Stadt und Städtebürgertum in der deutschen Geschichte des 13. Jahrhunderts [Mit 4 Karten, Reprint 2021 ed.]
 9783112535806, 9783112535790

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STADT UND STÄDTEBÜRGERTUM I N DER DEUTSCHEN GESCHICHTE DES 13. J A H R H U N D E R T S

FORSCHUNGEN ZUR MITTELALTERLICHEN GESCHICHTE Begründet durch Heinrich Sproemberg f Herausgegeben von G. Heitz, £. Müller-Mertens, B. Töpfer und E. Werner

BAND 24

AKADEMIE

- VERLAG • BERLIN 1976

Stadt und Städtebürgertum in der deutschen Geschichte des 13. Jahrhunderts Im Auftrage des Zentralinstituts für Geschichte an der Akademie der Wissenschaften der DDR herausgegeben von

BERNHARD TÖPFER Mit 4 Karten

AKADEMIE - VERLAG 1976



BERLIN

Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Straße 3—4 © by Akademie-Verlag 1976 Lizenznummer : 202 • 100/92/76 Umschlaggestaltung: K. Salzbrunn Gesamtherstellung: IV/2/14 VEB Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz«, 445 Gräfenhainichen • 4540 Bestellnummer: 752 721 3 (2090/24) • LSV 0225 Printed in GDR EVP 7 8 , -

INHALT

TÖPFER, BERNHARD

Einführung

7

TÖPFER, BERNHARD

Stellung und Aktivitäten der Bürgerschaft von Bischofsstädten während des staufisch-welfischen Thronstreits

13

E N G E L , EVAMARIA

Beziehungen zwischen Königtum und Städtehürgertum unter Wilhelm von Holland (1247-1256)

63

EGGERT, WOLFGANG

Städtenetz und Stadtherrenpolitik Ihre Herausbildung im Bereich des späteren Württemberg während des 13. Jahrhunderts

108

BERTHOLD, BRIGITTE

Sozialökonomische* Differenzierung und innerstädtische Auseinandersetzungen in Köln im 13. Jahrhundert

229

Urrz, E R I K A Der Kampf um kommunale Autonomie in Magdeburg bis zur Stadtverfassung von 1330

288

MÄGDEFRAU, W E R N E »

Patrizische Ratsherrschaft, Bürgeropposition und städtische Volksbewegungen in Erfurt Von der Herausbildung des ersten bürgerlichen Rates um die Mitte des 13. Jahrhunderts bis zu den innerstädtischen Auseinandersetzungen von 1309 bis 1310

324

FBITZ, WOLFGANG D .

Die Neuverleihung des Colmarer Stadtrechts an Kaysersberg, Münster und Türkheim im Jahre 1354

372

Personenverzeichnis

389

Ortsverzeichnis

406

EINFÜHRUNG

Der vorliegende Sammelband behandelt im wesentlichen Fragen der deutschen Stadtgeschichte des 13. Jahrhunderts. Bis zum Beginn dieses Jahrhunderts hatte sich das entstehende Städtebürgertum auf Grund seiner wachsenden wirtschaftlichen Stärke durch die kommunale Bewegung ein beträchtliches Maß an Unabhängigkeit erkämpft, so daß die Städte in zunehmenden Maße als eigenständiger politischer Machtfaktor hervorzutreten vermochten. Während der Prozeß der Verselbständigung und Festigung der Stadtgemeinde im Rahmen der fortdauernden kommunalen Bewegung im Laufe des 13. Jahrhunderts weiter vorangetrieben wurde, zeichneten sich zugleich innerhalb der Bevölkerung der größeren Städte deutlich soziale Widersprüche ab, die erste offene Auseinandersetzungen zwischen der patrizischen Oberschicht und der Masse der Stadtbevölkerung zur Folge hatten. Ein weiterer charakteristischer Grundzug der städtischen Entwicklung im 13. Jahrhundert ist die quantitative Ausbreitung des Städtewesens, d. h. die Entstehung zahlreicher neuer Städte, die in der Folgezeit zwar meist Kleinstädte blieben, aber doch wesentlich zur Intensivierung der Ware-Geld-Beziehungen und damit zur zunehmenden Einbeziehung der ländlichen Bevölkerung in den Warenverkehr beitrugen. Mit der fortschreitenden kommunalen Bewegung, der wachsenden Rolle der Städte in den machtpolitischen Auseinandersetzungen der Feudalgewalten, den beginnenden innerstädtischen Auseinandersetzungen und der Ausbreitung des Städtewesens ist der Themenkreis dieses Bandes weitgehend umschrieben. Die folgenden Aufsätze beleuchten also im wesentlichen die politische Bedeutung der Städte in jener Zeit und sozialgeschichtliche Fragen, nicht Probleme der wirtschaftlichen Entwicklung der damaligen Städte. Trotz dieser Einschränkung dürfte der angeführte Themenkatalog zeigen, daß die hier behandelten Themen von zentraler Bedeutung für das Verständnis der städtischen Entwicklung in der Epoche des vollentwickelten Feudalismus sind und somit dazu beitragen können, die im weltgeschichtlichen Maßstab ungewöhnliche sozialökonomische und politische Wirksamkeit der Städte und des Städtebürgertums in West- und Mitteleuropa zu veranschaulichen. Die Autoren der folgenden Aufsätze gehen bei ihren Darlegungen davon aus, daß die bürgerliche Stadtgemeinde, wie sie in großen Teilen Europas im Gefolge der kommunalen Bewegung im 12. bis 13. Jahrhundert Gestalt gewann, eine zwiespältige Stellung innerhalb der Feudalgesellschaft einnahm. Einerseits blieb auch die mehr oder weniger selbständige Stadtgemeinde bzw. städtische Kommune in das Gesamtsystem der Feudalordnung integriert; die durch die städtische Wirtschaft stimulier-

8

BERNHARD T Ö P F E B

ten Ware-Geld-Beziehungen eröffneten nicht zuletzt den feudalen Gewalten zusätzliche Einnahmequellen und boten diesen neue Möglichkeiten zum Ausbau der feudalstaatlichen Organisation. Erst mit der Ausbildung des Städtewesens trat dementsprechend die europäische Feudalgesellschaft seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts in das Stadium ihrer vollen Entfaltung ein. Andererseits ist aber nicht zu verkennen, daß im Gefolge der kommunalen Bewegung das sich konstituierende Städtebürgertum im Rahmen der S t a d t selbst „die feudale Ausbeutung beseitigt, . . . die Herrschaft der Feudalgewalten zumindest weitgehend gebrochen" hat. 1 Dementsprechend ist m. E. mit Recht betont worden, daß man die mittelalterliche Stadtgemeinde in West- und Mitteleuropa seit dem 12. bis 13. Jahrhundert nicht mehr einfach als „feudale S t a d t " bezeichnen sollte, ohne sie damit als prinzipiell antifeudales Element mit systemsprengender Wirkung aufzufassen. 2 Daher ist die kommunale Bewegung zwar sicher nicht als Revolution zu werten : 3 aber man wird sie im Gegensatz zu K . Bosl, der sie als evolutionär charakterisiert 4 , doch als „revolutionäre Bewegung" bezeichnen können 5 , wobei vorausgesetzt wird, daß der Begriff „revolutionäre Bewegung" gegenüber dem Revolutionsbegriff eine Abschwächung darstellt und zur Kennzeichnung von Bewegungen mit revolutionären Tendenzen ohne das Ziel und die Möglichkeit einer vollen Umwälzung der bestehenden Gesellschaftsordnung geeignet ist. Der in diesem begrenzten Sinne revolutionäre Charakter der kommunalen Bewegung ergibt sich daraus, daß durch sie ohne Sprengung des feudalen Gesamtsystems im Bereich der Stadt die feudale Ausbeutung beseitigt, und 1

MOTTEK, II., Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, Bd. I, Berlin 1957, S. 169.

2

Vgl. BERTHOLD, B./ENGEL, E./LATJBE, A., Die Stellung des B ü r g e r t u m s in der deutschen

Feudalgesellschaft bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 1973, H. 2, 206; ähnlich urteilt STAM, S. M., Dvizuscie protivorecija razvitija srednevekogo goroda (Die vorantreibenden Gegensätze in der Entwicklung der mittelalterlichen Stadt), in: Voprosy istorii 1965, H. 7, S. 105, der hervorhebt, daß die mittelalterliche Stadt weder eine absolut antifeudale, noch eine absolut feudale Erscheinung war. Einen anderen Standpunkt vertrat LEVICKIJ, JA. A., Nekotorye problemy istorii zapadno-evropejskogo goroda perioda razvitogo feodalizma (Einige Probleme der Geschichte der westeuropäischen Stadt in der Periode des entwickelten Feudalismus), in: Voprosy istorii 1969, H. 9, S. 94f., der viel stärker den durchgehend feudalen Charakter der mittelalterlichen Stadt betont. 8 Das betont auch STAM, S. M., Ob odnom reakcionnom tecenii v sovremmenoj francuzkoj istoriografii srednevekovogo goroda i o probleme gorodskogo patriciata (Über eine reaktionäre Strömung in der gegenwärtigen französischen Historiographie zur mittelalterlichen Stadt und über das Problem des städtischen Patriziats), in: Srednie Veka, Bd. 25, Moskau 1964, S. 303. 4 BOSL, K., Die Grundlagen der modernen Gesellschaft im Mittelalter, Teil II ( = Monographien zur Geschichte des Mittelalters, Bd. 4/II), Stuttgart 1972, S. 215, vgl. S. 229. Vgl. die Kritik dieser Auffassung Bosls durch ERBSTÖSSER, M./MATSCHXE, K.-P. Von Bayern nach Europa. Geschichtsbild und politischer Standort des Historikers Karl Bosl, in: Jahrbuch für Geschichte 9/1973, S. 503. 5 Vgl. MÄGDEFRAU, W., Stadtentstehung und revolutionäre Kommunalbewegung aus regionaler Sicht, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 1971, H. 5, S. 639.

Einführung

9

nichtfeudale Formen des Eigentums an den Produktionsmitteln sowie das Prinzip der persönlichen Freiheit durchgesetzt wurden. 6 Entscheidend für diese Bewertung der kommunalen Bewegung sind also in erster Linie ihre Ergebnisse, nicht so sehr die Formen ihres Verlaufs, also etwa das Auftreten einer bürgerlichen Schwurvereinigung (coniuratio), die auf deutschem Gebiet keineswegs so häufig wirksam wurde, wie es beispielsweise H. Planitz annahm. Angesichts des Charakters der kommunalen Bewegung und der Stellung der sich festigenden Stadtgemeinde im Feudalsystem ist es verständlich, daß im 13. J a h r hundert heftige Auseinandersetzungen der Bürgerschaft mit dem Stadtherrn und ein politisches Zusammengehen eben dieser Bürgerschaften mit anderen Feudalgewalten nebeneinanderherliefen. Die folgenden Beiträge über die Rolle von Städten zur Zeit des staufisch-welfischen Thronstreits und während der Regierung des gegen Kaiser Friedrich II. erhobenen Wilhelm von Holland sollen diese Gesamtsituation verdeutlichen. Zugleich soll der Beitrag über die Ausbreitung des Städtewesens im südwestdeutschen Raum zeigen, welche wirtschaftliche und politische Bedeutung die Entstehung bzw. Gründung neuer Städte für die Konsolidierung feudaler Machtbereiche hatte, und damit den inneren Zusammenhang zwischen der Entwicklung der mittelalterlichen Städte und der vollen Entfaltung der Feudalgesellschaft andeuten. Die Beiträge über Köln, Magdeburg und Erfurt haben demgegenüber die Aufgabe, das bereits während der Spätphase der kommunalen Bewegung erkennbare Einsetzen der innerstädtischen Auseinandersetzungen zwischen der patrizischen Oberschicht und der übrigen Stadtbevölkerung und damit das komplizierte Miteinander bzw. Gegeneinander von kommunaler Bewegung und innerslädtischen Auseinandersetzungen im 13. Jahrhundert sowie in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts zu veranschaulichen. Dabei wird vorausgesetzt, daß die kommunale Bewegung bis etwa 1300 andauerte, da erst um diese Zeit die meisten Städte das Höchstmaß ihrer Unabhängigkeit gegenüber dem Stadtherrn bzw. Landesherrn durchgesetzt hatten. Bei der Bewertung der im 13. Jahrhundert einsetzenden innerstädtischen Auseinandersetzungen gehen die Autoren der genannten Beiträge davon aus, daß das mittelalterliche Städtebürgertum, wie es im Gefolge der kommunalen Bewegung um 1200 Gestalt gewann, eine in Schichten gegliederte Nebenklasse der Feudalgesellschaft sei.7 Dementsprechend werden die innerstädtischen Auseinandersetzungen jener Zeit nicht als Klassenkämpfe aufgefaßt. 8 Die Deutung des mittelalterlichen Städtebürgertums als einer — wenn auch in sich differenzierten — Klasse wirft zweifellos Probleme auf, da insbesondere die Stellung der Handwerker und der Großkaufleute

6

Vgl. BERTHOLD,

B./ENGEL,

E./LAUBE,

A., a. a. 0 . , S. 199, 201. Die E x i s t e n z

nichtfeu-

daler Eigentumsformen in der mittelalterlichen Stadt betont STAM, S. M., Srednevekovyj gorod i problema vozniknovenija nefeodalnych form sobstvennosti (Die mittelalterliche Stadt und das Problem der Entstehung nichtfeudaler Formen des Eigentums), i n : Srednevekovyj gorod, vypusk 2, Saratov 1974, S. 3 ff. ' V g l . BERTHOLD, B . / E N G E L , E . / L A U B E , A., a. a. O., S. 2 0 2 f f .

« Vgl. ebenda, S. 210.

10

BERNHARD TÖPFER

zu den Produktionsmitteln bzw. im Wirtschaftsprozeß recht unterschiedlich ist. 9 Andererseits ist es aber unbestreitbar notwendig, auch die Einheit des mittelalterlichen S t a d t b ü r g e r t u m s , zu dem die das Bürgerrecht besitzenden K a u f l e u t e und Handwerker, nicht die schon früh vorhandenen Plebejer zu rechnen sind, gegenüber der feudalen Umwelt klarzustellen. 1 0 Auch d ü r f t e es nicht zweifelhaft sein, daß zu diesem B ü r g e r t u m nicht nur die Handwerker und die nichtpatrizischen K a u f l e u t e , sondern auch die Patrizier zu zählen sind, dessen von S . M. S t a m mit R e c h t hervorgehobene halbfeudale Z ü g e 1 1 primär aus dem feudalen Landbesitz und nicht so sehr aus der Stellung der Patrizier in der S t a d t resultieren. Ansätze zu einer Ausbeutung von Teilen der Bürgerschaft durch Patrizier und andere reichc K a u f l e u t e sind nicht zu einem stabilen, auf entsprechenden Eigentumsverhältnissen basierenden antagonistischen Ausbeutungsverhältnis ausgereift. Gegenüber J . A. L e v i c k i j , nach dessen A u f f a s s u n g die in der S t a d t herrschenden Grundeigentumsverhältnisse feudales Gepräge tragen und die städtische Oberschicht gegenüber der übrigen S t a d t b e v ö l kerung als „kollektiver Seigneur" a u f t r i t t , 1 2 ist doch wohl mit S . M. S t a m davon auszugehen, daß auch unter der H e r r s c h a f t des Patriziats die Handwerker im Unterschied zu den feudalabhängigen B a u e r n freie E i g e n t ü m e r der f ü r sie entscheidenden Produktionsmittel blieben. 1 3 Schließlich sei hier noch auf ein weiteres Anliegen der Beiträge über die frühen Auseinandersetzungen innerhalb der B ü r g e r s c h a f t ausdrücklich hingewiesen. Bei der Charakterisierung dieser die Zeit v o m 13. bis z u m 15. J a h r h u n d e r t erfüllenden sozialpolitischen Auseinandersetzungen wurden in letzter Zeit sowohl von marxistiVgl. zu dieser Problematik auch STOKLICKAJA-TERESKOVIÖ, V. V., Osnovnye problemy istorii srednevekovogo goroda (Hauptprobleme der Geschichte der mittelalterlichen Stadt), Moskau 1960, S. 231, die die m. E. zutreffendere Auffassung vertritt, daß innerhalb der mittelalterlichen Stadtbevölkerung nur die Handwerker als Klasse anzusehen seien, und es zugleich ablehnt, die aus sehr unterschiedlichen Gruppierungen bestehende Kaufmannschaft als Klasse zu bezeichnen. Es stellt sich daher die Frage, ob das Moment der Einheit des mittelalterlichen Städtebürgertums nicht sinnvoller mit dem Begriff des Standes zu fassen ist. Vgl. jetzt auch FRITZE, K., Eigentumsstruktur und Charakter des mittelalterlichen Städtebürgertums, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 1974, H. 3, S. 337, der es ebenfalls ablehnt, das mittelalterliche Städtebürgertum als Klasse zu werten. 1° Diese Einheit des mittelalterlichen Bürgertums wird auch hervorgehoben von STAM, S. M., Skladyvanie socialnoj struktury srednevekogo goroda (Die Herausbildung der sozialen Struktur der mittelalterlichen Stadt), in: Srednie Veka, Bd. 34, Moskau 1971, S. 266, 271. 9

Vgl. STAM, S. M., Dvizuscie protivorecija, Vopr. istorii 1965, H. 7, S. 101; DERSELBE, Ob odnom reakcionnom tecenii, Srednie Veka, Bd. 25, S. 309. Demgegenüber ist nach FRITZE, K., a. a. O., S. 336, das Gewicht des ländlichen Feudaleigentums der Bürger so beachtlich, daß es auch „bei der Bestimmung des Charakters des mittelalterlichen Städtebürgertums Berücksichtigung finden muß". 12 Vgl. LEVICKIJ, JA. A., Nekotorye problemy, Vopr. ist. 1969, H. 9, S. 97. 13 Vgl. STAM, S. M., Dvizuscie protivorecija, Vopr. ist. 1965, H. 7, S. 101; vgl. auch NEGULJAEVA, T. M., Evoljucija zemelnoj sobstvennosti v srednevekovom Strasburge (Die Entwicklung des Grundeigentums im mittelalterlichen Straßburg), in: Problemy Germansskoj istorii, Bd. II, Vologda 1973, S. 177, die eine fortschreitende Zurückdrängung des feudalen Landmonopols in Straßburg feststellt.

