Soziale Ausgrenzung im Medium der Predigt: Der franziskanische Antijudaismus im spätmittelalterlichen Italien 9783412215125, 9783412202972


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Soziale Ausgrenzung im Medium der Predigt: Der franziskanische Antijudaismus im spätmittelalterlichen Italien
 9783412215125, 9783412202972

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Norm und STRUKTUR STUDIEN ZUM SOZIALEN WANDEL iN mittelalter und früher Neuzeit In Verbindung mit Gerd Althoff, Heinz Duchhardt, Peter Landau, Klaus Schreiner, Gerd Schwerhoff Herausgegeben von

Gert Melville Band 35

soziale ausgrenzung im medium der predigt Der franziskanische Antijudaismus im spätmittelalterlichen Italien von

michael hohlstein

2012 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-20297-2

Vorwort

Das Vorwort zu einer Arbeit, die im April 2004 am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien in Erfurt als Dissertation erfolgreich verteidigt wurde und nun spät zum Druck gelangt, kann nicht ohne Hinweise auf mögliche Veränderungen geschrieben werden, die der Text in den letzten Jahren erfahren hat. Das vorliegende Buch unterscheidet sich vom ursprünglichen Manuskript nur in Teilen des Aufbaus und – in wenigen Einzelfällen – in der Einarbeitung neuerer Literatur. Die Argumentation hingegen ist unverändert beibehalten worden. Die Arbeit entstand in unterschiedlichen institutionellen Kontexten, für ein Jahr in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Bielefelder Graduiertenkolleg Sozialgeschichte von Gruppen, Schichten, Klassen und Eliten, anschließend am Max-Weber-Kolleg mit einem Stipendium der Vereinigten Kirchen- und Klosterkammer Erfurt, unterbrochen durch einen einjährigen, vom Ministero per i Beni Culturali ermöglichten Forschungsaufenthalt in Rom und Padua. Ohne die mit den Institutionen verbundenen Finanzierungen wäre die Arbeit nicht zu einem guten Ende gekommen. Das Vorwort gilt aber vor allem als Dank denen, mit denen ich über meine Arbeit sprechen konnte. Danken möchte ich zunächst meinem akademischen Lehrer und Doktorvater Prof. Dr. Klaus Schreiner, der das Thema über all die Jahre nicht nur kritisch begleitete, sondern mir großzügig Freiheiten im wissenschaftlichen Arbeiten ließ und angesichts der Dauer von Manuskripterstellung und Drucklegung immer wieder Verständnis und Geduld aufbrachte. Prof. Dr. Dorothee Wierling (Hamburg) danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens, vor allem aber für anregende Gespräche in Erfurt, in denen sich eine Neuzeithistorikerin mit hilfreichem Rat in ein mediävistisches Thema einbrachte. Prof. Dr. Heinrich Rüthing (Bielefeld) verdanke ich mehr als konstruktive Kritik im Gang der Arbeit; er weckte erst während meiner Bielefelder Studienjahre mein Interesse am Mittelalter. Prof. Dr. Ulrich Meier (Bielefeld) und PD Dr. Norbert Schnitzler (Bielefeld/Chemnitz) danke ich für die kritischen Gespräche zum Thema und die Lektüre von Teilen der Arbeit, ebenso Heike Uffmann und Felix Schnell, mit denen ich im Bielefelder Graduiertenkolleg zusammenarbeiten konnte. Prof. Dr. Gabriela Signori (Konstanz) brachte Einwände und Anregungen vor, die der Arbeit neue Impulse gaben. Für äußerst spannende Diskussionen des Themas in Erfurt danke ich besonders dem damaligen Dekan des Max-Weber Kollegs Prof. Dr.

vi

Vorwort

Wolfgang Schluchter und den Fellows Prof. Dr. Hans G. Kippenberg und Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf. Dr. Bettina Hollstein (Erfurt) danke ich für manch offenes, mit notwendigem Nachdruck gesprochenes Wort, mit dem sie die Fertigstellung der Arbeit anmahnte und einforderte. Mein Dank gilt weiterhin den Mitarbeitern aller Archive und Bibliotheken, die mir ihre Bestände zur Verfügung stellten. Danken möchte ich auch den Herausgebern der Reihe Norm und Struktur und dem Böhlau Verlag für die Aufnahme meiner Dissertation in diese Reihe. Vielen Anderen gebührt ebenfalls mein Dank. Nennen möchte ich hier besonders Dr. Sven Wöhler und Frank Ertel, deren große Hilfe, ihre stilistische und analytische Kritik die Arbeit so viel besser gemacht hat. Ich stehe tief in ihrer Schuld. Mein Freund Gerold Janssen opferte freie Zeit für die Korrektur des wissenschaftlichen Apparats. Angelica Hilsebein (Konstanz/Münster) korrigierte ebenfalls Teile der Arbeit und beförderte die Publikation allein schon durch ihre beharrlichen Nachfragen zum Erscheinungsjahr. Ein besonderer Dank gilt daneben Anne Kathrin Diekjobst, die den Text für den Druck nochmals lektoriert hat und sogar das Layout zu einer kurzweiligen und vergnüglichen Angelegenheit werden ließ. Die noch verbliebenen Fehler und Unzulänglichkeiten habe ich allein zu verantworten. Zum Schluß möchte ich mich bei meiner Familie und meinen Freunden bedanken, die immer für mich da waren, wenn ich sie brauchte. Die so oft erfahrene Nachsicht mit mir, der im Archiv, in Bibliotheken oder am Schreibtisch selbst Familie und Freunde vernachlässigte, lehrte mich Freundschaft verstehen und läßt mich heute nur tiefe Dankbarkeit empfinden. Zueignen möchte ich dieses Buch meiner Frau Bettina und unseren Kindern Neele Marit und Frida Lotte.

Michael Hohlstein

Inhalt

I.

EINLEITUNG ............................................................................................... 1 1.

Gegenstand und Fragestellung ...................................................................... 1

2.

Stand und Perspektiven der Forschung .....................................................12

3.

Begriffe und Methode................................................................................... 32

4.

Die Quellen .................................................................................................... 41

II.

ANTIJUDAISMUS IN DER PREDIGT ................................................53 1.

Ad Iudaeos – den Juden predigen? ...........................................................53

1.1.

Predigt und Mission................................................................................... 54

1.2.

Mendikantenpredigt und Judenmission .................................................67

1.3.

Italienische Franziskanerprediger im späten Mittelalter – praedicatio ad iudaeos? ............................................................................. 75

2.

Contra Iudaeos I – Antijudaismus als Medium christlicher Identität ...................................................................................... 86

3.

Contra Iudaeos II – Grenzen des jüdisch-christlichen Zusammenlebens ........................................................................................ 107

3.1.

Die tolerantia iudaeorum ....................................................................... 118

3.1.1.

Antijüdische Normen I – Die kirchliche Judengesetzgebung .... 129

3.1.2.

Antijüdische Normen II – Wider das Kirchenrecht .................... 146

3.2.

Antijüdische Rhetorik – ‚Iudeum esse est delictum‘ ................................. 155

3.2.1.

Schandhafte Taten und Worte gegen Christen ............................. 158

3.2.2.

Schandhafte Worte und Taten gegen Gott .................................... 169

III.

PREDIGT IM KONTEXT POLITISCHER PRAXIS ..................... 185

1.

Predigt und Ordnung................................................................................. 185

2.

Die persuasive Strategie der Prediger...................................................... 197

2.1.

Performanz .............................................................................................. 201

2.2.

Diskurse .................................................................................................... 206

3.

Zwischen Geltungsanspruch und Wirkung – Padua im Zeichen antijüdischer Predigten .............................................................................. 221

IV.

SCHLUSS .................................................................................................... 241

V.

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS ............................ 248 1.

Ungedruckte Quellen ................................................................................. 248

2.

Gedruckte Quellen ..................................................................................... 250

3.

Darstellungen .............................................................................................. 255

VI.

ORTS-, PERSONEN- UND SACHREGISTER................................ 297

I.

Einleitung

1. Gegenstand und Fragestellung Die Darstellung von Andersgläubigen in der religiösen Unterweisung ist ein altes, zugleich aber auch – dies lehrt die jüngere Vergangenheit – ein aktuelles Problem. Seit den Anschlägen auf Ziele in den USA am 11. September 2001 sind wiederholt extremistische Islamlehrer in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt, die Haß gegen Glaubensfremde predigen. Auf christlicher Seite sind noch die Debatten lebhaft in Erinnerung, die um die judenfeindlichen Äußerungen des Prälaten der Danziger Brigittenkirche Henryk Jankowski in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre geführt wurden. Im Jubeljahr 2000 beschworen katholische Geistliche in Italien zuweilen einen ‚Kampf der Kulturen‘ 1 und warnten eindringlich vor einer angeblichen Islamisierung der westlichen Welt und ihres christlichen Fundaments. Am 14. Oktober 2000 harrten Anhänger der Lega Nord, Verbündete von Forza Italia und Rechtsextremisten der Partei Pino Rautis auf einer Wiese am Stadtrand von Lodi im strömenden Regen aus. Was die ungefähr 1000 Personen veranlaßte, meteorotropen Unbill zu ertragen, war ihr Protest gegen den dort geplanten Bau einer Moschee. Geistlichen Beistand lieferte ihnen der 75jährige Priester Don Mario. Er feierte eine kurze Messe und segnete anschließend den Platz, den die Stadt der islamischen Gemeinde zur Verfügung gestellt hatte. Neben dem persönlichen Eifer des ‚Hofkaplans‘ der Leghisti war es vor allem die Weigerung der örtlichen kirchlichen Hierarchie, die Protestler zu unterstützen, die Don Mario veranlaßt hatte, aus Mantua herbeizueilen. Der Bischof von Lodi hatte Priestern seiner Diözese die Teilnahme an der grotesk anmutenden Veranstaltung, bei der man unweigerlich an die Auseinandersetzung um die römische Moschee auf dem Monte Antenne 1

Den Clash of Civilization – in der deutschen Übersetzung als Kampf der Kulturen in die einschlägige Literatur eingeführt – als Movens weltpolitischen Wandels betonte SAMUEL P. HUNTINGTON, The Clash of Civilizations?, in: Foreign Affairs 72,3 (1993), S. 22-49; DERS., The Clash of Civilizations and the Remaking World Order, New York 1996. Die Thesen Huntingtons erfuhren jedoch heftigsten Widerspruch aus unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen. Als Einführung in die Kontroverse sind die Beiträge im Sammelband Imaginierte Kulturen – reale Kämpfe. Annotationen zu Huntingtons „Kampf der Kulturen“, hg. von Monika Mokre, Baden-Baden 2000 hilfreich, sowie die Monographie von THOMAS MOHRS/SRI KUHNT-SAPTODEWO, Interkulturalität als Anpassung. Eine evolutionstheoretische Kritik an Samuel P. Huntington, Frankfurt a.M. u.a. 2000.

2

Einleitung

erinnert wurde, untersagt und daran erinnert, daß in Italien Religionsfreiheit herrsche. 2 Doch nicht alle hochrangigen Vertreter der kirchlichen Hierarchie zeigten sich im anno giubileo derart maßvoll und zurückhaltend gegenüber traditionellen, in Italien nie ganz verstummenden Forderungen nach einem katholischen Konzept von Staatsreligion. Für großes Aufsehen sorgte der Erzbischof von Bologna, Kardinal Giacomo Biffi, der in einem bischöflichen Hirtenbrief forderte, den Zuzug von Muslimen nach Italien zu begrenzen und stattdessen die Einwanderung von außereuropäischen Katholiken zu fördern. Warb Biffi zuvorderst um die Wahrung einer nationalen, italienischen Identität – wobei die Anwendung religiöser Kriterien für ein laizistisch verfaßtes Staatsgebilde heftigsten Widerspruch hervorrief – so galt sein Interesse doch auch der Verteidigung abendländischer, christlicher Traditionen. Sollte Europa nicht wieder rein christlich werden, so die erzbischöfliche Befürchtung, werde der Islam siegen. Gedanken an eine friedliche Koexistenz unterschiedlicher Religionen oder religiöse Pluralität wies er in seinem pastoralen Schreiben entschieden zurück und begründete dies damit, daß islamische und christliche Glaubensüberzeugungen unvereinbar seien und das Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen erhebliche Probleme schaffe. 3 Im Mai 2006 stellte die katholische Amtskirche in Polen das nationalkatholische ‚Radio Maria‘ unter besondere Beobachtung. Der 1991 vom Redemptoristenpater Tadeusz Rydzyk gegründete Sender geriet unter anderem in den Verdacht, seine Zuhörer abweichend von der kirchlichen Lehrmeinung in Fragen des Glaubens und der Moral zu unterrichten. Darüber hinaus ist wiederholt auf seinen xenophoben, vor allem antisemitischen Charakter hingewiesen worden. Derartige Phänomene christlicher Intoleranz stehen im Widerspruch zur offiziellen römisch-katholischen Doktrin. Das heilige Jahr 2000 als Jahr der innerchristlichen Buße und Vergebung nutzte der apostolische Stuhl zugleich für eine Bestimmung des Verhältnisses der katholischen Kirche zu anderen christlichen Glaubensgemeinschaften und nichtchristlichen Religionen. Die von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) am Aschermittwoch des Jubeljahres öffentlich vorgetragene Bitte um Vergebung für Schuld gegenüber Nichtkatholiken, die Glieder und Repräsentanten der Kirche in der Vergangenheit auf sich geladen hatten, sollte einem vertieften interreligiösen und interkulturellen Dialog dienen. Durch das Schuldeingeständnis, so die offizielle Auffassung der katholischen Kirche, verliere die Evangeliumsverkündigung keineswegs an Schwung, es helfe jedoch, negative Aspekte katholischer Glaubensbezeugung zu verhindern und den Weg für Dialog und Versöhnung gemeinsam zu beschreiten. 4 2 3 4

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Oktober 2000, Nr. 243. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. September 2000, Nr. 215. Memoria e riconciliazione. La Chiesa e le colpe passato, hg. von der Commissione Teologica Internationale, Mailand 2000, S. 105f.

Gegenstand und Fragestellung

3

Die besondere Aufmerksamkeit katholischer Theologen und Kirchenvertretern galt in den letzten Jahrzehnten dem christlich-jüdischen Verhältnis. Im Dekret ‚Nostra aetate‘ vom Ende des II. Vaticanum (1962-1965) beklagte die katholische Kirche im Bewußtsein des gemeinsamen Erbes, das sie mit den Juden teilt, „alle Haßausbrüche und Verfolgungen, alle Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgendeinem gegen die Juden gerichtet haben“. Das Konzilsdekret erinnert an das Band, durch das die Christen als Volk des Neuen Bundes mit dem Stamme Abrahams geistlich verbunden seien. Von den Israeliten habe die Kirche die alttestamentliche Offenbarung empfangen; aus dem Volk des Alten Bundes stammten Christus, die Gottesmutter Maria und die Apostel. Der Text weist zudem die Vorstellung von einer Kollektivschuld der Juden am Tod Christi entschieden zurück und mahnt, „daß niemand in der Katechese oder bei der Predigt des Gotteswortes etwas lehre, das mit der evangelischen Wahrheit und dem Geist Christi nicht im Einklang“ stehe. So dürfe man zum Beispiel „Juden nicht als von Gott verworfen oder verflucht darstellen“ 5. Die Diskussion über die pastoraltheologischen Implikationen von ‚Nostra aetate‘ lief in den folgenden Jahren weiter und fand am 24. Juni 1985 einen vorläufigen Abschluß in einer Erklärung der Vatikanischen Kommission für die religiöse Beziehung zum Judentum im Sekretariat für die Einheit der Christen. Die ‚Hinweise für eine richtige Darstellung von Juden und Judentum in der Predigt und in der Katechese der katholischen Kirche‘ halten am Wahrheitsanspruch des katholischen Heilsweges fest. Selbstsicher wird verkündet, daß die Kirche „Christus als Erlöser vor allen Menschen bezeugen“ müsse. Möglich sei dies aber nur „im strengsten Respekt vor der Religionsfreiheit, wie sie vom Zweiten Vatikanischen Konzil (...) gelehrt worden“ sei. Mit Blick auf die Juden und das Judentum übernehmen die ‚Hinweise‘ die Inhalte des Konzilsdekrets. Es gelte nicht nur antisemitischen Vorurteilen und Handlungen entgegenzutreten; vielmehr sei es Aufgabe der Kirche, die Gläubigen „in richtige Kenntnis des völlig einzigartigen Bandes“ zwischen Christen und Juden zu setzen. Der Schlüssel hierfür liege in der katholischen Lehrverkündigung, der Predigt und der Katechese, in der Juden und Judentum nicht ein Platz am Rande eingeräumt werden dürfte, sondern vielmehr „ihre unverzichtbare 5

Nostra aetate, in: Sacrosanctum Oecumenicum Concilium Vaticanum II. Constitutiones, Decreta, Declarationes, cura et studio Secretariae generalis, Vatikanstadt 1966, Nr. 36. Zur Einführung über das II. Vaticanum immer noch grundlegend HUBERT JEDIN, Das Zweite Vatikanische Konzil, in: Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. 7, hg. von dems. und Konrad Repgen, Sonderausgabe Freiburg-Basel-Wien 1985, S. 97-151. Siehe auch die Beiträge in der neueren Aufsatzsammlung Das II. Vatikanum. Christlicher Glaube im Horizont globaler Modernisierung. Einleitungsfragen, hg. von Peter Hünermann, Paderborn u.a. 1998. Vgl. auch N.N., Die Konzilsdebatte über Juden und Nichtchristen, in: Herder-Korrespondenz 19 (1964/65), S. 125-129 und AUGUSTIN BEA, Die Kirche und das jüdische Volk, Freiburg i.Br. u.a. 1966.

4

Einleitung

Gegenwart in die Unterweisung organisch eingearbeitet werden“ sollte. Der Auftrag ist eindeutig formuliert: „Die religiöse Unterweisung, die Katechese und die Predigt müssen nicht nur zur Objektivität, Gerechtigkeit und Toleranz erziehen, sondern zum Verständnis plus zum Dialog.“ 6 Die angeführten Beispiele von Intoleranz gegenüber Glaubensfremden in der religiösen Unterweisung sowie das gegenwärtige Bemühen um christliche Predigt als Teil eines verständnisvollen interreligiösen Gesprächs geben der vorliegenden Arbeit eine besondere Aktualität. Zur Debatte stelle ich jedoch eine unheilvolle Vergangenheit: Den Antijudaismus in christlichen Predigten des späten Mittelalters. Es ist Konsens innerhalb der mediävistischen Forschung, die Geschichte der Juden in der christlichen Umwelt des lateinischen Mittelalters tendenziell als eine Geschichte zunehmender, in ihrer negativen Ausgestaltung weitestgehend von Christen bestimmten gesellschaftlichen Marginalisierung, Ab- oder gar Ausgrenzung und das christlich-jüdische Verhältnis als sich zuspitzenden Konflikt und wachsende Polarisierung zu schreiben. 7 Eine genaue Analyse der Gründe der zunehmenden Marginalisierung jüdischen Lebens im späteren Mittelalter steht noch aus. 8 Fragen nach den Verbreitungsformen zunehmender Judenfeindschaft werden hingegen einmütig beantwortet. Neben Bildern und geistlichem wie weltlichem Spiel wird immer wieder auf das Medium der Predigt verwiesen, wenn nach massenwirksamen Verbrei6

7

8

VATIKANISCHE KOMMISSION für die religiöse Beziehung zum Judentum, Hinweise für eine richtige Darstellung von Juden und Judentum in der Predigt und in der Katechese der katholischen Kirche, in: Herder-Korrespondenz 39 (1985), S. 467-471. Für einen ersten Zugriff auf die Geschichte jüdischen Lebens innerhalb des lateinischen Mittelalters immer noch unverzichtbar MORITZ GÜDEMANN, Geschichte des Erziehungswesens und der Cultur der abendländischen Juden während des Mittelalters und der neueren Zeit, 3 Bde., Wien 1880-1888 sowie die entsprechenden Bände der voluminösen Arbeiten von HEINRICH GRAETZ, Geschichte der Juden. Von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, 13 Bde., Auflage letzter Hand Leipzig 1890-1908 (ND Berlin 1998) und SALO W. BARON, A Social and Religious History of the Jews, 18 Bde., New York-London 21952-1983. Vgl. auch SEMEN M. DUBNOV, Weltgeschichte des jüdischen Volkes. Von seinen Uranfängen bis zur Gegenwart, 10 Bde., Berlin 1925-1929 ebenso wie GEORG CARO, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Juden im Mittelalter und der Neuzeit, 2 Bde., Leipzig 1908/1920 (ND Hildesheim 1964). Neuere Darstellungen zur Geschichte der Juden in der alteuropäischen Gesellschaft FRIEDRICH BATTENBERG, Das Europäische Zeitalter der Juden. Zur Entwicklung einer Minderheit in der nichtjüdischen Umwelt Europas, Teilband 1: Von den Anfängen bis 1650, Darmstadt 1990 sowie ANNA FOA, Ebrei in Europa. Dalla peste nera all’emancipazione, XIV-XVIII secolo, Bari 1992. Vgl. auch KENNETH R. STOW, Alienated Minority. The Jews of Medieval Latin Europe, Cambridge-London 1992. Interessante Einsichten bietet auch LÉON POLIAKOV, Geschichte des Antisemitismus, 8 Bde., Worms 1977-1988. Einen kurzen Überblick über unterschiedliche Erklärungsmodelle für die mittelalterliche Judenfeindschaft bei MICHAEL TOCH, Die Juden im mittelalterlichen Reich, München 1998, S. 110-122.

Gegenstand und Fragestellung

5

tungsformen antijüdischer Inhalte gefragt wird. 9 Dieser komme – so der allgemeine, seit langem vorgebrachte Tenor 10 – zentrale Bedeutung für die popularisierende Verbreitung christlicher Judenfeindschaft zu, gilt sie doch gemeinhin für das Mittelalter als „das einzige und für breite Schichten bis ins 18. – an der ländlichen Peripherie bis spät ins 19. Jahrhundert – das wichtigste Mittel dessen (...), was man als Massenkommunikation zu bezeichnen pflegt“. 11 Es bedarf jedoch einiger inhaltlicher Einschränkungen, um den Untersuchungsgegenstand handhabbar zu machen. Der Fokus meiner Arbeit liegt auf der franziskanischen Predigt im Italien des 15. und frühen 16. Jahrhunderts. Die personale, zeitliche und räumliche Konzentration verlangt eine Begründung. Es liegt nahe, sich Predigern aus den Reihen der im 13. Jahrhundert entstandenen Bettelorden anzunehmen, die sich unter anderem durch ihre Ausrichtung auf die Seelsorge so sehr von älteren monastischen und kanonikalen Gemeinschaften unterschieden. Es waren ganz wesentlich die Mendikanten, unter denen die Franziskaner und Dominikaner herausragten und mit den Augustinereremiten und Karmelitern die Bettelorden im engeren Sinne bildeten, die das Bild der Predigt im späteren Mittelalter prägten. 12 In der historischen Forschung ist zudem immer wieder auf eine ausgeprägte Judenfeindschaft von Predigern aus den Reihen der Bettelorden hingewiesen worden. 13 Einen radikalen mendikanti9 10

11

12

13

Einige Hinweise zum Forschungsstand über die Medien des Antijudaismus EBENDA, S. 129f. Auf den Zusammenhang von Predigt und Antijudaismus verwies früh RUDOLF CRUEL, Geschichte der deutschen Predigt im Mittelalter, Detmold 1879 (ND Hildesheim 1966), S. 620. Vgl. auch TOCH, Juden im mittelalterlichen Reich, S. 34, 59, 64f u. 129. THOMAS LUCKMANN, Moralpredigten in der modernen Gesellschaft?, in: Religion als Kommunikation, hg. von Hartmann Tyrell, Volkhard Krech und Hubert Knoblauch, Würzburg 1998, S. 394f. Als Einstieg in die mittelalterliche Predigt sei auf die Beiträge des Sammelbandes The Sermon, hg. von Beverly M. Kienzle, Turnhout 2000 verwiesen. Zur Einführung in die Mendikantenpredigt DAVID D’AVRAY, The Preaching of the Friars. Sermons Diffused from Paris before 1300, Oxford 1985 und ROBERTO RUSCONI, La predicazione minoritica in Europa nei secoli XIII-XV, in: Francesco, il Francescanesimo e la cultura della nuova Europa, hg. von Ignazio Baldelli und Angiola Maria Romanini, Rom 1986, S. 141-465. Für Italien ROBERTO RUSCONI, Predicazione e vita religiosa nella società italiana da Carlo Magno alla Controriforma, Turin 1981. Zu den Anfängen der italienischen Franziskanerpredigt ZELINA ZAFARANA, La predicazione francescana, in: Francescanesimo e vita religiosa dei laici nel ‘200, Atti dell’VIII Convegno Internazionale della Società internazionale di studi francescani, Assisi, 16.-18. Oktober 1980, Assisi 1982, S. 203-250. LÉON POLIAKOV, Les banchieri juifs et le Saint-Siège du XIIIe siècle au XVIIe siècle, Paris 1965, S. 139; BATTENBERG, Europäische Zeitalter, S. 129f. u. 157-164 ; THOMAS BARDELLE, Juden in einem Transit- und Brückenland. Studien zur Geschichte der Juden in Savoyen-Piemont bis zum Ende der Herrschaft Amadeus VIII., Hannover 1998, S. 8688, 107-117 u. 281-285 verwies auf die Rolle der Predigten des Dominikaners Vinzenz Ferrer für die Judengesetzgebung in Savoyen 1403; er äußerte zudem einige allgemeinere

6

Einleitung

schen Antijudaismus machte Jeremy Cohen aus. Cohen behauptete in seiner 1982 erschienenen und anschließend äußerst kontrovers diskutierten Dissertation, daß es Mendikanten waren, die eine neue christliche Ideologie hinsichtlich jüdischen Lebens in christlicher Umwelt entwickelten und in die Gesellschaft hineintrugen. Juden wurde demnach kein legitimes Existenzrecht mehr innerhalb der christlichen Gesellschaft zugestanden. 14 Gerade franziskanischen Predigern im spätmittelalterlichen Italien wird ein dezidierter Antijudaismus

14

Überlegungen zum Verhältnis von Antijudaismus und Predigt, verfolgte aber mit seiner Studie andere Fragestellungen als eine explizite Analyse predigtgebundenen Antijudaismus. Vgl. auch CHRISTOPH CLUSE, Studien zur Geschichte der Juden in den mittelalterlichen Niederlanden, Hannover 2000, S. 360-366. JEREMY COHEN, The Friars and the Jews. The Evolution of Medieval Anti-Judaism, Ithaca-London 1982, S. 14. Kritik an Cohens These äußerten innerhalb der deutschen Mediävistik DIETER BERG, Servitus Judaeorum. Zum Verhältnis des Thomas von Aquin und seines Ordens zu den Juden in Europa im 13. Jahrhundert, in: Thomas von Aquin. Werk und Wirkung im Licht neuerer Forschungen, hg. von Albert Zimmermann, BerlinNew York 1988, S. 439-458 und ALEXANDER PATSCHOVSKY, Der ‚Talmudjude‘. Vom mittelalterlichen Ursprung eines neuzeitlichen Themas, in: Juden in der christlichen Umwelt des späten Mittelalters, hg. von Alfred Haverkamp und Franz-Josef Ziwes, Berlin 1992, S. 17-27. Sie betonten, daß sich der mendikantische Antijudaismus qualitativ nicht von der traditionellen Judenfeindschaft kirchlicher Autoritäten unterscheide. Die Betonung derartiger Traditionslinien eines ‚normalen‘ Antijudaismus ging jedoch nicht so weit, wie die schon vor Cohen geäußerte Auffassung Randolph Daniels, Mendikanten seien „less hostile and more receptive to Jews (...) than was average Christian of the crusading era.“ RANDOLPH E. DANIEL, The Franciscan Concept of Mission in the High Middle Ages, Lexington 1975 (ND New York 1992). Das Zitat dort auf S. 166. Kritik an den Thesen Cohens übte auch ROBERT CHAZAN, Daggers of Faith. Thirteenth-century Christian Missionizing and Jewish Response, Berkeley 1989. Friedrich Lotter sah in einer Differenzierung zwischen Ebenen scholastischer Gelehrsamkeit einer „Mittelklasse“ von Juristen, Missionstheologen und Inquisitoren sowie „einer den Glaubensvorstellungen des Volkes nahestehenden Unterschicht populärer Predigermönche und Literaten“ innerhalb der Bettelorden eine Möglichkeit, die konträren Ansichten zusammenzuführen. Vgl. FRIEDRICH LOTTER, Das Judenbild im volkstümlichen Erzählgut dominikanischer Exempelliteratur um 1300. Die ‚Historiae memorabiles‘ des Rudolf von Schlettstadt, in: Herrschaft, Kirche, Kultur. Beiträge zur Geschichte des Mittelalters. Festschrift für Friedrich Prinz zu seinem 65. Geburtstag, hg. von Georg Jenal unter Mitarbeit von Stephanie Haarländer, Stuttgart 1993, S. 431. Jeremy Cohen selbst wiederholte seine Thesen in späteren Veröffentlichungen, schwächte sie aber ein wenig ab, indem er zugestand, daß nicht alle Mitglieder der Bettelorden die von ihm postulierte rigorose Ausgrenzungsideologie vertreten hätten. Vgl. JEREMY COHEN, The Jews as Killers of Christ in the Latin Tradition. From Augustine to the Friars, in: Traditio 39 (1983), S. 127. Cohen nahm zu der Kritik Stellung, ohne allerdings seine Thesen grundlegend zu revidieren. Jedoch betonte er nun stärker den Beginn des Wandels des christlichjüdischen Verhältnisses im 11. und 12. Jahrhundert, wodurch er den Eindruck einer engen zeitlichen Verflechtung der Entstehung der Bettelorden und der Genese einer neuen Qualität des Antijudaismus abschwächte. JEREMY COHEN, Living Letters of the Law. Ideas of the Jew in Medieval Christianity, Berkeley-Los Angeles-London 1999.

Gegenstand und Fragestellung

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nachgesagt. Die Anfänge gesteigerter mittelalterlicher Judenfeindschaft werden gemeinhin im hohen Mittelalter ausgemacht. 15 Zu beachten sind regional unterschiedliche Entwicklungen. Während zum Teil schon sehr früh für Spanien, spätestens aber seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert in England, Frankreich und im Reich Formen eines gesteigerten Antijudaismus zu beobachten sind 16, gilt das christlich-jüdische Zusammenleben in Italien bis in die Anfänge des 15. Jahrhunderts als relativ harmonisch. Im Gegensatz zu ihren Glaubensbrüdern in anderen Teilen Europas gelang italienischen Juden bis ins 15. Jahrhundert eine 15

16

Zur Diskussion um den Zeitpunkt gesteigerter Judenfeindschaft siehe HEIKO A. OBERMAN, The Stubborn Jews. Timing the Escalation of Antisemitism in Late Medieval Europe, in: Yearbook of the Leo Baeck Institute 34 (1989), S. XI-XXV. Robert I. Moore betonte für die Schwelle zum 11. Jahrhundert europaweit die Entstehung einer „persecuting society“, deren herausragendes Merkmal eine obrigkeitlich initiierte Verfolgung von Devianz zur Herrschaftsstabilisierung war. In diesem Zusammenhang habe sich auch die gesellschaftliche Position der Juden verschlechtert. ROBERT I. MOORE, The Formation of a Persecuting Society. Power and Deviance in Western Europe, 9501250, Oxford 1987. Für Anna Sapir Abulafia ist das 12. Jahrhundert der entscheidende Zeitraum eine deutlichen Zäsur im christlich-jüdischen Verhältnis. ANNA SAPIR ABULAFIA, Christians and Jews in the Twelfth-Century Renaissance, London-New York 1995. Als Einführung zur Geschichte der Juden in Spanien YITZHAK BAER, A History of the Jews in Christian Spain, 2 Bde., Philadelphia 1966/1971. Für England immer noch unverzichtbar CECIL ROTH, A History of the Jews in England, Oxford 21949. Einen Bogen vom ausgehenden Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert spannt DAVID S. KATZ, The Jews in the History of England, 1485-1850, Oxford 1994. Für Frankreich einige erste Informationen im Sammelband Histoire des Juifs en France, hg. von Bernhard Blumenkranz, Toulouse 1973. Für das Reich immer noch unverzichtbar OTTO STOBBE, Die Juden in Deutsch-land während des Mittelalters in politischer, socialer und rechtlicher Beziehung, Braunschweig 1866 (ND Amsterdam 1968). Mit Gewinn zu lesen ist auch GUIDO KISCH, The Jews in Medieval Germany. A Study of their Legal and Social Status, Chicago 1949 (ND New York 1970). Mit einem Überblick über Tendenzen der Forschung und einer ausführlichen Bibliographie zuletzt TOCH, Juden im mittelalterlichen Reich. Toch machte darin das 13. Jahrhundert als ent-scheidende Zeit für einen „Prozeß der Bündelung, Neuformulierung und Verhärtung der Positionen“ aus. EBENDA, S. 34. Friedrich Lotter sieht am Ende des 13. Jahrhunderts die entscheidende Wende für das christlich-jüdische Zusammenleben im Reich. FRIEDRICH LOTTER, Die Judenverfolgungen des „König Rintfleisch“ in Franken um 1298. Die endgültige Wende in den christlich-jüdischen Beziehungen im Deutschen Reich des Mittelalters, in: Zeitschrift für historische Forschung 15 (1988), S. 385-422. Aus einem Sonderforschungsbereich unter der Leitung Alfred Haverkamps an der Univer-sität Trier sind zahlreiche, einem regionalgeschichtlichen Ansatz verpflichtete Arbeiten hervorgegangen die eine zunehmende Judenfeindschaft für das späte Mittelalter aufzeigen. Etwa FRANZ-JOSEF ZIWES, Studien zur Geschichte der Juden im mittleren Rheingebiet während des hohen und späten Mittelalters, Hannover 1994; GERD MENTGEN, Studien zur Geschichte der Juden im mittelalterlichen Elsaß, Hannover 1995; BARDELLE, Juden in einem Transit- und Brückenland; CLUSE, Juden in den mittelalterlichen Niederlanden.

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Einleitung

soziale und ökonomische, zuweilen über die Verleihung von Bürgerrechten gar politische Integration in die christlichen Stadtgesellschaften Ober- und Mittelitaliens. Die vielfach betonte friedliche Koexistenz von Juden und Christen zerbrach dort erst im 15. Jahrhundert. 17 Die Ursachen für die nun zunehmende 17

Als einführende Literatur zur Geschichte der Juden in Italien im Mittelalter immer noch unverzichtbar CECEIL ROTH, A History of the Jews in Italy, Philadelphia 1946 und ATTILIO MILANO, Storia degli ebrei in Italia, Turin 1963. Seit den späten 1970er Jahren ist ein verstärktes Interesse an der jüdischen Geschichte in Italien festzustellen, daß sich zuerst in einer 1978 in Spoleto abgehaltenen Tagung, dann 1981 im ersten internationalen Kongress über die Geschichte der italienischen Juden zu Bari manifestierte. Letzterer begründete regelmäßig abgehaltene Kongresse, deren Ergebnisse in den Sammelbänden der Italia Judaica festgehalten werden. Den Forschungsstand bis dahin skizzierte kurz SHLOMO SIMONSOHN, Lo stato attuale della ricerca storica sugli ebrei in Italia, in: Italia Judaica, Atti del I Convegno internazionale, Bari 18-22 maggio 1981, hg. von dem Ministero per i Beni Culturali e Ambientali, Ufficio Centrale per i Beni Archivistici, Rom 1983, S. 29-37. Weiter zurück führte der Beitrag von MICHELE LUZZATI, La ricerca storiografica sugli ebrei italiani del Medioevo e del Rinascimento fra la fine dell ‘800 e l’inizio del ‘900, in: La Rassegna mensile di Israel 47 (1981), S. 129-135. Die angesprochenen Tagungen in Spoleto und Bari faßte Luzzati ebenfalls zusammen. Vgl. DERS., Ebrei e storia d’Italia, in: Studi storici 22 (1981), S. 647-657. Die nachfolgende Entwicklung resümieren GIACOMO TODESCHINI, Ebrei in Italia alla fine del Medioevo. Studi recenti, in: Studi Medievali 30 (1989), S. 353-366; ROBERT BONFIL, The Historian’s Perception of the Jews in the Italian Renaissance. Towards a Reappraisal, in: Revue des études juives 143 (1994), S. 59-82 und CORRADO VIVANTI, The History of the Jews in Italy and the History of Italy, in: Journal of Modern History 67 (1995), S. 309357. Einen schnellen und vielfältigen Zugang bieten vor allem Sammelbände der letzten zwei Jahrzehnte. Die wichtigsten seien kurz genannt: SOFIA BOESCH GAJANO (Hg.), Ebrei in Italia, Bologna 1983; DIES., (Hg.), Aspetti e problemi della presenza ebraica nell’Italia centro-settentrionale (secoli XIV-XV), Rom 1983; MICHELE LUZZATI/MICHELE OLIVARI/ ALESSANDRA VERONESE (Hg.), Ebrei e cristiani nell’Italia medievale e moderna. Conversioni, scambi, contrasti, Atti del VI Congresso Internazionale dell’AISG, S. Miniato, 4-6 novembre 1986, Rom 1988; MARIA GIUSEPPINA MUZZARELLI/GIACOMO TODESCHINI (Hg.), La storia degli ebrei nell’Italia medievale fra filologia e metodologia, Bologna 1989. Monographien finden sich hingegen seltener. Den Schwerpunkt auf eine innerjüdische Perspektive legten MOSES A. SHULVASS, The Jews in the World of the Renaissance, Leiden 1973; DAVID B. RUDERMAN, The World of a Renaissance Jew. The Life and Thought of Abraham ben Mordecai Farissol, Cincinnati 1981; ROBERT BONFIL, Gli Ebrei in Italia nell’epoca del Rinascimento, Florenz 1991; DERS., Rabbis and Jewish Communities in Renaissance Italy, London-Washington 1993. Zwar gilt das Interesse Ariel Toaffs vorrangig dem Innenleben der jüdischen Gemeinden, doch hob er in seinen Arbeiten auch wesentlich auf das jüdisch-christliche Verhältnis ab. Hier sei nur auf das letzte, vorherige Anstrengungen synthetisierende Werk verwiesen: ARIEL TOAFF, Love, Work, and Death. Jewish life in Medieval Umbria, London 1996. Als wertvolle Einführung, da sowohl nach italienischen Regionen, aber auch nach sachlichen Themenfeldern differenzierend, zuletzt der Sammelband Gli ebrei in Italia, I. Dall’alto Medioevo all’età dei ghetti, hg. von Corrado Vivanti, Turin 1996. Ferner MICHELE CASSANDRO, Intolleranza e accettazione. Gli ebrei in Italia nei secoli XIVXVIII. Lineamenti di una storia economica e sociale, Turin 1996 und WOLFGANG

Gegenstand und Fragestellung

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Marginalisierung jüdischen Lebens im Italien des 15. Jahrhunderts sind bisher nicht eindeutig geklärt. 18 Die Frage nach den Wegbereitern zunehmender Judenfeindschaft scheint jedoch auch für Italien schnell beantwortet. Besonders und entschieden feindselig seien die religiösen Orden, vor allem aber die Mitglieder der franziskanischen Ordensfamilie gewesen, folgerte Shlomo Simonsohn, und es bedurfte nicht viel mehr als ihrer Predigten, um das Volk gegen die Juden aufzubringen. 19 Ariel Toaff neigte gar der Ansicht zu, daß das über Predigten vermittelte Judenbild nicht auf einen bestehenden indifferenten Antijudaismus innerhalb der italienischen Stadtgesellschaften traf, sondern erst eine zunehmende Judenfeindschaft hervorrief. 20 Diane Owen Hughes urteilte ähnlich: „the marking and eventual segregation of Italian Jews was a direct product of the preaching of San Bernardino and his Observant followers, who accomplished through their sermons in a few decades what church councils and inquisitors had tried to effect for centuries by legal means“ 21. Die vorliegende Arbeit nimmt sich des so häufig betonten Antijudaismus franziskanischer Prediger im Italien des späten Mittelalters an. Es werden mehrere Fragen an den Gegenstand gestellt. Das Interesse gilt zunächst den mit den Judenbildern verbundenen Deutungsmustern für das christlich-jüdische Zusammenleben. Lancierten franziskanische Prediger im spätmittelalterlichen Italien ein Programm sozialer Segregation von Juden, das dem traditionellen Toleranzgebot zuwiderlief und damit der Exklusion jüdischen Lebens aus der christlichen Mehrheitsgesellschaft das Wort redete? 22 Erfuhr der predigtgebundene Antijudaismus dabei eine Teilsäkularisierung, wobei Säkularisierung hier einen Vorgang bezeichnen soll, „der neben der Religion andere operative Codes

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TREUE, Der Trienter Judenprozeß. Voraussetzungen – Abläufe – Auswirkungen (14751588), Hannover 1996. Kritik an zahlreichen Studien, die ein äußerst harmonisches Bild des christlich-jüdischen Verhältnisses im Italien des Mittelalters und der Renaissance bis in das 15. Jahrhundert zeichnen, äußerte Robert Bonfil; er machte auf das schon vor dem Quattrocento vorhandene Konfliktpotential aufmerksam. ROBERT BONFIL, Società cristiana e società ebraica nell’Italia medievale e rinasci mentale. Riflessioni sul significato e sui limiti di una convergenza, in: Ebrei e Cristiani nell’Italia medievale e moderna. Conversioni, scambi, contrasti, hg. von Michele Luzzati, Michele Olivari und Alessandra Veronese, Rom 1988, S. 231-260. VIVANTI, History of the Jews, S. 345. SIMONSOHN, Lo stato attuale; S. 34: „Decisamente ostili furono gli ordini religiosi, e specialmente i Francescani. Nelle loro prediche, tenute ovunque, costoro incitavano le masse contro gli ebrei (...) Eccitata dalle prediche, la folla non aveva bisogno di molti stimoli addizionali per odiare il forestiero non conformista (...)“. ARIEL TOAFF, The Jews in Medieval Assisi 1305-1487. A Social and Economic History of a small Jewish Community in Italy, Florenz 1979, S. 59. DIANE OWEN HUGHES, Distinguishing Signs. Ear-Rings, Jews and Franciscan Rhetoric in the Italian Renaissance City, in: Past and Present 112 (1986), S. 17. Vgl. NIKLAS LUHMANN, Inklusion und Exklusion, in: ders., Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, Opladen 1995, S. 237-264.

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Einleitung

entstehen läßt, die je eigenen Logiken und Gesetzen folgen und die sich jeweils ihrer selbst vergewissern müssen“ 23, jedoch nicht den völligen Verlust gesellschaftlicher Bindekraft von Religion bedeuten muß. Löst sich im späten Mittelalter gar eine soziale von der theologischen Komponente des mendikantischen Antijudaismus derart, daß neben religiös-theologischen Argumentationsfiguren andere Deutungskulturen wert- oder zweckrationaler Art zur Bestimmung des jüdisch-christlichen Verhältnisses treten? Neben normativen Aspekten, die franziskanische Prediger für das christlichjüdische Zusammenleben vortrugen, nehme ich Predigt als Medium politischer Kommunikation in den Blick. Es kommen die Praktiken in den Blick, mit denen sich franziskanische Prediger im spätmittelalterlichen Italien bemühten, ihren antijüdischen Deutungskulturen politische Geltung zu verschaffen. Zugleich frage ich nach gesellschaftlichen Wirkungen des predigtgebundenen Antijudaismus. Setzte sich in der spätmittelalterlichen Gesellschaft ein über Predigten vermitteltes Judenbild durch, von dem handlungsanleitende Wirkungen ausgingen? Wer machte und aus welchen Gründen derartige theologische Verhaltensvorgaben zu Maximen seiner Handlungen? Fragen nach positiver Aufnahme von Predigtinhalten müssen immer auch Fragen nach Konflikten und Widerständen an die Seite gestellt werden. Konflikte entzündeten sich an unterschiedlichen Deutungsmustern historischer Wirklichkeit. Wie lassen sich die Typologien sozialen Handelns nach Max Weber auf das mittelalterliche Geschehen anwenden? 24 Das Erkenntnisinteresse kann sich daher nicht nach einer gemeinsamen Mentalität, die wie „eine unreflektierte kollektive psychische Grundbefindlichkeit“ 25 ihre Wirkung tut, ausrichten. Stattdessen muß nach verschiedenen Weltanschauungen als „durchdachte und strukturierte Geisteshaltung(en)“ gefragt werden, die gefordert sind, „wenn im Hinblick auf ein und dieselbe historische Wirklichkeit unterschiedliches Verhalten und damit verschiedene Deutungen vorliegen, Mentalität also fragwürdig geworden ist“ 26. Predigt kommt daher nicht als Ursache und Wirkung gängiger mentaler Dispositionen, sondern als Kommunikationsmedium variabler kultureller Deutungs23

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ARMIN NASSEHI, Keine Zeit für Utopien. Über das Verschwinden utopischer Gehalte aus modernen Zeitsemantiken, in: ders., Differenzierungsfolgen. Beiträge zur Soziologie der Moderne, Opladen 1999, S. 50. MAX WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, Tübingen 51972, S. 11-13. KARL-HERMANN BEECK, Leistung und Bedeutung des mentalitäts-geschichtlichen Ansatzes in der Kirchengeschichte, in: Mentalitäts-geschichtlicher Ansatz und regionalgeschichtliche Forschung, hg. vom Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, Düsseldorf 1989, S. 4. Zitat entnommen WOLFGANG HEINRICHS, Das Judenbild im Protestantismus des Deutschen Kaiserreichs. Ein Beitrag zur Mentalitätsgeschichte des deutschen Bürgertums in der Krise der Moderne, Köln 2000, S. 3. EBENDA, S. 4.

Gegenstand und Fragestellung

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muster und Sinnstiftung in den Blick. Es konnte mögliche Rationalisierungen und Rechtfertigungen menschlichen Verhaltens und Handelns liefern und auch stabilisieren. Ehe Begriffe geklärt, methodische Überlegungen angestellt und die empirische Basis für eine solche Analyse des Antijudaismus italienischer Franziskanerprediger im Kontext politischer Kommunikation und Praxis des späten Mittelalters dargestellt werden, ist zunächst einmal der Forschungsstand zum Antijudaismus in der mittelalterlichen Predigt zu sichten.

2. Stand und Perspektiven der Forschung Trotz der vielfältigen Verweise auf den Zusammenhang von Predigern und Judenfeinden blieb eine eingehende, systematische Analyse predigtgebundenen Antijudaismus sowie dessen Auswirkungen auf das christlich-jüdische Zusammenleben für das lateinische Mittelalter bis heute Forschungsdesiderat. Weder ältere noch neuere Überblicksdarstellungen zur Predigtgeschichte räumten Formen, Funktionen und Wirkungen des Judenbildes in Predigten breiten Raum ein. 1 Erst seit etwas mehr als zwei Jahrzehnten werden vermehrt Anstrengungen unternommen, die Forschungslücke zu schließen. 1

Für die ältere Predigthistoriographie CRUEL, Geschichte der deutschen Predigt, S. 621623; ANTON LINSENMAYER, Geschichte der Predigt in Deutschland von Karl dem Großen bis zum Ausgange des vierzehnten Jahrhunderts, München 1886 (ND Frankfurt a.M. 1969 ); FLORENZ LANDMANN, Das Predigtwesen in Westfalen in der letzten Zeit des Mittelalters. Ein Beitrag zur Kirchen- und Kulturgeschichte, Münster 1900; GERALD R. OWST, Preaching in Medieval England. An Introduction to Sermon Manuscripts of the Period c. 1350-1450, Cambridge 1926; DERS., Literature and Pulpit in Medieval England. A Neglected Chapter in the History of English Letters and of the English People, Cambridge 1933 (ND Oxford 1966); ALBERT LECOY DE LA MARCHE, La chaire francaise au moyen âge, Paris 21886 (ND Genf 1974); ALFREDO GALLETTI, L’Eloquenza. Dalle origini al XVI secolo, Mailand 1938. Im Rahmen seiner Ausführungen zur Predigt der franziskanischen Observanz im Italien des 15. Jahrhunderts erwähnt Galletti nur die gegen den jüdischen Wucher gerichteten Predigten Bernardinos da Feltre zu Pavia 1480 und die Folgen antijüdischer Predigtinhalte in Brescia. EBENDA, S. 267 u. 271f. Von den neueren Überblicksdarstellungen zur Predigtgeschichte verwies lediglich Hervé Martin ein wenig umfassender und mit dem Versuch einer schematischen Darstellung des vermittelten Judenbildes, aber keinesfalls explizit und systematisch auf ein Predigtmanuskript des Augustinereremiten Simon Cupersi aus dem 15. Jahrhundert als „un témoignage assez extraordinaire de l’antijudaisme chrétien au XVe siècle“. HERVE MARTIN, Le métier de prédicateur en France septentrionale à la fin du Moyen Age 13501520, Paris 1988, S. 323-330. Zusätzlich machte er auf die Rolle von Juden als „forger du ‚croyable‘“ in Predigtexempeln aufmerksam. EBENDA, S. 512f. u. 529. Larissa Taylor nimmt die Anregungen Martins für die französische Predigthistoriographie nicht auf und konstatiert in ihrer Darstellung der Predigten im spätmittelalterlichen und reformatorischem Frankreich der Jahre 1460-1560 nur, daß „overt anti-Semitism is rare in the sermons. Although references to the Jews are fairly common, most allusions to non-Christians were used in a scripturally based effort to shame Christians into reforming their lives“. Prediger, so Taylor abschließend, „were more interested in shocking their Christian listeners into penitence with unfavorable comparisons than in formenting anti-Jewish sentiment“. LARISSA TAYLOR, Soldiers of Christ. Preaching in late Medieval and Reformation France, New York 1992, die Zitate auf S. 152 u. 154. Andere Darstellungen sparen die Thematik völlig aus. Vgl. JOHANNES BAPTIST SCHNEYER, Geschichte der katholischen Predigt, Freiburg i.Br. 1969; WERNER SCHÜTZ, Geschichte der christlichen Predigt, Berlin 1972; JEAN LONGÈRE, La prédication médiévale, Paris 1983. Predigtgebundenem Antijudaismus ist in dem jüngst erschienenen Sammelband

Stand und Perspektiven der Forschung

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Zur Erklärung von Phänomen sozialer Ab- und Ausgrenzung gibt es keine einheitliche, allgemein anerkannte sozialwissenschaftliche Theorie. Gesellschaftliche Marginalisierung und Exklusion wird unter anderem als Ergebnis ökonomischer Konflikte oder als Folge sozialer Krisen und Krisenerfahrungen gedeutet. Daneben haben ethnologische, kulturanthropologische, soziologische und historische Studien darauf verwiesen, wie soziale Gruppen unterschiedlichster Größe und Kulturen sich wechselseitig in den Blick nehmen und sich über ihre Stellungnahmen zu abweichendem Verhalten und zur Außenwelt definieren. Es besteht demnach ein Zusammenhang von Abgrenzung und Sinngebung. Die Anderen dienen der Vergesellschaftung der Übrigen; sie tragen zur eigenen kollektiven Identität und Ordnung bei. Die beiden Interpretationslinien prägen die Forschungsdebatte zum mittelalterlichen Antijudaimsus. 2 Auf der einen Seite wird zu seiner Erklärung auf soziale, vor allem ökonomische Krisen bzw. Konflikte verwiesen. Hier lassen sich jene Arbeiten anschließen, die die Judenfeindschaft spätmittelalterlicher Prediger vor allem als Ausdruck eines wirtschaftsethischen Konfliktes deuten. Davon hebt sich ein anderer Teil der Literatur ab, der die Abgrenzung und Abwertung jüdischen Lebens als Medium interpretiert, mit deren Hilfe die christliche Gesellschaft sich beständig ihrer selbst zu vergewissern versuchte. Der Verweis auf Juden als Teil jener Gruppen, die vom christlichen Standpunkt aus die Welt der Anderen bildeten, ihre Stigmatisierung und Verfolgung halfen demnach bei der Lösung innerchristlicher Konflikte, förderten den Aufbau der societas christiana und trugen zur christlichen Identität bei. Ein wirtschaftsethischer Konflikt Den Antijudaimsus italienischer Franziskanerpredier des späten Mittelalters interpretierte Giacomo Todeschini in zahlreichen Aufsätzen und Monographien als Ausdruck eines wirtschaftsethischen Konfliktes. 3 Todeschini stand damit

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The Sermon, hg. von Beverly Mayne Kienzle, Turnhout 2000 kein eigenständiger Raum eingeräumt. Auch neuere Monographien, die sich auf einzelne Länder beziehen, geben keinerlei Aufschluß über das Verhältnis von Antijudaismus und Predigt. Für England vgl. JOHN WHEATLY BLENCH, Preaching in England in the late fifteenth and sixteenth Centuries. A Study of English Sermons, 1450-c. 1600, Oxford 1964 und zuletzt H. LEITH SPENCER, English Preaching in the late Middle Ages, Oxford 1993. TOCH, Juden im mittelalterlichen Reich, S. 110. Hier nur eine kleine Auswahl der Arbeiten Todeschinis: GIACOMO TODESCHINI, ‚Oeconomica Franciscana‘. Proposte di una nuova lettura delle fonti dell’etica economica medievale, in: Rivista di storia e letteratura religiosa 12 (1976), S. 15-77; DERS., Teorie economiche francescane e presenza ebraica in Italia (1380-1462), in: Il rinovamento del Francescanesimo. L’osservanza, Atti del XIII Convegno Internazionale di Studi Francescani, Assisi 20-22 ottobre 1983, hg. von der Società internazionale di Studi Francescani, Perugia 1985, S. 193-227; DERS., La ricchezza degli Ebrei. Merci e denaro

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Einleitung

nicht allein. Andere Mediävisten betonten ebenfalls, daß Juden von Vertretern der Bettelorden als Protagonisten einer sozial schädlichen und moralisch verwerflichen „profit economy“ 4 ausgemacht wurden. 5 Ihre Angriffe richteten sich

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nella riflessione ebraica e nella definizione cristiana dell’usura alla fine del Medioevo, in: Studi Medievali 28 (1987), S. 205-250. Mit dem gleichen Titel die Aufsatzsammlung von DEMS., La ricchezza degli ebrei. Merci e danaro nella riflessione ebraica e nella definizione cristiana dell’usura alla fine del Medioevo, Spoleto 1989; DERS., Il prezzo della salvezza. Lessici medievali del pensiero economico, Rom 1994; DERS., Usura ebraica e identità economica cristiana. La discussione medievale, in: Gli ebrei in Italia, I: dall’alto Medioevo all’età dei ghetti, hg. von Corrado Vivanti, Turin 1996, S. 291-318; DERS., Ordini mendicanti e linguagio etico-politico, in: Etica e politica. Le teorie dei frati mendicanti nel Due e Trecento, Atti del XXVI Convegno Internazionale di Studi Francescani, Assisi 1517 ottobre 1998, hg. von der Società internazionale di Studi Francescani, Spoleto 1999, S. 3-28. Am Beispiel der Franziskanerobservanten Bernardino da Siena und Giovanni da Capestrano analysierte Todeschini die wirtschaftsethischen Stellungnahmen von zwei der berühmtesten Volksprediger im Italien des Quattrocento. GIACOMO TODESCHINI, Il problema economico in Bernardino e l’etica economica, in: Atti del convegno storico bernardiniano in occasione del sesto centenario della nascita di San Bernardino da Siena, L’Aquila 7-9 maggio, L’Aquila 1982, S. 47-63; DERS., Giovanni da Capestrano. Economista e politico del Quattrocento, in: Bullettino della Deputazione abruzzese di storia patria 75 (1986), S. 34-36. Ausführlicher zu Capestrano DERS., „Usus raptus“. Denaro e merci in Giovanni da Capestrano, in: A Ovidio Capitani. Scritti degli allievi bolognesi, hg. von Mario C. DeMatteis, Bologna 1990, S. 159-188. LESTER K. LITTLE, Religious Poverty and the Profit Economy in Medieval Europe, Ithaca-London 1978. So etwa GIUSEPPE LARAS, Evoluzione del concetto di usura nel giudaismo e riflessioni sui moventi della critica minoritica nei confronti del prestito ebraico, in: Picenum Seraphicum 9 (1972), S. 74-88. Die ältere Forschungsliteratur, die vor allem die ökonomische Dimension mendikantischer Judenfeindschaft betont, faßte TOAFF, Jews in Medieval Assisi, S. 57f. zusammen. Die Predigten über den Wucher sind für Vittorino Meneghin die Schlüsseltexte zum Verständnis des Antijudaismus innerhalb der franziskanischen Observanz im spätmittelalterlichen Italien. Diese Ansicht durchzieht gleichsam als roter Faden weite Teile seiner Publikationen, etwa VITTORINO MENEGHIN, Iconografia del B. Bernardino Tomitano da Feltre, Venedig 1967; DERS., Bernardino da Feltre e i Monti di Pietà, Vicenza 1974; DERS., Bernardino da Feltre, i Monti di Pietà e i banchi ebrei, in: Archivum Franciscanum Historicum 73 (1980), S. 688-703. Renata Segre erhob zwar Einspruch gegen eine derartig einseitige Interpretation, doch galt ihr Interesse selbst nur wirtschaftsethischen Stellungnahmen eines Predigers mit Blick auf Juden innerhalb der spätmittelalterlichen Gesellschaft. RENATA SEGRE, Bernardino da Feltre, i Monti di Pietà e i banchi ebrei, in: Rivista Storica Italiana 90 (1978), S. 818-833. So auch ANNA ANTONIAZZI VILLA, A proposito di ebrei, francescani, Monti di Pietà. Bernardino da Busti e la polemica antiebraica nella Milano di fine ‘400, in: Il Francescanesimo in Lombardia. Storia e arte, hg. von Arnalda Dallaj, Mailand 1983, S. 49-52. Vgl. auch FRUMENZIO GHETTA, Fra Bernardino da Feltre e gli Ebrei di Trento nel 1475, in: Civis, supplementum 2 (1986), S. 129-177. Das Judenbild des observanten Franziskaners Marco da Montegallo sei – folgt man Francesca Lomastro Tognato in einer der jüngeren Biographien zu Vertretern der franziskanischen Observanz – ebenfalls wesentlich von wirtschaftsethischen Überlegungen bestimmt gewesen. FRANCESCA

Stand und Perspektiven der Forschung

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demnach in hohem Maß gegen die jüdische Geldwirtschaft. Dabei seien Juden mit Wucherern synonym gesetzt worden, so daß es genügt habe, gegen ihre Kreditvergabe zu predigen, um Juden beim Predigtpublikum in Mißkredit zu bringen. 6 Um die unterschiedlichen Wertvorstellungen von Juden und mendikantischen Theologen und Predigern im spätmittelalterlichen Italien kenntlich zu machen, die wirtschaftlichem Handeln Richtung geben sollten, schloß Giacomo Todeschini an Überlegungen an, die vor allem auf Max Weber zurückgehen. Weber erhob die „kirchliche Verfolgung des Darlehenszinses“ zu einem „prinzipiellen Kampf der ethischen mit der ökonomischen Rationalisierung der Wirtschaft“ 7. Sie stand im Widerspruch zur jüdischen Wirtschaftsethik. Das Deuteronomium gestattete den Israeliten „den Wucher am Konfessionsfremden“. Zwar habe die spätjüdische Ethik „den Wucher im Sinn einer rücksichtslosen Ausbeutung auch gegenüber Nichtjuden mißbilligt“ 8, doch geblieben sei der Dualismus zwischen Binnen- und Außenmoral. Zins zu fordern, war demnach legitim gegenüber Fremden, nicht aber gegenüber den eigenen glaubensverwandten Brüdern und Hausgenossen. Giacomo Todeschini präsentierte seinen Lesern ein differenziertes Bild franziskanischer Wirtschaftsethik. Als Ordensleute in der Nachfolge des heiligen Franziskus von Assisi verpflichteten sich die Franziskaner auf ein Leben in freiwilliger Armut, was sowohl die Ablehnung persönlichen als auch gemeinschaftlichen Besitzes umschloß. Die paupertas voluntaria galt ihnen als Weg zum Heil. Sie übertrugen das strikte franziskanische Armutsideal jedoch

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LOMASTRO TOGNATO, Legge di Dio e monti di pietà. Marco da Montegallo (1425-1496), Vicenza 1996. Tognato neigte der Ansicht zu, daß bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts traditionelle Antijudaismen in Predigten überliefert und mitgeteilt wurden. Während des 15. Jahrhunderts habe die Angst vor jüdischen Proselyten, vor allem aber die Ablehnung jüdischer Wirtschaftsethik das Judenbild in den Predigten bestimmt. Tognato schwächte nur unwesentlich ab: „La predicazione integrava cosi l’esecrazione degli ebrei per ragioni religiose con le condamna sul piano economico e sociale, identificando nell’ebreo il ‚cattivo mercante‘ colui che sottrae alla società la linfa vitale costituita dal denaro.“ Ebenda, S. 27f. Carlo Delcorno sah noch vor kurzem das Judenbild in der italienischen Predigtliteratur weiterhin vorwiegend mit der Wucherthematik verbunden. CARLO DELCORNO, Medieval Preaching in Italy, in: The Sermon, hg. von Beverly M. Kienzle, Turnhout 2000, S. 453. Zur christlichen Interpretation der jüdischen Geldleihe in der mittelalterlichen Gesellschaft HANS-JÖRG GILOMEN, Wucher und Wirtschaft im Mittelalter, in: Historische Zeitschrift 250 (1990), S. 265-301. Gilomen neigte der Ansicht zu, daß seit dem 12. Jahrhundert auch die jüdische Geldleihe in den Kontext des allgemeinen Wucherverbots fiel. Über die soziale Funktion jüdischer Geldleihe in der mittelalterlichen Gesellschaft, aber auch über deren christliche Interpretation JOSEPH SHATZMILLER, Shylock Reconsidered. Jews, Moneylending, and Medieval Society, Berkeley-Los-Angeles-Oxford 1990. BONFIL, Gli Ebrei in Italia, S. 22. WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 352. MAX WEBER, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie III, Tübingen 81986, S. 358.

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nicht einfach als Modell der Heilssicherung auf die Welt außerhalb ihres Ordens. Stattdessen zeigten sie sich besonders sensibel für die alltäglichen Bedürfnisse und Notwendigkeiten stadtgesellschaftlichen Lebens. Angehörige eines Bettelordens, der nach unsicheren Anfängen zu Beginn des 13. Jahrhunderts in den Städten sein vorrangiges Betätigungsfeld fand, propagierten Argumente, mit denen sich vorwiegend in den Kommunen auftretende Formen von Markt- und Geldwirtschaft rechtfertigen ließen. Nach moralischen Maßstäben erzielter wirtschaftlicher Erfolg und kaufmännisches Handeln konnten demnach gleichfalls Garanten für göttliches Heil sein. Religiös gebotene Armut und kaufmännisches Gewinnstreben stellten keine unvereinbaren Widersprüche dar. 9 Unerbittlich zeigten sich franziskanische Theologen und Prediger jedoch gegenüber Preis- und Zinswucher als Quelle eines nicht an sittlichen Zwecken orientierten Gewinns. Todeschini zeigte in seinen Arbeiten auf, in welch hohem Maße das wirtschaftsethische Denken der franziskanischen Observanzbewegung im 15. Jahrhundert in dieser Tradition stand. 10 Observante Franziskanertheologen und prediger hätten sich im Italien des Quattrocento seit Bernardino da Siena († 1444) vor allem zwei großen Problemen gegenüber gesehen. Zum einen warben sie um eine ethisch-ökonomische Reorganisation der stadtbürgerlichen Gesellschaften, die die Erfordernisse alltäglicher Wirtschafts- und Sachverhältnisse mit sittlich-moralischen Maßstäben der christlichen Religion verbinden sollte. Auf der anderen Seite setzten sie sich offensiv mit der jüdischen Geldleihe auseinander. In ihr erblickten die Prediger moralisch Verwerfliches. Die Judenfeindschaft der observanten Franziskaner verdanke sich weniger traditionellen religiösen Vorbehalten als wirtschaftsethischen Motiven. Diese seien letztlich ausschlaggebend gewesen, um mit der theologisch begründeten, traditionellen Duldsamkeit von Christen gegenüber den Juden zu brechen und mit ihrer Ausweisung aus der christlichen Gemeinschaft zu drohen. Normen im Umgang mit Juden, die observante Franziskanertheologen und -prediger einschärften, seien nicht das Ergebnis einer herkömmlichen Judenfeindschaft gewesen, sondern das Resultat eines ökonomisch-politischen Konfliktes, der über den vermeintlichen jüdischen Wucher ausgetragen worden sei. Er sei zum Symbol unvereinbarer religiöser Kulturen geworden. 11 Die antijüdischen Predigtinhalte eines 9

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TODESCHINI, Teorie economiche francescane, S. 197. Zu mittelalterlichen Armutskonzeptionen vgl. OVIDIO CAPITANI, La concezione della povertà nel Medioevo. Antologia di scritti, Bologna 31983. Zum Spannungsverhältnis von religiösem Armutsideal und Gewinnstreben im Mittelalter LITTLE, Religious Poverty. Dazu am Beispiel des franziskanischen Armutsideals HANS BARON, Franciscan Poverty and Civic Wealth in Humanistic Thought, in: Speculum 13 (1938), S. 1-37 und MALCOLM D. LAMBERT, Franciscan Poverty. The Doctrine of the Absolute Poverty of Christ and the Apostles in the Franciscan Order, 1210-1323, London 1961. TODESCHINI, Teorie economiche francescane, S. 200. EBENDA, S. 216.

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Giovanni da Capestrano (†1456) folgten weniger der Logik eines religiös-apologetischen Diskurses, sondern seien Teil einer breiteren zeitgenössischen Debatte über moralisch gerechtfertigtes Wirtschaftshandeln. 12 Todeschini betonte die sozial-ökonomische Komponente der spätmittelalterlichen Judenfeindschaft der franziskanischen Observanzbewegung derart stark, daß er den traditionellen Begriff des antigiudaismo durch antiebraismo, der gerade auf die zentrale Bedeutung der schon von Max Weber betonten Unterschiede zwischen jüdischer und christlicher Wirtschaftsethik verweisen soll, ersetzte. 13 Zugleich wies er darauf hin, daß die wirtschaftsethisch motivierte Judenfeindschaft observanter Franziskanertheologen und -prediger nicht als ein Phänomen gesehen werden könne, das ausschließlich auf italienische Ordensbrüder beschränkt geblieben sei. Die gegen Juden polemisierende Schrift ‚Fortalitium Fidei‘ des spanischen Franziskanerobservanten Alfonso da Spina füge sich lückenlos in die am italiensichen Beispiel aufgezeigte Entwicklung ein. 14 Die Anderen Lange Zeit haben nur vereinzelte Studien angedeutet, daß sich die Judenfeindschaft franziskanischer Prediger im spätmittelalterlichen Italien nicht allein an wirtschaftsethischen Fragen entzündete. 15 In den letzten Jahren trugen jedoch auch jene Mediävisten, die sich der Erforschung des ökonomischen Denkens der franziskanischen Observanz verschrieben haben, vermehrt Hinweisen auf ein vielschichtigeres, nicht allein durch einen wirtschaftsethischen Konflikt bestimmtes Judenbild von Franziskanertheologen und -predigern Rechnung. Die unerbittlichen Angriffe von Predigern wie Bernardino da Siena gegen die jüdische Geldleihe seien nur vor dem Hintergrund eines klassischen, religiös12 13 14

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EBENDA, S. 217. TODESCHINI, La ricchezza degli ebrei, S. 156. TODESCHINI, Teorie economiche francescane, S. 223. Zum Judenbild Alfonsos da Spina im Fortalitium Fidei jetzt STEVEN J. MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah? Alphonso de Espina’s Argument against the Jews in the „Fortalitium Fidei“ (c. 1464), Atlanta 1994. Vittore Colorni zeigte, daß sich in der Auseinandersetzung Giovannis da Capestrano mit dem Juden Shemuel da Spira ein „odio profondo e istintivo per gli ebrei“ offenbare. VITTORE COLORNI, Shemuel (Simone) da Spira contro fra Giovanni da Capestrano, in: Rassegna mensile di Israel 38 (1972), S. 69-86, Zitat S. 70. Einzig Marcello Semeraro hat bisher die Aussagen eines Predigers, des Franziskanerkonventualen Roberto Caracciolo da Lecce, über Juden und das Judentum gesammelt und festgehalten; er zeigte, daß traditionelle antijüdische Inhalte zu einem wesentlichen Teil, auf keinen Fall aber ausschließlich die Interpretation des christlich-jüdischen Verhältnisses als wirtschaftsethischer Konflikt das in Predigten vermittelte Judenbild bestimmten. MARCELLO SEMERARO, Fra Roberto Caracciolo da Lecce e gli ebrei, in: Studi Storici, hg. von Cesare Colafemmina, Bari 1974, S. 43-60.

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theologischen Antijudaismus verständlich. Die Auseinandersetzung um Formen und Ausprägungen jüdischer Wirtschaftsethik hätte ohne traditionelle christliche Judenbilder niemals eine solche Schärfe erreicht. Erst das Bild von den Juden als Gottesmördern habe der Vorstellung von den wuchernden Juden als todbringende Blutsauger und Zerstörer eines wohlgeordneten christlichen Gemeinwesens ihre ungeheure Stoßkraft gegeben. 16 Entschieden wendete sich Franco Mormando in seiner Studie zu den Predigten Bernardinos da Siena gegen die oben beschriebene Engführung innerhalb der Forschung, wonach der Konflikt zwischen Juden und mendikantischen Predigern im Italien des Quattrocento einseitig als Ausdruck unterschiedlicher wirtschaftsethischer Vorstellungen interpretiert wird. 17 Das Ergebnis ist Mormando zufolge eindeutig; das Judenbild Bernardinos sei in hohem Maße an Vorlagen gebunden, die die Persistenz traditioneller Antijudaismen offenbare: „All of Bernardino’s teachings on the Jews (...) derive from the common, orthodox patrimony of Christian tradition“ 18. Derartige Stellungnahmen verweisen auf Überlegungen, die den christlich-jüdischen Antagonismus des Mittelalters aus den religiösen Exklusivitätsansprüchen und dem generellen Anders-Sein beider Kulturen erklären. Im Anschluß an die klassische Theorie des Ethnozentrismus, der die soziologische Debatte nachhaltig prägte, wird die Reaktion auf Fremdgruppen und kulturen zu einem unverzichtbaren Teil der Formierung der ‚In-group‘. 19 Die von Joeri Lotman geprägten kultursemiotischen Studien enthalten die These, daß eine jede Kultur sich die Vorstellung ihres eigenen Gegenteils schafft, vor dem sie sich ihrer Wert- und Sozialbezüge versichert. Kultur könne nicht ohne Nicht-Kultur existieren. Ihr Verhältnis ließe sich als geschichtlich bestimmte Interpretation der Antithese von Inklusion und Exklusion fassen. 20 Das viel16

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MICHELE CASSANDRO, Spunti antigiudaici nel pensiero economico bernardiniano, in: Miscellanea Domenico Maffei, dicata. Historia, Ius, Studium, hg. von Antonio Garciá y Garciá und Peter Weimar, Goldbach 1995, S. 489-508, Zitat S. 500. Nirit Ben-Aryeh Debby hat in ihrer kürzlich erschienen Studie über die Predigten Giovanni Dominicis und Bernardinos da Siena in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Florenz auch die Haltung der beiden berühmten Volksprediger gegenüber den Juden untersucht. Sie verband dies zwar mit der Frage nach wirtschaftsethischen Überlegungen Giovannis und Bernardinos, betonte jedoch auch, daß „both preachers were repeating traditional accusations against the Jews in the characteristically hostile manner of the mendicants“. NIRIT BEN-ARYEH DEBBY, Renaissance Florence in the Rhetoric of Two Popular Preachers. Giovanni Dominici (1356-1419) and Bernardino da Siena (1380-1444), Turnhout 2001, S. 179-188. Das Zitat ebenda, S. 190. FRANCO MORMANDO, The Preacher’s Demons. Bernardino da Siena and the Social Underworld of Early Renaissance Italy, Chicago-London 1999, S. 188. EBENDA, S. 196. WILLIAM G. SUMNER, Folkways, New York 1906, bes. Kap. I, § 15. JURIJ M. LOTMAN, Theses on the Semiotic Study of Cultures (as Applied to Slavic Texts), in: The Tell-Tale Sign. A Survey of Semiotics, hg. von Thomas A. Sebeok, Lisse 1975, S. 58. Zum Kulturvergleich als konstitutives Moment von Gesellschaft siehe auch FREDRIK

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schichtige, vom Paradigma des symbolischen Interaktionismus angeregte Theorieangebot, das unter dem Begriff des ‚labeling-approach‘ zusammengefaßt wird, interpretiert Marginalisierung als Etikettierungsphänomene. Phänomene sozialer Ab- und Ausgrenzung resultieren – so die Überlegungen – aus Zuschreibungen von normsetzenden sozialen Gruppen oder der Mehrheitsgesellschaft schlechthin. Die Stigmatisierung der Anderen diene der Aktualisierung von Normen und Ordnunsgvorstellungen jener Sozialität, deren Werte und soziale Struktur die Agenten der Stigmatisierung repräsentieren. 21 Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, daß den theoretischen Ansätzen häufig eine „historische Tiefendimension“ 22 fehlt. In ihnen wird die Reaktion von Eigen- auf Fremdgruppen bzw. -kulturen zu „einem genormten Mechanismus, der in internen Gruppenerfordernissen wurzelt“. Abgrenzung gelte als „soziale Instinktreaktion“ 23. Soziologen und Historiker forderten, mit Blick auf Marginalisierungsphänomene zwischen den Betroffenen am Rand der Gesellschaft stärker zu differenzieren. Es sei nach den je konkreten Umständen und Zwecken von Ab- und Ausgrenzungsphänomenen zu fragen. 24 Die mittelalterliche Welt der Anderen war heterogen. Zwar teilten jene Personen und Gruppen, deren religiöse bzw. sexuelle Haltungen, ihre körperlich-geistige Erscheinungsweisen oder ihre Tätigkeiten von den normierenden und normerfüllenden Gesellschaftsteilen abgelehnt bzw. nicht uneingeschränkt wertgeschätzt wurden, das Schicksal, Opfer von Stigmatisierungen zu sein; beliebig austauschbar sind sie jedoch nicht. 25 Ein Differenzmerkmal ist ihre

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BARTH, Introduction, in: Ethnic Groups and Boundaries. The Social Organization of Culture Difference, hg. von dems., Bergen 1969 (ND Prospect Heights 1998), S. 9-38. Erst die Grenzziehung definiere Barth zufolge ethnische Gruppen. Demnach hätten Studien zu kultureller Differenz „to focus the investigation on ‚the ethnic boundary that defines the group, not the cultural stuff that it encloses‘“. FREDRIK BARTH, Preface, a.a.O., S. 6. Siehe auch FRIEDRICH H. TENBRUCK, Was war der Kulturvergleich, ehe es den Kulturvergleich gab?, in: Zwischen den Kulturen? Die Sozialwissenschaften vor dem Problem des Kulturvergleichs, hg. von Joachim Matthes, Göttingen 1992, S. 13-35. Eine kurze Zusammenfassung zum labeling-approach bei BERND-ULRICH HERGEMÖLLER, Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft. Wege und Ziele der Forschung, in: Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft, hg. von dems., Warendorf 21994, S. 39-46. FRANK REXROTH, Das Milieu der Nacht. Obrigkeit und Randgruppen im spätmittelalterlichen London, Göttingen 1999, S. 23. TENBRUCK, Kulturvergleich, S. 28. FRANK REXROTH, Mediävistische Randgruppenforschung in Deutschland, in: Mittelalterforschung nach der Wende 1989, hg. von Michael Borgolte, München 1995, S. 450; DERS., Milieu der Nacht, S. 25f. Kritisch über die Austauschbarkeit marginalisierter Gruppen äußerte sich ROBERT CHAZAN, Medieval Stereotypes and Modern Antisemitism, Berkeley 1997, S. 80-90.Vgl. auch ANNA FOA, The Witch and the Jew. Two Alikes that were not the Same, in: From

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unterschiedliche Anbindung an die christliche Mehrheitsgesellschaft. Soziologische Begriffsüberlegungen legen nahe, von Marginalisierung nur dann zu sprechen, wenn auch eine normative Bindung an eine Bezugsgruppe besteht, von der Personen oder Gruppen, die sich derart gebunden haben, jedoch ausgeschlossen bleiben. Marginalität derart verstanden bedeutet den „Konflikt zwischen den von einer Person gebildeten Identifikationen (hinsichtlich Werten und Normen) und den von der betreffenden Gruppe zugestandenen Inklusionen. Nicht schwache Integration, sondern Ambiguität des Status ist der Kern dieses Arguments.“ 26 Daran anknüpfend wurde innerhalb der mediävistischen Randgruppenforschung die Forderung erhoben, „daß nicht die Qualität des Andersseins“, sondern das „Moment der Anbindung der Mehrheitsgesellschaft“ 27 über den Status diskriminierter Vergemeinschaftungen als Randgruppe entscheiden solle. Legt man dieses Kriterium für den Randgruppenstatus zugrunde, so können Juden nicht zu den mittelalterlichen Randgruppen im eigentlichen Sinn gezählt werden. Christen und Juden sind in ihrem Bezug aufeinander treffend als Konfrontationskulturen bezeichnet worden: „Judentum und Christentum waren und blieben Konfrontationskulturen im genauen Sinn des Wortes. Die bewußte und stete Ablehnung von Werten und Ansprüchen des anderen war und blieb konstitutives Moment für den fortlaufenden Aufbau der eigenen Identität beider Kulturen.“ 28 Dem liegt ein Konzept des Anderen zugrunde, wonach Abgrenzung gegen Gruppenfremde der Identitätsstabilisierung der Eigengruppe dient. 29 Antijüdische Inhalte werden dabei als integraler Bestandteil eines christlichen Diskurses, mit dem Christen sich ein Bild ihrer selbst geben, betrachtet. Miriam Taylor interpretierte das Judenbild der christlichen Kirchenväter dementsprechend: „the Jews in the writings of the Church Fathers are neither ‚men of straw‘ nor ‚formidable rivals‘, but symbolic figures who play

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Witness to Witchcraft. Jews and Judaism in Medieval Christian Thought, hg. von Jeremy Cohen, Wiesbaden 1997, S. 361-374. RUDOLF STICHWEH, Universitätsmitglieder als Fremde in spätmittelalterlichen und frühmodernen europäischen Gesellschaften, in: Fremde der Gesellschaft. Historische und sozialwissenschaftliche Untersuchungen zur Differenzierung von Normalität und Fremdheit, hg. von Marie Theres Fögen, Frankfurt a.M. 1991, S. 170. Zu soziologischen Bestimmungen des Begriffs ‚Marginalität‘ vgl. PETER WALDMANN, Der Begriff der Marginalität in der neueren Soziologie, in: Civitas. Jahrbuch für Sozialwissenschaften 13 (1974), S. 127-148 und LASZLO A. VASKOVICS, Art. ‚Marginalität‘, in: Wörterbuch der Soziologie, Bd. 2, hg. von Günter Endruweit und Gisela Trommsdorff, Stuttgart 1989, S. 413-416. REXROTH, Mediävistische Randgruppenforschung, S. 450. AMOS FUNKENSTEIN, Juden, Christen und Muslime. Religiöse Polemik im Mittelalter, in: Die Juden in der europäischen Geschichte. Sieben Vorlesungen, hg. von Wolfgang Beck, München 1992, S. 33. Dazu einführend FRANK FELSENSTEIN, Anti-semitic Sterotypes. A Paradigm of Otherness in English Popular Culture, Baltimore-London 1995, S. 15f.

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an essential role in the communication and development of the Church’s conception of God’s plans for the chosen people, and in the formation of the Church’s own cultural identity.“ 30 Dabei blieb es jedoch nicht. Der „beiderseitige Anspruch, allein den ‚richtigen Glauben‘ zu besitzen“, führte „zu feindseligem Mißtrauen auf beiden Seiten“ 31. Die Konfrontation von Juden und Christen erschöpfte sich nicht in dogmatischen Fragen, sondern resultierte in zunehmender Entfremdung und Feindschaft. 32 Aus der symbolischen Figur des religiös Anderen entwickelten Christen Vorurteile und Stereotype, die die Juden zunehmend stigmatisierten. Es ist unbestreitbar, daß seit dem hohen Mittelalter Zuschreibungen der christlichen Mehrheitsgesellschaft die christlich-jüdische Beziehung im Mittelalter zu einer unheilvollen Geschichte werden ließen, die sich in Zeiten gesellschaftlicher Krisen verstärken konnten. 33 Die Frage nach den Auslösern und Ursachen für die Entwicklung, die Juden innerhalb des christlichen Diskurses von symbolischen zu stigmatisierten Figuren des religiös Anderen werden ließ, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Im Anschluß an den ‚labeling approach‘ werden Marginalisierungsund Exklusionsphänomene gemeinhin als soziales Produkt auf der Basis gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsgruppen verstanden. Es bedurfte der herrschaftlichen Absicherung bzw. des Machtgefälles zwischen christlicher Mehrheit und jüdischer Minderheit, um Ab- und Ausgrenzung Realität werden zu lassen. 34 Allerdings wird die Rolle von Macht- und Herrschaftsträgern in der mediävistischen Debatte unterschiedlich gewichtet. Nach Robert I. Moore entstand im Hochmittelalter eine obrigkeitlich organisierte Verfolgungsgesellschaft. Moore verwies auf das hohe Integrationspotential des Herausstellens von Andersartigkeit für entstehende gesellschaftliche Großgruppen im kirchlichen 30

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Zitat entnommen GUY G. STROUMSA, From Anti-Judaism to Antisemitism in Early Christianity?, in: Contra Iudaeos. Ancient and Medieval Polemics between Christians and Jews, hg. von Orah Limor und dems., Tübingen 1996, S. 15. FRANTIŠEK GRAUS, Pest – Geißler – Judenmorde. Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit, Göttingen 1987, S. 277. AMOS FUNKENSTEIN, Perceptions of Jewish History, Berkeley u.a. 1993, S. 170. Vgl. auch JEREMY COHEN, Towards a Functional Classification of Jewish Anti-Christian Polemic, in: Religionsgespräche im Mittelalter, hg. von Bernard Lewis, Wiesbaden 1992, S. 93-114. IVAN G. MARCUS, Jews and Christians Imaging the Other in Medieval Europe, in: Prooftexts 15 (1995), S. 209-226. Für das späte Mittelalter ROBERT BONFIL, Aliens Within. The Jews and Antijudaism, in: Handbook of European History 1400-1600. Late Middle Ages, Renaissance and Reformation, Bd. 1: Structures and Assertions, hg. von Thomas A. Brady jr. u.a., Leiden u.a. 1994, S. 263-302, besonders S. 265ff. FRANTIŠEK GRAUS, Randgruppen der städtischen Gesellschaft im Spätmittelalter, in: Zeitschrift für historische Forschung 8 (1981), S. 415; HERGEMÖLLER, Randgruppen, S. 37. HERGEMÖLLER, Randgruppen, S. 42. DAVID NIRENBERG, Communities of Violence. Persecution of Minorities in the Middle Ages, Princeton 1996, S. 5-7.

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und weltlichen Herrschaftsbereich. Der Verweis auf religiös, sexuell oder körperlich Andere wie Häretiker, Juden, Homosexuelle oder Lepröse, ihre Stigmatisierung und Verfolgung habe der Vergesellschaftung der Übrigen gedient, ihnen einen Anlaß zur Abgrenzung nach außen und so eine Vorstellung von sich selbst gegeben. Das Handeln von Herrschaftsträgern sei das wesentliche Movens dieser Entwicklung gewesen. Vor dem Hintergrund einer sozialen Transformation von Teil- zu Großgesellschaften schufen sich weltliche und kirchliche Obrigkeiten mit den Anderen ein Bewährungsfeld, das ihnen half, ihre Autorität zu festigen und sogar herrschaftlichen Wandel zu legitimieren. 35 Gavin I. Langmuir hingegen interpretierte die zunehmende Judenfeindschaft seit dem hohen Mittelalter nicht als exklusive Veranstaltung von Macht- und Herrschaftsträgern. Anders als Moore hob Langmuir stärker auf den Innenzustand der christlichen Glaubensgemeinschaft zur Erklärung der ausgesprochen negativen Entwicklung des mittelalterlichen Judenbildes ab. Er deutete sie als Folge des innerchristlichen Konflikts zwischen dem, was die katholische Amtskirche autoritativ als Glaubensinhalte vorschrieb, und dem, was wirklich geglaubt wurde. Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts sei es zunehmend zu Zweifeln an Glaubensdogmen gekommen. Empirische Einsichten über die Natur von Objekten hätten zum Beispiel die Lehre von der Transsubstantiation fragwürdig werden lassen. Um weiterhin der Orthodoxie folgen zu können, sei der rational begründbaren Verunsicherung mit irrationalem Verhalten begegnet worden. Christen verdrängten die Zweifel, gaben sie aber zugleich nach außen ab. Zur Projektionsfläche innerchristlicher Glaubenszweifel seien die Juden geworden, seien sie es doch gewesen, die die religiösen Anderen schlechthin verkörperten. 36 In diesem Kontext sei es zur Ausbildung von irrationalen, fiktiven Vorurteilen gegenüber Juden gekommen, die einen Wandel von xenophoben zu chimärischen Einstellungen der Christen zu den Juden markieren. Ein mittelalterlicher Antisemitismus sei an die Stelle traditioneller antijüdischer Vorstellungswelten getreten. 37 35 36

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MOORE, Persecuting Society, S. 110. GAVIN I. LANGMUIR, History, Religion, and Antisemitism, Berkeley 1990. Langmuir betonte, eine fundamentale Auseinandersetzung mit religiösen Phänomenen komme nicht ohne eine Definition von Religion aus. Mit soziologischen, anthropologischen und psychologischen Versatzstücken begriff er Religion als einen Gegenstand, der nicht über Inhalte, wohl aber als Phänomen gesellschaftlicher Macht zu beschreiben sei. Er unterschied ‚religion‘ als „those elements of religiosity that are explicitly prescribed by people exercising authority over other people“ von ‚religiosity‘: „the dominant pattern or structuring of nonrational thinking – and the conduct correlated with it – which the individual trusts to establish, extend and preserve consciousness of his or her identity“. EBENDA, S. 136 u. 162. GAVIN I. LANGMUIR, Toward a Definition of Antisemitism, in: The Persisting Question. Sociological Perspectives and Social Contexts of Modern Antisemitism, Bd. 1, hg. von Helen Fein, Berlin-New York 1987, S. 86-127, wiederabgedruckt in GAVIN I. LANGMUIR,

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Neben der identifikatorischen Funktion des Redens über Andere für die Eigengruppe betont die jüngere Predigthistoriographie vor allem innerchristliche Konflikte, die Langmuir zur Erklärung zunehmender Judenfeindschaft ausmachte. Eng an die Interpretation Langmuirs band Joan Young Gregg ihre Untersuchung der Darstellung von Dämonen, Juden und Frauen in exempla der spätmittelalterlichen Predigtliteratur. 38 Diese kurzen Erzählungen zur Illustrierung nichtnarrativer Diskurse hatten als Predigthilfen eine lange Tradition, die bis in die ausgehende Antike zurückverfolgt werden kann. 39 Prediger

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Toward a Definition of Antisemitism, Los Angeles-Berkeley 1990, S. 311-352. Die Begrifflichkeit Langmuirs ist jedoch problematisch. Trotz seiner Unterscheidung von ‚religion’ und ‚religiosity’ bleiben die judenfeindlichen Vorstellungswelten, so sehr sie sich auch in der Zeit unterscheiden lassen, religiös konnotiert. Auf die religiöse Dimension mittelalterlicher Judenfeindschaft zielt der klassische Begriff des Antijudaismus ab. Vgl. HEIKO A. OBERMAN, Wurzeln des Antisemitismus. Christenangst und Judenplage im Zeitalter von Humanismus und Reformation, Berlin 1981, S. 63. Gegen die Verwendung des Begriffs des Antisemitismus – selbst eine Neubildung des späten 19. Jahrhunderts – spricht mit Thomas Nipperdey und Reinhard Rürup immer noch die besondere Qualität einer modernen, vor allem rassisch motivierten Judenfeindschaft, die das Mittelalter nun einmal nicht kannte: „Antisemitismus meinte Feindschaft gegenüber Juden und Judentum, und zwar in einem von der traditionellen Judenfeindschaft (...) durchaus unterschiedenen Sinn. Der Begriff definierte nicht nur einen alten Feind in neuer Weise, sondern beschrieb mit der neuen Definition einen neuen Feind.“ Vgl. THOMAS NIPPERDEY/REINHARD RÜRUP, Antisemitismus – Entstehung, Funktion und Geschichte eines Begriffs, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politischsozialen Sprache, Bd. 1, hg. von Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck, Stuttgart 1972, S. 129-153, Zitat S. 141f. Die Differenz betonte ausdrücklich auch GUIDO KISCH, Nationalism and Race in Medieval Law, in: ders., Forschungen zur Rechts- und Sozialgeschichte des Mittelalters, Bd. 3, Sigmaringen 1980, S. 179-204. Vgl. auch RAINER WALZ, Der vormoderne Antisemitismus. Religiöser Fanatismus oder Rassenwahn?, in: Historische Zeitschrift 260 (1995), S. 722. Zur Kontroverse um die Bezeichnung mittelalterlicher Judenfeindschaft vgl. EDITH WENZEL, „Do worden die Judden alle geschant.“ Rolle und Funktion der Juden in spätmittelalterlichen Spielen, München 1992, S. 22-30. JOAN YOUNG GREGG, Devils, Women and Jews. Reflections of the Other in Medieval Sermon Studies, Albany 1997. So die Definition von GILBERT DAHAN, Les intellectuels chrétiens et les juifs au Moyen Âge, Paris 1990, S.374: „(...) l’exemplum, limité à une trame narrative extrêmement ramassée, visant à illustrer un discours non narratif (exégèse, prédication...) (...)“. Zur ersten Orientierung über die literarische Gattung des exemplum CLAUDE BREMOND/JACQUES LE GOFF/JEAN-CLAUDE SCHMITT, L’“Exemplum“, Turnhout 1982. Dort als Definition S. 37f.: „un récit bref donné comme véridique et destiné à être inséré dans un discours (en général, un sermon) pour convaincre un auditoire par une lecon salutaire (...)“. Sowohl Dahan als auch Bremond u.a. führen jedoch nicht aus, was sie unter ‚Diskurs‘ fassen. Hilfreich auch CARLO DELCORNO, Exemplum e letteratura. Tra Medioevo e Rinascimento, Bologna 1989. Immer noch von großem Nutzen JEAN THIEBAUT WELTER, L’exemplum dans la littérature réligieuse et didactique du moyen âge, Paris-Toulouse 1927 (ND New York 1973). Vgl. auch die Beiträge im Sammelband

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nutzten schon früh Wundergeschichten und Beispielerzählungen, um ihrem Publikum die zuweilen abstrakten Predigtinhalte anschaulicher, verständlicher und erinnerbar zu machen, sowie die Aufmerksamkeit ihres Publikums während der Predigt zu erhöhen. 40 Die große Zeit der exempla ist zweifellos das 13. und 14. Jahrhundert. Parallel zu einer neuen Form des Predigens – die klassische Homilie, die satzweise Auslegung eines Bibeltextes, wurde von einer stärker thematisch orientierten Predigt, dem sogenannten sermo modernus abgelöst – entstanden in dieser Zeit umfangreiche Exempelsammlungen, die sich zunehmend an konkreten sozialen Kontexten orientierten und Formen sozialen Wandels und gesellschaftlicher Ausdifferenzierung abbilden, etwa die Entstehung und Formierung stadtbürgerlichen Lebens seit dem 12. Jahrhundert. 41 Gregg beließ es nicht bei einer summarischen und deskriptiven Aufführung relevanter Beispielerzählungen; ihr Interesse galt der sozialen Funktion einer – so ihre Annahme – in weiten Teilen unbewußt verlaufenden Reflexion von normsetzenden Kräften über die sogenannten Anderen als Ausdruck der dominierenden kulturellen Norm. Sie vergaß dabei keineswegs, auf die Rolle der Juden als Sündenböcke für ungelöste soziale und wirtschaftliche Probleme zu verweisen. Da das mittelalterliche Christentum nicht zwischen einer religiösen und sozialen Deutungskultur unterschieden habe, unterstrichen christliche Zuschreibungsprozesse nicht nur die religiöse Differenz von Christen und Juden. Zusätzlich galt der Jude als „socially and economically disruptive figure“. 42 Die zunehmende mittelalterliche Judenfeindschaft erklärte Gregg im Kern jedoch mit der unterdrückten Feindschaft von Christen gegen die strengen Regeln der eigenen Moralkirche. Spirituelle Zweifel an Dogmen christlicher Religion führte Gregg, die das Mittelalter vor allem als Epoche der Glaubenskrise auffaßte und beschrieb, als Ursache für den sich in den Predigtgeschichten manifestierenden, zunehmenden Antijudaismus an. Vorbehalte von Christen gegenüber der kirchlichen Lehre von der Eucharistie, Fragen zur göttlichen und menschlichen Natur Christi, nach der

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Exempel und Exempelsammlungen, hg. von Walter Haug und Burghart Wachinger, Tübingen 1991. An einer Zusammenstellung mittelalterlicher religiöser exempla versuchte sich FREDRIC C. TUBACH, Index exemplorum. A Handbook of Medieval Religious Tales, Helsinki 1969. CHRISTOPH CLUSE, Blut ist im Schuh. Ein Exempel zur Judenverfolgung des „Rex Armleder“, in: Liber amicorum necnon et amicarum für Alfred Heit. Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte und geschichtlichen Landeskunde, hg. von Friedhelm Burgard, Christoph Cluse und Alfred Haverkamp, Trier 1996, S. 373. Zum Gebrauch und der Funktion von Exempel im Medium der mittelalterlichen Predigt vgl. auch MICHAEL MENZEL, Predigt und Geschichte. Historische Exempel in der geistlichen Rhetorik des Mittelalters, Köln-Weimar-Wien 1998, S. 33-45. GIANCARLO BOSCO, Aspetti della società umana nella predicazione e negli „exempla“ medievali, in: Sacra Doctrina 35 (1990), S. 40-57, 117-155, 459-489 u. 574-611. GREGG, Devils, Women and Jews, S. 171.

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Jungfräulichkeit Marias, nach ihrer und anderer Heiliger Mittlerfunktion zwischen diesseitig erfahrbarer Welt und Bereichen unsicherer Transzendenz komme ebenso wie Unsicherheiten über Frömmigkeitspraktiken, über Beichte und Buße entscheidende Bedeutung zu. 43 Greggs psychoanalytischer Erklärungsansatz unterscheidet sich von den Interpretationen der früheren Studien zum Judenbild in der spätmittelalterlichen Exempelliteratur, die vor allem die „paränetisch-pädagogische Tendenz“ 44 der exempla für christliches Verhalten und Handeln betonten. Stigmatisierung sei, so Gregg, nicht eine Reaktion auf objektive Devianz, sondern Resultat innerer Konflikte der normkonformen Gesellschaftsmitglieder über verbotene, nicht mit gesellschaftlichen Normen übereinstimmende Gefühle und Wünsche. Da diese nicht über einen Normwandel zu lösen seien, würden sie, um sich von ihnen zumindest zu entlasten, nach außen abgegeben. 45 Das Bedürfnis nach Übertragung und Externalisierung sei der Auslöser für Marginalisierungsphänomene, erst die vorgenommenen Projektionen zögen Rationalisierungen und Rechtfertigungen für Segregation und völligen Ausschluß nach sich: „On the heels of projection inevitably followed rationalization and justification for excluding, belittling, harming, or exterminating these Others.“ 46 Franco Mormando neigte der Ansicht zu, Bernardino da Siena habe mit seinen Predigten den großen mittelalterlichen Traum einer christlichen Theokratie verfolgt, in der deviantes Verhalten isoliert oder gar völlig eleminiert werden 43 44

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EBENDA, S. 182. LOTTER, Judenbild, S. 432. Dem Judenbild innerhalb einer Exempelsammlung nahm sich erstmals JACQUES LE GOFF, Le Juif dans le exempla médiévaux. Le cas de l’Alphabetum Narrationum, in: Le racisme. Mythes et sciences; pour Léon Poliakov, hg. von Maurice Olender, Brüssel 1981, S. 209-220 an. Le Goff bezeichnete das Alphabetum Narrationum, das in den Jahren 1308 bis 1310 vom Dominikanermönch Arnold von Lüttich redigiert wurde, als eine „véritable encyclopédie de la religion chrétienne à l’usage des prédicateurs, et à travers eux, des simples fidèles“. In den exempla spiegele sich die zunehmende Marginalisierung jüdischen Lebens in der christlichen Umwelt des lateinischen Mittelalters. Juden kommen – anders als noch im etwa 100 Jahre früher entstandenen Dialogus miraculorum des Zisterziensers Cäsarius von Heisterbach – in den Beispielerzählungen über eine Objektrolle als „profanateurs de l’espace sacré chrétien“ nicht hinaus. Ebenda, S. 210. Zum Judenbild innerhalb des Dialogus miraculorum Heisterbachs siehe IVAN G. MARCUS, Images of the Jews in the Exempla of Caesarius of Heisterbach, in: From Witness to Witchcraft. Jews and Judaism in Medieval Christian Thought, hg. von Jeremy Cohen, Wiesbaden 1997, S. 247-256. Zum Judenbild innerhalb zisterziensischer Bibelexegese und Predigt FRIEDRICH LOTTER, The Position of the Jews in Early Cistercian Exegesis and Preaching, in: From Witness to Witchcraft, a.a.O., S. 163-185. Desweiteren sei noch auf JOHANNES GRABMAYER, Rudolf von Schlettstadt und das aschkenasische Judentum um 1300, in: Aschkenas 4 (1994), S. 301336 hingewiesen. GREGG, Devils, Women and Jews, S. 189. EBENDA, S. 20.

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sollte. In der Beantwortung der Frage nach den Motiven der predigtgebundenen Judenfeindschaft Bernardinos da Siena offenbaren sich Parallelen zu sozialpsychologisch beeinflußten Arbeiten, wonach der Antijudaismus als integraler Bestandteil des christlichen Diskurses mit der Zuspitzung je christlicher, desto antijüdischer gesehen und seine Verschärfung als Mittel zur Stabilisierung eines christlichen Selbstbildes und Etablierung christlicher Ordnungsvorstellungen gedeutet wird. Mormando setzte sich jedoch von einer einseitigen Betonung sozialpsychologischer Interpretationen ab, wie sie innerhalb der mediävistischen Forschung von Gavin I. Langmuir prominent vertreten wurden und die auf die gesellschaftliche Konstruktion von Andersartigkeit gleichsam als Konstante der ideologischen Norm eo ipso und zur Lösung innerer Konflikte der normgebenden Mehrheitsgesellschaft verweisen. Mormando hingegen bemühte sich um eine stärkere soziale Kontextualisierung der Sündenbockfunktion von Heterodoxie. Nicht so sehr dogmatische Unsicherheiten, sondern vielmehr „multifaceted crisis of early fifteenth-century Christendom“, die Wahrnehmung von Kirchenspaltung und des Scheiterns kirchlicher Reformbemühungen ebenso wie die Erfahrung politischer Instabilität, sozio-ökonomischer Krisen und Naturkatastrophen seien für Bernardino Anlaß gewesen, über und gegen die Heterodoxie zu predigen. Hexen, Sodomiter und – wenn auch in einem geringeren Maß – Juden seien dabei zu Sündenböcken geworden, die nicht nur Unsicherheiten im Glaubenswissen, sondern Angst, Sorge und Wut als emotionale Folgen spätmittelalterlicher Krisen und realer Konflikte entschärfen halfen. Ihnen gab man die Schuld „for its woes, of exacting punishment from him or her, and of gaining release, if only temporarily, from its own state of impotence by oppressing those even more impotent than itself“ 47. Die Entlastung von Glaubenszweifeln neben der didaktischen Vermittlung von Glaubenswissen und Frömmigkeitspraktiken zur Stabilisierung einer christlichen Identität als Funktion predigtgebundener Judenbilder betonte HansMartin Kirn. Am Beispiel der überlieferten Predigtliteratur des Franziskanerobservanten Bernardino da Busti († c. 1513) wandte sich Kirn entschieden gegen Ansichten, die die zunehmende Judenfeindschaft während des späten Mittelalters allein mit sozialen Konflikten oder wirtschaftsethischen Gegensätzen erklären. 48 Eine entscheidende Rolle komme religiösen und mentalen Faktoren für die antijüdische Haltung von Wanderpredigern zu. Antijüdische Predigtinhalte seien „integraler Bestandteil ihres endzeitlich motivierten Drängens auf vertiefte Frömmigkeit in Buße und Umkehr und damit Moment eines zentralen kirchlichen Reformanliegens“ 49. Nur vor dem Hintergrund der 47 48

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MORMANDO, Preacher’s Demons, S. 231. HANS-MARTIN KIRN, Antijudaismus und spätmittelalterliche Bußfrömmigkeit. Die Predigten des Franziskaners Bernhardin von Busti (um 1450-1513), in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 108 (1997), S. 147-175, Zitat S. 149. EBENDA, S. 152.

