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German Pages 942 Year 1986
österreichs Parlamentarismus Werden und System
Osterreichs Parlamentarismus Werden und System
Herausgegeben
von
o. Prof. Dr. Herbert Schambeck Stellv. Vorsitzender des österreimismen Bundesrates
DUNCKER Cl: HUMBLOT I BERLIN
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Österreichs Parlamentarismus: Werden u. System / hrsg. von Herbert Schambeck. - Berlin: Duncker und Humblot, 1986. ISBN 3-428-06098-9 NE: Schambeck, Herbert [Hrsg.]
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1986 Duncker &< Humblot GmbH, BerUn 41 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH., BerUn 61 Prlnted in Germany ISBN 3-428-06098-9
Inhaltsverzeichnis Gesamtübersicht Vorwort des Herausgebers..........................................
XXI
Bundespräsident Dr. Rudolf Kirchschläger Zum Geleit ..................................................... XXIII
Herbert Schambeck Vom Sinn und Zweck des Parlamentarismus
1
Peter GerUch Zum Begriff des Parlaments in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
21
Edwin Loebenstein Das Gesetz - seine Bedeutung und seine Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . .
35
I. Der Parlamentarismus in der Monarchie
Wilhelm Brauneder Die Entstehung des Parlamentarismus 1861/1867 und seine Weiterentwicklung..... .... .. .. . . ...... . . .. . . .. .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. .. . .. 83 Wilhelm Brauneder Die Funktionen des Reichsrats ...................................... 121 Klaus Berchtold Die politischen Parteien und ihre parlamentarischen Klubs bis 1918 ... 137 Wilhelm Brauneder Das Regierungssystem bis 1918 ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 169 Lothar Höbelt Die Vertretung der Nationalitäten im Reichsrat ....................•. 185
VI
Inhaltsverzeichnis II. Der Parlamentarismus in der Republik
Helmut Widder Die Entstehung und Entwicklung des Parlamentarismus der Republik Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 225 Helmut Widder Der Nationalrat .................................................... 261 Irmgard Kathrein Der Bundesrat
337
Konrad Atzwanger Die Bundesversammlung ........................................... 403 Klaus Berchtold Die politischen Parteien und ihre parlamentarischen Klubs seit 1918 .. 429 IreneDyk Frauen im österreichischen Parlament ...... , .......... '" .. , " ..... 471 Wilhelm F. Czerny Die Entwicklung der österreichischen Parlamentsadministration . . . . .. 499 III. Der Parlamentarismus in Theorie und Praxis
Franz Löschnak Die Regierung und das Parlament .................................. 531 Manfried Welan Demokratischer Rechtsstaat und modernes Regierungssystem ........ 561 Herbert Reiger Die Bundesgesetzgebung und die Interessenvertretungen .. . . . . . . . . . .. 583 Karl Korinek Sozialpartnerschaft und Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 613 Heinrich N eisser Die Kontrollfunktion des Parlaments ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 652 Friedhelm Frischenschlager Zur Praxis der parlamentarischen Arbeit im österreichischen Nationalrat ................................................................ 723 Walter Schwab Der Rechnungshof als Organ der parlamentarischen Finanzkontrolle 757
Inhaltsverzeichnis
VII
Siegbert Morscher Parlament und direkte Demokratie ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 775 Peter Jann Parlament und Massenmedien ...................................... 807
IV. Einzelprobleme des Parlamentarismus
Ludwig Adamovich Rechtsbereinigung als Aufgabe des Gesetzgebers .................... 823 Fritz Schönherr t Sprache und Technik der Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 833 Hubert Feichtlbauer Parlamentarismus und öffentliche Meinung in österreich . . . . . . . . . . .. 853 Herbert Schambeck Entwicklungstendenzen der Demokratie in Österreich .............. 871 Herausgeber- und Mitarbeiterverzeichnis
905
Abkürzungsverzeichnis ................................................ 907
VIII
Inhaltsverzeichnis
Einzelübersicht Vorwort des Herausgebers ................................... . ... . . .
XXI
Bundespräsident Dr. Rudolf Kirchschläger Zum Geleit ...................................................... XXIII Herbert Schambeck Vom Sinn und Zweck des Parlamentarismus Die Repräsentation - geschichtlicher Werdegang - die Integrationdie Wahlrechtssysteme - Verhältnis- und Mehrheitswahlsystem Zweikammernsysteme - Gesetzgebungsfunktion des Parlaments die verschiedenen Staatszwecke - die Kontrollfunktion des Parlaments über Regierung und Verwaltung - geschichtliche Entwicklung - Arten der Kontrolle - die Opposition im Parlament - Aufgaben der Opposition - Arten der Opposition - die Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments.
1
Peter Gerlich Zum Begriff des Parlaments in Österreich 21 Die Bedeutungen des Begriffs Parlament in Österreich - Parlamentsbezeichnungen und Parlamentsfunktionen sowie ihre Beziehungen zueinander - historische Entwicklung der Parlamentsbezeichnungen in Österreich - Parlamentsbegriff und,RechtsordnungFehlen eines einheitlichen Parlamentsbegriffes im B-VG 1920 und dessen Hintergründe - Folgewirkungen bei deI- Entwicklung der Parlamentsverwaltung - das Parlamentsverständnis der Bevölkerung - Reformvorschläge und Ausblick. Edwin Loebenstein Das Gesetz - seine Bedeutung und seine Auslegung ............. . .. 35 Begriff und Bedeutung des Gesetzes - Definition des Gesetzesbegriffes - Volkssouveränität und Delegation der Gesetzgebungsfunktion an die Parlamente - Gewaltenteilungsgrundsatz - check and balance - das Gesetz als Element der Voraussehbarkeit staatlichen Handeins - rechtsstaatliches Prinzip - Rückwirkung von Gesetzen - Allmacht des Gesetzes? - materielle Schranken der Allmacht - Verfassungsgesetz und Verfassungsgerichtsbarkeit - Schranken aus dem Repräsentationscharakter des Parlaments - Begriff der Gesamtänderung der Verfassung - parlamentarisches Gesetz und Völkerrecht - Schranken der Allmacht des Gesetzes in formell-organisatorischer (verfassungsrechtlicher) Hinsicht - das Gesetz als zusammengesetzter Staatsakt - Beurkundung von Gesetzen - Gegenzeichnung - die Bedeutung des Gesetzes und des Parlaments unter veränderten gesellschaftspolitischen Verhältnissen - Zusammenwirken von Regierung und Parlamentsmehrheit - Einfluß von Interessenvertretungen - Bedeutung der Regierung bei der Gesetzgebung - Klubzwang und freies Mandat - das Maßnahmen- und das Individualgesetz - das Verhältnis zu Gewaltenteilung, Gleichheitssatz, Legalitätsprinzip und Akten der Gerichtsbarkeit - die Auslegung von Gesetzen - authentische Interpretation - Kompetenzfeststellungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofes nach Art. 138 Abs. 2 B-VG - generelles Recht durch Richterspruch?
Inhaltsverzeichnis
IX
I. Der Parlamentarismus in der Monarchie
Wilhelm Brauneder Die Entstehung des Parlamentarismus 1861/1867 und seine Weiterentwicklung ........................................................... 83 Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen - der Reichstag und das konstitutionelle System - der Reichsrat und neoabsolut-neoständisches System - konstitutionelles System 1867 - der Parlamentarismusbegriff heute und in der Geschichte - Konstitutionalismus der Ausdruck "Parlament" - die Wurzel der Parlamente: Vom Beratungsorgan zum mitbeschließenden Organ - der Reichsrat - die Landtage - Entwicklungstendenzen nach 1867 - Ausbau der Interessenvertretung durch die Zulassung neuer Kurien oder durch die Öffnung bestehender Kurien - Ablösung der Interessenvertretung durch eine Volksvertretung - das Staatsgrundgesetz über die Reichsvertretung von 1861, seine Bedeutung und Entstehung, sein Inhalt und seine Mängel - die Novellierung des Staatsgrundgesetzes 1867, Entstehung und Inhalt - Notverordnung des Kaisers gern. §§ 13 bzw. 14 leg. cit. - die Ergänzung des Staatsgrundgesetzes durch das Delegationsgesetz 1867 - organmäßige Neuerungen - Beschränkung der Handlungsfähigkeit durch paktierte Gesetze - die Reform von 1873, das Abgeordnetenhaus als gewählte Interessenvertretung - die Ergänzung der Interessenvertretung im Abgeordnetenhaus 1896 durch eine 5. Wählerklasse - Volks- und Interessenvertretung 1907 - der normative Gehalt des StGG über die Reichsvertretung und seine Ausführungsbestimmungen Wilhelm Brauneder Die Funktionen des Reichsrats
121
Der grundsätzliche Charakter des Reichsrats - Vertretung von Gebietskörperschaften - Vertretung gegenüber dem Monarchen - die Parlamente als Interessenvertretung - Landtag und Interessenvertretung - Abgeordnetenhaus des Reichsrats und Interessenvertretung - Herrenhaus und Interessenvertretung - der Gesamtwille trotz Kuriengliederung sowie seine Vertretung gegenüber Monarch und Regierung - das Zweikammernsystem, Entwicklung und Ausgestaltung - allgemeine Funktionen des Herren- und des Abgeordnetenhauses kraft Beschickung - einzelne (gleiche, gemeinsame und ausschließliche) Funktionen des Abgeordneten- und des Herrenhauses kraft Gesetzes. Klaus Berchtold Die politischen Parteien und ihre parlamentarischen Klubs bis 1918 ... 137 Die Anfänge - das Entstehen des Parlamentarismus - die politischen Parteien und die Verfassungsfrage - Föderalismus und Zentralismus - der Sieg des Liberalismus - die Blütezeit der Verfassungspartei - die Parteien im Widerstreit zwischen Zentralismus und Föderalismus nach dem Ausgleich mit Ungarn und dessen Auswirkung auf Parlament und Regierung - das direkte Wahlrecht und seine Folgen für die Parteien - Neugestaltung der Parteiorganisation - der Umbruch in der Parteienlandschaft-die Verfassungspartei in der Krise - Rechts- und Linksblock - nationalitätenpolitische und konfessionelle Fragen - innen- und außenpolitische Schwierigkeiten - Rücktritt der Regierung - das Ringen um neue Mehrheiten - die Parteien unter Taaffes "eisernem Ring" - die Auswirkung der
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Inhaltsverzeichnis Wahlrechtsreform auf die Parteien - die neuen Parteien - die Sozialdemokratie - die ChristIichsozialen - der Wandel parteibildender Faktoren - Ziel der Erreichung parlamentarischer Vertretung - das Ende der Verfassungspartei und die Folgen der Wahlrechtsreform - die Badenischen Sprachenverordnungen und die Parteien - politische Zusammenarbeit der Parteien - der Durchbruch zu neuen parteipolitischen Strukturen - Christlichsoziale Reichspartei - Sozialdemokratie - Deutscher Nationalverband.
