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German Pages 112 [111] Year 2005
STADIEN 2006 DER FUSSBALLWELTMEISTERSCHAFT
Dieses Buch ist Gisela und Joseph Stick gewidmet. Besonderer Dank gilt Kathrin Pentke. Diese Publikation wurde unterstützt von: ENGEL-APOTHEKE, Wilhelmshaven, Hildegard Hagemann NEPTUN Schiffahrts-Agentur, Wilhelmshaven, John H. Niemann
Gestaltung Oliver Kleinschmidt, Berlin Titelfoto Reinaldo Coddou H., Berlin Druck Medialis, Berlin Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, ins besondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2005 Birkhäuser – Verlag für Architektur, Postfach 133, CH-4010 Basel, Schweiz Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF ∞ Printed in Germany ISBN-10: 3-7643-7247-8 ISBN-13: 978-3-7643-7247-7 987654321 www.birkhauser.ch
STADIEN 2006 Gernot Stick
DER FUSSBALLWELTMEISTERSCHAFT
mit Beiträgen von
Philipp Köster Angelika Schnell
BIRKHÄUSER – Verlag für Architektur Basel Berlin Boston
Inhalt 6
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Neue Heimat Fußball? Philipp Köster
Alles ist rund — Fußball, Fernsehen, Funktionalismus Angelika Schnell
22
34
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Olympiastadion Berlin
Westfalenstadion Dortmund
Waldstadion Frankfurt am Main
30
Interview mit Volkwin Marg
68
72
78
Fritz-Walter-Stadion Kaiserslautern
Rhein-Energie-Stadion Köln
Zentralstadion Leipzig
48
56
62
Arena Auf Schalke Gelsenkirchen
AOL Arena Hamburg
AWD Arena Hannover 66 Interview mit Helmut C. Schulitz
86
98
102
Allianz Arena München
Frankenstadion Nürnberg
Gottlieb-Daimler-Stadion Stuttgart 106
Interview mit Knut Göppert
108
110
Bewerbungen als Spielort der Fußballweltmeisterschaft 2006 Weserstadion Bremen | LTU Arena Düsseldorf | Bay Arena Leverkusen Nordpark-Stadion Mönchengladbach
Biografien | Bildnachweis
Neue Heimat Fußball? Philipp Köster
Englische Experten haben einen Blick für das Wesentliche im Fußball. Als etwa Liverpools Meistertrainer Bill Shankly indigniert von Leuten berichtete, die doch tatsächlich glaubten, Fußball sei „eine Sache auf Leben und Tod“, und ergänzte: „Ich mag diese Einstellung nicht. Es ist weitaus ernster!“, da hatte er die überbordende Leidenschaft, mit der Fans mitunter auf den Fußball blicken, sehr treffend umschrieben. Nicht minder scharfsinnig benannte der englische Fansoziologe Rogan Taylor einmal die Bedeutung der Fans für den Fußball. Was sei der Fußball ohne die Anhänger auf den Rängen, fragte Taylor und gab sich gleich die Antwort: „Nur ein Kick von zweiundzwanzig Kurzbehosten im Park“. Und so ist es in der Tat: Wer je ein Spiel vor gähnend leeren Rängen sah, ohne donnernde Choräle, ohne kollektives Raunen nach einer tollkühnen Parade und rauschenden Beifall für einen gelungenen Pass, der wird verstehen, dass nicht die Spieler, und seien sie noch so trickreich, sondern erst die Anhänger ein Spiel zum Ereignis machen. Weil sie durch ihr massenhaftes Erscheinen erst die Bedeutung des Spiels bezeugen. Oder andersherum vom Journalisten Rainer Sprehe formuliert: „Je der Stadionbesucher weiß, dass wenig die Illusion, dem wichtigsten Spektakel des Weltenganges beizuwohnen, so nachhaltig zu torpedieren vermag wie der An blick blockweise vakanter Schalensitze.“ Und wer je einen Fan sah, der nach dem Abstieg seines Lieblingsvereins bittere Tränen vergoss und gleich anschließend trotzig eine Dauerkarte für die nächste Saison erwarb, der wird nur noch zögerlich behaupten können, Fußball sei letztendlich ein banales Spiel auf zwei Tore. Denn natürlich ist er für viele viel mehr. Das ist klar, seit es den Fußball gibt. Seit sich Ende des 19. Jahrhunderts im Hamden Park zu Glasgow weit über 100.000 Menschen auf den Stehplatzstufen drängten und sich vor dem Spiel ihrer Anwesenheit durch das gemeinsame Absingen religiöser Choräle versicherten. Seit im Jahre 1923 im Deutschen Stadion in Berlin die Anhänger des Hamburger SV und des 1. FC Nürnberg viele Stunden lang bis in die Dunkelheit ausharrten, weil das entscheidende Tor im Meisterschaftsfinale nicht fallen wollte. Und seit im Jahre 1954 Hunderttausende auf den Straßen Münchens die aus dem Wankdorfstadion zu Bern heimkehrenden Weltmeister begrüßten. Fußball als Lebensinhalt, Ersatzreligion, zweite Heimat, tief empfundene Leidenschaft.
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Das Stadion ist an jedem Wochenende Schauplatz all dieser großen Gefühle, der archaischen Rituale. Auf Stehplätzen und Schalensitzen versammeln sich viele tausende Menschen, durch Trikots, Schals, Mützen und Fahnen in den Vereinsfarben als Fußballfans ausgewiesen. Kaum betreten die Spieler den Rasen, hebt auf den Rängen ein vielstimmiges Gebrüll an, das der eigenen Mannschaft die Sympathie versichert und den Gegner schmäht. Fällt ein Gegentor, senkt sich bleiernes Schweigen über den Platz. Gelingt der eigenen Mannschaft hingegen der Sieg, verwandelt sich das Publikum binnen Sekunden in eine wogende, tobende, jubelnde Menge Mensch. „Das Stadion amalgamiert eine An sammlung von Monaden zur Masse“, schreibt FAZ-Feuilletonist Dirk Schümer. Und mehr noch: „Je ubiquitärer alle Ereignisse werden, weil sie an jedem Ort und zu jeder Zeit abrufbar sind, desto größere Bedeutung kommt der letzten Selbstinszenierung von Gesellschaft zu, die uns verblieben ist: dem Stadionspektakel des Fußballspiels. (...) Das Stadion ist der letzte Ort, der alle Klassen versammelt.“ Arbeiter, Politiker, Wirtschaftsmagnaten, Mittelständler, Neureiche, allesamt friedlich vereint auf den Schalensitzen der Haupttribüne. So zuverlässig dieses Spektakel vom (scheinbar) klassenlosen Soziotop jeden Samstag aufs Neue aufgeführt wird, so sehr hat sich doch das große Gesellschaftsspiel Fußball in den letzten Jahren verändert. Denn vor 20 Jahren bot die Haupttribüne des Fußballstadions nur in seltenen Fällen einen repräsentativen Querschnitt durch die Bevölkerung. Galt doch der Fußball einst vornehmlich als halbseidenes Vergnügen rauflustiger Ju gend licher und schnauzbärtiger Biertrinker, kurzum als Nische der Unterschicht. Erst Anfang der 90er Jahre kam die große Zeitenwende, das Privatfernsehen entdeckte den Fußball und der Fußball entdeckte im Gegenzug, dass er viel Geld mit sich verdienen kann, wenn er es nur geschickt anstellt, wenn er sich künftig nicht mehr alleinig dem Sport, sondern auch der Unterhaltungsbranche zugehörig fühlt und seine Veranstaltungen nach der Regeln seiner neuen Heimat inszeniert. Mit erstaunlicher Rasanz wurde binnen weniger als 15 Jahren aus dem proletarischen Wochenendspaß ein Erlebnis für alle Gesellschaftsschichten modelliert. Zum Transmissionsriemen der schönen, neuen Fußballwelt gerieten dabei die Stadien. Wurden die 80er
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Jahre noch von voluminösen Schüsseln dominiert, die zwar wie das Hamburger Volksparkstadion oder das Frankfurter Waldstadion die Idylle im Namen trugen, ansonsten aber den Zuschauer mit Waschbeton und rostigem Stahl alleine ließen, so entstanden seit Mitte der 90er Jahre auch in Deutschland neue Stadien, die nicht mehr als Sportstätten kon zipiert wurden, sondern als multifunktionale Freilufthallen. Als Blaupause diente den Planern dabei die Amsterdam Arena, die all das bereits verwirklicht hatte, was hierzulande mittlerweile ebenfalls zur Grundausstattung der Stadien gehört: die Umwandlung von Stehplätzen in Schalensitze, die vollständige Überdachung der Zuschauerränge, gute Sicht von allen Plätzen, Videoleinwände, die Einführung eines eigenen Bezahlsystems. Zugleich wurde auch die zuvor stark auf den Fußball fokussierte Bundesliga nach den ehernen Gesetzen des Showbetriebs umgestaltet. Die zur Pausenunterhaltung aufspielende Polizeikapelle wich jungendlichen Popsängern, zur Unterhaltung des Nachwuchses paradierten fortan plüschige Maskottchen durch das Stadion und anstelle der sporadischen Durchsagen des Stadionsprechers leisteten Moderatoren auf dem Rasen das Aufwärmprogramm der Zuschauer. Ein Konzept mit Erfolg. Plötzlich stiegen nicht nur die Zuschauerzahlen rapide, sondern galt es auch nicht mehr als unschicklich, sich zum Fußball an sich und zum Lieblingsverein im Speziellen zu bekennen. Ganz im Gegenteil: Statt über Lieblingsfilme und den neuen Walser-Roman wurde auf Stehempfängen im Fachbereich Erziehungswissenschaften und im Meeting der Werbeagentur plötzlich über den Ab stiegskampf in der 2. Bundesliga debattiert. Und anlässlich großer Turniere legen selbst Spiele von Tunesien oder Bulgarien den Straßenverkehr lahm. Die Theorie zur Praxis lieferte der englische Autor Nick Hornby mit seinem Bekenntnis-Buch: „Fever Pitch“, das exemplarisch zeigte, dass sich wacher Geist und Begeisterung für den Kick nicht zwangsläufig ausschließen müssen. Doch so salonfähig der Fußball in den 90er Jahren wurde, so sehr ist er inzwischen auch zur Projektionsfläche für vielerlei Begehrlichkeiten geworden. Denn so unschuldig und kraftvoll wie in den Fußballstadien sind große Gefühle, tiefe Emotionen nirgendwo sonst zu haben. Nicht in der Musik, nicht in der Religion, nicht in der Politik. Der Fußball muss es also richten, als gesellschaftliche Allzweckwaffe muss er alles auf einmal sein: hoch-
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klassiger Sport, kraftvoller Motor für die Konjunktur, Bühne für die Politik, Tummelfeld für die Werbung, Gaudi für die Massen. Ein Spagat, den der Fußball aushalten muss, und die Stadien mit ihm. Denn mit jedem Schritt hin in die nivellierende Welt der Showbranche, die ja per Definition eine Welt der Illusion und des schönen Scheins sein möchte, verliert der Fußball ein wenig von seiner ursprünglichen Kraft, von seiner Faszination für die Massen, von seiner Funktion als ge sellschaftliche Metapher. Denn der Fußball an sich möchte ja viel mehr sein, eben jenes große Lebensdrama, ernster als eine Sache auf Leben und Tod. Noch muss sich weisen, ob die neuen Stadien mit all ihrem Komfort, der besten Sicht von allen Plätzen, mit alkoholfreiem Bier und plüschigen Maskottchen der richtige Platz sind, für den Fußball und sein Publikum. Denn Schalensitze erzählen noch keine Geschichten, Videowürfel an der Hallendecke bergen keine Mythen. Der Fußball muss sich in den neuen Stadien neu erfinden. Damit er mehr bleibt als ein Kick von zweiundzwanzig Kurzbehosten im Park.
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Alles ist rund — Fußball, Fernsehen, Funktionalismus Angelika Schnell Denn eigentlich ist so ein Amphitheater recht gemacht, dem Volk mit sich selbst zu imponieren, das Volk mit sich selbst zum besten zu haben. [...] Wenn es sich so beisammen sah, musste es über sich selbst erstaunen; denn da es sonst nur ge wohnt, sich durcheinander laufen zu sehen, sich in einem Gewühle eine Ordnung und sonder liche Zucht zu finden, so sieht das vielköpfige, vielsinnige, schwankende, hin und her irrende Tier sich zu einem edlen Körper vereinigt, zu einer Einheit bestimmt, in eine Masse verbunden und befestigt, als eine Gestalt, von einem Geist belebt. 1 Johann Wolfgang von Goethe
Stadion als Event
Angesichts des noch gut erhaltenen Amphitheaters von Verona war Goethe nicht nur von der Größe des antiken Monuments beeindruckt, sondern auch von der „Simplizität des Ovals“, in dem das Volk selber zum „Zierat“ und zum Maßstab werde, so dass sich jede weitere architektonische Maßnahme erübrige. Formale Perfektion bescheinigt auch Peter Sloterdijk im dritten Band seiner Sphärentrilogie vor allem den römischen Bauwerken wie dem Zirkus oder der Arena. 2 Wie Goethe betont er, dass es in den „großen Behältern“ vornehmlich um die „Formung der vielköpfigen Menge zu einer präsenten ‚Masse‘“ gehe. Colosseum, Rom, Ansicht von Nordwest
Gleichwohl sieht er einen organisatorischen und ritualtechnischen Unterschied zu Großveranstaltungen der Neuzeit. Mit dem Föderationsfest vom 14. Juli 1790 auf dem Pariser Marsfeld, das die revolutionäre Aufbruchstimmung durch ein kalkuliert inszeniertes Ritual der Verbrüderung der Nationalgarden kanalisierte und zu dem Hunderttausende ka men, nimmt nach Sloterdijk die „moderne ‚Massen‘-Kultur als Event-Inszenierung de facto und de jure ihren Anfang“. Zwar dient die architektonische Vorlage des Colosseum weiterhin als räumliches Organisationsmodell, jedoch geht es nun nicht mehr darum, das Erstaunen des Volkes über sich selbst, so wie es Goethe beschrieben hat, diesem alleine zu überlassen. Vielmehr wird dieses Volk — der neue Souverän, der trotz allem auf die
1 Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Reise,
Rolle des Auditoriums beschränkt bleibt — durch eine „Affektregie“ gesteuert. Diese hat
Frankfurt am Main und Leipzig 1976, S. 55f.
die Aufgabe, das Erstaunen in eine „Kollektivbegeisterung“ zu verwandeln, die offenbar
Tagebucheintragung vom 16. September 1786
einen (demokratischen) „Konsensus“ erzeugen soll. Um von diesem Konsensus überzeugt, 2 Peter Sloterdijk, Sphären III: Schäume, Kapitel 2 „Indoors: Architekturen des Schaums“, Unterkapitel „Foam City“, Frankfurt am Main 2004, S. 604 ff.
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wenn nicht gar regelrecht überwältigt zu sein, bedarf es einer „alles durchdringenden Herrschaft des Rituals“, einstudierter Übungen in Gemeinsamkeit, für alle sichtbar und vor
allem hörbar. Einen „Plebiszit aus Schreien“ nennt Sloterdijk daher neuzeitliche Großveranstaltungen im architektonischen „Kollektor“ des Stadions oder der Arena. Im allseitig von ansteigenden Tribünen umschlossenen „Massen-Container“ ist es nach seiner Ansicht in besonderer Weise die akustische Glocke über sämtlichen Köpfen, welche durch „sono sphärische Verschmelzung“ das „Phantom der Einmütigkeit“ befördert, die „Publikumsfusion im Angesicht des narzisstisch-narkotischen Spektakels“. Jedes beliebige Fußball-Ligaspiel der Gegenwart scheint Sloterdijks These aufs Trefflichste zu bestätigen. Der heutige Profi-Fußball benötigt nicht bloß den Behälter, er benötigt Event-Atmosphäre. Zum einen sorgen neben den tradierten Fangesängen neu hinzugekommene Phänomene wie die La-Ola-Welle oder Publikums-Animateure wie Stadionansager, Musikbands oder Nackttänzerinnen vorzugsweise exotischer Provenienz für Stimmung, indem sie schreiend, singend und tanzend die Zuschauer genau auf jenes „Phantom der Einmütigkeit“ einschwören. Zum anderen muss auch das Stadion optische und akustische Bedingungen schaffen, die die Event-Maschine unterstützen, welche ins Günter Behnisch, Olympiastadion in München, errichtet 1972.
Zentrum des Fußballgeschäfts gerückt ist. Wie sonst wäre die Hartnäckigkeit zu erklären,
Für Jahrzehnte architektonisches und konstruktives Vorbild im
mit der der FC Bayern München, allen voran sein unangreifbarer Präsident, die Stadionfra-
Stadionbau
ge – Neubau oder Weiternutzung des Olympiastadions – als öffentlichen Streit inszeniert hat. Schließlich ging es bei der Anzweiflung der Tauglichkeit des Münchener Olympiastadions als Spielstätte für den deutschen Rekordmeister nicht nur um den von immer mehr Fußballclubs geäußerten Wunsch nach einem reinen Fußballstadion nach englischem Vorbild, ohne die Aschenbahn für Leichtathletikwettkämpfe, welche unliebsame Distanz zwischen Spielfeld und Zuschauerrängen schafft. Es ging ja auch um die Infragestellung von Architektur von Weltrang, welche trotz der innovativen Dachkonstruktion augenscheinlich in zu altmodischer Weise an der (olympischen) Idee festhält, nach der eine Sportveranstaltung der lautere Wettbewerb der Völker der Welt sei, friedlich unter einem sanft sich wölbenden Zelt versammelt, das Publikum eher zerstreut als konzentriert. Bei zeitgenössischen Sportveranstaltungen – und ganz besonders beim Fußball – geht es Herzog & de Meuron, Allianz Arena in München. Seit der Spielzeit 2005 Austragungsort für den FC Bayern München und 1860 München
inzwischen vornehmlich um die Inszenierung eines umfassenden Erlebnisses, welches sich schon längst nicht mehr auf das Spiel selbst beschränkt. Nach amerikanischem Vor-
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bild werden für Stadionneubauten Zusatzeinrichtungen wie ausgedehnte VIP- und Medien-Zonen, Kommerz- und Gastronomiebereiche, Hotels und sogar Museen gefordert. Ein solches „Event-Stadion“ will sich beispielsweise einer der reichsten Fußballclubs der Welt, der börsennotierte FC Juventus Turin, errichten (zweitgrößter Aktionär ist der libysche Staatschef Muammar El Gaddafi), und das, obwohl das Turiner Stadio delle Alpi, das von weitem den großartigen Anblick einer Segelschifftakelage vor dem Panorama der Das Giuseppe-Meazza-Stadion in Mailand, auch genannt
Alpen bietet, aber erhebliche funktionale Mängel aufweist (manche Sitzplätze sind mehr
„San Siro“ (nach dem Ortsbezirk): die Festung
als 160 Meter vom Spielfeld entfernt), gerade erst zur Fußballweltmeisterschaft 1990 in Italien erbaut worden ist. Doch wie in München ist der mächtigste ortsansässige Fußballclub mit dem Multifunktionsstadion unzufrieden. Und auch hier verfängt der Verweis auf architektonische Qualität nicht. Seinerzeit wurde für die „Mondiale“ die Rekordsumme von etwa 1,5 Mrd. DM für den Um- oder Neubau der zwölf Austragungsstadien ausgegeben. 3 Unter anderem wurden renommierte Architekten wie Renzo Piano und Gregotti Associati mit der Errichtung neuer Stadien betraut. Noch nie zuvor hatte man im Rahmen einer Fußballweltmeisterschaft für eine solche architektonische Aufwertung sämtlicher Austra-
Das Stadio delle Alpi in Turin, 1990 erbaut: ein Segelschiff vor
gungsorte gesorgt, wenngleich die Ergebnisse nicht alle von Rang sind. Zumindest wurde
dem Alpenpanorama
teilweise, wie damals Felix Zwoch in der Bauwelt befriedigt festgestellt hat, auf die Einbindung der Stadien in ihren städtebaulichen Kontext Acht gegeben, was nach Auskunft des Autors keineswegs selbstverständlich sei. Im selben Bauwelt-Heft wurde deshalb
3 Vgl. Stadtbauwelt 24, 29. Juni 1990
warnend auf andere geplante Großprojekte wie z. B. den Neubau einer Arena in Gelsenkirchen mit verschließbarem Dach hingewiesen, eine „sinnlose große Halle“ ohne Bezug zur
4 Felix Zwoch, „Die Macht des Spektakels“, in: Stadtbauwelt 24, 29. Juni 1990, S. 1203
Stadt, „wo die Architektur [solcher] bodenfressenden Gebilde überhaupt als quantité négligeable gilt.“ Ganz im aufklärerischen Sinne schließt Zwoch seinen Beitrag mit dem
5 Gudrun Escher, „Die Arena AufSchalke“, in: Bauwelt 31, 17. August 2001
Hinweis, dass die Bauwelt solche „Ungeheuer“ veröffentliche, damit „die informierte Öf fentlichkeit sich solcherart verantwortungslose Planung verbitten möge.“ 4
6 Auf der Website der FIFA erfährt man alles über große Spiele in bedeutenden Stadien. Unter der Überschrift „Mit den Göttern auf Tuchfühlung“ kann man dort z.B. nachlesen,
Bei der „sinnlosen großen Halle“, von der hier die Rede ist, handelt es sich um die im
dass das „Azteca“ Kulisse für Maradonas berühmtes Viertel-
August 2001 eröffnete Arena „Auf Schalke“, welche wegen ihrer hochmodernen techni-
final-Tor gegen England bei der WM 1986 in Mexiko war, für das er die Hand und nicht den Kopf benutzte. Weil der Torschütze selbst das Tor in der anschließenden Pressekonferenz göttlicher Ein gebung zuschrieb, trägt es den Namen „El Mano de Dio“ (die Hand Gottes).