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spätmittelalterlichen Bußfrömmigkeit, die Kirn als „Erwerb einer handlungsrelevanten religiös-ethischen Grundhaltung charakterisierte, in der sich intensives Sündenbewußtsein und gesteigerte Kirchlichkeit entsprechen“, die nicht auf individuelles Verhalten, sondern auf das „Wohl und Heil des Gemeinwesens als kirchlich-bürgerliche Einheit“ 50 ziele, offenbare sich das Wesen und die Funktion des Judenbildes, das spätmittelalterliche Prediger vor ihrem Publikum ausbreiteten. Prediger verwiesen demnach auf die unbußfertigen Juden, die sich nicht zum christlichen Glauben bekehren wollten, um Christen eine „antichristliche Gegenwelt“ 51 vorzuführen, die ex negativo der Stärkung und Bekräftigung einer „res publica christiana“ 52 dienen sollte. Es sei einem „christlich motivierten Integrationsdrang“ geschuldet, daß „randständige Fremde“, zu denen Juden zweifellos gehört hätten, als „Gegenstand forcierter Ausgrenzung“ 53 identifiziert wurden; eine „sakrale Integrationsvorstellung“ dränge „den Antijudaismus der theologischen Tradition hin zur gezielten antisemitischen Agitation, mit der die Isolierung und die Vertreibung der Juden betrieben wird“. Der „Gegensatz zwischen Juden und Christen“ erfahre „eine derart zielstrebige Verschärfung, daß faktisch eine vom Antisemitismus freie Form christlicher Theologie und Frömmigkeit nicht mehr vorstellbar erscheint“ 54. So werde die Ausweisung der Juden bei Bernardino da Busti zum Gebot „einer letzten universalen Dringlichkeit, in der die Ausweisung der Juden zum symbolischen Akt der Lossagung vom Unglauben und damit zum Akt der Buße wird“ 55. Kirn stellte später seine Interpretation des Wechselspiels von Bußfrömmigkeit und Judenfeindschaft im späten Mittelalter in einen größeren europäischen Zusammenhang. 56 Er unterstrich die antijüdische Profilierung von christlichem Glaubenswissen und christlicher Frömmigkeitspraxis. Doch die judenfeindliche Propaganda der Prediger ziele letztlich nicht nur auf eine religiöse Praxis; vielmehr übe es eine bedeutende gesellschaftliche Ordnungsfunktion aus, da es sowohl der „angestrebten Ordens- und Kirchenreformen“ als auch den „sozial motivierten gesellschaftsreformerischen Anstrengungen“ 57 die Richtung vorgebe. Kirn formulierte: „Das klassische christliche Nachfolgeideal der Weltverachtung (contemptus mundi) öffnet sich 50 51 52 53 54 55 56

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EBENDA, S. 149f. EBENDA, S. 153. EBENDA, S. 150. EBENDA. EBENDA, S. 152. EBENDA, S. 166. HANS-MARTIN KIRN, Contemptus mundi – contemptus Judaei. Nachfolgeideale und Antijudaismus in der spätmittelalterlichen Predigtliteratur, in: Spätmittelalterliche Frömmigkeit zwischen Ideal und Praxis, hg. von Berndt Hamm und Thomas Lentes, Tübingen 2001, S. 147-178. EBENDA, S. 148.

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perspektivisch hin zur rational und affektiv verankerten Judenverachtung, die auf eine verschärfte Einforderung der religiös-sozialen Distinktion und am Ende auf die Eliminierung der Juden als ‚Christenfeinde‘ aus dem Gemeinwesen zielte. Anders ausgedrückt: Je konsequenter das contemptusmundi-Ideal auf eine religiös-kirchliche Einheitsvorstellung der Gesellschaft hin ausgelegt wurde, desto enger wuchs es mit der Forderung nach obrigkeitlich geordneter Ausweisung der Juden zusammen oder nahm offen gewalttätigeliminatorische Züge an wie im Vorfeld der Judenausweisung aus Spanien 1492.“ 58 Predigt im Kontext Wenig ist bisher zu den politischen Implikationen predigtgebundenen Antijudaismus gearbeitet worden. Lange Zeit galt das Interesse der mediävistischen Predigtforschung einer engen Textanalyse der erhaltenen Predigten. Bis in die späten 1970er Jahre hinein dominierten Studien zur Struktur der Texte und zu ihrer Überlieferung. Erst danach richtete sich allmählich der Blick auf Predigt als kommunikatives Ereignis. 59 Vor allem die Erforschung der Interaktion von Predigern und Publikum genießt nun größere Aufmerksamkeit. 60 In Anlehnung an aktuelle Ansätze innerhalb der Kulturwissenschaften eröffnen sich dabei Perspektiven weg vom eigentlichen Sprechakt hin zur Performanz der mittelal-

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EBENDA, S. 149. Einen Überblick zu dieser Entwicklung gibt AUGUSTINE THOMPSON, From Texts to Preaching. Retrieving the Medieval Sermon as Event, in: Preacher, Sermon and Audience in the Middle Ages, hg. von Carolyn Muessig, Leiden/Boston/Köln 2002, S. 13-37. Vgl. auch SOPHIA MENACHE, Vox Dei. Communication in the Middle Ages (Communication and Society), New York 1990, S. 21; DIES./JEANNINE HOROWITZ, „Au commencement était le Verbe“. Propagatio Fidei et propagande au Moyen Âge, in: Revue Belge de Philologie et d’Histoire 70 (1992), S. 330-356. Den Anfang machten hier die Beiträge im Sammelband Faire croire. Modalités de la diffusion et de la réception des messages religieux du XIIe au XVe siècle, table ronde organisée par l’École Française de Rome sous la direction de André Vauchez, Rom 1981. Später erschien dann Dal pulpito alla navata. Le predicazione medievale nella sua recezione da parte degli ascoltari (secc. XIII-XV), Convegno internazionale di storia religiosa in memoria di Zelina Zafarana, Firenze, 5-7 giugno, hg. von Gian Carlo Garfagnini, Florenz 1989. Siehe auch THOMAS L. AMOS, Early Medieval Sermons and their Audience, in: De l’homélie au sermon. Historie de la prédication médiévale. Actes du Colloque internationale de Louvain-la-Neuve, 9-11 juillet 1992, hg. von Jacqueline Hamesse und Xavier Hermand, Louvain-La-Neuve 1993, S. 1-14 ; CHRISTOPH CLUSE, The Preacher’s Audience as Reflected in some Sermons by Ranulph de la Houblonnière, in: Medieval Sermon Studies 34 (1994), S. 52-60. Zuletzt dazu die Beiträge im Sammelband Preacher, Sermon and Audience in the Middle Ages, hg. von Carolyn Muessig, Leiden/Boston/Köln 2002.

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terlichen Predigt, deren mediale Vielschichtigkeit nun deutlicher hervortritt. 61 Die soziale Kontextualisierung mittelalterlicher Predigten, ihre Rezeptions- und Wirkungsgeschichte ist jedoch nach wie vor nur unzureichend untersucht. Nirit Ben-Aryeh Debby formulierte treffend: „While we have a history of the medieval sermon, the history of preachers and their significance in diverse contexts has yet to be written.“ 62 Die politische Relevanz von Predigt ist umstritten. Zuweilen wurde die große öffentliche Macht mittelalterlicher Prediger betont. 63 Jüngere Studien hingegen verweisen auf ihre Abhängigkeit von kirchlichen und weltlichen Herrschaftsträgern. 64 Detaillierte Untersuchungen, die die eine oder andere Meinung bestätigen, modifizieren oder falsifizieren können, fehlen jedoch. Um zu einer angemessenen Antwort über die politische Kontextualisierung von Predigten zu kommen, ist es daher weiterhin unerläßlich, Fall für Fall die Beziehungen zwischen Predigern und

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BEVERLY M. KIENZLE, Medieval Sermons and their Performance. Theory and Record, in: Preacher, Sermon and Audience in the Middle Ages, hg. von Carolyn Muessig, Leiden/Boston/Köln 2002, S. 89-124. DEBBY, Renaissance Florence in the Rhetoric of Two Popular Preachers, S. 8. Dies gilt nicht nur für die Predigt im 15. Jahrhundert, sondern bleibt Forschungsdesiderat für die gesamte mittelalterliche Predigt. Vgl. AUGUSTINE THOMPSON, Revival Preachers and Politics in the Thirteenth-Century Italy. The Great Devotion of 1233, Oxford 1992, S. 13f. Neuere Arbeiten zur Mendikantenpredigt im Quattrocento erheben zwar den Anspruch, den sozialen Implikationen von Predigt nachzugehen, konzentrieren sich aber weiterhin fast ausschließlich auf Predigtinhalte, ohne nach ihren konkreten sozialen Voraussetzungen und politischen Auswirkungen zu fragen. So etwa DANIEL R. LESNICK, Preaching in Medieval Florence. The Social World of Franciscan and Domenican Spirituality, Athen/GA-London 1989; BERNADETTE THERESA PATON, Preaching Friars and Civic Ethos in a Late Medieval Italian Commune, Siena 1380-1480, Siena 1992; PETER F. HOWARD, Beyond the Written Word. Preaching and Theology in the Florence of Archbishop Antoninus, 1427-1459, Florenz 1995. Eine Ausnahme stellen die Beiträge zu Predicazione francescana e società veneta nel Quattrocento. Committenza, ascolto, ricezione. Atti del II Convegno internazionale di studi francescani, Padua, 26.-28. März 1987, in: Le Venezie Francescane, n.s. 6 (1989) dar. Sie wurden 1995 nochmals gesondert in einem von Giorgio Cracco zu Padua herausgegebenen Sammelband publiziert. Dem sozialen Kontext und den Wirkungen von Predigten ging auch KATHERINE LUDWIG JANSEN, The Making of the Magdalen. Preaching and Popular Devotion in the Later Middle Ages, Princeton 2000 nach. MAURICE WEBER, Les origines des Monts de Piété, Straßburg 1920, S. 45 ; IDA MAGLI, Un linguaggio di massa nel medioevo. L’oratoria sacra, in: Rivista di sociologia 1 (1963), S. 181-198. HERVE MARTIN, La prédication et les masses au XVe siècle. Facteurs et limites d’une réussit, in: Histoire vécue du peuple chrétien, Bd. 2, hg. von Jean Delumeau, Toulouse 1979, S. 11 u. 15 ; REMO L. GUIDI, Il pulpito e il palazzo. Temi e problemi nella predicazione dei Mendicanti nel ‘400, in: Archivum Franciscanum Historicum 89 (1996), S. 272.

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Einleitung

Obrigkeiten zu analysieren. 65 Dieser Befund läßt sich auf die Erforschung des predigtgebundenen Antijudiasmus übertragen. Seine gesellschaftlichen Bedingungen und politischen Wirkungen sind noch nicht ausreichend untersucht. Davon nimmt sich die Literatur zur franziskanischen Predigt im spätmittelalterlichen Italien allenfalls in Ansätzen aus. 66 Zweifellos erschwert eine ungünstige Überlieferungslage Aussagen über ihren sozialen Kontext. Am ehesten noch läßt sich der Zusammenhang von judenfeindlichen Predigten und kommunaler Gesetzgebung nachweisen. Mit Blick auf die zunehmenden antijüdischen Gesetze in ober- und mittelitalienischen Städten des Quattrocento formulierte Diane Owen Hughes: „Even when a direct connection cannot be found, Franciscan sermons had usually prepared the ground.“ 67 Franco Mormando untersuchte an einzelnen Fallbeispielen wie Siena, Perugia, Orvieto, Vicenza und Padua die Wirkungen, die die Predigten Bernardinos da Siena auf das christlich-jüdische Zusammenleben zeitigten. Sein Fazit fiel ernüchternd aus: „How successful was Bernardino in reaching his anti-Jewish goals? In the 65

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So die Forderung von ROSA MARIA DESSÌ, La prophétie, l’évangelie et l’état. La prédication en Italie au XVe et au début du XVIe siècle, in: La parole du prédicateur. VeXVe siècle, hg. von ders. und Michel Lauwers, Nizza 1997, S. 409. Siehe auch ROSA MARIA DESSÌ, Predicare e governare nelle città dello Stato della Chiesa alla fine del medioevo. Giacomo della Marca a Fermo, in: Studi sul Medioevo per Girolamo Arnaldi, hg. von Giulia Barone, Lidia Capo und Stefano Gasparri, Rom 2001, 125-154, bes. S. 125-127. Einiges zur Wirkung antijüdischer Mendikantenpredigten im spätmittel-alterlichen Italien findet sich in zwei älteren Beiträgen von AGOSTINO ZANELLI, Predicatori a Brescia nel Quattrocento, in: Archivio Storico Lombardo 15 (1901), S. 83-144 und GIOVANNI BATTISTA CERVELLINI, La predicazione a Bassano, in: Bollettino del Museo Civico di Bassano 4 (1907), S. 45-60. Dem sozialen Kontext franziskanischer Predigten im Quattrocento war Alberto Ghinato in zahlreichen Aufsätzen auf der Spur. Einige davon sind ALBERTO GHINATO, Vita religiosa nel Quattrocento italiano. Apostolato religioso e sociale di S. Giacomo della Marca in Terni (1444-1455), in: Archivum Franciscanum Historicum 49 (1956), S. 106-142 u. 352-390; DERS., Il b. Michele d’Acqui († 1500 c.) e il suo apostolato in Verona, in: Le Venezie francescane 24 (1957), S. 145-192; DERS., La predicazione francescana nella vita religiosa e sociale del Quattrocento, in: Picenum Seraphicum 10 (1973), S. 24-98. Daneben widmete sich Ghinato auch der franziskanischen Propaganda für die Errichtung der Monti di Pietà: ALBERTO GHINATO, Un propagatore dei Monti di Pietà nel ‘400. P. Fortunato Coppoli da Perugia, in: Rivista di Storia della Chiesa in Italia 10 (1956), S. 193-211; DERS., Studi e documenti intorno ai primitivi Monti di Pietà, 5 Bde., Rom 1956-61; DERS., I Francescani e il Monte di Pietà di Terni da Fra Agostino da Perugia al B. Bernardino da Feltre, in: Archivum Franciscanum Historicum 51 (1958), S. 95-160; DERS., I Francescani e il Monte di Pietà di Terni dal 1490 al 1515, in: Archivum Franciscanum Historicum 52 (1959), S. 204-289. Der bereits im Zusammenhang mit einem Aufsatz Ghinatos angeführte 10. Band von Picenum Seraphicum widmete sich exklusiv der franziskanischen Predigt im Italien des Quattrocento, u.a. MARIO SENSI, Predicazione itinerante a Foligno nel secolo XV, in: Picenum Seraphicum 10 (1973), S. 139-195. HUGHES, Distinguishing Signs, S. 20.

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short run, his failures were at least as many as his successes, if indeed not of greater number. Few of the anti-Jewish measures passed by Italian towns during Bernardino’s lifetime proved effective. Even in those cases in which these provisions were not legally overturned, there was an enormous gap between the letter of the law and the reality of daily life.“ 68 Das Beziehungsgeflecht zwischen judenfeindlichen Predigern und städtischen Herrschaftsträgern lösen die bisherigen Studien kaum auf. 69

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MORMANDO, Preacher’s Demons, S. 217. Von den neueren Studien zur mendikantischen Predigt im Italien des Quattrocento unternahm Michele Luzzati in Ansätzen eine genauere Analyse des politischen Kontextes. MICHELE LUZZATI, La casa dell’ebreo. Saggi sugli Ebrei a Pisa e in Toscana nel Medioevo e nel Rinascimento, Pisa 1985.

3. Begriffe und Methode ‚Soziale Ausgrenzung‘ und ‚Predigt als Medium‘ sind erkenntnisleitende Begriffe der vorliegenden Arbeit. Sie bedürfen der Erklärung. Zunächst gilt es kurz zu bestimmen, was hier unter sozialer Ausgrenzung zu verstehen ist. Mit dem Anspruch, im Besitz religiöser Wahrheit zu sein, grenzen sich Christen und Juden voneinander ab. In der christlichen Mehrheitsgesellschaft des Mittelalters verlief die Abgrenzung im bestehenden Machtgefälle zwischen Christen und Juden zunehmend zu Ungunsten der jüdischen Minderheit. In der Literatur sind Verschiebungen der christlichen Vorstellungswelten über Juden während des Mittelalters kenntlich gemacht worden. 1 Die christlichen Judenbilder offenbaren die Stigmatisierung der Juden. Stigmatisierung gilt als Zuweisung eines „pejorativen Status“ 2. Von sozialer Ausgrenzung soll jedoch erst dann gesprochen werden, wenn mit den antijüdischen Bildern und Deutungskulturen Rechtfertigungen verbunden werden, wodurch Juden in ihrem Jüdischsein nicht mehr geduldet werden. Dies kann auf zweifache Art geschehen. Zum einen, indem die cohabitatio, das unter bestimmten Bedingungen zuvor geduldete Zusammenleben von Christen und Juden, aufgekündigt wird. Zudem kann der Versuch, Juden zum christlichen Glauben zu missionieren, als soziale Ausgrenzung verstanden werden, formuliert Mission doch Exklusion mit dem Ziel, ihre Inklusionsbemühungen am zuvor Ausgeschlossenen zu vollziehen. Mit dem Hinweis auf Predigt als Medium müssen für die vorliegende Arbeit grundlegende konzeptionelle Überlegungen verbunden werden. Medien haben Konjunktur. In den letzten Jahren ist für die Gegenwart vielfach und an unterschiedlichsten Stellen auf mediale Umbrüche – es war gar von der medialen Revolution die Rede – und einer daraus resultierenden neuen medialen Unübersichtlichkeit hingewiesen worden. In einer Gesellschaft, die zur Mediengesellschaft wird, gestalte sich die Wissensvermittlung zu einer exklusiven Angelegenheit moderner Massenmedien. 3 Eine Reaktion auf derartige soziale Phänomene und Einschätzungen bestand in der Ausbildung einer professionellen Medienwissenschaft seit den 1980er Jahren, die sich seither an 1

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Zu Judenbildern im Mittelalter STEFAN ROHRBACHER/MICHAEL SCHMIDT, Judenbilder. Kulturgeschichte antijüdischer Mythen und antisemitischer Vorurteile, Reinbek 1991; PETRA SCHÖNER, Judenbilder im deutschen Einblattdruck der Renaissance. Ein Beitrag zur Imagologie, Baden-Baden 2002; ANNA SAPIR ABULAFIA, Christen und Juden im hohen Mittelalter. Christliche Judenbilder, in: Europas Juden im Mittelalter. Beiträge des internationalen Symposiums in Speyer vom 20.-25. Oktober 2002, hg. von Christoph Cluse, Trier 2004, S. 33-44. HERGEMÖLLER, Randgruppen, S. 16. Aus soziologischer Sicht dazu NIKLAS LUHMANN, Die Realität der Massenmedien, Opladen 21996.

Begriffe und Methoden

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konzeptionellen Anregungen und theoretischen Handreichungen für die wissenschaftliche Analyse von Medien versucht. Vertreter anderer Wissenschaftsdisziplinen, die Medien zum Erkenntnisgegenstand machen, sind jedoch trotz aller paradigmatischen Anstrengungen der neuen Wissenschaftsdisziplin nicht nur von Fragestellungen, sondern weiterhin auch von Begriffsbildungen und theoretisch-methodologischen Überlegungen ihrer eigenen Bezugswissenschaft geleitet. Dies hat zur Folge, daß mit der beschworenen medialen Unübersichtlichkeit eine schwer zu überschauende, jedoch anregende methodologische und theoretische Vielfalt der Medienanalyse einhergeht. 4 Geschichtswissenschaftliche Untersuchungen betonten lange Zeit mehrheitlich zahlreiche formale und inhaltliche Einzelaspekte von Medien, verzichteten aber weitestgehend darauf, ihren Untersuchungsgegenstand in den Rahmen einer umfassenderen Gesellschaftsanalyse zu stellen. 5 Erst seit einigen Jahren wächst die Zahl von historischen Studien, die sich explizit der sozialen Funktion und kulturellen Bedeutung von Medien zuwenden. Dies hat zu einer Ausweitung des Objektbereiches geführt; während Einzelmedienuntersuchungen rückläufig sind, weitet sich die Untersuchung von Medien im Rahmen von Gesellschafts- und Kulturanalysen aus. Eine derartige Verschiebung zu einer ausnehmend soziologischen Perspektive verzichtet zumeist auf theoretische Reflexionen über den Medienbegriff und führt diesen als „Sammelbegriff ohne ontologisches Interesse“ ein, um „massenmediale und medienübergreifende Effekte in sozialen Systemen“ 6 in den Vordergrund zu stellen. Eine Definition von Medien als „komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen“, wobei es auf „zentrale oder dominante Vermittlungsmechanismen kultureller und sozialer Interaktionsprozesse“ als den „gesellschaftlichen Funktionen von Medien“ 7 an4

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Vgl. HANS-DIETER KÜBLER, Medienanalyse, in: Handbuch der Mediengeschichte, hg. von Helmut Schanze, Stuttgart 2001, S. 41-71. Harry Pross hat schon frühzeitig auf die Interdisziplinarität von Medienforschung verwiesen. PROSS, Medienforschung, S. 12f. Auf den weitverbreiteten Empirismus hinsichtlich formaler und inhaltlicher Aspekte einzelner Medien in der historischen Medienforschung wies Axel Schildt in einer Literaturschau hin. AXEL SCHILDT, Zur Historisierung der massenmedialen Revolution. Neue Literatur zur Geschichte der Massenkommunikation, in: Archiv für Sozialgeschichte 36 (1996), S. 443-458. RAINER LESCHKE, Medientheorie, in: Handbuch der Mediengeschichte, hg. von Helmut Schanze, Stuttgart 2001, S. 26. WERNER FAULSTICH, Das Medium als Kult. Von den Anfängen bis zur Spätantike (8. Jahrhundert), Göttingen 1997, S. 10. Die von Faulstich angebotene Definition von Medium bildet die Klammer seiner Untersuchungen zur Mediengeschichte, in der er auch mittelalterliche Prediger und Predigt als Medien thematisiert. Vgl. WERNER FAULSTICH, Medien und Öffentlichkeiten im Mittelalter. 800-1400, Göttingen 1996, S. 142-168. Harry Pross definierte Medien knapp als „Mittel der Mitteilung“. PROSS, Medienforschung, S.

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kommt, trägt der Entwicklung Rechnung. Der Fokus richtet sich nunmehr auf Vermittlungsleistungen und öffentliche Kommunikation als den entscheidenden, funktionalen Kriterien von Medien, die als Kommunikationsmedien thematisiert werden. 8 Medien, als die unterschiedlichste Zeichen und Symbole gelten können, sind in den letzten Jahren auch innerhalb der mediävistischen Forschung zu Kommunikation thematisiert worden. 9 Bei der Erforschung der mittelalterlichen

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14-17. Er konstatierte, daß die „Medienforschung (...) von der Art und Weise der Kommunikation“ ausgeht; „aber sie studiert die Mittel, um die Zwecke zu erhellen, denen sie zugeordnet sind.“ So gehe es ihr „nicht darum, einen Radioempfänger oder einen Fernsehsender oder eine Illustrierte Zeitung für sich zu untersuchen, sondern darum, die Prozesse durchsichtig zu machen, in denen diese Geräte vorkommen“. EBENDA, S. 14. Vgl. JÖRG REQUATE, Öffentlichkeit und Medien als Gegenstände historischer Analyse, in: Geschichte und Gesellschaft 25 (1999), S. 5-32; AXEL SCHILDT, Das Jahrhundert der Massenmedien. Ansichten zu einer künftigen Geschichte der Öffentlichkeit, in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), S. 177-206. Innerhalb der Mediävistik sei nur auf drei Sammelbände verwiesen, in denen Medien vor dem Hintergrund von Kommunikation und Öffentlichkeit thematisiert werden. Kommunikationspraxis und Korrespondenzwesen im Mittelalter und in der Renaissance, hg. von Heinz-Dieter Heimann, Paderborn-München-Wien-Zürich 1998; Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft vom Mittelalter bis zur Moderne, hg. von Werner Rösener, Göttingen 2000 sowie Bilder, Texte, Rituale. Wirklichkeitsbezug und Wirklichkeitskonstruktion politischrechtlicher Kommunikationsmedien in Stadt- und Adelsgesellschaften des späten Mittelalters, hg. von Klaus Schreiner und Gabriela Signori, Berlin 2000. Allenfalls das, was epochenspezifisch als Medium gelten kann, gibt zuweilen Anlaß zu Diskussion. Hans-Dieter Kübler versteht unter Medien „technische, professionelle und organisatorische Kommunikationsmittel für öffentlichen und gesellschaftliche Kommunikation (...) wie sie sich insbesondere seit der Erfindung des Drucks“ entwickelt haben. KÜBLER, Medienanalyse, S. 41. Mit der Betonung des Aspektes einer bestimmten Form technischer Reproduzierbarkeit schließt Kübler die Existenz von Medien für die Zeit vor der Erfindung des Buchdrucks aus. Sophia Menache hat darauf hingewiesen, daß der Gebrauch des Medienbegriffs für das Mittelalter dann problematisch ist, wenn man Vorstellungen von modernen Massenmedien zugrunde legt. Stattdessen betonte sie persönliche Interaktion als Charakteristikum mittelalterlicher Kommunikation, wodurch sich auch die Konzeptionalisierung des Medienbegriffs ändern müsse. MENACHE, Vox Dei, S. 9f. Werner Rösener unterschied mit einem Rückgriff auf Harry Pross zwischen interpersonaler, apersonaler und massenmedialer Kommunikation, der er primäre, sekundäre und tertiäre Kommunikationsmedien als Zeichen und Informationsträger zuordnet. Entscheidend bleibt aber das Interesse an der Vermittlungsleistung und damit an der sozialen Funktion von Medien. WERNER RÖSENER, Einleitung, in: Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft vom Mittelalter bis zur Moderne, hg. von dems., Göttingen 2000, S. 10f. Vgl. PROSS, Medienforschung, S. 127f. Zu Stand und Perspektiven mediävistischer Kommunikationsforschung HANS-WERNER GOETZ, Moderne Mediävistik. Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung, Darmstadt 1999, S. 339-365 und HEDWIG RÖCKELEIN, Kommunikation. Chancen und Grenzen eines mediävistischen Forschungszweiges, in: Das Mittelalter. Perspektiven

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Predigt traten dabei Überlegungen zu ihrer Binnenstruktur und Fragen nach formalen Aspekten wie literarischen Stilen und Genres hinter die kommunikative Dimension und soziale Funktion des Mediums zurück. Unabhängig davon, ob Predigt nun als institutionalisierte Kommunikation, kommunikative Gattung oder Diskurs bestimmt wird, besteht Konsens darüber, daß die soziale Funktion von Predigt darin besteht, Sinndeutungen und Handlungsorientierungen in Fragen des Glaubens und der Moral zu vermitteln. 10 Die Moraldidaxe der Predigt zielt im späten Mittelalter auf soziale Kohäsion. Predigt kann daher als Medium politischer Kommunikation gelten 11, wobei das ‚Politische‘ hier in

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mediävistischer Forschung 6/1, S. 5-13. Vgl. auch den Sammelband New Approaches to Medieval Communication, hg. von Marco Mostert, Turnhout 1999. Eine prägnante Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes, der hier nicht im einzelnen wiederholt werden soll, bietet CHRISTINE KLEINJUNG, Frauenklöster als Kommunikationszentren und soziale Räume. Das Beispiel Worms vom 13. bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts, Korb a. Neckar 2008, S. 164-166. Zu Kommunikationsmedien im Mittelalter grundlegend die Beiträge im Sammelband Medien der Kommunikation im Mittelalter, hg. von Karl-Heinz Spieß, Stuttgart 2003. BEVERLY M. KIENZLE, Introduction, in: The Sermon, hg. von ders., Turnhout 2000, S. 151. Ähnlich definierte zuvor schon Jean Longère die mittelalterliche Predigt. LONGERE, La prédication médiévale, S. 12: „Prêcher, c’est faire un discours public fondé sur un Révélation divine, dans le cadre d’une société organisée, visant à la naissance ou au développement de la foi et des connaissances religieuses, et corrélativement, à la conversion ou au progrès spirituel des auditeurs.“ Die Auffassung, bei der mittelalterlichen Predigt handele es sich um einen öffentlichen Diskurs zur Vermittlung von Moral und Glauben, prägt zunehmend die mediävistische Predigtforschung. Vgl. DELCORNO, Medieval Preaching im Italy, S. 449-451. Einzig Kienzle wies ihren Theoriebezug aus. Sie griff auf den Diskursbegriff des französischen Sprachwissenschaftlers Émile Benveniste (1902-1976) zurück. Benveniste versuchte mit seinem Diskursbegriff, die sprachwissenschaftlichen Beschränkungen des sogenannten Strukturalismus, der sich besonders im parole-Begriff Saussures und in der Ablehnung der Semantik innerhalb des amerikanischen Behaviorismus äußerte, zu überwinden. Benveniste ging von der Kontextabhängigkeit sprachlicher Zeichen aus und stellte Sprache in einen weiteren Zusammenhang von Kultur, Individuum und Gesellschaft. In der Deixis, dem Ort der Sprechsituation und konkreten Verwendung von Sprache, manifestiere sich nach Benveniste eine neue Dimension von Sprache, die des Diskurses. In ihm gewinne Sprache erst seine soziale Bedeutung. Sprachliches Handeln ist demnach sinnhaftes Handeln, das auf soziale Interaktion zwischen Sprecher und Zuhörer zielt. Ermöglicht wird dies durch einen gemeinsamen Verstehenshorizont. Die von Benveniste entwickelte Diskurstheorie steht in der Tradition der Theorie sozialen Handelns nach Max Weber. Die theoretischen Ansätze Benvenistes, die er selbst in einer Fülle von Aufsätzen entwickelte, sind gesammelt in ÉMILE BENVENISTE, Problèmes de linguistique générale, 2 Bde., Paris 1966/74. Zur Einführung hilfreich GÉRARD DESSONS, Émile Benveniste. L’invention du discours, Paris 2006 und PETER AUER, Sprachliche Interaktion. Eine Einführung anhand von 22 Klassikern, Tübingen 1999, S. 49-60. Zur politischen Dimension der spätmittelalterlichen Predigt siehe ausführlicher in Kap. II.3. dieser Arbeit. Zur Predigt als Medium politischer Kommunikation vgl. auch MARIA PIA ALBERZONI, Mendikantenpredigt und Stadt in Oberitalien in der ersten Hälfte des

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kulturwissenschaftlicher Perspektive als eine „kulturelle Praxis“ 12 bestimmt sein soll, „die in einem spezifischen, d.h. durch eine spezifische Unterscheidung konstituierten Handlungsraum stattfindet. Die Differenzmerkmale des ‚Politischen‘ zu anderen Handlungsräumen stellen hierbei seine Öffentlichkeit und Relevanz für gesellschaftliches Zusammenleben dar. Das soziale Handeln von Predigern soll daher nicht allein ‚politisch orientiert‘ heißen, „als es die Beeinflussung der Leitung eines politischen Verbandes“ 13 dient, sondern auch dann, als es Aspekte horizontaler Vergemeinschaftungen und Vergesellschaftungen berührt. 14 Kommunikation ist in den letzten Jahren zu einem der meistbemühten Begriffe innerhalb der Sozialwissenschaften geworden. Kommunikation gilt gemeinhin als unerläßliche Voraussetzung für alle Formen sozialer Beziehungen. Das Kommunikative sichert das Funktionieren von Gesellschaft, stabilisert gesellschaftliche Ordnungen ebenso, wie es entscheidenden Anteil an sozialen Wandlungsprozessen hat. Daher überrascht nicht die Karriere, die der Begriff als schillerndes Zauberwort unterschiedlichster Wissenschaftsdisziplinen zur Zeit macht. Innerhalb der Soziologie gibt es eine Grundsatzdiskussion, ob der traditionelle Grundbegriff des Handelns durch einen Begriff der Kommuni-

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13. Jahrhunderts. Die Entstehung eines Modells, in: Kommunikation in mittelalterlichen Städten, hg. von Jörg Oberste, Regensburg 2007, S. 99-118, bes. S. 103-105 und ANDREAS RÜTHER, Predigtstuhl, Zunftstube, Ratsbank. Orte politischer Kommunikation im spätmittelalterlichen Breslau, in: Städtische Gesellschaft und Kirche im Spätmittelalter, hg. von Sabine Klapp und Sigrid Schmitt, Stuttgart 2008, S. 141-166. JAN ASSMANN, Herrschaft und Heil. Politische Theologie in Altägypten, Israel und Europa, München-Wien 2000, S. 26. WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 29. Nach Weber ist vor allem Gewaltsamkeit wesentliches Kennzeichen des Politischen und politischer Verbände. EBENDA, S. 29f. An anderer Stelle formulierte Weber: „Das Wesen aller Politik ist, wie noch oft zu betonen sein wird: Kampf, Werbung von Bundesgenossen und von freiwilliger Gefolgschaft (...)“. EBENDA, S. 852. Thomas Schwinn formulierte zur Eigenlogik des Politischen nach Weber: „Eine politische Ordnung ist zwar stärker als eine Marktordnung normativ geformt, sie ist aber keine religiös-ethische Ordnung. Politik wird immer Momente einer Koordination über Interessenlage beibehalten, sowohl für den Kampf der politischen Parteien und Gegner im Rahmen legitimer Herrschaft wie zur Vergegenwärtigung der Kosten für jene, die zur Übertretung dieses Rahmens bereit sind. Eine politische Ordnung verläßt sich daher nicht allein auf innere Geltungsgründe, sondern sie verwendet äußere Mittel zur Durchführung der physischen Gewaltanwendung.“ THOMAS SCHWINN, Wertsphären, Lebensordnungen und Lebensführungen, in: Verantwortliches Handeln in gesellschaftlichen Ordnungen. Beiträge zu Wolfgang Schluchters Religion und Lebensführung, hg. von Agathe Bienfait und Gerhard Wagner, Frankfurt a.M. 1998, S.293. Dort, S. 293-296 auch kurz über die Typen politischen Handelns nach Weber: dem machtpolitischen, dem gesinnungspolitischen und dem verantwortungspolitischen Handeln. Vgl. ASSMANN, Herrschaft und Heil, S. 28.

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kation ersetzt werden soll. 15 Vertreter der Religionssoziologie, die traditionell eng mit dem Handlungsbegriff verbunden ist, übten Kritik an einer einseitigen Ausrichtung religionsbefaßter Wissenschaften auf den Handlungsbegriff. 16 Forderungen, die religiöse Ideenwelt auf ihre ‚soziomorphen‘ Implikate hin (...) vom ‚face-to-face‘ Modell der Interaktion her zu untersuchen“ 17, denken Kommunikation nicht so radikal wie es systemtheoretisch ausgerichtete Arbeiten im Anschluß an Niklas Luhmann tun, die Kommunikation als systembildende Operationen unabhängig vom menschlichen Bewußtsein begreift. 18 Innerhalb der Geschichtswissenschaft wird der Begriff der Kommunikation zumeist weniger elaboriert gebraucht. Vielmehr bestimmt die Frage, was Gegenstände einer Geschichte der Kommunikation sein können, die Debatte. Dabei ist zwischen einer mediengeschichtlichen und kommunikationsgeschichtlichen Perspektive unterschieden worden. Im ersten Fall bezeichnet Kommunikation den „Prozeß der Übermittlung von Botschaften durch Zeichen aller Art“ 19. Dagegen treibt ein kommunikationsgeschichtlicher Ansatz eine „Geschichte der kommunikativen Praktiken, durch die Gesellschaften ihre 15

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Vgl. THOMAS BERNDSEN, Von Handlung zu Kommunikation. Zur paradigmatischen Bedeutung von Kommunikation in neueren soziologischen Theorien. Diskutiert am Beispiel des Schulunterrichts, Frankfurt a.M. 1991; auf religiöse Kommunikation zielte von linguistischer Seite KONRAD EHLICH, Religion als kommunikative Praxis, in: Religiöse Kommunikation – Formen und Praxis vor der Neuzeit, hg. von dems. und Gerhard Binder, Trier 1997, S. 337-355. HARTMANN TYRELL, Handeln, Religion und Kommunikation – Begriffsgeschichtliche und systematische Überlegungen, in: Religion als Kommunikation, hg. von dems., Volkhard Krech und Hubert Knoblauch, Würzburg 1998, S. 83f. HUBERT KNOBLAUCH/VOLKHARD KRECH/HARTMANN TYRELL, Religiöse Kommunikation. Einleitende Bemerkungen zu einem religionssoziologischen Forschungsprogramm, in: Religion als Kommunikation, hg. von dens., Würzburg 1998, S. 26. Vgl. dazu NIKLAS LUHMANN, Was ist Kommunikation?, in: ders., Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, Opladen 1995, S. 113-124. Nach Luhmann ist Kommunikation „die einzige genuin soziale Operation, die sowohl Mitteilung als auch Verstehen einschließt und nur zustande kommt, wenn die Mitteilung ein ausreichendes Maß an Verstehen erreicht“. NIKLAS LUHMANN, Religion als Kommunikation, in: Religion als Kommunikation, hg. von Hartmann Tyrell, Volkhard Krech und Hubert Knoblauch, Würzburg 1998, S. 135. Die Intentionalität des Subjektes spielt im Kommunikationsverständnis Luhmanns keine entscheidende Rolle. Vgl. NIKLAS LUHMANN, Wie ist Bewußtsein an Kommunikation beteiligt?, in: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, Opladen 1995, S. 37-54. VOLKER DEPKAT, Kommunikationsgeschichte zwischen Mediengeschichte und der Geschichte sozialer Kommunikation. Versuch einer konzeptionellen Klärung, in: Medien der Kommunikation im Mittelaltter, hg. von Karl-Heinz Spieß, Stuttgart 2003, S. 9. Die Definition geht zurück auf HARRY PROSS, Medienforschung. Film, Funk, Presse, Fernsehen, Darmstadt 1972, S. 19. Zu Kommunikation als Vorgang der Mitteilung EBENDA, S. 13 u. 21.

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Einleitung

Ordnung im Laufe der Jahrhunderte konstituiert, stabilisiert und reproduziert haben“ 20. Kommunikation ist in dieser Perspektive „als Basiskategorie von Gesellschaft“ definiert; Gesellschaft vollzieht sich demnach allein in Kommunikation. Die vorliegende Arbeit folgt in ihrer methodischen Umsetzung und den unterschiedlichen Analyseebenen einem medienhistorischen Ansatz. In einem ersten Teil wird nach den Adressaten der Predigten gefragt, ihre antijüdischen Inhalte offengelegt und die damit verbundenen sozialen Funktionen und Ordnungsvorstellungen kenntlich gemacht. Bei ‚Antijudaismus in der Predigt‘ geht es zuerst um religiöse Überzeugungen, die Christen und Juden voneinander trennten, vor dem Hintergrund missionarischer Handlungsinitiativen gegenüber Juden seit dem späteren Mittelalter. Zu zeigen ist, ob neben Christen auch Juden gepredigt wurde, oder ob die Predigt allein der Profilierung christlicher Identität diente. Im Anschluß daran zeichne ich die Grenzen nach, die franziskanische Prediger für das jüdisch-christliche Zusammenleben zogen. Es gilt ihre Einstellungen zum mittelalterlichen Toleranzgebot zu untersuchen, das die jüdische Existenz in der christlichen Umwelt rechtfertigte. Hier liegt mein Augenmerk unter anderem auf dem Verhältnis von Judenbildern und sozialen Ordnungsvorstellungen. In einem zweiten Teil geht es um die Formen der Vermittlung und die Reichweite predigtgebundener antijüdischer Deutungskulturen im politischen Handlungsraum. ‚Predigt im Kontext politischer Praxis‘ zeigt das nicht immer konfliktfreie Verhältnis der Prediger und ihrer antijüdischen Predigtinhalte zu Herrschaftsträgern im spätmittelalterlichen Italien. Nach der Analyse der Praktiken, derer sich franziskanische Prediger bedienten, um ihren antijüdischen Forderungen Überzeugungs- und Geltungskraft zu verleihen, untersuche ich am Beispiel Paduas im 15. Jahrhundert die Relevanz ihrer Predigten für die politische Praxis. Hier komme ich der mit Blick auf die Erforschung mittelalterlicher Kommunikationsmedien erhobenen Aufforderung nach, „nach Fallbeispielen Ausschau“ zu halten, „die zu erkennen geben, wie sich in Kommunikationsprozessen (...) Wirklichkeitsbezüge und Wirklichkeitskonstruktionen, Fakten und Fiktionen, Soziales und Symbolisches miteinander verschränken“ 21. Der wünschenswerte Vergleich mit den Entwicklungen in anderen italienischen Kommunen der Zeit oder in Stadtgesellschaften außerhalb Italiens war im Rahmen dieser Arbeit nicht zu leisten; dafür sind jedoch die Ereignisse in Padua über einen längeren Zeitraum verfolgt worden.

20 21

DEPKAT, Kommunikationsgeschichte, S. 10. KLAUS SCHREINER, Texte, Bilder, Rituale. Fragen und Erträge einer Sektion auf dem Deutschen Historikertag (8.-11. September 1998), in: Texte, Bilder, Texte, Rituale. Wirklichkeitsbezug und Wirklichkeitskonstruktion politisch-rechtlicher Kommunikationsmedien in Stadt- und Adelsgesellschaften des späten Mittelalters, hg. von dems. und Gabriela Signori, Berlin 2000, S. 1.

Begriffe und Methoden

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Im Aufbau der Arbeit zeigt sich ihr handlungstheoretisches Fundament im Anschluß an Max Weber. Ich schließe an den formalen Kulturbegriff Webers an. Kultur ist demnach „ein vom Standpunkt des Menschen aus mit Sinn und Bedeutung bedachter endlicher Ausschnitt aus der sinnlosen Unendlichkeit des Weltgeschehens“ 22. Der zentrale Begriff Webers, der keine abschließende Definition von Kultur anbot, ist ‚Sinn‘; er umschließt den subjektiven Sinn des sozial Handelnden und den objektiven Sinn der gesellschaftlichen Strukturen. Max Weber ging es um soziales Handeln als Gemeinschaftshandeln. In seinem berühmten Kategorienaufsatz von 1913 benennt Weber das für seine „verstehende Soziologie spezifisch wichtige Handeln“: es „ist im speziellen ein Verhalten, welches 1. dem subjektiv gemeinten Sinn des Handelnden nach auf das Verhalten anderer bezogen, 2. durch diese seine sinnhafte Bezogenheit in seinem Verlauf mitbestimmt und also 3. aus diesem (subjektiv) gemeinten Sinn heraus verständlich erklärbar ist“ 23. Der sinnhafte Bezug auf das Verhalten anderer ordnet in entscheidendem Maße zugleich alltägliche soziale Beziehungen und wird zum Movens von Gemeinschaftshandeln. 24 Das entscheidende Moment von Webers handlungstheoretischem Ansatz liegt „in der Sinnkonstitution als einem konstruktiven Akt (Stellung nehmen und Sinn verleihen)“ 25. Max Weber neigte der Ansicht zu, daß Predigt als Spezifikum der Prophetie „ihre Macht am stärksten in Epochen prophetischer Erregung“ 26 entfalte. Im Alltagsbetrieb sehe sie sich einer Laienkultur gegenüber, die in hohem Maße von „traditionellen Vorstellungskreisen“ und einem „Rationalismus der Laien“ 27 geprägt sei. Die „Macht des prophetischen Charisma und die beharrenden Gewohnheiten der Massen wirken also“, so Weber, „in vieler Hinsicht in entgegengesetzter Richtung auf die systematisierende Arbeit der Priesterschaft ein“ 28 und die „praktischen Aufgaben von Predigt und Seelsorge sind es auch, (...) welche die inhaltliche Veralltäglichung der prophetischen 22

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MAX WEBER, Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 71988, S. 180. Wie umstritten der Kulturbegriff noch heute ist, zeigen aktuelle Debatten im Zuge einer modernen kulturwissenschaftlichen Renaissance, in der Max Weber ein prominenter Platz zukommt. Vgl. UTE DANIEL, Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter, Frankfurt a.M. 2001, bes. S. 443-466. WEBER, Wissenschaftslehre, S. 429. WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 11-14. WOLFGANG SCHLUCHTER, Handlungs- und Strukturtheorie nach Max Weber, in: Kolloquien des Max-Weber-Kollegs I-V, hg. von dems., Erfurt 2000, S. 130. Zum Kulturbegriff Webers vgl. auch FRIEDRICH JÄGER, Der Kulturbegriff im Werk Max Webers und seine Bedeutung für eine moderne Kulturgeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 18 (1992), S. 371-393. WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 283. EBENDA, S. 284f. EBENDA, S. 285.

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Einleitung

Anforderungen in Einzelvorschriften (...) kasuistischen und insofern (gegenüber der Prophetenethik) rationaleren Charakters“ 29 nach sich ziehen. Um ihre Wirkung zu erhöhen, könnten sich Prediger daher nicht allein auf göttliche Autorität berufen oder auf ihr Charisma als ‚heilige‘ Männer verlassen. Vielmehr müßten sie zur Absicherung längerfristiger Erfolge den traditionellen und rationalen Vorstellungskreisen der Laienwelt entgegenkommen. 30 Weber ging es nicht zuletzt darum, über die Beschreibung kommunikativer Handlungskoordinationen den Austausch von Deutungskulturen kenntlich zu machen. In meiner Analyse der franziskanischen Predigten im Italien des Quattrocento und ihrer Bewährung im politischem Kontext geht es mir um deren „Handlungsorientierung und Handlungskoordination sowie um die Konstruktion und Rekonstruktion von Sinnwelten, in denen Orientierungen und Koordinationen verankert sind“ 31. Predigt als Medium politischer Kommunikation steht in dem Sinn in einem kulturanalytischen Kontext, in dem die Interaktionsteilnehmer gleichberchtigt ‚sozial Handeln‘, indem sie je eigene Sinndeutungen vollziehen. 32

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EBENDA, S. 284. Zu Charisma, charismatischer Herrschaft und ihrer Umbildung WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 122-124, 140-148 u. 654-681. Weber definierte als Charisma „eine als außeralltäglich (...) geltende Qualität einer Persönlichkeit (...), um derentwillen sie als mit übernatürlichen oder übermenschlichen oder mindestens spezifisch außeralltäglichen, nicht jedem andern zugänglichen Kräften oder Eigenschaften [begabt] oder als gottgesandt oder als vorbildlich und deshalb als „Führer“ gewertet wird“. EBENDA, S. 140. Als ein spezifischer Typ sozialer Beziehung nimmt sie bei Weber eine Schlüsselfunktion in der Verknüpfung von Religions- und Herrschaftssoziologie ein, wenn Weber unter den reinsten Typen charismatischer Herrschaft die Herrschaft des Propheten anführt. WEBER, Wissenschaftslehre, S. 481f. Eine kurze Einführung zur Konzeption von Charisma und charismatischer Herrschaft bei Weber bot WILFRIED NIPPEL, Charisma und Herrschaft, in: Virtuosen der Macht. Herrschaft und Charisma von Perikles bis Mao, hg. von dems., München 2000, S. 7-22. SCHLUCHTER, Handlungs- und Strukturtheorie, S. 112. KARL-FRITZ DAIBER/HANS WERNER DANNOWSKI/WOLFGANG LUKATIS/KLAUS MEYERBRÖKER/PETER OHNESORG/BEATE STIERLE, Predigen und Hören, Bd. 2. Kommunikation zwischen Predigern und Hörern – Sozialwissenschaftliche Untersuchung, München 1983, S. 38. Das Autorensextett betonte zwar Predigt als Teil religiöser Kommunikation. EBENDA, S. 13. Sie faßten Kommunikation als Verständigungsakt auf. Am Handlungsbegriff hielten sie fest: „dem Handeln des Kommunikators tritt das Handeln dessen, der die Botschaft empfängt, entgegen. Erst in dieser doppelten Annäherung ereignet sich Interaktion“. EBENDA, S. 37. Einen entscheidenden Vorteil des Handlungsbegriffs sahen sie darin, daß mit ihm behavioristische Kurzschlüsse ausgeschlossen sind: „Den Begriff des Handelns in den Mittelpunkt kommunikationstheoretischer Überlegungen zu stellen, bedeutet, daß die aktive Rolle des Kommunikationsempfängers hervorgehoben werden soll.“ EBENDA, S. 36.

4. Die Quellen Wer sich der spätmittelalterlichen Predigtliteratur zuwendet, sieht sich einer fast unüberschaubaren Fülle an überlieferten Predigten gegenüber. 1 Die bereits über den Problemaufriß vorgenommene Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes auf den Antijudaismus im Medium der franziskanischen Predigten im Italien des 15. und frühen 16. Jahrhunderts erleichtert ein Stück weit den Zugriff auf relevantes Quellenmaterial. Trotz dieser Einschränkung bleibt immer noch eine große Zahl an möglichen Predigern. Den empirischen Ausgangspunkt bilden Predigten von Vertretern der franziskanischen Ordensfamilie, vor allem von Predigern des observanten Ordenszweiges, die sich auf die ursprünglichen Ideale des heiligen Franziskus und der ersten Minderbrüdergemeinschaften zu Beginn des 13. Jahrhunderts beriefen. 2 Doch 1

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Unerläßliche Hilfsmittel, um sich in der Fülle lateinischer Predigten des Mittelalters zurechtzufinden, sind JOHANNES BAPTIST SCHNEYER, Repertorium der lateinischen Sermones des Mittelalters. Für die Zeit von 1150-1350, 9 Bde, Münster 1969-1980 und das aus dem von der Universität Bochum verwahrte Nachlaß Schneyers entstandene Repertorium der lateinischen Sermones des Mittelalters für die Zeit von 1350-1500, hg. von Ludwig Hödl und Wendelin Knoch, Münster 2001. Schwieriger fällt die Orientierung über volkssprachliche Predigten. Immer noch gilt, was Kurt Ruh 1981 über die Erforschung der deutschen Predigt des 15. Jahrhunderts gesagt hat: „In dieser letzten Zeit fehlt es nicht nur an Textausgaben und Einzeluntersuchungen, sondern es zeichnen sich auch noch keine Perspektiven und gattungsspezifischen Wandlungen ab. ... Es wäre der Mühe wert, sich auf die deutsche Predigt des Mittelalters einzulassen.“ KURT RUH, Deutsche Predigtbücher des Mittelalters, in: Beiträge zur Geschichte der Predigt. Vorträge und Abhandlungen (Vestigia Bibliae 3), hg. von Heimo Reinitzer, Hamburg 1981, S. 27. Ein Projekt zur Erfassung der volkssprachlichen italienischen Predigten stellten Lorenza Pamato, Ist. Scienze Religiose, Trento und Alessandro Boscolo, Università di Padova auf dem 12. Symposium der Medieval Sermon Studies, Preaching and Society in the Middle Ages: Ethics, Values and Social Behaviour, Padua 14.-18. Juli 2000, vor. Erste Ergebnisse in diesem Feld veröffentlichte CARLO DELCORNO, Repertorium of Italian Vernacular Sermons, in: Medieval Sermon Stories (1998), S. 41-52 und DERS./ROSA MARIA DESSÌ/ORIANA VISANI, Inventario di manoscritti di prediche volgari inedite (Roma, Napoli, Città di Vaticano, Francia, Inghilterra), in: Lettere Italiane 54 (2002), S. 379-388. Für meinen Gegenstand weiterhin nützlich, wenn auch nicht fehlerfrei ANSCAR ZAWART, The History of Franciscan Preaching and of Franciscan Preachers (1209-1927). A Bio-Bibliographical Study, in: Franciscan Studies 7 (1928), S. 241-596. Die franziskanische Observanzbewegung fügt sich in eine breite kirchliche und monastische Reformbewegung des späten Mittelalters ein. Detaillierte und aspektreiche Einführungen sind bis heute selten. Für Italien lohnt ein Blick in GREGORIO PENCO, Vita monastica e società nel Quattrocento italiano, in: Riforma della chiesa, cultura e spiritualità nel Quattrocento veneto. Atti del convegno per il VI centenario della nascita

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waren es an die 150 observante Franziskaner, die während jener Zeit vor allem durch die Städte Ober- und Mittelitaliens zogen, um rastlos das Wort Gottes zu verkünden und die Menschen zur Buße aufzurufen. 3 Die hohe Zahl predigender Franziskanerobservanten erfordert eine weitere Beschränkung. Ich lasse mich dabei von zwei Auswahlkriterien leiten. Zum einen trage ich der besonderen Bedeutung Rechnung, die sie für die Wiederbelebung der franziskanischen Predigt im Italien des Quattro- und frühen Cinquecento in der Nachfolge Bernardinos da Siena gespielt haben; zum anderen zeigt sich ihr Einfluß an der weiten Verbreitung ihrer Predigtwerke. Nicht zuletzt durch den jungen Buchdruck lassen sich ihre Predigten, die als Inkunabeln schon früh zum Teil erstaunliche Auflagenzahlen erreichten, als Massenmedium jener Zeit schlechthin bezeichnen. 4 Neben dem umfangreichen Predigtwerk Bernardinos da Siena kommen daher die überlieferten Predigten der Franziskanerobservanten Giovanni da Capestrano, Antonio da Bitonto († 1459), Giacomo della Marca († 1476), Michele Carcano da Milano († 1484), Bernardino da Feltre († 1494) und Bernardino da Busti in den Blick. Zusätzlich stütze ich mich auf

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di Ludovico Barbo (1381-1443), Padua-Venedig-Treviso, 19.-24. September 1982, hg. von Giovanni B.F. Trolese, Cesena 1984, S. 1-43 und GABRIELLA ZARRI, Aspetti dello sviluppo degli ordini religiosi in Italia tra Quattro e Cinquecento. Studi e problemi, in: Strutture ecclesiastiche in Italia e Germania prima della riforma, hg. von Paolo Prodi und Peter Johanek, Bologna 1984, S. 207-257. Die Beiträge im Sammelband Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, hg. von Kaspar Elm, Berlin 1989 zeigen die ganze Bandbreite der monastischen reformatio. Als Einführung in das Thema siehe auch KASPAR ELM, Riforme e osservanze nel XIV e XV secolo, in: Il rinnovamento del francescanesimo. L’osservanza. Atti del XI Convegno internazionale di Studi Francescani, Assisi, 20-22 ottobre 1983, hg. von der Società internazionale di Studi Francescani, Perugia 1985, S. 151-167. Zur franziskanischen Observanzbewegung in Italien MARIO FOIS, Il fenomeno dell’Osservanza negli ordini religiosi tra il 1300 e il 1400. Alcune particolarità dell’Osservanza francescana, in: Lettura delle fonti francescane attraverso i secoli: il 1400, hg. von Gerardo Cardaropoli und Martino Conti, Rom 1981, S. 53-105; RAOUL MANSELLI, L’osservanza francescana. Dinamica della sua formazione e fenomenologia, in: Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, hg. von Kaspar Elm, Berlin 1989, S. 173-187. Die Seelsorge der franziskanischen Observanz untersuchte STANISLAO DA CAMPAGNOLA, L’osservanza come problema dell’attività pastorale, in: Il rinnovamento del francescanesimo. L’osservanza. Atti del XI Convegno internazionale di Studi Francescani, Assisi, 20-22 ottobre 1983, hg. von der Società internazionale di Studi Francescani, Perugia 1985, S. 185-209. RUSCONI, La predicazione minoritica, S. 143. GALLETTI, L’Eloquenza, S. 243-286. Über die enorme Verbreitung gedruckter Predigten ANNE T. THAYER, Diffusion of Sermon Collections by Printing 1450-1520, in: Medieval Sermon Studies 36 (1995), S. 50-63. Die Bedeutung des Druckes für Predigten als Massenmedien betonte GEORG STEER, Bettelorden-Predigt als Massenmedium, in: Literarische Interessenbildung im Mittelalter, hg. von Joachim Heinzle, Stuttgart 1993, S. 314-336.

Quellen

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die Predigten des Franziskanerkonventualen Roberto Cracciolo da Lecce († 1495), der anfänglich ebenfalls der strengen Ordensrichtung der Observanz angehörte, ehe er sich in zum Teil erbitterten Auseinandersetzungen dem gemäßigteren Ordenszweig anschloß. 5 Grundlage für die Erschließung des empirischen Materials sind mehrheitlich Frühdrucke oder Drucke aus den Anfängen des 16. Jahrhunderts. In zwei Fällen greife ich zudem auf die handschriftliche Überlieferung umfangreicher Predigtsammlungen zurück. Moderne Editionen sind nach wie vor die Ausnahme. Die Bibliographie am Ende der Arbeit bringt all dies zur Kenntnis. Die Mehrzahl der analysierten Predigten liegt in Form von formal stilisierten, zuweilen vom Autor selbst oder – falls posthum ediert – von dritten Personen redigierten lateinischen Reihen an Modellpredigten vor. 6 Ihnen fehlt die Lebendigkeit der Predigtpraxis, auf die sich häufiger Hinweise in sogenannten reportationes finden lassen, den von Zuhörern mitgeschriebenen und dadurch in weitaus geringerer Zahl überlieferten Predigten. Andererseits eröffnen die offiziell autorisierten Predigtsammlungen als homiletische Hilfsmittel den entscheidenden Zugang zur vermittelnden Instanz von Glaubens- und sozialem Normwissen. Sie geben nicht nur individuelle Stellungnahmen ihrer Autoren zu Fragen des Glaubens und der Moral wieder; zugleich dürften sie die zahlreicheren, weniger prominenten Prediger nachhaltig 5

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Als Einführungen zu Leben und Werk der Prediger IRIS ORIGO, Der Heilige der Toskana, Leben und Zeit des Bernardino von Siena, München 1989; JOHANNES HOFER, Johannes Kapistran. Ein Leben im Kampf um die Reform der Kirche, 2 Bde., bearbeitet von Ottokar Bonmann, Heidelberg 1964/65; ATANASIO GAETA, P. Antonio da Bitonto, O.F.M., oratore e teologo del secolo XV, Rom 1952; CELESTINO PIANA, Antonio da Bitonto, in: Franciscan Studies 13 (1953), S. 178-193; UMBERTO PICCIAFUOCO, S. Giacomo della Marca, Mailand 1976; ROBERTO RUSCONI, Art. ‚Carcano, Michele‘, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 19, Rom 1976, S. 742-744; GINO BARBIERI, Il beato Bernardino da Feltre nella storia sociale del Rinascimento. Testo della conferenza tenuta il 29 settembre a Venezia per le celebrazione bernardiniane, hg. von der Associazione italiana dei publici istituti di credito su pegno, Mailand 1962; A. ALECCI, Art. ‚Busti, Bernardino, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 15, Rom 1972, S. 593595; SERAFINO BASTANZIO, Fra Roberto Caracciolo da Lecce predicatore del secolo XV, vescovo di Aquino e Lecce († 1495), Isola del Liri 1947; ZELINA ZAFARANA, Art. ‚Caracciolo, Roberto‘, in: Dizionario Biografico deglli Italiani, Bd. 19, Rom 1976, S. 446452. Zur Predigtüberlieferung PAUL-GERHARD VÖLKER, Die Überlieferungsformen mittelalterlicher deutscher Predigten, in: Zeitschrift für deutsches Altertum 92 (1963), S. 212-227. Einen ersten Überblick zur reportatio geben JACQUELINE HAMESSE, „Reportatio“ et transmission de textes, in: The Editing of Theological and Philosophical Texts from the Middle Ages, Acts of Conferences, Stockholm, 29.-31. August 1984, hg. von Monika Asztalos, Stockholm 1986, S. 11-34; ROBERTO RUSCONI, Reportatio, in: Dal pulpito alla navata. Le predicazione medievale nella sua recezione da parte degli ascoltari (secc. XIIIXV), Convegno internazionale di storia religiosa in memoria di Zelina Zafarana, Firenze, 5-7 giugno, hg. von Gian Carlo Garfagnini, Florenz 1989, S. 7-36.

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beeinflußt haben. Mit einem veränderten Predigtverständnis seit dem 11. Jahrhundert und dem größeren gesellschaftlichen Wert, den man der Predigt nun zuschrieb, wuchs auch die Zahl verschriftlichter Predigten. Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung im 15. Jahrhundert. Nun bemühten sich vor allem Prediger selbst um eine Kodifizierung. 7 Der italienische Franziskanerobservant Bernardino da Busti warb für die Verwendung seiner Pastoralliteratur, falls jemand zu predigen beabsichtige. In ihnen habe man nicht nur Material für einen kompletten Jahreszyklus von Predigten an einem Ort, sondern gar für drei oder vier Jahre. 8 Anlaß seiner Empfehlung waren eigene Erfahrungen im Umgang mit der zeitgenössischen Predigtliteratur. Unzählige Predigten verschiedener gelehrter Doktoren habe er studiert. Doch die Kürze menschlichen Lebens mache es unmöglich, alle zu erforschen. Daher habe er einen Rosenkranz an Predigten zusammengestellt, der alles notwendige zum Seelenheil enthalte. 9 Predigern, denen die cura animarum der Gläubigen zukam, gab er nicht nur eine tabula an die Hand, in der er unterschiedlichste Predigtthemen für alle Predigttage des Jahres vorschlug. Zugleich verwies er auf die entsprechenden Passagen seiner Modellpredigten. Weniger festgelegt waren Seelsorger, die sich seiner alphabetisch geordneten Inhaltsübersicht bedienen wollten. Gleichwohl diente auch sie nur dem Zweck, vielbeschäftigten oder weniger kreativen Predigern den Zugriff auf pastorale Literatur zu erleichtern. Mit seinen Anstrengungen stand Bernardino da Busti nicht allein. Exponierte Prediger nutzten seit der Mitte des 15. Jahrhunderts die neue Kunst des Buchdrucks, um ein unvergleichlich größeres Publikum zu erreichen, als es mit traditionellen Formen der handschriftlichen Überlieferung möglich gewesen war. Ein frühes Beispiel dafür ist der ‚Tractato utile et salutifero de li consigli de la salute del peccatore‘ des observanten Franziskaners Antonio da Vercelli aus dem Jahr 1470. In diesem Frühdruck faßte Antonio Predigten zusammen, die er vier Jahre zuvor in Borgo Sansepolcro vorgetragen hatte. 10 Wie Antonio da Vercelli gaben auch andere franziskanische Prediger in der zweiten Hälfte des 7 8

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VÖLKER, Überlieferungsformen, S. 223. „Se alcuno volesse predicare per tutto l’anno con pochi libri, prenda il nostro Mariale e le due parti di questo Rosario, insieme colla Difesa del Monte di Pietà e potrà tener sermoni, non solo per tutto un anno, ma anche per tre o quattro anni e più nello stesso luogo.“ Zitiert nach GALLETTI, L’Eloquenza, S. 282. EBENDA: „Avendo esaminata una quantità quasi inumerevole di volumi di prediche, date in luce da diversi dottori, i quali tutti per la brevità di questa nostra vita umana non possono essere diligentemente indagati dall’intelletto umano, per compassione alla fatica di coloro che studiano e volendo acconsentire ai pii desideri di molti predicatori, ho composto questo rosario di sermoni predicabili, in cui ho raccolto tutto ciò che può giovare alle salute degli uomini e che era sparso qua e là in vari volumi.“ ROBERTO RUSCONI, ‚Confessio Generalis‘. Opuscoli per la pratica penitenziale nei primi cinquanta anni dalla introduzione della stampa, in: I Frati Minori tra ‘400 e ‘500. Atti del XII convegno internazionale di Studi Francescani, Assisi, 18-20 ottobre 1984, hg. von der Società internazionale di Studi Francescani, Assisi 1986, S. 202f.

Quellen

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15. Jahrhunderts volkssprachliche Pastoralliteratur heraus. Der Franziskanerobservant Marco da Montegallo verband die ars artificialiter scribendi mit dem volgare. Er versprach sich davon eine weitere Verbreitung, als es lateinischen Druckerzeugnissen möglich sei. Fra Marco wollte von vielen, nicht nur von lateinkundigen Theologen und Predigern an unterschiedlichsten Orten gelesen werden: „Per le schole, boteghe, parochie et per qualunche altro loco a li picoli e grandi“, kurz: „da ogni humana creatura“ 11. Roberto Caracciolo da Lecce nutzte wohl wie kein zweiter Prediger seiner Zeit den Buchdruck zur Verbreitung von Pastoralliteratur. 12 Neben lateinischen Reihen von Modellpredigten veröffentlichte er auch volkssprachliche Texte. Mit seinem ‚Specchio della fede‘ wollte er auch zur Erbauung und Unterweisung jener beitragen, die des Lateins unkundig seien. 13 Eine Rezeptionsgeschichte volkssprachlicher Predigtliteratur, die zur Kenntnis bringt, ob die Hoffnungen von Predigern wie Marco da Montegallo oder Roberto Caracciolo da Lecce erfüllt wurden, ist allerdings noch zu schreiben. 14 Mit gedruckten lateinischen und volkssprachlichen Modellpredigtreihen erschließt sich ein erhebliches Stück weit die franziskanische Welt der vermittelnden Instanz von religiösem und sozialethischem Glaubens- und Normwissens, was nicht zuletzt dadurch verstärkt wird, daß sie für ihre Veröffentlichung die Approbation der Ordensleitung bedurften. 15 Eine weitere Einschränkung der zum Teil äußerst umfangreichen Predigtreihen ist gerade 11

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ELIDE MERCANTILI INDELICATO, Marco da Montegallo. Aspetti e problemi della vita e delle opere, in: Marco da Montegallo (1425-1496). Il tempo, la vita, le opere, hg. von Silvano Bracci, Padua 1999, S. 150. Der gedruckten Pastoralliteratur Marco da Montegallos lagen zumeist Predigten zugrunde, die er „in tale forma reducta e predicata (...) nella inclita et admiranda christianissima città di Venezia“ gehalten hatte. Ebenda, S. 97. Zu den Arbeiten Marcos in volgare vgl. auch ANNE JACOBSON SCHUTTE, Printed Italian Vernacular Religious Books 1465-1550. A Finding List, Genf 1983, S. 256. ZAFARANA, Caracciolo, S. 446-452. Roberto Caracciolo da Lecce, Specchio della fede, Venedig 1495, c. Ar: „E avegna che siate doctissimo et erudito nelle arte liberale: nondimeno ho voluto scrivere li sermoni con quello stile e ordine loquale ho costumato nelle declamationi ho facte al populo cioe e vulgarmente sermone materno e ancora latinamente. E questo lo ho facto perche pervenendo alle mani de altri che vostra signoria possano essere participe delle nostre fatiche li docti ancora li indocti: specialmente che molti religiosi masculi e donne e ancora laici e seculari non possendo odire commodamente le prediche piglieranno consolatione di questa opera.“ Grundlegendes Interesse von Laien an zeitgenössischer Pastoralliteratur wies am Beispiel von Florenz CHRISTIAN BEC, Les marchands écrivains. Affaires et humanisme à Florence, 1375-1434, Paris 1967, S. 253-277 nach. ELIDE MERCATILI INDELICATO, Marco da Montegallo. Aspetti e problemi della vita e delle opere, in: Marco da Montegallo (1425-1496). Il tempo, la vita, le opere, Atti del convegno di studio, Ascoli Piceno, 12 ottobre 1996 e Montegallo, 23 agosto 1997, hg. von Silvano Bracci, Padua 1999, S. 149; MENEGHIN, Bernardino da Feltre e i Monti di Pietà, Vincenza 1974, S. 567.

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hinsichtlich der franziskanischen Predigt nicht möglich. Die Passionszeit war zweifellos eine für antijüdische Gefühle äußerst sensible Zeit. Wiederholt eingeschärfte Ausgehverbote für Juden an den Kartagen belegen dies. Juden, denen man zunehmend eine kollektive Schuld am Tod des Gottessohns gab, waren besonders in der hebdomada maior, der Osterwoche, in der das Leiden Christi gerade auch in den umfangreichen Reihen mendikantischer Quadragesimalpredigten gegenwärtig gehalten wurde, gesteigerter Feindseligkeiten ausgesetzt. Ostern mußte daher aus jüdischer Perspektive als ein ‚gefährliches Fest‘ gelten. 16 Der französische Prediger Pierre-aux-Boeufs erinnerte zu Beginn des 15. Jahrhunderts seine Standesgenossen daran, daß sie sich in jenen Tagen zum Kampf gegen die Juden rüsten sollen. Die christlichjüdische Auseinandersetzung war für ihn gleichbedeutend mit der Erinnerung an die Passion Christi. Denn so oft man dem Leiden der menschgewordenen Gottesfrucht gedenke, so häufig bekämpfe und bedränge man den jüdischen Unglauben. 17 Doch es liegt auf der Hand, daß nicht nur in vorösterlichen Fastenpredigten antijüdische Deutungskulturen zu finden waren. Zum Beispiel boten Predigten in der Adventszeit Anlaß, einiges über den adventus messiae zu vermitteln und damit einen zentralen Gegensatz jüdischen und christlichen Glaubens vorzutragen. Hinzu kommt eine zunehmend freiere thematische Predigtgestaltung. Unabhängig von der Tagesepistel variierten Prediger ihren Predigtgegenstand nach dem „Bedürfnis des Augenblicks“ 18. Die mittelalterliche Predigtliteratur ist ein weites literarisches Feld. Einen engeren Kreis bilden Homiliae und Sermones, Collationes, Expositiones und Distinctiones. Prediger nutzten in ihrer Vorbereitung darüber hinaus noch ein vielfältiges literarisches Angebot. 19 Bibel- und Väterflorilegien, Exempel16

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Dazu MARKUS J. WENNINGER, Das gefährliche Fest. Ostern als zeitlicher Kristallisationspunkt antijüdischen Verhaltens, in: Feste und Feiern im Mittelalter. Paderborner Symposion des Mediävistenverbandes, hg. von Detlef Altenburg, Jörn Jarnut und Hans-Hugo Steinhoff, Sigmaringen 1991, S. 323-332. „In sequentibuz vero diebus occapit nos ad pugnandum contra Judeos idest ad commemorandum suam passionem, quam quotiens recolimus, tociens impugnamus et confundimus impietatem Judeorum qui eum morti tradiderunt.“ Zitat entnommen MARTIN, Le métier de prédicateur, S. 328, Anm, 39. KARL JOSEF HEFELE, Der Hl. Bernhardin von Siena und die franziskanische Wanderpredigt in Italien während des XV. Jahrhunderts, Freiburg i.Br. 1912, S. 21. Zur franziskanischen Tageslesung liegen bisher kaum einschlägige Studien vor, so daß der Zugriff auf die Predigten über liturgisch festgelegte Inhalte ebenfalls schwer fällt. MAURA O’CARROL, The Lectionary for the Proper of the Year in the Dominican and Franciscan Rites of the Thirteenth-Century, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 49 (1979), S. 79103. Über die umfangreiche Literatur, die Prediger zur Vorbereitung nutzten LAURA GAFFURI, Nell‘‚Officina‘ del predicatore. Gli strumenti per la composizione dei sermoni latini, in: La predicazione dei frati dalla metà del ‘200 alla fine del ‘300. Atti del XXII Convegno internazionale di Studi Francescani, Assisi, 13-15 otobre 1994, hg. von der Società Internazionale di Studi Francescani, Spoleto 1995, S. 86-93.

Quellen

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sammlungen, Heiligenviten, Passionstraktate konnten ebenso als homiletische Hilfsmittel dienen wie Bibelkommentare, aber auch weltliche oder geistliche Geschichtsschreibung und Kompendien, in denen das Wissen ihrer Zeit zusammengefaßt war. Die Summae confessorum waren seit je her wesentlicher Bestandteil pastoraler Literatur. Die Handbücher für Beichtväter verbanden seelsorgerisches Anliegen mit der Kanonistik ihrer Zeit. Sie präsentierten die kasuistische Jurisprudenz, da ein Verstoß gegen kirchenrechtliche Bestimmungen als sündhaftes Verhalten galt, das nur durch Bußleistungen abgegolten werden konnte. 20 Die Beichtsummen wurden im späten Mittelalter immer umfangreicher, so daß sie auch als kanonistische Enzyklopädien gelten können. Sie standen in einem wechselseitigem Verhältnis zur Predigtliteratur im engeren Sinne: „Die Summae confessorum sind der Kanal, durch den ihnen die Kenntnisse zufließen, die sie im Beichtstuhle verwerten und auch nach ihrem Gutdünken mundgerecht für das Volk zubereitet in die Sermones bringen.“ 21 So liegt es nahe, die empirische Basis der Untersuchung auf eben jene ‚Summae confessorum‘ auszudehnen, die Franziskaner im Italien des 15. Jahrhunderts verfaßten. 22 Neben den überlieferten Predigtreihen gilt daher mein Augenmerk drei herausragenden, zum Teil eng miteinander verwobenen Exponaten franziskanischer Beichtsummen: dem ‚Supplementum summae pisanellae‘ des Niccolo da Osimo († 1454), der ‚Summa Angelica de casibus conscientiae‘ des Angelo Carletti da Chivasso († 1495), und der ‚Rosella casuum‘ des Baptista Trovamala († nach 1494). 23 Angelo Carletti führt im Prolog der Summa

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Zur Einführung immer noch hilfreich JOHANNES DIETTERLE, Die Summae confessorum (sive de casibus conscientiae) – von ihren Anfängen an bis zu Silvester Prierias – (unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bestimmungen über den Ablaß), in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 24 (1903), S. 353-374 u. 520-548; 25 (1904), S. 248-272; 26 (1905), S. 59-81 u. 350-362; 27 (1906), S. 70-83, 166-188, 296-310 u. 431-442; 28 (1907), S. 401-431. Vgl. auch PIERRE MICHAUD-QUANTIN, Sommes de casuistique et manuels de confession au moyen âge (XII-XVI siècles), in: Annalecta Mediaevalia Namurcensia 13 (1962), S. 3442 u. 103-106. Dietterle und Michaud-Quentin führen 24 bzw. 25 unterschiedliche Beichtsummen an. Als Spiegel sozialer Wirklichkeit und Medium sozialer Kontrolle THOMAS N. TENTLER, The Summa for Confessors as an Instrument of Social Control, in: The Pursuit of Holiness in Late Medieval and Renaissance Religion, hg. von Charles Trinkhaus und Heiko A. Oberman, Leiden 1974, S. 103-126. DIETTERLE, Summae confessorum, 24 (1903), S. 356. Die Summae confessorum waren wie die Modellpredigten im hohen Maße eine vermittelnde Instanz von Glaubens- und sozialem Normwissen. Eine 1517 abgehaltene Provinzialsynode zu Florenz schrieb den örtlichen Pfarrklerikern vor, daß ein jeder von ihnen mindestens eine Bußsumme besitzen müsse, die aufmerksam zu studieren sei. HOWARD, Beyond the Written Word, S. 26. Niccolo da Osimo orientierte sich an der 1338 vollendeten Summa casuum des Dominikanermönchs Bartholomaeus a Sancto Concordio († 1347), die nach dessen Herkunft als Pisanella bezeichnet wurde und bis in das 15. Jahrhundert eine weite

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Angelorum aus, daß die bestehenden Beichtsummen trotz ihrer großen Zahl die Beichtväter, die auf sie angewiesen seien, nicht befriedigen könnten. Einige seien viel zu umfangreich geraten, während andere an ihrer Kürze litten. 24 Nicht zuletzt wegen vielfacher Bitten von Ordensbrüdern habe er aus verschiedenen Summen – vor allem auch aus dem Supplementum Niccolos da Osimo – all jene Dinge gesammelt, sie in andere Worte gekleidet und neu angeordnet, die für die Arbeit der confessores nützlich seien. Die literarischen Anstrengungen der Ordensbrüder Niccolo, Angelo und Baptista galten jedoch nicht allein Beichtvätern als Instrumenten bei der Gewissenserforschung ihrer Poenitenten. Angelo Carletti zeigte sich überzeugt, daß seine Angelica neben den Beichtvätern und Gelehrten beiderlei Rechts nicht zuletzt auch all jenen hilfreich sein werde, die danach strebten, ein gottgefälliges und sittlich wohlgeordnetes Leben zu führen. 25 Prediger fanden in den Summen reiches Material für ihre göttliche Botschaft. Die Summen der observanten Franziskaner, die alsbald zahlreiche Druckauflagen erfuhren, waren beliebte Predigthilfen. Zugleich finden sich in ihnen selbst Predigtspuren. Niccolo da Osimo benutzte für seine zeitgemäßen Ergänzungen zur Pisanella Predigten seines Ordensbruders Bernardino da Siena, mit dem er eng verbunden war und den er einige Jahre selbst auf umfangreichen Predigtreisen begleitet hatte. In die ‚Summa Angelorum seu conscientiae‘ Angelo Carlettis flossen dessen eigene Erfahrungen als Prediger ein. 26 Die empirische Basis meiner Untersuchung ergänze ich noch um die Arbeiten des observanten Franziskaners Giacomo Ongarelli († 1517), denen eine besondere Bedeutung zukommt. Über das Leben Giacomos ist bis heute wenig bekannt. Der franziskanische Ordenshistoriograph Lucas Wadding, der in den Jahren 1625 bis 1654 die umfangreichen, mehrbändigen ‚Annales minorum‘ zusammenstellte und zum Druck brachte, wußte in ihnen lediglich zu berichten, daß Giacomo 1517 im Kloster San Geronimo zu Forlì verstorben sei. Ansonsten hielt er lediglich fest, daß Iacobus Ungarellus, so die lateinische Namensfassung, auch als Ungarellus Patavinus bekannt war. 27 Der Beiname Patavinus weist auf die Geburtsstadt Giacomos hin: Padua. Daher empfahl Wadding den Lesern seiner Geschichte der franziskanischen Ordensfamilie, die

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Verbreitung fand. DIETTERLE, Summae confessorum 27 (1906), S. 166-169. Bartholomäus selbst hält sich an Johannes von Freiburg. Angelo Carletti, Summa Angelica, Straßburg 1489, fol. 1r: „Conspitiens etiam multitudinem summularum de casibus conscientialibus non bene satisfacere pauperibus confessoribus et simplicibus propter prolixitatem aliquarum et aliarum nimiam brevitatem multorum confratrum meorum caritativa requisitione compulsus attendens etiam quod divisiones gratiarum sunt et donorum et unicuique datur manifestatio spiritus ad utilitatem.“ Ebenda: „Ita quod hec angelica summa erit utilis non solum confessoribus verum et etiam scolaribus utriusque iuris et aliis quibuscumque secundum deum et rectam civilitatem vivere cupientibus.“ D’AVRAY, Preaching of the Friars, S. 3; CASSANDRO, Spunti antigiudaici, S. 506. Lucas Wadding, Annales minorum, Bd. 16, Quaracchi 1932, S 72.

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mehr über Leben und Wirken des Fra Iacobus erfahren möchten, die scriptores patavini. Aus Mangel an Historiographen und Chronisten Paduas im 15. Jahrhundert 28, die als Zeitgenossen Giacomo Ongarellis zweifellos mehr über den umtriebigen Franziskanerobservanten hätten schreiben können, wies Lucas Wadding besonders auf Bernardino Scardeone hin, der im 16. Jahrhundert unter anderem eine dreibändige Geschichte Paduas verfaßt hatte. Scardeonius gedachte darin berühmten Bürgern seiner Heimatstadt. Zu ihrer Zierde zählte er Giacomo Ongarelli aus dem Franziskanerorden. Dieser habe sowohl mit seiner hohen Gelehrsamkeit als auch durch seine tiefe Frömmigkeit erfolgreich gegen menschliche Laster und für ein tugendhaftes Leben geworben. 29 Giacomo Ongarelli wurde wohl um 1450 als Sproß einer angesehenen, politisch einflußreichen Paduaner Familie geboren. Er widmete sich an der für ihre juristische Fakultät berühmten Universität seiner Heimatstadt umfangreichen Studien des kirchlichen und weltlichen Rechts. Daneben wandte er sich wohl noch der Theologie zu. Später versah er als Ordensbruder für einige Jahre das theologische Lektorat am observanten Franziskanerkonvent S. Spirito zu Ferrara. Der Zeitpunkt, an dem Giacomo Ongarelli das franziskanische Ordensgewand annahm, ist nicht überliefert. Die Lehrkanzel fesselte ihn nicht völlig. Seinen Zeitgenossen galt er bald als wirkmächtiger Prediger (predicatore potente). Von seiner umfangreichen Predigttätigkeit ist jedoch wenig auf uns gekommen. In Ferrara, dem Ort seines Heimatkonventes, warb er mit seinen Predigten zu Beginn des Jahres 1508 für die Errichtung einer Monte di Pietà. In Terni galt vom November 1514 bis in den Januar 1515 sein Interesse wiederum der durch Ordensbrüder schon initiierten und seit 1464 bestehenden, jedoch nun in ihrem Bestand bedrohten örtlichen Pfandleihanstalt in kommunaler Trägerschaft. 30 Predigtmanuskripte, die Aufschluß über Form und Inhalt der Predigten Giacomo Ongarellis geben, sind leider nicht überliefert. Von Scardeonius wissen wir jedoch, daß Giacomo die ‚Summa Angelica‘ Angelo Carlettis verbesserte. Lucas Wadding notierte in seiner Liste der franziskanischen Schriftsteller: „Iacobus Vagarellus, aliis Ungarellus Patauinus, scripsit Additiones ad Summam Angelicam, quae prodierunt primum Lugduni anno 1538 et deinde Venetiis anno 1569. in 4“. Wadding wußte – anders als Scardeonius – noch um eine weitere Arbeit Giacomo Ongarellis: einen 28 29 30

Vgl. Bernardino Scardeone, Historiae de Urbis Patavii antiquitate et claris civibus Patavinis Libri tres, Leiden 1722, Liber II, fol. 115r. Ebenda. ALBERTO GHINATO, Primi tentativi per la fondazione di un Monte die Pietà a Terni (1464-1472), in: Archivum Franciscanum Historicum 50 (1957), S. 379-440, DERS., Studi e documenti intorno ai primitivi Monti di Pietà, Bd. 2. I primordi del Monte di Pietà di Terni (1464-1489), Rom 1959. Die Rolle Giacomo Ongarellis wird deutlich in EBENDA, Bd. 3. I primordi del Monte di Pietà di Terni (1489-1515), Rom 1960, bes. S. 55-74. Für Ferrara Hinweise bei RUDERMAN, World of a Renaissance Jew, S. 85f.

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„Tractatum eruditum contra Hebreos“ 31. Über das Schicksal jener gelehrten Abhandlung gegen die Juden, die sich in eine steigende Zahl antijüdischer Polemiken im Italien des 15. und frühen 16. Jahrhunderts einreihte 32, verlor der Ordenshistoriograph kein Wort. Zum Druck gelangte Giacomos Judenschrift nie. Es ist nur ein Manuskript überliefert, das Giacomo Ongarelli dem MediciPapst Leo X. (1513-1521) widmete. Demnach kann als terminus post quem für die Entstehung des Manuskriptes der März 1513 angegeben werden, in dem Giovanni Medici als Leo X. den Stuhl Petri bestieg. 33 Es befindet sich heute unter der Signatur Plut. XX, cod. 52 in der Biblioteca Medicea Laurentiana zu Florenz. 34 Die judenfeindliche Schrift mit dem Titel ‚De malitiis ac impietatibus 31

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Lucas Wadding, Scriptores Ordinis Minorum, Rom 1650 (ND Frankfurt a.M. 1967), S. 186. Mit der Angabe des ersten Drucks der ‚Additiones‘ zu Lyon 1538 irrte Wadding. Schon 1534 wurden sie dort gedruckt. Nach 1569 gingen sie 1578 erneut zu Venedig bei Sansovinus in den Druck. Dazu GIANFRANCO FIORAVANTI, Polemiche antigiudaiche nell’Italia del Quattrocento. Un tentativo di interpretazione globale, in: Ebrei e cristiani nell’Italia medievale e moderni. Conversioni, scambi, contrasti. Atti del VI Congresso internazionale dell’AISG, S. Miniato, 4.-6. November 1986, hg. von Michele Luzzati, Michele Olivari und Alessandra Veronese, Rom 1988, S. 75-91. Fioravanti vermutete, daß Giacomo Ongarelli wohl schon einige Jahre zuvor seine Arbeit zusammengestellt hatte. FIORAVANTI, Polemiche antigiudaiche, S. 76. Allerdings kann dies nicht vor 1492 geschehen sein, erwähnt Ongarelli doch die Ausweisung der Juden aus Spanien. Eine Beschreibung von Plut. XX cod. 52 von A.M. BANDICIUS, Catalogus Codicum Latinorum Bibliothecae Laurentianae, Bd. 1, Florenz 1774, Sp. 659. Der Traktat Giacomo Ongarellis, dem dieser selbst den Titel ‚De malitiis ac impietatibus Iudaeorum modernorum‘ gab, umfaßt 192 fol. in 4° (Papier, Anfang 16. Jahrhundert). Es schließen sich auf fol. 193 u. 194 noch „Carmina (...) Fratris Francisci de Colle Scipionis, et Fratris Innocenti Fiaerae de Mantua Carmelitae“ an. Der Text Giacomo Ongarellis gliedert sich wie folgt: fol. 1r-29v: Tabula presentis operis; fol. 30r/v: leer; fol. 31r-36v: Prologus (Widmung an Leo X.); fol. 37r-56r: Liber primus: De malitiis quae adversus Deum deorum hebrei peragant; fol. 56r-70r: Liber secundus: De Maleficiis Iudaeorum contra sanctos suos et seipsos; fol. 70r-192v: Liber tertius: De flagitiis hebreorum quae contra christianos exercent. Giacomo Ongarelli bezeichnet sich selbst als: „Fratris Iacobi Ongarelli de Padua or. mi. ob. Sacre Theologie ac I. u. professoris praedicatorisque (...)”. Ebenda, fol. 37r. In zahlreichen Passagen zeigt sich eine starke Abhängigkeit des Traktates Giacomo Ongarellis vom dritten Buch des ‚Fortalitium Fidei‘, in dem der spanische Franziskanerobservanten Alfonso da Spina gegen Juden polemisierte. Dies zeigt schon ein oberflächlicher Vergleich der Inhaltsverzeichnisse beider Traktate. Ongarelli übernahm vor allem Passagen aus Liber III, considerationes 7-11. Vgl. MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messias?, S. 305-317. Das zwischen 1458 und 1464 verfaßte Fortalitium Fidei erfuhr im Zeitraum von 1471 bis 1525 neun Druckauflagen. Alfonsos Ordensbrüder in Italien zeigten starkes Interesse an seiner Festung des christlichen Glaubens, das bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in die französische, deutsche und italienische Sprache übersetzt wurde. Vgl. ANTONIAZZI VILLA, A proposito di ebrei, S. 51. Fioravanti betonte hinsichtlich der Verwendung jüdischer Autoren,

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Iudaeorum modernorum‘ weist eine enge Verbindung zur Predigt jener Zeit auf. Giacomo Ongarelli berief sich zur Stützung seiner Argumentationen mehrfach auf die großen Volksprediger seines Ordens im 15. Jahrhundert und zuweilen auf namentlich nicht genannte „praedicatores devoti“ 35. Zugleich begründete Ongarelli, warum er sich an den Papst wandte: „Heute ist es niemandem erlaubt, gegen die Laster der Juden zu predigen ..., da mit [jüdischem, M.H.] Geld bestochene Fürsten und städtische Magistrate Schweigen darüber anordnen. Die ungläubigen Hunde selbst [die Juden, M.H.] wagen es, zu den Obrigkeiten zu gehen und diese mit Lügen derart zu täuschen, daß sie Erlaubnis

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Ongarelli habe scheinbar nur diejenigen benutzt, die bereits Pietro Bruti, Bischof von Cattaro und Platzhalter des bischöflichen Stuhls von Vicenza für Battista Zeno im Anhang zu seinem Victoria adversus Judaeos einige Jahre zuvor angeführt hatte. FIORAVANTI, Polemiche antigiudaice, S. 90. Ich prüfe derzeit die Möglichkeit einer Edition des Traktates Giacomo Ongarellis, die unter anderem weitaus dezidierter als es hier möglich ist, die textlichen Vorlagen Giacomos kenntlich machen soll. Bandicius erwähnte, daß bereits Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) eine Ausgabe des Traktates geplant habe. Hier irrte der Bibliothekar jedoch. Leibniz kündigte am 30. November in einem Brief an den Berliner Hofbibliothekar und Orientalisten Maturin Veyssière La Croze († 1739) zwar an: „(...) Quant au Diarium Paridis de Grassis comme il est aussi à Wolfenbutel, je meditois un volumen rerum Italicarum, scriptorum bonam partem ineditorum aut auctiorum, ou je voulois inferer integrum diarium Burchardi, tum Alexander VI (auctum et correctum ex vestro codice) tum Julii II. itemque diarium Paridis de Grassis, et un certain discours de Commendon sur la cour de Rome, et les Papes Augerti de Biteris que M. Baluze cite aussi quelques fois. Item un certain Ongarelli qui a écrit il y a 300 ans ou environ.“ GOTTFRIED WILHELM LEIBNIZ, Epistolae ad diversos, theologici, iuridici, medici, philosophici, mathematici, historici et philologici argumenti, Bd. 2, hg. von Christian Kortholt, Leipzig 1734, Lettre CCXVI (S. 392f.). Leibniz bereiste in den Jahren 1689 und 1690 von Triest bis Neapel zahlreiche italienische Städte. Im Dezember 1689 erreichte er Florenz, wo er Zugang zu den Bibliotheken der Stadt erreichte; auf Befehl des Großherzog Cosimo III. von der Toskana assistierte ihm dort der berühmte italienische Bibliothekar Antonio Magliabechi. Welche Bestände Leibniz durchsah, ist nicht überliefert. Doch hatte er nicht den Judentraktat Giacomo Ongarellis im Blick, als er 18 Jahre später La Corze von seinen Vorhaben einer Ausgabe bisher nicht edierter italienischer Schriften unterrichtete. Vielmehr handelte es sich um eine Cronica di Padoa des Guiglielmo Ongarelli bzw. Ongarello. Leibniz selbst war vom 5. bis zum 10. März 1690 in Padua. Am 2. Oktober 1696 erreichten ihn aus Venedig sehnlichst erwartete italienische Handschriften, darunter eine Abschrift der Cronica Ongarelli. Zur Chronik Guiglielmos Ongarelli GIOVANNI FABRIS, Il presunto cronista padovano del sec. XV: Guiglielmo di Paolo Ongarello, in: Atti e memorie della R. Accademia di scienze lettere ed arti in Padova 15 (1936/37), S. 167-223. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. I, c. 3, fol. 58v. Für den Bezug auf berühmte Predigerpersönlichkeiten der franziskanischen Observanz nur ein Beispiel ebenda, fol. 76v, wo Giacomo sich auf Giacomo della Marca beruft. An zahlreichen Stellen beruft sich Ongarelli zudem auf Gerüchte (fama) und nicht zuletzt auf Ereignisse, die er mit eigenen Augen verfolgt habe.

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Einleitung

für ihr sündhaftes Tun erhalten. Ich bin darin erfahren. Man glaubt den Lügen der Juden nun mehr als der Wahrheit, die die Prediger verkünden.“ 36 Mit den ausgewählten umfangreichen Modellpredigtreihen, den Summae confessorum und den Schriften Giacomo Ongarellis liegt meiner Arbeit eine breite empirische Basis zugrunde, die in ihrer Dichte zumindest für die franziskanische Observanz im Italien des 15. und frühen 16. Jahrhunderts die geforderte Perspektive auf eine längere Dauer von predigtgebundenen Einstellungen gegenüber jüdischem Leben ermöglicht. 37 Wie sich das kommunikative Ereignis Predigt vollzog, erfährt man, wenn überhaupt, am ehesten noch in historiographischen Quellen, in Chroniken und Tagebüchern der Zeit, und in Lebensbeschreibungen der Prediger, die – wenn sie nicht offiziell zu Ehren der Altäre erhoben wurden wie Bernardino da Siena 1450 – zumindest in den Augen ihrer Zeitgenossen den Ruf heiliger Männer genossen, deren Taten es festzuhalten galt. Für die Analyse des sozialen Kontextes antijüdischer Predigten in Padua und ihrer Wirkungen auf eine städtische Gesellschaft im 15. Jahrhundert habe ich vor allem auf umfangreiches städtisches Aktenmaterial, das heute im Staatsarchiv zu Padua aufbewahrt wird, aber auch auf kirchliche Quellen des bischöflichen Archivs in Padua zurückgegriffen.

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Ebenda, L. III, c. 37, fol. 106r/v: „Nemini licet nunc contra vitia Judaeorum predicare (...) quia principes et magistratus pecuniis corrupti solent imponere silentium (...) Ipsi perfidi canes audent adire magistratus et mendatiis ita eos informare ut obtineant litteras execratorias et citatorias. Expertus sum ego. Nunc creditur magis Judaeorum nugis quam religiosorum veritati.“ Wolfgang Treue zeigte sich skeptisch gegenüber einer Nutzung der antijüdischen Traktate für Arbeiten, die nach dem Judenbild im Medium der Predigt fragen. Er neigte der Ansicht zu, daß die Traktatliteratur „auf einer von den Predigten verschiedenen argumentativen Basis“ stünden. TREUE, Trienter Judenprozeß, S. 46. Zweifellos verzichtet Ongarelli auf ein wesentlichen Funktionszusammenhang des predigtgebundenen Judenbildes; er nutzte seine Ausführungen nicht wie die hier in den Blick genommene Predigtliteratur im engeren Sinn zur antijüdischen Profilierung christlichen Glaubenswissens und christlicher Frömmigkeitspraxis. Gleichwohl stellt der Traktat Giacomo Ongarellis eine unschätzbare Quelle zur Beantwortung der Frage nach den Forderungen dar, die franziskanische Prediger für das christlich-jüdische Zusammenleben im Italien des 15. und frühen 16. Jahrhunderts erhoben. MORMANDO, Preacher’s Demons, S. 223.

II. Antijudaismus in der Predigt

1. Ad Iudaeos – den Juden predigen? Trotz ihrer neutestamentlich prophezeiten eschatologischen Konvergenz 1 sind Judentum und Christentum seit jeher in hohem Maße Konfrontationskulturen. Christen, die in Jesus Christus den verheißenen Gottessohn erblicken, sehen in der angeblichen Menschwerdung des göttlichen Logos 2 das alte Gesetz erfüllt und eine neue Zeit angebrochen. Die Heidenvölker, die sich zu Christus bekehren, bildeten nun – anstelle der bekehrungsunwilligen Israeliten – das neue Gottesvolk. Juden, denen „die hebräische Bibel als Botschaft, Offenbarung und Verheißung in sich vollständig“ war und „nicht die Erfüllung durch Jesus Christus“ 3 benötigte, sehen im Nazarener lediglich einen Propheten, jedoch nicht den Messias, der eine neue Heilszeit begründete. Vorstellungen vom Fleisch gewordenen Wort Gottes sind dem Judentum ebenso fremd wie das christliche Trinitätsdogma. Juden und Christen trennte die beiderseitige Überzeugung, allein im Besitz des richtigen Glaubens zu sein. Der je exklusive Anspruch auf religiöse Wahrheit zog gegenseitige Abgrenzung nach sich. Neben einem christlichen Antijudaismus gab es auch antichristliche Polemik von jüdischer Seite. Auf Grund ihres vorrangig biblischen Textbezugs und ihrer spezifischen heilsgeschichtlichen Ausrichtung war die christliche Predigt seit ihren Anfängen Ort einer religiösen Wissensvermittlung, die zugleich immer schon antijüdische Elemente in sich trug. Christliche Prediger des Mittelalters folgten ihrer Ansicht nach einem göttlichen Heils- und Lehrauftrag, wenn sie rechtmäßigen Glauben definierten. Sie verkündeten öffentlich die evangelische Botschaft als Kern christlicher Identität. Es gehörte zum religiösen Gemeingut christlicher Theologen und Prediger, auf die angeblichen jüdischen Irrtümer zu verweisen, um Christen eine Vorstellung von sich selbst zu geben. Der Kirchenvater Augustinus († 430) machte in seinem Traktat ‚De vera religione‘ den Verweis auf jüdischen Unglauben zu einem Grundprinzip christlicher Identitätswahrung: „Die machtvoll über den ganzen Erdkreis verbreitete katholische Kirche bedient sich aller Irrenden, sofern sie einsehen wollen, zu derem eigenen Vorteil und zu ihrer Heilung. Und sie benützt die Heiden als 1 2 3

HEINZ SCHRECKENBERG, Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte und ihr literarisches und historisches Umfeld, Bd. 1. 1.-11. Jh., Frankfurt a.M.-Bern 1982. Zur Logos-Christologie vgl. den kurzen Hinweis bei ARNOLD ANGENENDT, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 129. SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 1, S. 58.

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Antijudaismus in der Predigt

Material für ihr Wirken, die Häretiker zur Erprobung ihrer Lehre, die Schismatiker als Beweismittel für ihre Beständigkeit und die Juden zum Vergleich ihrer Schönheit.“ 4 Das Neue Testament verpflichtet die Kirche nicht, ihren göttlichen Lehrauftrag vor Juden wahrzunehmen. Vielmehr beschreibt die neutestamentliche Offenbarung einen heilsgeschichtlichen Weg, der von den Juden zu den Heiden führt. 5 Nachdem sich die Israeliten mehrheitlich der Botschaft Christi widersetzt hatten, zielte der in Mt 28,19-20 formulierte christliche Universalismus auf die Völker der Welt, die Israels Gott, der zugleich der Gott der Christen ist, noch nicht kannten. 6 Eine Judenmission gehörte nicht zum frühen Selbstverständnis der Kirche. Christliche Theologen hielten sich im frühen und hohen Mittelalter mit Forderungen, Juden zum christlichen Glauben zu führen, deutlich zurück. Sie vertrauten auf die vom Apostel Paulus prophezeite und von Augustinus kanonisierte endzeitliche Bekehrung des alten Gottesvolkes. Die umfangreiche Adversus-Iudaeos-Literatur christlicher Autoren diente apologetischen Interessen. Obschon im Ton zunehmend schärfer, zielte die antijüdische Polemik bis in das 12. Jahrhundert hinein weiterhin in hohem Maße auf eine christliche Identitätswahrung. Der italienische Eremit und Reformtheologe Petrus Damian († 1072) nannte in seinem ‚Antilogus contra Judaeos‘ zwar Missionsabsichten als mögliches Motiv für die Abfassung antijüdischer Traktate; die Belehrung von Christen sei jedoch weitaus wichtiger, als mit Juden um den rechten Glauben zu streiten. 7

1.1. Predigt und Mission Im 13. Jahrhundert veränderte sich der Charakter der jüdisch-christlichen Kontroverse grundlegend. Das Interesse christlicher Theologen richtete sich nicht mehr nur auf eine defensive Apologie ihres eigenen religiösen Standpunktes. Innovative Bemühungen um eine Judenmission wurden nun zunehmend laut. Die neue missionarische Zielsetzung läßt sich als verstärkter Antijudaismus interpretieren. Es galt nicht mehr, allein Christen mit Hilfe antijüdischer Verweise ein Bild von sich selbst zu geben; vielmehr führten christliche Theologen nun zusätzlich einen fundamentalen Angriff auf die jüdische Religion, um die neutestamentlich gebotene religiöse Vielfalt nicht 4

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Zitiert nach KLAUS SCHREINER, Tolerantia. Begriffs- und wirkungsgeschichtliche Studien zur Toleranzauffassung des Kirchenvaters Augustinus, in: Toleranz im Mittelalter, hg. von Alexander Patschovsky und Harald Zimmermann, Sigmaringen 1998, S. 339. SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 1, S. 146-154. Vgl. allgemein GERHARD ROSENKRANZ, Die christliche Mission. Geschichte und Theologie, München 1977. DAVID BERGER, Mission to the Jews and Jewish-Christian Contacts in the Polemical Literature of the High Middle Ages, in: American Historical Review 91 (1986), S. 579.

Den Juden predigen?

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weiter tatenlos hinzunehmen und das Jüdischsein vor dem Ende der Zeit zu überwinden. Die Ursachen für diese Entwicklung sind äußerst vielschichtig. Zum einen kam um 1200 ein Formierungsprozeß innerhalb der christlichen Gesellschaft des lateinischen Mittelalters zu einem vorläufigen Abschluß, der nicht nur eine forcierte antijüdische Polemik, sondern zugleich stigmatisierende Maßnahmen gegenüber Juden zeitigte. Wandel und Pluralität wirkten in den Augen mittelalterlicher Autoren als Bedrohung des sozialen Friedens und der Homogenität der religiös integrierten Gemeinschaft. Das Konzept der christlichen Einheitskultur 8 sollte Irritationen der societas christiana ausräumen und grenzte Nonkonformität dementsprechend aus. Der expansive Charakter, der jener societas christiana inhärent war, verstärkte sich vor dem Hintergrund realer oder fiktiver äußerer oder innerer religiöser Bedrohungen. Parallel zur Kreuzzugsbewegung, der verstärkten Heidenmission und der innerchristlichen Ketzerbekämpfung rückte auch die jüdische Existenz in der abendländischen Gesellschaft als religiöse Irritation vermehrt in das Bewußtsein christlicher Theologen und amtskirchlicher Vertreter. 9 Entscheidende Impulse für die christliche Judenmission gingen zudem von einer Rationalisierung der Theologie seit dem 12. Jahrhundert aus. 10 Ob und in welchem Maße die Konfrontation von nichtchristlicher Seite verstärkt wurde und aggressives jüdisches Verhalten Auslöser für eine Judenmission war, ist innerhalb der mediävistischen Forschung nach wie vor umstritten. 11 Erst mit einer umfassenden kirchlichen Missionsstrategie etablierten sich seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts festgefügte Techniken und Argumente der Judenmission. 12 In Disputationen und durch Predigten sollten Juden nun unter Berufung auf alttestamentliche Verweisstellen, auf postbiblische jüdische Literatur und Vernunftgründe von der Wahrheit des christlichen Glaubens, vor allem von der göttlichen Trinität und von der Inkarnation des Gottessohnes überzeugt und zur Annahme des christlichen Glaubens bewogen werden. Die disputatio als „Aussageform mittelalterlicher religiöser Denkweise“ 13 bewahrte 8 9

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ERNST TROELTSCH, Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen, Tübingen 1912 (ND 1994), S. 178-185. HANS WOLTER, Das Missionswerk der Kirche, in: Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. III,2. Vom Hochmittelalter bis zum Vorabend der Reformation, Sonderausgabe Freiburg-Basel-Wien 1985 (ND 1999), S. 273-284. ANNA SAPIR ABULAFIA, Twelfth-Century Renaissance Theology and the Jews, in: From Witness to Witchcraft. Jews and Judaism in Medieval Christian Thought, hg. von Jeremy Cohen, Wiesbaden 1996, S. 125-139. Vgl. auch ANGENENDT, Geschichte der Religiosität, S. 44-51. Vgl. dazu CHAZAN, Daggers of Faith, S. 21. EBENDA, S. 4. ILONA OPELT, Die Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin, Heidelberg 1980, S. 192.

