere Lebenserwartung. Werden auf dieser Kalkulationsgrundlage Beitrge erhoben, so besteht der wesentliche Inhalt des Altersvorsorgevertrages darin, dass die Beitrge derjenigen, die vor diesem Zeitpunkt sterben, denen zugute kommen, die nach diesem Zeitpunkt sterben. Damit haben die Individuen, die – aus finanzieller Sicht – das „Risiko“ des langen Lebens tragen, die Sicherheit, dass sie auch dann noch ber Geld fr den Lebensunterhalt verfgen knnen. Da niemand weiß, zu welcher Gruppe er gehrt, knnen alle zustimmen, weil ein solcher Vertrag den Wohlstand aller Vertragspartner erhht. Dies funktioniert aber nur dann, wenn die frher Versterbenden bereit sind, auf das fr sie angesammelte Kapital zu verzichten, damit die anderen spter davon leben knnen. Grenzt man derart den Begriff der Altersvorsorge ein, so kommt man zu dem Ergebnis, dass dieser Begriff nur bei einer Leibrentenversicherung erfllt ist, die nicht beleihbar, vererblich, kapitalisierbar, verußerbar oder bertragbar ist. 22 Bericht, S. 4. 23 Paul Kirchhof et al., Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, Heidelberg 2001, S. 4 (§ 9).
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Da anzunehmen ist, dass niemand sein ganzes Vermgen in derartige Versicherungen investieren wird, hat die Kommission vorgeschlagen, Vertrge, die diesem Muster – der Basisversorgung – entsprechen, steuerlich so zu behandeln, dass die Beitrge hierfr im Zeitpunkt der Beitragszahlung („heute“) nicht als Einkommen gelten, also der Vertrag aus unversteuertem Einkommen erfllt werden kann. Dies hat zur Folge, dass die spteren Rentenzahlungen in voller Hhe der Besteuerung zu unterwerfen sind. Schlagwortartig wird dies – missverstndlich – als „nachgelagerte“ Besteuerung bezeichnet. Dieses Schlagwort ist deshalb missverstndlich, weil daraus geschlossen werden knnte, es bestnde auch die Mglichkeit der „vorgelagerten“ Besteuerung. Dies wre allerdings ein Trugschluss, wie am Beispiel der GRV gezeigt werden kann. Denn die GRV – sieht man von der Hinterbliebenenversorgung ab – ist fr viele Millionen Steuerpflichtige ein „Datum“, eine Pflichtversicherung, der sie nur um den Preis des Verzichts auf eine unselbstndige Ttigkeit entrinnen knnen. Die „Beitrge“ knnen mit gleichem Recht auch als „Abgaben“ bezeichnet werden. Sie sind jedenfalls „heute“ fr den Pflichtversicherten kein konsumierbares Einkommen, sind kein „Konsumpotential“. Sterben sie vor Erreichen der Altersgrenze, ab der sie Rente bekommen knnten, so hatten sie niemals Konsumpotential, ihre Nachkommen erben auch kein Vermgen. Darum ist es nach Ansicht der Kommission, der ich beipflichte, folgerichtig, Beitrge, welche den Kriterien der „Basisversorgung“ entsprechen, vollstndig von der „heutigen“ Besteuerung frei zu stellen und erst bei Rentenbezug Steuer auf den vollen Rentenbetrag zu erheben. Die Sachverstndigen-Kommission wollte dies technisch dadurch erreichen, dass die Beitrge als Werbungskosten behandelt werden. Hierzu habe ich ein Minderheitsvotum abgegeben, da m. E. dadurch der Begriff der Werbungskosten in eine falsche Richtung erweitert worden wre.24 Der Gesetzgeber hat sich fr einen Abzug als Sonderausgaben entschieden. Zur bersicht ist noch anzumerken, dass auch die betriebliche Altersversorgung, wenn sie den Bedingungen der ersten Schicht entspricht, wie diese behandelt wird. Sie kennen damit jetzt die Grnde fr die Behandlung der GRV sowie vergleichbarer Leibrentenversicherungen. Wer sich dieser – m. E. zwingenden – Abgrenzung anschließt, muss zu dem Ergebnis kommen, dass die herkmmliche Kapitallebensversicherung etwas anderes ist, jeden-
24 Bericht, S. 13, Fn. 6.
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falls diesem „Altersvorsorgebegriff“ nicht entspricht. Deshalb ordnet sie die Kommission auch nicht in die „Basisversorgung“ ein. An sich bentigte man nur die Zweiteilung in die Basisversorgung und in andere Kapitalanlageprodukte. Aus den oben genannten Grnden hat die Kommission sich jedoch fr eine Dreiteilung entschieden, wenn Vertrge dem „Riester“-Muster folgen. Insoweit, als Beitrge hiernach „heute“ steuerfrei sind, muss dann aber „morgen“, d. h. im Falle des Empfangs der Leistungen, eine volle Besteuerung einsetzen. Damit keine Missverstndnisse entstehen: auch private oder betriebliche kapitalgedeckte Vertrge zhlen zur Basisversorgung, wenn sie so abgefasst sind, dass es sich um Leibrentenvertrge handelt, die weder beleihbar noch verußerbar, noch kapitalisierbar usw. sind. Wrde die „nachgelagerte“ Besteuerung nur auf die GRV beschrnkt, wre dies gleichheitswidrig. 2. Die Behandlung der Produkte der zweiten Schicht Die zweite Schicht hebt sich dadurch von der „Basisversorgung“ ab, dass hier auch Teilkapitalisierungen zulssig sind. Dies ist steuersystematisch fragwrdig, war aber durch die Ausgestaltung der „RiesterRente“ vorgegeben und schien der Kommission nicht nderbar. Auf Details ist hier nicht einzugehen. 3. Die Behandlung der Produkte der dritten Schicht Die dritte Schicht – alle anderen Kapitalanlageprodukte – mgen als „Vorsorge“ aufgefasst werden, sie erfllen aber nicht die Bedingungen der Basis- bzw. Zusatzversorgung und sollten deshalb nach Ansicht der Sachverstndigen-Kommission aus versteuertem Einkommen angesammelt werden; das akkumulierte Kapital darf dann spter nicht noch einmal besteuert werden. Um diesem Verbot der Mehrfachbesteuerung zu gengen, muss bei Leibrenten – die nicht die Kriterien der ersten oder zweiten Schicht gengen – noch ein weiteres Problem gelst werden. Ihr Kapitalstock ist voraussetzungsgemß aus versteuertem Einkommen gebildet. Bei Rentenbezug muss dann aber eine Entscheidung darber getroffen werden, welcher Teil der Rente als Rckzahlung versteuerten Kapitals, welcher Teil als „Ertrag“ des akkumulierten Kapitals aufzufassen und demgemß zu versteuern ist. Wegen des einer solchen Vereinbarung innewohnenden Wagnismoments ist dies nicht eindeutig im Voraus zu entschei38
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den. Eine dem geltenden Einkommensteuersystem entsprechende Lsung findet sich z. B. beim Verkauf betrieblicher Wirtschaftsgter gegen Leibrente. Der Rentenberechtigte kann die Rentenzahlungen mit seinem Eigenkapitalkonto verrechnen und muss erst dann Ertrge versteuern, wenn dieses Konto aufgebraucht ist. Dies wre fr die Steuerpflichtigen eine gnstige Lsung und aus meiner Sicht grundstzlich wnschenswert. Angesichts der desolaten Lage der Staatsfinanzen hat sich die Sachverstndigen-Kommission jedoch fr eine andere, den Fiskus weniger belastende, insgesamt vertretbare Lsung der Besteuerung nach dem Ertragsanteil entschieden. Es ist dies eine pauschale Bercksichtigung der Lebenserwartung. Unterstellt wird dabei eine auf statistischen Erhebungen beruhende mittlere Lebenserwartung. Die Rentenzahlungen gelten als Annuitten: der Steuerpflichtige verzehrt, so wird unterstellt, whrend dieser Zeit sein gesamtes bei Rentenbeginn vorhandenes Kapital einschließlich der Zinsen hierauf. Diese werden aus den Annuitten ermittelt und pauschal – mit demselben Prozentsatz – auf die mittlere Lebenserwartung verteilt. Dies ist in groben Zgen das Modell, das § 22 EStG zugrunde liegt. Da § 22 EStG jedoch auf veralteten Sterbetafeln basiert und außerdem mit einem den heutigen Kapitalmarktverhltnissen nicht mehr entsprechenden hohen Zinssatz arbeitet, hat die Sachverstndigen-Kommission empfohlen, beide Aspekte zu bercksichtigen und eine neue Tabelle aufzustellen.25 4. Wrdigung im Vergleich mit dem frheren Recht Der Vorschlag fr die Endstufe bringt wesentliche Vereinfachungen und entspricht voll den Vorgaben des BVerfG. Auch der Vorschlag fr den genderten Ertragsanteil ist begrßenswert, denn er passt diese Regelung an die inzwischen genderten Verhltnisse an.
IV. Die gesetzliche Regelung fr die „Endstufe“ Der Vorschlag der Kommission, Beitrge im Sinne der Basisversorgung als Werbungskosten voll und der Hhe nach unbegrenzt abzuziehen, ist nicht vollstndig bernommen worden. Zum einen wird nach wie vor ein Sonderausgabenabzug vorgesehen. Dies halte ich fr systematisch 25 Inzwischen ist der Garantiezins von 3,25%, den die Sachverstndigen-Kommission ursprnglich zugrunde gelegt hatte, auf 2,75% vermindert worden. Das Gesetz unterstellt einen Zinssatz von 3% (BT-Drucks. 15/2150, S. 42).
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besser als den Werbungskostenabzug, begrße also die gesetzliche Regelung. Jedoch sind die Beitrge fr die Basisversorgung (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b EStG 2005) in der Endstufe der Hhe nach auf 20 000 Euro begrenzt.26 Auch drfen Zahlungen erst ab dem 60. Lebensjahr erfolgen. Hinzugenommen hat der Gesetzgeber Berufsunfhigkeitsund Erwerbsminderungsrenten sowie Hinterbliebenenrenten. Bei der „Riester“-Rente (§ 10a EStG) sind Vereinfachungen und Glttungen vorgenommen worden, die zum Teil auch auf die Kommissionsarbeit zurckzufhren sind, auf die hier aber ebensowenig wie auf weitere Spezialfragen eingegangen werden kann.27 Jedoch ist auf eine erst auf Initiative der rot-grnen Koalition im Finanzausschuss vorgenommene nderung hinzuweisen.28 Der Vorgang ist symptomatisch dafr, wie wenig in Deutschland – und auch bei der EU – auf konomische Zusammenhnge geachtet wird. Aus vorgeblich sozialen oder aus behaupteten Gerechtigkeitsgrnden werden Regelungen eingefhrt, deren Wirkungen alles andere als erstrebenswert sind. Der Finanzausschuss hat u. a. folgende nderung vorgenommen:29 „Einfhrung geschlechtsneutraler Tarife fr neu zu zertifizierende Altersvorsorgevertrge sowie einer Widerrufsmglichkeit fr bereits vor dem 1. 1. 2006 zertifizierte und als Muster zu verwendende Altersvorsorgevertrge, bei denen die sich ergebenden Leistungen nicht auf Grundlage geschlechtsneutraler Tarife ermittelt werden.“ Hierfr liegt aus guten Grnden kein Vorschlag der Sachverstndigen-Kommission vor, denn die Regelung mag gut gemeint sein, ihre konomischen Wirkungen sind es nicht. Persnlich halte ich das hiervon ausgehende Signal fr verheerend: Die fr den Staat handelnden Personen setzen an die Stelle nchterner konomischer Analyse Wunschvorstellungen von der Wirklichkeit und vom Verhalten der Brger. Es ist eine seit Jahrzehnten, wenn 26 Es ist zu beachten, dass in der bergangszeit im Jahr 2005 hiervon nur 60%, dann 62% usw. gelten; Hinweis auf § 10 Abs. 3 Satz 4 ff. EStG in der Fassung ab 2005. 27 Fr die Praxis liegt zum AltEinkG bereits eine Kommentierung vor: Preißer/ Sieben, Alterseinknftegesetz, Freiburg u. a. O., 2004; die „Riester-Rente“ ist auf S. 54 ff. angesprochen. 28 Art. 7 Nr. 1 AltEinkG ndert das Altersvorsorgevertrge-Zertifizierungsgesetz dahin, dass es sich um „eine lebenslange und unabhngig vom Geschlecht berechnete Altersversorgung“ handeln muss. Die konomische Problematik ist im Text verdeutlicht. Es bestehen aber – trotzt Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG – auch verfassungsrechtliche Bedenken, weil hier eindeutig Ungleiches gleich behandelt wird. 29 BT-Drucks. 15/2986, S. 3.
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nicht seit Jahrhunderten durch die Bevlkerungsforschung bewiesene Tatsache, dass sich die mittlere Lebenserwartung von Frauen und von Mnnern signifikant unterscheidet, derzeit um mehr als sechs Jahre.30 Dies verdeutlicht die folgende Grafik; sie zeigt, um wie viele Jahre die Lebenserwartung eines neugeborenen Mdchens hher als diejenige eines Jungen ist:
Danach haben – empirisch seit mehr als hundert Jahren besttigt – Frauen eine erheblich hhere Lebenserwartung als Mnner. konomisch bedeutet dies, dass Mnner im Durchschnitt weniger Kapital fr ihre Altersvorsorge ansparen mssen, weil sie frher sterben. Wird in diesen konomisch eindeutigen Zusammenhang von Staats wegen eingegriffen, indem beiden Geschlechtern dieselben Beitrge fr ihre jeweilige Altersvorsorge vorgeschrieben werden, und wird gleichzeitig dieselbe Rente bis an das Lebensende versprochen, dann gibt es – statisch betrachtet – eine im voraus identifizierbare Gewinner- und eine im voraus identifizierbare Verlierergruppe: Frauen werden finanziell bevorzugt, Mnner finanziell benachteiligt. Man mag diese Tatsache ideolo-
30 Diese Behauptung sttzt sich auf Unterlagen des Statistischen Bundesamtes, die mir freundlicherweise vom Hohenheimer Bevlkerungswissenschaftler Gerhard Grner berlassen worden sind. Hieraus ergeben sich die in der obigen Grafik dargestellten Differenzen der Lebenserwartungen eines lebend geborenen Mdchens gegenber derjenigen eines Jungen.
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gisch dadurch verbrmen, dass man behauptet, beide wrden ja gleich behandelt und das sei gerecht – dies ndert nichts, aber auch gar nichts an den finanziellen Zusammenhngen. Rational handelnde Mnner werden daher sorgfltig prfen, ob die finanzielle Frderung einer Riester-Rente durch den Staat ausreicht, um diese Form fr sie immer noch attraktiv zu gestalten. Reicht sie – was zu erwarten ist – nicht aus, werden sie das „Angebot“ dieser Rente nicht annehmen.31 Dann werden immer weniger Mnner diese Versicherung abschließen. Es wird dann notgedrungen in der Zukunft zu Leistungskrzungen oder hheren Beitrgen fr die in diesem System verbleibenden Frauen kommen – ein Pyrrhussieg fr die Verfechter dieser vermeintlichen Gerechtigkeitslsung. Wir leben eben nicht im Schlaraffenland: heute gleiche Beitrge fr Frauen und Mnner fhren morgen zu verminderten Leistungen, heute unterschiedliche Beitrge fhren morgen zu gleichen Renten. Die Leistungskrzungen vor allem fr die Frauen in der Zukunft muss die heutige Politikergeneration nicht weiter kmmern, denn dann sind sie nicht mehr an der Macht. – Genug davon. Der Vorschlag der Sachverstndigen-Kommission fr die angepasste Ertragsanteilsbesteuerung wurde – mit einem weiter angepassten Zinssatz – in das EStG bernommen, wie Sie am Vergleich der Anteile fr einen 65-jhrigen nach geltendem Recht (27%) und nach AltEinkG (18%) ersehen knnen. Viel schwieriger wird die Situation in der bergangsphase, die nach den Vorstellungen der Kommission wie nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bis zum Jahre 2040 dauert.
V. bergangsphase: „Kohortenmodell“ der Kommission Die Sachverstndigen-Kommission hat fr die bergangszeit ein sog. „Kohortenmodell“ vorgeschlagen. „Kohorte“ ist zwar ein Begriff aus der rmischen Schlachtordnung. Eine cohors umfasste 600 Mann; der Be-
31 Es kann hier nicht berprft werden, ob und inwieweit nach der Anpassung der Versicherungen an die „Geschlechtsneutralitt“ hier evtl. doch noch (geringe) Vorteile fr Mnner verbleiben. Es muss vor allem bedacht werden, dass fr das Verhalten der Steuerpflichtigen nicht der Erwartungswert Maßstab sein kann, weil Risikoscheu die plausiblere Unterstellung ist. Sollte die EU eine entsprechende „Unisex-Richtlinie“ erlassen, werden Versicherungsunternehmen außerhalb der EU daraus Nutzen ziehen und fr Mnner „verbilligte“ Versicherungen anbieten.
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griff hat sich aber auch in der Statistik eingebrgert und wird weniger kriegerisch fr eine Gruppe mit bestimmten Merkmalen verwendet. In diesem Sinne geht es um Jahrgangsgruppen, genauer um diejenigen Personen, die in einem Veranlagungszeitraum erstmalig Renten beziehen. Sie werden als Gruppe gleich behandelt; dies gilt auch fr die zugehrigen Freibetrge. Anders dagegen bei den Beitrgen fr die erste Schicht. 1. Abziehbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen der ersten Schicht Nach dem Vorschlag der Sachverstndigen-Kommission sollen mit fortschreitender Zeit die Beitrge fr die Basisversorgung – gemessen an der Gesetzlichen Rentenversicherung – zunehmend steuerbefreit werden bzw. als nicht steuerbar erklrt werden. Um Nachteile gegenber dem bis 2004 geltenden Recht zu vermeiden, soll dabei eine „Gnstigerprfung“ gelten: die nach neuem Recht jhrlich erhhten Freistellungen drfen auf jeden Fall beansprucht werden, wre aber das alte Recht noch vorteilhafter, gilt dieses. Die Freistellung soll 2005 mindestens 60% der Beitrge betragen und in Stufen von je 2%-Punkten pro Jahr ab 2006 erhht werden, so dass im Jahre 2025 die vollen Beitrge steuerfrei sein sollen. In den Arbeitsunterlagen finden Sie dazu eine Grafik aus dem Bericht, hiervon gilt die obere Linie; sie enthlt die „Gnstigerprfung“ allerdings nicht, weil diese von vielen weiteren Faktoren abhngt.32 2. Besteuerung der Altersbezge von 2005 bis 2040 Um den Zusammenhang mit den Altersbezgen herzustellen, schlgt die Sachverstndigen-Kommission vor, die Renten ab 2005 „kohortenweise“ der Besteuerung zu unterwerfen. Sowohl diejenigen, welche „Altrenten“ beziehen wie diejenigen, die 2005 erstmalig Leibrenten aus der GRV erhalten, drfen nicht mehr nur den bisherigen Ertragsanteil – z. B. 27% bei Rentenbeginn ab dem 65. Lebensjahr – versteuern, sie mssen 50% der Rente der Besteuerung unterwerfen. Dabei soll kein Unterschied zwischen Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten gemacht werden. Die Rentenbiographien seien so unterschiedlich, dass es unmglich erscheine, hier weiter zu differenzieren. Persnlich habe ich mich diesem Argument gebeugt, allerdings darauf Wert gelegt, dass hierzu eine Empfehlung in den Bericht aufgenommen wird, auf die ich 32 Bericht, S. 44.
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noch zu sprechen kommen werde. Bis zum Jahre 2020 soll hier ebenfalls – aber jeweils nur fr Neuflle, also neue Kohorten – eine Erhhung der Besteuerungsgrundlage um 2%-Punkte erfolgen, so dass z. B. bei der Rentnerkohorte des Jahres 2020 dann 80% der Rente besteuert werden. Anders gewendet: Diese Kohorte bekommt einen konstant bleibenden Freibetrag von nur noch 20% des Jahresbetrags 2020. Fr sptere Kohorten steigen die jhrlichen Erhhungen nur noch um 1%-Punkt, so dass die volle Besteuerung erst 20 Jahre spter, also im Jahre 2040 einsetzen soll. Es muss dabei noch etwas beachtet werden. Die Freistellung des restlichen Rententeils wird nicht dynamisiert. Mit anderen Worten: Wer im Jahre 2005 z. B. eine Rente von 17 000 Euro bezieht, fr den sind 50% steuerfrei bzw. nicht steuerbar. Dieser Betrag von 8 500 Euro – nicht dieser Prozentsatz – wird dann als Rentenfreibetrag zeitlebens gewhrt. Es bleiben also immer nur 8 500 Euro pro Jahr steuerfrei, auch wenn die Rente z. B. auf 20 000 Euro steigt.33 Dies kann steuersystematisch gerechtfertigt werden, wie spter bei der Diskussion um die Mehrfachbesteuerung gezeigt werden wird. Die untere Linie der erwhnten Grafik verdeutlicht diesen Zusammenhang. Technisch soll nach den Vorstellungen der Kommission so vorgegangen werden, dass die Bruttorente im Zugangsmonat mit 12 multipliziert und dann mit dem fr das Zugangsjahr gltigen Freistellungsprozentsatz multipliziert wird. Der ermittelte Betrag ist der zeitlebens zu gewhrende jhrliche Renten-Freibetrag.34 Der Gesetzgeber hat dies etwas anders umgesetzt.35 3. Altersentlastungsbetrag, Versorgungs-Freibetrag, Werbungskosten und Sonderausgaben Das geltende Recht behandelt vergleichbare Sparmaßnahmen vllig unterschiedlich. Im Kommissions-Bericht findet sich dazu eine detaillierte Zusammenstellung.36 Besondere Schwierigkeiten whrend der ber33 In das Gesetz ist vom Finanzausschuss noch eine Sonderregelung fr Flle eingefgt worden, bei denen sich nachtrglich der Jahresbetrag ndert, wovon allerdings regelmßige Anpassungen nicht betroffen sind. Hinweis auf § 22 Nr. 1 Satz 3 ff. EStG 2005. 34 Bericht, S. 44. 35 Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist der „Jahresbetrag der Rente“ zu ermitteln. 36 Bericht, S. 79–98.
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gangszeit bietet die Interpretation verschiedener Ermßigungsregelungen des geltenden Rechts. Sie sind ebenso wie die Abziehbarkeit der Beitrge und die Behandlung der Altersbezge sinnvoll aufeinander abzustimmen. Bei den Freibetrgen geht es um den Altersentlastungs- und den Versorgungs-Freibetrag sowie den Arbeitnehmer-Pauschbetrag, darber hinaus um die Hhe abziehbarer Sonderausgaben, die wiederum im Zusammenhang mit dem steuerfreien Existenzminimum gesehen werden mssen.37 Der Versorgungsfreibetrag nach § 19 Abs. 2 EStG gilt nur fr bestimmte Einknfte aus nichtselbstndiger Arbeit und soll eine ermßigte Besteuerung von Altersbezgen38 erreichen, die „nachgelagert“ besteuert werden.39 Damit soll diese Vorschrift vor allem die Kluft zwischen der vollen Besteuerung von Beamtenpensionen und vergleichbaren Bezgen mindern, die als Arbeitnehmereinknfte und nicht als sonstige Einknfte gelten. Der Versorgungsfreibetrag ist somit als Nachteilsausgleich aufzufassen. Hiervon kann bei Altersbezgen, die als Einknfte aus nichtselbstndiger Arbeit gelten, insoweit keine Rede sein, als dabei der volle Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG von 1 044 Euro (bzw. 920 Euro) gewhrt wird. Dieser Pauschbetrag soll aktiven Arbeitnehmern eine Zusammenstellung ihrer Werbungskosten bis zu einer gewissen Hhe ersparen; es wre weltfremd anzunehmen, dass im Ruhestand ebenso hohe Werbungskosten wie in der Aktivenzeit anfallen. Zum Altersentlastungbetrag (§ 24a EStG) schreibt die SachverstndigenKommission, er solle „bei der Besteuerung solcher Einknfte einen Ausgleich schaffen, die nicht wie Versorgungsbezge (§ 19 Abs. 2 EStG) und Leibrenten nach § 22 EStG begnstigt sind.“40 Durch die Angleichung der Besteuerung der Altersbezge im Zuge der Reform entfllt stufenweise auch die Rechtfertigung fr diese Ermßi37 Hierzu vor allem BVerfG v. 24. 6. 1992 – 1 BvR 459, 467/87, BVerfGE 86, 369 sowie Thesen der Einkommensteuer-Kommission zur Steuerfreistellung des Existenzminimums ab 1996 und zur Reform der Einkommensteuer, Schriftenreihe des BMF, Heft 55, Bonn 1995. Die Hhe des Abzugs von Sonderausgaben beeinflusst auch die „Vorsorgepauschale“; dies wird hier nicht weiter angesprochen. 38 Das Gesetz spricht von „Versorgungsbezgen“; Modellfall sind Bezge aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften. 39 Freibetrag = Min (0,4 x Versorgungsbezge; 3 072 Euro). 40 Bericht, S. 64.
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gungen. Folglich empfiehlt die Sachverstndigen-Kommission auch hierfr einen Stufenplan, der auf den Stufenplan beim Abzug der Beitrge und der Besteuerung der Renten abgestimmt ist. Somit folgen auch diese Abzugsbetrge dem „Kohortenprinzip“. Die Tabellen fr diese Betrge beziehen sich auf – das Jahr des Versorgungsbeginns (§ 19 Abs. 2 EStG) bzw. – das auf die Vollendung des 64. Lebensjahres folgende Kalenderjahr (§ 24a EStG); sie sind damit personenbezogen und bleiben lebenslang als Prozentsatz bzw. Abzugsbetrag gleich hoch. Die Tabelle zu § 19 Abs. 2 EStG bercksichtigt dabei auch die Minderung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages. Zum Arbeitnehmer-Pauschbetrag ist eine Anmerkung erforderlich. Fr das Jahr 2004 betrgt er wie zuvor 1 044 Euro. Das Haushaltsbegleitgesetz 2004 hat ihn auf 920 Euro vermindert; dies war im Regierungsentwurf zum AltEinkG noch nicht vorgesehen, ist aber dann im Bericht des Finanzausschusses redaktionell angepasst worden.41 Der Bericht enthlt eine bersicht ber die Ausgangsgrßen 2005 und die vorgeschlagenen Minderungen ab 2006 bis 2040, die hier in leicht vernderter Form wiedergegeben und um die gesetzliche Regelung ergnzt ist.42 nderung des Versorgungsfreibetrags und des AusZuschlags zum Versorgungsfreibetrags gangsgrße 2005
Minderung der Betrge pro Jahr in % bzw. Euro 2006–2020 2021–2040
Versorgungsfreibetrag in Prozent der Bezge bzw. Minderung um Prozentpunkte
40%
1,6%
0,8%
Hchstbetrag des Versorgungsfreibetrags bzw. Minderung pro Jahr
3 000
120 Euro
60 Euro
Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag bzw. Minderung pro Jahr lt. Bericht Betrag bzw. Minderung lt. Gesetz
(1 000) 900
(40 Euro) 36 Euro
(20 Euro) 18 Euro
41 HBeglG 2004 v. 29. 12. 2003, BGBl. I 2003, 3076. Siehe dazu BT-Drucks. 15/ 2986 v. 28. 4. 2004, S. 10 (Art. 1 Nr. 6): Gegenberstellung des § 9a i. d. F. des Koalitions- bzw. Regierungsentwurfs und nderungen durch Finanzausschuss. 42 Bericht S. 62; Gesetzesbersicht in § 19 Abs. 2 Satz 3 EStG.
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Die Sachverstndigen-Kommission hatte vorgeschlagen, den Arbeitnehmer-Pauschbetrag fr Versorgungsbezge sofort auf 102 Euro zu mindern; dies ist jetzt auch in § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b so geregelt worden. Dies soll aber erst die Wirkung ab 2040 sein. Um auch insoweit eine Milderung einzubauen, ist ein Zuschlag zum Versorgungs-Freibetrag vorgeschlagen worden, der im Jahre 2005 nach Vorstellungen der Kommission 1 000 Euro betragen sollte. Dieser htte in den ersten fnfzehn Jahren eine Minderung um (15 x 40 =) 600 Euro, in den folgenden 20 Jahren eine Minderung um weitere (20 x 20 =) 400 Euro bedeutet. Im Gesetzesverfahren sind diese Betrge, wie aus der Tabelle ersichtlich, leicht verndert worden. Jedoch ist der Vorschlag der Sachverstndigen-Kommission zur stufenweisen nderung des § 24a EStG voll bernommen worden.43 Die entsprechenden Zahlen lauten: nderung des Altersentlastungsbetrages
Ausgangsgrße 2005
Minderung der Betrge pro Jahr in % bzw. Euro 2006–2020 2021–2040
Altersentlastungsbetrag in Prozent der Bezge bzw. Minderung um Prozentpunkte
40%
1,6%
0,8%
Hchstbetrag Altersentlastung in Euro bzw. Minderung p. a.
1 900
76 Euro
38 Euro
4. Das Verbot der Zweifachbesteuerung Wie oben schon beim lebenslangen jhrlichen Renten-Freibetrag erwhnt, wird dieser nicht dynamisiert. Die steuersystematische Rechtfertigung ergibt sich aus dem Korrespondenzprinzip, wonach ein Zusammenhang zwischen Beitragsfreistellung und Rentenbesteuerung besteht. Auf Seite 19 der Arbeitsunterlagen findet sich eine Grafik aus dem Bericht, die diesen Zusammenhang verdeutlicht; sie ist hier verkleinert wiedergegeben.44
43 Die Tabelle im BStBl. I zu § 24a EStG enthlt einen Druckfehler im Jahre 2010: statt 32,6 muss es 32,0 heißen. Die Berichtigung findet sich im BStBl. I 2004, 740. 44 Bericht, S. 106.
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Angenommen sei eine Beitragsleistung von 1 im Jahre 0. Hiervon seien 40% versteuert, das sind 40 Eurocent. Dies wird im Jahre 2005 der Fall sein. Entgegen der voraussichtlichen Entwicklung, aber zur Verdeutlichung des Problemes, sei unterstellt, dass sich der Gesamtbeitrag von 1 Euro jhrlich mit 5,5% verzinst, also in rund 13 Jahren hieraus ein Betrag von 2 Euro geworden sei. Werden diese 2 Euro ausbezahlt, dann muss nach geltendem Steuerrecht grundstzlich ein Betrag von 1,60 Euro versteuert werden, wie dies z. B. bei Zero-Bonds der Fall ist. Es entspricht nicht der geltenden Systematik, von den 2 Euro lediglich 60% zu versteuern, also 1,20 Euro als Bemessungsgrundlage anzunehmen. Denn der ganze nominelle, nunmehr realisierte Zuwachs ist Besteuerungsgrundlage. Demnach verstßt es nicht gegen das Verbot der Mehrfachbesteuerung, wenn bei der Rentenbesteuerung kein Abzugsprozentsatz, sondern lediglich ein Renten-Freibetrag gewhrt wird. Wie hoch der insgesamt aus steuerpflichtigem Einkommen stammende Teil der Rente ist, muss fast stets geschtzt werden. Wird er zu niedrig angesetzt, kann ein Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachbesteuerung vorliegen. Hierber gibt es Diskussionen, die nicht ohne weiteres als unberechtigt zurckgewiesen werden knnen. Auch hat es zwischen der Kommission und dem BMF lange Diskussionen darber gegeben, wann von einer Mehrfachbesteuerung gesprochen werden muss. Aus meiner Sicht ist es unzulssig, eine Zwei- oder Mehrfachbelastung daran zu messen, ob Steuerzahlungen zu befrchten sind. Eine Zweifachbelastung liegt m. E. bereits dann vor, wenn versteuerte Betrge zwei- oder mehrfach in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Die unterschiedlichen Positionen lassen sich vereinfacht wie folgt an einem Einmalbetrag darstellen: 48
Bareis, Neuregelung der Rentenbesteuerung
Ein Steuerpflichtiger habe 100 Geldeinheiten Beitrge geleistet, wovon unstrittig 30 aus unversteuertem Einkommen stammen, 70 also bereits versteuert sind. Er bekomme spter genau den Betrag 100 ausgezahlt. Das Gesetz bestimme nun, dass hiervon 45 in die Bemessungsgrundlage der ESt einzubeziehen seien. Eine Steuerzahlung ergebe sich daraus nicht, weil inzwischen z. B. das Existenzminimum erhht worden ist. Nach meinem Verstndnis liegt hier dem Grunde nach eine Mehrfachbelastung vor, denn ein Teil der Bemessungsgrundlage, nmlich 70 ist versteuert, so dass hchstens noch 30 in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden drfen. Dies entspricht der Kommissionsauffassung.45 5. Wrdigung Alles in allem bewerte ich die Kommissionsvorschlge angesichts der desolaten Staatsfinanzen als ausgewogen und sehr gut vertretbar. Mehr als nur ein Schnheitsfehler ist jedoch das bereits von der Kommission erkannte Problem der Zweifachbelastung bei bestimmten Jahrgngen. Bei Selbstndigen sind dies die Jahrgnge zwischen etwa 2018 und 2026, ansonsten die Jahrgnge zwischen etwa 2039 bis 2043. Hier knnen nach heutigem Wissensstand Zweifachbelastungen nicht vllig ausgeschlossen werden. Auf dieses Problem ist mit unterschiedlichem Nachdruck hingewiesen worden. Die Forderung an die politisch Verantwortlichen kommt in folgender Formulierung im Bericht zum Ausdruck, der ich persnlich voll zustimme: „Will der Gesetzgeber eine Zweifachbesteuerung ... ausschließen, so kann er dies bei gegebenen finanziellen Mglichkeiten durch eine beschleunigte Freistellung der Beitrge zur Basisversorgung erreichen.“46
Ich habe allerdings den Eindruck, dass dieser Passus des Berichts bisher nicht ernst genug genommen worden ist. Als im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages ber die Entwrfe beraten wurde, wurde dieser Frage praktisch keine Aufmerksamkeit gewidmet.47 Um so lnger dauerten die Diskussionen darber, welche zustzlichen Wohltaten bei der Riester-Rente verteilt werden knnten. Hierin zeigt sich aus meiner Sicht eine falsche Gewichtung der Probleme. Es msste die vornehmste
45 Bericht, S. 50–51. 46 Bericht, S. 55. 47 Sitzung am 28. 1. 2004. Immerhin hat der Finanzausschuss spter eine Korrektur bei der Leibrentenbesteuerung vorgenommen (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb: Antragsmglichkeit bei zehn Jahren Beitrgen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der GRV).
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Aufgabe der politisch Verantwortlichen sein, zunchst unangemessene Folgen beim Zwangssystem der GRV zu beseitigen, statt Geld fr nicht notwendige Begnstigungen zu verwenden. 6. Die gesetzliche Regelung fr die bergangsphase bis 2040 Der Gesetzgeber ist auch hier praktisch vollstndig den Vorschlgen der Kommission gefolgt, wie dies teilweise oben schon angesprochen worden ist. Es sind zudem vom Finanzausschuss Verbesserungen insofern beschlossen worden, als bei Nachweis einer mehr als zehnjhrigen Beitragsentrichtung oberhalb der Beitragsbemessungsgrundlage der GRV auf Antrag eine Besteuerung nach dem Ertragsanteil erfolgen kann (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG 2005).48
VI. Fiskalische Auswirkungen und Sicherung der Besteuerung 1. Auswirkungen nach dem Vorschlag der Sachverstndigen-Kommission In den Arbeitsunterlagen finden Sie die vom BMF im Auftrag der Sachverstndigen-Kommission ermittelten Mindereinnahmen des Staates bei Umsetzung der Beschlsse der Kommission. Hierauf ist nicht im einzelnen einzugehen. Aufschlussreich ist der Vergleich mit den Auswirkungen, welche das BMF fr die endgltige Fassung des Alterseinknfte-Gesetzes ermittelt hat. 2. Auswirkungen des Gesetzes Danach sind in allen Haushaltsjahren bis 2010 durch das AltEinkG hhere Ausflle zu verzeichnen, als dies bei Umsetzung der Kommissionsvorschlge der Fall gewesen wre. Der Grund liegt offensichtlich an den Verbesserungen, welche der Gesetzgeber fr die Behandlung der „zweiten Schicht“ und fr die teilweise Begnstigung von Kapitallebensversicherungen vorgesehen hat. Erst im Vermittlungsausschuss wurde dieses Problem so gelst, wie es leider allzu hufig erfolgt: Er48 Durch die unbersehbaren Verschachtelungen der Paragraphen ist deren Zitierung hufig problematisch. Es wre sinnvoll, wenn der Gesetzgeber ein einheitliches Gliederungsprinzip einhalten wrde. Gemeint ist hier der Satz: „Dies gilt auf Antrag auch fr Leibrenten und andere Leistungen ...“, womit vor allem Renten aus berufsstndischen Versorgungswerken zu verstehen sind.
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kannte Vergnstigungen wollen die politisch Verantwortlichen lieber nicht vollstndig beseitigen; dadurch knnte das Steuerrecht ja zu einfach werden. Man denke z. B. an den „Rasenmher Marke Koch-Steinbrck“, mit dessen Hilfe Subventionen zwar gekrzt worden sind, aber nicht in einem Vorgang, der sich jedes Jahr wiederholen soll. Selbst wenn sich dieser Vorgang fortsetzen wrde, so wrden weitere zehn Jahre vergehen und alle Vergnstigungen wren zwar reduziert, aber allesamt noch mit etwa 10% ihres frheren Bestandes vorhanden. Am Rande sei noch darauf hingewiesen, dass sowohl die Sachverstndigen-Kommission wie der Gesetzgeber Regelungen vorgeschlagen bzw. beschlossen haben, welche Steuerausflle durch die nachgelagerte Besteuerung bei Wegzug verhindern sollen. Ob und inwieweit dies europarechtlich durchsetzbar ist, zhlt noch zu den umstrittenen Fragen; hierauf kann ich als konom aber keine verbindliche Auskunft geben.
VII. Ausblick Die nunmehr erfolgte Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezgen ist zwar ein wesentlicher Fortschritt gegenber dem bisherigen Zustand. Wenn ich dennoch abschließend damit nicht voll zufrieden bin, so aus drei Grnden: a) Es ist leider nicht zu einer Vereinfachung gekommen; die – notwendigen – bergangsvorschriften sind nicht leicht nachvollziehbar, die Einfgung in das kaum noch zu systematisierende EStG mag zwar gesetzestechnisch einwandfrei sein, die Lektre ist aber nach wie vor eine schwere Kost. b) Leider ist das zentrale Problem der mglichst schnellen Freistellung der Beitrge zur GRV und vergleichbarer Beitrge zur Basisversorgung noch nicht vollstndig gelst. Die bergangsfristen sollten, sobald es die Wirtschaftslage erlaubt, erheblich verkrzt werden. c) Damit verbunden ist die Gefahr von Mehrfachbelastungen in mittlerer Frist, weshalb eine schnellere Freistellung heutiger Beitrge um so dringlicher wird. Diese Aspekte mssen daher auf der politischen und steuerwissenschaftlichen Tagesordnung bleiben. Vielleicht erleben viele von uns dann doch noch den „Endzustand“ noch vor 2040.
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Reform der Steuerveranlagung Professor Dr. Roman Seer Ruhr-Universitt Bochum Inhaltsbersicht I. Periodische Bewltigung von Verfahrensmassen als Vollzugsrealitt und realittsfremde „100%-Doktrin“ II. Wandel vom hoheitlichen zum kooperativen Staat 1. Faktischer Wandel in der Besteuerungspraxis 2. Kooperationsmaxime und sog. Tax Compliance Strategie III. Effizienzgewinn durch Einfhrung einer Selbstveranlagung 1. Schonung/Freisetzung von Verwaltungsressourcen 2. Einstieg in das E-Government durch Einsatz elektronischer Steuererklrungen 3. Zentrale Bedeutung der bundeseinheitlichen Steuernummer zur Nutzung des elektronischen Informationsaustauschs 4. Vereinheitlichung der Steuererklrungsfristen und Flligkeiten 5. Vereinheitlichung und Vereinfachung des Zinssystems (Ist-Verzinsung)
IV. Risikomanagement zur Sicherung der Gesetz- und Gleichmßigkeit der Besteuerung 1. Computergesteuerte Plausibilittskontrolle und Datenabgleich 2. Computergesteuerte Auswahl manueller Prfungsflle nach Risikowahrscheinlichkeit (Punktemodell, Steuervita) 3. Ausbau der Nachschau/Einfhrung der veranlagungsbegleitenden Außenprfung 4. Prventivschutz durch ein abgestimmtes System von Steuerzuschlgen V. Ausbau der Service-Leistungen der Finanzverwaltung 1. Verwendung der gesammelten Daten zu einem elektronischen Steuererklrungsentwurf 2. Erhhung der Rechtssicherheit durch Verkrzung der Festsetzungsfrist 3. Ausbau kooperativer Handlungsformen (Zusage/Verstndigung) 4. Anreizsystem zur Konsultation qualifizierter Angehriger steuerberatender Berufe
I. Periodische Bewltigung von Verfahrensmassen als Vollzugsrealitt und realittsfremde „100%-Doktrin“ Die Steuerveranlagung wird in Deutschland unverndert als einseitiger Hoheitsakt wie folgt verstanden: Der Finanzbeamte ermittelt von Amts wegen den steuerlich relevanten Sachverhalt (§ 88 Abs. 1 Satz 1 AO). 53
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Dabei bedient er sich Beweismittel (§ 92 AO). Auf der Basis der so gewonnenen Tatsachen setzt er die gesetzlich geschuldete Steuer fest (§ 155 Abs. 1 AO). Das wichtigste Aufklrungsmittel ist dabei der Steuerpflichtige selbst, der durch Mitwirkungspflichten in das Steuerrechtsverhltnis eingebunden ist (§§ 90 ff., 134 ff., 149 ff., 193 ff. AO). Nach verbreiteter Auffassung soll er die hoheitliche Sachaufklrung lediglich als Erforschungsgehilfe (im Sinne eines Beweismittels in eigener Steuersache) untersttzen1; die amtswegige Aufklrungspflicht werde dadurch nicht eingeschrnkt, sondern eher erweitert2. Erst wenn der Finanzbeamte in bereinstimmung mit dem Prozessrecht vom entscheidungserheblichen Sachverhalt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) berzeugt sei, drfe er die Steuer festsetzen3. Wrden die Finanzbehrden in der Wirklichkeit flchendeckend so verfahren, trte in kurzer Zeit der Haushaltsnotstand ein.4 Die in etwa 30millionenfach5 jhrlich erneut entstehenden Steueransprche wrden in der Besteuerungswirklichkeit nicht durchgesetzt, sondern, ganz im Gegenteil, sogar vereitelt. Einige wenige Flle wren vollstndig ausermittelt, das Gros bliebe aber unerledigt.6 Die Besteuerung geriete zum Willkrakt. Wenn sich der Finanzbeamte von dem in der Steuererklrung angegebenen Gewinn berzeugen wollte, msste er jeden einzelnen Geschftsvorfall eines Veranlagungszeitraums berprfen. Dies wre ein hoffnungsloses Unterfangen, eine schlichte Unmglichkeit. Selbst eine durchschnittliche Einkommensteuererklrung enthlt so viele steuererhebliche Tatsachen, dass der Finanzbeamte sie nicht zu seiner vollen
1 H. Shn in Hbschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 88 AO Rz. 94 (November 2003). 2 H. Shn in Hbschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 88 AO, Rz. 94 ff. (November 2003). 3 C. Lambrecht, Normative Bindung und Sachverhaltserfassung, DStJG Bd. 12 (1989), S. 79, 81; M. Schmidt, Die Problematik der objektiven Beweislast im Steuerrecht, Diss. Wrzburg, Berlin 1998, S. 42 ff.; S. Mller-Franken, Maßvolles Verwalten, Habil. Passau, Tbingen 2004, S. 279 ff. 4 Klarsichtig K. Tipke in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 88 AO Tz. 27 (Juli 2002); dies erkennt auch H. Shn in Hbschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 88 AO Rz. 175 (November 2003), der deshalb seine hohen Anforderungen an den Gewissheitsgrad fr die Sachverhaltsverwirklichung wieder relativieren muss. 5 Die Zahl beruht auf Angaben der Deutschen Steuergewerkschaft, siehe nher R. Seer, Besteuerungsverfahren: Rechtsvergleich USA–Deutschland, Heidelberg 2002, Rz. 61, mit Vergleichszahlen der USA (ca. 120 Millionen Einkommen- und Krperschaftsteuererklrungen). 6 R. Seer, Mglichkeiten und Grenzen eines „maßvollen“ Gesetzesvollzugs, FR 1997, 553, 557.
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berzeugung feststellen kann. Angesichts der jhrlich wiederkehrenden unberschaubaren Quantitten befindet sich die Finanzverwaltung dauerhaft in einem Zielkonflikt zwischen der sorgfltigen Sachaufklrung im Einzelfall und der periodischen Sicherstellung des Gesamtvollzugs, d. h. der Summe der Einzelflle7. Unter den realen Bedingungen begrenzter Verwaltungsressourcen zwingen die Maximen der Gesetzmßigkeit und Rechtsanwendungsgleichheit dazu, die Ermittlungsintensitt fr den jeweiligen Einzelfall an der praktischen Realisierbarkeit des Gesamtvollzugs auszurichten. Dessen Sicherstellung bildet deshalb den ußeren Rahmen, innerhalb dessen sich der Einzelvollzug mit dem Auftrag grßtmglicher Gesetzmßigkeit bewegt8. Es ist deshalb berfllig, die berzeugungsdoktrin (100%-Doktrin) offen aufzugeben.9 Ordnet eine Rechtsnorm etwas faktisch Unmgliches an, so ist ihr im Hinblick auf dieses Ziel wegen des Fehlens sozialer Wirksamkeit die Rechtsgeltung und damit letztlich auch die Eigenschaft von Recht abzusprechen10. Es fhrt nicht weiter, die Misere der Finanzverwaltung zu beklagen und – mit einer an der 100%-Doktrin orientierten (unrealistischen) Erwartungshaltung – permanent den Vollzugsnotstand auszurufen11. Gefordert sind vielmehr konstruktive Vor7 Siehe bereits R. Seer, Verstndigungen in Steuerverfahren, Habil., Kln 1996, S. 230 ff. 8 R. Seer (Fn. 6), FR 1997, 553, 557; ders. in Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., Kln 2002, § 21 Rz. 5, S. 212; dies erkennen auch K. Tipke in Tipke/Kruse AO/FGO, § 85 AO Tz. 29 (Februar 2002); J. Hoffmann, Der maßvolle Gesetzesvollzug im Steuerrecht, Diss. Heidelberg, Kln 1999, S. 192 ff., wo er allerdings den potentiellen Konflikt zwischen Gesamt- und Einzelvollzug zu Unrecht verdrngt. 9 So offen geschehen in den Niederlanden, siehe S. Ahrens, Der Vollzug von Steuergesetzen durch den niederlndischen Belastingdienst im Vergleich zur deutschen Finanzverwaltung, Diss. Bochum, Berlin 2005, S. 92 f. 10 K. Tipke, Zwischen materiellem Steuerrecht und Steuerverfahrensrecht, StuW 2004, 3, 4; ebenso S. Mller-Franken (Fn. 3), S. 120, der bei Anwendung dieser Regel allerdings von seiner berzeugungsdoktrin abrcken msste. 11 Eindrucksvolle Zustandsbeschreibungen von K. Arlt, Die Steuerverwaltung – gestern – heute – morgen – Bewltigung des gesetzlichen Auftrags im Wandel der Zeit, JbFSt 1973/74, 26; J. Jenetzky, Die Misere der Steuerverwaltung – ber die Wirklichkeit der Steuerrechtsanwendung durch die Steuerbehrden, StuW 1982, 273; P. Neckels, ber die Mitverantwortung der Exekutive – Eine unkonventionelle Betrachtung zur Misere des deutschen Steuerwesens und zu Mglichkeiten ihrer berwindung, StWa. 1993, 61; K. Tipke, Das Dilemma der Finanzverwaltung – Zeitnahe oder gesetzmßig-gleichmßige Besteuerung, StWa. 1994, 221; H. Egge, Lage der Steuerverwaltung und Folgerungen, StuW 1994, 272; H. Helsper, Wege fr Beweger im Steuerwesen – 5 Reden ber kleine Ursachen mit großen Wirkungen, Kln 2001, S. 73 ff.
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schlge zur Problemlsung, die sich an den realen Vollzugsbedingungen orientieren. Am Anfang unserer berlegungen hat daher die folgende Erkenntnis zu stehen: Selbst wenn das materielle Steuerrecht auf seine systemtragenden Prinzipien zurckgefhrt bzw. weiterentwickelt und zugleich deutlich vereinfacht werden sollte, mssen die Finanzbehrden weiterhin Verfahrensmassen bewltigen. Das Bild vom Finanzbeamten als „Untersuchungsrichter“, der von Amts wegen den Sachverhalt in seinen einzelnen Facetten ermittelt12, wird auch dann weiterhin der Verwaltungsrealitt nicht gerecht. Die Forderung nach finanzbehrdlicher berzeugung von der Richtigkeit des der Besteuerung im jeweiligen Einzelfall zugrunde gelegten Sachverhalts bleibt deshalb selbst in einem Idealzustand des materiellen Steuerrechts schlichte Illusion. Flchendeckende, einzelsachverhaltsbezogene Kontrolle aller Steuerflle zu fordern, hieße die Finanzbehrden zu berfordern.
II. Wandel vom hoheitlichen zum kooperativen Staat 1. Faktischer Wandel in der Besteuerungspraxis Um gleichwohl den Gesamtvollzug sicherzustellen, bleibt der deutschen Finanzverwaltung gar nichts anderes brig, als eine gewichtende Arbeitsweise zu pflegen. Sie ist lngst auf dem Weg in eine faktische Selbstveranlagung mit kapazittsabhngiger manueller Kontrolle13. Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung vom 15. 7. 1998 unterstellt fr den Regelfall, dass die Angaben des Steuerpflichtigen in der Steuererklrung vollstndig und richtig seien14. Nach dem gleich lautenden Lndererlass vom 19. 11. 199615 ist eine genauere Prfung sog. Intensivprfungs-(I)-Fllen und sog. Prffeldern vorbehalten. Die davon nicht betroffenen Flle „winkt“ der Veranlagungssachbearbeiter nunmehr „durch“ oder „hakt“ die Positionen schlicht „ab“16. In jngster Zeit 12 Ihm folgt mit bemerkenswerter Realittsblindheit weiterhin S. Mller-Franken (Fn. 3), S. 305 ff. In seiner Habilitationsschrift ber das „Maßvolle Verwalten“ taucht der Begriff der Massenverwaltung berhaupt nur an zwei singulren Stellen auf (S. 4, Fn. 28, u. S. 457). 13 R. Seer, Reform des Veranlagungsverfahrens, StuW 2003, 40, 42 ff.; ebenso die Einschtzung von R. Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, Habil. Mnster, Kln 1999, S. 461 ff. 14 So in Nr. 2 zu § 88 AO, BStBl. I 1998, 630, 690. 15 BStBl. I 1996, 1391. 16 Plastisch zur Arbeitsweise von Veranlagungsstellen H. Helsper, Wege fr Beweger im Steuerwesen, Kln 2001, S. 83 ff.
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werden vermehrt einfach gelagerte Flle (sog. E-Flle) „ausgesteuert“ und einer „Express-Bearbeitung“ (Schnellveranlagung) zugefhrt. Bei den sog. E-Fllen nimmt die Finanzbehrde nur noch hchst kursorische Kontrollen vor. Die Abgabenordnung lsst die Finanzverwaltung bisher bei der Frage allein, wie sie angesichts immerwhrend knapper Kapazitten ihre Ermittlungen gewichten soll. Der gesetzgeberische Steuerungsverzicht ist ein Mangel. Das Gesetz sollte die faktischen Bedingungen fr die Veranlagungsarbeit endlich zur Kenntnis nehmen und das Verfahren daran auszurichten. M. E. fhrt kein Weg an einem Selbstveranlagungsverfahren vorbei, das dem Gedanken der Selbstregulierung folgt17. Der technische Fortschritt hin zur elektronischen Steuererklrung und der flankierende Einsatz von Lesegerten (sog. Scanner) machen diesen Schritt nun mglich. 2. Kooperationsmaxime und sog. Tax Compliance Strategie Die Idee der Selbstveranlagung setzt auf Kooperation mit dem Steuerpflichtigen. An die Stelle des konfrontativen tritt der kooperative Steuerstaat18. Der kooperative Steuerstaat ist keineswegs Ausdruck einer – wie Mller-Franken verunglimpfend meint – „Geflligkeitsdemokratie“19. Er ist gerade kein schwacher Staat. Vielmehr erkennt er lediglich seine faktischen Grenzen und setzt zur hchstmglichen Verwirklichung der Gesetz- und Gleichmßigkeit der Besteuerung konsequent auf die Mitwirkung der Steuerpflichtigen. Den Gesetzesvollzugsrealitten entsprechend flankiert er die Untersuchungsmaxime um die Kooperationsmaxime20. Diese enthlt mehr als nur ein „mitwirkungsoffenes Verwalten“ durch hoheitliche Anforderung des Brgers als „Erforschungsgehilfen“ der Verwaltung. Vielmehr verlangt sie nach strukturellen Anreizen, damit der Steuerpflichtige von selbst mitwirkt. Ohne diese „Selbstregulierung“ wre der Steuerstaat heute lngst nicht mehr zu verwirklichen und der Staatsbankrott eingetreten! Zugleich ist der kooperative Steuerstaat kein naiver Staat. Ihm ist das hoheitliche Eingriffsmittel keineswegs fremd und schon gar nicht – wie
17 R. Seer (Fn. 13), StuW 2003, 40, 45 ff. 18 So der gleichnamige Aufsatz von R. Eckhoff, StuW 1996, 106, 110 ff. 19 S. Mller-Franken (Fn. 3), S. 21 f., 234, dessen Kritik leider an der Sache vorbeigeht. 20 R. Seer in Tipke/Lang (Fn. 8), § 21 Rz. 4, S. 170 ff.
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Mller-Franken21 glauben machen will – „ungehrig“. Vielmehr bedarf gerade auch der auf Kooperation setzende Steuerstaat (scharfer) Eingriffsmittel, um bei Nichtkooperation wirksame Sanktionen verhngen zu knnen. Er geht davon aus, dass niemand gern Steuern zahlt und nur wenige aus eigenem Antrieb mitwirken. Deshalb schafft er sowohl Anreize zur Kooperation als auch Sanktionen fr den Fall der Nichtkooperation22. Ausdruck dieser Kooperationsmaxime sind – international betrachtet – sog. Tax Compliance Strategien, die mittlerweile auch Eingang in den Sprachgebrauch der deutschen Finanzverwaltung gefunden haben. „Compliance“ steht als Krzel schlicht fr die Einhaltung und Erfllung steuerlicher Pflichten23. Ziel der Tax Compliance Strategie ist es, den Steuerpflichtigen zu einer verbesserten Einhaltung der Steuergesetze zu motivieren, den Kontrollbedarf im Einzelfall dadurch nachhaltig zu senken und zur Steigerung der Effektivitt des Gesetzesvollzugs beizutragen. So stuft die niederlndische Finanzverwaltung die Steuerpflichtigen grob in drei Gruppen ein24: a) die ihren steuerlichen Verpflichtungen aus eigenem Antrieb nachkommen; b) die ihren steuerlichen Verpflichtungen nur unter dem Eindruck prventiver Maßnahmen der Finanzverwaltung nachkommen; c) die sich ihren steuerlichen Verpflichtungen kategorisch entziehen wollen. Ziel der Tax Compliance Strategie ist es, bei den Steuerpflichtigen ein Bewusstsein zu schaffen, dass von ihnen mglichst viele der Gruppe 1 oder wenigstens noch der Gruppe 2 angehren. Whrend diesen Steuerpflichtigen Vertrauen entgegengebracht werden kann, mssen die Steuerpflichtigen der Gruppe 3 real mit intensiven Kontroll- und berwachungsmaßnahmen der Finanzbehrden rechnen. Dieses Bewusstsein lsst sich mit repressiven Mitteln allein nicht schaffen. Deshalb setzen Selbstveranlagungssysteme auf das Zusammenspiel von zwei Wirkmechanismen:25 21 S. Mller-Franken (Fn. 3), S. 234. 22 R. Eckhoff (Fn. 13), S. 456, spricht plastisch von der „Rute im Fenster“. 23 Hufig wird der Begriff im Sinne einer „Voluntary Compliance“ (miss-)verstanden, so etwa Kienbaum Consultant/Bertelsmann Stiftung, Compliance – Eine brgerorientierte Strategie der Steuerverwaltung, Berlin/Gtersloh 2001, 1. Auf Freiwilligkeit kommt es indessen nicht an. 24 Nher dazu S. Ahrens (Fn. 9), S. 139 f. 25 Siehe B. Nagel, Selbstveranlagung im britischen und amerikanischen Recht, Diss. Bochum, Frankfurt a. M. u. a. 2003, 10.
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a) Durch ein effektives Risiko-Management soll Fehlverhalten der Steuerpflichtigen aufgedeckt und mit sprbaren (abschreckenden) Sanktionen (sog. Deterrence Strategy) belegt werden. b) Durch ein umfangreiches Serviceangebot soll die Mitwirkung der Steuerpflichtigen gefrdert werden.
III. Effizienzgewinn durch Einfhrung einer Selbstveranlagung 1. Schonung/Freisetzung von Verwaltungsressourcen Entgegen einer landlufig verbreiteten Auffassung leidet die deutsche Finanzverwaltung nicht an chronischem Personalmangel. Dies macht der internationale Vergleich deutlich. So verfgt die amerikanische Bundesfinanzverwaltung gerade einmal ber ca. 100 000 Mitarbeiter, whrend die deutschen Landesfinanzverwaltungen es insgesamt auf ca. 151 000 Mitarbeiter bringen26. Whrend die amerikanische Bundesfinanzverwaltung ca. 120 Millionen Einkommen- und Krperschaftsteuerflle zu verarbeiten hat, sind es in Deutschland nur ca. 30 Millionen27. Nun mag die amerikanische Finanzverwaltung in der Tat unterbesetzt sein28. Im europischen Vergleich erweist sich die deutsche Finanzverwaltung personell aber immer noch als angemessen ausgestattet. So entspricht die Personalstrke des Landes Nordrhein-Westfalen in etwa der des Nachbarstaats Niederlande29, der fr effizienten Steuervollzug bekannt ist. Das Personal ist nicht unterbesetzt, sondern falsch eingesetzt. Derzeit werden qualifizierte Finanzbeamte immer noch in großer Zahl damit beschftigt, den Inhalt von Steuererklrungen abzuhaken und mhsam datentechnisch zu erfassen. Angesichts der zu bewltigenden Masse knnen sie sich mit der ihr an sich zugedachten Aufgabe, die Steuererklrungen inhaltlich zu verifizieren, nur hchst eingeschrnkt widmen. Das gesetzliche Konzept, die Steuererklrungen an Amtsstelle zunchst zu berprfen, um erst danach die richtige (gesetzmßige) Einkommensteuer endgltig festzusetzen, ist deshalb berholt. Bei einer elektronischen Selbstveranlagung bedarf es dagegen einer weitaus gerin26 Stand per 30. 6. 2003 lt. Statistischem Bundesamt, siehe www.destatis.de/ basis/d/fist/fist06.php. Bei einem funktionalen Vergleich entsprechen der amerikanischen Bundessteuerverwaltung ca. 120 000 Mitarbeiter. 27 R. Seer (Fn. 5), Rz. 61. 28 Zum Verfall der manuellen Prfungsdichte in den USA siehe R. Seer (Fn. 5), Rz. 61 ff. 29 Siehe S. Ahrens (Fn. 9), S. 123 f.
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geren Anzahl von Mitarbeitern, die nicht einmal ber eine qualifizierte steuerrechtliche Ausbildung verfgen mssen, um die außerhalb der elektronischen Steuererklrungen verbleibende Rest-Veranlagungsarbeit zu erledigen. Das bisher im hoheitlichen Veranlagungsverfahren gebundene Steuerfachpersonal kann sich seiner ureigensten Aufgabe, der Verifikation der eingereichten Steuererklrungen und der Steueraufsicht zur Ermittlung bisher unbekannter Steuerflle, widmen30. Durch diese Revitalisierung seiner eigentlichen Aufgabe lsst sich dem Finanzbeamten das Selbstverstndnis eines Steuerrechtspflegers31 vermitteln und der derzeit weit verbreiteten Frustration innerhalb der Beamtenschaft entgegenwirken32. 2. Einstieg in das E-Government durch Einsatz elektronischer Steuererklrungen Eine Selbstveranlagung nutzt die erweiterten Mglichkeiten des sog. Electronic(E)-Governments. Unter E-Government versteht die Verwaltungswissenschaft nicht bloß eine verbesserte Verwaltungsautomation durch interne Vernetzung der Verwaltung, sondern die externe Vernetzung der Verwaltung mit Brger und Unternehmen33. E-Government soll einerseits die Verwaltungseffizienz steigern, andererseits den Service fr die Brger verbessern34. Diesem Konzept des sog. New Public 30 So bereits vor mehr als 30 Jahren als Vorzug erkannt von J. Hartmann, Reform des Veranlagungsverfahrens durch Selbstberechnung der Steuer – Dargestellt an den Versuchen zur Selbstberechnung im Lande Niedersachsen, Berlin 1967, S. 21. 31 Zum Ideal des Steuerrechtspflegers siehe R. Seer, Der Finanzbeamte – Fiskalist oder Steuerrechtspfleger?, SteuerStud 1999, 294; zum Faktor der Mitarbeiterzufriedenheit siehe G. Kail/H. Riedel, VOP 1-2/2001, 26 ff. 32 Eine Beschreibung des derzeitigen Motivationsstands der Bediensteten liefert H. Helsper (Fn. 16), S. 73 ff. Auch D. Kempf, Ansatzpunkte und Chancen zur Rationalisierung des Besteuerungsverfahrens, in Festschrift fr K. Offerhaus, Kln 1999, S. 857, 861, fordert, die Finanzbeamten aus der „unbefriedigenden Rolle der ,Hkchenmacher‘ herauszuholen“. 33 T. Groß, Die Informatisierung der Verwaltung – Eine Zwischenbilanz auf dem Weg von der Verwaltungsautomation zum E-Government, VerwArch. Bd. 95 (2004), 400, 401 f., unterscheidet 3 Phasen: 1. Phase = Verwaltungsautomation durch den Einsatz von Großrechnern (Rechenzentren), 2. Phase = Miniaturisierung der Verwaltungsautomation durch den Einsatz von Personal-Computern, 3. Phase = externe Vernetzung der Verwaltung und Brger via Internet. 34 Siehe T. Groß (Fn. 33), VerwArch. Bd. 95 (2004), 400, 410 ff., m. w. N. zum Leitbild des Electronic-Government.
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Management entspricht es, den Brger interaktiv auf digitalem Wege in den Verwaltungsprozess einzubeziehen. Dabei wird der Veranlagungsaufwand gegen Null minimiert, weil die Steuerpflichtigen die Daten durch elektronische Steuererklrungen dem Finanzamt direkt (online) bermitteln. Ein Vorbild fr diese Verfahrensweise bietet die Veranlagungspraxis der USA, wo im Jahr 2001 bereits 32% (= 42 Millionen) der Einkommensteuererklrungen sog. E-Files35 waren. Ebenso handelte es sich im Jahr 2001 in den Niederlanden bereits bei jeder vierten Steuererklrung um eine elektronische36. Vergleichbare Bemhungen unternehmen mit zeitlicher Verzgerung nun auch die deutschen Lnderfinanzverwaltungen mit dem Projekt „Elektronische Steuererklrung – ELSTER“. Die verbleibenden traditionell gefertigten Steuererklrungen brauchen bei einem Selbstveranlagungsverfahren an Amtsstelle nur noch datentechnisch (durch Lesegerte [Scanner]) erfasst zu werden37. Das E-Government setzt sich in den Steuerabzugsverfahren fort. Dazu hat das Steuernderungsgesetz 2003 vom 15. 12. 200338 die elektronische Lohnsteueranmeldung einschließlich einer elektronischen Lohnsteuerbescheinigung (Projekt „ELSTER Lohn“) eingefhrt. Anstelle der Lohnsteuerbescheinigung auf der Lohnsteuerkarte soll der Arbeitgeber nunmehr die entsprechenden Daten der Finanzverwaltung elektronisch bis zum 28. 2. des Folgejahres unmittelbar bermitteln (§ 41b Abs. 1 Satz 2 EStG n. F.). berflssig wird so der Umweg ber die Lohnsteuerkarte und den Arbeitnehmer, der diese erst zusammen mit seiner Einkommensteuererklrung dem Finanzamt vorlegt39. Der innovative Schritt der Neuregelung besteht darin, dass mit der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung der Einstieg in die Vernetzung von Steuerabzugs- und Veranlagungsverfahren gewagt wird (dazu unten V.1.). Nachdem das Bundesministerium der Finanzen in Gestalt der sog. Steuer35 Ziel der amerikanischen Bundessteuerverwaltung (Internal Revenue Service – IRS) ist es, diese Quote bis zum Jahr 2007 auf 80% zu steigern, siehe R. Seer (Fn. 5), Rz. 21, m. w. N. 36 S. Ahrens (Fn. 9), S. 149. 37 Dies geschieht seit dem Jahre 2000 ebenfalls bereits in den Niederlanden, dazu S. Ahrens (Fn. 9), S. 174. Zumindest die Lnder Baden-Wrttemberg und Bayern setzen nunmehr ebenfalls Scanner ein. 38 Art. 1 Nrn. 20, 21 des 2. Gesetzes zur nderung steuerlicher Vorschriften (Steuernderungsgesetz – StndG) 2003 v. 15. 12. 2003, BGBl. I 2645, 2648. 39 R. Hartmann, Die gesetzlichen nderungen bei der Lohnsteuer ab 2004, INF 2004, 91, 96; S. Zinner, Modernisierung des Lohnsteuer- und Einkommensteuerverfahrens – ein zentrales Element der Steuervereinfachung, BMF-Monatsbericht Juni 2004, 33, 36 ff.; R. Seer, Reform des (Lohn-)Steuerabzugs, FR 2004, 1037, 1041 ff.
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daten-bermittlungsverordnung – StDV v. 28. 1. 200340 die normative Grundlage fr den Datenaustausch geschaffen hat, werden fr die einzelnen Bundeslnder zentrale bermittlungsstellen (sog. Clearing-Stellen) festgelegt, welche die Daten empfangen41. Die fr den Arbeitnehmer nach § 41b Abs. 3 Satz 3 EStG bestimmte Ausfertigung der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung erhlt zustzlichen Raum fr eine vereinfachte Steuererklrung, indem sie typischerweise von Arbeitnehmern bentigte Eintragungsfelder vorsieht. Dadurch kann die Lohnsteuerbescheinigung zugleich zur vereinfachten Arbeitnehmer-Veranlagung genutzt werden42. 3. Zentrale Bedeutung der bundeseinheitlichen Steuernummer zur Nutzung des elektronischen Informationsaustauschs Conditio sine qua non eines funktionierenden E-Governments ist die lebenslange, bundeseinheitliche Steuernummer. Dazu hat das Steuernderungsgesetz 2003 mit Einfhrung der §§ 139a–d AO ebenfalls die gesetzlichen Grundlagen geschaffen43. Ihr entspricht im Lohnsteuerabzugsverfahren die sog. eTIN (§ 41b Abs. 2 EStG)44. Die lebenslange bundeseinheitliche Steuernummer ist in mehrfacher Hinsicht unabdingbar. Die computeruntersttzte Kontrolle der massenweisen Steuererklrungen erfordert ein lnderbergreifendes Zuordnungsmerkmal, unter dem das Kontroll- und Informationsmaterial fr den Datenabgleich zusammengefasst wird. Der Austausch zwischen den Finanzbehrden leidet darunter, dass Art. 108 Abs. 2 GG (außerhalb der Zlle und besonderen Verbrauchsteuern) keine einheitliche Steuerverwaltung vorsieht und diese in die Kompetenz der unterschiedlichen Landesfinanzverwaltungen legt. Die von den Alliierten erzwungene Abkehr von der frheren Reichssteuerverwaltung45 zugunsten einer frderalen Regelung hat in
40 BGBl. I 2003, 139. 41 BMF, Schr. v. 27. 1. 2004 – IV C 5 – S 2000 – 2/04, BStBl. I 2004, 173, 179; W. Starke in Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2004, Kln, Tz. J 03-4 (April 2004): „physische Adressaten sind lediglich zwei Rechenzentren“. 42 R. Hartmann (Fn. 39), INF 2004, 91, 97. 43 Art. 8 Nr. 4 StndG 2003 (Fn. 38). 44 Electronic Taxpayer Identification Number; zum US-amerikanischen System siehe R. Seer (Fn. 5), Tz. 22; BMF, Schr. v. 27. 1. 2004 – IV C 5 – S 2000 – 2/ 04, BStBl. I 2004, 173, 179. Die Informationen sind allgemein abrufbar unter www.elsterlohn.de. 45 Zur Rechtsentwicklung siehe R. Seer in Bonner Kommentar zum GG, Heidelberg, Art. 108 GG Rz. 2–29 (November 1999).
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nunmehr 16 Bundeslndern zu unterschiedlichen Vollzugsbedingungen gefhrt. Wie eine franzsische Studie schonungslos aufdeckt, hinkt dadurch die deutsche Finanzverwaltung im internationalen Vergleich hinterher46. Fderalismus erscheint so als Partikularismus. Deshalb sollte es niemanden verwundern, wenn der Bundesfinanzminister sich fr eine Bundessteuerverwaltung auch im Bereich der Veranlagungssteuern stark macht47. Es bedarf dringend der Vernetzung der unterschiedlichen Datenverarbeitungssysteme der Bundeslnder. Nur unter einer bundeseinheitlichen Steuernummer kann ein dialogischer Datenaustausch zwischen Brger und Verwaltung entwickelt werden, der einerseits dem Fiskus als Kontrollinstrument, andererseits aber auch in Gestaltung eines Steuererklrungsentwurfs dem Steuerpflichtigen als Serviceleistung dient. 4. Vereinheitlichung der Steuererklrungsfristen und Flligkeiten Das Veranlagungssystem muss darauf ausgerichtet sein, dass die Steuerfallmassen innerhalb einer Periode (d. h. innerhalb eines Jahres) abgewickelt werden. Um den Finanzbedarf des Staates zeitnah sicherzustellen, sollte die Flligkeit der Jahressteuer auf einen bestimmten Fixtermin gesetzlich festgelegt werden (z. B. 30. 6. des Folgejahres). Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Steuerpflichtige (bzw. sein Steuerberater) grundstzlich die Steueranmeldung einzureichen. Um das „Veranlagungsjahresgeschft“ zu entzerren, darf der Steuerpflichtige seine Steueranmeldung aber auch erst in der zweiten Jahreshlfte abgeben48; eine sich deshalb erst spter konkretisierende (etwaige) Nachzahlung muss dann aber bereits ab dem 1. 7., d. h. ab dem Flligkeitstermin verzinst werden (siehe unten 5.). Dass dies keine unzumutbaren Fristen sind, zeigt der internationale Vergleich. In den USA liegt der Stichtag fr die Abgabe der Steuererklrungen bei Krperschaften auf dem 15. 3., bei natrlichen Personen auf dem 15. 4. des Folgejahres. Diese Frist ist (bei natrlichen Personen) bis zum 15. 8. bzw. (bei Krperschaften) bis zum 46 J. Fehrenbach, Vergleichende Analyse der Steuerverwaltungen, Bericht ber die deutsche Finanzverwaltung, Inspection Gnrale des Finances, Januar 1999, 37 f. (5.1.2/3. u. 5.2.). 47 Siehe Handelsblatt Nr. 236 v. 3. 12. 2004, S. 4; dagegen die Lnder mit ihrem Veto, siehe Handelsblatt Nr. 238 v. 7. 12. 2004, S. 4. 48 Fristverlngerungsantrge sind daher berflssig. Wenn die Steuererklrung am 30. 6. des Folgejahres noch nicht vorliegt, werden die Steuerpflichtigen lediglich automatisch an die Erfllung ihrer Selbstveranlagungspflicht erinnert.
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15. 9. des Folgejahres verlngerbar49. Im Vergleich dazu sind die von mir vorgeschlagenen Fristen durchaus moderat. Das Selbstveranlagungsverfahren ist gegen sumige Steuerpflichtige durch einen obligatorischen Versptungszuschlag zu schtzen. Er sollte einheitlich nach dem Vorbild des Sumniszuschlages (§ 240 AO) automatisch bei berschreiten eines bestimmten Zeitpunktes entstehen und prozentual an die festgesetzte Steuer gekoppelt sein. Da die Selbstveranlagungen dem Jahresprinzip entsprechend mglichst am Jahresende abgeschlossen sein sollten, fllt der Versptungszuschlag an, wenn die Steuererklrung erst nach dem 31. 12. des Folgejahres beim Finanzamt eingeht50. Der Versptungszuschlag knnte progressiv etwa wie folgt ausgestaltet sein: Tabelle: Obligatorischer Versptungszuschlag Abgabe der Steuererklrung
Versptungszuschlag
1. 1.–28./29. 2. des Folge-Folgejahres
5% des festgesetzten Steuerbetrages
1. 3.–30. 4. des Folge-Folgejahres
10% des festgesetzten Steuerbetrages
sptere Abgabe/Nichtabgabe
20% des festgesetzten Steuerbetrages
Da der Zeitpunkt des Eingangs der Steuererklrung erfasst wird, kann das Datenverarbeitungssystem den Zuschlag automatisch berechnen und ausweisen. Diese Ausgestaltung des Versptungszuschlages erweist sich dem in § 152 AO normierten Zuschlag in mehrfacher Hinsicht als berlegen. De lege lata liegt dessen Festsetzung im Ermessen der Finanzbehrde. Es bedarf einer wohlbegrndeten, abgewogenen Einzelfallentscheidung, die dem Massenvollzug fremd ist. Demgemß machen die deutschen Finanzbehrden vom Versptungszuschlag wegen seiner Unwgbarkeiten und Kompliziertheit eher zgerlich und dazu noch uneinheitlich Gebrauch.
49 R. Seer (Fn. 5), Rz. 18 f. 50 Dieser spteste Fixtermin gilt auch fr Angehrige der steuerberatenden Berufe. Fristverlngerungsantrge ber diesen Zeitpunkt hinaus (z. B. zum 28. 2. des Folge-Folgejahres) ndern an der Entstehung des Versptungszuschlags mglichst nichts.
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5. Vereinheitlichung und Vereinfachung des Zinssystems (Ist-Verzinsung) Die Flligkeit der Steuer sollte sich nicht – wie derzeit noch – nach der hoheitlichen Steuerfestsetzung richten51, deren Zeitpunkt in der Praxis regelmßig vom Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklrung abhngt. In einem Selbstveranlagungsverfahren existiert dagegen ein fixer Flligkeitstermin (Vorschlag: 30. 6. des Folgejahres), bis zu dem die Jahressteuer angemeldet und abgefhrt sein muss. Dieser Flligkeitszeitpunkt ist unabhngig davon, ob die Steuererklrung spter eingeht52. Soweit die Jahressteuer zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch Vorauszahlungen oder im Quellenabzug entrichtet worden ist, beginnt eine einheitliche Ist-Verzinsung der Steuernachforderungen. Dasselbe gilt spiegelbildlich fr Steuererstattungen. Die komplizierte Vorflligkeitszinsregelung (kombinierte Soll-/Istverzinsung) des § 233a AO wird so berflssig. Die Hhe des Zinses kann sich variabel an dem nach § 247 BGB von der Deutschen Bundesbank halbjhrlich festgestellten Basiszins (Vorschlag: + 2%) orientieren. Die Zinsberechnung vereinfacht sich, weil jeweils nur auf den fixen Flligkeitszeitpunkt zurckgerechnet werden muss. Kommt es spter zu einer Herabsenkung des Steuerbetrages seitens der Finanzbehrde, wird der Zinsbetrag automatisch neuberechnet und berzahlte Zinsen werden erstattet. Das Verfahren gewhrleistet so eine stetige Anpassung an das aktuelle Zinsniveau.
IV. Risikomanagement zur Sicherung der Gesetz- und Gleichmßigkeit der Besteuerung 1. Computergesteuerte Plausibilittskontrolle und Datenabgleich Ein Selbstveranlagungsverfahren verwirklicht nur dann Rechtsanwendungsgleichheit, wenn es durch ein effizientes Kontrollsystem untersttzt wird. Das Computersystem hat zunchst Rechen-, Schreibfehler und Unplausibilitten herauszufiltern. Die Wirksamkeit computergesteuerter Kontrolle hngt dabei ganz wesentlich vom Ausbau des Kon51 Der Abschlussbetrag der Einkommen- und Krperschaftsteuer wird erst einen Monat nach der Bekanntgabe des Steuerbescheides fllig (§ 36 Abs. 4 Satz 1 EStG, § 31 Abs. 1 KStG). 52 Die Steuer wird also auch dann bereits zum 30. 6. des Folgejahres (angenommener Fixtermin) fllig, wenn der Steuerpflichtige seine Steuererklrung erst im Oktober dem Finanzamt bermittelt, siehe R. Seer (Fn. 13), StuW 2003, 40, 58.
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trollmitteilungssystems ab. Die mitteilungspflichtigen Daten sind in dem Computersystem zunchst zu erfassen, damit sie mit den Angaben in der Steueranmeldung automatisch abgeglichen werden knnen. Dazu dient der konsequente Ausbau des E-Governments (siehe oben III.2.). Zudem sind Kontrollmitteilungen ein wichtiges Hilfsmittel, um Steuerpflichtige ausfindig zu machen, die ihr Einkommen berhaupt nicht deklarieren. Weit verbreitet ist die Meinung, der Datenschutz schlsse den ungehinderten Datenaustausch zwischen den Finanzbehrden aus. Dem ist nicht so. Rechtmßig gewonnenes Datenmaterial kann sehr wohl zwischen den Finanzbehrden ausgetauscht werden; der ressortinterne Informationsaustausch bedarf keiner ausdrcklichen Ermchtigungsgrundlage53. Auch das Steuergeheimnis steht dem nicht entgegen. § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO lsst die Offenbarung des Datenmaterials fr steuerliche Zwecke ausdrcklich zu. Nichts anderes gilt nach § 30 Abs. 6 Satz 1 AO fr den automatischen Abruf von Daten, die fr ein Besteuerungsverfahren gespeichert worden sind. Die den Steuerpflichtigen treffenden Mitwirkungspflichten bedingen als Gegenstck den Schutz des Vertrauens darauf, dass die preisgegebenen Informationen nur fr steuerliche Zwecke verwendet werden54. Weiter reicht der Schutzzweck des Steuergeheimnisses aber nicht. Es soll die richtige Besteuerung ermglichen und erleichtern, aber nicht behindern55. Deshalb knnen fr steuerliche Zwecke von einer Finanzbehrde gewonnene Daten in einen Datenverbund eingespeist werden, sofern gewhrleistet ist, dass sie auch nur fr steuerliche Zwecke Verwendung finden56. Besonderer Ermchtigungsgrundlagen bedarf es indessen, soweit Dritten Mitteilungspflichten fr steuerliche Zwecke auferlegt werden. Diese sind im internationalen Vergleich wenig ausgebaut. So erstrecken sich etwa im amerikanischen Selbstveranlagungsverfahren die Mitteilungspflichten vom Arbeitgeber fr die unterhaltenen Arbeitsverhltnisse, ber Kapitalschuldner, Kreditinstitute, Banken fr ihre Geschftsaktivi-
53 BFH, Urt. v. 2. 4. 1992 – VIII B 129/91, BStBl. II 1992, 616, 617 f. 54 BVerfG, Urt. v. 17. 7. 1984 – 2 BvE 11 u. 15/83, BVerfGE 67, 100, 100, 143. 55 K.-D. Dren in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 30 AO Tz. 10 (Mrz 2004); G. Ruegenberg, Das nationale und internationale Steuergeheimnis im Schnittpunkt von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren, Diss. Bayreuth, Kln 2001, S. 50 ff. 56 Mit BMF-Schreiben v. 7. 3. 2001 – IV D 4 – O 2204 – 20/01, BStBl. II 2001, 202, ist als Verwaltungsanweisung dazu eine bundeseinheitliche „Steuerdaten-Abruf-Verwaltungsregelung“ ergangen.
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tten bis hin zu Unternehmern, die im Rahmen ihres Unternehmens grßere Barzahlungen empfangen haben57. Dagegen treffen in Deutschland außerhalb der Finanzverwaltung stehende Dritte bisher nur punktuell Anzeige- und Mitteilungspflichten. Sie sind dem internationalen Standard entsprechend auszubauen. 2. Computergesteuerte Auswahl manueller Prfungsflle nach Risikowahrscheinlichkeit (Punktemodell, Steuervita) Bei einem Selbstveranlagungssystem werden einer (nachtrglichen) manuellen Kontrolle zunchst die Flle unterzogen, bei denen die computergesteuerte Plausibilittskontrolle und der Datenabgleich Fehler aufgedeckt haben oder eine Fehlerwahrscheinlichkeit generieren. Darin darf sich jedoch das Risiko-Management nicht erschpfen, wenn es den Anforderungen eines gesetz- und gleichmßigen Gesetzesvollzugs gengen will. An die Stelle einer im wesentlichen am fiskalischen Ertrag ausgerichteten Fallauswahl mssen vielmehr Auswahlkriterien treten, die deutlich verstrkt nach dem Kontrollbedrfnis gewichtet sind58. Der fiskalische Ertrag kann insoweit nur eines von mehreren Kriterien sein. Ein weiterfhrendes Risiko-Managementmodell hat die niederlndische Finanzverwaltung entwickelt59. Es unterscheidet das Risiko nach – Objektrisiko, d. h. der Wahrscheinlichkeit, dass der steuerlich relevante Umstand nicht oder unvollstndig in die Steuererklrung aufgenommen wird, sowie – Subjektrisiko, d. h. der steuerlichen Integritt des Steuerpflichtigen, und gewichtet die Merkmale unter Bercksichtigung der steuerlichen Relevanz des Falls. Das niederlndische System enthlt gleich mehrere weiterfhrende Elemente. An die Stelle einer groben ußerlichen Grßenklasseneinteilung tritt eine Steuervita, die das bisherige Verhalten des Steuerpflichtigen im konkreten Steuerrechtsverhltnis abbildet. Diese Idee verbindet die repressive Kontrolle mit einem sog. Compliance-Faktor, der die bisherige Einhaltung steuerlicher Pflichten ausdrckt und dazu anreizt. Derart kooperatives (Wohl-)Verhalten fhrt
57 Siehe im Einzelnen R. Seer (Fn. 5), Rz. 56, mit einer bersicht. 58 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, Kln 1993, 1218 ff.; ders. in Tipke/ Kruse, AO/FGO, § 85 AO Tz. 31 (Februar 2002); R. Seer, Verstndigungen in Steuerverfahren (Fn. 7), S. 235 ff.; ders. (Fn. 6), FR 1997, 553, 558 f. 59 Zum niederlndischen Risikobeherrschungsmodell ausf. S. Ahrens (Fn. 9), S. 158 ff.
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den Steuerpflichtigen einer Klasse mit geringerer Risikoneigung zu, whrend umgekehrt Pflichtverletzungen ihn in eine Klasse mit hherer Risikoneigung befrdern. Sehr sinnvoll ist es, steuerlich unerfahrene Existenzgrnder nicht allein (und spter der Verwaltungsvollstreckung zu ber-) lassen, sondern von Beginn an zu betreuen. Dazu gehrt es auch, dass Finanzbeamte sie in zeitlichen Abstnden besuchen und mit ihnen unter Hinzuziehung des jeweiligen Steuerberaters Anfangsprobleme bei der Erfllung der Steuerpflichten besprechen. In den Klassen mit geringer Risikoneigung kann sich die Kontrolle dann auf Stichproben beschrnken. Eine stndige Stichprobenpraxis liefert ihrerseits wiederum wertvolle Erkenntnisse fr eine zeitnahe Anpassung der automatischen Fallauswahl. Es handelt sich insoweit um ein „selbstlernendes“ System, wo die manuelle Stichprobenberprfung in einer stndigen Wechselbezglichkeit zur computergesteuerten Kontrolle steht. Fhrt man die Auswahlkriterien zusammen, so lsst sich ein sog. Risikoindikator bilden60. Zu Beginn eines jeden Veranlagungszeitraums knnen die jeweiligen Lnderfinanzverwaltungen festlegen, ab welcher Risikoindikatorschwelle sie eine manuelle Kontrolle der Steuererklrungen (kapazittsabhngig) durchfhren knnen. Zu diesen fr eine manuelle Prfung ausgewhlten Fllen kommen unabhngig vom Risikoindikator bestimmte Prffelder und eine durch Zufallsauswahl gesteuerte Stichprobenkontrolle, um das Risiko-Management zu komplettieren. 3. Ausbau der Nachschau/Einfhrung der veranlagungsbegleitenden Außenprfung Die Außenprfung besitzt gerade auch im Anschluss an ein Selbstveranlagungsverfahren eine wesentliche vollzugssichernde Funktion. Sie ist daher nicht einzuschrnken. Aufgrund der Verlagerung des Gewichts vom Veranlagungsdienst zum Kontrolldienst erffnen sich vielmehr Personalkapazitten (siehe oben III.1.), die den Außendienst deutlich verstrken knnen. Nicht anders als bei der Auswahl der manuell zu berprfenden Steuererklrungen bedarf es jedoch auch hinsichtlich der Auswahl der Außenprfungsflle des Paradigmenwechsels. Die Prfungspraxis hat sich nicht einseitig an sog. Mehrergebnissen, sondern ebenfalls am Kontrollbedrfnis im Sinne einer Risikowahrscheinlichkeit (siehe vorstehend 1.) zu orientieren.
60 Siehe im Einzelnen R. Seer (Fn. 13), StuW 2003, 40, 49 f.
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Werden die derzeitigen Veranlagungsbeamten mit der Umstellung auf ein elektronisches Selbstveranlagungsverfahren freigestellt, so knnen sie sich auf qualifizierte Ermittlungsaufgaben konzentrieren. Da sich die Außenprfung auf eine Ex post-Kontrolle bereits abgelaufener Veranlagungszeitrume beschrnkt, fehlte es bisher an einer frhzeitig greifenden Ad hoc-Kontrolle oder Ex ante-Prvention. Zu diesem Zweck kann die Finanzverwaltung bewegliche Stbe bilden, die sich nach rumlichen Bezirken um die Steueraufsicht kmmern61. Wenn es zutrifft, dass die Schattenwirtschaft in Deutschland mittlerweile deutlich mehr als 10% des Bruttosozialprodukts ausmacht62, muss das Hauptaugenmerk sog. Schwarzgeschften (und der Schwarzarbeit) gelten. Das Bild des Finanzbeamten kann sich so von einem „Buchstaben-Verwalter“ hin zum Steuerrechtspfleger wandeln, der sich in seinem rumlichen Bezirk vor Ort fr die Wahrung der Besteuerungsgleichheit einsetzt63. Letztere wird verhhnt, wenn die Finanzmter – wie bisher – bei mitwirkenden Steuerpflichtigen, deren Einknfte bestimmte Grenzen berschreiten, die abgegebenen Steuererklrungen intensiv prfen, dagegen Schwarzarbeiter und „Ohne-Rechnung (OR)“-Unternehmer in Ruhe (gewhren) lassen64. Der Rechtsstaat wandelt sich bei einem solchen Vollzugsverhalten zu einem (Un-)Rechtsstaat. Um dem entgegenzuwirken, haben die beweglichen Stbe in ihrem jeweiligen Bezirk z. B. Baustellen, neu erffnete Laden- und Geschftslokale; Internetquellen (z. B. Ebay) sowie Zeitungsannoncen zu sichten und auszuwerten. Gesttzt auf die Eingriffsbefugnisse der §§ 99 Abs. 1, 98 AO ist es ihnen mglich, Baustellen und zu den blichen Geschftsund ffnungszeiten auch Ladenlokale zu betreten, um sich ein Bild von den Verhltnissen vor Ort zu verschaffen. Eine nach § 98 AO zulssige Maßnahme kann dabei auch der sog. Kassensturz sein, der insb. in der
61 Dies entspricht dem sog. Sicherstellungsauftrag des § 85 Satz 2 AO (dazu im Text unter II.1.). Dagegen meint R. Eckhoff in Hbschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Vor §§ 193–203 AO Rz. 138 (Juni 2002), es gebe unter der AO 1977 keine „allgemeine Steueraufsicht“ mehr. Dies ist unzutreffend. Wenn §§ 209–217 AO unter der berschrift „besondere Steueraufsicht“ stehen, geht die AO 1977 offenbar von der Existenz einer „allgemeinen Steueraufsicht“ aus, siehe K. Tipke in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 209 AO Tz. 3 (Oktober 2002). 62 So R. Ullrich, Steuervereinfachung aus Sicht der Steuergewerkschaft, in M. Rose (Hrsg.), Steuern einfacher machen!, Schriften des Betriebs-Berater, Bd. 102, Heidelberg 1999, S. 69, 70 f.; die OECD geht von 13% aus. 63 Siehe auch R. Seer (Fn. 5), Rz. 154. 64 Siehe bereits R. Seer (Fn. 6), FR 1997, 553, 562.
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Gastronomie steuerlich bedeutsame Erkenntnisse liefert65. Die letztgenannten Maßnahmen werden gemeinhin als Nachschau bezeichnet. Die Nachschau ist ein gleichermaßen traditionsreiches wie weitverbreitetes Aufsichtsinstrument des besonderen Verwaltungsrechts66. Fr die Umsatzsteuer hat das sog. Steuerverkrzungsbekmpfungsgesetz (StVBG) v. 19. 12. 200167 mit Wirkung vom 1. 1. 2002 in § 27b UStG eine entsprechende besondere Ermchtigungsgrundlage eingefhrt. Vorbild fr die Neuregelung ist § 210 AO, der fr die Zoll- und Verbrauchsteueraufsicht einen umfassenden Nachschautatbestand enthlt. Zwar gengt § 27b UStG wohl den verfassungsrechtlichen Anforderungen68, birgt allerdings hinsichtlich des bergangs zur Außenprfung oder gar zu einem Steuerstrafverfahren Probleme69. Im brigen greift § 27b UStG sogar noch zu kurz, auch wenn die bei der Nachschau getroffenen Feststellungen fr andere Steuerarten (insbesondere fr die Einkommen- und Krperschaftsteuer) und die Besteuerung Dritter nach § 27b Abs. 4 UStG verwertet werden drfen70. Denn das Bedrfnis fr eine Nachschau beschrnkt sich nicht auf die Umsatzsteuer, sondern bezieht sich ebenso auf die direkten Veranlagungssteuern71. Ein verstrkter Außendienst knnte zugleich als Service-Element fr den Steuerpflichtigen genutzt werden. Dies kme nicht nur Existenzgrndern zugute (dazu oben 1.). Darber hinaus knnte an eine ergebnislose Nachschau der Verzicht auf eine sptere Außenprfung und die Zusage einer endgltigen Steuerfestsetzung geknpft werden. Außen65 H. Wenzig, Der Augenschein, StBp. 1991, 149; K. Tipke in Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 98 AO Tz. 2 (Oktober 2000). 66 Ausf. J. Ennuschat, Behrdliche Nachschau in Geschftsrume und die Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art. 13 GG, AR Bd. 127 (2002), 252 ff. 67 BGBl. I 2001, 3922. 68 S. Mende/F. Huschens, berblick ber die nderungen im Bereich der Umsatzsteuer durch das Steuerverkrzungsbekmpfungsgesetz, INF 2002, 65, 71; U.-C. Dißars, Umsatzsteuer-Nachschau gemß § 27b UStG nach dem Steuerverkrzungsbekmpfungsgesetz, BB 2002, 759, 763; R. Seer (Fn. 13), StuW 2003, 40, 51 f.; A. Leonard in Bunjes/Geist, Umsatzsteuer, Kommentar, 7. Aufl., Mnchen 2003, § 27b UStG Rz. 7. 69 R. Seer (Fn. 13), StuW 2003, 40, 52, m. w. N. 70 Die Nachschau darf nach § 27b Abs. 1 UStG nur wegen der Umsatzsteuer angeordnet werden. Es ist deshalb unzulssig, ber die Hintertr des § 27b UStG eine „allgemeine Nachschau“ durchzufhren (siehe A. Leonhard in Bunjes/Geist, Umsatzsteuer, Kommentar, 7. Aufl., Mnchen 2003, § 27b UStG Rz. 29). 71 Der ursprngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung des Steuerverkrzungsbekmpfungsgesetzes enthielt mit § 88b AO-E noch einen allgemeinen Nachschautatbestand, BT-Drucks. 14/6883 v. 10. 9. 2001, 5 f., 9.
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prfungen betreffen nicht selten weit zurckliegende Veranlagungszeitrume; ber steuerliche Nachforderungen besteht eine lange Zeit der Ungewissheit. In einem Selbstveranlagungsverfahren mit einem verstrkten Außendienst bedarf die Finanzbehrde keiner Festsetzungsfristen, die aufgrund ausladender Ablaufhemmungstatbestnde nur auf dem Papier stehen. Warum soll im brigen eine Außenprfung nicht bereits veranlagungsbegleitend durchgefhrt werden knnen, um so die Planungsunsicherheit zu minimieren? 4. Prventivschutz durch ein abgestimmtes System von Steuerzuschlgen Ein Selbstveranlagungsverfahren hat neben der Installation eines intelligenten Risikomanagements generalprventiv besondere Vorkehrungen zu treffen, die der Verletzung von Mitwirkungspflichten entgegenwirken. Diese Funktion bernehmen Steuerzuschlge, die auf drei Ebenen ansetzen: – ein obligatorischer Versptungszuschlag sichert die Abgabe der Steuererklrung (siehe III.4.); – eine ab einem fixen Flligkeitszeitpunkt laufende marktgerechte Verzinsung (siehe III.5.) wirkt der Hinauszgerung sowohl der Steuererklrung als auch der Zahlung entgegen; – ein Nachzahlungszuschlag richtet sich gegen die Unterbemessung der vorausgezahlten Steuer. Der Nachzahlungszuschlag knpft an den nachzuzahlenden Steuerbetrag72. Dieser Nachzahlungszuschlag lsst sich ebenfalls durch das Computerprogramm automatisch berechnen und festsetzen. bersteigt die selbstberechnete Steuer die vorausgezahlte Steuer erheblich (z. B. um mehr als 10%, mindestens um 5 000 Euro73), entsteht verschuldensunabhngig ein prozentualer Nachzahlungszuschlag. Die Gefahr eines sprbaren Zuschlages zwingt die Steuerpflichtigen dazu, von selbst die Vorauszahlungen im laufenden Jahr auf eine realistische Hhe (im Beispiel: auf mindestens 90%) der spteren Steuerschuld anzupassen. Ein praktisch wichtiger Nachzahlungsfall kann gerade dann vorliegen, 72 Eine vergleichbare Regelung enthlt z. B. fr das US-amerikanische Besteuerungsverfahren Sec. 6662 IRC (sog. Accuracy-Related Penalty for Underpayment), dazu nher R. Seer (Fn. 5), Rz. 89 ff. 73 Eine vergleichbare Bagatellgrenze (Substantial Understatement) existiert in Sec. 6662(d) IRC.
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wenn die Finanzbehrde wegen Nichtabgabe einer Steuererklrung gezwungen ist, die Besteuerungsgrundlagen zu schtzen. Der Zuschlag entsteht ferner, wenn sie die Steuer – z. B. nach einer Außenprfung oder anderen Kontrollmaßnahme – hoheitlich festsetzt74. In einem Selbstveranlagungssystem bernimmt der Steuerpflichtige die Verantwortung auch fr die steuerrechtliche Sachverhaltswrdigung. Soweit eine rechtliche Ungewissheit besteht, steht er bzw. sein steuerlicher Berater vor der Frage, ob er ohne weiteres die fr ihn gnstige, ggf. von der Verwaltungsmeinung abweichende Lsung vertreten darf. Diese Ausgangssituation unterscheidet sich allerdings nur auf den ersten Blick vom derzeitigen (hoheitlichen) Veranlagungsverfahren. Bereits heute drfen weder er noch sein steuerlicher Berater gegenber der Finanzbehrde solche Tatsachen verschweigen, die nach dem erkennbaren Empfngerhorizont der Finanzbehrde entscheidungserheblich sind75. Denn der Finanzbehrde muss die Mglichkeit gegeben werden, einen vom Steuerpflichtigen abweichenden Standpunkt einnehmen zu knnen. Umgekehrt muss der Rechtsschutz fr den Steuerpflichtigen, der von der Verwaltungsmeinung abweichen mchte, gewahrt bleiben, ohne dass er repressiven Sanktionen ausgesetzt wird. Nach amerikanischem Vorbild ist dieses Spannungsverhltnis dadurch aufzulsen, dass der Steuerpflichtige seine von der Verwaltung abweichende Auffassung der Selbstveranlagung zwar zugrunde legt, gleichzeitig jedoch die als kritisch angesehenen Annahmen in einer besonderen Anlage O offenbart76. Die Offenbarung schtzt ihn vor dem Nachzahlungszuschlag. Die Finanzbehrde kann ohne weiteres per Computerprogramm die Anlage O-Flle herausfiltern, den Standpunkt des Steuerpflichtigen berprfen und nach § 164 Abs. 2 AO eine nderung der Selbstveranlagung vornehmen. Hiergegen stehen dem Steuerpflichtigen sodann Einspruch und Klage offen. Das Zuschlagsystem prmiert so Offenheit und Kooperation, sanktioniert dagegen Verweigerung und Verschleierung.
74 Kommt es dagegen zu einer geringeren Steuerfestsetzung, ist ein zu hoch oder zu Unrecht festgesetzter Nachzahlungszuschlag zu erstatten. 75 Zur Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO siehe BGH, Urt. v. 19. 12. 1990 – 3 StR 90/90, BGHSt 37, 266, 284 f.; v. 15. 11. 1994 – 5 StR 237/94, wistra 1995, 69; v. 10. 11. 1999 – 5 StR 221/99, wistra 2000, 137, 138. 76 Im amerikanischen Selbstveranlagungssystem bernimmt diese Funktion ein sog. Disclosure Statement (Form 8275), siehe dazu nher R. Seer (Fn. 5), Rz. 58 f., 93 f.
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Schließlich ist der heute geltende Sumniszuschlag (§ 240 AO) in das Zinssystem zu integrieren. An die Stelle des Sumniszuschlags kann ein erhhter Zins (z. B. Basiszins + 3%) treten, der bei einer ber den 31. 12. des Folgejahres hinaus ausbleibenden Steuerzahlung greift.
V. Ausbau der Service-Leistungen der Finanzverwaltung 1. Verwendung der gesammelten Daten zu einem elektronischen Steuererklrungsentwurf Durch das E-Government wird die Finanzverwaltung in die Lage versetzt, den Steuerpflichtigen deutlich vereinfachte Steuererklrungsvordrucke mit den Daten zuzusenden, ber welche sie bereits verfgt. Der Steuerpflichtige muss diese vorbereitete Steuererklrung bis zum Flligkeitsstichtag (z. B. bis zum 30. 6.) nur noch ergnzen oder korrigieren, bestenfalls sogar nur per Mausblick besttigen. Zur Gewhrleistung der Belastungsgleichheit muss der Steuerstaat an den steuerrelevanten Daten partizipieren. Der Steuerstaat wird damit zwingend zum Teilhaber der Steuerdaten seiner Steuerbrger77. Diese Teilhaberschaft gibt dem Staat aber nicht nur Eingriffsbefugnisse, sondern fordert ihn auch zur spiegelbildlichen Leistung heraus: Die Finanzverwaltung stellt mit dem Steuererklrungsentwurf ein deutlich verbessertes Service-Angebot bereit, das die Compliance-Bereitschaft (siehe oben IV.1.) der Steuerpflichtigen steigert. Werden auf der einen Seite die Mitteilungspflichten Dritter im Interesse eines wirksamen Risiko-Managements ausgeweitet, so kann das dadurch gewonnene Informationsmaterial als Service-Element zur Erleichterung des Steuererklrungsaufwandes zugunsten des Brgers eingesetzt werden78. Sowohl seine Grunddaten als auch seine dem Finanzamt aufgrund des Datenaustausches bekannten Besteuerungsgrundlagen sind in dem Steuererklrungsentwurf bereits maschinell eingearbeitet. Der Steuerpflichtige erhlt zudem eine vorlufige Steuerberechnung, so dass ihm die steuerlichen Auswirkungen transparent werden. Die Finanzbehrde tritt so dem Brger vertrauensbildend mit offenem Visier gegenber; das Steuerabzugsverfahren erhlt durch seine Vernetzung mit der Selbstveranlagung eine dialogische Struktur.
77 K.-D. Dren, Verfassungsfragen der digitalen Außenprfung, StuW 2003, 205, 214: Das Recht des Brgers auf Datenschutz steht nicht nur unter einem Sozial-, sondern auch unter einem Steuervorbehalt. 78 R. Seer (Fn. 13), StuW 2003, 40, 53 f.
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2. Erhhung der Rechtssicherheit durch Verkrzung der Festsetzungsfrist Einem kooperativen Steuerrechtsverhltnis entspricht das Prinzip zeitnaher Besteuerung. Die zeitliche Verknpfung von Einnahmeerzielung und Steuerzahlung besitzt nicht nur fiskalische Grnde im Sinne der Sicherung der Staatseinnahmen. Vielmehr basiert sie auch auf dem Grundgedanken, die wirtschaftliche Leistungsfhigkeit abzuschpfen, solange sie in Form von Liquiditt noch aktuell vorhanden ist79. Wer im Rahmen eines Selbstveranlagungsverfahrens kooperiert, hat einen legitimen Anspruch darauf, dass nach einer angemessenen Frist (etwa nach maximal 3 oder 4 Jahren) die Steuer sptestens endgltig abgerechnet worden ist. Demgegenber verlngert derzeit das Zusammenspiel von An- und Ablaufhemmung (§§ 170, 171 AO) die an sich vernnftigen Verjhrungsfristen des § 169 Abs. 2 AO derart ex tenso, dass die Verjhrung nur noch ausnahmsweise und erst nach vielen Jahren eintritt80. Diese ganz berwiegend im fiskalischen Interesse vorgenommene Verlngerung der Festsetzungsfristen verfehlt seine Rechtsfrieden stiftende Funktion, einen angemessenen Ausgleich zwischen der Rechtssicherheit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Steueranspruchs zu schaffen. Die detailverliebten Ablaufhemmungstatbestnde sind auf das Unabdingbare (z. B. § 171 Abs. 3 AO zur Gewhrleistung von Rechtsbehelfsverfahren) auszudnnen bzw. bei der Außenprfung (§ 171 Abs. 4 AO) deutlich zu verkrzen. Davon ausgenommen sollten allerdings solche Steuerpflichtige bleiben, die nicht kooperieren (d. h. keine Steuererklrung abgeben) oder vorstzlich Steuern hinterziehen. Ihr unkooperatives Verhalten darf durch den Verjhrungseintritt nicht noch belohnt werden. Vielmehr mssen sie es sich gefallen lassen, dass die Finanzbehrde den Sachverhalt hoheitlich ausermittelt. 3. Ausbau kooperativer Handlungsformen (Zusage/Verstndigung) Das Steuerrecht ist keineswegs durchweg so determiniert, dass die geschuldete Steuer aus dem Gesetz abgelesen und berechnet werden knnte. Vielmehr verwendet es eine Flle von unbestimmten Rechtsbegriffen, die konkretisierungsbedrftig sind. Aus der Ex-ante-Perspek-
79 J. Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, Habil., Kln 2002, 787, dort Fn. 432. 80 Kritisch H. W. Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 169 AO Tz. 5 (Oktober 2002); R. Seer (Fn. 13), StuW 2003, 40, 55.
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tive des Erstentscheiders knnen hier mehrere Entscheidungen in gleicher Weise „richtig“ (gesetzmßig) sein81. Die Idee von der „einzig richtigen Entscheidung“ erscheint nur als Leitidee, sich der materiellen Wahrheit mglichst weit zu nhern82. Gleichzeitig markiert sie die Befugnis zur Letzterkenntnis, die bei den Gerichten liegt83. Der ber die Finanzbehrde bis hin zu den Finanzgerichten verlaufende Konkretisierungsprozess kommt fr den Steuerpflichtigen aber regelmßig zu spt, weil er seine Dispositionen bereits gettigt hat. Die freiheitsbeschrnkende steuerliche Belastung des wirtschaftlichen Erwerbs ist fr ihn nur ertrglich, wenn die Steuer zu einer voraussehbaren Kalkulationsgrße wird, auf die er sich einstellen kann84. Wesentliches Element eines kooperativen Steuerstaats ist es daher, dem Steuerpflichtigen bereits im Planungsstadium durch eine verbindliche Auskunft (Zusage) Gewissheit ber die steuerliche Behandlung zu geben. Dieses Instrument kann in zweifelhaften Fllen die Selbstveranlagung absichern. Die derzeitige Regelung der §§ 204–207 AO betrifft nur eine praktisch kaum relevante Fallgruppe und sollte als Modell zur Kodifizierung der Zusage verallgemeinert werden85. Ein deutsches „Ruling-Programm“ wrde ein deutliches Signal zugunsten einer unternehmens- und brgerfreundlichen, kooperativen Finanzverwaltung senden. Dabei knnte der Anfragestrom nach internationalem Vorbild86 durch eine Gebhrenpflicht kanalisiert werden87. Zum tglichen Brot der Besteuerungspraxis gehrt lngst die sog. tatschliche Verstndigung. Sie hat als Rechtsinstitut Eingang in die Judikatur und in Verwaltungsvorschriften gefunden88. Gleichwohl enthlt 81 82 83 84 85
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R. Seer, Verstndigungen (Fn. 7), S. 170 f. So S. Mller-Franken (Fn. 3), S. 61 ff. R. Seer, Verstndigungen (Fn. 7), S. 171 ff. R. Seer, Verstndigungen (Fn. 7), S. 305 ff.; J. Hey, Steuerplanungssicherheit (Fn. 79), S. 195 ff.; C. Waldhoff, Vertrauensschutz im Steuerrechtsverhltnis, DStJG Bd. 27 (2004), S. 129, 130 f. Ebenso H. Hahn, Zur Erforderlichkeit einer Reform des Auskunftsverfahrens – rechtsdogmatische und steuerpolitische berlegungen, DStZ 2003, 69, 74; B. Dalichau, Ausknfte und Zusagen der Finanzverwaltung, Diss. Augsburg, Bielefeld 2003, S. 277 ff. Dazu eingehend C. Romano, Advance tax rulings and principles of law – towards European tax rulings system?, Diss. Groningen, Amsterdam 2002, S. 117 ff., 207 ff., 387 ff. Dafr etwa J. Hey, Steuerplanungssicherheit (Fn. 79), S. 732. Die umfangreiche Rechtsprechung ist nachgewiesen bei R. Seer in Tipke/ Kruse, AO/FGO, § 85 AO Tz. 56 ff.; außerdem die Verwaltungsvorschriften: Anwendungserlass zur AO Nr. 1 zu § 88, Nr. 5 zu § 201, Nr. 1 zu §§ 364a,
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sich die Abgabenordnung weiterhin einer Regelung; der Gesetzgeber bt auch hier Steuerungsverzicht89. Mit Hinweis auf die strikte Gesetzesbindung der Finanzverwaltung hat Mller-Franken verbindliche Verstndigungen jngst zurck in die Illegalitt verbannen wollen90. Er wiederholt in seiner Arbeit die gegen Verstndigungen im Steuerrecht vorgebrachten Argumente, mit denen ich mich bereits in meiner Habilitationsschrift eingehend auseinandergesetzt habe91. Mller-Franken sieht den egalitren Anspruch des Rechtsstaats durch die Zulassung von Vertrgen und Vertragsverhandlungen zwischen der Verwaltung und dem Brger in Frage gestellt92. Verhandlungsprozesse mit dem „Sich-Treffen in der Mitte“ und hnlichen Kompromisslsungen widersprchen der Rationalitt des steuerrechtlichen Sachbereichs93. Ich kann dieser Philippika gegen Verstndigungen im Steuerrecht nicht zustimmen. Die Verstndigung ist sicher kein Handlungsinstrument des Massenvollzugs. Sie dient vielmehr der Streitbeilegung in dem nicht standardisierungsfhigen Einzelfall94. Dort hat sie aber ihren berechtigten Platz und ist vor allem aus der Außenprfungspraxis nicht wegzudenken. Es bersteigt die Krfte der Beteiligten, am Maßstab der 100%Doktrin komplexe Sachverhalte langwierig hoheitlich-einseitig auszuermitteln und schwierige, ungeklrte Rechtsfragen bis zur letztinstanzlichen Entscheidung des BFH auszufechten. In der Ex-ante-Perspektive der Handelnden ist es in komplexen Fllen regelmßig alles andere als sicher, ob eine hoheitlich vertretene Position Bestand haben kann und wie umgekehrt die Erfolgsaussichten eines Klageverfahrens sind. Werden in dieser Lage tatschliche und rechtliche Ungewissheiten durch eine beiderseitig vertraglich bindende Kompromisslsung berwunden, trgt dies in einem Maße zum Rechtsfrieden bei, wie es ein langer Gerichtsprozess niemals bewirken knnte. Deshalb sollten auch Ver-
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90 91 92 93 94
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365 (BStBl. I 1998, 630, 690, 814 f.; 2000, 190, 260); OFD Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Koblenz, Magdeburg u. Mnchen, StEK AO 1977 § 85 Nrn. 7, 10–14. R. Eckhoff (Fn. 13), S. 432, weist mit Recht darauf hin, dass ein Steuerungsverzicht auch dort vorliegt, wo der Gesetzgeber seit langem eine Verwaltungspraxis beobachten kann, die im Text des Verfahrensgesetzes keine Regelung erfahren hat. So nun wieder S. Mller-Franken (Fn. 3), S. 189 ff. R. Seer, Verstndigungen (Fn. 7), passim. S. Mller-Franken (Fn. 3), S. 216 f. S. Mller-Franken (Fn. 3), S. 231 ff., wo er von einer dysfunktionalen Wirkung spricht. R. Seer, Verstndigungen (Fn. 7), S. 238.
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stndigung ber ungeklrte Rechtsfragen95 nicht lnger tabuisiert werden96. Dazu knnte die Abgabenordnung eine Regelung aufnehmen, die dem ffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag (§ 55 VwVfG) entspricht. 4. Anreizsystem zur Konsultation qualifizierter Angehriger steuerberatender Berufe An anderer Stelle habe ich schließlich vorgeschlagen, die Umstellung auf ein Selbstveranlagungsverfahren mit der Einfhrung einer Pflicht zur Konsultation eines Angehrigen der steuerberatenden Berufe fr die Flle zu verbinden, in denen der Steuerpflichtige nicht lediglich typisierende Abzugspauschalen beansprucht97. Damit wrde der Realitt konsequent Rechnung getragen, dass außerhalb der sog. Arbeitnehmer-Veranlagungen bereits heute berwiegend Steuerberater die Steuererklrungen erstellen und so die Steuerveranlagungen vorbereiten98. Durch eine solche Konsultationspflicht sollen die Steuerberater nicht etwa zu „Hilfsbeamten“ der Finanzverwaltung degradiert werden. Steuerberater sind weder Vertreter noch Treuhnder des Staates, aber auch keine bloßen Interessenvertreter ihrer Mandanten, sondern unabhngige, eigenverantwortliche Organe der Steuerrechtspflege (s. § 57 Abs. 1 StBerG)99. Ebenso wie die Finanzverwaltung ist der Steuerberater an die Steuergesetze gebunden; ihn trifft eine Wahrheitspflicht100. Deshalb ist es gerechtfertigt, den von Steuerberatern erstellten Steuererklrungen einen Vertrauensvorschuss zu geben. Eine Konsultationspflicht wrde deshalb das Kontrollbedrfnis signifikant verringern. Darber hinaus
95 Sie hlt der BFH nach wie vor fr unzulssig, siehe zuletzt BFH, Urt. v. 31. 3. 2004 – I R 71/03, BStBl. II 2004, 742. 96 R. Seer, Verstndigungen (Fn. 7), S. 206 ff.; ausf. jngst M. Achatz, Verstndigungen im Steuerrecht, DStJG Bd. 27 (2004), S. 161, 171 ff. 97 R. Seer (Fn. 5), Rz. 148. 98 Nach Schtzungen der Finanzverwaltung fertigen 90% der Kapitalgesellschaften, 50–60% der Gewerbetreibenden und 35% der Arbeitnehmer ihre Steuererklrungen mit Hilfe eines Steuerberaters an, vgl. S. Ahrens/B. Nagel, Selbstveranlagung – Ein Instrument zur Verwaltungsvereinfachung und zur Steigerung der Effizienz der Steuerverwaltung?, FR 2002, 261, 268. 99 BVerfG, Beschl. v. 18. 6. 1980 – 1 BvR 697/77, BVerfGE 54, 301, 315; v. 27. 1. 1982 – 1 BvR 807/80, BVerfGE 59, 302, 316 f.; C. Flmig, Steuerberater als Trger eines privatrechtlichen Amtes und ihre Stellung innerhalb des Steuerrechtsverhltnisses, StbKongrRep. 1979, S. 45, 77 ff.: Rolle des Steuerberaters als „pouvoir intermediaire“; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, Kln, S. 1364 f. 100 Siehe nur K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, Kln, S. 1365.
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bietet die obligatorische Einschaltung eines Steuerberaters den Vorteil, dass dieser regelmßig ber ein leistungsfhiges Datenverarbeitungssystem verfgt, das ohne weiteres elektronische Steuererklrungen und -berechnungen durchzufhren vermag. Die Angehrigen der steuerberatenden Berufe wren mit einer Selbstveranlagung technisch nicht berfordert. Da dem Staat durch eine von den Steuerberatern im Auftrag des Steuerpflichtigen durchgefhrte Selbstveranlagung erhebliche Kosten erspart blieben, sollte der durchschnittliche Aufwand fr eine Steuererklrung nicht lediglich als Sonderausgaben von der Bemessungsgrundlage, sondern bis zu einem Hchstbetrag vorrangig sogar von der Steuerschuld abgezogen werden. Damit wrde der Staat zumindest einen Großteil der auf den Brger verlagerten Veranlagungskosten bernehmen (sog. Outsourcing-Modell). Der Anreiz zur Inanspruchnahme eines Angehrigen der steuerberatenden Berufe erhht sich ferner, wenn die Erstellung der Steuererklrung durch einen Steuerberater als risikomindernder Faktor den Risikoindikator fr die computergesteuerte Auswahl zu prfender Flle mindert (siehe oben IV.1.). Durch die Vergabe einer sog. Steuerberater-Nummer101 ließe sich der dem jeweiligen Angehrigen der steuerberatenden Berufe entgegengebrachte Vertrauensvorschuss individuell verifizieren. Besttigt sich der Vertrauensvorschuss, wre der Risikoindikator in den von dem geprften Steuerberater betreuten Fllen weiter abzusenken. Diesen Umstand knnte der Steuerberater in seiner Außendarstellung imagefrdernd einsetzen. Umgekehrt verlren „schwarze Schafe“ ihren Vertrauensvorschuss. Das Risikomanagement wrde so um eine weitere Vorverhaltenskomponente verfeinert.
101 Sie ist etwa im amerikanischen Besteuerungsverfahren vorgesehen. Dort erhalten Angehrige steuerberatender Berufe eine eigene Preparer Tax Identification Number – PTIN, unter der die vom jeweiligen Steuerberater vorbereiteten Selbstveranlagungen erfasst werden knnen, siehe R. Seer (Fn. 5), Rz. 23.
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Aktuelle Aspekte des Betriebsstttenbegriffs unter besonderer Bercksichtigung der Prsenzanforderungen Dr. Maximilian Grl Rechtsanwalt, Mnchen Inhaltsbersicht I. Einleitung II. Bedeutung des Betriebsstttenbegriffs 1. Kriterium fr die Verteilung des Besteuerungsrechts 2. Maßstab fr die Intensitt der geschftlichen Bindung III. Prsenzanforderungen des Betriebsstttenbegriffs 1. Physisch verfestigte Prsenz 1.1 rtliche und sachliche Fixierung
1.2 Die sog. Dienstleistungsbetriebssttte 2. Zeitliche Prsenz 2.1 Erfordernis der Dauer 2.2 Mindestdauer 3. Betriebssttte mit „Null-Prsenz“ 3.1 Generalunternehmer-/Subunternehmerverhltnis 3.2 Subunternehmer als Betriebsstttentatbestand 3.3 Folgen einer Betriebssttte ohne physische Prsenz IV. Fazit
I. Einleitung Alle Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland haben fr die Besteuerung der Einknfte aus Unternehmensttigkeit das Betriebsstttenprinzip vereinbart. Diese Regelungen entsprechen inhaltlich weitestgehend dem OECD-Musterabkommen (MA), das zusammen mit dem zugehrigen Musterkommentar (MK) die deutsche Abkommenspraxis kennzeichnet. Die derzeitige Diskussion in den OECD-Gremien ber die Weiterentwicklung des Betriebsstttenbegriffs ist deshalb von herausragender Bedeutung fr die zuknftige Abkommensanwendung.
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Grl, Betriebsstttenbegriff
II. Bedeutung des Betriebsstttenbegriffs 1. Kriterium fr die Verteilung des Besteuerungsrechts Die Betriebssttte ist in Art. 5 MA definiert. Sie ist die entscheidende Voraussetzung fr die Besteuerung von Einknften aus einer Unternehmensttigkeit und des Vermgens, das einer solchen Ttigkeit dient. Auch fr die Einknfte der Freiberufler und aus sonstiger selbstndiger Ttigkeit kommt es nach der Streichung des Art. 14 MA auf die Betriebssttte gem. Art. 5 MA an.1 Nach dem Betriebsstttenprinzip darf ein Vertragsstaat Gewinne eines Unternehmens des anderen Staates nur besteuern, soweit das Unternehmen seine Ttigkeit durch eine auf seinem Gebiet belegene Betriebssttte ausbt.2 Grundgedanke ist, dass eine unternehmerische Ttigkeit erst dann im auslndischen Staat besteuert werden darf, wenn sie dort zu einer intensiven geschftlichen Bindung an diesen Staat gefhrt hat. Nur lockere wirtschaftliche Beziehungen zum Ausland bleiben dagegen dem Sitzstaat zur Besteuerung berlassen.3 2. Maßstab fr die Intensitt der geschftlichen Bindung Maßstab fr die Intensitt der geschftlichen Bindung an den auslndischen Staat, ab der eine Besteuerung durch diesen Staat gerechtfertigt wird, ist die Betriebssttte. Sie spiegelt als solche die Lsung des elementaren Interessengegensatzes zwischen kapitalexportierenden und kapitalimportierenden Staaten wider.4 Diesen Konflikt hat das OECDMA im Interesse einer Liberalisierung des zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehrs gelst, indem es die Betriebssttte eng definiert. Die weltweite Abkommenspraxis hat diese Lsung der OECD grundstzlich akzeptiert. Diese Grundstze haben sich bewhrt und fhrten zu einer Rechtssicherheit bei der Abkommensanwendung, die nicht unmaßgeblich zur Frderung des internationalen Wirtschaftsaustauschs beitrgt. Trotzdem steht die Betriebssttte auf dem Prfstand. Neue Geschftsformen insbesondere im Bereich E-Business haben den Konsens zwischen den kapitalexportierenden und kapitalimportierenden Staaten in
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OECD-MK zu Art. 5 Rz. 1.1. Art. 7 MA. BFH v. 21. 4. 1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. Vgl. Debatin/Wassermeyer, DBA, Syst. IV Rz. 38 ff.
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Grl, Betriebsstttenbegriff
Frage gestellt.5 Die OECD hat mit der berarbeitung des Musterkommentars 2003 nderungen in der Auslegung des Betriebsstttenbegriffs eingefhrt, die die Tendenz klar erkennen lassen: Weg von der restriktiven Auslegung und hin zu einer Ausweitung des Begriffs. Angriffspunkt sind die Prsenzanforderungen des Betriebsstttenbegriffs.
III. Prsenzanforderungen des Betriebsstttenbegriffs 1. Physisch verfestigte Prsenz 1.1 rtliche und sachliche Fixierung Kern des Betriebsstttenbegriffs ist die feste Geschftseinrichtung. In ihr manifestieren sich die Prsenzanforderungen sowohl in zeitlicher wie in rtlich-sachlicher Hinsicht. Unter einer Geschftseinrichtung versteht man alle einem Betrieb dienenden Sachen6, wobei besondere Vorrichtungen fr die Ausbung der Ttigkeit nicht erforderlich sind. Insoweit sind die Anforderungen an das Bestehen einer Geschftseinrichtung schon bisher nicht sehr hoch. Allerdings muss sich die Geschftseinrichtung in einer nicht nur vorbergehenden Verfgungsgewalt des Unternehmers befinden. Ausreichend, aber auch notwendig ist eine tatschliche physische Nutzung der Einrichtung fr unternehmerische Zwecke.7 Die neue Tz. 4.1. des OECD MK stellt das klar, indem ein frmliches Nutzungsrecht nicht vorausgesetzt wird und selbst widerrechtlich benutzte Rume eine Betriebssttte begrnden knnen. Die faktische Nutzung entspricht dem Gedanken der Betriebssttte als der verfestigten Form der Unternehmensttigkeit im Quellenstaat. Debatin spricht plastisch vom „Zuhause“ fr die Unternehmensttigkeit.8 Durch die Einrichtung muss die Unternehmensttigkeit ausgebt werden. Eine bloße Anwesenheit eines Unternehmers an einer bestimmten Stelle bedeutet noch nicht, dass diese dem Unternehmer zur Verfgung steht.9 Die Einrichtung muss das funktionale Mittel zur Ausbung der Unternehmensttigkeit sein und nicht ihr Gegenstand.10 Anders offen5 Siehe Strunk, RIW 2004, 1. 6 BFH v. 3. 2. 1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462, 465. 7 OECD-MK zu Art. 5 Rz. 4.1; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 5 MA Rz. 42a, der in der Nutzung allerdings noch keine Verfgungsmacht sieht. 8 Debatin/Wassermeyer, DBA, Syst. IV Rz. 54. 9 OECD-MK zu Art. 5 Rz. 4.2; Portner, FS Rdler, 1999, S. 525. 10 Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 5 MA Rz. 10, 42a.
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sichtlich jetzt die OECD im Musterkommentar. In Tz. 4.5. des MK wird die sog. Anstreicherbetriebssttte konstituiert. Ein Anstreicher, der 2 Jahre lang wchentlich 3 Tage in dem großen Brokomplex seines Hauptkunden zubringt, soll durch seine Anwesenheit in dem Brokomplex, den er anstreicht, eine Betriebssttte begrnden. Tatschlich aber ist das Gebude, das er anstreicht, das Objekt seiner Ttigkeit und nicht die Einrichtung, durch die er seine Geschftsttigkeit ausbt. ber diese Differenzierung der Funktionen setzt sich der Musterkommentar hinweg, indem er fr die Voraussetzung „durch die“ jede Ttigkeit gengen lsst. Nach der Kasuistik des Musterkommenars ist dieses Kriterium immer gegeben, wenn die Geschftsttigkeit an einem bestimmten Ort ausgebt wird, der dem Unternehmen zu diesem Zweck zur Verfgung steht. Faktisch trifft das auf jede Ttigkeit zu, wie Tz. 4.6 MK verdeutlicht. Nach dieser Regelung soll z. B. ein Unternehmen, das den Auftrag hat, eine Straße zu pflastern, so angesehen werden, als be es seine Ttigkeit „durch“ den Ort aus, wo diese Ttigkeit stattfindet. Da jede Ttigkeit sachlogisch die faktische Nutzung einer Einrichtung durch Anwesenheit erfordert, heißt das aber nichts anderes, als dass jede Ttigkeit an einem Ort im Quellenstaat zur Betriebssttte fhren kann.11 Das Erfordernis einer festen Einrichtung wre damit aufgegeben. 1.2 Die sog. Dienstleistungsbetriebssttte Die OECD hat mit Tz. 4.5. des MK die sog. Dienstleistungsbetriebssttte bereits so gut wie eingefhrt. Jedenfalls ist die laufende Diskussion im Rahmen der Revision 2004 ber die Besteuerung hochwertiger Dienstleistungen wie z. B. Unternehmensberatungen damit prjudiziert. Es sollen solche Leistungen, die ohne feste Geschftseinrichtung erbracht werden knnen, im Ttigkeitsstaat besteuert werden. Vorbild ist die Regelung in Art. 5 Abs. 3b des UN-MA, die bekanntlich bereits Eingang in die deutsche Abkommenspraxis gefunden hat, nmlich in die DBA China, Liberia und Philippinen12. Danach umfasst die Betriebssttte „Dienstleistungen, einschließlich Beratungsleistungen, die ein Unternehmen durch mit solchen Aufgaben betraute Angestellte oder anderes Personal erbringt, jedoch nur wenn diese Ttigkeiten (fr dasselbe oder ein damit zusammenhngendes Vorhaben) in dem Vertrags11 Mssner, Steuerrecht international ttiger Unternehmen, 2. Aufl. 1998, Rz. B 86i. 12 Art. 5 Abs. 3 Buchst. b DBA China; Art. 5 Abs. 7 DBA Liberia; Protokoll zu Art. 5 DBA Philippinen.
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staat ber einen Zeitraum oder Zeitrume von insgesamt mehr als sechs Monaten innerhalb von zwlf Monaten ausgefhrt werden“. Auf das Vorliegen einer festen Einrichtung kommt es nicht an. Eine Betriebssttte ohne Geschftseinrichtung ist zunchst ein Widerspruch in sich selbst und mit dem geltenden Wortlaut des MA nicht zu vereinbaren.13 Jede Auslegung findet ihre Grenze am mglichen Wortsinn14, der hier berschritten wird. Die Dienstleistungsbetriebssttte kann deshalb nicht durch eine bloße Auslegungsregelung im OECD-MK eingefhrt werden, sondern erfordert eine Regelung im Abkommenstext. Die Einfhrung einer sog. Dienstleistungsbetriebssttte widerspricht nicht nur dem Wortlaut des Betriebsstttenbegriffs, sondern auch seinem Zweck. Zielsetzung der Betriebsstttenbesteuerung ist es, dem Quellenstaat nur auf Grund intensiver Bettigung, d. h. durch Nutzung lokaler Ressourcen und Infrastrukturen, ein Besteuerungsrecht zu belassen. Bei Dienstleistungen ist das dann nicht der Fall, wenn die Dienstleistungsttigkeit auf der Grundlage der Ressourcen aus dem Stammhaus bzw. dem Sitzstaat erfolgt, auf die whrend der Leistungserbringung im Ttigkeitsstaat regelmßig zurckgegriffen wird. Das gilt fr sog. hochwertige Dienstleistungen genauso wie fr den Anstreicher, der seinen Pinsel, Farbe und evtl. sogar die Verpflegung aus seinem Sitzstaat mitbringt. Schon gar nicht kann das Vorliegen einer Betriebssttte damit begrndet werden, dass durch die Ttigkeiten hufig hohe Betrge erwirtschaftet werden.15 2. Zeitliche Prsenz 2.1 Erfordernis der Dauer Voraussetzung fr das Vorliegen einer Betriebssttte ist, dass die feste Geschftseinrichtung auf Dauer gerichtet ist. Das zeitliche Moment ergibt sich aus dem Ausdruck „fest“.16 Besonders deutlich wird dies in der englischen Version, die von „permanent“ spricht. Das Wort „permanent“ beschreibt die Anforderungen an die zeitliche Intensitt der un13 Ebenso Boidman, BIFD 2000, 339, 342; a. A. wohl die Tschechische Republik in Bemerkungen zum OECD-MK zu Art. 5, Rz. 45.3. 14 Vogel in Vogel/Lehner, DBA, Einleitung Rz. 107. 15 Zur fiskalischen Motivation der Dienstleistungsbetriebssttte siehe UN, Manual for the Negotiation of Bilateral Tax Treaties Between Developed and Developing Countries, New York 1979, S. 49 f. 16 OECD-MK zu Art. 5 Rz. 6; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 5 MA Rz. 37a.
