Statistik des Preüssischen Staats. Versuch einer Darstellung seiner Grundmacht und Kultur, seiner Verfassung, Regierung und Verwaltung im Lichte der Gegenwart [Reprint 2018 ed.] 9783111673363, 9783111288635


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German Pages 664 [700] Year 1845

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Vorwort
Übersicht des Inhalts
Darstellung der Grundmacht des Preüssischen Staats
Darstellung der Kultur des Preüssischen Staats
Darstellung des Organismus des Preüssischen Staats
Anhang
Tafeln
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Statistik des Preüssischen Staats. Versuch einer Darstellung seiner Grundmacht und Kultur, seiner Verfassung, Regierung und Verwaltung im Lichte der Gegenwart [Reprint 2018 ed.]
 9783111673363, 9783111288635

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Statistik des

Preüssischcn Staats; Versuch einer

Darstellung seiner Grundmacht und Kultur, seiner Verfassung, Regierung und Verwaltung im

Lichte der Gegenwart.

Berlin,

Druck und Verlag von G. Reimer. 1845.

Vorwort. iDfcroel an Schriftm über die Statistik des Preüsstschen Staats eben kein Mangel ist, so will es mich doch bediinken, daß, — unter den neüeren wenigstens, und neu muß jede statistische Schrift sein, — keine den Anforderungen entspreche, die man an eine Dar­ stellung von der Grundmacht, der Kultur und dem Or­ ganismus der Staaten zu machen berechtigt ist. Wenige dieser Schriften sind vollständig: die eine handelt dieses, die andere jenes Objekt sehr ausführlich ab, oder be­ vorzugt einen einzelnen Gegenstaud, je nach der Stel­ lung, die der Alltor eiilnimmt, oder nach seiner indivi­ duellen Ansicht. Liebhaberei, aber auch wirkliches Bedürfniß hat mich daraus geführt, Materialien zur Kenntniß unserer Staats-Verhältnisse zu sammeln, — und, warlich, PreüffenS Regierung ist bei öffentlicher Bekanntwerdung

statistischer Urkunden ebenso freisinnig, wenn nicht frei­ sinniger, als irgend eine, — sie zu ordnen, und, zum Behuf deS Nachschlagens, zu einem Ganzen zusammen zu fügen, von dem ich hier, zum „Nutzen und Ver­ gnügen des Publici" einen gedrängten Auszug erschei­ nen taffe. Ich wünsche, ihn in den Händen unserer Landtags-Abgeordneten, uno ganz besonders in denen meiner Amtsgenoffen — (Verfasser ist z. Z. Stadt­ verordneter in einer vaterländischen Provinzialstadt) — zu sehen: vielleicht, daß der Eine oder Andere sich Raths darin erholen könne, wenn Fragen zur Erörte­ rung kommen, die über die Gränzen der provinziellen Heimath oder des städtischen Weichbildes hinausgehen, was bei den Verhandlungen der Landtage, und der Stadtgemeinden doch zu den — Möglichkeiten gehört. Wollen die Beamten und die Soldaten von dem Buche Gebrauch machen, so soll es mich herzlich steilen; noch mehr aber, wenn nichtpreüssische Deütsche es zur Hand nehmen, um daraus einen — Abriss — unserer Kul­ tur- und politischen Zustände zu suchen. Statistische Schriften gehören in die Klasse der Kompilationen. Den Stoff zu suchen und zu sichten, ihn systematisch zu verarbeiten und an einander zu ket­ ten zu einer bald kurzen, bald langen Reihe von Er­ gebnissen, und daraus vom Standpunkte der StaatSwirthfchaft, und der Politik überhaupt, Folgerungen und Schlüsse zu ziehen, — das ist die Aufgabe des

Staatskunde-Schreibers, der es verschmäht, in den er­ müdenden Irrgarten örtlicher Beschreibungen

einzutre­

ten, die ihm ganz fremd bleiben müssen. Ich habe dm Zustand geschildert, wie er ist; auch hin und wieder einzelne Bemerkungen darüber einflie­ ßen fasse«, wie er wol sein könnte, und zwar vornehm­ lich in Bezug auf Kultur-Verhältnisse, dürftiger auf dem Felde der Politik und unserer politischen Institu­ tionen, im Abschnitt vom Organismus des Staats. Man hört zuweilen, und lies't es auch, bei uns Parteien.

es gebe

Wenn darunter politische Parteien

verstanden sind, wie es doch wol nicht anders von den also redenden Leüten zu erwarten ist,

so findet man

sich in einer gar argen Taüschung befangm; weil po­ litische Parteien,

im eigentlichen und wahren Sinne

des Worts genommen, nur in einem Staate mit abge­ sonderten Gewalten möglich sind, wo ihnen ein freier Schauplatz für ihre Thätigkeit eröffnet ist. Dagegen kommen bei uns, und das ist ganz und gar nicht zu leügnen, dann und wann gewisse Wünsche zum Vorschein, die man vielleicht Stimmungen, höchstmS Richtungen nennen könnte, was von Partei Him­ mel weit verschieden ist;

aber auch diese Richtungen

sind bei der „ziemlich", ja wirklich „großen Gleich­ gültigkeit für daS innere Leben meinde,

wie in

der

in der örtlichen Ge­

großm Volks- und StaatSge-

meinde", zerstreüte Erscheinungen, plötzlich strahlende

Blitze, die am politischen Horizont in einem dammernden Wetterleüchten «Untätig verschwimmen. Den be­ liebenden Verhältnissen gemäß kann es sich nicht anders verhalten mit diesen Ergießungen des — heiligen — Geistes sporadischer Einzelwesen, die, vermöge der Ver­ schiedenheit ihrer Weisheit, daö Heil vcö Staats auf eben so, und gar wunderbar, und wunderlich, verschie­ denen Wegen zu erreichen lehren. In den höheren Lebenskreisen scheint sich eine Rich­ tung zu bewegen, die ihre Wünsche auf ein starres Festhalten, oder vielmehr auf die Rückkehr zu Dem wendet, was man, zu Anfang des Jahrhunderts noch, mit einem derben, doch klassischen Ausdruck, den Preus­ sischen Stock zu nennen pflegte. Wie es anzufangen, die absolute Unmöglichkeit zu überwinden, das ist den zahlarmen Schwärmern für ein absolutes Preüssenthnm wol noch nicht zum klaren Bewußtsein aufgegangen! Dieser Stimmung diametral entgegen gesetzt steht eine andere Richtung, welche als einzig wahren Weg zur Förderung der Volkswohlfabrt, zur Entwicklung unserer Institutionen und unseres staatlichen Einflusses nach Außen den Banner des sogenannten politischen Fortschritts, oder, deütlicher gesagt, der RepräsentativBerfassung aufpflanzt. Dieser Banner — flattert — in den mittleren Lebenskreisen und hat daselbst, wie nicht zu verkennen, manch' tüchtige Gesinnung, die auf Leben und Tod zu ihm geschworen!

Mein, wie die einsam erscheinende Lerche noch nicht den Frühling macht, so drückt auch diese Richtung keinesweges den Gesammtsinn des Kreise- aus, in dem sie dann und wann aufflackert. Mögen die Vertreter dieser Stimmung, die Bannerhelden, nur näher for­ schen, und sie werden, freilich zu ihrem Schrecken, hö­ ren müssen, daß die große Masse unserer Bürgers­ leute, der einfachen, wie der gebildeten und in den öffentlichen Geschäften nichts weniger als unbewander­ ten, ungefähr so urtheilen, wie die Chinesen im sechszehnten Jahrhundert eS thaten, als sie von den, da­ mals republikanischen Holländern zuerst von dem Dasein einer demokratischen Verfassung Kenntniß erhielten, die sie als ein vielköpfiges — Ungeheüer betrachteten, das durch den Ehrgeiz, den Wankelmuch und andere Schwächen und Leidenschaften der Menschen in Zeiten öffentlicher Unordnungen und Verwirrungen zur Welt gebracht würde! In der Mitte zwischen den Extremen, der reactionären, und der ungestüm-liberalen Richtung, lebt in de« Sphären der höheren und mittleren Stände die Tmdenz de- gemäßigten, — eines gemüthlichen — Fortschritts. In den Theilnehmern und Anhängern dieser Stimmung vereinigt sich geistige Bildung und politische Intelligenz mit hoher sittlicher Bildung des Gemüths, da- die Wiederaufachung des, in den Massen erloschenen Feüers innerer Anschauungen und geistlicher

Betrachtungen als

eine

unabweisbare Nothwendigkeit

erkennt, wenn nicht daS Gebaüde der gesellschaftlichen Ordnung in seinen Grundfesten erschüttert werden, und allmälig zusammen sinken soll. Man glaubt,

daS Mittel dazu im Staat allein

zu finden, hält aber dafür, daß sein Organismus ge­ wisser Modifikationen bedürfe, als deren Symbol der — Name

eines

christlich - germanischen

Staats

erfunden

worden ist, ohne jedoch den Begriff davon dem einfa­ chen, gesunden Menschenverstände klar und deütlich zu machen; vielmehr läßt man ihn, von einer, nur den Eingeweihten verständlichen Technik der Sprache ver­ hüllt,

in

einem ungewissen Halbdunkel hangen und

schweben; ob mit Bewußtsein?

Wol kaum!

Eher

vielleicht, weil das Ideal dieses weltlich-geistlichen (?) Phantasie-StaatS im Vorstellungsvermögen selbst noch verschwimmt. Manchem, der dieser Richtung folgt, schwebt wol der Gedanke eines Nebeneinanderstellens PreüssenS und DcütschlandS vor, ohne aber den Muth zu haben, ihn sich selbst zu gestehen, geschweige denn, wicklung gelangen zu lassen.

ihn zur Ent­

Regt er sich ein Mal

irgend wo an einer geheimen Stelle des warmen Her­ zens,

flugS

ist der kalte Verstand ängstlich bei der

Hand, ihn in sein Asyl zu verweisen! In der That, der Gedanke an eine Jdentificirung ist der großen Masse im Innern durchaus fremd.

Bei

der Unverkennbaren und nur dann und wann auf Augen­ blicke verscheuchten Theilnahmlosigkcit an Allem, was öffentliches Leben heißt lebt man nur in der Familie und in der örtlichen Heimath, und kümmert sich, trotz Eisenbahnen und Dampfschiffe, wenig um Das, was jenseits der Gränzen bei den deütschen Brüdern vor­ geht; man lies't viel, man kannegießert auch politisch, aber man vergißt daS Gelesene eben so schnell, und die Kannegießerei hat nicht den Boden politischer Bildung. Etwas anders sieht es bei den Bewohnern des deut­ schen Gränzzuges auö, die mit den Sprachgleichcn in nähere Berührung kommen; da herrscht Sympathie; auf sie pflanzt sich die Vorstellung fort, die, merkwür­ diger Weise, bei vielen nicht unter Preüssen's Scepter stehenden Deütschen zu einer lebendigem Klarheit gekom­ men ist, als bei uns, — der Gedanke nämlich an des Deütschen Vaterlandes innigste Einheit, die, warum soll ich's nicht frei heraussagen, unter den Auspicien von Preüssen's erhabener Autokratie erwartet wird! Diese Stimmung der deütschen VolkSstämmc scheint, mindestens im südwestlichen und nördlichen Deütschland ziemlich allgemein, ja, sogar unter den Hannoveranern verbreitet zu sein. Ich hatte in dieser Beziehung unlängst in Braunschweig, an öffentlicher Gasttafel, ein interessantes Gespräch, an dem, unter anderen Hannoveranern, Einer von der Unterwescr sehrlebhaften Antheil nahm. Sollte dem wackern Oppo-

sitionS-Manne dieses Buch zufällig zu Gesicht kommen, so erinnere er sich des 4. Oktobers

1844, und des

TerteS jener öffentlichen Unterhaltung, der da lautete: Deütschland und die............................. ! Das

zweite

Hauptwort

behalt'

ich

für

möge sich's jeder Leser ergänzen! (Geschrieben am Allerheiligen» Tage 1844.)

mich;

Übersicht des Inhalts.

Die Grundmacht des Preussischen Staats. Das

Land..................................................................................................

Seite 1

Geographische Lage.................................................................................

1

Größe und Gliederung...........................................................................

2

Bcgränzung............................................................................................ Polizeiliche (Zintheilung in Provinzen und RegierungS-Bezrrke .

4 7

Und in Kreise.

(Siehe Anhang No. I.)......................................... 11

Natürliche Beschaffenheit des Landes..................................................... 13 Obeiflachen-Geftalt................................................................................. 13 Mittlere Kamm oder Plateau. Hohe, und Hohe der Scheitel­ punkte in den Bcrgsystemen des Staatsgebiets

....

25

Geologische Anficht................................................................................. 27 Verbreitung des Mineral-Reichthums...............................................36 Bemerkungen über die Wassersysteme

............................................... 40

Der Rhein S. 40, die Weser S. 42, die (Slfrc S. 43, die Sder S. 44, die Weichsel S. 44, der Memelstrom S. 45. Verminderung dcö Waffcrstandes S. 45. Klimatische Beschaffenheit............................................................................40 Warmc-Dcrtheilung.................................................................................. 40 Charakter der Luftströmungen................................................................ 57 Vertheilung der wässrigen Meteore.....................................................60 Verkeilung der Gewitter......................................................................66 (Zinfiuß der Temperatur aus die Vegetation................................... 67 Charakter der Flora in den c.nzclncn Provinzen.............................. 73 Larrdwirthschastlich benutzter Boden und Kultur-Gewächse Andeütungen zu einer Geographie und Statistik der Fauna

. .

. .

91 98

Das Volk...................................................................................................... 104 Über des Volkes Zahlen-Verhältnisse................................................... 105 Volksmenge.................................................................................................105

XII

Übersicht de- Inhalt-.

Seite Verhältniß m inännlichcn Bevetterung \\a weiblichen . . . 107 Alte,-stufen . . ,........................................................................ 100 Vertheilung de- Bell- in dieProvinzen undRegiernng-Bczirte IIl Vclk- - Dichtigkeit......................................................................... 113 Veil- Zuwachs..............................................................................118 Abstammung de- Bell-........................................................................122 selten oder Lil lauer................................................................... 126 Uber die alten Preussen und den Urfviumj de- NamenPreussen ...................................................................................126 Slawen....................................................................................... 141 Franzosen....................................................................................... 101 Deutsche....................................................................................... 102 Juden............................................................................................. 171 Zigeuner...................................................................................... 176 Nachtrag über die fremdenNationalitäten................................. 209 Spaltung de- Belt- in die UrchllchenGenossenschaften . . . 176 Gemischte (4hen zwischen Mitgliedern der evangelischen und der römisch.latbet'schen Kirche............................................................. 1^3 Stände Per schieden beit........................................................................186 Beribeilung de- Belt- in Land- und Stadlbcwobncr; städtische B'ebn platze....................................................................................... 194 Uber die sZinwehnerZahl derHauptstadt de-Staates . ' . 204

Per gleich u n g der Gruudmacht de^ Preulsis.l'en Staat- mit der Grundmacht der übrigen eüropälschcn Großmächte .... 20>

Die Kultur des Preussischen Staats. D ie i n l e l l e l t u e l l c 2 b ä t l g l e i t............................................... 216 G e i n igc .Kultur............................................................................ 21^ Verbreitung der Grundlage aller geistigen Bildung . . . 2is Unterrichtsmittel........................................................................ 225 Elementarschulen....................................................................... 229 Mittel- und Bürger sch ulrn........................................................ 230 -hebere Bürger- und Realschulen.............................................. 232 Spezialschulen für bestimmteLebenszwecke................................ 242 Pro - Gymnasien ....................................................................... 243 Schullehrer-Seminare.............................................................. 244 Gymnasien..................................................................................247

Übersicht de- Inhalt-.

xiu

Seite Höhere Bildungs-Anstalten für einen bestimmten Lebeu-beruf 249 Die Universitäten........................................................ 251 Anstalten zur Förderung der Wissenschaften und Künste . 255 Geistiger Verkehr......................................................... 258 Sittliche Kultur......................................................... 265 Mittel zur Förderung der Sittlichkeit......................... 269 Negative Daten zur Beurtheilung der Sittlichkeit ... 27 t Sittlicher Zustand der Familien.................................. 271 Ehescheidungen............................................................. 272 Unehelich Geborene.................................................... 275 Hang zum Verbrechen an der ganzen Gesellschaft . . . 278 Die schweren, tode-würdlgen Verbrechen ....................... 284 Selbst- Eotleibungen.................................................... 288 Positive Daten zur Würdigung der sittlichen Kultur . . . 290 Handlungen der Vorsicht........................................... 290 Handlungen der Wohlthätigkett ..................................... 292 Noch einige Anstalten zur Förderung der sittlichen Kultur . 294 Die materielle Thätigkeit........................................... 296 Physische Kultur......................................................... 296 Zustand der Landwirthschast im Allgemeinen................297 Der Ackerbau im Besondern.......................................310 Wieseuwirthschaft......................................................... 328 Ergebnisse de- Ackerbau- nach allen Richtungen .... 329 Geldwerth der Erzeügnlffe der Acker- und Wlesenwirthschaft 339 Viehzucht ....................................................... .... . . 339 Pferdezucht..................................................................340 Rindvieh-Wirthschaft.................................................... 344 Schäferei-Wirthschaft ................................................... 357 Ziegenzucht.................................................................. 358 Schweinezucht..............................................................358 Einzelheiten über Fleisch-Nutzung.................................. 359 Nutzungen au- der Viehzucht....................................... 361 Federviehzucht.............................................................. 363 Seidenbau.................................................................. 364 Bienenzucht.................................................................. 367 Fischerei...................................................................... 367 Forst- und Waldwirthschaft........................................... 368 Jagd............................................................................372 Bergbau und Hüttenbetrieb................... •...................... 374 Rekapitulation de- Roherträge- der Hauptzwelge der physischen Kultur.................................................................. 383

xiT

Übersicht de- Inhalt-.

Seite Technische Kultur '................................................................... 384 Industrie im engern Sinn.........................................................365 Branntweinbrennerei................................................................... 356 Bierbrauerei ..............................................................................358 Cfsigfabrikaticn............................................................................. 359 Zuckersiederei............................................................................. 369 Chokelaten-, Cichorien- und andere Fabrikation .... 391 rabacko. Fabrikation................................................................... 391 deinen - Manufaktur...................................................................393 Seilerei ..................................................................................... 396 Wcllen-Manusaktur................................................................... 396 Baumwollen-Manusaktur..............................................................399 Seiden Manufaktur................................................................... 401 Bandfabrikatiou und Struinpfrvirkcrei....................................402 Färberer und Druckerei..............................................................403 Leder-Manufaktur........................................................................ 403 Gewerbe der Niemer, Sattler, Handschuhmacher, Kürschner, Schuhmacher und Schneider.............................................. 404 Hut-Fabrikatiou ........................................................................ 405 Holzwaarcn Fabrikation..............................................................406 Tischler..................................................................................406 Böttcher oder Faßbinder........................................................ 407 Stell- und Radcmachcr.........................................................405 Metallwaaren - Fabrikation........................................................ 405 Thon- und Glaswaaren. Fabrikation.........................................410 Papier-Fabrikation . '............................................................. 413 Müller-, Bäcker- und Flcischcrgcwcrk.........................................415 Bau.Gewerke: Zimmerleüte und Maurer.............................. 417 Handelswescn............................................................................. 419 llnniittelbare Handciogewcrbe................................................... 420 Großhandlungen...................................................................421 Materialbandlnngen.............................................................. 425 Auofchnltt- und kurze Maaren Handlungen......................... 425 'h'fin.', Gttraidel'andlilngen...................................................426 Holzhandel............................................................................. 427 Kramhandel............................................................................. 427 Umherziehende Kiämer........................................................ 429 Kokerei................................................................................... 428 Echankwirtbschaften..............................................................428 Bewlrtbung- - Lliisialten........................................................ 429 Mittelbare Handel-gewerbe........................................................ 430 Rhederei................................................................................... 430

Übersicht de- Inhalts. Stromschifffahrt

kv

Seite ......................................................................... 432

Gewerbe de- FrachtfuhrwerkS........................................... 433 Die vorzüglichste» Handelsplätze........................................... 435 See-Verkehr............................. (siehe Anhang No. II.) und 439 Im Besondern von (Stettin.................................................442 Und des Binnenhafens Berlin.................................. Umfang des Handels-Verkehrs mit dem Anslande •

. .

. .

443 445

Beförderungsmittel des Handels...........................................450 Land- und Wasserstraßen......................................................450 Sifenbahnen............................................................................. 451 Anderweitige Anstalten znr Förderungdes Handels .

.

459

Das Postwesen................................................................. 459 Die Königliche Hauptbank.......................................... 460 Das Königliche SeehandlungSrInstitnt....................461

Der Organismus des Preüssischen Staats. Die Verfassung..................................................................................... 470 Von den Rechten und Pflichten des Staats im Allgemeine» . Von dem Verhältniß des Staats gegen feine Bürger ....

470 470

Verhältniß des Landesherrn zum Staate............................................. 472 Rechte de- LandcSherrn ..........................................................................472 Majestäts-Rechte................................................................................472 Privatrechte des Landesherrn.........................................................475 Verbrechen gegen den Staat................................................................... 476 Abfassung der Gesetze............................................................................... 476 Organe für die Berathung der Gesetze..............................................477 Der Staatsrath................................................................................ 478 Provinzialstände............................................................................... 461 Ständische Ausschüsse.......................................................................... 499 Ständische Kommunal-Landtage.............................................................. 493 Kreis-Stände................................................................................................495 Stadt-Gemeinden

..................................................................................... 497

Richterliche Gewalt und Gerichts-Verfassung....................................... 498 Don den Rechten des Fiskus.............................................

504

Verhältniß der Kirche zum Staat im Allgemeinen............................512 Oberaussichtsrecht über die Kirchen-Gesellschaften............................ 515 Bemerkungen über den Zustand der evangelischen Kircke . . . 517 Wehr Verfassung...........................................................................................522

XVI

Übersicht des Inhalts.

Seite Die Regierung des Staats.................................................... 528 Geschäftsgang im Kabinet des Königs...................................... 533 Titel des Monarchen.............................................................. 533 Wappen ................................................................................. 534 Ritterorden und Ehrenzeichen.................................................... 535 Die Verwaltung................................................................... 537 Form der Verwaltung.............................................................. 539 Die Zentral Organe derselben................................................ 539 DaS Staats-Ministerium................................................ 539 Die einzelnen Mini» icn mit den, zu ihrem unmittelbaren Ressort gehörigen Behörden........................................... 540 Andere höhere Staats-Behörden...................................... 551 Die Provinzial-Organe der gesammteninnern Staats-Verwaltung 554 Die Ober-Präsidenten .................................................... 554 Diöcefan-Eintheilung der römisch-katholischen Kirche . . 559 Die Konsistorien und Provinzial-SchulKollegien .... 560 Diöeesau-Einthcilung der evangelischen Kirche .... 562 Die Medizinal Kollegien..................................................... 563 Die Regierungen.............................................................. 564 Organe der Regierungen ............................................... 570 Orts -Polizei-Verwaltung............................................... 571 Die Staatskräfte................................................................... 573 Finanzkräfte............................................................................ 574 Staats-Einnahmen und Ausgaben in fünfEpochen seit 1832 . 575 StaatS-HauShaltungS Etat für das Jahr1944 .......................... 578 Spezielle Nachweisung der Einnahmen...................................... 581 Und der Ausgaben...................................................................594 Zustand der Staatsschulden.....................................................608 Gcsammt-Übersicht aller Fonds der Haupt-Verwaltung der Staats­ schulden (Anhang No. III.) D>'c Wehrkraft des Staats ........................................... ' . 628 Übersicht der Armce-Eintheilung und des OuartierstandeS im Jahre 1644. (Anhang No. IV.) Das äußere Staatsleben.................................................... 635 Preussens Stellung im europäischen Staatensnsteni, und im deut­ schen Staatenbunde.............................................................. 635 Seine Stellung int Zollvereine................................................ 636 Diplomatischer Verkehr.............................................................. 642

Darstellung d er

Grundmacht des Preussischen Staats.

Das Land. (Sin Staat besteht aus Land und Leuten.

Unter diese bei­

den Begriffe läßt sich Alles zusammen fassen, was den Staat, seiner Grundmacht nach, angeht.

Ich beschäftige mich hier

zuerst mit dem Lande. Geographische

Lage.

Der Preüssische Staat liegt auf der Erdkugel zwischen den Parallel-Kreisen von 49° 8' und 55° 54' nördlicher Breite. Der südlichste Ort in demselben ist das Dorf Rilchingen ober­ halb Saarbrück, der französischen Stadt Sarregemuines ge­ genüber; der nördlichste Punkt ist bei dem Dorfe Nimmersatt, 3 Meilen nordwärts über Memel, an der russischen Gränze. Aus dieser Lage des Staats, in Beziehung auf den Ab­ stand vom Aequator, folgt, daß, ohne Rücksicht auf Strah­ lenbrechung, der längste Lag am südlichsten Ende Preüffen's etwas über 16 Stunden und am nördlichen Ende 17 Stun­ den 20 Minuten lang ist, was also einen Unterschied von 1| Stunden ausmacht. In der Richtung von Westen nach Osten liegt der Preüssische Staat zwischen der» Meridianen von 3® 32' und 20° 32' östlicher Länge von der durch die Pariser Sternwarte gezo­ genen Mittagslinie.

Der westlichste

Punkt

liegt bei dem

Dorfe Millen, im Achener Regierungsbezirk, wo derselbe mit dem Herzogthume Limburg gränzt; der östlichste Punkt ist das Städtchen Schirwind im Regierungsbezirk Gumbinnen, unmittelbar an der Gränze mit dem Russischen Reiche.

Statistik d. Preüss. Staat».

1

Aus der angegebenen Ausdehnung des Preussischen Staats in der Richtung der Parallelkreise folgt, daß zwischen dem öst­ lichen Ende

und dem westlichen

ein Zeitunterschied

von 1

Stunde und 8 Minuten obwaltet; woraus ferner hervorgeht, daß wenn es in Schirwind Mittag, Uhr aus dem

oder

12 Uhr ist, die

Kirchthurme des Dorfes Millen

(wenn eine

vorhanden ist!) erst 10 Uhr 52 Minuten Vormittags zeigt. Größe und Gliederung. Die deutschen Erdbcschreiber pflegen die Größe der Län­ der vermittelst eines Maaßes zu bestimmen, das, streng ge­ nommen, keine bestimmte Größe hat.

Diesem Flacheninaaß

liegt die Lange einer sogenannten geographischen oder deut­ schen Meile zum Grunde.

Man sagt, diese Meile sei dem

löten Theil

vom

eines Grades

Erdumfänge gleich.

Die

Größe dieses Erdumfangs, werde er nun im Erdgleicher oder in einem der Erdmeridiane gemessen, kennen wir aber nicht nach einem bestimmten Maaße, z. B. in Fuß oder Ruthen; abgesehen davon, daß der Äquator eine andere Größe hat, als die Erdmeridiane.

Die Bestimmung der wahren Größe einer

deütschen Meile hängt von der Kenntniß der wahren Gestalt der Erde ab, und diese kennen wir noch nicht mit mathema­ tischer Gewißheit.

Daher

kommt

es

denn auch, daß die

mehrgedachte Meile bald I960, bald 1971 Ruthen lang sein soll.

Das ist eine Ungewißheit von 5 Ruthen,

die bedeu­

tend wird, wenn es sich um Hunderte von Meilen handelt, und sich außerordentlich steigert, wenn vom Flächenmaaß die Rede ist, da alsdann die Unbestimmtheit zum Quadrat er­ hoben wird. Zweifel dieser Art können gar nicht aufkommen, wenn der Erdbeschreiber bei seinen Grüßen-Bestimmungen das lan­ desübliche, das gesetzliche Meilen-Maaß zum Grunde

legt,

Größe und Gliederung.

3

und in der That, so verfahren auch die österreichischen unter den deutschen Geographen, die Engländer, die Franzosen, die Schweden, die Russen. Warum sollen wir denn davon eine Ausnahme machen? Die preussische Maaß- und Gewichts-Ordnung vom 16. Mai 1816 bestätigt als landesübliches Meilenmaaß eine Meile, die genau 2000 Ruthen, oder 24000 preüß. Fuß lang ist. Eine preussische Quadratmeile hat demnach die Größe von 4 Millionen Quadratruthcn, und da 180 dieser Qua­ dratruthen auf 1 Morgen gehen, so ist unsere landesübliche Quadratmeile 22,222| dieser Morgen groß, die von Alters her Magdeburgische, seit Erklärung der Maaß- und GewichtSordnung aber Preüssische heißen. Der Preüssische Staat nimmt innerhalb der oben ange­ führten Parallelkreise und Meridiane einen Raum ein, der 4924,43 preüß. Quadratmrilen groß ist. Das Land bildet nicht ein zusammenhangendes Ganzes, sondern besteht aus zwei, in der Richtung von Osten nach Westen, neben einander liegenden Theilen, die durch fremd­ herrliche Gebiete getrennt sind. Es entsteht so ein östlicher und ein westlicher Theil, von denen jener die Hauptmasse des Landes bildet, indem er 4096,71 Quadratmeilen groß ist, und somit $ des ganzen Staates ausmacht, während dieser, der westliche Theil, nur i des gesammten Flächenraums, oder 827,72 Quadratmeilen enthält. Die Trennung der beiden Theile des Staats geschieht durch kurhessisches, braunschweigisches, hannoversches und lippesches Gebiet. Auf der kürzesten Linie sind sie 7\ Meilen von einander entfernt, und diese Linie fallt auf die Straße, die von Heiligenstadt, ausschließlich durch kurhessisches Gebiet, über Kassel nach Marburg geht.

(.titvpf »»r tj'licmumi.

4

Aber außer diesen beiden Hauptmassen des Staats ge­ hören zu seinen Bestandtheilen noch einige andre, von ihnen ganz abgesonderte innerhalb fremdherrlichen Gebiets liegende Stücke, die im Verhältniß zum Ganzen nur klein sind, denn sie betragen nur etwa östlichen

Hauptmasse,

zahlt werden.

25 Quadratmeilen,

wovon

15 der

10 aber dem westlichen Theile zuge­

Ich werde sie in dem folgenden Paragraphen

namhaft machen. Hier ist aber noch zuvor zu erwähnen, daß das Staats­ gebiet auch einige Inseln zu seinen Bestandtheilen zählt, näm­ lich Rügen, 15j Quadratmeilen groß; und die am Ausfluß der Oder belegenen Inseln Usedom und Wollin, die zusam­ mengenommen einen Flächenraum von 11 Quadratmeilen ein­ nehmen; sodann noch den Zingst und Dar-.-,

2j Quadrat­

meilen vor der ncüvorpommerschen Küste. Gränzen. Für den östlichen Haupttheil ist die Gränze gegen Nor­ den, Osten und Süden ziemlich regelmäßig. stößt diese Hauptmasse an die 102 Meilen; gegen Osten

Gegen Norden

Ostsee auf einer Länge von

ist sie vom Russischen Reiche auf

176 Meilen, und vom Freistaate Krakau auf 3 Meilen begränzt; gegen Süden von der Österreichischen Monarchie auf 83 Meilen und vom Königreich Sachsen auf 35 Meilen. Die westliche Gränze dagegen ist sehr verwickelt.

Zum

großen Theil von den kleineren Bundesstaaten des mittlern Deütschlands gebildet,

liegen einige derselben ganz,

andere

zum Theil bald innerhalb des preüssischen Gebiets, bald sind kleine, abgesonderte Theile des letzteren von jenen umschlossen. Die drei Anhaltischen Herzogthümer, die niedere Graf­ schaft Schwarzburg, das großherzoglich sächsische Amt Allstedt, das koburg-gothaische Amt Volkenroda, der hannoversche An

theil an der Grafschaft Hohenstein, das braunschweigische Amt Kalvörde, und dir Mecklenburg-schwerinschen Dörfer Retzeband und Rostow, sind theils ganz, theils in ihrem größten Umfange vom preüfsischen Gebiete umgeben. Dagegen sind die preüffischrn Landestheile Gefäll, Zie­ genrück, Kamsdorf, der ganze Kreis Schleüsingen, sodann Wandersleben, das Amt Bennekenstein, die sämmtlich zum Erfurter Regierungsbezirk gehören, ferner die zum Magde­ burger Bezirk gehörigen Ortschaften Hehlingen und Wolfs­ burg, und die pommerschen Dörfer Dukkow und Zettentin ganz von fremdherrlichem Gebiete umschlossen; wahrend an­ der« Landestheile, wie u. a. der Erfurter Kreis, mit dem Gan­ zen nur in geringer Berührung stehen. Sieht man ab von diesen verwickelten Gränzverhältnissen — die sich auf einer guten Specialkarte, z. B. der gro­ ßen Stielrr'schen von Deütschland, besser übersehen lassen, als sie durch Beschreibung deütlich zu machen sind, — und be­ trachtet nur den Gränzsaum der zusammenhangenden Masse so ergiebt sich, daß diese westliche Gränze eine Ausdehnung von 176^ Meilen hat. Davon treffen 35| Meilen auf die Gränze mit Sachsen-Weimar und Sachsen-Gotha, von der Elster bis zur Werra, 78 Meilen auf den Gränzzug mit Kurheffen, Hannover und Braunschweig, von der Werra bis zur Elbe, und 63 Meilen auf die Gränze mit den beiden Großherzogthümern Mecklenburg von der Elbe bis an die Ostsee. Im Ganzen genommen hat also die östliche Hauptmasse des Staats einen Gränzzug von 575t Meilen Ausdehnung, wovon 472 Meilen, oder etwa $, eine Landgränze, t aber deS ganzen Zuges, oder die übrigen 102 Meilen eine Wassergränze sind.

Der westliche Landestheil hat ebenfalls abgesondert in sremdherrlichem Gebiete liegende Bestandtheile, nämlich den Kreis Wetzlar des Regierungsbezirks Koblenz, und die zum Mindenschen Bezirk gehörige Stadt Lügde; und an seiner Ostseite ist seine Gränze fast eben so verwickelt, als die vor­ herbeschriebene Westgränze der Hauptmasse. Der Preüssische Staat gränzt hier an acht verschiedene deutsche Bundesstaa­ ten, nämlich an Hannover, Lippe-Schaumburg, Lippe,Braun­ schweig, Kurhessen, Waldeck, das Großherzogthum Hessen und an Nassau; und dieser Gränzzug hat eine Ausdehnung von 8H Meilen; gegen Süden sind eS die baierischen, landgräflich-hessischen und oldenburgischen Länder auf dem linken Rheinufer, welche von der Nahe oberhalb Kreüznach bis zum Einfluß der Blies in die Saar, auf eine Länge von 40 Mei­ len die Gränze bilden; gegen Norden wird die Gränze dieses Landestheils ganz vom Königreich Hannover gebildet auf ei­ ner Länge von 44 Meilen; er steht also von diesen drei Sei­ ten mit deütschen Bundesstaaten in Berührung vermittelst ei­ ner Linie, die 168^ Meilen lang ist, was auch zum größten Theil auf dem 92£ Meilen langen westlichen Gränzzuge der Fall ist vermöge des Großherzogthums Luxemburg und des Hrrzogthums Limburg. Fremde Gränzländer sind hier Bel­ gien und Frankreich. Mit dem ersten Königreiche ist die Gränze 9, mit dem zweiten 13f Meilen lang. Eingeschlos­ sen in diesen Landestheil ist das fürstlich Lippesche Amt Lippe­ rode auf der Gränze zwischen den Regierungsbezirken Mün­ ster und Minden. Nach der vorstehenden Auseinandersetzung hat mithin der westliche Landestheil des Preüssische» Staats einen Gränzumfang von 261 Meilen, wovon jedoch nur i'T auf wirkliches, nicht deütsches, Ausland fällt.

Beide Theile zusammen genommen haben eine Gränze von 836^ Meilen Ausdehnung, und davon treffen i auf der Ostseite gegen das Russische Reich, Tlr auf der Westseite ge­ gen Belgien und Frankreich und J auf die Meeres-Gränze oder die Ostseeküste. Diese ziemlich weitläufige Erörterung der Gränzverhältniffe kann vielleicht unfruchtbar scheinen; das ist sie aber nicht, wenn auch trocken in der Darstellung. Sie ist im Gegen­ theil zur Beurtheilung mancher Verhältnisse im innern sowol als äußern Leben des Staats von äußerster Wichtig­ keit, was an späteren Stellen dieser Schilderungen deutlicher hervortreten wird. Polizeiliche Eintheilung des Staats. Ein Staat von der Größe, wie der Preussische, kann nicht von einem einzigen Punkte auS regiert und verwaltet werden. Der Staat ist ein Verein, der das Recht zur Grund­ lage, und die irdische Wohlfahrt und Glückseligkeit seiner Glie­ der zum Zwecke hat. In diesen wenigen Worten liegt die einfachste Erklärung des Begriffs Staat, die mit philosophi­ schen RrdrfloSkeln erörtert, den gesunden Menschenverstand der größten Zahl meiner Leser nur verwirren würde. Wie jener Zweck zu erreichen sei, das ist die große, die sehr schwierige Aufgabe der Regierung, die zur Lösung des­ selben eines Aufwandes von sittlicher Kraft bedarf, wie in keinem andern menschlichen Verhältnisse mehr, das auf das diesseitige Leben berechnet ist. Denn der Staat ist das Höchste, was der Mensch in weltlichen Bestrebungen zu erringen vermag; der Staat vertritt aus Erden das, was wir im jenseitigen Leben, in der Gemeinschaft der Geister zu erwar­ ten den festen Glauben haben. Er umspannt darum auch

8

Polizeiliche üinll,e,lui>g

als seine wesentliche Stütze die Kirche oder diejenige Anstalt die dazu berufen ist, das Geistliche in unserm Gemüthe zu wecken, zu erhalten und zu befestigen, das Herz zu bessern, es zu trösten und aufzurichten in der schweren Noth, die ihm durch sich selbst oder durch andere kalte, versteinerte Herzen auferlegt wird,

es immer vollkommner

und gottähnlicher zu

machen in der Borbereitungsschule des diesseitigen Lebens für die Verrichtungen in eben demselben, wie ganz besonders für die frohe Aussicht auf die Ewigkeit. Die Kirche hat den Staat beherrscht, so, daß dieser in jener untergegangen war;

seit den Tagen der Reformation

ringt der Staat nach der Herrschaft über die Kirche, und es ist zum Theil nicht ohne Erfolg gewesen. Beider Streben ist vom Übel.

Weder der Staat ist der

Diener der Kirche, noch die Kirche die Dienerin deS Staats. Die Kirche sowol als der Staat sind

Anstalten

auS dem

Willen Gottes entsprungen, beide haben gleiche Rechte, aber auch gleiche Pflichten.

Sie sind gesonderte Ergießungen Ei­

ner Quelle, die für die Menschheit der Born deS Lebens ist. Das ist mein Glaubensbekenntniß in politisch, kirchlichen Dingen, das keines Schmucks bedarf weder von philosophi­ schen Redensarten der modernen Staatskünstler, noch von sal­ bungsvollen Christo.

HerzenS - Ergießungen

der geliebten Brüder in

Ich spreche so, wie es mir aus der Seele kommt.

Doch, um für jetzt auf den Staat allein zurückzukom­ men, so bedarf seine Regierung zur Erreichung des Staats Zwecks einer Menge vertheilet sind.

Werkzeügc, die in dem Staatsgebiete

Daraus folgt von selbst, daß dieses in ge­

wisse Abtheilungen zerlegt sein müsse, innerhalb deren jene Werkzeüge den Willen der Staats-Regierung zur Ausführung bringen.

de« Staat« - Gebiet«.

9

Im Preüssischen Staate sind die Vollstrecker des Gesetzes in allen denjenigen Dingen, welche eine der Hauptrückfichten im Staate ausmachen, die unter dem Namen der Regierun­ gen bekannten Behörden, deren Wirkungskreis in raümlicher Beziehung auf gewisse Bezirke ausgedehnt ist. Mehrere die­ ser Regierungs-Bezirke bilden sodann die größeren Abtheilun­ gen der Provinzen, deren jede einen Oberpräsidenten an der Spitze der Verwaltung hat. Diese Eintheilung des Staats in Provinzen und Regie­ rungs-Bezirke nennt man die polizeiliche oder politische, weil auf ihr die Anwendung der, in der Staatsweisheit begrün­ deten Regeln der Verwaltungskunst beruht. Nicht bl» Größe des Flächenraums, auch nicht die Ein­ wohnerzahl ist bei dieser politischen Eintheilung die alleinige Führerin gewesen, auch geschichtliche und Verfassungs-Ver­ hältnisse der einzelnen Landschaften, aus denen die Preüssische Monarchie innerhalb der letzten vier Jahrhunderte zu ihrem gegenwärtigen Umfange sich ausgebildet hat, sind bei dieser Eintheilung maaßgebend gewesen; und dies erklärt die Ver­ schiedenheit der Größe der Regierungsbezirke, welche das nach, stehende Tableau übersichtlich darstellt. Wir entnehmen daraus, daß unser Vaterland in 8 Pro­ vinzen und 25 Regierungs-Bezirke eingetheilt ist. Sechs dieser Provinzen, nämlich: Preüssen, Posen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen bilden, mit ihren siebenzehn Regierungs-Bezirken die östliche Haupt­ masse, — die beiden übrigen Provinzen aber, Westphalen und die Rheinprovinz, mit acht Regierungs - Bezirken die klei­ nere Westhälfte des Staats.

Polizeiliche 6'intheilimg

10 Provinzen.

I. Preussen

.

.

II. Posen .

.

.

III. Brandenburg IV. Pommern

V. Schlesien .

.

VI. Sachsen

.

.

Größe in Q.-Mln, Reg.Bez. | Prov. 1. Königsberg . 394,68 2. Gumbinnen . 288,39 1139,22 147,26 3. Danzig . . 308,89 4. Marienwerder 311,08 318,83 5. Posen . . 207,75 6. Bromberg 7. Potsdam . . 369,91 706,86 336,95 8. Frankfurt 229,08 9. Stettin . . 10. Köslin . . 250,04 555,54 76,42 11. Stralsund . 12. Breslau . . 239,96 717,30 13. Oppeln . . 235,05 242,29 14. Liegnitz . . 203,21 15. Magdeburg . 182,54 445,46 16. Merseburg 50,71 17. Erfurt . . 127,82 18. Münster . . 355,84 19. Minden . . 92,53 20. Arnsberg. . 135,49 21. Köln . . . 70,01 95,87 22. Düsseldorf . 106,03 471,88 23. Koblenz . . 24. Trier . . . 126,81 73,16 25. Achen . . . Regierungsbezirke.

VII. Westfalen

VIII. Rheinprovinz

Ganzer Staat.........................................................

4924,43

Als im Jahre 1815, in Folge der Wiener Kongreß-Be­ schlüsse, der Preussische Staat seinen gegenwärtigen Umfang erhielt, wurde er, bei der ein Jahr spater erfolgenden Ein­ richtung der Berwaltungsbehörden, in zehn Provinzen einge­ theilt: Preussen bestand aus den zwei Provinzen Ost- und Westpreüffen, wovon jene aus den Regierungsbezirken Königs­ berg und Gumbinnen, diese aus den Regierungsbezirken Dan-

re« Staat; - Gebiet«.

11

zig und Marienwerder zusammengesetzt war. Sodann zer­ fiel die Rheinprovinz in die Provinz Kleve-Jülich-Berg, de» stehend aus den heütigen Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln, und aus der Provinz Niederrhein, welche von den Bezirken der Regierungen zu Koblenz, Trier und Achen gebildet ward. Auch gab es damals 28 Regierungen: eine zu Reichenbach für die schlesischen Gebirgskreise, eine zweite zu Berlin für die Hauptstadt des Landes und ihren weiteren Polizeibezirk, eine dritte zu Kleve. Der Bezirk von dieser ist später unter die Verwaltung der Düsseldorfer Regierung gestellt und die schlesischen Gebirgskreise sind mit dem Breslauer Regierungs­ bezirk vereinigt worden. Die Regierung zu Berlin wurde späterhin gleichfalls aufgelöst und ihre einzelnen Geschäfts­ zweige theils der Potsdamer Regierung, theils abgesonderten Verwaltungen überwiesen, die unmittelbar unter den Mini­ sterien stehen Es würde der Regierungs-Behörde nicht gut möglich sein, die Polizei-Verwaltung innerhalb ihres VerwaltungsBezirkes allein auszuüben. Dazu ist das Gebiet der Bezirke zu groß, dazu sind die Eingesessenen, deren Interessen wahr­ genommen werden sollen, zu zahlreich. Die Regierungsbe­ hörde bedarf eine- Unter-OrganS zur Vollstreckung des Ge­ setzes; und dieses Organ besteht in den Landrächen für die große Masse des Landes, und in eigenen Polizei-Behörden für einige der größeren Städte des Staats. Das Gebiet, in welchem ein Landrath fungirt, wird ein Kreis genannt. Der Staat ist gegenwärtig in 333 Kreise eingetheilt, so daß ein jeder im Durchschnitt zwischen 14 und 15 Geviert­ meilen groß ist. Die Provinz Preüssen besteht auS 56, Posen aus 26, Brandenburg aus 33, Pommern aus 25, Schlesien aus 57,

Sachsen aus 41, Westfalen aus 35, und die Rheinprovinz aus 60 Kreisen. Von den Regierungs-Bezirken enthält in der Provinz Preussen: der Bezirk Königsberg 19, Gumbinnen 16, Dan» zig 8 und Marienwerder 13 Kreise. In der Provinz Posen: der Regierungsbezirk Posen 17, und der Bezirk Bromberg 9 Kreise. In der Provinz Brandenburg: der Bezirk Potsdam 16, und der Bezirk Frankfurt 17 Kreise. In der Provinz Pommern: der Bezirk Stettin 12, Kös­ lin 9 und Stralsund 4 Kreise. In der Provinz Schlesien: der Bezirk Breslau 22, Op­ peln 16 und Liegnitz 19 Kreise. In der Provinz Sachsen enthält der Bezirk Magdeburg 15, der Bezirk Merseburg 17 und der von Erfurt 9 Kreise. In der Provinz Westfalen: der Bezirk Münster 11, Min­ den 10 und Arnsberg 14 Kreise. In der Rheinprovinz endlich besteht der Regierungsbezirk Köln auS 11, Düsseldorf aus 13, Koblenz aus 12, Trier aus 13 und Achen auS 11 Kreisen. Der Anhang I. giebt ein vollständiges Namens-Verzeichniß der landräthlichen Kreise des Preüssischen Staates. Diese Unterabtheilung in Kreise ist nicht plötzlich ent­ standen. Sie hat sich aus den Bedürfnissen der Zeit ganz allmälig entwickelt; und wie jeder Zeitabschnitt seinen eigen­ thümlichen Charakter hat, so schreitet auch sie mit diesem Cha­ rakter fort und läuft ihm parallel. Wenige Jahre nach der Reorganisation der Preüssischen Monarchie, innerhalb ihres gegenwärtigen Umfanges, hatte der Staat 338 Kreisbehörden, gegenwärtig beträgt ihre Zahl fünf weniger

Obkrsächen - Gkftalt.

13

Natürliche Beschaffenheit deS Landes. Ob erstächen Geftal t.

Die Oberfläche des Preüffischen Staate» gehöret zum allergrößten Theile der großen Ebene an, die sich von den Küsten des deütschen Meeres und der Ostsee auf einer Aus­ dehnung von bis 5 Breitengraden bis an den Saum der Bergketten und Vergebenen erstreckt, die das mittlere Deütschland erfüllen. In diesem Flachlande liegen, ihrem ganzen Umfange nach, die Provinzen Preüffen und Pommern, Posen und Branden­ burg; sodann mindestens drei Biertheile, oder vier Fünftheile, d. i. das nordöstliche und nördliche Gebiet von Schlesien und die größere Nordosthälfte der Provinz Sachsen. Und von der kleineren Westhälfte des Staats trägt der nordwestliche Theil von Westfalen und der nördliche Abschnitt der Rheinprovinz diesen Charakter der Oberflächen-Gestalt. Man würde indeß in einen großen Irrthum verfallen, wollte man annehmen, daß dieses Flachland in seiner ganzen Ausdehnung überall eine Ebene von gleichem Niveau, oder von gleicher Erhebung über der Meeresfläche sei. Die» ist keineswegeS der Fall! Es findet gerade das Gegentheil Statt: — der allgemeine Charakter dieser Ebene ist gar manchfaltig unterbrochen und verändert durch Erhöhungen und Vertiefun­ gen, die dem Lande ein wellenförmiges Ansehen verleihen, welches zuweilen so ansehnlich ist, daß der Reisende sich in ein Bergland versetzt zu sehen glaubt. In dieser Beziehung ist besonders der breite, plateau­ artige Landrücken bemerkenswerth, welcher die baltische Küste begleitet und die beiden Provinzen Preüffen und Pommern ganz erfüllt, indem er an der westlichen Gränze der zuletzt

14

Ober-ächt» - Gestalt.

genannten in die Mecklenburgischen Lande eintritt und weiter westwärts nach Holstein rc. fortsetzt. Dieser baltische Landrücken fällt im Allgemeinen ziemlich steil gegen die Ostsee-Küste ab, ganz allmälig aber verläuft er sich gegen Süden, wo er, in Ostpreüssen, dem Gebiete des polnischen Narew-Flusses, in Westpreüssen aber auf dem rech­ ten Ufer der Weichsel dem des Gränzflusses Drewenz ange­ hört. Auf dem linken Ufer der Weichsel, die diesen Land­ rücken zwischen Fordon und der Montaner Spitze quer durch­ bricht, bildet das Netze-Thal, und nach der Vereinigung des­ selben mit dem Warte-Thal, dieses letztere seinen südlichen Fuß. Auch die Oder zwischen Oderberg und Stettin un­ terbricht ihn, auf dem linken User dieses Stromes ist das Fi­ now.-Thal seine südliche Gränze. Dieses baltische oder preüssisch-pommersche Hügel-Plateau zeigt die Eigenthümlichkeit, daß es in der Mitte seiner Län­ gen - Erstreckung seinen Scheitelpunkt erreicht, von dem aus es gegen Osten und Westen niedriger wird. Vom Meere aus gesehen, oder auch von Süden her, — ließe sich die ganze Erstreckung wirklich übersehen — würde cs die Gestalt eines wenig geneigten Daches darbieten, dessen Forst auf der Gränze zwischen Westpreüssen und Pommern, oder zwischen den Re­ gierungsbezirken Danzig, Marienwerdcr und Köslin belegen ist. So weit bis jetzt genaue Höhenmessungen gemacht wor­ den sind, steigt die Höhe dieses Landrückens über den allge­ meinen Wafferpaß des Meeres, in Ostpreüssen nur an einem Punkte über 700 preüssische Fuß, und an drei Punkten über 600 Fuß. Diese Punkte sind: der Schloßberg von Wildenhof, süd­ lich von Königsberg, nordwestlich von Landsberg, 726' über dem Meere; der Haasen-Berg, eine Meile nördlich von Wilden-

Oberflächen - Gestalt.

15

Hof 616'; das Dorf Trunz, 1| Meile nordöstlich von El­ bing 633'; und der Goldappsche Berg, i Meile südlich bei der Stadt Goldapp 603'. Die zunächst höchsten Erhebungen Ostpreüssens sind: — Der Hügel südöstlich bei dem Dorfe Klein Maranzen, 564' über dem Meere; dieser Ort liegt 1s Meile nördlich vom Ursprung der Alle, der 429' hoch ist; der Erdrücken östlich von dem Dorfe Lindenwalde (f Meile südöstlich von Hohenstein) 529'; der Schloßberg von Neidenburg 548'; und der Stablack-Wald; eine hüglige Waldkette zwischen Preüssisch Eilau, Zinken, Kreüzburg und Landsberg 595'; dies ist ein Höhenknoten, von welchem die Gewässer nach allen Richtungen abfließen. Es wurde oben erwähnt, daß der Scheitel des Plateaus auf der Gränze zwischen Pommern und Westpreüssen anzu­ treffen sei. Aycke, der hypsometrische Monograph dieser Ge­ genden bemerkt darüber Folgendes: — „Dieses Hochland — und er wählt diesen Ausdruck nur als Bild, denn von einem wirklichen Hochlande, z. B. dem spanischen in Eüropa, oder gar dem mexikanischen in Amerika, kann natürlicher Weise nicht die Rede sein, — „dieses Hochland wird von wellen­ förmig-zusammenhängenden, mitunter auch durch Schluchten zerrissenen Hügelreihen gebildet, die am Meeresufer sowol, als landeinwärts sich häufig verzweigen, und öfters zu nicht unbedeütenden kegelförmigen Höhen erheben, die mehrstenS sehr ausgedehnte Fcrnsichten gewähren. Durch, oft in großer Menge, vorzüglich auf ihrer nach Norden abhangenden Ober­ fläche zerstreute, halb eingesenkte Felsblöcke, sogenannte Fündlinge, und zu Hügeln aufgehäufte Gerölle von Urgebirgsarten; durch die in tiefen, jähen Einschnitten rasch hinrauschenden Flüsse uud Bäche; durch Torfmoore von manchfaltiger Aus­ dehnung und niedriges, verkümmertes Gestrüpp, gewinnt man

16

Oberflächen-Gestalt.

oft die Ansicht einer völligen Gebirgs- (— ich würde sagen: Berg-) Gegend im Kleinen. Die anmuthigsten Thaler, zahl­ reiche Landseen, Bache und Flüsse durchziehen dieses oft sehr sterile Stein- und Sand-Terrain. Klöster, Landgüter und Kirch­ dörfer unterbrechen sehr erfreulich die Einförmigkeit der Ge­ gend, wo Laub- und Nadelwälder, Wiesen und Haiden in manchfaltiger Gruppirung oft sehr überraschende Ansichten und romantisch-liebliche Landschaften zusammenstellen." Es würde die Gränzen dieser statistischen Umrisse weit überschreiten, wollt' ich dem Monographen des — Hochlandes von Pommerellen, wie diese Gegenden in alten Zeiten hießen, in allen seinen Einzelheiten folgen; darum versetze ich den geneigten Leser sofort in die Gegend des, zum Danziger Re­ gierungsbezirk gehörigen Städtchens Wehrend, in dessen Nähe, kaum 2 Meilen nordöstlich davon entfernt, am südlichen Rande der Radaune-Seen, die sehr markirte Gruppe der Schönbergr sich erhebt. Diese Gruppe ist der Forst des Dachs. Er steigt von SSO. nach NNW. über £ Meile allmälig an und erreicht an seiner Nordseite seine größte Höhe in dem Thurm­ berge, also genannt seit dem halben Jahrhundert, welches ver­ flossen ist, als Tertor, der erste, welcher die Geodäsie im Preüssischen Staate praktisch übte, hier ein thurmähnliches trigo­ nometrisches Signal errichtete. Dieser Thurm - Berg, der in 54® 13' 29" nördl. Breite und 15° 47' 27" östlicher Länge vom Pariser Meridian belegen ist, erhebt sich nach Baeyer's geodätischer Messung 1050', nach Aycke's Barometer-Beob­ achtungen aber 1058' über den, nur etwa 6 Meilen entfernten Ostseespiegel bei Danzig. Diese Höhe ist nicht allein der Kulminationspunkt des Pommerellischen Hochlandes und überragt bei weitem alle Anhöhen in West- und Ostpreüssen, sondern ist, wie Berghaus

in einem Sendschreiben an Alexander vön Humboldt bereits 1835 bemerkte, auch deshalb merkwürdig: „daß zwischen dem Harze und dem Ural fein höherer Punkt gefunden wird. Erst jenseits des Wiatka-Flusses, tief im Innern von Russland, findet fich eine gleiche hohe Erhebung, und gegen Süden müssen wir uns an 80 Meilen vom Ufer der Ostsee-Küste entfernen, um dieses Niveau der Schönberge (54° i S3r.) im Innern deS deutschen Berglandes aufzusuchen, im Thale der Moldau nämlich, wo BudweiS (unter 49° Breite) eben so hoch liegt." Die Oder hat aufder Strecke ihres Durchbruch- deS pommerschen Landrückens zu beiden Seiten Thalränder, die, mit Rücksicht auf das außerordentlich tiefe Niveau ihre- Bettes (denn der Nullpunkt des Pegels bei Oderberg liegt sogar unter dem Wasserspiegel der Ostsee) sehr hoch genannt »erben können. So der brandenburgischen Stadt Schwedt gegen­ über, wo, unfern des Dorfes Hohen. Kränig, das fein Eigen­ schaftswort mit allem Rechte verdient, der Thalrand 437' über dem Meere liegt; diese Höhe entspricht einem Punkte, der gegen die unmittelbar darunter fließende Oder ungemein jäh abstürzt und den Namen Koboldsberg führt, muthmaßlich weil in der Erinnerung der Anwohner allerlei Sagen von geister- und gespensterhaften Umtrieben, die sich an diese An­ höhe knüpfen, fortleben mögen. Die große Handelsstadt Stet­ tin, Pommem'S Hauptstadt, ist am Abhänge des linken ThalrandeS erbaut, daher ein großer Theil ihrer Straßen abschüs­ sig ist; und unterhalb dieser Stadt sind Frauendorf's, Gotzlow's und Züllichow's Umgebungen durch ihre romantische Berg-Natur in ganz Pommern berühmt; da liegt das Dorf Neüendorf, dessen Kirchthurmknopf 424' über dem Wasserpaß der Ostsee bei Swinemünde steht, — nach Baeyer's Messungen. Statistik d.Preüss. Staats.

2

Auch die Inseln, welche vor der pommerschen Küste liegen, Wollin, Usedom und Rügen, sind keinesweges stach und eben; auf ihnen tritt sogar das nackte Gestein, — welches auf dem festen Lande in dem vorher beschriebenen Plateau durch das Diluvium und Alluvium überall verhüllt ist, — zu Tage, und Rügen's klippige Halbinseln, Jasmund und Wittow, wo die Stubbenkammer mit dem 500' hohen Friedrich-WilhelmsStuhl, und Arkona's Borgebirge mit seiner, zur Sicherheit der Schifffahrt errichteten Seeleüchte, prangen, sind in jedem Sommer das Ziel tausender von Lustreisenden, die sich aus dem Geschäftsgewühl der großen Städte in der heitern Natur der rügianischen Land- und Seewelt erfreuen wollen. Ein zweiter Zug von Hügel«Plateaur erstreckt sich auf der Südseite der Netze und des Finow durch die Provinzen Posen und Brandenburg. Ueber seine Beschaffenheit im Großherzogthume weiß ich — Nichts zu sagen, denn dort hat man eS bis jetzt nicht der Mühe werth gehalten, Etwas für die Kenntniß desselben zu thun. Im Brandenburgischen spaltet sich dieser Zug in mehrere abgesonderte Glieder, unter denen die inselartige Erhebung, welche von der Oder, Spree, Havel und dem Finow begränzt wird, verhältnißmäßig sehr ansehn­ lich hervorragt. Ihre höchsten Punkte liegen unfern der Oder bei Freienwalde. „Bon Berlin aus, — heißt es in Berg­ haus' Sendschreiben an Alexander von Humboldt — ist das Aufsteigen zu dieser bedeütendsten Höhe der Mark Branden­ burg kaum wahrzunehmen; man merkt es nicht, daß man sich mehr, als vierhundert Fuß über den Spiegel der Spree erhoben, — oder eine Höhe erstiegen hat, welch anderthalb Mal die des Thurmes der Marienkirche in Berlin beträgt; — man merkt dies, wie gesagt nicht, weil der Niveau-Unter­ schied auf eine Länge von sechs Meilen vertheilt ist; um so

überraschender ist die Senkung gegen das Oderthal, die plötz­ lich und ohne Unterbrechung Stattfindet und, auf der Länge von nur einer halben Meile, beinahe hundert Kuß mehr, als jener Aufstieg beträgt". Der Scheitelpunkt dieser brandenburgischen Hügelinsel hat eine absolute Höhe von 503' über dem Ostsee-Spiegel; er führt den Namen — Semmel-Berg, und liegt beim Sternkruge an der Straße, die von Berlin nach Freienwalde führt, eine Meile von dem romantischen Brunnen-Thal dieses Städtchens. Ein dritter Zug von mehr oder minder zusammenhan­ genden Hügelketten läßt sich sehr wahrscheinlich im südlichen Theile des Großherzogthums Posen, und von da aus west­ wärts über Grüneberg und Guben, beide Orte durch ihre Wein- und Obstgelände (bekannt, sodann über Fürstenwalde und Berlin bis Potsdam und darüber hinaus, verfolgen. Bei der Hauptstadt der Monarchie zeichnet sich in jenem Zuge diejenige Höhe aus, auf der Friedrich Wilhelm III., „den Ge­ fallenen zum Gedächtniß, den Lebenden zur Anerkennung, den kommenden Geschlechtern zur Nacheiferung", ein hehres Denkmal errichtete, da», aus Eisen, die Erinnerung an eine zwar eiserne, aber eben so glorwürdige Zeit, der spätesten Nachwelt erhal­ ten wird. Es ist der Kreüzberg, dessen Bebrütung in den Herzen der Jugend und künftigen Geschlechter immer frischen Andenkens erhalten werden muß! Die bedeütendste Höhe in diesem dritten Zuge scheint bei Potsdam zu liegen, in der großen Kunersdorfer Forst, wo, am südlichen Ufer des Schwilow-Sees, die Anhöhen des Forstrevier- Schmeerberg 400' über dem Meere stehen. Endlich einen vierten Zug einer relativ hohen BodenAnschwellung erkennt man in dem nördlichen Theile Schlesien's, dem südlichen Brandenburg und dem nördlichen Ab2*

^bcrsiächen-Gestalt.

20

schnitte der Provinz Sachsen.

Dieser Zug ist nur schmal und

hat sehr nahe die Gestalt einer Plateau- und Hügelkette, de­ ren Zusammenhang

nur

durch die Haupt-Querthäler

der

Oder und Elbe, so wie durch die Nebenthäler des Bobers, der Lausitzer Neisse und der Spree unterbrochen ist. Stellen wir un6 in die nordöstliche Ecke des RegierungsBezirks Oppeln, so stehen wir auf dem östlichen Ende dieses Zuges, der daselbst, aus dem russischen Königreich Polen herein­ ziehend, das Preussische Gebiet betritt.

Von Woscheck, an der

Landesgränze, erstreckt er sich durch die nördlichen Gegenden der Regierungsbezirke Oppeln, Breslau und Liegnih, wo die Städte Lublinitz, Rosenberg, Kreützburg, Reichthal, Oels, Trebnitz, Wohlau, Winzig, Steinau, Gr. Glogau, Freistadt und Sa­ ga» innerhalb seines Bereichs gelegen sind.

Auf ihm erheben

sich, bei Woscheck der Zobelberg 1210' und der Lubschauer Berg 1230' über das Meer, wahrscheinlich als seine Scheitel­ punkte unmittelbar all der polnischen Gränze.

Bei Rosenberg

kennt man die Höhe der kleinen Kuppe auf der Südseite der Rochuökapelle daselbst, — sie betragt 983'.

Unter den Treb-

nitzer Anhöhen, die man daselbst ein Gebirge zu nennen pflegt, erreicht der Bentkauer Berg, der 4 Meile südlich von dem Städt­ chen Trebnitz entfernt ist, ein« Höhe von 880' über demMeere. Wie die Höhen - Verhälrnisse dieses Zuges innerhalb desLiegnitzer Regierungs-Bezirks beschaffen seien, weiß ich nicht; auf einer Forsetzung aber gegen Westen durch die Brandenbur­ gische Mark und die Provinz Sachsen, — wo er mehrentheils den Karaktrr einer hohen Ebene, die gegen Norden steil ab­ fällt, und den Namen des Flämings annimmt, wahrscheinlich weil diese früher von Slawen bewohnten Gegenden, nach de­ ren Berdrängnng durch die Deütschen, von niederländischen oder flamländischen Ansiedlern wieder in Kultur gesetzt wur-

ObkrftLchtn-Gksialt.

2t

den, — kennt man die Zahlenwerthe der Anschwellung an mehreren Punkten, darunter im Frankfurter Regierungsbezirk die Höhe deS Rückenbergs bei Sorau 745' über dem Meere, und im Potsdamer Bezirk daS Belvedere auf dem GolmBerge bei Baruth 607', das Dorf Hagelsberg bei Belzig 714' über der Ostsee. Von da auS fällt der Plateau-Zug in der Richtung auf die Stadt Burg allrnälig ab gegen die Elbe; aber jenseits dieses Stroms, auf dem linken Ufer desselben, erhebt er sich wieder, durchschneidet, in verhältnißmäßig geringem Zusam­ menhange die nördliche Hälfte des Regierungsbezirks Magde­ burg oder die Altmark, wo die Höhen von Gardelegen die ansehnlichsten seiner Erhebungen zu sein scheinen, und schließt sich

dann

auf hannöverschem Gebiete

an

die

Lüneburger

Heide an. Diese vier Reihen von Hügel- und Plateau-Erhebungen können alS eben so viele Stufen oder Terrassen angesehen werden, welche der Boden-Plastik der großen Osthälfte des Preüssischen

Staats

einen so

manchfaltkgen

Wechsel

von

hoch und tief verleihen, daß die gewöhnliche Ansicht, welche der Süddeutsche von der Natur und Art unseres norddeütschen Landes zu haben pflegt, indem er meint, wir wohnten auf einer platten, wagerechten Ebene, tief erschüttert wird. Freilich, — es ist wahr, die Erhebungen unseres Bodens sind nur Schwellen, Anhöhen, nur Hügel; aber neben ih­ nen liegen Senkungen,

die nur eine sehr geringe absolute

Höhe haben, und darum tritt der Gegensatz zwischen Fuß und Gipfel ziemlich merkbar in die Erscheinung, weshalb wir auch so gern geneigt sind, das einen Berg zu nennen, was im Munde des Süddeütschen nur ein Hügel ist; — der Begriff beider Ausdrücke ist sehr relativ!

Qbcrflächcn-Gestalt.

22

Jene Senkungen werden aber durch die großen Strom­ thaler bezeichnet, die in der doppelten Form des Quer-, und des

Langenthals

auftreten.

Der geneigte Leser darf nur

einen Blick werfen auf die erste, beste Karte vom Preussischen Staate, um sich von der Lage jener Thalsenkungen und ihrer zwiefachen Gestalt zu überzeügen; eine weitläufige

Ausein­

andersetzung dieser Boden-Verhältnisse würde hier nicht am rechten Orte sein.

Ich will nur auf daS Dritte dieser Lan-

genthäler die Aufmerksamkeit lenken, auf dasjenige, welches sich auf der Südseite der vierten Terrasse erstreckt, eine breite Weitung, die sich von der oberschlesischen Hochebene herab­ senkt und die fruchtbaren Ebenen des mittleren und RiederSchlesiens enthalt,

sodann in

die Oberlausitz eintritt und

in der Richung auf Torgau, Eilenburg, Halle und Halber­ stadt fortsetzt, hier überall mit demselben Karaktcr der Ebene voll üppiger Getreidefelder.

Sie, diese Weitung breitet sich

zwischen jener vierten Hügelstust und dem nördlichen Fuße des deütschen Berglandes aus, von dem, wie ich bereits oben er­ wähnt habe, der Preüssische Staat, innerhalb seiner großen Osthälfte, nur einen geringen Antheil besitzt. Soll ich nun eine Orographie schreiben von diesem An­ theil? Soll ich der Reihe nach aufzählen, und den Zusammen­ hang nachweisen der Glieder, welche diesen südlichen Bergund Gebirgskranz des Preüssischen Staates bilden? Soll ich von den Sudeten sprechen, von der Glatzer Hochterrasse und ihren Gebirgsrändern, vom Riesen- und dem Jsergebirge, von den Lausitzer Bergen, vom Harze und dem Thüringischen Berglande? Soll ich von alle dem eine vollständige Übersicht geben nach Gruppen, Ketten, Rücken, Kuppen, nach Abhän­ gen, Thälern und Ebenen? Ich glaube, das ist vom Überfluß!

Der geographische

C bcrflächkn - Gestalt.

23

Unterricht ist in unsern Preussischen Schulen allgemach so weit gediehen, daß ich von dem werthgeschätzten Leser dieser Umrisse wol mit Recht voraussetzen darf, er habe in seiner Jugend, — ich stelle mir nämlich mein Publikum unter den erwachsenen, gesetzten Männern vor, — so viel Geographie gelernt, daß ihm die Gebirgskenntniß des Vaterlandes zie^nlich vertraut geworden und vertraut geblieben sei; denn die Schule hat seit den letzten dreißig Jahren einen gar großen Werth gelegt auf eben diese Kenntniß im Allgemeinen sowol, als im Besondern auf die vaterländische Bergkunde. Ja, ich mögte fast der Meinung sein, daß die Schule diesen Zweig der Erdbeschreibung zu sehr in den Vordergrund geschoben und auf Unkosten aller übrigen ihrer Bestandtheile befördert habe, was einen geringen Takt der Lehrer und Lehrbuchschreiber verräth, denen gewisse Ideen vorzuschweben pflegen, die sie entweder nicht von der richtigen Seite aufzufassen, oder nicht gehörig zu verarbeiten vermögen. ES ist lange üblich gewesen, die Höhe der Gebirgs- oder Bergketten nach ihren kulminirenden Spitzen zu beurtheilen; man wußte z. B. daß der Chimborazo 22000', der Mont­ blanc 14700', die Schneekoppe 5000', der Brocken 3500' hoch sind und sagte: so hoch sind die Andes von Südamerika, die eüropäischen Alpen, das Riesengebirge, der Harz. Man hielt sich an das Maximum der Erhebung, weil nur dieses bekannt war; denn es war natürlich, ihm, als dem hervor­ ragendsten Theile, die Aufmerksamkeit zuerst zuzuwenden. Von diesem Verfahren ist man aber zurückgekommen. Die Mes­ sungen der Berghöhen sind wesentlich vervielfältigt worden; man hat nicht blos die Bergspitzen, sondern auch die Bergpässe gemessen, die Einsenkungen zwischen den Gipfeln, die den eigentlichen Kamm eines Gebirges bezeichnen. Man hat

Überbein die Abhänge der Berge und die Thäler gemessen, und ist auf diese Weise allmälig zu einer genäherten Kennt­ niß des Reliefs der Gebirge und Bergketten gelangt, einer Kenntniß, die, in Beziehung auf einige Gebirge Deutschlands, wenig zu wünschen übrig läßt. Dazu gehören auch die des Preüssischen Staats. Wenn man sämmtliche Höhenbestimmungen eines Gebirgskamms oder auch eines ganzen Berglandes als Ordina­ len einer Kurve ansieht, die auf eine wagerechte Ebene reducirt werden soll, so entsteht der Begriff der mittleren Höhe des Kamms, des Berglandes, der zur Beurtheilung der Ober­ flächengestalt und der damit in Zusammenhang stehenden an­ deren physischen Erscheinungen viel lehrreicher und wichtiger ist, als wenn man eine Reihe von Höhenzahlen aufgeführt sieht, die nichts anders ausdrücken, als isolirte Thatsachen, deren jede einzelne zwar ihren Werth hat, keinesweges aber geeignet ist, ein Bild von dem Gesammt-Charakter der senk­ rechten Ausdehnung einer Gebirgskette, eines Plateaus, zu geben. Die kleine Westhälfte des Preüssischen Staats besteht zum allergrößten Theil aus einem Berglande, dem man, aus geologischen Gründen, den Namen des Niederrheinischen Schiefergebirgs beigelegt hat, unter welcher allgemeinen Benen­ nung eine Menge örtlicher Namen zusammen gefaßt sind, wie Hunsrücken auf der Südseite des Moselthals, Eifel und Hohe Been auf der nördlichen Seite desselben Thals; und auf dem östlichen Rheinufer: Taunus zwischen Main und Lahn, — nicht auf preüssischem, sondern auf nassauischem Gebiete, — Westerwald, zwischen Lahn und Sieg, dessen westliches Ende, sammt den Sieben Bergen dem Preüssi-

Oberflächen-Gestalt.

25

schen Staat« angehören; das Sauerland zwischen der Sieg und der Ruhr. Dieses Niederrheinische Schiefergebirge streicht von SW. nach NO., und nimmt die größere Südhalfte der RheinProvinz so wie fast den ganzen Arnsberger Regierungs-Be­ zirk der Provinz Westfalen ein. Der nordöstliche Theil der zuletzt genannten Provinz, oder der Regierungsbezirk Min­ den, nebst einem Abschnitte vom Münsterschen RegierungsBezirke, liegt dagegen innerhalb eines anderen Bergsystems, das in seiner Hauptrichtung von SO. nach NW., als west­ lichster Flügel der Bergketten der Osthalfte des Staates an­ gesehen werden muß, und worin die Egge und der Teütsburger Wald am meisten hervortreten. Übersicht der mittleren Kamm- oder PlateauHöhe und der Höhe der Scheitelpunkte in den Berg­ systemen des Preüssischen Staats. Kammhöhe.

Höhe der Scheitelpunkte.

Sudeten...................... 3900' Der große, oder Glatzer, Grulicher,Spieglitzer oder mährische Schneeberg. 4554' Riesen-Gebirge............ 4000' Die Schnee- oder Riesen­ koppe.........................5102' Thüringer Wald. .. . 2500' Der große Beerberg.. . 3170' Harz........................... 1900' Der Brocken...... 3630' Nirderrheinisches Geb. 1800' Der Feldberg (auf fremd­ ländischem Gebiet) . . 2800' Hunsrücken............. 1700' Der Walderbsenkopf.. . 2405' Eifel........................ 1600' Die Hohe Acht.. 2421' Sauerland............... 1800' Der Astenberg.... 2625' Ein gewöhnliches Verfahren der Reduktion vieler Höhen­ bestimmungen auf ein einziges Niveau, oder der Bestimmung

C L'crfläd)rn (J'ciIjII.

26

der mittleren Höhe, läßt sich auch aus politisch oder polizeilich begränzte Räume anwenden. So findet man, daß der Hirschberger Kreis im Regie­ rungsbezirk Liegnitz derjenige Theil des Preüssischen Staates ist, der sich am höchsten über die Meercsfläche erhebt, denn seine mittlere Höhe beträgt 2870', wenn der innerhalb seines Umfangs telegene Ricsengebirgskamm zur Redaction mit be­ nutzt wird.

Es beträgt ferner die mittlere Höhe des Kreises

Habelschwerdt im Regierungs-Bezirk Breslau 2170', des Krei­ ses Glatz in eben demselben Bezirk 1880', des Kreises Lands­ hut im Bezirk Liegnitz 1790', u. s. w. An diese Angaben über die absolute Höhe der Bergket­ ten , Plateaur und Kreise knüpft sich auf natürliche Weise die Bemerkung, daß das höchste bewohnte Haus im Preüssischen Staate die Hampelsboude im Riesengcbirge ist; sie steht auf dem Kamm des Gebirgs 4036' über dem Meere.

Das höchste

Dorf ist Brückenberg in eben demselben Gebirge 2610', und die am höchsten gelegene Stadt ist Gottcsbcrg im Waldenburger Kreise des Bezirks Breslau 1860' über dem Meere. Man hat berechnet, daß ungefähr j der Oberfläche des Preüssischen Staats dem Berg- und Gebirgslande angehört, mithin | dem Flachlande. die verschiedenen.Provinzen,

Jenes Gebirgs-Neüntcl ist über die ihm angehören, folgender­

maßen vertheilt: das Bergland bat in der Rheinprovinz mit i,s; in der Provinz Westfalen mit

in der Provinz Sach­

sen mit i'f und in der Provinz Schlesien mit i der Gesammtfläche Antheil an demselben. Es ist ferner berechnet worden, daß, wenn es möglich wäre, die Sudeten, das Riescngebirge, den Thüringer Wald und den Harz, so wie die westfälische» Berge und das Nicvcrrheinische Schiesergcbirge über die Oberfläche des Preüssi-

Oberflächen-Gestalt.

27

schen Staats gleichförmig auszubreiten, die Erhebung der, in Einem Niveau gedachten Gesammtmaff« des Landes nur um 10' erhöht, und dieses allgemeine Niveau alsdann etwa 460' über dem Wafferpaß des Oceans stehen würde. Die mittlere Höhe von Frankreich ist, nach A. von Humboldt's Bestimmung, etwa 820', oder fast noch eia Mal so groß, als die unseres Vaterlandes. DaS sind Ergebnisse gleichsam einer Spekulation arith­ metischer Geographie, die man vielleicht geneigt sein mögte für Spielerei der Liebhaberei zu halten; allein man erwäge, daß, wenn eS versucht wird, die mittlere Höhe der Kon­ tinental-Erhebungen über dem jetzigen Niveau der Meere zu bestimmen, dies soviel heißt, als den Schwerpunkt des LolumS der Kontinente über dem gegenwärtigen Meeresspiegel aufzufinden, was für die Anschauung auf einem höheren Stand­ punkte in der physischen Erdbeschreibung ein wichtiges «Element ist. Geologische Ansicht. Die Geologie, oder die Lehre von dem innern Gefüge der Gebirge, unterscheidet bekanntlich ungeschichtete und ge­ schichtete, versteinerungsführende Felsarten. Die ungeschichteten, krystallinisch-körnigen Gesteine pflegt man noch immer unter dem Namen des Urgebirgs zusammen zu fassen. Sie bilden die Centralketten und sind die Ursachen von der, durch Kräfte im Innern der Erde bewirkten, Erhe­ bung der Gebirge, die in einer Spalte Statt fand, deren Richtung durch die Hauptstreichungslinie der Centralketten nachgewiesen ist. Weil diese Gesteine durch innere Erdkräfte aus dem Schooße der Erde emporgehoben wurden, werden sie auch die plutonischen genannt, zum Unterschied der neptunischrn, worunter man die geschichteten Felsarten versteht, in deren Schichtenverband jene später eingedrungen sind.

28

0'celi\)i|’d?c Ansicht.

Die Plutonischen Gebilde, zu denen der Granit, Gneiß, Glimmerschiefer, Porphyr und Diorit rc. als Hauptfelsarten gehören, haben in den Bergketten des Preüssischen Staats keine große Verbreitung. ben hat im schlesischen

Die bedeutendste Erhebung dersel­ Gebirge

Statt gefunden,

wo sie

die Streichungslinie der Sudeten und des Riesengebirgs von der Südspitze der Grafschaft Glatz bis zur Gränze mit dem Königreich Sachsen bezeichnen, und auch ausserhalb dieser Li­ nie hervorgebrochen sind, so namentlich bei Strehlen.

Im

Thüringer Walde ist der Preüssische Antheil an dieser Berg­ kette, der Kreis Schleüsingen, fast ganz aus Urgebirge zu­ sammengesetzt; und im mittleren Theile der Provinz Sachsen sind diese Gesteine sowol an einzelnen Punkten des Harzes, wie am Brocken, seinem Kulminationspunkte, als auch in dem Hügellande,

nördlich

von Halle,

am Petersberge rc.

durch die versteinerungsführenden Schichten an die Oberstäche hervorgebrochen.

In der Rheinprovinz treten Plutonische Ge­

bilde in sehr geringer Ausdehnung zu Tage; auf der Süd­ seite des Hunsrückens ist das Granzgebiet des trierschen Krei­ ses St. Wendel und des oldenburgischen Fürstenthums Bir­ kenfeld aus ihnen zusammen gesetzt. Die

geschichteten

versteinerungsführenden

Gebirgsarten

lassen sich, nach ihrem relativen Alter in drei Perioden und eine jede derselben

in

verschiedene

Gruppen

zerlegen,

die

in den Preüssischen Landen mehr oder minder alle verbreitet sind.

Von den ältesten zu den jüngsten Schichten fortschrei­

tend, tritt In der ersten oder primären Periode — Die Gruppe der Grauwacke auf, zu welcher die Grau­ wacke , der sogenannte Übergangskalk oder Kalkstein der Grau-

wacke, der Grauwacken - und der Thonschiefer gehören. der Grauwacke und ihrem Kalkstein

ftnben

sich

In

die ersten

Spuren organischer Bildung, Überreste niederer Pflanzen und Thiere, von denen erstere den Familien der Tange, Calamiten, Lepidodendron

und Filiciten, letztere ausschließlich den

Weich- und Schaalthieren des Meeres angehören. Die Gebirgsarten dieser Gruppe haben im Preüssischen Staate eine sehr große Verbreitung.

Namentlich bestehet dar­

aus das Niederrheinische Schiefergebirge, woraus folgt, daß der größte Theil der Rheinprovinz und die große Südhälfte der Provinz Westfalen

aus ihnen zusammen gesetzt ist.

Die

Grundmaffe des Harzes gehöret dieser Gruppe an, und ihre Gebilde zeigen sich im flachen Lande der Provinz Sachsen, von Magdeburg

nordwestwärts längs

der Ohre.

Auch in

Schlesien sind sie verbreitet: längs des nördlichen Fußes des RiesengebirgS

und am südwestlichen Rande der Provinz auf

der Gränze mit dem österreichischen Antheil an dem Herzogthume Schlesien. Die Kohlen-Gruppe besteht aus dem alten rothen Sand­ stein, dem Bergkalk, mit vielen Arten von Korallen, Radia­ rien, Conchylien, Cephalopoden und Trilobiten, mit großen, von einzelnen Polyparien-Arten gebildeten Massen, auch ganz besonders ausgezeichnet durch die vielen Lertänen- und Spirifer-Arten; sodann

aus dem Steinkohlengebirge,

Kohlen­

sandstein und Kohlenschiefer, das unzählige, zum Theil schon sehr ausgebildete und riesenartige Farrnkräuter und selbst pal­ menähnliche Gewächse enthält, aber nicht reich ist an ThierÜberresten, die zu den Sumpf- und Küsten-Schaalthieren gehören. Die Gruppe des Steinkohlengebirgs hat im Preüssischen Staate keine große Verbreitung, und tritt, durch große Zwi-

schenräume getrennt, nur an einzelnen Punkten zu Tage.