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Antijudaismus in der Predigt

dabei nur formell den Anschein eines offenen interreligiösen Dialogs 14 gleichberechtigter Gesprächspartner. Faktisch bestand vielmehr ein „Ungleichgewicht zwischen den beiden Parteien“ 15, das sich im Kontext der Predigt zweifellos noch verstärkte, blieb den Juden doch hier nur die Rolle des passiven, stummen Zuhörers. Christliche Prediger teilten im späteren Mittelalter im Zuge umfassender missionarischer Initiativen der Kirche ihre Glaubensdogmen auch Juden mit. Gestützt auf das Machtgefälle zwischen christlicher Mehrheitsgesellschaft und jüdischer Minderheit entgrenzten sie einen Diskurs, der zuvor nur Christen und Heiden, nicht aber altgläubigen Israeliten galt und warben nun inmitten der Gemeinschaft ihrer älteren Bruderreligion um deren Bekehrung zur veritas christiana. Vor dem 13. Jahrhundert finden sich nur vereinzelt Hinweise auf Predigten zu Juden. Im Jahr 602 erinnerte Papst Gregor der Große (590-604) in einem Brief an den Erzbischof von Neapel daran, Juden nicht mit Strenge oder Zwang zu begegnen. Ein solches Vorgehen schrecke nur unnötig diejenigen ab, deren Geist von der Wahrheit der christlichen Offenbarung überzeugt werden könnte, und diene eher der jüdischen Sache als der Sache Gottes. Stattdessen sollten Juden mit gewinnenden, schmeichelnden Worten (blandimentis) für den christlichen Glauben gewonnen werden. Umgesetzt in eine breitere pastorale Praxis der Judenmission wurde die päpstliche Mahnung nicht, obschon sie Eingang in die umfassende Zusammenstellung kirchenrechtlicher Grundsätze, der ‚Concordantia discordantium canonum‘, fand, die der Kamaldulensermönch Gratian um 1140 zusammenstellte. 16 Christliche Pastoraltheologen plädierten seit den Anfängen des 13. Jahrhunderts dafür, das bestehende Machtgefälle zwischen christlicher Mehrheit und jüdischer Minderheit zu nutzen und Juden zur Anhörung christlicher Predigten zu zwingen. Der Pariser Magister und spätere Zisterzienser Alanus ab Insulis († 1202) neigte in seiner ‚Summa de arte praedicatoria‘ noch der Ansicht zu, man 14

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Zur Struktur des interreligiösen Dialogs in der christlich-jüdischen Disputation vgl. GABY KNOCH-MUND, Disputationsliteratur als Instrument antijüdischer Polemik. Leben und Werk des Marcus Lombardus, eines Grenzgängers zwischen Judentum und Christentum im Zeitalter des deutschen Humanismus, Tübingen-Basel 1997. Knoch-Mund, die methodisch auf linguistische Modelle aus der Forschung zur Gesprächsanalyse zurückgriff, betonte „die Spannung zwischen Wissensvermittlung, zwischen Traktat und Gespräch sowie zwischen Apologetik und Polemik“ in der Disputatio, die ein „typisches Beispiel für den Umgang mit nicht assimilierten Außenseitern und Minderheiten“ darstelle. EBENDA, S. 191f. OPELT, Polemik, S. 199. „Quin sincera intentione extraneos a Christianis religione ad fidem cupiunt rectam adducere, blandimentis debent, non asperitatibus sudere, ne, quorum mentem reddita a plano ratio poterat provocare, pellat procul adversitas. Nam quicumque aliter agunt, et eos sub hoc velamine a consueta ritus sui volunt cultura removere, suas illic magis, quam Dei probantur causas attendere.“ Vgl. Corpus Iuris Canonici, D.45 c. 3.

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solle nur den Gläubigen (fidelibus) predigen, deren Seelen sehnsüchtig (appetitu mentis) Gottes Wort begehrten. Nur sie seien der gute Boden (bona terra), der Samen fruchtbringend aufnehme (semen recipit et fructus facit). Jenen aber, die hartnäckig im Unglauben verharren, sei die Predigt vorzuenthalten, da sie ohnehin die göttliche Botschaft verschmähten. Vorbildlich verhielten sich demnach die Apostel angesichts der Juden, die die frohe Botschaft Christi zurückgewiesen hatten. Die urchristlichen Prediger hatten sich von ihnen abgewandt. 17 Die nur wenige Jahre danach verfaßte ‚Summa de arte praedicandi‘ des englischen Kanonikers Thomas de Chobham († 1233/36) offenbart hingegen einen starken Einfluß zeitgenössischer Missionsbemühungen auf die niedergeschriebenen Überlegungen zur Predigt. Thomas de Chobham machte die neutestamentliche Mahnung aus Mt 7,6, wonach das Heilige nicht den Hunden zu geben sei und keine Perlen vor die Säue geworfen werden sollten, zum Ausgangspunkt argumentenreicher und differenzierter Reflexionen zu möglichen Adressaten der christlichen Predigt. 18 Er betonte: Ein Prediger hätte nicht allen, immer und an allen Orten zu predigen. Thomas de Chobham beließ es aber nicht bei einem Gemeinplatz, sondern konkretisierte im weiteren Verlauf seiner Predigtsumme die Ausführungen über jene, denen nicht zu predigen sei. Man sollte nur jenen das Wort Gottes vorenthalten, die sich unbelehrbar zeigen und von der Kirche abgefallen (precisi ab ecclesia) sind. Jene, die einst zur Heilsgemeinschaft der Kirche gehörten, sich dann aber deutlich und offenbar von der Kirche abgewandt hatten, müsse man nicht mit der Predigt, sondern mit den Zwangsmaßnahmen, die das kirchliche Recht vorsehe, entgegentreten. Sollten die Häretiker nicht gewaltsam zur Umkehr zu bewegen sein, bleibe ihnen nur das Schicksal der Vernichtung. Thomas de Chobham plädierte mit den entsprechenden Stellen der Kirchenrechtssammlung Gratians nicht nur für Zwangs- und Strafmaßnahmen, sondern drängte auf eine strikte Trennung zwischen Häretikern und gläubigen Christen. Zwischen beiden Parteien dürfe weder öffentlich, noch im Verborgenen Gemeinschaft gepflegt werden. Allenfalls könne man die von der kirchlichen Heilsgemeinschaft Abgefallenen in das private Gebet einschließen und dort um ihre Umkehr und ihr Heil bitten. 19 17

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Alanus ab Insulis, Summa de arte praedicatoria, in: ders., Opera Omnia, Paris 1855 (ND Turnhout 1976), Sp. 184: „De quibus sit praedicatio (...) Fidelibus videlicet, qui quodam mentis appetitu verbum Dei audire desiderant (...) Haec est terra bona, quae semen recipit et fructus facit. Indignis vero et obstinatis subtrahenda est praedicatio, quia qui verbum Dei respuunt, se indignos faciunt. Unde et apostoli dixerunt Judaei praedicationem illorum respuentibus: ‚Quia repulistis verbum Dei, et indignos vos judicatis vitae aeternae, ecce convertimur ad gentes‘ (Act. 13).“ Thomas de Chobham, Summa de arte praedicandi, hg. von Franco Morenzoni, Turnhout 1988, S. 140f. Ebenda, S. 75-78: „Quamvis autem quilibet prelatus debeat subditis suis predicare, non tamen omnibus nec semper nec ubique. Non omnibus, dico, quia si fuerint incorrigibiles vel precisi ab ecclesia, desistendum est ab eorum predicatione, quia sicut ait Dominus: ‚non sunt spargende margarite inter

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Anders verhält es sich hingegen mit jenen, die niemals dem christlichen Glauben anhingen. Wer nie zur Heilsgemeinschaft der ecclesia gehört habe, dürfe nicht mit Zwang hineingebracht werden (non sunt compellendi intrare). Falls sie aber gegen den Glauben an Gott und dessen Kirche kämpften, so müsse man ihnen mannhaft (viriliter) und mit kriegerischer Hand (manu bellica) entgegentreten. Blieben sie jedoch friedlich, so müssten sie selbst friedvoll von den Christen und der Kirche Gottes ertragen werden. 20 Das klassische Toleranzgebot hinderte Thomas de Chobham jedoch nicht daran, offensiv eine Juden- und Heidenmission zu fordern: Die Kirche sündige, wenn sie nicht zu den Orten, wo nur Ungläubige sind, Prediger schicke. Der englische Kanoniker wehrte Bedenken ab, die vor einer leiblichen Gefahr warnten, wenn man außerhalb der Grenzen christlicher Gesellschaft unter den Ungläubigen das Wort Gottes verkünde. Die Bedenkenträger argumentierten wie folgt: Prediger, die zu den

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porcos‘. Et iterum: ‚nolite sanctum Dei dare canibus‘ (...) Per tales autem qui latent in viis et sepibus intelligentur illi qui manifeste se separant ab ecclesia Dei, et tales compellendi sunt non per predicationem, sed per aliam quamcumque districtionem ecclesiasticam. (...) Illi autem qui quandoque fuerunt de ecclesia et postea recesserunt ab ea, omnino cogendi sunt ut ad illam revertantur quam dereliquerunt. (...) Verumtamen, distinguendum est utrum manifeste impugnent fidem, sicut heretici, aut fidem tenentes vivant in peccatis contra bonos mores, et rapinis at aliis vexationibus turbent ecclesiam. Si quis enim manifeste impugnat, statim eiciendus est a consortio fidelium (...) non potes ei communicare in publico nec in privato, sed debes eum vitare in tribus, scilicet in oratione, in mensa, in salutatione. Quia sicut ait apostolus, nec cum eis cibum sumere possumus, nec est ei dicendum ave. Et ideo beatus Iohannes evnagelista, cum se lavaret in balneis communibus et viderit Cherinium hereticum intrantem prosilivit proclamans: ‚fugite ab hiis balneis, ne corruant ipsa balnea super vos in quibus Cherinius lavatur‘ (...) sed in privato, in singularibus orationibus nostris, bene possumus orare pro conversione talium et desiderare eorum salutem. Et cum hoc facimus non communicamus.“ Ebenda, S. 76: „Preterea, sciendum est quod illi qui numquam fuerunt de ecclesia, non sunt compellendi intrare in ecclesiam. Nemo enim umquam cogendus est ad fidem. Sed si vellint impugnare fidem Dei et ecclesia eius, viriliter est eis resistendum, etiam manu bellica (...) Si autem vellent illi qui numquam fuerunt de ecclesia pacifice manere, nec insurgerent in ecclesiam nec occuparent eam, deberent pacifice sustineri.“ Thomas de Chobham steht ganz in der zeitgenössischen kirchenrechtlichen Tradition des Decretum Gratiani, wonach die Kirche keine Rechtsgewalt gegnüber Juden beanspruchte, da schon der Apostel Paulus vorschrieb, diejenigen, die nicht zur kirchlichen Heilsgemeinschaft gehörten, dem Richterspruch Gottes zu überlassen. Vgl. Corpus Iuris Canonici, C. 23, q. 4, c. 16: „Sunt quaedam, que salubri tantum ammonitione sunt corripienda non corporalibus flagellis sunt animadvertenda; sed eorum vindicta divino examini tantum est reservanda, quando in delinquentes disciplinam videlicet exercere non possumus, vel quia non sunt nostris iuris, vel quia illorum crimina etsi nobis nota sunt, tamen manifestis indiciis probari non possunt. § 1 De his, qui non sunt nostri iuris, ait Apostolus in epistola prima ad Corinthios: ‚Quid enim mihi attinet de his qui foris sunt iudicare? de his enim Dominus iudicabit‘.“ Das Decretum Gratiani gestattete lediglich den Einsatz von Gewalt gegenüber Ungläubigen, falls diese die Kirche bedrohten. Vgl. Corpus Iuris Canonici, C. 23, q. 8, c. 28: „Licet ergo prelatis ecclesiae exemplo B. Gregorii ab imperatoribus vel quibuslibet ducibus defensionem fidelibus postulare licet etiam cum beato Leone quoslibet ad sui defensionem contra adversarios sanctae fidei viriliter adhortari, atque ad vim infidelium procul arcendum quosque citare. Effusionem vero sanguinis nulli episcoporum sua vel imperatorum auctoritate inperare licet.”

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Sarazenen gehen, würden umgehend – ohne Gehör zu erhalten – umgebracht. Daher könne man nicht sagen, man gehe zum Predigen dorthin; vielmehr breche man einzig zum Sterben auf. Eines Verdienstes für die christliche Sache könne man dabei nicht sicher sein. Zweifel, ob Gott ein solches Martyrium durch Wunder verherrliche, seien unberechtigt. Ein solches Vorgehen stelle eher eine Versuchung Gottes dar als eine Art des Predigens. Mit Hinweisen auf neutestamentliche Schriften, apokrypher Literatur und Heiligenlegenden trat Thomas de Chobham der Argumentation jedoch entgegen, ohne voreilig Leiden im Dienst der christlichen Verkündigung als Selbstzweck zu betonen. Nüchtern hob er die Vorteile hervor, die aus Verträgen entstünden, die man mit den Sarazenen abschließen könne, um den von der Kirche autorisierten Predigern ihr Predigtamt zu ermöglichen und sicherer zu machen. 21 Derartige Probleme stellten sich für Thomas de Chobham hinsichtlich der Predigt zu Juden nicht, da sie doch unter den Christen selbst weilten. Es sei weltlichen und kirchlichen Herrschaftsträgern ein leichtes, Juden zum Anhören christlicher Predigten zu zwingen. Es seien nicht vergebens vor die Säue geworfene Perlen, falls man ihnen jetzt schon das Wort Gottes nahebringe. Thomas de Chobham redete hier einer neuen Predigtpraxis das Wort, mit der Juden zum christlichen Glauben gebracht werden sollten. Zwar wußte der englische Kanoniker um das Gebot, Juden nicht mit Zwang in die christliche Heilsgemeinschaft zu bringen. Das von Augustinus vorgebrachte Vertrauen auf die endzeitliche Bekehrung des alten Gottesvolkes hielt ihn jedoch nicht davon 21

Thomas de Chobham, Summa de arte praedicandi, S. 85f.: „Sed iterum queritur in generali utrum predicandum sit in omnibus loci ubi sunt nisi, ut in iudaismo et in paganismo. Et videtur quod quod peccet universalis ecclesia, quia ad talia loca non mittit predicatores, nec potest excusari ecclesia per hoc quod constitutum est inter quosdam infideles quod quicumque Christum predicaverit capite puniatur, cum dicat Dominus: ‚ecce ego mitto vos sicut oves in medio luporum‘ quasi dicat: mitto vos ad predicandum eis qui vos occident sicut lupi devorant oves. Beatus etiam Petrus bene sciebat quod occideretur ab illis quibus predicabat, per hoc quod dixit ei Dominus: ‚vado Romam iterum crucifigi‘. Intellexit enim Petrus quod ipse crucifigeretur sicut Dominus crucifixus est. Et iterum dixit ei Dominus: ‚cum senueris alius te cinget et ducet te quo tu non vis‘. Et per hoc bene sciebat Petrus quod occideretur in loco ad quem misit eum Dominus. Nec tamen propter hoc pretermisit ire ad locum illum et ibi predicare. Legitur etiam in legenda beati Dyonisii, quod ipse non est veritus expetere incredule gentis feritatem. Ex hiis autem videtur quod non debeant omittere predicatores quin proficiscantur ad predicandum ibi ubi pro certo sciant se esse occidendos, dummodo illuc mittantur auctoritate ecclesie romane. Sed ad hoc dicunt quod aliter est modo apud Sarracenos quam olim fuit apud Gentiles. Gentiles enim audierunt apostolos et alios predicantes, et cum illis disputaverunt, et sepe multi conversi sunt per eos; nec occiderunt predicatores quamdiu spem habuerunt quod eos possent pervertereb ad ydolatriam suam. Sed nun constitutum* est inter Sarracenos quod quicumque quasi predicator nominaberit Christum, statim a quocumque sine audientia occidatur. Et ideo dicunt quod ire ad tales non esset ire ad predicandum, sed ire ad moriendum sine predicatione, nec sunt certi quod Dominus in morte eorum faceret pro eis miracula; et ideo hoc modo ire potius esset ad temptandum Deum quam ad predicandum. Nos tamen legimus in multis legendis sanctorum quod multi cucurrerunt ad martirium in locis ubi viderunt gladios paratos cervicibus martirium, nec ibi predicaverunt sed occubuerunt, et Dominus tamen pro eis miracula operatus est.“

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ab, für eine zeitgenössische Judenmission zu werben. Wer könne schon sicher sein, fragte der Predigttheoretiker des frühen 13. Jahrhunderts abschließend, ob viele Juden sich ohne vorherige Verkündigung der christlichen Botschaft wirklich am Ende der Zeit bekehrten. Hoffnungsvoller sei es daher, für die Bekehrung der Juden schon jetzt auf die Predigt zu vertrauen. 22 Die klassischen Argumente für eine Duldung der Juden bei den Christen schob Thomas de Chobham nicht bedenkenlos zur Seite. Er verband Forderungen nach einer Judenmission, in der zumindest für das officium praedicandi – nicht jedoch bei der Glaubensannahme im Zeichen der Taufe – Zwangsmaßnahmen nicht ausgeschlossen werden, mit traditionellen, im Kirchenrecht seiner Zeit kodifizierten Geboten für eine tolerantia iudaeorum. Einen Widerspruch zwischen seinem Plädoyer für Zwangspredigten und der ins Decretum Gratiani aufgenommenen Mahnung Papst Gregors des Großen, Juden allenfalls mit schmeichelnden Worten zum christlichen Glauben zu überreden, der der Auflösung bedurfte, sah er nicht. Zwangspredigten zu einer legitimen kirchlichen Praxis erhob nur wenige Jahrzehnte nach der pastoraltheologischen Abhandlung Thomas de Chobham Papst Innozenz IV. (1243-1254). Die päpstliche Rechtfertigung steht im Kontext einer Entwicklung, in der seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert Kanonisten und Vertreter der katholischen Amtskirche den Anspruch auf eine direkte Rechtsgewalt von Christen gegenüber Juden zuerst in weltlichen, dann auch in religiösen Angelegenheiten formulierten, so daß das paulinische Diktum, den Richterspruch über jene, die außerhalb der christlichen Gemeinschaft bleiben, Gott zu überlassen, eingeschränkt wurde und zunehmend an Geltungskraft verlor. 23 Den Schlußpunkt setzte Papst Innozenz IV. mit seiner Kommentierung der Bulle ‚Quod super his‘. Anlaß der Kommentierung der auf Innozenz III. (1198-1216) zurückgehenden Bulle war die unter Papst Gregor IX. (1227-1241) vorgenommene Konfiskation und Zensierung talmudischer Literatur, die in der berühmten Pariser Talmudverbrennung von 1242 gipfelte. Die Vorgeschichte sei hier kurz skizziert: Der getaufte Jude Nicolas Donin von La Rochelle hatte die Forderung erhoben, die jüdische Literatur auf ihre Übereinstimmung mit den alttestamentlichen Schriften zu überprüfen. Er erreichte, daß Papst Gregor IX. 22

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Ebenda, S. 86: „Sed igitur queritur quare non predicetur Iudeis cum possent cogi per principes et per ecclesiam quod predicationem audirent, et posset esse spes quod aliquis eorum converteretur ad fidem. Ad hoc dicunt quidam quod ‚non sunt margarite spargende inter porcos‘, quia constat quod ita incorrigibiles sunt et obstinati in duritia sua quod nullus profectus posset si eis predicaretur. Sed quis de hoccertus esset potest, cum multos videamus sepe Iudeos sine predicatione converti ad Deum? Unde magna spes esse poset quod potius per predicationem converterentur.“ Im ersten Korintherbrief 5,12 formulierte Paulus: „Quid enim mihi de his qui foris sunt iudicare? Nonne de his qui intus sunt vos iudicatis, nam eos qui foris sunt Deus iudicabit.“ Vgl. zur Geltung des Grundsatzes bis zur Entstehung des Decretum Gratiani in: WALTER PAKTER, Medieval Canon Law and the Jews, Ebelsbach 1988, S. 43-48.

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am 3. Juni 1239 die Bulle ‚Si vera sunt‘ an die Erzbischöfe Frankreichs erließ, in der für den ersten Sabbat der folgenden Fastenzeit, dem 3. März 1240, ein Zugriff auf alle Synagogen des französischen Königreichs angeordnet wurde. Ziel war die Konfiskation sämtlicher jüdischer Bücher; diese sollten in den Konventen der Dominikaner und Franziskaner aufbewahrt werden. Man stellte eine ins Lateinisch übersetzte Sammlung talmudischer Zitate zusammen. Die sogenannten ‚Exzerpta Talmudica‘ bildeten die Grundlage für eine öffentliche Disputation zwischen Donin und zwei jüdischen Gelehrten, die im Juni 1240 zu Paris stattfand. Das Ergebnis war absehbar. Man verurteilte das rabbinische Schrifttum. Aufgrund eines päpstlichen Mandates wurden alle verfügbaren Talmudexemplare den Dominikanern zur Prüfung überlassen. Im Sommer 1242 verbrannte man zahlreiche Wagenladungen jüdischer Literatur. Die Juden erreichten 1247 bei Innozenz IV. eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Am Ergebnis änderte dies nichts. Bischof Odo von Tusculum, der päpstliche Legat in Frankreich, verurteilte am 15. Mai 1248 endgültig den Talmud. Wiederum brannten in Paris zahlreiche jüdische Schriften. 24 Innozenz IV. nahm in seinem Dekretalenkommentar Bezug auf die Pariser Ereignisse: „Ebenso darf der Papst über die Juden richten, wenn sie in moralischen Angelegenheiten gegen das Gesetz verstoßen, wenn ihre eigenen Oberhäupter sie nicht bestrafen und genauso, wenn sie ketzerische Lehren gegen ihren Glauben ausfindig machen. Und aus diesem Beweggrund befahlen Papst Gregor und Papst Innozenz, die Bücher des Talmud zu verbrennen, in denen viele häretische Aussagen enthalten waren, und befahlen, jene zu bestrafen, die den genannten Irrlehren folgten oder sie lehrten.“ 25 Innozenz IV. rechtfertigte nicht nur die Pariser Talmudverbrennungen von 1242 und 1248, sondern formulierte einen umfassenden kirchlichen Jursidiktionsanspruch über andere Religionen: Als Stellvertreter Christi auf Erden habe der Papst nicht nur 24 25

BATTENBERG, Europäische Zeitalter, S. 88f. Sinibaldus Fliscus (Innozenz IV.), Commentaria Apparatus in V libros decretalium, Frankfurt 1570 (ND Frankfurt 1968), fol. 430r: „Item Iudaeos potest iudicare Papa, si contra legem evangelii faciunt in moralibus, si eorum praelati eos non puniant, et eodem modo, si haereses circa suam legem inveniant, et hac ratione motus Papa Greg. et Inn. mandaverunt comburi libros talium, in quos multae continebantur haereses, et mandaverunt puniri illos, qui praedictas haereses sequerentur, vel docerent.“ Bei diesem Text handelt es sich jedoch wohl um eine spätere Überarbeitung. Christine Magin erinnerte unter Berufung auf BENJAMIN Z. KEDAR, Canon Law and the Burning of the Talmud, in: Bulletin of Medieval Canon Law 9 (1979), S. 80 an den originalen Wortlaut: „Item Iudeos potest iudicare papa si contra legem faciant in moralibus, si eorum prelati eos non puniant et eodem modo si hereses contra suam legem inveniant, et hac ratione motus papa Gregorius et Innocentius mandaverunt comburi libros talmuth in quibus multe continebantur hereses et mandavit puniri illos qui predictas hereses sequerentur vel docerent.“ Ich übernehme hier die Übersetzung des Originals von CHRISTINE MAGIN, „Wie es umb der iuden recht stet“. Der Status der Juden in spätmittelalterlichen deutschen Rechtsbüchern, Göttingen 1999, S. 25. Zum Kommentar Papst Innozenz IV. vgl. auch PAKTER, Medieval Canon Law, S. 73-75.

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Gewalt über Christen, sondern auch über alle Ungläubigen, denn Christus selbst habe Macht über allem. 26 Dies erlaube zwar nicht, daß Ungläubige zur Annahme des christlichen Glaubens gezwungen werden dürften, da der Glaubensakt eine Sache freier Entscheidung sei, dennoch könne der Papst den Ungläubigen befehlen, den christlichen Predigern zuzuhören. 27 Zwangspredigten, die zuvor nur vereinzelt in der christlich-jüdischen Auseinandersetzung Anwendung fanden 28, gehörten als Norm und mögliche Praxis zum festen Bestandteil der spätmittelalterlichen cura animarum. Fragen nach ihrer Legitimität waren im weiteren Verlauf des Mittelalters selten Gegenstand kanonistischer oder theologischer Kontroversen. 29 Die Umsetzung der Handlungsinitiativen für eine Judenmission im Kontext der Predigt erfolgte im europäischen Abendland des späten Mittelalters aber äußerst sporadisch. Lediglich für das Herrschaftsgebiet der spanischen Königreiche läßt sich ein größerer Eifer weltlicher und kirchlicher Obrigkeiten im Rahmen der Reconquista erkennen, Juden den christlichen Glauben verkünden zu lassen. Der katalanische Edelmann Raimundus Lullus (1232-1316), der einige Jahre im Dienst Jakobs I. von Aragon stand und wohl aufmerksam die frühe Missionspraxis auf der iberischen Halbinsel seit der Mitte des 13. Jahrhunderts beobachtet hatte, klagte zu Beginn des 14. Jahrhunderts über die zeitgenössische Seelsorgepraxis in seiner Heimat. Er zeigte sich nicht nur unzufrieden mit der Predigt zu Christen, sondern formulierte sein Unverständnis über die Vernachlässigung der Auseinandersetzung mit jenen, die von der Kirche abgefallen sind, und jenen, die niemals zur kirchlichen Heilsgemeinschaft gehörten. Lullus, der sich in der Mitte seines Lebens den Franziskanertertiaren angeschlossen hatte, zeigte sich besorgt über den mangelnden Eifer von Predigern, ihre unzureichende Bildung und die von 26

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Sinibaldus Fliscus (Innozenz IV.), Commentaria, fol. 430r: „(...) quod Papa qui est vicarius Iesu Christi, potestatem habet non tantum super Christianos, sed etiam super omnes infideles, cum enim Christus habuerit super omnes potestatem, unde in Psal. Deus iudicium regi da, non videtur diligens paterfamilias nisi vicario suo, quem in terra dimittebat, plenam potestate super omnes dimisisset.“ Ebenda, fol. 430v: „Item licet non debeant infideles cogi ad fidem, quia omnes libero arbitrio relinquendi sunt, et sola Dei gratia in hac vocatione valeat. 45. dist. de Iudaeis. tamen mandare potest Papa infidelibus, quod admittant praedicatores Evangelii in terris suae iurisdictionis (...).“ PETER BROWE, Die Judenmission im Mittelalter und die Päpste, Rom 1942 (ND Rom 1973), S. 14-17. Der jüdische Konvertit Johannes Pfefferkorn argumentierte noch mit ähnlichen Worten wie Thomas de Chobham zu Beginn des 16. Jahrhunderts in seinem ‚Juden Spiegel‘ für Zwangspredigten: „(...) yr mo(e)cht unter die Ju(e)den gan/ und predigen in das wort gottes on besorg/ wan yr den gewalt habt (...).“ Zitat entnommen WINFRIED FREY, Der ‚Juden Spiegel‘. Johannes Pfefferkorn und die Volksfrömmigkeit, in: Volksreligion im hohen und späten Mittelalter, hg. von Peter Dinzelbacher und Dieter R. Bauer, Paderborn u.a. 1990, S. 190. Christliche Theologen diskutierten erst in der frühen Neuzeit den Nutzen einer Judenmission durch Predigt. Dazu BROWE, Judenmission, S. 48-54.

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ihnen falsch gewählten Predigtinhalte. Statt moralische Grundsätze zu vermitteln, sollten sie eher Glaubensdogmen verkünden und der Predigt über festgefügte Glaubensinhalte mehr Aufmerksamkeit widmen. Er fürchtete eine Schwächung des christlichen Glaubens und eine Zunahme von Unwissenheit und häretischen Tendenzen, falls zentrales christliches Glaubenswissen nicht in ausreichendem Maß in der Predigt zu Gehör gebracht und veranschaulicht werde. Im August 1305 veröffentlichte Lullus daher eine Sammlung von 52 Predigten unter dem Titel ‚De praedicatione contra Iudaeos et Saracenos‘. Sein vorrangiges Interesse galt darin dem Beweis der göttlichen Trinität und der Inkarnation Christi. Zugleich beließ er es aber nicht bei einer Lehre, mit deren Hilfe christliche Prediger Juden und Sarazenen entgegentreten konnten 30, sondern versuchte, seinem Missionsprogramm 31 einen organisatorischen Rahmen zu geben. Lullus warb für eine zentrale, von einem Kardinal zu versehende Leitung der kirchlichen Missionstätigkeit und die Einrichtung von Studienhäusern, in denen Missionare ausgebildet werden sollten. Zudem forderte er umfangreiche Sprachstudien. Nach dem Fall von Akkon 1291, der das Ende der christlichen Kreuzfahrerstaaten im heiligen Land bedeutete, wich „der anfänglich irenische Dialog“ bei Lullus einem ausgesprochen „kämpferischen Disput“ 32. Wohl nicht zuletzt die Erfahrungen eigener gescheiterter Missionsbemühungen unter Muslimen und Juden sowie unter Häretikern und Schismatikern ließen ihn nun für eine Missionspraxis plädieren, die Gewalt und Zwang nicht mehr ausschloß. Schließlich war Raimundus Lullus überzeugt davon, daß Ordensangehörigen, kirchlichen Prälaten und weltlichen Fürsten nicht nur durch Gottes Hilfe die Bekehrung aller Ungläubigen möglich sei. Sie sollten zugleich ihre ganze Machtfülle dafür einsetzen. Einigen Erfolg erzielte Raimundus Lullus auf dem Vienner Konzil, das am 6. Mai 1312 die Einrichtung hebräischer, griechischer, arabischer und chaldäischer Sprachstudien an den führenden Universitäten der Zeit, Rom, Paris, Oxford, 30

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Raimundus Lullus, De praedicatione contra Iudaeos et Saracenos, in: ders., Opera latina, Bd. 12 (Corpus Christianorum. Continuatio mediaevalis 38), hg. von Alois Madre, Turnhout 1984, S. 78: „Probavimus ergo, quod Iudaei et Saraceni sunt in errore per praedictos sermones (...) Et data est doctrina, per quam christianus potest vere predicare contra Iudaeos et Saracenos (...) Et talis doctrina et valde utilis et generalis, eo quia contra omnes infideles et gentiles est constituta per modum praedicationis.“ Vgl. WOLTER, Missionswerk, S. 282. LUDWIG HAGEMANN, Christentum contra Islam. Eine Geschichte gescheiterter Beziehungen, Darmstadt 1999, S. 65. Vgl. auch EUSEBIO COLOMER, Raimund Lulls Stellung zu den Andersgläubigen. Zwischen Zwie- und Streitgespräch, in: Religionsgespräche im Mittelalter, hg. von Bernard Lewis und Friedrich Niewöhner, Wiesbaden 1992, S. 217-236. Im ‚Liber de contemplació en Déu‘ zeigte sich Lullus noch überzeugt davon, daß „das heilige Land sich hundertmal besser mit der Predigt als mit Waffengewalt“ erobern ließe. Nach dem Fall von Akkon forderte Raimundus Lullus jedoch neben Mission über Predigt auch ein Kreuzzugsprogramm.

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Bologna und Salamanca beschloß und eine angemessene theologische und sprachwissenschaftliche Ausbildung von Missionaren einforderte. 33 Zu Beginn des 15. Jahrhunderts gingen von Spanien erneut Initiativen für eine Judenmission aus. 1391 hatten sich ausgehend von Sevilla in ganz Aragon und Kastilien antijüdische Pogrome ereignet, denen zahlreiche Juden, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten, oder die ihnen angetragene Taufe verweigerten, zum Opfer fielen. Nicht wenige Juden nahmen zumindest äußerlich den christlichen Glauben an. Die Zahl der sogenannten conversos, denen die Christen weiterhin äußerst mißtrauisch und feindselig gegenüberstanden, wird auf etwa 20000 geschätzt. Die Ereignisse bildeten den Hintergrund der Religionsdisputation von Tortosa in den Jahren 1413 und 1414, die 1412 – wohl auf Veranlassung des dominikanischen Predigers Vinzenz Ferrer († 1419) – der Gegenpapst Benedikt XIII. einberufen hatte. Die Disputation zwischen dem Konvertiten Hieronymus de Santa Fide und jüdischen Rabbinern fand nicht als „Gelehrtengespräch in geschlossenem Rahmen statt, sondern als eine ‚Podiumsdiskussion‘, die von vornherein auf Wirkung bedacht war“. Am Ende erfolgten wohl an die 50000 weiteren Bekehrungen von Juden. 34 Angetrieben von den in Tortosa gemachten Erfahrungen forderte Benedikt XIII., der selbst den Vorsitz der Disputation geführt hatte, nur ein Jahr später in seiner Bulle ‚Etsi doctores‘ erneut Bekehrungspredigten ein. Zwar wußte auch er um das klassische, paulinische Gebot; er verwies auf die prophezeite Bekehrung der Juden. Er wollte jedoch nicht auf das Ende der Zeit warten, sondern baute auf kirchliche Bestrebungen, in denen sich restriktive Maßnahmen gegen Juden, die Forderung nach Zensur und Verbot blasphemischer jüdischer Literatur und nach Einhaltung der kirchlichen Judengesetze, die soziale Kontakte zwischen Juden und Christen streng zu unterbinden suchten, mit missionarischen Zielsetzungen mischten. Er forderte, „daß in gewissen Städten, Dörfern und Ortschaften, in denen nach Meinung des Ortsbischofs Juden in entsprechender Anzahl wohnen, dreimal im Jahr öffentliche Predigten stattfinden durch Lehrer der Heiligen Schrift oder andere geeignete nach Dafürhalten der Ortsbischöfe dazu bestimmte Leute“. Die erste Predigt sollte am zweiten Adventssonntag stattfinden und „durch biblische Beweisstellen, denen die Juden sich nicht entgegenstellen können“ die Messianität Jesu Christi aufzeigen. Für die zweite Predigt, die Benedikt XIII. auf den zweiten Ostertag legte, sah der Gegenpapst vor, daß „die Juden damit bekannt gemacht werden, in wie viele häretische und irrige Auffassungen sie offenkundig in ihrer Blindheit verfielen, nachdem sie ihre geistigen Augen 33 34

The Apostolic See and the Jews, Documents, Bd. 1. 492-1404, hg. von Shlomo Simonsohn, Toronto 1988, Nr. 288. Ein kurzer Abriß der Ereignisse auf der iberischen Halbinsel von 1391 bei BATTENBERG, Europäische Zeitalter, S. 129-133, wo auf den motivierenden Einfluß antijüdischer Hetzpredigten verwiesen wird. Das Zitat dort auf S. 133.

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verschlossen hatten und den fleischgewordenen Christus, den Herrn, zu erkennen sich weigerten; in vollem Wortlaut sollen ihnen die diesbezüglichen im Juden-Talmud enthaltenen lächerlichen Phantastereien, verfluchten Irrlehren, Lügen und verdammenswerten Häresien vorgelesen werden“. Die dritte Predigt sollte an dem Sonntag gehalten werden, an dem das Evangelium Lk 19,41 verkündet: ‚Als Jesus näher kam und die Stadt sah, weinte er über sie‘. Darin möge der Prediger den Juden „die Zerstörung des Tempels und der Metropole Jerusalem, wie sie Christus übereinstimmend mit den heiligen Propheten vorausgesagt hatte, sowie die ewige Dauer ihrer Gefangenschaft“ vor Augen führen. In der Bulle, deren Wortlaut am Ende der dritten Predigt in der jeweiligen Landessprache verlesen werden sollte, sah Benedikt XIII. keinen Widerspruch zur Milde der christlichen Religion, wonach den „Juden gegen ungerechte Verfolgungen bereitwillig freundliche Hilfe zu leisten“ sei. Denn „man muß sie bis zur Erntezeit wachsen lassen“ und mit „ihnen muß man eher sanftmütig als hart verfahren, damit nicht diejenigen, welche christliche Freundlichkeit vielleicht auf den rechten Weg zurückrufen könnte, inhumane Schroffheit ins Verderben stürzt“. 35 Obschon das Konzil zu Basel unter spanischem Einfluß mit einem Dekret vom 7. September 1434 die Missionspredigt allen Ortsbischöfen nochmals zur heiligen Pflicht machte 36, erfolgte deren Umsetzung nur auf der iberischen Halbinsel und in Sizilien, das damals zu Aragon gehörte. Andernorts lassen sich nur vereinzelt Anstrengungen um eine Mission der Juden im Kontext der christlichen Predigt während des 15. Jahrhunderts verifizieren, zumal die Haltung der Päpste zu Judenpredigten ambivalent blieb. Förderten und erlaubten sie einerseits Judenpredigten, so setzten sie andererseits der Missionspraxis Grenzen und dispensierten gegen Geldzahlungen Juden vom Zwang, christliche Predigten anzuhören. Im Reich nahmen Missionsbemühungen, die auf Judenpredigten setzten, erst seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im erkennbaren Maße zu. 37 35

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In Auszügen ist ‚Etsi doctores‘ übersetzt in HEINZ SCHRECKENBERG, Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte und ihr literarisches und historisches Umfeld, Bd. 3. 13.-20. Jh., Frankfurt a.M u.a 1994, S. 436. „Proinde, ut Iudaei aliique infideles ad orthodoxam convertantur fidem, quique ad ipsam conversi fuerint in illa constanter permaneant, his salubribus institutis providere decernens, in primis statuit, ut omnes diocesani quosdam in litteris divinis bene eruditos aliquot vicibus annuatim deputent in locis, ubi Iudaei aut alii infideles degunt, ad praedicandum et explanandum taliter catholicae fidei veritatem, ut ipsi infideles qui audiunt, suos valeant errores recognoscere.“ Zitat in Conciliorum Oecumenicorum Decreta, hg. vom Centro di Documentazione Istituto per la Scienze Religiose, Rom u.a. 1962, S. 459. Für die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts sind Adventspredigten überliefert, mit deren Hilfe der Wiener Universitätsprofessor und Reformtheologe Nikolaus von Dinkelsbühl († 1433) auf Befehl Herzog Albrecht V. 1420 Wiener Juden von der Messianität Jesu Christi zu überzeugen versuchte. Vgl. ALOIS MADRE, Art. ‚Nikolaus von Dinkelsbühl‘, in:

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Kurz vor seinem Tod begann der Prämonstratensermönch Stephan Bodecker († 1459), der seit 1421 Bischof von Brandenburg war, seinen unvollendet gebliebenen Traktat ‚Adversus Judaeos‘. Predigt galt Bodecker als geeignetes Missionsinstrument. Detailliert klärte er in seinem „Hilfs- und Handbuch der Judenmission“ 38 auf, welche moralischen und intellektuellen Voraussetzungen Prediger erfüllen müßten und welcher Argumente sie sich während ihrer mehrfach im Jahr zu haltenden Judenpredigten bedienen sollten. Der böhmische Dominikaner und Hebräist Peter Schwarz († 1483) machte einen Zusammenhang zwischen der anhaltenden jüdischen Verstockung und Blindheit in Glaubensfragen und fehlender christlicher Predigttätigkeit aus. Die Kirche trage Schuld daran, daß Juden in religiösen Fragen immer weniger ansprechbar seien, da sie ihren Predigtauftrag gegenüber Juden nicht ernst nehme. 39 Schwarz selbst hielt 1474 und im darauf folgenden Jahr in Regensburg, später in Nürnberg und wohl auch in Bamberg Bekehrungspredigten, zu deren Anhörung die Juden zum Teil gezwungen wurden. 40 Der jüdische Konvertit Viktor von Carben († 1515) veranstaltete nach seiner Taufe 1472 am Niederrhein Religionsgespräche und Missionspredigten. 41 Johannes Pfefferkorn († 1523), wie Viktor von Carben ein ehemaliger Jude, wandte sich nach seiner 1504 oder 1505 erfolgten Konversion ebenfalls an seine ehemaligen Glaubensbrüder, um sie zur Annahme des christlichen Glaubens zu bewegen. Eine christliche Pflicht zur Judenmission ergebe sich aus der Besinnung auf die christliche Frühgeschichte. Ehedem hätten Apostel, die der gens iudaica entstammten, Heiden das Wort Gottes nahegebracht. Es sei Ausdruck christlicher Dankbarkeit, nun Juden wiederum zum wahren Glauben zu führen. 42 Pfefferkorn vertraute jedoch nicht allein Predigten, zu deren Anhörung Juden gezwungen werden sollten. Er plädierte zugleich für ein Verbot der jüdischen Geldleihe und die Konfiskation hebräischer Bücher, in denen er eine wesentliche Ursache für das Verharren der Juden in ihrem alten Glauben sah. Derart bedrängt bliebe den Juden, so die Hoffnung Pfefferkorns, der die obrigkeitliche Unterstützung seiner Sache einforderte, nur ein Ausweg:

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Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 6, hg. von Kurt Ruh, Berlin-New York 1987, Sp. 1048-1059. Vgl. auch DERS., Nikolaus von Dinkelsbühl, Leben und Schriften. Ein Beitrag zur theologischen Literaturgeschichte, Münster 1965. Vgl. auch CRUEL, Deutsche Predigt, S. 499f. und SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 3, S. 497. SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 3, S. 515-517. Vgl. HANS-MARTIN KIRN, Das Bild vom Juden im Deutschland des frühen 16. Jahrhunderts. Dargestellt an den Schriften Johannes Pfefferkorns, Tübingen 1989, S, 94f. SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 3, S. 544-547. BATTENBERG, Europäische Zeitalter, S. 159f. KIRN, Bild vom Juden, S. 94.

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die Bekehrung zum christlichen Glauben. 43 Von einer „Systematik in der Mission“ 44 im Reich des späten Mittelalters kann jedoch meines Erachtens trotz der angeführten Beispiele insgesamt keine Rede sein.

1.2. Mendikantenpredigt und Judenmission Die neuen Orden der Mendikanten, die im 13. Jahrhundert entstanden, kennzeichneten sich im besonderen Maße durch ihre Verpflichtung auf die cura animarum aus. Angehörige der Bettelorden, so Dominikaner, Franziskaner, Augustinereremiten und mit einigen Abstrichen auch Karmeliter, prägten die pastoraltheologischen Diskussionen und die Seelsorgepraxis des späteren Mittelalters. Mit ihnen verfügte die spätmittelalterliche Kirche über ein theologisch zunehmend hochgeschultes Personal, das die Auseinandersetzung mit der Heterodoxie nicht scheute. Die dominikanische Wanderpredigt entstand zu Beginn des 13. Jahrhunderts als Antwort auf die häretischen Katharer und Waldenser. Im Frühjahr 1209 sandte Franziskus von Assisi seine frühen Gefährten nach dem Vorbild des Evangeliums jeweils zu zweit in alle vier Himmelsrichtungen aus. Damit begann ein äußerst vielfältiges franziskanisches Apostolat, das sich nicht nur an Christen richtete. 45

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EBENDA, S. 66f. u. 86. Zur Auseinandersetzung Pfefferkorns mit jüdischer Literatur vgl. auch BATTENBERG, Europäische Zeitalter, S. 180-184. Winfried Frey neigte der Ansicht zu, daß Pfefferkorn wohl „kaum an einen Bekehrungserfolg gedacht hat“. Vielmehr habe er auf obrigkeitliche Maßnahmen zur strikten Abgrenzung jüdischen Lebens von seiner christlichen Umwelt gesetzt. Die Ausführungen Pfefferkorns zu zentralen Themen der jüdisch-christlichen Glaubenskontroverse habe vor allem der antijüdischen Profilierung christlicher Identität gedient. Vgl. FREY, Der ‚Juden Spiegel‘, S. 189. Dieser Ansicht neigte KLAUS GEISSLER, Die Juden in mittelalterlichen Texten Deutschlands, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 38 (1975), S. 172 zu. Der Basler Kleriker Johann Ulrich Surgant warb in seinem ‚Manuale curatorum predicandi prebens modum: tanto latino quam vulgari sermone practice illuminatus‘, Basel 1503, für eine Predigtform, die einen inneren Rechtfertigungsprozeß einleiten sollte. Predigt, deren Nutzen den Wert der Eucharistie übersteige, dürfe jedoch nicht nur auf die innerchristliche Glaubensunterweisung und Bußgesinnung zielen. Zugleich sollte man auch jenen das Wort Gottes verkünden, die ansonsten vom Gottesdienst ausgeschlossen sind. Surgant unterschied dabei nicht zwischen Christen, die aufgrund ihrer Todsünden exkommuniziert wurden, Häretikern oder Ungläubigen. Er zeigte sich überzeugt, daß die Verkündigung des Evangeliums auch ihnen nützlich sei, erhielten sie doch so materia für ihre Bekehrung. Er erinnerte an das Gebot Christi, allen Geschöpfen zu predigen. Kaspar Elm betonte, daß sich franziskanische Seelsorge und Mission nicht ausschließen, sondern „vielmehr Erscheinungsformen ein und derselben Sache“ sind. KASPAR ELM, Franz von Assisi. Bußpredigt oder Heidenmission, in: Espanzione del francescanesimo tra occidente e oriente nel secolo XIII, Atti del Convegno internazionale, Assisi, 12.-14. Oktober 1978, S. 72.

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Der Ordensgründer versuchte selbst mehrmals zu den Muslimen zu gelangen, um ihnen die frohe Botschaft Christi zu verkündigen. Nur eine Reise erreichte das angestrebte Ziel und bot Franziskus die Möglichkeit nach der Niederlage der christlichen Kreuzfahrer vor Damiette am 29. August 1219 und dem danach vereinbarten Waffenstillstand dem siegreichen Sultan Melek el-Kamil zu predigen. Zum christlichen Glauben konnte er ihn jedoch nicht bekehren. 46 Seinen Anspruch, sich an „alle Menschen auf der ganzen Welt“ 47 zu wenden, gab Franziskus jedoch nicht auf. Die nicht bullierte Ordensregel von 1221 verpflichtete die Minderbrüder, „die unter die Sarazenen und andere Ungläubige gehen“ zumindest durch persönliches Beispiel für den christlichen Glauben einzutreten und zu werben. Zudem könnten seine Mitbrüder dort, „falls sie es als gottgefällig erkannt haben, das Wort Gottes verkünden“. Die Ungläubigen „sollen glauben an den allmächtigen Gott, Vater, Sohn und Heiligen Geist, den Schöpfer aller Dinge; an den Sohn, den Heiland und Erlöser; und sie sollen sich taufen lassen und Christen werden, denn ‚wenn jemand nicht wiedergeboren wird aus dem Wasser und dem Heiligen Geist, so kann er in das Himmelreich nicht eingehen‘ (Joh 3,5)“ 48. Die von Papst Honorius III. am 29. November 1223 mit der Bulle ‚Solet annuere‘ bestätigte Ordensregel wich davon nicht ab. Die ‚Regula non bullata‘ von 1221 war mit der ‚Regula bullata‘ von 1223 nicht identisch. Die päpstlich approbierte Ordensregel spiegelte im starken Maß die Probleme der ordensinternen, organisatorischen und rechtlichen Aufgabenverteilungen. Formen und Inhalte der Missionspraxis wurden jedoch auch in der Neufassung nicht weiter erörtert. Im Vordergrund stand die Klärung dessen, wer zum Predigtamt unter den Sarazenen und den Ungläubigen zugelassen werden sollte. Voraussetzung war die Erlaubnis der Provinzialminister der rasch anwachsenden franziskanischen Ordensfamilie. 49 Der Ordensgründer hatte neben der Bußpredigt an Christen zugleich den Weg für Missionspredigten zu Muslimen und anderen Heiden vorgezeichnet, der alsbald von seinen Ordensbrüdern tatkräftig beschritten wurde. Das Judenapostolat ist als ein „significant type of ministry for the Franciscans 46

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Zur franziskanischen Weltmission und dem Auftritt des Ordensgründers vor dem Sultan vgl. HELMUT FELD, Franziskus von Assisi und seine Bewegung, Darmstadt 1994, S. 163166, 295-302 u. 483-486. Regula non bullata, c. 23, in: KAJETAN EßER, Studien zu den Opuscula des hl. Franziskus von Assisi, hg. von E. Kurten, Rom 1973, S. 402. Ebenda, c. 16, S. 394. Regula bullata, c. 12, in: KAJETAN EßER, Studien zu den Opuscula des hl. Franziskus von Assisi, hg. von E. Kurten, Rom 1973, S. 370. Vgl. DIETER BERG, Kreuzzugsbewegung und Propagatio Fidei. Das Problem der Franziskanermission im 13. Jahrhundert und das Bild von der islamischen Welt in der zeitgenössischen Ordenshistoriographie, in: Orientalische Kultur und europäisches Mittelalter, hg. von Albert Zimmermann und Ingrid Cremer-Ruegenberg, Berlin-New York 1985, S. 59-76.

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throughout the Middle Ages“ 50 bezeichnet worden. Ob Franziskus jedoch auch die Bekehrung der Juden in ihrer christlichen Umwelt ein ausdrückliches Anliegen war, läßt sich aus seinen autographen Schriften nicht rekonstruieren. Die Formulierung inter infideles weist gewöhnlich auf eine Missionspraxis außerhalb christianisierter Gesellschaften hin. Der anonyme franziskanische Autor der Legende, die das Leben und Martyrium jener fünf Ordensbrüder verherrlichte, die in Marokko nicht allein aufgrund der Verkündigung des Evangeliums, sondern vor allem wegen ihrer öffentlichen Lästerung des Propheten und des mohammedanischen Glaubens eigenhändig vom Kalifen Abu Jakub am 16. Januar 1220 hingerichtet wurden, differenzierte genauer zwischen den Gruppen, auf die die franziskanische Mission zielte. So legte er den ersten Märtyrern des noch jungen Ordens die Aussage in den Mund, daß sie Schüler des Franziskus seien, der seine Brüder durch die Welt schicke, auf daß sie den Christen, Sarazenen und Juden das Wort Gottes verkündeten. 51 Letztlich waren es weltliche und kirchliche Obrigkeiten, vor allem Päpste, die die Franziskaner auf die Mission der Juden verpflichten und den Orden im Zentrum der allgemein forcierten Bemühungen um eine Judenmission im späten Mittelalter etablieren wollten. Papst Innozenz IV. forderte 1245 den Erzbischof von Tarragona zur Unterstützung der Politik König Jakbos I. von Aragon auf, der bereits 1242 den Juden und Sarazenen seines Herrschaftsgebiet befohlen hatte, die Predigten der Bischöfe, der Dominikaner- und Franziskanermönche anzuhören. 52 Papst Nikolaus III. (1277-1280) nutzte die neuen Möglichkeiten, Juden von der Beibehaltung ihrer falschen religiösen Überzeugungen abzubringen. 1278 erging das päpstliche Breve ‚Vineam Soreth‘ an den dominikanischen Generalmagister, an den Provinzial des Ordens in Deutschland und an die franziskanischen Provinzialminister in Österreich und Sizilien. Darin erteilte Nikolaus III. den Vertretern der beiden großen Bettelorden den Auftrag, die Juden in ihren Kirchenprovinzen zusammenzurufen, um sie – entweder selbst oder von geeigneten Ordensbrüdern – „je nach Zweckmäßigkeit, durch Predigten, durch heilsame Ermahnungen und behutsame Hinführung und durch Belehrung bezüglich der Inhalte des Evangeliums“ 53 zu unterweisen. Papst Nikolaus III. zeigte sich gegenüber den Juden unnachgiebig: „Wenn aber etwa, was fern sei, einige von ihnen in ihrem verstockten Unglauben verharren und wie eine taube Otter ihre 50 51

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MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messias?, S. 19. Martyrium quinque Fratrum Minorum apud Marochium: „Discipuli sumus fratris Francisci, qui fratres suos misit per mundum praedicare Christianis, Saracenis et Judaeis.“ Zitat entnommen aus KARL MÜLLER, Die Anfänge des Minoritenordens und der Bußbrüderschaften, Freiburg i.Br. 1885, S. 208. BROWE, Judenmission, S. 18f. „(...) prout melius fieri poterit, predicationibus, salutaribus monitis, et discretis inductionibus, evangelicis doctrinis, informans ipsos (...)“. The Apostolic See and the Jews, Bd. 1, Nr. 657.

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ungläubigen Ohren verschließen, um nicht deine Stimme und die Stimme der von dir zu diesem Heilswerk Bestimmten zu hören, damit sie aus der Finsternis zum Licht hervorkommen, wenn also etwa einige deine und der von dir dazu bestellten Brüder ihrem Heil dienenden Versammlungseinladungen, zu denen ihr sie inständig und klug immer wieder einladet, mißachten und sich abwenden, so sollst du nicht versäumen, uns schriftlich Meldung zu machen bezüglich dieser Menschen, wenn du auf solche stößt, wer sie sind und an welchen Orten und unter welcher weltlichen Herrschaft sie sich aufhalten, damit wir bezüglich derart starrsinniger Leute auf ein nützliches, kurierendes Heilmittel sinnen.“ 54 Es ist offensichtlich, daß Nikolaus III. seine Absicht, „in den verschiedenen Weltgegenden Säleute auszuwählen, damit wir durch sie den Samen des Gotteswortes nach Möglichkeit über alle ausstreuen, deren Rettung wir generell und in jedem einzelnen Fall von Herzen wollen“, notfalls auch mit Zwang gegenüber den Juden durchzusetzen beabsichtigte. Dominikanische Theologen und Prediger bemühten sich, ihre missionarischen Aufgaben als ‚kollektive Identität‘ zu vergegenwärtigen. Sie setzten Mission auf die Agenda pastoraltheologischen Handelns und gaben ihr ein organisatorisches Gesicht. 55 Raimundus Martini († 1284) widmete sich intensiv der Islam- und Judenmission. Seine Kontakte mit Juden und zur jüdischen Religion waren äußerst vielfältig. Er gehörte 1264 einer vom aragonesischen König Jakob I. einberufenen Kommission christlicher Theologen an, deren Aufgabe es war, antichristliche Aussagen jüdischer Literatur kenntlich zu machen und zu zensieren. Die meiste Zeit seines Ordenslebens verbrachte Raimundus in Barcelona, wo er seit 1281 das dort gegründete ‚Studium hebraicum‘ leitete. In seinem Todesjahr disputierte Martini mit Salomo ben Abraham Aderet (um 1235 – um 1310), der über 40 Jahre Rabbiner der jüdischen Gemeinde von Barcelona war und als bedeutendste rabbinische Autorität seiner Zeit gilt. Besonderen Einfluß auf die christliche Apologetik und

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Ebenda: „Sed si forte, quod absit, aliqui ex ipsis in eorum obstinata perfidia perdurantes, et, veluti aspis surda, suas aures incredulas obturantes, ne tui, et illorum, quos ad hec salutis opera deputabis, vocem audiant, ut de tenebris ad lucem exeant incantantium sapienter, tuas, et per te ad hec deputandorum Fratrum salutares convocationes aspernantes refugerent, de istis, si tales inveneris, qui sint, in quibus locis, et sub quorum Dominio commorentur, nobis rescribere non omittas, ut circa pertinaces huiusmodi de salutari eorum remedio, sicut expedire videbimus, cogitemus.“ Die Übersetzungen aus SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 3, S. 282-284. Der spanische Dominikaner Raimundus von Penaforte bemühte sich um ein organisatorisches Rückgrat für die Mission und setzte die Etablierung ordensinterner Sprachstudien durch, um seine Mitbrüder für eine gelehrte Auseinandersetzung mit Muslimen und Juden philologisch zu schulen. Vgl. ROBERT CHAZAN, From Friar Paul to Friar Raymond. The Development of Innovative Missionizing Argumentation, in: Harvard Theological Review 76 (1983), S. 289-306.

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Mission im späten Mittelalter erlangte er mit seinen Schriften. 56 1267 verfaßte Raimundus Martini das ‚Capistrum Judaeorum‘. Im ‚Maulkorb für die Juden‘ unternimmt der Dominikaner den Versuch, durch biblische autoritative Schriftstellen (auctoritates) und durch Verweise auf die jüdische Traditionsliteratur (ut patet legentibus in libris eorum) die Messianität Jesu Christi nachzuweisen. Das ‚Capistrum Judaeorum’ solle, so Raimundus, die Blindheit der Juden erleuchten, die Verstockung ihres Herzen zerreiben, ihre Boshaftigkeit zügeln und ihren Unglauben zuschanden machen. 57 1278 vollendete er seinen Glaubensdolch, den ‚Pugio fidei adversus Mauros et Iudaeos‘. In ihm machte er Predigt zu einem Medium, das sowohl der christlichen Glaubensvergewisserung als auch der Islam- und Judenmission dienen sollte. Im Proömium nennt Raimundus Anlaß und Zielsetzung seines literarischen Engagements: Da „schließlich nach einem Wort Senecas keine Pest mehr Schaden bewirkt als ein Hausgenosse und kein Feind dem christlichen Glauben näher steht und wir ihm weniger aus dem Wege gehen können als dem Juden“ sei ihm aufgetragen worden, „unter Verwendung der von den Juden rezipierten alttestamentlichen Bücher und auch des Talmuds und der übrigen bei ihnen anerkannten Schriften ein Werk von der Art zu verfassen, das wie ein Dolch (pugio) den Predigern des christlichen Glaubens und dessen Dienern zur Verfügung stehen könne, um einmal den Juden, wenn sie zu ihnen sprechen, das Brot des Gotteswortes zu schneiden, ein anderes Mal aber ihrer Gottlosigkeit und ihrem verkehrten Glauben (perfidia) den Hals abzuschneiden und ihrem gegen Christus gerichteten Trotz und ihrer schamlosen Tollheit den Garaus zu machen“ 58. Der offene und gleichberechtigte Dialog tritt im ‚Pugio fidei‘ deutlich hinter einem aggressiven, polemischen Vorgehen zurück. Nicht alle dominikanischen Theologen jener Zeit zeigten sich derart judenfeindlich, so etwa Thomas von Aquin (†1274). Der ‚Pugio fidei‘ bildete ein Gegenstück zur ‚Summa contra gentiles‘ des Aquinaten. Ein Vergleich beider Schriften zeigt die Spannweite dominikanischer Missionsbemühungen von aggressiver Bekehrungspolemik hin bis zu einem zurückhaltenden „Missionskonzept der Überzeugung und Belehrung“ 59. Im Gegensatz zu den Dominikanern unternahmen franziskanische Theologen des 13. und 14. Jahrhunderts „keine hinreichende intellektuelle

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Als Einführung zu Leben und Werk des Raimundus Martini vgl. HEINZ SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 3, S. 290-307, Zitate S. 293 u. 296. Raimundus Martini schreibt eingangs seines ‚Capistrum Judaeorum‘: „(...) ad iudeorum cecitatem illuminandum et cordis duriciam conterendam vel ad eorum maliciam refrenendam et perfidiam confundendam (...)“. Zitat entnommen GILBERT DAHAN, Saint Bonaventure et les Juifs, in: Archivum Franciscanum Historicum 77 (1984), S. 370, Anm. 3. SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 3, S. 298. BERG, Servitus Judaeorum, S. 452f.

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Durchdringung des Missionsproblems“ 60. Zwar setzten sie sich in mannigfaltigen literarischen Genres ebenfalls mit den Juden und der jüdischen Religion auseinander, doch teilte die Mehrheit im Orden die Haltung Bonaventuras († 1274), der von 1258 bis 1274 das Generalat des Ordens bekleidete. In seinen ‚Collationes in Hexameron‘ verglich er das alte Gottesvolk der Juden mit dem Brudermörder Kain, der wegen seiner Blutschuld heimatlos durch die Welt streifte, jedoch gezeichnet sei, auf daß ihn niemand töte. Daher würden auch die Juden, denen die Ausübung ihres Ritus erlaubt sei, bis ans Ende der Zeit aufbewahrt; dann erst werden sie bekehrt. 61 Weitaus intensiver setzte sich der Franziskanertheologe Nikolaus von Lyra († 1349) vor allem im Rahmen seiner zwischen 1322 und 1331 verfaßten ‚Postilla litteralis super Biblia‘ mit dem Judentum auseinander. Nikolaus hielt eine angemessene Erfassung des mystischen Schriftsinns biblischer Texte nur auf der Grundlage des Verständnisses ihres Wortsinns, des sensus litteralis, wie ihn jüdische Theologen erfaßten, für möglich, zu dessen Ermittlung er ausgiebig den hebräischen Bibeltext, einschlägige zeitgenössische jüdische Literatur und den ‚Pugio fidei‘ des Raimundus Martini nutzte. Er griff das talmudische Judentum heftig an, indem er ihm unterstellte, die alttestamentlichen messianischen Prophezeiungen, die mit Jesus Christus erfüllt seien, entstellt und verfälscht zu haben. Sein Interesse galt jedoch weniger einer Judenmission als vielmehr christlicher Apologetik. An ein gelehrtes christliches Publikum richtete Nikolaus von Lyra seine zwei antijüdischen Traktate, das aus einer Quaestio de quodlibet an der Pariser Universität 1309 hervorgegangene ‚Contra Iudaeos‘ und seine ‚Apologia contra Iudaeum‘, eine Entgegnung auf den bereits um 1170 geschriebenen, jedoch in den Jahren 1330-1334 von dem jüdischen Gelehrten Jakob ben Reuben neu bearbeiteten ‚Milchamot Adonai‘. Die darin geführten Beweise zur göttlichen Trinität, der Inkarnation und Messianität Jesu Christi dienten der „innerchristlichen Meinungsbildung und Glaubenssicherung“ 62. Nikolaus von Lyra entwarf kein Handbuch oder einen Leitfaden für ein Judenapostolat; gleichwohl gehörten seine Arbeiten zu jenem literarischen Arsenal, das im späten Mittelalter neben den Texten Raimundus Martinis von christlichen Theologen und Predigern in ihren Auseinandersetzungen mit der jüdischen Religion Argumente lieferte. Petrus Johannis Olivi († 1298) griff in seiner ‚Expositio super Regulam Fratrum Minorum‘ den Missionsgedanken breiter auf. 63 Olivi gehörte zu den 60 61

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BERG, Kreuzugsbewegung, S. 71. „Cain, id est ille primus occisor Christi et Ecclesiae, signum accepit ne quis interficeret eum. Vnde Iudaei permittuntur servare ritum suum usque ad finem, quando convertentur.“ Zitiert nach DAHAN, Saint Bonaventure et les Juifs, S. 371. SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 3, S. 385. Für eine erste Annäherung an die Person und das Werk Olivis immer noch unverzichtbar FRANZ EHRLE, Petrus Johannis Olivi, sein Leben und seine Schriften, in: Archiv für

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sogenannten Spiritualen innerhalb der franziskanischen Ordensfamilie, die eine strenge Regelbeachtung forderten und wesentlich von den apokalyptischen Prophezeiungen des kalabrischen Abtes Joachim von Fiore (ca. 1135-1202) beeinflußt waren. Fiore entwarf eine Teleologie, wonach die Erfüllung des göttlichen Heilsplans und damit das Ende der Zeit bevorstehe. Joachim, der die irdische Zeit in drei Zeitalter unterteilte, betonte die Ablösung des zweiten, vom Tod Jesu andauernden Zeitalters, das im Zeichen der irdischen Kirche verlaufe, durch eine Phase des Heiligen Geistes. Dieser schütte unter anderem seine spiritualis intelligentia über die Angehörigen zweier neuer Orden der Geistkirche aus. Diese viri spiritualis seien ausgesandt, die plenitudo gentium zu verwirklichen und die Heiden zu bekehren, das Schisma zwischen Ost- und Westkirche zu überwinden und letztlich auch die Juden zu erretten. 64 Franziskaner, die joachimitischen Ideen anhingen, bezogen die Ankündigung der beiden geisterfüllten Orden auf die dominikanische und franziskanische Ordensgemeinschaften. 65 Die Auslegung des 12. Kapitels der ‚Regula bullata‘ durch Petrus Johannis Olivi liest sich wie ein Bekenntnis zur joachimitischen Geschichtstheologie. Nachdem die Apostel zuerst unter den Juden für den christlichen Glauben warben und einige von ihnen bekehrten, seien sie zu den Heidenvölkern (gentium infidelium nationes) geschickt worden. Nun sei aber in der Mitte der Kirche ein Orden entstanden, der sich der Bekehrung aller Ungläubigen annehme und das Apostelwort erfülle, wonach ganz Israel errettet werde, nachdem die Fülle der Heiden zum Heil gebracht worden sei (plenitudo gentium intret et omnis Israel salvus fiat). Wer dieser Orden sei, der dem Vorbild Christi folge, steht nach Olivi zweifellos fest. Er deutet seine eigene, franziskanische Ordensgemeinschaft als jenen ordo ad infidelium nationes, ist doch der stigmatisierte Franziskus zweifellos jener apokalyptische sechste Engel, der das Zeichen des lebendigen Gottes trägt. Petrus Johannis Olivi beließ es, hier ganz vir spiritualis, bei der Ausdeutung biblischer Offenbarung und Apokalyptik, die er mit dem Gang des heiligen Ordensgründers unter die Sarazenen erfüllt sah. Pragmatische Handreichungen für eine Heiden- und Judenmission bot er seinen Ordensbrüdern nicht an, obschon ein derartiges

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Literatur und Kirchengeschichte 3 (1887), S. 409-552. Vgl. auch RAOUL MANSELLI, Pietro di Giovanni Olivi Spirituale, in: Chi erano gli Spirituali, Atti del III Convegno internazionale, Assisi 16.-18. Oktober 1975, hg. von der Società Internazionale di Studi Francescani, Assisi 1976, S. 181-204. DANIEL, The Franciscan Concept of Mission, S. xii u. 19f. Zu Joachim von Fiore vgl. BERNHARD TÖPFER, Das kommende Reich des Friedens. Zur Entwicklung chiliastischer Zukunftshoffnungen im Hochmittelalter, Berlin 1964, bes. S. 48-103 und GERT WENDELBORN, Gott und Geschichte. Joachim von Fiore und die Hoffnung der Christenheit, Leipzig 1974. Zur Wirkungsgeschichte joachimitischer Prophetie und Apokalyptik MARJORIE REEVES, The Influence of Prophecy in the Later Middle Ages. A Study in Joachimism, Oxford 1969. Vgl. DANIEL, The Franciscan Concept of Mission, S. 80.

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Apostolat nicht nur erlaubt (concessive), sondern geardezu angeraten, beabsichtigt und nicht zuletzt vorhergesagt sei (consultive seu incitative aut etiam prophetice). 66 Fälschlicherweise ist daraus ein breiter „missionary trend“ 67 innerhalb des franziskanischen Ordens gemacht worden, der gesteigerten eschatologischen Erwartungen gefolgt sei. Die vorschnelle Gleichsetzung von Endzeiterwartung und Missionsbemühungen kann jedoch nicht aufrecht erhalten werden. Eine genaue Analyse der einschlägigen franziskanischen Literatur ergibt ein differenzierteres Bild. Nicht einmal die endzeitbewegten Spiritualen folgten Olivi in allen Punkten. Hugo von Digne, der neben Olivi als einer der Väter der Spiritualenbewegung gilt, verlor in seiner ‚Expositio super Regulam Fratrum Minorum‘, die er zwischen 1245 und 1255 verfaßte, kein Wort über Mission. 68 Wie vielfältig joachimitisch eingefärbte franziskanische Vorstellungen von der Rolle der Juden am Ende der Zeit sein können, offenbart das ‚Evangelium aeternum‘, das der Franziskanerspirituale Gerardo di Borgo San Domenico aus den Schriften Joachim von Fiores zusammengestellt und kommentiert hatte. In 66

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Petrus Johannis Olivi, Expositio super Regulam Fratrum Minorum, in: David Flood, Peter Olivi’s Rule Commentary. Edition and Presentation, Wiesbaden 1972, c. 12: „Et nota quod non dixit qui voluerint ire ad ipsos praedicandos, quia praeter hoc sunt et aliae causae, utpote desiderium martyrii, aut obsequiosa associatio praedicantium aut quicumque honestus modus eundi utilis conversioni illorum. Aestimo autem hoc non esse hic positum solum concessive, sed etiam consultive seu incitative aut etiam prophetice, quia sicut apostoli primo missi sunt inter Iudaeorum fideles ex quibus erant nati, et tandem post mortem Christi et Iudaeorum aliquantam ad Christum attractionem missi sunt ad gentium infidelium nationes; sic, prout aestimo, post praedicationem latinorum fidelium mittendus est ordo ad infidelium nationes, ut sicut per Christi personam patientem in carne assumpta circa principium et medium ecclesiae conversus est orbis, sic per Christi vitam et regulam in suis membris passuram plenitudo gentium intret et omnis Israel salvus fiat (Rom. 11, 25-26), prout expresse praedicitur in Apocalypsi sub apertione sexti signaculi, et sub sexto angelo tuba canente (Apoc. 6,12; 9,13). Unde est angelus sexti signaculi, Franciscus scilicet, habens in se signum stigmatum Dei vivi (Apoc. 7,2), in huius mysterium sexto suae conversionis anno transiit ad Saracenos. Et quia forsan hoc compleri incipiet sub decimo tertio ortus sui die apparuit Magis (Mt. 2,1ss.), et decimo tertio anno a passione sua misit Barnabam et Paulus ad gentes (Act. 15,22ss.), ideo in huius mysterium Franciscus decimo tertio anno conversionis suae iterato ivit ad Saracenos, ubi multa passus et tandem praesentatus soldano multum fuit finaliter honoratus ab illo.“ Zur Apokalyptik Olivis vgl. auch RAOUL MANSELLI, La ‚Lectura super Apocalipsim‘ di Pietro Giovanni Olivi. Ricerche sull’escatologismo medioevale, Rom 1953. MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 26. Vgl. Hugo von Digne, Expositio super Regulam Fratrum Minorum, in: David Flood, Hugh of Digne’s Rule Commentary, Grottaferrata 1979, S. 89-195. ALEXANDER PATSCHOVSKY, Feindbilder der Kirche: Juden und Ketzer im Vergleich (11.-13. Jahrhundert), in: Juden und Christen zur Zeit der Kreuzzüge, hg. von Alfred Haverkamp, Sigmaringen 1999, S. 335. Vgl. auch DERS., Nikolaus von Bußdorf. Zu einer Ketzerverbrennung auf dem Basler Konzil im Jahre 1446, in: Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen, Bd. 1, 1994, S. 269-290 und ROBERT E. LERNER, Millénarisme littéral et vocation des juifs chez Jean de Roquetaillade, in: Les textes prophétiques et la prophétie en Occident (XIIe-XVIe siècles), hg. von André Vauchez, 1990, S. 311-315.

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den Lehrsätzen daraus, die 1254 eine Kommission Pariser Universitätsgelehrter aus dem ‚Evangelium aeternum‘ Gerardos exzerpierte und die 1255 von einer Kardinalskommission in Anagni als häretisch verurteilt wurden, finden sich Auffassungen, die Juden am Ende der Zeit eine weitaus vorteilhaftere Rolle einräumen, als man gemeinhin vermuten könnte und die gängige christliche Lehre auch vorgesehen hatte. Es sei demnach durchaus vorstellbar, daß Gott trotz aller Heimsuchungsabsichten einige Juden übriglasse, und am Ende der Zeit retten werde, auch wenn sie in ihrem jüdischen Glauben verbleiben. 69 Die Deutungsvielfalt reichte bis hin zu einer erwarteten neuen „Glorie des – nota bene nicht zum Christentum bekehrten! – jüdischen Volkes unter einem endzeitlichen Führer, der Messias, Engelpapst und Endkaiser in einer Person sein sollte“ 70.

1.3. Italienische Franziskanerprediger im späten Mittelalter – praedicatio ad iudaeos? Berichte über Predigten italienischer Franziskaner des 15. Jahrhunderts weisen Juden im Predigtpublikum nach. Einer anonymen Beschreibung des Lebens Bernardinos da Siena zufolge waren Juden unter seinen Zuhörern. 71 Paolo di Benedetto di Cola dello Mastro berichtete über die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Auftreten des observanten Franziskaners in Rom. Bernardino da Siena habe dort im Anschluß an seine Predigten bekehrungswillige Juden getauft. 72 Giovanni da Capestrano, der Bernardino da Siena eine Zeit lang begleitete, hielt fest, daß 1438 in L’Aquila Juden seine Predigten hörten. Sie hätten sich dazu freiwillig eingefunden. 73 Capestrano selbst galt seinen Zeitgenossen als wortgewaltiger und gestenreicher Prediger, der nicht nur Christen zu einem tugendhaften Leben ermahnte, ganze Stadtgemeinden reformierte und gegen zahlreiche häretische Umtriebe einschritt; zugleich habe 69

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ERNST BENZ, Joachim-Studien II. Die Exzerptsätze der Pariser Professoren aus dem Evangelium Aeternum, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 51 (1932), S. 418. Vgl. auch HEINRICH DENIFLE, Das Evangelium aeternum und die Commission zu Anagni, in: Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters 1 (1885), S. 49-164. PATSCHOVSKY, Feindbilder der Kirche, S. 335. Vgl. auch DERS., Nikolaus von Bußdorf. Zu einer Ketzerverbrennung auf dem Basler Konzil im Jahre 1446, in: Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen, Bd. 1, 1994, S. 269-290 und LERNER, Millénarisme. Vie inédite de S. Bernardin de Sienne, par un Frère Mineur, son contemporain, c. 10, hg. von Fr. van Ortroy, in: Analecta Bollandiana 25 (1906), S. 313. Il Memoriale di Paolo di Benedetto di Cola dello Mastro del Rione di Ponte, in: Rerum Italicarum Scriptores, 24,2, Città di Castello 1912, S. 90. MORMANDO, Preacher’s Demons, S. 178.

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er eine große Zahl an Juden zum christlichen Glauben gebracht. 74 In Wien, wo er während seiner ausgedehnten Predigtreise nördlich der Alpen in den Jahren 1451 bis 1456 am 7. Juni 1451 von Wiener Neustadt kommend eintraf und vom 12. Juni bis zum 27. Juli 1451 zahlreiche Predigten hielt, verwies der observante Franziskaner selbst auf seine bisherigen Bekehrungserfolge unter Juden in Italien. 75 In Rom habe er den Vorsteher der dortigen jüdischen Gemeinde getauft, worauf binnen eines Jahres weitere 52 Juden den christlichen Glauben angenommen hätten. Andernorts sei es ihm gelungen, einen konvertierten Juden, den Weg aufzuzeigen, wie er auch seine Frau, die sich nicht bekehren wollte, zum christlichen Glauben bringen könne. Er solle seine sechs Kinder taufen lassen. Dies habe der Konvertit getan. Als die Frau nun gesehen habe, daß sie ihrer Kinder beraubt sei, hätte auch sie um die Taufe gebeten. 76 In seinen Wiener Predigten äußerte Capestrano die Hoffnung, die haßerfüllten

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In einem Brief vom 8. September 1451 an den böhmischen Magister Johannes Borotin, einem Anhänger des hussitischen Utraquismus, gegen den Capestrano während seiner Predigtreise nördlich der Alpen in den Jahren 1451 bis 1456 immer wieder Stellung bezog, betonte der observante Franziskaner Gabriel de Verona, der Capestrano in jener Zeit begleitete, dessen Verdienste in Italien: „Sed quis dixerit exstirpatas hereses, que jam per multas ytalie partes pullulaverunt, eorum maxime, que de opinione dicebantur, inter quorum gladios dum essent ad eius insidias positi tociens tabescentibus illis solus illesus virtute dei pertransiit. Quis paces, quis concordias, quis conversos magno numero judeos ad fidem Christi dinumeret, quis civitatum statuta mutata in melius eius consilio, quis extradicatas usuras de medio populi et cetera vitiorum genera, que a 2° conversionis sue anno continuis predicationibus nunc terrendo, nunc ad virtutes exhortando, nunc eorum, qui talibus subiciuntur miserriam captivitatem demonstrando explantavit de mentibus hominum, quis denique expulsa demonia et (...) corporibus, cum semel teste toto mundo ad unicam vocem, dum predicat aquille, ea exterminat per multa miliaria circumcirca plurima cum clamore terribili exire et fugere sint coacta.“ Zitat entnommen JOHANNES HOFER, Gabriel von Verona O.F.M. als Biograph Kapistrans, in: Franziskanische Studien 25 (1938), S. 91f. Zur Predigtreise Giovannis da Capestrano vgl. KASPAR ELM, Johannes Kapistrans Predigtreise diesseits der Alpen (1451-1456), in: Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, hg. von Hartmut Bookmann, Bernd Moeller und Karl Stackmann, Göttingen 1989, S. 500-519. Das Itinera der Reise bei HOFER, Johannes Kapistran, Bd. 1, S. 524-527. In der reportatio der Predigt ‚De 2 articulo fidei‘, die Capestrano am 18. Juni 1451 in Wien hielt, überliefert der Reportator folgende Worte des Predigers: „Deo enim volente deduximus in Roma principem iudaeorum anno 1450 ad baptismi sacramentum. Et fuerunt ibi tacta plura et conclusa de fide, et 52 iudaei baptizati sunt infra annum.“ Im reportierten Predigttext ‚De S. Ioanne Baptista‘ vom 25. Juni steht: „Iudaeus quidam in partibus nostris (...) habebat (...) uxorem cum sex filiis, quae noluit converti ad fidem; et dixi ego iudaeo: ex quo baptizatus es, baptiza et filios tuos, et fecit. Videns autem uxor se privatam filiis, rogavit etiam pro baptismo, et adhuc vivit uterque parens et ambo receperunt tertium Ordinem sancti Francisci.“ Zitate entnommen LUSCCZKI, De sermonibus S. Ioannis a Capistrano, S. 214, Anm. 4.

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Juden mögen ebenfalls vernehmen, daß der christliche Glaube in ihren alttestamentlichen Offenbarungen vorausgesagt sei. 77 In der Rhetorik zeichnet sich unabhängig möglicher missionarischer Motive zugleich die inquisitorische Zuspitzung des spätmittelalterlichen Antijudaismus ab. Es ist nicht überliefert, ob Juden Teil des Wiener Predigtpublikums Giovannis da Capestrano waren. 78 Für Nürnberg hingegen, wo der Franziskanerobservant zwischen dem 8. Juli und dem 13. August 1452 predigte, ist die Anwesenheit von Juden während der Predigt bezeugt. Die städtische Obrigkeit hatte am Ort der Predigt, dem Marktplatz vor der Frauenkirche, für die Juden „ein sundere stat umbschranckt“ 79, von wo sie das Geschehen verfolgen mußten. Religiöse Trennlinien korrespondierten augenfällig mit konkreten, räumlichen Schranken. Johannes Schwarz, in jener Zeit Mitglied des Nürnberger Dominikanerkonvents, zeichnete die Predigten Giovannis da Capestrano auf. In seiner reportatio hielt er fest, der italienische Franziskanerobservant selbst habe gewollt, daß die Juden zu seinen Predigten erscheinen. 80 Am 21. Juli 1452 begann Capestrano eine Reihe von insgesamt fünf, zweimal thematisch unterbrochenen Predigten über den zweiten Glaubensartikel, die er am 27. Juli abschloß. Zu Beginn der Predigtreihe mahnte er das Publikum zu Aufmerksamkeit und drückte seine Hoffnung aus, daß durch seine Ausführungen die Juden Fortschritte auf dem rechten Glaubensweg machen würden. 81 Capestrano sprach die Juden in Nürnberg direkt an:

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Die reportatio der Predigt vom 17. Juni, in der Capestrano die ersten beiden Glaubensartikel behandelte, schließt mit: „Audiant illi invidi iudaei et ita patet quod fides nostra est fundata in V. Testamento“. Zitat entnommen LUCIANUS LUSZCZKI, De sermonibus S. Ioannis a Capistrano. Studium historico-criticum, Rom 1961, S. 72. Nach der landesweiten Gesera von 1420/21, der auch die jüdische Gemeinde von Wien zum Opfer fiel, lebten nur noch vereinzelt und kurzfristig Juden in der Stadt. Zur Wiener Gesera vgl. KLAUS LOHRMANN, Art. ‚Wien‘, in: Germania Judaica III, 2, Tübingen 1995, S. 1607f. Vgl. auch SHLOMOH SPITZER, Das Wiener Judentum bis zur Vertreibung im Jahr 1421, in: Kairos 19 (1977), S. 134-145. Die Nürnberger Jahrbücher des 15. Jahrhunderts in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, Bd. 10. Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg, Bd. 4, hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Göttingen 21961 (ND Leipzig 1872), S. 190f. Johannes Schwarz hält in der reportatio der Nürnberger Predigten Giovannis da Capestrano fest: „De iudaeis etiam dixit [Capistranensis] quod vellet ut ad sermones venirent“. Zitat entnommen LUSZCZKI, De sermonibus, S. 213. In der reportatio für die Predigt Giovannis da Capestrano am 21. Juli 1452 notierte Johannes Schwarz: „(...) oportet patienter audire, volo prosequi hunc tractatum, spero proficuum esse amicis nostris iudaeis (...)“. Zitat entnommen LUSZCZKI, De sermonibus, S. 213.

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„Erkennt doch, daß Eure Propheten die Wunder des wahren Messias deutlich vorausgesagt haben“ 82. In seinen Predigten rief Capestrano auf, Buße für ein sündhaftes Leben zu leisten und ein Leben nach Maßgabe christlich gebotener und kirchlich verordneter Sittlichkeit zu führen. Er stellte aber auch dogmatische Grundsatzüberlegungen an. Mit seinen Ausführungen zur göttlichen Trinität, zur Gottessohnschaft Jesu Christi und zur Mariologie behandelte er religiöse Überzeugungen, die im Zentrum der jüdisch-christlichen Auseinandersetzung standen. 83 Dem Beweis der Messianität Jesu widmete Capestrano einen umfangreichen Traktat, in dem er Einwänden jüdischer Theologen mit klassischen christologischen Argumenten gegenübertrat. 84 Sowohl in den Predigten Robertos Caracciolo da Lecce als auch der Franziskanerobservanten Michele Caracano da Milano und Bernardino da Busti finden sich ebenfalls all die Argumentationslinien, die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts von christlichen Theologen im Kontext der verstärkt ausgetragenen jüdisch-christlichen Debatte bemüht wurden. Mit den entsprechenden Predigten, die oftmals ihrem Charakter nach eigenständigen Traktaten glichen und inhaltlich wie argumentativ stark an literarische Ergebnisse der christlich-jüdischen Disputationen des späten Mittelalters erinnern, stehen die drei ganz in der Tradition der breiten christlich-jüdischen Kontroversliteratur des späteren Mittelalters. Die Prediger bedienten sich einer ähnlichen Rhetorik, mit der sie Juden aufforderten, sich doch endlich zum christlichen Glauben zu bekehren. Roberto Caracciolo da Lecce rief die Juden auf: „Oh Juden, verfinstert nicht Eure Herzen, bekennt, daß Christus gekommen ist (...) oh Juden, öffnet Eure Augen, öffnet Eure Ohren!“ 85 82

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In der reportatio für die Predigt Giovannis da Capestrano am 27. Juli steht: „videte igitur vestros prophetas splendide prophetasse mysteria veri Messiae (...)“. Zitat entnommen LUSZCZKI, De sermonibus, S. 213. Vgl. dazu den ‚Index chronologico-thematicus sermonum reportatum‘ bei LUSZCZKI, De sermonibus, S. 305-309. Giovanni da Capestrano, De adventu Messiae, in: ders., Opera Omnia, hg. von Antonio Sessa da Palermo, Rom 1700. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de laudibus sanctorum. Sermo 6: De incarnatione Christi contra errores iudeorum qui in Christum credere nolunt, fol. 17v: „Expergescimini o iudei et nolite obdurare corda vestra. Confitemini venisse christum (...)“. Ders., Sermones de adventu. Feria quinta post secundam dominicam de adventu. Sermo contra iudeos qui dicunt christum esse venturum, fol. 25v: „O iudei olim a deo predilecti: modo dati in opprobrium gentium revertimini: deponite vestram duritiem. Currite ad christum desideratum: qui iam venit mansuetus: qui est benedictus in secula seculorum.“ Michele Carcano da Milano, Sermonarium de poenitentia per adventum et quadragesimam, Sermo 27: De adoratione eius [Christi; M.H.] per magos factos, Venedig 1487, fol. 50r: „O insensati [Iudaei; M.H.]. O ceci quomodo regnat super vos in syon dominus usque in eternum cum sitis per mundum dispersi? Iam sunt mille quattuorcenti anni et ultra. Ubi illa prima potestas? Ubi regnum file Hierusalem? Que non deberet merore contrahi nisi esset ceca sui malitia: vel obstinata sua dura perfidia? Sed si non valent

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Roberto galt nicht nur Bernardino da Siena, sondern auch der spanische Dominikaner Vinzenz Ferrer als Vorbild. Ihm widmete er in seinen ‚Sermones de laudibus sanctorum‘ eine eigene Predigt, in der er die besondere Eignung des 1458 kanonisierten Wanderpredigers rühmte und dessen herausragenden Predigterfolge äußerst umfangreich darstellte. Vinzenz Ferrer habe nicht nur erfolgreich die Bekehrung christlicher Sünder ins Werk gesetzt; außerdem sei es ihm gelungen, mit scharfsinnigen Predigten eine große Zahl von Ungläubigen, Juden wie Muslime, zum christlichen Glauben zu führen. 86 Es ist problematisch, allein anhand der Predigtüberlieferung zu entscheiden, ob die in den Modellpredigten ausgefochtene jüdisch-christliche Debatte missionarischen Zielsetzungen dienen sollte oder ob damit zum Abbau innerchristlicher Glaubenszweifel beigetragen werden sollte. Beides war zugleich möglich. Stilbildende italienische Franziskanerprediger des späten Mit-

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respondere ad ista duo: saltem respondeant ad istam tertiam particulam prophete qui dicit ‚Nunquid rex non est tibi‘ [Micha 4,9; M.H.]. O iudei aperite oculos: aperite aures: quia hodie tres reges non iudeos sed gentiles et vides et audis interrogantes et dicentes: Ubi est qui natus est rex iudeorum?“ Bernardino da Busti, Rosarium, Feria sexta post primam dominicam quadragesime. De reprobatione secte pagani, mahumeti et Judei. Sermo XIIII, fol. 87r: „O igitur iudei increduli accipite fidem christianam sic autenticam: et amplius non permanete in vestra duricia.“ Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de laudibus sanctorum, Sermo LIX. De sancto Vincentio doctore eximio ac celeberrimo famosissimo predicatore ordinis predicatorum. Fol. 139r: „Contra iudeos namque ita acutus ac copiosus acerque disputator fuit: eiusque ita scriptura et sacrarum sensum aperiebat ut in diversis civitatibus super vigintiquinque milia fecerit baptizari (...) Tam gratiosa erat doctrina eius ut etiam ipsi infideles quam sepe ultro occurrerent ad ipsum audiendum (...) Et ecce iudeorum multitudo illuc veniens dixit: se velle Vincentii doctrinam audire. Ac Vincentius coram omni multitudine eos interrogabat: quis nam eis suaserat ut illuc proficiscerentur. Illi responderunt quod nemine suadente sed sua propria sponte venerant. Igitur Vincentius dicendi principium fecit et tanta gratia diffusa est in labiis eius ut illa die multi ex illis iudeis ad fidem Christi converterentur.“ Die päpstliche Kanonisationsbulle von 1458 erwähnte bereits die verdienstvollen Missionserfolge Vinzenz Ferrers. Vgl. The Apostolic See and the Jews, Bd. 2. 1394-1464, hg. von Shlomo Simonsohn, Toronto 1989, Nr. 844. Roberto Caracciolo da Lecce kannte – dies wird in der Predigt deutlich – die päpstliche Kanonisationsbulle. Der Franziskanerprediger nutzte weitere Lebensbeschreibungen Vinzenz Ferrers. Nicht in allen Punkten blieb Roberto Caracciolo historisch genau. Er verschwieg, daß Vinzenz Ferrer, nachdem dieser anfänglich Juden nicht zum Anhören seiner Predigten zwingen wollte, später sehr wohl das bestehende Machtgefälle zwischen Christen und Juden nutzte, um letzteren den christlichen Glauben zu predigen. Gleichwohl wies Roberto Caracciolo da Lecce auf obrigkeitliche Widerstände hin, auf die Vinzenz Ferrer zuweilen traf. Der König von Granada etwa fürchtete die Vertreibung der Juden. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de laudibus sanctorum, Sermo LIX. De sancto Vincentio doctore eximio ac celeberrimo famosissimo predicatore ordinis predicatorum, fol. 139r/v: „Rex granate audita suorum operum celeberrima fama misso legato quidam viro in sua lege doctissimo eum ad suum regnum ire obsecravit ut non solum videre sed etiam predicantem audire potuisset fide publica sibi promittens ut in eius regno posset legem Christi libere praedicare quod et factum est. Ac ipse rex videns ex ea re multos ex suis sacrum baptisma susceptos timens ne ex hoc pelleretur a regno non est passus. Ut vir dei ibi sermonem divinum effundere. Ob quod ipse ad christianos rediit.“

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telalters zeigten sich Judenpredigten gegenüber aber zurückhaltend. Sie predigten gewöhnlich den Christen. Bernardino da Feltre beispielsweise erwähnte in einer Predigt, die er während der vorösterlichen Fastenzeit 1493 in Pavia vortrug, die Juden hätten niemanden, der ihnen über ihre Irrtümer und Trugschlüsse predige. 87 Selbst Bernardino da Siena, dem Missionserfolge unter Juden zugerechnet wurden, vertraute weiterhin wesentlich auf die endzeitliche Bekehrung der Juden. 88 Juden, die schon jetzt den christlichen Glauben im Zeichen der Taufe annehmen würden, so Bernardino, ließen doch nur äußerlich von ihrer alten Religion ab. 89 Roberto Caracciolo da Lecce, Michele Carcano da Milano und Bernardino da Busti pflegten eine formelhafte Bekehrungsrhetorik. Sie verbanden jedoch keine ernsthaften Missionsabsichten mit ihrem Predigtamt. Es ist nicht überliefert, daß sie jemals die schriftliche jüdischchristliche Kontroverse in mündlichen Streitgesprächen oder Predigten ausgetragen haben. Obschon alle drei als Kenner des Kirchenrechts die Aufforderung Papst Gregors des Großen zur Kenntnis nahmen, Juden mit schmeichelnden Worten für den christlichen Glauben zu gewinnen, verbanden die Franziskanerprediger damit keine programmatische Ausrichtung ihrer Predigten. Sie wiesen, wie Bernardino da Siena, weiter auf die verheißene endzeitliche Bekehrung der Juden hin. Ihr galt es trotz vielfältiger eschatologischer Einflüsse in ihren Predigten nicht vorzugreifen. Die franziskanischen Prediger nahmen Bezug auf zeitgenössische Juden, wenn sie die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer Judenbekehrung skeptisch beurteilten. Dabei führten sie das Publikum ihrer Predigten in die spätmittelalterliche scholastische Sündentheologie ein. 90 Eine Predigt Antonios 87

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Bernardino da Feltre, Sermoni del Quaresimale di Pavia del 1493, Bd. 1, hg. von Carlo Varischi da Milano, Mailand 1963, S. 250: „(...) O poveri Iudei e Pagani, non habent qui predicent sibi nisi errores et deceptiones (...)“. Bernardinus Senensis, Quadragesimale de evangelio aeterno, Sermo 11: De iudicio generali (Opera Omnia 3), hg. vom Collegium Bonaventurae, Quaracchi 1956, S. 198f.; ders., Sermones de tempore, Sermo 7: In ascensione domini nostri Iesu Christi (Opera Omnia 7), hg. vom Collegium Bonaventurae, Quaracchi 1959, S. 97; ders., Postillae in Epistolas et Evangelia, Dominica XXIII post pentecosten (Opera Omnia 9) hg. vom Collegium Bonaventurae, Quaracchi 1965, S. 290f. Bernardinus Senensis, Quadragesimale de evangelio aeterno, Sermo 6: De fide viva et mortua (Opera Omnia 3), S. 109: „Multi utique sunt erroribus et haeresibus pleni, extra tamen in apparentia iusti; qui, si extra ostenderent quod intus in corde credunt, iuste comburerentur. Inter quos numerandi sunt quidam qui lapsi sunt in damnatam haeresim de spiritu liberatis. (...) His quoque possunt etiam superaddi multi alii haeretici et schismatici et iudaei pluries baptizati, insuper et secta Dulcini haeretici; qui in apparentia tenentes honestam vitam, intus sunt erroribus pleni. (...) Omnes autem praedicti, et consimiles eis, catholicis operibus conformantur, verbis atque gestibus illud idem praetendunt, similes pueris cum sunt in scholis, qui, stande magistro, stant composti et modesti solummodo ex timore; sed, illo absente, tumultibus et stultitiis pleni sunt.“ Zur mittelalterlichen Sündenlehre vgl. ANGENENDT, Geschichte der Religiosität, S. 614625.

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da Bitonto liest sich wie eine Kompilation zentraler Texte des christlichen Sündendiskurses. Erwähnung fanden Augustinus, Papst Gregor der Große, Bernhard von Clairvaux, Hugo von St. Viktor oder Wilhelm Peraldus, der Verfasser der wohl am weitesten verbreiteten Summe über Tugenden und Laster im späten Mittelalter. 91 In weiten Teilen seiner Ausführungen folgte Fra Antonio da Bitonto jedoch exklusiv dem doctor angelicus Thomas von Aquin, dessen Sündendefinition er wörtlich übernahm. Alle Sünde bestehe formal in der Abwendung von Gott (aversione a Deo). 92 Unglaube könne zweifache Gestalt annehmen: Als bloßes Nichthaben (puram negationem) komme ihm nicht die Bewandtnis der Sünde zu, handelt es sich jedoch beim Unglauben um einen Widerspruch zum Glauben (contrarietatem ad fidem), weil man ihm sein Gehör verschließe (repugnat auditui fidei) oder ihn geradezu verachte (contemnit ipsam), sei der Unglaube sündhaft. 93 Dies hatte Folgen. Heiden, denen niemals der wahre christliche Glauben vorgebracht worden sei, lebten nicht in sündhaftem Unglauben. Juden und Häretiker hingegen sündigten, da sie sich nicht zur veritas christiana bekannten bzw. von ihr abgefallen seien. Thomas von Aquin brachte den nicht sofort offensichtlichen Unterschied zwischen Heiden und Juden auf den Punkt: „Weil sie aber sein Vorbild im Alten Testament angenommen haben, das sie falsch deuten und entstellen, so ist auch ihr Unglaube eine schwerere Sünde als der Unglaube der Heiden, die in keiner Weise den Glauben des Evangeliums angenommen haben.“ 94 Antonio da Bitonto folgte Thomas von Aquin; seine Ausführungen unterscheiden sich lediglich in kompositorischer Hinsicht. 95 Glaubenshindernisse (impedimenta fidei) differenzierte der Franziskanerobservant mit dem Blick des Seelsorgers, der mit seinen Predigten der zeitgenössischen sündhaften Welt 91 92

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Antonio da Bitonto, Sermones dominicales per totum annum, Dominica in octava pasce, Sermo de vitio infidelitatis, Venedig 1492, fol. 57r-60v. Thomas von Aquin, Summa Theologica II-II, q. 10, art. 3: „(...) quod omne peccatum formaliter consistit in aversione a Deo (...)“. Vgl. auch ders., das., I-II, q. 71, art. 6 u. q. 73, art. 3. Antonio da Bitonto, Sermones dominicales per totum annum, Dominica in octava pasce, Sermo de vitio infidelitatis, fol. 59r: „(...) infidelitas est peccatum quia contrariatur fidei. Nam omne peccatum formaliter consistit in aversione a deo (...)“. Thomas von Aquin, Summa Theologica II-II, q. 10, art. 1: „Respondeo dicendum quod infidelitas dupliciter accipi potest. Uno modo, secundum puram negationem: ut dicatur infidelis ex hoc solo quod non habet fidem. Alio modo potest intelligi infidelitas secundum contrarietatem ad fidem: quia scilicet aliquis repugnat auditui fidei, vel etiam contemnit ipsam, secundum illud Is. 53: ‚Quis credidit auditui nostro?‘ [Jes 53, 1; M.H.] Et in hoc proprie perficitur ratio infidelitatis. Et secundum hoc infidelitas est peccatum.“ Thomas von Aquin, Summa Theologica II-II, q. 10, art. 6: „Sed quia susceperunt [die Juden; M.H.] ejus figuram in veteri lege, quam male interpretantes corrumpunt, ideo etiam eorum infidelitas est gravius peccatum quam infidelitas gentilium, qui nullo modo fidem Evangelii susceperunt.“ Antonio da Bitonto, Sermones dominicales per totum annum, Dominica in octava pasce, Sermo de vitio infidelitatis, fol. 59r-60v.