Wilhelm Brauneder Das Regierungssystem bis 1918 ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • .. 169 Der Begriff der Regierung vor und in der Verfassung 1867 - die rechtliche Stellung der Regierung - der Kaiser - die Minister der Ministerrat - die politische Stellung der Regierung - die politischen Parteien und ihre Zersplitterung - die politischen Parteien in der Rechtsordnung - Vereinsgesetz 1867 - politische Parteien und Geschäftsordnung - politische Parteien und Interessenvertretung - das Verhältnis von politischen Parteien zu Kammern und Kurien - das Herrenhaus als Standbein der Regierung im Parlament - das Abgeordnetenhaus und die Landtage als Vertretung von Länder- und Kurieninteressen - Degeneration der Kuriengliederung - Regierungs- und Oppositionspartei im konstitutionellen System - Distanz der Regierung zum Reichsrat und zu politischen Gruppierungen - keine dauerhaften Mehrheiten im Abgeordnetenhaus - Veränderungen des Regierungssystems durch die politischen Parteien? - Umwandlung des Abgeordnetenhauses von einer Interessen- in eine Volksvertretung - Veränderung des Parlamentarismus durch die politischen Parteien - keine Veränderung des konstitutionellen Regierungssystems. Lothar Höbelt Die Vertretung der Nationalitäten im Reichsrat ...................... 185 Das von den Landtagen beschickte Abgeordnetenhaus 1861-1873 Reichsrat und engerer Reichsrat - die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses nach Nationalitäten - der direkt gewählte Kurienreichsrat 1873-1906 - Auswirkung der Wahlreform auf die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses - Emanzipation des Abgeordnetenhauses von der Willkür der Landtage - Wahlreform 1896 und ihre Auswirkung auf die Zusammensetzung der Kurien - das Abgeordnetenhaus nach der Wahlreform von 1906/07 - Resümee über die Vertretung der Nationalitäten im Abgeordnetenhaus - die nationale Zusammensetzung des Herrenhauses - drei Berufungsarten der Herrenhausmitglieder - die Wahlreform 1906/07 und die Beschränkung des kaiserlichen Ernennungsrechtes - paritätische Ernennungspraxis nach den drei großen Parteien des Herrenhauses - die Rolle der Reichsratsabgeordneten bei der Gründung der Nachfolgestaaten der österreichisch-ungarischen Monarchie - Völkermanifest. 11. Der Parlamentarismus in der Republik
Helmut Widder Die Entstehung und Entwicklung des Parlamentarismus der Republik Österreich ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 225 Der Parlamentarismus als Leitidee der neuen Republik und seine Hintergründe - das Parlament als Träger des revolutionären über-
Inhaltsverzeichnis
XI
ganges von der Monarchie zur Republik - die Organisation der Gesetzgebung und der Vollziehung durch die provisorische Nationalversammlung - die Kompetenzen der provisorischen Nationalversammlung - das Gesetzgebungsverfahren in der provisorischen Nationalversammlung - parlamentarische Einrichtungen in den Ländern Landesversammlungen - die Wahl der konstituierenden Nationalversammlung - die parlamentarischen Strukturen der Verfassung vom 14. März 1919 - die Änderung des Verhältnisses zwischen Parlament und Regierung - die Organisation der Gesetzgebung die Geschäftsordnung der konstituierenden Nationalversammlungdie Kompetenzverteilung zwischen Staats- und Landesgesetzgebung - das Verfahren der Staatsgesetzgebung - die Gesetzgebung der Länder - die parlamentarischen Strukturen des B-VG 1920 - das Zustandekommen des B-VG 1920 - Ausbau und Umbau des parlamentarischen Systems ab 1920 - die Entwicklung zur parlamentarischen Präsidentschaftsrepublik - die Ausschaltung des Nationalrates im März 1933 und der Untergang der parlamentarischen Demokratie - das Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz - die Wiedereinsetzung parlamentarischer Strukturen nach 1945 - Koalitionsausschuß und Sozialpartnerschaft - die Reform als Prinzip des Parlamentarismus. Helmut Widder Der Nationalrat .................................................... 261 Zur Kontinuität und Diskontinuität zwischen Abgeordnetenhaus und Nationalrat - die Wahl des Nationalrates - die Grundsätze des Wahlrechts - allgemeines Wahlrecht - gleiches Wahlrecht - unmittelbares Wahlrecht - persönliches Wahlrecht - geheimes Wahlrecht - freies Wahlrecht - Verhältniswahlrecht - Grundzüge des Wahlverfahrens - Mandatszahl - Bürgerzahl - Wahlkreiseinteilung - Wahlausschreibung - Wahlbehörden - Wählerverzeichnisse - Wahlvorschläge - Parteienfinanzierung - Abstimmungsverfahren - Vorzugsstimmen - Wahlpflicht - Erstes und Zweites Ermittlungsverfahren - Wahlergebnis - Wahlanfechtung - Wiederholungswahl - Wahlergebnisse seit 1919 - Grundzüge der Organisation des Nationalrates - zur Kontinuität von Organisation und Verfahren im Nationalrat - die Einberufung und Konstituierung des Nationalrates - die Organe des Nationalrates - die Präsidenten des Nationalrates - die Parlamentsdirektion - Klubs - Klubobmänner - Präsidialkonferenz - Schriftführer - Ordner Hauptausschuß - ständiger Unterausschuß des Hauptausschusses sonstige Ausschüsse - Beginn und Ende von Gesetzgebungsperiode, Tagungen und Sitzungen - Statistik der bisherigen Gesetzgebungsperioden - Stellung der Mitglieder des Nationalrates - das Verfahren im Plenum und in den Ausschüssen - die Funktionen des Nationalrates - parlamentarische Funktion zwischen Recht und Realität - die Gesetzgebungsfunktion - der Nationalrat als primäres Gesetzgebungsorgan - die Kategorien von Gesetzen - die Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens - die Behandlung der Gesetzesvorschläge im Nationalrat - die Beratung und Beschlußfassung in den Ausschüssen und Unterausschüssen - Enqueten des Nationalrates und Gesetzgebung - die Beratung und Abstimmung im Plenum die Mitwirkung des Bundesrates - Beurkundung, Gegenzeichnung und Kundmachung der Gesetze - die Volksabstimmung - Gesetzesanfechtung vor dem VfGH durch Nationalratsmitglieder - die Genehmigung von Staatsverträgen - die Genehmigung von Vereinbarungen finanzielle Mitwirkungs- und Kontrollfunktionen - Budgetbewilligung - Rechnungsabschluß - Aufnahme von
XII
Inhaltsverzeichnis Bundesanleihen - Verfügungen über Bundesvermögen - Finanzkontrolle durch den Rechnungshof - das Fragerecht im Nationalrat - Entschließungen des Nationalrates - Einforderung von Berichten der Bundesregierung - die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen - Mißtrauensvotum - Ministeranklage durch den Nationalrat - Wahlen und Vorschlagsrechte - Mitwirkung an der Vollziehung durch den Hauptausschuß des Nationalrates - Funktionen des Nationalrates im politischen Prozeß.
Irmgard Kathrein Der Bundesrat ..................................................... 337 Zum Zweikammernsystem allgemein und in der österreichischen Verfassungsentwicklung - Intra-Organkontrolle - Länder- oder Ständevertretung - die Rechtsgrundlagen des Bundesrates - Zusammensetzung und Bestellung - Funktionsdauer - Rechtsstellung - Einberufung des Bundesrates - Bestellung und Funktion seiner Organe - Sitzungen des Bundesrates - Ausschußsitzungen - Parlamentsdirektion und Bundesrat - Kompetenzen des Bundesrates im Bereich der Gesetzgebung - Gesetzesanträge - Einspruchsrecht Zustimmungsrecht - Verlangen einer Volksabstimmung - Geschäftsordnung durch Bundesratsbeschluß - Kompetenzen zur Mitwirkung an der Vollziehung - Genehmigung von Staatsverträgen Vorschlagsrecht für Verfassungsgerichtshofmitglieder - Mitwirkung bei der Auflösung eines Landtages - Kompetenzen zur Kontrolle der Vollziehung-rechtliche und politische, keine finanzielle Kontrollegemeinsame Befugnisse mit dem Nationalrat - Bundesversammlung - Ausschuß gem. § 9 F-VG - Reform der Geschäftsordnung 1984die Tätigkeit des Bundesrates - Statistik der Ausübung der Kompetenzen in der Ersten und Zweiten Republik - Einspruche in der Ersten und Zweiten Republik sowie ihre Begrundung - zusammenfassende Wertung der Einspruchstätigkeit - Inhalt der Debatten in der Ersten und Zweiten Republik - der Beitrag des Bundesrates zum Föderalismus durch Einspruche, Anfragen, Entschließungen und Debatten - Forderungsprogramm der Bundesländer 1976 - Reformvorschläge für eine Verbesserung der Einrichtung des Bundesrates. Konrad Atzwanger Die Bundesversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 403 Die Aufgaben der Bundesversammlung - historischer Werdegang der Kompetenzen im B-VG 1920, insbesondere betreffend die Bundespräsidentenwahl- die Verfassungsnovelle 1929 und ihr Zustandekommen - Volkswahl des Bundespräsidenten - Angelobung des Bundespräsidenten - Beschlußfassung über eine Kriegserklärung Absetzung des Bundespräsidenten durch Volksabstimmung auf Verlangen der Bundesversammlung - Streichung des Art. 39 Abs. 3 B-VG 1920 - Bundesversammlung als dritte Körperschaft - Aufgaben der Bundesversammlung seit 1929 - Verfahrensablauf bei der Ausübung der Kompetenzen der Bundesversammlung - übersicht über die bisher stattgefundenen Bundesversammlungen von 1920 bis 1986 - übersicht über gemeinsame Sitzungen des National- und des Bundesrates von 1946 bis 1986. Klaus Berchtold Die politischen Parteien und ihre parlamentarischen Klubs seit 1918 .,. 429 Der Aufstieg der politischen Parteien - die politischen Parteien zur Zeit der Gründung der Republik und ihre Zielsetzungen - die
Inhaltsverzeichnis
XIII