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schen Ausstattung von FIFA-Präsident Joseph Blatter „als Pilotprojekt für die ganze Welt“ und vom damaligen Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, Wolfgang Clement (SPD), als „Highlight des Fußballs“ gepriesen wurde. Unter anderem verfügt das Stadion
mit seinen rund 50.000 Plätzen neben seinem 560 Tonnen schweren, verschließbaren Dach über einen herausfahrbaren Rasen, den größten Videowürfel Europas mit vier An sichtsflächen von je 36 m 2, eine Lautsprecheranlage mit bis zu 193 db Leistung und ein neu konzipiertes elektronisches Park- und Verkehrsleitsystem. Neben den Heimspielen des namengebenden Fußballclubs finden hier auch Konzerte, Opernaufführungen, Kirchen- oder Parteitage wie beispielsweise der von Bündnis 90/Die Grünen im April 2005 statt. Für die Schalker Fans bietet dieses Stadion „für alle Fälle“ (ausgenommen Leichtathletikwettkämpfe) gerade wegen seiner baulichen Kompaktheit Fußballgenuss ohne Einschränkungen: potenziell „365 Tage im Jahr“. Als legendär geltende Fußballstadien müssen offenkundig nicht unbedingt in Lexika der Weltarchitektur verzeichnet sein. (Immerhin war die Einweihung der Gelsenkirchener Arena der Bauwelt einen zweispaltigen Bericht in der Rubrik „Wochenschau“ wert. 5) Ihre Bedeutung ergibt sich allein aus der Funktion, nämlich ihrer Event-Tauglichkeit, und erreicht ihren Höhepunkt, wenn das Stadion von Spielern, Funktionären, Vereinen und Reportern unisono in den Rang eines „Hexenkessels“, einer „Höllenarena“ oder eines „Heiligtums“ gehoben wird. In solchen Stadien erleben die Zuschauer das Spiel „hautnah“, in solchen Stadien tobt der Bär. Ihre geschichtsträchtigen Vorbilder sind das Londoner Wembley-Stadion, das Mailänder GuiEhemaliges Wembley-Stadion, London
seppe-Meazza-Stadion — von besagter Bauwelt-Ausgabe als „technisches Riesenspielzeug“ tituliert, von Fußballanhängern weltweit jedoch wegen seines Festungscharakters als „Symbol“ für den Fußball anerkannt, vergleichbar der Scala oder dem Dom in derselben Stadt —, oder das berüchtigte „Azteca“ in Mexico-City, das nicht nur wie ein Tempel auf 2.200 m Höhe liegt, sondern zudem über eine Dachkonstruktion verfügt, welche den sowieso schon ohrenbetäubenden Lärm der Fans noch verstärkt. Nur in solch elektrisierender Atmosphäre verleihen nostalgische Erinnerungen an „sagenumwobene Spiele“, „dramatische Augenblicke“ und „magische Auftritte“ 6 dem „Phantom der Einmütigkeit“ dau erhaft Leben. Zuschauen als Event
Vergessen sollte man freilich nicht, dass die Stadion-Nostalgie ein Produkt der jahrelangen Professionalisierung und Kommerzialisierung des Fußballs ist. Wie man an den Beispielen München und Turin erkennen kann, haben wir es in Wahrheit mit einer Neubestim-
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mung der Bauaufgabe Stadion zu tun. 7 Die Schlüsselrolle haben bei diesem Prozess die Medien im Allgemeinen und das Fernsehen im Besonderen. Diese sind nämlich paradoxerweise nicht unwesentlich an der Renaissance des Stadionbesuchs und damit an der Aufwertung des Orts beteiligt, weil sie es sind, welche aus einem Fußballspiel einen „Event“ machen, und zwar in so umfassender Weise, dass bereits festgelegte Funktionen einfach La-Ola-Welle: Masse als Ornament?
aufgelöst und neu definiert werden können. Wenn das Fernsehen „da“ ist, werden aus Tribünen Bühnen und aus Zuschauern Akteure: das doch recht eigentümliche Phänomen der La-Ola-Welle, bei dem sich Zehntausende wie dressierte Affen nacheinander vom Sitz erheben und dann wieder fallenlassen, ließe sich ohne die Präsenz der TV-Kameras wohl kaum erklären. Denn weder das Volk, das nach Goethe über sich selbst erstaunt, noch die Masse, die „sich selber zur Schau“ stellt, wären in der Lage, sich ohne weiteres als „Ornament“ zu verselbständigen. 8 Erst die anonyme Herrschaft des technischen Mediums separiert diesen Vorgang, macht ihn gegenständlich und dehnt ihn zeichenhaft über den Ort der Arena aus. Dabei hat man lange befürchtet, die Live-Fernsehübertragung könne die Erfahrung des Stadions als emotionalen „Kollektor“ ganz und gar vergessen machen. Schließlich hebt
7 Neue Stadien werden auch mit ganz anderen Erwar tungen
das Fernsehen die Einheit von Ort, Zeit und Handlung radikal auf. Zum einen diskriminiert
an ihre Lebensdauer errichtet: „Aufgrund der Ge schwin dig -
es das Publikum im Stadion, indem es die kilometerweit entfernten Fernsehzuschauer pri-
keit der technischen Entwicklungen und der stetig wach-
vilegiert, welche vor Wind und Wetter geschützt sind und zudem keine teure Eintrittskarte
senden Ansprüche der Zuschauer in Bezug auf Komfort und Angebot ist damit zu rechnen, dass die durchschnittliche
erwerben mussten. Sie verbleiben ganz in ihrer Alltagswelt, sind daher selber unsichtbar
Lebensdauer eines modernen Stadions auf 30 Jahre oder
und unhörbar, dem „wogenden Phonotop“ im Stadion scheinbar ganz entrückt. Zum anderen
weniger sinken könnte.“ (aus: Technische Empfehlungen und
Anforderungen für den Neubau oder die Modernisierung von Fußballstadien, erstellt in Zusammenarbeit mit der UEFA)
diskriminiert das Fernsehen das eigentliche Spielgeschehen, indem es dessen zeitlichen
8 Elias Canetti, Masse und Macht , Frankfurt am Main 1996,
meinungen und Spielerinterviews eigenständig choreographiert. Freilich scheint solche
Kapitel „Die Masse als Ring“, S. 29f. (Erstausgabe von
Facettierung und Multiplizierung des Geschehens nicht nur der Vorstellung eines linearen
1960). Allein Siegfried Kracauers Aufsatz „Das Or nament
Ablauf durch Spielszenenwiederholungen und Unterbrechungen in Form von Experten-
der Masse“ (1928) liefert einen Ansatz, das Phänomen der
Handlungsablaufes, sondern auch eines Publikums als „Kollektivsubjekt“ keinen Abbruch
La-Ola-Welle zu deuten, da er zum einen die Abhängigkeit
zu tun. Ganz im Gegenteil: offenbar befördert das Fernsehen den Kollektivgedanken nach-
von den technischen Medien zumindest andeutet und zum anderen klar macht, dass das Ornament, das durch die Masse gebildet wird, reines Zeichen ist, also auf etwas jenseits seiner eigenen Wirklichkeit hindeutet und sich damit für eine Fernübertragung an bietet.
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gerade. Seine bloße Anwesenheit vermittelt vielleicht sogar noch viel mehr als das architektonische Rund und die von Sloterdijk geschilderte akustische Ergriffenheit der Menge nachdrücklich ein Wir-Gefühl, die Überzeugung, bei etwas wichtigem „dabei“ gewesen zu
MC Re 1
MC Re 2
MC Re 3 16 Re R
16 Re L
BEAUTY
BLIMB
F GR 3
F GL 3 C AT C A M
Mi R 2
Mi L 1
G Hi R
G HI L F GL 2
F GR 2
Mi R 1
Mi L 2
F GR 1
F GL 1
C AT C A M BÄNKE
St L Pi L
St R Be 2
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Pi R
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KRAN 16 Lo L
16 Hi L
16 Lo R
MC 1
MC 2
MC 3
16 Hi R
Schematische Darstellung multilateraler Kamerapositionen bei einem Fußballspiel (Mindestbedarf) 16 Hi L, 16 Hi R Führungskameras auf der Haupttribüne auf Höhe der 16-m-Linie 16 Lo L, 16 Lo R Zeitlupen- oder Superzeitlupenkameras auf Höhe des 16-m-Raums (Strafraum), leicht erhöht auf der Haupttribüne 16 Re L, 16 Re R Reverse Angle; erhöhte Kameras in der Nähe der Strafräume (16-m-Linie) der Gegenseite Be Spielerbankkameras BEAUTY Kameraposition außerhalb der Arena mit Blick auf das gesamte Stadion; ferngesteuert und am Dach befestigt, oder bemannt auf einem Kran
BLIMB Kameraposition aus einem Luftschiff, einem Hubschrauber oder einem 75-m-Kran, der sich außerhalb des Stadions befindet CATCAM Globe- oder Catcam-Schienenkameras (entlang der Seitenbande auf der Seite der Führungskameras) FG L, FG R Tragbare Kameras hinter der Tor-Auslinie für Atmosphären auf nahmen G Hi L, G Hi R Hintertorkameras auf der Tribüne
MC Re Main Camera Reverse Angle; Kameras auf der Gegenseite der Führungskameras Mi L, Mi R Tragbare Kameras (Handkamera, Steadicam) am Torraum für Atmosphärenaufnahmen Pi L, Pi R Tragbare Kameras an der Seiten-Auslinie für Atmosphären aufnahmen St L, St R Tragbare Kameras an der Seitenauslinie für Atmosphären aufnahmen
MC Main Camera; Führungskameras auf der Haupttribüne
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sein. Und wer „,dabei‘ war“, so Sloterdijk, „wird bezeugen, dass das Ereignis als solches eine Art Wahrheit bot.“ 9 Wenn jedoch „dabei“ sein nicht heißt, im Stadion, sondern „im Fernsehen“ sein, existieren folglich das Spiel, die Zuschauer und das Stadion lediglich 9 Peter Sloterdijk, a.a.O.
rückgekoppelt auf Millionen von Bildschirmen.
10 Nach den aktuellen FIFA-Richtlinien für die Austragung einer Fußballweltmeisterschaft, welche für das OK 2006 maßgebend sind, werden bei einer multi-lateralen Fernseh -
Und vor diesen sitzt die eigentliche Zielgruppe, welche offenbar ebenfalls das Gefühl
übertragung folgende Kamera-Positionen unterschieden:
haben will, „dabei“ zu sein. Jedenfalls bemühen sich die Medien auffällig darum, jegliche
zuerst die drei Haupt- oder Führungskameras auf der Haupt-
Differenz zwischen der Fernsehwahrnehmung und der Erfahrung im Stadion zu unterdrü-
tribüne, jeweils eine Hinter-Tor-Kamera, je eine Kamera auf der Haupttribüne in Höhe jeder 16-m-Linie (Strafraum) und
cken. Entsprechend wird der Ort des Geschehens mit Kameras regelrecht „vermint“.
jeder 5-m-Linie (Torraum), also insgesamt vier, eine größere
Hauptsächlich die Privatsender haben zusätzlich zu den klassischen Positionen — mittig
Anzahl so genannter Atmosphärenkameras — Handkameras, Steadicams, Globe- oder Catcam-Schienenkameras —, min-
auf der Tribüne und am Spielfeldrand — noch die Hinter-Tor-Kamera, die Seiten-Aus-
destens vier an der Seitenlinie, vier hinter jeder Tor-Auslinie
Kamera, die Strafraum-Kamera, die Ehrentribüne-Kamera, die Südkurven-Kamera, die
und je zwei Minikameras an diesen Positionen, Spielerbankkameras (zwei Minichip-Funkhand- oder Fernsteuerungs -
Nordkurven-Kamera, die Der-Trainer-steht-machtlos-und-einsam-am-Spielfeldrand-
kameras) zum Auffangen der Reaktionen von Trainern und
Kamera, die Reservisten-Kamera, die Beauty-Kamera, die Mixed-Zone-Kamera und noch
Ersatzspielern, drei bis fünf feste Kamerapodeste auf der gegenüberliegenden Seite, eine drahtlose Handkamera in
unzählige mehr etabliert. Deren Zahl ist inzwischen in der Regel zweistellig. 10 Anders als
der Kurzin terviewzone, Globe- oder Catcam-Schienenkame-
die Stadionarchitektur kann diese multiperspektivische Inszenierung — wie bei einem
ras entlang der Seitenbande, eine Beauty-Kamera (am Dach montierte, ferngesteuerte Minikamera mit Blick auf das
kubistischen Gemälde — keine strukturell kohärente Darstellung geben, dafür suggeriert
ganze Stadion) und eine Luftschiffkamera. (nach: Stadion
sie, das Ereignis in toto erfasst zu haben. Jede Szene kann aus beliebigen Blickwinkeln,
2006. Profile und Anforderungen für Städte und Stadien zur FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2006TM , hrsg. von der FIFAFußballweltmeisterschaft 2006 und dem Organisa tionskomitee Deutschland, 6.11.2002)
beliebig oft und aus beliebiger Nähe gezeigt werden. Vor allem die Anzahl der Nahaufnahmen ist im Vergleich zu den öffentlich-rechtlichen Anfängen des Profi-Fußballs deutlich gestiegen. Mehrere Teleobjektive sind beständig auf der Jagd nach der kostbarsten
11 So lautet beispielsweise der erste Satz einer dpaMeldung vom 29. September 2004 über die Champions-
aller Waren, nach „Emotionen pur“ — Gesichter von erhitzten Spielern, hysterischen Trai-
League-Begegnung zwischen FC Bayern München und
nern, brüllenden Fans —, welche natürlich analog zum Stadionbesuch dasselbe Gefühl
Ajax Amsterdam, bei der der niederländische Stürmer
einer „hautnahen“ Beteiligung am Geschehen vermitteln sollen, wenn nicht sogar mehr
Roy Makaay drei von vier Toren für die Bayern erzielte.
(„Mittendrin statt nur dabei“). 12 Umberto Eco, „Die Multiplizierung der Medien“ (1983), in: Umberto Eco, Über Gott und die Welt . Essays und Glossen, München 1987, S. 162 13 Dirk Schindelbeck, „Mittendrin statt nur dabei? Zur Entwicklungsdynamik von Fußball, Medien und Kommerz“, in: Bundeszentrale für politische Bildung, www.bpb.de, siehe: Publikationen, Rubrik „Aus Politik und Zeitgeschichte“ (B 26/2004)
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Darüber hinaus werden diese Bilder in eine verständliche, somit leicht erkennbare Bilddramaturgie eingebunden. Gewöhnlich orientieren sich zeitgenössische Fußballshows am Spielfilm, vornehmlich am populären Genre des Action-Films, an den sich auch die Wortwahl der Sportreporter angepasst hat („Roy Makaay brachte als eiskalt zuschlagender ‚Torminator‘ einmal mehr alle ins Schwärmen.“ 11 ). Das mag der Grund sein, warum die
selbst gebastelt wirkenden Formate der verschiedenen Fußballsendungen nur wenig voneinander abweichen: hektische Bildregie, möglich gemacht durch die Kameraproliferation, kontrastiert durch tendenziell floskelhafte Inhalte, welche zudem fast gebetsmühlenartig wiederholt werden und erstaunlicherweise auch bei konkurrierenden Sendern oder in den Print-Medien in gleicher Weise behandelt werden. Die Wirkung solcher Monotonie dürfte den gleichförmigen Übungen der Stadionanimateure ähneln, welche vor der Aufgabe stehen, das Publikum auf „Ge mein samkeit“ einzuschwören. Was freilich im Stadion von der Mehrheit recht gleichmütig hingenommen wird, nämlich „Affektregie“ (sofern es sich um angeblich unpolitische Sportveranstaltungen handelt), verursacht im TV schon aus Prinzip Bauchschmerzen („Es waren einmal die Massenmedien, sie waren böse …“ 12 ). Denn hier beginnt der strittige Vorgang, der Mediatisierung genannt wird, den Vorwurf beinhaltend, die Medien bildeten nicht die Realität ab, sondern Zugleich auf dem Rasen und auf dem Videowürfel: Welt fuß -
— ihr vorauseilend — formten sie nach ihren eigenen (dramaturgischen) Gesetzmäßigkei-
baller Ronaldinho bei der Begegnung Brasilien - Argen tinien
ten, so dass sich die Existenzberechtigung von Spiel, Spielern, Zuschauern und Austra-
zum Endspiel des Confederations Cup 2005 im Frankfurter Waldstadion. Der vom Dach hängende Videowürfel mit vier
gungsort nur noch durch deren Medientauglichkeit ergebe: „Noch scheinen viele der Akti-
Ansichtsflächen hat eine Kantenlänge von 9 m
ven nicht begriffen zu haben, dass nicht sie, welche die Leistung bringen, das ‚Produkt‘ Fußball machen, sondern diejenigen, die ihre Leistung transportieren, kommentieren und einordnen,“ also Medienvertreter wie Reinhold Beckmann und Johannes B. Kerner. 13 Fernsehen als Event
Selbstverständlich geht es beim kommerziellen Fernsehfußball längst nicht mehr um Information allein, sondern zusätzlich um Quoten steigerndes Entertainment; in der hauseigenen Sprache zum scheinbar politisch korrekten „Infotainment“ fusioniert. Doch wenn Information zugleich unterhaltsam sein soll, darf nichts Unvorhergesehenes passieren: sämtliche Beteiligte müssen „die Regeln des Fernsehens lernen“, sich z. B. rhetorisch besser verkaufen, auf keine falschen Partys gehen, sich mit obszönen Gesten zu rückhalten usw. Die Erfolge solcher Disziplinierungen fallen recht unterschiedlich aus, daher verlassen sich die Sender nur bedingt auf das eigentliche Geschehen und die Ak teure, lieber gestalten sie ihre Reality-Soap-Opera nach eigenen Kriterien. Als beispielsweise am 7. Juli 1990 im Stadio Olimpico in Rom das „schlechteste Endspiel in der Ge -
17
schichte der Fußballweltmeisterschaften“ — so jedenfalls schätzt die offizielle Website der UEFA das in der Tat langweilige Gekicke zwischen der argentinischen und der deutschen Fußballnationalmannschaft ein, das bekannterweise durch ein Elfmetertor von Andreas Brehme entschieden wurde — abgepfiffen wurde, wurden die Fernsehzuschauer Zeugen eines unterhaltsamen „Medien-Ereignisses“. Nachdem den diversen Kameraleuten endlich der kleine Mann mit der Rückennummer 10 auf seinem blau-weißen Shirt ins Visier geraten ist, stellte sich die Einblendung der Großaufnahme des greinenden Diego Armando Maradona als das im Wortsinn „bewegendste Bild“ des Abends heraus. Zur Überraschung der Fernsehzuschauer setzte unmittelbar danach ein gellendes Pfeifkonzert im Diego Maradona nach dem verlorenen Endspiel am 7.7.1990:
Stadion ein, offenbar als Reaktion des vorwiegend italienischen Publikums auf dasselbe
„Es gab eine Verschwörung gegen uns. Eine schwarze Hand hat
Fernsehbild, welches auf einer im Stadion aufgestellten Bildschirmleinwand zu sehen
unsere Niederlage gewollt. Die Mächte sind stärker als Maradona. Der Elfmeter war nicht gegen Argentinien, er war gegen
war — ein bis dahin recht unbekanntes Phänomen. Maradona, damals noch in Diensten
Maradona.“
des SSC Neapel und eigentlich in Italien wie ein Gott verehrt, hatte zusammen mit seinen argentinischen Kollegen im Halbfinale ausgerechnet die italienische Nationalmannschaft aus dem Turnier geworfen, die sich in ihrem eigenen Land mehr als nur der Endspielteilnahme sicher wähnte. Die wankelmütigen Tifosi dankten es, indem sie jede Aktion von „El Diego“ mit lautstarken Missfallensäußerungen begleiteten, und zwar nicht nur, wenn er durch das Spielgeschehen auf dem Rasen, sondern auch durch die starken Teleobjektive der Fernsehkameras in den Brennpunkt der Aufmerksamkeit geriet. In diesem Augenblick mochte man sich entsinnen, was Guy Debord bereits 1967 geschrieben hat: „Die Wirklichkeit bricht im Spektakel durch, und das Spektakel ist wirklich.“ 14 Denn da sich diese Pfiffe gleichermaßen an die Adresse der Zuschauer am heimischen
14 Guy Debord, Die Gesellschaft des Spektakels ,
Bildschirm richteten — zumindest entstand für diese der irritierende Eindruck unfreiwilli-
Berlin 1996, S. 16 (Titel der franz. Originalausgabe:
ger Komplizenschaft mit den eigentlich unbekannten Stellvertretern vor Ort —, kann kein
La Société du Spectacle, Paris 1967)
Zweifel darüber bestehen, dass das Medium Fernsehen eine Einflussnahme auf das
15 Acht Jahre später realisierte Peter Weir mit dem Film
Geschehen sucht. Durch das Aufstellen von Videobildschirmen, also durch die Überlage-
The Truman Show die Groteske im Format des Rea lity-TV.