11

11

Einführung

sehen als auch von bürgerlichen Historikern Zweifel an der früher üblichen Verwendung der Begriffe „Zunftkämpfe" oder „Zunftrevolution" angemeldet. 14 Es ist klar, daß diese Kämpfe keine Revolution waren und daß mit dem Begriff „Zunftkämpfe" die Breite der antipatrizischen Opposition nur ungenügend erfaßt wird. 13 Andererseits zeichnet sich jedoch in neueren bürgerlichen Veröffentlichungen eine Tendenz ab, die Rolle der Masse der Zunfthandwerker bei diesen Auseinandersetzungen völlig abzuwerten und darin im wesentlichen nur Cliquenkämpfe zwischen verschiedenen Gruppierungen der städtischen Oberschicht zu sehen. So erklärte K . Bosl kürzlich : „Was man in der älteren Forschung Zunftrevolution nannte, zeigte sich bei eindringender Analyse als eine Auseinandersetzung zwischen dienstmännisch-niederadligem Altpatriziat und der bürgerlichen Oberschicht der Fernhändler und Bankiers, die zum Patriziat strebten, oder . . . als das Drängen reicher Zunftgruppen (Kramerzunft) nach Beteiligung am Stadtregiment. . . Die zünftischen Handwerker standen bei diesen Auseinandersetzungen meist auf beiden rivalisierenden Seiten." 1 6 Wenn auch nicht zu bestreiten ist, daß Rivalitäten zwischen Gruppierungen der bürgerlichen Oberschicht besonders bei den frühen innerstädtischen Auseinandersetzungen eine beachtliche Rolle spielten und die von Bosl genannten Gruppierungen zunächst die Hauptgewinner waren, so muß doch die einseitige Betonung dieser Erscheinungen entschieden abgelehnt werden. Ein wichtiges Anliegen der diesbezüglichen Beiträge im vorliegenden Band besteht daher gerade darin, die Bedeutung der Zunfthandwerker und damit auch die den innerstädtischen Kämpfen zugrundeliegenden sozialökonomischen Gegensätze zu verdeutlichen, ohne daß deswegen der unhaltbare Begriff „Zunftkämpfe" neubelebt werden soll. Die hier gedruckten Beiträge spiegeln zu einem großen Teil die Arbeit im Wissenschaftsbereich Feudalismus des Zentralinstituts für Geschichte an der Akademie der Wissenschaften der DDR wider, dessen Forschungsschwerpunkt seit einiger Zeit die Entwicklung des Bürgertums in der Epoche des Feudalismus ist. Den Kollegen, Frau Prof. Dr. Erika Uitz, Pädagogische Hochschule „Erich Weinert" Magdeburg, und Dr. Werner Mägdefrau, Friedrich-Schiller-Universität Jena, sei für ihre Mitarbeit besonders gedankt. Bernhard Töpfer 14

Vgl. CZOE, K., Zum Braunschweiger Aufstand 1374—1386, in: Hansische Studien. Heinrich Sproemberg zum 60. Geburtstag, Berlin 1961, S. 34ff,; DERSELBE, Die Stadt. Ihre Stellung in der deutschen Geschichte, Leipzig/Jena/Berlin 1969, S. 49. Gegen den Begriff „ Z u n f t k ä m p f e " wandte sich auch BOSL, K., Die Gesellschaft in der Geschichte des Mittelalters, Göttingen 1966, S. 59; vgl. auch DERSELBE, Die Sozialstruktur der mittelalterlichen Residenz- und Fernhandelsstadt Regensburg, in: Untersuchungen zur gesellschaftlichen Struktur der mittelalterlichen Städte in Europa ( = Vorträge und Forschungen, Bd. X I ) , Konstanz/Stuttgart 1966, S. 194; DERSELBE, Die Grundlagen der modernen Gesellschaft, Teil II, S. 297.

15

V g l . d a z u BERTHOLD, B . / E N G E L , E . / L A U B E , A., a. a. O., S . 208.

16

BOSL, K., Die Grundlagen der modernen Gesellschaft, Teil II, S. 297, vgl. S. 246; eine ähnliche Tendenz bei Schulz, K. Die Ministerialität als Problem der Stadtgeschichte, iu: Rheinische Vierteljahrsbll. 32/1968, S. 193, Anm.

STELLUNG UND AKTIVITÄTEN D E R BÜRGERSCHAFT VON BISCHOFSSTÄDTEN WÄHREND DES STAUFISCH-WELFISCHEN THRONSTREITS VON BERNHARD TÖPFE®

In der mittelalterlichen Feudalgesellschaft boten Zeiten, in denen das bestehende Herrschaftsgefüge durch Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gruppierungen der herrschenden Klasse erschüttert wurde, besonders günstige Voraussetzungen für ein aktiveres Hervortreten neuer gesellschaftlichen Kräfte. Beispielsweise erhoben sich in der Zeit des Investiturstreits zwischen 1073 und 1077 die Bewohner der Städte Worms, Köln, Mainz, Würzburg und Cambrai gegen ihre bischöflichen Stadtherrn, wobei sie teilweise direkt in das Ringen König Heinrichs IV. mit seinen fürstlichen Gegenspielern und dem Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden eingriffen. 1 Das Kräftepotential der noch jungen Städte war damals allerdings zu gering, um die Auseinandersetzungen zwischen den Feudalgewalten nachhaltig zu beeinflussen. Zu einer dem Investiturstreit durchaus vergleichbaren, schweren Erschütterung der staatlichen Ordnung führte der 1198 ausbrechende Thronstreit, der erst 1214/15 eindeutig zugunsten des Staufers Friedrich II. entschieden wurde. Es stellte sich damit die Frage, welche Rolle die größeren deutschen Städte, insbesondere die Birchofsstädte in diesen Auseinandersetzungen spielten; zugleich ist zu untersuchen, in welchem Maße die Bürgerschaften dieser Städte die Gegensätze innerhalb der herrschenden Klasse für den Ausbau ihrer Rechte bzw. für ein Vorantreiben der kommunalen Bewegung auszunutzen vermochten. Bei einer Erörterung dieser Fragen kann von vornherein davon ausgegangen werden, daß die wirtschaftliche und politische Stellung der Bischofsstädte im Vergleich zur Zeit des Investiturstreits inzwischen wesentlich stärker geworden war und somit Voraussetzungen dafür gegeben waren, daß diese Städte in dem Ringen zwischen Staufern und Weifen als beachtlicher Faktor hervortraten. Einen ersten Hinweis auf die gewachsene Bedeutung der Städte in dieser Situation gibt eine Urkunde Philipps von Schwaben, die er am 21. J a n u a r 1198 noch vor seiner im März 1198 erfolgenden Königswahl als Herzog von Schwaben für die Bürger von Speyer ausstellte. 2 Demnach hatte Herzog Philipp diese Stadt, die im 12. J h . Vgl. STERN, L./GEEICKE, H., Deutschland in der Feudalepoche von der Mitte des 11. J h . bis zur Milte des 13. Jh., Berlin 1964, S. 16f.; PLANITZ, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, Graz/Köln 1954, S. 98 f. Zur wachsenden Aktivität der Städte in der Zeit des Investiturstreits vgl. jetzt auch ENNEN, E., Die europäische Stadt des Mittelalters, Göttingen 1972, S. 115 ff. 2 MGH Const. II, Nr. 447, S. 617 f. 1

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BERNHARD TÖPFER

stets in einem sehr engen Verhältnis zu den Staufern gestanden hatte 3 , aufgesucht und die Bürger (cives) wie ein Lehnsherr seinen Vasallen um „ R a t und Hilfe" gebeten. 4 Nach einer Beratung einigten sich die Bürger mit dem Staufer dahingehend, daß sie für seine militärischen Unternehmungen im Bedarfsfalle Schiffe und Lebensmittel zur Verfügung stellen wollten; auch erklärten sie sich bereit, ihn jederzeit mit 30 Rittern aufzunehmen; sein Heer sollte allerdings nicht in der Stadt Quartier nehmen. Außerdem wollten die Bürger im Falle eines Angriffs auf das Gebiet des Bistums zusammen mit dem Bischof und den Ministerialen den Staufer unterstützen, der sich seinerseits ebenfalls zur Hilfeleistung verpflichtete. Für ihr Hilfsversprechen erlangten die Bürger von Philipp eine Bestätigung früherer kaiserlicher Privilegien, die zugleich im Namen des Königs, also des 1196 gewählten Friedrich Roger ausgesprochen wurde. 5 Zugleich sicherte ihnen Philipp Steuerfreiheit für ihre außerhalb der Stadt im Bistum gelegenen Gütern zu 6 , was vermuten läßt, daß zu den „cives" hier durchaus auch in der Stadt ansässige, „städtische" Ministerialen gerechnet werden, die auch im umliegenden Land über beträchtlichen Grundbesitz verfügten. 7 Weiterhin wollten weder der König noch der Herzog ohne Zustimmung der Bürger Steuern von diesen fordern. Am Schluß der Urkunde bestätigte Herzog Philipp eine Verfügung (ordinatio) Kaiser Heinrichs V I . 8 , derzufolge die Bürger zwölf aus ihrer Mitte wählen dürfen, nach deren R a t die Stadt regiert werden sollte. Diese Festlegung weist auf die beginnende Ausbildung der Ratsverfassung in Speyer hin. 9 Der Wortlaut der Urkunde zeigt deutlich, daß es sich hier nicht so sehr um ein einseitiges Privileg handelt, sondern mehr um einen Vertrag zwischen zwei nahezu gleichberechtigten Partnern, die beide Vorteile aus den Abmachungen erwarten. Auffallend ist, daß der Bischof von Speyer in der Urkunde weder als Zeuge noch in be3 Der Verfasser der Kaiserchronik (MGH Deutsche Chroniken I, S. 389, V. 17062) bezeichnet bei der Schilderung der Kämpfe zwischen Lothar III. und den Staufern Speyer als „houbestat" der Staufer. * Zur Bedeutung der lehnrechtlichen Formel „consilium et auxilium" vgl. M I T T E I S , H . , Lehnrecht und Staatsgewalt, Weimar 1933, S. 59; GANSHOF, F. L., Feudalism, London/ New York/Toronto 1952, S. 78 ff. 5 Zur Königswahl Friedrich Rogers, vgl. Jordan, K., in: Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, 9. Aufl., hg. v. H. GRUNDMANN, Bd. I, Stuttgart 1970, S. 421. 6 Vgl. RÜTIMEYER, E., Stadtherr und Stadtbürgerschaft in den rheinischen Bischofsstädten, Stuttgart 1928, S. 100. 7 Vgl. K. SCHULZ, Die Ministerialität in rheinischen Bischofsstädten, in: Stadt und Ministerialität, hg. v. E. M A S C H K E / J . SYDOW, Stuttgart 1973, S . 3 8 f. * Vgl. dazu J . F. BÖHMES, Regesta Imperii IV, 3: Die Regesten des Kaiserreiches unter Heinrich VI., bearb. von G. Baaken, Köln/Wien 1972, 645. Baaken setzt für die Zeit zwischen 1184 und 1197 ein entsprechendes Privileg Heinrichs VI. an. Es spricht aber manches dafür, daß diese Anordnung Heinrichs VI. nicht in Form einer Urkunde erfolgte, sondern vermutlich mündlich bei einem Aufenthalt des Herrschers in Speyer, siehe unten S. 42. 9 Vgl. dazu RABE, H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, Köln/Graz 1966, S. 95F.; VOIGT, E., Zum Charakter der staufischen Städtepolitik, in: Die Volksmassen Gestalter der Geschichte. Festgabe für L. Stern zu seinem 60. Geburtstag, Berlin 1962, S. 38.

Die Bürgerschaft von Bischofsstädten im Thronstreit

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ratender oder zustimmender Funktion erwähnt wird. Von einer antistaufischen Einstellung des damaligen Bischofs Otto kann allerdings keine Rede sein, und es ist daher nicht anzunehmen, daß sich Philipp ohne dessen Wissen oder Zustimmung mit den Bürgern einigte, zumal ausdrücklich festgelegt wird, daß die Bürger von Speyer zusammen mit dem Bischof und den Ministerialen Angriffe auf das Bistum abwehren sollen. Andererseits zeugt der Wortlaut des Vertrages vom Bestehen sehr direkter Beziehungen zwischen der Stadt und den Staufern; auch die Bestimmung, daß der König künftig keine Steuern ohne Zustimmung der Bürger erheben will, spricht dafür, daß die Stadt schon von 1198 unter Umgehung des Bischofs von der Zentralgewalt besteuert wurde. 10 Vermutlich hat der Besitz von Vogteirechten gegenüber dem Bistum Speyer den Staufern diese Möglichkeiten eröffnet. 11 Auf jeden Fall zeigt dieser Vertrag, daß Herzog Philipp von Schwaben in der unklaren Situation zu Beginn des Jahres 1198, als der Kölner Erzbischof bereits deutlich antistaufische Positionen bezogen hatte und der Bischof von Straßburg sowie der Herzog von Zähringen die Staufer im Südwesten des Reiches bedrohten 1 2 , in der Bürgerschaft von Speyer einen wichtigen Verbündeten sah. Während in den Kerngebieten staufischer Macht im Südwesten sowie im Mittelrheingebiet der Stadt Speyer als Bündnispartner Philipps offenbar eine beträchtliche Bedeutung zukam, erwies sich für die vom Kölner Erzbischof geführte antistaufische Fürstengruppierung die Stadt Köln, die wirtschaftlich unvergleichlich stärker war als Speyer, zunehmend als geradezu entscheidender Stützpunkt. Erzbischof Adolf von Köln hatte bei einem Treffen mit dem Erzbischof von Trier und einigen anderen Fürsten in Andernach um Weihnachten 1197 für die Zeit um den 1. März 1198 zu einer Wahlversammlung nach Köln eingeladen. Nach Ansicht des um 1230 schreibenden prostaufischen Chronisten Burchard von Ursberg wählten die Fürsten diese Stadt „im Vertrauen auf die Reichtümer und die Macht der Kölner" als Tagungsort. 13 Zu dieser Wahlversammlung lud Erzbischof Adolf auch den englischen König Richard Löwenherz ein, den man auf Grund des Lehnseides, den er Anfang 1194 Kaiser Heinrich VI. hatte leisten müssen, als „Glied des Reiches" betrachten ZETJMER, K., Die deutschen Städtesteuern, insbesondere die städtischen Reichssteuern im 12. und 13. Jh., Leipzig 1878, S. 103, interpretiert die diesbezüglichen Bestimmungen nicht ganz korrekt, wenn er erklärt, daß erst mit diesem Privileg die Besteuerung vom Bischof an den König gebracht worden sei. Ahnlich wie in Worms, wo ein Privileg Kaiser Friedrichs I. von 1182 bereits für diese Zeit eine direkte königliche Besteuerung bezeugt (vgl. RÜTIMEYER, E., a. a. 0 . , S. 106), dürften auch in Speyer schon vor 1198 königliche Steuern — aber ohne Zustimmung der Bürger — erhoben worden sein. 1 1 Vgl. DOLL, A., Vögte und Vogtei im Hochstift Speyer im Hochmittelalter, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 117/1969, S. 268ff.; WERLE, H., Studien zur Wormser und Speyerer Hochstiftsvogtei im 12. Jh., in: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte 21/1954, S. 84 ff. 1 2 Vgl. WINKELMANN, E., Philipp von Schwaben und Otto IV. von Braunschweig, B d . I, Leipzig 1873, S. 54 ff. 13 Burchard von Ursberg, Chronik, 2. Aufl., hg. v. O. HOLDER-EGGER und B. v. SIMSON ( S S . rer. Germ, in us. schol.), Hannover/Leipzig 1916, S. 79. 10

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konnte. 14 Der reale Grund für diese Einladung war natürlich der Wunsch des Kölners, sich ausreichende Rückendeckung für seine antis taufische Politik zu verschaffen. Der englische König kam zwar selbst dieser Einladung nicht nach, schickte aber eine Gesandtschaft nach Köln. 15 Während der Verhandlungen in Köln stieß der Wunsch des Erzbischofs, den Herzog Berthold von Zähringen zum König zu erheben, zunächst auf Widerstand, der anscheinend vor allem von den englischen Gesandten ausging; sie waren mehr an der Kandidatur eines Angehörigen des Weifenhauses interessiert, das in besonders engen Beziehungen zum englischen Königshaus stand. Auf Grund der weiteren Entwicklung ist anzunehmen, daß die Absichten der englischen Gesandtschaft bereits damals von einflußreichen Repräsentanten der Kölner Bürgerschaft unterstützt wurden. 16 Als dann in Köln die Nachricht eintraf, daß Philipp von Schwaben am 8. März 1198 in Mühlhausen von einer Reihe von Fürsten gewählt worden war, stiegen allerdings die Chancen des Zähringers, da der zunächst in Frage kommende weifische Kandidat, der Pfalzgraf Heinrich, noch nicht vom Kreuzzug zurückgekehrt war. So wurde nunmehr Berthold als Kandidat für den Königsthron bestimmt und — offensichtlich wegen der geringen Zahl anwesender Fürsten — ein neuer Wahltag angesetzt, zu dem der Zähringer aber nicht erschien, da er inzwischen von König Philipp durch Geldspenden und weitere Zugeständnisse auf die staufische Seite gezogen worden war. 17 Unter diesen Umständen blieb der antistaufischen Fürstengruppierung keine andere Wahl, als den englischen Wünschen zu entsprechen, Da der Pfalzgraf noch immer nicht vom Kreuzzug zurückgekehrt war und Eile nottat, griff man nun auf dessen Bruder Otto zurück, der am englischen Königshof aufgewachsen und 1196 von König Richard mit der Grafschaft Poitou belehnt worden war. Die Kandidatur Ottos wurde vom Kölner Erzbischof der des Pfalzgrafen sicher vorgezogen, da Ottos Machtstellung im Reichsgebiet wesentlich schwächer war als die seines älteren Bruders. Allerdings ist nicht zu übersehen, daß jede weifische Kandidatur, ganz gleich ob die Heinrichs oder Ottos, für den Kölner Erzbischof Gefahren in sich barg, da er 1180 einer der Hauptnutznießer des Sturzes Heinrichs des Löwen gewesen war und mit dem Herzogtum Westfalen einen großen Teil des vorher in weifischer Hand befindlichen Herzogtums Sachsen erhalten hatte. Ein Weife auf dem Königsthron konnte diesen Gebietsgewinn des Kölners in Frage stellen. Wenn Erzbischof Adolf schließlich dennoch die Kandidatur Ottos akzeptierte und ihn im Verein mit seinen fürstlichen Anhängern am 9. Juni 1198 in Köln zum König wählte, so erklärt sich das einmal daraus, daß für ihn angesichts der Schwäche der antistaufischen Fürstengruppierung der Rückhalt bei dem englischen König unerläßlich war; dementsprechend mußte er dessen Wünsche zunehmend berückK So Roger de Hoveden, MGH S S X X V I I , S. 177. Vgl. STEHKÄMPER, H., England und die Stadt Köln als Wahlmacher König Ottos IV., in: Köln, das Reich und Europa (Mitteilungen aus d. Stadtarchiv von Köln 60), Köln 1971, S. 233 f.

15

1® V g l . W I N K E L M A ß , E . , a . a . 0 . , S. 7 0 ; STEHKÄMPER, H . , a . a . 0 . , S. 2 3 6 . « V g l . W I N K E L M A N N , E „ a . a . O., S. 7 1 f .

Die Bürgerschaft von Bischofsstädten im Thronstreit

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sichtigen. Hinzu kam aber, daß ganz augenscheinlich einflußreiche Kreise der Kölner Bürgerschaft zu einem Eingehen auf die Wünsche König Richards drängten. Denn aus Quellenausgaben der folgenden J a h r e geht — wie jüngst vor allem H. Stehkämpfer gezeigt h a t 1 8 — deutlich hervor, daß die Bürger Kölns aktiv zur Königs wähl Ottos beitrugen. Erwähnt sei hier beispielsweise die Formulierung im Privileg Königs Johanns von England für die Kölner vom 11. April 1203: „Mehr wird er (König Otto) nämlich zu Eurer Ehre gewähren, wenn seiner Erhebung das gewünschte Ziel durch Euch zuteil wird, von denen sein ganzes Schicksal in Reihenfolge und Fortgang seinen Ausgang genommen h a t . " 1 9 Im Dezember 1203 und im April 1204 kennzeichnete Papst Innocenz I I I . in Schreiben an die Kölner Bürger König Otto IV. als „Pflanze", die sie — die Kölner — selbst gepflanzt hätten, und er fordert sie auf, weiter wie bisher in unwandelbarer Treue für das Gedeihen dieser „Pflanze" Sorge zu tragen. 2 0 Der Papst benutze dieses Pflanzengleichnis in Bezug auf das Königtum Ottos auch in Schreiben an einige andere Fürsten, speziell an den Erzbischof von Köln, um deren aktive Mitwirkung bei der Erhebung des Weifen zu kennzeichnen. 21 Damit spricht der Papst der S t a d t Köln bei der Wahl Ottos IV. im Grunde eine ebenso bedeutsame Rolle zu wie den unmittelbar am Wahlakt beteiligten Fürsten. Bemerkenswert ist auch eine von H. Stehkämper herangezogene Aussage des Caesaruis von Heisterbach, derzufolge das Unglück, das im Laufe des Thronstreits über Köln hereinbrach, Folge eines gemeinsamen Vergehens des Erzbischofs und der Bürgerschaft gewesen sei. 22 Der um 1210 allerdings etwas entfernt vom Schauplatz der Ereignisse schreibende Arnold von Lübeck stellt in einseitiger Weise Köln geradezu als Initiator der Wahl eines nichtstaufischen Königs hin. 23 Auf Grund derartiger Quellenhinweise umschreibt H. Stehkämper die Rolle der Kölner Bürgerschaft bei den Wahlverhandlungen im März 1198 mit den Worten: „Die Engländer und die S t a d t Köln normierten vereint auf dem Kölner Wahltag das Gesetz des Handelns." 2 4 C. Wolfschläger betonte, daß erst der von der S t a d t ausgehende Druck den widerstrebenden Erzbischof „ins englisch-welfische Fahrwasser" trieb. 2 5 Mit dieser Formulierung unterschätzt C. Wolfschläger allerdings den unverkennbaren Tatbestand, daß der Kölner Erzbischof nach der Absage des Zähringers in höchstem Maß auf die Rückendeckung des englischen Königs angewiesen 1« Vgl. STEHKÄMPER, H., a. a. 0., S. 217ff. 19 Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, hg. v. L. ENNEN/G. ECKEETZ, Bd. II, Köln 1863, nr. 9, S. 15; die Übersetzung nach STEHKÄMPER, H., a. a. O., S. 217 M Quellen z. Gesch. d. Stadt Köln, Bd. II, nr. 7, S. 13; nr. 10, S. 16. 21 V g l . S T E H K Ä M P E R , H „ a . a . O . , S . 2 1 8 f .