deutschnationalen Gruppen - die Christlichsoziale Partei - die Kommunistische Partei - von der Konzentrationsregierung 1918 zur Koalition zwischen Sozialdemokraten und Christlichsozialen 1919 die Formierung der bürgerlichen Parteien 1920 - der Bruch der Koalition 1920 - drei wesentliche politische Gruppierungen - Regierungsumbildungen - die Gründung des Landbundes als neue Partei - der Untergang der politischen Parteien - Einbrüche in die Parteiund Regierungsstruktur ab 1930 - das Ende der Parteien - Idee der Errichtung eines Ständestaates - Bekämpfung des Parteienstaates Verbot der NSDAP - Vaterländische Front - Wiedererstehen und neuer Aufstieg der politischen Parteien - die Neugründung der politischen Parteien ab 1945 - Sozialistische Partei österreichs - Österreichische Volkspartei - Kommunistische Partei österreichs - provisorische Staatsregierung - die "dritte Kraft" und die Gründung der Freiheitlichen Partei Österreichs ab 1955 - Verband der Unabhängigen und Wahlpartei der Unabhängigen - die Parteien der "großen Koalition" bis 1966 - Entwicklung von Sozialistischer Partei und Österreichischer Volkspartei - das Ende der großen KoalitionParteierneuerungen - die Jahre des Fegefeuers für die SPÖ ab 1966 - Wahlniederlage und Reform in der ÖVP ab 1970 - Höhen und Tiefen in der FPÖ ab 1970 - Reformbemühungen der ÖVP ab 1971 Wandel der Machtverhältnisse? - absolute Mehrheit der SPÖ 1979 Parteiobmannwechsel in ÖVP und FPÖ - Schwierigkeiten der SPÖ ab 1980 - Krise in der ÖVP 1982 - Auftreten von "grünen" Gruppierungen 1982 - Koalitionsregierung zwischen SPÖ und FPÖ 1983Krise der FPÖ ab 1983 - keine Einigung der "Grünen" - der Strukturwandel der parlamentarischen Klubs vom freiwilligen Zusammenschluß zum verlängerten Arm der politischen Partei - die politische Bedeutung der Klubs - die rechtliche Stellung der Klubs erste rechtliche Verankerung 1961 - rechtliche Regelung der Klubs im Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates 1975 - Klubzwang Kluborganisation und ihre historische Entwicklung. Irene Dyk Frauen im österreichischen Parlament ............................... 471 Die Frauenfrage allgemein - die Frauenbewegung - Frauen in der Politik - eine Mehrheit als Minderheit: Bilanz 1919-1983 - Statistik über die Anzahl der Frauen im Parlament - Arbeitsschwerpunkte und Einstellung von Parlamentarierinnen - Ergebnisse einer schriftlichen Befragung von weiblichen Abgeordneten und Stellungnahmen der Parteiobmänner Fred Sinowatz, Alois Mock und Norbert Steger - Zielsetzungen der Parlamentarierinnen - Frauenpolitik - Errungenschaften weiblicher Parlamentarier - Erwartungen in bezug auf die Parlamentsarbeit - Frauen als Regierungsmitglieder - Frauen als Staatssekretäre - von der Frauenpolitik zur GeseIlschaftspolitik - Grete Rehor - Hertha Firnberg - der "Programmatische Background" - die Frauenfrage und die Parteiprogramme der ÖVP, SPÖ und FPÖ - Politik als Alternative - Alternative als Politik - Fragebogen an die Nationalratsabgeordneten und Bundesratsmitglieder. Wilhelm F. Czerny Die Entwicklung der österreichischen Parlamentsadministration . . . . .. 499 Quellenmangel - der Beginn der Parlamentsadministration 1871 Administration durch das Innenministerium - langsame "Stabilisierung" und Strukturierung des Personalstandes - die ersten Dauerprobleme - Platznot - gemeinsame Administration - Gebäudever-
XIV
Inhaltsverzeichnis waltung und Parlaments administration - der Weg zur Personalhoheit und zum eigenen Personalstand - verstärkter Einfluß des Parlaments in Personalangelegenheiten ab 1899 - fixierte Dienstposten beim Abgeordneten- und Herrenhaus - Studium parlamentarischer Einrichtungen - steigender Einfluß des Parlamentspräsidiums - Systemisierung von Dienstposten - das Ringen um eine autonome Parlamentsverwaltung - der Parlamentspräsident - die Regelungen der Geschäftsordnungen - B-VG-Novelle 1969 - die Parlaments administration der Republik österreich - die Kanzleidirektion - Kanzlei des Präsidenten des Nationalrates - Parlamentsdirektor - die Persönlichkeiten der Parlamentsverwaltung Neuerungen ab 1973 - die heutige Parlamentsdirektion - gemeinsame Administration - B-VG Novelle 1973 und ihre Bedeutung Dienstgliederung - Personalangelegenheiten - Geschäftsordnung des Bundesrates 1984 - Würdigung der gemeinsamen Administration. III. Der Parlamentarismus in Theorie und Praxis
Franz Löschnak Die Regierung und das Parlament ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 531 Verfassungsrechtliche und politische Bedingungen des Verhältnisses von Regierung und Parlament - verfassungsrechtliche Strukturelemente - das übergewicht des Parlaments bis 1929 - der klassische Parlamentarismus seit 1929 - politische Strukturelemente - Verhältnis von Regierung und Parlament in der großen Koalition-Auswirkung der Alleinregierungen - Regierung und Parlament in der kleinen Koalition - Stabilität des österreichischen Parteiensystems - verfassungsrechtlich-institutionelle Aspekte des Verhältnisses von Regierung und Parlament - politische und rechtliche Verantwortlichkeit der Regierung - Mißtrauensvotum - Ministeranklage Interpellationsrecht - Untersuchungsausschüsse - Zitationsrecht finanzielle Kontrolle - Bundesvoranschlag - Genehmigung des Rechnungsabschlusses - Rechnungshof - Regierungsbildung und Parlament - die Auflösung des Nationalrates - die Gesetzesinitiative der Regierung - zur Wirklichkeit des österreichischen Parlamentarismus - der Wandel des Systems der Gewaltentrennung politische Kooperation zwischen Nationalratsmehrheit und Regierung - Ausbau von Minderheitenrechten - Regierung und Parlament ein System kooperativer Gewaltenbalance - Grenzorgane und Zusammenarbeit. Manfried Welan Demokratischer Rechtsstaat und modernes Regierungssystem ........ 561 Herrschaft des Gesetzes - Herrschaft des Volkes - Demokratie und Republik sowie deren Ausgestaltung im B-VG - das Bundesregierungssystem und seine Transformation - Gesetzmäßigkeit der Verwaltung - österreichische Spielart des parlamentarischen Regierungssystems - die Bundesregierung als Hauptorgan des Regierungssystems - die Bundesgesetzgebung als Sache der Bundesregierung - Verfassungswidrigkeit der Verfassungswirklichkeit? - Herrschaft durch Bundesgesetzgebung? - Wandel der Generalität der Gesetze - Vielzweckestaat und Interessenverbände - Politisierung der Verwaltungsstellen - Politisierung des Details - absolutes Begutachtungsrecht der Verbände - die Offenheit des B-VG - Politik als teleokratische Programmrealisierung.
Inhaltsverzeichnis
xv
Herbert Reiger Die Bundesgesetzgebung und die Interessenvertretungen .' . . . . . . . . . .. 583 Die funktionellen Beziehungen zwischen den Organen der Bundesgesetzgebung und den Interessenvertretungen - das Begutachtungsverfahren - die Ministerialbürokratie im Vorfeld der Gesetzgebung - die Geschichte des Begutachtungsrechtes - keine verfassungsrechtliche Verankerung des Begutachtungsrechtes - die Rechtfertigung des Begutachtungsverfahrens(rechtes) - Verfassungsfragen verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber dem Begutachtungsrecht - Interpretationsfragen - Art. 51 Abs. 1 u. 42 Abs. 5 B-VG im Verhältnis zum Begutachtungsrecht - die Praxis des Begutachtungsverfahrens - Begutachtungsfrist - Abänderung des Gesetzentwurfes Begutachtung über die gesetzliche Verpflichtung hinaus - Sanktionen bei Verletzung des Begutachtungsrechtes - Begutachtung völkerrechtlicher Verträge und Gesetzeslücke - Begutachtungen von Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern auf Ersuchen des Bundeskanzleramtes - Begutachtung von Initiativanträgen, Bundesratsinitiativen und Volksbegehren - Einzelfragen im Begutachtungsverfahren - Zusammenfassung - der Verbänderat - Regulation und Kanalisierung des Einflusses der Verbände - Reformbedürftigkeit der Gesetzgebungsorgane - Institutionalisierung der gesamtwirtschaftlichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer - jüngere Diskussion über den Verbänderat - Argumente gegen einen Verbänderat - Zusammensetzung und Meinungsbildung - Zusammenfassung - weitere Fragen des Verhältnisses zwischen Bundesgesetzgebung und Interessenvertretungen - unmittelbare Repräsentanz von Interessenvertretungen im Parlament - mittelbare Repräsentanz von Kammern im Parlament - Lobbies - Gesetzesanfechtung durch Interessenvertretungen - Zusammenfassung. Karl Korinek Sozialpartnerschaft und Parlament ..................... " ........... 613 Lösung gesellsichaftlicher Konflikte durch das Parlament - die Sozialpartnerschaft als Weg der Konfliktlösung - das System der Sozialpartnerschaft - Bejahung der gesellschaftlichen Ordnung gemeinsame Interessen und Interessengegensätze - Grundlagen der Sozialpartnerschaft - Aufgaben und Arbeitsweise der Sozialpartnerschaft - die Effekte der Sozialpartnerschaft - Gestaltungsprinzipien des Systems der Sozialpartnerschaft - das Verhältnis von Sozialpartnerschaft und Parlament - das Parlament als Begründer sozialpartnerschaftlicher Einflußmöglichkeiten - die Errichtung von Kammern - Arbeiter- und Handelskammern - die institutionelle Vorkehrung zur Zusammenarbeit der Sozialpartner - die Versuche einer Institutionalisierung der Sozialpartnerschaft in Verfassung und Gesetz - Bestrebungen um Einrichtungen für ein umfassendes sozialpartnerschaftliches Vorgehen im Zusammenhang mit dem B-VG 1920 und der B-VG-Novelle 1929 - das Wirtschafts direktorium 1951- die gesetzliche Realisierung der Sozialpartnerschaft in den einzelnen Sachbereichen - die autonome Gestaltung eines Sozialbereiches mittels Kollektivvertrag - die Heranziehung der Sozialpartner zur gemeinsamen Besorgung von öffentlichen Verwaltungsaufgaben - abgeleitete Selbstverwaltung in der Sozialversicherung - Bestellung von Mitgliedern kollegialer Verwaltungsbehörden auf Vorschlag der Sozialpartner - Beiräte - Besorgung von Verwaltungsaufgaben durch mehrere Verbände - Einbindung der Sozialpartnerschaft in die (Kartell-)Gerichtsbarkp.it - der Einfluß der Sozialpartner auf das
XVI
Inhaltsverzeichnis Parlament - Mobilisierung von Sachverstand - Information über die Interessenlagen - Begutachtungsrechte - Einflußnahme auf politischen und informellen Wegen - Beratung - Resümee.