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ternehmerischen Bettigung im Ausland, die eine Besteuerung auslsen soll. Idealtypisch ist es die stndig genutzte Einrichtung. Ab wann eine Einrichtung als fest und damit stndig anzusehen ist, ist nicht geklrt. Die Tz. 6 des MK 2003 sorgt nicht fr die erforderliche Klarheit. Nach dem Musterkommentar sollen Geschftseinrichtungen, die fr nur sehr kurze Zeit bestehen, eine Betriebssttte begrnden, falls die Geschftsttigkeit ihrer Art nach kurzfristig ist. Der Begriff „fest“ wird damit relativiert, er wird von der Art der Geschftsttigkeit abhngig gemacht. Paradoxerweise wrden danach Geschftsttigkeiten, die keine oder nur sehr kurze zeitliche Prsenz erfordern, schneller eine Betriebssttte begrnden als solche mit hheren Anforderungen an die Intensitt. Im Ergebnis werden also auch nur lose geschftliche Verbindungen zum Ausland der dortigen Besteuerung unterworfen, wenn der Geschftszweck durch kurzfristige Prsenz erfllt werden kann. Dieses weite Verstndnis des Begriffes „fest“ verwischt die Grenzen zwischen dem Direktgeschft wie z. B. einer reinen Lieferung und der Ttigkeit durch eine Betriebssttte.17 Der MK selbst rumt ein, dass es schwer zu entscheiden ist, wann eine derartige Ttigkeit ihrer Art nach eine Betriebssttte darstellt.18 Fr die praktische Anwendung ist eine solche Aussage wenig hilfreich. Nach meiner Auffassung ist eine strkere Rckbesinnung auf den Wortlaut und den Zweck des Art. 5 Abs. 1 MA zielfhrend. Der Begriff „fest“ oder besser „permanent“ bedeutet „stndig“. Nun gibt es zwar keine ewige Einrichtung19, aber es gibt die auf unabsehbare Zeit ausgerichtete Geschftsttigkeit. Es kommt also auf die subjektive Sicht des Unternehmers an. Entscheidend ist mithin der Plan, unter dem die Geschftseinrichtung errichtet wird. Ist ihre Nutzung auf Dauer beabsichtigt, begrndet sie eine Betriebssttte auch dann, wenn sie nach kurzer Zeit wieder aufgegeben wird. Umgekehrt ist eine zunchst nur fr kurze Zeit geplante Geschftseinrichtung in dem Moment eine Betriebssttte, in dem der Unternehmer sich entscheidet, sein Geschft auf Dauer fortzufhren.20
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Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, Mnchen 2002, S. 373. OECD-MK zu Art. 5 Rz. 6. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 5 MA Rz. 96. Vgl. Larking, BIFD 1998, 266, 268 ff.
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2.2 Mindestdauer Der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 MA sagt allerdings noch nichts ber den Zeitraum aus, ab dem die erforderliche Dauer erfllt ist. Er ist unter Bercksichtigung des Zwecks der Vorschrift herzuleiten. Die Doppelbesteuerungsabkommen wollen Rechtssicherheit bei der Besteuerung grenzberschreitender Ttigkeit schaffen. Dem entspricht eine eindeutige Fristbestimmung, die unabhngig von der Art der Geschftsttigkeit gilt. Hinsichtlich der Frist selbst will der Musterkommentar unter Berufung auf die Praxis einiger Mitgliedstaaten bei einer Dauer von 6 Monaten eine Betriebssttte annehmen.21 Dem Abkommen selbst kann diese Sechs-Monatsfrist nicht entnommen werden. Die einzige Bestimmung im Abkommen, die eine fr eine Unternehmensttigkeit relevante Wertung in zeitlicher Hinsicht trifft, ist der Art. 5 Abs. 3 MA. Die dort statuierte 12-Monatsfrist gilt als Sonderregel nur fr Bauausfhrungen und Montagen. Als solche trifft sie keine unmittelbare Aussage ber die Fristbestimmung fr die feste Geschftseinrichtung i. S. d. Art. 5 Abs. 1 MA22. Nach Wassermeyer soll die Frist des Abs. 3 fr die Beurteilung der Stndigkeit herangezogen werden, wenn die ausgebte Ttigkeit mit einer Bauausfhrung oder Montage vergleichbar ist. Ansonsten sei auf sechs Monate Dauer abzustellen.23 Diese Auffassung hat den Nachteil, dass sie zu keiner einheitlichen Fristbestimmung fr die erforderliche Dauer nach Abs. 1 fhrt und eine in der Praxis nicht immer einfach festzustellende Vergleichbarkeit mit den Bauausfhrungen und Montagen verlangt. Unter Abwgung von Wortlaut und Zweck der Vorschrift komme ich zu dem Ergebnis, dass auch fr den Art. 5 Abs. 1 MA die Frist des Abs. 3 als maßgeblich herangezogen werden soll. Sie ist die den Zielen des Art. 5 MA am Besten entsprechende Frist:24 – Sie entspricht am besten der Intention des Betriebsstttenprinzips, wonach nur intensive Geschftsverbindungen zum anderen Staat von diesem besteuert werden drfen. – Sie stellt die Rechtssicherheit her, die fr grenzberschreitende Wirtschaftsttigkeit zwingend erforderlich ist. 21 OECD-MK zu Art. 5 Rz. 6; ebenso BMF v. 24. 12. 1999 i. d. F. v. 20. 11. 2000 – IV B 4 – S 1300 – 222/00, BStBl. I 2000, 1509 – Tz. 1.2.1.1. 22 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, Mnchen 2002, S. 373. 23 Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 5 MA Rz. 37a. 24 Siehe auch Kumpf in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 49 EStG Anm. 214.
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– Sie ist praktikabel und vermeidet eine unscharfe und hufig schwierige Unterscheidung nach der Art der Ttigkeit.25 – Sie erreicht eine Auslegungsharmonie zwischen Art. 5 Abs. 3 und Art. 5 Abs. 1 fr in den relevanten Kriterien vergleichbare Unternehmensaktivitten.26 Relevant ist die Intensitt der Nutzung der lokalen Ressourcen sowohl fr Bauausfhrungen und Montagen als auch fr die sonstigen Unternehmensttigkeiten. 3. Betriebssttte mit „Null-Prsenz“ 3.1 Generalunternehmer-/Subunternehmerverhltnis Nach unbestrittener Auffassung werden einem Unternehmer, der als Generalunternehmen die Ausfhrung eines Bauprojektes bernommen hat und Teile dieses Projektes an Subunternehmer untervergibt, diejenigen Zeiten, die die Subunternehmer auf der Baustelle verbringen, der eigenen Aufenthaltsdauer auf der Baustelle zugerechnet.27 Diese Zurechnung erfolgt lediglich fr die Fristberechnung i. S. d. Art. 5 Abs. 3 MA, im brigen ist aber fr den Generalunternehmer getrennt zu prfen, ob die Voraussetzungen einer Betriebssttte vorliegen. Zu prfen ist also, ob er eine Bauausfhrung im Ausland selbst durchfhrt, wozu nach bisherigem Verstndnis eine eigene Prsenz an der Baustelle notwendig ist. 3.2 Subunternehmer als Betriebsstttentatbestand Die OECD diskutiert fr die Revision 2004 die Begrndung einer Betriebssttte durch den Generalunternehmer, wenn dieser im Quellenstaat in keiner Weise selbst anwesend ist, d. h. kein eigenes Personal an der Baustelle beschftigt. Ausreichend soll sein, dass die von ihm beauftragten Subunternehmer die 12-Monatsfrist erfllen. Die Zeiten der Subunternehmer werden dem Generalunternehmer zugerechnet und er wird so behandelt, als ob er ber die Baustelle selbst verfgt.28 Damit wird das Handeln Fremder, also der Subunternehmer, in einer Weise dem Generalunternehmer zugerechnet, wie es sonst nur beim abhngi-
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Vgl. Larking, BIFD 1998, 266, 273. Vgl. Schieber, IStR 1994, 521, 528. OECD-MK zu Art. 5 Rz. 19. Ebenso Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 5 MA Rz. 143; Krabbe, IStR 2003, 253, 255.
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gen Vertreter gem. Art. 5 Abs. 5 MA geschieht. Begrndet wird das mit der Gesamtverantwortung des Generalunternehmers fr die Baustelle und den Projekterfolg. Im Ergebnis wrde damit eine Betriebssttte ohne jegliche Prsenz im Quellenstaat begrndet. Die physische Prsenz ist unverzichtbarer Bestandteil der Betriebssttte. Lediglich rechtliche Verpflichtungen des Generalunternehmers gegenber seinem Auftraggeber reichen zur Substitution des Prsenzerfordernisses nicht aus.29 Anderenfalls wrde die Grenze zu den Direktgeschften aufgehoben und letztlich wrde jede vertragliche Beziehung zu einer Besteuerung im Quellenstaat fhren. Derartige lediglich rechtliche Beziehungen zum Quellenstaat sind aber gerade nicht intensiv genug, um dessen Besteuerungsrecht zu begrnden. Ein Vergleich mit der Betriebsstttenfiktion des abhngigen Vertreters gem. Art. 5 Abs. 5 MA besttigt diese Wertung. Dort ist die Zurechnung von Handlungen dritter Personen unter der engen Voraussetzung persnlicher Abhngigkeit vorgesehen.30 Fr die Generalunternehmerbetriebssttte ist kein derartiges, ber die vertragliche Beziehung zum Subunternehmer hinausgehendes Merkmal vorhanden. Die Annahme einer Betriebssttte trotz rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhngigkeit des Subunternehmers geht somit weit ber Fiktion des Art. 5 Abs. 5 MA und damit ber die Grenzen einer mglichen Auslegung des Art. 5 MA hinaus. 3.3 Folgen einer Betriebssttte ohne physische Prsenz Die Annahme einer solchen „Generalunternehmerbetriebssttte“ ginge ins Leere. Dem Quellenstaat knnte nmlich auf der Grundlage des Art. 7 MA kein Ergebnis zugeteilt werden. Eine Funktions- und Risikoanalyse, die den Maßstab fr die Ergebnisallokation zu Betriebssttte und Stammhaus bildet31, fhrt bei vollstndiger Vergabe eines Vertrages an Subunternehmer zu keiner Gewinnzurechnung zur Betriebssttte. Alle Funktionen, die zum Gewinn des Generalunternehmers beigetragen haben, sind im Stammhaus wahrgenommen worden und das daraus 29 Im Ergebnis ebenso BMF v. 24. 12. 1999 i. d. F. v. 20. 11. 2000 – IV B 4 – S 1300 – 222/00, BStBl. I 2000, 1509 – Tz. 4.3.2. 30 OECD-MK zu Art. 5 Rz. 32. 31 BMF v. 24. 12. 1999 i. d. F. v. 20. 11. 2000 – IV B 4 – S 1300 – 222/00, BStBl. I 2000, 1509 – Tz. 2.2; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 7 MA Rz. 184 ff.; Faiferlick/Odden/Ackermann, Tax Management Transfer Pricing Report, 2004, 451 ff.
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resultierende Ergebnis muss deshalb dem Sitzstaat des Unternehmens zur Besteuerung berlassen bleiben. Die Annahme einer Betriebssttte ohne physische Prsenz steht auch im Widerspruch zum Ziel der DBA, unntige administrative Hrden zu vermeiden. Die „Generalunternehmerbetriebssttte“ wrde nmlich erhebliche administrative Belastungen nach sich ziehen. Ohne im Land prsent zu sein, msste der Unternehmer alle mit einer Betriebsstttenbegrndung einhergehenden formalen Verpflichtungen erfllen. Zu nennen sind z. B. Registrierung, Einrichtung einer Buchhaltung nach lokalem Recht, Erstellung und Abgabe von Steuererklrungen, Prfungen u. . Dieser Aufwand wre zu leisten, ohne dass letztlich im Quellenstaat Steueraufkommen generiert wird. In der Praxis kommt es aber noch schlimmer. In vielen Fllen wrde nmlich die Betriebssttte ohne physische Prsenz zu einer Doppelbesteuerung fhren. Der Generalunternehmer wird wie oben gezeigt seinen aus der Generalunternehmerttigkeit resultierenden Gewinn in vollem Umfang im Ansssigkeitsstaat zu versteuern haben. Der Quellenstaat wird einer bei ihm angemeldeten Betriebssttte ein Ergebnis zuordnen wollen, wobei einige Staaten an die bloße Anmeldung einer Betriebssttte unmittelbar eine Besteuerung anknpfen. Hufig wird vom kompletten Vertragswert ausgegangen. Z. B. werden in der Volksrepublik China regelmßig ca. 15% des Vertragswertes als Gewinn angenommen. Fr einen deutschen Generalunternehmer resultiert daraus eine doppelte Besteuerung in China und in Deutschland. Der deutsche Fiskus wird keine Veranlassung sehen, die durch die Pauschalgewinnversteuerung in China verursachte Doppelbesteuerung im Wege der Freistellung gem. Art. 23 des DBA mit China zu vermeiden.
IV. Fazit Es war das Verdienst der OECD, die Liberalisierung des zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehrs maßgeblich gefrdert zu haben. Eines der Mittel hierzu war eine restriktive Formulierung und Interpretation des Betriebsstttenbegriffs. Die dargestellten nderungen im Musterkommentar und die diskutierten Tendenzen insbesondere in der Working Party 1 lassen eine radikale Abkehr von den bewhrten Grundstzen befrchten. Das Erfordernis der physischen Prsenz im Quellenstaat als essentielles Merkmal einer Betriebssttte scheint zur Disposition zu stehen. Eine Betriebssttte soll auch ohne Geschftseinrichtung durch 90
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bloße Anwesenheit im Quellenstaat begrndet werden knnen. Also eine Betriebssttte ohne „Sttte“. Fr die Anwesenheit wiederum wird das Kriterium der zeitlichen Prsenz auf ein Minimum reduziert. Also die Betriebssttte ohne „Betrieb“. Konsequente Fortsetzung dieser Tendenz ist dann die Betriebssttte ohne jegliche Prsenz im Quellenstaat, wie dies fr den Generalunternehmer gelten soll. Damit wrde die OECD faktisch das Betriebsstttenprinzip aufgeben. Fr die klassische grenzberschreitende Unternehmensttigkeit einschließlich des internationalen Anlagenbaus ist ein derartiger Paradigmenwechsel schon vom Ansatz her verfehlt. Die Aufgabe des Betriebsstttenprinzips wrde zu erheblichen Rechtsunsicherheiten fhren, den administrativen Aufwand grenzberschreitender Unternehmensttigkeit drastisch erhhen und schließlich Doppelbesteuerungen nicht mehr verlsslich ausschließen. Die Revision des OECD-MA sollte deshalb auf der Grundlage des Betriebsstttenprinzips und insbesondere unter Orientierung am Leitbild des Betriebsstttenbegriffs als der nachhaltigen, standortbezogenen Bettigung im Quellenstaat vorgenommen werden. In diesem Sinne sind folgende Klarstellungen im MK geboten: – Keine Betriebssttte ohne physische Prsenz im Quellenstaat, d. h. die physische Anwesenheit des Unternehmers im Quellenstaat ist zwingend erforderlich. – Die Fristbestimmung in Art. 5 Abs. 3 MA fr die Bauausfhrung und Montagen ist auch fr die Anwendung des Art. 5 Abs. 1 MA maßgeblich. Diese Klarstellungen wrden nicht nur maßgeblich zur Frderung des zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehrs beitragen, sondern auch dem Interesse der beteiligten Staaten an einer fairen Verteilung des Fiskalaufkommens gerecht werden. Das gilt insbesondere auch fr die kapitalimportierenden Lnder, denn nachhaltigen Erfolg erzielt man nur durch eine physische Prsenz im Land. Auch in einer global vernetzten Wirtschaftswelt gilt: All business is local.32
32 v. Pierer, Handelsblatt v. 9. 8. 2004, 5.
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Aktuelle Tendenzen der OECD-Arbeiten zur Betriebssttte, insbesondere bei Vertretern und Dienstleistungen Michael Wichmann Bundesministerium der Finanzen, Berlin1 Inhaltsbersicht I. berblick: Hauptforen und ihre derzeitigen Arbeitsschwerpunkte 1. Working Party No. 1 2. Working Party No. 6 II. Wichtigste nderungen durch die Revision 2003 1. Tatbestandsausweitung in Tz. 4 KOM: die „kleine“ Dienstleistungs-Betriebssttte des Anstreichers 2. Tz. 6 und die Relativierung der Mindestdauer 3. Der Betriebssttten-„GAU“: die Kombination von Tz. 4.5 und 6 KOM
4. Hintergrund: Grundsatzstreit zu Art. 5 Abs. 1 und 3 OECD-MA III. Geplante Revision 2005: Reaktion auf „Philipp Morris“ IV. Revison 2006 und laufende Arbeiten 1. Geplante nderung der Tz. 19 zum Subunternehmer 2. Umgang mit Kommissionrsgestaltungen 3. Erweiterte Besteuerung von Dienstleistungen im Quellenstaat V. Fazit
Seit der Revision 2003 des OECD-Kommentars (KOM) zum OECDMusterabkommen2 (MA) werden in den steuerlichen Arbeiten der OECD auch fr Außenstehende deutliche Tendenzen zur Ausweitung des Betriebsstttenbegriffs erkennbar. Hierbei handelt es sich nicht um punktuelle Klarstellungen, sondern um den Ausdruck einer konsequenten Absenkung der tatbestandlichen Voraussetzungen vor dem Hintergrund einer Verschiebung der Abgrenzungslinien zwischen den Besteuerungsrechten von Ansssigkeits- und Quellenstaat. Die Auswirkungen 1 berarbeitete und aktualisierte Fassung des am 12. 10. 2004 auf dem 56. Fachkongress der Steuerberater gehaltenen Vortrags. Vertretene Ansichten geben lediglich die persnliche Meinung des Autors wieder, soweit nicht ausdrcklich anders bezeichnet. 2 OECD Committee on Fiscal Affairs, Model Tax Convention on Income and on Capital, Condensed Version, 28 January 2003, Paris 2003.
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reichen dabei ber die feste Geschftseinrichtung gem. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA und den abhngigen Vertreter gem. Art. 5 Abs. 5 OECDMA hinaus bis in den Bereich der Besteuerung von Dienstleistungen und knnen auch fr die Annahme eines Betriebsstttenverhltnisses zwischen verbundenen Unternehmen (vgl. Art. 5 Abs. 7 OECD-MA) Bedeutung erlangen.
I. berblick: Hauptforen und ihre derzeitigen Arbeitsschwerpunkte Zum besseren Verstndnis des Prozesses ist ein berblick ber die Arbeitsschwerpunkte der beiden Haupt-Foren der OECD-Arbeiten zu Betriebsstttenfragen, den Working Parties No. 1 und 6 des OECD-Steuerausschusses, erforderlich. 1. Working Party No. 1 Die Working Party No. 1 (WP 1) ist im Rahmen ihrer Gesamtzustndigkeit fr die Fortschreibung des OECD-Musterabkommens und -Kommentars fr den Betriebsstttenbegriff gem. Art. 5 des OECD-MA zustndig. Im Rahmen der Revision 2003 erfolgte eine Absenkung der tatschlichen und zeitlichen Mindestvoraussetzungen fr die Annahme einer „festen Geschftseinrichtung“, die im sog. „Anstreicher-Beispiel“ in Tz. 4.5 KOM zu Art. 5 OECD-MA und in den neuen Konzepten der zeitlichen Relativierung, mehrjhriger Zusammenrechnung wiederholter Aktivitten sowie ausschließlicher Ausfhrung im Quellenstaat in Tz. 6 KOM3 gipfelt. Im Rahmen der Revision 20054 sind demgegenber als Reaktion auf die sog. „Philipp-Morris“-Entscheidung des italienischen Kassationshofes5 Ergnzungen zu Tz. 41 und 42 KOM vorgesehen, die die Begrndung einer Betriebssttte eines Konzernunternehmens aufgrund der Inanspruchnahme von durch eine andere Konzerngesellschaft erbrachten Dienstleistungen ablehnen. Im Rahmen der Revision 2006 ist jedoch die Wiederaufnahme einer 2002 auf Betreiben der deutschen Delegation aus dem Entwurf der Revi3 Textziffern des OECD-Kommentars (KOM) ohne weitere Angaben beziehen sich auf Art. 5 OECD-MA. 4 ffentlicher Entwurf vom 15. 3. 2005 auf der OECD-Webseite: http://www. oecd.org/dataoecd/54/24/34576874.pdf. 5 Weitere Hinweise in Tax Notes International 2004, S. 939 ff.
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sion 2003 entfernten nderung der Tz. 19 KOM geplant, mit der die Zurechnung der vom Subunternehmer auf einer Baustelle verbrachten Zeit zum Generalunternehmer auch im Fall der vollstndigen Delegation des Projektes gelten soll. Ferner befasst sich eine Unterarbeitsgruppe mit einer Ausweitung der Besteuerung von Dienstleistungen im Quellenstaat hnlich dem UNOMA. Schließlich ist eine gemeinsame Untergruppe der Working Party No. 1 und Working Party No. 6 eingerichtet worden, die sich unter anderem mit den steuerlichen Konsequenzen funktionsverlagernder Kommissionrsgestaltungen befasst. 2. Working Party No. 6 Die Working Party No. 6 (WP 6) arbeitet im Rahmen ihrer Zustndigkeit fr die Besteuerung multinationaler Unternehmen an der Einkunftszurechnung zur Betriebssttte. Aktuelles „Hauptprodukt“ ist ein mehrteiliger Diskussionsentwurf zur Einkunftszurechnung zu Betriebssttten, dessen Allgemeiner Teil I6 die in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA enthaltene Selbstndigkeitsfiktion weiter fortentwickelt, whrend die weiteren besonderen Teile II–IV spezifische Einkunftsabgrenzungsregeln fr Banken, Global Trading von Finanzinstrumenten sowie fr Versicherungen enthalten. Von besonderer Bedeutung im Teil I ist die Einkunftszurechnung entsprechend der sog. „Key Entrepreneurial Risk-Taking Function (KERT)“, die im Fall der Vertreter-Betriebssttte neben dem fremdblichen Leistungsentgelt fr den handelnden abhngigen Vertreter zustzlich fr die durch ihn begrndete Betriebssttte einen eigenen Anteil an den Gesamteinknften des Unternehmens vorsieht7. Von besonderem Interesse ist dieser Ansatz im Fall der Funktionsabschmelzung einer im Konzernverbund eigenunternehmisch ttigen Vertriebsgesellschaft zu einem Kommissionr, da die Einknftezurechnung nach KERT im Rahmen eines Betriebsstttenverhltnisses eine der Geschftswirklichkeit widersprechende vertragliche Funktions- und Risikoverlagerung auf eine andere (auslndische) Konzerngesellschaft durchbrechen kann8.
6 Discussion Draft on the Attribution of Profits zu Permanent Establishment – Part I (General Considerations) – ffentliche Version vom 2. 8. 2004 auf der OECD-Webseite: http://www.oecd.org/dataoecd/22/51/33637685.pdf. 7 Tz. 266 ff. (272) Discussion Draft – Part I. 8 Vgl. Tz. 282 ff. (285) Discussion Draft – Part I.
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ber die Umsetzung der verschiedenen Przisierungen und Neuerungen des Teils I (z. B. die Anerkennung sog. „dealings“ zwischen Betriebssttten bzw. zwischen Betriebssttten und Stammhaus als Analogie zur Transaktion zwischen Rechtssubjekten) werden WP 1 und WP 6 entscheiden, wenn im Laufe des Jahres 2005 durch eine gemeinsame Untergruppe konkrete nderungsvorschlge fr den OECD-Kommentar formuliert worden sind. Die von der WP 6 erarbeiteten Grundstze zur Einkunftsabgrenzung entfalten allerdings bereits jetzt eine Rckwirkung auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vertreterbetriebssttte, die das OECD-MA insoweit „Quellenstaats-freundlicher“ als das UNO-MA erscheinen lassen. Denn im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 7 UNO-MA, das einen Einfirmen-Vertreter als „nicht abhngig“ behandelt, wenn dessen Geschftsbeziehungen zu seinem Prinzipal fremdblichen Bedingungen entsprechen, fehlt dieser „safe haven“ im OECD-MA und Kommentar. Tz. 38.6 KOM nimmt sogar selbst dann eine „Abhngigkeit“ des Vertreters an, wenn mehrere Geschftsherren zu seiner Kontrolle zusammenwirken.
II. Wichtigste nderungen durch die Revision 2003 1. Tatbestandsausweitung in Tz. 4 KOM: die „kleine“ DienstleistungsBetriebssttte des Anstreichers Im Rahmen der Revision 2003 wurde die Tz. 4 KOM, in der der Begriff der „festen Geschftseinrichtung“ (fixed place of business) gem. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA definiert wird, um sechs zustzliche Textziffern ergnzt. Dabei wird zunchst in Tz. 4.1 klargestellt, dass fr die Zurechnung einer Geschftseinrichtung das rein faktische „Verfgen“ (disposal) ber sie ausreicht und daher unabhngig vom Bestehen eines Verfgungsrechts auch Flle illegaler Nutzung erfasst werden. Tz. 4.2 betont in diesem Zusammenhang jedoch den Grundsatz, dass bloßer Aufenthalt, z. B. Anwesenheit zur Entgegennahme des Auftrags im Bro des Kunden, nicht fr die Annahme eines „Verfgens“ ausreicht. Im Gegensatz hierzu stellt Tz. 4.5 jedoch fest, dass im Fall eines Anstreichers, der whrend zwei Jahren jeweils drei Tage pro Woche ein großes Brogebude seines Hauptkunden anstreicht, dort eine Betriebssttte vorliegen soll, weil dort die wichtigste Funktion seines Geschfts (Anstreichen) erbracht werde. Dies bedeutet, dass der bloße Aufenthalt 96
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am Leistungsort ohne weitere Anforderungen an Umfang oder Intensitt des „Verfgens“ betriebsstttenbegrndend wirkt, auch wenn es sich beim Leistungsort um eine feste Geschftseinrichtung eines Fremden, des Kunden, handelt. Dass die Zurechnung des Leistungsortes als feste Geschftseinrichtung des leistenden Unternehmens keine Fehlinterpretation ist, sondern Methode hat, belegt das Beispiel in Tz. 4.6, das im Falle des Teerens einer Strasse davon ausgeht, dass das Unternehmen sein Geschft „durch“ den Ort, „an dem die Aktivitt stattfindet“ erbringt, und dieser ihm zu diesem Zweck „zur Verfgung stehe“. Dieser Ansatz wird uns bei der 2006 geplanten Erweiterung der Tz. 19 KOM wieder begegnen, in der die Zurechnung der Baustelle zum Generalunternehmer auch bei vollstndiger Delegation des Bauprojektes als Argument fr eine betriebstttenbegrndende funktionale Zurechnung der Leistungsbeitrge der Subunternehmer zum abwesenden Generalunternehmer verwendet wird. Meines Erachtens handelt es sich bei Tz. 4.5 und 4.6 um unzutreffende Beispiele, die im Widerspruch zum in Tz. 4.2 zutreffend hervorgehobenen Prinzip stehen, dass der Aufenthalt am Leistungsort kein „Verfgen“ bedeutet, das die Zurechnung als feste Geschftseinrichtung zum leistenden Unternehmen erlaubt. (Auf die besondere Bedeutung der Verwendung von Beispielen aus dem in Art. 5 Abs. 3 OECD-MA geregelten Baubereich in den der Erluterung des Begriffs der „festen Einrichtung“ gem. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA dienenden Tz. 4.5 und 4.6 wird weiter unten eingegangen.) Das Ergebnis steht darber hinaus im offenen Widerspruch zum gegenwrtigen Konsens der WP1-Untergruppe zur Besteuerung von Dienstleistungen, wonach die bloße Erbringung von Dienstleistungen durch eigenes Personal im Quellenstaat ber eine gewisse Mindestfrist hinaus noch nicht zur Begrndung einer Betriebssttte nach dem OECD-MA ausreicht. Die deutsche Delegation hat zwischenzeitlich „Bemerkungen“9 zum KOM eingelegt, mit denen u.a. das „Anstreicher-Beispiel“ als Fall der Betriebsstttenbegrndung nach Art. 5 Abs. 1 OECD-MA abgelehnt wird10. 9 „Bemerkungen“ (observations) signalisieren die Nichtbereinstimmung mit dem Kommentar (Tz. 30 der Einleitung zum OECD-MA), „Vorbehalte“ (reservations) die Abweichung vom OECD-Musterabkommen (Tz. 31 aaO). 10 Vorauss. Tz. 45.7–45.9 KOM (Revision 2005).
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2. Tz. 6 und die Relativierung der Mindestdauer Durch die Revision 2003 wird Tz. 6 zu den zeitlichen Mindestvoraussetzungen einer festen Geschftseinrichtung einerseits durch einen Hinweis auf eine in der Staatenpraxis feststellbare Mindestfrist von sechs Monaten konkretisiert (Satz 3), andererseits aber so grundlegend relativiert, dass die Konkretisierung weitgehend entwertet wird. Durch den neuen Satz 2 wird das Prinzip eingefhrt, dass die Dauerhaftigkeit der festen Einrichtung in Relation zum Geschftszweck zu beurteilen ist. Daher soll im Fall einer ihrer „Natur“ nach nur kurzfristigen Geschftsttigkeit bereits die Existenz einer Geschftseinrichtung fr „nur eine sehr kurze Zeitdauer“ zur Begrndung einer Betriebssttte ausreichen. Darber hinaus soll im Falle „wiederkehrender Ttigkeiten“ (recurrent activities) eine Zusammenrechnung ber mehrere Jahre hinweg zulssig sein (Satz 5), durch die die Anforderungen an die Mindestdauer abermals zugunsten des Quellenstaates unterlaufen werden knnen. Schließlich wird durch Satz 6 ein neues Kriterium des wirtschaftlichen Zusammenhangs eingefhrt, wonach eine weitere Ausnahme von der Mindestdauer dann anwendbar ist, wenn die im Quellenstaat ausgebten kurzfristigen Aktivitten ein Geschft (business) begrnden, das ausschließlich im Quellenstaat ausgebt wird. Vor dem Hintergrund zunehmenden „Outsourcings“ von Funktions- oder Prozessteilen, die durch Bndelung fr mehrere Kunden bei fremden Dritten zu einem eigenstndigen Dienstleistungsgeschft erstarken, ffnet der neue Satz 6 die Mglichkeit, praktisch jegliche Aktivitt im Quellenstaat zum eigenstndigen „business“ zu erklren, das dann zwangslufig „ausschließlich im Quellenstaat ausgebt“ wird. Die deutsche Delegation hat zwischenzeitlich „Bemerkungen“ zum KOM eingelegt, mit denen sich Deutschland eine restriktive Anwendung der Kriterien in Tz. 6 vorbehlt.
3. Der Betriebssttten-„GAU“: die Kombination von Tz. 4.5 und 6 KOM Als realistische Mglichkeit eines „grßten anzunehmenden Unfalls“ fr den Betriebstttenbegriff zeichnet sich die Kombination der Tz. 4.5 und 6 KOM ab. So wurde in der Erffnungssitzung des 9th Annual International Tax Meeting on Tax Treaties der OECD in Paris, bei der den Vertretern der Steuerverwaltungen der Nichtmitgliedsstaaten die nde98
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rungen durch die Revision 2003 des OECD-MA und Kommentars erlutert wurden, am 23. 9. 2004 der folgende Fall vorgestellt. Im Rahmen eines mehrjhrigen Wartungsvertrages fr Produktionsanlagen reist alle drei Monate ein Wartungsteam fr 20 Tage in den Quellenstaat, um dort in der Produktionshalle des Kunden ohne Nutzung weiterer Einrichtungen oder Lagerrume die Maschinen zu warten. Zwischen den Einstzen wird kein Werkzeug oder Material beim Kunden zurckgelassen.
Nach einhelliger Meinung der Podiumsteilnehmer aus OECD- und Nichtmitgliedsstaaten sollte in diesem Fall gem. Tz. 4.5 und 6 KOM eine Betriebssttte des Wartungsunternehmens anzunehmen sein, da die Produktionshalle dem Wartungsunternehmen fr dessen wiederkehrende Aktivitt zur Verfgung stehe. Der deutsche Delegierte hat dieser Auslegung nachdrcklich widersprochen. 4. Hintergrund: Grundsatzstreit zu Art. 5 Abs. 1 und 3 OECD-MA Hintergrund und Grundlage der nderungen in Tz. 4.5 und 6 KOM durch die Revision 2003 ist ein Meinungsstreit zum Verhltnis von Art. 5 Abs. 1 und 3 OECD-MA. Deutschland und einige weitere Staaten betrachten die Bau- und Montage-Betriebssttte gem. Art. 5 Abs. 3 OECD-MA als einen Sondertatbestand, der einerseits geringere Anforderungen als eine feste Einrichtung nach Abs. 1 stellt, andererseits aber bei Unterschreitung der Mindestfrist auch typische feste Einrichtungen ausschließt. Demgegenber sieht die Mehrheit der OECD-Mitgliedsstaaten entsprechend einer Umfrage in der WP 1 den Abs. 3 als sich ausschließlich durch die verbindliche Konkretisierung der Mindestdauer von Abs. 1 unterscheidendes Regelbeispiel der festen Geschftseinrichtung. Aus diesem Grund ist die OECD-Mehrheit wegen der vollen Geltung der tatbestandlichen Mindestanforderungen fr feste Geschftseinrichtungen gezwungen, diese soweit abzusenken, dass sie auch von Bauund Montagestellen erfllt werden knnen. Dies erklrt schließlich auch, warum sich die Beispiele in Tz. 4.5 (Anstreicher) und 4.6 (Straßenbau) ohne weitere Erluterungen unter der Kommentierung zu Art. 5 Abs. 1 OECD-MA befinden.
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III. Geplante Revision 2005: Reaktion auf „Philipp Morris“ Der italienische Kassationshof11 hatte die italienische Tochtergesellschaft des Philipp-Morris-Konzerns als „multiple“ Betriebssttte fr die deutsche und US-Tochtergesellschaft angesehen, weil die italienische Gesellschaft Tabaklieferungen ihrer Schwestergesellschaften an das italienische Tabakmonopol in dessen Lagerrumen kontrollierte und berwachte. Dabei wurden insbesondere folgende Kriterien und Argumente herangezogen: – Zusammenwirken der Konzerngesellschaften nach einer einheitlichen gemeinsamen Strategie; – berwachung der Leistungserbringung sei keine Hilfsttigkeit; – Beauftragung mit der berwachung geschftlicher Transaktionen knne eine Betriebssttte begrnden; – Teilnahme an Vertragsverhandlungen knne auf Vertretungsmacht schließen lassen. Die Revision 200512 wird im Rahmen der Kommentierung zu Art. 5 Abs. 7 OECD-MA klarstellen, dass einer Mutter- oder Schwestergesellschaft eine Betriebssttte an einem Ort zugerechnet werden kann, an dem eine Tochtergesellschaft ber eine feste Geschftseinrichtung verfgt oder wo sie als abhngige Vertreterin fr sie ttig wird. Dies gilt bei Mitbenutzung von Rumlichkeiten oder bei Einsatz der Tochtergesellschaft als abhngige Vertreterin (Tz. 41, 41.1 KOM 2005). Allerdings mssen diese Voraussetzungen im jeweiligen konkreten bilateralen Verhltnis vorliegen; eine Zurechnung zu anderen Konzerngesellschaften aufgrund des Konzernverbundes wird ausdrcklich zurckgewiesen (Tz. 41.1 KOM 2005). Tz. 42 KOM 2005 wird klarstellen, dass eine Konzerngesellschaft, die Dienstleistungen einer anderen Konzerngesellschaft in Anspruch nimmt, keine Verfgungsbefugnis ber die fremden Geschftseinrichtungen erhlt, in der die leistende Gesellschaft die Dienstleistung im Rahmen ihrer eigenen Geschftsttigkeit erbringt. Tz. 33 KOM 2005 zu Art. 5 Abs. 5 OECD-MA wird feststellen, dass Vertretungsmacht i. S. v. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA keine formelle Voll-
11 Einzelheiten aus Tax Notes International 2004, S. 939 ff. 12 Internet-Fundstelle des bisher verffentlichten Entwurfes s. o.
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macht erfordert. (Hintergrund ist, dass in den Common-Law-Staaten meist nicht zwischen offener und verdeckter Stellvertretung differenziert wird.) Teilnahme an Vertragsverhandlungen wird daher ausdrcklich als relevanter Faktor fr die Annahme einer Vertreter-Betriebssttte anerkannt werden. M. E. war die fremdbliche konventionelle Dienstleistung durch die italienische Konzerngesellschaft untaugliches Objekt fr grundstzlich berechtigte Erwgungen des italienischen Gerichts. Angesichts des durch moderne Kommunikationsmittel forcierten bergangs von Parallelkonzernen alten Typs, in denen jeweils der volle Funktionskreis (Forschung, Produktion, Vertrieb) in jeder Jurisdiktion erbracht wurde, zu neuen hochgradig international arbeitsteiligen „organischen“ Konzernstrukturen, bei denen jede Funktion regional oder sogar global nur noch einmal erbracht wird, stellt sich die Frage des „funktionalen Durchbruchs“ durch die krperschaftsrechtliche Struktur. Folge ist die Begrndung von Betriebsstttenverhltnissen zwischen Konzerngesellschaften aufgrund funktionaler Integration. In den OECD-Verrechnungspreis-Leitlinien13 (OECD-VPL) wurde bereits 1995 eingerumt, dass der auf dem Selbstndigkeitsprinzip beruhende (Tz. 1.6 OECD-VPL) Fremdvergleichsgrundsatz bei zunehmender Konzernintegration an seine Grenzen stßt (Tz. 1.9 OECD-VPL). Tz. 1.7 OECD-VPL hebt als Hauptgrund fr die bernahme des Fremdvergleichsgrundsatzes durch die OECD-Mitgliedsstaaten das Ziel steuerlicher Gleichbehandlung von verbundenen und unverbundenen Gesellschaften zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen hervor. Reaktionen auf das Aufkommen neuer arbeitsteiliger Konzernstrukturen finden sich bereits im OECD-Kommentar zu Art. 5 OECD-MA. Nach Tz. 24 KOM fhrt die Delegation von Managementfunktionen der Konzernspitze an regionale Managementbros im Rahmen „polyzentristischer“ Geschftsleitungsmodelle zur Begrndung von Geschftsleitungs-Betriebsttten gem. Art. 5 Abs. 2 (a) OECD-MA. Tz. 27.1 KOM unterstreicht, dass eine komplementre Funktion verschiedener fester Geschftseinrichtungen einen „organisatorischen Zusammenhang“ begrndet, und dass ein einheitliches Geschft nicht in verschiedene Einzelaktivitten mit lediglich vorbereitender oder Hilfsfunktion fragmentiert werden kann.
13 OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations, (Loseblatt) Paris 1995 ff.
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Allerdings ist zu beachten, dass der Prozess arbeitsteiliger „Organisation“ sich nicht nur konzernintern, sondern im Wege des „Outsourcing“ auch zwischen fremden Dritten vollzieht. Grundstzlich kann daher bei Einhaltung fremdblicher „Outsourcing“-Praktiken weiter von der Anwendbarkeit des Fremdvergleichsgrundsatzes einschließlich Verfgbarkeit ausreichender Vergleichsdaten aus dem Markt ausgegangen werden. Jedoch zeichnen sich bei den Planungen fr die Revision 2006 im Zusammenhang mit einer von der Mehrheit der OECD-Mitgliedsstaaten beabsichtigten nderung zum Verhltnis zwischen General- und Subunternehmer gegenlufige Tendenzen ab, die die betriebsstttenbegrndende Zurechnung von Aktivitten Dritter erleichtern.
IV. Revison 2006 und laufende Arbeiten 1. Geplante nderung der Tz. 19 zum Subunternehmer Zunchst ist zu bercksichtigen, dass die Revison 2003 in Tz. 32 KOM eine Klarstellung aufgenommen hatte, wonach abhngige Vertreter im Sinne von Art. 5 Abs. 5 OECD-MA im Quellenstaat weder ansssig zu sein, noch dort ber eine feste Einrichtung zu verfgen brauchen, um fr den Prinzipal eine Betriebssttte zu begrnden. Dies bedeutet, dass die Voraussetzungen fr eine qualifizierte Prsenz zur Begrndung einer Betriebssttte fr (abhngige) Dritte weit niedriger sind als fr den Unternehmer selbst. Die derzeitige Mehrheit der OECD-Mitgliedstaaten beabsichtigt, in Tz. 19 eine nderung aufzunehmen, durch die die Zurechnung von Zeit, die ein Subunternehmer auf der Baustelle verbringt, als vom Generalunternehmer dort verbrachte Zeit, von den Fllen einer nur teilweisen Delegation des Bauprojektes auf Flle der Totaldelegation (in denen der Generalunternehmer im Quellenstaat berhaupt nicht mehr anwesend ist) ausgeweitet werden soll. Zur Begrndung wird darauf verwiesen, dass die Baustelle whrend der Anwesenheit von Subunternehmern als dem Generalunternehmer zur Verfgung stehend anzusehen sei, weil letzterer die Gesamtverantwortung fr die Baustelle trage und ihm die Baustelle zum Zweck der Ausbung seiner Bauttigkeit zugnglich gemacht werde. Eine ursprnglich vorgeschlagene weitere nderung in Tz. 10 KOM, wonach Subunternehmer auf einer Baustelle abhngigen Vertretern gleichgestellt werden sollten, ist nach zwischenzeitlicher Diskussion gestrichen worden. 102
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Aus deutscher Sicht bedeutet die Ausweitung der Tz. 19 auf Flle der Totaldelegation eine grundlegende nderung der Kommentierung. Vor dem Hintergrund der Einordnung von Art. 5 Abs. 3 als von der gesonderten Baubetriebsstttenfrist geprgter Sondertatbestand erlaubt die gegenwrtige Fassung nach Auffassung des BMF lediglich die abstrakte Zurechnung der von Subunternehmern auf der Baustelle verbrachten Zeit ausschließlich zum Zweck der Berechnung der nach Art. 5 Abs. 3 OECD-MA betriebsstttenbegrndenden Anwesenheitszeit des Generalunternehmers. Dies bedeutet, dass die Zurechnung der Subunternehmer-Anwesenheitszeit den Generalunternehmer zwar ber die Zeitschwelle heben kann, die dann begrndete Betriebssttte des Generalunternehmers aber ausschließlich mit den vom Generalunternehmer selbst oder durch eigenes Personal ausgebten Funktionen entsteht. Durch eine Ausweitung der Tz. 19 auf den Fall der Totaldelegation ist die bloß abstrakte Zeitzurechnung jedoch nicht mehr ausreichend; mangels eigener Aktivitt und Anwesenheit des Generalunternehmers im Quellenstaat muss auch die vom Subunternehmer erbrachte Funktion zugerechnet werden. Die Zeitzurechnung verliert den bloß ergnzenden Charakter und wandelt sich in Totaldelegationsfllen zur vollstndigen Ersetzung der Prsenz des Generalunternehmers. Eine derartige funktionale Zurechnung des Leistungsbeitrages des Subunternehmers zur Betriebssttte des Generalunternehmers ist jedoch nach deutscher Auffassung unzulssig, da der Subunternehmer auf der Baustelle die Ttigkeit seines eigenen Unternehmens erbringt und kein Verrichtungsgehilfe des Generalunternehmers ist14. hnliches gilt nach belgischem Recht15. Vor dem Hintergrund des o.a. Grundsatzstreits zum Verhltnis von Art. 5 Abs. 1 und 3 OECD-MA ist dabei zu beachten, dass die ausdrcklich fr „Subunternehmer auf Baustellen“ im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 OECD-MA entwickelten Grundstze nach der OECD-Mehrheitsmeinung wegen der identischen Anforderungen an die Zurechnung einer festen Einrichtung auch im gesamten Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 OECD-MA gelten und daher nicht auf Bau- und Montageleistungen begrenzt werden knnen (vgl. die Zurechnung des Brohauses des Kunden als feste Einrichtung des Anstreichers in Tz. 4.5). 14 Vgl. BGH v. 21. 6. 1994 – VI ZR 215/93, BB 1994, 1741, sowie FG Berlin v. 15. 12. 2000 – 5 B 5485/00, (JURIS-Rechtsprechungs-Datenbank); vgl. BFH v. 10. 12. 1998 – V R 49/97, BFH NV 1999, 839; Hessisches FG v. 22. 4. 1997 – 6 K 3417/94, EFG 1997, 1063. 15 Rechtbank van Koophandel Antwerpen, 12. Kammer, v. 30. 1. 2002 – AR 16008/91, AR 93/7573, Europisches Transportrecht 2002, 243.
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Damit besteht in Verbindung mit dem neuen Konzept des „ausschließlich im Quellenstaat ausgebten Geschfts“ aus Tz. 6 Satz 6 KOM 2003 die Gefahr der betriebsstttenbegrndenden Zurechnung fremder Dienstleistungen, sofern diese fr Zwecke eigener unternehmerischer Ttigkeit in Anspruch genommen werden. Dies wre jedoch unvereinbar mit der in Tz. 42 der Revision 2005 getroffenen Aussage, wonach die Erbringung von Dienstleistungen durch eine Konzerngesellschaft an eine andere Konzerngesellschaft den Leistungsort nicht zur Geschftseinrichtung der Leistungsempfngerin machen kann. Es wre widersinnig, wenn zwischen fremden Dritten wie General- und Subunternehmern das Gegenteil gelten sollte. Die deutsche Delegation hat daher bisher der beabsichtigten nderung nachdrcklich widersprochen, da sie in Totaldelegationsfllen die Gefahr einer Doppelbesteuerung der ausschließlich außerhalb des Quellenstaates ausgebten Ttigkeit des Generalunternehmers befrchtet. Zudem begrndet m. E. die zivilrechtliche Haftung fr einen vertraglich im Quellenstaat geschuldeten Erfolg keine steuerbare qualifizierte Prsenz des Generalunternehmers im Quellenstaat. 2. Umgang mit Kommissionrsgestaltungen Eine gemeinsame Untergruppe der WP 1 und WP 6 untersucht derzeit u. a. die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen im Fall der Funktionsabschmelzung einer konzernangehrigen Vertriebsgesellschaft auf die Stellung eines fr eine andere Konzerngesellschaft ttigen Kommissionrs die Annahme eines Betriebsstttenverhltnisses gem. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA mglich ist. Die besondere Bedeutung ergibt sich aus dem von der WP 6 entwickelten Lsungsansatz fr die Einkunftszurechnung zur Vertreterbetriebssttte16. Danach ist im Rahmen der von der OECD so genannten „Zwei-Steuerpflichtigen-Theorie“ zunchst dem abhngigen Vertreter das fremdbliche Leistungsentgelt zuzuweisen. Daneben ist der durch ihn begrndeten Betriebssttte ein der „Key Entrepreneurial Risk-Taking Function“ entsprechendes Entgelt zuzuweisen. Dabei gelten folgende Grundstze: – die Gewinnobergrenze der Betriebssttte kann hher sein als der vom Gesamtunternehmen erzielte Gesamtgewinn (z. B. wenn in Betriebsttten in anderen Staaten schuldhaft Verluste verursacht worden sind); 16 Siehe oben Tz. 282 (285) Discussion Draft Part I der WP 6.
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– Kapital und Einknfte folgen dem Risiko; – die Risikozuweisung ergibt sich aus der Funktion; – die (risikotragende) Funktion ergibt sich aus dem Handeln von Personen. Hieraus folgt, dass im Fall der Annahme eines Betriebsstttenverhltnisses zwischen Konzerngesellschaften eine lediglich formale vertragliche Risikoverlagerung zwischen ihnen unter Anwendung des KERTAnsatzes korrigiert wird und fr Fragen der steuerlichen Einkunftsabgrenzung gegenstandslos ist, wenn die Vertriebsfunktionen tatschlich vom Personal der funktionsreduzierten Kommissionrsgesellschaft erbracht werden. Entsprechen jedoch die Personalfunktionen der vertraglichen Regelung, drfte fr einen derartigen Durchgriff kein Anlass bestehen. Tz. 272 Discussion Draft Part I fhrt aus, dass es im Fall eines reinen Verkaufsvertreters unwahrscheinlich ist, dass der durch ihn begrndeten Betriebssttte KERT-Funktionen zuzuweisen sind. Daher drfte in derartigen Standardfllen das gleiche Ergebnis wie nach der sog. „Nullsummentheorie“ erzielt werden, die das Vertreterentgelt als durchlaufenden Posten behandelt, der die der fremdblichen Kommission entsprechenden Betriebssttteneinknfte auf Null reduziert. Bisher hat das BMF in vergleichbaren Fllen Lsungen auf der Grundlage der sog. „Geschftschancentheorie“ durch unmittelbare Anwendung von § 1 AStG angestrebt. Danach htte eine funktionsreduzierte Konzerngesellschaft im Rahmen der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auch außerhalb des Anwendungsbereiches von § 89b HGB einen Anspruch auf einen Ausgleich der entgangenen konkretisierbaren Gewinnchancen durch eine Ausgleichszahlung oder sonstigen Vorteilsausgleich, wenn ein fremder Dritter eine derartige Maßnahme nicht hingenommen htte (z. B. aufgrund selbst getragener Investitionen). Nach der Ausgleichsleistung fr die Funktionsverlagerung wrde die neue Funktionsverteilung grundstzlich anerkannt werden. Da die Geschftschancentheorie jedoch erhebliche praktische Schwierigkeiten bei der Quantifizierung des Ausgleichsanspruches aufwirft, erscheint mir der bei der OECD diskutierte Betriebsttten-Ansatz als prfungswrdige Alternative, durch die nur fr Zwecke der Gewinnverschiebung vorgenommene formale Funktionsverlagerungen punktgenau erfasst werden knnen. Die entschdigungslose Hinnahme einer einknfteverschiebenden Funktionsverlagerung, fr die ein fremder Dritter einen Ausgleich verlangt htte, ist m. E. ein hinreichendes Indiz fr die Abhngigkeit der betroffenen Gesellschaft i. S. v. Art. 5 Abs. 5 OECD105
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MA, whrend dem Fremdvergleich entsprechende Funktionsverlagerungen (z. B. im Rahmen wettbewerbsbedingter Konsolidierung zum gemeinsamen Vorteil) keine Folgen auslsen. Fraglich ist allerdings, ob der auf Art. 5 Abs. 5 OECD-MA beruhende Lsungsansatz auch auf Funktionsverlagerungen außerhalb des unmittelbaren Vertriebsbereiches anwendbar sein kann. In Anlehnung an den vom franzsischen Obersten Steuergerichtshof mit Urteil vom 20. 6. 2003 entschiedenen „Interhome“-Fall17 knnte das Kriterium des eine andere Konzerngesellschaft faktisch bindenden Ttigwerdens im Rahmen von deren vertraglicher Verpflichtung eine Ausweitung ber eine Vertreterttigkeit im engeren Sinn ermglichen. Hierbei wrde das Kriterium der Abhngigkeit die Trennlinie zwischen Vertreter-Betriebssttte und Subunternehmer markieren. 3. Erweiterte Besteuerung von Dienstleistungen im Quellenstaat Aufgrund des technischen Fortschritts knnen selbst hochwertige (und hochprofitable) Dienstleistungen (z. B. Unternehmensberatung) in zunehmendem Umfang ohne Begrndung einer steuerbaren Prsenz durch feste Geschftseinrichtungen im Quellenstaat erbracht werden. Daher wird im Rahmen einer Untergruppe der WP 1 seit 2004 untersucht, inwieweit eine Ausweitung des Besteuerungsrechts des Quellenstaats mglich und praktikabel ist. Dabei zeichnet sich derzeit ein Ansatz fr eine tatbestandliche Erweiterung des Betriebsstttenbegriffes ab, die sich an der Dienstleistungs-Betriebssttte gem. Art. 5 Abs. 3 (b) bzw. Art 14 Abs. 1 UNO-MA orientiert. Konsens der Untergruppe ist dabei, dass sich eine derartige Erweiterung nur durch eine entsprechende ausdrckliche nderung des OECDMA, nicht jedoch durch eine bloße nderung des OECD-Kommentars umsetzen lsst. Damit ist eine Anwendung auf geltende Abkommen auf der Grundlage des gegenwrtigen OECD-MA ausgeschlossen. Ziel ist dabei eine Nettobesteuerung des Gewinns (keine Bruttobesteuerung des Entgeltes), die zur Vermeidung eines Bedarfes an neuen Gewinndefinitionen durch Fingierung einer Betriebssttte erreicht werden soll. Klrungsbedrftig sind dabei u.a. die Berechnung der Mindestfrist fr die Auslsung der Fiktion durch im Quellenstaat durch eigenes Perso-
17 Quellen: International Tax Law Reports 2003, Part 6, S. 1001; Tax Notes International 2004, S. 995.
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nal erbrachte Dienstleistungen pro Projekt und Kunde oder durch Zusammenrechnung des Gesamtaufenthaltes, mit dem auf das Erfordernis des wirtschaftlichen und geographischen Zusammenhanges verzichtet werden wrde. Derzeit besteht eine Tendenz zugunsten einer Differenzierung zwischen Einpersonen-Unternehmen, die mit dem ausfhrenden Dienstleister quasi in den Quellenstaat „umziehen“ (183-TageKlausel) und sonstigen Unternehmen (sechs Monate pro Projekt oder Kunde). Eine Freigrenze fr kleinere Auftrge wurde erwogen, jedoch im Hinblick darauf verworfen, dass eine entsprechende Vorschrift zwischenzeitlich aus dem UNO-MA gestrichen wurde. Die Erfassung von z. B. ber das Internet erbrachten „Ferndienstleistungen“ wird derzeit nicht beabsichtigt, die Anwesenheit von Personal soll zwingende Voraussetzung sein. Auch wird eine einschrnkende Auslegung des Dienstleistungsbegriffes angestrebt. Inwieweit dies jedoch praktikabel ist, muss sich im Hinblick auf die Konsequenzen der im Rahmen der Revision 2003 eingefhrten Tz. 4.5 und 6 KOM sowie einer mglichen Erweiterung von Tz. 19 KOM durch die Revision 2006 noch erweisen. Ein besonderes Problem knnte die Behandlung von Dreiecksgeschften darstellen, da hier eine Dienstleistungsbeziehung im Rahmen der Abwicklung eines reinen Liefergeschftes begrndet wird, das nach derzeitigem Konsens der Untergruppe nicht berhrt werden soll. Angesichts der bisherigen Schwierigkeiten bereits bei der Anwendung der „einfachen“ Fiktion gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA (Betriebssttte als eigenstndiges unverbundenes Unternehmen) erscheint die Gewinnabgrenzung auf der Basis der hier notwendigen doppelten Fiktion (1. Dienstleistung als Betriebssttte, 2. Betriebssttte als eigenstndiges Unternehmen) in solchen Fllen besonders schwierig, in denen Leistungsbeitrge von Personal bzw. aus Ressourcen außerhalb des Quellenstaates fr die Dienstleistung genutzt werden. Ein erster Entwurf soll im Mai 2005 vorgelegt und im November 2005 in der Untergruppe beraten werden, deren Abschlussbericht im Februar 2006 der WP 1 vorliegen soll.
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V. Fazit Die aktuellen Tendenzen in der OECD zur Absenkung der Betriebsstttenschwelle verdienen besondere Aufmerksamkeit. Dabei ist zunchst zu prfen, inwieweit durch die nderungen Widersprche zur bestehenden Kommentierung und zur Revision 2005 entstanden sind bzw. auftreten. Weiter wird zu verfolgen sein, welche Auswirkungen die potenzielle Zunahme von Betriebsstttenfllen auf das Risiko der Doppelbesteuerung und die Verfahrenslasten fr die Unternehmen haben werden. Unternehmensvertreter, Berater und Wissenschaftler sollten die regelmßig von der OECD eingerumten Mglichkeiten zu Stellungnahmen zu verffentlichten Entwrfen18 nutzen, um ihre Beitrge in den Entscheidungsprozess der OECD-Gremien einzubringen.
18 OECD-Homepage: http://www.oecd.org; dort auswhlen: „Browse: – by Topic“ und „Taxation“ fr aktuelle Informationen zu OECD-Arbeiten zu steuerlichen Fragen.
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Wegzugsbesteuerung Professor Dr. Jrg Manfred Mssner Universitt Osnabrck Inhaltsbersicht1 I. Einleitung II. Einkommensbegriff und Vermgenswertsteigerungen 1. Quellentheorie 2. Reinvermgenszugangstheorie 3. EStG 1925 III. Realisation als Element des Einkommensbegriffs 1. Position von Tipke 2. Gegenpositionen 3. Ersatzrealisationstatbestnde als gesetzliche Ausnahmen IV. Entstrickungstheorie und Territorialittsprinzip 1. Kein allgemeiner Entstrickungsgrundsatz 2. Finale Entnahmetheorie 3. Sicherung stiller Reserven als gesetzgeberisches Ziel 4. Stille Reserven im internationalen Steuerrecht V. Binnenmarkt und Territorialittsprinzip 1. Binnenmarkt 2. Territoriale Grundlage des Internationalen Steuerrechts 2.1 Subjektiver Wegzug 2.2 Objektiver Wegzug 2.3 Verbleiben im Inland und Verzicht auf Realisation
3. Grndungstheorie vs. Sitztheorie 4. Grundfreiheiten und Territorialittsprinzip 5. Allokation von Vermgenswertsteigerungen VI. Rechtsprechung des EuGH 1. de Lasteyrie du Saillant 2. X und Y VII. Auswirkungen auf das deutsche Steuerrecht 1. § 6 AStG1 2. Wegzug von Kapitalgesellschaften – §§ 11, 12 Abs. 1 KStG 3. Verlagerung von Betriebssttten – § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG 4. bertragung von Betriebssttten – § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG 5. berfhrung von Wirtschaftsgtern ins Ausland – Betriebssttten und § 6 Abs. 5 EStG 6. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft und Verschmelzungen – §§ 11, 20, 21 UmwStG VIII. Gemeinschaftskonforme Lsungsmglichkeiten 1. de Lasteyrie: Sicherstellung: ja – sofortige Besteuerung: nein? 2. Verfahrensrechtliche Mglichkeiten 3. Praktische Probleme
1 Hier wird nur auf den Wegzugstatbestand gem. § 6 Abs. 1 AStG eingegangen; die Ersatztatbestnde des § 6 Abs. 3 AStG werden im Zusammenhang erwhnt, zu diesen vgl. Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG § 6 Rz. 54 ff.
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I. Einleitung In immer grßerem Maße und zunehmend auch von der deutschen Steuerpraxis wahrgenommen wirkt die Rechtsprechung des EuGH auf das deutsche Steuerrecht ein.2 Dabei betreffen seine Urteile nun auch Bereiche, die gleichsam zum Grundbestand steuerrechtlicher berzeugungen gehren. Hierzu kann man auch die Ansicht rechnen, dass im Falle der „Entstrickung“ von stillen Reserven deren Besteuerung mglich und geboten sei. Diese Auffassung wurde nachhaltig durch die Entscheidung3 des Europischen Gerichtshofes in der Rechtssache de Lasteyrie du Saillant erschttert. Manche sehen nun ein Zeitfenster geffnet, innerhalb dessen ganze Industriezweige aus Deutschland in steuergnstigere Nachbarstaaten wegziehen knnten. Man sieht vor seinem geistigen Auge geradezu Bayern zur industriefreien Zone werden. Die Finanzverwaltung hingegen hlt den Bedarf an gesetzgeberischer Reaktion fr eher bescheiden.4 In der wissenschaftlichen Literatur jedenfalls hat die Entscheidung eine fast unbersehbare Reaktion ausgelst.5 Verwunderlich ist die Reaktion auf de Lasteyrie schon deshalb, da die Problematik keinesfalls neu ist. So hat die International Fiscal Association 1986 auf ihrem New Yorker Kongress ber den Transfer von Wirtschaftsgtern in eine und aus einer Steuerhoheit6 zu einem Hauptthema
2 Vgl. die bersicht von Eicker, Europischer Binnenmarkt, in Mssner/Seeger, KStG Kommentar. 3 EuGH v. 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, GmbHR 2004, 504; DStR 2004, 551. http://europa.eu.int/smartapi/cgi/sga_doc?smartapi! celexplus!prod!CELEXnumdoc&numdoc=62002J0009&lg=DE. 4 Vgl. das Referat von Brandenberg in diesem Jahrbuch, S. 157. 5 Aigner/Tissot, SWI 2004, 293; Beiser, StZ 2004, 282; Campos Nave, NZG 2004, 897; Eicker/Schwind, EWS 2004, 186; Franz, EuZW 2004, 270; Gliniorz/ Kirchhoff/Engel, NWB Fach 3 S. 12957; Kessler, IStR 2004, 810; ders., DStZ 2004, 855; Kleinert, DB 2004, 673; Kleinert/Probst, NJW 2004, 2425; Kleinheisterkamp, PIB 2004, 82; Krner, IStR 2004, 424; Kofler, stZ 2004, 195; Kraft/ Mller, RIW 2004, 366; Kubaile, PIB 2004, 126; Lausterer, DStZ 2004, 299; Lehner, JZ 2004, 730; van Lishaut, FR 2004, 1301; Meilicke, GmbHR 2004, 511; Ismaer/Reimer/Rust, EWS 2004, 207; Maier-Frischmuth, StuB 2004, 732; Schindler, IStR 2004, 300; ders., IStR 2004, 505; Schmidt/Peter/Flmli, IStR 2004, 433; Schnitger, BB 2004, 804; Schn/Schindler, IStR 2004, 289; Wassermeyer, GmbHR 2004, 613. 6 Cahiers de Droit Fiscal International (CDFI), Vol. LXXIa: Transfer of assets into and out of a taxing jurisdiction, Deventer 1986; vgl. auch Vol. LXXXVIIb: The tax treatment of transfer of residence by individuals, Deventer 2002.
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gemacht. Der Generalbericht7 des Franzosen Kergall hat nicht nur die Probleme deutlich hervorgehoben, sondern auch die Vielgestaltigkeit der einzelnen nationalen Lsungen aufgezeigt. In einer vom Kongress verabschiedeten Resolution hat die IFA Grundstze vorgeschlagen, die weitgehendend denjenigen des EuGH in de Lasteyrie entsprechen: – grenzberschreitender Transfer von Unternehmen und Gtern ist fr sich kein Anlass zur Besteuerung stiller Reserven – die Staaten drfen die stillen Reserven aber zum Zeitpunkt der Realisation besteuern, soweit sie auf die Zeit entfallen, in der sich das Unternehmen oder das Gut im betreffenden Staat aufgehalten hat. Aber nicht nur im internationalen Steuerrecht wird seit langem die Entstrickungslehre in Frage gestellt. Auch unter dem Blickwinkel des europischen Gemeinschaftsrechts wurde sie kritisiert. Josef H. Kaiser hat 19918 in einem Beitrag ber die Wegzugssteuer nach § 6 AStG festgestellt, dass deren Europarechtswidrigkeit „evident“ sei. Dies begrndet er damit, dass eine derartige Wegzugssteuer Unternehmen und natrliche Personen in ihrer Niederlassungsfreiheit und Freizgigkeit behindere. Solche nationalen Normen verstießen gegen Art. 52 EWGV9, der auch Inlnder gegen ihren eigenen Staat schtze. Eine solche Steuer lasse einen Kapitaltransfer unwirtschaftlich werden und fhre somit exakt zu einem Ergebnis, welches eine Fehlallokation von Ressourcen bewirke, was gerade durch das Recht der Europischen Gemeinschaft ausgeschlossen werden solle. Das Beharren der nationalen Steuergesetzgeber darauf, einen Anteil des in ihrem Hoheitsgebiet bewirkten Wertzuwachses zu besteuern, habe im gemeinsamen Markt keinen Platz. Einen Eindruck haben diese mehr als ein Jahrzehnt zurckliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse auf die Praxis nicht gemacht. Der BFH zeigt sich noch in seinem Beschluss vom 17. 12. 199710 vllig unbeeindruckt. berlegungen seitens der Finanzverwaltung sind nicht publik geworden. Immerhin hat Hahn im Jahre 200011 darauf hingewiesen, dass § 6 AStG nur als Form der allgemeinen Einkommensteuer, nicht aber als Sondersteuer auf den Wegzug europarechtlich zu halten sei.
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CDFI XXIa S. 1. Kaiser, BB 1991, 2052. Jetzt Art. 43 EGV. BFH v. 17. 12. 1997 – I B 108/97, BStBl. II 1998, 558. Von Spartanern und Athenern. Zum Beschluss des BFH v. 17. 12. 1997 zur Vereinbarkeit des § 6 AStG mit dem EGV, zu seinen Kritikern und zugleich ein Beitrag zur Dogmatik der Grundfreiheiten des EGV, DStZ 2000, 23.
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Die Behandlung des Themas der Wegzugsbesteuerung muss von deren Rechtfertigung im System der Einkommensteuer ausgehen. Dies bedeutet, dass danach gefragt werden muss, welchen Stellenwert das Prinzip, dass Vermgenswertsteigerungen nur bei deren Realisation als Einkommen erfasst werden, im Hinblick auf Ausnahmen besitzt. Hierbei ist eine wichtige Einschrnkung vorzunehmen: Thema sind nur solche Wertsteigerungen eines Vermgensgegenstandes, die ber dessen ursprngliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten hinausgehen. Der EuGH12 spricht insoweit von latenten Wertsteigerungen. Stille Reserven knnen bekanntlich aber auch dadurch entstehen, dass Buchwertminderungen, etwa durch Abschreibungen, in einem grßeren Ausmaß vorgenommen wurden, als tatschlich ein Wertverlust eingetreten war. Verlsst ein derartig zuvor zu Lasten der Steuer eines Staates zu stark abgeschriebenes Wirtschaftsgut die jeweilige Steuerhoheit, so kann die rechtliche Beurteilung mglicherweise anders sein, da der Ansatz eines Zeitwertes dann lediglich eine Korrektur- und keine Realisationsfunktion besitzt.
II. Einkommensbegriff und Vermgenswertsteigerungen 1. Quellentheorie Ausgangspunkt ist die Frage, ob die Steigerung des Wertes eines zur Einkommenserzielung eingesetzten Gegenstandes Teil des Einkommens darstellt, welches mit Hilfe dieses Gegenstandes erzielt wird. Die Theorie und ihr folgend die Gesetzgebung des Einkommensteuerrechts im 19. Jahrhunderts verneinten diese Frage. Der Quellentheorie entsprechend gehren nur die Frchte eines Vermgensstammes, nicht aber die Wertvernderungen eines Vermgensstammes zum Einkommen. Im britischen Steuerrecht13 gilt dies bis heute, indem es eine klare Trennung zwischen dem income und dem capital gain macht. Fr die Wissenschaft des 19. Jahrhunderts stehen Herrmann, Schmoller14 und
12 EuGH v. 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, GmbHR 2004, 504 – Tz. 15. 13 Tiley, Revenue law, 4. Aufl., Oxford 2000, S. 599 f. 14 Hermann, Staatswirtschaftliche Untersuchungen, 2. Aufl., Mnchen 1870, S. 482 f.; Schmoller, ZGesStWiss 1863 (Bd. 19), 1 (19, 24); vgl. hierzu Neumark, Probleme der allgemeinen Einkommenstheorie in Wirtschafts- und Finanzprobleme des Interventionsstaates, Tbingen 1961, S. 23 ff.; Dieter Schneider, Realisationsprinzip und Einkommensbegriff, in Baetge u. a. (Hrsg.), Bilanzfragen, Festschrift Leffson, Dsseldorf 1976, S. 103 (105 f.).
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Adolf Wagner15, die beide die Auffassung vertraten, dass Einkommen nur die Summe der wirtschaftlichen Gter sei, welche einer Person in einer Periode regelmßig als Reinertrge einer festen Erwerbsquelle als Vermgen hinzuwchsen, und die Gensse, welche das Nutzvermgen einer Person fortdauernd gestatte. Ob realisiert oder unrealisiert, Vermgenswertsteigerungen waren fr sie kein Einkommen. 2. Reinvermgenszugangstheorie Wenn man bedenkt, dass sich die Quellentheorie letztlich auf das rmische Recht16 zurckfhren lsst, also fr Jahrtausende zu den steuerlichen Fundamentalberzeugungen gehrte, wird die epochale Bedeutung der neuen Definition des Einkommens, die Georg von Schanz 1896 im Finanzarchiv17 gegeben hat, erst deutlich. Er schreibt: „Daher sehen wir in dem Einkommen die Wgung der ganzen wirtschaftlichen Schwere, die Messung der totalen wirtschaftlichen Kraft einer Persnlichkeit. Das Einkommen stellt sich bei konsequenter Festhaltung des Begriffs als Zugang von Reinvermgen in einer Wirtschaft whrend einer gegebenen Periode dar.“
Von Schanz verwendet zwar die Formulierung, dass es sich um den Zugang von Reinvermgen handele, doch an anderer Stelle18 macht er deutlich, dass keine Realisation erforderlich sei, dass auch der Zuwachs an Wert als solcher bereits Einkommen darstelle. Diese neue Vorstellung war erfolgreich und hat international Nachfolger gefunden. So findet sich beispielweise bei Haig19 1921 die Formulierung: „Income is the money value of the net accretion to one's economic power between two points of time“. Die an diesen Vorstellungen bereits 1896 geußerte Kritik von Friedrich Kleinwchter20, mit der sich spter Simons21 auseinandersetzte, blieb weitgehend erfolglos. Fr Kleinwchter setzte Einkommen bereits dem Wortsinn nach voraus, das etwas von außen hereinkomme, dass also ein Transfer von außerhalb des privaten Haushalts erfolge, was nach heutiger Terminologie einen Umsatzakt am Markte darstellen wrde. 15 Adolf Wagner, Allgemeine oder theoretische Volkswirtschaftslehre, 1. Theil: Grundlegung, Leipzig 1876, S. 96 f. 16 Vgl. Dieter Schneider, zfbf 28, 1976, 726. 17 Der Einkommensbegriff und die Einkommenssteuergesetze, FA 1896, 1 (23 f.). 18 Ebenda S. 42. 19 Simons, Personal income taxation, The definition of income as a problem of fiscal policy 1938, S. 61. 20 Kleinwchter, Das Einkommen und seine Verteilung, Leipzig 1896, S. 17 ff. 21 Henry C. Simons, Personal income taxation, Chicago 1938, S. 43, 53.
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Angesichts dieser unterschiedlichen Anstze in der Wissenschaft nimmt es nicht wunder, dass auch den Gesetzen jener Zeit keine klaren begrifflichen Konzepte zugrunde lagen. Das EStG 1920 in § 32 und das EStG 1925 in § 12 verstanden als Gewinn den berschuss der Einnahmen ber die Ausgaben zuzglich des Mehrwerts oder abzglich des Minderwerts des Umlauf- und Anlagevermgens mit Ausnahme des Grundbesitzes.22 Somit wurden also unrealisierte Wertnderungen mit einbezogen. Bereits damals wurde angemerkt, dass dies gnzlich systemwidrig sei23. 3. EStG 1925 Fr das deutsche Einkommensteuerrecht wurden die grundlegenden Entscheidungen mit dem EStG 1925 getroffen, bei dessen Beratung ausfhrlich die Einbeziehung von Vermgenswertsteigerungen – realisiert oder nicht – in den Einkommensbegriff diskutiert wurde.24 Anlass war, dass fr die bilanzierenden Kaufleute § 13 EStG 1925 die Anwendung der handelsrechtlichen Regeln zur Gewinnermittlung vorsah, so dass nur realisierte Wertsteigerungen im Anlagevermgen, dann allerdings auch fr Grund und Boden, besteuert wurden. Somit wurden beim Betriebsvermgen stille Reserven bei ihrer Realisation als Einkommen erfasst. Davon wurden zwei Ausnahmen vorgesehen: (1) Bei der Betriebsaufgabe ordnete § 13 EStG 1925 die Aufstellung einer Schlussbilanz an, in der die nicht verußerten Gegenstnde gemß § 30 EStG 1925 mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Aufgabe anzusetzen waren. (2) Ebenso fhrte die Entnahme von Betriebsvermgen zur Realisation der stillen Reserven. Dahinter stand allerdings die generelle Vorstellung, dass grundstzlich auch unrealisierte Vernderungen der Werte des vorhandenen Vermgens ein Element des Einkommens darstellten.25 In der Rechtspre-
22 Vgl. Strutz, EStG 1925, § 12 EStG Anm. 15; Strutz, Handausgabe EStG 1920, 3. Aufl., § 32 EStG Anm. 9. 23 Glaser, Kommentar EStG 1920, § 32 EStG Anm. 38; allerdings herrschte durchaus theoretische Unklarheit. So folgt das EStG prinzipiell der Schanz'schen Theorie, will aber die Versteuerung nicht realisierter Konjunkturgewinn abmildern, so Gesetzesbegrndungsentwurf v. 29. 11. 1919, Nationalversammlung Drucks. 1919/1624, FA 1920, S. 595. 24 Vgl. Strutz, EStG 1925, § 12 EStG Anm. 2, § 30 EStG Anm. 2 mit ausfhrlicher Wiedergabe der Entstehungsgeschichte. 25 RFH, RFHE 15, 79.
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chung26 findet sich dementsprechend der Satz: Die Versteuerung der Wertsteigerung des Betriebsvermgens ist nicht aufgeschoben, sondern nur bis zur Realisierung aufgeschoben.
III. Realisation als Element des Einkommensbegriffs Entsprechend dem eher praktischen und nicht theoretischen Vorgehen des Gesetzgebers des EStG 192527 sollte man allerdings die Entwicklung der Wissenschaft seitdem nicht aus den Augen verlieren. Diese hat jedoch letzte Klarheit noch nicht gewonnen. Dies zeigten insbesondere die Auseinandersetzungen im Umfeld der Tagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft 1980.28 1. Position von Tipke Auf dieser Tagung offenbarte sich Tipke29 als Anhnger der Ansicht, dass auch unrealisierte Wertsteigerungen des Vermgens prinzipiell Einkommen darstellten. Die Frage der Besteuerung nicht realisierter Gewinne kennzeichnete er als einen „dogmatisch nicht bewltigt“ bezeichneten Problemkreis. Auch er verwendete die Formulierung von der „aufgeschobenen Besteuerung“. Ausgehend von der These, dass das Leistungsfhigkeitsprinzip ein Fundamentalprinzip der Einkommensteuer darstelle, stellt er die These auf, der nichtrealisierte Vermgenszuwachs stelle Einkommen dar. Das richtige Leistungsfhigkeitseinkommen msse auch die nichtrealisierten Wertsteigerungen einbeziehen. Diese knne man jederzeit realisieren, sie knnten auch als Basis einer gesteigerten Kreditwrdigkeit wirken. Dies sei vom Leistungsfhigkeitsprinzip her nicht anfechtbar. Davon ginge auch das deutsche Einkommensteuerrecht aus. Die Regelungen ber die Entnahme, die Betriebsaufgabe und hnliche Tatbestnde, bei denen keine liquiden Mittel zufließen, wrden belegen, dass auch nicht realisierter Gewinn grundstzlich Einkommen sei. Man knne, so sagte Tipke, die Behandlung der Entnahme der Betriebsaufgabe und hnlicher Tatbestnde als
26 Vgl. Enno Becker, Handkommentar Einkommensteuergesetz 1925, § 7 EStG Anm. 10. 27 Siehe Begrndung abgedruckt bei Strutz, EStG 1925, Einleitung S. 171 ff. und S. 245. 28 Ruppe (Hrsg.), Gewinnrealisierung im Steuerrecht, Kln 1981. 29 Rechtfertigung des Themas in Ruppe, Gewinnrealisierung, S. 2 ff.
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Ausfluss eines allgemeinen Nichtrealisationsprinzips begreifen, das durch das Realisationsprinzip der kaufmnnischen Buchfhrung durchbrochen werde. Letzteres Prinzip sei daher kein Prinzip des Steuerrechts. Diese Ausfhrung hat Tipke in seinem Lehrbuch30 dahingehend erweitert, dass der Einkommensteuer das von ihm so genannte Totalittsprinzip zugrunde liege, wonach eine gleichmßige Besteuerung nach der Leistungsfhigkeit nur dann erreicht werde, wenn alle natrlichen Personen ihr gesamtes disponibles Einkommen versteuerten. Dieses Totalittsprinzip werde nur dann verwirklicht, wenn auch die stillen Reserven in den einer Person zuzurechnenden Wirtschaftsgtern von dieser zu versteuern seien. Aus der Sicht Tipkes wird die Nichtbesteuerung nicht realisierter Gewinne zu einem bloßen Entgegenkommen des Gesetzgebers abgewertet. 2. Gegenpositionen Mit dieser Auffassung hat sich Tipke die harsche Kritik von KnobbeKeuk31 eingehandelt. Vor allem relativiert sie das Leistungsfhigkeitsprinzip, das man nicht berspannen drfe, indem man erwarte, dass sich aus diesem die Lsung aller Detailfragen bei der Anwendung des geltenden Rechts ablesen ließe. Sie erinnert daran, dass es in der Entwicklung des deutschen Steuerrechts von 1911 bis 1925 eine eigene Wertzuwachssteuer32 gegeben hat. Fr Knobbe-Keuk ist seit dem EStG 1920 zweifelsfrei, dass dem deutschen Steuerrecht das Realisationsprinzip zugrunde liege und dass Entnahme und Betriebaufgabe Ausnahmen von diesem Prinzip darstellten. Die Gesetzesbegrndung zu § 30 EStG 192533 behandelt die Frage, ob der Gewinn aus der Verußerung eines Gewerbebetriebes, also die realisierte Vermgenswertsteigerung, Einkommen aus Gewerbe darstelle. Der Gewerbetreibende sei gegenber anderen Gruppen von Steuerpflichtigen dadurch privilegiert, dass er bei der Bilanzierung das Betriebsvermgen hchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten ansetze, bzw. Abschreibungen dann vornehme, wenn der gemeine Wert 30 Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., Kln 2002, S. 214. 31 Knobbe-Keuk, Besteuerung stiller Reserven mit und ohne Gewinnrealisierung, DStR 1985, 494. 32 Reichszuwachssteuergesetz v. 14. 2. 1911, hierzu der Kommentar von Lion, Das Reichszuwachssteuergesetz, Berlin 1912. 33 Abgedruckt bei Strutz, EStG 1925 § 30 EStG Anm. 2.
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niedriger sei. „Dadurch bleiben die unrealisierten Konjunkturgewinne unversteuert, whrend die unrealisierten Verluste abgesetzt werden.“ Dies sei kein Steuerprivileg, sondern ergebe sich aus der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit, das „produktive Kapital“ zu erhalten. Im Falle der Betriebsverußerung entfalle dieser Grund, so dass eine Besteuerung als Einkommen erforderlich sei.34 Diese Begrndung findet sich in entstellter Form auch in den Ausfhrungen des Abgeordneten der kommunistischen Partei Hllein whrend der Beratungen im Reichstag EStG 1925, als er darlegte, es gehe um „Einkommensteile, die man bisher nicht versteuert hatte ... und dass es deshalb der elementarsten Pflicht der Gerechtigkeit entspricht, dass diejenigen, die Jahre und Jahrzehnte hindurch mithilfe ihrer Buchfhrungskunststcke namhafte Betrge der Besteuerung entzogen haben, wenigstens in dem Augenblicke, wo diese Gewinne in Form des hheren Verußerungspreises sichtbar werden, dem Fiskus die hinterzogene Steuer nachtrglich zu erlegen haben“. Auch Popitz erklrte, die Besteuerung der realisierten (!) Gewinne sei aus steuersystematischen Grnden geboten. Wenn aber die entscheidende Debatte sich um die Frage drehte, ob realisierte Wertsteigerungen berhaupt Einkommen darstellen, dann muss man daraus schließen, dass jedenfalls die Einbeziehung auch unrealisierter Wertsteigerungen dem deutschen Einkommensteuersystem fremd ist bzw. als Fremdkrper eine der Rechtfertigung bedrftige Ausnahme darstellt. Vor allem lsst sich aus dem Prinzip der Leistungsfhigkeit nicht ableiten, welcher Staat Vermgenswertsteigerungen erfassen soll, derjenige, in dem sich der Gegenstand ber einen Zeitraum befunden hat, oder derjenige, in dem die Realisation erfolgt. Aus dem Gedanken der Gerechtigkeit lsst sich das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfhigkeit zwar ableiten, dies sagt aber nicht, in welchem Staat die Besteuerung stattfindet.35 Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfhigkeit besagt nur, dass der Steuerpflichtige dulden muss, mit seinem gesamten Einkommen unabhngig vom Entstehungsort steuerlich erfasst zu werden; es kann aber keinen Maßstab fr die Zuordnung der einzelnen Einkommensteile zu den betroffenen Staaten abgeben. Dies gilt erst recht fr die Zuordnung von Wertsteigerungen.
34 Mit dieser Erwgung begrndet der Entwurf brigens auch die Buchwertbertragung bei unentgeltlichem Betriebsbergang. 35 Vgl. Mssner, Das Welteinkommensprinzip, in Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, Berlin 2000, S. 253 (261 ff.).
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Auch auf der Tagung der DStjG 1980 wurde der Streit, ob nichtrealisierte Wertsteigerungen Einkommen seien, nicht entschieden. Die Auffassung, dass jeder auch nicht realisierter Vermgenszuwachs die Leistungsfhigkeit steigere, fand keine Mehrheit, wurde aber von der Minderheit umso nachdrcklicher vertreten.36 3. Ersatzrealisationstatbestnde als gesetzliche Ausnahmen Dieser Streit um Prinzipien hat ganz praktische Auswirkungen: Folgt man der Ansicht Tipkes, dass auch unrealisierte Wertsteigerungen Einkommen darstellen, so handelt es sich bei den gesetzlich geregelten Ersatzrealisationstatbestnden37 um Besttigungen des Prinzips, wohingegen es sich aus der Ansicht Knobbe-Keuks ergibt, dass es nicht erweiterungsfhige38 Ausnahmetatbestnde sind. Es spricht alles fr die These, dass das gegenwrtige Ertragsteuersystem das Realisationsprinzip zu einem grundlegenden Besteuerungsprinzip erhoben hat, d. h., dass unrealisierte Vermgenswertsteigerungen nicht Bestandteile des Einkommens sind. Nur erzielter Zufluss durch den am Markt gettigten Umsatzakt fhrt zu Einkommen. Nicht realisierte Vermgenswerte sind prinzipiell fiktive Werte. Vermgen bedeutet, dass etwas geldeswert ist, also in Geld umgetauscht werden kann. Vor dem Umtausch ist der Vermgenswert jedoch nur ein potentieller, ein mglicher, dessen tatschliche Umsetzung ungewiss ist. Wrde man ihn der Besteuerung zugrunde legen, so wrde man nicht das „Ist-“, sondern das „Soll“-Einkommen besteuern. Derartige Fiktionen bedrfen einer ausdrcklichen gesetzlichen Grundlage. Wrde man auch nicht realisierte Vermgenswertsteigerungen besteuern, so wird die Frage unausweichlich, wie man mit Vermgenswertminderungen steuerlich umgeht. Insbesondere wenn der Wert wechselt, einmal steigt, einmal sinkt. Nicht nur in diesen Fllen, sondern auch generell stellen sich Bewertungsfragen, die zur praktischen Undurchfhrbarkeit fhren knnten. Aus Sicht des Steuerpflichtigen wrde zudem Steuer ohne Zuwachs an Liquiditt gezahlt werden mssen. Daraus folgt: Besteuerung ohne Realisation ist eine Ausnahme. Die sog. Ersatzrealisationstatbestnde mssen daher gesetzlich ausdrcklich an36 Ruppe, Gewinnrealisierung, S. 277. 37 Vgl. Beisse, Gewinnrealisierung – Rechtsgrundlagen, Grundtatbestnde und Prinzipien, in Ruppe, Gewinnrealisierung, S. 13 (28 ff.). 38 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., Berlin 1991, S. 355 f.
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geordnet sein. Ihre extensive Auslegung ist nicht mglich. Ihre sachliche Rechtfertigung kann sich nur dadurch ergeben, dass es sich um Situationen einer Quasi-Liquiditt handelt. Auch der BFH39 geht von diesem Verstndnis aus. Bei der Frage, ob eine Betriebsaufgabe dann vorliege, wenn aus einem (landwirtschaftlichen) Betrieb eine Liebhaberei werde, fhrt er unter Berufung auf Stoll40 aus, „dass es sich bei den die Entnahmehandlung substituierenden Rechtsvorgngen nicht um das Wirksamwerden von Wertungen steuerrechtlicher Art ... handeln kann, sondern um das Einwirken außersteuerrechtlicher Normen auf den steuerrechtlich relevanten Sachverhalt.“ Verallgemeinert bedeutet dies, dass den Realisationsakt substituierende Ersatztatbestnde nur dann vorliegen knnen, wenn sie wie bei der Realisation die Gebundenheit des Vermgens fr betriebliche Zwecke aufheben und den Gegenstand selbst dem Steuerpflichtigen zu seiner freien Verfgung stellen. Dies ist bei der Entnahme (§ 4 Abs. 1 EStG) und der Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) offenkundig der Fall.
IV. Entstrickungstheorie und Territorialittsprinzip 1. Kein allgemeiner Entstrickungsgrundsatz Als Ersatzrealisationstatbestand wird auch der sog. Entstrickungsgrundsatz angesehen.41 Aber trotz der suggestiven Kraft des Begriffes „Entstrickung“ gibt es keinen allgemeinen Grundsatz des Inhalts, dass immer dann, wenn stille Reserven sich im Laufe der Jahre gebildet haben, 39 Vor allem BFH, Urt. v. 29. 10. 1981 – IV R 138/78, BStBl. II 1982, 381. 40 Stoll, Grundfragen des Gewinnausweises ohne Umsatzakt, in Ruppe, Gewinnrealisierung im Steuerrecht, S. 234. 41 Beisse in Ruppe, Gewinnrealisierung, S. 28: „Realisationen kraft Entstrickung“; vgl. hierzu Baranowski, IWB Fach 3 Gr. 3, S. 385; ders., Besteuerung von Auslandsbeziehungen, 1. Aufl., Herne 1978, S. 102 ff.; Debatin, BB 1990, 826; Diebolg, Steuerverstrickung und Steuerentstrickung im Normengefge von Einkommen- und Krperschaftsteuerrecht, Frankfurt 1984; Grund, BB 1972, 368; Halfar, FR 1985, 281; Institut Finanzen und Steuern, Zur Gewinnverwirklichung durch Entstrickung, Kln 1976; Kempka, Gewinnrealisierungen bei der berfhrung von Wirtschaftgtern zwischen Stammhaus und Betriebssttte, Frankfurt/M. 1995; ders., StuW 1995, 242; Pach-Hanssenheimb, Die Verstrickung von Wirtschaftsgtern in die deutsche Steuerhoheit, BadenBaden 1990, S. 83 ff.; Schrder/Strunk in Mssner, Steuerrecht international ttiger Unternehmen, 3. Aufl., Kln 2005, C 99 ff.; Statzkowski, Das Prinzip der Gewinnverwirklichung durch Steuerentstrickung im Deutschen Steuerrecht, Diss. Berlin 1986; Thiel, StKonRep. 1968, 279.
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die im Realisationsfalle der deutschen Besteuerung unterlgen, eine Besteuerung zu erfolgen habe, wenn diese aus der deutschen Besteuerungshoheit entschwnden. Ein solcher allgemeiner Entstrickungsgrundsatz wrde eine steuerverschrfende Analogie darstellen.42 Die Rechtsprechung hat ihn auch nicht aufgestellt. Ausgangspunkt ist die Entscheidung des RFH vom 18. 12. 193443, in der das Gericht als obiter dictum ausfhrt, dass bei berfhrung von Betriebsvermgen einer inlndischen Betriebssttte eines auslndischen Unternehmens eine Entnahme vorlge, „die zu einer Gewinn- oder Verlustrealisation fhrt.“44 Begrndet hat der RFH dies damit, dass die in der Betriebssttte erzielten Einnahmen auch zur Bildung bzw. Vergrßerung des Vermgens beigetragen htten45, eine gewiss nicht immer zutreffende Annahme. In weiteren Urteilen46 hat das Gericht darauf ohne weitere Begrndung Bezug genommen. In zwei Entscheidungen47 hat der BFH im Ergebnis die Rechtsprechung des RFH bernommen, jedoch eine eigene Begrndung gegeben. 2. Finale Entnahmetheorie Die Argumentation des BFH ist als finale Entnahmetheorie gekennzeichnet worden. Nach ihr liegt ein betriebsfremder Zweck im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG dann vor, wenn das Wirtschaftsgut im betrieblichen Bereich verbleibt, seine stillen Reserven aber bei berfhrung von einem Betrieb in einen anderen endgltig der Besteuerung entgehen wrden. Die logische Konstruktion dieser Argumentation ist jedoch hchst fragwrdig. Die Entnahme fhrt zu einem Korrekturposten im Rahmen der Gewinnermittlung im Sinne der §§ 2 Abs. 2 und 4 Abs. 1 EStG. Ihr zugrunde liegen Vorgnge, die das Betriebsvermgen im Sinne des Unterschiedsbetrages in § 4 Abs. 1 EStG gemindert haben, die aber nicht auf betriebliche Vorgnge zurckgehen. Um das zutreffende Ergebnis der betrieblichen Ttigkeit ermitteln zu knnen, muss dem sich aus dem Eigenkapitalvergleich ergebenden Unterschiedsbetrag der Wert der
42 43 44 45 46
So Klaus Vogel, Diskussion, in Ruppe, Gewinnrealisierung, S. 139. RFH v. 18. 12. 1934 – I A 214/34, RFHE 37, 200 = RStBl. 1935, 774. RFH v. 18. 12. 1934 – I A 214/34, RFHE 37, 200 (204). RFH v. 18. 12. 1934 – I A 214/34, RFHE 37, 200 (203). RFH v. 21. 10. 1946 – VI A 473/35, RStBl. 1936, 424; v. 7. 12. 1938 – VI 735/ 38, RStBl. 1939, 252. 47 BFH v. 16. 7. 1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; v. 30. 5. 1972 – VIII R 111/ 69, BStBl. II 1972, 760.
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Entnahme hinzugerechnet werden. Dies geht auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zurck, der dies zunchst48 mit dem Gedanken einer Neutralisierung nicht betrieblicher, aber die Buchfhrung beeinflussender Vorgnge begrndet hat. Spter49 trat dann fr ihn auch der Realisationsgedanke hinzu. Sind die einzelnen gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des Entnahmetatbestandes erfllt, so tritt als Rechtsfolge eine Gewinnrealisierung ein, so dass, wenn die Voraussetzungen der Entnahme vorliegen, die stillen Reserven im Betriebsvermgen, das entnommen wird, der Besteuerung unterliegen. Die Rechtsprechung50 hat diese Norm dahingehend interpretiert, dass sie den Zweck verfolge, die Besteuerung der stillen Reserven sicher zu stellen, wenn ein Betriebsvermgensgegenstand nicht fr betriebliche Zwecke mittels einer Entnahmehandlung verwendet werde. Dem ist durchaus zuzustimmen. Die finale Entnahmetheorie vertauscht gleichsam Tatbestand und Rechtsfolge, indem sie immer dann eine Entnahme annimmt, wenn die Sicherstellung der stillen Reserven nicht mehr gesichert ist. In den Worten Beisses51 beschreitet der BFH hierdurch den Weg „von textgebundener Auslegung zu funktionsspezifischer Deutung des Gesetzes“. Er bezeichnet dies als „zweischneidige Lckenfllung“52, in der er eine Modifizierung des Grundsatzes der Tatbestandsmßigkeit sieht. Mag der Sinn und Zweck einer Norm zu ihrer Nichtanwendbarkeit fhren, wenn der Wortlaut, aber nicht der Sinn der Norm die Anwendbarkeit verlangt,53 so lsst sich nicht dieses Verfahren so umkehren, dass eine Norm auch dann anwendbar ist, wenn es ihr Sinn verlangt, ihr Wortlaut jedoch nicht zulsst. In der Tat hat die Rechtsprechung die finale Entnahmetheorie zunehmend eingeschrnkt.54 So fhrt das Ausscheiden aus dem deutschen 48 Zur Entwicklung vgl. Wassermeyer, Zur Bewertung von Nutzungs- und Leistungsentnahme, DB 2003, 2616. 49 RFH v. 13. 12. 1928 – VI A 1527/28, RFHE 24, 257. 50 BFH v. 16. 7. 1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; v. 30. 5. 1972 – VIII R 111/ 69, BStBl. II 1972, 760; v. 28. 4. 1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; s. auch Heinicke in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 4 EStG Rz. 317, 320, 360 m. w. N. 51 In Ruppe, Gewinnrealisierungen, S. 30. 52 Ebenda S. 41. 53 Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl. 1991, S. 391 ff. Teleologische Reduktion. 54 BFH v. 29. 10. 1981 – IV R 138/78, BStBl. II 1982, 381; v. 7. 10. 1974 – Grs. 1/ 73, BStBl. II 1975, 168; v. 21. 11. 1973 – I R 252/71, BStBl. II 1974, 314; v. 16. 12. 1975 – VIII R 3/74, BStBl. II 1976, 246.
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Steuerzugriff, wenn dies die Folge des Abschlusses eines Doppelbesteuerungsabkommens ist, nicht zur steuerlich relevanten Entstrickung. In gleicher Weise werden nicht die stillen Reserven eines Betriebes besteuert, wenn er zum Liebhaberbetrieb bergeht. Auch die Finanzverwaltung hat sie weitgehend aufgegeben, obgleich die Regelungen im sog. Betriebsstttenerlass nicht eindeutig sind.55 3. Sicherung stiller Reserven als gesetzgeberisches Ziel Auch wenn man demnach nicht von einem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Entstrickung56 ausgehen kann, so muss man gleichwohl festhalten, dass es eine Reihe von Vorschriften57 gibt, die die Besteuerung der stillen Reserven explizit auch ohne Realisation anordnen, wenn deren weitere steuerliche Verhaftung nicht mehr gewhrleistet ist. Soweit diese Bezug zu grenzberschreitenden Sachverhalten haben, werden sie eingehend behandelt. Jeder Staat ist aufgrund seiner Steuersouvernitt grundstzlich frei festzulegen, dass alle Vorgnge, die sich innerhalb seiner Steuerhoheit abspielen, auch besteuert werden. Allerdings ergeben sich fr ihn Grenzen aus seinen vlkerrechtlichen Verpflichtungen aus Vertrgen mit anderen Staaten und fr die Mitglieder der Europischen Union aus dem Gemeinschaftsrechts (unter V.). 4. Stille Reserven im internationalen Steuerrecht In seinem Generalbericht58 zum IFA-Kongress 2002 in Oslo hat Luc de Broe einen berblick59 ber die Wegzugsbesteuerung bei der Verlegung der Ansssigkeit von Individuen gegeben. Danach reagieren ein Drittel der 26 Staaten, die im Generalbericht behandelt werden, nicht auf die Ansssigkeitsverlegung, was sich zum Teil schlicht daraus erklrt, dass viele dieser Staaten keine Besteuerung von Verußerungsgewinnen vornehmen. Mexiko zum Beispiel kannte seit den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhundert eine Wegzugsbesteuerung, gab diese aber auf, da sich diese Besteuerung als wenig effektiv, praktikabel und ertragreich er55 BMF v. 12. 2. 1990, BStBl. I 1990, 72. 56 Anders sterreich § 31 EStG; vgl. auch die berlegungen einen derartigen Grundsatz ins deutsche Recht aufzunehmen: Entwurf eines StG BT-Drucks. 57 EStG: § 6 Abs. 5, § 16 Abs. 3; KStG: § 12; AStG: § 6; UmwStG: § 11 Abs. 1, § 20 Abs. 3, § 21 Abs. 2; im weiteren Sinne auch noch Tz. 2.6.1. Betriebsstttenerlass BStBl. I 1990, 72. 58 The taxt treatment of transfer of residence by individuals, CDFI LXXXVIIb. 59 AaO S. 29 f.
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wies.60 Die brigen untersuchten Staaten kennen unter verschiedenen Formen Wegzugsbesteuerung, die zum Teil in der Form fiktiver Ansssigkeit bestehen. De Broe weist61 zu Recht auf die andere Seite des Problems hin: die Behandlung im Zuzugsstaat. Nimmt dieser keine Bewertung der in seine Steuerhoheit gelangenden Gter zum Zeitwert vor62, so kommt es zu Doppelbesteuerungen. Der BFH63 lehnt eine derartige Bewertung zum Zeitwert ab, wenn durch den Zuzug des Anteilseigners Anteile an auslndischen Kapitalgesellschaften erstmalig in die deutsche Steuerhoheit gelangen, so dass im Falle ihrer spteren Verußerung auch diejenigen stillen Reserven, die whrend der Zeit, in der der Anteilseigner noch nicht unbeschrnkt steuerpflichtig war, entstanden sind, von der deutschen Steuer erfasst werden. Dieser Auslegung widerspricht die herrschende Ansicht64. Der BFH sttzt seine Argumentation im Wesentlichen auf den Wortlaut65 der Vorschrift, ohne auf ihren Sinn einzugehen. Die Auffassung, bei einer Realisierung der stillen Reserven seien diese im Staate der Ansssigkeit uneingeschrnkt zu besteuern, lsst sich schwerlich mit derjenigen Auffassung vereinbaren, dass stille Reserven dem Staat zuzuordnen seien, der whrend der Zeit ihrer Entstehung einen steuerlichen Zugriff auf den Gegenstand hatte. Allerdings muss man einschrnkend hinzufgen, dass es nicht immer zu Situationen der Doppelbesteuerung kommen muss. Kennt der Wegzugsstaat keine Wegzugssteuer und handelt es sich um Anteile an einer in seinem Gebiet ansssigen Gesellschaft, so kann er bei einer nach dem Wegzug des Anteilsinhabers erfolgenden Verußerung den Verußerungsgewinn besteuern,66 so dass der Zuzugsstaat, der ebenfalls den Verußerungsge60 61 62 63
Nieto Martinez/Barrera, Mexico CDFI LXXXVIIb, S. 395. CDFI LXXXVIIB, S. 55 f. Step-up, de Broe, aaO, S. 57. BFH, Urt. v. 30. 3. 1993 – VIII R 44/90, BFH/NV 1993, 597; v. 19. 3. 1996 – VIII R 15/94, BStBl. II 1996, 312; zu anderen Staaten vgl. Prokisch in Vogel/ Lehner, DBA Art. 13 Rz. 82. 64 Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 17 EStG Rz. 159; Hrger in Littmann, EStG, § 17 EStG Rz. 214; Dtsch in Dtsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Krperschaftsteuer, EStG, § 17 EStG Rz. 86; Gail/Dll/Schubert/Heß-Emmerich, GmbHR 1996, 811; Schmidt, StuW 1996, 300; Crezelius, DB 1997, 195; Niehus/Wilke, StuW 1997, 39; Herzig/Frster, DB 1997, 594; Krner, StbJb. 1997/1998, S. 204; Vogt, DStR 1999, 1599; Schweyer/Dannecker, BB 1999, 2375; Becker, DStZ 2004, 37; a. A. Jschke in Lademann, EStG, § 17 EStG Rz. 212. 65 In diesem Sinne auch Wolff-Diepenbrock, Zur Entstehungsgeschichte und Systematik des § 17 EStG, in Feschrift Franz Klein, Kln 1994, S. 887. 66 Wie in Deutschland gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2e EStG.
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winn besteuert, die Quellensteuer anrechnet. Hat der Staat, in der die Kapitalgesellschaft ansssig ist, die stillen Reserven beim Wegzug besteuert, so stellt sich die Frage, ob der Zuzugsstaat diese Steuer spter anrechnen muss, wenn er smtliche stillen Reserven seit der Anschaffung der Anteile besteuert. Bejaht man dies, so kommt es im Prinzip zu einer zeitanteiligen Abgrenzung der Besteuerung der stillen Reserven. Schließen die Staaten jedoch Doppelbesteuerungsabkommen ab, die dem OECD-Musterabkommen entsprechen und vereinbaren sie dabei die Befreiungsmethode, so entstehen Probleme, weil gem. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA der jeweilige Ansssigkeitsstaat den gesamten Verußerungsgewinn ohne Rcksicht darauf, in welchem Staat der Wertzuwachs erfolgt ist, besteuern darf.67 Dies ergibt sich daraus, dass der Ansssigkeitsstaat nach seinem internen Recht bestimmt, was den Verußerungsgewinn ausmacht.68 Mit der Besteuerung im Ansssigkeitsstaat entfllt dann diejenige im Quellenstaat. Jedoch erkennt der Kommentar69 an, dass bei der berfhrung von Wirtschaftsgtern ber die Grenze der Herkunftsstaat die stillen Reserven beim Verlassen seines Gebietes besteuern kann. Dies wird dahin verstanden, dass auch beim Wegzug von Personen eine steuerliche Erfassung der stillen Reserven erfolgen knne.70 Dies sei der letzte Akt der Erfassung des – noch – unbeschrnkt Steuerpflichtigen.71 Da jedoch derselbe Vermgenszuwachs betroffen ist, handelt es sich um ein Scheinargument.72 Soweit die Staaten in ihren DBA keine Sonderregelungen vereinbaren73, wird
67 Kommentar zum OECD-MA Art. 13 Tz. 11: „The article does not distinguish as to the origin of the capital gain“. 68 Kommentar zum OECD-MA Art. 13 Tz. 12; Debatin/Wassermeyer, DBA Art. 13 MA Rz. 140; Fischer-Zernin in Becker/Hppner/Grotherr/Kroppen, Art. 13 OECD-MA Rz. 3. 69 OECD-MA Art. 13 Tz. 10: Transfer von Wirtschaftsgtern aus einer inlndischen in eine auslndische Betriebssttte. 70 Vgl. eingehend Prokisch in Vogel/Lehner, DBA Art. 13 Rz. 80 ff. m. w. N.; de Broe, CDFI LXXXVIIb, S. 66 f. 71 BFH v. 26. 1. 1977 – VIII R 109/75, BStBl. II 1977, 283 – allgemein, nicht zu § 6 AStG; im spteren Urt. v. 28. 2. 1990 – I R 43/86, BStBl. II 1990, 615, wird die Vereinbarkeit nicht thematisiert; Menck in Blmich, EStG/KStG/ GewStG, § 6 AStG Rz. 3; Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, § 6 AStG Rz. 8c m. w. N.; Lempenau in Brezing/Krabbe/Lempenau/Mssner/Runge, § 6 AStG Rz. 45 ff. 72 Ebenso kritisch Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 5.399 m. w. N. 73 ber die deutschen DBA vgl. Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, Art. 13 Rz. 83 f.
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gleichwohl eine Wegzugsbesteuerung fr mit Art. 13 Abs. 5 OECD-MA vereinbar gehalten.74
V. Binnenmarkt und Territorialittsprinzip 1. Binnenmarkt Damit stellt sich die Frage des Verhltnisses derartiger Vorschriften zum Europarecht. Die europische Gemeinschaft will einen Binnenmarkt schaffen als einen Raum, in dem sich Angebot und Nachfrage von Waren und Dienstleistungen ohne unberwindbare Schranken rechtlicher, technischer oder wirtschaftlicher Art begegnen knnen.75 Steuern verndern die Marktkonditionen.76 Steuern werden von Staaten erhoben, die ihre Steuerhoheit vor allem auf das Territorialittsprinzip grnden. Friktionen zwischen der territorialen Struktur der Steuerrechte und dem Binnenmarkt sind damit vorgezeichnet. 2. Territoriale Grundlage des Internationalen Steuerrechts Die Steuerhoheit der Staaten ist in ihrer Gebietshoheit, d. h. dem Territorialittsprinzip, begrndet.77 Dieses zeigt sich in drei Konstellationen: – dem Wegzug, d. h. Aufgabe der Ansssigkeit (subjektiver Wegzug), – der berfhrung von Gegenstnden ber die Grenze (objektiver Wegzug), – dem Besteuerungsaufschub trotz Realisation bei Verbleiben im Territorium. 2.1 Subjektiver Wegzug Der unbeschrnkt Steuerpflichtige – natrliche Person oder Krperschaft – unterliegt mit seinem Welteinkommen der deutschen Besteue74 Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, Art. 13 Rz. 81; vgl. auch Baker, Double taxation conventions and international tax law, 2. Aufl., London 1994, S. 283; Betten, Income tax aspects of emigration and immigration of individuals, Amsterdam 1998, S. 113 ff. 75 Streinz, EUV/EGV, Art. 14 Rz. 12. 76 Vgl. hierzu Mssner, ASA 2004, 673. 77 Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, Basel 1976, S. 37.
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rung. Scheidet er aus der deutschen unbeschrnkten Steuerpflicht durch Verlegung seiner Ansssigkeit in das Ausland aus, so verliert der deutsche Staat seinen Zugriff auf die auslndischen Einknfte, die inlndischen hingegen kann er im Rahmen der beschrnkten Steuerpflicht weiterhin grundstzlich erfassen. Die Frage stellt sich demnach, ob ein Staat wegen des Verlustes seines Zugriffs auf auslndische Einkunftsquellen auf die stillen Reserven in den der Einkunftserzielung im Ausland dienenden und im Ausland befindlichen Vermgensgegenstnden eine Steuer im letzten Augenblick der Verhaftung, d. h. kurz vor Aufgabe der inlndischen Ansssigkeit erheben kann. Dass er nicht bei einer spteren Realisation zeitanteilig besteuern kann, wenn die inlndische Ansssigkeit nicht mehr besteht, bedarf keiner weiteren Begrndung. Eine Wegzugsbesteuerung ist folglich die „letzte Chance“. Diese Situation tritt bei § 12 Abs. 1 KStG hinsichtlich des Auslandsvermgens ein.78 Hinsichtlich der inlndischen Einkunftsquellen, die an sich weiterhin der deutschen Steuer im Rahmen der beschrnkten Steuerpflicht unterliegen, kann sich aber eine Einschrnkung des deutschen Besteuerungsrechts aus den Zuordnungen eines von Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens ergeben, wenn dieses die Besteuerung durch den Quellenstaat tangiert. Bei Grundbesitz79 oder dem Vermgen eine inlndischen Betriebssttte80 tritt in der Regel keine Einschrnkung des deutschen Steueranspruchs ein. Aber bei allen Einknften81 wird die deutsche Besteuerung ganz oder teilweise auch hinsichtlich inlndischer Einknfte aufgehoben. Aber dies ist weder eine unmittelbare Folge des Wegzuges noch des deutschen Steuerrechts, sondern ausschließlich der von den Vertragsparteien des Doppelbesteuerungsabkommens vorgenommenen Verteilung, Allokation, von Besteuerungshoheiten. Mit anderen Worten: Erst durch den Abschluss eines DBA hat Deutschland das Problem geschaffen, das mit § 6 AStG gelst werden soll, dass nmlich gemß den Art. 13 Abs. 5 OECD-MA entsprechenden DBA-Normen die beschrnkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG aufgehoben wird.
78 79 80 81
Siehe Lambrecht in Gosch, KStG, § 12 KStG Rz. 55. Art. 6 OECD-MA. Art. 7, 13 (entsprechend) OECD-MA. Art. 10, 11, 12, 13 (entsprechend), u.U. 15 Abs. 2, 18, 19, 21 OECD-MA.
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2.2 Objektiver Wegzug Bei der Verbringung von Gegenstnden kann es sich nur um bewegliches Vermgen handeln, welches ber die Grenze verbracht wird. Dieses wird im wahrsten Sinne dem steuerlichen Zugriff entzogen, wenn keine Besteuerungsmglichkeit hinsichtlich der auslndischen Betriebssttte besteht. Auch hier tritt diese Folge erst aufgrund des Abschlusses eines DBA ein, da ohne ein solches wegen des Welteinkommensprinzips auch das auslndische Betriebsstttenvermgen der deutschen Besteuerung unterliegt.82 Vor allem ist hier an die Flle der Verbringung von Gegenstnden – Anlage- oder Umlaufvermgen – in eine auslndische Betriebssttte zu denken. 2.3 Verbleiben im Inland und Verzicht auf Realisation Schließlich zeigt sich die territoriale Struktur dann, wenn das Gesetz Vergnstigungen auf reine Inlandssachverhalte beschrnkt, so wenn Gegenstnde von einer Person auf eine andere bertragen werden. Die mit dem Rechtstrgerwechsel verbundene Realisation wird zur wirtschaftlichen Schonung ausgesetzt, aber unter der Voraussetzung, dass die stillen Reserven weiterhin im Inland verstrickt sind. 3. Grndungstheorie vs. Sitztheorie Der Wegzug von Kapitalgesellschaften weist insofern eine Besonderheit auf, als die Existenz der Gesellschaft vom Privatrecht abhngt. Bekanntermaßen treffen hier dann Grndungstheorie und Sitztheorie aufeinander.83 Die fortbestehende Rechtspersnlichkeit einer zuziehenden, d. h. den Ort ihrer Geschftleitung ins Inland verlegenden im Ausland inkorporierten, Kapitalgesellschaft, die im Staat ihrer Inkorporation trotz Umzugs rechtsfhig bleibt, ist geklrt.84 82 Dies bedeutet nicht, dass Deutschland letztlich auch tatschlich Steuern erhlt, da wegen § 34c EStG eine deutsche Steuer entfallen kann. 83 Großfeld in Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht, Rz. 648 ff., vgl. auch Kessler/Huck/Obser/Schmalz, DStR 2004, 813 m. w. N. 84 EuGH v. 9. 3. 1999 – Rs. C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459; v. 5. 11. 2002 – Rs. C-203/00 – berseering, EuGHE 2002 I-9919; v. 30. 9. 2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, I-10159; vgl. aus der reichhaltigen Literatur Witteler, berseering-Urteil: Rechtliche Fragen fr auslndische Gesellschaften im Inland, PIStB 2003, 252; Berner/Spindler, Inspire Art – Der euro-
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Unbeantwortet ist jedoch, ob die Sitztheorie weiterhin gilt, wenn zivilrechtlich die Verlegung der Geschftsleitung ins Ausland zur Auflsung der Gesellschaft fhrt. Hierbei sind zwei Aspekte zu unterscheiden: – Zum einen die Situation im Wegzugsstaat: Darf er der wegziehenden Gesellschaft die Rechtsfhigkeit entziehen, bzw. darf er den Wegzug von Voraussetzungen abhngig machen? – Zum anderen die Situation im Zuzugsstaat: Darf er den Zuzug von einer Neugrndung abhngig machen, wenn der Wegzugsstaat die Gesellschaft als aufgelst behandelt? Aus deutscher Sicht gilt eine wegziehende Gesellschaft als aufgelst85, so dass § 11 KStG in Betracht kommt. Da § 11 Abs. 1 KStG aber neben der Auflsung auch das Ende der Abwicklung86 voraussetzt und whrend des Abwicklungszeitraums die Krperschaftsteuersubjektivitt fortbesteht, fehlt ein entscheidendes Merkmal fr die Liquidationsbesteuerung im Sinne des § 11 KStG. Dies ist zwar nicht unbestritten87, erscheint mir aber zwingend. Folglich ergibt sich die Situation, dass zivilrechtlich die Gesellschaft aufgelst ist, sie steuerrechtlich aber fortbesteht, solange ihr Sitz im Inland verbleibt. Trotz fortbestehender unbeschrnkter Steuerpflicht kann es zum Ausscheiden aus der deutschen Besteuerung kommen, wenn die Gesellschaft aufgrund des DBA im Ausland als ansssig gilt, da hierfr der Ort
pische Wettbewerb um das Gesellschaftsrecht ist endgltig erffnet, RIW 2003, 949; Steuerliche Folgen des Wechsels zur „Grndungstheorie“ in Europa, StuB 2003, 405. 85 BGH v. 11. 7. 1957 – II ZR 318/55, BGHZ 25, 134 ff. (144); v. 21. 3. 1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269; Heider in Mnchener Kommentar, AktG, I 2. Aufl., § 5 Rz. 67; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 60 GmbHG Rz. 40; Hffer, AktG, 5. Aufl., § 5 AktG Rz. 11. 86 Lambrecht in Gosch, KStG § 11 KStG Rz. 31; Graffe in Dtsch/Eversberg/ Jost/Witt, Die Krperschaftsteuer, § 11 KStG Rz. 14, unklar Rz. 4, Dtsch ebenda § 12 KStG Rz. 13. 87 Fr Schlussbesteuerung Ebenroth/Auer, RIW 1992, Beilage 1 Rz. 39; Debatin, GmbHR 1991, 167; Schaumburg, GmbHR 1996, 501; Staringer, Besteuerung doppelt ansssiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999, S. 63; Hofmeister in Blmich, EStG/KStG/GewStG, § 12 KStG Rz. 6; Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 12 KStG Rz. 16; Thiel, GmbHR 1994, 278; Knobbe-Keuk, StuW 1990, 372 (378); dies., DB 1991, 300; Debatin/Wassermeyer, DBA Art. 4 MA Rz. 91; Krug, Die steuerliche Behandlung des Wegzugs aus Deutschland, Diss. Bonn 2001, S. 173 f.; Ernst & Young/Wacht, KStG, § 11 KStG Rz. 24, 30; vgl. auch Thmmes, DB 1933, 1021.
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der Geschftsleitung88 entscheidend ist. Insofern kann die Verlegung des Ortes der Geschftsleitung zu einem subjektiven Wegzug der Gesellschaft fhren, auch wenn ihre Rechtsfhigkeit fortbesteht und sie weiterhin wegen ihres inlndischen Sitzes unbeschrnkt steuerpflichtig bleibt. Wrde dies eine Besteuerung der stillen Reserven rechtfertigen? Die Zulssigkeit der Auflsung gemß der Sitztheorie und der sich daran anschließenden steuerlichen Erfassung der stillen Reserven wird89 auf die Daily-Mail-Entscheidung90 des EuGH vom 27. 9. 1988 gesttzt. Hier ist jedoch Vorsicht geboten. Der Gerichtshof hat nur ber den Fall entschieden, dass eine Gesellschaft, die in Großbritannien – einem Staat der Grndungstheorie – inkorporiert ist und dies auch weiterhin bleiben will, den Ort ihrer Geschftsleitung ins Ausland verlegt. Hierfr ist nach englischem Recht eine Genehmigung der staatlichen Behrden erforderlich. Der EuGH beschftigt sich ausschließlich mit diesem Genehmigungserfordernis. Zu den steuerrechtlichen Implikationen selbst sagt er nichts, außer, dass es Staaten gibt, die den Wegzug an bestimmte Bedingungen, vor allem in steuerlicher Hinsicht, binden. Diese Bedingungen knnen eine Behinderung der Niederlassungsfreiheit darstellen oder auch nicht; dies hngt von ihrer Ausgestaltung ab. Fr den EuGH war es in DailyMail ein entscheidendes Argument, dass juristische Personen durch einen staatlichen Akt ihre Rechtsfhigkeit erhalten (Tz. 19) und die Staaten somit die Basis der Existenz der Person darstellen. Angesichts der fehlenden Harmonisierung der nationalen Regeln (Tz. 20–23) folgert das Gericht, dass die Niederlassungsfreiheit Kapitalgesellschaften nicht das Recht gewhre, den Ort ihrer zentralen Verwaltung in einen anderen Mitgliedsstaat zu verlegen und zugleich fortwhrend nach dem Recht der Wegzugsstaates inkorporiert zu bleiben (Tz. 24). Vom Recht der Niederlassungsfreiheit knnten sie immerhin durch Grndung von Niederlassungen oder Tochtergesellschaften Gebrauch machen (Tz. 17). Die Bedingung, an die Großbritannien die Verlegung des Verwaltungssitzes geknpft hat, war die Begleichung von bereits entstandenen Steu88 Vgl. Art. 4 OECD-MA. 89 Knobbe-Keuk, ZHR 1990, 333; dies., DB 1990, 2581; dies., DB 1991, 298; Lehner, Begrenzung der nationalen Besteuerungsgewalt, in Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, Kln 2000, S. 263 (272); Stapperfend, FR 2003, 172; Krner, IStR 2004, 430; Schn, IStR 2004, 571 (5.1.4.). 90 EuGH v. 27. 9. 1988 – Rs. 81/87, EuGHE 1988, 5500.
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erschulden.91 Generalanwalt Darmon hatte in seinen Schlussantrgen (Tz. 11 ff.) deutlich den Unterschied eines derartigen Genehmigungserfordernisses zur Liquidierung der Gesellschaft hervorgehoben. In der Tat stellt der Verlust der Rechtsfhigkeit bei Ausbung der Niederlassungsfreiheit durch Verlegung des Verwaltungssitzes ein ganz anderes Hindernis dar als die Pflicht, nach nationalem Recht entstandene Steuerschulden zu begleichen. Die Frage, ob der Wegzug eine hinreichende Rechtfertigung fr die Besteuerung stiller Reserven gibt, wird in DailyMail nicht thematisiert. Somit bleibt in dieser Entscheidung auch offen, ob eine Liquidation der Gesellschaft, um die Besteuerung der stillen Reserven zu erreichen, europarechtskonform ist.92 4. Grundfreiheiten und Territorialittsprinzip Die Spannung zwischen der Ausbung der Grundfreiheiten und dem die staatliche Ordnung kennzeichnenden Territorialittsprinzip ist in steuerlicher Hinsicht insbesondere in den Entscheidungen Futura93, AMID94 und Bosal95 deutlich geworden. In Futura hat es der EuGH nicht beanstandet, dass ein Betriebsstttenstaat seine Besteuerung auf das in seinem Staatsgebiet erwirtschaftete Ergebnis begrenzt und nicht die Ergebnisse des Gesamtunternehmens bercksichtigt. Dies kann dann dazu fhren, dass in dem Fall, dass die Betriebssttte einen Gewinn, das Stammhaus jedoch einen Verlust erzielt, das Gesamtunternehmen Steuern auf einen Gewinn entrichtet, den es insgesamt nicht erzielt hat. Auch in der Entscheidung AMID lag ein Fall eines Betriebsstttengewinns und eines Stammhausverlustes vor. Hier verpflichtet der EuGH den Staat des Stammhauses dazu, den Verlust so zu behandeln, als lge kein Betriebsstttengewinn vor. Also auch hier spricht er sich fr eine territorial begrenzte Besteuerung aus. Im Fall Bosal hingegen verpflich-
91 Aus dem Urteil geht nicht klar hervor, worum es sich gehandelt hat, vgl. auch Cordewener, Europische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, Kln 2002, S. 413 f. 92 Dies kann hier nicht vertieft werden, drfte aber zu bejahen sein, vgl. Schnitger, BB 2004, 807, Campos Nave, NZG 2004, 897; Haarmann, BB 2004, Heft 24, I, S. I; a. A. Franz, EuZW 2004, 272. 93 EuGH v. 15. 5. 1997 – Rs. C-250/95, EuGHE 1997, I-2471. 94 EuGH v. 14. 12. 2000 – Rs. C-141/99, EuGHE 2000, I-11619. 95 EuGH v. 18. 9. 2003 – Rs. C-168/01, EuGHE 2003, I-9409; zur Territorialitt des Steuerrechts vgl. Lehner in Pelka, Unternehmensbesteuerung, S. 275 ff.
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tete er die Niederlande dazu, Kosten zu bercksichtigen, die im Zusammenhang mit in den Niederlanden steuerbefreiten Einknften stehen. Dies fhrt zu der Frage, inwieweit die territoriale Struktur des Internationalen Steuerrechts als Rechtfertigung von Eingriffen in die Grundfreiheiten herangezogen werden kann. 5. Allokation von Vermgenswertsteigerungen Aus den Entscheidungen Futura und Daily-Mail kann man entnehmen, dass der EuGH die Besteuerung von Einknften durch einen Staat dann nicht beanstandet, wenn diese Einknfte in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Vorgngen in dem betreffenden Staat stehen. Er hat hierfr den Begriff des economic links verwandt. Die Frage ist nun, ob auch unrealisierte Vermgenswertsteigerungen einen solchen economic link zu einem Staat aufweisen, in dem sich entweder der Berechtigte aufhlt oder in dem sich der Vermgensgegenstand befindet. Ich will nun dieser Frage nicht durch den Hinweis ausweichen, dass die ganz berwiegende Auffassung96 dieses so sieht, dass auch die IFA 198697 hiervon ausgegangen ist. Der EuGH98 macht einen grundlegenden Unterschied zwischen der Zuweisung und der Ausbung von Besteuerungshoheit. Fr die Zuweisung gelten keine europarechtlichen Schranken. Ob ein Staat einen Vorgang besteuern darf oder nicht, entscheidet sich nach den Regeln des internationalen Steuerrechts ber die unbeschrnkte und beschrnkte Steuerpflicht, also letztlich auch nach dem wirtschaftlichen Zusammenhang. Aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH folgt daher, dass die Zuordnung eines Besteuerungsrechts zu dem Staat, unter dessen Herrschaft die stillen Reserven entstanden sind, europarechtlich wohl fundiert ist.
96 Beiser, StZ 2004, 284; Elicker, IStR 2005, 89; Franz, EuZW 2004, 272; Kofler, StZ 2004, 198; Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, Art. 13 Rz. 80 ff.; OECD-MA Kommentar Art. 13 Tz. 6 ff. (10). 97 IFA-Resolutions Book 1938-1988, Amsterdam 1988, S. 354 f. 98 Vor allem EuGH, Urt. v. 12. 5. 1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I2793, Tz. 14, 23; im Ansatz schon EuGH v. 11. 8. 1995 – Rs. C-80/93 – Wielockx, EuGHE 1995, I-2493, Tz. 16, 27.
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VI. Rechtsprechung des EuGH 1. de Lasteyrie du Saillant Daran hat auch die Entscheidung99 de Lasteyrie nichts gendert. Man muss sie genau vor dem Hintergrund sehen, vor dem sie ergangen ist. Die Entscheidung ist inzwischen so oft100 behandelt worden, dass im Wesentlichen Sachverhalt und Entscheidungsgrnde als bekannt vorausgesetzt werden knnen. Obwohl es sich im Urteil aus dem mitgeteilten Sachverhalt nicht eindeutig ergibt, so scheint es sich doch im Sinne der eingangs gemachten Unterscheidung um einen Fall einer unrealisierten Wertsteigerung gehandelt zu haben. Die franzsische Regelung war ihrer gesetzlichen Motivation nach eindeutig zur Missbrauchsbekmpfung geschaffen worden. Whrend der EuGH das grundstzliche Anliegen eines Staates, die Besteuerung der stillen Reserven sicherzustellen, anerkennt und zugleich auch Maßnahmen zur Verhinderung des Steuermissbrauchs billigt, konnte die franzsische Regelung weder unter dem einen noch unter dem anderen Aspekt Bestand haben: – Den Gedanken der Sicherstellung der Besteuerung verwirklichte sie nicht bzw. nicht konsequent, da nach dem Ablauf von fnf101 Jahren, wenn kein Verkauf der Anteile stattgefunden hatte, die Besteuerung berhaupt entfiel bzw. bei einem Verkauf whrend der fnf Jahre die im anderen Staat erhobene Steuer angerechnet wurde. – Als Missbrauchsbekmpfungsvorschrift ging sie jedoch zu weit, da sie auch Flle erfasste, die eindeutig keinen Missbrauch darstellten. Somit ergab sich fr das Gericht, dass die Regelung zur Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven ungeeignet und zur Missbrauchsbekmpfung nicht angemessen war. Vor allem diese Inkonsequenz des franzsischen Gesetzgebers fhrte zur Europarechtswidrigkeit der franzsischen Wegzugsbesteuerung. 2. X und Y Die Entscheidung des EuGH vom 21. 11. 2002 in der Rechtssache X und Y102 muss hier ebenfalls bedacht werden, obwohl sie nicht die Aufmerk99 EuGH v. 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, GmbHR 2004, 504. 100 Vgl. Fn. 3. 101 Hierzu EuGH v. 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie, GmbHR 2004, 504 – Tz. 53. 102 EuGH v. 21. 11. 2002 – Rs. C-436/00 – X und Y, EuGHE 2002, I-10829.
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samkeit der Entscheidung du Saillant erfahren hat. Nach schwedischem Recht ist die Einbringung von Anteilen an Kapitalgesellschaften in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewhrung von Anteilen an der letzteren zum Buchwert mglich. Dies gilt jedoch nicht, wenn es sich bei der aufnehmenden Gesellschaft um eine auslndische oder eine schwedische, an der eine auslndische beteiligt ist, handelt. Diese Regelung hat der schwedische Gesetzgeber mit der Gefahr begrndet, dass sonst Besteuerungssubstrat entzogen werden knnte, wenn etwa ein in Schweden Ansssiger seine Anteile an einer schwedischen Gesellschaft in eine auslndische, deren Anteile er halte, einbringe und dann seinen Wohnsitz aus Schweden verlege. Die beiden Schweden X und Y wollten ihre Anteile an der schwedischen X AB103 auf die schwedische Gesellschaft Z AB zum Buchwert bertragen. Die Z AB ist die Tochtergesellschaft der belgischen Y SA. Die Eigentmer von X AB und Y SA sind X, Y und eine unabhngige Maltesische Gesellschaft zu gleichen Teilen. In der Sache beschftigt sich der EuGH mit der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit. Eingangs stellt er fest, dass nach schwedischem Recht die Zulssigkeit einer Buchwerteinbringung von der Natur der empfangenden Gesellschaft abhnge. Da bei einer auslndischen oder auslandbeherrschten Gesellschaft als empfangender Gesellschaft die Buchwertbertragung nicht mglich sei, liege eine Beschrnkung der Niederlassungsfreiheit vor, die nicht durch eine generelle Unterstellung eines Rechtsmissbrauchs gerechtfertigt werden knne. Aber auch den Motiven des schwedischen Gesetzgebers versagt der EuGH die Anerkennung als Rechtsfertigungsgrund. Soweit es um die Gefahr des Entgehens von Steuereinnahmen geht, weist der EuGH dies als Rechtfertigung aus berragenden Grnden des Gemeinwohls generell104 und auch in dieser Entscheidung (Tz. 50) zurck. Die Kohrenz des Steuersystems 103 AB ist eine Aktiengesellschaft schwedischen Rechts. 104 Im Urt. v. 28. 1. 1992 – Rs. C-204/90 – Bachmann, EuGHE 1992, I-276 Tz. 32; st. Rspr. ab Urt. v. 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 – ICI, EuGHE 1998, I4711 Tz. 28; vgl. Urt. v. 21. 9. 1999 C-307/97 – St. Gobain, EuGHE 1999, I6181 Tz. 49 f.; v. 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, EuGHE 2000, I-4071, Tz. 59; v. 8. 3. 2001 – C-410/98 – Metallgesellschaft, EuGHE 2001, I-1727, Tz. 59; v. 3. 10. 2002 – C-136/00 – Danner, EuGHE 2002, I-8171 Tz. 33, 53– 56; v. 21. 11. 2002 – C-436/00 – X und Y, EuGHE 2002, I-10829 Tz. 50; v. 26. 6. 2003 – C-422/01 – Skandia, EuGHE 2003, I-6830 Tz. 46 ff.; v. 18. 9. 2003 – C-168/01 – Bosal, EuGHE 2003, I-9409 Tz. 42; v. 11. 3. 2004 – C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, GmbHR 2004, 504 – Tz. 60; v. 7. 9. 2004 – C-319/02 – Manninen; EWS 2004, 454.