So

auf der oberschlesischen Hochebene bei Tarnowitz, Nicolai und Tost; sodann ferner noch in Schlesien zwischen den Sudeten und dem Riesengebirge auf einer gekrümmten, hufeneisenarti­ gen Linie, die aus der Gegend von Glatz über Waldenburg nach Schönberg lauft.

In Westfalen findet man das Stein-

kohlengebirge wieder,

am westlichen Ende des Teütsburger

Waldes bei Jbbenbühren, und am Nordwest-Rande des Rhei­ nischen Schiefergebirgs im Thal der Ruhr zwischen Unna und Mühlheim; und in der Rheinprovinz

am

nördlichen Fuße

desselben Gebirgs bei Achen und Eschweiler, vornehmlich aber im südlichsten Gebiete dieser Provinz, wo das Steinkohlen­ gebirge seine größte Ausdehnung im Prcüssischen Staate be­ sitzt: in dem pfalz-zweibrückischen

oder saarbrückischen Ge­

birge, einem niedrigen, aus isolirten Berghaufen zusammen gesetzten Berglande, besten mächtige Steinkohlenflöhe von S. nach N. zwischen Saarbrück und Wadern, und nordostwärts durch den ganzen Kreis St. Wendel bis in die Gegend von Bingen streichen. Zur zweiten oder sekundären Periode

gehören folgende

Gruppen: Dir Gruppe des rothen Sandsteins umschließt das so­ genannte Rothe Todte oder Todtliegende, die Zechstein- und Kupferschiefer-Formation, den bunten Sandstein, die Mu­ schelkalk- und die Keüper-Formation.

Das Rothe Todte hat

seltene Überreste von einigen wenigen Schaalthieren; seine ver­ steinerten Hölzer gehören bereits den höheren Pflanzenfamilien der Mono- und Dicotyledonen an und zeigen deütliche Holz­ fasern und Jahresringe, zugleich findet man noch die Farmkräuter und Ealamiten der vorigen Periode.

In der Zech­

stein-Formation finden sich Fischabdrücke, besonders vom Ha-

ring in großer Zahl, sodann bessere Überreste höherer Wirbel­ thiere, des Protosaurus, viele Seeschaalthiere und Korallen. Der bunte Sandstein ist arm an organischen Überresten; sie bestehen in Zahnen und Schuppen von Fischen, einigen Bivalven, versteinerten Hölzern, Spuren von Nadelhölzern und Equiseten.

Die Muschelkalkstein-Formation hat viele Bival-

ven und Zoophyten, auch Krebse, Fische, Saurier;

in ihr

finden sich zuerst Knochen von Säugethieren, von Seehunden und Delphinen.

Im Keüper-Gebilde findet man häufig Ca-

lamiten und Equiseten, nebst einigen Farrnkrautern; Schaalthier- Reste sind äußerst selten;

von Wirbelthieren kommen

Fische und Saurier vor, nämlich Salamandroides giganteos, Mastodonsaorus, Phytosaurus. Die Felsarten dieser Gruppe haben in Schlesien eint geringe Ausbreitung. ebene

zwischen

dem

Sie finden sich dort auf der Hoch­ Tarnowitzer Kohlengebirge

und

der

Oder bei Krappitz, so wie an einzelnen Punkten des schle­ sischen Mittelgebirgs. der Provinz Sachsen,

Bon großer Verbreitung sind sie in so daß man sagen kann,

der Bo­

den desselben, soweit er dem Berg- und dem Hügellande an­ gehört, bestehe fast ausschließlich aus Gebirgsarten der rothen Sandstein-Gruppe, von Erfurt an bis Magdeburg und dar­ über hinaus längs der braunschweigischen Gränze.

Luch in

Westfalen tritt diese geologische Gruppe in ziemlich großen Strecken aus, namentlich

ist die Hochebene deS südlichen

Theils vom Regierungsbezirk Minden, im Fürstenthum Pa­ derborn, fast ausschließlich aus ihren FelSarten zusammenge­ setzt.

In der Rheinprovinz treten sie, im südwestlichsten Ge­

biete derselben, in großer Verbreitung auf, von Saarbrück an längs deS Saar-, und demnächst längs des Mosel-ThalS auf, um bei der Stadt Trier vorbei auf die Höhen der Eifel

32

öecliMiiM'e flnütvt.

zu steigen, deren nördlicher Rand, an den Quellen der Erft ebenfalls auS ihnen zusammen gesetzt ist.

Im großen Flach­

land« der Mark Brandenburg tritt ein Muschelkalk - Flötz bei Rüdersdorf unfern Berlin zu Tage. Die Jura-Gruppe, so genannt nach der Gebirgskette, welche die Schweiz von Frankreich trennt, besteht aus der Liasformation, die viele Überreste verschiedener Saurier, Fi­ sche, Muscheln, aber Korallen in geringer Menge

enthalt,

außerdem aber auch Abdrücke von Meergewächsen, und aus der Juraformation, die durch hellfarbige Kalksteine und den lithographischen Kalkschiefer ausgezeichnet ist, und außer den Pflanzenresten von denselben Familien, wie im Lias, aber andern Arten angehörig, Meerthier-Versteinerungen, haüfig in großer Menge enthält,

als Korallen in ganzen Felsen,

Echiniten und Madreporen in ganzen Bänken und Lagern, Saurier und Krokodile rc. Die Jura-Gruppe hat innerhalb der Preüssischen Lande nur eine ganz geringe Verbreitung; ihre Formationen, treten blos in der Provinz Westfalen in der Mindenschen Bergkette und dem Teütsburger Walde auf. Die Kreide-Gruppe besteht aus der Wald-, der Qua­ dersand- und der Kreideformation mit Land- und Wasser­ pflanzen-Resten, mit Schaalen von Küsten- und Meeresbe­ wohnern, besonders Nummuliten, Hippuriten, Belemniten, Fischen, Meerschildkröten und Überresten der riesenhaften Ei­ dechsengattung Mosasaurus. Innerhalb des Preüssischen Staats finden wir die Gebirgsarten

der

Kreidegruppe in der Provinz Westfalen am

nördlichen Fuße des Niederrheinischen

SchiefergebirgS,

so­

dann in dem Bergzuge der Egge und des Teütsburger WaldeS und in den Hügellandschaften des Regierungs-Bezirks

Geologische Anficht.

Münster.

33

Demnächst sind sie am nördlichen Fuße de- Harzes

verbrritrt und in der Provinz Schlesien hauptsächlich an vier Punkten: nämlich am nördlichen Fuße des Bergzuge-, welcher vor dem Riesengebirge liegt, zwischen Görlitz, Bunzlau und Goldderg, ferner in den Vertiefungen der Sudeten der Grafschaft Glaz, und in Oberschlesien bei Oppeln und Ribnik und längs der polnischen In

dem

Gränze zwischen Larnowitz und Schildberg.

großen

Flachlande

tritt

die

Kreidegruppe

an

mehreren isolirten Punkten zu Lage, so bei Frankfurt, bei Lemplin und Prenzlau in der Uckermark, bei Gützkow im Bezirk Stralsund, und an den rügianischen Vorgebirgen Stub­ benkammer und Arkona, so wie an einigen andern Orten. Die Waldformation im Besondern zeigt sich nur an der so­ genannten Westfälischen Pforte bei Minden. In die tertiäre oder dritte Periode gehören die Molaffe Gruppe, das Diluvium und da- Alluvium. Die Molaffe-Gruppe oder das Lertiärgebilde besteht aus der Braunkohlen- und Grobkalk-Formation und enthält Ver­ steinerungen von Meer- und Landconchylien, welche mit den noch jetzt in den Meeren und auf dem trockenen Lande Eüropa's lebenden viel Übereinstimmung zeigen; sodann gehören Insekten zu den Versteinerungen und die Tapire der Vor­ zeit, Paläotherien und Anoplotherien, Süßwasserschildkröten, Krokodile, Bögel- und Fischknochen.

Di« Pflanzenüberreste

deüten auf eine Flora, welche der jetzigen in Eüropa ana­ log Von den Tertiärgebilden kommt fast ausschließlich nur die Braunkohlen-Formation im Preüssischen Staate vor am nördlichen Fuße des Nicderrheinischen Schiefergebirgs zwischen Bonn und Jülich und bei Achen; und in dem großen Flach­ lande der Osthälfte des Staats an mehreren isolirten Punkten, Statistik d. Prcüff. Staat-.

3

34

Geologische Änjicht.

so bei Halle und Artern in der Provinz Sachsen, und bei Areienwalde, Fürstenwalde, Frankfurt, Zilenzig und Züllichau in Brandenburg, von wo sie in den Bezirk von Posen zieht; sodann bei Muskau und Ortrant und

an

der Inseln Wollin, Usedom und Rügen. tiärgebilden

gehörige Gips

mehreren Orten Der zu den Ter­

bricht bei Sperenberg im Regie­

rungsbezirk Potsdam. Das Diluvium besteht aus Ablagerungen großer, von heütigen Wafferlaüfen unabhängigen Überschwemmungen in der vorhistorischen Zeit, welche man gewöhnlich der in der Bibel erwähnten Sündfluth zuzuschreiben pflegt.

Man unterscheidet

bei diesen Ablagerungen die sogenannte Lösformation, wohin Lehm, Sand, Kies, Letten mit Thoneisenstein, so wie die Knochenbreccie in Höhlen gehören;

und die nordischen Ge­

schiebe oder erratischen Blöcke, die über das ganze Flachland nördlich einer Linie ausgestreut sind, welche mehrentheilS am nördlichen Fuße des Berglandes zieht, zuweilen aber auch an den Berggehängen

hoch hinauf steigt

und

tief inS Innere

des Berglandes hinein reicht, wie u. a. in Thüringen. Das Diluvium enthält

«ine große

Menge

von Kno­

chen großer fleisch- und grasfreffender Saügethiere und auch kleinerer Geschlechter, nicht minder von Vögeln, die theils im Lehm und Sand, theils in den Höhlen verschiedener Kalkfor­ mationen gefunden werden. DaS Alluvium ist die oberste Erdschicht, die noch fort­ während in der Bildung begriffen ist, und darum noch keine Formation genannt werden kann.

Sie besteht aus Anschwem­

mungen oder Alluvionen vonThon, Lehm, Sand, Kies und Ge­ schieben , auS noch immer sich bildendem Kalktuff, Sinter, Ra­ seneisenstein ,

Tors - und Jnfusorienlagern rc., und die orga-

Geologische Ansicht.

35

nischm Überreste können nur feste Bestandtheile noch leben­ der Thier- und Pflanzenkörprr sein. Endlich ist noch der vulkanischen Gebilde zu gedenken, welche auS Erzeugnissen neürer Feüerberge, dem Basalt, dem Augitporphyr, Lrachyt it. bestehen, und mit deren Auftreten das Vorkommen warmer Quellen verbunden zu sein pflegt. In den Preüssischen Landen bemerkt man zwei Gruppen der Erzeugnisse erloschener Vulkane, in Schlesien und in der Rhein­ provinz. In Schlesien zeigen sich Basaltberge einzeln zurrst bei Landeck und bis an und über die Oder bei Leschnitz, Schu­ lenburg, zwischen Falkenberg und Michelau, und nördlicher bei Rrichenbach. Noch weiter gegen Norden ist die ganze Gegend zwischen Strigau, Goldberg, Bunzlau und Görlitz bis an den Abhang des RiesengebirgS mit zahlreichen BasaltKuppen bedeckt. Warme Quellen sprudeln auf diesem Zuge zu beiden Seiten drS GebirgS, innerhalb deS Preüssischen Staats zu Landeck und Warmbrunn, und andere mineralische Wasser begleiten dieselben vornehmlich bei Reinerz, Eudowa, Altwasser, Salzbrunn, Flinsberg. In der Rhrinprovinz steht die Gruppe der kegelförmigen Trachyt-Berge deö Siebengebirgs auf dem rechten Ufer deS RheinstromS, im Süden der Stadt Bonn; und auf der Eifel erheben sich eine Menge isolirter Bergkegel und ringförmiger Felöhöhen der ausgebrannten Vulkane, welche daS Schiefergebirge durchbrochen haben, und deren becher- oder kraterförmige Vertiefungen nicht selten mit Teichen, sogenannten Maa­ ren angefüllt sind, unter denen der Lascher See der größte und berühmteste ist. Am nördlichen Fuße des SchiefergebirgS brechen die warmen Quellen von Achen mit einer Tempera­ tur von 69° und die von Burlscheit mit einer Temperatur von 3*

Mint»! > Reichthum.

36

68° i an die Oberfläche, und andere Mineralquellen,

wie die

bei Berterich, am Südrande de» vulkanischen Gürtels. Mineral-Reichthum. Es wird nicht am unrechten Orte sein, wenn

ich hier

eine Nachweisung von den Fundorten der Fossilien einschalte. Es werden im Preüssischen Staate gewonnen: 1) An Metallen: — Silber in dem Mansfelvischen Gebirgskreise der Provinz Sachsen,

im Siegenschen Kreise der

Provinz Westfalen und in Oberschlesien.

Kupfer vorzugsweise

im Mansfeldlschen, sodann auch in kleinern Quantitäten im Siegenschen und an einigen andern Punkten Westfalen's und in Schlesien.

Blei, und zwar Kaufblei am Rhein und in

Schlesien, Glatte in denselben Provinzen, und Alquifour oder Glasurerz, welches etwa 35 bis 40 Prozent metallisches Blei enthält, ausschließlich am Rhein. vinzen:

Eisenerz fast in allen Pro­

in Preüffen, Pommern, Brandenburg zwar nur als

Raseneisenstein oder Wiesenerz, und in diesen Provinzen aller­ dings nicht hinreichend für die Bedürfnisse des Landes; dage­ gen ist Überfluß an rohem Material, an eigentlichem Eisenstein, in Schlesien, besonders bei Tarnowitz in Oberschlesien, in Sachsen, bei Suhl und Eamsdors, vorzüglich aber in West­ falen, im Siegenschen und in der Rheinprovinz, auf der Eifel, an der Saar und der Ahr. Sachsen.

Kobalt im Siegenschen und in

Arsenik in Schlesien.

Galmei und Zink in Schle­

sien, der Rheinprovinz und in Westfalen;

verhältnißmäßig

hat weder England noch Frankreich, noch

sonst in Eüropa

ein Staat so viel Galmei, als der Preüssische, dem in diesem Metall ein reicher Naturfonds, besonders in Oberschlesien, ge­ geben ist.

Nach dem Preüssischen Staate, bemerkt Dieterici,

wird in Eüropa noch am meisten Galmei und Zink in Polen und Krakau gewonnen; indessen beträgt die ganze Produktion

Mineral - Sieichlhnm.

37

nur etwa J dessen, was Schlesien jährlich erzeugt. In der Rheinprovinz liegt der Haupt-Galmeischatz bei Achen, auf dem neutralen Gebiete von Moresnet, und der hier gewon­ nene Galmei wird in Lüttich verarbeitet; allein wie wichtig auch dieser Galmeiberg an sich und für Lüttich und Belgien sein mag, so ist der Gewinn doch unbedeütend, gegen Schle­ sien verglichen. 2) An brennbaren Fossilien: — Schwefel wird in Schle­ sien aus Schwefelkies dargestellt, indeß ist die Gewinnung sehr gering. Bernstein, ein etwas veränderter Harzsaft frü­ herer Baumpflanzungen, welche zu den Caniferen gehören. Er kommt beständig mit Baumrcsten vor, bildet kleinere und größere rundliche Massen, die aus Tropfen zusammengeflossen zu sein scheinen, und an ihnen erkennt man zuweilen Ab­ drücke von Baumrinden; er sitzt an Baumrinde, oder ist zwi­ schen fossilem Holze und Rinde abgesetzt, und schließt In­ sekten oder andere thierische und pflanzliche Theile ein. Man findet ihn in der tertiären Braunkohlen-Formation am häu­ figsten, zuweilen aber auch in älteren Formationen, von de­ nen auS er durch die Gewalt des Wassers in daS Diluvium und Alluvium in verhältnißmäßig neurer Zeit abgesetzt und angeschwemmt worden ist und fortwährend angeschwemmt wird. Im Preüfsischen Staat ist die Küste der ProvinzPreüffen sein vornehmster Fundort. Steinkohlen: die Fundorte dieses Fossils ergeben sich aus btt, in der geologischen Ansicht nachgewiesenen Verbreitung der Kohlen-Gruppen. Die größte Quantität Steinkohlen wird in Westfalen gewonnen; darauf folgt Schle­ sien , sodann die Rheinprovinz, und den Beschluß macht Sach­ sen, wo bei Wettin und Löbejün aber kaum der gesammten Produktion des Preüssischen Staats gewonnen wird. Braunkohlen in Sachsen, der Rheinprovinz und Branden-

38

Miacrol - Reichthum.

bürg. Torf in allen Provinzen, am meisten und vorzüglich­ sten aber in der Provinz Brandenburg. 3) An Steinen: — Einige Edelsteine, wie Chrysopras, Amethyst, Achat ic. findet man in Schlesien; und Alabaster in Sachsen. Marmor in Westfalen, am Rhein, in Schle­ sien (bei Prieborn), und ein vorzüglicher auf dem Har­ tenberg bei Wernigerode, in Sachsen, Vulkanischer Tuff und Tuffstein ist für die Rheinprovinz, auf der Eifel, von einiger Wichtigkeit. Serpentin findet sich in Schlesien. Mühlsteine find, von Sandstein, für Schlesien, Sachsen und Westfalen, und von Lava, für die Rheinprovinz von Bedeütung. Schleifsteine werden in Westfalen, Schlesien und Sachsen gewonnen. Kalk ist bekanntlich ein so unentbehr­ liches Baumaterial, daß kein größeres Land bestehen und für die Wohnungen der Bevölkerung gesorgt werden könnte, das nicht den hierzu nöthigen Kalk in der Hauptsache im Innern des Landes gewönne. Dennoch fehlt es bei uns in den, dem Diluvium angehörigen Provinzen Preüffen, Pommern und Posen an Kalksteinlagern; dagegen giebt es ihrer, wie aus der geologischen Ansicht bekannt ist, in allen übrigen Provin­ zen, so auch im Brandenburgischen das reiche Kalksteinlager von RüderSdorf. Gyps hat, außer seiner mehrfachen An­ wendung in Gewerben und Künsten, in neuester Zeit für die Landwirthschaft alS Mittel zur Verbesserung deS natürlichen BodenS gar sehr an Wichtigkeit gewonnen. In den west­ lichen Provinzen findet sich mehrfach Gyps, in der Rheinprovinz, Westfalen, Sachsen; sodann auch in Posen, beiJnowraclaw und Erin; auch ist Gyps in Schlesien. Er fehlt aber ganz in Pommern und Preüssen, weshalb der Gypsbruch in Rüdersdorf und besonders das sehr reiche Lager zu Sperenberg in der Mark Brandenburg für den Absatz nach

Osten sehr wichtig ist. Schiefer wird in dem Schiefergebirge am Rhein und Westfalen gewonnen. 4) An Thon-, Sand - und anderen Erdarten: — Por­ zellanerde bei Halle, Pfeifen- und Walker - Erde in Schlesien; Sandarten, viel und zur Glaöfabrikation geeignet, in fast allen Provinzen; von anderen Erdartm sind Ziegelerde und Mergel wichtig, die sich in allen Provinzen finden. 5) An Salzen: — Küchensalz wird in der Provinz Sachsen, auf den Salinen zu Ariern, Dürrenberg, Halle, Kösen, Kötschau, Schönebeck-Salza, Staßfurth und Teüditz; in Westfalen auf den Salinen Gottesgabe bei Rheine, Höppe bei Werl, Königsborn bei Unna, Neüsalzwerk bei Minden, Neüwerk, Salzkotten, Saffendorf und Westerkotten; in der Rheinprovinz auf der Saline Münster am Stein (Theodors- und Karlshallt) und zu Rilchingen; endlich in Pommern auf den Salinen zu Kolberg und Greifswald gewonnen. Die bedeütendsten Salzwerke find die sächsischen, auf sie folgen die westfalischen, die pommerschen, die rheinischen. Alaun wird gewonnen vorzugs­ weise in der Provinz Westfalen, und zwar im Siegenschen; sodann bei Schwemsal in der Provinz Sachsen, bei MuSkau im Bezirk Liegnitz, und in Oberschlesien; ferner bei Frrienwalde und Gleißen in der Mark Brandenburg; und in der Rheinprovinz in den Bergamtsbezirken Düren und Saar­ brücken, und auf dem Gebiete der Standesherrschaft Wildenbürg. Was endlich den Salpeter anbelangt, so haben — seitdem man zu der Einsicht gelangt, daß es angemessener sei, den von der Natur in Ostindien in Menge erzeügten Salpe­ ter im Wege des Handels zu beziehen, als ihn zur großen Belästigung der Bewohner des platten Landes künstlich zu schaffen, — bei uns die Salpeter-Plantagen sehr abgenommen.

40

Bemerkungen

und es giebt dämm nur noch einige Salpeter-Siedereien in Schlesien und Sachsen. Endlich ist auch der Mineralquellen Erwähnung zu thun, deren man in den Preussischen Landen,

mit Einschluß der

Salzquellen, 108 kennt, davon die meisten in Schlesien 33, in der Rheinprovinz 31,

in Sachsen 16,

in Westfalen 14'

in Brandenburg 7, in Pommern 5, in Preussen 2; im Um­ fange des GroßherzogthumS Posen sind keine bekannt.

Den

Namen der schlesischen und rheinischen Gesundbrunnen, deren bereits oben in der geologischen Ansicht gedacht wurde, gen noch die folgenden

hinzugefügt werden:

mö­

Lauchstädt in

Sachsen, Driburg in Westfalen, Kreüznach in der Rheinpro­ vinz, Freienwalde und Neüstadt-Eberswalde in Brandenburg. Bemerkungen über die Wasser-Systeme. Der Rhein, die Weser, die Elbe, die Oder, die Weich­ sel und der Memel-Strom, — diese sechs Ströme sind be­ kanntlich die Pulsadern des flüssigen und fließenden Elements im Preüssischen Staate. Keiner der Leser wird es von mir verlangen, daß ich hier eine geographische Beschreibung

von dem Laufe dieser

Ströme und ihren Zuflüssen, u. s. w. gebe; das find Dinge, welche als bekannt vorausgesetzt werden können.

Ich will

mich auf die Mittheilung einiger hydrologischen Thatsachen beschranken, die über die Natur des Fließenden einige Aufklä­ rung verbreiten können. Der Rhein.

Dieser schönste der deutschen Ströme, den

wir mit einem gewissen Wohlgefallen den „Vater" Rhein zu nennen pflegen, weil an ihm die Wiege der Kultur unseres Vaterlandes gestanden hat, betritt die Preüssischen Lande bei Bingen, durchbricht das Niederrheinischc Schiefer-Gebirge in icnem spaltartigcn

Thalc,

das

wegen seiner

romantischen

über dic Waffer-Systeme.

41

Schönheiten weit und breit in ganz Eüropa berühmt ist, und geht bei Bonn ins Flachland und damit in seinen Unterlauf über. Unfern der preüsstsch - niederländischen Gränze, aber schon auf niederländischem Gebiete, liegt der Punkt, wo sich der mächtige Strom in mehrere Arme zu dem gewaltigen Delta bildet, welches den größten Theil des Königreichs der Niederlande erfüllt. Emmerich ist die letzte preüssische Stadt am Ufer des Rheins, nur in geringer Entfernung oberhalb der DeltaSpitze. Dort ist, nach genauen Pegelbeobachtungen während eines 87jährigen Zeitraums von 1770—1836, der mittlere Wafferstand im Durchschnitt des ganzen Jahres 9' 6",8 ge­ wesen. In der jährlichen Periode zeichnen sich zwei Fluthen und zwei Ebben aus. Jene ereignen sich im Februar und März und im Juli und schwellen den Wasserspiegel in seinem mittleren Zustande um beinahe 2' an; diese finden im April und Mai und im Oktober Statt; die Frühlings-Ebbe bleibt 7", die Herbst-Ebbe 1' 3" hinter dem imaginären Wasser­ spiegel des Jahresdurchschnitts zurück. Ein so normaler Zu­ stand findet aber in der Wirklichkeit niemals Statt; wie alle Ströme, so hat auch der Rhein sehr starke Schwankungen sowol zur Zeit der Fluthen, als auch der Ebben. Die Größe dieser Schwankungen beträgt bei der Februar-Fluth 19' 1", bei der Juli-Fluth 11'4"; bei der FrühlingS-Ebbe im April 10' 6", bei der Herbst-Ebbe im Oktober 10' 9". Der höchste Wasserstand während der sieben und sechszigjährigen Beob­ achtungsreihe hat sich in den Jahren 1799 und 1809 ereig­ net. In dem zuletzt genannten Jahre erhob sich das Wasser am 28. Januar auf 24' 3" und in dem zuerstgenannten, am 21. Februar, sogar auf 24' 4" am Pegel zu Emmerich, und das Wasser stand 2' hoch in den Straßen der Stadt.

42

Beinerkuigea

Die Flüsse der gemäßigten und kalten Klimate können gleichsam als Wärmemesser im Großen gelten, wenn man die Epochen und Perioden in Erwägung zieht, während deren ihre Oberfläche fest geworden. Während der öd Jahre von 1782 bis 1836 ist der Rhein bei Emmerich in 27 Wintern mit Eis bedeckt gewesen, mit­ hin im Durchschnitt genommen jedes zweite Jahr. Die aüßersten Zeitpunkte des Eises sind der 27. November und der 12. März gewesen; zwischen diesen Ertremen liegt mithin eine Periode von 112 Tagen; die absolut längste Dauer deS Eises in einem und demselben Winter beträgt aber 75 Tage, und dies hat sich zwei Mal ereignet. AlS Mittelwerth der Epochen, zwischen denen sich das Eis überhaupt bewegt, lassen sich der 7. Januar und 2. Februar annehmen, daher ist die Dauer der Eisperiode 26 Lage und ihre Mitte fällt auf den 20. Ja­ nuar, was ziemlich nahe mit der thermometrischen Mitte des Winters korrespondirt. Die Schätzung der jährlich durch die Ströme abfließen­ den Waffermaffe kann nicht ohne sorgfältige Messungen Statt haben. Diese besitzen wir, mit Ausnahme der Weser, nur allein vom Rheine, und für diesen auch nur für «ine Epoche, in welcher der Strom zwar in seinem Beharrungszustande sich befand, nicht aber seine mittlere Wasserhöhe erreicht hatte. Hierauf Rücksicht genommen, wird man nicht viel fehlen, wenn die Waffermeng«, welche der Rhein unterhalb Emmerich, an der Deltaspitzt, innerhalb einer Zeitsekunde ausschüttet, zu 84.200 Kubikfuß angenommen wird; daS giebt täglich 7.724.880.000 Kubikfuß, und im ganzen Jahre die — fast unaussprechbare Summe von 2.655.531.200.000 Kubikfuß. Die Weser. Nach den Beobachtungen, welche in den Jahren 1819 bis 1836 am Pegel zu Minden angestellt wor-

den sind, beträgt die mittlere Wasserhüh« der Weser daselbst 3' 2 "4. Dieser Strom hat nur eine Fluth und Ebbe, jene im Marz, welche 5'3" Höhe erreicht, und diese im Oktober, wo der mittlere Wafferstand auf 1' 7" hrrabsinkt. In dem gedachten Zeitraum ist daS niedrigste Wasser 3" gewesen im Oktober 1834 und im November 1834; daS höchste dagegen 18' 3" am 4. Marz 1827. Steigt das Wasser am Pegel zu Minden bis 12 Kuß, so übersteigt eS die Ufer in der Nähe der Stadt, insbesondere das rechte Ufer, was sich in jener Periode 14 Mal in zehn Jahren ereignet hat. Die große Fluth von 1799, deren oben beim Rhein gedacht wurde, fand auch in der Weser Statt, und zwar am 18. Februar, als da- Wasser bis zu einer Pegelhöhe von 21' 11" stieg. Rach Merkmalen, welche zu Minden an einem Hause in der Bäcker­ straße angebracht sind, waren aber noch größere Fluchen in den Jahren 1643 und 1683; und zwar erreichte die deS erstgenannten JahreS eine Hö^e von 22' 8" und die des zweiten 23' 6",4. Die mittlere Dauer des Eises in jedem Winter brttägt 30 Lage. Die Weser bei Minden führt sechs Mal weniger Wasser alS der Rhein an seiner Deltaspitze, denn sie schüttet bei dem mittlern Wafferstande eine Waffermenge von 13.970 Jtubif» fuß in der Sekunde. Die Elbe. Am Pegel zu Magdeburg ist, nach den Beobachtungen innerhalb des Jahrhundert-, welches mit 1830 schließt, der mittlere Wafferstand 8' 0",4, mit einer Fluch von 10' im März und einer Ebbe von 6' 5",6 im Septem­ ber. In der Säkular-Periode ist daS niedrigste Wasser gewesen am 22. December 1818 und zwar 1' 4", das höchste dagegen im Jahre 1785 den 23. April, wo di« Elb« am Pegel zu Magdeburg auf 17' 9"| stieg. Die Fluth von 1799 betrug 8" weniger und ereignete sich am 28. Februar, oder

44

ötmcttnngtn

sieben Tage später als im Rhein bei Emmerich. Der aller­ höchste Wafferstand, von dem sich das Gedächtniß erhalten hat, betragt aber 18' 6" und fand am 12. Februar 1655 Statt. Im Durchschnitt laßt sich die Dauer des Eises in jedem Winter zu 62 Tagen annehmen. Die Consumtion der Elbe bei Magdeburg soll 38.800 Kubikfuß in 1" Zeit betra­ gen, eineAngabe, welch« jedoch nicht verbürgt werden kann. Hiernach verhalten sich die Weser bei Minden, die Elbe bei Magdeburg, und der Rhein unterhalb Emmerich hinsichts der Wasscrmenge, welche ein jeder dieser Ströme durch sein Profil schüttet, wie die Zahlen 1 : 2$ : 6. Die Oder. Am Pegel zu Küstrin beträgt, nach den Beobachtungen während des halben Jahrhunderts von 1781 bis 1830, der mittlere Wasserstand des Jahres 4" 2"Die­ ser Strom hat eine Fluth und eine Ebbe, jene im März, wo daS Wasser im mittlern Zustande auf 0' 3",8 steigt, diese im November, wo es auf 2'10",8 herabsinkt. Der niedrigste Wasserstand war am 5. Oktober und 2. November 1824 und betrug 1" unter dem Nullpunkt des Pegels; der höchste ereignete sich am 28. April 1785 und betrug 15' 1" über demselben Punkte. Dieses Hochwasser fand fünf Tage spä­ ter, als in der Elbe Statt. Die Fluth von 1799 blieb 4'7" hinter jenem Hochwasser zurück und trat eilf Tage später, als in der Elbe ein. Der 20. December ist derjenige Tag, an welchem die Oder bei Küstrin zu gefrieren pflegt, während der 28. Februar als Endpunkt der Eisdecke zu betrachten ist, so daß diese im Durchschnitt eine Dauer von 70 Tagen hat. Die Oder tritt bei Küstrin aus ihren Ufern, wenn das Wasser am Pegel eine Höhe von 8' 6" erreicht hat. Die Weichsel. Für diesen Strom geben die Beobach­ tungen am Pegel zu Thorn einen mittlern Wasserstand von

4' 3"i nach Aufzeichnungen, die in den Jahren 1795 bis 1836 Statt gefunden haben. Luch die Weichsel hat nur eine Fluth und eine Ebbe. Die Fluth findet im April Statt und betragt 6' 10" f, die Ebbe im Oktober mit einem Wasserstande von 3' 0"i. Der niedrigste Wasserstand war 9" unter dem Nullpunkte des Pegels am 31. December 1834, und der höchste 21' 9" am 31. März 1814. Die Ufer wer­ den überschwemmt, wenn das Wasser 12' 6" am Pegel steigt. Die mittlere Dauer der Eisdecke beläuft sich auf 86 Lage. Der Memel-Strom. Die Beobachtungen einesVierteljahrhunderts von 1811 bis 1835 geben den mittlern Was­ serstand am Pegel zu Tilse 7' 4". Die Fluth ereignet sich im April und betragt im mittlern Monatsstande 11' 11" 4, die Ebbe im September 4' 7". Der absolut höchste Stand des Memel-Stroms hat am 13. April 1829 Statt gefunden und 22' 3" betragen, das niedrigste Wasser war 1' 4" am 24. September 1826. AIS mittlere Dauer der Eisdecke las­ sen sich 116 Lage annehmen. In neüester Zeit ist die Aufmerksamkeit auf eine physi­ sche Erscheinung gelenkt worden, die, außer für das Leben der Natur, auch für die National-Wirthschaft von der aller­ größten Wichtigkeit ist. Ich meine die Bemerkung, welche man gemacht hat, daß der Wafferstand aller unsrer Ströme sich vermindert. An der Wahrheit dieser Bemerkung scheint man nicht länger zweifeln zu dürfen. Der Verfasser des physikalischen Atlas hat es, durch genaue Zahlen - Bestimmungen, als eine Thatsache aufgestellt, daß die in der zehnjährigen Periode von 1831 —1840 Statt gehabte mittlere Wasserhöhe gegen die der früheren Perioden beständig abgenommen hat, und zwar um Größen, die für das Leben des Fließenden und den

46

Bci»trlu»g«ii

Nutzen, welchen es dem Menschen und seinem Leben im Staate gewährt, zu großen Besorgnissen Veranlassung geben kann. Wenn es z. B. feststeht, daß sich in dem Decrnnio 1831 —1840 der Wasserspiegel deS Rheins bei Emmerich um 2' 9" 4, und der der Elbe bei Magdeburg um 3' 0" * gegen den mittlern Wasserstand in der Periode von 1771 —1780 gesenkt hat; daß eine Senkung von r 3", 9 im Oderspiegel zu Küstrin gegen die zehnjährige Periode von 1781 —1790; und eine von 1' 0",4 im Weichselspiegel bei Thorn gegen die Periode von 1811 — 1820 Statt gefunden hat, so darf man wol fragen, waS daraus werden soll, wenn diese WasserAbnahme in einem analogen Berhälmisse fortschreitet? Ist es da nicht zu fürchten, daß unsere Ströme und Flüsse, auf denen sich bishero ein so lebhafter Handelsverkehr bewegt hat, ihre Schiffbarkeit, über deren Mängel schon jetzt, namentlich in der Elbe und Oder, Klage geführt wird, ganz einbüßen und zu seichten Wasser-Rinnen zusammen schrum­ pfen werden, auf deren Rücken nur ein kleiner Nachen müh­ sam fortgeschleppt werden kann? Was ist aber die Ursache dieser besorglichrn Erscheinung? Die Fortschritte der Kultur sind es, und der Einfluß, den sie auf die Veränderung des Klima ausüben. Die Entwaldung und Bewaldung — beide tragen die Schuld, daß unsre Flüsse im Lichte der Gegenwart weniger Wasser haben, als vor einem halben Jahrhundert. Die Entwaldung, weil die meisten Waldbäume die Ei­ genschaft besitzen, vermöge ihrer Blätter und Nadeln die at­ mosphärischen Dämpfe anzuziehen und daher Flüchtigkeit in das Erdreich zu locken. Diese Dämpfe werden jetzt, nachdem so mancher Wald niedergeschlagen, so manches Stück Waldboden für landwirthschaftliche Zwecke urbar gemacht worden,

durch die Luftströmungen davon getragen, und das Erdreich — dorrt auS. Die Bewaldung, oder vielmehr die gesteigerte Forstwirthfchast in unsren Gebirgsforsten, z. B. des Riesengebirgs, des BöhmerwaldeS,

deS ErzgebirgS, deS Thüringerwaldrs, des

Harze» rc., die die, auf den Gebirgsrücken und Bergplateaux ruhenden Torfbrücher in Kultur gefetzt, und diese Moore mit ihrem, bis dahin unversieglichen Waffrrschatze — zerstöret hat, unversitglich, weil

di« Torspflanzen und Moose die Eigen­

schaft der Anziehung de» WafferdampfeS in ganz vorzüglichem Grade besitzen. Die Entwässerung so vieler Brücher und die Ableitung so mancher Seen unseres Flachlandes, und die daraus her­ vorgehende Vermehrung des Kulturbodens, bald al» Wiese, bald sogar als Acker, trägt ebenfalls die Schuld der WasserAbnahme unserer Flüsse und Ströme. Die Quelle ist die Mutter eines Flusses und diese em­ pfangt ihre Nahrung

auS

der Atmosphäre.

Versiegen die

atmosphärischen Saügwarzen, so versiegt auch der LebrnSquell d«S Fließenden. Nun aber deüten alle

Beobachtungen,



die freilich

nicht weit in die Vergangenheit zurückgehen, — darauf hin, daß die Quantität

des atmosphärischen Niederschlag» mehr

oder minder von Jahr zu Jahr abnimmt.

Die Regenwolken,

die un» vorzugsweise von dem Atlantischen Ocean zugeführt werden, schweben, von westlichen Luftströmen getragen, über unser Land hinweg, weil der Gegenstände, die sie anzuziehen vermögen, jetzt weniger vorhanden sind. Vertheilt man eine große Waffermaffe in mehrere oder viele kleine Flächen, so

bietet sie in ihren einzelnen Theilen

der Verdampfung weit mehr Spielraum dar, als wenn sie

48

Btmkrkungkn übst die Wasser-SvK,mt.

auf Einem Punkte

zusammen gehalten wird.

Und darum

kann ich die Besorgniß nicht bergen, daß das BerieselungsSystem, wenn gleich es für die Boden-Kultur augenblick­ liche und örtliche Vortheile unleugbar verspricht, sehr nach­ theilig einwirken, und wesentlich dazu beitragen werde, den Haushalt der für das Pflanzenleben unentbehrlichen Hydrometeore zu modifiziren.

Es will mich bedünken, daß dieser

physikalische Gesichtspunkt bei der Berathung des, auf die­ ses System bezüglichen Gesetzes wenn auch nicht gänzlich außer Acht geblieben, doch nicht gehörig gewürdig worden sei. Das hier kurz berührte Phänomen der Wasser-Abnahme, das sich nicht allein in unsern deütschen Strömen, sondern auch in Frankreich und selbst in dem

sonst so wasserreichen

Russland aufs Deütlichste zu erkennen giebt,

verdienet die

Erwägung der Gesetzgebung, die sich ihrer Seits von der Naturforschung lenken

und leiten lassen muß.

Frankreich'-

gesetzgebender Gewalt ist diese Erscheinung nicht fremd geblie­ ben.

Sie hat sich ihrer bemächtigt, um den Ursachen dersel­

ben nachzuspüren und die Mittel ausfindig zu machen, die geeignet sind zur Abwendung eines Zustandes, welcher eine allgemeine Verödung des Landes herbeizuführen die bedroh­ liche Aussicht gewährt. Auch bei uns thut dieses Noth; auch bei uns muß sich die gesetzgebende Gewalt auf einen Standpunkt stellen, von dem aus sie die Gefahr übersehen kann, die, seltsamer Weise, von vielen Leüten noch gar nicht erkannt wird;

ja, diese

Leüte sind im Gegentheil geneigt zu glauben, — die ganz« Geschichte von der Verminderung des Wassers sei ein Mährchen, ein Phantom, das in den Köpfen einzelner phantasti­ scher Physico-Geographen sein spukendes Wesen treibe! Ich wende mich zu einem andern Gegenstände, der in

klimatisch» Bkschafftnhrit.

49

der Beschreibung von der Natur und Art eines Landes eine wichtige Stelle einnimmt, zu dem Einfluß der Atmosphäre auf da- Erdreich und der Wechselwirkung, in der beide zu einander stehen.

DaS ist die--------

Klimatische Beschaffenheit. Die Zeit, wo man sich bei der Beschreibung deS Klima eines Landes auf die kurze Angabe: eS sei gesund oder un­ gesund, und dergleichen leere, nichts sagende Dinge beschränkte, liegt noch nicht gar weit hinter der unsrigen, und es gehört keinesweges zu den Seltenheiten, derartige Angaben in neuern und neüesten Schriften wieder zu finden.

Kaum sollte man

so etwas glauben, da die Physik und physikalische Geogra­ phie so außerordentliche Fortschritte gemacht hat. DaS Klima eines Landes ist durch atmosphärische Erschei­ nungen bedingt, an deren Spitze die Wärme- oder Tempe­ ratur-Verhältnisse stehen,

welche

die Luftströmungen oder

Winde, die wässrigen Niederschläge und die elektrischen Er­ scheinungen im Lustkreise mehr oder minder verursachen. Wärm »-Vertheiln» g.

Das größte Quantum Wärme ist bekanntlich unter den Tropen, d. h. in denjenigen Gegenden der Erde verbreitet, auf die die Sonne wahrend ihres scheinbaren Umlaufs ihre Strahlen senkrecht fallen laßt.

Außerhalb der Wendekreise

nimmt die Warme in dem Berhältniß der Annäherung an die Angelenden der Erde ab, weil die Sonnenstrahlen unter einem immer schiefern Winkel auf die Erdoberfläche fallen; d. h. je größer die geographische Breite ist, desto geringer wird daS Quantum der daselbst verbreiteten Wärme. Dennoch wirken mancherlei tellurische Erscheinungen darauf hin, daß dieses Wärme-Quantum unter gleichnamigen ParalStatistik d.Preüff. Staat«.

4

50

Klimatische Beschaffenheit.

Ulfreifen nicht überall gleich ist.

Diese Erscheinungen hier

auseinander zu setzen, würde, in ihrer rein physikalischen Be­ schaffenheit,

offenbar

zu weit führen.

auch bei vielen, nicht

etwa

bei den

Und darf ich nicht meisten der Leser die

Kenntniß von den Ursachen der gedachten Verschiedenheit als bekannt voraussetzen? Wenn es heißt: das Thermometer zeigt an diesem oder jenem Orte so und soviel Grad Hitze und Kälte, so ist das allerdings eine

recht schätzenswerthe Nachweisung,

denn sie

giebt uns einen Zahlenwerth für das Maximum und Mini­ mum der Temperatur,

deren Kenntniß nicht gleichgültig ist.

Allein da diese Extreme von großen Zufälligkeiten abhängig sind, so genügt jene Nachweisung keinesweges zu einer rich­ tigen Beurtheilung des Wärme-Zustandes des gegebenen Or­ tes , eines Zustandes, dessen wahre Kenntniß aus dem Gange der Wärme während des ganzen Jahres und der einzelnen Jahreszeiten hergeleitet werden muß. Wenn eS für irgend einen Ort, oder gar für viele Orte eines ganzen Landes ausführbar wäre, den Gang der Wärme wäh­ rend eines ganzen Jahres von Stunde zu Stunde an einem Ther­ mometer zu verfolgen, so würde man durch die Summe aller dieser Thermometerstände getheilt durch die Anzahl der Beob­ achtungen einen Zahlenwerth erhalten, welcher den mittleren Zustand der Wärme während des Beobachtungs-Jahres aus­ drückte.

Da

ein solches Verfahren aber nur in höchst selte­

nen Fällen ausführbar ist, so haben sich die Physiker bei ih­ ren

Aufzeichnungen

des

Thermometer-Standes auf gewisse

Tagesstunden, oder auf die Beobachtung des höchsten und niedrigsten Wärmegrades an jedem Tage beschränken müssen, für welchen Fall ein eigenes Instrument erfunden worden ist, den Thermographen, der das Maximum und Minimum der

Temperatur angiebt, ohne daß man nöthig hat, da- Werk­ zeug ununterbrochen zu betrachten. Auf diese Weise hat man die mittlere Temperatur deJahre-, der Jahreszeiten, insbesondere de- Winter- und deSommers, so wie de- kältesten und des wärmsten Monatzu ermitteln gesucht, um dadurch meteorologische Elemente zu gewinnen,

welche zur Beurtheilung de- thermischen Zustan­

de- de- Klima eine- Landes von

der allergrößten Wichtig­

keit sind. Werden diejenigen

Orte

eine-

Lande-,

an denen

die

mittlere Temperatur de- Jahre- gleich ist, durch Linien mit einander verbunden, so entstehen die Linien gleicher Jahre-wärme, oder die Isotherm-Linien, wie sie die neuere Physik mit einem Kunstausdruck nennt.

Ganz auf ähnliche Art ent­

stehen die Jsotherrn und Jsochimenen, oder die Linien glei­ cher mittlerer Sommer-, und gleicher mittlerer Winter-Tem­ peratur. Keine dieser Linien sind mit den Parallelkreisen, noch un­ ter sich gleichlaufend.

Die oben angebrüteten tellurischen Ur­

sachen bewirken, daß im westlichen Eüropa die Linien gleicher JahreSwärme einen konvexen Scheitel haben, der hoch gegen Norden vorgeschoben ist, krummer

von dem aus

Linien oder Kurven

sie sich in Gestalt

gegen das Innere des Kon«

ttnentS in südöstlicher Richtung beügen,

und demgemäß die

Meridiane unter schiefen Winkeln schneiden. Die Oberfläche des Preüssischen Staat- fällt zwischen die Isotherm-Kurven von 11-und 6° de- hunderttheiligen Ther­ mometers.

Jene berührt den südlichen Rand deS Regierungs­

bezirks Trier im Saarthal, diese die nördlichste Spitze des KönigSberger Bezirks bei Memel.

Zwischen dem Süd- und

dem Nord-Ende des Preüssischen Staat- besteht also in der

4*

52

Klimatische Beschaffenheit.

Jahreswärme ein Unterschied von 5°. Die Jsothermkurve von 10° durchschneidet den südwestlichen Theil des Bezirks Münster und die Mitte des Arnsberger Bezirks; die von 9° betritt den Preüssischen Staat im nördlichsten Theile des Re­ gierungsbezirks Magdeburg, läuft durch die Mitte der Pro­ vinz Brandenburg zwischen Berlin und Potsdam durch und aus der Südseite der Stadt Frankfurt, und schneidet den Bezirk Posen in seiner südlichen Hälfte. Die Jsothermlinie von 8° berührt den Nordrand der Insel Rügen, und durch­ schneidet die südlichen Gegenden des Bezirks Köslin, geht durch die Mitte von Marienwerder und berührt das südlichste Gebiet des Königsberger Regierungsbezirks; die von 7° end­ lich berührt die zum Danziger Bezirk gehörende Landzunge Hela, und schneidet den Regierungsbezirk Königsberg auf der Südseite des Pregelthals, so wie die Mitte des Gumbinner Bezirks. Was den Lauf der Jsotheren, oder der Linien gleicher Sommerwärme betrifft, so folgt derselbe im Preüssischen Staate einer Richtung, welche in der kleinen Wcsthälfte von S. nach N. heraufsteigt und sodann in der großen Osthälfte den Pa­ rallelkreisen etwas gleichlaufender wird, als dies bei den Isothermen der Fall ist. Die aüßersten Grade der mittlern Sommer-Wärme sind 19°| und 16° des hunderttheiligen Thermometers; jenes Quantum der Sommer-Temperatur findet sich im südlichsten Theile von Schlesien. dieses an der Nordspitze des Staats bei Memel. Die Jsothere von 18° berührt den nördlichsten Rand der Rhein- und der Provinz Westfalen, betritt die Westhälfte des Staats bei Salzwedel im Bezirk Magdeburg, streicht zwischen Berlin und Potsdam durch und sodann dicht bei Frankfurt und etwas südlich von der Stadt Posen vorbei. Die Jsothere von 17° durchschnei-

Klimatische Beschaffenheit.

53

bet Pommern und den Bezirk Marienwerder, beide in der Mitte, und die südlichen Sttiche der Bezirke Königsberg und Gumbinnen. Die Jsochimenen folgen wiederum einem andern Lauf. Sie bilden innerhalb des Preüffischen Staats Stücke concentrischer Kreise, die ihren Mittelpunkt im asiatischen Kältepol zu haben scheinen. Di« höchste mittlere Winter-Temperatur beträgt -f 2° i und diese herrscht auf der südwestlichen Gränze der Rheinprovinz; die niedrigste finden wir mit — 3°i an der Nordspitze des Staats bei Memel. Die Jsochimene von -f 2° durchschneidet die Rheinprovinz längs deS Rheinthals selbst; die von +1° berührt die östlichen Kanten der Pro­ vinz Westfalen, insbesondere des Regierungsbezirks Minden; die Jsochimene, auf der die Temperatur mit dem Gefrier­ punkte zusammenfällt, schneidet die östlichen Gegenden der sächsischen Regierungsbezirke Magdeburg und Merseburg; dir von — 1° schneidet die Ostseite von Rügen, den westlichen Theil vom Regierungsbezirk Stettin, den nordöstlichen von Frankfurt und den ganzen südwestlichen und südlichen Theil vom Regierungsbezirk Posen; die Jsochimene von — 2° trifft den östlichen Abschnitt von Köslin und die ganze Mitte von Marienwerder; endlich die von — 3° schneidet Ostpreüffen zwischen der Pregelmündung und der südöstlichsten Gränzecke deS Bezirks Gumbinnen. So ist die Verbreitung der Wärme nach ihren HauptMomenten, was sich in graphischer Darstellung noch besser übersehen läßt, wie es z. B.: auf der Karte No. 3. des klei­ nen geographisch-statistischen Atlas der Preüffischen Monarchie von Berghaus möglich ist. Die oben nachgewiesene Lage und der Lauf der Isother­ men, Jsotheren und Jsochimenen gründen sich jedoch auf die

54

Klimatische Beschaffenheit.

Annahme, daß das Land im Niveau deS Meeres liege, oder doch nur eine geringe Erhebung über dasselbe habe. Steigt man an den Bergen in die Höhe, so wird die Lust kühler, und daher haben alle diejenigen Gegenden, die sich zu einer ansehnlicheren Höhe über die Meeresfläche erheben, eine im Verhältniß zu dieser Erhebung stehende geringere Temperatur, als die Lage der Isotherm-Kurve rc. nachweiset, die man sich unter der betreffenden Gegend gezogen denkt. Es laßt sich im Allgemeinen annehmen, daß die Wärme um 1° abnimmt, wenn die Höhe um etwa 550'zunimmtDies ist aber nur im Jahresdurchschnitt der Fall. Denn es stellt sich als eine ausgemachte Thatsache heraus, daß das Thermometer im Sommer mit der Erhebung über den Ebe­ nen weit schneller sinkt, als im Winter. In der zuerst ge­ nannten Jahreszeit bedarf es nur eines Höhenunterschiedes von 470', dagegen in der zweiten eines von 725', wenn man beim Ersteigen der Berge die Temperatur um 1° will abneh­ men sehen. DieS muß der geneigte Leser berücksichtigen, wenn er sich, nach Anleitung der obigen Nachweisung über den Lauf der gleichwarmcn Kurven, von dem thermischen Klima einer gegebenen Landschaft eine richtige Vorstellung machen will. Ein Beispiel wird dies erläutern. Ich wähle dazu den Habelschwerdter Kreis, von dem oben gesagt wurde, daß seine Oberfläche eine mittlere abso­ lute Höhe von 2170' habe. Läge er im Niveau deS MeereS, so würde ihn die Isotherme von 10° treffen; so aber ermä­ ßigt sich seine mittlere JahreS-Temperatur um Vr«p =4°, und sie beträgt daher nur 6°, woraus folgt, daß dieser Kreis der Grafschaft Glaz im Durchschnitt keine größere Wärme hat, als die Nordspitze des Preüssischen Staats bei Memel.

Macht man die Rechnung auch für die Sommer- und Win­ ter-Temperatur, so findet sich, daß in dem gedachten Kreise der Sommer im Durchschnitt 15* warm ist, oder nicht war­ mer, als in Bergen, im hohen norwegischen Küstennorden; der Winter aber hat eine mittlere Temperatur von etwa — 3° ±, was mit dem Winter von Königsberg in Preüffen korrespondirt. Trier, Berlin und Tilse, diese drei ulgare, Doste; Matricaria chamomilla, Kamille; Achillea millefolium, Schaafgarbe; Artemisia Absynthium, glacialis, mutcllina, pontica etc., d. i.: verschiedene Arten von Wermuth; Acorus Calamus, Kalmus; Cochlearia armoracia, Meerrettig. 3u den Arznei ^ Gewachsen gehören: Valeriana ofßcinalis, Baldrian; Arbutus uva ursi, Bärentraube; Angelica archangelica, Engelwurz; Chelidonium majus, Schöllkraut; Cicho­ rium Intybus, Wegwarte; Cochlearia ofßcinalis 9 Löffelkraut; Sinapis alba et nigra, Sens; Malva rotundifolia et sylvestris, Malwen; Menyanthes trifoliata, Fieberklee; Gentiana rubra, Enzian; Erythraea Centaureum Fers., Tausendgüldenkraut; Phcllandrium aequaticum, Wasserfenchel; Polygala amara, bittere Kreüzwurz; Sambucus nigra, Hollunder; Prunus padus, Dogelkirsche; Tanacctum vulgare, Rainfarren; Arnica montana, Wohlverlei; Polypodium filix mas, Tüpselfarrn; Cetraria islandica, Isländische Flechte; Boletus laricis Jacq., Lärchenschwamm. In den Gärten werden gebaut: Althaea officinalis, Eibisch; Inula Helcnium, Alant; Salvia officinalis, Salbei; Hyssopus olTic., Jsop; Artemisia dracunculus, Estragon; Origanum Majorana, Majoran; Lavendula spica, Lavendel, Glycyrrhiza glabra, Süßholz. Die wichtigeren der Giftpflanzen unserer Flora sind:

Charakter der Flora.

91

Atropa Belladonna, Lollkraut; Datura Stramonium, Stech­ apfel ; Hyoscyamus niger, Bilsenkraut; Solanum nigrum, Nachtschatten; Cicuta virosa, Wasserschierling; Helleborus foetidus et niger, die stinkende und die schwarze Nießwurz; H. hiemalis, Winter-Nießwurz; H. viridis, die grünblühende Nießwurz; Ranunculus sceleratus, Gifthahnenfuß; R. acris, der schwarze Hahnenfuß, u. m. a. Arten; Pulsatilla vulgaris Mill., Osterblume; P. pratensis Mill., Wiesen-Pulsatille; Aconitum cammarum, napellus, Lycoctonum, blauer und gel­ ber Sturmhut; Euphorbia cyparissias, gemeine Wolfsmilch; Digitalis purpurea, der rothe Fingerhut; Digitalis ambigua, der gelbe Fingerhut; Daphne mezereum, Seidelbast; Colchi­ cum autumnale, die Zeitlose u. m. a. LandwirthschaftUch beoutzter Boden und Kultur-Gewächse.

Die Ergiebigkeit deS Erdreichs beruhet auf chemischen und physischen Grundlagen, mit deren Ermittelung die Na­ turforscher in «eurer und neuester Zeit sich vielfach beschäfti­ gen, ohne daß eS ihnen schon jetzt gelungen ist, den Resul­ taten ihrer Untersuchungen bei den praktischen Landwirthen überall Eingang zu verschaffen. Das Haüflein der Ackerleüte, die ihre Wirthschaftswesen auf die Erforschung der Natur und ihrer Kräfte stützen, ist warlich noch sehr klein, seine Reihen sind aüßerst licht und lassen sich mit geringer Mühe überzäh­ len, nicht blos bei uns, sondern überall, mit Ausnahme von England etwa, das in allen Gewerben, den technischen wie physischen, an der Spitze der Fortbildung schreitet. Unsere Landwirthe sind, der großen Masse nach, reine Empiriker, die sich bislang noch sehr wenig darum kümmern, was die Leute im Laboratorium und dem physikalischen Erperimenten Saal geleistet haben und ohne Rast und Ruhe fortwährend leisten; c5 ist dieser Masse ganz, oder doch ziemlich, gleichgül-

tig, zu wissen, aus welchen Bestandtheilen dieser oder jener Bodenstrich zusammengesetzt ist;

sie begnügten sich mit einer

ganz allgemeinen Kenntniß, die sie theils nach der Getraideart, die darauf vorzugsweise wachst, theils nach dem Erfolg der Hinten beurtheilen. So unterscheiden unsere Landwirthe drei verschiedene Klas­ sen des Erdreichs, die sie guten oder Weitzcnboden, Mittel­ boden und Sand- oder Felsboden nennen, und deren Be­ deutung, vom empirischen Standpunkt an sich klar und »erstündlich ist. Die Preussischen Lande

sind keinesweges arm

an dem

guten und schweren Boden, auf dem

der Weitzen gedeiht.

Er ist in allen

vorzugsweise aber in

Provinzen verbreitet,

Preussen, westwärts bis zur Weichsel, in Pommern, Posen, Schlesien, dem südwestlichen

Theile von Sachsen und dem

nördlichen Theile der Rheinprovinz, so wie längs des Saar­ thals in derselben Provinz.

An diesen Weitzenboden lehnt

sich überall der Mittelboden, der in den Provinzen Branden­ burg und Westfalen vorwaltet, wo auch

der am mindesten

ergiebige Fels- und Sandboden große Strecken einnimmt, in Westfalen im Sauerländischen Gebirge, das nach ihm seinen Namen führt, in der Rheinprovinz auf der Fortsetzung die­ ses Gebirgs, auf der Eifel und dem Hunsrücken.

Die Haupt­

stadt der Monarchie liegt in der Mitte einer sich weit und breit ausdehnenden Sandfläche, das größte unter den zusam­ men hangenden Sandfeldern findet sich aber in Westpreüffen und den Angränzungen von Pommern; auch Ostpreüffen hat vielen Sandboden und der östliche Theil von Oberschlesien gehöret dieser Bodenklasse ebenfalls an. Unter den Centralbehördcn des Staats befindet sich eine, deren spezielle Aufgabe es ist, alle auf daS Volks - und Staats.

leben bezüglichen Thatsachen, die sich durch Zahlen darstellen lassen,

zu sammeln,

und für die Zwecke der Staats-Regie­

rung nutzbar und ersprießlich zu machen. daS Statistische Büreau in Berlin, dem Staats-Ministerium steht.

Diese Behörde ist

das unmittelbar unter

Im Jahre 1818 sagte das

Statistische Büreau in einem amtlichen Berichte, den eS der Öffentlichkeit übergab: — „Es fehlt zur Zeit noch an Nach­ richten,

wie viel von der Fläche des Staats Ackerland, wie

viel natürliche Wiese ist, wie viel unangebaut zur Viehweide dient, wie viel zu Forstland benutzt wird, wie viel die Wein­ berge, die Gemüse- und Obstgärten, und die Bauplätze be­ tragen, welchen Raum endlich die Gewässer, die Moore, die wüsten Sandschellen und die Felsen einnehmen: und wahr­ scheinlich werden noch viele Jahre und Arbeiten erfordert, ehe diese Nachrichten vom ganzen Staate mit Zuverlässigkeit ge­ geben werden können." Ein Vierteljahrhundert und darüber

ist seit Erlassung

jene- Berichts verflossen, und das Statistische Büreau hat, so viel mir bewußt, noch nichts zur Kenntniß diese- wichtig­ sten Zweiges der Landeskunde gethan.

Gab eS denn in die­

ser langen Zeit kein Mittel, die Größe deS landwirthschaftlich benutzten BodenS, nach seinen verschiedenen Kulturarten, mindestens annähernd zu bestimmen?

Sind nicht die Pro­

vinzen am Rhein und in Westfalen Behufs derGrundsteüerRegulirung seitdem genau vermessen worden,

und war es

denn unmöglich, aus den umfangreichen Arbeiten der gutöherrlichen und baüerlichen Auseinandersetzungen, die in den mittleren und östlichen Provinzen überall Statt gefunden ha­ ben , Daten zu ziehen, die mit den, durch die landräthlichrn Amtsstellen von den Gutsherrschaften und Grundbesitzern leicht einzuziehenden Nachrichten über die Größe ihrer Felder, Wie-

fcn, Gärten k. Resultate gewährt haben würden, die das Schwankende der jetzt vorhandenen Angaben längst beseitigt hätten. Denn schwankend kann man doch in der That unsere Kenntniß nennen, wenn von einer Seite behauptet wird, die Größe des zum Ackerbau benutzten Bodens betrage gegen 47 Millionen Preüss. Morgen, während das Landes-Ökono­ mie-Kollegium in einer Denkschrift über die landwirthschastlichen Zustände und Bedürfnisse der Monarchie der Meinung ist, daß nur 24 Millionen Morgen vorhanden seien, die mit Getreide bestellt werden. Will man auch zugeben, daß un­ ter lenen 47 Millionen all' das Land enthalten ist, das nicht mit Cerealien besäet ist, sondern auch zu anderen Kulturarten, namentlich dem umfangreichen Kartoffelbau benutzt wird, so ist doch das Mißverhältniß zwischen beiden Angaben zu groß, als daß man nicht mit Recht, gewisser Maßen unwillig wer­ den sollte über die Vernachlässigung, welche unsere vaterlän­ dische Statistik auf dieser Seite bisher erfahren hat. Das Landes-Ökonomie-Kollegium schreite hier ein! Begnügen wir uns bis zur Erlangung eines sicheren Re­ sultats mit genäherten Schätzungen in Bezug auf den gan­ zen Staat, so läßt sich annehmen, daß Vt seiner Bodenfiäche zum Ackerbau und zum Gartenbau benutzt wird, T'T ist Wiese, -,V Hütung und des Areals besteht aus Unland und Gebaüden. übet das Verhältniß der Waldfläche habe ich schon oben (S. 82) gesprochen. In den einzelnen Pro­ vinzen stellt sich das Verhältniß folgender Maßen: Acker.

Preüssen. . . 1:3 Posen. . . . 2:5 Pommern. . 2:5

Garten.

1:150 1:235 1:201

Wiese.

1:7 1:6 1:7

Hutung.

Unland.

1:6 1: 5 2:11

1: 48 1:31 1:23

Boden und Kultur-Gewächse. Acker.

Garten.

Wiese. Hütung.

95 Unland.

Brandenburg. . 2:5 1:251 1:4 1:2 1: 33 1:7 1:11 Schlesien. . . . 1:2 1:120 1:42 Sachsen. . . . 6:11 1:76 1:7 1:9 1:31 1:7 1:14 1 :15 Westfalen. . . . 4:7 1:85 Rheinprovinz. 1:11 1:12,5 1:35 . 2:5 1:36 Die Kultur der Cerealien umspannt Weitzen, Triticum sativum; Roggen, Seeale cereale; Gerste, Hordeum vulgare, distiebum und hexatiehum; Hafer, Avena sativa, orientalis; sodann den Buchweitzen oder das Heidekorn, Polygonum Fagopyrum, und die Hirse, Panicum milium. Unter diesen Getreidearten wird der Roggen am ausgedehntesten gebaut, und bildet darum das Hauptnahrungsmittel des Menschen, man gewinnt von ihm im Durchschnitt das 5te, vom Weitzen das 6te Korn. Der Hafer steigt auf den Gebirgen am höch­ sten; er bildet die obere Gränze des Getreidebaus am Ab­ hang des Riesengebirgs und des Harzes bei ungefähr 1800' Höhe über dem Meere, im Nirderrheinischen Gebirge bis 2000', ohne Rücksicht zu nehmen auf geschützte Thäler und di« Südabhänge der Gebirge, an denen die Gränze noch hö­ her hinauf rückt. In verschiedenen Gegenden des zuletzt ge­ nannten GebirgS liefert der Hafer den Bewohnern das ein­ zige Brod. Spelz oder Dinkel, Triticum spelta, der für Süddeütschland ein wichtige» Korn ist, wird fast nur am Rhein hin und wieder gebaut, und der türkische Weitzen oder Mais, Zea Mays, bis jetzt nur in Gärten, obwol er es ver­ dient, als Grünfutter angebaut zu werden, darr, bei einem, sogar in trocknen Sommern, wenn der Klee und andere Fut­ terkräuter mißrathen, ganz ausgezeichnetem Ertrage, dem Rindvieh eine höchst kräftige, gesunde Nahrung liefert, welche demselben gerade in den oft an Grünsutter so knappen Mo-

naten August und September bis Mitte Oktober zu Theil wird. Als Futterpflanzen zur Sommerstallfütterung bieten sich hauptsächlich Klee, Luzerne, Esparsette, Wickfutter, Fut­ terroggen, Spargel rc. dar, die Kartoffel, Solanum tubero­ sum , hat in vielen Gegenden der Preüssischen Monarchie den Anbau der Cerealien in engere Gränzen gebracht; sie ist nicht auf den engen Begriff der Küchen - und Gemüsepflanze be­ schränkt geblieben, als welche sie einer zahlreichen Bevölke­ rung daS Hauptnahrungsmittel liefert, sondern halben Rang eines Handelsgewächses eingenommen; das, durch seine Be­ nutzung bei dem technischen Gewerbe des Branntweinbrennens, dem Landmanne die erforderlichen Geldmittel liefert, auS de­ nen er den lebhaften Betrieb aller Wirthschaftsgeschäfte unter­ hält. Bon Küchengewächsen baut man viele Kohlarten, Zwie­ bel, Rüben, Rettige u. s. w.; von Hülsenfrüchten: die Bohne, Phaseolus communis, nana; die Erbse, Pisum sativum L., von der die graue Erbse vornehmlich der Provinz Preüffen eigenthümlich ist; die Saubohne, Vitia faba L., welche fast ausschließlich den Provinzen am Rhein und in Westfalen an­ gehört; die Kaffeewicke, Astragalus baeticus Willd., und die Kichererbse, Cicer arielinum. Zu den Ölpflanzen, die im Preüs­ sischen Staate gebaut werden, gehören: Mohn, Papaver som­ niferum ; Raps, Brassica napus; Kohlraps, Br. campestris; Leindotter, Myagrum sativum; Sonnenblume, Helianthus annuus; Lein, Linum usutatissimum; Hanf, Cannabis sativa; Kürbis, Cucurbita Pepo. Unter den Gewerbs - und HandelSgewächsrn ist der Anbau von dem bei den Ölpflanzen schon erwähnten Flachs sehr bebrütend, minder vom Hanf, und auch der Tabak, Nicotania Tabacum, macht einen we­ sentlichen Zweig der landwirthschastlichen Kultur aus, na­ mentlich in der Mark Brandenburg, die fast die Hälfte aller

97

Boden und Kultur - Gewächse.

im Preüssischen Staate vorhandenen Labaksfelder enthält. Der Runkelrübenbau hat in neüster Zeit behufs der Zucker­ fabrikation einen großen Umfang gewonnen. Außerdem baut man etwas Kardendisteln und Hopfen, Kumulus Lupulus L.; demnächst Waid, Isatis tinctoria L.; Wau, Reseda luteola L.; Safflor, Carthamus tinctorius L., und Krapp, Rubia tinctorum, der in den Moselthälern noch bis zu einer Höh« von mehr als 800' über dem Meere gepflanzt wird. WaS den Obstbau anbelangt, so werden von den rauhe­ ren Obstbaümen die Apfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen in allen Provinzen gezogen, doch in den östlichen weniger, als in den mittleren und westlichen. An edlen Obstsorten, Pfir­ sichen und Aprikosen, und den feineren Sorten der vorherge­ nannten Obstarten steht die Rheinprovinz oben an; in ihren südlichsten Theilen bei Trier und Kreüznach pflanzt man auch den Mandelbaum; die Feige reift daselbst aber nur an ge­ schützten Stellen. Der Maulbeerbaum hat sich bis in die Mark Brandenburg verbreitet. Der Wallnußbaum, Juglans regia, hat seinen Verbreitungsbezirk in der ganzen Mo­ narchie; dagegen ist die Kastanie, Castanea vulgaris De. auf die Rheinprovinz beschränkt, wo sie mit dem Weinstock gleichen Gang halt, der daselbst an einzelnen Stellen, z. B. bei Trier, bis zu einer Höhe von 800' über der MeereSsläche steigt. Die Rheinprovinz ist der Hauptschauplatz der Wein­ kultur, sie enthält 78 Prozent von dem mehr als 3 Quadratmeilen großen Weinstock - Areal des Staats, während die übri­ gen 22 Prozent auf die Provinzen Schlesien, Brandenburg, Sachsen und Posen vertheilt sind. In Westfalen, Pom­ mern und Preüffen wird der Weinbau nicht als landwirthschaftliches Gewerbe betrieben; da wird Vitis vinifera nur am Spalier gezogen und kaum daß in Preüffen die klein Statistik d. Preüff. Staat«.

7

98

'Sauna.

bleibende und

zusammengeschrumpfte Beere zur Reife ge­

langt. Fauna. Die Zahl der im Preussischen Staate lebenden Saügethiere laßt sich, mit Einschluß der Hausthiere, nach einem ungefähren Überschlage, zu 60 verschiedenen Gattungen an­ nehmen.

Davon enthält die Ordnung der Carnivora oder

Naubtkiere 4, die Ordnung der Roclenlia oder Nager 4, die der Pachydermata oder Dickhaüter V„-, die der Ruminanlia oder Wiederkäuer Walle

t't-

und die Ordnung der Celacea oder

Diese 60 Gattungen vertheilen sich unter 25 Ge­

schlechter. Das gattungsreichste Geschlecht ist das der Vespertilionen oder Fledermäuse, machen.

die nahe 1 aller Saügethiere aus­

Ihm zunächst steht das zu den Nagethicren gehö­

rige Geschlecht Mus oder Maus, mit

und darauf folgt

daS Raubthier-Geschlecht Mustela, Marder,

mit

und

die Geschlechter Pbooa, Robbe; Hypudoeus, Wasserratte; Lepus, Hase; Ccrvus, Hirsch; Dclphimis, Delphin, ein jedes mit ?\f sämmtlicher in den Preussischen Landen lebenden Mam­ malien.

Die Genera Canis, Hund, Myoxus, Siebenschläfer

und E die Singvögel, Oscines, mit die hühnerartigen Vögel, Gallinaceae, mit Vii die Sumpfvögel, Grallatores, mit und die Schwimm­ vögel , Natatores, mit | betheiligt. Die eüropäischen Vögel gehören 34 Familien an, die alle, bis auf fünf, nämlich die Sandhühner, die Halbhühner, die Sichler, Flamingos und Alken, in der mitteleüropäischen Provinz ihre Repräsentanten haben. Das Verhältniß der Familien - Gattungen zur Gesammt­ heit der Vögel einer Ordnung ist folgendes: Rapaces — 38 Species. Scansores — 14 Species. Eisvögel. . . . 1:14 Geier. . . . . 1:12 Wiedehopf. . . 1:14 Falken. . . . . 1:2 Oscines = 122 Species. Eulen. . . . . 1:3 Lerchen. . . . 1:30 Scansores — 14 Species. Finken............... 1:5 Segler. . . . 1:14 Hetzer................ 1:6 Nachtschwalben.. . 1:14 Sänger. . . . 1:2 . 1:7 Cuculinen. Schwalben. . . 1:47 Spechte. . . . 1:2

102

Staats um 5J Prozent stieg, nahmen die evangelischen Chn sten um 5s, die Katholiken um 6j>9, und die Bekenner bei mosaischen Glaubens um 5s Prozent zu. Im Allgemeinen, um mit den Worten der Staats Zeitung zu reden, — im Allgemeinen bewohnen die evangel. schen und katholischen Christen den Preussischen Staat in er net solchen Verbindung, daß nicht allein in einem jeden fet net 25 Regierungs-Bezirke, sondern selbst in jedem der ein zelnen landräthlichen Kreise neben Protestanten auch Katho liken, oder neben katholischen Christen auch evangelische wob. nen. Doch ist allerdings das Zahlenverhältniß der Glau bensgenossen beider Theile in den einzelnen Provinzen, Re gierungs-Bezirken, landräthlichen Kreisen, und sogar in ein zelnen Ortschaften eines und desselben Kreises sehr verschieden Wie sich dasselbe in den größeren Abtheilungen des Preüj fischen Staats nach der, unberichtigten, Zählung zu End des Jahres 1840 stellte, ergiebt folgende Nachweisung:

Provinzial - Abthei­ lungen. 1. Preussen, a) Oftpreüsscn. b) Westpreüssen. 2. Posen................... 3. Brandenburg. . 4. Pommern.. . . 5. Schlesien, a) Niederschlesien b) Oberschlesien. 6. Sachsen.............. 7. Westfalen. . . . 8. Rheinprevinz. .

Prote­ stanten.

1.217.034 450.227 372.769 1.797.432 1 040.083

Katho­ liken.

Summe Grie­ Men- Juden. aller chen. nonu Einwohner teo.

5.657 1.393.790 993 109.034 1.072 916.382 15 12.016 20.122 434.002 1 77.102; 1.233.650 783.916 42 24.638 62 30 13.520! 1.835.702 6.824; 1.056.287 3 9.360 17

11.691 1.747.081 11 , 1.366.396 368.983 — 15.012 1.111.739 3 106.377 988.347 4.262 1.637.221 4 10 1.529.591 103.354 4 107 13.766 1.363.318 591.664 777.757 1 1.320 26.367 2.591.721 610.666 1.953.165 Im ganzen Staate 9.084.481 5.612.556 1.257 14.474 194.323 14.907.091

Niederschlesien ist hier aus den Regierungsbezirken Lieg« nitz und Breslau zusammengesetzt, doch mit Ausnahme der Kreise Glatz, Habelschwerdt, Frankenstein und Münsterberg, die mit ihrer überwiegenden katholischen Bevölkerung der Pro­ vinzial-Abtheilung von Oberschlesien beigelegt worden sind. ES ergiebt sich aus der vorstehenden Übersicht, daß Ostpreüffen, Brandenburg, Pommern, Niederschlesien und Sachsen eine überwiegend evangelische Bevölkerung haben; daß dagegen die Zahl der römisch-katholischen Glaubensgenossen bei weitem am überwiegendsten ist in Oberschlesien, wo der gesammten Einwohnerzahl katholisch ist: die Evangelischen be­ stehen hauptsächlich aus angezogenen Niederschlrsiern oder Fremden, welche zerstreüt unter der Hauptmasse der Bevölke­ rung leben. Nächst diesen ist das Übergewicht der römischkatholischen Einwohner noch am bedeütendsten in der Rhein­ provinz, wo sie etwas über | der Gesammt-Bevölkerung bil­ den, indem hier durchschnittlich neben 16 Katholiken 5 Pro­ testanten leben. Nächst der Rheinprovinz, doch wieder in beträchtlich geringerem Maaße, ist die Zahl der römisch-ka12'

180

2v.illun.) tf-J «oll*

tholischen Christen in der Provinz Posen, wo sie etwas mehr als 1 der Volksmenge ausmachen. Noch geringer ist im all­ gemeinen Durchschnitt das Übergewicht der katholischen Ein­ wohner in der Provinz Westfalen, indem sie daselbst nur we­ nig über 4 aller Einwohner bilden, während beinahe f der­ selben aus evangelischen Glaubensgenoffen besteht. Eine fast völlige Gleichheit in der Anzahl der katholischen und prote­ stantischen Christen besteht durchschnittlich in Westpreüssen, doch mit einem geringen Übergewicht auf Seiten der letzteren. In Ostpreüffcn dagegen ist, wie schon gesagt, das evangeli­ sche Glaubensbekenntniß vorherrschend, indem nur ungefähr ^ aller Einwohner der römisch-katholischen Kirche angehört, und durchschnittlich neben 36 evangelischen Einwohnern 5 ka­ tholische leben. Betrachtet man West- und Ostpreüssen als Eins, so findet man, daß die Zahl der Protestanten, in der Provinz Preussen so überwiegend ist, daß neben 11 evangeli­ schen Christen 4 Katholiken wohnen. In Niederschlesien kom­ men auf eben so viele Protestanten sogar nur 3 römisch-ka­ tholische Glaubensgenossen, und fast überall stehen die An­ gehörigen beider Bekenntnisse durch vielfache Kommunal Verhältnisse mit einander in naher Berührung. In den Pro­ vinzen Sachsen, Brandenburg und Pommern ist der eingeborne Stamm ihrer Bewohner fast durchgängig evangelisch, und die Katholiken, welche darin leben, bestehen fast nur aus eingewaiidertcn Fremden oder deren Nachkommen. Eine Aus­ nahme hiervon bildet nur in der Provinz Sachsen das Für­ stenthum Eichsfeld und die Stadt Erfurt mit ihrem Gebiete, die beide bis zum Jahre 1802 unter kurmainzischcr Hoheit standen, welche das Eindringen der Reformation fast ganz abwehrte. Analoge Verhältnisse erhielten das katholische Glau­ bensbekenntniß in einigen nicderlausitzischen Land-Gemeinden

in die kirchlichen Genossenschaften.

(81

der Provinz Brandenburg und in den zur Provinz Pommern gehörigen Herrschaften Lauenburg und Bütow, von denen erstere unter dem grundherrlichen Schutz geistlicher Stiftungen, die anderen aber bis zum Jahre 1772 unter polnischer Lan­ deshoheit gestanden haben. Im Allgemeinen ist jedoch die Zahl der katholischen Glaubensgenossen im Verhältniß gegen die große Masse der Bevölkerung so gering, daß in der Pro­ vinz Sachsen neben 15, in der Mark Brandenburg neben 72, und in der Provinz Pommern neben 115 evangelischen Chri­ sten durchschnittlich nur 1 katholischer lebt. Diese Zahlenverhaltnisse der Einwohner der Preussischen Monarchie nach den kirchlichen Genossenschaften habe ich aus der Staats-Zeitung entlehnt. Der gelehrte Verfasser ihrer statistischen Artikel, der mit einer tiefen Menschenkcnntniß einen weiten Überblick der Staats-Verhältnisse verbindet, knüpft an die, aus den Zahlungslisten hervorgehenden, Re­ sultate mehrere Bemerkungen, die ich glaube, hier einschalten zu dürfen. Er sagt: — Zum Beachten kirchlicher Anordnungen und Gebraüche, und zur Erfüllung religiöser Gelübde wird Jedermann nur allein durch sein Gewissen, nicht aber durch die Staatsge­ walt angehalten: diese wahrt nur die gleiche Gewissensfreiheit beider Religionstheile, indem sie von Beiden mit gleicher Sorgfalt Störung in kirchlichen Handlungen und öffentliches Argcrniß abwehrt. Soweit von kirchlichen Handlungen, als Taufen, Trauungen und Begräbnissen, bürgerliche Rechte abhangen, verrichten beide Religionstheile dieselben mit glei­ cher Wirkung, und ihren, auf Grund derselben ausgestellten Zeügnissen gebührt öffentlicher Glauben in vollem Umfange. Wie sorgsam hiernach die Regierung es auch vermeidet, aus religiösen Glauben irgend einen, die Gewissensfreiheit

Spaltung id Volle

182

beschrankenden Einfluß auszuüben, so bekräftigt sie doch ei­ nen tief ins religiöse Leben eingreifenden Grundsatz in eben dem Maaße, worin sie selbst die Gleichstellung beider Glau­ bensgenossen in Bezug aus bürgerliche und politische Rechte gewissenhaft beachtet.

Sie bekundet nämlich hierdurch, daß

nach ihrer Ansicht in der Verschiedenheit der religiösen über; zeügungen beider Theile durchaus kein Grund vorhanden ist, eine solche Verschiedenheit in den Beweggründen zur Sitt­ lichkeit und Rechtlichkeit anzunehmen, der eine Verschieden­ heit in dem Vertrauen rechtfertigen könnte, das sie Beiden bezeigt. Indem die Staatsgewalt, ihre Stellung richtig würdi­ gend, die Macht der Überzeugung ehrt, und lebendig aner­ kennt, daß Verordnungen und Anstalten nur sehr unvollstän­ dig den Mangel eines Pflichtgefühls ersetzen können, welches ihre Untergebenen zu derjenigen Sittlichkeit und Rechtlichkeit in ihren Handlungen von Innen herausdrängen sollte, wo­ durch allein ein gedeihliches Staatsleben möglich wird, muß sie einen sehr hohen

Werth auf dasjenige legen,

was in

den Rrligionslehrrn einer, in ihrem Machtgebiet bestehenden Kirche

zur Sittlichkeit und Rechtlichkeit aus tief empfunde­

nem Pflichtgefühl anregt. In kirchlichen Genossenschaften, welche das gleiche Ver­ trauen der Staatsgewalt genießen,

wird sich diese Werth-

schätzung zunächst auf Lehren beziehen, welche Beiden gemein sind; dagegen kann den Lehren, worin dieselben von einan­ der

abweichen,

nicht ein besonderer Einfluß auf das

gerliche und politische Leben

zugestanden werden,

Grundlage >ener Gleichstellung aufzuheben.

bür­

ohne die

Die Gründe für

das Beharren auf der Wichtigkeit solcher Unterschcidungsleh. ttn,

welches Gewicht denselben

aus wohlbegründetcr Uber-

zeügung auch beigelegt werden möchte, liegen dennoch außer­ halb des Bereichs des bürgerlichen und politischen Lebens; dieses folgt der Richtung, welche die Regierung, nach den vorstehend bezeichneten Ansichten verwaltend, ihm giebt. Diese Gleichstellung der evangelischen und römisch-katho­ lischen Glaubensgenossen, welche die Regierung gewissenhaft beachtet, hat für das Leben ihre Früchte getragen. gerlichen, und selbst im

Im bür­

Familien-Leben bekundet auch hier

die That immer mehr das Vertrauen, womit die Mitglieder beider Kirchen einander gegenseitig umfassen.

Die Handlun­

gen, womit dieselbe sich ausspricht, sind, ihrer eigenthüm» licheniBeschaffenheit nach, größtentheils nicht in Zahlen-Ver­ hältnissen darzustellen.

Was täglich vorgeht,

um Vereini­

gungen zu gemeinnützigen Anstalten, zu gewerblichen Unter­ nehmungen, oder auch nur zur Erheiterung und Veredlung des geselligen Lebens zu Stande zu bringen, läßt sich um so weniger im Antheile der einen oder der anderen Glaubens­ genossenschaft zerlegen, als in der Regel die Verschiedenheit' des Religionsbekenntnisses dabei gar nicht verlautbart wird.