Heinrich Neisser Die Kontrollfunktion des Parlaments ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 652 Kontrolle im politischen System - Funktionen und Arten der Kontrolle - das Parlament und der Grundsatz der Gewaltenteilung das Verhältnis von Parlament und Regierung im geschichtlichen Werdegang - parlamentarische Kontrolle im politischen WandelParteienstaat - Einfluß der Verbände - Wachstum der Staatstätigkeit - Auswirkungen des Regierungssystems - DemokratiereformDiskussion - Novellierung des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates 1975 - die Kontrollinstrumente im österreichischen Parlamentarismus - Kategorien der Kontrolle - die Rechtsgrundlagen der parlamentarischen Kontrolle im B-VG und in den Geschäftsordnungen des National- und Bundesrates - Kontrollmittel im Bereich der Länder - mittelbare parlamentarische Kontrolle - die Rechnungshofkontrolle - die Kontrolle durch die Volksanwaltschaft - Kontrolle durch Mitwirkung - Budgetbewilligungsrecht des Nationalrates - Mitwirkung bei der Festsetzung von Tarüen, Gebühren, Preisen und Bezügen - Mitwirkung beim Erlaß von Verordnungen - Kontrollinstrumente des Parlaments - das Interpellationsrecht und seine Entwicklung - schriftliche Anfragen - dringliche Anfragen - mündliches Fragerecht - Interpellationsrecht und Amtsverschwiegenheit - Interpellationsrecht und Datenschutz - Schutz des Privatlebens gern. Art. 8 MRK - Praxis und Wirksamkeit des Interpellationsrechtes - schriftliche und dringliche Anfragen in der XIII., XIV. und XV. GP - Anfragen im Bundesrat von der XI. bis zur XVI. GP - das Resolutionsrecht - verfahrensrechtliche Aspekte des Resolutionsrechtes - Praxis und Wirksamkeit des Resolutionsrechtes die Bedeutung der Untersuchungsausschüsse - rechtliche Grundlagen des Enqueterechtes - Praxis und Wirksamkeit des Enqueterechtes - parlamentarische Enqueten - rechtliche Regelung des parlamentarischen Enqueterechtes - Übersicht über die parlamentarischen Enqueten - Sonderformen parlamentarischer Kontrolle - besondere Akte der Gebarungsprüfung - Anfechtung von Bundesgesetzen vor dem Verfassungsgerichtshof - Reformperspektiven der parlamentarischen Kontrolle - Ausbau und effiziente Gestaltung von Kontrollrechten - Reformvorschläge für eine Verbesserung des Interpellations-, des Resolutions- und des (parlamentarischen) Enqueterechtes sowie eine Ausweitung der Kontrollrechte des Bundesrates. Friedhelm Frischenschlager Zur Praxis der parlamentarischen Arbeit im österreichischen Nationalrat ................................................................. 723 Kritik am Wandel des Parlamentarismus - Messung der heutigen Praxis der Volksvertretung an der Fiktion einer klassischen parlamentarischen Demokratie - Differenzen zwischen Ansprüchen einer Verfassung und deren Realisierung - die Ausgestaltung des Parlamentarismus in der Geschichte - Verfassungswirklichkeit - die Funktionen des Parlaments und ihre Wahrnehmung - Umfrageergebnisse - Wahl des Regierungschefs - öffentliche Debatte und Aufklärung des Volkes - Kontrolle der Exekutive - Beratung und Erlassung von Gesetzen - Gesetzgebung - Gesetzesinitiativen -
Inhaltsverzeichnis
XVII
Entmachtung des Parlaments? - Erledigung von Initiativanträgen nach Parteien - Initiativanträge nach Ressorts - angenommene Regierungsvorlagen - materielle Einflußnahme des Parlaments auf Regierungsvorlagen - Beschlußfassung von Regierungsvorlagen unselbständige Entschließungsanträge zu behandelten Gesetzesmaterien - Kontrolle - Ausschußarbeit der Abgeordneten - übersicht über Zahl und Dauer parlamentarischer Sitzungen - Ausschuß- und Unterausschußtätigkeit - Anträge auf Abänderung von Regierungsvorlagen und Initiativanträgen sowie deren Behandlung - informelle Kontrolle - Zwangsmaßnahmen - Ausbau von Kontroll- und Minderheitsrechten - Kontroll-Monopol der Opposition - IntraOrgan-Kontrolle - Zusammenfassung: parlamentarische Perspektiven - Konkordanzstreben - Prognosen der Auswirkungen der Kleinen Koalition. Walter Schwab Der Rechnungshof als Organ der parlamentarischen Finanzkontrolle .. 757 Stellenwert der Kontrolle im Parlament - der Wandel des österreichischen Rechnungshofes vom Organ der regierenden zum Organ der gesetzgebenden Gewalt - die Stellung der Finanzkontrolle zur Zeit der konstitutionellen Monarchie - der Rechnungshof als Organ der regierenden Gewalt - die Stellung der Finanzkontrolle in der demokratischen Republik - Staatsrechnungshof - die derzeitige Verfassungslage - Einordnung des Rechnungshofes - Organschaftsverhältnis des Rechnungshofes zum Nationalrat - Bestellung und Verantwortung der Leitungsorgane - Prüfungsinitiative des Nationalrates - Relationspflicht des Rechnungshofes - Zitationsrecht - die politische Praxis - parlamentarische Behandlung und Beurteilung der Rechnungshoftätigkeit in den verschiedenen Regierungskonstellationen - neuerste Entwicklungen - zusätzliche Aufgaben für den Rechnungshof - der Rechnungshof als föderatives Bund-LänderOrgan - geschichtliche Entwicklung - derzeitige Verfassungslage Organschaftsverhältnis des Rechnungshofes zum Landtag - Prüfungsinitiative des Landtages - Relationspflicht des Rechnungshofes gegenüber dem Landtag - Zitationsrecht - das Fehlen einer MonopolsteIlung - Landesrechnungshof - die unterschiedliche Stellung ausländischer Finanzkontrollbehörden im parlamentarischen System - Finanzkontrolle für Steuerungszwecke - Ansätze bzw. Vorschläge zu einer verbesserten Effizienz der Finanzkontrolle. Siegbert Morscher Parlament und direkte Demokratie .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 775 Erörterungen zu Gegenstand und Methode - liberale Demokratie Grundsätzliches und Allgemeines über Demokratie und Parlamentarismus - Bedeutung des Repräsentationsprinzips - die Institution der direkten Demokratie auf Bundesebene in österreich - Parlamentswahlen als unmittelbarer Akt - rechtliche Grundlagen der Wahlen - Wiedergewinnung des grundsätzlichen KonsenseSl- Ausgestaltung des Wahlrechtssystems - Änderung des Wahlrechts mit breitem Konsens - besondere Aspekte aus direkt-demokratischer Sicht - Mediatisierung des Wählers durch Massenparteien und Parteienstaat - Verpersönlichung des Wahlrechts - Briefwahl- freies oder imperatives Mandat? - ausreichende Repräsentativität des Nationalrates? - parlamentarische öffentlichkeit und ihre Bedeutung für die direkte Demokratie - die Petition und ihre praktische Bedeutung - die rechtliche Ausgestaltung des Petitionsrechtes - Deputa11 Parlamentarismus
XVIII
Inhaltsverzeichnis
tionen bzw. Abordnungen - historische Bedeutung und Ausgestaltung in den Geschäftsordnungen des National- und Bundesrates Bürgerinitiativen - Volksbegehren - überblick über die bisherigen Volksbegehren und deren Ergebnisse - Volksabstimmung - obligatorische und fakultative Volksabstimmung - Unverbindlichkeit des negativen Ergebnisses - Zwentendorf - Volksabstimmung über den Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich - Ausblick über die Erweiterung direkt-demokratischer Einrichtungen. Peter Jann Parlament und Massenmedien ...................................... 807 Die Moncharchie - Recht auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit - Preßgesetz 1862 - Parlamentsberichterstatter - die Erste Republik - B-VG 1920 - Bundesgesetz über die Presse 1922 - parlamentarische Hausordnung - die Zweite Republik - Fernsehberichterstattung - Ende der großen Koalition 1966 - Mediengesetz 1981 Rundfunkgesetz 1974 - die Regelung der Arbeitsbedingungen für Journalisten in der Geschäfts- und Hausordnung - Vereinigung der Parlamentsredakteure - Parlament und Massenmedien heute öffentliche Resonanz auf Verhaltensweise des Abgeordneten - Sinn der parlamentarischen Debatte - Ausschußarbeit und Parlamentskorrespondenz - Schaufensterfunktion - Einfluß der Fernsehberichterstattung - Beeinträchtigung der Kontrollfunktion des Parlaments durch die Medien - Rechnungshofberichte - Verbindung von parlamentarischer Demokratie und Pressefreiheit. IV. Einzelprobteme des Parlamentarismus
Ludwig Adamovich Rechtsbereinigung als Aufgabe des Gesetzgebers .................... 823 Der Gesetzgeber zwischen Fiktion und Realität - Kenntnis gehörig kundgemachter Rechtsvorschriften - Gesetzgeber und Inhalt des Gesetzes - Summierung von Fiktionen - Gesetzesflut und Rechtsbereinigung - inhaltliche Rechtsbereinigung - rechtstechnische Rechtsbereinigung - Beseitigung ehemals deutscher Rechtsvorschriften - Wiederverlautbarung des geltenden Rechts - geschlossene Kodifikation - Index des Bundesrechts - Volltextdokumentation des Bundesrechts - die Gründe inhaltlicher Mängel der Rechtsordnung - die Bundesverfassung als mangelndes Vorbild - Mißverstehen des rechtsstaatlichen Prinzips - Tendenz zur Spezialisierung Kompliziertheit der staatlichen Organisation - Beseitigung überflüssiger Ge- und Verbote - Gesetzgeber und inhaltliche Rechtsbereinigung - Gesetzgebungsorgan als demokratischer Integrationsfaktor - systematisches Konzept - Enqueten und Studienkommissionen - Ausgestaltung des wissenschaftlichen Dienstes - Fragenkatalog. Fritz Schönherr t Sprache und Technik der Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 833 überblick über die wichtigsten noch heute geltenden Gesetze aus der Zeit der konstitutionellen Monarchie, der Ersten Republik, des Ständestaates, der Zweiten Republik und die Kaiserlichen Verordnungen - Änderungen rein technischer Natur in der Schreibweise
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der im jeweiligen Kundmachungsorgan verlautbarten Rechtsvorschriften - Verbesserungsvorschläge für Hinweise und Verweisungen in Gesetzen sowie für Wiederverlautbarungen - Mängel im Urheberrechtsgesetz 1936 - zur Novellierungspraxis - Legistische Richtlinien 1970 - imperative Formulierung von Rechtsvorschriften - Angabe der letzten Novelle - Novelle und Beseitigung von Mängeln des Stammgesetzes - Konservativismus des Novellengesetzgebers - Kritik an der Zivilverfahrens-Novelle 1983 und Verbesserungsvorschläge. Hubert Feichtlbauer Parlamentarismus und öffentliche Meinung in Österreich ............ 853 Politikverdrossenheit - Plädoyer für demokratisches Handeln - das Parlament ist besser als sein Ruf, sein Ruf besser als die Vermutung darüber, und dennoch sind beide nicht gut genug - Umfrageergebnisse - unterschiedliche Ursachen für das Unbehagen mit dem Parlament - die österreichische Geschichte - demokratisches Wahlrecht - das unterschiedliche Demokratieverständnis der Parteien im geschichtlichen Ablauf - Mangel an politischer Bildung - Verhalten der Parlamentarier - unbefriedigende Medienberichterstattung Einstellung der Journalisten - keine überzeugenden Alternativen der Kritiker des Parlaments - Konkordanzmodell - Sozialpartnerschaft - "starker Mann" - direkte Volksbeteiligung - Unersetzbarkeit des Parlaments - vermehrtes Ansehen des Parlaments im Interesse der Demokratie wünschenswert - Vermittlung eines realistischen Parlaments bildes - Steigerung des Ansehens durch politische Bildung in Schule und Partei - Auswirkung des Versäumnisses der ausreichenden politischen Bildung zwischen 1945 und 1965 - Steigerung des Ansehens des Parlaments durch Massenmedien - Berichterstattung über den Inhalt von Gesetzen - der Beitrag des Parlamentariers zur Hebung des Ansehens des Parlaments - Verbesserung der Fragestunde - Expertenanhörung - Transparenz des Austausches von Sachargumenten in den Ausschüssen - Änderung des Stils der parlamentarischen Reden - häufigere und kürzere Sitzungen - Wahl von Direktmandataren. Herbert Schambeck Entwicklungstendenzen der Demokratie in Österreich ..... . . . . . . . . . .. 871 über den Beginn der Demokratie in Österreich - die Pillersdorf'sche Verfassung 1848 - der konstituierende Reichstag - Kremsierer Verfassungsentwurf - die oktroyierte Märzverfassung 1849 - das Silvesterpatent 1851 - das Oktoberdiplom 1860 - das Februarpatent 1861 - das Grundgesetz über die Reichsvertretung - das Sistierungspatent 1865 - die Dezemberverfassung 1867 - der Weg zur Demokratie und die Entwicklung des Wahlrechtes - der demokratische Verfassungsstaat als Ergebnis der Zeit Kaiser Franz Josef 1 der Weg der Demokratie und das Bemühen um Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Volkes - das Bemühen um ein Zweikammernsystem - zu den Anfängen der Interessenvertretungen - Gesetz über die provisorischen Bestimmungen in Betreff die Errichtung von Handelskammern 1848 - Kammern als Beratungsgremien - das Prinzip der Selbstverwaltung - die Organisation der Handels- und Gewerbekammern 1869 - die Änderung des Grundgesetzes über die Reichsvertretung 1873 - Gewerbegenossenschaften - der Gedanke einer Arbeiterkammer - die Kammern als Vertretung der Standesinteressen ab 1907 - die Errichtung von Kammern für Arbeiter und
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Inhaltsverzeichnis Angestellte 1920 - Interessenvertretungen der Landwirtschaft - die Bildung von Gewerkschaften - die Entstehung von Landwirtschaftsund Landarbeiterkammern-zum Werden der politischen Parteiendie Bildung von politischen Parteien ab 1861 - von der Monarchie zur Republik - der Wunsch nach dem Verhältniswahlsystem über die Demokratie im öffentlichen Recht Österreichs - die Entwicklung der Demokratie - die Stellung der politischen Parteien die Herausbildung der Sozialpartnerschaft - das Parteiengesetz Mehrparteienstaat - Listenwahlrecht - zum Einfluß der politischen Parteien - der Parlamentarismus im Parteienstaat - das freie Mandat - Klubzwang - Einfluß der Regierung auf die Gesetzgebung - neue Strukturen und Strömungen der Demokratie effektive Machtverteilungen - Politikverdrossenheit - Möglichkeiten und Grenzen des demokratischen Verfassungsstaates Grundrecht auf Sicherheit.