rung des Ereignisses mit seinen TV-Bildern, entsteht die offenbar angestrebte Fusion von
16 Jean Baudrillard, „Das Heysel-Syndrom“, in: Le Monde diplomatique Nr. 5554, 12.6.1998, S. 2; dt. Christian Hansen (der französische Originaltext erschien erstmals in der Zeitschrift Autrement , Mai 1986, S. 159-163)
Stadionpublikum und Fernsehpublikum, aber auch eine zusätzliche Ereignisebene, welche
18
nur noch in den Medien und über die Medien wahrnehmbar ist und das eigentliche Ge schehen auf dem Feld bestenfalls als Vorlage benötigt. Maradona, der doch nur sein Herz
über die Ungerechtigkeiten dieser Welt ausschütten wollte, verwandelte sich mit einem Mal in den ahnungslosen Hauptdarsteller einer weltweit gesendeten TV-Show mit anderen Inhalten. 15 Nicht minder interessant war jedoch die Reaktion der Medienvertreter auf das Phänomen der Verdoppelung: Sie kommentierten es nicht. Die Tatsache, dass durch die Stadionbildschirme die Rückkopplung selbst, nämlich von den Bildern des Geschehens zurück zum Ort des Geschehens, wahrnehmbar wird, dass es also möglich ist, das Fernsehen zu sehen, scheint die meisten Fernsehleute eher verlegen zu machen. Jedenfalls versagt in solchen Fällen der sonst so inbrünstig vorgetragene aufklärerische Impuls. Vielleicht rückt doch mit einem Mal zu sehr ins Bewusstsein, wie nahe Allmacht und Ohnmacht des Massenmediums beieinander liegen können. Schließlich weiß das Fernsehen bis heute nicht, wie man beispielsweise mit Rassismus und Gewalt auf den Rängen umgehen soll: im Auftrag der Informationsvermittlung aussenden oder schlicht ignorieren, um den Randalierern keine Bühne zur Selbstdarstellung zu geben? Auf Jean Baudrillards provokante These, dass es die bloße Anwesenheit der Medien sei, welche die bereits von vielen insgeheim ersehnte Gewalt herausfordere (im Gegensatz zu der Selbsteinschätzung, dass man nur über solche Ereignisse berichte), haben die modernen Massenmedien jedenfalls noch nicht geantwortet. 16 Und das, obwohl der Anlass für Baudrillards Aufsatz aus der Fußballwelt selbst stammt und bereits über 20 Jahre zurückliegt. Am 29. Mai 1985 brachten randalierende englische Hooligans im Brüsseler Heysel-Stadion kurz vor Beginn des Finales des Europapokals der Landesmeister zwischen Juventus Turin und dem FC Liverpool vor laufenden Fernsehkameras eine Mauer des baufälligen Stadions zum Einsturz und verursachten damit den Tod von 39 Menschen (über 400 Personen wurden teils schwer verletzt). Anders als andere Berichterstatter und Kommentatoren dieser Tragödie empörte sich Baudrillard nicht über die verantwortliche UEFA, welche nicht in der Lage war, das Spiel abzusetzen, vielmehr analysierte er das Verhalten des belgischen Fernsehsenders Verwüstungen im ehemaligen Brüsseler Heysel-Stadion
vor Ort sowie der Austragenden in ganz Europa, weil diese sich nicht dazu durchringen
am 29. 5. 1985
konnten, die Übertragung abzubrechen, so dass die Bilder von den panisch fliehenden Menschen, die am Gitter von Sektor Z zerdrückt wurden und erstickten, live in die Wohnzimmer Europas gesendet wurden. Und sie sendeten weiter — selbstredend nur im Dienste
19
der Informationsvermittlung —, als selbst nach Anpfiff des Spiels (mit einer Verspätung von eineinhalb Stunden) die Rettungs— und Sicherheitskräfte weiterhin damit beschäftigt waren, Leichen abzutransportieren und Verletzte notdürftig zu versorgen. Baudrillard konstatierte daraufhin ein Jahr später in der französischen Zeitschrift Autrement eine „weltweite Verstörung“, welche „weniger die Gewalt als solche [betrifft], sondern vielmehr die globale Verbreitung des Ereignisses durch das Fernsehen, die Gleichzeitigkeit von Ereignis und Globalisierung.“ Diese weltweite Verstörung nannte er das „Heysel-Syndrom“. 17 „Streit um Wacks Videobeweis“, in: Spiegel-Online,
Doch so lange Ball und Rubel rollen, lässt sich keine Verstörung registrieren, wie man z. B.
28.2.2005. Dort stellt Hellmuth Krug, Schiedsrichter-
an der jüngst wieder entfachten Debatte um den so genannten Fernsehbeweis bei stritti-
Ob mann, klar, dass das Zeigen strittiger Szenen auf der eigenen Stadionleinwand aufgrund Paragraph 5 der Richt -
gen Schiedsrichterentscheidungen ablesen kann, welche im Nachhinein durch Fernse-
linien über individuelle Verwertung und Vermark tung me dialer Rechte der DFL (Deutsche Fußball-Liga) verboten ist. Er laubt sei lediglich die Wiederholung von Toren und das auch nur maximal 10 Sek. lang.
haufnahmen „aufgeklärt“ werden sollen. Obwohl gerade die unzähligen Kameras rund um das Spielfeld bereits mehrfach offenbart haben, dass dieselbe Spielszene aus unterschiedlichen Kamerastandpunkten mit jeweils unterschiedlichen Einstellungen und
18 Es ist sogar nach wie vor so, dass sich der DFB und an -
Brennweiten zu völlig gegensätzlichen Ergebnissen führen kann (im einen Fall sieht es so
dere durch das Argument in die Defensive drängen lassen,
aus, als ob Spieler X Spieler Y gefoult hätte, im anderen Fall scheint es deutlich, dass sie
der „kalte Blick der Kamera“ sei dem „fehlbaren Blick des Unparteiischen“ überlegen. Den Gegnern des Fernsehbe -
sich noch nicht einmal berührt haben), fordern Fernsehleute gerne den Einsatz der „unbe-
weises bleibt somit nichts anderes übrig, als den „mensch-
stechlichen“ Kamera, dabei übersehend, dass die Neutralität der Maschine sich nicht
lichen Makel“ zu lobpreisen, eine Position, die sich kaum durchsetzen wird. Vgl. Adam Soboczynski, „Der kalte Blick“,
automatisch auf das von ihr produzierte Bild überträgt, und dass sie deshalb kein Ersatz
in: Die Zeit , 17. März 2005, S. 72
für das Fällen eines annähernd objektiven Urteils ist. Und erneut ist es die Stadionlein-
19 Dorota Maslowska, „Ich weiß erst jetzt, was Ge schichte
wand, welche den (medialen) Druck auf das reale Geschehen erhöht. Während des
ist“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung , 4. April 2005, S. 39
Bundesligaspiels Bayer Leverkusen gegen den VfB Stuttgart am 27. Februar 2005 korri-
20 Peter Sloterdijk et al., „Zwei Johannes Pauls im Ge -
gierte angeblich Schiedsrichter Franz-Xaver Wack, ein Zahnarzt aus Biberach, in der 41.
dächtnis“, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ,
Spielminute seine ursprüngliche Abstoß-Entscheidung aufgrund der Zeitlupenwiederho-
3. April 2005
lung der Spielszene auf dem im Stadion aufgestellten Bildschirm und gab daraufhin einen 21 Guy Debord, a.a.O., S. 16
Eckball für Leverkusen. Zwar wurde diese Annahme vom Schiedsrichter-Obmann vehe-
22 Franz Beckenbauer, Teamchef der deutschen Fußballna-
ment bestritten, mit dem Hinweis, dass das Zeigen strittiger Szenen den Vereinen gar
tionalmannschaft, äußerte sich auf der Pressekonferenz am
nicht erlaubt sei.17 Gleichwohl: die Verbände stehen unter Druck, weil sie sich nicht gerüs-
8. Juli 1990, einen Tag nach dem Erringen des Weltmeistertitels, folgendermaßen: „Es tut mir leid für den Rest der
tet haben, der Frage nachzugehen, nach welchen Kriterien Fernsehbilder Recht haben
Welt. Doch wir werden, wenn jetzt auch noch die ostdeut-
bzw. die Wahrheit zeigen können. 18
schen Spieler dazukommen, in den nächsten Jahren nicht mehr zu besiegen sein.“
20
Natürlich scheint die Frage nach der Wahrhaftigkeit der Medienbilder auch nicht leicht zu beantworten. Andauernd werden wir neu mit ihr konfrontiert. Ob beispielsweise das öf fentliche Sterben von Papst Johannes Paul II. der modernen Mediengesellschaft einen „ästhetischen Schock“ 19 versetzt habe, weil dieser seinen siechen Körper nicht verbarg, oder ob vielmehr Karol Wojtyla als Medienpapst seinen Tod derart gut massenmedial verkauft habe, dass man sehr bald „den schlechten Dichter, den mittelmäßigen Theologen, den konventionellen Philosophen, den engstirnigen Bischof Wojtyla, den Impresario der Heiligkeiten“ völlig vergessen haben wird, 20 ist keineswegs ausgemacht. Gemeinsam ist beiden Positionen nur die (kulturkritische) Annahme, dass sich eine ephemere, also „falsche“ Medienwirklichkeit mehr oder minder gänzlich von der körperlichen und materiellen, mithin der „wirklichen“ Wirklichkeit löse, diese dann überlagere und anschließend zu ihr in einen unfairen Wettbewerb trete. Dass dieser Wettstreit allerdings nicht immer zu un gunsten der „Realität“ gehen muss, zeigt gerade das Beispiel des Fußballstadions, das nicht nur als ursprüngliche Massenarena vom Massenmedium Fernsehen keineswegs ersetzt worden ist, darüber hinaus ist es sogar fraglich, ob es ohne das Fernsehen zu einer ähnlichen Wiederaufwertung des Ortes und seiner Atmosphäre gekommen wäre. Ein mo dernes Stadion könnte ohne die Medien wohl kaum existieren. Freilich: „In der wirklich verkehrten Welt ist das Wahre ein Moment des Falschen.“ 21 Daher erinnern wir uns so gut an die Bilder besagten römischen Abends, als Maradona heulte und der frisch gebackene Weltmeister-Trainer Franz Beckenbauer, die „Lichtgestalt“, mit wehmütigem Pathos, wenngleich etwas schlecht ausgeleuchtet quer über den Rasen des historischen Geschehens schritt. Schwerlich ließ sich in diesem Moment entscheiden, ob irgendjemand der Stadionverantwortlichen dem medienerprobten „Teamchef“ den wohl kalkulierten Auftritt vermasselt hat, indem er eines der Flutlichter ausgeschaltet hat, oder ob Beckenbauer absichtlich das Weite gesucht hat. Den Fernsehkommentatoren ließen die Bilder keine andere Wahl, als in geheuchelter Manier die Zurückhaltung und natürliche Bescheidenheit des berühmtesten Fußballers Deutschlands zu lobpreisen, was dieser nur einen Tag später umgehend konterkarierte, indem er vor der versammelten internationalen Presse eine der krassesten Fehleinschätzungen 22 über die Zukunft des deutschen Fußballs von sich gab. Und das ist die Wahrheit.
21
Olympiastadion Berlin
Das Stadion aus der Perspektive des Besuchers vom Olympischen Platz: Es ist zur Hälfte in den Erdboden eingelassen und orientiert sich mit seinem offenen, ovalen Stadionraum an antiken Vorbildern
Das Marathontor 1934
Die feingliedrige Dachkonstruktion aus Stahlrohrfachwerk
Die Geschichte des Olympiastadions ist bewegt. Zuerst stand an dieser Stelle das „Deutsche Stadion“ von 1913, erbaut von Otto March (1845-1913) für die Olympischen Spiele 1916. Dieses wurde abgerissen, und 1934 wurde der Sohn, Werner March (1894-1976), mit der künstlerischen Oberleitung für das Reichssportfeld und der Entwurfsplanung aller Einzelbauten beauftragt. Das „Olympiastadion im Reichssportfeld“ orientiert sich mit seinem ovalen, offenen Stadionraum an antiken Vorbildern. Es ist zur Hälfte in den Erdboden eingelassen, da für March das Beherrschende die Landschaft war. Die nationalsozialistische Führung und Albert Speer nahmen jedoch Einfluss auf die Planung. Dies ist vor allem in Elementen der Natursteinverkleidung der Fassade aus Muschelkalk ersichtlich, so dass das Stadion ein Kompromiss zwischen Monumentalästhetik mit Anspielungen auf das Kolosseum und modernen Einflüssen ist. Die Nationalsozialisten wollten die Olympischen Spiele XI von 1936 zur Selbstdarstellung nutzen und dafür sollte ein repräsentativer Rahmen entstehen. Das Stadion erscheint dem sich vom Olympischen Platz nähernden Besucher zunächst als in der Höhe reduziertes, steinernes Monument. Die neue Dachscheibe tritt dabei von
23
Die transluzente, illuminierte Dachmembran bei Nacht
Unterirdische VIP-Vorfahrt mit beleuchteten Glaswänden
außen kaum in Erscheinung. Des geschickten Spiels mit Proportionen wird man sich erst bewusst, wenn man das Stadion ebenerdig zwischen Unter- und Oberrang betritt: Der Innenraum öffnet sich nach unten und man erkennt ehrfürchtig die wahre Größe des Stadions. Über dem Stadionoval spannt sich das filigrane, leichte Dach, das über dem Marathontor unterbrochen ist und den Blick auf den Glockenturm freigibt. Die Fußballweltmeisterschaft 2006 war der Anlass für die Sanierung und Modernisierung des Stadions, dessen Bausubstanz schadhaft geworden war. Das Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner (gmp) gewann 1998 den internationalen Stadionwettbewerb, an dem 57 Büros teilgenommen hatten. Der Entwurf von gmp betrachtet das Stadion als zentralen Teil des denkmalgeschützten Ensembles. Das Konzept strebt eine Zusammenführung von Denkmalschutz und Modernisierung an sowie von multifunktionaler Nutzung und reiner Fußballarena. Es kam hinzu, dass der Eingriff bei laufendem Veranstaltungsbetrieb stattfinden musste. In der Bauzeit von 2000 bis 2004 wurden 30.500 m3 Naturstein standortmäßig erfasst, nummeriert und kartiert, um diese nach der Sanierung der Betonteile exakt wieder an der
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Olympiastadion Berlin Architekt
von Gerkan, Marg und Partner (gmp) Prof. Volkwin Marg, Hubert Nienhoff
Tragwerksplanung
Schlaich Bergermann und Partner; Krebs und Kiefer
Bauherr
Land Berlin/Walter Bau AG
Generalunternehmer
Walter Bau AG
Baukosten
242 Mio. Euro
Planungs- und Bauzeit
1998 - 2004
Kapazität
76.000 Sitzplätze
Bruttogeschossfläche
100.000 m 2
Bruttorauminhalt
538.000 m 2
Max. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 96 m
Min. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 15 m
Dach Stahlkonstruktion
3.500 t
Oberfläche
42.000 m 2
Material
PTFE-beschichtete Glasfaser (Polytetrafluorethylen)
Spannweite
ca. 68 m Auskragung
Natursteinverkleidung
30.500 m 2
Muschelkalk der Stützen
ca. 2 t pro Stein
Travertin am Marathontor
ca. 1 t pro Stein
Granitstufen der Treppen
ca. 300 kg
Spielfeldabsenkung
2,65 m
Erdarbeiten Spielfeldabsenkung
55.000 m 3
Grundriss Ebene 0
Eine der ca. 100 luxuriös eingerichteten Logen
Mannschaftskabine mit von den Architekten entworfenem Mobiliar
ursprünglichen Stelle einzubauen. Wer die verschmutzte Fassade des Stadions von DFBPokalendspielen der 90er Jahre kennt, wird positiv überrascht sein, dass der Naturstein nach seiner Reinigung heute wieder in hellem Glanz erstrahlt. Die Oberringtribüne konnte aufgrund von betontechnologischen Untersuchungen erhalten bleiben. Dagegen musste die Tribüne des Unterrangs schrittweise durch einen Neubau ersetzt werden. Dafür wurde das Spielfeld in den drei spielfreien Monaten der FußballSommerpause 2002 um 2,65 m abgesenkt. Mit diesem Eingriff wurden zwei Zuschauerreihen mit insgesamt 1.600 Sitzplätzen dazugewonnen und der Abstand der Ränge zum Fußballfeld verringert. Im Gegenzug sind einige Bereiche der unteren Reihen für Leichtathletikveranstaltungen mobil ausgelegt. Diese Lösung trägt dem Wunsch Rechnung, zwischen der Weite eines multifunktionalen Leichtathletikstadions und der Dichte einer monofunktionalen Fußballarena zu vermitteln. Ein Graben übernimmt die Sicherheitsanforderungen und schafft einen klaren baulichen Abschluss zum Stadioninnenraum, so dass das Stadion ohne für die Sicht hinderliche Zäune auskommt.