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gegenübertrat, stärker als der theoretisierende dominikanische Theologe. Thomas von Aquin erweiterte mit Blick auf sündhaftem Unglauben die augustinische Sündenlehre, die ausschließlich den Willen (voluntas) als Ursache von Sünde aufführte, und verwies sehr abstrakt auf ein Zusammenspiel von Willens- und Verstandeskraft (intellectus): „Widersprechen aber, der eigentliche Akt des Unglaubens, ist ein Akt des Verstandes, freilich bewegt vom Willen, wie auch das Beistimmen. Demnach ist Unglaube, wie auch der Glaube, zwar im Verstande als seinem nächsten Träger, im Willen aber als seinem ersten Erreger.“ 96 Antonio da Bitonto sah Unglauben ebenfalls im Verstandesvermögen angelegt und durch Willenskraft verursacht, fügte dem jedoch noch die Erinnerungskraft (memoria) hinzu. Ein Verstand, der sich durch Unwissenheit (ignorantia), Schlechtigkeit (malitia) oder übertriebener Wißbegierigkeit (curiositas) auszeichne, sei ebenso wie ein Wille, der ungezügelter Leidenschaft (affectio inordinata), Wahnsinn (insania depravata) oder Nachlässigkeit (negligentia opinata) folge, und ein Gedächtnis, das sich nur spitzfindiger (subtilitas), glaubensferner (distantia a credendis), sündhafter (obstaculum peccati) Dinge erinnere, Hinderungsgrund des Glaubens. 97 Expliziter als es Thomas von Aquin tat, der darzulegen versuchte, daß die durch einen falschen Glauben bedingte Sünde von Häretikern jene der Juden übertreffe 98, unterschied Antonio da Bitonto zwischen häretischem und jüdischem Unglauben ihrem Grunde nach. Häretiker irrten ob ihres Willens, Juden dagegen ob ihrer mangelhaften Verstandeskraft. Der Verweis auf ignorantia und malitia im Zusammenhang mit jüdischem Irrglauben folgt einer Tradition, die sich schon früh aus biblischen Texten herleitete. Mit der Zeit verschärfte sich das Bewußtsein über die Sündhaftigkeit eines so geformten Verstandes. 99 Die Betonung einer mangelhaften jüdischen 96

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Thomas von Aquin, Summa Theologica II-II, q. 10, art. 2: „Dissentire autem, qui est proprius actus infidelitatis, est actus intellectus, sed moti a voluntate, sicut et assentire. Et ideo infidelitas, sicut et fides, est quidem in intellectu sicut in proximo subjecto, in voluntate autem sicut in primo motivo.“ Antonio da Bitonto, Sermones dominicales per totum annum, Dominica in octava pasce, Sermo de vitio infidelitatis, fol. 57r-59r. Thomas von Aquin, Summa Theologica II-II, q. 10, art. 6. Vgl. Bernardinus Senensis, Quadragesimale de evangelio aeterno, Sermo 22: De multiplici hominum ignorantia (Opera Omnia 3), S. 361f.: „Secunda principalis dicitur ignorantia facti, de qua Alexander de Hales, in II, quaest. [2], inquit quod duplex est ignorantia facti: ‚Prima est eius quod oportuit scire, secunda est eius quod non oportuit scire. – Prima, inquam, est eius quod oportuit scire. Si enim necesse fuit scire et fuit ignorantia supina aut affectata vel perversa, non excusat sed gravior est etiam culpa. Si vero fuit eius quod oportuit scire et adhibuit homo diligentiam, excusatur; etsi non a tot, tamen a tanto‘. Hinc contra Iudaeos I, quaest. 4, circa finem [C. 1, q. IV, c. 12; M.H.], dicitur quod ignorantia facti non excusat Iudaeos, qui non credunt venisse Christum. Ratio est, quia talis ignorantia crassa est et supina. Possent enim Christum venisse scire, tum ex operibus Christi, tum ex operibus discipulorum eius, tum ex collatione Scripturarum perhibitarum.“ Als Bernardino da Feltre 1493 in Pavia die Quadragesimalpredigten hielt, wies er darauf hin, daß eine Sünde umso schwerer wiege, je größer Wissen und Erkenntnisfähigkeit mißbraucht werde. Die von Christen wissentlich begangenen Sünden ziehen daher größere Strafen nach sich, als jene

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Verstandeskraft führte jedoch nicht zu einer endgültigen Absage an die Möglichkeit einer Bekehrung von Juden durch die Predigt. 100 Dies war erst dann der Fall, wenn der jüdische Unglaube nicht allein auf die ignorantia iudaeorum zurückgeführt wurde, sondern als Ausdruck von Willenskraft und freier Willensentscheidung gedeutet wurde. Franziskanische Prediger hielten sich dabei nicht zurück. Der spanische Franziskanerobservant Alfonso da Spina neigte der Ansicht zu, Predigt sei das wirkmächtigste Mittel unter jenen Glaubenswaffen (armatura omnium fidelium), derer sich die Kirche im geistlichen Kampf (bello spirituali) bedienen könne, helfe es doch, fleischliche Begierden abzutöten, weltliche Versuchungen niederzudrücken und teuflische Listen zu entblößen. 101 Das dritte Buch mit dem Titel ‚De bello judaeorum‘ eröffnete Alfonso da Spina mit einer Betrachtung über die Blindheit der Juden und der Frage, wie Christen sie zum Licht des Glaubens führen können. Er plädierte für einen dreifachen Weg, der aus Gebet, teilweise Verfolgung (partialem persecutionem) und Predigt bestehe. 102 Dies deckt sich mit den Ausführungen, die Alfonso da Spina im ersten Buch seiner Glaubensfestung festgehalten hatte. Um den Gegenstandsbereich des Kommunikationsmediums Predigt festzulegen, gab er dort eine kurz gefaßte ars praedicandi, an deren Anfang er die hinlänglich bekannte Predigtdefinition stellte, die Alanus ab Insulis um 1200 formuliert hatte. Anders als der französische Reformtheologe nahm der spanische Franziskanerobservant keine Begrenzung des Predigtpublikums vor. Man solle sowohl jenen predigen, die die christliche Glaubensbotschaft zu hören wünschen, als auch jenen, die sie nicht gefällig annehmen wollen, habe doch der Apostel Paulus gemahnt, zur Zeit und zur Unzeit zu predigen (II Tim 4,2). 103 Der doppelten Absicht, in der Predigt sowohl christliche Glaubenswahrheiten zu verteidigen als auch Häretiker und Ungläubige zum christlichen Glauben zurückzuführen bzw. zu bekehren, entsprang der Vorstellung eines lehrbaren Glaubens. Gleichwohl blieb Alfonso da Spina gegenüber einer zeitgenössischen Judenbekehrung durch Predigt äußerst skeptisch. Als Ursache für die

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von Juden und Heiden. Gleichwohl entschuldige die mangelhafte Verstandeskraft letztere nicht. Bernardino da Feltre, Sermoni del Quaresimale di Pavia del 1493, Bd. 1, S. 250: „(...) et nota bene, quod peccatum tanto est gravius quanto fit cum maiori intelligentia (...) Quanto est maior scientia, gravius peccatum, quia dicitur in libro De regimine principum, quod magis peccat qui maiori abutitur scientia. Et Hieronymus, in Testamento, dicit quod longe gravius peccat, quam qui ignoranter. O poveri Zudei et Pagani, non habent qui predicent sibi nisi errores et deceptiones, et tamen non excusabuntur quin damnentur, tamen in multis peccatis plus punientur Christiani quam illi.“ Bernardino da Feltre, Sermoni del Quaresimale di Pavia del 1493, Bd. 1, S. 115: „(...) si predicassent infidelibus tantum [wie den Christen; M.H.], jam fuissent conversi.“ Alfonso da Spina, Fortalitium fidei contra Judaeos. Sarracenos: Aliosque christiane fidei inimicos, Lyon 1511, lib. I, cons. 1, fol. 5r. Ebenda, lib. III, cons. 1, fol. 79r. Ebenda, lib I, cons 2, fol. 5r-9v, bes. fol 6v.

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Hartnäckigkeit, mit der Juden an ihrem Glauben festhielten, führte er nicht allein das jüdische Schriftverständnis und damit ihr Verstandesvermögen an. Der spanische Franziskanerobservant verwies auf die Blindheit und Verstockung der Juden, für die Gott nur als causa indirecte Verantwortung trage. Damit blieb Raum für die Beanspruchung des freien Willens zur Glaubensverweigerung . 104 Bernardino da Busti und Giacomo Ongarelli, die umfangreichen Gebrauch vom ‚Fortalitium Fidei‘ machten, argumentierten ähnlich. Bernardino da Busti bemühte einerseits die eingeschränkte Erkenntnisfähigkeit von Juden. Wegen ihrer Schlechtigkeit und Bosheit (propter nequitiam et malignitatem) habe Gott das Erkenntnisvermögen der eigentlich schriftkundigen Juden (sunt docti litteris veteris testamenti) verdunkelt, so daß sie nicht zu einem rechten Verständnis der heiligen Schriften gelangen. 105 Der observante Franziskanerprediger beließ es jedoch nicht bei gewöhnlich vorgetragenen, traditionellen Klagen gegen die ungläubigen Juden, die blind gegenüber der im Alten Testament angekündigten zukünftigen Heilswirklichkeit seien und hartnäckig, mit steinernen Herzen an ihrem alten, mit der Geburt Christi jedoch hinfällig gewordenen Gesetz und Glauben festhielten. Während sich an den Juden zur Zeit des Leidens Christi die Jesajaprophetie erfüllt habe, wonach sie nicht verstehen, was sie hören, noch erkennen, was sie sehen (Jes 6,9), sei es nun nicht gottgewirkte Obstinatheit, die Juden von der veritas christiana fernhalte. Vielmehr ist – hier geht er noch über Alfonso da Spina hinaus – der zeitgenössische jüdische Unglaube Ausdruck freien Willens: Juden wollen nicht erkennen (nolunt intelligere scripturas), noch wollen sie aufgrund ihrer Boshaftigkeit ihr Erkenntnisvermögen erweitern (vel intellectas ex malicia nolunt adimplere). 106 Giacomo Ongarelli ging noch einen Schritt weiter. Er erteilte allen Missionsbemühungen mit einem Hinweis auf die Unbelehrbarkeit der Juden eine Absage. Mehr noch: er warnte eindringlich vor den ungläubigen Juden, die nicht allein bei ihrem falschen Glauben bleiben wollten, sondern darüber hinaus 104

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Ebenda, lib. III, cons. 1, fol. 79r: „(...) talis excecatio et obduratio non est a deo directe, sed a liberi arbitrii defectibilitate. Homo enim avertens se a deo meretur ut iuste deus retrahet gratiam suam ab eo, cuius effectus est illuminare intellectum et mollificare affectum et ideo ipsa subtracta homo excecatur et obduratur ex sua malicia (...)“. Bernardino da Busti, Rosarium, Feria sexta post primam dominicam quadragesime. De reprobatione secte pagani, mahumeti et Judei. Sermo XIIII, fol. 85r: „Etsi quaerantur quare iudei cum legant prophetias et sunt docti litteris veteris testamenti: non cognoscunt christum fuisse verum messiam. Dico quod propter eorum nequitiam et malignitatem iusto dei iudicio tenetur eorum intellectus ut non intelligant scripturas nisi carnaliter et non spiritualiter sicut intelligi debet.“ Bernardino da Busti, Rosarium, Pars I, Consilium contra Iudaeos, fol. 91r: „Et licet de iudeis qui erant tempore passionis christi fuisse prophetatum quod non debebant intelligere scripturas propter eorum duriciam et cecitatem: iuxta illud Esa.vi ‚Audite audientes et nolite intelligere: videte visionem et nolite cognoscere. Tamen de iudeis qui nunc sunt potest dici quod vel nolunt intelligere scripturas vel intellectas ex malicia nolunt adimplere (...)“.

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den christlichen Glauben verdarben. 107 Die christliche Position einer „an innerlichen religiösen Heilsgütern als Erlösungsmitteln orientierten Ethik“ 108 konnte solange an deren erfolgreiche Weitergabe an die Juden festhalten, bis eben dieser innere Weg von den Juden selbst verschlossen wurde. Aus der Abwendung von Gott, die Thomas von Aquin als Grund aller Sünde betonte, machte Giacomo Ongarelli einen aggressiven Kampf von Juden gegen Christus und alle Christen. Alles in allem: Die von mir in den Blick genommenen franziskanischen Prediger verfolgten mit der Verteidigung zentraler christlicher Glaubensdogmen gegenüber jüdischen religiösen Standpunkten mehrheitlich nicht das Ziel, Juden zur Annahme des christlichen Glaubens zu bewegen. Ihre offensichtliche Zurückhaltung gegenüber jener Missionskonzeption, die im Laufe des 13. Jahrhunderts formuliert worden war, war jedoch nicht einheitlich motiviert. Prediger wie Roberto Caracciolo da Lecce, Michele Carcano da Milano oder Bernardino da Feltre hielten an der Vorstellung eines lehrbaren Glaubens fest; sie vertrauten aber weiterhin mehr auf die endzeitliche Bekehrung der Juden als auf den Austausch theologischer Argumente. Bernardino da Busti und Giacomo Ongarelli ließen sich von Vorstellungen leiten, die Versuche, Juden mit Hilfe traditioneller christologisch oder mariologisch gedeuteter alttestamentlicher Schriftbeweise von einer veritas christiana in Predigt oder Disputation zu überzeugen, sinnlos erscheinen ließen. Juden, denen es an rechter Verstandeskraft mangele, hätte man vielleicht noch auf diese Art und Weise belehren können. Juden, die nicht erkennen wollen, jedoch nicht. Damit verbanden sich schwerwiegende Folgen für die jüdische Existenz in der christlichen Umwelt des späten Mittelalters, von denen gleich noch zu berichten sein wird.

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Giacomo Ongarelli, De malitiis et impietatibus iudaeorum modernorum, L. III, c. 23, fol. 134r. MAX WEBER, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I, Tübingen 91988 S. 541.

2. Contra Iudaeos I – Antijudaismus als Medium christlicher Identität Franziskanerprediger, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts durch Italien zogen, riefen das Volk nicht nur auf, Buße zu tun, sondern verkündeten weiterhin zentrale Glaubensüberzeugungen, die Schlüsselthemen der christlichjüdischen Debatte des Mittelalters waren. Franziskanische Prediger im spätmittelalterlichen Italien, die nicht darauf verzichteten, über religiöse Standpunkte zu predigen, die Christen und Juden entzweite, taten dies in der Absicht, christliche Glaubenswahrheiten gegen innerchristliche Zweifel und Anfechtungen zu verteidigen. Indem sie etwa mit Verweisen auf das verfehlte, heillose jüdische Schicksal der veritas christiana Überzeugungskraft zu geben suchten, predigten sie, was bereits Augustinus in seinem Traktat ‚De vera religione‘ zu einem didaktischen Prinzip erhoben hatte: die antijüdische Profilierung christlich-kirchlicher Identität. Roberto Caracciolo da Lecce machte vielfach christologische und mariologische Dogmen zum Gegenstand von Predigten. Dabei wiederholte er traditionell vorgebrachte Klagen über die Blindheit (caecitas) und Verstocktheit (obstinatio) der Juden, die hartnäckig (duriter) christliche Glaubenswahrheiten leugneten. 1 Zugleich verteidigte er eine veritas christiana gegen jüdische Einwände, die geltend machten, alttestamentliche Prophezeiungen wiesen nicht auf eine zukünftige Heilswirklichkeit, wie sie sich vom christlichen Standpunkt aus mit der Geburt, dem Leben und Leiden Jesu Christi erfüllt hätte. In seiner Beweisführung für die Göttlichkeit und Messianität des Mannes aus Nazareth sowie seiner Geburt durch eine jungfräuliche Mutter griff er auf Arbeiten Raimundus Martini und die apologetischen Schriften seines Ordensbruders Nikolaus von Lyra zurück. Es kommen Lesarten biblischer Offenbarung und Argumentationslinien zur Geltung, die christliche Theologen, Bibelexegeten und Prediger zum Teil schon in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten entworfen hatten, wenn es galt, die eigene Identität in fiktiven oder realen Auseinandersetzungen mit jüdischen Theologen zu verteidigen. Um darzustellen, daß Jesus Christus jener alttestamentlich verheißene Gottessohn sei, verband Roberto Caracciolo da Lecce in herkömmlicher Weise christlich gedeutete Geschichtstheologie mit der christlichen Interpretation biblischer Texte. Der Gang der Geschichte offenbare und mache die veritas christiana augenscheinlich. Die Juden, die in Jesus Christus den Messias nicht erkannten und an ihn nicht glauben wollten, leben seit der Zerstörung ihres Tempels 70 n. Chr. zerstreut (dispersio) und in andauernder Gefangenschaft (captivitas) und Schande (opprobrium) unter den Völkern der Welt. 1

Vgl. zu diesen traditionellen antijüdischen Vorwürfen SCHRECKENBERG, AdversusJudaeos, Bd. 1, S. 111-113.

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Dem jüdischen Unglück stellte Fra Roberto eine christliche Erfolgsgeschichte gegenüber. Das ehedem heidnische, alles beherrschende römische Reich bestehe seit der Zeit Kaiser Konstantins, der von Papst Silvester die Taufe empfangen hatte, im Zeichen des christlichen Glaubens fort. Christenfeindlich gesonnene, machtvolle römische Imperatoren hätten zuvor einer Religion, die sich weder auf Waffengewalt noch auf Geldmittel stützen konnte, langfristig nichts entgegensetzen und anhaben können. Die Standhaftigkeit der Kirche (stabilitas ecclesiae) bezeuge einen siegreichen christlichen Glauben. Wunder wirke Gott nur noch für die ecclesia, während Juden nicht mehr in den Genuß wunderwirkender göttlicher Kraft kommen. Sie stehen abseits mit verschlossenem Herzen (obstinato corde), während alle Heidenvölker bestätigen, was doch aus der Geschichte ersichtlich ist: der Messias ist bereits in Gestalt von Jesus Christus gekommen. 2 Erkennen altgläubige Juden ohne jegliche Vernunftgründe schon nicht, was die historia lehre, so wird die jüdische Weigerung, mit Jesus Christus die Ankunft des verheißenen Messias zu erkennen, für Roberto Caracciolo da Lecce vollends unverständlich, bedenke man die zahlreichen Schriftstellen des Alten Testaments, die doch davon so offensichtlich künden. Die Darstellung der verfehlten jüdischen Geschichte und der siegreichen christlichen Religion verband der Franziskanerkonventuale mit alttestamentlichen Prophetien. Von der translatio imperii romani in eine christliche Herrschaft künde bereits der Prophet Daniel, dessen Buch zentrale Quelle christlicher Geschichtstheologie im Mittelalter war. Daniel, einer jener edlen und weisen Männer aus Juda, die nach dem Fall Jerusalems am Hofe Nebukadnezars dienen mußten, deutete 2

In mehreren Predigten bemühte Roberto Cracciolo da Lecce den klassischen antijüdischen Geschichtsbeweis. Am vollständigsten in den Sermones de laudibus sanctorum. Sermo 6: De incarnatione Christi contra errores iudeorum qui in Christum credere nolunt, fol. 16r-21v und – mit geringen inhaltlichen Nuancierungen – in seinen Sermones de adventu. Feria quinta post secundam dominicam de adventu: Sermo contra iudeos qui dicunt Christum esse venturum, fol. 141r-143v sowie in seinem volkssprachlichen Specchio della fede. Sermo 8: Dell’amore di Christo dimostrato alla humana natura per la Incarnatione facta, Capitulo terzo: como e vero che el tempo in loquale dovia incarnare Cristo e passato contra li iudei liquali falsamente teneno che lo messia non e venuto ma deve venire, fol. 57v-59r. Auf die verfehlte jüdische Geschichte als Beweis für die Göttlichkeit und Messianität Christi wies Roberto nochmals in den Sermones de adventu. Dominica secunda: De divinitate Jhesu Christi, fol. 127r hin: „(...) ecce quod dispersi sunt per universum mundum dati in opprobium cunctis gentibus (...)“. Ebenso tat er dies im Specchio della fede. Sermo 7: Delle revelatione facte per molti tempi da esse Dio come dovea incarnare lo suo figliolo Iesu benedetto, fol. 53r: „(...) perche extenderite le mane in lo Signore: cioe cristo dio incarnato. E faranno consuli li vostri fratelli come fo alla destructione di Ierusalem facta per Tito et Vespasiano: e sareti dispersi in ogni gente con gran vergogna beffa et danno (...)“. Ansätze einer antijüdisch gedeuteten Geschichtstheologie finden sich bereits in neutestamentlichen Schriften. Vgl. SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 1, S. 83. Zur christlichen Deutung der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. EBENDA, S. 115-118.

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einen Traum des Königs. Dieser hatte im Schlaf ein großes und hell glänzendes Standbild gesehen, dessen Haupt von feinem Gold war, seine Brust und seine Arme silbern, sein Bauch und seine Lenden kupfern und seine Schenkel eisern, seine Füße teils aus Eisen und teils aus Ton. Nebukadnezar erschien im Traumgesicht, wie ein Stein ohne menschliches Zutun herunterkam und das Standbild vollends zerstörte. Der Stein selbst wuchs zu einem großen Berg, der die ganze Welt füllte. Daniel sah im Traum Nebukadnezars vier aufeinanderfolgende Weltreiche vorausgesagt. Das vierte, zumeist eiserne und alles zerbrechende, jedoch auch geteilte, teils starke, teils schwache Königreich, werde letztlich von dem Reich abgelöst, das Gott aufrichten werde und das ewiglich fortbestehe. 3 Christliche Theologen sahen im Stein Christus; Roberto Caracciolo da Lecce folgte der Exegese. 4 Traditionell war auch die christologische Deutung von Dn 9, 24-27, die Roberto von Nikolaus von Lyra übernahm. 5 Der Segen Jakobs über seinen Sohn Juda aus Gn 49,10 gehört zu 3 4

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Vgl. Dn 2,31-44. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de laudibus sanctorum. Sermo 6: De incarnatione Christi contra errores iudeorum qui in Christum credere nolunt, fol. 18r: „Quod imperium romanorum sub christo deberet esse probatur per id quod scribitur Danielis ii ca. ubi habetur quod Nabuchodonosor vidit statuam magnam cuius caput ex auro optimo erat, pectus et brachia de argento, porro venter et fermora ex ere, tibie autem ferree. Et sequitur. Abscisus est de monte lapis sine manibus et percussit statuam in pedibus eius ferreis et fictilibus et comminuit eos. Per hanc statuam designantur quattuor regna magna sibi in orbe succedentia secundum quod Daniel divinitus inspiratus ibi exponit. Primum est regnum chaldeorum quod significatur per caput aureum. Secundum est regnum persarum quod significatur per argentum. Tertium est regnum grecorum seu Alexandri: quod significatur per es. Quartum est regnum Romanorum: quod significatur per ferrum, quod subiecit sibi omnia regna mundi: sicut ferrum domat omnia metalla. Per lapidem autem abscisum de monte sine manibus designatur ipse christus sive regnum eius cui ut predicitur subiiciendum erat regnum romanorum.“ Ders., Sermones de adventu. Feria quinta post secundam dominicam de adventu. Sermo contra iudaeos, fol. 24v-25r. In der Adventspredigt gegen die Juden ergänzte Roberto Cracciolo da Lecce seine exegetischen Ausführungen noch um eine mariologische Komponente, wonach die unsichtbare Herkunft des herabfallenden Steines auf die Geburt Christi durch eine Jungfrau weise. Ebenda, fol. 25r: „Per lapidem autem abscisum sine manibus designatur christus: qui est natus de virgine sine manibus complectentium: que virgo designatur per montem propter excellentiam vite.“ Über die jungfräuliche Geburt als Zeichen der Göttlichkeit Christi und die daran anschließende jüdisch-christliche Kontroverse s.u.. Zur klassischen Interpretation vgl. SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 1, S. 71f. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de laudibus sanctorum. Sermo 6: De incarnatione Christi contra errores iudeorum qui in Christum credere nolunt, fol. 18v: „Est insuper contra iudeos perfidos prophetia Danielis ca. IX. Ipse quippe angelus gabriel ex voluntate dei revesavit tempus adventus christi dicens. Septuaginte hebdomade abbreviate sunt super populum tuum et super urbem sanctam tuam autem consummetur prevaricatio. Et finem accipiet peccatum et deleatur iniquitas et impleatur visio et prophetia et ungatur sanctus sanctorum. Ad quorum verborum pleniorem habendam notitiam notandum secundum Nicolaus de Lira. Quod in sacra scriptura unomodo accipitur hebdomada pro tempore septem annorum. Et sic sumitur Levitici xxiii ca. ubi dicitur. Quod vii hebdomade sunt accipiende a festo pasce que fuerunt quadraginta novem dies. Et in quinquagesimo die celebrandum est festum pentecostes. Aliomodo accipitur hebdomada pro tempore septem annorum. Et sic

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jenen loci classici, die christliche Theologen und Bibelexegeten seit der Zeit spätantiker Kirchenlehrer christologisch-messianisch und typologisch heilsgeschichtlich ausdeuteten. 6 Mit der Geburt Christi erfüllte sich, so der christliche Standpunkt, die Prophetie, wonach das Zepter von Juda und der Stab des Herrschers von seinen Füßen erst dann weichen werde, wenn jener Held komme, dem die Völker anhängen. Roberto Caracciolo da Lecce bemühte Augustinus. Im augustinischen Gottesstaat endet der Überblick über die Geschichte des jüdischen Volkes von der Heimkehr aus Babel bis zur Ankunft Chrsti mit der Herrschaft des fremdblütigen Königs Herodes, in der Christus geboren wurde: „Denn nun war die Fülle der Zeit herbeigekommen, auf die der prophetische Geist durch den Mund des Patriarchen Jakob mit den Worten hingewiesen hatte: ‚Es wird nicht mangeln an einem Fürsten aus Juda noch an einem Gebieter aus seinen Lenden, bis der kommt, dem es vorbehalten ist; der ist’s, auf den die Heiden hoffen.‘ Es fehlte nämlich den Juden nie an einem Fürsten bis auf diesen Herodes, den ersten ausländischen König. Jetzt also war es Zeit, daß der kommen sollte, dem es vorbehalten war, was die dem Neuen Bunde geltende Verheißung besagte, daß auf ihn die Heiden hoffen sollten.“ 7 Jüdische Bibelexegeten hingegen machten geltend, daß Gn 49,10 nicht auf die Herrschaft des Herodes, sondern auf Nebukadnezar und die babylonische

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loquitur scriptura de hebdomada Levitici xxv. capitulum ubi dicitur. Numerabitis septem hebdomadas annorum que faciunt quadraginta novem annos. Et quinquagesimus annus immediate sequens dicitur iubeleus. nec invenitur hebdomada accipi pluribus modis. Non potest autem in dicta prophetia danielis accipi hebdomada primo modo quia fuisset completa infra annum et dimidium. Ergo per locum a divissione oportet quod accipiatur pro hebdomada annorum. Et in hoc omnes expositores conveniunt catholici et hebrei. Septuaginta vero hebdomade annorum faciunt annos quadringentos nonaginta quod tempus preterisse nullus dubitat. Oranti ergo danieli angelus Gabriel denunciavit liberationem populi a captivitate babilonica et perfecta liberationem fiendam per christum.“ Ders., Specchio della fede. Sermo 8, fol. 58r. Roberto Caracciolo da Lecce beläßt es bei dem Verweis auf die Interpretation des Geheimnisses der 70 Wochen bei Nikoalus von Lyra. Eine Einmütigkeit zwischen christlicher und jüdischer Exegese des Geheimnisses der 70 Wochen, die Roberto Caracciolo da Lecce betont, bestand jedoch keineswegs. Alfonso da Spina widmete in seinem Fortalitium Fidei Dn 9,24-27 weitaus mehr Aufmerksamkeit. Seine Ausführungen vermitteln ein angemesseneres Bild über die Widersprüchlichkeit, wie jüdische und christliche Theologen um die Auslegung von Dn 9, 24-27 stritten. Vgl. MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 116-118. Vgl. zur Tradition der christologischen Deutung von Dn 9, 24-27 SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 1, S. 72 u. 81. ADOLF POSNANSKI, Schiloh. Ein Beitrag zur Geschichte der Messiaslehre. Erster Teil. Die Auslegung von Genesis 49,10 im Altertume bis zum Ende des Mittelalters, Leipzig 1904. Die mittelalterlichen Auslegungstraditionen der übrigen alttestamentlichen Prophetien ist bisher noch nicht Gegenstand monographischer Arbeiten geworden. Einige Hinweise bei SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 1, S. 71f., 81 u. 366. Aurelius Augustinus, De civitate Dei, Lib. XVIII, c. 45, in: ders., Opera XIV, 2 (Corpus Christianorum Series Latina 48), hg. von Bernardus Dombart und Alfonsus Kalb, Turnhout 1955, S. 643.

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Gefangenschaft weise. 8 Um diesen Einwand zu entkräften, zitierte Roberto Caracciolo da Lecce seinen Ordensbruder Nikolaus von Lyra. Dieser argumentierte in seiner ‚Postilla litteralis super Biblia‘, daß nach der babylonischen Gefangenschaft das Reich Juda wieder aufgerichtet worden sei und die gens judaica erneut Fürsten und Könige gehabt habe. 9 Das zentrale Argument, das Roberto mit Nikolaus von Lyra gegen die jüdische Auslegungstradition vorbrachte, war jedoch philologischer Art. Der Verweis auf heilige hebräische Schriften und jüdische Autoren gehörte im späten Mittelalter zum religiösen Gemeingut christlicher Theologen, Bibelexegeten und Prediger, um jüdische Schriftinterpretationen zu entkräften und ihnen die Glaubwürdigkeit zu nehmen. Nikolaus von Lyra setzte sich intensiv mit jüdischen Texttraditionen auseinander. Erst ein angemessenes Verständnis des Wortsinns (sensus litteralis), den Juden zur Grundlage ihrer Exegese machten, erlaube die Erfassung des mystischen Sinns biblischer Offenbarung (sensus allegoricus). Die Vulgata, die vom Kirchenvater Hieronymus (†420) besorgte lateinische, für das christliche Mittelalter maßgebende Bibel, böte nicht die für eine Auslegung notwendigen Originaltexte. Philologische Neugier verband sich jedoch nicht mit Offenheit für andere religiöse Standpunkte. Ziel war es, Beweise für die veritas christiana in hebräischen Texten zu finden, denen aufgrund ihres Alters autoritative Geltung zukam. Jüdischen Theologen, die 8

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Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Feria quinta post secundam dominicam de adventu. Sermo contra iudaeos qui dicunt Christum esse venturum, fol. 23v: „Verumtamen aliqui iudei dicunt quod hec auctoritas non intelligitur de Christo sed de Nabuchodonosor rege babylonis qui missus est ex ordinatione divini contra hierusalem propter peccatam populi ut habetrur 4. Reg. 25.c.7 extunc defecit renun iudeorum quia Nabuchodnosor cepit Sedechiam regem et filios suos coram eo occidit et oculos ipsius effodit vinxitque eum cathenis et adduxit in babylonem nec postea aliquis de eius stirpe regnavit.“ Roberto wiederholte die jüdische Exegese nochmals in seinem volkssprachlichen Specchio della fede, Sermo 8, fol. 57v: „Ma li iudei moderni dicono che non parla di Cristo ma de Nabuchodnosor Re di Babylonia elquale per ordinatione divina fu mandato contra Hierusalem per punire li peccati di quello populo come si pone al quarto libro delli Re al vigesimoquarto capitulo. E allora manco el regno e la signoria de iudei perche assediata quella cita dieceocto mesi infine la piglio e amazo li figlioli del re Sedechia inanzi al suo conspecto e poi gli fece cavare li occhi e condusselo incathenato in Babylonia. E poi non regno alcuno altro della sua stirpe.“ In den Sermones de laudibus sanctorum. Sermo 6: De incarnatione Christi contra errores iudeorum qui in Christum credere nolunt heißt es fol. 17v hingegen lapidar: „Diximus hec omnia ut perfidi iudei enarrata hystorie veritate cognoscant christum natum tempore annotato in prophetia Jacob patriarche. Et quamvis ipsi multis calliditatibus et falsis expositionibus conventur illius prophetie verba pervertere atque corrumpere dicentes quod non sint dicta de christo.“ Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Feria quinta post secundam dominicam de adventu. Sermo contra iudaeos qui dicunt christum esse venturum, fol. 23v: „Quibus respondet Nicolaus de Lira quod hoc est falsum [die jüdische Exegese von Gn 49,10; M.H.] quia post capitivitatem babylonicam iudei habuerunt duces et principes. Sicut patet de Zorobabel Esdre et de Neemia Esdre per totum et de Machabeis ut habetur libris Machabeorum. Habuerunt etiam reges quia Johannes hircanus filius Symonis Machabei imposuit sibi diadema regni. Et extunc regnaverunt filii usque ad Herodem.“

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dem Kirchenvater Hieronymus vorwarfen, er sei bei der Übersetzung des Alten Testamentes von seiner hebräischen Textvorlage abgewichen, um dem Text einen christlichen Sinngehalt zu unterstellen, sollte ihre argumentative Kraft genommen werden. Raimundus Martini machte dies zur Methode für die christlich-jüdische Kontroverse im späten Mittelalter. In seinem ‚Pugio fidei‘, den Nikolaus von Lyra häufig benutzte, formulierte er: „Im übrigen wird das Zitieren des Textwortlautes überall aus dem Hebräischen erfolgen, und ich werde mich nicht den Septuaginta noch einem anderen Übersetzer anschließen und, was ziemlich kühn erscheinen wird, ich werde dabei nicht einmal Hieronymus respektieren, und ich werde als nicht erträglich auch den unpassenden Gebrauch der lateinischen Sprache vermeiden, um den genauen Wortlaut des bei den Hebräern zu Lesenden wann immer möglich wörtlich zu übernehmen. Dadurch wird den lügenhaften Juden ein sehr breiter und geräumiger Weg zu Ausflüchten versperrt, und sie werden keinesfalls behaupten können, der genuine Wortlaut, wie er von mir als Vermittler gegen sie zitiert wird, befinde sich so nicht bei ihnen.“ 10 Roberto Caracciolo da Lecce folgte dem Vorgehen, wenn er auf jüdische Traditionsliteratur hinweist, die zu einer christologischen Deutung von Gn 49,10 verpflichte. 11 Während der Kirchenvater Hieronymus in seiner Vulgata lediglich schrieb „donec veniat qui mittendus est“, biete das ‚Caldaicum‘, die als Targum bekannte aramäische Übersetzung der hebräischen Bibel „donec veniat messias“. Selbst Salomon ben Isaak (1040-1107), der besser als Raschi bekannte bedeutendste jüdische Bibel- und Talmudkommentator des Mittelalters, bestätige in seinen exegetischen Arbeiten, daß mit Gn 49,10 eine messianische Prophetie vorliege. 12 Roberto Caracciolo da Lecce wußte um zahlreiche Einwände, die jüdische Theologen gemeinhin gegen das zentrale christliche Glaubensdogma von der 10 11

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Zitat entnommen SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 3, S. 295. Sowohl in seinem ‚Capistrum Iudaeorum‘ als auch im ‚Pugio Fidei‘ setzte sich Martini mehrmals mit Gn 49, 10 auseinander. Vgl. SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 3, S. 292 u. 297. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de laudibus sanctorum, Sermo 6: De incarnatione Christi contra errores iudeorum qui in Christum credere nolunt, fol. 17v: „Tamen contra ipsos est translatio chaldaica quia ubi Hieronymus transtulit donec veniat qui mittendus est Caldaicum habet donec veniat messias. Et rabi Iesu exponens verba iacob dicit. Non veniet filius david.i.messias. donec extenderit se regnum neque super israel. Glosa Rabi Salomonis dicit.i.Romanun.“ Im Specchio della fede, Sermo 8, fol. 57v heißt es: „Ma nui convincimo li iudei: primo perche la translatione caldaica autentica appresso loro dice in quelle parole. Donec veniat qui mittendus est. In fino a tanto che venga quello che deve essere mandato: Donec veniat messias. E Rabi ieu E Rabi Solomone affirma che Iacob parlo dello messia e non de Nabuchodonosor.“ Zum Targum als Quelle messianischer Prophetie vgl. SAMSON H. LEVEY, The Messiah. An Aramic Interpretation. The Messianic Exegesis of the Targum, Cincinnati-New York-Los Angeles-Jerusalem 1974.

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Messianität Jesu Christi vorbrachten. Juden verwiesen auf die Prophetenbücher als Dokumente ihres Glaubens, in denen sie den Messias zeichenhaft angekündigt fanden, um ihren Glauben gegen christliche Ansprüche zu verteidigen und die Glaubensüberzeugungen ihrer religiösen Gegner zu entkräften. Die Ankunft des gesalbten Königs Israels aus dem Hause Davids, der am Ende der Zeit (Jes 2,2) mit den Wolken komme (Dn 7,13), werde demnach begleitet von einer Erschütterung der Welt (Hag 2,6); in jener Zeit gleiche der Schein des Mondes dem der Sonne, die siebenmal heller als zuvor erstrahle (Jes 30,26). Der Erlöser werde einen neuen Tempel errichten (Hag 2,9; Zach 6,12), Israel zum Heil erretten (Jer 23,6) und unter den Völkern der Welt richten, die zahlreich zu Zion strömen werden. (Jes 2,3). Die verheißene messianische Herrschaft werde eine gerechte sein (Jer 23,5); das Reich des Messias ein immerwährendes Friedensreich (Jes 2,4; Jes 11,6-8). Juden bestritten die Messianität Jesu Christi, da ehedem Prophezeites mit dem Auftreten des Nazareners nicht in Erfüllung gegangen sei. 13 Roberto Caracciolo da Lecce wies die vorgebrachten jüdischen Einwände entschieden zurück. In seiner Argumentation folgte er in weiten Teilen dem bereits in der Exegese von Gn 49,10 anschaulich gemachten Muster aus herkömmlicher christlicher Geschichtsinterpretation und traditioneller christologischer Schriftauslegung, die christliche Theologen seit neutestamentlicher Zeit gemeinhin vorbrachten, wenn es galt, die alttestamentlichen Prophetenbücher in einen Sinnzusammenhang zur Lebens- und Leidensgeschichte Jesu Christi zu bringen. In den Ausführungen Fra Robertos treten unterschiedliche heilsgeschichtliche Konzeptionen und Messiasvorstellungen deutlich hervor, die Juden und Christen voneinander trennten. Jüdische Theologen erwarteten die Ankunft des heilbringenden, richtenden Erlösers am Ende der Zeit. Dem stellte Roberto Caracciolo da Lecce die christliche Auffassung von einer zweifachen Ankunft des Messias, einer in Demut, die letzte im Triumph gegenüber. Ein demütiger, menschlicher Heiland war mit jüdischen Glaubensüberzeugungen unvereinbar. Der wortgewaltige und schreibfreudige Franziskanerkonventuale hingegen verwies auf alttestamentliche Offenbarungen, in denen das Leiden des 13

Um christlichen Auslegungstraditionen entgegenzutreten, nutzten Juden zuweilen gar Argumente, die Christen selbst zur Verteidigung ihres zentralen Glaubensdogmas vorbrachten. Der jüdische Konvertit Paulus a Santa Maria (um 1350/55-1435), von 1415 bis 1435 Erzbischof von Burgos, schrieb in seinem ‚Scrutinium scripturarum contra perfidiam iudaeorum‘ dem jüdischen Philosophen, Theologen und Rechtsgelehrten Maimonides (1135-1204) die Aussage zu, Jesus Christus hätte nicht nur keinen Tempel errichtet; sein Tod sei zudem nach christlicher Auffassung die Ursache für die Zerstörung des Jerusalemer Tempels im Jahre 70 n. Chr. durch Titus und Vespasian. Maimonides machte in dieser Lesart einen herausragenden Aspekt traditioneller christlicher Geschichtsinterpretation zum Beweis für jüdische Rechtgläubigkeit. Vgl. MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 150, Anm. 106. Einige biographische Hinweise zu Paulus a Santa Maria EBENDA, S. 82-84.

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Messias in irdischer Zeit, mithin die in der Passion gipfelnde Leiblichkeit und das Menschsein Christi angekündigt sei. 14 Die mit der christlichen Messiasvorstellung verbundene Annahme der Menschwerdung des göttlichen Logos in Jesus Christus machte er mehrfach zum Gegenstand seiner Predigten. 15 Er tat dies, indem er Typologien zwischen alttestamentlicher Ankündigung und neutestamentlicher Heilserfüllung herstellte. Es gehörte seit je her zum religiösen Gemeingut christlicher Theologen, einen Sinnzusammenhang zwischen Altem und Neuem Testament zu betonen. Der Kirchenvater Hieronymus formulierte: „Was immer wir nämlich im Alten Testament lesen, dasselbe finden wir auch im Evangelium, und was im Evangelium gelesen wurde, das wird beglaubigt durch das Alte Testament; alles befindet sich im Einklang, nichts differiert.“ 16 Roberto Caracciolo da Lecce nutzte die christliche Auffassung von der typologischen Einheit beider Testamente, um so die göttliche und zugleich menschliche Natur Jesu Christi darzulegen. Er verwies auf jene Attribute, welche Jesus Christus von den neutestamentlichen Schriftstellern zugeschrieben wurden und nach dem Alten Testament allein Gott zukamen. Der Franziskanerprediger erinnerte zudem an den wundertätigen Christus und nochmals an das tragische Schicksal seiner Feinde, der Juden, der römischen Imperatoren und der Häretiker, durch das die Göttlichkeit Jesu Christi gleichfalls offenbart werde. Als alttestamentliche messianische Prophetie, die auf die göttliche als auch menschliche Natur des verheißenen Messias weise, galt christlichen Theologen Jes 9,6. 17 Roberto legte den ersten Teil des Jesajaverses auf die humanitas, den nachfolgenden Abschnitt auf die divinitas des Erlösers aus. 18 Christliche Exegeten bezogen die göttlichen Namen Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater und Friedensfürst auf das verheißene Kind. Jüdische Theologen widersprachen, das Neugeborene trage nur den Beinamen princeps pacis, während die übrigen Bezeichnungen allein dem Schöpfergott zukämen. Die christlich-jüdische Debatte entzündete sich vor allem an philologischen Interpretationen und Fragen der Überlieferung verbindlicher Bibeltexte. Juden hielten Christen im Mittelalter vor, ihre Deutung beruhe auf Übersetzungsfehlern der Vulgata, die 14 15 16 17

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Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de laudibus sanctorum. Sermo 6: De incarnatione Christi contra errores iudeorum qui in Christum credere nolunt, fol. 19v. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Dominica secunda: De divinitate Jhesu Christi, fol. 132r. Zitat entnommen SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 1, S. 322. Vulgata, Jes 9,6: „(...) parvulus enim natus est nobis filius datus est nobis et factus est principatus super umerum eius et vocabitur nomen eius Admirabilis consiliarius Deus fortis Pater futuri saeculi Princeps pacis (...)“. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Dominica secunda de adventu. Sermo de divinitate Jesu Christi, fol. 133v: „Ecce iam Yesaias incipit loqui.Dicit.n.9.c.Parvulus natus est nobis et filius datus est nobis. Ecce humanitas. Et sequitur. Et vocabitur nomen eius admirabilis.consiliarius: deus fortis: pater futuri seculi: princeps pacis. Ecce divinitas.“

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sie bewußt vorgenommen hätten, um den heiligen Schriften einen christlichen Sinngehalt zu geben. 19 Statt des passiven vocabitur müßte es richtig vocabit heißen. 20 Roberto Caracciolo da Lecce orientierte sich auch hier an Nikolaus von Lyra. Ihm zufolge bestätigten sowohl die Septuaginta, die im hellenistischen Diasporajudentum entstandene griechische Übersetzung der hebräischen Bibel, als auch der Targum den von Hieronymus besorgten lateinischen Bibeltext. 21 Den Beweis für die Menschwerdung des göttlichen Logos in Jesus Christus führte Roberto Caracciolo da Lecce nicht allein mit der Bibel. Er berief sich unter anderem auf die Geschichtsüberlieferung des von Christen für die veritas christiana häufig in Anspruch genommenen jüdischen Historikers Flavius Josephus 22, auf heidnische Schriftzeugnisse, etwa die für das Geheimnis Christi 19 20 21

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RUDERMAN, World of a Renaissance Jew, S. 80-84. Vgl. MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 215-218. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Dominica secunda de adventu. Sermo de divinitate Jhesu Christi, fol. 133v: „Quia ut dicit Nicolaus de Lira super hoc passum Translatio 70 interpretum habet. Et vocabitur nomen eius magni consilii angelus. In testificatione vero chaldaica habetur Vocabitur nomen eius permanens in secula messias.“ Nikolaus von Lyra brachte gegen Rashi vor, daß dieser mit seiner Exegese von Jes 9,6 selbst den Text entstelle. Vgl. MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 216f. Roberto Caracciolo da Lecce führte zum Beweis für die göttliche und menschliche Natur Christi neben Jes 9,6 noch Jeremias 23, 5 (Vulgata, Jer 23,5: „(...) ecce dies veniunt ait Dominus et suscitabo David germen iustum et regnabit rex et sapiens erit et faciet iudicium et iustitiam in terra (...)“ an. Wiederum stützte er sich gegen jüdische Einwände auf die Exegese des Nikolaus von Lyra. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Dominica secunda de adventu. Sermo de divinitate Jhesu Christi, fol. 133v: „Item Jer. 23. Ecce dies veniunt dicit dominus et suscitabo David germen iustum Translatio chaldaica habet: statuam messiam iustum. Et subditur: Et hoc est nomen quod vabunt eum dominus iustus noster. In hebreo vero ponitur nomen dei thethagramaton ut dicit Nicolaus de Lira quod est nomen solam essentiam dei significans. Pro ut dicit Rabbi Salomon [Salomon ben Isaak, genannt Raschi; M.H.]. Item Baruch.3.c.Hic est deus noster et non estimabitur alius adversus eum. Ecce divinitas. Et infra. Primus hoc in terris visus est et cum hominibus conversatus est. Ecce humanitas.“ Zu Jer 23,5 als locus classicus innerhalb der christlichjüdischen Kontroverse vgl. SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 1, S. 71 und MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 154. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Dominica secunda de adventu. Sermo de divinitate Jhesu Christi, fol. 134r: „Et Josephus iudeus de christo loquens in 18. libro antiquitatum ait. Fuit predicitis temporibus sapines vir.si tamen eum verum nominare fas est. Erat enim mirabilium operum effector et doctor omnium eorum qui libenter ea que vera sunt audiunt. Et multos quidem iudeorum multos quoque ex gentibus sibi adiunxit: Christus hic erat. Hunc accusatione primorum nostre gentis virorum eum Pilatus eum in cruce agendum decrevisset: non deserverunt hi qui ab initio dilexerunt eum. Apparuit enim eis tria die iterum vivens secundum quod divinitus inspirati prophete vel hoc vel alia de eo innumera miracula predixerunt: sed et in hodiernum diem christianorum qui ab ipso nominati sunt et nomen perseverat et gens. Hoc Josephus.“ An anderer Stelle griff Roberto Caracciolo da Lecce ebenfalls auf Flavius Josphus zurück, um die Messanität Christi darzustellen. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de laudibus sanctorum. Sermo 6: De incarnatione Christi contra errores iudeorum qui in Christum credere nolunt, fol. 17r-17v. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Feria quinta

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unter Berufung auf Augustinus von christlichen Theologen, Bibelexegeten und Predigern gern und oft zitierten sybillinischen Weissagungen, und auf christliche Traditionsliteratur. 23 Zusätzlich bemühte der Prediger legendäre Berichte. In den Geschichtsbüchern der Römer könne man lesen, daß zur Zeit Kaiser Konstantins und seiner Mutter Helena in Konstantinopel ein Grab entdeckt worden sei, in dem ein Mensch mit einer Goldplatte lag, auf der geschrieben stand: ‚Christus wird aus einer Jungfrau geboren werden. Ich glaube an ihn. Oh Sonne und Mond, zur Zeit Helenas und Konstantins werdet ihr mich wieder sehen.‘ 24 Ähnliches habe sich später in der Nähe der spanischen Stadt Toledo ereignet. Dort habe man in einem steinernen Haus ein Buch gefunden, in dem in hebräischer, griechischer und lateinischer Sprache der Weltenlauf in drei Epochen unterteilt sei, wobei die Geburt Christi die letzte Zeit ankündigte: ‚Im dritten Weltalter wird Christus durch die Jungfrau Maria und für das Heil aller

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post secundam dominicam de adventu: Sermo contra iudeos qui dicunt Christum esse venturum, fol. 142v; ders., Specchio della fede, fol. 63r: „La seconda via a provare la divinita di Christo si chiama de Istoriale narratione. E assai autentico intra li Istoriografi.Iosefo Iudeo. Questo fo sacerdoto figliolo de Mathathia sacerdoto Historico celeberrimo e philosopho peritissimo: elquale fo pigliato da Tito e Vespasiano alla destructione di Ierusalem: e per la sua virtu fo liberato da servitu: E conducto in roma honoratamente scrisse septe libri de bello Iudayco: e vinti libri dell’antiquita e doi altri contra Appione vixe insino alli tempi de Troiano imperatore: e nacque al tempo della passione di Christo. Questo donque in lo decimo octavo libro delle antiquita parlando di Christo disse (...) Fo nelli tempi prediciti: cioe de Tiberio imperatore un homo sapio si e licito chiamarlo homo: perche facia opere mirabilii: e insignava la verita a colloro liquali la ascultano volentiera: e periglio in sua compagnia e familiarita molti giudei e molti gentili come fo el centurione Zacheo e li altri. Questo certo era Christo lo missia. E havendolo Pilato iudicato che morisse in croce per accusatione delli primi della nostra gente: cioe scribe e farisei: Non lo habando norono: cioe finalmente quelli che da principio lo haviano amato. Apparse allhoro lo terzo di vivo secondo che li profeti inspirati da dio haviano predicto questo e li altri suoi innumerabili miracoli.“ Dem angeblichen Zeugnis der veritas christiana durch einen jüdischen Autor kam immer schon besondere Beachtung zu. Zu Flavius Josephus und zum sogenannten ‚Testimonium Flavianum‘ vgl. MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 121. Neben jüdischen Schriftzeugnissen beriefen sich christliche Autoren gerne auch auf heidnische Schriftsteller oder Orakelsprüche, um die Rechtmäßigkeit des christlichen Glaubens zu unterstreichen, offenbare sich der göttliche Heilsplan doch allen Völkern der Welt. Die sybillinischen Weissagungen entnahm Roberto Caracciolo da Lecce Aurelius Augustinus, De civitate Dei, Lib. XVIII, c. 23, in: ders., Opera XIV,2, S. 613615. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Dominica secunda de adventu. Sermo de divinitate Jhesu Christi, fol. 133v: „Item in historiis romanorum invenitur quod tempore Constantini imperatoris et helene matris eius inventum fuit quoddam sepulchrum constantinopoli: in quo iacebat homo auream laminam habens: in qua scriptum erat: Christus nascetur de virgine. Credo in eum. O sol et luna sub Helene et Constantini temproibus iterum me videbitis.“ Diese Legende gehörte zum religiösen Gemeingut christlicher Theologen im Mittelalter, die das Geheimnis der Messianität und Menschwerdung Christi darlegten. Vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologica II, II, q. 2, art. 7.; ders., 3 Sent. d. 25, q. 2, a. 2.

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geboren werden‘. 25 Im Traum Nebukadnezars von den vier Weltreichen fand Roberto Caracciolo da Lecce bereits angekündigt, was Legenden spektakulärer, eindrucksvoller und anschaulicher in Erinnerung rufen sollten. Das ‚Herabfallen des Steines ohne Hände‘ weise demnach auf die jungfräuliche Geburt Christi. 26 In der wundersamen Geburt eines Knaben zu Bethlehem durch eine Jungfrau sahen christliche Theologen sowohl die Messianität als auch die Menschwerdung des Gotteswortes in Jesus Christus bewiesen. Als Jungfrau, „die wunderbar empfangen und jungfräulich geboren hatte“, gebe Maria „Gewähr für die göttliche Abkunft ihres Sohnes“ 27. Über ihre Rolle im göttlichen Heilsplan stritten christliche und jüdische Theologen während des Mittelalters erbittert. Christen galt Maria als verehrungswürdige und hilfreiche Gottesmutter; Juden hingegen spitzten ihre antichristliche Polemik zuweilen zu, wenn sie Maria eine Ehebrecherin und Hure schalten. 28 Wurden hingegen Argumente theologischer Art ausgetauscht, war Jes 7,14 ein biblischer Schlüsseltext der Debatte. 29 Ihn auf die jungfräuliche Geburt Jesu zu beziehen, gehörte zum religiösen Gemeingut von Christen. Eine solche Ausdeutung hinterließ nicht allein in gelehrten exegetischen Traktaten Spuren, sondern sollte auch in volkstümlichen Marienlegenden und bildhaften Darstellungen für ein breiteres Publikum anschaulich und einsichtig werden. 30 Roberto Caracciolo da Lecce wußte um Einwände, die jüdische Theologen vorbrachten, um der bereits vom Evangelisten Matthäus für Christen besondere Autorität und verpflichtenden

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Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Dominica secunda de adventu. Sermo de divinitate Jhesu Christi, fol. 133v: „Item in librum quidam reperto apud Tholetum in quodam saxo tempore Ferdinandi regis castelle qui scriptus erat littera hebraica: greca: et latina loquens de triplici mundo: ponens christum in tertio mundo dicebatur. In tertio mundo filius dei nascetur ex virgine Maria: et pro salut omnium patietur. Et erat ibi scriptum quod liber ille tempore dicti regis deberet inveniri.“ Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Feria quinta post secundam dominicam de adventu. Sermo contra iudeos qui dicunt christum esse venturum, fol. 25r: „Per lapidem autem abscisum sine manibus designatur christus: qui est natus de virgine sine manibus complectentium: que virgo designatur per montem propter excellentiam vite.“ KLAUS SCHREINER, Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin, München-Wien 1994, S. 414. EBENDA, S. 417-422. Vulgata, Jes 7,14: „(...) propter hoc dabit Dominus ipse vobis signum ecce virgo concipiet et pariet filium et vocabitis nomen eius Emmanuhel (...)“. Eine kurze Zusammenfassung der widersprüchlichen jüdischen und christlichen Exegese von Jes 7,14 bei SCHREINER, Maria, S. 423-429 und MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 197-208. Einige Beispiele zur Verwendung von Jes 7,14 als Prophetie, in denen der alttestamentliche Seher die Geburt Christi durch die Jungfrau Maria ankündigte, etwa die Biblia pauperum, volkssprachliche Marienleben und zu bildhaften Darstellungen, bei SCHREINER, Maria, S. 426.

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Charakter verliehenen christologisch-mariologischen Exegese der Prophetie des Jesajas 31 ihre Grundlage zu entziehen. Aus jüdischer Sicht deutete das Zeichen, das Gott dem judäischen König Ahas gab, auf seinen Sohn Hiskia hin. Jesus von Nazareth, so eine zentrale Kritik jüdischer Bibelgelehrter und bibelkundiger Rabbiner, könne allein deswegen schon nicht der verheißene Neugeborene gewesen sein, ereignete sich seine Geburt doch einige 100 Jahre später als der alttestamentliche Seher das Gotteszeichen festhielt, d.h. das die Erfüllungen derartiger Prophetien zeitnah zum historischen Kontext ihrer Entstehung erfolgen müßten. 32 Im Jahr 733 v. Chr. zogen die syrischen und israelitischen Könige Rezin von Damaskus und Pekach von Samaria gegen Jerusalem, um den judäischen König Ahas abzusetzen, da jener sich weigerte, ihrem Bündnis gegen die Assyrer beizutreten. Der Prophet Jesaja zog auf Geheiß Gottes Ahas entgegen und riet ihm zur Neutralität im syrisch-ephraimitischen Krieg. Der Herr selbst forderte den judäischen König auf, in jener Zeit der Bedrohung ein schicksalweisendes Zeichen von ihm zu erbitten. Ahas, so berichtet das Buch Jesaja weiter, lehnte jedoch ab, da er ihn nicht versuchen wollte. Daraufhin erging von Gott die in Jes 7,14 aufgezeichnete Ankündigung eines Sohnes. Jüdischen Theologen galt die Geburt Hiskias als göttliches Zeichen, daß die Reiche jener Könige, die die Herrschaft Ahas bedrohten, vergehen werden, während das Königreich Juda unter Königen aus dem Hause David bestehen bleibe. 33 Roberto Caracciolo da Lecce begegnete Juden, die Jes 7,14 auf Ahas und seinen Sohn Hiskia auslegten, zunächst mit einer jüdischen theologischen Autorität. Salomon ben Isaak habe 31

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Vulgata, Mt 1,22-23: „(...) hoc autem totum factum est ut adimpleretur id quod dictum est a Domino per prophetam dicentem [Jes 7,14; M.H.] ecce virgo in utero habebit et pariet filium et vocabunt nomen eius Emmanuhel quod est interpretatum Nobiscum Deus (...)“. Zur jüdischen Betonung historischer Kontexte biblischer Prophetie vgl. MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 198f. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Feria quinta prime dominice de adventu. Sermo de perpetua virginitate sancte marie virginis que fuit vera mater domini noster Jhesu Christi, fol. 10v: „Prima auctoritas virginitatem Marie manifestans dicitur prophetica. Dicit namque Ysa.7.c. Ecce virgo concipiet et pariet filium. Sed hanc auctoritatem iudei dicunt non posse intelligi de christo. Dicunt enim primo quod ibi dicitur dabit dominus vobis signum.s.libertatis Acham et populi sui: a duobis regibus regnum eius destruere volentibus. Jhesus autem nacarenus natus est post tempus Acham per quingentos annos et amplius. Ergo conceptio vel nativitas Ihesu nacareni nullo modo fuit signum dicte liberationis.“ Nochmals ders., Specchio della fede, Sermo 37, fol. 143v. Der spanische Rabbiner Joseph Albo († 1444), als Abgesandter der jüdischen Gemeinde von Daroca einer der wichtigsten jüdischen Theologen beim Religionsgespräch von Tortosa 1413/1414 schrieb im ‚Ikkarim‘, dem ‚Buch der Glaubensgrundsätze‘: „Sogar schon Kinder wissen, daß diese Schriftstelle auf (König) Ahas gesagt wurde ungefähr 600 Jahre vor Jesus als ein Zeichen, daß die Königreiche Aram (Syrien) und Israel zugrundegehen werden, aber das Königreich Juda werde bestehen unter Königen aus dem Haus David. Wie aber konnte die Geburt Jesu von einer Jungfrau ein Zeichen für Ahas sein?“ Zitiert nach SCHREINER, Maria, S. 427.

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auf die Bücher der Könige hingewiesen, denen zu entnehmen sei, daß Hiskia bereits neun Jahre alt gewesen sei, als Ahas seine Herrschaft antrat. Daher könne er nicht der verheißene Immanuel sein. 34 Sich auf Raschi zu berufen, war für christliche Theologen nicht unproblematisch, verließ der Bibel- und Talmudkommentator in seiner Interpretation doch nicht den engen historischen Kontext der Jesajaprophetie, sondern deutete sie auf den Sohn des alttestamentlichen Sehers, von dem Jes 8, 1-4 kündet. 35 Roberto Caracciolo da Lecce gab demgegenüber zu bedenken, daß der in Jes 7,14 angekündigte und in Jes 8,8 nochmals erwähnte Immanuel nicht Jesaja selbst, noch sein Sohn sein könne, da sie niemals die ihm zukommende herrschaftliche Gewalt über Juda ausübten. 36 34

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Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Feria quinta prime dominice de adventu. Sermo de perpetua virginitate sancte Marie virginis: que fuit vera mater domini nostri Jhesu Christi, fol. 10v: „(...) dicunt iudei quod hec scriptura exponitur de Ezechia filio regis Acham qui post dictum prophete natus est. Sed hoc dictum impugnat rabbi Salomon per hoc quod Ezechias erat 25 annorum quando cepit regere post Acham patrem suum imediate ut habetur 4. Reg. 18. Acham regnavit tamen 16 annis ut habetur 4. Reg. 16.c. Ergo in principio regni Acham antequam dicitur prophetia: Ezechia erat natus et erat 9 annorum.“ Ebenso ders., Specchio della fede, Sermo 37, fol. 143v. Vulgata, Jes 8,1-4: „(...) et dixit Dominus ad me sume tibi librum grandem et scribe in eo stilo hominis Velociter spolia detrahe Cito praedare et adhibui mihi testes fideles Uriam sacerdotem et Zacchariam filium Barachiae et accessi ad prophetissam et concepit et peperit filium et dixit Dominus ad me voca nomen eius Adcelera spolia detrahere Festina praedari quia antequam sciat puer vocare patrem suum et matrem suam auferetur fortitudo Damasci et spolia Samariae coram rege Assyriorum (...)“. Einiges zur Exegese von Jes 8, 1-4 durch Raschi bei MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 209-212. Raschi war nicht der einzige jüdische Theologe des Mittelalters, der Jes 7,14 nicht auf Hiskia, sondern auf den Sohn des Jesaja bezog. Vgl. erneut MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 211. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Feria quinta prime dominice de adventu. Sermo de perpetua virginitate sancte Marie virginis que fuit vera mater domini nostri Jhesu Christi, fol. 10v-11r: „Et propter hoc [die Ausführungen Raschis, wonach Jes 7,14 allein schon aus chronologischen Überlegungen nicht auf Ahas und dessen Sohn Hiskia zu beziehen sei; M.H.] dicit rabbi Salomon quod hec prophetia intelligenda est de filio Ysaie. Acceperat enim Ysaias in uxorem quandam iuvenculam et iam conceperat de eo. Et quia de puero existente in matris utero nescitur sit masculus vel femina: imo quod certitudinaliter predicitur per aliquid signum: est credibile quod illud quod promittitur ad talem signum sit futurum. Est ergo sensus. Pariet filium et quando in nativitate eius videbis verbum meum verificatum: scias te a duobus regibus te invadem disponentibus cito liberandum. Et ita fuit quia post prevaricationem Acham rex assyriorum venit in Damascum contra Rasim regem syrie et cum interfecit: et populum eius transtulit in cinerem ut habetur 4. Reg. 16 c. Et eodem anno ut ibidem dicitur Osee filius Hela coniuravit contra Phacee filium Romelie regem israel. Et eum interfecit. Sed ista expositio non potest stare quia in c. sequenti dicitur de puero nato: Et erit extensio alarum eius implens latitudinem terre tue o emanuel. Et loquitur ibi de terra regni iudee: cuius numquam dominus fuit Ysaias nec filius eius et etiam emanuel de quo fit sermo: non fuit filius Ysaia.“ Ähnlich ders., Specchio della fede, Sermo 37, fol. 143v. Ohne seine Quellen explizit zu nennen, dürfte Roberto Caracciolo da Lecce seine Argumentation wiederum von Nikolaus von Lyra übernommen haben. Allerdings brachte er nicht alles vor, was sein Ordensbruder gegen die Deutung Raschis, Jes 7,14 weise auf den Sohn des

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Mit Nikolaus von Lyra trat der Franziskanerprediger zudem der von Juden im Streit um die Deutung von Jes 7,14 vorgebrachten Auffassung von der Abhängigkeit exegetischer Ausführungen vom historischen Kontext biblischer Prophetien entschieden entgegen. Demnach müsse man in der Bibel zeichenhaft Verkündetes danach unterscheiden, ob es sich um ein signum prognosticum oder ein signum rememorativum handle. Ersteres weise auf ein zukünftiges Ereignis hin, während letzteres auf ein Ereignis abhebe, das als Bestätigung einer älteren Verheißung gelten könne. Das Zeichen, das Ahas von Gott empfing, sei ein signum rememorativum. Ahas konnte es nicht erkennen, da er – so die traditionelle christliche Auffassung – Gott nicht glaubte; so sei es dem Haus David und damit letztlich auch Maria und Joseph gegeben worden, die es zu deuten verstanden. Das Zeichen galt nicht, wie Juden behaupteten, der Befreiung Jerusalems aus der bedrängten Lage zur Zeit des Königs Ahas. Vielmehr symbolisiere es die Erlösung der Welt in und durch Jesus Christus, der durch die Jungfrau Maria geboren worden sei. 37 Die Auffassung, daß Ahas das Zeichen nicht erkannte und dieses daher dem Hause Davids gegeben wurde, gehörte schon seit dem Kirchenlehrer Origines († 253/54) zum religiösen Gemeingut christlicher Theologen und belegt, daß die jüdisch-christliche Kontroverse des Mittelalters in hohem Maße traditionsverhaftet war und von autoritativen Argumenten lebte, die früh entworfen waren und seit dem immer neu vorgetragen wurden. Roberto Caracciolo da Lecce wußte um weitere Einwände, die Juden vorbrachten, um darzutun, daß Jes 7,14 nicht christologisch gedeutet werden könne. Juden konfrontierten Christen mit der Frage, warum Maria Jesus nicht

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alttestamentlichen Sehers hin, anführte. Zur Entgegnung Lyras auf Raschi vgl. HERMAN HAILPERIN, Rashi and the Christian Scholars, Pittsburgh 1963, S. 165-168. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Feria quinta prime dominice de adventu. Sermo de perpetua virginitate sancte Marie virginis que fuit vera mater domini noster Jhesu Christi, fol. 11r: „Ad primum autem quod iudei opponebant dicendum est secundum Nicolaus de Lira quod in sacra scriptura ponitur duplex significatum respectus alicuius eventus. Unum pro[g]nosticum quod est indicativum effectus futuri ut patet Judic.c.6.ubi datum fuit signum Gedeoni in vellere quod indicativum auctoris salutis fuit. Aliud est signum rememorativum effectus preteriti sicut Exodi.3.dixit dominus Moysi.Habebis signum: quod miserim te: Cum tu eduxeris populum meum de egypto: immolabis super montem istum. Istud signum est rememorativum et respicit preteritum in magna distantia sicut in parva: ut etiam signum pro[g]nosticum respectu futuri. Dicendum ergo quod liberatio regni iudee a persecutionibus fuit signum salvationis mundi fiende per christum. Et quia Acham erat incredulus verbo prophetie: conveniens fuit ut sibi daretur signum rememorativum futuri in longinquum ut ipse in propria persona non audiret sicut in mente non credebat. Illi tamen qui descenderunt ab eo viderunt: ut Maria et Joseph. Et imo signantur prophetia non direxit verbum ad acham dicens.audi Acham: sed ad domum David.d.Audite ergo Domus David.de qua domo fuit Joseph et Maria si tamen ad eos refertur quod ibi dicitur: Numquid parum nobis est et c.sed quod subditur dabit dominus ipse vobis signum.“ Vgl. dazu MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 200f. Dort zeigt sich auch, daß Alphonso de Espina in seinem Fortalitium Fidei ähnlich wie Roberto Caracciolo da Lecce argumentierte.

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den in Jes 7,14 angekündigten Namen Immanuel gegeben habe, wenn es zutreffen sollte, daß die Prophetie des alttestamentlichen Sehers auf den Nazarener weise. Zudem, so Roberto, machten sie auf philologische Unterschiede zwischen einem ursprünglichen hebräischen Bibeltext und seiner lateinischen Übersetzung aufmerksam. Der Hinweis von Juden, daß das hebräische Äquivalent des lateinischen virgo, das in der Vulgata Anwendung fand, alma heiße, was aber nicht Jungfrau, sondern junge Frau bedeute, gehörte seit frühester Zeit zur jüdischen Kritik an der christlichen Lesart von Jes 7,14. 38 38

Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Feria quinta prime dominice de adventu. Sermo de perpetua virginitate sancte Marie virginis que fuit vera mater domini noster Jhesu Christi, fol. 10v: „2° arguunt quia in hebreo dicitur Ecce alma: quod nomen non significat virginem sed adolescentulam: et indifferentur sumitur de virgine et corrupta. 3° arguunt: quia dicta prophetia ponitur Et vocabitur nomen eius emanuel et in hebreo habetur: et vocabitur ipsa.s.alma nomen eius emanuel. Jhesus autem non fuit vocatus a matre sua emanuel: sed Jhesus ut patet in evangelio. Ergo hoc secundum litteram non potest intelligi de christo.“ Ebenso ders., Specchio della fede, Sermo 38: Della virginita dela Madre di Iesu nostro salvatore, fol. 143v. Die Diskussion, ob mit dem lateinischen virgo die Bedeutung des hebräischen alma angemessen wiedergegeben ist, war seit den ersten nachchristlichen Jahrhunderten zentrales Element der jüdisch-christlichen Kontroverse um die Deutung von Jes 7,14. Vgl. SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 1, S. 69, 206, 219, 250, 265 u. 439. Bereits der Märtyrer Justinus legte in seinem fiktiven Dialog mit dem Juden Tryphon, der ersten überlieferten antijüdischen Apologie, seinem jüdischen Gesprächspartner nämliches antichristliches Argument in den Mund. Vgl. SCHREINER, Maria, S. 423 und SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 1, S. 182-200. Adam Kamesar wies jedoch darauf hin, daß „all of our information concerning the controversy about the virgin of Isa. 7:14 in the first five centuries comes from Christian sources. The verse is cited only rarely in the rabbinic corpus (...) and the material status of the girl in question is not discussed. It seems that Isa. 7:14 was not understood in any Messianic sense by Jewish interpreters.“ ADAM KAMESAR, The Virgin of Isaiah 7:14. The Philological Argument from the Second to the Fifth Century, in: Journal of Theological Studies 41 (1990), S. 51. Demnach ist eine zunehmende Beschäftigung jüdischer Theologen mit Jes 7,14 im weiteren Verlauf des Mittelalters eine Reaktion auf die christologisch-mariologische Deutung der Jesajaprophetie seitens christlicher Theologen. Zur Tradition um den jüdischen Einwand, Maria habe Jesus nicht Immanuel genannt vgl. MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 210f. In der Adventspredigt über die Jungfräulichkeit Marias wies Roberto Caracciolo noch auf einen weiteren jüdischen Einwand hin, den er im Specchio della fede nicht wiederholte. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Feria quinta prime dominice de adventu. Sermo de perpetua virginitate sancte Marie virginis que fuit vera mater domini noster Jhesu Christi, fol. 10v: „4° arguunt [die Juden; M.H.] ex hoc quod si conditur in hec c. antequam [der Bezug ist Jes 8,4; M.H.] sciat puer vocare patrem et matrem. Ex quo patet quod de puero de quo hic est sermo fuit ignorantia: quod christiani negant de ihesu nazareno: in quo fuit plenitudo scientie ab instanti sue conceptionis.“ Roberto Caracciolo da Lecce antwortete, es handle sich um menschliche Erkenntnis, die Christus nach der Menschwerdung des göttlichen Logos noch erwerben mußte. Danach sei die in Jesaja verheißene Befreiung des Volkes, d.h. die Errettung aller Sünder erfolgt. Ebenda, fol. 11r: „Ad quartum dicendum quod licet in christo non fuit aliqua ignorantia.fuit tamen homo in tempore et sic habuit scientiam infusam in tempore et antequam illam haberet: liberatio populi promissa

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Roberto Caracciolo da Lecce antwortete mit Argumenten, die die christliche Exegese plausibel und rechtmäßig erscheinen lassen sollte. Er griff dabei erneut auf Nikolaus von Lyra zurück, brachte jedoch damit zum Teil Überlegungen vor, die bereits frühchristliche Kirchenlehrer formuliert hatten. In den biblischen Texten könnten zwei Arten von Namen gelesen werden; es müsse zwischen einem natürlichen Namen (nomen nature), der einer Person als Mensch gegeben wird, und einem Namen, der geistliche Eigenschaften einer Person betont (nomen impositione), unterschieden werden. Christus wurde Jesus genannt. Ihm kommen jedoch auch andere Namen zu, unter anderem Immanuel, was ‚Gott mit uns‘ bedeute und die göttliche und zugleich menschliche Natur Christi unterstreiche. 39 Der Franziskanerprediger wies den Vorwurf, der Christen letztlich den Gebrauch eines verfälschten und damit irrsinnigen Bibeltextes unterstellte, einerseits mit Verweisen auf die ersten beiden mosaischen Bücher zurück, in denen die hebräische Fassung für Rebekka, die spätere Frau Isaaks (Gn 24,16), und für Maria, die Schwester Moses (Ex 2,8), sehr wohl alma zur Bezeichnung ihrer Jungfräulichkeit verwende. 40 Bereits der

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per Ysaiam completa fuit.“ Auch diese Antwort verläuft in traditionellen Bahnen. Vgl. MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 214. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Feria quinta prime dominice de adventu. Sermo de perpetua virginitate sancte Marie virginis que fuit vera mater domini noster Jhesu Christi, fol. 11r: „Ad tertium dicendum quod duplex est nomen alicuius.s.impositionis et nature.sicut Petrus est nomen alicuius s.impositionis.homo autem vel hic homo est nomen nature. Jhesus ergo fuit nomen impositum ipsi christo.ut patet Lc 2. Emanuel autem est nomen nature seu proprietas.significat enim: nobiscum deus.ut dictum est supra. Et hoc est proprium christi: in quo divina natura et humana sunt convincte in eodem supposito. Et hoc modo vocatus est pluribus aliis nominibus proprietates nature significantibus: sicut vocatus est lapis. Daniel 2.“ Ders., Specchio della fede, Sermo 37, fol. 143v: „Tertio ne contradicono li iudei che in la profetia de Isaia si dice.Si chiamara lo suo nome Hemanuel e Christo fo chiamato Iesu. Donque non si po intendere di Christo. A questo risponde Nicolo de Lira che sono doi nome uno di natura laltro de impositione homo e no me di natura Petro Iohanne e simile sono nomi de impositione Hemanuel e nome di natura: o vero proprieta et se interpreta Dio con noi. E questo e proprio di Christo in chi la natura divian et humana sono coniuncte in uno supposito. E cossi e chiamato con piu altri nomi significante la proprieta della natura Iesu e nome de impositione.“ Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Feria quinta prime dominice de adventu. Sermo de perpetua virginitate sancte Marie virginis que fuit vera mater domini noster Jhesu Christi, fol. 11r: „Et sic non inveniuntur in tota scriptura scripte: nisi tamen tres.s.Rebecca. Gen 24.ubi dicitur de ca. Puella decora nimis virgoque pulcherrima etc. [Gn 24,16; M.H.] Et sequitur. Puella que egredietur. In hebreo habetur halma que egredietur. Secunda fuit Maria soror Moysi. De qua Exod. 2 dicitur Fuit puella (Ex 2,8). In hebreo dicitur Fuit halma. Et iste due fuerunt due virgines purissime quoniam fuerunt sic nominate. Tertia fuit beata virgo Maria in hac prophetia Ysaia.“. Ders., Specchio della fede, Sermo 37, fol. 143v. Roberto lehnte sich auch hier an Nikolaus von Lyra an, der allerdings die christliche Argumentation, wonach alma auch als Bezeichnung von Jungfrau in alttestamentlichen Schriften Anwendung fand, um den Hinweis auf Gn 24,43 ergänzte. Nikolaus von Lyra selbst hatte dies wohl den Dialogi des Petrus Alphonsus (um 1076-um 1110), einem konvertierten spanischen Juden,

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Kirchenlehrer Origines versuchte sich an einer solchen Argumentation: „Wenn aber ein Jude in seiner Wortklauberei behaupten würde, in der Schrift heiße es nicht: ‚Siehe die Jungfrau‘, sondern statt dessen: ‚Siehe das Mädchen‘, so wollen wir ihm darauf entgegnen, daß das Wort ‚alma‘, welches die Siebenzig (die Übersetzer der Septuaginta) mit ‚Jungfrau‘, andere aber mit ‚Mädchen‘ übersetzt haben, auch im Deuteronomium, wie man sagt, eine ‚Jungfrau‘ bezeichnet.“ 41 Roberto Caracciolo gab erneut mit Nikolaus von Lyra zu bedenken, daß die Bedeutung von alma sehr wohl Jungfrau sein könne, zumal wenn der hebräische Text dem Nomen noch ein ‚h‘ voranstelle. Halma bedeute verborgen und bezeichne ein junges Mädchen (invencula), das noch nicht von einem Mann erkannt worden sei. Zweifellos handle es sich dann um eine vor dem männlichen Geschlecht keusch und unversehrt gebliebene Frau; der Prediger zitierte hier fast wörtlich Nikolaus von Lyra. 42 Dieser Argumentationsstrang, der später maßgeblich wurde 43, läßt sich auf Hieronymus zurückführen. In seinem Jesaja-Kommentar stellte der Kirchenvater umfangreiche philologische Überlegungen an. Er gab zu, daß nicht alma, sondern na’ara das im Hebräischen gewöhnlich verwendete Wort zur Bezeichnung einer jungen Frau sei. Hieronymus gestand zudem ein, daß Juden, wollen sie eine Jungfrau

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entnommen. Vgl. MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 208f. Zu Petrus Alphonsus MANFRED KNIEWASSER, Die antijüdische Polemik des Petrus Alphonsi (getauft 1106) und des Abtes Petrus Venerabilis von Cluny (1156), in: Kairos 22 (1980), S. 34-76 und BARBARA PHYLLIS HURWITZ, „Fidei Causa et Tui Amore“. The Role of Petrus Alphonsi’s Dialogues in the History of Jewish-Christian Debate, Ann Arbor/ Michigan 1984. Zitat entnommen SCHREINER, Maria, S. 424. Origines verwies auf Dt 22,23-26. Obschon gemeinhin angenommen wird, daß Origines gut Hebräisch konnte, gab Nicholas de Lange zu bedenken, daß Origines hier vom hebräischen Bibeltext unzulässig abwich, der dort nicht alma, sondern das Wort na’arah verwendet. Vgl. NICHOLAS DE LANGE, Origen and the Jews. Studies in Jewish-Christian Relations in the Third-Century Palestine, Cambridge 1976, S. 99. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermones de adventu. Feria quinta prime dominice de adventu. Sermo de perpetua virginitate sancte Marie virginis que fuit vera mater domini noster Jhesu Christi, fol. 11r: „Ad secundum dicendum quod halma in hebreo significat absconsam: et inde halma dicitur absconsa que significat iuvenculam aspectibus hominum absconditam: ita quod de eius pudicitia et integritate non dubitatur: maximequndo ponitur littera h et tunc sonat helona.“ Nikolaus von Lyra schrieb: „In hoc passu quod halum significat absconsionem, et inde dicitur halma abscondita que significat iuvenculam aspectibus hominum absconditam: ita quod de eius pudicicia et integritate non dubitatur maxime quando preponitur litera he, et tunc sonat healma.“ Zitat entnommen MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 209, Anm. 93. Der Bezug des Roberto Caracciolo da Lecce auf Nikolaus von Lyra wird deutlicher im Specchio della fede, Sermo 37, fol. 143v: „Secondo loro [die Juden; M.H.] ne opponeno che in la sopradicta auctorita [Jes 7,14; M.H.]. In Hebreo si dice halma non vergine. E quello nome non significa vergine: ma adolescentula o giovenetta. A questo respo(n)de Nicolo de Lira che Halma in hebreo e scripto con la h significa la giovanetta nascosta siche non si dubita della sua pudicitia et integrita.“ Vgl. MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 205f.

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bezeichnen, bethula alma vorziehen. Gleichwohl verteidigte er die von ihm in seiner lateinischen Bibelübersetzung vorgenommene Widergabe des hebräischen alma mit virgo, indem er vermeintliche etymologische Aspekte von alma anführte. Demnach sei alma trotz der möglichen, sich auf fundierte Hebräischkenntnisse stützenden Einwände sowohl ein Synonym für Jugend als auch für Jungfräulichkeit, meinte Hieronymus doch in alma einen hebräischen Wortstamm zu entdecken, der im Lateinischen angemessen mit abscondita und damit mit Jungfräulichkeit wiedergegeben werden könne. 44 Roberto Caracciolo da Lecce war nicht der einzige Prediger aus den Reihen der franziskanischen Ordensfamilie im Italien der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, der lehrmäßig und ausnehmend breit eine veritas christiana gegen jüdische Einwände verteidigte. Die observanten Franziskanerprediger Michele Carcano da Milano und Bernardino da Busti bemühten ebenfalls mehrfach den klassischen antijüdischen Geschichtsbeweis, die christologische und mariologische Deutung alttestamentlicher, im Neuen Testament zur Heilswirklichkeit gekommener Prophetien ebenso wie pagane Weissagungen, christliche Traditionsliteratur und antijüdische legendäre Berichte, um ihr Predigtpublikum von der Messianität Christi und seine Geburt durch die Jungfrau Maria zu überzeugen. 45 Sie verwiesen dabei – ebenso wie Roberto Caracciolo da Lecce – auf ein falsches jüdisches Schriftverständnis, das die Anhänger der älteren Bruderreligion davon abhalte, die christliche Glaubenswahrheit zu erkennen, und folgten dem von ihrem Ordensbruder Nikolaus von Lyra explizit vorgetragenen Grundsatz ‚ex Iudaicis contra Iudaeos‘, um die 44 45

EBENDA, S. 214f. Predigten, in denen Michele Carcano da Milano und Bernardino da Busti explizit und detailreich eine veritas christiana gegen jüdische Einwände verteidigten sind: Michele Caracano da Milano, Sermonarium de poenitentia per adventum et quadragesimam, Sermo 27: De adoratione eius per magos factos, fol. 48v-52r und Bernardino da Busti, Rosarium, Feria sexta post primam dominicam quadragesime. De reprobatione secte pagani, mahumeti et Judei. Sermo XIIII, fol. 79r-87r. Bernardino da Busti verbindet in dieser Predigt christologische und mariologische Aspekte, während Michele Carcano sich einzig auf die Messianität Christi konzentrierte. Relevant für den antijüdischen christlichen Geschichtsbeweis sind noch folgende Predigten des observanten Franziskanerpredigers Michele Caracano da Milano: Quadragesimale de fide, Sermo 7: De probatione fidei propter dispersionem iudeorum, fol. 16v-18v und Sermonarium de peccatis per adventum et per duas quadragesimas, Sermo 29: De maledictione ex ira, Venedig 1476, fol. 78r-81r. Die jungfräuliche Geburt Christi wird breit dargelegt von Michele Caracano da Milano im Sermonarium de poenitentia per adventum et quadragesimam, Sermo 23: De virginitate et de sponsatione virginis Marie, fol. 117r-118v. Neben Jes 7,14 bemühte er mit dem verschlossenen Tor, das allein Gott druchschreiten dürfe aus Ez 44,2, einen weiteren locus classicus. Vgl. SCHRECKENBERG, AdversusJudaeos, Bd. 1, S. 71 und SCHREINER, Maria, S. 424. Die Geburt Christi durch die Jungfrau Maria legte Michele Carcano, Quadragesimale de fide, Sermo 97: De conceptione Christi in virgine, fol. 307r-310v aus.

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jüdischen Glaubensirrtümer offenbar zu machen. Lediglich in der Ausführlichkeit ihrer Darstellung und zuweilen hinsichtlich ihrer Textbezüge lassen sich Unterschiede zwischen den drei Predigern ausmachen. Angesichts der Ähnlichkeit der Argumentationen, erübrigen sich hier aber weitere Ausführungen. Die franziskanischen Prediger verteidigten nicht nur christliche Dogmen wie die göttliche Dreifaltigkeit, die Messianität Christi oder seine Geburt durch die Jungfrau Maria. Neben der antijüdischen Profilierung christlichen Glaubensund Sakramentenwissens verzichteten die Prediger auch nicht auf Antijudaismen, wenn Leitkonzepte christlicher Frömmigkeits- und Lebenspraxis Thema waren. In einer Predigt über das Laster der Undankbarkeit verglich Roberto Caracciolo da Lecce Juden und Christen. Die altgläubigen Israeliten entbehrten aufgrund ihres vielfach unbotmäßigen Verhaltens gegen Gott, das seinen Höhepunkt mit der Zurückweisung Jesu Christi hatte, jeglicher göttlicher Wohltaten (beneficia). Sie hätten weder Teil an der Gottessohnschaft noch könnten sie auf Sündenvergebung hoffen, die sie aus der Gewalt des Teufels löse. Christen hingegen besäßen mit den amtskirchlich verwalteten Sakramenten von Taufe und Buße sündenlösende Hilfsmittel. In der Eucharistie erneuerten sie die Gemeinschaft mit Christus. Spätmittelalterliche Prediger vermittelten ihre Inhalte nicht allein durch gelehrte Theologie, die von ungeschulten Laien kaum verstanden werden konnte, sondern veranschaulichten sie bilder- und beispielreich. Franziskanerprediger, denen ihre Ordensregel vorschrieb, über Lohn und Strafe von Tugenden und Lastern zu predigen, beschrieben ihre Predigt als ein Spiegel, der jedem einzelnen Christ das Bild seiner eigenen Sündhaftigkeit vor Augen führen sollte. 46 Der Verweis auf Christen, die ihren Glauben nicht lebten und schlimmer als Juden sündigten, wurde dabei „zu einer stereotypen Grundformel 46

Der Franziskanerobservant Giacomo della Marca verglich die Predigt mit einem Spiegel. Vgl. Iacobus de Marchia, Sermones dominicales, Bd. 1, De verbo Dei, hg. von Renato Lioi, Falconara 1978, S. 375: „Articulus secundus: quibus figuratur [die Predigt; M.H.] (...) secundo, speculo representanti. Sicut enim in speculo representatur unaqueque figura, ita verbum Dei representat homines quales sunt: vel lupus rapax, vel leo superbus, vel equus vanaglorius, vel porcus luxuriosus, vel vulpes malitiosus, vel bos avarus, vel homo rationalis et huiusmodi. Et sicut inprimitur ymago in speculo, ita predicator imprimit Deum in corda audientium.” Roberto Caracciolo da Lecce schrieb unter anderem einen ‚Glaubensspiegel‘, den, ‚Specchio della fede‘. Susan Tipton wies darauf hin, daß die Spiegelmetahper als „Titel für Schriften moralisierenden und erbaulichen Inhalts (...) eine Erfindung des Mittelalters“ war. Vgl. SUSAN TIPTON, Res publica bene ordinata. Regentenspiegel und Bilder vom guten Regiment. Rathausdekorationen in der Frühen Neuzeit, Hildesheim-Zürich-New York 1996, S. 25. Allgemeiner und grundlegender zur Spiegelmetapher als Buchtitel HERBERT GRABES, Speculum, Mirror und Looking-Glass. Kontinuität und Originalität der Spiegelmetapher in Buchtiteln des Mittelalters und der englischen Literatur des 13. bis 17. Jahrhunderts, Tübingen 1973.

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innerchristlicher Desavouierung lasterhaften Verhaltens“ 47. In der Auftaktpredigt seiner volkssprachlichen Predigtsammlung ‚Specchio della fede‘ klagte Roberto Caracciolo da Lecce über sündhafte Ausschweifungen und Unordnungen in der christlichen Gesellschaft Italiens: „Ein großer Teil der Christen fehlt am guten Handeln; bei ihnen findet man weder Liebe, Furcht, und Ehre gegenüber Gott noch Glaube Hoffnung und Liebe, noch Frömmigkeit, Milde, Wahrheitsliebe, Enthaltsamkeit, Keuschheit noch Maßhalten. Überall regiert der Hochmut, Habsucht und Genußsucht. Jene, die die Taufe empfangen haben, befinden sich in schlechterem Zustand als Juden, Türken und Sarazenen. Vor allem lästern sie Gott und die Heiligen tausendmal mehr als es die Ungläubigen tun. Es genügt nicht, oh ihr Christen, sich taufen zu lassen und zu sagen: ‚Ich glaube‘, jedoch sein Handeln danach nicht zu richten.“ 48 Bernardino da Feltre verurteilte die Sünde von Christen schärfer als jene von Nichtchristen, da sündhaftes Handeln aus Gliedern der Gemeinschaft Christi Parteigänger des Teufels mache. 49 Den Vergleich mit Juden hielten schlechte und falsche Christen in den Augen Bernardinos nicht stand. 50 Auf sie münzte er, was dereinst Augustinus vorgebracht hatte: „Die, die nun Christus im Himmel lästerten, sündigten noch schwerer als jene, die ihn auf Erden kreuzigten.“ 51 Für Michele Carcano da Milano sündigten Christen seiner Zeit nicht nur gegen den in den Himmel aufgefahrenen Gottessohn. Er brachte 47 48

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KIRN, Contemptus mundi – contemptus Judaei?, S. 154 Roberto Caracciolo da Lecce, Speccio della fede, Sermo 1, fol. 4v: „Oime oime [sic!] quanto e in questi tempi dissoluta e dissordinata per la piu parte la cristiana gente in ogni stato in ogni grado in ogni officio giamai si po dire (...) Tutti cioe una gran parte sono mancati dal ben fare non si trova amore non timore non riverentia di dio non fede non speranza non carita non pieta non clementia non verita non continentia non castia non sobrieta. Da ogni parte regna la superbia la avaritia e la luxuria e dal baptismo infora si trovano assai cristiani e maiori e minori de peggiore conditione che non sono giudei turchi e saraceni. E intra le altre sceleragie tanto e habundata la biastema di dio e di sancti che piu si commette tale sacrilego peccato in uno di intra cristiani che in mille e piu intra tutti gli infideli. Non basta non basta o cristiani baptizati dire io credo si non fate bene.” Vgl. ebenda, Sermo 8, fol. 59r: „O iudei increduli che aspectate piu: elle venuto el Salvatore del mondo: elle venuto quello tanto aspectato. Ma nel vero si sono reprehensibili gli iudei liquali non vogliano acceptare cristo essere venuto. Molto piu sono da reprehendere li cristiani liquali el credeno et non lo amano: non lo rigratiano: non lo desiderano summo e infinito bene: elquale vene per darci la gratia: e poi la sempiterna gloria in qua vivit et regnat per omnia saecula saeculorum.” Bernardino da Feltre, Sermoni del Quaresimale di Pavia del 1493, Bd. 1, S. 370: „(...) quod fidelis magis peccat quia menbra Christi facit diaboli, infidelis vero sua membra non Christi.” Ebenda, S. 252: „(...)quid fiet Christianis, quod quasi sunt peiores Judeis?“ Mit Bezug auf „fiunt a falsis et malis Christianis ” ebenda, S. 259. Ebenda, S. 258: „Non minus peccat blasfemantem Christum in celis (...)“ Ähnlich nochmal in ders., Sermoni segue il Quaresimale di Pavia del 1493 e altri sermoni tenuti in diversi luoghi dal 1493 al 1494, Bd. 2, hg. von Carlo Varischi da Milano, Mailand 1963, S. 41: „Non minus peccant qui tradunt Corpus Christi peccatoribus membris, quam qui tradiderunt eum Judeis crucifigentibus.”

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zeitlich Verschiedenes in einen Zusammenhang, wenn er als Antwort auf die Frage nach den Schuldigen am Leiden und Tod Jesu auf lasterhafte Christen verwies, die sich der sieben Todsünden superbia, avaritia, luxuria, invidia, gula, ira und accidia schuldig gemacht haben. Dadurch tragen sie noch heute weit mehr zur passio Christi bei als es selbst Judas oder die Juden ehedem getan hätten. 52 Gleichwohl: Franziskanerprediger förderten auch mit derartigen Überlegungen die Distanz zwischen Christen und Juden, blieb die Darstellung der jüdischen Existenz in den Predigten doch immer eine sündhafte. Sie trugen vor, was die Bruderreligionen hinsichtlich der Glaubensüberzeugungen, Sakramenten-, Frömmigkeits- und Lebenspraxis zumindest dann voneinander trennte, sollten Christen den Idealen christlichen Lebens gerecht werden. Noch einmal Roberto Caracciolo da Lecce: Im Gegensatz zu wahren Christen lebten Ungläubige – Juden, Türken und Mauren – ohne Glaubensüberzeugungen, Vernunft und moralische Regeln. Daher könne es für sie im Gottesgericht nur das Urteil von Höllenstrafen und ewiger Verdammnis geben. Roberto fand hier prägnante Worte: „Fuori gli altri“ – hinaus mit den Anderen. Obschon er den Andersgläubigen ihr Menschsein absprach, machte er dies jedoch nicht zum Anlaß, über Konsequenzen für das irdische Zusammenleben von Christen und Ungläubigen zu predigen. Andernorts beließen es franziskanische Prediger jedoch nicht dabei, lediglich auf die geistlichen und transzendenten Folgen jüdischen Unglaubens hinzuweisen. Die Grenzen, die sie für die diesseitige christlich-jüdische Gemeinschaft zogen, sind im folgenden Gegenstand der Betrachtung.

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Michele Carcano de Milano, Sermonarium de peccatis per adventum et per duas quadragesimas, Sermo 48: De causalitate passionis Christi et de caritate ostensa in morte eius, fol. 136r-139v.

3. Contra Iudaeos II – Grenzen des jüdisch-christlichen Zusammenlebens Frühchristliche und mittelalterliche Theologen und Prediger griffen beständig auf Metaphern zurück, die Predigt als stärkendes Heilmittel und den Prediger als Arzt darstellten. 1 Obwohl die medicina verbi dei immer schon vielfältig anwendbar war, lassen sich für die mittelalterliche Predigt organisatorische, formale und inhaltliche Einschnitte ausmachen. 2 Im Zuge der karolingischen Kirchenreform an der Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert kam es zu Umgestaltungen der Predigtorganisation, um die Seelsorge in den zahlreicher werdenden, vor allem ländlich gelegenen Pfarrsprengeln sicherzustellen. Der Bischof, dem bis dahin das Predigtamt zufiel, konnte allein eine angemessene Seelsorge nicht mehr leisten. Es bedurfte daher Priester, die in den Gemeinden das Volk unterwiesen. Formal und inhaltlich orientierte sich die Pfarrpredigt weiterhin an der bischöflichen Homilie, stellte aber als „deligierte Aufgabe“ und vom Bischof „autorisierte sowie schließlich kontrollierte Lehre“ ein „rechtliches wie auch inhaltlich schwächeres Derivat“ der theologisch anspruchsvolleren Bischofspredigt dar. 3 Prediger lasen eine Bibelpassage vor und legten sie satzweise aus. Sie unterwiesen im biblischen Text und lehrten Glaubenswissen. 4 Die ‚Admonitio generalis‘ aus dem Jahr 789 und zwei daran anschließende Kapitularien verpflichteten neben der Darstellung von Tugenden und Lastern vor allem auf die Vermittlung des Glaubensbekenntnisses und des Vater Unser, der Sakramenten- und Liturgielehre. Standardisierend wirkte das Bemühen um einheitliche Textgrundlagen. Karl der Große warb für das Homiliar des Benediktinermönchs Paulus Diaconus († um 799) mit der Empfehlung tradimus ad legendum. Die Rezitation bzw. Reproduktion einschlägiger Predigttexte sollte eine größtmögliche Effektivität in der Seelsorge sicherstellen. Die einschlägigen Predigtanweisungen jener Zeit lehnten formale und inhaltliche Neuerungen in der Predigt ab. 5 Die kirchliche Neuorganisation des Predigtwesens während des 13. Jahrhunderts war die Reaktion auf eine äußerst heterogene Predigtbewegung, der sich die Amtskirche seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts gegenübersah. Im Zuge der gregorianischen Reform tauchten wandernde Kleriker auf, deren zum 1 2

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Zur medizinischen Metaphorik der Predigt BERNHARD LANG, Heiliges Spiel. Eine Geschichte des christlichen Gottesdienstes, München 1998, S. 186f. Vgl. MICHAEL MENZEL, Predigt und Predigtorganisation im Mittelalter, in: Historisches Jahrbuch 111 (1991), S. 337-384 und ANGENENDT, Geschichte der Religiosität, S. 478481. MENZEL, Predigtorganisation, S. 349. EBENDA, S. 347. MENZEL, Predigt und Geschichte, S. 66f.

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Teil antikirchliche Reformpredigten breiten Anklang beim Volk fanden. Teilen der monastischen Vergemeinschaftungen genügte ihr klösterliches Predigtrecht nicht mehr. Mönche verließen ihr claustrum, um sich der Predigt zu widmen. Der Erfolg umherziehender Prediger war zugleich Ausdruck eines Bedürfnisses der Gläubigen. Darüber hinaus beanspruchten nun auch Laien selbst, das verbum dei zu verkünden. Predigt galt religiösen Gemeinschaften wie den Katharern, Waldensern und Humiliaten als zentrales Anliegen ihrer Christusnachfolge im Zeichen der vita apostolica. 6 Die amtskirchliche Hierarchie reagierte auf die Gefährdung ihres Predigtmonopols. Die Konzilsteilnehmer des vierten Laterankonzils von 1215, der von Papst Innozenz III. einberufenen und maßgeblich beeinflußten größten Kirchenversammlung des Mittelalters, betonten erneut die Bindung des Predigtamtes an die bischöfliche oder päpstliche Autorität. Dem zeitgenössischen Predigtbedürfnis trug das Konzil insofern Rechnung, als es die Bischöfe dazu anhielt, in den Kathedral- und Konventskirchen ihrer Diözesen geeignete Männer (viri idonei) einzusetzen, die sich besonders der Predigt annehmen sollten (potentes in opere ac sermone). 7 Das Bild der spätmittelalterlichen Predigt prägten jedoch nicht bischöflich bestellte Prediger aus dem Kapitels- oder Konventsklerus, sondern Prediger aus den Bettelorden. Ein charakteristisches Merkmal der neuen Orden, die sich organisatorisch und inhaltlich in vielfältiger Weise von früheren Ordensgemeinschaften unterschieden, war ihre Ausrichtung auf die vita apostolica. Die cura animarum mit der Predigt und in der Beichte gehörte bei den Dominikanern von Beginn an, bei den Franziskanern früh, bei Augustinereremiten und Karmeliten erst nach einiger Zeit zum Selbstverständnis und zur Fremdwahrnehmung mendikantischen Lebens. 8 Den traditionellen Orden machte die Amtskirche keine weiteren Zugeständnisse für eine Predigt über das engere monastische Umfeld und ihren bestehenden, durch Inkorporation von Pfarrechten gewonnenen parochialen Verpflichtungen hinaus. Die Seelsorge der 6

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Zur Laienpredigt ROLF ZERFASS, Der Streit um die Laienpredigt. Eine pastoralgeschichtliche Untersuchung zum Verständnis des Predigtamts und seiner Entwicklung im 12. und 13. Jahrhundert, Freiburg i.Br. u.a. 1974; HERBERT GRUNDMANN, Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Untersuchungen über die geschichtlichen Zusammenhänge zwischen Ketzerei, den Bettelorden und der religiösen Frauenbewegung des 12. und 13. Jahrhunderts und die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Mystik, Göttingen 31970. MENZEL, Predigtorganisation, S. 351-355. Vgl. KASPAR ELM, Franziskus und Dominikus. Wirkungen und Antriebskräfte zweier Ordensstifter, in: Saeculum 23 (1972), S. 127-147. Die franziskanische Ordensfamilie prägt seit ihren Anfängen eine eigentümliche Spannung zwischen vita contemplativa und vita activa. Vgl. SOPHRONIUS CLASEN, Apostolisches oder liturgisches Franziskanertum? Die Antwort des hl. Franziskus und seines ersten Biographen, in: Franziskanische Studien 40 (1958), S. 167-192 und KAJETAN EßER, Anfänge und ursprüngliche Zielsetzungen des Ordens der Minderbrüder, Leiden 1966.

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Mendikantenorden hingegen förderte und privilegierte sie sehr bald. Zum einen galt es, die neuen Orden in die kirchliche Hierarchie einzubinden, zum anderen nutzten die Päpste die Predigt der Bettelorden als „Integrationsinstrument der Kirche“ 9, das sowohl unkontrollierbaren laikalen und monastischen Predigtansprüchen die Spitze nehmen als auch den gestiegenen Predigtbedürfnissen Rechnung tragen sollte. Wer predigen wollte und sich dennoch für ein monastisches Leben entschied, schloß sich nun gewöhnlich den Bettelorden an. Päpstliche Privilegierung und enormer personeller Zulauf sorgten dafür, daß vor allem in den Städten, in denen die Mendikanten ihr bevorzugtes Tätigkeitsfeld hatten, 10 die bischöflich autorisierte Kleruspredigt konfliktreich neben der Bettelordenspredigt stand, häufig jedoch hinter diese zurücktrat. Die Bettelorden professionalisierten in einem bisher nicht gekannten Ausmaß das Predigtwesen. Die Ausbildung von Ordenspredigern, deren Erfolge eng mit der Aufgabe der traditionellen monastischen stabilitas loci zusammenhingen, trieben die mendikantischen Gemeinschaften in ihren Studienhäusern und an Universitäten voran. 11 Die Mehrzahl der endlos anmutenden spätmittelalterlichen Predigtliteratur geht auf Theologen und

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MENZEL, Predigt und Geschichte, S. 92. Das Thema ‚Bettelorden und Stadt‘ ist seit 35 Jahren Gegenstand geschichtswissenschaftlichen Arbeitens. Angestoßen wurde die Debatte durch JACQUES LE GOFF, Apostolat mendiant et fait urban dans la France médiévale. L’implanation des ordres mendiants. Programme-questionnaire pour une enquête, in: Annales 23 (1968), S. 335348. Seit her liegen zahlreiche Fallstudien vor, die das mendikantische Leben und Wirken in einzelnen Städten beleuchten. Sie können hier nicht alle aufgeführt werden. Synthetisierende Arbeiten legten BERNHARD E.J. STÜDELI, Minoritenniederlassung und mittelalterliche Stadt. Beiträge zur Bedeutung von Minoriten- und anderen mendikantenanlagen im öffentlichen Leben der mittelalterlichen Stadtgemeinde, besonders der deutschen Schweiz, Werl 1969, LUIGI PELLEGRINI, L’ordine Francescano e la società cittadina in epoca Bonaventuriana. Un’analisi del ‚Determinationes questionum super Regulam Fratrum Minorum, in: Laurentianum 15 (1974), S. 154-200, GIULIA BARONE, L’ordine dei predicatori e le città. Teologia e politica nel pensiero e nell’azione dei predicatori, in: Mélanges de l’École Francaise de Rome 89,2 (1977), S. 609-618, ENRICO GUIDONI, Città e ordini mendicanti. Il ruolo dei conventi nella crescita e nella progettazione urbana del XIII e XIV secolo, in: Quaderni Medievali 4 (1977), S. 69-106, ARNO HERZIG, Die Beziehungen der Minoriten zum Bürgertum im Mittelalter. Zur Kirchenpolitik der Städte im Zeitalter des Feudalismus, in: Die alte Stadt 6 (1979), S. 2153, NORBERT HECKER, Bettelorden und Bürgertum. Konflikt und Kooperation in deutschen Städten des Spätmittelalters, Frankfurt a.M.-Bern 1981, WALTER SIMONS, Bedelordenvestiging en middeleeuws stadswezen. De stand van zaken rond de hypothese – Le Goff, in: Tijdschrift voor sociale geschiedenis 12 (1986), S. 39-52 und INGO ULPTS, Stadt und Bettelorden im Mittelalter, in: Wissenschaft und Weisheit 58 (1995), S. 223-260 vor. Über die Predigerbildung der Dominikaner und Franziskaner als Einführung mit weiterführender Literatur MENZEL, Predigt und Geschichte, S. 100-112.