Gemischte Ehen. Nur eheliche Verbindungen zwischen Mitgliedern der evan­ gelischen und der römisch-katholischen Kirche sind durch Zah­ len darzustellen, und aus sie hat das statistische Büreau seit dem Jahre 1840 um so mehr sein Augenmerk gerichtet, als das Familienband vorzugsweise geeignet ist, die Verschieden­ heit des Glaubensbekenntnisses auszugleichen und die religiöse Anschauung bei sittlich gebildeten Menschen zur wahren christ­ lichen Kirche zu erheben. Unter den 130.654 neuen Ehen, welche im Jahre 1840 geschlossen wurden, befanden sich 5545 gemischte.

Für das

184

Gemischte Ehe».

Jahr 1841 ergeben sich in gleicher Beziehung 134.414 neue Ehen, darunter 5468 gemischte. ES hatte sich hiernach im ganzen Staate bei Verglei­ chung dieser beiden Jahre von 1840 auf 1841 die Zahl aller in den evangelischen und katholischen Gemeinden neügeschlossenen Ehen nahe um 2H Prozent vermehrt; dagegen hatte sich die Zahl der gemischten Ehen nahe um 1| Prozent vermin­ dert. In Folge dieser Veränderungen waren die gemischten Ehen im ersten der hier verglichenen Jahre nahe 4|, im letzten dagegen nicht ganz 4T'T Prozent sämmtlicher neügeschlossenen Ehebündnisse. Aus diesen Zahlen ist indess nur zu schließen, daß er­ hebliche Veränderungen in den Verhältnissen der gemischten Ehen im Jahre 1841 noch nicht nachzuweisen sind; denn eS ist in Bezug auf die neuen Ehen überhaupt so Vieles von Zufälligkeiten abhängig, daß die vorstehend bemerkten Ver­ mehrungen und Verminderungen nicht als ein Ergebniß an­ haltende wirksame Umstände anzusehen sind. Nach den Provinzial-Abtheilungen geordnet fanden im Jahre 1841 unter 10.000 neuen Ehen durchschnittlich ge­ mischte Statt: — Niederschlesien. . . . 1138 Westpreüffen. . . . 535 der Rheinprovinz. . . 440 Westfalen. . . . . 415 Oberschlesien. . . . 403 Posen................... . 315 Brandenburg. . . 214 Sachsen. . . . . 195 Ostpreüffen. . . . 1/5 Pommern. . . . 75

Gemischte (Zheo.

185

Hiernach kam die größte Zahl der gemischten Ehen auf Niederschlesien, welches hier eben so gegen Oberschlesirn abgegranzt angenommen worden ist, wie in den weiter oben (S. 179) aufgestellten Angaben.

Beide Religion-theile leben

hier schon seit lange vermischt und seit hundert Jahren mit gleicher Berechtigung neben einander.

Sehr viel geringer ist

die Zahl der gemischten Ehen in Westpreüssen, wo beide Religionstheile, doch minder innig vermischt, als in Niederschlesien, auch zum Theil durch Abstammung und Sprache getrennt, und nur erst seit 70 Jahren mit gleichen Rechten neben einander wohnen. In der Rheinprovinz, in Westfalen und Oberschlesien, wo der katholische Volkstheil überwiegt, besteht ein mittleres Verhältniß der gemischten Ehen.

Posen dagegen, wo eben­

falls die Mehrzahl der Einwohner katholisch ist, hat doch verhältnißmäßig sehr viel weniger gemischte Ehen, was weit mehr der Verschiedenheit der Nationalität, als der Verschie­ denheit des Glaubensbekenntnisses zuzuschreiben ist. Die verhältnißmäßig geringste Zahl der gemischten Ehen zeigt sich in den fast ganz evangelischen Provinzen Pommern, Sachsen und Brandenburg.

In Ostpreüssen ist zwar auch

der größte Theil der Bewohner evangelisch, allein die enge Verbindung mit dem ganz katholischen Ermeland veranlaßt hier eine Vermehrung der gemischten Ehen. Stand e-Versch iedenheit.

Jeder Bewohner des Preüssischen Staats ist sein Bür­ ger, ein Staatsbürger, mit gleichen persönlichen Rechten und Pflichten, die nur in Beziehung auf die Angehörigen des mosaischen Glaubens einige Ausnahmen erleiden. meinen Leben

Im ge­

unterscheidet man einen erblichen und einen

persönlichen Stand, indem man den ersten in drei Abthei-

Stande - Verschiedenheit.

186

lungen, und zwar in Adel, Bürger und Bauer, den zweiten aber

in

vier Abtheilungen, in Nähr-, Lehr-, Beamten -

und Wehrstand zerlegt. Die Zahlen-Verhältnisse der zu den erblichen Ständen gehörigen Mitglieder der Staatsgenossenschaft sind nicht ge­ nau bekannt; indess wird, wie ich glaube, nicht viel gefehlt werden, wenn man die Zahl der Adlichen auf etwa | Pro­ zent, die der Bürgerlichen auf 26$, und die der Bauern auf 72$ der Gesammt - Bevölkerung schätzt. Diese Gliederung des Volks hat, wenn auch keine durch­ greifende politische, doch ihre, in den bürgerlichen RechtsVerhältnissen sich aussprechende dem z. B. der Adliche Recht geht, als der

praktische Bedeütung,

bei einem andern

in­

Gerichtshöfe zu

dem Bauerstande angehörige Staats­

bürger. In der zweiten Gliederung der persönlichen Stände be­ wegt sich das eigentliche Volksleben; es kommt darin zur praktischen Ausführung, die die erblichen

Stände auf die

manchfaltigste Weise untereinander mengt. Wir finden den Adlichen im Nähr -, im Beamten - und Wehrstande, seltener jedoch oder fast nie im Lehrstande; den Bürgerlichen sehen wir seine Thätigkeit in allen vier Klassen des persönlichen Standes entwickeln; den baüerlich Gebornen vornehmlich im Nähr- und Wehrstande. Die Verfassung des Preüssischen Staats unterscheidet in politischer Beziehung vier Stände;

davon besteht der erste

Stand aus den Standcsherren, mit Einschluß der ehemals reichsunmittelbarcn Fürsten, Grafen und Herren; der zweite aus der Ritterschaft, zu der die Besitzer der Rittergüter, seien sie adlicher oder bürgerlicher Geburt, gehören; der dritte aus den Städten, mit ihren Bewohnern, oder Bürgern im engern

187

Ltäod« - Derschiedenheit.

Sinn; der vierte endlich aus den Landgemeinden, die von den Besitzern kleinerer Landgüter und den baüerlichen Wir­ then bewohnt werden. Der Stand der Standesherren, den man auch den ho­ hen Adel nennen kann, ist vor den übrigen Standen in so weit einiger Maßen bevorrechtet, als er von allen leiblichen Dienstleistungen und hin und wieder auch von manchen Ab­ gaben befreit, dagegen aber auch, mindestens moralisch, ver­ pflichtet ist, mit seiner Person und seinem Vermögen zur Auf­ rechthaltung und Unterstützung der aüßern Würde und innern Verfassung

deS Staates vorzugsweise beizutragen.

Zu die­

sem Stande gehören die früher reichsfreien und reichsunmittel­ baren, jetzt aber mediatisirten Fürsten, Grafen und Herren, die ihre Besitzungen besonder- in der Rheinprovinz, in West­ falen, Sachsen und Posen haben, und demnächst die Besitzer der Fürstenthümer, freien Standes- und Minderherrschaften in Schlesien,

Sachsen,

der

Mark Brandenburg

Großherzogthum Posen, so wie die Putbus in Pommern.

und

des

Besitzer der Grafschaft

Alle Standesherren sind mehr oder

minder aus dem ältesten Adel des Landes entsprossen. Alle übrigen Adlichen, seien sie Grafen, Freiherren oder bloße Herren von, werden, in so fern sie Besitzer von Rit­ tergütern sind,

in

politischer

Beziehung

dem

Stande der

Ritterschaft zugezählt, dem aber auch eine große Menge von Rittergutsbesitzern bürgerlicher Herkunft angehören.

Das Zah-

lenverhältniß dieser bürgerlichen Grundeigenthümer scheint so bedeutend zu sein, daß sie, natürlich mit Einschluß ihrer Fa­ milien,

vielleicht mehr als , Prozent der gesammten Volks­

menge ausmachen. Die Einwohner

der

Städte zerfallen in sich

in

zwei

öUassen, denn sic bestehen aus Bürgern und aus Schutzverwand-

188

Släatt - Verschiedenheit.

ten, oder auS Einwohnern,

die das Bürgerrecht gewonnen,

und solchen, die dasselbe nicht erlangt haben.

Das Bürger­

recht besteht in der Befugniß, städtische Gewerbe zu treiben und Grundstücke im städtischen Polizeibezirk der Stadt zu be­ sitzen.

Bei einem gewissen Satze seiner Leistungen und Bei­

träge zur Erhaltung des Gemeinwesens erlangt der Bürger zugleich das Recht, an der Wahl seiner Repräsentanten Theil zu nehmen, zu öffentlichen Stadtämtern wahlfähig zu sein, und in deren Besitze die damit verbundene Theilnahme an der öffentlichen Verwaltung, nebst Ehrenrechten, zu genießen. Auf diese Berechtigungen der wirklichen Schutzverwandten keinen Anspruch, Gewerbe

betreiben dürfen,

Bürgerrechts nicht bedarf.

Bürger haben die

die überdem nur solche

wozu es verfassungsmäßig

des

Sie sind schuldig, nach Maaß­

gabe ihres Gewerbes und ihrer Vermögens-Umstände, zu den städtischen Lasten und Pflichten beizutragen. Die Bewohner der Landgemeinden, oder die baüerlichen Wirthe, führen nach der Größe ihres Grundeigenthums ver­ schiedene Namen; sie sind Bauern (in Preussen Kölmer, Chatuller, Hochzinser; in andern Landestheilen: Erb- und Frei­ schulzen, rittermäßige Scholtiseibesitzer, Frei- oder Lchnrichter; Acker-

oder

Holzbaucrn,

Halb- und Viertelbauern,

Anspänner, Pacht-,

Voll-,

Voll- und Halbhüfner), Kossä-

then, Kötter, Haüsler, Büdner, Kolonisten, Eigenkäthner, Gärtner (Frei-, Dreschgärtner, Groscher, Zehngröschler), Jnstlcüte oder Jnlieger, Miethsleüte, Brinklieger.

Den früheren

Unterschied in erbunterthänige und nicht erbunterthänige bäuer­ liche Besitzer hat die neuere Gesetzgebung seit 1807 beseitigt, welche

die Verhältnisse

zwischen

den Gutsherren

und den

Besitzern der Bauergüter geordnet, und letztere von den ver­ schiedenen Dienstpflichtigkeiten, durch Ablösung, befreiet hat.

Stände - Verschiedenheit.

189

Ich komme noch ein Mal auf die erblichen und persön­ lichen Stände zurück! Unter den erblichen steht der Adel mit seinen Ansprüchen oben an.

Er ist im faktischen Besitz des bei weitem größten

Theils vom Grund und Boden, und bildet so die Hauptmaffe des, mit Production der rohen Naturstoffe beschäftigten Nährstandes, mithin den wichtigsten unter den persönlichen Standen, zugleich den kräftigsten.

Allein er ist von der An­

sicht nicht tief genug durchdrungen, daß es zur Erhaltung seiner Kraft, zur

Erringung einer hohen politischen Bedeü-

tung und wirksamen Stellung im ist, seine Macht zu konzentriren, zu bewahren. Mehrzahl, nicht

Staatsleben nothwendig

und sie vor Zersplitterung

Überdem kann sich der Adel, wol in seiner an die Bedürfnisse

und Forderungen der

Zeit gewöhnen, die ein Gleichgewicht der Stande gebieterisch verlangt.

Unser Adel macht in seinen nachgebornen Mitglie­

dern zu hohe Ansprüche ans Leben;

er hat

noch nicht die

Kraft des Gemüths gewonnen, so manches der angeerbten Vorurtheile zu bekämpfen, daß es z. B. unter seiner Würde, unter der Würde seines altangestammten Familien - Namens sei, wenn die jüngeren Glieder in den Sphären der bürger­ lichen Thätigkeiten sich bewegen,

wenn sie tüchtige,

that­

kräftige Fabrikherren, umsichtige Handelsleüte, und dadurch in der Reihe der die Rohstoffe

verarbeitenden Producenten

eben so achtbare und angesehene Staatsbürger werden, als der Erstgeborne auf dem Felde der Roh - Production. Wenn unser Adel in seinem Kampf mit dem Vorurtheil den Sieg davon getragen und

die innige tlberzeügung ge­

wonnen haben wird, daß, um ein Mal recht derb zu spre­ chen, die Zeiten vorüber sind, welche die jungen Dirnen dem Lehensherrenrecht unterwarf, und die Ideen des abgestorbenen

Mittelalters der lebensfrischen, jungen Civilisation für immer das Feld geräumt haben, dann wird er die Stellung voll­ ständig begreifen, die ihm die neüere, und ganz besonders die neüeste Gesetzgebung anzuweisen bemüht ist, eine Gesetz­ gebung, die, — indem sie die Verleihung des Adels an den größer» Grundbesitz knüpft, und die Vererbung auf denjeni­ gen unter den Descendenten beschränkt, welcher in den allei­ nigen Besitz des väterlichen Grundeigenthums

gelangt, —

die Aufrechterhaltung der aüßern und innern Würde des Adels, und eine Aristokratie zu schaffen strebt, die, nach Analogie der englischen, einen Haupt- und Grundpfeiler des Staats zu bilden im Stande ist. Von den persönlichen Ständen unsere besondere

Aufmerksamkeit,

verdient

der Lehrstand

weil aus ihm und seiner

Thätigkeit die geistige und sittliche Bildung des Volks beruht. Er umfaßt die Diener der Kirche und der Schule.

Die Wirk­

samkeit der letztem ist, unter der sorgsamen Pflege der Regie­ rung, während des letzten Vierteljahrhunderts so einflußreich und mächtig

gewesen,

daß die Bewohner des Preüssischcn

Staats vor allen anderen eüropäischen Nationen sich dadurch auszeichnen, daß sie in der großen Mehrheit die ersten, die Grund-Elemente jeder geistigen Kultur erworben, und da­ durch die Mittel gewonnen haben,

diese selbst in ihrem gan­

zen Umfange in sich aufzunehmen. Man darf dies sagen, ohne stolz zu sein, ohne der Na­ tional-Eitelkeit zu fröhnen, man darf es aussprechen, — daß in den Bewohnern des Preüssischen Staats, ein allgemein ver­ breiteter, ein durchgreifender

Grund

zur Intelligenz gelegt

ist, — weil dies eine vollendete Thatsache ist, wie ich es weiter unten zeigen werde. Und das verdankt das Volk seinen Lehrern, die, nach

Stände - Verschiedenheit.

191

Bildung von Kopf und Herz, eine der würdigsten Stellen in der Glieder-Reihe der Staatsgenoffen einnehmen.

Ihre

Zahl läßt sich zu 44.000 annehmen, wovon i auf die Die­ ner der Kirche fallen mag. Von sehr bedeutendem Einfluß auf den Organismus des Staatslebens, und seine Entwicklung, ist der Beamten-Stand, denn in ihm befindet sich die Elite der politisch Gebildeten; in ihm allein befinden sich die Geschäftskundigen, die eS sich zur Lebens-Aufgabe gemacht haben, dem Könige und dem Vaterlande zu dienen in der Vollstreckung der Gesetze zur Wohlfahrt der gesammten Staats-Genoffenschaft. Man

hört

Beamtenstand

zuweilen

die Tendenz habe,

Volks auszuschließen; sich hin und

darüber



führen,

daß der

sich von der Masse deS

das mag vorkommen, und läßt

wieder entschuldigen;

bildete Beamte,

Klage

doch der wahrhaft ge­

bei dem das Herz eben so viel Theil hat

an der Bildung, als der Kopf, wird seinen Ursprung, der im Volke selbst liegt, nie verkennen, und sich von dem hohen Berufe durchdrungen fühlen, der ihm durch das Vertrauen des Regenten und der Regierten zu Theil geworden.

Ich

sage: auch der Regierten; denn viele unserer Beamten, ge­ rade diejenigen, welche die Gesetze ins Leben einführen und auf dasselbe

in Anwendung bringen, diese Beamten gehen

aus dem Schooß der Regierten und ihrer freien Wahl her­ vor, die meistens nur an eine gewisse Zeitfrist gebunden ist. Nicht die Geburt entscheidet über den Eintritt in den persön­ lichen Stand des Beamten, sondern nur, und zwar ausschließ­ lich — die Fähigkeit, die geistige und sittliche Tüchtigkeit.

Es

gehört in unserem Vaterlande keinesweges zu den Seltenheiten, daß der Bauern-Sohn, der Sohn eines geringen Handwer­ kers an die Spitze einer großen Gemeinde-Verwaltung, eines

192

Ttävdc- Ltrschitdtiihcii.

Landes - Berwaltungs -, oder Justiz - Kollegiums berufen wird, und sich zu den höchsten militairischen Würden emporschwingt, zu denen nicht die bloße persönliche Tapferkeit genügt, son­ dern die Kriegskenntnisse erfordern, welche nur durch geistige Bildung erlangt werden können; und mehr als ein Mal haben wir es erlebt, daß der Regent Männer bürgerlicher Herkunft mit den höchsten Staatsämtern, mit der Leitung von Mini­ sterien betrauet hat, weil Er sie auf ihrer Laufbahn durch das öffentliche Geschäftsleben als die Kundigsten, die Gesin­ nungsvollsten, als die Tüchtigsten erkannt hat. Es giebt aber auch eine Klasse von Beamten, zu der, außer der Fähigkeit, die Berechtigung führt. Leute, welche eine gewisse Reihe von Jahren im stehenden Heere, meist als Unteroffiziere, tadelfrei gedient haben, erwerben sich den An­ spruch auf Civil-Versorgung, die, selbstredend nur in den untergeordneten Stellen, sei es im Staats-, oder im Kom­ munal-Dienst, erfolgen kann. Diese subalternen Beamten können zum größten Theil in der Eigenschaft als Kanzelei Sekretaire, Steüer-Ausseher, Thorschreiber, Gränzwächter, Nuntien, Boten, u. s. w., einen großen Einfluß auf das Volk ausüben, weil sie mit den Verwalteten am unmittel­ barsten in Berührung stehen; was voraussetzt, daß geistige und sittliche Haltung bei ihrer Wahl den Ausschlag ge­ ben muß. Die Zahl der Staatsgcnossen, die aus der Theilnahme an der öffentlichen Verwaltung ihren Lebensberuf machen, und darin ihren Broderwerb finden, ist mir nicht genau bekannt; so viel aber steht fest, daß sie sehr bebrütend, und weit be­ trächtlicher und vielleicht daS Vierfache der Zahl derjenigen Leüte ist, welche — Den Wehrstand zur Aufgabe ihres Lebens gewählt ha-

Stände - Verschiedenheit.

193

den, weit dies« fast nur aus den Offizieren und Unltwffijiewrr bestehen, die bei den Linim- Truppen die Stelle der mi­ litärischen Lehrmeister des-Volks einnehmen; denn das, was wir das stehende Heer zu nennen pflegen, ist weiter nichtals eine große Militair- Schule, zugleich in elementaren Lehr, objecten, wie Geschichte und Geographie, eine Nachhülfe-, ja, warlich eine hohe Schule für den--gemeinen Mann, seit­ dem die gesammte männliche Bevölkerung- sofem sie nur körperlich und geistig fähig ist, die Waffen zu tragen, durch da- Gesetz den schönen Beruf erhalten hat, das Vaterland zu vertheidigen.

Von da an ist der'Wehrstand, insofern seine

Theilnchmer für ihre Lebenszeit

bei den Kähnen sind, zu

einem kleinen-Haüflein zusammengeschmolzen, das, hochge­ rechnet, auf ein« Stärke von 30.000 Mann geschätzt werden kann, wovon 9500 Offiziere aller Grade find. Hiernach betragen die zum Soldatenstand permanent ge­ hörigen Personen, mit ihren Weibern und Kindern, etwa tVv

der gesummten Einwohnerzahl des Staats, wogegen die

Beamten, sammt ihren Familien, wol auf V* geschätzt wer­ den können.

Und in dieser Zahl sind nur die Königlichen,

die Staats-Diener,

und von den Gemeinde-Beamten blos

die besoldeten enthalten; sie enthält nicht

die ünbesbldeten

Provinzial-, Kreis- und Kommunal-Beamten, welche, auf Grund der freien Wahl ihrer Mitbürger, während einte be­ stimmten Jahresreihe der Verwaltung des öffentlichen Wesebs dienen; sie enthält auch nicht die herrschaftlichen oder Privat Beamten, welche als Amtteüte, Wirthschafts -Jnspectoren, Rentmeister, Rendanten, Förster, Sekretaire, Schreiber,

k.,

von ihren Brodherren abhängig sind, für deren Privat-Wohl sie zu sorgen haben, so daß ihre Stellung nur von mittel­ barem Einfluß auf das öffentliche Wohl ist. Statistik d. Prcüff. Staate.

An diese Privat - Dienerschaft schließt sich, auf niederer Stufe, das Gesinde an, das ungefähr Vs bis V, der ganzen Volksmenge ausmacht. Die große Maffe des Gesindes dienet zur Aushülse in der Landwirthschaft und anderen Gewerben, und nur | seiner Zahl, oder etwa ^ der Volksmenge zur persönlichen Bequemlichkeit, worunter Lakaien, Kutscher, Zö­ ger, Gärtner und Köche, Kammer- und Stubenmädchen, Köchinnen, Wärterinnen und Ammen zu verstehen sind. DaS männliche Gesinde verhält sich zum weiblichen, der Zahl nach, wie 11 zu 13. Betrachtet man aber seine An­ wendung im Besondern, so findet sich, daß dir Zahl d«S Ge­ sindes, welches zur Hülse bei der Landwirthschast oder ande­ ren Gewerben gebraucht wird, in beiden Geschlechtern nicht sehr verschieden ist, denn eS dienen nahe 17 Knechte neben 18 Mägden. Dagegen überwiegt bei demjenigen Gesinde, welches bloS zur Bequemlichkeit der Herrschaft gehalten wird, das weibliche Geschlecht bei weitem, weil männliche Dienst­ leistungen allzu theüer sind. Gegen 3 männliche Domestiken werden noch etwas mehr, als 10 weibliche gehalten. Verthctluug des Volks in Land- und Stadtbewohner; — städtische Wohnplützc.

Stadt und Land sind die beiden Gegensätze des Woh­ nens ; es giebt daher städtische Gemeinden und ländliche. Die Zahl der ländlichen Gemeinden ist mir nicht genau bekannt, aber ich schätze die der Ortschaften auf dem platten Lande zu etwa 65 bis 66.000, worin die sogenannten Flecken, welche ehemals ausschließliche Marktberechtigung besaßen, die Dörfer, die Weiler, Kolonien, Vorwerke, it., enthalten sind, welche zusammengenommen aus ungefähr lf Millionen Wohnhaüsern bestehen mögen. Die ländlichen Wohnsitze sind bald geschlossene Dörfer

in Land- n. Stadtbewohner; — städtische WohnplLhe.

195

und diese bilden die Mehrzahl im Preüfsischen Staate, oder sie liegen vereinzelt und zerstreut, jeder Hof von seinem Acker, seinen Wiesen rc. umgeben, wie e- in einem großen Theile West­ falen'- und der Rheinprovinz der Fall ist, wo ein Complexuderartiger Höfe die Bauerschaft, die Honnschaft bildet, derm mehrere zusammengenommen da- Kirchspiel, die Gemeinde ausmachen. Fmchtbarkeit und Unfruchtbarkeit de- Boden- und dar­ aus mehrentheil- entspringende Wohlhabenheit oder Dürftig­ keit de- Landmann- entscheidet, in Berbindung mit dem strtßeren oder kleineren Maaße seiner geistigen und sittlichen Bil­ dung über daS aüßerr Ansehen der Wohnplitze auf dem plat­ ten Lande.

Sind mit den eigentlichen Arbeiten de- Land­

manns, den landwirthschaftlichen und damit zusammenhan­ genden, auch noch andere Beschäftigungen kn Berührung, welche die Berarbritung von selbst gewonnetim Rohstoffen zum Ziele haben, so entstehen alsbald größere Etablissement-, welche auf den Wohlstand der betreffenden Gegend von bebrütendem Einflüsse sind, und wesentlich dazu beitragen, nebst der ge­ wöhnlichen , angeerbten Leben- - und Wohnung-weife der Landlrüte bejt Geschmack für höheren Eomfort, ja LuxuS zu weckbü und zu reizen. Darum finden wir die schönsten Dörfer kn verschiedenen Gegmdrn der Provinzen am Rhein und in Westfalen, in Sachsen und Schlesien, hin und wieder auch, doch bi- jetzt selten, in der Mark Brandenburg, Dörfer, die mit ihren massiven Haüsern und Schiefer- oder Ziegeldächern, oft von städtischem Ansehen, gar Vortheilhaft abstechen gegen die re­ gellos zusammengebauten Lehmhütten mit Strohdach der länd­ lichen Wohnplätze in denjenigen Gegenden des Staats, wo das slawische Volks-Element das herrschende ist. 13*

196

VtrU'nluug des Lclks

Pie größten ländlichen Wohnplätze liegen in Schlesien, besonders in dem Gebirgstheile dieser Provinz, wo sie sich in den Thälern oft Meilen weit hinaufziehen und an Einwoh­ nerzahl die größeren Städte übertreffen, wenn gleich die Aus­ dehnung auf größerem Raume es ihnen nicht gestattet hat, diejenigen Einrichtungen und Anstalten zu errichten und zu entwickeln, welche das Städtelcben besonders charakterisiern. Hier haben wir mehrere Dörfer, von denen jedes 4000 Ein­ wohner und darüber hat, ja eines ist darunter, welches von 13.000 betriebsamen Menschen bewohnt wird, es ist Langenbielau bei Reichenbach, das große Weber-Dorf, der größte unter den ländlichen Wohnplätzen der Preüssischen Monarchie. Und daran reihen sich einige Wohnplätze in der Rheinprovinz, die früher einfache Dörfer waren, die aber durch den Zu­ wachs ihrer Einwohnerschaft, durch Wohlstand und höhere Bildung, die sich unter dieser verbreitet hat, wodurch das Bedürfniß nach größerer Selbstständigkeit hervorgerufen wor­ den ist, aus der Reihe der ländlichen Gemeinden ausgeschleden und in den Stand der rheinischen Städte aufgenommen worden sind; es sind die, in dem dicht bewohnten und ge­ werblichen südöstlichen Theile des Regierungs-Bezirks Düs­ seldorf belegenen drei Fabrikorte Remscheid, Burscheid und Leichlingen, und Höhescheid mit Merscheid, deren jeder schon im Jahre 1837 über 10.000 Einwohner zahlte. Aber außer diesen, jetzt nicht mehr ländlichen Gemeinden haben die Rhein­ provinz und das südliche Westfalen noch viele Ortschaften deS platten Landes, welche es nach Umfang und Einwohner­ zahl sehr wohl mit den schlesischen Gebirgsdörfern aufnehmen können. Die Bewohner des platten Landes machen 74 Prozent der Gesammt - Bevölkerung des Preüssischen Staates aus.

IN

Land-

u.

Stadtbewohner; — kädtlsche

Wobnvlätze.

197

Nach dem muthmaßlichen Stande dieser letzteren, welche ich oben (S. 107) auf 16 Millionen geschätzt habe, würde sich die Zahl der Einwohner in

den

ländlichen

Gemeinden zu

11.840.000 berechnen lassen. Dagegen bildet die städtische Bevölkerung 26 Prozent aller Einwohner des Staats; mithin besteht sie um die Mitte des Jahres 1844 in absoluter Zahl sehr wahrscheinlich aus 4.160.000 Individuen. Bei dieser Ermittlung der Stadt- und Landbewohner ist auf das aktive Militair nicht in der Art Rücksicht genommen, daß es den Städtebewohnern zugezählt worden.

Der bei-

weitem größte Theil des aktiven Militairs besteht aus jun­ gen Landleüten, die während ihrer drei - und zweijährigen Exercier-Zeit in den Reihen des stehenden Heeres nur einen temporairen Aufenthalt in den betreffenden Garnison-Orten machen, um alsbald zu ihren ländlichen Beschäftigungen zu­ rückzukehren.

Die in den Städten wohnhaften, zu dem be­

ständigen Militair-Etat gehörigen Personen, als Offiziere, Verpflegungs-, Garnison- und andere Beamte dieser Katego­ rie, sind, sammt ihren Familien, doch zu gering an Zahl, als

daß sie

die städtische

Bevölkerung

der

Bürger und

Schutzverwandlen wesentlich erhöhen könnten; sie sind nicht Producenten, sondern Consumenten, und als solche da, wo ihrer viele leben, auf Verzehrung und den Betrieb städtischer Gewerbe

allerdings

von

wesentlichem

Einfluß,

und für

Beides von nicht geringem Nutzen. Zum Stande der Städte gehören gegenwärtig 972 Ort­ schaften. Vergleicht man diese Zahl mit dem Areal des Preüssischen Staats, so findet man, daß im Durchschnitt auf einem Raume von 5 Quadratmeilen 1 Stadt belegen ist. Die Wechselwirkung zwischen Stadt und Land würde im

198

Brrtheiluag tt< Do»S

Preüssischen Staate

überall

nahe

dieselbe sein,

wären die

städtischen Wohnplätze in den einzelnen Provinzen gleichförmig vertheilte

Dies ist aber keineswegeS der Fall.

Der mitt­

lere Durchschnitt von 5 Geviertmeilen für Eine Stadt findet flch nur in der Mark Brandenburg und in Schlesien.

In

den andern Provinzen liegen sie bald dichter zusammen, bald find sie bei weitem zerstreüter. von Pommern und Preussen. Stadt erst auf

7\,

Letzteres gilt im Besondern In

Pommem

in Preüssen sogar erst auf

kommt Eine 94

Quadrat­

meilen, dagegen ist jede Stadt in der Rheinprovinz von ei­ nem Raume von fast 4, in Westfalen von sen und dem

3\,

und in Sach­

Grvßherzogthum Posen von 34 Geviertmeilen

im Durchschnitt umgeben. Auf die Menge der Städte kommt es aber weniger an, ÄS auf die Bedeütung, welche sie durch Zahl, Gewerbsamkeit

und

Bildung

ihrer

Einwohner

erlangt haben.

Wir

dürfen nur auf die Berhältnißzahl der Städte in Sachsen und Posen sehen; in beiden Provinzen ist sie gleich groß; aber eS wird Niemand behaupten wollen, daß auch die städtische Bevölkerung in beiden Provinzen einen gleich großen Einfluß aus daS Gedeihen und Wohlbefinden der ganzen Provinz, und dadurch auf daS gesammte StaatSleben ausübe.

Der Unter­

schied ist in der That so groß, wie — um mich eines ganz pvpulairen Gleichnisses zu bedienen — wie der hellste Tag und die dunkelste Nacht!

Licht in Sachsen, Finsterniß

in

Posen. Die Städteordnung vom Jahre 1808 theilt die Städte der Preüssischrn Monarchie in drei Klassen, in große, mitt­ lere und kleine Städte, und legt bei dieser Eintheilung die Einwohnerzahl zum Grunde.

Es werden unter den großen

Städten diejenigen, welche mit Ausschluß des Militairs, Zehn-

in Laad- u. Stadtbewohner; — städtische Wohuplätze.

199

tausend Seelen und darüber haben, — unter mittleren Städ­ ten diejenigen, welche, ohne Militair, Dreitausend fünfhun­ dert, allein noch nicht Zehntausend Seelen enthalten, — und unter kleinen Städtm diejenigen verstanden, welche, daS Mi­ litair ungerechnet, noch nicht Dreitausend fünfhundert Ein­ wohner zählen. Vom staatswirthschaftlichen Standpunkte betrachtet, find indessen di« großen Städte so verschieden an wesentlich städtkschm Eigenschaften, daß sie nothwendig in mehrere Klassen getheilt werden müssen, wenn nicht ganz Unähnliches als gleichartig bezeichnet werden soll.

G. Hoffmann hat für diese

Eintheilung der Großstädte vier Klaffen vorgeschlagen und alS Norm derselben die Einwohnerzahl beibehalten. Zur ersten Klaffe mit 100.000 und mehr Einwohnern gehört allein Berlin, die Landeshauptstadt. Zur zweiten Klasse mit 50.000 und mehr Einwohnern gehören unbedenklich folgende fünf Städte: BreSlau, Köln, Königsberg in Pr., Danzig mit seinen entfernt liegenden Vorstädten, und Magdeburg mit seinen vormaligen Vorstäd­ ten Neüstadt und Sudenburg,

die aber jetzt selbstständige

Stadtgemeinden bilden. Die dritte Klasse von 20.000 Einwohnern und darüber enthält selbst bei mäßiger Verschiedenheit an Bevölkerung, dennoch Städte von sehr verschiedenen Eigenschaften in Be­ zug auf Erwerbsmittel und Wohlstand, welche hier, nach Hvffmann's Vorgänge, blos nach dem einfachen Verhältnisse der Einwohnerzahl aufgeführt werden, ohne dadurch auch nur im entferntesten eine gleiche Rrihefolge an Vollkommen­ heit der städtischen Anstalten bezeichnen zu wollen. Zu die­ ser Klaffe gehören: Achen, Stettin, Posen, Barmen, Elber-

200

Verkeilung de» Volks

ftlb, Hall« a. d. S., Potsdam, Erfurt, Frankfurt a. d. O., Krefeld und Düsseldorf. Die zur vierten Klasse gehörigen Städte van 10.000 und mehr Einwohnern zeigen eine gleich große Verschieden­ heit der wesentlich städtischen Eigenschaften wie die der drit­ ten Klasse, und lassen sich in ihrer relativen Bedeutung keineSwegeö allein nach der Einwohnerzahl beurtheilen. Dieser zufolge gehören in diese Klasse: Münster, Elbing, Halber­ stabt, Koblenz, Trier, Sttalsund, Burg im Reg.-Bez. Magde­ burg, Bonn, Görlitz, Brandenburg a. d. H., Quedlinburg, Rordhausen, Mühlhausen, Naumburg a. d. S., Eüpen, GroßGlogau, Liegnitz, Tilse, Stieg, Neiße, Stargardt in Pom­ mern, Wesel, Greifswald, Prenzlau, Remscheid, Burscheid mit Leichlingen, Höhescheid mit Merscheid. Die Zahl der großen Städte belauft sich hiernach aus 44, und davon liegen in der Provinz Preüssen 4, in Posen 1, in der Mark Brandenburg 5, in Pommern 4, in Schlesien 6, in Sachsen 9, in Westfalen 1, und in der Rheinprovinz 14. Sie enthielten im Jahre 1837, nach der letzten Zahlung, für welch« die städtische Bevölkerung bekannt ist, zusammengenom­ men 1.247.200 Einwohner bürgerlichen Standes, ohne das Militair zu rechnen. Im Besondern enthielt: Magdeburg 61.300, Danzig 56.300, Königsberg 64.200, Köln mit Deüz 69.000, Breslau 88.900 und Berlin 265.400 Einwohner. Was die Einwohnerzahl der Landeshauptstadt betrifft, so wurde dieselbe im Jahre 1837 zu niedrig angegeben; ich komme weiter unten darauf zurück. Diejenigen Städte, welch« in Folge der Städteordnung vom Jahre 1808 zu den Mittelstädten gehören würden, theilt Hoffman» ebenfalls in Klaffen, weil der Abstand unter ihnen viel zu groß ist, um sie als gleichartig betrachten zu können.

in Land- u. Stadtbewohner; — städtische WohnplLtze.

201

Er nimmt versuchsweise zwei Klaffen an, deren Scheidepunkt bei der Einwohnerzahl von 60Q0 liegt. Zur ersten Klaffe dieser Mttelstädte mit mehr atS 6000 Einwohnern gehörten im Jahre 1837 folgende 59, die in ab­ steigender Reihe aufgezählt sind: Zeitz, LandSberg a. d. SB., Grünberg, Aftherslebrn, Schweidnitz, Merseburg, Jstrloh», Gubsn, Memel, «ine jede, mit mehr als 9000 Einwohnern; — Liffq, NeüSS, Wittenberg, Insterburg, Rawitsch, Kottbu», Mühlheim a.d. Ruhr, Kreüznach, jede mit ß000 Einwohnern und darüber; — Minden, Neü-Ruppin, Paderborn, Stolpe, Braunsberg, Eilenburg, Kleve, Thorn, WeißrnfelS, Soest, Eisleben, Saarbrück, Suhl, Düren, Anklam, Bromberg, Schönebeck, Salzwedel, Langensalza, Tlatz, Goldberg, Hirschherg, jede mit mehr als 7000 Einwohnern; — unter dieser Einwohnerzahl abwärts bis 6000 Einwohner hatten: Kös­ lin, Dortmund, Herford, Oppeln, Spandau, Eschweiler, Kolberg, Ratibor, Torgau, Duisburg, Eharlottenburg, Krotoschin, Gumbinnen, Gleiwitz, Mttstock, Kempm, RonSdors, Stendal, Bielefeld und Lennep. Diese 59 Mittelstädte erster Klaffe hatten zusammen ge­ nommen 447.340 Einwohner bürgerlichen Standes, und es enthielt von ihnen die Provinz Preüffen 5, Posen 5, Bran­ denburg 7, Pommern 4, Schlesien 8, Sachsen 13, Westfa­ len 7, und die Rheinprovinz 10 Städte. Auf einer weit niedrigeren Stufe in Absicht auf städtische Anstalten zur Sicherheit, Bequemlichkeit und Annehmlichkeit des Lebens stehen die Mittelstädte der zweiten Klaffe, welche 3500 und mehr Einwohner haben, aber 6000 nicht erreichen. Sie bilden eine von den vorigen Mittelstädten wesentlich ver­ schiedene Gattung von Ortschaften. Im Jahre 1837 waren ihrer 126 mit einer Gesarnmt - Einwohnerzahl von 569.500

vorhanden. ES hatte Preüssen 11, Posen 9, Brandenburg 30, Pommern 13, Schlesien 21, Sachsen 13, Westfalen 11, und die Rheinprovinz 18 Mittelstädte dieser Klaffe. Unter ihnen hebt Hoffmann folgende namentlich hervor: — 3n der Provinz Preüffen: — Pillau, brmerkenSwerth als Borhafed von Königsberg, Elbing und BraunSberg, und als Festung; Marienburg, der alte Sitz der Hochmeister de- deütfchen OrdenS; Marienwerder, mit 5Ü20 Einwohnern, Sitz ei­ ner Provinzial-Regierung; Kulm, bedeutend in der ältern preüssifchen Geschichte und jetzt wieder allmälig aufblühend. In Posen: — Fraustadt, nächst Liffa und Rawitsch die ansehnlichst« unter den größtentheilS von Deutschen bewohn­ ten Städten drS GroßherzogthumS; Gnesen, vormals der Sitz deS ersten ReichsstandeS des alten Königreichs Polen, der atS Erzbischof hier seine Kathedrale hatte; noch jetzt führt der Erz­ bischof des GroßherzogthumS den Titel von Gnesen und Posen. In Brandenburg: — Schwedt, mit dem Schlosse, wel­ ches der Sitz einer nunmehr ausgestorbenen Nebenlinie des HauseS Brandenburg war; Neüstadt-Eberswalde, mit be­ trächtlichen Fabrik-Anlagen; Küstrin, Festung und Vormali­ ger Sitz der nrümärkischen Landes-Kollegien, die sich jetzt in Frankfurt a. d. O. befinden; Züllichau, jetzt mehr durch seine DildungS-Anstalten, als durch die Vormals wichtige Luch­ fabrikationausgezeichnet; Königsberg, mit einem Gymnasium, und während der französischen Okkupation von Küstrin Sitz der nrümärkischen Regierung. Zn Pommem: — Wollgast und Demmin, die, witAnklam, überseeische Schifffahrt treiben; Swinemünde, Bor­ hafen von Stettin; Rügenwalde, nach Stolpe und Kolberg die dritte der hinterpommerschen Seestädte. In Schlesien: — Oels, Hauptort deS herzoglich braun-

schweigschen Fürstenchum» gleiche- NamrnS; Reichmbach, durch gewerbliche und geschichtliche Verhältnisse ausgezeichnete Ge» birgsstddt; Leobschütz, Hauptort de» preüsfischrn Antheil- an dm fürstlich Lichtensteiafchen Fürstenchümem Stvppa« und Jägemdorf; Sagau, Hauptort des Mediat-Fürstenthum» gleiches NarumS; Lauer, Hauptort des FürstmthnmS glei­ ches Namens; 8»«oh»erzahl

diese kleinen Städte müssen, zur richtigeren Beurtheilung ihr« relativen Wichtigkeit in mehrere Klaffen zerlegt «erden. Rimmt «an die Einwohnerzahl von 1500 aiS letztes UnterscheidungS-Merkmal an, so findet «an, daß. von der Ge­ sammtheit der kleinen Städte 263 vorhanden find, deren jede unter 1500 Einwohnern hat, di« oder gleichwol im Stande der Städte repräsentirt werden. Bon denselben habe« 162 noch 1000 Einwohner und darüber, 77 nur 600 und mehr, und 24 sogar weniger als 600 Einwohner. Bon den zuletzt genannte» kleinen städtischen Ortschaften, die zusammen 10.600 Einwohner hatten, liegen 16 im Großherzogthum Posen, (15 in Bromberg, 1 in Posen), 3 im Regierungsbezirk Pots­ dam , 2 in Frankfurt und 3 in BreSlau. Die geringste Be­ völkerung hatte im Jahre 1837 die Stadt Lrebschen bei Züllichan, denn sie enthielt nur 252 Einwohner: Öfter die Einwohnerzahl ftet Hanptftadt de» Staat».

Rach der Angabe des statistischen BüreauS betrug die Bevölkerung von Berlin im Jahre 1840, mit Einschluß des Militäres 330.200 Seelen (f. oben S. 113). Eine amtliche Schrift des Magistrats und der Stadtverordneten der Residenz­ stadt setzt aber die Einwohnerzahl, mit Ausschluß des Mili­ täres, für dieselbe Epoche auf......................... 331.900 Wie groß ist diese Zahl um die Mitte des Jahres 1844? Berlin gewinnt jährlich durch Mehrgeburten etwa 3000 Seelen; es hat also seit 1840, in 34 Jah­ ren, einen Zuwachs gehabt von..............................10.500 Größer ist der Zuwachs, den die Stadt durch Einwanderungen erhält. Im Durchschnitt wanderten in den letzten Jahren jährlich 8000 Personen mehr______ Zu übertragen 342.400

der Haaptstadt de« Staats.

205

Übertrag . . 342.400 rin, als fortzogen, und dadurch hat sich die Be­ völkerung seit 1840 vermehrt um................. 28.000 Demnach belauft sich bfe Einwohnerzahl bür­ gerlichen Standes um die Mitte des Jahres 1844 wahrscheinlich auf........................................... 370.400 Dazu kommen noch die zum aktiven Militair gehörigen und alle auf dem MiNtair-Etat stehen­ den Personen, die von den Polizei-Behörden nkcht mitgezählt werden, und Nach den vorhandenen Nach­ richten betragen mögen............................................13.600 Mithin belauft sich die Gesammt-Bevölkerung von Berlin um die Mitte des Jahre» 1844 auf etwa 384.000 Seelen, die, außer Id vielen öffentlichen, theil» königlich«, theil» städtischen Gebäuden, in 7900 Privathaüseru wohnen, welche in mehr, al» 64.000 Quartiere getheilt sind.

Vergleichung der Grundmacht de» Preussischen Staat» mit

der Grundu^acht der vier übrigen eüropäischen Hauptmächte. Der Preüfsische Staat, der unter seinem ersten Könige Friedrich I. ein Areal von 1700 Geviertmeilen besaß, auf dem 2 Millionen wohnten, der bei dem Tode des großen Friedrich 3100 Geviertmeilen groß war und Millionen Einwohner zählte, hat sich unter dem Schutze der göttlichen Vorsehung

durch die Thatkraft seiner Herrscher zu einer Festigkeit und Ausdehnung deS innern StaatSlebenS entwickelt, und dadurch eint politische Wirksamkeit nach Außen erworben, die ihn fähig und würdig gemacht haben, Sitz und Stimme zu nehme» und zu führen in dem großen Staaten-Rathe, der gegenwärtig das politische Geschick der eüropaischen Welt, und mittelbar das Schicksal der christlich -civilisirten Länder au' der westlichen Halbkugel, in Händen hat. Dieser Staaten-Rath, der vor dreißig Jahren gegründet wurde, besteht aus fünf Mitgliedern, nämlich auS Österreich, Britannien, Frankreich, Russland und — Preüssen. Sehen wir, welche Stellung Preüssen, seiner Grund­ macht nach, in diesem Staaten-Rathe einnimmt! Zuvor muß ich aber bemerken, daß Britannien, Frank­ reich- und Russland bei dieser Vergleichung nicht blos nach dem europäischen Besitz dieser Reiche ^ sondern nach ihrer Gesammtbesitzung über die fremden Erdtheile zur Betrachtung gezogen worden sind. Zur richtigen Beurtheilung der relativen Wichtigkeit der fünf Hauptmächte haben wir ihre Grundmacht von drei Sei­ ten zu betrachten, von der Seite ihrer Größe, ihrer absolu­ ten und ihrer relativen Bevölkerung. Größe btt Bode »fläche.

Russland........................... 72,3 Großbritannien .... 58,2 Österreich............................. 2,3 Frankreich............................. 2,0 Preüssen............................. 1,0 Absolute Bevölkerung.

Relative Bevölkerung.

Großbritannien. . . 13,3 Frankreich .... 20,0 Russland................... 4,0 Österreich........................ 18,1

Absolrt« Bevölktruog.

StrlatJ»* Bt»ölket»»g.

Österreich................. 2,4 Preussen......................17,8 Frankreich................. 2,3 Großbritannien... 4,0 Preüssen................. 1,0 Russland....................... 1,0 Diese Skalen zeigen, daß Preussen, Hinsicht- der Größe der Lodenfläche sowol, als der absoluten Llevölserung, im Rathe der — fünf di« letzt« Stelle einnimmt; und steht eS gleich in Beziehung, ayf relative Bevölkerung, -der LolkSdichtigkeit, auf der dritten Stufe, jo reicht dieses, aus der Grundmacht der Staaten abgeleitete Element doch keineSwegeS hin, die hohe Brdeütung zu erkläreu, welche der-Preus­ sische Staat in der eüropäischen Völker- und Staaten-Fa­ milie innerhalb der zuletzt vergangenen hundert Jahre errun­ gen hat. Der Grund dieser, in der Weltgeschichte seltenen, Erschei­ nung muß ein anderer sein; und er ist ein anderer, — das bezeügen uns die Ereignisse, die das Leben der eüropäischen Völker seit dem Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts fy* «egt. haben, das! erkennen auch die fremden Nationen, hie auf Das, was bei un» vorgegangen ist und vorgeht, mit einer gewissen Spannung blicken, und, nicht selten mit eini­ ger Überwindung, uns das Jeügniß geben, — Preussen'- po­ litische Stellung entspringe nicht aus seiner materielle^ Macht, sondern aus dem geistig-sittlichen Princip der innern Kraft, welche Regent und Regierte zu einer Einheit zusammen fü­ gen, die in ihren Äußerungen, auf der Bahn des Fortschritts, unwiderstehlich ist. Und worin besteht das Geheimniß dieser Einigkeit und Einheit? In der Liebe des Fürsten zum Volke, in der Liebe des Volkes zum Fürsten, die aus der Wahl der Regierung»-

206

PreSffe»» Grundmacht im Jtreifc

Grundsätze und deren lebendigen Anwendung auf da- Lebe» entspringt! „Die wahre Politik der Könige, und jede- rechtliche« Mannes, besteht in Güte und Gerechtigkeit." „Damit ein Fürst die Pflichten, welche zu erfüllen ihm obliegen, nie aus den Augen lasse, muß er sich erinnern, daß er rin Mensch ist, wie der Geringste seiner Unterthanen. — Er ist nur der erste Diener des Staats und verbunden, mit Rechtlichkeit, Weisheit und Uneigennützigkeit zu verfah­ ren, wie wenn er jeden Augenblick seinen Mtbürgern über seine Staatsverwaltung Rechenschaft ablegen sollte." „Die gute Wahl der Staatsbeamten ist ohne Zweifel da- wichtigste Geschäft eines Regenten." „Wenn man bis zum Ursprünge der Dinge hinaufsteigt, so ist es einkeüchtend, daß der Regmt schlechterdings kein Recht hat über die Meinungen t>t6 Bürgers. Müßte man nicht wahnsinnig sein, wenn man sich vorstellen wollte, daß Menschen zu Einem ihres Gleichen gesagt haben sollten: Wir echebm Dich über uns, weit wir gern Sklaven sein wollen, und wir geben Dir dir Macht, unsere Gedanken nach Deiner Willkür zu lenken? Sir haben vielmehr gesagt : Wir bedürfen Deiner, um die Gesetze auftecht zu halten, de­ nen wir gehorchen wollen, um weise regiert zu werden und unS zu vertheidigen; übrigens fordern wir von Dir Achtung vor unsrer Freiheit. Die- ist das Verlangen der Völker, wogegen keine Einwendung Statt finden kann." Diese Aussprüche, und hundert andere ähnliche Sätze de- Weift» von SanS-Svuci haben Ihm, und allen Sei­ nen Nachfolgern in der Regierung, im Königlichen Berufe zum Leitfaden gedient. Unter der Herrschaft solcher Grund­ sätze ist das Volk frei geblieben und es hat, unter der eben so

209

bn europäische» Groß - Staate».

weisen als starken Leitung seiner Dürsten, Raum und Zeit ge­ wonnen zur Ausbildung und Entwicklung seiner materiellen und intellektuellen Fähigkeiten und Interessen. So ist Preüffen groß und mächtig und fähig geworden, indem Rathe der fünf Großmächte zu sitzen. Und warlich, seine Stimme ist darin nicht die letzte! Das verdankt es, das kleine Haüflein, Nichtsein« Grundmacht, sondern der, auS seinen Institutionen und sei­ ner unablässig fortschreitenden Kultur entspringenden Würde, die der Urquell ist eines tiefgefühlten moralischen Eindrucks, den Einzelwesen, wie ganze Gesellschaften empfinden, meist mit froher Aussicht in die Zukunft, seltener mit ängstlicher Besvrgniß Dessen, waS da kommen wird.

N a ch t r a g über

die fremden Nationalitäten im Preüssischeu Staate. Zu L. 125—161.

Wenn ich weiter oben (S. 139 ff.) gesagt habe, daß der Statistiker der Allgemeinen Preussischen Staatszeitung die Na­ tionalitäts-Verschiedenheit der Bewohner unseres Staats nie­ mals zum Gegenstände seiner Untersuchungen gemacht zu ha­ ben scheine, so beruhet diese Aüßerung, und Alles, was daran geknüpft ist, auf einem — gar argen Irrthume, wie ich aus den „Arbeiten der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur im Jahre 1843" ersehe, wo Hr. Hundrich darauf hinweiset, daß, unter seiner Mitwirkung, die Staatszeitung allerdings, und zwar im Jahrgange 1840, S. 595 u. ff., den schätzenswerthen „Versuch einer übersichtlichen Darstellung der außerdeütschen Sprachverhaltnisse im Volksleben des PrrüssiSlahfuf V. Picüü. SliialiJ.

l4

210

Nachtrag übet die fremden ‘Nationalitäten

sehen Staats" mitgetheilt hat.

Ich bekenne fteimüthig, daß

mir dieser Aufsatz entgangen ist, und trage hier Dasjenige nach, was Hundrich über das Zahlen »Verhältniß der, den slawischen und anderen nichtdeütschen Sprachen angehörtgen Einwohner des

Preussischen

Staats

ermittelt

hat.

Seine

Zahlen, die sich aus das Jahr 1837 beziehen, sind folgende: I. Die zum slawischen Sptart'ilamm gehöiigc Indivi­ duen - Zahl beträgt...............................................................1 .946.000 Und zwar: a) Polnisch Redende in verschiedenen Dialekten. r44.000 Zusammen . . . b) Kaffubcn im Regierungsbezirk Köslin, in run­ 4.000 der Summe.................................................... c) Mahren tut Bezirk Oppeln, in runder Zal,l . 11.500 d) Böhmen, ln Schlesien überhaupt .... 10.500 e) Wenden, d. i.: Serben, in der Lausitz . . . 76.500 2. Die Zahl der zur littaulschen Sprache gehörigen In­ dividuen in Osipieüffcn rechnet Hnnduch nur zu . . . . 146.000 3. Und die zur Französischen Sprache gehörigen, den wallonischen Dialekt sprechenden Einwohner mi Reg. - Be­ zirk Achen nur zu.............................................................. 10.000 Von den, am Ende des Zahl es 1^37 über Haupt gezahl­ ten 14 Millionen Einwohnern des Pieüssi'chcn Staats ledctcn mithin, als Muttersprache im Familienleben und täglichem Um­ gänge, eine andere, als die Deutsche Sprache..................... 2,102.000 Personen, d. i.: beinahe -7\ , oder 15 aus lOO Emwohnei.

im PreüsKscht» Staate.

211

Da- weicht von meinen Ermittelung» nicht mt&ebeütti* ab, dann ich habe die Anzahl der Slawen 2.455.000, der Littauer 430.000, der Franzosen 74.000 gefunden, oder über­ haupt die Zahl der, dm ftemben Rationalitäten angeh-eigen Individuen.............................. .... 2.959.000, was, da meine Resultate für das Jahr 1840 gelten, und die Volksmenge damals beinahe 15 Mllionm betrug, fast } oder 19 Prozent der Gesammt - Bevölkerung ausmacht. Man fleht hieran», wie schwierig e» ist, das Zahlen, Verhältniß der Nationalitäten, ohne direkte Zählung, mit einiger Sicherheit zu bestimm«. Für die Anzahl der Sla, wen z. B. haben wir fünf Stammt«: Schneider rechnet . . 4.555.000 Bulgarin................. 2.500.000 Ich habe gefunden . . 2.455.000 Schafarik rechnet. . . 2.108.000 Hundrich gar nur . . 1.946.000 Ich habe aber (S. 160) gesagt: — die Sprache fei dich hauptsächlichste Mittel, ein« Staat mit Einem Volk zu beeiltem. Hundrich bemerkt in dieser Hinficht: — Jede Staats» regierung bezwecke, der Sprache de» Hauptlandes überall Eingang zu verschaffen, zumal mit der Sprache allmälig sich auch die Sitten verschmelzen; und er fügt hinzu, daß die preussische Regierung hierin seit einem Menschenalter bemerkenSwerthe Fortschritte gemacht habe, die er, außer, wie ich es thue, in der Schul- und Wehrverfaffung, auch in der veränderten Gesetzgebung und in den Modifikationen erkennt, welche die Gerichtsverfassung erfahren hat. Jene führte die Aufhebung des UnterthänigkeitS-Berhältniffes herbei, wonach die Landleüte nicht länger glebae 14*

212

Nachtrag üb. d. fremden Rationalitäten im Preüff. Staate.

adscripti find, sondern freie Männer, die fich nach eignem Entschluß ihren Wohnort suchen, auch, bei der erleichtertm Gelegenheit zum Verkehr -sters ihr Domicil wechseln. Die veränderte Gerichtsverfassung hat, besonders in Schle­ sien, eine häufigere Einrichtung Kollegialischer Behörden zur Folge gehabt, kundig sind,

deren Mitglieder der polnischen Sprache so als eS früher bei den Einzelrichtrrn der Fall

war, die sich an ihrem Wohnorte heimisch gemacht hatten. Dirs zwingt die Gerichts-Eingesessenen, die Muttersprache der Richter, die fast immer die deutsche ist, zu erlernen, um sich mit ihnen verständigen zu können,

wo eS darauf an­

kömmt, ihre Angelegenheiten klar darzulegen. Hundrich erwähnt noch, eS sei als ein vorzügliches Mit­ tel zur Verbreitung der deütschen Sprache unter den Sla­ wen deS Preüfsifchen Staats empfohlen worden, denjenigen Familienvätem, welche jetzt mit den Ihrigen Polnisch reden, für eine gewisse Reihe von Jahren die Befreiung von Steüern zu gewähren, wenn sie sich über die Erlernung und den Ge­ brauch der deütschen Sprache in ihren Familien ausweisen. — Das wäre freilich ein Mittel, welches recht schnell zum Ziele zu führen verspricht; ob es aber

mit der StaatSweisheit,

und, den deütschen Staatsgenoffen gegenüber, mit dem stren­ gen Recht vereinbar sei, das ist eine andere Frage, die hier unerörtert bleiben möge.

Darstellung der

Kultur des Preussischen Staats.

Die Kultur des Staats.

Unter Kultur eines Staats versteht man den Inbegriff der Thätigkeit des Volks auf dem ihm zum Wohnsitz angewiese­ nen Grund und Boden, und die Schilderung von dem zeitigen Zustande dieser Thätigkeit, die, in verschiedenen Rich­ tungen sich äußernd, theils rein materielle Dinge zum Ge­ genstände hat, theils eine intellektuelle ist. Die materielle Thätigkeit beschäftigt sich, indem sie haupt­ sächlich auf Hände-Arbeit gestützt ist, mit Hervorbringung von rohen Naturstoffen, und

mit deren Umwandlung und

Verarbeitung durch technische Hülfsmittel, dieser Erzeügniffe, die in beiden Gestalten zur Subsistenz des Menschen dienen, und von ihm zur Bequemlichkeit und Verschönerung seines Lebens benutzt werden. Die intellektuelle Thätigkeit dagegen entspringt lediglich aus des Menschen Kopf und Herzen; sie ist das geistige und sittliche Princip, dessen Ausbildung, deffen größere oder ge­ ringere Annäherung zur absoluten Vollkommenheit bei einem gegebenen Volke die Statistik nachzuweisen und darzustellen hat, in so weit Intelligenz und Moralität überhaupt inner­ halb des Kreises statistischer Forschungen fallen können. Man kann darüber streiten, welche von beiden Thätig­ keiten in einem Grundriß der Statistik vorangestellt werden solle, ob die materielle vor der intellektuellen, oder diese vor jener.

Meistentheils befolgt man den ersten Weg, indem viel-

216

Intellektuelle Thätigkeit.

leicht von der Ansicht ausgegangen wird: — Ohne Leibesnahrung, die wir durch unsere Hände-Arbeit erlangen, ver­ mögen wir Nichts für die Kultur unserer geistigen und sitt­ lichen Interessen.

Allein erwägt man, daß je höher der in­

nere Mensch gebildet ist, je verbreiteter in einem Volke die Kultur des Geistes und Gemüths Wurzel gefaßt hat, desto kräftiger auch beim Individuum wie bei der Gesammtheit der Einzelwesen die nach Außen gerichtete Thätigkeit in Hervor­ bringung und Herbeischaffung der materiellen Güter des LebenS ist, dann wird es wol keiner Rechtfertigung bedürfen, wenn ich hier von dem gewöhnlichen Schematismus abweiche, und dar­ um zunächst auf das, in den Bewohnern des Preüssischen Staats waltende, geistig-sittliche Princip einige Blicke werfe. Die intellektuelle Thätigkeit. Wir haben es hier mit der geistigen und sittlichen Kul­ tur des Volks, oder vielmehr der die Preüssischen Lande be­ wohnenden Bolkstheile, zu thun.

Und es kommen hier in

Betracht: die, im ganzen Staate wie in seinen einzelnen Theilen verbreitete allgemeine geistige Bildung der Indivi­ duen, als Resultat des Unterrichts in den Schulen, über die wir dann Auskunft suchen nach den verschiedenen Stufen des Unterrichts, so wie über die Zahl der Schüler, von denen sie besucht werden, im Verhältniß zu den Kindern und jungen Stuten, welche das schulfähige Alter erreicht haben.

Sodann

gehören hierher Andeütungen über die Anstalten, welche der Staat

zur Verbreitung

und Förderung der Wissenschaften

und Künste durch selbsteigcne, von Regierungs wegen bewirkte Errichtung von Akademien, Universitäten, Bibliotheken, wis­ senschaftlichen

und

Kunstsammlungen

getroffen

hat,

oder

durch seinen mächtigen Schutz, seine werkthätige Unterstützung hervorruft und begünstigt; wobei auch der geistige Verkehr

Ju«rNekt,rllr THLtlgkei,.

217

zu berücksichtigen ist, den die Bewohner des Staats unter sich und mit anderen gebildeten Nationen unterhalten. Die sittliche Bildung eines Volks läßt sich statistisch vomehmlich von zwei Seiten auffassen, von dem Leben in der Familrr, und von dem Leben in der bürgerli­ chen Gesammt - Gesellschaft des Staats. DaS Familien Leben hat das Institut der Ehelichen Gemeinschaft zur Grundlage, die Glück, Heil und Segen im Staate überall da ver­ breitet, wo die Ehe ungetrübt und heilig gehalten wird, wo die Eheleüte vom Altar bis zur Bahre in Freüd und Leid mit friedlicher Herzens-Innigkeit neben und mit einander gehen. Das moralische Unvermögen beider oder eines der Ehegatten, die bösen, die unedlen Leidenschaften zu zügeln, zu bändigen, führt zur Unsittlichkeit, und stört und unter­ gräbt das Glück der Ehe, deren Trennung Kirche und Staat zulässig finden. Und darum ist die Zahl der Ehescheidungen, welche in einem Staate alljährlich vorgenommen werden müs­ sen, unstreitig einer der hauptsächlichsten Maaßstäbe, mit dem die sittliche Kultur eines Volks gemessen werden kann, wäh­ rend auf zweiter Stufe die Zahl der Kinder stcht, die auS der außerehlichen Geschlechts-Gemeinschaft entspringen. Denn wie tadelnswerth diese Gemeinschaft vom Standpunkte der christlichen Moral auch sein mag, sie läßt sich vom Stand­ punkte des rein menschlichen Gefühls, wenn auch nicht recht­ fertigen, doch einiger Maßen — entschuldigen, und sie ist ein Kinderspiel gegen den Treübruch, womit, mehrentheils, das Weib den Mann, oft Jahre lang verrätherisch und hin­ terlistig betrügt, und dadurch den hohen, heiligen Zweck der Ehe in ihren innersten Fundamenten untergräbt, und endlich zum gewaltsamen Einsturz zwingt. Die sittliche Kultur eines Volks läßt sich aber, außer

nach der Zahl der Ehescheidungen, die sich hauptsächlich out das schändliche Verbrechen des Ehebruchs stützen, auch aus der Zahl der jährlich

im

Staate vorkommenden

Vergehen

gegen die allgemeinen Gesetze der Sicherheits-Polizei und der Zahl der gegen das Eigenthum und die Person verübten Ver­ brechen, mithin aus der Zahl der Kriminal-Verbrechen, be­ urtheilen.

Und diese Art des Ausbruchs böser Leidenschaften

berührt die ganze Gesellschaft,

oder doch einen großen Theil

derselben, weil Niemand vor einem Diebe, Raüber, Mörder sicher sein kann. DaS Alles find negative Daten zur Beurtheilung der sittlichen Kultur; wir werden aber auch einige positive An­ gaben mittheilen können, nämlich statistische Erörterungen über Handlungen der Vorsicht und des Wohlthätigkeits-Sinns. Die geistige Kultur. Verbreitung der Grundlage aller geistigen Vilduug. Der Mensch, welcher lesen und schreiben, und zudem noch rechnen kann, hat mit dieser Kenntniß die Grundlage alle-

Wissens

erworben;

intellektuellen Kräfte nicht

Alles

zu «Urnen, was

ste- erforderlich ist;

er

ist

im Stande,

falls

seine

auf einer niedern Stufe stehen,

zu einer höheren Bildung des Gei­

in Besitz dieser Elementar-Kenntnisse

sieht er sich befähigt, den Kreis seiner Vorstellungen und Be­ griffe zu erweitern,

und fortzuschreiten auf der Bahn der

Vervollkommnung und

Veredlung seines innern

Menschen,

wie seiner aüßern Wohlfahrt, auch ohne fernerwette münd­ liche Unterweisung durch aufmerksames Lesen von Büchern, deren Verfasser sich jenes Ziel zur Ausgabe ihrer Thätigkeit gemacht haben. Das Land, unter dessen Bewohnern die allgemeine Schul­ bildung, — welche, außer jenen Elementar-Kenntnissen und

den Heils - Wahrheiten des Evangeliums, auch die Kenntniß der biblischen und vaterländischen Geschichte umspannt, — eine, im Verhältniß zur ganzen Bevölkerung gwße Ausdeh­ nung erlangt hat, darf sich glücklich nennen; denn in ihm ist der Grund zu einer rascheren und gleichförmigeren Ent­ wicklung der Einrichtungen gelegt, die vom Staate, in sei­ ner sittlichen Recht--Idee, repräsentiret werden. Wir haben einen guten Maaßstab für die Schulbildung der Bewohner drS Preussischen Staats an den jungen Lrütrn, die alljährlich ihren militairischen Kursus beginnen. Die darüber geführten Listen zeigen, wie sehr die Schulbil­ dung bei und im Zunehmen begriffen ist. Wird die Gesammtzahl der jährlich unter die Waffen gerufenen jungen Leüte mit 10.000 bezeichnet, so gab eS dar­ unter in dem Jahre 1838 — 39 : 1017 1839 - 40 : 897 1840 — 41 : 908 1841 -42 : 820 1842— 43 : 688, welche ohne alle Schulbildung befunden wurden. Auf Gmnd dieser Zahlen, die, kürzer ausgedrückt, sich auch so darstellen lassen, daß in der zuerst genannten Epoche etwas über 10 Pro­ zent, in der letzten Epoche aber noch nicht volle 7 Prozent der in daS Heer eintretenden Ersatz-Mannschaften des Lesenund Schreiben- unkundig waren, dürfen wir ohne allen Ei­ gendünkel behaupten, daß in unserm Baterlande, — und wir können ganz Deürschland mit hineinziehen, — die Elemrntarkrnntnisse ausgebreiteter sind, als in Frankreich, Ita­ lien, Spanien, Portugal und dem großen slawischen Völkergrbietr, und daß in dieser Beziehung, mit ihm zugleich, die Reiche germanischer Zunge — die Niederlande, Dänemark,

220

Verbreitung der Schulbildung.

Schweden, Norwegen und England, hier vielleicht mit Aus­ nahme der armen Klassen in den großen Fadrikstädten, un­ streitig voranstehen. Es giebt ein Volk, welches sich durch Lebhaftigkeit des Geistes, durch Scharfsinn, durch Feinheit der Sitten und süßere Politur, dabei aber auch durch eine so überaus große National-Eitelkeit auszeichnet, daß sie für andere Nationen verletzend werden könnte, wüßte man diesen Zug seines Cha­ rakters nicht gehörig zu würdigen, hätte man ihn nicht ver­ achten gelernt. Muß ich eS noch bei Namen nennen, dieses dünkelhafte Volk? Das da vermeint, es stehe an der Spitze aller Aufklärung und geistigen Bildung; das sich von ein Paar hundert Zeitungsschreibern tagtäglich einreden läßt, es habe den Schei­ telpunkt menschlicher Vollkommenheit längst erreicht, und es müsse das volle Maaß seiner Bildung überfluthen lassen zum Nutz' und Frommen der anderen Nationen, die da verharreten in Finsterniß und Barbarei! Und dennoch steht dieses anmaßliche Volk, seiner Masse nach, aus einer Stufe der geistigen Kultur, die erst mit der­ jenigen unserer Provinzen übereinstimmt, welche in der Schul­ bildung bis jetzt am meisten zurück geblieben ist. Unter 100 jungen Franzosen, — der Leser wird es schon gemerkt haben, daß ich vom Franzosen-Volke sprach, — welche im Jahre 1842 zum Militairdienst herangezogen wur­ den, befanden sich 36, — sage: Sechs und dreißig, die we­ der lesen noch schreiben konnten. Also weit über ein Drittheil der männlichen Bevölke­ rung entbehrt in Frankreich der Elementar-Kenntnisse, mit­ hin der Fähigkeit, sich geistige Bildung anzueignen. Unter der Regierung der ältern Linie der Bourbons, in der Pc-

Verbreitung der Schulbildung.

221

riode der Restauration, war dieses Verhältniß noch viel un­ günstiger. Von 10.000 in die französische Armee eingestell« trn Rekruten wurden im Jahre 1828 über die Hälfte, näm­ lich 5479 ohne alle Schulbildung befunden. Ich frage: — In welchem Lande ist hiernach ein größe­ res Quantum von Elementen zur Entwicklung der geistigen Kraft gegeben, bei uns, im Preussischen Staate, oder in Frankrrich? — Oder in Russland? — das ich nur des Kontrastes wegen hier anführen will. Die Personen, die im Russischen Reiche gar keinen Unterricht genossen haben, bilden beinahe 93 Prozent der Gesammt - Bevölkerung! Finnland und Polen ist hierbei nicht mitgerechnet. In Rußland können mithin eben so viel Menschen nicht lesen und schreiben, die es bei uns verstehen. Die drei Länder folgen hinsichts der Schulbildung seiner Bewohner so auf einander: Von 100 Personen können lesen und schreiben Bei uns im Preussischen Staate 93. In Frankreich dagegen nur . . 64. In Russland sogar nur.... 7. Wenn in Erwägung gezogen wird, daß in dem fünf­ jährigen Zeitraum von 1838 bis 1843 die Zahl unserer jun­ gen Männer, welche Schulbildung erhalten haben, um bei­ nahe 31 Prozent gestiegen ist, so erscheint die Hoffnung, daß unserm Vaterland« eine Zeit bevorstehe, wo jeder männliche Staat-genosse die nöthigen Elementar-Kenntnisse besitzen werde, keinesweges überspannt; es läßt sich im Gegentheil der Zeitpunkt im Voraus berechnen, wann diese Hoffnung in Erfüllung gehen werde, vorausgesetzt, daß man von Staats- und Gemeinde wegen den Elementar-Unterrichts-Anstalten dieselbe Theilnahme, denselben Eifer auch ferner zuwende, wie es bisher

Verbreitung der Schulbildung.

222

der Fall gewesen ist. —

zu

Und daran ist nicht im Mindesten

zweifeln; es ist unmöglich, daß Preussen die Bahn ver­

lasse, welche eS für Einrichtung und Fortschritt de- Unter­ richtswesens seit einem Menschenalter betreten hat; man er­ kennt vielmehr das unabweisbare Bedürfniß, die Zahl der Elementar-Lehrer immer mehr zu vergrößern, und sie aüßerlich in eine Lage der Behaglichkeit zu versetzen, ohne Nahrungssorgen,

damit sie

mit Lust und Liebe und Treüe dem

großen Werke des Volks-Unterrichts, zugleich aber auch, in Gemeinschaft mit den Geistlichen, der Volks-Erziehung ob­ liegen können, auf der die Wohlfahrt der Staats-Gesellschaft beruhet. Während im Jahre 1842 — 43, unter

10.000 jungen

Männern, die zum Dienst bei der Fahne berufen wurden, im Durchschnitt des ganzen Staats 688 vorhanden waren, die gar keine Schulbildung genossen hatten, gab es deren unter einer gleich großen Anzahl in der Provinz Sachsen nur .

.

60,

Brandenburg.

.

139,

Pommern.

.

.

157,

Westfalen .

.

.

246,

am Rhein

.

.

548,

Schlesien

.

.

.

658,

Preüssen

.

.

.

1202,

....

3658.

Posen

Im Allgemeinen ergiebt sich aus diesen Zahlen, daß in den Provinzen mit deütscher Bevölkerung, sei diese eine ur­ sprünglich deutsche oder germanisirtr slawische, die Grund­ lagen geistiger Bildung am bedeutendsten geworden find, und das ungünstigste Verhältniß da besteht, wo das nicht germa­ nische Volks-Element, das lettische, noch mehr das siawische

Verbreitung der Schulbildung.

223

einwirkt oder gar vorwaltet. Dies tritt noch deutlicher her­ vor, wenn die einzelnen Regierungs-Bezirke zur Betrach­ tung gezogen werden. Es betrug nämlich in demselben, oben genannten Jahre, die Zahl derjenigen Rekruten, welche ohne alle Schulbildung befunden wurden, unter 10.000 Eingestellten, im Regie­ rungs-Bezirk Merseburg nur ... 33 Münster............. 282 Stralsund.... 40 Minden..............290 Magdeburg .... 48 Köln................. 657 Erfurt.............. 108 Düsseldorf .... 684 Koblenz.......... 110 Königsberg .... 763 Stettin.......... 115 Achen................. 980 Frankfurt..........137 Gumbinnen .... 1064 Potsdam.......... 153 Marienwerder . . . 1621 Arnsberg.......... 179 Oppeln........... 1727 BreSlau.......... 183 Danzig............ 1773 Liegnitz......... 233 Bromberg .... 2978 Trier............ 244 Posen.............. 3981 Köslin.......... 263 Hiernach stehen sich Merseburg und Posen gleichsam als zwei Pole gegenüber. Auffallen kann es, daß die Regie­ rung--Bezirke Köln, Düsseldorf, und ganz besonders Achen verhältnißmäßig so viele Leüte ohne Schulbildung zum Heere schicken; erklärlich wird aber diese Erscheinung, wenn wir uns erinnern, daß diese Bezirke Fabrik-Gegenden sind, wo viel Kinder frühzeitig beschäftigt werden, so daß ihr Schulbesuch nur ein mangelhafter sein kann. Stellt man unter einen Gesichtspunkt die 19 Regierungs­ bezirke, welche eine rein deutsche Bevölkerung besitzen, oder doch nur eine geringe Beimischung fremder Nationalität ha-

224

Verbreitung der Schulbildung.

btn (wie Frankfurt, Liegnitz, Köslin und Königsberg), so findet sich für diese die Zahl der Nicht-Unterrichteten unter 10.000 Eingestellten.......................................... — 299 Im Regierung-Bezirk Gumbinnen, wo das let­ tische oder littauische Volks-Element vorwaltet, gab es dagegen............................................................. 1064 Und in den Provinzen mit vorherrschender Sla­ wen-Bevölkerung, im Allgemeinen genommen . . . 2360 Im Besondern, und zwar: In Westpreüffen oder den Regierungs-Bezirken Marienwerder und Danzig......................................... 1697 In Oberschlesien, oder dem Regierungs-Bezirk Oppeln...................................................................... 1727 Im Großherzogthum Posen............................. 3658 Von den deutschen Bewohnern des Preussischen Staatläßt es sich mit Recht erwarten, daß sie nach Ablauf weni­ ger Jahre keinen Einzigen in die große Militair-Volksschule senden werden, der den Schul-Unterricht nicht in gehöriger Ausdehnung genossen hatte. Entfernter ist dieses Ziel bei den Littauern; und noch weiter gesteckt ist es bei den Slawen. Es gehört mehr, als eine Spanne Zeit dazu, eine Völkerschaft geistig zu kultiviren, die, wie die polnische, unter einer bürgerlichen Verfas­ sung gelebt hat, in welcher man nur drückende Herren und gedrückte Sklaven kannte. Die preussische Regierung hat die Fesseln gebrochen, die den polnischen Landmann des Groß­ herzogthums Posen an die Scholle ketteten; sie hat einen un­ abhängigen, selbstständigen Bauerstand geschloffen geschaffen, zu bauen den dankbaren Boden im freien Eigenthum, in ausblühender Industrie; aber der frei gewordene Mensch muß erst der Freiheit vollständig bewußt werden, er muß sich in-

Verbreitung der Schulbildung.

225

nerhalb ihrer Sphäre bewegen lernen, um seine geistige und materielle Kraft entwickeln zu können; und diese Bewegung auf dem Felde der Freiheit ist da nicht leicht, wo sklavische Meinungen, Ansichten, Gewohnheiten seit undenklichen Zeiten vererbt wurden. In diesen Übersichten von dem Zahlen-Verhältniß der Staatsgenoffen, welche die Elementar-Schulbildung erwor­ ben haben, konnte von dem weiblichen Geschlechte nicht die Rede sein, weil in dieser Beziehung die Jungfrau, sobald sie die Schule und den Katechumenen - Unterricht verlassen hat, außerhalb deS Bereichs amtlicher Zählungen und Nach­ weisungen liegt. Nichts desto weniger hat man allen Grund zu der Voraussetzung, daß die Schulbildung unter dem weib­ lichen Geschlechte nahe in demselben Verhältniß verbreitet sei, als unter dem männlichen Geschlechte; denn nach den Erhe­ bungen für das Jahr 1837 besuchten von einer gleichen An­ zahl schulpflichtiger Kinder 45 Knaben und 43 Mädchen öffentliche Schulen. Wenn wir also einer Seits wahrnehmen, daß die Er­ ziehung und der Unterricht in den Elementen des Wissens, wir rS in einem civilisirten Staate Allen Bedürfniß ist, bei uns eine große Ausdehnung erlangt hat, so dürfen wir auf der andern Seite nicht die Aufopferung verkennen, wo­ mit die Bewohner des Preüssischen Staats im Interesse der ganzen Staats-Gesellschaft thätig sind, ein so großartiges Resultat zu erlangen. Hierauf hat schon der geistreiche Statistiker Hoffmann die öffentliche Aufmerksamkeit gelenkt. In einer seiner gründ­ lichst abgefaßten Schriften sagt er in dieser Beziehung, daß die Zahl der erforderlichen Elementarschulen nicht viel unter 35000 zu veranschlagen sei; und daß, wenn der Aufwand Statistik d. Preüss. Staat».

15

Verbreitung ber Schulbildung.

226

für Unterhaltung einer Elementarschule in baarem Gelde und Naturalien nur aus 200 Thlr. jährlich geschätzt werde, die­ ser doch den Werth von

7

Millionen Thlrn. erreichen würde.

Es ergiebt sich hieraus, bemerkt er ferner, wie beträcht­ lich der Aufwand ist, welchen die vollständige Allgemeinheit eines befriedigenden Elementar-Unterrichts erfordert.

Die Na.

tion muß diesen bestreiten, und zugleich den Zuschuß zu ibren Arbeiten und den Beistand in ihrem Hauswesen entbeh­ ren können, welcher durch den Schulbesuch der schon einiger Maßen arbeitsfähigen Kinder verloren wird.

Ist dieser Ver­

lust für Kinder vom Anfange deS Sten bis zur Vollendung des 14ten Lebensjahres durchschnittlich auf den Werth Eines Silbergroschens täglich, folglich in einem Jahre von 300 Wer­ keltagen zu 10 Thlrn. angeschlagen: so beträgt derselbe für die 2.100.000 Kinder dieses Alters, welche zu Ende des Jahres 1837 im Preüssischen Staate lebten, lährlich 21 Millionen Thlr., d. i.: drei Mal mehr, als die Kosten des Elementar-Unter­ richts, wie sie vorstehend veranschlagt wurden.

Ein Volk,

welches seine Zeit durch Arbeit zu nutzen versteht, bringt da­ her in der That ein Opfer, dessen Größe selten gewürdigt wird; und dieses Opfer wird desto größer, je mehr die Gewerbsamkeit zunimmt, und je besser sie lohnt. dasselbe allerdings

Zwar wird

überreichlich vergolten durch den Erfolg

eines zweckmäßigen allgemeinen Schul-Unterrichts; aber es bedarf doch einer beträchtlichen Wohlhabenheit, um dasselbe bringen zu dürfen. Unser Gesetzbuch, das Allgemeine Landrecht, bestimmt, daß ein jeder Vater seine Kinder nach zurückgelegtem fünften Lebensjahre zur Schule schicken soll; aber es sagt nichts über den End-Termin

des Schulbesuchs nach dem Lebensalter,

sondern setzt nur fest, der Schul-Unterricht müsse so lange

Verbreitung der Schulbildung.

227

fortgesetzt werden, bis ein Kind, nach dem Befunde seines Seelsorgers, die, einem jeden vernünftigen Menschen seines Standes nothwendigen Kenntnisse erworben hat. Auf die Erfahrung gestützt, daß die Reise des Fassungs­ und Urtheils-Vermögens erst gegen das 14te Lebensjahr ein­ zutreten pflegt, hat der Gebrauch die Vollendung dieses Le­ bensalters als End-Termin des Schulbesuchs, zugleich als Termin der kirchlichen Einsegnung festgesetzt, indem die Geist­ lichen kein Kind zum Konfirmanden-Unterricht zulassen sollen, wenn es nicht schreiben und lesen kann. Könnten nicht Pädagogen und einsichtsvolle Schulmän­ ner, nach ihren gereiften Erfahrungen,

sich darüber verstän­

digen, daß dieser Endtermin des Schulbesuchs bei einem mehr oder minder großen Theil der Jugend abzukürzen sei,

ohne

Schaden für die intellcctuelle Bildung des Volks, und zum großen Nutzen seiner materiellen Wohlfahrt, durch Gewin­ nung an Zeit und Arbeitskraft? An diesen flüchtig hingeworfenen Gedanken knüpft sich die Betrachtung, daß die neüste Zeit ein Institut hervorge­ rufen hat, welches der Schule wesentlich vorzuarbeiten im Stande

ist.

Ich

meine die sogenannten Warte-Schulen,

Klein-Kinder-Schulen

oder Kinder-Bewahrungs. Anstalten,

welche, durch Privat-Wohlthätigkeit hervorgerufen, die Be­ stimmung haben,

kleine,

noch nicht schulpflichtige Kinder,

deren Altern den Tag über auf Arbeit gehen, und also ihre kleinen Kinder ohne alle Aufsicht lassen, oder der Aussicht eines ältern

Kindes übergeben müssen,

zum Schutz gegen

aüßere Gefahr in sich aufzunehmen. Die Warteschule, wie sie sich allmälig auszubilden im Stande ist, kann nicht blos als Erzieh-, sondern auch als Unterrichts - Anstalt wirken.