Caesarius von Heisterbach, Dialogus miraculorum, hg. v. J . STRANGE, Bd. I., Köln/Bonn/ Brüssel 1851, S. 102 (II, c. 30). 23 Arnoldi Chronica Slavorum, ed J . M. LAPPENBERG (MGH S S rer. Germ, in us. schol.), Hannover 1868, S. 217 (VI, 1).

22

24

V g l . STEHKÄMPER, H . , a. a. O., S . 2 3 6 .

25 WOLFSCHLÄGER, C., Erzbischof Adolf von Köln als Fürst und Politiker, Münster 1905, S. 37; diese Formulierung wurde zustimmend übernommen von RAUCH, G., Die Bündnisse deutscher Herrscher mit Reichsangehörigen, Aalen 1966, S. 50. 2

Töpfer, Städtebürgertum

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war und somit auch ohne allzu starkem Druck von Seiten der Bürgerschaft dessen Wünschen entgegenkommen mußte. Trotzdem dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß einflußreiche Kräfte der Kölner Bürgerschaft gegenüber dem Erzbischof den englischen Standpunkt nachdrücklich unterstützten und somit aktiv zur Wahl Ottos IV. beitrugen. Nach einem Zusatz zu dem nach 1260 entstandenen Chronicon rhythmicum Coloniense hat sich in der Bürgerversammlung insbesondere der der städtischen Oberschicht zugehörende R(icholfus) Parfuse für eine prostaufische oder zumindest neutrale Politik eingesetzt, wurde aber von Gegnern, die bei den „minores", also wohl den städtischen Mittelschichten, Anklang fanden, überstimmt. 26 Es stellt sich die Frage, aus welchen Gründen einflußreiche Kräfte der Kölner Bürgerschaft 1198 so nachdrücklich die antistaufische Politik des Erzbischofs und des englischen Königs befürworteten und — wie sich zeigen wird — auch in den folgenden Jahren unverbrüchlich zu Otto IV. hielten. Sicherlich waren die intensiven, durch Privilegien des englischen Königs abgesicherten Handelsbeziehungen zwischen Köln und England ein wesentlicher Faktor. 2 7 Hinzu kommt, daß die Staufer in der Umgebung Kölns über einige nicht unbedeutende Städte herrschten, so über Aachen, Duisburg und Kaiserwerth, deren Handelsbeziehungen vor allem Kaiser Friedrich I. durch Privilegien gefördert hatte. Besonders die den flandrischen Kaufleuten 1173 in Aachen und Duisburg eingeräumten Marktrechte sowie die ihnen ausdrücklich bewilligte freie Berg- und Talfahrt auf dem Rhein mußten von den Kölnern, die schon seit der Mitte des 12. J h . durch Stapelzwang den Rheinhandel fremder Kaufleute einzuengen suchten, als Affront empfunden werden. 28 So erklärte es sich, daß insbesondere die kaufmännische Oberschicht Kölns in der kritischen Situation nach dem Tode Kaiser Heinrichs VI. in der Frage der Besetzung des Königsthrons mit Nachdruck ihre mit den staufischen Positionen im Niederrheingebiet kollidierenden Interessen ins Spiel brachte. Daß die Kölner im Bewußtsein ihrer wirtschaftlichen Stärke die Konsequenzen ihrer politischen Stellungnahme entschlossen auf sich nahmen, zeigt der im Jahre 1200 begonnene Bau einer neuen Stadtmauer, die die im 12. J h . einbezogenen und um 1180 durch Wall und Graben befestigten Vorstädte sichern sollte. 29 26

27

28

29

Chronici rhythmici Coloniensis fragmenta, Vers 20ff., in: Chronica regia Coloniensis, ed. G. WAITZ (MGH S S rer. Germ, in us. schol.), Hannover 1880, S. 304, vgl. dazu STEHKÄMPER, H., a. a. O., S. 239; KoEBNER, R., Die Anfänge des Gemeinwesens der Stadt Köln, Bonn 1922, S. 44, 466. Zu Richolfus Parfuse vgl. jetzt SCHULZ, K., Richerzeche, Meliorat und Ministerialität in Köln, in: Köln, das Reich und Europa, 1971, S. 163, 66, der annimmt, daß R. Parfuse der Ministerialität des Erzstifts angehörte. Vgl. KEÜENBENZ, H., Der Aufstieg Kölns zur mittelalterlichen Handelsmetropole, in: Gesellschaft f. Rheinische Geschichtskunde, Vorträge Nr. 17, 1967, S. 8f. Vgl. STEHKAMPER, H., a. a. O., S. 226; vgl. auch das Privileg Heinrichs VI. für die Kaufleute von Kaiserswerth vom 19. 4. 1194 = Böhmer/Baaken, Die Regesten Heinrichs VI., nr. 344. Annales sancti Gereonis Coloniensis, in: Chronica regia, S. 303, vgl. PÜSCHEL, A., Das Anwachsen der deutschen Städte in der Zeit der mittelalterlichen Kolonialbewegung, Berlin 1910, S. 206 f.

Die Bürgerschaft von Bischofsstädten im Thronstreit

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In welchem Maße bereits in der Frühphase des Thronstreits maßgebliche feudale Kräfte mit den Kölnern rechneten, ergibt sich daraus, daß der 1200 vom Kreuzzug zurückgekehrte Erzbischof Konrad von Mainz bei seinen damaligen Versuchen, den staufisch-welfischen Konflikt beizulegen oder zumindest zu entschärfen, nicht nur mit dem Erzbischof von Köln, sondern auch mit den Kölner Bürgern verhandelte 30 , allerdings ohne sein Ziel zu erreichen. Zugleich zeigen auch die ersten größeren Aktionen König Philipps, daß er großen Wert darauf legte, neben Fürsten wichtige Bischofsstädte auf seine Seite zu ziehen. Besonders störend für die an sich starke Stellung des Staufers im Südwesten des Reiches war, daß Bischof Konrad von Straßburg entschieden für den Weifen Partei ergriffen hatte und dabei zunächst von den Bürgern unterstützt wurde. Die antistaufische Haltung der Straßburger Bischofs erklärt sich aus der intensiven staufischen Territorialpolitik im Elsaß 3 1 , die den gleichgerichteten Bestrebungen des Straßburgers hinderlich war. König Philipp unternahm bereits im Sommer 1199 einen konzentrierten Angriff auf die Stadt, wobei die Vorstädte verwüstet wurden. 32 Die erst um die Mitte des 14. J h . niedergeschriebene, aber ältere Aufzeichnungen benutzende Chronica Reinhardsbrunnensis weiß zu berichten, daß die Bürger ohne den entschiedenen Widerstandswillen des Bischofs die Stadt sofort übergeben hätten. Als der Ansturm des Staufers heftiger wurde und das Ausmaß der Verwüstungen zunahm, hätten sie schließlich den Bischof zur Aufgabe genötigt. 33 Auch nach Burchard von Ursberg waren es in erster Linie die Bürger, die die Übergabe der Stadt an Philipp veranlaßten und diesem die Treue schwuren. 34 Der mit der Zerstörung der Vorstädte verbundene Angriff des Staufers hatte zur Folge, daß bald nach Beendigung der Kämpfe, also wahrscheinlich im Jahre 1200, die Errichtung einer erweiterten Stadtmauer beschlossen wurde. 35 Die Bürgerschaft beteiligte sich aktiv am Ausbau der neuen Stadtbefestigung. Dafür spricht eine in der Amtszeit Bischof Konrads (1190—1202) entstandene urkundliche Aufzeichnung, derzufolge die Bürger beschlossen, von ausgeliehenen Grundstücken auf der städti30

31

Vgl. Chronica regia, S. 169: „ . . .cum epicopo Coloniensi et burgensibus colloquium super hoc habuit . . .". Vgl. WINKELMANN, E., a. a. O., Bd. I., S. 168ff. Vgl. BOSL, K., Die Reichsministerialität der Salier und Staufer, Bd. I, Stuttgart 1950, S. 190 ff.

32 V g l . W I N K E L M A N H , E „ a . a . O . , B d . 1, S . 1 4 5 . 33 34

Cronica Reinhardsbrunnensis, MGH S S X X X , S. 562. Burchard von Ursberg, Chronik, S. 83: „Tunc videntes cives se non posse resistere, Philippum t a m q u a m dominum proprium in civitate receperunt . . .". Auch Innocenz III. geht in einem Schreiben vom März 1201 davon aus, daß der Bischof sich dem Staufer nur unter Zwang unterwarf. Vgl. Regestum Innocenlii III papae super negolio Romani imperii, hg. v. F. KEMPF, R o m

35

2*

1947, nr. 45, S. 126.

Vgl. WENTZCKE, P., Regesten der Bischöfe von Straßburg bis zum J a h r e 1202, Innsbruck 1908, nr. 705, Vgl. dazu den Stadtplan am Schluß des Bandes I X der „Chroniken der deutschen S t ä d t e " : Die Chroniken der oberrheinischen Städte, Straßburg, Bd. II, Leipzig 1871. Vgl. auch ACHTNICB, K., Der Bürgerstand in Straßburg bis zur Mitte des 13. Jh., Leipzig 1910, S. 33.

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sehen Allmende einen jährlichen Zins „ad communem utilitatem" zu erheben. 36 Angesichts der finanziellen Belastungen, die der Mauerbau für die Bürgerschaft mit sich brachte, spricht vieles dafür, daß die Besteuerung der Allmende zu diesem Zweck eingeführt wurde; dann würde die Entstehungszeit der diesbezüglichen Aufzeichnung auf die Jahre 1200 bis 1202 einzuengen sein. Eine präzisere Datierung dieser Urkunde ist nicht zuletzt deshalb bedeutsam, weil darin zwölf „consiliarii et rectores" genannt werden, die teils der städtischen Ministerialität, teils der Bürgerschaft angehörten. 37 Dies ist der erste Hinweis auf die Ausbildung eines abgegrenzten städtischen Rates in Straßburg, wobei der starke Anteil der Ministerialität und die Einbeziehung bischöflicher Beamter, so des Marschalls und des Schultheißen, dafür spricht, daß dieses Gremium im ersten Entwicklungsstadium noch in weitgehender Abhängigkeit vom Bischof stand. Die Frage, wann diese Repräsentanz städtisch-ministerialischer und bürgerlicher Kräfte feste Gestalt gewann, läßt sich nicht sicher beantworten. H. Mosbacher verwies darauf, daß der Straßburger Bischof 1192 vorübergehend von Ministerialen gefangengesetzt wurde, und bringt die Ausbildung des städtischen Rates mit diesem Vorgang in Zusammenhang. 38 Wenn wir davon ausgehen, daß der zeitliche Ansatz für den ersten Beleg der consiliarii auf die Jahre von 1200 bis 1202 einzugrenzen ist, besteht aber auch die Möglichkeit, daß erst die Gefährdung der Stadt in den Jahren 1198/99, die dabei zutagetretende unterschiedliche Interessenlage von Bischof und städtischen Kräften sowie deren selbständiges Eintreten für eine Übergabe an den Staufer die Ratsentwicklung zum Abschluß brachten. 39 Daß die maßgeblichen ministerialischen und bürgerlichen Kräfte in Straßburg mehr zum Staufer tendierten, während der Bischof vorwiegend wegen der territorialpolitischen Gegensätze einer antistaufischen Position zuneigte, zeigte sich auch unter dem 1202 gewählten Nachfolger Konrads, Heinrich von Veringen. Als Bischof Heinrich sich mit dem konsequent den Weifen unterstützenden Papst zu verständigen suchte 40 , ergriff König Philipp im Juli 1205 die Initiative und stellte die Bischofsstadt unter königlichen Schutz. Zugleich gebot er — ähnlich wie 1198 im Hinblick auf Speyer —, daß niemand Besitzungen der Bürger außerhalb der Stadt besteuern oder sonstwie zusätzlich belasten dürfe, da er „die Stadt mit allem 38

Urkundenbuch der Stadt Straßburg, Bd. I, hg. v. W. WIEGAND, Straßburg 1879, nr. 144,

37

Vgl. MOSBACHER, H., Kammerhandwerk, Ministerialität und Bürgertum in Straßburg, Zeitschrift f. d. Geschichte des Oberrheins, Bd. 119/1971, S. 147; ACHTNICH, K., a. a. O., S. 37. Zum Auftreten des Begriffs „consiliarii" im Unterschied zum Begriff „cónsules" in der Frühstufe der Ausbildung der Ratsverfassung, vgl. RABE, H., a. a. O., S. 94ff., der aber wohl eine zu scharfe Trennungslinie zwischen consiliarii und cónsules zieht.

S. 1 1 9 ; v g l . RÜTIMEYER, E . , a. a. O., S. 53.

88 V g l . M O S B A C H E R , H . , a . a . O . , S . 1 4 8 . 39

Auch KRUSE, E., Verfassungsgeschichte der S t a d t Straßburg besonders im 12. und 13. Jh., in: Westdeutsche Zeitschrift, Ergänzungsheft I, Trier 1884, S. 37, setzt die"Ratsbildung auf etwa 1198/99 an. Aus dem J a h r e 1201 stammt auch der erste genau datierte Beleg für die Existenz eines städtischen Siegels; vgl. UB Straßburg I, nr. 139.

«o V g l . W I N K E L M A N N , E „ a . a . 0 . , B d . I . , S . 3 7 5 .

Die Bürgerschaft von Bischofsstädten im Thronstreit

21

Zubehör innerhalb und außerhalb dem speziellen Dienst des Reiches vorzubehalten beschlossen" habe. 41 Mit diesem Privileg sollte die bischöfliche Stadtherrschaft sicher nicht aufgehoben werden, aber es ist doch unverkennbar, daß in Straßburg damit die königliche Oberherrschaft unmittelbar zur Geltung gebracht wurde, d. h. neben den Bischof trat der König gewissermaßen als ein zweiter Stadtherr. 42 Ahnlich wie in Worms und Speyer beanspruchte auch in Straßburg der König die Befugnis, direkt von der Stadt Steuern zu fordern. 43 Einen allerdings nur vorübergehenden Erfolg erzielte Philipp mit Hilfe von Ministerialen und Bürgern auch in Hildesheim. Dem dort amtierenden Bischof Konrad hatte der Staufer 1198 zusätzlich das Bistum Würzburg

übertragen,

worauf Innocenz I I I . das Hildesheimer Domkapital zur Wahl eines neuen Bischofs aufforderte. 44 Der daraufhin im Jahre 1199 gewählte Bischof Hartbert stieß sofort auf den Widerstand der „Laien", 4 5 unter denen offenbar die Ministerialen besonders entschieden gegen den Neugewählten auftraten. Denn am 2. Februar 1200 beschuldigte der Papst die Adligen und Ministerialen des Bistums, dessen Besitzungen zu usurpieren und dem Bischof Hartbert den Zugang zur Stadt zu verwehren. 46 Die Braunschweiger Reimchronik berichtet außerdem, daß „die von Hildesheim" dem Staufer bei dessen Aufenthalt in Magdeburg Ende 1199 die Treue schwuren, 47 und am 19. Januar 1200 hielt sich Philipp in Hildesheim auf. 48 Als im Sommer 1200 Ottos I V . Bruder, der Pfalzgraf Heinrich, das Gebiet des Bistums angriff, stellte sich ihm ein Aufgebot von Hildesheimer Ministerialen und Bürgern entgegen, das jedoch geschlagen wurde. Trotzdem konnte sich die Stadt behaupten, da der Pfalzgraf wegen eines Angriffs Philipps auf Braunschweig abziehen mußte. 49 Aber in der folgenden Zeit — auf jeden Fall vor dem März 1201 — konnte sich Bischof Hartbert in Hildesheim durchsetzen 50 , so daß das Bistum nunmehr vorerst zum Anhang Ottos I V . gehörte. Als aber König Philipp in den letzten Jahren seiner Regierung völlig das Übergewicht gewann, tendierte die Stadt Hildesheim offenbar wiederum zum staufisclien Lager. Jedenfalls plante nach Auskunft der Braunschweigischen « Vgl. UB Straßburg I, nr. 145, S. 120. « Vgl. NAGEL, II. G., Die Entstehung der Straßburger Stadtveriassung, Straßburg 1916, S. 18 ff. 43

V g l . Z E U M E R , K . , a. a. 0 . , S. 103; K I R C H N E R , G . , D i e S t e u e r l i s t e v o n 1241, i n : Z e i t s c h r i f t

der Sav.-Stift. f. Rechtsgeschichte, Germ. Abt, Bd. 70/1953, S. 102. «

V g l . W I N K E L M A N N , E . , a. a. O . , B d . I , S. 133.

« Vgl. Chronicon Hildesheimense, MGH SS V I I , S. 859 (Wahl Hartberts durch den Klerus „omnibus laicis omnino contradicentibus"). 46 Urkundenbuch des Hochstifte Hildesheim, hg. v. K. JANICKE, Teil I, Leipzig 1896, nr. 551, S. 527. 47 Braunschweigische Reimchronik, Vers 5326 ff., in: MGH, Deutsche Chroniken, Bd. I I , S. 525. 48 Vgl. BÖHMER, J. F., Regesta Imperii V, 1: Die Regesten des Kaiserreiches unter Philipp, Otto . . . 1198—1272, neu hg. von J. FICKER, Innsbruck 1881 (künftig zitiert als BF), 33. 49 Braunschweigische Reimchronik, Vers 5367 ff., a. a. O., S. 526. 60 Am 11. I I I . 1201 urkundet Hartbert in Hildesheim, vgl. UB Höchst. Hildesheim I, nr. 563, S. 540. Vgl. auch DAIJCH, B., Die Bischofsstadt als Residenz der geistlichen Fürsten, Berlin 1913, S. 249.