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Prediger aus den Reihen der Bettelorden zurück. In ihr tritt dem Leser nicht mehr die klassische Homilie entgegen, sondern der sogenannte sermo modernus. Die „strukturelle Wandlung der Predigt von der Text und Tradition vermittelnden Homilie“ 12 zum thematisch strukturierten, argument- und bilderreichen Sermo, den die Mendikantenprediger perfektionierten 13, setzte jedoch bereits vor der Entstehung der Bettelorden ein. Die seit dem frühen 12. Jahrhundert überlieferte ‚moderne‘ mittelalterliche Predigttheorie schenkte den Regeln der Predigtkomposition besondere Aufmerksamkeit. Statt einer satzweisen Überlieferung und Auslegung biblischer oder hagiographischer Texte sollten Prediger demnach ein Thema, das sich an einen Bibelvers oder Tagesepistel anschloß, über Prothema, Divisio, Distinctio und Dilatatio entfalten. Mit dem Formwandel korrespondierte eine funktionale Neuausrichtung. Prediger verbreiteten neben Glaubenswissen nun normative ethische Verhaltensregeln. Schon in frühchristlicher Zeit traten neben der Glaubenspredigt Formen der Moralpredigt auf; 14 Papst Gregor der Große forderte in seiner 590/91 geschriebenen ‚Regula pastoralis‘ erstmals moralische Belehrung als Predigtstoff ausdrücklich ein. 15 Zu einem Medium umfangreicher Moraldidaxe entwickelte sich die christliche Predigt jedoch erst seit dem späten 12. Jahrhundert. Die Ursachen dafür liegen wohl nicht so sehr in den religiösen Spannungen und Bewegungen der Zeit, in der die Idee einer vita apostolica im Zeichen der Nachfolge Christi und der Apostel prominenten Raum einnahm, sondern vielmehr „im Wandel der Predigt selbst, in der grundlegenden Neubestimmung ihrer Funktion und Form“ 16. Alanus ab Insulis faßte um 1200 die Grundzüge des neuen Predigtverständnisses in einem kleinem Traktat zusammen, der später als ‚Summa de arte praedicatoria‘ bezeichnet und zum Vorbild der ‚modernen‘ Predigttheorie des späteren Mittelalters wurde. Alanus, der neben Petrus Cantor eine entscheidende Rolle für das pastoraltheologische Reformkonzept innerhalb der Pariser Moraltheologie um 1200 spielte 17, formulierte darin eine Predigtdefinition, die eine funktionale Neuausrichtung der Predigt erkennen 12 13 14 15 16

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EBENDA, S. 78. MENZEL, Predigtorganisation, S. 356. ERNST ÖFFNER, Der zweite Klemensbrief – Moralerziehung und Moralismus in der ältesten christlichen Moralpredigt, Erlangen-Nürnberg 1982. LANG, Heiliges Spiel, S. 184f. JÖRG OBERSTE, ‚bonus negotiator Christus – malus negotiatur dyabolus‘. Kaufmann und Kommerz in der Bildersprache hochmittelalterlicher Prediger, in: Institutionalität und Symbolisierung. Verstetigungen kultureller Ordnungsmuster in Vergangenheit und Gegenwart, hg. von Gert Melville, Köln-Weimar-Wien 2001, S. 426. JÖRG OBERSTE, Predigt und Gesellschaft um 1200. Praktische Moraltheologie und pastorale Neuorientierung im Umfeld der Pariser Universität am Vorabend der Mendikanten, in: Die Bettelorden im Aufbau, hg. von dems. und Gert Melville, Münster 1999, S. 245-294.

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läßt. Sie galt ihm als öffentliche Glaubens- und Sittenlehre, die der Erbauung der christlichen Menschen diene und sich auf Quellen der Vernunft und der Autorität stütze. 18 Glaubenswissen und Morallehre stellte Alanus ausdrücklich als zwei theologische Teilbereiche dar, die Gegenstand von Predigten sein sollten. 19 Der englische Kanoniker Thomas de Chobham verfaßte kurze Zeit später zwei große pastoraltheologische Werke, die in hohem Maße unter dem Einfluß der Pariser Moraltheologie des späten 12. Jahrhunderts standen, mit der er erstmals während seiner Studienzeit in Paris vor 1192 in Kontakt gekommen war. In seiner ‚Summa de arte praedicandi‘ betonte er noch nachhaltiger als Alanus ab Insulis die Morallehre als Predigtinhalt. 20 Während die ersten Prediger damit beschäftigt gewesen seien, die Grundlagen des Glaubens zu verbreiten und die Völker zum Christentum zu bekehren, müsse man in einer Zeit und an Orten, wo fast alle Menschen gläubige Christen seien, die Predigt an die Moraldidaxe binden. 21 In der moralischen Unterweisung müsse der Prediger seine Zuhörer zu einem tugendhaften Leben auffordern und darauf hinarbeiten, daß diese von ihrem sündhaften Handeln ablassen. Die Kunstfertigkeit des Predigers erweise sich daran, ob er es verstehe, aus dem weitgespannten Feld der Tugenden und Laster jene Gegenstände auszuwählen, die der Lebenswelt seines Publikums entsprechen. Ansonsten sei die Predigt

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Alanus ab Insulis, Summa de arte praedicatoria, Sp. 111: „Praedicatio est, manifesta et publica instructio morum et fidei, informationi hominum deserviens, ex rationem semita, et auctoritatem fonte proveniens.“ Ebenda, Sp. 112: „Per hoc quod praedicatio dicitur, morum et fidei instructio, insinuantur duae partes theologiae: rationalis, quae de divinis scientiam prosequitur; et moralis, quae morum instructionem pollicetur: praedicatio enim nunc in divinis instruit, nunc in moribus; quod significatur per angelos ascendentes et descendentes: angeli enim hi sunt praedicatores, qui tunc ascendunt cum coelestia praedicant; descendent, quando per moralia se inferioribus conformant.“ Die Verwendung des lateinischen instructio gibt Gewähr davon, daß Predigt nun auf die „Vermittlung und Aneignung normativer Verhaltensregeln“ zielte. Vgl. die Hinweise zur Begriffsverwendung bei KLAUS SCHREINER, Dauer, Niedergang und Erneuerung klösterlicher Observanz im hoch- und spätmittelalterlichen Mönchtum. Krisen, Reform- und Institutionalisierungsprobleme in der Sicht und Deutung betroffener Zeitgenossen, in: Institutionen und Geschichte. Theoretische Aspekte und mittelalterliche Befunde, hg. von Gert Melville, Köln-Weimar-Wien 1992, S. 297. Thomas de Chobham, Summa de arte praedicandi, S. 15: „Est igitur predicatio divini verbi ad informationem fidei et morum nuntiatio“. Ebenda: „Verumtamen primi predicatores plurimum laboraverunt ad fidem plantandam et gravissimum fuit convertere populos ad ydolatria ut crederent unum Deum et ipsum incarnatum et postea mortuum. Qui fidem potius plantaverunt in sanguine suo quam in predicatione. Nunc autem, quia fere omnes credunt, relictum est predicationi nostre quod facile est, scilicet ut instruamus alios in bonis moribus quibus etiam naturalis ratio consentit, ut que in libris philosophorum non minus quam in in theologia leguntur.“

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ebenso unnütz wie eine falsch gewählte Medizin, die einem körperlichen Leiden nicht abhelfe. 22 Die nachhaltige Betonung von Vernunft und vor allem der lebensnähere Predigtbezug, den die nun zahlreich verwendeten Beispielgeschichten aus allen Wissens- und Lebensbereichen unterstrichen, war Ausdruck einer „neuen theologischen Wirklichkeitssicht“ 23. Mit neuen rhetorischen und narrativen Formen und der Wahl wirklichkeitsnäherer Themen zielte man darauf, die Aufmerksamkeit und das Verständnis des Predigtpublikums für die Predigtbotschaft zu erhöhen. Prediger nutzten seit dem 12. Jahrhundert den alltäglichen Erfahrungsraum ihrer Adressaten, um christliches Heilswissen zur Kenntnis zu bringen. 24 Die Berücksichtigung menschlicher Erfahrungen und menschlichen Handelns drängte aber zugleich zu ihrer moralischen Bewertung. Predigt diente immer mehr der „Gewährleistung sozialer Kohäsion“ 25 und wurde zu einem ausdrücklichen Medium der Gesellschaftsinterpretation. Alanus ab Insulis setzte der Predigt noch funktionale Grenzen, indem er zwischen praedicatio, prophetia, doctrina und concionatio unterschied. Die Prophetie, so Alanus, sei die Mahnung, die sich aus der Offenbarung des zukünftigen Schicksals ergebe. Die doctrina diene der Unterweisung in den Wissenschaften (ad scientiae eruditionem). Der concionatio bleibe es als politischer Mahnrede (civilis admonitio) vorbehalten, darüber aufzuklären, was zur Befestigung des Gemeinwesens (ad reipublicae confirmationem) zu tun sei. 26 Spätere Rezipienten der pastoraltheologischen 22

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Ebenda: „Secundum ordinem prenotatum, restat videre de quibus sit predicandum. Et constat quod de fide et bonis operibus vel moribus et eorum contrariis, scilicet de virtutibus et vitiis. Non enim debet predicator aliqua predicare nisi ea unde homo melior fiat (...) Est igitur conpetens artificium predicatori, ut quotiens sumit officium predicandi diligenter consideret de quo vel de quibus vitiis velit predicare ad detestationem, vel de quibus virtutibus ad invitationem. Debet enim considerare quibus vitiis laborent auditores, et ad ea extirpanda totis viribus eniti; et vitiis eiectis, contrarias virtutes plantare. Aliter enim erit sermo otiosus, quia omnis sermo debet esse sicut medicina. Medicina autem corporalis inutilis est et otiosa, nisi detur ad aliquem morbum curandum. Eodem modo, medicina spiritualis inutilis est nisi proponatur ad aliquod vitium expugnandum vel aliquem virtutem plantandam.“ MENZEL, Predigt und Geschichte, S. 88. So schon zu Beginn des 12. Jahrhunderts Guibert von Nogent, Quo ordine sermo fieri debeat, hg. von R.B.C. Huygens, Turnhout 1993, S. 47-63, bes. S. 51-55, 58-60 u. 62f. HANS-JOACHIM SCHMIDT, Allegorie und Empirie. Interpretation und Normung sozialer Realität in Predigten des 13. Jahrhunderts, in: Die deutsche Predigt im Mittelalter, hg. von Volker Mertens und Hans-Jochen Schiewer, Tübingen 1992, S. 328. Alanus ab Insulis, Summa de arte praedicatoria, Sp. 112: „Ea enim differentia est inter praedicationem, et doctrinam, et prophetiam, et concionationem, Praedicatio enim est illa instructio quae pluribus fit, et in manifesto, et ad morum instructionem; doctrina vero est quae vel uni, vel pluribus fit, ad scientiae eruditionem; prophetia, est admonitio quae fit per revelationem futurorum; concionatio est civilis admonitio, quae fit ad reipublicae confirmationem.“ James J. Murphy verzichtete darauf, die ars concionandi in seine Überblicksdarstellung mittelalterlicher Rhetorik aufzunehmen. Vgl. JAMES J. MURPHY, Medieval Rhetoric. A Select Bibliography, Toronto 21989. Erst in jüngster Zeit erfuhr die Kunst der politischen Rede, die sich in den mittelalterlichen

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Reformkonzeption um 1200 folgten Alanus ab Insulis in diesem Punkt nicht mehr. Schon Thomas de Chobham betonte den Nutzen von Predigt zur Lösung sozialer Konflikte. Prediger teilten nicht nur mit, nach welchen moralischen Maßstäben individuelles menschliches Handeln und Verhalten beschaffen sein sollte, um als gottgefällig zu gelten. Sie definierten argumentenund detailreich den Aufbau einer wohlgeordneten societas christiana. Indem sie über angemessene Formen der vertikalen und horizontalen Anordnung der Glieder menschlicher Vergemeinschaftung aufklärten, glichen ihre Predigten Texten zur politischen Debatte. Sie machten Predigt in hohem Maße zu einem Medium politischer Theologie. Eine konsequente Umsetzung des um 1200 entworfenen pastoraltheologischen Reformkonzeptes läßt sich aus den Schriften des fünften dominikanischen Ordensgenerals Humbert von Romans (†1277) ablesen. Eindringlich pries er den doppelten Nutzen wissenschaftlicher Studien, welche die Dominikaner betrieben. Zum einen legitimierten sie die herausragende Stellung dominikanischen Lebens im Vergleich zu anderen religiösen Gemeinschaften und mache es erst attraktiv für gelehrte Personen, die sonst niemals dem Orden beiträten. 27 Andererseits sind Studien, die sich nicht allein auf theologische Kenntnis beschränken dürften, unverzichtbare Voraussetzung für eine angemessene Seelsorge. Das Ordensstudium sollte kein Selbstzweck monastischen Lebens sein (studium non est finis Ordinis). Es bleibt an die Seelsorgeaufgaben, vor allem die Predigt der Ordensbrüder gebunden. Das

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Quellen begrifflich auch als ars arengandi niederschlug, mehr Beachtung. Vgl. ENRICO ARTIFONI, I podestà professionali e la fondazione retorica della politica comunale, in: Quaderni storici 63 (1986), S. 687-719; DERS., Sull’eloquenza politica nel Duecento italiano, in: Quaderni medievali 35 (1993), S. 66-69; DERS., Retorica e organizzazione del linguaggio politico nel Duecento italiano, in: Le forme della propaganda politica nel Due e nel Trecento, Rom 1994. Vgl. auch PETER VON MOOS, Die italienische ‚Ars arengandi‘ des 13. Jahrhunderts als Schule der Kommunikation, in: Wissensliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Bedingungen, Typen, Publikum, Sprache, hg. von Horst Brunner, Wiesbaden 1993, S. 67-90. Mit einer Fokusierung auf das Verhältnis von politischer Rede und Predigt CARLO DELCORNO, Professionisti della parola. Predicatori, giullari, concionari, in: Tra storia e simbolo. Studi dedicati a Ezio Raimondi, Florenz 1994, S. 1-21 und ENRICO ARTIFONI, Gli uomini dell’assemblea. L’oratoria civile, i concionatori e i predicatori nella società comunale, in: La predicazione dei frati dalla metà del ‘200 alla fine del ‘300. Atti del XXII Convegno internazionale, Assisi, 13.-15. Oktober, hg. von der Società internazionale di studi francescani, Spoleto 1995, S. 141180. Humbert von Romans, Expositio regulae Augustini, in: ders., Opera de vita regulari, Bd. 1, hg. von Joachim J. Berthier, Rom 1888 (ND Turin 1956), S. 433: „Notandum vero quod licet omnibus religiosis expediat libenter legere, tamen Fratribus Praedicatoribus magis incumbit, et hoc propter utilitatem multiplicem quam assecutus est ordo eorum ex studio. Prima est praerogativa quaedam super alios ordines (...) Alia est bonarum personarum acquisitio. Multae enim bonae et magnae personae numquam venissent ad ordinem, nisi esset ibi studium; (...)“.

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Studium ist notwendige Voraussetzung (summe necessarium est) für die pastoraltheologische Praxis, ohne das die Prediger nichts bewirken könnten (sine studio neutrum possemus). 28 Damit stehen die Anforderungen an Prediger fest: „Constat enim quod praedicatores debent esse litterati“. 29 Theologische Kenntnisse allein genügten nicht. Der Wissensstand, den sich Prediger aneignen sollte, setzte sich aus unterschiedlichen Wissensgebieten zusammen. Neben den heiligen Schriften traten Studien der Profanwissenschaften, der Naturwissenschaften, der Historiographie und des Rechts hinzu. 30 Humbert warb ähnlich wie Thomas de Chobham für das Studium der Philosophie. Obwohl philosophische Bücher gleich einem Garten, der gute und schlechte Früchte hervorbringe, neben richtigen auch falsche Dinge enthalten, könnten sie, sofern sie richtig verstanden und angewandt würden, der Verteidigung und Kräftigung des Glaubens dienen. 31 Aus allen Wissensgebieten müßten die Prediger geistige Waffen (spiritualia arma) schmieden 32, die den Gläubigen zur Erbauung und zu ihrem Seelenheil dienten. 33 Die Auswahl des Predigtstoffes sollte nicht willkürlich erfolgen. Der Prediger möge die Inhalte nach ihrer Nützlichkeit 28

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Ebenda, S. 28 u. 41: „Studium enim est ordinatum ad praedicationem; praedicatio, ad animarum salutem, quae est ultimus finis (...) Notandum est autem quod studium non est finis Ordinis, sed summe necessarium est ad fines praedictos, scilicet ad praedicationes, et animarum salutem operandam, quia sine studio neutrum possemus; et ideo ita dispensandum est in iis quae studium impediunt sicut in iis quae praedicationem vel animarum salutem, praecipue cum studium nostrum ad hoc sit ordinatum, et ad hoc dirigi debeat. Unde sequitur: et studium nostrum ad hoc debeat principaliter intendere ut proximus animabus possimus utiles esse“. Ebenda, S. 49. Humbert von Romans, Liber de eruditione praedicatorum, in: ders., Opera de vita regulari, Bd. 2, hg. von Joachim Joseph Berthier, Rom 1888 (ND Turin 1956), S. 400f. Humbert von Romans, Expositio regulae Augustini, S. 435-439: „Sed quaeritur interdum de libris philosophicis et studio in illis quid expediat apud fratres? (...) Concedendum est ergo hujusmodi studium, et hoc propter multa utilia quae inde possunt evenire. Unum est fidei defensio. Sicut enim haeretici et pagani impugnant fidem, ita et quidam per philosophiam suam. Propter quod dicitur, Col. 2: Videte ne quis vos seducat per philosophiam et inamen fallaciam. Sicut autem non potest se defendere a fallaciis qui nihil novit de eis, ita nec a talibus philosophantibus qui nihil novit de philosophia (...) Aliud est fidei corroboratio. Sunt enim multa apud eos ad fidei confirmationem multum valentia. Unde in Prooemio super librum De Trinitate Boetii dicitur quod fides nostra ex intimis philosophiae tracta est: quod enim notum est Dei manifestum est in illis. Rom. 1 (...) Propter haec igitur et alia multa concedi potest studium philosophicum. Sed cavendum est ne cuilibet concedatur: sunt enim in illis libris quaedam bona, et quaedam mala, sicut in horto quaedam herbae bonae et quaedam malae.“ Humbert von Romans, Expositio regulae Augustini, S. 436. Humbert von Romans, Liber eruditione praedicatorum, S. 426: „Item, collectio omnium quae in scientiis saecularibus inveniuntur utilia ad aedificationem, sicut accidit in illo qui vult aedificare: colligit enim de diversis quod ad aedificium suum valere potest. 2. Par. 20: Venit Josaphat et omnis populus cum eo ad detrahenda spolia mortuorum. Glossa: Sancti doctores cum turba fidelium colligunt de spoliis hostium quidquid de Physica, Ethica, Logica, legendo, scribendo, docendo utiliter ediderunt, et in usum totius Ecclesiae convertunt: ut quod illi inutiliter possederunt, fideles utiliter ad salutem animarum possideant.“

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(utilitas), ihrer Eingänglichkeit (facilitas) und ihrer Wirksamkeit (efficacitas) für das Publikum abwägen. In den weltlichen Wissenschaften, so die Einschätzung Humberts, finde man Vernunftgründe, Beispiele und Autoritäten, um eine angemessene Wirkung der Predigt auf das Publikum zu sichern. 34 Denn oftmals sprächen diese, wenn sie den Profanwissenschaften entnommen seien, die Zuhörer mehr an, als es rationes, exempla und auctoritates vermögen, die man in geistlicher Literatur finde. Die Bereitschaft, sich in Predigten den alltäglichen Sorgen und Nöten des Publikums anzunehmen, erhöhe die Aufmerksamkeit der Adressaten und lasse den Samen des göttlichen Wortes leichter keimen. 35 Humbert von Romans öffnete die Predigt für profane Wissenschaften als „Propädeutik der Theologie“ 36, die die maßgebliche Referenz für die Ausgestaltung der Predigtinhalte war. Dabei blieb Humbert von Romans nicht stehen. Er forderte die Prediger auf, sich in weltliche Dinge (negotia saecularia) einzumischen, denn wer sich derartiger Einlassungen entziehe, vermöge auch nicht, in frommen Angelegenheiten (in piis negotiis) zu wirken. 37 Er selbst entwarf Skizzen von Standespredigten. Faßt man diese zusammen, ergibt sich das Bild einer wohlgeordneten societas christiana, deren Mitglieder trotz unterschiedlicher Aufgaben und Verpflichtungen, die eine Hierarchie deutlich werden lassen, in einem Körper verbunden sind. Franziskaner, die ihr officium praedicandi im spätmittelalterlichen Italien ausübten, entwarfen ebenfalls eine politische Theologie. Gemeinschaft und Einheit machten sie zu Leitbegriffen ihres christlichen Gesellschaftsmodells. 34

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Humbert von Romans, Expositio super constitutiones, in: ders., Opera de vita regulari, Bd. 2, hg. von Joachim J. Berthier, Rom 1888 (ND Turin 1956), S. 44: „Item, sciendum est quod studere volenti utilitatibus proximorum non oportet studere in multis, sed in utilibus, facilibus, efficacibus (...) utilibus, ut in omni studio suo respuat inutilia, et utilia eligat; facilibus, ut subtilia et obscura dimittens, facilia et capacia proponat aufientibus; efficacibus, ut rationibus, et exemplis, et auctoritatibus magis efficacibus utatur (...)“. Ebenda, S. 43: „Item, multi quandoque plus moventur ad bonum ex quibusdam quae sunt in illis scientiae, quam ex illis quae sunt in divinis Scripturis.“ Humbert bezieht hier in illis scientiae auf philosophische Studien, doch wird im weiteren Verlauf deutlich, daß er den Inhalten anderer Profanwissenschaften gleichen Nutzen zuschreibt. MENZEL, Predigt und Geschichte, S. 109. Humbert von Romans, Liber eruditione praedicatorum, S. 437: „Circa occupationes praedicatorum circa negotia hominum, notandum quod sunt quidam praedicatores qui adeo hoc refugiunt, quod etiam in piis negotiis non juvant auditores suos (...) Patet ex jam dictis quod pertinet ad bonum praedicatorem non ita se abstrahere a negotiis auditorum, quin pro loco et tempore in piis negotiis et necessitatibus juvet eosdem. Unde Gregorius, in Pastorali, part. 2: Quidam sic sibimet vacare appetunt ad spiritualia, ut rebus exterioribus nullatenus occupentur. Qui cum curare corporalia funditus negligunt, subditorum necessitatibus minime occurunt. Quorum nimirum praedicatio plerumque despicitur, quia dum delinquentium facta corripiunt, et tamen eis necessaria vitae praesenti non tribuunt, nequaquam libenter audiuntur. Egentis etenim mentem sermo doctrinae non penetrat, si hunc apud ejus animum manus misericordiae non commendat. Tunc autem semen verbi facile germinat, quando hoc in audientis pectore pietas praedicantis rigat.“

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Die Kirche, so Giovanni da Capestrano, sei die congregatio fidelium, in der sich die unitas der Gläubigen darstelle. Sie sei der mystische Körper Christi, vergleichbar mit einem physischen Körper. Christus ist ihr Haupt, von dem die göttliche Gnade auf die Glieder ausfließe. Die Liebe Christi verbinde die Glieder mit ihm und untereinander. 38 Das Modell der wohlgeordneten societas christiana, das die allgemeine Kirche darstellte, machten die franziskanischen Prediger zum Maßstab jeglicher Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung. Giovanni da Capestrano beurteilte Städte danach, ob sich in ihnen die civitas dei spiegelt, die die Gläubigen eint und verbindet. 39 Bernardino da Feltre übertrug die Körpermetaphorik, die Capestrano für die kirchliche Glaubens- und Heilsgemeinschaft vorbrachte, auf die respublica. Nur die Herstellung und Bewahrung der societas christiana garantiere das bonum commune. 40 Es blieb nicht aus, daß Prediger, die die christliche Gemeinschaft und Einheit propagierten, ihren Blick auch auf die Grenzen eben dieser und damit auf jene richteten, die außerhalb der Hierarchie standen. Während des 15. Jahrhunderts wandten sich Päpste mehrfach entschieden gegen antijüdische Predigten. Die römischen Bischöfe sahen vor allem in den Predigten der Mendikanten das Gebot einer von Christen gegenüber Juden zu bewahrenden Duldsamkeit gefährdet oder verletzt. 41 Als Papst Martin V. (1417-1431) am 20. Februar 1422 die traditionelle, erstmals von Papst Calixt II. (1119-1124) erlassene, jedoch erst in späteren Textfassungen seit dem Pontifikat Alexanders III. (1159-1181) überlieferte päpstliche Judenschutzbulle ‚Sicut Iudaeis‘ erneuerte 42, nahm er die Klagen italienischer Juden über zahlreiche Prediger auf, 38 39

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LUSCZCZKI, De sermonibus Ioannis a Capistrano, S. 218. EBENDA, S. 236. Vgl. auch CARLO DELCORNO, La città nella predicazione francescana del Quattrocento, in: Alle origini dei monti di pietà, I francescani fra etica ed economica nella società del Tardo Medioevo. Studi in occasione delle celebrazioni del V Centenario della morte del beato Michele Carcano da Milano (1427-1484), fondatore del Monte di pietà di Bologna, Bologna 1984, S. 29-39. DESSI, La prophétie, l’évangile et l’état, S. 418. Papst Martin V. wandte sich erstmals gegen antijüdische Predigten, als er am 20. Februar 1422 die traditionelle päpstliche Judenschutzbulle ‚Sicut Iudaeis‘ erneuerte. Ein Jahr später widerrief er, erneuerte seine Mahnungen jedoch am 13. Februar 1429. Vgl. The Apostolic See and the Jews, Bd. 2, Nr. 614, 620 u. 658. Die Einwände Papst Martins V. wiederholten Felix V., Nikolaus V. und Pius II. Vgl. ebenda, Nr. 758, 767, 771 u. 858. Gegen Ende seines Pontifikats schrieb der Humanistenpapst Pius II. 1464 an Zeger Duclair, den Generalvikar der Franziskanerobservanz nördlich der Alpen. Er solle seine Prediger anhalten, sich einer maßvollen Sprache zu bedienen, wenn sie über Juden, Mauren, Häretiker und Schismatiker predigen. Nach Pius II. nahm erst wieder Julius II. am 30. März 1511 Juden vor Predigten in Schutz. Zugleich machte er geltend, daß Juden nicht zum Anhören derartiger Predigten zu zwingen seien. Vgl. The Apostolic See and the Jews, Bd. 3: 1464-1521, hg. von Shlomo Simonsohn, Toronto 1990, Nr. 1210. Zur Tradition und Rezeption von ‚Sicut-Judaeis‘ SOLOMON GRAYZEL, The Papal Bull „Sicut Judeis“, in: Studies and Essays in Honor of Abraham A. Neuman, hg. von Meir

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die das christliche Volk unter Androhung der Exkommunikation anhielten, jegliche Gemeinschaft mit den Juden zu meiden (ut fugiant et evitent consorcia Iudeorum). Die Forderungen, die einen Bruch mit der traditionellen, theologisch legitimierten Koexistenz von Juden und Christen darstellten, verstärkten die Prediger auf rhetorischer Ebene. Durch erfundene Geschichten (fictis occasionibus et coloribus) über jüdische Brunnenvergiftung und jüdischen Blutfrevel, die gerade in Zeiten großen Sterbens und anderen Unglücks Konjunktur hätten, komme es zu antijüdischen Ausschreitungen und Verfolgungen. Ein derartiges Vorgehen verhindere zudem die gewünschte Bekehrung der Juden zum christlichen Glauben, die eher möglich sei, wenn man den Ungläubigen mit Güte begegne und sie menschlich behandle (pie et humane tractarentur). Der Papst forderte daher Bischöfe und Ordensobere auf, derartige Predigten zu unterbinden. 43 Den Vorwurf einer unzulässigen Radikalisierung der

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Ben-Horin, Leiden 1962, S. 243-280. Zum Verhältnis der katholischen Amtskirche zu den Juden im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit ALFREDO ZANOTTO, L’atteggiamento della Chiesa nei confronti degli Ebrei del XV al XVIII secolo, Rom 1991. Für die Zeit des Hochmittelalters immer noch mit Nutzen die 1938 abgeschlossene Arbeit von HANS LIEBESCHÜTZ, Synagoge und Ecclesia. Religionsgeschichtliche Studien über die Auseinandersetzung der Kirche mit dem Judentum im Hochmittelalter, aus dem Nachlaß herausgegeben von Alexander Patschovsky, Heidelberg 1983. Siehe auch WOLFGANG SEIFERTH, Synagoge und Kirche im Mittelalter, München 1964 und die mit Quellenauszügen gut bestückte Studie von KARL RENGSTORF/SIEGFRIED VON KORTZFLEISCH, Kirche und Synagoge. Handbuch zur Geschichte von Christen und Juden. Darstellung mit Quellen, Bd. 1, Stuttgart 1968. The Apostolic See and the Jews, Bd. 2, Nr. 614: „Licet igitur, prefati Iudei in sua magis velint duricia perdurare, quam prophetarum verba et sacrarum scripturarum archana cognoscere et ad Christiane fidei et salutis noticiam pervenire, quia tamen defensionem nostram et auxilium postulant et Christiane pietatis mansuetudinem interpellant, nos (...) ipsorum Iudeorum peticiones admictimus, eisque protectionis nostre clipeum impartimur. Sane, querelam quorundam Iudeorum nuper accepimus, continentem, quod nonnulli predicatores verbi Dei, tam Mendicancium, quam eciam ordinum aliorum ad populum predicantes, inter alia Christianis inhibent per expressum, ut fugiant et evitent consorcia Iudeorum (...) quodque contrafacientes sint eo ipso gravibus excommunicacionum sentenciis et censuris ecclesiasticis innodati; propter que nonnunquam inter eos et Christianos dissensiones et scandala oriuntur, daturque materia Iudeis ipsis, qui se forsan ad Christianam fidem converterent, si pie et humane tractarentur, in eorum perfidia perdurandi. Nonnumquam eciam plurimi Christiani, ut dictos Iudeos redimi facere, ac eos bonis et substanciis suis spoliare, et lapidibus cedere possint, fictis occasionibus et coloribus asserunt, mortalitatum et aliarum calamitatum temporibus, Iudeos ipsos venenum in fontibus iniecisse, et suis azimis humanum sanguinem miscuisse, ob que scelera, eis sic iniuste obiecta, talia astruunt ad perniciem hominum evenire; ex quibus occasionibus populi commoventur contra Iudeos ipsos, eosque cedunt, et variis persecucionibus et molestiis afficiunt et affligunt. Nos igitur, considerantes, quod religioni convenit Christiane Iudeis eo libencius contra persecutores et molestatores ipsorum, oportunum prestare subsidium, quo specialius sunt in testimonium orthodoxe fidei reservati, eorum testante propheta: ‚tandem reliquie salve fient‘, quecumque per ipsos predicatores contra ipsos Iudeos, ne cum Christianis conversari debeant, vel e contra dicta sunt, ac excommunicacionis sentenciam nullius firmitatis existere decernentes, universitati vestre et presertim locorum ordinariis et superioribus ordinum Predicatorum districtius inhibemus, ne de cetero talia et similia contra Iudeos utriusque sexus ubilibet constitutos, in

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antijüdischen Polemiken erhob Martin V. auch mit Blick auf die franziskanischen Prediger. Was die franziskanischen Prediger zur tolerantia iudaeorum äußerten, welche antijüdischen Normen sie einforderten und mit welchen antijüdischen Vorstellungen sie auf rhetorischer Ebene ihre Argumente verstärkten, gilt es nun darzustellen.

3.1. Die tolerantia iudaeorum Im lateinischen Mittelalter findet sich keine moderne Denk- und Glaubensfreiheit, oder das „gleichberechtigte Nebeneinander unterschiedlicher Heilswege“ 44. Max Weber spannte einen noch weiteren Bogen: Es sei für den „Okzident (...) gerade – nach wie vor der Reformation – (...)die konfessionelle Intoleranz charakteristisch“ 45. Gleichwohl fehlte es der mittelalterlichen Gesellschaft trotz aller Formierungs- und damit vollzogener Abgrenzungstendenzen nicht an Toleranzkonzepten. 46 Die vorgenommene Einschätzung hoch- und spätmittelalterlicher Toleranz, die ihre Grenzen bereits dort finde, wo die „Wahrnehmung und Duldung oder gar Achtung des Anderen in seinem Anderssein“ oder anders gesprochen, der „Zumutungscharakter“ 47 für die eigene Identität beginne, trifft zweifellos nicht all ihre Aspekte. Das Konzept einer tolerantia iudaeorum etwa legitimierte die Duldung der Juden trotz ihrer

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eorum diocesibus, civitatibus, terris et locis, per quosvis predicatores religiosos vel seculares, cuiuscumque status, gradus, ordinis, religionis, vel condicionis existant, populi predicare permictant ; (...)“. SCHREINER, Tolerantia, S. 335. WEBER, Religionssoziologie I, S. 131f., Anm. 1. Zu mittelalterlichen Toleranzvorstellungen MARIO CONDORELLI, I fondamenti giuridici della toleranza religiosa nell’elaborazione canonistica die secoli XII-XIV. Contributo storico-dogmatico, Mailand 1960; KLAUS SCHREINER, Art. ‚Toleranz‘, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 6, hg. von Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck, Stuttgart 1990, S. 445494; DERS., „Duldsamkeit“ (tolerantia) oder „Schrecken“ (terror). Reaktionsformen auf Abweichungen von der religiösen Norm, untersucht und dargestellt am Beispiel des augustinischen Toleranz- und Gewaltkonzeptes und dessen Rezeption im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Religiöse Devianz. Untersuchungen zu sozialen, rechtlichen und theologischen Reaktionen auf religiöse Abweichung im westlichen und östlichen Mittelalter, S. 159-210; ders., Tolerantia, S. 335-389. Kritisch, doch zum Teil verkürzend und entstellend gegenüber dem Beitrag Schreiners in den ‚Geschichtlichen Grundbegriffen‘ ISTVÁN BEJCZY, Tolerantia. A Medieval Concept, in: Journal of the History of Ideas 58 (1997), S. 365-384. Vgl. auch CARY J. NEDERMAN, Introduction. Discourses and Contextes of Tolerance in Medieval Europe, in: Beyond the Persecuting Society. Religious Toleration Before the Enlightenment, hg. von dems. und John Christian Laursen, Philadelphia 1998, S. 13-24. GEORG WIELAND, Das Eigene und das Andere. Theoretische Elemente zum Begriff der Toleranz im hohen und späten Mittelalter, in: Toleranz im Mittelalter, hg. von Alexander Patschovsky und Harald Zimmermann, Sigmaringen 1998, S. 11.

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religiösen Andersheit. Die „Ethik gegenseitiger Duldsamkeit“ 48 kam mit variierender Geltung und Reichweite zeit- und situationsgebunden in Anwendung. Päpste, die sich während des 15. Jahrhunderts wiederholt gegen antijüdische Predigten wandten, legten fest, wie Christen sich gegenüber Juden zu verhalten hätten. Juden, die in Bedrängnis um Schutz und Hilfe nachsuchten, seien, so Papst Martin V., christiane pietate et mansuetudine zu behandeln. 49 Es sei ein Gebot christlicher Gnade (gratia) und Nachsicht (clementia) sowie Ausdruck apostolischen Wohlwollens (benignitate apostolica), ihnen in Not beizustehen. 50 An christliches Mitleid (pietas), christliche Barmherzigkeit (misericordia) und Nachsicht appellierten nach Papst Martin V. seine Nachfolger Felix V., Nikolaus V. und Pius II., die sich ebenfalls der päpstlichen Tradition freundlicher Gesinnung (Romani pontificis gratiosa benignitas) verpflichtet fühlten. 51 Das Verhältnis von Christen und Juden sollte von pietas und clementia bestimmt sein, Begriffe, die gewöhnlich gegenseitiges menschliches Mitfühlen und Wohlwollen benennen. 52 Zugleich äußerten sie die Hoffnung, ein solches 48

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SCHREINER, Tolerantia, S. 336. Speziell zur tolerantia iudaeorum ebenda, S. 367-381. Eine empirische Fundgrube zum Thema ist der ältere Beitrag von PETER BROWE, Die religiöse Duldung der Juden im Mittelalter, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 118 (1938), S. 3-76. The Apostolic See and the Jews, Bd. 2, Nr. 614. Bereits ein Jahr zuvor nutzte Martin V. die Formel „Christiane pietate et mansuetudine“ als er Juden in Deutschland und im venezianischen Herrschaftsgebiet vor Zwangstaufen in Schutz nahm. Vgl. ebenda, Nr. 606. Ebenda, Nr. 606 u. 658. Ebenda, Nr. 758, 767, 771 u. 858. SCHREINER, Tolerantia, S. 337. Die verwendeten Begriffe zeigen jedoch, daß Juden keine vorbehaltlose Liebe entgegengebracht wurde. Pietas hier mit Mitleid zu übersetzen, bedarf einer kurzen Erklärung. Der Begriff beschrieb in klassischer und mittelalterlicher Latinität zweierlei: zum einen das Verhältnis der Menschen zu Gott, zum anderen den mitmenschlichen Umgang. Der Kirchenvater Augustinus fragte in einer Predigt: „quid est autem virtus pietatis?“ In seiner Antwort setzte er pietas mit Nächstenliebe (caritas) gleich. Als pietas galt ihm die Liebe zu Gott und zum Nächsten (Caritas in Deum et proximum). Zitiert nach BRUNO BON/ANITA GUERREAU-JALABERT, Pietas. Réflexions sur l’analyse sémantique et le traitement lexicographique d’un vocable médiévale, in: Médiévales 42 (2002), S. 84. Zugleich führte der Begriff im Mittelalter immer auch Konnotationen mit sich, die nicht auf eine vorbehaltlose, uneingeschränkte Liebe gegenüber Mitmenschen verweisen, sondern auf Mitleid, Gnade und Barmherzigkeit zielen. Alanus ab Insulis formulierte in seinen ‚Distinctiones‘: „pietas est virtus qua aliquis misericordia movetur erga aliquam“. Ebenda, S. 79. In ihrer Untersuchung zur Semantik des Begriffes pietas im Mittelalter, für die sie die einschlägigen mittellateinischen Wörterbücher heranzogen, formulierten Bon/Guerreau-Jalabert als Befund: „Sans éliminer complètement les idées de devoir et de respect, la construction chrétienne les pense autrement et surtout elle fait passer au premier plan l’idée d’amour, telle que la conçoit la théologie; ce dispositif est le seul possible à partir du moment où la pietas est une propriété divine, respect et devoir

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Verhalten helfe nicht nur, eine unangemessene Verhärtung religiöser Fronten zu vermeiden, sondern trage dazu bei, Juden für den christlichen Glauben zu gewinnen. Martin V. und Nikolaus V. befürchteten eine kontraproduktive Wirkung von antijüdischen Predigten, so daß Juden gerade dadurch bei ihrem Irrglauben blieben. Falls man sie jedoch mitleidig und menschlich behandele (pie et humane tractarentur), bekehrten sie sich vielleicht zum christlichen Glauben. 53 Christliche Barmherzigkeit könne dazu beitragen, daß Juden ihre religiösen Irrtümer erkennen, von ihrer verderblichen Lehre lassen und zur Erkenntnis des wahren Glaubens gelangen. 54 Bereits Papst Alexander III. (1159-1181) bemühte in einem Judenschutzbrief, den er wohl im Winter 1165 ausstellte, die später häufig zitierte Formel ex christiane pietatis mansuetudine, um zu begründen, warum Juden Schutz und Hilfe zu gewähren sei. Papst Gregor IX. nannte in einem Brief an die deutsche Geistlichkeit in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts pietas christiana, humanitas und misericordia als Beweggründe für Christen, mit Juden Umgang zu pflegen und unter sich wohnen zu lassen. 55 In den ‚Liber Extra‘, der das ältere ‚Decretum Gratiani‘ ergänzte und den der Dominikaner Raimundus von Penaforte im Auftrag Papst Gregors IX. 1234 zusammenstellte, fand ein Schreiben Papst Alexanders III. von 1180 an den Erzbischof von Bourges Eingang. Es gestattete Juden die Renovierung bereits bestehender Synagogen, die eingestürzt oder dem Zusammenbruch nahe seien. Juden sollten es als etwas Großes erkennen, daß sie in ihren alten Synagogen und in ihren Gebräuchen geduldet wurden. 56 Zeitgenössische und spätmittelalterliche Kanonisten, die die

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n’ayant ici plus de pertinence. Pietas s’agrège dès lors au registre de la caritas, englobant les idées de bonté, de miséricorde, de compassion. Les multiples cas de cooccurrence de pietas avec caritas, dilectio, misericordia ont la même signification que les définitions données par les auteurs médiévaux qui évoquent sans doute possible le registre de caritas.“ Ebenda, S. 84. The Apostolic See and the Jews, Bd. 2, Nr. 614 u. 771. Martin V. formulierte: „(...) predicatores (...) inter alia Christianis inhibent per expressum, ut fugiant et evitent consorcia Iudeorum (...) daturque materia Iudeis ipsis, qui se forsan ad Christianam fidem converterent, si pie et humane tractarentur, in eorum perfidia perdurandi.“ Nikolaus V. übernahm dies in ähnlicher Weise: „(...) predicatores (...) Christianis inter alia inhibent per expressum et hortantur, ut fugiant et evitent consortia Iudeorum (...) ac Iudeis ipsis, qui, si humane tractarentur et pie, forsan ad Christianam fidem converterentur, materia datur in sua perfidia diutius permanendi (...)“. Ebenda, Nr. 658 u. 771. Martin V. urkundete: „(...) ut huiusmodi pietate allecti, suos recognoscant errores, et superna gratia illustrati tamquam ad verum, quod christus est, lumen properent charitatis (...)“. Nikolaus V. schrieb: „(...) ut, huiusmodi pietate allecti, eorum feralem fugiant sectam, et vere religionis capiant cognitionem“. SCHREINER, Toleranz, S. 463. CIC, X.5.6.7: „Consuluit Iudaeos etiam de novo construere synagogas, ubi eas non habuerunt, pati non debes. Verum, si antiquae corruerint, vel ruinam minantur, ut eas reaedificent, potest aequanimiter tolerari, non autem, ut eas exaltent, aut ampliores aut pretiosiores faciant, quam antea fuisse noscuntur;

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Dekretale auslegten, machten daraus nicht nur ein Gebot zum Erhalt jüdischer Gotteshäuser, zudem zeigten sie sich überzeugt, daß sich Juden, wenn ihnen mit Wohlwollen (benevolentia) begegnet werde und sie gleichmütig in ihren religiösen Riten geduldet würden (aequanimiter tolerari), womöglich dem christlichen Glauben öffneten. 57 Als Papst Martin V. in den Jahren 1422 und 1429 gegen antijüdische Predigten argumentierte, erinnerte er nicht nur an eine christliche Barmherzigkeit, sondern erneuerte paulinische Gedanken von der überzeitlichen Konvergenz von Christen und Juden. Am Ende der Zeit werde der verbliebene Rest des alten Gottesvolkes errettet werden. Und er forcierte ein weiteres zentrales Argument, das im Verlauf des 15. Jahrhunderts von seinen Nachfolgern auf dem Stuhl Petri mehrmals bemüht wurde, um Juden vor Verfolgungen zu schützen. Die Juden seien in besonderem Maße zum Zeugnis für den rechtmäßigen, d.h. christlichen Glauben aufbewahrt worden (specialius sunt in testimonium orthodoxe fidei reservati) und „die Heilige Kirche duldet die Juden zum Zeugnis Christi“ (Sacrosancta tolerat Ecclesia in testimonium Iesu Christi). 58 Martin V. bestätigte mit der Hervorhebung der jüdischen Zeugnisfunktion für die Wahrheit des christlichen Glaubens die traditionelle Argumentation, die bereits Papst Innozenz III. vorgebracht hatte, als er 1199 die päpstliche Judenschutzbulle Sicut-Iudaeis erneuerte. Überlegungen, die Christen zur Duldsamkeit gegenüber Juden aufforderten, wurden bereits in frühchristlicher Zeit geäußert. In der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts zeigte sich Bischof Cyprian von Karthago überzeugt davon, daß Juden für den christlichen Glauben gewonnen werden können, falls man ihnen mit „Gleichmut (aequanimitas), die sich im ‚Ertragen der Juden‘ (in Iudaeis

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qui utique hoc pro magno debent habere, quod in veteribus synagogis et suis observantibus tolerantur.“ Vgl. auch SCHREINER, Toleranz, S. 463. Vgl. CONDORELLI, I fondamenti giuridici della toleranza religiosa, S. 134-140. Eine Auflistung der einschlägigen kanonistischen Literatur findet sich auch bei BEJCZY, Tolerantia, S. 371. In der päpstlichen Bulle vom 20. Februar 1422 steht: „Nos igitur considerantes, quod religioni convenit Christiane Iudeis eo libencius contra persecutores et molestatores ipsorum, oportunum prestare subsidium, quo specialius sunt in testimonium orthodoxe fidei reservati, eorum testante propheta: ‚tandem reliquie salve fient‘ [Rm 9,27; vgl. auch Jes 10, 22-23; M.H.].“ The Apostolic See and the Jews, Bd. 2, Nr. 614. Papst Felix V. formulierte 1444 ähnlich: „(...) Iudei, qui [in] testimonium fidei Catholice specialiter reservati sint (...)“. Papst Nikolaus V. übernahm 1447 Martin V. wörtlich: „(...) quo specialius sunt in testimonium orthodoxe fidei reservati (...)“. Vgl. The Apostolic See and the Jews, Bd. 2, Nr. 758 u. 767. 1429 formulierte Martin V.: „(...) Sacrosancta tolerat Ecclesia in testimonium Iesu Christi (...)“. Bereits 1421 hatte er in einer Bulle zum Schutz jüdischer Kinder unter 12 Jahren im Reich und im Herrschaftsgebiet von Venedig vor Taufe gegen ihren Willen oder den ihrer Eltern den Grundsatz vorgebracht: „(...) Sacrosancta Romana Ecclesia tolerat in testimonium Christi nostri (...)“. Papst Sixtus IV. wiederholte dies 1474. Vgl. The Apostolic See and the Jews, Bd. 2, Nr. 606 u. 658 und Bd. 3, Nr. 1402.

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tolerandis) bewähre“ 59, begegne. Der Rhetoriklehrer und christliche Schriftsteller Lactantius kommentierte ungefähr ein halbes Jahrhundert später, in den Prophetien des Alten Testamentes sei „alles vorhergesagt (...), was wir in Christus erfüllt sehen“. Juden galten ihm als Bewahrer alttestamentlicher Schriftbeweise. Im Zusammenhang seiner Ausführungen über Jes 7,14 schrieb Lactantius: „Dies lasen die Juden, die ihn töteten. Wer glaubt, wir erfinden das, mag sie fragen und es sich gerade von ihnen geben lassen: genügend sicher ist ein Wahrheitszeugnis, das die Feinde selbst bieten.“ 60 Es war jedoch Augustinus vorbehalten, deratige Gedanken zu präzisieren. In seinem Gottesstaat hielt er fest: „Die Juden aber, die ihn töteten und nicht an ihn glauben wollten, daß er sterben und auferstehen mußte, wurden von den Römern noch schlimmer heimgesucht und mit Stumpf und Stil aus dem Heimatlande, wo sie bereits unter Fremdherrschaft lebten, ausgerottet und über alle Länder zerstreut – fehlen sie doch nirgendwo – und müssen uns nun durch ihre Schriften das Zeugnis liefern, daß wir die Weissagungen von Christus nicht erdichtet haben. (...). Es könnte ja vielleicht jemand sagen, jene Weissagungen von Christus, die unter dem Namen der Sibylle oder etwa auch anderer gehen, die nichts mit den Juden zu tun haben, seien von den Christen erdichtet. Uns aber genügen die, welche den Schrifttexten unserer Gegner zu entnehmen sind, und wir begreifen, daß sie uns um eben dieses Zeugnis willen, das sie uns wider Willen dadurch abgeben müssen, daß sie diese Schriften besitzen und bewahren, über alle Völker zerstreut sind, soweit sich die Kirche Christi auch ausbreitet (...) Darum tötete er sie nicht, das ist löschte ihre jüdische Sonderart nicht aus, so sehr sie auch von den Römern geschlagen und unterdrückt wurden, damit sie nicht das Gesetz Gottes vergäßen und dann außerstande wären, jenes Zeugnis abzugeben, von dem hier die Rede ist. Darum wäre es zu wenig gewesen zu sagen: ‚Töte sie nicht, damit sie nicht dereinst dein Gesetz vergessen‘, wäre nicht auch beigefügt: ‚Zerstreue sie‘. Denn wenn sie mit diesem Schriftzeugnis nur in ihrem eigenen Lande und nicht überall zur Stelle wären, hätte sie die Kirche, die überall ist, nicht unter allen Völkern als Zeugen der vorausgesandten Verheißungen von Christus zur Hand.“ 61 Den Grundsatz der unfreiwilligen jüdischen Zeugenschaft wiederholte Augustinus in seinem als Predigt stilisierten Traktat ‚Adversus Judaeos‘. Als Bücherträger, Bücherverwalter und Archivare der Christen tragen sie die alttestamentlichen Schriften überall hin, und bewähren „sich als Bürgen dafür, daß die Christen jene Schriften, aus denen sie alle Weissagungen auf Christus und die Kirche herauslesen, nicht gefälscht,

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Ebenda, S. 451 u. DERS., Tolerantia, S. 337. SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 1, S. 250. Vgl. auch SCHREINER, Tolerantia, S. 369. Aurelius Augustinus, De civitate Dei, Lib. XVIII, c. 46, in: ders. Opera XIV,2, S. 644f.

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umgeformt, ja zum Zwecke der Beweisführung erst erdichtet haben können“ 62. Was Augustinus, der auf die prophezeite endzeitliche Bekehrung der Juden vertraute 63, seinen christlichen Glaubensbrüdern damit sagen wollte, ist evident. Aufgrund ihrer Zeugenfunktion für den christlichen Glauben sind sie weiterhin in ihrem Jüdischsein, d.h. in ihren religiösen Praktiken und Sitten zu dulden. Während Augustinus in Fragen der Toleranz gegenüber Häretikern und Schismatikern situativ differenzierte, machte er vom Prinzip der Duldsamkeit gegenüber Juden keine Ausnahmen. Mit der ungewollten Zeugenschaft für die veritas christiana schrieb Augustinus der andauernden jüdischen Existenz bis zum Ende der irdischen Zeit eine unverzichtbare religiöse Funktion für die christliche Heilsgeschichte zu. Er schuf damit ein gültiges Prinzip, das innerhalb der mittelalterlichen Gesellschaft immer wieder beredte Apologeten fand und rechtssetzende Kraft entfaltete, jedoch auch abgeschwächt und verfälscht werden konnte. 64 Von der andauernden Existenz des Judentums in einer zunehmend christlichen Welt sahen sich gerade Franziskanerprediger, so scheint es, herausgefordert. An den traditionellen Leitbegriffen wie pietas, clementia oder misericordia hielten sie fest. Roberto Caracciolo da Lecce sah in der Duldung der Juden in besonderem Maße eine pietas christiana. Sie gebiete Christen, Glaubensfeinde nicht zu verfolgen, sondern sie geduldig zu ertragen (sustinet patienter). 65 Neben pietas, clementia oder misericordia bemühten franziskanische Prediger auch die theologische Tugend der caritas. Michele Carcano da Milano predigte umfangreich über das Gebot der Nächstenliebe, die Christen nicht nur denen, die treu zum katholischen Glauben stünden, sondern im besonderen 62

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BERNHARD BLUMENKRANZ, Die Judenpredigt Augustins. Ein Beitrag zur Geschichte der jüdisch-christlichen Beziehungen in den ersten Jahrhunderten, Genf 1946 (ND Paris 1973), S. 177. Aurelius Augustinus, Judenpredigt in deutscher Übersetzung, I,1, hg. von Bernhard Blumenkranz, in: Blumenkranz, Die Judenpredigt Augustins, S. 90. Zur Tradition der augustinischen Gedankengänge zur jüdischen Zeugenschaft für den christlichen Glauben SCHREINER, Tolerantia, S. 370-381 u. DERS., „Got is selve recht“. Angewandte Theologie in Rechtsordnungen und Rechtsverfahren des späten Mittelalters, in: Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, II. Teil. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1996 bis 1997, hg. von Hartmut Boockmann, Ludger Grenzmann, Bernd Moeller und Martin Staehlin, Göttingen 2001, S. 355-361. Roberto Caracciolo da Lecce, Quadragesimale de peccatis, Feria secunda hebdomade. De superbia infidelium idolatrarum Mahumethanorum et iudeorum qui omnes moriuntur eterna morte,Sermo 16, fol. 49r: „Primum utrum iudei sint tolerandi (...) Ad primum dubium (...) tum etiam ut in hoc elucescat pietas christiana que fidei inimicos non persequitur: sed sustinet patienter“. Ebenso ders., Specchio della fede, Sermo decimonono della Innocentia di christo perseguitato a torta dalli malvasi iudei, fol. 87v: „El secondo dubio fu si gli iudei cossi maligni si deveno dalli cristiani tollerare (...) E quarto perche in questo reluce la cristiana pieta laquale sostene e non persequeta gli inimici della fede“.

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Maße ihren Glaubensfeinden entgegenbringen müßten. Ein solches Verhalten galt ihm als Nachweis der höchsten Form von caritas. 66 In Padua 1423, Florenz 1424 und Siena 1425 machte Bernardino da Siena sie zum Maßstab des christlich-jüdischen Zusammenlebens. Christen sollten Juden nicht nur mitleidig, nachsichtig oder barmherzig, sondern mit Liebe zu begegnen. 67 In Fällen, in denen ein Jude in körperliche Not gerate, sei es Ausdruck christlicher Nächstenliebe, ihn zu unterstützen. Handele man anders, erwarteten einen Höllenstrafen. 68 Hier wird gegenüber den Juden das Gebot der „Reziprozitätsethik“ angewandt und entspricht innerlich der „Gesinnung der caritas, der Liebe zum Leidenden als solchen, der Nächstenliebe, Menschenliebe und schließlich: der Feindesliebe.“ 69 Zu Beginn der 1430er Jahre unterbrach Bernardino da Siena seine 1405 begonnene rastlose Tätigkeit als Wanderprediger. Er zog sich in ein umbrisches Eremitorium zurück, wo er umfangreiche Reihen an Modellpredigten niederschrieb, unter anderem das ‚Quadragesimale de evangelio aeterno‘. Er fügte dem Titel noch ein Leitmotiv bei: „Hoc est de caritate“ 70. Die ersten sieben Predigten des ‚Quadragesimale‘ sind ausschließlich der theologischen Tugend der Liebe vorbehalten. Detailreich schildert Bernardino da Siena ihre göttlichen Ursprünge, ihre Beschaffenheit und ihre vielfältigen Manifestationen im göttlichen Heilsplan. Er macht caritas 66

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Michele Caracano da Milano, Sermonarium de commendatione virtutum et reprobatione vitiorum, Sermo 43/44: De comparatione dilectionis unius proximi ad alterum/De modificatione amoris proximi, Mailand 1495, fol. 146v-153v. In Padua fragte Bernardino da Siena in der Predigt ‚De emenda charitate divina‘: „(...) quaero nunquid liceat benefacere Judaeis, et amare eos? Respondeo, quod in iis, quae concernunt amorem generalem, licet eos amare (...)“. Zitat entnommen MORMANDO, Preacher’s Demons, S. 240. Er wiederholte den Gedanken nochmals während seiner Predigten in Padua 1423 in seiner Predigt ‚De amore lato‘: „Primus ergo amor est generalis, qui comprehendit amicos, inimicos, paganos, Judaeos, Christianos, patrem, matrem, filios, et proximos, et omnes alios.“ In Florenz teilte er 1424 in einer Predigt mit dem Titel ‚Che cosa si ì obligati a rendere‘ ebenfalls mit: „A ogni persona ch’è creatura ragionevole o cristiano, o saracino, o giudeo se’ tenuto dimostrargli il segno di carità comuna.“ In Siena widmete er 1425 der caritas eine eigene Predigt ‚Questa è la predica de la carità‘: El primo amore è generale, e comprendevisi ciò che tu debbi fare; cioè debbi amare el tuo figliuolo, il fratello, el parente, el giudeo, el pagano.“ Zitate entnommen MORMANDO, Preacher’s Demons, S. 172, Anm. 25f. Bernardinus Senensis, Quadragesimale de evangelio aeterno, Sermo 7: De proximorum dilectione (Opera Omnia 3), S. 129: „(...) cum et haec duo, scilicet ponere famam atque substantiam, de necessitate teneatur homo ponere pro corporali necessitate proximi sui, etiam inimici et saraceni atque iudaei (...)“. In Padua formulierte er 1423 den Sachverhalt in seiner Predigt ‚De amore lato‘: „Istae sunt conditiones amoris generalis, quibus debemus et amicis et inimicis subvenire (...) Unde si videris unum Judaeum in necessitate, tu debes ei subvenire, et omnibus aliis, cum vero et justo amore sancto et operoso; et nisi si feceris, infernus te expectat.“ Zitat entnommen MORMANDO, Preacher’s Demons, S. 172, Anm. 28. WEBER, Religionssoziologie I, S. 543. Bernardinus Senensis, Quadragesimale de evangelio aeterno (Opera Omnia 3/4) hg. vom Collegium S. Bonaventurae, Quaracchi-Florenz 1956.

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zu einem umfassenden Strukturprinzip menschlichen Miteinanders, das den Geboten Jesu folge. Christliche Liebe gebiete, sowohl den Nächsten, als auch seine Feinde wie sich selbst zu lieben. Dies verpflichte dazu, alle Menschen zu lieben, die nach dem Vorbild Gottes geschaffen wurden: Freunde und Feinde, Gute und Schlechte, Gläubige und Ungläubige. 71 Bernardino da Siena berief sich vielfach auf Augustinus, um Antworten auf Fragen des Glaubens und der Moral zu geben. Überlegungen Augustinus zur Duldsamkeit von Christen gegenüber Juden griff Bernardino da Siena jedoch nicht explizit auf. Das Konzept der unfreiwilligen Zeugenschaft der Juden für den christlichen Glauben war franziskanischen Predigern jedoch hinlänglich bekannt. Um die Frage, utrum iudaei sint tollerandi, abschließend positiv zu beantworten, erinnerte Robero Caracciolo da Lecce daran, daß Juden die alttestamentlichen Schriften bewahren, in denen das im Neuen Testament erfüllte christliche Heilsgeheimnis vorausgesagt sei. Die Vorstellung von altgläubigen Israeliten als Archivare für die Christen entnahm Fra Roberto jedoch nicht dem augustinischen Original. Als Autorität führte er seinen Ordensbruder Alexander von Hales an, der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts Theologie in Paris lehrte. Dieser brachte in seiner ‚Summa theologica‘ unter anderem eine christologische Deutung des Psalmverses 58,12 vor, um die tolerantia iudaeorum zu rechtfertigen. Aus dem einst an die Israeliten gerichteten Tötungsverbot machte er ein Gebot an Christen, das ihnen vorschrieb, Juden nicht nach dem Leben zu trachten. Daneben erinnerte er an die prophezeite endzeitliche Bekehrung der Juden und an die jüdische Herkunft Christi, seiner jungfräulichen Mutter Maria und der Apostel. Zudem, gab Alexander von Hales zu bedenken, erhalte die katholische Kirche ein „ausnehmend starkes Zeugnis“ für die christliche Glaubenslehre von ihren Gegnern, die das Alte Testament bewahrten: „Ad hoc ergo, quod Ecclesia catholica ab inimicis habeat testimonium, tolerandi sunt Judaei.“ 72 71

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Bernardinus Senensis, Quadragesimale de evangelio aeterno, Sermo 7: De proximorum dilectione (Opera Omnia 3), S. 120: „Primus dicitur amor generalis, quo quilibet obligatur diligere amicos et inimicos, bonos et malos, fideles et infideles, et quoslibet homines ad imaginem Dei factos.“ Auch der spanische Franziskanerobservant Alfonso da Spina erinnerte in seinem ‚Fortalitium Fidei‘ an das christliche Liebesgebot, um darzulegen, warum Juden, obschon sie Feinde der Christen seien, inmitten von Christen leben dürften. Alfonso da Spina, Fortalitium Fidei, L. III, art. 1, fol. 223v: „Primus articulus est scire quare iudei permittuntur vivere inter christianos cum sint eorum inimici tam crudeliter se habeant circa ipsos ut supra ostensum est consideratione septima. Potius enim videtur quod deberent omnes occidi et expelli de mundo. Dico ergo quod iudei permittuntur vivere inter christianos et non occiduntur propter quinque. Primum est propter implectione legis charitatis etc. Mat V ‚Diligite inimicos vestros benefacite his qui oderunt vos‘ [Mt 5, 44; M.H.] (...)“. Alexander von Hales, Summa theologica, Tom III: Secunda pars secundi libri, Quaracchi 1930, S. 740. Vgl. dazu auch WILLIBRORD LAMPEN, Alexander von Hales und der Antisemitismus, in: Franziskanische Studien 16 (1929), S. 1-14, bes. S. 7f. Roberto

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Den Gedanken der jüdischen Zeugenschaft erweiterte Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert noch um weitere Gesichtspunkte. Er nahm sich in seiner ‚Summa theologica‘ ausführlich der Frage an, ob die Religionsgebräuche von Ungläubigen zu dulden seien, Er betonte zwei Gründe für die Duldung ihrer Riten, trotzdem sie damit sündigten. Auf der einen Seite könne daraus Gutes erwachsen, andererseits beuge man zuweilen einem größeren Übel vor, das entstünde, wenn man die religiösen Praktiken der Ungläubigen verbiete. Die Bewahrung der gottesdienstlichen Gebräuche der Juden gereiche Christen zum Vorteil, da in ihnen „einst die Wahrheit des von uns festgehaltenen Glaubens vorgebildet war“, so daß „wir von Seiten unserer Feinde ein Zeugnis für unseren Glauben haben und daß uns gleichsam im Bilde vor Augen steht, was wir glauben“ 73. Mehr noch als die Überlegungen des ansonsten ausnehmend häufig und breit von ihnen zitierten Alexander von Hales gehörten die Ausführungen des Aquinaten zum theologischen Gemeingut franziskanischer Prediger. 74

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Caracciolo da Lecce berief sich ausdrücklich auf Alexander von Hales, führte jedoch den von Alexander bemühten Ps 58,12 nicht auf. Vgl. Roberto Caracciolo da Lecce, Quadragesimale de peccatis, Feria secunda hebdomade, Sermo 16: De superbia infidelium idolatrarum Mahumethanorum et iudeorum qui omnes moriuntur eterna morte, fol. 49r: „Primum utrum iudei sint tolerandi (...) Ad primum dubium respondet Alexander 2° volumine summe quod iudei a christianis tolerari debent: tum quia ex eorum semine natus est Christus sanctus ex semine David secundum carnem: et apostoli etiam fuerunt iudei: tum quia in scripturis veteris testamenti quod ipsi proficentur perhibetur testimonium de Christo: tum quia in fine mundi reliquie israel salve fient (...)“. Er wiederholte seine Ausführungen nochmals im Specchio della fede. Dort verwies er auch auf die jüdische Herkunft Marias. Vgl. ders., Specchio della fede, Sermo 19: Della Innocentia di christo perseguitato a torta dalli malvasi iudei, fol. 87v. Thomas von Aquin, Summa theologica II-II, q. 10, art. 11: „Sic igitur, quamvis infideles in suis ritibus peccent, tolerari possunt vel propter aliquod bonum quod ex eis provenit, vel propter aliquod malum quod vitatur. Ex hoc autem quod Judaei ritus suos observant, in quibus olim praefigurabatur veritas fidei quam tenemus, hoc bonum provenit quod testimoniumfidei nostrae habemus ab hostibus, et quasi in figura nobis repraesentatur quod credimus. Et ideo in suis ritibus tolerantur. Aliorum vero infidelium ritus, qui nihil veritatis aut utilitatis afferunt, non sunt aliqualiter tolerandi, nisi forte ad aliquod malum vitandum: scilicet ad vitandum scandalum vel dissidium quod ex hoc posset provenire, vel impedimentum salutis eorum, qui paulatim, sic tolerati, convertuntur ad fidem. Propter hoc enim etiam haereticorum et paganorum ritus aliquando Ecclesia toleravit, quando erat magna infidelium multitudo.“ Vgl. etwa Antonio da Bitonto, Sermones dominicales per totum annum Dominica in octava pasce, Sermo de vitio infidelitatis, fol. 60v: „Utrum ritus eorum sint tolerandi (...) Sic igitur quamvis infideles in suis ritibus peccent tolerari possunt, vel propter aliquod bonum quod ex eis provenit, vel propter aliquod malum quod vitatur. Ex hoc autem quod iudei ritus suos observant, in quibus olim praefigurabatur veritas fidei (...) quam fidem nunc tenemus hoc bonum provenit quod testimonium fidei nostre habemus ab hostibus, et quasi in figura nobis repraesentatur quod credimus. Et ideo in suis ritibus tolerantur. Aliorum vero infidelium ritus qui nihil veritatis aut utilitatis afferunt, non sunt aliqualiter tolerandi, nisi forte ad aliquod malum vitandum, scilicet ad vitandum scandalum vel dissidium quod ex hoc posset provenire vel impedimentum salutis eorum, qui paulatim sic tolerati convertuntur ad fidem. Propter hoc enim hereticorum et paganorum ritus aliquando ecclesia toleravit quando erat magna infidelium multitudo.“ Roberto Caracciolo da Lecce, Quadragesimale de

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Mit traditionellen Motiven für eine tolerantia iudaeorum bemühten die franziskanischen Prediger durchgehend eine Norm, die Juden weiterhin erlauben sollte, unter Christen zu leben, ihren Kultus auszuüben, und die ihnen Schutz vor Verfolgungen bot. 75 Das aus theologischen und teleologischen Motiven gespeiste Toleranzgebot gegenüber Juden im Mittelalter entsprach

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peccatis, Feria secunda hebdomade, Sermo 16: De superbia infidelium idolatrarum Mahumethanorum et iudeorum qui omnes moriuntur eterna morte, fol. 49r und ders., Specchio della fede, Sermo 19: Della Innocentia di Christo perseguitato a torta dalli malvasi iudei, fol. 87v. Roberto Caracciolo da Lecce wiederholt fast wörtlich die Ausführungen, die Thomas von Aquin an der entsprechenden Stelle seiner ‚Summa theologica‘ vorgebracht hatte. Angelo Carletti griff den Gedanken der Präfiguration christlichen Glaubenswissens in den jüdischen Religionsgebräuchen in seiner Summa Angelica auf. Allerdings bezog er sich dabei nicht auf die ‚Summa theologica‘ des Thomas von Aquin, sondern führte einen Zeitgenossen des Aquinaten an, den berühmten Kanonisten Hostiensis (Heinrich von Segusia, † 1271), der unter anderem 1244 in Paris Kirchenrecht lehrte und zwischen 1250-53 mit der ‚Summa aurea‘ einen ausführlichen Kommentar zum Liber Extra verfaßte. Angelo Carletti, Summa Angelica, fol. 172v: „Utrum sint in eorum ritibus tolerandi. Respondet Asten. [Hostiensis; M.H.] quod licet infideles peccent in eorum ritibus: tamen possunt tolerari sine peccato propter duo: vel propter bonum quod pervenit ex eis: sicut in ritibus iudeorum hoc bonum habemus quod fides nostra habet ab eis testimonium in talibus ritibus in quibus figurabatur. Vel secundo possunt tolerari sine peccato propter malum vitandum vel scandalum aut dissidium quod pervenire posset vel impedimentum salutis eorum qui sic tolerari paulatim convertuntur ad fidem: et propter primum sunt tolerandi iudei propter secundum solum alii infideles: alias non.“ Vgl. auch Giacomo Ongarelli, De malitiis ac impietatibus Iudeorum modernorum, Liber III, c. 33, fol. 102v: „Ecclesia sancta dei tollerat Judeos in suis ritibus tum ut veritas fidei nostre in ipsis elucescat (...)“. Die von spätmittelalterlichen Päpsten und Kanonisten häufiger geäußerte Hoffnung, Juden bekehrten sich eher zum christlichen Glauben, falls die Kirche ihnen die Ausübung ihrer religiösen Gebräuche gestatte, nahm im Denken der franziskanischen Prediger keinen prominenten Platz ein. Von den für diese Arbeit untersuchten franziskanischen Predigern griff lediglich Baptista Trovamala unter Berufung auf die Kanonisten Johannes Andreae († 1348) und Panormitanus († 1445/53) diese Gedanken in seiner ‚Rosella‘ auf. Vgl. Baptista Trovamala, Rosella casuum, fol. 143v: „Sed quare iudei tolerantur in antiquis synagogis. Resp. Panormitanus de mente Johannes Andreae quod spes est de eorum conversione et ut facilius trahantur ad fidem: ideo ecclesia permittit eorum ritus et solemnitates servare“. Am Anfang seines ‚Consilium contra Iudaeos‘ zitierte Bernardino da Busti geltendes Kirchenrecht aus dem Decretum Gratiani, wonach Juden weder gequält oder beschwert, noch an der Ausübung ihres Ritus gehindert werden dürften. Vgl. CIC, D. 45, c. 3 u. 5. Vorbildlich faßte er anschließend die traditionellen Argumente „ad defensionem (...) iudeorum“ zusammen. Vgl. Bernardino da Busti, Rosarium, Pars I, Consilium contra Iudaeos, fol. 87v: „Et ideo christiana fides sustinet eos habitare inter christianos: ut in c. etsi iudeos [D. 45, c. 3; M.H.] ut impleatur verbum domini quod dicitur: ‚Non preteribit generatio hec donec omnia fiat‘ Mat XXIIII [Mt 24, 34; M.H.] Debent enim iudei in fine mundi converti ad fidem (...) Et idcirco mandavit deus eos non occidi (...) Quod preceptum habetur Ps lviii ubi inquit christus populo suo christiano: ‚Deus ostendit mihi super inimicos meos ne occidas eos: ne quando obliviscantur populi mei; disperge illos in virtute tua etc.‘ [Ps 58,12; M.H.] (...) Et predicta facere debent ut bonum habeant testimonium etiam ab eis qui foris sunt id est extra fidem.“

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jedoch keineswegs modernen Vorstellungen eines offenen Dialogs religiöser Kulturen oder unbeschränkter Glaubensfreiheit, noch stellte sie ein Plädoyer für eine vorbehaltlose Anerkennung und Wertschätzung von Juden in ihrem Jüdischsein dar. Dieser Befund läßt sich unschwer an den verwendeten Begriffen ablesen. Pietas, clementia oder misericordia drückten allenfalls mitfühlende Barmherzigkeit mit jenen aus, die ob ihres Unglaubens fehlten und sündigten. Franziskanische Prediger, die an das christliche Liebesgebot erinnerten, machten aus caritas kein Respektieren unter Gleichen. Bernardino da Siena schränkte ein, Christen dürften Juden nur mit allgemeiner Liebe (amor generalis) begegnen; sie müßten sich jedoch davor hüten, ihren Glaubensfeinden eine besondere Liebe (amor specialis) entgegenzubringen. 76 Vorbehalte gegen Juden kommt auch im Begriff der permissio zum Ausdruck, der einschlägigen Kanonisten seit dem 13. Jahrhundert zunehmend als eigentliches Wesen der Duldsamkeit gegenüber Juden galt. Goffredo da Trani (†1245) kommentierte bereits 1241/43 das Gebot der tolerantia iudaeorum, wie es sich nur wenige Jahre zuvor im ‚Liber Extra‘ niedergeschlagen hatte. Die Duldung des jüdischen Ritus drücke keineswegs die Vorstellung einer Billigung oder gar einer Gutheißung des jüdischen Glaubens aus. Die Kirche erlaube (permittit) Juden lediglich (ecclesia non approbat, sed permittit), ihre Religionsgebräuche weiterhin auszuüben, wodurch sie nicht sündige. 77 Die franziskanischen Prediger im spätmittelalterlichen Italien kannten die zeitgenössische kanonistische Literatur. Sie wußten daher um die Einschätzung von tolerantia als permissio. 78 Unter Berufung auf die ‚Summa Aurea‘ des aufgrund seiner Kardinalbischofswürde in Ostia gewöhnlich als Hostiensis bezeichneten Kanonisten Heinrich von Segusia († 1272) formulierte Bernardino da Busti in seinem ‚Consilium contra Iudaeos‘: „Wenn die Kirche den Juden erlaubt, ihren Ritus zu beachten, sündigt sie nicht, da sie ihn nicht billigt. Was wir aber erlauben, dem pflichten wir nicht bei. Schlechte menschliche Gesinnungen können wir jedoch nicht völlig

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Vgl. MORMANDO, Preacher’s Demons, S. 178. Goffredo da Trani, Summa, L. V, tit. 6 de iudaeis, fol. 198v: „Sed nonne ecclesia peccat, dum sinit iudaeos ritus iudaicos observare, ut infra eodem tit. c. sicut [X.5.6.9; M.H.]? Ad quod respondeo, ecclesia non approbat, sed permittit (...)“. Zitiert nach CONDORELLI, I fondamenti giuridici della toleranza religiosa, S. 134. Da ich für das Kirchenrecht anders als Condorelli abkürze, habe ich die Auflösung, die Condorelli in Klammern bietet, an einer Stelle verändert. Bereits Johannes Teutonicus machte auf die Differenz von permissio und approbatio in seiner kurz nach 1215 abgeschlossenen ‚Glossa ordinaria‘ zum Decretum Gratiani aufmerksam: „quae permittimus non approbamus“. Zitiert nach SCHREINER, Toleranz, S. 464. Niccolo da Osimo, Supplementum, fol. 163r: „(...) Ritus autem et solemnitates suas sunt permittendi (...)“. Angelo Carletti, Summa Angelica, fol. 367v: „ (...) permissio est tollens impedimentum et isto modo ecclesia tolerat ritus iudeorum prohibens christianis ne eos impediant (...)“.

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verhindern.“ 79 Blieb wenig Hoffnung, Juden von ihrer falschen religiösen Überzeugungen abzubringen oder diese zu unterbinden, hinderte dies jedoch keineswegs daran, die jüdische Existenz in der christlichen Umwelt an Bedingungen zu knüpfen. Davor schützte das Konzept der tolerantia iudaeorum nicht. Welche Auflagen sahen die franziskanischen Prediger für das christlichjüdische Zusammenleben vor?

3.1.1. Antijüdische Normen I – Die kirchliche Judengesetzgebung Der spätantike Apologet des Christentums und Kirchenschriftsteller Tertullian († nach 220) deutete die alttestamentliche Prophetie aus Gn 25,23 in seinem Traktat ‚Adversus Judaeos‘ – der ersten Sonderschrift dieser Art, die eine jahrhundertelange Tradition begründete – folgenreich aus. Für ihn stellten die Söhne Rebekkas, Esau und Jakob, typologisch das jüdische und das christliche Volk dar. Aus der Weissagung, wonach der Erstgeborene seinem jüngeren Bruder dienen sollte, zog Tertullian den Schluß, daß die Juden den Christen unterworfen seien. 80 Diesen Gedanken griffen nach ihm zahlreiche mittelalterliche Theologen auf. 81 Augustinus betonte in seiner fiktiven Judenpredigt neben der jüdischen Zeugenschaft, daß nach dem Tod Christi nun die christliche Glaubensgemeinschaft das wahre Israel bilde. Indem die verstockten, blinden und schamlosen Juden, deren Rücken stets gebeugt sei, dem neuen Gottesvolk dienten, erfüllten sie, so Augustinus weiter, die Vorhersage aus Gn 25,23. 82 Er beließ es jedoch bei einem rein theologischen Konzept der Unterordnung von Juden gegenüber Christen: „Sei gut, ertrage den Schlechten (esto bonus, tolera malum).“ Er gebot Duldsamkeit gegenüber allen mali, sowohl gegenüber Häretikern, Heiden, Juden und schlechten, d.h. moralisch fehlenden, Christen. Allerdings differenzierte er: „Foris tolera haereticum, tolera paganum, tolera Judaeum, tolera et intus malum Christianum.“ Innere und äußere Duldung verdiene nur ein 79

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Bernardino da Busti, Rosarium, Pars I, Consilium contra Iudaeos, fol. 87v: „Quamvis autem ecclesia permittat iudeos ritus suos observare: tamen per hoc non peccat: ut ait Host. (...) quia per hoc non approbat: sed tamen permittit. Quod autem permittimus, nolentes concedimus: quia malorum hominum voluntates ad plenum prohibere non possumus.c.hac ratione.xxxi.q.i.“ Vgl. Hostiensis, Summa Aurea, L. V, Tit. 6, de Iudaeis, Sp. 1517-1519, n. 3-4: „In quibus tolerentur. Et certe ut habeant veteres synagogas (...) et suis observantiis tolerantur, ut infra eo. Iudaei. et c. consuluit [X.5.6.3 u. 8; M.H.] (...) Sed nonne peccat ecclesia dum sinit Iudaeos ritus suos observare, ut supra dictum est? non: quia non approbat, sed permittit: quod autem permittimus, nolentes percipimus. i[dest] concedimus, quia malas hominum voluntates ad plenum prohibere non possumus 31.q.1 hac ratione (rectius: hac auctoritate) [C. 31 q. 1, c. 9; M.H.].“ Zitiert nach CONDORELLI, I fondamenti giuridici della toleranza religiosa, S. 139. SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 1, S. 222. EBENDA. Aurelius Augustinus, Judenpredigt, V, 6, in: Blumenkranz, Die Judenpredigt Augustins, S. 95.

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schlechter Christ, war er doch trotz seiner Verfehlungen ein rechtgläubiges Glied der Kirche. Jene aber, die sich durch ihre religiösen Überzeugungen von Christen unterschieden, „sollen nur ‚von außen‘, das heißt in ihrer körperlichen und sozialen Existenz toleriert werden“ 83, um den christlichen Glauben nicht zu gefährden. Augustinus führte jedoch nicht darüber aus, wie die gebotene Duldsamkeit gegenüber Nichtchristen konkret aussehen sollte. Aus der Vorgabe einer Unterordnung der Juden unter die Christen erwuchsen aber alsbald konkrete Maßnahmen, die eine rechtliche und soziale Deklassierung der Juden bedeuteten. Nicht zuerst, aber vor allem seit dem hohen Mittelalter begannen christliche Theologen und Kanonisten, kirchliche und weltliche Obrigkeiten die ehedem rein theologisch gedeutete jüdische Knechtschaft (servitus iudaeorum) vermehrt für eine hierarchische Abgrenzung zwischen Christen und Juden in Anspruch zu nehmen, die sich in konkreten Lebenszusammenhängen manifestieren sollte. 84 Papst Innozenz III. hob 1205 in einem Brief, den er sowohl an den Erzbischof von Sens als auch an den Bischof von Paris richtete, nach wie vor eine pietas christiana hervor, derzufolge das Zusammenleben von Christen mit Juden (cohabitationem illorum) auf sich genommen und ausgehalten werden müsse. Zugleich erinnerte er jedoch an die Schuld der Juden, die Christus kreuzigten, woraus sich ihre andauernde Knechtschaft (culpa submisit perpetuae servituti) ableite. Der Brief Innozenz III. fand neben anderen päpstlichen Schreiben, etwa der Sicut-Iudaei-Bulle Clemens III. und Bestimmungen des vierten Laterankonzils Eingang in den ‚Liber Extra‘. 85Aus dem corpus iuris canonici jener Zeit läßt sich sowohl das Duldungsgebot gegenüber Juden, als auch das Bemühen entnehmen, Juden einen distinkten, verminderten rechtlichen und sozialen Status in der christlichen Gesellschaft zuzuweisen. Die verstärkte Rezeption der kanonistischen Gesetzgebung, die das christlich-jüdische Zusammenleben schon früh an rechtliche Bedingungen geknüpft und seit dem hohen Mittelalter zunehmend restriktiven Maßnahmen unterworfen hatte, kennzeichnete das 15. Jahrhundert. In zahlreichen Handlungsinitiativen forderten Vertreter der Amtskirche, Kirchenversammlungen, Kanonisten und Theologen die Einhaltung eines kirchenrechtlich sanktionierten Antijudaismus. Die Päpste des 15. Jahrhunderts erinnerten ausnehmend häufig an die Separationsbestimmungen, die das Kirchenrecht zwischen Christen und Juden vorsah. Davon nahmen sich auch jene Vikare Christi auf dem Stuhl Petri nicht aus, die in jener Zeit vehement gegen judenfeindliche Predigten von Mendikanten wandten und an klassische 83 84 85

SCHREINER, Tolerantia, S. 367. EBENDA auch die Zitate aus Augustinus, Sermo 16,6, in: Migne PL 38, Sp. 119. MAGIN, Iuden recht, S. 76, 95 u. 260. CIC, X.5.6.1-19.

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Motive einer tolerantia iudaeorum appellierten. 86 Der Gegenpapst Benedikt XIII., der zuvor als Pedro de Luna in Montpellier Kirchenrecht gelehrt hatte, bullierte 1415 mit ‚Etsi doctores‘ nicht nur für neue Missionsinitiativen gegenüber Juden. Daneben hielt er es für angebracht, daß „diejenigen, die der Tod Jesu Christi der Knechtschaft im Dienste der Christen überantwortete“ nicht von weltlichen Obrigkeiten mit Privilegien ausgestattet werden sollten. Er gebot statt dessen eine strenge Umsetzung der alten kirchenrechtlichen Bestimmungen, die der christlich-jüdischen Gemeinschaft enge Grenzen setzten. 87 Prediger wie der spanische Franziskanerobservant Alfonso da Spina oder der jüdische Konvertit Johannes Pfefferkorn, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts im Reich gegen seine früheren Glaubensbrüder polemisierte, verbanden den Missionsgedanken programmatisch mit der kanonistischen Judengesetzgebung. Sie äußerten die Hoffnung, daß durch die strikte Einhaltung der kirchlichen Judengesetzgebung, die einer persecutionem partialem gleichkomme, ein Assimilationsdruck auf die Juden ausgeübt werden könnte, jene letztlich ihrem Unglauben abschwörten und sich zum wahren christlichen Glauben bekehrten. 88 Ein auf dem Basler Konzil am 7. September 1434 verabschiedetes Dekret hielt die Ortsbischöfe und alle weltliche Herren an, auf die Einhaltung jener „heiligen Rechtsbestimmungen“ 89 zu achten. Zeitgenössische italienische Franziskanerprediger warben ebenfalls für die strikte Einhaltung der kanonistischen Judengesetzgebung. Sie reagierten damit nicht nur auf päpstliche Aufforderungen, sondern ergriffen auch selbst die Initiative. 90 Sie machten die Reformulierung der kirchlichen Judengesetze zu einer der Aufgaben ihres Predigtamtes. Roberto Caracciolo da Lecce, der zuvor an das christliche Liebesgebot erinnert und mit Alexander von Hales und Thomas von Aquin pro Duldung zahlreiche Gründe vorgebracht hatte, zeigte sich in seinem im September 1483 vollendeten ‚Quadragesimale de peccatis‘ als auch in seinem ‚Specchio della fede‘, das erstmals 1495 gedruckt wurde, überzeugt davon, daß die Juden die kirchlichen Gesetze einhalten müßten. 91 Er beklagte einen Umgang von Christen mit Juden an vielen Orten im Italien seiner Zeit, der über das mit der tolerantia iudaeorum gebotene Maß hinausgehe. Juden würden nun in unangemessener Weise bevorzugt behandelt. Die separa86 87 88 89 90 91

The Apostolic See and the Jews, Bd. 2, Nr. 615, 740f., 837ff., 858f. SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 1, S. 441. Alfonso da Spina, Fortalitium fidei, Prologus, fol. 3r. Conciliorum Oecumenicorum Decreta, hg. vom Centro di Documentazione Istituto per la Scienze Religiose, Bologna-Basel-Barcelona-Freiburg-Rom-Wien 1962, S. 459. The Apostolic See and the Jews, Bd. 2, Nr. 646, 765, 838f. Roberto Caracciolo da Lecce, Specchio della fede, Sermo 19: Della Innocentia di Christo perseguitato a torta dalli malvasi iudei, fol. 87v: „Nientedimeno quod e da notare che quantumque si debiano tollerare li iudei pure si deveno observare le constitutione ordinate dalla sancta chiesa.“

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tiven Bestimmungen seien dabei in Vergessenheit geraten. Als Ursache dafür machte er pekuniäre Vorteile aus, die weltliche, aber auch kirchliche Obrigkeiten von einem widerrechtlichen Umgang mit Juden erzielten. Ein solches Verfahren entspräche jedoch keineswegs dem Gedanken und dem Sinn des zuvor ausgeführten Toleranzgebotes, wenn dadurch Juden in ihrem Stolz und ihrer Hartnäckigkeit befördert würden. 92 Der observante Franziskanerprediger Marco da Montegallo griff nur wenige Jahre später in seiner Schrift ‚Tractato de sacri canoni, ordinationi et regole o vero comandamenti della sancta madre ecclesia christiana catholica‘ ausführlich auf Roberto Caracciolo da Lecce zurück. Er betrachtete es als Pflicht eines jeden Predigers, die Regeln, die die heilige Mutter Kirche mit Blick auf die Juden angeordnet und festgesetzt hatte, öffentlich in ihren Predigten vorzutragen. Er schloß sich der Argumentation Robertos an, die auf dem theologischen Motiv von einer Knechtschaft der Juden aufbaute und sich in einer rechtlich-sozial ausgeformten Differenz von Christen und Juden niederschlagen sollte. Marco da Montegallo war überzeugt: Beließe man es bei einem derartigen Umgang, einer derartigen Toleranz, so Marco, bedeute dies nur, daß die Juden in ihrem Stolz bestärkt würden und sich gar ihrer Hartnäckigkeit und ihres Unglaubens rühmten. 93 Der Franziskanerobservant Baptista Trovamala faßte die Gründe, die die franziskanischen Prediger gemeinhin für die Reformulierung der kirchlichen 92

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Ebenda, fol. 88r: „Io ho dicte tutte queste [die kirchenrechtlichen Bestimmungen; M.H.] cose perche ozi in plaerisque locis non solo Iudei son tollerati: ma quello che e pegio sono favoriti e exaltati contra el dovere e contra li statuti della sancta chiesa: questo per la avaritia di maiori liquali amano piu gli dinari che dio nella anima propria.“ Ders., Quadragesimale de peccatis, Feria secunda hebdomade, Sermo 16: De superbia infidelium idolatrarum Mahumethanorum et iudeorum qui omnes moriuntur eterna morte, fol. 49v: „Tertium dubium fuit utrum iudei sint regulis ecclesie humiliandi. Ad quod respondeo quod fieri non potest sine peccato gravissimo: quod hodie in tota quasi italia cernimus de iudeis. Nam propter pecunias quibus excecant dominorum et curialium oculos tanta libertate funguntur: ut ecclesie statuta penitus videantur extincta. Providit ecclesia sancta dei ut ita tolerentur iudei ne tamen ex hic tolerantia erumpant in superbiam et in sua obstinatione glorientur. Propterea predicande sunt et publice divulgande regule sancte quas edidit ecclesia de iudeis.“ Marco da Montegallo, Tractato de sacri canoni, ordinationi et regole o vero comandamenti della sancta madre ecclesia christiana catholica: „Duodecimo et ultimo comandamento ecclesiastico particulare et sacro canone è di schifare la molta pratica conversatione et compagnia et familiarità con gli iudei. Dove è da sapere che non si può fare senza pecchato gravissimo. La qual cosa hoggi vedemo in tutta quasi Ytalia cresciuta et abondata tanto, che non pare ce sia prohibitione alcuna. Et questo procede impero con la pechunia loro malacquista acchiechono gli occhi di signori magiori et cortigiani; tanto che usano et hanno tanta libertà de statuti, canoni et regole et comandamenti ecclesistici ci stanno per niente, ismarriti, extincti, debusi et beffegiati. Nientedimeno havemo da sapere che la sancta madre chiesa ha proveduto che in tal modo sein tolerati gli iudei, che per tale tolerantia non prorompano in superbia et nella sua obstinatione et perfidia si gloriano. Et pertanto sono da predicare et publicamente divulgere le regole della sancta madre ecclesia le quali ha ordinate et statuita circa gli iudei (...)“. Zitiert nach MERCATILI INDELICATO, Montegallo, S. 173.

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Judengesetzgebung in der Predigt vorbrachten, prägnant zusammen. Neben dem bereits von Roberto Caracciolo da Lecce und Marco da Montegallo angeführten Argument, daß im christlich-jüdischen Zusammenleben der Status von Juden als Diener der Christen (servi christianorum) zum Ausdruck kommen müßte, erinnerte Baptista Trovamala noch an den Schutz der einfachen Gläubigen, deren Seelenheil durch allzu große Nähe zu Juden gefährdet sei. Die darin zum Ausdruck kommende Angst vor einer Judaisierung von Christen war seit langem Anlaß für christliche Theologen und Kanonisten, die Beschränkung der christlich-jüdischen Kontakte einzufordern. 94 Giacomo Ongarelli verwies ebenfalls auf jene duae causae principales 95, um Christen dauerhaften Umgang (assiduam conversationem) oder allzu enge Gemeinschaft (familiaritas intrinseca) 96 mit Juden zu verbieten. Er zeigte sich in hohem Maße beunruhigt über soziale Kontakte, die weltliche und kirchliche Obrigkeiten mit Juden pflegten, lasse dies doch den jüdischen Glauben attraktiv für Christen erscheinen. Ehe sich ein Jude durch ein Zusammenleben, das über die Bestimmungen der kirchlichen Judengesetzgebung hinausgehe, zum christlichen Glauben bekehre, seien zuvor zehn Christen von ihren religiösen Überzeugungen abgefallen. 97 Giacomo Ongarelli radikalisierte das Argument. Ein allzu vertrauter Umgang von Schlechten mit Guten verderbe letztlich alle. Suchten Christen nun in ungebührendem Maße die Nähe zu Juden, entehrten sie sich selbst und teilten zugleich die zahlreichen sündhaften Verfehlungen der Juden. 98 Für Christen, die 94

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Baptista Trovamala, Rosella, fol. 143v: „Et due sunt principales cause huius prohibitionis. Una: ne propter nimiam conversationem et assiduam familiaritatem subvertantur anime simplicium. Secunda: ne iudei videantur si iudei christianis famularentur: cum potius iudei debeant recognoscere se servos christianorum (...)“. Vgl. auch Angelo Carletti, Summa Angelica, fol. 172v: „Utrum fideles possint cum infidelibus conversari? Respondet Astensius quod si in aliquo casu ecclesia interdiceret propter aliquod peccatum eorum indirecte puniendum sic non licet. Si autem ecclesia non interdiceret: tunc distinguere aut fideles sunt firmi et sic non prohibetur conversari cum eis. Maxime si necessitas subest. Aut sunt debiles in fide et simplices de quorum subversione probabiliter potest timeri et sic prohibendi sunt: maxime ne magnam familiaritatem habeant: neque sine necessitate conversentur.“ Ebenda, fol. 197r: „ (...) ne habeant communionem assiduam christianorum maxime simplicium (...)“. Vgl. auch Bernardino da Busti, Rosarium, Pars I, Consilium contra Iudaeos, fol. 88v: „Prohibere igitur debent iudeis et interdicere ne habeant assiduam conversationem cum christianis maxime simplicibus (...)“. Giacomo Ongarelli, Additiones ad Summam Angelicam de casibus conscientialibus Angeli de Clavasio, fol. 358v:„Duae sunt causae principales huius prohibitiones, una ne propter assiduam conversationem et familiaritatem subvertuntur simplicium corda (...) Alia ne iudei videantur superiores si Christiani iudeis famularentur (...)“. Bernardino da Busti, Rosarium, Pars I, Consilium contra Iudaeos, fol. 88v: „Prohibere igitur debent iudeis et interdicere ne habeant assiduam conversationem cum christianis (...)“. Giacomo Ongarelli, De malitiis ac impietatibus Iudaeorum modernorum, Liber III, c. 33f., fol. 103r u. 104r. Unter der Rubrik ‚Infidelitas‘ formulierte Giacomo Ongarelli, Additiones ad Summam Angelicam, fol. 322v: „Intellige de his qui contingunt in perversitate morum, quia secus est de aliis

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gemäß christlicher Rechtgläubigkeit und Sittlichkeit leben wollten, war es unvermeidlich, zu Juden Abstand zu halten. Die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des ‚Decretum Gratiani‘ und des ‚Liber Extra‘ sollte Schutz vor einer Judaisierung des christlichen Glaubens geben und sicherstellen, daß im Zusammenleben von Christen und Juden die jüdische Knechtschaft sichtbar zum Ausdruck kommt. Dem ‚Decretum Gratiani‘ entnahmen die franziskanischen Prediger gemeinschaftlich, daß es Christen untersagt sei, bei Juden zu wohnen, mit ihnen zu speisen oder zu baden, noch von ihnen im Krankheitsfall Medizin anzunehmen oder sich von jüdischen Ärzten behandeln zu lassen. Damit brachten sie ihrem Predigtpublikum Verbote in Erinnerung, die im Kern oder ansatzweise auf frühmittelalterliche Konzilsbeschlüsse des 6. und 7. Jahrhunderts zurückgingen. 99 Im gemeinsamen Wohnen und Baden sahen christliche Theologen und Kirchenvertreter eine Gefährdung des christlichen Glaubens, könnte eine derart intime Nähe Christen doch zur Annahme falscher religiöser Überzeugungen führen. Gemeinschaftlich begangene Mahlzeiten zu unterbinden, stellte hingegen erst eine Reaktion auf jüdische Speisevorschriften dar. Juden, die die ihnen von Glaubensfremden angebotenen Speisen unter Berufung auf ihre Reinheitsvorschriften ablehnten, ließen die Christen als unrein erscheinen und wirkten als Provokation. Ein gallisches Konzil aus dem beginnenden 6. Jahrhundert legte fest: „Alle Geistlichen oder Laien sollten fortan Gastmähler bei Juden meiden, auch soll niemand sie zu Gastmählern empfangen; denn weil sie bei Christen die üblichen Speisen nicht zu sich nehmen, ist es unwürdig und frevelhaft, wenn ihre Speisen von Christen gegessen werden. Denn die (Speisen), die wir mit Erlaubnis des Apostels zu uns nehmen, werden von ihnen für unrein gehalten, und die Rechtgläubigen beginnen so, den Juden unterlegen zu sein, wenn wir essen, was von ihnen aufgetragen wird, jene aber das von uns Angebotene zurückweisen.“ 100 Das Verbot, von Juden Heilmittel anzunehmen oder sich von jüdischen Ärzten behandeln zu lassen, spiegelt Angst und Vorurteile gegenüber den ‚Anderen‘ wider. Von Unterstellungen und Verdächtigungen, Juden trachteten

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peccatis, quae opponuntur virtutibus theologicis.“ Ders., De malitiis ac impietatibus Iudaeorum modernorum, Liber III, c. 35, fol. 105r: „Quis enim abnuerit conversantem cum Judeis eorum vitia non amare, non deligere, non sequi? Nullus certe. Perditur ergo fama ex vitiorum imbutione et contractione: Infames namque eas personas esse dicimus que per aliquo crimine infamia notantur (...) Judeos esse infames quis negabit? Ergo qui conservabit continue cum infamibus et vitiosis vitiosus ac infamis erit. Ignominia igitur certissime consequitur qui ignominiosos diligit et prosequitur. Tale ergo premium et non aliud nisi ignominiam et infamiam reportaturi sunt qui cum Judeis abhomnabilibus familiaritatem habebunt (...) Quis negare poterit conversantes iugiter cum Judeis in simul esse convictos cum eis (...)“. Eine kurze Einführungen in die Traditionen dieses Verbots bietet MAGIN, Iuden recht, S. 332-336. Zitiert nach MAGIN, Iuden recht, S. 333.

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mit ihrer Heilkunde Christen nach dem Leben, wird weiter unten die Rede sein. Zudem kennzeichnet es den christlichen Widerstand gegen einflußreiche und machtvolle jüdische Positionen innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft. In diesen Kontext fügt sich auch der Grundsatz, Juden von allen öffentlichen Ämtern auszuschließen, war es doch mit dem christlichen Selbstverständnis unvereinbar, daß Juden über Christen Herrschaft ausübten. Zudem fürchteten die Teilnehmer des dritten Konzils von Toledo, die jenes Ämterverbot 589 formulierten, Juden, denen die Ausübung von publica officia in der societas christiana gestattet werde, erhielten so Gelegenheit, Christen Schaden, vor allem die Befleckung mit falschen jüdischen Religionsüberzeugungen, zuzufügen. 101 Die Teilnehmer des vierten Laterankonzils wiederholten in den Konzilsbeschlüssen das Ämterverbot für Juden. Er fand wenig später Eingang in den sechsten Titel des fünften Buches des ‚Liber Extra‘, der ausschließlich von den Juden, den Sarazenen und ihren Dienern (de iudaeis, saracenis, et eorum servis) handelt. 102 Ausnahms- und unterschiedslos zitierten die franziskanischen Prediger daraus die Vorschriften, die festlegten, wie Juden sich während der Kartage zu verhalten haben. Papst Alexander III., der zuvor in Bologna Kanonistik studiert und gelehrt hatte, entfaltete während seines Pontifikats eine bemerkenswerte kirchenrechtliche Produktivität. 1169 dekretierte er unter anderem, daß Juden am Karfreitag die Türen und Fenster ihrer Häuser geschlossen halten sollten. Die Kirchenvertreter, die sich 1215 unter dem Vorsitz Papst Innozenz III. zum vierten Laterankonzil versammelten, verboten laut dem 68. Konzilskanon Juden darüber hinaus, sich während der Kartage überhaupt in der Öffentlichkeit zu zeigen. Grund war weniger die Angst vor antijüdischen Pogromen anläßlich eines hohen religiösen Feiertages als vielmehr die Vorstellung, Juden entehrten den christlichen Glauben und beleidigten Christen, wenn sie sich an jenem Tage, an dem die Christen der Passion Jesu gedachten, in der Öffentlichkeit zeigten. 103 In jenem Kanon, der Eingang in den ‚Liber Extra‘ fand, wurde zuvor beklagt, daß Juden und Sarazenen sich nur in einigen Kirchenprovinzen durch eine spezifische Tracht von den Christen unterschieden, andernorts in der Kleidung jedoch keine Differenz sichtbar werde. Dadurch komme es zu unerlaubtem Geschlechtsverkehr zwischen Christen und den Andersgläubigen. Um diese Verfehlungen abzustellen, sollten Juden und Sarazenen daher überall durch die Art ihrer Kleidung als solche erkennbar sein. Die Kleidungsvorschriften, die das vierte Laterankonzil erließ, stellten ein Novum innerhalb der 101

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CIC, D. 54, c. 14: „Nulla officia publica Iudeis iniungantur, per que eis occasio tribuatur penam Christianis inferre. Si qui vero Christiani ab eis in Iudaismo ritu sunt maculati vel etiam circumcisi, non reddito pretio ad libertatem et religionem redeant Christianam.” Das Ämterverbot formulierte später nochmals das IV. Toletanum. Vgl. CIC, C. 17, q. 4, c. 31. CIC, X 5.6.16. Ebenda, X.5.6.4 u. X.5.6.15.

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Kirche dar. Die Rezeption der Kleidungsvorschriften verlief innerhalb des lateinischen Mittelalters sehr unterschiedlich. Während in England, Frankreich und auf der iberischen Halbinsel der Episkopat und die Könige die Bestimmungen des vierten Laterankonzils, die nach 1215 immer wieder Gegenstand einer zum Teil rigorosen Synodalgesetzgebung wurden, aufgriffen und einführten, fiel die Reaktion im Reich im 13. Jahrhundert darauf noch sehr verhalten aus. 104 In Italien erinnerten vor allem franziskanische Prediger seit dem 15. Jahrhundert an den Konzilsbeschluß und warben für eine sichtbare Kennzeichnung von Juden. Zuweilen konkretisierten die franziskanischen Prediger, wie Juden sich durch die Art ihrer Kleidung von Christen unterscheiden sollten. Gewöhnlich sprachen sie sich für ein O aus gelbem Stoff in angemessener Größe aus, das deutlich wahrnehmbar auf der Oberbekleidung getragen werden sollte. Der sechste Titel des fünften Buchs des ‚Liber Extra‘ verweist mit dem Dienen bei Juden und Sarazenen auf ein zentrales Problem im Verhältnis von Christen zu Andersgläubigen. Es widersprach dem kirchlichen Selbstverständnis, das Christen Anhängern falscher religiöser Überzeugungen zu Diensten seien und damit zu ihnen in einem untergeordneten Abhängigkeitsverhältnis stehen. Die aus der Antike tradierten Begriffe servi und mancipia, die in diesem Kontext in den einschlägigen kanonistischen Texten des Mittelalters nebeneinander und oft synonym gebraucht wurden, bezeichneten sowohl christliche Unfreie als auch nicht hörige christliche Lohndiener. Die Frage, ob es Juden erlaubt sei, christliche Sklaven zu halten, beschäftigte christliche Theologen, Kanonisten und Prediger auch noch im späten Mittelalter. 105 Ihr vorrangiges Interesse galt jedoch jenen Christen, die Juden gegen Lohn dienten. Der 29. Kanon des dritten Laterankonzils von 1179 hielt fest, daß es Juden und Sarazenen nicht erlaubt sei, „unter dem Vorwand, daß ihre Kinder genährt würden, oder für Dienste oder aus irgendeinem anderen Grund christliche Dienstleute in ihren Häusern zu haben“ 106. In einer früheren Dekretale, die nicht in die Konzilsbeschlüsse des dritten Laterankonzils, wohl aber in den ‚Liber Extra‘ Eingang fand, hatte Papst Alexander III. bereits formuliert, daß bezahlte, ununterbrochene Dienste bei Juden allen Christen verboten seien. Er beschrieb in unmißverständlichen Worten die Gefahr des Proselytismus: „Weil die Gebräuche der Juden und unsere in nichts übereinstimmen und die Juden leicht aufgrund des fortwährenden Umgangs und der ständigen Vertrautheit, angestachelt durch den Feind des Menschengeschlechts, die Gemüter der Einfältigen für ihren Aberglauben und ihren Unglauben gewinnen“ 107. Papst Innozenz III. polemisierte ungleich stärker gegen den Dienst von Christen bei 104 105 106 107

Vgl. MAGIN, Iuden recht, S. 144-162. EBENDA, S. 127f. CIC, X 5.6.5. Zitiert nach MAGIN, Iuden recht, S. 129. EBENDA.