Sie führt der eigentlichen Schule 15 *

228

Verbreitung der Schulbildung.

Zöglinge zu,

deren Denk- und Fassungs-Vermögen unter

der Leitung eines verständigen Vorstehers, geweckt worden ist. Der kindliche Geist wird dadurch empfänglicher für die Un­ terrichts-Gegenstände

der

schneller in sich aufnimmt,

Elementar-Schule,

die

er

weit

als wenn das Kind die Schule

ohne die Vorbereitung der Bewahranstalt betritt. Stellt sich auf diese Weise nicht Abkürzung der Schul-Periode in

die Möglichkeit einer

Aussicht?

Und findet der

junge Mann, wenn er wirklich die Schulzeit nicht gehörig benutzt haben sollte, später nicht Gelegenheit, das Versaümte mit reiferem Verstände nachzuholen?

Wirkt nicht die allge­

meine Wehrpflicht in dieser Beziehung sehr wohlthätig? Wird ihm nicht als Soldat Unterricht ertheilt im Lesen und Schreiden, wenn er ohne diese Elementar-Kenntnisse zu

seinem

Truppentheile kommt? Unterrichts - Mittel. Das glänzende Ergebniß, welches in dem vorhergehen­ den Abschnitt dargelegt worden

ist,

verdanken wir unserm

Schulwesen, dessen sich die Staats-Regierung und, unter ihrer Ober-Aufsicht, und nach ihrer Anordnung, die Gemeinden mit einer Wärme und mit einer so klaren Ansicht dessen, was der Staatsgesellschaft im Allgemeinen, wie dem Preüsfischen Staate im Besondern Noth thut, angenommen hat, wie nur wenige der übrigen Glieder deS europäischen Staatcnsystems. Unsere Schulen zerfallen zunächst in Schulen für das Volk, und in Schulen für die Bildung des Gelehrten-Stan­ des.

Zu den Volksschulen gehören die Elementarschulen, und

die Mittel- und Bürgerschulen, denen noch gewisse Special­ schulen und besondere Bildungs - und Erziehungs-Anstalten, so wie die Pro-Gymnasien, zugezählt werden können.Unmittelbar mit ihnen in Verbindung stehen die Schullehrer-

Elementar-Schul«».

229

Seminare, aus denen die für die Volksbildung erforderlichen Lehrer in der Mehrzahl hervorgehen müssen. In die Kate­ gorie der Gelehrten-Schulen gehören die Gymnasien, und an­ dere Bildungs-Anstalten für einen bestimmten Lebensberuf, endlich zur Erlangung der höchsten Geistesbildung — die Uni­ versitäten. Wir wollen nun sehen, nach welchem numerischen Ver­ hältniß diese verschiedenen Unterrichts-Anstalten im Jahre 1837 vorhanden und in die einzelnen Provinzen vertheilt waren. Elementar-Schulen. Es waren deren im Umfange der ganzen Monarchie22.910 vorhanden, und cs wirkten an denselben 27.575 Lehrer und Lehrerinnen, die 1.109.353 Knaben und 1.062.392 Mädchen, überhaupt 2.171.745 Kinder unterrichteten. In den einzelnen Provinzen ergaben sich nachstehende Resultate: Schulen. Lehrer-Personal. Schülerzahl. Preüssen .... 4200 314.820 4729 1635 Posen................... 2005 145.314 Brandenburg . . . 2885 254.251 3862 Pommern .... 2388 2647 143.469 Schlesien .... 3636 439.461 4401 3457 2803 Sachsen .... 269.928 1849 Westfalen .... 2133 221.598 4341 382.904 Rheinprovinz . . . 3514 Es ist hier nur von öffentlichen Schulen die Rede, nicht von den Privat-Unterrichts-Anstalten, deren es in den Städ­ ten, namentlich den großen, viele giebt. Die Erhaltung der Elementarschulen ist eine gesetzliche Pflicht der Gemeinden mit Recht, weil sie zunächst dabei interessiret sind, ihre jungen Sprößlinge zu wackern GemeindeGenossen herangebildet zu sehen. Auch ist gewiß jede Ge-

Elementar-Schulen.

230

meinbt unseres Vaterlandes aufs innigste von dem Gedanken erfüllt und durchdrungen, die Zahl der Unwissenden, der gei­ stig Versäumten innerhalb ihres Kreises, so viel nur immer möglich zu verringern.

Unwissenheit

ist die Quelle großer

Übel, das Wissen aber zerstört die finstere Macht des Abcr­ und Unglaubens; es erregt das sittliche Gefühl, die That­ kraft des Geistes.

Sittlichkeit und Intelligenz sind die Grund,

vfeiler eines jeden, ganz besonders unseres dcütschen Volks unseres Staatslebens.

Darum sei uns die sittlich-religiöse,

und eine, innerhalb der Bestimmung der Volksmassen fallende geistige Bildung eine heilige Angelegenheit, die nicht blos ein Gegenstand des Nachdenkens der Pfleger des Schulwesens, sondern

ein Gegenstand

allgemeinster

Theilnahme

zu

sein

verdient. In der oben angeführten Zahl von Elementar-Schulen sind auch die städtischen enthalten; nicht aber die Taubstum­ men- und Blinden-Anstalten, und eben so wenig die Waiscnhaüser, unter deren großen Zahl ich nur die vortreffliche An­ stalt des Militair-Waisenhauses zu Potsdam namhaft machen will, noch die Lehr - und Erziehungs-Institute für jugend­ liche Verbrecher, noch die sogenannten Industrie- und Er­ werbschulen für die weibliche Jugend, die doch alle, ihrer Tendenz nach,

mit dem Elementar-Unterricht im innigsten

Zusammenhang stehen, und für die Schulbildung der großen Massen vom wohlthätigsten Einfluß sind.

Ausschließlich auf

die Städte beschränkt sind die Mittel.- und Bürgerschulen, die denjenigen Kreis des Unterrichts umfassen, der für gebilbete Personen aller Stände erforderlich ist. stalten gab

Von diesen An­

cs im Preüssischen Staate überhaupt 734, und

Mittel - nnb Bürgerschulen.

231

es wurden darin 90011 Kinder von 2911 Lehrenden unterrichtet.

Im Besondern gab es: — Schulen.

LehrerPersonal.

Schüleri-hl.

307

939

38.277

Begriff der Elementarschule fallen 337

1405

39.927

567

11.807

Mittelschulen für Söhne

.

.

.

Töchterschulen, welche nicht in den

Höhere Bürgerschulen.

.

.

.

90

Mit Recht bemerkt Dieterici, dem wir eine ausführliche Arbeit über die Statistik des vaterländischen Schulwesens ver­ danken, daß noch sehr viel für die bessere Bildung des eigent­ lichen Bürgerstandes zu thun übrig bleibt; denn noch im­ mer giebt es Handwerker genug, die nicht fehlerfrei zu reden, nicht fehlerfrei eine

Rechnung zu schreiben vermögen; und

daß es dahin nach und nach komme, ist doch sehr zu wün­ schen.

Je mehr der Handwerker und Bürger sich durch eine,

nicht über sein Verhältniß hinausgehende, doch aber gediegene und tüchtige Schulbildung,

wie

sie in den hier in Rede

seienden Anstalten erreicht werden kann, auszeichnet, um so mehr wird der ganze Stand in der öffentlichen Achtung und in der Geltung innerhalb der Staats-Gesellschaft sich heben. Je mehr aber gerade der Bürger- und Mittelstand in einem Staate an Ehre, Achtung, Wohlstand, Sitte und Bildung steigt, um so mehr gedeiht das Ganze, dir National-Wohl­ fahrt im Allgemeinen. Ein sehr wesentliches Bildung-mittel für den künftigen Bürger aus dem Handwerks- und analogen Stande gewäh­ ren die Sonntagsschulen, deren es in mehreren großen und mittleren Städten welche giebt, und deren Vermehrung nicht genug empfohlen werden kann.

In ihnen ist das Mittel dar­

geboten, den kleinen Bürger nicht allein zu einem brauch-

Höhere Bürgerschulen.

232

baren Menschen und tüchtigen Gewerbs- und Gemeinde-Ge­ nossen , sondern auch zu einem patriotisch gesinnten Staats­ bürger heranzubilden, was dadurch bewirkt werden kann, daß er in der Nachhülfeschule mit seinem Volke und seinem Vaterlande näher bekannt gemacht, und dadurch das Natio­ nalgefühl des Jünglings belebt, ihm Liebe für König und Vaterland, Achtung für Gesetz und Obrigkeit eingeflößt wird. Höhere Bürgerschulen. Betrachten wir die Vcrtheilung nur der höheren Bür­ ger- oder Realschulen, die für die Erweckung und Aufrechtdaltung eines intelligenten und kräftigen Bürgerthums un­ entbehrlich sind, so finden wir in der Provinz: schulen.

t'ehrer.

Schüler.

11

82

1917

Preüssen .

.

....

Posen.

.

....

7

37

1393

Brandenburg

....

16

184

3477

.

Pommern

....

6

28

641

Schlesien

....

h

53

960

....

6

53

924

Sachsen .

.

Westfalen

....

10

25

601

Rheinprovinz

....

1>8

125

1894,

was also eine sehr ungleiche, den Bedürfnissen der einzelnen Provinzen nicht entsprechende

Vcrtheilung

zu sein scheint.

Man könnte sich, nach Ansicht dieser kleinen Tafel, verwun­ dern, daß z. B. Schlesien, diese volkreiche Provinz, die mehr als noch ein Mal so viel Einwohner zählt, als das Groß­ herzogthum Posen, um 400 seiner Söhne weniger in die höhere Bürgerschule gehen läßt, als das Großherzogthum; allein dies ist nur ein scheinbares Mißverhältniß, das für letzt noch durch den zahlreicheren Besuch der Gymnasien bis zu einer gewissen, den Bedürfnissen des Bürgerstandes ent-

Höhe« Bürgerschulen.

sprechenden Unterrichtsstufe wol ausgewogen wird.

233

Und so

verhalt es sich auch in mehreren anderen Provinzen. Denn die Gymnasien vertreten bis jetzt noch in vielen Fällen die höheren Bürgerschulen, indem sie ihre Zöglinge, die sich nicht dem Gelehrten-Stande, also nicht den Univer­ sitäts-Studien widmen wollen, bis zu einer gewissen Klasse, nämlich der Sekunda, führen, von wo sie aus der Anstalt entlassen werden.

Aber man ist zu der Einsicht gelangt, daß

hiermit die Ansprüche des Bürgerstandes nicht befriedigt wer­ den; und diese Einsicht hat bei manchen Gymnasien die Er­ richtung von Real-Klassen hervorgerufen, die mit den beiden oberen gelehrten Klassen parallel laufen. Die Realschulen sind auS dem Bedürfniß der Zeit ent­ sprungen; der Zustand unseres gewerblichen Lebens, sei es auf dem Felde der landwirthschaftlichen Arbeiten, oder in dem weiten Gebiete

der

Industrie

und

des Handels,

hat sie

hervorgerufen; sie sind unabwendbar, und kein Gemeinwesen, das es mit sich und seinem Gedeihen, im Lichte der Gegen­ wart, wie, und ganz besonders, im Blick auf die Zukunft wohl meint, wird

keine

Gelegenheit vorüber gehen lassen,

selbst wenn sie mit großen Opfern verbunden wäre, um Un­ terrichts-Anstalten zu stiften, oder, wo sie schon bestehen, sie zur Blühte zu bringen, die die Pflanzschulen sind zur Er­ haltung des bürgerlichen Gemeinwesens, und, wo es gelit­ ten, zur Wiederbelebung desselben, und zu seiner kräftigen Erblühung! Die Bestimmung der realistischen Bildung ist also Er­ ziehung unserer Söhne zu tüchtigen Menschen, zu tüchtigen Bürgern; nicht blos sollen sie eine allgemein menschliche und die christliche Bildung erhalten; auch die Borkcnntnisse sollen ihnen beigebracht werden, welche zum Betrieb der größeren

234

Höhere Bürgerschulen.

und größten bürgerlichen Gewerbe nöthig sind, vermöge de­ ren sie ihren demnächstigen Erwerb, ihren Lebensunterhalt sichern wollen;

dann aber darf ihnen auch das Feld von

Kenntnissen nicht fremd bleiben, das sie befähigt, ihre Stel­ lung innerhalb der örtlichen Gemeinde, wie des großen Vaterlandes würdig auszufüllen; man muß im jungen Men­ schen, außer dem Ehristen,

außer dem Erwerbenden, auch

den — Bürger kultiviren! Diese Bestimmung der Realschulen dürfen wir nie aus dem Auge verlieren, ihr Wirkungskreis umspannt den gan­ zen Bürgerstand, in so weit sich dessen Sühne nicht den ge­ lehrten Studien widmen; und es ist warlich ein sehr enger Kreis, in den man sie bannen will, wenn man sie als Vor­ bereitungsschulen für junge Leute betrachtet, die in den tech­ nischen Fächern des Forst- und Bauwesens, des Postfachs, oder als Subaltern-Beamte bei den Provinzial- und Kom­ munal-Behörden eine Versorgung suchen; — nicht BeamtenSchulen sind die Realschulen, nein, -- sie sind wahre Volks, schulen, die,

außer allgemeiner Geistes-,

Gemüthes- und

Charakterbildung, gewerbliche Intelligenz und eine zeitgemäße staatsbürgerliche Vorbildung zu geben den Auftrag haben. Neben der Naturbeschreibung und den Naturwissenschaf­ ten, als der Grundlage zum Verständniß und zum Betriebe der Gewerbe, wie sich diese im Laufe des letzten Halbjahr­ hunderts durch die großartigsten Entdeckungen und Erfindun­ gen im Bereich der Physik und Chemie ausgebildet haben, und unaufhaltsam fortbilden, machen die Muttersprache und die neüern Sprachen die Hauptaufgabe für den Unterricht in Realschulen aus; und es ist die zweite der alten Sprachen, die griechische, von ihrem Thätigkeitskreise ausgeschlossen wor­ den, wie mich bedünken will, mit Unrecht.

Höhr« Bürgerschulen.

235

Denn abgesehen davon, daß die griechische Sprache, — ohne ein großes Gewicht zu legen auf die Veränderungen, die sie durch den Jahrhunderte langen Einfluß barbarischer Fremd Herrschaft erlitten hat, — eine lebendeist, die eines Volkes, wel­ ches unter unsern Augen wieder erstanden ist, und seine nationale und politische Selbstständigkeit erlangt hat; eines Volks, das, trügen nicht alle Anzeichen, von der Weltregierung dazu be­ rufen zu sein scheint, bei der Wiedergeburt des Südostens unseres Erdtheils dereinst eine große Rolle zu spielen, an der auch wir Deütsche durch die friedlichen Mittel der Handels Thätigkeit und des geistigen

Einflusses Antheil zu nehmen

den Muth fühlen müssen, —

abgesehen hiervon, so sind in

unsere Sprache des täglichen Verkehrs, wie ganz besonders in die technische Sprache der physikalischen Wissenschaften und der Gewerbe eine so große Menge griechischer Ausdrücke auf­ genommen worden,

daß der Wunsch nach einem entsprechen­

den Unterricht in der griechischen Sprache in unseren höheren Bürgerschulen, und in den mit den Gymnasien verbundenen Real-Sectionen gerechtfertigt sein dürste. Bei Niemanden, der auf die

Richtung der Real-Bil­

dung und ihre Gegenstände näher eingegangen ist,

werden

Zweifel obwalten über den Nutzen, ja über die Nothwendig­ keit deS lateinischen Unterrichts, den derselbe in den Real­ oder höheren Bürgerschulen bis zu einer gewissen Stufe zu verfolgen hat.

Doch glaube ich der Meinung sein zu dür­

fen, daß diesem Lehrobjecte in mancher Schule, mit fast der Hälfte Zeit, welche für den gesummten Sprachen-Unterricht bestimmt ist, eine zu große Ausdehnung eingeräumt werde. Möglich, daß dieses Verfahren der Schulvorstände auf allgemeinen Vorschriften der höchsten Unterrichts-Behörde be­ ruht, vielleicht mit Hinblick auf die unterm 8. März 1832

Höhere Bürgerschulen.

236

erlassene „Vorläufige Instruction Bürger- und Realschulen

für

die

anzuordnenden

an den

höheren

Entlassungs-Prü­

fungen", oder auf die Ministerial-Verfügung vom 30. Okto­ ber 1841, die das Lateinische als einen sehr wesentlichen Be­ standtheil des Unterrichtsstoffs auf Bürgerschulen bezeichnet. Aber es laßt sich, wol nicht mit Unrecht, die Frage aus­ werfen: — Was es dem künftigen Landwirth, dem Ökono­ mie-Jnfpector, Guts - oder Domainenpächter, dem künftigen Baumwollen- oder Seidenfabrikanten, dem künftigen Apo­ theker, Destillateur oder Raffineur, dein künftigen Groß-oder Kleinhändler, in den Pflichten feines

Berufs, wie in den

Pflichten als Staats - und Sladtbürgcr nützen soll, wenn er, wie jene Instruktion es verlangt, die Fertigkeit besitzt, den Julius Casar und leichtere Stellen des Ovidius und Birgilius zu übersetzen ? Ja, diese Frage laßt sich sogar in Beziehung auf den künftigen Ober-Förster und Forst-Jnfpector, auf den dereinstigen Wegebaumeister und Bau-Jnfpector machen; von be­ eren erstere, die Forstleüte, streng genommen, nur so viel La­ tein zu verstehen brauchen, daß sie die Bedeütung der syste­ matischen Rainen der Waldbaünie verstehen können, und die, gewöhnlich in lateinischer Sprache geschriebene Diagnose der Pflanzen zu lesen vermögen; während die letzteren, die Bau­ meister, wol höchst selten den Vitruv in der Ursprache lesen, vielmehr in ihrem, einiger Maßen zu entschuldigenden Künstlerstolz, zuweilen der Meinung sein können, auch sie seien Vitruve, wenn nicht gar ein Vitruv in höherer Potenz; denn die Baukunst, inbesondere die schöne, die Kunst des Prachtbaus, obwol in ihrer Ausführung aus unveränderliche Grundsätze der Mathematik und Physik gestützt, bringt Phantasie-Gebilde her­ vor, die sich an kein Muster, keine unabänderliche Regel kehren.

Höhere Bürgerschulen.

237

Was sollen endlich dem künftigen Postsekretair oder Post­ meister, was dem künftigen Actuar, dem künftigen Gerichts-, Regierungs- und Kreissekretair, u. s. w., u. s. w., die virgilischen Gesänge helfen? Ist es nicht genug, wenn er weiß, was der Decernent sagen will, wenn derselbe auf eine Ein­ gabe oder Vorstellung das eine SBort fiat! als Dekret schreibt, und er dann, nach vollbrachter Arbeit sein factum drunter schreibt! Das ist, mit dürren Worten, die freilich etwas auf di« Spitze getrieben sind, die Präcis des lateinischen Unterrichts, den in den Realschulen diejenigen unserer Söhne bekommen, welche in den Beamtenstand treten. Und darum möchte es rathsam sein, diesen Unterricht auf daS wahre Bedürfniß, und demgemäß auf ein richtiges Maaß zu beschränken, das zu finden aufgeklärten Männern, wie sie von jeher in unserer höchsten Unterrichts-Behörde Sitz und Stimme gehabt haben, nicht schwer fallen kann. Säße ich in diesem Raths-Kollegium, ich würde kein Bedenken tragen, für die obere Klasse der Realschulen rin Collegium polyglotlum in Vorschlag zu bringen, rin Lrhrobject, das den innigen Zusammenhang der Sprachen ver­ schiedener Vülkergruppen und ihre nahe Verwandtschaft dar­ zulegen im Stande ist. Ich würde mich natürlicher Weise auf die Kette der indo-europäischen Völker beschränken, in der wir Deütsche ein Hauptglied, und als solches berufen sind, im Bereich der civilisirten Nationen eiue Stellung ein­ zunehmen, die, nach manchfaltiger Verzweigung weit hin­ ausragen muß über die enge Sphäre unserer bisherigen Be­ strebungen. Ein städtisches Gemeinwesen, dessen Repräsentantendasl Wort „Vorwärts" zur Losung gewählt haben, — und die Zah

238

Hclint Bürgerschulen.

dieser Gemeinwesen ist in unserm Vaterlande nicht gering, — hat keine Sache, die ihm näher am Herzen liegt, als die Er­ ziehung der Jugend.

Die Seele, wie der Boden wird, un­

gebraucht,

dürr.

hart und

gen und eggen.

Denken und Lernen ist pflü­

Ein Feind des Lernens ist ein Barbar, und

ist ein solcher Barbar nicht ein Feind des Gemeinwesens? — So fragte,

schon vor einem Jahrhundert, ein eben so ein­

sichtsvoller, als sreisinnigerGottesgclehrter — George Berkeley. Darum kann man cs den städtischen Repräsentanten, den Stadtverordneten, nicht dringend genug an's Herz legen, nicht zu kargen mit Gewährung von Geldmitteln, wenn dadurch Pflug und Egge für Geist und

Gemüth unsrer Jugend in

Bewegung gesetzt werden können. Einer unserer geistreichsten Schriftsteller karakterisirt eine Zeit, die nicht gar weit hinter der unsrigen liegt, in der ihm eigenthümlichen Schärfe des Ausdrucks, mit den Worten: — „das war eine Zeit, in welcher man vom Staate nicht viel mehr wußte, als daß er eine Anstalt sei, worin die Solda­ ten Spießruthen liefen, worin der Adel empfange, der Bür­ ger und Bauer nur zu geben habe."

Jmmcrmann, der ge­

feierte, zu früh vollendete Dichter ist eS, der so eine Periode bezeichnet, in der auch »och Viele von uns gelebt haben, und sich ihrer gesellschaftlichen

Zustände recht

wohl zu erinnern

wissen. Jetzt sieht es mit unserm Wissen freilich anders aus; die gegenwärtige Generation, das, unter den Augen der Al­ ten von uns, ausgewachsene und

mannbar gewordene Ge­

schlecht hat gelaütcrlere Begriffe empfangen, Dank sei es den Bestrebungen unserer Schulen,

und dem allgemeinen Fort­

schritt der socialen und intellektuellen Kultur; und dennoch, — seien wir nur ehrlich, es zu gestehen, —

ist die Zahl Der-

239

Höhere Bürgerschule«.

jenigen nicht klein, die da nicht wissen, daß der Staat mit einem Baume zu vergleichen ist, dessen bau ist, seine

Aste

und

Zweige

die

Stamm der Acker»

Gewerbe, sein Laub

der Handelsstand, seine Blühten die Leute von der Feder, die Gelehrten, die Künstler, die Poeten, sein Wurzelgeflecht aber die Vaterlandsliebe; — und daß, wie ein Baum nur dann fröhlich gedeihen und zu üppigem Wachsthum gelangen kann, wenn alle seine Organe sich der Gesundheit erfreuen, so auch der Staat nur dann, wenn alle seine Bestandtheile gesund sind, bei ihren abgesonderten Thätigkeiten gleichförmig in einander greifen und sich gegenseitig unterstützen;

es muß

die Einsicht erregt werden, daß nur dasjenige Volk eine wahr­ hafte und harmonische Ausbildung und Macht erlangt, wel­ ches Agrikultur, Industrie,

Kommerz und Literatur gleich­

mäßig in sich entwickelt hat; — diese Einsicht muß zur Ra­ tional-Einsicht, zum National-Willen werden, es muß in dem Volke das klare Bewußtsein geweckt, und dieses Be­ wußtsein in seiner tiefinnersten Seele befestigt werden, daß es zur Erlangung der Harmonie der staatlichen Theile einer kräftigen Lenkung bedarf, einer starken Regierung, die ihre Macht aus ihrer Weisheit, aber auch aus der Liebe des Vol­ kes schöpft, die, unter dieser Bedingung, trennt,

als

außerhalb

des

Volkes

nie von ihm ge­

stehend,

gedacht wer­

den kann. Hier muß für diejenigen unserer Bürgersöhne, die sich nicht den gelehrten Studien widmen, und darum nicht die Universität besuchen, die Schule eingreifen, wenn sie,

wie

neüerlich sehr richtig bemerkt worden ist, ihrer Stellung im Organismus des Volkslebens nicht unwürdig werden will; sie muß sich an die Bebauung eines Feldes wagen, daS man in Bezug auf so manche höhere Bürgerschule oder Realsection

Veline Bürgeischulcn.

240

eines Gymnasiums, nicht mit Unrecht ein verödetes nennen zu dürfen glaubt, wenn man in den Lectionsplanen hin und wieder lieft, daß für den Unterricht in der Geschichte Deütschland's, und vorzüglich des Preüssischen Staats, wöchentlich nur drei Stunden erübrigt werden konnten! Die Vergangenheit ist die Mutter der Gegenwart, die Geschichte die Führerin bei Beurtheilung unserer jetzigen Zu­ stande.

Der Geschichtlehrer soll der heranreifenden Jugend die

großen Lehren, die erhebenden Bilder der Geschichte in das offene Gemüth legen, ihr Liebe und Bewunderung für die herrlichen Churaktere der Vorzeit ins Herz pflanzen, sie für Recht, Freiheit, Vaterland

und seine Institutionen entzün­

den, ihre Kraft nähren, ihre Nacheiferung spornen.

Indem

er der Jugend die vaterländische Geschichte erzählt,

fühlt er

unwillkürlich

den

Beruf

in sich,

unsere Söhne für unser

Königshaus zu begeistern, das sich seit dem großen Kurfür­ sten an die Spitze der deutschen Freiheit gestellt hat, das seit zwei Jahrhunderten unablässig thätig gewesen ist, das Volk der Deütschcn zu befreien von den geistigen, den socialen und politischen Fesseln, in die es Finsterniß,

Hader und Zwie­

tracht geschlagen; das in der Hand der Vorsehung das Wcrkzeüg ist zur Vollendung der große» Nationalsache deütscher Vereinigung; — wer will, wer kann das verkennnen! Die Kenntniß der vaterländischen Geschichte, darf man freüdig, auch

wol mit Schmerz, auf sie zurückblicken; die

Kenntniß der vaterländischen Staats-Einrichtungen, sind sie gut und erfüllen für einen gegebenen Zeitraum ihren Zweck, — diese Kenntnisse wecken und befestigen die Liebe zum Vater­ lande,

und die Vaterlandsliebe ist die sittliche Macht, die

den Sinn des Individuums für die allgemeine Wohlfahrt, kurz den Gemeinsinn, erzeügt, diese höchste der Bürger-Lu-

Höhere Bürgerschulen. genden;

241

denn die gemeinsame Glückseligkeit schließt die des

Einzelwesens in sich. Wol wird der Kopf unserer Söhne mit der Kenntniß längst untergegangener Staats-Einrichtungen gleichsam voll gepfropft, — und das ist für den angehenden Gelehrten nicht verwerflich, wenn das gehörige Maaß angelegt wird; — aber es geschieht in unseren Schulen, — ich spreche von den Schu­ len des gesammten deütschen Landes, — nur Dürftiges, blut­ wenig für Belehrung über daS Wesen des Staats, dem wir selbst angehören, über Verfassung und Gesetze, über Volks­ und Staatöwirthschaft, — mit deren Elementen die Schule ihre Schüler fortan bekannt und vertraut zu machen hat. Der jugendliche Geist hat einen großen Hang zum Ab. sprechen, zum Verspotten, oder doch Geringachten dessen, was außerhalb feines

gewohnten

Bildungskreises liegt; und

er

wird nur zu leicht auf Irrwege geführt in einer Zeit, wie die unsrige, in der Unwissenheit und Anmaßung, ich will nicht sagen: böser Wille die politischen Begriffe zu verwirren strebt.

Die Schule leite ihn, seiner Altersstufe angemessen,

durch treue

und wahrhaftige

Darlegung

vollendeter That­

sachen, — zu der es in unserm Baterlande eines, die Denkund Lehrfreiheit beengenden vorgeschriebenen Leitfadens warlich nicht bedarf, — auf die rechte Bahn; und er wird sich, zum Besten seines künftigen bürgerlichen Lebens, Ansichten zu ei­ gen machen, di« geeignet sind, jene, oft abgeschmackten Staats Theorien zu würdigen, die uns von müßigen Zeitungs- und Pamphlet-Schreibern zum Ekel fast täglich aufgetischt werden! Die Grundsätze des Staatslebens, wie sie sich allmälig bei uns entwickelt haben, seien daher fortan ein Lehrobjekt unserer höheren Bürger- und Realschulen!

Und hier müssen

die Stadtgemeindrn durch Bewilligung von Geldmitteln ein-

Statistik d. Preüff. Staats.

16

242

Special-Schulen.

schreiten, denn zu ihrem Patronat gehören mcistentheils auch diese Schulen, und nur in verhältnißmäßig wenigen Städten sind sie durch landesväterliche Borsorge gestiftet und dotiret worden. Special - Schulen. In die Kategorie der Specialschulen und besonderen Bildungs- und Erziehungs-Anstalten für bestimmte Lebenszwecke gehören die sogenannten Gewerbeschulen, deren cs fast in jedem Regierungsbezirke eine giebt, und die theils unmittel­ bar für den Gewerbcstand,

theils für das in Berlin beste­

hende technische Gewerbe-Institut vorbereiten, oder auch als bloße Nachhülfeschulen für die technische Ausbildung des HandwerksmannS zu betrachten sind. Es gehöret hierher ferner die Gärtner-Lehranstalt zur Bildung von Kunstgärtnern

und Eartenkünstlern, die,

mit Königlicher Unterstützung von dem Gartenbau-Vereine gestiftet worden ist, und in zwei Abtheilungen zerfällt, von denen die erste in Schüneberg bei Berlin, die andere in den Königlichen Gärten von Sans-Souci besteht. Vor allen sind aber unter den Specialschulen die Ka­ detten-Anstalten zu nennen, diejenigen Schulen, in de­ nen junge Leüte, gemeiniglich Söhne von Offizieren,

auf

Staats-Kosten oder gegen Erlegung einer geringen Pension, erzogen und in allen zur allgemeinen Bildung gehörigen Ge­ genständen, und vornehmlich in den zum künftigen MilitairBeruf erforderlichen Kenntnissen unterrichtet werden. Der Kadetten-Institute giebt cs gegenwärtig fünf, von denen vier, zu Kulm in Westpreüsscn, zu Wahlstadt in Schle­ sien, zu Potsdam, und zu Bensberg in der Rheinprovinz, als Vorbereitungsschulen zu betrachten sind für das in Ber­ lin bestehende Institut, in das nur Kadetten aufgenommen werden können, die den Kursus einer jener VorbereitungsAnstalten durchgemacht haben.

Der Unterrichtsplan der Kadetten-Anstalten hat in neue­ ster Zeit

eine

wesentliche Umgestaltung

erfahren..

Bisher

bildete man in diesen Anstalten nur — Soldaten, und da­ durch eine Klasse von Staalsgenossen, die, traten Verhattniffe ein, welche ihr Ausscheiden aus dem Heeresdienst be­ dingten, in anderen Lebenskreisen zuweilen unbeschäftigt blei­ ben mußten, weil ihnen die encyklopädische Geistes-Bildung abging.

Diesem ttbelstandr wird künftig vorgebeügt sein, seit­

dem der Unterrichtsstoff der Kadetten-Anstalten, neben Fest­ haltung des rein militairischen Zweckes, dem der Gymnasien genähert, und Humaniora eins ihrer Lehrobjekte geworden ist. Pro«Gymnasien. Diese, aus den früheren sogenannten lateinischen Schu­ len in den katholischen Provinzen hervorgrgangenen Anstalten bilden bis zur Secunda eines ordentlichen Gymnasiums vor, und vertreten meistentheils die Stelle einer höheren Bürger­ schule, mit dem Unterschiede jedoch, daß sie dem Unterricht in der lateinischen Sprache noch mehr Zeit einräumen, als in dieser zu geschehe» pflegt.

Im Jahre 1837 waren an

Pro-Gymnasien vorhanden: —

Schule».

Lehrer.

Hülsolehrer.

Schüler.

.

.

7

15

26

409.

....

.

2

12



373.

2

6

11

86.

2

7

3

107.

In Preüssen Posen

.

.

Brandenburg . Pommern

.

.

..

Schlesien

.

.

.

1

5

1

35.

Sachsen

.

.

.

.

2

7

3

152.

Westfalen

.

.

.

.

7

24

7

284.

.

11

32

10

450.

.

34

108

61

1896.

der Rheinprovinz Im ganzen Staate .

16 *

Schullehrer-Seminare. Auf den Schullehrer-Seminaren bemhet das Gedeihen unserer Volks-Bildung, denn sie sind es, welche die Lehrer für die Elementar- und niederen Bürger-, zum Theil auch für unsere höheren Bürgerschulen liefern. Man unterscheidet Land - Schullehrer - Seminarien zur Her­ anbildung künftiger Land-Schullehrer, und diese sind die bei weitem größere Zahl,

und Stadt-Schullehrer-Seminarien,

deren einige in größeren Städten, Berlin, Magdeburg, be­ stehen.

Der Untrrrichtsplan ist nach diesen verschiedenen Zwecken

modisizirt. Die Land-Schullehrer-Seminarien befinden größten Theil in Städten. ,u sein.

sich

zum

Dies scheint nicht ganz zweckmäßig

Man fühlt es mehrseitig und hat ernstlich den Vor-

ichlag gemacht, sie aufs Land zu versetzen, und mit Landbe»tz und ländlichen Einrichtungen auszustatten,

wie sie der

Betrieb einer guten Bauerwirthschaft verlangt.

Der Vorste­

her dieses Guts soll ein tüchtiger praktischer Landwirth sein, damit die künftigen Volkslehrer Gelegenheit finden, lebet ländlichen Arbeit Fertigkeit zu erwerben. denn auch,

so hat

sich in

Hier ließe sich

man weiter vorgeschlagen,

eine höhere

Bauernschule, wie die Ackerbauschulen in Württemberg sind, inschließen, wo

der Unterricht

der

ländlichen

praktischen seine Vollendung finden könnte. vü§

Jugend im

Und in der That,

sind Gedanken, welche der Beachtung um so mehr werth

und, als für die Hebung des Ackerbaues durch Unterricht und Beispiel bisher noch wenig bei uns geschehen ist.

Im Ka­

ntel vom Zustande der Landwirthschaft wird dies deütlicher crvortreten. In den verschiedenen Provinzen gab es im Jahre 1840 ie nachstehend aufgeführte Zahl von Seminaren: —

Schullehrer - Seminare.

245

In Preussen . .... 8 mit 455 Zöglingen, Posen .... 6 - 336 — Brandenburg . 4 - 324 — Schlesien... 4 * 585 — Pommern . . 6 - 177 — Sachsen ... 9 * 346 — Westfalen .4-231 der Rheinprovinz 5 - 267 — Im ganzen Staate 46 mit 2721 Zöglingen. Die größeren dieser Anstalten sind auf Staatskosten er­ richtet, viele haben Gebaüde und Fonds durch Stiftungen; bei den meisten aber ist eine reichere Ausstattung zu wün­ schen, damit den Zöglingen, gewöhnlich Söhnen armer, min­ desten- dürftiger Altem, während der ganzen BorbereitungSzeit freier Unterhalt gewährt werden könnte, der jetzt nur wenigen zu Theil werden kann. Die Anzahl der Lehrer, welche vorzugsweise in Semi­ naren zu bilden wäre, schlägt Dieterici zu 28700 an, und er rechnet, daß ein Lehrer etwa 30 Jahre lang seinem Amte vorstehen könn«. Unter dieser Voraussetzung beträgt der jähr­ liche Abgang ungefähr 950. Dafür beträgt aber der Ersatz durch den dritten Theil der, nach dreijährigem Kursus aus den Seminaren auStretenden Zöglinge 900, mithin fehlen 50 Ersatzleüte für die öffentlichen Schulen, eine Zahl, die ein Streben zur Vergrößerung noch dadurch erhält, daß viele Seminaristen als Hauslehrer auf Landgütern in Privat­ dienste treten. Es ist mithin, wie auch Dieterici schon anerkennt, bei Besetzung von Lchrerstellen, entschieden ein Mangel an Se­ minaristen vorhanden, dem man, schon früher, dadurch ab-

24«

Sch»llthrrr - Sem i*art.

zuhelfen gesucht hat, daß anderweit zu Lehrerstellen berufene Personen wenigstens ein Jahr lang dem Unterricht in irgend einem Seminar beiwohnten, und ganz neüerlich durch eine allgemeine Maaßregel, wonach befähigten Unterofsizieren, nach ihrem Austritt aus dem aktiven Heerdienst, die Aussicht auf das Elementar-Lehramt eröffnet worden, wenn sie ein halbes Jahr lang ein Seminar besucht haben, um sich mit der Me­ thode bekannt zu machen. Gegen diese Maaßregel ist vielfach geeifert worden, — wie mich dünkt, mit Unrecht! Warum soll ein Mann gereif­ ten Lebensalters nicht eben so gut zum Dorfschulmeister sich eignen, als ein junger Mensch, der eben erst das Seminar verlassen hat? Und ist er als Unteroffizier nicht schon Lehr­ meister gewesen, hat er nicht Jahre lang Unterricht gegeben nicht blos im Gebrauch der Waffen und Allem, was damit zusammenhangt, sondern auch im Lesen, Schreiben und Rech­ nen in den Kompagnie-Nachhülfeschulen, deren es bei jedem Regimente welche giebt, um die jungen Soldaten, welche als Kinder den Unterricht ihres Schulmeisters versaümt ha­ ben , noch zuzustutzen! Was in der Elementarschule gelehrt werden soll, ist we­ niger schwierig zu bestimmen, als die Art und Weise, wie unterrichtet werden müsse. Darauf kommt Alles an. Und hier treten Unterricht und Erziehung so nahe zusammen, daß sie beide als getrennt gar nicht gedacht werden können; ja die Erziehung, d. h. die Entwicklung von Kopf und Herz im jungen Menschen, stellt sich unleügbar an die Spitze; und darum dürfen wir vom künftigen Schulmonarchen außer der Bewältigung des Unterrichtsstoffs, ganz vorzugsweise einen gewissen pädagogischen Takt verlangen, den auch der Unter­ offizier, Kindern gegenüber sich anzueignen im Stande sein

Gymnasien.

247

wird, wenn er sonst nur Lust und Liebe zur Sache mit­ bringt, und das Lehramt nicht blos als Versorgungsplatz betrachtet. Das Lehrer-Personal der Real- und höheren Bürger­ schulen wird bis jetzt ebenfalls aus den Seminaren rekrutirt. Es laßt sich dagegen nichts sagen, so weit es di« Lehrstellen für die unteren Klassen betrifft; die oberen Klaffen dagegen müssen studirte Lehrer haben, Leüte mit Universitäts-Bildung, damit diese Klaffen den höheren Anforderungen entsprechen können, die für die Bildung unserer Bürger-Söhne an sie gemacht werden müssen. Gymnasien. Sie sind die eigentlich gelehrten Schul-Anstalten, die­ jenigen, welche den künftigen Geistlichen, Richter, Staats­ diener, den Arzt, den Universitäts-, Gymnasial- und Reallehrer höherer Stufe, so wie den Gelehrten überhaupt, vor­ zubilden die Bestimmung haben. In der Epoche, welche ich für diese Statistik des Schul­ wesens zum Grunde legen muß, gab eö in der Provinz Gymnasien. Lehrer. Hülfslehrer.

Schüler.

3185 48 Preüssen .... 13 mit 95 4 1089 Posen .... 44 8 Brandenburg . . 18 181 4456 81 7 Pommern . . . 16 1635 70 4606 Schlesien . . . 21 178 76 205 3505 Sachsen .... 21 39 Westfalen . . . 11 97 1796 31 der Rheinprovinz . 18 180 55 3099 354" 23371 ganzen Staate . 113 1050 Nach Dieterici's Ermittelungen ist der 603te Mensch der Bevölkerung des Preussischen Staats ein Gymnasiast, wah-

tütymitoiUii.

248

rend der 6ste bis 7te ein Schulkind ist.

Es gehen jährlich

im Durchschnitt etwa 1000 von den Gymnasien zur Univer­ sität, d. i.: der Liste Gymnasiast.

Die Anzahl der studiren-

den Inländer ist auf den preüsfischen Hochschulen ungefähr 4300, die alle mindestens drei, viele vier Jahre studiren, sv daß etwa 1200 jährlich die Universität verlassen; woraus folgt, daß im großen Durchschnitt der Abgang von der Uni­ versität durch den Zugang von den Gymnasien ziemlich ge­ deckt wird. Alle inneren, auf

die Lehr-Verfassung zt. bezüglichen

Angelegenheiten der Gymnasien hangen ausschließlich von der Staats-Regierung ab, bei der Leitung der aüßern konkurrircn aber mit ihr in vielen Fällen die Gemeinden oder andere Korporationen, was von der Beschaffenheit der PatronatsVerhältnisse abhängig ist.

Das Patronats-Recht steht Dem­

jenigen zu, der die Fonds zur Unterhaltung der Gymnasien hergicbt. Wo das Patronat gemischt, d. h.: Sache der Gemeinde und des Staates ist, da übt der Magistrat, Naniens der Gcineinde, das Patronats-Recht in seinem vollen Umfange, je­ doch

gemeinschaftlich mit der Staats-Regierung,

die daS

Kompatronats-Recht wegen ihrer Beiträge zur Erhaltung der Gymnasien in Anspruch genommen hat und durch einen Kommissarius ausüben läßt. Das Patronats-Recht umschließt hauptsächlich die Wahl, und demnächst, nach eingeholter Genehmigung der StaatsRegierung, auch die Bestallung aller Lehrer ohne Ausnahme; sodann die Verwaltung der ökonomischen Angelegenheiten der Gymnasien und die Theilnahme an den Abiturienten-Prü­ fungen, zu denen der Magistrat eins seiner Mitglieder, aus dem Kreise der gelehrten Stadträthe, deputirt.

Hin und wieder, und namentlich ist dies in der Provinz Brandenburg geschehen, haben die Gemeinden, denen das Pa­ tronat zusteht, auch ein« Mitwirkung an den innern Angele­ genheiten der Gymnasien, in der Art, in Anspruch genom­ men, daß sie die Theilnahme an der Überwachung der wis­ senschaftlichen und sittlichen Haltung der gelehrten Schulen gewünscht haben; — wie mich dünkt, mit Recht, weil die Gemeinden bei Ausbildung der Söhne ihrer Glieder am näch­ sten interefsiret und daher am geeignetsten sind, den allge­ meinen, das Schulwesen betreffenden Landes-Gesetzen und den Verordnungen der Staats-Regiemng überall da Geltung zu verschaffen, wo, wider Berhoffen, Lauheit in deren Be­ folgung, oder gar Überschreitung derselben bemerkt wer­ den sollte. Die Gemeinden, welche hierauf bezügliche Anträge ge­ macht, haben eben dadurch bewiesen, daß ihnen das Wohl und Wehe der Bürgersöhne, wie der Gymnasien selbst, gar sehr am Herzen liegt; und die Staats-Regierung, in ihrer erleüchteten Stellung den wahren Gesichtspunkt gleich erfassend, hat nicht umhin gekonnt, den ausgesprochenen Wünschen will­ fährig entgegen zu kommen. Höhere Bildungs-Anstalten für einen bestimmten Lebenszweck. An Anstalten dieser Art ist der Preüssische Staat nicht arm. Es gehören dahin: — Das technische Gewerbe - Institut für Gewerbe- und Fabrikwesen; — die allgemeine Bauschule zur Bildung von Baumeistern, und die Baugewerksschule für Bau-Handwerker; — das Haupt-Bergwerks -Eleven Institut zur Ausbildung von Berg- und Hüttcnleüten, — sämmtlich in Berlin. Sodann gehören hierher: Die höhere Forst-Lehranstalt zu Neüstadt-Eberswalde und zwei kleinere

250

Höhere Bildung»- AnstaXe»

Forstschulen zu Königsberg i. Pr. und zu Lübben; — die Thierarzneischulen zu Berlin und Münster; — die Handlungsschulen zu Berlin und in mehreren anderen großen Handels­ plätzen ; — die Navigations - und Steüermannsschulen in den Seehäfen Danzig, Pillau, Stralsund, Memel und Stettin zur Ausbildung von jungen Leuten für den künftigen Beruf als Seeleute; — die landwirthschaftlichcn Schulen, für deren Vermehrung bisher sehr wenig geschehen ist, obwol die Sache so sehr nahe liegt.

An höheren landwirthschaftlichen Lehr­

anstalten besitzt die Preussische Monarchie, außer den land­ wirthschaftlichen Lehrstühlen an den Universitäten, die gemei­ niglich mit denen der Technologie verbunden zu sein pflegen nur eine einzige Staats-Anstalt, nämlich die Staats- und landwirthschaftliche Akademie zu Eldena bei Greifswald, und neben dieser zwei Privat-Institute:

die, das Prädikat Kö­

niglich führende Akademie des Landbaus zu Möglin bei Wriezen, eine Stiftung deZ großen Thaer, die von seinem wür­ digen Sohne fortgesetzt wird; und die landwirthschaftliche Lehr­ anstalt zu Regenwalde in Pommern, die von Sprengel in unsern Tagen errichtet

worden ist.

Hierher sind auch zu

rechnen die landwirthschaftlich-technischen Institute zu Schwetz in West-, und zu Ragnit in Ostpreüssen, ersteres

durch

von Kaselack, letzteres durch von Settcgat errichtet. In die Kategorie der hier betrachteten höheren BildungsAnstalten gehören ferner: — Die Chirurgenschulen zu Berlin, Breslau, Greifswald, Magdeburg und Münster, und das zur Bildung von Militair-Ärzten bestimmte medizinisch-chi­ rurgische Friedrich-Wilhelms-Institut zu Berlin, das mit der medizinisch-chirurgischen Akademie daselbst verbunden ist; — sodann die höheren Militair-Unterrichts-Anstalten,

nämlich

die vereinigte Artillerie- und Ingenieur-, so wie die allge-

für tincn bestimmten keben-bernf.

251

meine Kriegsschule, beide zu Berlin, erstere für Ported'epeeFähnriche und Offiziere der beiden genannten Waffen, letztere nur für Offiziere, und zwar aller Waffen, bestimmt. Für die Ausbildung in den verschiedenen Zweigen der sch-nen und bildenden Künste besteht: — Die Kunst-Akade­ mie zu Berlin für Malerei, Kupferstichkunst, Skulptur, Ar­ chitektur und Musik; von ihr reffortiren die Kunst- und Ge­ werkschulen zu Berlin, Breslau, Danzig, Erfurt, Königs­ berg i. Pr., und Magdeburg; sodann die Kunst-Akademie zu Düsseldorf; eine eigene Kunstschule für daS geographische Zeich­ nen und Kupferstechen zu Potsdam; so wie für Kirchen -Musik ein selbstständiges Institut, und für Gesangkunst die SingAkademie, beide zu Berlin, die drei letzteren als Privat Institute. Für die Ausbildung katholischer Geistlichen giebt- es, außer den theologischen Fakultäten uTib den damit verbunde­ nen Seminaren an den Universitäten, fünf bischöfliche Se­ minare, und zwar zu Gnesen, Paderborn, Pelplin, Posen und Trier, in denen junge Männer, ohne eine Universität zu besuchen, den vollständigen theoretisch-praktischen Unterricht für den Beruf als katholische Theologen erhalten. Die Universitäten. Der Preüssische Staat hat sechs vollständig organisirte Universitäten mit vier Fakultäten für Theologie, Jurispru­ denz, Medizin und Philosophie; und zwei höhere BildungsAnstalten für katholische Theologen, die nur zwei Fakultäten haben, eine theologische und eine philosophische. Die Universitäten sind, nach dem Alter ihrer Stiftung ausgezählt: — Die Universität zu Greifswald, gestiftet 1458 von Wratilaw IX., Herzog von Pommern; — die zu Bres­ lau, 1811 entstanden aus der zu Frankfurt, welche Joachim I.,

Kurfürst von Brandenburg, 1500 gestiftet hatte, und der Leopoldinischen Universität zu Breslau, die Kaiser Leopold 1. im Jahr 1702 aus dem daselbst bestehenden Jesuiter-Kolle­ gium hervorgehen ließ; — die vereinigte Universität HalleWittenberg zu Halle, gestiftet: Wittenberg 1502 von Kurfürst Friedrich dem Weisen von Sachsen, Halle 1694 von Kur­ fürst Friedrich III. von Brandenburg, beide vereinigt im Jahre 1815; — die Albertus - Universität zu Königsberg in Pr., 1544 gestiftet von dem Markgrafen Albrecht von Bran­ denburg, erstem Herzoge in Preüssen; — die FriedrichWilhelms-Universität zu Berlin, 1810 gestiftet von König Friedrich Wilhelm III.; und — die von demselben Monarchen 1818 gestiftete Rheinische Friedrich - Wilhelms - Universität zu Bonn. Breslau und Bonn haben fünf Fakultäten, nämlich eine doppelte theologische Fakultät für die evangelische und die katholische Theologie. Die beiden höheren Bildungs-Anstalten für katholische Theologen sind die akademische Lehr-Anstalt zu Münster, ein Überbleibsel der daselbst 1773 von dem Fürstbischöfe von Mün­ ster , Maximilian Friedrich, Kurfürsten von Köln, gestifteten Universität, und das hosianische Lyceum zu Braunsberg, 1565 von Stanislaus Hosias, Bischof von Ermland, errichtet. Bischöfliche Seminare sind außerdem zu Breslau, Braunsberg, Köln und Münster, in denen die katholischen Theolo­ gen nach absolvirten Universitäts- rc. Studien zum prakti­ schen Kirchendienst herangebildet werden. Die evangelische Kirche besitzt nur eine einzige selbst­ ständige Anstalt analoger Art, das Prediger-Seminar zu Wittenberg, das aus den Fonds der ehemaligen Universität

Univerfitätt».

253

erhalten wird, und worin 25 Kandidaten im Predigen und allen Geschäften des Geistlichen geübt werden. Die Zahl der Lehrer an den Universitäten und an den akademischen Lehranstalten zu Münster und Draunsberg, so wie, nach einem mehrjährigen Durchschnitt, die Zahl der Studirmden ergiebt sich aus der nachstehenden Übersicht: Zusammen Lehrer.

Studirendr.

8

41

215

58

14

72

975

57

17

74

845

Besoldete

Greifswald . . Breslau . . . Halle-Wittenberg Königsberg . . Berlin . . . Bonn .... überhaupt . Münster . . . Braunsberg. . Zusammen

33

.

.

Unbesoldete

60

13

73

430

74

72

146

1770

57

14

71

715

339

138

477

4950

16



16

280

6 "36?



138

6

30

499

5260

Die, auf den preüssischen Universitäten studirenden Aus­ länder, machen ungefähr den fünften bis sechsten Theil aller Studirenden aus, so daß die Durchschnittszahl der studiren­ den Inländer zu 4300 angenommen werden kann; und mit­ hin 1 Studirender auf 3500 Einwohner zu rechnen ist. Im Allgemeinen bemerkt man einen zu großen Zudrang zum Studiren; denn man hat berechnet, daß auf 100 zu be­ setzende evangelische Pfarrstellen 262 Kandidaten kommen, auf 100 katholische 142, auf 100 juristische Stellen 257, auf 100 Berwaltungs - Stellen 185, und auf 100 ärztliche 197 Kandidaten. Die Richtigkeit dieser Verhältnißzahlen muß ich dahin gestellt sein lassen, da mir die Grundlage derselben nicht voll-

Universitäten.

254 ständig besonnt ist.

Allein, wenn gleich zugegeben werden

kann, daß es zu viele Kandidaten in der evangelischen Kirche giebt, d. h. für die jetzt vorhandenen Geistlichen-Stellen, die aber für die Bedürfnisse des Volks nicht ausreichend sind, so scheint doch das Verhältniß der Rechts-Kandidaten zu den erledigt werdenden Richter- und Anwalts-Stellen wol offen­ bar nicht zu groß; denn es ist in Erwägung zu ziehen, daß viele junge Leüte der höheren Stände sich dein Studium der Rechtswiffenschaft widmen, ohne auf eine künftige Versorgung im Justizfache Anspruch zu machen, Stellung durch Eigenbesitz

weil ihre bürgerliche

ic. gesichert ist.

Ganz ähnlich

dürfte es sich mit den Cameralisten verhalten. Und was das ärztliche Personal anbelangt, so ist es, vom Standpunkte der medizinischen Polizei, die für die Ver­ minderung der Sterblichkeit zu sorgen hat, gewiß nicht zu viel, wenn man verlangt, daß 1 Arzt 3500 Einwohnern mit Rath und That an die Hand gehe.

Es giebt schon jetzt

Provinzen, wo diese Zahl erreicht ist, ja wo sie noch kleiner, dagegen auch andere, wo sie bedeütend größer ist. Die 16 Millionen Bewohner des Preüssischen Staats würden demnach mindestens 4550 Ärzte bedürfen; es waren aber im Jahre 1840 nur 3400 zur medizinischen Praxis be­ rechtigte Personen vorhanden, und zwar

2735 promovrrte

Ärzte und 665 Wundärzte erster Klasse; es fehlten mithin 1150 zur Ausübung der Heilkunde befähigte Personen.

Sie

können nicht durch die Wundärzte zweiter Klaffe ersetzt wer­ den, deren es in dem gedachten Jahre überhaupt 1640 gab; und cs scheint daher, daß

ein übermäßiger Zudrang zum

Studium der Medizin wol nicht vorhanden sei. Hinsichts sei­ nes Unterhalts auf seine Patienten angewiesen, wird der Arzt, ist er mäßig in seinen Ansprüchen an's Leben, auch in Ge-

genden mit minderer Wohlhabenheit sein gutes Auskommen finden; doch bleibt es immer für ihn zu wünschen, daß die sehr bebrütenden Kosten, welche er auf seine Universitäts-Bil­ dung, seine Promotion, seinen Prüfungs-Kursus verwenden muß, angemessen verringert werden. Ich enthalte mich aller und jeder Betrachtung über Das, was unsere Universitäten im Kreise der gelehrten, wie der all­ gemein

menschlichen

und — sollten!

Bildung

leisten,

oder

leisten könnten

Denn sie stehen in dieser Beziehung nicht

vereinzelt; ihr Wirken ist nicht auf die engere Hrimath be­ schränkt, sondern es breitet sich auf das deütsche GesammtBaterland aus; sie sind eine allgemein deütsche Angelegenheit nach Innen wie nach Außen. —

Was für sie und ihr Ge­

deihen in Anspruch genommen werden muß, das ist — un­ bedingteste Lehrfreiheit; der Geist läßt sich nicht in Fesseln schlagen; der gebildete Geist forscht nur nach Wahrheit, und die Wahrheit ist — ewig! Anstalten

zur

Förderung der Wissenschaften und Künste.

Unser Vaterland ist an derlei Anstalten nicht arm, man kann eS vielmehr sehr reich nennen; und diesen Anstalten, so wie dem Organismus des Unterrichtswesens und Allem, waS daran und darum hangt, Allem, waS daraus für Volksbil­ dung und National-Wohlfahrt gefolgt ist, verdankt man es, daß der Preüssische Staat nicht selten «in Staat der In­ telligenz genannt wird. 'An die Spitze der hierher gehörigen Institute stellt sich die Königliche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ein«, von Friedrich I. gestiftete Staats-Anstalt, deren Ausgabe in der Prüfung des vorhandenen Stoffs, und in weiterer For­ schung auf dem gesammten Gebiete der Wissenschaften besteht.

Sie hat von jeher die eminentesten Geister zu ihren Mitglie­ dern gezahlt, und dadurch in der ganzen gelehrten Welt auf einer hohen Stufe der Achtung gestanden, einer Stufe, die sie auch im Lichte der Gegenwart behauptet,

da in ihrem

Kreise neben den größten Denkern die ausgezeichnetsten Ge­ lehrten im Felde der eracten, der historischen und der NaturWissenschaften verweilen. Außer diesem höchsten Tribunale geistiger Thätigkeit giebt es in Berlin

eine sehr große Menge von Vereinen wissen­

schaftlich gebildeter Männer, welche die

Gelehrsamkeit und

Literatur im Allgemeinen, oder einzelne Zweige des Wissens, als da sind: Sprache, Geschichte und Alterthumskunde, Na­ tur- und Heilkunde, Erdkunde, Erziehungskunde u. d. m. mit dem größten Erfolge pflegen und anbauen.

Dadurch hat sich

Berlin den Namen des deutschen Athen erworben, den es jetzt nicht ganz mit Unrecht führt.

Aber auch in vielen an­

deren Städten der Monarchie, und darunter sind nicht blos die Universitätsstädte, ist der Vereinssinn für geistige Bestre­ bungen ganz allgemein verbreitet,

und es giebt wol keine

unter den größeren Städten, in der nicht eine oder mehrere Gesellschaften für die Förderung oder Verbreitung wissenschaft­ licher und literarischer Thätigkeit beständen. Soll ich all' diese Gesellschaften aufzählen?

Würde dar­

aus nicht ein, im Ganzen steriles Berzeichniß entstehen? — Doch kann ich nicht umhin, folgende namhaft zumachen: — Die Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin; die Kö­ nigliche deütsche Gesellschaft zu Königsberg; die Königl. Aka­ demie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt; die Kaiserlich Leopoldinisch - Karolinische Akademie der Naturforscher zu Bres­ lau ; die schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur eben­ daselbst; die Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin.

rer Wiffeaschasteu unt Künste. In die Kategorie der

257

hier zur Betrachtung gehörigen

Anstalten gehören ferner auf zweiter Stufe die öffentlichen Bibliotheken, von denen die große Königliche Bibliothek zu Berlin, mit ihrem ungezählten Reichthum an Bücherschätzen, durch die Freisinnigkeit, womit die Staatsregierung sie zur Benutzung der Gelehrten gestellt hat, einen Einfluß auf die Entwicklung der Gelehrsamkeit übt, wie keine andere Bücher­ sammlung in ganz Europa.

Außer den Universitätsstädten

haben auch noch andere Städte große öffentliche Bibliotheken, u. fl.: Köln, Trier, Düsseldorf, Danzig, Halberstadt, Gör­ litz, ic., die theils zu den Gymnasien gehören, theils Raths­ bibliotheken sind. Für die Erweiterung der Himmelskunde sind di« Stern­ warten zu Königsberg, Berlin, Breslau und Bonn ganz vorzugsweise thätig,

außerdem

viele Liebhaber

der Astro­

nomie, die fast über das ganze Land verbreitet sind.

Die

Sternwarte zu Königsberg erfreüt sich unter der Leitung ih­ res gegenwärtigen Direktors eines Rufs, der in der ganzen gelehrten Welt erschallt. Die botanischen Gärten bei Berlin, Bonn, zu Greifs­ wald, Königsberg, und in den andern Universitäts-Städten, das Palmenhaus auf der Pfauen-Insel bei Potsdam, und eine große Menge kleiner Pflanzengärten, im Besitz von Pri­ vat - Personen, wirken, in Verbindung mit den Herbarien, auf das Studium der Botanik so wohlthätig ein, daß man wol sagen kann, es habe im Preüssischen Staate eine größere Verbreitung gefunden, als vielleicht in irgend einem andern Lande. Gartenbau-Verein

im Preüssischen Staate,

der in

Der

Berlin

seinen Sitz hat, ist bei diesem so allgemein gewordene» Sinn für Pflanzenkunde und Pflanzenkultur wesentlich denn er kann £i.itiihf

betheiligt,

als Mittelpunkt der Bestrebungen angesehen

Vicüii. Staate.

17

258

iHnstaUcn zur Flrberung b. Wiffeasch. u. Künste.

rottbtn,

die man in dieser Beziehung bei uns seit einem

Menschenaltrr mit so großem Erfolge gemacht hat. Auch die anderen Zweig« der Naturbeschreibung haben in den Universitätsstädten ihre Sammlungen, so die Zoologie in allen ihren Klaffen, die Mineralogie, die Anatomie, u. s. w. Für die bildenden Künste sind die Königlichen Museen zu Berlin und die Bildergallerie zu Düsseldorf von aüßerster Wichtigkeit.

Jene zerfallen in sechs Abtheilungen: Gemälde -

Gallrrie, Skulpturen-Gallerie, Antiquarium (Sammlung der Bronzen, Gemmen, Münzen, Thongefäß«), Kupferstich-Kabinet, Kunstkammer in Verbindung mit den ethnographischen und den Sammlungen für vaterländische Alterthümer; Mu­ seum der ägyptischen Alterthümer. Auf die Ausbreitung der artistischen Bildung im Preüssischen Staate, die von Jahr zu Jahr immer mehr um sich greift, hat der in Berlin für den ganzen Staat bestehende Verein der Kunstfreünde einen außerordentlich großen Einfluß geübt.

An ihn schließen sich, gleichsam als Filiale, eine zahl­

reiche Menge analoger Vereine in den Provinzialstädten, die sämmtlich darauf hinwirken, den Sinn für das Schöne in allen Kreisen der Gesellschaft zu wecken, zu beleben.

Und

daher kommt es wol hauptsächlich, daß die Nürnberger Bil­ der mit bunter Farbcnklekserei allgemach anfangen, aus den Wohnungen unserer kleinen Bürger, aus den Hütten unserer Landleüte zu verschwinden, und Platz zu machen den Bildern mit schönern Formen und reinerem Kolorit, die in der lithographischen Kunst

ein so wesentliches Förderungsmittel für

ihre Vervielfältigung gefunden haben. Geistiger Verkehr. Die Anstalten, welche in einem Lande für die materielle Hervorbringung und den Vertrieb von Erzrügniffen der Wis-

Geistiger Verkehr.

259

senschaft und Kunst vorhanden sind, geben, wenn auch nicht einen durchaus entscheidenden, doch einen genäherten Werth für dm Maaßstab, womit man den geistigen Berkehr einer Nation und die Verbreitung der geistigen Bildungs-Mittel zu schätzen im Stande ist. ES gehören dahin die Buchdruckereien, die Buch-, Kunstund Musikalien-Handlungen, die Leihbibliotheken und die re­ gelmäßig erscheinenden periodischen Schriften. Im Preüssischen Staate sind gegenwärtig zwischen 400 und 500 Buchdruckereien mit mehr, als 1000 Pressen im Gange, aber sie sind, im Verhältniß zur Einwohnerzahl sehr ungleich vertheilt.

Die meisten Pressm befinden sich in der

Provinz Brandenburg,

wo Berlin das Übergewicht hervor­

bringt, die wenigsten im Großherzogthum Posen, und zwar stehen hier sechs Mal weniger Pressen im Betrieb,

als

dort.

Zwischen diesen Extremen stehen in absteigender Mmge: Sach­ sen, die Rheinprovinz, Westfalen, Schlesien, Preüffen und Pommem. Äußer dem Abdruck von Gebet - und Gesangbüchern, Ka­ techismen und Volkskalendern, welche viele Druckerarbeit, be­ sonders in denjenigen Buchdruckereien in Anspruch nehmen, welche von den großen Städten, den Mittelpunkten deS lite­ rarischen Verkehrs entfernt sind, bilden die auf preüssischen Pressen gedruckten Bücher den vierten Theil aller halbjährlich auf dm großen deutschen Büchermarkt Leipzig gelangenden Druckschriften. Sodann steht es fest, daß Leipzig jährlich über sieben­ tausend Centner Bücher mehr in den Preüssischen Staat sen­ det , als von diesem dorthin gehen, und daß unter allen deütscben Buchhandlungen, welche auf der Leipziger Ostermeffe 17 *

Geistiger Berkchr.

260 gegenseitig

abrechnen,

die

preussischen

die verhältnißmäßig

größten Zahlungen zu leisten haben. Alles dieses brütet

auf einen ansehnlichen Begehr von

Büchern u. s. w., der gegenwärtig von nahe an 500 Buch-, Kunst-

und Musikalien-Handlungen gedeckt wird, die, wie

die Druckereien, sehr ungleich in die Provinzen vertheilt sind. Die meisten befinden sich in Brandenburg und der Rhein­ provinz; auf diese beiden Provinzen folgen Sachsen, Schle­ sien, Westfalen, Preüffen, Posen, und aus der letzten Stufe steht Pommern, wo cs sieben Mal weniger Buchhandlungen giebt, als in der Mark Brandenburg. Außer den eigentlichen Buchhandlungen sorgen aber auch noch die Antiquare, deren im ganzen Staate etwa H)0 vor­ handen sein mögen, so wie die Buchbinder für den Vertrieb literarischer Erzeügniffe, letztere namentlich in den Mittel- und kleinen Städten, hin und wieder sogar auf dem platten Lande. Läßt man die großen und die größeren der Mittel-Städte au­ ßer Acht, wo das Buchbinder-Geschäft auf seine ursprüng­ liche Bestimmung beschränkt zu sein pflegt, so läßt sich an­ nehmen, daß mindestens

1500 Buchbinder die Mittel- und

untere Klasse des Volks mit geistigen Produkten zu versorgen im Stande sind. Die Leihbibliotheken können für die intellektuelle Kultur eines Volks von großem Nutzen sein, wenn ihr Ziel Verbrei­ tung positiver Kenntnisse ist.

Belehrende Schriften also, nicht

blos für die Unterhaltung und

Zeittödtung bestimmte Bü­

cher, seien das Hauptfach ihrer Kataloge.

Gegenwärtig bc

stehen im Preüssischcn Staate an 500 Leihbibliotheken, davon die meisten, fast der vierte Theil, in der Mark Brandenburg, die wenigsten, nur der neünzehnte Theil Aller, im Großher­ zogthum Posen; zwischen inne liege» Schlesien, Sachsen, die

Gciiiigrr Verkehr.

261

Rheinprovinz, Preussen, Westfalen und Pommern. lheil

Ein Dnt-

aller Leihbibliotheken befindet sich in den großen und

den, diesen

zunächst

stehenden ansehnlicheren Mittelstädten,

zwei Drittheile aber in den geringeren Mittel- und den klei­ ne» Städten, deren Bewohner auf diese Weise mit den neüen Erzeugnissen der Literatur in Kenntniß erhalten werden. Außer­ dem giebt es für denselben Zweck bei den gebildeten Klein­ städtern und Landbewohnern eine Menge von Privat-Lese* vereinen, in denen Bücher, Journale, Zeit- und TageSschriften ihren Umlauf halten. Das Bedürfniß nach geistiger Speise ist bei uns seit dem zuletzt verflossenen Vierteljahrhundert außerordentlich gestiegen. Man erkennt das ganz deütlich an den, im Obigen betrach­ teten Anstalten, deren im Jahre 1819 im ganzen Staate vor­ handen waren, an Buchdruckereien nur 240, und an Buch­ handlungen nur 229; ihre Zahl hat sich

demnach fast ver­

doppelt. Abgesehen von den Regierungs-Amts-, den Anzeige, und sogenannten Intelligenz-Blättern, ist die Zahl der pe­ riodisch erscheinenden Zeitschriften in allen Fächern des Wis­ sens, auf dem Gebiete der Gelehrsamkeit wie auf dem der Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse sehr groß, und Alles, was in ganz Deütschland in dieser Hinsicht Bemerkenswerthes ans Tageslicht tritt, ist bei uns eben so zu Hause, als an seinem Ursprungsorte.

Leider verbreiten sich in unserm Kreise

auch die vielen Blätter des deütschen Auslandes, welche für bloße Unterhaltung, für Zeitvertreib und literarische Klatsche­ rei bestimmt sind; auf unserm Boden selbst aber will die, in dieser Beziehung ausgestreüte Saat nicht recht gedeihen; der Preüssische Staat macht nicht Anspruch darauf, ein rennomirtes Blatt dieser Art zu besitzen.

Dagegen giebt es viele

Lokalblätter, die, ebenfalls für Unterhaltung bestimmt, jene auSzubeüten pflegen, wobei man ihnen jedoch, — abgesehen von dem Gehässigen, welches von der literarischen Piraterie unzertrennlich ist, — nicht das Zeugniß versagen kann, daß sie in der Wahl des Stoffs im Allgemeinen ziemlich verstän­ dig sind. Unser ZeitungSwesen liegt, wir dürfen es uns nicht ver­ hehlen, noch sehr im Argen! Ich spreche von den politischen Zeitungen, deren bei uns eine auf je 400.000 Köpfe der Bevölkerung gedruckt wird. Selbst Berlin mit seinen beinah 400.000 Einwohnern hat nur drei Zeitungen; — und wie weit erstreckt sich ihr Leserkreis? Wenig über Potsdam hin­ aus, und kaum bis Frankfurt a. d. O.! Das ist kein richtiges Verhältniß für einen Staat der Intelligenz, — wie der unsrige von Fremden freigebig ge­ nannt wird. Und was erzählen uns unsre Zeitungen? Sie berichten mit ermüdender Redseligkeit und Weitschweifigkeit über Alles, was jenseits unsrer Gränzen vorgeht, sie wiederholen Wort für Wort das, was ein Gemeiner, ein Lord, ein Pair und ein Deputirter in London und Paris gesagt hat, und machen uns dadurch ganz einheimisch in der Fremde; nicht aber im eignen Haus', am eigenen Hcerd, im eignen Vaterlande, von dem sie, falls nicht etwa große Wassers- oder Feüersnoth irgendwo Verheerungen anrichtet, blutwenig oder Nichts zu erzählen wissen, nichts von den wichtigen Tagesfragen, die sich auf den Zustand unserer socialen, kirchlichen und politischen Verhältnisse beziehen, deren Kenntniß uns doch warlich nä­ her am Herzen liegt, als, Beispiels-Weise, die ausführlichste Nachricht über die Anarchie Haitischer Barbaren! Solch'eine Beschaffenheit des Zeitungswesens ist unver-

263

Geistiger Verkrhr.

träglich mit dem unaufhaltsamen Fortschritt der Ideen, der geistigen und sittlichen Bildung, für die gerade die Zeitungen überall da, wo ein guter, dauerhafter Grund gelegt worden, ein vortreffliches Förderungsmittel sind, dessen Nothwendigkeit in einer Zeit nicht abzuweisen ist, die, wie die unsrige, dem Menschen nicht Tage, nicht Stunden, nein Minuten als kost­ bares Gut darstellt, das mit dem Lesen dickleibiger Bücher nicht verschleüdert werden darf. Wer tragt aber die Schuld von dem traurigen Zustande unserer Zeitungen ?

Die Censur, —

antworten da flink die

Tagesscribenten, di« sich die Freisinnigen, di« Freien nennen, die jungen Leüte außer Rand und Band, die, eben erst mit dem philosophischen Doktorhut geschmückt, an

der Staats -

Weisheit sich übernommen haben; sie genesen nicht eher, bis sie die unverdaute Speise wieder von sich gegeben! Nicht die Censur trägt die Schuld, wiewol es hie und da einen Censor geben mag, der, zu befangen, zu ängstlich in der Ausübung seines schwierigen Berufs, manchen guten Gedanken für die Öffentlichkeit nicht geeignet hält; — der schlechte Zustand unserer Zeitungen wurzelt theils in der öf­ fentlichen Meinung, die den Zeitungsschreiber gleichsam über die Schulter anzusehen

sich nicht entwöhnen kann, in dem

grasten Philisterthum mancher Leüte von der Feder, die es unter ihrer Würde halten, als Tagesschriststeller zu wirken, theils aber auch wurzelt er in dem geringen Takt unserer ZeitungsRedaktoren, denen in der Mehrheit die ausgebildete Konse­ quenz ermangelt, welche man bei einigen Zeitungs-Instituten, z. B. bei der evangelischen Kirchenzeitung, der Berliner litera­ rischen Zeitung, der Berliner Haube- und Spenerschen, (min­ der bei der Lossischen) Zeitung, bei den Stettiner Ostseeblättern, dem Siegener Bürgersreünde, in neüester Zeit achten zu ler-

nen Gelegenheit gehabt hat. Der politischen Taktlosigkeit mag aber auch hin und wieder noch ein anderes Hinderniß zur Seite stehen, das dem Aufschwünge unserer Zeitungen im Wege ist, das alte Ersparungssystem nämlich, von dem sich die Redactionen, dem Ehrcnsolde ihrer Mitarbeiter gegenüber, noch nicht zu trennen vermögen. Der geistige Verkehr, den wir mit anderen gebildeten Na­ tionen unterhalten, ist, wie es aus dem kosmopolitischen Cha­ rakter der Deutschen entspringt, groß, und bei uns vielleicht größer, als im übrigen Deütschland. Er spricht sich durch den Einkauf der literarischen Erzeügnisse jener Nationen aus, denen wir dadurch, zum eignen Nutz' und Frommen, mit nicht un­ ansehnlichen Summen tributpflichtig werden. In Berlin und den meisten großen Städten der Monar­ chie lies't man die Zeitungen fast aller eüropäischen Völker, und es gehört keinesweges zu den Seltenheiten, in der Lan­ des-Hauptstadt an vielen öffentlichen Orten zugleich den Mo­ niteur und die Times neben dem Journal von Odessa und dem Diario bi Roma ic. aufgelegt zu finden. Die französische Sprache und Literatur ist den gebildeten Standen fast eben so geläufig, als die Muttersprache und ihre Li­ teratur; und die englische Literatur sängt allgemach an, bei uns auch in der Originalsprache allgemein gelesen zuwerden; einer geringeren Kultur erfreuen sich die italiänische, die spanische und die skandinavischen Sprachen und ihre itcrarischen Erzeügnisse; und ganz steril ist für uns bis jetzt das Sprach- und Lite­ ratur-Gebiet der slawischen Völker, das den Deütschen, mit Ausnahme des polnischen Zweiges, der zu uns selbst herüber­ reicht , nur durch Übersetzungen zugänglich ist. Seien wir nur ehrlich, es offen zu bekennen, daß wir Deütsche von einer vornehm thuenden Gleichgültigkeit, ja von einem gewissen

Geistiger Berkehr.

265

Widerwillen gegen die slawischen Jdioyie befangen sind; aber eS ist warlich an der Zeit, dieses Gefühl zu bekämpfen. Ler­ nen wir vor allen Dingen Russisch, damit wir durch seine Sprache mit dem Geist eines Volkes bekannt werden, das seine Herrschaft auf mehr als hundert und siebenzig Meilen längs unserer Gränzen ausgebreitet hat. Unsere vorsorgliche Regierung hat dazu die Mittel dargeboten, indem sie an den Universitäten zu Berlin, Breslau und Königsberg Lehrstühle für die Sprachen und Literaturen der gebildeten Slawenvölker errichtet hat. Wenn ich hier das Erlernen der fremden Sprachen em­ pfehle, und schon oben (S. 237) ein Collegium polyglottem für unsere Bürgerschulen vorschlug, so will ich damit keineSweges gesagt wissen, daß wir uns in fremden Sprachen un­ terhalten sollen. Das National-Gefühl straübt sich gegen die Sitte der höheren Stände, welche das Französische noch im­ mer als Umgangssprache aufrecht erhalten, — (wer aus der Fremde zu uns kommt, der sei höflich genug, auch unsre Sprache zu erlernen) — und das National-Gefühl ist Ge­ schwisterkind der — — Vaterlandsliebe! Die sittliche Kultur. Echte Religiösität, und die, aus ihr unmittelbar ent­ springende Sittlichkeit bilden die Grundpfeiler jedes StaatSgebaüdes. Je tiefer das sittlich-religiöse Gefühl indem Her­ zen der Einzelwesen, die im Staate neben und mit einander leben, Wurzel gefaßt hat, desto mächtiger und wirksamer ist die Kraft-Entwicklung eines jeden dieser Einzelwesen, desto durchdringender und peripherischer Ist die Kraft-Entwicklung der Summe der Einzelwesen, d. i.: des Staates in seinem innern sowol, als aüßern Leben. Die Geschichte aller Zeiten giebt uns nur zu viel Bei-

266

Sittliche Kultur.

spiel«, daß Staaten, in deren Bevölkerung die religiöse Bil­ dung untergegangen war, vom Erdboden verschwunden sind, weil sie durch diesen Verlust gleichzeitig auch die sittliche Kraft eingebüßt hatten; oder daß andere Staaten an den äußersten Rand des Verderbens gerathen sind, weil Jrreligiösität und Unsittlichkeit das Volk in Banden geschlagen hat. Haben wir nicht ein Volk gesehen,

das

durch Verach­

tung alles Göttlichen und durch Sittcnlosigkeit sonder Maaß und Ziel in seinem Innersten verpestet, versunken und zum Raube geworden war der unerträglichsten Tyrannei entarteter Menschen, von denen die Geschichte zweifeln kann, ob sie noch in die Reihe seien.

sinnlich-vernünftiger

Wesen

zu rechnen

Dieses beklagenswerthe Volk hat noch in unsern Tagen,

nach fünfzig Jahren einer schweren dem bösen Princip, daS durch

Noth, unaufhörlich mit

Verirrungen von Geist und

Herz über dasselbe gebracht worden ist zu kämpfen ; es kämpft gleichsam

auf Tod und Leben,

mit geringer Aussicht auf

den Sieg, weil das sittlich-religiöse Ziel seinem Gesichtskreise enrückt ist; dieser höchste Zweck, der, auf dem Standpunkte der Menschheit-Bestimmung, von sinnlich-vernünftigen We­ sen beabsichtigt werden kann. Und haben die Alten unter uns es nicht erlebt, daß eine ganze,

von

gemeinsamen

politischen Banden

umschlungene

menschliche Gesellschaft durch Hoffahrt und Hochmuth eben so an den Abgrund geführt werden kann, wie die einzelne Fa­ milie, wie das Individuum; und warlich politische Hoffahrt, die das strenge Recht und die Gesetze einer weisen Staats­ klugheit aus den Augen verloren hat,



und soldatischer

Hoch -, ja Übermuth, der sich für unüberwindlich und den Feind für eine — Bagatelle halt, — diese beiden Regungen des Herzens sind Verirrungen desselben, die nicht entspringen können aus

einer sittlich-religiösen Gesinnung, die nur Demuth kennt, und den Trieb zur Erkenntniß des Mangelhaften in unserm Herzen, in unsrer Bildung, daher auch das Bedürfniß fühlt, immer vollkommner zu werden, zur Begründung unsrer eig­ nen, wie der Glückseligkeit unserer Nebenmenschen. Wenn uns Mißgeschick trifft, sei es physischer oder mo­ ralischer Art, so pflegen wir, in einer gangbaren Redeweise, von harten Schlägen deS Schicksals zu sprechen. Was ist es aber anders, als — entweder eine Prüfung Gottes, ob wir auch fest stehen in dem Glauben an seine allweise und all­ liebende Weltregierung, oder eine Mahnung, daß wir unbe­ wußt, auch wol bewußt, abgewichen sind von dem Pfade des Rechts und der Liebe zu Ihm, dem Allmächtigen, der Liebe, deren hohen Werth Paulus in seinem ersten Sendschreiben an die Christen zu Korinth so unvergleichlich schön schildert, — einer Liebe, die, — erlangt sie jemals die Herrschaft über die Menschheit, — das goldene Zeitalter, ein Paradies, den Himmel auf Erden herbeiführen wird. Dann erst, in jenen Stunden des Trübsals, dann erst pflegen sehr Biele die Tröstungen der geoffenbarten Religion aufzusuchen; in ihnen erkennen sie nun erst den Anker, vor dem unser, durch die Stürme deS innern und aüßern Lebens auf den brausenden Wogen deS OceanS der Leidenschaften wil­ lenlos umhergeworfenes Schiff Sicherheit finden «erde. Aber wie selbst der erfahrenste Seemann, sogar auf dem ruhigsten Meere, den größten Gefahren, ja dem Untergänge entgegen gehen kann, ist er nicht beständig auf seiner Hut; so auch der Mensch, das Geistige im Menschen, sein unsterb­ liches Wesen, — wenden wir uns erst in den Augenblicken der Noth an den allgütigen Vater im Himmel, versaümen wir cs, den geistlichen Verkehr mit dem Weltregierer lebendig

268

Sittliche Kultur.

zu erhallen, sei es durch stilles Gebet, oder durch das Lesen der Heiligen Schriften, sei es durch Theilnahme an den öffent­ lichen Religions-Übungen, oder durch vertrauliches Zwiege­ spräch über die Wahrheiten der geoffenbarten Religion und ihre Tröstungen, die unser oft zweifelndes, nicht selten zer­ knirschtes Herz zu stärken, aufzurichten und wieder zu erhe­ ben die schöne Bestimmung haben. Das Zwiegespräch, —

ist es von allen diesen Mitteln

nicht das beste, das wirksamste? Und wer anders ist zu einem religiösen Zwiegespräch mit uns besser berufen, als der Stand, der, nach seiner philoso­ phischen und theologischen Bildung, auf den schönen Namen des seelsorgcnden Anspruch hat? Ist er es nicht

dieser

Stand,

dessen wiffenschaflliche

Bildung vorzugsweise die Ethik oder Moral umspannt, d. i.: die Sittenlehre, oder die systematische Aufstellung derjenigen Borschristen, welche das Sittengesetz in Bezug auf Thun und Lassen enthält, und die sich aus Pflichten beziehen, welche nicht durch äußern Zwang, durch kein bürgerliches Gesetz ab­ gedrungen werden können, und darum Gcwissenspflichten ge­ nannt werden.

In dieser, eben sowol zu den philosophischen,

als theologischen Wissenschaften gehörigen Doktrin werden die allgemeinen und besonderen Begriffe von Tugend und Laster festgesetzt, zugleich aber auch die Mittel gelehrt, die man zur Erlangung sittlicher Vollkommenheit anzuwenden hat. Darum ist es für uns, als sinnlich-vernünftige Wesen und Glieder einer bürgerlichen Gesellschaft, so überaus wich­ tig, den Trieb und das Bedürfniß nach geistlichem Zuspruch immer und immer rege in uns zu erhalten, — geistliche

Zuspruch, sei

er

denn der

ein öffentlicher im Tempel

des

Herrn, oder ein privater daheim in unsrer Kammer, gewährt

Sittlich« Kultur.