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Reimchronik Otto IV. nach der Ermordung Philipps im Jahre 1208 einen Angriff auf die Stadt, von dem er nur durch die Vermittlung des Bischofs Hartbert abgehalten werden konnte. 51 Während Philipp 1201 das im niederdeutschen Raum gelegene Hildesheim nicht im staufischen Lager halten konnte, vermochte er im folgenden J a h r eine andere wichtige Bischofsstadt fester an sich zu binden, nämlich Trier. Hier war Erzbischof Johann von Trier anfangs für die Wahl Ottos IV. eingetreten, hatte dann aber eine mehr oder weniger gleichgültige Haltung gegenüber dem Thronstreit an den Tag gelegt. Am 11. Oktober 1202 gelang es König Philipp bei einem Aufenthalt in Trier, eine Übereinkunft mit der Geistlichkeit, den Ministerialen und Bürgern der Stadt auszuhandeln. 52 Allerdings mußte der König, der in diesem Gebiet nicht über so starke Positionen wie in der Umgebung Straßburgs verfügte, dafür beträchtliche Zugeständnisse machen. Mit der Unterstellung Triers unter königlichen Schutz verband er die Gewährung sicheren Geleits auf Rhein und Mosel sowie die Aufhebung von Zöllen bei Kochern und Hammerstein. Damit kam der König den händlerischen Interessen der Kaufleute und der städtischen Ministerialen in Trier entgegen. 53 Eine Anzahl königlicher Ministerialen aus benachbarten Gebieten beschwor die Zusagen des Staufers und verpflichtete sich, bei jeder Bedrohung Triers zu Hilfe zu kommen; sollte sich ihre Hilfe als nicht ausreichend erweisen, wollte der König selbst zum Schutz der Stadt eingreifen. Dafür verpflichteten sich die Trierer Geistlichen und Ministerialen sowie die „universitas civium", den Staufer jederzeit zu unterstützen. Im Falle des Todes des Erzbischofs Johann wollten sie nur einen Nachfolger wählen, der dem König die Treue halten würde. Trierer Ministerialen sowie die „universitas civium Treverensium" beschworen ihrerseits diese Zusicherungen. Ahnlich wie die Anfang 1198 noch vor der Königswahl von Philipp von Schwaben mit Speyer abgeschlossene Vereinbarung trägt dieses Schriftstück den Charakter eines auf Gegenseitigkeit beruhenden Vertrages. 54 Die Rückschläge, die Philipp 1202 in der Auseinandersetzung mit seinem Rivalen hinnehmen mußte, 55 zwangen ihn, Bundesgenossen durch Zugeständnisse an sich zu binden. Erzbischof Johann, der vorübergehend an eine Abdankung gedacht hatte 5 6 , schloß sich dem von seiner Geistlichkeit sowie den Trierer Ministerialen und Bürgern befolgten prostaufischen Braunschweigische Reimchronik, Vers. 6319 ff., a. a. O. S. 538. Vgl. GEBAUEB J . , Geschichte der S t a d t Hildesheim, Bd. 1, Hildesheim/Leipzig 1922, S. 47, der den falschen Eindruck entstehen läßt, daß Hartbert den Widerstand bis 1208 nicht brechen konnte. Dem widerspricht die Angabe des Chronicon Hildesheim., MGII S S VII, 859, derzufolge Hartbert zu Beginn seiner Amtszeit reichlich ein J a h r aus der Stadt ausgeschlossen war. 52 MGH Const. II, nr. 7, S. 7. 5 3 Vgl. SCHULZ, K., Ministerialrat und Bürgertum in Trier = Rheinisches Archiv 66, Bonn 1968, S. 43 f., der auf die Bedeutung des Trierer Weinhandels, an dem auch städtische Ministerialen beteiligt waren, hinweist. 5 4 In diesem Sinne urteilt RAUCH, G., a. a. O., S. 53f. 51

55

Vgl. WINKELMANN, E „ a. a. O., B d . I., S . 244 ff.

56

Regestum Innocentii III papae a. a. O., nr. 76, S. 207.

Die Bürgerschaft von Bischofsstädten im Thronstreit

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Kurs widerstandslos, an, so daß sich Innocenz III. in einem an den Kölner Erzbischof gerichteten Schreiben vom 20. November 1202 über die anhaltende Widersätzlichkeit des damals bereits exkommunizierten Trierers beschwerte und diesem vorwarf, sich „mit den Bürgern der Stadt, gewissen Klerikern und Ministerialen der Trierer Kirche" zum Schaden des Papstes verschworen zu haben. Der Kölner wird beauftragt, geistliche Befugnisse im Bereich der Trierer Diözese zu übernehmen; für den Fall anhaltenden Widerstand Erzbischof Johanns wird dem Trierer Erzstuhl der Entzug der Metropolitanrechte angedroht. 57 Ein ähnliches Schreiben sandte Innocenz III. am folgenden Tage an Erzbischof Siegfried von Mainz, der zugleich beauftragt wurde, sich nach Trier zu begeben, um „sowohl den Klerus als auch das Volk der Stadt sowie die Ministerialen der Trierer Kirche" zu einer Änderung der Haltung im Thronstreit zu bewegen. 58 Damit erscheinen sowohl im Bündnisvertrag König Philipps als auch in den päpstlichen Schreiben neben Geistlichen und Ministerialen der Trierer Kirche die Bürger dieser Stadt als aktive Exponenten einer prostaufischen Politik. Es gibt allerdings keine Hinweise darauf, daß die Trierer diese Situation über die vom König gewährten zollrechtlichen Zugeständnisse hinaus zu einem weiteren Ausbau der kommunalen Befugnisse ausnutzten. Das seit 1172 faßbare Schöffenkolleg, das sich aus Ministerialen und Bürgern zusammensetzte 59 , fungierte weiterhin als Interessenvertretung der städtischen Oberschicht. Tiefergreifende Spannungen zwischen dieser Schicht und dem vorsichtig taktierenden Erzbischof scheinen nicht aufgetreten zu sein. Eine eigenständige politische Position der städtischen Oberschicht zeichnete sich in jener Zeit auch in Mainz ab, wo infolge des Strafgerichts Barbarossas im Jahre 1163 und der damals befohlenen weitgehenden Zerstörung der Stadtmauer die kommunale Bewegung einen schweren Rückschlag erlitten hatte. 60 Als im Oktober 1200 der prostaufisch eingestellte Erzbischof Konrad starb, erschien König Philipp in der Stadt und trug dazu bei, daß die Mehrheit des Domkapitals den Bischof Lupoid von Worms zum Erzbischof wählte. Eine Minderheit wählte jedoch kurz darauf Siegfried von Eppenstein, der auf Grund eines Vorstoßes Ottos IV. noch vor dem Weihnachtsfest 1200 in Mainz einziehen konnte. 61 Die militärische Bedeutung der S tadt war damals im Wachsen begriffen, denn noch vor dem Tode Erzbischof Konrads hatte sich die Bürgerschaft sicher im Einverständnis mit dem damaligen Stadtherrn angesichts der zunehmenden Unsicherheit zum Neubau der Stadtmauer entschlossen. 62 « Ebenda, nr. 78, S. 212 f. Gedruckt bei WINKELMANN, E., a. a. O., Bd. I, S. 554f., nr. X I I . Zur weiteren Haltung des Erzbischofs vgl. LOENARTZ, M., Erzbischof Johann I. von Trier (1198—1212), Phil. Diss. Bonn 1952, S. 49f. i 9 Vgl. SCHULZ, K., Ministerialitat und Bürgertum in Trier, S. 36. ®> Vgl. PLANITZ, H., a. a. O., S. 106; FALCK, L., Mainz im frühen und hohen Mittelalter (Geschichte der Stadt Mainz II), Düsseldorf 1972, S. 153 f. 58

6» V g l . W I N K E L M A N N , E „ a . a . 0 . , B d . I , S . 1 9 0 f f . 62

Vgl. die Notiz in den Annales sancti Disibodi zu 1200, MGH S S X V I I , S. 30: Murus Maguntinae reparatus est. Aus einer Urkunde v o m 4. J u l i 1200 geht hervor, daß der diasbe-

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Wie lange sich der bald von Innocenz III. anerkannte Siegfried von Eppenstein in Mainz halten konnte, ist nicht klar erkennbar. Aus der allerdings erst um 1280 verfaßten Braunschweiger Reimchronik ergäbe sich die Folgerung, daß der päpstliche Legat Guido bald nach seiner Anfang Juli 1201 erfolgten öffentlichen Erklärung für Otto IV. in Köln den Bann über die Mainzer verhängte, weil sie zu Lupoid hielten. 63 Da Otto IV. bereits im Frühsommer 1201 in das Kölner Gebiet zurückkehrte und der päpstliche Legat die Weihe Siegfrieds zum Erzbischof am 30. September 1201 in Xanten vornahm, 64 spricht vieles dafür, daß Siegfried schon vor der Mitte des Jahres 1201 aus Mainz weichen mußte. 65 Die Stadt verblieb sodann im staufischen Machtbereich. Im Schreiben vom 21. März 1202, mit dem InnocenzIII. die Stellung Siegfrieds als Erzbischof von Mainz bestätigte, ist der Hinweis enthalten, „daß die Mainzer Bürger gemeinsam schwuren, daß sie niemals einen anderen Bischof" als Lupoid anerkennen würden 66 , d. h. die Bürger traten aktiv für den prostaufischen Kandidaten ein. Daher ermahnte Innocenz III. am 9. April 1203 Klerus und Volk von Mainz eindringlich, Erzbischof Siegfried in die Stadt aufzunehmen. Für den Fall weiteren Ungehorsams droht der Papst mit der Verlegung des Metropolitansitzes. 67 In einem weiteren Schreiben vom Dezember 1203 forderte der Papst die Kölner auf, jeden Umgang mit den gebannten Klerikern und Laien der Stadt Mainz, speziell auch in Handelsgeschäften zu meiden. 68 Diese Hinweise in den päpstlichen Briefen zeigen, daß die Mainzer Bürger, die damals noch kein Ratskollegium besaßen, auf ihrem Standpunkt beharrten und sich durch päpstliche Drohungen nicht beirren ließen. Darüber hinaus geht aus einem am 8. Dezember 1203 verfaßten Brief des Erzbischofs Siegfried an die Pröpste des Marienstifts sowie des Severistifts in Erfurt, das zum Herrschaftsbereich der Erzbischöfe von Mainz gehörte, hervor, daß auch die Erfurter Bürger dem weifenfreundlichen Eppensteiner den Gehorsam verweigerten, so daß diesem „wegen deren unverschämter Gewalttätigkeit fast nicht an Recht und Ehre blieb". 69 Eine Erfurter Chronik berichtet, daß die Erfurter König Philipp in den Jahren 1203 und 1204 bei seinen Angriffen gegen den Landgrafen

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zügliche Beschluß damals bereits gefaßt war und daß die Bürgerschaft diese Aufgabe weitgehend selbständig durchführte, vgl. FALCK, L., a. a. O., S. 179f. Braunschweigische Reimchronik, Vers 5629ff., a. a. O., S. 529. Vgl. WINKELMANN, E . , a. a. O., B d . I, S . 225.

Die Annahme von WINKELMANN, E., a. a. O., Bd. I, S. 208 f. Anm.l, daß Siegfried noch im März 1203 in Mainz urkundete, beruht auf einer falschen Datierung der Urkunde, die in Wirklichkeit 1232 von Erzbischof Siegfried III,, ausgestellt wurde; vgl. BÖHMES, J . F./ Will, C., Regesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe, Bd. II, Innsbruck 1886, S. 217 (Siegfried III., nr. 39) 6« Vgl. Migne, Patrologia Latina 214, col. 966 (Ep. V. 14) = B F . 5778. Vgl. dazu HEROLD, W., Königtum und Städtewesen unter den letzten Staufern, Phil. Diss. Leipzig 1925, S. 22. Migne 215, col. 44 f. (Ep. VI, 39). 6 8 Quellen z. Gesch. d. Stadt Köln II, nr. 7, S. 13 f. 6 9 Urkundenbuch der Stadt Erfurt, hg. v. C. BEYER, Bd. I, Halle 1889, nr. 67, S. 31. 65

Die Bürgerschaft von Bischofsstädten im Thronstreit

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von Thüringen militärisch unterstützten. 70 Zugleich gibt es Anzeichen dafür, daß die unklare Situation des Thronstreits auch in Erfurt die Ausbildung eines städtischen Selbstverwaltungsorgans förderte. Im Jahre 1212 werden in einer Urkunde erstmals 23 „burgenses" genannt, denen die Verwaltung der Stadt anvertraut war. 71 Abgesehen von dem vorbehaltlos für Otto IV. eintretenden ' Köln stellten sich also mehrere Bischofsstädte trotz päpstlichen Drucks bewußt auf die Seite des Staufers, so Speyer, Straßburg, Trier und Mainz, dem noch das dem Mainzer Erzbischof unterstehende Erfurt hinzuzufügen wäre. Dabei bezogen diese Städte keineswegs durchweg eine von der Haltung ihres Stadtherm abweichende Position; selbst die Mainzer und Erfurter konnten sich darauf berufen, in Übereinstimmung mit dem vom Staufer anerkannten Lupoid von Worms zu handeln. Dennoch ist nicht zu übersehen, daß bei den umstrittenen Wahlen in Hildesheim und Mainz Bürgerschaft und Ministerialen von sich aus entschieden, welcher Seite sie sich anschlössen. Dagegen stellte sich die Bürgerschaft von Cambrai eindeutig gegen den allgemein anerkannten Bischof dieser Stadt. 7 2 Der Ende des Jahres 1200 zum Bischof gewählte Johannes von Bethune schloß sich dem Weifen an. Welche Motive ihn dabei bestimmten, ist im einzelnen schwer zu erkennen. Immerhin ist zu bedenken, daß Cambrai wohl die einzige Bischofsstadt ist, die von dem Stauferkaiser Friedrich I. im Juni 1184 ein großzügiges Privileg erhalten hatte, das trotz der sicher bewußten Vermeidung des Begriffs „communio" praktisch eine Anerkennung der kommunalen Ordnung nordfranzösischen Gepräges mit „iurati pacis" als bürgerlichem Gerichts und Verwaltungsorgan enthielt. 73 Kaiser Heinrich VI. bestätigte dieses Privileg mit höchster Wahrscheinlichkeit. 74 Es ist denkbar, daß diese den bürgerlichen Interessen ungewöhnlich entgegenkommende Politik der Staufer und ein ähnliches Taktieren des mit dem Staufer verbündeten französischen Königs 75 dazu beitrugen, den neugewählten Bischof in das Lager des Weifen zu treiben. Auch der Einfluß Innocenz' III., für den sich auf Grund des häufigen Wechsels im Cambraier Bischofsamt in den letzten Jahren zusätzliche Eingriffsmöglichkeiten 70

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Croniea S. Petri Erfordernis moderna, in: Monumenta Erphesfurtensia saec. XII, XIII, X I V , lig. v. 0 . HOLDER-EGGER (MGII S S rer. Germ, in us. schol), Hannover/Leipzig 1899, S. 202 (unter 1203 und 1204). UB Erfurt I, nr. 72, S. 3 5 : burgenses, quibus dispensatio reipublicae eiusdem civitatis Erfordensis est credita. 1217 werden erstmals consiliarii genannt, ebenda, nr. 79, S. 40. Zum Folgenden vgl. REINECKE, W., Geschichte der Stadt Cambrai, Marburg 1896, S. 153 ff. Druck des Privilegs bei REINECKE, \V., a. a. O., S. 2 5 9 f . : noch 1182 hatte Friedrich I. die Kommune aufgehoben, vgl. auch VOIGT, E., a. a. O., S. 30. Das ergibt sich aus späteren Bestätigungen durch Friedrich II., in denen sowohl von Friedrich I. als auch von Heinrich VI. stammende Privilegien als Vorlage genannt wer den, vgl. BÖHMER/BAAKEN, Regesten Heinrichs VI., 640. Vgl. CARTELLIEBI, A., König Philipp II. August, König von Frankreich, Bd. IV, 1, Leipzig 1921, S. 241 f.

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BERNHARD T Ö P F E R

boten 76 , dürfte die Haltung Bischof Johanns mitbestimmt haben. So erschien er im September 1201 in Köln und erlangte dort neben den Regalien ein Privileg König Ottos IV. Darin gewährte dieser dem Bischof entsprechend dem Rat der Fürsten angesichts der „Unverschämtheit der Bürger und des schweren der Kirche von Cambrai zugefügten Schadens" die volle Gewalt über Sladt und Bürger; anderslautende frühere Privilegien, insbesondere das Friedrichs I., das den Bürgern „unter dem Namen des Friedens" die Kommune zugestand, sollten die Festlegungen Ottos IV. in keiner Weise beeinträchtigen. 77 Die pro weifische Stellungnahme schützte den Bischof allerdings nicht gegen die territorialpolitischen Interessen der ebenfalls meist im weifischen Lager stehenden niederländischen Fürsten, 1203 griffen der Graf von Flandern, der Herzog von Brabant, der Herzog von Limburg und andere Herren Besitzungen des Bischofs an, der darauf die Exkommunikation über seine Gegner verhängte, die im April 1204 vom Papst bestätigt wurde. 78 Nachdem der Herzog von Brabant im Herbst 1204 auf die Seite Philipps von Schwaben übergetreten war und sich auch andere Fürsten des niederländischen Raumes dem Staufer angenähert hatten 7 9 , während Bischof Johann von Cambrai weiter zu Otto IV. hielt, gewährte der Staufer am 1. Juni 1205 in Speyer den Bürgern von Cambrai wegen ihrer „eifrigen Treue" ein Privileg, in dem er ihnen „alle Rechte, Freiheiten und guten Gewohnheiten sowie die Privilegien" Friedrichs I. bestätigte. Gleichzeitig ordnete er an, daß in der Stadt ansässige Dienstleute (servientes) des Bischofs, die als Kaufleute Handelsgeschäfte betrieben, die üblichen städtischen Steuern und Verpflichtungen leisten sollten. Auch sollten die an Kaufleute und Handwerker vermieteten Häuser von Adligen und Geistlichen der städtischen Besteuerung unterliegen. 80 Die Nennung des mit dem Bischof von Cambrai verfeindeten Herzogs von Brabant als Zeugen weist darauf hin, daß der König mit diesem Privileg die Interessen des Herzogs berücksichtigte. Immerhin war dies der erste Fall, daß ein König während des Thronstreits die Bürgerschaft gegen den allgemein anerkannten Bischof durch Privilegierung bewußt unterstützte. 8 1 Die Bürger von Cambrai wurden unter diesen Umständen zu einem noch aktiveren Vorgehen gegen ihren Stadtherrn ermutigt. Im Juli 1206 beklagte sich Innocenz III. in einem Schreiben ¡an den Erzbischof von Reims darüber, daß die Bürger Burgen und andere Besitzungen des Bischofs gewaltsam besetzten und zerstörten. Nachdem sie gebannt worden waren, hätten sie Priester, die die Befehle der Kirche mißachteten, zur Abhaltung von Gottesdiensten genötigt. Daher fordert der Papst den Erzbischof auf, den Bannspruch gegen die „cives Cameracenses" überall be76

V g l . R E I N E C K E , W . , a . a . O . , S . 1 5 2 ; WINKELMANN, E . , a . a . O . , B d . I , S . 2 2 5 , A n m . 2.

77

BÖHMER, J . F., Acta imperii selecta, Innsbruck 1870, nr. 230, S. 206. Vgl. SMETS, G., Henri ier, duc de Brabant 1190-1235, Phil. Diss. Brüssel 1908, S. 105;

78

WINKELMANN, E . , a . a . O., B d . I , S . 3 1 9 . 79 V g l . SMETS, G . , a . a . O . , S . 115. 80

Druck bei WINKELMANN, E., Acta imperii inedita saeculi X I I I , Innsbruck 1880, nr. 11, S. 8f. (künftig zitiert als: Winkelmann, E., Acta).

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V g l . HEROLD, W „ a. a. 0 . , S . 28.