28
Olympiastadion Berlin
Eine wesentliche Forderung für die WM 2006 war, dass mit der Vollüberdachung aller Tribünenplätze niemand mehr im Regen sitzen muss. Ein Ringschluss der Dachkonstruktion — eigentlich statisch sinnvoll — kam jedoch nicht in Frage, um den historischen Sichtbezug vom Stadioninnenraum über das Marathontor zum Glockenturm bewahren zu können. Dennoch setzt sich die feingliedrige Dachkonstruktion aus einem Stahlrohrfachwerk, mit einer Spannweite von 68 m, in der Materialwahl bewusst von der festen Tektonik des historischen Stadionbaus ab. Eine transluzente Dachmembran aus einem PTFE-beschichteten Glasfasergewebe bildet den oberen und unteren Abschluss der Dachhaut. Für die im Detailschnitt Dachkonstruktion
Dachkörper integrierten Beschallungs- und Beleuchtungselemente („Ring of Fire“) ist die Membran unterseitig offenmaschig ausgebildet. Dies ermöglicht Einblicke in die illuminierte Dachkonstruktion, so dass das Dach bei Abendveranstaltungen zu schweben scheint. Die Dachkonstruktion ruht auf 20 schlanken Stützen im Achsabstand von 32 bis 40 m. Diese sind im Oberring so weit wie möglich zurückgesetzt, um Sichteinschränkungen zu minimieren. Das Dach wird über einen äußeren, massiven Stahlbetonring und die Baumstützen als Hebel im Gleichgewicht gehalten. Zusätzliche Highlights werden dem geboten, der bereit ist, mehr zu bezahlen als der normale Fan. Als VIP kann man über eine unterirdische Vorfahrt mit beleuchteten Glaswänden zum Stadion gelangen, in der Tiefgarage mit 630 Stellplätzen parken und dann den Luxus der neuen VIP-Zuschauerbereiche in Haupt- und Gegentribüne genießen. Die „VIP Welcome Zone“ auf der Südseite gewährt Einblicke in die von Werner March für die Olympiade von 1936 gestalteten Repräsentationsräume. Von dort gelangt man durch den Ehrengastbereich, den Coubertinsaal, zu den ca. 100 Logen oder 15 Sky-Boxen. Die Architekten haben vom Großen, den Dachknotenpunkten, bis zum kleinsten Detail, dem Mobiliar der Mannschaftskabine, alles entworfen. Dennoch wurde im VIP-Bereich insgesamt darauf geachtet, die Originalsubstanz so wenig wie möglich zu verändern; die neuen Einbauten aus Holz kontrastieren bewusst mit dem Naturstein des Altbaus. Es ist das große Verdienst der Architekten, dass das Stadion für die WM 2006 und das Finale in Berlin gut gerüstet ist. Die Dachkonstruktion ist nicht nur gestalterisch gelungen, sondern lässt auch die Gesänge der Fans lauter erklingen und der „Ring of Fire“ sorgt für Gänsehaut.
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„Für jeden Ort eine neue, unverwechselbare Lösung“ Interview mit Volkwin Marg, von Gerkan, Marg und Partner (gmp)
Herr Marg, Ihr Architekturbüro, gmp, war am Bau von drei der
Welches der drei von Ihnen gebauten WM-Stadien ist Ihr persön-
zwölf Stadien für die Fußball-WM 2006 maßgeblich beteiligt.
licher Favorit, in dem Sie gerne ein WM-Spiel sehen möchten?
Was sind die Charakteristika der Stadien in Berlin, Frankfurt und Köln?
Alle drei Stadien haben für mich ihre Besonderheiten: In Berlin war für mich die historische Kontinuität interessant. Geschichte soll
Jedes der von unserem Büro gebauten Stadien hat seine eigene
hier nicht durch Liquidation beseitigt, sondern im Rahmen des
Identität, die jeweils auf seinen genius loci zurückzuführen ist.
Umbaus aufgearbeitet werden. Deshalb betrachte ich es als ein
Eines haben alle drei Stadien gemeinsam: Sie sind Teil eines über-
persönliches Anliegen, die Langemarckhalle bis zur WM 2006 zum
geordneten stadtlandschaftlichen Ensembles. Das Stadion in Ber-
Besucherzentrum und Museum umzugestalten. Den Dialog zwi-
lin wurde für die Olympischen Spiele von 1936 gebaut und war auf
schen antikischem Baudenkmal als Inszenierungshintergrund mit
eine Selbstdarstellung der Nazis ausgerichtet. Wir wollten hier den
dem neuen, filigranen Dach herauszuarbeiten, war eine interes-
historischen Kontext ins Bewusstsein rufen. Die anderen beiden
sante Aufgabe. So bilden das Baudenkmal als Teil der Vergangen-
Stadien sind Ergebnisse der heroischen Sportbewegung der 20er
heit und das Dach als Zugabe der Gegenwart zusammen eine Syn-
Jahre, in der Sport als gemeinnützige Aufgabe begriffen wurde. In
these. Außerdem hoffe ich bewiesen zu haben, dass es — anders als
Frankfurt ist das Stadion Mittel- und Höhepunkt der Festwiese im
in München — möglich ist, auch in einem Olympia-Universalstadion
Stadtpark. In Köln ist es Mittel- und Höhepunkt im Grünzug Süd,
eine gute Fußballatmosphäre zu schaffen. In Frankfurt soll der
der zu Adenauers Zeit angelegt wurde. Das Stadion ist innerhalb
Bau des Stadions der Auftakt zur Wiederherstellung des wunderba-
des orthogonalen Rasters aus Alleen und Vorbauten parallel zu
ren Sportparks sein, der leider verwahrlost ist. Wegen seiner zen-
den Linien des Fußballfeldes komponiert.
tralen, stadtnahen Lage hoffe ich, dass das Stadion mehr wird als ein reines Fußballstadion und multifunktional genutzt wird. Weltweit einmalig in seiner Dimension ist dabei unsere textile Cabrioletkonstruktion des Daches. In Köln hat mich begeistert, dass die
30
Olympiastadion Berlin
Luftbild mit der Achse Olympiastadion, Marathontor und Glockenturm
Stadt zu ihrer gemeinnützigen Verpflichtung gestanden hat, das
geht der Trend heute zur reinen Fußballarena, die direkt und mit
Stadion für die WM als kommendes Pilotprojekt zu erneuern. Denn
räumlicher Dichte auf das rechtwinklige Spielfeld bezogen ist, um
das Stadion in Köln ist Identifikationspunkt einer fußballbegeis-
einen unmittelbaren Kontakt zwischen Zuschauer und Spiel zu
terten Öffentlichkeit. Entwurfsprägend war außerdem der Kontext
schaffen. Im Stadionbau gibt es heute eine deutliche Entwicklung
zu denkmalgeschützten Gemeinschaftsbauten und einrahmenden,
zur Klassenbildung im Publikum. Es ist eine Merkantilisierung im
seitlichen Alleen. Heute zählt das Stadion mit dem ge schichts -
Sport erkennbar, die die Menschen in Verbraucher-Kategorien teilt,
schweren Dom und der Kölner Arena zu einer der Landmarken der
so dass Klassenstadien entstehen, die der Idee der Gemeinnützig-
Stadt.
keit eines Volksstadions wenig entsprechen. Dabei wird zwischen folgenden sozialen Gruppen differenziert: erstens der Fan, der
Welche Entwicklungen beobachten Sie im Stadionbau?
steht und anfeuert; zweitens das Normalpublikum; drittens der Bu siness-Typ, der ein besonderes Stuhlpolster, einen eigenen Ein-
Alle Stadien, die in der 2000-jährigen Geschichte des Stadionbaus
gang und separates Restaurant benötigt; viertens der VIP, eine
errichtet wurden, waren mehr oder weniger Universalstadien, im
neureiche Erfindung, für den Sekt, Kellnerbedienung, eigener Foyer-
Sinne der olympischen Disziplinen. Die Standardform hatte den
Zugang etc. zur Verfügung steht. Die hervorgehobene Konsumen-
Fußballplatz in der Mitte, darum verlief die 400-m-Bahn, lag die
tenklasse sitzt vornehmlich auf der Westseite, was vom noblen
Sprunggrube etc., alles was bereits in den 20er Jahren normiert
englischen Rennsport abgeleitet ist, weil man nicht gegen die tief
wurde. Zuvor gab es keine einheitlichen Konzepte für den Stadion-
stehende Sonne aus Westen sehen wollte. Aber heute spielt die
bau, so dass z.B. das deutsche Olympiastadion für 1916 Fußball,
Sonne bei unseren verschatteten Arenen kaum eine Rolle mehr.
Leichtathletik, Schwimmen, Radrennen etc. in einem Baukörper
Insgesamt wächst der Komfort in den Stadien, so dass es fast aus-
vereinte. Die Zweckbestimmung auf eine Nutzung ist erst sehr spät
schließlich Sitzplätze — Schalensitze mit Rückenlehne — gibt. Nur
und insbesondere durch amerikanische Sportarten entstanden.
der unruhige und agile Fan, der zur Animation des Restpublikums
Während die WM-Stadien von 1974 noch Universalstadien waren,
gewollt ist, steht in drangvoller Enge weiterhin. Außerdem wird das
31
Grundriss Ebene +1
Stadion zugfrei gehalten und die Dachkante ragt ca. 15 Grad über
Beschreiben Sie bitte die größte Herausforderung beim Bau eines
die vordersten Sitzreihen im Stadion, um besseren Regenschutz zu
Stadions!
bieten. Eine besondere Neuerung ist die Infrarotheizung wie in Le verkusen. Inwieweit sich die Nutzungskombinationen eines Sta-
Die entwurflich größte Herausforderung besteht darin, für jeden
dions mit Einrichtungen für Konferenz, Hotel und Wellness weiter-
Ort und jede Stadt eine neue, unverwechselbare Lösung im Kontext
entwickeln ist abzuwarten — diese versuchen das ökonomische
zu erarbeiten. Dabei ist es wichtig, jedem Stadion seine Besonder-
Risiko zu mindern.
heit und seinen eigenen Geist zu geben, zumal wir in einer medialen Gesellschaft mit Wiedererkennungs-Effekten leben — selbst wenn
Worauf ist die Entwicklung vom Universalstadion zur reinen Fuß-
die Hülle des Stadions im Fernsehen nur für einen kurzen Moment
ballarena zurückzuführen?
auftaucht.
Heutzutage wird das sportliche Geschehen je nach Vermarktungs-
Es gab allerdings auch die technische und logistische Herausfor-
zweck beschränkt und spezialisiert. Der professionalisierte Fußball
derung, die Stadien bei laufendem Betrieb umzubauen. Das bedeu-
ist ein wichtiges Segment der Unterhaltungs- und Werbeindustrie,
tet eine Operation am noch arbeitenden Patienten ohne Anästhesie.
die nach geeigneten „Produktionsstätten“ verlangt. Dabei kommt
Außerdem gab es anspruchsvolle konstruktive Aufgaben durch
auch dem Publikum eine Rolle zu, wie in einer Fernsehtalkshow. Die
große Tribünenanlagen und deren Überdachung. Hierbei wird die
Zuschauer haben allerdings auch eigene Bedürfnisse und erfahren
Konstruktion oft zur signifikanten Form des Stadions: Berlin hat
sich in einer komprimierten Arena als emotionalisierter Massen-
eine offene Ovaltribüne, Frankfurt liegt ein ausgerundetes Recht-
körper, wo Gemüt und Gefühl beim kollektiven „Bad in der Menge“
eck zugrunde und Köln ein rein rechteckiger Tribünenkörper. Das
angesprochen werden. Stadien und andere Orte für Massenveran-
Dach in Berlin wurde segmentweise auf Baumstützen errichtet.
staltungen lassen sich nicht durch die elektronischen Medien er -
Frankfurt hat eine radartige Dachkonstruktion mit äußerem Druck-
setzen. Die Unmittelbarkeit, der so genannte „O-Ton“ und das Spiel
ring und beweglich zu verschließender Membran inmitten. In Köln
„live“ zu erleben, sind hier das Entscheidende. 32
Olympiastadion Berlin
Schnitt Nord-Süd
bestand die Forderung, während des Umbaus permanent 25.000
Gewinnt eine Stadt an Bedeutung und Identität mit dem Bau
überdachte Sitzplätze zu gewährleisten — deshalb die Idee, die
eines Stadions?
Dächer zwischen Pylonen einzuhängen. Die Pylone wurden dann zu Lichtzeichen weiterentwickelt. Ich schmunzele und freue mich
Natürlich, denn das ist der Grund, weshalb die Städte darum kämp-
immer, wenn im Feuilleton irrtümlich vermutet wird, dass die Hän-
fen, in WM-Stadien zu investieren, obwohl das auf kurze Sicht meist
gekonstruktion den Rheinbrücken nachempfunden sei.
ein Finanzdebakel zu sein scheint. Die längerfristige Umwegrendite kommt erst später. Allerdings ist ein Stadion nicht nur für die Wer-
Sie haben mit Ihrem Büro an vielen Wettbewerben teilgenommen
bung und Vermarktung wichtig, sondern auch für die Identifikation
und weltweit Stadien geplant. Gibt es Ihrer Meinung nach Unter-
der Menschen. Bundesligavereine, wie z.B. Dortmund und Schalke,
schiede zum Stadionbau im weltweiten Vergleich?
fördern beispielsweise das Gemeinschaftsbewusstsein innerhalb der Region.
Hierbei muss man unterscheiden zwischen Fußballarena und Universalstadion. In China beispielsweise entstehen zur Olympiade aus-
Sind Sie selbst fußballbegeistert und wo werden Sie sich das
schließlich Universalstadien. In Europa werden heute wegen der An -
Endspiel um die Fußball-WM 2006 live ansehen?
forderungen von UEFA und FIFA vornehmlich reine Fußballarenen gebaut. Die Stadien unterscheiden sich dahingehend, dass sie ent-
Ich gehe gelegentlich mit meinen Enkeln zum Fußball, die selbst-
weder im urbanen, verdichteten Stadtraum ge plant wurden, wo bei
verständlich alle Spieler beim Namen kennen. Zumindest beim End -
der vermeintliche Nachteil der Innenstadtlage zum Vorteil ge nutzt
spiel um die Fußball-WM in Berlin möchte ich gerne dabei sein — da
werden kann, indem man den Stadionbau mit urbanen Nutzungen
könnte ich als Großvater eine Glanzrolle spielen.
und Funktionen kombiniert. Oder das Stadion liegt außerhalb der Stadt, so dass sich ökonomisch die Be triebskosten entlastende Ne bennutzungen nicht ohne weiteres finden.
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Westfalenstadion Dortmund
Ein Raumtragwerk aus verzinktem Stahlrohr auf Stützen bildet die Dachkonstruktion des Westfalenstadions
Das Westfalenstadion in Dortmund ist mit 82.932 Steh- und Sitz plätzen das größte Stadion der Bundesliga
Eckausbau des Westfalenstadions bei laufendem Spielbetrieb
Das Westfalenstadion in Dortmund ist mit 82.932 Steh- und Sitzplätzen das größte Fußballstadion der Bundesliga. Unmittelbar hinter der von Hans Strobel 1926 erbauten Haupttribüne wurde der Bau für die WM 1974 in Plattenbauweise errichtet und aus nahezu 26 identischen Baueinheiten zusammengesetzt. Ein Raumtragwerk aus verzinktem Stahlrohr auf Stützen bildet die Dachkonstruktion. Die einmalige, dichte Atmosphäre des Stadions entsteht dadurch, dass die vier komplett über dachten Tribünen direkt an das Spielfeld angrenzen. Das Fassungsvermögen betrug 1974 zur WM 53.970; von 1995 bis 2003 wurde das Stadion in drei Bauabschnitten zum größten deutschen Stadion umgebaut und erweitert: Im Jahr 1995 wurden auf der Ostund Westtribüne Oberränge mit je 6.500 Sitzplätzen errichtet, wodurch die Kapazität des Stadions auf knapp 56.000 Zuschauer anstieg. Der Ausbau der Nord- und Südtribüne erfolgte 1998, so dass im Westfalenstadion 68.600 Zuschauer Platz fanden. Um die Voraussetzungen als Austragungsort eines WM-Halbfinalspiels zu erfüllen, für das die FIFA eine Sitzplatzkapazität von 60.000 fordert, wurden in der dritten Ausbaustufe durch die Planungsgruppe Schröder Schulte-Ladbeck Strothmann die bis dahin freien
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Spannvorgang zur Verlagerung der
Pylontragkonstruktion zur Aufhängung
Lasten auf die Pylone
des bestehenden Dachs
Tragwerksdetail
Eckbereiche mit Tribünen geschlossen. Die Kapazität beträgt somit für internationale Spiele 67.000 Plätze. Die bereits bestehenden VIP-Bereiche wurden durch den Eckausbau unterhalb der neuen Tribünen architektonisch erweitert und zusammengeführt. Des Weiteren kamen die ersten VIP-Logen für eine exklusive Bewirtung von Gästen während des Spielbetriebs hinzu. Insgesamt wurde die Gesamtkapazität der VIP-Zonen auf 5.000 Personen erhöht. Für Nutzungen außerhalb des Spielbetriebs stehen multifunktionale Bereiche für Tagungen, Präsentationen etc. zur Verfügung. Außerdem wurden Sicherheitseinrichtungen und Medientechnik des Stadions nach internationalen Standards modernisiert. Der Eckausbau sollte bei laufendem Spielbetrieb stattfinden und der Zuschauerbereich stützenfrei sein; das Tragwerkskonzept musste darauf abgestimmt werden. Zudem sollte die bestehende Dachstruktur mit Haupt- und Nebenbindern aus den Ausbaustufen der 90er Jahre weitgehend erhalten bleiben. Hierzu mussten die räumlichen Fachwerkstützen der bestehenden Dachkonstruktion durch neue Pylontragwerke ersetzt werden. Die vier ursprünglich separaten Dächer werden zu einem funktionalen und ho mo gen wirkenden Ganzen zusammengeführt. Die bestehenden Dächer wurden an den oberen Endpunkten
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Westfalenstadion Dortmund Architekt
Planungsgruppe Schröder Schulte-Lad beck Strothmann (3. Bauabschnitt); Plan ungsgruppe Drahtler (2. Bauabschnitt)
Tragwerksplanung
Engels und Partner
Bauherr
Westfalenstadion Dortmund GmbH & Co. KG
Generalunternehmer
Hochtief Construction AG
Baukosten
34 Mio. Euro (3. Ausbaustufe) ca. 30 Mio. Euro (2. Ausbaustufe) ca. 30 Mio. Euro (1. Ausbaustufe)
Planungs- und Bauzeit
2002-2003
Kapazität
67.000 Sitzplätze (82.932 Sitz- und Stehplätze)
Kosten pro Sitzplatz
2.345 Euro (3. Ausbaustufe)
VIP-Bereich
5.000 Plätze
Bruttogeschossfläche
11.500 m 2 (3. Ausbaustufe)
Max. Entf. Sitzplatz-Spielfeld ca. 65 m Min. Entf. Sitzplatz-Spielfeld ca. 6 m Dach Stahlkonstruktion
3.000 t (3. Ausbaustufe); ca. 162 kg/m 2
Spannweite
max. 120 m (Hauptbinder)
Oberfläche
34.000 m 2
Eigengewicht
162 kg/m 2
Material
Trapezblech
Neigung
10,9 Grad (zum Spielfeld)
Stahlbeton (3. Ausbaustufe) Stahlbeton (Ortbeton)
2.500 m 3 (nur Decken)
Stahlbeton (Fertigteile)
4.500 m 3
Fertigteile
ca. 2.100; Gewicht: 20.500 t
Baustahl
ca. 2.900 t
Ortbeton
ca. 12.000 m 3
Betonstahl
1.600 t
Grundriss Ebene 1
Westfalenstadion mit den in Vereinsfarben gestrichenen Pylonen
Durch die direkte Angrenzung der Tribünen an das Spielfeld entsteht die dichte Atmosphäre im Stadion
der 133,40 m langen und im Mittel 14 m hohen Hauptträger aufge hängt. Obwohl diese optisch gleichwertig wirken, unterscheiden sie sich in den Blech stärken, da die Beanspruchungsgrößen der verschiedenen Dachflächen voneinander abweichen. Die Architekten haben mit dem gelb gestrichenen Pylontragwerk und dem Dreigurtbinder für die Heimstätte vieler Fans ein markantes, unverwechselbares Erscheinungsbild ent worfen.