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habe Schweden selbst durch den Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen durchbrochen (Tz. 51 ff.). Mit hnlichen Grnden bejaht das Gericht auch einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Im Ergebnis muss daher die Einbringung von Anteilen an einer inlndischen Kapitalgesellschaft in eine inlndische oder auslndische Kapitalgesellschaft gegen Gewhrung neuer Anteile zum Buchwert erlaubt sein, auch wenn die inlndische Besteuerung der erhaltenen Anteile nicht sichergestellt ist.105
VII. Auswirkungen auf das deutsche Steuerrecht 1. § 6 AStG106 Dass § 6 AStG aus europarechtlicher nicht mehr in seiner gegenwrtigen Gestalt Bestand haben kann, hat sich inzwischen als allgemeine Auffassung107 in der Literatur herausgeschlt. Auch die Kommission108 sieht dies so. Herr Brandenberg109 wird ber den aktuellen Stand der Verhandlungen berichten. Hinsichtlich der Auswirkungen der de Lasteyrie-Entscheidung auf § 6 AStG ist zunchst festzustellen, dass die franzsische und die deutsche Regelung eine Reihe von Unterschieden110 aufweisen. Allerdings kann 105 So wohl auch Kessler/Huck/Obser/Schmalz, DStZ 2004, 813; Sedemund, DStZ 2003, 407; Schn, Tax Issues and constraints on Reorganizations and Reincorporations in the European Union, Tax Notes International 2004, 197 (201). 106 Hier wird nur auf den Wegzugstatbestand gem. § 6 Abs. 1 AStG eingegangen; die Ersatztatbestnde des § 6 Abs. 3 AStG werden im Zusammenhang erwhnt, zu diesen vgl. Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 6 AStG Rz. 54 ff. 107 Dautzenberg, BB 1997, 182 ff.; Eicker/Schwind, EWS 2004, 186, 188; Kessler, IStR 2004, 841; Kleinert/Probst, DB 2004, 674; ders., NJW 2004, 2426; Krner, IStR 2004, 427; Kraft/Mller, RIW 2004, 366; Lausterer, DStZ 2004, 304; Reimer/Pust, EWS 2004, 215; Maier-Frischmuth, StuB 2004, 734; Schindler, IStR 2004, 309 f.; Schnitger, BB 2004, 808; Beiser, StZ 2004, 284; Elicker, IStR 2005, 89; Gliniorz/Kirchhof/Engel, NWB F. 3, 12957; Kleinheisterkamp, PIStG 2004, 88; Wachter, GmbHR 2004, R 161; Wassermeyer, GmbHR 2004, 614; a. A. noch Hahn, DStZ 2000, 22; ebenso Schmidt/Peter/Flmli, IStR 2004, 433. 108 Schreiben der Kommission an Bundesregierung v. 19. 4. 2004; vgl. Kaminski/Strunk, AStG, § 6 Rz. 21. 109 Vgl. das Referat von Brandenberg in diesem Heft. 110 bersicht bei Lausterer, DStZ 2004, 300.
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man es sich nicht so einfach machen und § 6 AStG bereits deshalb als europarechtswidrig bezeichnen, weil dieser gegenber Art. 167 bis Code Gnrale des Impts (CGI) die strengere Regelung darstelle.111 Letztere Norm ist deshalb beanstandet worden, weil sie ihr vorgebliches Ziel nicht konsequent verfolgte. Wrde § 6 AStG sein Ziel konsequent verfolgen, so wre er nach dieser Sichtweise, obwohl strenger, gleichwohl nicht zu beanstanden. Fr die Beurteilung kommt es daher vor allem darauf an, welchen Zielen § 6 AStG dient und ob diese Ziele konsequent verfolgt wurden. Die Entstehungsgeschichte112 von § 6 AStG zeigt, dass diese Norm vor allem eine Reaktion auf den Horten-Fall113 darstellt. In den Leitstzen der Bundesregierung vom 17. 12. 1970114 heißt es weiter, dass Ausgangspunkt die berlegung sein msse, dass Gewinne, die dem Steuerpflichtigen whrend seiner Ansssigkeit in Deutschland auf die Beteiligung zugewachsen seien, stets auch in Deutschland besteuert werden mssten. Die Bundesregierung wollte dies ursprnglich auch fr auslndische Beteiligungen gelten lassen, was durchaus konsequent gewesen wre. Der Gesetzesentwurf115 nahm davon Abstand und konzentrierte sich auf solche Flle, die „im Interesse geordneter Steuerverhltnisse vordringlicher Lsung“ bedrften. Zugleich hebt die Gesetzesbegrndung hervor, dass es den Grundstzen des Steuerrechts entsprche, bei der Entstrickung alle stillen Reserven aufzulsen. Dies soll sich auch daraus ergeben, dass die DBA die Besteuerung eines Vermgenszuwachses dem Wohnsitzstaat eines Steuerpflichtigen zuordnen, worin sich der Gedanke ausdrcke, die Besteuerung danach auszurichten, wo der Steuerpflichtige whrend der Erwirtschaftung des Vermgenszuwachses ansssig sei. Zugleich wird es jedoch als das besondere Ziel herausgestellt, dass Umgehungsmglichkeiten der Besteuerung auszuschließen seien. Die Begrndung ist in der Tat verwunderlich, da sie insbesondere das Realisationsprinzip vollstndig vernachlssigt und den Inhalt von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA geradezu auf den Kopf stellt.
111 Erst-recht-Argument, vgl. in diesem Sinne Eicker, EWS 2004, 188; Kraft/ Mller, RIW 2004, 367 f.; Lausterer, DStZ 2004, 302; Schnitger, BB 2004, 808, Kleinheisterkamp, PIStB 2004, 83 f. 112 Gesetzesmaterialien bei Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 6 AStG abgedruckt. 113 Vgl. Hellwig, Die Olympiapferde und die Hrden des Außensteuergesetzes, DStZ/A 1976, 4. 114 Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 6 AStG S. 5 f. 115 Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 6 AStG S. 8 f.
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Betrachtet man die Vorschrift in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen, so mgen zwar Flle, die als missbruchliche Gestaltungen empfunden worden sind, Anlass fr die Schaffung der Norm gewesen sein, doch steht der Gedanke der Besteuerung der stillen Reserven eindeutig im Vordergrund.116 Dafr spricht, dass im Fall des Zuzugs aus dem Ausland die Besteuerung nur auf den whrend der Anwesenheit in Deutschland eingetretenen Wertzuwachs beschrnkt wird. Damit vermeidet die deutsche Regelung die Inkonsequenzen der franzsischen und weicht insoweit auch von der § 17 EStG vom BFH gegebenen Auslegung117 ab. Doch wre es andererseits ebenfalls zu einfach, damit bereits die Vereinbarkeit mit Europarecht anzunehmen. Fr die deutsche Regelung gilt, was der Gerichtshof in den Nummern 39–48 der Entscheidung fr die franzsische Regelung ausfhrt: Ein Steuersystem, das einerseits alleine wegen der Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland ein Einkommen besteuert, das noch nicht realisiert ist und ber das der Steuerpflichtige noch nicht verfgt, andererseits Wertsteigerungen bei einer Person nicht erfasst, die nicht von ihrem Niederlassungsrecht Gebrauch macht und diese vielmehr nur bei tatschlicher Realisierung besteuert, stellt eine unterschiedliche Behandlung bei der Besteuerung von Wertsteigerungen dar, die geeignet ist, den Steuerpflichtigen von der Wahrnehmung der Grundfreiheit abzuhalten. Insofern unterscheidet sich § 6 AStG nicht von Art. 167bis Code Gnrale des Impts. Hinzu kommen eine Reihe von Inkonsequenzen: – Warum werden die stillen Reserven in Anteilen an auslndischen Kapitalgesellschaften nicht erfasst, obwohl doch gerade sie durch die Ansssigkeitsverlegung aus dem deutschen Steuerzugriff auch ohne DBA herausfallen?118 – Wie rechtfertigt sich die Anwendung von § 6 AStG auch in den Fllen, in denen kein DBA die Besteuerung gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2e EStG einschrnkt? – Wie verhlt es sich mit fiktiv unbeschrnkt Steuerpflichtigen gem. § 1 Abs. 3 und § 1a EStG, die auch aus dieser Form der unbeschrnk116 So auch Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 6 AStG Rz. 6; Lempenau in Brezing/Krabbe/Lempenau/Mssner/Runge, Außensteuerrecht, § 6 AStG Rz. 2; Lausterer, DStZ 2004, 302, unentschieden Krner, IStR 2004, 427. 117 BFH, Urt. v. 30. 3. 1993 – VIII R 44/90, BFH/NV 1993, 597; v. 19. 3. 1996 – VIII R 15/94, BStBl. II 1996, 312. 118 Vgl. Beiser, StZ 2004, 284.
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ten Steuerpflicht ausscheiden knnen, aber nicht durch Aufgabe der Ansssigkeit? – Warum sind die der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfenen auslndischen stillen Reserven nicht erfasst? – Problematisch ist auch § 6 Abs. 4 AStG, der den Steueranspruch entfallen lsst, wenn der Steuerpflichtige innerhalb gewisser Zeit zurckkehrt, d. h. von seinem Niederlassungsrecht oder dem Recht auf Freizgigkeit keinen Gebrauch mehr macht, also den Verzicht auf die Inanspruchnahme gemeinschaftsrechtlich garantierter Positionen prmiert. – Auch die Stundungsregelung des § 6 Abs. 5 AStG nimmt keinen Bezug darauf, ob tatschlich stille Reserven realisiert werden. Im Ergebnis ist es jedenfalls unbestreitbar, dass auch § 6 AStG einen reinen Inlandssachverhalt – Umzug von Hamburg nach Mnchen – anders und nachteiliger als einen grenzberschreitenden – Umzug von Hamburg nach Amsterdam – behandelt. Somit kommt es entscheidend auf mgliche Rechtfertigungen fr diese unterschiedliche Behandlung an. Die Entscheidung des EuGH stellt fest, dass Art. 167bis Code Gnral des Impts offenbar nicht das Ziel verfolge, allgemein die Besteuerung von Wertsteigerungen sicherzustellen, die whrend des Aufenthaltes eines Steuerpflichtigen in Frankreich bei seinen Vermgensgegenstnden eingetreten sind. Damit stellt sich die alles entscheidende, vom Gerichtshof aber nicht beantwortete Frage, ob die Sicherstellung der Besteuerung von stillen Reserven im Wegzugsfall jede staatliche Maßnahme, insbesondere also die Sofortbesteuerung, rechtfertige. Im Verfahren de Lasteyrie hatte die deutsche Regierung ein derartiges Argument vorgebracht. Dieses wird vom Gericht nicht aufgegriffen, da es der franzsischen Regelung um eine andere Zielsetzung ginge. Daraus kann man aber nicht schließen, dass damit die Sofortbesteuerung gerechtfertigt sei. Allenfalls kann aus der de Lasteyrie Entscheidung, aber dies galt schon seit Futura und Daily-Mail, geschlossen werden, dass es ein legitimes, mit dem Europarecht vereinbartes Ziel ist, die Besteuerung stiller Reserven im Wegzugsfall sicherzustellen. Dieses legitime Ziel muss aber durch geeignete und angemessene Maßnahmen verfolgt werden. Hier ergeben sich dann aber offene Fragen. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass die Besteuerung sofort einsetzt und nur auf Antrag und 137
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unter besonderen Umstnden gestundet werden kann und dass regelmßige Teilbetrge zu entrichten sind. Die Teilbetragszahlung tritt also nicht automatisch ein. Darber hinaus ist grundlegend eine Sicherheitsleistung, d. h. also eine zustzliche Belastung, hinzunehmen. Verußert der Steuerpflichtige die Anteile whrend des Stundungszeitraums, so muss er die ausstehenden Raten sofort entrichten. Dabei wird nicht der tatschlich erzielte Verußerungsgewinn bercksichtigt. Dies kann vor allem dazu fhren, dass, wenn sich der beim Wegzug angenommene fiktive Wert spter nicht verwirklicht hat, die deutsche Besteuerung den gesamten Verußerungsgewinn absorbiert. All dies sind gravierende Hemmnisse, die den Steuerpflichtigen von der Ausbung seiner Niederlassungsfreiheit abhalten knnen, so dass besonders hohe Anforderungen an die Rechtfertigung zu stellen sind. Der mgliche Verlust von Steuereinnahmen scheidet ebenso als Rechtfertigung aus wie die Verhinderung von missbruchlichen Gestaltungen. In Betracht kommt die Kohrenz des Steuersystems in dem Sinne, dass die Steuerpflicht der Wertsteigerungen sichergestellt werden soll. Beiser119 hlt die sterreichische Wegzugsbesteuerung deshalb fr gerechtfertigt, weil sie diesen Zweck ausschließlich und konsequent verfolge. Einige Ungereimtheiten von § 6 AStG sind bereits aufgezeigt worden. Entscheidend scheint, dass die Bundesrepublik Deutschland die Ursache fr die Nichtbesteuerung der stillen Reserven in Anteilen an inlndischen Kapitalgesellschaften nach dem Wegzug des Anteilsinhabers selbst gesetzt hat. Bei Anteilen im Sinne des § 17 EStG hat Deutschland auf die nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG national bestehende Besteuerungsmglichkeit durch den Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen verzichtet. Es hat also das Problem, welches durch die Wegzugsbesteuerung gelst werden soll, erst selbst geschaffen. Bereits in der Wielockx-Entscheidung120 ist die Durchbrechung der Kohrenz des nationalen Steuersystems durch ein Doppelbesteuerungsabkommen zu Lasten des betreffenden Staates ausgeschlagen. In seiner bisherigen Ausgestaltung ist § 6 AStG somit europarechtswidrig.
119 Beiser, StZ 2004, 284. 120 EuGH v. 11. 8. 1995 – Rs. C-80/94 (Wielockx), EuGHE 1995, I-2493.
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2. Wegzug von Kapitalgesellschaften – §§ 11, 12 Abs. 1 KStG Von einem Wegzug einer Kapitalgesellschaft kann man dann sprechen, wenn sie aus der unbeschrnkten Steuerpflicht ausscheidet, sei es, dass sie danach berhaupt nicht mehr, sei es, dass sie beschrnkt steuerpflichtig in Deutschland bleibt. §§ 11, 12 Abs. 1 KStG ordnen die Besteuerung aller stiller Reserven einer Kapitalgesellschaft bei ihrem Ausscheiden aus der unbeschrnkten Steuerpflicht an. Dies kann in vier Fllen121 eintreten: (1) die Gesellschaft hat Sitz und Geschftsleitung im Inland und verlegt beides ins Ausland – Wegzug einer inlndischen Kapitalgesellschaft, (2) die Gesellschaft hat Sitz und Geschftsleitung im Inland und verlegt den Ort ihrer Geschftsleitung ins Ausland – Begrndung von Doppelansssigkeit, (3) die Gesellschaft hat ihren Sitz im Ausland, ihre Geschftsleitung im Inland und verlegt Geschftsleitung ins Ausland – Rckkehr einer auslndischen Kapitalgesellschaft, (4) die Gesellschaft hat ihren Sitz im Inland und ihre Geschftsleitung im Ausland, sie gibt den Sitz im Inland auf – Ende der Doppelansssigkeit. Die steuerrechtliche Beurteilung muss nach diesen denkbaren Situationen getrennt erfolgen. Weitgehende Einigkeit122 besteht immerhin dahingehend, dass im Fall (3), in denen eine im Ausland gegrndete und durch Verlegung ihrer Geschftsleitung ins Inland123 unbeschrnkt steuerpflichtig gewordene Krperschaft (Zuzug) ihre Geschftsleitung ins Ausland verlegt („Rckzug“), weder § 11 KStG, noch § 12 Abs. 1 KStG nicht anwendbar ist. Fr die ab 8. 10. 2004 mgliche Europische Aktiengesellschaft (societas europaea – SE) gilt das Gleiche.124 121 hnlich Knobbe-Keuk, DB 1991, 300; Kessler/Huck/Obser/Schmalz, DStZ 2004, 813 unterscheiden fnf Flle. Die reine Verlegung des Sitzes ins Ausland fhrt aber gesellschaftsrechtlich zur Auflsung, bzw. ist nichtig, Kessler/Huck/Obser/Schmalz, DStZ 2004, 813, 818. 122 Kleinheisterkamp, PIStB 2004, 82; Franz, EuZW 2004, 272; Kessler, DStZ 2004, 819; Kleinert/Probst, DB 2004, 674; Krner, IStR 2004, 431; unklar Schnitger, BB 2004, 809. 123 Bei Zuzug aus einem Land der Grndungstheorie vgl. EuGH in den Urteilen Centros, berseering und Inspire Art (Fn. 83). 124 Die Auswirkungen auf die SE erwgen: Wassermeyer, GmbHR 2004, 617; Franz, EuZW 2004, 272; Kessler, IStR 2004, 481 (4.2); ders./Huck/Obser/ Schmalz, DStZ 2004, 813 (4a); Schn/Schindler, IStR 2004, 571.
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Im Zentrum der Diskussion125 stehen die Wegzugsflle (1) und (2). Sie sind zunchst gegeneinander abzugrenzen. § 11 KStG betrifft an sich den Fall der Liquidation einer Kapitalgesellschaft, die aus der Auflsung und der Abwicklung besteht126. Soweit diese tatschlich erfolgen, wird der grenzberschreitende Fall nichts anders als der innerstaatliche behandelt. § 11 KStG soll jedoch auch auf den Fall der alleinigen Verlegung des Ortes der Geschftsleitung ins Ausland unter Beibehaltung des inlndischen Sitzes anwendbar sein. Wie bereits dargelegt, steht nach h.M. der Beschluss127, die Geschftsleitung ins Ausland zu verlegen, bzw. erst die Verlegung selbst128, einem Beschluss zur Auflsung der Gesellschaft gleich, so dass gesellschaftsrechtlich die Liquidation eingeleitet wird. Daraus folgern manche129, dass die Verlegung des Ortes der Geschftsleitung einer im Inland gegrndeten Gesellschaft zur Besteuerung der stillen Reserven im Betriebsvermgen fhre. Dem ist entgegenzuhalten, dass steuerrechtlich die unbeschrnkte Steuerpflicht fortbesteht, solange die Abwicklung unterbleibt.130 Zudem ist ergnzend darauf zu verweisen, dass die Besteuerung der stillen Reserven bei bloßer Verlegung der Geschftsleitung unverhltnismßig ist, da wegen des fortbestehenden inlndischen Sitzes die unbeschrnkte Steuerpflicht nicht endet.131 Auch verfngt nicht der Hinweis, dass fr die Ansssigkeit einer Kapitalgesellschaft bei der Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen der Ort der Geschftsleitung maßgebend ist und somit nach den Regeln der Abkommen gewisse132 Einknfte im Inland nicht mehr steuerlich erfasst wer-
125 Eicker/Schwind, EWS 2004, 189; Franz, EuZW 2004, 272; Kessler, IStR 2004, 4; ders., DStZ 2004,813; Kleinheisterkamp, PIStB 2004, 89 f.; Krner, IStR 2004, 430; Schnitger, BB 2004, 809; Schn, IStR 2004, 289; Sedemund, DStZ 2003, 412; Wassermeyer, GmbHR 2004, 615. 126 Siehe oben. 127 BGH v. 11. 7. 1957, BGHZ 25, 134 ff. (144). 128 So Hffer, AktG, § 5 Rz. 11. 129 Debatin, GmbHR 1991, 164 ff. (167); Ebenroth/Auer RIW 1992, Beil. zu Heft 3, Rz. 39 ff. 130 Kolbe in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG § 12 KStG Rz. 418; Hofmeister in Blmich, EStG/KStG/GewStG, § 12 KStG Rz. 7; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 12 KStG Rz. 11. 131 Vgl. Wassermeyer, GmbHR 2004, 615, der diese Konstellation unter § 12 Abs. 1 KStG wrdigt und die Begrndung der steuerlichen Doppelansssigkeit annimmt. 132 Alle auslndischen Einknfte und diejenigen, bei denen die Quellenbesteuerung eingeschrnkt oder aufgehoben wird.
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den knnen.133 Auch hier ist nicht der „Wegzug“, sondern das Abkommen urschlich fr diese Wirkung, so dass der Staat selbst die wesentliche Ursache gesetzt hat. § 12 Abs. 1 KStG handelt von der Beendigung der unbeschrnkten Steuerpflicht, setzt somit bei einer in Deutschland inkorporierten Gesellschaft auch die Aufgabe des inlndischen Sitzes voraus. Whrend § 11 KStG die steuerrechtlichen Folgerungen aus einem gesellschaftsrechtlichen Vorgang zieht, hat § 12 Abs. 1 KStG das steuerrechtliche Ziel, das Subjektsteuerprinzip zu verwirklichen, im Auge.134 Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Normen besteht darin, dass § 11 KStG von der tatschlichen Abwicklung und der dabei erfolgten Realisierung stiller Reserven ausgeht, § 12 KStG hingegen den gemeinen Wert der Wirtschaftsgter zur Ermittlung nichtrealisierter stiller Reserven ansetzt, also gleichsam eine fiktive Abwicklung unterstellt. Nach § 12 Abs. 1 KStG werden die stillen Reserven der sowohl im Inland, als auch der im Ausland befindlichen Wirtschaftsgter erfasst. Die Besteuerung der in einer inlndischen Betriebssttte verbleibenden und daher im Inland mit ihren stillen Reserven weiter steuerverhafteten Wirtschaftsgter ist nicht zu rechtfertigen, was von einigen135 als Anlass zu einer teleologischen Reduktion des Wortlauts von § 12 Abs. 1 KStG genommen wird. Andere136 verweisen hingegen auf den eindeutigen Wortlaut, der keine Einschrnkung vorsieht. Diese Argumentation berzeugt jedoch nicht, denn es ist gerade das Wesen der teleologischen Reduktion, dass ein eindeutiger Wortlaut durch sie nicht auf solche Flle angewandt wird, auf die der Sinn und Zweck der Vorschrift nicht zutrifft.137 § 12 Abs. 1 KStG steht schon seit lngerem im Verdacht, gegen die Niederlassungsfreiheit zu verstoßen.138 Dafr lsst sich das Argument
133 Von Knobbe-Keuk, DB 1991, 300 ungenau als „Herausfallen“ aus der unbeschrnkten Steuerpflicht bezeichnet. 134 Gosch/Lambrecht, KStG, § 12 KStG Rz. 3. 135 Knobbe-Keuk, DB 1991, 300; dies., StuW 1990, 378; Lambrecht in Gosch, KStG, § 12 KStG Rz. 8, anders Rz. 41; Hofmeister in Blmich, EStG/KStG/ GewStG, § 12 KStG Rz. 27; Wacht in Ernst & Young, KStG, § 12 KStG Rz. 32; Dtsch, DB 1989, 2296. 136 S. Debatin, GmbHR 1991, 167; Thiel, GmbHR 1994, 278; Mssner/Seeger, KStG § 12 KStG Rz. 18. 137 Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl. 1991, S. 391. 138 Deininger, IStR 2003, 214; Knobbe-Keuk, DB 1991, 298 (300); Saß, IWB F. 11, 409; Stapperfend, FR 2003, 173; Sedemund, DStZ 2003, 412; a. A. Krner, IStR 2004, 430; Schnitger, BB 2004, 809.
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vorbringen, dass von dieser Norm ein Umzug innerhalb Deutschlands nicht erfasst wird, so dass eine Benachteiligung eines Wegzuges ins Ausland vorliegt. Dem ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als dass tatbestandlich dadurch eine Beschrnkung der Niederlassungsfreiheit erfolgt. Doch ist die Europarechtswidrigkeit nicht einfach zu klren, weil sich im Wegzugsfall (2) die steuerrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Aspekte berlagern.139 Insbesondere bedrfen die aus der bereits erwhnten Daily-Mail-Entscheidung140 gezogenen Schlsse, dass die Niederlassungsfreiheit gesellschaftsrechtlich kein freies Wegzugsrecht einer Kapitalgesellschaft unter Wahrung ihrer Identitt begrnde, vielmehr der Grndungsstaat Herr ber die nach seinem Recht gegrndeten Kapitalgesellschaften bleibe, noch der abschließenden Klrung. Folgt man der Ansicht, dass § 12 Abs. 1 KStG keine Aufdeckung der stillen Reserven in weiterhin der inlndischen Besteuerung unterliegenden Gegenstnden verlangt, so geht es nur noch darum, dass die wegziehende Kapitalgesellschaft im Ausland belegenes Vermgen oder inlndisches Vermgen besitzt, das durch die Beendigung der unbeschrnkten Steuerpflicht aus der deutschen Besteuerung ausscheidet141. Die Sofortbesteuerung der stillen Reserven stellt in diesen Fllen sicher eine Behinderung der Beendigung der Niederlassung in Deutschland dar. Auch die Beendigung einer Niederlassung wird von der Niederlassungsfreiheit garantiert.142 Soweit das innerstaatliche Steuerrecht die Nichtbesteuerung von inlndischen Einknften im Rahmen der beschrnkten Steuerpflicht vorsieht oder dieser Effekt wegen eines Doppelbesteuerungsabkommens eintritt, kann die Kohrenz nicht als Rechtfertigung dienen.143 Hinsichtlich auslndischer Gegenstnde ist zu bedenken, dass diese auch vor dem Wegzug nicht uneingeschrnkt dem deutschen Steuerzugriff unterliegen. Entweder wird die auslndische Steuer nach § 34c EStG angerechnet oder es erfolgt eine Freistellung der auslndischen Einknfte aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens. Da die Aufgabe der Ansssigkeit in Deutschland im Ausland keinen Realisationsgrund darstellt, wrde eine deutsche Besteuerung ohne Bercksichtigung der latenten auslndischen Steuern ungerechtfertigt sein, so dass zumindest ein Weg zur Anrechnung der auslndischen Steuern bei 139 Hierzu eingehend Kessler/Huck/Obser/Schmalz, DStZ 2004, 813. 140 EuGH v. 27. 9. 1988 – C-81/87 – Daily Mail, EuGHE 1988, I-5500. 141 Sei es kraft nationalen Rechts, z. B. § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG – Darlehen, oder kraft eines DBAs. 142 Streinz, EUV/EVG, Art. 43 Rz. 11. 143 A. A. Franz, EuZW 2004, 272.
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spterer Realisation erffnet werden muss. Problematisch ist die Wegzugsbesteuerung, wenn die Kapitalgesellschaft Anteile an einer auslndischen Kapitalgesellschaft hlt. Hier kme es im Ergebnis zur Besteuerung gem. § 8b Abs. 2 und 3 KStG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 KStG, whrend bei natrlichen Personen § 6 AStG Anteile an auslndischen Kapitalgesellschaften nicht bercksichtigt. Damit gibt der deutsche Gesetzgeber zu erkennen, dass eine entsprechende Besteuerung stiller Reserven beim Wegzug nicht von ihm konsequent vorgenommen wird. Auch insoweit ist somit fehlende Kohrenz des deutschen Steuersystems festzustellen. Unabhngig davon, ob es ein gemeinschaftliches Recht auf identittswahrende Sitzverlegung aus dem Grndungsstaat gibt, belegen diese Erwgungen, dass gegen die Regelung von § 12 Abs. 1 KStG eine Reihe von grundlegenden Bedenken bestehen. Fr die eingangs vorgestellten Flle bedeutet dies im Ergebnis: – Fall (1) – Wegzug: trotz § 12 Abs. 1 KStG keine Besteuerung der stillen Reserven in den im Inland verbleibenden Gegenstnden und in Anteilen an auslndischen Kapitalgesellschaften, im brigen Bercksichtigung der latenten auslndischen Steuern, – Fall(2) – Begrndung von Doppelansssigkeit: nach § 11 KStG ist auch die Abwicklung erforderlich, vorher keine Besteuerung, – Fall (3) – „Rckzug“: § 12 Abs. 1 KStG verstßt bei Sofortbesteuerung gegen die Niederlassungsfreiheit, – Fall (4) – Ende der Doppelansssigkeit: hier wird die in Fall (2) begrndete Situation mit dem Ergebnis von Fall (1) fortgesetzt. 3. Verlagerung von Betriebssttten – § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG Dass die Aufgabe einer inlndischen Betriebssttte eines Nichtansssigen durch die Niederlassungsfreiheit geschtzt ist, wird nicht bestritten144. Dann stellt aber § 12 Abs. 2 KStG in der Alternative der Betriebsstttenverlagerung145 ins Ausland eine Behinderung derselben dar, da
144 Streinz, EUV/EGV, Art. 43 Rz. 11. 145 Die Auflsung fhrt zur Realisation, wenn einzelne Wirtschaftsgter verußert werden, gemeint sein kann daher nur der Fall der „Schrumpfung“, vgl. Lambrecht in Gosch, KStG, § 12 KStG Rz. 76, bzw. der berfhrung einzelner Wirtschaftsgter der Betriebssttte ins Ausland, Wacht in Ernst & Young, KStG, § 12 KStG Rz. 68.
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das Unternehmen als Einheit verstanden wird und die Verlagerung ins Ausland eine „Innentransaktion“ darstellt.146 Auch wenn es selten sein drfte, dass im beweglichen Betriebsvermgen einer inlndischen Betriebssttte, das ins Ausland verbracht wird, latente Wertsteigerungen enthalten sind, entbindet dies nicht davon, danach zu fragen, ob es ein milderes, ebenso geeignetes Verfahren zur Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven gibt als die Sofortbesteuerung. Bleibt nach der Auflsung oder Verlegung der inlndischen Betriebssttte im Inland besteuerbares Substrat zurck, so lsst sich die Sofortbesteuerung nicht rechtfertigen, selbst dann nicht, wenn Deutschland in einem DBA seine Besteuerungsmglichkeiten aufgegeben hat. Als Beispiel wre etwa daran zu denken, dass Beteiligungen an inlndischen Kapitalgesellschaften147 zum Vermgen der inlndischen Betriebssttte gehren. Auch wenn die Betriebssttte aufgelst wird, bleiben die Anteile im Inland steuerverhaftet. Ein anderes Beispiel sind von der Betriebssttte genutzte Gebude, die anschließend vermietet werden. Ein etwaiger Verußerungsgewinn ist gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG zu versteuern. Erwirbt die inlndische Betriebssttte einer auslndischen Kapitalgesellschaft Betriebsvermgen oder wurde solches ihr vom auslndische Stammhaus zugefhrt und berfhrt sie dieses ins auslndische Stammhaus, so erlischt in der Tat mit der Verbringung ins Ausland der deutsche Steuerzugriff auf die stillen Reserven in diesem Vermgen. Wird dieses Vermgen im Ausland dann verußert, hat Deutschland keine Mglichkeit, auf diesen Verußerungsgewinn zuzugreifen. Letztmglicher Besteuerungszeitpunkt ist daher der Moment des Verlassens der deutschen Steuerhoheit. Man denke nur an den Fall, dass das auslndische Unternehmen im Inland alles aufgibt. Die deutsche Finanzverwaltung hat dann weder faktisch, noch rechtlich die Mglichkeit, bei einer danach erfolgenden Verußerung im Ausland einen Gewinn zu besteuern. Dies spricht fr eine Sofortbesteuerung beim Verlassen der deutschen Steuerhoheit, obgleich bei einer rein innerstaatlichen Betriebsstttenverlagerung keine derartige Besteuerung eingreift.148 Denkbar wre eine Rechtfertigung der Sofortbesteuerung zur Missbrauchsverhinde-
146 Ebenso Wassermeyer, GmbHR 2004, 616. 147 Wenn auch Verußerungsgewinne – wie vorher – nach § 8b Abs. 2 und 3 KStG besteuert werden, bzw. gem. DBA steuerfrei sind. 148 Siehe Lambrecht in Gosch, KStG, § 12 KStG Rz. 76: Verlegung im Inland nicht Auflsung.
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rung, wenn ein Gegenstand des inlndischen Betriebsstttenvermgens ins Ausland verbracht und dort kurzfristig verußert wird.149 4. bertragung von Betriebssttten – § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG berrascht deshalb, weil die bertragung des Vermgens einer Betriebssttte auf einen anderen einen Rechtstrgerwechsel bedeutet und somit einen Realisationstatbestand darstellt, so dass die stillen Reserven sowieso besteuert werden. § 12 Abs. 2 Satz 2 hat dann nur klarstellende Bedeutung.150 Dies ist klar erkennbar, wenn die Betriebssttte an einen anderen Auslnder oder einen Inlnder verußert wird. Daher spricht einiges dafr, dass diese Norm Flle im Auge hat, bei denen die bertragung einer Betriebssttte zum Buchwert erfolgen kann. Dabei drfte es sich vor allem um Flle der Einbringung der Betriebssttte in eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft gem. §§ 20, 24 UmwStG handeln. Fr diese sieht aber § 12 Abs. 2 Satz 3 KStG ausdrcklich den Vorrang des UmwStG vor.151 Erfolgt die Einbringung in eine Kapitalgesellschaft, so hngt die Buchwerteinbringung gem. § 20 Abs. 3 und § 21 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG von der steuerlichen Verhaftung der erhaltenen Anteile ab. Gem. § 24 UmwStG ist jedoch die Einbringung in eine Personengesellschaft mglich.152 Fr einen Verschmelzungvorgang153 im Ausland sieht § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG ausdrcklich eine Ausnahme vor.154 So fragt man sich, was der eigentliche Anwendungsbereich der Norm ist. Dies knnen Flle des unentgeltlichen155 bergangs der Betriebssttte und des Formwechsels der auslndischen Kapitalgesellschaft oder
149 Probleme der praktischen Umsetzung verbleiben, wenn im Inland keine Betriebssttte verbleibt. 150 Wacht in Ernst & Young, KStG, § 12 KStG Rz. 73; Frotscher, KStG, § 12 KStG Rz. 24. 151 Betroffen sind §§ 20 Abs. 3, 23 Abs. 2 UmwStG, vgl. Lambrecht/Heger in Gosch, KStG, § 12 KStG Rz. 96; detaillierte Darstellung bei Dtsch/Eversburg/Jost/Witt, Die Krperschaftsteuer, § 12 KStG Rz. 42 ff. 152 Schmitt/Hrtnagel/Strutz, UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 91; Haritz/Benkert, UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 35; Wittmann/Meyer, UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 87. 153 Hierzu s. Lambrecht in Gosch, KStG, § 12 KStG Rz. 87. 154 Nach Dieterlen/Schaden, IStR 1999, 1 bezieht sich dies nur auf § 23 UmwStG. 155 Lambrecht in Gosch, KStG, § 12 KStG Rz. 84; Wacht in Ernst & Young, KStG, § 12 KStG Rz. 73.
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andere Restrukturierungen156 im Ausland sein. Da in der Regel in vergleichbaren nationalen Situationen eine Buchwertbertragung mglich ist und die im inlndischen Betriebsvermgen enthaltenen stillen Reserven nicht der inlndischen Steuerverhaftung entzogen werden, ist dann eine Besteuerung europarechtlich nicht zu rechtfertigen. Knobbe-Keuk sprach157 sich fr eine generelle teleologische Reduktion der Vorschrift mit dem Argument aus, dass aus deutscher Sicht die steuerliche Verhaftung des Betriebsstttenvermgens sich nicht dadurch ndere, dass im Ausland ein anderer Rechtstrger an die Stelle des alten trete. Dieser Einwand wre zutreffend, wenn das deutsche Recht diesen Gedanken zum Prinzip erhbe und insoweit das Realisationsprinzip außer Kraft setzte. Davon kann aber keine Rede sein, da der Wortlaut keinen Anhalt fr ein derartiges Verstndnis gibt. Die Auffassung158, § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG meine auch den Fall des Zuzuges einer auslndischen Kapitalgesellschaft mit einer inlndischen Betriebssttte durch Hineinverlegung des Ortes der Betriebssttte, ist aufgrund der EuGH-Rechtsprechung nicht mehr haltbar.159 5. berfhrung von Wirtschaftsgtern ins Ausland – Betriebssttten und § 6 Abs. 5 EStG § 6 Abs. 5 EStG ordnet einen Buchwertbergang einzelner Wirtschaftsgter bei der berfhrung von einem Betriebsvermgen in ein anderes Betriebsvermgen desselben Steuerpflichtigen an. Die wohl h. M.160 sieht in der berfhrung eines Wirtschaftsgutes aus dem inlndischen Stammhaus in dessen auslndische Betriebssttte einen derartigen Fall. Dies wrde aber voraussetzen, dass das Betriebsvermgen des Stammhauses im Inland und dasjenige der Betriebssttte unterschiedliche Be-
156 Beispiele vgl. Lambrecht in Gosch, KStG, § 12 KStG Rz. 88, der die Ergebnisse in Rz. 85 zu Recht als „systematisch fragwrdig“ kennzeichnet. 157 Knobbe-Keuk, StuW 1990, 372; dies., DB 1991, 302. 158 Baranowski, IWB F. 3 Gr. 4 S. 331; Oppermann, DB 1988, 1469; Ebenroth/ Daiber, Dual-Resident Companies Under German Law, ET 1990, 175; Debatin, GmbHR 1991, 164. 159 Ebenso Wacht in Ernst & Young, KStG, § 12 KStG Rz. 76; Dtsch in Dtsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Krperschaftsteuer, § 12 KStG Rz. 47. 160 Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Rz. 1449e; Ehmcke in Blmich, EStG/KStG/GewStG, § 6 EStG Rz. 1291; a. A. Pfaar, IStR 2000, 46; Buciek, DStZ 2000, 638; dem folgend Glanegger in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 6 EStG Rz. 513.
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triebsvermgen sind. Dies ist jedoch nicht der Fall, da auch die Wirtschaftsgter der auslndischen Betriebssttte in der Bilanz des Stammhauses gefhrt werden, folglich Bestandteil eines einheitlichen Betriebsvermgens sind161. Ist mit dem Staat der Betriebssttte kein DBA abgeschlossen oder wurde in einem Abkommen ausnahmsweise die Anrechnungsmethode vereinbart, so entspricht dies allgemeiner Ansicht. Durch die Notwendigkeit der Abgrenzung des Gewinnes von Stammhaus und Betriebssttte ndert sich daran jedoch im Prinzip nichts. Nach der in Betriebssttten-Verwaltungsgrundstzen geußerten Rechtsansicht162 der Finanzverwaltung soll es jedoch anders sein, wenn das DBA die Betriebsstttenergebnisse freistellt. Nur im Billigkeitswege will die Verwaltung die Methode der aufgeschobenen Gewinnverwirklichung anwenden. Damit verkennt sie grundlegend die Wirkungsweise des DBA. Art. 7 OECD-MA befreit die der Betriebssttte zuzuordnenden Gewinne von der inlndischen Steuer, ndert aber nichts an der Tatsache, dass die Betriebssttte Teil des Vermgens des Stammhauses ist.163 Es ist der Gewinn zu ermitteln, den die Betriebssttte als eigenstndiges Unternehmen erzielt htte. Ausgangspunkt ist damit die Erzielung von Einknften mittels Marktteilnahme durch die Betriebssttte. Das hierbei erzielte Ergebnis ist auf Stammhaus und Betriebssttte je nach ihrem Beitrag aufzuteilen. Diese Sichtweise lsst sich als Einheitstheorie oder Realisationstheorie164 bezeichnen. Ihr steht die von Becker165 und Kroppen166, zunehmend auch von der 6. Working Party des Steuerausschusses der OECD167 favorisierte Trennungstheorie gegenber. Die Finanzverwaltung folgt ihr grundstzlich, macht aber aus Billigkeitsgrnden Ausnahmen – Gndigkeitstheorie.
161 Buciek, DStZ 2000, 637, vgl. Kleineidam, IStR 2000, 577. 162 BStBl. I 1999, 1076 – Tz. 2.6. 163 Heinsen in Lwenstein/Looks, Betriebsstttenbesteuerung, Mnchen 2003, Rz. 342; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen, Herne 1978, S. 104 f.; Hemmelrath in Vogel/Lehner, DBA, Art. 7 Rz. 82; Buciek, DStZ 2000, 638. 164 Vgl. Hemmelrath in Vogel/Lehner, DBA, Art. 7 Rz. 79 m. w. N. 165 Becker, EStZ 1971, 100; ders., DB 1989, 10; ders., DB 1990, 392; ders., Gewinnermittlung bei Betriebssttten in Festschrift Debatin, Mnchen 1997, S. 25. 166 Kroppen in Becker/Hppner/Kroppen, DBA, Art. 7 Rz. 108. 167 Vgl. Hemmelrath in Vogel/Lehner, DBA, Art. 7 Rz. 87; vgl. OECD, Discussion draft on the attribution of profits to permanent establishment – Part I (2. August 2004), S. 10: „functional separate entity approach; S. 40 ff.
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Die Unterschiede zeigen sich an folgendem Beispiel: Man nehme an, das Stammhaus im Inland habe einen Gegenstand im Jahre 2002 mit Kosten von 100 hergestellt, dessen Zeitwert im Augenblick der berfhrung im Jahre 2003 in die auslndische Betriebssttte 120 betrgt. Verußert die Betriebssttte im Jahre 2004 den Gegenstand fr 150, so realisiert nach allen drei Theorien das Stammhaus dann 20 und die Betriebssttte 30. Was aber ist die Folge, wenn der Gegenstand im Jahre 2004 untergeht oder vollstndig an Wert verliert? Dann wrde das Stammhaus nach der Trennungs- und Gndigkeitstheorie ebenfalls einen Gewinn von 20 versteuern und die Betriebssttte aber einen Verlust von 120 erleiden, so dass als Saldo ein Verlust von 100 brig bliebe. Rein rechnerisch aus Sicht des Gesamtunternehmens fhrt dies zutreffend zu einem Verlust von 100, aber nicht in der Aufteilung auf die beteiligten Staaten. Das Stammhaus hat den Gegenstand zu 100 hergestellt. Durch den Untergang erweist sich diese Herstellung als misslungen, so dass das Stammhaus den Verlust von 100 zu tragen hat. Nur dies ist ein rechtlich und wirtschaftlich sinnvolles Ergebnis.
Somit ergibt sich, dass weder die bereits oben (unter IV. 1.) abgelehnten Theorien eines allgemeinen Entstrickungsgrundsatzes oder der finalen Entnahmetheorie, noch die Methode der aufgeschobenen Gewinnverwirklichung im Verstndnis der Finanzverwaltung mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sind, soweit sie zur Besteuerung eines nichtrealisierten Gewinnes im Inland gelangen.168 6. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft und Verschmelzungen – §§ 11, 20, 21 UmwStG Im Umwandlungssteuerrecht wird bei der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft gem. § 20 UmwStG die Buchwertbertragung davon abhngig gemacht, dass die einbringungsgeborenen Anteile hinsichtlich eines etwaigen Verußerungsgewinnes dem „Besteuerungsrecht“ Deutschlands unterworfen sind (§§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG). Darin kommt das Prinzip der Verdoppelung der stillen Reserven bei Einbringungen zum Tragen.169 Dessen europarechtliche Problematik zeigt sich bei folgendem Beispiel:
168 Ebenso Beiser, StZ 2004, 286; Kleinheisterkamp, PIStB 2004, 90; vielleicht auch Kramer, IStR 2000, 450 f.; Wassermeyer, GmbHR 2004, 616; Kessler, ISTR 2004, 841; Krner, IStR 2004, 429; Meilicke, GmbHR 2004, 511 f.; Schnitger, BB 2004, 811 f. 169 Hierzu vgl. Sagasser/Bula, Umwandlungen, Mnchen 1995, S. 191; Thiel, nderungen im Umwandlungssteuerrecht – Einbringung von Unternehmensteilen, Anteilstausch, Fusion, Spaltung, StbJb. 1991/92, 43; Luckey, DB 1981, 389.
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Mssner, Wegzugsbesteuerung Eine auslndische Kapitalgesellschaft bringt ihre inlndische Betriebssttte in eine inlndische oder auslndische Kapitalgesellschaft gegen Gewhrung von Anteilen an der aufnehmenden Gesellschaft ein. Vor der Einbringung waren die stillen Reserven des Betriebsstttenvermgens in gleicher Weise dem deutschen „Besteuerungsrecht“ unterworfen wie nach der Einbringung, lediglich der Rechtstrger hat sich gendert.
Offenbar befrchtet der deutsche Gesetzgeber, dass die Einbringung der Betriebssttte dazu genutzt werden kann, dass sich die auslndische Gesellschaft ohne inlndische Steuer aus dem Inland zurckzieht, wenn sie nach der Einbringung die erworbenen Anteile verußert und mit diesem Gewinn nicht der deutschen Besteuerung unterliegt. Mag diese Betrachtungsweise unter Geltung des krperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens berechtigt gewesen sein,170 so wird sie bei Geltung von § 8b Abs. 2 KStG fragwrdig, auch wenn § 8b Abs. 4 Nr. 1 KStG eine Ausnahme von der Steuerfreiheit fr einbringungsgeborene Anteile vorsieht. Allerdings gilt dies nur fr sieben Jahre nach der Einbringung, whrend §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 2 UmwStG keine derartige Karenzfrist vorsehen, sondern eine Sofortbesteuerung anordnen. § 11 Abs. 1 UmwStG wird nur dann bedeutsam, wenn man171 entgegen der h. M.172 eine Verschmelzung einer unbeschrnkt steuerpflichtigen auf eine beschrnkt steuerpflichtige Krperschaft zulsst. Nur dann kann es dazu kommen, dass stille Reserven in dem bergehenden Vermgen nicht mehr der deutschen Krperschaftsteuer unterliegen. Denkbar ist dies nur fr auslndisches Vermgen, welches in der Regel aber auch bereits vorher nicht der deutschen Besteuerung unterlegen hat173, oder fr Anteile an Kapitalgesellschaften.174
170 Vgl. Wassermeyer, GmbHR 2004, 615. 171 Wie Mayer in Widmann, UmwStG, § 1 UmwStG Rz. 44. 172 Haritz/Benkert/Brwaldt, UmwStG, § 11 UmwStG Rz. 4; Schmidt/Hrtnagel/Stratz, UmwStG, § 11 UmwStG Rz. 15; Dtsch in Dtsch/Eversberg/ Jost/Witt, Die Krperschaftsteuer, UmwStG vor §§ 11 – 13 n. F. Rz. 30; mglicherweise auch Tz. 01.03 UmwSt-Erlass 1998, vgl. Dehmer, Umwandlungssteuererlass 1998, S. 31. 173 Und deshalb sowieso unbercksichtigt bleibt, Haritz/Benkert/Brwaldt, UmwStG, § 11 UmwStG Rz. 16 m. w. N. 174 Vgl. o. zu VII 2.
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VIII. Gemeinschaftskonforme Lsungsmglichkeiten 1. de Lasteyrie: Sicherstellung: ja – sofortige Besteuerung: nein? Wassermeyer175 hat aus der de-Lasterie-Entscheidung die Folgerung gezogen, dass beim Wegzug die sofortige Besteuerung der stillen Reserven unzulssig, deren Sicherstellung mit dem Ziel, sie im Falle spterer Realisation zu versteuern, hingegen zulssig sei. Nach den vorstehenden Erwgungen ergibt sich ein noch weiter ausdifferenziertes Bild: (1) Stille Reserven in weiterhin der inlndischen Besteuerung unterliegenden Gegenstnden geben beim Wegzug berhaupt keine Veranlassung fr irgendeine steuerliche Maßnahme, d. h. auch nicht zur Sicherstellung. Ein Wegzug beispielsweise in ein Land, mit dem kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, ist folglich wegen des Fortbestehens der beschrnkten Steuerpflicht in § 6 AStG auszunehmen. hnliche Einschrnkungen hinsichtlich des im Inland verbleibenden Vermgens sind bei § 12KStG vorzunehmen. (2) Fhrt der Wegzug zum Wechsel von unbeschrnkter zu beschrnkter Steuerpflicht, kann aber gleichwohl wegen der Regeln eines DBA, z. B. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA, keine Quellenbesteuerung erfolgen, so ist nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH keine Rechtfertigung der Beschrnkung von Niederlassungsfreiheit, Freizgigkeit und Kapitalverkehrsfreiheit unter dem Gesichtspunkt der Kohrenz mglich. (3) Nehmen DBA176 auf die Wegzugsbesteuerung Bezug, so verpflichten sie den Zuzugsstaat bei der Ermittlung eines spteren Verußerungsgewinns vom gemeinen Wert im Zuzugszeitpunkt auszugehen. Zugleich erkennen sie das Recht des Wegzugsstaates an, beim Ansssigkeitswechsel einen Vermgenszuwachs zu besteuern.177 Dass diese Regelungen die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG und § 31 Abs. 2 Nr. 2 EStG „vor Augen“ haben,178 liegt auf der Hand, kann aber keine europarechtliche Rechtfertigung liefern.179 Ein Ausweg 175 Wassermeyer, GmbHR 2004, 613. 176 Art. 13 Abs. 5 Finnland 1979, Art. 13 Abs. 7 Finnland Entwurf, Prot. Nr. 12 Italien, Art. 13 Abs. 6 sterreich, sowie geplant mit Tschechien. 177 So Art. 13 Abs. 6 DBA-sterreich. 178 So Lang/Stefaner in Debatin/Wassermeyer, DBA sterreich Art. 13 Rz. 13. 179 ber die Bindung auch der DBA an das Gemeinschaftsrecht vgl. Scherer, Doppelbesteuerung und Europisches Gemeinschaftsrecht, Mnchen 1995, S. 107 ff.; Lehner, IStR 2001, 329; ders., EU-Recht und die Kompetenz zur Beseitigung der Doppelbesteuerung, in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Dop-
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knnte darin bestehen, aus dieser Sonderregelung durch europarechtskonforme Interpretation herzuleiten, dass der Wegzugsstaat entgegen Art. 13 Abs. 5 DBA sein Besteuerungsrecht, allerdings auf den in seinem Staatsgebiet bis zum Wegzug eingetretenen Vermgenszuwachs beschrnkt, bei einer Verußerung nach dem Wegzug ausben kann. (4) Eine Rechtfertigung der Besteuerung der stillen Reserven unter dem Aspekt der Kohrenz setzt berhaupt voraus, dass der Grundsatz der steuerlichen Erfassung der whrend der Zugehrigkeit eines Gegenstandes zum innerstaatlichen „Besteuerungsrecht“ entstandenen Wertzuwchse konsequent verwirklicht ist. Dies setzt eine Korrektur von § 17 EStG, §§ 11, 20 Abs. 3, 21 Abs. 2 UmwStG, §§ 6 Abs. 5, 16 Abs. 3 EStG voraus. (5) Bei der inlndischen Besteuerung von durch den Wechsel von unbeschrnkter zu beschrnkter Steuerpflicht ausscheidenden Gegenstnden im Ausland kommt eine Wegzugsbesteuerung nur in Betracht, wenn die stillen Reserven auch zur Zeit der unbeschrnkten Steuerpflicht im Inland bei einer Realisation htten besteuert werden knnen. An erster Stelle muss somit eine konsequente Verwirklichung der Besteuerung der Prinzipien der Besteuerung stiller Reserven stehen. Hierzu muss auch Art. 13 Abs. 5 OECD-MA gendert werden. Eine solche Regelung lsst sich nur als eine einheitliche in Europa vorstellen. Da alle Staaten der Gemeinschaft sich den gleichen Problemen gegenbersehen, drften einem Konsens keine unberwindbaren Hindernisse im Wege stehen. Dieser knnte zu einer Revision aller DBA zwischen den Mitgliedsstaaten fhren. Einfacher wre jedoch eine EU-Richtlinie, etwa im Rahmen der Regelung der Sitzverlegung, wie sie in Ergnzung der Fusionsrichtlinie180 fr die Societas Europeae in Art. 10a ff. bereits vorgeschlagen ist. Da der bloße „Wegzug“ in Europa kein hinreichender Grund ist, ohne Realisation die stillen Reserven zu besteuern, muss ein Weg gefunden werden, dass bei der Realisation eine Aufteilung der stillen Reserven auf die beteiligten Staaten erfolgt. Auch die IFA hat 1986 als zweites Element die aufgeschobene Besteuerung vorgeschlagen, da der Wechsel pelbesteuerungsabkommen und EU-Recht, Wien 1996, S. 11; Birk, Wegzugsbesteuerung und Europarecht, FS fr Klaus Offerhaus, Steuerreform 1999, S. 163. 180 ABl. C 96 v. 21. 4. 2004, S. 5, KOM (2003) 613 v. 17. 10. 2003.
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ber die Grenze nicht als Realisationstatbestand tauge. Fehlende Liquiditt auf Seiten des Steuerpflichtigen mangels Realisation wie die Gefahr der Besteuerung von berhaupt nicht erzielten Gewinnen sprechen vor allem dagegen. Doch reicht dies nicht aus. Es muss auch sichergestellt sein, dass der Wegzugsstaat im spteren Realisationszeitpunkt noch besteuern kann. Dies ist kein Problem, wenn der Wegziehende noch insoweit der unbeschrnkten181 oder beschrnkten Steuerpflicht unterliegt. Ist jedoch der Steuerpflichtige beispielsweise im Staat X lngere Zeit ansssig und hlt whrend dieser Zeit Aktien einer in Y ansssigen Gesellschaft, so kann der Staat X nach dem Wegzug nur auf etwaige Verußerungsgewinne dieser Aktien steuerlich zugreifen, wenn er eine erhebliche Erweiterung der beschrnkten Steuerpflicht vornimmt. In den spteren Jahren fehlt eine aktuelle Inlandsverbindung, so dass wie bei Arbeitnehmern an den zurckliegenden Sachverhalt anzuknpfen wre. Geschieht nicht eine derartige Ausweitung und legt der Staat Y seiner Besteuerung den Wert im Zuzugszeitpunkt zugrunde, so bliebe ein Teil der Wertsteigerungen unbesteuert. Setzt man den Besteuerungszeitpunkt auf den Augenblick der Realisation fest, so muss das dann eintretende Ergebnis auch tatschlich aufgeteilt werden. Der Maßstab der Teilung knnte pauschal nach der zeitlichen Zuordnung oder genauer nach arm's-length-Aspekten erfolgen. Doch bleibt offen, auf welcher Basis X besteuern knnte, da weder eine beschrnkte noch eine unbeschrnkte Steuerpflicht besteht, wenn der Realisationsvorgang sich nicht in seinem Staatsgebiet ereignet. 2. Verfahrensrechtliche Mglichkeiten Dies fhrt zu der Frage, wie der Wegzugsstaat sein Besteuerungsrecht dann noch ausben kann, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Realisation nicht mehr seiner Besteuerung unterliegt. Hierzu lassen sich drei Lsungen vorstellen: (1) Es wird ein Steuertatbestand des Inhalts geschaffen, dass latente Vermgenswertsteigerungen eines Gegenstandes in dem Staat besteuert werden, dessen Besteuerungsrecht der Gegenstand whrend der Zeit der Steigerung unterlegen hat. hnlich wie es bei Art. 15 Abs. 1 OECD-MA nicht darauf ankommt, wann Lohn oder Gehalt 181 Im Fall der Doppelansssigkeit, die entsprechend der tie-breaker-rule zur Ansssigkeit im Zuzugsstaat fhrt.
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gezahlt werden182, sondern nur darauf, dass sie die Gegenleistung fr eine in einem Staat erbrachte Dienstleistung darstellen, knnte in vergleichbarer Weise im Zeitpunkt der Realisation die Besteuerung einsetzen. Dem knnte das Urteil des BFH vom 19. 12. 2001183 entgegenstehen. In ihm hatte das Gericht fr die Frage, ob Gehalt fr eine im Ausland geleistete Ttigkeit im Inland besteuert wird, nicht auf die unbeschrnkte Steuerpflicht im Zeitpunkt der Leistung der Arbeit, sondern im Zeitpunkt der Zahlung abgestellt, so dass das Erzielen in § 2 Abs. 1 EStG den Zeitpunkt des Zuflusses der Einknfte meint. Hierzu beruft sich das Gericht auf die Formulierung in § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG: „ausgebt worden ist“. Wre dies eine zutreffende Interpretation, so knnten unbeschrnkt Steuerpflichtige leicht der Besteuerung im Inland fr eine Auslandsttigkeit dadurch entgehen, dass sie sich das Gehalt oder den Lohn nach Verlegung ihrer Ansssigkeit ins Ausland auszahlen lassen.184 (2) Die Steuer wird im Wegzugszeitpunkt festgesetzt, aber nicht erhoben, sondern zinslos bis zur Realisierung gestundet (Festsetzungslsung). Die Bemessungsgrundlage ist in diesem Fall die fiktive Vermgenswertsteigerung im Wegzugszeitpunkt, die nach den dann geltenden Regeln – vor allem Steuersatz – besteuert wird. (3) Nicht die Steuer, sondern der Betrag der latenten Wertsteigerung wird im Wegzugszeitpunkt festgestellt (Feststellungslsung). Die Feststellung knnte so erfolgen, wie dies in § 8 der VO ber die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 19. 12. 1986185 fr den bergang eines Betriebs zur Liebhaberei vorgesehen ist. Der nderung des rechtlichen Gesichtspunktes, der dazu fhrt, dass zuknftige Wertsteigerungen in die Privatsphre fallen, wrde dem Wegzugsfall entsprechen, da ebenfalls zuknftige Wertsteigerungen nicht mehr im Inland, sondern nur im Ausland erfasst werden. Der so festgestellte Betrag wrde nach den im Zeitpunkt der Realisation geltenden Regeln besteuert. 3. Praktische Probleme Der entscheidende Unterschied zwischen den Mglichkeiten besteht darin, dass sich die Hhe der Bemessungsgrundlage und der Steuersatz 182 183 184 185
Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, Art. 13 Rz. 34. BFH v. 19. 12. 2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302. Vgl. kritisch bereits Mssner, RIW 2002, 433. BStBl. I 1987, 2.
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bei der Festsetzung nach den Verhltnissen beim Wegzug, bei der Feststellung die Bemessungsgrundlage nach dem Wegzugszeitpunkt, im brigen nach dem Realisationszeitpunkt und bei der spteren Besteuerung insgesamt nach dem Realisationszeitpunkt richten. Gegen die Festsetzungslsung spricht, dass gleichsam alles beim bestehenden Zustand bleibt, lediglich die Steuer zeitweise nicht erhoben wird. Der Wegzug selbst bewirkt die Tatbestandserfllung. Dies hat zur Folge, dass alle spteren Vernderungen unbercksichtigt bleiben. Dies gilt fr den Steuersatz, der durch sptere Erhhung oder Senkungen nicht beeinflusst wird. Außerdem wird die Steuer auch dann fllig, wenn die sptere Verußerung nicht zu einem Gewinn in entsprechender Hhe, vielleicht sogar zu einem Verlust, gefhrt hat. Daher wrde sich bei dieser Vorgehensweise ein Unterschied zu einem rein innerstaatlichen Sachverhalt ergeben, der der Rechtfertigung bedrfte, da er zweifelsohne geeignet ist, den Wegzug zu behindern. Die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ermglicht die Bercksichtigung spterer Steuerrechtsnderungen. Allerdings reicht eine Festsetzung nach § 180 Abs. 1 AO als gesetzliche Grundlage einer Besteuerung nicht aus, da dann zwar die Bemessungsgrundlage festgestellt, nach dem Wegzug im Realisationszeitpunkt aber keine Steuerpflicht mehr besteht. Eine Ergnzung von § 49 Abs. 1 EStG wre erforderlich. Dadurch, dass die Festsetzung endgltig die Besteuerungsgrundlagen festlegt, stellt sich ebenso die Frage des Einflusses spterer Wertminderungen. Solange der spter realisierte Gewinn hher ist als der per Festsetzung beim Wegzug festgehaltene Wert der stillen Reserven, ergeben sich keine Probleme. Liegt jedoch der tatschliche Gewinn unterhalb des festgesetzten Betrages, so ist zu vermuten, dass nachtrgliche Entwicklungen zu einem Verschwinden der vorhandenen stillen Reserven gefhrt haben. Man kann den Standpunkt vertreten, dass dies eine Angelegenheit des Zuzugsstaates sei, der einen entsprechenden Verlust steuerlich zu bercksichtigen habe. Hierzu knnte es wirklich kommen, wenn dieser den Wert im Zuzugszeitpunkt zugrunde legt. Fr den Steuerpflichtigen wrde dann die Besteuerung des – frher festgestellten – Gewinns im Wegzugsstaat und die Verlustbercksichtigung im Zuzugsstaat im Wege der Saldierung zu einem zutreffenden – jedenfalls rechnerisch zutreffenden – Ergebnis fhren. Sachlich ist dieses Ergebnis jedoch nicht richtig, jedenfalls nicht in allen Situationen. Man stelle sich folgenden Fall vor: 154
Mssner, Wegzugsbesteuerung A ist Aktionr der D-AG zu 15%. Er verlegt 2003 seinen Wohnsitz nach sterreich. Unter Zugrundelegung des Zeitwerts der Aktien wird eine latente Wertsteigerung in Hhe von 1 Mio. Euro festgestellt. Im Jahre 2009 verußert A die Aktien, deren Wert in diesem Zeitpunkt den ursprnglichen Anschaffungskosten entspricht, weil es in Deutschland eine schwerwiegende Wirtschaftskrise gibt und A sein Engagement in Deutschland beenden will, ehe er noch mehr verliert.
Wie kann man erklren, dass sterreich einen Verlust von 1 Mio. Euro steuerlich tragen soll und Deutschland einen Gewinn von 1 Mio. Euro nunmehr besteuert? Dieses Beispiel belegt, dass die anzustrebende Lsung nur darin bestehen kann, das bei der Realisation tatschlich erzielte Ergebnis verursachungsgerecht auf die beteiligten Staaten aufzuteilen. Dies setzt eine intensive Zusammenarbeit der Finanzverwaltungen ebenso voraus wie die Harmonisierung der Zuteilungsmaßstbe, aber auch der Realisationstatbestnde. Man denke nur an Umwandlungsvorgnge, die der eine Staat als Realisation betrachtet, whrend der andere einen Buchwertbergang annimmt. Letztlich kommt m. E. daher nur die Lsung (1) in Betracht. Ein Beitrag zur Steuervereinfachung stellt dies alles wahrhaftig nicht dar. Die praktischen Schwierigkeiten einer Kontrolle des Weggezogenen kommen noch hinzu, wenn dieser mehr nicht beschrnkten Steuerpflicht unterliegt. Wie so oft streiten auch hier die hchstmgliche individuelle Einzelfallgerechtigkeit und die Handhabbarkeit des Rechts miteinander. In solchen Situationen haben sich Typisierungen und Pauschalierungen bewhrt, wobei aber immer der Gleichlauf rein innerstaatlicher und grenzberschreitender Sachverhalte zu beachten ist. Da es sich um Probleme handelt, die alle Mitgliedsstaaten angehen, verspricht eine 25fache nationale Lsung wenig Aussicht auf Erfolg. Eine Lsung auf Gemeinschaftsebene ist daher unerlsslich. Einigkeit besteht auch dahingehend, dass der Grenztransfer eine Realisation nicht darstellt, dass aber dem Wegzugsstaat ein entsprechender Anteil an spteren Realisationen eines Gewinnes zusteht. Dem ist hinzuzufgen, dass er auch Verluste tragen muss. Folglich ist eine mit Rechtsmitteln angreifbare Feststellung der stillen Reserven im Wegzugszeitpunkt unerlssliche Verfahrensbedingung. Ebenso muss der Wegzugsstaat das Recht zur Besteuerung der beim Wegzug festgestellten stillen Reserven besitzen, soweit sie bei der Realisation noch vorhanden sind.
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Wegzugsbesteuerung, § 6 AStG Hermann Bernwart Brandenberg Leitender Ministerialrat, Finanzministerium NRW, Dsseldorf Inhaltsbersicht I. Gemeinschaftsrechtliche Zulssigkeit 1. Grundfreiheiten als Diskriminierungs- und Beschrnkungsverbote 2. EuGH v. 11. 3. 2004 – Hughes de Lasteyrie du Saillant 3. Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland 4. Mitteilung der Bundesrepublik v. 1. 6. 2004 an die Kommission 5. Bisherige Rechtsprechung II. Konsequenzen der EuGH-Rechtsprechung 1. Verwaltungspraxis 2. Knftige Ausgestaltung der Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG
2.1 Bercksichtigung knftiger Wertminderungen 2.2 Erfassung auch auslndischer Kapitalgesellschaften 2.3 Schenkung oder Gesamtrechtsnachfolge nach Wegzug 2.4 Vollzug 3. Handlungsbedarf fr weitere Entstrickungstatbestnde 3.1 Kapitalgesellschaften, § 11 KStG 3.2 Sitzverlegung der Europischen Gesellschaft (SE) 3.3 berfhrung von Wirtschaftsgtern in ein auslndisches Betriebsvermgen, § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG 3.4 Einbringungsgeborene Anteile, § 21 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG
I. Gemeinschaftsrechtliche Zulssigkeit 1. Grundfreiheiten als Diskriminierungs- und Beschrnkungsverbote Der EuGH versteht die Grundfreiheiten (freier Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten) als Diskriminierungs- und Beschrnkungsverbote. Auch ohne Harmonisierungsauftrag fr die direkten Steuern drfen inlndische Steuerpflichtige nicht besser behandelt werden als auslndische Steuerpflichtige (Diskriminierungsverbot bei Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit). Ist die betreffende Steuerregelung nicht diskriminierend, also auf Inund EU-Auslnder unterschiedslos anzuwenden, liegt ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vor, wenn die Grundfreiheiten behindert oder weniger attraktiv gemacht werden (Beschrnkungsverbot).1 Diskrimi1 Vgl. z. B. EuGH v. 31. 3. 1993 – Rs. C-19/92 – Kraus, EuGHE 1993, I-1663 – Rz. 32 m. w. N.; v. 14. 12. 2000 – Rs. C-141/99 – AMID, EuGHE 2000, I-11619
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nierungen oder Beschrnkungen der Grundfreiheiten knnen zwar aus zwingenden Grnden des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein.2 Rechtfertigungsgrnde werden aber nur selten vom EuGH akzeptiert. Insbesondere die Vermeidung von Steuermindereinnahmen reichen als Rechtfertigungsgrund nicht aus.3 Als Rechtfertigungsgrnde kommen z. B. in Betracht: Steuerumgehung4, Territorialittsprinzip5, Kohrenz des Steuersystems6 oder Wirksamkeit der Steueraufsicht, wobei der EuGH in diesem Zusammenhang auch auf die Amtshilferichtlinie verweist.7 Liegen entsprechende Rechtfertigungsgrnde vor, ist zustzlich noch zu prfen, ob die Beschrnkung verhltnismßig ist. 2. EuGH v. 11. 3. 2004 – Hughes de Lasteyrie du Saillant8 Der EuGH hat zu der gemeinschaftsrechtlichen Zulssigkeit der franzsischen Wegzugsbesteuerung Stellung genommen. Art. 167 bis Code gnral des impt (CGI) sieht im Fall des Wegzugs natrlicher Personen,
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– Rz. 21; v. 15. 12. 1995 – Rs. C-415/93 – Bosman, EuGHE 1995, I-4921 – Rz. 96. Vgl. z. B. EuGH v. 30. 12. 1995 – Rs. C-55/94 – Gebhard, EuGHE 1995, I-4165 – Rz. 37. Siehe z. B. EuGH v. 21. 9. 1999 – Rs. C-307/97 – Saint Gobain, EuGHE 1999, I6161 – Rz. 52; v. 18. 9. 2003 – Rs. C-168/01, Bosal Holding, GmbHR 2003, 1286 – Rz. 42. Vgl. z. B. EuGH v. 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 – ICI, EuGHE 1998, I-4695 – Rz. 26. EuGH v. 15. 5. 1997 – Rs. C-250/95 – Futura Participations und Singer, EuGHE 1997, I-2471 – Rz. 20–22; Urt. v. 7. 9. 2004 – Rs. C-319/02 – Manninen, GmbHR 2004, 1346. EuGH v. 28. 1. 1992 – Rs. C-204/90 – Bachmann, EuGHE 1992, I-249; v. 28. 1. 1992 – Rs. C-300/90, Kommission/Belgien, EuGHE 1992, I-305; EuGH v. 18. 9. 2003 – Rs. C-168/01 – Bosal Holding, GmbHR 2003, 1286 – Rz. 29; v. 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, EuGHE 2000, I-4071 – Rz. 57. Vgl. z. B. EuGH v. 28. 10. 1999 – Rs. C-55/98 – Bent Vestergaard, EuGHE 1999, I-7641 – Rz. 26; v. 15. 5. 1997 – Rs. C-250/95 – Futura Participations und Singer, EuGHE 1997, I-2471 – Rz. 31. EuGH v. 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 – de Lasteyrie du Saillant, GmbHR 2004, 504. Vgl. auch die Stellungnahmen zu dem Urteil in der Literatur: Becker, Patricia, GmbHR 2004, R 213; Deininger, Rainer, INF 2004, 460; Fischer, Peter, FR 2004, 630; Franz, Theresa, EuZW 2004, 270; Probst, Peter, DB 2004, 673; Kleinheitsterkamp, Thomas, PrIStB 2004, 82; Krner, Andreas, IStR 2004, 424; Lausterer, Martin, DStZ 2004, 299; Meilicke, Wienand, GmbHR 2004, 511; Richter, Dirk, IStR 2003, 157; Schindler, Clemens Philipp, IStR 2004, 300; Peter, Markus, IStR 2004, 433; Schnitger, Arne, BB 2004, 804; Thmmes, Ottmar, IWB 2004, Fach 11a, 749; Wassermeyer, Franz, GmbHR 2004, 613.
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die zu mehr als 25% an franzsischen Gesellschaften beteiligt sind, eine Besteuerung der stillen Reserven vor. Die franzsische Regelung gewhrt einen Besteuerungsaufschub, wenn der Steuerpflichtige den Gewinn ordnungsgemß erklrt, einen inlndischen Beauftragten benennt und eine Sicherheitsleistung erbringt. Nach Ablauf von fnf Jahren verzichtet Frankreich auf die im Zeitpunkt der Wohnsitzverlegung festgelegte Steuer, wenn der Steuerpflichtige weiterhin die Beteiligung hlt. Gleiches gilt, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der fnf Jahre nach Frankreich zurckzieht und die Anteile bis dahin nicht verußert hat. Die im Fall der Verußerung der Anteile im Ausland erhobene Steuer wird auf die franzsische Steuer angerechnet. Der EuGH nimmt nicht allgemein zur Zulssigkeit einer Wegzugsbesteuerung Stellung, sondern nur zu der speziellen franzsischen Regelung. Diese richtet sich gegen die Steuerflucht bzw. die missbruchliche Ausnutzung der steuerlichen Regelungen, indem die Anteile whrend eines kurzen Aufenthaltes außerhalb von Frankreich verußert werden. Der EuGH hlt den damit verbundenen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit fr nicht gerechtfertigt. Die Niederlassungsfreiheit (Art. 52 EG-Vertrag – nach nderung jetzt Art. 43 EG-Vertrag) als einer der grundlegenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts umfasse das Recht der Staatsangehrigen eines Mitgliedsstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats, eine selbstndige Erwerbsttigkeit aufzunehmen oder auszuben oder Unternehmen zu grnden oder zu leiten, und zwar nach den Bestimmungen des Niederlassungsstaats fr seine eigenen Angehrigen. Der Herkunftsstaat drfe die Niederlassung seiner Staatsangehrigen in einem anderen Mitgliedstaat nicht behindern, auch nicht durch steuerrechtliche Regelungen. Die franzsischen Regeln seien geeignet, jemanden von einer Wohnsitzverlegung abzuhalten. Die Einschrnkung sei nicht gerechtfertigt. Eine Steuerflucht oder ein missbruchliches Verhalten knne nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass eine natrliche Person ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt. Missbruchliche Gestaltungen knnten durch Maßnahmen verhindert werden, die weniger einschneidend in die Niederlassungsfreiheit eingriffen, z. B. Maßnahmen, die sich speziell nur gegen eine vorbergehende Wohnsitzverlegung richteten.
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3. Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland Die Kommission der Europischen Gemeinschaften hatte bereits im April 2003 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Grund des § 6 Außensteuergesetz („Wegzugsbesteuerung“) eingeleitet und sttzte sich dabei auf die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ber die Freizgigkeit von Personen (Art. 18, 39 und 43 EGV sowie Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens). Das Verfahren wurde mit Rcksicht auf das vor dem EuGH anhngige Vorabentscheidungs-Verfahren „Hughes de Lasteyrie du Saillant“ zur franzsischen „Wegzugsbesteuerung“ zunchst zurckgestellt. Die Kommission hat das Urteil des EuGH v. 11. 3. 2004 zum Anlass genommen, das Vertragsverletzungsverfahren wieder aufzugreifen. Sie ist der Auffassung, dass die deutsche Regelung zur Wegzugsbesteuerung weitergehendere Maßnahmen als die franzsische enthlt. Sie hat die Bundesregierung daher mit Schreiben v. 30. 3. 2004 ber die Fortsetzung des Vertragsverletzungsverfahrens in Kenntnis gesetzt und sie aufgefordert, „binnen zwei Monaten nach Eingang des Kommissionsschreibens die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um der Stellungnahme der Kommission nachzukommen.“ 4. Mitteilung der Bundesrepublik v. 1. 6. 2004 an die Kommission Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass § 6 AStG nach wie vor gemeinschaftskonform sei. Die deutsche Regelung ziele – anders als die franzsische – darauf ab, die whrend der Ansssigkeit in Deutschland entstandenen Wertsteigerungen in jedem Fall der Besteuerung zu unterwerfen. Der EuGH stelle das Recht der Mitgliedstaaten, Wertzuwchse des Vermgens ihrer Steuerpflichtigen zu besteuern, nicht grundstzlich in Frage. Die Bundesregierung ersucht allerdings die Kommission um ein Gesprch, in dem die aus Sicht der Kommission bestehenden konkreten EU-rechtswidrigen Bestandteile der deutschen Wegzugsbesteuerung weiter herausgearbeitet werden knnten. Inzwischen hat die Bundesregierung Gesprche mit der Kommission aufgenommen mit dem Ziel, eine Wegzugsbesteuerung zu konzipieren, die eu-konform ist.
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5. Bisherige Rechtsprechung Der BFH hat mit Beschluss v. 17. 12. 19979 die Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG in einem vorlufigen Verfahren fr zulssig erachtet. Angesichts der Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung ist der Beschluss des BFH als berholt anzusehen. II. Konsequenzen der EuGH-Rechtsprechung 1. Verwaltungspraxis a) Die Finanzverwaltung10 vertritt die Ansicht, § 6 AStG sei zwar weiterhin anzuwenden. Bei Rechtsbehelfen in Wegzugsfllen in einen anderen EU- bzw. EWR-Staat sei aber Aussetzung der Vollziehung zu gewhren. b) Weitergehende Regelungen sind im Vorgriff auf eine gesetzliche nderung des § 6 AStG nunmehr wie folgt vorgesehen:11 Bei Wegzug eines Staatsangehrigen eines Mitgliedstaats der Europischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen ber den Europischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, in einen dieser Staaten ist bis zu einer gesetzlichen Neuregelung im Hinblick auf § 6 AStG von folgenden Grundstzen auszugehen: – Festsetzung der Steuer gem. § 6 AStG Abs. 1 AO und – abweichend von § 6 Abs. 5 AStG – zinslose Stundung der Steuer von Amts wegen. Entsprechendes gilt im Fall des § 6 Abs. 3 Nr. 2 AStG, wenn der Steuerpflichtige aufgrund der Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens mit einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR als in diesem Staat ansssig gilt. – Stundung der Steuer ohne Sicherheitsleistung, aber unter Vorbehalt des Widerrufs, falls der Steuerpflichtige die Anteile verußert oder nicht mehr in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat, auf den das Abkommen ber den Europischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, unbeschrnkt einkommensteuerpflichtig ist. – jhrliche Mitteilungspflichten des Steuerpflichtigen ber Anschrift, Wohnsitzwechsel und etwaige Verußerung,
9 BFH, Beschl. v. 17. 12. 1997 – I B 108/97, BStBl. II 1998, 558. 10 Z. B. OFD Berlin v. 30. 7. 2004 – St 127 – S 1342 – 1/04, RIW 2004, 720. 11 BMF v. 8. 6. 2005 – IV B 5 – S 1348 – 35/05, DB 2005, 1307.
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– Wertminderungen der Anteile nach Wegzug sind zu bercksichtigen, wenn diese nicht bei dem Zuzugstaat bercksichtigt werden, – Nichtanwendung des BMF-Schreibens v. 14. 5. 200412, Tz. 6. Diese Grundstze sollen im Vorgriff auf eine gesetzliche nderung in allen offenen Fllen gelten. 2. Knftige Ausgestaltung der Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG Die knftige Ausgestaltung der Wegzugsbesteuerung muss den Vorgaben des EuGH, wie sie in dem Verfahren zur franzsischen Wegzugsbesteuerung zum Ausdruck kommen, Rechnung tragen. Das bedeutet, dass der Grenzbertritt innerhalb der EU und der EWR-Staaten nicht Anknpfungspunkt fr eine Besteuerung sein kann. Andererseits bleibt es den Mitgliedstaaten unbenommen, auf Besteuerungssubstrat, das bei ihnen entstanden ist, im Fall der Realisierung zuzugreifen. Die knftige Wegzugsbesteuerung wird vor allem folgende Probleme lsen mssen: 2.1 Bercksichtigung knftiger Wertminderungen Die Wegzugsbesteuerung erfasst nach der berschrift des § 6 AStG den Vermgenszuwachs. Legt man allein diesen Zweck zugrunde, knnte sich der Gesetzgeber damit begngen, den Vermgenszuwachs bei Wegzug festzustellen bzw. die Steuer darauf festzusetzen und im Fall der Realisierung des Vermgenszuwachses die festgesetzten und die bis dahin gestundeten Steuern zu erheben. Neben der Besteuerung des Vermgenszuwachses muss aber noch den Grundfreiheiten nach EG-Vertrag Rechnung getragen werden. Der Wegziehende darf nicht schlechter als ein reiner Inlandsfall behandelt werden. Das bedeutet, dass neben dem Vermgenszuwachs bei Grenzbertritt wohl auch knftige Wertminderung nicht außer Betracht gelassen werden knnen. Hierbei wre allerdings zu prfen, worauf die Wertminderung beruht. Beruht sie auf einer Ausschttung unmittelbar nach Wegzug, ist es vertretbar, die Wertminderung außer Betracht zu lassen.
12 BMF v. 14. 5. 2004 – IV B 4 – S 1340 – 11/04, BStBl. I 2004, Sonder-Nr. 1.
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2.2 Erfassung auch auslndischer Kapitalgesellschaften Um einen Gleichklang mit § 17 EStG herzustellen ist aus systematischen Grnden die Einbeziehung von Beteiligungen an auslndischen Kapitalgesellschaften angezeigt.
2.3 Schenkung oder Gesamtrechtsnachfolge nach Wegzug Fraglich ist, ob die unentgeltliche bertragung auf Dritte in einem EU-/ EWR-Staat Anlass sein kann, eine ausgesprochene Stundung der Steuer zu widerrufen. Auch hier stellt sich die Frage der EU-Konformitt, da beim Inlandsfall im Fall der Schenkung kein Realisierungstatbestand gegeben ist. Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge nach dem weggezogenen Steuerpflichtigen innerhalb der EU msste der Gesamtrechtsnachfolger in die Rechtstellung des weggezogenen Steuerpflichtigen eintreten, also die festgesetzte Steuer entrichten, wenn er seinerseits einen Realisierungstatbestand verwirklicht.
2.4 Vollzug Es stellen sich bei einer EU-konformen Ausgestaltung der Wegzugsbesteuerung vor allem Vollzugsprobleme: Wie erhlt der deutsche Fiskus Kenntnis von der Verußerung der Anteile oder einem weiteren Wohnsitzwechsel des Weggezogenen? Wie erfhrt er von unentgeltlichen bertragungen auf Dritte. Was ist, wenn die Beteiligung in einen Nachlass fllt, an dem EU-Auslnder und Drittstaatler beteiligt sind? Ohne entsprechende sanktionsbewehrte Mitteilungspflichten des Steuerpflichtigen wird der Vollzug der Wegzugsbesteuerung nicht gewhrleistet werden knnen.
3. Handlungsbedarf fr weitere Entstrickungstatbestnde 3.1 Kapitalgesellschaften, § 11 KStG Nach bisherigem deutschem Gesellschaftsrecht ist eine identittswahrende grenzberschreitende Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften nicht mglich. Sie hat daher steuerrechtlich die Liquidation und damit die Aufdeckung der stillen Reserven zur Folge (§ 11 KStG). Wre dagegen ein identittswahrender Wegzug mglich, wrde sich auch hier die Frage stellen, ob das Gemeinschaftsrecht eine Besteuerung aus Anlass des Wegzuges verbietet. Der Frage soll mangels entsprechender gesell163
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schaftsrechtlicher Vorgaben hier nicht weiter nachgegangen werden. Es spricht jedoch viel dafr, die gleichen Grundstze anzuwenden, die beim Wegzug natrlicher Personen gelten. 3.2 Sitzverlegung der Europischen Gesellschaft (SE) Die SE-Verordnung13 tritt gem. Art. 70 SE-Verordnung am 8. 10. 2004 in Kraft. Die SE-Verordnung ist unmittelbar geltendes Recht. Sie sieht in Art. 8 Abs. 1 vor, dass der Sitz einer SE in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden kann, ohne dass es zur Auflsung der SE oder zur Grndung einer neuen SE kommt. Damit kann die SE ab dem 8. 10. 2004 ihren Sitz identittswahrend ber die Grenze verlegen. Das Steuerrecht hat diese Mglichkeit noch nicht nachvollzogen. In Fllen der Sitzverlegung einer SE greift zwar nicht § 11 KStG (Liquidation), wohl aber § 12 Abs. 1 KStG (Sitzverlegung ins Ausland) ein mit der Folge, dass die stillen Reserven aufzudecken sind. Die steuerrechtlichen Regelungen mssen daher im Hinblick auf die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben und die EUGH-Rechtsprechung zur Wegzugsbesteuerung natrlicher Personen angepasst werden. Hierbei sind auch die Vorgaben der Fusionsrichtlinie Richtlinie 2005/19 EG des Rates v. 17. 2. 2005 zur nderung der Richtlinie 90/434/EWG zu beachten, die eine gewinnneutrale Sitzverlegung der SE ber die Grenze nur vorsieht, wenn der Betriebsstttenvorbehalt erfllt wird. 3.3 berfhrung von Wirtschaftsgtern in ein auslndisches Betriebsvermgen, § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG Bei der berfhrung von Wirtschaftsgtern eines inlndischen Stammhauses in dessen auslndische Betriebssttte, deren Einknfte durch ein DBA freigestellt sind, erfolgt nach Verwaltungsauffassung14 die Aufdeckung der stillen Reserven grundstzlich mit dem Fremdvergleichspreis im Zeitpunkt der berfhrung. Eine Entnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG liegt in diesen Fllen begrifflich nicht vor. Die Verwaltung sieht allerdings aus Billigkeitsgrnden nur eine aufgeschobene Besteuerung vor.15 Die bisher nur in Verwaltungsanweisungen getroffenen Re13 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8. 10. 2001 ber das Statut der Europischen Gesellschaft (SE). 14 Betriebssttten-Verwaltungsgrundstze, BMF v. 24. 12. 1999, BStBl. I 1999, 1076 und v. 20. 11. 2000, BStBl. I 2000, 1509. 15 Vgl. im Einzelnen 2.6.1 der Betriebssttten-Verwaltungsgrundstze.
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gelungen bedrfen ebenfalls im Hinblick auf die EuGH-Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten der berarbeitung, vor allem bedrfen sie einer eindeutigen gesetzlichen Rechtsgrundlage. Hierbei wird wiederum zu beachten sein, dass das bloße Verbringen eines Wirtschaftsguts ber eine EU-Grenze noch keinen Realisierungstatbestand beinhaltet. 3.4 Einbringungsgeborene Anteile, § 21 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG § 21 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG sieht vor, dass die stillen Reserven in einbringungsgeborenen Anteilen aufzudecken sind, wenn das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Verußerung der Anteile ausgeschlossen wird. Die stillen Reserven sind demgemß auch aufzudecken, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat der EU/EWR verlegt. Nach den Grundstzen der oben dargestellten EUGH-Rechtsprechung ist dies mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages (Niederlassungsfreiheit, Art. 43 EG Vertrag) nicht vereinbar. Auch hier wird der Gesetzgeber Regelungen treffen mssen, die eine Besteuerung an einen Realisierungstatbestand anknpft und nicht allein an den Wegzug in ein anderes EU-Land.
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Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu § 15a EStG Dr. Roland Wacker Richter am Bundesfinanzhof, Mnchen Inhaltsbersicht I. berblick ber die Vorschrift II. Verlustdeckungszusage als Einlage? 1. BFH-Beschluss vom 18. 12. 2003 1.1 Leitsatz (2) 1.2 Sachverhalt (verkrzt) 1.3 Aus den Grnden 2. Hinweise III. Wechsel des Komplementrs in die Kommanditistenstellung 1. BFH-Urteil vom 14. 10. 2003 1.1 Sachverhalt 1.2 Leitsatz 1.3 Erwgungen des BFH 2. Hinweise IV. Wechsel des Kommanditisten in die Komplementrstellung 1. BFH-Urteil vom 14. 10. 2003 1.1 Sachverhalt 1.2 Leitsatz 1.3 Meinungsstand 1.4 Erwgungen des BFH 2. Hinweise
V. „Vorgezogene Einlagen“ und § 15a EStG – BFH-Urteil vom 14. 10. 2003 1. Das Problem 2. Ansicht des BFH 2.1 „Nachwirkung“ der Einlage 2.2 Fallreihenvergleich zu § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG 3. Innengesellschaft 4. Korrekturposten 4.1 Bildung des Korrekturpostens 4.1.1 Aufgrund Einlagen 4.1.2 Aufgrund Gewinngutschrift? 4.2 Fortentwicklung des Korrekturpostens 4.2.1 Verbrauch durch Verluste 4.2.2 Verbrauch durch Gewinne 4.2.3 Verbrauch durch Entnahmen 5. Altflle 6. Nichtanwendungsschreiben der Finanzverwaltung VI. Zusammenfassung
I. berblick ber die Vorschrift Ziel der Vorschrift ist eine einkunftsquellenbezogene Verlustverwertungsbeschrnkung fr den beschrnkt haftenden Gesellschafter (Kommanditisten). Wichtig ist hierbei, dass § 15a EStG die handelsrechtliche Haftung nicht im Einzelnen (d. h. nicht punktgenau) nachvollzieht, sondern sich hieran lediglich typisierend anlehnt. Dies sowohl im Interesse der Rechtsvereinfachung als auch zur Missverbrauchsvermeidung. 169
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1. Nach der Grundregel des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG sind Verlustanteile des Kommanditisten nicht ausgleichsfhig, sondern lediglich verrechenbar, soweit durch die Verlustzurechnung ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhht. Maßgeblich hierfr ist der Vergleich des Kapitalkontos zum Ende des Verlustjahres mit demjenigen zum Ende der Vorperiode (sog. stichtagsbezogener Kapitalkontenvergleich). 2. Ausnahme: berschießende Außenhaftung nach § 15a Abs. 1 Stze 1 und 2 EStG. D. h., trotz Anfall eines negativen Kapitalkontos sind die zugerechneten Verluste ausgleichsfhig, soweit die in das Handelsregister eingetragene Haftsumme (§ 171 Abs. 1 HGB) den Betrag der am Bilanzstichtag geleisteten Einlage berschreitet. 3. Ein verrechenbarer Verlust mindert die Gewinnanteile des Kommanditisten, die ihm aus seiner Beteiligung (Einkunftsquelle) fr sptere Wirtschaftsjahre zugerechnet werden (§ 15a Abs. 2 EStG). Durch die Nichtbesteuerung dieser Gewinnanteile wird der verrechenbare Verlust aktiviert und damit im Ergebnis (d. h. zeitversetzt) in einen ausgleichsfhigen Verlust berfhrt. 4. Entsteht (oder erhht sich) ein negatives Kapitalkonto durch Entnahmen (Einlageminderungen), ohne dass es zum Wiederaufleben der Außenhaftung nach § 15a Abs. 1 Satz 2 i. V. m. §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB kommt, so werden ausgleichsfhige Verluste des Jahres der Entnahme sowie der vorangegangenen zehn Wirtschaftsjahre (elfjhriger Korrekturzeitraum) in verrechenbare Verluste umgewandelt. Rechtstechnisch geschieht dies nicht durch nderung der fr die Vorjahre ergangenen Feststellungsbescheide, sondern dadurch, dass dem Kommanditisten fr das Jahr der Entnahme im Umfang der Einlageminderung ein Gewinn hinzugerechnet und in gleicher Hhe ein verrechenbarer Verlust festgestellt wird. 5. Der am jeweiligen Bilanzstichtag verbleibende verrechenbare Verlust ist zum Zwecke der Streitkonzentration Gegenstand eines gesonderten Feststellungsverfahrens (§ 15a Abs. 5 EStG). 6. Die vorstehenden Rechtsstze gelten grundstzlich auch fr Innengesellschafter (z. B. atypisch stille Gesellschafter). Zu beachten ist hierbei jedoch, dass fr diese eine erweitere Außenhaftung nach § 171 Abs. 1 HGB und damit auch ein erweitertes (d. h. das Kapitalkonto berschreitendes) Verlustausgleichspotential nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG nicht zum Tragen kommen kann.
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II. Verlustdeckungszusage als Einlage? l. BFH-Beschluss vom 18. 12. 20031 1.1 Leitsatz (2) Die bloße Abgabe einer Verlustbernahmeerklrung zugunsten der Gesellschaft erhht noch nicht das Kapitalkonto des Kommanditisten i. S. des § 15a EStG. 1.2 Sachverhalt (verkrzt) An der U-KG ist als einzige Kommanditistin die O-KG beteiligt. Die Hafteinlage der Kommanditistin betrug 100 000 DM und war in voller Hhe erbracht. Zu Nachschssen war die Kommanditistin nach dem Gesellschaftsvertrag nicht verpflichtet. In den Streitjahren (1997 und 1998) erwirtschaftete die U-KG Verluste von 3 863 105 DM bzw. 3 102 940 DM. Jeweils im Dezember der Streitjahre (vor Ablauf des Wirtschaftsjahrs) verpflichtete sich die Kommanditistin zur bernahme der Verluste. Dazu heißt es in Protokollen zu den betreffenden Gesellschafterversammlungen: „Abweichend von § 10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages verpflichtet sich die alleinige Kommanditistin, die Firma (O-KG), einen sich aus dem Geschftsjahr ... ergebenden Verlust zu bernehmen und auszugleichen.“
Das FA bercksichtige diese Erklrung bei der Bestimmung des Kapitalkontos i. S. v. § 15a EStG nicht und erließ Bescheide, mit denen verrechenbare Verluste der O-KG von 3 546 869 DM auf den 31. 12. 1997 und von 5 204 230 DM auf den 31. 12. 1998 festgestellt wurden. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung blieb ebenso wie die Beschwerde ohne Erfolg. 1.3 Aus den Grnden „Das FA hat zutreffend verrechenbare Verluste der Antragstellerin festgestellt. 1. Der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG darf nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht mit anderen Einknften des Kommanditisten ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen wer-
1 BFH v. 18. 12. 2003 – IV B 201/03, BStBl. II 2004, 231.
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den, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhht. a) Den Begriff des Kapitalkontos definiert das Gesetz nicht. Nach der Rechtsprechung ist das nach steuerrechtlichen Grundstzen ermittelte Kapitalkonto des Kommanditisten in der Gesamthandsbilanz der Gesellschaft zuzglich ggf. bestehender Ergnzungsbilanzen des Kommanditisten gemeint. Das Kapitalkonto in der Gesamthandsbilanz wird durch Einlagen in das Gesellschaftsvermgen bzw. durch Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermgen bestimmt. Einlage des Kommanditisten i. S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG ist die tatschlich geleistete (sog. bedungene) Einlage i. S. der §§ 167 Abs. 2, 169 Abs. 1 HGB. Denn Zweck des § 15a EStG ist es, dem Kommanditisten einen steuerlichen Verlustausgleich nur insoweit zu gewhren, als er wirtschaftlich durch die Verluste belastet wird. ... Mit der Erschpfung der geleisteten bedungenen Einlage durch ihm zugewiesene Verluste ist das Hchstmaß der wirtschaftlichen Belastung des Kommanditisten aus seiner Haftung im Innenverhltnis erreicht. Deshalb kommt ein Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG nur in Betracht, soweit die bedungene Einlage durch Zufhrung eines Vermgenswerts tatschlich geleistet ist. Im Fall einer Sacheinlage ist deren Wert maßgeblich. ... b) Von diesen Grundstzen ausgehend hat der BFH in stndiger Rechtsprechung entschieden, dass die Kommanditeinlage i. S. des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG erst dann „geleistet“ ist, wenn sie tatschlich erbracht ist. Die im Innenverhltnis gegenber der KG bestehende Einlageverpflichtung, die „ausstehende Einlage“ des Kommanditisten, reicht hierfr nicht aus. Dem Gesellschaftsvermgen muss etwas von außen zugeflossen sein, was den bilanziellen Unternehmenswert mehrt, also die Aktiva des Unternehmens erhht oder die Passiva mindert und so Einfluss auf das „Kapitalkonto“ nimmt (BFH-Beschlsse ...). Diese Grundstze ... betreffen ... nicht nur Einlageverpflichtungen, die auf eine Bareinzahlung in das Gesellschaftsvermgen gerichtet sind und auf die im Wege einer Sacheinlage geleistet werden soll, sondern sie gelten auch fr originre Sacheinlageverpflichtungen. 2. Der Kommanditist kann eine bedungene Einlage je nach gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung u. U. auch durch bernahme eines Verlustes der KG erbringen. Die Einlageverpflichtung kann dann als Erhhung der bisherigen Einlage geschuldet sein oder als Sacheinlage an die Stelle einer anderen Einlageverpflichtung treten. In beiden Fllen 172
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stellt die bloße Erklrung der Verlustbernahme aber noch keine tatschliche Leistung der Einlage dar, die eine Erhhung des Kapitalkontos i. S. des § 15a EStG bewirken wrde. Eine wirtschaftliche Belastung tritt bei dem zur Verlustbernahme Verpflichteten nmlich erst dann ein, – wenn die Forderung geltend gemacht wird oder – wenn der Verpflichtete zumindest ernsthaft mit ihrer Geltendmachung rechnen muss. Davon ist etwa dann auszugehen, wenn die Forderung an einen Gesellschaftsglubiger abgetreten wird. Solange die Forderung aber nur im Innenverhltnis besteht und nicht geltend gemacht wird, trifft den verpflichteten Kommanditisten noch keine gegenwrtige wirtschaftliche Belastung. Dies gilt in besonderem Maße, wenn der Kommanditist seinerseits eine mit beschrnktem Haftungssubstrat ausgestattete Personengesellschaft ist. 3. Auf doppelstckige Personengesellschaften ist § 15a EStG anzuwenden ...“ 2. Hinweise (1) In der Literatur2 wird – im Ausgangspunkt – zu Recht darauf hingewiesen, dass die Begrndung des Beschlusses von der stndigen Rechtsprechung, nach der die Frage der Einlageleistung nach handelsrechtlichen Grundstzen zu bestimmen ist (s. u.), insofern abweicht, als sie zustzlich das § 15a-Kriterium der wirtschaftlichen Belastung einfhrt. Hieraus wird geschlossen, dass dem Beschluss weitreichende Bedeutung zur Vermeidung des § 15a EStG zukomme, wenn eine solche wirtschaftliche Belastung vorliege (z. B. Abtretung der Einlageforderung oder – ber die Beschlussgrnde hinaus – abstraktes Schuldanerkenntnis aufgrund einer gegenber den Banken offen gelegten Verlustbernahmeerklrung)3. (2) M. E. ist nicht nur gegenber den Beschlussgrnden, sondern insbesondere mit Rcksicht auf die aufgezeigten Folgerungen Skepsis angebracht. Und zwar nicht nur deshalb, weil der IV. Senat lediglich im Aussetzungsverfahren entschieden hat, sondern vor allem mit Rcksicht auf den Ausgangspunkt des Beschlusses. Letzteres unabhngig davon, ob die Verlustbernahmeverpflichtung tatschlich auf eine Sach2 Autenrieth, NWB, Nr. 12/2004, S. 809, Blickpunkt Steuern; Rodewald, GmbHR 2004, 563; Hettler, KFR, Fach 3, § 15a 5/04, S. 180. 3 Zurckhaltend Kempermann, DStR 2004, 1515.
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einlage oder (m. E. nahe liegend) nicht auf die Verpflichtung zur Erbringung einer Bareinlage gerichtet ist. (3) Wie bereits erwhnt, bestimmt sich die Frage, ob die bedungene Einlage geleistet ist, nach Handelsrecht.4 Dies umfasst insbesondere den Grundsatz der effektiven Kapitalaufbringung und damit das Erfordernis, dass werthaltige Mittel – sich bereits im Gesellschaftsvermgen befinden und dem Kapitalkonto des Kommanditisten gutgeschrieben werden (Einlage durch Einbuchung) – oder werthaltige Mittel in das Gesamthandsvermgen berfhrt werden (Einlage durch Kapitalzufhrung). Der Grundsatz gilt nicht nur fr Bar-, sondern auch fr Sacheinlagen5. Hieran gemessen erfllt weder die Verlustbernahmeverpflichtung noch die bloße Abtretung des (unbedingten) Anspruchs der Personengesellschaft auf Verlustbernahme die Anforderungen an eine geleistete Einlage i. S. d. HGB. Anders mgen die Dinge nur dann liegen, wenn die Einlageforderung an Erfllungs Statt (§ 364 BGB) , d. h. zur Erfllung einer Fremdverbindlichkeit der KG, abgetreten wird und der Kommanditist deshalb die abgetretene Einlageforderung gegenber dem Abtretungsempfnger erfllen muss6. (4) Das Wichtigste zum Schluss: Exakt diese Linie (Maßgeblichkeit des Handelsrechts; Grundsatz der effektiven Kapitalaufbringung) verfolgt der BFH-Beschluss vom 12. 2. 20047. Nur diese Beurteilung sichert zudem den Gleichklang dazu, dass nach stndiger Rechtsprechung selbst eine Brgschaftsverpflichtung das Ausgleichsvolumen des Kommanditisten nicht erhht8 . Das Kapitalkonto erhht sich vielmehr erst dann, wenn der Brge die Brgenschuld erfllt und auf seine Regressansprche gegen die KG verzichtet oder hiermit gegen Ansprche der KG aufrechnet.9 4 BFH v. 29. 8. 1996 – VIII B 44/96, BFHE 182, 26 = BB 1997, 765; Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl., § 15a EStG Rz. 81. 5 Vgl. K. Schmidt in MnchKomm., HGB, Bd. 3, §§ 171, 172 HGB Rz. 46 ff. 6 Dazu BFH v. 29. 8. 1996 – VIII B 44/96, BFHE 182, 26 = BB 1997, 765: ernstlich zweifelhaft, ob Vermgensabfluss bei Kommanditisten erforderlich; nicht ausreichend jedenfalls die Zession erfllungshalber. 7 BFH, Beschl. v. 12. 2. 2004 – VIII B 51/03, juris, NZB-Verfahren. 8 Vgl. BFH v. 13. 11. 1997 – IV B 119/96, BStBl. II 1998, 109. 9 Dazu K. Schmidt in MnchKomm., HGB, Bd. 3, §§ 171, 172 HGB Rz. 48 a. E., 58 bis 60; zum Ausfall des Ersatzanspruchs bei Beendigung der KG s. Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl., § 15a EStG Rz. 130.
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III. Wechsel des Komplementrs in die Kommanditistenstellung 1. BFH-Urteil vom 14. 10. 200310 1.1 Sachverhalt An der E-KG war K als persnlich haftender Gesellschafter beteiligt. Am 1. 3. 1995 wurde die Umwandlung seiner Gesellschafterstellung in diejenige eines Kommanditisten ins Handelsregister eingetragen; zugleich trat die K-GmbH als neue Komplementrin in die Klgerin ein. Nach Ansicht des Finanzamts waren die Verlustanteile des Jahres 1995 (rd. 1,2 Mio. DM) in voller Hhe verrechenbar. Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das Finanzgericht unter Hinweis auf die Haftungsregelung des § 160 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 HGB die Auffassung vertrat, dass § 15a EStG fr K erst ab dem Zeitpunkt der Handelsregistereintragung (1. 3. 1995) seiner Beteiligungsumwandlung greife. Die auf die Monate Januar und Februar 1995 entfallenden ausgleichsfhigen Verluste schtzte es – pro rata temporis – auf rd. 200 000 DM (= 2/12 aus rd. 1,2 Mio. DM)11. Auf die Revision hob der BFH das Urteil der Vorinstanz auf. 1.2 Leitsatz Wechselt der Komplementr whrend des Wirtschaftsjahrs in die Rechtsstellung eines Kommanditisten, so ist die Verlustverwertungsbeschrnkung des § 15a EStG fr das gesamte Wirtschaftsjahr und damit fr den dem Gesellschafter insgesamt zuzurechnenden Anteil am Gewinn der KG zu beachten. 1.3 Erwgungen des BFH aa) In der Literatur ist umstritten, ob dann, wenn der Komplementr whrend des Wirtschaftsjahrs in die Stellung eines Kommanditisten wechselt, (1) die Verlustverwertungsbeschrnkung des § 15a EStG nur fr die auf den Zeitraum ab der Statusnderung entfallenden Verluste gilt oder (2) ob § 15a EStG fr das gesamte Wirtschaftsjahr des Wechsels der Gesellschafterstellung in diejenige eines Kommanditisten zu beachten ist (so z. B. auch R 138d Abs. 1 Satz 3 EStR 2002). 10 BFH, Urt. v. 14. 10. 2003 – VIII R 81/02, BStBl. II 2004, 118. 11 Vgl. FG Mnchen, Urt. v. 21. 8. 2002 – 1 K 2710/01, EFG 2003, 36.
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bb) Das Besprechungsurteil folgt letzterer Beurteilung. (1) Maßgeblich hierfr sei das sog. Stichtagsprinzip, d. h. die Maßgeblichkeit der Rechtsverhltnisse am jeweiligen Bilanzstichtag fr die Frage der begrenzten Verlustverwertung (s. hierzu oben Abschn. I). (2) Hiervon sei nicht nur im Falle des Wechsels eines Kommanditisten zum Komplementr (s. dazu nachfolgend Abschn. IV), sondern auch im Streitfall fr die umgekehrte Konstellation des unterjhrigen Statuswechsels in die Rechtsstellung eines Kommanditisten auszugehen mit der Folge, dass § 15a EStG fr den Gesamtverlust dieses Wirtschaftsjahres zu beachten sei. (3) Entgegen der Ansicht des FG ergbe sich aus der gesellschaftsrechtlichen Nachhaftung des frheren Komplementrs nach § 160 Abs. 1 und 3 HGB keine abweichende Beurteilung. Zwar sei es nach stndiger Rechtsprechung des BFH Zweck des § 15a EStG, den steuerrechtlichen Verlustausgleich des Kommanditisten (beschrnkt haftenden Gesellschafters) mit positiven Einknften aus anderen Einkunftsquellen auf den zivilrechtlichen Haftungsumfang – als Ausdruck seiner (aktuellen) wirtschaftlichen Belastung – zu begrenzen12. Das FG habe jedoch unbercksichtigt gelassen, dass der Gesetzgeber bei der Umsetzung dieses Anliegens bewusst davon abgesehen habe, smtliche Haftungstatbestnde in die Regelungen des § 15a EStG einzubeziehen. Die Vorschrift beruhe demnach auf einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Typisierung, die sowohl zur Vermeidung „unerwnschter Gestaltungsmglichkeiten“ als auch im Interesse einer mglichst einfachen Handhabung der Vorschrift zum einen durch das Stichtagsprinzip, zum anderen durch die Beschrnkung der Haftungstatbestnde gemß § 15a Abs. 1 EStG gekennzeichnet sei (Satz 1: Hhe der Einlage; Stze 2 und 3: berschießende, ins Handelsregister eingetragene Außenhaftung). Demgemß sei – weder eine Außenhaftung des Kommanditisten fr eine noch nicht ins Handelsregister eingetragene Haftsummenerhhung nach § 172 Abs. 2 HGB13 – noch die Haftung des in eine Handelsgesellschaft eintretenden Kommanditisten fr die zwischen seinem Eintritt und dessen Eintragung ins Handelsregister begrndeten Verbindlichkeiten gemß § 176
12 BFH, Urt. v. 14. 12. 1995 – IV R 106/94, BStBl. II 1996, 226, 230 = BFHE 179, 368. 13 BFH, Beschl. v. 28. 5. 1993 – VIII B 11/92, BFHE 171, 300 = BStBl. II 1993, 665.
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Abs. 2 HGB14 geeignet, dem Kommanditisten ausgleichsfhige Verluste zu vermitteln. (4) Nichts anderes knne fr die Haftung des Kommanditisten nach § 160 Abs. 3 HGB gelten. Abgesehen davon, dass seine Einstandspflicht unter einer doppelten Nachhaftungsbegrenzung stehe (Fnfjahresgrenze sowie Klageerhebung oder gleichstehende Maßnahme) und diese – entgegen der frheren Rechtslage15 – selbst dann zu beachten sei, wenn der Gesellschafter nach der Beteiligungsumwandlung geschftsfhrend ttig werde (§ 160 Abs. 3 Satz 2 HGB), habe die Vorinstanz verkannt, dass der erweiterte Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG weder auf die Nachhaftung des Kommanditisten analog § 159 HGB a. F.16 noch auf § 160 HGB n. F. Bezug nehme. Diese (bewusste) Ausgrenzung des Gesetzes (Typisierung) sei nicht nur von den Gerichten zu respektieren; sie sei auch verfassungsrechtlich dadurch legitimiert, dass – andernfalls – die praktische Handhabung der Norm sowohl im Hinblick auf die ggf. schtzweise Aufteilung des dem Kommanditisten zuzurechnenden Verlusts als auch dadurch erheblich erschwert wrde, dass zur Bestimmung der Hhe seines verrechenbaren Verlusts der Kapitalkontenstand des Gesellschafters – und damit der Umfang seiner Einlagen und Entnahmen – ber die Anordnungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus (Maßgeblichkeit des Bilanzstichtags) zudem auf den Zeitpunkt der Beteiligungsumwandlung ermittelt werden msste. 2. Hinweise (1) Der Entscheidung ist zuzustimmen; sie bewegt sich in der Tradition der bisherigen Rechtsprechung. (2) Offen geblieben ist allerdings die Frage danach, ob die beschriebenen Rechtsfolgen (Geltung des § 15a fr das gesamte Wirtschaftsjahr der Beteiligungsumwandlung) bereits an die (rechtswirksame) nderung des Gesellschaftsvertrags oder erst an die Eintragung des genderten Status in das Handelsregister anknpfen.17 Die Antwort ist deshalb 14 15 16 17
BFH, Urt. v. 14. 12. 1999 – IX R 7/95, BFHE 190, 432 = BStBl. II 2000, 265. Dazu BGH, Urt. v. 22. 9. 1980 – II ZR 204/79, BGHZ 78, 114. Dazu Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl., § 159 HGB Rz. 1. Zur zivilrechtlichen Unterscheidung sowohl betr. den Wechsel in die Stellung eines Kommanditisten als auch den umgekehrten Fall vgl. Hillmann sowie Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Bd. 1, § 176 HGB Rz. 29 und § 130 HGB Rz. 5, 9, jeweils m.w.N.; unentschieden auch BFH, Urt. v. 11. 5. 1995 – IV R 44/93, BFHE 177, 466.
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zweifelhaft, weil nach der Konzeption des § 15a EStG sowohl das Innenverhltnis (Maßgeblichkeit der Einlage nach Abs. 1 Satz 1) als auch – wenn auch in begrenztem Umfang – die Haftung im Außenverhltnis (Abs. 1 Satz 2) zu bercksichtigen ist. Fr die Maßgeblichkeit der nderung des Gesellschaftsvertrags spricht m. E. jedoch, dass im Fall des Beitritts des (neuen) Kommanditisten nach dem BFH-Urteil vom 14. 12. 199918 einerseits von einer Kommanditistenstellung des Eintretenden i. S. von § 15a EStG auch vor Handelsregistereintragung auszugehen ist, andererseits aber die bis zum Eintrag gegebene Haftung nach § 176 Abs. 2 HGB der erweiterten Außenhaftung gem. § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG i. V. m. § 171 Abs. 1 HGB nicht gleichgestellt ist (s. o.). Im Falle der Beteiligungsumwandlung kommt zwar § 176 Abs. 2 HGB nach h. M. und Rspr. nicht zur Anwendung19, jedoch ist die – wiederum im Rahmen des § 15a EStG nicht relevante – Rechtsscheinhaftung nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HGB zu beachten20. In diesem Sinne – Maßgeblichkeit des Gesellschafterbeschlusses – hat zwischenzeitlich der BFH mit Urteil vom 12. 2. 200421 betr. den Fall des Statuswechsels des Kommanditisten zum Komplementr (dazu nachfolgend) entschieden.22
IV. Wechsel des Kommanditisten in die Komplementrstellung 1. BFH-Urteil vom 14. 10. 200323 1.1 Sachverhalt Mit Wirkung ab 1. 1. 1997 wurde die Rechtsstellung des bisherigen Kommanditisten (L) in diejenige eines unbeschrnkt haftenden Gesellschafters umgewandelt und die Gesellschaft als L-OHG gefhrt (identittswahrender Rechtsformwechsel). Zum 31. 12. 1996 belief sich der verrechenbare und nach § 15a Abs. 4 EStG festgestellte Verlust des Klgers auf rd. 720 000 DM. Dem Begehren, diesen Verlust – nach Verrechnung mit dem vom L im Jahre 1997 erzielten Beteiligungsgewinn 18 BFH, Urt. v. 14. 12. 1999 – IX R 7/95, BFHE 190, 432 = BStBl. II 2000, 265. 19 Vgl. BGH, Urt. v. 4. 3. 1976 – II ZR 145/75, BGHZ 66, 98, 101 = MDR 1976, 559. 20 Vgl. Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Bd. 1, § 176 HGB Rz. 29 m. w. N. 21 BFH, Urt. v. 12. 2. 2004 – IV R 70/02, BStBl. II 2004, 423. 22 Dazu Kempermann, DStR 2004, 1515. 23 BFH, Urt. v. 14. 10. 2003 – VIII R 38/02, BStBl. II 2004, 115.
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(rd. 7000 DM) – aufgrund der Unternehmensumwandlung in einen ausgleichsfhigen Verlust umzuqualifizieren, folgte das FA nicht. Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das FG statt, weil der Klger zivilrechtlich ab dem Jahre 1997 in vollem Umfang auch fr die bis dahin begrndeten Verbindlichkeiten hafte und somit auch in vollem Umfang wirtschaftlich belastet sei.24 Der BFH hob die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. 1.2 Leitsatz Allein aufgrund der Umwandlung der Rechtsstellung eines Kommanditisten in diejenige eines unbeschrnkt haftenden Gesellschafters ist der fr ihn bisher festgestellte verrechenbare Verlust (§ 15a Abs. 4 EStG) nicht in einen ausgleichsfhigen Verlust umzuqualifizieren. 1.3 Meinungsstand Die Frage, ob der im Streitjahr (1997) vollzogene (identittswahrende) Formwechsel die Umwandlung des zum Ende des Wirtschaftsjahrs 1996 (Vorjahres) festgestellten verrechenbaren Verlusts rechtfertigt, ist umstritten. – Letzteres wird von einer Mindermeinung im Schrifttum25 zum Teil unter Hinweis darauf bejaht, dass mit dem Wechsel des Kommanditisten in die Stellung eines nach § 130 HGB unbeschrnkt haftenden, d. h. nunmehr auch wirtschaftlich belasteten Gesellschafters der Regelungsbereich des § 15a Abs. 4 EStG verlassen werde und damit zugleich die gesetzliche Grundlage fr eine fortdauernde Beschrnkung der Verlustverwertung entfalle. – Die in der Literatur herrschende Ansicht lehnt hingegen – ebenso wie die Finanzverwaltung (R 138d Abs. 1 Stze 1 und 2 EStR 2002) – eine Umqualifikation der verrechenbaren Verluste aufgrund des Statuswechsels des Gesellschafters ab; die Verluste seien aber mit Gewinnen aus der Beteiligung als persnlich haftender Gesellschafter zu saldieren.26 24 Vgl. FG Kln, Urt. v. 20. 3. 2002 – 10 K 3545/99, EFG 2002, 1035. 25 Z. B. Authenrieth in Steuerrecht und Gesellschaftsrecht als Gestaltungsaufgabe, Freundesgabe fr F. J. Haas zur Vollendung des 70. Lebensjahres, 1996, S. 7, 12. 26 Z. B. Schulze-Osterloh in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15a EStG Anm. 202 a. E.; Bordewin/Sffing/Brandenberg, Verlustverrechnung bei nega-
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– Diese Auffassung liegt erkennbar auch der Rechtsprechung des BFH zugrunde, nach der im Falle der unentgeltlichen bertragung des Kommanditanteils auf den persnlich haftenden Gesellschafter einer zweigliedrigen KG diesem auch der fr den Kommanditisten festgestellte verrechenbare Verlust mit der Folge zuzurechnen ist, dass die vom bernehmenden Gesellschafter als Einzelunternehmer erzielten Gewinne mit den bergegangenen verrechenbaren Verlusten nach § 15a Abs. 2 EStG zu saldieren sind.27 1.4 Erwgungen des BFH An letzterer Beurteilung sei auch nach erneuter berprfung der Streitfrage festzuhalten. (1) Auszugehen sei hierbei davon, dass § 15a EStG den Fall des Statuswechsels des Kommanditisten nicht anspreche, sondern Abs. 2 der Vorschrift in materiell-rechtlicher Hinsicht lediglich anordne, dass Verluste, die aufgrund des Entstehens oder der Erhhung eines negativen Kapitalkapitalkontos des „Kommanditisten“ nach § 15a Abs. 1 EStG nicht ausgeglichen oder abgezogen werden drften (verrechenbare Verluste), die Gewinne minderten, die dem „Kommanditisten“ in spteren Wirtschaftjahren aus seiner Beteilung an der „Kommanditgesellschaft“ zuzurechnen seien. Die hiermit verbundene (planwidrige) Regelungslcke des Gesetzes sei im Wege der Rechtsfortbildung durch folgerichtiges „Zu-Ende-Denken“ der Anordnungen des § 15a EStG zu schließen. (2) Maßgebend hierfr sei zum einen der Zweck der Vorschrift, den steuerrechtlichen Verlustausgleich des Kommanditisten (beschrnkt haftenden Gesellschafters) mit positiven Einknften aus anderen Einkunftsquellen auf den zivilrechtlichen Haftungsumfang – als Ausdruck seiner (aktuellen) wirtschaftlichen Belastung – zu begrenzen.28 Dabei sei allerdings zum anderen bercksichtigen, dass der Gesetzgeber bei der Umsetzung dieses Anliegens bewusst davon abgesehen habe, smtliche tivem Kapitalkonto, 2. Aufl. 1986, Rz. 148; v. Beckerath in Kirchhof/Shn/ Mellinghoff, EStG, § 15a EStG Rz. C 373; Wacker in Schmidt, 22. Aufl., § 15a EStG Rz. 183; Ldemann, Verluste bei beschrnkter Haftung, 1998, S. 159 Fn. 16. 27 BFH, Urt. v. 11. 5. 1995 – IV R 44/93, BFHE 177, 466, 471; v. 10. 3. 1998 – VIII R 76/96, BFHE 186, 50 = BStBl. II 1999, 269, 272. 28 Vgl. BFH, Urt. v. 14. 12. 1995 – IV R 106/94, BFHE 179, 368 = BStBl. II 1996, 226, 230.
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Haftungstatbestnde in die Regelungen des § 15a EStG einzubeziehen. Die Vorschrift beruhe demnach auf einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Typisierung, die u.a. durch das Stichtagsprinzip und damit dadurch gekennzeichnet sei, dass weder nachtrgliche Haftungserweiterungen noch nachtrgliche Einlagen dazu fhrten, verrechenbare Verluste der Vorperioden in ausgleichsfhige Verluste umzuwandeln. Vielmehr unterlgen solche verrechenbare Verluste einer einkunftsquellenbezogenen Verwertungsbeschrnkung, d. h. sie seien – allerdings ohne zeitliche Begrenzung – lediglich mit den Beteiligungsgewinnen des Kommanditisten zu saldieren. (3) Aus der Zusammenschau dieser Regelungen ergebe sich, dass selbst dann, wenn der Kommanditist seine Haftsumme nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, fr das nach § 15a Abs. 1 EStG verrechenbare Verluste festgestellt wurden, in einem dem Gesamtbetrag des Fremdkapitals der KG entsprechenden (oder bersteigenden) Umfang erhhe und er damit auch fr die (Alt-)Verbindlichkeiten einzustehen habe, die zum Anfall der (verrechenbaren) Verluste gefhrt htten29 ,diese also aufgrund der nachtrglichen Haftungserweiterung nicht in ausgleichsfhige Verluste umqualifiziert wrden30. Nichts anderes knne dann aber fr den Fall gelten, dass die KG in eine OHG umgewandelt werde und der bisherige Kommanditist somit nach § 130 HGB auch fr die vor der Unternehmensumstrukturierung begrndeten Verbindlichkeiten hafte. Zwar unterlge diese Haftung – im Gegensatz zur Haftsummenerhhung des Kommanditisten – keiner betragsmßigen Beschrnkung (§ 128 i. V. m. § 130 HGB31), so dass – vorbehaltlich der Regelung des § 15a Abs. 5 EStG – zuknftige Verluste nicht mehr von der Verwertungsbeschrnkung des § 15a. EStG erfasst wrden. Im Hinblick auf die bis dahin entstandenen Verluste sei der Gesellschafter nunmehr jedoch vergleichbar einem Kommanditisten wirtschaftlich belastet, der – ggf. mehrfach – in Hhe der jeweiligen Altverbindlichkeiten zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs seine Haftsumme aufstocke. Demnach sei es – im Sinne der strukturellen Grundaussagen des § 15a EStG – folgerichtig, auch den Statuswechsel des Kommanditisten oder die bernahme des Unternehmens einer KG durch einen Gesellschafter nicht mit einer Umqualifikation bisher verrechenbarer Verluste zu verbinden, sondern 29 Vgl. hierzu Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Bd. 1, § 172 HGB Rz. 21; Karsten Schmidt in Schlegelberger, HGB, §§ 171, 172 HGB Anm. 34. 30 BFH, Urt. v. 14. 12. 1995 – IV R 106/94, BFHE 179, 368 = BStBl. II 1996, 226, 230. 31 Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl., § 130 HGB Rz. 2 und § 128 HGB Rz. 1.
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in Analogie zu § 15a Abs. 2 EStG diese – einkunftsquellen-bezogen – von den zuknftig erzielten Beteiligungs- bzw. Unternehmens gewinnen abzusetzen. (4) Hinzu komme, dass nachtrgliche Einlagen, die nach dem Bilanzstichtag zum Ausgleich negativer Kapitalkonten erbracht wrden, nicht geeignet seien, die fr die Vorjahre festgestellten verrechenbaren Verluste eines Kommanditisten in ausgleichsfhige Verluste zu transformieren; ihre Wirkung sei vielmehr grundstzlich darauf beschrnkt, weitere Verluste, die im Jahr der Einlageleistung sowie in spteren Wirtschaftsjahren erzielt wrden, nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG als ausgleichsfhig anzuerkennen. Nur soweit der fr das Wirtschaftjahr vor Erbringung der Einlage festgestellte verrechenbare Verlust nicht mit laufenden, (zuknftigen) Gewinnen des Kommanditisten – einschließlich des Aufgabe- oder Verußerungsgewinns – saldiert werden knnten (§ 15a Abs. 2 EStG), sei der zum Ausgleich des durch verrechenbare Verluste entstandenen negativen Kapitalkontos geleisteten Einlage – d. h. der hiermit verbundenen wirtschaftlichen Belastung des Kommanditisten – dadurch Rechnung zu tragen, dass der verbleibende verrechenbare Verlust im Zeitpunkt der Unternehmensaufgabe oder Verußerung des Mitunternehmeranteils als ausgleichs- und abzugsfhiger Verlust zu bercksichtigen sei.32 Da aber gegen diesen (regelmßig) zeitversetzten Ansatz der Einlageleistungen eines Kommanditisten auch unter dem Gesichtspunkt des Abzugs erwerbssichernder Aufwendungen nach dem objektiven Nettoprinzip keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestnden (stndige Rechtsprechung33), sei auch kein tragfhiger Grund dafr zu erkennen, die systematischen Grundwertungen des § 15a EStG fr den Fall zu durchbrechen, dass der bisherige Kommanditist nicht nur in den Status eines vollhaftenden Gesellschafters (oder Einzelunternehmers) wechsele, sondern zudem sein negatives Kapitalkonto ausgleiche. Ebenso wie ein Kommanditist, der zustzlich zur Erhhung seiner Haftsumme eine solche Einlage erbringe, sei er vielmehr darauf verwiesen, die vor dem Statuswechsel festgestellten verrechenbaren Verluste nach Maßgabe der vorstehenden Ausfhrungen zu verwerten.
32 Vgl. zu allem BFH, Urt. v. 14. 12. 1995 – IV R 106/94, BFHE 179, 368, BStBl. II 1996, 226. 33 BFH, Urt. v. 14. 12. 1995 – IV R 106/94, BFHE 179, 368 = BStBl. II 1996, 226; v. 28. 3. 2000 – VIII R 28/98, BFHE 191, 347 = BStBl. II 2000, 347.
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2. Hinweise (1) Gleich dem Urteil VIII R 81/02 (s. oben zu Abschn. III) bewegt sich auch das Urteil VIII R 38/02 in den tradierten und zutreffenden Argumentationsmustern der BFH-Rechtsprechung zu § 15a EStG. (2) Die Urteilsgrundstze gelten nicht nur fr den Fall des Wechsels in den Komplementrstatus, sondern auch dann, wenn z. B. aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft ein Gesellschafter ausscheidet und der verbleibende Gesellschafter den Betrieb als Einzelunternehmen fortfhrt (sog. bernahme i. V. m. Erlschen der Personengesellschaft34). (3) Wenngleich nach dem Besprechungsurteil feststeht, dass der Statuswechsel nicht zur Umqualifikation der verrechenbaren Verluste der Vorperioden fhrt, sondern lediglich bewirkt, dass die Verluste ab dem Wirtschaftsjahr des Wechsels nicht mehr den Verwertungsbeschrnkungen des § 15a EStG unterliegen, war auch fr Letzteres streitig, ob von einer solchen Statusnderung im Kontext des § 15a EStG bereits aufgrund der (rechtwirksamen, d. h. insbesondere bedingungsfreien) nderung des Gesellschaftsvertrags oder erst ab dem Zeitpunkt der Handelsregistereintragung (vgl. §§ 107, 143 Abs. 2, 162 Abs. 3 HGB) auszugehen ist. Zwischenzeitlich hat sich – wie bereits ausgefhrt (s. o.) – der BFH mit Urteil vom 12. 2. 200435 fr erstere Lsung – Maßgeblichkeit des Gesellschafterbeschlusses – entschieden (zutr.). Allerdings ist hierbei nicht nur in der Situation der Ein-Mann-GmbH & Co. KG das Erfordernis der Befreiung vom Doppelvertretungsverbot (§ 181 BGB) beachten. Auch darber hinaus muss der Tatrichter zur berzeugung gelangen, dass ein solcher Beschluss vor Ablauf des betr. Wirtschaftjahrs gefasst wurde. Es ist deshalb anzuraten, vor diesem Zeitpunkt die Statusnderung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (zu Alternativen s. Kempermann36: Hinterlegung bei FA/Notar oder Steuerberater). Gelingt den Gesellschafter ein solcher Nachweis nicht, geht dies zu ihren Lasten (Feststellungslast).
34 Vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl., § 140 HGB Rz. 25. 35 BFH, Urt. v. 12. 2. 2004 – IV R 70/02, BStBl. II 2004, 423. 36 Kempermann, DStR 2004, 1515.
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V. „Vorgezogene Einlagen“ und § 15a EStG – BFH-Urteil vom 14. 10. 200337 1. Das Problem Wird das negative Kapitalkonto des Kommanditisten (K) zum Ende des Wirtschaftsjahrs 01 durch eine Einlage im Wirtschaftjahr 02 (ganz oder teilweise) ausgeglichen, so fhrt dies nach stndiger Rechtsprechung des BFH zwar nicht dazu, dass die nach § 15a EStG nur verrechenbaren Verluste der Vorperioden (Wirtschaftsjahr 01 und frher) rckwirkend in ausgleichsfhige Verluste umqualifiziert werden. Die Einlage entfaltet unstreitig jedoch Rechtswirkung insoweit, als – bis zu ihrer Hhe – Verluste des Einlagejahres (Wirtschaftsjahr 02) das negative Kapitalkonto des Kommanditisten nicht weiter erhhen und demgemß auch nicht der Ausgleichs- und Abzugsbeschrnkung des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG unterstehen38. Treffen hingegen Einlage und Verlust nicht im nmlichen Wirtschaftjahr zusammen (hier: jeweils Wirtschaftjahr 02; sog. zeitkongruente Einlage), sondern entsteht der K zuzurechnende Verlust erst im folgenden Wirtschaftsjahr (03), so erhebt sich die Frage, ob die Einlage des Wirtschaftsjahrs 02 geeignet ist, den Anfall eines nur verrechenbaren Verlust zu verhindern. Beispiel 1: Grundfall Wj 01 (Verlust) KapKo 1. 1.
Wj 03 (Verlust)
– 30
0
– 30
0
– 30
0
+ 30
0
KapKo 31. 12
– 30
0
– 30
verrechenbarer Verlust
– 30
0
?
GuV Einlagen/Entnahmen
0
Wj 02 (Einlage)
Die Finanzverwaltung39 hat eine solche Nachwirkung der Einlage fr das Wirtschaftsjahr 03 (sowie fr sptere Perioden) unter Berufung auf den Wortlaut der Grundregel des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG verneint, nach dem stichtagsbezogen – d. h. fr jedes Wirtschaftsjahr eigenstndig – zu prfen sei, ob aufgrund des K zugerechneten Anteils am KG-Ver37 BFH, Urt. v. 14. 10. 2003 – VIII R 32/01, DStR 2004, 24. 38 BFH v. 14. 12. 1995 – IV R 106/94, BFHE 179, 368 = BStBl. II 1996, 226 – zu IV.I. 39 OFD Frankfurt a. M. v. 17. 1. 2002, NWB F. 3, 11909 zu Abschn. I.