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Juden. 1205 berichtete er in seinem Brief an den Erzbischof von Sens und den Bischof von Paris, es sei ihm zugetragen worden, daß Juden christliche Ammen, die ihre Kinder nährten, zwängen, ihre Milch drei Tage nach dem Empfang der Kommunion am Ostersonntag in den Abort zu gießen. Ihre Milch wäre demnach vom Leib und Blut Christi verunreinigt. Zum Ende seines Schreibens forderte er, die Superiorität der Christen sicherzustellen: „Wir verbieten ihnen noch strenger, fortan christliche Ammen und Dienstleute zu haben, damit nicht die Kinder der Freien den Söhnen der Magd dienen, sondern wie vom Herrn verworfene Sklaven, zu dessen Tod sie sich in nichtswürdiger Weise verschworen, sie sich wenigstens durch die Auswirkung dieser Tat als die Sklaven derjenigen erkennen, die der Tod Christi zu Freien gemacht hat, während er sie zu Sklaven hat werden lassen.“ 108 In der Begründung unterschied er sich grundlegend von den Motiven Alexanders III. Nicht die Furcht vor einer Judaisierung christlichen Glaubens trieb Innozenz III. an, als vielmehr die theologisch begründete Vorstellung der jüdischen Knechtschaft. Juden, die von Christen geduldet werden, müßten sich diese Duldsamkeit durch eine Haltung „knechtischer Furcht“ (timor servilis) verdienen. Innozenz III. verschärfte die Bestimmungen, die Alexander III. für das Verbot der Beschäftigung christlicher Dienstleute bei Juden gemacht hatte, indem er jeglichen Dienst für Juden untersagte, unabhängig davon, ob dieser in oder außerhalb der jüdischen Häuser, dauerhaft oder temporär ausgeübt werde. Im ‚Liber Extra‘ standen die nachsichtigere Haltung Papst Alexanders III. und die rigoristische Position, die Papst Innozenz III. formuliert hatte, nebeneinander. Dies bot Raum zur Interpretation. Bernhard von Parma († 1266) schloß sich in seiner ‚Glossa ordinaria‘ Alexander III. an: „Dadurch, daß er ‚beständig‘ schreibt, kann man begründen, daß sie mit Unterbrechung dienen dürfen.“ Es sei nicht verboten außerhalb des Hauses von Juden Dienst zu verrichten. 109 Der Kanonist Johannes Andreae († 1348) folgte ihm in seinem Kommentar zum ‚Liber Extra‘ im frühen 14. Jahrhundert darin, stellte allerdings die Haltung Innozenz III. unkommentiert daneben. 110 Eine einheitliche Position entwickelten die spätmittelalterlichen Kanonisten zum Problem der Beschäftigung christlicher Dienstleute durch Juden nicht. Eindeutig hingegen urteilten die italienischen Franziskanerprediger im späten Mittelalter. Unisono folgten sie der rigoristischen Position Innozenz III. In seiner ‚Summa Angelica‘ stellte Angelo Carletti die Kommentare des Hostiensis und des Nikolaus de Tudeschis († 1445/53), der auch Panormitanus genannt wurde, gegenüber. Hostiensis hielt an der Unterscheidung zwischen Diensten, die Christen in, und denen, die sie außerhalb jüdischer Häuser verrichteten, fest. Panormitanus hingegen, der in Bologna Kirchenrecht lehrte und 1436 seinen 108 109 110

CIC, X 5.6.13. Zitiert nach MAGIN, Iuden recht, S. 132. Zitiert nach MAGIN, Iuden recht, S. 134. EBENDA.

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umfangreichen Kommentar zum ‚Liber Extra‘ abschloß, verzichtete auf eine derartige Einschränkung des Verbots der Beschäftigung christlicher Dienstleute durch Juden. Angelo Carletti entschied sich gegen Hostiensis und folgte der Auffassung des Panormitanus. 111 Ähnlich urteilte der Baptista Trovamala in seiner ‚Rosella‘. Er bemühte den Kommentar des Panormitanus gegen die Lehrmeinung des Hostiensis nicht nur, um zu begründen, daß Christen jeglicher Dienst bei Juden verboten sei. Zugleich entschied er mit ihm die Frage, ob es christlichen Ammen erlaubt sei, jüdische Kinder zu nähren, falls ihnen dafür von den Ortsbischöfen Dispens erteilt werde, abschlägig. 112 In zahlreichen Predigten und zuweilen in umfangreichen Traktaten nahmen sich die franziskanischen Prediger im Italien des 15. und frühen 16. Jahrhunderts immer wieder verschiedenster wirtschaftsethischer Fragen an. Sie geißelten jegliche Formen von Wucher, etwa den Preiswucher, dem sie das Konzept des gerechten Preises (pretium iustum) entgegenstellten. Mit dem Begriff usura, der gewöhnlich unscharf mit Wucher übersetzt wird, verbanden sie unter Berufung auf die einschlägige patristische und kanonistische Literatur die Zinsnahme auf ein durch Zahl, Gewicht und Maß quantifizierbares Darlehen (mutuum) von nicht fruchttragenden Gütern, sowohl Sach- als auch Geldmitteln. 113 Sie galt ihnen gemäß der christlichen Sündenlehre als ein verwerflicher Spezialfall einer Todsünde, der Habsucht (avaritia). Nur in Ausnahmefällen, etwa zur Entschädigung für entstandenen Schaden (damnum emergens) oder für entgangenen Gewinn (lucrum cessans), war es Darlehensgebern gestattet, Zinsen auf geliehenes Kapital zu nehmen. Willentlich zu leihen, nur um spekulative, zinsbringende Profite einzustreichen, wiesen die franziskanischen Prediger hingegen entschieden und nicht selten äußerst polemisch zurück, galt ihnen usura doch als Ursache der Zerstörung der natürlichen Ordnung; es belaste zwischenmenschliche Beziehungen und führe zum Niedergang eines jeden Gemeinwesens. Sie führten zahlreiche biblische Belegstellen an, denen zufolge Zinsnahme auf entliehenes Kapital illegitim sei. 111

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Angelo Carletti, Summa Angelica, fol. 197r: „Sed queritur utrum liceat christianis eis servire. Respondet Panormitanus in d.c. ad hec. Host[iensis] voluit quod sic. extra domum. Sed in domo non.c.iudei.eo. Sed Panormitanus et melius dicit quod nec estra domum assidue.cum tex.ibi non faciat mentionem de domo et ideo prohibetur assidua familiaritas et continua conversatio tam in domo quam extra domum. Propterea christiani in familiari seu assiduo servitio iudeorum esse non debent.“ Baptista Trovamala, Rosella, fol. 143v: „An autem episcopi possint dispensare ut iudei possint habere nutrices christiana in domo. Videtur concludendum quod non: quia episcopus non dispensat contra ius, nisi expresse vel tacit permittatur. Maxime quia illa prohibitio tendit in decus fidei. Et pro hac parte consuluit do.Car. quod placet Pa[normitanus].“ Vgl. DANIELA DURISSINI, La voce ‚usura‘ nel ‚Supplementum Summae Pisanellae‘ di Niccolò da Osimo, in: Studi Medievali 35 (1994), S. 217-258.; zu usura als Wucher vgl. GILOMEN, Wucher und Wirtschaft. Gilomen gilt in der mittelalterlichen Wirtschaftsethik das verzinsliche Gelddarlehen als das „Wuchergeschäft katexochen“ und damit als das „Paradigma der Wucherlehre“ schlechthin. EBENDA, S. 272.

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Für die franziskanischen Prediger nahm die usura iudaeorum in ihrem wirtschaftsethischen Diskurs gegen den Zinswucher eine prominente Rolle ein, ohne jedoch exklusiv zu sein. Sie wußten um die alttestamentliche Schriftzeugnisse, die gewöhnlich von jüdischen Theologen angeführt wurden, wenn es galt darzutun, daß es Juden erlaubt und gar geboten sei, Zins von Glaubensfremden zu nehmen. Zentrale Textstellen, an denen sich der christlich-jüdische Konflikt hinsichtlich der Legitimität der usura iudaeorum entzündete, lieferte das Deuteronomium. Dt 15,3 gestattete den Israeliten im Erlaßjahr, in dem sie gehalten waren, ihren Nächsten bzw. ihren Brüdern Außenstände zu erlassen, gleichwohl von ausländischen Schuldnern die Schuld zurückzufordern. Dt 23, 19-20 gebietet: „Du sollst von deinem Bruder nicht Zinsen nehmen, weder für Geld noch für Speise noch für alles, wofür man Zinsen nehmen kann. Von dem Ausländer darfst du Zinsen nehmen, aber nicht von deinem Bruder, auf daß dich der Herr, dein Gott, segne in allem, was du unternimmst in dem Land, dahin du kommst, es einzunehmen.“ 114 Es gab auch christliche Theologen, die darin eine Rechtfertigung jüdischer Zinsnahme von Christen sahen. Doch von einer „grundsätzlichen Zulassung des Judenwuchers aufgrund von Andersgläubigkeit“ 115, schon allein ersichtlich aus dem pejorativen Begriff des Wuchers, kann keine Rede sein. Die franziskanischen Prediger wiesen die jüdische Interpretation von Dt 23, 19-20 entschieden zurück. Roberto Caracciolo da Lecce warf einen differenzierten Blick auf das jüdisch-christliche Verhältnis. Zweifellos seien Juden und Christen Glaubensfeinde. Der Feindschaft in religiösen Überzeugungen setzte er jedoch ein alltägliches Miteinander gegenüber. Im bürgerlichen Umgang (in civili conversatione) stehen sich Juden und Christen nicht feindlich gegenüber. Die Fremdheit wich dabei einer Nähe, die es Juden unmöglich machen sollte, die Erlaubnis der Zinsnahme von Christen mit Hilfe des Deuteronomiums zu belegen. Die franziskanischen Prediger erinnerten gemeinhin an eine natürliche Brüderlichkeit aller Menschen, wodurch Juden und Christen einander nicht fremd sein konnten. Als Autorität zitierten sie dabei häufig die ‚Summa theologica‘ des Thomas von Aquin, der sie weitere Gründe entnahmen, warum es Juden unter Berufung auf Dt 23, 19-20 nicht gestattet sei, von Christen Zins zu nehmen. Demnach sei usura schlechthin böse. Zudem lieferte ihnen Thomas ein historisches Argument: Die Berechtigung der Zinsnahme gestand er den Juden für die Zeit des Alten Testamentes 114

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Dt 19, 20-21: „Non fenerabis fratri tuo ad usuram pecuniam nec fruges nec quamlibet aliam rem sed alieno fratri autem tuo absque usura id quod indiget commodabis ut benedicat tibi Dominus Deus tuus in omni opere tuo in terra ad quam ingredieris possidendam.“ Die jüdische Interpretation von Dt 23, 19-20 war den franziskanischen Predigern bekannt. Giacomo Ongarelli widmete ihrer Darstellung in seinem antijüdischen Traktat sogar ein eigenes Kapitel. Vgl. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 39, fol. 107v-108r. GILOMEN, Wucher und Wirtschaft, S. 276.

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zu, einer generellen Erlaubnis käme dies jedoch nicht gleich. 116 Im Stande des Evangeliums bekennen sich auch Christen zum Gott Israels; also dürften Juden auch von ihnen kein Darlehenszins verlangen. Zudem würden nun die Worte des Evangelisten Lukas für alle Menschen gelten: „Liebt eure Feinde; tut Gutes und leiht, wo ihr nichts dafür zu bekommen hofft.“ 117 Die franziskanischen Prediger bemühten jedoch nicht nur die Autorität der heiligen Schrift, der sie das Gebot christlicher Nächstenliebe entnahmen; zugleich legten sie in je unterschiedlicher Ausführlichkeit dar, daß usura Grundsätzen des natürlichen Rechts widerspreche, dem auch Juden unterstünden. 118 Zins auf Darlehen zu entrichten, galt ihnen als widernatürlich, bedeute es doch, einer natürlichen oder künstlichen, d.h. von Menschen geschaffenen Sache einen Wert zuzuschreiben, der über ihren eigentlichen Wert hinausgehe und ihr daher nicht zustehe. In diesem Kontext erinnerten sie auch an die aristotelische Überzeugung von der Sterilität bestimmter Güter, die aus sich heraus keine Wertsteigerung erzielen könnten. Der klassische, auf Aristoteles zurückgehende Merksatz, es sei wider der Natur, daß Geld Geld gebäre, (pecunia pecuniam non pariat) findet sich zahlreich in der zeitgenössischen franziskanischen Pastoralliteratur. 119 Wertschöpfung ergebe sich, darin stimmten alle Prediger überein, nur aus dem Faktor Arbeit, der jedoch bei Darlehensgeschäften allenfalls auf der Seite des Schuldners anzutreffen sei, der mit dem geliehenen Kapital wirtschaftet. Der Gläubiger hingegen erbringe keine Gegenleistung, die einen Zins rechtfertigen könnte. Auch die Zeit, für die der Darlehensgeber leiht, stelle keine derartige Gegenleistung dar. Darlehenszins zu nehmen, sei nicht nur sündhafter Verkauf von Zeit, die allein Gott gehöre, sondern widerspreche dem Naturrecht, da Zeit allen Menschen gemeinschaftlich und zugleich gehöre. 120 Zudem mahnten die franziskanischen Prediger mit Formulierungen aus der ‚Summa theologica‘ Thomas von Aquins, man könne nicht in jedem Fall zwischen dem Besitz einer Sache und ihrem Gebrauch unterscheiden. Der Aquinate zitierte aus der Ethik und der Staatslehre des Aristoteles, wonach Geld nur erfunden sei, um Tauschhandlungen auszuführen. Thomas von Aquin urteilte: „Und deshalb ist es an sich unerlaubt, für den Gebrauch des geliehenen Geldes eine Belohnung zu nehmen, die man Zins nennt.“ 121

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Thomas von Aquin, Summa theologica II-II, q. 78. Den Standpunkt des Aquinaten zitierten die Prediger durchgehend., umfangreich etwa Niccolo da Osimo, Supplementum, fol. 163r. Lk 6,35, Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 38, fol. 107r. Bernardinus Senensis, Quadragesimale de evangelio aeterno, Sermo: 38: Quod lege naturae, Scripturae et sanctae Ecclesiae prohibetur usura (Opera Omnia 4), S. 244-247. Ebenda, Sermo 34: De venditione temporis, S. 165. Thomas von Aquin, Summa theologica II-II, q. 78, art. 1.

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Die Ansichten, die franziskanische Prediger zum Problem der usura äußerten, blieben jedoch nicht unwidersprochen. Roberto Caracciolo da Lecce ließ zu Beginn seiner Predigt ‚De peccato exercando usure et avaritia usurarium‘ die usurarii selbst zu Wort kommen. Sie behaupteten, Zins zu nehmen, sei keine Sünde, da es nicht gegen alles Recht verstoße. Dies sei jedoch die unverzichtbare Voraussetzung, um Handlungen als sündhaft zu klassifizieren: „Omne enim peccatum est contra aliquam legem.“ 122 Sie neigten der Ansicht zu, daß usura weder vollständig göttlichem noch natürlichem Recht widerspreche. Zudem verwiesen sie auf menschliche Rechtssatzungen, die die Zinsnahme für ein Darlehen nicht allein zur Schadensabwehr oder für entgangenen Gewinn des Gläubigers, sondern im Rahmen eines jeden Leihgeschäfts legitim erscheinen ließen: „Leges vero civiles usuras permittunt.“ 123 Dabei beriefen sie sich auf altrömisches Recht. Der Rechtskodifikation, die der oströmische Kaiser Justinian um 534 im Zuge seiner Bemühungen um die Wiederherstellung des römischen Reiches (restauratio imperii) zusammenstellen ließ 124 und die seit dem 11. Jahrhundert als ‚Corpus Iuris Civilis‘ bezeichnet wurde 125, entnahmen sie Rechtfertigungen für einen moderaten Zins auf entliehenes Kapital. Eine solche Haltung rief vielfältigen Widerspruch unter den franziskanischen Predigern hervor. Sie wiesen die entsprechenden Rechtstexte der justinianischen Gesetzessammlung unter Berufung auf zeitgenössische Legisten entschieden zurück. Angelo Carletti führte die ‚Glossa ordinaria‘ des Accursius († 1263) zum ‚Corpus Iuris Civilis‘ an, um darzutun, daß römischen Rechtstraditionen, die Zweifel an der Illegitimität von usura weckten, nun keine Geltung mehr zukomme. 126 Bereits Bernardino da Siena hatte in seinem Traktat ‚De contractibus et usuris‘ aus der Abhandlung ‚De usuris‘ des Gerhard von Sens jene Glosse bemüht, die den Höhepunkt und den Abschluß der seit dem frühen 12. Jahrhundert zuerst von der juristischen Fakultät der Universität Bologna ausgehenden Glossatorenschulen markiert, um kenntlich zu machen, daß das bürgerliche

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Roberto Caracciolo da Lecce, Quadragesimale de peccatis, Feria tertia post dominica de passione, Sermo 38: De peccato exercando usure et avaritia usurariorum, fol. 103v. Ebenda, fol. 104r. Als Einführung MARIO BRETONE, Geschichte des römischen Rechts. Von den Anfängen bis zu Justinian, München 1992. Vgl. JÜRGEN VON UNGERN-STERNBERG, Art. ‚Corpus Iuris Civilis‘, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, Sp. 270-277. Zur Rezeption des römischen Rechts im Mittelalter vgl. Das römische Recht im Mittelalter, hg. von Eltjo J.H. Schrage, Darmstadt 1987 und ELTJO J.H. SCHRAGE, Utrumque ius. Eine Einführung in das Studium der Quellen des mittelalterlichen gelehrten Rechts, Berlin 1992. Angelo Carletti, Summa Angelica, fol. 367v: „Nec etiam de iure civili hodie conceduntur [usurae; M.H.].“ Zu den mittelalterlichen Glossatoren des ‚Corpus Iuris Civilis‘ vgl. Hermann Lange, Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1: Die Glossatoren, München 1997.

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Gesetz (lex civilis) fehlgehe, wenn es usura ungestraft zulasse. 127 Bernardino urteilte daher, „usura omni lege merito prohibetur“ 128. Zum gleichen Schluß kam auch Giovanni da Capestrano in seinem Traktat ‚De cupiditate‘: „Durch kein Gesetz kann usura toleriert werden.“ 129. Er nahm dabei ebenfalls Bezug auf die ‚Glossa ordinaria‘ des Accursius, bemühte jedoch weitaus umfangreicher den Kommentar des Zivilrechtlers Baldus de Ubaldis († 1400) zum 32. Titel im vierten Buch des justinianischen Codex, der Fragen der usura behandelt. 130 Baldus kannte die römischen Rechtstraditionen, die den Darlehenszins rechtfertigten. Doch entbehrten sie nunmehr jeglicher Geltungskraft, da sie durch göttliches Recht korrigiert worden seien. Von Menschen erlassenen Gesetzen und Statuten stellte Baldus die kanonistische Lehre vom Zinsverbot gegenüber: „Was durch göttliche Einsetzung und göttlichen Richterspruch verboten ist, kann durch menschliche Vernunft nicht zugelassen werden“ 131. Zahlreiche Legisten, die die Erlaubtheit des Zinsnehmens im römischen Recht kommentierten, traten der Auffassung des ‚Corpus Iuris Civilis‘ mit kanonischem Recht entgegen. Die franziskanischen Prediger beriefen sich auf die entsprechenden Aussagen in der legistischen Literatur, um ihrer Überzeugung von der Illegitimität von usura nach jedem Gesetz Autorität zu verleihen. 132 Zugleich zitierten sie auch selbst äußerst umfangreich die 127

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Bernardinus Senensis, Quadragesimale de evangelio aeterno, Sermo: 38: Quod lege naturae, Scripturae et sanctae Ecclesiae prohibetur usura (Opera Omnia 4), S. 258-264, bes. S. 262. Ebenda, S. 264. Giovanni da Capestrano, De cupiditate, in: Johannes von Caoistrano, Teil 2: Die auf der königlichen und Universitätsbibliothek zu Breslau befindlichen handschriftlichen Aufzeichnungen von Reden und Tractaten Capistrans, hg. von Eugen Jacob, Breslau 1907, S. 119: „(...) usura nulla lege tollerari potest (...)“. Vgl. ebenda, S. 93-129. Ebenda, S. 113f: „Ad hec C. de usuris [Corpus Iuris Civilis, Codex, Lib. IV, tit. 32; M.H.] dicit [Baldus de Ubaldis; M.H.] ‚Quero numquid usure que hodie sunt iure divino prohibite sunt precise prohibite an vero secundum tenorem huius autent. mediocriter sunt permisse. Dic quod ista autentica est correcta per ius divinum ymo verius disposicio istius autentice nunquam valuit propter ius divinum quia cum ius divinum sit maius ius per ius humanum non potest tolli quia quicquid est contra constitucionem divinam est peccatum.‘ (...) Arguit eciam predictus dominus baldus et damnat opinionem nicolai de matarellis qui dicebat legem divinam distingui posse per legem humanam et sic intendebat usuras aliquomodo concedendas per dictam autenticam ‚que opinio falsa est‘ Inquit dominus baldus ‚et ab omnibus canonistis reprobata quia quod est prohibitum ex divina institucione et divino iudicio non potest racione humana permitti. Et causa est quia talis racio non est racio sed abusio cum non conformet se voluntati divine et ideo non debemus aliam racionem querere ex quo deo placuit ita quapropter eciam in uno minimo non sunt licite leges vel statuta que permittunt usuras ut in c. Ex gravi de usur. in cle. [Corpus Iuris Canonici, Clem. V 5.1; M.H.]‘ (...)“. Bernardinus Senensis, Quadragesimale de evangelio aeterno, Sermo: 38: Quod lege naturae, Scripturae et sanctae Ecclesiae prohibetur usura (Opera Omnia 4), S. 262: „Et licet plerique doctores iuris civilis dicant quod secundum leges usura permissa sit, tamen hodie per textum

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einschlägigen Passagen im ‚Decretum‘, im ‚Liber Extra‘, im ‚Liber Sextus‘ und in den ‚Clementinae‘. 133 Der 19. Titel im fünften Buch der Dekretaliensammlung Papst Gregors IX. handelt ausschließlich vom Wucher. Er enthält unter anderem einen Brief, den Papst Innozenz III. 1198 an den Erzbischof von Narbonnes geschrieben hatte. Darin forderte er weltliche Herrschaftsträger auf, Juden zu zwingen, von Christen erhaltene Zinsprofite diesen zurückzuerstatten. Verweigerten die Kreditoren die Rückgabe des Wuchers, so sollten die Christen bei Androhung der Exkommunikation den Umgang mit ihnen meiden. Ähnlich urkundeten nur wenige Jahre danach die Teilnehmer des vierten Laterankonzils über die usura iudaeorum 134, die seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts von christlichen Autoren problematisiert worden war. Neben dem ‚Liber Extra‘ konnten die italienischen Franziskanerprediger im 15. und frühen 16. Jahrhundert auf eine breite kanonistische Literatur zurückgreifen, die nicht nur einen schweren, unmäßigen Zinswucher (graves et immodaratas usuras) von Juden ablehnte, auf den noch das vierte Laterankonzil Bezug genommen hatte, sondern seit der Mitte des 13. Jahrhunderts jegliche Zinsnahme jüdischer Darlehensgeber verurteilte. 135 Die Praxis sah jedoch anders aus. In den ober- und mittelitalienischen Städten, in denen die Franziskanermönche predigten, stießen sie auf jüdische Gemeinden, denen die städtische Obrigkeit in den sogenannten condotte, die sie mit den Juden auf Zeit schlossen, zinsbringende Kreditgeschäfte gestatteten. Legisten und Kanonisten rechtfertigten zuweilen jene Privilegien, die erlaubten, was der Norm eigentlich zuwiderlief. In seiner ‚Summa Angelica‘ faßte Angelo Carletti jene Argumente zusammen, mit denen Juristen beider Rechte wie Pietro de Ancharano († 1416), Paolo di Castro († 1441) oder Andrea Barbazza (†

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Clementinae, De usuris, in cap. Ex gravi, § finali [Corpus Iuris Canonici, Clem. V 5.1; M.H.], hoc teneri prohibitum est (...)“. Giovanni da Capestrano erinnerte daran, daß bereits Accursius das kanonische Zinsverbot in seine ‚Glossa ordinaria‘ zum ‚Corpus Iuris Civilis‘ aufgenommen hatte. Vgl. Capestrano, De cupiditate, S. 112. Zur Aufnahme der kirchenrechtlichen Bestimmungen über usura in die legistische Literatur vgl. NORBERT HORN, Aequitas in den Lehren des Baldus, Köln-Graz 1968, S. 191f und GILOMEN, Wucher und Wirtschaft, S. 280. Bernardinus Senensis, Quadragesimale de evangelio aeterno, Sermo: 38: Quod lege naturae, Scripturae et sanctae Ecclesiae prohibetur usura (Opera Omnia 4), S. 256f; Giovanni da Capestrano, De cupiditate, S. 102-111. CIC, X 5.19.12 u. X 5.19.18. Zum iudicium iudaeorum, auch excommunicatio indirecta genannt, MAGIN, Iuden recht, S. 201. GILOMEN, Wucher und Wirtschaft, S. 301. Gilomen betonte hier einen christlichen Mentalitätswandel gegenüber dem jüdischen Wucher, der sich im 14. Jahrhundert vollzogen habe. Für das Reich läßt sich eine Kampagne gegen die jüdischen Leihgeschäfte für das 14. Jahrhundert einen Mentalitätswandel von Christen gegenüber dem jüdischen Wucher aus.

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1479) 136 dabei eine Erlaubnis wider der Regel (licencia ab ordinario) vorbrachten. Sie neigten der Ansicht zu, schon allein aus alter Gewohnheit (consuetudo) könne man den jüdischen Wucher zulassen. Er sei eine ökonomische Notwendigkeit, die helfe, das Gemeinwohl (bonum commune) zu schützen. Zugleich machten sie Anleihen aus dem Kirchenrecht, um darzutun, daß es Juden gestattet sei, auf Zins zu leihen. Es sei nicht Aufgabe der Christen, über jene zu richten, die nicht zur christlichen Heilsgemeinschaft gehörten. Sie zitierten aus dem ‚Decretum‘ das christliche Duldungsgebot gegenüber den altgläubigen Israeliten. Indem die Kirche die Riten der Juden toleriere, dulde sie auch deren Wirtschaftspraktiken, welche religiösen Überzeugungen folgten. Dadurch sündigten Christen keineswegs. Ihr Unglaube habe die Juden ohnehin in den Stand der Verdammnis gesetzt. So sei es unerheblich, ob sie sündigten, falls sie usura trieben. 137 Trotz des ehrwürdigen Ansehens jener Rechtsgelehrten werde er darlegen, so Angelo, daß sie motiva apperte erronee folgten. Die jüdische Zinsleihe sei weder nützlich noch notwendig. Das Konzept einer permissio comparativa, von Angelo Carletti als permissio simplex bezeichnet, wonach die Schuld für ein Vergehen zwar bestehen bleibe, dies aber nicht bestraft werde, da ein kleineres Übel ein größeres verhindere, könne sie nicht rechtfertigen. Jegliche Form der Zinsleihe, mithin auch die usura iudaeorum, stelle zweifellos eine Todsünde dar. Ein peccatum mortale jedoch könne niemals zugelassen werden. 138 136

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FILIPPO LIOTTA, Art. ‚Barbazza, Andrea‘, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 6, Rom 1964, S. 146-148; Zu Paolo di Castro ANNALISA BELLONI, Professori giuristi a Padova nel secolo XV. Profili bio-bibliografici e cattedre, Frankfurt a.M. 1986, S. 283292. Angelo Carletti, Summa Angelica, fol. 367v: „Sed quod dicemus de dominis et communitatibus qui concedunt iudeis ut possint exercere usuras et locant eis domos et faciunt conventiones cum eis super usuris exercendis et ut iudices cogant debitores suecundum conventa et huiusmodi? Respondent domini Andreas barbatius et Paulus de Castro consilio ccclxxvi et Petrus de Ancharano consilio ccxxx et quidam alii conati sunt tenere quod licite facere poterant. Dummodo au[c]toritas seu licentia ab ordinario obtineatur. Et hoc quia accedit ad bonum commune totius reipublice. Item quia sic est consuetudo de cuius initii memoria non existit contrarium. Et tolerantia romanorum pontificum presertim in terris temporaliter ecclesie subiectis. Et ideo videtur valere. Item quia ista concessio non est peccati nutritiva ex parte christianorum ut in c. super eo. De usuris. Ex parte vero iudeorum nihil nobis de his qui foris sunt. Unde dicit tex. In c. qui sincera.xlv.dist. Supervacue rei videtur dare operam quo arcere nititur iudeos a peccato. Utpote damnatos propter perfidiam. Et ideo tolernatur in eorum ritibus. Hec sunt in summa eorum motiva. Sed salva eorum reverentia demonstrabo quod nedum vere sed aperte erronee consulverunt.“ Angelo Carletti diskutierte ausnehmend breit das Konzept einer Erlaubnis wider dem Gesetz. Er hielt fest, daß die permissio contra legem dreifache Gestalt annehmen könne, wobei er die permissio simplex als Rechtfertigung für den jüdischen Wucher zurückwies. Ebenda: „(permissio contra legem)”. Ebenda: „(...) quod triplex est permissio contra legem. Prima simplex indulgens penam solum, sed non culpam. Et hoc modo permittit ecclesia prostibula propter maius malum seu peccatum evitandum (...) Secunda permissio est tollens impedimentum et isto modo ecclesia tolerat ritus iudeorum prohibens christianis ne eos impediant.d. c. qui sincera et c. sicut de iudeis. Tercia permissio est praestans iuvamen (...) Nam licet principes et communitates possint permittere usurarios

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Giacomo Ongarelli setzte sich in seinem Traktat ‚De malitiis ac impietatibus iudaeorum modernorum‘ ausnehmend breit mit einem Rechtsgutachten über den Wucher auseinander, den Alessandro Tartagnani († 1477) an den Hof der Gonzaga in Mantua gerichtet hatte. 139 Darin rechtfertigte Tartagnani die Praxis der jüdischen Zinsleihe. Die Argumente, die er dabei vorbrachte, gleichen weitgehend jenen motiva, die Angelo Carletti den Consilia Pietros de Ancharano, Paolos di Castro und Andreas Barbazza entnommen hatte. Ongarelli folgte in seiner Replik der Argumentation von Carletti. Die Erfahrung lehre, daß die jüdische Zinsleihe für den Erhalt eines Gemeinwesens nicht notwendig, vor allem aber nicht hilfreich sei. Sie bewahre nicht vor größerem Übel, sondern befördere nur sündhafte Begierden, die Anlaß für zwischenmenschliche Zwietracht bieten und den Ruin des Gemeinwesens befördern. Die Gewohnheit rechtfertige keine Praxis, die vom göttlichen und natürlichem Gesetz verboten sei. 140 Ausführlicher als Carletti trat Ongarelli Tartagnani und anderen Juristen entgegen, die aus dem Gebot der tolerantia iudaeorum ein Motiv machten, das es Herrschaftsträgern erlaubte, den jüdischen Wucher zu privilegieren. Die Kirche, so Ongarelli, täte wohl daran, die Juden in ihrem Unglauben zu ertragen und nicht zur Annahme des christlichen Glaubens zu zwingen. Weitere sündhafte Verfehlungen dürften ihnen jedoch nicht gestattet werden. Juden, die wie alle Menschen dem ius divinum seu naturalis unterliegen, handelten mit ihrem Wucher sündhaft wider Gott und die Natur. Dagegen müsse die Kirche, die in Fragen des Glaubens über die Draußenstehenden nicht zu richten habe, einschreiten. Jenen, die der Ansicht waren, Juden könne das Zinsgeschäft ob der Verdammnis, in der sie sich wegen ihres Unglaubens befinden, ruhig erlaubt werden, hielt er entgegen, die Juden seien nicht vollständig und endgültig verworfen. Der perfidia iudaeorum entspreche lediglich eine damnatio simplex, die ihre zukünftige Bekehrung zum christlichen Glauben nicht ausschließe. Befördere man jedoch ihre Sündhaftigkeit, indem man ihren Wucher duldet, so schwinde auch die Hoffnung auf ihre Umkehr zur veritas christiana. 141 Angesichts der Skepsis, die Ongarelli oben über eine mögliche

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prima permissione (...) quod tamen ego non admitto simpliciter quia maius malum est usura (...) Et ideo non potest permitti propter maius malum evitandum (...)“. Zur permissio comparativa als Teil des mittelalterlichen Toleranzverständnisses vgl. SCHREINER, Toleranz, S. 464 u. BEJCZY, Tolerantia, S. 368. Zu Alessandro Tartagnani BELLONI, Professori giuristi, S. 110-118. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 55-60, fol. 133r-145v. Ebenda, L. III, c. 55, fol. 134r: „Hic sunt duo alii errores nam quo ad primum, sciendum nobis est alios esse Judeos velle cohercere aliud prestare eis fomentum ad exercendum peccatum. Si ecclesia non vult eos cohercere a sua infidelitate benefacit: quoniam Christiana fides libertatem querit arbitrii neque vult aliquem compelli. Si datur facultas eis exercendi usuras non solum compescentur sed invitantur ad malum: errant ergo iste doctores quoniam et si supervacuum, inducere eos ad peccatum, error secundus ostenditur cum dicitur quod Judei sunt damnati iam propter perfidiam hoc nanque falissimum est: quia

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Bekehrung der Juden durch Belehrung und ohne Zwang formulierte, werden Widersprüche deutlich, die sich einem situativ variablen Interesse verdanken. Zum Schluß seiner Entgegnung auf das Consilium Alessandro Tartagnanis erinnerte Ongarelli nochmals daran, daß die Privilegierung der jüdischen Geldleihe dem Kirchenrecht widerspreche. Eine solche Praxis bedeute nichts anderes, als zu unterstellen, daß die Kirche Gottes in ihrem Recht irrt. Dies sei jedoch unmöglich, habe doch der heilige Geist selbst das ius canonicum diktiert. 142 Franziskaner also verfochten rigoristische Positionen, die einer strengen theologischen Verurteilung jeglicher jüdischer Zinsleihe das Wort redete. Antijudaismus und Ablehnung moderater Argumentationen gingen Hand in Hand, um der religiösen Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen.

3.1.2. Antijüdische Normen II – Wider das Kirchenrecht Die franziskanischen Prediger reformulierten eifrig die kanonistische Judengesetzgebung. Ließen die Gesetze Interpretationsspielraum zu, wählten sie gewöhnlich den strengeren Standpunkt. Zuweilen gingen sie aber selbst über das Kirchenrecht hinaus. Papst Gregor der Große hatte 598 den Bischof von Genua angewiesen, für den Erhalt bestehender jüdischer Gotteshäuser Sorge zu tragen, ihren Neubau jedoch zu unterbinden. 1180 griff Papst Alexander III. das Gebot auf und erklärte dem Erzbischof von Bourges, er dürfe es nicht zulassen, daß Juden in den Städten neue Synagogen errichteten. Es sei Juden, wie oben bereits erwähnt, jedoch gestattet, jene Synagogen, die eingestürzt oder dem Zusammenbruch nahe waren, wieder aufzurichten oder zu restaurieren, falls sie nicht größer oder in ihrer Ausschmückung kostbarer erbaut werden würden als zuvor. Sowohl der Brief Papst Gregors des Großen als auch das Schreiben Papst Alexanders III. fanden Eingang in den ‚Liber Extra‘ und wurden somit zu geltendem Kirchenrecht. 143 Angelo Carletti fühlte sich dem jedoch nicht gänzlich verpflichtet. Zwar hielt er daran fest, Juden die Restaurierung ihrer vom Einfall bedrohten Gotteshäuser weiterhin zu gestatten. Mit Panormitanus, den er auffallend häufig in seiner ‚Summa Angelica‘ zitierte, wollte er zuvor verfallene jüdische Gotteshäuser jedoch nicht wiedererrichten, komme dies doch einem unerlaubten Neubau gleich. Ähnlich argumentierte Baptista Trovamala in seiner

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sunt in potentia adhuc ut salve fieri possint patet quia illuminari possunt ad fidem et baptizari ergo non sunt damnati (...)“. Zum Grundsatz, die Kirche dürfe nicht „de his qui foris sunt“ richten und zur damnatio simplex ebenda, fol. 135r/v. Ebenda, L. III, c. 60, fol. 143r: „(...) quod ecclesia dei errat in condendis canonibus quod tamen impossibile est cum Spiritu Sancto dictante Iura canonica (...)“. Vgl CIC, X 5.6.3 u. X 5.6.7.

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‚Rosella‘. 144 Aus derartigen Aussagen allein läßt sich jedoch noch keine eindeutige Tendenz eines gestiegenen Antijudaismus unter den franziskanischen Predigern ausmachen. Vielmehr sind sie Ausdruck persönlicher Entscheidungen. Etwa zur gleichen Zeit, in der Angelo Carletti und Baptista Trovamala ihre Summen schrieben, blieb Roberto Caracciolo da Lecce treu bei den Vorgaben der kanonistischen Judengesetzgebung und erklärte den Wiederaufbau zerstörter und eingestürzter Synagogen für legitim. 145 Uneinheitlich beantworteten die franziskanischen Prediger auch die Frage, ob man Juden gewaltsam zur Taufe bringen dürfe. In seiner Predigt ‚De infidelitate‘ gab Antonio da Bitonto eine unmißverständliche Antwort auf die Frage, ob es rechtgläubigen Christen erlaubt sei, Ungläubige zum christlichen Glauben zu zwingen. Häretiker und Apostaten, die sich dereinst zur veritas christiana bekannt hatten, dann aber von ihr abfielen, sind gar mit physischer Gewalt anzuhalten, zu erfüllen, was sie einst versprochen hatten. Heiden und Juden, die niemals der kirchlichen Heilsgemeinschaft angehörten, könne man hingegen nicht zwingen. Dies gebiete allein schon die Vernunft. Zu glauben sei ein Akt freier Entscheidung. Als Autorität zitierte der observante Franziskaner den 57. Kanon des vierten Konzils von Toledo aus dem Jahr 633, der Eingang in das ‚Decretum‘ gefunden hatte. 146 Die Kirchenversammlung hatte darin unter anderem beschlossen: „Bezüglich der Juden verfügt die heilige Synode, daß fortan niemand mit Gewalt zum Glauben gezwungen werden darf. (...) Also sollen sie nicht mit Gewalt, sondern mit der Möglichkeit der freien Entscheidung zur Konversion überredet, aber nicht genötigt werden.“ 147 Baptista Trovamala urteilte ebenso. Er berief sich auf die traditionelle päpstliche Judenschutzbulle ‚Sicut-Iudaeis‘, die auf Papst Calixt II. zurückgeht, der einige 144

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Angelo Carletti, Summa Angelica, fol. 197v: „Sed quid si antiqua synagoga ex toto corruit et funditus. Respondet Pa[normitanus] in d.c.consuluit [X 5.6.7; M.H.] quod non poterunt reedificare quia esset novum facere (...)“. Vgl. auch Baptista Trovamala, Rosella, fol. 143v: „Sed quod si antiqua synagoga funditus corruit: nunquid licitum sit de novo edificare in loco ubi fuit antiqua. Et possit dici quod non: quia videtur omnino novum edificium: exquo funditus destructum est.“ Roberto Caracciolo da Lecce, Specchio della fede, Sermo 19: Della innocentia di Christo perseguitato a torta dalli malvasi iudei, fol. 88r. Antonio da Bitonto, Sermones dominicales per totum annum, De infidelitate, fol. 60r/v: „Si per fidelis cogendus sit infidelis ad fidem, sive sit gentilis, sive iudeus, sive christianus. Ad quod breviter respondetur secundum doctrinam doctoris preallegati. Quod infidelium quidam sunt qui numquam fidem susceperunt sicut gentiles et iudei: et tales nullo modo sunt ad fidem compellendi ut ipsum credant: et hoc patet ratione et auctoritate. Ratione sicut: Credere est voluntatis. Sed voluntas non potest cogi. Immo deus ipsam non cogit quia semper dimittit libertatem liberi arbitrii (...) Et in decretum di. 45 ‚Qui sincera‘ [D. 45, c. 3; M.H.] (...) Alii vero sunt infideles quicunque fidem habuerunt sicut heretici vel quicumque apostate. Et tales sunt etiam corporaliter compellendi ut impleant quod promiserunt.“ CIC, D. 45, c. 5: „De iudeis autem precepit sancta sinodus, nemini deinceps vim ad credendum inferre (...) Ergo non vi, sed libera arbitrii facultate ut convertantur suadendi sunt, non potius inpellendi (...)“. Übersetzt nach MAGIN, Iuden recht, S. 165.

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Jahre vor der Entstehung der Kirchenrechtssammlung Gratians – wohl als Reaktion auf die Pogrome im Rahmen des ersten Kreuzzugs – Juden darin den Schutz der Kirche zugesichert hatte. Er wies das Ansinnen, sie mit Zwang zur Taufe zu bringen, entschieden zurück. 148 Roberto Caracciolo da Lecce kam in der Frage nach der Zwangstaufe von Juden zur gleichen Antwort wie Antonio da Bitonto und Baptista Trovamala. Er berief sich jedoch nicht nur auf das ‚Decretum‘, sondern setzte sich explizit mit einer kanonistischen Lehre auseinander, die seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert zunehmende Verbreitung fand und letztlich den herkömmlichen kirchlichen Standpunkt zum Problem des Glaubenszwangs modifizierte. Der Franziskanerkonventuale zitierte aus dem ‚Liber Extra‘ eine Dekretale Papst Innozenz III., in der dieser festhielt, daß auch jene, die aufgrund von Schrecken, Drohungen oder aus Furcht vor Schaden sich taufen ließen, anschließend treu beim christlichen Glauben bleiben müßten. Das Sakrament der Taufe verliere nur dann seine Gültigkeit, wenn die Ungläubigen während des Taufritus deutlich ihren Widerstand zum Ausdruck gebracht hätten. 149 Papst Innozenz III. konnte sich dabei auf die Summa zum ‚Decretum‘ stützen, die sein Lehrer Huguccio vor 1190 vollendet hatte. Der Kanonist unterschied in seinem Kommentar zu D. 45, c. 5 als erster zwischen einer coactio absoluta und einer coactio conditionalis. Eine Taufe, die unter absolutem Zwang, womit körperliche Gewalt gemeint war, zustandegekommen sei, binde den Täufling nicht, falls dieser kein Zeichen der Zustimmung gegeben habe. Sei ihm jedoch nur bedingter Zwang in Form von Drohungen angetan worden, so müsse er treu beim einmal angenommenen christlichen Glauben bleiben. 150 Die Unterscheidung zwischen coactio absoluta und coactio conditionalis, die seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert immer wieder Apologeten in der kanonistischen Literatur fand, stand im Kirchenrecht neben der Tradition, die jeglichen Zwang in Glaubensfragen zurückwies. Roberto Caracciolo entschied sich für das 148 149

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Baptista Trovamala, Rosella, fol. 144r: „De conversione iudeorum. Judei nolentes non sunt inviti baptizandi: nec ad hoc cogendi. Extra.eo.sicut (...)“. CIC, X 3.42.3: „Is, qui terroribus atque suppliciis violenter attrahitur, et, ne detrimentum incurrat, baptismi suscipit sacramentum (...) tanquam conditionaliter volens, licet absolute non velit, cogendus est [tamen] ad observantiam fidei Christianae (...) Ille vero, qui nunquam consentit, sed penitus contradicit, nec rem, nec characterem suscipit sacramenti, quia plus est expresse contradicere quam minime consentire.“ Huguccio, Summa: „De coactione tamen distinguo aut est absoluta aut est conditionalis. Si absoluta coactione quis baptizetur, puta unus tent eum ligatum et alius superfundit aquam, nisi postea cons[entit, iam] non debet cogi ad tenedam fidem christianam, set tamen baptizetur et sacramentum accipit (...) si vero coactione conditionali qui baptizetur, puta ‚te verberabo vel spoliabo vel interficiam vel ledem nisi baptizeris‘, cogi [debet] ut fidem teneat, quia per talem coactionem de nolente efficitur quis volens et volens baptizatur. Voluntas enim coacta voluntas est.“ Zitiert nach FRANCIS RICHARD CZERWINSKI, The Teachings of the Twelfth and Thirteenth Century Canonists about the Jews, Diss. (masch.) Cornell University 1972, S. 158.

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Althergebrachte und schloß: „Sie dürfen auf keine Art zum Glauben gezwungen werden, weder mit absolutem, noch mit bedingtem Zwang.“ 151 Roberto Caracciolo da Lecce widmete sich noch ausführlich dem Problem der Taufe jüdischer Kinder, das seit dem frühen Mittelalter immer wieder reflektiert worden war und in der kanonistischen Literatur seit dem 12. Jahrhundert breit diskutiert wurde. Roberto lehnte es ab, Juden ihrer Kinder zu berauben und zu taufen. Er berief sich dabei auf Argumente, die er dem Sentenzenkommentar Richards de Mediavilla († 1302/1308) und der ‚Summa theologica‘ des Thomas von Aquin entnahm. Der verwies auf die Gefahr für den christlichen Glauben, falls man Judenkinder taufe, ehe sie zum Vernunftgebrauch gekommen waren. Denn sie könnten „nachträglich, wenn sie die Reife erreichten, leicht von ihren Eltern dazu gebracht werden, aufzugeben, was sie noch unwissend auf sich genommen haben.“ Es widerspreche andererseits der natürlichen Gerechtigkeit, jüdischen Eltern ihre Kinder zu nehmen, stünden Kinder doch unter dem Willen und der Vormundschaft der Eltern. Thomas von Aquin beschwor natürliches, elterliches Recht: Es „steht der Sohn nach natürlichem Recht, ehe er seiner Vernunft mächtig ist, unter der Vormundschaft des Vaters. Es wäre also gegen das natürliche Recht, wenn ein Kind, ehe es den Gebrauch der Vernunft hat, der Vormundschaft der Eltern entzogen würde, oder wenn über es etwas gegen den Willen der Eltern verfügt würde.“ 152 151

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Roberto Caracciolo da Lecce, Specchio della fede, Sermo 19: Della innocentia di Christo perseguitato a torta dalli malvasi iudei fol. 88r: „El tertio dubio era si li iudei si devono fforzare che se baptizano. E a questo si risponde per lo ca. De iudeis.xlv distinctione nel Decreto: che per nullo modo si devono fforzare e fargli violentia: pero che dio non salva nullo per violentia e contra el suo vole (...) Ma como e dicto non si devono fforzare per modo alcuno che vengano alla fede ne per forza absoluta ne conditionale (...)“. Thomas von Aquin, Summa theologica II-II q. 10, art. 12: „(...) ita de jure naturali est quod filius, antequam habeat usum rationis, sit sub cura patris.Unde contra justitiam naturalem esset si puer, antequam habeat usum rationis, a cura parentum subtrahatur, vel de eo aliquid ordinetur invitis parentibus.“ Roberto machte sich die Argumentation des Aquinaten zu eigen. Roberto Caracciolo da Lecce, Specchio della fede, Sermo 19: Della innocentia di Christo perseguitato a torta dalli malvasi iudei, fol. 88r: „Similemente non si devono baptizare loro figlioli innazi luso della rasone contra la voglia de lor padri e matre. E la rasone e secondo Ricardo nel suo quarto alla sexta distinctione. E sancto Thomaso alla tetia parte questinoe lxviii e alla secunda questione x. Primo per lo periculo della fede perche diventando poi di eta facilemente li padri e matre li contaminarieno. E laltra rasone e che questo repugna alla iustitia naturale perche lo figliolo e de sustantia del padre. E mentre che e in ventre della madre non se distingue secondo el corpo dal padre e dalla madre. E poi che nacque infino a tanto che pervene allo uso del libro arbitrio e contenuto sotto lo governo loro como in uno ventre spirituale. E ancora mentre lo figliolo non ha lo uso della rasone non e differente dallo animale irrationale. Cussi donque come uno bove o uno cavallo e in potesta del patrone che ne faza quello che vole secondo le lege civile. Cossi e de iure naturali che lo figliol inanzi luso della rasone sie in potesta e volere del padre e della matre.“ Vgl. Richard de Mediavilla, Super quatuor libros Sententiarum Petri Lombardi questiones subtilissimae, Liber IV, dist. 6.auch Richard von Mediavalia, IV, dist. 6 Gleichwohl hielt Roberto Caracciolo an der Gültigkeit des Taufsakraments

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Baptista Trovamala lehnte ebenfalls die Taufe jüdischer Kinder ab. Gleichwohl wußte er um Überlegungen, die vorgebracht wurden, um solches zu rechtfertigen. Er zitierte die italienischen Kanonisten Guido da Baysio († 1313) und Johannes Andreae. Guido, der Erzdiakon von Bologna, erinnerte an die Knechtschaft der Juden. Fürsten begingen kein Verbrechen, falls sie den Juden, die ihre Knechte sind, die Kinder nehmen, diese wie Sklaven als ihren Besitz verkaufen oder zur Taufe bringen. Denn die Juden als servi seien rechtlos; sie besäßen nicht einmal die Rechtsgewalt über ihre Nachkommenschaft. Verdienstvoll sei dies, falls die Kinder um ihres Heils willen getauft würden, nicht jedoch, um die Eltern zu zwingen, selbst den christlichen Glauben anzunehmen. Guido da Baysio stützte sich dabei fast wörtlich auf Wilhelm von Rennes († 1264), der in seinem Kommentar zur ‚Summa de casibus‘ des Raimundus de Penaforte erstmals aus der servitus iudaeorum die Erlaubnis zur Taufe jüdischer Kinder abgeleitet hatte. Johannes Andreae übernahm diese Argumentation. 153 Baptista Trovamala stellte jener Lehre die Auffassung des Kanonisten Panormitanus entgegen, der eine Knechtschaft der Juden bestritt, die Zwang in Glaubensfragen rechtfertigen könne. Fra Baptista folgte ihm. 154

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fest, falls jüdische Kinder einmal die Taufe empfangen hätten. Ebenda: „(...) che si alcuni piccolini fosseno baptizati contra la voglia del padre e della madre si devono constringere che servano la fede cristiana: e vivano como cristiani (...)“. Guida da Baysio, Rosarium seu in decretorum volumen commentaria, Lyons 1549, cf Guilelmus Redonensis. D. 45, c.3: „Qui sincera‘ v. Non asperitatibus: ‚Sed numquid possunt auferri et filij eorum ad baptizandum? Respondeo: addulti non debent, nisi consenserint sponte baptizari, nec etiam parvuli per illos, qui non sunt domini eorum. Sed si veri nominis servi Iudaei sicut et sunt, sicut credo, ut Gen. Ix maledictus Chanaan, servus sit fratrum suorum xxiii.q.iii Dispar extra de iudeis Etsi (X 5.6.13). Credo quod principes quorum sunt servi iudei possunt eis auferre filios parvulos absque omnia iniuria; cum illi in filiis non habeant potestatem tanquam servi ut patet in eo quod le. et not. Xxxii q. iii Sicut (c. 8) Idem principes possent eos parvulos tanquam mancipia sua aliis dare vel vendere in servitutem invitis parentibus ita possent eos aufferre ad baptizandum; et in hoc mererentur; dum tamen non faciant propter compellendos hoc modo parentes ad fidem sed propter salvandos pueros per fidei sacramentum; ad cuius perceptionem sufficit, quod non inveniant obiectum (ed: obicem) contrarie voluntatis.“ Zitiert nach PAKTER, Medieval Canon Law, S. 327f., Anm. 306. Das Original von Wlhelm von Rennes ebenda, S. 322, Anm. 295. Johannes Andreae, Novella commentaria, fol. 42ra: „X 5.6.9 Sicut Iudaei v. Patefacta: ‚De filiis iudaeorum adultis certum est quod nisi sponte elegerint, baptizari non debent (...) Sed aliqui intelligunt illud verum per illos, qui non sunt illorum domini, sed cum ipsi sint veri servi, Gene. 9 maledictus Chanaam, servus sit fratrum suorum. Facit 24 q. 1 § Sed qui, 23 q. 8 Dispar, infra eo. Etsi (X 5.6.13), principes quorum iudaei sunt servi, possunt illis filios parvulos ad baptismum auferre sine iniuria, cum ipsi ut servi, in filios non habeant potestatem, 32 q. 3 c. uno, Instit. de pa. pot. § 1. Et sicut illos ut servos possent aliis vendere vel donare, fortius ad baptismum adducere, et merentur, dummodo non propter parentes ad fidem, cogendos, sed propter pueros salvandos id faciant. Et sic potest ille canon intelligi. Et de hoc per Archi. 45 distin. Qui sincera in princip.“ Baptista Trovamala, Rosella, fol. 144r: „Judeus ii. De conversione iudeorum. Judei nolentes non sunt inviti baptizandi: nec ad hoc cogendi. extra eo.sicut [X 5.6.9; M.H.]. Sive sint adulti sive parvuli: secundum Pa(normitanus) ibi licet quidam de parvis teneant quod parvuli invitis parentibus baptizari

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Die franziskanischen Prediger kannten jene kanonistische Literatur, die die Anwendung bedingten Zwangs in Glaubensfragen rechtfertigte. 155 Gleichwohl werden unter ihnen erst seit dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts vermehrt Stimmen laut, die entschieden für die Anwendung einer coactio conditionalis in Glaubensfragen plädierten und die Zwangstaufe jüdischer Kinder legitimierten. Angelo Carletti hatte Juden compulsione indirecta zum christlichen Glauben bringen wollen. Er berief sich auf den Sentenzenkommentar seines Ordensbruders Johannes Duns Scotus († 1308). 156 Ihm entnahm er ebenso wie

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possint. Quam opinio sentit Jo.An. [Johannes Andreae; M.H.] et Arch. [Archidiaconus = Guido da Baysio; M.H.] xlv. di. qui sincera [D. 45, c.3; M.H.] quia cum sint iudei servi christianorum: non habeant filios in potestate. Sed Pa(normitanus) dubitat de hoc an si sint servi: imo stricte et proprie non sunt servi: imo nec ab eis possunt coacta servitia exigi.“ Vgl. Panormitanus, Commentaria super decretalium libris 9, Bd. 7, Venedig 1618, fol. 112ra: „§ 3: X 5.6.9 Sicut Iudaei: ‚No. Secundo, quod Iudaei non sunt compellendi ad fidem Christianam suscipiendam, quod est verum in adultis, sed de parvulis, sunt opi. glos. In c. Iudaeorum 28 q. 1. Tenet idem, ut non possit eripi a parentibus eorum, et baptizari. Sed alii tenent opp. Quod cum sint servi, non habent filios in potestate, unde principes saeculares eorum domini possunt pueros, invitis parentibus eorum, facere baptizari et hanc opinionem sentit Io. And. Licet aperte non firmet, sed contrarium expresse tenet Arch. 45 dist. Qui syncera. Ego multum dubitarem, cum stricte et proprie non sint servi, imo ab eis, non possunt coacta servitia exigi, ut hic, et in praell. c. ‚Qui sincera‘.“ Zitiert nach PAKTER, Medieval Canon Law, S. 328, Anm. 310. Niccolo da Osimo, Supplementum ad Summam Pisanellae, fol. 164r: „Iudeus tercio. De conversione iudeorum. Ubi sciendum quod iudei et ceteri infideles non debent ad fidem compelli asperitatibus sed potius debent induci auctoritatibus, rationibus et dulcibus verbis. Nam coacta servitia non placet deo.xlv. d. qui sincera et c. de iudeis. Si tamen coacti conditionaliter puta per minas vel rerum suarum ablationem et per verbera ez huiusmodi baptismum susceperent et postea recesserent a fide: compellendi sunt redie ne nomen domini blasphemerent et fides contemptibitur (...) Si vero fuerit absolute coacti ut si per violentia in aqua mersi sunt: si recipiunt baptismum extra de bap. maiores. Constat Tho(mas) ii ii q. x et Hos(tiensis). Addit Ray(mundus) quod tales infideles possint trahi muncibus et promissis (...)“. Angelo Carletti, Summa Angelica: „Utrum iudei adulti aut alii adulti sint compellendi ad baptismum? Respondet de iudeis tenet Sco(tus) ubi supra [Sententiae IV, dist. 4, q. 9; M.H.] quod sic per dominos eorum pro quo facit tex. in c. de iudeis xlv dist. et c. maiores de bap. ubi commendatur ille rex qui coegit infideles baptizari. Sed contra est tex. in c. sicut iudei de iudeis qui prohibet compulsionem. Sed ego dico veram opinionem Scotum intelligendo de compulsione indirecta.“ Duns Scotus neigte der Ansicht zu, christliche Fürsten dürften sich bedingten Zwangs bedienen, um Juden zum christlichen Glauben zu bringen. Auch wenn sie nicht zu aufrichtigen Christen würden, sei es selbst für die Juden besser, falls sie mit Drohungen und Schrecken bekehrt werden, werde so doch ein größeres Übel, die fortdauernde Beachtung ihres falschen Gesetzes von ihnen genommen. Zudem äußerte Scotus die Hoffnung, die Kinder derart bekehrter Juden würden in der dritten oder vierten Generation zu aufrichtigen Christen, falls sie wohl, d.h. im christlichen Glauben erzogen würden. Vgl. Duns Scotus, Quaestiones in Liber IV Sententiarum, dist. 4, q. 9, in: ders., Opera Omnia, Bd. 8, Lyon 1639 (ND; Hildesheim 1968), S. 276: „Imo quod plus est, crederem religiose fieri si ipsi parentes [adulti iudaei; M.H.] cogerentur minis et terroribus ad suscipiendum Baptismum, et ad conservandum postea susceptum: quia esto quod ipsi non essent vere fideles in animo: tamen minus malum esset eis, non posse impune legem suam illicitam servare, quam posse eam libere servare. Item filii eorum si bene educarentur in tertia, et quarta progenie, essent vere fideles.“ Zur Stellung des Duns Scotus zu den Juden vgl.

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Antijudaismus in der Predigt

Giacomo Ongarelli Argumente, die eine Taufe jüdischer Kinder gegen den Willen ihrer Eltern rechtfertigen sollten. 157 Im Gegensatz zu Carletti nannte Ongarelli einige Autoren, die die erzwungene Taufe jüdischer Kinder explizit abgelehnt hatten, beim Namen. Er verwies auf die ‚Summa theologica‘ des Aquinaten und die Sentenzenkommentare Richards de Mediavilla und des Petrus de Palude († 1342), führte aber mit der ‚Summa theologica‘ des florentinischen Erzbischofs Antonino Pierozzi († 1459) auch Literatur jüngeren Datums an. Ongarelli faßte darin enthaltene zentrale Argumente gegen die Taufe der jüdischen Kinder kurz zusammen. Nehme man den Juden ihre Kinder, um sie zum christlichen Glauben zu bringen, werde erzwungen, was dem ‚Decretum‘ nach nur aufgrund einer freiwilligen Entscheidung erfolgen könne. Zudem begehe man ein zweifaches Unrecht. Zum einen verletze man das Gebot der Duldsamkeit gegenüber den Religionsgebräuchen der Juden, zum anderen mißachte man das natürliche Recht von Eltern, frei über ihre Kinder zu bestimmen. Ongarelli räumte freimütig ein, die Mehrzahl der Kanonisten teilten noch immer diese Ansicht. 158 Ebenso sehr sei jedoch auch

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die älteren Einschätzungen von JACOB GUTTMANN, Die Scholastik des dreizehnten Jahrhunderts in ihren Beziehungen zum Judentum, Breslau 1902, S. 157 u. BARON, Social History, Bd. 9, S. 16. Eine ausführliche Analyse der entsprechenden Passage im Sentenzenkommentar des Scotus bot zuletzt HENRI A. KROP, Duns Scotus and the Jews. Scholastic Theology and Enforced Conversion in the Thirteenth Century, in: Nederlands Archief voor Kerkgeschiedenis 69 (1989), S. 161-175. Angelo Carletti, Summa Angelica: „Utrum pueri iudeorum sint baptizandi: Respondeo quod in hoc fuerunt opiniones diverse. Quibusdam dicentibus quod non invitis parentibus. Sed ego dico cum Sco. et Landul. [Landolfo Caracciolo de Napoli (†1355); M.H.] in iiii di. iiii quod etiam invitis parentibus sunt baptizandi. Non quidem per privatas personas, sed per principes aut eorum dominos et educandi religiose et caute ne occidantur a parentibus. Et pro hoc facit quod notat Oldra. [Oldradus de Ponte († 1335); M.H.] in consiliis suis ubi tenet quod iudei sunt servi facti per passionem Christi. Extra de iudeis.c.et si iudeos, et fuit mandatum executioni per Constantinum, ut notat Hosti(ensis) in c.consuluit de iudeis. Et hoc dicit Archidi(aconus) xlv.di.qui sincera. Hoc idem tenet Tho(mas) in epistola ad ducissam Lothoringie. Nam cum sint servi, princeps qui est eorum dominus potest weos vendere (...)“. Ausführlicher – wenngleich vielfach mit identischem Literaturbezug – behandelte hingegen Giacomo Ongarelli die Frage der Taufe jüdischer Kinder. Vgl. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 84, fol. 169v-171v. Ebenda, fol. 169v u. 170r: „Ex ammare nos oportet an filii Judeorum parvuli licite possint a parentibus auferri ad baptizandum et quidem dixerunt nullo modo inter quos videtur fuisse S. Tho(mas) 2a. 2e. q. x ar. 12 quem sequitur Archie(piscopus florentinus [= Antoninus von Florenz; M.H.] 3a pars ti. 14 c. 12 § 9 et Pe(trus) de Palu(de) in 4° dis. 10 Ricar(dus de Mediavilla) in 4° dis. 6 ar. 3 q. 3a hanc etiam opinionem videntur sequi magis comuniter canoniste ratio qua moventur duplex. Prima quia nullus est adducendus ad fidem invitis sed oportet quod consentiant parentes ergo parvuli absque parentum consensu non sunt baptizandi, ita dicunt probari in c. de Judeis in c. sicut 45 di. et c. ad fidem 23 q. 5. 2a ratio quia non debet alicui fieri iniuria, unde si iudeis invitis pueri auferrentur, certe ex quo videntur habere ius in eos dum parvuli sunt non mediocris iniuria inferrentur eis Iura nanque que Judeos mandant iubentque tollerandos in ritibus prohibentque eis iniuriam inferri.“ Ongarelli wußte zudem – dies wird im Fortgang von De malitiis, L. III, c. 84 deutlich – um zwei weitere Gründe,

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die Vorstellung von der Knechtschaft der Juden Bestandteil geltenden Kirchenrechts und Gemeingut innerhalb der einschlägigen kanonistischen bzw. theologischen Literatur. Ongarelli führte Hostiensis, Thomas von Aquin und Guido da Baysio an. Jeder der drei Autoren betonte unmißverständlich die servitus iudaeorum; ein Argument für die Taufe jüdischer Kinder machte daraus jedoch nur Guido da Baysio. Um darzutun, daß jüdische Kinder gegen den Willen ihrer Eltern getauft werden können, führte Giacomo Ongarelli jedoch dessen Antwort nicht weiter aus, sondern zitierte umfangreich aus dem Sentenzenkommentar des Johannes Duns Scotus. Dort fand er, daß zwar keine Personen ohne herrschaftliche Amtsgewalt, sehr wohl aber christliche Fürsten derartiges unternehmen könnten. Dabei sollten sie umsichtig vorgehen, um zu vermeiden, daß Juden ihre Absicht frühzeitig erkannten und ihre Kinder vorab töteten. Kritischen Stimmen, die gegen die Zwangstaufe jüdischer Kinder einwandten, Juden müßten bis zum Ende der Zeit, an der sie sich bekehrten, aufbewahrt werden, entgegnete er, es genüge zur Erfüllung der prophezeiten Heilsgeschichte, wenn nur ein kleiner Rest abgesondert auf irgendeiner Insel bis dahin aufgespart würde. 159 Johannes Duns Scotus setzte sich explizit mit jenen Kanonisten und Theologen auseinander, die an eine natürliche Gerechtigkeit appellierten, die den Eltern die Entscheidungsgewalt über ihre Kinder ließ. Dem stellte er ein ausgefeiltes Konzept einer Gewaltenhierarchie gegenüber, an deren Spitze Gott steht. Die Gewalt der Fürsten begreift er als intermediäre Gewalt, ist sie doch Gott untergeordnet, dessen Ordnung und Willen sie zu bewahren haben, anderen Autoritäten oder sozialen Institutionen aber vorgeordnet. Er rechtfertigte

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die vorgebracht wurden, um die Zwangstaufe jüdischer Kinder abzulehnen. Beide führte schon Thomas von Aquin an. Thomas von Aquin machte geltend, die gegen den Willen der Eltern erzwungene Taufe sei wider jeglicher Gewohnheit. Vgl. Thomas von Aquin, Summa theologica II-II, q. 10, art. 12. Duns Scotus, Quaestiones in Liber IV Sententiarum, dist. 4, q. 9, in: Opera Omnia, Bd. 8, S. 276: „Dico ergo breviter, quod si Princeps hoc faceret, cum cautela bona, scilicet ne parentes prius cognoscentes hoc futurum, occiderent pueros suos, et quod baptizatos faceret religiose educari: ben fieret (...) Et si dicas, quod secundum prophetiam Isaiae, quam recitat Paulus Rom. 9. ‚Reliquiae Israel convertentur in fine‘; et ideo Iudaeos non oportet cogere totaliter ad Baptismum suscipiendum, et relinquendum legem suam. Respondeo, non dubito, quin vera sit prophetia Christi, quam recitat Christus Ioan. 5. ‚Ego veni in nomine Patris mei, et non accepistis me: si alius venerit in nomine suo, illum suscipietis‘: ergo ad minus ex verbo Christi erunt pervertendi, quia adhaerebunt illi pessimo Antichristo, de quo est sermo Christi praedictus. Et si dicas, quod visa destructione Antichristi, illi qui sibi adhaeserant, convertentur; dico pro tam paucis, et sic tarde convertendis, non oporteret tot Iudaeos in tot partibus mundi, tantis temporibus sustinere in lege sua persistere: quia, finalis fructus de eis Ecclesiae est, et erit modicus. Unde sufficeret aliquos paucos in aliqua insula sequestratos permitti legem suam servare, de quibus tandem illa prophetia Isaiae impleretur.“ Eine andere Auffassung vertrat zum Beispiel der Kanonist Huguccio. Er lehnte die erzwungene Taufe der jüdischen Kinder unter anderem mit dem Hinweis auf die endzeitliche Bekehrung der Juden ab. Vgl. MAGIN, Iuden recht, S. 187.

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Antijudaismus in der Predigt

die erzwungene Taufe von Judenkindern, indem er auf eine fürstliche Zwangsgewalt verwies, die ein princeps zum körperlichen, aber auch zum geistlichen Schutz aller Untertanen einsetzen müsse, zu denen auch die Juden gehörten. Die potesta coactiva eines Fürsten stehe letztlich über Elternrecht. Fürsten, die für die Sache Gottes eifern sollen, könnten damit nicht nur die Taufe jüdischer Kinder gegen den Willen ihrer Eltern anordnen; aufgrund ihrer Funktion als Bewahrer und Beförderer des christlichen Glaubens, seien sie vielmehr gehalten, solches zu tun. Giacomo Ongarelli folgte sehr eng der Argumentation Johannes Duns Scotus. 160 In einem Punkt ergänzte er ihn. Ongarelli galt die erzwungene Taufe jüdischer Kinder nicht nur als Pflicht weltlicher Herrschaftsträger. Sie sei vor allem auch Aufgabe des Papstes „qui est dominus omnium spiritualis et ad quem pertinet celare pro animabus“ 161. Giacomo Ongarelli plädierte damit zu Beginn des 16. Jahrhunderts für eine päpstliche Judenpolitik, die erst mit dem Pontifikat Pauls V. zur Praxis im Kirchenstaat wurde. 162

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Duns Scotus, Quaestiones in Liber IV Sententiarum, dist. 4, q. 9, in: Opera Omnia, Bd. 8, S. 276f.: „Haec est conclusio Doctoris, quam probat ratione praemissa ex authoritate S. Augustini. Et ex subordinatione iuris parentum in filios, ad ius quod habet in ipsos Deus; contra quod nec licite nec iuste fit usus dominii inferioris, non solum in praeiudicium iuris divini; sed ipsius tertii, nempe infantis, cui tenetur parens providere de remedio necessario ad salutem, non solum ex praecepto divino, sed etiam naturali: non secus ac de alimentis. Et hoc de iustitia eo modo, quo potest intervenire inter patrem, et filium iustitia: sed Princeps habet potestatem coactivam respectu subditorum ad defensionem innocentis, quia ‚gladium Dei portat‘; alioquin non recte consisteret politia a Deo instituta inter homines. Si delictum publicum particularis personae, et subiectae non ordinaretur per sufficientem authoritatem, quantum ad posse; et maxime si est contra ius tertii, quale in proposito est ipsius infantis, et Dei, quia parens tenetur filio infanti reciproce, sicut filius parenti: ergo si ex iure parentis in filium, fieret iniuria, si parenti auferretur; sic etiam ex debito parentis, quo obligatur filio infanti, fieret iniuria infanti, si abstrahat necessaria ad vitam corporalem, et spiritualem, sine quibus nequit consistere: unde sicut Princeps potest vindicare occisionem infantis, quantum ad vitam corporalem in parentem, et eripere infantem hoc periculo, et separare a parentibus: ita etiam potest a fortiori vitam eius spiritualem defendere, quia haec potior est, ad eamque retinendam, exponenda est vita temporalis.“ Im weiteren Verlauf des Kommentars wird offensichtlich, daß Scotus es als herrschaftliche Pflicht der Fürsten verstand, Judenkinder zur Taufe zu bringen. Vgl. dazu auch KROP, Duns Scotus, S. 163. Giacomo Ongarelli formulierte nämlichen Sachverhalt prägnant: „(...) principes dicimus quod potest fieri et deberet (...)“. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 84, fol. 170v. Ebenda, fol. 171r. Dazu KENNETH R. STOW, The Church and the Jews. From St. Paul to Paul IV, in: Bibliographical Essays in Medieval Jewish Studies, hg. von L. Berman, New York 1976, S. 109-165. Vgl. auch CECIL ROTH, Forced Baptisms in Italy, in: Jewish Quarterly Review 27 (1936), 117-136; PIER CESARE IOLY ZOATTINI, Battesimi di fanciulli ebrei a Venezia nel Settecento, Udine 1984.

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3.2. Antijüdische Rhetorik – ‚Iudeum esse est delictu‘ Die anhaltende jüdische Glaubensverweigerung forderte im Laufe der Zeit zu neuen Deutungen heraus. Interpretierten christliche Theologen sie ehedem als gottgewirkte Verblendung, sahen sie den jüdischen Unglauben seit dem ausgehenden Hochmittelalter in der kollektiven, personalen Verfaßtheit von Juden selbst angelegt. Die dabei vorgenommene Erweiterung der traditionellen antijüdischen Terminologie um negative Attribute wie die Vernunftlosigkeit und Böswilligkeit der Juden, war Ausdruck eines potenzierten Antijudaismus, der sich zur gleichen Zeit im Kontext eines weiteren Vorwurfs nachweisen läßt, der Juden seit je her von Christen gemacht wurde: ihre Schuld am Tode Jesu. Die Intentionalität, mit der christliche Theologen nun die jüdische Glaubensverweigerung zu erklären versuchten, prägte seit dem 12. Jahrhundert auch die Interpretation des angeblichen jüdischen Gottesmordes. Juden hätten Jesus nicht aus Unwissenheit ob seiner Messianität und Göttlichkeit dem Kreuzestod überantwortet. Zumindest die maiores iudaei zur Zeit Jesu hätten in ihm zumindest den gottgesandten Messias erkannt. Daß sie ihn dennoch töteten, diente christlichen Theologen nunmehr als Beleg für einen böswilligen, abgrundtiefen Haß der Juden gegen den Gottessohn und damit gegen den christlichen Glauben. Die franziskanischen Prediger im spätmittelalterlichen Italien nutzten sehr wohl noch die traditionelle antijüdische Terminologie von der Blindheit, Verstocktheit, Hartherzigkeit und dem Hochmut der ungläubigen Juden. Zugleich schlug sich aber auch die Neuinterpretation der Ursachen für den jüdischen Unglauben als auch die Umdeutung des jüdischen Gottesmordes seit dem ausgehenden Hochmittelalter in ihren Predigten nieder. In ihren Passionspredigten, die aufgrund des zentralen christlichen Glaubensgeheimnisses, das sich im Leben und Tod Jesu offenbart hatte, und der extremen Christusfrömmigkeit, die die franziskanische Ordensfamilie seit ihren Anfängen zu Beginn des 13. Jahrhunderts prägte 163, gewöhnlich von exorbitanter Länge waren, schilderten sie in emphatischer Form das Leiden Christi. 164 Im Anschluß an die Passions163

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Zur franziskanischen Christozentrik ANNE DERBES, Picturing the Passion in Late Medieval Italy. Narrative Painting, Franciscan Ideologies, and the Levant, CambridgeNew York 1996, bes. S. 1-34. Einige Anmerkungen zur franziskanischen Passionsfrömmigkeit vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung der mittelalterlichen Passionsfrömmigkeit machte auch LOTHAR BERGER, Die ‚Goldene Muskate‘. Ein spätmittelalterlicher Passionstraktat. Edition und Untersuchung, Marburg 1969, S. 123-138. Die Passionsfrömmigkeit in den Predigten Bernardinos da Feltre arbeitete ANTONELLA LUISE, Alza la voce come una bella tromba. Aspetti della predicazione del beato Bernardino da Feltre, Belluno 1994, S. 143-148 auf. Ich verzichte darauf, die zahlreichen Passionspredigten der franziskanischen Prediger en detail aufzuführen. Als allgemeine Einführung zur mittelalterlichen Passionspredigt

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Antijudaismus in der Predigt

frömmigkeit seit dem 12. Jahrhundert, in der nicht mehr der glorreiche, triumphierende Gottessohn, sondern der leidende Erlöser im Vordergrund stand, galt es, das christliche Predigtpublikum zum Miterleben und Miterleiden der Passion Christi bzw. der Schmerzen Marias zu bewegen. Die Gläubigen sollten in der Nachahmung des tugendvollen Heilands das Modell ihres eigenen Lebensweges erkennen. Die Passion stellten die franziskanischen Prediger in allen Einzelheiten dar und ergänzten sie durch einschlägige mittelalterliche Passionsliteratur, um das Leiden Jesu anschaulich und nachvollziehbar zu machen. 165 In zuweilen recht drastischen Worten schilderten sie die Rolle der Juden und ihr schändliches Verhalten während der Leidenszeit Christi, was unter ihren christlichen Zuhörern Abscheu vor den Juden hervorrufen konnte und in einigen Fällen zu spontanen Pogromen führte. 166 Doch zu keiner Zeit stellten die franziskanischen Prediger das christliche Duldungsgebot gegenüber Juden in der christlichen Umwelt in Frage. Die Ursache liegt auf der Hand. Traditionelle Vorstellungen von der andauernden Glaubensverweigerung der Juden und der jüdischen Schuld am Tod Christi besaßen zweifellos über die theologische hinaus eine politische und ökonomische Dimension, ließ sich damit doch ihr Status als Knechte der Christen und eine Segregation zwischen Christen und Juden rechtfertigen. Gleichwohl ließ sich daraus kein Argument schmieden, das die grundsätzliche Duldung aufhob, entstand das Konzept der tolerantia iudaeorum gerade doch trotz oder wegen des Wissens um derartige sündhafte Verfehlungen der Juden. Der Vorwurf des Gottesmordes wog so schwer, daß nie an der Schuld der Juden gezweifelt worden ist. Unduldsamkeit provozierten hingegen Verdächtigungen gegen Juden, die sich in der christlichen Gesellschaft zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert ausbildeten: Ritualmord, Wucher Hostienfrevel und Brunnenvergiftung. 167 Sie

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immer noch hilfreich, wenn auch in einigen Teilen sicherlich überholt PAUL KEPPLER, Zur Passionspredigt im Mittelalter I, in: Historisches Jahrbuch 3 (1882), S. 285-315 u. DERS., dass. II, in: Historisches Jahrbuch 4 (1883), S. 161-188. Die Passionspredigten der franziskanischen Prediger zeigen inhaltlich eine starke Affinität zu den mittelalterlichen Passionstraktaten. Hierzu siehe KURT RUH, Zur Theologie des mittelalterlichen Passionstraktats, in: Theologische Zeitschrift 6 (1950), S. 17-39. Zu antijüdischen Ausschreitungen im Anschluß an das Auftreten franziskanischer Prediger TOAFF, Jews in Medieval Assisi, S. 50. Als Einführungen zum Ritualmordvorwurf unverzichtbar die Beiträge im Sammelband Die Legende vom Ritualmord. Zur Geschichte der Blutbeschuldigungen gegen Juden, hg. von Rainer Erb, Berlin 1991 und GERD MENTGEN, Über den Ursprung der Ritualmordfabel, in: Aschkenas 4 (1994), S. 405-416. Zum Wuchervorwurf RONNIE POCHIA HSIA, The Usurious Jew. Economic Structure and Religious Representations in an Anti-Semitic Discourse, in: In and Out of the Ghetto. Jewish-Gentile Relations in Late Medieval and Early Modern Germany, hg. von dems. und Hartmut Lehmann, Cambridge 1995, S. 161-176. Zum Vorwurf, Juden frevelten Hostien PETER BROWE, Die Hostienschändung der Juden im Mittelalter, in: Römische Quartalsschrift 34 (1926), S.

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als Ausdruck eines populären Antijudaismus zu bezeichnen ist nicht unproblematisch, tauchen die Vorwürfe doch auch in gelehrten theologischen Diskursen des späten Mittelalters auf. 168 Die in der historischen Forschungen unternommenen Versuche, die einzelnen Anschuldigungen getrennt voneinander zu betrachten und als je eigengesetzliche Diskurse darzustellen und zu erklären, 169 hat Widerspruch hervorgerufen. Michael Toch stellte die Ritualmord- und Hostienfrevellügen in einen größeren Zusammenhang von „Manifestationen des Judenhasses“ und sprach dabei von einem „Diskurs der Wahnvorstellungen“ 170. Doch wirft auch die Identifizierung eines Wahndiskurses, der sich im späteren Mittelalter Bahn gebrochen habe, Schwierigkeiten auf. Nicht alle Stigmatisierungen, derer sich Juden in jener Zeit gegenüber sahen, lassen sich als haltlose Lügen bestimmen. Zweifellos: Juden vorzuwerfen, sie mordeten aus rituellen Gründen, trachteten Christen mit Gift nach dem Leben oder frevelten christliche Hostien, entbehrte jeglicher realer Grundlage. Ein anderer Wirklichkeitsbezug lag jedoch Anklagen zugrunde, mit denen Juden des Wuchers oder blasphemischer Äußerungen gegen Gott und den christlichen Glauben bezichtigt wurden. 171 Die Stigmatisierung von Juden als Ritual- und Giftmörder, Wucherer und Blasphemiker blieb nicht folgenlos. Juden, die aus rituellen Gründen und aus abgrundtiefem Haß Christen nach dem Leben

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167-197; MIRI RUBIN, Imaging the Jew. The Late Medieval Eucharistic Discourse, in: In and Out of the Ghetto. Jewish-Gentile Relations in Late Medieval and Early Modern Germany, hg. von Ronnie Po-Chia Hsia und Hartmut Lehmann, Cambridge 1995, S. 177-208. Allgemein zu den antijüdischen Anschuldigungen im späten Mittelalter, jedoch wiederum mit einem Schwerpunkt auf den Hostienfrevelvorwurf zuletzt DIES., Gentile Tales. The Narrative Assault on Late Medieval Jews, New Haven-London 1999. SCHREINER, „Got is selve recht“, S. 360f. Das Beispiel des Ritualmordvorwurfs zeigt jedoch, daß es sich dabei nicht allein um eine Anschuldigung handelt, die ausschließlich dem Bereich der Volkskultur zugerechnet werden kann. Vgl. WINFRIED FREY, Ritualmordlüge und Judenhaß in der Volkskultur des Spätmittelalters, in: Volkskultur des europäischen Spätmittelalters, hg. von Peter Dinzelbacher, Stuttgart 1987, S. 177-197 u. RONNIE PO-CHIA HSIA, The Myth of Ritual Murder. Jews and Magic in Reformation Germany, New Haven-London 1988. Rotraud Ries sprach zwar von populären antijüdischen Mythen, die zu blutigen Verfolgungen von Juden im späten Mittelalter führten, betonte zugleich aber: „Theologie und Volksfrömmigkeit verbanden sich im 13. Jahrhundert zu neuer, für die Juden fataler Wirkungsmächtigkeit; es entstanden neue Entlastungsargumente, die in Form der „popular myths“ blutige Verfolgungen rechtfertigten. ROTRAUD RIES, Juden. Zwischen Schutz und Verteufelung, in: Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft, hg. von Bernd-Ulrich Hergemöller, Warendorf 21994, S. 306. So etwa HSIA, Myth of Ritual Murder und RUBIN, Imaging the Jew. TOCH, Juden im mittelalterlichen Reich, S. 113. GERD SCHWERHOFF, Blasphemie zwischen antijüdischem Stigma und kultureller Praxis. Zum Vorwurf der Gotteslästerung gegen die Juden in Mittelalter und beginnender Frühneuzeit, in: Aschkenas 10 (2000), S. 144f.

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trachteten, mit ihrem Wucher absichtsvoll zu deren Verarmung beitrugen und auf die Zerstörung des Gemeinwohls der societas christiana zielten, verdienten keine Duldung mehr. Juden als Feinde der Christen und des christlichen Glaubens, die in der christlichen Wahrnehmung diese Feindschaft selbst aktiv bestimmten, wies man aus oder bedrohte sie zuweilen gar mit physischer Vernichtung. 172 Es gilt nun, die italienischen Franziskanerprediger des 15. und frühen 16. Jahrhunderts auf jene antijüdischen Vorstellungswelten zu befragen, die eine soziale Exklusion jüdischen Lebens aus der christlichen Umwelt rechtfertigte. In einem ersten Schritt geht es darum, etwas zu liefern, was bisher noch nicht unternommen wurde: die Zusammenstellung der einschlägigen antijüdischen Stereotype im Medium der franziskanischen Predigt, die für die Frage nach einem Exklusionsdiskurs relevant sind. Der Sammlerfleiß hilft, zur Kenntnis zu bringen, daß der Antijudaismus der franziskanischen Prediger sich nicht nur – wie vielfach angenommen – aus einem wirtschaftsethischen Konflikt speist. Läßt sich im Medium der franziskanischen Predigt die Entwicklung eines spezifischen Judenbildes identifizieren, das eine kollektive jüdische Identität konstruiert, der zufolge Juden nicht mehr mit Duldsamkeit begegnet werden muß? Die Aufteilung antijüdischer Verdächtigungen danach, ob Juden darin Verbrechen gegen Christen oder gegen Gott bzw. gegen den christlichen Glauben beschuldigt werden, folgt der Kasuistik franziskanischer Prediger. Giacomo Ongarelli strukturierte danach im Anschluß an das ‚Fortalitium Fidei‘ weite Teile seines Traktats ‚De malitiis ac impietatibus iudaeorum modernorum‘. Letztlich entspricht sie einer von einschlägigen mittelalterlichen Theologen vorgenommenen Klassifizierung sündhaften Handelns. 173

3.2.1. Schandhafte Taten und Worte gegen Christen Die franziskanischen Prediger beschuldigten die Juden zahlreicher schändlicher Vergehen gegen Christen. Ein zentraler Angriffspunkt ihrer Polemik war die jüdische Zinsleihe. In ihren äußerst vielschichtigen Predigten zu Fragen der Wirtschaftsethik stritten sie gegen jede Form von usura. Ziel ihrer Angriffe war nicht allein das jüdische Kreditgeschäft, sondern auch die sündhafte Zinsnahme auf geliehenes Kapital durch Christen. Sie gebrauchten die Begriffe Wucherer 172

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Vgl. FRITZ BACKHAUS, Judenfeindschaft und Judenvertreibung im Mittelalter. Zur Ausweisung der Juden aus dem Mittelelberaum im 15. Jahrhundert, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittelostdeutschlands 36 (1987), S. 275-332. Alexander von Hales etwa unterteilte sündhaftes Handeln danach, ob es sich gegen Gott, einem selbst oder den nächsten richte. Vgl. Alexander von Hales, Summa theologica, S. 927. Giacomo Ongarelli nutzt die Differenzierung, um den einzelnen Büchern seines Traktats ihren Titel zu geben. In meinen Ausführungen verzichte ich jedoch darauf die jüdischen Sünden contra ipsos darzustellen. Das Argument kann auch so geführt werden.

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und Jude nicht als beliebig austauschbare Synonyme, doch erweckten sie zweifellos durch ihre andauernden Klagen über die usurarii iudaeorum, die in keinem größeren Predigtzyklus fehlten, den Eindruck, wucherisches Handeln gehöre per se zur jüdischen Existenz und trugen so zur Verfestigung des Stereotyps von Juden als Wucherer bei. 174 Juden galten den Predigern ob ihrer Zinsleihe als zentrale Ursache für unfreiwillige Armut, für den Verlust jeglichen Gemeinsinns und letztlich für die Zerstörung des bonum commune. Aus den Predigten Bernardinos da Siena und seiner Nachfolger läßt sich die Vorstellung vom wuchernden Juden als dem Hauptfeind der Christen ablesen. 175 Um dies anschaulich zu machen, bedienten sich die franziskanischen Prediger drastischer Metaphern. Bernardino da Siena bezeichnete Wucherer als gierige Hunde, unersättliche Geizhälse und Fleischfresser, die durch den Mist der vergehenden Welt befleckt seien. Täglich tränken sie das Blut der Armen. 176 Nach Giacomo della Marca müsse man nur den Mantelärmel der Frau eines Wucherers drücken, und schon ströme Blut hervor. 177 Spätere Generationen franziskanischer Prediger griffen das Stereotyp von den blutsaugenden Wucherern auf, bezogen es aber ganz gezielt auf die jüdische Zinsleihe. Als der Franziskanerobservant Fortunato Coppoli da Perugia 1468 in Assisi predigte, warnte er sein christliches Publikum eindringlich vor Kreditgeschäften mit den Juden, den tollen und blutdürstigen Hunden, die seit je den Christen das Blut ausgesaugt hätten und es ihnen auch heute noch entzögen; sie verschlängen mit ihrem Wucher arme Christen wie Rost das Eisen. 178 Giacomo Ongarelli führte das dritte Buch seines Traktats ‚De malitiis ac impietatibus iudaeorum modernorum‘ mit einer schlichten Feststellung ein: „In 174

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Ein Beleg dafür, daß ein solcher Eindruck entstand, ist die Bulle, in der Papst Felix V. am 10. März 1444 die Juden von Savoyen vor den Angriffen mendikantischer Prediger in Schutz nahm. Unter anderem hielt er fest: „(...) in eorum publicis predicacionibus populo Christiano inter cetera protulisse dicuntur, et dietim proferre videntur, Iudeos etiam indirecte et figurative nominando, quod omnes practicam usurarie pravitatis exercentes (...)“. The Apostolic See and the Jews, Bd. 2, Nr. 758. Zum Stereotyp des jüdischen Wucherers vgl. auch TODESCHINI, Usura ebraica e identità economica cristiana, S. 313-316. Bernardinus Senensis, Quadragesimale de evangelio aeterno, Sermo 43: Quantum usura adversatur Deo et idolatrare facit (Opera Omnia 4), S. 383: „(...) omnes iudaei, et maxime faenerantes, sint capitales inimici omnium christianorum (...)“. Bernardino da Siena, Le prediche volgari, Bd. 4, hg. von P. Bargellini, Mailand-Rom 1936, S. 103. Vgl. TOAFF, Love, Work, and Death, S. 121. „(...) li judei, veri rabbiosi et setibundi cani, che el nostro sangue hanno succhiato et succheno (...)“. Zitiert nach The Jews in Umbria, Bd. 2: 1435-1484, hg. von Ariel Toaff, Leiden-New York-Köln 1994, Nr. 1484. Beeindruckt von den Predigten Fra Fortunatos übernahm Antonio Bettini, Bischof von Foligno, das Bild der blutsaugenden Juden ob ihres Wuchers. Vgl. TOAFF, Love, Work, and Death, S. 119.

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vielen Dingen“, so Giacomo, „erweisen sich die Juden als Feinde der Christen.“ 179 Der observante Franziskanermönch zeigte sich überzeugt davon, daß Juden jede sich bietende Gelegenheit nutzten, um Christen zu schaden, obwohl diese sich ihnen gegenüber doch, dem Gebot der christlichen Barmherzigkeit folgend, wohlwollend verhielten. Ob der Nachsicht der Christen zeigten sich Juden undankbar: „So sie können, nehmen sie den Christen ihre Güter und trachten ihnen nach dem Leben.“ Ongarelli war sich sicher: „Die Juden saugen, trinken und essen das Blut der Christen.“ 180 Der Vorwurf, Juden beabsichtigten, Christen zu töten, entwickelte sich jedoch nicht erst allmählich aus der Blutmetaphorik heraus, mit der franziskanische Prediger den jüdischen Wucher geißelten. Sie tauchte bereits – zumindest in Ansätzen – in den Anfängen der franziskanischen Predigtbewegung zu Beginn des 15. Jahrhunderts auf. Dem antijüdischen Wucherstereotyp stand seit jeher die Vorstellung von Juden als Blutsaugern und Mördern der Christen zur Seite. Juden trachteten nicht nur metaphorisch in Form des Zinses nach dem Blut der Christen, sondern stellten in den Augen der Prediger darüber hinaus eine konkrete physische Bedrohung dar, begehrten sie doch tatsächlich das Blut der Christen. Der Franziskanerobservant Andrea da Faenza urteilte während seiner Fastenpredigten im Dom S. Maria von Spoleto 1491 ähnlich wie einige Jahre zuvor sein Ordensbruder Fortunato Coppoli da Perugia in Assisi, band das Motiv der blutsaugenden Juden jedoch nicht mehr ausschließlich an die jüdischen Zinsleihe. Die tollwütigen Juden, eigneten sich den Besitz der Christen an; zudem, so Fra Andrea, begehrten sie das Blut der Christen. 181 Für Bernardino da Feltre bestand im ausgehenden 15. Jahrhundert kein Zweifel: „Juden trinken das Blut der Christen und nehmen es in sich auf.“ 182 In seinem ‚Consilium contra Iudaeos‘, das er auf Bitten des Mailänder Herzogs Ludovico Maria Sforza verfaßte, nachdem vor ihm 1488 ein jüdischer Konvertit seine ehemaligen Glaubensbrüder der Blasphemie beschuldigt hatte, hielt Bernardino da Busti unter anderem fest, Juden betrachteten es nicht als sündhaft, alle jene, die nach den Geboten Jesu lebten, umzubringen. 183 Der radikale Giacomo Ongarelli ging über die vorherigen Positionen hinaus: „Juden befehlen, Christen zu töten.“ 184 179 180 181 182 183 184

Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 1, fol. 71r: „In multis Judei sunt infesti christianis.“ Ebenda, Prologus, fol. 34r: „(...) sanguinem hauriunt, bibunt, comedunt (...)“ TOAFF, Love, Work, and Death, S. 119. Zitiert nach MARIA GIUSEPPINA MUZZARELLI, Ebrei e città d’Italia in età di transizione. Il caso di Cesena dal XIV al XVI secolo, Bologna 1984, S. 171. Bernardino da Busti, Rosarium, Pars I, Consilium contra Iudaeos, fol. 89v: „Item dicunt quod illi que sequuntur Jesu nazareni possint absque peccato a iudeis occidi (...)“. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 8, fol. 80r/v: „Judei precipiunt christianos occidi (...) Debet homo Judeus meliorem christianorum occidere et meliorem intelligit Ra. Sal. (...) Ra. Moyse de Egypto sequentem occidere debet.“

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Die altestamentliche Tradition gab dieses Argument nicht her; sowohl Busti als auch Ongarelli bezogen sich auf die talmudische Literatur. In Kenntnis davon gelangten sie durch das 1459 niedergeschriebene ‚Fortalitium Fidei‘ ihres spanischen Ordensbruders Alfonso da Spina. Dieser hatte darin dem Talmud ein eigenes Kapitel gewidmet. Er zitierte aus einer Überlieferung der ‚Pharetra fidei contra iudaeos‘, die der Pariser Dominikanerprior Theobald von Sézanne in der Mitte des 13. Jahrhunderts verfaßt hatte. Der ‚Glaubensköcher wider die Juden‘ stellte für das gesamte Mittelalter die publizistisch wirksamste Verbreitung der 35 Anklagepunkte dar, die während des Pariser Talmudprozesses von christlicher Seite zusammengestellt wurden und schließlich zur Verurteilung und Verbrennung der hebräischen Bücher im Jahr 1242 geführt hatten. 185 Die zehnte Anklage warf den Juden vor, der Talmud, mit dem sie vom alten Gesetz abgewichen seien, gebiete ihnen, noch den besten Christen zu töten. 186 Seit dem 13. Jahrhundert bezeugte dies in den Augen der christlichen Theologen eine illegitime Abkehr von den kanonischen Ursprüngen, verurteilte es in zweifacher Hinsicht und bot die Rechtfertigungen, das Duldungsgebot gegenüber den Juden einzuschränken. Doch nicht erst mit der Rezeption der christlichen Polemik gegen den Talmud, die sich für die franziskanischen Prediger im Italien des 15. Jahrhunderts erstmals im Zuge der Mailänder Blasphemiebeschuldigungen nachweisen läßt, machten sie das jüdische Tötungsgebot zum Gegenstand ihrer Predigten. Giovanni da Capestrano mahnte 1451 sein Wiener Publikum, Juden hielten sich aufgrund alttestamentlicher Offenbarungen für berechtigt, alle Christen zu töten. 187 Das Vergießen christlichen Blutes bis hin zur Tötung drohte in doppelter Weise. In Gefahr begaben sich Christen, wenn sie sich von jüdischen Ärzten behandeln ließen; seien diese doch erfahrene Giftmischer. Bernardino da Siena gab 1423 in Padua das Beispiel eines jüdischen Arztes in Avignon, der auf dem Totenbett bekannt hätte, durch seine Medizin zahlreiche Christen getötet zu haben. 188 Roberto Caracciolo da Lecce berichtete von 185

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PATSCHOVSKY, Talmudjude, S. 18f. Theobald von Sézanne selbst kombinierte in seiner ‚Pharetra fidei contra iudeos‘ die 35 Anklagepunkte, die unter dem Namen ‚Exzerpta talmudica‘ bekannt sind, mit weiterem Material, unter anderm mit Auszügen aus den ‚Dialogi‘ Petrus Alfonsi. Ebenda. PETER BROWE, Die religiöse Duldung der Juden im Mittelalter, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 118 (1938), S. 49. JOHANNES HOFER, Die Wiener Predigten des hl. Johannes Kapistran im Jahre 1451, in: Jahrbuch der österreichischen Leo-Gesellschaft 1927, S. 137. MORMANDO, Preacher’s Demons, S. 178. Vgl. auch Bernardinus Senensis, Quadragesimale de evangelio aeterno, Sermo 43: Quantum usura adversatur Deo et usurarium idolatrare facit (Opera Omnia 4), S. 384: „Has quidem, quia non valent iudaei ab eis violentia auferre, subripere nituntur malitia, et varia cautela saltem diminuere moliuntur; divitias temporalis christicolarum publicis usuris extorquent, ut patet; divitias corporales, id est sanitatem et vitam, auferre conantur dum, contra omnia ecclesiastica instituta, corporum medicos omnino essent

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eigenen Erfahrungen, die er mit jüdischen Ärzten gemacht hatte. Mit einem leichten Schmerz in der Brust, hervorgerufen durch Schwitzen in der sommerlichen Sonne, der er sich während einer Predigt aussetzte, und anschließendem Auskühlen in seiner Unterkunft, sei er dort auf einen jüdischen Arzt getroffen, der ungebeten seine Dienste angeboten habe. Aber der Arzt selbst stellte ein größeres Übel als die Beschwerden dar, da er so ekelhaft gestunken habe, das erst Besserung eintrat, als er von ihm gewichen war. Nachdem er ihm geboten habe, ihn nicht weiter zu belästigen, und der Jude den Raum verlassen habe, seien die Symptome sofort verschwunden. Bei anderer Gelegenheit sei ihm von einem jüdischen Arzt namens Abraham Geflügel zum Geschenk gemacht worden. Obwohl er nach eigener Aussage großen Hunger verspürt habe, sei es ihm unmöglich gewesen, die angebotenen Vögel, obgleich sofort gekocht, zu essen. Als sie serviert wurden, verspürte er einen solchen Ekel, daß er sie umgehend wegwarf. Aus seinen persönlichen Erlebnissen bezog Fra Roberto die Gewißheit, daß mit dem Ekel, den Christen vor Juden verspürten, der Nachweis des Verderbens durch die Juden erbracht sei. 189 Von begangenem Mord jüdischer Ärzte an Christen berichtete Giacomo Ongarelli. Dabei übernahm er nicht nur die Beispielgeschichten, die Alfonso da Spina im ‚Fortalitium Fidei‘ ausgeführt hatte, sondern aktualisierte und akzentuierte sie. In Apulien habe es zwanzig Opfer eines einzigen jüdischen Arztes gegeben. Andernorts seien in nur einer Nacht zwei Christen auf gleiche Weise zu Tode gekommen. 190 Dieses Schicksal drohte sowohl Kranken als auch Gesunden. Nach dem Leben der Christen trachteten nicht allein jüdische Ärzte; als Giftmörder kamen ausnahmslos alle Juden in Frage. Mit Alfonso da Spina erinnerte Giacomo Ongarelli an die Brunnenvergiftung der Juden in Deutschland 1349, ein Verbrechen, das sie in Gefangenschaft und unter Folter gestanden hätten. 191 Gleiche Vorwürfe finden sich nicht in der von mir bearbeiteten übrigen franziskanischen Pastoralliteratur. Zu betonen ist demgegenüber, daß Papst Martin V., als er 1422 die jüdischen Gemeinden Italiens vor antijüdischen Predigten in Schutz nahm, sich ausdrücklich gegen

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procurant, quibus etiam ignorantissimis et rusticanis mira insania potius multi christiani adhaerent atque de sanitate et vita sua in eis totam fiduciam ponunt, quam in peritissimis atque expertissimis medicis christianorum.“ TOAFF, Love, Work, and Death, S. 228f. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 25, fol. 94r/v. Ebenda, L. III, c. 31, fol. 101r/v: „ Judei fontes intoxicaverunt. Difficile (...) esset omnes enumerare crudelitates hebreorum quinquidem omnium complectantur atque excedant impietates qui male perfideque vixerunt: Inter alia tamen preclara flagitia hoc solum enarremus sedente namque in petri Cathedra Clemente sexto Et Imperante Henrico Romanorum Imperatore Anno domini 1349. Compertum est Judeos fontes et puteos in Alamania intoxicasse ut omnes christianos pertinerent: Sed capti et torti atque confessi crimen horrendum per totam alamaniam (...)“.

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erfundene Geschichten wandte, zu denen er eben den Vorwurf der Brunnenvergiftung durch Juden rechnete. 192 Über die konkreten Beispiele hinaus gibt Giacomo Ongarelli Einblick in die Kommunikation der Prediger untereinander. Wie bereits deutlich geworden ist, existierte ein festes Repertoire an dogmatischen und kanonistischen Topoi des Antijudaismus, das immer und immer wieder Verwendung fand; man schrieb in umfangreichen Maße von älteren autoritativen Texten und voneinander ab. Man tauschte sich zudem über bewährte und neue zug- und aussagekräftige Darstellungen schandhaften Verhaltens von Juden gegenüber Christen aus. Die Argumente zirkulierten und harmonisierten den gemeinsamen Blick, dürfte doch das, was Ongarelli in dieser Hinsicht dokumentiert, zu verallgemeinern sein. Es finden sich häufig einleitende Hinweise wie: „mir ist vor einigen Tagen von einem frommen Prediger erzählt worden“ oder „ein Prediger, der es selbst gesehen hat, berichtet“. 193 Austausch unter Predigern kommt darüber hinaus über Intertextualität zustande. Ongarelli übernahm zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Predigtinhalte und -beispiele seines im Jahre 1476 verstorbenen Ordensbruders Giacomo della Marca. Dort fanden sich Ausführungen zur Mazza. Es handelt sich um eine radikale Verurteilung der Juden im Spiegel ihrer religiösen Praktiken. Juden, die einen Christen in ihr Haus lockten, täten dies in der Absicht, an sein Blut zu gelangen. Dieses sammelten sie in Gefäßen, um es anschließend in ihr ungesäuertes Brot zu verbacken, das sie anläßlich ihres Pessachfestes benötigten. Die beabsichtigte Verunglimpfung ist deutlich: Juden selbst besudelten die eigenen Reinheitsvorschriften. Der Schaden, den sie Christen zufügten, wird religiös überhöht und gegen ihre eigenen religiösen Inhalte gewandt. Juden werden herabgewürdigt unter das Niveau von Hunden, denn selbst diese verschmähten das durch Christenblut unreine Brot. 194 Am Gründonnerstag des Jahres 1475 verschwand in Trient der zweieinhalbjährige Simon, Sohn eines ortsansässigen deutschen Gerbers. In der Nähe des Hauses des reichsten Juden der Stadt fand man zwei Tage später den Leichnam des Jungen. Der Gründonnerstag fällt mit dem Beginn des Pessachfestes zusammen. Sofort erhob sich der Verdacht eines Ritualmordes; zuvor hatte Bernardino da Feltre während seiner Fastenpredigten in der Stadt die Christen dazu aufgefordert, allzu vertrauten Umgang mit Juden zu meiden, andernfalls

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The Apostolic See and the Jews, Bd. 2, Nr. 614. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 25, fol. 94r/v. Ebenda, L. III, c. 5, fol. 76v: „(...) sed ut faciant comedere christianis sanguinem eorum que in quibusdam rebus ponunt (...) quosdam placentubas quazs azimas vocant in quibus sanguinem christianorum imiscent (...) tempore (...) beati Jacobi de Marchia fratris minoris. Dum enim has commestiones christianis exprobraret quosdam de illis placentulis omni canis proiecit (...) canes nollunt de his edere (...)“.