40
Westfalenstadion Dortmund
5
5
Schnitt West-Ost
Grundriss Ebene 2
Grundriss Nord-Süd
Grundriss Oberrang
41
Waldstadion Frankfurt
Das Stahlseil-Membrandach des neuen Waldstadions ermöglicht mit Spannweiten von bis zu 240 m die vollständige Überdachung des Stadions
Stadioninnenraum mit Videowürfel über dem Anstoßpunkt, der die ausfahrbare Dachmembran aufnimmt
Lageplan
Das Waldstadion als wichtigster Baustein des Sportfeldes im Stadtwald Frankfurt ist ein traditionsreicher Ort mit hohem Identifikationswert. 1925 nach Entwürfen des Gartenarchitekten Max Bromme erbaut, stand das Stadion — mit Festwiese, Tennisplätzen, Radund Schwimmstadion — auf dem Gelände einer ehemaligen Militärschießanlage, die nach dem Ersten Weltkrieg abgebrochen wurde. Die alte Haupttribüne aus Eisenbeton war einem antiken griechischen Theater nachempfunden. Die Zuschauerkapazität des Stadions wurde 1937 auf 55.000 und 1955 auf 87.000 er weitert. Ein kompletter Umbau fand für die WM 1974 statt; die alte Haupttribüne wurde ab gerissen und durch eine neue ersetzt. Die Gegentribüne wurde überdacht. Das Fassungsvermögen betrug danach 60.000 Plätze, die Hälfte davon Sitzplätze. 1974 fand hier das WM-Eröffnungsspiel statt und später qualifizierte sich die deutsche Mannschaft im Halb finale mit 1:0 gegen Polen für das Finale. Den Wettbewerb für den Neubau des Waldstadions gewann 2000 das Architekturbüro gmp in Kooperation mit dem Ingenieurbüro Schlaich Bergermann und Partner. Das multifunktionale Stadion hat nun bei Fußballspielen eine Kapazität von 48.500 und bei Groß43
Montage der PTFE-Glasfasermembran
Speichenradkonstruktion des Daches mit äußerem Stahl-Druckring
veranstaltungen mit Innenraumnutzung von 64.000 Zuschauern. Das Spielfeld wurde am ursprünglichen Standort belassen, die Tribünen jedoch durch den Wegfall der Laufbahn bis an das Spielfeld heran erweitert. Kein Sitzplatz ist mehr als 60 m vom Spielfeld entfernt und der höchste Sitzplatz liegt in einer Höhe von 28 m über dem Spielfeld. Die Betreiber verlangten zudem optimal nutzbare Gastronomieflächen und VIP-Bereiche. Der Entwurf bindet das Gebäude harmonisch in die umgebende Natur ein und revitalisiert das ursprüngliche städtebauliche Konzept des Sportfeldes. Die von hohen Lichtstelen flankierte Haupterschließungsachse bildet eine großzügige Eingangsgeste und einen spannungsreichen Kontrast zur Nord-, Süd- und Westseite des Stadions, die durch Erdwälle in die Landschaft eingebunden sind. Die kompakte Arena-Form, die im Grundriss durch drei Radien gekennzeichnet ist, ergibt sich aus den ohne Unterbrechung um das Spielfeld verlaufenden Tribünen. 44 radiale Bauwerksachsen definieren das Stadion, wobei Doppelstützen die Lasten der polygonalen Stahlbetonskelettstruktur der Tribünen abtragen und Wände und Kerne die Konstruktion aussteifen. Um den Abtrag der Dachlasten in die Stützkonstruktion der Tribüne zu optimieren, wurde eine Dachkonstruktion in Form eines vorgespannten Speichenrads entwickelt. Zwei Zugringe sind am inneren Dach44
Waldstadion Frankfurt
Vier Phasen der Dachentfaltung im Modell
Längsschnitt
45
Grundriss 5. Obergeschoss
rand angeordnet, die durch 12 m lange Spreizstäbe auf Abstand gehalten werden. Die Verbindung zwischen den Zugringen und dem äußeren Druckring besteht aus zwei mal 44 Radialseilen, die — ergänzt durch je sechs Hängeseile — die Seilbinder des Festdaches bilden. Von den Zugseilringen führen weitere zwei mal 36 Radialseile zum Zentralknoten. Das Stahlseil-Membrandach mit Spannweiten von bis zu 240 m ermöglicht die vollständige Überdachung des Stadions, wobei der Bereich über dem Spielfeld innerhalb von 15 Min. zu öffnen oder schließen ist. Ein über dem Anstoßpunkt befestigter Videowürfel schützt die zusammengelegte Membran und öffnet und schließt sich beim Ausfahren des Daches „wie eine Blüte“. Das harmonisch in die Landschaft eingebettete Stadion der Ar chi tekten gmp bietet dem Besucher im Zusammenspiel mit dem Faltdach ein über die stattfindende Veranstaltung hinausgehendes Schauspiel.
46
Waldstadion Frankfurt
Architekt
von Gerkan, Marg und Partner (gmp) Prof. Volkwin Marg, Hubert Nienhoff, Hajo Paap
Tragwerksplanung Dach
Schlaich Bergermann und Partner
Tragwerksplanung Schüssel
Krebs und Kiefer
Bauherr
Waldstadion Frankfurt am Main — Gesellschaft für Projektentwicklung mbH
Generalunternehmer
Max Bögl
Baukosten
125 Mio. Euro
Planungs- und Bauzeit
2002-2005 (Bauzeit) 2000 (Wettbewerb)
Kapazität
48.000 Sitzplätze 52.000 Sitz- und Stehplätze
VIP-Bereich
900 Logenplätze 2.000 Business Seats
Tiefgarage für VIP-Gäste
1.800 Stellplätze (auf 52.000 m 2)
Bruttogeschossfläche
138.000 m 2
Bruttorauminhalt
620.000 m 2
Max. Entf. Sitzplatz-Spielfeld ca. 60 m Min. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 7,50 m (auf großem Radius: 11 m)
Dach Stahlkonstruktion
2.500 t (15% Hilfskonstruktionen)
Spannweite
53-57 m (außen); 38-65 m (innen) max. 240 m (Stahlseil-Membrandach)
Oberfläche Festdach
35.000 m 2
Oberfläche mobiles Dach
8.200 m 2
Material
PTFE-Glasfasermembran, Polycarbonat, Stahltrapezblech (Außendach); PVC-Ployestermembran (Innendach)
Stahlbeton (Fertigteile)
ca. 20.000 Stück / ca. 30.000 m 3
Stahlbeton (Ortbeton)
50.000 m 3
Explosionszeichnung
47
Arena Auf Schalke Gelsenkirchen
Luftaufnahme der Arena Auf Schalke mit dem beweglichen Dach, das sich in 30 Min. öffnen oder schließen lässt. Im Hintergrund das alte Parkstadion
Außenansicht der Arena mit 16.000 m 2 verglaster Fassadenflächen
Die Arena fasst 61.524 Zuschauer bei Bundesligaspielen, 53.965 Besucher bei internationalen Begegnungen
Das Gelsenkirchener Parkstadion wurde zur WM 1974 über einer Aufschüttung aus Bergbaugesteinen errichtet. Einfache Stahlbetonfertigteile bildeten die Stufen. Die 120 m lange und 40 m breite Haupttribüne auf der Westseite hatte als Novum eine Rolltreppe, die die Spieler von den Kabinen zum tiefer gelegenen Rasen transportierte. Die neue Arena wurde auf dem Berger Feld ebenfalls über eine Aufschüttung errichtet. Das Fundament bilden 616 Betonbohrpfähle mit Durchmessern von 80 bis 200 cm. Unter der 280.000 m 2 großen Bebauungsfläche wurde bis zum Jahr 2000 in 800 m Tiefe Steinkohle abgebaut. Wegen der erkennbaren Setzungen der Stollen an der Geländeoberfläche sind die Stadionhauptachsen nicht nach Nord-Süd, sondern parallel zu den Flözen ausgerichtet. Das neue Multifunktionsstadion verfügt über ein bewegliches Dach, einen nach außen ausfahrbaren Unterrang und ein verschiebbares Spielfeld. Die Tribünenkonstruktion des Ober- und Unterrangs besteht weitgehend aus Fertigteilen, die in rund 1.500 Formen mit hoher Maßgenauigkeit hergestellt wurden. Zudem wurden 41.600 m 3 Ortbeton verbaut. Das gekrümmte Raumfachwerk der Dachkonstruktion wird überwiegend aus Rohren gebildet, die durch Gussknoten verbunden sind, und wiegt etwa 4.500 t. Sieben Hauptbinder spannen in Querrichtung, fünf Hauptbinder in Längsrichtung mit einer Höhe von bis zu 9 m.
49
Die neue Arena ist multifunktional für jegliche Art von Großveranstaltung angelegt
Ein 11.400 t schwerer Stahlbeton-Trog enthält den Rasen und wird von vier Hydraulik-Aggregaten transportiert
Das 560 t schwere Dachinnenfeld kann innerhalb von 30 Min. geöffnet oder geschlossen werden. Ein transluzentes reißfestes Glasfasergewebe mit Teflon-Be schichtung bildet die Dachhaut. Das Erscheinungsbild der Fassade wird durch eine Pfosten-Riegel-Konstruktion geprägt, die auf 16.000 m 2 vollflächig verglast ist. Der Rasen des Spielfelds befindet sich auf Mutterboden mit Rasenheizung, Dränage, Be sprengungsanlage und Entwässerungssystem in einem 11.400 t schweren StahlbetonTrog. Vier Hydraulik-Aggregate transportieren das Spielfeld innerhalb von 4 Std. auf Stahlschienen aus einem Bereich unterhalb der Südtribüne in die Arena. Die frei werdende Fläche kann bei Fußballspielen als Parkplatz genutzt werden. Außerdem kann die Südtribüne bei Konzerten und anderen Veranstaltungen 16 m unter den Oberrang geschoben werden. An allen vier Ecken führen etwa 80 m lange Tunnel mit lichten Öffnungen von 4,50 m x 4,50 m in die rechtwinklige Arena, so dass ohne Zeitverzug für jegliche Großveranstaltung umgebaut werden kann. Zur Unterstützung der Fanstimmung, die für den Erfolg des Vereins wichtig ist, lassen sich 20.000 der 61.524 Zuschauerplätze bei Bun desligaspielen in Stehplätze umwandeln. Auf zwei umlaufenden Promenaden stehen den Zuschauern Restaurants, Cafés, Shops, Kioske, Lounges und 72 Logen zur Verfügung. 5 km lange, umlau-
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Arena Auf Schalke Gelsenkirchen Architekt
HPP Hentrich-Petschnigg & Partner
Tragwerksplanung
Ingenieurbüro Dr. Pelle
Bauherr
FC Schalke 04 StadionBeteiligungsgesellschaft
Generalunternehmer
HBM Stadien- und Sportstättenbau GmbH
Baukosten
191 Mio. Euro
Planungs- und Bauzeit
1996-2001
Kapazität
53.334 Sitzplätze (61.027 Sitz- und Stehplätze)
VIP-Bereich
72 Logen; 1.518 Business Seats
Parkplätze für VIP-Gäste
660 Stellplätze
Parkplätze Berger Feld
13.500 Stellplätze
Presse-Plätze
220
Rollstuhlplätze
130
Bruttogeschossfläche
40.816 m 2
Bruttorauminhalt
1.817.306 m 3
Grundstücksfläche
154.410 m 2
Max. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 60 m
Min. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 9 m
Dach Stahlkonstruktion
3.500 t
Spannweite
max. 226 m
Oberfläche
40.000 m 3
Material
Glasfaser PTFE-Membran
Ausfahrbare Fläche
120 x 81 m
Gewicht Spielfeld
11.000 t
Grundriss 1. Obergeschoss
In der 70 m 2 großen Stadionkapelle finden Gottesdienste, Hochzeiten und Taufen statt
Über farbenfrohe Umgänge gelangen die Zuschauer in den Innenraum der Arena
fende Bierleitungen befördern an einem mit 60.000 Zuschauern besuchten Bundesligaspieltag ca. 52.000 l Bier zu den Zapfhähnen. Hinzu kommen 2.500 kg Würstchen, 7.000 Brezeln, 2.000 Kartoffeln, 500 kg Senf und Ketchup, 1.000 m 2 Pizza und 30.000 Brötchen, die bargeldlos mit der so genannten Knappenkarte bezahlt werden. In einer 70 m 2 großen Kapelle können Taufen, Hochzeiten und Gottesdienste stattfinden. Die multifunktionale Veranstaltungsstätte ist 2004 von der UEFA zum „Fünf-Sterne-Stadion“ ernannt worden. Die Arena Auf Schalke ist ein Aushängeschild nicht nur für den Verein, sondern auch für den Deutschen Fußballbund und konkurriert mit den bekanntesten Stadien der Welt.
Querschnitt
54
Arena Auf Schalke Gelsenkirchen
Ansicht West
Grundriss 3. Obergeschoss Tribünenebene
55
AOL Arena Hamburg
Die neue Arena geht aus dem ehemaligen Volksparkstadion hervor. Das Dach aus einer weißen, transluzenten Membran sorgt für gleichmäßige Helligkeit
Montage des inneren Zugrings, der einem Speichenrad nachempfundenen Dachkonstruktion (mit äußerem Druckring)
Ein besonderes Detail der Dachkonstruktion ist der Knotenpunkt zwischen dem äußeren Druck- und dem inneren Zugring. Radial gespannte Trag- und Sogseile greifen dort an
Der Neubau des Stadions geht aus dem ehemaligen Volksparkstadion hervor. Ab 1951 wurde damit begonnen, das seit den 20er Jahren bestehende Altonaer Stadion zum ersten großen Hamburger Stadion umzubauen. Um das Spielfeld mit Laufbahn entstanden unter Verwendung von Kriegsschutt neue, doppelstöckige Tribünen. Das Volksparkstadion wurde im Juli 1953 eröffnet und bot 75.000 Plätze, davon 20.000 Sitzplätze. Eine Flutlichtanlage wurde 1961 gebaut und zur WM 1974 erhielt das Stadion eine neue Südtribüne sowie eine elektronische Anzeigentafel – dort war bei der deutsch-deutschen WM-Begegnung auch das 1:0 der DDR über die Bundesrepublik durch den Torschützen Jürgen Sparwasser zu lesen. Die Planung der Arena, die für einen Festpreis von 159 Mio. DM erstellt werden sollte, gestaltete sich schwierig. Der Entwurf von MOS Architekten sah bereits die Geometrie der Arena in ihrer heutigen Form vor, allerdings mit einem anderen Dach. Erst nachdem die neue Haupttribüne im Osten bereits fertig gestellt war, wurde die Entscheidung für die letztendlich ausgeführte Dachkonstruktion getroffen. Nach der Drehung des Spiel felds um 90 Grad in Nord-Süd-Richtung wurden die Tribünen bei laufendem Spielbetrieb abgerissen und neu gebaut. Die aus einem Oval abgeleiteten Tribünen, die nach Vorbild englischer Stadien nah ans Spielfeld reichen, haben drei Ränge mit durchgängiger Er schließungsebene und Blickbeziehungen ins Stadion. Die ehemalige Gästefankurve wurde
57
Der innere Zugring während des Anhebe vorgangs
Grundriss Ebene 4
zur Haupttribüne und die heimischen Fans zogen aus der Westkurve in die heutige Nordkurve um, wo ihnen 10.000 Stehplätze zur Verfügung stehen. Die Tribünenkonstruktion aus feuerverzinkten Stahlrahmen trägt im Abstand von ca. 9 m die Tribünenstufen aus Halbfertigteilen und Ortbeton. Treppenkerne bilden die Aussteifung der Tribünen. Durch diese Bauweise konnte der Bau der Arena in Abschnitten erfolgen. Das Dach aus einer weißen, transluzenten Membran sorgt für gleichmäßige Helligkeit, be deckt eine Fläche von 35.400 m 2 und ist auf einer Dachkonstruktion montiert, die einem Schnitt Osttribüne
Speichenrad nachempfunden ist. Zwischen dem äußeren Druck- und dem inneren Zugring werden Trag- und Sogseile in radialer Richtung gespannt. Ein besonderes Detail der Dachkonstruktion ist die auf das Fußballfeld bezogene rechteckige Öffnung im Dach. Die Vertikallasten des Daches werden über 40 bis zu 60 m hohe Pylone aus Stahl-Rundrohren in den Achsen der Radialseile abgeleitet. Von der neuen Arena sind nicht nur Verein und Spieler, sondern auch die Fans begeistert. Die Gewaltbereitschaft ist seit der Eröffnung erkennbar zurückgegangen und die Zu schauerzahlen sind erheblich angestiegen.