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lust des Wirtschaftsjahrs 03 ein negatives Kapitalkonto entstehe (sog. Kapitalkontenvergleich). Dem sind das FG Berlin40 sowie das FG Kln41 mit dem Hinweis beigetreten, dass es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht Plan des § 15a EStG sei, in allen Fllen die Mglichkeit zum Verlustausgleich dem konkreten Haftungsumfang anzugleichen. Die Nichtbercksichtigung vorgezogener Einlagen sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da sie jedenfalls bei Liquidation der KG als ausgleichsfhige Verluste geltend gemacht werden knnten; darber hinaus trage diese Beurteilung zur Vereinfachung der Vorschrift bei und beuge etwaigen Manipulationen vor. 2. Ansicht des BFH Das Besprechungsurteil hat sich dieser Ansicht zu Recht nicht angeschlossen.42 Zwar ist es in der Tat zutreffend, dass § 15a EStG lediglich in typisierender Weise den Gleichklang von Haftungsumfang und Verlustverwertung anstrebt und hierbei auch das Anliegen einer mglichst einfachen Handhabung sowie der Eindmmung missbruchlicher Gestaltungen verfolgt. Deshalb lsst das Besprechungsurteil auch keinen Zweifel darber aufkommen, dass – wie schon bisher – Einlagen in das negative Kapitalkonto nicht die verrechenbaren Verluste der Vorjahre in ausgleichsfhige transformieren (s. o. I). Auch besttigt der VIII. Senat ausdrcklich die stndige Rechtsprechung, nach der nur eine in das Handelregister eingetragene sog. berschießende Außenhaftung des Kommanditisten (§ 15a Abs. 1 Stze 2 und 3 EStG) diesem ausgleichsfhige Verluste vermitteln kann, die ber den Betrag seiner am jeweiligen Bilanzstichtag geleisteten Einlage hinausgehen, und deshalb weder eigenkapitalersetzende Darlehen43 noch Verpflichtungen des Innengesellschafters gegenber den Glubigern des Geschftsinhabers den An-
40 FG Berlin, Urt. v. 25. 6. 2002 – 7 K 4345/00 – rkr., EFG 2002, 1302 mit zustimmender Anm. R. Braun. 41 FG Kln, Urt. v. 27. 6. 2001 – 5 K 6631/00, EFG 2001, 1195 – Vorinstanz zum Besprechungsurteil. 42 Zustimmend u. a. Kempermann, DStR 2004, 1515 m. w. N.; Hempe u. a., DB 2004, 1460; Niehus u. a., FR 2004, 677; Wacker, DB 2004, 11; kritisch aber HG, DStR 2004, 28, Mitglied des VIII. BFH-Senats; Brandenberg, DB 2004, 1632; a.A., wenn auch teilweise irrefhrend, Claudy u. a., DStR 2004, 1504; zur Reaktion der Finanzverwaltung s. Abschn. 6. 43 Zu Finanzplankrediten vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl., § 15a EStG Rz. 91.
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fall verrechenbarer Verluste auszuschließen vermgen44. Gleichwohl sei es – so das Urteil VIII R 32/01 – geboten, den Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG mit Rcksicht auf die Fallkonstellation der vorgezogenen Einlage teleologisch zu reduzieren und die hierdurch entstehende verdeckte Regelungslcke entsprechend dem Regelungsplan des Gesetzes sowie der Entstehungsgeschichte der Vorschrift mit der Folge zu schließen, dass außerhalb des nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG gebotenen (stichtagsbezogenen) Kapitalkontenvergleichs der geleistete Einlagebetrag – soweit er nicht durch im Wirtschaftsjahr der Einlage (hier: Wirtschaftsjahr 02) zugerechnete ausgleichsfhige Verluste verbraucht wurde – als Korrekturposten festgehalten werden msse (hier: 30) und damit Verlustanteile des Kommanditisten in den folgenden Wirtschaftsjahr (hier: Wirtschaftsjahr 03 und spter) bis zur Hhe des Korrekturpostens auch dann als ausgleichsfhig anzuerkennen seien, wenn durch die Verlustzurechnung ein negatives Kapitalkonto entstehe oder sich erhhe. 2.1 „Nachwirkung“ der Einlage Von Interesse ist hierbei zunchst, dass dieses Ergebnis mit einer doppelten Begrndung abgesichert wird. Zum einen werde – so das Urteil – dem vom Gesetzgeber ausfhrlich erluterten Zweck des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG (Grundregel), die Verlustverwertung auf den Betrag der am Bilanzstichtag geleisteten Einlage – als Ausdruck der aktuellen wirtschaftlichen Belastung des beschrnkt haftenden Gesellschafters – zu begrenzen, nicht nur bei zeitkongruenter Einlage (Verlust und Einlage im nmlichen Wirtschaftsjahr), sondern in gleicher Weise auch dann entsprochen, wenn der Verlust der bis dahin nicht verbrauchten Einlage nachfolge. Die nach dem. Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG unterschiedliche Behandlung beider Sachverhalte lasse deshalb darauf schließen, dass der Gesetzgeber die Nachwirkung nicht verbrauchter Einlagen bersehen habe, mithin die Vorschrift lckenhaft und gemß dem Gesetzesplan, im Wege der Rechtsfortbildung (Korrekturposten) zu ergnzen sei. Obgleich die Finanzverwaltung im Revisionsverfahren die dieser Erwgung zugrunde liegende Prmisse (gesetzgeberisches Versehen) zugestimmt hat und der Verweis auf die ratio § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG plausibel zu erklren vermag, weshalb Einlagen einerseits auch im Hinblick auf Verluste spterer Wirtschaftsjahre zu bercksichtigen sind (zu44 Vgl. zuletzt BFH v. 11. 3. 2003 – VIII R 33/01, BFHE 202, 152, BStBl. II 2003, 705, dazu Anm. Gschwendtner, HFR 2003, 870; BFH v. 5. 2. 2002 – VIII R 31/ 01, BFHE 198, 101 = BStBl. II 2002, 464.
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kunftsgerichtete Wirkung), andererseits jedoch verrechenbare Verluste frherer Wirtschaftsjahre nicht in ausgleichsfhige Verluste umwandeln (Stichtagsprinzip; keine vergangenheitsbezogene Wirkung, s. o.), sollten die Komplizierungen gesehen werden, die mit der Bildung und Fortentwicklung des Korrekturpostens – d. h. mit einer die Kapitalkontenentwicklung ergnzenden Rechenreihe (dazu nachfolgend) – verbunden sind. Auch erscheint fraglich, ob das im Rahmen der Auslegung des § 15a EStG stets zu beachtende Anliegen der Rechtsvereinfachung allein aufgrund des Hinweises (vgl. Abschn. II 4/a des Besprechungsurteils) zurckgestellt werden knnte, dass die zum Ausgleich des negativen Kapitalkontos geleisteten Einlagen jedenfalls bei Liquidation der Gesellschaft oder Verußerung des Mitunternehmeranteils bercksichtigt werden mssen.45 2.2 Fallreihenvergleich zu § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG Das Besprechungsurteil hat deshalb der ratio des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG (Verlustverwertung im Umfang der tatschlichen Einlage) deren systematische Verklamnerung mit dem ergnzenden Tatbestand der erweiterten Außenhaftung nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG – als zweites Begrndungselement – zur Seite gestellt und im Rahmen eines Fallreihenvergleichs dargelegt, dass die Nichtbercksichtigung der vorgezogenen Einlage zu einem nicht hinnehmbaren Widerspruch zur Behandlung des Sachverhalts fhren wrde, dass K anstelle der Einlage im Wirtschaftsjahrs 02 (vgl. oben Beispiel 1) seine in das Handelsregister einzutragende Haftsumme (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 HGB) um 30 erhhe (Beispiel 2). Da in diesem Fall der Verlust des Wirtschaftsjahrs 03 nach dem insoweit unzweideutigen Wortlaut des § 15a. Abs. 1 Satz 2 EStG ausgleichsfhig wre, knne fr Beispiel 1 (tatschliche Einlage im Wirtschaftsjahr 02) nichts anderes gelten. Zudem wre es gemessen an dem unstreitigen Befund zu Beispiel 2 – so das Urteil VIII R 32/01 – „in jeder Hinsicht sinnwidrig“ (also gleichheitswidrig), wenn fr die weitere Sachverhaltsvariation, dass im Wirtschaftsjahr 02 nicht nur die Haftsumme des K erhht werde, sondern, er in entsprechender Hhe auch weitere Einlagen leiste (Beispiel 3), deshalb von lediglich verrechenbaren Verlusten auszugehen, weil durch die Kumulation von Einlage und Außenhaftung der Tatbestand der berschießender Außenhaf45 Vgl. dazu BFH v. 14. 12. 1995 – IV R 106/94, BFHE 179, 368 = BStBl. II 1996, 226; v. 28. 3. 2000 – VIII R 28/98, BFHE 191, 347 = BStBl II 2000, 347; Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl., § 15a EStG Rz. 180, 224, 243 mit Bsp.
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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu § 15a EStG
tung (§ 15a Abs. 1 Satz 2 EStG) entfalle.46 Der Blickwinkel des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG konkretisiere aber nicht nur die ratio des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG; darber hinaus entkrfte er das Argument, mit dem Erfordernis des Korrekturposten werde der Gesichtspunkt der mglichst einfachen Handhabung des § 15a EStG konterkariert (s. o.). Dem knne deshalb kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen werden, weil – so das Besprechungsurteil zutreffend – auch die berschießende Außenhaftung zu einer den Kapitalkontovergleich ergnzenden und ggf. fortzuschreibenden Nebenrechnung47 zwinge. 3. Innengesellschaft Angesichts dieser doppelten Begrndung stellt sich allerdings – bevor auf die Rechtsfragen zur Bildung und Fortentwicklung des Korrekturpostens einzugehen ist (s. nachfolgend Abschn. IV) – die im Urteil VIII R 32/01 nicht zu entscheidende (und auch nicht angesprochene) Frage, ob vorgezogene Einlagen auch fr den Innengesellschafter (z. B. atypisch Stillen gem. § 15a Abs. 5 Nr. 1 EStG) im Rahmen einer außerbilanziellen Nebenrechnung anzusetzen sind. Da der atypisch stille Gesellschafter ausgleichsfhige Verluste nur ber die Grundregel des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG zugewiesen erhlt, d. h. fr ihn weder eine berschießende Außenhaftung aufgrund Handelsregistereintrags begrndet48 noch whrend des Bestehens der Gesellschaft eine Einstandspflicht fr Forderungen gegen den Geschftsinhaber (z. B. Schuldmitbernahme, Brgschaft) bercksichtigt werden kann49, und damit das zweite Begrndungselement (vgl. oben zu 2.2) des Korrekturpostens fr ihn nicht zu tragen vermag, ließe sich die Ansicht vertreten, dass hierdurch zugleich auch die systematische Rechtfertigung fr eine vom Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG abweichende Anerkennung ausgleichsfhiger Verluste entfalle. Dem wird man allerdings entgegenhalten mssen, dass das Besprechungsurteil den Korrekturposten nicht auf eine Analogie zu 46 Dazu v. Beckerath in Kirchhof, EStG, 3. Aufl., § 15a EStG Rz. 166; Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl., § 15a Rz. 124. 47 Vgl. dazu mit Bsp. Bitz in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Komm., § 15 a EStG Rz. 27a. 48 BFH v. 14. 12. 1995 – IV R 106/94, BFHE 179, 368 = BStBl. II 1996, 226 zu III 2/3 der Grnde; v. 7. 10. 1997 – VIII R 22/94, BFH/NV 1998, 823. 49 Vgl. v. Beckerath in Kirchhof, EStG, 3. Aufl., § 15a EStG Rz. 166; Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl., § 15a EStG Rz. 124; zur Erfllung der Außenverbindlichkeit vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl., § 15a EStG Rz. 198, 127.
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§ 15a Abs. 1 Satz 2 EStG gesttzt, sondern – wie dargelegt – die Rechtsregeln der berschießenden Außenhaftung lediglich als systematischen Kronzeugen dafr angesehen hat, dem Zweck des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG – d. h. der Vermittlung ausgleichsfhiger Verluste in den Grenzen der zum jeweiligen Bilanzstichtag tatschlich geleisteten Einlagen – ber den Wortlaut der Vorschrift hinaus auch dann zu entsprechen, wenn aufgrund des Zusammenspiels von vorgezogener Einlage und nachfolgendem Verlust erneut ein negatives Kapitalkonto entsteht (oder sich erhht). So gesehen ist der Korrekturposten kein Zwitter, sondern ein Kind der Grundregel des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG, auch wenn seine richterrechtliche Entfaltung durch verwandte Vorbilder (§ 15a Abs. 1 Satz 2 EStG) beeinflusst ist. So gesehen besteht deshalb auch keine Veranlassung, im Rahmen der Beurteilung des § 15a Abs. 5 EStG den am Leitbild des Kommanditisten przisierten Zweck des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG auf eine reine Wortlautinterpretation der Vorschrift zurckzunehmen. 4. Korrekturposten Obgleich das Besprechungsurteil lediglich ber den zu Beispiel 1 (s o. zu 1) dargestellten Sachverhalt zu entscheiden hatte, dass die zum Ausgleich des negativen Kapitalkontos erbrachte Einlage des Wirtschaftsjahrs 02 durch Verluste im unmittelbar folgenden Wirtschaftsjahr (03) aufgezehrt wird, sah sich der Senat veranlasst, im Interesse der Rechtssicherheit auf weitere Fallvarianten der Einstellung und Fortentwicklung des Korrekturpostens einzugehen. Dabei ging es erkennbar nicht darum, dem Leser ein erschpfendes Kompendium zu prsentieren; die Ausfhrungen des Senats dienen vielmehr – wie auch die folgenden Erluterungen – dem Zweck, anhand einiger typischer Gestaltungen die Grundidee des Korrekturpostens, d. h. seine Einbindung in die strukturellen Wertungen des § 15a EStG aufzuzeigen. Dass hierbei – jedenfalls im aktuellen Stadium der Diskussion – ein Rest von Unsicherheit bleibt, kann nicht berraschen. Fraglich erscheint deshalb auch, ob der Gesetzgeber gut beraten wre, § 15a EStG mit Rcksicht auf die materiellen Rechtsregeln des Korrekturpostens zu berarbeiten. M. E. sollte er allerdings erwgen, zum Zwecke der Streitkonzentration das Feststellungsverfahren nach § 15a Abs. 4 EStG auf den Betrag des am jeweiligen Bilanzstichtag verbleibenden Korrekturpostens zu erweitern.
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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu § 15a EStG
4.1 Bildung des Korrekturpostens 4.1.1 Aufgrund Einlagen Da Einlagen, die zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos geleistet werden, insofern eine doppelte Beziehung zu den Verlusten des Unternehmens aufweisen, als sie einerseits – in der Rckschau – den Eigenkapitalverlust der Vorjahre neutralisieren, andererseits jedoch – in der Vorausschau – dazu dienen, einem weiteren Kapitalverzehr durch zuknftige Verluste zu begegnen, ist dieser zweifache Bezugsrahmen auch fr die Einstellung (und Fortentwicklung) des Korrekturpostens zu beachten. Demnach ist es zwar zutreffend, wenn das Besprechungsurteil die Postenbildung – angelehnt an die Parallelwertung des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zur erweiterten Außenhaftung (s. o. zu Abschn. II 2) – an die Frage bindet, ob ein Verlustanteil des Kommanditisten (oder stillen Gesellschafters etc., s. o.), wenn er in das Einlagejahr trfe, nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG – mangels Erhhung des negativen Kapitalkontos – ausgleichsfhig wre. Hierbei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die (prospektive) Vorhaltefunktion des Korrektpostens – und damit die Ausgleichsfhigkeit zuknftiger Verluste im Rahmen der wortlautkorrigierende Nebenrechnung zum Kapitalkontenvergleich (§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG) – nur dann legitimiert ist, wenn (retrospektiv) die Einlage zum Ausgleich eines Kapitalkontos erbracht wird, das entweder durch verrechenbare Verluste oder durch sog. Altverluste vor erstmaliger Geltung des § 15a EStG entstanden ist. Deshalb kann auch nur das (systematische) Gesamtbild aus Retro- und Prospektive die Restriktionen erklren, denen bereits die Bildung des Korrekturpostens unterliegt: 4.1.1.1 Erweiterte Außenhaftung Soweit dem Kommanditisten aufgrund seiner erweiterten Außenhaftung nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG i. V. m. §§ 171, 172 HGB50 – und damit trotz Entstehens eines negativen Kapitalkontos – ausgleichsfhige Verluste zugewiesen worden sind, entfllt hiermit zugleich auch die Rechtfertigung fr den Ansatz eines Korrekturpostens.
50 Dazu, dass § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG fr sog. Altverluste, d. h. Verluste vor erstmaliger Geltung des § 15a EStG, nicht greift vgl. BFH v. 11. 11. 1993 – IV R 125/90, BFHE 173, 318 = BStBl. II 1994, 629; Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl., § 15a EStG Rz. 122 i. V. m. Rz. 39 ff.
190
Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu § 15a EStG Beispiel 4: Haftsumme des Kommanditisten: 65 Wj 00 (Einlage/ Verlust) KapKo 1. 1.
Wj 01 (Verlust)
Wj 02 (Einlage)
Wj 03 (Verlust)
0
0
– 30
0
GuV
– 35
– 30
0
– 30
Einlagen/Entnahmen
+ 35
0
+ 30
0
0
– 30
0
– 30
– 35
– 30
0
0
0
– 30
KapKo 31. 12 ausgleichsfhiger Verlust verrechenbarer Verlust
0
Der Verlust des Wirtschaftsjahrs 01 (– 30) ist in voller Hhe aufgrund der verbliebenen Außenhaftung (30 = 65 [Haftsumme] abzglich 35 [Einlage]; §§ 171, 172 HGB i. V. m. § 15a Abs. Satz 2 EStG) ausgleichsfhig. Da hierdurch der Effekt des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG (Verlustausgleich aufgrund Einlage) antizipiert wird, kann die Einlage des Wirtschaftsjahr 02 selbst dann keinen Verlustausgleich mehr begrnden, wenn K – abweichend von Beispiel 4 – bereits fr das Wirtschaftsjahr der Einlage (Wirtschaftsjahr 02) ein Verlustanteil zuzurechnen wre.51 Demgemß ist auch in Beispiel 4 eine Gesetzeskorrektur nicht veranlasst mit der weiteren Folge, dass der Verlust des Wirtschaftsjahrs 03 – entsprechend der Grundregel des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG – lediglich verrechenbar ist. 4.1.1.2 Zeitkongruenter Verlust Ein Vorhaltewert ist ferner nicht anzusetzen, soweit im Einlagejahr der Betrag der Einlage durch ausgleichsfhige (s. o. zu 4.1.1.1) Verluste aufgezehrt wird. 4.1.1.3 Positives Kapitalkonto Gleiches gilt schließlich, soweit die Einlage das Entstehen eines positiven Kapitalkontos zur Folge hat, da in diesem Umfang nach der Grundregel des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG zuknftige Verluste als ausgleichsfhig anzuerkennen sind und somit auch kein Bedrfnis nach einer 51 BFH v. 10. 6. 1999 – IV B 126/98, BFH/NV 1999, 1461; EStR 138d Abs. 3 Satz 8.
191
Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu § 15a EStG
Korrektur des Gesetzeswortlauts besteht (vgl. – einschl. Beispiel – Abschn. II 5/b des Besprechungsurteils). 4.1.2 Aufgrund Gewinngutschrift? Auf den ersten Blick erscheint es naheliegend, einen Korrekturposten nicht nur bei Einlagen in das negative Kapitalkonto, sondern – wozu das Besprechungsurteil allerdings nicht Stellung genommen hat – auch dann zu bilden, wenn der Gewinn der KG deren Eigenkapital erhht und damit anteilig das negative Kapitalkonto des Kommanditisten mindert.52 Vergleichbar dem Grundfall, dass der zuzurechnende Verlustanteil durch eine Einlage des nmlichen Wirtschaftsjahrs kompensiert werde, ließe sich fr die Eigenkapitalerhhung durch Gewinngutschrift anfhren, dass der Gewinn (hier: Anteil des Kommanditisten am KGGewinn) eine Saldogrße reprsentiere, d. h. die Betriebsausgaben des Wirtschaftsjahrs bis zum Gesamtbetrag der fr die nmliche Periode anzusetzenden Ertrge nicht den Verlustverwertungsbeschrnkungen des § 15a EStG unterstnden, und es demgemß folgerichtig sei, auch einen Ertragsberhang (Gewinn) als Korrekturposten fr spter anfallende Verluste vorzuhalten. All dies selbstverstndlich nur unter Beachtung der beschriebenen Restriktionen: kein Korrekturposten, soweit entweder das Kapitalkonto aufgrund der Gewinngutschrift positiv werde oder dem Kommanditisten bereits fr die Vorjahre aufgrund erweiterter Außenhaftung ausgleichsfhige Verluste zugerechnet worden seien. Das nachfolgende Beispiel zeigt indes, dass Erwgungen dieser Art auch dann ins Leere gehen, wenn das Kapitalkonto durch verrechenbare Verluste negativ geworden ist.
52 Dazu BMF v. 30. 5. 1997 – IV B 2 – S 2241a – 51/93 II – BStBl. I 1997, 627; Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl., § 15a EStG Rz. 86; zu den verschiedenen Gesellschafterkonten s. auch v. Beckerath in Kirchhof/Shn/Mellinghoff, EStG, § 15a EStG Rz. B 419 ff.
192
Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu § 15a EStG Beispiel 5: Haftsumme des Kommanditisten: 35 Wj 00 (Einlage/ Verlust) KapKo 1. 1.
Wj 01 (Verlust)
Wj 02 (Gewinn)
Wj 03 (Verlust)
0
0
– 30
0
GuV
– 35
– 30
+ 30
– 30
Einlagen/Entnahmen
+ 35
0
0
0
KapKo 31. 12 ausgleichst. Verlust
0
– 30
0
– 30
– 35
0
0
0
0
– 30
0
– 30
verrechenbarer Verlust 1. Gewinn 2. Abzglich § 15a Abs. 2 (aus Wj 01) 3. zu versteuern
30 – 30 0
Zwar gleicht der Gewinn des Wirtschaftsjahrs 02 das negative Kapitalkonto (zum 31. 12. 02) aus. Da er jedoch nach § 15a Abs. 2 EStG mit dem verrechenbaren Verlust des Wirtschaftsjahrs 01 zu saldieren ist und diesen damit im Ergebnis in einen ausgleichsfhigen Verlust transformiert53, wird hierdurch zugleich auch das durch die Gewinngutschrift (Eigenkapitalerhhung) geschaffene Ausgleichspotential verbraucht. Ein Korrekturposten ist demnach nicht anzusetzen und der Verlust des Wirtschaftsjahrs 03 – entsprechend der Grundregel des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG – als verrechenbar festzustellen.54 4.2 Fortentwicklung des Korrekturpostens 4.2.1 Verbrauch durch Verluste Verluste mindern den Korrekturposten erst dann, wenn sie dazu fhren, dass erneut ein negatives Kapitalkonto entsteht (oder sich erhht). Ist dies der Fall, wird der Korrekturposten – verbunden mit der Rechtsfolge ausgleichsfhiger Verluste bis zur Hhe des Korrekturpostens – ver53 Vgl. auch BFH v. 16. 5. 2002 – IV R 58/00, BFHE 199, 2, 748: „aufgeschobener Verlustausgleich“. 54 Zur Kontrolle: Das nmliche Gesamtergebnis (kein Korrekturposten) htte sich eingestellt, wenn der Ertragsberhang (Gewinn) des Wirtschaftsjahrs 02 (+ 30) bereits im Wirtschaftsjahr 01 erzielt und hierdurch der Verlust des Wirtschaftsjahrs 01 (– 30) neutralisiert worden wre (Saldo: 0). Gl. A. Kempermann, DStR 2004, 1515.
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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu § 15a EStG
braucht (vgl. das Bsp. zu Abschn. II 5b/c des Besprechungsurteils). Nur die weitergehenden, den Korrekturposten berschreitenden Verluste sind – vorbehaltlich § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG (berschießenden Außenhaftung) – als verrechenbar festzustellen. 4.2.2 Verbrauch durch Gewinne Beispiel 6: Haftsumme des Kommanditisten: 35 Wj 00 (Einlage/ Verlust) KapKo 1. 1.
Wj 01 (Verlust)
Wj 02 (Einlage)
Wj 03 (Gewinn)
0
0
– 30
0
GuV
– 35
– 30
0
+ 30
Einlagen/Entnahmen
+ 35
0
+ 30
0
0
– 30
0
+ 30
KapKo 31. 12 ausgleichsfhiger Verlust verrechenbarer Verlust
– 35
0
0
0
0
– 30
0
0
1. Gewinn 2. Abzglich § 15a Abs. 2 (aus Wj 01) 3. zu versteuern
30 – 30 0
Entsprechend den vorstehenden Grundstzen bewirkt zwar die Einlage des Wirtschaftsjahrs 02 den Ansatz eines Korrekturpostens (30). Dieser ist jedoch – in Anlehnung an die Ausfhrungen zu Beispiel 5 – zum Ende des Wirtschaftsjahrs 03 deshalb aufzulsen, weil der verrechenbare Verlust des Wirtschaftsjahrs 01 durch die Saldierung mit dem Gewinn des Wirtschaftsjahrs 03 nach § 15a Abs. 2 EStG im Ergebnis in einen ausgleichsfhigen Verlust „berfhrt“ und hierdurch zugleich das durch die Einlage des Wirtschaftsjahrs 02 geschaffene Ausgleichspotential aufgezehrt wird.55 Ab dem Wirtschaftsjahr 04 ist demnach – gemß dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG – lediglich zu bercksichtigen, dass dann, wenn – wie in Beispiel 6 – der Gewinn des Wirtschaftsjahrs 03 dem Eigenkapital gutgeschrieben wurde, sich hierdurch auch das Kapitalkonto des K erhht (Stand zum 31. 12. 03: + 30). Unterschreitet der Gewinn des Wirtschaftsjahrs 03 (z. B. 20) die Einlage des Wirtschaftsjahrs 02 (hier: 30), so bleibt der zum Ende des Wirtschaftsjahrs 02 gebildete Korrekturposten in Hhe des Differenzbetrags (10) be55 Zweifelnd Brandenberg, DB 2004, 1632, 1636.
194
Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu § 15a EStG
stehen; dies entspricht zugleich der Hhe des verbleibenden verrechenbaren Verlusts aus dem Wirtschaftsjahr 01. 4.2.3 Verbrauch durch Entnahmen Mangels Entscheidungserheblichkeit hat das Besprechungsurteil die Auswirkungen von Entnahmen auf den Korrekturposten nur angedeutet. Da eine umfassende Darstellung – angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsvarianten – auch den Rahmen dieses Vortrags berschreiten wrde und deshalb einer gesonderten Untersuchung vorbehalten bleiben muss, soll im Folgenden nur die grundstzliche Problemstellung skizziert werden. Nach § 15a Abs. 3 (ggf. i. V. m. Abs. 5) EStG ist dem Kommanditisten ein fiktiver Gewinn hinzuzurechnen, soweit (1.) durch Entnahmen ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhht und (2.) nicht aufgrund der Entnahme nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG eine zu bercksichtigende Außenhaftung die Gewinnhinzurechnung sperrt. Letztere ist schließlich (3.) durch die Summe der ausgleichsfhigen Verluste des Gesellschafters im Wirtschaftsjahr der Entnahme sowie den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahr dem Gesellschafter (sog. Elfjahreszeitraum) beschrnkt, und diese Hinzurechnungsobergrenze zudem – wie der IV. Senat des BFH zwischenzeitlich entschieden hat56 – um die Gewinnanteile zu krzen, die dem Gesellschafter fr Wirtschaftsjahre zwischen dem Anfall der ausgleichsfhigen Verluste und der Entnahme zugerechnet wurden. Sind diese Voraussetzungen erfllt, bewirkt die Gewinnhinzurechnung i. V. m. mit dem Ansatz eines betragskongruenten verrechenbaren Verlusts die Umqualifikation der zunchst ausgleichfhigen Verluste der Vorperioden, so dass der Gesellschafter ab dem Wirtschaftsjahr der Entnahme so gestellt wird, als habe er von vorneherein eine geringere Einlage geleistet. Es liegt auf der Hand, dass die Antwort auf die Frage, ob der im Zusammenhang mit dem Ausgleich eines negativen Kapitalkontos gebildete Korrekturposten aufgrund einer spteren Entnahme aufzulsen ist und welche Rechtsfolgen hiermit verbunden sind, darauf Bedacht zu nehmen hat, ob im Einzelfall die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15a Abs. 3 EStG erfllt werden. Ist dies deshalb zu verneinen, weil dem Gesellschafter trotz der Entnahme ein positives Kapitalkonto verbleibt, ergeben sich auch keine Auswirkungen auf den Fortbestand des Korrekturpostens. Umgekehrt ist dieser ersatzlos aufzulsen, wenn eine Gewinnhinzurech56 BFH v. 20. 3. 2003 – IV R 42/00, BStBl. II 2003, 798.
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nung daran scheitert, dass dem Gesellschafter im elfjhrigen Korrekturzeitraum keine ausgleichsfhigen Verluste zugewiesen wurden.57 Zweifeln unterliegt indes die Beurteilung des Sachverhalts, dass die Entnahme nach dem Wortlaut des § 15a Abs. 3 EStG zur Gewinnhinzurechnung (i. V. m. dem Ansatz eines verrechenbaren Verlusts) fhrt. Dies wird – mangels einer zu bercksichtigenden Außenhaftung (§ 15a Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 5 und Abs. 3 Satz 1 EStG) – vor allem Einlageminderungen durch atypisch stille Gesellschafter betreffen. Beispiel 7: Atypisch stiller Gesellschafter und ausgleichsfhige Verluste Wj 00 (Einlage/ Verlust) KapKo 1. 1.
Wj 01 (Verlust)
Wj 02 (Einlage)
Wj 03 (Entnahme)
0
0
– 30
0
GuV
– 35
– 30
0
0
Einlagen/Entnahmen
+ 35
0
+ 30
– 30
0
– 30
0
– 30
KapKo 31. 12 ausgleichst. Verlust verrechenbarer Verlust
– 35
0
0
0
0
– 30
0
0
Gewinnhinzurechnung
+ 30
verrechenbarer Verlust
(?)– 30 (?)
Wie die letzte Spalte der Falldarstellung verdeutlicht, bedarf es fr Beispiel 7 der Klrung, ob der durch die Einlage im Wirtschaftsjahr 02 gebildete Korrekturposten den verrechenbaren Verlust aufgrund Gewinnhinzurechung (Wirtschaftsjahr 03) in einen ausgleichsfhigen Verlust berfhrt. Dies wrde im rechnerischen Ergebnis einer Direktsaldierung von Einlage (Wirtschaftsjahr 02) und Entnahme (Wirtschaftsjahr 03) entsprechen; in materieller Hinsicht kme dem Korrekturposten (Wirtschaftsjahr 02) dabei – ber die Umqualifikation tatschlicher Verluste in den Folgeperioden hinaus – die Funktion zu, den Hinzurechnungstatbestand im Sinne eines unmittelbar wirkenden Puffers fr im Rahmen von § 15a Abs. 3 EStG sanktionsfreie Entnahmen teleologisch zu reduzieren. Obgleich sich eine solche Beurteilung auf die ausdrckliche Wertung des § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG zur Behandlung des Par57 Gleiches muss nach BFH, Urt. v. 20. 3. 2003 – IV R 42/00, BStBl. II 2003, 798 dann gelten, wenn die ausgleichsfhigen Verluste durch nachfolgende Gewinne vor der Entnahme neutralisiert werden.
196
Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu § 15a EStG
allelfalls, dass ein Kommanditist – anstelle von Einlage (Wirtschaftsjahr 02) und Entnahme (Wirtschaftsjahr 03) – seine Haftungssumme im Wirtschaftsjahr 02 von bisher 35 auf 65 erhht und im Folgejahr (Wirtschaftsjahr 03) wiederum auf 35 herabsetzt (keine Hinzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG), sttzen lsst, sprechen m. E. die besseren Grnde dafr, das Wortlautergebnis fr Beispiel 7 (atypisch stiller Gesellschafter) nicht zu modifizieren und damit den Korrekturposten des Wirtschaftsjahrs 02 nicht aufzulsen. Da § 15a Abs. 3 EStG als typisierende Vorschrift zur Missbrauchsbekmpfung auf eine Korrektur ausgleichsfhiger Verluste innerhalb eines Zeitraums von elf Jahren (Entnahmejahre sowie die vorangegangen zehn Wirtschaftsjahre) zielt, ist es – auch unter Bercksichtigung der BFH-Rspr. zur Saldierung von ausgleichsfhigen Verlusten und nachfolgenden Gewinnen (s. o.) – folgerichtig, die Entnahme des Wirtschaftsjahrs 03 der Einlage des Wirtschaftsjahrs 00 zuzuordnen und damit den Gesellschafter so zu stellen, als sei der ausgleichsfhige Verlust (Wirtschaftsjahr 00) nur im Umfang von 5 (35 abzgl. 30) durch eine zeitkongruente Kapitalzufuhr gedeckt gewesen.58 Mit welchen Weiterungen diese Beurteilung einhergeht, soll – pars pro toto – an der Fallvariante zu Beispiel 8 gezeigt werden, dass dem stillen Gesellschafter fr das Wirtschaftsjahr der Entnahme (Wirtschaftsjahr 03) auch Verluste zugerechnet werden. Beispiel 8: Atypisch stiller Gesellschafter und ausgleichsfhige Verluste Wj 00 (Einlage/ Verlust) KapKo 1. 1.
Wj 01 (Verlust)
Wj 02 (Einlage)
Wj 03 (Entnahme/ Verlust)
0
0
– 30
+ 30
GuV
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0
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Einlagen/Entnahmen
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KapKo 31. 12 ausgleichst. Verlust
0
0
0
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verrechenbarer Verlust
0
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0
?
Gewinnhinzurechnung
?
verrechenbarer Verlust
?
58 Zweifelnd Brandenberg, DB 2004, 1632, 1637; a.A. Kempermann, DStR 2004, 1515, 1516.
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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu § 15a EStG
Bekanntlich ist in der Literatur umstritten, in welcher Reihenfolge Verlust und Entnahme, die in einem Wirtschaftsjahr zusammentreffen und in ihrer Kumulation das Entstehen eines negativen Kapitalkontos bedingen (hier: Wirtschaftsjahr 03), anzusetzen sind. Von Interesse ist fr Beispiel 8 dabei zunchst die Ansicht, die gesetzlich nicht geregelte Frage sei deshalb zu vernachlssigen, weil die gedankliche Abfolge der einzelnen Verrechnungsschritte das Gesamtergebnis nicht beeinflusse. Bercksichtige man zuerst die Entnahme (Variante 1), so ergebe sich – in den Zahlen des Beispiels 8 – aufgrund der nachfolgenden Verlustzurechnung ein verrechenbarer Verlust nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG in Hhe von 30; setze man hingegen zuerst den Verlust an (Variante 2), sei dieser ausgleichsfhig (30), werde jedoch durch die Gewinnhinzurechnung (30) aufgrund der Entnahme neutralisiert, so dass auch in dieser Prfungsabfolge ein verrechenbarer Verlust von 30 – nunmehr allerdings nach § 15a Abs. 3 Satz 4 EStG – verbleibe.59 Das rechnerische Gleichgewicht beider Vorgehensweisen (und damit deren Entscheidungsneutralitt) wird zwar erkennbar im Sinne einer Besserstellung von Variante 1 gestrt, wenn – entsprechend der hier vertretenen Auffassung – der in Beispiel 8 am Ende des Wirtschaftsjahrs 02 (Einlage) gebildete Korrekturposten nur verrechenbare Verluste nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG (Variante 1), nicht aber solche nach § 15a Abs. 3 Satz 4 EStG (Variante 2) in ausgleichsfhige Verluste umqualifiziert. Jedoch ist fraglich, ob die Rechtsprechung jemals Gelegenheit haben wird, hierzu Stellung zu nehmen, da sich nicht nur die h. M. in der Literatur – m. E. zutreffend – fr einen vorrangigen Ansatz der Entnahme (Variante 1) ausgesprochen hat60, sondern (nach dem Kenntnisstand des Verfassers) auch die Finanzverwaltung diese Einschtzung teilt. 5. Altflle Da die im Besprechungsurteil entwickelten Rechtsgrundstze von der bisherigen Besteuerungspraxis sowie der Rspr. der Finanzgerichte abweichen (s. o. Abschn. 1), erscheint es ratsam, abschließend einen Blick auf sog. Altflle, d. h. auf den Sachverhalt zu werfen, dass im Rahmen bestandskrftiger Feststellungen nach § 15a Abs. 4 EStG die Auflsung des Korrekturpostens und damit die Umqualifikation verrechenbarer in 59 Vgl. umfassend v. Beckerath in Kirchnot/Shn/Mellinghoff, EStG, § 15a Rz. D 54 ff. 60 Gl. A. v. Beckerath in Kirchhof/Shn/Mellinghoff, EStG, § 15a EStG Rz. D 56 ff.; FN-IdW 2001, 642, 648 zu (41).
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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu § 15a EStG
ausgleichsfhige Verluste nicht bercksichtigt wurde. Der Erwgung, dass aufgrund der Bestandskraft der (materiell fehlerhaften) Bescheide auch die Vorhaltefunktion des Korrekturpostens verbraucht werde, wird man zweierlei entgegenzuhalten haben: zum einen ist die Bildung und Fortentwicklung des Korrekturpostens – nach aktueller Rechtslage (vgl. jedoch die Anregung zu Abschn. 4) – nicht Gegenstand der Feststellung nach § 15a Abs. 4 EStG; zum anderen hat der BFH fr sog. Altbetriebe im Zusammenhang mit dem bergang zur erstmaligen Geltung des § 15a EStG entschieden, dass der Gesamtbetrag der erweiterten Außenhaftung nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG sich nur um die Teilbetrge mindere, die in den Vorjahren (tatschlich) zu ausgleichsfhigen Verlusten gefhrt htten.61 Nichts anderes kann m. E. fr den durch den Ausgleich eines negativen Kapitalkontos entstandenen Korrekturposten gelten, so dass er – soweit (ggf. auch in bestandskrftigen Wirtschaftsjahr) nicht ersatzlos aufzulsen – nach Maßgabe der vorstehenden Grundstze die verrechenbaren Verluste der Wirtschaftsjahre, fr die die Feststellung nach § 15a Abs. 4 EStG noch gendert werden kann, mindert. 6. Nichtanwendungsschreiben der Finanzverwaltung Angesichts dessen, dass der VIII. Senat zunchst einen Gerichtsbescheid erlassen und damit der Finanzverwaltung Gelegenheit gegeben hat, durchgreifende Bedenken zu artikulieren, ist die Reaktion des BMF62 befremdlich. Der Berater ist deshalb – ohne Hinweisschreiben der Verwaltung – in besonderem Maße gefordert, seine § 15a EStG-Flle zu durchforsten und etwaige Korrekturpostenbetrge aufzuspren. Eine nderung der Rechtsprechung ist – jedenfalls nach dem gegenwrtigen Diskussionsstand – nicht in Sicht.63
VI. Zusammenfassung (1) Soweit die Einlage das durch verrechenbare Verluste entstandene negative Kapitalkonto ausgleicht, ist fr die geleistete Einlage ein Korrekturposten zu bilden. Dieser bewirkt, dass – abweichend vom Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG – auch Verluste spterer Wirtschafts61 BFH v. 26. 8. 1993 – IV R 112/91, BFHE 172, 430 = BStBl. I 1994, 627. 62 BMF, Schr. v. 14. 4. 2004, DStR 2004, 773; vgl. dazu auch Brandenberg, DB 2004, 1632; Claudy/Steger, DStR 2004, 1504. 63 Siehe auch Kempermann, DStR 2004, 1515.
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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu § 15a EStG
jahre, die erneut zum Entstehen eines negativen Kapitalkontos fhren, bis zum Verbrauch des Korrekturbetrags als ausgleichsfhig zu qualifizieren sind (Vorhaltefunktion). Entsprechendes gilt fr Innengesellschafter (z. B. atypisch stille Gesellschafter). (2) Der Korrekturposten entfllt des Weiteren, soweit dem beschrnkt haftenden Gesellschafter fr Wirtschaftsjahre nach der Einlage Gewinnanteile zugerechnet werden (ersatzloser Wegfall). (3) Ob auch Entnahmen die Auflsung des Korrekturpostens zur Folge haben, wurde im Verfahren VIII R 32/01 nicht entschieden. Richtigerweise wird man hierbei zu bercksichtigen haben, ob die Entnahme eine Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG auslst. Ist dies zu bejahen, stellt sich insbesondere die Frage, ob der infolge der Gewinnhinzurechnung anzusetzende verrechenbare Verlust (§ 15a Abs. 3 Satz 4 EStG) durch die Auflsung des Korrekturpostens in einen ausgleichsfhigen Verlust berfhrt wird. (4) Ist die Umqualifikation in ausgleichsfhige Verluste in einem bestandskrftigen Feststellungsbescheid nicht beachtet worden (Altflle), wird hierdurch der Korrekturposten nicht verbraucht.
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Realteilung von Personengesellschaften im Ertragsteuerrecht Werner Seitz Ministerialrat, Finanzministerium Baden-Wrttemberg, Stuttgart Inhaltsbersicht I. Rechtsgrundlagen der Realteilung 1. Rechtsentwicklung im Einzelnen 2. Bestimmung des anwendbaren Rechts
3.3 Sonderbetriebsvermgen bei der Realteilung 4. Sonderproblem: Auslndischer Gesellschafter als Realteiler
II. Begriff der Realteilung 1. Auswirkungen der unterschiedlichen Auffassungen 2. Folgerungen fr die Sachwertabfindung
IV. Realteilung mit Spitzenausgleich 1. Ermittlung des Verußerungsgewinns 2. Begnstigung nach §§ 16 Abs. 4 und 34 EStG 3. Mglichkeiten zur Vermeidung eines Spitzenausgleichs
III. Voraussetzung der steuerneutralen Realteilung 1. Qualitt des aufnehmenden Betriebsvermgens 2. Personen- und objektbezogene Betrachtung 3. Bilanzielle Behandlung 3.1 Anpassung der Kapitalkonten 3.2 Buchwertfortfhrung und Firmenwert
V. Sperrfrist 1. Wesentliche Betriebsgrundlagen 2. Grund und Boden 3. Rechtsfolgen der Verußerung/Entnahme innerhalb der Sperrfrist VI. Krperschaftsklausel
Von einer Realteilung einer Mitunternehmerschaft ist auszugehen, wenn die Personengesellschaft beendet und deren Gesamthandsvermgen auf die bisherigen Gesellschafter verteilt wird. Handelsrechtlich wird die Personengesellschaft aufgelst, wobei nach der Auflsung keine Liquidation, sondern eine andere Art der Auseinandersetzung im Sinne des § 145 Abs. 1 HGB erfolgt. Steuerlich handelt es sich auf der Ebene der Gesellschaft um eine Betriebsaufgabe, bei der es jedoch unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht zur Aufdeckung der stillen Reserven kommt, sondern die zur Fortfhrung der Buchwerte durch die bisherigen Mitunternehmer, bei denen die zugeteilten Wirtschaftsgter weiterhin steuerverhaftet bleiben, zwingt. 201
Seitz, Realteilung von Personengesellschaften
I. Rechtsgrundlagen der Realteilung Die Realteilung von Mitunternehmerschaften hat in den letzten Jahren mehrere einschneidende Vernderungen erfahren. Whrend bis zum Jahr 1998 die Steuerpflichtigen die Wahl hatten, bei der Realteilung stille Reserven aufzudecken oder die Buchwerte fortzufhren, galt in den Jahren 1999 und 2000 eine außerordentlich strenge Regelung, die lediglich bei der Zuteilung von Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen einen Zwang zur Buchwertfortfhrung statuierte und im brigen die Aufdeckung stiller Reserven erforderte. Zur Erleichterung von Umstrukturierungsmaßnahmen wurden diese Restriktionen mit Wirkung ab 2001 wieder gelockert. Obgleich sich die Neuregelung wieder an den Rechtszustand, der bis zum Jahr 1998 galt, anlehnt, stellen sich eine Reihe von Zweifelsfragen, zu der sich bis dato noch keine einheitliche Verwaltungsauffassung herausgebildet hat. Die Finanzverwaltung ist vielmehr derzeit bemht, hierzu ein BMF-Schreiben zu erarbeiten. 1. Rechtsentwicklung im Einzelnen Die Realteilung wurde im Steuerrecht erstmals mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. 3. 19991 gesetzlich geregelt. Bis dahin basierte sie auf Richterrecht, indem der VIII. Senat des BFH2 nicht nur fr die Realteilung, bei der Teilbetriebe zugeteilt wurden, sondern auch bei Einzelwirtschaftsgtern unter reziprok analoger Anwendung des Rechtsgedankens in § 24 UmwStG den Gesellschaftern ein Wahlrecht einrumte, die Buchwerte der bernommenen Wirtschaftsgter fortzufhren oder die darin enthaltenen stillen Reserven aufzudecken und in dieser Hhe einen nach §§ 16 Abs. 4 und 34 EStG begnstigten Aufgabegewinn zu versteuern. Demgegenber vollzog § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. 3. 1999 einen vlligen Umschwung, indem – in bereinstimmung mit der Regelung zur unentgeltlichen Betriebsbertragung in § 6 Abs. 3 EStG – fr Realteilungen, die nach dem 31. 12. 1998 erfolgten, zwingend die Buchwerte angesetzt werden mussten, soweit bei der Realteilung Teilbetriebe oder Mit-
1 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. I 1999, 402 = BStBl. I 1999, 304. 2 BFH, Urt. v. 10. 12. 1991 – VIII R 69/86, BStBl. II 1992, 385.
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Seitz, Realteilung von Personengesellschaften
unternehmeranteile den bisherigen Gesellschaftern zugeteilt wurden. Erhielten die Mitunternehmer dagegen bei der Realteilung der Mitunternehmerschaft lediglich Einzelwirtschaftsgter, so war darin eine Aufgabe von deren Mitunternehmeranteilen zu sehen, die zur Aufdeckung der in den zugeteilten Wirtschaftsgtern enthaltenen stillen Reserven fhrte. Diese Vorschrift musste im Zusammenhang mit § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/ 2000/2002 vom 24. 3. 1999 gesehen werden, mit dem das auf dem sog. Mitunternehmererlass3 beruhende Wahlrecht zwischen Buchwert- und Teilwertansatz bei der bertragung von Einzelwirtschaftsgtern bei Mitunternehmerschaften aufgehoben wurde. Damit wurde eine Regelungslcke geschlossen, die der Analogie zum Rechtsgedanken aus § 24 UmwStG die Grundlage entzog, so dass der Grundsatz, dass stille Reserven in der Person des Steuerpflichtigen aufzudecken und zu versteuern seien, lediglich noch bei der Zuweisung von Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen Ausnahmen erfahren konnte. An dieser restriktiven Handhabung der Realteilung hatte der Gesetzgeber aber auch noch nach nderung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. 10. 20004 festgehalten, mit der zur Begnstigung wirtschaftlich sinnvoller Umstrukturierungen eine Rckkehr zu den Regelungen des sog. Mitunternehmererlasses jedenfalls insoweit vollzogen wurde, als die bertragung von Einzelwirtschaftsgtern im Rahmen von Mitunternehmerschaften im Grundsatz dem Buchwertzwang unterstellt wurde, sofern sie nach dem 31. 12. 2000 unentgeltlich oder gegen Gewhrung von Gesellschaftsrechten erfolgte. Erst mit dem Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20. 12. 20015 wurde § 16 Abs. 3 Stze 2 bis 4 EStG – allerdings konsequenterweise rckwirkend fr Realteilungen nach dem 31. 12. 20006 – den Regelungen in § 6 Abs. 5 Stze 3 bis 5 EStG in der Fassung des Steuersenkungsgsetzes vom 23. 10. 2000 angeglichen. Seither gilt Folgendes: Werden im Rahmen der Realteilung einer Mitunternehmerschaft Wirtschaftsgter aus dem Gesamthandsvermgen der Personengesellschaft 3 BMF, Schr. v. 20. 12. 1977, BStBl. I 1978, 8 Rz. 33, 57 und 77. 4 Gesetz zur Senkung der Steuerstze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG) v. 23. 10. 2000, BGBl. I 2000, 1433 = BStBl. I 2000, 1428. 5 Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz – UntStFG) v. 20. 12. 2001, BGBl. I 2001, 3858 = BStBl. I 2002, 35. 6 § 52 Abs. 34 Satz 4 EStG.
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Seitz, Realteilung von Personengesellschaften
in ein Betriebsvermgen der einzelnen Mitunternehmer bertragen, so sind hierbei zwingend die Buchwerte anzusetzen. Dies gilt nicht nur, soweit es zur bertragung von Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen kommt, sondern gleichermaßen auch bei der bertragung von Einzelwirtschaftsgtern. Zur Vermeidung von Missbruchen ist jedoch rckwirkend der gemeine Wert anzusetzen, soweit es innerhalb einer bestimmten Sperrfrist zur Verußerung oder Entnahme von Grund und Boden, Gebuden oder anderer wesentlicher Betriebsgrundlagen kommt, die jeweils zum Buchwert im Zusammenhang mit der Realteilung bertragen worden waren. Ferner enthlt § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG eine Krperschaftsklausel, die von vornherein zum Ansatz des gemeinen Werts zwingt, soweit die Wirtschaftsgter unmittelbar oder mittelbar auf eine Krperschaft, Personenvereinigung oder Vermgensmasse bertragen werden, bei welchen das Halbeinknfteverfahren Anwendung findet. 2. Bestimmung des anwendbaren Rechts Im Hinblick auf die wechselvolle Rechtsentwicklung, die insbesondere durch sehr unterschiedliche Rechtsfolgen gekennzeichnet ist, stellt sich in der Praxis vor allem im bergang vom Jahr 2000 zum Jahr 2001 die Frage, worauf es fr die Bestimmung des anwendbaren Rechts letztendlich ankommt. Auch wenn es sich hierbei lediglich um ein bergangsproblem handelt und diese Frage im Hinblick auf den Zeitablauf heute nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses stehen wird, so hat sie doch z. B. im Rahmen von Betriebsprfungen weiterhin Bedeutung. § 52 Abs. 34 Satz 4 EStG bestimmt hierzu lediglich, dass § 16 Abs. 3 Stze 2 bis 4 EStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom 20. 12. 2001 auf Realteilungen nach dem 31. 12. 2000 anzuwenden ist. Damit wird der Rechtsanwender allerdings mit der Frage allein gelassen, worauf es fr die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts ankommt7. Klar scheint dabei lediglich zu sein, dass es in Anlehnung an die verwandte Bestimmung in § 52 Abs. 16a Satz 1 EStG nicht auf die schuldrechtliche Vereinbarung, sondern auf die Durchfhrung der Realteilung, also auf den bergang des wirtschaftlichen Eigentums auf die Realteiler ankommen muss8. Im Hinblick auf 7 Engl, Die steuerneutrale Realteilung mit Einzelwirtschaftgtern nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts, DStR 2001, 1725, 1729. 8 Rdder/Schumacher, Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts, DStR 2001, 1634, 1639.
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Seitz, Realteilung von Personengesellschaften
die personenbezogene Ausgestaltung der Realteilung spricht auch vieles dafr, dass der Zeitpunkt der bertragung der Wirtschaftsgter auf den jeweiligen Mitunternehmer maßgeblich ist, so dass in den Fllen, in denen die Wirtschaftsgter auf einen der bisherigen Gesellschafter insgesamt noch vor dem Stichtag bertragen werden, ein anderer Realteiler das wirtschaftliche Eigentum an den ihm zugeteilten Wirtschaftsgtern aber erst nach dem Stichtag erhlt, unterschiedliches Recht auf die verschiedenen bertragungsakte anzuwenden ist9. Uneinheitlich ist das Meinungsbild jedoch bei zeitlich gestreckten Realteilungen, die ber den Jahreswechsel 2000/2001 erfolgten. Es reicht auch in diesen Fllen von der Aufteilung der einzelnen Teilakte10 mit der Folge der Anwendung unterschiedlichen Rechts bis hin zu einem Wahlrecht des Steuerpflichtigen11. Daneben wird teilweise darauf abgestellt, wann mit der bertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen begonnen wurde12, whrend andere Stimmen in der Literatur den Abschluss der Realteilung fr entscheidend halten, so dass es auf die bertragung des letzten Wirtschaftsguts, das zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehrt, ankme13. M. E. wollte der Gesetzgeber mit der Anwendungsbestimmung gerade vermeiden, dass bei einer zeitlich gestreckten Realteilung auf die einzelnen bertragungsakte unterschiedliche gesetzliche Bestimmungen zur Anwendung kommen. Daher sollte auf den qualitativen Schwerpunkt der Realteilung und damit darauf abgestellt werden, wann der einzelne Realteiler das wirtschaftliche Eigentum an den ihm zugeteilten zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehrenden Wirtschaftsgter berwiegend erlangt hat.
II. Begriff der Realteilung Nach bisheriger Rechtsprechung, die allerdings zur Rechtslage vor der gesetzlichen Neuregelung der Realteilung ergangen ist, war Vorausset9 10 11 12
Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 541. Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 541 a. E. Engl (Fn. 7), DStR 2001, 1725, 1729. Carl/Bauschatz, Die „neue“ Realteilung nach § 16 Abs. 3 EStG, KSDI 2002, 13133, 13135. 13 Strahl, Fortentwicklung der Unternehmenssteuerreform: Hinweise zu den Gesetzesnderungen, KSDI 2002, 13164, 13171; Schoor, Die Neuregelung der Realteilung von Mitunternehmerschaften ab 1. 1. 2001, INF 2002, 173, 174.
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Seitz, Realteilung von Personengesellschaften
zung einer Realteilung stets die Beendigung der Mitunternehmerschaft, also eine Betriebsaufgabe auf der Ebene der Personengesellschaft14. Demgegenber wird in der Literatur15 vermehrt die Auffassung vertreten, dass eine Realteilung begrifflich nicht mehr die Beendigung der gemeinsamen unternehmerischen Bettigung voraussetze, weil § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG die Realteilung unter den dort genannten Voraussetzungen nicht als Betriebsaufgabe qualifiziere, sondern die Buchwertfortfhrung anordne. Allerdings lsst der Gesetzeswortlaut auch eine gegenteilige Interpretation im Hinblick auf das Erfordernis zu, dass die Wirtschaftsgter in das jeweilige Betriebsvermgen der einzelnen Mitunternehmer bertragen werden mssen. Ferner lsst sich eine Betriebsaufgabe als notwendige Voraussetzung der Realteilung m. E. auch aus deren handelsrechtlichem Verstndnis ableiten, das sie als eine Auflsung der Personengesellschaft außerhalb einer Liquidation versteht16. 1. Auswirkungen der unterschiedlichen Auffassungen Der Meinungsstreit ist in mehrfacher Hinsicht von großer praktischer Bedeutung. Dabei geht es vor allen Dingen um das Konkurrenzverhltnis zu § 6 Abs. 5 EStG. Dies betrifft zum einen die bertragung von Einzelwirtschaftsgtern bei gleichzeitiger bernahme von Verbindlichkeiten. Zwar ordnet § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG bei bertragung von Einzelwirtschaftsgtern im Rahmen von Mitunternehmerschaften gegen Gewhrung von Gesellschaftsrechten die Buchwertfortfhrung zwingend an. Dies gilt aber insoweit nicht, als derjenige Mitunternehmer, auf den Einzelwirtschaftsgter bertragen wurden, zugleich Verbindlichkeiten mit bernimmt, denn bei der bertragung von Einzelwirtschaftsgtern gilt die sog. Trennungstheorie, die bei bernahme von Verbindlichkeiten in der bertragung ein teilentgeltliches Rechtsgeschft sieht, welches zur anteiligen Aufdeckung der stillen Reserven zwingt. 14 BFH, Urt. v. 1. 12. 1992 – VIII R 57/90, BStBl. II 1994, 607. 15 Vgl. Stuhrmann in Blmich, EStG/KStG/GewStG, § 16 EStG Rz. 274; Ostermayer/Riedel, bertragung von Einzelwirtschaftsgtern einschließlich Schulden zwischen Schwestergesellschaften, BB 2003, 1305, 1308; Winkemann, Die Realteilung – eine Zwischenbilanz, BB 2004, 130, 133 f.; Ley, Ausscheiden eines Personengesellschafters aus einer Personengesellschaft gegen Sachwertabfindung, FS fr Korn, 2005, S. 335, 350. 16 § 145 Abs. 1 HGB spricht hier von einer „anderen Art der Auseinandersetzung“, die von den Gesellschaftern vereinbart wird; vgl. auch Schlegelberger/ Geßler, HGB, § 145 HGB Anm. 18.
206
Seitz, Realteilung von Personengesellschaften
Demgegenber fhrt die bernahme von Verbindlichkeiten bei einer Realteilung nicht zur (teilweisen) Aufdeckung stiller Reserven17. Vor dem Hintergrund der Annahme einer Betriebsaufgabe lsst sich diese Differenzierung dadurch begrnden, dass bei der Betriebsaufgabe Verbindlichkeiten der Gesellschaft regelmßig zur Verteilungsmasse gehren. Zum anderen ist die Frage auch fr die Mglichkeit der steuerneutralen bertragung von Einzelwirtschaftsgtern aus dem Gesamthandsvermgen einer Personengesellschaft unmittelbar in das Gesamthandsvermgen einer Schwesterpersonengesellschaft (sog. Ausgliederungsmodell) relevant. Wrde man die Realteilungsgrundstze nmlich auch dann anwenden, wenn es nicht zur Beendigung der Mitunternehmerschaft kommt, dann wre es mglich, Einzelwirtschaftsgter auf eine eigens zu diesem Zweck gegrndete personenidentische Schwestergesellschaft mit der Folge zu bertragen, dass wegen des zwingenden Buchwertansatzes im aufnehmenden Betriebsvermgen die stillen Reserven auf die Schwestergesellschaft berspringen wrden. Dies wird teilweise auch befrwortet, weil nach wie vor die Steuerverhaftung der stillen Reserven sichergestellt bleibe. Diese Argumentation bersieht indes, dass § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG eine solche bertragung nicht zum Buchwert zuließe. Hiergegen wird zwar eingewandt, dass dieses Ergebnis auch ber § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG durch eine Umwegkonstruktion erreicht werden knne, indem in einem ersten Schritt, das Einzelwirtschaftsgut vom Gesamthandsvermgen der Mitunternehmerschaft unentgeltlich oder gegen Gewhrung von Gesellschaftsrechten in das Sonderbetriebsvermgen eines Mitunternehmers bertragen wrde, was gemß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG zwingend zum Buchwert erfolgen msse. Sodann knne ein zweiter Schritt nachgeschaltet werden, mit dem dieses Wirtschaftsgut – wiederum gemß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG zum Buchwert – in das Gesamthandsvermgen der gesellschafteridentischen Schwesterpersonengesellschaft bertragen werde. Es sei aber nicht gerechtfertigt, den Realteilern diesen Umweg aufzuzwingen, so dass das Ausgliederungsmodell als Ausprgung der steuerneutralen Realteilung zugelassen werden msse18. 17 BFH, Beschl. v. 5. 7. 1990 – GrS 2/89, BStBl. II 1990, 837; BMF, Schr. v. 11. 1. 1993, BStBl. I 1993, 62 Rz. 17 Satz 2 fr die Erbauseinandersetzung ber Betriebsvermgen sowie Rz. 25 fr die Erbauseinandersetzung ber Privatvermgen. 18 Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 546; Winkemann (Fn. 15), BB 2004, 130, 133.
207
Seitz, Realteilung von Personengesellschaften
Eine besondere Attraktivitt wrde diese Auffassung noch dadurch gewinnen, dass eine Ausgliederung von Einzelwirtschaftsgtern, so man sie als Unterfall der Realteilung zulassen wrde, sich selbst dann zum Buchwert vollziehen msste, wenn mit der bertragung des Einzelwirtschaftsguts die Schwesterpersonengesellschaft zugleich noch Verbindlichkeiten mit bernehmen wrde. Diese Konsequenz zeigt aber bereits die Brchigkeit der im Schrifttum verbreiteten Argumentation. Ferner wird dabei aber auch bersehen, dass die skizzierte Umwegkonstruktion durch zwei bertragungsakte, die nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG jeweils den Buchwertansatz zwingend nach sich zgen, an der Gesamtplan-Rechtsprechung des BFH scheitert, der die beiden bertragungsakte jedenfalls dann zusammenziehen wrde, wenn sie auf einem Gesamtplan beruhen, der sich auch in einem engen zeitlichen Zusammenhang manifestiert, und die zusammengefasste bertragungskette an der Elle des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG messen wrde, die wohlweislich den Buchwertansatz bei einer unmittelbaren bertragung zwischen Schwestergesellschaften versagt. Daher ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung fr die Anerkennung einer Realteilung weiterhin die Betriebsaufgabe auf der Ebene der Mitunternehmerschaft verlangen wird. Kommt es demgegenber nicht zu einer Beendigung der gemeinsamen unternehmerischen Bettigung und werden einzelne Wirtschaftsgter in ein anderes Betriebsvermgen bertragen, dann beurteilt sich die Frage, ob die bertragung 208
Seitz, Realteilung von Personengesellschaften
zum Buchwert erfolgen muss oder stille Reserven aufzudecken sind, ausschließlich nach § 6 Abs. 5 EStG19. 2. Folgerungen fr die Sachwertabfindung Diese Differenzierung hat auch fr die Abgrenzung zur Sachwertabfindung Bedeutung, bei der ein Mitunternehmer aus einer mehrgliedrigen Mitunternehmerschaft ausscheidet, die mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgefhrt wird. In diesem Fall wchst der Gesellschaftsanteil des ausgeschiedenen Mitunternehmers den verbleibenden Mitunternehmern anteilig an und dem ausgeschiedenen Gesellschafter steht ein Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft zu (§ 738 Abs. 1 Satz 2 BGB), der grundstzlich auf Geld gerichtet ist. Der Abfindungsanspruch muss aber nicht in Geld befriedigt werden, sondern es ist auch mglich, dem ausgeschiedenen Mitunternehmer statt dessen materielle oder immaterielle Wirtschaftsgter aus dem Gesellschaftsvermgen zu gewhren (= Sachwertabfindung). Werden die im Rahmen der Sachwertabfindung bereigneten Wirtschaftsgter Privatvermgen des ausgeschiedenen Gesellschafters, liegt unstreitig eine Verußerung dieser Wirtschaftsgter durch die verbleibenden Mitunternehmer vor, die zur Aufdeckung der stillen Reserven und zu einem laufenden Gewinn der Mitunternehmerschaft fhrt. Fr den ausgeschiedenen Gesellschafter ergibt sich im Gegenzug eine nach §§ 16 Abs. 4, 34 EStG begnstigte Verußerung seines Mitunternehmeranteils. Dieser Gewinn ermittelt sich durch Gegenberstellung des Werts des Abfindungsanspruchs und dem Buchwert seines Kapitalkontos. Damit deckt er smtliche stillen Reserven in den Wirtschaftsgtern des Gesamthandsvermgens auf, sofern sie anteilig auf ihn entfielen. Dies gilt auch hinsichtlich der stillen Reserven in den Wirtschaftsgtern, die ihm im Rahmen der Sachwertabfindung bereignet werden. Korrespondierend hierzu mssen die verbleibenden Gesellschafter die stillen Reserven in den bereigneten Wirtschaftsgtern, soweit sie auf deren Mitunternehmeranteile entfallen, aufdecken und als laufenden Gewinn, der auch der Gewerbesteuer unterliegt, versteuern. Beispiel 1 An der X-OHG sind A zu 50 v. H. (Buchwert des Kapitalkontos: 100 000 Euro; Verkehrswert 300 000 Euro) sowie B und C zu jeweils 25 v. H. (Kapitalkonto:
19 Mrkle/Franz, Die Realteilung von Mitunternehmerschaften, FS fr Korn, 2005, S. 365, 367.
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Seitz, Realteilung von Personengesellschaften Buchwert jeweils 50 000 Euro; Verkehrswert jeweils 150 000 Euro) beteiligt. Zum Gesellschaftsvermgen gehren mehrere Grundstcke. Das Grundstck 1 ist mit einem Buchwert von 120 000 Euro (Verkehrswert 300 000 Euro) ausgewiesen. Die anderen Grundstcke sind mit einem Wert von insgesamt 60 000 Euro in der Bilanz angesetzt; deren Verkehrswerte belaufen sich in der Summe auf insgesamt 280 000 Euro. Das brige Aktivvermgen hat einen Verkehrswert von 20 000 Euro, der auch dem Buchwert entspricht. A scheidet aus der OHG aus und erhlt als Abfindung das Grundstck 1. Er erzielt hierbei einen Gewinn aus der Verußerung seines Mitunternehmeranteils in Hhe von 200 000 Euro (= 300 000 Euro ./. 100 000 Euro: Verkehrswert des Grundstcks abzgl. Buchwert seines Kapitalkontos). Damit deckt er jeweils 50 v. H. der stillen Reserven im Grundstck 1 (= 90 000 Euro) sowie in den brigen Grundstcken (= 110 000 Euro) auf. In der Gesellschaftsbilanz ist zunchst an der Stelle des Kapitals des A (= 100 000 Euro) die Verbindlichkeit gegenber A (= 300 000 Euro) zu passivieren. In Hhe des Mehrbetrags sind die Buchwerte der Grundstcke aufzustocken, so dass das Grundstck 1 mit 210 000 Euro und die brigen Grundstcke mit 170 000 Euro zu aktivieren sind. Nach Erfllung des Abfindungsanspruchs Fallen Grundstck 1 auf der Aktivseite und die Verbindlichkeit auf der Passivseite weg, so dass sich ein Gewinn aus der Verußerung des Grundstcks in Hhe von 90 000 Euro (= 300 000 Euro ./. 210 000 Euro) ergibt.
Werden die im Rahmen der Sachwertabfindung bereigneten Wirtschaftsgter in ein Betriebsvermgen des ausgeschiedenen Gesellschafters berfhrt, wird im Schrifttum teilweise die Anwendung der Realteilungsgrundstze als speziellere Vorschrift gegenber § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG vertreten20. Demnach wren beim ausgeschiedenen Mitunternehmer die Buchwerte fortzufhren. Dies ist zwar auch nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG der Fall, der ebenfalls die Buchwertfortfhrung vorschreibt und zu einer dreijhrigen Sperrfrist fhrt. Unterschiede ergeben sich aber dann, wenn der abgefundene Gesellschafter zugleich auch Verbindlichkeiten mit bernehmen wrde. Dies htte zwar bei einer Realteilung keine Konsequenzen und es wrde beim Buchwertansatz bleiben. Demgegenber lge aber außerhalb der Realteilung ein teilentgeltlicher Erwerb vor (Trennungstheorie). Des Weiteren umfasst die dreijhrige Sperrfrist des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG jedwedes bertragene Einzelwirtschaftsgut, whrend nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG lediglich Grund und Boden, Gebude und andere wesentliche Betriebsgrundlagen sperrfristbefangen sind. Diese Unterschiede sprechen dafr, auch bei der Sachwertabfindung mangels Betriebsaufgabe auf der Ebene der Gesell20 van Lishaut, Steuersenkungsgesetz: Mitunternehmerische Einzelbertragungen i. S. des § 6 Abs. 5 Satz 3 ff. EStG n. F., DB 2000, 1784, 1789; Winkemann (Fn. 15), BB 2004, 130, 135; a. A. Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 524.
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schaft eine Realteilung zu verneinen und sie der Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zu unterstellen. Beispiel 2 Wie Beispiel 1; das Grundstck, das Gegenstand der Sachwertabfindung ist, wird jedoch in ein Betriebsvermgen des A berfhrt. Nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG fhrt A den Buchwert (= 120 000 Euro) fort. Damit springen stille Reserven in Hhe von 20 000 Euro auf die verbleibenden Mitunternehmer ber.
III. Voraussetzung der steuerneutralen Realteilung Nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG sind bei einer Realteilung die Buchwerte zwingend anzusetzen, wenn im Zusammenhang mit der Beendigung der Mitunternehmerschaft Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftgter in das jeweilige Betriebsvermgen des einzelnen Mitunternehmers bertragen werden und deshalb die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt bleibt. Dabei muss es sich bei der Mitunternehmerschaft nicht um ein gewerbliches Unternehmen handeln. Die Realteilungsgrundstze kommen auch dann zur Anwendung, wenn die Personengesellschaft Gewinneinknfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Einknfte aus Landund Forstwirtschaft) oder § 2 Abs. 1 Nr. 3 EStG (Einknfte aus selbstndiger Arbeit) erzielte. Darber hinaus gilt § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG auch fr die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft mit Gewinneinknften. 1. Qualitt des aufnehmenden Betriebsvermgens Entscheidend ist insoweit zunchst, dass die bertragenen Wirtschaftsgter weiterhin Betriebsvermgen bleiben. Dies ist der Fall, wenn sie der Realteiler in ein eigenes land- und forstwirtschaftliches, gewerbliches oder freiberufliches Einzelunternehmen berfhrt. Dabei muss die Steuerverhaftung und damit die sptere Besteuerung der stillen Reserven sicher gestellt sein. Dieses Erfordernis gilt indes lediglich im Bereich der Einkommensteuer, nicht hingegen fr die Gewerbesteuer21. Diese auch durch die Rechtsprechung des VIII. Senats abgesicherte Auffassung lsst sich berzeugend mit der Qualifikation der Realteilung als
21 So schon BFH, Urt. v. 14. 6. 1988 – VIII R 387/83, BStBl. II 1989, 187.
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Sonderfall der Betriebsaufgabe begrnden, bei der ein eventuell entstehender Aufgabegewinn – vorbehaltlich der Regelung in § 7 Satz 2 GewStG – ebenfalls nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Darber hinaus ist die gewerbesteuerliche Problematik fr natrliche Personen als Mitunternehmer seit dem Veranlagungszeitraum 2001 ohnehin durch die Teilanrechnung der Gewerbesteuer bei der Einkommensteuer gemß § 35 EStG entschrft. Auch eine bertragung in ein Sonderbetriebsvermgen des Realteilers ist nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG begnstigt22. Ebenso schadet es nicht, wenn der Realteiler einen zugeteilten und in ein Betriebsvermgen bernommenen Teilbetrieb im Wege der Verpachtung fortfhrt23. Gleichsam ist es unschdlich, wenn die zugeteilten Wirtschaftsgter einem Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung des Realteilers dienen. Demgegenber erfllt die bertragung von Einzelwirtschaftsgter in das Gesamthandsvermgen einer anderen Personengesellschaft, an der der Realteiler beteiligt ist, m. E. nicht die Voraussetzungen fr eine steuerneutrale Realteilung24, denn insoweit fehlt es an der berfhrung der Wirtschaftsgter in ein Betriebsvermgen des Realteilers. Ferner kommt es auch nicht darauf an, ob die bertragung der Wirtschaftsgter in ein bereits bestehendes Betriebsvermgen des Realteilers erfolgt oder ob durch die bertragung der Wirtschaftsgter erstmals ein solches Betriebsvermgen beim Realteiler entsteht25. 2. Personen- und objektbezogene Betrachtung Unklar ist, ob und gegebenenfalls inwieweit die Realteilungsgrundstze auch dann zur Anwendung kommen knnen, wenn nicht das ganze zur Verteilung anstehende Betriebsvermgen der Mitunternehmerschaft in Betriebsvermgen der Realteiler berfhrt wird. Versteht man die Formulierung „in das jeweilige Betriebsvermgen der einzelnen Mitunternehmer bertragen“ restriktiv, ließe sich durchaus die Auffassung vertreten, dass § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG und damit die Buchwertfortfhrung 22 Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 543; Sauter/Heurung/Oblau, Probleme bei der Realteilung nach der Neuregelung durch die Unternehmenssteuerreform, FR 2002, 1101, 1104. 23 BFH, Urt. v. 23. 3. 1995 – IV R 93/93, BStBl. II 1995, 700. 24 Str.; zum Meinungsstand siehe Fn. 15. 25 Schoor (Fn. 13), INF 2002, 173, 175; Paus, Der rckwirkende Ansatz des gemeinen Werts im Rahmen der Realteilung, FR 2002, 866, 868; vgl. auch BFH, Urt. v. 6. 12. 2000 – VIII R 21/00, BStBl. II 2003, 194.
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insgesamt ausscheidet, wenn einzelne Gesellschafter die ihnen zugewiesenen Einzelwirtschaftsgter ganz oder teilweise in das Privatvermgen berfhren26. Diese fallbeilartige Lsung wrde aber der Zielsetzung des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht gerecht. Sie entspricht auch nicht der berwiegenden Meinung im Schrifttum27, das auf dem Standpunkt steht, dass bei der Anwendung des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG sowohl eine personendifferenzierende als auch eine objektdifferenzierende Betrachtung anzustellen ist. Danach wrde es im Grundsatz bei der Buchwertfortfhrung bleiben und lediglich bei den Realteilern stille Reserven aufzudecken sein, bei denen zugewiesene Wirtschaftsgter nicht in ein Betriebs-, sondern ins Privatvermgen berfhrt werden. Darber hinaus kme es auch hier nur zur Aufdeckung der stillen Reserven der Wirtschaftsgter, die letztendlich Privatvermgen werden. M. E. ist eine objektdifferenzierende Betrachtung geboten mit der Folge, dass die Buchwertfortfhrung jedenfalls nicht insgesamt scheitert, wenn einzelne Wirtschaftsgter unter Aufdeckung der stillen Reserven ins Privatvermgen eines Realteilers bertragen werden. Diese Auffassung kann sich nicht zuletzt auf das Wort „soweit“ sttzen, das in § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG fr den Fall der Verletzung der Sperrfrist eindeutig diese individuelle Betrachtungsweise anordnet. Es wre mehr als fragwrdig, wenn bei einer Realteilung zu Buchwerten und nachfolgender Verußerung oder Entnahme innerhalb der Sperrfrist lediglich hinsichtlich der whrend der Sperrfrist verußerten bzw. entnommenen (sperrfristbefangenen) Wirtschaftsgter rckwirkend der gemeine Wert anzusetzen wre, man aber bei der Realteilung, bei der von vornherein einzelne Wirtschaftsgter ins Privatvermgen berfhrt werden, insgesamt die Buchwertfortfhrung untersagen wollte. Dieses Ergebnis ließe sich jedenfalls dann, wenn die Realteiler ber ein Betriebsvermgen verfgen, auch dadurch einigermaßen leicht umgehen, in dem man zunchst smtliche Wirtschaftsgter in dieses Betriebsvermgen berfhren und in einem weiteren Schritt – vielleicht mit einem gewissen zeitlichen Abstand – einzelne sperrfristbefangene Wirtschaftsgter ins Privatvermgen entnehmen wrde. In diesem Fall kann jedenfalls kein Zweifel daran aufkommen, dass dann nur hinsichtlich dieser Wirtschaftsgter die stillen Reserven rckwirkend aufzudecken sind.
26 In diese Richtung auch BMF, Schr. v. 11. 1. 1993, BStBl. I 1993, 62 Rz. 12 Satz 4. 27 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 540.
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Seitz, Realteilung von Personengesellschaften Beispiel 3 Der Sohn S und die Tochter T haben den vterlichen Betrieb durch Erbfall erworben. Die Erbengemeinschaft wird in der Weise auseinandergesetzt, dass S und T die vier Betriebsgrundstcke sowie das brige Betriebsvermgen unter einander aufteilen. Whrend S die beiden Grundstcke, die er im Wege der Erbauseinandersetzung erhielt, in sein Einzelunternehmen berfhrt, berlsst T eines ihrer beiden Grundstcke einer Personengesellschaft, an der sie beteiligt ist, zur Nutzung. Das andere Grundstck berfhrt sie in ihr Privatvermgen. Bei der Erbauseinandersetzung handelt es sich um eine Realteilung im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG, bei der von den Realteilern die Buchwerte fortzufhren sind, wenn die zugeteilten Wirtschaftsgter in deren Betriebsvermgen berfhrt werden. Dies ist bei S insgesamt und bei T insoweit der Fall, als das der Personengesellschaft berlassene Grundstck bei T Sonderbetriebsvermgen geworden ist. Demgegenber kommt hinsichtlich des ins Privatvermgen bernommenen Grundstcks der T eine Buchwertfortfhrung nicht in Betracht. Hierdurch wird aber wegen der objektdifferenzierenden Betrachtungsweise die Buchwertfortfhrung nicht insgesamt ausgeschlossen, sondern es sind lediglich die stillen Reserven dieses Grundstckes aufzudecken.
Demgegenber bestehen an der Zulssigkeit einer personendifferenzierenden Betrachtung zunchst Zweifel. Denn insoweit geht es nicht um die Frage, ob eine Realteilung zu Buchwerten mglich bleibt, sondern nur darum, wer die teilweise aufzudeckenden stillen Reserven versteuern muss, wenn nicht smtliche wesentliche Betriebsgrundlagen in Betriebsvermgen der Realteiler berfhrt werden. Bei einer personendifferenzierenden Betrachtung kme es nmlich lediglich in der Person derjenigen Realteiler zu einer Aufdeckung und Versteuerung stiller Reserven, die die ihnen zugeteilten Wirtschaftsgter nicht von vornherein in ein Betriebsvermgen berfhren. Diese Konsequenz erscheint sachgerecht, weil lediglich derjenige Realteiler fr die Aufdeckung der stillen Reserven verantwortlich ist, der wesentliche Betriebsgrundlagen in sein Privatvermgen berfhrt. Allerdings verwundert dabei der Unterschied zur Sperrfristverletzung, bei der rckwirkend und zwar bereits auf der Ebene der Personengesellschaft der gemeine Wert anzusetzen ist, so dass die aufzudeckenden stillen Reserven nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlssel von den frheren Mitunternehmern versteuert werden mssen28. Die unterschiedlichen Rechtsfolgen ergeben sich hier jedoch wegen der Sonderregelung des § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG, die jedenfalls dann einschlgig ist, wenn man die Realteilung richtigerweise als Fall der Betriebsaufgabe bei Mitunternehmerschaften versteht. 28 Ebenso Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 555, der jedoch im brigen von einer personendifferenzierenden Betrachtung ausgeht (§ 16 Rz. 551).
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Nach dieser Vorschrift ist nmlich der durch Zuweisung einzelner Wirtschaftsgter entstehende Aufgabegewinn nach dem jeweiligen gemeinen Wert der erhaltenen Wirtschaftsgter den Mitunternehmern zuzurechnen29. Diese Vorschrift ist auf Flle der Realteilung von Mitunternehmerschaften zugeschnitten30 und besttigt die Richtigkeit einer personendifferenzierenden Betrachtung, mit der es zur Abkehr von der Subjektverhaftung stiller Reserven kommt, ebenso wie die Forderung, dass eine Realteilung die Beendigung der Mitunternehmerschaft begrifflich voraussetzt. 3. Bilanzielle Behandlung Handelsrechtlich werden die Wirtschaftsgter in der Realteilungsbilanz mit den Verkehrswerten angesetzt, denn hierdurch sollen die Auseinandersetzungsansprche der Mitunternehmer zutreffend festgestellt werden31. Demgegenber kommt es steuerlich bei einer Realteilung im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG zur Fortfhrung der Buchwerte. Dies bedeutet, dass es in der steuerlichen Realteilungsbilanz der Mitunternehmerschaft beim Buchwertansatz bleibt und diese Buchwerte in den Fortfhrungsbilanzen der Realteiler bernommen werden. Dem steht der Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 EStG nicht entgegen, weil er wegen des Bewertungsvorbehalts in § 5 Abs. 6 EStG nicht greift. 3.1 Anpassung der Kapitalkonten In aller Regel werden die Buchwerte der den Gesellschaftern bertragenen Wirtschaftsgter nicht mit deren Kapitalkonten bereinstimmen. In diesen Fllen ging die Rechtsprechung32 bisher davon aus, dass die Kapitalkonten durch Auf- oder Abstockung an die Buchwerte der zugeteilten Wirtschaftsgter anzupassen sind. Diese sog. Kapitalkontenanpassungsmethode fhrt im Ergebnis dazu, dass es zu einer Verlagerung der stillen Reserven kommt, die jedoch deshalb hingenommen wurde, weil die Besteuerung der stillen Reserven insgesamt sichergestellt bleibt33.
29 BFH, Urt. v. 19. 1. 1982 – VIII R 21/77, BStBl. II 1982, 456, 457. 30 Vgl. nur Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 490. 31 BFH, Urt. v. 10. 12. 1991 – VIII R 69/86, BStBl. II 1992, 385, sowie v. 1. 12. 1992 – VIII R 57/90, BStBl. II 1994, 607. 32 BFH, Urt. v. 10. 12. 1991 – VIII R 69/86, BStBl. II 1992, 385. 33 BFH, Urt. v. 18. 5. 1995 – IV R 20/94, BStBl. II 1996, 70.
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Seitz, Realteilung von Personengesellschaften Beispiel 4 V, S und T sind jeweils zu einem Drittel an der A-OHG beteiligt; ihre Kapitalkonten betragen jeweils 100 000 Euro. Im Gesellschaftsvermgen befinden sich drei Grundstcke; jedes hat einen Verkehrswert von 400 000 Euro. Das Grundstck 1 steht mit einem Wert von 120 000 Euro in der Bilanz. Der Buchwert des Grundstcks 2 beluft sich auf 80 000 Euro und das Grundstck 3 ist mit 100 000 Euro aktiviert. V erhlt das Grundstck 3, S das Grundstck 1 und die T das Grundstck 2. Alle Realteiler berfhren die Grundstcke in eigene Betriebsvermgen. Die Realteilung erfolgt gemß § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG zu Buchwerten. Soweit der Buchwert des bernommenen Grundstcks mit dem Wert des Kapitalkontos nicht bereinstimmt, hat eine Kapitalkontenanpassung zu erfolgen. Dies ist bei S der Fall, dessen Kapitalkonto auf 120 000 Euro aufzustocken ist. Demgegenber kommt es bei T zu einer Abstockung des Kapitalkontos auf 80 000 Euro. Hierdurch springen stille Reserven in Hhe von 20 000 Euro von S auf die T ber. Bei V ist keine Anpassung durchzufhren.
Demgegenber wird im Schrifttum neuerdings vorgeschlagen, nicht die Kapitalkonten den Buchwerten, sondern umgekehrt die Buchwerte den Kapitalkonten anzupassen34. Begrndet wird diese Auffassung damit, dass die Rechtsgrundlage fr das berspringen stiller Reserven entfallen sei, weil § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht mehr auf die entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG verweise. Untersttzend kann fr diesen Denkansatz zwar noch der Grundsatz der Steuersubjektverhaftung der stillen Reserven ins Feld gefhrt werden, gleichwohl berzeugt die Auffassung letztlich deswegen nicht, weil § 16 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 EStG seinem klaren Wortlaut nach eine Buchwertanpassung nicht zulsst. Demzufolge muss es bei der Kapitalkontenanpassung bleiben35. 3.2 Buchwertfortfhrung und Firmenwert Bei einer Realteilung zum Buchwert ist ein originrer Firmenwert im aufnehmenden Betriebsvermgen auch dann nicht anteilig anzusetzen, wenn ein Teilbetrieb bertragen wird, denn ein selbst geschaffener Firmenwert war bei der beendeten Mitunternehmerschaft nicht zu aktivieren und er wird durch die Realteilung weder aktivierungsfhig noch aktivierungspflichtig. Anders kann – in besonders gelagerten Einzelfllen – bei einem derivativ erworbenen Firmenwert zu entscheiden sein, wenn der Realteiler 34 Vgl. Engl, Realteilung auch mit Einzelwirtschaftsgtern rckwirkend ab 1. 1. 2001 nach UntStFG ohne Behaltefrist steuerneutral mglich, DStR 2002, 119, 122. 35 Ebenso Schoor (Fn. 13), INF 2002, 173, 175; Winkemann (Fn. 15), BB 2004, 130, 132.
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nicht nur Einzelwirtschaftsgter bernimmt, sondern in dem Maße wesentliche Betriebsgrundlagen der beendeten Mitunternehmerschaft in ein eigenes Betriebsvermgen berfhrt werden, dass hierdurch der bisherige Betrieb der Mitunternehmerschaft ganz oder teilweise bernommen wird und daher auch geschftswertbildende Faktoren auf das bernehmende Unternehmen bergehen. In solchen Fllen geht der Firmenwert trotz der Betriebsaufgabe bei der Mitunternehmerschaft nicht notwendigerweise unter36. 3.3 Sonderbetriebsvermgen bei der Realteilung Die Realteilung umfasst lediglich das Gesamthandsvermgen der beendeten Mitunternehmerschaft, nicht hingegen Sonderbetriebsvermgen einzelner Mitunternehmer. Nichtsdestotrotz setzt eine (insgesamt) steuerneutrale Realteilung voraus, dass in diesem Zusammenhang auch das Sonderbetriebsvermgen zusammen mit den brigen Wirtschaftsgtern in ein anderes, nicht notwendigerweise dasselbe Betriebsvermgen des Realteilers bertragen wird. Inwieweit die bertragung des Sonderbetriebsvermgen zu Buchwerten erfolgt, bestimmt sich jedoch ausschließlich nach § 6 Abs. 5 EStG, denn entgegen vereinzelter Stimmen im Schrifttum37 wird diese Vorschrift nicht durch die Realteilungsgrundstze verdrngt. Dieses Ergebnis ist auch sachgerecht und fhrt nicht zwingend zu einem ungnstigen Ergebnis beim Realteiler mit Sonderbetriebsvermgen. berfhrt nmlich ein Mitunternehmer anlsslich der Realteilung der Personengesellschaft sein bisheriges Sonderbetriebsvermgen in sein Einzelunternehmen oder in sein Sonderbetriebsvermgen bei einer anderen Personengesellschaft, so sind gemß § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG bzw. § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG hierbei die Buchwerte anzusetzen und bei diesem Buchwertansatz bleibt es auch dann, wenn es anschließend zu einer Verußerung oder Entnahme dieser Wirtschaftsgter kommen sollte. Eine Sperrfristregelung besteht dabei nicht, weil es einer solchen Bestimmung in diesen Fllen schon deshalb nicht bedarf, weil die Subjektverhaftung der stillen Reserven gemß § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG stets sicher gestellt ist, also keine stillen Reserven im bisherigen Sonderbetriebsvermgen auf ein anderes Steuersubjekt berspringen knnen.
36 BFH, Urt. v. 1. 12. 1992 – VIII R 57/90, BStBl. II 1994, 607, 614, und v. 27. 3. 2001 – I R 42/00, BStBl. II 2001, 771. 37 Engl in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anhang 10 Rz. 479.
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Konsequenz dieser Sichtweise ist freilich, dass es zur Aufdeckung stiller Reserven kommt, wenn im Zusammenhang mit einer Realteilung Sonderbetriebsvermgen nicht unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 EStG in ein anderes Betriebsvermgen berfhrt oder bertragen wird. Allerdings kommt es in solchen Fllen lediglich zur Aufdeckung der stillen Reserven im Sonderbetriebsvermgen. Dies hat m. E. jedoch keinen Einfluss auf die Buchwertfortfhrung hinsichtlich des real geteilten Betriebsvermgens. 4. Sonderproblem: Auslndischer Gesellschafter als Realteiler Soweit im Rahmen einer Realteilung Wirtschaftsgter des Gesamthandsvermgens einer inlndischen Personengesellschaft einem auslndischen Realteiler zugewiesen werden, ist eine Buchwertfortfhrung auch dann ausgeschlossen, wenn dieser die ihm zugewiesenen Wirtschaftsgter in ein auslndisches Betriebsvermgen berfhrt, denn in diesen Fllen wrde die Steuerverhaftung der stillen Reserven im Inland beseitigt. Dies folgt daraus, dass zwar der Gewinn aus der Verußerung oder Aufgabe der Mitunternehmerschaft auch hinsichtlich der Anteile beschrnkt steuerpflichtiger Mitunternehmer der Besteuerung im Inland unterliegt (§ 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG38), whrend Entnahmegewinne einer auslndischen Betriebssttte einer inlndischen Personengesellschaft im Inland regelmßig nicht besteuert werden drfen. Dies hindert m. E. aber vor dem Hintergrund einer objektdifferenzierenden Betrachtung eine steuerneutrale Realteilung insoweit nicht, als Wirtschaftsgter auf Realteiler bertragen werden, die diese weiterhin in einem inlndischen Betriebsvermgen halten. Darber hinaus knnte eine Aufdeckung stiller Reserven bei Zuweisung von Wirtschaftsgtern an einen auslndischen Realteiler vermieden werden, wenn sie in eine inlndische Betriebssttte berfhrt werden oder der beschrnkt steuerpflichtige Realteiler – wie z. B. bei der bernahme einer auslndischen Betriebssttte – von vornherein nur solches Vermgen erhlt, das schon bislang nicht im Inland steuerverstrickt war39.
38 In diesen Fllen steht der Bundesrepublik Deutschland regelmßig auch abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht zu. 39 Ebenso Winkemann (Fn. 15), BB 2004, 130, 135.
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IV. Realteilung mit Spitzenausgleich Es bestehen keinerlei Zweifel, dass ein bei einer Realteilung zu zahlender Spitzenausgleich einen steuerpflichtigen Verußerungsgewinn auslst40. Fraglich sind dagegen die Hhe dieses Verußerungsgewinns und die Mglichkeit einer eventuellen Tarifermßigung41. 1. Ermittlung des Verußerungsgewinns Der VIII. Senat42 geht bei der Ermittlung des Verußerungsgewinns davon aus, dass beim Ausgleichsberechtigten ein Gewinn in Hhe des vollen Ausgleichsbetrags entsteht, whrend der Ausgleichsverpflichtete in dieser Hhe Anschaffungskosten haben soll. Demgegenber vertritt die Finanzverwaltung im BMF-Schreiben zur Erbauseinandersetzung ber Betriebsvermgen43 die Auffassung, dass bei der Realteilung eines aus Betriebsvermgen bestehenden Nachlasses mit Spitzenausgleich ein Verußerungsgeschft nur im Verhltnis der Ausgleichszahlung zum Wert des bernommenen Betriebsvermgens vorliege. Dementsprechend kommt es nur insoweit zu Anschaffungskosten des ausgleichsverpflichteten und zu einem steuerpflichtiger Verußerungsgewinn des ausgleichsberechtigten Realteilers. Diese Auffassung wird auch ganz berwiegend im Schrifttum geteilt44. Sie ist auch richtig, denn man kann die Realteilung zu Buchwerten nicht vllig isoliert vom Spitzenausgleich sehen. Vielmehr wird der Spitzenausgleich fr den Mehrwert des erhaltenen Vermgens gezahlt. Damit erwirbt der Realteiler das zugeteilte Vermgen durch die Zahlung des Spitzenausgleichs entgeltlich und im brigen unentgeltlich. Beispiel 5 B und S sind Miterben zu jeweils 1/2. Zum Nachlass gehren zwei gewerbliche Betriebe. Das Betriebsvermgen 1 hat einen Wert von 1 Mio. Euro und einen Buchwert von 100 000 Euro, whrend das Betriebsvermgen 2 lediglich einen Wert von 800 000 Euro und einen Buchwert von 80 000 Euro aufweist. Im Wege der Erbauseinandersetzung erhlt B das Betriebsvermgen 1 und S das Betriebs-
40 Vgl. Winkemann (Fn. 15), BB 2004, 130, 134. 41 Zum Streitstand vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 549. 42 BFH, Urt. v. 1. 12. 1992 – VIII R 57/90, BStBl. II 1994, 607. 43 BMF, Schr. v. 11. 1. 1993 – BStBl. I 1993, 62. 44 Vgl. nur Hrger, Ertragsteuerliche Behandlung der Erbengemeinschaft und ihrer Auseinandersetzung, DStR 1993, 37, 41.
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Seitz, Realteilung von Personengesellschaften vermgen 2. Wegen des Wertunterschiedes zahlt B einen Ausgleichsbetrag in Hhe von 100 000 Euro an S. Es handelt sich um eine Realteilung mit Spitzenausgleich. B und S stehen wertmßig am Nachlass jeweils 900 000 Euro zu. Da B aber Betriebsvermgen mit einem Gesamtwert von 1 Mio. Euro erhlt, also 100 000 Euro mehr als ihm erbrechtlich zusteht, zahlt er diesen Betrag an S. Damit erwirbt er 10 v. H. des erhaltenen Betriebsvermgens entgeltlich und den Rest, also 90 v. H. des erhaltenen Betriebsvermgens, unentgeltlich. Auf den entgeltlich erworbenen Anteil am Betriebsvermgen entfllt ein Buchwert von 10 000 Euro, so dass er die Aktivwerte des Betriebsvermgens um 90 000 Euro aufstocken muss. In gleicher Hhe muss S einen Verußerungsgewinn versteuern.
2. Begnstigung nach §§ 16 Abs. 4 und 34 EStG Die Finanzverwaltung gewhrte bisher den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG wie auch die Tarifbegnstigungen nach § 34 EStG nur dann, wenn Betriebe oder Teilbetriebe zugeteilt wurden. Realteilern wurden dagegen beide Vergnstigungen versagt, wenn durch die Realteilung lediglich einzelne betrieblich genutzte Wirtschaftsgter zugewiesen wurden, da die bertragung einzelner Wirtschaftsgter auch sonst nicht tarifbegnstigt ist45. In der Literatur46 wird jedoch mit berzeugender Begrndung eine Begnstigung insgesamt, also auch bei Zuteilung von Teilbetrieben, versagt und ein (nicht begnstigter) laufender Gewinn angenommen, weil nicht alle stille Reserven aufgedeckt werden. Der Gewinn unterliegt jedoch – vorbehaltlich des § 7 Satz 2 GewStG – nicht der Gewerbesteuer, weil die Realteilung einen betriebsbeendenden Vorgang darstellt47. 3. Mglichkeiten zur Vermeidung eines Spitzenausgleichs Ein Wertausgleich mit einer partiellen Aufdeckung stiller Reserven lsst sich unter Umstnden dann vermeiden, wenn in die Realteilung nicht nur die positiven, sondern auch negative Wirtschaftsgter wie z. B. Verbindlichkeiten in der Weise einbezogen werden, dass man sie anders zuteilt, als dies nach dem Beteiligungsverhltnis der Fall wre. Eine solche abweichende Verteilung ist unschdlich, weil es sich hierbei nicht um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Das Gleiche gilt
45 BMF, Schr. v. 11. 1. 1993, BStBl. I 1993, 62 Rz. 21. 46 Vgl. Reiß, Zweifelsfragen zur Realteilung mit Spitzenausgleich, DStR 1995, 1129, 1133; Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 549. 47 BFH, Urt. v. 17. 2. 1994 – VIII R 13/94, BStBl. II 1994, 809.
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fr die Verteilung der Geldkonten der Mitunternehmerschaft wie z. B. Bankguthaben oder den Kassenbestand48. Ebenso knnen andere Wirtschaftgter, die bei funktional-quantitativer Betrachtung nicht als wesentliche Betriebsgrundlagen anzusehen sind, disquotal verteilt werden. Beispiel 6 V und M sind an einer OHG jeweils zu 50 v. H. beteiligt. Im Betriebsvermgen befinden sich zwei Grundstcke, die jeweils mit 500 000 Euro zu Buche stehen. Das Grundstck 1 hat einen Verkehrswert von 800 000 Euro. Der Verkehrswert des Grundstcks 2 beluft sich lediglich auf 600 000 Euro. Ferner verfgt die OHG ber Geldvermgen in Hhe von 200 000 Euro. Die OHG soll aufgelst und deren Vermgen real auf die Mitunternehmer V und M aufgeteilt werden. Dabei soll V das Grundstck 1 und M das Grundstck 2 erhalten, die beide jeweils in ihr eigenes Einzelunternehmen berfhren. Die Realteilung erfolgt vollumfnglich zum Buchwert (§ 16 Abs. 3 Satz 2 EStG), wenn kein Spitzenausgleich zu leisten ist. Da das Grundstck 1 erheblich mehr wert ist als das Grundstck 2, msste V eigentlich einen Spitzenausgleich in Hhe von 100 000 Euro erbringen. Dies kann aber dadurch vermieden werden, dass M neben dem Grundstck 2 das Geldvermgen der OHG erhlt.
Streitig ist, inwieweit die Voraussetzungen zur Vermeidung eines Spitzenausgleichs durch Kreditaufnahme oder Einlage von Eigenmitteln der Gesellschafter (sog. Einlagelsung) herbeigefhrt werden knnen. Die Rechtsprechung49 neigt offensichtlich dieser Einlagelsung zu. Dem ist m. E. jedoch nicht zu folgen, denn letztendlich handelt es sich um Scheineinlagen, die einen verdeckten Wertausgleich darstellen50.
V. Sperrfrist Bei einer zunchst unter Buchwertfortfhrung vorgenommenen Realteilung unter Zuweisung von Einzelwirtschaftsgtern ist nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG rckwirkend der gemeine Wert anzusetzen, soweit zum Buchwert bertragener Grund und Boden, bertragene Gebude oder andere bertragene wesentliche Betriebsgrundlagen innerhalb der dreijhrigen Sperrfrist verußert oder entnommen werden. Die Sperrfrist dient der Vermeidung von Missbruchen und deren Sanktionierung. Die Buchwertfortfhrung gemß § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG will nmlich Um-
48 BFH, Urt. v. 24. 1. 1973 – I R 156/71, BStBl. II 1973, 219. 49 BFH, Urt. v. 1. 12. 1994 – VIII R 57/90, BStBl. II 1994, 607, 613. 50 BMF, Schr. v. 11. 1. 1993, BStBl. I 1993, 62 Rz. 27; Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 550; a. A. Winkemann (Fn. 15), BB 2004, 130, 135.
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strukturierungsmaßnahmen begnstigen, die in diesen Fllen nicht an der Aufdeckung der stillen Reserven und deren Versteuerung scheitern sollen. Demgegenber soll aber die steuerneutrale Realteilung nicht dazu genutzt werden knnen, um eine Verußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen unter Ausnutzung von Progressionsgefllen vorzubereiten. Dem dient die Sperrfrist, die das bertragene wesentliche Betriebsvermgen zumindest ber einen Zeitraum von drei Jahren (zuzglich Anlaufhemmung) im aufnehmenden Betriebsvermgen bindet. Die Sperrfrist beginnt mit dem bergang des wirtschaftlichen Eigentums und endet drei Jahre nach Abgabe der Feststellungserklrung der Mitunternehmerschaft fr das Realteilungsjahr. Beispiel 7 Die X-Y-OHG wurde im Juli 2002 beendet und das Betriebsvermgen unter den Gesellschaftern X und Y ohne Spitzenausgleich real geteilt, die die ihnen zugewiesenen Wirtschaftsgter jeweils in ihren Einzelunternehmen weiterhin betrieblich nutzten. Dabei erhielt X unter anderem ein unbebautes Grundstck (Buchwert: 100 000 Euro; gemeiner Wert im Juli 2002: 300 000 Euro), das er jedoch am 20. 5. 2006 zu einem Preis von 420 000 Euro verußert. Die Feststellungserklrung der OHG fr 2002 war beim zustndigen Finanzamt am 10. 6. 2003 eingereicht worden. Die Verußerung des Grundstcks erfolgte noch whrend der Sperrfrist des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG, denn die Dreijahresfrist begann erst nach Einreichung der Feststellungserklrung der OHG beim Finanzamt zu laufen (§ 16 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 EStG i. V. mit § 187 Abs. 1 BGB) und endet daher mit Ablauf des 10. 6. 2006. Folge hiervon ist, dass die stillen Reserven im verußerten Grundstck (insgesamt 320 000 Euro) in der Weise aufzudecken sind, dass rckwirkend auf den Zeitpunkt der Realteilung der gemeine Wert anzusetzen ist, was dazu fhrt, dass stille Reserven in Hhe von 200 000 Euro (= 300 000 Euro ./. 100 000 Euro) in der Feststellungserklrung der OHG aufzudecken und damit bereits im Veranlagungszeitraum 2002 zu versteuern sind (allerdings ohne Verzinsungsfolgen gemß § 233a AO, denn die Verußerung innerhalb der Sperrfrist stellt ein rckwirkendes Ereignis dar, so dass der Zinslauf erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs beginnt, in dem das rckwirkende Ereignis eingetreten ist). Demgegenber werden weitere stille Reserven in Hhe von 120 000 Euro (= 420 000 Euro ./. 300 000 Euro) durch X erst im Veranlagungszeitraum 2006 realisiert.
1. Wesentliche Betriebsgrundlagen Die Sperrfrist greift nur, soweit Einzelwirtschaftsgter bertragen wurden und zudem nur dann, wenn Grund und Boden, Gebude oder „andere wesentliche Betriebsgrundlagen“ verußert oder ins Privatvermgen entnommen werden. Unklar ist, wie weit der Verußerungsbegriff zu ziehen ist. Dabei wird man nicht nur die Verußerung der einzelnen sperrfristbefangenen Wirtschaftsgter, sondern auch die Verußerung 222
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des aufnehmenden Betriebsvermgens insgesamt oder anteilig (z. B. durch entgeltliche Aufnahme eines Mitunternehmers in ein bislang bestehendes Einzelunternehmen) als schdlich ansehen mssen. Demgegenber stellt die unentgeltliche bertragung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils gemß § 6 Abs. 3 EStG oder die unentgeltliche bertragung der Einzelwirtschaftsgter gemß § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG weder eine Verußerung noch eine Entnahme im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG dar. Allerdings wirkt die noch nicht abgelaufene Sperrfrist in der Person des bernehmers fort51. Im Schrifttum wird unter Hinweis auf den Gesetzeszweck berwiegend die Auffassung vertreten, dass Wirtschaftsgter dann eine wesentliche Betriebsgrundlage im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG sind, wenn sie erhebliche stille Reserven enthalten (quantitative Betrachtungsweise) oder zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und ihnen ein besonderes wirtschaftliches Gewicht fr die Betriebsfhrung zukommt (funktionale Betrachtungsweise)52. Es erfolgt also eine kombiniert funktional-quantitative Qualifikation des bertragenen Betriebsvermgens. 2. Grund und Boden Streitig ist, ob Grund und Boden und Gebude stets oder nur dann unter § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG fallen, wenn es sich hierbei um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Nach dem Gesetzeswortlaut fallen alle Gebude und jeder Grund und Boden unter die Sperrfristregelung. Danach wird insoweit die Wesentlichkeit normativ unterstellt53. In der Literatur wird diese Auffassung allerdings ganz berwiegend nicht geteilt, indem auch bei diesen Wirtschaftsgtern im konkreten Fall die Prfung der Wesentlichkeit gefordert wird54. Vieles spricht fr die am Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung, so dass auch die Entnahme oder Verußerung von Grundstcken, die – 51 Vgl. hierzu Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 554. 52 Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 554; a. A. allerdings Hrger in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 16 EStG Rz. 197w; Rdder/Schumacher, Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz: Wesentliche nderungen des verkndeten Gesetzes gegenber dem Regierungsentwurf, DStR 2002, 105, 107. 53 So auch Paus (Fn. 25), FR 2002, 866, 873. 54 Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 554; Hrger in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 16 EStG Rz. 197w; Schnoor (Fn. 13), INF 2002, 173.
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ausnahmsweise – keine wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellen, die Folgen des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG auslsen drfte. Darber hinaus scheint mir die Diskussion eher ein Scheingefecht zu sein, denn seit dem sog. „Dachdecker-Urteil“ des X. Senats55 und der Folgerechtsprechung56 drfte weitgehend davon ausgegangen werden knnen, dass betriebliche genutzte Grundstcke im Allgemeinen als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen sind. Dies gilt grundstzlich sowohl fr unbebaute als auch fr bebaute Grundstcke. 3. Rechtsfolgen der Verußerung/Entnahme innerhalb der Sperrfrist Da nach dem Gesetzeswortlaut der gemeine Wert nur fr den jeweiligen bertragungsvorgang anzusetzen ist (objektbezogene Betrachtung), erfolgt grundstzlich eine Aufdeckung der brigen stillen Reserven nicht. Fraglich ist jedoch, wem (rckwirkend) der laufende (tariflich nicht begnstigte) Gewinn zuzurechnen ist. Zutreffenderweise entsteht der Gewinn bei der aufgelsten Mitunternehmerschaft, ist also allen Mitunternehmern zuzurechnen und kann deshalb auch nicht aus Vereinfachungsgrnden lediglich beim verfgenden Realteiler steuerlich erfasst werden. Daher empfiehlt es sich, vorherige Vereinbarungen zwischen den Mitunternehmern ber einen Ausgleich zu treffen57.
VI. Krperschaftsklausel § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG will verhindern, dass eine steuerneutrale Realteilung dazu genutzt wird, um die stillen Reserven auf ein Krperschaftsteuersubjekt zu bertragen und sie im Nachhinein mit der Begnstigung des sog. Halbeinknfteverfahrens aufzudecken. Daher ist eine Buchwertbertragung von vornherein nicht mglich, soweit Einzelwirtschaftsgter im Rahmen einer Realteilung einer Mitunternehmerschaft unmittelbar oder mittelbar auf eine Krperschaft, Personenvereinigung oder Vermgensmasse bertragen werden. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG nur bei der Realteilung von 55 BFH, Urt. v. 26. 5. 1993 – X R 78/91, BStBl. II 1993, 718. 56 Siehe hierzu die Nachweise bei Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 15 EStG Rz. 811. 57 Gl. A. Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 555; Paus (Fn. 25), FR 2002, 866.
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Einzelwirtschaftgtern, nicht jedoch auch dann gilt, wenn im Rahmen der Realteilung Teilbetriebe oder Mitunternehmeranteile bertragen werden. Der Grund hierfr drfte darin zu sehen sein, dass bei Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen eine tarifermßigte Aufdeckung der stillen Reserven mglich ist. Dabei wird jedoch bersehen, dass die Tarifermßigung des § 34 Abs. 3 EStG ebenso wie der Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG nur noch einmal im Leben gewhrt werden kann und sich die Tarifermßigung im brigen auf die – hufig wenig interessante – Fnftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG beschrnkt. Demgegenber greift das Halbeinknfteverfahren ohne diese Beschrnkungen ein, wenn die stillen Reserven auf der Ebene einer Krperschaft aufgedeckt und ber eine Gewinnausschttung an den Anteilseigner transferiert wird. Freilich muss dabei auch die definitive Steuerbelastung auf der Ebene der Krperschaft mit bercksichtigt werden. Wrde diese doppelte Steuerbelastung jedoch Missbrauchsflle von vornherein ausschließen, dann htte es der Regelung in § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG nicht bedurft58. Nicht zuletzt aus diesem Grund wird in der Literatur teilweise sogar die Verfassungsmßigkeit der Krperschaftsklausel angezweifelt59. Dies geht m. E. zu weit und fhrt in der Praxis auch nicht weiter. Vielmehr sollte in diesen Fllen berlegt werden, einer beteiligten Kapitalgesellschaft bei der Realteilung in erster Linie solche Wirtschaftsgter zuzuweisen, die keine oder nur geringe stille Reserven enthalten. Soweit es wegen der Krperschaftsklausel des § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG zur Aufdeckung stiller Reserven kommt, entsteht der Gewinn noch auf der Ebene der Mitunternehmerschaft und ist daher den bisherigen Mitunternehmern nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlssel und nicht nach der Realteilungsabrede zuzurechnen60. Mit der Realteilungsabrede wird zwar die Verteilung des Gesamthandsvermgen der Personengesellschaft bestimmt, nicht jedoch die Besteuerung auf einzelne Realteiler verlagert. Vielmehr knnen in der Realteilungsabrede nur Regelungen aufgenommen werden, die einen Ausgleich fr die steuerliche 58 Paus, Realteilung einer Personengesellschaft bei vermgensmßiger Beteiligung einer GmbH, FR 2002, 1217, 1219. 59 So z. B. Engl (Fn. 34), DStR 2002, 119; Paus (Fn. 58), FR 2002, 1217, 1220. 60 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 553; a. A. Winkemann (Fn. 15), BB 2004, 130, 131; darber hinaus wird teilweise im Schrifttum eine analoge Anwendung des § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG vertreten oder ein bergang zur Buchwertanpassung propagiert, um eine originre Versteuerung der stillen Reserven auf der Ebene des Realteilers zu erreichen, der fr den Ansatz des gemeinen Werts verantwortlich ist, so z. B. Engl (Fn. 34), DStR 2002, 119, 121.
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Belastung einzelner Realteiler durch den Ansatz des gemeinen Werts vorsehen. Hierin wird jedoch ein Spitzenausgleich zu sehen sein, wenn es nicht gelingt, den steuerlichen Folgen durch eine entsprechende Verteilung des Gesamthandsvermgen (z. B. wertmßige Minderzuweisung von Einzelwirtschaftsgtern an den Realteiler, hinsichtlich dessen die Krperschaftsklausel zur Anwendung kommt) Rechnung zu tragen.
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bertragung von Wirtschaftsgtern und Gesamtplanrechtsprechung1 Professor Dr. Guido Frster Steuerberater, Dsseldorf Inhaltsbersicht I. Problemflle II. Grundlagen der Gesamtplanrechtsprechung 1. Vorheriger zielgerichteter Plan 1.1 Bedeutung und Inhalt eines vorherigen zielgerichteten Plans 1.2 Beweisanzeichen 2. Beherrschbarkeit der Teilschritte 3. Erfolgseintritt III. Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung auf die Fallgruppen 1. Ausgliederung wesentlicher Betriebsgrundlagen vor bertragung des Gesellschaftsanteils
1.1 Ausgliederung vor Verußerung des Gesellschaftsanteils 1.2 Ausgliederung vor Einbringung des Gesellschaftsanteils 1.3 Ausgliederung vor unentgeltlicher bertragung 2. Ausgliederung zurckbehaltenen Sonderbetriebsvermgens nach unterquotaler bertragung eines Teils des Mitunternehmeranteils 3. bertragung von Einzelwirtschaftsgtern zwischen SchwesterPersonengesellschaften 4. Qualifizierte Nachfolgeklausel IV. Zusammenfassung
I. Problemflle Nach der sog. Gesamtplanrechtsprechung wird eine Mehrzahl von Rechtsgeschften, die auf einheitlicher Planung basieren und die in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, fr die steuerliche Beurteilung zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zusammengefasst, welcher der Subsumtion zugrunde gelegt wird. Das Argumentationsmuster des Gesamtplans wurzelt in der teleologischen Auslegung steuerrechtlicher Normen.2 Folgt man der Auffassung, dass steuerrechtliche Normen generell teleologisch, d. h. ihrem Sinn
1 Ich danke meinem Wissenschaftlichen Mitarbeiter, Herrn Dipl.-Kfm. Dirk Schmidtmann, fr die engagierte Untersttzung bei der Anfertigung dieses Beitrags. 2 Vgl. Frster/Schmidtmann, StuW 2003, 114; vgl. a. G. Sffing, BB 2004, 2783.
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und Zweck entsprechend, auszulegen sind3, wird man zu dem Ergebnis kommen mssen, dass dieses Argumentationsmuster potenziell einen weiten Anwendungsbereich hat. Bedeutung hat die Gesamtplanrechtsprechung auch fr die bertragung von Einzelwirtschaftsgtern und Sachgesamtheiten bei Personengesellschaften. Dabei werden insbesondere folgende Fallgruppen diskutiert, ohne dass es sich hierbei um eine abschließende Aufzhlung handelt: – Fallgruppe 1: Im Anschluss an die Ausgliederung wesentlicher Betriebsgrundlagen wird der verbliebene Mitunternehmeranteil oder ein Teil davon verußert, gegen Gewhrung von Gesellschaftsrechten in eine Kapital- oder Personengesellschaft eingebracht oder unentgeltlich auf einen Dritten bertragen. Fraglich ist, ob fr die bertragung des verbliebenen Mitunternehmeranteils die Begnstigungen nach §§ 16, 34 EStG, §§ 20, 24 UmwStG oder § 6 Abs. 3 EStG geltend gemacht werden knnen.4 – Fallgruppe 2: Im Anschluss an die unentgeltliche bertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils unter Zurckbehalt des Sonderbetriebsvermgens (unterquotale bertragung) wird das zurckbehaltene Sonderbetriebsvermgen verußert, entnommen oder unentgeltlich auf einen Dritten bertragen.5 – Fallgruppe 3: bertragung von Einzelwirtschaftsgtern zwischen den Gesamthandsvermgen von Schwesterpersonengesellschaften unter Zwischenschaltung des Sonderbetriebsvermgens.6 – Fallgruppe 4: Qualifizierte Nachfolgeklausel mit Vorausvermchtnis bzw. Teilungsanordnung hinsichtlich des Sonderbetriebsvermgens.
II. Grundlagen der Gesamtplanrechtsprechung Die Gesamtplanrechtsprechung fasst eine Serie von Teilschritten im Hinblick auf die Anwendung steuergesetzlicher Normen zu einer einheitlichen Transaktion zusammen. Eine solche Zusammenfassung ist nur gerechtfertigt, wenn die Teilschritte vom Steuerpflichtigen im Vor3 So Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., Kln 2002, § 5 Rz. 50, 51. 4 Vgl. dazu insb. Strahl, KSDI 2003, 13923–1926; ders., FR 2004, 929–933; Ley, DStR 2003, 2148. 5 Vgl. hierzu Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 EStG Rz. 475.6 (Mai 2002); U. Frster, FR 2002, 653. 6 Vgl. Brandenberg, Stbg 2004, 69–71; Strahl, FR 2004, 932.
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aus geplant sind, ihre Ausfhrung vom Steuerpflichtigen beherrscht wird und das geplante Endergebnis erreicht wird. Konstitutive Merkmale eines Gesamtplans sind daher7 (1) das Vorhandensein eines vorherigen, zielgerichteten Plans des Steuerpflichtigen, der alle fr die Erreichung des Endziels wesentlichen Teilschritte umfasst, (2) die Beherrschbarkeit smtlicher Teilschritte durch den Steuerpflichtigen und (3) die Erreichung des geplanten Endziels. 1. Vorheriger zielgerichteter Plan 1.1 Bedeutung und Inhalt eines vorherigen zielgerichteten Plans Voraussetzung eines Gesamtplans ist zunchst, dass zu Beginn des ersten Teilschritts berhaupt ein Plan des Steuerpflichtigen existiert, der auf die Herbeifhrung der Situation nach Ende des letzten Teilschritts gerichtet ist, und der alle wesentlichen Teilschritte umfasst. Erst die hinter den einzelnen Teilschritten stehende „einheitliche Planung“ verbindet die Teilschritte zu einer Einheit und trennt sie von einer Handlungsfolge, die das Ergebnis von Einzelentscheidungen ist, die im Zeitablauf nacheinander getroffen wurden, und deren Zusammenfassung rein willkrlich wre.8 So hat die Rechtsprechung wiederholt das Erfordernis einer „einheitlichen Planung“9 bzw. eines „in sich geschlossenen Konzepts“10 betont. 7 Zum Folgenden vgl. Frster/Schmidtmann, StuW 2003, 120–123. 8 Vgl. Strahl, FR 2004, 929; G. Sffing, BB 2004, 2777; Spindler, DStR 2005, 3. Dem stehen m. E. die zahlreichen steuerlichen Behaltefristen nicht entgegen, deren Verletzung zur rckwirkenden Versagung vorangegangener Steuervergnstigungen unabhngig davon fhrt, ob die Verletzung von Anfang an geplant war, vgl. z. B. § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG, § 6 Abs. 5 Stze 4 und 6 EStG, § 15 Abs. 3 Satz 4 UmwStG, § 26 Abs. 2 Stze 1 und 2 UmwStG, §§ 13a, 19a ErbStG, sowie die Zusammenstellung bei Korn/Fuhrmann, KSDI 2001, 12847–12852. Zur fehlenden Eignung dieser Normen als Missbrauchsvermeidungsregelungen vgl. EuGH v. 17. 7. 1997 – Rs. C-28/95 – Leur-Bloem, Slg. 1997, I-4161 – Rz. 41–45; v. 12. 12. 2000 – Rs. C-324/00 – Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779 – Rz. 37. Zur ggfls. einschrnkenden Auslegung von § 13a Abs. 5 ErbStG, vgl. BFH v. 7. 7. 2004 – II B 32/04, BStBl. II 2004, 747. Kritisch zu den Behaltefristen im Hinblick auf Drittwirkungen vgl. Wendt, FR 2002, 135; Crezelius, FR 2002, 805. 9 Vgl. BFH v. 6. 9. 2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229. 10 Vgl. BFH v. 26. 1. 1989 – IV R 86/87, BStBl. II 1989, 456, 458. Vgl. auch BFH v. 19. 8. 1999 – I R 77/96, BStBl. II 2001, 43, 46.
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Ziel des Gesamtplans ist die Herbeifhrung des Zustands nach dem letzten Teilschritt. Die einzelnen Teilschritte mssen final auf die Erreichung des Endzustands gerichtet sein. Unerheblich ist dagegen, ob die Zergliederung aus steuerlichen oder außersteuerlichen Grnden erfolgt.11 So hat der BFH im Urteil v. 12. 4. 198912 die einheitliche bertragung eines ganzen Betriebs i. S. von § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG (§ 7 Abs. 1 EStDV a. F.) bejaht, obwohl die bertragung in drei Teilakte zergliedert war, um den psychisch labilen Betriebsbernehmer nicht zu berlasten. Vorrangiger Zweck der Teilschritte muss jedoch die Erreichung des Endzustands sein. Kommt es dem Steuerpflichtigen demgegenber auf die Konsequenzen der Teilschritte an und gewhrt ihm die Rechtsordnung insoweit ein Wahlrecht, so hat der BFH eine zusammenfassende Betrachtung der Teilschritte abgelehnt.13 Eine zusammenfassende Betrachtung scheidet auch dann aus, wenn sich nicht alle Teilschritte auf dasselbe Wirtschaftsgut beziehen14 oder auf unterschiedlichen Ebenen (Vermgensebene, Nutzungsebene) ansetzen15.
11 A. A. Strahl, KSDI 2003, 13920; ders., FR 2004, 934. 12 Vgl. BFH v. 12. 4. 1989 – I R 105/85, BStBl. II 1989, 653. Vgl. auch H 139 Abs. 6 EStH 2003; Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 EStG Rz. 472 (Mai 2002). 13 Vgl. BFH v. 19. 8. 1999 – I R 77/96, BStBl. II 2001, 43, 45–47 (Nutzung von Verlustvortrgen des Anteilseigners sowie der KSt-Anrechnung beim [inkongruenten] SAHZ-Verfahren); v. 19. 10. 1999 – IX R 39/99, BStBl. II 2000, 224, 226 (Erfllung des Unterhaltsanspruchs durch Barunterhalt und entgeltliche Vermietung); v. 9. 11. 2000 – IV R 60/99, BStBl. II 2001, 101, 102 (unentgeltliche bertragung eines Teilbetriebs mit anschließender Aufgabe des verpachteten Rest-Teilbetriebs); Rose/Glorius-Rose, Steuerplanung und Gestaltungsmissbrauch, 3. Aufl., Bielefeld 2002, S. 106; Heuermann, BB 2003, 1466 f.; ders., StuW 2004, 129; Strahl, FR 2004, 934; Frster, FS Korn, Bonn-Berlin 2005, 7 f. Vgl. auch Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 EStG Rz. 504, 513.2 (Mai 2002); Crezelius, FR 2003, 541. 14 Vgl. BFH v. 15. 12. 1999 – I R 29/97, BStBl. II 2000, 527, 530. Denkbar erscheint ein anderes Ergebnis bei nmlichen (art-, wert- und funktionsgleichen) Wirtschaftsgtern. 15 Vgl. BFH v. 10. 12. 2003 – IX R 12/01, DB 2004, 793, 794; v. 17. 12. 2003 – IX R 60/98, DB 2004, 795; OFD Mnster, Kurzinformation 34/2004 v. 17. 9. 2004, DB 2004, 2242; Heuermann, StuW 2004, 129; Rose/Glorius-Rose, DB 2004, 2174.
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1.2 Beweisanzeichen Die Existenz eines Gesamtplans kann sich aus im Vorhinein getroffenen vertraglichen Vereinbarungen16 oder Absprachen in sonstiger Form17 ergeben, die alle wesentlichen Teilschritte umfassen. Regelmßig wird jedoch ein Gesamtplan als innere Tatsache nur selten zweifelsfrei feststellbar sein, so dass auf ußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen zurckzugreifen ist.18 Allerdings ist die durch ußere Indizien hervorgerufene Vermutung eines ex ante vorhandenen Gesamtplans widerlegbar, in dem der Steuerpflichtige Tatsachen nachweist, die das Fehlen eines Gesamtplans insgesamt oder zu Beginn des ersten Teilschritts mglich erscheinen lassen.19 Als Indiz fr die Existenz eines Gesamtplans zu Beginn des Geschehensablaufs wird etwa das Fehlen wirtschaftlicher Grnde fr die Einzelschritte gewertet.20 Darber hinaus wird als Beweisanzeichen fr eine im voraus vorhandene Planung von der Rechtsprechung regelmßig der wirtschaftliche und zeitliche bzw. sachliche und zeitliche Zusammenhang der verwirklichten Teilschritte herangezogen.21 Der wirtschaftliche oder sachliche Zusammenhang verschiedener Teilschritte eines Geschehensablaufs wird bejaht, wenn ein bergeordnetes 16 Vgl. z. B. BFH v. 10. 4. 1984 – 705, VIII R 134/81, BStBl. II 1984, 705; v. 12. 2. 1992 – X R 121/88, BStBl. II 1992, 468, 470; v. 22. 1. 2002 – VIII R 46/00, BStBl. II 2002, 685; FG Mnchen v. 12. 11. 2003 – 9 K 4811/01, EFG 2004, 496 – Rev. VIII R 103/03. 17 Vgl. BFH v. 13. 10. 1992 – VIII R 3/89, BStBl. II 1993, 477. 18 Vgl. BFH v. 18. 1. 2001 – IV R 58/99, BStBl. II 2001, 393, 395; v. 22. 1. 2002 – VIII R 46/00, BStBl. II 2002, 685, 687; Brockmeyer in Klein, AO, 8. Aufl. 2003, § 42 AO Rz. 13; Viskorf in Boruttau, GrEStG, 15. Aufl. 2002, § 5 GrEStG Rz. 58; Spindler, StbJb. 2002/2003, S. 61; ders., DStR 2005, 3; Frster/ Schmidtmann, StuW 2003, 121; Crezelius, FR 2003, 541. 19 Vgl. BFH v. 30. 10. 1996 – II R 72/94, BStBl. II 1997, 87, 89; v. 18. 1. 2001 – IV R 58/99, BStBl. II 2001, 393; Viskorf in Boruttau, GrEStG, 15. Aufl. 2002, § 5 GrEStG Rz. 60; Spindler, StbJb. 2002/2003, S. 64 f.; ders., DStR 2005, 3; Ruiz Almendral/Seitz, StuW 2004, 336; zu damit verbundenen Fragen der Feststellungslast siehe Crezelius, FR 2003, 541 f. 20 Vgl. BFH v. 13. 10. 1992 – VIII R 3/89, BStBl. II 1993, 477, 479. 21 Vgl. BFH v. 20. 11. 1982 – II R 38/78, BStBl. II 1983, 429; v. 26. 1. 1989 – IV R 86/87, BStBl. II 1989, 456; v. 12. 4. 1989 – I R 105/85, BStBl. II 1989, 653; v. 24. 8. 1989 – IV R 67/86, BStBl. II 1990, 132, 133 (enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang); v. 19. 3. 1991 – VIII R 76/87, BStBl. II 1991, 635, 636; v. 6. 12. 2000 – VIII R 21/00, BStBl. II 2003, 194, 197; v. 1. 8. 2002 – V R 17/ 01, BFH/NV 2003, 271.
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Endziel erkennbar ist, in dessen Rahmen die verwirklichten Schritte eingeordnet werden knnen. Als ein solches bergeordnetes Endziel sind von der Rechtsprechung im hier interessierenden Zusammenhang die Verußerung oder Aufgabe eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils, die Umstrukturierung einer Unternehmensgruppe oder die Unternehmensnachfolge angesehen worden.22 Unklar bleibt, wie der „zeitliche Zusammenhang“ konkret zu definieren ist, der die Vermutung der Existenz eines ursprnglichen Handlungsplans begrndet.23 Entscheidend hierfr drfte zum einen der Telos der Norm sein, unter die der vermutete Gesamtplansachverhalt subsumiert werden soll.24 Dabei sollte im Hinblick auf Verußerungs-, Aufgabe- und bertragungsvorgnge zwischen zeitraumbezogenen Tatbestnden, wie z. B. der Betriebsaufgabe, und zeitpunktbezogenen Tatbestnden differenziert werden, wie z. B. der Betriebsverußerung gemß § 16 Abs. 1 EStG oder der bertragung von Einzelwirtschaftsgtern bei Mitunternehmerschaften gemß § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG.25 Bei zeitpunktbezogenen Tatbestnden ist der erforderliche zeitliche Zusammenhang der Teilschritte eher enger auszulegen als bei zeitraumbezogenen Tatbestnden, deren Tatbestandsverwirklichung sich typischerweise ber eine gewisse Zeitdauer erstreckt. Zum anderen drfte fr die Anforderungen an den zeitlichen Zusammenhang das wirtschaftliche Gewicht der Gesamtmaßnahme von Bedeutung sein. Je gewichtiger diese Gesamtmaßnahme ist, desto geringer sind die Anforderungen an den zeitlichen Zusammenhang der einzelnen Teilschritte im Hinblick auf die Vermutung eines Gesamtplans et vice versa.26 22 Vgl. BFH v. 6. 9. 2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229 (Umstrukturierung); v. 12. 4. 1989 – I R 105/85, BStBl. II 1989, 653; v. 14. 7. 1993 – X R 74-75/90, BStBl. II 1994, 15, 18 (Unternehmensnachfolge); v. 1. 8. 2002 – V R 17/01, BFH/NV 2003, 271 (Geschftsverußerung im Ganzen). Vgl. auch Strahl, KSDI 2003, 13921. 23 Vgl. Weber, DB 1991, 2562; Mrkle, DStR 2001, 692; Fuhrmann/Eberhard, DStR 2001, 1774; Bogenschtz/Hierl, DStR 2003, 1100; Ley, KSDI 2004, 14031; Strahl, FR 2004, 935; Ruiz Almendral/Seitz, StuW 2004, 337. Der Prfung eines zeitlichen Zusammenhangs als Indiz fr das Vorliegen eines Ex-ante-Planes bedarf es nicht mehr, wenn die Existenz eines solchen Planes ausdrcklich festgestellt werden kann. Der zeitliche Zusammenhang der Teilschritte bleibt dann jedoch im Hinblick auf die Beherrschbarkeit der Teilschritte von Bedeutung. 24 Vgl. auch Strahl, KSDI 2003, 13923; ders., FR 2004, 935. 25 Vgl. auch BFH v. 16. 9. 1966 – VI 118/65 und VI 119/65, BStBl. III 1967, 70, 72. 26 Vgl. Frster/Schmidtmann, StuW 2003, 121 f.; Spindler, DStR 2005, 3 f.