Die Bürgerschaft von Bischofsstädten im Thronstreit

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kannt zu machen; insbesondere solle auf Jahrmärkten der Verkehr mit Kaufleuten aus Cambrai gemieden werden. 82 In Lüttich, wo neben dem älteren Schöffenkolleg bereits 1185 Geschworene (iurati) als Führungsorgan der Stadtgemeinde bezeugt sind 8 3 , löste der Thronstreit ebenfalls innere Verwicklungen aus. Als die Bürger im J a h r e 1198 daran gingen, die Stadt mit einem neuen, wesentlichen erweiterten Mauerring zu umgeben 8 4 , und zu diesem Zweck unter Bruch „der seit älteres bestehenden Freiheit der Kleriker" auch diese besteuerten, brachen unter dem damals amtierenden, stauferfreundlichen Bischof Albert offene Auseinandersetzungen zwischen Bürgerschaft und Geistlichkeit aus, wobei der Bischof im Gegensatz zum Domkapitel offensichtlich Verständnis für das Vorgehen der Bürgerschaft zeigte. 85 Eine antistaufische Tendenz hatte das Auftreten der Bürger also keineswegs. Das Domkapitel verhängte das Interdikt über die S t a d t ; einige Lütticher Kaufleute, die von Jahrmärkten aus Frankreich, also wohl von Messen in der Champagne, zurückkehrten, wurden ausgeraubt, worauf die Bürger ihrerseits einige Kanoniker gefangen setzten. Erst Anfang 1199 kam durch Vermittlung des auf einem Ausgleich drängenden Bischofs eine Einigung zwischen den Bürgern und dem Domkapitel zustande, demzufolge die ersteren schwuren, künftig die Freiheit der Kirche zu achten. Als im gleichen J a h r auf Betreiben des Grafen von Flandern und des Herzogs von Brabant König Otto IV. von den Bürgern in die Stadt eingelassen wurde, verbot der nach wie vor zum Staufer haltende Bischof Albert jeden Warenverkauf an den Weifen und seinen Anhang. Dieses Gebot wurde offenbar weitgehend befolgt; jedenfalls verließ Otto IV. erzürnt die Stadt, empfing jedoch vorher den Treueid vieler Kleriker und Bürger. 8 6 Diese Vorgänge sprechen dafür, daß ein Teil der Bürgerschaft im Unterschied zum Bischof für den Weifen eintrat. Auf dessen Seite stellte sich auch der nach dem Tode Bischof Alberts im J a h r e 1200 in Anwesenheit Ottos IV. gewählte Nachfolger Hugo. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, die ihm eine prostaufische Gruppierung der Lütticher Geistlichkeit bereitete, konnte er 1201/02 seine Stellung in Lüttich mit Hilfe des päpstlichen Legaten festigen. 87 Im Jahre 1203 wurde der Ausbau der Stadtmauer im Einvernehmen von Geistlichkeit und Bürgerschaft fortgesetzt, wobei zur Kostendeckung ein Torzoll erhoben wurde. 88 Unter dem 82 83

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Migne, Patrologia Latina 215, col. 949f. (Ep. IX, 132); vgl. REINECKE, W., a. a. O., S. 155. Vgl. FAIBON, E., Régestes de la cité de Liège, T. I, Lüttich 1933, nr. 9. Vgl. zu diesem Quellenbeleg die wohl etwas zu skeptischen Ausführungen von LEJBTJNE, J., Liège et son pays. Naissance d'une patrie (XIII e —XIV e siècles), Lüttich 1948, S. 265f. Vgl. POLAIN, E., La formation territoriale de la cité de Liège, in: Revue du Nord 18/1932, S. 175 (Dort auch Stadtpläne). Vgl. Reineri Annales saneti Jacobi Leodiensis, MGH SS XVI, S. 654 ; dazu KURTH, G., La cité de Liège au Moyen Age, Bd. I, Brüssel 1909, S. 115 f. Reineri Anales, S. 655. « Ebenda, S. 655f.; HEROLD, W., a. a. 0., S. 21. Reineri Annales, S. 657 (zu 1203); vgl. S. 658 (unter 1204), wo über den Verkauf eines Waldstückes berichtet wird ; der Erlös fällt zu je einem Drittel an den Bischof, das Kloster St. Lambert und an die Bürger für den Bau von „muris et turribus civitatis". Vgl. auch LEJEUNE, J., a. a. 0., S. 259f.

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Bernhard Töpfer

prowelfischen Bischof entspannte sich also das Verhältnis zwischen Stadtherrn und Bürgerschaft, und beide Teile waren an einer Erhöhung der Wehrbereitschaft der Stadt interessiert. Auch der trotz einer kurzfristigen Hinwendung zum Staufer im J a h r e 1200 insgesamt mehr zum weifisch-niederrheinischen Lager tendierende Bischof Dietrich von Utrecht 8 9 konnte auf die Unterstützung seiner Bürger zählen, als er 1202 von dem Grafen von Holland, dem sich Utrechter Ministerialen angeschlossen hatten, hart bedrängt wurde. 9 0 Allerdings dürfte bei diesen territorialpolitischen Auseinandersetzungen im niederländischen Raum das Problem der Stellung zu den beiden Königen nur eine sekundäre Rolle gespielt haben; entscheidend war die Auseinandersetzung zwischen dem Bischof und einem benachbarten Fürsten; dabei waren die Bürger Utrechts zuverlässigere Helfer ihres Stadtherrn als dessen Ministerialen. Während die Haltung Lüttichs und Utrechts für den Verlauf des Thronstreits nur zweitrangige Bedeutung hatte, erwies sich die S t a d t Köln weiterhin als entscheidende Stütze für das Königtum Ottos IV. Das wurde in aller Deutlichkeit offenbar, als im Spätsommer 1202 Spannungen zwischen dem König und seinem bisher einflußreichsten fürstlichen Anhänger, Erzbischof Adolf von Köln, zutage traten. 9 1 Der seit 1201 im Reich tätige päpstliche Legat Guido von Praeneste griff sofort schlichtend ein und handelte einen Vergleich aus, der ein bezeichnendes Licht auf die Rolle der Kölner Bürger wirft. In dem diesbezüglichen Schriftstück wurde unter anderem festgelegt, daß neben der Kölner Geistlichkeit und dem Adel auch 20 Ministerialen sowie 24 Bürger als Vertreter der Bürgerschaft einen Eid leisten sollten, in dem sie sich verpflichteten, den Erzbischof zu ständiger Treue gegenüber dem Weifen anzuhalten. Sollte der Erzbischof dagegen verstoßen, wollten sie ihm den Gehorsam aufsagen. Außerdem schworen die Bürger König Otto IV. einen besonderen Treueid, mit dem sie die in der damaligen Situation besonders wichtige Verpflichtung übernahmen, die S t a d t für ihn gegen jedermann zu verteidigen, solange der König die Rechte der Geistlichkeit, des Adels und der Ministerialität des Erzbistums sowie die Rechte der S t a d t Köln achtete. 9 2 Der König mußte für die Aussöhnung mit dem Erzbischof auf die Prägung von Münzen Kölner Gepräges in Aachen sowie auf die Zollerhebung in Duisburg und Kaiserswerth verzichten. Für Schulden, die der König dem Erzbischof zurückzuzahlen hatte, wurde nochmals eine Frist von etwa neun Monaten gesetzt; war die Schuld auch dann noch nicht beglichen, sollte die königliche S t a d t Dortmund an den Erzbischof ver89

Vgl. über ihn Smets, G., a. a. O., S. 92f.; Algemene Geschiedenis der Nederlanden, Deel

II, Utrecht 1950, S. 269f.

Vgl. Gesta episcoporum Traiectensium, MGH SS X X I I I , S. 408: Sed civitas domini sui miserta eum quasi profugere volentem recepit et comiti sie viriliter restitit . . . " Vgl. Smets, G., a . a . O . , S. 97; Oppermann, O., Untersuchungen zur nordniederländischen Geschichte des 10. bis 13. Jh., Teil II, Utrecht 1921, S. 43. 9» Vgl. Winkelmann, E., a. a. O., Bd. I, S. 251. 92 MGH Const. II, nr. 24, S. 28f., vgl. besonders art. 1—3, 10. Vgl. zu dieser Vereinbarung Rauch, G., a. a. 0., S. 51 f.

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pfändet werden. Schließlich schworen die genannten vier Kölner „ S t ä n d e " (ordines), daß sie auch dem König den Gehorsam entziehen wollten, wenn er den Erzbischof oder die Kölner Kirche ungerecht behandelte. 93 Der Haupt Verlierer dieses mehr oder weniger zwangsweise erneuerten Bündnisses zwischen dem König und dem Kölner Erzbischof war der letztere, denn er wurde praktisch unter die Aufsicht von Geistlichkeit, Adel und Ministerialität des Erzstifts sowie der Kölner Bürgerschaft gestellt. Das bedeutet, daß die Kölner Bürger neben Adel, Geistlichkeit und Ministerialität als „ S t a n d " anerkannt wurden, der zur Mitsprache in entscheidenden politischen Fragen berechtigt war. Die Bedeutung dieser Ereignisse charakterisierte W. Herold zutreffend, indem er feststellte: „ E s ist dies das erste Mal in dem Kampf zwischen Philipp und Otto, daß eine Bürgerpartei gegen ihren unumstrittenen rechtmäßigen Bischof zugunsten des Königtums ausgespielt wird." 9 4 Der entscheidende Akteur war allerdings in diesem Falle nicht König Otto IV., sondern der päpstliche Legat. Dementsprechend mußte bei diesem Vergleich neben dem Erzbischof auch der König Zugeständnisse machen, wobei die Aufhebung der Zölle in Duisburg und Kaiserswerth wiederum in erster Linie den Kölner Bürgern zugute kam. E s gibt weitere Indizien dafür, daß man die große Bedeutung der Kölner für den Weiterbestand des Königtums Ottos IV. damals allgemein erkannte. Papst Innocenz III. belobigte am 12. Dezember 1203 in einem an die Schöffen und das Volk von Köln gerichteten Schreiben die Bürger ausdrücklich wegen ihres treuen Ausharrens auf der Seite des Weifen 9 5 , und am 23. April 1204 ermahnte er sie erneut, weiter für den König einzustehen. 96 König Johann von England, der nach anfänglicher Zurückhaltung seit 1202 infolge der Bedrohung durch den französischen König wieder aktiveres Interesse am staufisch-welfischen Thronstreit zeigte 9 7 , dankte den Kölnern am 4. J u n i 1202 in einem Schreiben für die Unterstützung des Weifen 9 8 und sicherte ihnen am 11. April 1203 aus Dank für die Hilfe, die sie seinem Neffen gewährten, sowie als Anreiz für weitere Leistungen in einem Schutzbrief ungehinderte Handelsfreiheit im ganzen Königreich zu. 9 9 Einen ähnlichen Schutzbrief für ihre Handelstätigkeit stellte der englische König den Kölnern am 25. Dezember 1204 aus, diesmal mit der bemerkenswerten Einschränkung, daß dies nur gelte, solange sie in Treue zu Otto IV. hielten. 100 Dieser Vorbehalt lag damals nahe, da kurze Zeit vorher — im Herbst 1204 — Erzbischof Adolf von Köln etwa gleichzeitig mit dem Herzog Heinrich von B r a b a n t 93 MGH Const. II, nr. 24, art. 6, 8, 9. 9« V g l . H E R O L D , \ V „ a . a . 0 . , S . 2 3 .

95 Quellen z. Gesch. d. Stadt Köln, Bd. II, nr. 7, S. 13. 9« Ebenda, nr. 10, S. 15 f. 97 V g l . W I N K E L M A N N , E „ a . a . 0 . , B d . I , S . 2 7 8 .

98 Hansisches Urkundenbuch, hg. v. K. HÖHLBATTM, Bd. I, Halle 1876, nr. 59, S. 31. 99 Quellen z. Gesch. d. Stadt Köln, Bd. II, nr. 9, S. 15. Zur Datierung vgl. STEHKAMPEK, H „ a. a. 0 . , S. 217. 100 Quellen z. Gesch. d. Stadt Köln, Bd. II, nr. 11, S. 16: „quamdiu ipsi fuerint in fidelitate et fide regis Ottonis, nepotis mei."

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BERNHARD TÖPFER

auf die Seite des Staufers übergetreten war. 101 Innocenz III. hatte bereits am 29. Oktober 1204 Erzbischof Siegfried von Mainz und Bischof Johannes von Cambrai, die weiter zu Otto IV. hielten, aufgefordert, sich nach Köln zu begeben, um einen Abfall Erzbischof Adolfs möglichst noch zu verhindern. Falls der Erzbischof nicht einlenkte, sollten sie den päpstlichen Brief vor Klerus und Volk verlesen und so auch auf die Kölner Bevölkerung einwirken, damit nicht „die Kölner Kirche und Stadt, die an Ruhm und Herrlichkeit alle anderen Kirchen und Städte des deutschen Königreiches überstrahlt, in ungeheuerlicher Weise zuschanden werde". 102 Derartige Ermahnungen waren aber gegenüber den Kölner Bürgern vorerst nicht erforderlich. Der abgefallene Erzbischof Adolf wurde von der weiter zum Weifen haltenden Stadtbevölkerung aus Köln vertrieben, so daß er sich Ende Mai 1205 auf dem von König Philipp in Speyer abgehaltenen Hoftag bitter „über die Kölner beklagte, weil sie gegen seinen Willen und Befehl zu König Otto hielten". 103 Auffallend ist jedoch, daß Erzbischof Adolf am 16. J a n u a r 1205 in Andernach — also offensichtlich nach seiner Vertreibung aus Köln — ein Privileg für die Münzerhausgenossen ausstellte, denen er zusagte, daß der Inhaber des Erzbistum künftighin gegen ihren Willen keine neuen Mitglieder in ihre Genossenschaft einreihen würde. Zugleich bestätigte er die Gerichtsbarkeit des vom Erzbischof einzusetzenden Münzmeisters über die Hausgenossen. 104 Die Privilegierung der Kölner Hausgenossen durch Erzbischof Adolf zu diesem Zeitpunkt spricht dafür, daß diese der städtischen Oberschicht zuzurechnende Gruppierung ähnlich wie Richolf Parfuse zu Beginn des Thronstreits dem eindeutig prowelfischen Kurs der Mehrheit der Bürgerschaft abgeneigt war. Die Auffassung 0 . Oppermanns, der klar zwischen einer prostaufischen Verwaltungsaristokratie und einer erzbischöflich-welfisch gesinnten, reichen Kaufmannschaft unterscheidet 105 , vereinfacht die Lage sicherlich. 106 Es ist aber durchaus denkbar, daß innerhalb der patrizischen Oberschicht Kölns Rivalitäten bestanden, in deren Verlauf eine bürgerlich-ministerialische oder der Ministerialität nahestehende Gruppierung, die wichtige städtische Amter innehatte und zu der damals auch noch die Münzerhausgenossen gehörten 107 , eine andere politische Haltung einnahm als ausschließlich auf den Fernhandel orientierte Kreise. 101 V g l . W I N K E L M A N N , E . , a . a. 0 . , B d . I , S . 3 3 1 f f .

j •QtBuchhorn)

f—

Städtenetz und Stadtherrenpolitik

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Bistum Speyer gekommen, dem König Heinrich II. im J a h r e 1009 dort das Marktrecht bestätigte und außerdem die Errichtung einer Münze gestattete. 4 0 9 Die spätere Stadt wurde südwestlich von diesem alten Marklort errichtet; ihre Mauern werden 1290 erwähnt. 4 1 0 Mit den zuletzt behandelten Städten haben wir die bis 1250 gezogene Grenze der zweiten Periode der Stadtgründungen bereits überschritten und sind in die dritte übergewechselt, die durch die Daten 1250 und 1300 begrenzt wird und in der die große Gründungswellc der Kleinstädte beginnt. Wenn wir diese nun detailliert behandeln, so wird im folgenden, um das umfangreiche Material übersichtlicher darzubieten, eine jahrzehnteweise Einteilung der jetzt neu auftretenden Städte vorgenommen. Obwohl diese zwangsläufig rein formal bleiben muß, kann sie doch helfen, die Aktivitäten einiger Dynastengeschlechter in bezug auf die Städtegründung an einigen Punkten des doch recht langwährenden Zeitabschnittes klarer herauszustellen. Beginnen wir also mit den in der Zeitspanne von 1250 bis 1260 in der Überlieferung neu erscheinenden vierzehn Städten. Da wäre zunächst Veringenstadt an der Laudiert, nördlich von Sigmaringen; hier gab es 1251 einen Schultheiß Walter 4 1 1 , der 1262 als „discretus vir" bezeichnet wurde und damals dem Kloster Heiligkreuzthal Güter übertrug 4 1 2 . Im J a h r e 1297 ist dann ein „Bertholdus dictus Wertwein, civis in Yeringen" erwähnt. 4 1 3 Die „ehrsamen Männer und Bürger von Veringen" erschienen auch bereits in einem Diplom König Rudolfs von Habsburg vom 11. Oktober 1285: damals wurde ihnen auf ihre Bitte hin das Recht verliehen, jeden Dienstag einen Wochenmarkt abzuhalten. 4 1 4 Stadtgründer und erste Stadtherren waren die Grafen von Veringen, die hier wohl ein Zentrum ihres Territoriums zu schaffen beabsichtigten. 4 1 5 Jedoch taten sich, wie Erwin Zillenbiller in seinem lokalgeschichtlichen Abriß ausführt 4 1 6 , zwischen ihnen und den Bürgern scharfe Gegensätze auf, als Graf Heinrich von Neuveringen und Hettingen (1269—1307), der von seinem Vater, dem älteren Heinrich, eine ungeheure Schuldenlast hatte übernehmen müssen, unerschwingliche Steuern von der Stadt forderte. Diese verweigerte die Zahlung, und 409 DH. II. 190, MG. DD. III, ed. H. BRESSLAU, Hannover 1900 bis 1903, S. 225. Beschreibung des Oberamts Marbach, Stuttgart 1866, S. 136; Heimatbuch Marbach, a. a. O., S. 82 f. 410 UB. Eßlingen, Bd. 1, a. a. O., nr. 231 von Juni 27, S. 90 (Regest). WStB., S. 155. 411 Beleg ungedruckt?; vgl. ZILLENBILLER, E., Stadt Veringen, Gammertingen 1963, S. 66; WStB., S. 473. 412 'WUB. VI, nr. 1675, S. 76f. — 1269 war er wohl schon gestorben, da am J8. Juni jenes Jahres seine Witwe erwähnt wird (ebenda VII, nr. 2081, S. 37); bei einer Urkunde, in der er angeblich noch 1270 als Zeuge genannt wird, ist das Datum unsicher (ebenda nr. 2132, S. 77; siehe Anm. d auf S. 78). 413 Ebenda X I , nr. 4972 von 1297 Februar 24 oder März 10, S. 24 (Regest). 414 Erhalten in einer Bestätigung König Friedrichs III. von 1442: BÖHMER-REDLICH 1942. Deutsche Übersetzung bei ZILLENBILLER, E., a. a. O., S. 74f. 415 Vgl. HORNBERGER, T., Die hohenzollernschen Städte, a. a. O., S. 20. 416 ZILLENBILLER, E . , a . a . O . , S . 67.