2H9

uttS, vermöge der Heilslehren, die aus dem Munde des Die­ ners der christlichen Kirche an unser inneres Ohr schlagen, die Mittel, auf der gerad auskaufenden, keine Krümm» kennenden Bahn, der Sittlichkeit stets weiter zu schreiten,

immer fester

aufzutreten, und die unedlen, ja schlechten Leidenschaften zu ersticken, zu todten und auszurotten, von denen das Men­ schenherz nur zu stark bewegt, zu heftig erschüttert wird! Forschen wir nach den Mitteln, welche zur Förderung der Sittlichkeit im Preüssischen Staate vorhanden sind,

so würde die Zahl

der Geistlichen einen wichtigen Haltpunkt darbieten; denn in ihren Händen, auf ihrer Thätigkeit beruht es, das von der haüslichen Erziehung und der Schule ins Herz des jungen Menschen gepflanzte Sitten-Gesetz auch in dem Erwachsenen, dem thatkräftigen Staatsbürger beständig wach und auftecht zu erhalten. Uber die Zahl der Geistlichen liegen mir keine vollstän­ digen Nachrichten vor (f. oben S. 191), wol aber über die der Kirchen, welche, nach der Natur der Sache, einen unge­ fähren Maaßstab abgiebt für die Beurtheilung und Würdi­ gung der hier in Rede stehenden Frage. Im großen Durchschnitt gehören bei uns zu einer Pfarr­ kirche 1060 evangelische, und 1010 katholische Einwohner; woraus erhellet, daß, im Ganzen genommen, für die geist­ lichen Bedürfnisse der Staatsbürger ziemlich ausreichend ge­ sorgt ist, sodann aber auch, daß die Katholiken in den Mit­ teln zur Erhaltung und Beförderung der Sittlichkeit besser gestellt sind, als die evangelischen Christen. Aber es giebt auch Gemeinden, wo jene Zahlen weit überschritten werden.

Schon in Mittelstädten gehört es kei-

nesweges zu den Seltenheiten, daß drei bis fünftausend Ein-

270

Mittel *,m Förberuna btt Sittlichkeit.

wohner Eine Kirchengemeinde umfassen, und in großen Städten giebt es zuweilen Gemeinden, die aus zehn-, bis zwanzigtausrnd Gliedern bestehen.

Die kirchlichen Anstalten haben

hier mit der wachsenden Bevölkerung nicht gleichen Schritt gehalten. Der schöne Beruf der Kirche, durch ihre Diener, durch die Verkündiger des göttlichen Wortes, für die Seele ihrer Genossen liebevoll Sorge zu tragen, ist unter der evangeli­ schen Bevölkerung, ganz besonders der großen Städte, sehr geschwächt.

Der Geistliche steht gleichsam außerhalb der Ge­

meinde, deren Hüter zu sein er die heilige Pflicht hat; die seiner geistlichen Pflege Befohlenen sehen ihn nur auf der Kanzel, beim Abendmahl, bei der Trauung, bei der Taufe, selten bei der Beerdigung; von

einem Besuche seiner Ge­

meinde-Glieder, von einer häuslichen Seelsorge ist nur in äußerst wenigen Fällen, — leider fast nie die Rede! Und wie großes Elend würde von so mancher Familie abgelenkt worden sein, wenn der Seelsorger — auch unauf­ gefordert eingeschritten wäre mit seinem Rath, seiner Ermah­ nung zur Schlichtung ehelichen Zwistes, der den haüslichen Frieden, das Familienglück untergräbt, — wenn er das Wort Gottes an Ort und Stelle da rechtzeitig hätte erschallen las­ sen, wo es Noth that! Unter den jetzt obwaltenden Umständen ist dies den Geist­ lichen in den großen Städten kaum mehr möglich.

Abgesehen

von der großen Zahl der, zu ihren Gemeinden gehörigen Glie­ der, welche die vom Gesetz vorgeschriebenen kirchlichen Ver­ richtungen in einer Weise vermehrt, daß ihre Zeit außeror­ dentlich in Anspruch genommen wird, so wird diese noch mehr verkürzt durch Arbeiten, welche rein weltlicher Natur sind. Außer der Schulaufsicht, die in den Händen der Geist-

Ilchkeit ganz an ihrem Orte ist, so weil sie erstens die Über­ wachung der sittlichen Haltung des Lehrerpersonals betrifft, und sodann auch zweitens, in den Händen Sachkundiger, für die pädagogische Weiterbildung der Volkslehrer sorgt, hat man den Geistlichen nicht selten

Verrichtungen

aufgebürdet, die

ganz zum Reffort der Landes-Polizei-Behörden gehören. Man entbinde die Geistlichkeit dieser polizeilichen Bürde, und erleichtere sie in ihrem wahren Berufe so, daß sie ihn ganz auszufüllen im Stande sei; sie übe vom höheren geisti­ gen Standpunkte die Sittenpolizei, nicht durch Zwang; nein, durch liebreiche, überzeügende Zusprache, die zum Herzen dringt; sie gehe in die Wohnungen der Strauchelnden und Wankenden, und forsche nach dem Zustande der Herzen, lindere die Lei­ den und heile die an der Seele Kranken, — das wird die Moralität des Volkes fördern, und damit die Staats- und National» Wohlfahrt befestigen! Negative Daten zur Beurtheilung der Sittlichkeit. Sittlicher Zustand der Familien. Es ist ein keckes Unternehmen, den sittlichen Zustand der Familien statistisch erörtern und würdigen zu wollen!

ES

liegt außerhalb der Macht der Staatsgewalt, auch außerhalb ihrer Befugniß, ins Innere der Familie zubringen, um über die moralischen Gesinnungen deS Hauptes der Familie und aller ihrer Glieder, d. h.: über die innere Angemessenheit der Triebfedern ihrer Handlungen zum Sitteagesetz, Forschungen anzustellen. (Sensoren und Sittengerichte, wie sie in Rom bestanden, erachtet man für unverträglich mit der christlichen Civilisation, die in der Schule und der Kirche Ersatz für jene sittrnpolizeilichen Anstalten der Alten erkennt. Nur, wo offenbare Verletzungen deS Hausfriedens und

der haüslichen Ordnung, durch Verweigerung deS Gehorsams gegen den Hausvater, u. d. m. Statt finden, nur da darf die Staatsgewalt, und meist nur auf Erfordern, oder doch nur mit der größten Vor- und Umsicht einschreiten, und zwar ohne Zwang so lange, als guter Rath und Ermahnung Ein­ gang finden; denn es besteht, nach der philosophischen RechtSlehre, ein Hausrecht, das keine weltliche Macht, kein Laie, ohne den dringendsten Anlaß übertreten darf; nur der Kirchengewalt, und in deren Namen dem örtlichen Seelsorger, kann man die Berechtigung vindiciren, in die Familien-Ver­ hältnisse einzuschreiten, auch da, wo er Verletzungen desSittengesetzes, ohne daß sie überlaut in die aüßere Erscheinung getreten, wahrzunehmen Gelegenheit haben sollte. Wenn es also unter den geschilderten Verhältnissen un­ möglich ist, das Innerste

des Familienlebens, nach seinen

sittlichen Zustanden, vor das Forum der Statistik zu ziehen, so gewähret sie uns dennoch ein Mittel, die Zahl mindestens derjenigen Familien nachzuweisen, in denen das Sittengesetz auf eine Weise übertreten worden, daß die öffentliche Gewalt in die Auflösung derselben willigen mußte.

Ich habe hier,

wie man sieht, die — Ehescheidungen im Auge, die uns, wie ich schon ein Mal bemerkte iS. 217), einen guten Maaßstab für die Beurtheilung der sittlichen Kul­ tur des Volks darbieten.

Möge die Ursache, welche die Tren­

nung der Ehe herbeiführte, sein,

welche sie wolle, immer

beutet die Trennung darauf hin, daß im Herzen des einen, oder beider Ehegatten das Sittengesetz nicht zur Herrschaft gelangt war.

Die statistischen Tabellen verschweigen den Grund

der Scheidungen.

Bestand er im Ehebruch der Gattin, am

so brklagenswerther ist er; um so trauriger steht es mit dem

Ehtschkidimgru.

273

sittlichen Zustande der unglücklichen Familien, die auf diese Weise heimgesucht werden. Die ganze Atmosphäre des ge­ fallenen EheweibeS ist mephistophelisch; ein Geist tiefer Jmmoralität schreckt uns in seiner Nähe zurück, und erscheint um so unheimlicher, je mehr es aüßerliche Ruhe, Unbefangenheit und Heiterkeit heüchlerisch zur Schau tragt. Wie aber sieht es nun unter den Familien des Preüssichen Staats in dieser Beziehung aus? Man hat öfter behauptet, daß die Ehescheidungen sich bei uns bebrütend vermehrt hätten. Dies ist aber keinesweges der Fall, mindestens nicht in einer, schon einige Jahre äl­ teren Periode, für die allein mir Nachrichten vorliegen. Diese Nachrichten beweisen, daß sich die Ehescheidungen im Preüssischcn Staate bei steigender Bevölkerung vermindert haben. Im Jahre 1818 mußte die 609te der bestehenden Ehen, welche sich auf 1.911.664 beliefen, getrennt werden; im Jahre 1836 dagegen erst die 772flt der bestehenden Ehen, obwolderen Zahl um 423.897gestiegen war, demnach 2.335.561 betrug. Das sind erfreüliche Zahlen; denn sie geben uns den unleügbaren Beweis, daß der sittliche Zustand unseres Familienlebens die Bahn des Fortschritts betre­ ten hat. Betrachten wir die einzelnen Gebietstheile des Preüssischen Staats, nach Provinzen und Obergerichts-Bezirken, so wurde in dem neuern der erwähnten Zeitraüme von den bestehenden Ehen getrennt, im Bezirk

«tatifuf f. Viciiii. Staat«.

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274

S02teShe Evangelische Bevölkerung.

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Ehescheidungen.

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Die Statistik des Selbstmordes «st, nue nicht unbemerkt bleiben darf, großer Unsicherheit unterworfen. Abgesehen da­ von , daß die Angehörigen eines Selbstmörders, wenn er den höheren Ständen angehört, den Polizei-Behörden die Todes­ art zu verschweigen sich bemühen, so werden viele Leichname im Wasser gesunden, von denen nicht crniittclt werden kan», ob die Personen durch Verunglückung oder Selbstmord ihr Le bensende gefunden haben. Positive Daten zur Würdigung der sittlichen Kultur. H a ii M ii n i) r n der V o r 1 l cl' 1.

Zu den Tugenden, welche für die Gesellschaft von der grüßten Wichtigkeit sind, gehöret auch der Hinblick auf die Zukunft, die Vorsicht. Sie ist eine der sittliche» Fädigkeiten, die, wenn sie in einer großen Individuen-Zahl gehörig ent­ wickelt ist, nicht allein die materielle, sondern auch die mo­ ralisch-intellektuelle Wohlfahrt eines Staates wesentlich fördert. In den Kreis statistischer Untersuchungen über die sitt­ liche Kultur würden vor allen Dingen Notizen über die Ler sicherungs-Gesellschaften aller Art, und die verschiedenen An­ stalten, welche der Vorsicht entgegenkommen, geboren. Dergleichen Nachrichten fehlen mir von den Assekuranzen; dage­ gen bin ich im Stande Einiges über die Sparkassen, die­ jenigen Institute zu sagen, welche als eines der wirksamste» Gegenmittel gegen den, in neüester Zeit so viel besprochenen Pauperismus zu betrachten sind. Die Sparkassen sind im Preüssischen Staate erst in verhaltnißmäßig neüerer Zeit entstanden; sie gewähren darum auch noch nicht ein großartiges Resultat; der Zustand aber, in welchem sie sich während der letzten Jahre befunden haben, beweist, daß die sittlichen Fähigkeiten der ärmeren Volks-

Handlangen der Vorsicht

291

klaffen, auf die die Sparkassen-Einrichtung ausschließlich be­ rechnet ist, in einem erfreülichen Zuwachs gewesen find. Die Bestände der Sparkassen betrugen nämlich am Schluß des Jahres 1836 . . 4.849.770 Rthlr. 1839 . . 6.076.790 1841 . . 7.689.390 In dem dreijährigen Zeitraume von 1836 — 1839 war der Bestand um 1.227.920 Rthlr. oder jährlich im Durchschnitt um 409.000 Rthlr., in der zweijährigen Periode von 1839— 1841 dagegen um 1.612.600 Rthlr., oder jährlich um 806.300 Rthlr. gestiegen. Die Theilnahme deS Volks an die­ ser so wohlthätigen Anstalt hat mithin in einem sehr erfveülichen Grade zugenommen. Sparkassen gab es im Jahre 1841, mit Ausnahme des Regierungs-Bezirks Marienwerder, im ganzen Preüssischen Staat. Die größte Theilnahme, mit mehr als i Million Thaler zeigte sich in jedem der sieben RegierungS-Bezirke Frankfurt, Breslau, Potsdam, Achen, Liegnitz, Merseburg und Magdeburg. Mit weniger als 500.000 Rthlr., aber mit mehr als 100.000 Rthlr., waren an den Sparkassen bethei­ ligt die Regierungsbezirke Düsseldorf, Stettin, Stralsund, Arnsberg, Erfurt, Königsberg und Köslin. In jedem der übrigen Bezirke hatte die ärmereKlaffe weit unter lOO.OOORthlr. angelegt. Welchen Einfluß diese Kassen bei fortschreitender Ent­ wicklung auf Wohlstand und Sittlichkeit des Volks int Lauf der Jahre haben werden, ist nicht zu berechnen, und daher zu wünschen, daß es künftig keiner Stadt, wenigstens keinem Kreise, an einer den Einwohnern leicht zugänglichen Spar­ kasse fehlen möge. Daß den Gemeinden bei guter Verwal­ tung das Unternehmen nicht nur nicht gefährlich, sondrm vor19 *

theilhast sei, beweiset der bis jetzt angesammelte Reserve-Fonds, welcher als Eigenthum der Gemeinden, zunächst die etwa ent­ stehenden Verluste zu decken bestimmt ist, bei weiterm An­ steigen aber für andere gemeinnützige Zwecke zu verwenden sein wird. Handlungen der Wohlthätigkeit. Diese gehören, wenn sie durch Zahlen darstellbar sind, ohne Zweifel in eine Statistik der sittlichen Kultur, denn man muß der Vermuthung Raum geben, daß sie aus rein sitt­ lichem Gefühl entspringen; wenn auch zugegeben werden kann, daß einzelne der Handlungen, die in ihren Wirkungen Edelmuth verrathen, die Eitelkeit, oder irgend eine andere Schwäche des menschlichen Herzens, selbst gehässige Leidenschaften zur Grundlage haben mögen. Ich spreche hier von den Vermächtnissen zu frommen, milden und gemeinnützigen Zwecken, die bei uns im Preüssischen Staate einen Umfang gewonnen haben, daß man an dem Wohlthätigkeits- Sinne der wohlhabenden und gebildeten Klaffen nicht zweiseln darf. Denn in dem achtjährigen Zeiträume von 1833 bis 1841 hat sich der Geldwerth der in Rede seienden Vermächtnisse im Durchschnitt jährlich auf beinahe eine halbe Million Thaler belaufe», oder im Ganzen genommen auf 4.254.822 Rthlr Und daran hatten die einzelnen Provinzen folgenden Antheil: Pommem . 107.200Rthlr. Westfalen . 264.819 Rthlr. Posen . . 148.591 Brandenburg 847.129 Preussen . 173.181 Rheinprovinz 1252.111 . Sachsen. . 204.093 Schlesien . 1.257.638 Schlesien und die Rheinprovinz zeichneten sich vor allen übrigen Provinzen Vortheilhaft aus, nächstdem Brandenburg, wo in der Hauptstadt des Landes große Kapitale zusammen

Haidllligea btt WvhlthLligktit.

293

fließen. Die Summe der Vermächtnisse, welche in diesen drei Provinzen gemacht wurden, betrug beinah' £ aller gleich­ zeitig im ganzen Staat vorgekommenen. Der gelehrte Statistiker der Staatszeitung, der ich diese Notizen entlehne, bemerkt dazu Folgendes: -- „Der Unter­ schied beider christlichen Konfessionen scheint keinen wesentlichen Einfluß auf den Betrag der Stiftungen geaüßrrt zu haben. Da- überwiegend evangelische Schlesien, und die überwiegend katholische Rheinprovinz stehen in Hinsicht auf dm Betrag der Vermächtnisse einander ganz nahe gleich. Daß die drei dünn bevölkerten Provinzen Pommern, Po­ sen und Preüssen den geringsten Betrag darbieten, wird da­ durch leicht erklärlich, daß hier daS Bedürfniß der Gegenwart noch zu dringend Kapital-Verwendungen erfordert, als daß minder nahe liegenden Zwecken beträchtliche Spenden gewid­ met werden könnten. Minder klar erscheint dagegen die Veranlassung zu dem verhältnißmäßig geringen Betrage der Vermächtnisse in der, durch Bildung und Wohlhabenheit ausgezeichneten Prvvinz Sachsen. Auch steht Westfalen in dieser Beziehung viel wei­ ter gegen die Rheinprovinz zurück, als es das Verhältniß seiner Einwohnerzahl und Gewerbsamkeit envarten läßt." Der Gesammtbetrag der Vermächtnisse war im Jahre 1841 größer, alS in irgend einem der vorhergegangenen sie­ ben Jahre; er betrug im Ganzen 591.973 Rthlr., der für folgende Zwecke bestimmt wurde: — Für kirchliche Zwecke — an evangelische Kirchen 40.141 Rthlr. an katholische Kirchen 115.709 Für Schul-Zwecke — an evangelische Schulen 15.381 an katholische Schulen 59.685 -

Handlangen der WchlthätigteN.

294

Zur allgemeinen Armen-Unterstützung, in ge­ schlossenen Anstalten

29.238 Rthlr.

zur öffentlichen Armenpflege 46.554

-

An Krankenhäuser............................................

11.774

-

An Waisenanstalten.......................................

50.822

-

Zu anderen gemeinnützigen Zwecken

.

.

. 222.669

-

An den Vermächtnissen deS Jahres 1841 beteiligte sich Schlesien allein mit 313.745 Nthlr., worunter sich nament­ lich ein, für verschiedene milde Stiftungen bestimmtes Vermächtniß von 150,000 Rthlr. befindet; die Rheinprovinz mit 143.037 Rthlr.; alle übrigen sechs Provinzen steuerten dazu mit einem Betrage von 135.191 Rthlr. „Daraus, daß sich, bemerkt H., in diesen sechs Provin­ zen die Wohlthätigkeit nur sparsam aüßerte, darf und soll indessen keine Folgerung zum Nachtheile des darin herrschen­ den Gemeinsinns gezogen werden.

Solche Folgerungen aus

den Ergebnissen einzelner Jahre sind schon deshalb durchaus unstatthaft, weil außerordentlich große Vermächtnisse sich in keiner Provinz jährlich wiederholen, und überhaupt nicht allein von der Macht des Gemeingeistes, sondern auch von dem Zusammentreffen durchaus zufälliger Umstände abhangen." Noch einige Anstalten zur Förderung der sitt­ lichen Kultur. Der Staat an sich ist, neben der Kirche, die höchste An­ stalt zur Förderung der Sittlichkeit,

denn er beruhet auf

dem Ideale der unbedingten Herrschaft des Rechts.

Ihm

liegt daher ganz vorzugsweise die Pflicht ob, die sittlich Un­ mündigen

in der bürgerlichen Gesellschaft nicht allein zum

Bürgcrthum, sondern auch zum Menschenthum zu entwickeln und auszubilden.

Die Mittel, die ihm dazu zu Gebote ste­

hen, liegen in der Verfassung, in der Gesetzgebung und bei

Anstalten zur Federung der sittlichen Kultur. Vollstreckung der Gesetze.

295

Davon aber kann hier nicht die

Rede sein. Ich will hier nur von den speciellen Instituten zur Förderung der sittlichen Kultur reden, von den Vereinen oder Korporationen, welche unter dem Schutz der Staatsregierung, und

theilweise mit ihrer Unterstützung,

fromme und mild­

thätige, oder allgemein sittliche Zwecke zu erstreben sich be­ mühen. An der Spitze dieser Korporationen stehen, im Lichte der Gegenwart, die sogenannten Gustav-Adolfs-Vereine, die, un­ ter dem Protektorat des Königs, die Befestigung des evan­ gelischen Glaubens zum Ziele sich gesetzt haben; sodann die Bibel- und Missionsgesellschasten für die Heidenbekehrung und zur Beförderung des Christenthums unter den Juden, vor­ nehmlich im Preussischen Staate; die Gesellschaften zur Ver­ breitung erbaulicher Schriften oder sogenannter Traktate Be­ hufs Erweckung und Beförderung des religiösen Lebens; die Mäßigkeits- und Enthaltsamkeits-Vereine

zur ©teuer der

Trunksucht. ES gehören hierher ferner die,

schon früher erwähnten

Kleinkinder-Bewahranstalten; die zahlreichen Vereine zur Er­ ziehung sittlich verwahrloseter Kinder; die Vereine zur Bes­ serung

der

Strafgefangenen;

die

Frauenvercine für leib­

liche und moralische Unterstützung von Armen rc.; die soge­ nannten Friedensgesellschaften,

deren es an einigen Orten

zur Unterstützung von Studirenden giebt; die zahlreichen Ver­ eine von Handwerkern zur gegenseitigen Beförderung ihrer materiellen

und

moralischen

Wohlfahrt;

die Hufelandische

Stiftung in Berlin zur Unterstützung von Ärzten und deren Wittwen; u. s. w., u. s. w. Es ist mir nicht möglich, alle in diese Kategorie gehöri-

296

Die materielle THLtigteit.

grn Anstalten aufzuzählen.

Es genüge

an den genannten

und an der Bemerkung, daß die katholische Kirche im Preus­ sischen Staate ganz besonders reich ist an innern wie an äu­ ßern Mitteln zur Erreichung des hier betrachteten Zwecks. Die materielle Thätigkeit. Diese Thätigkeit umspannt die physische und die tech­ nische Kultur des Staats. Die physische Kultur, welche sich mit Hervorbringung und Sammlung roher Natur-Erzeügnisse beschäftigt, hat die Land­ wirthschaft, die in Ackerbau und Viehzucht zerfällt, sodann den Seidenbau und die Bienenzucht, die Forstwirthschaft und die Jagd, die Fischerei und den Bergbau zu ihren Bestandtheilen. Die technische Kultur beschäftigt sich mit der zweckmäßi­ gen Bearbeitung der rohen Natur-Produkte durch Gewerbthätigkeit, so wie mit dem Umtausch, dem Absätze und Ver­ triebe der Erzeugnisse sowol dieser, als der physischen Kul­ tur.

Sie zerfällt demnach in zwei Abtheilungen, von denen

die erste die Industrie, die zweite den Handel zum Gegen­ stände hat. Die physische Kultur. Des Preussischen Staates materielle Wohlfahrt beruhet hauptsächlich

auf der Landwirthschaft, denn Ackerbau und

Viehzucht sind die Grundbedingungen seines Lebens; ohne sie können alle anderen Thätigkeiten, seien sie physischer oder tech­ nischer Art, nicht zu einer gesunden Entwicklung gelangen; diese werden immer kränkeln, so lange die Landwirthschaft in einem krankhaften Zustande sich befindet.

Hören wir daher,

wie cd im Lichte der Gegenwart um sie steht.

Zustand

der Landwirthschaft.

In einer Denkschrift, welche dem Könige um die Mitte des JahreS 1843 von dem Minister des Innern vorgelegt worden ist, hat das Landes-Ökonomie-Kollegium den Zu­ stand der Landwirthschaft und die landwirthschaftlichen Be­ dürfnisse der Monarchie auf eine Weise geschildert, die nicht freimüchiger, und, vielleicht in Mancher Augen, nicht unbe­ fangener sein kann; aus der wir aber gleichzeitig entnehmen, daß die ziemlich allgemein verbreitete Meinung, der Ackerbau und die damit unmittelbar

zusammenhangenden landwirth­

schaftlichen Gewerbe hätten im Preüssischen Staate einen ho­ hen Grad der Ausbildung und Entwicklung erlangt, auf ei­ ner Laüschung beruhet.

Will man nun auch anzunehmen

geneigt sein, der Verfasser der Denkschrift habe die Zustände der ersten und sichersten Grundlage des National-Wohlstan­ des unseres Vaterlandes durch einen Schleier angesehen, so ist es doch nicht zu leugnen, daß seine Arbeit eine große Menge Fingerzeige enthält, welche eine wesentliche Berücksichtigung verdienen, nnd wol geeignet sind, die Mittheilung eines Aus­ zuges aus dieser amtlichen Darstellung zu rechtfertigeu. Man darf unsere Landes-Kultur-Gesetzgebung zu den bedeütendsten und eigenthümlichsten Früchten zählen, welche auf dem geschichtlichen erwachsen sind.

Boden der Volkszustände PreüffenS

Dir Regierungs-Maaßregeln Friedrich Wil­

helms I. und des großen Friedrich legen dafür Zeügniß ab, und die Gesetzgebung der glorreiches Regierung Friedrich Wilhelms III. ist das große Resultat der Erkenntniß, daß der National« Wohlstand auf dem Ackerbau beruhe. Die unglücklichen Oktober-Lage von 1806, die man im gemeinen

Leben

die große politische Sündfluth der Preüs­

sischen Monarchie zu nennen pflegt, wurden für sie eine Zeit

der Wiedergeburt und Erneuerung des gesummten Staats Or­ ganismus, und jene denkwürdige Zeit suchte und fand m allen Dingen ihren Stützpunkt in der Befreiung des Grund und Bodens von unzähligen Lasten, womit die finsteren An­ sichten früherer Jahrhunderte ihn beschwert hatten Die durchgreifende Maaßregel der Emancipation sollte das Mittel werden, die große Mehrheit der ländlichen Be­ völkerung mit festeren Banden an das Vaterland zu knüpfen, und zu Thätigkeit, Einsicht, Geschick, Selbstständigkeit und Gemeinsinn zu erheben, dem gesammtcn Landbau eine freiere Bewegung und eine glücklichere Entwicklung zu ertheilen, eben dadurch aller übrigen Gewerbsamkeit und dem gesummten Verkehre eine zuverlässigere Grundlage zu verschaffen, und so der künftigen Wohlfahrt der Nation eine sichere und unver­ siegbare Quelle der Zunahme zu eröffnen. Diese Gesetzgebung hat durch Feststellung und Regelung der landwirthschaftlichen Rechts-,

namentlich

der gutsherr­

lichen und baüerlichen Verhältnisse, durch Ablösung der Froh­ nen, Zinsen, Zehnten, durch Gemeinheits-Theilungen gleich­ sam einen ganzen neuen Stand, und im Umfange des gan­ zen Staats gewiß an 100.000 neue Landcigenthümer mit freiem Landbesitz geschaffen

und über

1500 Quadratmeilcn

Lands von allen bisherigen Lasten jeder Art befreit und zur freien Verfügung und Benutzung der Eigenthümer gestellt. Beinahe eben so einflußreich sind die Gesetze gewesen, welche die Ausfuhr roher Erzeügniffe frei gaben und eine größere Gewerbesrciheit einführten.

Die Freigebung der WoUausfuhr

hat die außerordentliche Vermehrung und Veredlung der Schä. fereien bewirkt, und nicht wenig dazu beigetragen, daß die Fabrikation der wollenen Waaren einen Aufschwung genom-

Zustand der Laudwirlhschast.

294

men hat, von dem man vor einem Viertel Jahrhundert noch keine Ahnung hatte. Indem die Gesetzgebung auf die geistige und sittliche Ent­ wicklung der Bewohner des platten Landes einen entschiedenen Einfluß geübt, hat sie außer den angeführten großen Resultaten auch ihren materiellen Zweck im Einzelnen nicht verfehlt, und tragt schon jetzt ihre Früchte in der unverkennbaren Zunahme landwirthschaftlicher Betriebsamkeit und in einem sichtlich wach­ senden Wohlstände. Indessen sind die günstigen Erfolge aus nahe liegenden Gründen bemerkbarer unter den größeren, als unter den klei­ neren Wirthen. Im Durchschnitt fangen die letzteren erst jetzt an, sich des wahren Werthes der ihnen erwiesenen großen Wohlthat einiger Maßen bewußt zu werden. Überhaupt aber und im Ganzen kann Preüssen noch keinesweges zu denLändern gezählt wer­ den, in welchen der Ackerbau und die Landkultur bereits zu einem höheren Grade der Entwicklung gelangt ist. Wenn auch einzelne Landstriche sich eines ausgezeichneten Kultur- und Fruchtbarkeits­ Zustandes erfreuen, so sind dagegen viele andere um so weniger durch die natürlichen Verhältnisse begünstigt; im Ganzen aber, und namentlich mit Rücksicht auf den Zustand der baüerlichen Lände­ reien, nimmt es nur eine der unteren Stellen un­ ter den civilisirten Ländern Eüropa's ein und bleibt namentlich gegen die gesegneteren Staaten des mittleren und südlichen Deütschland's sehr zurück. Welch' eine Offenheit, welch' Aufrichtigkeit! Die StaatsRegierung selbst bekennt durch eine ihrer Behörden, durch

300

Zustand der Landwirthschaft.

eines ihrer technischen Organe: Preüssen stehe, hinsichts des Ackerbaues, also in Beziehung auf das Fundament, daS aller­ erste und allerwichtigste Element seiner Grundmacht und sei­ nes National-Wohlstände- auf einer — verhältnißmäßig nie­ drigen Stufe der Civilisation! Muß sich der Vaterlandsfreünd nicht freuen über die ungeschminkte Darstellung der bestehenden Verhältnisse? Ist es nicht tausend Mal besser, man sieht eine Sache in ihrem wahren Lichte, als durch farbige Gläser, die zwar einen oft wunderbaren Glanz verbreiten, immer aber den Gegenstand, den man durch ihr Medium betrachtet, zu verdunkeln streben! Aber man sei auch gerecht: — Die verbesserte Kultur des Bodens in den östlichen Provinzen des Preussischen Staats stammt nicht aus einer fernen Vergangenheit, sondern schreibt sich erst von — gestern her; und dieses Zeitverhältniß ist, in Verbindung mit der Dürftigkeit, welche dem größern Theil des Bodens eigenthümlich ist, wohl in Anschlag zu brin­ gen, wenn man die Erfolge der Agrar-Gesetzgebung auf die Betriebsamkeit der Bewohner, und diese Betriebsamkeit selbst, richtig beurtheilen will. Und dennoch spricht man, wie mich dünkt, ein gar zu befangenes Urtheil auS, wenn man unser Vaterland, wie eS der Verfasser der Denkschrift thut, auf eine so niedrige Stufe der agrarischen Entwicklung stellt. Ich kann mich nicht gut überzeügen, daß es mit unserm Landbau so — traurig aus­ sehe, wie der Denkschriftsteller es glaubt; nur eine Thatsache will ich anführen, in Gestalt einer Frage: — Wie war es möglich, daß des Preüssischen Staates Be­ völkerung innerhalb Menschengedenken sich um beinahe 6 Mil­ lionen Menschen vermehren konnte, wenn die Subsistenzmitlel nicht vorhanden waren; denn alle Vermehrung der Men-

301

Zustand btt Landwitthschast.

schen ist zunächst durch die der Subsistenzmittel bedingt, und diese durch Erweiterung und Verbesserung des Ackerbaues und der Viehzucht, die Fleisch und Brot in vermehrter Menge liefern mußten, um jenen ungeheüern Zuwachs der Popula­ tion satt zu machen! Sprach doch einer unserer ersten jetzt lebenden Landwirthe, der selbst Mitglied des Landes-Ökonomie-Kollegiums ist, vor der dritten Versammlung der deütschen Land- und Forstwirthe zu Potsdam (im Jahre 1839) die denkwürdigen Worte aus: die Resultate des verbesserten märkischen Ackerbaues seien eben so erfreulich für den Menschen- und Baterlandsfreünd, als interessant für den wissenschaftlichen Landwirth.

Dem er­

steren geben sie, so sagte Koppe, die Beruhigung, daß durch die steigende Bevölkerung das Wohlbefinden der Einwohner keinesweges gefährdet wird, sondern daß es nur an den Men­ schen selbst liegt, sich eine glückliche und zufriedene Existenz zu verschaffen.

Den letzten muß es mit Freüde erfüllen, daß

durch richtige Anwendung der physikalischen Kenntnisse und durch sinnige Benutzung der Erfahrungen beim Ackerbau eS gelungen ist, den, als unfruchtbar verschrieenen, Boden der Mark Brandenburg zu einer ungeahneten Ertragsfähigkeit zu erheben.

Als vor 30 bis 35 Jahren die Umwandlung

der Ackerbau-Verhältnisse begonnen wurde,

hatten sich wol

Wenige ein Ziel gesteckt, wie sie es jetzt erreicht haben.

Aber

es ist auch leicht begreiflich, daß bei den großen Flächen, die zu kultiviren und zu verbessern waren, für jetzt nur der kleinste Theil sich in einem solchen Zustande befindet, der erstrebt wird. Daß die neüre Agrar-Gesetzgebung ihre Zwecke in Be­ zug auf die größeren Güter nicht verfehlt hat, bedarf kaum eines Beweises. mer mehr den

Ein Betrieb der Wirthschaft, welcher im­ früheren Weg einer herkömmlichen Empirie

verlaßt, und sich auf Grundsätze stützt, die eben sowol einer erweiterten Naturkenntniß, als einer mit geschärfter Beob­ achtung benutzten Erfahrung entnommen sind, daher richtigere Früchtfolge, sorgfältigere Bestellung des AckerS, Benutzung besserer Werkzeüge der Beackerung, zweckmäßigere Behandlung und Anwendung des Düngers, Vermehrung der Dungmittel, reichlicherer Futtcrbau, bessere Wiesen-Kultur, aufmerksamere Aufzucht, Haltung, Ernährung und Benutzung der landwirthschaftlichcn Tbierarten, Einführung neuer, nützlicher Kul­ tur-Gegenstände, Verbindung angemessener Gewerbe mit dem Landbau, und in Folge Alles dessen reichlichere Erträge, da­ her erhöhter« Bodenrente und mithin steigender Werth der Güter, — das sind im Allgemeinen die glücklichen Erfolge und Kennzeichen jener landwirthschaftlichen Betriebsamkeit, welche im Ganzen die Bewirthschaftcr größerer Güter aus­ zeichnet, und an deren Entwicklung auch die neuere KulturGesetzgebung gewiß nicht ohne den wesentlichsten Antheil ge­ blieben ist, und schon deshalb nicht bleiben konnte, weil in ihr ein fast nöthigender Antrieb lag, den anfänglichen Schwie­ rigkeiten , die aus der erweiterten Fläche, den entzogenen Na­ tural-Diensten (wiewol gerade diese das größte Hinderniß einer bessern Bewirthschaftung gewesen waren), und dem Miß­ verhältnisse des Inventariums zu der vermehrten Arbeit ent­ springen mußten, mit desto größerer Anstrengung und mit dem Aufgebote aller irgend vorhandenen Hülfsmittel wirksam zu begegnen. Aber auch bei den baüerlichen Wirthen und den Besitzern von Acker-Nahrungen in den kleinen Landstädten beginnen nunmehr die günstigen Folgen der neuen Verhältnisse, und zwar hier als unzweifelhafte und alleinige Wirkungen der Gesetz­ gebung, sich immer deütlicher und entschiedener zu offenbaren.

Allerdings hat für die Rustical - Wirthe gleich nach beendig­ ter Regulirnng der gutsherrlichen und baüerlichen Verhält­ nisse und Ablösung der Natural-Dienste ein Zustand freierer Beweglichkeit eintreten müssen, und namentlich jener mora­ lische Einfluß nicht ausbleiben können, welchen die Verlei­ hung von Freiheit und Eigenthum auf den bisher gutshöri­ gen Dienstmann immer ausüben wird; indessen lag es auch in der Natur der Sache, lichen wohlthätigen Folgen

daß die eigentlich wirthschaftdes neuen Zustandes sich nur

sehr allmälig bemerklich machen konnten. eigene hartnäckige Vorliebe für das

Die dem Bauer

Gewohnte und Herge­

brachte, sein Mißtrauen gegen alle ihm angesonnenen Neüerungen und seine Abneigung gegen baare Geldauslagen, viel­ leicht aber auch in einzelnen Fällen die Beispiele einer Aus­ führung, welche Vertrauen zu erwecken nicht geeignet waren, haben ihn lange zurückgehalten, sich

der Vortheile wirklich

theilhaftig zu machen, die ihm in der neüen Gesetzgebung in Aussicht gestellt waren, und erst mit dem Entschlüsse, sich auf Special-Separationen einzulassen, hat sich auch das be­ stimmtere Bedürfniß und eben damit die größere Neigung einsinden können, auf wesentliche wirthschaftliche Verbesserun­ gen einzugehen.

Mit weniger Ausnahme hat es sehr lange

gedauert, bis dieser Entschluß sich gezeigt, und erst im Lichte der Gegenwart möchte die Zeit eingetreten sein, wo in dieser Beziehung ein rascherer und allgemeinerer Fortschritt sich er­ warten läßt. Wenn unter allen Umständen die Menge der in einem Lande wirklich verbrauchten,

theils selbst gewonnenen, theils

vom Auslande gegen die eigenen Erzeügnisse eingetauschten Bedürfnisse oder

Waaren der eigentliche

und zuverlässigste

Maaßstab für die Wohlhabenheit desselben sein und bleiben

Zustand dcr LandwiUhschaft.

304

muß; so dürfen wir unS allerdings einer zunehmenden, kei. neswegs aber einer nur genügenden, viel weniger einer blü­ henden oder reichen Production rühmen. Ohne Wein und Tabak in Anschlag zu bringen, wofür wir dem Auslande, nach Abzug

unsrer etwaigen Ausfuhr

noch immer mit einer jährlichen Summe von 4 Millionen Tha­ lern tributpflichtig bleiben,

sehen wir unS noch genöthigt,

Haüte und Felle, Hanf und Flachs, Lein-und Olsaat, Talg, Vieh aller Art, als Pferde, Rinder, Schaafe und Schweine, frisches und gesalzenes Fleisch, Butter und Käse, Hopfen, — lauter Gegenstände,

bendes Land nicht blos den erforderlichen Bedarf, noch

Ol und

an denen ein ackerbautrei­ sondern

einen Uberschuß zur Ausfuhr erzeugen sollte, —

vom

Auslande zu unsrer Consumtion in solcher Menge einzufüh­ ren , daß der Betrag für diese Gegenstände noch über 20 Pro­ zent unserer gesammten Mehr-Einfuhr ausmacht, und gewiß den Werth von 6 Millionen Thalern übersteigt; so, daß wir von den eigenen rohen oder verarbeiteten Landesprodukten, außer einem unbedeütenden Absatz von Metallen, Holz, Glas, Steinkohlen, Bier und Branntwein, eigentlich nur drei Haupt­ gegenstände des Tausches mit dem Auslande aufzuweisen ha­ ben, nämlich

Getreide,

leinen

Garn und Leinwand,

und

Wolle und wollene Waaren, und durch diese auch, haupt­ sächlich, nämlich in dem bedeütenden Betrage von 72 Pro­ zent der gesammten Mehr-Ausfuhr, unsere Bedürfnisse an Produkten und Fabrikaten des Auslandes decken. Wenn nun nicht allein der Verbrauch dieser ausländi­ schen Bedürfnisse, vielleicht mit einziger Ausnahme des Kaffee, bei uns geringer ist, als in den meisten anderen eüropäischen Ländern, sondern wir auch in der Consumtion des größten Theils der im Lande selbsterzeügten Verbrauchs-Gegenstände,

Zustand brr Landwirthschaft.

305

wie Leder, Wolle, Fleisch, Kutter und Käse und selbst Ge­ treide anderen Nationen nachstehen, und wenn man dabei zu­ gleich nicht übersehen darf, welche Aufgabe die Landproduktion schon

allein

dadurch zu lösen hat,

daß sie bei einer um

die bebrütende Zahl von 190.000 Köpfen jährlich steigenden Bevölkerung (siehe S. 119) für die dadurch nöthig werdende Consumtion in solcher Art sorgen soll, daß Population und Boden-Erträge im richtigen Verhältniß bleiben; so dürfte sich aus diesen unwiderleglich sprechenden Thatsachen von selbst ergeben, wie dringend nöthig eS wird, auf alle mögliche Weise die Produktion zu heben, und dem Landbau, gentlichen

als ihrer ei­

Basis, die entschiedenste Fürsorge und alle mög­

lichen Antriebe und Beförderungsmittel zu gewähren. Daß hier von Staats wegen, durch Gewährung eigener und ausreichender Geldmittel für landwirthschaftliche Zwecke, eingeschritten werde, ist nicht allein an sich rathsam, sondern auch billig im Verhältniß zu der Unterstützung, welche der technischen Industrie

zu Theil geworden ist;

es liegt dies

auch ganz im Geiste der Preüssischen Regierungs- und Ver­ waltungs-Weise, die von jeher eS für Pflicht und Ruhm ge­ halten hat, die Entwicklung der Betriebsamkeit in der Na­ tion nicht lediglich sich selbst und dem allmälig sich melden­ den Bedürfnisse zu überlassen, sondern allenthalben mit Vor­ aussicht anregend, begünstigend und unmittelbar helfend ein­ zuwirken.

Auch dürfte es wol gar keinem Zweifel unterlie­

gen, daß gerade in der Sphäre der Bodenkultur die zweck­ mäßige Verwendung von Hülfen und Geldmitteln einen ganz ungemeinen, mit dem aufgewendeten Betrage in gar keinem Verhältniß stehenden Nutzen zu stiften im Stande ist.

Und

wenn man u. a. erwägt, daß die durchschnittliche Steigerung des Ertrages eines jeden Morgens urbaren Landes nur um Statisnk d. Preüss. Staate.

20

jnilanfr tet Landwiitl,schalt.

306

1 Sgr., das gesammte National-Einkommen um die bedeu­ tende Summe von 3 Millionen, also das National-Vermö­ gen um ein Kapital von 75 Millionen Thalern vermehrt; so wird man ohne Bedenken und ohne Rückhalt sagen dürfen, daß jene von Staatswegen zu gewährenden Hülfen durchaus wünschenswerth, ja unerläßlich nothwendig sind. Die Mittel und Maaßregeln, die für diesen Zweck ange­ wendet werden können, sind: Belehrung, Ermunterung, Bei­ spiel und direkte Hülfe. In die erste Kategorie der Belehrung gehören: Veran­ staltungen ,

damit

der Landwirthschaft jene wissenschaftliche

Grundlage und Form, nach der sie so sichtbar strebt, und deren sie so dringend bedarf, auch wirklich und gründlich und zuverlässig

zu Theil werde; sodann

die Einrichtung

von

praktischen Lehranstalten, und zwar zunächst den höheren, den eigentlichen Akademien des Landbaus, zur Bildung künftiger Gutsbesitzer, Administratoren und Pächter größerer Güter und ganzer Güter-Complere; demnächst auch von niederen Lehran­ stalten zur Bildung der Söhne von kleineren Grundbesitzern, und zur praktischen Befähigung einzelner Klassen ic. In letzterer Beziehung hat man bisher noch gar nichts gethan; und an höheren Lehranstalten besitzt die Preüssische Monarchie nur die wenigen, die ich weiter oben (S. 250) nachgewiesen habe. gierungs-Bezirke

Jetzt liegt es im Plane, in jedem Re­ der Monarchie wenigstens eine Ackerbau-

Schule zu gründen. Die Maaßregel der Ermunterung kann durch zweckmäßig« Anwendung wirklicher materieller Reizmittel, als: Konkur­ renzen , Wettleistungen, Thierschauen, Ausstellung von Geräthen und Produkten, Preisaufgaben, besonders aber Vertheilung von Ehren- und Geld-Prämien ins Werk gerichtet

werden, unter welchen Mitteln die Prämien vorzugsweise in der Region der kleineren Grundbesitzer

sich wirksam zeigen

dürften. In die Kategorie des Beispiels zur Nachahmung, beson. ders von den kleineren Landwirthen, gehört die Errichtung von Staats - Musterwirthschasten, von denen die größeren mit den höheren landwirthschastlichen Lehranstalten in Verbindung ge­ setzt werden können, die kleineren aber durch verständige Wir­ the aus dem Bauerstande in Betrieb gesetzt werden müssen. Sodann gehören hierher Musterkulturen einzelner Zweige der Wirthschaft, die ganz besonders zu begünstigen und zu unter­ stützen sein werden. Endlich kann die direkte Hülfe auf legislativem, admi­ nistrativem und finanziellem Wege bewirkt werdm; indem der letztere Weg von der StaatSregierung-durch Gewährung von Vorschüssen, seien sie verzinslich oder unverzinslich, von Zuschüssen und Unterstützungen betreten wird.

In finanzieller

Beziehung ist jedoch nicht unbemerkt zu lassen, daß die Staats Regierung der Landwirthschaft, insonderheit den großen Guts­ besitzern, sehr wesentlich dadurch schon zu Hülfe gekommen ist, daß sie zur Herabsetzung des Zinsfußes der Pfandbriefe ihre Genehmigung gegeben hat. Auf Grund der Auseinandersetzungen jener Denkschrift und des vom Minister des Innern erstatteten Berichts hat der König zunächst auf das Jahr 1845,

aber mit der Aus­

sicht eines in den folgenden Jahren steigenden Betrages, die Summe von 26.000 Thalern angewiesen, welche hauptsächlich für folgende besondere Zwecke angewendet werden soll: — 1) Zur Verfolgung rein wissenschaftlicher Zwecke, also zu Preisaufgaben,

Anstellung

chungen, Unterstützung

chemisch-agronomischer Untersu­

abzusendender Reisenden, Anlegung

20'

Zustand der Landwirthschast.

308

von Sammlungen mancherlei Art, Beförderung der Heraus­ gabe wissenschaftlicher Werke, und zu ähnlichen Ausgaben. 2) Zur Besoldung der General-Sekretaire bei den landwirthschaftlichen Central-Vereinen und zur Besorgung der Ge­ schäfte dieser Vereine, deren in jeder Provinz einer gestiftet worden ist, welcher den, über fast alle Kreise verbreiteten, Kreis und Orts-Vereinen zum Mittelpunkte dient. 3) Zur Beförderung gemeinnütziger Zwecke; insbesondere zu Prämien, Zuschüssen zu Thierschauen und Ausstellungen und zur Vertheilung von Sämereien, Maschinen, Ackerwerkzeügen, Zuchtthieren, Obstbaümen, Reben und dergleichen; zur Aufhülfe der Rindviehzucht, der Molkerei und Käseberei­ tung, auch der Schweinezucht; desgleichen des Wiesenbaues, der Flachskultur,

des

Futterbaues,

des Heckenbaues,

der

Maulbeerbaumzucht und dergleichen; zur Aufmunterung landwirthschaftlicher Nebengewerbe, vermehrter Dünger-Production, des Gebrauchs bewährter künstlicher Dungmittel, der Anwen­ dung neuer Kultur-Methoden und Gegenstände, lung von Versuchen;

zu Druckkosten

der Anstel­

für kleine belehrende

Schriften u. d. m.; endlich auch zu landwirthschastlich-poli­ zeilichen Zwecken. Man sieht, daß sich das Landes-Ökonomie-Kollegium ein großes Feld vorgesetzt hat, aus dem es die von Staats­ wegen gewährten Fonds zu verwenden beabsichtigt. Es hat aber auch in einem an die Vorstände sämmt licher landwirthschaftlichen Central - Vereine erlassenen Rund­ schreiben vom 0. April 1844 folgende drei Fragen zur Beant­ wortung aufgeworfen: — 1) Welche sind diejenigen Bedürfnisse

im ganzen Ge­

biete der Landwirthschaft, die sich zur Zeit am dringendsten fühlbar gemacht haben?

2) Durch welche Mittel und Maßregeln wird ihnen am leichtesten und sichersten abgeholfen werden können? und 3) Wie kann von Staats wegen am zweckmäßigsten zu dieser Abhülfe mitgewirkt werden? — Und bei Beantwortung der dritten Frage den Gesichts­ punkt zur Beachtung empfohlen, — daß die Verbreitung von Einsicht,

Geschick,

Thätigkeit

und Hülfsmitteln de- Fort­

schritt- unter den kleinen Landwirthen, und namentlich unter den bäuerlichen Wirthen eine bevorzugte Rück­ sicht verdient; und daß da, wo geholfen werden soll, auch die erforderlichen Hülsen ausreichend gewährt, nicht aber durch unvollständigen Beistand der Zweck verfehlt und dir Mittel erfolglos zersplittert werden. Das Ziel der landwitthschaftlichen Vereine kann kein an­ deres sein, als Verbreitung verbrfferter Kenntnisse, und dem­ gemäß Förderung eines rationellen Bettiebs der Landwirth­ schaft.

Ganz besonders Noth thut dies unter den Besitzem

bäuerlicher Nahrungen, die, der großen Mehrheit nach, in ihrer neuen Stellung als freie Eigenthümer einer verstän­ digen Anleitung, einer sachgemäßen Hülfe durch Rath und That mehr, als jeder andere Landwirth bedürfen.

Ihrer müs­

sen sich, nach meinem Dafürhalten, die Kreis - Vereine an­ nehmen , die vorzugsweise den Beruf zu haben scheinen, durch ihre, mit der rationellen Landwirthschaft vertrauten, Mitglie­ der auf die baüerlichen Wirthe so einzuwirken, daß in ihnen der Sinn für ein Feldersystem geweckt werde, welches einen hohem Ertrag zu gewahren vermag.

Denn Vermehrung der,

dem Boden durch Ackerbau abgewonnenen, Erzeügniffe liegt nicht blos in dem individuellen Interesse des Wirthes, zur Deckung seines Bedarfs an Lebensmitteln, sondern auch, selbstredend, im allgemeinen Staats-Interesse,

da der auf den Markt ge-

Ackerbau.

310

bracht« Überschuß an Produkten das National-Vermögen zu vergrößern strebt.

Vor allen Dingen

wird es darauf an­

kommen, den Bauer geneigt zu machen zur Einführung von Ackerwerkzeügen, die vollkommener sind, als die von ihm zeither benutzten, sodann auch zur Anzucht eines kräftigeren Zug­ viehes , besonder- an Ochsen, und Behufs besserer Ernährung desselben zum Anbau von Futtergewächscn. wirthschaftlichen Kreis-Vereine baüerlichen

Wirthe

diese

Wie die land-

ersten Bedürfnisse der

befriedigen wollen,

wird von provin­

ziellen , von örtlichen Verhältnissen abhängig zu machen sein; im Ganzen genommen scheint es aber angemessen zu sein, mündliche Belehrung und Unterweisung statt der durch Druck­ schriften

eintreten

zu

lassen,

Nutzen sein könnten, sie auf in den

und wo letztere dennoch von populair geschriebene Aussätze

sogenannten Haushaltungs - und Volkskalcndern zu

beschränken, die, in Gemeinschaft mit der Bibel, dem Kate­ chismus, dem Gesang- und Gebetbuch, die ganze Bibliothek der Mehrheit unserer Bauern auszumachen pflegen. Zustand des Ackerbaus. Ich müßte die mir gesteckten Gränzen weit überschreiten, wollte ich eine vollständige Übersicht geben vom Zustande des Ackerbaus in allen Provinzen des Staats.

Ich muß mich

aus eine einzige Provinz beschränken, auf die Mark Bran­ denburg nämlich, über deren landwirthschaftliche Verhältnisse Koppe eine so lichtvolle Darstellung gegeben hat, die ich hier mit seinen eigenen Worten benutze.

Dabei ist wohl zu be­

merken, daß dasjenige, was uns hier von der Mark Bran­ denburg gesagt wird, mehr oder minder auch von allen mitt­ leren und östlichen Provinzen gilt, und daß nur allein die westlichen Landrstheile am Rhein und in Westfalen Abwei­ chungen im Wirthschaftssystcm darbieten.

Die Dreifelderwirthschaft,

so beginnt Koppe, war in

früheren Zeiten in der Mark Brandenburg eben so gut herr­ schend, als in dem größten Theile de» übrigen Deütschlands. In denjenigen Landstrichen, wo es an natürlichem Graswuchs nicht fehlte, wo trockner Ackerboden mit feüchtem Wiesengrunde in einem richtigen Verhältnisse stand, konnte ein einträgli­ cher Ackerbau bestehen.

Dieses Verhältniß zwischen natür­

lichen Futterfeldern und den zum Halmfruchtbau geeigneten Grundstücken ist aber der Mark von der Natur versagt: man findet sehr häufig Niederungsland allein, und wieder trocknen Hüheboden in großen Strecken.

Einzelne Güter, wo rin rich­

tiges Verhältniß zwischen Gras- und Ackerland besteht, wie cs die Dreifelderwirthschaft erfordert, gehören hier mehr, als in anderen Gegenden, zu seltenen Ausnahmen. rungs - Wirthschaften konnten,

wie

Die Niedr-

sich von selbst versteht,

ohne die Verbindung mit trocknen Ackerländereien bestehen; aber Güter und Gegenden ohne Niederungsland vermogten nur dann die Dreifelderwirthschaft mit Erfolg zu betreiben, wenn sie Heü von außerhalb ankauften, welches, so lange man keine andere Weise kannte, sich das, neben dem Strohe erforder­ liche Viehfutter zu verschaffen, oft aus weiter Ferne herbei­ geholt werden mußte. War in solcher Art auch das Bedürfniß an Winterfut­ ter befriedigt, so zeigte sich doch ein Mißverhältniß bei der Ernährung des Viehs im Sommer.

Man mußte die Bear­

beitung de» Brachfeldes so lange aussetzen, bis die Stop­ pel des WintrrgetreideS dem Vieh die nöthige Nahrung gab. Wenn dieses einer Seits wegen der Vorbereitung des Erd­ reichs zu der Herbstsaat unbequem war, so zeigte sich andrer SeitS auch die Unzulänglichkeit der Nahrung für das Vieh auf der trocknen Brache.

Das schlecht genährte Vieh er-

zeugte wenig Dünger, und dieser reichte bei weitem nicht aus, um das Brachfeld damit zu versehen.

Je geringer die

natürliche Ertragsfähigkeit des Bodens war, um so weniger waren die Mittel vorhanden,

den Boden zu düngen.

Je

trockner und ärmer er war, und je mehr er also des Dün­ gers bedurfte, je weniger Dungmaterial lieferte er aus eig­ nen Erzeügnissen. Es ist begreiflich, daß ein Ackerbau, in der angebrüteten Art betrieben, von sehr schlechten Erfolgen begleitet sein mußte. Seit 100 Jahren und länger hatte man in der Mark in sol­ chen Gegenden, wo es an Grasland zur Erzeügung des Som­ mer- und Wintersutters nicht fehlte und wo also dem Acker­ boden mehr Dünger gegeben werden konnte, angefangen, einen Theil des Brachfeldes mit Hülsenfrüchten, Erbsen, Wicken», s. w. anzubauen.

Dieser Erbsen- und Wickenbau war aus

den reicheren Gegenden auch in die ärmeren übergegangen.

Er

ist vorzüglich die Ursache, daß alles Düngerland mit einer ungeheüern Menge Hederichssaamen angefüllt worden ist, (S. 75) nicht nur deshalb, weil die ordentliche Bearbeitung derBrache seltener Statt fand, sondern auch deswegen, weil der Hederichssaaincn binnen drei Jahren in zwei Früchten reifte und vor der Arnte abfiel. Unter solchen Umständen stellten sich bei dem märkischen Ackerbau in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zwei große Mängel heraus, nämlich erstlich Mangel an Dünger, herrührend aus unzureichendem Viehfutter, und zweitens Ver­ mehrung der Hederichssaaten, die bei ungünstiger Witterung den Ertrag an Sommerhalmfrüchten ungebührlich herabsetz­ te».

So

konnte es nicht fehlen, daß die landwirthschaftli-

du’ti Schriften eines Schubart von Kleefeld und später die eines Thaer, Karbe u. A., welche diesen Übelständen

abzu-

313

Ackerbau.

helfen

lehrten, gerade in der Mark den meisten Eindruck

machten.

Man

versuchte,

den

Kleebau

einzuführen,

um

Sommerfutter für da- Vieh zu gewinnen und den Bau der Wurzelgewächse,

um

der schrecklichen Vermehrung der He­

derichssaaten entgegenzuwirken und auch zugleich ein kräftigeFutter für den Winter zu erlangen. Die Versuche mit dem Anbau de- Klee- hatten anfangeinen sehr zweifelhaften Erfolg.

Nur auf Boden der besseren

Klaffen, welcher in guter Kultur stand, leistete der Kleebau etwas, hingegen auf den geringeren Bodenarten von trocke­ ner Beschaffenheit und durch die Dreifelderwirthschaft, wie sie hier getrieben wurde, auSgesogen, war die Futtervermrhrung durch den Kleebau sehr

geringe.

Derselbe nach der

Schubartschen Anweisung, statt der Brache bei der Dreifrlderwirthschaft betrieben, verminderte offenbar den Ertrag an Winterhalmfrüchten.

Die dadurch

veranlaßte Verminderung

des Strohertrages wirkte auf die Düngererzeügung fast eben so nachtheilig, als dieselbe durch den Gewinn an Klee geför­ dert wurde. Auf den größeren Gütern sing man daher in der letzten Hälfte

des vorigen Jahrhunderts an,

Koppelwirthschaft einzuführen.

die mecklenburgische

In einzelnen Fällen verband

man, schon vor Thaer, mit derselben den Anbau von Kar­ toffeln und Kohlrüben.

In der Nähe von Berlin und Pots­

dam baute man auch in der Dreifelderwirthschaft haüsig Kar­ toffeln zum Verkauf an, entweder im Brachfelde oder nach der Winterfrucht, im sogenannten Sommerfeld«. DaS Bedürfniß, von der Dreifelderordnung abzugehen, stellte sich zu Anfange dieses Jahrhunderts, wo der Preis der Güter im Steigen war, und wo gebildete Männer ansingen, sich mit dem Gewerbe der

Landwirthschast zu beschäftigen,

immer mehr heraus. Proben mit Einführung der verbesser­ ten Dreifelderwirthschaft hatte man seit mehreren Decennien gemacht. Der Erfolg war aber den Erwartungen davon keinesweges entsprechend gewesen. Kein Wunder also, daß die vortrefflichen Schriften von Thaer, welche am Schluß des vorigen und zu Ansang des jetzigen Jahrhunderts erschienen, und in welchen die Ursachen auseinandergesetzt sind, warum daS Dreifeldersystem eine gründliche Verbesserung des Ackerbaues ausschließt, die größte Sensation erregten. Mehrere märki­ sche Gutsbesitzer besuchten England in der Absicht, den dor­ tigen Ackerbau kennen zu lernen und überzeügten sich durch den Augenschein, welche Umänderung derselbe durch Arthur Poung's, und anderer Schriftsteller, Bemühungen erfah­ ren hatte. Schon Friedrich der Große war aufmerksam auf die Fort­ schritte im Ackerbaue jenes Jnselvolkes geworden und war bemüht gewesen, das Beispiel desselben zur Verbesserung des Ackerbaues in seinem Lande zu benutzen. Ob er gleich das Unglück hatte, zur Ausführung seines wohlwollenden Zweckesich ungeschickter Hände zu bedienen, so läßt sich doch mit Gewißheit annehmen, daß die Bemühungen des großen Königs mit dazu beigetragen haben, über die Anwendbarkeit der Grundsätze des englischen Ackerbaues nachzudenken, und da­ durch nach längerer Zeit die Verbesserungen des märkischen Ackerbaues ins Leben zu rufen, wie sie jetzt angetroffen werden. Friedrich Wilhelm 111., gleich Seinem erlauchten Ahnen, das Interesse des Ackerbaues so wie aller Gewerbe fördernd, rief in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts den damaligen praktischen Arzt in Celle, k>r. Albrecht Thaer, in Seine Staa­ ten und wies demselben die Mittel an, sich in der Mark anzukaufen und die so berühmt gewordene landwirthschaftliche

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Forst- und Waldwirthschaft.

371

Übertrag 800 Millionen Kb.F. Die24 Millionen Morgen Waldun­ gen geben, zu 30 Kubikfuß auf den Mor­ gen, aber nur................................. 720 Millionen Kb.F. Mithin fehlt es an nicht weniger, als 80 Millionen Kb. F. Holz, welche, durchschnittlich nur zu 70 Kubikfuß Holzmaffe gerechnet, 1.430.000 Klafter enthalten, wovon zehn Prozent, also 143.000 Klafter aus Bau- und Nutzholz bestehen. Dieses Ergebniß überrascht! Es ist der gewöhnlichen Ansicht, der zu Folge die Wälder des Preussischen Staats nicht allein den inländischen Holzbedarf vollkommen decken, sondern sogar noch Überschuß zum Verkauf ans Ausland ge­ währen sollen, gerade entgegengesetzt. Gern gebe ich zu, daß in den, meiner Rechnung zum Grunde liegenden Voraussetzungen, Irrthümer obwalten kön­ nen, aber das gebe ich nicht zu, daß sie, mit Ausnahme der Größe der Waldfläche, bedeütend seien. Und darum lasse ich das Defizit der 80 Millionen Kubikfuß unbedenklich stehen, in der Hoffnung, daß unterrichtete Forstleüte Veranlassung nehmen mögten, diesem für die National-Wirthschaft so hoch­ wichtigen Gegenstände ihre spezielle Aufmerksamkeit zuzu­ wenden. Die Holz-Nutzung unserer Wälder gewährt, zu Gelde angeschlagen, folgenden Ertrag: Das Bau- und Nutzholz, int Durchschnitt aller Holz­ arten den Kubikfuß zu i\ Sgr. gerechnet 3.600.000 Rthlr. Das Brennholz, ebenfalls im Durch­ schnitt aller Gattungen, die Klafter zu 1| Rthlr. gerechnet............................. 13.890.000 Geldwerth der jährlichen Holz-Nutzung in runder Zahl............................. 17.500.000 Rthlr. 24*

372

ja.jf.

Andere Nutzungen, wie Borke und Lohe, würden noch in Rechnung zu stellen sein; aber für diese fehlt es ganz an einem Anhaltepunkte zur Beurtheilung ihres Geldwerthes. Noch andere Nutzungen, wie Kohlen, Asche, Theer u. s. ro., wodurch ein Theil des jährlichen Holzerkrages höher verwer­ thet wird, können hier nicht füglich in Betracht kommen, weil der Rohstoff schon eine technische Berarbeitung erlitten har. Jagd. An jagdbarem Wild im Freien kommt in den preüssischen Landen meisten Theils nur noch vom Hochwild der Roth­ hirsch, vom Mittelwild das Reh und das wilde Schwein, vom kleinen Wild der Hase, das Rebhuhn, die Waldschnepfe, die Ente und das übrige kleine Geflügel vor, wie sich aus der weiter oben (S. 101) mitgetheilten Statistik der fliegen­ den Fauna ergiebt. Der Ertrag der Jagd ist statistisch beachtungswerth, nicht allein in Bezug auf das Fleisch, welches das Wild liefert, sondern auch, und zwar vornehmlich, seiner Felle und Haare k. und des Handels wegen, der damit getrieben wird. Es mangeln aber alle sichern Grundlagen, auf die sich eine Schätzung dieses Ertrages stützen ließen. Die Staatsregierung kümmert sich nicht um den Ertrag, höchstens daß sie Kenntniß erlangt von dem, was ihre Forst- und Jagd-Beamten jährlich an Wild erlegen, und wenn die Anwohner des Waldes bei der geringsten Beschädigung der angränzcnden Felder über Wildschaden Klage führen, bei welcher der Fis­ kus in der Regel bedeütende Opfer bringen muß. Der Staat hat den Genuß des Fleisches von unseren Hausthieren besteuert, nicht blos in den großen Städten, sondern im ganzen Lande; denn in den kleinen Städten und auf dem platten Lande tritt die direkte Klafsensteüer an die

Jagd.

373

Stelle der indirekten Mahl- und Schlachtsteüer. Diese Ab» gäbe trifft alle Einwohner des Staats, es sind aber dabei, wie mich dünkt, die Wohlhabenden und Begüterten auf Un­ kosten der Bedürftigen und Armen int Vortheil. Denn wie mancher Wildbraten kommt nicht auf den Lisch des Reichen, was der Arme entbehren muß, und das hat eine geringere Consumtivn an besteuertem Rindfleisch von des ersteren Seite nothwendiger Weise zur Folge! Das Gleichgewicht scheint dadurch gestört zu sein, und Billigkeit und — Recht verlan­ gen, daß es wiederhergestellt werde. Der Staat besteüre den Genuß auch des Wild-Fleisches! Dann hat auch die Regierung das Mittel in der Hand, den Ertrag der Jagd vom staatswirthschaftlichen Standpunkte zu beurtheilen und zu würdigen. Von einiger Bedeütung scheint er jeden Falls zu sein. Ich will es versuchen, ihn ganz oberflächlich auf nachstehende Weise abzuschätzen. — Angenommen, es würden auf jeder der 4924 Quadratmeilen, welche das Preüssische Land ent­ hält, jährlich geschossen: 20 Hirsche, 30 Rehe, 20 Schweine, 200 Hasen und 300 Stück Geflügel aller Art, so haben wir als jährlichen Ertrag, und diesen, mit mäßigen Sätzen, zu Gelde gemacht: — 98.500 Hirsche zu 5 Rthlr.................... 492.500 Rthlr. 147.700 Rehe zu 4 Rthlr........................ 590.800 98.500 Schweine zu 4 Rthlr................. 394.000 985.000 Hasen zu 15 Sgr..................... 492.500 1.477.200 Stück Geflügel aller Art zu 10 Sgr. 492.400 Total -Geldwerth des Jagd-Ertrages 2.462.000Rthlr. wofür man, in runder Zahl, unbedenklich 2| Millionen setzen kann. Würde dieser Werth mit 15 Prozent versteüert, so flösse der Staatskasse aus einer neüen Quelle ein BruttoEinkommen von 375.000 Rthlr. zu, das freilich im Netto«

374

Bergbau und Hüttenbelneb.

Ertrage durch die Schwierigkeit der Erhebung sehr geschmälert werden dürste. Ich habe die statistische Heerschau diejenigen Rohstoffe paffiren lasten, welche der Mensch auf der Oberfläche der Erde erzielt; ich komme nun noch zu denjenigen, die er auf btt mühseligste Weise,

wenn auch nicht dem Innern der Erde,

doch der Erdrinde, abzugewinnen sich bestrebt: ich meine die Produktionen des Bergbaues und Alles, was damit zusam­ men hangt. Bergbau und Hüttenbetrieb. Bei der Förderung des Mineral-Reichthums eines Lan­ des liegt es in der Natur der Sache, daß die physische Kul­ tur Hand in Hand geht mit der technischen.

Mit Ausnahme

einiger brennbaren Fossilien, so wie der Erzeügniste des Stein­ bruch-Betriebs, der einen Bestandtheil des Bergbaus bildet, haben die Rohprodukte desselben keinen Werth, wenn sie nicht den Veränderungen unterworfen wrden, weelche die Technik drS Hüttenbetriebs darbietet. Eine

Nachweisung

Fossilien habe ich

der Fundorte

der

hauptsächlichsten

bereits oben (S. 3ü— 40) eingeschaltet;

hier wird es darauf ankommen, die Grüße und den Umfang darzulegen, den dieser Zweig der physisch-technischen Kultur im Kreise der National-Betriebsamkeit und des NationalVermögens einnimmt. Der Bergbau und Hüttenbctrieb

hat

im Preüstischen

Staate eine sehr ansehnliche Bedcütung: der Werth seiner Erzeügniste läßt sich, im Lickte der Gegenwart, auf die runde Summe von 33 Millionen Thalern veranschlagen, und man nimmt mit großer Freüde wahr, daß auch diese Thätigkeit in einem fortwährenden Steigen begriffen ist, trotz der manchfaltigen Calamitäten, welchen einzelne Zweige, unter denen die

wichtige Eisenproduktion oben ansteht, in der zuletzt vergan­ genen Zeit unterworfen gewesen sind. Denn er förderte im Jahre 1836 mit 49.750 Arbeitern für 21.545.000 Rthlr., im Jahre 1842 dagegen mit 80.270 Arbeitern für 32.568800 Rthlr.

Der Bergbau und Hütten­

betrieb beschäftigte also in dem zuletzt genannten Jahre, dem letzten, von dem die Ertrags-Nachweisungen vorliegen, 30.520 Arbeiter mehr, als in dem zuerst genannten, und der Werth seiner Produkte überstieg im Jahre 1842 den Betrag der Er» zeügnisse

von 1836

um

mehr

als 11

Millionen Thaler,

d. i. ein Zuwachs der Arbeitskräfte um 61 Prozent, deS Er­ trages um 51 Prozent. An diesem allgemeinen Ergebniß wird es wol nicht ge­ nügen; der geneigte Leser dürfte, so glaub' ich, verlangen, zu wissen, wie jeder einzelne Theil des Mineral-Reichthums an der berg-

und

hüttenmännischen Produktion betheiligt ist.

Dieses Verlangen ist gerecht.

Ich theile daher die nachste­

henden Übersichten mit, welche den Umfang der einzelnen Be­ triebszweige nach den Ergebnissen im Jahre 1841 enthalten. Produktion des Bergbaues. Betriebs-Zweige.

I Zahl der i 1 Gruben.

Quantum der Produktion.

Zahld. Arbei­ ter.

Geldwerth am UrsprungsOrte.

9.273

723.987 Rth.

1. Eisenerze und El 1039

sensteine. . . 2. Kupfer-, Blei - u. Silbererze . . 3. Galmei u. Blende 4. Kobalterze 5. Arsentkerze 6. Antimonerze . 7. Manganerze . S. Quecksilbererze 9. Alaunerze . . 10. Vitriolerze II. Steinkohlen . 12. Braunkohlen Summa

.

1.456.324 Tennen

1.076.764 (Mi. 4.612 619.251 1.260.737 2.590 264.730 96 1.372 30.520 10.999 66 8.614 55 1.772 4.922 69 5.710 9.030 — — — 119.710 128 9.532 49 22.452 5.633 13.910.153 Tonn. 21.950 5.463.363 2.723.661 430.676 3.054

134 50 11 3

3 4 — 11 6 517 217 .

2014

|i

' ;

141.95917.569.278 3«.

Produktion des Zahl Betriebs-Zweige. | der Brüche 1. Kalkstein u. Kalk 672 2. GppS . . . 143 3. Ban Werk -, Sand- u. Brachst. 797 4. Dach schiefer 373 5. Mühlcnsteine . 94 6. Traß u. Traßsteinc 50 7. Flußspat!) . . 3 Summa . 2132

Steinbruchbetriebes. Quantum Zabl d. I Geldwert!' am der Arbei­ I Ursprungeter. |1 Orte. Produktion. 304.117 Tonnen 2214 397.208 Rtl'l. 449 66.607 33.273 3519 212.662 — 1214 69.223 349 43.709 3.114 Stuck 31 743 Tonnen 167 39.139 . 4.749 6.693 27 | 7039 |b33.204 9)tt)(. i

Produktion des Hüttenbetriebes. Zahld. Geldwertb am Quantum Zahl Arbei­ UrsprungSder Betlitbo »Zweige. der Produktion ter. Hütten. Orte I. Elsen . . . a. Roheisen in Gän­ 3347 3.131.027 Rk. gen und Nesseln ns 1.377.374 Etr. 114 315.643 13 b. Rohstahleisen 123.694 c. Gußwaarcn aus Erzen . . . 76 5620 1.397.731 407.307 42 4 2. Silber . . . 23.456 Mark 211 320.797 3. Bleische Produkte 23 214 116.056 a. Kaufblei . . 17.071 Etl. — — b. Kansglättc 111.634 15.742 — c. Gtwalzte Bleipl. — 995 6.730 4. Kupfer . 459 603.979 13 a. Gaarlupfcr 19.094 236 605.379 . 37 b. Dcrarb. Kupfer 19.999 3361 1.360.763 96 5. Messing . . 23.961 6. Zink . . . a. Platten- u. Barrenzink . . . 34 199.779 1695 1.5*56.455 b. Zinkbleche . . 1 21.334 30 176.013 7. Blaue Farbe . 3 6.726 > 91.122 32 9. Arsenikprodukte 3 3.341 9 21.159 9. Antimcnium 2 1.139 4 16.309 Zu übertragen ,. 1223 i |24731| 23.094.45S 9)1.

Zahl der Hütten.

Betriebs-Zweige.

10. 11. 12. a. b. c. 13.

Übertrag . . Quecksilber . Alaun . . . Vitriol . Kupfer-Vitriol Äiscn-Vitriol Gemischt. Vitr. Schwefel . .

Quantum der Produktion.

1223

24.731 22.094.158 R.



— 56.244



15 4 5 — 2

Summa 1240

Zahl d. Gcldwerth am ArbeiUrsprungster. 1 Orte. —

-

4.454 24.866 5.762 783 |





391

288.299

-

122 63 — —

53.139 40.075 30.392 3.134

-

| 25307|23.509.186 Dt.

Produktion des Salinenbetriebs. Betriebs-Zweige.

Anzahl I der Salinen. '

1. Weißes Kochsalz 2. Schwarzes und gelbes Kochsalz . 3. DüngergypS Summa

.

.

21

47.806 Last

— —

366 34.404 Scheffel.

21

Zahl.d. Geldwerth am Arbei­ Ursprungster. Orte.

Quantum der Produktion.

I



2184 —

1.364.153 Rt. 4.206 10.255

-

| 2184 >1.378.611 Rt.

Zählt man die vier Summen zusammen, so ergiebt sich für das Jahr 1841, daß 5416 Werke in Betrieb standen, worin 77.388 Arbeiter beschäftigt waren, und daß der Geld­ werth aller berg- und hüttenmännischen Produkte 33.290.372 Rthlr. betrug. WaS die Silber-Ausbrüte betrifft, so ergab sich dieselbe im Gemeinjahr der zwanzigjährigen Periode von 1816 - 1835 auf 18.614 Mark. Sie stieg aber im Jahr

1836

-

25.299

-

1837

-

24.036

Und ging wieder zurück im Jahr 1841

-

23.456

-

1842

-

21.798

-

-

Das ist ungefähr der dritte Theil der Produktion deS sächsi­ schen Silber-Bergbaus, und die Hälfte des Oberharzischen oder

hannoverschen Bergbaus,

so wie

etwa der dreißigste

Theil der Silber-Ausbeüte, welche in ganz Europa und Nordasien jährlich gemacht wird. Das Silber kommt selten gediegen vor, und in dieser Form nur im Kupferschiefer des Mansfeldischen Gebirgskreises; meistenthcils mit anderen Stoffen und Erzen verbunden, als Fahlerz zu Müsen und Liltfeld im Siegcnschen Kreise, im Bleiglanz ebendaselbst

und

mit Kupfererzen verbunden

zu Tarnowitz

in Oberschlesien,

im Mansfeldschen k,

Hauptlagerstatte des preüssischen Silbers ist.

das die

Denn nennt

man die Silberausbeüte Oberschlesien's — 1, so beträgt die im Siegenschen 3 und die im Mansfeldischen beinahe 14. Auch

ist

das ManSseldische Silber ausschließlich zur Ver-

münzung in Thalerstücke bestimmt, welche die Aufschrift „Se­ gen des Mansfelder Bergbaus" führen. Unter allen Metallen, die im Preüssischen Staate gewon­ nen werden,

ist das Eisen für ihn das allerwichtigste,

denn

es umspannt beinahe 56 Prozent der gesammten berg- und hüttenmännischen Produktion. men

daran

ungefähr

in

Die einzelnen Provinzen neh­ folgenden

Verhältniffen

Theil:

Schlesien mit 35 Prozent, die Rheinprovinz mit 34, West­ falen mit 20, Sachsen mit 9 und die kombinirten Provinzen Preüffen, Pommern und Brandenburg mit 2 Prozent. Und dennoch kann, trotz dieses Umfanges der Eisenproduktivn, die gewerbliche Thätigkeit in Darstellung von Robeisen,

Gußeisen und Schmiedeeisen noch ein weit größeres

Feld des Absatzes sich verschaffen, ja, sie muß es, gerade in unserer Zeit, wo die, das Eisen weiter verarbeitenden Gewerbe der Frischhämmer und Puddlingswerke, der Gießereien und Maschinenfabriken, der Blech- und Drahthütten, und im Be­ sondern die Eisenbahnen einen so großen Bedarf an Eisen verlangen, zu dessen Deckung die Hülfe des Auslandes in An-

Bergbau unb Hüttenbetrieb.

spruch zu nehmen, man

bis

jetzt genöthigt ist.

379 Unsere Eisen­

hütten müssen, durch Benutzung verbesserter Methoden, dahin streben, die Konkurrenz auszuhalten mit den engländischen, die bisher unsern Mehrbedarf deckten.

Diese liefern, trotz der

großen Entfernung, wohlfeileres Eisen, als die inländischen, namentlich die schlesischen Producenten, die den Ruf nach Schutz vor dem allgewaltigen Nebenbuhler so laut haben er­ schallen lassen, daß die Staatsregierung, nach reiflichster Erwä­ gung aller dabei obwaltenden Verhältnisse, sich veranlaßt ge­ funden hat, die Eingangssteüer auf das ausländische Eisen zu erhöhen.

Wenn man aber erfährt, daß das engländische,

durch Steinkohlen erzeügte Roheisen dem Roheisen aus Holz­ kohlen weit nachsteht, sollte man da nicht, mit Liebich, dem umsichtigen Forstmanne, zu der Frage berechtigt sein, ob wir, und mit uns ganz Deütschland nicht im Stande wäre, durch vermehrte Holz-Produktion das Roheisen bebrütend billiger zu erzeügen, als bisher? WaS die Blei-Produkte anbelangt, die ungefähr zu glei­ chen Theilen in Schlesien und am Rhein, doch in der Art gewonnen werden, daß die rheinische Produktion die größere Hälfte bildet, so bedürfen wir noch einer ansehnlichen Zufuhr vom Auslande.

Von der Kupfer-Ausbrüte des Preüssischen

Staats fällt der bei weitem größte Theil,

nämlich gegen

90 Prozent des gesummten Ertrages auf die Provinz Sach­ sen, im Besondern auf Mansfeld; die übrigen 10 Prozent vertheilen Schlesien.

sich

auf

das Rheinland,

auf Westfalen

und

Nach mehrjährigem Durchschnitt ist als Zuschuß

vom Auslande etwa der achte Theil der inländischen Pro­ duktion an

Kupfer und Messing im Preüssischen

Staate

nothwendig, wovon die größte Menge auf Kupfer fällt, we-

Bergbau und Hülteudelueb.

380

niger auf Messing, wovon die große Masse am Rhein und in Westfalen fabrizirt wird. Von der Galmei-Ausbeüte fallen 00 Prozent auf Schle­ sien; mehr als 3 Prozent auf die Rheinprovinz, und der kleine Überrest auf Westfalen.

Überhaupt sind in den schlesischen

Bergwerken in den 14 Jahren seit 1830 in runder Summe 13£ Millionen Galmei, im Werthe von 3 Millionen Rlhlr. ausgebeutet worden.

Nach Abzug einer kleinen Quantität

Zink, die in der zuletzt genannten Provinz gewonnen wird, ist Schlesien die einzige Lagerstätte dieses Metalls, das für den Preussischen Staat, nach Deckung seines eigenen Bedarfs, einen bedeutenden Artikel seines Ausfuhrhandels bildet. Nächst dem Eisen ist der Bau auf Steinkohlen für den Preüssischen Staat von der größten Wichtigkeit.

Dem Geld­

werthe nach bildet dieser Betriebszweig über 16 Prozent der gestimmten berg- und hüttenmännischen Produktion.

Eisen

und Steinkohlen sind die Hauptbedingungen blühender Fabri­ kation; sie haben, bemerkt Dieterici sehr richtig, England reich gemacht,

und auch dem Preüssischen Staate ist im Schooß

der Erde der Naturfonds gegeben, der die Mittel gewährt zu lebhafter Industrie und gewerblicher Thätigkeit.

Wie dies

Quantum der Steinkohlen-Förderung in die einzelnen Pro­ vinzen vertheilt ist,

habe

ich im Allgemeinen

schon

weiter

oben (S. 37) angegeben: Westfalen liefert über 45 Prozent, Schlesien über 29, und die Rheinprovinz gegen 25 Prozent der gestimmten Produktion; die sich mehr als verdoppelt hat.

seit dem Jahre 1827

An der Braunkohlen-Fürdernng

nimmt die Provinz Sachsen mit 61 Prozent, die Rheinpro­ vinz

mit mehr als 38 Prozent,

und Brandenburg sammt

Schlesien (woselbst bei Muskau im nordwestlichen Winkel des

Regierungsbezirks Liegnitz auch Braunkohlen vorkommen), bis jetzt höchstens mit 1 Prozent Theil. Was die Produktion des Steinbruch-Betriebes betrifft, so ist dieselbe im fortwährenden Steigen.