Vorwort Unter dem Begriff Parlamentarismus wird die Ordnung einer demokratischen Gesetzgebung verstanden. Von seiner Entwicklung hängt in einem Staat der Weg des politischen Lebens und von seinem System die Möglichkeit der Bestimmung seiner Politik ab. In dieser Sicht ist der Parlamentarismus prägend für die Staatswillensbildung, die in einem demokratischen Rechtsstaat, wie es Österreich ist, die Grundlage und die Voraussetzung für das gesamte Staatshandeln bildet. Wenngleich sich das Wort "Parlament" als Rechtsbegriff in der gesamten Geschichte und dem heutigen System des österreichischen Staatsrechtes an keiner einzigen Stelle findet, sondern vor 1918 der Begriff "Reichsrat", hernach "Nationalversammlung" und auf Grund des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 "Gesetzgebung des Bundes", welche Nationalrat und Bundesrat gemeinsam ausüben, verwendet wird, ist dieses Wort als Gebäudebezeichnung und im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungssystem in Österreich gebräuchlich geworden. Das hundertjährige Bestehen dieses Parlamentsgebäudes in Wien, in dem sich seit 1883/84 jeweils die beiden Kammern der österreichischen Gesetzgebung befinden, gab Anlaß, Geschichte und heutige Form des parlamentarischen Systems Österreichs in rechts-, staats- und politikwissenschaftlicher Hinsicht zu bedenken. Dazu werden in einzelnen Beiträgen, die sich inhaltlich bisweilen überschneiden, nach einleitenden Begriffserklärungen der österreichische Parlamentarismus der Zeit der Monarchie und der Republik behandelt, um anschließend in theoretischer Betrachtung und praktischer Erfahrung Strukturen, Aufgaben und Probleme des heutigen Parlamentarismus zu beleuchten. Auf diese Weise wird über den Bereich der Gesetzgebung hinaus auch auf Grundfragen des österreichischen Regierungs- und Verfassungssystems eingegangen. Gedanken über einige aktuelle Einzelprobleme des heutigen Parlamentarismus schließen diesen Sammelband ab. In ehrender Weise hat Herr Bundespräsident Dr. Rudolf Kirchschläger diesem Buch ein Geleitwort vorangestellt, wofür ihm gedankt sei. Danken möchte ich auch allen Autoren dieser Publikation, die meine Einladung angenommen haben, aus ihrem Arbeitsgebiet einen Beitrag über das Werden und das System des österreichischen Parlamentaris-
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Vorwort
mus zu leisten. Unabhängig von jeweils beruflichen Tätigkeiten, öffentlichen Funktionen· und politischen Einstellungen der einzelnen Autoren kommt in deren Zusammenarbeit für dieses Sammelwerk eine bestimmte gemeinsame Verantwortung gegenüber der Gesetzgebung und der Staatsordnung Österreichs zum Ausdruck, die nach der Erfahrung der österreichischen Geschichte sowie im Hinblick auf die Gegenwartsund Zukunftserfordernisse stets beachtet werden sollte. Die verlegerische Planung dieses Buches konnte noch mit dem um Österreich hochverdienten, leider inzwischen verstorbenen Inhaber des Verlages Duncker & Humblot, Herrn Ministerialrat a. D. Senator h. c. Professor Dr. Dr. h. c. Johannes Broermann, besprochen werden. Die Veröffentlichung selbst erfolgt unter der Geschäftsführung der Herren Rechtsanwalt Norbert Simon und Ernst Thamm; ihnen sei für ihr verständnisvolles Entgegenkommen, das keine Subvention erforderlich machte, ebenso gedankt wie Herrn Dieter H. Kuchta für seine sachkundigen Bemühungen um die Drucklegung. Meiner Frau Elisabeth sowie Frau Univ.-Ass. Dr. Anneliese Lindorter, Frau Gabriele Langer und Frau Elisabeth Kamptner vom Institut für Staatsrecht und politische Wissenschaften der Universität Linz habe ich für wertvolle Hilfen in der redaktionellen Arbeit an diesem Buch zu danken.
Herbert Schambeck
Zum Geleit Ich danke dem Herrn Stellv. Vorsitzenden des Bundesrates, o. Univ.Prof. Dr. Herbert Schambeck, dafür, daß er im Zusammenhang mit dem 100 Jahr-Jubiläum des ParIamentsgebäudes den Entschluß zur Herausgabe dieses Werkes über Werden und System des österreichischen Parlamentarismus gefaßt hat. Ich danke auch posthum und in bleibendem ehrenden Gedenken dem Verleger Prof. Dr. Johannes Broermann, der aus einer tiefen geistigen Verbundenheit zu Österreich sich als Inhaber des Verlages Duncker & Humblot wahrhaft große Verdienste um Österreichs wissenschaftliche Literatur erworben hat. Ebenso gilt mein Dank allen Persönlichkeiten, die kraft ihrer besonderen Sachkenntnis wertvolle Beiträge zu dem gestellten Generalthema geschrieben haben. Warum setze ich diesem Werk diesen umfassenden und vielleicht sogar ungewöhnlichen Dank voraus? Ich will damit zum Ausdruck bringen, daß ich eine nüchterne und gleichzeitig doch engagierte Bestandsaufnahme des österreichischen Parlamentarismus heute in einem besonderen Maße für wichtig halte. Daß zu einer solchen Bestandsaufnahme auch die geschichtliche Betrachtung gehört, ist wohl selbstverständlich, denn nur aus einem klaren Wissen um Vergangenheit und Gegenwart kann auf künftige Entwicklungen geschlossen und den Gefahren, die dem Parlamentarismus drohen, begegnet werden. Gefahren, die auf den Parlamentarismus zukommen, sind aber auch Gefahren für unsere Demokratie und damit Gefahren für die Freiheit und die Würde der einzelnen Menschen. Vielleicht haben wir in der Vergangenheit zu sehr darauf vertraut, daß die Demokratie und deren unverzichtbarer Bestandteil, der Parlamentarismus, schon gesichert wäre, wenn es hinreichend klare Gesetzesvorschriften verschiedener Stufen gäbe. Wir haben es an uns selbst erfahren und erfahren es in unserer Zeit erneut, daß dem gesatzten Recht zwar große Bedeutung zukommt und eine klare und zu Mißdeutungen und Mißbrauch nicht verleitende Gesetzessprache unerläßlich ist. Sie allein aber genügt noch nicht. So schlagwortartig der Satz auch klingen mag, er bleibt doch richtig: Eine Demokratie braucht nicht nur eine demokratische Verfassung, sondern sie braucht auch Demokraten. Demokrat sein aber ist nicht nur ein Rechtsbegriff, sondern
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Zum Geleit
auch eine moralische Qualität. Daß diese moralische Qualität vielfach abhanden gekommen ist, bedarf kaum eines Beweises. Die Unfähigkeit, den moralischen Standard im Volk zu bewahren, wird häufig jenen angelastet, denen nach Meinung der Bürger Macht zukommt, also dem Parlament, der Regierung und den Politikern. Aus dieser Einstellung erfolgt sehr häufig die Ausschau nach dem "starken Mann", der alles besser machen würde oder besser zu machen verspricht. Daß immer mehr die Macht nicht mehr im Parlament, nicht mehr bei den Regierungen, sondern in wachsendem Maße bei den Medien liegt - dies vor allem für den moralischen Zustand des Volkes -, wird dabei wegen der Kleinheit der einzelnen Dosen der Beeinflussung und damit der Machtausübung übersehen. Andererseits sind auch die Formen staatlicher Machtausübung vielfach erstarrt. Die Praxis des Parlamentarismus wird vielfach nur mehr für Parlamentarier voll verständlich, und manchmal wünschen sich Außenstehende auch für parlamentarische Gewohnheiten und Traditionen eine Art H. Vaticanum, das auch nicht den Glauben, aber manche der äußeren Formen verändert hat. Daß der Verlust der persönlichen Beziehungen zwischen Bürger und Parlament bisher nur vor den Gemeindeparlamenten Halt gemacht hat, muß zu denken geben. Möge dieses Werk nicht nur reiches Wissen vermitteln, sondern die Leser zu eigenen Gedanken anregen und den Mut bestärken, für das, was als richtig und notwendig erkannt wurde, auch einzutreten. Wien, im Juni 1986 Dr. Rudolf Kirchschläger Bundespräsident der Republik Österreich
Vom Sinn und Zweck des Parlamentarismus Von Herbert Schambeck Das Wort Parlament geht auf das französische Wort parler und auf das italienische Wort parlare zurück, worunter man reden und sprechen versteht; das Parlament ist demnach der Ort, an dem durch Rede und Gegenrede eine Willensbildung zustande kommt. Heute versteht man unter dem Parlament den Ort der demokratischen Staatswillensbildung.1
I. Die Repräsentation Das Erfordernis eines Parlaments als umfassendes Repräsentationsorgan hat sich zu dem Zeitpunkt ergeben, als in wachsendem Maße anfangs Teile und später die Gesamtheit des Volkes im Staat vertreten sein wollte.! Die Repräsentation trat in den Dienst des Parlamentarismus, nachdem der Repräsentationsbegriff mit Beginn der Neuzeit zunehmend ein Zentralbegriff des politischen Denkens geworden war.' In der Auseinandersetzung mit dem Absolutismus entstand - mehr oder weniger gewollt - eine Integration der damals noch nicht entsprechend an der Staatsgewalt beteiligten Bevölkerungsteile, nämlich der nicht privilegierten Stände, an denen das Bürgertum einen großen Anteil hatte, zu einem einheitlichen Staatsvolk. Die Entwicklung des Parlamentarismus, vor allem im 19. Jahrhundert, erweist sich in der Folge als ein geradezu seismographischer Ausdruck des Kampfes um die Ausübung der Staatsgewalt zwischen dem Monarchen und dem Volk. Das Repräsentationssystem trat in den Dienst der demokratischen Anschauung, daß die öffentliche Gewalt vom Volk her legitimiert sein 1 Al/red Kobzina, Parlamentarismus heute, Politische Bildung, Heft 5, Wien 1971, S.3 und Derselbe, Parlamentarismus - Wesen, Wandel, Wirklichkeit, ZÖR, N.F., Bd.23, 1972, S.l1; Kurt Kluxen (Hrsg.), Parlamentarismus, 2. Aufl., Berlin 1976 sowie Helmut Widder, Parlamentarische Strukturen im politischen System, zu Grundlagen und Grundfragen des österreichischen Regierungssystems, Berlin 1979. 2 Beachte Georg JeHinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 6. Neudruck, Darmstadt 1959, S. 570 ff. und Karl Ucakar, Demokratie und Wahlrecht in Österreich, zur Entwicklung von politischer Partizipation und staatlicher Legitimationspolitik, Wien 1985. 8 Dazu Klaus von Beyme, Repräsentatives und parlamentarisches Regierungssystem, eine begriffsgeschichtliche Analyse, Politische Vierteljahresschrift 6, 1965, S. 145 ff.