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AOL Arena Hamburg Architekt
MOS Architekten
Tragwerksplanung Dach
Schlaich Bergermann und Partner
Bauherr
HSV-Stadion GmbH & Co
Generalunternehmer
DDP Deuteron Development
Baukosten
200 Mio. DM
Planungs- und Bauzeit
1998 - 2000
Kapazität
51.030 Sitzplätze
VIP-Bereich
5.576 m 2 50 Logen 1.750 Business Seats
Kosten pro Sitzplatz
ca. 4.000 DM
Bruttogeschossfläche
80.000 m 2
Umbauter Raum
102.958 m 3
Max. Entf. Sitzplatz-Spielfeld ca. 91 m Min. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 7 m
Dach Stahlkonstruktion
2.900 t
Spannweite
max. 71,70 m
Oberfläche
34.000 m 2
Material
Polyestergewebe, PVC-beschichtet
Dachstützen
40 Stück 20 m Achsabstand; 48-60 m Länge Rohre: d = 900 mm / t = 18 mm
Außenstützen
40 Stück
Seilbinder
40 Stück
Grundriss Ebene 2 mit Sitzplätzen
AWD Arena Hannover
Der asymmetrische Innenraum des Stadions während der Begegnung Brasilien-Mexiko zum Confederations Cup 2005
Luftaufnahme der Arena. Der äußere Dachring ist mit einer geschlossenen Trapezblechdeckung versehen, der innere Dachring ist transparent mit einer ETFE-Membran bespannt
Lageplan
Das ehemalige, weitläufige Universalstadion in Hannover, das fußläufig aus dem Stadtzentrum erreicht werden kann, wurde in 21 Monaten Bauzeit zu einer reinen Fußball- und Eventarena umgebaut, um verschiedenen funktionalen Ansprüchen gerecht zu werden. Die Idee, einen 48 Hektar großen Naherholungs- und Sportpark mit Stadion zu errichten, geht auf das Jahr 1951 zurück. Am Nordwestufer des Maschsees wurden 1952 bis 1954 aus Kriegstrümmern die Zuschauerwälle des Masch-Ohe-Stadions nach Plänen des Ar chi tekten Heinz Goesmann geformt. Das Stadion besaß 86.656 Zuschauerplätze, davon 3.000 überdachte Plätze, und es wies eine ausgeprägte Asymmetrie auf: Die Mehrzahl der Plätze war auf der gewaltigen Westtribüne angeordnet, von deren Oberrängen die Zuschauer über die deutlich kleinere Osttribüne hinweg zum Maschsee blicken und die Einbindung in die Landschaft unmittelbar erleben konnten. Aus Anlass der Fußball-WM 1974 wurde das Stadion durch Umbau (Architekt: Fritz Leonhardt) auf 60.355 Plätze, davon 18.680 überdachte Sitz- und 3.810 Stehplätze, erweitert. Ein geschwungenes Stadiondach (Entwurf: R. Hentschen) überdeckte von nun an den Oberrang der Westtribüne und die Kurvenbereiche. Doch auch dieser Stadionumbau entsprach bereits in den 90er Jahren nicht mehr den sich rasant entwickelnden Anforderun63
Das Spielfeld als Werk- und Lagerplatz während der Bundesliga-Spielpause
Die flache Westtribüne geht sukzessiv in die neue, steilere Tribünenkonstruktion über
gen an moderne Stadien, so dass beschlossen wurde, das Stadion in zwei Bauabschnitten zunächst zu modernisieren und ab dem Jahr 2000 zu überdachen. Hierbei spielte auch die weitere Tauglichkeit des Niedersachsenstadions für internationale Spiele eine große Rolle. Die Stadt Hannover hatte einen kombinierten Architekten- und Ingenieurwettbewerb für das neue Dach ausgeschrieben, das sämtliche Sitzplätze des bestehenden Stadions überdecken sollte. Diesen Wettbewerb gewann im Sommer 2000 das Architekturbüro Schulitz + Partner mit dem Ingenieurbüro RFR aus Paris. Ihr Entwurf setzte sich mit der asymmetrisch überhöhten Form des Stadions sowie den komplizierten Baugrundverhältnissen des Trümmerbergs auseinander und nutzte die bestehenden Gründungen des alten Daches. Um die neue Geometrie des verkleinerten Stadions zu erreichen, wurde die Laufbahn des Stadions entfernt, das Spielfeld um 6 m vor die bereits renovierte Westtribüne verschoben und alle anderen Tribünen an das Spielfeld herangerückt. Bei diesen Erdarbeiten ging es vor allem um die Wiederverwendung des Bodenhubs und den Einbau des Recyclingbetons. Die flache Westtribüne mit einer Neigung von 45% wurde in den Kurven sukzessive in die bis zu 65% steile Osttribüne überführt, wobei die historische Hangtribüne in aufgeständer te Tribünen übergeht. Die Osttribüne beinhaltet VIP-Lounge, Pressezentrum, Büro- und Ver64
AWD Arena Hannover
VIP-Lounge mit Blick in das Stadion
Architekt
Schulitz + Partner
Tragwerksplanung
RFR Ingénieurs
Bauherr
Niedersachsenstadion Projekt- und Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG
Generalunternehmer
Wayss & Freytag Ingenieurbau AG
Baukosten
65 Mio. Euro
Planungs- und Bauzeit
2003 – 2004
Kapazität
45.000 Sitzplätze
VIP-Bereich
29 Logen 1.240 Business Seats
Presseplätze
400
Kommentatorenplätze
220
Beobachterplätze
296
Behindertenplätze
60 (davon 10 familienfreundlich)
Max. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 70 m
Min. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 10 m
Dach Spannweite
max. 231 m in Längsrichtung
Oberfläche geschlossen
ca. 16.400 m 2
Oberfläche transparent
ca. 10.200 m 2
Material Dachmembran
ETFE-Folie, einlagig, seilunterstützt
Spielfeldverschiebung
6m
waltungsräume sowie Umkleideräume für die Mannschaften. Das Dach greift die Asymmetrie des Stadions auf. Das Tragwerk ist als Speichenrad mit einem äußeren Druckring, gespannten Seilen als Speichen und einem zweiten inneren Ring konstruiert und verwendet die Fundamente der alten Westtribünenüberdachung. Die Trapezblechdeckung des geschlossenen äußeren Dachrings greift die Reichweite des alten Stadiondachs auf. Der innere Dachring ist transparent mit einer ETFE-Membran be spannt, die mit 10.000 m2 das größte einlagige Foliendach der Welt darstellt. Ein vergleichsweise geringes Baubudget von 65 Mio. Euro forderte kostengünstige und nachhaltige Konzepte. Besondere Anforderungen an Planung und Bauablauf stellte der Umbau bei laufendem Bundesliga-Spielbetrieb dar. Beim Bau von Tribünen und Außendach konnte die Spielfläche freigehalten werden. Die Innendachmontage konnte nur in der Sommerspielpause erfolgen, weil das Spielfeld als Werk- und Lagerplatz sowie als Stellfläche für die Mobilkräne genutzt wurde. Zum Ende der Spielpause wurde die Rasenheizung eingebaut und der Rollrasen eingebracht, auf dem schon 14 Tage später das erste Bundesligaspiel statt fand.
65
„Optimale Sichtlinien“ Interview mit Helmut C. Schulitz, Schulitz + Partner
Detail Dachkonstruktion
Herr Schulitz, Sie sind Professor an der TU Braunschweig und
lässt, also mehr als Glas. Das Material gibt es bereits seit über 30
beschäftigen sich wissenschaftlich mit innovativen Entwurfs -
Jahren, es wird vor allem dort eingesetzt, wo eine hohe UV-Licht-
konzepten für Fußballarenen. Hat sich der Charakter des Fuß-
durchlässigkeit wichtig ist (z.B. in Gewächshäusern). Für den Rasen
ballspiels seit der WM 1974 in Deutschland verändert?
ist das Material ideal. Neben Licht braucht der Rasen Luft. Zur Belüftung des Rasens dienen die breiten Öffnungen der Stadionzu-
Das Fußballspielen an sich hat sich wenig geändert! Nur das
gänge im Norden und Süden.
Umfeld ist ein anderes, vor allem durch die Kommerzialisierung. Der Zuschauer von heute möchte einen höheren Komfort als der
Warum haben Sie in Hannover ETFE-Folie verwendet?
Zuschauer von 1974. Sehen Sie sich die Arenen in Arnheim und Gelsenkirchen oder das Waldstadion in Frankfurt an — alle haben ein
Da die FIFA verlangt, dass auf Naturrasen gespielt wird und dass
schließbares Dach. Je enger und geschlossener die Arenen, desto
jeder Zuschauerplatz regensicher überdeckt sein muss, lag es
mehr leidet der Rasen, der nach wie vor ein Naturprodukt ist. Er
nahe, eine ETFE-Folie zu verwenden, denn sie ist bei sinnvoller Pla-
muss oft mehrmals im Jahr ausgetauscht werden.
nung bezahlbar. Neben der hohen UV-Lichtdurchlässigkeit hat das Material selbstreinigende Eigenschaften und eine längere Lebens-
66
Welche baulichen Maßnahmen tragen bei der AWD Arena in Han-
zeit als z.B. PVC, das aus Kostengründen bei vielen Stadien zum
nover zur Schonung des Rasens bei?
Einsatz kommt, obwohl es kein UV-Licht durchlässt.
Wir haben zwei unterschiedliche Dächer gewählt. Das opake Dach
Die FIFA hat die WM 2006 unter das Motto „Green Goal“ gestellt.
überdeckt nur den Oberrang. Der Unterrang wird von einem Dach
Wie werden Sie dieser Forderung in der Arena ge recht und gibt es
aus einlagiger ETFE-Folie überspannt, die 95% UV-Licht durch-
ein Konzept der Nachhaltigkeit?
AWD Arena Hannover
Querschnitt
Wenn die Hälfte der in Europa verbrauchten Energie dem Betrieb
tribüne war dabei eine schwere Hypothek für die Geometrie des
von Gebäuden dient und weitere 25% für den Verkehr aufgewendet
Fast-Neubaus. Insbesondere die Sichtverhältnisse waren proble-
werden, ist dieses Motto leicht nachvollziehbar. In der AWD Arena
matisch. War die flache Neigung der Westtribüne von 45% schon
sind wir dieser Forderung so weit wie möglich nachgekommen.
nicht zu ändern, so gelang es doch, den Neigungswinkel sukzessive
Schon die Minimierung des Rasenaustauschs ist ein Beitrag. Auch
über die Kurven zur Osttribüne auf 65% zu erhöhen.
der verringerte Material- und Energieverbrauch bei der Errichtung und dem Betrieb, das Recycling von Beton beim Abbruch des alten
Wie sieht für Sie das Stadion der Zukunft aus?
Stadions und die Wiederverwendung von Variositzen aus einem anderen Stadion gehören zum Nachhaltigkeitskonzept.
Unser Büro hat ein Konzept für ein Ideal-Stadion entwickelt. Dieses basiert insbesondere auf optimalen Sichtlinien, dem „best viewing
Beschreiben Sie bitte die größte Herausforderung beim Umbau
radius“. Das Stadion maximiert die Plätze auf den Tribünen der Ost-
des Stadions!
und Westseite, die damit höher sind als die der Nord und Südseite. Die Zuschauer sitzen nah am Spielfeldrand und es entsteht der
Die größte Herausforderung war es für uns als Architekten, das Alte
erstrebenswerte Kesseleffekt.
mit dem Neuen zu verbinden – denn geschichtlich gesehen ist der Bau des Hannoveraner Stadions eine enorme Leistung der Nachkriegszeit, die sichtbar bleiben soll. Die niedrigen Standards von 1954 mussten mit den heutigen Komfortansprüchen und den FIFARichtlinien in Einklang gebracht werden. Der verbleibende Teil der alten, aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs errichteten West-
67
Fritz-Walter-Stadion Kaiserslautern
Das Stadion befindet sich auf dem Plateau des 286,50 m hohen Betzenbergs. Die Haupttribüne grenzt direkt an die Steinbruchkante einer 25 m hohen Felswand
A N AFEL
ZEIGENT
8 X ,9M6 5,38
AUFZU G
M
Lageplan
Das Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern befindet sich auf dem 286,50 m hohen Betzenberg und ist Deutschlands höchst gelegenes Stadion. Andernorts überragen Burgen oder Kirchen die Städte, hier aber thront ein Fußballstadion über der pfälzischen Stadt. Der Verein erhielt das Gelände auf dem „Betze“ 1919 als Geschenk, ebnete das Plateau ein und weihte dort 1920 einen Sportplatz ein, der 1925 eine erste hölzerne Tribüne mit einModellansicht
fachen Sitzbänken und einen Rasenwall mit Stehplätzen erhielt. 1931 wurde die Nordtribüne mit Leichtathletik-Anlagen und einer Laufbahn gebaut, so dass ein Stadion mit 18.000 Plätzen entstand. Die so genannte „Walter-Elf“ um Fritz und Ottmar Walter feierte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einen großartigen Aufstieg und stellte mit den Spielern Ernst Liebrich, Bernd Kohlmeyer und Horst Eckel den Kern der deutschen Nationalmannschaft, die 1954 zum ersten Mal als Außenseiter gegen die ungarische Mannschaft in Bern Fußballweltmeister wurde und damit als „Wunder von Bern“ in die Fußballgeschichte einging. Infolge der Einführung der Bundesliga im Jahr 1963 wurde die Südtribüne überdacht und die Ost- und Westkurve erhöht. 1973 kam es zum Neubau der Nordtribüne. Für die WM 1974 wurde das Stadion wegen seines Fassungsvermögens von nur 30.000 Zuschauern 69
Das Stadion vor dem Abschluss der Umbauarbeiten, mit erst einer neuen Tribüne
nicht berücksichtigt. Seinen heutigen Namen erhielt die Spielstätte 1985 zum 65. Geburtstag des ehemaligen Kapitäns und erstmaligen Ehrenspielführers der deutschen Nationalmannschaft, Fritz Walter. Mit der architektonischen Version eines Baukastenprinzips in den 70er Jahren realisierten die Architekten und Ingenieure der Fiebiger GmbH den Ausbau des Fritz-Walter-Stadions für die WM 2006 mit 48.500 Sitzplätzen. Neue Tribünengebäude wurden hinter den alten angebaut; durch ihre stärkere Neigung sollen sie einem enthusiastischen Publikum Einbau einer der 100 bis 160 m langen Hauptfachwerk träger im Zuge des Neubaus der Osttribüne
gerecht werden, denn Zuschauernähe und Komfort waren die Ziele des Ausbaus. Die Haupttribüne des Stadions grenzt direkt an die äußere Steinbruchkante einer 25 m hohen Felswand. Die Nordtribüne ragt mit 70 m über diese Steinbruchsohle hinaus und enthält zwölf VIP-Logen, Lounges und ein Panorama-Restaurant mit Blick in das Stadion oder auf die Stadt. Die Ecken der Nordtribüne wurden mit einem Logen- und einem Medienturm burgartig geschlossen, so dass mit den anderen zusammenhängenden Tribünen ein ge schlossener Kubus entstand. Eine weitere Neuerung im Stadion wird der zentrale Spielerzugang an der Mittellinie sein, welcher bislang aus finanziellen und funktionalen Gründen in die Randbereiche der Tribünen verbannt wurde.
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Fritz-Walter-Stadion Kaiserslautern
Architekt
Fiebiger GmbH Architekten + Ingenieure
Tragwerksplanung
Arge Tragwerksplanung; Ingenieurbüro WZ-Ingenieure; KHP König Heunisch und Partner, Beratende Ingenieure für Bauwesen
G
F
D
C
B
Bauherr
Fritz-Walter-Stadion Kaiserslautern GmbH
Generalunternehmer
Arge Stadionerweiterung Kaiserslautern; Heberger Bau GmbH; Hochtief Construction AG
Baukosten
ca. 50 Mio. Euro
Planungszeit
1970 bis heute
Bauzeit
2000-2005 (Endausbau)
Kapazität
48.500 Sitzplätze
VIP-Bereich
44 Logen
Bruttogeschossfläche
69.984 m2
Max. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 69 m
Min. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 9 m
Dach 9a
10
11
a 11
13
9b
Stahlkonstruktion
5.371 t
Spannweite
max. 165 m
Oberfläche
26.859 m 2
Material
Glas-/Stahlkonstruktion
12a b 11
12
Längsschnitt (oben) und Grundriss Zuschauerebene
Die Tragkonstruktionen der Tribünen bestehen aus Stahlbetonbindern mit aufgelagerten Fertigteilstufen. Das gesamte Dach von Ost-, Süd- und Westtribüne ruht auf zwei großen Stützen im hinteren Eckbereich der Zuschauerränge sowie auf den bis zur WM 2006 fertig gestellten Ecktürmen. Die 20.000 m 2 große Dachfläche liegt auf Kragarmen von Nebenträgern, die von 100 bis 160 m langen Hauptfachwerkträgern gestützt werden. Die hinteren Tribünenträger stabilisieren dabei das Dach durch eine kraftschlüssige Verbindung. Den Wünschen der Fans entsprechend sind die Tribünen zum Teil mit Klappsitzen ausgestattet, der „Stehplatzkultur“ folgend. In den Fanblocks hinter den Toren kann bei Bun des ligaspielen gestanden, bei internationalen Spielen hingegen gesessen werden. Des Weiteren werden die regensicheren, windgeschützten und teilweise beheizten Tribüneninnenräume mit ihren insgesamt 7.000 m2 großen Hallen für Bundesliga-Nutzungen (Catering, Fan-Lounges) herangezogen oder auch für Fremdveranstaltungen vermietet. Zur WM 2006 wird der Fußballtempel auf dem Betzenberg mit seiner kompakten Atmosphäre zum brodelnden Vulkan werden — auch wenn dann nicht die vereinseigenen „Roten Teufel“ auflaufen.
71
Rhein-Energie-Stadion Köln
Das neue Kölner Stadion im Sportpark erhält seine zeichenhafte Identität durch vier hoch aufragende Lichttürme
Querschnitt
Lageplan
Das neue Kölner Stadion erhält seine zeichenhafte Identität durch vier hoch aufragende, leuchtende Pylone über dem Sportpark. Es ist das dritte Stadion, das auf dem Gelände errichtet wurde. Konrad Adenauer, Oberbürgermeister der Stadt Köln von 1917 bis 1933, setzte sich nach dem Ersten Weltkrieg für einen Grüngürtel um die Stadt Köln ein, auf dem 1923 eine 55 Hektar große Sportanlage mit verschiedenen Kampfbahnen errichtet wurde, die damals größte Stadionanlage Europas. Stadtbaudirektor Adolf Abel ergänzte 19261928 den Haupteingang der Hauptkampfbahn durch zwei Portalbauten. Der Nachfolgebau, das 61.114 Zuschauer fassende Müngersdorfer Stadion, wurde 1975 erbaut. Es war das erste komplett überdachte deutsche Stadion mit zwei Rängen und Flutlichtanlage. Der Unterrang wurde vom Erdwall abwärts erschlossen, der Oberrang über Treppen nach oben. Ein besonderer fußballerischer Höhepunkt in der Geschichte des Stadions war der 2:1-Sieg im WM-Qualifikationsspiel gegen Wales 1989, ohne den der spätere Weltmeister Deutschland 1990 nicht zur WM gefahren wäre. Der rechtwinklig-geometrische Stadionneubau für die WM 2006 greift die Gestalt der historischen Portalbauten von 1926 und die bestehende Symmetrieachse auf, über die der
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Die Tribünen sind rechtwinklig um das Spielfeld angeordnet
Die in Etappen ausgeführte Tribünenüberdachung fand bei laufendem Spielbetrieb statt; in der Hängekonstruktion sehen manche Kölner Elemente der Rheinbrücken
Besucher das Fußballstadion erreicht. Charakteristisch für den neuen Bau sind vier 60 m hohe Stahlmasten, von denen ein leichtes Tribünendach mit äußerem Metall- und innerem Glasdach abgehängt ist. Pfosten-Riegel-Konstruktionen bilden die Fassaden, mit Ausnahme des dienenden Geschosses unterhalb der Logen, dessen Fassade überwiegend geschlossen ist. Der Umbau musste bei laufendem Spielbetrieb stattfinden und eine Kapazität von 30.000 überdachten Zuschauerplätzen gewährleisten. Das bestehende Stadion wurde sukzessiv abgerissen und in vier Ausbaustufen neu gebaut. Das Prinzip der Hängekonstruktion er möglichte die etappenweise Überdachung der Tribünen. Entlang einer Mittellinie sind Einzeldächer an vier Masten aufgehängt und am Außenrand der Tribünen durch Pendelstützen abgestützt. Die vertikalen Dachlasten werden über zwei parallele Hängeseile von den Masten abgetragen. Die vier Hauptmasten mit Grundrissen von 5,60 x 5,60 m tragen die Lasten über Fußpunkte mit Kugelgelenk ab, um den Dachverformungen folgen zu können. Die Silhouette der Stadt Köln hat mit dem neuen Stadion neben Dom und Köln-Arena ein weiteres charakteristisches Wahrzeichen erhalten.