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Legt man dies zugrunde, dann ist m. E. ein zeitlicher Zusammenhang selbst bei besonders gewichtigen mehraktigen bertragungsvorgngen nicht mehr anzunehmen, wenn der erste und letzte Teilschritt drei oder mehr Jahre auseinander liegen. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung zur zeitlich gestreckten Betriebsaufgabe, nach der ein Abwicklungszeitraum von ber 36 Monaten die Annahme einer Betriebsaufgabe nicht mehr rechtfertigt.27 Da es sich bei der Betriebsaufgabe sowohl um einen zeitraumbezogenen Tatbestand handelt als auch um den denkbar gravierendsten Eingriff in den Bestand des Unternehmens, markiert die von der Rechtsprechung hierfr gezogene zeitliche Schranke auch die Obergrenze fr die Annahme eines zeitlichen Zusammenhangs im Hinblick auf andere gesetzliche Tatbestnde. Fr weniger gewichtige Gesamtmaßnahmen muss jedoch der erforderliche zeitliche Zusammenhang deutlich enger ausfallen, um die Existenz eines anfnglichen Gesamtplans zu vermuten. Dementsprechend hat es der BFH im Fall der Grunderwerbsteuerbegnstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG a. F. bei einem zeitlichen Abstand von sieben Monaten zwischen der Grundstcksbertragung auf eine Personengesellschaft und der nachfolgenden Umwandlung der Gesellschaft abgelehnt, einen Gesamtplan anzunehmen.28 2. Beherrschbarkeit der Teilschritte Ein Gesamtplan setzt neben dem Vorhandensein eines anfnglichen Planes auch die Beherrschbarkeit der Teilschritte durch den Steuerpflichtigen voraus.29 Hierin liegt der entscheidende Unterschied des Gesamtplans gegenber einem planvoll handelnden Steuerpflichtigen, der
27 Vgl. BFH v. 26. 5. 1993 – X R 101/90, BStBl. II 1993, 710, 713; v. 26. 4. 2001 – IV R 14/00, BStBl. II 2001, 798, 801; auf diese Rechtsprechung verweist auch BFH v. 6. 9. 2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229, 231; vgl. auch Korn/Herff in Korn, EStG, § 16 EStG Rz. 245 f. (Jan. 2001); Frster/Schmidtmann, StuW 2003, 122; Frster, FS Korn, Bonn-Berlin 2005, 10 f., G. Sffing, BB 2004, 2787, und Spindler, DStR 2005, 3 f., erwgen eine Obergrenze von 5 Jahren. 28 Vgl. BFH v. 25. 6. 2003 – II R 20/02, FR 2003, 1178, 1179. 29 Vgl. z. B. BFH v. 22. 1. 2002 – VIII R 46/00, DStR 2002, 716, 717 f.; FG Schleswig-Holstein v. 18. 10. 2000 – III 817/98, EFG 2001, 227, besttigt durch BFH v. 5. 11. 2002 – II R 86/00, GmbHR 2003, 488; FG Mnster v. 7. 5. 2002 – 1 K 2106/00 E, rkr., EFG 2002, 1076, 1078, mit Anm. Bchter-Hole, ebenda, 1079; Frster/Schmidtmann, StuW 2003, 122; Strahl, KSDI 2003, 13921; ders., FR 2004, 934; G. Sffing, BB 2004, 2777; Spindler, DStR 2005, 4.
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den Verhaltensrisiken seiner Vertragspartner, des Marktes oder sich ndernder Umweltzustnde ausgesetzt ist.30 Nur wenn die einzelnen Schritte zur Umsetzung der Gesamtmaßnahme durch den Steuerpflichtigen beherrscht werden, ist es gerechtfertigt, sie fr die steuerliche Wrdigung zusammenzufassen. Beweisanzeichen fr die Beherrschbarkeit der Teilschritte kann der Umstand sein, dass nur der Steuerpflichtige selbst handelt31, oder dass vertragliche Vereinbarungen bestehen, welche die Transaktionspartner binden,32 oder dass enge gesellschaftsrechtliche Verflechtungen bestehen, die es den Steuerpflichtigen aufgrund der Beteiligungsquote ermglichen, ihren Willen in allen Gesellschaften durchzusetzen.33 Smtliche vorstehenden Beweisanzeichen indizieren allerdings nur eine Beherrschbarkeit der Verhaltensrisiken von Vertrags- oder Handlungspartnern durch den Steuerpflichtigen, nicht aber der Markt- und Umweltrisiken. Daher ist zustzlich – und unabhngig von der Indizwirkung im Hinblick auf das Vorliegen eines ursprnglichen Handlungsplans – ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den Teilschritten notwendig, der Markt- und Umweltrisiken begrenzt.34 Denn mit zunehmendem zeitlichen Abstand zwischen den Teilakten steigt das Risiko von Abweichungen des realisierten Ergebnisses vom geplanten Ergebnis aufgrund von Vernderungen der Umweltbedingungen an und die Beherrschbarkeit der Teilschritte zur Umsetzung des vorhandenen Plans nimmt ab, z. B. durch Marktpreisrisiken, Schadensrisiken, Insolvenz- und Pfndungsrisiken, sowie Vernderungen der Interessenlage der beteiligten Personen und Gesetzesnderungen. Zurecht hat deshalb der BFH das Erfordernis eines engen zeitlichen Zusammenhangs der Teilschritte ne-
30 Grundlegend zur wirtschaftlichen Vernunft planvollen Handelns vgl. Rose, StbJb. 1975/76, S. 44 f.; ders., StuW 1985, 331. 31 Vgl. BFH v. 19. 3. 1991 – VIII R 76/87, BStBl. II 1991, 635; v. 9. 11. 2000 – IV R 60/99, BStBl. II 2001, 101, 102. 32 Vgl. die Schenkungsflle mit anschließender Darlehensgewhrung: BFH v. 10. 4. 1984 – VIII R 134/81, BStBl. II 1984, 705; v. 12. 2. 1992 – X R 121/88, BStBl. II 1992, 468, 470; v. 17. 6. 1994 – III R 30/92, BFH/NV 1995, 197; v. 15. 4. 1999 – IV R 60/98, BStBl. II 1999, 524, sowie Kettenschenkungen: BFH v. 13. 10. 1993 – II R 92/91, BStBl. II 1994, 128. 33 Vgl. BFH v. 17. 6. 1998 – X R 68/95, BStBl. II 1998, 667, 670. 34 Vgl. Frster/Schmidtmann, StuW 2003, 122; Spindler, DStR 2005, 4. Vgl. auch Strahl, KSDI 2003, 13922; ders., FR 2004, 935.
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ben der Existenz einer einheitlichen Planung als eigenstndige Voraussetzung eines Gesamtplans hervorgehoben.35 Die Grenze des notwendigen zeitlichen Zusammenhangs kann nicht generell festgelegt werden. Vielmehr ist die Lnge des erforderlichen Zeitraums zur Unterbrechung eines Gesamtplans abhngig von den durch Zeitablauf entstehenden Risiken. Je dynamischer das Marktumfeld ist oder je grßer die Wahrscheinlichkeit von Schden, Vollstreckungszugriffen, einer Vernderung der Interessenlage der beteiligten Personen oder von Gesetzesnderungen, desto krzer ist der notwendige zeitliche Zusammenhang. Je gewichtiger dagegen die vorzunehmende Gesamtmaßnahme und je geringer die hierauf wirkenden Markt- und Umweltrisiken, desto weiter kann der zeitliche Zusammenhang reichen. Gegen eine Beherrschbarkeit der Teilschritte spricht aber, wenn der Steuerpflichtige den Zeitpunkt der auf den ersten Teilschritt folgenden Schritte nicht beeinflussen kann. Daher erscheint es sachgerecht anzunehmen, dass die Gesamtplanrechtsprechung in der Regel keine Anwendung findet, wenn der der zweite oder ein weiterer Teilschritt einer Schrittfolge der Erbfall ist.36 Aus einem Vergleich mit der zeitlichen Obergrenze fr das Vorliegen einer Betriebsaufgabe von 36 Monaten und der relativen Bedeutung der Betriebsaufgabe lsst sich m. E. aber ableiten, dass ein Zeitraum von 36 Monaten zwischen dem ersten und dem letzten Teilschritt einer Gesamtmaßnahme eindeutig gegen eine Beherrschbarkeit der Teilschritte spricht. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber an verschiedenen Stellen im Gesetz z. T. wesentlich lngere Behaltefristen verankert hat37, denn bei diesen handelt es sich nicht um widerlegbare Beweisanzeichen, sondern um unwiderlegbare Vermutungen, die im brigen nicht mit der Existenz eines Gesamtplans begrndet werden. Allerdings sichert der enge zeitliche Zusammenhang der verwirklichten Maßnahmen allein nicht die notwendige Beherrschbarkeit der Teilschritte, da er das Verhaltensrisiko der beteiligten Personen nicht beseitigt. So hat es der BFH in den Schenkungsfllen mit anschließender Rckgewhr der geschenkten Mittel als Darlehen trotz geringen zeit-
35 Vgl. BFH v. 6. 9. 2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229; v. 5. 6. 2003 – IV R 18/02, BStBl. II 2003, 838, 841. 36 Vgl. auch Bogenschtz/Hierl, DStR 2003, 1100. Etwas anderes kann gelten, wenn der Todeszeitpunkt erkennbar unmittelbar bevorsteht. 37 Vgl. z. B. § 6 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 Satz 4 EStG, § 15 Abs. 3, 26 Abs. 2 UmwStG. Vgl. die bersicht bei Korn/Fuhrmann, KSDI 2001, 12847–12852.
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lichen Abstands der Schritte abgelehnt, einen Gesamtplan anzunehmen, wenn der Beschenkte im Zeitpunkt des Geldzugangs frei ber die geschenkten Betrge verfgen kann.38 Auch im Falle des DividendenStripping wurde einer Saldierung des Erstgeschfts und des taggleichen Gegengeschfts neben Preis- und Pfndungsrisiken die Entscheidungsfreiheit des Geschftspartners entgegengehalten.39 Ein zeitlicher Zusammenhang der Teilschritte allein kann deshalb nur dann Indiz fr eine Beherrschbarkeit der Teilschritte sein, wenn kein Verhaltensrisiko von Geschftspartnern besteht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige alle Teilschritte selbst ausfhrt. 3. Erfolgseintritt Der tatschliche Vollzug des Gesamtplans und der Eintritt des gewollten Endresultats sind fr die Annahme eines Gesamtplans erforderlich, da sich anderenfalls eine zusammenfassende Betrachtung nicht rechtfertigen lsst, die auf das geplante, beherrschbare und erreichte Endziel abstellt. Im brigen zeigt das Scheitern eines Gesamtplans die fehlende tatschliche Beherrschbarkeit der geplanten Schrittfolge an.40
III. Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung auf die Fallgruppen 1. Ausgliederung wesentlicher Betriebsgrundlagen vor bertragung des Gesellschaftsanteils 1.1 Ausgliederung vor Verußerung des Gesellschaftsanteils Nicht selten besteht im Hinblick auf die Verußerung eines Mitunternehmeranteils der Wunsch des Verkufers, wesentliche Betriebsgrundlagen zurckzubehalten, insbesondere solche, die zu seinem Sonderbetriebsvermgen gehren. Gleichwohl wird eine Begnstigung des Gewinns aus der Verußerung des Rest-Betriebsvermgens nach §§ 16, 34 EStG angestrebt. 38 Vgl. BFH v. 18. 12. 1990 – VIII R 1/88, BStBl. II 1991, 911 (2 Monate); v. 18. 1. 2001 – IV R 58/99, BStBl. II 2001, 393, 395 (weniger als 1 Monat); wohl auch BFH v. 14. 5. 2003 – X R 14/99, HFR 2003, 1148, 1150. Vgl. auch BFH v. 19. 2. 2002 – IX R 32/98, BFH/NV 2002, 1200, mit krit. Anmerkung P. Fischer, FR 2002, 937 f. (taggleiche Weitergewhrung). 39 Vgl. BFH v. 15. 12. 1999 – I R 29/97, BStBl. II 2000, 527. 40 Vgl. Frster/Schmidtmann, StuW 2003, 123.
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Dem steht allerdings entgegen, dass die Tarifvergnstigung nach §§ 16, 34 EStG nur gewhrt wird, wenn alle stillen Reserven der wesentlichen Grundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang aufgelst werden41, wobei die wesentlichen Betriebsgrundlagen funktional-quantitativ abzugrenzen sind.42 Verbleiben dem Verußerer noch stille Reserven, die in einem spteren Veranlagungszeitraum aufgedeckt werden, so ist die Tarifvergnstigung zu versagen.43 Daher besteht ein Anreiz, wesentliche Betriebsgrundlagen, an deren Zurckbehaltung ein Interesse besteht, noch vor dem Realisierungsakt vom Mitunternehmeranteil zu lsen. Die Lsung wesentlicher Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermgens von dem verbleibenden Mitunternehmeranteil kann etwa dadurch bewirkt werden,44 dass das Sonderbetriebsvermgen – gemß § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG zu Buchwerten in das Sonderbetriebsvermgen des Verußerers bei einer anderen Mitunternehmerschaft berfhrt wird, oder – gemß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG unentgeltlich oder gegen Gewhrung von Gesellschaftsrechten zu Buchwerten in das Gesamthandsvermgen einer anderen Mitunternehmerschaft bertragen wird, oder – § 6b-begnstigt an eine andere Mitunternehmerschaft verußert wird und die aufgedeckten stillen Reserven auf die erwerbende Mitunternehmerschaft bertragen werden.45 Die Rechtsprechung hat bereits mehrfach Gesamtplanberlegungen auf Fallgestaltungen angewendet, in denen wesentliche Betriebsgrundlagen zu Buchwerten ausgegliedert wurden und in zeitlicher Nhe hierzu das Rest-Betriebsvermgen verußert wurde.
41 Zuletzt BFH v. 18. 10. 1999 – GrS 2/98, BStBl. II 2000, 123, 127; v. 6. 9. 2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229, 230; Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 34 EStG Anm. 3, 40. 42 Vgl. BFH v. 2. 10. 1997 – IV R 84/96, BStBl. II 1998, 104, 105; BMF v. 16. 8. 2000 – IV C 2 – S 1909 – 23/00, BStBl. I 2000, 1253; H 139 Abs. 8 EStH 2003; Patt, DStR 1998, 190 f. 43 Vgl. BFH v. 26. 1. 1994 – III R 39/91, BStBl. II 1994, 458; v. 16. 2. 1996 – I R 183/94, BStBl. II 1996, 342; v. 2. 10. 1997 – IV R 84/96, BStBl. II 1998, 104, 105 f. 44 Zu den bertragungsmglichkeiten vgl. Strahl, FR 2004, 930. 45 Reinvestitionsgut kann auch das verußerte Wirtschaftsgut selbst sein, vgl. Brandenberg, Stbg 2004, 71. Nach Bogenschtz/Hierl, DStR 2003, 1102, soll in diesem Fall bei nachfolgender Verußerung des verbliebenen Gesellschaftsanteils die Gesamtplanrechtsprechung nicht zur Anwendung kommen.
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Nach dem BFH-Urteil vom 19. 3. 199146 findet „die Tarifvergnstigung der §§ 16, 34 EStG ... bei der Verußerung eines Mitunternehmeranteils keine Anwendung, wenn gleichzeitig [wesentliche] Wirtschaftsgter des Sonderbetriebsvermgens zum Buchwert in einen anderen Betrieb des Mitunternehmers berfhrt werden. Dabei bedeutet ,gleichzeitig‘, dass zwischen der Verußerung und der berfhrung ein zeitlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht.“ Im Urteilsfall wurde dieser Zusammenhang bei einem Abstand von 17 Tagen zwischen berfhrung des Sonderbetriebsvermgens und der nachfolgenden Verußerung des Gesellschaftsanteils bejaht. Der Gewinn aus der Verußerung eines Mitunternehmeranteils ist nach dem BFH-Urteil v. 6. 9. 200047 „nicht tarifbegnstigt, wenn aufgrund einheitlicher Planung und in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Anteilsverußerung wesentliche Betriebsgrundlagen der Personengesellschaft ohne Aufdeckung smtlicher stillen Reserven aus dem Betriebsvermgen der Gesellschaft ausgeschieden sind.“ Eine einheitliche Planung wurde im vorliegenden Fall angenommen, weil die Buchwertbertragungen und die nachfolgende konzerninterne Verußerung des reduzierten Mitunternehmeranteils Bestandteil einer Umstrukturierung der Unternehmensgruppe mit dem Ziel der Schaffung eines Spartenkonzerns waren. Ein enger zeitlicher Zusammenhang wurde bei einem zeitlichen Abstand von weniger als acht Wochen im Hinblick auf die Rechtsprechung zur zeitlich gestreckten Betriebsaufgabe als nicht zweifelhaft angesehen. Entscheidend war in den Urteilsfllen, dass nicht alle wesentlichen stillen Reserven des Betriebs bzw. Mitunternehmeranteils in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang aufgedeckt werden. Nicht entscheidend war dagegen, ob wesentliche Betriebsgrundlagen aus dem Sonderbetriebsvermgen oder aus dem Gesamthandsvermgen herausgelst 46 Vgl. BFH v. 19. 3. 1991 – VIII R 76/87, BStBl. II 1991, 635; Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 414; Stahl in Korn, EStG, § 16 EStG Rz. 125 (Mai 2002); Korn, KSDI 2002, 13282; Hrger in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 16 EStG Rz. 198a (Aug. 2001); Bogenschtz/ Hierl, DStR 2003, 1099 f.; kritisch hierzu Knobbe-Keuk, StbJb. 1991/92, S. 231 f. Vgl. auch BFH v. 6. 12. 2000 – VIII R 21/00, BStBl. II 2003, 194, 197 (eineinhalb Monate). 47 Vgl. BFH v. 6. 9. 2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229. S. auch FG Dsseldorf v. 16. 10. 1984 – I 528/79 F, rkr., EFG 1985, 245; FG Mnchen v. 25. 7. 2002 – 5 K 5285/99, Rev. (Az. des BFH: VIII R 65/02), DStRE 2002, 1365. Vgl. auch Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 414; Bogenschtz/ Hierl, DStR 2003, 1100 f.
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wurden, und auf welche Weise sich die Buchwertberfhrungen vollzogen. Eine Tarifvergnstigung des Verußerungsgewinns lsst sich daher nur erreichen, wenn die Abtrennung der wesentlichen Betriebsgrundlage und die nachfolgende Verußerung keinen einheitlichen Vorgang begrnden. Dies ist m. E. der Fall, wenn es insoweit an den Merkmalen eines Gesamtplansachverhalts fehlt, weil – die Abtrennung der wesentlichen Betriebsgrundlagen und Verußerung des Rest-Betriebsvermgens nicht auf einer einheitlichen und im voraus getroffenen Planung beruhen48, oder – der Steuerpflichtige nicht beide Teilakte beherrscht, weil – er das Verhalten der anderen handelnden Personen nicht beherrscht49, oder – kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen der berfhrung und der Verußerung besteht50. Offen bleibt jedoch, wie der notwendige zeitliche Zusammenhang zu bestimmen ist. Zwar fhrt der IV. Senat des BFH in seinem Urteil v. 6. 9. 2000 aus, dass „hnlich wie bei einer Betriebsaufgabe ... auch bei einer Betriebsverußerung bzw. der Verußerung eines Mitunternehmeranteils eine zeitraumbezogene Betrachtung angestellt werden [muss], wenn der ,Verußerungsplan‘ mehrere Teilakte umfasst.“ Gleichwohl bestehen Bedenken, die fr eine Betriebsaufgabe geltende zeitliche Obergrenze von 36 Monaten unverndert auf Verußerungen zu bertragen, denn whrend die Betriebsaufgabe typischerweise ein zeitraumbezogener Vorgang ist, sind Verußerungen typischerweise
48 Vgl. BFH v. 6. 9. 2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229, 230; Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 415 (kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang); Ley, KSDI 2004, 14034. 49 Denkbar erscheint dies etwa, wenn a) eine wesentliche Betriebsgrundlage aus dem Gesamthandsvermgen einer Personengesellschaft zu Buchwerten in ein anderes Betriebsvermgen gegen den Willen eines Minderheitsgesellschafters berfhrt wird und der Minderheitsgesellschafter anschließend seinen Mitunternehmeranteil verußert (offen gelassen in BFH v. 6. 9. 2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229, 231), oder b) eine wesentliche Betriebsgrundlage aus dem SBV eines Mitunternehmers zu Buchwerten in ein anderes Betriebsvermgen berfhrt wird und ein anderer Mitunternehmer anschließend seinen Mitunternehmeranteil verußert (hier wird allerdings auch der zu verußernde Mitunternehmeranteil nicht reduziert). 50 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 414; Ley, KSDI 2004, 14034.
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zeitpunktbezogen. Daher sollte der zeitliche Zusammenhang bei Verußerungsvorgngen deutlich unterhalb von drei Jahren liegen51 und auch bei besonders gewichtigen bertragungen zwei Jahre nicht bersteigen.52 Nach Ansicht des BFH-Urteils v. 5. 6. 200353 liegt jedenfalls ein einheitlicher Verußerungsvorgang nicht mehr vor, wenn ein Betrieb in zwei Teilen verußert wird und die Zeitspanne zwischen den beiden bertragungsakten 3,5 Jahre betrgt. Dies gilt auch dann, wenn die bertragungsakte auf einem einheitlichen Vertrag beruhen. 1.2 Ausgliederung vor Einbringung des Gesellschaftsanteils Die Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewhrung von Gesellschaftsrechten gemß § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG setzt voraus, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen mit eingebracht werden,54 wobei es allerdings lediglich auf die funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen ankommt.55 Lediglich dann, wenn bei der Einbringung der Teilwertansatz gewhlt werden soll und die Tarifbegnstigung des Einbringungsgewinns nach §§ 16, 34 EStG begehrt wird, ist es zustzlich erforderlich, auch die funktional unbedeutenden Wirtschaftsgter mit einzubringen, soweit in ihnen erhebliche stille Reserven ruhen.56 Die gleichen Grundstze gelten auch fr die Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen in eine Personengesellschaft gegen Gewhrung von Gesellschaftsrechten gemß § 24 UmwStG, wobei als eingebracht auch die Wirtschaftsgter gelten, die
51 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 414. 52 Hierfr spricht auch die Rechtsprechung zur unentgeltlichen bertragung von Betrieben, die eine zeitliche Obergrenze fr mehraktige Vorgnge bei ca. 2 Jahren zieht (vgl. BFH v. 12. 4. 1989 – I R 105/85, BStBl. II 1989, 653; v. 14. 7. 1993 – X R 74-75/90, BStBl. II 1994, 15, 18), und einen einheitlichen bertragungsakt bei einem zeitlichen Abstand des ersten und des letzten Teilakts von 33 Monaten ablehnt (vgl. BFH v. 2. 9. 1992 – XI R 26/91, BFH/ NV 1993, 161, 162). Obergrenze bei einem Jahr: Weber, DB 1991, 2562; wohl auch Bogenschtz/Hierl, DStR 2003, 1100. 53 Vgl. BFH v. 5. 6. 2003 – IV R 18/02, BStBl. II 2003, 838, 841. 54 Vgl. BFH v. 16. 2. 1996 – I R 183/94, BStBl. II 1996, 342; BMF v. 25. 3. 1998 – IV B – S 1978 – 21/98, IV B 2 – S 1909 – 33/98, BStBl. I 1998, 268 – Tz. 20.08. 55 Vgl. BFH v. 2. 10. 1997 – IV R 84/96, BStBl. II 1998, 104, 105; BMF v. 16. 8. 2000 – IV C 2 – S 1909 – 23/00, BStBl. I 2000, 1253; Mrkle, DStR 2000, 801. 56 Vgl. BMF v. 16. 8. 2000 – IV C 2 – S 1909 – 23/00, BStBl. I 2000, 1253.
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in das Sonderbetriebsvermgen bei der aufnehmenden Personengesellschaft berfhrt werden.57 Nach Ansicht der Finanzverwaltung sollen die Grundstze des BFH-Urteils vom 19. 3. 1991 auch in den Fllen der Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils gemß §§ 20, 24 UmwStG zu prfen sein, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einbringung in ein anderes Betriebsvermgen berfhrt werden.58 Eine Buchwerteinbringung scheidet deshalb aus, wenn funktional wesentliche Betriebsgrundlagen zu Buchwerten aus einem Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil in ein anderes Betriebsvermgen berfhrt werden und anschließend im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang das verbliebene Restvermgen in eine Kapital- oder Personengesellschaft eingebracht werden soll. Zwar bleibt es bei der Buchwertberfhrung der abgespaltenen wesentlichen Betriebsgrundlagen, jedoch sind bei der Einbringung des Restvermgens dessen stille Reserven aufzudecken und ohne Tarifbegnstigung zu versteuern. An dieser Rechtsfolge ist unter Hinweis darauf Kritik geußert worden, dass die Gesamtplanberlegungen des BFH-Urteils v. 19. 3. 1991 aus dem Sinn und Zweck der §§ 16, 34 EStG abgeleitet seien und sich die Zwecksetzung der Einbringungsregelungen in §§ 20, 24 UmwStG hiervon wesentlich unterscheidet.59 Andererseits ist jedoch zu beachten, dass auch die Mglichkeit zur Buchwerteinbringung in §§ 20, 24 UmwStG ebenso wie die Tarifvergnstigung in §§ 16, 34 EStG nur fr bestimmte Vermgenskomplexe gewhrt wird. Wird aufgrund eines vorangehenden Planes in zeitlichem Zusammenhang vor der Einbringung dem begnstigten Vermgenskomplex eine wesentliche Betriebsgrundlage entzogen, so stellt sich im Hinblick auf die Rckwirkung dieses Sachverhalts auf die Begnstigung ein vergleichbares Problem. Daher knnen im Ergebnis die Gesamtplanberlegungen des BFH-Urteils v. 19. 3. 1991 auf Einbringungsflle bertragen werden.
57 Vgl. BFH v. 26. 1. 1994 – III R 39/91, BStBl. II 1994, 458, 460; BMF v. 25. 3. 1998 – IV B – S 1978 – 21/98, IV B 2 – S 1909 – 33/98, BStBl. I 1998, 268 – Tz. 24.04, 24.06. 58 Vgl. BMF v. 25. 3. 1998 – IV B – S 1978 – 21/98, IV B 2 – S 1909 – 33/98, BStBl. I 1998, 268 – Tz. 20.09, 24.04; Korn, KSDI 2002, 13282; Patt, FR 2004, 564 f.; kritisch dazu Behrens/Schmitt, FR 2002, 549–558; Strahl, FR 2004, 932. 59 Vgl. Behrens/Schmitt, FR 2002, 554 f.; Strahl, FR 2004, 932.
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Auch der BFH ist in einem obiter dictum des Urteils v. 6. 12. 200060 davon ausgegangen, dass die Einbringung eines Mitunternehmeranteils nach § 20 Abs. 1 UmwStG nicht vorliegt, wenn aufgrund eines Gesamtplans zuvor eine wesentliche Betriebsgrundlage aus dem Sonderbetriebsvermgen des Einbringenden zu Buchwerten in ein anderes Betriebsvermgen bertragen wurde. 1.3 Ausgliederung vor unentgeltlicher bertragung Die unentgeltliche bertragung eines Betriebs, Teilbetriebs, Mitunternehmeranteils oder Teils eines Mitunternehmeranteils zu Buchwerten setzt voraus, dass alle in funktionaler Hinsicht wesentlichen Betriebsgrundlagen auf den bernehmer bertragen werden. Wird anlsslich der bertragung eine wesentliche Betriebsgrundlage zurckbehalten, so ist § 6 Abs. 3 EStG nicht anwendbar und es liegt eine Betriebsaufgabe vor oder eine Entnahme des bertragenen Vermgens.61 Die Buchwertbertragung ist deshalb gefhrdet, wenn aufgrund eines vorausgehenden Planes und in engem zeitlichen Zusammenhang mit der bertragung funktional wesentliche Betriebsgrundlagen zu Buchwerten in ein anderes Betriebsvermgen berfhrt oder entnommen werden. Bsp. Ausgliederungsmodell.:62 V ist Kommanditist der V-GmbH & Co. KG, der er ein Grundstck zur Nutzung berlassen hat, welches zu seinem Sonderbetriebsvermgen bei der KG gehrt. V beabsichtigt, den Kommanditanteil sowie den zu seinem Sonderbetriebsvermgen gehrenden Anteil an der Komplementr-GmbH unentgeltlich auf seine Tochter T zu bertragen, will allerdings das Grundstck zum Zwecke der Alterssicherung zurckbehalten, das der KG weiterhin entgeltlich zur Nutzung berlassen bleiben soll. Stille Reserven sollen nicht aufgedeckt werden. Denkbar erscheint es, im Vorfeld der bertragung des Kommanditanteils und des Anteils an der Komplementr-GmbH das Grundstck zu Buchwerten gemß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG gegen Gewhrung von Gesellschaftsrechten in eine gewerblich geprgte Grundstcksverwaltungs-GmbH & Co. KG zu bertragen und anschließend den verbliebenen Mitunternehmeranteil an der V-GmbH & Co. KG unentgeltlich auf T zu bertragen.63
60 Vgl. BFH v. 6. 12. 2000 – VIII R 21/00, BStBl. II 2003, 194, 198. 61 Vgl. BFH v. 9. 7. 1981 – IV R 101/77, BStBl. II 1982, 20; v. 31. 8. 1995 – VIII B 21/93, BStBl. II 1995, 890, 893; v. 24. 8. 2000 – IV R 51/98, DB 2000, 2147 f.; Mrkle, DStR 2000, 801. 62 Nach Strahl, FR 2004, 933. 63 Vgl. Geck, DStR 2000, 2033; Binz/Mayer, DB 2001, 2318. Auf die Gesamtplanrechtsprechung hinweisend: Korn, KSDI 2002, 13282; Brandenberg, NWB, Fach 3, 12037 f. (1. 7. 2002).
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Gegen die Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung auf diesen Sachverhalt wird eingewandt, dass das Ausgliederungsmodell dem Telos der Buchwertfortfhrung nach § 6 Abs. 3 EStG nicht widerspreche. Es ermgliche dem Rechtsnachfolger, den Betrieb in unvernderter Form fortzufhren, da das Grundstck nach wie vor der V-GmbH & Co. KG berlassen werde.64 Dieser Argumentation steht allerdings entgegen, dass nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH eine unentgeltliche bertragung i. S. von § 6 Abs. 3 EStG nur vorliegt, wenn das wirtschaftliche Eigentum an den wesentlichen Betriebsgrundlagen auf den Rechtsnachfolger bertragen wird, soweit der bertragende selbst zuvor wirtschaftlicher Eigentmer der wesentlichen Betriebsgrundlagen war. Nicht ausreichend ist es, dem Rechtsnachfolger ein bloßes Nutzungsrecht an den wesentlichen Betriebsgrundlagen einzurumen.65 Darber hinaus wird gegen die Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung eingewendet, dass der erste Teilschritt des Ausgliederungsmodells ebenso wie die unentgeltliche bertragung des Mitunternehmeranteils die Buchwertfortfhrung zur Rechtsfolge habe.66 Dagegen spricht allerdings, dass die Buchwertfortfhrung nach § 6 Abs. 3 EStG nur fr bestimmte Vermgenskomplexe gewhrt wird. Wird einem begnstigten Vermgenskomplex aufgrund eines vorangehenden Planes in zeitlichem Zusammenhang vor der Einbringung eine wesentliche Betriebsgrundlage entzogen, so fehlt es an einem Vermgenskomplex, der nach § 6 Abs. 3 EStG zu Buchwerten bertragen werden kann.67
64 Vgl. Strahl, KSDI 2003, 13925; ders., StbJb. 2003/2004, 402; ders., FR 2004, 935; Reiß in Kirchhof, Kompaktkommentar EStG, 4. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 100. Vgl. auch Schmitt/Franz, BB 2001, 1286 f.; Spiegelberger/Wlzholz, DStR 2001, 1099. 65 Vgl. BFH v. 27. 7. 1961 – IV 295/60 U, BStBl. III 1961, 514; v. 7. 8. 1979 – VIII R 153/77, BStBl. II 1980, 181; v. 2. 9. 1992 – XI R 26/91, BFH/NV 1993, 161; v. 14. 7. 1993 – X R 74-75/90, BStBl. II 1994, 15, 18; v. 9. 5. 1996 – IV R 77/95, BStBl. II 1996, 476; v. 27. 8. 1998 – III R 96/96, BFH/NV 1999, 758; Gratz in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Anm. 1341, 1346 (Mai 2004) m. w. N., sowie BFH v. 30. 10. 1974 – I R 40/72, BStBl. II 1975, 232; v. 19. 7. 1984 – IV R 142/83, BFH/NV 1986, 147; v. 16. 2. 1996 – I R 183/ 94, BStBl. II 1996, 342, zu Verußerungsvorgngen. Kritisch Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 EStG Rz. 473 (Mai 2002). A. A. zu Umwandlungsvorgngen Blumers, DB 1995, 498–500; ders., DB 2001, 724. 66 Vgl. Crezelius, FR 2003, 541; Strahl, StbJb. 2003/2004, 401 f.; ders., FR 2004, 935; Ley, KSDI 2004, 14031. Vgl. a. Wendt, FR 2002, 137 f.; Kanzler, FS Korn, Bonn-Berlin 2005, 298 f. 67 Vgl. Brandenberg, DStZ 2002, 516.
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Schließlich wird vorgetragen, dass die Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung auch daran scheitere, dass die unentgeltliche bertragung betrieblicher Teileinheiten grundstzlich anders gewrdigt werde als die entgeltliche bertragung, wie sich aus einem Vergleich von § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG und § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG ergebe.68 Festzuhalten ist jedoch, dass Gesamtplanberlegungen von der Rechtsprechung bereits mehrfach auf unentgeltliche bertragungen i. S. von § 6 Abs. 3 EStG angewendet wurden – wenn auch zugunsten des Steuerpflichtigen.69 Zwar bestehen zwischen der unentgeltlichen bertragung und der entgeltlichen bertragung von Teil-Mitunternehmeranteilen Unterschiede im Hinblick auf mgliche Begnstigungen, doch ergibt sich aus § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG, dass auch bei der unentgeltlichen bertragung bestimmte Tatbestandsmerkmale zu erfllen sind. Hierzu gehrt, dass wesentliche Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermgens weiter zum Betriebsvermgen der bisherigen Mitunternehmerschaft gehren.70 Genau hieran fehlt es aber im obigen Beispielsfall. Daher wird man davon ausgehen mssen, dass die Gesamtplanrechtsprechung auch auf den obigen Beispielsfall Anwendung finden kann.71 Bedeutsam ist, wie weit ein schdlicher zeitlicher Zusammenhang reichen kann. Mit Urteil v. 12. 4. 198972 hat der BFH eine in mehrere, zeitlich aufeinanderfolgende Einzelakte aufgespaltene Gesamtbertragung als einen einheitlichen und von § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG begnstigten bertra-
68 Vgl. Strahl, FR 2004, 935 f.; Kanzler, FS Korn, Bonn-Berlin 2005, 298 f. Vgl. auch Korn, KSDI 2002, 13282. Zum Fall der Abspaltung von SBV vor der bertragung eines Teilanteils am Mitunternehmeranteil Kempermann, GmbHR 2002, 203 f. 69 Vgl. BFH v. 12. 4. 1989 – I R 105/85, BStBl. II 1989, 653; v. 2. 9. 1992 – XI R 26/91, BFH/NV 1993, 161, 162; v. 14. 7. 1993 – X R 74-75/90, BStBl. II 1994, 15, 18. 70 Aufgrund des Gesetzeswortlauts ist es auch kein Wertungswiderspruch, wenn zwar die bertragung eines Mitunternehmerteilanteils unter Zurckbehalt von Sonderbetriebsvermgen zu Buchwerten mglich ist, sofern das SBV weiterhin zum Betriebsvermgen der bisherigen Mitunternehmerschaft gehrt, nicht aber dann, wenn das SBV in ein anderes Betriebsvermgen berfhrt wird. A. A. Ley, KSDI 2004, 14031; vgl. auch Kempermann, GmbHR 2002, 203 f. 71 So BMF v. 3. 3. 2005 – IV B 2 – S 2241 – 14/05, DB 2005, 527, Rz. 7; Brandenberg, DStZ 2002, 516; ders., NWB, Fach 3, 12038 (1. 7. 2002). A. A. Wendt, FR 2002, 137 f.; Kanzler, FS Korn, Bonn-Berlin 2005, 298 f., 304 f. 72 Vgl. BFH v. 12. 4. 1989 – I R 105/85, BStBl. II 1989, 653; H 139 Abs. 6 EStH 2003; Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 EStG Rz. 472.
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gungsakt angesehen, da sie auf einem einheitlichen Willensentschluss beruhte und zwischen den einzelnen bertragungsvorgngen ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang bestand. Der zeitliche Zusammenhang wurde trotz einer Zeitspanne von 25 Monaten zwischen dem ersten und dem letzten Einzelakt noch bejaht; bedeutsam war, dass in der Zwischenzeit noch ein weiterer Teilakt stattfand. Nach dem BFH-Urteil v. 14. 7. 199373 kann bei einer vorhandenen Vereinbarung ber eine vorweggenommene Erbfolge der zustzlich notwendige enge zeitliche Zusammenhang fr eine unentgeltliche Betriebsbertragung i. S. des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG bei einer etwas mehr als zwei Jahre andauernden Gesamtbertragung noch anzunehmen sein, wenn der erste und der letzte bertragungsakt durch besondere persnliche Umstnde sachlich verknpft sind. „Solche Umstnde“ knnen z. B. vorliegen, wenn die bertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen geplant war und nur durch besondere beachtliche (z. B. persnliche) Umstnde die bertragung einer wesentlichen Betriebsgrundlage verzgert worden ist.“ Aus diesen Urteilen lsst sich m. E. ableiten, dass bei der gewichtigen, aber typischerweise zeitpunktbezogenen unentgeltlichen Betriebsbertragung die zeitliche Obergrenze fr die Annahme eines engen zeitlichen Zusammenhangs bei zwei Jahren liegt.74 Nur bei besonderen Umstnden (weiterer Teilakt im Zwischenzeitraum) kommt eine geringfgige berschreitung dieses Zeitraums in Betracht. Ein einheitlicher bertragungsakt liegt dagegen bei einem zeitlichen Abstand von 33 Monaten nicht mehr vor.75 Sofern im Einzelfall kein ausreichender zeitlicher Abstand zwischen der Abspaltung des Sonderbetriebsvermgens und einer anschließenden 73 BFH v. 14. 7. 1993 – X R 74-75/90, BStBl. II 1994, 15, 18. 74 Vgl. Strahl, KSDI 2003, 13923. A. A. (wohl analoge Anwendung der Sperrfrist in § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG) Brandenberg, Stbg 2004, 68. 75 Vgl. BFH v. 2. 9. 1992 – XI R 26/91, BFH/NV 1993, 161, 162. Der vom FG Mnchen v. 12. 11. 2003 – 9 K 4811/01, Rev. (Az. des BFH: VIII R 103/03), EFG 2004, 496, angenommene Gesamtplan bei einen Zwischenzeitraum von 6 Jahren erscheint zu lang. Zwar bedarf es des zeitlichen Zusammenhangs in diesem Falle nicht, um das Vorliegen eines anfnglichen Planes zu indizieren, denn ein Plan lag im Streitfall vor. Allerdings sichert der zeitliche Zusammenhang auch die Beherrschbarkeit der Teilschritte ab; an der Beherrschbarkeit der Teilschritte bestehen aber bei einem Zwischenzeitraum von 6 Jahren Zweifel. Die vertragliche Fixierung beider Teilschritte mag Verhaltensrisiken ausschließen, Markt- und Umweltrisiken bleiben aber bestehen. Kritisch auch Claßen, EFG 2004, 498.
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bertragung des verbliebenen Gesellschaftsanteils geschaffen werden kann, sollte anstelle des Ausgliederungsmodells auf Ersatzlsungen zurckgegriffen werden, wie z. B. die bertragung unter Nießbrauchsvorbehalt am funktional wesentlichen Sonderbetriebsvermgen oder die Zurckbehaltung eines kleinen Gesellschaftsanteils.76 2. Ausgliederung zurckbehaltenen Sonderbetriebsvermgens nach unterquotaler bertragung eines Teils des Mitunternehmeranteils Die unentgeltliche bertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils auf eine natrliche Person zu Buchwerten gemß § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG setzt die quotenentsprechende Mitbertragung der funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermgens des bertragenden voraus.77 Wird das Sonderbetriebsvermgen zurckbehalten oder nur unterquotal mitbertragen78, so sind nach § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG dennoch die Buchwerte fortzufhren, – sofern die verbliebenen Wirtschaftsgter weiterhin zum Betriebsvermgen derselben Mitunternehmerschaft gehren, und – der Rechtsnachfolger den bernommenen Mitunternehmeranteil ber einen Zeitraum von mindestens fnf Jahren nicht verußert oder aufgibt. Whrend fr den bernommenen Mitunternehmeranteil eine klare Behaltefrist gilt, fehlt eine entsprechende Regelung fr das zurckbehaltene Betriebsvermgen. Der Gesetzeswortlaut verlangt nur, dass die betreffenden Wirtschaftsgter „weiterhin“ zum Betriebsvermgen derselben Mitunternehmerschaft gehren. Unklar ist jedoch, wie dieser Zeithorizont zu verstehen ist. Obwohl der Gesetzeswortlaut auch dies zulassen wrde, erscheint es widersinnig, eine „ewige Zugehrigkeit“ zu verlangen, da sonst gegen den Sinn und Zweck der Regelung die 76 Zu diesen Gestaltungsmglichkeiten vgl. Binz/Mayer, DB 2001, 2319; Kempermann, FR 2003, 328; IDW, IDW-FN 2004, Beiheft zu Heft 5, Rz. 39, 49; Fger/Rieger in Ldicke/Rieger (Hrsg.), Unternehmenssteuerrecht, Mnchen 2004, § 19 Rz. 6; Strahl, StbJb. 2003/2004, 402 f.; ders., FR 2004, 935. Vgl. auch Mrkle, FR 1997, 144. 77 Vgl. BFH v. 24. 8. 2000 – IV R 51/98, DB 2000, 2147; Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 435; U. Frster, FR 2002, 654. 78 Dies ergibt sich aus einem Erst-recht-Schluss, vgl. Geck, ZEV 2002, 43; Korn/ Strahl in Korn, EStG, § 6 EStG Rz. 475.1 (Mai 2002); Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 435; Ley, KSDI 2004, 14027.
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Buchwertbertragung im Ergebnis in vielen Fllen scheitern wrde.79 Auch auf die fnfjhrige Behaltefrist wird man nicht zurckgreifen knnen, da der Gesetzeswortlaut zwischen dem bernommenen Mitunternehmeranteil und dem zurckbehaltenen Betriebsvermgen differenziert und die Behaltefrist nur fr den bernommenen Mitunternehmeranteil vorsieht.80 Sachgerecht erscheint es dagegen, den Begriff „weiterhin“ als ein Erfordernis anzusehen, welches einerseits die betriebliche Flexibilitt nicht einschrnken, andererseits aber sicherstellen soll, dass das zurckbehaltene Vermgen nicht in einem einheitlichen Vorgang mit der Anteilsbertragung vom bisherigen Betrieb gelst wird. Wird dagegen das zurckbehaltene Sonderbetriebsvermgen erst nach der unterquotalen bertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils verußert oder entnommen, so ist dies nur dann schdlich, wenn die nachfolgende Verußerung oder Entnahme Teil eines ex ante festgelegten Gesamtplans war.81 Da die bertragung von Teilanteilen von Mitunternehmeranteilen gegenber der unentgeltlichen bertragung des gesamten Betriebs oder Mitunternehmeranteils von geringerem Gewicht ist, erscheint es sachgerecht, die Grenze fr den notwendigen zeitlichen Zusammenhang deutlich unterhalb von 2 Jahren zu ziehen. Geht man davon aus, dass § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG die Flexibilitt des bertragenden bewahren will, so sollte die Grenze des zeitlichen Zusammenhangs nicht ber 6 Monate hinausreichen.
79 So auch Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 EStG Rz. 475.6 (Mai 2002). 80 Vgl. Brandenberg, DStZ 2002, 517. A. A. Glanegger in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 6 EStG Rz. 477. 81 Vgl. BMF v. 3. 3. 2005 – IV B 2 – S 2241 – 14/05, DB 2005, 527, Rz. 15; U. Frster, FR 2002, 655; Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 EStG Rz. 475.6 (Mai 2002); IDW, WPg 2002, 1090 (zu § 42 AO); G. Frster/Brinkmann, BB 2003, 664; wohl auch Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 435, der bei fehlendem sachlichen Zusammenhang von bertragung und nachfolgender Entwidmung des zurckbehaltenen Vermgens keine Verletzung der Sperrklausel annimmt; Fischer in Kirchhof, Kompaktkommentar EStG, 4. Aufl., 2004, § 6 EStG Rz. 182a, mit Verweis auf § 42 AO; Gratz in Herrrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Anm. 1369b (Mai 2004). Keine Sperrfrist: Kanzler, FS Korn, Bonn-Berlin 2005, 303, 305. Die Gestaltung weist Parallelen zum Ausgliederungsmodell auf, lediglich die Reihenfolge der Teilschritte ist vertauscht. Offen ist, ob eine Abspaltung des SBV vor der bertragung des Teilanteils schdlich sein kann, wenn sie im wirtschaftlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Teilanteilsbertragung erfolgt; keine Schdlichkeit: Fger/Rieger in Ldicke/Rieger (Hrsg.), Unternehmenssteuerrecht, Mnchen 2004, § 19 Rz. 11.
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Frster, bertragung von Wirtschaftsgtern
3. bertragung von Einzelwirtschaftsgtern zwischen Schwester-Personengesellschaften § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG enthlt einen enumerativen Katalog von Mglichkeiten zur Buchwertbertragung von Einzelwirtschaftsgtern bei Mitunternehmerschaften. Da dieser Katalog die bertragung von Einzelwirtschaftsgtern aus dem Gesamthandsvermgen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermgen einer Schwester-Mitunternehmerschaft nicht enthlt, wird berwiegend angenommen, dass eine Buchwertbertragung – abweichend von der Rechtslage vor 1999 – nicht sichergestellt ist,82 und zwar auch dann nicht, wenn es sich um beteiligungs- und anteilsidentische Schwestergesellschaften handelt.83 Zudem lehnt die Finanzverwaltung auch eine bertragung von Einzelwirtschaftsgtern zwischen Schwesterpersonengesellschaften im Wege der Realteilung zu Buchwerten ab.84 Aus diesem Grunde wird erwogen, das betreffende Wirtschaftsgut zunchst gemß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG aus dem Gesamthandsvermgen in das Sonderbetriebsvermgen bei der Schwestergesellschaft zu bertragen und von dort in deren Gesamthandsvermgen.85 Fraglich ist, 82 Vgl. BT-Drucks. 14/7343, 4; Hoffmann, GmbHR 2002, 131; Brandenberg, DStZ 2002, 555; ders., NWB, Fach 3, 12043 (1. 7. 2002); ders., Stbg 2004, 70; Ehmcke in Blmich, EStG, KStG, GewStG, § 6 EStG Rz. 1347 (Mrz 2002); Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 EStG Rz. 513.2 (Mai 2002); Korn, KSDI 2002, 13275; Strahl, KSDI 2002, 13169; ders., FR 2004, 932; wohl auch IDW, IDWFN 2004, Beiheft zu Heft 5, Rz. 138, 139. 83 Der Rckgriff auf § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG scheitert, weil nach der Rechtsprechung des BFH auch beteiligungs- und anteilsidentische Schwestergesellschaften nicht als ein Steuersubjekt anzusehen sind, vgl. BFH v. 24. 3. 1983 – IV R 123/80, BStBl. II 1983, 598, 600; v. 31. 7. 1991 – VIII R 23/89, BStBl. II 1992, 375, 377; v. 26. 1. 1995 – IV R 73/93, BStBl. II 1995, 589, 590; ebenso Brandenberg, DStZ 2002, 555; a. A. Reiß, StbJb. 2001/2002, 311 f. Fr eine analoge Anwendung von § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG bei anteilsidentischen Schwesterpersonengesellschaften Schmidt in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 15 EStG Rz. 683; Schmitt/Franz, BB 2001, 1280; Groh, DB 2002, 1906; Hoffmann, GmbHR 2002, 131; Dll, StbJb. 2002/2003, S. 138. Eine teleologische Extension von § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG (Wendt, FR 2002, 64 f.; Bogenschtz/ Hierl, DStR 2003, 1101) scheitert am enumerativen Charakter der Vorschrift. 84 Vgl. Brandenberg, DStZ 2002, 595 f.; ders., Stbg 2004, 72, sowie den vorstehenden Beitrag von Seitz. A. A. Sauter/Heurung/Oblau, FR 2002, 1105; Dll, StbJb. 2002/2003, S. 144; Wacker, StbJb. 2003/2004, S. 91; ders. in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 546. Differenzierend Carl/Bauschatz, KSDI 2002, 13136, 13141 f. 85 Vgl. Fger/Rieger in Ldicke/Rieger (Hrsg.), Unternehmenssteuerrecht, Mnchen 2004, § 19 Rz. 21. Bei einer bertragung zunchst in das SBV bei der
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ob einer solchen Vorgehensweise die Gesamtplanrechtsprechung entgegen gehalten werden kann.86 Da die Gesamtplanrechtsprechung Ausdruck der teleologischen Auslegung von Steuernormen ist, kommt es fr ihre Anwendung entscheidend darauf an, ob nach dem Telos der Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG eine Verklammerung der Einzelschritte zu einer wirtschaftlichen Einheit geboten ist, oder ob die Vorschrift ein Wahlrecht gewhrt, eine Kette von Einzelschritten zu vollziehen.87 Fr eine zusammenfassende Betrachtung der beiden bertragungsvorgnge knnte sprechen, dass eine direkte bertragung des Wirtschaftsguts in das Gesamthandsvermgen der Schwestergesellschaft nach dem Wortlaut der Norm nicht vorgesehen ist und deshalb von der Begnstigung mglicherweise nicht erfasst wird. Andererseits enthlt § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG in bezug auf das bertragene Wirtschaftsgut eine eigenstndige Sperrfristregelung, welche Umgehungen des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG ausschließen soll. Eine zusammenfassende Wrdigung der einzelnen Schritte erscheint deshalb nicht gerechtfertigt, sofern der Steuerpflichtige die Sperrfristregelung nicht verletzt88, denn in diesem Fall nutzt der Steuerpflichtige steuerliche Wahlrechte, die ihm die Norm des § 6 Abs. 5 EStG gerade zugesteht. Insofern haben die Teilschritte eine eigene wirtschaftliche und von der betreffenden Steuernorm akzeptierte Bedeutung.89
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bertragenden Personengesellschaft und von dort in das Gesamthandsvermgen der empfangenden Personengesellschaft besteht die Gefahr, dass der zweite Schritt als schdliche Entnahme i. S. von § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG behandelt wird, auch wenn die h. M. insoweit keine schdliche Entnahme annimmt; vgl. zur h. M. Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 EStG Rz. 513.2 (Mai 2002) m. w. N. Bejahend: Brandenberg, DStZ 2002, 516; ders., Stbg 2004, 71; Ehmcke in Blmich, EStG, KStG, GewStG, § 6 EStG, Rz. 1347 (Mrz 2002); Bogenschtz/Hierl, DStR 2003, 1100 f.; wohl auch Dll, StbJb. 2002/2003, S. 138; Strahl, KSDI 2003, 13927; ders., FR 2004, 932; G. Sffing, BB 2004, 2783. Verneinend: Wendt, FR 2002, 64 f.; Kloster, GmbHR 2002, 725; Roser, FR 2002, 316; Korn/Strahl in Korn, § 6 EStG Rz. 513.2 (Mai 2002); Korn, KSDI 2002, 13283; Crezelius, FR 2003, 541; Clausen, DB 2003, 1593; Ley, KSDI 2004, 14031; Frster, FS Korn, Bonn-Berlin 2005, 15 f.; wohl auch van Lishaut, DB 2001, 1519 f. Vgl. auch Crezelius, FR 2003, 541, bezogen auf die Anwendung des § 42 AO. Dies ist der Fall, wenn der zweite Schritt unentgeltlich vollzogen wird. Vgl. auch BFH v. 19. 5. 1983 – I R 124/91, BStBl. II 1993, 889, 890 f.; Crezelius, FR 2003, 541; Strahl, KSDI 2003, 13927; Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 EStG Rz. 513.2 (Mai 2002); Frster, FS Korn, Bonn-Berlin 2005, 15 f. Vgl. auch Fger/Rieger in Ldicke/Rieger (Hrsg.), Unternehmenssteuerrecht, Mnchen 2004, § 19 Rz. 21.
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4. Qualifizierte Nachfolgeklausel Geht ein Personengesellschaftsanteil beim Tod des Gesellschafters aufgrund einer qualifizierten Nachfolgeklausel nur auf einen von mehreren Miterben ber, so rckt dieser in die Gesellschafterstellung unmittelbar im Wege der Sonderrechtsnachfolge ein.90 Dagegen wird das bisherige Sonderbetriebsvermgen Eigentum der Erbengemeinschaft. Hierdurch kommt es ertragsteuerlich zu einer Zwangsentnahme des Sonderbetriebsvermgens durch den Erblasser, soweit das Sonderbetriebsvermgen auf nicht qualifizierte Erben entfllt.91 Dies gilt auch dann, wenn das ehemalige Sonderbetriebsvermgen in Erfllung eines Vorausvermchtnisses oder einer vom Erblasser festgelegten Teilungsanordnung alsbald von der Erbengemeinschaft auf den qualifizierten Erben bertragen wird, denn auch diese bertragung vermeidet nicht einen Durchgangserwerb der Erbengemeinschaft.92 Darber hinaus besteht die Gefahr, dass es zur Realisierung auch von stillen Reserven in dem Gesellschaftsanteil kommt, denn dieser geht nur mit einem Teil des Sonderbetriebsvermgens auf den qualifizierten Miterben ber, so dass streng genommen keine bertragung des ganzen Mitunternehmeranteils gemß § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG vorliegt.93 Auch die bertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils i. S. von § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 EStG liegt nicht zweifelsfrei vor, da der Erblasser nichts zurckbehlt.94 Hieraus entstehen betrchtliche Risken, die je-
90 BGH v. 10. 2. 1977, BGHZ 68, 225, 238. 91 Vgl. BFH v. 29. 10. 1991 – VIII R 51/84, BStBl. II 1992, 512, 515; v. 28. 1. 1998 – VIII B 9/97, BFH/NV 1998, 959; Mrkle, FR 1997, 136; Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 672, 674 m. w. N.; Brandenberg, Stbg 2004, 69; Tiedtke/Hils, ZEV 2004, 445. GewSt fllt insoweit nicht an, vgl. BFH v. 15. 3. 2000 – VIII R 51/98, BStBl. II 2000, 316. 92 Vgl. BMF v. 11. 1. 1993 – IV B 2 – S 2242 – 86/92; BStBl. I 1993, 62 – Tz. 84; Mrkle, FR 1997, 137 f. m. w. N.; Crezelius, Unternehmenserbrecht, Mnchen 1998, S. 195; von Sothen in Sudhoff, Unternehmensnachfolge, 4. Aufl., Mnchen 2000, 874; Hrger in Hrger/Stephan/Pohl (Hrsg.), Unternehmensund Vermgensnachfolge, 2. Aufl., Stuttgart, 2002, 354; wohl auch Wacker/ Franz, BB 1993, Beil. 5, 5, 24; Wacker in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 16 EStG Rz. 675. 93 Vgl. Geck, DStR 2000, 2035; Mrkle, DStR 2001, 691; Schmitt/Franz, BB 2001, 1286. § 7 Abs. 1 EStDV a. F. (§ 6 Abs. 3 Satz 1 EStG n. F.) bejahend: FG Baden-Wrttemberg v. 24. 6. 1998 – 12 K 206/96, rkr., EFG 1998, 1403; Tiedtke/Hils, ZEV 2004, 446. Vgl. a. BFH v. 15. 3. 2000 – VIII R 51/98, BStBl. II 2000, 316, 317. 94 Vgl. Geck, ZEV 2002, 44; Ley, KSDI 2004, 14028.
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doch von der Finanzverwaltung bislang auf die anteiligen stillen Reserven im Sonderbetriebsvermgen beschrnkt werden.95 Die Gesamtplanrechtsprechung knnte jedoch die Annahme einer Zwangsentnahme erbrigen, wenn der Erblasser dem qualifizierten Erben das bisherige Sonderbetriebsvermgen durch Vorausvermchtnis oder Teilungsanordnung zuweist. In diesem Fall ließe sich der Gesamtvorgang insgesamt unter § 6 Abs. 3 EStG subsumieren. Das Testament verkrpert einen vorherigen Plan, wonach der qualifizierte Erbe nicht nur den Gesellschaftsanteil, sondern auch das gesamte Sonderbetriebsvermgen erhalten soll. Es enthlt darber hinaus alle wesentlichen Teilschritte zur Erreichung dieses Ziels (Erbeinsetzung, Vorausvermchtnis bzw. Teilungsanordnung). Die Verwirklichung der Teilschritte wird durch den qualifizierten Erben beherrscht. Als Vermchtnisnehmer kann er gemß §§ 2147, 2174, 2176 BGB die Herausgabe des vermachten Gegenstands von der Erbengemeinschaft mit Eintritt des Erbfalls fordern, die bis zur Herausgabe gezogenen Frchte stehen ihm zu (§ 2184 Satz 1 BGB). Gleiches gilt im Ergebnis fr den durch eine Teilungsanordnung Begnstigten ebenfalls (§§ 2042, 2048 Satz 1 BGB)96. Der Umstand, dass der Sachverhalt (Erbfolge, Erfllung von Vorausvermchtnis bzw. Teilungsanordnung) durch den Tod des Erblassers eingeleitet wird, steht der Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung nicht entgegen, denn die Lnge des Zeitraums zwischen den Teilschritten wird hierdurch nicht beeinflusst. Erhlt der qualifizierte Erbe neben dem Gesellschaftsanteil auch das Sonderbetriebsvermgen tatschlich und innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs97 mit dem Erbfall, ist von einer einheitlichen bertragung des Mitunternehmeranteils vom Erblasser auf den qualifizierten Erben i. S. von § 6 Abs. 3 EStG auszugehen. Der Durchgangs95 Die Finanzverwaltung will von einer Gewinnrealisierung der stillen Reserven in dem Gesellschaftsanteil absehen und die Grundstze des BMF-Schreibens v. 11. 1. 1993 – IV B 2 – S 2242 – 86/92, BStBl. I 1993, 62 – Tz. 84, weiterhin anwenden, vgl. BMF v. 3. 3. 2005 – IV B 2 – S 2241 – 14/05, DB 2005, 527, Rz. 23; Brandenberg, Stbg 2004, 69. 96 Regelmßig wird eine Teilungsanordnung die Bestimmung enthalten, dass die bis zur Auseinandersetzung gezogenen Frchte denjenigen zustehen, welche die betreffenden Gegenstnde erhalten sollen, vgl. Geck, ZEV 2004, 279. 97 Zum Begriff des engen zeitlichen Zusammenhangs vgl. im Hinblick auf die Zurechnung der laufenden Einknfte zwischen Erbfall und Erbauseinandersetzung BFH v. 4. 5. 2000 – IV R 10/99, BStBl. II 2002, 850, 852 f. (Teilungsanordnung); v. 23. 9. 2003 – IX R 26/99, DStRE 2004, 381; BMF v. 5. 12. 2002 – IV A 6 – S 2242 – 25/02, BStBl. I 2002, 1392 – Tz. 8, 76; Geck, ZEV 2004, 279–281.
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erwerb des Sonderbetriebsvermgens bei der Erbengemeinschaft steht dem nicht entgegen, denn nach der Gesamtplanrechtsprechung kommt es auf die einzelnen Teilschritte gerade nicht an.
IV. Zusammenfassung Nach der sog. Gesamtplanrechtsprechung wird eine Mehrzahl von Rechtsgeschften, die auf einheitlicher Planung basieren und die in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, fr die steuerliche Beurteilung zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zusammengefasst, welcher der Subsumtion zugrunde gelegt wird. In der Konsequenz wurzelt die Gesamtplanrechtsprechung daher in der teleologischen Auslegung steuergesetzlicher Normen. Konstitutive Merkmale eines Gesamtplans sind (1) das Vorhandensein eines vorherigen, zielgerichteten Plans des Steuerpflichtigen, der alle fr die Erreichung des Endziels wesentlichen Teilschritte umfasst, (2) die Beherrschbarkeit smtlicher Teilschritte und (3) die Erreichung des geplanten Endziels. Bedeutung hat die Gesamtplanrechtsprechung auch fr die bertragung von Wirtschaftsgtern bei Personengesellschaften, insbesondere in den Fllen der Ausgliederung wesentlicher Betriebsgrundlagen vor einer Verußerung, Einbringung oder unentgeltlichen bertragung des Rest-Mitunternehmeranteils. Auf der anderen Seite darf die Gesamtplanrechtsprechung nicht unbesehen auf eine geplante und verwirklichte Abfolge mehrerer Einzelschritte angewendet werden, sofern die anzuwendende steuergesetzliche Norm dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht gewhrt, sein Endziel in einzelnen Schritten zu erreichen. In diesem Fall verlangt der Telos der Norm gerade keine zusammenfassende Betrachtung der Einzelschritte. Ein Anwendungsfall hierfr ist die bertragung von Einzelwirtschaftsgtern zwischen Schwesterpersonengesellschaften in mehreren Schritten. Als Ausfluss der teleologischen Auslegung steuergesetzlicher Normen findet die Gesamtplanrechtsprechung auch zugunsten des Steuerpflichtigen Anwendung. So hat die Rechtsprechung die bertragung eines Betriebs in mehreren Einzelschritten als eine einheitliche unentgeltliche Betriebsbertragung i. S. von § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG angesehen.98 98 Vgl. BFH v. 12. 4. 1989 – I R 105/85, BStBl. II 1989, 653; v. 14. 7. 1993 – X R 74-75/90, BStBl. II 1994, 15, 18; H 139 Abs. 6 EStH 2003.
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Darber hinaus erscheint die Gesamtplanrechtsprechung als ein geeignetes Instrument, um in den Fllen der qualifizierten Nachfolgeklausel mit Sonderbetriebsvermgen eine Zwangsentnahme zu vermeiden, sofern dem qualifizierten Erben das Sonderbetriebsvermgen durch Vorausvermchtnis oder Teilungsanordnung von Seiten des Erblassers zugedacht wird.
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Modernisierung des Bilanzrechts und Zukunft des Kapitalerhaltungsgrundsatzes Professor Dr. Joachim Hennrichs Universitt zu Kln Inhaltsbersicht I. Problemstellung II. Modernisierung des Bilanzrechts III. Bilanzrecht und Gesellschaftsrecht: Haftungsprivileg – Kapitalschutz – Bilanzrecht 1. Haftungsprivileg und Kapitalschutz
2. Kapitalschutz durch Bilanzrecht 3. Alternativmodell: Situative Ausschttungssperren 4. Systemwechsel – Pro und Contra IV. Reform des HGB-Bilanzrechts V. Zusammenfassung
I. Problemstellung Grundlegende Reformen des neuzeitlichen Bilanzrechts stehen offenbar im 20-Jahre-Rhythmus an: 20 Jahre nach der Aktienrechtsreform 1965 trat 1985 das Bilanzrichtliniengesetz in Kraft. Weitere 20 Jahre spter steht eine neue und noch grundlegendere Bilanzrechtsreform auf der Agenda, nmlich die Rezeption der International Financial Reporting Standards (IFRS, vormals International Accounting Standards, IAS) in den europischen Rechtsraum. Der faktische Druck hin zu weltweit anerkannten Rechnungslegungsstandards wird vor allem von Seiten der international ttigen Konzerne ausgebt. Die Konzerne wollen nicht je nach Region, in denen die einzelnen Gruppengesellschaften ansssig sind, unterschiedlich bilanzieren mssen, in den USA anders als in Deutschland, dort wiederum anders als in den Niederlanden und Asien, usf. Der normative Druck auf das geltende System kommt einmal mehr aus Brssel. Nachdem vor noch nicht allzu langer Zeit die Legitimitt selbst der bescheidenen Harmonisierung des Bilanzrechts durch die europischen Bilanzrichtlinien in Frage gestellt wurde,1 gilt nunmehr gar eine IAS-Verord1 Zu dieser Diskussion siehe Hennrichs, Wahlrechte im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften, 1999, S. 106 ff. m. w. N. Der EuGH hat jngst besttigt, dass die Europischen Bilanzrichtlinien wirksam auf der Grundlage des Art. 54
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nung2, die innerhalb der EG unmittelbar geltendes Recht setzt und kapitalmarktorientierte Gesellschaften verpflichtet, ihre Konzernabschlsse ab 2005/2007 nach internationalen Rechnungslegungsstandards aufzustellen, soweit diese in dem sog. Komitologie-Verfahren (Endorsement) bernommen worden sind. Das bisherige Bilanzrecht ist eingebettet in ein vielschichtiges normatives Umfeld. Zusammenhnge bestehen namentlich zwischen Bilanzund Gesellschaftsrecht sowie zwischen Bilanz- und Steuerrecht. Die EG-Bilanzrichtlinie ist bemerkenswerterweise eine gesellschaftsrechtliche, nmlich die Vierte gesellschaftsrechtliche Richtlinie. Diese ist im Zusammenhang mit der Zweiten, der sog. Kapitalrichtlinie3, zu sehen.4 Die Bilanzvorschriften flankieren das System des gesetzlichen Kapitalschutzes fr Kapitalgesellschaften, das die Kapitalrichtlinie normiert. Modernisierungen des Bilanzrechts werfen deshalb auch gesellschaftsrechtliche Folgefragen auf: Kann es bei dem bisherigen System des Kapitalschutzes bleiben, wenn diesem gleichsam die bilanzrechtliche Grundlage entzogen, nmlich auf ein gnzlich anderes Bilanzsystem umgestellt wird? Was sind die Alternativen? hnliche Fragen stellen sich fr den Bereich der steuerlichen Gewinnermittlung, weil und solange diese auf die Handelsbilanz nach bisheriger Prgung aufsetzt. Ich will im Folgenden zunchst kurz die Ziele und Instrumente der Modernisierung des EG-Bilanzrechts nher beleuchten. Im Zentrum meiner Ausfhrungen stehen sodann die Zusammenhnge zwischen Bilanzrecht und Gesellschaftsrecht. Denn das gegenwrtige System sieht sich allerlei Anfeindungen ausgesetzt, die es vor dem Hintergrund eines denkbaren Alternativmodells kritisch zu hinterfragen gilt. Am Ende stehen einige ausgewhlte Fragen zur Reform des HGB-Bilanzrechts.
Abs. 3 lit. g EGV erlassen werden konnten, EuGH, Beschl. v. 23. 9. 2004 – Rs. C-435/02 und Rs. C-103/03 (Springer) = NZG 2005, 39; zuvor schon in diese Richtung EuGH v. 4. 12. 1997 – Rs. C-97/96, EuGHE 1997, I-6843 (Daihatsu). 2 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europischen Parlaments und des Rates v. 19. 7. 2002, ABl. EG Nr. L 243 S. 1 ff. v. 11. 9. 2002. 3 Richtlinie 77/91/EWG v. 13. 12. 1976, ABl. EG Nr. L 26 v. 31. 1. 1977, S. 1. 4 Schulze-Osterloh in L. Schruff, Bilanzrecht unter dem Einfluß internationaler Reformzwnge, 1996, S. 123, 124 ff.; Schn, ZGR 2000, 706, 710; Hennrichs (Fn. 1), S. 13 ff., 18 ff.; Thiele/Stellbrink/Ziesemer in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, Komm. (Losebl., Stand 12/04), Einf. Rz. 33 ff.
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II. Modernisierung des Bilanzrechts Ziele der „Neuen Rechnungslegungsstrategie der EU“5 sind es u. a., die Vergleichbarkeit der Abschlsse kapitalmarktorientierter Unternehmen zu verbessern und eine Rechnungslegung nach einheitlichen, international anerkannten Bilanzstandards von hoher Qualitt („wirkliche Weltstandards“) zu implementieren. Daneben darf vermutet werden, dass es der Europischen Kommission auch darum geht, ein Gegengewicht gegenber einer befrchteten Dominanz der US-GAAP aufzubauen. Instrument der Modernisierung ist, wie angedeutet, vor allem die IASVerordnung samt dem vorgesehenen Endorsement-Verfahren. Danach verluft die Rezeption der IFRS/IAS in einem zweistufigen Rechtssetzungsverfahren. Die EG-IAS-VO vom Juli 2002 ist der Basisrechtsakt, zu dem sodann weitere bernahme-Verordnungen hinzutreten mssen.6 Materielle Voraussetzung fr die bernahme der IFRS/IAS in das europische Recht ist dabei u. a., dass die Standards „dem Prinzip des Art. 2 Abs. 3“ der EG-Bilanzrichtlinie „nicht zuwiderlaufen“. Da die Einzelvorschriften der Richtlinie die Generalnorm des true and fair view konkretisieren,7 werden parallel die Bilanzrichtlinien modernisiert (zuletzt durch die sog. Fair-Value-Richtlinie [2001/65/EG] und die sog. Modernisierungsrichtlinie [2003/51/EG]), um potentielle Konflikte zwischen den IFRS und den europischen Bilanzrichtlinien zu vermeiden.8 Der Prozess der Rezeption der IFRS/IAS ist derzeit in vollem Gange. In europisches Recht implantiert sind momentan im Wesentlichen alle geltenden IAS und IFRS. Noch nicht oder nicht in vollem Umfang bernommen sind dagegen IAS 32, 39 (Financial Instruments). – Hier besteht momentan ein Konflikt zwischen dem IASB und der Europischen Kommission. Die Kommission hat IAS 39 nur teilweise bernommen, nmlich „unter Ausklammerung bestimmter Vorschriften ber die Anwendung der uneingeschrnkten ,Fair Value‘-Option und die Bilanzierung von Sicherungsgeschften (,Hedge Accounting‘)“.9 Das ist ein Novum im politischen Anerkennungsprozess, es entstehen erstmals – zumindest bergangsweise (bis zu einer Einigung zwischen IASB und der EU) – lokale EU-IFRS („IAS-light“). 5 6 7 8 9
Siehe auch Mitteilung der Kommission KOM (2000) 359 v. 13. 6. 2000. Ernst, BB 2001, 823. Hennrichs (Fn. 1), S. 143 ff. m. w. N. Schulze-Osterloh, ZIP 2003, 93, 94 f. Siehe Pressemitteilung der Kommission v. 19. 11. 2004, IP/04/1385; nher Thiele, DStR 2004, 2162 ff.
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Die Rezeption der IFRS/IAS in europisches Recht ist nicht ber jeden Zweifel erhaben. Faktisch wird ein „Outsourcing“ von Normierungszustndigkeiten auf private Standardsetter bewirkt. Die eigentliche Inhaltskompetenz fr die Festlegung der Rechnungslegungsvorschriften liegt fortan nicht mehr in den Hnden der demokratisch legitimierten Gesetzgebungsorgane, sondern bei einer privaten Gruppe von „Rechnungslegern“ mit Sitz in London. Das ist bedenklich, denn die ffentlich-rechtlichen Pflichten zur Rechnungslegung und Publizitt legen den Unternehmen Lasten auf, die eine hinreichende demokratische Legitimation erfordern. Rechtsstaats- und Demokratieprinzip verlangen (auch) fr das (Handels-)Bilanzrecht eine gesetzliche Ausformung.10
III. Bilanzrecht und Gesellschaftsrecht: Haftungsprivileg – Kapitalschutz – Bilanzrecht 1. Haftungsprivileg und Kapitalschutz Fr die Verbindlichkeiten einer Kapitalgesellschaft haftet den Glubigern grundstzlich nur das Gesellschaftsvermgen (§§ 1 Abs. 1 Satz 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG). Die Kapitalgesellschaft selbst ist Zuordnungssubjekt der zu ihren Lasten begrndeten Verbindlichkeiten (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AktG, 13 Abs. 1 GmbHG). Die Gesellschafter haben die Gesellschaft zwar mit dem versprochenen Grund- oder Stammkapital auszustatten. Damit endet aber prinzipiell ihr finanzieller Einsatz. Zu weiteren Nachschssen sind die Anteilsinhaber nach der gesetzlichen Regel ebenso wenig verpflichtet wie zur Rckzahlung rechtmßig erlangter Dividenden, wenn die Gesellschaft in spteren Geschftsjahren Verluste macht (§§ 54 Abs. 1, 62 Abs. 1 Satz 2 AktG; 26 ff., 32, 53 Abs. 3 GmbHG). Dieses sog. Haftungsprivileg der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft bedingt nach herkmmlichem Verstndnis auf der anderen Seite einen effektiven gesetzlichen Kapitalschutz: Dass fr die Verbindlichkeiten einer Kapitalgesellschaft den Glubigern grundstzlich nur das Gesellschaftsvermgen haftet, wird berhaupt nur als akzeptabel angesehen, wenn die Gesellschaftsrechtsordnung andererseits gewhrleistet, dass
10 Nher Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2002, 2372, 2378 f.; dort auch zur Unzulnglichkeit einer Verweisungsnorm als Legitimationsgrundlage und eines Modells der staatlichen Rahmengesetzgebung mit privater Normkonkretisierung.
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das dem Zugriff der Glubiger allein zur Verfgung stehende Gesellschaftsvermgen vollstndig und richtig aufgebracht ist und nicht an die Gesellschafter wieder zurckgewhrt wird.11 Nach tradiertem Verstndnis sind also Haftungsprivileg und Kapitalsicherung wechselseitig legitimiert, d. h. erst eine strenge Kapitalsicherung rechtfertigt die beschrnkte Haftung. Deshalb sucht das Gesetz durch strikte Regeln zur Kapitalaufbringung – namentlich durch Sondervorschriften fr Sacheinlagen, durch das Verbot der Unterpari-Emission und eine besondere Grndungsprfung – und ebensolche zur Kapitalerhaltung in Gestalt bilanzgesttzter, gesetzlicher Ausschttungsgrenzen (§§ 57, 58, 62 AktG; 29, 30, 31 GmbHG) sicherzustellen, dass der Haftungsfonds der Gesellschaft fr die Glubiger effektiv aufgebracht und nicht durch bergriffe der Gesellschafter wieder entzogen wird. Neben dem System des gesetzlichen Kapitalschutzes dienen im geltenden Recht noch andere Institute dem Schutz der Glubiger einer Kapitalgesellschaft und damit als Korrelat fr das Privileg der Haftungsbegrenzung: Zu nennen sind hier namentlich die Vorschriften des Privatrechts, die eine Kreditsicherung der Vertragsglubiger ermglichen; ferner das Haftungsrecht, das beispielsweise in Fllen der Insolvenzverschleppung, der Falschinformation oder des Missbrauchs der Rechtsform Ersatzansprche gewhrt; schließlich das Insolvenzrecht, das insbesondere in Gestalt von Insolvenzauslsungsgrnden und Anfechtungsregeln einen prventiven wie repressiven Glubigerschutz gewhrleisten will. Die Vorschriften zum Kapitalschutz sind mithin nur (aber immerhin) ein Baustein in einem grßeren Gebude des Glubigerschutzes. 2. Kapitalschutz durch Bilanzrecht In dem tradierten Legitimationszusammenhang von Haftungsprivileg und Kapitalschutz erfllt das Bilanzrecht eine wichtige „Flankenschutzfunktion“: Die Bilanzrechtsvorschriften der Vierten gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie und – in deren Umsetzung – des HGB liefern dem Kapitalschutz gleichsam die rechnungsmßige Grundlage. Ohne korres11 So zutr. Goette, Die GmbH-Darstellung nach der Rechtsprechung des BGH, 2. Aufl. 2002, § 2 Rz. 1; Hommelhoff in Kleindiek/Oehler (Hrsg.), Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, 2000, S. 141, 151; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 18 IV 1c; Hennrichs in Henze/Hoffmann-Becking (Hrsg.), RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2003, 2004, S. 101, 123 ff.; ders., ZGR 1999, 837, 838.
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pondierende Bilanzregeln bliebe namentlich das Kapitalerhaltungsprinzip unvollstndig: Wenn an Aktionre vor Auflsung der Gesellschaft nur der Bilanzgewinn ausgeschttet werden darf (§ 57 Abs. 3 AktG) und in der GmbH sptestens Auszahlungen, die das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermgen der Gesellschaft angreifen wrden, unzulssig sind (§ 30 Abs. 1 GmbHG), so muss die Gesellschaftsrechtsordnung zugleich normieren, wie diese Ausschttungsgrße und -grenze zu ermitteln ist. Mehr noch: die Gesellschaftsrechtsordnung muss nicht nur berhaupt Ermittlungsregeln bereitstellen, sondern diese auch so ausgestalten, dass der Kapitalerhaltungsgrundsatz nicht im Gewande „freigebiger“ Bilanzvorschriften unterlaufen werden kann. Anders ausgedrckt: Das Kapitalschutzsystem bentigt ein bilanzrechtliches Fundament, und zwar ein solides, auf dessen Grundlage namentlich Ausschttungen an die Gesellschafter erst und nur zulssig sind, wenn sie den Haftungsfonds der Gesellschaft, der den Glubigern allein als Zugriffsmasse zur Verfgung steht, nicht gefhrden. Daraus erklrt sich die fundamentale gesellschaftsrechtliche Funktion des Bilanzrechts, nmlich seine Ausschttungsbegrenzungs- und Kapitalschutzfunktion. Es greift zu kurz, wenn die „Kernfunktion“ aller Arten von Handelsbilanzen darin gesehen wird, Informationen zu vermitteln.12 Das ist zwar in der Tat die Kernfunktion des Konzernabschlusses.13 Fr den Jahresabschluss tritt aber mindestens gleichberechtigt neben die Informationsfunktion die Ausschttungsbegrenzungsund Kapitalschutzfunktion. Sowohl nach EG-Bilanzrecht als auch nach HGB geht es nicht allein um Glubiger- und Anteilsinhaberschutz durch Information, sondern außerdem um Glubigerschutz durch Kapitalerhaltung und um Gesellschafterschutz durch Normierung der Ausschttungsregeln.14 Die EG-Bilanzrichtlinie ist, wie ausgefhrt, nicht von ungefhr eine gesellschaftsrechtliche Richtlinie, die im Zusammenhang mit der Kapitalrichtlinie zu sehen ist.15 Die Vorschriften ber den Jahresabschluss sollen gewhrleisten, dass nur solche Vermgensmehrungen an die Gesellschafter als Gewinn ausgeschttet werden knnen und damit fr die Glubiger der Gesellschaft als Haftungsmasse
12 So aber namentlich Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft fr Betriebswirtschaft, DB 2001, 160, 161, These 7; ferner z. B. Bcking, WPg 2001, 1433, 1435 ff. 13 Vgl. Hennrichs, ZGR 2000, 627, 629 f. m. w. N. 14 Schn, ZGR 2000, 706, 708 ff.; Hennrichs (Fn. 1), S. 94 ff., 137 ff.; Thiele/ Stellbrink/Ziesemer in Baetge/Kirsch/Thiele (Fn. 4), Einf. Rz. 33, 38. 15 Oben Fn. 4.
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verloren gehen, die als ausreichend sicher angesehen werden knnen; darber hinaus sollen Ausschttungen an die Gesellschafter verhindert werden, soweit in der Zukunft mit Mittelabflssen zu rechnen ist.16 Daraus erklren sich die besondere Bedeutung des Anschaffungswertund des Realisationsprinzips (§§ 252 Abs. 1 Nr. 4, 253 Abs. 1 Satz 1 HGB)17, aber beispielsweise auch das Verbot, selbst erstellte immaterielle Anlagewerte zu aktivieren (§ 248 Abs. 2 HGB)18, die Ansatzpflichten fr Verbindlichkeits- und Drohverlustrckstellungen (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB)19, das grundstzliche Verbot der Abzinsung von Schulden (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB), die Beschrnkung der Aktivierung von Rechnungsabgrenzungsposten auf solche betreffend „Aufwand fr eine bestimmte Zeit“ (sog. transitorische RAP, § 250 Abs. 1 HGB),20 das Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 HGB) sowie die Pflicht zur planmßigen Abschreibung eines erworbenen Goodwills (§ 255 Abs. 4 Satz 2, 3 HGB).21 All diese Vorschriften sind Ausdruck bilanzrechtlicher Kapitalschutzprinzipien, oder anders formuliert: sie gewhrleisten Kapitalschutz durch Bilanzrecht. Das Regelwerk IFRS ist demgegenber weder konzeptionell noch in den einzelnen Standards auf einen vergleichbaren Kapitalschutz angelegt. Kapitalschutz ist kein Zweck einer IFRS-Bilanz. Nach den IFRS geht es allein um die Vermittlung von „entscheidungsntzlichen“ Informationen (Glubigerschutz durch Information). Dies erklrt, warum nach den IFRS ein Trend zur Fair-Value-Bewertung zu verzeichnen ist (s. IAS 39.43 ff.; 16.29 ff.; 40.30, .33 ff.; 38.72 ff.), warum dort auch bestimmte selbst geschaffene immaterielle Werte angesetzt werden drfen (IAS 38.51 ff.), warum teilweise ein eher „weiches“ Realisationsprinzip gilt (IAS 11.22 ff.; andererseits: IAS 18.30 lit. c) und warum grundstzlich eher engere Passivierungsvoraussetzungen gelten (IAS 37) als nach HGB. Ausschließlich unter Informationsaspekten betrachtet mgen solche internationalen Bilanz- und Bewertungsregeln Sinn ergeben. Es mag plausibel sein, dass die Kapitalmarktakteure Fair Values, Zahlenangaben 16 Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2002, 2372, 2373; Schn, WPg-Sonderheft 2001, S. 74, 75 f. 17 Tiedchen in MnchKommAktG, 2. Aufl. 2003, § 252 HGB Rz. 43, 60. 18 Hennrichs in MnchKommAktG, 2. Aufl. 2003, § 248 HGB Rz. 2, 15 f. 19 Hennrichs in MnchKommAktG, 2. Aufl. 2003, § 249 HGB Rz. 6 f., 29, 92. 20 Hennrichs in MnchKommAktG, 2. Aufl. 2003, § 250 HGB Rz. 4 ff. 21 Kleindiek, BB 2001, 2572 ff.; Thiele/Stellbrink/Ziesemer in Baetge/Kirsch/ Thiele (Fn. 4), Einf. Rz. 33.
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ber eigene Erfindungen etc. als relevante Informationen einordnen und erwarten. Fr die Ausschttungsbemessung sind die IFRS dagegen prinzipiell untauglich: Wren Ausschttungen an die Gesellschafter auf der Grundlage von zukunftsorientierten Zeit- und damit Schtzwerten mglich, die oftmals nur Hoffnungswerte sind, knnten auch unsichere „Vermgensmehrungen“, die mglicherweise gar keine sind, weil der erhoffte Wertzuwachs sich spter nicht realisiert, dem Haftungsfonds entzogen werden. Damit verlre das Kapitalschutzsystem seine bilanzrechtliche Grundlage. Die dem Glubigerschutz verpflichtete Aussage „Es drfen nur Bilanzgewinne ausgeschttet werden“ wre entleert, weil die Zielgrße „Bilanzgewinn“ (wie berhaupt die Bilanz) angereichert wre um allerlei unsichere Vermgenskomponenten, deren Fundament sich in spteren Geschftsjahren vielleicht als auf Sand gebaut erweist. 3. Alternativmodell: Situative Ausschttungssperren Freilich gert das tradierte Modell, nach dem Glubigerschutz (auch) durch ein gesetzliches Kapitalschutzsystem und ein dem verpflichtetes kapitalschtzendes Bilanzrecht gewhrleistet werden soll, zwischenzeitlich aus verschiedenen Richtungen unter Druck. Zur Diskussion stehen alle drei Bausteine des Kapitalschutzkonzepts: das Mindestkapital, die Kapitalaufbringung und die Kapitalerhaltung. So wird erwogen, das Erfordernis eines gesetzlich vorgeschriebenen Mindestkapitals aufzugeben und die Hhe des Stamm- oder Grundkapitals der Satzungsautonomie freizustellen.22 Der franzsische Gesetzgeber hat dies fr die Socit rsponsabilit bereits getan, Spanien hat fr die neue „Blitz-GmbH“ das Mindestkapital auf eher nur noch symbolische 3012 Euro abgesenkt.23 Fr die Kapitalaufbringungsgrundstze werden jedenfalls signifikante Erleichterungen gefordert. Und fr die Kapitalerhaltung wird gefordert, das System der gesetzlich fixierten Ausschttungssperren aufzugeben und an seine Stelle ein flexibles Modell der situativen Ausschttungssperren zu setzen. Der Druck auf das tradierte System wird aus ganz unterschiedlichen Richtungen ausgebt. Auf europischer Ebene sind zum einen die sog. 22 Vgl. Schn, Der Konzern 2004, 162, 164 ff. 23 Vgl. Schn, Der Konzern 2004, 162, 165; Merkt, ZGR 2004, 305, 317 m. w. N. – Nach einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestkapG-E) soll das Mindestkapital der GmbH ab dem 1. 1. 2006 auf 10 000 Euro abgesenkt werden, vgl. Seibert, BB 2005, 1061 f.
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SLIM-Gruppe und die High Level Group zu nennen, die Vorschlge zur Verschlankung und Modernisierung des europischen Gesellschaftsrechts erarbeitet haben, die auch das bisherige Kapitalschutzsystem betreffen.24 Die EU-Kommission steht solchen berlegungen zumindest ergebnisoffen gegenber. Auch in der wissenschaftlichen Diskussion mehrt sich die Kritik am gegenwrtigen System.25 Manche meinen gar, das deutsche Kapitalschutzrecht habe insgesamt „seine große Zukunft schon hinter sich“.26 Schließlich droht dem bisherigen Kapitalschutzkonzept Gefahr von bilanzrechtlicher Seite. Die EU setzt, wie gezeigt, in ihrer Rechnungslegungsstrategie verstrkt auf die IFRS als „Weltbilanzstandards“. Sollten diese knftig auch fr den Jahresabschluss gelten, wrde dem herkmmlichen Kapitalschutzsystem, wie angedeutet, die bilanzrechtliche Grundlage entzogen.27 Als Alternative zum gegenwrtigen Konzept der bilanzgesttzten Kapitalerhaltung wird vorgeschlagen, statt starrer gesetzlicher Ausschttungsgrenzen knftig situative Ausschttungssperren in Gestalt eines Solvenztests nebst einer Solvenzbesttigung durch die Direktoren vorzusehen. Ausschttungen und Dividenden wren danach nicht mehr nach oben durch den Bilanzgewinn (oder die Stammkapitalziffer) limitiert, sondern knnten flexibel nach pflichtgemßem Ermessen des Managements auf der Grundlage von Solvenzprfungen/-erklrungen erfolgen. In diesen msste belegt werden, dass das Unternehmen nach Abzug der Dividende oder Ausschttung seine Verbindlichkeiten bei Flligkeit noch bezahlen knne.28 Parallel wrde das Bilanzrecht auf seine Informationsfunktion reduziert, bilanzieller Glubigerschutz wrde also allein durch Information gewhrleistet. Schließlich sei an eine Verschrfung der Geschftsleiterhaftung bei bermaßausschttungen und bei Insolvenzverschleppung zu denken.
24 Vgl. Merkt, ZGR 2004, 305, 306 ff. m. w. N. 25 Namentlich Kbler, FS Budde, 1995, S. 361; ders., ZHR 195 (1995), 550; ders., FS Zllner, 1999, S. 321, 330; ders., ZGR 2000, 550; Mlbert, Der Konzern 2004, 151; jeweils m. w. N. 26 So pointiert Mlbert, Der Konzern 2004, 151. 27 Merkt, ZGR 2004, 305, 307 f. m. w. N. 28 Vgl. Bericht der Hochrangigen Expertengruppe auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts ber moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa v. 4. 11. 2002, S. 94 ff.; ferner Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, S. 233 ff.; Kbler, ZHR 159 (1995), 550 ff.; ders., ZGR 2000, 550, 556 f., 561. – Zu denkbaren Ausgestaltungen solcher Solvenztests siehe Schn, Der Konzern 2004, 162, 169; Micheler, ZGR 2004, 324, 339 f.; jeweils m. w. N.
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4. Systemwechsel – Pro und Contra 1. Betrachtet man die Argumente Pro und Contra zu einem solchen Systemwechsel, so ergibt sich ein eher diffuses Bild: Fr das US-amerikanische Alternativmodell wird geltend gemacht, es ergebe sich eine klarere Aufgabenabgrenzung zwischen Gesellschaftsrecht, das fortan vor allem Innerorganisationsrecht sei, dem Bilanzrecht, das auf seine Informationsfunktion zurckgefhrt werde, ohne durch konfligierende andere Zwecke verzerrt zu werden, und dem Privat- und Insolvenzrecht, die dem Glubigerschutz verpflichtet seien. Angefhrt wird ferner, das „Vertragsmodell“, in dem die Glubiger fr ihren Schutz durch Bilanz- und Ausschttungsklauseln in Kreditvertrgen29 selbst sorgten, entspreche besser dem Prinzip der Privatautonomie. Schließlich wird bemngelt, das gegenwrtige gesetzliche Kapitalschutzsystem wirke ohnehin nicht ausreichend effizient, wie die hohe Insolvenzanflligkeit v. a. der GmbH belege. So recht berzeugen kann keines dieser Argumente. Der zuletzt genannte Aspekt geht fehl, weil er die – zugegeben begrenzte, aber gleichwohl sinnvolle – Funktion des Kapitalerhaltungsgrundsatzes verkennt: Es geht ja nicht darum, zu verhindern, dass Gesellschaften insolvent werden. Kein Gesetz kann verhindern, dass eine Gesellschaft mit Haftungsbeschrnkung Verluste erwirtschaftet, die ihr Vermgen aufzehren und gar zu einer berschuldung fhren knnen. Wohl aber will das Gesetz die Glubiger vor Manipulationen des Gesellschaftsvermgens durch die Gesellschafter schtzen, also bermaßausschttungen an die Gesellschafter und damit eine Risikoverlagerung auf die Glubiger verhindern.30 Diese – wichtige – Funktion wird, wie die Rechtspraxis belegt, durchaus effektiv erfllt. Was den angeblichen Vorzug der Selbstregulierung angeht, so ist zu erwidern, dass vertragliche Schutzklauseln gegen berbewertungen
29 Busse von Colbe, zfbf 54 (2002), 159, 170. Solche accounting and dividend covenants sind in US-amerikanischen Kredit- und Anleihevertrgen blich, Watrin, Internationale Rechnungslegung und Regulierungstheorie, 2001, S. 95 f., 203 ff.; Kahle, ZfB 72 (2002), 696, 701 f.; jeweils m. w. N. 30 Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2002, 2372, 2375; ferner Altmeppen, NJW 2004, 97, 102 f.; Group of German Experts on Corporate Law, ZIP 2002, 1310, 1316 f. (dort auch zu weiteren Funktionen wie Seriosittstest und Warnfunktion); Kuhner, Zur Zukunft der Kapitalerhaltung durch bilanzielle Ausschttungssperren im Gesellschaftsrecht der Staaten Europas, unter 4.2. (noch unverffentlichtes Manuskript, fr dessen berlassung ich Herrn Kollegen Kuhner herzlich danke!); Schn, Der Konzern 2004, 162, 168; Hennrichs (Fn. 11), S. 127.
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oder bermaßausschttungen von vornherein nur Vertrags- und nicht Deliktsglubiger durchsetzen knnen. Selbst in der Gruppe der Vertragsglubiger werden zudem nicht alle Glubiger die Verhandlungsmacht haben, solche Klauseln zu vereinbaren.31 Zwar resultiert zugunsten kleinerer Glubiger ein gewisser Reflexschutz daraus, dass sie durch Bilanzierungs- und Ausschttungsklauseln in Vertrgen des Schuldners mit verhandlungsstarken Kreditgebern mittelbar mitgeschtzt werden.32 Aber dieser Schutz ist wegen der Relativitt der Schuldverhltnisse hchst unvollkommen: bermaßausschttungen, die im Verhltnis zu einem vertraglich gesicherten Glubiger eine relevante Vertragsverletzung darstellen und privatrechtlich sanktioniert sind, wirken nicht auch zugunsten anderer Glubiger, die keine entsprechenden Vertragsklauseln durchsetzen konnten. Spezifische Sicherheiten zugunsten großer Glubiger sind kein ffentliches Gut fr alle Glubiger, sondern eben privatautonom reserviert. Vertragliche Rechte und Pflichten wirken nur zwischen den Vertragsparteien und sind auch nur zwischen ihnen gerichtlich durchsetzbar. Dritte knnen hieraus keine eigenen Rechte herleiten. Das gegenwrtige System des gesetzlichen Kapitalschutzes wirkt demgegenber zugunsten aller Glubiger – unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten durchaus ein Vorzug.33 Im brigen ist auch ein rechtskonomischer Fortschritt des Vertragsmodells nicht so recht einsichtig: Aus der US-amerikanischen Vertragspraxis wird berichtet, dass dort hufig Ausschttungsklauseln „verhandelt“ werden, die den vorsichtigen Bilanzprinzipien des HGB vergleichbar sind. Bezeichnend wird von einer „schuldrechtlichen Simulation des gesetzlichen Kapitalschutzes“ gesprochen.34 Wenn aber das Vertragsmodell im Ergebnis weitgehend hnliche Kapitalerhaltungsregeln herstellt wie das gegenwrtige deutsche Recht, nur auf kautelarischer statt gesetzlicher Basis, dann stellt sich schon die Frage, warum wir das
31 Httemann, BB 2004, 203, 206; Kahle, WPg 2003, 262, 270; Merkt, ZGR 2004, 303, 313 f.; Watrin, Internationale Rechnungslegung und Regulierungstheorie, 2001, S. 97 ff., 209 ff. Aus konomischer Sicht Kuhner (Fn. 30), unter 3.2. 32 Watrin, Internationale Rechnungslegung und Regulierungstheorie, 2001, S. 210. 33 Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2002, 2372, 2375 f.; Schn, ZGR 2000, 706, 726 f.; ders., WPg-Sonderheft 2001, S. 74, 78; Hommelhoff in Kleindiek/Oehler (Hrsg.), Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, 2000, S. 141, 150 f.; Group of German Experts on Corporate Law, ZIP 2002, 1310, 1317; Schn, ZHR 166 (2002), 1, 3 ff.; Watrin, DB 2001, 933, 936. 34 Schn, ZGR 2000, 706, 727; Merkt, ZGR 2004, 305, 313, 318 f.
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Vorhandene aufgeben sollten, zumal das gesetzliche Modell die Schwchen des Vertragsmodells im Hinblick auf kleine und deliktische Glubiger vermeidet.35 Soweit schließlich die klare Aufgabenabgrenzung der Teilrechtsordnungen angefhrt wird, so ist aus praktischer Sicht zu erwidern, dass der Regelungsort des Glubigerschutzes – ob er also im Gesellschafts-, Vertrags- oder Insolvenzrecht verankert ist – doch eigentlich zweitrangig sein sollte. berhaupt ist nicht recht einzusehen, warum Glubigerschutz eine Frage des Entweder-Oder sein soll. Nher liegt doch, Glubiger sowohl durch Gesellschafts- als auch durch Bilanz- und Privatsowie Insolvenzrecht jeweils flankierend zu schtzen.36 2. berzeugen mithin die fr einen Systemwechsel vorgebrachten Argumente nicht durchgreifend, so lassen sich andererseits beachtliche Grnde dafr anfhren, am gegenwrtigen Kapitalschutzsystem festzuhalten: Zunchst ist daran zu erinnern, dass Ausschttungsgrenzen die Inneninvestitionskraft der Gesellschaften strken. Es ist schon bemerkenswert, dass jahrzehntelang die mangelnde Eigenkapitalausstattung vor allem mittelstndischer Gesellschaften kritisiert wurde (und jngst im Zuge der aktuellen Basel-II-Diskussion erneut wieder kritisiert wird), andererseits gleichwohl nun weithin „freie“, nur noch an situative Grenzen gebundene Ausschttungen gefordert werden. Diese situativen Ausschttungsgrenzen sind zudem kaum gleichmßig justitiabel, weil mit allerlei Unsicherheiten behaftet.37 Fr Ausschttungen, die an prospektive Finanzplne und/oder zeitwertbasierte berschuldungstests anknpfen, fehlen zuverlssige Bewertungsmaßstbe. Jedenfalls wird der Spielraum der „Insider“ grßer.38 Das verstrkt vielleicht potentiell vorhandene Fehlanreize, in einer beginnenden Krise noch schnell Dividenden auf Zukunftshoffnungen (die kaum justitiabel sind) auszuschtten und „davon zu rennen“.39 Das gegenwrtige System wirkt bezglich solcher „Cash-in and run-Fehlanreize“ dagegen prventiv.40
35 36 37 38
Kuhner (Fn. 31), unter 7. Vgl. auch Kuhner (Fn. 30), unter 3.2.2. Httemann, BB 2004, 203, 206. Zutr. Schn, Der Konzern 2004, 162, 169; ferner z. B. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2002, 2372, 2375. 39 Vgl. auch Schn, Der Konzern 2004, 162, 169: „Damit (sc. mit der Mglichkeit von Ausschttungen auf der Grundlage von Solvenzbesttigungen) wird die institutionelle Grundlage fr einen ex-post-Opportunismus der Gesellschafter gelegt“. 40 Vgl. auch Kuhner (Fn. 30), unter 4.2.
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Nicht auszuschließen ist endlich, dass die knftige Judikatur etwaigen Fehlsteuerungen durch eine verschrfte Haftung der Geschftsfhrer/ Gesellschafter gegenzusteuern versuchen wird. Wren Ausschttungen an die Gesellschafter auf der Grundlage von Hoffnungswerten mglich, so dass auch unsichere „Vermgensmehrungen“ dem Haftungsfonds wieder entzogen werden knnten, so stnde mglicherweise das Haftungsprivileg zur Disposition. Beschrnkte Haftung ohne effektiven Kapitalschutz kann es vernnftigerweise nicht geben. Diesen Gedanken hat der fr das Gesellschaftsrecht zustndige II. Zivilrechtssenat des Bundesgerichtshofs erst krzlich unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Rechtsform nochmals zutreffend hervorgehoben.41 Wer sich dafr einsetzt, das bisherige Kapitalerhaltungsrecht und dessen bilanzrechtliche Grundlage zu schwchen, wer etwa „die Ausschttung von Scheingewinnen eines selbstbewussten Softwareunternehmens, das die eigenen Produkte vor Markteinfhrung großzgig mit allen Entwicklungskosten aktiviert“ hat,42 fr zulssig hlt, der muss deshalb mit einer Ausweitung der persnlichen Gesellschafterhaftung rechnen – ein Szenario, das jedenfalls das Gros der mittelstndischen Unternehmen, die wohl gar nicht „amerikanisiert“ werden wollen, eher schrecken muss.43 3. In der Gesamtschau ergibt sich damit mindestens ein „argumentatives Patt“44, oder vielleicht eher sogar: die vielfach postulierte berlegenheit des US-amerikanischen Alternativmodells ist jedenfalls einstweilen unbewiesen. Dann aber gilt: fr eine prinzipielle Beibehaltung nebst behutsamer Fortentwicklung des geltenden Systems (und gegen einen grundlegenden Systemwechsel) spricht der Gesichtspunkt der Rechtskontinuitt. Ein grundlegender Systemwechsel, der erhebliche Anpassungskosten verursachen wrde, ist so lange nicht gerechtfertigt, wie die berlegenheit des neuen Systems nicht plausibel dargetan ist.
41 Grundlegend BGH, Urt. v. 24. 6. 2002 – II ZR 300/00, BGHZ 151, 181 = NJW 2002, 3024 = NZG 2002, 914; ferner BGH, Urt. v. 17. 9. 2001 – II ZR 178/99 („Bremer Vulkan“), BGHZ 149, 10 = NJW 2001, 3622 = NZG 2002, 38; dazu instruktiv H.-P. Westermann, NZG 2002, 1129; Rhricht, Festschr. 50 Jahre BGH, 2000, Bd. I, S. 83, 93 ff., 105 ff. 42 Schn, WPg-Sonderheft 2001, S. 76. 43 Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2002, 2372, 2376; Schulze-Osterloh, BB 2004, 2567; ferner Hennrichs (Fn. 11), S. 125 f.; Watrin, DB 2001, 933, 937 f. 44 Vgl. Fleischer, ZGR 2001, 1, 13; Merkt, ZGR 2004, 305, 322; hnlich Kuhner (Fn. 30), unter 8.
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IV. Reform des HGB-Bilanzrechts Daher scheint mir eine behutsame Reform des HGB-Bilanzrechts die bessere Ordnungsalternative zu sein. Fr eine solche Reform seien folgende Regelungsfragen angemahnt:45 1. Richtig und lngst berfllig ist es zunchst einmal, die bestehenden Wahlrechte bei der Bilanzierung kritisch zu hinterfragen und weitgehend abzubauen. Bilanzielle Wahlrechte konfligieren mit der Informationsund Rechenschaftslegungsfunktion der Rechnungslegung; sie beeintrchtigen darber hinaus die Gesellschafterinteressen an einer mglichst manipulationsfreien Gewinnermittlung. Abgeschafft gehren namentlich: – die Optionen zur sog. umgekehrten Maßgeblichkeit (§§ 247 Abs. 3, 273; 254, 279 Abs. 2 HGB); – das Wahlrecht zur Passivierung von sog. Aufwandsrckstellungen (vgl. § 249 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 HGB); – die Wahlrechte im Bereich der Herstellungskostenbewertung (§§ 255 Abs. 2 Stze 3–5, Abs. 3 Satz 2 HGB); hier sollte statt dessen ein produktionsbezogener Vollkostenansatz vorgeschrieben werden;46 – das Wahlrecht zur Lifo-Bewertung (§ 256 S. 1 HGB); hier scheint es vorzugswrdig, allein noch die Fifo- und Durchschnittsmethode zuzulassen, die echten Vereinfachungscharakter haben und deshalb als sog. Vereinfachungswahlrechte rechtspolitisch gerechtfertigt sind. Weitere Wahlrechte, die der Gesetzgeber abschaffen sollte und bei denen zwingende Regelungen vorzugswrdig wren, sind: – das (angebliche47) Wahlrecht zur Aktivierung eines derivativ erworbenen Geschfts- oder Firmenwerts (§ 255 Abs. 4 HBG) sowie das (angebliche48) Wahlrecht zur Aktivierung eines Disagios nach § 250 Abs. 3 HGB; hier sind beide Male Aktivierungspflichten vorzugswrdig;49
45 Schulze-Osterloh, ZIP 2004, 1129, 1129 ff.; ders., BB 2004, 2567 ff.; ders., ZIP 1993, 93, 97 ff.; ders., Der Konzern 2004, 173 ff.; Hennrichs (Fn. 11), S. 132 ff. 46 Nher Schulze-Osterloh, ZIP 2004, 1128, 1133 f. 47 Bei der gebotenen Bercksichtigung der EG-Bilanzrichtlinie besteht insoweit aber richtigerweise gar kein echtes Wahlrecht. Nher Hennrichs (Fn. 1), S. 155 ff.; ders. in MnchKommAktG (Fn. 17), § 246 HGB Rz. 113 ff. m. w. N. 48 Auch hier ist bei der gebotenen Bercksichtigung der EG-Bilanzrichtlinie richtigerweise kein echtes Wahlrecht gegeben, Hennrichs (Fn. 1), S. 410 ff.; ders. in MnchKommAktG (Fn. 17), § 246 HGB Rz. 111 f. m. w. N. 49 Schulze-Osterloh, ZIP 2004, 1128, 1130 f.
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– das Wahlrecht zur Aktivierung latenter Steuern (§ 274 Abs. 2 HGB), die nicht zugelassen werden sollte;50 – das Wahlrecht zur Vornahme außerplanmßiger Abschreibungen bei Vermgensgegenstnden des Umlaufvermgens zur Bercksichtigung knftiger Wertschwankungen (§ 253 Abs. 3 Satz 3 HGB); auch dies ist rechtspolitisch wenig berzeugend; – das (rechtspolitisch schon immer verfehlte) Wahlrecht zur Vornahme „weiterer“ Abschreibungen „im Rahmen vernnftiger kaufmnnischer Beurteilung“ gem. § 253 Abs. 4 HGB und – das Wertbeibehaltungswahlrecht nach § 253 Abs. 5 HGB. 2. Festhalten sollte der Gesetzgeber fr den Jahresabschluss als Instrument des Kapitalschutzes dagegen am: – Anschaffungswertprinzip (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB); – am (strikt verstandenen) Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 HGB); – an dem Aktivierungsverbot fr selbst erstellte immaterielle Anlagewerte und fr Entwicklungskosten (§ 248 Abs. 2 HGB)51 und – an dem Gebot der planmßigen Abschreibung aktivierter immaterieller Vermgensgegenstnde (§§ 253 Abs. 2 Satz 1, 255 Abs. 4 Stze 2 und 3 HGB; also kein ausschließlicher impairment test).52 Diese Bilanzprinzipien gewhrleisten, wie dargelegt, Kapitalschutz durch Bilanzrecht und bilden somit die bilanzrechtliche Grundlage fr das geltende System. An ihnen sollte deshalb festgehalten werden. Allenfalls fr Finanzinstrumente, die auf liquiden Mrkten gehandelt werden, ist als Ausnahme vom Anschaffungswert- und Realisationsprinzip eine Zeitbewertung ber die historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten hinaus erwgenswert. Freilich sollten auch insoweit bilanzpolitische Spielrume mglichst begrenzt werden. Ob die nach IAS 39.9, .45 ff. vorzunehmende Kategorisierung der Wertpapiere (als Handelsbestand oder nicht zum Handel bestimmt) hier sinnstiftend ist, mag daher bezweifelt werden.53 Zu erwgen ist es auch, etwaige Neubewertungsgewinne in einer ausschttungsgesperrten Neubewertungsrckla-
50 Schulze-Osterloh, ZIP 2004, 1128, 1131. 51 Schulze-Osterloh, ZIP 2004, 1128, 1137. 52 Nher Kleindiek, BB 2001, 2572 ff.; ferner z. B. Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins Nr. 01/03 v. Januar 2003, unter II. 53 Hennrichs, ZGR 2000, 627, 637 f. m. w. N.
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ge zu neutralisieren.54 Zwar ergeben sich bei der Zeitbewertung von Finanzinstrumenten, die auf liquiden Mrkten gehandelt werden, keine Objektivierungsprobleme. Die Gefahr, dass Scheingewinne ausgeschttet werden, besteht aber auch hier, wie der Zusammenbruch des sog. Neuen Marktes leidvoll belegt. Wren solche Scheingewinne ausschttungsfhig, wrde das unternehmerische Risiko von den Gesellschaftern auf die Glubiger verlagert, was rechtspolitisch kaum akzeptabel erscheint.55 3. Besonders schwierig und streitanfllig ist der Bereich der Rckstellungen. Fr die Bewertung wird verschiedentlich vorgeschlagen, in Anlehnung an internationale Gepflogenheiten knftig grundstzlich auf den Barwert abzustellen.56 Demgegenber hat Schulze-Osterloh sich jngst in einer grndlichen Untersuchung nochmals fr eine Beibehaltung des bisherigen Abzinsungsverbots (§ 253 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB) ausgesprochen, soweit die Schuld (Verbindlichkeit oder Rckstellung) keinen – auch keinen verdeckten – Zinsanteil enthlt.57 Dem ist zuzustimmen. Gegen eine Abzinsung zinsloser Schulden spricht in der Tat das Realisationsprinzip, an dem der Gesetzgeber, wie hier empfohlen, fr den Jahresabschluss als Instrument des Kapitalschutzes festhalten sollte. Der Barwertgedanke impliziert, das Unternehmen erwirtschafte mit den gebundenen Mitteln eine Rendite mindestens in Hhe des Diskontierungszinssatzes. Das aber ist keineswegs ausgemacht. Die Abzinsung nimmt damit Zinsertrge vorweg, die sich nur vielleicht und jedenfalls erst zuknftig einstellen.58 Zudem macht die Abzinsung den ohnehin schon prozessanflligen Bereich der Rckstellungen um ein weiteres Streitfeld „reicher“. Denn fr die Diskontierung muss man den Abzinsungszeitraum kennen. Dieser ist bei Rckstellungen aber oft ganz unklar. Damit sind weitere Auseinandersetzungen um Rckstellungen vorprogrammiert59. Dem Gedanken der Objektivierung entspricht das nicht.
54 Schulze-Osterloh, ZIP 2004, 1128, 1136. 55 Vgl. Schn, WPg-Sonderheft 2001, S. 76. 56 Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins Nr. 01/03 v. Januar 2003, unter II. 57 Schulze-Osterloh, BB 2003, 351, 353 ff.; ders., ZIP 2004, 1128, 1136. 58 Vgl. IDW, WPg 1999, 26; Ernsting, StuB 1999, 457, 462; Glade, DB 1999, 400; Hennrichs, DStJG 24 (2001), S. 301, 327 f.; Kting/Kessler, DStR 1998, 1937; D. Schneider, DB 2000, 1241, 1244; Weber-Grellet, DB 1998, 2435. 59 Zutr. Ernsting, StuB 1999, 457, 459, 460 f. hnlich Weber-Grellet, FS L. Schmidt, 1993, S. 161, 173 f.
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Bei Pensionsrckstellungen sollte die in der Praxis zu beobachtende, handelsrechtlich schon lange zweifelhafte60 Anlehnung an das Steuerrecht (§ 6a EStG) aufgegeben und einerseits eine Abzinsung mit dem Marktzins, andererseits aber auch eine Bercksichtigung knftiger Ereignisse bei der Rckstellungsbewertung (insbesondere erwarteter Gehaltssteigerungen) vorgesehen werden.61
V. Zusammenfassung In jngerer Zeit ist das herkmmliche System der Kapitalerhaltung aus verschiedenen Richtungen unter Druck geraten. Als Alternative zum geltenden Recht wird u.a. vorgeschlagen, in Anlehnung an US-amerikanische Vorbilder Ausschttungen knftig in das pflichtgemße Ermessen der Direktoren zu stellen und als Grenze nur mehr einen Solvenztest nebst Solvenzbesttigung vorzusehen. Die berlegenheit dieses alternativen Modells gegenber dem tradierten System der gesetzlich bestimmten Ausschttungsgrenzen ist allerdings einstweilen unbewiesen. Die Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und Rechtskontinuitt sprechen in einer solchen argumentativen Pattsituation gegen einen umstrzenden Systemwechsel. Die bessere Ordnungsalternative fr den Gesetzgeber ist eine behutsame Reform des vorhandenen Systems.
60 Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl. 2000, § 42 GmbHG Rn. 334. 61 Schulze-Osterloh, BB 2003, 351, 352; ders., BB 2004, 2567, 2569.
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Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel Dr. Michael Krner Steuerberater, Frankfurt a. M. Inhaltsbersicht I. Anlsse und Hintergrnde fr den Perspektivenwechsel II. Die drei Kernelemente der Neuorientierung 1. Latente Steuern 1.1 Das Konzept der latenten Steuern 1.2 Steuerbarwertminimierung versus Steuerquotenoptimierung 1.3 Traditionelle Investitionsrechnung versus Tax Accounting 2. Kapitalmarktorientierung des Tax Accounting 2.1 Normalisierte Konzernsteuerquote und Marktkapitalisierung
2.2 Tax Reconciliation und weitere Pflichtangaben als externe Steuerinformation 2.3 Kapitalmarktinformation versus „steuerliche Privatsphre“ 3. Planungsorientierung des Tax Accounting III. Tax Accounting als Basis fr Tax Management 1. Die ETR-Kurve und ihre „Treiber“ 2. Aktionsfelder fr das Tax Management 3. Entwicklungsstufen des Tax Controlling IV. Zusammenfassung
I. Anlsse und Hintergrnde fr den Perspektivenwechsel Mit der Umsetzung der EU-Verordnung Nr. 1606/20021 vollzieht sich ein einschneidender Wandel in der externen Berichtserstattung fr kapitalmarktorientierte Unternehmen in Deutschland ebenso wie im restlichen Europa: kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen, die nach der EU-Verordnung zur Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards verpflichtet sind, haben in Zukunft gemß § 315a Abs. 1 HGB die IFRS (International Financial Reporting Standards) sowie die Vorgaben des IFRIC (International Financial Reporting Interpretations Committee) verpflichtend anzuwenden, und zwar fr Jahresabschlsse ab dem 1. 1. 2005, in Ausnahmefllen (befreiender US GAAP-Abschluss) ab
1 Durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) v. 4. 12. 2004, BGBl. I 2004, 3166 ff.
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Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
1. 1. 2007. Nach einer Untersuchung2 sind hiervon unmittelbar ca. 1000 Unternehmen in Deutschland betroffen, da sie Aktien oder Forderungswertpapiere emittieren, die zum Handel am amtlichen oder geregelten Markt zugelassen sind.3 Parallel zu der angefhrten Umstellung der Rechnungslegung ergeben sich Einflsse aus der Umsetzung der EUTransparenzrichtlinie und dem Bilanzkontrollgesetz. Insgesamt also vollzieht sich ein sprbarer Wandel weg vom HGB und hin zu einer kapitalmarktorientierten finanziellen Berichterstattung auf der Grundlage internationaler Standards. Dies drfte eine nderung mit Breitenwirkung sein, da weitere, nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen aus Grnden der Vergleichbarkeit ihrer Abschlsse mit Konkurrenzunternehmen oder z. B. wegen der Vorbereitung ihres Unternehmens fr den Kapitalmarktzugang eine Entscheidung zugunsten einer IFRS-Rechnungslegung treffen werden. Auch die Selbstdarstellung des Unternehmens durch entsprechende Berichterstattung fr Kapitalgeber und potentielle Investoren mag ein weiterer Grund sein, auf diesen Standard zu wechseln. Warum aber ist dies ein Steuerthema? Der Grund liegt meines Erachtens in der Koppelung von Kapitalmarktinformation und interner finanzieller Steuerung des Unternehmens. Es ist eine Tatsache, dass die unternehmensinterne Managementinformation auf den Standard der externen Finanzberichtserstattung ausgerichtet wird, damit unternehmensinterne finanzielle Entscheidungen gleichzeitig an den externen finanziellen Erfolgskriterien ausgerichtet sind. Damit wird gewhrleistet, dass interne Erfolge bzw. Misserfolge via Rechnungslegungsstandard kapitalmarktrelevant werden, d. h. gleichzeitig, dass interne Erfolgsanreize die externe finanzielle Selbstdarstellung frdern, weil die interne Erfolgsmessung mit der externen Erfolgsdarstellung parallel luft. Fr den Nachsteuerertrag des Unternehmens, und dieses ist gleichzeitig der langfristig verteilbare „entnehmbare“ Unternehmensgewinn, der fr die Marktkapitalisierung und Aktienbewertung entscheidend ist, ist aber der Ertragsteueraufwand in der Regel eine der gewichtigsten Be2 PriceWaterhouseCoopers, IAS/IFRS-kapitalmarktorientierte Unternehmen in Deutschland, PwC-Publikation 4/2004, S. 6 f. 3 Zu einer Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS kommt es nach der Untersuchung (siehe Fn. 2) bei 452 Unternehmen in 2005. 75 Unternehmen stellen in 2007 wegen der Einbeziehung in einen Konzernabschluss um. Die meisten der in 2005 umstellungspflichtigen Unternehmen haben bislang nach HGB bilanziert.
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Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
stimmungsgrßen bzw. Aufwandposition in der Gewinn- und Verlustrechnung. Mit der zunehmenden Kapitalmarktorientierung der Rechnungslegung und der kapitalmarktorientierten Berichterstattung ber Steuern in der „tax line“ geht eine Wandlung von Bedeutung und Inhalt der Steuerarbeit im Unternehmen einher. Vordergrndig lst sie eine Zuordnung der Verantwortlichkeit fr die Zeile „Ertragsteueraufwand“ der Gewinn- und Verlustrechnung zu der Steuerfunktion eines Unternehmens aus und schafft damit einen Verantwortungsbereich „Steuern“ fr den gesamten Inhalt dieser einen Aufwandsposition. So gesehen umfasst der Verantwortungsbereich „Steuern“ alle wesentlichen Komponenten, welche sich in dieser G & V-Position niederschlagen, d. h. laufende Steuern einschließlich der Vernderungen des Steuerrisikos (current taxes) und latente Steuern (deferred taxes), abgebildet nach den Regeln des einschlgigen kapitalmarktorientierten Rechnungslegungsstandards (d. h. unter Einbezug der fr die Abbildung der Steuern geltenden Rechnungslegungsprinzipien). Dies ist zweifelsfrei eine Ausweitung des Verantwortungsbereichs einer Steuerabteilung gegenber der traditionellen Zustndigkeit, die sich mit der Berechnung latenter Steuern, Grundstzen der Rechnungslegung mit Einfluss auf die Berechnung latenter Steuern sowie mit der externen Berichtserstattung ber Steuern nicht zu beschftigen brauchte. Der Perspektivenwechsel wird also ausgelst durch den Fokus auf Steuern als eine extern dokumentierte Aufwandszahl und -kennziffer mit Bewertungsrelevanz fr das gesamte Unternehmen. Dementsprechend wird unter „Tax Accounting“ ein Verantwortungsbereich der Unternehmenssteuerabteilung fr die Erfassung und Gestaltung des Steueraufwandes mit Blick auf die Wahrnehmung durch die Kapitalmrkte verstanden. Dies ist letztlich gleichbedeutend mit der Darstellung und dem Management der Konzernsteuerquote im Zwischen- bzw. Jahresabschluss des Unternehmens bzw. Konzerns.
Die Ttigkeit einer Steuerabteilung geht aber selbstverstndlich ber den Bereich der Ertragsteuern hinaus und umfasst ebenso Kostensteuern (Umsatzsteuern, Business taxes, Kapitalverkehrsabgaben etc. ...“) und in 277
Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
vielen Fllen auch Zlle. Mit Blick auf den Kapitalmarkt knnen deshalb die Aufgaben bzw. Wertbeitrge einer Unternehmenssteuerabteilung einmal im Bereich der Kostensteuern als Beitrge zur Verbesserung der Kosten-Ertrags-Relation (cost income ratio) und im Bereich der Ertragsteuern als Minderung der Konzernsteuerquote (Effective Tax Rate, ETR) beschrieben werden. Letztere Aufgabe beeinflusst wiederum das Vorsteuerergebnis durch Zahlung oder Rckerstattung von erstragsteuerlichen Nebenleistungen, wie Zinsen u. a. Zuschlge. Im Grunde ist dies alles nichts Neues. Die Inhalte der Ttigkeit einer Steuerabteilung werden sich nicht grundlegend ndern, sie werden im Bereich des Tax Accounting inhaltlich ausgeweitet und insbesondere ndert sich die Wahrnehmung der Relevanz der Ttigkeit: statt der Beeinflussung der Steuerzahlungen rckt die Kapitalmarktinformation ber Steuern bzw. der Kapitalmarkteinfluss des Steueraufwandes in den Mittelpunkt! Was unterscheidet also das „Tax Accounting“ neuer Ausprgung von der traditionellen Steuerarbeit in deutschen HGB-Unternehmen? Aus der Sicht eines Praktikers aus einem kapitalmarktorientierten Unternehmen sind dies (1.) die Bedeutung latenter Steuern, (2.) die Kapitalmarktorientierung der Berichtserstattung ber Steuern sowie (3.) die Planungsorientierung.
II. Die drei Kernelemente der Neuorientierung 1. Latente Steuern 1.1 Das Konzept der latenten Steuern IAS 12 und hnlich FAS 109 fr nach US GAAP bilanzierende Unternehmen4 fordern eine umfassende Bilanzierung latenter Steuern. Ausgehend von der Bilanz werden sog. temporary differences5 mit dem derzeit geltenden Steuersatz ohne Abzinsung fr erst knftig zahlungswirksame Steuerzu- bzw. abflsse bewertet und pflichtgemß unsaldiert als aktive bzw. passive latente Steuerposten dargestellt. Darber hinaus werden aktive latente Steuern fr zuknftige Steuerguthaben, 4 Heute noch bestehende Unterschiede werden im Rahmen des Convergence Projekt IFRS und US GAAP 2002 derzeit untersucht. Ein Exposure Draft fr Income Taxes wird im 2. Halbjahr 2005 erwartet. 5 Diese umfassen auch quasi permanente Differenzen, die nach HGB zu keiner latenten Steuerbuchung fhren.
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Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
Anrechnungsansprche bzw. Verrechnungsansprche gebildet, insbesondere fr den Wert von Verlustvortrgen und anrechenbaren Quellensteuern. Im Vergleich hierzu ist der Ansatz latenter Steuern im traditionellen HGB-Abschluss (vor DRS 10) stark eingeschrnkt. Es sei nur daran erinnert, dass nach der alten HGB-Konzeption lediglich timing differences – also beispielsweise nicht die quasi permanenten Unterschiede beim Buchwert zwischen Handels- und Steuerbilanz bei Beteiligungen – bewertet werden, keine aktiven latenten Steuern fr Verlustvortrge und Steueranrechnungsguthaben gebildet werden und insbesondere die Mglichkeit besteht, aktive und passive latente Steuern zu saldieren sowie wahlweise auf den Ausweis berhngender aktiver latenter Steuern vollstndig zu verzichten.6 Die offensichtlich stark eingeschrnkte Abbildung latenter Steuern im HGB-Abschluss macht es verstndlich, weshalb eine Konzernsteuerquote auf dieser Grundlage weder in irgendeiner Weise prognosefhig ist, noch vom Kapitalmarkt als eine bewertungsrelevante Grße angenommen wird. Erst die umfassende Abbildung latenter Steuern macht die Darstellung des Steueraufwandes und damit die Steuerquote unabhngig von den Zuflligkeiten der periodenbergreifenden Verschiebung zwischen der zeitlichen Zuordnung von steuerlichen Bemessungsgrundlagen und ihrer Erfassung in der jeweiligen Bilanz. Besonders deutlich wird dies bei der Verlustverrechnung. Beispiel: Ein international ttiges Unternehmen zeigt in seinem Konzernabschluss einen Jahresberschuss vor Steuern von 300 Mio. im Inland und von 700 Mio. im Ausland. Da im Inland Verlustvortrge in Hhe von 800 Mio. bestehen, mussten keine inlndischen Steuern gezahlt werden und nach HGB keine latenten Steuern bilanziert werden. Der Durchschnittssteuersatz im Ausland ber alle Lnder betrgt 38%. Der auslndische Steuersatz von 38% bezogen auf 700 Mio. auslndische Einknfte ergibt eine tatschliche Steuer von 266 Mio. Im Konzernabschluss ist somit ein laufender Steueraufwand von 266 Mio. zu erfassen. Bezieht man nun die 266 Mio. Steueraufwand im Konzern auf ein Gesamtergebnis vor Steuern von 1000 Mio. (300 Mio. im Inland + 700 Mio. im Ausland), so ergibt diese eine Konzernsteuerquote von 26,6%. Wrde der Konzern aber beispielsweise nach IAS 12.49 (rev. 2000) bilanzieren, wrden bei einem inlndischen Ergebnis von 300 Mio. im Konzernabschluss zustzlich 114 Mio. (300 Mio. x 38%) als latenter Steueraufwand aus der Auflsung eines Deferred Tax Assets (auf steuerliche Verlustvortrge) erfasst werden.
6 Der Ansatz aktiver latenter Steuern allerdings ist Pflicht, insoweit sie aus der Gewinnkonsolidierung herrhren.
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Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel Die Konzernsteuerquote betrgt dann tatschlicher Steueraufwand + latente Steuern x 100 Jahresergebnis vor Steuern 380 x 100 = 38% 1000
Nach alledem macht erst das Konzept der latenten Steuern die Konzernsteuerquote zu einer aussagefhigen und prognosefhigen Ausgangsgrße. Mit der umfassenden Abbildung latenter Steuern ist allerdings fr die Steuerfunktion des Unternehmens die Notwendigkeit verbunden, auf der Grundlage verlsslicher Prozesse und Systeme alle Steuerlatenzen zu erfassen, mit den zutreffenden lokalen Steuerstzen zu bewerten und letztlich die Werthaltigkeit von aktiven latenten Steuerposten zu berprfen, anzupassen bzw. zu dokumentieren. Dies bringt die Steuerabteilung in die Notwendigkeit, die sog. Steuerkapazitt einzelner Rechtstrger in bestimmten Lndern zu prognostizieren, sich zu diesem Zwecke mit der kurz- und lngerfristigen Unternehmensplanung abzustimmen, die Mglichkeit und das Timing der Verrechnung mit heute noch latenten Steuerverbindlichkeiten zu untersuchen sowie ggf. Steuerplanungskonzept zu entwickeln, welche den aktiven latenten Steuern zumindest teilweise einen Wert bemessen. Dabei soll die Bewertung der Werthaltigkeit von aktiven latenten Steuern7 willkrfrei erfolgen und in prfbarer Weise dokumentiert sein. Hiermit wird deutlich, dass das Tax Accounting von einer Steuerabteilung eine in die Steuerplanung, in die Zukunftsbetrachtung und in die Steuergestaltung hineingehende Arbeit verlangt und zudem voraussetzt, dass die Steuerfunktion des Unternehmens mit allen Bereichen der Unternehmensplanung eng verzahnt ist. 1.2 Steuerbarwertminimierung versus Steuerquotenoptimierung Aus dem Einfluss der latenten Steuern ergeben sich aber weitere inhaltliche Vernderungen fr die traditionelle Zielorientierung einer Unternehmenssteuerabteilung. Es knnte hinterfragt werden, ob die traditionelle Steuerbarwertminimierung eine unverndert sinnvolle Zielsetzung ist. Offensichtlich fhrt ja die Abbildung latenter Steuern dazu, dass der Steueraufwand unabhngig von der Periodenzuordnung des
7 Und zwar von aktiven latenten Steuern auf Verlustvortrge bzw. Anrechnungsansprche einerseits, auf rein zeitliche Unterschiede andererseits in genau derselben Weise.