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Herbert Schambeck
müsse. Die Geltendmachung der Bedeutung des Volkes war daher das Ziel des Repräsentationssystems, das in jedem Staat, wie mit ihm der Parlamentarismus, seine eigene Geschichte hat.' Vergleicht man die Geschichte der Staaten mit der Geschichte der parlamentarischen Volksvertretungenj'" so setzt letzte verhältnismäßig spät, aber wirkungsvoll ein. Österreichs gesamtstaatlicher Parlamentarismuss war in seiner Entstehung durch die Revolution des Jahres 18488 bestimmt, zu deren Ziel die Erlangung einer von einem konstituierenden Reichstag ausgearbeiteten Verfassung zählte. Der Wunsch nach einer derartigen Verfassung war, wie schon Adolf Merkl immer wieder in seinen Lehrveranstaltungen betont .hatte, mitbestimmt von Art. 13 der den Deutschen Bund begründenden Deutschen Bundesakte von Wien 1815, wonach in allen Bundesstaaten, demgemäß auch in den zum Deutschen Reiche gehörenden österreichischen Provinzen, "landständische Verfassungen bestehen" sollten~ Der Ausdruck "landständische Verfassung" gab zu Kontroversen Anlaß, zumal das Bürgertum darunter ein Zugeständnis des Fürsten an seine auf politische Mitbestimmung abzielenden Verfassungsbestrebungen erblickte, was von seiten der Regierungen anders ausgelegt wurde. So ließ Clemens Fürst Metternich durch Friedrich von Gentz in einem Expose "über den Unterschied zwischen landständischen und den Repräsentativverfassungen" feststellen: "Landständische Verfassungen sind die, in welchen Mitglieder oder Abgeordnete durch sich selbst bestehender Körperschaften ein Recht der Teilnahme an der Staatsgesetzgebung überhaupt oder einzelnen Zweigen derselben, die Mitberatung, Zustimmung, Gegenvorstellung oder in irgendeiner anderen verfassungsmäßig legitimierten Form ausüben. Repräsentativverfassungen hingegen sind solche, wo die zur unmittelbaren Teilnahme an den wichtigsten Geschäften der Staatsverwaltung bestimmten Personen nicht die Gerechtsame und das Interesse einzelner Stände, sondern die Gesamtmasse des Volkes vorzustellen berufen sind. "7 Gentz identifizierte also die Volkssouveränität mit der Repräsentation. In der Nebenbeilage zum 7. Protokoll heißt es: "Repräsentativverfassungen sind stets in letzter Instanz auf dem verkehrten Begriff von einer , Vgl.etwa Hermann Reuss, Zur Geschichte der Repräsentativverfassung in Deutschland, Archiv des öffentlichen Rechts, N.F., Bd. 27,. 1936, S. 1 ff. s Siehe a1,lch Herbert Schambeck, Entwicklung und System d,es österreichischen Parlamentarismus, in: Demokratie in Anfechtung und Bewährung, Fes,tschrift für Johannes Broermann, hrsg. von Joseph List! und Herbert Schambeck, Berlin 1982, S. 585 ff. s. Beachte Ernst. C. HeUbling, österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 2. Aufl., Wien 1974, S. 345 ff. und Wilhelm Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte, 3. Aufl., Wien 1983, S. 113 ff. 7 Johann Ludwig KlüberlCarl Welcker, Urkunden für den Rechtszustand der deutschen Nation, Mannheim 1844, S. 214.
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obersten Souveränität des Volkes gegründet und führen auf diesen Begriff, wie sorgfältig er auch versteckt werden mag, notwendig zurück."s Für Gentz bedeutete das Repräsentativsystem "äußere Gewalt oder Willkür" sowie "Zerspaltung der Legislative in ungleichartige. Bestandteile". Die im 19. Jahrhundert folgende Entwicklung zunächst zum Konstitutionalismus und hernach zum Demokratismus ließ durch das Repräsentativsystem das Parlament allmählich zu einer Volksvertretung werden, wobei mit der Erweiterung der Anerkenhung des Volkes auch der Kreis der zu Vertretenden immer größer wurde. So. erhielten etwa in Österreich alle Männer erst 1896' durch Einführung der 5. Wählerklasse ein Stimmrecht und die Frauen ihr Stimmrecht erst 1918 nach der Ausrufung der Republik im Wahlrecht zur Wahl der konstituierenden Nationalversammlung. lo Der Beginn des Parlaments als Ständevertretung und seine Entwicklung zur umfassenden Volksvertretung zeigen dies ebenso allgemein wie die Entwicklung. des Wahlrechtes vom Klassenwahlrecht zum demokratischen Wahlrecht im besonderen.l l Dabei war das Parlament in der Monarchie anfangs ein Organ der Vertretung des politisch anerkannten und aktiven, weil mit öffentlichen Rechten ausgestatteten Volksteilen gegenüber dem mit dem Staat gleichgesetzten Monarchen und seiner Regierung; später wurde es von einem Organ der Konfrontation der Gesellschaft gegenüber dem Staat zu einem Organ der Gesellschaft im Staat, dessen Entwicklung als Verfassungseinrichtung kennzeichnend war für die Demokratisierung des Staates überhaupt. So ist es bemerkenswert, daß in Österreich die Handels- und Gewerbekammern von 1873 bis zur Beseitigung des Kurienwahlsystems zur Wahl des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrates 1907 eine eigene Wählerklasse bildeten.l2 Als der Demokratisierung der Staaten im Sinne einer Entwicklung von der absoluten zur konstitutionellen Monarchie und damit zum Verfassungsstaat die Republikanisierung der Staaten folgte, entwickelte sich das Parlament und sein Wahlrecht von der Vertretung des Volkes gegenüber dem Staat zu einer Vertretung im Staat, und als der Monarch als
Ludwig KlüberlCarl Welcker, a.a.O., S.215. Gesetze vom 14.6. 1896, RGBl. Nr. 168 und Nr. 169 und Gesetz vom 5. Dezember 1896, RGBl. Nr.226. 10 Gesetz vom 18.12.1918 über die Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung, StGBl. Nr. 115. 11 Siehe z. B. für Österreich Herben Schambeck, Die Entwicklung des österreichischen Wahlrechtes, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, N.F., Bd. 21,1972, S. 247 ff. 12 § 7 A lit. c des (Staatsgrund-)Gesetzes vom 2.4. 1873, RGBl. Nr.40, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 21.12.1867, RGBl. Nr. 141, abgeändert wird; vgl. Herbert Schambeck, Kammerorganisation und Ständeordnung, in: Im Dienste der Sozialreform, Festschrift für Karl Kummer, hrsg. von Anton Burghardt u. a., Wien 1965, S. 443 ff. S 9
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Repräsentant des Staates wegfiel, weil alle Gewalt und Recht vom Volke ausgeht13, zu einer Stätte der Selbstrepräsentation des Volkes im Staat. Die Repräsentation ist ein Vorgang der Vergegenwärtigung. Die demokratische Repräsentation ,erfüllt die Funktion der Vergegenwärtigung des Volkes, wobei die Wahl als Mittel hiezu dient, ohne sie ist mittelbare Demokratie gar nicht möglich. Gerhard Leibholz hat schon darauf hingewiesen, "daß der Wahlvorgang innerhalb eines Repräsentativsystems auch politische Funktionen zu erfüllen hat. Er hat nämlich die Funktion, die Einheit und damit die Existenz der Nation zu fördern und dazu beizutragen, die Gesellschaft zu einer Gemeinschaft zu transformieren. "14 Je größer eine Gemeinschaft ist, desto existentiell notwendiger wird ihre Repräsentation. Die Repräsentation ist ein Ausdruck der Verbundenheit zwischen den Repräsentanten und den Repräsentierten, in der parlamentarischen Demokratie zwischen den Mandataren und ihren Wählern. Diese Verbundenheit ist von einer Lebendigkeit gekennzeichnet, die ihren Grund in der dauernden Bewegung hat, welche die Repräsentation im öffentlichen Leben mit sich bringt. Diese Dynamik der Repräsentation ist ein Bestimmungsmoment der Demokratie; ihre Ermöglichung war ein wesentlicher Teil des Kampfes um die politische Freiheit, die in der demokratischen Selbstbestimmung liegt. Diese politische Freiheit konnte aber das Volk 'nicht ständig selbst ausüben; wie Hans Kelsen auch schrieb: "Je größer die staatliche Gemeinschaft, desto weniger erweist sich das Volk als solches imstande, die wahrhaft schöpferische Tätigkeit der Staatswillensbildung unmittelbar selbst zu entfalten."15 Später trat neben die Größe des politisch aktiven Volkes auch die Vielfalt zu bewältigender Staatsaufgaben. Ulrich Scheuner begründete: "Der moderne großräumige Staat kann die repräsentativen Formen nicht nur rein technisch nicht entbehren, seine schwierigen und weitverzweigten Aufgaben erfordern auch für die Gesetzgebung die ständige oder häufig tagende Arbeit einer arbeitsfähigen und erfahrenen Volksvertretung. "18 13 Art. 1 B-VG 1920 (1929): "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volke aus." 14 Gerhard Leibholz, Parlamentarische Repräsentation, in: Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung, hrsg. von Heinz Rausch, Darmstadt 1968, S. 230. 15 Hans Kelsen, Das Problem des Parlamentarismus, Wien-Leipzig 1925, Neudruck in: Die Wiener Rechtstheoretische Schule, Schriften von Hans Kelsen, Adolf Merkl, Alfred Verdross, hrsg. von Hans R. Klecatsky, Rene Marcic und Herbert Schambeck, 2. Bd., Wien-Salzburg 1968, S. 1664. 18 Ulrich Scheuner, Das repräsentative Prinzip in der modernen Demokratie, in: Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit, Festschrift für Hans Huber, Bern 1961, S.236; so auch Helmut Widder, Parlamentarische Strukturen (Anm. 1), S. 18.
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Die Entwicklung des Parlamentarismus im Hinblick auf die Repräsentation der Massengesellschaft im großräumigen Staat der Gegenwart mit Mehrzweckeverwendung verlangt die Beachtung mehrfacher Funktionen. Primär ist es die schon erwähnte Aufgabe der Repräsentation. Als Repräsentationsorgan hat das Parlament das Volk in seiner politischen Zusammensetzung zu verdeutlichen17 und seine Vertretung so zu ermöglichen, daß eine Bildung des Staatswillens möglich ist. In dieser Weise hat das Parlament sowohl der Repräsentation des Volkes als auch der Integration der Repräsentanten zur Staatswillensbildung für die Repräsentierten zu dienen. Die Möglichkeiten der Repräsentation und Integration durch das Parlament werden von dem Wahlrecht im allgemeinen, dem jeweiligen Wahlrechtssystem im besonderen bestimmt. Die Entscheidung für ein bestimmtes Wahlrechtssystem wird daher für die Erfüllung des Repräsentations- und Integrationszweckes des Parlaments ausschlaggebend sein. Dabei muß auch beachtet werden, daß nach der jeweiligen Staatsform die Bedeutung des Repräsentations- und Integrationszweckes des Wahlrechts verschieden sein kann.