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Rhein-Energie-Stadion Köln Architekt
von Gerkan, Marg und Partner (gmp) Prof. Volkwin Marg, J. Rind, Stefan Nixdorf
Tragwerksplanung
Schlaich Bergermann und Partner
Bauherr
Kölner Sportstätten GmbH
Generalunternehmer
Max Bögel GmbH
Baukosten
120 Mio. Euro
Planungs- und Bauzeit
2001-2004
Kapazität
46.000 Sitzplätze; 51.000 Sitz- und Stehplätze
Kosten pro Sitzplatz
2.600 Euro
VIP-Bereich
50 Logen; 2.000 Business Seats
Tiefgarage für VIP-Gäste
600 Stellplätze
Bruttogeschossfläche
110.000 m 2
Bruttorauminhalt
213.500 m 2
Max. Entf. Sitzplatz-Spielfeld ca. 62 m Min. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 9,35 m
Dach Stahlkonstruktion
5.200 t
Spannweite
max. 170 m
Oberfläche
28.000 m 2
Material
Polycarbonatstegplatten; Trapezblechdeckung
Stahlbeton-Fertigteile
10.230 Bauteile
Stahlbeton (Ortbeton)
40.000 m 2
Stahlbeton (Fertigteile)
27.000 m 2
Grundriss 3. Obergeschoss
Zentralstadion Leipzig
Der neue Stadionkessel liegt innerhalb des denkmalgeschützten Trümmerwalls des alten Zentralstadions
Lageplan
Mit dem alten Zentralstadion in Leipzig verbinden die Bewohner der Stadt aufgrund seiner wechselhaften Geschichte einen hohen Identifikations- und Symbolwert. Der Stadtbebauungsplan von 1948 legte fest, dass das künftige Sportforum auf den 1,5 Mio. m 3 Trümmerschutt errichtet werden sollte. Auf einem Gebiet zwischen Innenstadt und westlichen Vorstädten entstanden in den 1950er Jahren Gebäude und Flächen für alle olympischen Disziplinen. 1952 wurde das Schwimmstadion mit 9.200 Sitzplätzen fertig gestellt und 1956 — anlässlich des Zweiten Turn- und Sportfests der DDR — das so genannte „Stadion der Hunderttausend“. Das Prestigeobjekt machte Leipzig nicht nur zur Sportstadt Ost deutschlands, sondern überbot mit seinen Dimensionen auch jedes Stadion in der Bundesrepublik. Zum 100. Gründungstag des DFB in Leipzig wurde im Jahr 2000 der Grundstein für eine neue Arena gelegt. Unter Federführung der Schweizer Architekten Wirth + Wirth entstand ein reines Fußballstadion. Minimale architektonische Eingriffe in das Erscheinungsbild sollten der historischen Dimension des denkmalgeschützten Trümmerwalls gerecht werden und den parkähnlichen Charakter des Sportforums erhalten. Der 40 m hohe WernerSeelenbinder-Glockenturm wurde saniert und auch das alte Hauptgebäude blieb erhal-
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Der Besucher muss auch nach dem Umbau den Zuschauerwall erklimmen, von dem 14 Treppen über Brücken auf die Hauptverteilerebene des Stadions führen
Das Stadiondach überragt den Trümmerwall und ist von weitem sichtbar. Die Konstruktion bilden zwei seilunterspannte, 202 m lange und um 26 Grad geneigte Bogenbinder
ten, dessen zentrale Tunnels nun der Erschließung der Parkebenen, VIP- und Sportlerbereiche dienen. Der dichte Stadionkessel mit nunmehr 45.000 Sitzplätzen ist wegen seiner Lage innerhalb des alten Walls von außen kaum wahrzunehmen. Der Besucher muss auch nach dem Umbau noch den Zuschauerwall erklimmen, von dem 14 Treppen über Brücken auf die Hauptverteilerebene des Stadions führen. An einer Stelle des einst 23 m hohen Damms des Zentralstadions sind in nostalgischer Reminiszenz noch ein paar wenige der Holzbänke belassen worden, die früher auf 76 Traversen 100.000 Zuschauern Platz boten. Das Stadiondach besteht aus zwei seilunterspannten 202 m langen und um 26 Grad geneigten Bogenbindern. Der Obergurt besteht aus Rundrohren, die Unterspannung aus Seilen und Druckstäben. Die 17 m hohen Träger des Daches bilden eine parallele Trauflinie, um eine spätere Gesamtüberdachung zu ermöglichen: zwei großflächige oder auch mehrteilige, teleskopartige Dachelemente, die sich zur Mitte hin ausfahren lassen. Die Dachkonstruktion wird von insgesamt 64 Pendelstützen getragen, die unter dem umlaufenden Ringträger verteilt sind. Diese tragen die Lasten gleichmäßig verteilt über den Massivbau
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Zentralstadion Leipzig Architekt
ARGE Zentralstadion Leipzig; Wirth + Wirth Architects (Entwurf und Generalplanung); Glöckner Architekten GmbH; Körber Barton Fahle Planungs GmbH
Tragwerksplanung
Dr. Ing. Peter A. Kugler & Partner; IPL GmbH
Bauherr
Stadt Leipzig; Zentralstadion Leipzig GmbH Besitzgesellschaft
Generalunternehmer
Einzellose
Baukosten
ca. 90 Mio. Euro
Planungs- und Bauzeit
Wettbewerb 1996; 2000–2002; 2001-2004
Kapazität
44.157 Sitzplätze
Kosten pro Sitzplatz
ca. 2.000 Euro
VIP-Bereich
18 Logen (à 15-18 Personen) 1.379 Business Seats
Tiefgarage für VIP-Gäste
550 Stellplätze
Bruttogeschossfläche
ca. 85.000 m 2
Bruttorauminhalt
ca. 1.360.000 m 3
Max. Entf. Sitzplatz-Spielfeld ca. 63,50 m Min. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 8,70 m
Dach Stahlkonstruktion
3.300 t
Spannweite
max. 230 m (Nord-Süd)
Oberfläche
28.100 m 2
Material
Trapezblech mit Dämmschicht und Folie
Durchmesser Dachstützen
ca. 0,30-0,50
Grundriss Spielfeld- und Parkebene
Die Dachträger haben eine Höhe von 17 m. Der Obergurt besteht aus Rundrohren, die Unterspannung aus Seilen und Druckstäben
Brücken verbinden den äußeren Stadionwall mit dem neuen Stadion
ab, wofür über der Tribünenoberkante ein Druckbogen konzipiert wurde. Die Dachfläche wird größtenteils von einer silbrig schimmernden Metalldeckung überzogen, die alt und neu klar trennt. Der innere Dachanteil besteht aus UV-durchlässigen Polycarbonatplatten, um die Rasenbelichtung zu gewährleisten. Die neue Arena im alten Zentralstadion wird verstärkt im Blickpunkt der ausländischen Beobachter stehen, weil sie der einzige Austragungsort im Osten der Republik ist. Sie ist dafür konzeptionell und baulich gut gerüstet.
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Zentralstadion Leipzig
Dachkonstruktion
Oberrang
Erschließungstürme
Haupterschließungsebene
Presse + Business Kioske, Sanitäranlagen
Parkebenen
Sportler- u. Umkleidebereiche Technikanlagen
bestehender Wall
Explosionszeichnung
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Allianz Arena München
Die neue, futuristische Fußball-Arena der Architekten Herzog & de Meuron leuchtet zu Fußballspielen in der Farbe der jeweils spielenden Heimmannschaft Nordansicht 2004
Die Fassade leuchtet rot bei Spielen des FC Bayern und
Bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft, etwa zum WM-
blau für 1860 München
Eröffnungsspiel am 9. Juni 2006, ist die Arena weiß erleuchtet
Die neue futuristische Fußballarena der Architekten Herzog & de Meuron liegt — anders als das mehr als 30 Jahre alte, weltbekannte Olympiastadion vom Büro Behnisch & Partner — vor den Toren der Stadt München. Zur Sommer-Olympiade 1972 errichtet, wurde das 77.839 Zuschauer fassende Olympiastadion mit seinem berühmten Zeltdach von Frei Otto in die Landschaft des Olympiaparks integriert. Der offen konzipierte Stadionbau ist fußballerisch eng mit dem Aufstieg des FC Bayern München als Rekordmeister der Bundesliga verbunden. Außerdem gewann dort die Bundesrepublik Deutschland 1974 die Weltmeisterschaft mit einem denkwürdigen 2:1 gegen Holland. Die beiden Fußballvereine 1860 München und der FC Bayern forderten Mitte der 90er Jahre einen Umbau des Olympiastadions und die Überdachung der Gegentribüne. Die Clubs wollten aus dem weitläufigen Stadion einen „Hexenkessel“ machen. Anfang des Jahres 2000 wurden zunächst die Architekturbüros Behnisch & Partner und Auer + Weber mit einer Machbarkeitsstudie für den Umbau des Olympiastadions beauftragt, von dem letztlich jedoch abgesehen wurde, um das Gesamterscheinungsbild und das Konzept des Olym piaparks zu erhalten. Das Olympiastadion als einer der wichtigsten Bauten des 20. Jahrhunderts bleibt somit Austragungsort für viele sportliche Veranstaltungen, während
87
Lageplan
eine reine Fußballarena für einen anderen Ort geplant und gebaut wurde. Als Identifikationspunkt von internationaler Bedeutung steht die neue Allianz Arena für 285 Mio. Euro in der vorstädtischen Peripherie, im Münchener Stadtteil Fröttmaning. Sie ist als Objekt im Raum konzipiert, und der Besucher sieht die Arena schon von weitem, da sie direkt am Autobahnkreuz München Nord liegt. In der Ferne sind die Silhouette der Stadt und dahinter die Alpen zu sehen. Architekten dieses dichten „Fußballkessels“ sind die PritzkerPreis träger Herzog & de Meuron. Ziel ihrer Gestaltung war ein auf das Fußballspiel konzentriertes Gebäude. Die Arena ist, abhängig von der Tageszeit, unterschiedlich erlebbar: Am Tage liegt sie wie ein schlafendes UFO in der Vorstadt, zu Fußballspielen erstrahlt sie in den Farben der jeweils spielenden Heimmannschaft — Rot für den FC Bayern, Blau für 1860 München und Weiß bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft, z. B. beim WM-Eröffnungsspiel am 09. Juni 2006 in München. Die Fassade des Stadions besteht aus pneumatisch gestützten Kissen aus doppellagiger 0,20 mm starker ETFE-Folie, die über eine Unterkonstruktion aus Stahl auf die gekrümmte
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Allianz Arena München Architekt
Herzog & de Meuron
Tragwerksplanung
ARUP / Sailer Stepan und Partner
Bauherr
Allianz Arena München Stadion GmbH
Generalunternehmer
Alpine Bau Deutschland GmbH
Baukosten
285 Mio. Euro
Planungs- und Bauzeit
2002-2005
Kapazität
66.000 Sitzplätze
Kosten pro Sitzplatz
4.318 Euro
VIP-Bereich
106 Logen mit 1.350 Plätzen; 2.400 Business Seats
Parkplätze für VIP-Gäste
1.200
Parkplätze im Parkhaus
9.800
Behindertenplätze
200
Bruttogeschossfläche
149.930 m 2 (Stadion) 100.164 m 2 (Esplanade) 80.469 (Ränge + Umfahrt) 235.249 m 2 (Garage)
Bruttorauminhalt
701.673 m 2 (Stadion) 682.222 m 2 (Garage)
Überbaute Stadionfläche
37.600 m 2
Gesamtnutzfläche
171.000 m 2
Dimension Stadion
258 m x 227 m x 50 m
Umfang Stadion
840 m
Max. Entf. Sitzplatz-Spielfeld ca. 65 m Min. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 7,50 m
Neigungswinkel Unterrang
24 Grad; 20.000 Sitzplätze
Neigungswinkel Mittelrang
30 Grad; 24.000 Sitzplätze
Neigungswinkel Oberrang
34 Grad; 22.000 Sitzplätze
Dach Stahlkonstruktion
5.000 t (Primär); 3.400 t (Sekundär)
Spannweite
max. 72 m
Oberfläche
38.000 m 2
Fassadenfläche
26.000 m 2
Material Dachmembran
ETFE-Folie, zweilagig (Ethylen-Tetrafluorethylen)
Foliendicke
ca. 0,20 mm
Flächengewicht
0,70 g/m 2 (2 Lagen)
Lichttransmission
UV-A: ca. 95%; UV-B ca. 94% (2 Lagen)
Zugfestigkeit
52 N/mm 2
Materialgewährleistung
10 Jahre
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Allianz Arena München
Bauentwicklung der Arena über 31 Monate, von Oktober 2002 bis April 2005
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Einbau eines der ca. 2.800 pneumatisch gestützten, zweila gigen ETFE-Folienkissen
Die ETFE-Folienkissen sind an eine permanente Luftversorgung angeschlossen und können beleuchtet werden
Konstruktion des Rohbaus geschraubt ist. Die Fassadenkissen des Daches sind transparent und weiß, die der Fassade bedruckt. Das Material ist schwer entflammbar und wird durch Überdruck in Form gehalten. Deshalb ist jedes Kissen an eine permanente Luftversorgung angeschlossen, wobei jedes einzelne Kissen bei Luftdruckveränderungen pulsieren kann und einer Schneehöhe von ca. 1,60 m standhält. Die ETFE-Kissen des Daches sind zum Teil aus transparenter Folie gefertigt, um zur spielfreien Zeit die Belichtung des Rasens zu gewährleisten. Die Unterdecke, die bei Fußballspielen geschlossen ist, kann zurückgefahren werden. Die Lichttransmission der ETFE-Folie beträgt 95%, so dass auch die Restaurants und die Logen etc. ausreichend natürliches Licht erhalten. Die Hülle besteht aus insgesamt ca. 2.800 rautenförmigen „Pneus“ (Luftkissen). Die Stahlkonstruktion des Daches besteht aus 48 sich zum Spielfeld hin verjüngenden Fachwerkträgern, die auf dem Tribünenkörper verankert sind und eine Kraglänge von bis zu 72 m haben. Der Zuschauer betritt die Arena mit 66.000 Sitzplätzen - von denen 10.000 in der Nordund Südkurve zu Stehplätzen umgewandelt werden können - über die Esplanade. Unter dieser platzartigen Rampe liegt mit 11.000 Stellplätzen Europas größtes Parkhaus, für das Lichthöfe und Zugänge in den darüber liegenden Park geschnitten wurden. Von einem 94
Allianz Arena München
Beleuchtungsanlage und Wartungsgang der Fassade
Blick in den 66.000 Zuschauer fassenden Innenraum mit drei umlaufenden Tribünen
30 m breiten Umgang auf der Ebene 2 erreicht man den 1. und 2. Rang der 3 umlaufenden Tribünen. Der 3. Rang wird über 15 Kaskadentreppen erschlossen. Das Stadion ist als reines Fußballstadion konzipiert und folglich wurde der Abstand zwischen Tribünenkörper und Rasen auf ein Minimum beschränkt. Die dichten und steilen Tribünen reizen mit einer Neigung von 24 bis 34 Grad die deutschen Baunormen aus; der Blick des Zuschauers wird dadurch konzentriert auf das Spielfeld gelenkt. Die Sitze der Arena wurden nach den Entwürfen der Architekten angefertigt. Das Stadion verfügt über 2.400 Business Seats auf der Westtribüne und ferner über die 106 teuersten Bundesliga-Logen mit 1.350 Plätzen, die 90.000 bis 240.000 Euro im Jahr kosten und bereits über fünf Jahre ausgebucht sind. Mit der neuen Arena wurde dem alten Olympiastadion ein ähnlich wegweisender Zu kunfts bau entgegengestellt, der mit seiner homogenen Hülle zur unverwechselbaren Ikone wird.
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Business Club, Ebene 4
VIP-Loge
Medienfoyer Medieneinrichtungen VIP-Foyer, Empfangsbereiche, Business Club
Grundriss Ebene 5, VIP-Bereiche
VIP-Bereiche, Lounges, Boxen Cateringzonen, Restaurants undefiniert
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Allianz Arena München
Tribünenschnitt West
Dachaufsicht
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Frankenstadion Nürnberg
Die Tribünen sind auf oktogonalem Grundriss errichtet worden, der dem Stadion seine ungewöhnliche Form verleiht
Installation der neuen Flutlichtanlage
Lageplan
In Nürnberg gehört das Stadion zur Gesamtkonzeption eines 49 Hektar großen Volks- und Sportparks, der in das Landschaftsareal südlich des Dutzendteichs eingebettet wurde. Planender Gartenbaudirektor war 1925/26 Alfred Hensel, der nicht den sportlichen Zweck der Anlage voranstellte, sondern einen Wald- und Erholungspark für die Allgemeinheit. Der Architekt Otto Ernst Schweizer entwarf das Stadion, das 1928 eröffnet wurde. Die Hauptkampfbahn wurde von 6 m hohen Wällen umgeben, die 34.000 Stehplätze boten und deren oktogonale Anordnung dem Stadion seine in Deutschland einzigartige Form geben. Eine 100 m lange Haupttribüne bot auf 15 Sitzreihen 2.544 Plätze. Das ausladende Betondach wurde von sechs gusseisernen Säulen und Mauerwerk getragen. In den 60er Jahren wurden zusätzliche Tribünen errichtet und eine Flutlichtanlage in stalliert. Das städtische Stadion bot danach 64.238 Plätze. 1986 wurde aufgrund von Bauschäden ein Ideenwettbewerb zur Umwandlung des Stadions in eine multifunktionale Arena für ca. 60.000 Zuschauer ausgeschrieben. Der Umbau von 1991 griff die Form der Erdwallanlage auf, um die aufgeständerte Tribünenkonstruktion aus massivem Stahlbeton dort aufzusetzen. Markantes Merkmal ist die blaue Stahlkonstruktion des Daches, das auf 22 m hohen Stützen aufliegt. Der vordere Teil des geknickten Daches ist mit einer 99
Durch die Aufstockung der Ränge der Nordwest- und Südwestkurve wird das Dachrund des Stadions geschlossen
Das Spielfeld wurde um 1,30 m abgesenkt, um den FIFA-Anforderungen zu entsprechen
lichtdurchlässigen Dachhaut versehen, der hintere Teil besteht aus feuerverzinkten Trapezblechen. Nach der Eishockey-WM 2001 sollte Nürnberg auch Spielort der Fußball-WM 2006 werden. Deshalb wurde im Jahr 2000 der Umbau des Frankenstadions durch das Architekturbüro HPP bei laufendem Spielbetrieb für 56,2 Mio. Euro beschlossen, um rund 45.500 voll ständig überdachte Sitzplätze zu stellen. Konzeptionell lehnt sich die Aufstockung der Nordwest- und Südwestränge an die Gestaltung der Tribünen und des Daches vom Be stand an. Durch die Erhöhung der Oberränge um 5.500 neue Sitzplätze wird gleichzeitig die Dachform des Stadions komplettiert. Außerdem wurde den FIFA-Anforderungen entsprechend das Spielfeld um 1,30 m abgesenkt. Ca. 4.000 Plätze der ersten Sitzreihen am Spielfeldrand erhalten eine deutliche Sichtverbesserung mit der erforderlichen Augenüberhöhung von 9 cm. Demnach entsteht zwischen Brüstung und Spielfeld ein Höhenunterschied von 2,20 m, der die Forderungen der FIFA nach zaunfreien Stadien und Sicherheit erfüllt.
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Frankenstadion Nürnberg
Architekt
HPP Hentrich-Petschnigg & Partner
Tragwerksplanung
Köhler & Seitz
Bauherr
Frankenstadion Nürnberg
Generalunternehmer
Bögl/Taube Bau; Schenk Wolf Müller
Baukosten
56,2 Mio. Euro
Planungs- und Bauzeit
2000-2005
Kapazität
44.300 Sitzplätze 47.500 Sitz- und Stehplätze
VIP-Bereich
14 Logen
Ehrengastbereich
(1. OG) 800 Plätze (nach der WM Umbau zu 16 Logen)
Mixed-Zone
600 m 2
Fan-Halle
1.000 m 2
Max. Entf. Sitzplatz-Spielfeld ca. 68 m Min. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 20 m
Spielfeldabsenkung
1,30 m
Dach
Ansicht West (oben) und Grundriss Ebene 4
Spannweite
max. 32 m
Material
Makrolon; Trapezblech
Stützen
18 m Achsabstand; 22 m Länge
In der neuen „Fan-Halle“ in unmittelbarer Nähe der Nordtribüne entstand ein offener, multifunktional nutzbarer Bereich sowie Raum für eine Gaststätte. Entlang des unteren Stadionwalls wurden ca. 8 m breite überdachte Promenaden mit Imbissständen, Kiosken und Sanitäranlagen angeordnet. Ein neues Funktionsgebäude, das „Haus des Sports“ für Ehrengäste und Medienvertreter, wird unmittelbar an die denkmalgeschützte Haupttribüne im ersten Obergeschoss angeschlossen. Weiterhin werden die Funktionsbereiche im Stadion neu geordnet und die Haupttribüne um einen Pressebereich mit 3.500 Sitzplätzen und VIP-Logen erweitert. Der Umbau beinhaltet außerdem eine neue Flutlichtanlage, Anzeigentafel und die Umgestaltung der Außenanlagen. Das Frankenstadion in Nürnberg ist eines der modernsten Universalstadien, das für Leichtathletik- wie für Fußballveran staltungen hervorragend geeignet ist. Durch die Beibehaltung der oktogonalen Grund form wird das Stadion in seiner Gestalt besonders geprägt.
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Gottlieb-Daimler-Stadion Stuttgart
Luftaufnahme des am Neckar gelegenen Stadions im Stadtteil Bad Cannstatt. Das markante Ringseildach diente als Vorbild für einige andere Stadien
Blick von der Tribüne in den Stadioninnenraum
Ansicht
Das besondere Charakteristikum des mehrfach umgebauten Gottlieb-Daimler-Stadions in Stuttgart ist das markante Ringseildach. Diese mit Stoff bespannte Konstruktion diente als Vorbild für einige andere Stadien, wie beispielsweise in Frankfurt, Hamburg und Hannover. Das zunächst auf Leichtathletikveranstaltungen ausgerichtete Stadion wurde anlässlich des Deutschen Turnfestes 1933 im Stadtteil Bad Cannstatt errichtet und fasste 35.000 Zu schauer. Architekt Paul Bonatz (1877-1956), der den Hauptbahnhof, den Zeppelinbau und die Festhalle Feuerbach in Stuttgart erbaut hat, entwarf die Haupttribüne mit einem 14 m auskragenden Eisenbetondach. Die erste Flutlichtanlage wurde 1963 eingerichtet; von 1971 bis 1973 wurde das Stadion für die Fußball-WM 1974 ausgebaut und erhielt eine neue Haupttribüne. Das Fassungsvermögen von zunächst 68.000 Zuschauern verringerte sich im Zuge der Einrichtung von Sitzplätzen auf 54.000. Die größten fußballerischen Erfolge feierte der VfB Stuttgart mit den deutschen Meisterschaften 1950, 1952, 1984 und 1992 sowie dem UEFA-Cup-Endspiel 1989 mit 3:3 gegen den SSC Neapel, nachdem das Hinspiel in Neapel 2:1 verloren worden war.