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Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
Steueraufwands wird. Da eine Abdiskontierung zuknftiger Steuerzahlungen im Rahmen der Bewertung von latenten Steuern nicht erfolgt, scheint sich vordergrndig das Ziel der Steuerbarwertminimierung nicht zu eignen, um den Steueraufwand (einschließlich latenter Steuern) und damit die Konzernsteuerquote („Effective Tax Rate“ (ETR)) positiv zu beeinflussen. Dass dies aber nur vordergrndig korrekt ist, zeigt folgende berlegung: Die Steuerbarwertminimierung fhrt tendenziell zum zeitlichen Vorziehen von steuerwirksamen Abzugsposten bzw. zur zeitlichen Nachverlagerung von Steuerzahlungen und damit tendenziell zur Absenkung von aktiven latenten Steuern (z. B. durch vorgezogene Verlustverrechnung) bzw. zur tendenziellen Erhhung von passiven latenten Steuern (z. B. durch Vorziehen von steuerlichen Aufwandsposten). Damit erzeugt die Orientierung an der Steuerbarwertminimierung mittelbar eine Absenkung des Niveaus der aktiven latenten Steuern (zumindest im Saldo) und damit eine Reduzierung der mit diesen verbundenen Bewertungsrisiken. Letzteres ist unmittelbar relevant fr die Konzernsteuerquote. Gleichzeitig fhrt eine Steuerbarwertminimierung tendenziell zur Erhhung der passiven latenten Steuern, die jedoch mit Ausnahme von Steuersatznderungen keinen weiteren Bewertungsrisiken ausgesetzt sein sollten. Somit ist festzuhalten, dass zwar die Steuerbarwertminimierung wegen der Irrelevanz des Zeitpunkts der Steuerzahlung unmittelbar keine Verbesserung der Konzernsteuerquote bewirkt, mittelbar aber eine „ETR-kompatible“ Zielsetzung ist, da der negative Einfluss von bilanziellen Steueraufwandsrisiken (hier: Bewertungsrisiken) auf die Steuerquote vermindert wird. 1.3 Traditionelle Investitionsrechnung versus Tax Accounting Anders verhlt es sich in der Regel mit traditionellen Berechnungen der Vorteilhaftigkeit von finanzwirtschaftlichen Entscheidungen (Investitionen, Transaktionen, Strukturentscheidungen) unter Einbeziehung von Steuern, d. h. anhand der Nachsteuerertrge. Werden in derartige Kalkulationen lediglich die Steuerzahlungsbetrge einbezogen, ist dies zwar finanzwirtschaftlich korrekt, lsst allerdings vollstndig außer Acht, dass die Zuordnung der Steuerelemente einer Transaktion (einschließlich latenter Steuern) nach den geltenden Rechnungslegungsvorschriften ggfs. zu einer stark volatilen ETR-Darstellung fhren kann. Zwar ist der gesamte Steueraufwand oder -ertrag einer Transaktion in der Totalperiode sowohl bei der Betrachtung der Steuerzahlungen als auch bei der Betrachtung der Abbildung in der G & V-Rechnung identisch, die traditionelle Steuerkalkulation lsst aber die Tatsache außer 281
Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
Acht, dass die Kapitalmrkte generell Volatilitt bestrafen und eine in Summe gleiche Steuerbelastung bei volatiler Ausgestaltung deutlich negativer wirkt als bei einer homogenen Verteilung ber die Zeit. Wird die Kapitalmarktorientierung des Tax Accounting dagegen ernst genommen, muss die traditionelle Steuerkalkulation um eine ETR-Projektkalkulation mit der Allokation der Steuereffekte auf die einzelnen Rechnungsperioden (Quartale) ergnzt werden, und zwar unter Einbeziehung aller Einflussgrßen fr die Konzernsteuerquote: periodisierte Darstellung der Vorsteuerertrge und Aufwendungen aus dem Projekt, periodengerechte Darstellung der laufenden Steuern, periodengerechte Darstellung der latenten Steuern, Zuordnung und Periodisierung von ergebniswirksamen Steuerrisiken (Rckstellungsbildung). Erst die Zusammenschau der ETR-Projektkalkulationen erlaubt letztlich die Einbeziehung in ein kapitalmarktorientiertes Management der Konzernsteuerquote. 2. Kapitalmarktorientierung des Tax Accounting 2.1 Normalisierte Konzernsteuerquote und Marktkapitalisierung Der Unternehmenswert und der Aktienkurs sind von der Erwartung eines langfristig erzielbaren Nettoertrags (entnehmbarer Unternehmensgewinn) geprgt. In allen gngigen Modellen der Unternehmensbewertung und den Analystenformeln z. B. zur Ermittlung der EPS („Earnings Per Share“) werden in der einen oder anderen Form normalisierte Ertragserwartungen zugrunde gelegt und gleichzeitig der erwartete Steueraufwand durch einen Steuerfaktor bercksichtigt. Theoretisch spielt hierbei sowohl die Steuerquote des betrachteten Unternehmens bzw. Konzerns als auch die erwartete Ertragssteuerbelastung des Dividendenempfngers und Investors eine Rolle. Entscheidend ist allerdings, dass zumindest die Steuerquote des bewerteten Unternehmens unmittelbare Bedeutung fr die Unternehmensbewertung besitzt. Der Marktwert des Unternehmens ist ein informationsgetriebener, erwartungsgebundener und prognoseorientierter Wert. Dementsprechend ist die Steuerquote, die auf der Ebene der Gesellschaft heranzuziehen ist, die zur „Diskontierung“ um den Steueranteil geeignete knftige, erwartete Konzernsteuerquote (ETR). Fr die Ableitung der fr Bewertungszwecke geeigneten ETR besteht offensichtlich Informationsbedarf. Aus der Darstellung des Steueraufwandes in der Gewinn- und Verlustrechnung ergibt sich nicht unmittelbar eine ausreichende Grundlage, um die normalisierte, zuknftig zu 282
Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
erwartende Steuerquote abzuleiten. Auch die steuerbezogenen Verffentlichungsvorschriften (Disclosure Rules) nach IFRS bzw. US GAAP sind fr sich allein nicht geeignet, die hierfr bentigten Informationen zur Verfgung zu stellen.8 Insofern ergibt sich aus der Kapitalmarktorientierung der Rechnungslegung und der Kapitalmarktfunktion des Steueraufwands ein Erluterungsbedarf, den das Unternehmen bewusst und aktiv gestalten sollte. Offensichtlich existieren hierzu unterschiedliche Auffassungen. Sie reichen von dem Prinzip der Beschrnkung auf die minimal notwendige Steuerinformation, die es dem Analysten und interessierten Investor berlsst, aus der Vergangenheit und den gesetzlich vorgeschriebenen Erluterungsbestandsteilen eigenstndig Schlussfolgerungen zu ziehen, bis hin zur klaren Angabe einer Steuerquote, die fr Bewertungszwecke zugrunde zu legen ist. Zwischen diesen beiden Extremen liegt die Mglichkeit, auf außergewhnliche, einmalige und periodenspezifische Verwerfungen der Steuerquote hinzuweisen und zumindest eine „suggestive Basis“ fr eine normalisierte ETR zu liefern. In jedem Fall ergibt sich aus der Kapitalmarktorientierung und auch aus der steuerlichen Facharbeit die Notwendigkeit, die Steuerfunktion des Unternehmens mit der Unternehmenskommunikation bzw. den „Investor Relations“ des Unternehmens zu vernetzen. 2.2. Tax Reconciliation und weitere Pflichtangaben als externe Steuerinformation Bereits das Mindestmaß an externer Steuerinformation nach den IFRS bzw. US GAAP Standards ist allerdings um Klassen hher als dies nach HGB/AktG/GmbHG traditionell der Fall ist. Kernelement der externen Berichtserstattung ber Steuern ist die sog. „Tax Reconciliation“, d. h. die berleitung vom erwarteten Steueraufwand auf der Basis des Ergebnisses vor Steuern zum tatschlich ausgewiesenen Steueraufwand, und seine Erluterungen. Idealerweise soll die Tax Reconciliation die wesentlichen Einflussgrßen fr positive oder negative Abweichungen sichtbar machen, welche die tatschliche Steuerquote von der normalisierten Referenzsteuerquote unterscheidet, um so dem externen Adressaten eine bessere Einschtzung der erwartbaren Steuerbelastung und der „Qualitt“ der steuerlichen Ergebnisse zu liefern. Auch die Mglichkeit eines Vergleichs der Steuerbelastung verschiedener Unternehmen wird idealerweise durch die Informationen der Tax Reconciliation
8 Siehe unten Tax Reconciliation, Gliederungspunkt 2.2.
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Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
ermglicht. Tatsache ist allerdings, dass die in den Rechnungslegungsstandards geforderten Mindestinformationen zur Tax Reconciliation9 unspezifisch sind und die Praxis zu eher technischen Angaben neigt, die nicht an der Zielsetzung der Normalisierung und Prognosefhigkeit orientiert sind.10 Dies gilt umso mehr, als die ETR eines Unternehmens bzw. Konzerns keine feste Prozentzahl, sondern eine vom Vorsteuerergebnis abhngige Kurve ist, deren Verlauf von verschiedenen Parametern geprgt ist, die sich nicht unmittelbar aus der Tax Reconciliation ergeben.11 Beispielsweise trifft dies fr die Zusammensetzung des weltweiten Steuersatzmix12 zu, der sich nur teilweise aus der Kombination des in der Tax Reconciliation benutzten Referenzsteuersatzes und den sog. Steuersatzdifferenzen (Tax Rate Differentials) ableiten lsst, sofern berhaupt ein getrennter Ausweis erfolgt. Ebenso trifft diese Feststellung auf die Darstellung der permanenten Differenzen (nicht abziehbare Betriebsausgaben, steuerfreie Einnahmen) und deren Abhngigkeit vom Vorsteuerergebnis zu (sei es von Ertrgen oder von Kostenkomponenten), die erst die Ableitung der ETR-Kurve ermglicht, sich aber aus den Pflichtangaben keinesfalls erschließt. Mit einer aktiven, am Informationsbedarf des Kapitalmarkts orientierten Berichterstattung ber Steuern allerdings lsst sich der Mangel beheben und – sofern gewnscht – ein selbst definierter Standard entwickeln, der die Informationsbedrfnisse von Analysten befriedigt. Das Tax Accounting hat aber neben den (Minimal-)Informationen fr die Tax Reconciliation noch eine Vielzahl weiterer Informationen zu erfassen und aufzubereiten, die durch Einzelvorschriften der Rechnungslegungsstandards gefordert sind. Die nachfolgende Tabelle gibt nur einen Ausschnitt der wichtigsten Vorschriften wieder, deren Grundlage allesamt durch das Tax Accounting bereit zu stellen sind.
9 10 11 12
Siehe IAS 12.81 (c), FAS 109.47. Vgl. Krner/Benzel in Konzernsteuerrecht, Mnchen 2004, S. 701 (729 ff.). Siehe unten Gliederungspunkt III.1. Sog. Basis-ETR (siehe unten III.1.).
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Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
2.3 Kapitalmarktinformation versus „steuerliche Privatsphre“ Eine aktive Kapitalmarktinformation ber Steuern hat allerdings zugleich die Aufgabe eines Teils der „steuerlichen Privatsphre“ des Unternehmens zur Folge. Da insbesondere auch das Steuerrisiko ber Rckstellungsbildungen in die Steuerquote einfließt, ist die Struktur und der Detaillierungsgrad von steuerlichen Angaben mit dem Interesse des Unternehmens abzuwgen, in Steuerdingen keine ffentlichkeit „zum eigenen Schaden“ herbeizufhren. Da mit der Festlegung der 285
Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
Steuerkommunikation in der externen Finanzberichtserstattung ein Standard definiert wird, dessen Rckbau ungleich viel schwerer als seine Ausweitung ist, muss dieser Aspekt sorgfltig abgewogen und von vorneherein in allen mglichen Auswirkungen bedacht werden. Dennoch ist meines Erachtens eine aktive Kapitalmarktinformation ber Steuern eine im Interesse des Shareholder Value notwendige und sinnvolle Maßnahme. 3. Planungsorientierung des Tax Accounting Das dritte Kernelement der Neuorientierung der Steuerarbeit im kapitalmarktorientierten Unternehmen ergibt sich meines Erachtens aus der Planungsorientierung des Tax Accounting. Offensichtlich fhrt die Notwendigkeit der Bewertung aktiver latenter Steuerposten zur Notwendigkeit der Steuerplanung und ihrer Dokumentation. Nur soweit zuknftig ausreichend steuerpflichtige Steuerertrge generiert werden, welche die „Nutzung“ von aktiven latenten Steuern bei Umkehrung der zugrunde liegenden temporren Wertunterschiede und/oder durch Verbrauch eines steuerlichen Verlustvortrags/ Anrechnungsguthabens erwarten lassen, besteht keine Veranlassung, eine Wertberichtigung auf bilanzierte aktive latente Steuern vorzunehmen. Damit wird die sog. Steuerkapazittsplanung eine unmittelbar bewertungsrelevante Disziplin. Daneben definieren die Mglichkeiten der Nutzung von Verlusten und Steuerguthaben durch Steuergestaltung den Mindestwert bzw. die untere Wertgrenze fr die entsprechenden aktiven latenten Steuern. Damit werden nach den neuen Rechnungslegungsstandards auch Steuerplanungen im Sinne von mglichen Steuergestaltungen unmittelbar bewertungsrelevant. Noch intensiver aber ist das Tax Accounting mit der Unternehmensplanung und der darauf aufbauenden Steuerplanung dadurch verbunden, dass in den Zwischenabschlssen bzw. der Zwischenberichtserstattung nach IFRS und nach US GAAP in aller Regel eine Plansteuerquote zu verwenden ist. Beide Standards gehen davon aus, dass die Zwischenperiode als ein unselbstndiger Ausschnitt des gesamten Jahres zu betrachten ist, so dass die zufllige Verteilung steuerlicher Einflussgrßen auf die einzelnen Quartale keinen Einfluss auf die Quartalssteuerquote haben darf, soweit diese Einflussgrßen planbar sind und kein außergewhnliches Ereignis darstellen.
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Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
III. Tax Accounting als Basis fr Tax Management 1. Die ETR-Kurve und ihre „Treiber“ Es kann nicht oft genug wiederholt werden: die Konzernsteuerquote ist keine fixe Prozentzahl, sondern folgt einem Kurvenverlauf (ETR-Kurve), deren Gestalt vom Niveau des Vorsteuerergebnisses und der Zusammensetzung der einzelnen Parameter (sog. „Treiber“ der ETR-Kurve) definiert ist. Bereits die schlichte Tatsache, dass die Hhe der Konzernsteuerquote vom Vorsteuerergebnis abhngt, macht deutlich, dass die Verantwortung fr die relative Hhe des Ertragsteueraufwands im Jahresabschluss nicht allein im Bereich der Steuerabteilung bzw. des Steuermanagements liegt, sondern durch Einflussgrßen getrieben wird, die eindeutig außerhalb des Einflussbereichs einer Steuerabteilung liegen. Gerade deshalb ist die tiefgehende Analyse der Einflussfaktoren fr den Kurvenverlauf und das Ergebnis entscheidend, um Verantwortungsbereiche im Unternehmen abgrenzen zu knnen und eine Orientierung fr die Messung der Leistung einer Steuerabteilung finden zu knnen. Denn selbstverstndlich lassen sich auch auf Grundlage der Erkenntnis eines Kurvenverlaufs einzelne Parameter definieren, die durch die Arbeit einer Steuerabteilung beeinflusst und verbessert werden knnen und deshalb auf die Agenda einer Steuerabteilung gehren. Die nachfolgende Grafik gibt einen typischen ETR-Kurvenverlauf fr den Fall des berwiegens von steuerlich nicht abziehbaren Aufwandsposten (negative „Permanent Differences“) wieder. Die Kurvenverlufe fr positive sowie negative Vorsteuerergebnisse liegen spiegelbildlich gegenber und nhern sich beide mit zunehmendem absolutem Vorsteuerergebnis (positiv wie negativ) asymptotisch einer horizontalen Linie an, die den gewichteten weltweiten Durchschnitt der Steuerstze in den Jurisdiktionen der Ttigkeit des Unternehmens widerspiegelt (Basissatz). Bei konstanten lokalen Ertragsteuern verschiebt sich deshalb die ETR-Kurve in Abhngigkeit von der Verteilung der Konzernertrge auf Hoch- bzw. Niedrigsteuerlnder. Offensichtlich liegt hier Gestaltungspotential bei der Festlegung der Funktionsstruktur und Ttigkeitsstruktur sowie Rechtsstruktur eines Konzerns, so dass die Steuerfunktion des Unternehmens langfristig an der Optimierung (sprich Absenkung) dieses fundamentalen „Treibers“ des Steuersatzmixes der ETR-Kurve arbeiten kann. Ein weiterer wesentlicher Treiber fr den Verlauf der ETR-Kurve sind die weltweiten steuerfreien Ertrge und Aufwendungen, d. h. Elemente 287
Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
der konsolidierten Gewinn- und Verlustrechnung, die von den lokalen Steuerbemessungsgrundlagen in den jeweiligen Jurisdiktionen ausgeklammert sind, beispielsweise Bewirtungsaufwendungen, Goodwill-Abschreibungen oder (fr die Seite der steuerfreien Ertrge) Schachteldividende oder bestimmte steuerliche Subventionen. Die Zusammensetzung dieser steuerfreien Komponenten (Permanent Differences) hat wesentlichen Einfluss auf den grundstzlichen Kurvenverlauf sowie seine „Krmmung“. Sofern die nicht abziehbaren Aufwandsposten berwiegen, ergibt sich der in der obigen Grafik wiedergegebene Kurvenverlauf im ersten und dritten Quadranten, sollten hingegen die steuerfreien Ertrge insgesamt berwiegen, wrde die ETR-Kurve in dem zweiten bzw. vierten Quadranten liegen (s. die Darstellung weiter unten, Grafik 2). Je hher im Saldo der berhang steuerfreier Aufwendungen bzw. steuerfreier Ertrge ist, desto steiler verluft die ETR-Kurve und desto volatiler werden die Steuerquoten bei schwankenden Vorsteuerergebnissen. 288
Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
Ein dritter wesentlicher Treiber kommt aus der Bewertung von aktiven latenten Steuern, insbesondere bei Verlustvortrgen. Nur insoweit Verlustvortrge zu nutzbaren Ansprchen werden und damit zum Ansatz aktiver latenter Steuern fhren, kann sich eine positive ETR bei negativem Vorsteuerergebnis ergeben (Steuerertrag aus der Nutzung von Verlustvortrgen) bzw. sich die ETR-Kurve fr den Verlustfall von unten an die Basisrate annhernd und in den positiven Bereich vorstoßen (vgl. den Kurvenverlauf im dritten Quadranten in der Grafik Nr. 2). Weitere „Treiber“ fr die ETR-Kurve sind: – Wertberichtigungen auf latente Steueransprche; – die Nutzung von wertberichtigten latenten Steueransprchen; – die Anrechenbarkeit bzw. Erstattbarkeit von Steuerguthaben, Steuergutschriften, Quellensteuern u. .; – Steuerwirkungen aus erfolgswirksamen Konsolidierungsbuchungen; – Accounting-Regeln, wie beispielsweise „at equity“-Konsolidierung, Konsolidierung von „special purpose vehicles“ (z. B. VIE entities nach FIN 46, US GAAP) oder die Abbildung von Minderheitenanteilen, die letztlich Ergebnisbeitrge ohne Steuerausweis liefern und deshalb wie permanent differences wirken; – die Kombination von verschiedenen ETR-Kurven einzelner Konzernunternehmen zu einer Konzern-ETR-Kurve; – die Bildung und die Hhe von Steuerrckstellungen und deren Verwendung im Rahmen der gegebenen Ermessensspielrume. 289
Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
Vor dem Hintergrund des ETR-Kurvenverlaufs ließe sich in hchster Abstraktion formulieren, dass die Aufgabe der Steuerabteilung eines Unternehmens nicht in der Erreichung einer Ziel-Konzernsteuerquote liegt, sondern in der Beeinflussung des Kurvenverlaufs und der Basisrate, wobei die Basisrate mglichst abzusenken ist und der Kurvenverlauf mglichst flach und nahe an der Basisrate verlaufen sollte. 2. Aktionsfelder fr das Tax Management Aus den einleitenden Ausfhrungen zu den Kernelementen der Neuorientierung und den Vorgaben fr das Tax Accounting ergeben sich einerseits Aufgabenstellungen fr die Steuerfunktion des Unternehmens, die verglichen mit der traditionellen Aufgabenverteilung neu sind, es ergibt sich aber gleichzeitig auch die Notwendigkeit, die traditionelle Steuerarbeit, die an Wert keinesfalls verloren hat, in den Kontext der Kapitalmarktorientierung so einzubauen, dass die Relevanz und Bedeutung dieser Arbeit erkannt und geschtzt wird. Aus der Tatsache, dass die Konzernsteuerquote im Grunde ein Kurvenverlauf ist, folgt zunchst einmal eine delikate Kommunikationsaufgabe innerhalb des Unternehmens, um den Wert der Steuerarbeit im Rahmen des Beeinflussbaren und Verantwortbaren darstellen zu knnen. Die nachfolgende Grafik 3 beschreibt den Fall eines erfolgreichen Steuermanagements, bei dem es der Steuerabteilung gelungen ist, die ETRKurve des Jahres 02 gegenber derjenigen des Jahres 01 in positiver Weise nach links unten zu verschieben. Im darstellten Beispielsfall wird allerdings der positive Effekt der Kurvenabsenkung berlagert durch ein im Jahre 02 gegenber Jahr 01 abgesunkenes Vorsteuerergebnis, welches im Beispielsfall offensichtlich eine hhere Konzernsteuerquote im Jahre 02 zur Folge hat und damit vordergrndig den Schluss nahelegt, dass die Steuereffizienz des Unternehmens gesunken sei. Das Gegenteil ist allerdings richtig. Der Beispielsfall zeigt also plastisch, dass die Darstellung der Ertragssteuerkurve die fundamentale Voraussetzung dafr ist, um ber Themen wie Steuermanagement, Steuereffizienz, prognostizierte Steuerquote bzw. Plansteuerquote etc. berhaupt reden zu knnen. Selbstverstndlich sind auch vor diesem Hintergrund die Aktionsfelder fr die Steuerabteilung teilweise traditionell vorgegeben. Der Kontext der Konzernsteuerquote, Kapitalmarktorientierung und ETR-Kurvendiskussion gibt diesen Ttigkeiten lediglich einen neuen Rahmen und Bedeutungszusammenhang: 290
Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
– Steuerbarwertminimierung, – Steuerung des durchschnittlichen gewichteten Ertragsteuersatzes fr alle Einheiten des international ttigen Konzerns, – Minimierung der steuerlichen Nichtabziehbarkeit von Betriebsausgaben/Aufwendungen, – Sicherung der Nutzung von Steueranrechnungsbetrgen, – Verbesserung der Nutzung steuerlicher Verlustvortrge, – Nutzung von steuerlichen Subventions- und Lenkungsgesetzen, – Minimierung des Steuerrisikos bzw. des Steueraufwandes aus Betriebsprfungen und steuerlichen Rechtstreiten. Es ergeben sich aus den bisherigen geschilderten Neuorientierungen und Zusammenhngen des Tax Accounting aber auch neue Aktionsfelder, welche in Zukunft meines Erachtens mehr und mehr zu einer Herausforderung fr Steuerabteilungen werden drften: – Sicherung der Werthaltigkeit von aktiven latenten Steuern durch Steuergestaltung, – Planung der „Tax capacity“ insbesondere im Zusammenhang mit der Finanzausstattung von Konzernunternehmen. 291
Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
Rolle der Steuerabteilung Steuerabteilung Traditionelles Aufgabengebiet
Buchungsstände pre-tax, insb. GuV
• Steuerberechnung laufende Steuern • (vorsichtige) Steuerrückstellung • ggf. Verwaltung von Steuerforderungen und Verbindlichkeiten
Die neuen Aufgabenschwerpunkte
Rechnungswesen, andere“ ”
• Steuerberechnung latente Steuern: Brutto-Latenz und Bewertung
Buchungsanweisung
Verbuchung ggf. Steuerlatenzen
Buchungsstände pre-tax, insb. Bilanz, incl. Konsolidierung Buchungsanweisung
Verbuchung
Steuer-Reporting Steuerplanung Risikomodell UnternehmensTransaktionsplanung information • Externe Berichterstattung über Steuern • Prozessdokumentation und -kontrolle
Textbausteine
Berichte
Unterzertifizierung Berichte
3. Entwicklungsstufen des Tax Controlling Die Neuausrichtung der Steuerfunktion auf das Tax Accounting hat nicht nur eine Ausweitung des Aufgabenspektrums der Steuerabteilungen zur Folge, sondern bietet gleichzeitig eine ideale Informationsbasis und einen Ausgangspunkt fr die Einfhrung eines umfassenden Tax Controlling. In gewisser Weise erleichtern die neuen „Zwnge“ zur Messung der Treiber der ETR-Kurve und zur Steuersatzprognose die 292
Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
Einfhrung ohnehin notwendiger und sinnvoller Mess- und Kontrollinstrumente mit wesentlichen Managementaussagen ber die Steuerbelastung eines Konzerns. Die Entwicklung eines umfassenden Tax Controlling ist geradezu naturgegebene Folge der durch das Tax Accounting ausgelsten Dichte und Flle von steuerrelevanten Managementinformationen. In der nachfolgenden bersicht sind typische „Entwicklungsstufen des Tax Controlling“ wiedergegeben, ber deren Zuordnung und Stufengliederung man selbstverstndlich diskutieren kann. Die wesentliche Aussage erschließt sich bereits bei der summarischen Lektre der Komponenten der einzelnen Entwicklungsstufen.
Entwicklungsstufen des Tax Controlling ETR Messung Ertragsteuerbuchungen
ETR Treiber
ETR Controlling
Weltweiter Mischsteuersatz
Zuordnung der Treiber
ETR Forecast
Steuerliche Ineffizienzen
→ zu Regionen
ETR Optimierung: Aktionsliste, Umsetzungsplanung und -kontrolle
(überwiegend im Bereich nicht abziehbarer Aufwendungen)
Steuer Reporting (ETR-workbooks)
ETR Management Information
Nutzung von Steuerguthaben o.ä. (überwiegend im Bereich latenter Steuern)
Steuerrisiko
→ zu Steuergruppen / Rechtsträgern / Betriebsstätten → zu Transaktionen → zu Strukturen (Rechtsstrukturen, Finanzströme etc.)
Steuerliches Risikomodell / steuerliche Risikostrategie
(überwiegend im Bereich der Steuerrückstellungen)
Überleitungsrechnung und Abstimmung (tax reconciliation)
Transaktionen
Steuerkapazität
Kapazitätsverbrauch
Nahezu alle Komponenten dieses Schemas ergeben sich als „Abfallprodukte“ eines detaillierten Tax Reporting und einer halbwegs tiefgehenden Analyse der Konzernsteuerquote, wie sie zur kapitalmarktorientierten Kommunikation nach außen bzw. zur Kommunikation ber die 293
Krner, Tax Accounting – ein Perspektivenwechsel
Leistung der Steuerfunktion nach innen ohnehin notwendig sind. Lediglich die unter der Entwicklungsstufe „ETR-Controlling“ zuletzt wiedergegebenen drei Komponenten (Aktionsliste zu ETR-Optimierung, steuerliches Risikomodell, Messung und Kontrolle des tatschlichen bzw. geplanten Verbrauchs von Steuerkapazitt) sind zustzliche Komponenten des Steuermanagements, deren Einrichtung aber meines Erachtens ebenfalls zu den Kernkompetenzen und Aufgaben einer Steuerabteilung gehren. Auf Einzelheiten dieser Bausteine kann im Rahmen dieses Beitrags leider nicht vertieft eingegangen werden.
IV. Zusammenfassung Durch die breite Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards sind Steuern zum wesentlichen Bestandteil einer kapitalmarktorientierten finanziellen Berichterstattung geworden. Die Erfassung und Gestaltung des Steueraufwands stellt damit fr externe und interne Zwecke eine neue Herausforderung fr die Steuerabteilung dar. Dieser Perspektivenwechsel nimmt den traditionellen Ttigkeiten einer Steuerabteilung keineswegs ihre Bedeutung, er zwingt aber zur Ergnzung und zu einer bislang nicht gekannten Prozessorientierung und Integration der Steuerfunktion, insbesondere in die Unternehmensplanung und die Unternehmenskommunikation. Auslser sind u. a. die umfassende Abbildung latenter Steuern, Bewertungsfragen in diesem Zusammenhang und die Notwendigkeit einer Plansteuerquote in Zwischenberichten. Der Kontext der Konzernsteuerquote gibt den Aktionsfeldern der Steuerabteilung einen neuen Rahmen und Bedeutungszusammenhang.
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Ausgewhlte Probleme zum Bilanzsteuerrecht Dipl.-Kfm. Manfred Gnkel Wirtschaftsprfer und Steuerberater, Dsseldorf Inhaltsbersicht I. Ansatz- und Bewertungsfragen bei Sozialplanrckstellungen 1. Sachverhalt 2. Lsungshinweise 2.1 Grundlagen des Sozialplans 2.2 Ansatz einer Sozialplanrckstellung 2.3 Bewertung der Sozialplanrckstellung 2.3.1 Pensionszusage als Ausgleich fr gesetzliche Rentenminderungen 2.3.2 Kostenerstattungen an weiterhin beschftigte Mitarbeiter 2.3.3 Erstattungsrisiko fr Arbeitslosengeld gem. § 147a SGB III 2.3.4 Abzinsung der Sozialplanrckstellung II. Reichweite des sog. Nachholverbotes fr Pensionsrckstellungen 1. Sachverhalt 2. Lsungshinweise 2.1 Berichtigung gem. § 6a Abs. 4 EStG 2.2 Handelsrechtliche nderung von Jahresabschlssen 2.3 Steuerrechtliche nderung von Jahresabschlssen 2.4 Durchfhrung der Bilanzberichtigung III. Rckstellung fr ffentlich-rechtliche Verpflichtung bei Entsorgungsverpflichtungen (Umweltschutz) 1. Sachverhalt 2. Lsungshinweise
IV. Aktivierung von Beratungskosten/ innerbetrieblichen Leistungen bei Einfhrung neuer Software 1. Sachverhalt 2. Lsungshinweise 2.1 Klassifizierung von Software 2.2 Software als immaterielles oder materielles Wirtschaftsgut 2.3 Aktivierung von Software dem Grunde und der Hhe nach 2.3.1 Bei der Konzernmuttergesellschaft (M) 2.3.2 Bei der Tochtergesellschaft (T) V. Rckstellungen fr aufschiebend bedingte sog. „Retention-BonusRegelungen“ 1. Sachverhalt 2. Lsungshinweise 2.1 Abbildung einer Rckstellung der Art nach 2.2 Abbildung der Rckstellung der Hhe nach 2.3 Aktivierungspflicht? VI. Rckstellung fr Mietgarantien 1. Sachverhalt 2. Lsungshinweise 2.1 Charakterisierung der Drohverlustrckstellung 2.2 Abbildung der Drohverlustrckstellung 2.3 Erstreckung des Passivierungsverbots fr Verlustrckstellungen auf Mietgarantieverpflichtungen?
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Gnkel, Ausgewhlte Probleme zum Bilanzsteuerrecht
I. Ansatz- und Bewertungsfragen bei Sozialplanrckstellungen 1. Sachverhalt Fall: Im Zuge einer aus Kostengrnden vorgenommenen Produktionsverlagerung ins Ausland, beschließt der Vorstand der X-AG im Dezember 01 die schrittweise Stilllegung der inlndischen Produktionssttten innerhalb der nchsten drei Jahre. Fr die Belegschaften der betroffenen Standorte plant der Vorstand eine „sozialvertrgliche Lsung“: lteren Mitarbeitern wird eine Vorruhestandsregelung angeboten; im brigen sollen die Mitarbeiter in anderen Unternehmensbereichen weiter beschftigt werden. Im Januar 02 informiert der Vorstand erstmals Betriebsrat und Mitarbeiter ber die geplante Betriebsnderung. Im Juli 02 schließlich einigen sich Vorstand und Betriebsrat auf einen Sozialplan nach den ursprnglichen Vorstellungen des Vorstands. Soweit ltere Mitarbeiter das Vorruhestandsangebot annehmen, sollen im Folgenden entsprechende Aufhebungsvertrge nach den Festlegungen im Sozialplan geschlossen werden. Nach der Vorruhestandsregelung erhalten Mitarbeiter ab vollendetem 55. Lebensjahr bei einvernehmlicher Auflsung des Arbeitsverhltnisses eine monatliche Abfindungszahlung bis zum Eintritt in die gesetzliche Altersrente; die Abfindung wird jhrlich an die Inflationsentwicklung angepasst. Nach dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhltnis empfangenes Arbeitslosengeld wird auf die Abfindungszahlung angerechnet. Einbußen bei der gesetzlichen Altersrente infolge geringerer Einzahlungen whrend der Arbeitslosigkeit und infolge von Abschlgen wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente werden durch eine wertmßig entsprechende Pensionszusage auf den Zeitpunkt des Eintritts in die gesetzliche Altersrente ausgeglichen; die Pensionszahlungen unterliegen ebenfalls einer jhrlichen inflationsabhngigen Anpassung. Weiterhin beschftigte Mitarbeiter haben nach dem Sozialplan Anspruch auf Kostenerstattungen, soweit die neue Ttigkeit in einem anderen Unternehmensbereich mit zustzlichen Wegstrecken verbunden oder ein Umzug notwendig ist. In der anschließenden Betriebsprfung ist die bilanzielle Bercksichtigung der voraussichtlichen Kosten fr Pensionszusagen als Ausgleich fr gesetzliche Rentenminderungen sowie der Kostenerstattungen an weiterbeschftigte Mitarbeiter jeweils zum 31. 12. 01 streitig. Außerdem steht die bilanzielle Bercksichtigung von Arbeitslosengelderstattungen an die Bundesagentur fr Arbeit in Streit, welche der X-AG wegen der geplanten Freisetzung lterer Mitarbeiter nach § 147a SGB III (frher § 128 AFG) drohen.
2. Lsungshinweise 2.1 Grundlagen des Sozialplans Betriebliche Umstrukturierungen sind hufig mit teils erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen fr die betroffenen Mitarbeiter verbunden. Hierzu zhlen bspw. Entlassungen aus dem Arbeitsverhltnis ebenso wie Versetzungen an einen anderen Unternehmensstandort. Das Betriebsverfassungsrecht sieht unter bestimmten Voraussetzungen vor, 296
Gnkel, Ausgewhlte Probleme zum Bilanzsteuerrecht
dass solche umstrukturierungsbedingten Nachteile auszugleichen oder zu mildern sind (§§ 111, 112 BetrVG). Unternehmen und Betriebsrat haben sich hierfr auf einen sog. Sozialplan zu einigen, der die Wirkung einer Betriebsvereinbarung hat und den Arbeitnehmern grundstzlich unmittelbare Rechtsansprche einrumt (§ 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG). Soweit eine gesetzliche Verpflichtung zur Sozialplanaufstellung nicht besteht, werden zwischen Unternehmen und Betriebsrat vielfach freiwillig entsprechende Ausgleichsregelungen getroffen (sog. sozialplanhnliche Vereinbarungen). 2.2 Ansatz einer Sozialplanrckstellung Fr die Leistungsverpflichtungen auf Grund des Sozialplans hat die XAG sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz eine Verbindlichkeitsrckstellung zu bilden (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). R 31c Abs. 6 EStR konkretisiert die Pflicht zur Rckstellungsbildung bei sozialplanpflichtigen Maßnahmen in zeitlicher Hinsicht. Danach besteht die Verpflichtung zum Ausweis einer Sozialplanrckstellung im vorliegenden Fall bereits zum 31. 12. 01, denn die Sozialplanverpflichtung ist im Zeitpunkt der betrieblichen Notwendigkeit der Produktionsverlagerung ins Ausland, d. h. sptestens mit Beschlussfassung des Vorstands im Dezember 01, wirtschaftlich verursacht (die Information des Betriebsrats erfolgte offenkundig vor Bilanzerstellung). Auf die nachlaufende faktische bzw. rechtliche Verpflichtungsentstehung, d. h. die Vereinbarung des Sozialplans in allen Einzelheiten mit dem Betriebsrat, kommt es fr den Ansatz der Sozialplanrckstellung nicht an. Die infolge des Sozialplans vereinbarten Aufhebungsvertrge berhren die Bilanzierung der Sozialplanrckstellung zum 31. 12. 01 nicht. Die Aufhebungsvereinbarungen konkretisieren die „Kollektivverpflichtung“ des Sozialplans fr den Einzelfall und haben eigenstndigen zivilrechtlichen Verpflichtungscharakter. Soweit in 02 Aufhebungsvertrge abgeschlossen wurden, sind die sich daraus ergebenden konkretisierten und individualisierten Leistungsverpflichtungen zum 31. 12. 2002 bilanzrechtlich gesondert zu wrdigen und zu den folgenden Bilanzstichtagen je nach dem Grad der Gewissheit ber die Schuldhhe entweder als Rckstellungen oder (gewisse) Verbindlichkeiten auszuweisen.1 Die formal-bilanzrechtliche Trennung zwischen den Sozialplan- und den Fol1 Gail, StbJb. 1984/1985, S. 227 zur Gewhrung von Vorruhestandsleistungen.
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Gnkel, Ausgewhlte Probleme zum Bilanzsteuerrecht
geverpflichtungen hat insbesondere Bedeutung fr die Anwendung des steuerlichen Abzinsungsgebots (vgl. dazu 3.4.). 2.3 Bewertung der Sozialplanrckstellung Rckstellungen sind in Hhe des Betrags anzusetzen, der nach vernnftiger kaufmnnischer Beurteilung notwendig ist (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB); maßgeblich ist der voraussichtliche Erfllungsbetrag. Weil R 31c Abs. 6 EStR grundstzlich keine Konkretisierungen zur Anwendung der handelsrechtlichen Bewertungsregel bei Restrukturierungsrckstellungen enthlt, kann insoweit auf den „Ursprungserlass“ zu Rckstellungen fr Sozialplne von 1977 zurckgegriffen werden.2 Danach sind „bei der Bemessung der Rckstellung ... grundstzlich alle Leistungen zu bercksichtigen, die aufgrund des Sozialplans zustzlich oder vorzeitig zu erbringen sind“. 2.3.1 Pensionszusage als Ausgleich fr gesetzliche Rentenminderungen Die Betriebsprfung qualifiziert den Rentenausgleich als Pensionsverpflichtung i. S. von § 6a EStG und lehnt die Einbeziehung der voraussichtlichen Kosten fr die Pensionszusagen in die Sozialplanrckstellung zum 31. 12. 2001 ab, weil zu diesem Zeitpunkt mangels Aufhebungsvereinbarungen noch keine Rechtsansprche gem. § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG begrndet sind. Bei isolierter Betrachtung erfllt der Rentenausgleich zwar die Voraussetzungen einer unmittelbaren Versorgungszusage (Direktzusage) i. S. von § 1 BetrAVG. Der Rentenausgleich stellt jedoch weder rechtlich noch wirtschaftlich eine eigenstndige Verpflichtung dar, sondern ist untrennbarer Leistungsbestandteil der Sozialplanverpflichtung als Rckstellungsgegenstand. Eine „Atomisierung“ der einheitlichen Gesamtverpflichtung aufgrund des Sozialplans in einzelne Leistungs- und Kostenelemente entspricht nicht der tatschlichen Verpflichtungslage und ist daher nicht zulssig. Liegen die Voraussetzungen fr eine Rckstellungsansatz nach R 31c Abs. 6 EStR vor und ist damit der Ansatz einer Restrukturierungsrckstellung zu bejahen, ist eine gesonderte oder zustzliche Ansatzprfung bezglich des unselbstndigen Leistungsbestandteils Rentenausgleich nach Maßgabe des § 6a Abs. 1 und 2 EStG ausgeschlossen. 2 BMF v. 2. 5. 1977 – IV B 2 – S 2137 – 13/77, BStBl. I 1977, 280 = DB 1977, 889.
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Gnkel, Ausgewhlte Probleme zum Bilanzsteuerrecht
Die Bewertungsrestriktion des R 31c Abs. 6 Satz 3 EStR trifft fr den Rentenausgleich schon begrifflich nicht zu, weil danach die Anwendung von § 6a EStG im Zusammenhang mit Sozialplanverpflichtungen lediglich insoweit vorgeschrieben ist, als „vorzeitig betriebliche Pensionsleistungen ... erbracht werden“. Bei dem Rentenausgleich fehlt es an einer „Vorzeitigkeit“, die begrifflich die nderung einer ursprnglichen Festlegung zum Betriebsrentenbeginn erfordert. Bei Inanspruchnahme der Vorruhestandsregelung erfolgt dagegen eine erstmalige und endgltige Festlegung zum Beginn der Pensionszahlungen. 2.3.2 Kostenerstattungen an weiterhin beschftigte Mitarbeiter Die Finanzverwaltung lehnt die Einbeziehung der voraussichtlichen Kosten fr die Erstattung von Fahrt- und Umzugskosten an weiterhin beschftigte Mitarbeiter in die Sozialplanrckstellung zum 31. 12. 2001 ab. Unter Bezugnahme auf einen verwaltungsinternen Schriftwechsel aus dem Jahr 19903 wird argumentiert, dass es sich hierbei um Zahlungen im Rahmen fortbestehender Arbeitsverhltnisse handele, die als Dauerschuldverhltnisse den Regeln ber die Bilanzierung schwebender Geschfte unterliegen. Damit sei lediglich ein bilanzieller Ausweis von drohenden Verlusten (vor 1997) und Verbindlichkeiten aus Erfllungsrckstnden mglich. Nach Verwaltungsauffassung sollen diese Grundstze auch dann gelten, wenn Arbeitsverhltnisse von Verpflichtungen aus einem Sozialplan berlagert werden. Dass es sich bei Arbeitsverhltnissen um Dauerschuldverhltnisse handelt, die als solche den Bilanzierungsregeln fr schwebende Geschfte unterliegen, ist unstreitig. Die Erstattungen fr umstrukturierungsbedingte Mehraufwendungen des Mitarbeiters sind jedoch nicht in dem individuellen (schwebenden) Arbeitsverhltnis begrndet; die Erstattungspflicht steht vielmehr außerhalb der synallagmatischen Verknpfung der arbeitsvertraglichen Leistungsverpflichtungen.4 Denn Verpflichtungsgrundlage fr die X-AG wie auch Anspruchsgrundlage der Mitarbeiter auf Zahlung der Kostenerstattungen ist nicht der jeweilige Arbeitsvertrag, sondern unmittelbar die Sozialplanvereinbarung. Auch wirtschaftlich verursacht sind die Kostenerstattungen aus Sicht der X3 Schr. des BfF an das BMF v. 18. 6. 1990 – Bp II 1 – S 2137 – 6/90 unter Bezugnahme auf BMF v. 3. 5. 1990 – IV B 2 – S 2137 – 26/90 (beide nicht verffentlicht). 4 Im Sinne eines bilanzrechtlichen Synallagmas vgl. Herzig, StbJb. 1985/1986, S. 70 ff.
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AG durch die erforderliche Umstrukturierung. Die Kostenerstattungen der X-AG sollen nicht Arbeitsleistungen ausgleichen, sondern umstrukturierungsbedingte wirtschaftliche Nachteile der Mitarbeiter entschdigen. Weil Verbindlichkeitsrckstellungen das bilanzielle Abbild von (ungewissen) Verpflichtungen sind und die X-AG nach dem Sozialplan zur Erstattung von Fahrt- und Umzugskosten verpflichtet ist, mssen die voraussichtlichen Kosten fr die Erfllung der Erstattungspflichten im Rahmen der Sozialplanrckstellung zum 31. 12. 2001 Bercksichtigung finden. Dass mit den betreffenden Mitarbeitern weiterhin ein Arbeitsverhltnis besteht, ist insofern ohne Bedeutung.5 2.3.3 Erstattungsrisiko fr Arbeitslosengeld gem. § 147a SGB III Nach einer bundeseinheitlichen Festlegung der Finanzverwaltung ist fr eine Rckstellung wegen Erstattungspflichten nach § 128 AFG (Vorgngerregelung des § 147a SGB III) im Zusammenhang mit einer Sozialplanverpflichtung kein Raum, wenn der Arbeitgeber dem Begnstigten bis zum Bilanzstichtag keine Vorruhestandszusage mit Rechtsanspruch schriftlich erteilt hat.6 Auf dieser Grundlage wird in Betriebsprfungen seitens der Finanzverwaltung die Auffassung vertreten, dass eine rckstellungsmßige Bercksichtigung des Erstattungsrisikos gem. § 147a SGB III erst dann zulssig sei, wenn die besonderen Konkretisierungserfordernisse fr ffentlich-rechtliche Verpflichtungen erfllt sind. Die steuerbilanzielle Erfassung des Erstattungsrisikos der X-AG zum 31. 12. 2001 wird versagt, weil zu diesem Zeitpunkt noch kein Aufhebungsvertrag vereinbart worden ist. Dass die X-AG eine (eigenstndige) Rckstellung fr die ffentlichrechtliche Verpflichtung zur Erstattung von Arbeitslosengeld gem. § 147a SGB III im Vorgriff auf eine vorzeitige Vertragsauflsung mangels hinreichender Konkretisierung nicht bilden darf, ist unstreitig. Allerdings ist die Erstattungspflicht der X-AG bis zur individualrechtlichen Beendigung des Arbeitsverhltnisses unmittelbar bei der Bewer-
5 Herzig, StbJb. 1985/1986, S. 73, 105. Vgl. auch BFH, Urt. v. 19. 8. 2002 – VIII R 30/01, BStBl. II 2003, 131 = DB 2002, 2463 mit Hinweis auf BFH Urt. v. 28. 5. 1997 – VIII R 59/95, BFH/NV 1998, 22 zur Maßgeblichkeit der Originrverpflichtung fr die Rckstellungsbildung bei daneben bestehenden (schwebenden) Vertragsverhltnissen. 6 BMF v. 8. 11. 1996 – IV B 2 – S 2137 – 95/96 unter Bezugnahme auf BMF v. 11. 10. 1991 – IV B 2 – S 2137 – 48/91 (beide nicht verffentlicht) und v. 16. 10. 1984 – IV B 1 – S 2176 – 104/84, BStBl. I 1984, 512 = DB 1984, 2382.
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tung der (gem. R 31c Abs. 6 EStR anzusetzenden) Sozialplanrckstellung zu bercksichtigen. Nach dem Sozialplan hat ein vorzeitig ausscheidender Mitarbeiter Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Abfindung in garantierter Hhe. Im Regelfall reduziert sich die Zahlungsverpflichtung der X-AG jedoch um das anrechnungspflichtige Arbeitslosengeld, das der ehemalige Mitarbeiter bis zum Eintritt in die gesetzliche Altersrente bezieht. Dagegen bleibt die (rckstellungsrelevante) wirtschaftliche Belastung der X-AG im Ergebnis unverndert, wenn das Unternehmen nach § 147a SGB III zur Erstattung des Arbeitslosengelds verpflichtet ist. Mit anderen Worten: an die Stelle der Verpflichtung zur Zahlung der Abfindung an den Mitarbeiter tritt die Verpflichtung auf Erstattung des an ihn gezahlten Arbeitslosengeldes. Beide Verpflichtungen haben ihre Ursache im Sozialplan bzw. der Restrukturierung. Anrechnungsbetrge sind bei der Rckstellungsbewertung grundstzlich wertmindernd zu bercksichtigen; Voraussetzung ist eine ausreichende und quantifizierbare Wahrscheinlichkeit fr die Gewhrung der anzurechnenden Betrge.7 Die Gewhrung von Arbeitslosengeld bedarf zwar der behrdlichen Bewilligung im Einzelfall, bei Vorliegen der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen ist die Zahlung von Arbeitslosengeld jedoch ausreichend wahrscheinlich. Nichts anderes gilt fr die Verpflichtung zur Erstattung von Arbeitslosengeld; bei Erfllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen ist auch insoweit eine ausreichende Eintrittswahrscheinlichkeit gegeben.8 Weil die Bewilligung und Zahlung von Arbeitslosengeld einerseits und die Erstattungsverpflichtung fr ausgezahltes Arbeitslosengeld andererseits von vergleichbaren rechtlichen Voraussetzungen und behrdlichen Entscheidungen abhngen, sind keine Grnde ersichtlich, an die Bercksichtigung der Erstattungspflicht nach § 147a SGB III bei der Bewertung der Restrukturierungsrckstellung (im zweiten Schritt) qualitativ hhere Anforderungen zu stellen, als sie fr die Anrechung von Arbeitslosengeld (im ersten Schritt) gelten. Ohne Bedeutung ist insofern, dass Schuldner und Glubiger bei der Arbeitslosengeldzahlung 7 Vgl. Seeger in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 6a EStG Rz. 56 und Hfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Band II: Steuerrecht, Rz. 429 ff. zur (vergleichbaren) Anrechnung anderweitiger Leistungen auf Pensionsleistungen; so auch R 41 Abs. 14 EStR. 8 Die Anwendung der Ausnahmetatbestnde zur Erstattungspflicht gem. § 147a SGB III liegt nicht im Ermessen der Bundesagentur fr Arbeit, sondern bestimmt sich nach den gesetzlichen Vorgaben.
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(Arbeitsamt/ehemalige Mitarbeiter) und der Arbeitslosengelderstattung (X-AG/Bundesagentur fr Arbeit) formalrechtlich nicht identisch sind. Nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt ist die gesetzlich bestimmte Erstattung des Arbeitslosengelds durch den ehemaligen Arbeitgeber an die Bundesagentur fr Arbeit lediglich ein (sozialrechtlich begrndeter) abweichender Zahlungsweg.9 Die (unzutreffende) Verwaltungsauffassung, dass eine Bercksichtigung der Erstattungspflicht erst mit Begrndung eines individuellen Rechtsanspruchs auf die Vorruhestandsregelung zulssig sei, htte andernfalls zur Konsequenz, dass auch die rckstellungsmindernde Anrechnung von Arbeitslosengeld mangels konkretisierter Auszahlungsansprche solange unterbleiben msste, als eine vorzeitige Auflsung von Arbeitsverhltnissen noch nicht vereinbart ist. Dann msste aber die Verpflichtung zur Leistung einer monatlichen Abfindungszahlung auf den Arbeitnehmer „brutto“ zurckgestellt werden. 2.3.4 Abzinsung der Sozialplanrckstellung Rckstellungen fr Verpflichtungen sind mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e EStG). In entsprechender Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG gilt dies u. a. dann nicht, wenn die Verbindlichkeit verzinslich ist oder die Laufzeit weniger als zwlf Monate betrgt. Die vereinbarte jhrliche Anpassung der monatlichen Abfindungszahlungen und der spteren Rentenausgleichszahlungen an die Inflationsentwicklung begrndet keine Verzinslichkeit der Sozialplanverbindlichkeit i. S. von § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG. Diese Anpassungsgarantie betrifft vielmehr die Nachfolgeverbindlichkeiten aufgrund der Individualvereinbarungen zur Auflsung von Arbeitsverhltnissen. Bis zum Abschluss individueller Aufhebungsvereinbarungen knnen sich Vernderungen des voraussichtlichen Erfllungsbetrags der Sozialplanverpflichtung allenfalls aufgrund von Lohn- und Gehaltssteigerungen ergeben, die jedoch keine Verzinslichkeit i. S. von § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG darstellen. Weil voraussichtlich nicht smtliche individuellen Aufhebungsvereinbarungen innerhalb von zwlf Monaten abgeschlos-
9 Mit wirtschaftlich demselben Ergebnis wre bspw. auch vorstellbar, dass eine Arbeitslosengeldzahlung an den ehemaligen Mitarbeiter unter den Voraussetzungen des § 147a SGB III erst gar nicht erfolgt und das Unternehmen so die garantierte Abfindung unmittelbar in vollem Umfang zahlen msste.
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sen werden, muss die X-AG die Sozialplanrckstellung zum 31. 12. 2001 mit einem Zinssatz von 5,5% auf eine mittlere voraussichtliche (Inanspruchnahme-)Flligkeit abzinsen.
II. Reichweite des sog. Nachholverbotes fr Pensionsrckstellungen 1. Sachverhalt Fall: Bei einer inlndischen Betriebssttte, die eine eingetragene Zweigniederlassung einer US-amerikanischen Gesellschaft ist, wurde im Jahr 2003 bei der Berechnung von Pensionsrckstellungen durch einen neuen Versicherungsmathematiker festgestellt, dass aufgrund der Verwendung fehlerhafter Formeln die Pensionsrckstellungen fr einen „defined contribution plan“ und folglich auch die Zufhrungen zu den Pensionsrckstellungen ber Jahre hinweg zu niedrig ausgewiesen wurden und folglich unter dem steuerlichen Teilwert gem. § 6a EStG lagen. Die neu ermittelten Teilwerte und Zufhrungen lagen damit durchgehend ber den ursprnglich ermittelten Werten. Bei den Rckstellungen fr Pensionen handelt es sich um unmittelbare Pensionsverpflichtungen, die nach dem 31. 12. 1986 gebildet wurden (Neuzusagen). Seit 1999 sind alle Bescheide unter Vorbehalt der Nachprfung ergangen (§ 164 AO). Die Bescheide fr die Jahre 1998 und frher sind bestandskrftig und knnen nach den Vorschriften der Abgabenordnung nicht mehr gendert werden. Im Rahmen der steuerlichen Betriebsprfung lehnt die Finanzverwaltung eine Bercksichtigung der hheren Pensionsrckstellungen unter Hinweis auf das sog. Nachholverbot pauschal in voller Hhe ab.
2. Lsungshinweise 2.1 Berichtigung gem. § 6a Abs. 4 EStG Nach § 6a Abs. 4 Satz 1 EStG darf eine Pensionsrckstellung in einem Wirtschaftsjahr hchstens um den Unterschied zwischen dem Teilwert der Pensionsverpflichtung am Schluss des Wirtschaftsjahres und am Schluss des vorausgegangenen Wirtschaftsjahres erhht werden (Zufhrungssoll). Aus diesem Wortlaut des Gesetzes wird das Nachholverbot fr in den Vorjahren unterlassene Rckstellungen bzw. Rckstellungszufhrungen abgeleitet. Ist einer Rckstellung in einem Wirtschaftsjahr weniger zugefhrt worden als das Zufhrungssoll, so kann der nicht ausgenutzte Zufhrungsbetrag in einem spteren Wirtschaftsjahr grundstzlich nicht mehr nachgeholt werden.10
10 Vgl. Frster in Blmich, EStG/KStG/GewStG, § 6a EStG Rz. 443.
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Aus den Gesetzesbegrndungen11 ergibt sich, dass das Nachholverbot dem Zweck dienen soll, willkrliche Gewinnverschiebungen zu verhindern. Dies hat allerdings in dem Wortlaut der Vorschrift keinen Niederschlag gefunden. Diese Vorschrift geht zurck auf eine Zeit, als handelsrechtlich noch ein Wahlrecht fr die Bildung von Pensionsrckstellungen angenommen wurde und man glaubte, willkrliche Anstze der Pensionsrckstellung steuerlich verhindern zu mssen. Eine Ausnahme von dem Nachholverbot hat die hchstrichterliche Rechtsprechung trotzdem nur in einzelnen Fllen nicht willkrlicher Nachholung, nmlich bei vorheriger Verhinderung zutreffender Rckstellungsbildung durch die Finanzverwaltung zugelassen, d. h. falls die unzutreffende Berechnung aufgrund einer fehlerhaften Formel auf eine Auffassung der Finanzverwaltung/Betriebsprfung zurckgeht.12 Das Nachholverbot fr Zufhrungen zu Pensionsrckstellungen, die in einem vorherigen Jahr unterblieben sind, gilt ansonsten nach stndiger Rechtsprechung auch bei Rckstellungen, die in einem vorangegangenen Wirtschaftsjahr aufgrund einer zulssigen Berechnungsmethode niedriger als mglich berechnet worden sind.13 Beruht der fehlende oder fehlerhafte Ansatz der Pensionsrckstellung auf einem Rechtsirrtum, ist das Nachholverbot auch anzuwenden. Das gilt unabhngig davon, ob nach den Umstnden des jeweiligen Einzelfalls eine willkrliche Gewinnverschiebung anzunehmen ist.14 Ein Fall des Nachholverbots liegt auch vor, wenn die Rckstellung aufgrund eines Berechnungsfehlers unrichtig zu niedrig gebildet worden ist. Kann der Fehler im Jahr der Rckstellungsbildung bzw. Zufhrung korrigiert werden, gelten allerdings die allgemeinen bilanzrechtlichen Grundstze der Bilanznderung und der Bilanzberichtigung.15 2.2 Handelsrechtliche nderung von Jahresabschlssen Im handelsrechtlichen Sinne versteht man unter der nderung eines Jahresabschlusses jegliche nderung von Form und Inhalt eines bereits festgestellten Jahresabschlusses, wobei sich dies auf einzelne Bilanz- und GuV-Positionen sowie auf die Anhangsangaben erstrecken kann (§ 264 Abs. 1 HGB). Die steuerrechtliche Unterscheidung zwischen Bilanzbe11 12 13 14 15
Vgl. BT-Drucks. 7/1281, S. 40. BFH, Urt. v. 7. 4. 1994 – IV R 56/92, BStBl. II 1994, 740. BFH, Urt. v. 10. 7. 2002 – I R 88/01, BStBl. II 2003, 936. BMF v. 11. 12. 2003 – IV A 6 – S-2176 – 70/03, BStBl. I 2003, 746. Vgl. Seeger in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 6a EStG Rz. 61.
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richtigung und Bilanznderung (siehe Gliederungspunkt 2.3) kennt das Handelsrecht nicht. Eine nderung eines fehlerhaften Jahresabschlusses ist geboten, wenn der Verstoß gegen gesetzliche Bilanzierungsvorschriften oder Grundstze ordnungsmßiger Buchfhrung betrags- bzw. ausweismßig von einigem Gewicht ist und der Jahresabschluss dadurch nicht ein den tatschlichen Verhltnissen entsprechendes Bild der Vermgens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermittelt. Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB sind Rentenverpflichtungen, fr die keine Gegenleistung mehr zu erwarten ist, mit ihrem Barwert anzusetzen. Rckstellungen drfen nur in Hhe des Betrags angesetzt werden, der nach vernnftiger kaufmnnischer Beurteilung notwendig ist. Die Pensionsverpflichtung ist whrend der Anwartschaft so anzusammeln, dass sie bei planmßigem Rentenbeginn den Barwert der Rentenzahlung erreicht.16 Konkretisiert wird die allgemein gehaltene Bewertungsvorschrift fr Pensionsrckstellungen durch die Bindung an die Grundstze ordnungsmßiger Buchfhrung. Bei der Bewertung von Pensionsrckstellungen sind fr ungewisse Verbindlichkeiten die maßgebenden allgemeinen Grundstze ordnungsmßiger Buchfhrung zu beachten. Von besonderer Bedeutung ist u. a. dabei das in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB kodifizierte Vorsichts- und Imparittsprinzip. Dieses Prinzip dient der Kapitalerhaltung, d. h. es soll die Glubiger und andere Adressaten vor einem ungerechtfertigten Kapitalentzug schtzen.17 Durch einen Rechenfehler und der dadurch in erheblichen Umfang zu niedrig ausgewiesenen Pensionsrckstellung wird dem Vorsichts- und Imparittsprinip nicht im vollen Umfang entsprochen. Diese Tatsache fhrt dazu, dass bei Beibehaltung der zu niedrig ausgewiesenen Pensionsrckstellung ein Verstoß gegen die Grundstze ordnungsmßiger Buchfhrung vorliegen wrde. Nach h. M. ist die Durchfhrung der Berichtigung von fehlerhaften Bilanzanstzen in der Handelsbilanz nach Bilanzfeststellung nur fr den Fall zwingend, dass ohne die Berichtigung ein den tatschlichen Verhltnissen nicht entsprechendes Bild der Vermgens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt werden wrde. In der Literatur wird eine „Rckwrtsnderung“ des fehlerhaften Bilanzansatzes nur bei schwerwiegenden Verstßen gefordert. Eine Korrektur in der laufenden Rechnung mit Angabe des Aufwandsbetrages, der auf eine Berichtigung von Vorjahren entfllt, wird in der Regel fr ausreichend angesehen.18 16 Vgl. Schlen, Pensionsrckstellung, S. 29–34 Rz. 53.61; Coenenberg, Jahresabschluss, S. 210. 17 Vgl. Moxter, Bilanzierung, S. 631. 18 Vgl. u. a. Prinz in Festschrift fr Welf Mller, S. 703.
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2.3 Steuerrechtliche nderung von Jahresabschlssen Nach § 6a EStG darf fr eine Pensionsverpflichtung eine Rckstellung gebildet werden. Aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG) und der Passivierungspflicht fr Neuzusagen in der Handelsbilanz wird das steuerrechtliche Passivierungswahlrecht fr die Bildung einer Pensionsrckstellung zu einer Passivierungspflicht dem Grunde nach. Der Steuerpflichtige darf die Bilanz auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ndern, soweit sie den Grundstzen ordnungsmßiger Buchfhrung unter Befolgung der Vorschriften des Einkommensteuergesetzes nicht entspricht (Bilanzberichtigung, § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG). Eine Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG setzt eine fehlerhafte Bilanz voraus.19 Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Richtigkeit“, wobei unter Wertaufhellungsgesichtspunkten auf den Bilanzstichtag abzustellen ist. Eine Bilanzberichtigung liegt vor, wenn eine zivilrechtlich existente, d. h. eine ordnungsgemß festgestellte und unterschriebene Bilanz nachtrglich korrigiert wird, weil sie unrichtig, d. h. falsch war. Der fehlerhafte Ansatz muss durch einen richtigen Ansatz ersetzt werden. Dies ist der Fall, wenn der Bilanzansatz objektiv gegen ein handelsrechtliches und steuerrechtliches Bilanzierungsgebot oder -verbot verstßt – also kein Wahlrecht besteht – und der Steuerpflichtige diesen Verstoß nach den im Zeitpunkt der Bilanzerstellung bestehenden Erkenntnismglichkeiten ber die zum Bilanzstichtag gegebenen objektiven Verhltnisse bei pflichtgemßer und gewissenhafter Prfung erkennen konnte (subjektive Erkennungsmglichkeit).20 Nur wenn der ordentliche Kaufmann unter Einsatz der von ihm zu verlangenden Sorgfalt den Fehler der Bilanz unter Bercksichtigung der Kenntnisse zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung htte erkennen knnen, soll eine Bilanzberichtigung in Betracht kommen. Das gilt auch, wenn der Steuerpflichtige selbst den Fehler nicht erkannt hat – oder aufgrund mangelnder Fhigkeiten – nicht htte erkennen knnen.21 Da die Rckstellungen fr Pensionsverpflichtungen und auch die Zufhrungen zu den Rckstellungen ber Jahre hinweg aufgrund eines Rechenfehlers zu niedrig ausgewiesenen worden sind, liegt ein Verstoß gegen ein handelsund steuerrechtliches Bilanzierungsgebot vor.
19 Vgl. Heinicke in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 4 EStG Rz. 680 f. 20 BFH, Urt. v. 12. 11. 1992 – IV R 59/91, BStBl. II 1993, 392; FG Baden-Wrttemberg v. 28. 3. 1996 – 3 K 194/90, EFG 1998, 268. 21 Vgl. Stapperfend in Herrman/Heuer/Raupach, EStG, § 4 EStG Anm. 409.
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Fr die Beurteilung des zugrunde liegenden Sachverhalts kann davon ausgegangen werden, dass ein ordentlicher Kaufmann, sofern er den Berechnungsfehler erkannt htte, die Pensionsverpflichtung in entsprechender Hhe zurckgestellt htte. Soweit die Pensionsrckstellung und folglich auch die Zufhrungen zu den Pensionsrckstellungen aufgrund eines Rechenfehlers unrichtig gebildet worden sind, htte der Steuerpflichtige den Fehler erkennen knnen. Folglich ist die subjektive Erkennungsmglichkeit gegeben und eine Bilanzberichtigung fr zu niedrig gettigte Zufhrungen zu den Pensionsrckstellungen kommt in Betracht. 2.4 Durchfhrung der Bilanzberichtigung Liegt eine unrichtige Steuerbilanz vor, darf der Fehler durch den Steuerpflichtigen berichtigt werden. Grundstzlich besteht keine Verpflichtung zur Bilanzberichtigung. Sofern der Steuerpflichtige nicht mchte, dass die Vermgensbersicht berichtigt wird, bleibt die falsche Steuerbilanz unverndert bestehen. Zu beachten ist jedoch, dass eine handelsrechtlich ausgelste Korrektur eines fehlerhaften Jahresabschlusses nach Maßgeblichkeitsgrundstzen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG) zwingend auch eine steuerrechtliche Bilanzberichtigung gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG nach sich zieht. Werden Bilanzierungsfehler im Rahmen einer Außenprfung festgestellt, sind die Berichtigungen in all denen Fllen durchzufhren, in denen die Steuerfestsetzungen noch nicht durchgefhrt oder noch nicht bestandskrftig sind. Der fehlerhafte Bilanzansatz ist zu dem Stichtag zu bercksichtigen, in dem die Steuerfestsetzung noch nicht durchgefhrt oder noch nicht bestandskrftig ist.22 Wurde eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprfung festgesetzt, kann die Festsetzung und damit auch der fehlerhafte Bilanzansatz jederzeit berichtigt werden.23 Grundstzlich sind Bilanzierungsfehler mit Gewinnauswirkungen, wie im zugrunde liegenden Fall gegeben, in der Schlussbilanz des ersten Jahres, dessen Veranlagung noch gendert werden kann, mit Gewinnauswirkung richtig zu stellen.24 In Fllen der Fortfhrung eines Bilanzierungsfehlers ber mehrere Jahre kommt es auf die Mglichkei-
22 BFH, Urt. v. 8. 12. 1988 – IV R 33/87, BStBl. II 1989, 407. 23 Vgl. Crezelius in Kirchhof, EStG, § 4 EStG Rz. 237; Theisen, KFR, 1991, 7; BFH, Urt. v. 16. 5. 1990 – X R 72/87, BStBl. II 1990, 1044. 24 Vgl. Heinicke in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 4 EStG Rz. 715 f.
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ten der Rckwrtsberichtigung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ber die Rechtmßigkeit des nderungsbescheides an. In der Literatur findet man als beispielhafte Aufzhlungen typischer Flle fr Gewinnkorrekturen versehentlich nicht oder falsch in der Bilanz ausgewiesene Schulden.25 Der Begriff Schulden umfasst nach h. M. Verbindlichkeiten und Rckstellungen. Folglich sind hier die jhrlichen Zufhrungen zu den Rckstellungen fr Pensionsverpflichtungen zu subsumieren. Im zugrunde liegenden Fall liegen zu niedrig gebildete Rckstellungen vor, die den Gewinn geschmlert haben. In Fllen, in denen die Passivierung unterblieben ist, muss die Passivierung nach den Grundstzen der Bilanzberichtigung erfolgsmindernd in der Bilanz des ersten Jahres nachgeholt werden, in dem dies mit steuerlicher Wirkung mglich ist.26 Eine Verbindlichkeit, deren gewinnmindernde Passivierung nicht bewusst rechtswidrig oder willkrlich unterblieben ist, ist in der Bilanz, fr die eine Berichtigung noch mglich ist, gewinnmindernd einzustellen.27 Fr die steuerlichen Auswirkungen ist allerdings das Nachholverbot nach § 6a Abs. 4 EStG zu beachten. Im Ergebnis fhrt daher die Korrektur der Pensionsrckstellungen im vorliegenden Fall nur zu einer Korrektur der jeweiligen jhrlichen Zufhrungen ab dem ersten noch „offenen“ Veranlagungszeitraum 1999. Das Nachholverbot des § 6 Abs. 4 EStG steht dieser Auffassung nicht entgegen, da die Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG sich rckwirkend auf die Flle bezieht, in denen die Steuerfestsetzung noch nicht durchgefhrt oder noch nicht bestandskrftig ist. Außerdem erfolgt die Korrektur im Ergebnis nur hinsichtlich der jhrlichen Zufhrungsbetrge. Dies bedeutet, dass mit Beginn des ersten noch nicht bestandkrftigen Jahres, also zum 1. 1. 1999, die in der Vergangenheit fehlerhaft unterbliebene Pensionsrckstellung ergebnisneutral einzubuchen ist. Die steuerlich wirksamen Zufhrungsbetrge sind dann fr 1999 und die Folgejahre mit steuerlicher Wirkung in der zutreffenden Hhe zu bilden und unterliegen nicht dem Nachholverbot.
25 Vgl. Heinicke in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 4 EStG Rz. 716. 26 BFH, Urt. v. 8. 12. 1988 – IV R 33/87, BStBl. II 1989, 407. 27 BFH, Urt. v. 2. 5. 1984 – VIII R 239/82, BStBl. II 1984, 695.
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III. Rckstellung fr ffentlich-rechtliche Verpflichtung bei Entsorgungsverpflichtungen (Umweltschutz) 1. Sachverhalt Fall: Die X-GmbH & Co. KG stellt Industrielacke her. Bei der Produktion entstehen als Sondermll zu entsorgende Abfallstoffe, die zunchst auf dem Gelnde der KG in Spezialbehltern zwischengelagert werden. Die KG hat einen ber 4 Jahre laufenden Dauerleistungsvertrag mit dem Entsorgungsunternehmen EAG abgeschlossen, wonach die auf dem Gelnde der KG gelagerten Stoffe alle 6 Monate von der E-AG abgeholt, teilweise recycelt und ansonsten fachgerecht entsorgt werden. Fr die Entsorgung der am Bilanzstichtag noch auf dem Gelnde der KG lagernden Stoffe bildet die KG eine Rckstellung. Die E-AG hat die im ersten Halbjahr entgegengenommenen Stoffe zunchst auch auf ihrem Betriebsgelnde zwischengelagert. Die Entsorgungsgebhren von der KG hat sie erfolgswirksam vereinnahmt. Fr die noch vorzunehmende Bearbeitung hat sie eine Rckstellung gebildet. Fraglich ist, ob die KG und die E-AG mit steuerlicher Wirkung eine Rckstellung bilden knnen.
2. Lsungshinweise Der Fall ist in abgewandelter Form schon auf dem letztjhrigen Fachkongress errtert worden.28 Der I. Senat des BFH hatte mit Urteil vom 8. 11. 200029 eine Rckstellung in einem hnlichen Fall auf der Ebene der KG versagt, weil zum einen die notwendige Konkretisierung der ffentlich-rechtlichen Verpflichtung zum Umweltschutz (Entsorgungsverpflichtung) nicht gegeben und zum anderen die Entsorgungsverpflichtung zugleich im eigenbetrieblichen Interesse des Unternehmens sei und deshalb allenfalls eine steuerlich nicht abzugsfhige Aufwandsrckstellung gebildet werden knne. Insbesondere die letztgenannte Begrndung fr die Versagung der Rckstellung ist auf Kritik gestoßen.30 Das BFH-Urteil vom 25. 3. 200431 ist Anlass, sich erneut mit dem Fall zu beschftigen. Darin hat der IV. Senat des BFH fr ein Entsorgungsunternehmen (im vorliegenden Fall die E-AG) die Bildung einer Rckstellung fr die zwischengelagerten Stoffe, die noch recycelt und danach entsorgt werden mssen, bejaht. Er hat sich dabei auch mit der Ent28 Vgl. Gnkel, StbJb. 2003/2004, S. 294 ff. 29 BFH, Urt. v. 8. 11. 2000 – I R 6/96, BStBl. II 2001, 570. 30 Vgl. Mayr, DB 2003, 740; Weber/Grellet, DB 2002, 2180, 2183; Gnkel, StbJb. 2003/2004, S. 294, 295. 31 BFH, Urt. v. 25. 3. 2004 – IV R 35/02, FR 2004, 1013 mit Anm. Weber/Grellet und Anm. Fatouros.
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scheidung vom 8. 11. 2000 des I. Senats befasst und ist fr den von ihm zu entscheidenden Fall mit guten Grnden der These von der „Aufwandsrckstellung“ nicht gefolgt. Der IV. Senat legt dar, dass es ansonsten durch die Vereinnahmung des Entsorgungsentgeltes vom Kunden (der KG) bei dem Entsorgungsunternehmen zu einem berhhten Gewinnausweis kme. Es ist aber fraglich, ob die Rckstellungsbildung bei der KG und der E-AG tatschlich unterschiedlich gesehen werden kann. Auch die KG hat durch die produzierten und vor dem Bilanzstichtag verkauften Produkte einen Erls vereinnahmt, der durch die am Bilanzstichtag noch bestehende Entsorgungsverpflichtung der dabei entstandenen Abfallstoffe belastet ist. In Wahrheit handelt es sich m. E. bei der vom IV. Senat herangezogenen Begrndung um das Merkmal der wirtschaftlichen Verursachung vor dem Bilanzstichtag. Es bleibt abzuwarten, ob durch die Entscheidung des IV. Senats insoweit eine „Trendwende“ eingelutet wurde.32 Da sich der IV. Senat ausfhrlich mit dem Merkmal der wirtschaftlichen Verursachung befasst, wird die Frage gestellt, ob damit auch das BFH-Urteil vom 27. 6. 200133 berholt sei. In dieser Entscheidung hatte der BFH klargestellt, dass es bei rechtlicher Entstehung einer Verpflichtung vor dem Bilanzstichtag auf die wirtschaftliche Verursachung nicht mehr ankommt.34 Dies kann man aber der Entscheidung m. E. nicht entnehmen, da der IV. Senat gar keinen Anlass hatte, die Abgrenzung zwischen rechtlicher Entstehung und wirtschaftlicher Verursachung vorzunehmen.35 Des Weiteren ist anzumerken, dass der BFH in einem Urteil vom 19. 8. 200236 entschieden hat, dass das eigenbetriebliche Interesse zur Aufbewahrung von Geschftsunterlagen der Bildung einer Rckstellung nicht entgegenstehen darf, wenn das eigenbetriebliche Interesse hinter der ffentlich-rechtlichen Verpflichtung steht. Im zugrunde liegenden Sachverhalt kann davon ausgegangen werden, dass das ffentlich-rechtliche Interesse an der Abfallbeseitigung grßer ist als das eigene. Folglich steht das eigenbetriebliche Interesse an der Beseitigung des Sondermlls der Bildung einer Rckstellung mit steuerlicher Wirkung auf Ebene der KG nicht entgegen.
32 33 34 35 36
So Fatouros, FR 2004, 1017. BFH, Urt. v. 27. 6. 2001 – I R 45/97, BStBl. II 2003, 121. Siehe Gnkel, StbJb. 2001/2002, S. 351 ff.; vgl. auch Berndt, BB 2004, 1623. So auch Fatouros, FR 2004, 1018. BFH, Urt. v. 19. 8. 2002 – VIII R 30/01, BStBl. II 2003, 131.
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IV. Aktivierung von Beratungskosten/innerbetrieblichen Leistungen bei Einfhrung neuer Software 1. Sachverhalt Fall: Die Konzernmuttergesellschaft (M) hat ihre Unternehmensgruppe auf eine neue betriebswirtschaftliche Software umgestellt und hat die Software gegen Zahlung einer Einmallizenz zur dauerhaften „Nutzung“ erworben und ist berechtigt, den Konzernunternehmen Unterlizenzen zu erteilen. Neben der Selbstnutzung der Software berlsst M diese Software ihrer Tochtergesellschaft (T) gegen die Zahlung von laufenden Lizenzgebhren fr 8 Jahre. Vom Entschluss, die neue Software zu installieren bis zur Inbetriebnahme der neuen EDV-Struktur sind mehrere Jahre vergangen. Zu Beginn der Planung beauftragte M ein Beratungsunternehmen mit der Anfertigung einer Studie ber die organisatorischen Ablufe im Unternehmen und das „Lastenheft“ fr ein neues System. Der Gesamtaufwand von der Planung bis zur Implementierung betrug mehrere Millionen Euro. Zu Beginn des Projektes wurde eine Lizenz zur Nutzung von Softwaremodulen „erworben“. Danach wurde das Grundprogramm an die individuellen Bedrfnisse des Unternehmens angepasst (sog. Customizing). Zwischen der Auslieferung der Lizenz und dem Abschluss der bentigten Implementierungsarbeiten fielen Kosten an u. a. durch eine hohe Anzahl von Arbeitsstunden durch die eigene Programmierabteilung der betreffenden Unternehmen und durch Heranziehen von Systempartnern des Anbieters oder des Nutzers, die fr die Gesellschaften entsprechend ttig waren. Außerdem fielen in erheblichen Maße Schulungskosten fr die Mitarbeiter an. M aktivierte die erworbenen Nutzungsrechte als Anschaffungskosten. Die Aufwendungen fr die Arbeitsstunden der eigenen Programmierabteilung und die Zahlungen an die Systempartner whrend der Umsetzungsphase wurden als Anschaffungsnebenkosten aktiviert. Hingegen wurden Schulungskosten und die Kosten fr die Studie nicht aktiviert. T behandelt die an M gezahlten laufenden Lizenzen als Aufwand und nimmt auch keine Aktivierung der angefallenen Programmier- und Beratungskosten vor, da es nach Ansicht der T keinen Anschaffungsvorgang gibt. Die Betriebsprfung verlangt bei der M die Aktivierung der Kosten fr Schulungen und die Studie als Anschaffungsnebenkosten und sieht in der diskontierten Lizenzzahlung von T ebenfalls einen Anschaffungsvorgang.
2. Lsungshinweise 2.1 Klassifizierung von Software Der Oberbegriff fr alle Programme, die die Datenverarbeitungsprogramme des Anwenders lsen, ist die Anwendungssoftware; um eine solche handelt es sich im vorliegenden Fall. Man unterscheidet dabei zwischen Individual- und Standardsoftware: Die Individualsoftware ist ausschließlich fr die Bedrfnisse eines bestimmten Anwenders entwickelt. Die Standardsoftware hingegen ist fr den Einsatz bei einer 311
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Vielzahl von Anwendern konzipiert und wird ggf. auch an die Bedrfnisse des einzelnen Unternehmens angepasst.37 2.2 Software als immaterielles oder materielles Wirtschaftsgut Anwendersoftware (Individual- oder Standardsoftware) bilden bilanzrechtlich keine Einheit mit der EDV-Anlage (Hardware), sondern sind selbstndige Wirtschaftsgter, die das Programm, dessen Beschreibung und den maschinenlesbaren Programmtrger (Diskette, CD-ROM) umfassen.38 Folglich sind sie als immaterielle Vermgensgegenstnde zu bilanzieren. Diese losgelste Betrachtung gilt selbst dann, wenn System- oder Anwendungssoftware fr eine ganz bestimmte Datenverarbeitungsanlage angeschafft werden und ohne diese nicht nutzbar sind. Durch das Einspeisen der Software in den Computer verliert die Software nicht ihre Eigenstndigkeit als selbstndiger Vermgensgegenstand, da sie jederzeit modifiziert und ausgetauscht werden kann. Anwendungssoftware gehrt nur dann nicht zu den immateriellen Vermgensgegenstnden, wenn sie vornehmlich allgemein zugngliche Datenbestnde auf einem Datentrger verkrpert (z. B. Telefon- oder Kursbcher in elektronischer Form) und dabei fr ihre Verwendung weder aus dem Inhalt der Software resultierende besondere wirtschaftliche Vorteile noch die Fhigkeit der Software zur Steuerung von Ablufen im Vordergrund stehen.39 2.3 Aktivierung von Software dem Grunde und der Hhe nach 2.3.1 Bei der Konzernmuttergesellschaft (M) Gem. § 248 Abs. 2 HGB i. V. m. § 5 Abs. 2 EStG besteht fr immaterielle Vermgensgegenstnde bzw. Wirtschaftsgter des Anlagevermgens ein Aktivierungsgebot, wenn diese entgeltlich erworben wurden. Entgeltlichkeit in diesem Sinne bedeutet nicht, dass berhaupt Kosten entstanden sind, da ansonsten die beiden Bilanzierungsvorschriften berflssig wren, weil es bekanntlich kostenlos nichts im Wirtschafts-
37 Vgl. IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Bilanzierung von Software beim Anwender (IDW RS HFA 11), WPg 2004, 817–820. 38 Vgl. u. a. BFH, Urt. v. 5. 10. 1979 – III R 78/75, BStBl. II 1980, 16; BFH, Urt. v. 2. 9. 1988 – III R 38/84, BStBl. II 1989, 160; Khler/Benzel, DStR 2002, 926. 39 Vgl. IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Bilanzierung von Software beim Anwender (IDW RS HFA 11), WPg 2004, 817–820.
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leben gibt. Entgeltlichkeit in diesem Sinne bedeutet den abgeleiteten Erwerb von einem Dritten gegen Geld oder eine andere Dienstleistung.40 Im zugrunde liegenden Fall ist es unzweifelhaft, dass M die Software entgeltlich erworben hat. M hat mit der Software ein „Wirtschaftsgut“ erworben, nmlich ein Wirtschaftsgut „Nutzungsrecht“. Da die Software bestimmt ist, dem Geschftsbetrieb auf Dauer zu dienen, ist sie gem. § 247 Abs. 2 HGB im Anlagevermgen auszuweisen. Die Bezeichnung des Entgelts als „Lizenz“ spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Da damit ein zeitlich uneingeschrnktes Nutzungsrecht fr das Unternehmen „erworben“ wird, handelt es sich um eine Verfgungsmacht, die einer Anschaffung durch Kauf gleichsteht. Fr die Ermittlung der Anschaffungskosten gilt auch fr Software die Vorschrift des § 255 Abs. 1 HGB. Gem. stndiger Rechtsprechung41 gelten als Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermgensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermgensgegenstand einzeln zugeordnet werden knnen. Zu den Anschaffungskosten gehren ebenfalls Nebenkosten und nachtrgliche Anschaffungskosten. Die von M erbrachten Aufwendungen fr den Erwerb der Nutzungsrechte an der Software sind Anschaffungskosten des Wirtschaftsgutes Software. Bei den Customizing-Kosten ist zu unterscheiden, ob die Maßnahmen dazu dienen, die Standardsoftware in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen oder ob eine umfangreiche Bearbeitung und Ergnzung der in der Standardkonfiguration ausgelieferten Software vorliegt. Nach Auffassung des IDW sind Aufwendungen fr das Customizing in Anschaffungskosten und andere Aufwendungen aufzuteilen. Unter der Voraussetzung, dass durch das Customizing an der erworbenen variablen Standardsoftware Anpassungen vorgenommen werden, die zu einer Umschaffung fhren (also dem Entstehen einer vllig neuen, in ihrem Wesen vernderten Software), kann der ganze Vorgang als Herstellung eines neuen immateriellen Wirtschaftsguts qualifiziert werden.42 Dieses wrde dann dem Aktivierungsverbot fr immaterielle Vermgensgegenstnde nach § 248 Abs. 2 HGB unterliegen. Fhrt die Anpassung an der variablen Standardsoftware hingegen nicht zu einer Umschaffung, bleibt es bei der Beurteilung als Anschaffung. Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt bei variabler Standardsoftware immer ein akti40 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 5 EStG Rz. 191 ff. 41 U. a. BFH, Urt. v. 17. 10. 2001 – I R 32/00, DStR 2001, 536. 42 Vgl. Sontheimer, DStR 1983, 354.
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vierungspflichtiger Anschaffungsvorgang vor.43 Bei Individualsoftware ist fr Zwecke zur Abgrenzung zwischen Anschaffungs- und Herstellungskosten entscheidend, wer das wirtschaftliche Risiko der Herstellung trgt. Im Fall der Abschließung eines Werkvertrags mit dem Softwareanbieter, liegt aus Sicht des Softwareanwenders dann ein Anschaffungsvorgang vor, wenn die Projektleitung und die Federfhrung beim Softwareanbieter liegen und dieser das Herstellungsrisiko trgt. Werden hingegen im Rahmen der Erstellung von Individualsoftware bestimmte Teile der Software vom Softwareanwender auf Grundlage eines Kaufvertrags oder eines Werkvertrags angeschafft, sind die zugehrigen Anschaffungskosten nur dann selbstndig zu aktivieren, wenn die erworbenen Programmteile durch die Verbindung mit der Individualsoftware nicht untergehen und somit auch knftig noch selbstndig genutzt werden knnen.44 Im vorliegenden Fall spricht der Sachverhalt fr die Anschaffung von Standardsoftware. Die softwarebezogenen Aufwendungen, die unmittelbar der Herstellung der Betriebsbereitschaft dienen, sind zu aktivieren, whrend die organisationsbezogenen Aufwendungen, die sich auf die allgemeine Unternehmensumwelt beziehen, nicht zu den Anschaffungskosten zhlen. Soweit die Beratungskosten auf Leistungen nach dem Lizenzerwerb beruhen, gehren solche Kosten zu den Anschaffungsnebenkosten zum Erwerb des Lizenzrechts, da ohne diesen Kostenaufwand fr die externe Beratung das Lizenzrecht im Unternehmen nicht nutzbar, also wirtschaftlich wertlos, wre. Kosten, die jedoch im Vorfeld des Lizenzerwerbs entstehen, also z. B. die Studie, knnen keinem Wirtschaftsgut zugeordnet und daher sofort als Aufwand bercksichtigt werden.45 Auch die Schulungsaufwendungen sind laufende Aufwendungen, da sie nicht unmittelbar mit der Betriebsbereitschaft der Software zusammenhngen.46 2.3.2 Bei der Tochtergesellschaft (T) Gem. stndiger Rechtsprechung des BFH sind Nutzungsrechte nur dann aktivierungsfhig, wenn folgende Merkmale erfllt sind: Zum einen mssen die Nutzungsrechte dinglicher oder schuldrechtlicher Art sein. 43 Vgl. Hoffmann, DStR 2002, 1458. 44 Vgl. dazu ausfhrlich IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Bilanzierung von Software beim Anwender (IDW RS HFA 11), WPg 2004, 817–820. 45 Vgl. Babon, StBp 2001, 71. 46 Vgl. auch Suchanek/Heyes, FR 2005, 189; a. A. SfF Bremen, Erlass v. 13. 9. 2004 – S 2172 – 5968 – 110, StG-Kartei Bremen, § 4 (1) EStG, Nr. 1003.
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Dies ist hier unstreitig erfllt. Des Weiteren msste das Nutzungsrecht eine dauerhaft gesicherte Rechtsposition einrumen. Da von T ein laufendes Nutzungsentgelt fr die berlassung des Nutzungsrechts zu zahlen ist, ist dieses Merkmal nicht erfllt. Da die Bercksichtigung eines schwebenden Geschfts in der Steuerbilanz nicht mglich ist, kann das Nutzungsrecht Software in der Steuerbilanz der T nicht aktiviert werden. Es handelt sich vielmehr um ein miethnliches Verhltnis, welches nicht zu einer Aktivierung fhrt.47 Demzufolge stellen die Zahlungen der Lizenzgebhren laufenden Aufwand dar. Da Anschaffungskosten nicht aktiviert werden, knnen auch die Kosten fr Beratungsleistungen und die innerbetrieblichen Leistungen nicht als Anschaffungsnebenkosten bilanziert werden.48 Sie stellen laufenden Aufwand der Periode dar.
V. Rckstellungen fr aufschiebend bedingte sog. „RetentionBonus-Regelungen“ 1. Sachverhalt Fall: Der Betrieb der A-Gesellschaft ist von der B-Gesellschaft im Rahmen eines asset deals zum 1. 6. 2002 bernommen worden. Alle Vermgensgegenstnde und Verbindlichkeiten sind auf die B-Gesellschaft bergegangen. Um die Gefahr einer großen Fluktuation leitender Mitarbeiter zu verringern, wird den ehemaligen leitenden Mitarbeitern der A-Gesellschaft eine „Verbleibeprmie“ in Aussicht gestellt, wenn diese in drei Jahren im neuen Unternehmen, der B-Gesellschaft, noch ttig sind. Diese Vereinbarung wurde am 1. 9. 2002 zwischen dem Vorstand der B-Gesellschaft und dem Personalrat mit Wirkung vom 1. 6. 2002 geschlossen. Der Bonus entsteht ber einen Zeitraum von drei Jahren und wchst anteilig zu. Kndigt der Arbeitnehmer in den ersten zwei Jahren oder wurde ihm aus wichtigem Grund seitens des Arbeitgebers gekndigt, soll der Bonus wegfallen. Bei Kndigung innerhalb des Zeitraums von 24-36 Monaten werden 2/3 des Bonus ausgezahlt. Wird dem Arbeitnehmer innerhalb der drei Jahre durch den Arbeitgeber ohne wichtigen Grund gekndigt, bekommt der Arbeitnehmer den zeitanteiligen Bonus auf monatlicher Basis. Kndigt der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum aus wichtigem Grund, erhlt er ebenfalls einen zeitanteiligen Bonus auf monatlicher Basis ausbezahlt. Der angesammelte Betrag wird mit einem Zinssatz von 2%/Jahr verzinst. Fraglich ist, ob die bernehmende Gesellschaft fr die in Aussicht gestellten „Verbleibeprmien“ schon heute Rckstellungen bilden darf, obwohl die Bedingung erst in drei Jahren erfllt ist oder ob die Zusage mglicherweise nachtrgliche Anschaffungsnebenosten fr einen good-will darstellt. 47 Vgl. IDW RS HFA 11 unter Tz. 23. 48 BFH, Urt. v. 19. 6. 1997 – IV R 16/95, BStBl. II 1997, 808.
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2. Lsungshinweise 2.1 Abbildung einer Rckstellung der Art nach Die Zahlung von „Verbleibeprmien“ hat sich in der freien Wirtschaft als geeignetes Mittel der Motivation von Arbeitnehmern zum Verbleib im Unternehmen bewhrt. Soweit am Bilanzstichtag ungewisse Verbindlichkeiten bestehen, ist in der der Handels- (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) und in der Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) eine Rckstellung fr ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die Zulssigkeit der Bildung einer Rckstellung fr „Verbleibezuwendungen“ ist nach den allgemeinen Grundstzen zu beurteilen. Nach § 8 Abs. 1 KStG, § 5 Abs. 1 EStG i. V. m. den handelsrechtlichen Grundstzen ordnungsmßiger Buchfhrung sind Rckstellungen fr dem Grunde und/oder der Hhe nach ungewisse Verbindlichkeiten (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) im Allgemeinen zu bilden, wenn die Verbindlichkeiten gegenber einem Dritten bestehen bzw. entstehen werden, im abgelaufenen Jahr entweder rechtlich entstanden oder zumindest wirtschaftlich verursacht sind und wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Steuerpflichtige hieraus in Anspruch genommen wird. Bei der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gewhrung von Zuwendungen an seine Mitarbeiter aus Anlass ihres Verbleibens im Unternehmen handelt es sich um eine dem Grunde und der Hhe nach ungewisse Verbindlichkeit gegenber Dritten. Die Bildung einer Rckstellung fr ungewisse Verbindlichkeiten ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Verbindlichkeiten auf gegenseitigen Vertrgen beruhen. Bei den hier zu beurteilenden Verbindlichkeiten zur Gewhrung von Zuwendungen anlsslich des Verbleibens von Mitarbeitern im neuen Unternehmen handelt es sich nicht um solche, die Gegenstand eines schwebenden gegenseitigen Arbeits- bzw. Dienstvertrags sind. Ein schwebendes Geschft liegt vor, wenn ein gegenseitiger auf Leistungsaustausch gerichteter Vertrag abgeschlossen und hinsichtlich der vereinbarten Sach- oder Dienstleistungsverpflichtung – abgesehen von unwesentlichen Nebenpflichten – noch nicht voll erfllt ist.49 Die hier zu beurteilende Verpflichtung ist jedoch als selbstndige Verpflichtung aus dem Zusammenhang des schwebenden gegenseitigen Vertrags herausgelst. Dem entspricht es, dass der BFH die Rckstellungen wegen rckstndiger Urlaubsverpflichtung50, fr
49 BFH, Urt. v. 3. 2. 1993 – I R 37/91, BStBl. II 1993, 443. 50 BFH, Urt. v. 26. 6. 1980 – IV R 35/74, BStBl. II 1980, 506; v. 8. 7. 1992 – IX R 50/98, BStBl. II 1992, 910; v. 10. 3. 1993 – I R 70/91, BStBl. II 1993, 446.
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Gratifikationen51, Dienstjubilumszuwendungen52 und fr knftige Pensionszahlungen als Rckstellungen fr ungewisse Verbindlichkeiten i. S. von § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB qualifiziert. Aufgrund des Beschlusses des Vorstands der B-Gesellschaft und der zwischen der B-Gesellschaft und dem Personalrat getroffenen Vereinbarungen vom 1. 9. 2002 bestand am Bilanzstichtag 31. 12. 2002 die Wahrscheinlichkeit, dass die Gesellschaft sptestens nach drei Jahren (zum 31. 5. 2005) die zugesagten Zuwendungen an ihre Mitarbeiter – die bis dahin noch im Unternehmen verblieben sind – zu erbringen haben wird.53 Die Aufwendungen fr die anlsslich des Verbleibens der Mitarbeiter zu erbringenden Zuwendungen sind jedoch nur teilweise wirtschaftlich vor dem Bilanzstichtag verursacht. Wirtschaftlich verursacht ist eine Verbindlichkeit dann, wenn die wesentlichen Tatbestandsmerkmale fr das Entstehen der Verbindlichkeit bereits am Bilanzstichtag erfllt sind und das rechtliche Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhngt.54 Die wirtschaftliche Verursachung im abgelaufenen Kalenderjahr kann jedoch nicht allein deshalb verneint werden, weil fr deren rechtliche oder faktische Entstehung noch eine wirtschaftlich unwesentliche Voraussetzung fehlt.55 Ob die versprochenen Leistungen Aufwand im Jahr der Zusage oder in den Jahren bis zur Auszahlung bilden, hngt davon ab, ob sie in der Hauptsache ein zurckliegendes Ereignis oder ein knftiges Verhalten des Arbeitnehmers abgelten sollen.56 Knnen die knftigen Ausgaben bereits wirtschaftlich realisierten Ertrgen zugeordnet werden, sind sie in dem Jahr zu passivieren, in dem die Zugehrigkeit zu frheren Ertrgen konkretisiert wird. Zwar handelt es sich bei den Verpflichtungen um zuknftige Verpflichtungen, es ist jedoch zu beachten, dass der Arbeitgeber durch den Verbleib der Arbeitnehmer im Unternehmen schon heute einen Vorteil hat. Folglich ist im Jahr der Zusage eine Rckstellung zu bilden und ber die
51 BFH, Urt. v. 7. 7. 1983 – IV R 47/80, BStBl. II 1983, 753. 52 BFH, Urt. v. 5. 2. 1987 – IV R 81/84, BStBl. II 1987, 845; v. 16. 12. 1987 – I R 68/87, BStBl. II 1988, 341. 53 BFH, Urt. v. 6. 12. 1995 – I R 14/95, BStBl. II 1996, 406. 54 BFH, Urt. v. 15. 3. 1999 – I B 95/98, BFH/NV 1999, 1205. 55 BFH, Urt. v. 15. 3. 1999 – I B 95/98, BFH/NV 1999, 1205. 56 BFH, Urt. v. 18. 3. 1965 – IV 116/64 U, BStBl. II 1965, 289.
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Jahre ratierlich anzusammeln. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Mitarbeiter den Anspruch unter Umstnden verlieren kann (Kndigung). Fr eine Rckstellungsbildung reicht die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme aus. Da die vorzeitige Kndigung seitens des Arbeitnehmers und damit der Verlust des Bonus nach der Intention des Unternehmens die Ausnahme sein soll, ist fr alle Arbeitnehmer von der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme auszugehen. 2.2 Abbildung der Rckstellung der Hhe nach Bei der Bewertung der Rckstellung fr die Steuerbilanz ist wie bei der Bewertung von Verbindlichkeiten gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG von dem zur Erfllung der Verpflichtung erforderlichen Geldbetrag auszugehen.57 Obwohl die B-Gesellschaft den Bonus an solche Arbeitnehmer nicht leisten wrde, die innerhalb von zwei Jahren das Arbeitsverhltnis aus eigenem Entschluss kndigen oder denen seitens des Arbeitgebers aus wichtigem Grund gekndigt wurde, ist dieser Tatsache m. E. nicht mittels eines Fluktuationsabschlags vom Nennbetrag der zugesagten Zahlung Rechnung zu tragen. Da es sich – anders als bei Jubilumszahlungen – um substantielle Betrge handelt, knnen normale Fluktuationsraten hier nicht zur Anwendung kommen. Die Prmie soll der Fluktuation gerade entgegenwirken. Rckstellungen fr Verpflichtungen sind mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen, sofern deren Laufzeit am Bilanzstichtag mehr als zwlf Monate betrgt (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e i. V. m. Nr. 3 EStG). Ausgenommen von der Abzinsung sind jedoch Verpflichtungen, die verzinslich sind.58 Eine verzinsliche Verbindlichkeit liegt vor, wenn ein Zinssatz von mehr als 0% vereinbart ist. Der Plan des Unternehmens sieht vor, die angesammelten Betrge mit einem jhrlichen Zinssatz von 2% zu verzinsen. Folglich ist die Rckstellung nicht abzuzinsen. 2.3 Aktivierungspflicht? Die Vereinbarung ber den Bonus wird zwar anlsslich des asset deals getroffen, kann aber nicht als Kaufpreisbestandteil und damit aktivierungspflichtig (z. B. als good-will) angesehen werden. Es handelt sich nicht um eine Vergtung an den Verkufer, und zwar auch nicht im
57 BFH, Urt. v. 19. 1. 1972 – I 114/65, BStBl. II 1972, 392. 58 BMF v. 23. 8. 1999 – IV C 2 – S-2175 – 25/99, BStBl. I 1999, 818.
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Rahmen einer bernahme von Verbindlichkeiten (z. B. nach § 613a BGB), sondern um eine gegenber den Mitarbeitern neu begrndete Verpflichtung mit wirtschaftlicher Verursachung in den Folgejahren. § 5 Abs. 4b EStG ist deshalb nicht anzuwenden.
VI. Rckstellung fr Mietgarantien 1. Sachverhalt Fall: Die Bank XY bettigt sich auf dem Gebiet geschlossener Immobilienfonds. Sie hlt einen Anteil an einer B-GmbH (B), die als Makler fungiert. B hatte fr verschiedene Fonds Mietgarantien bernommen. Im Jahr 2000 war sie aus der Garantie in Anspruch genommen worden. Wegen weiterer befrchteter Inanspruchnahme hatte B Rckstellungen in folgender Hhe gebildet: Zum 31. 12. 2000 1 Mio. Euro, zum 31. 12. 2001 1,1 Mio. Euro und zum 31. 12. 2002 1,2 Mio. Euro. Der Betriebsprfer vertrat die Auffassung, dass die zu den Bilanzstichtagen 2001 und 2002 (in Hhe der fr die Garantien vereinbarten Gebhren) neugebildete Rckstellungen nach § 5 Abs. 4a des EStG in der Steuerbilanz unzulssige Rckstellungen fr drohende Verluste aus schwebenden Geschften darstellen. Fr zwei weitere Fonds hatte die Bank XY selbst Mietgarantien bernommen. Die dafr zum 31. 12. 2002 gebildete Rckstellung i. H. v. 3 Mio. Euro hielt der Prfer ebenso fr nach § 4 Abs. 5a EStG unzulssig.
2. Lsungshinweise 2.1 Charakterisierung der Drohverlustrckstellung Fr drohende Verluste aus schwebenden Geschften besteht nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB die Pflicht zur Passivierung einer entsprechenden Rckstellung (Drohverlustrckstellung). Gemeinsamkeiten bestehen mit der Rckstellung fr ungewisse Verbindlichkeiten hinsichtlich ihres Schuld- bzw. Verpflichtungscharakters aufgrund einer bereits rechtlich oder faktisch bestehenden Außenverpflichtung. Whrend die Rckstellungen fr ungewisse Verbindlichkeiten bereits eingetretene, d. h. vergangene Ereignisse abbilden, nimmt die Drohverlustrckstellung zuknftige Verluste vorweg. Sie bildet eine am Bilanzstichtag bereits eingetretene Vermgensminderung ab und dient daher nicht einer vorsichtigen, sondern einer den tatschlichen Verhltnissen entsprechenden Darstellung der Vermgenslage.59 Folglich ist eine Rckstellung in der Handelsbilanz dann zu bilden, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit 59 Vgl. Keßler in Ktting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 4. Aufl., § 249 HGB Rz. 186.
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fr den Eintritt eines Verlusts besteht, also der Wert der Leistungsverpflichtung des Bilanzierenden den Wert seiner Gegenleistung bersteigt.60 In der Steuerbilanz sind seit dem 1. 1. 1997 gem. § 5 Abs. 4 Satz 3 EStG i. V. m. § 52 Abs. 6a EStG keine Rckstellungen fr drohende Verluste mehr zugelassen. Insoweit wird die Maßgeblichkeit der Handels- fr die Steuerbilanz durchbrochen. 2.2 Abbildung der Drohverlustrckstellung Fr den Ansatz einer Drohverlustrckstellung werden ein schwebendes Geschft sowie ein drohender Verlust aus diesem vorausgesetzt. Der Begriff „schwebendes Geschft“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Nach h. M. ist ein schwebendes Geschft ein gegenseitiger auf Leistungsaustausch gerichteter Vertrag (oder ein bindendes Vertragsangebot, dessen Annahme sicher ist), der von dem Sach- oder Dienstleistungsverpflichteten noch nicht voll erfllt ist.61 Sind nur noch unwesentliche Nebenverpflichtungen offen, ist ein schwebendes Geschft nicht mehr gegeben.62 Ein Verlust droht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafr bestehen oder sicher ist, dass die Aufwendungen die Ertrge bersteigen.63 Einzubeziehen sind auch alle sonstigen wirtschaftlichen Vorteile, die eine Gegenleistung darstellen; der Vorteil muss nicht in einem Wirtschaftsgut bestehen.64 2.3 Erstreckung des Passivierungsverbots fr Verlustrckstellungen auf Mietgarantieverpflichtungen? In der Literatur wird als typisches Beispiel fr ein Dauerschuldverhltnis ein Mietvertrag herangezogen. Erhlt das Vermietungsunternehmen auf Dauer keine kostendeckenden Mietvertrge, ist in der Handelsbilanz eine Drohverlustrckstellung zu bilden.65 In der Steuerbilanz, drfte diese nach dem Verbot des § 4 Abs. 5a EStG nicht angesetzt werden. Ein Garantievertrag ist regelmßig ein einseitiges Leistungsversprechen gegenber dem Versprechensempfnger und kein gegenseitiger Ver-
60 61 62 63 64
Vgl. WP-Handbuch Band I, 12. Aufl. 2000, S. 219, Rz. 93. BFH, Urt. v. 23. 6. 1997 – GrS 2/93, BStBl. II 1997, 735. BFH, Urt. v. 6. 4. 1993 – VIII R 86/91, BStBl. II 1993, 709. Vgl. BFH, Urt. v. 19. 3. 1998 – IV R 1/93, BStBl. II 1999, 352. Vgl. BFH, Urt. v. 23. 6. 1997 – GrS 2/93, BStBl. II 1997, 735; Herzig/Rieck, DB 1997, 1881. 65 Vgl. Ruter/Mokler/Serf, DB 2001, 211.
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trag.66 Da nach h. M. dem schwebenden Geschft ein gegenseitiger auf Leistungsaustausch gerichteter Vertrag zugrunde liegt, ist an der Richtigkeit der Einstufung durch den Betriebsprfer, dass es sich hierbei um eine Drohverlustrckstellung handelt, zu zweifeln. Soweit von einem Dritten – dem Fonds – eine Vergtung geleistet wird, steht diese Leistung nicht in einem Gegenseitigkeitsverhltnis mit einer Leistung aufgrund des gegebenen Garantieversprechens. Vielmehr hat die B-GmbH mit der Abgabe des Versprechens die Gegenleistung fr das Garantieentgelt bereits erfllt. Insofern liegt kein schwebendes Geschft mehr vor. Folglich spricht viel dafr, dass Rckstellungen fr Garantieverpflichtungen von dem Verbot des § 5 Abs. 4a EStG nicht erfasst werden. Da es sich hier nicht um einen gegenseitigen Austauschvertrag, sondern um ein einseitiges Versprechen handelt, ist die Einstufung als Drohverlustrckstellung unrichtig. Sofern bei einem Vertrag wegen des fehlenden gegenseitigen Leistungsaustauschs ein schwebendes Geschft dem Grunde nach nicht vorliegt, kann dieser fehlende Leistungsaustausch auch nicht durch die (gedankliche) Einbeziehung weiterer Vertrge ersetzt werden, da darin eine unzulssige Verschrfung der gesetzlichen Regelungen ber ihren Wortlaut hinaus liegen wrde (unzulssige Gesetzesanalogie zu Lasten des Steuerpflichtigen).67 Der Vorgang hier ist einem Versicherungsvertrag nicht unhnlich. Mit Zahlung des Versicherungsentgelts und der Abgabe des Versicherungsversprechens, fr Schadensflle einzutreten, ist der Vertrag von beiden Seiten erfllt. Die Verpflichtung zur Regelung von Schadensfllen ist eine eigenstndige (ungewisse) Verbindlichkeit, fr die ggf. eine Rckstellung zu bilden ist. Daneben werden im Schrifttum Zweifel daran geußert, ob das Passivierungsverbot mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. So stellt nach einer Literaturmeinung die sachlich nicht gerechtfertigte Abweichung von der handelsrechtlichen Pflicht zu Bildung einer Drohverlustrckstellung einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip dar.68
66 BFH, Urt. v. 11. 4. 2003 – IV B 176/02, BFH/NV, 919. 67 Vgl. Bayerisches Staatsministerium der Finanzen v. 25. 2. 2002 – 31 – S-2137 – 108/2 – 55642/31 – S-2137 – 108 – 14767, BB 2002, 1364. 68 Vgl. u. a. Moxter, DB 1997, 1477.
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Neue Rechtsprechung zur Krperschaftsteuer mit Schwerpunkt Organschaft Dr. Dietmar Gosch Vors. Richter am Bundesfinanzhof, Mnchen Inhaltsbersicht I. Einschaltung von Zwischengesellschaften im Ausland und Gestaltungsmissbrauch – erste steuerliche Folgeentscheidung des BFH zum EuGH-Urteil „Inspire Art“ II. Aktuelles zu Organschaftsfragen 1. Organschaft ber die Grenze und Meistbegnstigung 2. Rckwirkende Organschaftsbegrndung 2.1 Sachverhalt
2.2 Entscheidung 2.3 Anmerkungen 3. „Infektion“ der Steuerbefreiung im Organkreis 4. Verlustabzug und Verlustabzugsbeschrnkung im Organkreis III. Verfahrensrechtliche Verknpfungen beim Verlustabzug, im Organkreis und bei der rckwirkenden Krperschaftsteueranrechnung
I. Einschaltung von Zwischengesellschaften im Ausland und Gestaltungsmissbrauch – erste steuerliche Folgeentscheidung des BFH zum EuGH-Urteil „Inspire Art“ 1. Die Auslagerung – das sog. „Outsourcing“ – von Kapitalanlagen in irische Kapitalgesellschaften, vorzugsweise sog. IFSC-Gesellschaften1 mit Sitz und Geschftsleitung in den Docks von Dublin2, aber auch im Shannon Flughafengebiet3 war in den 90er Jahren (und ist bis heute) attraktiv. Mit ttiger (beihilferechtlicher) Mitwirkung der EGKommission bietet Irland betrchtliche steuerliche Prferenzen, insbesondere mit niedrigen Krperschaftsteuerstzen oder deren gnzlicher Wegfall, um auslndisches Kapital anzulocken. Das Ganze firmiert unter den Stichworten des Steuerwettbewerbs oder des Steuerdumpings, ein Thema, das betrchtliche aktuelle Relevanz erhalten hat, nachdem die EU soeben 10 neue Mitgliedstaaten hat, die teilweise mit 1 International Financial Service Center. 2 Custom House Docks Area. 3 Shannon Free Zone. S. neuerdings auch die „International Business Center“ (MIBC) auf Madeira; dazu Wagner, StBp 2005, 125.
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ihren niedrigen Steuerstzen geradezu einen Werbefeldzug gestartet haben.4 Dass das den nationalen Fisci der anrainenden Hochsteuerlnder Kontinentaleuropas ein Dorn im Auge war und bis heute ist, liegt auf der Hand. Man trachtet danach, die Sonderwege Irlands, aber auch Luxemburgs und der Niederlande und neuerdings vor allem der baltischen Lnder, auf EG-Ebene einzudmmen. Erst jngst wurde eine entsprechende Arbeitsgruppe zur Harmonisierung der Bemessungsgrundlagen konstituiert. Und national instrumentalisiert man die Missbrauchsvorschrift, um die ausgelagerten Kapitalien und deren Ertrge steuerlich zu „sichern“. Nur der erstere Weg wird sich langfristig wohl als erfolgversprechend herauskristallisieren. Bei Irland ist das derzeit schon der Fall; die Steuervorteile laufen fr die (von der irischen Finanzbehrden zertifizierten) Dublin Docks-Gesellschaften ebenso wie fr die ShannonGesellschaften sptestens mit Ablauf des Jahres 2005 aus.5 Hinsichtlich des zweiten Weges ber den Missbrauch zeigt jedenfalls der BFH6 bislang nur mßig Bereitschaft, Steuerrecht vor das europarechtliche Beihilferecht zu stellen. Es scheint, dass auch das BMF insoweit resigniert hat.7 2. Im Falle der „Dublin Docks“ verhielten sich die Gestaltungsablufe wie folgt: Das deutsche Unternehmen grndete die besagte Dublin Docks-Gesellschaft, lagerte seine Kapitalanlagen steuergnstig aus, wurde dadurch im Inland zwar mit der Hinzurechnung gem. §§ 7 ff. AStG „bestraft“, auf die aber wiederum das – mit keinem Aktivittsvorbehalt „beschwerte“ – abkommensrechtliche Schachtelprivileg des DBA-Irland i.V.m. § 10 Abs. 5 AStG einzurumen war. Per saldo „rechnete“ sich das „Outsourcing“ also, was insbesondere das Bankengewerbe zur Initiierung phantasievoller „Rundumsorglospakete“ fr interessierte Steuerpflichtige bewog.
4 Siehe ausfhrlich z. B. Blumenberg/Lausterer, FS Rdler, 1999, S. 1 ff.; Wessels, DStZ 2004, 154. – Nach einer tabellarischen bersicht in der FAZ v. 25. 1. 2005, S. 12 spreizen sich die Krperschaftsteuerstze derzeit zwischen 0 v. H. (Estland, aber nur auf reinvestierte Gewinne, bei Ausschttung 26 v. H.) und 12,5 v. H. (Irland) einerseits und 35,4 v. H. (Frankreich) andererseits. 5 Vgl. dazu Rosenthal in Debatin/Wassermeyer, DBA, Vor Art. I Irland Rz. 36 ff.; Burke, ebd., Anh. Irland Rz. 40, jew. m. w. N. 6 BFH, Urt. v. 25. 2. 2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14. 7 BMF, Schr. v. 28. 12. 2004, BStBl. I 2005, 28; OFD Dsseldorf v. 13. 1. 2005, DB 2005, 198. Vgl. auch IStR-Lnderbericht 21/2004, 2.
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Vergessen wir nicht: Der BFH hatte noch zur Rechtslage unter der Geltung des § 10 Abs. 5 AStG bis zu dessen nderung durch das Steuernderungsgesetz 1992 zu entscheiden. Seitdem blieb diese Vorschrift gem. § 10 Abs. 6 AStG a. F. unter bestimmten Voraussetzungen fr Beteiligungen an Kapitalanlagegesellschaften und fr daraus erzielte „Zwischeneinknfte mit Kapitalanlagecharakter“ unanwendbar, so dass sich keine inlndische Steuerfreistellung ergbe. Mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 2003 an wurde § 10 Abs. 5 bis 7 AStG (durch das Steuervergnstigungsabbaugesetz vom 16. 5. 2003) ersatzlos gestrichen. 3. Der BFH verneint jedenfalls abermals das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs i. S. des § 42 Abs. 1 AO. Er bekrftigt zunchst seine bisherige Argumentation, wie sie in den Urteilen vom 19. 1. 2000 – I R 94/978 und I R 117/979 zum Ausdruck gekommen ist. Die irische Kapitalanlagegesellschaft erzielt danach zwar lediglich passive Einknfte. Dies ist jedoch Folge der Beschrnkung ihrer Ttigkeit auf das Kapitalanlagegeschft. Insofern sei sie nicht wie eine sog. Briefkastenfirma eigenwirtschaftlich funktionslos. Daran ndert der Umstand nichts, dass sie die Ausfhrung der einzelnen Anlagegeschfte in wesentlichen Bereichen der Managementgesellschaft berlassen hat. Dementsprechend werden Kapitalanlagegesellschaften vom Außensteuergesetz (a. F.) weitgehend akzeptiert und einem Missbrauchsverdikt entzogen. Die Frage, ob fr ein derartiges „Outsourcing“ von Anlagekapital im niedrig besteuerten Ausland wirtschaftliche, außersteuerliche Grnde zur Verfgung standen, stellt sich – so der BFH – nicht. 4. Vor diesem Hintergrund bekrftigt der BFH sein prinzipielles Rangfolgenverstndnis von § 42 Abs. 1 AO und §§ 7 ff. AStG, wonach die Anwendung von § 42 AO insoweit den Vorschriften der §§ 7 ff. AStG vorrangig ist. Denn § 42 Abs. 1 AO setze „logisch frher“, nmlich bereits bei der Einknftezurechnung an. §§ 7 ff. AStG gelange erst zur Anwendung, wenn kein Missbrauch i. S. des § 42 Abs. 1 AO gegeben ist. Die Frage nach dem Vorliegen eines solchen Missbrauchs hat sich aber wiederum wechselseitig an den Wertungen der §§ 7 ff. AStG zu orientieren. Darber hinaus bleibt fr § 42 Abs. 1 AO kein Raum. Letzteres steht in Einklang mit dem BFH-Urteil vom 20. 3. 2002 – I R 63/ 9910 und der dort gegebenen Deutung des neu geschaffenen § 42 Abs. 2 AO, jedoch im offenen Widerspruch zu der jngsten Verlautbarung des
8 BFH, Urt. v. 19. 1. 2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222. 9 BFH, Urt. v. 19. 1. 2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824. 10 BFH, Urt. v. 20. 3. 2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50.
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BMF in dessen neuem Anwendungsschreiben zum Außensteuergesetz.11 5. Wegen des recht komplizierten Ineinandergreifens von Zurechnung gem. § 42 Abs. 1 AO als logischer Vorstufe der Hinzurechnung gem. §§ 7 ff. AStG als Rechtsfolgeregelung und wegen der dadurch erschwerten Abgrenzungen zur sog. Basisgesellschafts-Rechtsprechung gab es an der Rechtsprechung des BFH Kritik.12 Dem einen oder dem anderen war die Unterscheidung zwischen funktionslosen „Briefksten“ und „genuin-passiven“, als solchen jedoch funktionalen Kapitalanlagegesellschaften ersichtlich zu feinsinnig und zu filigran. Der BFH verwirft diese Kritik. 6. Er geht aber zugleich einen betrchtlichen Schritt ber seine bisherigen Erwgungen hinaus, indem er auf sein Urteil vom 23. 10. 1996 – I R 55/9513 und die dort getroffene Aussage rekurriert, dass „die Rechtsprechung des BFH letztlich noch nie eine auf Dauer angelegte Zwischenschaltung inlndischer Kapitalgesellschaften als Rechtsmissbrauch qualifiziert hat, wenn ein Steuerpflichtiger – aus welchen Grnden auch immer – zwischen sich und eine Einkunftsquelle eine inlndische Kapitalgesellschaft schaltet und alle sich daraus ergebenden Konsequenzen zieht“. Dieser Aussage stellt er das Urteil des EuGH vom 30. 9. 2003 – Rs. C-167/01 „Inspire Art“14 gegenber, wonach der EuGH es generell als einen Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit ansieht, wenn die in einem (anderen) Mitgliedsstaat errichtete Kapitalgesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat gegenber dort ansssigen Kapitalgesellschaften benachteiligt wird. Das EuGH-Urteil „Inspire Art“ ist zwar in anderen Rechtszusammenhngen zu einer englischen Schein-Ltd. ergangen. Der BFH erachtet es aber schwerlich als gerechtfertigt, die entsprechende Zwischenschaltung auslndischer Kapitalgesellschaften innerhalb der EG als Missbrauch i. S. des § 42 Abs. 1 AO zu behandeln. Als missbruchlich knne sich eine solche Zwischenschaltung einer auslndischen Gesellschaft hiernach allenfalls dann herausstellen, wenn sie lediglich vorbergehend erfolgt und nur zu dem Zweck bestimmt ist, anderweitig drohenden steuerliche Belastungen zu entgehen. 11 Vom 14. 5. 2004, BStBl. I Sondernummer 1/2004 (Tz. 7.0.2 unter Nr. 4). 12 Z. B. Rose, DB 2000, 1633, 1636; Hppner, IWB Fach 3a Gruppe 1, 905, 906; Kempermann, FR 2000, 457; Herlinghaus, EFG 2002, 591, 593; siehe auch Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 1 MA Rz. 69. 13 BFH, Urt v. 23. 10. 1996 – I R 55/95, BStBl. II 1998, 90. 14 EuGH, Urt. v. 30. 9. 2003 – Rs. C-167/01, IStR 2003, 849.
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7. Das so formulierte Regelungsverstndnis knnte die Missbrauchshrden generell absenken. Man denke beispielsweise an die pauschale Missbrauchsverhinderungsvorschrift des § 50d Abs. 3 EStG, an die soeben konzipierte Parallelvorschrift in § 50g Abs. 4 EStG zur Umsetzung der EG-Zins- und Lizenz-Richtlinie, aber auch an andere Flle der Zwischenschaltung von Kapitalgesellschaften. Ich erinnere an das sog. Stiftungsurteil des BFH vom 27. 8. 1997 – I R 8/9715. In jener Sache hatte eine niederlndische Stiftung eine ebenfalls niederlndische Kapitalgesellschaft mit Darlehen ausgestattet und sie sodann in Deutschland zur Grundstcksvermietung eingesetzt. Der BFH hatte die Einschaltung der Gesellschaft als missbruchlich angesehen, weil sie dazu gedient habe, die inlndische beschrnkte Steuerpflicht im rechnerischen Ergebnis leerlaufen zu lassen. Das FG Mnster16 hat in einem vergleichbaren Fall zwischenzeitlich bereits gegenstzlich entschieden. Der BFH17 hat das besttigt, allerdings aus den Sachumstnden des zu entscheidenden Einzelfalles. Dieser gab keine Veranlassung zu zeigen, wie weit sich die neue Argumentation (auch) ber den „Inspire Art“-Ansatz als belastbar erweist.18 8. hnlich wie vom BFH werden die Dinge von Prinz/von Freeden19 eingeschtzt. „Nach der EuGH-Entscheidung besteht kein Grund dafr, die Einschaltung einer EU-Briefkastengesellschaft per se als Missbrauch zu qualifizieren oder sie steuerlich „sensibler“ zu behandeln als den Inlandsfall. Die EuGH-Entscheidung deutet darauf hin, dass der Begriff des Gestaltungsmissbrauchs sich zu einem europischen Missbrauchsbegriff wandeln knnte, der deutlich großzgiger konturiert ist“. Ein15 BFH, Urt. v. 27. 8. 1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163. 16 FG Mnster v. 12. 5. 2003 – 9 K 4810/00 K, EFG 2003, 1212, Rev. Az. I R 55/ 03. 17 BFH, Urt. v. 17. 11. 2004 – I R 55/03, DStRE 2005, 435. 18 In diesem Zusammenhang ist auch auf das BFH-Urteil v. 20. 3. 2002 – I R 38/ 00, BStBl. II 2002, 819 hinzuweisen, das zu § 50d Abs. 1a EStG a. F. (= § 50d Abs. 3 EStG) ergangen ist. Das BMF, Schr. v. 28. 12. 2004, BStBl. I 2005, 28 will im Hinblick darauf „im Einzelfall (...) prfen, ob die Kapitalanlagegesellschaft tatschlich eigenwirtschaftlich ttig war oder es sich um eine Briefkastengesellschaft handelte, die zum Zweck der Manipulation eingesetzt wurde“. Es bleibt abzuwarten, ob selbst diese Einschrnkung ohne Wenn und Aber aufrechterhalten werden kann. Der BFH hat auf Beschwerden hin jedenfalls bereits einschlgige Rev. zugelassen: Rev. I R 74/04 und I R 88/04 gegen FG Kln, Urteile v. 12. 12. 2003 – 2 K 5657/99, EFG 2004, 1540 sowie 2 K 5703/99, EFG 2004, 1848; siehe auch Gosch in Kirchhof, EStG, 5. Aufl., § 50d EStG Rz. 42. 19 Prinz/von Freeden, Der Konzern 2004, 318.
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wnde kommen dagegen, wen will dies wundern, von Seiten der Finanzverwaltung aus der Feder von Wolff20, gleichermaßen aber auch aus dem BFH von Peter Fischer21. Beide sehen in den Aussagen des BFH zunchst einmal unntige obiter dicta. Dem knnte entgegengehalten werden, dass nicht der argumentativ weitergehende Ausflug in die europarechtliche Anleihe tragend ist, sondern die kritisierte Verhltnisbestimmung zwischen § 42 AO und dem AStG. Erinnert sei in diesem Zusammenhang daran, dass ein weiteres DublinDocks-Revisionsverfahren noch beim II. Senat des BFH anhngig war: II R 15/0222. Diese Rechtssache betraf das Bewertungsrecht und musste sich deswegen nicht – jedenfalls nicht unmittelbar – mit dem Konkurrenzverhltnis zwischen § 42 AO und den Besonderheiten des Außensteuergesetzes in Bezug auf Kapitalanlagegesellschaften befassen.23 Letzteres ist insoweit nicht einschlgig. Man mag darin „unertrgliche Wertungswidersprche“ sehen.24 An dem vielleicht leidvollen Ergebnis ndert das jedoch letztlich nichts. Gerade weil der BFH ganz spezifisch zwischen § 42 AO und den sondergesetzlichen Missbrauchsvermeidungsvorschriften abgrenzt und den Gesetzgeber hinsichtlich der Sondervorschriften beim Wort nimmt, muss diesem jenseits der Sonderregeln freie Hand gewhrt werden. So gesehen kme es auf den weiterreichenden zweiten Begrndungsansatz zur Fernwirkung des „Inspire Art“-Urteils an.25 Insbesondere Peter Fischer26 strt sich aber dezidiert und unerbittlich an den steuerwirksamen Fernwirkungen, die der I. Senat des BFH den gesellschaftsrechtlich orientierten Aussagen des EuGH in der Sache „Inspire Art“ entnimmt. Genau in diesem Punkt liegt in der Tat die Weichenstellung. Nach meinem – allerdings sicherlich diskussionswrdigen – Verstndnis ist ein solcher Brckenschlag mglich und zulssig. Die Aussagen des EuGH verhindern eine durchgngige Schlechterstellung in- und auslndischer Kapitalgesellschaften. Macht man mit dieser Aussage ernst, dann kann die gesellschafts- und die steuerrechtliche Perspektive aber nicht auseinanderfallen. Interessant ist freilich, dass
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Wolf, IStR 2004, 532. Fischer, FR 2004, 1068. Vorinstanz FG Hamburg v. 6. 12. 2001 – VI 123/00, EFG 2002, 587. Was von der Vorinstanz allerdings nicht gesehen oder zumindest nicht problematisiert wurde. 24 So Vlker/Ldeke, IStR 2004, 749. 25 Die Finanzverwaltung hat dessen ungeachtet auch hier resigniert und dem Klageantrag entsprochen, vgl. IStR-Lnderbericht 3/2005, 1. 26 Fischer, FR 2004, 1068; zuletzt FR 2005, 457, 461 f.; s. auch FR 2005, 585.
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der franzsische Conseil d'tat die nationalen Missbrauchshrden in vergleichbaren Fllen soeben wieder betrchtlich hher gezogen hat.27 Vor dem Hintergrund dieser Diskussion lsst sich fr den Augenblick allenfalls ein Zwischenfazit ziehen und festhalten, dass die verbleibenden Rume fr § 42 AO enger werden drften, vielleicht aber auch – insbesondere durch Hinzufgung des Zeitmomentes – konturenschrfer. Allerdings bestehen insoweit ersichtlich grundstzliche Wertungswidersprche innerhalb des BFH, so erst soeben durch das BFH-Urteil vom 18. 3. 2004 – III R 25/0228 zur Zwischenschaltung einer GmbH zwecks „Abschirmung“ vor den steuerlichen beln des gewerblichen Grundstckshandels. 9. Dem Urteil ging ein Gerichtsbescheid voran. Dieser erstarkte in Urteilskraft, ohne dass seitens des Finanzamt oder des dem Verfahren beigetretenen BMF mndliche Verhandlung beantragt worden wre. Das verwundert, weil nicht zuletzt die BFH-Urteile vom 19. 1. 2000 – I R 94/97 und I R 117/97 (neben dem Dividendenstripping-Urteil vom 15. 12. 199929) Anlass fr die (fehlgeschlagene) Ergnzung des § 42 AO um einen Abs. 2 gaben. Der Nichtanwendungserlass des BMF vom 19. 3. 200130 gegen jene BFH-Urteile hat sich damit jedenfalls erledigt, da diese Urteile durch das Besprechungsurteil vollauf besttigt wurden. Dementsprechend helfen die Finanzmter einschlgigen Rechtsbehelfen nunmehr ab, vorausgesetzt, bei der in Irland residierenden Gesellschaft handelt es sich nicht um einen bloßen „Briefkasten“ und ein solcher ist nicht auf eine gewisse Dauer angelegt.31 Das bedeutet nicht, dass damit jeglicher Streit um die irischen Anlagegesellschaften ad acta gelegt wre: Es bleibt der Streit darum, ob der in Irland mgliche optionale Steuersatz von 30 v. H. eine „Steuer“ i. S. v. § 3 AO nach sich zieht oder ob darin lediglich ein „unverbindlicher“, freiwilliger Beitrag zu sehen ist, der die Hinzurechnungsbesteuerung gem. §§ 7 ff. AStG auslst.32 27 Vgl. zu den Nachweisen Richter, IStR-Lnderbericht 9/2004, 3. S. auch Erkenntnis des sterr. VwGH v. 9. 12. 2004 – 2002/14/0074 E, s. dazu M. Lang, SWI 2005, 67; P. Fischer, FR 2005, 585; N. Schmidt/Theiss, IStR 2005, 209. 28 BFH, Urt. v. 18. 3. 2004 – III R 25/02, BStBl. II 2004, 787; Gosch, StBp 2004, 241. 29 BFH, Urt. v. 15. 12. 1999 – I R 29/97, BStBl. II 2000, 527. 30 BMF v. 19. 3. 2001, BStBl. I 2001, 243. 31 BMF, Schr. v. 28. 12. 2004, BStBl. I 2005, 28; OFD Dsseldorf v. 13. 1. 2005, DB 2005, 198. 32 Vgl. einerseits BMF, Schr. v. 19. 3. 2001, BStBl. I 2001, 243; OFD Dsseldorf v. 13. 1. 2005, DB 2005, 198; andererseits FG Baden-Wrttemberg, Urt. v. 28. 10. 2004 – 6 K 170/02, IStR 2005, 92 mit Anm. Philipowski, Rev. Az. I R 124/04.