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Betrachtet man die beiden Wahlrechtssysteme, nämlich das Verhältnisund Mehrheitswahlsystem, kann festgestellt werden, daß sie in unterschiedlicher Weise dem Repräsentations- und Integrationszweck des Parlaments dienen.18 Da nämlich das Verhältniswahlsystem darauf angelegt ist, wahlwerbenden Parteien ab Erreichung eines bestimmten Grundmandats nach dem Verhältnis der abgegebenen Stimmen auch Sitze im Parlament einzuräumen, wird der Repräsentationseffekt dieses Wahlrechtssystems auf Kosten des Integrationseffektes besonders stark ausgeprägt sein. Anders bei dem Mehrheitswahlsystem, bei dem das Erreichen der absoluten oder relativen Mehrheit im jeweiligen Wahlkreis für das Erlangen eiiles Parlamentssitzes ausschlaggebend ist; durch dieses System wird sich leichter im Parlament eine regierungsfähige Mehrheit bilden können und der Integrationseffekt stärker als der der Repräsentation sein. Die Frage nach dem jeweiligen Wahlrechtssystem ist nicht allein für das Parlament, sondern darüber hinaus für das gesamte politische Leben eines Staates von Bedeutung, besonders aber dann, wenn diesem ein 11 Dazu Gerhard Leibholz, Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20. Jahrhundert, 3. Aufl., Berlin 1966. 18 Siehe dazu Ferdinand A. Hermens, Parteien, Volk und Staat, Juristische Studiengesellschaft, Karlsruhe, Schriftenreihe, Heft 46, Karlsruhe 1960, S. 20 f.
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parlamentarisches Regierungssystem eignet, in welchem vom Vertrauen des Parlaments der Bestand der Regierung abhängig ist. Das ist in der Republik Österreich der. Fall, wo im Falle der Mißtrauensvotierung durch den Nationalrat nach Art. 74B-VG der Bundespräsident verpflichtet ist, die Bundesregierung oder den betreffenden Bundesminister des Amtes zu entheben. Gerade in einem Staat mit einem parlamentarischen Regierungssystem besteht zwischen Wahlrechtsordnung und Regierungssystem deshalb ein besonderer Zusammenhang." So kann erkannt werden, daß in
Staaten mit einem Verhältniswahlsystem eine absolute Mehrheit nicht leicht und daher selten erreicht werden kann, was in der Regel die Bildung von Koalitions- und nicht von Einparteienregierungen zur Folge hat. Umgekehrt wird deutlich, daß in Staaten mit einem Mehrheitswahlsystem, wie z. B. in England, Einparteienregierungen anzutreffen sind. Die Entscheidung für das jeweilige Wahlrechtssystem20 wird sehr stark von der Situation des jeweiligen Staates und dem politischen Bewußtsein der Bevölkerung abhängig sein. 21 Ein im Aufbau befindlicher Staat, wie es Österreich nach 1918 und 1945 war, wird durch das Verhältniswahlsystem und das Erfordernis der Bildung von Koalitionsregierungen veranlaßt, daß die politischen Kräfte des Staates nach ihrer im Parlament möglichen Vertretung auch in der Regierung zusammenarbeiten. Eine derartige Koalitionspolitik wird einen sehr starken Kompromißcharakter aufweisen. Anders ist die Situation bei einem Staat mit Mehrheitswahlsystem. Er wird die Bildung von Einparteienregierungen ermöglichen und der jeweiligen Regierungspartei die Verwirklichung ihrer Parteiund Wahlprogramme eröffnen. Diese Entscheidung für ein bestimmtes Wahlrechtssystem wird über das Parlament hinaus auch insofern noch weiter für das öffentliche Leben eines Staates ausschlaggebend sein, als das Mehrheitswahlsystem 19 Siehe hiezu näher Herbert Schambeck, Wahlrechtsordnung und Regierungssystem in österreich, in: Festschrift für Adolf J. Merkl, hrsg. von Max Imboden u. a., München-Salzburg 1970, S. 335 ff. 10 In Österreich galt vor 1918 das Wahlrechtssystem der absoluten Mehrheit, siehe Gesetz vom 21. Dezember 1867, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, RGBI. Nr. 141, § 7; Gesetz vom 29. Juni 1868 über die Durchführung von unmittelbaren Wahlen in das Abgeordnetenhaus des Reichsrates, RGBI. Nr.82, § 18; Gesetz vom 2. Aprll1873 betreffend die Wahl der Mitglieder des Abgeordnetenhauses des Reichsrates, RGBI. Nr.41, § 49; Gesetz vom 14. Juni 1896, RGBI. Nr.17, § 33. Österreich hat sich erst in dem Gesetz vom 18. Dezember 1918 über die Einberufung der konstituierenden Nationalversammlung, StGBI. Nr.114 und in der Wahlordnung dazu, StGBI. Nr.115, für das Verhältniswahlrecht entschieden, das auch im Art. 26 B-VG 1920 aufgenommen wurde. 21 Beachte dazu SWA-Rechtsgutachten Nr. 44, Verhältniswahlrecht oder Mehrheitswahlrecht.
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mehr auf die Persönlichkeit des einzelnen Abgeordneten schon in seiner Kandidatur, das Verhältniswahlsystem aber auf den Parteienapparat abgestellt ist. Wie sehr dabei die Persönlichkeit des einzelnen Kandidaten zugunsten der Partei immer mehr zurücktritt, zeigt in Österreich die Entwicklung des Wahlrechts u. a. insofern, als nach der Nationalratswahlordnung 1949 die Namen der einzelnen Kandidaten noch auf der Rückseite des Stimmzettels standen und gereiht und gestrichen werden konnten, während nach der Nationalratswahlordnung 1971 die Namen der einzelnen Kandidaten auf dem Stimmzettel nicht mehr aufscheinen, sondern nur die Parteibezeichnungen; dafür soll die Möglichkeit, einem Kandidaten, der aber auf dem Stimmzettel gar nicht steht, eine Vorzugsstimme zu geben, einen Ausgleich bieten, was aber nur eine ungleichwertige Alibifunktion erfüllt." Wie sich bereits gezeigt hat, ist diese Bestimmung ein Schritt weg von der Verpersönlichung des Wahlrechts und es ist nicht leicht, einem weiter hinten auf der Liste gereihten Bewerber durch Vorzugsstimmen zu einem Mandat zu verhelfen. Ein Bewerber müßte mindestens so viele Nennungen erreichen, wie die Wahlzahl im betreffenden Wahlkreis beträgt.Z3
Der Wunsch nach einem Verhältniswahlsystem ist seines starken Repräsentationseffektes wegen in Österreich in der Zeit der Monarchie entstanden, als die Parteien nach der Konstitutionalisierung des Staates und der Ikmokratisierung der Monarchie ihrer Stimmstärke entsprechend dem Monarchen gegenüber vertreten sein wollten. Z4 Diesen Wunsch Z2 Siehe dazu meine am 4. Dezember 1970 im Bundesrat gehaltene Rede, 296. Sitzung, Steno Prot., S. 7971 ff. sowie Herbert Schambeck, Wahlrecht und Personalisierung, in: Wahlrecht und Partizipation, Beiträge zur Gesellschaftspolitik, Heft 5, Wien 1978, S. 4 ff. 23 Dazu auch Heinz Fischer, Wahlpunkte und Vorzugsstimmen, ZÖR, N.F., Bd. 22, 1971, S. 95 ff. U Es ist bemerkenswert, daß die politischen Parteien in der Zeit der Monarchie in vielen Forderungen ihrer Parteiprogramme, siehe Klaus Berchtold, Österreichische Parteiprogramme, Wien 1967, S.109, 112, 114, 116, 118, 120, 124, 128 f., 135, 139 f., 147, 171, 182, 186, 191, 197, 199 f., 204 und 227, Verbesserungen im Hinblick auf eine Demokratisierung des Wahlrechts verlangt haben. Dieses Verlangen war zunächst auf die Gewährung eines direkten, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrechtes gerichtet. Die Forderung nach dem Proportionalwahlsystem ist eine konsequente Fortsetzung dieses Begehrens und wurde erstmals von den Sozialdemokraten in ihrem Wiener Programm 1901, Berchtold, a.a.O., S.147, erhoben: "Von diesen Grundsätzen ausgehend fordert die Sozialdemokratische Ar):>eiterpartei in Österreich zunächst: 1. Allgemeines, gleiches, direktes und geheimes Wahlrecht in Staat, Land und Gemeinde für alle Staatsangehörige ohne Unterschied des Geschlechtes vom 20. Lebensjahr an; Proportionalwahlsystem; Vornahme der Wahlen an einem gesetzlichen Ruhetag; dreijährige Gesetzgebungsperioden; Diätenbezug für die Gewählten. 2. Direkte Gesetzgebung durch das Volk vermittelst des Vorschlags- und Verwerfungsrechtes; Selbstbestimmung und Selbstverwaltung des Volkes in Staat, Land und Gemeinde."
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nach dem Verhältniswahlsystem konnten sich die Parteien erst nach Ausrufung der Republik neben der Einführung eines eigenen Wahlbehördenapparates und des aktiven und passiven Frauenwahlrechts gleichsam als "Morgengabe der Republik" erfüllen." Vielleicht hat man damals in dem Wunsch nach Änderung des Wahlrechtssystems zu wenig die Konsequenzen bedacht, die sich aus dem inzwischen erfolgten Wechsel der Staatsform ergaben. Die Repräsentation des Volkes erfolgte nun nicht mehr dem Monarchen, sondern sich selbst gegenüber. Die Repräsentation drückt sich im österreichischen Parlament sowohl nach der sogenannten Dezemberverfassung 1867 wie nach dem B-VG 1920 stets in einem Zweikammernsystem aus. So bildete bis 1918 das Abgeordnetenhaus als Volksv,ertretung mit dem Herrenhaus als konservatives Element zusammen das österreichische Parlament, das die zusammenfassende Bezeichnung Reichsrat führte.!8 Es diente der Repräsentation in einer konstitutionellen Monarchie, die ihrem Aufbau nach ein dezentralisierter Einheitsstaat war. Auch das Parlament der Republik Österreich ist von einem Zweikammernsystem g,ekennzeichnet, nämlich dem Nationalrat und dem Bundesrat;Z7 während der Nationalrat als Volksvertretung seine Aufgabe erfüllt/8 ist der Bundesrat im Hinblick auf den bundesstaatlichen Aufbau Österreichs als Länderkammer gedacht.!B Im Unterschied zum Staatsrecht der Monarchie kennt das der Republik Österreich keinen beide parlamentarische Kammern umfassenden Parlamentsbegriff; das B-VG spricht bloß von der "Gesetzgebung des Bundes" (Art. 24), das Wort "Parlament" kommt im gesamten Text des B-VG nicht vor! Seine Bedeutung liegt bloß in der Bezeichnung des Hauses der österreichischen Bundesgesetzgebung.
25 Gesetz vom 18. Dezember 1918 über die Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung, StGBl. Nr.1l5/1918. Beachte auch Herbert Schambeck, Die Entwicklung des österreichischen Wahlrechtes (Anm. 11), S. 247 ff. 26 § 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr.141, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird. Z7 Art.24 B-VG; siehe auch Helmut Widder, Die Gesetzgebung, in: Das österreichische Bundes-Verfassungsgesetz und seine Entwicklung, hrsg. von Herbert Schambeck, Berlin 1980, S. 349 ff. 28 Dazu u. a. Ludwig K. AdamovichlBernd-Christian Funk, Österreichisches Verfassungsrecht, 3. Aufl., Wien 1985, S. 193 ff. sowie Robert Walterl Heinz Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 5. Aufl., Wien 1985, S. 102 ff. 29 Hiezu u. a. Herbert Schambeck, Der Bundesrat der Republik Österreich, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, N.F., Bd.26, 1977, S. 215 ff.; Ludwig K. AdamovichlBernd-Christian Funk, a.a.O., S. 213 ff. und Robert WalterlHeinz Mayer, a.a.O., S. 132 ff.