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hatte er ein baldiges Unglück prophezeit. 195 Der Vorwurf, Juden brächten – besonders zur Osterzeit – christliche Kinder in ihre Gewalt, um an ihnen die Marter und Ermordung Christi rituell zu wiederholen, tauchte erstmals 1144 im englischen Norwich auf. Seitdem trat der Ritualmordvorwurf immer wieder an verschiedenen Orten auf und führte zu Verfolgungen und Pogromen. Das Stereotyp fand erst mit dem Trienter Ritualmordprozeß Eingang in das Medium der franziskanischen Predigten des 15. Jahrhunderts. Es waren vor allem Franziskanermönche, die sich für die Verbreitung und Anerkennung des rasch entstandenen, zunächst aber regional begrenzten Kultes um Simon von Trient einsetzten. In ihren Konventskirchen hängten sie Bilder auf, die das schmerzensreiche Ende Simons festhielten. 196 Die einzige vollständig überlieferte mittelalterliche Predigt über das Martyrium und die gewirkten Wunder San Simoninos, wie der Knabe schon bald genannt wurde, stammt von Niccolo da Mantova. 197 Die Propaganda der franziskanischen Prediger fand jedoch keine ungeteilte Zustimmung. Papst Sixtus IV. wandte sich am 10. Oktober 1475 mit einem Breve an die Fürsten Italiens, in dem er betonte, daß der Trienter Ritualmordvorwurf keineswegs bewiesen sei und daher nicht in Bild und Wort verbreitet werden dürfe. 198 Die päpstliche Mahnung verfehlte ihre Wirkung nicht. Nachdem man sich in Venedig zuerst äußerst skeptisch und zurückhaltend gegenüber den Ereignissen in Trient verhalten hatte, revidierte der Doge Pietro Mocenigo in einer Dogale vom 12. August 1475 an die venezianischen Statthalter in Friaul die ursprünglich ablehnende Haltung. Man habe zuerst geglaubt, so Mocenigo, es handele sich beim Ritualmordvorwurf lediglich um ein Gerücht. Da man jedoch nun zu neuen Erkenntnissen gelangt sei, erkenne man das traurige Schicksal Simons an, hebe das Verbot, seine Bilder zu zeigen, auf und erlaube, sein Martyrium zu predigen. Allerdings sollten die Prediger nichts unternehmen, um das Volk gegen die Juden aufzuhetzen. Nach Veröffentlichung der päpstlichen Breve vom 10. Oktober 1475 kehrte Venedig jedoch rasch zur ursprünglichen Position zurück und widerrief am 5. November die Dogale vom 12. August. 199 Am 1. April 1476 erließ der Doge Andrea Vendramin, der dem inzwischen verstorbenen Pietro Mocenigo im Amt folgte, eine Dogale an die Rektoren von Verona. Darin befahl er, 195

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Über die Rolle der Predigten Bernardinos da Feltre für den Trienter Ritualmordvorwurf und die darum entstandenen Kontroversen in der geschichtswissenschaftlichen Forschung TREUE, Trienter Judenprozeß, S. 162-168. Eine kurze Einführung dazu bietet DOMINIQUE RIGAUX, Antijudaisme par l’image. L’iconographie de Simon de Trente († 1475) dans la région de Brescia, in: Politique et religion dans le judaisme ancien et médiéval, hg. von D. Tollet, Paris 1989, S. 309-317. Vgl. dazu auch TREUE, Trienter Judenprozeß, S. 348-392. Zur Predigt Niccolos da Mantova TREUE, Trienter Judenprozeß, S. 219f. EBENDA, S. 99. Zur Haltung Venedigs EBENDA, S. 87f. u. 101.

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judenfeindliche Predigten zu unterbinden. Aus der Dogale, die Vendramin nur 19 Tage später erneut nach Verona sandte, wird deutlich, gegen wen er sich wandte. Die Rektoren sollten dafür Sorge tragen, daß Michele Carcano da Milano das Volk mit seinen Predigten über den Tod des Knaben aus Trient nicht gegen die Juden aufhetze. Es müsse ihm genügen, allein über den christlichen Glauben zu predigen. Nur wenige Tage später erging die gleiche Dogale nach Brescia, wohin sich der observante Franziskanerprediger als nächstes wandte. 200 Michele Carcano da Milano kam im August 1475 in Begleitung des Vikars der venezianischen Ordensprovinz Francesco Raimondo nach Trient. Anlaß der Reise der beiden Franziskaner war wohl die beabsichtigte Reform mehrerer Klöster, doch zeigten sie schnell großes Interesse an den Trienter Ereignissen um den Tod Simons. Michele ließ sich die bis dahin angefertigten Prozeßakten zeigen, nahm Einsicht in die Protokolle, in denen die angeblichen Wunder Simons verzeichnet waren, sprach mit den noch in Haft befindlichen jüdischen Frauen und predigte mehrmals in Trient. Bischof Johannes Hinderbach († 1486), der von der Schuld der Juden überzeugt war und sich vehement für den Kult um Simon einsetzte, 201 übergab Raimondo einen silbernen Kelch, aus dem die Juden angeblich das Blut Simons getrunken hätten. Die Verhöhnung der Transsubstantiation und des Abendmahls sind evident. Hinderbach bat den berühmten Volksprediger, sich für die Trienter Sache einzusetzen. Michele Carcano da Milano kam der Bitte Hinderbachs, mit dem er in den folgenden Jahren einen ausgedehnten Briefwechsel über den Gang der Trienter Sache führte, bereitwillig nach und unternahm mindestens zwei ausgedehnte Predigtreisen durch Nord- und Mittelitalien, um den Kult um Simon zu befördern. 202 An den Ereignissen um den Ritualmordvorwurf von Trient lassen sich verschiedene Aspekte der kommunikativen Organisation der franziskanischen 200

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Aus der Dogale vom 20. August 1476: „Volumus propterea et vobis mandamus ut comonefacere debeatis verbis severioribus fratrem Michaelem predictum ut meminerit mandatorum nostrorum. Desinatque aliquo modo concinare populo contra ipsos Iudeos subditos nostros sicuti eum facere accepimus per comemorationem cedis pueri Tridentini. Satis enim ei esset debet concionari de fide nostra.“ Zitiert nach ALBERTO GHINATO, Ebrei e francescani in Verona nel secolo XV, in: Archivum Franciscanum Historicum, S. 240f. Zu Johannes Hinderbach vgl. die Beiträge im Sammelband Il principe vescovo Johannes Hinderbach (1465-1486) fra tardo Medioevo e Umanesimo, hg. von Iginio Rogger und Marco Bellabarba, Bologna 1992. Hinweise zur zentralen Rolle Hinderbachs in der Treinter Ritualmordaffäre finden sich besonders im darin enthaltenen Aufsatz von ANNA ESPOSITO, Il culto del ‚beato‘ Simonino e la sua prima diffusione in Italia, S. 429-443. Vgl. auch PAUL OSKAR KRISTELLER, The Alleged Ritual Murder of Simon of Trent (1475) and its Literary Repercussions. A Bibliographical Study, in: Proceedings of the American Academy for Jewish Research 59 (1993), S. 105. TREUE, Trienter Judenprozeß, S. 118f. u. 219.

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Prediger verdeutlichen. Erstens unterlagen die Predigtinhalte Konjunkturen. Aktuelle Ereignisse boten günstige Gelegenheiten, antijüdische Inhalte um neue Argumente zu erweitern und anzureichern. Vor Trient kam es bereits im Jahr 1463 in Volterra und im Jahr 1465 in Pavia zu Ritualmordbeschuldigungen. 203 Doch erst nach dem aufsehenerregenden Fall von Trient erhöhten sich signifikant die Ritualmordvorwürfe auch andernorts. Spektakuläre Fälle waren unter anderem Portobuffolè 1480 und Marostica 1485. Beide fanden sofort Eingang in die franziskanischen Predigten. 204 Zweitens kristallisierten sich ‚klassische‘ Texte heraus, die durch ihre häufige Verwendung und Zitation zu Gemeinplätzen und zu Autoritäten der Argumentationen aufstiegen. Häufig übernahmen die Prediger Stellen aus dem ‚Speculum Historiale‘ des Vinzenz von Beauvais und, wie bereits gesehen, dem ‚Fortalitium Fidei‘ Alfonsos da Spina. 205 Sie gaben Anknüpfungsmöglichkeiten vor, die bereitwillig aufgegriffen wurden und die Predigttexte untereinander vereinheitlichten. Drittens fanden sich Personen, die bestrebt waren, das Geschehen nach ihren Vorstellungen zu lancieren, in diesem Fall die Etablierung der Simonverehrung, und damit auf antijüdische Predigtinhalte einwirkten. Das Bemühen, Kräfte zu bündeln, ist unverkennbar. Bischof Johannes Hinderbach beauftragte schließlich im Herbst 1475 den Dominikaner Heinrich von Schlettstadt, in Süddeutschland Dokumente über vergleichbare Präzedenzfälle zusammenzutragen. Gemeinsam mit Auszügen anderer historiographischer Texte, etwa aus dem ‚Speculum Historiale‘ des Vinzenz von Beauvais, sandte Hinderbach das gesammelte Material an Michele Carcano da Milano, um ihm systematisch recherchierte 203 204

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The Jews in the Duchy of Milan, Bd.1: 1387-1477, hg. von Shlomo Simonsohn, Jerusalem 1982, Nr. 658f. Marco da Montegallo etwa zitierte die Geschehnisse in Marostica in seinem ‚Tractato de sacri canoni‘. Vgl. MERCATILI INDELICATO, Montegallo, S. 95. Vgl. auch Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 18, fol. 86r-87r. Roberto Caracciolo da Lecce, Quadragesimale de peccatis, Feria secunda tertie hebdomade, Sermo 16: De superbia infidelium idolatrarum Mahumethanorum et iudeorum, fol. 50r: „Nam ipsi nos crudeliter odiunt et ideo non nocent quia vires deficiunt. Refert quippe Vincentinus in speculo historiali libro 30 c. 25: ‚Quod anno domini millesimo centesimo octuagesimo tertio Philippus rex francorum iudeos de toto regno expulit: eo quod iudei qui parisius manebant singulis annis christianum unum in opprobrium christiane religionis quasi pro sacrificio in criptis et fossis subterraneis latenter in die cene vel in illa sacra hebdomada iugulabant. Multi propterea fuerunt combusti. Tunc sanctus Riccardus cuius corpus in ecclesia sancti Innocentii parisius requiescit a iudeis sic iterfectus et cruci affixus feliciter per martyrium migravit ad deum: ubi etiam per eius intercessionem miracula multa facta sunt.“ Vgl. auch ders., Specchio della fede, Sermo 19, fol. 88r. Hier verbindet Roberto den von Vinzenz von Beauvais überlieferten Ritualmord zu Paris im Jahr 1183 mit dem Tode Simons von Trient. Ebenso Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 9f., fol. 81r. Wie Bernardino da Busti zitierte Giacomo Ongarelli zudem umfangreich aus dem ‚Fortalitium Fidei‘, der selbst in Teilen aus dem ‚Speculum Historiale‘ schöpfte. Vgl. Bernardino da Busti, Rosarium, Pars I, Consilium contra Iudaeos, fol. 90v und Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 12-17, fol. 82r-86r.

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Vorlagen für seine Predigten an die Hand zu geben. Die anschließende Umsetzung in Predigtinhalte konzipierte der Prediger individuell. Das Bestreben um organisierte Erhebung und Abgleich von Predigtinhalten verrät das Interesse aller Beteiligten, mit vereinten Kräften der gemeinsamen Sache zu dienen. „So sie einem Christen zu schaden vermögen“, so Giacomo Ongarelli, „tun sie es in ihrem Herzen, mit ihrem Mund und durch ihr Werk.“ 206 Ihre christenfeindlichen und blasphemischen Einstellungen hätten die Juden nicht nur, wie bereits gezeigt wurde, durch ihre Taten, sondern darüber hinaus mit ihren Worten offenbart. Es gehörte seit der Spätantike zum Gemeinplatz der christlichen Literatur, der jüdischen Gebetspraxis antichristliche Inhalte zu unterstellen. Bereits Justinus, Origines und wenig später noch Hieronymus warfen Juden vor, in ihren Gebeten Christen zu schmähen und zu verfluchen. 207 Anlaß zu einer solchen Einschätzung bot das jüdische Amidahoder Achtzehnbittengebet, das seinen Ursprung in der vortalmudischen Gebetstradition hatte. Eine der vielen Textversionen der zwölften Bitte, um die Gamaliel II., der Vorsteher der zentralen jüdischen Akademie in Jabne, zu Beginn des 2. Jahrhunderts die bis dahin bestehenden 17 Benediktionen erweiterte, lautet: „Nicht blühe eine Hoffnung den Verfolgern! Das Reich des Übermuts entwurzle rasch in unseren Tagen! Es mögen Nasoräer und die anderen Abweichler in einem Augenblick vergehen! Sie seien aus dem Buch der Lebendigen getilgt, und mit den Frommen sollen sie nicht aufgeschrieben werden! Gepriesen seist du, Herr, der du die Frechen beugst!“ 208 Neuere Forschungen zum sogenannten Ketzersegen, als der die zwölfte Bitte ebenfalls bekannt ist, haben deutlich werden lassen, daß die ihm zugrundeliegende Intention „nicht in erster Linie und schon gar nicht ausschließlich auf das Christentum zielt“, sondern es sich „zunächst um einen innerjüdischen Vorgang“ handelt, der „nur in falscher Vereinfachung im nachhinein und von außen her als wesentlich antichristliche Maßnahme gewertet werden kann“ 209. Nachdem für das frühe und hohe Mittelalter, sieht man von Äußerungen Agobards von Lyon in seiner um 826 geschriebenen Schrift ‚De insolentia iudaeorum‘ ab, entsprechende Anschuldigungen nicht überliefert worden sind, beklagten Christen eine solche jüdische Gebetspraxis vermehrt erst wieder seit dem 13. Jahrhundert. 210 Auslöser dafür war die vom jüdischen Konvertiten Nicolas Donin initiierte Überprüfung der jüdischen talmudischen Literatur hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit der biblischen Offenbarung, die im Pariser Talmudprozeß 1240 gipfelte und mit der Verbrennung der hebräischen 206 207 208 209 210

Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 1, fol. 71r: „Et si possunt res auferunt eorum vitam et animam furantur et rapiunt (...) alicui christiano vel corde vel ore vel opere nocere valeant et possint.“ SCHRECKENBERG, Adversus-Judaeos, Bd. 1, S. 155. EBENDA. EBENDA. BROWE, Duldung, S. 36-41.

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Bücher zwei Jahre darauf einen ersten Abschluß fand. 211 Als Grundlage für den Prozeß diente auf christlicher Seite eine von Donin vorgenommene Zusammenstellung von 35 Anklagepunkten aus den talmudischen Schriften. Die in den sogenannten ‚Exzerpta Talmudica‘ versammelten Anschuldigungen prägten nachhaltig die „Mentalität und Vorurteilsbildung späterer Generationen“ 212. Nicht zuletzt die Vorwürfe, Juden schmähten dreimal täglich in einem Gebet die Diener der Kirche, die Könige und all jene, die ihnen feindlich gesinnt sind, fanden im späten Mittelalter immer wieder christliche Rezipienten. 213 Zu einem Thema der italienischen Franziskanerprediger wurden jüdische Gebete erst im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts. In seinem ‚Consilium contra Iudaeos‘ hielt Bernardino da Busti fest, daß Juden in ihren Gebeten schmähende Worte gegen Christen ausstießen und gar darum baten, alle Häretiker, womit sie Christen meinten, mögen doch sofort zugrunde gehen. 214 Giacomo Ongarelli urteilte ähnlich. Wie sein Ordensbruder einige Jahre zuvor wies er nicht nur auf antichristliche Schmähreden der Juden hin, sondern spitzte die Vorstellung einer jüdischen Christenfeindschaft gleichfalls dadurch zu, daß er betonte, Juden, die dereinst für den Untergang des römischen Reiches gebetet hätten, flehten nun Gott um den raschen Untergang der christlichen Gemeinschaft an. Um darzutun, daß dies keine Erfindung der Christen sei, sondern traurige Realität, zitierte er wie Busti umfangreich aus dem ‚Fortalitium Fidei‘. 215

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Zum Pariser Talmudprozeß BATTENBERG, Europäische Zeitalter, S. 88f. EBENDA, S. 88. Einige Beispiele bei BROWE, Duldung, S. 38-41. Bernardino da Busti, Rosarium, Pars I, Consilium contra Iudaeos, fol. 89v: „(...) in quidam Antiphonia: ‚Omnes heretici id est discipuli nazareni subito pereant (...)“. Zum Mailänder Prozeß ANNA ANTONIAZZI VILLA, Un processo contro gli ebrei nella Milano del 1488. Crescita e declino della comunità ebraica lombarda alla fine del Medioevo, Bologna 1986. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 4, fol. 73v-76r.

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3.2.2. Schandhafte Worte und Taten gegen Gott Ein locus classicus der Stigmatisierung jüdischen Lebens war der Vorwurf der Blasphemie. Anknüpfungspunkte dafür bot die Passionsgeschichte. Die Anschuldigung der Juden, Christus lästere Gott, wandten christliche Theologen wiederum gegen die Juden selbst; sie seien die wahren Blasphemiker wider die christliche Offenbarung. 216 Diese Argumentation findet sich durchgängig in den franziskanischen Passionspredigten seit Bernardino da Siena. 217 Im 12., verstärkt dann im 13. Jahrhundert weitete sich im Zuge der Auseinandersetzung mit der talmudischen Literatur der Blasphemievorwurf aus, denn seit dieser Zeit unterstellten Christen zeitgenössischen Juden, sie lästerten Gott. 218 Gleichzeitig präzisierten christliche Theologen, indem sie sich auf die Wortsünde konzentrierten 219, die Bedeutung des Blasphemiebegriffs. Mit seiner Definition und Unterteilung von Blasphemie hatte Alexander von Hales in seiner 1235 begonnenen ‚Summa theologica‘ ein Schema vorgegeben, in dessen Rahmen sich die franziskanischen Prediger übereinstimmend bewegten: „Einmal bestehe Gotteslästerung darin, Gott etwas zuzulegen, was ihm nicht zukomme; zweitens, ihm etwas wegzunehmen, was ihm zukomme; drittens schließlich, den Geschöpfen etwas beizulegen, was allein Gott zukomme.“ 220 Die von mir untersuchten franziskanischen Prediger bedienten sich des Blasphemievorwurfs gegen zeitgenössische Juden erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts; zuvor hatten sie ausschließlich gegen die christliche Blasphemie gepredigt, wobei Juden und Sarazenen in ihrer strikten Ablehnung und Bestrafung von Blasphemie sogar als positive Beispiele dienten. 221 1471 beschuldigte der Franziskanerobservant Antonio da Cremona in Chivasso die 216 217

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SCHWERHOFF, Blasphemie zwischen antijüdischem Stigma und kultureller Praxis, S. 122125. Bernardinus Senensis, Quadragesimale de christiana religione, Sermo 41: De orrendo peccato blasphemiae et de impietatibus (Opera Omnia 2), Quaracchi-Florenz 1950, S. 812. Das Argument läuft im 15. Jahrhundert durch. Nur ein weiteres Beispiel Michele Carcano da Milano, Sermonarium de peccatis per adventum et per duas quadragesimas, Sermo 26: De filiabis ire in generali et de aliquibus in particulari, fol. 72r. SCHWERHOFF, Blasphemie zwischem antijüdischem Stigma und kultureller Praxis, S. 127. CARLA CASAGRANDE/SILVANA VECCHIO, I peccati della lingua. Disciplina ed etica della parola nella cultura medievale, Rom 1987. Zitiert nach SCHWERHOFF, Blasphemie zwischen antijüdischem Stigma und kultureller Praxis, S. 128. Michele Carcano da Milano, Sermonarium de commendatione virtutum et reprobatione vitiorum, Sermo 55: De excellentia et commendatione virtutis iustitiae, fol. 193r; ders., Sermonarium de peccatis per adventum et per duas quadragesimas, Sermo 29: De maledictione ex ira, fol. 79r-80v. Vgl. dazu auch SCHWERHOFF, Blasphemie zwischen antijüdischem Stigma und kultureller Praxis, S. 149-152.

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Juden der Gotteslästerung. 222 Die Definition von Blasphemie, die Alexander von Hales und mit ihm später Thomas von Aquin gegeben hatten, nutzte Giacomo Ongarelli, um die ersten Kapitel im ersten Buch seines Traktates ‚De malitiis ac impietatibus iudaeorum modernorum‘ zu strukturieren. 223 Indem die Juden die göttliche Trinität bestritten, lästerten sie Gott, sprachen sie ihm doch ab, was ihm nach christlicher Auffassung zweifellos zukomme. Zudem machten sie sich ihm gleich oder erhoben sich über ihn, wenn sie ihn ob ihres Unglücks nach der Tempelzerstörung und dem angeblichen Ausbleiben des erlösenden Messias einen Lügner schelten. Gott gäbe zu, nicht allwissend zu sein, so habe er sich in religiösen Fragen zuweilen den Argumenten von Rabbinern gebeugt. Stärkeres Gewicht legte Ongarelli jedoch auf das, was Juden ihm zusprechen, diesem aber nicht zukomme. In das Zentrum der Diskussion stellte der observante Franziskaner anthropomorphe Gottesvorstellungen der Juden. Diese, führte Ongarelli aus, stellten sich Gott als ein Wesen aus Fleisch und Blut vor, befleckt von Sünde und zu negativen Gemütsbewegungen wie Haß und Neid fähig. Juden, die annähmen, Gott weine täglich zwei Tränen ob des jüdischen Schicksals in der Diaspora, erwiesen sich als pessimi blasphemi. Einen weinenden Gott bot die jüdische Henoch-Apokalypse: „In jeder Stunde weinte die rechte Hand Gottes, und fünf Tränenflüsse strömten hervor von ihren fünf Fingern, fielen in das große Meer und ließen die ganze Welt erbeben.“ In der rabbinischen Literatur heißt es: „In der Stunde, da der Heilige, er sei gepriesen, seiner Kinder gedenkt, wie sie in Not unter den Völkern leben, da läßt er zwei Tränen fallen. Sie rollen hinab in den Ozean, der Schall davon tönt von einem Ende der Welt bis zum anderen, und das gibt die Erschütterung der Erde.“ 224 Die jüdische Vorstellung von einem tränenreichen Gott war mit der christlichen Annahme einer reinen geistigen Substanz Gottes unvereinbar. Sie war einer der Anklagepunkte während des Pariser Talmudprozesses. 225 Alfonso da Spina und mit ihm Ongarelli polemisierten heftigst dagegen. 226 Der Nürnberger Meistersinger Hans Folz († 1513) bezog gleichermaßen Stellung. Man könne im Buch „zeczer Mochor“ nachlesen, daß Gott „umb die widerwertikeiten der juden zw verdamnüß der cristen“ jeden Tag zwei Tränen 222

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The Jews in Piedmont, Bd. 1: 1297-1582, hg. von Renata Segre, Jerusalem 1986, Nr. 740: „(...) progeniei ebrayce (...) semper etiam in suis officiis et orationibus in hoc perfide est obiecta christiane legi, quam ipsam cum operibus eius quottidie et incessanter blasfemat veluti sancta mater Ecclesia pro ipsis et aliis ad Dei ymaginem factis semper exorat (...)“. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. I, c. 1-13, fol. 37r-49r. Zur Definition von Blasphemie bei Thomas von Aquin, der sich ausdrücklich auf Alexander von Hales bezog. Vgl. Thomas von Aquin, Summa theologica, II-II, q. 13. Art. 1. Zitiert nach BEATE EGO, Trauer und Erlösung. Zum Motiv der Hand Gottes in 3 Hen §§ 68-70, in: Le Main de Dieu. Die Hand Gottes, hg. von René Kieffer und Jan Bergmann, Tübingen 1997, S. 179. ERLER, Religiöse Duldung, S. 50. Vgl. MCMICHAEL, Was Jesus of Nazareth the Messiah?, S. 312f.

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vergieße. Die Antwort, die Folz darauf gab, verteidigt die christliche Gottesvorstellung: Weine Gott, so wäre er „leiblich und arm, auch sorklich und totlich; und sollen vallen von seinen augen tropffen wasser, so wer daz wasser ein materia Goetz und vor Got, daz doch ist wider die naturlichen kunsten“ 227. Die Blasphemie der Juden mache auch vor Christus und Maria nicht halt, Bernardino da Feltre legte 1494 vor seinen Zuhörern in Brescia ein solches sündhaftes Verhalten den Juden zur Last. Ihre Boshaftigkeit sei so groß, daß es ihren Gepflogenheiten und ihrer Gesinnung entspräche, immerwährend unseren Herrn Jesus Christus und alle seine Anhänger zu schmähen und zu lästern, die allerheiligste Mutter Gottes zu verfluchen und den Christen das Blut auszusaugen. 228 Bernardino da Busti betonte, in ähnlichen Diffamierungen, die Rolle des Talmuds für die jüdischen Abscheulichkeiten. In ihren Büchern erniedrigten sie Jesus und seine Mutter Maria: „Jesus von Nazareth ist von einer beschmutzten Frau geboren worden.“ Sie sprächen zudem, daß „Jesus von Nazareth ein Verführer zum Übel gewesen ist, ein Hurenkind, ein Frevler und eine Verkörperung der Grausamkeit“ 229. Christen, so der Vorwurf, beten zu einem gewöhnlichen Menschen, nicht zu dem wahren Gott; sie setzen ihre Hoffnung in einen stinkenden Körper. Der Talmud enthalte zudem die Aufforderung an die Juden, dreimal täglich den Gottessohn in ihren Gebeten zu verhöhnen. 230 Derartige Schmähungen Jesu und seiner Mutter Maria galten mittelalterlichen Theologen als Blasphemie, lästertete man doch mit dem Gottessohn, seiner Mutter oder den Heiligen Gott selbst. Wo Bernardino da Busti seinem Publikum nur Andeutungen über ohnehin bekannte Vergehen der Juden 227

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Zitiert nach GUDRUN SCHLEUSENER-EICHHOLZ, Das Auge im Mittelalter, Bd. 2, München 1985, S. 1085. Auch Roberto Caracciolo da Lecce erinnerte in seinem Quadragesimale de peccatis, dessen Grundlage Predigten bildeten, die er 1482 zu Rom gehalten hatte, an anthropomorphe Gottesvorstellungen der Juden. Vgl. Roberto Caracciolo da Lecce, Quadragesimale de peccatis, Feria 2a tertie hebdomade, Sermo 16: De superbia infidelium idolatrarum Mahumethanorum et iudeorum, fol. 48v/49r: „Primuo non credunt iesum christum fuisse messiam illis promissum: sed expectant venturum et pro eo recipient antichristum (...) Secundo dicunt iesum christum purum hominem natum ex maria et ioseph non de spiritu sancto conceptum. Tertio mysterium trinitatis expresse negant. Quarto dicunt messiam quem expectant redditurum eis libertatem et terram promissionem. Quinto negant purgatorium. Sexto in thalmud dicunt deum quotidie flere pro servitate eorum quia dispersi sunt per orbem et in illo multas ponunt fatuitates.“ „(...) cuius malignitas tanta est ut eius consuetudo et habitus sit semper caput nostri d.[omini; M.H.] Iesu Christi ac omnia eius membra maledicere et blasfemare, sanctissimam dei genetricem detestari, christianum sanguinem haurire (...)“. Zitiert nach ZANELLI, Predicatori a Brescia, S. 142. Bernardino da Busti, Rosarium, Pars I, Consilium contra Iudaeos, fol. 87v: „(...) dominum Jesum blasphemant et matrem eius: multa vituperiosa verba contra eos dicentes (...)“; ebenda, fol. 89v: „Jesus nazarenus est natus de femina immunda (...) Et dicunt quod Jesus nazarenus fuit instigator malorum: spurius: sceleratus: et crudelis.“ Ebenda.

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machte, wurde Giacomo Ongarelli deutlicher und präziser. Im Prolog seines antijüdischen Traktates stellte er die Blasphemie der Juden neben ihren Wucher; beides zusammen habe letztlich zum Verderben der christlichen Gesellschaft geführt. Darob befände sich die societas christiana ganz Italiens in einer moralischen und sozialen Krise. 231 Ongarelli betonte, wie dereinst ihre Väter Jesu verspottet hätten, täten es die Juden heute noch schlimmer. 232 Zum einen hätten sie ein Buch gemacht, in dem sie Jesus beschimpften und erfundene Geschichten (fabulae) über ihn verbreiteten. 233 Ongarelli griff die Toldot-JeshuLiteratur an, eine antichristliche Polemik der Juden, deren Entstehung von der historischen Forschung noch nicht abschließend geklärt ist und ins frühe Mittelalter oder in das 12. Jahrhundert datiert wird. 234 Der jüdische Historiker Heinrich Graetz, der das ‚Leben Jesu‘ ein „elendes Machwerk“ nannte, interpretierte sie im 19. Jahrhundert als Reaktion der Juden auf den christlichen Antijudaismus. Dies sei zwar „keine edle, aber eine verständliche Reaktion eines machtlosen Volkes“ 235 gewesen. Das „jüdische Antievangelium“, 236 als das es bezeichnet wurde, trug nicht zum gegenseitigen Verständnis beider Religionen bei. Die Darstellung von Jesus als Gesetzesbrecher und unbotmäßigen Magier oder die darin enthaltene Entstellung des christlichen Bildes von Maria förderte Unverständnis und Mißtrauen auf christlicher Seite. Christliche Autoren, die wohl durch jüdische Konvertiten in Kenntnis der Literatur gesetzt worden waren, fühlten sich immer wieder herausgefordert, zu den jüdischen Legenden Stellung zu nehmen. Ihre Antworten waren ebenso polemisch wie die Diffamierungen Jesu und Marias durch die Juden. 237 Giacomo Ongarelli wies die Gegendarstellung zum christlichen Evangelium entschieden zurück. Im ‚Leben Jesu‘ wurde der Nazarener von einer unkeuschen Frau namens Mirjam geboren. Diese habe zuvor während ihrer 231

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Giacomo Ongarelli, De malitiis, Prologus, fol. 32v: „(...) hebrei moderni qui adversus christicolas eorumque deum ita se arte nequissima usurarum armarunt ut penitus bonos mores devastent omnes fortunas exhauriant et animas ipsas in dei contemptum devorent et prosternant. Contendunt utique homines perditissime qui tantummodo faciem pretendunt humanam Deum optimum blasfemare religionem christianam perdere ritum ecclesie vituperare.“ Ebenda, L. I, c. 14, fol. 51r: „Quibus tamen respondemus quia et peiora his facere convicuntur quinquidem Christum iam in celis regnantem impugnent. Firmissime namque tenendum est Judeos modernos persequi Christum crudelius, avidius et dilegentius quam fecerunt eorum patres. Cum enim dominum blasphement statuas et ymagines, percutiant corpus Christi Eucharistia vituperent et omnia mala excogitent in dominum quis excusabit eos a scelere nephando ac in peiore eorum voluntatem exitum tendere (...)“. Ebenda, L. I, c. 15, fol. 51v-52r. Wenngleich Ongarelli weitaus ausführlicher als Busti über die Blasphemie der Juden berichtete, so sparte er hier doch weitere Details aus. SCHREINER, Maria, S. 418. Zitat entnommen EBENDA, S. 420. EBENDA. Einiges zu der christlichen Reaktion auf den Toldoth-Jeschu EBENDA, S. 419-421.

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Menstruation, also im Stande der Unreinheit, einen Mann empfangen und mit ihm den Beischlaf vollzogen, den sie fälschlicherweise für ihren Verlobten gehalten hatte. Den jüdischen Polemiken gegen Maria als beschmutzte Gebärerin eines Zauberers, der zum Abfall von Gesetz und Glauben verführt habe, hielt Ongarelli das christliche Dogma von der unbefleckten Empfängnis entgegen. 238 Als Blasphemie im weitesten Sinne galt christlichen Theologen auch die Entehrung von Hostien oder christliche Bilder, die man Juden unterstellte. Bernardino da Busti warf den Juden vor, sie würden die Hostie in ihren Büchern als vergiftetes Brot verunglimpfen. 239 Da die Juden nun nicht mehr gegen Jesus Christus vorgehen könnten, der im Himmel zur Rechten Gottes sitze, strengten sie sich umso mehr an, so Ongarelli, sich am heiligsten Sakrament, der Eucharistie zu vergehen. Auch daran wiederholten sie die Kreuzigung Christi. Dafür gebe es zahlreiche Beispiele. Er selbst führte jedoch nur ein exemplum an, das er dem ‚Fortalitium Fidei‘ entnommen hatte. Es lohnt sich, genauer auf die Beispielerzählung zu schauen. Sie macht deutlich, daß antijüdische Stereotypen nicht selten miteinander verbunden wurden, wodurch die Polemik gegen die Juden eine besondere Schärfe erhielt. Hier nun fallen der Vorwurf, Juden frevelten Hostien, mit der Verdächtigung, Juden seien heimtückische Giftmörder, zusammen. 1455 habe in einer spanischen Stadt ein jüdischer Arzt von einem schändlichen Kirchendiener eine geweihte Hostie gekauft. In seinen sündenbefleckten Händen habe er sie sofort zu seinen Glaubensbrüdern in die Synagoge getragen; dort hätten sie das Sakrament zuerst geschmäht und dann zu kochen beabsichtigt. Die Hostie habe sich jedoch sofort aus dem kochenden Wasser erhoben. Angesichts dieses Wunders hätten die Juden beratschlagt, wie weiter zu verfahren sei. Man einigte sich darauf, die wundertätige Hostie zum Dominikanerkonvent vom heiligen Kreuz zu bringen. Der Prior des Klosters habe, nachdem ihm von den Ereignissen berichtet worden war, die Hostie angenommen. Zudem hätten ihm die Juden aus ihren Reihen noch einen Knaben namens Spinartio anvertraut und für ihn das dominikanische Ordensgewand erbeten. In den bisherigen Ausführungen blieb Ongarelli in der Tradition klassischer Bekehrungswunder, die nicht zuletzt dazu dienten, christliche Identität herzustellen und zu befestigen. Doch die Geschichte nimmt einen unerwarteten Verlauf. Als Spinartio später die heilige Kommunion empfangen sollte, gab man ihm die 238

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Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 6, fol. 79r: „De domina nostra virgine immaculata: haria proferunt quod scissuram importare videtur, addunt et Temea quod idem persefert quod polluta. Attendite o patres, quas iniurias inferant virgini benedicie nobis quoque qui dignissime eam sanctam et immaculatam dicimus et predicamus.“ Zum angeblichen Ehebruch Marias nach der ToldothJeshu-Literatur vgl. SCHREINER, Maria, S. 418f. Bernardino da Busti, Rosarium, Pars I, Consilium contra Iudaeos, fol. 89v: „Et asserunt panem consecratum esse panem venenosum.“

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zuvor von den Juden entwendete und geschmähte Hostie. Drei Tage später sei der Junge verstorben. Der Dominikanerprior habe die Angelegenheit vor den örtlichen Bischof und vor den königlichen Hof von Kastillien gebracht, worauf die Juden unter der Folter verhört worden seien. Sie hätten gestanden, die Hostie gefrevelt zu haben. Der jüdische Arzt hätte zudem noch bekannt, er habe mit seiner Medizin den Vater des jetzigen Königs umgebracht. Die Juden seien daraufhin zum Tode verurteilt und ihre Synagoge in eine Kirche umgewandelt worden, die den Namen ‚Corpus Christi‘ erhalten habe. Der Bischof argwöhnte jedoch weiter und hegte den Verdacht, die Juden hätten noch andere Verbrechen begangen. Eine Untersuchung habe ergeben, daß Juden dem bischöflichen Mundschenk Geld gegeben hätten, damit er Gift in die Speisen des Bischofs mische. Der versuchte Mord sei jedoch allein durch eine glückliche Fügung rechtzeitig entdeckt worden. Der Mundschenk habe gestanden und sei gevierteilt, viele der Juden seien getötet, andere aus der Stadt gewiesen worden. Als Blasphemie griffen christliche Theologen darüberhinaus die Schmähung und Entehrung christlicher Bilder an, waren sie doch die Vergegenwärtigung des Heiligen. Das Motiv des verletzten Kultbildes entstand im Zusammenhang mit dem innerchristlichen Bilderstreit im Byzanz des 7. und 8. Jahrhunderts. Schon hier galten Juden als ausgesprochene Bilderfeinde. 240 Roberto Caracciolo da Lecce verteidigte während seiner Fastenpredigten 1455 in Padua die christliche Verehrung von Bildern; Frömmigkeit gegenüber Andachtsbildern verspotteten Juden und konnten sich hierbei auf das vierte Gebot des Dekalogs berufen. Mit Aristoteles entgegnete der Prediger, daß Christen nicht die Bilder um ihrer selbst anbeteten, sondern aus Respekt vor dem Dargestellten. Fra Roberto berief sich auf Bonaventura, der in seinem Sentenzenkommentar drei Gründe angeführt hatte, warum die Kirche entgegen älterer Bestimmungen im ‚Decretum‘ Bilder zugelassen habe. Zum einen helfen sie, jene im Glauben zu unterweisen, die nicht lesen könnten. Bilder bewegten zweitens mehr als Worte die Gemüter und hielten schließlich die Erinnerung an die Heiligen wach. Dem jüdischen Einwand hielt er entgegen, daß das Bilderverbot nur zur Zeit des alten Gesetzes gegolten hätte, nachdem die Juden leicht zum Götzendienst zu bewegen gewesen waren. Nach der Ankunft Christi könne man jedoch die Verehrung von Bildern zulassen, da die Glaubenswahrheit nun declarata est ac stabilita. 241 Roberto Caracciolo da Lecce ging es in seiner Predigt vor allem 240 241

CLUSE, Juden in den Niederlanden, S. 340. Roberto Caracciolo da Lecce, Quaresimale padovano 1455, De adoratione Dei, S. 138f.: „Or [sic] cape sanctorum adorationem ac tria quero: primo si Virgo Maria debet adorari adoratione latrie, secundo si imagines sanctorum adorari debent, tertio si reliquie sanctorum. Primo omisso, secundo quantum ad imaginem adorationem, et prima facie videtur quod non, quia expresse videtur contra Scripturam, secundo contra rationem, tertio contra auctoritatem sanctorum antiquorum. Primo contra Scripturam habes Exodi XX c° ‚Non facies tibi sculptile neque omnem similitudinem que est in celo

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darum, die eigene Frömmigkeitspraxis zu verteidigen und somit die christliche Identität zu kräftigen. Zwar diffamierte auch er die Juden als götzendienendes Volk, doch blieb er beim Austausch theologischer Argumente. Der Extremist Giacomo Ongarelli hingegen ging in legendarische Details. Noch heute versuchten Juden, sich Darstellungen Jesu zu verschaffen. Gelänge es ihnen, begännen sie sofort damit, die Plastiken oder Bilder zu mißhandeln und an ihnen die Kreuzigung Christi zu wiederholen. 242 Ongarelli entnahm dem ‚Fortalitium Fidei‘ einige Beispiele dafür, die in der christlichen antijüdischen Polemik eine lange Tradition hatten. Zum einen erinnerte er an die Legende vom Kreuzesfrevel von Beirut, der sich im Jahr 785 zugetragen haben soll, ohne allerdings Ort und Zeit zu benennen. 243 Als ein Jude von einem Christen ein Haus kaufte, habe er darin ein zurückgelassenes Kruzifix vorgefunden, das er zuerst nicht weiter beachtete. Als jedoch einige seiner Glaubensbrüder, die er zum Essen eingeladen hatte, davon erfahren haben, hätten sie ihn ob seiner Untätigkeit getadelt. Sofort begannen sie, so Ongarelli, gemeinsam an dem Kruzifix das Mysterium der Passion zu wiederholen. Als sie aber die Seite der Figur durchbohrten, sei zugleich Blut und Wasser herausgeströmt. Dieses fingen die Juden in einem Gefäß auf, trugen es in ihre Synagoge, wo es zahlreiche Kranke heilte. Daraufhin ergriff Reue die Juden und sie bekehrten

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desuper et terra deorsum, neque eorum que sunt in aquis sub terra. Non adorabis ea, nec coles‘, quia res que est causa erroris reprehensibilis est, quia aliquando idolatria committitur. Sunt aliqui rudes qui imagines adorant tamquam rem sacram, propterea reprobari debent: 2a, q. 5a, c° ‚Consuluisti‘. ‚Qualiter ergo imago sancti Bernardini quam nobis ostendisti? Item Christi crucifixi et similiter Virginis? Fecitne Ecclesia bonum ad nobis relinquendum has figuras, quoniam Iudei de nobis illudunt‘? Or [sic] Iudei non intelligunt ista, sed audi me. Aristotelis in libro De memoria dicit quod duobus modis comprehenditur imago, quia potest respici imago per se aut respectu eius cuius imago est. Sed doctor noster Bonaventura in 3°, dist. 9, respondet quod tribus rationibus convenienter introducta est imago in Ecclesia. Prima ratio est propter simplicium ruditatem, qui litteras ignorant, quia libros nec gesta sanctorum legere sciunt; propterea Ecclesia voluit quod imagines pingerentur ut, per illas, rudes comprehendant aliquid proficui ad salutem suam (...) Secunda est affectiva tarditas, qua magis adiuvatur affectus visu quam auditu, et illam imaginem intuendo affectus magis indulcitur. Tertia quia, illam videndo imaginem, memoria illius sancti non labitur. Ad textum Exodi respondit quod tales imagines prohibite erant quia populus Iudaicus ad idolatrie actus facilis est, sed, posteaquam Christus venit, imago fieri potest, quoniam veritas declarata est ac stabilita.“ Bonaventura unterteilte ebenfalls zwischen einem bildhaften Gegenstand an sich und der Sache, für den ein Bild steht. Allerdings berief er sich nicht auf Aristoteles, sondern folgte Petrus Lombardus, der in seinen Sentenzen festhielt, es sei erlaubt, Bilder anzubeten „ratione illius quod per ipsam significatur“. Dazu DAHAN, Saint Bonaventure et les Juifs, S. 391-393. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. I, c. 16, fol. 52r. CHRISTOPH CLUSE, Stories of Breaking and Taking the Cross. A Possible Context for the Oxford Incident of 1268, in: Revue d’Histoire Ecclésiastique 90 (1995) S. 415-417. Der dominikanische Prediger Giordano da Pisa griff die Legende in einer Predigt zum Fest der ‚Passio imaginis salvatoris‘ am 9. November 1304 in Florenz auf. Vgl. FRIEDRICH LOTTER, Die Predigt des Giordano da Pisa am Fest der ‚Passio imaginis Salvatoris‘ 1304 in Florenz, in: Aschkenas 6 (1996), S. 59-61.

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sich zum christlichen Glauben. 244 Blut sei auch aus dem Jesusbild getreten, das ein Jude in der Hagia Sophia zu Konstantinopel durchbohrte. Der Jude versuchte daraufhin seine Tat zu verbergen und zu fliehen, doch sei er entdeckt und überführt worden. 245 Die Legende erwähnte bereits Gregor von Tours († 594). Ihre breitere Rezeption in hagiographischen und historiographischen Schriften setzte jedoch erst seit dem 12. Jahrhundert ein. 246 Ongarelli gab nicht nur Altbekanntes wieder, sondern vermischte alte und neue Elemente, erfand andere. Juden frevelten nicht nur gegen figürliche oder bildhafte Darstellungen Jesu; Maria, seine Mutter, verfolgten sie noch heute auf gleiche Weise. Erfahren habe er dies von seinem Ordensbruder Francesco da Bologna. Dieser sei Zeuge eines unglaublichen Verbrechens gewesen, als er einmal in Kalabrien predigte. Ein jüdischer Schuhmacher habe eine Marienfigur in die Sohlen der Schuhe eingearbeitet, die er an einen Christen verkaufte. Der sei daraufhin, unterwegs mit neuem Schuhwerk, immer wieder gestolpert und zu Boden gefallen. Als er ergründete, was ihn im Gehen hinderte, habe er die Figur der Gottesmutter entdeckt. Der Frevel des Schusters fiel auf die gesamte jüdische Gemeinde zurück. Man klagte alle Juden an und tötete sie. 247 In den einschlägigen mittelalterlichen Exempel- und Mirakelsammlungen habe ich eine solche Erzählung an keiner Stelle gefunden. Eine enge Verwandtschaft zu dem Motiv, Juden trügen geweihte Hostien in ihren Schuhen und träten so auf Christus herum, das sich im zeitlichen Umfeld der sogenannten ‚Rintfleisch‘- und ‚Armleder‘-Verfolgungen findet, die sich 1298 sowie zwischen 1336 und 1338 in weiten Teilen Süddeutschlands ereigneten und denen zahlreiche Juden zum Opfer fielen, ist jedoch offensichtlich. 248 244

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Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. I, c. 52r/v: „Cum quidam Judeus domum cuiusdam christiani conduxisset in eaque ex oblivione Crucifixi ymago remasisset compissetque dictam ymaginem ibi esse ex relatu quorundam aliorum Judeorum quos predictus Judeus ad prandium invitaverat atque ab eis reprehensionem accepisset cum illismet tandem mysteria passionis in ymaginem ac si in dominum exercere procul dubio fecit. Cum autem ad lateris pervenissent sanguis et aqua continuo exivit (...) Finaliter Judei ipsi ad fidem conversi sunt.“ Ebenda, fol. 52v: „Ïn ecclesia S. Sophie Constantinopolis Judeus quidam ymaginem quandam ibi existentem transfixit in guttare et statim sanguis exivit qui aufugiens compertus est a Christiano sed et confessus quid fecerit Christianus tandem effectus est.“ CLUSE, Juden in den Niederlanden, S. 341. Giacomo Ongarelli, L. I, c. 16, fol. 52v: „Nostris autem temporibus in quadam terra Calabrie Judeus quidam in sola sotularium quas vendidit christiano quidam inventa fuit figura beatissime virginis Marie unde quia christianus ille dum itinerare volebat cum sotularibus illis sepius infra cadens volens videre quid in sotularibus impedimenti esset invenit dictam figuram. Accusatique Judei trucidati fuerunt. Rettulit mihi scelus hoc a Judeo commissum Frater Franciscus de Bononia predicator Egregius qui adhoc presens fuit dum ibi predicaret.“ Zu den Verfolgungen FRIEDRICH LOTTER, Hostienfrevelvorwurf und Blutwunderfälschung bei den Judenverfolgungen von 1298 („Rintfleisch“) und 13361338 („Armleder“), in: Fälschungen im Mittelalter. Internationaler Kongreß der

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Erstmals taucht der Vorwurf in einer jüdischen Quelle einige Jahre zuvor auf, ehe ‚König Rintfleisch‘ kurz nach Ostern 1298 zahlreiche jüdische Gemeinden in Franken, der Oberpfalz, Schwaben, Hessen und Thüringen heimsuchte. Der jüdische Gelehrte Meir ben Baruch aus Rothenburg († 1293) beklagte in seinem liturgischen Gedicht ‚Achvira milin‘: „Immer schwerer lastet ihre Hand (auf uns), und sie erließen eine Verfolgung, ihr Brot betreffend, und sie sprachen: ‚Seht, unseren Gott tragen sie in ihren Kleidern, in den ausgetretenen und geflickten Schuhn an ihren Füßen!‘.“ 249 Der Dominikaner Rudolf von Schlettstadt berichtete um 1300 im Zusammenhang mit den ‚Rintfleisch‘Pogromen in Würzburg in seinen ‚Historiae memorabiles‘ von einer jungen Jüdin, die von ihren christlichen Nachbarn vor den Judenschlägern bewahrt worden sei. Als man sie zur Konversion gedrängt hätte, habe sie sich eine Nacht Bedenkzeit auserbeten, um in der Zeit ihre Kinder umzubringen. Am nächsten Tag hätte sie den Stadtvätern mitgeteilt, daß sie den Gott der Christen verachte, ihn unter ihren Füßen im Schuh trage und ihm zur Schande sieben Jahre lang auf ihn herumgetreten habe. Falls er wirklich Gott wäre, so hätte er sich doch wohl schon längst an ihr gerächt. 250 In einer Sammlung von Beispiel- und Wunder-geschichten, die ein namentlich nicht bekannter englischer Dominikaner in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zusammenstellte, findet sich eine Legende, die auf ‚König Armleder‘ verweist, den armen Ritter, unter dessen Führung 1336 in Franken und Schwaben ein Heer von Bauern und Bürgern mehrere Städte angegriffen hatten und dort gegen die jüdischen Gemeinden wüteten; ein Vorgang, der sich im Sommer 1337 wiederholte und sich bis in die mittelrheinischen Gebiete und im Januar 1338 in den Elsaß ausweitete. 251 Um das Jahr 1340 habe ein Ritter einem Juden eine konsekrierte Hostie verkauft. Der Jude legte sie in seinen Schuh. An Fronleichnam, als die Christen in einer Prozession das Sakrament

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Monumenta Germaniae Historica, München 16.-19. September 1986, Bd. 5: Fingierte Briefe, Frömmigkeit und Fäschung, Realienfälschung, Hannover 1988, S. 533-583 und ders., .,Die Judenverfolgungen des „König Rintfleischs“. Vgl. auch TOCH, Juden im mittelalterlichen Reich, S. 50, 60f., 113, 115 u. 117. Die Geschichte des Motivs, Juden trägen Hostien in ihren Schuhen, und seiner biblischen, vor allem aber theologie- und frömmigkeitsgeschichtlichen Ursprünge hat Christoph Cluse hervorragend aufgearbeitet. Vgl. CLUSE, Blut ist im Schuh. Zitiert nach CLUSE, Blut ist im Schuh, S. 382. Rudolf von Schlettstadt, Historiae memorabiles. Zur Dominikanerliteratur und Kulturgeschichte des 13. Jahrhunderts, hg. von Erich Kleinschmidt, Köln-Wien 1974, S. 58, Nr. 11: „Sciatis enim, quia deum vestrum adorare contempsi et ipsum sub planta pedis mei in calciis septem annis in opprobrium concucalvi. Si nunc, ut vos creditis, verus deus fuisset, se cito in me pauperculam vindicasset.“ Die mordenden Rotten führte jedoch nicht immer ein und derselbe Ritter an. Gerd Mentgen wies allein für den Elsaß zwei Anführer nach, die mit dem Namen Armleder bezeichnet wurden. Vgl. GERD MENTGEN, Studien zur Geschichte der Juden im mittelalterlichen Elsaß, Hannover 1995, S. 357.

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feierlich durch die Stadt trugen, fragte jener Jude einen dabeistehenden Christen, worum es sich bei dem Verehrten handele. Es sei, so die Antwort, Christus in Gestalt des Brotes. Diesen habe ich, entgegnete der Jude, unter meinem Fuß im Schuh. Als ein Ritter dies hörte, habe er den Juden erschlagen. Er habe ihm den Schuh ausgezogen; dieser sei voller Blut gewesen. Der Fuß des Juden sei ebenfalls blutverschmiert gewesen, ohne jedoch Zeichen von Verletzung aufzuweisen. Im Schuh selbst hätte sich eine blutüberströmte Hostie befunden. 252 Noch engere Verbindungen zur schändlichen Tat des jüdischen Schuhmachers, die Ongarelli festhielt, weisen zwei Berichte aus, von denen einer ebenfalls das Motiv der Hostie im Schuh eines Juden aufgriff. Der Chronist Johannes Winterthur hielt für das Jahr 1338 fest, ein Jude habe sich in Österreich eine Hostie verschafft, die er in seinen Schuh gelegt hätte. Dies offenbarte sich, als die Juden angesichts einer Hochzeit in ihrer Gemeinde durch die Stadt tanzten. Besagter Jude hätte sich plötzlich nicht mehr bewegen können; die Christen schöpften Verdacht und zwangen ihn, den Schuh auszuziehen. Sie hätten eine „oblatum in calcio eius studiose, ut sibi illuderet, repositam“ 253 gefunden. Der jüdische Historiker Elij Kapsali führte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Vertreibung der Juden aus Deutschland auf einen von Christen initiierten jüdischen Bildfrevel zurück. Ein Adliger habe einen christlichen Schuster aufgefordert, ein Bild, wohl eine Kreuzesdarstellung, in den Schuh eines Juden einzunähen. Daraufhin seien die Juden angeklagt und verbrannt worden. 254 Die Darstellung der jüdischen Perfidität ist bei Giacomo Ongarelli noch gesteigert: Juden frevelten nicht mehr allein gegen christliche Bilder oder Hostien, sondern bezogen durch Täuschung Christen in ihr schändliches Tun ein und machten sie, wenn auch unwissend, zu Mittätern an der Schändung und Verletzung des christlichen Glaubens. In diesem Falle sei den Juden die Verbindung von Blasphemie und Schandtaten gegen die Christen gelungen. Hinlänglich bekannt ist die identitätsstiftende, veranschaulichende, spektakuläre und mobilisierende Funktion antijüdischer exempla. Christen sollten ex negativo in ihrer christlichen Identität gefestigt und bestärkt werden. Die Logik der Erzählung offenbarte die Rechtmäßigkeit und Überlegenheit christlicher 252

253 254

„(...) iudeo vendidit christum et tradidit sibi in forma panis eukaristiam. Qui iudeus posuit in sotulari suo sub pede suo. In die autem de corpore christi – quo die omnes christiani in civitate illa sollempnizabant ut mos eius et portaverunt corpus christi in altum in uno tabernaculo cum magno honore. Et respondit quod fuit corpus christi in similitudine panis. Et iudeus: ‚Idem habeo‘, dicit, ‚sub pede meo in sotulari.‘ Tunc steti unus miles christianus qui habuit et germanos milites et audivit iudeum sic dicentem. Et quesivit fratribus suis: ‚Quid dixit iudeus?‘ Et illi dixerunt: ‚Habeo corpus christi‘, inquit, ‚in sotulari meo.‘ Et alius affirmavit. Tunc miles irruit in iudeum et occidit, et deposuit sotularem et invenit hostiam sanguinolentem et totum calciamentum et pedem (...) nulla lesione in pede existente. Sed de hostia sanguis emanavit habundanter.“ Zitiert nach CLUSE, Blut ist im Schuh, S. 379. Zitiert nach EBENDA, S. 382. EBENDA, S. 383.

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Glaubensvorstellungen und Frömmigkeitspraktiken. Der Frevel wird durch Wunder angezeigt und überwunden. Hostien wie Christusdarstellungen, die bluteten, Hostien, die aufstiegen, und Maria, die jede weitere Bewegung unmöglich machte, bezeugten so selbst ihre Außeralltäglichkeit und die Wahrhaftigkeit ihrer religiösen Dignität. Eng verbunden mit der identitätsstiftenden Funktion ist die Abgrenzung vom ‚Anderen‘. Die einander gegenseitig ausschließenden Glaubenswahrheiten wurden immer innerhalb eines Machtgefälles formuliert; Juden konnten innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft nie Herrschaft innehaben und standen außerhalb der Hierarchie. Die Bilder, die franziskanische Prediger von Juden zeichneten, blieben während des 15. Jahrhunderts nicht unverändert. Die Vorurteile und Verurteilungen verschärften sich am Ende des 15. Jahrhunderts. Es handelt sich nicht mehr um die willentliche Glaubensverweigerung; Juden tragen, davon zeigen sich Prediger wie Ongarelli überzeugt, jetzt den Wunsch in ihrem Herzen, den Christen Schaden zuzufügen. Das Zusammenkommen von Intention und Aktion wog schwer und wurde in unterschiedlich schwere Vergehen unterteilt. Das größte Verbrechen war das der Blasphemie Die Entwicklung kulminierte in der summarischen Feststellung Angelo Carlettis: “Judeum esse est delictum.” 255 Angesichts der zahlreichen Verbrechen, die Juden in ihrem Herzen, mit ihren Taten und mit ihrem Mund gegen Gott, den christlichen Glauben und Christen begingen, urteilte Giacomo Ongarelli: “Nemper licitum reputant esse illicitum.” 256 Dies mußte, davon waren die franziskanischen Prediger überzeugt, Folgen für das christlich-jüdische Zusammenleben haben. In der festen Überzeugung, Juden trachteten in ganz Italien, vor allem aber in seiner Heimat, dem Veneto, aus rituellen Gründen christlichen Kindern nach dem Leben, erinnerte Marco da Montegallo an die kirchliche Judengesetzgebung und mahnte, Christen sollten Juden meiden und keinen Umgang mit ihnen haben. 257 Sich von Juden fernzuhalten, galt allen Predigern als geeignete cautela fidei. Sie teilten die Vorstellung, eine allzugroße Nähe zu Juden gefährde den christlichen Glauben, das Seelenheil, aber auch das Leben von Christen. Die Prediger geboten nicht nur, wie Christen sich gegenüber den perfidi et pessimi iudaei zu verhalten hätten. Juden, die sich über die ihnen zugedachte Rolle als Knechte der Christen erhoben, nicht mehr nach Maßgabe der 255 256 257

Angelo Carletti, Summa Angelica, fol. 271r. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 1, fol. 71r. „(...) che ancora in Italia in più luoghi troviamo tali miracoli et operationi di perfidi giudei contra christiani et maxime in nella provincia di sancto Antonio. A Marostica a presso Vicenza in nelluogo è uno chorpo di uno sancto fanciullo elquale fu morto dalli predicti giudei et in tal modo. Alli dì proximi et anni passati similmente in nella città di Trento sta i corpo del beato Simone con molti miracholi martyrizato da epsi perfidi giudei (...) sono da schifare per diversi pericoli le loro pratiche et conversationi come la snacta madre ecclesia comanda maxime alla comune gente (...)”. Zitiert nach MERCATILI INDELICATO, Montegallo, S. 95.

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kirchlichen Judengesetze inmitten der Christen lebten und sich in ihrem Verhalten als aggressive Feinde des christlichen Glaubens und von Christen erwiesen, verdienten, zurechtgewiesen und bestraft zu werden. Welche Strafen forderten die franziskanischen Prediger, für Juden, die sich Verbrechen gegen Christen, den christlichen Glauben und Gott schuldig gemacht hatten? Kaiser, Könige und Päpste wiesen im späteren Mittelalter fast immer die Ritualmordbeschuldigungen zurück und nahmen Juden vor den Vorwürfen in Schutz. Es waren gewöhnlich städtische Magistrate, im Trienter Fall jedoch auch ein Bischof, die die Ritualmordprozesse initiierten und vorantrieben. Im Einzelfall dienten Rechtsgutachten, ihre Position zu verteidigen und zu rechtfertigen. 258 Die rechtliche Grundlage war unsicher. Kaum eine Rechtssammlung des späten Mittelalters thematisierte den Ritualmord oder stellte ihn als jüdisches Verbrechen dar. Im Reich tauchte er nur im Meißener Rechtsbuch auf, das zwischen 1357 und 1387 verfaßt wurde. Als Strafe drohte Juden der Verlust ihres Besitzes und ihres Lebens. Die Intention des Meißener Rechtskodex zielte aber auf den Judenschutz. 259 Giacomo Ongarelli beklagte, das Kirchenrecht schweige sich über den Ritualmord aus, eine entsprechende Dekretale sei nicht überflüssig, sondern wünschenswert. Er mahnte die weltlichen Herrschaftsträger, ein solch schändliches Verbrechen der Juden nicht länger zu dulden und ungestraft zu lassen. Welche Strafe sie verhängen sollten, sagte er jedoch nicht. 260 Das Strafmaß für die jüdischen usurarii gab hingegen ein umfangreicher Kanon theologischer und rechtlicher Texte vor. Seit dem 12., vor allem aber seit dem 13. Jahrhundert plädierten Theologen und Juristen dafür, Juden zur Rückerstattung ihrer Zinsgewinne anzuhalten, oder, falls sie nicht von ihren Zinsgeschäften lassen wollten, ihnen das unrechtmäßig erworbene Gut zu nehmen und sie selbst auszuweisen. Die principes saeculares sollten für die Umsetzung der Strafe Sorge tragen. 261 Baptista Trovamala faßte für den Wucher zusammen: “In solchen Fällen können die Juden durch die weltlichen Herrschaftsträger von jeder Gemeinschaft mit Christen ausgeschlossen und ihr Gut ihnen genommen werden; und da sie Knechte seien, könnten sie in den genannten Fällen gar verkauft werden. Besser sei es jedoch, sie auszuweisen und 258

259 260 261

FRIEDRICH BATTENBERG, Die Ritualmordprozesse gegen Juden im Spätmittelalter und Frühneuzeit – Verfahren und Rechtsschutz, in: Die Legende vom Ritualmord. Zur Geschichte der Blutbeschuldigung gegen Juden, hg. von Rainer Erb, Berlin 1993, S. 95132. MAGIN, Iuden recht, S. 77-84. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 20, fol. 87v-88v. Vgl. CHRISTOPH CLUSE, Zum Zusammenhang von Wuchervorwurf und Judenvertreibung im 13. Jahrhundert, in: Judenvertreibungen in Mittelalter und früher Neuzeit, hg. von Friedhelm Burgard, Alfred Haverkamp und Gerd Mentgen, Hannover 1999, S. 135-163.

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ihnen ihr unrechtmäßig erworbenes Vermögen zu nehmen.” 262 Diese Position war communis opinio unter den franziskanischen Predigern. 263 Auch Giacomo Ongarelli mahnte Landesherren und städtische Herrschafts- und Amtsträger, die jüdischen Kreditoren zur restitutio anzuhalten und, falls sie dem nicht Folge leisteten, ihnen ihren Besitz zu nehmen und sie aus den Ländern und Städten zu weisen. Er zeigte sich jedoch enttäuscht über die Nachlässigkeiten weltlicher Herrschaftsträger in der Um- und Durchsetzung des Rechts und wandte sich an Papst Leo X. Dieser müsse sich durch die virtus iustitiae ausweisen. Er sei der pater iudex, der sich mit der Gerechtigkeit kleiden und schmücken müsse. Er sei der von Gott eingesetzte Arzt, der die Untätigkeit der anderen heilen müsse. 264 Giacomo Ongarelli erinnerte an die potestas papae, die es dem Vikar Christi auf Erden erlaube, Recht über alle, auch den Ungläubigen auszuüben. Der Papst sei daher gehalten iustitiam contra Hebreos exercere. 265 Wenn weltliche Herrschaftsträger sich nachlässig und untätig gegenüber den usurarii iudaeorum zeigten, müsse der Papst dafür Sorge tragen, daß Juden, die Wucher trieben, enteignet und ausgewiesen werden. 266 Papst Leo X. sollte jedoch nicht nur die jüdischen Zinsleiher strafen; ebenso müßte er Gerechtigkeit gegenüber Juden üben, die sich der Blasphemie schuldig machten. 267 Ihnen sei ihr gesamter Besitz zu nehmen; sie selbst, wie Wucherer, 262 263

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Baptista Trovamala, Rosella, fol. 249v: „(...) et sic in predictis casibus per principes potestates seculares expelli possunt.” Diese Ansicht teilten alle Prediger. Giacomo Ongarelli etwa widmete der Bestarfung des jüdischen Zinswuchers zahlreiche Abschnitte in seinem antijüdischen Traktat ‘De malitiis ac impietatibus iudaeorum modernorum’. Vgl. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 70, fol. 155r-156r. Giacomo Ongarelli, De malitiis, Prologus, fol. 34v/35r: „(...) Pater Iudex (...) Quid enim laudis quid glorie quid splendoris quid magnificentie in te non splendebit si celeratissimos homines dejicies: quinquidem rutilantissima sit virtus Iustitie qua te vestitum et perornatum esse monstrabis (...) Medicus est tuum cognomen. Medicus a deo creatus es spiritualis ut omnium miserorum medearis languoribus (...)“. Ebenda, Prologus, fol. 32v/33r: „(...) in omnes iurisdictionem habes: ad infideles et absque dubio tua se extendit potestas presertim cum legem divinalem naturalemque offendunt iustitiam exercere administrare potes (...)“. Ebenda, fol. 36r: „(...) O igitur pater Beatissime dei altissimi minister es ad apicem tante celsitudis exaltatus, Iustitiam contra Hebreos exercere Deus optimus sic iubet hoc mandat, hoc vult, hoc precipit ostende virtutem tuam contra perfidos canes, non sustineas eos christianis dominari: sunt servi abhominabiles. Non decet eos gaudere de suis maleficiis. Letantur namque cum malefecerint et exultant in rebus pessimis: non permittas eos amplius furari (...)“. Ebenda, L. III, c. 81f., fol. 165v-168v. Ebenda, Prologus, fol. 36r: „(...) et animas et opes fortunas christicolarum non amplius vituperunt dominum christum, non dilacterent membra eius, potes nempe hoc facere teneris facere debes facere: Iustitia eminentissima virtus te invitat charitas ardentissima efflagitat fides radiantissima.“ Ongarelli verzichtete an dieser Stelle auf den Blasphemiebegriff, doch ist der Sachverhalt, auf den er zielt, eindeutig. Die folgenden Ausführungen Giacomo Ongarellis im ersten Buch von ‚De malitiis‘ handeln nur von der blasphemia iudaeorum.

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auszuweisen. 268 Ongarelli argumentierte mit einem historischen Vorbild. Aufgrund der Lästerung Jesu und Marias seien die Juden vor einigen Jahren aus dem Herzogtum Mailand ausgewiesen worden. Er verwies dabei auf das ‚Consilium contra Iudaeos‘ Bernardinos da Busti aus dem Jahr 1488. 269 Busti urteilte darin: „Noch heute werden die Juden geduldet. Die seit langem und aus Gewohnheit geübte Toleranz entschuldigt jedoch nicht ihre Blasphemie.“ 270 Er forderte Strafen. Er führte verschiedene Rechtsgutachten an, um zu rechtfertigen, daß den Juden ihre blasphemischen Bücher durch weltliche und kirchliche Amts- und Herrschaftsträger genommen werden müßten. 271 Die Konfiskation, Zensur und Verbrennung der talmudischen Literatur forderten christliche Theologen und Kanonisten seit dem Pariser Talmudprozeß immer wieder. Mit Alexander von Hales gebot Bernardino da Busti ferner weltlichen Herrschaftsträgern, jüdischen Gotteslästerern alles, sowohl Privilegien als auch Besitz bis auf einen Rest zu nehmen, den sie zum Überleben bräuchten. 272 Er schloß die Tötung aus und schwächte so weltliches Recht ab, konnten die principes saeculares Blasphemie doch nicht nur cum pena pecunaria, sondern etiam graviori, d.h. an Leib und Leben strafen. 273 Andererseits brachte er Neues vor. Die Kirche, die gewöhnlich nur innerchristliche Blasphemie mit Kirchenstrafen versah, ansonsten nach weltlichen Richtern rief, sollte nun selbst eingreifen können. Ausweisung und Exil der jüdischen Gotteslästerer galten Busti als

268

Ebenda, L. III, c. 101f., fol. 190v-192r. Ebenda: „Judei propter blasphemiam expelluntur de toto ducatu Mediolanensi (...) dum in dicto Ducatu habitarent accusati sunt hebrei de blasphemiis quas contra dominum nostrum Jesum Christum quottidie proferunt de obprobriis que contra beatissimam virginem mariam inferunt in synagogis eorum et inventi fuere culpabiles: unde et consilio virorum prudentum de toto ducatu confusibiliter expulsi sunt. Neque inquam in aliquam terram amplius introducti sunt. Super hec consilium edidit venerabilis frater Bernardinus de Bustis peritissimus predicator or. mi. ob. (...)“. 270 Bernardino da Busti, Rosarium, Pars I, Consilium contra Iudaeos, fol. 90v: „(...) quod usque in hodiernum diem fuissent tolerari in talibus blasphemiis et scleribus dico quod ex tali longa tolerantia et consuetudine blasphemandi non excusantur.“ 271 Ebenda: „(...) melius dicendum quod dictus liber (...) fuit per ecclesiam condemnatus: ut inquit Oldr. de lau. In quodam consilio suo. Non ergo tolerat ecclesia romana nec imperatores quod iudei predictis libris utantur contra fidem catholicam: sed si deprehensi quinque fuerunt puniti sunt per principes ecclesasticos et seculares: ut patet in dicto Fortalicio fidei: et per Jo.an. et si iudeos. de iudeis. Unde papa Gregorius et Innocentius iusserunt comburi tales libros et plenos heresibus et blasphemiis: ut refert Inno. in c. quod super his (...)“. Zur Bestrafung von Blasphemie im Mittelalter vgl. GERD SCHWERHOFF, Blasphemie vor den Schranken der städtischen Justiz: Basel, Köln und Nürnberg im Vergleich (14.-17. Jahrhundert), in: Ius Commune 25 (1998), S. 39f. 272 Bernardino da Busti, Rosarium, Pars I, Consilium contra Iudaeos, fol. 91r: „Ex quo non possunt predicti hebrei defendi virtute ipsorum privilegiorum (...) Et prpter hoc inquit Alex. de ales in iii. parte summe in tracta. de septimo precepto decalogi.q.v. quod iudei possunt expoliari a principibus christianis omnibus preter necessariis.“ 273 So etwa Alfonso da Spina, Fortalitium fidei, L. III, cons. 11. 269

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angemessene Strafe durch die Kirche: „Nam excilium est canonica pena quam ecclesia imponit in malicia obstinat.“ 274 Die tolerantia iudaeorum bewahrte Juden vor der Tötung; ihnen ihren Besitz zu nehmen und sie aus der Gemeinschaft mit Christen auszuweisen, war aus Sicht der franziskanischen Prediger, zu deren theologisches Gemeingut der Toleranzbegriff des Thomas von Aquin gehörte, kein Widerspruch zum Duldungsgebot. Aber lagen die zeitgenössischen Stimmen falsch, die in den Predigten der Franziskaner eine Abkehr vom traditionellen Gebot ausmachten, wonach Christen Juden Duldsamkeit schulden? Die Position der Prediger war in diesem Diskurs nicht einheitlich. Gleichwohl lassen sich in der untersuchten franziskanischen Pastoralliteratur Akzentverschiebungen ausmachen, die gegen ein christlich-jüdisches Zusammenleben stehen, das der tolerantia iudaeorum entspricht. Juden mit Toleranz zu begegnen, bedeutete zu keiner Zeit die vorbehaltlose Anerkennung und Wertschätzung von Juden in ihrem Jüdischsein. In Gemeinwesen, in denen die christliche Religion Grundlage der politischen Ordnung und integrationsstiftendes Band der Gesellschaft war, konnte es nicht ausbleiben, daß sich theologische Differenzen auch auf die Praxis des Zusammenlebens von Christen und Juden auswirkten. Toleranz, verstanden und praktiziert als gewaltfreie cohabitatio, vertrug sich in der Sicht von Theologen und Kanonisten durchaus mit Rechtsminderung und sozialer Ausschließung. Die franziskanischen Prediger forderten die strenge Einhaltung der einschlägigen kirchenrechtlichen Normen. Mit ihren Ausweisungsforderungen, die sie auch entgegen der herkömmlichen Rechtspraxis mit einer Ausdehnung kirchlicher Rechtskompetenz und Sanktionsmacht durchzusetzen versuchten, gelangten die Prediger an eine Grenze der Juden bislang gewährten Duldung, die zuvor eine cohabitatio von Juden und Christen ermöglicht hatte. Zugleich sprachen sich einige Prediger für eine weitere Einschränkung der Juden zu gewährenden Rechte aus, die sich ebenfalls nicht mit dem Toleranzgebot vereinbaren läßt, so wenn Prediger unter Berufung auf Johannes Duns Scotus im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts die Zwangstaufe jüdischer Kinder für theologisch rechtens erachten. Auf der rhetorischen Ebene verstärkten die Prediger ihre Argumente für eine Trennung von Christen und Juden. Ihre Rhetorik hatte eine eigene Dynamik. Über die Rechtsminderung der Juden hinaus trugen die Prediger zu einer weiteren antijüdischen Diffamierung durch pauschalisierende Inkriminierungen unrühmlich bei. Das christliche Toleranzgebot erledigte sich von selbst, wenn die Franziskaner Juden strafwürdige Verhaltensweisen unterstellten und dabei keine Bedenken trugen, unbewiesene Fakten durch 274

Bernardino da Busti, Rosarium, Pars I, Consilium contra Iudaeos, fol. 92r. Zum innovativen Charakter Bernardino da Bustis Forderung, die Kirche müsse auf die jüdische Blasphemie mit Ausweisung reagieren, vgl. auch KENNETH R. STOW, Expulsion Italian Style. The Case of Lucio Ferraris, in: Jewish History 3 (1988), S. 51-63.

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Antijudaismus in der Predigt

bloße Fiktionen zu ersetzen. Juden auszuweisen schien ihnen dann berechtigt zu sein, wenn Juden den christlichen Gott durch blasphemische Äußerungen verächtlich machen, christliche Zeichen und Bilder zerstören, durch wucherische Praktiken christliche Bürger ausbeuten, Ritualmorde begehen, Hostien schänden und Brunnen vergiften. Es gipfelte in der kollektiven Verurteilung Judeum esse est delictum. Werden alle Juden aufgrund ihres Jüdischseins ins Unrecht gesetzt, sind Christen vom Gebot entbunden, ihnen mit Duldsamkeit zu begegnen.

III. Predigt im Kontext politischer Praxis

1. Predigt und Ordnung Die Prediger warben für ihre Vorstellungen einer wohlgeordneten christlichen Gesellschaft. Hatten sie Erfolg? Es ist vielfach auf Predigtliteratur als attraktive Quelle mentalitätsgeschichtlicher Zeugnisse verwiesen worden. 1 In ihr sei „clerical culture, founded as it is upon the Bible, in the mental categories and the linguistic forms of the laity“ 2 transformiert. Demnach bedingen sich mentale Dispositionen von Predigern und Publikum gegenseitig, so daß die Hoffnung geäußert wurde, in den überlieferten sermones eine umfassende christliche Mentalität kenntlich machen zu können. Vor allem in den narrativen Elementen der Predigtliteratur spiegele sich in „einzigartiger Weise Mentalität und Gedankenwelt der Mehrzahl“ 3 der Zeitgenossen wider. „Predigt und Predigtliteratur sind zwar zunächst Zeugnisse aktueller christlicher Selbstauslegung, sprechen aber in Glaubensvergewisserung und frömmigkeitspraktischen Anweisungen auch die religiöse Mentalität ihrer Trägergruppe aus, wie sie auch die der Zuhörer bzw. Leser ansprechen“ 4. Konsequent zu Ende gedacht bedeutet dies einen erheblichen Vorteil für die Wirkung von Predigten, da in der überlieferten Predigtliteratur eine Interferenz der Stimme des Predigers mit der Stimme seines Publikums stattfindet, mit der er unmittelbares 1

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TAYLOR, Soldiers of Christ, S. 4. Hans-Martin Kirn zeigte sich überzeugt, daß der „religiös-mentale (...) Raum, in dem der spätmittelalterliche Antijudaismus mit seinen längerfristig wirksamen negativen Kollektivstereotypen und Vorurteilen angesiedelt ist, nicht ohne die Predigtliteratur der Zeit erschlossen werden kann“. KIRN, Antijudaismus und spätmittelalterliche Bußfrömmigkeit, S. 151. CARLO DELCORNO, Medieval Preaching in Italy, S. 499f. Franco Mormando erklärte mit Blick auf die Predigten Bernardino da Sienas: „Likewise, Bernardino represents one of the single most important sources of explicit information about and insight into the sexula issues, mores, and mentalité of his age.“ MORMANDO, Preacher’s Demons, S. 220. Jussi Hanska zeigte sich überzeugt davon, daß mittelalterliche Predigten nicht nur Mentalitäten jener Zeit widerspiegeln; sie erzeugen auch mentale Dispositionen. JUSSI HANSKA, „And the Rich man also died; and He was Buried in Hell“. The Social Ethos in Mendicant Sermons, Helsinki 1997, S. 21 LOTTER, Judenbild, S. 444. Vgl. auch LE GOFF, Alphabetum, S. 209 und GREGG, Devils, Women and Jews, S. ix. Kritik an allzu optimistischen Annahmen, über Predigtliteratur einen Zugang zur Volkskultur zu gewinnen, äußerte HANS-JÖRG GILOMEN, Volkskultur und Exempla-Forschung, in: Modernes Mittelalter. Neue Bilder von einer populären Epoche, hg. von Joachim Heinzle, Frankfurt a.M. 1994, S. 165-208. KIRN, Antijudaismus und Bußfrömmigkeit, S. 151.

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Predigt im Kontext politischer Praxis

Einverständnis und emotionalen Kontakt sucht. Dem Predigtpublikum als Interaktionspartner wird man so jedoch kaum gerecht. Resultate einer bekannten sozialpsychologischen Debatte, die einen vermeintlichen Kausalnexus von Einstellungen und Verhalten widerlegten und zur Kenntnis brachten, daß neben Einstellungen situative Faktoren und konkurrierende soziale Normen verhaltenssteuernd wirken, finden keine Beachtung. 5 Es sollen hier nicht leichtfertig Ergebnisse der Diskussion zum Verhältnis von Einstellung und Verhalten, die am empirischen Material moderner Gesellschaften gewonnen wurden, auf vormoderne Gesellschaftsformationen übertragen werden. Die Erforschung antijüdischer Stereotypen und Judenbilder scheint dennoch, ihres „zeitlosen Funktionierens als soziale ‚Mechanismen der Gemeinheit‘, als Struktur von langer Dauer, ihrer Persistenz als Denkmuster wegen gerade eine Herausforderung an die Sozial- und Mentalitätsgeschichte“ 6 zu sein. Über Predigten vermittelte antijüdische Stereotype und judenfeindliche Vorurteile als Träger mentaler Dispositionen waren zweifellos zeitweise Auslöser antijüdischen Verhaltens. 7 Konflikte zwischen Predigern und kirchlichen bzw. weltlichen Obrigkeiten offenbaren jedoch Grenzen der Interferenz von Predigern und Herrschaftsträgern. Sie machen deutlich, daß die Parteien nicht eine gemeinsame Mentalität als „kollektive Denk- und Verhaltensdisposition“ teilten; „geistige Einstellungen und praktische 5

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Einen kurzen Überblick über die angesprochene sozialpsychologische Debatte um das Verhältnis von Einstellungen und Verhalten bei ANNE KATRIN FLOHR, Feindbilder in der internationalen Politik. Ihre Entstehung und ihre Funktion, Münster-Hamburg 1991, S. 5-9. Behavioristischen Zugriffsweisen liegt ein Kommunikationsmodell zugrunde, wonach Kommunikation nur in eine Richtung verläuft. Für die Predigtsituation übernahm Karl-Wilhelm Dahm derartige Vorstellungen. Vgl. KARL-WILHELM DAHM, Hören und Verstehen – Kommunikationssoziologische Studien zur gegenwärtigen Predigtnot, in: Predigtstudien 4,2 (1970), S. 9-20. ROHRBACHER/SCHMIDT, Judenbilder, S. 7. Als Einführung in Stand und Perspektiven, Methoden und Theorien mentalitätsgeschichtlicher Forschung VOLKER SELLIN, Mentalität und Mentalitätsgeschichte, in: Historische Zeitschrift 241 (1985), S. 555-598 und die Beiträge in ULRICH RAULFF (Hg.), Mentalitäten-Geschichte. Zur historischen Rekonstruktion geistiger Prozesse, Berlin 1987. Aus mediävistischer Sicht PETER DINZELBACHER (Hg.), Europäische Mentalitätsgeschichte. Hauptthemen in Einzeldarstellungen, Stuttgart 1993 und SABINE TANZ, Vom Sinn der Mentalitätsgeschichte. Bilanz und Ausblick, in: Mittelalterforschung nach der Wende, hg. von Michael Borgolte, München 1995, S. 227-238. Kritisch zu mentalitätsgeschichtlichen Ansätzen in der mediävistischen Forschung KLAUS SCHREINER, Von der Schwierigkeit, mittelalterliche Mentalitäten kenntlich zu machen. Bemerkungen zu Dubys ‚Zeit der Kathedralen‘ und ‚Drei Ordnungen‘ für deutschsprachige Leser, in: Archiv für Kulturgeschichte 68 (1986), S. 217-231. Über Sterotypen und Vorurteile als Träger von Mentalitäten einiges bei SANDER L. GILMAN, Rasse, Sexualität und Seuche. Stereotype aus der Innenwelt der westlichen Kultur, Reinbek bei Hamburg 1992 und GORDON W. ALLPORT, Die Natur des Vorurteils, Köln 1971.

Predigt und Ordnung

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Verhaltensäußerungen, deren Wert und Wahrheit nicht näher reflektiert“ 8 wurden, waren nicht maßgebend für jeweiliges Handeln. In welchem Maße aber konnten dann die Ordnungsvorstellungen der Prediger Geltung beanspruchen, indem das Handeln Anderer daran orientiert war? 9 Judenfeindliche Predigtinhalte hatten im späten Mittelalter zweifellos Mobilisierungseffekte. Nach Predigten des Dominikaners Vinzenz Ferrer, der den Juden die Schändung Marias vorwarf, griffen katalanische Gläubige jüdische Wohnviertel an. 10 In Perugia bewarfen Christen im Anschluß an eine Predigt des Franziskanerobservanten Giacomo della Marca die von Juden bewohnten Häuser in der Stadt mit Steinen. Zudem störten sie ein jüdisches Begräbnis. 11 Die spontanen antijüdischen Reaktionen nach den Predigten folgten einer emotionalen Erregung und verweisen auf eine affektuelle, kurzfristige Legitimität der gepredigten Ordnung. Dauerhafte äußerliche Geltung konnte sie nur als Konvention oder Recht erlangen. Ein Legitimitätsglauben kraft positiver Satzung lenkt den Blick auf herrschaftliches Handeln. Zur Debatte steht das Verhältnis von Predigt und Herrschaft. Nach jüngeren Untersuchungen waren Prediger nicht autonome Agenten ihrer Sache, sondern abhängig von kirchlichen und weltlichen Herrschaftsträgern. In deren Sinne sollten sie politisch wirken. Bezahlt von der Obrigkeit und instrumentalisiert für die herrschaftliche Politik gelten sie bisweilen gar als „megafoni del potere“ 12. Die aufsehenerregenden und publikumsträchtigen Predigten in den spätmittelalterlichen Städten waren keine freien, zufälligen kommunikativen Ereignisse. Vielmehr läßt sich eine zunehmende Institutionalisierung ausmachen, die sowohl das obrigkeitliche Bemühen um geeignete Prediger, ihren Einzug in die Stadt, die gehaltenen Predigten, die vom Prediger geführten Prozessionen als auch ihren Auszug aus der Stadt umfaßte. An zahlreichen Beispielen läßt sich ein enges Verhältnis von Predigern und Herrschaftsträgern nachweisen. Mit Blick auf Prediger im Frankreich des 15. Jahrhunderts urteilte Hervé Martin: „Les supports institutionnels de la parole sacrée ne laissent pas d’impressionner: rares sont les orateurs qui ne parlent pas d’un emplacement assigné par les autorités ecclésiastiques et civiles, et à partir d’une compétence reconnue. Illusion que celle de l’existence d’une libre prédication au XVe siècle.“ 13 Die Prediger agierten in den überwiegenden Fällen mit einer „soutien des pouvoirs en 8 9 10 11 12 13

HEINRICHS, Judenbild, S. 3. Die folgenden Überlegungen zu ‘Ordnung’ orientieren sich an WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 16-20. MARTIN, Le métier de prédicateur, S. 328. TOAFF, The Jews in Medieval Assisi, S. 46. GUIDI, Il pulpito e il palazzo, S. 272. MARTIN, La prédication et les masses, S. 11.

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Predigt im Kontext politischer Praxis

place“ 14. Ein derartiges Abhängigkeitsverhältnis von Predigt und herrschaftlicher Politik läßt sich in vielen Fällen auch für das spätmittelalterliche Italien ausmachen. Bereits die Ankunft der franziskanischen Prediger in den Städten gestaltete sich zu einem „public civic event“ 15. Neben kirchlichen Obrigkeiten waren es in Italien vor allem weltliche Herrschaftsträger, die sich immer wieder an die damals berühmtesten franziskanischen Prediger, ihre Ordensleitung oder gar direkt an den Papst wandten, um sich ihre Dienste vor allem für die Quadragesimalpredigten in der vorösterlichen Fastenzeit oder für die Adventspredigten zu sichern. Hatte eine Stadt eine positive Antwort auf ihre Nachfrage erhalten, korrespondierte die städtischen Obrigkeit mit dem Prediger entweder in Form von Briefen oder Gesandtschaften, um sich nochmals seines Kommens zu versichern und den Zeitpunkt seiner Ankunft zu erfragen. 16 Näherte sich der Prediger dann zum angekündigten Termin der Stadt, brachen zahlreiche städtische Bürger und Einwohner auf, um ihn in die Stadt zu geleiten. Als Giovanni da Capestrano sich 1451 in Verona aufhielt und sich auf seine Predigtreise nördlich der Alpen vorbereitete, erreichte ihn eine Gesandtschaft der Bürger Brescias, die ihn bat, zuvor noch in ihre Stadt zu kommen, um dort zu predigen. Der Chronist Cristoforo Soldo hielt die Ankunft des observanten Franziskanerpredigers in Brescia fest. Dem Prediger zog eine große Volksschar entgegen, unter ihr auch die rettori der Stadt. 17 Sie begleiteten Capestrano zu seinem Quartier und verfolgten später seine Predigten an exponierter Stelle nahe dem Predigtstuhl, den man auf Geheiß des Predigers auf dem mercato nuovo errichtet hatte, um den zahlreichen Menschen, die zu den Predigten drängten, ausreichend Platz zu bieten. 18 Auf die gleiche Art und Weise wurde Capestrano auch in die Städte nördlich der Alpen geführt, deren Obrigkeiten bei ihm um sein Kommen nachgesucht hatten. 19 Am 17. Juli 1452 kam Capestrano nach Nürnberg. Dort ging man ihm „gar herlich engegen mit dem heilitum und mit aller herlichkeit und ging der gancz rat hin auf pis fur daz tor und entpfingen in durch ir pfarer und doctor gar mit großer erwirdigkeit“ 20. In Erfurt holten täglich zwei Ratsmeister und zwei Vierherren den observanten Franziskaner von seiner Unterkunft ab, begleiteten ihn zum

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EBENDA, S. 15. MORMANDO, Preacher’s Demons, S. 5. Zahlreiche Beispiele der Korrespondenz in den Documenti vari intorno al b. Bernardino Tomitano da Feltre, hg. von Vittorino Meneghin, Rom 1966. Cristoforo da Soldo, Cronaca (Rerum Italicarum Scriptores XXI,3), hg. von Giuseppe Brizzolara, Bologna 1942, S. 101. Ebenda, S. 102. Nikolaus Glassberger, Chronica, hg. vom Coll. Bonaventurae, Quaracchi 1887, S. 336. Die Nürnberger Jahrbücher des 15. Jahrhunderts, S. 190.

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Ort der Predigt, wo der Rat bereits versammelt war. 21 In Nürnberg und Magdeburg errichtete man hinter der Kanzel eine Tribüne, auf der die städtischen Amtsträger saßen, während Capestrano predigte. 22 Bilder, die die Predigtauftritte Bernardinos da Siena wiedergeben, halten fest, daß sich der Rat während seiner Predigten rechts von der Predigtkanzel versammelte, während das übrige Volk links stand. 23 Die Repräsentation der stadtbürgerlichen Ordnung beschränkte sich jedoch nicht nur auf den Einzug der Prediger in die Stadt oder auf die Zeit der eigentlichen Predigt. Sie setzte sich vielfach in den Prozessionen fort, die im Anschluß an die Predigten gehalten wurden. Die Umzüge, an denen Bernardino da Siena teilnahm, sahen an ihrer Spitze die städtische Obrigkeit, ihr folgte der Prediger, dem sich das Volk anschloß. 24 Der städtischen Ordnung wurde gewöhnlich auch beim Auszug der Prediger aus der Stadt entsprochen. Das Bild der obrigkeitlichen Inszenierung der Predigten schärft sich, bedenkt man zahlreiche weitere Maßnahmen, die Herrschaftsträger im Zusammenhang mit dem Auftreten unternahmen. Falls die Predigten im Freien stattfanden, sorgten sie dafür, daß ein Predigtstuhl aufgerichtet wurde, bezahlten seine Ausschmückung und geboten zuweilen, daß Kirchenbänke für die Zuhörer aus den Kirchen auf die Plätze gebracht wurden. Sie waren es auch oft, die den Lebensunterhalt der Prediger bestritten. 25 Zudem ordneten sie an, daß zur Zeit der Predigt die städtischen Gewerbe zu schließen seien, auf daß alle zu den Predigten kommen sollten. 26 Das öffentliche Auftreten der berühmten franziskanischen Wanderprediger war nicht nur von städtischen Herrschaftsträgern inszeniert, sondern unterlag auch ihrer obrigkeitlichen Kontrolle. Sie versuchten, Einfluß auf die Inhalte der Predigten zu nehmen. Bevor Bernardino da Siena 1425 begann, in Perugia zu predigen, bat ihn der Rat, auf aktuelle Mißstände in der Stadt einzugehen. Die Ratsherren sahen im übermäßigen Spiel innerhalb der umbrischen Stadt die 21

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Hartung Cammermeister, Chronik, in: Die Chronik Hartung Cammermeisters, bearbeitet von Robert Reiche, hg. von der Historischen Commission der Provinz Sachsen, Halle 1896, S. 131-133. Die Magdeburger Schöppenchronik, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, Bd. 7: Magdeburg, Bd. 1, hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Göttingen 21962 (ND Leipzig 1869), S. 392; Die Nürnberger Jahrbücher des 15. Jahrhunderts, S. 191. ROBERTO RUSCONI, ‘Predico in Piazza’. Politica e predicazione nell’Umbria del ‘400, in: Signorie in Umbria tra medioevo e rinascimento. L’esperienza dei Trinci. Congresso storico internazionale, Foligno 10-13 dicembre 1986, hg. von der Deputazione di storia patria per l’Umbria, Perugia 1989, S. 131. ORIGO, Der Heilige der Toskana, S. 33. ACP, Sacristia 6, fol. 82v. SENSI, Predicazione itinerante, S. 156.

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Predigt im Kontext politischer Praxis

Ursachen ethischen und sozialen Verfalls. 27 Obrigkeiten erbaten jedoch nicht nur religiöse Botschaften, die ihre Positionen stützten. Zugleich gingen sie gegen Predigtinhalte vor, in denen sie eine Gefährdung der politischen Ordnung sahen. Sie mahnten die Prediger, nichts vorzubringen, das ein scandalum auslösen könnte. In Venedig wurde 1409 der Augustinereremit Simone d’Ancona „propter mala et periculosa verba dicta in suis predicationibus“ ausgewiesen, mit denen er sich „inobediens sacratissimo Dominio Venetorum“ gezeigt habe. 28 Der Mailänder Herzog Galeazzo Sforza forderte Michele Carcano da Milano auf, sich nicht in die Staatsangelegenheiten einzumischen. Vor allem antijüdische Predigten waren Anlaß für zahlreiche Interventionen weltlicher und kirchlicher Herrschaftsträger. Nach Papst Martin V. erinnerte auch Papst Felix V. am 10. März 1444 an den päpstlichen Schutz und die von Christen geschuldete Duldsamkeit gegenüber den Juden, die zum Zeugnis des christlichen Glaubens bis zum Ende der Zeit aufbewahrt werden sollten. Anlaß für die mahnenden Worte des Papstes waren Klagen der jüdischen Gemeinden im Piemont. Demnach hätten Prediger aus den Bettelorden das Volk gegen die Juden aufgehetzt und dazu aufgerufen, die Juden zu bedrängen, sie auszurauben, zu verwunden oder gar zu töten. 29 Im letzten Viertel des Quattrocento häuften sich die Klagen über judenfeindliche Predigten, die neue Nahrung durch den spektakulären Ritualmordprozeß gegen die Trienter Juden von 1475 und den rasch wachsenden Kult um den angeblich von Juden zur Osterzeit getöteten Knaben Simonino erhalten hatten. 30 Die Haltung Venedigs 27

28

29 30

ALESSANDRA RIZZI, Il gioco fra norma laica e proibizione religiosa. L’azione dei predicatori fra Tre e Quattrocento, in: Gioco e giustizia nell’Italia di Comune, hg. von Gherardo Ortalli, Treciso-Rom 1993, S. 150. FERNANDA SORELLI, Predicatori a Venezia (fine secolo XIV – metà secolo XV), in: Predicazione francescane e società veneta nel Quattrocento. Committenza, ascolto, ricezione. Atti del II Convegno internazionale di studi francescani, Padua, 26-28 marzo 1987, hg. von Giorgio Cracco, Padua 1995, S. 142. The Jews in Piedmont, Bd. 1, Nr. 381. TREUE, Trienter Judenprozeß; weiterhin hilfreich: WILLEHAD PAUL ECKERT, Beatus Simoninus. Aus den Akten des Trienter Judenprozesses, in: Judenhaß. Schuld der Christen, hg. von dems. und Ernst Ludwig Ehrlich, Essen 1964, S. 329-357; DERS., Aus den Akten des Trienter Judenprozesses, in: Judentum im Mittelalter. Beiträge zum christlich-jüdischen Gespräch, hg. von dems. und Paul Wilpert, Berlin 1966, S. 282-336; ANNA ESPOSITO/DIEGO QUAGLIONE (Hg.), Processi contro gli Ebrei di Trento, Bd. 1: I processi del 1475, Padua 1990; DIEGO QUAGLIONI, Giustizia criminale e cultura giuridica. I giuristi trentini e i processi contro gli ebrei, in: Il principe vescovo Johannes Hinderbach (1465-1486) fra tardo Medioevo e Umanesimo. Atti del convegno promosso dalla Biblioteca Comunale di Trento, 2.-6. Oktober 1989, hg. von Iginio Rogger und Marco Bellabarba, Bologna 1992, S. 395-406; DERS., Il processo di Trento del 1475, in: L’inquisizione e gli ebrei in Italia, hg. von Michele Luzzati, Rom-Bari 1994, S. 19-34. Zu San Simonino IGINIO ROGGER, Simone di Trento, in: Bibliotheca Sanctorum 11 (1968), Sp. 1184-1188. Neben den Ausführungen Treues zur Verbreitung des Simon-Kults in

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gegenüber den Trienter Ereignissen und den daraus resultierenden Folgen für die jüdischen Gemeinden in seiner terraferma, dem Hinterland Venedigs, das die Markusstadt seit dem frühen 15. Jahrhundert in seine Gewalt gebracht hatte, war anfangs schwankend. Zuerst bemühte man sich um einen effektiven Schutz der Juden, da man das Ganze als haltloses Gerücht betrachtete. Dann jedoch änderte der Doge Pietro Mocenigo in einer Dogale vom 12. August 1475 an den venezianischen Statthalter in Friaul seine Anweisungen aus dem April des gleichen Jahres. Mocenigo erkannte nun das Martyrium Simoninos an und hob das vorher ausgesprochene Verbot, seine Bilder zu zeigen und sein Leiden zu predigen, auf. Jedoch solle man darauf achten, daß die Prediger das Volk nicht gegen die Juden aufhetzten. Am 10. Oktober 1475 sah sich Papst Sixtus IV. genötigt, in einem Breve an die Fürsten Italiens darauf hinzuweisen, daß die Trienter Beschuldigungen keineswegs erwiesen seien. Er habe erfahren, daß vielerorts in Bild und Wort das Martyrium Simoninos und die durch ihn angeblich verübten Wunder Verbreitung gfunden hätten. Er befahl bei Androhung der Exkommunikation, dies zu unterbinden. Danach kehrte auch Venedig zu seiner ursprünglichen, restriktiven Haltung gegenüber dem Kult um den Knaben Simonino zurück. Am 1. April 1476 erließ der Doge Andrea Vendramin, der Pietro Mocenigo im Amt gefolgt war, eine Dogale an die Rektoren von Verona, in der er den Schutz der stadtsässigen Juden anmahnte. Er befahl unter anderem, judenfeindliche Predigten zu unterbinden. 31 Dies half jedoch nicht, antijüdische Predigten des Franziskanerobservanten Michele Carcano da Milano, der bereitwillig den Bitten des Trienter Bischofs Johannes von Hinderbach gefolgt war und nicht nur in Trient selbst das Martyrium Simoninos verkündete, sondern mindestens auch zwei ausgedehnte Predigtreisen in dieser Sache unternommen hatte, im darauffolgenden Jahr zu verhindern. Der Doge Andrea Vendramin äußerte am 20. August 1477 seine Verwunderung und Verärgerung über die Predigten Fra Micheles, mit denen der observante Franziskaner täglich die Juden bedränge und das Volk gegen sie aufhetzte, so daß die Juden es nicht mehr wagen würden, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Er wies daher die rettori Veronas erneut an, derartige Predigten gegen die Juden, die unter dem Schutz Venedigs stünden, unter Androhung von Strafen zu unterbinden. Die Prediger hätten genug damit zu tun, über den christlichen Glauben zu unterweisen und gegen Sünden und Laster der Christen zu predigen. 32

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Italien noch RIGAUX, Antijudaïsme par l’image und ESPOSITO, Il culto del „Beato“ Simonino. Zur Verbreitung der Trienter Ritualmordlegende in der Literatur KRISTELLER, The Alleged Ritual Murder. TREUE, Trienter Judenprozeß, S. 87f., 96, 101 u. 117. „Non sine admiratione et molestia non mediocri intelleximus quod frater Michael Ordinis Minorum (...) non desistit quotidie in praedicationibus suis insectari Iudeos subditos nostros, et contra eos concitare populos usque adeo ut prodire in publicum non audeant (...) Volumus propterea et vobis mandamus, ut

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Doch Verona blieb Schauplatz antijüdischer Predigten, die Venedig weiterhin auf den Plan riefen. Am 15. Mai 1492 wandte sich der Doge Agostino Barbarigo an die rettori in Verona. Die Juden der Stadt hätten sich an ihn gewandt, da sie durch vielerlei Dinge, vor allem aber durch die Predigten Bernardinos da Feltre bedrängt worden wären. Nochmals gab der Doge zu bedenken, daß derartige Predigten nichts Gutes hervorbrächten und nur zu Zwist und Aufruhr im Volk beitrügen. Er zeigte sich entschlossen, derartige Predigten weder von Bernardino da Feltre noch von anderen Predigern weiterhin zu tolerieren. Agostino Barbarigo wies die Rektoren an, in seinem Namen Bernardino zu ermahnen und anzuhalten, in seinen Predigten nichts über die Juden zu sagen, was das Volk gegen diese aufreize. 33 Die judenfeindlichen Aktivitäten Bernardinos da Feltre erstreckten sich jedoch nicht nur auf das Veneto. Am 27. September 1484 wies der Markgraf Francesco Gonzaga Stephano Sicco, der als Hauptmann die Stadtburg der Gonzaga in Mantua versah und dem eine Schlüsselrolle für die Verteidigung des Herrschaftsanspruchs Francescos nach dem Tod Frederico Gonzagas zukam, an, die judenfeindlichen Predigten Bernardinos da Feltre, der zu dieser Zeit aus

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commonefacere debeatis verbis severioribus fratrem Michaelem praedictum ut meminerit mandatorum nostrorum, desinatque aliquo modo concitare populos contra ipsos Iudaeos nostros, sicuti eum facere accepimus per commemorationem caedis pueri Tridentini. Satis enim ei esse debet concionari de fide nostra, abhominari peccata, fulminare vitia, de quibus amplissimum campum habet ubi spatietur eius oratio, praeterquam insaevire in Iudaeos subditos nostros. Et si facere neglexerit et perseveraverit in obstinatione ista sua, praecipite illico ei ut sub indignationis nostrae poena, relictis omnibus, veniat ad nostram praesentiam.“ Entnommen GHINATO, Ebrei e francescani in Verona, S. 241. Eine ähnliche Dogale erging am 11. April 1477 an die rettori Brescias. Vgl. TREUE, Trienter Judenprozeß, S. 117. Zu Michele Carcano da Milanos Engagement für die Verbreitung des Martyriums Simoninos EBENDA, S. 119f. u. 219. Antijüdische Predigten Micheles waren bereits früher, aber auch noch später Anlaß für Klagen. Vgl. EMILIO MOTTA, Il beato Michele da Carcano. Documenti milanesi inediti, in: Periodico della Società Storica per la provincia e antica diocesi di Como 5 (1885), S. 318-327 und The Jews in the Duchy of Milan, Bd. 2: 1477-1566, hg. von Shlomo Simonsohn, Jerusalem 1982, Nr. 1828, 18301832. „(...) et nullo modo tollerare intendimus fieri huiusmodi concitationes per ipsum fratrem Bernardinum, et multo minus per quemcumque alium, ideo has vobis scribendas ducimus et efficacissime imperamus vobis, ut illico habere ad vos debeatis ipsum fratrem Bernardinum, et nostro nomine eum monere verbis efficacibus et edicere ut deinceps sese abstineat obloqui in suis praedicationibus, nec aliis modis, de Hebraeis praedictis, nec de eis mentionem aliquam facere, quae possent irritare populum contra eos.“ Zitat entnommen Documenti vari intorno al B. Bernardino Tomitano da Feltre, Nr. 140. Diese Dogale ist jedoch nicht nur an die Rektoren von Verona gegangen. In zahlreichen Städten des Veneto predigte Bernardino da Feltre und warb für die Errichtung von Monti di Pietà und griff zumindest das jüdische Geldgeschäft in der terraferma an, dem Venedig seinen Schutz zugesichert hatte. Insofern finden sich entsprechende Dogale auch für andere Orte, etwa Brescia. Vgl. Documenti vari intorno al B. Bernardino Tomitano da Feltre, Nr. 155 u. 227.