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W O L F G A N Q EGGERT

als der Graf sie deshalb mit Raub und Brand zu überziehen begann, wandte sie sich hilfesuchend an König Rudolf. Einigungsversuche von dessen Seite verliefen jedoch fruchtlos, und so verhängte er schließlich die Reichsacht über Heinrich und erklärte ihn zum Landfriedensbrecher. Der hieraus entspringende Kampf zwischen beiden dauerte bis 1291: am Ende jedoch zog Heinrich den kürzeren und mußte am 5. Februar jenes Jahres seine Grafschaft dem König überantworten. Veringenstadt selbst dürfte allerdings schon früher an die Habsburger gekommen sein, denn seine Bürger werden in dem Diplom, das über diese Abtretung angefertigt wurde, wie die der habsburgischen Gründung Mengen 417 als „cives nostri seu filiorum nostrorum" bezeichnet. Der Friedensschluß ging zu einem guten Teil zu Lasten beider Städte, denn Rudolf löste die Grafen von allen Wiedergutmachungsverpflichtungen

für

die von ihnen verübten Räubereien und Brandschatzungen und strich die Schulden, welche der ältere Heinrich bei Mengen und Veringenstadt hatte; nur die eigenen Schulden sollten Heinrich von Neuveringen und seine Brüder Wolfrad und Manegold begleichen. Die über ersteren verhängte Reichsacht wurde — sicherlich sehr gegen den Willen der Bürger — überdies aufgehoben. 418 Diesem allem zum Trotz erlitten die Veringer Grafen durch die erzwungene Abtretung ihres Landes, welche das Habsburgische Urbar wenige Jahre später schamhaft als „ K a u f " verschleierte 419 , eine entscheidende Schwächung. Sie kamen allerdings 1315 wieder in den Besitz von Stadt, Burg und Herrschaft Veringen; als die Österreicher im Thronstreit mit Wittelsbach um Anhänger warben, gaben sie jenen Gebietskomplex an seine alten Eigentümer zu Lehen. 420 Ganz unklar ist, ob das an dem gleichnamigen Fluß gelegene Nagold bereits im 13. Jh. zur Stadt geworden ist. Der Streit hierüber entzündete sich an einer Urkunde vom 27. September 1253, in der ein „Heinricus de Nagilta", Dienstmann des Grafen Gottfried von Calw, unter anderem „totum, quod in predicta villa ( ! ) habere vide4 « Siehe unten S. 172ff. 418 W U B . I X , nr. 4082, S. 430f.: „ . . .profitemur, quod nos ab omni actione sive inpetitione, que civibus nostris seu filiorum nostrorum de Meengin et de Veringen conpetit, erga ipsos Heinricum comitem vel eius fratres ratione debitorum patris sui aut ratione incendii et rapine per ipsos commisse ac etiam a vinculis sive pena proscriptionis, qua idem H[einricus] comes ad instantiam ipsorum civium innodatus fuit, eosdem penitus absolvemus. Hoc tarnen excepto, quod si qua idem Hfeinricus] comes vel sui fratres erga cives nostros aut filiorum nostrorum prescriptos per manum suam contraxerunt debita, ad ea solvenda secundum iuris ordinem sint astricti." 419

„Dis sint nütze und reht, die du herschaft hat an der bürg und an der stat ze Veringen und an andren gutern, die da mit gekoffet sind umbe die graven von Veringen": Das Habsburgische Urbar, Bd. 1, a. a 0., S. 394. — Die Steuer der Veringer Bürger ist hier zu höchstens 20 Mark Silber angesetzt: ebenda, S. 397.

420

Vgl. ZILLENBILLER a. a. O., S. 76 und 85; WStB., S. 473; HERBEBHOLD, F., Die österreichischen Grafschaften Sigmaringen und Veringen, in: Vorderösterreich, hrsg. v. F . METZ, 2. Aufl., a. a. 0., S. 604. — Eine Reihe von Rechten und Einkünften (Mühle, Zoll, Hofstattzins, Handwerkspfennig) war jedoch bereits 1292 an die Herren von Renhartsweiler verpfändet worden und verblieb auch jetzt weiter in deren Besitz: ZLLLENBLLLER, E., a. a. O., S. 75 und 85 mit Hinweis auf die ungedruckten Belege.

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batur extra fossatum", an das Nonnenkloster Kirchberg verkauft. 421 Weller gab hierauf nichts und setzte die Stadtentstehung erst ins 14. Jh. 4 2 2 ; Georg Dieterle aber behauptete in seiner Geschichte der Stadt, die zitierte Urkunde sei bereits „die erste Spur davon, daß Nagold Mauern hatte". 423 Seiner Meinung nach hat noch Graf Burkhard III. von Hohenberg (1237—1253), der durch seine Heirat mit Mechthild, der Tochter des Pfalzgrafen Rudolf II. von Tübingen, die Herrschaft über den alten Nagoldgau erworben hatte, den Plan zur Stadtgründung gefaßt, und unter dessen Söhnen Albrecht II., dem berühmten Schwager König Rudolfs von Habsburg, und Burkhard IV. soll er zur Ausführung gekommen sein.424 Beweisen läßt sich hier schwerlich etwas, und wir begnügen uns mit dem Hinweis, daß Nagold 1329, zur Zeit Graf Burkhards VI. von Hohenberg, das erste Mal wirklich „Stadt" genannt wird. 425 Ganz anders liegt der Fall bei Ehingen an der Donau, über dessen Entwicklung zur Vollstadt 4 2 6 uns zahlreiche erhaltene Urkunden exakten Aufschluß geben. 1253 treten fünf namentlich genannte „cives in Ehingen" als Zeugen bei einem Güterkauf des nahen Klosters Heggbach auf 4 2 7 , und ein Jahr später erscheint ein Heinrich als „minister in Ehingen" im Verein mit dem Stadtherrn, dem Grafen Ulrich II. von Berg 428 . Dessen Geschlecht hatte seinen Stammsitz etwa 2 km südlich von Ehingen auf der anderen, rechten Seite der Donau, und so war wohl auch die neue Stadt, die inmitten zahlreicher Ortschaften lag, als wirtschaftlicher und Verwaltungsmittelpunkt eines Territoriums geplant. 429 Verschieden sind die Ansichten darüber, ob ihre 421 WUB. V, nr. 1270, S. 34f. Zum Ortsadel, dem Heinrich entstammte, vgl.: Beschreibung des Oberamts Nagold, Stuttgart 1862, S. 115. «2 WELLER, K., Besiedl.gesch. Württ., a. a. 0., S. 332f.: „Die Stadt Nagold . . . ist 1329 genannt und gewiß erst kurz vorher gegründet worden." 423 DIETERLE, G., Die Stadt Nagold, ihr Werden und Wachsen bis auf die Gegenwart, Nagold 1931, S. 60. 424 Ebenda; vorsichtiger und auf die abweichenden Meinungen eingehend allerdings S. 61. Ebenda und WStB., S. 392. 426 Marktort war das einstige alamannische Urdorf Ehingen wohl schon seit der Jahrtausendwende ; bei der Anlage der Stadt, die dicht neben dieser bäuerlichen Siedlung erfolgte, wurde der Markt dorthin übertragen: Weber, F. M. (siehe die folgende Anm.), S. 32f. und S. 35. 427 WUB. V, nr. 1244, S. 2. Vgl. zum folgenden besonders die knappe, aber instruktive Darstellung von WEBER, F. M., Ehingen. Geschichte einer oberschwäbischen Donaustadt, Ulm 1955, S. 33ff., der die für die Stadt- und Verfassungsentwicklung im 13. Jh. wichtigen Urkunden sämtlich aufführt. Die erwähnten fünf Bürger stellen allerdings wohl kaum, wie er S. 36 behauptet, schon einen „Ausschuß", also eine Institution, dar. 428 WUB. V, nr. 1289, S. 54: „H. minister in Ehingen"; später mit vollem Namen genannt. Eine Liste seiner Nachfolger, deren bekanntester, Konrad Zähe, von 1289 bis 1298 in den Quellen erscheint, bietet die Beschreibung des Oberamts Ehingen (2. Bearbeitung), Teil 2, Stuttgart 1893, S. 22. 429 W E B E R , F. M . , a. a. 0., S. 34; vgl. auch BAUER, CL., Ehingen an der Donau als vorderösterreichische Stadt, in: Vorderösterreich. Eine geschichtliche Landeskunde, hg. v. F. METZ, 2. Aufl., Freiburg i. Br. 1967, S. 742. - Für die wirtschaftliche Bedeutung spricht

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Gründung um 1230 anzusetzen ist und damit noch dem Grafen Heinrich III. von Berg (etwa 1212—1241) zugeschrieben werden muß oder ob sie erst auf Initiative von dessen jüngerem Sohn Ulrich II. (f vor 1268) entstand. 430 „Civitas" bzw. „statt" heißt Ehingen jedenfalls 1267 4 3 1 und in der Folgezeit öfter; in einer Urkunde Graf Ulrichs III. von Berg (etwa 1267 — nach 1316), ausgefertigt unter dem Datum des 16. Mai 1294, wird erwähnt, daß es Mauern hatte. 432 Da der oben erwähnte Heinrich oft als „minister" bzw. (seit 1268) „antiquus minister" 433 , einmal jedoch auch als „antiquus scultetus" auftritt 434 , dürften in Ehingen Ammann und Schultheiß personengleich gewesen sein. Hierfür scheint auch eine Urkunde vom 21. Juli 1271 zu sprechen, in der Graf Ulrich einen mit dem Kloster Salem vorgenommenen Häusertausch zu Ehingen festhalten ließ: dieser geschah „accedente consensu . . . sculteti et universitatis predicte", obwohl die Zeugenliste keinen Schultheißen, sondern wieder Ammann und Altammann aufführt. 435 Wie hier die Bürgergemeinde, so begegnet um 1290 erstmals der Ehinger Rat 4 3 6 , dem kurz vor Ablauf des Jahrhunderts die Richter folgen437. Auch ein Stadtsiegel mit der Umschrift „ + S. CIVITATIS- INEHINGIN" und dem fünfmal schrägrechts geteilten Schild, dem Wappenbild der Grafen von Berg, ist von 1291 an erhalten 438 ; es zeugt wie die eben genannten Fakten von der damals rasch fortschreitenden Entwicklung der Stadtverfassung. das Ehinger Kornmaß; es taucht 1267 (siehe unten Anm. 431), 1292 ( W U B . X , nr. 4205, S. 7) und 1299 (ebenda X I , nr. 5328, S. 304) auf und „ist schon im Habsburger Urbar um 1300 Vorschrift": Beschr. OA. Ehingen (2. Bearb.), Teil 2, a. a. O., S. 30 (Das Habsburgische Urbar, Bd. 1, a. a. O., S. 458 und 460.) «30 X)ie erste Version bei WEBER, F. M., a. a. 0 . , S. 33 f., und im W S t B . , S. 3 4 5 ; die zweite bei WELLER, K., Besiedl.gesch. Württ., a. a. O., S. 339. Sicher zu Unrecht will HEHLE, Geschichtliche Forschungen über Ehrungen und Umgegend, Ehingen a. D. 1925, die Stadtentstehung bereits in die 2. Hälfte des 12. J h . verlegen. „ I n der s t a t t E h i n g e n " : W U B . V I , nr. 1895, von 1267, S. 2 8 7 ; „pondus et mensura civitatis in E h i n g e n " : ebenda nr. 1959 von 1267 Dezember 13, S. 350. 432 E b e n d a X , nr. 4517, S. 2 3 8 : eine Mühle des Stadtherrn ist gelegen „extra muros opidi nostri Ehingen retro ecclesiam parrochyalem". «33 Beispiele: ebenda V I , nr. 1701, 1766, 2007, S. 100, 162, 400. «34 Ebenda V I I , nr. 2076, S. 35. 435 Ebenda nr. 2221, S. 146f. Das Haus des Klosters wird von Wachen, Diensten und Steuern in der Stadt befreit, das Kloster selbst von sämtlichem Zoll und Ungeld: jedoch verfügt der Graf andererseits, daß es jeglichen weiteren Grundbesitz in Ehingen und den umliegenden Dörfern nach Ablauf eines Jahres wieder zu veräußern habe. Ahnliche, noch schärfere Bestimmungen (Erwerbsverbot) bereits in: ebenda nr. 2154 von 1270 Mai 13, S. 95. 431

436 „consules civitatis": ebenda I X , nr. 3920, S. 323 (Regest). 437 „Cünrat Zaehe der amman unde die rihter von Ehingen" (folgen 7 Namen, darunter noch einmal der des Ammanns) erlaubten „an gerihte nah unsurre stete rehte", daß eine Ehinger Handwerkerwitwe einen Garten an das Predigerkloster in Ulm verkaufen dürfe: ebenda X I , nr. 4988 von 1297 März 22, S. 3 2 f . Vgl.: Beschr. OA. Ehingen (2. Bearb.), Teil 2, a. a. 0 . , S. 22, und WEBER, F. M., a.a. O., S. 36 mit Anm. 18 (wo allerdings ein veralteter Druck genannt ist). 438 W U B . I X , nr. 4144, S. 475. WEBER, F. M., a. a. O., S. 36 und 3 0 : Beschr. OA. Ehingen

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Wie das Habsburgische Urbar verzeichnet, besaß Österreich schon kurz nach 1300 in Ehingen eine Mühle und „och wol 40 menschen oder mer". 439 1343 erwarb Herzog Albrecht II. den Ort neben Berg und Schelklingen ganz für sein Haus, woraufhin die Württemberger Grafen dieses Gebiet mit Krieg überzogen. Da die festen Mauern Ehingens ihrer Belagerung jedoch standhielten, vermochten sie es nicht, Habsburg die Beute abzujagen. 440 Weit weniger als über Ehingen hören wir wieder über Urach, den Straßenknotenpunkt im Ermstal unweit von Reutlingen. Mindestens seit dem Beginn des 12. J h . saßen hier die gleichnamigen Grafen, welche der allgemeinen Ansicht zufolge noch vor 1200 unfern ihrer Burg (Hohenurach) eine Marktsiedlung anlegen ließen. 441 Um die Mitte des 13. J h . jedoch suchte Württemberg sich auch hier festzusetzen, was zwei Urkunden vom April 1254 klar demonstrieren. Urach war zu jener Zeit im Besitz des kinderlosen Grafen Berthold, mit dessen Erben, dem Grafen Heinrich von Fürstenberg, sich Ulrich der Stifter schon jetzt zu einigen suchte. Wohl unter massivem Druck brachte er Heinrich dazu, ihm neben der halben Grafschaft Achalm auch die Anwartschaft auf die Hälfte der Burg Urach zuzugestehen; er selbst, ebenfalls damals noch ohne legitime männliche Nachkommen, gab die unweit Urachs befindliche Burg Wittlingen halb her und versprach dem Fürstenberger für den Fall seines Todes größere Länderkomplexe am Rhein und die Gesamtherrschaft über den nunmehr gemeinsamen Besitz. 442 Berthold, der bei dem ganzen Handel sehr wenig gefragt worden zu sein scheint, bekam zur Beruhigung eine Urkunde in die Hand, durch die sich Ulrich und Heinrich verpflichteten, ihn und seine Gemahlin Agathe zu beider Lebzeiten ungefährdet in ihrem Besitz zu belassen, der letzteren im Fall ihrer Witwenschaft 100 Mark Silber zu zahlen und sie einen ihr genehmen Wohnsitz in der Herrschaft Urach wählen zu lassen. Als „testis" tritt in diesem Dokument neben einem „Waltherus notarius de Vra", der seiner Stellung in der Zeugenreihe zufolge wohl geistlichen Standes war 443 , auch der „scultetus in Vrah" Hermann auf. 444 Allerdings hat sich Ulrich von Württemberg an die getroffenen Abmachungen schon/ bald nicht mehr gehalten: wenn der Graf von Fürstenberg am 1. J a n u a r 1265 den Erhalt von 3100 Mark Silber „pro venditione castri Vrah" von ihm bestätigt 4 4 5 , so (2. Bearb.), Teil 2, a. a. O., S. 4 und 22 (hier fälschlich 1297 als Datum des ersten Auftauchens genannt): WStB., S. 347 (mit dem gleichfalls unrichtigen Datum 1304). «9 Das Habsburgische Urbar, Bd. 1, a. a. O., S. 459. « o V g l . W E B E R , F . M . , a. a. 0 . , S. 3 7 f . 441

Im Jahre 1188 werden Marktleute des Grafen Egino von Urach erwähnt: WUB. III, nr. 724, S. 209; dazu: Beschreibung des Oberamts Urach, 2. Bearbeitung, Stuttgart 1909, S. 553f.; EBERLING, R., Urach. Die Stadt und ihre Umgebung, Urach 1965, S. 7. 442 WUB. V, nr. 1293 von April 19, S. 57 f. Zu den Vorgängen: Beschr. OA. Urach, 2. Bearb., a. a. 0 . , S. 198f. 443 Ebenda, S. 542, Anm. 5. 4« WUB. V, nr. 1295 von April 26, S. 61. WELLER, K., Besiedl.gesch. Württ., a. a. O., S. 33; Beschr. OA. Urach, 2. Bearb., a. a. O., S. 533. Der Schultheiß wurde „zweifellos immer vom Grafen eingesetzt": ebenda, S. 541. 445 W U B . VI, nr. 1786, S. 178.

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scheint er Burg und Zubehör schon bald nach dem Tode Bertholds (1261) ganz erworben zu haben. Damit befand sich nun ein Ort mit reichem bäuerlichen Hinterland in seiner Hand, der eine hervorragende Verteidigungsbasis gegen die Reichsstadt Reutlingen abzugeben in der Lage war. 446 Vielleicht war Urach damals bereits Stadt, vielleicht wurde es jedoch auch erst durch die Württemberger dazu ausgebaut 4 4 7 — da die früheste Nennung als „oppidum" erst von 1316 datiert 4 4 8 , können hierüber nur Vermutungen angestellt werden. In einer — allerdings nicht zeitgenössischen — Aufzeichnung über Balingen wird gesagt, daß dieses zu Pfingsten des Jahres 1255 (16. Mai) zur Stadt erhoben wurde. 449 Links von der Eyach, einem kleinen Nebenfluß des Neckars, gelegen, ist es eine zollerische Gründung, was daraus geschlossen werden kann, daß sich Graf Friedrich der Erlauchte zu Anfang des oben genannten Gründungsjahres im Besitz des Baiinger Kirchensatzes befand. 450 Der alte Ortsadel (Herren von Balingen) verzog nach Rottweil und etablierte sich dort als angesehene Patrizierfamilie; ab 1280 war beispielsweise ein Eberhard von Balingen Schultheiß in Rottweil. 451 Der erste Baiinger Schultheiß ist 1268 der Ritter Tragbotho von Neuneck 4 5 2 ; neun J a h r e später findet sich als Zeuge in einer Urkunde für das Kloster Offenhausen ein ungenannter „rector scolarum in Balgingen" 453 . Die Stadt dürfte ihre Gründung der Tatsache zu verdanken haben, daß dort, wo sie errichtet wurde, die alte Reichsstraße RottweilHechingen über die Eyach führte; so erwies sie sich in der Folgezeit für den Wirtschaftsverkehr als recht geeignet. 454 446

Heimatbuch des Bezirks Urach, hg. v. H. SCHWENKEL, Urach 1933, S. 403. Ebenda, S. 402; WStB., S. 471. WELLER, K., entscheidet sich für eine Gründung durch die Uracher Grafen: Besiedl.gesch. Württ., a. a. 0 . , S. 338. *« WStB., S. 471; Beschr. OA. Urach, 2. Bearb., a. a. 0 . , S. 533; EBERLING, R„ a. a. 0 . , S. 7. 449 „Anno MCCLV. Balingen in penthecostes civitas facta est": Landesbibliothek Stuttgart, Cod. hist. fol. 270, 60; zitiert nach: Der Landkreis Balingen. Amtliche Kreisbeschreibung, Bd. 2, Balingen 1961, S. 7 mit Anm. 19. Vgl. FOTH, W., Besiedlungs- und frühe Herrschaftsverhältnisse im Raum von Balingen, phil. Diss. Tübingen 1951 (Ms.), S. 25 mit Anm. 39. 460 „ecclesia Balginin, cuius ius patronatus ad nos pleno iure dinoscitur pertinere": WUB. V, nr. 1324 von 1255 Januar 25, S. 91. «1 Ebenda VIII, nr. 3008 von 1280 Dezember 30, S. 251: „Eber, scultetus"; ebenda X, nr. 4271 von 1292 August 4, S. 58: „Eberhart von Balgingen der alte schulthaisse von Rotwil". Der Landkreis Balingen, Bd. 2, a. a. O., S. 6: „Die Gründe für diesen Umzug sind nicht ganz klar, doch darf man vielleicht annehmen, daß die Herren von Balingen zur Zeit der Stadtgründung vertrieben wurden bzw, daß sie in den Kämpfen des 13. Jh. Gegner der Zollern waren und deshalb . . . abwanderten." 452 WUB. VI, nr. 1963, S. 355: „Tragbotho miles de Niwenegge, scultetus in Balgingen". Der Landkreis Balingen, Bd. 2, a. a. O., S. 14; FOTH, W., a. a. 0 . , S. 26 mit Anm. 45; WELLER, K., Besiedl.gesch. Württ., a. a. O., S. 330 mit Anm. 99. «3 WUB. VIII, nr. 2652, S. 10 (Regest). Der Landkreis Balingen, Bd. 2, a. a. 0 . , S. 39; WStB., S. 326. 447