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HI. Die Gesetzgebungsfunktion des Parlaments Die Gesetzgebungsfunktion ist die Primäraufgabe des Parlaments. Eine Aufgabe, welche mit dem Steuerbewilligungsrecht für den Monarchen begann und sich über die Entwicklung der negativen zur positiven Bindung der Vollziehung an die Gesetze 30 fortsetzte. Als der Staat auf diese Weise Rechtsstaat wurde,31 wurde es Aufgabe des Parlaments, das Handeln des Staates zu reglementieren. Ist es doch Aufgabe des Rechtsstaates, das Handeln des Staates in der Anordnung der Vollziehung von generell abstrakten Normen vorhersehbar und berechenbar zu machen. Je mehr im Zuge der Demokratisierung des Staates dies auch der Rechtsstaat wurde und sich der liberale zum demokratischen Rechtsstaat entwickelte, desto mehr wuchsen auch die Aufgaben der Gesetzgebung des Parlaments über die klassischem Bereiche des Lassalle'schen "Nachtwächterstaates"az des Rechts- und Machtzweckes auch zu denen des Kultur- und Wohlfahrtszweckes. 33 Hans Huber hat schon treffend auf die im Zuge dieser Entwicklung mehr oder weniger deutlich gewordenen fünf neuartigen Staatsfunktionen hingewiesen: "Der Staat tritt als Protektor auf, als Beschützer nicht mehr nur einzelner Benachteiligter, sondern ganzer Klassen von wirtschaftlich Schwachen. Dann ist er Verteiler von Sozialleistungen, industrieller Unternehmer, Aufseher und Lenker der Wirtschaft und endlich sozialer Schiedsrichter im Siehe Dietrich Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., Tübingen 1968. Beachte Adolf Merkl, Die Wandlungen des Rechtsstaatsgedanken, Österreichisches Verwaltungsblatt 1937, S. 174 ff. und Derselbe, Idee und Gestalt der politischen Freiheit, in: Demokratie und Rechtsstaat, Festgabe für Zaccaria Giacometti, Zürich 1953, S.163 ff.; Leopold Werner, österreichs Weg zum Rechtsstaat, JBI. 1948, S. 120 ff.; Werner Kägi, Zur. Entwicklung des schweizerischen Rechtsstaates seit 1848, in: Hundert Jahre schweizerisches Recht, ZSR 1952, S.173 ff.; Hans Huber, Niedergang des Rechts und Krise des Rechtsstaates, in: Demokratie und Rechtsstaat; a.a.O., S. 59 ff.; Max Imboden, Gestalt und Zukunft des schweizerischen Rechtsstaates, Basel 1960; Ulrich Scheuner, Die neuere Entwicklung des Rechtsstaates in Deutschland, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages 1860-1960, 2. Bd., Karlsruhe 1960, S. 229 ff.; Hans R. Klecatsky, Der Rechtsstaat zwischen heute und morgen, Wien-Basel-Freiburg 1967; Herbert Schambeck, Vom Sinnwandel des Rechtsstaates, Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft e. V., Heft 38, Berlin 1970 sowie Klaus Stern, Der Rechtsstaat, Krefeld 1971. az Ferdinand Lassalle, Arbeitsprogramm, Rede über den besonderen Zusammenhang der gegenwärtigen Geschichtsperiode mit der Idee des Arbeiterstandes, gehalten am 12. April 1862 in Berlin im Handwerkerverein der Oranienburger Vorstadt, abgedruckt in: Ferdinand Lassalles Gesammelte Reden und Schriften, hrsg. und eingeleitet von Eduard Bernstein, Bd. 11, Berlin 1920/21, S. 195. 33 Siehe näher Herbert Schambeck, Die Staatszwecke der Republik Österreich, in: Die Republik Österreich, Gestalt und Funktion über Verfassung, hrsg. von Hans R. Klecatsky, Wien 1968, S. 243 ff. und Derselbe, Grundrechte und Sozialordnung, Berlin 1969, S. 120 ff. 80
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Interessensgegensatz der KlasSen und Gruppen."M Auf diese Weise hat das Parlament der Vollziehung die Möglichkeit zu bieten, in gleicher Weise für kulturellen Fortschritt, wirtschaftliches Wachstum und soziale Sicherheit Vorsorge zu treffen. Mit diesem Anwachsen der Zwecke des Staates nehmen .auch die Aufgaben des Parlaments und damit auch die Mannigfaltigkeit der Verwendung des Gesetzes im demokratischen Rechtsstaat zu. 35
Das Gesetz ist im heutigen Parlament das normative Ergebnis demokratischer Staatswillensbildung. Die Erfüllung der Repräsentations- und Integrationsaufgabe des Parlaments erlaubt nach einer politischen Meinungs- und Urteilsbildung eine allgemeingültige Willensbildung in einer Rechtsetzung, die auf dem Boden des Verfassungsrechts für die Vollziehung im Staat bestimmend zu sein hat. Es entspricht dabei wohl dem demokratischen Prinzip, daß die parlamentarische Mehrheit auf diesem Weg der Staatswillensbildung die Haupt-, aber nicht die Alleinverantwortung trägt. Hans Kelsen betonte es bereits: "Jedenfalls darf das Majoritätsprinzip nicht schlechthin mit dem Gedanken einer bedingungslosen Herrschaft der Majorität über die Minorität identifiziert· werden ... es schafft die Möglichkeit des Kompromisses. Kompromiß aber bedeutet: Zurückstellen dessen, was die zu Verbindenden trennt, zugunsten dessen, was sie verbindet. Jeder Tausch, jeder Vertrag ist ein Kompromiß; denn Kompromiß bedeutet: sich vertragen. Alle soziale Integration ist letzten Endes nur durch Kompromiß möglich ... Daß sich das Majoritätsprinzip gerade innerhalb des parlamentarischen Systems als ein Prinzip des. Kompromisses, des Ausgleichs der politischen Gegensätze bewährt, das zeigt schon ein flüchtiger Blick auf die parlamentarische Praxis. Auf die Erzielung einer solchen mittelbaren Linie ... ist ja das ganze parlamentarische Verfahren gerichtet. Es schafft Garantien dafür, daß die verschiedenen Interessen der im Parlament vertretenen Gruppen zu Worte kommen, sich als solche in einem öffentlichen Prozeß nianifestieren können36." Diese Meinungs- und Willensbildung vermag zielführender im Parlament vor sich zugehen als die Auseinandersetzungen der breiten Masse der Bevölkerung in der außerparlamentarischen Öffentlichkeit. Hans Huber, a.a.O., S.75. Dazu Hans R. Klecatsky, Die Funktion des Gesetzes im modernen demokratischen Rechtsstaat, Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins; Bd.106, Heft 5, 1970, S. 169 ff.; Herbert .schambeck, Das Gesetz und seine Funktionen heute, in: Für Österreichs Rechtsleben in Geschichte und Gegenwart, Festschrift für Ernst C. Hellbling zum 80. Geburtstag, Berlin 1981, S. 45 ff. sowie Karl Korinek, Verfassungsbewußtsein in Österreich, Schriftenreihe der Niederösterreichischen Juristischen Gesellschaft, Heft 33/34, St. Pölten 1980. 38 Hans Kelsen, Das Problem des Parlamentarimus (Anm. 15), S. 1679 f. 3(
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Das Ergebnis dieser parlamentarischen Staatswillensbildung in Form des Gesetzes beinhaltet generelle Normen, worin sich eine Gleichheit in der Normanordnung und in der damit gegebenen Rechtssicherheit verbindet. Für diese Setzung genereller Normen eignet sich das Parlament besonders, denn, wie Hans Kelsen hervorgehoben hat: "Die Funktion der generellen Normerzeugung wird aber stets die Tendenz haben, sich ein Kollegialorgan und nicht ein Einzelorgan zu schaffen. "S7 Die Wirksamkeit eines solchen Kollegialorgans wird stets von der Beachtung des Verfassungsrechts und einem bestimmten Minimalkonsens anerkannter Grundwerte des öffentlichen Lebens abhängen.s8 Erweist sich doch die gesamte Rechtsordnung, um mit Adolf Merkl zu sprechen, als Ausdruck eines Stufenbaues verschiedener Rechtssätze, die alle im Dienste der Verfassungskonkretisierung stehen. 39 Diese Verfassungskonkretisierung, die den Normbefehl auf allen Stufen der Rechtsordnung begleitet, verlangt sowohl nach der Gesetzgebung wie nach der Kontrolle;" nämlich neben der Rechtsetzung auch das Bemühen, den Willen des Gesetzgebers bei der Rechtsvollziehung zu beachten. IV. Die Kontrollfunktion des Parlaments
Die parlamentarische Kontrolle ist auf die Regierung und ihre Verwaltung bezogen und eine der Aufsichtsarten des öffentlichen Rechts; sie unterscheidet sich dabei von anderen derartigen öffentlich-rechtlichen Aufsichtsarten, wie z. B. der Verbands-, Anstalts- oder Dienstaufsicht, daß diese sich nicht wie die parlamentarische Kontrolle verfassungsunmittelbar auf die Erfüllung staatsleitender, sondern auf die nachgeordneten Verwaltungsfunktionen beziehen. Da aber die parlamentarische Kontrolle auf die Ausübung der Regierungsfunktion in ihrer Wirksamkeit, daher auch in ihrer Verantwortung für die Verwaltung gerichtet ist, kann die parlamentarische Kontrolle nur als ein Teil der Möglichkeiten zur Bewältigung des demokratischen Verfassungsstaates 37 Hans Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2. Aufl., Tübingen 1929, S.36. 38 Näher Herbert Schambeck, Die Grundwerte des öffentlichen Lebens, in: Objektivierung des Rechtsdenkens, Gedächtnisschrift für Ilmar Tammelo, hrsg. von Werner Krawietz u. a., Berlin 1984, S. 321 ff. 3U Dazu Adolf Merkl, Das Recht im Lichte seiner Anwendung, Deutsche Richterzeitung 1918, S. 56 ff.; Derselbe, Allgemeines Verwaltungsrecht, Wien 1927, S. 157 ff. und Derselbe, Prolegomena einer Theorie des rechtlichen Stufenbaues, in: Gesellschaft, Staat und Recht, Festschrift für Hans Kelsen, hrsg. von Alfred Verdross, Wien 1931, S. 252 ff. eo Vgl. Herbert Schambeck, Die parlamentarische Kontrolle der Regierung im Dienste des demokratischen Rechtsstaates, in: Der Staat als Aufgabe, Gedenkschrift für Max Imboden, hrsg. von Peter Saladin und Luzius Wildhaber, Basel und Stuttgart 1972, S. 293 ff. und näher Peter Gerlieh, Parlamentarische Kontrolle im politischen System, Wien-New York 1973.
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gewertet werden und muß im Zusammenhang mit der verwaltungsinternen Kontrolle und mit der Kontrolle durch die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts, also des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes, gesehen werden. 41 Die Kontrollfunktion des Parlaments ist mit der Demokratisierung des Staates besonders deutlich geworden, sie hat sich im Zusammenhang mit der Gesetzgebungsfunktion und ihren Konsequenzen entwickelt. Im Hinblick auf das demokratische Baugesetz des modernen Verfassungsstaates wird das Parlament als ein dem Volk besonders nahestehendes Vertretungsorgan angesehen und genutzt. "Der Volkswille (Gesetz, Voranschlag, etc.) ergibt den Obersatz, das zu kontrollierende Regierungsund Verwaltungshandeln den Untersatz, und der Kontrollbefund ist die conclusio",t2 sie dient dem Parlament als "Volksv