103
Die zwei äußeren, ovalen Druckringe des Stadions, die sich über das neue Parkhaus erheben, nimmt der Besucher schon von weitem wahr
Querschnitt
Das am Neckar gelegene Stadion ist für Autofahrer von der B10 und für Bahnreisende gut sichtbar. Die Stahl-Seilbinderkonstruktion der Überdachung wurde 1993 für die Leichtathletik-WM erbaut und vom Stuttgarter Ingenieurbüro Schlaich Bergermann und Partner entwickelt. Für die innovative Ringseilkonstruktion mit einem Gewicht von nur 13 kg/m 2 war die Tribünenkonstruktion ausschlaggebend, die keine zusätzlichen Lasten aufnehmen konnte; das Baugelände war eng bemessen und auf eine aufwändige Gründung sollte wegen vorkommender Mineralquellen verzichtet werden. Zudem standen nur 18 Monate für Planung und Ausführung zur Verfügung. Die zwei äußeren ovalen Druckringe, die der Besucher als Erstes wahrnimmt, wenn er sich dem Stadion nähert, folgen weitgehend der Form der bereits vorhandenen Tribünenkonstruktion und liegen auf 40 Außenstützen auf, so dass von jedem Zuschauerplatz eine stützenfreie Sicht in den Stadioninnenraum möglich ist. Der innere Zugring besteht aus 8 Seilen, zu denen 40 radiale Seilbinder von den beiden Druckringen spannen. Die Dachhaut liegt auf den unteren Seilen auf und wird in jedem Feld von sieben tangential verlaufenden Bögen mit Zugbändern gestützt. Die Membran der 34.000 m 2 großen Dachfläche be steht aus PVC-beschichtetem Polyestergewebe. 104
Gottlieb-Daimler-Stadion Stuttgart
Gesamtplanung
Schlaich Bergermann und Partner; Arat-Siegel & Partner; Weidleplan
Bauherr
Landeshauptstadt Stuttgart
Einzelplanung
Züblin; Wolff & Müller; Haslinger Stahlbau; Pfeifer Seil- und Hebetechnik; Koch Hightex
Baukosten
125 Mio. Euro
Planungs- und Bauzeit
1992-2005
Kapazität
54.000 Sitzplätze
Bruttogeschossfläche
12.700 m 2 (3. Bauabschnitt)
Bruttorauminhalt
39.000 m 3 (3. Bauabschnitt)
Max. Entf. Sitzplatz-Spielfeld ca. 82 m Min. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 17,20 m
Dach Stahlkonstruktion
3.120 t
Spannweite
max. 58 m
Oberfläche
34.000 m 2
Material
Polyester, PVC-beschichtet
Stützen
40 Stück; Achsabstand ca. 20 m
Abstand Dachspitze-Laufbahn
25-29 m
Grundriss
Der Entwurf des Daches behält die Möglichkeit vor, einen zweiten Rang über der Haupttribüne aus den 70er Jahren zu errichten sowie die Gegentribüne zu erweitern. Mit dem Ausbau der Haupttribüne wurde 1998 das Architekturbüro Arat-Siegel & Partner beauftragt, deren zweiter Rang von eleganten Baumstützen getragen wird. Es kamen dadurch 5.600 Zuschauerplätze, 44 Logen, 1.500 Business Seats sowie Gastronomie- und Aufenthaltsbereiche hinzu. Außerdem wurden dem Stadion ein viergeschossiges Eingangsgebäude und ein Parkhaus vorgelagert. Die Gegengerade wird für die WM 2006 zum Teil saniert und durch einen zweiten Rang, eine Lounge und gastronomische Einrichtungen ergänzt. Die Ausrichtung des Gottlieb-Daimler-Stadions auf vielfältige sportliche Nutzungen führt zu Weitläufigkeit und bedingt die Distanz des Publikums zum Spielfeld. Die Ausblicke auf die umgebenden Weinberge und Hügelketten entschädigen dafür, dass das Stadion kein „Hexenkessel“ für den Fußballsport ist.
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„Das Dach ist der Star des Stadions“ Interview mit Knut Göppert, Schlaich Bergermann und Partner
Herr Göppert, das Ingenieurbüro Schlaich Bergermann und Part-
Dieses System haben wir in Stuttgart zum ersten Mal angewandt,
ner hat für fünf WM-Stadien Dachtragwerke entwickelt. Worin
danach unter anderem auch noch in Malaysia, Stuttgart, Frankfurt,
sehen Sie die größte Herausforderung beim Bau eines Stadions?
Hamburg und Wolfsburg. Wir hatten in Stuttgart die Aufgabe, zu überprüfen, wie man — bei bestehender Stadion-Schüssel und vor-
Ich vertrete die vielleicht etwas provokante These, dass das Dach
handener Haupttribünenüberdachung — drei Viertel des Stadions
der Star des Stadions ist, weil es den höchsten Wiedererkennungs-
überdachen kann. Wir haben dann ziemlich schnell erkannt, dass
wert hat, für Fachleute ebenso wie für Laien, vor Ort ebenso wie im
es effizienter und ökonomischer ist, das bestehende Dachviertel zu
Fernsehen. Das Dach trägt dazu bei, das oft erwünschte „Hexen-
entfernen und ein komplett neues Dach zu bauen, weil sich eine Er -
kesselerlebnis“ zu erzeugen. Eine gute Atmosphäre und ein gutes
weiterung eines bestehenden Kragdaches nur dann anbietet, wenn
Erlebnis im Stadion tragen neben der Verbesserung des Komforts
die Schüssel diese Konstruktion von vorneherein unterstützt und
natürlich dazu bei, dass der Besucher gerne wiederkommt, und so
beide aufeinander abgestimmt und zusammen konzipiert sind. 1991
lassen sich Zuschauerzahlen steigern. Für die Konstrukteure bietet
kamen die Hamburger auf uns zu und wollten ein reines Fußball-
das Dach viele Möglichkeiten, gute Ingenieursarbeit zu leisten
stadion mit rechteckigem Grundriss haben. Der Druckring folgt hier
ohne die Optik zu vernachlässigen.
nicht der Schüssel: Wir haben eine leichte Krümmung am Innenrand konzipiert, die in vier ausgeprägten Ecken endet. Diese Kon-
Wie unterscheiden sich die Dachkonstruktionen der Stadien?
struktion ist trotzdem noch ein Speichenrad, weil die Radialseile mit der Felge und dem inneren Zugring ein Gleichgewichtssystem
106
Die Stadiendächer für Frankfurt, Stuttgart und Hamburg sind nach
bilden. Es ist der Trick jeder Speicheradkonstruktion, dass die Radien
dem Prinzip des Speichenrades konstruiert. Die Hauptidee liegt da -
des äußeren Ringes affin zu den inneren Ringen sind. Wenn man das
rin, dass sich die Kräfte aus den Seilen in den äußeren Stahlringen
beachtet, kann man durch die Konzentration einiger Radialseile auf
— den Felgen — kurzschließen und nicht im Boden verankert werden
eine scharfe Ecke auch nahezu rechteckige Dachränder konstruie-
müssen. Im Prinzip sitzen diese Ringe nur auf den Stützen auf, man
ren. So ähnlich haben wir das auch in Frankfurt und in Wolfsburg
braucht nur kleine Fundamente und einige wenige Auskreuzungen.
ge macht.
Gottlieb-Daimler-Stadion Stuttgart
Detail der elegant geschwungenen Unterkonstruktion des Membrandachs
Wie kam es zu der Entwicklung des Speichenrades?
Wie sieht für Sie die Tragwerksplanung für das Stadion der Zu kunft aus?
Wir haben schon vor 17 Jahren in Spanien ein Speichenraddach ge baut, und es gab auch vorher schon ähnliche Konstruktionen, z.B.
In letzter Zeit haben wir immer wieder Stadien abgerissen, die 25
im Madison Square Garden. Mit vorgespannten Seilkonstruktionen
bis 30 Jahre alt waren, um Sie durch Neubauten zu ersetzen. Da
wollen wir effiziente Lösungen nicht nur für Stadiondächer, son-
kommt natürlich die Frage auf, ob wir nach einer ähnlichen Nut-
dern z.B. auch für Brücken und gläserne Fassaden entwickeln. Bei
zungsdauer den Abriss der heute von uns gebauten Stadien erleben
Speichenraddächern ist von der Konstruktion sehr wenig zu sehen.
werden. Ich könnte mir schon vorstellen, dass mit Ausnahme des
Dieses System kann optimal mit Membrankonstruktionen kombi-
Berliner Olympiastadions, einige heutige Stadien nach einer ähn-
niert werden, weil sich dadurch große Flächen mit wenig Eigenge -
lichen Zeitspanne wieder ersetzt werden müssen. Ich denke, dass
wicht überdachen lassen.
Stadien als Bauwerke in Zukunft noch flexibler und wandelbarer sein werden, dies gilt für die Tribünen und für die Dächer gleicher-
Welches Material verwenden Sie als Dachmembran?
maßen. Das wandelbare Dach wird zum Standard gehören: Dächer, welche sich über dem Spielfeld öffnen und schließen, die komplett
Wir benutzen als Membranen PVC-beschichtete Polyestergewebe
zurückfahren, um weiterhin den Freiluftcharakter zu bewahren.
und PTFE-beschichtete Glasgewebe, die sich beide durch ein gerin-
Große Diskussionen wird es aber sicher aufgrund des Rasens geben.
ges Kriechverhalten auszeichnen. Die in Versuchen bestimmte Kriech-
Ich bin sicher, dass wir zur WM schöne Rasen haben werden, weil
verformung wird von uns überspannt. Wir bauen die Membran mit
diese kurz vor den Spielen hineingelegt werden, aber danach wird
einer etwas höheren Vorspannung ein und erhalten so im Laufe der
die Diskussion über den Gebrauch von Kunstrasen wieder aufkom-
Zeit den endgültigen Zustand der Membran. So kommen wir ohne
men. Und eine Entscheidung für Kunstrasen könnte auch zu einer
Nachspannen aus, was die Ästhetik dieser Bauweise un ter stützt.
wesentlich veränderten Vorgabe in der Stadionplanung führen.
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Weserstadion Bremen
Architekt
Gildehaus Lankenau Architekten BDA
Architekt
JSK Architekten
Tragwerksplanung
Hoßfeld + Martens
Bauherr
Bauherr
Bremer Weserstadion GmbH
Multifunktionsarena Immobiliengesellschaft
Generalunternehmer
Pro Con Ingenieurgesellschaft mbH
Generalunternehmer
Baukosten
12,5 Mio. Euro (Kapazitätserweiterung) 20 Mio. Euro (Nordtribüne Mantelbau)
Walter Bau-AG vereinigt mit Dywidag und ABB
Planungs- und Bauzeit
2001-2002 (Kapazitätserweiterung) 2001-2004 (Nordtribüne Mantelbau)
Kapazität
37.441 Sitzplätze 43.087 Sitz- und Stehplätze
Baukosten
218 Mio. Euro
Planungs- und Bauzeit
2002-2004
Kapazität
51.500 Sitzplätze (66.500 bei Konzerten)
Kosten pro Sitzplatz
4.233 Euro
VIP-Logen
70 (720 Plätze); 384 Business Seats
Dach
Ehrengast-Plätze
262
Stahlkonstruktion
8.000 t
Parkgarage für VIP-Gäste
77 Stellplätze
Spannweite
max. 180 m
Oberfläche
47.235 m 2
Bruttogeschossfläche
16.859 m 2
Bruttorauminhalt
69.290 m 3
Max. Entf. Sitzplatz-Spielfeld ca. 58 m Min. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 8 m
Neigungswinkel Unterrang
16 Grad
Neigungswinkel Oberrang
27 Grad
Dach Spannweite
max. 25,50 m
Oberseite
19.400 m 2
Unterseite
15.300 m 2
Material
Stahltrapezblech, bituminös abgedichtet
Nordtribüne Stahlbeton (Ortbeton)
6.500 m 3 / ca. 710 t
Stahlbeton (Fertigteile)
850 Stück / ca. 363 t
Spielfeldabsenkung
2,10 m
Erdarbeiten
16.300 m 3 Abtrag und Aushub
Erdarbeiten Spielfeldabsenkung ca. 38.500 m 3
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LTU Arena Düsseldorf
Bay Arena Leverkusen
Architekt
Jörissen und Partner
Bauherr
Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH
Generalunternehmer
Bayer AG
Planungs- und Bauzeit
1986-1999
Nordpark-Stadion Mönchengladbach
Architekt
Planungsgruppe B; Architekten BDA Stadtplaner; L. Oehmichen - D. Haasen;
Tragwerksplanung
HOCHTIEF Technik
Bauherr
Borussia Bau- und Besitz GmbH
Kapazität
22.500 Sitzplätze (zzgl. 1.200 Variositze)
Generalunternehmer
Hochtief Construction AG
Kosten pro Sitzplatz
ca. 1.500 Euro
Baukosten
67 Mio. Euro
VIP-Bereich
10 Logen (à 12-14 Plätze); 600 Business Seats
Planungs- und Bauzeit
2002-2004
Kapazität
45.000 Sitzplätze 60.000 Sitz- und Stehplätze
Kosten pro Sitzplatz
1.470 Euro
Tiefgarage für VIP-Gäste
90 Stellplätze
Konferenzbereich
1.300 m 2 (14 Räume)
Bruttogeschossfläche
ca. 25.000 m 2
VIP-Bereich
42 Lounges, 1.520 Business Seats
Bruttorauminhalt
ca. 80.000 m 3
Presseplätze
150
Behindertenplätze
74
Bruttogeschossfläche
18.500 m 2
Max. Entf. Sitzplatz-Spielfeld ca. 40 m Min. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 6 m
Dach
Max. Entf. Sitzplatz-Spielfeld ca. 58 m
Stahlkonstruktion
1.800 t
Spannweite
max. 150 m
Oberfläche
30.000 m 2
Dach
Material
Kaltverformte Stegdoppelplatten aus Makrolon
Stahlkonstruktion
3.000 t
Spannweite
max. 34,20 m
Oberfläche
24.000 m 2
Material
Stahltrapez; Dämmschicht; Makrolon
Restaurants
3
Fast Food Restaurant
1
Pressebereich
128 Multimedia-Arbeitsplätze
Soundsystem
6.000 Watt
Zaunanlage
400 m Länge (versenkbar)
Rasenheizung
16-24 Grad Durchschnittstemperatur; 30 km Rohrsystem
Flutlicht
220 Strahler mit 440 Kilowatt
Gasstrahlheizkörper
250 Stück (unter dem Stadiondach)
Min. Entf. Sitzplatz-Spielfeld
ca. 10 m
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Biografien
Oliver Kleinschmidt geb. 1965, studierte von 1995 bis 1999 Kommunikationsdesign in Stuttgart. Er arbeitet als grafischer Gestalter in Berlin. 1977 war er Kapitän für ein Spiel beim SSV Germania Küllenhahn/Wuppertal. Heute spielt er Fußball in der Verteidigung des 11-Freunde-Teams oder gegen seine Söhne.
Philipp Köster geb. 1972, ist Redaktionsleiter der Zeitschrift 11 Freunde — Magazin für Fußballkultur. Außerdem schreibt er turnus gemäß den Bundesliga-Kommentar für Spiegel Online und wöchentliche Kolumnen für die Neue Westfälische. Bisherige Buchveröffentlichungen: Lötzsch: der lange Weg eines Jahrhunderttalents und Ballgefühl und Rassehasen — Die Günter-Hetzer-Kolumnen.
Angelika Schnell geb. 1962, studierte Theaterwissenschaften und Architektur in München, Berlin und Delft. Von 1993 bis 2001 war sie Redakteurin der Zeitschrift archplus. Angelika Schnell lehrt Architekturgeschichte und Architekturtheorie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Schwerpunkte: Architektur und Städtebau des 20. Jahrhunderts, Medien und Architektur. In den 80er Jahren spielte sie in der Hockey-Bundesliga und wurde mit ihrer Mannschaft Deutscher Meister. Sie ist bekennender Fußball-Fan.
Gernot Stick geb. 1974, Studium der Architektur 1995-2002 an der BTU Cottbus. Thema seiner Diplomarbeit war die „Multifunktionsarena in Wilhelmshaven“, die vom baunetz zum „Diplom der Woche“ gekürt wurde. Lebt und arbeitet seit 2002 in Melbourne, wo er in seiner Freizeit der Faszination Stadion mit dem Besuch von Cricket- und Footy-Spielen (Australian Rules Football) nachgeht.
Bildnachweis Der Autor dankt allen Fotografen und Organisationen für ihre freundliche Erlaubnis, die Fotografien und Zeichnungen zu reproduzieren. Sofern nicht anders vermerkt, wurden Zeichnungen von den Architekturbüros zur Verfügung gestellt. 11 Angelika Schnell | 12 oben, 13 Witters | 17 Reinaldo Coddou H. | 18, 19 Witters | 22, 23 rechts Heiner Leiska | 23 links Zentralblatt der Bauverwaltung Heft 31, Jg. 56, Berlin 1936 | 24 links gmp | 24 rechts Heiner Leiska | 25-27 Reinaldo Coddou H. | 28 Heiner Leiska | 31 gmp | 34 Carsten Kobow | 35 links Laubner-Luftbild-Bonn | 35 rechts, 36 links Hochtief | 36 Mitte, rechts Carsten Kobow | 37-39 Reinaldo Coddou H. | 40 Carsten Kobow | 42 Reinaldo Coddou H. | 43 Peter Junker | 44 gmp | 45 Schlaich Bergermann und Partner | 48 Jochen Helle | 49, 50 Manfred Hanisch | 51-53 Reinaldo Coddou H. | 54 links Gernot Stick | 54 rechts Manfred Hanisch | 56 Siegfried Kühl | 57, 58 Schlaich Bergermann und Partner | 59-62 Reinaldo Coddou H. | 63 Heinrich Hecht Photography | 64, 65 Schulitz + Partner | 68, 69 Fiebiger GmbH | 70 oben Reinaldo Coddou H. | 70 unten Fiebiger GmbH | 72 gmp-archiv | 74 Jürgen Schmidt | 75-77 Reinaldo Coddou H. | 78, 80 Bertram Kober / PUNCTUM Leipzig | 81-83 Reinaldo Coddou H. | 84 Bertram Kober / PUNCTUM Leipzig | 86, 87 Allianz Arena | 89-91 Reinaldo Coddou H. | 91 unten Herzog & de Meuron in Zusammenarbeit mit acadGraph GmbH / CAT Production | 92-93 Allianz Arena | 94, 95 links co ver tex GmbH | 95 rechts Gernot Stick | 96 Paul Wolff | 98 Reinaldo Coddou H. | 99, 100 Stadt Nürnberg Presse- und Informationsamt | 102 Manfred Storck | 103 Reinaldo Coddou H. | 104 Manfred Storck | 107 Gernot Stick | 108 links Bremer Weserstadion GmbH | 108 rechts Gernot Stick | 109 links KS Verlag | 109 rechts Dieter Wiechmann Wir haben uns intensiv bemüht, die Rechte für die einzelnen Abbildungen zu verfolgen und zu wahren. Sollte es trotzdem zu unbeabsichtigten Versäumnissen gekommen sein, entschuldigen wir uns bei Fotografen, Organisationen und Architekten im Voraus und würden uns freuen, die passende Anerkennung in einer folgenden Ausgabe einzusetzen.
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