454

Der Landkreis Balingen, Bd. 2, a. a. O., S. 7 und 23. Das alte Dorf Balingen lag 200 m flußabwärts an einer durch Überschwemmungen stärker gefährdeten Stelle; gewiß ist

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Während König Rudolf im Herbst 1286 den Grafen Eberhard den Erlauchten von Württemberg in Stuttgart belagerte 455 , standen sich seine Anhänger und Gegner auch bei Balingen gegenüber. Hier fielen, wie berichtet wird, am 23. Oktober in einem Gefecht zwischen Friedrich von Zollern und Burkhard IV. von Hohenberg viele von den Leuten des Letztgenannten, so daß der Königsgegner Friedrich wohl einen Sieg davontrug. Daß Balingen in den Kämpfen jenes Jahres eingenommen, zerstört und daraufhin etwas flußabwärts verlegt wurde, ist allerdings eine unverbürgte Nachricht späterer Schriftsteller. 456 Vieles bleibt dunkel bei der Entstehung von Rosenfeld, wenige Kilometer südöstlich von Sulz. Am 16. Juli 1255 gibt es dort einen Schultheiß 4 5 7 ; die Stadt dürfte kurz zuvor, also etwa um 1250, gegründet worden sein 4 5 8 . Inhaber der Herrschaft Rosenfeld waren um 1300 die Herzöge von Teck — vielleicht in der Eigenschaft als Erben ihrer Ahnen, der Herzöge von Zähringen. 459 Träfe dies zu, dann hätten wir in ihnen auch die Stadtgründer von Rosenfeld zu sehen; gegen eine solche Annahme gibt es jedoch auch Einwände. 460 Mit seiner durch die natürlichen Gegebenheiten bestimmten Dreiecksform weist der Ort einen ungewöhnlichen Grundriß auf. 4 6 1 Mauern soll er im Jahre 1274 erhalten haben 4 6 2 ; als er sechzehn Jahre darauf fast völlig abbrannte, wurden diese beim Neuaufbau wohl noch verbessert und verstärkt/* 63 Die Stadt Riedlingen, welche sich am linken Ufer der Donau erhebt, ist eine Gründung der Grafen von Veringen. Noch 1247 wird vom Dorf Riedlingen gesprochen 4 6 4 ; am 16. Juli 1255 aber tradiert Graf Wolfrad (f 1261) an die Nonnen von Heiligkreuzthal eine „area sita in civitate Rvdilingen cum domo super ipsam constructa" 4 6 5 . Es leuchtet somit ein, daß man die Erhebung allgemein auf 1250 datiert. 4 6 6 Schon die Wahl des Platzes der neuen Stadtsiedlung durch diesen F a k t mit beeinflußt worden: IIÖTZER, K., Die Entstehung der Stadt Balingen und ihre Kirchen, Tübingen 1947, S. 12. «5 Siehe dazu unten S. 177. " Silber: ebenda, S. 436. 805 W S t B . , S. 4 3 7 ; ERNST, M., Entst. d. württ. Städte, a. a. 0 . , S. 126. Anders WELLER, K . , Besiedl.gesch. Württ., a. a. 0 . , S. 328 (Rudolf der Scheerer). 806 W U B . X I , nr. 5185 (Regest) und 5321, S. 178 und 297f. Vgl.: Beschr. OA. Saulgau, a. a. O., S. 182. 8 0 7 Als Zeuge bei Entscheidungen des Stadtgerichts von Mengen: W U B . IX, nr. 3981 und 3982, S. 361 f. so« Ebenda nr. 4082, S. 4 3 0 f . ; siehe oben S. 170 f. mit Anm. 475. Ob unter den „homines residentes in opidis" des Textes alle Bewohner (so BÖHMER-REDLICH 2418) oder nur direkt gräfliche Eigenleute verstanden sind, bleibt dahingestellt. 809 W S t B . , S. 356. Sie hatten den Ort seit 1240 in Besitz. 810 Ein Herrenberger Bürger verkaufte an jenem Tage mit Zustimmung des Konstanzer Bischofs, des tübingischen Pfalzgrafen Rudolfs des Scheerers und seiner nächsten Erben seinen Laienzehnten „in oppido dicto Haselach . . . aptid Herrenberg sito": W U B . X, nr. 4258, S. 48. 811 Schon im Jahre 1307 wird Haslach wieder als Dorf bezeichnet: SCHMID, L., Pfalzgrafen von Tübingen, a. a. O., S. 282f. 812 W U B . X , nr. 4615, S. 305f. 804

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überhaupt kennen — wird Güglingen zunächst zweimal als „oppidum" aufgeführt. 813 Ist es Absicht oder Zufall, daß in einer Beurkundung dieser Schenkung durch die Wormser Richter (iudices Wonnatienses) dieser Begriff nicht auftaucht, obwohl der Wortlaut des Stückes dem des Notariatsinstrumentes bis auf einige Kleinigkeiten gleicht? 8 1 4 Dagegen operiert ein Versprechen Konrads des Jüngeren von Weinsberg vom 8. März 1295, das Speyerer Kloster in der Ausübung des ihm nunmehr übertragenen Patronatrechtes nicht zu behindern, mit dem Wort „civitas" — ein deutlicher Beweis dafür, wie sehr hier die Terminologie für ein- und dasselbe Bezugsobjekt schwanken kann. Konrad von Weinsberg hatte zu dieser Zeit Güglingen von dem Neuffener verpfändet bekommen 8 1 5 ; dies ist der Grund, weswegen er die eben erwähnte Urkunde ausstellen ließ. Da Rudolfs Geldverlegenheiten durch die Pfandsumme jedoch nicht weniger geworden zu sein schienen, verkaufte er zusammen mit seiner Frau Elisabeth von Strahlenberg, seiner Schwester Maria und deren Gemahl Ulrich von Magenheim am 16. Mai 1296 weitere beträchtliche Gefälle aus dem „oppidum Gugelingen" und den nahebei befindlichen Weinbergen an das oben erwähnte Kloster zum Heiligen Grab; dieses zahlte dafür die Summe von fast 318 Pfund Heller. 816 Die Aufzählung der Veräußerungen im einzelnen interessiert hier weniger als die Tatsache, daß als Zeugen jenes Rechtsaktes neben dem Schultheißen Heinrich Roßhaupt auch sieben namentlich genannte „consules et iurati" des Städtchens aufgeführt werden, unter ihnen ein Schneider, ein Schmied und ein Wirt. 817 Schultheiß Heinrich war auch einer der Bürgen, die Rudolf und Ulrich für die korrekte Ausführung ihrer Anordnungen zu stellen hatten; dieser Rechtsakt wurde gleichfalls vor den Wormser Richtern, und zwar am Verkaufstage, vollzogen. 818 Wir entnehmen der darüber angefertigten Aufzeichnung, daß das „oppidum" bzw. die „civitas" Güglingen (beide Bezeichnungen kommen auch hier vor) 819 damals schon wieder in anderen Händen war; Rudolf hatte Ebenda nr. 4625, S. 310 und 311; hier heißt es z. B . : „ F a c t a est hec donatio abiuratio et renuntiatio . . . in opido Gugelingen suprascripto." 1289 war in einer Urkunde für das Kloster Rechentshofen noch von einem Weinmaß der villa Güglingen die Rede: ebenda I X , nr. 3807, S. 247 (Regest); daher ist es unwahrscheinlich, daß die Stadtgründung, wie im W S t B . , S. 106, angenommen wird, schon um 1250 erfolgt ist. 8 1 4 WUB. X , nr. 4626, vom gleichen Tage (1295 März 4) wie nr, 4625; der Actumvermerk darin lautet: „ F a c t a est hec donatio . . . in strata publica in Gugelingen" und weicht somit von dem in der vorigen Anm. zitierten ab. 8 1 5 „. . .quod cum civitas in Gugelingen a dicto nobile nobis aliquando pignore extiterit oblig a t a " : ebenda nr. 4628, S. 315 (Regest). Vgl.: Beschr. OA. Brackenheim, a. a. 0 . , S. 261 f. 816 WUB. X , nr. 4854, S. 488 ff.; eine gesonderte Urkunde Ulrichs und Marias von Magenheim hierüber ebenda nr. 4855, S. 490 ff. 8 1 7 „Actum . . . coram testibus subnotatis: . . . item Heinrico dicto Rossehoubet sculteto de Gugelingen, . . . Eberhardo sartore, Benzone iuniore, Berhtoldo dicto Vehelin, Heinrico dicto Heldeman, Walthero fabro, Berhtoldo Rademan et Berhtoldo hospite consulibus et iuratis oppidi Gugelingen": ebenda nr. 4854, S. 490, und (ohne den Schultheißen) nr. 4855, S. 492. Beschr. OA. Brackenheim, a. a. O., S. 263. 81« W U B . X , nr. 4856, S. 493f. 8 1 9 „civitas in Gugelingen" einmal, „oppidum in Gugelingen" zweimal: ebenda, S. 494; vgl. die folgende Anm. 813

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es dem Edlen Gerlach von Breuberg, einem treuen Anhänger des regierenden Königs Adolf und Landvogt der Wetterau sowie Landfriedenshauptmann in Thüringen, überlassen. Dabei handelte es sich wohl trotz einer gegenteiligen Aussage um eine neuerliche Verpfändung, nicht um einen Verkauf 8 2 0 ; wurde doch der Ort noch vor dem 14. Oktober 1303 von Graf Konrad von Flügelau, dem Gemahl einer Tochter Rudolfs von Neuffen, aus eigenen Mitteln wieder eingelöst. Daß er nach dessen Tode an die Ebersteiner kam und im Jahre 1327 württembergisch war, soll hier, da es über unseren zeitlichen Rahmen hinausgeht, nur kurz erwähnt werden. 821 Das bereits am 24. März 1297 an eine Urkunde Rudolfs von Neuffen gehängte „sigillum communitatis oppidi in Gugilingen" ist nur erwähnt, aber leider nicht erhalten. 822 Das älteste bekannte Stadtsiegel stammt erst aus dem 15. J h . und zeigt eine Gugel (Kapuze). 823 Nur wenige Kilometer von Güglingen in nordwestlicher Richtung entfernt liegt Kleingartach, das zuerst 1295 als Stadt erwähnt wird. Allerdings nicht unter dem Namen „Gartacha", welcher bereits im 8. J h . belegt ist 824 , — die Benennung der „civitas" wurde zunächst von der über ihr sich erhebenden Leinburg abgeleitet. „In civitate Lüneburg" befand sich, wie ein Urbar des Wimpfener Stiftes angibt, im obengenannten Jahre eines seiner Lehen 825 , und am 7. Oktober 1299 begegnet ein „Diethericus faber in civitate Luneburc residens", der für einen Weinberg und eine Wiese in der Nähe des Ortes Zins zahlt. 826 Da Kleingartach 1332 als Besitz der Markgrafen von Baden erscheint, dürften diese es auch gegründet haben 8 2 7 ; einer allerdings unsicheren Annahme von Karl Weller zufolge geschah dies im Rahmen ihrer Kirchenvogtei über das Kloster Hirsau. 828 In der Literatur wird stets angegeben, daß das wenige Kilometer nördlich von Ohringen befindliche Kocherstädtchen Sindringen erst im Jahre 1328 als „oppidum" £20 Von Güglingen als Pfand spricht das eben zitierte Stück („uobilis de Briuberg qui oppidum in Gugilingen antedictum in pignore tenere dicitur"), von einem Verkauf allerdings ein weiteres vom 23. Oktober des gleichen Jahres. Der Neuffener behauptet hier: „vendidi seu alienavi oppidum Gugelingen cum suis attinentiis domino Gerlaco nobili viro de Brubach"; ungeachtet dessen sollten die dem Kloster zum Heiligen Grab übereigneten Rechte diesem weiterhin zustehen. Gerlach selbst sagt 1297, daß er das Eigen und die Herrschaft über das opidum „erlangt" habe („antequam proprietatem seu dominium opidi predicti essemus adepti": WUB. XI, nr. 4936, S. 1; vgl. ebenda, S. 2, wo von seinem „dominium dicti opidi ad nos postmodum devolutum" die Rede ist). 821 Vgl. hierzu: Beschr. OA. Brackenheim, a. a. O., S. 262f. 822 WUB. XI, nr. 4991, S. 35 (Regest). 823 Beschr. OA. Brackenheim, a. a. O., S. 249. «24 Codex Laureshamensis, hg. v. GLÖCKNER, Bd. 3, a. a. O., nr. 2772 ff., S. 78ff., von 766 und öfter; vgl. Beschr. OA. Brackenheim, a. a. 0., S. 290. 825 Vgl. ebenda, S. 295; WStB., S. 131. 826 WUB. XI, nr. 5352, S. 320. 827 WStB., S. 131; vgl. die Erwähnung des Belegs in: Beschr. OA. Brackenhcim, a. a. O., S. 292. 82« WELLEK, K., Besiedl.gesch. Württ., a. a. O., S. 322.

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WOLFGANG EGGERT

bezeichnet wird. 829 Man übersah dabei eine Urkunde des Gerhard von Erenstein für Kloster Schönthal, welche bereits am 24. März 1295 von einem Einlager „in uno oppidorum scilicet Mekkemulin ( = Möckmühl), Widern, Ballinburc ( = Ballenberg in Baden) sive Sinderingen" spricht. 8 3 0 Sie macht es noch wahrscheinlicher, daß die Herren von Weinsberg, denen der wie so oft an eine Burg angelehnte Ort mindestens seit 1231 als selbständiger Besitz gehörte 8 3 1 , ihn am Ende des 13. J h . zur Stadt erhoben haben. 8 3 2 Runde vier Wochen vor seiner ersten Benennung als „oppidum" trat auch ein Sindringer Schultheiß Erkenbert als Zeuge bei einem Vergleich zwischen dem Kloster Gnadenthal und einem Adligen aus der Umgegend auf. 8 3 3 Die letzte Gründung der Pfalzgrafen von Tübingen, welche wir hier zu behandeln haben, ist Heimsheim im Strohgäu (heute: Landkreis Leonberg) — ebenfalls wie viele andere der von uns aufgeführten Orte ein Burgstädtchen. 8 3 4 Am 15. Mai 1295 freite Rudolf der S c h e e r e r l L , wie uns eine seiner Urkunden verrät, sämtliche Besitzungen des Klosters Bebenhausen „zu Haimzhain in der statt, du selb statt uns von erbestailung wegen zu höret", bis auf eine geringe Ausnahme von sämtlichen Steuern und Diensten, „und stillen weder wir noch unser nach körnenden, noch unser amptltit, vogt, schultheiss, burger der selben statt, von dem selben closler . . . dehainerley dienst oder dehainerley Schätzung in dehainerley wisz geren noch niemen". 8 3 5 Dem zum Trotz, daß uns in diesen Sätzen eine urbane Siedlung mit gleich zwei herrschaftlichen Beamten an der Spitze entgegentritt, wird Heimsheim doch auf den Tag genau zwei J a h r e später wieder als „villa" bezeichnet — als ummauerte „villa" zwar, aber doch als „ v i l l a " . 8 3 6 Wahrscheinlich hatten die Tübinger, als sie das bereits bestehende Dorf erweiterten, seine verkehrsgünstige Lage an der Straße Pforzheim-Ulm im Auge gehabt, jedoch „die Kleinheit des mit der Stadt verbundenen Gebiets, der baldige Wechsel der Herrschaft und der Übergang an eine wenig mächtige Familie 8 3 7 , die Teilungen mit den vielen daraus erwachsenden Streitigkeiten, die Nähe der günstig gelegenen Reichsstadt Weil und schließlich der Brand von 1395 - all dies ließ die 829 Oehringer Heimatbuch, hg. v. MATTES, a. a. O., S. 244: Der Landkreis Öhringen, Bd. 2, a. a. 0 . , S. 540; WStB., S. 215; STOOB, H., Städtebildg., a. a. 0 . , S. 556. 830 W U B . X , nr. 4637, S. 323 (Regest). 831 Der Landkreis Öhringen, Bd. 2, a. a. O., S. 542. 832 Allerdings heißt er am 22. Februar 1298 noch einmal „villa", dies jedoch in einer aus dem doch recht entfernten Würzburg stammenden Ausfertigung: W U B . X I , nr. 5104, S. 122 (Regest). 833 Ebenda X , nr. 4621 von 1295 Februar 27, S. 308. Der Landkreis Öhringen, Bd. 2, a. a. O., S. 546. 834 Bcschr. OA. Leonberg, 2. Bearb., a. a. O., S. 786. 835 WUB. X , nr. 4675, S. 351. Allerdings war die Abtei gehalten, weitere Erwerbungen in Heimsheim binnen Jahresfrist wieder zu verkaufen, und zwar nicht an Grafen oder an andere Klöster: ebenda, S. 352. Vgl. zu diesem Stück: Beschr. OA. Leonberg, 2. Bearb., a. a. 0 . , S. 792. 836 . .infra muros ville Haimeshain": W U B . X I , nr. 5011, S. 47. Vgl. das WStB., S. 117. 837 Zwischen 1297 und 1318 ging Heimsheim an die Herren von Stein auf Burg Steinegg über, eine einst edelfreie, zu jener Zeit aber bereits dem Niederadel zuzurechnende Familie: Beschr. OA. Leonberg, 2. Bearb., a. a. O., S. 793.

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Hoffnungen nicht in Erfüllung gehen, die der Stadtgriinder auf seine neue Schöpfung gesetzt haben mochte." 8 3 8 Das Städtchen Tettnang im früheren Argengau, die südlichste Kreisstadt im Württembergischen, ist ausgewiesenermaßen eine Anlage des nach ihm benannten Zweiges der Montforter Grafen. König Adolf von Nassau gewährte ihr am 1. Dezember 1297 das Recht der Stadt Lindau — auf die Bitte Hugos I I I . von Montfort-Tettnang hin, der uns bereits als ehemaliger Besitzer der Stadt Scheer begegnete. 839 Dem Grafen gelang es dann, diese Verleihung am 19. Mai 1304 auch von Albrecht I., Adolfs Rivalen und Nachfolger in der deutschen Königs würde, verbrieft zu bekommen; ihr wurde jetzt noch ein jeden Donnerstag abzuhaltender Wochenmarkt hinzugefügt. 840 Hatte Tettnang mithin damals ein Stadtrecht, so doch wohl aber noch keine Befestigung, dann erst Kaiser Ludwig der Bayer gestattete Hugos Sohn Wilhelm I I . dem Reichen, „daß er seinen Flecken ze Tettnange vesten mach und soll mit Mauren und Graben wie er will als ein Statt". 8 4 1 Viktor Ernst nimmt an, daß der 1297 „opidum", 1309 „ S t ä t " genannte Ort 8 4 2 zunächst nur aus dem Markt und zwei Häuserzeilen bestand; alles andere dürfte erst später hinzugekommen sein.843 Daß Neresheim auf dem Härtsfeld am Ende des 13. Jh. bereits einen grundlegenden Schritt auf dem Wege zur Stadt werdung getan hatte, wird allgemein bezweifelt. Zwar verbrieft Papst Bonifaz V I I I . , als er dem seit 1095 bestehenden und sich über der Stadt erhebenden Kloster Neresheim 844 am 13. Januar 1298 seine Besitzungen und Ordensprivilegien bestätigt, auch die Grundherrschaft über das „oppidum de Nernshein cum pertinentiis suis" 845 ; jedoch sagt hier der Terminus „oppidum", wie man meint, nicht mehr aus als daß der Ort damals befestigt war — zum Schutz des Beauftragten der Grafen von öttingen, welche sich 1258 mit einem Gewaltstreich 838 Ebenda, S. 792. 839

WUB. X I , nr. 5071, S. 97: „Supplicavit nobis vir nobilis Hugo comes de Montfurt, quod cum opidum suum de Dethenant hactenus non sit sub certis iuris et consuetudinum legibus gubernatum, nos illud faceremus sub eisdem legibus de cetero gubernari, quibus opidum nostrum Lindawe gubernari consuevit. Nositaque .. . concedimus postulata . . . " Böhmer-Samanek 931; vgl. KASTNER, A., Die Grafen von Montfort-Tettnang, Konstanz 1957, S. 8. Knapp einen halben Monat früher tritt ein „minister Möselin de Tetinanc" als Zeuge auf, der bereits 1290 als „Möselin der amman" bezeichnet wurde: WUB. X I , nr. 5064 von 1297 November 16 und 5724 (Nachtrag) von 1290 Juli 20, S. 94 und 571.