Während ihr Geld­

werth im Jahre 1841 wenig über 833.000 Rthlr. betrug, darunter Kalkstein und Kalk mit 397.208 Rthlr. aufgeführt ist,

erhob

er sich im

1.080.908 Rthlr., auf 514.164 Rthlr.

Jahre 1842

am Ursprungsorte auf

und Kalkstein und Kalk im Besondern Das Anwachsen der meisten

großen

Städte und die vielen Neü- und Umbauten, die daselbst vor­ genommen werden,

erklären diese steigende Produktion, die

mit dem zunehmenden Wohlstände und dem steigenden Bedürf­ niß an Bequemlichkeit und aüßerer Behaglichkeit des Lebens im Verhältniß steht. Wenn auch

die preüssischen Salinen reich genug sind,

um im Stande zu sein, den inländischen Bedarf an Salz zu decken,



der sich nicht allein als Würze der Speise,

sondern auch als Verbrauch bei der Aufbewahrung mancher Nahrungsmittel, als Butter, Fleisch, Fische,

und für viele

technische Zwecke, bei der Bereitung chemischer Präparate, bei der Gärberei, Färberei, Seifensiederei u. s. w.; sodann auch als Verbrauch in der Landwirthschaft, bei der Viehzucht u. s. w. herausstellt, — so sind doch die Salinen über das Staats­ gebiet so ungleich vertheilt,

daß die Versendungskosten des

inländischen Salzes in diejenigen Salzquellen besitzen,

Provinzen,

größer werden,

welche

keine

als wenn Salz vom

Auslande, selbst dem entlegeneren, angekauft wird. Dies trifft besonders

die Provinzen Preüssen,

Brandenburg und Schlesien, nahe | des Flächenraums

welche

zusammen

Posen,

genommen

und | der Bevölkerung des gan­

zen Staates enthalten, und dennoch ohne alle Salinen sind,

ja auch, mit Ausnahme des Wiliczkaer Salzbergwerks, kein ausländisches Salzwerk in der Nähe haben, um sich von da auS zu versorgen. Deshalb kauft die Regierung, die bis jetzt den Alleinhan­ del mit Salz, alseine sehr ergiebige Staats-Einnahme-Quelle, sich vorbehalten hat, den erforderlichen Bedarf jener Provinzen int fernen Auslande, namentlich englisches Kochsalz aus Li­ verpool und Seesalz aus Portugal und Spanien; was durch die Beschaffenheit des VnkehrS unsrem Ostseehafen mit jenen Ländern außerordentlich begünstigt wird. Es ist nicht übertrieben, wenn man annimmt, daß der jährliche Verbrauch an Salz auf die beträchtliche Höhe von 230 Millionen Pfund steigt. Da aber die inländischen Sa­ linen nur etwa 192i Millionen Pfund produziren, so folgt daraus, daß wir dem Auslande 37\ Millionen Pfund ab­ kaufen müssen, was zwar bis jetzt durch einen vortheilhasten Tauschhandel mit Getraide und Holz bewerkstelligt wird, dennoch aber den Gedanken in den Vordergrund treten läßt, ob eS nicht angemessen sein werde, die eignen Salinen in noch größeren Betrieb zu setzen, da durch die immer mehr um sich greifende Erweiterung des Eisenbahn-Netzes die Mög­ lichkeit und Aussicht geboten ist, die Transport-Kosten des inländischen Salzes so zu ermäßigen, daß sie mit den Kosten der Herbeischaffung des ausländischen Salzes in Verhältniß zu stehen kommen. Die amtlichen Tabellen über den Bergbau und Hütten­ betrieb schweigen in Bezug auf die Produktion des Torfes, der als geologisches Produkt, als brennbares Fossil, offenbar hierher gehört. Die Frage, — ob Torf das Holz als Heiz­ material ersetzen könne, ist durch das Beispiel Hollands und Oldenburgs, so wie durch unsere eigene Erfahrung so vielfach und

hinlänglich beantwortet, daß man sich wundern muß, wenn noch haüfig die entgegengesetzte Meinung gehört wird.

Der Torf

ist zum Erwärmen der Zimmer wie zum Gebrauch auf dem Kochheerde eben so anwendbar, wie zu allen Kessel-Feuerun­ gen, zum Heizen der Waschkessel, Destillationskessel, Zucker­ sudpfannen und anderen Kochungen und Abdampfungen; wie zum Brennen des Kalks, des Gypseö, der Ziegelsteine; zum Heizen der Töpseröfen, u. s. ro. Der Preussische Staat hat in seinen mittleren und öst­ lichen Provinzen, ganz besonders in Brandenburg, Pommern, Posen und Preüssen, einen großen Reichthum an Torfmoo­ ren; und man rechnet wol nicht zu viel,

wenn man den

jährlichen Ertrag aller Torfstiche auf 100 Millionen Stück Torf veranschlagt.

Würden die 1000 Stück mit 1 Rthlr.

bezahlt, so gewährt die Torf-Produktion einen jährlichen Er­ trag von

100.000 Thalern,

wodurch

der Geldwerth aller

berg - und hüttenmännischen Erzeügnisse auf die runde Summe von 33.500.000 Rthlr. erhöhet wird. Rekapitulation des Roh-Ertragc- der Hauptzweigc der physischen Kultur. Ackerbau und Wiesenwirthschast Dreh-Wirthschaften

.

.

Rthlr. 654.000.000

.

.

140.000.000

.

.

7.000.000

Ertrag der Bienenzucht Ertrag der Fischerei

.

2.000.000

Forst- und Waldwirthschast

17.500.000

Ertrag der Jagd ....

2.500.000

Bergbau und Hüttenbetrieb

33.500.000

Total.......................

Rthlr. b56.500.000

Das ist der Betrag der jährlichen Rente, welche die Bewohner des Preüssischen Staats aus dem Boden ziehen, mit Einschluß jedoch deö Arbeitslohns rc., das man zu 10 Pro­ zent veranschlagen mag.

Es leüchtet ein, daß hier überall

Technische Jtultm.

384

nur von genäherten Bestimmungen die Rede sein kann.

Aber

auch diese Näherungswerthe haben in der politischen Arithme­ tik ihre Bedeutung.

Angenommen, der Boden rentire sich zu

5 Prozent, so stellt die so eben gefundene Summe des jähr­ lichen Ertrages, nach Abzug des Arbeitslohns, ein Kapital von 15.240 Millionen Thalern dar, welches das in der phy­ sischen Kultur ruhende National-Vermögen repräsentirt.

Ja dieses wird sich unbedenklich noch erhöhen, wenn

auf den Ertrag der nicht

in die Rechnung gezogenen Kultu­

ren und sodann auch auf die Baulichkeiten Rücksicht genom­ men wird,

die zum Betrieb

physischen Kultur

der verschiedenen Zweige der

erforderlich und vorhanden sind. —

In

Summa schätze ich das National-Vermögen, so weit es hier­ her gehört, aus 16.000 Millionen Thaler, und hieran ist jeder Bewohner des Staats mit 1000 Rthlr. betheiligt. *) Die technische Kultur. Wenn gleich es gewiß ist, daß die Landwirthschaft die sicherste Grundlage für die Ernährung einer großen Volksmaffe darbietet, während die, auf den Betrieb der Gewerbe und des Handels sich stützende Ernährung weit ungewisser und schwankender ist: so steht es nichts desto weniger ebenso fest, daß der Ackerbau allein nicht den physischen Wohlstand eines Volks begründet, daß er vielmehr, zur Erreichung die­ ses Ziels, Hand in Hand gehen muß mit dem Gcwerbfleiße und dem Handel, weil diese drei Thätigkeiten vereinigt die

•) Das National-Verwegen een (^vcjHuitannicn und Irland, so weit cS in der Landwirthschaft, der Viehzucht und bem Bergbau Heckt, schützt man auf 21.400 Millionen Thaler. trägt 27.600.000 Kopfe. und Boden.

Die

Bevölkerung

be­

Daher besitzt Jeder 775 Rthlr. vom Grund

Mithin ist der Bewohner des Preussischen Staats um

215 Rthlr. reicher, als der Brite und Ire!'.

2»d»ftrit. Grundbedingungen

385

der sinnlichen Betriebsamkeit sind, daß

er aber immer das Fundament des ganzen GebaüdeS mate­ rieller Thätigkeit bleiben und sich vervollkommnet und ver­ edelt haben muß, bevor die Industrie eines Volks gedeih«, und der Handel eine große Ausdehnung erlangen kann. Diese von den Lehren einer aufgeklärten LolkSwirthschaft gebotene Rücksicht ist Veranlassung gewesen, daß ich der Dar­ stellung der physischen Kultur einen verhältnißmäßig groß« Raum gewidmet habe.

Bei der technischen Kultur muß ich

mich kürzer fassen, so lehrreich eS wäre, diesen Zweig der Thätigkeit, — der, unter der genialen Leitung rineS Beüth, seit einem Vierteljahrhundert Riesenfortschritte gemacht hat, — im Einzelnen zu verfolgen.

DaS aber kann hier nicht ge­

schehen; die Darstellung deS Industrie-undHandelswesens, wie es sich bei uns historisch entwickelt hat, muß einer abgesonderten, einer größeren Schrift vorbehal­ ten bleiben; daher ich denn auch hier die Betrachtung der unwichtigeren, oder Neben-Gewerbe außerhalb de- Textet, in Anmerkungen verweisen muß. Industrie. Die Verarbeitung der rohen Naturstoffe durch Gewrrbthätigkeit erfolgt auf dem Wege des einfachen HandwerksBetriebes, und auf dem der Fabrikation in größeren Indu­ strie-Anstalten.

Der letztere Weg ist es in der technischen

Kultur vorzugsweise, welcher einen außerordentlichen Einfluß auf den National-Reichthum der Staaten ausübt, obwol auch dir Anwendung der gemeinen Handwerks-Fertigkeit, als ein Mittel zur Steigerung

der natürlichen

Staatskräfte, nicht

außer Acht bleiben kann. Die Industrie beschäftigt sich mit Anfertigung von Ge­ genständen, die sowol

als Nahrungsmittel zur Verzehrung,

Statistik d. Preüff. Staate.

20

386

Industrie.

als auch in ihrer Eigenschaft als Kleidungsmittel zum Ver­ brauch dienen, denen noch andere Gegenstände angereihet werden müssen, welcher der Mensch theils zur unmittelbaren Nutzanwendung, theils zur Bequemlichkeit und selbst zur Be­ friedigung des Luxus bedarf. In beiden Fällen können in­ ländische Rohstoffe mit gleichartigen des Auslandes konkurriren, wie z. B. in der Darstellung des Zuckers die Run­ kelrübe mit dem Zuckerrohr; öderes kommen nur einheimische, oder nur auswärtige Natur -Erzeügnisse zur technischen Nerarbeitung in der vaterländischen Industrie. Verzehrungs - Gegenstände liefern die großen Gewerbe im Brennen, Brauen und Sieden. An der Spitze dieser Ge­ werbe steht durch Umfang sowol, als nachhaltigen Einfluß auf die gesummten Wirthschafts - Verhältnisse des Staats, die Branntweinbren nerei, die, seitdem sie, in Folge der mit dem Jahre 1810 begon­ nenen neuern Steüergesetzgebung aus den Städten größtentheils aufs platte Land gewandert und die verbesserte Tech­ nik auf sie angewendet worden ist, einen Aufschwung und eine Ausdehnung erlangt hat, von der man, vor jener Epoche keine Ahnung haben konnte. Die Zahl der Branntweinbren­ nereien läßt sich für den ganzen Staat zu 24.000 annehmen, wovon i in den Städten und 5 auf dem Lande in Betrieb stehen. Die meisten befinden sich in der Rheinprovinz, die wenigsten in Westpreüssen. Der Quantität des Fabrikats nach folgen aber die Provinzen so auf einander: Brandenburg, Pommern, Ostpreüffen, Sachsen, Westpreüssen, Schlesien, Posen, die Rheinprovinz, Westfalen. Die beiden aüßersten Provinzen Brandenburg und Westfalen stehen so gegenein­ ander, daß, im Verhältniß zur Bolkszahl, dort 4 Mal so viel Branntwein gebrannt wird, als hier. Die größten

Branntweinbrennerei.

387

städtischen Brennereien befinden sich in Stettin und Magde­ burg, die größten ländlichen in Nrüdorf bei Wronke im Groß­ herzogthum Posen, und in Prädikow bei Neüstadt- Ebers­ walde in der Mark Brandenburg. Das Quantum Brannt­ wein, welches im Preussischen Staate fabricirt wird, läßt sich für die Gegenwart auf jährlich ISO Millionen Quart annehmen; und rechnet man das Quart nur zu 3 Sgr., so ergiebt sich ein Grldwerth von 18 Millionen Thalern, wobei die aus der Liqueur- Bereitung entspringende höhere Verwer­ thung eines Theil- des Branntweins nicht mit veranschlagt ist. Der meiste Branntwein wird aus Kartoffeln gebrannt, und zwar beträgt die daraus gewonnene Quantität 75 Pro­ zent des ganzen Ertrages; die Gerste ist dabei mit 12, der Roggen mit 10, der Weitzen mit etwas über 1 Prozent, und Buchweitzen, Hafer, Erbsen, Graupen mit einer Kleinigkeit betheiligt. Die meisten Kartoffeln werden in der Mark Bran­ denburg, dagegen wird das meiste Getreide in der Stadt Nordhausen verbrannt, die mit ihrem berühmten Kornbrannt­ weine nach allen, besonders aber den westlichen Provinzen, auch nach dem überseeischen Auslande große Geschäfte macht. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der bei weitem größte Theil des Branntweins bei uns selbst verzehrt, oder minde­ stens verbraucht wird; und man steht deshalb nicht an, auf die schädlichen Folgen sehr lebhaft aufmerksam zu machen, den der zunehmende Genuß des Branntweins auf den phy­ sischen, wie auf den sittlichen Menschen ausüben werde, und bereits ausübe. Aus der andern Seite darf man aber auch behaupten, daß die Besorgnisse, welche so überaus laut ge­ worden, übertrieben sind. Die Produktion steht nicht im Verhältniß zur Consumtion, oder vielmehr zur schädlichen Wirkung derselben. In der Mark Brandenburg, wo, im 25 *

B> annttoflnirennerel.

388

Verhältniß zur Voltszahl, doppelt so viel Branntwein fabricirt wird, als im Großherzvgthum Posen, sieht man weit seltener die traurigen Folgen des Trunks, als hier. einfach, wie schon

Dieterici bemerkt hat,

daß,

Es ist

wenn

der

Landmann zum Frühstück, Mittag- und Abendbrod ein Glas Branntwein trinkt, dies ihm nicht schaden,

im nördlichen

Klima bei anstrengender Arbeit vielmehr zuträglich sein kann; wenn

aber

der

gemeine Mann

bei größerer

Armuth

die

Woche hindurch Wasser trinkt, und Sonntags sich dann ein Gutes thun will und im Branntwein übernimmt, so sieht man Trunkene.

Demnächst ist auch in Erwägung zu ziehen,

daß viel Spiritus zur Essigfabrikation und zu andern FabrikationS-, so wie zu haüslichen Zwecken verbraucht wird.

Das

Quantum, welches man in städtischen Haushaltungen zum Kochen und Erwärmen von Getränken verbrennt, ist gewiß nicht klein.

Ich verweise übrigens

auf das, was ich oben

(S. 335) bei dem Kartoffelbau über die großen Wohlthaten gesagt habe, welche der große, gewerbliche Betrieb der Bren­ nereien auf dem Lande,

durch Verbesserung des Ackerbaus

und der Viehzucht, erzeügt hat. Bierbrauerei. Dieses Gewerbe ist, in dem freien Verkehr seines Fabri­ kats, bei uns

in so weit beschränkt,

als in jedem Dorfe

Schankstätten, unter dem Namen Zwangkrüge oder Zwangschänkrn mit der Verpflichtung bestehen, ihr Getränk aus ge­ wissen Brauereien zu entnehmen, eine Beschränkung, die zur Folge gehabt hat, daß die Bierbrauerei hauptsächlich in den Städten geblieben ist, und sie auf den Landgütern nicht so betrieben werden kann, als erforderlich ist, um gutes Bier zu wohlfeilem Preise zu liefern; waS, wie schon Koppe sehr richtig bemerkt hat, nur dann möglich ist, wenn eine Braue«

Sietlrauwl.

389

rci nach großem Maaßstabe angelegt und betrieben wird, und dazu gehört ein gesicherter Absatz, an welchem es so lange gebrechen muß, als jener Zwang besteht. Die Zahl der im Preüssischen Staate vorhandenen Braue­ reien belaüft sich auf mehr als 16.000, wovon $ in den Städten, und j- auf dem Lande in Betrieb stehen. Der ab­ soluten Zahl nach hat die Rheinprovinz die meisten, und Westpreüssen die wenigsten Brauereien. Hinsicht» der Menge Biers, welches, im Verhältniß zur Bevölkerung, fabrizirt wird, folgen die Provinzen so aufeinander: Brandenburg, Sachsen, Ostpreüssen; in jedem dieser drei Landestheile kommen über 20 Quart Bier auf jeden Kopf; — Westpreüssen, Schlesien, die Rheinprovinz und Pommern; mit 11 bis 12 Quart, Po­ sen mit 9$, und Westfalen nur mit 5j Quart auf jeden Kopf der Bevölkerung. Im Durchschnitt des ganzen Staats werden pro Kopf 15£ Quart Bier gebraut; und das macht ein jährliche» Quantum von 244 Millionen Quart, so wie, das Quart zu 11 Sgr. gerechnet, einen Geldwerth von 12.200.000 Rthlr. Das Bierbrauerei - Gewerbe giebt mithin beinahe sechs Millionen weniger Ertrag, al» die Branntwein­ brennerei. *) Zuckersiederei. Die Fabrikation des Zuckers ist in einigen Gegenden der Monarchie sehr alt, in neüester Zeit aber so gehoben worden, daß sie mit an die Spitze aller Gewerbthätigkeit gestellt wer­ den muß. Innerhalb zwanzig Jahren, seit 1825, hat sie sich *)

Über die Essigfab rtkation weiß ich nur so viel zu sagen, daß ne. die früher nur geringe Quantitäten und Qualitäten lieferte, mit der fortschreitenden Technik der ueüern Zelt gleichen Schritt gehal­ ten hat, und gegenwärtig ein Fabrikat liefert, welche- durch Güte und Menge nicht allein den Verbrauch an Weinessig vermindert, son­ dern auch eine Au-fnhr zu Wege gebracht hat.

Zuckerfikdtlki.

390 mehr als verdreifach!.

Die Zahl der Zuckersiedereien, wie sie

im Jahre 1844 besteht, ist mir zwar nicht genau besannt aber ich schätze sie auf 240 und mehr, wovon die eine Hälfte auf Kolonial-, die andere Hälfte auf Runkelrüben-Zucker ar­ beitet.

Was di« Vertheilung dieser Fabriken in die Provin­

zen betrifft, so «giebt sich für die, welche auf Rohrzucker ar­ beiten,

nach

den

Quantitäten

des versteüerten Rohzuckers,

folgende Skale ihrer Thätigkeit: die Rheinprovinz 38, Bran­ denburg 25, Pommern 13, Ostpreüssen über 8, Schlesien über 6, Sachsen über 5 , Westfalen über 2 , und Westpreüssen etwa 1 Prozent des ganzen im Preüssischen Staate versiede­ ten Zuckerquantums.

Das Großherzogthum Posen nimmt an

dieser Geschäftssphäre keinen Theil.

Wird auf dieselbe Weise

das Quantum des Rübenzuckers — 100 gesetzt, so findet sich die größte Thätigkeit in der Provinz Sachsen, wo 65 Pro­ zent der Rübenquanlität des ganzen Staates verarbeitet werden; Schlesien nimmt an dieser Industrie mit 14 Prozent Theil; Brandenburg

mit b Prozent; Pommern und die Rheinprv-

vinz eine jede mit 3 Prozent; die übrigen 9 Prozent vertheilen sich auf Posen, Westfalen, West- und Ostpreüffcn, vornehm, lich aber, mit 4 Prozent, aus das Herzogthum Anhalt-Bernbürg, das gleich den übrigen Anhaltischen Ländern und cinigen andern fremdherrlichen, zum Zollverein gehörigen Gebie ten, hinsichts der Steüer-Berwaltung mit der Provinz Sachsen verbunden ist.

Das Quantum Zucker, welches in unseren

Siedereien fabriziret wird, betaust sich auf mehr, als li Mil­ lion Zoll-Centn«, und darunter besteht gewonnenen Rohstoff der Runkelrüben. Preüssischen Staats

*

aus dem selbst

Jeder Einwohner de»

verzehrt hiernach jährlich

ungefähr

7\

Pfund Zucker; zwanzig Jahre früher, 1825, erst 2z Pfund, (in England, Wales und Schottland schätzt man die Zucker-

Zxcktrfitder«.

391

Konsumtion zu 23 Pfund pro Kopf).

Sitzt man nun den

Verkaufspreis des Zucker» pro Pfund im Durchschnitt nur zu 5^ Sgr.,

so ergiebt sich der Geldwerth des aus unseren

Siedereien hervorgehenden Fabrikats

zu beinahe 28 Millio­

nen Thaler Brutto - Ertrag. Die Benutzung

der Kartoffelstärke zur Bereitung von

Syrup und Zucker ist in Schlesien und der Mark Branden­ burg auf einzelnen Gütern im Großen getrieben worden, hat aber wieder aufgegeben werden müssen, weil alle versuche, aus der Stärke eine Zuckermasse anzufertigen, welche den krystal­ linischen Zucker ersetzen könnte, bisher gescheitert sind. *) Was die Tabaks-Fabrikation betrifft, so ist dieselbe über den ganzen Staat verbreitet.

Sie

verarbeitet

sowol

das inländische Rohprodukt, als auch ausländisches, nament­ lich amerikanisches.

Jenes überwiegt aber dieses bei weitem.

*) An tue betrachteten drei großen Gewerbe der Branntweinbrennerei, Bierbrauerei und Zuckersiederei lassen sich die Chokolaten- und einige andere Fabrikationen

anknüpfen,

weil auch sie Gegenstände zum

Verzehr des Menschen liefern. Die Chokolaten-Fabrikation welche ganz besonder- in Pots­ dam, Halte und Berlin blüht, liefert jährlich über I Million Pfund Chokolate, die, das Pfund zu 15 Sgr. gerechnet, einen Geldwerth von 500.000 Rtblr. darbieten.

Sie ist daher für die (Konsumtion

aanz unerheblich, was erklärlich ist, wenn man erwägt, daß die auxakao zubereiteten Geuußmittel nur zu den Verzehrungsartikeln der wohlhabenden Stände gehören. Ctwas wichtiger, als dieser Industriezweig scheint die Cicho' i l cn - Fa b r i ka ti o n zu sein, weil sie ein beliebte- Surrogat für den Kaffee liefert. Westfalen und Posen.

Sie hat ihren Sitz in Sachsen, Brandenburg. Wie groß aber der Ertrag ihrer Thätigkeit

t'ei, weiß ich nicbt mit Gewißheit zu sagen, so viel aber ist mir be wußt, daß jährlich gegen 6000 Ctnr. Kasseesurrogate in- Ausland gehen, wobei die Cichorien, als wichtigstes Surrogat, am meisten beteiligt sind.

Rechne ich nun, daß dieses der zwanzigste Theil des

Tabaks-Fabrikation.

392

Den Ertrag unserer eignen Tabaks-Arnte habe ich oben (S. 336) auf 361.100 Gtnr. geschätzt; von fremden Tabaksblättern wer­ den jährlich etwa 150.000 Ctnr. mehr ein-, als ausgeführt; mithin verarbeiten unsere Fabriken überhaupt 511.100 Cmr., was, den Ctnr. im Durchschnitt zu 30 Rthlr. gerechnet, ei­ nen Geldwerth von 15.333.300 Rthlr abwirft. Rechnet man nun noch zu jenem selbst erzeugten und sabricirten Quantum diejenigen Tabaksfabrikate, welche vom Auslande eingeführt werden, und die, nach Abzug des Ausgangs, 13.600 Ctnr. an Gewicht betragen, so Staate jährlich

findet

sich,

daß im Preüssischen

524.700 Centner Tabak verbraucht werden,

d. h. mit andern Worten, jeder männliche Mensch bei uns, sei er jung oder alt, raucht und schnupft jährlich 6,sc Pfund Tabak,

und dieser — Genuß (?) kostet ihm durchschnittlich

beinahe^ Thlr. Das Schnupfen der Weiber bleibe außer Acht!

inländischen Verbrauchs fei, so eigiebt sich cm jährliches Quantum

von 16S.000 (ihn., und da bet Centner 6 Im* 7 Rthlr. kostet, ein Geldwert!) von mehr als 1 Million Thaler. Die 9lnfett c*5 CD

u> 3 ^

**^ CD ‘O

ja

4|

Q & (*) t$ (9 Q& Uber die Aircbcngescllschaften und

geistlichen

Gesellschaften, was die externa derselben an­ belangt, so wie auch die interna bei den cvan zwischen Glaubensgenossen. l>;ii b • 6. Der Provinz Sa chsen (mit Ausschluß der Altmark) ttt).......................................... 7. Der Provinz Westfalen (innerhalb der VerwaltungSgränze)............................... 8. D. Rhein provinren (Großherzogth. Niederrhcin, Herzogth.Kleve. Jülich, Berg ri.) Summa der Mitglieder der Prcvinzlalstände

.

. .

1 inj

I

%

IV. I *3" rO

47 24

28 16

22 8

97 48

35

23

12

70

25

16

8

49

6

36

28

14

84

6

30

24

13

73

11

20

20

20

71

4

25

25

25

79

|27|242| I60| 122|57l

•) Dieser Verband besteht aus Ostpreüffen, mit Einschluß des vcrmali­ gen Marienwerdcrschen Kreises, und Littauen, die außer kern Be­ sitzer der Grafschaft Dohna und einer den Besitzern größerer Fami­ lien-Fideikommisse gehörigen Kollektivstimme, an welcher der Graf Kayserliog, wegen der Grafschaft Rautenberg, Theil nimmt, zusammen 30 Abgeordnete zum II. Stande, 15 zum III. und 15 zum IV. Stande auf den Landtag schicken, und ans Westpreüffen, welches im II. Stande 15, im III. 13 und im IV. 7 Abgeordnete zahl». ••) Im Ilten Stande des GroßherzogthumS Posen (innerhalb seiner BerwaltnugSgräuzen) sitzt der Fürst von Thurn und Taris, wegen des FürstenthuniS Krotoschin; und der Fürst SulkowSki, wegen sei­ nes Familien - Majorats Reisen, ein jeder mit einer Stimme. *") Die Kurmark beschickt den Landtag mit 23 Mitgliedern des II. Standes (darunter das Domkapitel zu Brandenburg, die Grafen zu Solms-Baruth und Solms-Sonnenwalde, jeder mit 1 Virilstimme, so wie die Grafen Hardenberg-Reveutlow und Arnim-Boiyenburg mit alternirender-Kollektivstimme), mit 14 Mitgliedern des 111. und 8 Gliedern des IV. Standes. Die Neümart 6 Abgeordnete zum II. 4 zum III. 2 zum IV. Stande. Die Niederlausitz 5 zum I. 4 zum III. und 2 zum IV. Stande.

489

Ständische Ausschulst.

Ständische Ausschüsse. Zur zeitgemäßen Ausbildung der ständischen Verfassung schuf der Monarch nach eingeholtem Gutachten der Provinzialstände durch die Verordnung vom 21. Juni 1842, einen ständischen Ausschuß aus Mitgliedern des Provinzial-Land­ tages, um denselben in der Zwischenzeit von einem Landtage zum andern in geeigneten Fällen zu berufen und Sich in wichtigen Landes-Angelegenheiten seines Raths zu bedienen. Dir Wirksamkeit der Provinzialstände erleidet durch die­ ses neür ständische Organ keine Beeinträchtigung.

Der Aus­

schuß tritt mit seiner Thätigkeit vielmehr erst dann ein, wenn die Ansichten der Landtage verschiedener Provinzen über einen von ihnen berathenen Gesetz-Entwurf bedeutend von einander abweichen, oder, wenn in der weiteren Berathung der Gesetze, in den höheren Instanzen der Gesetzgebung neue Momente

t)

Altvorpcmmern schickt 4 Abgeordnete IV. Staude. Neüvolpcmmeru und

zum 11. 4 zum III. und 2 z»m Rügen schicken 5 Abgeordnete,

mit Einschluß des Fürsten zu PutbuS

zum II. 4 zum III. und 2 zum

IV. Staude; Hiuterpcmmeru sendet 16 Abgeordnete zum II. 8 zum III. uud 4 zum IV. Stande auf deu Landtag,

tt)

Don de« Mitgliedern des I. Standes ist oben (S. 482) die Rede gewesen. Zum II. Landstande das Herzogthum Gchlefie« uud die Grafschaft Glatz 30, zum III. Stande 24 uud zum IV. C lonbe 12

Abgeordnete.

Das Markgrasthum Ober-Lausitz 6 Abgeordnete zum

II. 4 zum III. uud 2 zum IV. Staude,

ttt) I«

Sachsen bestand die Zabl der Abgeordneten der Ritterschaft ur­ sprünglich auS 29. Durch die, für die Besitzer größerer FamllienFideikommiffe gestiftete JMlcftitstimmt ist sie aber auf 30 erhöht. Diese Stimme führt einstweilen der Graf y. d. Affeburg, wegen der Falkenstein - Melßdorfschen Güter allein. Die DersammlungScrte der Landtage sind: für Preussen: KöulgSberg abwechselnd mit Danzig; für Posen:

die Stadt Poseu; für

Brandenburg: Berlin; für Pommern. Stettin; für Schlesien: DreSla»; für Sachsen: Merseburg; für Westfalen: Münster; für die Rheiuprovioz: Düsseldorf, abwechselnd mit Koblenz von 184o an,

hervortreten, und das Staats-Oberhaupt es angemessen fin­ det, durch ständische Organe eine Ausgleichung der verschiede­ nen Ansichten

herbeizuführen.

Insbesondere aber soll der

Ausschuß dem Monarchen noch ein ständisches Organ darbie­ ten, mit dem Er auch bei Gegenständen, die bisher nicht an die Provinzialstände gelangten,

die anzunehmenden Haupt­

grundsätze einer Besprechung unterwerfen läßt.

Überdem hat

der Ausschuß die Bestimmung, auch bei den ersten Vordere!tungen zu allgemeinen

wichtigen Gesetzen seine

gutachtliche

Aüßerung abzugeben, sowol hinsichts der Nothwendigkeit die­ ser Gesetze im Allgemeinen, als hinsichts der Richtung, welche bei Abfassung derselben zu befolgen sein möchte, dabei hauptsächlich auf Kenntniß

insofern es

örtlicher Berhältniffe und

praktische Erfahrung ankommt. Die zu diesem Ausschüsse erforderliche Wahlen erfolgen auf versammeltem Provinzial-Landtage von >edem Stande in sich nach absoluter Stimmen-Mehrheit.

Für jtbtn Stand

werden so viel Stellvertreter, als er Ausschußmitglieder zu er­ nennen hat, gewählt.

Der Landtags-Marschall, dessen Amt

zu diesem Zweck bis zur Eröffnung des nächstfolgenden Provinzial-Landtages fortdauert, sitzender

des

Ausschusses.

ist jederzeit Mitglied und Vor­

Derselbe wird in die Zahl der

Ausschußglieder vom Stande der Fürsten und Standesherren und der Ritterschaft in der Art mit eingerechnet, daß während der Dauer seines Amtes von denselben ein Mitglied weniger zum Ausschüsse gewählt wird.

Für den Fall der Behinderung

des Landtags-Marschalls ernennt der König einen Stellver­ treter desselben aus den, den Ständen der Fürsten und Her­ ren und der Ritterschaft angehörigen Mitgliedern des Aus­ schusses ; und in seiner Eigenschaft als Ausschuß-Mitglied wird er durch Einberufung drsienigen Stellvertreters seines ©tan*

Stand,sche Au «schifft.

491

de-, an welchem die Reihe ist, ersetzt.

Alle Dahlen zum

ständischen Au-schuß bedürfen der Königlichen Bestätigung. Die Dauer der Wirksamkeit der Mitglieder eines ge­ wählten Ausschusses beschränkt sich auf die Zwischenzeit von einem Provinzial-Landtage zum andern.

Auch bleibt ein, in

den Ausschuß gewählter Abgeordneter dessen Mitglied bis zur Eröffnung des nächsten Landtags, selbst wenn die Wahlperiode, für welche er als Landtags-Abgeordneter gewählt ist, inzwi­ schen ablaufen sollte. Den Provinzialständen bleibt überlassen, die Wahrnehmung des außerhalb des Landtags vorkommenden Geschäfte ständischer Verwaltung, insofern sie nicht besondere Ausschüsse dazu bestimmen sollten, dem nach den vorstehenden Bestimmungen zu bildenden Ausschüsse, auch, nach dem Be­ dürfnisse, einem innerhalb desselben zu

bestellenden engern

Ausschüsse, oder auch nur einzelnen Mitgliedern zu übertra­ gen.

Im Fall die Stände von dieser Befugniß Gebrauch

machen, bedürfen ihre deSfallsigen Beschlüsse der Königlichen Bestätigung. Die Zusammensetzung der ständischen Ausschüsse, wie sie Zahl d. Mitglieder Stände-Verband

1.1

K. ! III. H.|

von Nr. 1. 2. 3. 4 5. 6 7. 8.

Preussen . . . Pose« .... Brandeubnrg . . Pommern . . . Schlesien . . . Sachsen . . . Westfalen . . . der Rheinprovinz überhaupt

6 6 6 6 6 6 4 4

4 4 4 4

4

4 4 4

IV.

B q a £ rn

2 2 2 2 2 2 4 4

12 12 12 12 {2 12 12 j2 12 12

. 44, 32 I 20 , W

provinzialständischen Verband

durch

die

Juni 1842 vorgeschrieben worden, ergiebt die nebenstehende Tabelle, aus der er-

hellet, daß eine jede

Provinz durch ein« gleich große Anzahl von Au-schuß-Mit» gliedern vertreten ist.

In Beziehung auf den ersten und

Slandische AuSichuffc.

492

zweiten Stand ist zu bemerken, daß in Schlesien die Fürsten und Standesherren

bei

der Wahl der Mitglieder mit der

Ritterschaft in der Art abwechseln sollen, daß auf dem einen Landtage von den Ersteren 2, und von der Letztem 4 Mitglie­ der; auf dem andern aber von den Fürsten und Standesherren 1 Mitglied, und von der Ritterschaft 5 Mitglieder zum Aus­ schüsse gewählt werden.

Die von den Fürsten und Standes­

herren vorzunehmenden Wahlen können nur aus ihrer Mitte getroffen werden, und die Gewählten mit Vorbehalt der Ver­ tretung, durch die auf dem Landtage gewählten Stellvertreter ihres Standes, Sachsen

wird 1

nur in Person im Ausschuss« fungiren. Mitglied

ans

In

dem Stande der Prälaten,

Grafen und Herren, und 5 Mitglieder aus dem Stande der Ritterschaft gewählt

Für die

Provinzen i» Westfalen und

am Rhein ist die Bestimmung getroffen worden, daß in einem jeden dieser beiden provinzialständischen Verbände aus der Zahl der darin angesessenen vormals

rcichsunmittelbaren Fürsten,

wenn es von ihnen gewünscht wird, 2 von und aus denselben zu wählende Mitglieder dem

Ausschuß

hinzugefügt

werden

können, die jedoch an den Verhandlungen des Ausschusses in Person Theil zu nehmen haben.

Diese Theilnahme findet

auch nur dann Statt, wenn der Ausschuß für sich allein zu­ sammen tritt, wohingegen, sobald die Ausschüsse mehrerer oder aller Provinzen

zu

einer

gemeinsamen

Berathung

berufen

werden, wegen der Konkurrenz der vormals reichsunmittelba­ ren Fürsten die erforderlichen Anordnungen vorbehalten geblie­ ben sind. einer

Treten die Ausschüsse sämmtlicher Provinzen zu

gemrinsamen Berathung zusammen,

so

ernennt das

Staatsoberhaupt den Vorsitzenden aus dem Kreise der acht Landtags-Marschalle,

und

die Staats-Minister

haben

bei

Ständische Kommunal Landtage.

493

Gtsetzes-Vorschlägen, ein jeder in feinem Departement, den Bortrag. Ständische Kommunal-8a nd tage. Behuf- Besprechung und Berathung über alle GemeindeAngelegenheiten der Provinz und znr Abnahme der Rechnun­ gen, welche über die Verwaltung der Provinzial-Fonds ge­ führt werden, wird alljährlich ein Kommunal-Landtag abge­ halten, zu dessen Reffort die Armen- und Irren-Anstalten, die Hospitäler und Feüer - Versicherungs - Societäten, die Wege­ bauten, u. f. w., gehören so weit die Kosten aller dieser, daö öffentliche Wohl betreffenden, Anstalten aus Provinzial-FondS gedeckt werden müssen. Die Organisation dieses ständischen Instituts ist nicht in allen Provinzen übereinstimmend, sondern richtet sich nach den verschiedenen Provinzial-Verhältnissen.

So giebt eS in der

Mark Brandenburg vier kommunalständische Verbände, und zwar für die Altmark, für die übrigen Theile der Kurmark, für die Neümark und für die Niederlausitz; in Pommern einen Verband für Hinter- und Altvorpommern, einen zweiten für Neuvorpommern und Rügen.

Und während in diesen Ver­

bänden der Kommunal-Landtag auS den jedesmaligen Pro­ vinzial-Landtags-Abgeordneten der betreffenden LandeStheite zusammengesetzt wird, erscheinen auf dem der Alkmark alle Besitzer von Gütern, welche in der Matrikel der Ritterschaft der altmärkischen Kreise verzeichnet find, entweder persönlich oder durch Vertretung, sodann sieben Abgeordnete von den wichtigsten sieben Städten,

ein Kollektiv - Abgeordneter von

allen übrigen Städten, und ein Abgeordneter vom Bauern­ stande für jeden landrät hlichen Kreis der Altmark.

Ferner

wird der neümärkische Kommunal-Landtag außer mit den Ab­ geordneten zum Provinzial-Landtage auch mit den für sie ge«

wählten Stellvertretern beschickt, weil die Zahl jener verhaltnißmäßig zu gering sein würde. Darin stimmt die Organisation aber überein; daß der Oberpräfident der Provinz, in welcher der betreffende Kom­ munal-Ständische Verband belegen ist, ein für alle Mal, als Königlicher Kommiffarius, die Mittelsperson bei allen Btt Handlungen der Staatsbehörden mit den versammelten Stän­ den bildet; daß die Vorsitzenden der Kommunal-Landtage und deren Stellvertreter von

sämmtlichen Mitgliedern der Ver­

sammlung aus den Abgeordneten der Ritterschaft gewählt und vom Könige bestätigt werden, und daß ihnen auf den Kom­ munal-Landtage» die nämliche Wirksamkeit mit gleichen Ver­ pflichtungen und gleichen Befugniffen zusteht,

welche dem

Landtags - Marschalle auf dem Provinzial-Landtage angewie­ sen ist. Den Zeitpunkt des Zusammentretens haben die Stände selbst zu bestimmen, und dem Königlichen Kommiffarius da­ von Anzeige zu machen.

Die Dauer der Kommunal - Land­

tage darf nicht über vier Wochen hinausgehen.

Die Mit­

glieder werden von dem Vorsitzenden dazu eingeladen.

Mit

dieser Einladung wird eine Bekanntmachung der für di« Ver­ handlungen bestimmten Gegenstände verbunden und dem Kö­ niglichen Kommiffarius mitgetheilt; zu welchem Behufe die verwaltenden Behörden der ständischen Institute, imgleichrn die Kreise und Kommunen ihre hierauf bezüglichen Anmel­ dungen und Anträge sechs Monate vor Zusammenkunft deS Landtages einzureichen haben.

Die Geschäftsführung findet

wie bei den Provinzialtagen Statt.

Gegenstände deS speziel­

len Interesses eines Standes können durch dessen Mitglieder ohne Zuziehung der übrigen Stände verhandelt werden. Dir Beschlüsse der Kommunal-Landtage sind für dir betreffenden

495

Kreis-Stände.

LandeStheile bindend, müssen aber dem Minister des Innern eingereicht werden, welcher da, wo es erforderlich ist, die Kö­ nigliche Bestätigung nachsuchen wird. Kreis-Stände. Die Kreis - Versammlungen haben den Zweck, die Ver­ waltung des von den Rittergutsbesitzern des Kreises,

au»

ihrer Mitte frei gewählten, und vom Staats-Oberhaupte be­ stätigten Landrathe, so weit sie sich auf Gemeinde-Angelegen­ heiten bezieht, zu begleiten und zu unterstützen.

Diese Ver­

waltung innerhalb der bestehenden Gesetzgebung

macht den

Gegenstand ihrer Berathung und Beschlüsse auS; die beste­ henden landräthlichen Kreise bilden die Bezirke der KreisStände,

die die Kreis-Korporation in allen, den ganzen

Kreis betreffenden Kommunal-Angelegrnheiten vertreten, ohne mit den

einzelnen Gemeinden und Individuen Rücksprache

zu nehmen.

Namens derselben haben sie verbindende Erklä­

rungen abzugeben.

Sie haben Staats-Prästationen, welche

KreiSweise aufzubringen sind, und deren Aufbringung nicht auf eine bestimmte Weise vorgeschrieben ist, zu repartiren; auch ist ihnen das Recht der Theilnahme an der Veranlegung der Klaffen- oder Personensteüer und der Prüfung der dage­ gen erhobenen Beschwerden,

die vermittelst einer aus drei

Abgeordneten (einem Abgeordnetem von jedem Stande, be­ stehenden kreisständischen Kommission ausgeübt werden) bei­ gelegt.

Bei allen Abgaben, Leistungen, Raturaldiensten zu

den Kreisbedürfniffen sollen die Stände zuvor mit ihrem Gut­ achten gehört werden.

Sodann müssen ihnen die darüber ge­

führte» Rechnungen zur Abnahme vorgelegt werden, wie ih­ nen denn auch das Recht der Ernennung der Beamten überall da gebührt, wo eine ständische Verwaltung der Kreis-Kom­ munal-Angelegenheiten Statt findet.

Petitionen, Eingaben

Kr»iS - Ttändr.

496

und Beschwerden liegen innerkalb der gesetzlichen Befugnisse der Kreisstände, sobald sie auf dem Kreistage selbst berathen, abgefaßt und von den anwesenden Mitgliedern vollzogen wor­ den sind.

Jedem einzelnen Kreisstande steht es zu, aus Zu­

sammenberufung des Kreistages anzutragen, wenn er es für nothwendig erachten, und der Landrath es nicht verfügen sollte. Beschwerden über den Landrath werden aus einer außeror­ dentlichen Kreis-Versammlung berathen, die, nach Anordnung der Regierung durch einen Kreis-Deputirten zusammenberufen, und unter dessen Vorsitz abgehalten wird. Die kreisständische Versammlung besteht aus allen Rit­ tergutsbesitzern des Kreises, die persönlich oder auch, in ein­ zelnen

Fallen, durch Vertretung erscheinen können, sodann

aus einer Anzahl städtischer Deputirten, wozu nur wirklich sungirende Magistrats-Personen gewählt werden können, und aus drei Deputirten des bäuerlichen Standes, wozu sich aber auch nur wirklich im Dienst stehende Schulzen oder Dorf­ richter eignen.

Die Gemeinschaft

mit einer der christlichen

Kirchen, die Vollendung des 24(itn Lebensjahrs und der un­ bescholtene Ruf sind die Bedingungen, an welche die Aus­ übung des Stimmrechts auf den Kreistagen, bei allen Stän­ den und gestatteten Vertretern geknüpft ist. städtischen

und

bäuerlichen

Abgeordneten

Die Wahl der erfolgt

aus

Le­

benszeit. Die Berufung zum Kreistage erfolgt durch den Land« rath,

oder in dessen Behinderungsfalle durch

den

ältesten

Kreis-Deputirten, der auch den Vorsitz führt und die Ge­ schäfte leitet.

Alljährlich wird wenigstens ein Kreistag ange.

setzt, im Fall des Bedürfnisses noch öfter; auch können Ge­ genstände, welche nur Eine Klaffe der Stände betreffen, aus besonderen Konventen dieser Stände verhandelt werden.

Sonst

aber verhandeln die Stande auf dem Kreistage gemeinschaft­ lich und fassen die Beschlüsse nach einfacher Stimmen-Mrhrheit. Der Landrath hat als solcher keine Stimme, wol aber wenn er zugleich Kreisstand ist. Bei Stimmengleichheit ent­ scheidet die Stimme des Vorsitzenden, und wenn derselbe nicht stimmenfähig ist, die Stimme des ältesten Krrisdeputirten. Die Kreistagsbeschlüsse werden der Regierung vorgelegt, inso­ fern deren Zustimmung zur Ausführung nothwendig ist. Diese Ausführung erfolgt entweder durch den Landrath, wenn die Regierung nicht eine andere Behörde mit der Ausführung ausdrücklich beauftragt, oder die Sache als ständische Kommunal-Angrlegrnheit nicht besonders gewählten Beamten über­ tragen ist. Stadt-Gemeinden. Di« Städteordnung von 1808 und die revidirte vom Jahre 1831 hat den städtischen Gemeinden eine Verfassung verliehen, welche, nach Theorie und PrariS, wie nach den Erfahrungen der Geschichte als diejenige anerkannt werden muß, vermöge deren, wenn sie richtig im Leben zur Anwen­ dung kommt, die Wohlfahrt der Gemeinde, wie die materielle Glückseligkeit ihrer Genossen unbedingt begründet. Die Städte der Preüssischen Monarchie, die unter der Herrschaft einer dieser Ordnungen, namentlich der vom Jahre 1808, leben, sind mit den Städten des mittelalterlichen Italiens, zur Zeit ihrer freiheitlichen Blühte zu vergleichen. In ihnen schaltet und waltet der Bürger, innerhalb der allgemeinen Gesetze, unbedingt; und der Staat übt über sie nur das Recht der Oberaufsicht aus, das der Gesetzgeber auf die Befugniß ein­ geschränkt hat, die öffentlich darzulegenden Rechnungen über die Verwaltung deS Gemeinvermögens einzusehen, über etwaige Beschwerden einzelner Bürger wegen der Verwaltung des Ge«tatisnf d. Preüss. Staat». 32

meinwesens zu tnlfdnibcn, und zu den Wable» der MagistratsMitglieder die Genehmigung zu ertheilen. Die Bürger wählen alle drei Jahre die Stadtverordne, ten und deren Stellvertreter.

Die Stadtverordneten ihrer

Seits wählen auf sechs, oder auch auf zwölf Jahre die Mit­ glieder des Magistrats, aber nur aus den Gliedern der Bür­ gerschaft, die das Vertrauen derselben besitzen;

sodann die

Bezirksvorsteher, die zur örtlichen Armenpflege bestimmten Drputirteu, überhaupt alle mit der Verwaltung des städti­ schen Gemeinwesens betrauten Personen.

Mit Ausnahme des

Bürgermeisters und einiger besoldeten Rathmänner, Raths­ herren oder Stadträthe, die sich in den großen Städten aber nicht über fünf belaufen, sind alle städtischen Ämter Ehren­ stellen, die ohne alle Entschädigung verwaltet werden.

Der

Magistrat ist der Vorstand der Stadtgemeinde; in seinen Händen ruht die Leitung der gesummten Verwaltung dersel­ ben, nicht minder auch die polizeiliche Gewalt überall da, wo nicht eine besondere Polizeibehörde von Staatswegen angestellt ist.

Alle Angelegenheiten, womit Administration verknüpft

ist, werden hingegen von Deputationen besorgt.

Die Stadt­

verordneten in der Gesammtheit kontroliren die ganze Ver­ waltung deS städtischen Gemeinwesens in allen Zweigen, und

eS steht ihnen, wie dem Magistrat, die Befugniß zu, auf Einführung neüer und Abänderung bestehender Einrichtungen im Gemeinwesen anzutragen. Von der richterlichen Gewalt und der GericbtsVerfassung. Die allgemeine und höchste Gerichtsbarkeit im Staate gebührt dem Oberhaupte desselben und ist, als ein Hoheits­ recht, unveraüßerlich.

So bestimmt es § 18 des 17. Titels,

Th. II. des A. L 9t., aus dem ich, in Bezug auf die rich-

lerlichr Gewalt, die folgenden Haupt-Anordnungen ent­ lehne. Die Gerichtsbarkeit spaltet sich in bürgerliche, peinliche und polizeiliche Gerichtsbarkeit. Die zuerst genannte hat die Untersuchung und Entscheidung der Streitigkeiten, welche über Rechte und Eigenthum entstehen, zum Gegenstände, und voll­ zieht, bestätigt und beglaubigt zugleich Handlungen, die nicht streitig sind. Zur Kriminal-Gerichtsbarkeit gehört dagegen die Untersuchung und Bestrafung der Berbrechen. Die nö­ thigen Anstalten zur Erhaltung der öffenttichrn Ruhe, Sicher­ heit und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publiko, oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizei, der eine Gerichtsbarkeit zur Untersuchung und Bestrafung von Uebertretungen der Polizeigesetze alsdann zusteht, wenn damit kein vorsätzliches oder schuldiges Verbrechen verbunden ist. Nähere Bestimmungen über die Gränzen zwischen der polizeilichen, peinlichen und bürgerlichen Gerichtsbarkeit sind in den Provinzialgesetzen und besonderen Polizei-Ordnungen ausgesprochen. Die Ausübung der Gerichtsbarkeit kann auch Anderen, sowol einzelnen Personen, als auch Familien, Korporationen und Gemeinen übertragen werden, auch kann dieselbe mit dem Besitz gewisser Grundstücke verbunden sein; niemals aber kann sich ein Privatberechtigter, bei Ausübung seiner Gerichts­ barkeit, der Oberaufsicht des Staates entziehen. Wo das Recht der Gerichtsbarkeit mit dem Besitz einer gewissen Art von Gütern überhaupt verbunden, oder gewissen Gütern be­ sonders beigelegt ist, heißt dasselbe die Patrimonial-Gerichtsbarkeit, die mit dem Eigenthum des Grundstücks, welchem sie beigelegt ist, auf jeden folgenden Besitzer übergeht. Das Gesetz enthält nähere Bestimmungen über den Fall, 32*

500

Richterliche ©malt und ©erichirversanunq.

wenn mehrere Besitzer eines Landguts an der PatrimonialGerichtsbarkeit Theil haben; sodann in wie weit sie sich auf die ganze Gemeine, auf den Gerichtsherrn selbst und aus dessen Familie erstreckt; ferner, wie sie auszuüben ist, entweder persönlich oder durch die Stellvertretung eines Gerichtöhalters; das Gesetz enthält aber auch Vorschriften für den Fall, wenn die Gerichtsbarkeit zum Druck der Gerichts-Eingesessenen miß­ braucht werden sollte, so wie über die Vertretungs-Verbindlich­ keit der Gerichtsherren;

und es bestimmt ausdrücklich, daß

jeder Unterrichter in Ansehung seiner Amtsgeschäfte unter der Direktion des Staats, und des von selbigem ihm vorgesetzten ObergerichtS steht. Wer das Recht der Gerichtsbarkeit ausübt, dem kommen die damit verbundenen Nutzungen an Gerichtssporteln, Verschreibungs- und Bestätigungs-Gebühren, Geldstrafen bis zu einer

bestimmten

Summe, Schutzgeldern und

Laudemien,

u. s. w. zu Gute, während ihm aber auch alle Kosten zur Last fallen, die mit der Ausübung dieses Rechts verknüpft sind. Die Patrimonial-Gerichtsbarkeit ist seit lange der Ge­ genstand lebhafter Cvntroversen.

Ohne mich aus Erörterung

der Frage einzulassen, ob die Beibehaltung des, aus fernen Zeiten uns überkommenen, Instituts der Privat-Gerichtsbar­ keit mit der vorgeschrittenen Bildung, mit den Rechten des Staats, mit dem Rechtsgrsühle und selbst mit den höheren Ansprüchen der Sittlichkeit, daher mit den Bedürfnissen deS Volkes vereinbar sei, will

ich nur in statistischer Beziehung

erwähnen, daß beinahe | aller Einwohner des Preüssischen Staats unter Privat-Gerichtsbarkeit steht.

Dieses Verhält­

niß sondert sich in den Provinzen folgender Maßen: Von der Gesammt-Einwohnerzahl, mit Ausschluß der zum Militairstande gehörigen Personen, stehen unter —

Königlicher

Privat-

Gerichtsbarkeit

Preüssen . . . Posen .... Brandenburg . .

84

16 Prozent

100 69

0

zz

31

zz

40 62 27

zz zz

Pommern. Schlesien .

. .

Sachsen

.

.

.

60 38 73

Westfalen.

.

.

95

5

zz

der Rheinprovinz

97

3

zz

ganzen Staate .

75

zz

25 Prozent

Die Gerichtsverfassung, wie sie jetzt besteht, weicht in den verschiedenen Provinzen des Staats sehr von einander ab.

Diese Verschiedenheit gründet sich hauptsächlich auf das

Bestehen des erimirten Gerichtsstandes und der PatrimonialGerichtsbarkeit, und auf die Anwendbarkeit der allgemeinen Preussischen Landesgesetze, die im Landrechtc ausgesprochen sind.

In den meistey Provinzen gilt das Landrecht als Ge­

setzbuch, und in ihnen ist der erimirte Gerichtsstand»), so wie die Privatgerichtsbarkeit in voller Wirksamkeit. Die Ge­ richts-Verfassung in diesen Provinzen ist mithin im Wesent­ lichen gleich, bildet daher die Regel und kann, nach Starkes

*) Erimirte find, der Regel nach, nicht dem Gerichte ihres Wohnortes, sondern nur deni höchsten Gerichte in der Provin; unterworfen.

Zu

den Erimirten gehören alle Personen des Adel- und diejenigen deBurgerstandes. welche Ämter und Würden bekleiden oder besondere Privilegien genießen, auch alle Lehrer auf gelehrten Schulen, Gym­ nasien und Universitäten. eigentliche

Bürger,

noch

Einwohner

der Städte,

Erimirte find,

heißen

welche

weder

Schntzverwandte.

Bürger und Schutzverwandte der Stadt werden nach den Statuten ihres Wohnortes-,

Erimirte

hingegen

nach

den Provinzialgefetzen,

und in deren Ermangelung, nach dem Landrechte beurtheilt.

Ausdruck,

als die allgemeine Preussische Gerichtsvelfassung

bezeichnet werden.

Diese Provinzen sind Preussen, Branden­

burg, Schlesien, Sachsen, Westfalen mit Einschluß der rhei­ nischen Kreise RecS und Duisburg, und Pommern mit AuSschluß

von Neu - Vorpommern oder des Negierungsbezirks

Stralsund.

Neben dem allgemeinen Landrechte haben aber

in einer icdcn dieser Provinzen besondere Provinzial- und sta­ tutarische Rechte Geltung und Kraft.

Ob es im Interesse

der höheren Staatskunst liege, diese Rechte allmalig zu bc scitigen, möge dahin gestellt bleiben! Eine besondere Gerichlsverfassung haben Posen, Ncü-Vorpommern und die Rheinprovinz. In Posen gelten zwar die allgemeinen preussischen Gesetze; allein bei der neuen Gerichts-Einrichtung im Jahre 18)

7

wurde weder der eximirte Gerichtsstand wiederhergestellt, noch diePatrimonial-Gerichtsbarkeit, die beide früher aufgehoben wor­ ben waren. In Neü-Aorpommern ist bei Übernahme dieses Lan. deStheils die vorgefundene Rechts- und Gerichtsverfassung mit wenigen Veränderungen beibehalten worden. Nach derselben be­ steht der erimirte Gerichtsstand und eine Gerichtsbarkeit der Städte über ihre Bewohner, zum Theil selbst über Erimirte und mit der Appellations-Instanz. Dagegen ist die Privat-Gerichtsbarkeit auf dem platten Lande schon früher aufgehoben worden. Im größten Theil der Rheinprovinz gilt das französische Recht. Die französische Justiz-Verfassung ist auf Mündlichkeit und Öffentlichkeit basirt, und hat das Eigenthümliche, daß sie kci. nen eremten Gerichtsstand und keine Patrimonial - Gerichts­ barkeit kennt, daß die Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbar­ keit, bis auf wenige Ausnahmen, den Notarien übertragen sind; daß die Gerichte, der Regel nach, aus die eigentliche

Rlchlerliche Ärwalt und Gerichlevcrfaffung.

Rechtssprechung beschrankt sind,

und

die

übrigen,

503 auf die

Rechtspflege Bezug habenden Geschäfte durch besondere Beamt« verrichtet werden.

Die beiden Kreise Rees

und Duisburg

des Düffeldorfer Regierungsbezirks nehmen, wie schon erwähnt, an dieser Justiz-Verfassung keinen Theil; eben so wenig dir vstrheinischen Kreise des Regierungs-Bezirks Koblenz.

In

diesen gilt noch jetzt das gemeine Deutsche Recht, und die vor­ gefundene Verfassung, nach welcher ein eremter Gerichtsstand, und

neben der

Gerichte bestehen,

Königlichen Gerichtsbarkeit

standcsherrliche

hat sich, mit einigen Modifikationen bis

ictzl erhalten. Die Gerichtsverfassung des Preussischen Staats steht nicht still, sondern schreitet, wie es die Entwickelung der Kultur erfordert, immer weiter vor.

Innerhalb der letzten dreißig

Jahre ist in dieser Beziehung sehr viel geschehen, namentlich durch die Verordnung vom 1. Juni 1833 über den Mandats-, den summarischen und den Bagatell-Prozeß, die auf die bür­ gerliche Gerichtsbarkeit vom wohlthätigsten Einfluß gewesen ist. Der Ruf nach Mündlichkeit und Öffentlichkeit der Rechts­ pflege läßt sich, in den Provinzen, wo die allgemeine Preüssische Justiz-Verfassung besteht, von allen Seiten sehr laut vernehmen.

Auf den Atrtrag der Provinzialstände wurde, zur

gütlichen Schlichtung von Recht-streitigkeiten,

das Institut

der Schicdsmänner zuerst in der Provinz Preüssen, und ftrjlerhin auch in Schlesien, Brandenburg, Pommern und Sachtcn eingeführt; allein es hat,

im Ganzen genommen, noch

nicht den Erfolg gehabt, den man sich davon versi-rochen, was theils in einzelnen Bestimmungen des Gesetzes, theil- in der Ausübung des Amtes seinen Grund haben mag.

68 ist,

nach meiner individuellen llberzeügung, ein Mangel de- Ge­ setzes, daß es in den Willen des Vorgeladenen gestellt, zu er.

scheinen oder nicht, wie denn auch die Anwendung der Stern* pelstrüer auf Vergleichs-Verträge für die größere Ausdehnung der schiedsmännischen Thätigkeit nachtheilig ist, wobei ferner auch die, in neuerer Zeit, selbst in den kleinsten Städten Statt gefundene, und fast überhand genommenen Ansiedlung von Rechtsanwälten, mitwirken mag. Andrer Seits mögen aber auch Mißgriffe in der Wahl der Schiedsmänner unter­ laufen, und darum können die Wähler nicht tief genug durch* drungen sein von der Wichtigkeit der Handlung, die der Ge­ setzgeber ihnen mit so großer Freisinnigkeit, mit so großem Vertrauen in die Hand gelegt hat. Von den Rechten des Fiskus. Die zur Deckung der Staats -Bedürsniffe, seien sic ge­ wöhnlicher oder außergewöhnlicher Art, bleibend oder vorüber­ gehend, erforderlichen Ausgaben fließen hauptsächlich aus drei Einnahme-Quellen: Aus dem Besteürungsrecht, aus dem be­ sondern Staalseigenthum und den nutzbaren Regalien und außerdem noch aus anderen Staatsabgadcn. Die Gesammt­ heit aller dieser Staatseinkünfte wird unter dem Namen des Fiskus begriffen. Die Art der Erhebung und Verwaltung der Staats-Einkünfte hangt lediglich vom Oberhaupte des Staats ab (A. L. R. 11 Th. Lit. XIV, §§ 1, 44). Dem Besteürungsrechte, als einem Hohritsrechte des Staats, sind alle diejenigen unterworfen, die für ihre Person, Vermögen oder Gewerbe den Schutz des Staats genießen. Geldabgaben können, nach ftaatsökonomischen Grundsätzen, nur vom teilten Ertrage des Volksvermögens erhoben werden, entweder unmittelbar oder mittelbar, durch die direkte Besteürung der Produktion und durch die indirekte Besteürung der Consumtion. Die direkten Steüern haben, vom finanziellen Stand-

Rechte de« Fi«ku«.

505

punkte, den Vorzug vor den indirekten, weil sie eine gesicher­ tere Quelle des Staats-Einkommens bilden, weit sie leichter und mit geringerem Kostenaufwande erhoben werden können, und ihre Einziehung mit weniger oder gar keinen Unterschleifen verknüpft ist.

Dagegen bietet sie dem Steüerpflichtigrn

selbst, dadurch daß die Steüer in runder Summe, wenn auch auf verschiedene muß,

Zeitabschnitte vertheilt, eingezogen werben

eine gewisse Belästigung dar,

die bei der indirekten

Bestrürung gar nicht, oder doch nur in unmerklichem Grade empfunden wird, weil die Abgabe, welche auf den Genuß ruht, nur mit der Befriedigung desselben, also sehr allmalig, und oft in den kleinsten Zahlensätzen zu leisten ist, die, dem Wesen nach, gar nicht bemerkt werden. Die direkte Steüer kann, wie gesagt, nur den reinen, niemals den Brutto-Ertrag des Volksvermögens, dieses selbst treffen.

oder gar

Das Volksvermögen besteht aber aus

dem Grundeigenthum, das seinem Besitzer eine Bodenrente gewährt;

sodann aus dem Kapitale, wenn es Zinsen und

Gewinn abwirft, und aus der Arbeit, sobald diese um Lohn oder Entschädigung verrichtet wird.

Hieraus folgt, daß es

drei Hauptgattungrn direkter Abgaben im Staate giebt: näm­ lich die Grundsteüer; dir Kapitalssteüer, die, weil die Steüerpflichtigen ihrem Vermögen

nach

klassificirt sind,

bei uns

Klassensteüer heißt, und die Gewerbesteüer, die auf dem rei­ nen Ertrage der Arbeitsrente ruhet. Die

indirekte Steüer

trifft den Verbrauch und kann,

wenn sie nach den Gesetzen der Gerechtigkeit und Staatsklug­ heit veranlagt worden, ein gewisses Verhältniß in der Besteürung des reinen Ertrags vermitteln, um so mehr, als es in das eigene Belieben des Steüerpflichtigrn gestellt ist, in welchem Maße er zur allgemeinen Steüerlast beitragen kann

fterfne rv5 iti*fn?\

506

und will, so namlid), daß er seinen verbrauch aus em höheres ober geringeres Maaß ausdehnt. Die nothwendigsten Lebensbedürfnisse, Fleisch,

wie Brod und

sollten niemals besteuert werden, weil diese Abgabe

den Armen, wie den Wohlhabenden in gleicher Größe trifft, ohne Rücksicht zu nehmen aus den reinen Ertrag seiner Rente. Denn der Arme muß, namentlich eben so viel Brod essen, als der Reiche, und er verbraucht wol noch mehr, weil ihm der Genuß anderer Lebensmittel, tne sich der Reicl e beschaffen kann, versagt bleibt.

Ist aber diese Steuer zur Aufrechthal-

lung des Staatshaushaltes durchaus unentbehrlich, so nor­ mt re man sie nach so geringen Sahen, als möglich, damit auch der Arme sic zu übersehen im Stande sei.

Dahingegen

können erkünstelte und Lurus-Bedürsmsse verhaltnifimaßig hoch in Anspruch genommen werden, weil die auf sie gelegte Steuer theils freiwillig ist, theils den Relchthilm zunächst imb die Wohlhabenheit trifft. Unter den indirekten Sterinn spielt der Zoll *), ober bic auf den Handelsverkehr mit dem Auslande gelegte Abgabe eine wichtige Rolle, ganz

besonders die auf den Verbrauch

fremder Waaren lastende Eingangs-Abgabe, nicht bloß im Interesse des Fiskus, sondern auch, und zwar vornehmlich im Interesse der Eonsumenten und der Entwicklung der vater­ ländischen Industrie.

Darum hat die Zollgesetzgebung und

die Entwersung eines Zolltarifs mit eigenthümlichen und gro­ ßen Schwierigkeiten zu kämpfen, jenen Rücksichten des In.

*) Uriy ui üblich ist der Zell ein Neqat tet v£(aat6, u nd fleht als sol­ ches noch int 91. N. unter turn iitfl vvn rat Rechten ru> Stat­ ut Ansehung der Bandstraßen, 2tivnu\ .päfen und x.flicciv:u!\i Die nenne Flnanvviycnschaft tut ihn erst in das C^ebict de6 Vestcnrun rechts herübergezogen.

r.

Rechte M Fiskue.

-507

landeS, wie denen des Auslandes, den fremden Staaten ge­ genüber, mit denen ein internationaler Handelsverkehr unter­ halten wird.

Auf dem Zollgesetz und der Gerechtigkeit der

Grundsätze, dir ihm zur Stütze dienen, beruhet in der That der Handelsverkehr mit dem Auslande, und daher auch mit­ telbar die Entwicklung der vaterländischen Industrie nach allen ihren physischen und technischen Richtungen;

je mäßiger die

Zollsätze sind, mit denen die Waaren belegt werden, und je einfacher die Erhebungsweise der Abgabe ist, um so weniger greift sie störend in die Thätigkeit des Volks und namentlich in seinen Handelsverkehr ein, der seinen Kulminationspunkt erreichen würde, wenn er von Lasten befreit bleiben könnte. Für jetzt aber ist der Zoll eine Nothwendigkeit, und wird es wol-------- bleiben!

Ja, er hat eine so große Wichtigkeit er­

langt, daß nach ihm gewisser Maßen die politische Stellung der Staaten bemessen wird, und er für das Deütsche Volk ein Mittel geworden

ist zu seiner

größer» Einheit,

seiner

größer» Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Unter den indirekten Sleüern

des Preüssischen Staats

giebt es auch eine Abgabe vom inländischen Weinbau und vom inländischen Tabaksbau.

So klein auch der Steüerbe-

trag aus diese beiden Kulturarten ist, so belästigend ist für den Producenten die Einziehung dieser Abgabe, die eigentlich in die Kategorie der direkten Stcüern gehört;

darum sollte

sie lieber beseitigt werden, waj um so zulässiger zu sein scheint, als ihr Ertrag in dem Staatshaushaltungs-Etat nur mit einer geringen Summe auftritt, deren Ausfall

bei dem stei­

genden Ertrage aller übrigen Consumtions-Steürrn kaum be­ merkt werden kann. Einzelne Grundstücke, Gefälle und Rechte, deren beson­ deres Eigenthum dem Staate, und die ausschließliche Be-

Nutzung dem Oberhaupte desselben zukommt, werden Domai­ nen- oder Kammergütrr genannt, worunter auch alle diejeni­ gen Güter begriffen sind, deren Einkünfte zum Unterhalt der Familie des Landesherrn gewidmet worden.

Bei dieser Be­

stimmung des A. L. R. LH. II, Tit. XIV, § 11 und 12, ist zu bemerken, daß die Domainen zum großen Theil ein Eigenthum der Herrscher-Familie sind; denn die Dynastie der Hvhenzollern huste dieselben, als sie vom Kaiser und Reich mit der Mark belehnt wurde, den vorigen Markgrafen ab, und bezahlte sie aus ihrem Privatvermögen mit 400.000 Gold­ gülden , und vermehrte sie im Laus der Zeit theils durch fer­ neren Ankauf, theils durch Erbschaft. hat Friedrich Wilhelm III, --

Aus diesen Gründen

als Er, in den Tagen des

Drangsal und der Finanznoth Seines Landes, durch das Edikt vom 17. Dezember 1808, die Domaincn und Forsten im All­ gemeinen als Staatsgut hingab, und, den bisher bestandenen gesetzlichen Bestimmungen des A. L. R. entgegen, ihre Veraüßcrlichkeit aussprach, — euren Theil derselben auch ferner ausdrücklich für Familiengut Seines Geschlechts erklärt, und dieser Theil der Domainen bildet das sogenannte Kron-FideiKommiß, aus dessen Ertrage der Landesherr Seine persönlichen und die Bedürfnisse Seiner Familie und Seines Hof­ staats bestreitet. Die Lehrer der Volks- und Staatswirthschaft sind dar­ über uneins, ob es vortheilhafter sei, die Domainen - Güter für Rechnung des Staats verwalten zu lassen, oder sic zu veraüßern und der Privat-Bcwirthschaftung zu übergeben. Das A. L. R. bestimmt a. a O. H 16, daß Domainengüter nur in so weit an einen Privatbesitzer gültig gelangen kön­ nen, als der Staat auf andere Art schadlos gehalten worden; insonderheit können sie gegen

andere Güter vertauscht,

in

Rechte de» Fi-k«-.

509

Erbpacht ausgethan, oder gegen fortwährende Zinsen den Un­ terthanen zum erblichen Besitz vertheilt werden.

Das Edikt

von 1808 sprach aber die Veraüßerlichkeit der Staatsgüter, die Ablösung von Domanial-Renten, Erbpachtsgeldern und anderen Grundabgaben, Zinsen und Zehnten aus; während durch das Gesetz vom 17. Januar 1820 der Erlös aus diesem Verkaufe, in Gemeinschaft mit den sämmtlichen Domainenund Forst-Revenüen, ausschließlich des Kron-Fidei-KommißErtrages, zur regelmäßigen Verzinsung

und Tilgung

der

Staatsschulden bestimmt wurde. Hiervon nicht ausgeschlossen sind

di« Domainen

in

all' den Provinzen und Gebieten,

welche durch die Pariser Friedensschlüsse von 1814 und 1815 wieder erworben, oder mit der Preüssischen Monarchie neü vereinigt worden sind.

Auf sie findet die angeführte Bestim­

mung des A. 8. R. über die rechtliche Natur der Domainen zwar Anwendung; allein die Verordnung vom 9. März 1819 sagt ausdrücklich, daß der Landesherr, in der Überzeügung, ein wesentlicher Theil der Nationalkraft

beruhe auf einem

mit Eigenthum versehenen Bauernstande, die Festsetzung sich vorbehalte, ob, bei Verleihung des Eigenthums an die Domainenbauern, außer dem dadurch vermehrten National-Wohlstande, noch eine anderweitc Schadloshaltung an die Staats­ kassen von ihnen zu leisten sei; — so wie, daß mit dem Verkauf der Domainen in

den

gedachten Provinzen,

mit

staatswirthschaftlicher Rücksicht auf bleibende Vortheile für den Staat, verfahren werden könne, nur daß die davon aufkom­ menden

Gelder

ausschließlich

zur

Bezahlung

allgemeiner

Staatsschulden zu verwenden sind. Dem Fiskus nicht angehörig ist Alles das, waS Perso­ nen aus der Familie des Landesherrn durch eigene Ersparniß, oder aus andere Art gültig erworben haben.

Es ist ihr Pri-

vateigenlhum, so weit darüber durch Fainilien - Verträge und Hausverfassungen nicht ein Anderes bestimmt ist.

Eben das

gilt von Gütern und Sachen, welche der Landesherr selbst aus eigenen Ersparnissen. oder durch irgend eine andere, auch bei Privatpersonen Statt findende Erwerbungsart an sich ge­ bracht hat.

Hat jedoch derjenige Landesherr, welcher ein sol­

cher erster Erwerber war, über unbewegliche von ihm, auf dergleichen Art erworbene Sachen, weder unter Lebenden, noch von Todes wegen verfügt, so sind dieselben als einverleibt in die Domaincn des Staats anzusehen. Die Land - und Heerstraßen, die von Natur schiffbaren Ströme, das User des Meeres und die Hafen sind ein ge­ meinsames Eigenthum des Staats.

Eben dahin wird auch

das auslchließliche Recht, qewiffe Arten von herrenlosen Sachen und Grundstücken, erblose Berlassenschasten in Besitz zu neh­ men, gesetzlich gerechnet.

Ein Gleiches gilt, nach gemeinem

Recht, von der Bcsugniß, verwirkte Güter einzuziehen, große Geldstrafen auszulegen und Abzugsgelder von Auswandernden zu fordern. Die Nutzungsrechte vorstehender Arten des Staatseigentkums werden niedere Regalien genannt, und dies ge­ meine Staatseigenthum selbst ist den Domainen völlig gleich zu achten, doch kann das Nutzungsrecht vom Oberhaupte des Staats an Privatpersonen und Kommunen verliehen werden. Zu den wichtigsten Regalien gehört das Post- und das Bergwerks-Regal. Dem Staate ist, im A. L. R. II Th., Tit. XV, die ausschließliche Bcsugniß vorbebalten, Posten und Marktschiffe anzulegen, und den Lauf derselben zu ordnen; und in Folge dessen, damit der Staat diese Anstalten zum gemeinen Besten unterhalten könne, und wegen ihrer Benutzung gesichert sei, es Jedermann verboten, etwas zu unternehmen, was unmittelbar

Rechte bei ^iefue.

511

zur Schmälerung der Posteinkünste gereichen fonn.

Hieraus

ist in dem Gesetz über die Eisenbahn-Unternehmungen vom 3. November 1838 in der Art Rücksicht genommen, daß den Eisenbahn-Gesellschaften, außer mehreren anderen Belästigun­ gen, die Verpflichtung auferlegt ist, alle Briefe, Gelder und andere, dem Postzwange unterworfene Güter, nicht minder auch die Postwagen, welche nöthig sind, um die der Post an­ vertrauten Güter aufzunehmen, ohne alles Entgeld zu be­ fördern. Nicht allein bei uns, auch in allen andern Ländern, ist die Post von Alters her ein Regal gewesen, und als eine, mehr oder minder ergiebige, Finanzquelle für das StaatSEinkommen

betrachtet worden.

Diese Ansicht

konnte wol

früher Platz greifen, als das Wesen der Volks- und Staatswirthschast noch nicht so erkannt wurde, als es jetzt geschieht. Daß man aber bei ihr verharret, läßt sich vom staatsökono­ mischen Standpunkte kaum rechtfertigen; denn die Post ist, von hieraus angesehen, weiter nichts, als eine unter der Lei­ tung des Staats stehende, und von ihm garantirte Anstalt zur Förderung und Belebung des Verkehrs, und kann, zur Erreichung ihrer Zwecke weiter nichts in Anspruch nehmen, als Erstattung ihrer Auslagen, und höchstens eine mäßige Verzinsung ihres Betriebskapitals.

Daß diese Anschauungs­

weise von der Bestimmung der Postanstalt immer mehr Raum gewinnt, sieht man an den Modifikationen, welche sie in vie­ len Ländern erfahren, insbesondere aus der Ermäßigung des Briefportos, die auch bei uns feit dem Oktober 1844 einge­ treten ist; — eine große Wohlthat für Handel und Wandel wie für den brieflichen Verkehr der Familien rc., denn daS Briefporto stützte sich auf einen Tarif, dessen Sätze fast un­ erschwinglich waren.

DaS Bergwctksregal umfafit alle Fossilien, woraus Me­ talle und Halbmetalle gewonnen werden können, desgleichen alle Edelsteine

und andere gewisse Steinarten, ferner

alle

Salze mit den Salzquellen, vorzüglich Steinsalz, Salpeter, Vitriol und Alaun, so wie auch Inflammabilien, als Schwe­ fel, Reißblei, Erdpech, Stein- und Braunkohlen.

Wer auf

Fossilien des Regals bauen und ein Hüttenwerk anlegen will, muß damit belieben werden, und dem Staate gebühret von dem Ertrage der Zehent, von den Gruben das Quatemberund Rezeßgeld, wie ihm denn auch, wegen deS ihm kompetirenden Münzregals

der Vorkaus

Bergwerks-Eigenthümeen

des,

von

den

gewonnenen GoldeS

beliehenen

und Silbers

zusteht. Der Staat ist in sehr vielen Fällen selbst Berg- und Hüttenmann.

Wie er in Beziehung auf die Domaincn als

Grundbesitzer, als Land- und Forstwirth auftritt, so stellt er sich in Absicht auf die unmittelbare Nutzung des Bergwerks­ regals in die Reihe der Gewerbtreibenden.

Überließe er den

Betrieb seiner Berg- und Hüttenwerke und seiner Salinen der freien Konkurrenz und der Privat-Jndustrie, — wer weiß, ob er, durch Besteürung einer, in Aussicht stehenden größeren Betriebsamkeit nicht eine weit höhere Nutzung daraus ziehen würde, als es gegenwärtig bei der eigenen Verwaltung der Fall ist. Verhältniß der Kirche zum Staat. An einer anderen Stelle habe ich mein Glaubensbekennt­ niß über das

gegenseitige Verhältniß

zwischen Staat und

Kirche abgelegt (S. 8), auch hin und wieder Bemerkungen über die Thätigkeit der Kirchen-Diener zur Erweckung und Ausrechthaltung der sittlichen Kultur im Volksleben eingestreüt; hier kommt es darauf an, den rechtlichen Standpunkt ins

Verbältuiß bcr Kirche zum Staat.

613

Auge zu fassen, auf dem beide Anstalten der göttlichen Willens-Aüßerung, Kirche und Staat, innerhalb des Kreises un­ serer politischen Verfassung zu einander stehen.

Unser Gesetz­

buch, das A. L. R., setzt folgendes fest: — Allgemeine Grundsätze. Die Begriffe der Einwohner des Staats von Gott und göttlichen Dingen, können

der Glaube und der innere Gottesdienst

kein Gegenstand von Zwangsgesetzen

sein.

Jedem

Einwohner im Staate muß eine vollkommene Glaubens- und Gewissensfreiheit gestattet werden; und es ist Niemand schuldig, über seine Privatmeinungen vom Staate anzunehmen;

in Religionssachen Vorschriften auch soll Niemand wegen

seiner

Religionsmeinungen beunruhigt, zur Rechenschaft gezogen, ver­ spottet, oder gar verfolgt werden.

Auch kann der Staat von

einem einzelnen Unterthan die Angabe: zu welcher Religions­ partei sich derselbe bekenne,

nur alsdann fordern, wenn die

Kraft und Gültigkeit gewisser bürgerlichen Handlungen davon abhangt. Jedem Hausvater steht es frei, seinen haüslichen Got­ tesdienst nach Gutdünken anzuordnen; indessen kann er Mit­ glieder einer andern Religionspartei zu

deren Beiwohnung

wider ihren Willen nicht anhalten. Heimliche Zusammenkünste aber, welche

der Ordnung

und Sicherheit des Staats gefährlich werden könnten, sollen, auch unter dem Vorwände des haüslichen Gottesdienstes, nicht geduldet werden;

wol aber steht

es mehreren Einwohnern

des Staats, unter dessen Genehmigung, frei, zu Religions­ übungen sich zu verbinden. Religionsgesellschaften,

welche sich zur öffentlichen Feier

des Gottesdienstes verbunden haben, werden Kirchengesellschaf­ ten genannt; dagegen führen diejenigen, die zu gewissen an. Statiftif d. Preün. Staat».

33

514

Ärztin. Grunds, für d. Verhaltn, d. Kirche zum Staate.

der«», besonderen Religionsübungen vereinigt sind, den Namen der geistlichen Gesellschaften,

worunter die vom Staate auf­

genommenen Stifter, Klöster und Orden verstanden werden. Jede Kirchcngesellsckast ist verpflichtet, ihren Mitgliedern Ebnurcht gegen die Gottheit,

Gehorsam gegen

die

Gesetze,

Treue gegen den Staat, und sittlich gute Gesinnungen gegen ihre Mitbürger einzuflößen. Religionsgrundsähe, welche diesem zuwider sind, sollen im Staate nicht gelehrt, und weder münd­ lich noch in Volksschristen verbreitet werden; und der Staat hat

sich

ausdrücklich

das

Recht

vorbehalten,

dergleichen

Grundsätze zu prüfen, zu verwerfen und ihre Ausbreitung zu untersagen. Die neuere Gesetzgebung (Censur-Instruktion vom 31. Januar 1843) verbietet im Besondern den Druck aller der­ jenigen Schriften, welche mit den Haupt-Grundsätzen der Re­ ligion im Allgemeinen und des christlichen Glaubens insbeson­ dere im Widerspruch stehen, also: entweder den Grund aller Religion überbaupt angreifen, oder die wichtigsten Wahrhei­ ten

derselben

verdächtig,

verächtlich

oder lächerlich

machen

wollen; oder die christliche Religion, die biblischen Schriften und die darin vorgetragenen Geschichts- und positiven Glau­ bens-Wahrheiten für das Volk zum Gegenstände deß Zweifels oder gar des Spottes zu machen suchen; ober, selbst wenn sie für einen engeren Kreis von Lesern oder nur für Gelehrte be­ stimmt sind,

unanständige,

lieblose,

zur Vertheidigung der

eigenen oder ruhigen Widerlegung entgegengesetzter Meinungen nicht unmittelbar gehörende Angriffe auf andere Glaubens­ parteien enthalten; oder endlich Religionswahrhciten auf fa­ natische Weise in die Politik hinüberziehen und dadurch Ver­ wirrung der Begriffe verbreiten. Durch diese Gesetze hat der Staat die höchste Toleranz

Oberaufsicht--Recht über die Kirchen-Gesellschaften.

in geistlichen Dingen ausgesprochen,

515

zugleich aber auch den

Gläubigen den nothwendigen Schutz bei der Ausrechthaltung der Grundwahrheiten der geoffenbarten Religion unseres Herrn und Heilands gewährt. Oberaufsichts-Recht über die KircbenGesellschaften.

(Jus circa sacra).

In Folge des obersten Polizeirechtes, welches der, in sei­ nem Oberhaupte verkörperte Staat zur Erhaltung der inner» Sicherheit ausübt, ist die Privat- sowol als öffentliche Reli­ gionsübung einer jeden Kirchengesellschaft, möge sie dem evan­ gelischen oder dem katholischen Glaubensbekenntniß angehören, der Oberaufsicht des Staats unterworfen,

der dadurch das

jus cpiscopale ausübt.

von demjenigen,

Er ist berechtigt,

was in den Versammlungen der Kirchengesellschaft gelehrt und verhandelt wird,

Kenntniß einzuziehen,

öffentlicher Bet-, Danktage allein zu treffen.

und die Anordnung

und anderer außerordentlichen Fest­

Wegen der aüßern Form und Feier

des Gottesdienstes kann zwar jede Kirchengesellschast dienliche Ordnungen einführen, diese müssen aber zuvor dem Staate zur Prüfung vorgelegt werden.