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II. Aktuelles zu Organschaftsfragen 1. Organschaft ber die Grenze und Meistbegnstigung Dass der BFH zur Auslegung unilateraler Vorschriften Anleihe bei Rechtserkenntnissen des EuGH sucht, hat sich krzlich auch hier besttigt, nmlich in Zusammenhang mit der Frage nach der Reichweite des Organschaftsteuerrechts ber die Grenze. Er hat Anfang 200333 entschieden, dass eine US-Delaware-Corp. mit tatschlichem Geschftsleitungssitz in Deutschland Organtrger im Rahmen eines national aufgelegten Organkreises sein kann. Selbstverstndlich war dies keineswegs, weil das Krperschaftsteuergesetz in seiner bisherigen Geltung die sog. doppelte Inlandsanbindung verlangte. Nunmehr verhlt es sich anders. Der Organtrger muss nicht mehr Sitz und Geschftsleitung im Inland haben. Es gengt die einfache Anbindung, dies allerdings um den Preis des Ausschlusses einer grenzberschreitenden doppelten Verlustnutzung. Ein negatives Einkommen des Organtrgers bleibt bei der deutschen Besteuerung unbercksichtigt, soweit es im Ausland bei einer der deutschen Besteuerung entsprechenden Besteuerung bercksichtigt wird. Zu letzterem ließe sich das eine oder das andere anmerken. An dieser Stelle interessiert indes nur, dass der BFH in jenem Urteil Anlehnung an der berseering-Entscheidung des EuGH gesucht und den auslndischen Rechtstrger auch nach alter Gesetzeslage als organtrgertauglich angesehen hat. Die zuziehende auslndische Kapitalgesellschaft darf unbeschadet des Postulats der sog. Sitztheorie nicht anders behandelt werden als die vergleichbare inlndische Gesellschaft. Das ergibt sich aus den DBA-Diskriminierungsverboten, Art. 24 OECD-MA. Mit dieser abkommensrechtlichen Verknpfung des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsschutzes sind im Schrifttum etliche Hoffnungen verbunden worden. Allseits wird daraus ein Meistbegnstigungseffekt abgeleitet, der es ermglicht, das EG-rechtliche Gleichbehandlungsgebot in den Außer-EG-Bereich auszudehnen. Mglicherweise bremst der BFH derartige Erwartungen aus. So hat er in seinem jngsten Urteil vom 19. 11. 2003 – I R 22/0234 einem US-Brger die Gewhrung des im EuGHUrteil „Gerritse“ eingeforderten Nettoprinzips versagt. Denn Abkommensschutz gewhre das DBA-USA in Art. 24 Abs. 1 nur bei Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehrigkeit, nicht aber bezogen auf den Wohnsitz. In jenem Streitfall war Vergtungsglubiger kein sog. Gebiets33 BFH, Urt. v. 29. 1. 2003 – I R 6/99, BStBl. II 2004, 1043. 34 BFH, Urt. v. 19. 11. 2003 – I R 22/02,BStBl. II 2004, 560.
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ansssiger, sondern ein US-Brger. Steuerpflichtigen mit verschiedener Ansssigkeit sind nach Art. 24 Abs. 1 OECD-MA aber von vornherein nicht gleich. Damit wird jedenfalls einer schrankenlosen „Meistbegnstigung“ aus Abkommenssicht ein Riegel vorgeschoben. Zugleich setzt sich der Senat erkennbar gegenber seinem Organschaftsurteil I R 6/9935 ab, das von der Finanzverwaltung ohnehin einmal mehr nicht angewandt wird36: Darin war zwar der Schutzzweck des Abkommens auf die inlndische Organgesellschaft einer US-Delaware-Gesellschaft ausgedehnt worden. Allerdings: Klgerin war dort nicht die Deleware-Gesellschaft, sondern deren inlndische Tochter-GmbH als prsumtive Organgesellschaft. Und fr diese Tochter-GmbH half Art. 24 Abs. 4 DBA-USA (als nur dort enthaltene und vom OECD-MA abweichende Sonderregelung) und damit das Verbot der indirekten Diskriminierung, wonach Unternehmen gleich zu behandeln sind, die im anderen Staat ansssigen Personen gehren. Letzte Klarheit besteht aber wohl noch nicht. Bejaht man nmlich den Gleichklang zwischen den gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten und den DBA-Staatsangehrigkeitsdiskriminierungsverboten, knnte in der Andersbehandlung desjenigen Steuerpflichtigen, der im anderen Vertragsstaat ansssig ist, doch eine Ungleichbehandlung liegen. hnliche Meistbegnstigungsprobleme werden sich ber kurz oder lang ohnehin aufgrund der auch auf Drittstaaten ausstrahlenden Kapitalverkehrsfreiheit37 ergeben. Insbesondere fr Sachverhalte innerhalb der EG ist die Frage derzeit offen. Im Hinblick auf Drittstaaten hat der BFH38 die Inanspruchnahme einer Meistbegnstigung soeben abgelehnt. 2. Rckwirkende Organschaftsbegrndung 2.1 Sachverhalt Im Urteil vom 17. 9. 2003 – I R 55/0239 hatte sich der BFH mit einer ursprnglichen GmbH & Co. KG beschftigen, die durch Gesellschafterbeschluss vom 5. 5. 1999 rckwirkend zum 31. 12. 1998 formwechselnd in eine GmbH umgewandelt worden war. Beherrschende Gesell-
35 BFH, Urt. v. 29. 1. 2003 – I R 6/99, BStBl. II 2004, 1043. 36 Mittlerweile aufgrund eines ausdrcklichen Nichtanwendungserlasses: BMF, Schr. v. 8. 12. 2004, BStBl. I 2004, 1193. 37 S. die beiden jngsten Vorabentscheidungsersuche des (schwedischen) Regeringsrtt v. 15. 10. 2004 – Az. EuGH C-101/05 und C-102/05, ABl. EU 2005, Nr. C 106, 19. 38 BFH, Urt. v. 26. 5. 2004 – I R 54/03, BStBl. II 2004, 767. 39 BFH, Urt. v. 17. 9. 2003 – I R 55/02, BStBl. II 2004, 534.
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schafterin der Klgerin war seitdem mit einer Beteiligung eine AG, die zuvor mehrheitlich sowohl das Kommanditkapital der GmbH & Co. KG als auch die Anteile der Komplementr-GmbH hielt. Zwischen den Beteiligten war unstreitig, dass die Klgerin im gesamten Streitjahr 1999 die Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung erfllte. Streitig war aber, ob die Klgerin infolge des von ihr gestellten Antrages auf Rckbeziehung des steuerlichen bertragungsstichtages gem. § 25 i. V. m. § 20 Abs. 7 Satz 1 und Abs. 8 Satz 1 UmwStG bereits mit Wirkung vom 1. 1. 1999 an als Organgesellschaft der AG angesehen werden konnte. Vom FA wurde das verneint. 2.2 Entscheidung Der BFH gab der Klgerin Recht. a) Die Umwandlung einer bisherigen Personen- in eine nunmehrige Kapitalgesellschaft kann gem. § 2 Abs. 1, § 25 i. V. m. § 20 Abs. 7 Satz 1 und Abs. 8 Satz 1 UmwStG 1995 bis zu acht Monate rckbezogen werden. Das deckt sich mit den handelsrechtlichen Vorgaben und knpft an diese an. Denn danach gilt als Umwandlungsstichtag der Stichtag der handelsrechtlichen Schlussbilanz, welcher seinerseits maximal acht Monate vor der Anmeldung der Umwandlung beim Registergericht liegen darf, § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG. Der innerhalb dieses Zeitfensters gewhlte Umwandlungsstichtag ist sowohl fr die Besteuerung der bertragenden wie der bernehmenden Gesellschaft als auch fr deren Gesellschafter maßgeblich. Die Begrndung einer (krperschaft- ebenso wie gewerbesteuerrechtlichen) Organschaft erfordert wiederum, dass die Eingliederungsvoraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 KStG a. F., § 14 Abs. 1 Nr. 1 KStG n. F., fr die Gewerbesteuer i. V. mit § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG, von Beginn des Wirtschaftsjahres an ununterbrochen vorliegen. Die Frage, die sich stellt, ist nun jene, ob sich beide Normkomplexe miteinander „kombinieren“ lassen und ob eine Organschaft zwischen einer Obergesellschaft als Organtrgerin und einer Beteiligungsgesellschaft als Organgesellschaft durch rckwirkende Umwandlung der Beteiligungsgesellschaft von einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft begrndet werden kann. b) Die Finanzverwaltung gibt im sog. Umwandlungserlass40 zu erkennen, dass ihr solche Gestaltungen zu weit gehen und dass sie dies fr 40 Umwandlungserlass v. 25. 3. 1998, BStBl. I 1998, 268 Tz. Org. 05, Org. 13 und Org. 18.
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ausgeschlossen erachtet. Begrndet wird dies letzten Endes damit, dass es sich bei den Organschaftsvoraussetzungen, insbesondere bei den Eingliederungserfordernissen um tatschliche Merkmale handele, die sich faktisch nicht rckbeziehen ließen. Zum bertragungsstichtag habe die als Organgesellschaft „bestimmte“ Kapitalgesellschaft als solche berdies noch gar nicht existiert. Dieses Manko knne nicht mit den umwandlungssteuerrechtlichen Spezifika berspielt werden. c) Der BFH sieht dies anders: Zwar verbte es sich in der Tat, die tatschlichen Eingliederungsvoraussetzungen, frher also die wirtschaftliche und die organisatorische Eingliederung, rckzubeziehen oder zu fingieren. Sie mssten tatschlich vorliegen und auch in dem Rckbeziehungszeitraum vorgelegen haben. Bezogen auf die Existenz der Kapitalgesellschaft gelte dies jedoch nicht. Diese werde in ertragsteuerrechtlicher Hinsicht durch die rckwirkende Umwandlung sehr wohl fingiert, z. B. dadurch, dass die „neue“ Kapitalgesellschaft rckwirkend als krperschaft- und gewerbesteuerpflichtig angesehen wrde, § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Dann knne aus organschaftlicher Sicht, fr die § 17 Abs. 1 KStG die Kapitalgesellschaft ausdrcklich als taugliche Organgesellschaft bestimme, im Ergebnis aber nichts anderes gelten. Mit anderen Worten: Die ertragsteuerrechtlichen Konsequenzen der im UmwStG ermglichten Rckwirkung mssten „ganzheitlich“ und damit auch fr das Organschaftsrecht gezogen werden. 2.3 Anmerkungen Das Urteil hat grßere Wirkung, als man zunchst vielleicht in Anbetracht des Vorbehalts betreffend die tatschlichen Eingliederungsmerkmale und die insoweit geschilderten Besonderheiten des streitigen Sachverhaltes meinen mchte: 1. Denn auf die Erfordernisse einer wirtschaftlichen und einer organisatorischen Eingliederung wird nach derzeitiger Regelungsfassung des § 14 KStG und § 2 Abs. 2 GewStG verzichtet. Es kann fortan unter vergleichbaren Umstnden nur noch darauf ankommen, ob die finanzielle Eingliederung rckbezogen werden kann. Die Finanzverwaltung scheint dies bislang bejaht zu haben, hat sie sich in Org. 05 und Org. 13 des Umwandlungssteuererlasses41 doch nur zur wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung geußert, welche nicht fiktiv rckwirken knne. In zwei – zwischenzeitlich allerdings aufgehobenen – OFD-Ver41 BMF, Schr. v. 25. 3. 1998, BStBl. I 1998, 268.
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fgungen kam die Einschrnkung zugunsten der finanziellen Eingliederung sogar explizit zum Ausdruck42. Wenn dies aber richtig ist, dann luft der im Urteil enthaltene Vorbehalt, dass „jedenfalls“ die Eingliederungsvoraussetzungen im bertragungsstichtag tatschlich vorgelegen haben mssen und dass diese sich sozusagen nicht „zurckbeamen“ lassen, fr die steuerliche Gegenwart ins Leere. Dann wre die „rckwirkende Organschaft“ letztlich vorbehaltlos anzuerkennen. Sie bte sich namentlich bei unterjhrigem Beteiligungserwerb als Handlungsalternative zur zeitlich erwerbsnahen Umstellung des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an43. 2. Allerdings hat das BMF bereits beizeiten „vorgesorgt“: Es hat unverzglich reagiert und im Schreiben vom 26. 8. 200344 eine gewissermaßen vorgreifliche Nichtanwendung verfgt45. Die rckwirkende Begrndung eines Organschaftsverhltnisses soll danach generell ausgeschlossen sein, denn auch die Rckbeziehung der finanziellen Eingliederung sei nicht zulssig. Die besagte Tz. Org. 05 des Umwandlungssteuererlasses „gilt fr die finanzielle Eingliederung entsprechend“. Mittlerweile hat das BMF einen vielleicht etwas ungewhnlichen, fast kryptisch anmutenden Nichtanwendungserlass46 in die Welt gesetzt, wonach das Urteil des BFH „ber den entschiedenen Einzelfall hinaus nur anzuwenden sein soll, wenn der Sachverhalt jenem entspricht, der dem Urteil zugrunde lag.“ In den Fllen der Abspaltung, Ausgliederung oder Einbringung eines Teilbetriebes des Organtrgers unter Abschluss eines Abfhrungsvertrages mit der neu gegrndeten Tochtergesellschaft soll die rckwirkende Begrndung des Organschaftsverhltnisses nicht mglich sein. Das entspricht im Ausgangspunkt jenen berlegungen, die vor einiger Zeit Dtsch47 angestellt hat: Der Rckbezug der Organschaft wird steuerlich in Fallgestaltungen anerkannt, bei denen die bisherige Muttergesellschaft umgewandelt wird, die Tochterbeteiligung auf die bernehmerin bergeht und die bernehmende Muttergesellschaft als neuer Organtrger in den weiterbestehenden EAV eintritt. Auch wenn die Tochterbeteiligung in eine andere Gesellschaft einge42 OFD Frankfurt v. 19. 12. 2000, GmbHR 2001, 163; OFD Magdeburg v. 19. 12. 2002, FR 2002, 1036. 43 Siehe zu alledem Haun/Reiser, BB 2002, 2257; Baldamus, Der Konzern 2003, 813; Gosch, StBp 2004, 27. 44 BMF, Schr. v. 26. 8. 2003, BStBl. I 2003, 434 Tz. 12. 45 Siehe auch OFD Magdeburg, Verfgung v. 3. 9. 2003 – S 2770 – 22 – St 215. 46 BMF, Nichtanwendungserlass v. 24. 5. 2004, BStBl. I 2004, 549. 47 Dtsch, Der Konzern 2004, 273.
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bracht und zu dieser die Organschaft fortgefhrt oder neu begrndet wird, wird offenbar eine Anschlussorganschaft akzeptiert, vorausgesetzt, der EAV wird noch im selben Jahr abgeschlossen. Nur dann, wenn die Tochtergesellschaft zuvor nicht existierte und sie neu begrndet wurde, wird eine Rckwirkung als unmglich erachtet. Die literarischen ußerungen zu dem BFH-Urteil weichen hiervon ab. Durchweg wird die rckwirkende Anerkennung der Organschaft als sachgerecht und zwingend erachtet. Auch Dtsch48 hatte sich differenziert geußert und angemahnt, die Finanzverwaltung solle ihre Haltung zur rckwirkenden Anerkennung der Organschaft in den besagten Fllen der Abspaltung, Ausgliederung oder Einbringung des Teilbetriebs des Organtrgers auf eine neu gegrndete Tochtergesellschaft berdenken. Er argumentiert dabei aus dem Aspekt einer Art a maiore ad minus: Wenn die Rckwirkung in Fllen des Formwechsels akzeptiert werden, so msse dies erst recht fr die Ausgliederung, Abspaltung oder Einbringung eines Teilbetriebs als die am weitesten gehende Form der Eingliederung berhaupt gelten. Herlinghaus hat sich dem in einer umfassenden und grndlichen Analyse der Rechtslage angeschlossen49. Er erkennt den tragenden Differenzierungsgrund in der Unterscheidung zwischen der – schlichten – rckwirkenden Zurechnung der Eingliederungsmerkmale auf den legitimen Gesamtrechtsnachfolger einerseits und der „echten“ Rckbeziehung' dieser Merkmale andererseits. Um eine solche echte Rckbeziehung handele es sich aber strenggenommen selbst bei der Neubegrndung eines Organschaftsverhltnisses in Verschmelzungsfllen nicht. Herlinghaus greift damit das schon vom BFH erwogene Argument auf, dass die Rckwirkungsfiktion auch dann greift, wenn bei Verschmelzungen einer oder mehrerer Kapital- oder Personengesellschaften eine neugegrndeter Kapitalgesellschaft zum bertragungsstichtag noch gar nicht existent war. Dem ist beizupflichten: Die Rckwirkungsfiktion erstreckt sich erklrtermaßen auf die Ermittlung des Einkommens beider umwandlungsbeteiligten Gesellschaften und wirkt sozusagen raumgreifend. Sie „berspielt“ den Umstand, dass die im Zuge der Umwandlung neu errichtete Kapitalgesellschaft in dem fiktiv rckwirkenden Zeitpunkt nicht existent war und unterwirft diese der Steuerpflicht. Ausschttungen, die nach dem bertragungsstichtag beschlossen werden, sind solche der bernehmenden Gesellschaft. Geht man aber diesen ersten Schritt, so 48 Dtsch, Der Konzern 2004, 273. 49 Herlinghaus, FR 2004, 974.
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ist es nur folgerichtig, diesem den zweiten Schritt folgen und auch die finanzielle Eingliederung anzunehmen. Dass dies nur eine Frage der rckwirkenden Zurechnung sein soll, will mir zwar nicht so recht einleuchten, ndert am Ergebnis jedoch nichts. Ausschlaggebend ist, dass die finanzielle Eingliederung „rckwirkungsfhig“, weil nicht tatschlicher, sondern rechtlicher Natur ist. Es handelt sich hierbei – wie ich meine: eindeutig – um eine steuerrechtliche Kategorie, die einer Rckbeziehung prinzipiell zugnglich ist. Denn § 14 Abs. 1 KStG verlangt hierfr lediglich eine Beteiligung in Hhe der Mehrheit der Stimmrechte, die tatschliche Stimmrechtsausbung ist irrelevant50. Letztlich hat das auch der BFH in seinem Urteil angedeutet, wenn es dort auch nicht ganz zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht worden ist.51 Es ist jedoch – das lehrt die Erfahrung – zu erwarten, dass sich die Sichtweise der Finanzverwaltung ber kurz oder lang im Gesetz selbst explizit wiederfinden wird. 3. „Infektion“ der Steuerbefreiung im Organkreis Der Fall, den der BFH am 4. 6. 200352 zu entscheiden hatte, ist vielleicht seiner Gestaltung nach etwas untypisch. Dennoch verdient er Beachtung. Es ging hierbei um die Frage, ob die Steuerbefreiung der einen Organgesellschaft auf die andere, als solche nicht befreite Organgesellschaft durchschlgt. Konkret wurde eine Klinik betrieben und ergab sich die Befreiung aus § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG. Die erbrachten Leistungen seien, so die Organtrgerin wegen der vorliegenden gewerbesteuerlichen Organschaft eng miteinander verbunden, weshalb die Befreiungsvoraussetzungen des § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG sozusagen durchschlgen. Der BFH hat einer derartigen „Infizierung“ der steuerbefreienden Merkmale jedoch abgelehnt: Jedes Organunternehmen sei steuerlich fr sich zu betrachten. Erflle eines dieser Unternehmen die Voraussetzungen fr eine Steuerbefreiung, dann knne das andere Unternehmen davon nicht profitieren, auch dann nicht, wenn sich die Ttigkeiten beider 50 Vgl. ebenso z. B. Walter/Gtz, GmbHR 2001, 619; Sinewe, GmbHR 2002, 481; ders., GmbHR 2004, 62. 51 Lieber, FR 2004, 38, 39 weist ergnzend auf den funktionalen Charakter der finanziellen Eingliederung hin: Vor Ausgliederung sei die Stimmrechtsmehrheit an dem noch nicht ausgegliederten Teilbetrieb in seiner strksten Form gesichert. Siehe auch Frster in Herzig, Organschaft, S. 83. 52 BFH, Urt. v. 4. 6. 2003 – I R 100/01, BStBl. II 2004, 244.
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Gesellschaften gegenseitig ergnzten. Auch dass es gestalterisch mglich gewesen wre, dass der Organtrger die steuerbefreiten Aktivitten selbst nachgegangen wre, strte den BFH nicht. Ein solcher Weg sei gangbar, allerdings werde nur jener Weg besteuert, der tatschlich beschritten worden sei. Fr die Praxis liegt die weiterfhrende Erkenntnis darin, dass die Rechtsprechung die „Einheitsbetrachtung“ im Organkreis stringent „durchzieht“. Der „Bruch“ besteht allein in der schlussendlichen Zusammenrechnung der einzelnen Gewerbeertrge, die aber jeweils isoliert fr jede Organgesellschaft zu ermitteln sind. Weiterfhrend ist jedoch auch noch ein anderer Aspekt: Der VIII. Senat des BFH hat im Urteil vom 19. 3. 2002 – VIII R 57/9953 entschieden, dass im Rahmen einer Betriebsaufspaltung in hnlicher Weise auch die Gewerbesteuerbefreiung einer Betriebsgesellschaft nicht die Besitzgesellschaft „infiziere“. Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG zwar nicht angenommen. Dennoch ist dieses Urteil zur „Merkmalbertragung bei der Betriebsaufspaltung“ zu Recht in das Kreuzfeuer der Kritik geraten.54 Die Frage liegt zwischenzeitlich dem Großen Senat des BFH zur Entscheidung vor.55 Wichtig ist, dass das hier vorgestellte Urteil des I. Senats einer solchen Rechtsprechungsnderung nicht im Wege stnde. Die Sachverhalte lassen sich nicht vergleichen. Unbeantwortet blieb die Frage, ob die steuerbefreite GmbH berhaupt taugliche Organgesellschaft sein kann56. Ebenso konnte dahinstehen, ob die Steuerfreiheit infolge ihrer organschaftlichen Eingliederung in den Betrieb der gewerblichen Obergesellschaft verlorenging. Ich neige dazu, zumindest die erste dieser Fragen zu bejahen. 4. Verlustabzug und Verlustabzugsbeschrnkung im Organkreis Die zu versteuernden Einkommen von Organtrger und Organgesellschaft werden strikt getrennt ermittelt. Beide Gesellschaften behalten ihren Status als selbstndige Besteuerungssubjekte bei. Das Einkommen der Organgesellschaft wird dem Organtrger allerdings als fremdes Ein53 BFH, Urt. v. 19. 3. 2002 – VIII R 57/99, BStBl. II 2002, 662. 54 Vgl. Seer, BB 2002, 1833; Gosch, StBp 2002, 216; Seer/Sffing, DB 2003, 2457; Dren, GmbHR 2005, 69. 55 BFH, Beschl. v. 12. 5. 2004 – X R 59/00, BStBl. II 2004, 607. 56 Vgl. – diese Rechtsfrage im Ergebnis gleichermaßen offenlassend – BFH, Urt. v. 9. 10. 1974 – I R 5/73, BStBl. II 1975, 179; siehe allgemein zum Streitstand z. B. Walter in Ernst & Young, KStG, § 14 KStG Rz. 96 ff.
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kommen fr Zwecke der Besteuerung zugerechnet. Diese Gebrochenheit der Einheitstheorie zeigt allerdings weitere Brche, wenn es um Verluste geht. Die Finanzverwaltung praktiziert hier eine Einheitsbetrachtung, soweit es um Verluste der Organgesellschaft und in diesem Zusammenhang um die Verlustbeschrnkungen des § 8 Abs. 4 KStG geht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift, deren rechtspolitische Zielsetzung zwischen spezieller Missbrauchsverhinderung und genereller Verlustabzugsbeschrnkung einigermaßen im Diffusen bleibt57, sind allgemein bekannt. Es geht – erstens – um die bertragung von mehr als 50% der Anteile an der Verlust-Kapitalgesellschaft und – zweitens – um die Fortfhrung oder Wiederaufnahme ihrs Geschftsbetriebs mit berwiegend neuem Betriebsvermgen. Dieses zweite einschrnkende Merkmal wird seitens der Verwaltung auf die Gesamtheit der verbundenen Unternehmen bezogen. Ich habe betrchtliche Zweifel, ob sich fr diese Handhabung im geltenden Recht eine Grundlage finden lsst. Soweit eine solche in dem gesamtkonzeptionellen Zusammenwirken des § 14 KStG gesehen wird, reicht dieser Gedanke nach meinem Dafrhalten nicht aus, um die tatbestandliche Erfordernisse des § 8 Abs. 4 KStG ohne weiteres steuersubjektbergreifend wirken zu lassen. Ein Konzeptgedanke ersetzt gemeinhin kein Gesetz. Auch die salvierende berlegung, dass sich die Einheitsbetrachtung je nach Sachverhaltsgestaltung fr den Steuerpflichtigen als gnstig oder als ungnstig herausstellen kann, ndert daran nichts. Eine derartige Begnstigungstheorie ist dem steuerlichen Eingriffsrecht unbekannt. Zuzugestehen ist der Verwaltung allerdings, dass ein abweichendes Verstndnis zu unsachgerechten Ergebnissen fhren kann. Denn die Verrechnung der im Organkreis aufgelaufenen Verluste beim Organtrger wre gewissermaßen unvollstndig und wrde sich als kupiert darstellen, wenn man die Verlustbeschrnkungen auf dieser Ebene des Organtrgers unbercksichtigt ließe. Dennoch bleibt Grundlage und Konsequenz auseinanderzuhalten. Folgt man aber der Finanzverwaltung in ihrer Annahme des verlustverrechnungsbergreifenden Einheitsgedankens, dann strahlen die doch betrchtlichen Rechtsungewissheiten, die derzeit immer noch fr die Auslagerung des § 8 Abs. 4 KStG zu konstatieren sind, auf den Organkreis aus. Das betrifft vor allem die Frage nach der Zufhrung neuen Betriebsvermgens. Das Betriebsvermgen des Organtrgers wird im Ergebnis durch das aktive Betriebsvermgen der Organgesellschaften erhht. Die-
57 Herzig in Lehner (Hrsg.), Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 37, 42.
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ses tritt an die Stelle des Beteiligungsansatzes. Dadurch erhht sich einerseits der Ausgangswert, der als Vergleichsgrße fr das zugefhrte neue Betriebsvermgen wirkt. Andererseits schlgt die Zufhrung jedwelchen neuen Betriebsvermgens bei der Organgesellschaft auf den Organtrger durch. Wann das der Fall ist, ist wie gesagt ungewiss. Fr den Augenblick ist festzuhalten: Der BFH vertritt in seinen bislang ergangenen beiden Entscheidungen58 eine strikt gegenstndliche Betrachtungsweise, die darauf hinausluft, dass jede Zufhrung neuen Betriebsvermgens – bezogen auf das einzelnen Wirtschaftsgut – schdlich ist. Herzig hat dieses Urteil als „Schlaglicht auf die Rechtswirklichkeit“ apostrophiert.59 Die Finanzverwaltung wendet diese ihr an sich gnstige Rechtsprechung jedenfalls nicht an. Solange die Betriebsvermgenszufuhr nicht mit einem Branchenwechsel verbunden ist, favorisiert sie wie zuvor eine saldierende Behandlung. Der BFH60 hat dem jngst – und ohne seine gegenstndliche Sicht der Dinge im Kern aufzugeben – fr einen Sonderfall entsprochen, in dem es um den gegenstndlichen Austausch von Bankguthaben gegen Wertpapiere ging. berdies stand in diesem Verfahren die Frage nach dem relevanten Zeitrahmen fr die Verwirklichung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG. Konkret ging es dort um eine Zeitspanne von rund neun Jahren, in denen der BFH einen zeitlichen Zusammenhang nicht mehr erkennen konnte.61 Ob die Verwaltung den von ihr beschrittenen Weg der Einheitsbetrachtung nur auf den Bereich des sog. sachlichen Substrats oder aber auf alle tatbestandlichen Erfordernisse des § 8 Abs. 4 KStG erstrecken will, ist nicht eindeutig. Es wre aber nur konsequent. Das wiederum htte zur Folge, dass jegliche personellen Vernderungen nicht nur auf der Ebene des Organtrgers, sondern auch der Organgesellschaft jenseits der 50%Grenzschwelle des § 8 Abs. 4 KStG als schdlich auf den Organkreis durchschlagen knnen. Was die Rechtsprechung des BFH anbelangt, kann auch dazu derzeit nur auf den Status quo hingewiesen werden, wonach abermals ein recht formaler Ansatz verfolgt wird. Der BFH lsst 58 BFH, Urt. v. 13. 8. 1997 – I R 89/96, BStBl. II 1997, 829; v. 8. 8. 2001 – I R 29/ 00, BStBl. II 2002, 392; s. auch BFH, Beschl. v. 19. 12. 2001 – I R 58/01, BStBl. II 2002, 395; v. 4. 9. 2002 – I R 78/01, BFH/NV 2003, 348. 59 Herzig in Lehner (Hrsg.), Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 37, 43. 60 BFH, Urt. v. 26. 5. 2004 – I R 112/03, BStBl. II 2004, 1085. 61 S. zwischenzeitlich auch den Beschl. v. 15. 12. 2004 – I B 115/04, DStR 2005, 517, in dem der BFH auch eine Zeitspanne von 3 1/2 Jahren als unzulnglich ansieht, dies allerdings nur nach summarischer Prfung im AdV-Verfahren.
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lediglich mittelbare Anteilsverußerungen, also solche auf einer „hheren“ Beteiligungsebene, nicht gengen, um den Verlust der wirtschaftlichen Identitt herbeizufhren. Er hat umgekehrt Vernderungen auf der unteren Beteiligungsebene als strend angesehen, und das selbst dann, wenn lediglich eine als solche transparente Personengesellschaft vorgeschaltet wird. berdies wird die Existenz einer ffnungs- oder Konzernklausel schlicht verneint. Letzten Endes geht es nach Auffassung des BFH um die Kapitalgesellschaft „als solche“, deren Identitt „fr sich genommen“ und deshalb im Grundsatz losgelst von den Personen ihrer Anteilseigner zu bestimmen sei. Wenn das Gesetz gleichwohl auf diese Personen „berspringe“ und sich deren bediene, um die Identittsfrage zu beantworten, dann msse dieser Umstand, so der BFH, strikt und restriktiv auf jene Sachverhalte beschrnkt bleiben, die das Gesetz tatschlich regele. Mehrstufige Beteiligungsverhltnisse wrden aber explizit nicht angesprochen. Weil der Hauptanwendungsfall des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG ein Regelbeispiel enthlt („insbesondere“), muss sich auch die Generalklausel des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG an diesen Vorgaben messen lassen: Wird dort nur die unmittelbare Anteilseignerebene angesprochen, dann kann es hier nicht anders sein. § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG legt in gewisser Weise die „Rahmenbedingungen“ fr die Auffangregelung in § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG fest. Unabhngig von diesen Ergebnissen ist es vor allem die organschaftseigene Verlustbeschrnkungsvorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG – die Verhinderung des sog. double dip –, welche erhebliche vor allem europarechtliche Bedenken aufwirft. Es erscheint – ohne dass dies an dieser Stelle weiter vertieft werden knnte, schwerlich vorstellbar, dass sie unangefochten den gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungstest bestehen wird.62 Aufschluss werden die diversen derzeit beim EuGH anhngigen Verfahren bringen, so das vom Sachverhalt her womglich etwas problematische63 Vorabentscheidungsersuchen des BFH zur Verlustabzugsbeschrnkung nach § 2a Abs. 1 Nr. 6 EStG a. F. in der Sache Ritter-Coulais64, das neuerliche gleichgelagerte Ersuchen des FG Kln vom 15. 7. 200465, vor
62 Ausfhrlich m. w. N. Ldicke in Herzig (Hrsg.), Organschaft, FS Thiel, 2003, S. 436 ff., 458 f. 63 Dazu Cordewener, IStR 2003, 413. 64 BFH, Beschl. v. 18. 12. 2002 – I R 13/02, BStBl. II 2003, 795; Az. EuGH C-152/ 03. Die mndliche Verhandlung in dieser Sache fand am 12. 10. 2004 statt; die Schlussantrge des Generalanwalts wurden am 1. 3. 2005 gestellt. 65 FG Kln, Beschl. v. 15. 7. 2004 – 13 K 1908/00, EFG 2004, 1609, Az. EuGH C292/04.
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allem aber die Vorlage des High Court66 in der Sache Marks and Spencer zum britischen System des sog. Group relief. Danach knnen von der inlndischen Muttergesellschaft zwar Verluste inlndischer, nicht jedoch auslndischer Tochtergesellschaft abgezogen werden. Zuzugestehen ist, dass etwaige Gewinne der Tochtergesellschaft nur im Ausland, nicht aber im Inland besteuert werden knnen. Aus der allein maßgeblichen Sicht der Muttergesellschaft spielt dieser Umstand aber keine Rolle. Die Befrchtung des Double Dip kann kaum als tauglicher Rechtfertigungsgrund herhalten, schließlich besteht ebensogut die Gefahr der doppelten Gewinnbesteuerung. Schließlich seien in diesem Zusammenhang nochmals die abkommensrechtlichen Vorgaben fr die Verlustbehandlung betont. Es ist daran zu erinnern, dass der BFH in seiner stndigen Rechtsprechung67 sowohl Gewinne als auch Verluste als von der Freistellung des Art. 23 A OECD-MA erfasst ansieht. Das wurde und wird immer wieder mit den bekannten Argumenten in Zweifel gezogen68. Betont wird namentlich die sog. Schrankenwirkung der DBA und ihre strukturell steuerbefreiende, nicht steuerbegrndende Funktion. Ich erkenne hier aber momentan dennoch keine Tendenz zu einem Rechtsprechungswandel. Abschließend noch ein Hinweis auf die Frage des Verlustabzugs bei der zwischenzeitlich abgeschafften Mehrmtterorganschaft: Im Jahre 2001 – am 20. 12. durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts –, hatte der Gesetzgeber bekanntlich den Rechtszustand vor Ergehen der BFH-Urteile vom 9. 6. 1999 wieder hergestellt, und zwar auch fr Zeitrume vor 2000.69 Das Organschaftsverhltnis konnte danach nur zwischen der zwischengeschalteten Willensbildungs-GbR und der Organgesellschaft gebildet werden, nicht aber zu den GbR-Gesellschafter-Mttern. Das schottete den Verlustabzug ab und fhrte nach Auflsung der GbR zu dessen Verlust. Hierzu sind einige Revisionen anhngig, von denen die Sache I R 1/04 besondere Erwhnung verdient. Das FG Mnchen70 hat als Vorinstanz die durchaus kreative 66 EuGH, Beschl. v. 2. 5. 2003 – EuGH C-446/03, ABl EG Nr. C-304, 18; dazu Drr, IStR 2004, 265. Die mndliche Verhandlung in dieser Sache hat im Feburar 2005 vor dem EuGH stattgefunden. 67 Z. B. BFH, Urt. v. 17. 10. 1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136. 68 Z. B. von Kessler in Lehner (Hrsg.), Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 83; ders., Inlndische Bercksichtigung auslndischer Betriebsstttenverluste, IFSt-Schrift Nr. 421/2004, S. 16 ff. m. w. N. 69 Vgl. § 36 Abs. 2 Satz 3 GewStG, § 14 Abs. 2 i. d. F. von § 34 Abs. 9 Nr. 1 KStG. 70 FG Mnchen, Urt. v. 19. 11. 2003 – 7 K 3723/03, EFG 2004, 412.
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These aufgestellt, die in § 14 Abs. 2 i. d. F. von § 34 Abs. 9 Nr. 1 KStG bestimmte Fiktion der Gewerblichkeit bezogen auf die GbR betreffe nur den Zeitraum des bestehenden Organkreises. Fr die Zeit danach finde bei sachgerechter Auslegung § 10a GewStG uneingeschrnkte Anwendung, so dass jedenfalls bei einer aufgelsten GbR – Unternehmer- und Unternehmensidentitt vorausgesetzt – der Verlustabzug ermglicht werde.
III. Verfahrensrechtliche Verknpfungen beim Verlustabzug, im Organkreis und bei der rckwirkenden Krperschaftsteueranrechnung Aus aktuellen Entscheidungen des BFH wie des EuGH resultieren drei praxisrelevante Verfahrensaspekte. 1. Zunchst nochmals zum Verlustabzug. Mit Urteil vom 22. 10. 2003 – I R 18/0271 hat der BFH entschieden, dass im Rahmen der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auch ber die Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG zu entscheiden ist. Gegenstand der gesonderten Feststellung sei jedenfalls bei gleichbleibender Gesetzeslage nicht nur die „nackte“ Hhe des Verlustvortrages, sondern dessen qualifizierte Hhe, nmlich jene nach Maßgabe der steuerlichen Abzugsfhigkeit. Das heißt zugleich, dass die Verlustabzugsbeschrnkung nicht nur die Ermittlung des krperschaftsteuerlichen Einkommens betrifft.72 Praktisch bedeutet dies, dass das Finanzamt zu jedem Feststellungszeitpunkt abschließend darber entscheiden muss, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG vorliegen. Gerade in Anbetracht der besagten Einheitsbehandlung im Organkreis kann dies Schwierigkeiten bereiten, falls die Bescheide nicht unter Vorbehalt der Nachprfung gestellt werden. Andernfalls ist eine sptere Korrektur des festgestellten Betrages zumeist ausgeschlossen. Verfahrensrechtliche Hindernisse knnen sich in Einzelfllen auch auftun, folgt man der Finanzverwaltung darin, dass es sich bei § 8 Abs. 4 KStG um einen gestreckten Tatbestand handelt, der den Verlustabzug auch dann ausschließt, wenn zwischen der schdlichen Anteilsverußerung und der schdlichen Zufhrung neuen Betriebsvermgens fnf Jahre liegen.73 Man denke auch 71 BFH, Urt. v. 22. 10. 2003 – I R 18/02, BStBl. II 2004, 468. 72 OFD Magdeburg v. 19. 7. 2004, FR 2004, 1027. 73 BMF v. 16. 4. 1999, BStBl. I 1999, 455 Tz. 12, dort Satz 2; a. A. z. B. B. Lang in Ernst & Young, a. a. O., § 8 Rz. 1277.1, 1280.2 f.
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an den Fall, dass zunchst lediglich, fr die Tatbestandserfllung des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG aber ausreichend, unter Zufhrung neuen Betriebsvermgens das wirtschaftliche Eigentum an den Kapitalanteilen bergeht und der formale bergang erst im Anschlussjahr nachfolgt. In all diesen Fllen mssen bereits ergangene Feststellungsbescheide rckwirkend gendert werden (vgl. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO). Da die Feststellungsbescheide jeweils fr den nachfolgenden Feststellungsbescheid ebenso wie fr den Krperschaftsteuerbescheid verbindlich sind (vgl. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO), bedarf es ggf. einer Kettennderung, wobei die nderungsbescheide jeweils gesondert vom Steuerpflichtigen anzufechten wren. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob die Finanzmter insoweit immer konsequent verfahren. Oft werden sie von der gebotenen rckwirkenden nderung der Feststellungsbescheide absehen und (flschlicherweise) unmittelbar die Steuerbescheide korrigieren. 2. Der zweite Verfahrensrechtsaspekt betrifft das Urteil vom 28. 1. 2004 – I R 84/0374. Er zeigt wieder die „Gebrochenheit“ des organschaftlichen Einheitsgedankens. Es ging hierbei um die Frage, welche Wirkkraft einem genderten Steuerbescheid zukommt, der gegenber der Organgesellschaft ergeht, nachdem deren Einkommen dem Organtrger zugerechnet wurde und der ihm gegenber ergangene Steuerbescheid Bestandskraft erlangt hat. Der BFH hat jegliche verfahrensrechtliche Verbindung zwischen diesen beiden Bescheiden verneint. a) Ausgangspunkt seiner Entscheidung war wiederum die Einheitsthese, also die Zusammenfassung der Einkommen beim Organtrger und bei diesem die anschließende Einkommensbereinigung zur Vermeidung einer doppelten steuerlichen Erfassung. Nur soweit die Organgesellschaft noch ber eigenes, nicht abzufhrendes Einkommen verfgt, ergeht ihr gegenber ein positiver Krperschaftsteuerbescheid. Andernfalls lautet dieser auf null. Bei der Gewerbesteuer verhlt es sich hnlich, nur dass hier fr die Organgesellschaft kraft Gesetzes (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) die Funktion einer Betriebssttte fingiert wird, was ihr eigenes gewerbesteuerliches „Verschwinden“ zur Folge hat. b) Vor diesem Hintergrund ist § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht einschlgig. Der Steuerbescheid gegenber der Organgesellschaft entfaltet fr den Steuerbescheid des Organtrgers keine Grundlagenfunktion (i. S. von § 171 Abs. 10 AO). Zwar wird das fr die Besteuerung des
74 BFH, Urt. v. 28. 1. 2004 – I R 84/03, BStBl. II 2004, 539.
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Organtrgers zustndige Finanzamt das von dem fr die Besteuerung der Organgesellschaft fr diese ermittelte und ihm mitgeteilte Einkommen gemeinhin ungeprft bernehmen. Dennoch gehen die (Teil-)Einkommen der Organgesellschaft und des Organtrgers (nur) als unselbstndige Besteuerungsmerkmale in ein einheitliches Gesamteinkommen ein, welches vom Organtrger zu versteuern ist. Die Ermittlung des Einkommens bei der Organgesellschaft ist fr den Organtrger ebenso wenig wie ein etwaiger der Organgesellschaft gegenber ergangener Steuerbescheid bindend. Es fehlt an einer dafr erforderlichen gesetzgeberischen Verfahrensentscheidung. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG kann eine derartige gesetzgeberische Entscheidung nicht ersetzen; hierdurch wird lediglich materiell-rechtlich bestimmt, dass das Einkommen der Organgesellschaft an den Organtrger abzufhren und diesem zuzurechnen ist. Die insoweit vertretene Gegenmeinung75 wurde vom BFH – wie ich meine: zu Recht – verworfen. c) Eine nderung der dem Organtrger gegenber ergangenen Steuerfestsetzung kann auch nicht auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gesttzt werden. Denn danach ist ein Steuerbescheid (nur dann) zu erlassen, aufzuheben oder zu ndern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung fr die Vergangenheit hat (rckwirkendes Ereignis). Ein solches Ereignis liegt unter den im Streitfall zu beurteilenden Gegebenheiten nicht vor. Die geschilderten Zusammenhnge bei der Ermittlung des Einkommens von Organtrger und Organgesellschaft im (krperschaft- ebenso wie im gewerbesteuerrechtlichen) Organkreis verdeutlichen vielmehr, dass sptere nderungen des dem Organtrger zugerechneten Einkommens allenfalls einen Ermittlungsfehler offenbaren. Ein solcher wirkt steuerlich jedoch nicht zurck. d) Folge: Der Organtrger ist zwingend gehalten, den gegen ihn ergangenen Steuerbescheid anzufechten und die Hhe des ihm zugerechneten Einkommens bzw. Gewerbeertrages der Organgesellschaft zu beanstanden.76 3. Ein dritter Verfahrensaspekt betrifft das alte und abgeschaffte krperschaftsteuerliche Anrechnungssystem. Dieses steht wider Erwarten noch einmal im Mittelpunkt des Interesses. Der EuGH77 hat soeben das 75 Walter in Ernst & Young, KStG, § 14 KStG Rz. 805; Jesse, DStZ 2001, 113, 116 f. 76 Ebenso Nds. FG, Urt. v. 22. 4. 2004 – 6 K 303/00, DStRE 2004, 1356 – Rev. I R 59/04. 77 EuGH, Urt. v. 7. 9. 2004 – Rs. C-319/02, IStR 2004, 680 „Manninen“ mit Anm. Englisch.
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dem deutschen hnliche finnische Steuersystem in den Orkus der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit verstoßen. Vermutlich hat er dies zu Recht getan, obschon sich so manches Gegenteilige anfhren ließe. Das ist aber jetzt mßig. Auch das ehemalige deutsche System steht schon auf dem Prfstand des EuGH, in diesem Fall qua Vorabentscheidungsersuchen des FG Kln78 sowie des BFH79. Nach „Manninen“ wird nun jedenfalls versucht, grßtmglichen Vorteil aus der Entscheidung zu schlagen. Erwogen wird, bereits bestandskrftige Bescheide wieder an das Licht zu zerren und eine nachtrgliche Anrechnung auslndischer Krperschaftsteuer zu erreichen. Es fragt sich, ob das so ohne weiteres mglich ist.80 De Weerth81, Balster/Petereit82 sowie Schnitger83 sezieren die Verfahrensrechtslage und gehen folgerichtig von § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG a. F. aus. Einnahmen und Anrechnung sollen danach miteinander korrespondieren. Dieser allgemeine Grundgedanke des Anrechnungsprinzips ergibt sich aus der Natur der Sache, entspricht stndiger Rechtsprechung des BFH84 und der Regelung in § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG fr die Kapitalertragsteuer. Hiervon ausgehend muss das Einkommen zunchst um die betreffende im Ausland gezahlte Krperschaftsteuer gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG a. F. erhht werden. Erst wenn dies gelingt, kommt die Anrechnung der darauf anfallenden Krperschaftsteuer in Betracht.85 Verfahrensrechtlich bedeutet das, dass zunchst die Bestandskraft des Steuerbescheides durchbrochen werden muss. Die Mglichkeit dazu gibt nicht § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Der Umstand, dass bislang nur die Netto-, nicht aber die Bruttodividende erklrt 78 Vom 24. 6. 2004, IStR 2004, 580, Az. EuGH C-347/04 „Meilicke“. 79 BFH, Beschl. v. 14. 7. 2004 – I R 17/03 (im Zusammenhang mit dem Abzugsverbot gem. § 3c EStG a. F. bezogen auf gem. § 8b KStG a. F. steuerfreie Dividenden). 80 Siehe auch Gosch, DStR 2004, 1988. 81 De Weerth, DStR 2004, 1992. 82 Balster/Petereit, DStR 2004, 1985. 83 Schnitger, FR 2004, 1357. 84 Vgl. BFH v. 12. 12. 1990 – I R 43/89, BStBl. II 1991, 427; v. 31. 7. 1991 – I R 4/ 89, BStBl. II 1992, 98 zur Parallelvorschrift des § 51 KStG. 85 Z. B. Balster/Petereit, DStR 2004, 1985; Schnitger, FR 2004, 1357, 1367; Eicker/Ketteler, BB 2005, 131 (s. auch BFH, Urt. v. 13. 11. 2002 – I R 67/01, BStBl. II 2003, 587); Gosch, DStR 2004, 1992; a. A. Friedrich/Nagler, DStR 2005, 403; Hamacher/Hahne, DB 2004, 2386. Zu beachten ist aber auch die abweichende (aber umstrittene) Rechtsprechung fr Veranlagungszeitrume vor 1996, s. dazu z. B. Gosch, StBp 2004, 211 m. w. N. einerseits und BFH, Urt. v. 19. 8. 2003 – VIII R 44/01, BFH/NV 2004, 925 andererseits.
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wurde, ist – anders als de Weerth meint – keine neue Tatsache, sondern eine Schlussfolgerung. Ihr htte, wre sie bekannt gewesen, berdies die Rechtserheblichkeit gefehlt. In Betracht kommt allenfalls § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO, also der sog. schlichte nderungsantrag. Dieser ist jederzeit mglich, da der Steuerpflichtige ja etwas ihm Nachteiliges – die Einkommenserhhung – begehrt. Sodann knnte die Anrechnungsverfgung nach § 130 Abs. 1 AO gendert werden. Der so skizzierte Weg hat allerdings einen Schnheitsfehler: Er ist von einer doppelten Ermessensausbung des Finanzamts abhngig. Im Rahmen dieser Ermessensausbung hat die Einschtzung des EuGH zwar einiges an Gewicht. Dieser hat denn soeben selbst in dem Urteil Khne & Heitz vom 13. 1. 200486 eine entsprechende Bercksichtigung seiner Rechtserkenntnisse im Rahmen des behrdlichen nderungsermessens auf bestandskrftige Bescheide angemahnt. Er hat dies aber nur bezogen auf solche Bescheide getan, die nach Ausschpfung des Rechtswegs bestandskrftig wurden.87 Daran wird es regelmßig fehlen.88 Schwerer wiegen drften deshalb der Rechtsfrieden und die Fiskalinteressen des Staates, so dass die Hoffnungen, die mit einer rckwirkenden Bescheidnderung und Krperschaftsteueranrechnung verbunden werden, nicht allzu hoch veranschlagt werden sollten. Die absolute Zeitgrenze fr derartige Ansinnen wird jedenfalls durch den Ablauf der Festsetzungsverjhrung gesetzt. Dieser wird einerseits durch die fnfjhrige Zahlungsverjhrung des § 228 Satz 2 AO, andererseits durch den damit korrelierenden § 171 Abs. 14 AO markiert. Vorausgesetzt, es ist eine Anrechnungsverfgung ergangen und eine Flligkeit ist in Gang gesetzt worden, wren deswegen im allgemeinen so oder so wohl nur noch Bescheide zurck bis zum Veranlagungszeitraum 1998 einzubeziehen.89 86 Kessler in Lehner (Hrsg.), Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 83. 87 Vgl. Rsken, BFH-PR 2004, 204; ders. in Carl/Stahl/Strahl (Hrsg.), Gestaltung und Abwehr im Steuerrecht, Festschrift fr Klaus Korn, 2005, S. 639, 653 ff.; Potacs, EuR 2004, 595; ders. in Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte, Festschrift fr Georg Ress, 2005, S. 729 ff.; Ruffert, JZ 2004, 620; a. A. Frenz, DVBl. 2004, 375; Friedrich/Nagler, DStR 2005, 403. 88 Auch die – in der AO allerdings nicht bernommene – Regelung ber das ermessenssteuernde Wiederaufgreifen des bestandskrftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens in § 51 VwVfG kennt nur den zum Wiederaufgreifen verpflichtenden Grund der nderung der Sach- und Rechtslage. Die „bessere Erkenntnis“ eines Gerichts, auch jene des BFH oder des EuGH, gehrt dazu regelmßig aber nicht. 89 Erwogen wird (von Friedrich/Nagler, DStR 2005, 403) durchaus ernsthaft aber auch die Aktivierung der sog. Emmott'schen Fristenhemmung (vgl. EuGH v.
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In Betracht zu ziehen wre schließlich noch § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Die nachtrgliche Vorlage einer Steuerbescheinigung der ausschttenden Krperschaft stellt nach der Rechtsprechung des BFH90 ein rckwirkendes Ereignis dar, das die nderung des Steuerbescheides erzwingt. Abgesehen davon, dass es dem Steuerpflichtigen gemeinhin schwerlich mglich sein wird, eine solche Bescheinigung zu erlangen, hat der Gesetzgeber hier bereits vorgesorgt: Er hat durch EURLUmsG, erst im nachhinein von findigen Regelungsgebern im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens und hier der Beratungen des Finanzausschusses – offenbar als verdeckte „lex Manninen“ – in den Regelungsentwurf eingefgt, § 175 Abs. 2 AO durch einen neuen Satz 2 ergnzt. Danach soll die nachtrgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Besttigung mit Wirkung vom 28. 10. 2004 an nicht als rckwirkendes Ereignis gelten. Diese Ergnzung knnte jegliche Hoffnungen, die mit dem aufgezeigten Weg zur nachtrglichen Erfassung auslndischer Kapitalertrge verbunden sein mgen, obsolet werden lassen. Denn europarechtswidrig drfte die Regelungskorrektur nicht sein, „gilt“ sie doch gleichermaßen fr gebietsfremde wie fr gebietsansssige Steuerpflichtige.91
25. 7. 1991 – Rs. C-208/90 – „Emmott“, Slg. 1991, 4269) mit der Folge einer raumgreifenden Anrechnung jedenfalls bis zurck zum Veranlagungszeitraum 1990, ggf. noch weitergehend. Das wird auf die fehlende Umsetzung der Kapitalverkehrsrichtlinie einerseits und das vlkerrechtliche Frustrationsverbot andererseits gesttzt. – Nach Auffassung des Verf. (vgl. DStR 2004, 1992; DStR 2005, 413) verkennt dieses Argument, dass in der Nichtanrechnung auslndischer Krperschaftsteuer ein EG-rechtlicher Primrrechtsverstoß (gegen Art. 56 EG) liegt. Es war – wie der aus Sicht des Klgers erfolgreiche Fall „Manninen“ exemplarisch bestens besttigt – den betroffenen Steuerpflichtigen auch weder unmglich noch unzumutbar, ein Rechtsbehelfsverfahren anzustrengen, um die Anrechnung zu erreichen. Vgl. auch BFH, Beschl. v. 15. 9. 2004 – I R 83/04, DStR 2004, 2005. 90 BFH, Urt. v. 18. 4. 2000 – VIII R 75/98, BStBl. II 2000, 423; v. 24. 3. 1999 – I R 48/98, BStBl. II 1999, 527; OFD Frankfurt v. 1. 10. 1997, FR 1998, 32; R 213g EStR 2001. 91 Krit. aber Ritzer/Stangl, DStR 2004, 2179; Friedrich/Nagler, DStR 2005, 403.
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Weiterentwicklung des europischen Umwandlungssteuerrechts Dr. Andreas Schumacher Steuerberater, Bonn Inhaltsbersicht I. Einleitung, Stand der Umsetzung der Fusionsrichtlinie II. Handlungsbedarf: Europische Aktiengesellschaft 1. berblick 2. Grndung durch grenzberschreitende Verschmelzung 3. Grndung einer Holding-SE 4. Grndung einer Tochter-SE 5. Verlegung des Sitzes einer SE
III. nderung der Fusionsrichtlinie 1. berblick 2. Regelung der grenzberschreitenden Verschmelzung zur SE und der Sitzverlegung einer SE IV. Einfluss des primren Gemeinschaftsrechts
I. Einleitung, Stand der Umsetzung der Fusionsrichtlinie Das europische Umwandlungssteuerrecht ist nach einer Phase des relativen Stillstands in Bewegung geraten. Dies gilt insbesondere aus deutscher Sicht, da seit der teilweisen Umsetzung der Fusionsrichtlinie (FRL)1 keine Weiterentwicklung erfolgte (sieht man von der Verschrfung des § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz2 ab). Der Anwendungsbereich der zunchst in §§ 20 Abs. 6 u. 8, 25 Abs. 4 UmwStG 1977, dann in §§ 23, 26 Abs. 2 UmwStG 1995 enthaltenen Regelungen beschrnkt sich auf die Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und mehrheitsvermittelnden Anteilen an Kapitalgesellschaften. In mehreren Punkten ist diese Umsetzung der Fusionsrichtlinie in deutsches Recht bekanntlich problematisch und mglicherweise richtlinienwidrig. Dies gilt insbesondere fr das Erfordernis der grenzberschreitenden Buchwertverknpfung in § 23 1 Richtlinie 90/424/EWG ber das gemeinsame Steuersystem fr Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen v. 23. 7. 1990, ABl. EG Nr. L 225, 1. 2 UntStFG v. 20. 12. 2001, BGBl. I 2001, 3858 = BStBl. I 2002, 35.
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Abs. 4 UmwStG und die pauschalierenden Missbrauchsregelungen in § 26 Abs. 2 UmwStG (dazu unten II.3.). Die Regeln der Fusionsrichtlinie fr grenzberschreitende Verschmelzungen und Spaltungen wurden mangels gesellschaftsrechtlicher Zulssigkeit bis heute nicht umgesetzt. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die gesellschaftsrechtliche Mglichkeit solcher Maßnahmen in naher Zukunft bestehen wird.3 Angestoßen von der Einfhrung der Rechtsform der Europischen (Aktien-)Gesellschaft (Societas Europaea; nachfolgend: SE) steht nun die Umsetzung der Regelungen der Fusionsrichtlinie fr die grenzberschreitende Verschmelzung sowie fr die neu fr die SE geschaffenen Mglichkeit der steuerneutralen Sitzverlegung ber die Grenze an. Gleichzeitig stellt sich angesichts der Rechtsprechung des EuGH zur Bedeutung des primren Gemeinschaftsrecht fr die direkten Steuern die Frage, ob eine grenzberschreitende Umwandlung oder Sitzverlegung berhaupt zu einer steuerlichen Belastung fhren darf, wenn dies bei einem reinen Inlandsvorgang nicht der Fall wre.
II. Handlungsbedarf: Europische Aktiengesellschaft 1. berblick Seit Inkrafttreten der Verordnung (EG) vom 8. 10. 2001 (SE-VO)4 am 8. 10. 2004 und des Gesetzes zur Einfhrung der Europischen Gesellschaft (SEEG) vom 22. 12. 20045 steht die SE als neue Rechtsform fr die Bettigung europischer Unternehmen zur Verfgung. Die SE-VO regelt die wesentlichen Grundzge des Gesellschaftsrechts der SE und wird ergnzt durch die SE-RL6 hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer. Whrend zum Gesellschaftsrecht der SE umfangreiche spe-
3 Zwischenzeitlich ist im Rat eine Einigung ber den Vorschlag der Europischen Kommission fr eine Richtlinie ber die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten – KOM (2003) 703 v. 18. 11. 2003 – zustandegekommen; hierzu Wiesner, DB 2005, 91; s. auch den Vorlagebeschluss des LG Koblenz v. 16. 9. 2003 – 4 HKT 1/03, GmbHR 2003, 1213. 4 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8. 10. 2001 ber das Statut der Europischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294 v. 10. 11. 2001, 1. 5 BGBl. I 2004, 3675. 6 Richtlinie 86/2001/EG des Rates v. 8. 10. 2001 zur Ergnzung des Statuts der Europischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, ABl. EG Nr. L 944 v. 10. 11. 2001, 22.
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zielle Regelungen vorliegen, enthlt die SE-VO keinerlei steuerlichen Vorschriften. Die laufende Besteuerung der SE, auf die in diesem Rahmen nicht nher eingegangen werden soll, erfolgt nach den fr Kapitalgesellschaften geltenden allgemeinen Regelungen des nationalen Rechts und der Doppelbesteuerungsabkommen.7 Eine SE kann entstehen durch – Verschmelzung (Art. 2 Abs. 1, 17–31 SE-VO), – Grndung einer Holding-SE (Art. 2 Abs. 2, 32–34 SE-VO), – Grndung einer Tochter-SE (Art. 2 Abs. 3, 3 Abs. 2, 35–36 SE-VO), oder – Umwandlung (Art. 2 Abs. 4, 37 SE-VO). Eine Grndung durch Spaltung ist nicht vorgesehen. Die Umwandlung einer Aktiengesellschaft mit Sitz und Hauptverwaltung innerhalb der EU, die seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Tochtergesellschaft hat, in eine SE hat gem. Art. 37 Abs. 2 SE-VO weder die Auflsung der Gesellschaft noch die Grndung einer neuen juristischen Person zur Folge (identittswahrender Formwechsel). Whrend eine solche formwechselnde Umwandlung einer AG in eine SE wegen der Identitt des Krperschaftsteuersubjekts weder auf Ebene der AG noch der Aktionre steuerliche Relevanz hat, fhren die anderen Grndungsformen zu einer bertragung des Vermgens der beteiligten Gesellschaften und/oder der Anteile an diesen Gesellschaften, so dass hieraus ertragsteuerliche Gewinnrealisierungsfragen resultieren. Diese grenzberschreitenden Umstrukturierung knnen ganz berwiegend nach den Regelungen der Fusionsrichtlinie ertragsteuerneutral erfolgen, dies gilt nach der erfolgten nderung der Fusionsrichtlinie (dazu unten III.) auch fr die grenzberschreitende Sitzverlegung einer SE. 2. Grndung durch grenzberschreitende Verschmelzung Gem. Art. 2 Abs. 1 SE-VO kann eine SE durch Verschmelzung zur Aufnahme oder Neugrndung von Aktiengesellschaften mit Sitz und Hauptverwaltung in der EU gegrndet werden, sofern mindestens zwei dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen oder seit mindes7 Zur Einstufung des SE als Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG vgl. Lambrecht in Gosch, KStG, § 1 KStG Rz. 70; zu berlegungen hinsichtlich einer einheitlichen europischen Besteuerung vgl. Hernler, DB 2003, 60.
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tens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben. Das umwandlungsrechtliche Verfahren und die Rechtsfolgen hneln im Wesentlichen einer Verschmelzung inlndischer Aktiengesellschaften nach §§ 2 ff., 60 ff. UmwG. Durch die Eintragung der SE in Handelsregister geht gem. Art. 29 EG-VO das Vermgen der bertragenden Gesellschaften durch Gesamtrechtsnachfolge auf die SE ber, die bertragenden Gesellschaften erlschen und die Aktionre der bertragenden Aktiengesellschaften werden Aktionre der SE. Wenn eine deutsche Aktiengesellschaft („D AG“) auf eine Aktiengesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, z. B. die franzsische F SA, verschmolzen wird (Hinausverschmelzung), stellt sich sowohl auf der Ebene der D AG als auch auf der Ebene der Aktionre die Frage, ob ein steuerpflichtiger Gewinn realisiert wird. Das deutsche Steuerrecht enthlt derzeit noch keine Regelungen fr grenzberschreitende Verschmelzungen, so dass zunchst die Anwendung der allgemeinen Regelungen zu prfen ist. Obwohl die D AG durch die Verschmelzung erlischt, findet § 11 KStG keine Anwendung, da dieser die Abwicklung der Gesellschaft voraussetzt. Auch § 12 Abs. 1 KStG ist nicht anwendbar, da die D AG nicht ihren Sitz oder Ort der Geschftsleitung ins Ausland verlegt, sondern erlischt. Andererseits existiert auch keine Vorschrift, nach der ausdrcklich die Buchwerte fortgefhrt werden knnen, denn § 11 UmwStG ist gem. § 1 Abs. 2 UmwStG nur auf inlndische Verschmelzungen i. S. d. § 2 UmwStG anwendbar. Es ist streitig, ob eine Gewinnrealisierung mangels eines Besteuerungstatbestands zu unterbleiben hat und die Wirtschaftsgter zu Buchwerten auf die auslndische SE bergehen8 oder ob die Verschmelzung als Sachauskehrung des Vermgens der D AG mit Wiedereinlage in die F SE anzusehen ist, die zur Gewinnrealisierung fhrt.9 Dies entspricht der Sichtweise, die die Finanzverwaltung bei einer inlndischen Spaltung anwendet, die nicht die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UmwStG erfllt.10 Im Ergebnis liegt darin eine entsprechende Anwendung des § 11 KStG bzw. die Anwendung einer Fiktion, die
8 So Thmmes in Theissen/Wenz, Die Europische Aktiengesellschaft, 2002, S. 493 f. Falls dies zutrfe, wre § 11 UmwStG hinsichtlich der Buchwertfortfhrung bei einer inlndischen Verschmelzung berflssig. 9 So Frster/Lange, DB 2002, 288, 289; Rdder, Der Konzern 2003, 522, 526. 10 Vgl. BMF v. 25. 3. 1998 – IV B 7 – S 1978 – 21/98 (UmwSt-Erlass), BStBl. I 1998, 268, Tz. 15.11.
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sich von dem tatschlichen gesellschaftsrechtlichen Vorgang lst. Damit wird eine letztlich nicht geklrte Grundfrage berhrt, die auch bei der deutsch-steuerlichen Behandlung auslndischer Umwandlungsvorgnge von erheblicher Bedeutung ist.11 Es wre allerdings mehr als fraglich, ob eine solche prohibitive Besteuerung einer gesellschaftsrechtlich zulssigen grenzberschreitenden Verschmelzung innerhalb der EU mit dem primren Gemeinschaftsrecht vereinbar wre (dazu unten IV.). Falls eine Sachauskehrung genommen wrde, sollte der Gewinn, soweit er auf Anteile an Kapitalgesellschaften entfllt, nach § 8b Abs. 2, 3 Satz 1 KStG zu 95% freigestellt sein (unter Beachtung der Einschrnkungen dieser Freistellung insbesondere nach § 8b Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 u. Abs. 7 KStG). Dies folgt aus der weiten Auslegung des § 8b Abs. 2 KStG, nach der auch Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven in Anteilen durch Sachdividenden oder bertragungsgewinne bei Verschmelzungen freigestellt sind.12 Bei Annahme einer Leistung durch Sachauskehrung knnte auch eine Krperschaftsteuererhhung nach § 38 KStG erfolgen und hinsichtlich eines Krperschaftsteuerguthabens drfte § 40 Abs. 4 KStG entsprechend anzuwenden sein. Auf Aktionrsebene wre § 13 UmwStG wegen dessen Beschrnkung auf inlndische Verschmelzungen jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar. Verneint man – wie die Finanzverwaltung hinsichtlich auslndischer Verschmelzungen – auch eine entsprechende Anwendung,13 so knnte eine Gewinnrealisierung durch entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 4 UmwStG vermieden werden.14 Anderenfalls ist entweder dem gesellschaftsrechtlichen Vorgang folgend ein Anteilstausch oder bei fiktiver Sachauskehrung eine Sachdividende oder Liquidationsrate anzunehmen. Welche Sichtweise fr den Aktionr vorteilhaft ist, hngt von dem steuerlichen Status des Aktionrs und der Aktien ab, da im Rahmen der hlftigen oder vollstndigen Freistellung nach §§ 3 Nr. 40 EStG, § 8b KStG Verußerungsgewinne und laufende Beteiligungsertrge nicht vllig gleich behandelt werden (Hinweis auch auf § 6b Abs. 10 EStG und § 8 Nr. 5 GewStG). 11 Vgl. z. B. Wassermeyer in FS Widmann, 2000, S. 621; Klingberg/van Lishaut, FR 1999, 1209. 12 Vgl. BMF v. 28. 4. 2003 – IV A 2 – S 2750a – 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 22 u. 23 (ausdrcklich allerdings nur fr inlndische Verschmelzungen); dazu Rdder/Schumacher, DStR 2003, 909, 911. 13 Dies bejahen Haritz/Homeister, FR 2001, 941. 14 So zu auslndischen EU-Verschmelzungen Wassermeyer in FS Widmann, 2000, S. 621, 631; Klingberg/van Lishaut, FR 1999, 1209, 1213.
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In jedem Fall ist auch die Besteuerung außerhalb Deutschlands zu beachten (insbesondere dortige Betriebssttten, Grundbesitz, Anteile an Kapitalgesellschaften). Wenn die F SA auf die D AG verschmolzen wird (Hereinverschmelzung), sind das Vermgen und die Aktionre der D AG nicht betroffen. Ein unmittelbares deutsches Besteuerungsrecht kann nur hinsichtlich in Deutschland steuerverhafteter Aktien an der F SA und hinsichtlich etwaigen deutschen Vermgens der F SA bestehen (entsprechendes gilt bei auslndischer Verschmelzung mit Inlandsbezug). Wenn die F SA eine deutsche Betriebssttte hat, fhrt dies gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG zur Gewinnrealisierung, es sei denn, die bertragung erfolgt im Ausland zu Buchwerten durch einen Vorgang, der einer Verschmelzung auf eine andere Krperschaft i. S. d. § 2 UmwG vergleichbar ist und das deutsche Besteuerungsrecht geht nicht verloren. Zwar zielt diese Regelung auf die reine Auslandsverschmelzung, sie muss jedoch bei einer Hereinverschmelzung erst recht gelten und ihr Wortlaut lsst dies auch zu.15 Durch die Hereinverschmelzung kann Vermgen der F SA, das nach der Verschmelzung nicht einer Betriebssttte in Frankreich zuzuordnen ist, in das deutsche Besteuerungsrecht hineinwachsen und es stellt sich die Frage, mit welchem Wert (Teilwert oder fortgefhrte Anschaffungsoder Herstellungskosten) dieses anzusetzen ist. Bei konsequenter Anwendung der Sachauskehrungsfiktion wre von einer Einlage zum Teilwert auszugehen. Fr die in Deutschland steuerverhafteten Aktionre der F SA gelten die obigen Ausfhrungen zur Herausverschmelzung grundstzlich entsprechend.16 Sowohl Hinausverschmelzung als auch Hereinverschmelzung werden jedenfalls nach Umsetzung der genderten Regelungen der Fusionsrichtlinie unter bestimmten Voraussetzungen ertragsteuerneutral erfolgen knnen (dazu unten III.).
15 Vgl. Frster/Lange, DB 2003, 288, 291. 16 Denkbar wre eine Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 ff. AStG, die allerdings europarechtlich ußerst fragwrdig wre.
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3. Grndung einer Holding-SE Aktiengesellschaften oder GmbH mit Sitz und Hauptverwaltung in der EU knnen gem. Art. 2 Abs. 2 SE-VO die Grndung einer Holding-SE anstreben, wenn mindestens zwei von ihnen dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen oder seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in anderem Mitgliedstaat haben. Die Grndung der Holding-SE erfolgt als Sachgrndung durch die Einbringung von Anteilen an den Gesellschaften, die mehr als 50% der Stimmrechte an jeder Gesellschaft vermitteln. Whrend das Vermgen der beteiligten Gesellschaften von der Grndung einer Holding-SE nicht berhrt ist, fhrt der Anteilstausch nach deutschem Steuerrecht grundstzlich zu einer Gewinnrealisierung in den Anteilen der Aktionre, soweit diese deutschem Besteuerungsrecht unterliegen (unter Anwendung von §§ 3 Nr. 40 EStG, 8b Abs. 2 KStG auf den entstehenden Gewinn). Da die Grndung einer Holding-SE voraussetzt, dass Anteile an den beteiligten Gesellschaften eingebracht werden, die die Mehrheit der Stimmrecht vermitteln, und im Rahmen der Grndung neue Aktien an der Holding-SE ausgegeben werden, sind jedoch die Grundvoraussetzungen fr eine ertragsteuerneutrale Einbringung nach §§ 20 Abs. 1 Satz 2, 23 Abs. 4 UmwStG gegeben. Diese Vorschriften sind auch anwendbar, wenn mehrere Aktionre Anteile einbringen, die zusammen die Mehrheit der Stimmrechte vermitteln.17 Bei der Einbringung von Anteilen einer in- oder auslndischen EU-Kapitalgesellschaft in eine deutsche Holding-SE hat diese gem. § 20 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 UmwStG ein Wahlrecht, die eingebrachten Anteile zu Buchwerten bzw. Anschaffungskosten oder mit einem hheren Wert, hchstens dem Teilwert, anzusetzen. Der von der Holding-SE angesetzte Wert gilt gem. § 20 Abs. 4 UmwStG als Verußerungspreis beim Einbringenden. Wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der neuen Aktien an der Holding-SE ausgeschlossen ist, muss der Teilwert angesetzt werden (§ 20 Abs. 3 UmwStG). In solchen Fllen wird jedoch regelmßig auch kein deutsches Besteuerungsrecht an den eingebrachten Anteilen bestehen. Gleiches gilt in Umsetzung von Art. 8 FRL gem. § 23 Abs. 4 UmwStG im Grundsatz auch fr die Einbringung in eine Holding-SE mit Sitz in 17 Vgl. BMF v. 25. 3. 1998 – IV B 7 – S 1978 – 21/98 (UmwSt-Erlass), BStBl. I 1998, 268 – Tz. 20.15.
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einem anderen Mitgliedstaat (zur Anwendung der Fusionsrichtlinie auf die SE s. unten III.). ußerst problematisch ist hier allerdings die gesetzlich vorgegebene entsprechende Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG, der zur Vermeidung einer Gewinnrealisierung auf den Ansatz bei der bernehmenden Holding-SE abstellt. Diese in der Fusionsrichtlinie nicht vorgesehene und in mehreren Mitgliedstaaten nicht erfllbare weitere Voraussetzung fr die Ertragsteuerneutralitt der Anteilseinbringung wird ganz berwiegend als ein Verstoß gegen die Fusionsrichtlinie angesehen.18 Eine weitere Einschrnkung enthlt § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG. Danach ist § 23 Abs. 4 UmwStG rckwirkend nicht anzuwenden, wenn innerhalb von sieben Jahren eine unmittelbare oder mittelbare Verußerung oder bertragung (z. B. verdeckte Einlage, Sachdividende) der eingebrachten Anteile erfolgt, die keine weitere Sacheinlage zu Buchwerten nach einer § 23 Abs. 4 UmwStG entsprechenden Vorschrift eines anderen EU-Mitgliedstaates darstellt. Die Vorschrift soll verhindern, dass die Steuerpflicht einer Anteilsverußerung durch Buchwerteinbringung in eine EU-Kapitalgesellschaft mit steuerfreier Weiterverußerung der Anteile – ohne Besteuerungsrecht Deutschlands – durch die bernehmende EU-Kapitalgesellschaft vermieden wird. Nach dem Wortlaut ist fraglich, ob die Verußerung eines Teils der Anteile diese Rechtsfolge zur Gnze,19 teilweise20 oder berhaupt nicht auslst.21 Die nderung der Vorschrift durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz sollte die Vermeidung der Vorschrift durch Ketteneinbringungen verhindern.22 Der Wortlaut der Vorschrift ist berschießend. Er ist auf Grund ihres Sinn und Zwecks und des systematischen Zusammenhangs mit §§ 3 Nr. 40 Satz 4 lit. b EStG, 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG (Unschdlichkeit von Einbringungen nach § 23 Abs. 4 UmwStG) einschrnkend dahingehend auszulegen, dass nur die unmittelbare oder 18 Vgl. FG Baden-Wrttemberg v. 17. 2. 2005 – 6 K 209/02 (Rev. I R 25/05) m. w. N.; die EU-Kommission ging hingegen bei ihrem Vorschlag fr eine nderung der FRL davon aus, dass diese Frage in der FRL nicht geregelt sei und strebte eine ausdrckliche Regelung an; dazu unten III. 19 So wohl BMF v. 25. 3. 1998 – IV B 7 – S 1978 – 21/98 (UmwSt-Erlass), BStBl. I 1998, 268 – Tz. 23.14. 20 So Widmann in Widmann/Mayer, § 26 UmwStG Rz. 117; Schmidt-Ott/Albrecht in Haritz/Benkert, 2. Aufl., § 26 UmwStG Rz. 35. 21 Eine teilweise Verußerung erfllt die nach dem Wortlaut erforderliche Voraussetzung, dass „die eingebrachten Anteile“ verußert werden, nicht. 22 Vgl. BT-Drucks. 14/6882, 41; zur alten Rechtslage vgl. Widmann in Widmann/Mayer, § 26 UmwStG Rz. 130.
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mittelbare Verußerung durch die aufnehmende EU-Kapitalgesellschaft schdlich ist.23 Die Verußerung der Anteile an der aufnehmenden EUKapitalgesellschaft oder an einer Gesellschaft, die an dieser beteiligt ist, kann nicht zu einer Vermeidung einer Steuerpflicht fhren und ist daher als unschdlich zu behandeln.24 Im brigen verstßt die Missbrauchsregelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG gegen die Fusionsrichtlinie, weil nach deren Art. 11 die Anwendung nur dann versagt werden darf, wenn der Anteilstausch als einen hauptschlichen Beweggrund die Steuerhinterziehung oder -umgehung hat, wovon ausgegangen werden kann, wenn er nicht auf vernnftigen wirtschaftlichen Grnden, insbesondere der Umstrukturierung der beteiligten Gesellschaften, beruht. Der EuGH hat entschieden, dass diese Vorschrift nur eine Einzelfallprfung erlaubt, nicht aber pauschalierende Missbrauchsregelungen.25 Zudem drfte diese gegenber einer Einbringung in eine inlndische Gesellschaften nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG zustzliche Voraussetzung fr die Buchwertfortfhrung auch ein Verstoß gegen primres EU-Recht darstellen (dazu unten IV.). 4. Grndung einer Tochter-SE Gem. Art. 2 Abs. 3 SE-VO knnen Kapitalgesellschaften und andere juristische Personen oder Personengesellschaften mit Sitz und Hauptverwaltung in der EU eine Tochter-SE durch Zeichnung ihrer Aktien grnden, wenn mindestens zwei dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen oder seit zwei Jahren eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in anderem Mitgliedstaat haben. Es erfolgt somit eine Bar- oder Sachgrndung einer gemeinsamen Tochter-SE durch mindestens zwei Grndungsaktionre. Darber hinaus kann auch eine Tochter-SE auch durch eine SE gegrndet werden (Art. 3 Abs. 2 SE-VO). Whrend die Gesellschafter der beteiligten Gesellschaften von der Grndung der Tochter-SE nicht unmittelbar berhrt werden,26 erfolgt nach deutschem Steuerrecht bei einer Sacheinlage grundstzlich Ge23 Vgl. Rdder/Schumacher, DStR 2002, 105, 112; ausfhrlich Borschel/Kotyrba, IStR 2003, 37 m. w. N.; a. A. Widmann in Widmann/Mayer, § 26 UmwStG (StSenkG/UntStFG), Rz. 4 ff. 24 BMF v. 16. 12. 2003 – IV A 2 – S 1978 – 16/03, BStBl. I 2003, 786, Rz. 22. 25 EuGH v. 17. 7. 1997 – Rs. C-28/95 – „Leur Bloem“, EuGH Slg. 1997, I-4161. 26 Bei deutschen Gesellschaftern auslndischer EU-Kapitalgesellschaften ist allerdings eine Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 ff. AStG denkbar, die wiederum europarechtlich ußerst fragwrdig wre.
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winnrealisierung in dem auf die Tochter-SE bertragenen Vermgen (§ 6 Abs. 6 Satz 1 EStG; tauschhnlicher Vorgang).27 Unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Satz 1, 23 Abs. 1 u. 3 EStG besteht jedoch ein Wahlrecht fr die bernehmende Tochter-SE, das Vermgen mit dem Buchwert oder einem hheren Wert, hchstens dem Teilwert, anzusetzen, so dass die Einbringung auch ertragsteuerneutral erfolgen kann (wenn Anteile an Kapitalgesellschaften eingebracht werden, gelten die obigen Ausfhrungen zur Grndung einer Holding-SE entsprechend). Dabei bestehen die umfangreichsten Mglichkeiten bei der Einbringung durch inlndische Steuerpflichtige in eine inlndische Tochter-SE, da § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG keine Einschrnkungen hinsichtlich der Person des Einbringenden enthlt, so dass auch Personengesellschaften als Einbringende geeignet sind, und neben dem Betrieb oder einem Teilbetrieb der einbringenden Gesellschaft auch Mitunternehmeranteile eingebracht werden knnen. § 20 UmwStG ist fr auslndische Steuerpflichtige nur in Sonderfllen nutzbar, da gem. § 20 Abs. 3 UmwStG der Teilwert anzusetzen ist, wenn Deutschland kein Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Verußerung dieser Anteile hat (bei spterem Verlust des Besteuerungsrechts gilt § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG)28. Hinsichtlich grenzberschreitender Einbringungen innerhalb der EU ist die Fusionsrichtlinie bereits umgesetzt (zur Anwendbarkeit der Fusionsrichtlinie auf die SE s. unten III.). Inlndische Kapitalgesellschaften knnen Betriebe oder Teilbetriebe gem. § 23 Abs. 1 UmwStG zu Buchwerten in die inlndische Betriebssttte einer auslndischen EU-Kapitalgesellschaft einbringen.29 Auslndische EU-Kapitalgesellschaften knnen gem. § 23 Abs. 2 UmwStG inlndische Betriebssttten im Rahmen der Einbringung eines Betriebs oder Teilbetriebs zu Buchwerten in inlndische oder auslndische EU-Kapitalgesellschaften einbringen, wenn die erhaltenen Anteile sieben Jahre nicht verußert werden (§ 26 Abs. 2 Satz 2 UmwStG; hinsichtlich der Vereinbarkeit mit EU-Recht gelten die Ausfhrungen zu § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG entsprechend). 27 Bei Personengesellschaften, die auch Grndungsgesellschafter sein knnen, unterliegt ein auf Ebene der Gesellschaft entstehender Gewinn der Einkommen- oder Krperschaftsteuer beim Gesellschafter. 28 Zu dem damit verbundenen mglichen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit Schnitger, BB 2004, 804, 811. 29 Die erforderliche Buchwertverknpfung erfolgt in der deutschen Betriebsstttenbilanz und ist daher unabhngig vom auslndischen Recht darstellbar.
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In beiden Fllen sind die als Gegenleistung gewhrten Anteile im Fall einer Einbringung unter dem Teilwert einbringungsgeboren i. S. d. § 21 UmwStG und gem. § 8b Abs. 4 KStG ist ein Gewinn aus der Verußerung dieser Anteile erst sieben Jahre nach dem steuerlichen bertragungsstichtag der Einbringung nach § 8b Abs. 2 KStG freigestellt. Bei der Einbringung von Betriebssttten, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat belegen sind, durch inlndische Kapitalgesellschaften in eine auslndische EU-Kapitalgesellschaft hat Deutschland nach den DBA mit den EU-Mitgliedstaaten regelmßig kein Besteuerungsrecht fr Gewinne aus der Verußerung solcher Betriebssttten (zu beachten ist allerdings § 20 Abs. 2 AStG, nach dem keine Freistellung bestimmter niedrig besteuerten passiven Einknften einer Betriebssttte erfolgt). Dennoch regelt § 23 Abs. 3 UmwStG, dass die Anschaffungskosten der als Gegenleistung erhaltenen Anteile dem Wert entsprechen, mit dem das eingebrachte Vermgen angesetzt wird. Wenn aus deutscher Sicht eine Einbringung unter dem Teilwert erfolgt, liegen somit einbringungsgeborene Anteile vor, die der siebenjhrigen Sperrfrist des § 8b Abs. 4 unterliegen. Dies ist berschießend und systematisch nicht nachzuvollziehen. Grenzberschreitende Einbringungen in eine SE durch andere Rechtstrger als EU-Kapitalgesellschaften, insbesondere durch Personengesellschaften, sind weder in der Fusionsrichtlinie noch § 23 UmwStG geregelt. Sie sind daher zu Buchwerten nur im Rahmen des § 20 UmwStG mglich. Auch eine ertragsteuerneutrale Einbringung von Mitunternehmeranteilen ist nach derzeitigem Recht nur in eine inlndische Tochter-SE mglich.30 5. Verlegung des Sitzes einer SE Der Sitz einer SE muss gem. Art. 7 SE-VO in dem Mitgliedstaat liegen, in dem sich die Hauptverwaltung befindet. Ein doppelt ansssige SE ist daher nicht zulssig. Die SE kann jedoch ihren Sitz nach einem von Art. 8 SE-VO geregelten Verfahren in einen anderen Mitgliedstaat verlegen. Dies fhrt gem. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 SE-VO weder zur Auflsung der SE noch zur Grndung einer neuen juristischen Person. Durch die Sitzverlegung einer inlndischen SE in einen anderen Mitgliedstaat scheidet diese aus der unbeschrnkten Steuerpflicht aus, da 30 Vgl. BMF v. 25. 3. 1998 – IV B 7 – S 1978 – 21/98 (UmwSt-Erlass), BStBl. I 1998, 268 – Tz. 23.02.
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mit dem Satzungssitz auch die Hauptverwaltung verlegt wird und damit – Sonderflle vernachlssigt31 – auch der Ort der Geschftsleitung in das Ausland verlegt wird. Damit sind nach dem Wortlaut der Vorschrift die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 KStG erfllt und es ist § 11 KStG entsprechend anzuwenden, d. h. smtliche stillen Reserven im Vermgen der SE auszudecken.32 Allerdings erscheint eine teleologische Reduktion des § 12 Abs. 1 KStG geboten, soweit die Wirtschaftsgter in einer inlndischen Betriebssttte verhaftet bleiben.33 Auf Ebene der Aktionre scheidet in jedem Fall mangels Anteilstausch o. . eine Gewinnrealisierung aus.34 Wenn eine auslndische SE ihren Sitz in das Inland verlegt, so tritt sie in die unbeschrnkte Steuerpflicht ein. Soweit sie vor der Sitzverlegung beschrnkt steuerpflichtig war, insbesondere aufgrund einer inlndischen Betriebssttte, findet mangels Rechtstrgerwechsels keine Aufdeckung der stillen Reserven in den davon betroffenen Wirtschaftsgtern statt (auch § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG ist nicht anwendbar). Smtliche anderen Wirtschaftsgter unterliegen aufgrund der Sitzverlegung erstmals dem deutschen Besteuerungsrecht. Wie bei der berfhrung von Wirtschaftsgtern aus einem auslndischen Stammhaus in eine inlndische Betriebssttte,35 ist es sachgerecht, diese Wirtschaftsgter fr deutsche Besteuerungszwecke mit dem Verkehrswert anzusetzen. Dies folgt aus der (entsprechenden) Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 u. 6 EStG, wonach bei Einlage oder Betriebserffnung der Teilwert anzusetzen ist.36 Auf Aktionrsebene erfolgt wiederum keine Gewinnrealisierung und auslndische Aktionre knnen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. e EStG be-
31 Zu denkbaren Abweichungen zwischen gesellschaftsrechtlichem Verwaltungssitz und steuerlichem Ort der Geschftsleitung vgl. Eilers/Wienands, IStR 1999, 289, 292. 32 Zu Besonderheiten bei auslndischem Betriebsstttenvermgen Frster/Lange, RIW 2002, 585, 587 f. 33 Vgl. Frster/Lange, StuW 2002, 585, 587 m. w. N. 34 Auch wenn die Sitzverlegung zu einem Ausscheiden aus der beschrnkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. e EStG fhrt; vgl. Herzig/Griemla, StuW 2002, 55, 76. 35 Vgl. BS-VwGrs, Tz. 2.6.3. 36 Vgl. Frster/Lange, StuW 2002, 585, 589 m. w. N.; a. A. Baranowski, IWB 1999 Fach 3 Gruppe 4, 397, 400; des weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Finanzverwaltung beim Wechsel in die unbeschrnkte Krperschaftsteuerpflicht das Einlagekonto mit Null ansetzen will; vgl. BMF v. 4. 6. 2003 – IV A 2 – S 2836 – 2/03, BStBl. I 2003, 366 – Rz. 5.
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schrnkt steuerpflichtig werden. Sachgerecht wre insoweit ein Ansatz der Anteile zum Teilwert, der allerdings nach der Rechtsprechung des BFH zur erstmaligen Steuerverstrickung nach § 17 EStG37 durch Zuzug des Anteilseigners eher zweifelhaft ist.
III. nderung der Fusionsrichtlinie 1. berblick Die Europische Kommission hatte im Oktober 2003 einen Vorschlag zur nderung der Fusionsrichtlinie vorgelegt.38 Im Februar 2005 wurde dieser Vorschlag vom Rat der EU angenommen,39 allerdings mit verschiedenen Modifikationen. Inbesondere die von der Kommission angestrebte Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung (Verdopplung von stillen Reserven) bei der Einbringung von Betrieben oder Teilbetrieben, d. h. der Ansatz der einbringungsgeborenen Anteile mit dem Verkehrswert, wurde vom Rat abgelehnt. Eine solche Regelung htte das deutsche Konzept der einbringungsgeborenen Anteile i. S. d. § 21 UmwStG mit Sperrfrist von sieben Jahren fr die Freistellung nach §§ 3 Nr. 40 EStG, 8b Abs. 2 KStG insgesamt in Frage gestellt.40 Ebenfalls nicht umgesetzt wurde der Vorschlag der Kommission, beim Anteilstausch die eingebrachten Anteile bei der bernehmenden Gesellschaft mit dem Verkehrswert anzusetzen.41 Dies htte die Problematik der grenzberschreitenden Buchwertverknpfung in § 23 Abs. 4 UmwStG beseitigt, wre allerdings im Inlandsfall nicht kompatibel mit § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG gewesen. Die hier interessierenden wesentlichen beschlossenen nderungen der Fusionsrichtlinie sind: – die Anwendung der Richtlinie auf verschiedene bisher nicht erfasste Rechtsformen, insbesondere die SE, und – die Schaffung einer Regelung fr die Sitzverlegung einer SE. 37 BFH v. 19. 3. 1996 – VIII R 15/94, BStBl. II 1996, 312. 38 KOM (2003) 613 v. 17. 10. 2003, BR-Drucks. 783/03; dazu Haritz/Wisniewski, GmbHR 2004, 28; Saß, DB 2004, 2231. 39 Richtlinie 2005/19/EG v. 17. 2. 2005 zur nderung der Richtlinie 90/434/ EWG, ABl. EG Nr. L 58, 19. 40 Dazu Haritz, DStR 2004, 889; van Lishaut, FR 2004, 1301, 1302. 41 Aus der Begrndung der Kommission zu diesem nderungsvorschlag knnte gefolgert werden, dass diese das Erfordernis der grenzberschreitenden Buchwertverknpfung nicht als Verstoß gegen die FRL ansieht.
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Daneben erfolgen eine Reihe von Detailnderungen, u. a. die Erfassung der Abspaltung,42 die Erfassung von Anteilseinbringungen, wenn die bernehmende Gesellschaft bereits die Mehrheit der Stimmrechte hlt und Sonderregelungen fr Rechtsformen, die in einem Mitgliedstaat als steuerlich transparent angesehen werden.43 Die nderungen, die die SE betreffen, mssen von den Mitgliedstaaten bis zum 1. 1. 2006 umgesetzt werden, die brigen nderungen bis zum 1. 1. 2007. 2. Regelung der grenzberschreitenden Verschmelzung zur SE und der Sitzverlegung einer SE Nach den nunmehr zumindest fr die SE in deutsches Recht umzusetzenden Regelungen der Fusionsrichtlinie erfolgt bei einer Hinausverschmelzung keine Besteuerung der stillen Reserven, soweit das Vermgen in einer Betriebssttte im Mitgliedstaat der bertragenden Gesellschaft steuerlich verhaftet bleibt (Art. 4 Abs. 1 FRL).44 Dabei sind die Buchwerte der bertragenen Wirtschaftsgter und Rckstellungen und Rcklagen in der Betriebssttte der bernehmenden SE fortzufhren (Art. 4 Abs. 2 [zuknftig Abs. 3], Art. 5 FRL). Krperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Verlustvortrge werden ebenfalls von der Betriebssttte – unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG – fortgefhrt (Art. 6 FRL). Im Falle eines (partiellen) upstream-mergers bleibt ein Verschmelzungsgewinn bei Beteiligung der bernehmenden SE an der bertragenden D AG steuerfrei, wenn die Beteiligungsquote ber 25% betrgt (Art. 7 FRL; vorgesehen ist eine schrittweise Absenkung dieser Mindestbeteiligungsquote auf 10% bis zum 1. 1. 2009). Bei den Aktionren erfolgt der Anteilstausch zu steuerlichen Buchwerten bzw. Anschaffungskosten (Art. 8 FRL; entsprechend § 13 UmwStG). Soweit eine bertragende deutsche AG Betriebssttten in anderen EU-Mitgliedstaaten hat, verzichtet Deutschland gem. Art. 10 Abs. 1 FRL endgltig auf sein Besteuerungsrecht, kann jedoch etwaige frhere Verluste, die nach § 2a Abs. 3 EStG abgezogen wurden, gem. § 2a Abs. 4 EStG hinzurechnen. Die Zuordnung des bergegangenen Vermgens zu einer deutschen Betriebssttte der auslndischen SE ist nach der Fusionsrichtlinie somit 42 Hierzu Rogall, RIW 2004, 271. 43 Zu den damit verbundenen Sonderfragen Benecke/Schnitger, Intertax 2005, 170. 44 Zu den Regelungen der FRL fr die Verschmelzung vgl. auch Herzig/Griemla, StuW 2002, 55, 62 ff.
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entscheidende Voraussetzung fr den Verzicht auf eine Gewinnrealisierung auf Ebene der deutschen AG bei der Hinausverschmelzung.45 Wenn zu diesem Vermgen auch Anteile an Kapitalgesellschaften gehren (im Extremfall ist die D AG eine reine Holding), stellt sich die Frage, wann diese Anteile der Betriebssttte zuzuordnen sind. Anteile an Kapitalgesellschaften sind einer Betriebssttte zuzuordnen, wenn sie tatschlich zu dieser gehren. Eine tatschliche Zugehrigkeit ist gegeben, wenn die Beteiligung in einem funktionalen Zusammenhang zu einer in der Betriebssttte ausgebten Ttigkeit steht und sich deshalb die Beteiligungsertrge als Nebenertrge der aktiven Betriebsstttenttigkeit darstellen.46 Es ist nicht geklrt, welche Anforderungen fr die tatschliche Zugehrigkeit zu einer Betriebssttte im Einzelnen gelten. Jedenfalls ist die Einstufung als Sonderbetriebsvermgen bei einer Personengesellschaft, die eine Betriebssttte begrndet, nicht ausreichend.47 An den fr die tatschliche Zugehrigkeit erforderlichen funktionalen Zusammenhang sind daher hhere Anforderungen zu stellen als an die fr notwendiges Sonderbetriebsvermgen erforderliche enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft.48 Wenn die Betriebssttte nur Holdingfunktionen ausbt, existiert keine operative Ttigkeit, mit der ein Funktionszusammenhang bestehen knnte. Andererseits verfolgt eine geschftsleitende Holding eigene gewerbliche Zwecke, denen gerade die Beteiligungen an den abhngigen Gesellschaften dienen.49 Davon ausgehend drften Beteiligungen an abhngigen Gesellschaften (nur) dann einer nicht operativ ttigen Betriebssttte zugeordnet werden knnen, wenn diese ihnen gegenber die Funktionen einer geschftsleitenden Holding ausbt.50 45 Bei spterer berfhrung aus dieser Betriebssttte in das auslndische Stammhaus kommt es nach Auffassung der Finanzverwaltung ebenfalls zur Gewinnrealisierung; vgl. BMF v. 24. 12. 1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99 (BSVwGrs), BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.6.3. 46 Vgl. BFH v. 26. 2. 1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937. 47 Vgl. BFH v. 27. 2. 1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444. 48 Zur Einstufung von Beteiligungen als Sonderbetriebsvermgen BFH v. 3. 3. 1998 – VIII R 66/96, BStBl. II 1998, 383. 49 Vgl. BS-VwGrs, Tz. 4.4.1 i. V. m. BFH v. 17. 12. 1969 – I 252/64, BStBl. II 1970, 257; BFH v. 12. 8. 2002 – VIII B 69/02, BFH/NV 2002, 1579. 50 Umkehrschluss aus BS-VerGrs, Tz. 4.4.1 u. 4.4.3; Sieker in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstttenbesteuerung, 2001, S. 107 f.; Kessler/Schmidt/ Teufel, IStR 2001, 269; s. auch Runge in Maßbaum/Meyer-Scharenberg/Perlet, Die deutsche Unternehmensbesteuerung im europischen Binnenmarkt, 1994, S. 950; Becker, DB 1984, 1848; restriktiv nunmehr BFH v. 17. 12. 2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771.
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Auch die Hereinverschmelzung wird nach Umsetzung der Regelungen der Fusionsrichtlinie ertragsteuerneutral erfolgen knnen. Hinsichtlich der deutschen Betriebssttte sind gem. Art. 10 Abs. 1 Satz 3 FRL die Regelungen zur Buchwertfortfhrung und Verlustbernahme in Art. 4–6 FRL entsprechend anzuwenden. Nach dem neu geschaffenen Art. 10b FRL soll entsprechend der Regelungen fr Verschmelzungen bei einer Sitzverlegung einer SE keine Besteuerung im Wegzugstaat erfolgen, soweit die Wirtschaftsgter dort in einer Betriebssttte steuerlich verhaftet bleibt und die SE die Buchwerte fortfhrt. In Art. 10c und 10d FRL wurden Parallelregelungen zu Art. 5, 6 und 8 FRL hinsichtlich der Fortfhrung von Rcklagen, Rckstellungen und Verlustvortrgen und der Ertragsteuerneutralitt bei den Aktionren geschaffen. Aus deutscher Sicht zu regeln ist auch die Anwendung der §§ 27, 37 u. 38 KStG, fr die keine Vorgabe der Fusionsrichtlinie besteht.
IV. Einfluss des primren Gemeinschaftsrechts Im Rahmen der Umsetzung der Regelungen der Fusionsrichtlinie fr Verschmelzung und Sitzverlegung der SE steht der deutsche Gesetzgeber vor der Frage, ob er angesichts der Rechtsprechung der EuGH zur Reichweite der Grundfreiheiten nicht ber die Regelungen der Fusionsrichtlinie hinausgehen muss, um europarechtskonforme Regelungen zu schaffen. Zwar sind die direkten Steuern und damit insbesondere auch die Ertragsbesteuerung der Unternehmen innerhalb der EU nicht harmonisiert, bei ihrer Ausgestaltung ist jedoch der Vorrang der Grundfreiheiten des EG-Vertrages zu beachten.51 Die Besteuerung grenzberschreitender Umwandlungen und Sitzverlegungen innerhalb der EU muss daher insbesondere mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG) vereinbar sein, nach der Beschrnkungen der freien Niederlassung von Gesellschaften eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebietes eines anderen Mitgliedstaates verboten sind. Dies gilt nicht nur fr den Aufnahmemitgliedstaat, sondern auch fr den Herkunftsmitgliedstaat. Der EuGH hat in der „X und Y“-Entscheidung deutlich gemacht, dass die bertragung von Beteiligungen auf eine auslndische EU-Gesell51 Zum Einfluss der Rechtsprechung des EuGH auf die deutsche Unternehmensbesteuerung vgl. Schn, IStR 2004, 289; Rdder, DStR 2004, 1629; Schießl, NJW 2005, 849.
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schaft steuerlich wie die bertragung auf eine inlndische Gesellschaft behandelt werden muss.52 Zwar wurde in der „Daily Mail“-Entscheidung53 ein Anspruch auf grenzberschreitende Sitzverlegung ohne gesellschaftsrechtliche und steuerliche Nachteile verneint und diese Rechtsprechung wurde auch durch die Entscheidungen „berseering“54 und „Inspire Art“55 nicht korrigiert.56 Entscheidender Ausgangspunkt fr die weitere Rechtsprechung des EuGH zur Besteuerung des grenzberschreitenden Transfers von Wirtschaftsgtern drfte jedoch die Entscheidung „de Lasteyrie du Saillant“57 sein, nach der beim Wegzug einer natrlichen Person in einen anderen Mitgliedstaat die stillen Reserven einer von ihm gehaltenen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht realisiert werden drfen. Nach dieser Entscheidung hat der Wegzugsstaat zwar das Recht, die in seinem Hoheitsbereich gebildeten stillen Reserven zu besteuern. Diese Besteuerung darf jedoch grundstzlich wie im Inlandsfall erst bei tatschlicher Realisierung der stillen Reserven erfolgen und im Wegzugszeitpunkt sind nur Maßnahmen gegen Missbrauch im Einzelfall zulssig. Der zu gewhrende Zahlungsaufschub darf nicht an Bedingungen, wie z. B. Sicherheiten, geknpft werden. Angesichts dieser Rechtsprechung des EuGH erscheint es nicht zulssig, eine gesellschaftsrechtlich mgliche grenzberschreitende Verschmelzung oder Sitzverlegung zum Anlass fr steuerliche Nachteile, insbesondere einer Besteuerung der stillen Reserven, zu nehmen, die bei einem rein inlndischen Vorgang nicht eintrten.58 Dies gilt auch dann, wenn die nach der Fusionsrichtlinie zur Vermeidung der Gewinnrealisierung erforderliche Betriebsstttenzugehrigkeit nicht gegeben ist. Denn eine solche Voraussetzung existiert fr inlndische Vorgnge nicht und die Mitgliedstaaten mssen auch bei der Umsetzung von sekundrem Gemeinschaftsrecht die Grundfreiheiten beachten.59 Vor52 EuGH v. 21. 11. 2002 – Rs. C-436/00, Slg. 2002, I-10487; daran anschließend EuGH v. 8. 6. 2004, Rs. C-268/03, HFR 2005, 274. 53 EuGH v. 27. 9. 1988 – Rs. 81/87, Slg. 1988, 5483. 54 EuGH v. 5. 11. 2002 – Rs. C-208/00, GmbHR 2002, 1137. 55 EuGH v. 30. 9. 2003 – Rs. C-167/01, GmbHR 2003, 1260. 56 Daraus schließt BayOblG v. 11. 2. 2004 – 3 Z BR 175/03, GmbHR 2004, 490, dass eine identittswahrende Verlegung des Satzungssitzes innerhalb der EU weiterhin nicht mglich ist. 57 EuGH v. 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02, BFH/NV Beilage 2004, 211. 58 Zur bertragbarkeit der Grundstze dieser Entscheidung auf Sitzverlegungen und Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften Wassermeyer, GmbHR 2004, 613, 617; Engert, IStR 2004, 664, 669 f.; Schnitger, BB 2004, 804, 810; Kessler/Achilles/Huck, IStR 2003, 715, 719; Kleinert/Probst, DB 2004, 673. 59 EuGH v. 18. 9. 2003 – Rs. C-168/01 („Bosal“), BFH/NV Beilage 2004, 13, Rz. 26.
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aussichtlich ist daher auch bei Verlust des Besteuerungsrechts durch Umwandlung oder Sitzverlegung innerhalb der EU nur eine bis zur tatschlichen Realisierung der stillen Reserven aufgeschobene Besteuerung zulssig.60 Der deutsche Gesetzgeber wird diesen Aspekt bei der Umsetzung der Fusionsrichtlinie bercksichtigen mssen, wenn er das Risiko eines Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit vermeiden will. Die Europisierung des deutschen Umwandlungssteuerrechts ist nicht mehr aufzuhalten.
60 Vgl. Schn/Schindler, IStR 2004, 571, 576; Kessler/Huck/Obser, DStZ 2004, 855, 860 f.
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Neue Entwicklungen im Bereich der Umsatzsteuer Werner Widmann Ministerialdirigent, Mainz Inhaltsbersicht I. Neues aus Brssel: Wichtige EU-Mehrwertsteuer-Richtlinien 1. Rechnungsrichtlinie vom 20. 12. 2001 2. Besteuerung elektronischer Dienstleistungen lt. Richtlinie vom 7. 5. 2002 3. Ort der Lieferung von Gas und Elektrizitt 4. Kommissionsvorschlag vom 15. 4. 2004 fr eine Neufassung der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie II. Der Europische Gerichtshof als verbindlicher Interpret der Richtlinien 1. Die Nutzung unternehmerischer Grundstcke fr Zwecke außerhalb des Unternehmens 2. Echtes Factoring als unternehmerische Ttigkeit 3. Steuerbefreiung rztlicher Ttigkeit 4. Zeitpunkt der Geltendmachung des Vorsteuerabzuges 5. Zulssigkeit der Vorsteuerabzugsbeschrnkung fr auch privat genutzte Fahrzeuge gemß § 15 Abs. 1b UStG i. d. F. bis Ende 2003 III. Maßnahmen des deutschen Gesetzgebers zur UmsatzsteuerBetrugsbekmpfung 1. § 27b UStG: Umsatzsteuer-Nachschau
2. § 25d UStG: Haftung fr schuldhaft nicht abgefhrte Umsatzsteuer 3. § 18f UStG: Sicherheitsleistung 4. § 13b UStG: bergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfnger 5. § 13c UStG: Haftung bei Abtretung und hnlichem 6. § 13d UStG: Haftung bei nderung der Bemessungsgrundlage 7. § 18UStG: Monatliche Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen 8. §§ 14, 14b UStG: Rechnungserteilung bei Bauleistungen; Rechnungsaufbewahrungspflicht der Leistungsempfnger 9. Strafvorschriften IV. Notwendige nderungen am Mehrwertsteuersystem: Aktuelle Vorschlge 1. Das Mittler-Modell: Vorstufenbefreiung im zwischenunternehmerischen Verkehr 2. Generelle Steuerschuldverlagerung auf den Leistungsempfnger im zwischenunternehmerischen Bereich 3. Generelle Einfhrung der Ist-Versteuerung mit umfassendem Cross-Check 4. Haltung der Europischen Kommission
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I. Neues aus Brssel: Wichtige EU-Mehrwertsteuer-Richtlinien 1. Rechnungsrichtlinie vom 20. 12. 2001 Obwohl die sog. Rechnungsrichtlinie schon vom 20. 12. 20011 stammt, muss man sie noch zu den Neuigkeiten zhlen, denn der deutsche Gesetzgeber hat diese Richtlinie durch die neuen §§ 14 bis 14c UStG erst zum 1. 1. 2004 in das nationale Recht umgesetzt. Dies war ohnehin der sptestmgliche Zeitpunkt und das Steuernderungsgesetz 2003, welches die Umsetzung brachte, stammt erst vom 15. 12. 20042, so dass die Verwaltung sogleich in einem BMF-Schreiben vom 19. 12. 20033 die strikte Anwendung der neuen Normen ab dem 1. 1. 2004 erst einmal aussetzte bis Ende Juni 2004. Eigentlich wre es Sache des Gesetzgebers, so weitreichende bergangsregelungen selbst zu regeln. Aber das ist leider nicht geschehen. Ein ausfhrliches BMF-Schreiben vom 29. 1. 20044 gab dann die Auffassung der Verwaltung zu wichtigen Praxisfragen bekannt. Und als die Schonfrist Ende Juni 2004 ablief, tauchten neben anderen offenen Fragen große Irritationen darber auf, wie Rabattvereinbarungen in Rechnungen zu dokumentieren sind, denn die neue Nr. 7 des § 14 Abs. 4 UStG verlangt dies ebenso wie die 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie5 – ob die Richtlinienvorgabe von dem deutschen Gesetz richtig getroffen wird, ist allerdings bereits streitig6. Ein neues BMF-Schreiben vom 3. 8. 20047 hat die Wogen wohl wieder geglttet, denn nun ist die Aussage des BMF-Schreibens vom 29. 1. 20048 in dem Sinne konkretisiert, dass ein allgemeiner Hinweis auf die geltenden Rabattvereinbarungen zwischen den Vertragspartnern in der Rechnung gengt. Aus zivilrechtlicher Sicht ist zum Streit ber die richtige Rechnung zu sagen, dass der unternehmerische Leistungsempfnger zwar stets einen Anspruch auf eine korrekte Rechnung hat, dass er aber auch bei nicht 1 Richtlinie 2001/115/EG v. 20. 12. 2001 zur nderung der Richtlinie 77/388/ EWG mit dem Ziel der Vereinfachung, Modernisierung und Harmonisierung der mehrwertsteuerlichen Anforderungen an die Rechnungserteilung, Abl. EG 2002 Nr. L 15, S. 24; siehe dazu Langer, DB 2002, 345. 2 BGBl. I 2003, 2645; siehe dazu Weber, DB 2004, 337; Robisch, UStB 2004, 328. 3 BMF v. 19. 12. 2003 – IV B 7 – S 7300 – 75/03, BStBl. I 2004, 62. 4 BMF v. 29. 1. 2004 – IV B 7 – S 7280 – 19/04, BStBl. I 2004, 258. 5 In der aktuellen Fassung abgedruckt bei Plckebaum/Malitzky/Widmann, Umsatzsteuergesetz, Bd. I/2, Teil C 60 S. 1 ff. 6 Siehe dazu Weßling/Romswinkel, UStB 2004, 60. 7 BMF v. 3. 8. 2004 – IV B 7 – S 7280a – 145/04, BStBl. I 2004, 739. 8 BMF v. 29. 1. 2004 – IV B 7 – S 7280 – 19/04, BStBl. I 2004, 258.
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korrekten Rechnungen i. S. von § 14 UStG nicht einfach die fllige Zahlung komplett verweigern darf, ohne in Verzug zu geraten. Allenfalls in Hhe der Umsatzsteuer, die wegen eines Fehlers in der Rechnung nicht als Vorsteuer abzugsfhig ist, kann er ein Zurckbehaltungsrecht geltend machen.9 Dass man beim bergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfnger gemß § 13b UStG keine ordnungsgemße Rechnung fr den Vorsteuerabzug braucht, ist nach dem EuGH-Urteil vom 1. 4. 200410 brigens klar. Dieses Urteil erging zwar noch zum Umsatzsteuer-Abzugsverfahren gemß §§ 51 ff. UStDV, die bis Ende 2001 gegolten hatten; der EuGH leitet seine Auffassung, eine Rechnung sei nicht ntig, aber auch aus den Richtliniennormen ab, die fr § 13b UStG gelten. Allerdings gibt § 14a Abs. 5 UStG dem Leistungsempfnger einen Anspruch auf eine Rechnung ohne Steuerausweis. Das deutsche Gesetz geht also offenbar davon aus, dass der Leistungsempfnger eine Rechnung braucht. 2. Besteuerung elektronischer Dienstleistungen lt. Richtlinie vom 5. 7. 2002 Ziemlich geruschlos ging die Umsetzung der Richtlinie vom 7. 5. 200211 zur Besteuerung elektronischer Dienstleistungen zum 1. 7. 2002durch das Steuervergnstigungsabbaugesetz vom 16. 5. 200312 – der Titel passt zu dieser Maßnahme freilich nicht – ber die Bhne. Bei dieser Gelegenheit wurden die Regelungen ber die elektronischen Rechnungen in § 14 UStG innerhalb von nur zwei Jahren zwar zum dritten Mal gendert13, aber weil diese Abrechnungspraxis wegen der hohen Hrden der elektronischen Signatur bisher ohnehin noch keine große Rolle in Deutschland zu spielen scheint, gab es erkennbar keine 9 Siehe dazu Widmann, Editorial zu DB-Heft 35/2004. 10 EuGH v. 1. 4. 2004 – Rs. C-90/02 – Gerhard Bockemhl, UR 2004, 367. Siehe dazu die Nachfolgeentscheidung des BFH v. 17. 6. 2004 – V R 61/00, DB 2004, 2082. 11 Richtlinie 2002/38/EG v. 7. 5. 2002 zur nderung und vorbergehenden nderung der Richtlinie 77/388/EWG bezglich der mehrwertsteuerlichen Behandlung der Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie bestimmter elektronisch erbrachter Dienstleistungen, ABl. EG 2002 Nr. L 128 S. 41; siehe dazu Vellen, UR 2003, 53. 12 BGBl. I 2003, 660 = BStBl. I 2003, 321. 13 Siehe dazu Widmann in Plckebaum/Malitzky/Widmann, UStG, § 14 UStG Rz. 37 ff.
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Schwierigkeiten.14 Von der durch § 18 Abs. 4c und Abs. 4d UStG eingefhrten sog. Einortregistrierung fr Unternehmer aus Drittlndern mit elektronischen Umstzen haben bisher in Deutschland nur wenige Unternehmer Gebrauch gemacht. Die Europische Kommission favorisiert derzeit die Einortregistrierung – sog. One-stop-shop – auch fr die Unternehmer mit Sitz im Gemeinschaftsgebiet. Danach brauchte man alle Umstze im Gemeinschaftsgebiet nur noch in einer Steuererklrung, freilich getrennt nach den Mitgliedstaaten, bei seinem Sitzfinanzamt zu melden. Ob die Umstellung auf einen Briefkasten anstelle von 25 Briefksten wirklich ein Fortschritt fr den Binnenmarkt wre, ist noch schwer zu beurteilen. Wichtiger wre sicher die materielle Harmonisierung der Vorschriften, auf grund derer die Umstze besteuert werden.15 brigens ist fr die Drittlandsunternehmer mit elektronischen Umstzen im Gemeinschaftsgebiet gemß § 18 Abs. 4 c UStG schon seit dem 1. 7. 2003 die elektronische Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen vorgeschrieben. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass durch § 18 Abs. 1 UStG in der ab dem 1. 1. 2005 geltenden Fassung16 auch fr inlndische Unternehmer grundstzlich die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung auf elektronischem Weg zur Pflicht gemacht wird. 3. Ort der Lieferung von Gas und Elektrizitt Die Richtlinie vom 7. 10. 2003 zum Ort der Lieferung von Gas und Elektrizitt17 muss zum 1. 1. 2005 in das deutsche Recht umgesetzt werden. Dies soll durch das Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht zur nderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz – EURLUmsG) geschehen, dessen Entwurf die Bundesregierung am 13. 8. 2004 beschlossen hat18. Bekanntlich enthlt dieses Gesetz auch einiges, was berhaupt nicht durch aktuelle EU-Richtlinien veranlasst ist, so z. B. die komplette
14 Siehe zu den Einzelheiten BMF, Schr. v. 12. 6. 2003 – IV D 1 – S 7117f – 15/ 03, BStBl. I 2003, 375. 15 Siehe dazu Nieskens, UR 2004, 410. 16 Vgl. § 27 Abs. 9 UStG; siehe Art. 5 Nr. 22 i. V. m. Art. 25 Abs. 5 StndG 2003. 17 Richtlinie 2003/92 EG des Rates v. 7. 10. 2003 zur nderung der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich der Vorschriften ber den Ort der Lieferung von Gas und Elektrizitt, ABl. EG 2003 Nr. L 260, S. 8. 18 Vgl. BR-Drucks. 605/04 v. 13. 8. 2004. Zum EURLUmsG vom 9. 12. 2004, BGBl. I 2004, 3310, s. Nieskens, UR 2005, 57; Widmann, DB 2005, 183.
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Neufassung und Erweiterung der Vorschriften zur Berichtigung des Vorsteuerabzuges gemß § 15a UStG und Regelungen zum Steuerberatungsrecht. Aber bezglich der Gas- und Elektrizittslieferungen trgt der Entwurf seinen Titel „Richtlinien-Umsetzungsgesetz“ zu Recht. Der Ort dieser Lieferungen soll dann, wenn die Abnehmer Unternehmer mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat sind als in dem, in dem der Lieferer seinen Sitz hat, an deren Sitzort liegen. Weil zugleich die Steuerschuld auf die Abnehmer bergeht – dazu muss § 13b UStG schon wieder gendert werden –, muss bei grenzberschreitenden Lieferungen der Lieferer sich im Abnehmerland nicht registrieren lassen. Es gibt damit auch keine Probleme mit dem Nachweis einer steuerfreien Lieferung. Der Abnehmer muss sich keine Vorsteuer aus dem Ursprungsland vergten lassen. Die Europische Kommission hat also beim Vorschlag dieser Richtlinie wieder einmal zur Technik der Steuerschuldverlagerung, dem sog. Reverse-Charge, gegriffen, die immer dann eingesetzt wird, wenn bei grenzberschreitenden Transaktionen der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden msste. Man fragt sich, warum eigentlich diese probate Technik nicht auch innerstaatlich generell von der Europischen Kommission vorgeschlagen wird. Wir haben in Deutschland mit § 13b UStG bisher nur fr bestimmte Umstze diese Besteuerungstechnik und daher gibt es die Abgrenzungsprobleme, auf die wir noch bei den Fragen zu Systemnderungen zu sprechen kommen werden19. 4. Kommissionsvorschlag vom 15. 4. 2004 fr eine Neufassung der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie Die Europische Kommission hat am 15. 4. 2004 den Vorschlag fr eine Neufassung der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie vorgelegt20. Damit soll endlich der bemerkenswerte, aber schier unglaubliche Zustand beendet werden, dass es bislang keine konsolidierte amtliche Fassung der 6. EGUmsatzsteuer-Richtlinie gibt, denn die Technik der Neubekanntmachung eines hufig genderten Gesetzes, die in Deutschland gebruchlich ist, pflegt die Europische Kommission bisher anscheinend nicht. Der Vorschlag der Europischen Kommission ist aber mehr als eine bloße Neufassung. Die ber 25 nderungsrichtlinien, welche die 6. EGUmsatzsteuer-Richtlinie seit ihrem Erlass im Jahr 1977 ber sich ergehen lassen musste, werden also nicht nur in einen amtlichen Fließtext 19 Siehe unten Abschn. IV Nr. 4. 20 Siehe dazu Wohlfahrt, UStB 2004, 193.
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berfhrt. Vielmehr sollen die derzeitigen, teilweise berlangen 56 Artikel aufgelst werden in mehr als 400 neue Artikel. Die Europische Kommission will damit auch die bisherigen Artikel 28a bis 28n der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie, die die sog. bergangsregelung fr den Europischen Binnenmarkt seit dem 1. 1. 1993 sichtbar regeln, ihres vorlufigen Charakters entkleiden und in die erwhnten 400 Artikel laufend integrieren. Man kann dies nur so deuten, dass die Europische Kommission an ein baldiges Ende der bergangsregelung, die ja eigentlich schon Ende 1996 auslaufen sollte, nicht mehr glaubt. Es wird interessant sein zu beobachten, ob und welche Mitgliedstaaten, die ja alle die befristete bergangsregelung seinerzeit einstimmig beschlossen haben, sich nun auf diese elegante Weise von der Verpflichtung zur Schaffung einer endgltigen Regelung auf der Basis des Ursprungslandsprinzips verabschieden werden. Wer bei den Beratungen zur Binnenmarkt-bergangsregelung in den Jahren vor 1993 schon umsatzsteuerliche Interessen verfolgte, braucht seine Enttuschung ber dieses Scheitern einer ursprnglichen guten Absicht nicht zu verhehlen21.
II. Der Europische Gerichtshof als verbindlicher Interpret der Richtlinien 1. Die Nutzung unternehmerischer Grundstcke fr Zwecke außerhalb des Unternehmens Der EuGH ist nach dem EG-Vertrag zur verbindlichen Interpretation des EU-Rechts berufen22. Daher sind immer wieder zu hrende Hinweise darauf, dass der EuGH kein Steuerfachgericht sei, ebenso zutreffend wie sinnlos. Der EuGH versteht vom gesamten EU-Recht gleich viel, ob es Fragen zur Dienstleistungsfreiheit oder zur Mehrwertsteuer sind, ist gleichgltig. Deshalb braucht man sich ber kein Urteil mehr als ber andere aufzuregen. Diese Vorbemerkung ist notwendig, weil der EuGH mit dem Urteil vom 8. 5. 2003 in dem Fall des Herrn Wolfgang Seeling23 einige alther-
21 Siehe dazu Widmann, UVR 2003, 147. 22 Vgl. Art. 220 EG-Vertrag. 23 EuGH v. 8. 5. 2003 – Rs. C-269/00, UR 2003, 288 mit Anm. v. Burgmaier.
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gebrachte Grundstze der deutschen Umsatzsteuerpraxis ber den Haufen geworfen hat – so grndlich, dass jetzt sogar deswegen das Umsatzsteuergesetz gendert werden soll. Dabei kann man den EuGH doch nicht mit nationalen Normen einfangen! Wenn schon, dann muss man mit einer nderung der einschlgigen EU-Richtlinien reagieren. Um was ging es im Fall Seeling? Ganz einfach darum, dass Herr Seeling einen Teil seines Gebudes selbst bewohnte, das er auch fr seine unternehmerische Ttigkeit benutzte. Weil der EuGH schon im Urteil vom 11. 7. 199124 entschieden hatte, dass ein Steuerpflichtiger einen Gegenstand seinem Unternehmen zuordnen kann, wie gering auch immer die unternehmerische Nutzung ausfllt, konnte es nicht berraschen, dass er nun auch entschied, dass die Zuordnung des privaten Wohnbereichs in einem unternehmerischen Gebude zum unternehmerischen Bereich zulssig ist und dass diese private Verwendung nicht als Vermietung steuerfrei ist. Das war nach dem Wortlaut von Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie vollkommen konsequent, denn die Selbstnutzung ist eben keine Vermietung. Es fehlt an einem Dritten. Der BFH hatte in seinem Vorlagebeschluss vom 25. 5. 200025 diese Lsung in bereinstimmung mit Teilen des Schrifttums26 bereits vorgezeichnet. Die Folgen des Seeling-Urteils sind fiskalisch sicher unbefriedigend, denn der laufenden Besteuerung der Selbstnutzung der unternehmerischen Gebudeteile zum Regelsteuersatz geht das Recht des Vorsteuerabzugs voraus. Wenn man die bisherige Praxis in Deutschland anwendet, dass die Kosten gemß § 10 Abs. 4 UStG als Bemessungsgrundlage fr die unentgeltliche Wertabgabe entsprechend den ertragsteuerlichen Grundstzen anzusetzen sind, also die AfA mit 2 v. H., dann bentigt man zur Kompensation des Vorsteuerabzuges aus den Herstellungskosten 50 Jahre, bis die AfA bei gleich bleibendem Steuersatz in die Kasse des Fiskus zurckgespielt wird. Aber es muss auch gesagt werden, dass die Reaktion der Verwaltung in dem BMF-Schreiben vom 13. 4. 200427, wonach die Kosten nun ab dem 1. 7. 2004 anhand der Vorsteuerberich24 EuGH v. 11. 7. 1991 – Rs. C-97/90 – Lennartz, UR 1991, 291 m. Anm. von Widmann. 25 BFH v. 25. 5. 2000 – V R 39/99, UR 2000, 25 ; das Folgeurteil des BFH zum EuGH-Urteil v. 28. 5. 2003 stammt v. 24. 7. 2003 – V R 39/99, BStBl. II 2004, 371. 26 Siehe Klenk, UR 1993, 377; Widmann in Plckebaum/Malitzky/Widmann, UStG, § 9 UStG Rz. 4913. 27 BMF v. 13. 4. 2004 – IV B 7 – S 7206 – 3/04, BStBl. I 2004, 468.
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tigungszeitrume des § 15a UStG zu ermitteln sind, d. h. bei Grundstcken die AfA nur auf 10 Jahre zu verteilen ist, schwersten EU-rechtlichen Bedenken begegnet.28 Immerhin muss man doch auch beachten, dass Art. 21 Abs. 2 der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie fr die Berichtigung des Vorsteuerabzuges bei Grundstcken eine Frist von bis zu 20 Jahren zulsst. Da wird man schwerlich eine nationale Regelung treffen knnen, die diese Vorsteuerberichtigung nur auf 10 Jahre festlegt. Das Richtlinien-Umsetzungsgesetz, das diese Regelung nun – rckwirkend zum 1. 7. 2004 – in § 10 Abs. 4 UStG verankert, hat die gleichen Argumente gegen sich. Jedenfalls wird man auch sagen knnen, dass die Reaktion des Gesetzgebers zeigt, dass die Verwaltung von sich aus diese Lsung keinesfalls anordnen durfte. Es verwundert, dass die Angelegenheit bisher auf EU-Ebene keine konzertierte Aktion der Europischen Kommission und der Mitgliedstaaten ausgelst hat zur nderung der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie. Die frhere deutsche Lsung, durch die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift fr Vermietungen gemß § 4 Nr. 12 UStG fr den privat verwendeten Teil des Gebudes den Vorsteuerabzug gemß § 15 Abs. 2 UStG auszuschließen, msste EU-rechtlich eingefhrt werden. Dann gbe es die fatalen fiskalischen Folgen aus dem Seeling-Urteil nicht mehr. Wartet man jetzt wieder darauf, wie der EuGH die neue Linie des deutschen Gesetzgebers beurteilt, dann verliert man wieder Zeit, die man besser zur Umgestaltung der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie benutzten sollte. 2. Echtes Factoring als unternehmerische Ttigkeit Auch das Urteil des EuGH vom 26. 6. 200329 ging auf ein Vorabentscheidungsersuchen des BFH zurck30. Der EuGH hat nun entschieden, dass die Ttigkeit eines Wirtschaftsteilnehmers, der Forderungen unter bernahme des Ausfallrisikos aufkauft und seinen Kunden dafr Gebhren berechnet, eine unternehmerische Ttigkeit ist, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließt. Die vom EuGH so abstrakt umschriebene Ttigkeit nhrt unter der Bezeichnung Factoring eine wirtschaftlich bedeutende Branche. Bekannt28 Siehe dazu Heinrichshofen, UStB 2004, 191. 29 EuGH v. 26. 6. 2003 – Rs. C-305/01 – MKG – Kraftfahrzeuge-FactoringGmbH, UR 2003, 400. Das Nachfolgeurteil des BFH stammt vom 4. 9. 2003 – V R 34/99, BStBl. II 2004, 667. 30 Siehe Beschl. v. 17. 5. 2001 – V R 34/99, UR 2001, 393.
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lich hatte der BFH in einer Entscheidung aus dem Jahr 198131 das echte Factoring als nicht unternehmerisch betrachtet, weil nach seiner damaligen Auffassung der Factor die von ihm angekaufte Forderung auf eigene Rechnung einzieht und damit keine Leistung gegenber dem Abtretenden erbringe. Der BFH wollte sich dann erkennbar von dieser Meinung lsen und hat deshalb den EuGH angerufen. Die Verwaltung, die mit ihrem Abschn. 18 Abs. 4 UStR 2000 noch die Fahne des frheren BFH-Urteils hochhielt, lag also wieder einmal daneben. Durch das BMFSchreiben vom 3. 6. 200432 wird nun die neue EuGH-Linie bernommen. Die Qualifikation der Ttigkeit des Factors als Dienstleistung gegen Entgelt gegenber dem Anschlusskunden in Form der Einziehung von Forderungen fhrt zur Steuerpflicht dieser Umstze, so dass auch der Vorsteuerabzug in diesem Zusammenhang mglich ist. 3. Steuerbefreiung rztlicher Ttigkeit Das EuGH-Urteil vom 14. 9. 200033 erging zur Reichweite der Steuerbefreiung rztlicher Leistungen. Der Fall spielte in sterreich und liegt gegenber den anderen hier vorgestellten EuGH-Entscheidungen etwas lnger zurck. Gleichwohl verdient er, noch zu den aktuellen umsatzsteuerlichen Entwicklungen gezhlt zu werden, denn er lste eine Abkehr von traditionellen deutschen Verwaltungsbungen aus, die immerhin zwei BMF-Schreiben und weitere OFD-Verfgungen erforderlich machten34. Der EuGH musste sich mit der Frage beschftigen, ob ein Vaterschaftsgutachten, das ein Arzt erstellt, eine rztliche Leistung i. S. der Steuerbefreiung gemß Art. 13 A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-UmsatzsteuerRichtlinie ist. Der EuGH hat dies verneint, weil er die Ttigkeit eines Arztes als medizinische Betreuung von Personen durch Diagnose und Behandlung von Krankheiten und anderen Gesundheitsstrungen qualifiziert. Die Feststellung einer Vaterschaft mag zwar beim Betroffenen Gesundheitsstrungen auslsen, wenn er von ihr erfhrt. Aber fr sich
31 BFH v. 10. 12. 1981 – V R 75/76, BStBl. II 1982, 200, siehe dazu Weiß, UR 1982, 26. 32 BMF v. 3. 6. 2004 – IV B 7 – S 7104 – 18/04, BStBl. I 2004, 737; siehe dazu Dose/Jansen, UStB 2004, 322. Siehe jetzt Abschn. 18 Abs. 8–11 UStR 2005. 33 EuGH v. 14. 9. 2000 – Rs. C-384/98, UR 2000, 432. 34 BMF, Schr. v. 13. 2. 2001 – IV C 1 – S 7100 – 4/01, BStBl. I 2001, 157; ersetzt durch BMF, Schr. v. 8. 11. 2001 – IV D 1 – S 7170/201/01, BStBl. I 2001, 826; OFD Karlsruhe und OFD Stuttgart v. 25. 3. 2002, IStR 2002, 387.
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gesehen ist die Begutachtung keine medizinische Heilbehandlung. Da hat der EuGH Recht. Selbstverstndlich knnen die Grundstze des EuGH nicht allein auf Vaterschaftsgutachten Anwendung finden. Deshalb hat die Verwaltung in den erwhnten BMF-Schreiben eine Reihe von medizinischen Gutachten aufgezhlt, die ab dem 1. 1. 2002, anders als bisher nach Abschn. 88 und 98 Abs. 1 UStR 2000, nicht mehr steuerfrei erstellt werden knnen. Dennoch gibt es nach wie vor eine Vielzahl von Grenzfllen, die immer wieder Streit auslsen, zumal sich die gleichen Probleme auch fr die Erstellung von Gutachten durch gemß § 4 Nr. 16 UStG steuerbefreite Krankenhuser stellen. Der EuGH trgt also mit seiner Rechtsprechung nicht immer zur Vereinfachung bei. In Befolgung der EuGH-Linie hat der BFH jetzt entschieden, dass medizinisch nicht indizierte Schnheitsoperationen, ungeachtet dessen, dass sie von einem Arzt ausgefhrt werden, nicht unter die Steuerbefreiung gem. § 4 nr. 14 UStG fallen35. 4. Zeitpunkt der Geltendmachung des Vorsteuerabzuges Das Urteil des EuGH vom 29. 4. 200436 ist deshalb bedeutsam, weil es zu keiner Anpassung des deutschen Rechts zwingt. Der EuGH hat nmlich entschieden, dass der Vorsteuerabzug erst geltend gemacht werden darf, wenn der Leistungsempfnger die Leistung erhalten hat und eine ordnungsgemße Rechnung in Besitz hat. Dies entspricht der deutschen Praxis, die in Abschn. 192 Abs. 2 UStR 2000 niedergelegt ist und seit je her gegolten hat37. Allein dies erscheint auch praktikabel und vermeidet die Berichtigung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen, die ntig wrde, wenn der Vorsteuerabzug nach Erhalt der Rechnung rckwirkend bereits im Voranmeldungszeitraum vorzunehmen wre, in dem die Leistung ausgefhrt wurde. Diesen Standpunkt nahm in der Rechtssache 153/02 brigens die Europische Kommission ein. Der EuGH verdient Lob dafr, dass er hier gegen die Europische Kommission entschieden hat und der Verwaltung die Arbeit erleichtert. An die Verzinsungsprobleme mchte man nmlich gar nicht denken, die bei der Auffassung der Europischen Kommission entstanden wren. 35 BFH, Urt. v. 15. 7. 2004 – V R 27/03, DB 2004, 2197. 36 EuGH v. 29. 4. 2004 – Rs. C-153/02 – Terra Baubedarf-Handel GmbH, UR 2004, 323. 37 Die Folgeentscheidung des BFH stammt vom 15. 7. 2004, DB 2004, 2140. S. jetzt Abschn. 192 Abs. 2 Nr. 4 UStR 2005.