8*0 Vgl.: Beschreibung des Oberamts Tettnang, 2. Bearb,. Stuttgart 1915, S. 677 mit Anm. 4. «41 Vgl. ebenda, S. 678 mit Anm. 1; WELLER, K., Besiedl.gesch. Württ., a. a. O., S. 342; WStB., S. 456 (mißverständlich). 842 Siehe das Zitat in Anm. 839. 1309 übergibt Hugo I I I . „die Burch ze Thetenanch und die Stät mit Lüt und mit Gut und swas darzu höret" seinem Sohn und seinem Neffen; vgl.: Beschr. OA. Tettnang, 2. Bearb., a. a. O., S. 678, Anm. 1. 843 Ebenda, S. 677. 844 WStB., S. 173; Beschr. OA. Neresheim, a. a. O., S. 371 ff. (mit ausführlicher Geschichte des Klosters). 845 WUB. X I , nr. 5093, S. 110; anders in einer Bestätigung desselben Papstes von 1297 Oktober 7 über den Verkauf von „quicquid iuris in Kochern, in Urenhein, in Nerenshein . . . villis" durch Graf Ludwig von Öttingen an die Abtei: ebenda nr. 5050, S. 80 (Regest).

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WOLFGANG E G G E R T

die Vogtei über das Kloster ertrotzt hatten. 8 4 6 E r s t im J a h r e 1343 nämlich wird in Neresheim ein Markt erwähnt, und weitere sieben J a h r e später erscheint es in einem Schenkungsbrief an das K l o s t e r als „ S t a t t " . 8 4 7 Weitaus klarer ist die S a c h l a g e in bezug auf unsere F r a g e bei Forchtenberg im Kochertal, das etwa zur gleichen Zeit wie das nahegelegene Ingelfingen angelegt wurde. 1283 heißt es noch „ v i l l a " 8 4 8 , 1294 jedoch tritt ein Metzger Gerung a u f , welcher v o m Kloster A m o r b a c h m i t einem Drittel des kleinen Zehnten im Ort gegen eine jährliche Zahlung von einem P f u n d Heller belehnt wird. 8 4 9 A m 2. November 1298 schließlich schenken die Edelherren R u p e r t ( I I I . ) und sein Sohn R u p e r t (IV.) von Dürn, die Besitzer auch der über der Siedlung sich erhebenden B u r g Forchtenberg, dem gleichen Kloster eine H o f s t ä t t e (area) in d e m nunmehrigen „ o p p i d u m " ; als Zeugen fungieren „ E b e r w i n u s plebanus in Fortinberg, Conradus dictus de Synderingyn, (der uns schon bekannte) Gerungus carnifex, Conradus dictus Wirt et . . . dictus Burgere cives ibidem c u m aliis fide dignis". 8 5 0 Ein weiterer Handwerker, nämlich der 1299 bereits verstorbene „ S i f r i d u s pellifex", dessen H a u s der Pleban Eberwin g e k a u f t h a t t e und nun an Amorbach schenkt, begegnet in der Aufzeichnung über diese donatio v o m 25. März jenes J a h r e s , und die beiden R u p e r t von Dürn, „ q u i in eodem opido iure advocaticio d o m i n a n t u r " S 51 , gaben hierzu ihr Einverständnis und besiegelten das S t ü c k . 8 5 2 Ein eigenes Siegel mit der Umschrift „Sigillum Civium in F o r c h t e n b e r g " soll die S t a d t jedoch schon 1303 besessen haben. 8 5 3 846 WEISSENBERGER, P., Die Entwicklung Neresheims zur Stadt, in: Zwischen Härtsfeld und Virngrund, Beilage der Schwäbischen Post Februar 1950, 3. Jahrgang Nr. 2, S. 2; 1350—1950. Festschrift zum 600jährigen Stadtjubiläum Neresheim, Aalen 1950, S. 30. Vgl. auch: Beschr. OA. Neresheim, a. a. O., S. 177. Ebenda; Festschrift zum Stadtjubiläum, a. a. O., S . 29f,; WETSSENBERGER, P., (wie vorige Anm.), S. 1 und 2; DERSELBE, Neresheim und die schwäbischen Städtegründungen, in ¡Vergangenheit undGegenwart. Beilage zur Aalener Volkszeitung vom 18. Februar 1950, S. 1. Auch WELLER, K., Besiedl.gesch. Württ., a. a. O., S. 351, setzt Neresheims Stadtgründung erst ins 14. J h . 848 November 8: WUB. VIII, nr. 3290, S. 425. Nach: Der Landkreis Öhringen, Bd. 2,a. a. O., S. 179, ist damit die sogenannte „alte Stadt" gemeint, die als Burgsiedlung etwas früher als die eigentliche Stadt entstand. « 9 Dezember 30: WUB. X , nr. 4585, S. 289 (Regest). 8 6 0 Ebenda X I , nr. 5178, S. 171 f.; durch die Bezeichnung des Schenkobjekts als „area quedam in opido liostro Forthynberg" weisen sich die Ruperte als Stadtherreil aus. Vgl.: Der Landkreis Öhringen, Bd. 2, a. a. O., S. 179 und 185 (allerdings werden noch keine „iudices" erwähnt, wie hier behauptet wird); Oehringer Heimatbuch, hg. v. MATTES, a. a. O., S. 243. — Ob die in: WUB. X I , nr. 5427, S. 366, einer Verkaufsurkunde der beiden Ruperte von 1300 Januar 30, aufgeführten Zeugen Forchtenberger Bürger sind (so das Register des Bandes, S. 602, s. v. Forchtenberg), muß offenbleiben; von den „Sifridus burgensis", „Cunradus carpentarius", auch von dem „Cunradus scultetus" ist es jedoch zu vermuten. 847

„Forchtenberg war zur Hälfte dem Bistum Regensburg lehensuntertänig": WELLER, K., Besiedl.gesch. Württ., a. a. O., S. 345. Die Vogtei hierüber besaßen die Grafen von Hohenlohe: STOOB, H., Städtebildg., a. a. O., S. 555. 862 WUB. X I , nr. 5246, S. 222 (Regest). 851

Städtenetz und Stadtherrenpolitik

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Auf einer Landzunge, die durch die Einmündung eines Bächleins in die Tauber gebildet wird, lag die Burg Weikersheim, der erste Stammsitz der Herren von Hohenlohe. Ihr hat der diesem Geschlecht angehörige K r a f t der Altere (f 1312) wohl noch am Ende des 13. J h . eine Stadt angeschlossen 8 5 4 : am 22. J u l i 1299 nämlich findet man einen „Heinricus dictus Hoffman civis in Wyckersheim" als Zeugen in einer Urkunde, welche die Deutschherren im nicht weit entfernten Mergentheim ausstellen ließen. 855 Als „oppidum" wird der Ort in den Jahren 1321 und 1323 bezeichnet 8 5 6 ; aber diese Erwähnungen gehören schon nicht mehr in unseren Untersuchungszeitraum. Eben noch hinein in ihn fällt jedoch das Auftreten eines „scultetus" in Altensteig, welcher am 22. J a n u a r des Jahres 1300 als Zeuge bei einem Verkauf von Hörigen aus der Umgegend fungierte. 8 5 7 Allerdings ist die Gründungszeit dieser im Tal der oberen Nagold gelegenen, sehr steil an einem Hang unterhalb des auf diesem befindlichen „Castrum" 8 5 8 erbauten Stadt umstritten: legte Weller sie noch ins 13. J h . und erklärte Burkhard IV. von Hohenberg-Nagold zum Gründer, so brachte sie Reinhold Rau mit' der Teilung der Wildberger Linie unter dessen Enkeln zusammen, welche 1355 erfolgte. 8 5 9 Der Name „Altensteig" wurde von einem unweit nordöstlich der neuen Anlage befindlichen Dorf, das noch heute existiert, genommen und übertragen. 8 6 0 Mit diesem Ort ist die Detailuntersuchung abgeschlossen, und es bleibt, eine Systematisierung und Auswertung des Gebotenen zu versuchen. Zunächst — noch einmal zusammenfassend — einige Zahlen. Wir haben insgesamt 97 Städte behandelt, welche im J a h r e 1300 bestanden bzw. deren Bestehen zu diesem Zeitpunkt als ziemlich sicher angenommen werden kann. Von ihnen sind bis 1220, also in der ersten Periode, 16 Städte nachzuweisen; in der Zeit von 1220 bis 1250 kommen mindestens 25 hinzu, so daß wir es nun mit 41 Städten zu tun haben. Die restlichen 56 — und damit das Städtenetz im württembergischen Bereich, wie Beschreibung des Oberamts Oehringen, Stuttgart 1865, S. 216; WStB., S. 84. Im Jahre 1303 auch erster Gebrauch des Terminus „civitas" für Forchtenberg: ebenda, S. 83. Aufgrund dieser Tatbestände darf bezweifelt werden, daß sich die Stadt damals noch im Bau befand (so WELLER, K., Besiedl.gesch. Württ., a. a. O., S. 345.) Vgl. ebenda, S. 346. Anders das WStB., S. 293: „Stadterhebung wohl zu Anfang 14. J h . " 855 WUB. XI, nr. 5315, S. 293 (Regest). ®56 WStB., S. 293; vgl. auch die Regesten zur Ortsgeschichte in: Beschr. OA. Mergentheim, a. a. O., S. 823; STOOB, H., Städtebildg., a. a. O., S. 535. 857 WUB. XI, nr. 5420, S. 362 (Regest): „Datum Altunstaige . . . presentibus sculteto Lindenfelsi et aliis fide dignis." 858 E s -wird 1287 zuerst erwähnt und verdankte seine Entstehung den Vögten von Altensteig, welche ursprünglich Vasallen der Pfalzgrafen von Tübingen waren: WStB., S. 321; Beschr. OA. Nagold, a. a. O., S. 127. 859 W E L L E R , K . , Besiedl.gesch. Württ., a. a. O., S. 3 3 2 ; ähnlich auch das Nagolder Heimatbuch, hg. v. G. WAGNER, Oehringen o. J., S. 230. RAH, R., Die Gründung der Stadt Altensteig, in: Aus den Tannen. Schwarzwaldecho Nr. 1, Dezember 1951, S. 2; DERS E L B E in: WStB., S. 3 2 1 . Wertlos ist F E L D W E G , J . , Altensteig. Aus vergangenen Zeiten, Altensteig o. J . ( 1 9 3 5 ) , S. 3f. 860 WELLER, K. (wie vorige Anm.). 853

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Das Weistum von 1289, in: Weistümer Erfurt, I, 54, S. 28. 151 Das Bibra-Büchlein, in: Ebenda, II, 208, S. 114. 1 52 Das Bibra-Büchlein, 210, S. 1 1 5 ; „. . . lineo panno, quod venditur inter cameras Iinei panni." UB Erfurt, I, Nr. 3 1 8 : „ . . . apotecas sive domos illas sitas Erfordie ante gradus, in quibus pannus lineus vendi solet." (1282).

350

W E E N E R MÄGDEFRAU

der von Leinwand traten nie die eigentlichen Gewandschneider, da sie nur mit Wolltuchen handelten, sondern die Leinenweber und Leinentuchhändler auf. In den Concordata Gerhardi von 1289 wurde im Falle von Übertretungen der Bestimmung, Gewand nur auf des Erzbischofs Freigut in dessen Gaden auszuschneiden, dem Rat die l lälfte der darauf entfallenen Bußgelder zugesichert. Wie auf diesem, so ging auch auf anderen Gebieten der Wirtschaftspolitik sowie der Innen- und Außenpolitik im allgemeinen das Ringen des Rates um die Zurückdrängung der erzbischöflichen Hoheitsrechte weiter. Mit dem Erstarken der Stadt und des Rates kam es zu wiederholten Zusammenstößen mit dem Erzbischof und seinen Vertretern, die sich Ende der achtziger Jahre des 13. J h . erneut zuspitzten. 153 Nach weiteren derartigen Auseinandersetzungen wurde im November 1289 eine vorläufige generelle Einigung erzielt, die in den Konkordaten Erzbischof Gerhards ihren schriftlichen Niederschlag fand. 154 Die Concordata Gerhardi waren von grundlegender Bedeutung für das weitere Verhältnis zwischen dem Mainzer Erzstift und der Stadt Erfurt. 155 Sie verzeichnen erstmalig die den Mainzer Erzbischöfen in Erfurt verbliebenen Rechte. 1 liermit verfolgte der Stadtherr das Ziel, seine Rechte eindeutig zu fixieren — soweit sie umstritten waren — und durch eine detaillierte Aufzählung vor einer weiteren Schmälerung zu schützen. Die Kompetenzen des Rates wurden in dem Konkordat nicht erwähnt. Folgende Rechte standen nach dieser Vereinbarung dem Erzbischof noch zu: die Gerichtsbarkeit, zu welcher auch der Judenschutz gerechnet wurde, die Freizinsen von den Freigütern, das Münzrecht mit Schlagschatz und Wechsel und das Marktmeisteramt mit dem Zoll. Die grundherrlichen Einnahmen des Erzbischofs wurden nicht aufgeführt. Diese genannten öffentlichen Rechte stellten den Rest der Mainzer Stadtherrschaft in Erfurt dar. Alle nicht aufgezählten Bereiche und Befugnisse unterstanden seitdem de facto und de iure dem Rat. Durch diesen Vertrag war die tatsächlich längst bestehende Selbständigkeit des Rates anerkannt worden, die seitdem nur noch durch die genannten Machtpositionen und Ilerrschaftsrechte des Erzstifts beschränkt blieb. Wurden die verbliebenen erzbischöflich-stadtherrlichen Rechte nicht durch Verkauf oder Verpfändung zeitweilig oder ganz abgetreten, so schien ihr Bestand gesichert; der Rat hatte seinerseits erreicht, daß eine Erweiterung und Reorganisierung der feudalen Stadtherrschaft unterbunden wurden. Alle neu entstehenden obrigkeitlichen Befugnisse und alle daraus folgenden Rechte mußten dem Rat zufallen. Die Tendenz, die die Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem erzbischöflichen Stadtherrn und der Stadt Erfurt aufwies, spiegelte sich im Konkordat des ik> Vgl. Uli Erfurt, I, Nr. 313, S. 2 0 2 - 2 0 4 (1282); Nr. 318, S. 206 (1282); Nr. 367, S. 2 3 9 f . (1287). 154 Abdruck: Das Weistum von 1289, in: Weistümer Erfurt, I, S. 1—30. Bestätigung durch den Erzbischof: UB Erfurt, I, Nr. 392, S. 2 6 4 - 2 6 6 ; Nr. 394, S. 267. 155 Vgl. BENARY, F., Zur Geschichte der Stadt und der Universität Erfurt, S. 65 ff.; HEINEMANN, K. W. A., Die statutarischen Rechte für Erfurt und sein Gebiet, Erfurt 1822, S. 15; TETTAU, W. J . A. v. Über das staatsrechtliche Verhältnis von Erfurt zum Erzstift Mainz, S. 99 ff.

P a t r i z i e r h e r r s c h a f t , Bürgeropposition und Volksbewegungen in E r f u r t

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Jahres 1289 deutlich wider: sie war auf die Abnahme der stadtherrlichen Rechte des Mainzer Erzbischofs und die Zunahme der städtischen und Ratsbefugnisse gerichtet. Daß der R a t in seinem Vordringen nicht aufzuhalten war, beweist die nachfolgende Verpfändung des größten Teiles der Rechte, die eben durch den Vertrag von 1289 hatten gesichert werden sollen. Noch im November 1289 verpfändete der geldbedürftige Erzbischof für 800 Silbermark dem Erfurter Rat auf sechs Jahre die Münze, das Marktmeisteramt und die beiden Schultheißenämter. 156 Diese Verpfändung wurde später erweitert. 157 Schon durch den pachtweisen Besitz des Münzrechtes konnte die Stadt nach eigenem Ermessen Münzen prägen lassen. Die Erfurter Denare oder Pfennige waren in und außerhalb Erfurts allgemein gültig. Der bedeutende Handel Erfurts verschaffte den dort geprägten Münzen eine weite Verbreitung. Indessen war es auch dem Rat der Stadt gelungen, die Marktverwaltung weitgehend an sich zu ziehen. Das führte schließlich dazu, daß der Markt- und Handelsverkehr seiner Prüfung und Aufsicht unterstand. Die Markthoheit des Erzbischofs wurde dadurch jedoch nicht beseitigt. Der an ihn zu entrichtende Marktzoll blieb eine seiner wichtigsten Einnahmequellen. 158 Die Concordata Gerhardi können nicht als ein Stadtrecht im eigentlichen Sinne angesehen werden; sie sind ein Vertrag des Erzbischofs Gerhard mit dem Stadtrat, in dem die gegenseitigen Kompetenzen abgesteckt wurden. 159 Die Periode der geschriebenen, allein von der städtischen Ratsgewalt ausgehenden Rechtsnormen begann in Erfurt mit dem Jahre 1306. Damals wurde das Erfurter Gewohnheitsrecht in einer Willkür schriftlich niedergelegt. 160 Sie ist für Erfurt das älteste Rechtsbuch. Der Rat handelte dabei so selbständig, daß er nicht einmal um Bestätigung beim Mainzer Erzbischof nachsuchte. Dieses älteste Erfurter Stadtrecht, die Willkür des Jahres 1306, umfaßte 42 Statuten, deren Inhalt sich auf die wichtigsten Punkte der Stadtverfassung und -Verwaltung sowie des Privatrechts erstreckte. Nachdem dieser erste Schritt auf dem Wege der eigenen Gesetzgebung des Rates getan war, folgte im 14. J h . die Fortbildung der Willkür durch weitere Zusätze. Die Bestimmungen über den Rat, die Ratswahl und den Bürgereid verpflichteten die Gemeinde zum Gehorsam gegenüber dem R a t und zur Befolgung der Willkür von 1306. 1 6 1 Üble Nachrede, Bruch des vom R a t gesetzten Friedens in der Stadt, Ungehorsam gegenüber dem R a t wurden unter strenge Strafe gestellt. Wer „zweyhungen" zwischen dem Rat und der Gemeinde verursachte, sollte für immer die Stadt räumen; auf seiner eventuellen Ansiedlung innerhalb eines Umkreises von drei Meilen stand die Todesstrafe! 162 »6« U B E r f u r t , I, Nr. 3 9 3 , S. 2 6 6 / 2 6 7 . 1 5 7 Vgl. LEITZMANN, J . , Das Münzwesen und die Münzen Erfurts, Weißensee 1864, S. 168 Uber die beiden Zollarten, den Handels- oder Marktzoll und den Durchfuhrzoll, die der Zollsätze, sowie über Zollbefreiungen vgl. WILDENHAYN, K . , Kurmainzische S. 2 0 ff. 159 Vgl. HEINEMANN, K . W . A., Die statutarischen R e c h t e für E r f u r t und sein Gebiet, S .

12ff. Höhe Zölle, 66ff.

Vgl. S t a d t a r c h i v E r f u r t 2 / 1 0 0 - 3 : Willkür der S t a d t E r f u r t . Abgedruckt i n : WALCH, C. F . , Vermischte Beiträge zum deutschen R e c h t , B d . 1, J e n a 1771, Nr. 2, S. 95—120; HEINEMANN, K . W . A., Die statutarischen R e c h t e für E r f u r t und sein Gebiet, S. 67—79. 161 Vgl. E b e n d a , S. 6 8 f f .