Nach erfolgter Genehmigung

haben sie mit andem Polizeigesetzen gleiche Kraft und Berbindlichkeit.

Jedes Mitglied der Gesellschaft ist schuldig, sich

der darin ausgestellten Kirchenzucht zu unterwerfen,

die blos

Abstellung öffentlichen Ärgernisses bezwecken kann, und niemals in Strafen an Leib, Ehre oder Vermögen der Mitglieder aus­ arten darf. Die dem Staate über die Kirchengcsellsckasren zustehen­ den Rechte werden von

dem geistlichen Departement,

dem

Ministerio des Cultus, in so fern verwaltet, als sie nicht dem Staatsoberhaupte ausdrücklich vorbehalten sind.

Außerdem

aber stehen die Gesellschaften einer jeden vom Staate aufge-

51b

Lbtiausjicht»-Recht üb« bis Kirchen Gesellschaft»».

nomnunen Religionspartei unter der Direktion ihrer geistlichen Obern. Bei bett katholischen Glaubensgenossen

ist

der Biscbos

der gemeinschaftliche Vorgesetzte aller Kirchengesellschaften des ihm angewiesenen Distrikts, und keine Kirchengesellschaft kann von dieser Unterordnung gegen den Bischof der Diözese ohne ausdrückliche Genehmigung des Staats ausgenommen werden Dagegen darf auch kein Bischof in Religions- und KirchenAngelegenheiten, ohne Erlaubniß des Staats,

neue Verord­

nungen machen, oder dergleichen von fremden geistlichen Obe­ ren annehmen.

Ferner müssen alle päpstliche Bullen, Breven

und alle Verordnungen auswärtiger Oberen der katholischen Geistlichkeit, vor ihrer Bekanntmachung und Vollstreckung, dem Staate zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt werden. Kein auswärtiger Bischof, oder anderer geistlicher Oberer, darf sich in Kirchensachen eine gesetzgebende Macht anmaßen.

Auch

darf er irgend eine andere Gewalt, Direktion oder Gerichts­ barkeit in

solchen Sachen,

ohne

ausdrückliche Einwilligung

des Staates, nicht ausüben. Bei

den

evangelischen

Glaubensgenossen

kommen

die

Rechte und Pflichten des Bischofs in Kirchensachen, der Re­ gel nach, den Eonsistorien zu.

Der Umfang ihrer Geschäfte

ist durch die Konsistorial- und Kirchenordnungen im Ganzen, oder auch nach den verschiedenen Provinzialverfaffungen näher bestimmt.

Sämmtliche Konsistorien stehen unter der Oberlei­

tung deS dazu verordneten Ministeriums der geistlichen An­ gelegenheiten.

Ohne dessen Norwissen und Genehmigung kann

in Kirchensachen keine Veränderung vorgenommen, noch we­ niger können neue Kirchenordnungen eingeführt werden. Zu

Synoden

innerhalb Landes

darf die Geistlichkeit,

ohne Vorwissen und Mitwirkung des Staats, nicht berufen;

Zustand der evangelischen Kirche.

517

vielweniger können die Beschlüsse solcher Kirchenversammlungen ohne Genehmigung des Staats in Ausübung gebracht werden. Auch ist es den inländischen Geistlichen untersagt, den Einladungen zu auswärtigen Synoden, ohne Erlaubniß des Staats, Folge zu leisten. Bemerkungen über den Zustand der evangelischen Kirche. „Die römisch-katholisch« Kirche bildet eine feste, ge­ schlossene Körperschaft. Ihre Lehrsätze sind keiner Frage un­ terworfen ; sie glaubt, daß diese unter dem unmittelbaren Ein­ fluß des heiligen Geistes stehen, und gleichsam von diesem selbst eine Weihe der Unfehlbarkeit erhalten haben; sie nimmt an, daß durch ihn die Mittheilungen der Evangelisten und Apostel noch vervollständigt worden sind. Sie vereinigt in sich die höchste Consequenz und bildet dadurch einen Felsen, gegen welchen alle aüßere Angriffe nichts vermögen. Die einzige Gefahr, die ihr droht, kommt von Innen; dies weiß sic, und daher kennt sie keinen größer» Feind, als den Geist der Prüfung." So karakterisirt Bulow-Cummerow die rö­ misch-katholische Kirche, indem er sie eine mehr aüßerliche nennt, den Protestantismus hingegen als eine mehr innerliche Kirche bezeichnet. Ja, wol ist die evangelische Kirche eine innerliche, aber auch eine innerlich zeriffene, getheilte und gleichsam in so ote( Separatkirchen gespaltene, als eS — — Individuen der evangelischen Glaubensgenossenschaft giebt! Damit freilich ist der Zustand dieser Genossenschaft auf die Spitze gestellt, aber jeder evangelische Christ, der über das Höchste, was den Men­ schen glücklich und glückselig machen kann, nachdenkt, fühlt diesen Zustand der Dinge, wenn er ihm auch nicht zum kla­ ren Bewußtsein aufgegangen ist. Aber in Vieler Gemüth

Zirsianr w ksangelgchen sten bis

zum

zurückgelegten 32sten

Die Übungen der Landwehr sind zwiefach: zu

gewissen Tagen in kleinen Abtheilungen in der Heimath, und einmal des Jahres, in größeren Abtheilungen in Berbindung mit Theilen des stehenden Heeres, welche zu diesem Zweck auf den Sammelplatz der Landwehr rücken.

Außerdem ver­

sammelt sich die Landwehr einer ganzen Heer-Abtheilung in mehrjährigen Zwischenräumen ein Mal, um

in Gemeinschaft

mit der betreffenden Abtheilung des stehenden Heeres während vier oder sechs Wochen umfangreiche Übungen zu machen. Die Landwehr des zweiten Aufgebots ist im Kriege ent­ weder bestimmt die Garnisonen zu verstärken, oder sie wird, nach dem augenblicklichen Bedürfniß auch im Ganzen zu Be­ satzungen

und

Verstärkungen

wird aus allen Männern,

des Heeres

gebraucht.

Sic

die sowol aus der stehenden Ar­

mee, als aus der Landwehr des ersten Aufgebots heraustreten, und aus den Waffenfähigen Jahre ausgewählt.

bis zum zurückgelegten 30sten

Da sie größtentheils aus gedienten Män­

nern besteht, so wird sie in Friedenszeitcn nur in kleinen Ab­ theilungen und an einzelnen Tagen jederzeit in ihrer Heimath versammelt.

Wehr-Verfassung.

525

Die Landwehrmänner können, wenn ihre bürgerlichen Ver­ hältnisse es erfordern, nach vorhergegangener Anzeige an ihre Vorgesetzte, ungehindert ihren Wohnort verändern, und treten als­ dann in die Landwehr deS Orts, wo sie ihrenAufenthalt nehmen. Der Landsturm tritt nur in dem Augenblick, wenn ein feindlicher Anfall die Provinzen überzieht,

auf Befehl deS

Staatsoberhauptes zusammen; im Frieden ist es einer beson­ deren Bestimmung unterworfen, wenn er von der Regierung zur Unterstützung der öffentlichen Ordnung in einzelnen Fallen gebraucht werden kann. zum 59sten Jahre,

Er besteht auS allen Männern bis

die nicht in das stehende Heer und die

Landwehr eingetheilt und aus allen Männern, welch« aus der Landwehr ausgeschieden sind, so wie aus allen rüstigen Jüng­ lingen vom 17. Jahre an, die nicht zu den drei ersten Klaffen der bewaffneten Macht gehören.

Der Landsturm theilt sichrem,

in die Bürger-Kompagnien in den großen Städten, und in die Land-Kompagnien, welche nach Maaßgabe der innern KreisEintheilung, in den mittlern und kleinern Städten, und aus dem platten Lande gebildet werden. Um diese verschiedenen Eintheilungen der waffenpflichti­ gen Mannschaft mit Ordnung und Gerechtigkeit zu leiten, 6t» steht in einem jeden Kreise eine besondere Behörde unter dem Namen der Kreis-Ersatz-Kommission, welche aus einem Of­ fizier deS stehenden Heeres, dem Landrath und mehreren länd­ lichen und städtischen Grundbesitzern zusammen gesetzt ist. Die für die Organisation des zweiten Theils der bewaff­ neten

Macht unterm 21.

November 1815

erlassene Land­

wehr-Ordnung eröffnet der hohe Gesetzgeber mit folgenden Ihn und sein Volk

ehrenden Worten: —

zweiten Mal ehrenvoll beendete Krieg zur

Erkämpfung

der Selbstständigkeit

„Als der nun

zum

ein zahlreiches Heer des Vaterlandes for-

bette, bst bilbete sich bie Lanbwehr.

Der Eifer, mit bem sie

in ben Provinzen Unsers Reichs errichtet warb, bie Ausbauet, mit bet sie in ben Reihen bet übrigen Krieger kämpfte, geben ihr gerechte Ansprüche auf unsern Dank.

Die Geschichte wirb

bet Nachwelt biefe Treue, biesen Muth als ein glänzenbes Bilb aufzeichnen.

Doch nicht blos bas Bewußtsein

treuer

Pstichtersüllung sollte bet Lohn einer so eblcn Hingebung sein; burch bie Errichtung der Lanbwehr zeigte es sich balb, baß sie auch fähig fei, fortbauernb zur Lertheibigung bes Baterlanbes beizutragen, ba es burch ihre Beibehaltung möglich wirb, bie Kosten, welche sonst bie Erhaltung bet bewaffneten Macht sorberte, zu verminbern unb ben einzelnen Krieger frü­ her,

als es sonst möglich war,

Gewerbe zurückzugeben.

seiner Heimalh unb seinem

Diese großen Vortheile bestimmen

bie Erhaltung bet Lanbwehr im Frieben.

An ben mäßigen

Umfang bes stehenben Heeres schließt sich

künftig bie Lanb­

wehr, zwar immer zur Vertheibigung bes Vaterlanbes bereit, boch nur bann versammelt, wenn ein fernbliebet Anfall ober bie eigene Bilbung es nothwenbig macht." Es würbe hier zu weit führen,

auf bie einzelnen Be­

stimmungen bet Lanbwehr-Orbnung einzugehen.

Darum will

ich nur eines Punkts gebenken, wonach bet Abgang bei bem Korps Offiziere eines Lanbwehr-Regiments in der Art ersetzt wirb, baß bet Lanbrath unb bet aus Eingesessenen bestehenbe Ausschuß eines Kreises, in besten Bezirk bet Offizier abge­ gangen ist, brei Kanbibaten vorschlagen, aus welchen baS Ofsizierkorps bes Regiments sich benjenigen auswählt, burch ben es ben Abgang ersetzen will.

Die Offiziere avanciren

zwar nach bet Anciennitat, babei ist es aber erforberlich, baß sämmtliche Staabsofsiziere unb Kapitains bes Regiments ben

527

Wthr-Ltlsassunq.

zum Avancement berechtigten, wenn er ein Subaltern-Offizier ist, zur Beförderung für geeignet erklären. Die Landwehr ward errichtet, als auf dem Staat der Druck eines schweren Kreuzes lastete, darum bekam der Wehr­ mann zur Auszeichnung das weiße Landwehr - Kreüz mit der Inschrift: „Mit Gott für König und Baterland", um es vorn

an

der Mütze

zn tragen,

die gegenwärtig von der

Sturmhaube ersetzt ist, zum Zeichen, daß Preüffens Volk hin­ ausstürmen will auf jeden Feind,

der es wagen sollte,

des

Staates Freiheit, Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu be­ drohen.

Das Landwehrkreüz ist ein Ehrenzeichen, auf dessen

Verlust u. a. in all' den Fällen erkannt werden soll, in wel­ chen solches bei dem stehenden Heere rücksichtlich des NationalMilitair-Abzeichens Statt findet; wer desselben verlustig er­ kannt ist,

darf

auch im bürgerlichen Verhältniß

nicht die

National-Kokarde tragen, und wird letztere von beurlaubten Wehrmännern verwirkt, so müssen die Civilgerichte zugleich auch aus den Verlust des Landwehrkreüzes und auf die Ver­ setzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes erkennen; das unbefugte Tragen

des Kreüzes endlich wird wie das unbe­

fugte Tragen von Orden und Ehrenzeichen bestraft. So hat der Staat das Landwehrkreüz geehrt!

Auf allen

denen, die es tragen, beruhet vornehmlich die aüßere Sicher­ heit des Vaterlandes; sie sind es, die auf des Oberhauptes, des Vaters des Vaterlandes Ruf: Wir sind bedroht! herbei­ eilen werden, sich um ihre Fahnen zu schaaren, und den Feind abzu — wehren, der, komme er von welcher Seite er wolle, tä wagen sollte,

die friedliche Entwicklung unseres innern

Staatslebens zu stören und zu unterbrechen!

Tie Regierung.

„Rach

bin Thalfachin der Glschichti giebt 15 monarchisch!

und republikanische Regierungs-Formen; Regierungen, die auf Wahl oder Erblichkeit beruhen; Regierungen, die einfach oder zusammengesetzt sind *).

Sie alle sind an sich rechtlich nach

der Vernunft, wenn sie auf rechtlichem Wege begründet und von dem Volke, zu dessen Leitung sie bestehen, anerkannt sind; sie alle können zweckmäßig sein, sobald sie der erreichten Stufe der Kultur und der politischen Freiheit des Volkes, das unter ihnen steht, angemessen sind, und durch sie die beiden höchsten Zwecke alles Staatslebens

- die Herrschaft des Rechts und

die Wohlfahrt der Individuen und des Ganzen — verwirk­ licht werden.

Sie ave können aber auch, unter eintretenden

Verhältnissen, Nachtheile und Mißbrauche für die bürgerliche Gesellschaft herbeiführen, besonders wenn sie von dem Zwecke

*) Kant nimmt

nur

hei

Regierung--Formen

an,

,,wo

nämlich

entweder nur (iitier, oder Einige unter sich verbunden, oder Alle zu­ sammen, welche die buigerl che Gesellschaft ausmachen, die Herrschergewalt besitzen, (Autokratie, Aristokratie und Xcmvfiahe, Fürstenge walt, Adelsgewalt und Belksgewalt)." (Zum ewigen «Zueden, S. 23)

Rrqiermig bf# Staats.

629

ihrer ursprünglichen Begründung sich entfernen, und die, dem Regenten zukommende rechtmäßige Gewalt in Willkür aus« artet.

Widersinnig und ungeschichtlich aber ist es, die Repu­

bliken, im Gegensatz der Monarchien, Freistaaten zu nennen, weil das was das Wesen eines Freistaats bildet, — die recht­ liche Anerkennung der bürgerlichen Freiheit aller Staatsbürger und der politischen Freiheit aller sittlich-mündigen Mitglieder des Staats, — in Monarchien eben so ausführbar ist, und, nach dem Zeügniß der Geschichte, auch verwirklicht wird, wie in Republiken, deren Regent nicht eine physische, sondern eine moralische Person ist, der die Souverainetät nicht als persön­ liche Würde, sondern als übertragenes Staatsamt zusteht." (Pölitz Staatskunst S. 421, 423.) Die Regierungsform kanntlich das

des Preüssischen

monarchische Princip

Oberhaupt im Staate

Staats

hat be­

zur Grundlage.

Das

ist ein Monarch und die Regenten­

würde geht, nach dem Lode des Regenten, auf seinen recht­ mäßigen Erben in der Art über, daß der Staat nicht, wie ein Familienbesitz,

unter sämmtliche vorhandene Erben des

Oberhaupts getheilt werden kann, sondern daß die Regenten­ würde des rechtlich organisirten Ganzen,

nach dessen Selbst­

ständigkeit und Integrität, das Erbe eines Einzigen, nach dem Rechte der Erstgeburt im Mannesstamme ist. Der Monarch des Preüssischen Staats schränkter.

Nichts bindet Ihn,

Gesetz giebt Er selbst.

ist

als da» Gesetz,

ein

unbe­

aber dieses

Er ist der einzige und höchste Gesetz­

geber int Staate, zugleich der Vollstrecker der von Ihm ge­ gebenen Gesetze, daher ein Autokrat.

Nach dem Ihm bei­

wohnenden Majestäts-Rechte, wonach Ihm alle im Staate verantwortlich sind, ist Er selbst für alle seine Regentenhand-

Statistik d. Preüjs. Staats.

34

5)Z0

Neqicrung bei Staati.

lungen keinem Menschen, wol aber — Gott und Seinem Ge­ wissen, verantwortlich. Und diese Verantwortlichkeit, dringt sie nicht tiefer und reicht sie nicht weiter, als alle Verantwortlichkeit gegen Men­ schen, und wäre sie noch so bündig und fest verbrieft und verklausurirt! Preussen bat, nach dem Zeügniß der Geschichte, das große Glück, Fürsten an seiner Spitze zu sehen, die zu denjenigen Menschen gehören, welche Jean Paul hohe oder Festtags-Menschen nennt, indem er unter einem hohen Men­ schen den meint, der zu allen Tugenden und Vorzügen noch etwas setzt, was die Erde so selten hat — die Erhebung über die Erde, das Gefühl der Geringfügigkeit alles irdischen Thuns und der Unförinlichkeit zwischen unserm Herzen und unserm Orte, das, über das verirrende Gebüsch und den ekelhaften Köder unseres Fußbodens aufgerichtete Angesicht, den Werth des Todes und den Blick über die Wolken! ,,Und Ich gelobe hier vor Gottes Angesicht, und vor diesen lieben Zeügen allen, daß Ich ein gerechter Richter, ein treüer, sorgfältiger, barmherziger Fürst, ein christlicher König sein will, wie Mein unvergeßlicher Vater es war. Ich will Recht und Gerechtigkeit mit Nachdruck üben, ohne Ansehn der Person; Ich will das Beste, das Gedeihen, die Ehre aller Stände mit gleicher Liebe umfassen und fördern — und Ich bitte Gott um den Fürstensegen, der dem Gesegneten die Herzen der Menschen zueignet und aus ihm einen Mann nach dem göttlichen Willen macht — ein Wohlgefallen der Guten, ein Schrecken der Frevler!" So sprach Friedrich Wilhelm IV. in Königsberg am 10. September 1840, am Tage der feierlichen Erbhuldigung der Stände des Königreichs Preüssen und des Großherzog-

Regierung tt« Sinai«.

53t

thums Posen; und am 15. Oktober desselben Jahres fügte Er in Berlin die Worte hinzu: — „Im feierlichsten Augenblicke der Erbhuldigung meiner deutschen Lande, der edelsten Männer des edelsten Volkes und eingedenk der unvergeßlichen Stunde zu Königsberg, die sich jetzt wiederholt, rufe ich zu Gott dem Herrn, Er wolle mit Seinem allmächtigen Amen die Gelübde befristen, die eben erschollen sind, die jetzt erschallen werden, die Gelübde, die Ich zu Königsberg gesprochen, die ich hier bestätige.

Ich

gelobe, Mein Regiment in der Furcht Gottes und in der Liebe der Menschen zu führen, mit offenen Augen, wenn es dir Bedürfnisse Meiner Völker und Meiner Zeit gilt, mit ge­ schloffenen Augen, wenn es Gerechtigkeit gilt" Diese Worte des gemüthreichsten Königs,

der je auf

PreüssenS Thron saß, gewähren eine größere Garantie für die Wohlfahrt deS Gemeinwesen's, als Capitulationen und Staats­ grundverträge mit allen ihren Paragraphen über Souverainetäts-Rechte und Regenten-Pflichten. len wir halten;

An diesen Worten wol­

sie sind für uns ein fester unzerstörbarer

Fels im sturmbewegten Meere politischer Leidenschaften, die durch die Welt ziehen, wie ein Ungethüm der Mächte der Finsterniß. Im Preüssischen Staate kann die

monarchische Regie­

rungsform niemals in Tyrannei oder gar in Despotismus ausarten, der den Mitgliedern des Staats weder den Besitz ihrer Menschenrechte, noch ihrer Bürgerrechte sichert.

Ein

Gebaüde, das man selbst mit Liebe und Aufopfe­ rung erbaut hat, reißt man nicht muthwillig nie­ der; und in der Hohenzollern Herz war und ist das Sitten-Gesetz tief und unverlöschbar eingegraben'. Der König ist Regent, der allein Regierende im Staate; 34 ’

f>32

Rt^itninq dc# Staat#.

die Beamten sind die Werkzeuge, deren er sich bei Aussübrting seiner Rcgicrungs-Maaßregeln bedient, die von ihm be­ auftragten Vollstrecker derselben und der Gesetze.

Man bat

hin und wieder wol von einer Dictatur der Beamten gesptochen, und in Folge dessen auch von einem Polizei-, von einem Beamtenstaat, aber diese Begriffe haben weder rechtlich noch faktisch einen Sinn; restlich nicht, weil die Beamten, außer den allgemeinen Unterthanenpflichteii, dem Staatsoberhaupte besondere Treue und Gehorsam schuldig sind,

was mit der

Eigenschaft eines Dictators unvereinbar ist *'>, faktisch nicht, weil nach der ganzen Organisation

der Verwaltung alle Fä­

den ihres ausgedehnten Netzes in der Hand des Regenten zusammenlauseu und das Königliche Äuge selbst in die entfern­ testen Schlupfwinkel des Staatsgebietes blickt. So weit der König nicht selbst bei persönlichem Vorsitz im Staatsrath Seine Befehle regiert er aus Seinem Kabinet.

und Entscheidungen ertheilt, Dieses zerfallt in das Ka-

binct für die Eivil-, und das für die Militair-Angelegenhei­ ten.

Das Eivil-Kabinet theilt sich in zwei Abtheilungen: in

der ersten Abtheilung haben zwei Staats- und Kabinetsminister beständigen, und der Minister der auswärtigen Angelegen­ heiten, der deshalb auch Kabinets-Minister heißt, so ostVvrtrag, als es nach dem Gange der politischen Verhältnisse zum Auslande nothwendig ist.

*)

In der zweiten Abtheilung haben zwei

Alle Verwaltungö Beamten kennen aus dem Disuplinar-Wege ihire Amtes entsetzt oder verabichieret werden: eine Bestimmung des A.?. N. die neuerlich aud> auf die Iustizbedienten ausgedehnt wer­ den ist, welche bisher nur bei den vorgesetzten Gerichten oder Landes­ kollegien, wegen ihrer Amtsführung belangt, rn Untersuchung geuem. men bestraft, oder ihres Amts entsetzt werden kennten. (A. L.R. Tb. II, 17. Lit. 99).

533

Regierung des Staat».

Geheime Kabinrtsräthe,

und im Militair-Kabinet einer der

General-Adjudanten des Königs beständigen Vortrag. In Absicht auf den Geschäftsgang hat im Kabinet folgende Einrichtung Statt: AlleSachen gehen unmittelbar an den König zu seiner eigenen Eröffnung.

Er befiehlt sodann,

was etwa in einzelnen Fällen sogleich darauf verfügt werden soll. Alles übrige wird abgesondert, in Hof- und Civil-Sachen, und in Militair-Sachen, und zwar allgemeine und solche, welche Einfluß auf die Landes-Verwaltung haben, und in rein militairische Angelegenheiten.

Diese Sachen werden, je

nach ihrer Beschaffenheit, den verschiedenen Abtheilungen des Civil-Kabinets, oder dem Militair-Kabinet zum Vortrag dar­ über, oder den Departements-Ministern zur Berichterstattung überwiesen.

Diese erfolgt schriftlich und nur dann vermittelst

mündlichen Vortrages, wenn der König es besonders befiehlt, um die Departements-Minister über diesen oder jenen Gegen­ stand Selbst zu

hören.

Allgemeine Landes-Gesetze werden

vom Könige und sämmtlichen Mitgliedern des Staats-MinisteriumS vollzogen; Verordnungen dagegen, die sich auf den Geschäftskreis eines oder mehrerer Ministerien, gemeinschaftlich beziehen, vom Könige und den betreffenden DepartementsChefs; Kabinets-Befehle dagegen vollzieht der König allein. DrrTitel des Monarchen, und zwar der große, lau­ tet: König von Preüssen, Markgraf zu Brandenburg, sonverainer und oberster Herzog von Schlesien, wie auch der Grafschaft Glatz, Großherzog vom Niederrhrin und von Posen, Herzog zu Sachsen, Engern und Westfalen, in Geldern, zu Magde­ burg, Kleve, Jülich, Berg, Stettin, Pommern, der Caffuben und Wenden,

zu Mecklenburg und Crossen,

Burggraf zu

Nürnberg, Landgraf zu Thüringen, Markgraf der Ober- und Niederlausitz, Prinz zu Neuchatel und Balangin, Fürst zu

Regierung de« Elaste.

534

Rügen, Paderborn, Halberstadt, Münster, Minden, Kamin, Wenden, Schwerin, Ratzeburg, Moers, Eichsfeld und Erfurt, Graf zu Hohenzollern, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu Ruppin, der Mark, Ravensberg, Hohenstein, Tecklenburg, Schwerin und Lingcn, Herr der Lande Rostock, Stargard, Lauenburg und Bütow. —

Außerdem giebt es einen mittle­

ren und kleinen Titel. Das Wappen: Ein großer Schild, bestehend aus vier Mittelschildern und den 24 Feldern des Hauptschildes.

Der

oberste Mittelschild ist mit der Königs-Krone geziert und hat int silbernen Felde den preüsfischen schwarzen Adler mit der Krone, goldenen Kleestängeln aus den Flügeln, den goldenen Ramenszug F K, in der rechten Klaue den goldenen Scepter mit dem

Adler,

Reichsapfel.

in

der

linken den

blauen

und goldenen

Der zweite Mittelschild hat im silbernen Felde

den rothen brandenburgischen Adler, mit goldenen Klcestängeln auf den Flügeln.

Der dritte Mittelschild hat int golde­

nen Felde mit einer in Vierecken roth und silbern abwechseln­ den Einfassung den schwarzen, rothgekrönten nürnbergischen Löwen.

Der

vierte Mittelschild

ist

Wappen, silbern und schwarz geviertet.

das

Hohenzollernsche

Die 48 Felder des

Hauptschildes sind die verschiedenen Wappen der preüffischen Provinzen und Gebietstheile. goldener,

Aus dem Schilde ruht ein

offener, mit dem preussischen Adler gezierter, roth

ausgeschlagener und mit der Krone bedeckter Helm mit schwar­ zer und silberner Helmdecke; auf der Krone ruht der Reichs­ apfel.

Um den Schild hangt zunächst Band und Kreüz des

rothen Adler-Ordens, und in weiterem Umfange Kette und Kreüz des schwarzen Adler-Ordens.

Schildhalter sind zwei

mit Eichenlaub bekränzte wilde Männer, die den einen 'Arm auf den Schild lehnen, mit dem andern silberne,

goldeinge-

{Regierung bei Staats.

535

faßte und nach Aussen gekehrte, mit dem preüssischen und dem brandenburgischen Adler gezierte Fahnen halten. Das Wap­ penzelt ist außen mit purpurfarbenem Sammt, inwendig mit Hermelin bekleidet. Den Gipfel des Wappenzrltes deckt eine goldene Krone; das über dasselbe hervorragende Reichspanier mit einem schwarzen Adler im Felde, faßt ein auffliegender schwarzer Adler. Der Fuß des Wappens hat goldene Adler im blauen Felde, mit der Inschrift: „Gott mit uns" — Außer diesem großen Wappen giebt es auch ein mittleres und kleines Wappen. Die Königlichen Ritterorden und Ehrenzeichen, de­ ren Angelegenheiten von einer besonderen General-Ordens-Commission bearbeitet werden, sind: — Der schwarze Adlerorden, der mit und ohne Brillanten verliehen wird; der rothe AdlerOrden, in vier Klassen, welche in zehn Stufen zerfallen, jenachdem die erste Klaffe mit oder ohne Eichenlaub, oder mit Brillanten, die zweite Klasse mit Stern und Eichenlaub oder ohne dieselben, oder blos mit und ohne Eichenlaub, die dritte Klafft mit oder ohne Schleife verliehen wird; — der Orden |iour le merke mit und ohne Eichenlaub, der blos an Militairpersonen für das im Felde, vor dem Feind erworbene Verdienst verliehen wird; eine Friedensklaffe dieses Ordens ist zur Auszeichnung für Verdienst um Wissenschaft und Kunst bestimmt. Das eiserne Kreuz erster und zweiter Klasse, am schwarzen und am weißen Bande wurde bekanntlich nur für das, wahrend des Befreiungskampfes 1813 — 1815 erwor­ bene Verdienst gestiftet; da die Reihen der Inhaber dieses Ehrenzeichens immer lichter werden, so ist, um diese Vetera­ nen einer ewig denkwürdigen Zeit besonders zu ehren, von des jetzt regierenden Königs Majestät eine Senioren-Klasse des eisernen Kreüzes gestiftet, mit deren Verleihung der Genuß

Negierung res Staat#.

536

einer Pension verknüpft ist. — Der Johanniter - Orden wird nur an Personen adligen Standes vergeben. — Die übrigen Ehrenzeichen sind: das Dienst-Auszeichnung»-Kreüz für Militairpersonen vom Ofsizierstande für

treu geleistete Dienste

während eines 25jährigen Zeitraums, und die Dienstauszeich­ nung Ir, 2r und 3t Klaffe für Soldaten, abwärts vom Feld­ webel für dieselben Dienste während einer gewissen Reihe von Jahren.

DaS Militair-Ehrenzeichen Ir und 2t Klasse wird

von Militairpersonen niedern Ranges, und das allgemeine Ehrenzeichen von Eivilpersonen desselben Ranges, durch ver­ dienstliche Handlungen aller Art erworben.

Die Rettungs­

medaille wird zur Anerkennung des Berdienstes bei Rettung aus Lebensgefahr verliehe».

Für pflichttreue Dienste in der

Landwehr ist im Jahre 1842 ebenfalls eine Auszeichnung ge­ stiftet.

Sie besteht in einem kornblauen Bande mit einge­

wirktem Namenszuge des Königs (F. W. IV.), und wird in einer eisernen Einfassung ans der linken Brust getragen.

Sie

ist für Offiziere, Unteroffiziere und Wehrmänner gleich.

Den

Anspruch darauf hat derjenige, welcher nach Ableistung der gesetzlichen Dienstpflicht im stehenden Heere, in beiden Aufge­ boten der Landwehr die ihm obliegenden Pflichten vorwurfs­ frei erfüllte.

Die Verwaltung.

,,^it Verwaltung ist derjenige Theil des Staat--Orgonisntu§, durch welchen alle Hauptbestimmungen der Verfassung, und alle aus demselben mit Nothwendigkeit hervorgehende Folgerungen, vermittelst der bestehenden Negierung, ins öffent­ liche Staatsleben treten, und in demselben erhalten und be­ festigt werden.

Die Verwaltung muß daher in der Verfas­

sung begründet und jeder Hauptgegenstand der Verwaltung in einem organischen Gesetze des Staates ausgesprochen sein; allein die Verwirklichung aller einzelnen Theile und Gegen­ stände der Verwaltung hangt zunächst und unmittelbar von der Regierung ab, welche deshalb auch, in der Lehre vom Staatsorganismus, und Verwaltung.

in der Mitte steht zwischen Verfassung Es darf mithin in der Verwaltung nichts

geschehen ohne das Vorwiffen und den Willen des Regenten; es muß alles, was die Verwaltung betrifft, in seinem Namen geschehen und ausgefertigt werden; auch muß der Organismus der Verwaltung, obgleich gestützt auf die in der Verfassung enthaltenen Grundzüge, im Ganzen wie im Einzelnen, von

dem Ermessen des Regenten, als des Oberhaupts der voll; ziehenden Gewalt im Staate, abhängen; der bei der zweck­ mäßigen Anordnung der Verwaltung,

außer den einfachen

und sehr wenigen Grundsätzen der Vernunsl, als rechtlichen Bedingungen der Organisation, vorzugsweise die Elfahning und Geschichte, und die besonderen und örtlichen Verhältnisse und Bedürfnisse ins Auge zu fassen hat."

«Pölitz' StaatS-

kunst, S. 45L>.) Form der Verwaltung. Geschichte und Staatskunst stellen für die Verwaltung, namentlichder größeren Staaten, nur zwei, ursprünglich wesent­ lich von einander

verschiedene Hauplsysteme auf:

das der

Provinzial-Verwaltung, und das der Central - Verwaltung. Die Verwaltung des Preüssischen Staats stützte sich frü­ her auf das zuerst genannte System; bei der allmälig zur Herrschaft gelangten Idee von der nothwendigen Einheit des Staats aber ist das Central-System immer mehr zur Aus­ bildung gelangt, so daß es gegenwärtig, mit Ausnahme der Rechtspflege, sämmtliche Gegenstände der Polizei-, Finanzund Militair-Verwaltung umspannt, diese nach allgemeinen Beziehungen vertheilt und anordnet, und nur einzelne, pro­ vinzielle .Eigenthümlichkeiten noch aufrecht erhält. Den Mängeln, womit das Centralsystem, trotz aller an­ erkannten Vorzüge vor dem Provinzialsysttm, dennoch behaf­ tet ist, beugt die Einrichtung vor, l) daß die gesammte in­ nere Verwaltung des Staats in drei Theile zerfällt, — in Gemeinde-Verwaltung, welche den Gemeinden selbst überlassen ist; in Kreis- und Provinzial-Verwaltung, die in den Hän­ den von Staatsbeamten ruht, welche theils vom Könige aus eigener Machtvollkommenheit ernannt, theils von den Ver­ walteten erwählt und nur vom Staatsoberhaupte bestätigt

Die Central-Organe btt Lcrwaltnng.

539

werden (Landräthe, Magistrate); und in die Central-StaatSVerwaltung, welche von den Ministern, als den unmittelba­ ren Verwaltungs-Organen des Regenten, geleitet wird; — sodann

2) daß

die

Verwaltung

mittelst

einer glücklichen

Mischung des kollegialischen und bureaukratischen Betriebes der Geschäfte im Leben sich verwirklicht. Die Central.Organe der Verwaltung. Diese sind das Gesammt-Staats-Ministerium, die ein­ zelnen Ministerien und mehrere oberste Staatsbehörden, denen die Verwaltung selbstständiger Departements im innern Staats­ leben übertragen ist. Das Staats-Ministerium. Die höchste verwaltende Behörde des Staats besteht aus dem jedesmaligen Kronprinzen oder Prinzen-Thronfolger (Prin­ zen von Preüffen) und aus sämmtlichen Geheimen StaatsMinistern, welche den einzelnen Verwaltungs-Departements vorstehen, und den Geheimen Staats- und Kabinets-Mini­ stern, die im Kabinet des Königs unmittelbar Vortrag hal­ ten.

Auch kann den Versammlungen desselben der Präsident

des Staatsraths nach seiner Wahl beiwohnen. Bum Reffort deS Gesammt-Staats-Ministeriums gehören, außer den schon oben (S. 477)

erwähnten Entwürfen zu

neüen Gesehen und zu Abänderungen bestehender Gesetze, die Verwaltungs-Rechenschaften und Pläne der Ober-Präsidenten; die monatlichen sogenannten Zeitungsberichte

der Regierun­

gen; periodische Übersichten vom Zustande der Generalkassen, die Etats der General- und Provinzial-Hauptkassen, so weit sie die laufende Verwaltung treffen, auch die Militair-Etats; abweichende Ansichten zwischen den einzelnen Ministern; Militair-Einrichtungen, wenn sie den Kulturzustand des Landes angehen; die Vorschläge wegen Anstellung der Ober-Präsi-

540

Da- Staats-Ministerium.

denken, Regierungs-Präsidenten und derer der oberen Justizkollegien, der Direktoren, Oberforstmeister

und mit diesen

gleichen Rang habenden Beamten; die Borschläge zu vortra­ genden Räthen bei den Departements bleiben den, diese lei­ tenden Ministern überlassen;

nur müssen sie sich, wenn es

einen, in einem andern Departement angestellten, oder unter demselben stehenden Beamten trifft, mit dem Chef desselben darüber vereinigen.

Das Gesammt-Staats-Ministerium kon-

kurrirt überdem bei Amtsentsetzungen von Beamten, so wie bei

allgemeinen Maaßregeln

rücksichtlich des Landgestütwe-

ens Die einzelnen Ministerien. Jeder Staats-Minister ist Chef desjenigen Departements, an dessen Spitze er steht und der solchem Abtheilungen,

und führt

die

untergeordneten

ihm anvertraute Verwaltung

selbstständig, unter unmittelbarer Verantwortung gegen den König.

Die Wirksamkeit

eines jeden Ministerial-Departe­

ments erstreckt sich, in Rücksicht der Gegenstände desselben über sämmtliche Provinzen.

Jeder Minister muß, in sofern ein

Gegenstand seiner Verwaltung in den Wirkungskreis anderer Minister einschlägt, mit diesem Rücksprache halten und ge­ meinschaftlich verfahren.

Können sie sich nicht darüber ver-

*) Zum Reffort fea GesammI - Ministeriums, aber unter spezieller Lei­ tung der Minister des Königlichen Hauses und tcr auswärtigen An gelegcnhcitcn stehen die Archive: bas Geheime Staats - und KadinctS-Archiv in Berlin und die, unter der nähern Aufsicht der Lberpräsidien stehenden Provinzial Archive zu Ke»ig-berg in Pr., Stettin, Breslau, Magdeburg, Munster, Koblenz und Düffelderf.

Unter der

speziellen Leitung der Minister des Znner» und der auswärtigen An­ gelegenheiten steht die Ober-CraiiiinaticnS-Commission für den GeschäftSkrei» der Regierungen.

541

Die einzelnen Ministerien.

einigen, so gehört die Sache vor das Forum des GesammtMinisteriums.

Die dem

einen Ministerium

nothwendigen

oder nützlichen Nachrichten des andern theilt dieses ihm un­ aufgefordert mit. Die in

jedem

Departement

angestellten

vortragenden

Räthe haben blos berathende Stimme, die Direktoren der ein­ zelnen Abtheilungen aber, in solchen eine entscheidende. Der unmittelbaren Genehmigung des Regenten bedürfen und müssen Ihm daher von dem betreffenden Minister vor­ gelegt werden: Alle Gesetzentwürfe, Verfassungs- und Ver­ waltungs-Normen;

alle Haupt-Etats und Plane bei Ver­

wendung des etatsmäßigen Fonds, neue Besoldungen und Besoldungszulagen, Pensions-Bewilligungen, Gnadengeschenke und alle Ausgaben, die bei Aufstellung des Etats nicht in Anschlag gebracht sind;

sodann

nicht etatsmäßige Verwal­

tungs-Ausgaben, welche etatsmäßig gemacht werden sollen; die Ernennung der Räthe bei allen Ministerien und Provin­ zial-Landeskollegien; die Ertheilung von Titeln, welche den Rathskarakter geben; überhaupt größere Gnadenbewilligungen. Jeder Minister und Chef einer Abtheilung verfügt an die ihm untergeordneten Behörden für sich allein, an ander« nicht ohne Rücksprache und Gemeinschaft mit dem ihnen vorgesetz­ ten Minister oder Departements - Chef.

Sodann erstattet er

an den König jährlich einen Hauptverwaltungs-Bericht über die zum Reffort seines Ministeriums gehörigen Angelegenhei­ ten und Vorgänge, zur Zeit, wann er die General - EtatSEntwürfe einreicht; der Finanzminister jedoch außerdem einen Haupt-Extrakt für das General-Kassenwesen und die GeldInstitute monatlich. Es bestehen gegenwärtig acht Ministerien, die in dem Staatshandbuche nach dem Dienstalter ihrer Chefs, hier aber

542

Die einzelnen Ministerien.

in der Reihenfolge ihrer politischen Wichtigkeit für das Staatsleben aufgezählt werden. 1. Das Ministerium des Königlichen Hauses und der Königlichen Domainen.

Es spaltet sich in

zwei Abtheilungen, deren jede für jetzt einen Staatsminister zum selbstständigen Chef hat. lung gehören:

Zum Ressort der ersten Abthei­

die Angelegenheiten des Königlichen Hauses

und der Königlichen Familie, ferner alle Geschäfte, welche Hofsachen, höhere Hosamter, die Tbronlchne, die Erbämter, die Standcs-Erhöhungs-Angelegenheiten und die Verwaltung des Kron-Fideikommiß-Fonds betreffen.

Zum Ressort der zwei­

ten Abtheilung gehört die oberste Verwaltung der Domainen, Forsten und Jagden *••) ). 2. Das Justiz-Ministerium.

Sein Chef hat al­

les zum Geschäftskreise, was die Oberaufsicht auf die Rechts­ pflege betrifft.

Diese selbst ist, wie es sich versteht, den Ge­

richten allein überlassen.

Er bat jene Aufsicht

mithin auch

über die gesammte bürgerliche und peinliche Rechtspflege, ferner die Anstellung aller Justizbeamten, oder den Vorschlag dazu beim Könige.

Der Geschafsbetrieb bei allen Justizbehörden,

des Pupillen-, Deposital- und Hypothekenwesen, stehen unter ihm. bei

Außerdem sind ihm noch die Lehnssachen beigelegt und Angelegenheiten

des Königlichen

Hauses

Beziehung hat er sein Gutachten abzugeben.

in rechtlicher Eine besondere

Abtheilung hat die zur rbcinischen Justizverwaltung gebörigen Sachen ").

*) Don tiefer Abtheilung ruicuiit tiv höhne ftcrft * Vehr - Anstalt zu lJieüftübb(lbmMvjltr. ••) Ressort de- Justiz. Ministerium ' — Taj Geheime Tber-Tri banal, in Berlin, der höchste Gerichtshof für die ganze Monarchie, mit Ausnahme bei

Rheinprovinzen.

in allen

zur dritten Instanz

Die einzelnen Ministerien.

543

3. DaS Justiz-Ministerium für die Gesetz-Re­ vision, nämlich des allgemeinen Landrechts und der Ge-

geeignetcu Rechtssachen, fc wie in selchen, bei denen daS Rechts­ mittel der Nichtigkeits-Beschwerde eingelegt worden. — Der Revi­ sion S - und Kassationshof für die Rheinprovinzen, der höchste Gerichtshof für die seiner Jurisdiction unterworfenen Pro­ vinzen.

In den Rechtssachen aus dem ostrheinischen Theile deS Ko­

blenzer Bezirks entscheidet er als RcvisionShof in dritter und letzter Instanz, wie auch über die Nullitäts-Beschwerden.

In den übrigen

Rheinlanden. mit Ausnahme der Kreise Duisburg und RecS, urtheilt derselbe als KuffationShof, sowol über eigentliche KaffationSgesuche gegen Erkenntnisse letzter Instanz, welche in der Form oder Materie ein Gesetz verletzen, als auch über die in der rheinischen Gesetzgebung zur Entscheidung des Kassationshofes reservirten besonderen Gegenstände. — Sämmtliche Provinzial-Justiz-Behörden, von denen ich nur die Obergerichte nennen will, nämlich: das Tribunal zu Keoigsberg, welches die Appellations-Instanz für die Provinz Preüsse« bildet; die Oter-LandeSgerichte zu Königsberg, Insterburg, Ma­ rienwerder; das Kammergeiicht zu Berlin, die Ober-LandeSgeUchte zu Frankfurt, Stettin, Kösliu; das Ober-Appellations - und höchste Gericht in Greifswald für Neu - Vorpommern, mit dem Hofgcricht und dem Konsistorium von Pommern und Rügen, ebenfalls zu Greifs­ wald; die Ober-LaudeSgerichte zu Breslau, Ratibor und Groß-Glogau; daS Ober-AppellatlonSgericht für das Großherzogthum Posen in der Stadt Posen, die Ober-Landeögerichte zu Pose« u»d Brom­ berg, zu Magdeburg, Halberstadt und Naumburg; die gräflich Stolbergsche Regierung zu Wernigerode (die das Kammergericht zur AppellationS-Jnstanz hat); die Ober-LandeSgericbte zu Münster, Hamm, Paderborn und Arnsberg.

In der Rbeinprovlnz: der rheinische Ap­

pellation--Gerichtshof zu Köln, die Landgerichte zu Achen, Kleve, Koblenz, Köln, Düsseldorf. Elberfeld. Saarbrücken und Trier, und die Handelsgerichte zu Achen, Koblenz, Köln, Krefeld, Elberfeld und Trier; der Justizsenat zu Koblenz, als Königliches Obergericht für den ostrheinischen Theil des Regierungs-Bezirks Koblenz. Endlich ge­ hört zum Ressort des Ministeriums: die Jmmed iat-Just iz-Eram inationS-Kommission zuBerlin, welche diejenigen Personen prüft, die als Mitglieder oder Justiz-Komissarien bei LandeS-Justiz-Kollegieu von

größeren Untergerichten

im ganzen Staat angestellt werden

544

Die einzelnen Mininerien.

richtsordnung, mit Einschluß einer Prüfung der rheinischen Gesetzgebung und Gerichtsverfassung. Mit diesem Ministe­ rium steht die Gesetz-Kommission in Verbindung, deren Vor­ sitzender der Departements-Chef des Ministeriums, die aber nickts desto weniger unmittelbar dem Staarsrathe untergeord­ net ist. 4. Das Ministerium des Innern. Zum Ressort desselben gehören, in zwei Abtheilungen, die allgemeinen inneren, die Militair-, Instituten- und Feüersocietäts-Angelezenheiten, die Verwaltung der Gesangen-Anstalten, Korporations-, Komfvllen. — Die Zahl aller im otaat bestehenden Gerichtsbehörden belauft sich auf nicht weniger als 7700, und rarunter befinden sich 0630 Prtvatgerichte (2b JürüenthumS-, stau verherrliche und Kreis Gerichte mit drei oder mehr Richtern. 369 größere Patrimcnialge richte mit einem oder zwei Richtern und 6234 gewöhnliche Patri monialgerichtc). Das Beamten-Personal betrug Mitte 1944 über Haupt 15.903 Personen (ebne Referendare und Auskultatoren, aber mit 1651 NechtSbeiständen). und es kamen im Durchschnitt aus 1 Richter bei ^bergenchten 24.230, bei König!. Untergerichten 6.319, bei Privatgerichten 3.412; auf I Justizkemmissar. Advokat Anwalt, Notar k. 10.606 Gerichts 5 n fassen. am zahlreichsten sind diese RechtS-Betstande in Westfalen, wo schon 5652 Insassen auf 1 fein men, am wenigsten befinden sich in Preussen, nämlich 1 erst aui 20.064 Insassen. 70 Präsidenten, 541 Rathe nnd Assessoren und 19:30 Richter sungiren bei den Gerichten. Der größte und umfang­ reichste Gerichtssprengel ist der de- Liber-Landesgerichts zu Breslau mit beinahe 1.300.000 Gerichts - Eingesessenen. dann kommt der des Kammergerichts mit 1.040.000, und der des Lber-LandeSgerichtS zu Marienwerder mit 920.000 Insassen. Die Zahl derjenigen Juristen, welche tic große Staatsprüfung zum Zweck einer Anstellung bei einem Obcrgerlcht gemacht haben, betrug int Jahre 1905: 16 1915: 25 1825: 55 1839 :262 1843 : 190.

Di« «inzclne» SRinihnini.

545

iminaU, Ärnteiu und Iuden-Sachen, dcr Landesgränz-, Homagial- und Huldigungssachen, der Angelegenheiten wegen der Rechte der mediatisirten, vormals reichsunmittelbaren Für­ sten und Herren, und der Standcsherren, der Domstifter und Fraüleinstifter. — Sodann gehören zum Geschäftskreis dieses Ministeriums die ständischen, so wie die gestimmten PolizeiAngelegenheiten, mit Einschluß der gestimmten Censur-Verwaltung; und demnächst die Berwaltung der gestimmten landwirthschaftlichrn Polizei, insbesondere der Angelegenheiten we­ gen der gutsherrlich-bäuerlichen Regulirungen, Gemeinheits­ theilungen, Ablösung gutsherrlicher und anderer Reallasten, der Borfluths- und Fischerei-Polizei-Sachen, aller Anstalten zur Beförderung der Landwirthschaft und der landwirthschaftlich - technischen Lehranstalten; die Beaufsichtigung der landwirthschaftlichen Kredit-Anstalten, der Geld-Institute der Kor­ porationen und Gemeinen und der westfälischen ProvinzialHülfskaffe *). •) 3om Geschäftskreis de- Ministerium# des Innern gehören: — Die 3mmebiat .Kommission zu» (> n 11 v i r u »i g in letzter Instanz über die, au# .Krieg# eiiluugen an Provinzen, Kreise ober Kommunen gernachte Ansprüche;— ba# t?anbe#-'£}fvnomieKollegin »n, eine technische Dcputatlon de- Ministeriums in allen landwirthschastlrchen Angelegenheiten und Centralpunkt aller i.u Staate bestehenden oder zu e»»ichteuden landwirtlrschastlichen Pro viuzial-, Kreis- und £rt#vcreine, bestehend au# Ministerialräthen, Gelehrten und praktischen Landwirtlren von anerkanntem Ruf. — da# Polrzel 'st l ä std l um zu Berlin und die U)hn iflertal Bau und M i 11 tair - C 0 in m i ssi o nen ebendaselbst, welche fiu Berlin die Stelle einer Regierung vertreten. S.e gehören auch zum Reffert de# Finanz-Ministerium#, und von der Bau-Commisston ab­ hängig find: da# Rentamt, die Mühlen- und die Thiergarten-Ver­ waltung zu Berlin; — die Genera!-Korn Missionen zur Re­ gulirung der gut#herrlichen und bäuerlichen Verhält­ nisse und für die Gemeinheits-Aushebungen und zwar für die KurStatistik d. Preüss. Staats. 35

Die einzelne» Mmisiene».

546

5. DaS Ministerium der geistlichen, Unterrichtsund Medrzinal-Angelegenkeiten spaltet sich, nach den,

mark Brandenburg zu Berlin, für Pommern zu Stargard, für Schle sien zu Breslau, für Posen zu Posen, für Westfalen zu Münster, für Sachsen zu Stendal, (die vormaligen General-Commissionen der Provinz Preüsfen sind mit den Negierungen vereinigt und die Ge schäfte derselben zwischen den Negierungen und den Justizdeputationen so getheilt, daß die letzteren die Entscheidung in allen streitigen Fäl­ len haben, welche zur Appellation geeignet sind; dergleichen Deputa tionen bestehen in Königsberg für Ostpreüffen, und in Marienwerder für Westpreüsseu.

Auch die Geueral-Comniissiou, welche für die Neü

mark und die Lausitz in Soldin bestand, ist aufgelöst, und ihr Ge­ schäftskreis theils der Frankfurter Regierung, theils der Breslauer General-Commission überwiesen worden, letzterer in Bezug ans die Oberlausitz; — die Revisions-Kollegien zur Negulirung der gutsherrlichen und baüerlichen Verhältnisse re. als entscheidende Be­ hörde für diesen Wirkungskreis in zweiter Instanz, und zwar in Berlin, Stettin, Königsberg i. Pr., Marienwerder, Breslau, Posen, Münster und Magdeburg; — das Domkapitel zu Brandenu t g; — die Ritterschaftlichen Kredit-Vereine, und zwar die Haupt-Ritterschasts-Direktion der Kur- und Neümark zu Berlin, die General-Landschafts-Direktionen für Ostpreüssen, Westpreüffen, Pommern, Schlesien und Posen zn Königsberg, Marienwerder, Stet­ tin, BreSlan und Posen. schaftliche

(Die Schuldverschreibungen werden land­

Obligationen oder Pfandbriefe

genannt, auf bestimmte

Güter ausgestellt, nicht über 1000 Rthl. und nicht unter 20 Rthl.,

auf jeden Inhaber lautend, ausgefertigt und nach verschiedenem Zins­ füße, halbjährlich verzinst.

Zu Ende 1837 betrugen die gesummten

Pfandbriefsummen bei den vorsteh nd gedachten landschaftlichen Kre­ dit-Vereinen, für die Kur- und Neümark 11.881.850 Rthl., für Ost­ preüssen 11.243.800 Rthl., für Westpreüffen 13.856.408 Rthl., für Pommern 14.827.425 Rthl., für Schlesien 40.536.640 Rthl., für Poseu 12.945.275 Rthl., überhaupt 105.228.398 Rthl.

Jedes dieser

Kredit-Systeme hat sein besonderes Abschätzungs-Reglement). — Die Feüer-Societäten in den Provinzen; außer einer Anzahl von Privat-Feüer-Versicherungs-Anstalten, giebt es in allen Provinzen, unter der Aufsicht des Staats stehende, Vereine zur Assekuranz vor Feüersgefahr entweder für die ganze Provinz, oder nur für die

547

Dir fimtlitfn Mintstrrir».

zu seinem Ressoit gehörigen Lje>w:ittungsGegenständen, in vier Abtheilungen, wovon die beiden ersten alle Kultus-Sachen zu bearbeiten haben, und

zwar die erste sämmtliche evange­

lische, die zweite alle katholische Kirchen-Angelegenheiten. in

der

zuletzt genannten Abtheilung beschäftigten

Dir

Beamten

müssen, nach einer neücren Bestimmung, der römisch-katholischen Kirche angehören **).

Städte, ober nur für das platte Land, oder auch nur f;u einzelne große Städte; es gehören dahin die General - Direktion der LandFeuer-Societät von Ostpreüssen und Littauen zu Königsberg, die Departements-L.F.-S.- Direktionen in Preussen, und zwar im Königsberqer, Mohrunger und Angerburgschen Departement, die General-Dircttion der adligen F.-S. zu Marieuwcrde;, die Provinz!al-F. S.-Direktlonen ebendaselbst, zu Brcmberg, Schneidcmühl und Danzig, die General-Direktionen der Kurmärkischen Land-F.-S. zu Berlin, die der Neümärktschcn Land-F.-S. zu Frankfurt, die der Hinterpommerschen Land-F.-S. zu Stettin und der Verpommerschcn zu Antlam, der Neüvorpommerschen F. - S. zu Stralsund, die Direktion der rügiauischen F. -S. zu Bergen, die Schlesische Dominial - Land-F. -S., welche von eer schlcs. G. Landschasts-Dircltiou verwaltet wird, die Ge­ neral-Direktion der Poscnschrn Provinzial-F.-S. zu Posen, die GeneralDirektion der F.-S. für das platte Land des HerzogthumS Magdeburg und der Grafschaft Mansfeld zu Magdebura. die Direktionen der West fälischen und Rheinischen Provinzial-F.-S. zu Münster und Koblenz. •) Zum Ressort des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten ge­ hören: die Königliche Akademie der Wissenschaften zu Berlin; die Konigl. Akademie der Künste zu Berlin, (und von dieser reffortiren die Kunst- und BaugtwerkS-Schulen iu den Provinzen); die König!. Museen zu Berlin: die Gesellschaft naturforschender Freunde zu Ber­ lin; der Benm zur Beförderung des Gartenbaues; die Konigl. Deutsche Grsellschait zu Königsberg in Pr.; die König!. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt; die kaiserlich Leopoldinischkarolinische Akademie der Naturforscher zu BrcSlau; die wissenschaft­ lichen Anstalten zu Berlin (Konigl. Bibliothek, Sternwarte, chem. Laboratorium, botan. Garten, Herbarium); sämmtliche Universitäten mit ihren verschiedenen wissenschaftlichen Instituten und Sammlun­ gen: die Akademie zu Münster und da» Lyceum Hosianum zu BraunSberg; die medicimsch-chirurgischen Lehranstalten in den Provinzen;

548

Die einzelnen Ministerien.

6

Das Finanz-Ministerium, dem die unmittelbare

Verwaltung der Staats-Einkünfte, soweit ste aus der Besteüerunz und den Regalien fließen, so wie die Bestreitung der Staatsausgaben und die Förderung der Gewerbe und des Handels zugewiesen ist, theilt sich in vier Abtheilungen, wo­ von die erste für das gesammte Kassen- und Etatswesen, die zweite für die Verwaltung der Steüern, die dritte für Han­ del, Gewerbe und Bauwesen, und die vierte für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen bestimmt ist **).

daö Prediger-Sem mar zu Wittenberg, und die Seminarien für gelebrte Schulen zu Berlin und Breslau; die wissenschaftliche Deputation für das Medizinalwesen, das Kuratorium für die Krankenbaus- und Thierarzneifchul-Angelegenbetten; die Dber-Eraminations-Kommission für die böberen Staats-Prüfungen der Medizinal-Personen; und die perpeluirliche Ko mm im on zur Auftecbtbaltung der Hof-Apotbeke zu Berlin. *) Reü'ert des Finanz - Ministeriums' — (Srfte Abtbeilung, die General-Staats Kaue unter der unmittelbaren Verwaltung dieser Abtbeilunz stebcnd, sodann dre General-Lotterie-Direktion, dte GeneralDirektion der allgemeinen Wittwen Verpflegungs-Anstalt und das gebeime Mimsterial-Archiv. — Zweite Abtbeilung für die Verwaltung der Steüern: das Haupt-Stempel-Magazin, die Kalender-Deputation, die Erbschasts-Stempelämter für Berlin und den Regierungsbezirk Potsdam; die Provinzial-Steüer-Kasse für dre Mark Brandenburg; die Salzlaktorei in Berlin; die Haupt-Steüer amt er für inländische und für ausländische Gegenstände, und das Gewerbesteüeramt, alle drei in Berlin; sodann d.e Provinzial-SteüerDirektionen in den Provinzen, und zwar in Königsberg für Ostpreüsfen nnd Littauen, zu Tau;ig für Westpreussen, zu Stettin, Breslau, Polen, Ma^eUu.., Münster und zu Köln, mit den, diesen Bebörden untergebenen Zoll- und Steüeramtern aller Klassen, davon gegenwärtig (1844) vorbanden und - 43 Hauptzollämter an der Gränze, 27 Hauptämter im Innern mit Niederlage; 39 Hauptsteüerämter int Innern ohne Niederlage, und 94 Nebenzcllämter erster Klasse an der Gränze; demnächst sieben unter der General-Steüer-Verwaltung die Bevollmächtigten preüMcher Seits, welche bei der Zoll-Administra­ tion in den zollverbündeten Staaten fungiren, nämlich zu München,

7. Das Kriegs-Ministerium hat das gesammte Militair-Wesrn zum Geschäftsbezirk. Dieses Ministerium zerfallt in zwei Departements: in das allgemeine Kriegs-, und in das

Militair-Ökonomie-Departement. —

Das

allgemeine

KriegS-Departement theilt sich in vier Abtheilungen.

Zur

ersten Abtheilung für die Armee-Angelegenheiten gehören die ganze Organisation, Ausbildung

und Grundverfaffung des

Heeres, nebst den damit in Verbindung stehenden Justitutionen. Die zweite Abtheilung für die Artilleric-Angelegenheiten bearbeitet alle Sachen, welche die Ausrüstung des Heeres und der Festungen mit materiellen Streitmilteln aller Art betreffen. Die dritte Abtheilung für die Ingenieur-Angelegenheiten ver­ handelt

die Neüanlage und Instandhaltung

von Festungen

und Fortistkationswerkcn, die Leitung und Beaufsichtigung der Militairbauten, die Verwaltung der Festungs- Baukaffen und Grundstücke, sowie die Unterbringung der Staats- und Bau­ gefangenen.

Zur vierten Abtheilung, die die persönlichen An­

gelegenheiten der Offiziere der Armee bearbeitet, gehört die geheime Kriegs-Kanzlei, bei der die Ausfertigung der Patente, Dresden, Karlsruhe, Kassel, Wiesbaden und Frankfurt a. M. — Von der Abtheilung für Handel, Gewerbe und Bauwesen tcfferlirtn: dre technische Ober - Bau-Deputation und die technische Deputation für Gewerbe, die allgemeine Bauschule, die Bangcwcrls schule, das technische Gewerbe Institut, die Porzellan Manufakturen, und die Normal- und Aichungs - Kommission, sämmtlich i» Berlin; demnächst steht sic mit den Handelskammern und den kaufmännischen Korporationen in der Hauptstadt und den Provinzen in Geschäfts. Verkehr —Zum Ressort der vierten Abtheilung für das Berg und Hüttenwesen ressortlren: das Haupt-Bergwerks - (Zlevcn - Institut und die Provinzial. Berg-Behörden, nämlich die Verwaltung des Brandtnburg-Preüssischen Haupt.Berg-DrstriktS zu Berlin, die Cbcibergämter

zu Brieg für Lchlesien. zu Halle für die niedersachsifch

thüringischen Provinzen, zu Dortmund für die westfalischen, und zu Bonn für die rheinischen Pronvinzen.

550

Zit einzelnen

’Winifli'tui.

die Sammlung der Nachrichten über alle Individuen des Ofsizierstandes, die Führung der Rang- und Quartierliste des Heeres u. s. w. erfolgt.

- Im Militair-Qkonomie-Departe-

ment bearbeitet die erste Abtheilung das Kassen- und EtatS. wesen der Armee, und besorgt zugleich die Militair-WittwenKassen, und die Angelegenheiten des Mililair-Knaben-Erzieziehungs-Instituts zu Annaburg.

Die zweite Abtheilung ist

für die Natural-LZeipflegungs-, Re>,e- und Ljoefpann-Angelegenheiten; die dritte für die Bcklcidungs., Feld-Equipage- und Train-Angelegenheiten; die vierte für das Servis- und Lazarethwescii i die fünfte für das Invaliden-, und die sechste Ab­ theilung für die Remonte-Angelcgenheiten der Armee ’)

*) Reffort rc-3 ,Uucv]3 ; IVinücuitiM: 1) llii"utulf\n reffertirende BeForcen. t'ic Jununti^nirctiu'ii $n Berl.n. von ta eie Verwaltung lei cmliiIc . Tevetv in teil Rrglcrnngobezirtni ^umbiRiicn , PotS tarn iiiir* efcllin aMunut, ne ^invcftivn bei Artillerie-Werkstätten; ne koiiiglichni ^ulvei - inte Oktvehrrabufen \\\ Potsdam, Nerffe, Suhl, Sominerra, Saarn unk Danzig , ne (^ciciuiMicBcmeii zu Bei Im und BreSlan. ne Vltiillmc Tcvct.' in allen Nestlingen und außer. Dem in Beil:» und B reo lau ras tViamu-Tevct zu Stralsund; das geheime ^euenvtil-: Vabviatcuiim in Span tau, die Kommission zur Prüfung anzrisiclUnrer Intendantin Beamten. Die General-Militan Kaffe; Da3 Militär - Suaden . lZrzielningo Institut zu Annaburg 1111 Herzogthum Sachfrn, )ammtlid)e Medizinal Anstalten Der Armee; — 2) Behörden, ivelil;e mit rem Kriegs. Ministerium in Verbindung stehen, sind: Die isbei '.Vulitaii lSiaiimiahvivj iH'mmitnvn; Die Gene ral-Inspektion für ras gLiainrnte Militan.Unterrichts und (ZrzrehungL wesen der Armee, ven welcher ressertiren: Die StuDien - (^ommisston. die allgemeine Kriegoichule, tu Sivistono Schulen, die vereinigte Ar­ tillerie- und Ingenieur-Schule, Das Kadetten-KorpS. welches in das Haupt - Institut zu Berlin mir Die Provinzial Institute zu Kulm. Potodam, Wahlstadt und Ven'berg zerfällt. — 3) Provinzial-Be­ hörden des Ministeriums für die Militair-^konomic sind: Die Inten­ danturen der neun Armee-Korps und Die in der Bundesfestung Mainz bestehende Administration für diesen Geschäftskreis. Von den Inten­ danturen rcfjvUucn: Die Magazin - Verwaltung (Proviantämter ic.),

8. Das Ministerium der auswärtigen Angele­ genheiten hat jum Wirkungskreis alle Gegenstände, welche die Verhältnisse mit fremden Mächten und die Verhandlungen mit auswärtigen Regierungen betreffen.

Da der König stets

die genaueste Übersicht und Kenntniß sämmtlicher auswärtigen Verhältnisse haben muß, so legt ihm der Minister alle Berichte der Gesandten und Geschäftsträger, so wie die von den frem­ den Gesandten übergebenen Noten oder gemachten Eröffnungen zur Entschließung vor, leitet nach dieser die Geschäfte seines Res­ sorts, ertheilt den auswärtigen Gesandten Antwort und bescheidet die diesseitigen. gen.

DaS Ministerium zerfällt in zwei Abtheilun­

Die erste betrifft die äußeren Verhältnisse des Preussi­

schen Staats im Allgemeinen, die Communikation mit den fremden Geschäftsträgern, ihre Legitimation und Präsentation und die Instruktion der diesseitigen über die höhere Politik. Die zweite Abtheilung betrifft alle Geschäfte des auswärtigen Departements, di« sich auf die innere Verfassung und Ver­ waltung des Staats oder auf den Handel und die PrivatAngelegenheiten der Unterthanen beziehen, Consulat-, Gränz-, Post-, Polizei- und andere Sachen, die nicht zu den höheren politischen Angelegenheiten gehören *). Andere hohe Staats-Behörden. Außer den Ministerien bestehen noch mehrere andere Cen­ tral-Behörden für spezielle Verwaltungs-Gegenstände, meist mit völliger Unabhängigkeit gegen ein einzelnes Ministerium,

bic ©vunifcii; nnb Vazareth - VcrwaUung, sic Train-Verwaltung und die Mcntirungo-Depots. ') Vom Ministcrio des Äußern uffcitiren: bas StaatszeitungS-InsUlrit, he geheime ^ber-Hof-Buchdruckerei. alle königliche Gesandten, Mi­ nister-Residenten und Geschäftsträger, so wie die im Auslande an­ gestellten preussischen General-Eonsuln, Konsuln und Vicc-Consuln.

oder gegen das Gestimmt-Ministerium, mir mit persönlicher Verantwortlichkeit ihres Chefs gegen das Staats-Oberhaupt. — Dahin gehören: 1. Das Ober - Censurger > eht zu Berlin. Zur Competenz

desselben

gehört die Entscheidung über Beschwerden,

welche gegen die Seitens der Censoren oder Ober-Präsidenten erfolgte Versagung der Druckerlaubniß geführt werden; der Aus­ spruch von Debit-Verboten einzelner Schriften und sämmtlicher Verlags- und Kommissions-Artikel einer ausländischen Buch­ handlung; die Erthcilung oder Entziehung der Debits-Erlaubniß, von Schriften, welche außerhalb Deutschlands in deutscher, und außerhalb der preussischen Staaten in polnischer Sprache gedruckt sind; die Entscheidung über den Verlust von Privile­ gien und Conzessioncn zu Zcituiigc» und anderen Zeitschriften, so wie die Entscheidung über den Verlust des Rechts zum Gewerbe des Buchhandels

und der Bnchdrnckerei.

Dieses

Gericht steht unter der Oberaufsicht dcS JustizministerS. 2. Aas Departement der Haupt- und L a n d g e. (lütt bildet zwar eine selbstständige Verwaltung, sein Chef hat aber in allen, das Landgestütwesen betreffenden Sachen an das Gesammtministeriuin zu berichten. 3.

Der Handels-Rath.

Unter dem unmittelbaren

Vorsitz des Königs werden bei dieser Behörde die wichtigeren Angelegenheiten des Handels und der Gewerbe, mit Einschluß der Schifffahrt, nachdem solche in den betreffenden Ministe, rien, unter Mitwirkung des Handelsamtes, gehörig vorbereitet worden, berathen und zur Königlichen Entscheidung gebracht. Es gehören dahin alle, aus jene Angelegenheiten bezügliche allgemeine Maaßregeln, namentlich die Entwürfe zu Gesetzen über Handel

und Gewerbe, Veränderungen

des Zolltarifs,

Handels- und Schifffahrtsvertrage mit auswärtigen Staaten,

tXntm hohe Ltaat« - Behörde». Einrichtungen im Innern zur Belebung des der Industrie.

553 Verkehrs und

Der Handelsrath besteht aus dem Minister,

welcher im Kabinet des Königs den Bortrag in Handels­ und Gewerbesachen hat, den Ministern des Äußern, deS In­ nern, der Finanzen und der Justiz, und aus dem Präsidenten des Handelsamtes. nur bei

Die Mitwirkung des Justizministers tritt

legislativen Gegenständen ein.

In Lerhinderungs-

sällen des Königs führt der älteste der anwesenden Staats­ minister den Vorsitz. 4. Das Handels-Amt, unter der Leitung eines Prä­ sidenten, hat die Bestimmung, alle Nachrichten zu sammeln, welche über den Zustand und Gang des Handels und der Gewerbe eine

vollständige Übersicht

gewähren

können, um

mittelst derselben die vor den Handelsrath gehörigen Angele­ genheiten vorzubereiten.

Demselben steht aber an der Ver­

waltung des Handels- und Gewerbewescns keine Theilnahme zu.

Wo es für nothwendig erachtet wird, hat das Handrls-

iimt die Befugniß, sachkundige Männer aus einzelnen oder allen Provinzen zu einer gemeinsamen Berathung zu berufen, und alle Behörden sind verpflichtet, überall da Auskunft zu geben, wo sie verlangt wird. Mit dem Handelsamte verbun­ den ist das statistische Büreau, welches, außer für die allgemeinen statistischen Zwecke der Staatsverwaltung, vor­ nehmlich Materialien zur Kenntniß der Handels-

und Ge-

werbs-Verhältnisse zu sammeln hat. 5. Das Post-Departement oder General-Post-Amt für die Verwaltung des Postwesens, unter Leitung eines StaatsMinisters. 6. Die Haupt-Verwaltung der Staatsschulden, ebenfalls unter der Leitung eines Staats-Ministers, in dessen

Person sich, wie schon oben S. 4b0 und 4b 1 erwähnt wurde, für jetzt auch die Verwaltung — 7. des Seehandlungs-Instituts, und 8. der Hauptbank, so wie auch 9. des Königlichen Kredit-Instituts für Schle­ sien vereinigt, welches unter Königlicher Garantie Schlesische Pfandbriefe ausstellt, auf den Tarwerth der in den land­ schaftlichen Verband aufgenommenen Rittergüter hinter den Pfandbriefssummen bis zu \ der Ta re. Es sind für etwa 1 Million Rthlr. Pfandbriefe ausgegeben. 10. Das Dcpartcmenl ces Staatsschatzes und c (5 Mü nzwesens, unter rfeilung eines SlaalS-MliiistcrS. 11. Das Direktorium des großen MilitairWaisenhauses zu Potsdam, woselbst daS Knabenhaus ist, während das Madll'enhaus sich tin Schlosse Pretzsch be­ findet. 12. Die Ober-Rechnungs-Kamm er, die ihren Sitz in Potsdam hat, ist die höchste Behörde zur Prüfung, Ab­ nahme und Decharge aller Rechnungen, die über den gesammken Staatshaushalt geführt werden. Die Provinzial-Organe der gestimmten innern Verwaltung. An der Spitze dieser Organe stehen die Oberpräfidenten der Provinzen, denen die Eonfistorien und Provinzial-SchutKvllegien, so wie die Medicinal.Kollegien und alle in den Provinzen bestehenden besonderen Anstalten unmittelbar unter­ geordnet sind. Ihr Wirkungskreis erstreckt sich auch auf die Regierungs-Kollegien, ohne deren Selbstständigkeit und Un­ abhängigkeit zu beschränken. Geschäftskreis der Ober-Präsidenten. In jeder Provinz führt ein Ober-Präsident die Verwal-

Geschäftskreis rer Ober - Prä?dr»tcn.

555

lung derjenigen allgemeinen Landes-Angelegenheiten, welche zweckmäßiger der Ausführung einer Behörde anvertraut wer­ den, deren Wirksamkeit nicht auf einen einzelnen Regierungs­ bezirk beschränkt ist.

Zu diesen Gegenständen gehören: Alle

ständische Angelegenheiten, so weit der Staat verfassungsmä­ ßig darauf einwirkt; — die Aufsicht auf die Berwaltung aller öffentlichen Institute, die nicht ausschließlich für einen einzel­ nen Regierungsbezirk eingerichtet und bestimmt sind (die Kre­ ditsysteme sind hiervon ausgenommen, da die Haupt-Direk­ tionen unmittelbar dem Minister des Innern untergeben sind, s

oben S. 546); — allgemeine Sicherheits-Maaßregeln, in

dringenden Fällen, so weit sie sich über die Gränze eines ein­ zelnen Regierungsbezirks hinaus erstrecken; — alle MilitairMaaßregeln in außerordentlichen Fällen, in welche die CivilVrrwaltung gesetzlich einwirkt, so weit sie die ganze Provinz betreffen; der Ober-Präsident handelt in solchen Fällen ge­ meinschaftlich mit dem kommandirenden General des in der Provinz stationirten Armee-Korps; — sodann sind die OberPräsidenten, wie schon erwähnt, mit der obern Leitung der Angelegenheiten des Kultus, des öffentlichen Unterrichts und des MedicinalwesenS in der Provinz beauftragt. Sie bilden keine Mittel-Instanz zwischen den Ministerien und den Regierungen, sondern sie leiten die ihn«» anvertrau­ ten Geschäfte unter ihrer besonderen Verantwortlichkeit, als beständige Kommiffarien des Ministeriums.

Ihr Wirkungs­

kreis umfaßt die oben genannte eigene Verwaltung, sodann aber auch die Oberaufsicht aus die Verwaltung der Regierun­ gen, der Provinzial-Steüer-Direktionen (f. oben S. 548) und der General-Kommissionen zur Regulirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse (S. 545), und die Stellvertre­ tung der obersten Staatsbehörden in besonderm Auftrage und

öe|d)aft«lui< dcr Cbcu^räfircnlcit.

55b

btt außerordentlicher Veranlassung.

Die Ober - Präsidenten

sind dem Staats-Ministerio und jedem einzelnen Staats-Mi­ nister für dessen Wirkungskreis untergeordnet, und verpflichtet, die besondern Aufträge derselben zu vollziehen.

In Krank-

heits- und Behindcrungsfällen können sie sich von dem VicePräsidenten der Regierung ihres Wohnsitzes vertreten lassen, denn der Ober-Präsident ist in der Regel zugleich Präsident derjenigen Regierung, welche an seinem Wohnorte ihren Sitz hat, aber er kann die Führung des Spezial-Präsidiums der letzten dem Vice - Präsidenten entweder aanz oder thcilwcise übertragen.

Die Ober-Präsidenten erstatten den Ministerien

regelmäßige Berichte, und ihr Jahres - Bericht über den Zu­ stand der Verwaltung in

den Provinzen gelangt ans Ge­

lammt - Ministerium zur Berathung.

Die Provinzial-Behör­

den, namentlich die Regierungen, sind die Organe der OberPräsidenten.

Diese

übernehmen

aber

bei

ausgebrochenem

Kriege und vorhandener Kriegsgefahr für die Provinz die gelammtejEivil-Verwaltung. Ihnen liegt auch die Wahrnehmung des juns circa sacra cntholiconim ob. Zu den den Ober-Präsidenten noch besonders überwiese­ nen Verwaltungs-Gegenständen gehören: die Entscheidung in allen Kommunal- Angelegenheiten, die Konzessionen zur Anle­ gung neuer Apotheken,

die Bewilligung von

Kram-

und

Viehmärkten, die Genehmigung zu gemeinnützigen Anstalten, die Anstellung der Ökonomie.Direktoren großer Institute, die Ertheilung von Schauspiel-Konzessivnen, und längere UrlaubsBewilligungen für Mitglieder der Regierungen.

In Militair-,

und Militairverwaltungs-Angelegenheiten gebührt ihnen eine Mitwirkung; und die bei den Universitäten'bestellten, RegierungsBevollmächtigten sind sie zu unterstützen eben so verpflichtet als berechtigt.

Eben so steht ihnen, mit Vorbehalt des Rekurses,

Geschäftskreis der Lber-Präsikeaten.

557

die Entscheidung und Festsetzung in Angelegenheiten wegen Er­ haltung der Landtagsfähigkeit ritterschaftlicher Güter, nach Ab­ lösung der Reallasten, zu. Sie ertheilen die landesherrliche Er­ laubniß zur Errichtung gemeinschaftlicher Wittwen-, Sterbeund Aussteüerkaffen; auch gehören zu ihrem Reffort die Ange legenheiten der öffentlichen Sparkassen. Sie veranlassen die Aus­ schließung von der Standschast, wenn dieselbe durch richterliches Erkenntniß ausgesprochen ist. Den Oberpräsidenten ist, als Prä­ sidenten der Provinzial-Schul-Kollegien, die letzte Entscheidung über die Amtsentsctzung, Versetzung oder Straf-Emeritirung von Elementar-Schullehrern, auch wenn diese zugleich zu den niederen Kirchen-Beamten gehören, beigelegt. Den Ober-Präsidenten steht die Beaufsichtigung der Press« und die Leitung der Eensurverwaltung in der Provinz zu. Sie entscheiden über Preßvergehen bei Werken über 20 Druck­ bogen stark, unter Vorbehalt des Rekurses an den Minister des Innern, innerhalb zehn Tagen. vorübergehender Behinderung eines

Sie sind befugt, bei der, vom Minister des

Innern ernannten Bezirks- und Lokal-Censoren einen Stell­ vertreter zu ernennen.

Sie begutachten die Anträge auf Kon-

zessionirung zur Herausgabe neüer Zeitungen und Zeitschrif­ ten, entscheiden über Censur-Beschwerden und Censur-Kontraventionen, können aber auch die Entscheidung über erstere so­ fort dem Ober Censurgerichte überlassen, und entscheiden end­ lich über Debits-Suspensionen gegen Schriften, deren Inhalt als gefährlich für das gemeine Wohl zu erachten ist *).

*) Die besonderen Anstalten, welche ausschließlich unter den Lber Präsidenten sichen, sind — in P r e ü ssen: tic (Mraf Bülow v. Dennewitz'sche Blinden-Unterstützung- - Anstalt zu Königsberg, das Land. Armen-BerpftegungS - Institut zu Tapiau, die LUafanstalt zu War-

558

(tiefdüflafwiz bei l6ti Piäsidenten. Die Ängelegeiitieilen

der landesherrlichen Rechte

cirra

sacra der römisch-katholischen Kirche verwaltet, in so fern sie die interna derselbe» betreffen, der Ober-Präsident, unbeschadet der gesetz- und verfassungsmäßigen Amtsbefugnisse der, dieser Kirche unmittelbar vorgesetzten

Bischöfe.

Unter den innern

Angelegenheiten der römisch-katholischen Kirche werden ver­ standen : — Die Erörterungen über die Zulässigkeit der päpst­ lichen Bullen und Breven, oder von anderen auswärtigen geistlichen Obere» herrührenden Verordnungen, wegen deren Genehmigung stets an das vorgesetzte Ministerium zu berich­ ten ist; — die Besorgung der Gesuche an den Papst, oder an auswärtige geistliche Oberen, um kanonische Bestätigung der, Königlicher Seits ertheilten geistlichen Würden, so wie um Dispensation von Eheverboten nach den Grundsätzen des kanonischen Rechts; — die Erörterung und Erledigung der Streitigkeiten mit anderen Religions-Parteien über Gegen-

Unbur.j; die Provinzial £traf Anfüllen \\i Zwtfivihirvt mit (Mraiih'nt. die Wavitfatictntfdtulf zu Danz-'g.— 2n Brandenburg die ftändlsci'tn Landannen-Direktionen zu Berlin ifiv tic fluv, und zu Lands berg a. d. W. sur hc Ncüurark: von der zuerst genannten uijcitr ich : das Land Armenhaus zu Strausberg. daö Laud-Ilreuhaus zu Neuruppin linb das Land - Armen - und InvalidenbauS zu Wlttsteck, von der zweiten dar Land-ArmenhauS zu Landsberg a. d. W.— In P emmcrn: das Mauenstlst zu Stettin. — In Schlesien: die Verwaltung des Irren-Herl- und Vcrsorguirgc - Wesens, für da- es Anstalten zu LeübuS (Heilanstalt), zu Brieg und Plagwitz (Versor­ gungs-Anstalten) giebt. — In Posen: dre Verwaltung der IrrenAnstalt zu CbcTtiif. — In S a cp sen: giebt eS keine der lnerber gehörigen M'oiumn Institute: dagegen — in W estsa 1 en: die Direktionen sur die Ruhr- und ,'ur die Lippe - Schifffahrt, daö LandArmen- mir BeffenrngshauS zu Benninghausen, und die ProvinzialIrren-Heil- und Pfleganstalt zu Marsberg. — In der Rheinpro vinz: die Provinzial - Irren-Anstalt zu Siegburg und das Prvvinzial-ArbeitShauö zu Brauweiler.

Geschäftskreis tfi r^ber-Präsideuten.

559

stände des öffentlichen Kultus; - die Erörterungen über Re­ vision und Berichtigung der Kirchengesetze, welche ohne Ge­ nehmigung des Ministeriums dürfen; —

nickt bekannt gemacht werden

die Beaufsichtigung

geistlichen Kandidaten Seitens

der Prüfung,

welchen die

ihrer Kirchenbehörden unter­

worfen werden; — und alle sonstigen, weiter unten bei den Konsistorien der evangelischen Kirche zu berührende Religions­ Angelegenheiten, in so weit sie, ihrer Natur nach, unter dem jure circa sacra der römisch-katholischen Kirche mit begriffen werden können 4). *123

*) Die römisch-katholijche .findet ist int Pi russischen Staate nt fvUv'iitf Diöcesen eingetheilt: 1. Bist hum dimlant mit Dekanaten und einem Priester-Le. minar zu BraunSöng; Sitz des Bischofs: Frauenburg.— Ostpreüsscn. 2. Bisthum Kulm mit 26 Delanaten; Sitz des Bischofs Pelplin. — Westpreüssen und das im Reg.-Bezirk Köslin liegende Dekanat Lauenburg bilden diese Diöcese. 3. ErzbiSthum n c f c n und Pose n mit 2 Metropolitan - Kapi­ teln zu Gnescn und zu Posen, ,39 Dekanaten und 2 Kollcgiat-L tistcrn zu Kruschwitz und St. Maria Magdalena in Posen, 1 theoretischem Priester-Seminar zu Posen und I praktischen zu Gucsen. Sitz de- Erzbischofs: Posen. — Diese KirchenProvinz besteht aus dem Großberzoqthum Posen, einem kl.inen Theil — Dekanat Deutsch-Krone — von Westpreüssrn, und auS der, zur Provinz Pommern, Reg.-Bezirk KvSlm, gehörigen Propstei Ternpelburg. 4. EremteS Bisthum Breslau mit 70 Dekanaten und 1 Prie­ ster-Seminar zu Breslau; Siy des Füist Bifchofs: Breslau.— Zu dieser Diöcese gebort innerhalb des Preussischen Staats das Herzeglhum Schlesien (mit Ausnahme der Grafschaft Glatz und des Distrikts Kätscher) und das Marlgrafthum Lausitz; auch stehen die katholischen Kirchen in der Provinz Branden bürg und den potnmerschen Bezirken Stettin und Stralsund unter der geistlichen Aufsicht de- Fürst-Bischofs von Breslau, der sie durch seinen Delegaten, den Propst zu Berlin, ausüben läßt. Die Grafschaft Glatz steht unter dem Fürsten-Erzbischof

Konsistent« und Schul Kollegien.