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5. Zulssigkeit der Vorsteuerabzugsbeschrnkung fr auch privat genutzte Fahrzeuge gemß § 15 Abs. 1b UStG i. d. F. bis Ende 2003 Das EuGH-Urteil vom 29. 4. 200438 setzt den Schlusspunkt unter eine der unerfreulichsten gesetzgeberischen Affren, die das Umsatzsteuergesetz seit dem 1. 4. 1999 aushalten musste. Zu diesem Zeitpunkt trat § 15 Abs. 1b UStG in Kraft, der den Vorsteuerabzug fr auch privat genutzte Fahrzeuge zu 50 v. H. ausschloss. Die private Verwendung des Fahrzeugs wurde dafr gem. § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG nicht besteuert. Die fr diese Regelungen erforderliche EU-rechtliche Ermchtigung nach Art. 27 der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie wurde erst am 28. 2. 2000 rckwirkend zum 1. 4. 1999 erteilt und am 4. 3. 2000 im Amtsblatt der EU verffentlicht39. Die Ermchtigung war bis Ende 2002 befristet. Der deutsche Gesetzgeber hat § 15 Abs. 1b und § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG erst zum 1. 1. 2004 durch das Steuernderungsgesetz 2003 aufgehoben40. Der EuGH musste aufgrund einer Vorlage des BFH41 darber entscheiden, ob die Ermchtigung gemß Art. 27 der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie rckwirkend zum 1. 4. 1999 erteilt werden durfte. Und vorgreiflich war die weitere Frage, ob eine derartige Ermchtigung berhaupt erteilt werden konnte nach den brigen Vorgaben der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie. Der EuGH hat nun geurteilt, dass die rckwirkende Ermchtigung zum 1. 4. 1999 unwirksam ist42. Erst ab der Verffentlichung der Ermchtigung war den Brgern der Vertrauensschutz auf den Fortbestand der fr sie gnstigen Vorsteuerregelungen der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie zu versagen. Dann allerdings will der EuGH Deutschland das Recht zur Einschrnkung des Vorsteuerabzuges nicht absprechen – diese Passage des Urteils ist, wenn berhaupt, nur sehr dnn begrndet. Der EuGH referiert bloß die Behauptung der Bundesregierung, dass die Erfassung des Eigenverbrauchs bei unternehmerischen Fahrzeugen schwierig sei. Er setzt sich auch in Widerspruch zu seinem Urteil vom 19. 9. 2000 in der Rechtssache Ampafrance und Sanofi/Synthelabo43, in 38 EuGH v. 29. 4. 2004 – Rs. C-17/01 – Walter Sudholz, UR 2004, 315 m. Anm. Burgmaier. 39 ABl. EU Nr. L 59/2000 S. 12; siehe dazu BMF-Schreiben IV D 1 – S 7303b – 4/ 00, BStBl. I 2000, 819. 40 Siehe dazu Widmann, UStB 2004, 244. 41 BFH v. 30. 11. 2000 – V R 30/00, UR 2001, 70. 42 Die Nachfolgeentscheidung des BFH stammt v. 1. 7. 2004, DB 2004, 2141. 43 EuGH v. 19. 9. 2000 – Rs. C-177/99 und C-181/99 – Sanofi Syndelabo, EStR 2000, 655; siehe dazu de Weerth, IStR 2000, 659; Wger, UR 2000, 480; Widmann, DStR 2000, 1980.
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dem er Frankreich eine hnliche Vorsteuerabzugsbeschrnkung untersagt hatte. Es ist nicht ohne gewisse Ironie, dass der deutsche Gesetzgeber die Vorschrift in der Erwartung zum 1. 1. 2004 aufgehoben hat, dass eine Verlngerung der Ermchtigung wohl nicht mehr zu erhalten wre und jetzt erfahren muss, dass sie der EuGH sehr wohl fr zulssig hlt, wenn sie rechtzeitig eingeholt wird. Da die Bundesregierung erst gar keinen Verlngerungsantrag gestellt hatte, kann man auch hier wieder einmal die demokratisch-parlamentarischen Defizite des Genehmigungsverfahrens gemß Art. 27 der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie exemplifizieren. Ein vom Gesetzgeber ohne Befristung beschlossenes Gesetz geht unter, weil die Bundesregierung keinen Verlngerungsantrag ber den 31. 12. 2002 hinaus gestellt hat. Der Gesetzgeber hatte im Jahr 2003, nachdem die Ermchtigung ausgelaufen war, gar keine Chance mehr zur Rettung seines Gesetzes. Er htte allerdings rechtzeitig vor dem Auslaufen der Genehmigung die Bundesregierung zur Stellung eines Verlngerungsantrages auffordern knnen. Selbst kann der deutsche Gesetzgeber das Verfahren nach Art. 27 der 6. Umsatzsatzsteuer-Richtlinie nicht betreiben44. Also: § 15 Abs. 1b UStG ist seit dem 1. 1. 2004 aus dem Gesetz verschwunden. Er lebt aber ber § 27 Abs. 5 UStG noch insofern fort, als fr die nur zu 50 v. H. entlasteten Fahrzeuge aus der Zeit vor dem 1. 1. 2003 oder 2004 allein wegen dieser Rechtsnderung keine Berichtigung des Vorsteuerabzugs vorgenommen wird und fr diese Fahrzeuge auch weiterhin keine Besteuerung der privaten Nutzung stattfindet, so wie dies der seit dem 1. 4. 1999 bis Ende 2003 geltende Satz 2 von § 3 Abs. 9a UStG vorschrieb. Man muss jetzt also sehr genau danach unterscheiden, wann die auch privat genutzten Fahrzeuge angeschafft wurden. Zur Vereinfachung hat § 15 Abs. 1b UStG i. V. m. § 3 Abs. 9a UStG also entgegen den Darlegungen der Bundesregierung vor dem EuGH nicht beigetragen. Diese Vorschriften waren mit ihrer pauschalen Regelung zu grob. Sie begnstigten Mitnahmeeffekte. Und fr das Jahr 2003 konnten sich die Unternehmer sogar heraussuchen, was fr sie gnstiger war: Voller Vorsteuerabzug und exakte Besteuerung der privaten Nutzung oder nur 50 v. H. Vorsteuerabzug und keine Besteuerung des Eigenverbrauchs45. Ein derartiges Steuerrecht a la carte spricht jeder Bemhung um Gleichheit im Steuerrecht Hohn. 44 Siehe dazu Widmann, UR 2004, 607. 45 Vgl. BMF, Schr. v. 27. 8. 2004 – IV B 7 – S 7300 – 70/04, BStBl. I 2004, 864.
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III. Maßnahmen des deutschen Gesetzgebers zur UmsatzsteuerBetrugsbekmpfung Die Geschichte der Mehrwertsteuer ist leider auch die Geschichte des Mehrwertsteuerbetrugs. Der Vorsteuerabzug, der die Neutralitt des Systems im unternehmerischen Bereich gewhrleistet, ist zugleich die am leichtesten verwundbare Stelle des Umsatzsteueraufkommens. Das hatte sich schon sehr bald nach Einfhrung der Mehrwertsteuer in Deutschland zum 1. 1. 1968 gezeigt, wobei die gngigen Betrugsmuster damals darin bestanden, fr vorgetuschte Warenbezge fr gleichfalls vorgetuschte steuerfreie Ausfuhrlieferungen den Vorsteuerabzug geltend zu machen. Diese Spielart der Umsatzsteuerkriminalitt ist seit der Einfhrung der Umsatzsteuer-bergangsregelung im Europischen Binnenmarkt zum 1. 1. 1993 insofern abgewandelt worden, als nunmehr ohne umsatzsteuerliche Vorbelastung innergemeinschaftlich erworbene Gegenstnde von einem Unternehmer an einen unternehmerisch auftretenden Mittter im Inland steuerpflichtig verußert werden. Die dafr anfallende Steuer wird aber vom Lieferanten nicht abgefhrt; der Verbndete macht den Vorsteuerabzug aus der Rechnung geltend und taucht unter. Daher nennt man ihn im Fachjargon auch „Missing Trader“. Vor seinem Untertauchen hat der Missing Trader die Waren aber noch steuerfrei ins brige Gemeinschaftsgebiet an einen weiteren Mittter geliefert. Von dort kommt die Ware dann wieder ins Inland steuerfrei zurck. Damit dreht sich die Ware im Kreis und so kommt es zum Begriff des „Umsatzsteuer-Karussells“46. Die Grßenordnung dieser Betrgereien kann selbstverstndlich nur annhernd geschtzt werden. Das Ifo-Institut in Mnchen geht von einem Schaden fr den Fiskus von inzwischen jhrlich bis zu 20 Mrd. Euro aus47. Da war es hchste Zeit, dass der Gesetzgeber auf Anstoß aus den Lndern durch das Steuerverkrzungs-Bekmpfungsgesetz48 zum 1. 1. 2002 einige Maßnahmen ergriffen hat, die es der Verwaltung erlauben, die fiskalischen Folgen der Betrgereien zu minimieren.
46 Siehe dazu Weber, UR 2003, 427; Tiedke, UR 2004, 6. 47 Vgl. Mittler, UR 2004, 1. 48 V. 19. 12. 2001, BGBl. I 2001, 3922 = BStBl. I 2002, 32.
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1. § 27b UStG: Umsatzsteuer-Nachschau Als erstes zu nennen ist die in § 27b UStG normierte unangekndigte Umsatzsteuer-Nachschau. Obwohl ja bekanntlich auch bei den Ertragsteuern eine erhebliche Steuerhinterziehung stattfindet, hielt es der Gesetzgeber nicht fr erforderlich, die Verwaltung generell mit der Mglichkeit der unangekndigten Nachschau auszustatten, obschon die Bundesregierung dies in ihrem Entwurf des Steuerverkrzungs-Bekmpfungsgesetzes als Ergnzung der Abgabenordnung vorgeschlagen hatte49. Deshalb finden sich die Regelungen zur unangekndigten Nachschau nur fr Zwecke der Umsatzsteuer jetzt im Umsatzsteuergesetz und nicht in der Abgabenordnung. Man wird bei objektiver Betrachtung sagen knnen, dass sich die Befrchtungen, die Finanzbeamten kmen jetzt berfallartig zu Hausbesuchen, nicht bewahrheitet haben. Die Nachschau dient der raschen Klrung von Sachverhaltsfragen; sie muss brigens nicht unangekndigt sein. Selbstverstndlich wre auch ein vorheriger Anruf im Einzelfall erlaubt und sinnvoll. Die Nachschau vermeidet so unntige formelle Prfungen, die zeitaufwendig und mitunter umstndlich sind. Nur relativ selten gibt es den zulssigen sofortigen bergang zu einer Außenprfung. Im Jahr 2003 haben die Finanzmter in Deutschland ca. 22 000 unangekndigte Nachschauen bei der Umsatzsteuer (und ca. 100 000 Sonderprfungen) durchgefhrt. Soweit ersichtlich gibt es bisher keine Finanzgerichtsentscheidungen zur unangekndigten Nachschau. Also lsst sich wohl konstatieren, dass sich die Praxis zu § 27b UStG eingespielt hat50. 2. § 25d UStG: Haftung fr schuldhaft nicht abgefhrte Umsatzsteuer Von dem auch zum 1. 1. 2002 eingefhrten § 25d UStG, welcher die Haftung fr schuldhaft nicht abgefhrte Umsatzsteuer durch einen nachfolgenden Unternehmer regelt, kann man dies leider nicht sagen. Es gibt so gut wie keine praktischen Flle, denn die subjektiven Voraussetzungen dieser Norm ließen sich erwartungsgemß von den Finanzmtern nicht in gerichtsfester Weise belegen. Deshalb hat der Gesetzgeber diese Vorschrift zum 1. 1. 2004 bereits nachgebessert ent49 Siehe dazu Nieskens, UR 2002, 53; Widmann, DB 2002, 166. 50 Siehe auch BMF, Schr. v. v. 23. 12. 2002 – IV B 2 – S 7420 – 415/02, BStBl. I 2002, 1447.
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sprechend einer Empfehlung des Bundesrechnungshofes. Jetzt tritt die Haftung des Nachunternehmers schon dann ein, wenn er wissen musste, dass einer seiner Vorunternehmer die Umsatzsteuer nicht abgefhrt haben konnte, weil der Preis gar keinen Spielraum fr die Umsatzsteuer ließ. Dies liest sich in Abs. 2 des § 25 d UStG wie folgt: „Von der Kenntnis oder dem Kennen mssen ist insbesondere auszugehen, wenn der Unternehmer fr seinen Umsatz einen Preis in Rechnung stellt, der zum Zeitpunkt des Umsatzes unter dem marktblichen Preis liegt. Dasselbe gilt, wenn der ihm in Rechnung gestellte Preis unter dem marktblichen oder unter dem Preis liegt, der seinem Lieferanten oder anderen Lieferanten, die am Erwerb der Ware beteiligt waren, in Rechnung gestellt wurde. Weist der Unternehmer nach, dass die Preisgestaltung betriebswirtschaftlich begrndet ist, finden die Stze 1 und 2 keine Anwendung.“
Der Gesetzgeber hat hier versucht, die typischen Erscheinungen bei der Preisbildung in einem Umsatzsteuer-Karussell zu beschreiben, das dadurch gekennzeichnet ist, dass die Waren trotz mehrfachen Umschlagens durch die Nichtabfhrung der jeweiligen Umsatzsteuer, aber Geltendmachung des Vorsteuerabzugs aus einer Rechnung durch den nachfolgenden Unternehmer, immer billiger werden. Dies fhrt tatschlich dazu, dass ein marktbliches Entgelt hufig unterboten wird und damit auch ein gutglubiger Abnehmer misstrauisch werden msste. Zu dieser neuen Vorschrift gibt es nach neun Monaten noch keine breite Erfahrung. Man wird abwarten mssen, ob sie sich in grßerem Umfang bewhrt als die bisherige Normierung der Angelegenheit. 3. § 18f UStG: Sicherheitsleistung Die seit dem 1. 1. 2002 bestehende Mglichkeit fr die Finanzmter, gemß § 18f UStG im Einvernehmen mit den Unternehmern die Zustimmung zu einer Umsatzsteuer-Voranmeldung von einer Sicherheitsleistung abhngig zu machen, sorgt bisher fr wenig Streit. Das BMFSchreiben vom 8. 10. 200251 hat das Prinzip der Verhltnismßigkeit bei der Anwendung des § 18f UStG zu Recht in den Vordergrund gestellt. So soll z. B. bei der Mglichkeit, die Zweifel an einer UmsatzsteuerVoranmeldung durch eine kurzfristige Umsatzsteuer-Nachschau oder Umsatzsteuer-Sonderprfung zu klren, von der Forderung nach Gestel51 BMF v. 8. 10. 2002 – IV B 2 – S 7420 – 350/02, BStBl. I 2002, 1018.
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lung einer Sicherheit abgesehen werden. Es darf auch nicht so sein, dass nach Stellung einer Sicherheit die Bearbeitung des Falles erst einmal „auf die lange Bank“ geschoben wird, denn die Kosten der Sicherheit, die die Unternehmer belasten, drfen nicht unntig lange entstehen. 4. § 13b UStG: bergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfnger Das Steuernderungsgesetz 2001 hat zum 1. 1. 2002 das UmsatzsteuerAbzugsverfahren nach den §§ 51 ff. UStDV, die seit dem 1. 1. 1980 gegolten hatten, abgeschafft. Statt dessen gibt es seither den bergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfnger bei bestimmten Umstzen von auslndischen Unternehmern sowie bei ausgewhlten Umstzen inlndischer Unternehmer gemß § 13b UStG. Diese Neuregelung war veranlasst durch die EU-Richtlinie vom 17. 2. 2000 zur Bestimmung des Steuerschuldners52. Mit Betrugsbekmpfung hatte dies zunchst also wenig zu tun. Allerdings ist es bemerkenswert, dass auch hier die Technik der Steuerschuldverlagerung, die das Allphasenprinzip des Mehrwertsteuersystems wahrt, aber steuerbedingte Zahlungsbewegungen vermeidet, von der Europischen Kommission eingesetzt wurde, weil es mit der Erfassung der Umstze haperte. Damit ist man dann schon sehr in der Nhe der berlegungen, wie man das Mehrwertsteuersystems betrugsresistenter machen knnte. Wir kommen darauf am Ende noch einmal zurck. sterreich hatte zum 1. 10. 2002 fr Leistungen von Subunternehmern im Baubereich die Steuerschuld auf den Leistungsempfnger verlagert. Das hat, wie man hrt, das Umsatzsteueraufkommen in sterreich erheblich stabilisiert. Die Finanzministerkonferenz hatte deshalb die Bundesregierung aufgefordert, eine hnliche Lsung fr Deutschland einzufhren. Der Regierungsentwurf des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 sah dann auch den bergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfnger nicht nur fr bestimmte Bauleistungen und steuerpflichtige Grundstckslieferungen vor, sondern auch fr Reinigungsleistungen an Gebuden. Weil sich schnell herausstellte, dass diese Regelung absolut unpraktikabel gewesen wre53, wurde im langwierigen Vermittlungsverfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG schließlich so ge52 ABl. EG 2000 Nr. L 269, S. 44. 53 Siehe dazu Widmann, Stbg 2004, 19.
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fasst, dass nur noch Werkleistungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, nderung und Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und berwachungsleistungen, betroffen sind, wenn der Leistungsempfnger seinerseits derartige Leistungen erbringt. Außerdem wurden gemß § 13b Abs. 1 Nr. 3 UStG smtliche steuerpflichtigen Grundstckslieferungen in die Steuerschuldverlagerungs-Regelung einbezogen. Dazu wurde auch § 9 UStG ergnzt54. Weil diese Regelungen nicht ohne EU-rechtliche Ermchtigungen gemß Art. 27 der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie eingefhrt werden drfen, musste das Inkrafttreten so lange hinausgeschoben werden, bis diese Ermchtigung erteilt wurde. Das geschah am 30. 3. 2004; so konnte die Regelung am 1. 4. 2004 in Kraft treten55. Damit ist allerdings die Absicht, der Praxis noch eine gewisse Vorbereitungszeit zu geben, missglckt. Die Verwaltung hat durch ein BMF-Schreiben vom 30. 3. 2004 sofort die strikte Anwendung der neuen Vorschrift bis Ende Juni 2004 ausgesetzt56. Das war sicher rcksichtsvoll im Interesse der betroffenen Steuerpflichtigen. Allerdings ist die Einrumung eines Wahlrechtes fr den Steuerschuldner und seinen Leistungsempfnger, wer nun den Umsatz zu versteuern hat, abgabenrechtlich wohl nicht haltbar. Man kann nur hoffen, dass es ber dieses BMF-Schreiben nicht allzu oft zum Streit kommt, denn die Finanzgerichte wren an die Billigkeitsregelung der Verwaltung nicht gebunden und htten die Frage der Steuerschuldnerschaft nur nach dem Gesetz zu beantworten57. hnlich wie bei der sog. Bauabzugssteuer gemß §§ 48 bis 48d EStG gibt es natrlich inzwischen zahlreiche Zweifelsfragen, die sich mit der Abgrenzung von Bauleistungen nach der Begrifflichkeit des § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG befassen. So muss z. B. entschieden werden, ob die Lieferung einer Lackieranlage, zu der auch Gebudeteile gehren, eine Bauleistung ist. Bejaht man dies, wre der Lackieranlagen-Lieferant Steuerschuldner fr die von ihm bezogenen Vorleistungen.
54 Siehe dazu Widmann in Plckebaum/Malitzky/Widmann, UStG, § 9 UStG Rz. 99 ff. 55 Siehe Bekanntmachung ber die Entscheidung des Rates der Europischen Union v. 30. 3. 2004 zur Ermchtigung Deutschlands zur Anwendung einer von Art. 21 der 6. Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ber die Umsatzsteuern abweichenden Regelungen, BStBl. I 2004, 453. 56 Siehe BMF, Schr. v. 31. 3. 2004 – IV B 7 – S 7279 – 107/04, BStBl. I 2004, 453. 57 Kritisch auch Ahrens, UStB 2004, 331.
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Das BMF-Schreiben vom 31. 3. 2004 versucht, durch eine Bagatellgrenze die ausufernde Wirkung der Vorschrift einzufangen. 5. § 13c UStG: Haftung bei Abtretung und hnlichem Zum 1. 1. 2004 wurde mit § 13c UStG ein neuer Haftungstatbestand in das UStG eingefhrt, der Abtretungsempfnger in Anspruch nimmt fr die Umsatzsteuer, welche die Abtretenden fr die abgetretene Gegenleistung aus einem steuerpflichtigen Umsatz nicht an ihr Finanzamt entrichtet haben. Diese Haftung trifft auch den Pfandglubiger bei einer Verpfndung einer Forderung sowie den Vollstreckungsglubiger bei einer Pfndung von Forderungen. Der Gesetzeswortlaut htte wohl auch die Unternehmer der FactoringBranche in den Kreis der Haftenden einbezogen. Das war vom Gesetzgeber aber erkennbar nicht gewollt. Das BMF-Schreiben vom 24. 5. 200458, welches die Factoring-Branche aus § 13c UStG ausnimmt, ist von der Branche erkennbar wohlgefllig aufgenommen worden59. 6. § 13d UStG: Haftung bei nderung der Bemessungsgrundlage Der Bundesrechnungshof hatte festgestellt, dass es inzwischen beim Leasing von Baumaschinen Gestaltungen zum planmßigen Bankrott des Leasing-Nehmers gibt, bei denen der Vorsteuerabzug des LeasingNehmers aus noch nicht bezahlten Rechnungen zu Steuerausfllen fhrt, weil die Berichtigungsforderung gemß § 17 UStG gegen den in Insolvenz geschickten Leasing-Nehmer durch den Fiskus regelmßig nicht mehr zu realisieren ist. Dieses bekannte Phnomen des Mehrwertsteuersystems, das lange Zeit kaum Aufmerksamkeit erregte, soll nun durch den neuen § 13d UStG neutralisiert werden: Der leistende Leasing-Unternehmer haftet fr die von seinem Kunden gemß § 17 UStG zu berichtigenden Vorsteuerbetrge. Verstndlicherweise liegen zu dieser neuen Haftungsvorschrift noch keine praktischen Erfahrungen vor.
58 BMF v. 24. 5. 2004 – IV B 7 – S 7279a – 17/04 – IV B 7 – S 7279b – 2/04, BStBl. I 2004, 514. 59 Siehe dazu Weber und Reiß, BB 2004, 1367.
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7. § 18 UStG: Monatliche Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen Die monatliche Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen fr neu gegrndete Unternehmen in den ersten beiden Kalenderjahren, die seit dem 1. 1. 2002 gemß § 18 Abs. 2 UStG gilt60 sollte dazu dienen, den Finanzmtern Gelegenheit zu geben, die neu gegrndeten Unternehmen durch rechtzeitige berprfung der Voranmeldungen besser kennen zu lernen und damit evtl. Betrugsgefahren vorzubeugen. Der mit der monatlichen Abgabe verbundene brokratische Aufwand ist zwar vielen Unternehmens-Neugrndern lstig, aber andererseits gibt es dadurch ja auch die Mglichkeit, die Vorsteuern nicht nur vierteljhrlich, sondern monatlich geltend zu machen. Auch die Finanzverwaltung ist durch die monatlichen Voranmeldungen in erheblichem Umfang belastet. Gleichwohl sollte man diesen Aufwand betreiben, um insbesondere die Missing-Trader bei Umsatzsteuer-Karussellen rasch zu entdecken. 8. §§ 14, 14b UStG: Rechnungserteilung bei Bauleistungen; Rechnungsaufbewahrungspflicht der Leistungsempfnger Die zum 1. 8. 2004 durch das Schwarzarbeit-Bekmpfungsgesetz61 angeordnete Verpflichtung gemß § 14 Abs. 2 UStG, bei grundstcksbezogenen steuerpflichtigen Werklieferungen und sonstigen Leistungen auch gegenber Privatpersonen immer eine Rechnung auszustellen, entzieht der landlufigen Frage vieler Handwerker, ob man eine Rechung brauche, den rechtlichen Boden. Der Hinweis, dass es mit einer Rechnung 16 v. H. teurer werde, war selbstverstndlich bisher schon falsch, denn die Umsatzsteuer entsteht auch ohne Rechnung. Wir kennen aber das Augenzwinkern, das oftmals bei derartigen Gesprchen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zustande kam62. Mit der Verpflichtung zur Rechnungserteilung und zur Anbringung eines Hinweises auf der Rechnung, dass der Rechnungsempfnger zur Aufbewahrung der Rechnung mindestens zwei Jahre lang verpflichtet ist, vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 9 und § 14b Abs. 1 UStG, hat der Gesetzgeber
60 Siehe dazu BMF, Schr. v. 24. 1. 2003 – IV D 1 – S 7346-2/03, BStBl. I 2003, 153. 61 Gesetz zur Intensivierung der Bekmpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhngender Steuerhinterziehung v. 23. 7. 2004, BGBl. I 2004, 1842. 62 Vgl. die Pressemitteilung des Ministeriums der Finanzen Rheinland-Pfalz, UStB 2004, 311.
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den Versuch unternommen, die sog. Ohne-Rechnung-Geschfte einzudmmen, die in vielen Branchen erfahrungsgemß blich waren. Insofern gibt es hier nicht nur ein umsatzsteuerliches, sondern auch ein erhebliches ertragsteuerliches Interesse des Fiskus an der Eindmmung dieser Form der steuerfernen Schattenwirtschaft. Weil sich die Rechnungserteilungspflicht auf die Umstze im Zusammenhang mit einem Grundstck beschrnkt, kommt es nicht darauf an, ob der Auftraggeber der steuerpflichtigen Werklieferung oder sonstigen Leistung selbst Eigentmer des Grundstcks ist. Mithin sind also auch z. B. Mieter, die ihre Wohnung von einem Unternehmer renovieren lassen, verpflichtet, die ihnen erteilte Rechnung aufzubewahren. Auch als Nichtunternehmer haben sie jetzt auch einen Anspruch auf eine ordnungsgemße Rechnung. Auf der Erteilung einer ordnungsgemßen Rechnung sollten sie auch unbedingt bestehen, um nicht eine Ordnungswidrigkeit gemß dem genderten § 26a Abs. 1 Nr. 3 UStG zu begehen, denn wer als Privatmann eine Rechnung, einen Zahlungsbeleg oder eine andere beweiskrftige Urkunde ber den an ihn ausgefhrten grundstcksbezogenen Umsatz nicht mindestens zwei Jahre lang aufbewahrt, kann mit einer Geldbuße von bis zu 500 Euro belegt werden. Zu den grundstcksbezogenen Umstzen gehren nicht nur die schon erwhnten typischen Renovierungsleistungen an Gebuden. Auch z. B. die Grabpflege fllt darunter, ebenso wie die Anmietung von Hotelzimmern oder von Stellpltzen auf Campingpltzen. Man wird freilich nicht frchten mssen, dass die Finanzverwaltung nun bei lteren Witwen nachfragt, ob sie auch die Rechnungen der Friedhofsgrtner fr die Pflege des Grabes ihres schon verstorbenen Gatten immer schn aufbewahren. 9. Strafvorschriften Das Steuerverkrzungs-Bekmpfungsgesetz hat mit den §§ 26b und 26c UStG Strafvorschriften in das UStG eingefgt. Die nicht rechtzeitige Entrichtung einer Umsatzsteuerschuld kann nach § 26b UStG als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 50 000 Euro geahndet werden. Die bisherige Praxis der Finanzverwaltung scheint, nicht zuletzt wegen des Personalmangels in den Strafsachen- und Bußgeldstellen, diese Vorschrift aber nicht sehr rigoros anzuwenden, denn die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten unterliegt dem Opportunittsprinzip. 390
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Anders ist es bei der gewerbsmßigen oder bandenmßigen Schdigung des Umsatzsteueraufkommens, die gemß § 26 c UStG mit Freiheitsstrafe von bis zu fnf Jahren bedroht ist.
IV. Notwendige nderungen am Mehrwertsteuersystem: Aktuelle Vorschlge 1. Das Mittler-Modell: Vorstufenbefreiung im zwischenunternehmerischen Verkehr Im zeitlichen Zusammenhang mit der Vorbereitung des Steuerverkrzungsbekmpfungsgesetzes hat der rheinland-pflzische Finanzminister Gernot Mittler im August 2001 in seinen „Mainzer Vorschlgen zur Umsatzsteuer“63 die Schaffung einer Vorstufenbefreiung im zwischenunternehmerischen vorsteuerabzugsberechtigten Bereich gefordert. Die Leitidee dieses inzwischen sog. „Mittler-Modells“ beruht auf der berzeugung, dass der Vorsteuerbetrug im Wesentlichen mittels unzutreffender Rechnungen gelingt und dass es aussichtslos sein drfte, diese systembedingte Schwachstelle durch noch so intensive Kontrollen oder Prfungen seitens der Verwaltung in den Griff zu bekommen. Außerdem vermeidet das Mittler-Modell die insolvenzbedingten Steuerausflle bei der Berichtigung des Vorsteuerabzuges wegen nicht bezahlter Rechnungen. Da ber steuerfreie Umstze keine Rechnungen erteilt werden drfen und der Fiskus sein Geld letztlich ohnehin erst aus Umstzen gegenber Endverbrauchern bekommt, liegt es nahe, die bereits bei den Umstzen fr die See- und Luftfahrt in § 8 UStG bekannte Regelung der Vorstufenbefreiung auf alle Vorleistungen von vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern auszudehnen. Das Mittler-Modell hat allerdings das Problem, dass die Berechtigung des Abnehmers zum Bezug steuerfreier Vorleistungen kontrolliert werden muss, weil sonst die Gefahr besteht, dass ein unversteuerter Letztverbrauch dadurch eintritt, dass auch z. B. Privatpersonen sich steuerfrei beliefern lassen. Diese sog. Ameisenkriminalitt gilt als die grßte Schwachstelle des Mittler-Modells64. Sie wre aber durch die Einfhrung von Mindestgrenzen von z. B. 5000 Euro und durch ein elektronisches Meldesystem durchaus beherrschbar. 63 UR 2001, 385; siehe Widmann, UR 2002, 14; Mittler, UR 2004, 1. 64 Siehe ifo-Forschungsbericht „Entwicklung des Umsatzsteueraufkommens und finanzielle Auswirkungen neuerer Modelle bei der Umsatzbesteuerung“.
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Nicht zuletzt wegen der nderungen der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie, die fr das Mittler-Modell ntig wren, fr die sich aber die Europische Kommission und auch das Bundesministerium der Finanzen65 nicht erwrmen mochten, sucht man jetzt auch nach anderen systematischen Wegen. 2. Generelle Steuerschuldverlagerung auf den Leistungsempfnger im zwischenunternehmerischen Bereich Die schon angesprochene Technik der Steuerschuldverlagerung auf den unternehmerischen Leistungsempfnger vermeidet ebenso wie das Mittler-Modell umsatzsteuerbedingte Zahlungsbewegungen zwischen den Unternehmen und zwischen diesen und ihren Finanzmtern. Der Steuerschuld aus dem Umsatz steht beim Leistungsempfnger der Vorsteuerabzug gegenber; es ergibt sich die typische Nullsituation, die auch fr die Erwerbsbesteuerung im Binnenmarkt kennzeichnend ist. Daher lag es nahe, den Vorstoß des Mittler-Modells umzupolen auf die Erwgung, ob man durch eine weitreichendes Reverse-Charge auch einen wesentlichen Beitrag zur Betrugsbekmpfung leisten knnte66. Die Arbeiten an dieser Option, die aber auch eine nderung der 6. EGUmsatzsteuer-Richtlinie voraussetzt, sind bereits so weit gediehen, dass derzeit die verschiedenen praktischen Fragen in einem Planspiel unter Beteiligung der Wirtschaft untersucht werden. 3. Generelle Einfhrung der Ist-Versteuerung mit umfassendem CrossCheck Unabhngig von diesen Untersuchungen hat das Bundesministerium der Finanzen in einem Schreiben vom 16. 11. 200367 an verschiedene Verbnde zur Diskussion gestellt, ob man vom derzeit grundstzlich geltenden Prinzip der Versteuerung nach vereinbarten Entgelten – sog. Soll-Versteuerung – auf das Prinzip der Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten – sog. Ist-Versteuerung – bergehen soll. Dazu soll auch der Vorsteuerabzug erst mglich sein, wenn die Rechnung bezahlt ist – das ist gegenwrtig bei der Ist-Versteuerung gem. § 20 UStG nicht so. Außerdem schlgt das BMF umfassende elektronische Meldepflichten
65 Vgl. Himsel, UR 2002, 593. 66 Siehe dazu Ammann in Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2001/2002, S. 77. 67 BMF, Schr. v. 12. 11. 2003 – IV B 2 S 7050 – 107/03, UR 2004, 16.
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sowohl fr den leistenden als auch fr den leistungsempfangenden Unternehmer vor – sog. Cross-Check. Man kann fr die Ist-Versteuerung, die auch fr den Vorsteuerabzug gelten soll, eine Reihe von Argumenten anfhren; aus fiskalischer Sicht das wichtigste drfte sein, dass im Fall der Insolvenz des Abnehmers, der die Leistung nicht bezahlt, aber den Vorsteuerabzug nach dem Soll bereits geltend gemacht hat, die fr den Fiskus regelmßig erfolglose Berichtigung des Vorsteuerabzugs gem. § 17 UStG nicht notwendig wird. Allerdings kann die generelle Ist-Versteuerung nicht verhindern, dass der Vorsteuerabzug zu Unrecht nach dem Soll geltend gemacht wird und es ist nicht sicherzustellen, dass der leistende Unternehmer die vereinnahmte Steuer auch wirklich an sein Finanzamt abfhrt. Insofern bestehen erhebliche Zweifel, ob die Ist-Versteuerung wirklich den Umsatzsteuerbetrug wirksam verhindern kann. Es ist nmlich ausgeschlossen, dem Leistungsempfnger, der den Preis inklusive Umsatzsteuer an den leistenden Unternehmer gezahlt hat, den Vorsteuerabzug mit dem Hinweis zu verweigern, der leistende Unternehmer habe die Steuer nicht an sein Finanzamt abgefhrt. Aus der Sicht der Unternehmer spricht fr die Ist-Versteuerung, dass der Vorfinanzierungszwang entfllt, der sich daraus ergibt, dass die Umsatzsteuer ohne Rcksicht auf ihre Vereinnahmung entsteht und vom leistenden Unternehmer abgefhrt werden muss. Allerdings bringt das Soll-Prinzip beim Vorsteuerabzug trotz Nichtentrichtung des Entgelts auch Vorteile fr die Leistungsempfnger. Die 6. Richtlinie erlaubt die generelle Ist-Versteuerung nicht68. Deshalb wird man ohne eine nderung dieser Vorgaben in Deutschland die Plne des BMF nicht einfach umsetzen knnen. Es erscheint auch kaum wahrscheinlich, dass die Europische Kommission und der Rat eine Sondermaßnahme nach Art. 27 der 6. Richtlinie genehmigen werden, falls Deutschland einen entsprechenden Antrag stellen sollte. Kenner der automatisierten Datenverarbeitung bezweifeln im brigen die Beherrschbarkeit der Datenmengen, die sich bei dem vorgesehenen Cross-Check-Verfahren auch dann ergeben, wenn großzgige Bagatellregelungen von 5000 Euro pro Umsatz eingefhrt wrden. Man kann sicher auch die verfassungsrechtliche Frage nach der Verhltnismßigkeit der Kontrollmaßnahmen aufwerfen.
68 Siehe dazu Stadie, UR 2004, 136; Widmann, UR 2004, 177; Stadie, UR 2004, 398; Wesselbaum-Neugebauer, UR 2004, 401; Widmann, UR 2005, 14.
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4. Haltung der Europischen Kommission Die Europische Kommission zeigt sich zwar seit Jahren am Thema Umsatzsteuerbetrugsbekmpfung interessiert, setzt aber auf eine Ertchtigung der nationalen Steuerverwaltungen insbesondere im Bereich der grenzberschreitenden Zusammenarbeit. Sie sieht vorher keinen Bedarf zu grundstzlichen nderungen am Mehrwertsteuersystem nach Art der in Deutschland diskutierten Anstze; dies hat sie in einer Mitteilung an den Rat und das Europische Parlament vom 29. 10. 200369 unzweideutig bekundet. Da der Bundesfinanzminister jngst die Forderung nach Einfhrung einer Bundessteuerverwaltung u. a. auch damit begrndet hat, dass die vom Grundgesetz geregelte fderale Verwaltungsstruktur einem effektiven Kampf gegen die Umsatzsteuerkriminalitt entgegenstehe, braucht man sich nicht zu wundern, dass in Brssel darauf verwiesen wird, Deutschland habe offenbar hausgemachte Probleme, die erst gelst werden sollten, bevor man Forderungen nach Systemnderungen erhebe. Da fragt man sich doch, warum es in zentral verwalteten Staaten wie Großbritannien, sterreich, Frankreich, Niederlande u. a. auch einen hnlich großen Umsatzsteuerbetrug gibt wie in Deutschland. Aus Brssel – und aus Berlin – gibt es dazu leider keine Antwort.
69 Siehe BR-Drucks. 108/04 v. 11. 2. 2004.
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Erfahrungen mit der Steueramnestie*1 Professor Dr. Detlev J. Piltz Rechtsanwalt, Bonn Inhaltsbersicht I. Beteiligte II. Sachverhalte III. Erfahrungen der Finanzverwaltung IV. Erfahrungen der Steuerpflichtigen und Berater 1. Datenbeschaffung 2. Auslndische Banken und Finanzunternehmen 3. Insbesondere: Stiftung, Trust, Anstalt, Gesellschaft 4. Das Jahr 2002 5. Die Jahre 2003 und 2004
6. Auslndische Quellensteuer 7. Selbstanzeige statt Amnestie 8. Betriebsprfung nach strafbefreiender Erklrung 9. Einschaltung der Straf- und Bußgeldstelle 10. Einschaltung der ESST 11. Abstimmung mit der Finanzverwaltung 12. Repatriierung des Geldes V. Erfahrungen der Berater VI. Fazit
I. Beteiligte Erfahrungen mit der Steueramnestie sammeln knnen die Personen und Institutionen, die mit ihr im weitesten Sinne in Kontakt kommen oder die am Verlauf und den Ergebnissen interessiert sind. Im Zentrum stehen natrlich die Steuerpflichtigen, weil diese unmittelbar das Interesse an der Amnestie haben und ihre Folgen tragen. Nicht selten sind dabei auch Ehegatten und andere Familienangehrige involviert. Die Arbeitnehmer von Steuerpflichtigen sind involviert, wenn sie z. B. „schwarzen Lohn“ erhalten haben. Sie haben natrlich ein Interesse daran, von den Amnestieaktivitten ihres Arbeitgebers zu wissen und besonders ein Interesse daran, dass die Amnestie auch zu ihren Gunsten wirkt. Ebenso interessiert knnen die Geschftspartner von Steuerpflichtigen sein, insbesondere von Unternehmen, wenn „schwarze Geschfte“ auf der Beschaffungs- oder Absatzseite gettigt worden sind. Hier hat der * Rechtsstand zum Zeitpunkt des Vortrages am 13. 10. 2004.
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Geschftspartner am Verhalten des Steuerpflichtigen in der Weise Interesse, dass er mitamnestiert werden will oder seine Verfehlungen nicht offenbart sehen mchte. Dem Steuerpflichtigen am nchsten in der Amnestie steht vermutlich sein Berater. Die Regeln fr die Amnestie sind unglcklicherweise immer noch so kompliziert ausgestaltet, dass ein Steuerpflichtiger sie ohne fachmnnische Hilfe nicht beachten kann und damit das hohe Risiko luft, dass es bei seiner Amnestie beim Versuch bleibt und seine Strafbarkeit und volle Steuerpflicht bestehen bleibt. Die Berater sammeln, wenn sie eine grßere Anzahl von Amnestiefllen betreuen, große Kenntnisse ber die Erscheinungsformen der Steuerhinterziehung, die Hintergrnde und insbesondere ber die rechtsrichtige Abwicklung der Amnestie, um ihr im Sinne des Mandanten zum Erfolg zu verhelfen. Die Finanzverwaltung sammelt die Erfahrungen durch die bei ihr eingehenden strafbefreienden Erklrungen auf der Ebene der Finanzmter. An der Amnestie sind aber ebenso interessiert die hheren Behrden und insbesondere das Bundesfinanzministerium sowie die politische Fhrung, weil fr diese eine Steueramnestie ein politisches Wagnis darstellt und deswegen der Erfolg der Maßnahme hoch erwnscht ist. Die Banken gewinnen Amnestieerfahrung, wenn sie hierauf von den Steuerpflichtigen oder deren Beratern angesprochen werden, um die Sachverhalte zu erforschen und um die Daten amnestiegerecht aufzubereiten. berwiegend handelt es sich hierbei um auslndische Banken, seltener um die auslndischen Zweigstellen oder Tochtergesellschaften deutscher Banken und noch seltener um inlndische Banken. hnlich positioniert sind Treuhnder und hnliche Institutionen, meistens im Ausland. Wenn alles regelgerecht luft (Weitergabeverbot fr die Finanzmter), sammeln keine Erfahrungen in Sachen Amnestie – die Staatsanwaltschaften, – die Sozialversicherungsbehrden, – das Bundesaufsichtsamt fr Finanzdienstleistungen (BaFin), – unterhaltsberechtigte Familienmitglieder des Steuerpflichtigen, – Glubiger des Steuerpflichtigen – Insolvenzverwalter und hnliche Institutionen. Eine illegale Weitergabe durch ein Finanzamt ist uns bisher nicht bekannt geworden.
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II. Sachverhalte Dieser Erfahrungsbericht beruht auf der in unserem Hause abgeschlossenen oder noch laufenden Bearbeitung von ber 100 Amnestiefllen. Das ist natrlich nicht der berblick, den die Finanzverwaltung gewinnen kann, die die Amnestieflle in den Lndern sammelt und diese Daten dem Bundesfinanzministerium berlsst, aber doch schon eine Anzahl, die vermutlich einige reprsentative Aussagen zulsst. Gleichwohl sei ausdrcklich darauf hingewiesen, dass es sich nur um die Erfahrungen einer Soziett handelt und es sicherlich noch zahlreiche darber hinausgehende Erfahrungen gibt. Wenn man eine Unterteilung der Sachverhalte in Fallgruppen vornehmen will, steht sicher ganz im Vordergrund die Verheimlichung von im Ausland positionierten Kapitalvermgen, von dem weder eine etwaige bertragung durch Schenkung oder Erbschaft noch die Ertrge in Deutschland angegeben wurden. Prozentual kann man das vom Geldvolumen her mit 70–80% ansetzen. Die Quellen des schwarzen Geldes sind ganz unterschiedlich. Zum Teil handelt es sich um in Jahren und Jahrzehnten ins Ausland transferierte kleinere Betrge, die aus versteuertem Einkommen erbrigt wurden. Zu anderen Teilen handelt es sich um Erbschaften und Schenkungen, bisweilen aus historischer Zeit (vor dem 2. Weltkrieg) und erst im Zuge der Offenlegung durch Schweizer Banken in den letzten Jahren bekannt geworden, die nach Erkenntnis von den Berechtigten „schwarz gelassen“ wurden. Zum Teil geht es um bei internationalen Geschften „abgezweigte“ Summen, Provisionen und hnliches. In der zweiten Gruppe, wenn auch in großem Abstand, geht es um die Nichtversteuerung von Einnahmen vom Typus Provisionen oder Kaufpreise, bisweilen auch „Anerkennungsgebhren“. In unserem Bereich relativ selten (knapp 10%) sind inlndische Sachverhalte aufgetaucht, insbesondere der gesamte Bereich der sog. Schattenwirtschaft (schwarze Lohnzahlungen, Umsatzsteuerkarussell usw.) wie auch z. B. bewusste vGA und bewusst falsche Gewinnermittlungen (Betriebsausgaben, AfA, Rckstellungen). Vielleicht liegt das daran, dass die Betreffenden doch die Weiterungen einer strafbefreienden Erklrung frchten (wenn das Finanzamt auch nichts weitergeben darf) z. B. hinsichtlich der Sozialversicherung. Vielleicht scheuen sie auch die Information und Einbeziehung von Arbeitnehmern, Geschftspartnern und hnlichen Konstellationen. An Berufsgruppen beteiligt ist fast alles, was Deutschland zu bieten hat, wenn genug Geld „umging“, um ein „schwarzes Konto“ zu schaffen: 397
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nichtselbststndig Ttige im nichtffentlichen wie im ffentlichen Dienst, leitende Angestellte, kleine und große Unternehmer, Freiberufler, Politiker, insgesamt ein Kaleidoskop der bundesdeutschen Gesellschaft. Die Grßenordnungen bei verheimlichtem Kapitalvermgen lassen sich schwerpunktmßig in drei Gruppen einteilen jeweils gemessen an der Hhe des Vermgens (nicht der Ertrge): – Zwischen 500 000 Euro und 1 Mio. Euro, meistens in Jahrzehnten aus versteuertem Geld von Nichtselbststndigen angesammelt. – Zwischen 3 Mio. Euro und 5 Mio. Euro, oft von kleineren und mittleren Unternehmern oder Nichtselbststndigen mit grßerem Einkommen, ebenfalls ber lngere Zeitrume angesammelt. – ber 10 Mio. Euro, mit ganz verschiedener Genese und Inhabern. Im letzteren Falle tritt sachverhaltlich hinzu, dass diese Vermgen berwiegend nicht auf unmittelbaren Konten gehalten werden, sondern in Institutionen wie auslndischen Stiftungen, Anstalten, Trusts und Gesellschaften, nicht selten auch in Kombination dieser Erscheinungen. Viele Steuerpflichtige sind mit dem Hinterziehungsstatus unglcklich. Das Geld kann nicht offen verwendet werden, eiferschtige Miterben und Familienmitglieder lauern, Strafe und extreme Nachzahlung bei Entdeckung drohen, das eigene Alter stimmt milder, das eigene Unrecht wird als solches bewertet, fr die Erben soll klar Schiff gemacht werden, die ursprngliche Verheimlichungsmotivation (Schutz vor staatlichem Zugriff 1933–1945, Insolvenzvorsorge, Vorsorge vor politischer Umwlzung „die Russen kommen“, Entmutigen von Glubigern und Familienmitgliedern) ist weggefallen. Diese Steuerpflichtigen sehen die Amnestie als Gottesgeschenk, ihr seid lngerem vorhandenes Unbehagen endlich durch Rckkehr in die Steuerehrlichkeit beseitigen zu knnen. Die meisten der Steuerpflichtigen, die sich an unser Haus wegen der Amnestie wenden, kannten wir bis dato nicht. Sie folgen dem guten Rat, hiermit in der ersten Stufe einen fremden Berater zu befassen und nicht den eigenen Dauerberater bsglubig zu machen. Sollte der Steuerpflichtige sich nach der Beratung gegen die Amnestie entscheiden, sieht er uns nicht wieder und wir geraten nicht in einen Konflikt. Entscheidet er sich nach der Konsultation seines Dauerberaters gegen die Amnestie, kann der Dauerberater fortan die Steuererklrungen nicht mehr verantwortlich vorbereiten, weil er sich in Kenntnis des wahren Sachverhalts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig machen wrde. 398
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III. Erfahrungen der Finanzverwaltung Der grßte Interessent der Amnestie ist der deutsche Staat. Die Amnestie ist kein Geschenk an rechtsbrechende Steuerpflichtige, sondern ein Mittel zur Beschaffung von Geld in Form von bisher vorenthaltenen Steuern. Im Vordergrund steht deshalb das durch die Amnestie bewirkte Steueraufkommen. Bisher sind eingegangen ca. 500 Mio. Euro. Das mag nicht allzu viel erscheinen. Wichtiger als diese Summe sind die Folgewirkungen. Das betroffene Geld ist offen gelegt und kann in Zukunft nicht mehr vor der Finanzverwaltung versteckt werden. Der eigentliche Ertrag der Steueramnestie wird daher in den Steuern liegen, welche auf das nunmehr offen gelegte Geld entfallen, d. h. Einkommensteuer auf die Zinsen und Erbschaftsteuer auf die Substanz. Neben dem Steueraufkommen gewinnt die Finanzverwaltung aus der Steueramnestie steuererhebliche Informationen. Zum einen erkennt sie bisher unbekannte Vermgensgegenstnde. Fr die Zeit der Geltung der Vermgensteuer (bis 1996) muss das Vermgen in der strafbefreienden Erklrung angegeben werden, fr die Zeit danach lsst sich – jedenfalls bei Dividenden und zinstragenden Wertpapieren – auf den Vermgensstand rckschließen. Wenn die erste regulre Steuererklrung wieder abgegeben ist (fr die Zeit nach der Amnestie) kann die Finanzverwaltung auch die genauen Vermgensstnde abfragen. Zum anderen erfhrt die Finanzverwaltung einiges ber Sachverhalte und Techniken der Steuerhinterziehung. Zwar ist der in der strafbefreienden Erklrung abzugebende Lebenssachverhalt nicht detailliert zu schildern, aber fr den Erfahrenen und Kenntnisreichen lsst sich doch vieles schließen. Noch nicht akut sind die erhhten Informationsmglichkeiten, die die Finanzverwaltung ab dem 1. 4. 2005 im Zusammenhang mit der Steueramnestie gewonnen hat. Bekanntlich wurden zusammen mit dem Strafbefreiungserklrungsgesetz (StraBEG)1 Vorschriften der Abgabenordnung (§ 93 Abs. 7 und 8 sowie § 93b AO) geschaffen, wonach das Finanzamt (ber das Bundesamt fr Finanzen) bezglich des Steuerpflichtigen eine Kontenabfrage bei Kreditinstituten in Deutschland einholen kann (Kontenevidenzzentrale). Das Finanzamt erfhrt so Konto- und Depotnummer, Tag der Errichtung, Auflsung, Name und Anschrift des Konteninhabers, sonstige Verfgungsberechtigte oder wirtschaftlich Berechtigte. Kontenstnde und Umstze knnen auf diesem Wege nicht abgefragt 1 Gesetz ber die strafbefreiende Erklrung v. 23. 12. 2003, BGBl. I 2003, 2928.
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werden, wohl aber im traditionellen Veranlagungsverfahren, wenn das Konto einmal bekannt ist. Der Zugriff besteht nur auf Konten bei deutschen Banken in Deutschland sowie inlndischen Zweigniederlassungen auslndischer Banken sowie auslndischen Zweigniederlassungen deutscher Banken, nicht aber deren Tochtergesellschaften. Obwohl es bekanntlich in Deutschland schon Steueramnestien gegeben hat (fr Einknfte aus Kapitalvermgen vor dem Veranlagungszeitraum 1986, dazu das Urteil des BVerfG vom 27. 6. 19912), hat die deutsche Finanzverwaltung mit einer Amnestie des jetzt gewhlten Inhalts naturgemß noch keine Erfahrung gehabt. Soweit ersichtlich, ist der anfngliche Informationsrckstand der rtlichen Finanzbehrden schnell aufgeholt worden. Dazu beigetragen hat auch das erfreulich frh erschienene Merkblatt vom 3. 2. 20043 sowie eine grßere Anzahl interner Anweisungen der Landesfinanzministerien und Oberfinanzdirektionen (am Anfang nicht immer berzeugend) sowie nach Sammlung von Problemfllen auch das Merkblatt vom 20. 7. 20044 und die ergnzte Version vom 16. 9. 20045. Jedenfalls die ußerungen des Bundesfinanzministeriums (Merkblatt I und II) sind ersichtlich von dem Verstndnis getragen, brokratische Hindernisse fr einen Erfolg der Steueramnestie aus dem Wege zu rumen. Wir rechnen damit, dass die Erfahrungen der Finanzverwaltung mit der Steueramnestie nach deren Ablauf insgesamt positiv sein werden: ein gewisses Steueraufkommen aus der Amnestie direkt, langfristiges Steueraufkommen aus den bisher verheimlichten Vermgenswerten, Dauerinformation ber bisher verheimlichte Vermgenswerte, Ertrge und Steuerverkrzungssachverhalte und ein erweiterter Informationszugriff auf Bankkonten.
IV. Erfahrungen der Steuerpflichtigen und Berater 1. Datenbeschaffung Im praktischen Vordergrund steht, wenn der Entschluss zur Amnestie einmal gefallen ist, die Datenbeschaffung, gewhnlich bei auslndi-
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BVerfG v. 27. 6. 1991 – 2 BvL 3/89, BStBl. II 1991, 652. BMF v. 3. 2. 2004 – IV A 4 – S 1928 – 18/04, BStBl. I 2004, 225. BMF, Schr. v. 20. 7. 2004 – IV A 4 – S 1928 – 94/04, DStR 2004, 1387. BMF v. 16. 9. 2004 – IV A 4 – S 1928 – 120/04, abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de.
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schen Banken. Das gestaltete sich teilweise ausgesprochen kompliziert. Auch wo guter Wille der Bank zur Amnestie vorhanden war (dazu noch folgend) waren die Belege hufig schwierig aufzufinden, waren im Laufe der Amnestiezeit neue Darstellungsformen eingefhrt worden, konnten die alten wegen Personalwechsels nur schwer erlutert werden usw. Soweit Ertrgnisaufstellungen vorlagen, entsprachen diese nicht deutschen steuerlichen Anforderungen, waren hufig auch wegen nicht erklrter Verdichtungen und Saldierungen schwer zu lesen. So ließen sich etwa auslndische Quellensteuern oder angefallene Kosten wie z. B. Provisionen der Bank usw. hufig nicht erkennen. Bisweilen war es deshalb erforderlich, auf die Originalbelege zurckzugreifen, um dann manuell den gesamten Amnestiezeitraum nachzubuchen. Die Aufbereitungszeit im Ausland wurde teilweise mit 2–3 Monaten und sogar lnger angegeben, was kaum akzeptabel erschien, erst recht nicht bei Entdeckungsrisiko. Manche auslndische Banken kndigten die Erarbeitung von auf die deutsche Amnestie zugeschnittenen Programmen an, allerdings ebenfalls mit Zeitvorlufen bis zu einem halben Jahr. Solange wollten viele Steuerpflichtige nicht warten. Viele auslndische Banken waren sowohl ber die Steuerrechtslage hinsichtlich der Amnestie als auch hinsichtlich der allgemeinen Regeln der deutschen Besteuerung fr Kapitalertrge schlecht bzw. vllig uninformiert, und zwar nicht nur kleine Institute, welche naturgemß nicht ber eine „deutsche Steuerabteilung“ verfgen. Diese Wissenslcken sind inzwischen erfreulicherweise beseitigt und viele Banken bieten ein vernnftiges computergesttztes Aufbereitungssystem fr die deutsche Steueramnestie an. Dies allerdings nicht vor September 2004, so dass der amnestiewillige Steuerpflichtige relativ lange warten musste. Bei Entdeckungsrisiko blieb daher nichts anderes brig, als die Aufbereitung vorher manuell vorzunehmen. Ein Misstrauensproblem ergab sich nicht selten bei der Frage, wo und wie dem inlndischen Bearbeiter die Bankunterlagen krperlich zu bermitteln waren. Bei Inanspruchnahme des Postweges bestand bei vielen Steuerpflichtigen die Furcht, dass mglicherweise Postkontrollen durchgefhrt wrden und solche Unterlagen beschlagnahmt wrden, danach wegen Entdeckung eine Amnestie nicht mehr mglich sei. In unserem Gesichtskreis hat sich ein solches Szenario allerdings nicht bewahrheitet. Manche Steuerpflichtige bestanden auch darauf, dass sich der inlndische Bearbeiter in das Ausland begab, um die erforderlichen Arbeiten der Sichtung, Ordnung und Aufbereitung der Unterlagen dort vorzunehmen. 401
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Bisweilen konnte auch grßte Sorgfalt und Mhe nicht zur vlligen berzeugung von der Steuerrechtsrichtigkeit der aufbereiteten Daten fhren, z. B. wenn sich auslndische Quellensteuern und Kosten nicht herausrechnen ließen. Wir haben in diesen Fllen die Ertrge um Sicherheitszuschlge erhht, um auf der sicheren Seite zu sein, d. h., im Zweifel eher zu hohe Ertrge angegeben, als zu niedrige. Den Hinweis, dass bei großer Unsicherheit auch der Weg zur Verfgung stnde, die strafbefreiende Erklrung mit berhht geschtzten Zahlen abzugeben, danach aber, um nicht zu einer berzahlung zu kommen, Einspruch einzulegen, um die dann przise berechneten Zahlen nachzuliefern, hat die Mehrheit der Steuerpflichtigen nicht aufgenommen. Sie wollten lieber mglicherweise etwas zu viel zahlen, dafr aber ihre Ruhe haben. In grßerem Umfang mit Schtzungen bewusst oberhalb der vermuteten Ertrge mit nachfolgendem Einspruch haben wir nur in den wenigen Fllen gearbeitet, in denen ein Ausschlussgrund fr die strafbefreiende Erklrung unmittelbar drohte, z. B. die Entdeckung oder das Erscheinen des Betriebsprfers fr die zu amnestierenden Jahre. Der Zeitraum fr die Aufarbeitung in unserem Hause war natrlich von der Art der hinterzogenen Ertrge abhngig. Es gab Auslandskonten ohne besonderen Arbeitsaufwand, weil das Konto nicht aktiv gemanagt wurde, so dass im Wesentlichen gleichmßige Zins- oder Dividendenertrge anfielen. Schwierig war gewhnlich die Feststellung von steuerpflichtigen Verußerungsgewinnen, weil die auslndischen Banken die betreffenden Daten mangels Steuerrelevanz in ihrem Recht nicht festgehalten haben und deswegen eine Einzelverfolgung notwendig war. Bei fristgebundenen strafbefreienden Erklrungen wegen Entdeckungsrisiko oder Betriebsprfung mussten hier schon einmal „Nachtschichten“ eingelegt werden. 2. Auslndische Banken und Finanzunternehmen Die sofort ins Auge fallende Funktion auslndischer Banken, Treuhnder, Finanzunternehmen usw. ist die der Beschaffung der fr die Amnestie erforderlichen Daten, also insbesondere Dividenden, Zinsen, Verußerungsgewinne sowie Quellensteuern und Kosten. Das wurde oben beschrieben. Die Grundhaltung auslndischer Banken zu der deutschen Steueramnestie hat sich im Laufe des Jahres nach unseren Erfahrungen zum Teil gewandelt. Soweit ersichtlich, hatten sich alle auslndischen Banken, die mit deutschen Schwarzkonten zu tun hatten (von ihnen so natrlich 402
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nicht bezeichnet, sondern als „steuerneutrale Konten“ bzw. als „diskrete Vermgen“ und hnliche Euphemismen), mit der Amnestie beschftigt, um sich fr die zu erwartenden Anfragen zu wappnen. Um zwei Fragenkreise ging es im Wesentlichen, eine Grundhaltung zu der Amnestie (soll man oder nicht?) und um die technische Abwicklung. Die Grundhaltung war bei vielen auslndischen Banken am Anfang negativ, wobei die Grnde hierfr teils ausgesprochen wurden, teils verschwiegen blieben. Die ausgesprochenen Grnde waren im Kern, dass der Betreffende sein sorgsam ber Jahrzehnte angesammeltes verschwiegenes Vermgen nunmehr offenbaren msse und damit der Anonymittsschutz des Vermgens und seine Funktion als eiserne Reserve verloren ginge. Des Weiteren, dass nunmehr die Geschichte des Geldes zwar nicht im Detail, aber doch andeutungsweise aufgedeckt werden msse. Und schließlich, dass man dem deutschen Staat nicht trauen knne, sondern dieser, nachdem die Amnestierten sich in Sicherheit wiegen wrden, Maßnahmen gegen diese ergreifen wrde, um sie eben doch noch in einem weitesten Sinne fr ihr Fehlverhalten zu bestrafen. Fr diese Argumentationskette wurden durchaus auch historische Erfahrungen der auslndischen Banken bemht, brigens nicht nur mit Deutschland, sondern auch mit anderen Staaten, die ein Auge auf verschwiegenes auslndisches Kapital geworfen htten. Weniger deutlich wurde die Furcht der auslndischen Banken ausgesprochen, die betreffenden Anleger als Kunden zu verlieren. Viele Banken gingen zunchst davon aus, dass die Amnestie mit einer Rckfhrungsverpflichtung des Geldes nach Deutschland verbunden sei und deshalb das auslndische Konto aufgelst werden msse. Dieser Kundenverlust wurde gefrchtet. Als klar wurde, dass es eine solche Repatriierungsverpflichtung nicht gbe, sondern das Geld durchaus bei der auslndischen Bank verbleiben knne, nur eben jetzt den deutschen Finanzbehrden offengelegt, bestand trotzdem noch die Furcht, dass die deutschen Anleger auch ohne Zwang die Gelegenheit nutzen wrden, ihre Bank zu wechseln, entweder zu einer anderen auslndischen Bank zu gehen oder auch einen Transfer auf ein inlndisches Konto vorzunehmen. Drittes Argument fr die zgernde Haltung auslndischer Banken war die Erkenntnis, dass auch bei einem Verbleib des Geldes bei der auslndischen Bank nach der Offenlegung gegenber der deutschen Finanzverwaltung eine Rechnungslegung entwickelt werden msste, welche den deutschen steuerlichen Anforderungen gengt. Bekanntlich sind die Rechnungslegungswerke der meisten auslndischen Banken keineswegs auf diese Anforderungen ausgerichtet, was schon deswegen naheliegt, 403
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weil die auslndischen Banken andernfalls stndig die deutsche Steuerrechtsentwicklung mitverfolgen mssten, was praktisch schwierig ist, stndigen Anpassungsaufwand erfordert und die Einschaltung deutscher Berater verlangt. In jngerer Zeit vermerken wir eine positivere Haltung auslndischer Banken zu der deutschen Steueramnestie, sei es, weil sich die Banken in das Unvermeidliche schicken, sei es, weil sie erkannt haben, dass sie hiermit ihren deutschen Kunden einen Service bieten knnen, der die Beziehung zu der betreffenden Bank vielleicht noch verdichtet. Deutsche Anleger gehren traditionell zu wichtigen Kunden auslndischer Banken, so dass deren Pflege sich auch langfristig empfiehlt. Manche auslndischen Banken gehen daher auch aktiv vor und sprechen deutsche Kunden sogar darauf an, dass sie – die Bank – fr den Fall, dass das betreffende Konto mglicherweise der deutschen Finanzverwaltung nicht bekannt sei (fr den auslndischen Kundenberater ist es brigens ein Drahtseilakt, auf diesen Punkt zu sprechen zu kommen), bereit sei, Hilfe bei der Vorbereitung der Amnestieerklrung zu gewhren und fr die Zukunft auf deutsches Steuerrecht ausgerichtete Ertrgnisaufstellungen usw. zu liefern. 3. Insbesondere: Stiftung, Trust, Anstalt, Gesellschaft Im grßeren Vermgensbereich werden nach unseren Erfahrungen nicht deklarierte Vermgen ganz berwiegend von den inlndischen Steuerpflichtigen nicht direkt gehalten, sondern ber auslndische Institutionen verschiedener rechtlicher Art. Im Vordergrund stehen Stiftungen und Kapitalgesellschaften, es kommen aber auch (liechtensteinische) Anstalten und (liechtensteinische oder angelschsische) Trusts vor. Diese Konstellation warf und wirft besondere Probleme auf, die bisher auch durch die ußerungen der Finanzverwaltung nicht vollstndig gelst sind. Die entscheidende steuerliche Weichenstellung bei diesen Institutionen ist, ob sie steuerlich als eigenstndiger Rechtstrger – neben dem Stifter, Anstaltserrichter, Settlor, Gesellschafter – gewertet werden oder ob sie zwar zivilrechtlich existieren, aber steuerrechtlich nicht. Normalerweise folgt das deutsche Steuerrecht den zivilrechtlichen Eigentumsstrukturen und wertet zivilrechtliche Eigentumsbertragungen auch als solche i. S. d. Steuerrechts. Letzteres ist aber nicht der Fall, wenn die auslndische Institution (Stiftung, Trust, Anstalt, Gesellschaft) 404
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– fr den Steuerinlnder nur Treuhnder ist (§ 39 AO) – wegen Rechtsmissbrauchs nicht anerkannt wird bzw. die Vermgensbertragung auf sie wegen Rechtsmissbrauchs nicht anerkannt wird (§ 42 AO) – wegen Verstoßes gegen den ordre public nach Art. 6 EGBGB (ausnahmsweise) schon zivilrechtlich nicht anerkannt wird, weil sie z. B. ausschließlich aus Hinterziehungsgrnden errichtet wird (m.E. selten, weil praktisch kaum „ausschließlich“ die Hinterziehung gewollt ist). Die Steuerrechtsfolgen der Beurteilung in der einen oder anderen Weise sind bekanntlich gravierend. Kein steuerlicher Rechtstrger: Wenn die auslndische Institution kein steuerlicher Rechtstrger ist, liegen die Dinge einfach. Die von der Institution gehaltenen Vermgenswerte und erzielten Ertrge werden steuerlich von vorneherein dem inlndischen Steuerpflichtigen zugerechnet, in der gleichen Weise als wre er unmittelbarer Inhaber dieser Vermgenswerte und -ertrge, nicht anders als bei einem von einem Steuerinlnder unmittelbar gehaltenen Konto. Hiernach richtet sich auch die Einknfteermittlung. Die zivilrechtlichen bertragungsvorgnge auf und ggf. von der Institution lsen keine deutschen Steuerfolgen aus, weil es diese bertragungsvorgnge steuerlich gar nicht gibt. So erzeugt beispielsweise die bertragung von Vermgen auf eine steuerlich nicht existente Stiftung keine Schenkungsteuer ebenso wenig wie die bertragung von Vermgen auf einen steuerlich nicht existenten Trust, was auch fr umgekehrte bertragungen gilt. Und die bertragung von steuerverhaftetem Vermgen als Einlage in eine auslndische Kapitalgesellschaft lst ebenfalls keine deutsche Steuer, z. B. gem. §§ 17, 23 EStG, aus, weil steuerlich eine solche Einlage nicht stattgefunden hat. In einem Amnestiefall sind hier also die gleichen berlegungen anzustellen und Probleme zu lsen, wie bei dem unmittelbaren Halten von auslndischen Konten. Steuerlicher Rechtstrger: Sehr viel komplizierter liegt es dagegen, wenn die auslndische Institution vom deutschen Steuerrecht als Rechtstrger gewertet wird, was am Beispiel einer auslndischen Stiftung folgend skizziert sei: Die bertragung von Vermgen durch einen Steuerinlnder auf eine auslndische Stiftung, sowohl von Todes wegen als auch zu Lebzeiten, ist ein erbschaftsteuer- bzw. schenkungsteuerpflichtiger Vorgang (§§ 3 Abs. 2 Nr. 1, 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG). Das Belastende hieran ist, dass auf diese bertragung stets die Steuerklasse III anwendbar ist, auch dann, 405
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wenn Bezugs- oder Anfallsberechtigter der Stiftung nur der Stifter selbst, sein Ehegatte oder seine Abkmmlinge sind (vgl. § 15 Abs. 2 ErbStG). Wenn es sich bei dem bertragenen Vermgen – wie in der Regel – um liquides Vermgen in Form von verzinslichen Wertpapieren und Aktien handelt, folgt daraus ein praktisch prohibitives „Eintrittsgeld“. Sptere weitere Dotationen an die Stiftung sind als Schenkungen i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerpflichtig, ebenfalls in Steuerklasse III. Whrend der Existenz der Stiftung werden deren laufend erzielte Einknfte dem Stifter zugerechnet und folglich in Deutschland einkommensversteuert (§ 15 AStG). Lebt der Stifter nicht mehr, findet diese Zurechnung bei den bezugs- oder anfallsberechtigten Personen statt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Stiftung von ihren Ertrgen etwas „ausschttet“, so dass es zu einer Besteuerung ohne Liquidittszufluss kommen kann. Wird die Stiftung wieder aufgehoben und ihr Vermgen an die dazu nach der Stiftungsurkunde berechtigten Personen (angenommen Steuerinlnder) ausgekehrt, ist auch dieser Vorgang schenkungsteuerpflichtig (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG). Die Steuerklasse variiert. Geht das Vermgen an den Stifter, so ist Steuerklasse III anwendbar (obwohl das Vermgen von ihm stammt!). Geht es an Abkmmlinge des Stifters, ist – wie bei einer inlndischen Stiftung – Steuerklasse I anzuwenden (§ 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Wird das Vermgen der Stiftung nur teilweise an den Stifter oder Anfallsberechtigten ausgekehrt, ist die Rechtslage streitig.6 Die Finanzverwaltung drfte von einer Schenkung ausgehen. Nicht selten findet sich auch der Fall, dass das Vermgen von einer Stiftung auf eine andere Stiftung bertragen wird. Hier ist streitig, ob es sich um einen Schenkungsvorgang von Stiftung auf Stiftung in Steuerklasse III handelt, oder um zwei Vorgnge, also von der Stiftung auf den Stifter oder Bezugsberechtigte und von diesen auf die zweite Stiftung. Wenn der Stifter stirbt und die Stiftungssatzung vorsieht, dass z. B. seine Familienangehrigen das Recht auf Bezge aus der Stiftung und Anfall des Vermgens haben sollten, ist der Erwerb dieser „Anwartschaften“ nicht erbschaftsteuerpflichtig. Erst die Auskehrung ist es (s. o.). Von der alle 30 Jahre flligen Erbschaftsteuer ist die auslndische Familienstiftung (im Gegensatz zur inlndischen) nicht betroffen (§§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). 6 Vgl. Kamps, ErbStB 2004, 252.
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Wenn der Gesamtkomplex der Stiftung der deutschen Finanzverwaltung verheimlicht wird, ergeben sich daraus die mglichen Straftaten: – Hinterziehung von Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer bei Erstdotierung und spteren Vermgenszuweisungen an die Stiftung durch Unterlassen einer Anzeige und Abgabe einer Steuererklrung. – Hinterziehung von Einkommensteuer hinsichtlich des laufenden Einkommens der Stiftung durch Weglassen dieser Ertrge in der deutschen Einkommensteuererklrung. – Hinterziehung von Schenkungsteuer bei Auskehrung von Stiftungsvermgen auf Grund Aufhebung der Stiftung oder bei Teilauskehrung. – Schenkungsteuerhinterziehung bei der bertragung des Vermgens von einer Stiftung auf eine andere Stiftung. In den Stiftungsfllen wird regelmßig relevant, dass die Schenkungsteuer erst anfngt zu verjhren, wenn der Schenker stirbt oder das Finanzamt von der Schenkung Kenntnis erlangt hat (§ 170 Abs. 5 AO). Wenn die Stiftung Schenker ist, stirbt sie nie; ob die Auflsung dem Tod gleichsteht, ist fraglich, m. E. aber zu bejahen. Die Qualifikation einer Stiftung als steuerlicher Rechtstrger oder nicht ist auch fr die Zeit nach der Amnestie bedeutungsvoll. Einkommensteuerlich werden die Ertrge der Stiftung in Deutschland in jedem Falle erfasst. Bei steuerlicher Anerkennung der Stiftung gem. § 15 AStG, bei steuerlicher Nichtanerkennung als unmittelbare Ertrge des Steuerinlnders. Ein großer Unterschied besteht aber erbschaftsteuerlich. Stirbt der inlndische Stifter und ist die Stiftung steuerlich nicht anerkannt, so geht mit seinem Tode zwar zivilrechtlich kein Vermgen auf die nach der Stiftungssatzung nach dem Stifter Nchstberechtigten ber (das verbleibt der Stiftung), aber sehr wohl findet steuerlich ein Vermgensbergang statt, welcher bei den Erwerbern die deutsche Erbschaftsteuer auslst. Ist die Stiftung dagegen steuerliches Rechtssubjekt, lst der Tod des Stifters keine deutsche Erbschaftsteuer aus. Mgen auch nach der Stiftungssatzung nach dem Tod des Stifters andere Personen das Recht haben, die Stiftung aufzulsen und das Vermgen an sich auskehren zu lassen oder sich Teile des Stiftungsvermgens einzuverleiben (Anfallsund Bezugsberechtigte), so unterfllt der Erwerb einer solchen „Anwartschaft“ nicht der deutschen Erbschaftsteuer. Erst die bertragung solchen Vermgens von der Stiftung auf die Berechtigten lst die deutsche Erbschaftsteuer aus. 407
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Zu der Qualifikation auslndischer Stiftungen unter dem o. a. Gesichtspunkt hat sich die deutsche Finanzverwaltung auf Bundesebene in den ergnzenden Informationen zum StraBEG vom 16. 9. 20047 geußert, zum Teil auch auf Landesebene. In den Informationen gibt es einen Kriterienkatalog zwecks Prfung der Treuhandschaft. Klare Abgrenzungslinien sind damit noch nicht geschaffen, knnen es angesichts der Vielfalt der Sachverhalte wohl auch nicht. Dem Steuerpflichtigen und Berater bleibt die nicht vermeidbare Aufgabe, nach bestem Wissen und Gewissen die Qualifikation vorzunehmen und auf dieser Grundlage die strafbefreiende Erklrung abzugeben. Bei grßeren Vermgen lst diese Situation den Wunsch nach Rechtssicherheit durch Abstimmung mit der Finanzverwaltung aus (dazu noch unten). 4. Das Jahr 2002 In der Mehrzahl unserer Amnestieflle im grßeren Vermgensbereich sind die Steuererklrungen fr das Jahr 2002 nach dem 17. 10. 2003 (mit falschem Inhalt) abgegeben worden. Eine Amnestie fr das Jahr 2002 war deshalb nicht mglich. Da offenbar ist, dass bei Dauersachverhalten, insbesondere dem typischen Fall des verheimlichten Kontos, eine strafbefreiende Erklrung fr die Jahre 1993–2001 sofort den Blick des Finanzbeamten auf die Steuererklrung 2002 lenkt („Wo sind denn diese Ertrge dort?“), muss praktisch fr das Jahr 2002 parallel zu der strafbefreienden Erklrung fr die Vorjahre eine Selbstanzeige gem. § 371 AO abgegeben werden, um der Entdeckung der Steuerhinterziehung fr 2002 und damit dem Ausschluss der Selbstanzeige zuvor zu kommen. In der Selbstanzeige fr 2002 mssen die Einknfte des Jahres 2002 im Einzelnen dargestellt werden, und die Finanzverwaltung erlsst hierauf einen genderten Steuerbescheid. Hier haben sich in unserer Praxis die grßten Probleme ergeben. Erstens war der Steuerpflichtige darauf hinzuweisen, dass die Abgabe der Selbstanzeige fr 2002 (Nacherklrung) zu einer Weiterleitung der Nacherklrung vom Finanzamt an die Straf- und Bußgeldsachenstelle fhrt, welche routinemßig ein Strafverfahren einleitet. Dieses Strafverfahren wird wieder eingestellt, wenn die Einkommensteuer fr 2002 gezahlt wird, und damit wird das Jahr 2002 dann straffrei. Besonders optisch exponierten Steuerpflichtigen ist die Einleitung des Strafverfahrens nur schwer zu vermitteln, auch wenn die Einstellung so gut wie 7 IV A 4 – S 1928 – 120/04, abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de.
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sicher erwartet werden kann. Sie frchten Bekanntwerdung mangels des besonderen Schutzes des StraBEG und trotz des Steuergeheimnisses, vermissen auch die steuerliche Ruhe, die ihnen die Amnestieerklrung gerade gewhren sollte. Im Ergebnis konnten allerdings diese Bedenken der Steuerpflichtigen meistens berwunden werden. Nicht so war das mit dem aus Beratersicht zweitens erforderlichen Hinweis auf § 370a AO. Die Vorschrift besagt vereinfacht: Wer Steuern „gewerbsmßig in großem Ausmaß“ hinterzogen hat, wird durch eine Nacherklrung/Selbstanzeige nicht straffrei, sondern bleibt strafbar, wenn auch – wegen der Nacherklrung – nur in einem sog. „minderschweren Fall“. Das bedeutet Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fnf Jahren, die allerdings auch zur Bewhrung ausgesetzt werden kann. Das Problem hieran ist, dass unbestimmt ist, was „gewerbsmßig“ ist und was „in großem Ausmaß“ ist. Gewerbsmßig erfordert blicherweise mehrfache Wiederholung, kann aber auch bei einer Tat vorliegen, wenn diese in Wiederholungsabsicht ausgefhrt wurde. Man kann deshalb nicht vllig ausschließen, dass ein besonders diensteifriger Beamter die Steuerhinterziehung 2002 als in Wiederholungsabsicht fr die Jahre 2003 ff. ausgefhrt ansieht und deshalb Gewerbsmßigkeit annimmt. Das große Ausmaß sehen manche bei einem Steuerschaden von 50 000 Euro im Jahr als erfllt an, andere erst bei einem Steuerschaden von 500 000 Euro oder sogar 1 Mio. Euro im Jahr. Rechtsprechung hierzu gibt es nicht. Die Autoren aus dem ffentlichen Dienst treten eher fr die niedrigere Summe ein, diejenigen außerhalb fr die hheren. Wegen dieser Unklarheiten wird die Vorschrift von fhrenden Juristen fr verfassungswidrig gehalten, z. B. auch von einer hierfr zustndigen Richterin im Bundesgerichtshof. Auch der Bundesgerichtshof hat krzlich in einem obiter dictum eine Andeutung in dieser Richtung gemacht.8 In der Amnestieberatung nutzen diese juristischen Zweifel nichts. Der Berater kann nicht ausschließen und muss den Steuerpflichtigen darauf hinweisen, dass er fr das Jahr 2002 die Einleitung eines Strafverfahrens mit einer „Zielstrafe“ von drei Monaten bis fnf Jahren Freiheitsstrafe nicht ausschließen kann. In den ergnzenden Informationen zum StraBEG vom 16. 9. 2004 Frage 27 heißt es dazu jetzt: „Eine strafbefreiende Erklrung fr VZ vor 2002 darf nicht dazu verwendet werden, das Vorliegen des § 370a AO fr den VZ 2002 zu begrnden (§ 13 Abs. 1 StraBEG).“
8 BGH v. 22. 7. 2004 – 5 StR 85/04, Wistra 2004, 393.
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Diese Aussage bleibt formal, weil sie das Verwendungsverbot heranzieht, sagt aber nichts darber, ob § 370a AO materiell vorliegt, so dass Letzteres immer noch angenommen werden knnte. Immerhin wird die Zielrichtung klar, dass eine Amnestie nicht an der Angst vor § 370a AO betreffend 2002 scheitern soll. Zusammen mit der sehr wahrscheinlichen Verfassungswidrigkeit der Norm lt. BGH v. 22. 7. 2004 reicht uns das fr eine Empfehlung zur Amnestie in solchen Fllen. Vorausabstimmungen mit der Finanzverwaltung in anonymer Form sind zu Steuerrechtsfragen mglich (dazu noch unten), nicht aber zu einer strafrechtlichen Wrdigung nach § 370a AO, jedenfalls ist uns das praktisch nicht vorgekommen. 5. Die Jahre 2003 und 2004 Soweit die Steuererklrung fr das Jahr 2003 bereits abgegeben ist, sollte diese natrlich auf eine strafbefreiende Erklrung fr die Vorjahre abgestimmt gewesen, d. h. richtig gewesen sein und die bisher verheimlichten Ertrge enthalten haben. Im grßeren Vermgensbereich sind die Steuererklrungen fr 2003 gewhnlich zur Zeit dieses Beitrages noch nicht abgegeben. Auf Grund der bisher fehlerhaften Steuererklrungen sind dadurch die fr das Jahr 2003 festgesetzten Vorauszahlungen zu niedrig ausgefallen. Es hat sich die Frage gestellt, ob der Steuerpflichtige nunmehr fr die Vorauszahlungsverkrzung 2003 eine Selbstanzeige gem. § 371 AO abgeben muss oder ob er nach Abgabe der strafbefreienden Erklrung auf eine Aufforderung des Finanzamtes warten kann, die Zahl fr eine richtige Festsetzung der Vorauszahlung 2004 zu liefern oder ob das Finanzamt dieses mit den ihm aus der strafbefreienden Erklrung bekannt gewordenen Zahlen von selbst tut. Wir haben eine Vorauszahlungsverkrzung angenommen und das Finanzamt zusammen mit der strafbefreienden Erklrung und ggf. der Selbstanzeige fr 2002 hierauf hingewiesen und somit auch eine Selbstanzeige fr 2003 vorgenommen. Fr das Jahr 2004 stellt sich das gleiche Problem fr das Jahr 2003, soweit die Vorauszahlungen schon fllig geworden sind.
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6. Auslndische Quellensteuer Die auf dem auslndischen Konto eingeflossenen Ertrge werden hufig eine auslndische Quellensteuer getragen haben. Da in Deutschland keine Besteuerung dieser Ertrge stattfand, stellte sich die Frage nach einer Anrechnung der auslndischen Quellensteuer auf die deutsche Steuer (§ 34c EStG bzw. DBA) nicht. Nach Abgabe einer strafbefreienden Erklrung findet nunmehr eine Besteuerung der auslndischen Ertrge statt und es fragt sich, ob die auslndische Quellensteuer auf die deutsche Amnestie-Steuer angerechnet werden kann. Die Antwort hierauf ist ein klares „Nein“, weil das StraBEG diese Anrechnung ausschließt. Eine andere Frage ist, ob der Steuerinlnder, nachdem die Ertrge nunmehr mit der deutschen Amnestie-Steuer belastet werden, bei dem auslndischen Fiskus nach einem DBA zwischen Deutschland und dem Ausland eine teilweise Erstattung der auslndischen Quellensteuer beantragen kann. Bisher war das nicht mglich gewesen, weil hierfr dem auslndischen Fiskus darzutun ist, dass die betreffenden Ertrge in Deutschland einer Steuer unterlegen haben. Im Verhltnis zur Schweiz wre nach mndlicher Auskunft von Angehrigen der Schweizer Finanzverwaltung eine solche teilweise Erstattung Schweizerischer Verrechnungssteuer in der Tat mglich, allerdings zeitlich beschrnkt auf die hierfr geltende Frist von drei Jahren. Sind also einem Steuerinlnder auf seinem schweizerischen Konto Ertrge abzglich der schweizerischen Verrechnungssteuer gutgeschrieben worden, kann er nach Bezahlung der deutschen Amnestiesteuer vom Schweizer Fiskus ggf. noch eine teilweise Erstattung der Verrechnungssteuer nach dem DBA verlangen. Praktisch sind diese Flle seltenst aufgetaucht, weil die Kapitalanlagen regelmßig frei von Schweizerischer Quellensteuer waren und auch Quellensteuer von Drittstaaten nur selten anfiel oder die Frist verstrichen war. 7. Selbstanzeige statt Amnestie Wir haben regelmßig berprft, ob sich der Steuerpflichtige durch eine traditionelle Selbstanzeige besser stehen wrde als durch die strafbefreiende Erklrung. Bekanntlich knnte das insbesondere in den Fllen in Betracht kommen, in denen die Kosten zur Erzielung der verheimlichten Ertrge so hoch sind, dass sie die vom Gesetzgeber pauschal veranschlagten Kosten von 40% der Einnamen bersteigen. Im Ergebnis hat es einen solchen Fall bei uns nicht gegeben. Gewhnlich deshalb, weil 411
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die Steuerbelastung auf Grund der Amnestie deutlich unterhalb der bei einer Selbstanzeige lag. In den wenigen Fllen, in denen die Selbstanzeige rein rechnerisch knapp gnstiger gewesen wre, haben die Steuerpflichtigen hierauf verzichtet, nachdem ihnen die Rechtsfolgen der Selbstanzeige gegenber der strafbefreienden Erklrung dargestellt wurden. Insbesondere wurde die abschließende Wirkung der strafbefreienden Erklrung fr die Amnestiejahre und die Jahre davor mit dem Wegfall weiterer Prfungsmaßnahmen usw. geschtzt, whrend bekanntlich nach einer Selbstanzeige durchaus weitere Prfungs- und sogar Fahndungsmaßnahmen durchgefhrt werden knnen. Auch hier war das Motiv der Wunsch nach steuerlicher Ruhe fr die Vergangenheit. Hinzu kam die Furcht vor dem unseligen § 370a AO, der im Falle einer traditionellen Selbstanzeige bekanntlich dazu fhrt, dass trotz Selbstanzeige keine Strafbefreiung eintritt, sondern sich der zu erwartende Strafrahmen nur mildert, aber immer noch auf eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren. Da der Wortlaut des § 370a AO vollstndig willkrliche Anwendungen zulsst, kann kein Berater hierzu eine vorausschauend rechtssichere Auskunft geben. Allein die Mglichkeit der Anwendung dieser Vorschrift schloss die Selbstanzeige aus. Dagegen spielt § 370a AO im Rahmen einer strafbefreienden Erklrung bekanntlich keine Rolle, d. h. die Amnestie erfasst auch nach dieser Vorschrift strafbare Taten. 8. Betriebsprfung nach strafbefreiender Erklrung Nachdem das Finanzamt durch die strafbefreiende Erklrung neue Sachverhalte erfahren hat, knnte es versucht sein, auch fr den Amnestiezeitraum – soweit noch offen – eine Betriebsprfung anzuordnen mit dem Hintergedanken, jetzt mit „geschrftem Auge“ in der Betriebsprfung Feststellungen zu den bisher verheimlichten Einnahmen zu machen und damit den Mechanismus des § 8 Abs. 3 StraBEG in Gang zu setzen. Danach wird vermutet, dass der Steuerpflichtige der Finanzbehrde aus anderem Anlass bekannt gewordene Straftaten in der strafbefreienden Erklrung nicht bercksichtigt hat. Er kann diese Vermutung nur durch den Nachweis widerlegen, dass diese Taten sehr wohl Gegenstand seiner strafbefreienden Erklrung waren. Die Anforderungen an diesen sog. Gegenbeweis sind bekanntlich umstritten. Sicherlich kann er nicht so weit gehen wie in einer normalen Betriebsprfung. Wir haben in unserer Praxis bisher keinen Fall erlebt, dass die Finanzverwaltung ersichtlich auf Grund einer strafbefreienden Erklrung eine Betriebsprfung angeordnet hat. Nach dem Merkblatt Tz. 14.7 wre das auch unzulssig. 412
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9. Einschaltung der Straf- und Bußgeldstelle Anders als bei Selbstanzeigen, die regelmßig vom Finanzamt an die Straf- und Bußgeldsachenstelle weitergeleitet werden, geschieht dies nach unseren Erfahrungen bei einer strafbefreienden Erklrung nicht einheitlich. Wohl berwiegend geschieht dieses zwecks Prfung, ob die Ausschlussgrnde fr die strafbefreiende Erklrung gem. § 7 StraBEG vorliegen. 10. Einschaltung der ESST Nach einer internen Anweisung des Finanzministeriums NRW vom Juli 2004 ist in allen Fllen mit erbschaft- bzw. schenkungsteuerlichem Bezug zur Klrung der rechtlichen Sachlage mit der zustndigen Erbschaftund Schenkungsteuerstelle Kontakt aufzunehmen. 11. Abstimmung mit der Finanzverwaltung Insbesondere bei der Einschaltung auslndischer Institutionen ist eine steuerrechtliche Wrdigung erforderlich, von der der Steuerpflichtige und sein Berater auch bei grßter Sorgfalt und versuchter Objektivitt nicht voraussagen knnen, ob die Finanzverwaltung die Beurteilung spter in gleicher Weise vornimmt, sei es fr den Amnestiezeitraum, seit es fr die Zeit danach. Der Steuerpflichtige hat aber natrlich ein hohes Interesse nach Rechtssicherheit hierzu. Deshalb stellt sich die Frage nach einer Abstimmung mit der zustndigen Finanzverwaltung mit dem Ziel der Gewinnung dieser Rechtssicherheit. Naturgemß muss diese Kontaktaufnahme mit der Finanzverwaltung anonym geschehen, weil sonst wegen Entdeckung die Amnestie nicht mehr mglich ist. Eine verbindliche Auskunft im blichen Sinne kommt nicht in Betracht, weil die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zu einem Sachverhalt erbeten wird, der nicht in Zukunft verwirklicht werden soll, sondern bereits verwirklicht worden ist. Eine tatschliche Verstndigung liegt genau genommen auch nicht vor, weil es weniger um Tatfragen als um rechtliche Beurteilungen geht. Außerdem gibt es ein Rechtsinstitut des Inhalts, dass die Finanzverwaltung auf einen anonym vorgetragenen Sachverhalt ihre Rechtsauffassung hierzu bekannt gibt und sich hieran nach Offenlegung des Steuerpflichtigen auch zu halten hat, bekanntlich nicht. Andererseits verbietet die AO ein solches Vorgehen auch nicht, vorausgesetzt natrlich, der dargelegte anonyme Sachverhalt war richtig und vollstndig. 413
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Nach unseren Erfahrungen hat sich die Finanzverwaltung in solchen Fllen kooperativ gezeigt. Soweit ersichtlich, hat allerdings kein Finanzamt eine diesbezgliche Entscheidung in eigener Verantwortung gefllt, sondern stets nur unter Hinzuziehung der vorgesetzten Dienststelle, also der OFD, die ggf. auch das Finanzministerium eingeschaltet hat. Trotz der vielleicht ungewhnlichen Konstellation ist das ein salomonisches Vorgehen. Bei der Beliebigkeit der Auslegungsergebnisse in weiten Teilen des deutschen Steuerrechts, ganz besonders bei der steuerlichen Beurteilung solcher auslndischer Institutionen wie Stiftungen, Trusts, Anstalten und Gesellschaften muss der Steuerpflichtige fairerweise eine Chance zur Rechtssicherheit haben. Das Risiko wegen nachtrglich aus der Sicht der Finanzverwaltung falscher steuerlicher Beurteilung der Institution, die Strafbefreiung auf Grund der Amnestie nicht zu erlangen, kann ihm nicht zugemutet werden und auch nicht eine vllig abweichende Beurteilung fr die Zukunft.
12. Repatriierung des Geldes Bekanntlich hngen die strafrechtlichen und steuerlichen Wirkungen der strafbefreienden Erklrung nicht davon ab, dass das im Ausland befindliche Geld nach Deutschland repatriiert wird. Es kann durchaus auf den bisherigen auslndischen Konten verbleiben, nur eben gegenber der deutschen Finanzverwaltung offengelegt. In nicht wenigen Fllen mchten allerdings die Steuerpflichtigen die „Auslandskonstruktion“ im Anschluss an die Amnestie beenden. Hier stellen sich je nach Sachverhalt Probleme. Relativ unkompliziert liegt es bei unmittelbaren Konten bei auslndischen Banken. Das Vermgen wird schlicht von dem Konto im Ausland auf ein inlndisches Konto berfhrt. Zu beachten sind Kostenfolgen hinsichtlich der auslndischen Bank, von Vermgensverwaltern usw. Steuerliche Hindernisse fr einen solchen Kontenwechsel aus der Sicht des deutschen Steuerrechts gibt es nicht. Es knnte sie aus der Sicht des auslndischen Steuerrechts geben, wenn dieses z. B. eine Steuer auf den Transfer von Werten kennt. Es mag auch sein, dass auslndische Steuerrechte bei ihnen bankmßig gelagerte Werte „steuerverhaftet“ nach Art der §§ 17 und 23 EStG sehen und eine Verbringung dieser Werte vom Ausland nach Deutschland im Ausland eine Besteuerung auf stille Reserven auslsen knnte. Solches ist uns indes in der Praxis nicht bekannt geworden. Verschiedentlich hat es devisenrechtliche Probleme gegeben, aber nicht in Europa. Manchmal haben die auslndischen Ban414
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ken auch in Furcht vor dem Verlust der Geldverwaltung Nachweispflichten fr die rechtliche Inhaberschaft des Kontos aufgestellt, die sie in den Vorjahren nicht gesehen, sondern erst neuerdings „entdeckt“ haben, zum Teil mit Hinweis auf die Beziehung des betreffenden Landes zu den USA und deren Identifizierungsvorgaben. Besonders wenn Erben oder Vermchtnisnehmer oder sonstige Berechtigte ber das von einer anderen Person in der Vergangenheit errichtete und befllte Konto verfgen wollten, „entdeckten“ die auslndischen Banken solche Nachweisprobleme, indem sie nachtrglich Erbscheine (mit bersetzung und Beglaubigung) oder sonstige Rechtsnachfolgenachweise verlangten, teilweise in der in ihrem Lande blichen Form. Solches kann praktisch zu erheblichen Zeitverzgerungen fr den Transfer der Konten fhren, bei etwas komplizierteren internationalen Verhltnissen und zwischenzeitlichen Erbgngen oder Schenkungen jahrelang. Steuerliche Hindernisse gab es aber, wie gesagt, im Ergebnis keine. Ganz anders liegt das, wenn die Vermgenswerte in auslndischen Institutionen (Stiftung Trust, Anstalt, Gesellschaft) platziert waren und das Geld entweder von diesen Institutionen (unter deren Weiterbestehen) auf Steuerinlnder bertragen werden sollte oder die auslndische Institution vllig aufgelst und das Geld im Zuge der Auflsung an Steuerinlnder ausgekehrt werden sollte. Hier waren sowohl Folgen des auslndischen als auch des deutschen Steuerrechts zu beachten. Fr die auslndischen Steuerrechte sei hier pars pro toto auf den Fall des Haltens von Aktien in einer schweizerischen Kapitalgesellschaft hingewiesen. Wenn diese Aktien im Rahmen einer Liquidation der schweizerischen Kapitalgesellschaft auf den inlndischen Anteilseigner bertragen werden, erhebt die Schweiz auf die stillen Reserven in den Aktien ihre Verrechnungssteuer zum Satz von 30%. Nach dem DBA Deutschland/Schweiz wird diese Quellensteuer allerdings auf Antrag ermßigt. Obwohl die auslndischen Institutionen gewhnlich so konstruiert waren, dass sie in ihren Sitzstaaten von dortigen Steuern frei blieben, knnen sich auch dort Realisierungsprobleme ergeben, wenn die von der Institution gehaltenen Vermgenswerte nach dem Recht des Sitzstaates der Institution „steuerverhaftet“ waren und der betreffende Staat den Eigentmerwechsel an diesen Vermgensgegenstnden von der Institution auf einen Steuerinlnder als Realisationstatbestand ansieht. Auch in Drittstaaten knnen Steuerfolgen eintreten. Wenn z. B. ein Steuerinlnder ber eine „schwarze“ Schweizerische Kapitalgesellschaft die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in einem Drittstaat gehalten hat, knnte die Liquidation der schweizerischen Kapitalgesell415
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schaft in dem Drittstaat eine Steuerpflicht auf einen fiktiven Verußerungsgewinn in der Art der §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. e i. V. m. 17 EStG auslsen. Wenn das so ist, muss geprft werden, ob das DBA der Schweiz mit diesem Staat diese Besteuerung ausschließt oder bestehen lsst. Die bertragung von Vermgen von auslndischen Institutionen auf einen Steuerinlnder ist regelmßig auch aus deutsch-steuerlicher Sicht relevant. Bei der bertragung von Stiftungen und Trusts (die steuerlich nicht hinweggedacht werden) begrndet die bertragung bei dem Steuerinlnder einen erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb. Kapitalherabsetzungen bei einer auslndischen Kapitalgesellschaft oder deren Liquidation knnen Steuerpflichten gem. § 17 Abs. 4 EStG auslsen. Die Tatsache, dass diese Vorgnge im Anschluss an eine Amnestie erfolgen sollen, hat auf ihre steuerrechtliche Behandlung keinen Einfluss. Es gelten die allgemeinen Regeln hierzu. Wenn im Rahmen der Amnestie eine Vorabstimmung mit der Finanzverwaltung gesucht wird, wird es sich empfehlen, diesen Punkt gleichzeitig zu behandeln. Da die Verwirklichung in der Zukunft liegt, kommt ein Antrag auf verbindliche Auskunft in Betracht, wenn Zweifel ber die steuerliche Behandlung nicht beseitigt werden knnen. Eine besondere Rolle spielt das fr die Frage, ob eine auslndische Stiftung vom deutschen Steuerrecht als Steuersubjekt angesehen wird oder als steuerlich nicht vorhanden gewertet wird (dazu schon oben).
V. Erfahrungen der Berater Unsere Zielrichtung geht dahin, die Steuerpflichtigen, welche uns wegen der Steueramnestie aufsuchen, davon zu berzeugen, hiervon Gebrauch zu machen. Die berzeugungsquote ist nach unseren bisherigen Erfahrungen gemessen an Fallzahlen (nicht an Volumen) ber 90%. Gleichwohl gibt es Flle, dass sich die Steuerpflichtigen (bis jetzt) nicht zu der Amnestie entschließen knnen. Die dafr vorgebrachten Hinderungsgrnde sind meistens folgende: – Es ist so lange gut gegangen, da wird es auch noch weiter gut gehen. – Bei lteren Steuerpflichtigen: Bis zu meinem Tode soll alles beim Alten bleiben, danach sollen sich die Erben mit der Sache auseinander setzen. – Die auslndische Bank hat mir berichtet, dass von ihren anderen Kunden auch nicht sehr viele von der Amnestie Gebrauch machen. 416
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– Ich habe Angst, dass irgendwelche Anspruchsberechtigten (Ehegatten, Pflichtteilsberechtigte, sonstige Glubiger) irgendwie von dem schwarzen Vermgen erfahren und darauf zugreifen wollen. Nach Steuer bleibt gar nichts mehr brig. Variante: Ich habe Steuerschulden, die bis jetzt „mangels Masse“ nicht bezahlt wurden. Nach Amnestie muss ich das schwarze Konto dafr einsetzen. – Nach der strafbefreienden Erklrung wird das Finanzamt fr alle noch offenen Jahre eine Betriebsprfung – natrlich „routinemßig“ – anordnen und mich dabei „auseinandernehmen“ sowie mich fr alle Folgejahre einer „Sonderbehandlung“ unterziehen und mir natrlich kein Wort mehr glauben. Den diesbezglichen gegenteiligen ußerungen aus den hohen Etagen der Finanzverwaltung und dem politischen Raum kann ich nicht glauben. Ich soll in eine Falle gelockt werden. – Das Jahr 2002 ist fr mich nicht amnestiefhig (weil ich die Steuererklrung nach dem 17. 10. 2003 abgegeben habe). Wegen der Grßenordnung muss ich mit einer Bestrafung in einem minderschweren Fall gem. § 370a AO rechnen (dieses Szenario ist der Todesstoß fr jedes Amnestiegesprch im grßeren Vermgensbereich). – Wenn doch irgendetwas herauskommt, weil das Finanzamt nicht dicht hlt, bin ich blamiert und muss mein Bundesverdienstkreuz wieder abgeben, verliere meine politische Position, verliere meine Geschftsleitungsposition, habe ich rger mit anderen Behrden. – Mir ist die Offenbarung gegenber meinem Finanzamt, das mich seit Jahrzehnten fr einen ehrlichen Steuerpflichtigen hlt, peinlich. Kein Hinderungsgrund war bisher ausnahmslos die Hhe der durch die Amnestie ausgelsten Steuern. Diese Belastung wurde durchweg als moderat empfunden und auf jeden Fall „die Sache wert“. Liquidittsprobleme wegen der erforderlichen kurzfristigen Zahlung haben sich nur selten gestellt. Immerhin musste bei grßeren Vermgen das Geld zur Zahlung der Steuer von den schwarzen Konten besorgt werden, wegen derer nichtversteuerter Ertrge die Amnestie in Anspruch genommen wurde. Bei der blichen Festlegung der Gelder bedurfte es bisweilen einer mittelfristigen Vorausschau fr Verkufe, um das Geld flssig zu machen. Es wurde auch gescheut, vor der Amnestie, große Betrge aus dem Ausland in das Inland zu berweisen, weil hier Entdeckungsmglichkeiten befrchtet wurden, die mglicherweise die Amnestie ausgeschlossen htten (Meldepflichten im Außenwirtschaftsverkehr, Meldungen der Banken usw.). Eine Kreditaufnahme bei der 417
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inlndischen Hausbank mit dem Zweck „Zahlung der Amnestiesteuer“ lste stets grßte Hemmungen aus und wurde im Ergebnis nicht praktiziert, um die inlndische Bankverbindung nicht zu belasten. Das Amnestiegesprch kann ein bereits bestehendes Mandatsverhltnis belasten. Der Berater erfhrt hufig erstmals von Sachverhalten, die auch ihm bisher jahre- und jahrzehntelang nicht offenbart wurden und die er auch nicht erahnt hat. In gewisser Weise fhlt er sich getuscht. Wenn der Steuerpflichtige auf die Amnestie trotz der berzeugungsversuche des Beraters nicht einsteigt, kann letzterer in Zukunft bei den Steuererklrungen nicht mehr mitwirken, will er sich nicht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig machen. Der daraus folgende Mandatsverlust wird vielfach nicht geschtzt. Besonders prekr wird die Lage fr den Berater, wenn die Inanspruchnahme der Amnestie fr den Steuerpflichtigen belastungsmßig so vorteilhaft wird, dass dieser sich selbst auch da als einer Steuerhinterziehung schuldig ansieht, wo er es gar nicht war. Z.B. kann es unter der Amnestie gnstiger sein, eine Rckstellung in der Vergangenheit bewusst unrichtig gebildet zu haben, eine Betriebsausgabe, die keine war, bewusst geltend gemacht zu machen, um diese Posten unter dem Amnestieregime zu versteuern, statt darauf zu warten, dass sie in der nchsten Betriebsprfung zum normalen Tarif besteuert werden. Diese Konstellation begegnet nicht selten auch im Zusammenhang mit den Ausgaben i. S. d. § 163 AO. Das Ergebnis ist eindeutig: Wer der Finanzverwaltung, um die gnstigen Tarife der Steueramnestie in Anspruch zu nehmen, eine Steuerstraftat vortuscht, begeht eine neue Steuerstraftat. Der Berater kann hiervon nur abraten. Viele Steuerpflichtige streben fr die Jahre nach dem Amnestiezeitraum nach Rechtssicherheit bezglich der steuerlichen Beurteilung der bisher verheimlichten Sachverhalte. Prototyp sind die auslndische Stiftung und die auslndische Kapitalgesellschaft, die fr Zwecke der Amnestie von dem Steuerpflichtigen bzw. faktisch von seinem Berater in bestimmter Weise steuerlich qualifiziert werden (Stiftung z. B. als steuerlicher Rechtstrger oder als steuerlich nicht vorhanden, Kapitalgesellschaft als nicht vorhanden oder als Zwischengesellschaft gem. §§ 7 ff. AStG) und der Steuerpflichtige mchte wissen, ob diese Qualifikation auch fr die Jahre nach dem Amnestiezeitraum so von der Finanzverwaltung bernommen wird. Hierfr gibt es keine Garantie. Die Jahre nach dem Amnestiezeitraum werden nach den allgemeinen Regeln abgewickelt. Es ist der Finanzverwaltung erlaubt, den Sachverhalt nach dem Amnestiezeitraum detailliert zu prfen, Unterlagen zu verlangen 418
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und – je nach ihrer eigenen Erkenntnis – auch eine andere Qualifikation vorzunehmen als es der Steuerpflichtige fr den Amnestiezeitraum getan hat. Fr den Nachamnestiezeitraum kann und muss man diese Rechtsposition dem Grunde nach akzeptieren, weil sie dem entspricht, was auch ohne die Existenz der Amnestie gilt. Schwierig und ungeklrt ist die Frage, ob das Finanzamt auf Grund einer solchen Untersuchung die strafbefreiende Erklrung in Frage stellen kann, z. B. nachtrglich verlangen kann, dass die Ertrge einer auslndischen Kapitalgesellschaft, die der Steuerpflichtige als Hinzurechnungsbetrag gem. AStG der Amnestiesteuer unterworfen hat, wegen steuerlicher Nichtanerkennung dieser Gesellschaft als Kapitalertrge nach den Regeln des § 20 EStG zu ermitteln sind. Wenn dabei eine hhere Bemessungsgrundlage herauskommt (was wegen unterschiedlicher Einknfteermittlungsmethoden durchaus mglich ist), htte die strafbefreiende Erklrung hinsichtlich des Differenzbetrages weder die Steuerabgeltung noch die Straffreiheit herbeigefhrt. Ein Berater, der eine Amnestieberatung bernimmt, muss diese nach den Regeln der Kunst durchfhren und haftet dem Steuerpflichtigen fr Fehler. Das wre z. B. anzunehmen, wenn der Berater nicht auf die Verpflichtung zur Zahlung der Frist hinweist und dies dem Steuerpflichtigen eindringlich mit den Rechtsfolgen der Fristversumung darlegt. Ggf. ist auch Haftungsvorsorge zu treffen, weil bekanntlich manche Steuerpflichtige die Neigung haben, von ihnen selbst verschuldete oder schief gegangene Dinge auf den Berater bzw. seine Versicherung abzuladen. Auch wer von einem Steuerpflichtigen nur flchtig nach den Einzelheiten der Amnestie gefragt wird und ihm freundlicherweise das Erklrungsformular zuschickt, sollte dokumentieren, dass er entweder nicht zur Amnestie beraten habe oder dokumentieren, was er gesagt hat und dies sicherheitshalber dem Steuerpflichtigen notifizieren.
VI. Fazit In praktisch allen an uns herangetragenen Fllen war die Amnestie sinnvoll und wurde genutzt. Nach einer Anlaufzeit arbeiten die Finanzmter im Sinne des Gesetzgebers, wie er sich auch im BMF-Merkblatt und dem Fragenkatalog niederschlgt. Die Amnestie ist kompliziert. Die Verwaltungsußerungen und zahlreiche Publikationen zeugen davon. Ohne Berater-Einschaltung ist sie nicht mglich.
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Sachregister Abfindung - Realteilung und Sachwertabfindung 209 Abgabenomnung - Anwendungserlass 1998/Unterstellung richtiger Angaben des Steuerpflichtigen 56 - Kapazitätsproblem der Finanzbehörden 57 Abhilngiger Vertreter - Betriebsstättenfiktion/Vergleich mit der Generalunternehmerbetriebsstätte 89 - eigener Anteil an Unternehmenseinkünften 95 - Tochtergesellschaftstätigkeit 100 Abschreibungen -immaterielle Vermögensgegenstände 271 - Wahlrecht außcrplanmäßiger/ Reformbedarf 271 - Wahlrecht im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung/ Reformbedarf 271 Abzinsung - Sozialplanrückstellung 302 Aktiengesellscludt - Kapitalschutz und Bilanzrecht 262 - und Gründung europäischer SE 353 Aktienkurs - und Vergütungsinstrumente 6 Altersentlastungsbetrag 45 - neue Rentenbesteuerung 46 Altersvorsorge/Deiträge - AltEinkG 50 - Arbeitnehmer-Pauschbetrag 46 - Basisversorgungfvoller Werbungskostenabzug als Förderung 39 - Begriff der Altersvorsorge 26 - Beitragsbehandlung und BezügefKorrespondenzprinzip 32, 47 - Dreischichten-Modell 35
- geschlechtsneutrale Tarife 40 - gesetzliche Rentenversicherung/ Abgabencharakter 31 - Gleichheitsgrundsatz 31 - Kapitalanlageprodukte, andere als Basisversorgung 38 - Kapitallebensversicherungfabzugrenzende 38 - klassisches EStSystem oder Konsumentensteuer 27 - Leibrente/Kapitalstock aus versteuertem Einkommen 38 - Nettoprinzip 30 - Rentenbesteuerung s. dort - Verbot der Zweifachbesteuerung 47 - Versorgungsfreibetrag 45 - Werbungskosten/Betriebsausgaben 30, 35, 39, 51 - Werbungskosten/Sonderausgaben 35 - Zusatzversorgung und Basisversorgung 38 Anrechnungsverfahren - Einnahmen und Anrechnung/ Korrespondenz 347 - EuGH-Vorlage 11 - rückwirkende Bescheidänderung 348 Ansässigkeit - Diskriminierungsschutz 332 - Organschaftsvoraussetzungen 332 - Wegzug inländischer Kapitalgesellschaft 139 Anschaffungskosten - internationale Unternehmensumwandlung 3 - Software 312 Anschaffungswertprinzip - Finanzinstrumente auf liquiden Märkten/Ausnahme 271 - HGB-Bilanzzweck 263 - Kapitalschutzzweck 271
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Sachregister Anstreicherbetriebsstätte - Betriebsstättenbegriff/OECD-Arbeiten zugunsten einer Ausweitung 84 Arbeitnehmer-Pauschbetrag - neue Rentenbesteuerung 47 Arbeitnehmer-Verbleibprämie - Rückstellung für aufschiebend bedingte 315 Arbeitslosengeld - Rückstellung wegen Erstattungspflichten 300 Ärztliche Tätigkeit - Reichweite der USt-Be&eiung 379 Atypische stille Gesellschaft - Verlustverwertungsbeschränkung 170 Auflösung der Gesellschaft - Wegzug einer Kapitalgesellschaft 128 Aufwandsrückstellungen - HGB-Bilanz 270 Ausgleichszahlung - RealteilungfVeräußerungsgewinn 2.19 Ausgliederung - Sonderbetriebsvermögen/zurückbehaltenes und unterquotale Anteilsübertragung 246 - wesentliche Betriebsgrundlagen vor Anteilsübertragung 236 Ausgliederungsmodell - Einzelwirtschaftsgüter im Gesamtrumdsverrnögen 207 Auslagerung - Einschaltung von Zwischengesellschaften im Ausland/Missbrauchsfragen 325 Ausländische Betriebsstätte - DBA-Freistellungsmethode 15 - Innentransaktionen 17 - OECD-Entwurf zur Gewinnabgrenzung 16 - Selbständigkeitsfiktion/Veranlassungsprinzip 16 - Stammhausrisiko/Betriebsstättenrisiko 17
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- Überführung Betriebsvermögen inländischer Betriebsstätten/Entnahme 12.0 - Wertpapierhandel/elektronischer Handel16 - Wirtschaftsgüter/Übertragung aus dem Inland 146, 164 Ausländische Einkunftsquellen - Wegzugsfall und Zugriffsmöglichkeit 126 Ausländische Rechtsträger - Beteiligungsbesitz und Wegzugsbesteuerung 136, 163 - Einbringungsfälle/Betriebsstätten 360
- EuGH-Rechtssache x und y 3, 132 - Hinzurechnungsbesteuerung als ungleiche Behandlung 19 - inländische Betriebsstätte/Einbringung in Kapitalgesellschaft gegen Anteile 149 - inländische Betriebsstätte/Verlagerung ins Ausland 144 - internationale Unternehmensumwandlung 3 - Organschaftsvoraussetzungen in Zuzugsfällen 332 - Steueramnestie 404 - Wegzug inländischer Gesellschaft/ Beteiligungsbesitz an 143 - Wegzug inländischer Kapitalgesellschaft/Verlegung in das Ausland 139 - ZuzugfAnteile und deutsche Steuerhoheit 123 - Zwischengesellschaft/Schlechterstellung 330 - Zwischengesellschaften und Missbrauchsfrage 325 Ausländischer Gesellschafter - Realteilung/Überführung in ausländisches Betriebsvermögen 2.18 Auslandsverluste - DBA-Freistellungsmethode 15 - Inlandsverlustefungleiche Behandlung 15 - Organschaft 16
Sachregister Auslegung der Steuernorm - Gesamtplanrechtsprechung 'n7 Auuchüttungsbegxenzung - HGB-BilanzfFunktion 262 - IFRS-Bilanzzweck, untauglicher 264 - situative Sperranordnungen 264 - Vertragsmodell 266 - Zeitwert von Finanzinstrumenten 272 Außenprüfung - Ablaufhemmungstatbestände 74 - Bilan.z.ierungsfehler 307 - Selbstveranlagungsverfahren 68 - strafbefreiende Erklärung 412 - tatsächliche Verständigung 76
Außensteuergesetz -Wegzugs. dort Banken - Mitteilungspflichten in den USStaaten 66
Baais&esellschaften - BFH-Rechtsprechung/Abgrenzung zur Hinzurechnungsbesteuerung 328 BauabZ1J3ssteuer - Abgrenzung von Bauleistungen 387 Bauausführungen - und Betriebsstättenbegriff 87, 103 Bauleistungen - Rechnungserteilung/Rechnungsaufbewahrungspflicht 389 Beamteoversoqung - gesetzliche Rentenversicherung/ gleichheitswidrige Besteuerung 31
Beihilferecht der EU - und Steuerrecht/Dublin Docks 326 Beratuopkosten - Aktivierung 311 Beratuqsleistuogen - und Betriebsstättenbegriff 84 Beschriinkte Steuerpflicht - Besteuerungshoheit/Zuweisung und Ausübung 131
- internationale Untemehmensumwandlung 3 - Quellenbesteuerung s. dort - Ungleichbehandlung 13, 15 - Wegzugsfälle und DBA 126 Besteuer~~~J~shoheit
- BuGH-Unterscheidung von Zuweisung und Ausübung 131 BesteuerliiJispruis - Steuerveranlagung/Selbstveranlagung s. dort
Beteiligungsbesitz - Anteile an ausländischer Kapitalgesellschaft/Zuzugsfall 123 - Anteilstausch/Gewinnrealisierung 357 - Anteilsübertragung/vorherige Ausgliederung wesentlicher Betriebsgrundlagen 236 - Beteiligungsübertragung auf ausländische Gesellschaft/Niederlassungsfreiheit 366 - Betriebsstättenzurechnung 365 - EuCH-Rechtssache :r. und y 3, 132 - und Organschaftsbegründung 336 - Wegzugsbesteuerung § 6 AStG/ ausgenommene Auslandsbeteiligung 136, 163 - Zugehörigkeit zu inländischer BetriebsstättejBetriebsstättenverlagerung 144 Betriebliche Altersversorgung - neue Rentenbesteuerung 35 Betriebsaufpbe - Betrieb als Liebhaberei 119 - Gesamtplanrechtsprechung 232 - Realteilung s. dort - und Realisationsprinzip 115 - unentgeltliche Teilbetriebsübertragung/anschließende Rest-Tellbetriebsaufgabe 230 - zeitlich gestreckte 233 Betriebsaufspaltuq - Gewerbesteuerbefreiung einer Betriebsgesellschaft 339 - Realteilung 212
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Sachregister Betriebsausgabenabzug - Arbeitnehmervorteil/Korrespondenzfrage 7 Betriebsstättenbesteuerung - Abgrenzung Ansässigkeits- und Quellenstaat 93 - abhängige Vertretung durch Tochteigesellschaft 100 - Anstreicherbetriebsstätte/Objekt der Tätigkeit als Betriebsstätte 84, 94, 97 - Anteilszurechnung 365 - arbeitsteilige Organisationen/Outsourcing 102 - Aufenthalt am Leistungsort, bloßer
97 - Aufgabe inländischer Betriebsstättel Verlagerung in das Ausland 143 - Ausländische Betriebsstätte s. dort - ausländische EU-Kapitalgesellschaft
360 - Bauausführungen und Montagen/ 12-Monatsfrist 87 - Bauausführungen und Montagen/ Sondertatbestand 99 - Bedeutung des Begriffs 82 - Begriffsausweitung/Tendenzen 93, 106 - Beratungsleistungenfbetriebsstättenbegrü.ndende 84 - Betriebsstätten-Stammhaus-Verhältnis 89,96 - Bindungsintensität/enger Betriebestättenbegriff 82 - Dauer der Geschäftseinrichtungf zeitlicher Moment 85, 98 - Dauer/Mindestdauer-Relativierungj OECD 87,98 - DBA-Praxis/OECD-MA 81 - DBA-Rechtssicherheitszweck 87 - Dealings zwischen Betriebsstätte und Stammhaus 96 - Dienstleistungsbetriebsstätte 84, 96, 106 - Doppelbesteuerungsrisiken aufgrund OECD-Tendenzen 108 - E-Business 82 - Einbringung in Inlandsbetriebsstätte ausländischer Kapitalgesellschaft
360
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- Einbringung in Personengesellschaft/Kapitalgesellschaft 145 - Einbringung inländischer Betriebsstätte durch ausländischen Rechtsträger 149 - Einbringung inländischer Betriebsstätten in inländische 7 - Einkunftszurechnung/OECD-Vorarbeiten 95 - faktisches Verfü.gen/Geschäftseinrichtung 96 - feste/ständige Geschäftseinrichtung 86 - Formwechsel ausländischer Gesellschaft 145 - Funktions- und Risikoanalyse 89 - Generalunternehmerbetriebsstätte/ fehlende Präsenz 89, 104 - Generalunternehmer-Subunternehmerverhältnis 88, 102 - Gesamtergebnis/nicht berücksichtigtes 130 - Geschäftschancentheorie/fu.nktionsreduzierte Konzerngesellschaft 105 - Geschäftseinrichtung/rehlende und erweiterter Betriebsstättenbegriff 85 - Holdingfunktion 365 - inländische Betriebsstättenvennögen/Überführung in ausländische Betriebsstätte 120 - Internet/erbrachte Dienstleistungen 107 - Kapitalexport/Kapitalimport-Gegensatz 82 - Key Enttepreneurial Risk-Taking Function jKERT] 95 - Kommissionärsgestaltungen 104 - Konzern/Konzernverbund und Betriebsstättenzurechnung durch Tochtergesellschaftstätigkeit 100 - Konzernstrukturen/neue Formen arbeitsteiliger und Geschäftsleistungs-Betriebsstätten 101 - OECD-MA-Revisionsüberlegungen zum Begriff/Kritik 91, 100 - OECD-MA-Revisionsüberlegungen zum BegrifffWorking Party Nr. 1, 6 93
Sachregister - örtliche und sachliche Fixierung/ Präsenzanforderungen 83 - Philipp-Morris-Entscheidung !Italien) 94, 100 - physische Nutzungjunverzichtbare 83, 89 - Präsenz/fehlende 88 - Präsenzanforderungen 83 - Rechtsträgerwechsel 145 - Subunternehmer als Betriebsstättentatbestand 88, 102 - Tochtergesellschaft/Betriebsstättenzurechnung zur Muttergesellschaft 100 -unentgeltlicher Übergang 145 - Unternehmer/Freiberufler/sonstige selbständige Tätigkeit 82 - Verbleib inländischer Betriebsstätte nach Sitzverlegung 22 - Wartungsteam 99 Betriebsvermögen - finale Entnahmetheorie 120 - Realteilung s. dort - RestvennögenfVeräußerung nach Ausgliederung 236
Betrugsbekämpfung - Mehrwertsteuerbetrug/Vorsteuerabzug 383 BevölkerungsfolSehung - Einführung geschlechtsneutraler Tarife 41 Bilanzgewinn - Kapitalschutzfunktion 262 Bilauzrecht - AusschüttungssperrenfVarschlag situativer 265 - Bilanzgewinn und Kapitalschutzsystem 262 - Bilanzrichtlinie 258 - Europäisches Recht/normativer Modernisierungsdruck 25 7 - EU-Ziele der neuen Rechnungslegungsstrategie 259 - Gläubigerschutz durch Vertragsmodell 267 - Gläubigerschutzftradiertes Modell 264
- Haftungsprivileg und Kapitalschutz 261 - HGB-Bilanz s. dort - lAS-Verordnung 257, 259 - IFRS-Rezeption 257, 259, 264 - IFRS-Systemwechselfpro und contra 266 - Kapitalschutzregelung/Verhältnis 258 - Kapitalschutzsystem/Grunde für Beibehaltung 267 - normatives Umfeld 258 - Rückstellungen s. dort - SLIM-Gruppe/High Level Group 265 - Steueraufwand jTax Accounting) s. dort - Steuerbilanzrecht s. dort - True and fair view- Grundsatz 259, 263 - US-GAAP{Bedeutung 259 - Vertr~modell/Schutzklau~eln gegen Oberbewertung und Oberausschüttung 267
Börsenmärkte - IFRS-Bilanzi.erung 276 Britisches Steuerrecht - Incom/capital gain 112
Buchwertverknüpfung - Beteiligungsbesitz/Einbringung und Ansässigkeit (Rechtssache x und y) 3, 133 - Betriebsstättenübertragung/Rechtsträgerwechsel 145 - Einbringung in Kapitalgesellschaft/ Entstehung einbringungsgeborener Anteile 148, 165 - Eingliederungsfälle/vorangegangene Ausgliederung wesentlicher Betriebsgrundlagen 241 - Grenzüberschreitende 351 - Realteilung s. dort - unentgeltliche Betriebsübertragung/ vorangegangene Ausgliederung wesentlicher Betriebsgrundlagen 242 - Wirtschaftsgüter/Übertragung Stammhaus-ausländische Betriebsstätte 146
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Sachregister - Wirtschaftsgüter/Übertragung zwischen Betriebsvermögen 14{; Bundessteuerverwaltung - Forderung einheitlicher Verwaltung 62 Bürgschaft - Verlustverwertungsbeschränkung 174 Datenaustausch - Steuerdaten-ÜbermittlungsVO 62 Datenschutz - Datentausch zwischen Finanzbehörden 66 Dienstjubiläumszuwendungen - Rückstellungen 317 Dienstleistungsbetriebsstätte - Betriebsstättenbegriff/OECD-Arbeiten zugunsten einer Ausweitung 84 Direktgeschäfte - Abgrenzung der Betriebsstätte 89 Diskriminierungsschutz - Abkommensrecht/Gemeinschaftsrecht 332 Doppela.nsässigkeit -Wegzug inländischer Kapitalgesellschaft/Begründung, Beendigung einer 139 Doppelbesteuerung - internationale Unternehmensumwandlung 4 Doppelbesteuerungsabkommen - Abgrenzung Ansässigkeits- und Quellenstaat 93 - Ansässigkeit und Diskriminierungsschutz 332 - Anstreicherbetriebsstätte/Dienstleistungsbetriebsstätte/Generalunternehmer-Subunternehmer-Verhältnis 84, 94, 96, 97, 104, 106 - Auslandsverluste/Freistellungsmethode 15 - beschränkte Steuerpflicht und Wegzugsfälle 126 - Betriebsstättenbegriff/OECD-Arbeiten zur Begriffsausweitung 93, 106
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- Betriebsstättenverlagerung in das Ausland 144 - Diskriminierungsschutz 332 - Doppelansässigkeit und DBA 140 - Dublin Docks/Schachtelprivileg 326 - Entstrickungslehre{finale Entnahmetheorie 122 - Rechtssicherheitszweck 87 - Schrankenwirkung 343 - Übertragung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstättel Methode aufgeschobener Gewinnverwirklichung 147, 164 - Veräußerungsgewinne, Befreiungsmethode und Ansässigkeitsstaat
124 - Verlustbehandlung/Freistellungsmethode 343 - Wegzugsbesteuerung/europarechtskonforme Lösung durch Abkommensrevision 151 Drohverlustrückstellung - Mietgarantierückstellung 319
Dublin Docks - Einschaltung von ZwischengesellschaftenfiFSC-Gesellschaften 326 E-Business - und Betriebsstättenbegriff 82 Einbringungsfälle - s. a. Umwandlungssteuerrecht - Beteiligungsbesitz in deutsche HoldingSE 357 - Betrieb(reilbetrieb/Mitunternehmeranteil nach Ausgliederung wesentlicher Betriebsgrundlagen 241 - Gründung einer Tochter-SE 361 - inländische Betriebsstätte ausländischer EU-Kapitalgesellschaft 360 - inländische Betriebsstätte/Einbringung in inländische/ausländische EU-Kapitalgesellschaft 360 - stille ReservenfVerdoppelungsprinzip 148 Eingliederung - Organschaftsvoraussetzungen{Rückwirkungsfrage 334
Sachregister Einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang - Gesamtplanrechtsprechung s. dort Einkommen - Organschaft/Rückwirkungsfiktion 337 - Organträger/Organgesellschaft 339 Einkommensteuer - Altersvorsorge und Rentenbesteuerung/Zusammenhang 25 - Gewinn· und Üherschusseinkünfte 30 - klassisches System oder Konsumausgabensteuer 26 - Kohärenzfrage 133 - Markteinkommen als Steuerobjekt 29 - Quellentheorie/Reinvermögenszugangstheorie 112, 113 - Realisation als Element des Einkomm.ensbegriffs 115 - realisierter Vermögenszuwachs 29 - Totalitätsprinzip 116 - Wegzugsbesteuerung 112 Einkünfteverlagerung - Funktionsverlagerung als Gewinnverschiebung 105 Einkuoftsabgrenzung - Stammhaus-Betriebsstätte 96 Einkuoftsbesteuerung - unrealisierte Vermögenswertsteigerungenfeconomic link jEuGH) 131 Einkuoftsermittlung - Wegzugsfälle und DBA 126 Einkuoftstatbestände - Besteuerung aktienkursabhängiger Vergütung 7 Einkuoftszureclmung - Hinzurechnungsbesteuerung und Gestaltungsmissbrauch Rangfrage 327 Einlage - durch Verlustdeckungszusage eines Kommanditisten 171 - Leistung/Kapitalzuführung 174
Einzelunternehmen - Ausscheiden aus zweigliedriger Personengesellschaft 183 Elektrizität - Ort der LieferungfUSt-RL 374 Elektronische Dienstleistungen - Richtlinienrecht/UStG-Umsetzung 373 Elektronische Lohnsteueranmeldung - SteueränderungsG 2003 61 Elektronische Selbstveranlagung - s. Steuerveranlagung/Selbstveranlagung
Elektronische Steuererklärung - Verwendung gesammelter Daten 73 - Ziel eines Selbstveranlagungsverlahrens 60 Entnahme - finale Entnahmetheorie bei betriebsfremden Zwecken 120 - inländisches Betriebsstättenvermögen/Üherführung in ausländische Betriebsstätte 120 - negatives Kapitalkonto des Kommanditisten 170 - Realisationsprinzip 115 - Wirtschaftsgüter/Uberführung in ausländisches Betriebsvermögen
164 Entsorgungsverpflichtungen - Rückstellung für öffentlich-rechtliche 309 Entstrickungsldausel - Vorteile, Nachteile allgemeiner Klausel 4 Entstrickungslehre - allgemeiner Grundsatz als steuerschärfende Analogie 120 - Besteuerungshoheit/Unterscheidung von Zuweisung und Ausübung 131 - Handlungsbedarf des deutschen Gesetzgebers 162 - Wegzugs. dort - Wegzugsteuer und europäisches Recht 111
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Sachregister Erbengemeinschaft - Realteilung 211 Erbfall - Gesamtplanrechtsprechung 235 Erkliinmp&isten - Vereinheitlichung von Erklärungsfristen und Steuerfäl.ligkeit/Forderung 63 Ertrqsanteil - Rentenbesteuerung 39, 42 EuGH-Fiille -AMID 130
-
Bosal 130 CFC-G