560

Die K o n f i |1 o \ i e n iuit> S*P**r7*o8 *v i n $ i a l; \5 d> u l: Kollegien. In dem Hauptorte einer jeden Provinz besteht für die Kirchen- und Schulsachen ein Kosistorium, dessen Vorsitzender



0.

7.

8.

vcn P r ag und dtr Dlslnkt Kutscher unici rem Wülsten (?rz bisch es vcn Olrnütz. Die (Erzbischöfliche .Uirdjnivvev.M^ Kein begreist die SpirnPaderborn, Münsicr. .Kein und iuci. Bisthum P adei b e i n mit 30 Trfiiiwhn und I Priester Beminav zu Paderborn. Sitz tcx* Bischoss: Cftin^hviufiH. — Der JvrvniV'l dieses '^u'ihumd umfahr in der Provinz West Mim tu* Negierung- Bezirke Minden und Vlun'bmt, und in der Provinz «.uhfcn den Regierung- Bewirk Erfurt. Auch stehen unter der ^nstlid'cn Aussicht des Bischest von Pader l\rn die iömisch tukbeiischen (^umnirrn im Regierung- Bezirk Magdeburg. Bi-tl,uur Mu n üei mit 17 Dekanaten und 1 Priester Le runar zu Murrün. cro Bircher's. Münster. Dieses Bisthum cutivifl sich, iiinnhsilb der Königl. i'anrc, über den Regier un ge Bezirk Münster und übei Mc .^rnw.Niere, Geldern. Rbe.nbcrg, Knuren. ^Kcc** und Dinslalen des Regieriingsbezirf- Dusielders'. fmui außerhalb Lande- ul er tu* taii'L'hid'nt .Vnvl\n rc* l^icfMui tbumt Oldenburg. Trzbi-thnm Köln mit 44 Trfonnttn. I Kellegiatstrst zu Achrn und 1 Pnester-Seminar zu Köln- Sitz des (Zizbischoss. Köln. Der Sprengel diese- ErzbiSlhuirrS urusaßt de die» Re gierungsbezlrke Kein, Achen und Düsseldorf, irrem mit Aunähme der bei der Diözese Münster genannten Kreise. Vorn Regrerung-bezirk Keblen; gehört aber noch znm Bisthum Kein das Dekanat (Lrpel und vom Tnerschcn RegierungSbez.rk ne Pfarreien Hahlschlag und Stcfften. Bi-thum Trier mit 1 Delegation zu (Zhrenbreitstein für sammt liche Kirchen de- Preussischen Gebiets, Tricrscher Diöees, welche auf dem lechten Nhclnusei liegen, 23 Dekanaten und 1 Prie ster - Seminar zu Trier-, Sitz de- Bischofs: Trier. — Dieses Bisthum erstreckt sich innerhalb de- Preussischen Staat- über die beiden RegierungS - Bezirke Koblenz und Trier, mit Ausnähme der bei Köln genannten Gebiete. Außerhalb Lande­ umfaßt es die überrheintschen Besitzungen der großherzoglichen und landgräslichen Hauser Oldenburg und Hessen-Homburg.

561

Geschäststrei- der.(tenfii1eri#n.

der Oberpräsident ist.

Es übt in Rücksicht auf die Protestan­

ten die Konsistorial-Rechte aus, während es in Beziehung auf die römisch-katholischen Glaubensgenossen früher die landes­ herrlichen Rechte circa sacva zu verwalten hatte, was ihm aber gegenwärtig nicht mehr zusteht, dagegen übt es in Rück­ sicht auf alle übrigen Religions-Parteien

diejenige Aufsicht

auf, die der Staatszweck erfordert, und die Gewissensfreiheit gestaltet.

Die Konsistorien spalten sich in zwei Abtheilungen

für evangelisch-geistliche Sachen (Konsistorium), und für Un­ terrichts -Angelegenheiten (Provinzial - Schul - Kollegium). Geschäftskreis der Konsistorien. Die Konsistorien sind vorzüglich dazu bestimmt, in rein geistlicher und wissenschaftlicher Hinsicht die allgemeine Leitung des evangelischen Kirchenwcscns in der Provinz zu besorgen. Sie haben die Sorge für Einrichtung der Synoden der evan­ gelischen Geistlichkeit, die Aufsicht über diejenigen, welche schon vorhanden sind, die Prüfung, und nach Befinden die Berich­ tigung oder Bestätigung der Synodalbeschlüsse, auch die Be­ richterstattung über selbige, wo sie erforderlich ist; —

die

Aussicht über den Gottesdienst im Allgemeinen, insbesondere in dogmatischer und liturgischer Beziehung, zur Ausrechthal­ tung desselben in seiner Reinheit und Würde; — die Prüfung der geistlichen Kandidaten; —

die Bestätigung der Geistli­

chen ; — den Vorschlag der von dem Ministerium zu ernen­ nenden Superintendenten, Aufsicht über

und

ihre

geistliche Seminare

Einführung; —

die

und die Anstellung der

Lehrer dabei; — die Aussicht über die Amts- und moralische Führung der Geistliche», und Alles was damit zusammen­ hangt; — die Anordnung kirchlicher Feste.

In einigen Fäl­

len kann das Konsistorium seine Verfügungen durch die be­ treffende Regierung zur Ausführung bringen lassen, in den £latijhf t. Preüjs.

3(i

(Me)d)ü|K'(rfÜ in Schirl-Kvllcgirn.

062

meisten Fällen aber geschieht dieS durch den geistlichen Rath der Regierung und dir Superintendenten *), welche überhaupt di« Organe sind, deren sich das Konsistorium in Hinsicht sei­ nes Refforts, der Regel »ach, bedient. gehürt auch Heere

Zu diesem Ressort

die Anstellung und Beaufsichtigung

angestellten Prediger.

der beim

Unter dem Ober-Präsidenten

steht an der Spitze des Konsistoriums der General-Superin­ tendent der Provinz, welcher gemeiniglich das Prädikat eines Bischofs der evangelischen Kirche führt. Geschäftskreis der Schul-Kollegien. Alle gelehrte Schulen der Provinz, diejenigen nämlich, welche zur Universität entlassen, nicht minder auch die Schul­ lehrer-Seminare, stehen unter der Aufsicht und Verwaltung der Provinzial-Schul-Kollegien.

Ihre Wirksamkeit erstreckt

sich auf — alle, den pädagogischen Zweck der Unterricht-an­ stalten im Allgemeinen betreffende Angelegenheiten; — Prüfung der Grundplane

oder Statuten der Schulen

die und

Erziehungs-Anstalten, in sofern sie deren innere Einrichtung betreffen; — die Prüfung neuer Schulordnungen re. — der

•) In kirchlicher Beziehung ist der Preussische Staat in 366 evangeli. sche Kirchenkreise ederSuperlntendentureu eingetheilt: davon enthalt: liönigeberg 21 Magdeburg 38 Gumbinnen 16 Sachsen Merseburg 40 Erfurt 14 D-«,i§ . 7

i

Manenwcrdcr 7 50 B"">d.»burg 76{|;^u'tnt 26 Stettin . Jtöelin . Stralsund

( {

Breslau Ltegnitz . Oppeln .

29 17 11

Westfalen

! {

Munster . Minden . Arnsberg

1 4 11

.Achen . . 2 t Koblenz . . 9 Rheinprovinz 24/Köln ... 2 1 Düsseldorf . 8 18 ^ Trier ... 3 28 östliche Provinzen .... 326 * Westliche Provinzen .... 40

im Gebrauch befindlichen Schulbücher; — Abfassung neuer Schulbücher; —

Abfassung

und Revision

der Pläne

von

Schullehrer-Seminaren, Aussicht und Leitung derselben und Anstellung ihrer Lehrer; — Prüfung pro fncultale doecndi der Schulamts-Kandidaten; — ingleichen der Lehrer pro loco und pro ascensionc *).

— Anordnung der Abiturienten-

Prüfungen bei den gelehrten Schulen; — Aufsicht, Leitung und Revision der gelehrten Schulen, — Anstellung und Be­ förderung der

Lehrer an den Gymnasien

und Schullehrer-

Seminaren nach eingeholter Genehmigung des Ministeriums. Diese Bestimmungen finden auch auf das römisch-katholische Erziehungs- und Unterrichtswescn Anwendung, wobei jedoch den katholischen Bischöfen

ihr Einfluß auf den Religions­

unterricht vorbehalten bleibt.

Wie die Konsistorien bei den

Kirchen, so haben die Schulkollegie» bei den höheren Unter­ richts-Anstalten Theilnahme an der Verwaltung ihrer aüßeren Angelegenheiten und ihres Vermögens; zugleich vertreten sie den Fiskus

und

die Anstalten selbst bei Gemeinheits­

theilungen. Die Medizinal-Kollegien, deren es in dem Hauptorte einer jeden Provinz eins giebt, sind rein wissenschaftliche und technisch - rathgebende Behörden für die Regierungen und Gerichte im Fache der polizeilichen und gerichtlichen Medizin, und haben mithin keine Verwal-

') Dies» Prüfungen sind««, so weit sie auf da« gelehrte Schulwesen Bezug haben, nicht unmittelbar Seiten« der Schul Kollegien, sondern vor »igend« dazu bestimmten «iffenschaftlichen Prüfungs-Kommissionen Statt, deren e« in Königsberg für Pieüsien, in Berlin für Brandenburg und Pommern, in Breslau für Schlesien und Posen, in Halle für Sachsen, in Münster für Westfalen nnd in Bonn füt die Rlieinprevinz je eine giebt.

Tic Mcbijlnal- Krllcgic».

504 tung.

Ihre Obliegenheiten sind demnach hauptsächlich fol­

gende : — Die Angabe und Begutachtung allgemeiner Maaß­ regeln zur Beförderung der Kultur der medizinischen Wissen­ schaft

und Kunst,

zur Ausbildung

der Medizinal-Personen

und Anstalten, besonders wenn diese zugleich Lehr- und BildungS- Anstalten für Mediziner sind; — die Entwersung oder Beurtheilung

allgemeiner Plane

zur Vervollkommnung des

Medizinal-Polizeiwesens der Provinz;

die Prüfung der

Medizinalpersonen niedern Ranges; — die Beurtheilung ge­ richtlich-medizinischer Falle; die Angabe und Prüfung allge­ meiner Heilungs-, Verhallungs - und Sicherungs-Maaßregeln bei

ausbrechendcn Seücben; — die Untersuchung technischer

Gegenstände, welche für das Medizinalwesen wichtig sind; — die Zusammenstellung mm Generalwerken und die Abfassung übersichtlicher periodischer Berichte, welche sich auf das Me­ dizinal-

und Sanitatswesen beziehen, mul) den von den Re­

gierungen lnitzutheilenden Materialien.

Den Borsitz im Me­

dizinal-Kollegium führt der Oberprasident. Geschäftskreis lind Organisation der Regi erungen. Er erstreckt sich auf alle Gegenstände der innern LandeSVerwaltung, welche von den Ministern des Königl. Hauses, des Innern, der geistlichen Angelegenheiten und des öffentli­ chen Unterrichts, der Finanzen, der auswärtigen Angelegenhei­ ten und des Krieges abhangen, in so weit diese Gegenstände überhaupt von einer Tenitorialbehörde verwaltet werden kön­ nen, und für selbige nicht besondere Verwaltungsbehörden an­ geordnet,

oder

sie

anderen Behörden

ausdrücklich

übertra­

gen sind. Zur schnelleren Förderung der Geschäfte sind die Regie­ rungs-Kollegien in Abtheilungen gespalten, und zwar in - -

Geschäftskreis und Organisation rer Regierungen.

565

1) Eine Abtheilung des Innern, welche die gesummte innere Verwaltung, so weit deren Gegenstände nicht vor die folgenden Abtheilungen gehören, zu bearbeiten hat; -2) Eine Abtheilung für die Kirchenverwaltung und das Schulwesen, der die Verwaltung aller geistlichen und SchulAngelegenheiten gebührt, so weit diese nicht dem Konsistorium ausdrücklich übertragen sind; — 3) Eine Abtheilung für

die Verwaltung der direkten

Steüern und der Domainen und Forsten. 4) Eine Abtheilung für die Verwaltung der indirekten Steüern,

wo

nicht Provinzial - Stkücr - Direktoren

bestellt

sind. *) Die Kassen -, werden

nicht

Etats-

und Rechnungs-Angelegenheiten

kollegialisch,

sondern von Einem Kassenrathe

unter dem Präsidenten selbstständig bearbeitet. An der Spitze des Kollegii steht das Regierungs-Präsi­ dium, welches aus dem Präsidenten (Ober-Präsidenten), dem Vize-Präsidenten und den Dirigenten der einzelnen Abthei-

*) Diese Organisation des Regierung--Kollegii ul nicht überall gleich. Meyrentheils giebt es nur zwei Abtheilungen; bic vierte Abtheilung besteht nur bei den beiden brandenburg,scheu Regierungen zu Pots­ dam und Sianfftttf, indem in dieser Provinz kein Provinzial Steuer Direktor für die Verwaltung der indirekten Steüern angestellt ist. Bei der Königsbcrgcr Regierung spaltet sich die erste Abtheilung in zwei Unterabtheilungen, de- Innern und de- onnmi für Landeskultur. In Qtuml'innrn, Danzig, Jtvtlin, ^iegruy, Appeln, Bromberg. (Zrsurt, Münster, Minden, Arnsberg, Achen, Düsiclderf, Köln, Koblenz und Trier bestellen nur zwei Abtheilungen de- Innern unv für dle Verwaltung der direkten Steüern, Domainen und Fersten. In Marienwerder giebt cs drei Abtheilungen, für das Innere und die Polizei, eine landwirthschaftliche Abtheilung de- Innern und die Abtheilung für die Verwaltung der direkten Steuern, Domainen und Forsten. Die Regierung zu Stralsund bearbeitet alle Gegenstände der Verwaltung im Plenum.

Geschäftskreis und Ci^onifahon der Regierungen.

lungen, die

den Karakter „Obcr-Regirrungsräthe" führen,

zusammengesetzt ist. *•*) ) Jede Abtheilung verfügt in dem ihr angewiesenen ®tschästskreise, sobald die Sache unbezweifelt ausschließlich dazu gehört, ohne Konkurrenz einer oder aller anderen Abtheilungen; int Fall die Sache aber in das Ressort derselben ebenfalls ein, greift, kann sie es nur mit ihrem Vorwissen und Einverständ. niß

thun.

Die Abtheilungen

bilden daher auch keine abge­

sondert von einander, für sich bestehende Behörden, sondern machen zusammen Ein gemeinschaftliches Kollegium aus, in dessen Plenum folgende Gegenstände vorgetragen und berathen werden müssen. — Alle Gesetz-Entwürfe und allgemeine neü« Einrichtungen, die in Vorschlag gebracht werden sollen; — die Aufstellung der Grundsätze, nach welchen Auflagen u. s. w. ausgeschrieben werden sollen, sofern darüber nicht schon Vor­ schriften bestehen; — alle Berichte an die Ministerien, durch welche neue Verwaltungs - Grundsätze u. s. w. in Vorschlag gebracht werden, so wie die darauf erfolgenden Entscheidun­ gen;

-

die zu

treffenden Maaßregeln wegen Ausführung

neuer Gesetze und Verwaltungsnormen, sobald sie nicht ganz ausschließlich den Wirkungskreis Einer Abtheilung angehen; — Abweichungen und Ausnahmen von bestimmten Vorschriften, wenn dazu wegen Gefahr im Verzüge nicht mehr höhere Ge. nehmigling eingeholt werde» kann "); — alle Suspensionen

*) VticM jMc Regieiungen haben Vi;e-Viäfidenteu. V^e dies bei jviH, M vertritt m ältirtc '"bor - NegieningSrath imb Abtheilung-«Din die (Stelle br* ^läiirenten in denen Abwesenheit. •*) Dies versteht sich nur von solchen Vorschriften, welche auf mim. stetieWen Verfügungen beruhen, denn eine Negierung kann nnd bars niemals etwas ven'ugen. was einem ausbrüeklichen l!andeSgeseye ent gegen lauft.

und unfreiwillige Entlassungen von öffentlichen Beamten; — alle Anstellungen und Beförderungen von den bei allen Ab­ theilungen

unmittelbar

angestellten

Unterbeamten; —

alle

Gegenständ«, bei denen mehrere oder all« Abtheilungen interessirt sind, sofern sie sich nicht darüber haben einigen kön­ nen; — alle Sachen, die vom Präsidenten oder einem der Abtheilung--Dirigenten zum Plenum geschrieben werden; — und alle Verfügungen de» Ober-Präsidenten,

sofern sie die

Verwaltung der Regierung, oder die Disciplin im Allgemei­ nen betreffen. *) Den Regierungen liegt dir Verpflichtung ob, das lan­ desherrliche Interesse, das Beste deS Staats und das Gemeinwohl der Unterthanen bei der ihnen übertragenen Ver­ waltung überall gehörig wahrzunehmen.

Sie müssen eifrigst

bedacht sein, nicht allein Allem vorzubeügen, und Alle- zu entfernen, was dem Staate und seinen Bürgern Gefahr oder Nachtheil bringen kann, sondern auch daS Gemeinwohl der­ selben möglichst zu befördern und zu erhöhen.

Sie müssen

hierbei aber auch stets das Wohl der Einzelnen nach Recht und Billigkeit beachten.

Es muß daher bei allen ihren An­

sichten, Vorschlägen und Maaßregeln der Grundsatz leitend sein. Niemand in dem Genuß seines Eigenthums, seiner bür­ gerlichen Gerechtsame und Freiheit, so lange er innerhalb der gesetzlichen Gränzen bleibt, weiter zu beschränken, als es zur Förderung des Gemeinwohls nöthig

ist;

einem Jeden

die

möglichst freie Entwicklung und Anwendung seiner Anlagen, Fähigkeiten und Kräfte in moralischer sowol als

physischer

') Die Provinzial-Steuer-Direkteren sind befugt, den Sitzungen der Regierung, im Plenum sowol, als in den einzelnen Abtheilungen beizuwohnen.

568

OtorihhftMici'5 und Ci^amiahnt bet Negierungen.

Hinsicht zu gestatten, und alle dagegen noch odwaltend« Hin­ dernisse baldmöglichst aus eine legale Weise hinwegzuräumen. Bei den einzelnen Geschäften nnd Anordnungen müssen von

den Regierungen

überall die

Vorschriften strenge beobachtet,

bestehenden

und selbige

Gesetze

und

nach ihrer Be­

kanntmachung, ohne daß cs dazu einer besonderen Anweisung bedarf,

so weil sie ihren Geschäftskreis betreffen, von ihnen

sofort zur Anwendung und Ausführung gebracht werden. Es ist aber auch ihre Pflicht, darauf zu sehen, daß den Gesetzen und Vorschriften überall gehörig nachgelebt werde.

In al­

len Fällen, wo klare und bestimmte Gesetze und Vorschriften vorhanden sind,

können die Regierungen aus eigener Macht

das Nöthige verfügen und ausführen,

und e§ sind ihnen in

dergleichen Fällen alle Anfragen sogar ausdrücklich untersagt. Die Regierungen sind ferner verpflichtet, auch gegen aus­ wärtige Behörden und Unterthanen daS landesherrliche Inte­ resse gehörig wahrzunehmen, und den diesseitigen Unterthanen in dieser Hinsicht den nöthigen Beistand zu leisten, in so weit der Gegenstand zu dem ihnen überwiesenen Wirkungskreis ge­ hört.

Sic können in vorkommenden Fallen mit den auswär­

tigen Provinzial - Verwaltungsbehörde» in Korrespondenz tre­ ten und sich bei

diesen

verwenden.

Im Fall dieses aber

fruchtlos ist, haben sic die Sache dem Ministerium der aus­ wärtigen Angelegenheiten anzuzeigen, damit sic auf diploma­ tischem Wege weiter verfolgt werden kann. Es würde zu weit führen, all' die Vorschriften zu erör­ tern, nach welchen sich die einzelnen Abtheilungen bei der ih­ nen

übertragenen Verwaltung

Vorstehenden

sind die Grundzügc dargelegt,

gesammtcii Administration schen Rechte,

zu richte» haben. welche

In dem bei

der

der Pvlizeigcwalt nnd der fiskali­

so weit diese zum Ressort der Regierungen ge-

Geschäftskreis und £njoniftUivn bei Re^it»un;icn.

569

hören, btn Leitfaden bilden, daher möge hier nur angemerkt werden, daß bei allen Berathungen und Bcfchlußnahmen der Abtheilungen wie des Plenums der Regierung die absolute Mehrheit der stimmfähigen Rathsmitglieder,

und bei Stim­

mengleichheit, die Stimme der Dirigenten oder des Präsiden­ ten den 'Ausschlag giebt, eine Vorschrift, die jedoch nicht die persönliche Verantwortlichkeit und Vertretung aushebt, denen icder für die einzelnen Geschäftszweige ernannte Departements­ rath oder Decernent unterworfen ist.

Außer denDepartemcnts-

räthen für die Polizei- und Finanz-Verwaltung, denen Assesso­ ren zur Beihülfe bcigegcben sind, die aber auch zuweilen als selbstständige Decernenten fungire», giebt cs bei jeder Regie­ rung für die technischen Sachen: einen Obcrforstmeister, außer­ dem aber auch noch bei großer Ausdehnung der Forstverwal­ tung einen Forstrath, sodann einen Justiziarius, als RechtsKonsulent der Regierung, einen geistlichen und einen Schulrath, einen Medizinalrath und einen Baurath, hin und wieder auch zwei Bauräthe, den einen für das Wasser-, den andern für das Landbauwcsen.

Alle Einkünfte stießen in der Regierungs-

hauptkaffe zusammen. Ich glaube,

es nicht unerwähnt lassen zu dürfen, daß

bei der im Jahre 1815 begonnenen Reorganisation der Staats­ verwaltung,

die unterm 30. April des gedachten Jahres er­

lassene Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-Behörden die Namen der Regierungs-Bezirke theils an historische, theils geographische Momente knüpfte, eine Einrich­ tung und Vorschrift, welche im Lause der Zeit verloren ge­ gangen ist, deren Wiederherstellung aber, im Interesse klarer Begriffsbestimmungen

über Verhältnisse

der

Vergangenheit

und der Raümlichkeit wünschenswert!) zu sein scheint.

Nach

der allegirtcn Verordnung gab es u. a: eine Regierung in

Ostpreüffen, in Kittauen, in der Mark Brandenburg, der Neümarf und Lausitz (Frankfurt), in Mittel-, Nieder- und Ober, schlesien, im Herzogthum Sachsen (Merseburg), in Niedersachsen (Magdeburg), in Thüringen (Erfurt), im Münsterlande, im Weserlande (Minden), im Herzogthum Berg (Düsseldorf), im Herzogthum Jülich (Köln),

im Mosellande (Koblenz und

Trier). Organe der Regierungen. Die Organe, deren sich die Negierung zur Vollziehung ihrer Verfügungen bedient, sind die Landräthe in den Kreisen. Alle Ortschaften, die innerhalb der Gränzen eines Kreises lie­ gen, gehören zu demselben und sind der landräthlichen Auf­ sicht unterworfen, mit Ausnahme der größeren Städte und derjenigen ihrer Umgebung, die mit ihren städtischen Verhält­ nissen in wesentlicher Berührung stehen; diese Städte haben einen besonderen Polizei-Dirigenten, der die Stelle deS Land­ raths vertritt.

Der, auS dem Stande der Rittergutsbesitzer

frei gewählte, und vom Staatsoberhaupt bestätigte Landrath ist die Seele des ganzen Kreises, denn ihm liegt die ganze Po'izei, bad direkte Steüer-, das Militair-, daS Kirchen- und Schulwesen ob, genheiten,

die Kommunal- und die ständischen Angele­

und von seiner Tüchtigkeit hangt die Wohlfahrt

aller Kreis-Insassen sehr wesentlich ab.

Ihm steht das Recht

zu, an den Berathungen der Regierungen Theil zu nehmen, so weit sie seinen Kreis betreffen,

ihm gebühret in

diesem

Fall auch ein Votum. Zu den Organen der Regierungen gehören sodann auch die, für die einzelnen Zweige der Verwaltung des öffentlichen Einkommens

angestellten Unterbehörden

und Finanzbediente

(mit Ausnahme der mit Erhebung der indirekten ©teuern beauftragten Zoll- und Steüerämter); wie die Distrikts- und

571

Pcli;ei- Verwalt»»,;.

Steuer-Kontrolleure (in einigen Provinzen) und Kreis-StrüerEinnehmer für die direkte Steüer-Venvaltung, die DomainenPächter, (Lmtsräthe, Oberamtmänner, Amtmänner) und die Domainen-Rentmeister für die Verwaltung der Domainen und ihrer Gefälle, die Fürstbeamten (Forst-Inspektoren, Oberförster, Förster, Heidcwärter u f. w. und die Forstkassen-Rendanten) für die gefammte Forstverwaltung; ferner die Aichungs-Com­ missionen und Ämter, so wie die für die Bau- und die Ge­ sundheits-Polizei angestellten technischen Beamten, und zwar die Bau-Inspektoren für den Wasser- und den Landbau, die Chaussee - Baubedientcn, demnächst die KreiS-Physiker und Kreis-Wundärzte, die Departements- und Kreis-Thierarzte. Dazu kommen noch die Schifffahrts-Kommissionen in den See - Provinzen und

die

Handelskammern

in

der Rhein-

provinz. Orts «Polizei - Verwaltung. In den Städten, welche keinen eigenen, vom König er­ nannten Polizei-Dirigenten haben, ruht die Ausübung der Polizei-Gewalt nach allen ihren Richtungen in den Händen des, durch freie Wahl der Bürgerschaft berufenen Magistrats, der in dieser Beziehung als wird.

eine Staatsbehörde betrachtet

Auf dem platten Lande üben die Sicherheits- und

Wohlfahrts-Polizei nach den Anordnungen des Landraths die Gutsbesitzer und Amtleült, und unter diesen die Dorfschulzen und Dorfgcrichte aus, theils aus eigenem Recht, theils als Delrgirte, alle aber unentgeldlich,

und sogar mit Übernahme

aller, aus der Verwaltung entspringenden Kosten und Lasten. In den Städten ist der Magistrat die Obrigkeit, die jedoch mehr ordnet und leitet, als verwaltet, denn alle Gegenstände, mit denen Administration verbunden ist,

sind eigenen Magi­

strats-Deputationen überwiesen, deren Mitglieder aus der Bür-

gerschast berufen werden, und die, mit Ausnahme der besol beten Magistrats - Mitglieder, sämmtlich

ohne

Entgelt»

ihre

Zeit und Kraft dem Gemeinwohl widmen.

Und so haben wir denn de» Organismus des Preussi­ schen Staats zergliedert und geschildert, »ach seiner Lerfassung, seiner Regierung und Verwaltung.

Wir sind die ganze St»,

fenleiter unserer politischen Einrichtungen durchlaufen,

und

haben dabei wahrgenommen, das, Alles und Jedes wohl ge­ ordnet ist und den Bedürfnissen und Ansprüchen genügt, die das Volk, auf den von ihm erreichten Kulturstandpunkte, zu machen sich berechtigt fühlt.

Wie die deütsche Eiche, wird

sie in ihrer Jugend gepflegt und geschützt vor Sturm und Ungewitter, zu einem mächtigen Baum voll Kraft und Saft emporwächst, der nach Säkularfeiern erst die Hunderte seiner Aste, seine Tausende von Zweigen und sein schützendes Laub­ dach über weite Raüme ausbreitet, so wird auch der jugend­ liche Preussische Staat, bewahret ihn der Allmächtige vor ge­ waltsamen Erschütterungen, dereinst, wenn er

im kräftigen

Mannesalter steht, zu einem Baum des Lebens werden für die Millionen,

die durch Eine Sprache, Eine Gesinnung,

Eine Bildung aufs innigste aneinander gekettet sind. ist, im Kreise der eüropäischen Menschheit, stimmung für künftige Jahrhunderte!

DaS

Preüssens Be­

Wer will's leugnen?

Die Staats - Kräfte.

Ün der Körperwelt bezeichnet das Wort Kraft aller das, was Bewegung hervorzubringen, zu ändern oder zu hindern strebt.

Eine ähnliche Bedeutung kann man diesem Worte in

seiner Anwendung auf die moralische und die Staatenwelt beilegen, mit dem Unterschied jedoch, daß die von den Kräf­ ten des Staats hervorgebrachte Bewegung, nach den Grund­ sätzen der StaatSkunst,

stets eine fortschreitende sein müsse,

und niemals einer, diesen Fortschritt hemmenden Änderung oder gar einem Hinderniß unterliegen dürfe. In dem

gesellschaftlichen Gebaüde

des Staats athmet

Alles und Jedes Kraft; es ist keiner seiner Theile vorhanden, dem nicht irgend ein Atom von materieller Kraft beiwohnte; alle diese Kraftaüßerungen der Materie lausen aber, unter der Herrschaft des Rechts und des geistig-sittlichen Princips, wel­ ches die höchste Potenz der Slaatskraft vergegenwärtigt, ra­ dienförmig in einer (rentralkrasl zusammen, in der Kraft des Volksvermögcns, das durch das Finanzwesen repräsentirt wird. Sodann aber äußert sich die Kraft eines Staats auch noch durch ein zweites Moment, durch dasjenige nämlich, welches

Hina»; Kiüstk.

574

ihn zur Aufrechthaltung seiner Selbstständigkeit und Unabhän­ gigkeit befähigt, also durcl' die Kraft, die er zur Abwehrung von Gefahr und Angriff auf sein Leben zu entwickeln vermag. Finanz-Kräfte. Wie die Staates ist,

Rechtspflege die conditio

sine qua non des

so bildet das Finanzwesen das nemim rerum

aller seiner Einrichtungen, aller seiner Lebensaüßerungen nach Innen und nach Außen.

Die preussische Finanzverwaltung

hat sich seit der Regierung Friedrich Wilhelin's I. den Ruhm erworben, den jedesmaligen Zeitverhaltniffen entsprechend, un­ ter allen Umständen eine wohlgeordnete,

und immer darauf

berechnet gewesen zu sein, die einzelnen Zwecke der Rechtsge­ sellschaft, ihre Wohlfahrt und Glückseligkeit zu befördern *); ja, selbst die lebhaftesten Tadler und Mäkler haben anerken­ nen müssen, „daß die Finanzen der preüssischen Regierung weit

günstiger

sich

zeigen,

als die

anderer

eüropäischen

Mächte, daß ihre Verwaltung mit Umsicht geführt wird, daß große Ordnung vorherrscht, daß sich das Verwaltungs-Per­ sonal in mehr, als einer Beziehung auszeichnet, und ein gro*) Bei Beurtheilung tc< Zinauzsylici»»

gncdrich Wilhelm» I. müssen

wir uns nothwendiger Weise in seine Zeit versetzen, und uns die Bedürfnisse vergegenwärtigen, die aus dem Streben zur Kräftigung Seine- Hauses, Behufs lknsclidirung des Staats entsprangen. Hätte der König nicht sc gewirthschastet, wie er cs. freilich est mit zu herber Strenge, ja mit Härte, gethan, dann würde Sein großer Sohn uicht die Mittet gehabt haben, gleich nach Seinem Regierung« Antritte, den Preü,sich-Brandcnburgischen Staat zu einer eüropärschen Großmacht zu erbeben. Fnerrich Wilhelm I. verband mit Seiner Anspruchslosigkeit Sparsamkeit und Ordnungsliebe, mit Sei­ ner Kraft und Ausdauer ein hervorragendes Talent für die CtaatSwirthschaft uuv einen Sinn für Gerechtigkeit, wie er unter den Für­ sien Seines Zeitalters selten gefunden ward. „Gleichmäßige Bcrtheilung der Lasten unter rie Bürger rcS Staats" war Sein Wablspruch, nach dem gehandelt zu haben, (k stolz sich rühuren darf.

Ziaanz-Kräfte.

575

ßer Theil der Steuern nach richtigen staatsökonomischen Grund­ sätzen auferlegt ist." DaS Finanz-Ministerium macht alle drei Jahre den all­ gemeinen Etat der Staats-Einnahmen und Ausgaben bekannt. Bei Rachweisung der Einnahmen befolgte es bis zum Jahre 1844 den Grundsatz, nur die Netto-Überschüsse der verschie­ denen Einnahme-Zweige, wie sie aus einer Zusammenstellung der Resultate sämmtlicher Regierungs-Haupt-Kassen-Etats und des General-Staats-Kassen-Etats hervorgehen, in sum­ marischen Beträgen auszuwerfen. Hiernach belief sich der Betrag des Haupt-Finanz-Etats, oder der in ihm nachge­ wiesenen Staats-Einkünfte und Staats-Ausgaben im Jahre: 1832 aus 51.287.000 Rthlr. 1835 - 51.740.000 1838 - 52.681 000 . 1841 - 55.867.000 1844 - 57.677.194 Bon dieser Schematisirung abweichend, sind in dem Staatshaushaltungs-Etat für das zuletzt genannte Jahr 1844 bei denjenigen Einnahme-Verwaltungen, deren Überschüsse durch die Regierungskassen in die General-Staatskasse fließen, die, aus den Spezial-Etats ermittelten Brutto - Erträge vor der Linie ersichtlich gemacht, davon die, mit jeder Einnahme-Verwaltung verbundenen Betriebs- und Erhebungskosten und son­ stigen Ausgaben, welche, den bestehenden Einrichtungen zufolge, theils von den Spezialkassen, theils von den Hauptkassen und von der General-Staatskasse zu bestreiten sind, ebenfalls vor der Linie abgesetzt, und so die in der Linie ausgeworfenen Netto-Überschüsse nachgewiesen worden. Durch dieses Ver­ fahren wird, wie es in der Ministerial-Bekanntmachung heißt, ohne die Vergleichung der in der Linie erscheinenden Resul-

Sinais- .ttiäftc.

570

täte des neuen Etats mit denjenigen der früher veröffentlich­ ten Staatsharrshaltungs-Etats zu erschweren, der Zweck er­ reicht, die Brutto-Emnahmen des Staats, in Bezug auf die wichtigsten Einnahme-Zweige, naher darzulegen und das Ver­ hältnis; derselben zu den auf die Erhebung zu verwendenden Kosten anschaulich zu machen. Um die Nachweisung der Einnahmen noch übersichtlicher zu machen,

sind in dem, weiter unten folgenden Etat die

Brutto-Ertrage in einer ersten Spalte, die ErhebungsVerwaltungskosten in einer zweiten,

und die

und

Netto-Über­

schüsse in einer dritten Spalte eingetragen worden. In

der

amtlichen

Bekanntmachung

des

Ministeriums

sind nur sieben Einnahme-Positionen nachgewiesen.

In mei­

ner Fassung des Etats ist die Einnahme mit einer achten Po­ sition vermehrt, nämlich mit dem Ertrage der Gerichtssportcln und Jurisdictions-Beiträge u. s. w., die unter dem Titel der Aufgaben bei der neunten Position,

die das Justiz-Mi­

nisterium betrifft, vorkomnren, so zwar, daß sie von den Gesammtkosten der Justiz-Verwaltung im Voraus abgesetzt sind. Kauft diese Einnahmequelle sehr wahrscheinlich auch nicht durch den Etat der General-Staatskasse,

so scheint es doch

klar zu sein, daß sie unter den Einkünften des Staats noth­ wendiger Weise ihre Stelle finden müsse, Vermögen des Volks fließt, Kosten deckt,

weil sie auS dem

und beinahe zwei Drittheile der

welche die Handhabung

des Rechts

und

die

Pflege der Gerechtigkeit erfordert. Dadurch steigt der Netto-Ertrag der Einkünfte, wie sie für das Jahr 1844 und die folgenden U Jahre in Aussicht stehen, auf 01.384.449 Rthlr. und der Brutto-Ertrag auf die Summe von / 4.98l.330 Rthlr. Der Netto-Erlrag,

wie er

vom Finanz-Ministerium,

Fina» z »Kräfte.

577

ohne GerichtSsporteln u. s. w. aufgestellt worden ist, verhalt sich demnach jum Brutto - Ertrag des Jahres 1844 wie 10 zu 13.

Und angenommen nun, dieses Verhältniß habe auch

in den früheren Finanz-Perioden Statt gefunden, so belief sich der Umfang des Staats-Haushaltes im Jahre 1832 auf 68.673.100 Rthlr. 1835 - 67.262.000 1838 - 68.485.300 1841 - 72.627.100 1844 - 74.981.330 Hiernach ist das Staats-Einkommen innerhalb der fünf­ zehnjährigen Periode von 1832 bis 1844 um ein Achttheil gestiegen *), während der Bolkszuwachs innerhalb desselben Zeit­ raums ungefähr ein Fünftheil betragen hat.

Mithin haben

sich mit den Staatsbedürfnissen entweder die Lasten des Volks vermindert, oder sein Wohlstand hat, statt Vorschritte zu ma­ chen, Rückschritte gemacht! — Ich gehe nun über zu dem Hauptfinanz-Etat des Jah­ res 1844 und den zu seiner Erlaüterung dienenden Bemer­ kungen des Finanz-Ministeriums, in denen mehrfach auf den Finanz-Zustand im Jahre 1841 Vergleichungs Weise Rück­ sicht genommen ist. *) In dem Berichte, welchen die Staatszeitung vom 8. Novemb. 1642 über die Sitzung der ständischen Ausschüsse vom 26. Oktober desselben Jahre« giebt, wird dem Finanzminister die Äußerung zugeschrieben, „daß die Ginnahmen des Preussischen Staats in einem siebenjährigen Zeitraum um mehr, als 51/, Million ) ährlich gestiegen wären.'" Daß der Berichterstatter sich versehen, uno habe sagen wollen, die Glnnahmen waren ln dem ga nzen Zeitraume um so viel gewachsen, sieht ein Zeder ein, der einen Blick auf die obigen, oder aus die Zah­ len der S. 575 wirft. Der Finanzminister hatte die Periode von 1S35 bis 1642 im Auge. nnd da betrugen he Ne tto-Einnahmen des Staats: 1635: 51.740.000 Rthlr. 1639: 53.475.000 Rthlr. 1836: 51.957.000 1640: 54.655000 1637: 52.488.000 1641: 55.667 000 1638: 52.661.000 1842: 57.402.000 Sie find daher innerhalb 7 Zahre um 5.662.000 Rthlr. gewachsen. Statistik d. Preüss. Staats.

37

578

Allgemeiner Gl»t der Staatr-Eianahmen und

Allgemeiner Etat der Staats-Einnahmen und Ausgaben für das Jahr 1844. Einnahmen. Nr. 1. VI u 6 Per Verwaltung der DeniainenunP Forsten Davon ab: a) ?(ii VerwaltungSkosten. Lasten u. VI bgaben .... b) D. d. KrenstdeikemNuß verbehaltene Re­ venuen-Vlntheil (einschließlich 73.099 Thr. Agio von 548.240 Rth. Gold) . . Zusammen . 2. AuS den DomainenAblösuugen und Ver­ kaufen, Behufs schnel­ lerer Tilgung der Staatsschulden Aus der Verwaltung der Bergwerke, Hütten und Salinen . . Dazu an Überschuß aus der Porzellan-Manu­ faktur in Berlin . 4 AuS der Post-Verwal­ tung ..................... 5. Aus der Verwaltung der Lotterie . . . . 6. AuS der Steuer - und Abgaben-Verwaltung: a) an Grundsteuer . b) an Klassensteuer c) an Gewerbesteuer (1) an Eingangs-, Aus­ gangs - und Durch­ gangs-Abgaben; an Verzehrungssteuern v. inländischen Erzeug­ nissen; an Wegegel­ dern, an Abgaben v. d. Schifffahrt und der Benutzung d. Häfen, Kanäle, Schleusen, Zu übertragen

.

|

Brutto-

BervaltuugS-

Netto­

Ertrag.

koften.

ertrag.

Rthlr.

Rthlr.

Rthlr.

9.924.541

3.261.279

2.573.09» 5.834.378

1.000.000

1.000.000 507.838

1.607.838

17.241 1.400.000

34.664.331 j

1.100.000



17.241

. . .

1.400.000





863.200

863.200 10.427.944 7.188.107 2.435.460

4 090.163

565.637 297.761 96.491

S.84L307 6.690.346 2.336.969

7.324.105 | 27.540.226

Ausgaben für das Jahr 1844.

Einnahmen. Nr. Übertrag . Drücken rc., ferner an Stempelfteüer . . e) an Einkommen von der Salzregie . . 7. An verschiedenen, unter obigen Titeln nicht begriffene» Eiuahmen 8. AuAerichtSsporteln, IuriSdictionS beiträg. rc. Summa der (Zinnahme

.

579

Brutto^

VerwaltungS-

Netto-

Ertrag.

kcsten.

Ertrag

Rthlr.

Rthlr.

Rthlr.

34.864.331

7.324.105

27.540.226

29.081.434

3.606.356

25.475.078

6.981.720

2.666.420

4.315.300

346.590 3.707.255 74.991.330 |

. . . . . . 13.596.881 |

346.590 3.707.255 61.384.449

Betrag. Rthlr.

Ausgaben vom Ne tto-Tr trage. 1. Für da- Staats - Schuldenwesen, und zwar: a) Zur Verzinsung der allgemeinen und provinziel­ len Staatsschulden und zu den laufenden Verwal­ tungskosten .................................. Rthlr. 4.961.885 b ) Zur Schuldentilgung . . 2.251.115 c) Zur Verzinsung und Tilgung spater übernommener ProvinztalSchulden .................................. 40.920

7.253.920

2. An Pensionen, Kompetenzen und Leibrenten, u. zwar:

a) An etatsmäßige» Fonds zu Peußoue» für emerltirte Staatsdiener und deren Wittwen und Hinter­ bliebenen, so wie zu sonstigen Gnaden.Unterstühun-en.............................................. Rthlr. 985.527 b ) An lebenslänglichen Kompeten­ zen und Pensionen der Mitglieder aufgehobener geistlichen Korpora­ tionen, an Pensionen, welche sich auf de» Reichs-Deputation-schluß vom 25. Feb. 1803 oder andere Staat-verträge gründen; und an sonstigen, künftig wegfallenden Zahlnngen, als Wartegelder, Leibren­ ten, Pensionen rc, die auf frühere« Verpflichtungen u. Bewilligungen beruhen ........................................Rthlr. 1.232.121

2.217.649

An dauernden Renten: a) Entschädigungen für aufgehobene Rechte und Nutzungen ....... Rthlr. 254.110 Zu übertragen

.

Rthlr.

254.110

9.471.568

580

Allgemeiner Etat der Staats-Einnahmen und I Ausgaben vcm Nettc-Ertrage. Übertrag . Rtblr. b) Zinsen der Amtskautioneu . c) Zur Verzinsung eingezogener StlftungSkapitallen. fc wie zur Verzinsung und Abbürdung tem­ porärer Vorschüsse anderer König­ lichen Kaffen .... il) Zuschuß an die Civil-Wittwenkaffe aus der Garantie vcm Jahre 1775 ..................................

254.110 211.845

Betrag. Rtblr. 9.471.568

358.840

310.193 4. Zur verschiedene Ccntralbehorden........................ Und zwar: für das Gcbeime Clvilkabinet 20.203 Rtblr.. für das Büreau des StaatSnrinlstcril 64.424 Rth.'r., für die StaatSbuchbaltcrei 28.219 Rthlr., für dre Verwaltung des Staatoschatzes unk der Münzen 15.968 Rtblr., für taS Staats- und KaburetS-Archiv 10.435 Rthlr., für die ProvinzialArchive 11.422 Rtblr., für das StaatSfekrctariat 23.911 Rtblr., für die Ober-Rechnungskanrnrer 123.791 Rthlr., für die General-O rdenSkommissson 20.946 Rthlr., für das statistische Vüreau 11.209 Rthlr................................................................... 5. Für daS Ministerium der geistlichen. Unterrichts- und Medizinal - Angelegenheiten............................. 6. Für das Ministerium des Innern und die GeneralComnusiionen ................................................ 7. Für das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten 8. Für das Kriegs-Ministerium, einschließlich der Zu­ schüsse für das große Militair-WaisenhauS zu Pots­ dam und dessen Filral-Anstalten.................... 9, Für das Justiz-Ministerium und das Ministerium der Gesetz-Revision................................................ 10. Für d. Finanz-Ministerium u. d. General-Staatskasse 11. Für d. General-Verwaltung d. Domainen n. Forsten 12. Dem Finanz - Ministerium, für die Verwaltung für Handel und Gewerbe, ingleichen für die gewöhn­ lichen Land- und Wasserbauten, mit Ausschluß der Chausseen........................................................... 13. Demselben zur Unterhaltung itnb zum Neübau der Chausseen, einschließlich der Mittel zur Verzinsung der aufgenommenen Chausseebau-Kapitalien . . 14. Für die Ober-Präsidien und Regierungen . . . 15. Für die Haupt- und Land-Gestüte........................ 16. Zur Ablösung kleiner Passiv -Renten.................... 17. Zur Deckung des Verlustes bei Umprägung der, nach langjährigem Umlauf nicht mehr vollhaltigeu , Münzen.......................................................... 18. Zur Verwendung zu wohlthätigen Zwecken, die in Zu übertragen

.

.

1.134.998 330.519

3.119.940 2.752.656 729.304 24.604.209 5.985.193 159.653 99.909

2.008.917 2.782.800 1.704.489 173.306 100.000 400.000 55.556.449

581

A»«gabt» für da« Jahr 1944.

I 19. 20. 21. 22. 23.

9tn«gaben vom Netto-Trtrage. __________ |

Betrag. Rthlr.

Übertrag . Ermanglung gesetzlicher Erben dem Fiskus anheim­ fallender Verlassenschaften . '.................... Zu außerordentlichen Bedürfnissen, als: zu Ehaussee-, Strom-, Hafen- und sonstigen Bauten und zu Landesverbefferungen............................................ Dispositionsfonds zu Gnadenbewilllqunaen aller Art Zur Übertragung der Einnahme-Ausfälle, insbeson­ dere deS von der Porto-Ermäßigung zu erwarten­ den Ausfalls an den Post-Emkünften .... Zu unvorhergesehenen Ausgaben........................ Zur Ansammlung eines Deckungs-Fonds zur Bestrei­ tung der für Eisenbahnbauten zu übernehmenden Verbindlichkeiten und zur Vermehrung des HauptReserve-Kapitals ............................................ Summa der Ausgabe

.

55.556.449 16.000 2.500.000 350.000 1.000.000 500.000

1.462.000 61.364.449

Da der Haupt - Finanz - Etat nur dazu bestimmt ist, eine allgemeine Übersicht der Staats-Einnahmen und Ausgaben zu gewahren, so haben sowol die Brutto-Einnahmen, als auch die Erhebungskosten, nur in summarischen Beträgen aus­ geworfen werden können.

Die wichtigsten derselben sollen

jedoch, in den nachfolgenden Erläuterungen, in ihre HauptBestandtheile zerlegt werden.

WaS zunächst dir —

Einnahmen betrifft, so besteht 1.

Die Brutto-Einnahme an- der Verwaltung der Domainen und Forsten auS a) den Domainen - Revenüen, welche 1. An Rentamts-Gefallen, Erbpachten, Erbzinsen und andern Geld- und Natural - Gefallen................. Rthlr. 4.132.269 2. An Einnahmen von verpachteten und admlnistrirten Domainen-Grundstücken u. Nutzungen . . Rtblr. 1.828.907

zusammen . . . Rthlr. 5.961.196 und b) den Forst-Revenuen, welche 1. An Einnahmen auS dem Nutz- und BrennholzVerkauf ......................................................Rthlr. 3.459.504 Zu übertragen . Rthlr. 3.459.504

582

Allgemeiner Etat der Staats-Einnahmen unb Übertrag . Rthlr. 3.459.504 An Iagdnuhungen........................................ 104.621 An Forst - Nebennutzungcn, einschließlich der Forst-, Straf- und Vfandgelder............................. Rthlr. 399.220

2. 3.

zusammen

.

.

.

Rthlr. 3.963.345

betragen. Bon den in dem Hauptsinanz-Etat mit 3.261.279 Rthlr. summarisch ausgeworfenen Domainen und Forst-Verwaltungskosten fallen a ) auf die Don, ainen-Verwaltun g: 1. An Aufsicht-- und Erhebung-kosten .

.

.

Rthlr. 257.765

2.

An Aufgaben für die gutsherrliche PeUzciverwaltung und an Patronatslastcn...................... Rthlr. 107.536

3.

An Passivrcnten. Kompetenzen und öffentlichen Ab­

4. 5.

An Remissionen.............................................. An Bau-, VermessungSeparation--, Prozcß-

gaben

...............................................................

Rthlr. 429.928

unb andern ähnlichen Kosten....................... zusammen

.

.

18.370

Rthlr. 362.557

.

Rthlr. 1.176.156

und b) auf die Forstverwalt ung: 1. An Besoldung an die Regierungö-Forstbeamten und Forst-Inspectoren........................................Rthlr. Fcrstschutz

und Erhcbungökostcn

An

3. 4.

An Holzhauer- und Holzfuhr löhnen ... An Ausgaben zu Forstkulturen, Vermessungen und

Local-Verwaltung--Ausgaben

und

167.505

2.

andern

....

Rthlr.

894.835 500.909

Separationen, für Forstwege und Wasserbauten, an Prezcßkesten, so wie an Unterhaltungskosten Fcrstdienstgebaüde und Ferstlehranstalten

.

der Rthlr.

402.433

5.

An Oeldvergütungen für Holz-Deputate und sonsti­ ge ans d. Ferstgrundftücken hastenden Lasten Rthlr.

49.001

6.

An Pensionen und Unterstützungen der Wittwen und Waisen erckutiver Forstbeamten und an Remunera­ tionen dieser Beamten............................Rthlr. zusammen

80.940

.

Rthlr. 2.085.123

Hiernach er giebt sich: a) für die Domainen,

wenn von

fceni

Brutto Er­

trage mit..................................................Rthlr. die Erhebung-

und Verwaltungskostenmit_

abgefetzt werden, ein Nette-Ertrag von

5.961.196 -

1.176.156

Rthlr. 4.785.040

und Zu übertragen

.

4.785.040

Ausgaben für da- Jahr 1844.

553

Übertrag

.

4.785.040

tu fuv die Fersten, wenn man von dem Brutto-Ertrage mit:

Rthlr. 3.963.345 die Betriebskosten mit 2.085.123 in Abzug bringt, ein Netto-Ertrag von Rthlr. 1.678.222

mithin für beide Verwaltungszweige zusammen ein Netto­ überschuß von..........................................................Rthlr. 6.663.262 Von dieser Summe geht zuvörderst der in dem Ge­ setze vom 17. Januar 1820 dem Kron-Fireikommiß vorbehal­ tene Antheil an den Domainen und Forstrevenüen mit Rthlr. 2.500.000 ab, welchem, nach einer neuerlich im Kaffennnb Rechnungswesen

allgemein

getroffenen

Einrichtung, da- Agio von den darunter im Golde zahlbaren 548.240 Rthlr. mit . Rthlr. hinzugesetzt ist................................................... .....

73.099 Rthlr. 2.373.099

der dann verbleibende Rest mit ... 4.090.163 bildet den zur Staatskasse fließenden Netto-Überschuß aus der Verwaltung der Domainen und Forsten.

Der Betrag von 70.163 Rthlr., um welche diese EtatsPosition den, in dem Haupt-Finanz-Etat für das Jahr 1841 mit 4020.000Rthlr. ausgeworfenen Netto-Überschuß der ge­ dachten Verwaltung übersteigt, ist, in der Hauptsache das Er­ gebniß vortheilhafterer Domainen-Verpachtungen und besserer Verwerthung der Forstprodukte.

Bei einer Vergleichung der

vorstehend nachgewiesenen Bruto-Einnahmen mit den densel­ ben gegenüberstehenden Verwaltungs-Ausgaben darf zuvörderst nicht übersehen werden, daß unter den der Domainen-Ver­ waltung angehörigen Ausgaben 537.464 Rthlr. begriffen sind, welche auf Real»Verpflichtungen

des Domainen-Fiskus be­

ruhen.

Nach Abzug derselben bleiben an eigentlichen Erhe-

bungs-

und Betriebskosten dieser Verwaltung nur 638.692

Rthlr., oder nicht ganz 11 Prozent der Brutto-Einnahme übrig.

Bei der Forst-Verwaltung kann eine Vergleichung

der Betriebsausgaben mit der Brutto-Einnahme schon deshalb nicht zu einem richtigen Resultate führen, weil unter dieser

584

VULjcmmiet Etat für die Staats-Einnahmen und

Einnahme weder der Werth des Holzes, welches als Deputat oder unter andern Titeln ganz oder theilweise unentgeldlich ab­ gegeben wird, noch der Werth anderer ähnlicher Naturalleistun­ gen, die auf den Forsten haften, enthalten ist. Dazu kommt, daß der größte Theil der Forst-Verwaltungskosten nicht blos rür den Fiskus als Waldeigenthümer, sondern auch im Jntereise der zahlreichen Forstberechtigten verwendet wird, welche aus den fiskalischen Forsten

auf Grund manchfachcr Servituten

sehr erhebliche Nutzungen beziehen, ja es sind diese Nutzungen nicht selten so bedeutend,

daß sic mehr als die Hälfte des

Ertrages hinwegnchmen, während dem Forst-Fiskus Schutz Culturen und alle sonstige Ausgaben allein zur Last fallen. Jl.

Die Einnahme aus

Domai n cn - Ablösungen

und Verkaufen ist der Bestimmung des, der Verordnung vom 17. Januar 1820 beigefügten Staatsschulden-EtatS ent­ sprechend, wieder auf 1.000.000 Rthlr. angeschlagen, hat sich mithin gegen den Etatssatz für das Jahr 1841 und frühere Jahre nicht

geändert.

Der größte Theil

dieser Einnahme

besteht in dem Ertrage der gesetzlich geordneten Ablösung von Domainen-Gefällen, während der eigentliche Domainen-Verkauf lediglich auf die Veraüßerung kleinerer Domainen- und Forst-Parzellen beschränkt wird. 111.

Die Brutto-Einnahme

aus der Verwaltung

der

Bergwerke, Hütten und Salinen, die mit 1.607.838 Rthlr. ausgebracht ist, bildet sich aus folgenden Beträgen: a) vcn ltinh\M)cnlidxii Gruben u. Hüttenwerken Rthlr. 726.190 li) vcn lant'fi'fienlirt'cn Salinen......................... 274. >67 o) an Dcrgwcrlöqef'illen, Steuern. Sporteln und scnstiqen Einnahmen................................................ Rthlr. 605.061 zusammen . Rthlr. 1.607.636 Dabei ist zu bemerken, daß die angegebenen Einnahme-Sum­ men von Gruben, Hütten und Salinen nur aus den Ueber-

585

Au-gabkn für da- Jahr 1944.

schüssen der einzelnen Werke bestehen, deren Brutto-Erträge und Betriebskosten ohne ein, dem Zwecke dieser Darstellung unangemessenes

Eingehen

in

das Detail

nicht wohl spezifizirt werden können.

der Verwaltung,

In dem ausgeworfenen

Betrage der Kosten der Berg-, Hütten- und Salinen-Ver­ waltung sind: a) an Besoldungen, Reisekosten und Bureau-Bedürfnissen der BergÄmter, der Ober-Berg - Ämter und der mit dem Finanzmlniftfriunt verbundenen General-Verwaltung

.

.

Rthlr.

372.229

b) zu größeren Gruben und anderen Neubauten und zu Meliorationen

...........................................................Rthlr.

102.978

e) zu derg- und hüttenmännischen Versuchen, so wie zur Unterhaltung der Bergschulcn. der Berg-Eleven und zu ähnlichen Ausgaben..............................Rthlr. zusammen .

1

32.632 507.839

begriffen. Bei der Position a) darf nicht übersehen werden, daß die Beamten keineswegs allein Administration

odervorzugsweise

der landesherrlichen Werke

mit der

beschäftigt

sind,

daß vielmehr ein überwiegender Theil ihres Berufs in der oberen technischen Leitung

des ausgedehnten privativen und

gewerkschaftlichen Bergwcrksbetriebes besteht.

Unter den Aus­

gaben zu b) sind vorzugsweise solche enthalten, welche, wie die Anlage t'eser Stollen zur Beförderung des Bergbaues in großen Revieren bestimmt sind, und daher auch dem Privatund gewerkschaftlichen Bergbau zu Gute kommen. Der Gcsammt-Überschußvon......................................Rthlr. 1.100.000 übersteigt die in dem Staatshaushalts - (Ztat vom Jahre 1841 mit................................................................. ausgebrachte

Rthlr.

900.000

(Einnahme aus diesem Verwaltungs - Zweige

um...................................................................................Rthlr.

ein Resultat, welches demschwunghafteren Betriebe

200.000

der lan­

desherrlichen Berg- und Hüttenwerke und des Bergbaues im Allgemeinen zuzuschreiben ist.

Die jenem Überschüsse, wie

586

Allgemeiner Etat der Staats-Einnahmen und

früher hinzugesetzte etatsmäßige Einnahme aus der Berliner Porzellan-Manufaktur hat sich gegen das Jahr 1841 nicht geändert.

Die geringe Differenz zwischen der im diesjährigen

Etat erscheinenden Ertragssumme von 17.241 Rthlr. und der entsprechenden Etats-Position von 1841 mit 17.000 Rthlr. war aus letzterer nur der Abrundung wegen weggeblieben. Etwanigc Mehr-Einnahmen über diesen etatsmäßigen Über­ schuß hinaus werden zur Zeit noch zur Tilgung älterer, zur Erweiterung der Fabrikanlagen aufgenommenen Schulden und zur Vermehrung des Betriebs-Fonds verwendet. IV.

Die Post gehört zu denjenigen Einnahme-Ver­

waltungen, deren Erträge nicht durch die Regierungs-Hauptkassen, sondern durch eine eigene Central -''Kasse an die Gene­ ral-Staatskasse abgeführt werden.

Um der Post-Verwaltung

eine, nach ihrer Eigenthümlichkeit wünschenswerthe freiere, Be­ wegung zu gewahren, ist der von derselben für die Staats­ kasse zu erwartende Uberschuß schon seit längerer Zeit auf eine runde Summe firirt worden, welche früher 1.200.000 Rthlr. betrug und im Jahre 1841 wurde.

aus

1.400.000 Rthlr.

erhöht

Dieser Uberschuß hat, ungeachtet in Folge der Auf­

hebung der Abgaben von Miethkutschern und Lohnfuhrleüten der Postkasse eine jährliche Einnahme von ungefähr 60 000 Rthlr. entgangen ist, doch auch für das Jahr 1844 unverkürzt wieder ausgebracht werden können.

Übrigens wird die von

des Königs Majestät neüerlich in Aussicht gestellte PortoErmäßigung ohne Zweifel einen beträchtlichen Ausfall an den Post-Revenüen herbeiführen, aus welchen indessen bei Festsetzung

des diesjährigen Fonds zur Deckung von Einnahme-Ausfällen schon die erforderliche Rücksicht genommen ist. *)

*) Die Prrto-Ermäßigung ist mit betn 1. Oktober 1841 eingetreten.

587

Ausgaben für das Jahr 1844. V.

Die Lotterie-Einnahmen, die eben so, wie die Post-Einnah­

men, durch eine Cantral-Kaffe in die General-StaatSkaffe fließen betragen, »ach dem Etat 1644, zusammen...................................Rthlr. 1.030.151 worunter an gesetzlicher Tantieme a 12' . Procent von den Gewinnen 976.791 Rthlr. begriffen sind. Der Rest besteht in zufälligen Einnahmen, einschließlich der Gewinne auf die zur Bestreitung der Freileose zurückbehaltenen Lecse. Von diesen Einnahmen gehen a) an Emnehmer Gebühr.............................Rthlr. 111.660 b) an Besoldungen und sonstigen VcrwaltungSkosten . . s.............................................. Rthlr. 35.091 c) an

ab.

möglichen

Verlust

für

nicht

abgesetzte

Loose............................................................... Rthlr. 40.000 zusammen . . Rthlr. 166.951 Der Rest mit......................................................... RthU 663.200

bildet den etatsmäßigen Überschuß der Lotterie-Verwaltung. Die Verminderung desselben gegen das Jahr 1841 in welchem diese Verwaltung etatsmaßig 929.000 Rthlr. an die Gene­ ral-Staatskasse abzuliefern hatte, rührt von der in Folge der Cabinets-Ordre vom 21. Juli 1841 eingetretenen Beschrän­ kung der Lotterie her, wobei namentlich die Anzahl der zum jährlichen Debit bestimmten Loose um 54.000 Stück vermin­ dert worden ist. VI.

Die Einnahmen aus der Steüer-, und Abga­

ben-Verwaltung sind in dem neuern Etat in derselben Reihefolge, wie in dem Haupt-Finanz-Etat von 1841, näm­ lich zuerst der Ertrag jeder der drei direkten Steüern (Grundsteürr, Klassensteüer und Gewerbesteüer) dann die Einnahmen an indirekten Steüern jeder Art in einer Summe, und end­ lich das Einkommen aus dem Salzmonopol ausgeführt a) b. BruttoErtrag b. Grundsteuer beträgt**)

Rthlr. 10.427.944

Eine Veröffentlichung des General-Post-Kaffen-Etats würde ohne Zweifel sehr nützlich sein, um den Einfluß gehörig und richtig beur­ theilen zu. können, ausübt.

den das

Post Institut auf

das

Staatsleben

*) Es ist viel darüber geschrieben worden, daß die Provinzen in West-

588

Allgemeiner CStat der Staat- - Einnahmen und Übertrag Rthlr. 10.427.944 Die raven abgesetzten Erhebung-- und Verwaltung-kosten mit.......................................................................... Rthlr 585.637

beftcben in: 121.158 Rthlr. an Elementar - Erhebungskesten. 199.483 für Remissionen und Erstattungen und 264.996

Kosten der Krciskassen und der Anferti­ gung der Grundsteuer-Heberollen und Besoldungen der Steücraussichts - und

t>ortjd):cibinnjit - Beamten so wie der Erckutoren. Nach Absicht dieser Kesten ergiebt sich ein Netto -Überschuß von................................................................................Rthlr. 9.842.307 während in dem Etat für das Jahr 1841 der Rem - Ertrag der Grundsteuer mit...................................................Rthlr. 9.889.000 also um

.

-

46.693

befiel ausgeworfen war.

Dieser Minder-Ertrag rührt von Theils der zur Unterhaltung

der Absetzung eines

der Bezirksstraßen

auf

dem

linken Rheinufer bestimmten Beischläge her, welche in Folge des Regulativs über die Verwaltung jener Straßen vom 20. Januar 1841 nicht mehr, wie früher ausschließlich auf die Grundsteüer, sondern auch auf die Klassensteüer, die Gewer­ besteuer und die Mahl- und Schlachtsteüer repariert, und so­ weit sie von der Grundsteüer abgesetzt sind, durch Mehr-Ein­ nahmen

bei den gedachten anderen Steüern gedeckt werden.

falen und am Rhein im Verhältniß zu den östlichen Provinzen mit der

Grundsteüer

überbürdet seien.

Ein renommirter Publizist hat

aber schlagend nachgewiesen, daß in den beiden westlichen Provinzen 1. Der Betrag der Grundsteüer sich verhält zu der Grundsteüer Ouete der östlichen Provinzen wie.............................1:3,* 2.

Ihre Bevölkerung zu der deö übrigen Staate- nahe

3.

Und die Boden stäche und ihr Werth wie

.

.

.

1 :3 .

1:2,»

woraus sich ergiebt, daß die verschiedenen Landestheile zur Grundsteücr nach ziemlich gleichen Verhältnissen beitragen,

und daß ans

keinen Fall, die westlichen Provinzen Ursache haben, sich gegen die östlichen verletzt zu fühlen. 11, Seite 199).

(Bülow-Enmmerew, Preussen re. Theil

Au-gaben fit da» Jahr 1844.

589

Ohne diese Veränderung und ohne eine nicht ganz unbeträchtliche Erhöhung der Verwaltungskosten, welche indessen größtentheilS in der Übernahme verschiedener, bis dahin auf anderen Etats ausgebrachten Besoldungen ihren Grund hat, würde der für 1844 etatsmäßige Grundsteuer-Ertrag sich gegen das Jahr 1841 um etwa 30.000 Rthlr. höher stellen, eine Steigerung, die in der Zugangs-Steuer von veräußerten, früher steuerfreien Domainen-Grundstücken und in vorgekommenen Berichtigun­ gen ihre natürliche Erklärung findet.

Die Erhebungs- und

Verwaltungskosten der Grundsteüer belaufen sich ungefähr auf Prozent der Brutto -Einnahme. b) Von der Klassensteuer ist nach dein Etat für das Jahr 1644 eine Brutto- Einnahme vcn...............................Rthlr. 7.ISS. 107 einschließlich 6763 Rthlr.

an

Beiträgen

^um Departemen-

tal -Remission«-Fonds in der Rhemprovin; und, nach Ab­ zug der Erhebungskvsten mit.................................... Rthlr. cm Überschuß von ... -

297.761 6.690.346

zu erwarten. Gegen den im Etat für 1641 ausgeworfenen Rette - Ertrag von.................................................................................... Rthlr. 6.693.000 ergiebt sich, mit Einschluß Klassensteuer fallenden.

der

eben

eiwahnten auf die

Beischläge zur Unterhaltung der

Brzirksstraßen auf dem linken Rheinufer für 1644 eine Mehreinnahme von...................................................... Rthlr^ 197.346

Die Grundsätze,

nach welchen bei Veranlagung

der

Klaffensteüer verfahren wird, haben sich gegen das Jahr 1841 nicht geändert, in der Anwendung aber noch gemildert. Denn während die Steuer im Jahre 1841 jeden Kopf der damal­ vorhandenen klaffensteücrpflichtigen Bevölkerung durchschnittlich mit 16 Sgr. 5,»‘ Pfennig Jahr«

traf,

fallt von dem in diesem

etatsmäßigen Klassensteuer-Soll auf den Kopf ein

Durchschnitts-Betrag von 16 Sgr. 4," Pf., wobei überdies — weil die Ermittelungen der Einwohnerjahl für das Jahr

Allgemeiner Etat der Staat--Einnahmen und

590

1844 noch nicht beendet sind — nur die Bevölkerung deJahres 1843 der Berechnung zum Grunde gelegt ist. c) Die (Gewerbesteuer feil nach dem diesjährigen Etat ein Brutto--Aufkommen von.........................................Rthlr. 2.435.460 und nach Abzug der Erbebungskoften im Betrage von -______ 98 491 einen Netto - Ertrag von.................................................. Rtblr. 2.336.969 mitbin

gegen

den Reinertrag

für

1841,

welcher

da­

mals auf........................................................................ Rthlr. 2.180.000 angeschlagen war, eine Tiefn -'(Mitnahme von . . 156.969

gewähren, die nach Verhältniß ungle'ch' bedeutender ist als die Erhöhung der Klassensteuer, und

lediglich der mit dem

Anwachsen der Bevölkerung steigenden Zunahme der Gewerbthatigkeit bcigemessen werden kann, indem das Gewerbesteuer» Gesetz eine willkürliche Erhöhung dieser Steuer ausschließt. Die Vcranlagungs- und Erhebungs-Kosten der Klassen- und Gewerbesteücr sind durch die Steuer-Gesetze vom 30. Mai 1820 auf 4 Prozent der Brutto-Einnahme, welche den zur Veranlagung und Erhebung verpflichteten Gemeinden gewährt werden, sirirt. Der Mehrbetrag der oben nachgewiesenen Berwaltungskosten besteht — außer dein bei der Klassensteuer er­ wähnten Departements-Remissions-Fonds

für die Rhein-

Provinz und außer einem Zuschüsse zu den Kosten des Königl. Gewerbesteuer-Amtes zu Berlin — in dem Antheile des Für­ stenthums Lippe an dem Klassen- und Gewerbesteuer-Auskom­ men der Stadt Lippstadt. d) Die im Etat vor der Linie ausgeworfene GesammtBrutto-Einnahme an indirektenSteüern aller Art bildet sich aus folgenden einzelnen Positionen:« 1) Eingang- , Ausgangs - und Durchgangs Abgaben (nach Abzug der nur als durchlaufend in Einnahme und Ausgabe erscheinenden Herauszahlungen an andere Zolloereinsstaaten) Rthlr. 12.183.110 2) ÜbergangSfteüer von oereinSländischem Wein, Most und Taback.........................................................Rtblr. 3u übertragen

.

.

186.091 12.369.201

Ausgaben für da- Jahr 1944.

591

Übertrag . Rthlr. 12.369.301 3) Rübenzucker-Steuer............................. 50.530 4) Niederlage-, Krähn-, Waage -, Blei-, Zettel- und Siegelgelder........................................... Rthlr. 39.150 5) konvention-mäßige Schifffahrts-Abgaben auf der Elbe, rer Weser, dem Rhein uut> der Mosel . . Rthlr. 476,484 6) Branntwein - Steuer............................. 5.915.475 7) Braumalz-Lteüer.................................. 1.202.484 8) Steuer von inländischem Weinbau ... 95.880 9) Steuer von inländischem Taback-bau ... 140.600 10) Mahl-Steuer...................................... 1.591.665 11) Schlacht-Steuer.................................. 1.340.355 12) Stempel - Steuer................................. 3.612.325 13) Chausseegelder...................................... 1.229.605 14) Brück-, Fähr-, und Hafengelder, Strom- und Eanalgefülle................................................ Rthlr. 597.711 15) Hypotheken und Gericht-schreiberei. Gebühren an- dem Bezirk de- AppellationS-Gerichtöbose- zu Köln Rthlr. 139.770 16) Verschiedene und außerordentliche Einnahmen, als: Bei­ träge der Communen zu den Erhebung-kosten der Mahluad Schlacht-Steuer, Miethe für Dienstwohnungen u. f. tv................................. . . . . Rthlr. 90.199 zusammen . Rthlr. 29.081,434

Die davon in dem Etat mit 3.606.356 Rthlr. summa­ risch in Abzug gebrachten Verwaltungskosten lassen sich un­ terscheiden in solche, welche einzelne Einnahme-Zweige allein, und solche, welche sämmtliche Einnahmezweige dieser Haupt­ kasse betreffen. Die mit einzelnen Einnahmezweigen verbundenen Kosten,' bestehen in: 43.113 Rthlr. für die Rhein- uno Schiffahrt--Berwaltung, einschließ­ lich 33.243 Rthlr. Rhein Schiffahrts-Renten 55.554 - für Anschaffung de- erforderlichen Stempel-Material- und für Stempel-Steüer-Erbebung, 116.078 - für die Chausseegeld-Erhebung mit Einschluß der auf den Chausseen hastenden Grundlasten 17.190 - für die Erhebung der Brücken-, Fähr- und Hafengelder, 64.347 - Honorare und Tantiemen der zur Berechnung der Hypo­ theken und Gericht-schreiberei - Gebühren in der RheinProvinz verpflichteten Hypothekenbewahrer und Gerichts­ schreiber. 296.292 Rthlr.

Allgemeiner (5tat der Staats-(Zinnahmen und

692

Die übrige» Bcrwaltungskosien nut .... Rthlr. 3.310.074 welche sämmtliche (iinuaburc- Zweige frei indirekten Lteüerverwaltung betreffen, zerfallen in felgende Hauptpesilienen: a) Gehälter m Beamten bei ten Brooinzral - Steuer Di­ rektionen, so wie zu Diäten, Reisekosten unv Bureaubeenrf»inen dieser Behörden................................Rtblr. 321.699 b) Gel,älter rci Dber-Zoll und S ber-Steüer-Znspektcren und Kontrolleure, der Gränz- und SteuerAufseher. Gcbälter und Tantiemen der Beamten und Unterbedieuteu bei den Haupt- und Ncbenzell- uud Steuer-Ämtern. Bureau Bedürfnisse, Tlätfii und Reisekosten und Pferde.llnterl-altungSgeldec für diese Ämter, nebn allen übrigen, den Gräuzschuk und die Steuer - Arnnel't, urgleichen die Einwirkung auf die Zoll erhebung in den Zoll Bercinosiaaten betreffen­ den Aufgaben.......................................... Rthlr. 2.92S.376 c) zu größeren Bauten und Haupt - Reparaturen der Steuer. Dicnstgcbaudc..................... Rtblr. 60.000 Mlbfr.' 3 310.074 Der Netto - Ertrag an indirekten Steuern stellt sich in dem Etat fui das 3abr 1944 auf...............................................Rthlr. 23.475.07S mithin gegen die nt dem (Mat für da? Zabr 1^41 für diese (Zivnahmezweige ausgebrachten....................................Rtblr. 22.543.000 um................................... ” 2.932.07S

höher.

Der grüßte Theil dieser Mehr. Einnahme rührt von

dem gesteigerten Ertrage

an

Eingangs-, Ausgangs-

und

Durchgangs - Abgaben her, der in dem diesjährigen Etat um 1.595.200 Rthlr. höher, werden können.

als vor 3 Jahren hat ausgebracht

Auch die Branntweinsteuer und Stempel­

steuer lassen in diesem Jahre gegen das Jahr 1841 ansehnliche Mehr-Einnahmen, die erstere von 429.835 Rthlr., die letzteren von482.595Rthlr. erwarten. Verhältnißmaßig noch bedeutender ist die Steigerung der Einnahmen an Brück-,

Fähr- und

Hafengeldern, Strom und Eanalgefällen um Rthlr. 113.432 und an Schiffahrts-Abgaben auf der Elbe, Rhein und Mosel um Auch hierin, so wie

....

Weser, Rthlr.

90.219

in der Bcrmehrung des Chaussee-

Au-gabea für das Jahr 1644.

593

gelder-Ertrags, die sich auf 116.405 Rthlr. belauft, liegen erfreüliche Beweise vor

eines

kommerziellen Verkehrs.

immer

lebendiger gewordenen

Als eine seit 1841, auf Grund des

Gesetzes vom 30. Juli 1841, neu hinzugetretene ©teuer er­ scheint im dieslährigen Etat die Rübenjucker-Sleüer mit einer Brutto-Einnahme von 50.530 Rthlr.

Die übrigen Mehr-

Einnahmen, so wie die bei einigen Steuern hervortretenden Minder-Erträge und die durch die Steigerung der Einnahme gebotene Erhöhung der Verwaltungskosten sind von unterge­ ordneter Wichtigkeit.

Die mit der indirekten Steuer-Verwal­

tung verbundenen Ausgaben betragen im Ganzen etwa 12 Prozent der Brutto-Einnahme.

Wenn dies mit Rücksicht auf

die Eigenthümlichkeit der gedachten Steüern,

schon an sich

nicht als ein ungünstiges Verhältniß angesehen werden kann, so bars dabei nicht unbeachtet bleiben, daß die Verwaltung des Salzmonopols, dessen Ertrag in dem Etat besonders aus­ geworfen ist, mit unter der Leitung der Provinzial -SteüerDirektion steht, weshalb, genau genommen, der Betrag der, dem Einkommen aus den indirekten Steüern gegenübergestell­ ten, Verwaltunsgkosten etwas zu hoch gegriffen ist. c) Sin Einkommen au»

der Salz -Regie

sind im diesjährige»

«tat:.........................................................................Rthlr. 6.991.720 und nach Abzug von......................................... für Ankaufs und Vcrwaltunqskvsten an Überschuß

-

- 2 666.420 4.315.300

ausgeworfen, während in dem Etat für das Jahr 1841 der Rein-Ertrag des Salz-MonopolS auf

....

Rthlr. 5.975.000

inithin um.............................................................................. höber ausgebracht war.

- 1.659.700

Diese Ertrags - Verminderung, welche aus einem Ein­ nahme-Ausfall von.............................................................. Rthlr. 1.366.414 und einer Mcl>r- Ausgabe von ........................................ 293.286 einschließlich 257.543 Rthlr. Mehr - Aufwand an Ankaufs-, Verpackung«-, und Transportkosten besteht, ____________ Summa Statistik d. Preüff. Staats.

.

Rth r. 1.659.700

38

wird durch die, mittelst Verordnung vom 22. November 1842 erfolgte Herabsetzung des Salzpreises von 15 Rthlr. auf 12 Rthlr. für die Tonne und durch die gleichzeitig angeordneten Maaßregeln zur Erleichterung des Salz -Ankaufs in kleinen Quantitäten erklärt.

Es verdient dabei bemerkt zu werden,

daß gegen den Etat des Vorjahres nahme aus dein Salz-Monopol mehr

als

53.000 Rthlr.

184;* die Brutto- Ein­

im diesjährigen Etat um

höher

bot

ausgebracht

werden

können. VII.

Der letzte Einnahme-Titel des Etats umfaßt ver­

schiedenartige,

zum Theil zufällige Einnahmen,

von geringerer Wichtigkeit z. B. Abschoß-Gefällc, VermögensKonfiskate,

herrenlose Erbschaften,

fiskalische

und Polizei-

Strafen, die in einem Zwölfthcil neu bewilligter Besoldungen und Gehaltszulagen

bestehenden

außerordentlichen Beiträge

zum Pensions-Fonds und mehrere eigene Einnahmen einzel­ ner Ausgabe-Verwaltungen.

Früher gehörten auch die durch

die Verordnung vom 22. November 1842 aufgehobenen Ver­ handlung-- und Außfertigungßsportcln der Provinzial-Verwaltungs-Behörden in diesen Einnahme-Titel. Der Gcsanlmtbetiaz an vmmiYhtcn (Smnafymeu in kein (il.it fui da» Jahr 1844 mit...................................................... Rthlr. 346.590 übersteigt kic entsprechende Position dc6 (Slot» für 1841 mit...............................................................................Rthlr. 321.000 um............................................................................... 2,590

eine Differenz, welche bei diesen Einnahmen, deren Ertrag von vielen Zufälligkeiten abhängig ist, einer näheren Erläute­ rung nicht bedarf. — In der Ausgabe weist der Haupt-Etat 1. Für da» Staalrschulkenwesen eine Summe v. Rthlr. 7.253.920 nach, wevo»

1) zur Verzinsung der allgemeinen und provinziellen Staatsschulde» und zu de» Verwaltungskosten der Ccntralbehörde für das Staats­ schuldenwesen ......................................................... Rthlr. 4.961.885 2) zur Schuldentilgung........................................ 3) zur

Verzinsung

und

-

2.251.115

zusammen . . 7.213.000 Tilgung später übernommener

Provinzial-Schulden........................................ Rthlr.

bestimmt sind.

40.920

Die letztgedachte Lusgabe-Position hat sich

gegen das Jahr 1841 nicht geändert.

Wenn sie gleichwol in

dem Etat für 1841 mit 41.000 Rthlr., also um 80 Rthlr höher erscheint, geschehen.

so ist dies lediglich

der Abrundung wegen

Dagegen hat sich der AuSgabe-Bedarf für die

Verzinsung uud Tilgung der früheren Staatsschuld und für die Verwaltung des Staatsschuldenwesens gegen das Jahr 1841, wo derselbe 8.533.000 Rthlr. betrug, um 1.320.000 Rthlr. vermindert, eine Ersparniß, die theils in dem, mit dem Schluffe des JahreS 1842 eingetretenen Ablauf der dritten Tilgungs-Periode für die Staatsschuld, theils in der, in dem­ selben Jahre erfolgten Konvertirung der Staatsschuldscheine auf 3| Prozent Zinsen ihre Erklärung findet. Jahr 1833,

Gegen das

das erste der abgelaufenen Tilgungsprriode ist

die Gesammt-AuSgabe für die Staatsschulden-Berwaltoag ufn Rthlr. 2.105.488 Tgr. 17 Pf. 9 jutücfgegangen, wovon In bei Etat» fit da« Jahr 1843 ............................. Rthlr. 1.291.380 und für 1844 .................................. bis übrigen.........................................

26.000 788.108

-

— -

— — 17



— — 9

aber schon in den früheren Jahren nach und nach abgesetzt worden sind. II.

Der zweite Ausgabe-Titel des Haupt-Finanz-Etats

für das Jahr 1844, „an Pensionen, Competenzen und Leibrenten" zerfällt, wie früher in zwei Unter-Abtheilungen, deren erste die fortdauernden Pensions-FondS für emeritirte Staatsdiener und Wittwen und deren Kinder, so wie einige 38*

Allqei»cinci (Mat kcr Staate-Liiinahmea und

596

zu ähnlichen Zwecken bestimmte Unterstützungs-Fonds enthält, während in der zweiten die Pensionen der Mitglieder aufge­ hobener geistlicher Corporationcn, die auf dem Reichs-Depu­ tations »Hauptschluß vom 25. Febr. 1803 beruhenden Kom­ petenzen und andern, gleich diesen, künftig wegfallende Zah­ lungen ähnlicher Art zusammengefaßt sind. T ic er sie Vlbtheiluiiv) mit .....................................Oitf'li. 9S5.527 ist qcqcn Me entfvrect'enl'e ^esilien te