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dem Veneto verbannt war, 34 zu unterbinden. Dieser habe „stranie parole“ benutzt, wodurch das Volk gegen die Juden aufgehetzt worden sei. Zu unpassender Zeit sei dadurch „una cosa scandalosa et de qualche periculo“ entstanden. 35 Die Sorge um die öffentliche Ordnung veranlaßte am 10. Dezember 1494 die Dieci di Balìa von Florenz an den florentinischen Statthalter Lorenzo Carducci in Volterra zu schreiben. Man zeigte sich besorgt über die Predigten des observanten Franziskaners Timoteo da Lucca († 1513), der zu jener Zeit die Adventspredigten hielt und für die Errichtung einer Monte di Pietà in Volterra warb. Dieser verletze sein Predigtamt „entrando in cose non convenienti et da indurre cotesto populo in qualche sollevamento allo exemplo de’ pisani“ 36. Um sicher zu gehen, daß die stadtbürgerliche Ordnung durch die Predigten nicht gefährdet wird, versuchten städtische Obrigkeiten dann, die Öffentlichkeit von Predigten zu beschränken, die sie als skandalös wahrnahmen. Vor allem die Praxis der Predigt in locis communibus rief dabei den Unmut und Widerspruch der städtischen Obrigkeiten hervor, waren doch die öffentlichen Plätze, vor allem jene vor den Rathäusern, in den spätmittelalterlichen Stadtgesellschaften Italiens immer auch Orte schwer zu kontrollierender politischer Diskussion und Kommunikation. Am 4. März 1439 nahm der Consiglio dei Dieci in Venedig, dem unter anderem die Gewährleistung der öffentlichen Ordnung zufiel, Anstoß an Predigern, die auf den Plätzen der Stadt (in campis) predigten und dabei viele schändliche Dinge (multa inhonesta) begingen. Er gebot diesen, ihr Predigtamt nur in den Kirchen als angemessenem Ort der Verkündigung des verbum Domini auszuüben. Nur für die Predigten zur Vigil und dem anschließenden Festtag des in den städtischen Vierteln verehrten Heiligen, in denen sie ihre Prädikatur ausübten, erlaubte man ihnen, den kirchlichen Raum 34

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GIAMPAOLO PALUDET, Bernardino da Feltre, piccolo e poverello, Venedig 1933, S. 221. Anlaß für die Ausweisung Bernardinos und all seiner franziskanischen Mitbrüder war ein Streit zwischen Venedig und dem Papst, dessen Partei Bernardino ergriffen hatte. „Non habiamo potuto fare che non se siamo turbati un pocho, havendo inteso il venerabile frate Bernardino nel suo predicare che l’ha adesso facto suxo la piazza, haver usate de stranie parole, et non conveniente a questi tempi, provocando el populo contra li hebrei, chi è stata una cosa scandalosa et de qualche periculo et a nui invero molestissima; non deliberamo comportare che prediche de simile natura, como sono state queste, se faciano a casa nostra (...) et questo per non mettere quella nostra terra a periculo di scandalo che non lo richiede la conditione di tempi presenti.“ Zitiert nach Documenti vari intorno al B. Bernardino Tomitano da Feltre, Nr. 12. „Se fusse vero quello che si è suto riferito di don Thimoteo, el quale predica così questo advento ci darebbe admiratione et dispiacere; et questo è che lui nelle sue prediche esce il termine dell’officio suo, entrando in cose non convenienti et da indurre cotesto populo in qualche sollevamento allo exemplo de‘ pisani (...); trovando che la informazione ci è suta data sia secondo verità, farai di havere ad te subito il decto don Timotheo et facte seco conveniente condoglianze di tali suoi modi, li comanderai expressamente et prohibirai che non predichi più oltre, acciò che non habbi quella facultà che harebbe, predichando et andando sinistramente, di suscitare scandoli.“ Zitat entnommen LUZZATI, La casa dell’ebreo, S.189.

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Predigt im Kontext politischer Praxis

zu verlassen. 37 Ähnliches widerfuhr 1484 auch Bernardino da Feltre, als er beabsichtigte, in Mantua zu predigen. Man gebot ihm, nur in der Konventskirche der observanten Franziskaner zu predigen, nicht aber auf den Plätzen in der Stadt, da sonst Unruhe (scandalum) in der Stadt entstehen könne. In Florenz ordneten 1493 die Otto di Guardia e Balìa, denen die Sorge um die öffentliche Ordnung und Sicherheit in der Stadt oblag, gegenüber Bernardino da Feltre an, er solle das Volk in seinen Predigten nicht zu novità anhalten. Dem großen Rat in Florenz ging diese Anordnung des städtischen Gremiums nicht weit genug. Er verbot in der Öffentlichkeit, d.h. auf den Plätzen der Stadt zu predigen. 38 Herrschaftsträger scheuten nicht davor zurück, die berühmten Volksprediger ganz aus ihrem Herrschaftsgebiet auszuweisen. Der Herzog von Mailand, Galeazzo Maria Sforza, verbot 1471 dem observanten Franziskaner Michele Carcano da Milano weiterhin zu predigen und wies ihn aus dem Herzogtum aus, obschon Michele zu seiner Verteidigung anführte, er habe niemals etwas getan oder gesagt, daß der Ehre des Herzogs abträglich gewesen sei. Das Verbot blieb bis mindestens 1475 gültig; womöglich erreichte Michele erst nach dem Tod des Herzogs 1478 die Erlaubnis zur Rückkehr und zur Wiederaufnahme seiner Predigttätigkeit. 39 Zahlreiche Prediger, etwa der Dominikaner Giovanni Domenici, der Roberto Caracciolo da Lecce oder Bernardino da Feltre, wurden zeitweise aus den Herrschaftsgebieten von Venedig und Florenz ausgewiesen. Außerhalb ihrer Heimatprovinzen sahen sich italienische Prediger ähnlichen Schwierigkeiten gegenüber. Georg von Podiebrand hinderte Giovanni da Capestrano an seiner Predigttätigkeit; Giacomo della Marca wurde aus der Diözese von Pécs ausgewiesen. 40 Die genannten Beispiele machen deutlich, daß es zu kurz greift, das Wechselspiel von Predigt und politischer Ordnung mit Verweisen auf eine große öffentliche Macht von Predigern oder mit dem Hinweis auf eine Homogenität von Predigern und sie dominierenden Herrschaftsträgern zu beschreiben. Vielmehr offenbaren sich erhebliche Konflikte. Die franziskanischen Prediger 37

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Archivio di Stato Venezia, Consiglio dei Dieci, Misti, reg. 12 (1437-1445), fol. 29r: „Quia introducta est quedam consuetudo, a pauco tempore citra, quod predicatores predicant in campis et non in ecclesiis, in quibus debet predicari verbum Domini, et cum in ipsis predicationibus camporum multa inhonesta committantur, vadit pars, pro honore Dei, quod autoritate huius Consilii dicatur conventibus locorum et plebanis contratarum quod mandare debeant predicatoribus suis quod de cetero, quando predicabunt in Venetiis, ipsi debeant predicare in ecclesiis et non in campis, ullo modo. Verum in die vigilie et in die festo sancti vel sancte illius contrate ubi erunt predicaturi possint in contrata ubi erit festum predicare in campo ad beneplacitum suum. Sed aliis diebus non, ullo modo.“ Zitiert nach SORELLI, Predicatori a Venezia, S. 141. DONALD WEINSTEIN, Savonarola and Florence. Prophecy and Patriotism in the Renaissance, Princeton 1970, S. 125. MOTTA, Il beato Michele da Carcano. GUIDI, Il pulpito e il palazzo, S. 272 u. 280.

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wichen der Auseinandersetzung um eine politische Öffentlichkeit aus. In ihren Summen, die die einschlägige Jurisprudenz der Zeit anführten, beriefen sich franziskanische Prediger zuweilen auf Papst Bonifaz VIII., der zu Beginn des 14. Jahrhunderts den mendikantischen Predigern zugestanden hatte, sowohl in ihren Ordenskirchen und -konventen als auch auf öffentlichen Plätzen (in locis communibus) dem Klerus und Volk frei zu predigen. Der Franziskanerobservant Angelo Carletti tat dies in seiner ‚Summa Angelica‘ 41 ebenso wie sein Ordensbruder Baptista Trovamala in seiner ‚Rosella‘. Trovamala schrieb ausführlicher und widmete sich explizit der Frage, was eigentlich unter den locis communibus zu verstehen sei. Es handele sich dabei, so die Antwort des observanten Franziskaners, um Plätze, an denen sich alle aufhalten könnten. Sowohl aus den Ausführungen Angelo Carlettis als auch Paolos da Castro wird jedoch deutlich, daß ihre Gegner, gegen die sie argumentierten nicht städtische Obrigkeiten waren, die ihnen jene locis communibus zuweilen verboten. Sie verteidigten sich vielmehr gegen die Ansprüche aus dem Diözesanklerus, dessen cura animarum schon immer in enger Konkurrenz zur mendikantischen Seelsorge stand. Deutlich wird dies, wenn Trovamala betont, daß Orte, an denen sich alle aufhalten können, Orte iuris publici seien. Gewalt über locis communibus falle daher weltlichen Obrigkeiten oder dem Papst zu. 42 Die Argumentation kennzeichnet die 41

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Angelo Carletti, Summa Angelica, fol. 285v: „Quinto minores et predicatores ab eorum prelatis licentiati.d.cle.dudum. Unde si predicare volunt infra septa monasterii ipsorum vel in lociis aliis eorum licet sint longe a domibus eorum. Dummodo sint ad eorum usum possint sine aliqua licentia secundum Lau. Et Zenze.i.d.cle.dudum. Similiter quando volunt predicare in plateis communibus: nec possint prohiberi in prefatis locis.nisi hora quo prelati i. habentes iuridictionem quasi episcopalem: ut no.Car. et glo.i.d.cle.dudum.predicant solemniter in publice populo generaliter. Vel faciunt coram se solemniter predicari.“ Baptisma Trovamala, Rosella, fol. 192v: „An autem fratres mendicantes privilegiati per cle.dudu.de sepul.possint libere predicare in plateis et aliis locis communibus. R. quod sic.et de hoc est textus in d.cle.dudum.in §.nos autem.et in ubi dicitur: statuimus et ordinamus ut dictorum ordinum fratres in ecclesiis et locis eorum ac in plateis communibus libere valeant clero et populo predicare ac proponere verbum dei: illa hora dumtaxat excepta: in qua locorum prelati predicare voluerint: vel coram se facere solemniter predicari: in quo predicare cessabunt, propter quam si aliud de prelatorum ipsorum voluntate processerit ac licentia speciali. Hec ibi. Queritur primo: quid intelligatur seu comprehendatur sub illis verbis locis eorum. Glo. Dicit.quicquid est.i.septa vel ambitum etiam in pratis vel hortis et aliis spatiis. Idem Land.Zen. et dicit Land.hoc procedere etiam si loca sint longe a domibus eorum: cum indiffinite dicat de locis. Secundo quero: quid importat verbum in plateis communibus. Solvit Zen. intelligendum de plateis locorum in quibus morantur. Dicit tamen quod hec littera etiam habet locum in plateis aliorum locorum quam suorum. Alias hec verba plateis communibus nihil adderent cum premiserat de locis eorum: maxime quia hic de favore agitur: q non debet restringi sed ampliari per regulam odia. Ex eo autem quod his permittitur in his locis libere predicare dicunt Lan. Et Zen. quod hoc facient absque cuiuscumque contradicitione vel licentia. Idem in simili dicit glo.i.hac cle.in §. Si vero.in.ver.libere.dicens: quod denotat quod non est necesse licentiam sacerdotis parochialis haberi: cuius contrarium videtur velle Io.mo.Idem tenet Pa.in c.si.de postu.prela. ubi dicit quod quis dicitur habere liberam potestatem quando quis possit sine assensu alterius disponere. Idem dicit in c. statuimus.de regula. Et dicit hoc esse de mente communiter doc. Idem secundum Lan.isti mendicantes sunt exempti: et

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Predigt im Kontext politischer Praxis

Zurückhaltung franziskanischer Prediger mit städtischen Obrigkeiten in Konkurrenz um eine politische Öffentlichkeit zu treten. Sie fügten sich gewöhnlich den obrigkeitlichen Anordnungen bis hin zu Ausweisungsanordnungen, die sie ohne öffentlichen Widerspruch zu äußern hinnahmen. 43 Was aber taten die Prediger, um ihrer antijüdischen Botschaft politische Geltung zu verschaffen?

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sic non subsunt ordinariis quo ad ecclesias et loca ipsorum. Sed quo ad plateas quae sunt iuris publici: princips sed papa potuit disponere ut voluit: nulli preiudicium faciendo: secus tamen de plateis privatis secundum glo. (...).” Mir ist bisher nur ein einziges Beispiel bekannt, wo Prediger sich dem städtischen Verbot, auf öffentlichen Plätzen zu predigen, widersetzten. Vgl. SORELLI, Predicatori a Venezia, S. 141f.

2. Die persuasive Strategie der Prediger Spätantike und mittelalterliche Kirchenväter, Theologen und Prediger beriefen sich auf göttliche Autorität, wenn es galt, eine Theologie der Predigt zu begründen und zu veranschaulichen. Sie waren der Ansicht, der Prediger sei lediglich das Gefäß, in das das göttliche Wort eingegeben werde und aus dem es zugleich herausströme. Durch die praedicatores als seinen Mittlern spreche Christus selbst zu den Gläubigen. Die grundlegenden Gedanken gehen dabei auf Augustinus zurück. Über Jahrhunderte wurden sie stilbildend für Prediger, die sich ihres Auftrages besannen. Zwar spräche der Mensch, so der nordafrikanische Kirchenvater und Bischof von Hippo, doch sei es Gott, der unterweise und belehre. Wortreich vorgetragene menschliche Verstandes- und Überzeugungskraft bleibe in der Predigt nutzlos, wenn sie nicht auf göttliche Eingebung beruhe. 1 Berühmte mittelalterliche Volksprediger wußten ebenfalls darum, wer der Urheber ihrer Beredsamkeit war. Für den spanischen Dominikaner Vinzenz Ferrer, der an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus unermüdlich umherzog, um das Volk zur Buße zu bewegen, ist Gott der Pfeifer, der dem Redner die Tonhöhe vorgibt. Allein Gott vermöge, dem Prediger wie einem schlechten Instrument Wohlklang zu entlocken. So mahnt Vinzenz seine Predigerbrüder, sich zu erinnern, daß nicht sie, sondern Gottes Geist in der Predigt spreche. 2 Für die italienischen Franziskanerobservanten Bernardino da Siena und Bernardino da Busti ist der Mund des Predigers der Mund Gottes aus dem die Wahrheit fließe. Der Prediger sei die Zunge, nicht aber der Geist, der die Worte hervorbringe; er sei der Griffel, nicht aber die Hand, die die Worte ins Herz der Zuhörer schreibe. 3 1

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„Nos loquimur, sed erudit Deus. Nos loquimur, sed Deus docet. Nos plantare possumus et rigare, sed Dei est incrementum dare. Qui plantat et qui rigat, forinsecus operatur, sed qui dat incrementum, intrinsecus opitulatur.“ Zitiert nach JOHANNES BAPTIST SCHNEYER, Die Heilsbedeutung der Predigt in der Auffassung katholischer Prediger. Ein historischer Beitrag zur Theologie der Predigt, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 84 (1962), S. 154. „Si organum facit bonum sonum, cuius erit? organi vel fistulae? numquid organistae vel fistulatoris? Deus est bonus fistulator, praedicatores sunt organa. Sed Deus est ita bonus magister, quod cum malo instrumento facit bonum sonum: Non enim vos estis, qui loquimini, sed Spiritus Patris vestri.“ EBENDA, S. 157. „Jes. 55,11: ‚Verbum meum quod egredietur de ore meo‘, id est de ore praedicatoribus qui est os Patris, per quem annuntiat populis veritatem“. Bernardinus de Busti, Rosarium, Hagenau 1513, fol. 8r u. 9v: „(...) predicatio (...) procedat ab ore ipsius predicatoris qui est quasi quiddam instrumentum dei (...)“; „(...) quia mens hominis format verba sua per lingue aut dentium instrumenta. Si ergo in aure audientis inferuntur verba prudentie: non est laus plectri lingue: sed moventis animi. Et ideo salvator ait predicatoribus (...) quia manus figurat pulcram sculpturam vel figuram: sed per calamum. Si ergo per aliquem doctorem in corde alicuius scribuntur dei precepta: vel pinguntur virtutum ornamenta: non est commendatio calami scribentis: sed manus scribe per calamum operantis. Hic autem scriba est spiritus sanctus et lingua cuiuslibet boni predicatoris est calamus spiritus sancti.“ Bernardinus Senensis, De diversis, Sermo 8: De desiderabili veritate (Opera Omnia 7), hg. vom Collegium

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Predigt im Kontext politischer Praxis

Frühchristliche und mittelalterliche Theologen und Prediger, für die Gottes Wort in der Predigt anwesend war, widmeten dem Wortgebrauch große Aufmerksamkeit. Sie zeigten sich überzeugt von der Wirkmächtigkeit des göttlichen Wortes, sofern es auf die rechte Disposition der Zuhörer träfe. Der Glaube ist dabei die unerläßliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der Predigt. 4 Doch verließen sie sich nicht allein auf das Wort und die innere Einstellung des hörenden Menschen. Mit der Übernahme antiker rhetorischer Traditionen galt das Interesse zugleich auch anderen Kodierungsformen der religiösen Botschaft. Mimik und Gestik des Redners kam fundamentale Bedeutung für das Gelingen des Vortrages zu. Die Ästhetik des Mediums der mittelalterlichen Predigt war nicht nur auf die kunstvolle, nach Maßgabe antiker Rhetorik strukturierte Sprachverwendung beschränkt. Sie besaß ein großes semiotisches, sinnlich wahrnehmbares Feld. Neben sprachlichen stehen nichtsprachliche Handlungen. Dies gilt für die Predigt im Rahmen der Meßliturgie 5, in viel stärkerem Maße jedoch noch für die sich seit dem 12. Jahrhundert zunehmend vom Ritus lösenden unterschiedlichen Formen des officium praedicandi. Die spätmittelalterliche Predigt war „ein vieldeutiger und insofern riskanter kommunikativer Akt, zahllosen Mißverständnissen ausgesetzt, der stets lauernden Gefahr unfreiwilliger Komik ausgeliefert – expressives ‚Körpertheater‘ weit mehr als verbalrationale Verkündigungspraxis“ 6. Die Bemühungen um die Predigtdisziplin zielten im Mittelalter daher zunehmend auf eine „verstärkte Habitualisierung und Habituskontrolle“ 7, in der es nicht zuletzt auch um die Normierung und Regulierung der Körpersprache, der Gesten und Gebärden ging. 8

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Bonaventurae, Quaracchi-Florenz 1959, S. 458. Zu Predigern als Trägern des göttlichen Wortes auch DEBBY, Renaissance Florence in the Rhetoric of Two Popular Preachers, S. 37. Einige knappe Beispiele finden sich bei SCHNEYER, Heilsbedeutung, S. 162-170. Karl-Heinrich Bieritz konzentriert seine Ausführungen zur Predigt zwar auf das gesprochene Wort, stellt dies aber in den Kontext der kommunikativen Handlung des Gottesdienstes mit einem breiten semiotischen Feld. Letztlich ist auch die Predigt nicht unabhängig von nonverbalen Codes. Vgl. KARL-HEINRICH BIERITZ, Das Wort im Gottesdienst, in: Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft, Teil 3: Gestalt des Gottesdienstes. Sprachliche und nichtsprachliche Ausdrucksformen, hg. von Hans Bernhard Meyer u.a., Regensburg 1987, S. 47-96. NORBERT SCHINDLER, Die Prinzipien des Hörensagens. Predigt und Publikum in der Frühen Neuzeit, in: Historische Anthropologie. Kultur – Gesellschaft – Alltag 1 (1993), S. 362. EBENDA, S. 363. JEAN-CLAUDE SCHMITT, Die Logik der Gesten im europäischen Mittelalter, Stuttgart 1992, bes. S. 264-269.

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Ohne den Anspruch zu erheben, „generelle Konstruktionsregeln religiöser Symbolsysteme“ 9 aufzustellen und die Frage nach der Priorität von Kodierungsformen sowie deren wechselseitiges Verhältnis abschließend zu beantworten, nehme ich die zwei wesentlichen Dimensionen in den Blick, über die Predigt wirken sollte. Zur Vermittlung ihrer Predigtbotschaften vertrauten die franziskanischen Prediger, die ihr officium praedicandi im spätmittelalterlichen Italien ausübten, nicht allein auf die ‚Macht‘ des Wortes. Neben sprachlichdiskursiven Praktiken nutzten sie demonstrativ-inszenatorische und performative Akte, die nicht selten Gegenstand von Kritik und beißendem Spott waren 10, um ihr Predigtpublikum zu einem gottgefälligen Handeln zu bringen.

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FRITZ STOLZ, Effekt und Kommunikation. Handlung im Verhältnis zu anderen Kodierungsformen von Religion, in: Religion als Kommunikation, hg. von Hartmann Tyrell, Volkhard Krech und Hubert Knoblauch, Würzburg 1998, S. 302. Hartmann Tyrell beschreibt die mündliche Predigt als „begeisterte Affektkommunikation (mit gestisch-mimischer Begleitmusik)“. HARTMANN TYRELL, Religiöse Kommunikation. Auge, Ohr und Medienvielfalt, in: Frömmigkeit im Mittelalter. Politisch-soziale Kontexte, visuelle Praxis, körperliche Ausdrucksformen, hg. von Klaus Schreiner, München 2002, S. 89. Eine erschöpfende Analyse nichtsprachlicher Zeichen im Rahmen der mendikantischen Predigt während der Renaissance in Italien ist bisher noch nicht geleistet worden. Einiges zur Mendikantenpredigt als „theatrical performance“ bot zuletzt DEBBY, Renaissance Florence in the Rhetoric of Two Popular Preachers, S. 52-55 u. 203f. Gerade die beeindruckenden Predigtauftritte von Mendikanten wurden aufgrund des inszenatorischen und performativen Gehalts zuweilen als Ritual verstanden. So etwa bei CYNTHIA LOUISE POLECRITTI, Preaching Peace in Renaissance Italy. Bernardino of Siena and his Audience, Washington D.C. 2000, S. 74-83 und JACQUES CHIFFOLEAU, La religion flamboyante (vers 1320-vers 1520), in: Histoire de la France religieuse, Bd. 2, hg. von Jacques Le Goff und René Rémond, Paris 1988, S. 98-109. Sowohl Polecritti als auch Chiffoleau verzichteten jedoch in diesem Zusammenhang auf eine Diskussion des Ritualbegriffs. Inwieweit ihre „Inszeniertheit und ästhetische Elaboriertheit“ derart intensiviert sind, daß sie das „unterscheidende Kriterium zu anderen konventionalisierten Handlungen“ bieten und demnach als Ritual gelten können, sei erst einmal dahingestellt. Die Zitate sind WOLFGANG BRAUNGART, Ritual und Literatur, Tübingen 1996, S. 41 u. 45 entnommen. Braungart definierte darin als Ritual: „Beim Ritual wird a) eine Handlung wiederholt. Diese wird b) explizit gemacht und inszeniert, womöglich bis hin zu einer besonderen Festlichkeit und Feierlichkeit. Die rituelle Handlung ist selbstbezüglich c) und zugleich d) sozial funktional und in dieser Hinsicht kommunikativ. Ihre Teilnehmer sind Akteure und Zuschauer e), die sich der Bedeutsamkeit des Rituals bewußt sind. Die rituelle Handlung wird schließlich f) als ästhetisch ausgestalteter, expressiver, symbolischer Akt vollzogen. Dadurch hebt sich das Ritual von anderen WiederholungsHandlungen ab.“ EBENDA, S. 74. Nicht zuletzt ein solches Körpertheater mendikantischer Prediger im spätmittelalterlichen Italien war Anlaß zu Kritik. Besonders Humanisten erteilten einem derartigen Verhalten eine Absage. Einiges dazu bei CONCETTA BIANCA/ENRICO SPINELLI, San Bernardino nella polemica anticlericale di Masuccio Salernitano, in: S. Bernardino da Siena predicatore e pellegrino. Atti del Convegno Internazionale di Studi

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Predigt im Kontext politischer Praxis

Predigt war für das Publikum daher nicht nur ein Akt des Hörens, sondern auch des Schauens. Wer sich der franziskanischen Predigt als Kommunikationsmedium nähert, darf bei der Frage nach den Vermittlungsformen den Erkenntnisgegenstand daher nicht nur auf diskursive Praktiken beschränken, sondern muß immer auch präsentative Symboliken bedenken, ohne voreilig den Vorrang einer bestimmten Kodierungsform der intendierten Predigtbotschaft zu betonen. 11 Dies ist umso dringender geboten, als demonstrative und inszenatorische Aspekte herausragende Charakteristika öffentlicher Kommunikation innerhalb vormoderner Gesellschaften darstellten. 12 Darstellungen der präsentativen Ausdrucksformen müssen jedoch aufgrund der Überlieferungslage fragmentarisch bleiben. Nachrichten darüber, welche Akte des Performativen franziskanische Prediger unternahmen, um ihrer religiösen Botschaft Geltung zu verschaffen, sind nur selten auf uns gekommen. Aus den umfangreichen Reihen an Modellpredigten, die franziskanische Prediger im spätmittelalterlichen Italien niederschrieben und zusammenstellten, erfährt der heutige Leser zumeist nichts über Predigt als vielschichtiges

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Bernardiniana, Maiori, 20.-22. Juni 1980, hg. von Francesco d’Episcopo, Galatina 1985, S. 181-196. In diesem Zusammenhang sollen diskursive Praktiken als sprachlich vermittelte Symbole von präsentativen Symbolen, d.h. nichtsprachlichen Zeichen, „die eine Art, einen Modus, eine Gegenstandsart mit dem interpretierenden Bewußtsein verbinden“, unterschieden werden. HARRY PROSS, Politische Symbolik. Theorie und Praxis der öffentlichen Kommunikation, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz, 1974, S. 23. Zur Differenzierung zwischen diskursiven und präsentativen Zeichen bzw. Symbolen vgl. EBENDA, S. 13-24. Zum Verhältnis diskursiver und präsentativer Symboliken immer noch äußerst anregend SUSANNE K. LANGER, Philosophie auf neuem Wege. Das Symbol im Denken, im Ritus und in der Kunst, Frankfurt a.M. 1965. Langer betonte die Schwerfälligkeit des diskursiven Mediums Sprache, während präsentative Symbole unmittelbar zu den Sinnen des Rezipienten sprechen. Der im weiteren Verlauf meiner Untersuchung verwendete Diskursbegriff sprachwissenschaftlicher Provenienz unterscheidet sich grundlegend vom Diskursbegriff Michel Foucaults. Vgl. AUER, Sprachliche Interaktion, S. 235. Soziale Kommunikation verläuft sowohl über diskursive als auch präsentative Symbole. Für Rituale, die ebenfalls immer etwas mitteilen, betonte dies BRAUNGART, Ritual und Literatur, S. 115: „Ich will also keineswegs ikonische gegen sprachliche Zeichen ausspielen, weil im sinnhaften und sinnvollen Vollzug auch die sprachlichen Elemente des Rituals durchaus sinnlich und vorbegrifflich realisiert werden können: im Klang, im Rhythmus, in der Tonhöhe, in der Melodie, bis hin zu ihrer Erscheinung als gedruckter Text auf dem Papier.“ Vgl. auch GEORG BRAUNGART, Die höfische Rede im zeremoniellen Ablauf. Fremdkörper oder Kern?, in: Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. von Jörg-Jochen Berns und Thomas Rahn, Tübingen 1995, S. 198-208. GERD ALTHOFF, Empörung, Tränen, Zerknirschung. ‚Emotionen‘ in der öffentlichen Kommunikation des Mittelalters, in: Frühmittelalterliche Studien 30 (1996), S. 63. Vgl. auch DERS., Demonstration und Inszenierung. Spielregeln der Kommunikation in mittelalterlicher Öffentlichkeit, in: Frühmittelalterliche Studien 27 (1993), S. 27-50.

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kommunikatives Ereignis, waren sie doch allein schon ihrer Zielsetzung nach abstrakt gehalten und nicht Ausdruck einer konkreten Predigtsituation. Allenfalls einige Einblicke über ‚Prediger in Aktion‘ erlauben reportationes. Etwas mehr erfährt man aus chronikalischen Überlieferungen der Zeit oder – gelangte ein Prediger in den Ruf der Selig- oder gar Heiligkeit – aus hagiographischen Lebensbeschreibungen, doch sind die Einträge auch hier zumeist äußerst kurz gehalten, wenig detailreich und erschöpfen sich vielfach in verklärenden Topoi.

2.1. Performanz Hinlänglich bekannt ist, nicht zuletzt durch die Widerstände, die sich dagegen von anderen Religiosen und kirchlichen Autoritäten regten, daß Bernardino da Siena während seiner Predigten häufig eine Tafel emporhielt, auf der mit goldenen Buchstaben das Jesusmonogramm ‚YHS‘ angebracht war. 13 Als Roberto Caracciolo da Lecce 1448 in Perugia die Fastenpredigten hielt, zeigte er seinem Predigtpublikum, das häufig schon zahlreich in der Nacht den Platz bevölkerte, an dem Roberto am folgenden Tag predigen sollte, immer wieder ein Kruzifix. So auch am Karfreitag, dem 29. März, wo er gleichzeitig zu seiner Predigt die Leidensgeschichte Christi nachstellen ließ. 14 Andernorts verfuhr er ebenso, etwa zu Rom 1482, als er in Santa Maria Maggiore predigte. 15 Zuweilen präsentierte er sich selbst als leidenden Erlöser, indem er sich eine Dornenkrone auf das Haupt setzte oder sich selbst mit ausgebreiteten Armen als Gekreuzigten stilisierte. 16 13

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Den Kult um den Namen des Erlösers, den der observante Franziskanerprediger damit begründete und der noch heute am Sieneser Rathaus, aber auch an zahlreichen anderen Gebäuden sichtbar ist, stieß nicht nur auf Zustimmung, sondern brachte Fra Bernardino in den Verdacht der Häresie, der erst nach heftigen Kontroversen ausgeräumt werden konnte. Der Augustinermönch Andrea Biglia äußerte sein Unverständnis über die von Bernardino da Siena während der Predigten gezeigte Tafel mit dem Jesusmonogramm. Vgl. RUDOLPHUS ARBESMANN, Andrea Biglia: „de ordinis nostri forma et propagatione“, in: Analecta Augustiniana 28 (1965), S. 154-218. Zum expressiven Predigtstil Bernardinos da Siena vgl. auch LINA BOLZONI, Teatralità e tecniche della memoria in Bernardino da Siena, in: Il francescanesimo e il teatro medievale. Atti del Convegno nazionale di studi, San Miniato, 8-10 ottobre 1982, hg. von der Società storica della Valdelsa, Castelfiorentino 1984, S. 215-243. Cronaca della città di Perugia dal 1309 al 1491, nota col nome di Diario del Graziani, hg. von Ariodante Fabretti, in: Archivio Storico Italiano 16 (1850), S. 597-600. Jacopo Gherardi da Volterra, Il Diario Romano, dal 7 settembre 1479 al 12 agosto 1484 (Rerum Italicarum Scriptores XXIII, 3), hg. von Enrico Carusi, Città di Castello 1904, S. 94. So in Padua 1455. Vgl. ORIANA VISANI RAVAIOLI, Testimonianze della predicazione di Roberto da Lecce a Padova, in: Predicazione francescana e società veneta nel Quattrocento, hg. von Giorgio Cracco, S. 191f.

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Predigt im Kontext politischer Praxis

Als Giovanni da Capestrano 1451 in Brescia predigte, zeigte er seinem Publikum die Kappe seines 1444 verstorbenen Ordensbruders Bernardino da Siena, der ein Jahr zuvor heiliggesprochen worden war und um den sich daraufhin in Italien rasch ein ausnehmend breiter Heiligenkult entwickelte. Die sogenannte ‚beretta di San Bernardino‘ führte Capestrano auch mit sich, als er kurz darauf seine berühmte Predigtreise über die Alpen antrat, bei der er wiederholt Leben und Wunder des Sieneser Volkspredigers verkündete. In Wien, wo er vor Friedrich III. predigte, der unter Vermittlung Enea Silvio Piccolominis die Reise vom damaligen Papst Nikolaus V. erbeten hatte, bestrich Capestrano nach seinen täglichen Predigten mit großem Erfolg, schenkt man dem extra dafür angefertigten ‚Liber miraculorum‘ Glauben, zahlreiche Kranke, die sich eingefunden hatten, mit der scheinbar heilkräftigen Kopfbedeckung und dem wunderwirkenden Blut seines heiligen Ordensbruders. 17 Ob er die Reliquien auch während seiner Wiener Predigten dem Publikum präsentierte, ist – anders als für Erfurt 18 - nicht überliefert. Die Chronisten, die von seinen Predigten zu Nürnberg im Jahr 1452 berichten, schildern ein eindrucksvolles Szenario. Ehe Giovanni da Capestrano mit seinem Predigtzyklus begann, ordnete er sein Publikum. Männer und Frauen standen getrennt, ebenso wurden den Juden und den hilfesuchenden Siechen gesonderte Plätze zugewiesen. Während er predigte, zeigte er nicht nur die Kappe und das Blut des hl. Bernardino vor. Ebenso hielt er ein Stück des angeblichen Grabtuches Christi und ein Gewand, das Maria ehedem getragen haben sollte, empor. 19 Das Publikum reagierte überall ähnlich auf die Schau von Devotionalien und Reliquien. Paolo di Tommaso Montauri hielt fest, was dem Vorzeigen der Tafel mit dem Jesusmonogramm durch Bernardino da Siena 1424 in der Heimatstadt des observanten Franziskanerpredigers folgte: „Das ganze Volk fing an zu schreien, Jesus, Barmherzigkeit.“ 20 Der Ruf „Jesù, misericordia“ ertönte auch, nachdem Roberto Caracciolo da Lecce 1448 in Perugia seinem Publikum das Kruzifix entgegengehalten hatte. 21 Während der Predigten, die Fra Roberto im 17 18 19 20

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Nikolaus Glassberger, Chronica, S. 366. Hartung Cammermeister, Chronik, S. 131-133. Die Nürnberger Jahrbücher des 15. Jahrhunderts, S. 190-193. Paolo di Tommaso Montauri, Cronaca Senese, in: Cronache senesi (Rerum Italicarum Scriptores XV,6), hg. von Alessandro Lisini und Fabio Iacometti, Bologna 1931-1939, S. 803: „Frate Bernardino da Siena (...) predicò in sul Canpo di Siena (...) a dì 28 di marzo, lo sicondo dì di Pasqua rosata, mostrò una tavola dipinta, col nome di Gesù a lettare d’oro nel canpo azuro con 12 razi, en sul pergolo in sul Canpo misse stupore a tutta la gente gridando: ‚Jesù, misericordia‘ (...)“. Als Bernardino da Siena 1425 in Assisi über den Frieden predigte, rief das Volk lang anhaltend „paace, paace“. RUSCONI, Predico in piazza, S. 115. Es ist jedoch nicht überliefert, ob der observante Franziskanerprediger in diesem Zusammenhang seinem Publikum Gegenstände zeigte, die die Friedensrufe auslösten. Cronaca della città di Perugia dal 1309 al 1491, S. 598.

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Oktober des gleichen Jahres zu Rom hielt, brachen die Anwesenden in Schreie aus und erbaten wie die bußfertigen, jungen Männer, die, wohl berührt von den Predigten des Franziskaners am 23. Oktober zum Teil entblößt und sich geißelnd vom Franziskanerkloster Santa Maria in Aracoeli nach Santa Maria Maggiore zogen, immer wieder misericordia. 22 Ähnliches ereignete sich, als Giovanni da Capestrano im Februar 1451 in Brescia der großen Menschenmenge, die sich vor seiner Predigtkanzel eingefunden hatte, die Kappe des hl. Bernardino entgegenhielt: „Jeder schrie misericordia, misericordia.“ 23 Im Juni des gleichen Jahres erschien Roberto Caracciolo da Lecce in Brescia. Es ist überliefert, daß er während einer Predigt für mehr als eine Viertelstunde wie Christus am Kreuz mit ausgebreiteten Armen auf der Kanzel stand und in einen Zustand ekstatischer Erregung verfiel, worauf hin die Zuschauer unablässig „mira, mira, mira; mirabilis Deus in factis eius“ 24 skandierten. Ähnliches läßt sich auch später noch beobachten. 1496 schrie in Orvieto eine Frau „Giesù, Giesù“ während ein nicht namentlich genannter Bettelmönch seine Predigten hielt. Die Teilnehmer der Prozession, die sich im Anschluß daran formierte, riefen ebenfalls den Erlöser an und erbaten göttliche Hilfe: „Giesù, Giesù, Dio ci ajute“ 25. Als 1529 der spanische Mönch Tommaso Nieto in den Mailänder Dom einzog, um dort zu predigen, trug man zugleich auf einer Bahre das Sakrament hinein. Wiederum erscholl der Ruf ‚misericordia‘. 26 Die Reaktionen des Publikums erschöpften sich jedoch nicht allein im Schreien. Zugleich war Predigt ein ausnehmend tränenreiches Ereignis. Ehe das Publikum 1451 in Brescia im beschriebenen theatralischen Auftreten Roberto Caracciolo da Lecces ein gottgewirktes Wunder wahrnahm, weinten die Zuhörer zuvor äußerst heftig. Als der Franziskaner drei Jahre zuvor in Perugia predigte, dauerte das Weinen und Rufen, glaubt man dem städtischen Chronisten, ungefähr eine halbe Stunde an. 27 Tränen begleiteten auch die

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Stefano Infessura, Diario della città di Roma, hg. von Oreste Tommasini, Rom 1890, S. 47f.: „Et depò del mese di settembre venne a Roma frate Roberto, e predico nella piazza di Campituoglio, et fece fare de molte paci in Roma, et tutti strillavano misericordia per la grande moria ch’era in Roma; et a dì 23 d’ottobre andaro li garzoni nudi frustandose dall’Araceli per fino ad Santa Maria Maiore, et gridando sempre misericordia per la grande moria ch’era.“ Cristoforo da Soldo, Cronaca, S. 102f. ZANELLI, Predicatori a Brescia, S. 106f. RUSCONI, Predico in piazza, S. 141. JACOB BURCKHARDT, Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch, Stuttgart 111988, S. 357. Vgl. auch KLAUS SCHREINER, Nudis pedibus. Barfüßigkeit als religiöses und politisches Ritual, in: Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter, hg. von Gerd Althoff, Stuttgart 2001, S. 83, Anm. 85. Cronaca della città di Perugia dal 1309 al 1491, S. 598: „(...) che fece piangere ogni persona cordialissimamente, et durò circa meza ora el piangere e ‘l gridare Iesu misericordia (...)“.

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Predigten Bernardinos da Siena oder Giovannis da Capestrano. 28 Die Prediger selbst hielten sich dabei nicht zurück. In Rom weinte Roberto Caracciolo da Lecce als er während der Karfreitagspredigt 1482 das Kreuz, an dem Christi litt, hochhielt derart, daß auch das Publikum zu Tränen gerührt war. 29 Wie läßt sich das Wechselspiel zwischen der Schau frommer Gegenstände und dem sich anschließenden Schreien und Weinen interpretieren? Meines Erachtens dokumentiert dies zweierlei. Zum einen die von den Predigern beabsichtigte und erfolgreich vollzogene Interferenz zwischen dem Prediger und seinem Publikum. Die franziskanischen Prediger zielten nicht nur auf zukünftiges Handeln ihrer Adressaten treu des ihnen vorgetragenen christlichen Glaubens und christlicher Moralität im Anschluß an die Predigt. Zugleich beabsichtigten sie, eine Übereinstimmung mit ihren Zuhörern und die Läuterung des Publikums schon während der Ausübung des officium praedicandi zu erzielen. In ihren Überlegungen zur Predigt, die sie vereinzelt in die umfangreichen Reihen an Modellpredigten vorbrachten, formulierten sie dies ausdrücklich. Prediger wie Bernardino da Siena und Bernardino da Busti banden die verbi dei communicatio an die unmittelbare actio der Zuhörer. Das eine ohne das andere war für eine gelungene Predigt nicht vorstellbar. Unter communicatio verstanden sie nicht nur den Akt der Mitteilung, sondern auch die Teilhabe an der religiösen Botschaft, die sich im Austausch und in der freundschaftlichen Vergemeinschaftung von Prediger und Publikum ausdrückte. 30 Diesem Ziel dienten neben Worten auch die angesprochenen visuellen Aspekte: „In the highly visual culture of the Quattrocento Italy the sermon was a spectacle which combined both hearing and seeing, and the rapport between preacher and listeners was cemented not only by the mental bonds of words, but by the audience participation.“ 31 Im Zeigen frommer Gegenstände und dem darauf folgenden Rufen und Weinen manifestierte sich der Versuch der Prediger erfolgreich, ihr Publikum nicht mehr in der Rolle des stummen Teilnehmers zu belassen und einen affektiven Austausch zu erreichen. 28 29

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DIONISIO PACETTI, La predicazione di San Bernardino da Siena a Perugia e ad Assisi nel 1425, in: Collectanea Francescane 9 (1939), S. 507. Jacopo Gherardi, Il Diario Romano, S. 94: „Mano vero diei [veneris sancta; M.H.] huius Robertus Aquinas presul predictus in area Laurentii in Damaso, inter predicandum extulit simulacrum crucifixi Salvatoris nostri, lacrimas ipse et plerisque lacrimas idemtidem excutiens (...)“. Bernardinus Senensis, Sermones imperfecti, Sermo 3: De verbo Dei et de conditionibus auditorum (Opera Omnia 8), hg. vom Collegium Bonaventurae, Quaracchi-Florenz 1963, S. 11-14. Bernardino da Busti, Rosarium, Pars I, fol. 2v u. 10r/v. Mit Bezug auf Aristoteles macht Busti Vergemeinschaftung zum Wesen von communicatio, wenn er aus der aristotelischen Ethik betont „(...) in communicatione omnis amicitia est (...)“ und ausführt, daß er während der Predigten in der Fastenzeit Gemeinschaft mit den Zuhörern an der göttlichen Weisheit anstrebt: „Idcirco ego vobis in hac sacra quadragesima communicare intendo thesauros inextimabiles divine sapientie (...)“. POLECRITTI, Preaching Peace, S. 67.

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Auf den ersten Blick erscheint das vielfach zu beobachtende Rufen und Weinen als Ausdruck einer spontanen Gefühlsregung. Wo sich franzisikanische Prediger über die gewünschte Reaktion auf die Schau frommer Gegenstände nicht sicher sein konnten, überließen sie jedoch nichts dem Zufall. War ein Predigtpublikum in italienischen Städten wohl an jene demonstrativ-inszenatorische Aspekte gewöhnt und wußte, was von ihm erwartet wurde, konnten sich italienische Franziskanerprediger, die ihre Heimat verlassen hatten, um andernorts zu predigen, der Reaktionen nicht sicher sein. Als Giovanni da Capestrano außerhalb Italiens predigte, rief sein Predigtstil Verwunderung und Befremden hervor. Der observante Franziskanerprediger steuerte dem gezielt entgegen. Das Beispiel seines Auftretens in Erfurt macht kenntlich, daß Geschrei und Tränen mitunter das Ergebnis einer eingeübten Interaktion zwischen Prediger und Publikum war. Capestrano, dessen lateinische Predigten erst in die jeweilige Volkssprache übersetzt wurden, nachdem er geendet hatte, war damit erfolgreich. Nachdem er zuvor seine Zuhörer und Zuschauer angewiesen hatte, wie sie sich angesichts der Kappe des hl. Bernardino verhalten sollten, fiel das Ergebnis während der Predigt wie gewünscht aus. Die Menschen taten, was ihnen zuvor eingeschärft worden war: Alle, so der Chronist und Erfurter Bürgermeister Hartung Cammermeister, brachen in den Ruf „Jesus, misericordia“ 32 aus. Die Schau von Devotionalien und Reliquien oder die Nachahmung des leidenden Herrn, wie es Roberto Caracciolo praktizierte, diente zudem ganz konkret der Förderung des entsprechenden Heiligenkults und der Intensivierung der Jesus- und Passionsfrömmigkeit, die eine exponierte Stellung innerhalb der franziskanischen Spiritualität einnahm, galt doch der Ordensgründer und die personifizierte norma vitae minorum, der hl. Franziskus, der zum Ende seines Lebens hin die Stigmata empfangen hatte, als alter christus. Doch ging es nicht allein darum, sich etwa des Lebens und der Wunder Bernardinos da Siena zu erinnern, oder um die compassio angesichts des Leidens Christi. Daneben zielten franziskanische Prediger mit derartigen präsentativen Praktiken auf die Bewegung des Gewissens ihrer Zuschauer und Zuhörer. Alles diente letztlich dazu, Christen in der Predigt zur Selbsterkenntnis zu bringen, auf daß sie ihre Sünden bereuten und diese im Anschluß an die durch die Predigt ausgelöste Selbsterforschung in der Beichte bekannten und abschließend büßten. Die Tränen des Publikums galten im Anschluß an Augustinus in der mittelalterlichen Predigtlehre als Ausdruck einer erfolgreichen Gewissensrührung. Christliche Theologen neigten der Ansicht zu, daß Tränen, deren Fluß in angemessener, nicht übertriebener Weise zu erfolgen habe, Gewähr dafür geben, daß der Aufruf, von Sünden Abstand zu nehmen, Buße zu tun und ein tugendhaftes, gottgefälliges Leben zu führen, den Prediger 32

Hartung Cammermeister, Chronik, S. 131-133.

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wortgewaltig und visuell vermittelten, emotional evident geworden war. 33 Ebenso wie das Weinen im Predigtpublikum sollten die Rufe nach Jesus Christus, nach göttlicher Hilfe und Barmherzigkeit eine erfolgreiche Gewissensrührung zum Ausdruck bringen. Anders als Tränen war das Rufen während der Predigt jedoch nicht Gegenstand expliziter Überlegungen im Kontext der mittelalterlichen Predigttheorie, noch erfolgte es nach Maßgabe gelehrter Theologie. Innerhalb der mittelalterlichen Frömmigkeitspraxis lassen sich jedoch Vorbilder für ein solches Verhalten finden. Zu Beginn der großen Bußbewegung des Jahres 1233 trat in den italienischen Kommunen ein Wanderprediger namens Benedikt auf. Zu Beginn seiner Predigten blies er eine Trompete und rief anschließend dreimal Alleluia, worauf die Anwesenden mit einem Alleluia antworteten. 34 Die Anhänger der sogenannten Bewegung der bianchi, die am Ende des 14. Jahrhunderts – zeitlich also nicht weit von den Predigten der italienischen Franziskaner im 15. Jahrhundert entfernt – in vielen Städte Ober- und Mittelitaliens auftraten, beriefen sich auf eine Erscheinung der Gottesmutter Maria. Diese habe ihnen befohlen, sich zum Zeichen der Buße weiß zu kleiden, barfuß zu gehen sowie pace und misericordia zu rufen. 35

2.2. Diskurse Der Nutzen von exempla zur Vermittlung von Predigtinhalten wurde in der Predigttheorie des späteren Mittelalters immer wieder betont und war franziskanischen Predigern ausdrücklich durch ihre Ordensregel nahegelegt. Die Beispiele, mit denen franziskanische Prediger Juden stigmatisierten, sind Ausdruck des franziskanischen Antijudaismus, aber auch Mittel zum Zweck, um dem Gebot, Abstand zu halten, Nachdruck zu verleihen. Bernardino da Siena neigte der Ansicht zu, daß neben der Verwendung von Beispielgeschichten und dem „stato virtuoso“ des Predigers das Gewissen der Zuhörer durch das Wechselspiel von furchterregenden und lieblichen Worten zu bewegen sei. Auf der einen Seite müsse der Prediger damit über negative Konsequenzen für sündhaftes Handeln, etwa Höllenstrafen und göttliche Richtersprüche aufklären, andererseits Verdienste für tugendhaftes Verhalten in Aussicht stellen. 36 Jacob Burckhardt beschrieb die pastorale Strategie der Angst, die 33 34 35 36

DOROTHEA ROTH, Die mittelalterliche Predigttheorie und das Manuale Curatorum des Johann Ulrich Surgant, Basel 1959, S. 24f. THOMPSON, Revival Preachers, S. 29. SCHREINER, Nudis pedibus, S. 83. Bernardinus Senensis, Itinerarium anni, Sermo 15: In sexagesima (Opera Omnia 8), S. 195: „De 3° nota quod tria debet habere predicator ad movendum auditorum mentes, scilicet qualiter materia requirit. Primum est el verbo timoroso, sicut de poenis infernis, de iudiciis Die etc., vel amoroso, sicut de gloria paradisi, vel de vitiis propriis et virtutibus; pro 2° exemplum de Regula nostra etc. 2um est el modo paventoso, vel amoroso secundum occurentem materiam, ut debet esse. Exemplum de

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Prediger verfolgten, kenntnisreich in seiner erstmals 1860 veröffentlichten Studie über ‚Die Kultur der Renaissance in Italien‘: „Das ganze übrige Abendland ließ sich von Zeit zu Zeit durch die Rede heiliger Mönche rühren, allein was wollte dies heißen neben der periodischen Erschütterung der italienischen Städte und Landschaften?“ 37 Prediger riefen, so der Baseler Gelehrte, einen „kolossalen Eindruck des Augenblicks“ hervor, der „wesentlich auf Erregung des Gewissens“ beruhte: „Das gewaltigste Argument war weniger die Drohung mit Fegefeuer und Hölle, als vielmehr die höchst lebendige Entwicklung der maledizione, des zeitlichen, in der Person wirkenden Fluchs, der sich an das Böse knüpft. Die Betrübung Christi und der Heiligen hat ihre Folgen im Leben. Nur so konnte man die in Leidenschaften, Racheschwüren und Verbrechen verrannten Menschen zur Sühne und Buße bringen, was bei weitem der wichtigste Zweck war.“ 38 Die von Burckhardt angeführte Gewissenserregung des Augenblicks genügte jedoch nicht – darauf deuten bereits die geschilderten Konflikte zwischen Obrigkeiten und Predigern hin – der Predigtbotschaft politische Dauer zu verleihen. Max Weber neigte der Ansicht zu, daß Predigt als Spezifikum der Prophetie „ihre Macht am stärksten in Epochen prophetischer Erregung“ 39 entfalte. Im Alltagsbetrieb sehe sie sich einer Laienkultur gegenüber, die in hohem Maße von „traditionellen Vorstellungskreisen“ und einem „Rationalismus der Laien“ 40 geprägt sei. Die „Macht des prophetischen Charisma und die beharrenden Gewohnheiten der Massen wirken also“, so Weber, „in vieler Hinsicht in entgegengesetzter Richtung, auf die systematisierende Arbeit der Priesterschaft ein“ 41 und die „praktischen Aufgaben von Predigt und Seelsorge sind es auch, (...) welche die inhaltliche Veralltäglichung der prophetischen Anforderungen in Einzelvorschriften (...) kasuistischen und insofern (gegenüber

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rhetorico. 3um, lo stato virtuoso, ut vel sit, vel saltem conetur esse virtuosus (...)“. Die franziskanische Regula bullata wies die Prediger ebenfalls an, im Zusammenhang mit der Darstellung von Laster und Tugenden über poena und gloria zu predigen. Vgl. Rb, cap. 9. Die Instrumentalisierung antijüdischer exempla durch italienische Franziskanerprediger im 15. und frühen 16. Jahrhundert habe ich bereits in den Ausführungen zum franziskanischen Judenbild im Kontext politischer Diskussion kenntlich gemacht. Carlo Delcorno hat gezeigt, daß Bernardino da Siena in seinen volkssprachlichen Predigten 756 exempla angeführt hat. Mit Blick auf 411 Beispielgeschichten, in denen der Sieneser Volksprediger historische Ereignisse schildert oder persönliche Erfahrungen verarbeitet, spricht Delcorno von einer Säkularisierung des Exempels bei Bernardino da Siena. DELCORNO, Exemplum, S. 80. BURCKHARDT, Die Kultur der Renaissance, S. 341. EBENDA, S. 341f. WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 283. EBENDA, S. 284f. EBENDA, S. 285.

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der Prophetenethik) rationaleren Charakters“ 42 nach sich ziehen. Um ihre Wirkung zu erhöhen, könnten sich Prediger daher nicht allein auf göttliche Autorität berufen oder auf ihr Charisma als ‚heilige‘ Männer verlassen. Vielmehr müßten sie zur Absicherung längerfristiger Erfolge den traditionellen und rationalen Vorstellungskreisen der Laienwelt entgegenkommen. 43 Mit Blick auf Herrschaftsträger heißt das für die Prediger, an diese als Instanzen von Recht und Gerechtigkeit zu appellieren. Neben der pastoralen Strategie der Angst läßt sich eine spezifische Gerechtigkeitskonzeption als diskursive Elemente der persuasiven Strategie ausmachen, mit der die Prediger ihrer Vorstellung von einer wohlgeordneten societas christiana Überzeugungskraft verleihen wollten. Der drohende Zerfall des christlichen Gemeinwesens in Folge sündhaften Handelns war ein häufiges Thema franziskanischer Prediger. Sie waren von der Zerstörung des bonum commune durch den jüdischen Wucher überzeugt. Als Bernardino da Siena 1427 in seiner Heimatstadt predigte, warnte er sein Publikum eindringlich vor der Aufnahme jüdischer Kreditoren in der Stadt. Es sei sicher, so Bernardino, daß dadurch das Gemeinwesen und die Wohlfahrt der Stadt vollends verfalle. 44 Zugleich drohte er weitere Konsequenzen an: „Ich sage dies nicht“, so der observante Franziskaner, „jemand zu schaden und ich will auch keinen Namen dabei nennen; ich führe bloß den Fall an, wie er liegt: 42 43

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EBENDA, S. 284. Zu Charisma, charismatischer Herrschaft und ihrer Umbildung EBENDA, S. 122-124, 140-148 u. 654-681. Weber definierte als Charisma „eine als außeralltäglich (...) geltende Qualität einer Persönlichkeit (...), um derentwillen sie als mit übernatürlichen oder übermenschlichen oder mindestens spezifisch außeralltäglichen, nicht jedem andern zugänglichen Kräften oder Eigenschaften [begabt] oder als gottgesandt oder als vorbildlich und deshalb als „Führer“ gewertet wird“. EBENDA, S. 140. Als ein spezifischer Typ sozialer Beziehung nimmt sie bei Weber eine Schlüsselfunktion in der Verknüpfung von Religions- und Herrschaftssoziologie ein, wenn Weber unter den reinsten Typen charismatischer Herrschaft die Herrschaft des Propheten anführt. MAX WEBER, Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 71988, S. 481f. Eine kurze Einführung zur Konzeption von Charisma und charismatischer Herrschaft bei Weber bot WILFRIED NIPPEL, Charisma und Herrschaft, in: Virtuosen der Macht. Herrschaft und Charisma von Perikles bis Mao, hg. von dems., München 2000, S. 7-22. KARL JOSEF HEFELE, Der Hl. Bernhardin von Siena und die franziskanische Wanderpredigt in Italien während des XV. Jahrhunderts, Freiburg i.Br. 1912, S. 49. Als Giacomo Ongarelli zu Beginn des 16. Jahrhunderts Papst Leo X. dazu aufforderte, Sorge dafür zu tragen, daß Juden von ihrem sündhaften Geldgeschäften ließen und jüdische Wucherer aus der societas christiana ausgeschlossen werden, malte er ein düsteres Bild von den Zuständen der Stadtgesellschaften im zeitgenössischen Italien. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 37, fol. 106v: „(...) Judei ubique conducantur ad usuras exercendas castra utique occuparunt, villas, oppidas ac civitates (...)“. Ongarelli machte deutlich, daß die jüdischen Geldgeschäfte nicht die Wirtschaft der Städte stärke, sondern vielmehr ihren Ruin bedeute. Die franziskanischen Prediger betonten immer wieder, daß es eine irrige Meinung sei, zu glauben, für ökonomische Wohlfahrt sei die jüdische Geldleihe unverzichtbar.

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wenn ihr beschlossen habt, daß der Jude in eurem Auftrag oder mit eurer Unterstützung hier in Siena Wuchergeschäfte treiben soll, so ist jeder, der dazu seine Stimme hergab, der großen Exkommunikation verfallen.“ 45 Bernardino da Siena berief sich auf geltendes Kirchenrecht, das die excommunicatio maior für jene vorsah, die den Wucher begünstigten, um weltlichen Herrschaftsträgern nahezubringen, von einem solchen Handeln Abstand zu nehmen. 46 Mehr noch als die „Exkommunikation des Papstes, mit der du nicht selig werden kannst“ 47, warnten franziskanische Prediger vor göttlichen Strafen auf Erden, um ihren antijüdischen Forderungen Geltungskraft für politisches Handeln zu geben. Als gottgesandtes Unheil für begangene Sünden betrachteten franziskanische Prediger vor allem die Pest. 48 Am heiligen Abend 1497 predigte der observante Franziskaner Timoteo da Lucca († 1513) in San Marco, dem kirchlichen und politischen Zentrum Venedigs. 49 Er gestand der städtischen Obrigkeit zu, daß sie weise handele, wenn sie aus Angst vor der Pest die Kirchen der Stadt schlösse. Gleichwohl bewahre dies nicht vor dem Ausbruch der gefürchteten Krankheit, falls es Gottes Wille sei, sie zu senden. Schutz davor biete nur, so Fra Timoteo, falls man die Ursache der Pest, die 45 46

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Zitiert nach HEFELE, Bernhardin, S. 49. Bernardinus Senensis, Quadragesimale de evangelio aeterno, Sermo 16: De regimine principum et quorumcumque regentium (Opera Omnia 3), S. 299: „Et licet multi ex usurario manifesto illaqueentur et periclitentur, mundi tamen principes, domini et rectores, nescio qua insensibilitate vel vili cupiditate, mutuandi ad usuram directe vel indirecte perhibent libertatem et maiorem excommunicationem incurrunt, sicut manifeste apparet in Clementinis, De usuris, cap. ‚Ex gravi‘; et omnem illam usuram satisfacere obligantur, quae eorum licentia vel favore usurarii lucrati sunt, si per recipientes usuras non fuerit satisfactum.“ Zitiert nach HEFELE, Bernhardin, S. 49. Franziskanische Prediger drohten immer wieder mit der Exkommunikation. Giacomo Ongarelli verlieh dem Argument zusätzliches Gewicht, indem er an einen König Aragoniens erinnerte, den die kirchliche Sanktion traf. Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 72, fol. 157r: „Regem Aragonie excommunicationem fuisse ex eo quia permittebat Judeos in regno suo fenerari, et tributum levabat ab eis.“ Bernardinus Senensis, Sermones de tempore, Sermo 1: De variis iudiciis et tormnetis inflictis peccatoribus in adventu iusti iudicis Iesu Christi (Opera Omnia 7), S. 11f.: „Art. II: De tribus flagellis peccatoribus, et maxime carnalibus, a Deo temporaliter datis (...) Quomodo flagellat Christus homines carnales per infirmitates, maxime pestilentiales (...)“. Der Pest als göttliche Strafe auf Erden für sündhaftes Handeln widmeten die Prediger zuweilen ganze Predigten. Vgl. Roberto Caracciolo da Lecce, Sermo de iudicio pestilentie, in: ders., Opera Varia, Venedig 1479, fol. 238v-239r. Zu Platz und Kirche San Marco in Venedig als politisches Zentrum vgl. ELISABETH CROUZET-PAVAN, „Sopra le aque salse“. Espaces, pouvoir et société à Venise à la fin du Moyen Âge, Bd. 2, Rom 1992, S. 932-954. Zu politischer Öffentlichkeit von San Marco in Venedig vgl. auch die entsprechenden Ausführungen bei EDWARD MUIR/RONALD F.E. WEISSMAN, Social and Symbolic Places in Renaissance Venice and Florence, in: The Power of Places. Bringing Together Geographical and Sociological Imagination, hg. von John A. Agnew und James S. Duncan, Boston 1989, S. 81-103; RICHARD MACKENNEY, Public and Private in Renaissance Venice, in: Renaissance Studies 12 (1998), S. 109-130.

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schrecklichen Sünden wie Blasphemie Sodomie und Wucher, die in der Stadt begangen würden, bekämpfe. 50 Als Bernardino da Feltre 1493 während der vorösterlichen Fastenzeit in Pavia über die Geißeln Gottes und ihre Zeichen predigte, demonstrierte er seinem Publikum anhand eines spektakulären Beispiels die unlösbare Verbindung von Pest und wucherischem Handeln. Er erinnerte an die Predigten, die Bernardino da Siena 1444 in Vicenza hielt. Angesichts der Pest, die in jenem Jahr in der Stadt wütete, habe sein Ordensbruder in Aussicht gestellt, die Bürger könnten sich davon befreien, falls die Wucherer der Stadt verwiesen würde. In Vicenza habe man den Rat des Predigers befolgt, worauf das Sterben aufhörte. Bis 1488 blieb die Stadt von der Pest verschont. Als sich dann jedoch wieder jemand daran gemacht hätte, Wechselbänke herauszustellen, sei sie zurückgekommen. Weder Gelübde noch Gebete hätten dagegen geholfen. Daraufhin habe sich ein alter Mann der Predigten Bernardinos da Siena erinnert. Die Stadt hätte erneut den Wucher verboten, eine Monte di Pietà eingerichtet und sich somit wiederum von der Pest befreit. 51 Giacomo Ongarelli griff zwei Jahrzehnte später die Erzählung Bernardinos da Feltre nicht allein auf, um darzutun, warum wuchernde Juden in der christlichen Gesellschaft nicht zu dulden seien. Er machte sie zu einem Argument, das helfen sollte, gegen die unterschiedlichsten Verbrechen (varia scelera), derer sich Juden schuldig machen, vorzugehen. Sie seien pestbringende

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I Diarii di Marino Sanuto, Bd. 1, Venedig 1879, Sp. 836: „Signori, vui fate serar le chiese per paura di la peste; fate prudentemente; ma se Dio vorrà, non vallerà a far serar le chiese. Se voria remediar a le cause che induce la peste, ch’è li peccati orendi che si fa: e bestemiar Dio e santi, le scuole di le sodomie, li infiniti contrati usurarii si fa in Rialto; e per tutto el vender de la Justicia et far in favor del richo e contra il povero. E pezo: quando viene qualche Signor in questa terra, li mostrate li monasterii di monache, non monasterii, ma postribuli et bordelli publici. Serenissimo principe! io so che non sete ignorante e che tutto sapeti meglio che mi. Provedete, provedete e provedereti alla peste.“ Bereits Bernardino da Siena hatte in seiner Modellpredigt wider den Wucher in Anlehnung an die Offenbarung des Johannes [Apoc 6,8; M.H.] unter anderem auf Mord, Hunger, Pest als gottgewirkte mala corporalia verwiesen, die wucherisches Wirtschaftshandeln in der christlichen Gesellschaft provoziere. Vgl. Bernardinus Senensis, Quadragesimale de evangelio aeterno, Sermo 43: Quantum usura adversatur Deo et usurarium idolatrare facit (Opera Omnia 4), S. 386: „Quatuor quidem flagella et mala provenire propter eas super christianorum corpora permittit Deus: primum sunt homicidia; secundum fames; tertium, pestes; quartum, crudelitas bestiarum (...)“. Bernardino da Feltre, Sermoni del Quaresimale di Pavia, Bd. 1, S. 277: „Dic de Sancto Bernardino, qui existens Vicentie, 1444 erat magna pestis et dixit: State super clericam meam, deponite usuras, et cessabit pestis; et ita factum est, usque ad 1488. Tunc unus posuit foras banchum ad usuras, et ecce pestis, et nunquam potuit cessare, nec votis, nec orationibus, nec aliquo modo. Dixit unus senex: Sumus stulti etc., fregimus fidem Sancto Bernardino, et ipse nobis, quia frangenti fidem etc. Cessaverunt facere usuras et cessavit pestis, et fecerunt Montem etc.“ An den Rat, den Bernardino da Siena in Vicenza erteilte, erinnert auch die zeitgenössische städtische Chronistik. Vgl. MENEGHIN, Bernardino da Feltre, S. 387, Anm. 20 und MERCATILI INDELICATO, Montegallo, S. 93f.

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Menschen (homines pestiferos), die es aus den Städten und Territorien auszuweisen gelte. 52 Die franziskanischen Prediger, die nach ihrer Regel gehalten waren, nicht nur die Laster zu geißeln, sondern auch über Tugenden zu belehren, 53 predigten nicht selten über die Gerechtigkeit oder machten diese zum Gegenstand ihrer umfangreichen Pastoralliteratur. Sie wußten um die traditionelle Lehre, die iustitia im Anschluß an Aristoteles als umfassende Tugend betonte, die erst andere ethische Prinzipien hervorbringt und die übrigen moralischen Tugenden begründet. 54 Die Ausführungen, die die Prediger in diesem Zusammenhang zum Tugendbegriff machten, ihre Definition von Gerechtigkeit und ihre Bestimmungen des Gegenstandsbereiches von iustitia folgten dabei spätantiker Traditionen und deren klassischen mittelalterlichen Rezeptionen. Gerechtigkeit galt Michele Carcano da Milano und anderen franziskanischen Seelsorgern im Anschluß an die Nikomachische Ethik des Aristoteles als eine ethische Haltung (habitus). Sie bemühten die spätantiken Digesten, in denen die Definition des römischen Jursiten Ulpian aus dem Anfang des 3. Jahrhunderts Eingang gefunden hatte, wonach iustitia der beständige und dauerhafte Wille ist, jedem das Seine zu geben. Sie hielten die aristotelische Unterscheidung zwischen einer allgemeinen (generalis), einer ausgleichenden (commutativa) und einer verteilenden (distributiva) Gerechtigkeit aufrecht und machten zuweilen umfangreiche Ausführungen zu den einzelnen Gerechtigkeiten. Besondere Aufmerksamkeit

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Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 100, fol. 189v/190r: „Expulsis Judeis de Agro vincentino cessat pestis. Sanctus Bernardinus de Senis Ordinis Minorum observat eiusdem quam familie primus dux atque vicarius deo gratissimus fuit unde et Angelus terrenus et Apostolus modernus a Beato Bernardino de Feltro vocatus est in civitate inclita vincentina verbum dei anuntiabat et inter alia que ad honorem dei et populi salutem predicavit. Hoc unum singulariter fuit quia adhortavit populum ut Judeos de civitate et territorio expelleret tum propter varia scelera que comittebant tum propter depredationes et furta que continue exercebant ut autem animosius hec peragerent solemni promissione firmavit, eundem populum nunquam passurum pestem, si hebreos hominines pestiferos in sua civitate nunquam permitterent habitare assensit populus expulsi sunt et domino miserante sui servi promissio servata est pestis populum illum pro tempore nunquam invasit.“ Rb, c. 9. Vgl. URSULA WOLF, Aristoteles‘ ‚Nikomachische Ethik‘, Darmstadt 2002, S. 93-114. Bernardino da Siena berief sich dabei auf den Kirchenvater Ambrosius. Bernardinus Senesis, Quadragesimale de evangelio aeterno, Sermo 16: De regimine principum et quorumcumque regentium (Opera Omnia 3), S. 285: „Iustitia nempe generalis est virtus in se continens cunctas morum virtutes. Unde Ambrosius, in Hexaëmeron, ait: ‚Ubi est prudentia, ibi interdum malitia; ubi fortitudo, ibi iracundia; ubi temperantia, ibi impatientia plerumque invenitur; ubi autem iustitia, ibi est concordia ceterarum virtutum‘.“ Bernardino zitierte hier falsch, findet sich die Formulierung Ambrosius doch in seinem Traktat über das Paradies. Vgl. ebenda den kritischen Apparat, Anm. 1. Zur Gerechtigkeit als soziale Grundtugend vgl. auch Michele Carcano da Milano, Sermonarium de commendatione virtutum et reprobatione vitiorum, Sermo 55: De excellentia et commendatione virtutis iustitiae, fol. 189v-194r.

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schenkten die franziskanischen Prediger der allgemeinen Gerechtigkeit (iustitia generalis), die auch als Gesetzesgerechtigkeit (iustitia legalis) Bezeichnung fand. Die Prediger erschlossen sich dabei aristotelisches Gedankengut häufig über den Sentenzenkommentar ihres Ordensbruders Richard de Mediavilla. Ihm konnten sie die Wertschätzung der „iustitia generalis sive legalis“ im Werk des Stagiriten entnehmen. Demnach ist die Gesetzesgerechtigkeit nicht Teil der Tugend, sondern die allgemeine Tugend, richtet sie doch die Akte aller Tugenden auf das Gemeinwohl (bonum commune) aus. 55 Die Ausführungen der franziskanischen Prediger zur Gesetzesgerechtigkeit richteten sich an Herrschafts- und Amtsträger. 56 Giacomo della Marca galt die 55

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Michele Carcano da Milano, Sermonarium de commendatione virtutum et reprobatione vitiorum, Sermo 54: De quidditate et specificatione iustitie, fol. 186r: „(...) iustitia generalis sive legalis secundum Philosophum (...) non est pars virtutis: sed tota virtus neque contraria iniusticia pars malicie: quia sit pessimus est qui ad seipsum et ad alios utitur malicia ita optimus est non qui ad seipsum utitur virtute sed qui ad alterum. Hec Philosophus. Que declarat Ric. [Richard von Mediavilla; M.H.] ubi supra [In sententiis, d. 33, art.3; M.H.] q. 5 dicit quod iustiticia potest accipi pro qualibet virtute ordinata per legalem iusticiam ad bonum commune et sic iusticia est realiter idem cum qualibet virtute non tamen secundum rationem sed pro tanto dicitur esse omnis virtutum ad commune bonum (...)“. Vgl. auch Angelo Carletti, Summa Angelica, fol. 95v: „Iustitia secundum quod est habitus virtutis potest accipi quatuor modis secundum Ric. in 3. Dist. 33 art. 5 q. 3. Primo communissime scilicet pro qualibet rectitudine animi, et sic diffinitur ab Ansel. li. de veritate, c. 12. Iustitia est restitutio voluntatis propter se servata. Secundo pro rectitudine per quam homo iustificatur in conspectu Dei scilicet pro charitate, et sic diffinitur ab Aug. li. 83.q.61 iustitia que per cetera diffunditur est dilectio Dei et proximo. Tertio pro qualibet virtute ordinata per iusticiam legalem ad bonum commune, et sic est idem cum qualibet virtute, differens tamen secundum rationem. Quarto pro habitu determinante voluntatem ad firmiter volendum servare restitudinem debitam in operationibus que sunt ad alterum. Et hoc dupliciter. Aut ad alterum ut est persona singularis, et sic est iustitia particularis distincta per essentam ab aliis virtutibus que sic potest diffiniri. Iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum unicuique tribuens. ff. de iustitia et iure.l.iustitia. Alio modo ad alterum, quod est communitas et sic iustitia legalis, et hoc est omni virtuti generaliis inquantum precipit omnia exterioria cuiuslibet virtutis ad bonum commune referri, secundum quod vult Phil. 5.ethi.c.9 Est tamen una verius specialis distincta in essentia ab aliis virtutibus, unde non est generalis aliis praedicationem, sed per virtutem.“ Die Betonung des Konnexes von iustitia legalis und bonum commune war Gemeingut innerhalb der mittelalterlichen Tugendlehre. Thomas von Aquin hatte im Zuge der mittelalterlichen Aristoteles-Rezeption ebenfalls auf die Gemeinwohlorientierung der Gesetzesgerechtigkeit hingewiesen und daran erinnert, daß der antike Philosoph sie in seiner Staatslehre als Tugend des guten Bürgers (virtus boni civis) bezeichnet hatte. Thomas von Aquin, Summa Theologica, II-II, q. 58, art. 6. 1463 Predigte Giacomo della Marca in Fermo. Seine Ausführungen über die Gerechtigekti hielt er an einem politischen Ort par excellence: „1463 et die II iulii. Convocata et cohadunata Cernita (...) Prior priorum fecit prepositam infrascriptam. Qualiter rev.dus Jacobus misit heri ad nos et rogavit ut vellemus convocare cernitam in qua ipse intervenire volebat ut dicendum, exponendum aliqua pro pace et bono statu civitatis. Et ita venit frater Jacobus qui ascendit in locum arrengerie ubi stans primo preposuit et dixit de iustitia qua omnes res publica gubernatur mature et multas diffinitiones et divisiones et expositiones fecit et de (...) dixit de rebus quibus res publica.“ Zitiert nach DESSI, La prophétie, l’évangelie et l’état, S. 420, Anm. 86.

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Verwirklichung der allgemeinen Gerechtigkeit als Ausweis einer tugendhaften Stadt (civitas virtuosa). Ihre Gewährleistung mache den Glanz des Regenten (splendor regentis) aus. 57 Bernardino da Siena erinnerte weltliche Obrigkeiten daran, daß sie von Gott auf Erden als seine Diener eingesetzt worden seien, um die Laster auszutreiben, Frevel zu unterdrücken, das Volk zu führen, gerechte Sitten und tugendhaftes Leben zu befördern. 58 Ein idealer Herrscher zeichne sich durch seinen Eifer und seine Liebe für die Gerechtigkeit aus. Es sei seine Pflicht, gerechte Gesetze zu erlassen und deren Verletzungen zu strafen. Dem Aspekt der Strafe von Rechtsverletzungen maßen die franziskanischen Prediger besondere Bedeutung bei. Bernardino da Siena mahnte Herrschafts- und Amtsträger, sie dürften nicht unter dem Mantel falschverstandener Mildtätigkeit von der Bestrafung der Delinquenten ablassen. 59 Als er 1424 in Florenz predigte, erinnerte er sein Publikum daran, man könne eher ohne Brot leben als ohne Gerechtigkeit, die sich darin ausdrücke, daß deviantes Verhalten nach Maßgabe der Gesetze streng bestraft werde. 60 Der Verzicht auf Bestrafung von Rechtsverletzungen, davon zeigte sich Bernardino da Siena überzeugt, ruiniere letztlich die städtische Gesellschaft. 61 Michele Carcano da Milano setzte sich unter Berufung auf Thomas von Aquin und Richard de Mediavilla gegen Behauptungen zur Wehr, Recht sei kein Gegenstand von Gerechtigkeit. Die

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Iacobus de Marchia, Sermones dominicales, Bd. 3, De magnificentia et utilitate universalis iustitie, hg. von Renato Lioi, Falconara 1978, S. 153-157. Bernardinus Senensis, Quadragesimale de evangelio aeterno, Sermo 16: De regimine principum et quorumcumque regentium (Opera Omnia 3), S. 286f.: „Nullus utique princeps a Deo ordinatur in terris nisi ut, tamquam minister suus, vitia comprimat, scelera obruat, populos dirigat et iustos mores atque virtutes et inferat et exaltet; non ad sui gloriam temporalem, sed ad gloriam summi Dei.“ Ebenda, S. 288f.: „In duobus maxime consistit iustitia principis, scilicet in iustarum legum sanctione et in transgressorum punitione (...) Decus siquidem principis est leges iustas sancire; virgae quoque funiculum habet, cum transgressores iustarum legum per indissolubilem iustitiam punit (...) Summopere enim principi cavendum est ne sub clementiae pallio inertiam induat lenitatis. Nulla in principatu bestia saevior quam impunitas delinquendi. Ferro secanda sunt putrida membra, ne cetera corrumpantur. Nihil tantum regimina potentum infirmat, quantum languor iustitiae sub nomine pietatis. At econtra per iustitiam omne regimen confirmatur et stabilitatur.“ Vgl. auch ders., Sermones de tempore, Sermo 18: De multiplici veritate (Opera Omnia 7), S. 300: „Secunda est veritas iustitiae, quae in iudicibus et in iudicantibus esse debet, et maxime in praelatis. Et haec quidem in duobus consistit: primo, in reddendo unicuique quod suum est; secundo, in puniendo et infligendo poenas.“ Bernardino da Siena, Le prediche volgari – Quaresimale Fiorentino del 1424, Bd. 2, hg. von Ciro Cannarozzi, Pistoia, S. 85: „(...) che molto meglio si può vivere sanza pane, che sanza la giustitia. Se non fussino le forti leggi contro a‘ mali fattori non ci si potrebbe vivere (...)“. Vgl. zur Auffassung von iustitia und ius bei Bernardino da Siena DEBBY, Renaissance Florence in the Rhetoric of Two Popular Preachers, S. 74-76. PATON, Preaching Friars, S. 141.

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Antwort Micheles Carcano da Milano darauf fiel eindeutig aus: „iustitia est ius“ 62. Seine Wertschätzung von Recht und Gesetz brachte er auch dadurch zum Ausdruck, daß er der iustitia legalis einen eigenen, umfangreichen Predigtabschnitt widmete. Die Gesetzesgerechtigkeit sei nur in jenen Städten und Provinzen verwirklicht, wo die Vorsteher und Amtsträger der Gemeinden darauf achteten, daß die gerechten Gesetze, denen alle unterschiedslos unterliegen, gehalten werden. 63 Ausnehmend breit ließ er sich über die Bestrafung (punitio) sündhaften Handelns als Bedingung für die vollkommene iustitia legalis aus. In Sünden, die ungestraft blieben (peccata impunita), sah er die Ursache der Zerstörung von Städten und ganzen Landstrichen. Es sei kein Ausdruck von Grausamkeit (crudelitas), sondern von höchster Liebe (summa pietas), die Schlechten (malos) zu strafen. Ihnen gebühre keine Duldsamkeit, sondern die Strenge des Gesetzes. 64 Bernardino da Feltre brachte die Gerechtigkeit, die es zu üben gelte, auf einen knappen Grundsatz: „Helfe den Guten und bestrafe die Schlechten.“ 65 Die franziskanischen Prediger warben für eine Gesetzesgerechtigkeit, die sich durch die unnachgiebige Bestrafung von Rechtsverletzungen auszeichnete. Damit war jedoch in theoretischer Perspektive keine absolute Hinwendung zu einem uneingeschränkten rigor iuris und die endgültige Absage an den traditionellen Grundsatz verbunden, die Strenge der Gerechtigkeit (rigor iustitiae) durch das Gebot der Barmherzigkeit (misericordia) oder Billigkeit (aequitas) zu mildern. 66 Die einseitige Betonung der iustitia legalis als strafende Gerechtigkeit läßt sich nur aus dem praktischen Kontext erklären und verstehen. Indem 62

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Michele Carcano da Milano, Sermonarium de commendatione virtutum et reprobatione vitiorum, Sermo 54: De quidditate et specificatione iustitie, fol. 186r/v. Vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologica, II-II, q. 57, art. 1. Richard de Mediavilla, In sententiis, Liber 3, di. 33, art. 3, q. 1. Auch einschlägige Kanonisten wie Baldus brachten vor, daß Gerechtigeit sich in der Verwirklichung von Recht ausdrückte. Vgl. HORN, Aequitas, S. 15. Michele Carcano da Milano, Sermonarium de commendatione virtutum et reprobatione vitiorum, Sermo 54: De quidditate et specificatione iustitie, fol. 187v: „(...) ergo iustitia sit generalis et communis leges admodum sunt servandi (...) ab his qui presunt civitatibus et provinciis.“ Michele Carcano da Milano, Sermonarium de commendatione virtutum et reprobatione vitiorum, Sermo 54: De quidditate et specificatione iustitie, fol. 188v: „(...) quod peccata impunita sunt causa districtionis civitatum et terrarum quia ex hoc multiplicantur mali impuniti sive incorrecti (...) non est crudelitas punire malos sed summa pietas (...) Ne igitur alii sumant exemplum delinquendi mali non sunt diu tollerandi sed secundum leges iuste et graviter puniendi sunt (...)“. „Sa‘ tu che vol dir justicia? Aiutar li boni e punir i cattivi.“ Zitiert nach LUISE, Alza la voce come una bella tromba, S. 90. Vgl. die eher klassischen, theoretischen Ausführungen Niccolos da Osimo über ius; der observante Franziskaner lehnte den iuris rigor entschieden ab, stellte dem die aequanimitas gegenüber. Niccolo da Osimo, Supplementum ad Summam Pisanellae, fol. 169v. Zum Spannungsverhältnis zwischen aequitas (bzw. clementia, misericordia, gratia) und rigor iuris vgl. SCHREINER, „Got is selve recht“., S. 361-367 („Richten nach Gnade“).

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Franziskanerprediger Herrschafts- und Amtsträger an ihre obrigkeitliche Pflicht erinnerten, Recht umzusetzen und deviantes Verhalten zu strafen, versuchten die Franziskanerprediger ihren Vorstellungen von einer wohlgeordneten societas christiana Geltungskraft für politisches Handeln zu geben. Wie das am Beispiel ihrer antijüdischen Forderungen aussah, läßt sich exemplarisch am Beispiel Giacomo Ongarellis zeigen. Der entwarf im dritten Buch seines antijüdischen Traktats ‚De mailitiis ac impietatibus iudaeorum modernorum‘ das Bild einer wohlgeordneten Gesellschaft. Sie fußte auf den drei theologischen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung und auf den vier Kardinaltugenden. An die Spitze der virtutes cardinales setzte er die Gerechtigkeit. Dies widersprach der üblichen Reihenfolge, nach der trotz einiger Unterschiede – je nachdem man der Reihung im Anschluß an Seneca oder Cicero folgte – der Klugheit (prudentia) der Vorrang gebührte. Gerechtigkeit galt Ongarelli als die zentrale politische Tugend. 67 Was er inhaltlich über iustitia als virtus politica vorbrachte ist nichts anderes als eine strafende Gesetzesgerechtigkeit. Der observante Franziskaner brachte es auf den Punkt: „Gerechtigkeit“, so Giacomo Ongarelli, „ist dort, wo verbrecherische Frevel und Schandtaten äußerst streng bestraft werden. Wo Verbrechen ungestraft begangen werden, ist sie nicht.“ 68 Um darzutun, warum die kirchliche Judengesetzgebung einzuhalten und gegen die vermeintlichen Angriffe der Juden auf den christlichen Glauben und Christen vorzugehen sei, beließ er es nicht bei der Beschreibung sündhaften Handelns und den ihm folgenden Gottesstrafen. Der Zorn Gottes werde letztlich dadurch provoziert, daß es Herrschaftsträger versäumten, Gerechtigkeit zu üben. Giacomo Ongarelli erinnerte die weltlichen Herren daran, daß sie von Gott die Zuchtrute der Gerechtigkeit (virga iustitie) erhalten hätten. Es sei ihre Pflicht, sie gegen jene einzusetzen, die sich gegen Gott erheben (dei rebelles). So müßten sie danach trachten, die schlechte Gesinnung (malam voluntatem) der Juden zu zähmen und auszulöschen. 69 67 68 69

Giacomo Ongarelli, De malitiis, L. III, c. 45-52, fol. 117r-129r. Ebenda, L. III, c. 48, fol. 121v: „Iustitiam ibi esse ubi scelera facinora atque flagitia severissime puniuntur: Abesse autem ab eo loco ubi impune crimina comittuntur.“ Ebenda, L. II, c. 15, fol. 69v/70r: „(...) habitent inter christianos sed sicut servi, sicut captivi, faciatis eos ad servare canones (...) Dedit [Deus; M.H.] utique vobis virgam Iustitie: ut ipsam in dei rebelles exerceatis quod si non feceritis grande proculdubio peccatum acquieretis (...) Oportet ferocissimam eorum malam voluntatem domare, refrenare ac extinguere et extirpare vestrum est hui modi officium. Si non feceritis quis dubitabit quod dominum ad iracundiam provocabitis?“ Vgl. auch ebenda, L. I, c. 20, fol. 55v: „(...) ergo christiani Principes qui gladium a deo concessum portatis flagitia Judeorum impunita nullo modo pertransire debetis eorum scelera tam horrenda non parvipendatur eorum facinora tam dispendiosa surda non debetis aure dissimulare nam sine causa gladium non portatis nam dei ministri estis ac vindices in iram eis qui male agunt secundum Apostolum ad Ro 13 Cap. (...) quanto ergo magis unusquisque vestrum animari debet et excitari ad Iniuriam dei per Impudicos Judeos illatam tollendam vindicandam. Mementote quia summum bonum offendere irritatur ac pro Judeo inquantum possunt ut eumque perditur occurrite ergo eorum malitie Iustitiam in eos exercete Dei iram placate finees

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Predigt im Kontext politischer Praxis

Franziskanische Prediger, die es Herrschafts- und Amtsträger zur obrigkeitlichen Pflicht machten, Rechtsverletzungen zu strafen, beließen es nicht bei abstrakten Hinweisen auf Recht und Gesetz, sondern zeigten sich vielfach äußerst sensibel gegenüber normativen Rechtsgrundlagen und unterschiedlichen Gesetzesarten. Dabei redeten sie keinem schrankenlosen Rechtspositivismus das Wort. Angelo Carletti ließ sich in seiner ‚Summa Angelica‘ umfangreich zu lex aus. In der Definition des Artikels, die er seinem Ordensbruder Franciscus Maironis entlehnte, erinnerte er an die bindende Kraft des Gesetzes. Sich an gesatztes Recht zu halten, sei Ausweis der Kunstfertigkeit, ehrenvoll zu leben. 70 Carletti brachte im Anschluß an allgemeine Aussagen zum Oberbegriff lex eine Unterscheidung von Gesetzesarten vor. Er schied zwischen der lex posita divina, die sich in den Schriften des Alten und Neuen Testaments offenbare, der lex naturae, in der allgemein gültige Sittlichkeitsprinzipien grundgelegt seien und der lex posita ab hominibus, dem von Menschen gesatzten, kirchlichen wie weltlichen Recht. Carletti stellte zwar die Frage, ob im Bußverfahren immer dem geistlichen oder dem weltlichen Recht Vorrang gebühre, bot jedoch keine kategoriale Antwort, während viele seiner Ordensbrüder eindeutiger Stellung bezogen und säkulares Recht dem Kirchenrecht unterordneten. 71 Die von den franziskanischen Predigern vertretene Systematisierung des Rechts kommt zum Beispiel in der Begleitepistel des Franziskaners Hieronymus Tornieli, der vielen Ausgaben der äußerst erfolgreichen ‚Summa Angelica‘ Angelo Carlettis voranstand, zum Ausdruck. Tornieli ließ sich darin über das Verhältnis von weltlichem Recht, spezifiziert durch das Zivilrecht im engeren Sinne, dem Kirchenrecht und der Theologie aus. Das ius civile stelle das Fundament dar, das den Zugriff auf alle Bereiche des weltlichen Lebens gewährleiste. Es bedarf jedoch zuweilen der Erweiterung, Präzisierung oder Korrektur durch die kanonische Gesetzgebung. Die heilige Theologie sichere letztlich die Ausrichtung des menschlich gesatzten Rechtes an der göttlichen Majestät. 72 Die von Angelo Carletti gestellte Leitfrage nach der Vielfalt von lex

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namque ex eo quia principem fornicantem cum nobilissima.“ Den Zorn Gottes als Strafe für die Nachlässigkeit, Gerechtigkeit zu üben, betonten auch andere franziskanische Prediger. Angelo Carletti, Summa Angelica, fol. 183r: „Lex (...) est ars honeste vivendi ligans hominem ad sui observantiam, aliter non esset lex, nisi ligaret.“ Vgl. zu den Ausführungen Angelo Carlettis zu lex MARTIN OHST, Pflichtbeichte. Untersuchungen zum Bußwesen im Hohen und Späten Mittelalter, Tübingen 1995, S. 226-235. So etwa Roberto Caracciolo da Lecce, Quadragesimale de peccatis, Sermo 17/18: De superbia transgressorum legis canonice/De superbia transgressorum legis civilis, fol. 50v56v. „Non enim talis lectura unica contentatur scientia unicoque studio, licet magnis voluminibus subsistat. Exigit namque vera iuris civilis fundamenta, in quibus pene contractuum tota decisio terminatur. Quod quidem ius, quantum per summorum pontificum iura in multis rectificatur, perficitur ac suppletur, praecipue in censuris, praebendis et aliis ecclesiasticis, eiusdem sacri pontificii iuris ignorantia talis

Die persuasive Strategie der Prediger

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(Quotuplex est lex?) läßt erkennen, daß auch der observante Franziskaner nicht an verschiedene, voneinander unabhängige und jeweils in einer eigenen Sphäre bindenden Gesetze, sondern an die „unterschiedlichen Erscheinungsweisen der einen mit sich identischen lex“ 73 dachte. Zum Maßstab allen positiven Rechts erhob er das natürliche Gesetz. Falls menschlich gesatztes Recht dem Naturrecht zuwiderlaufe, handele es sich nicht um ein bindendes Gesetz, sondern um eine corruptio legis. 74 Es ist hier nicht der Ort, die Entwicklung und die vielschichtigen inhaltlichen Aspekte der christlichen Naturrechtslehre im Mittelalter en detail nachzuzeichnen und zu diskutieren. Nur soviel: Wer sich damals auf die lex naturae und das ius naturale berief und es für eine „Begründung und Begrenzung der Gesetze“ 75 nutzte, gab der Rechtsvorstellung eine religiöstheologische Fundierung, führte er doch alles Recht „auf einen letzten transzendenten Einheitsgrund“ 76 zurück. Es gehörte zur mittelalterlichen communis opinio, dem ius naturale bzw. der lex naturae als „kritische Regel für die Geltung der Gesetze“ 77 Gewicht zu geben, indem man trotz aller Unterschiede hinsichtlich der Materialität des Naturrechts einmütig der Auffassung anhing, es handele sich letztlich um ein göttliches Recht, sei es, daß sich in ihm ein ewiges Gesetz, die Vernunft Gottes oder göttlicher Wille manifestiere. In den Aussagen der franziskanischen Prediger zu Recht und Gesetz zeigt sich die von Max Weber in seiner Rechtssoziologie betonte traditionelle religiöse Fundierung der „rechtstranszendenten Geltungsvoraussetzungen“ 78. Doch nicht nur inhaltlich orientierten sie Recht an Theologie und den Gedanken an ein göttliches Naturrecht. Es blieb „personell wie inhaltlich eingelagert in und verwaltet durch rechtsexterne Instanzen“ 79. Läßt Angelo Carletti in seinem Artikel über lex noch offen, wer „die undeutlichen Chiffren des Naturrechts lesen“ 80 darf, so geben seine Ausführungen unter dem Stichwort Papa eine unmißverständliche Antwort darauf. Der Papst, so Carletti

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casuum penitus abhorret doctrina. Verum cum in praedictis quamquam propter communem pacem oculus divinam intuens maiestatem aliqualiter obscuretur, quo lumine sacrae theologiae illustrari quam maxime habet necesse, non modicam ipsius casuum studii partem sibi sacrae paginae lucidi doctores iure merito vindicarunt.“ Zitiert nach OHST, Pflichtbeichte, S. 230. EBENDA, S. 227. Angelo Carletti, Summa Angelica, fol. 183v: „Si vero discordet ab ea [lege naturae; M.H.], iam non erit lex, sed corruptio legis.“ TROELTSCH, Soziallehren, S. 159. Zur christlichen Naturrechtslehre im Mittelalter immer noch lesenswert die entsprechenden Passagen ebenda, S. 156-165, 171-174 u. 252-285. OHST, Pflichtbeichte, S. 229. TROELTSCH, Soziallehren, S. 158. SCHWINN, Wertsphären, S. 313. EBENDA, S. 312. Schwinn betonte, daß ein solcher Umgang mit Recht Ausweis vormoderner Ordnungen sei. WOLFGANG TRILLHAAS, Ethik, Berlin 31970, S. 451. Zitiert nach OHST, Pflichtbeichte, S. 228.

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im Anschluß an einschlägige Meinungen zahlreicher spätmittelalterlicher Theologen und Kanonisten, bestimme, was zum unveränderbaren Kernbestand des Naturrechts gehöre. 81 Carletti erteilte jedoch einer extremen papalistischen Position eine eindeutige Absage. Der Papst stehe nicht über der lex naturae, könne er doch von ihr in seiner Abstraktheit und von den aus ihr hervorgehenden Prinzipien der Sittlichkeit nicht dispensieren. 82 Indem franziskanische Prediger auf den Vorrang der kirchlichen vor der weltlichen Gesetzgebung insistierten, versuchten sie, ihrer Forderung nach der Einhaltung der kirchenrechtlichen Bestimmungen zum Umgang von Christen mit Juden Überzeugungs- und Geltungskraft zu verleihen. Die von ihnen vorgenommene „priesterliche Rechtsbehandlung“, die „nicht formale, sondern materiale Rationalisierung des Rechts erstrebt“ 83, illustrieren vor allem ihre zahlreichen Predigten und Traktate, mit denen sie gegen jede Form des Wuchers stritten. Nur ein Beispiel zum Schluß: Giovanni da Capestrano, der aufgrund seiner profunden juristischen Kenntnisse zu Recht als Jurist auf der Kanzel gilt, 84 griff in seinem Traktat ‚De cupiditate‘ ausnehmend breit auf Recht und Gesetz unterschiedlichster Provenienz zurück, um darzutun, daß wucherisches Handeln sündhaftes, rechts- und gesetzeswidriges Handeln sei. Er bemühte äußerst umfangreich göttliches und natürliches Recht, verwies auf das kirchliche Recht und trat unter Berufung auf einschlägige Kommentare zum ius civile jenen entgegen, die Wucher mit Verweisen auf Traditionen römischen Rechts verteidigten. Capestrano brachte seine Argumentation auf ein knappe Formel: „Durch kein Gesetz kann Wucher toleriert werden.“ 85 Jedoch versäumte auch er nicht, eine Rangfolge von Recht und die unterschiedliche Wertigkeit von Gesetzen vorzubringen, um seinem Standpunkt zusätzliches Gewicht zu geben. Capestrano erinnerte an die Unterordnung des Kaisers und der Könige unter die päpstliche Macht und leitete daraus den Vorrang der kirchlichen Gesetzgebung gegenüber jeder Rechtssetzung weltlicher Obrigkeiten ab. 86 Allein schon deshalb können leges civiles, die zuweilen die 81

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Angelo Carletti, Summa Angelica, fol. 225v: „(...) quod papa potest declarare et interpretari, limitare ac distinguere ius divinum, quod nihil aliud est dicere nisi videre ubi ratio [legis naturae; M.H.] cessat vel non, ut sic non dispenset vel dispenset.“ OHST, Pflichtbeichte, S. 228f. WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 458. DIEGO QUAGLIONI, Un giurista sul pulpito. Giovanni da Capestrano predicatore e canonista, in: Atti del Convegno storico internazionale Capestrano, L’Aquila 1986, hg. von Edith Pasztor, L’Aquila 1989, S. 125-139. Giovanni da Capestrano, De cupiditate, S. 119: „(...) nulla lege tollerari (...)“. Ebenda, S. 120 u. 124f.: „(...) per submissionem imperatoris ad papam (...) addidimus in tractatu de potestate pape ubi per virginti fortissima argumenta probavi papam supresse imperatori et regibus. Ergo in omnibus pertinentibus ad necessitatem salutis Imperialis et regalis lex legi ecclesie debet esse subiecta (...)“.

Die persuasive Strategie der Prediger

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jüdische Zinsleihe erlaubten, keine Gültigkeit beanspruchen. 87 Dies gelte umso mehr, als sie nicht nur dem Wucherverbot der kanonischen Gesetzgebung zuwiderlaufen, sondern gegen göttliches Recht verstoßen. Was das ius divinum, dem überall Geltungskraft zukomme, verbiete, könne menschlich gesatztes Recht nicht erlauben. 88 Ist der Traktat ‚De cupiditate‘ Giovannis da Capestrano, den der observante Franziskaner im Anschluß an Predigten, die er 1438 in Verona hielt, verfaßte, hinsichtlich der enormen Fülle der zitierten Gesetzestexte und der einschlägigen juristischen Literatur exzeptionell, so gehörte doch die darin ausgedrückte materiale Rationalisierung des Rechts zum Gemeingut franziskanischer Prediger der Zeit. Sie beriefen sich alle auf das ius 87 88

Ebenda, S. 119: „(...) quod leges civiles permittentes usuras [Iudaeorum; M.H.] tamquam usuras non sunt tollerende (...)“. Capestrano berief sich dabei auf Kommentare des Baldus de Ubaldis († 1400) zum Codex Justinianus und zu den Digesten und den Dekretalienkommentar des Johannes de Lignano. Vgl. Capestrano, De cupiditate, S. 116f.: „(...) dicit (...) dominus baldus (...) ‚opponitur usure sunt prohibite de Jure divino ergo non possunt peti in aliquo foro quia Jus divinum in omni foro suam vim habet ut dixi supra in Rubrica et argumento ff. de sepulcro violato l. 3 § divinus in racione sui‘ (...) Tercio vero usure Jure divino prohibentur nec humano possunt concedi quia a quo removetur potencia ab illo removetur constitucio‘ hec baldus qui eciam in rubrica C. de usuris dicit quod licet ‚usure Jure romano sint certo modo concesse ut ff. et C. de usuris per totum vincit tamen Jus divinum in utroque foro quia prima causa potencior est omni causa secunda et maxime quia causa prima est infinite potencie sicut est ipse deus ut notatur infra eodem autentico ad hec‘ et subdit ut infra (...)“. Vgl. auch ebenda, S. 122: „(...) quod leges imperiales dicuntur sacratissime. Et est probacio Imperator dicit suas leges esse sacratissimas C. de legibus l. Sacratissime [Cod. Lib. 1, tit. 14, l. 9; M.H.]. Sed leges repugnantes legi divine et ecclesie non possunt esse sacratissime sed sacrilege leges autem permittentes usuras de facto repugnant legi divine et ecclesie ergo tamquam sacrilige sunt respuende ubi animadvertendum est secundum Johannem de lignano c. f. extra de usuris ‚quod aliquando aliquid permittitur aliquid contrafaciens non punitur ut 4 d. c. denique. Aliquando permittitur interdum tollitur impedimentum ut quia Judei cohabitant christianis‘ ut in c. Et si Judeus extra de Judeis. ‚Aliquando permittitur positive ut quia lex permittit contractus licitos. De hac triplici permissione habetur 3 di in principio. Et ideo aliqui dicunt quod lex civilis permitti usuras primo modo‘ sc. impunitive sc. ‚quia non punit contrafacientes sed positive et dispositive non permittit. Sed hec opinio non est vera. Nam ex lege antiqua datur forma et accio ad usuras ut ff. et C. de usuris per totum sed lex canonica in totum inhibet‘ ergo etc. ‚Sed que potuit esse discordia in eisdem dic quod lex civilis ponderat statum felicitatis et societatis humane. Videns enim quod aliqui indigent peccunys et invantur per usuras ideo permittebatur pro meliori conveniencia. Lex eciam canonica ponderat idem sed tendendo ad felicitatem supernam inhibet quia usurarius peccat contra Karitatem dei et contra legem dei. Sed estne discordia radicalis inter has leges dic quod non quia manet eadem equitas tendens tamen ad diversos fines. Tucius tamen est tenere quod lex civilis prohibeat in totum usuras et autenticum intelligatur generaliter et sic tenendo arguitur maior perfectio ipsius legis alias non concipio quod dirigat perfecte ad viam ad quam tendit sed impossibile est quem perfecte habere unam virtutem moralem quando habeat omnes. Nam propter avariciam minorabitur actus fortitudinis et sic de singulis. Usurarius ergo peccat contra iusticiam communitativam quare non dirigetur perfecte neque directe in finem intentum. Item contractus usurarius repugnat caritati que est incompassibilis cum mortali peccato. Tucius est ergo tenere quod in totum prohibeat alias non concipio quod legalis scientia permittendo vicium mortale possit dirigere in statum vere felicitatis practice humane in quam tendit‘ hec Johannes de lignano.“

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divinum seu naturale als kritische Instanz, die die Illigitimität der jüdischen Geldleihe auf Zins offenkundig mache, von der auch der Papst nicht dispensieren könne. Giacomo Ongarelli redete Papst Leo X., dem er seinen antijüdischen Traktat ‚De malitiis ac impietatibus iudaeorum modernorum‘ widmete, als machtvollen Pater Iudex an, der sich dadurch auszeichnen solle, daß er sich mit der Tugend der Gerechtigkeit schmücke. 89 Es sei Ausdruck der päpstlichen plenitudo potestatis, daß der Vikar Christi auf Erden darüber befinde, was zum ius divinum gehöre. Zugleich ende seine Machtfülle jedoch auch an eben jenem göttlichen Recht und dem unveränderlichen Kernbestand des Naturrechts. 90 So stehe es nicht in der Gewalt des Papstes, Dispens für Verträge zu erteilen, die christliche Obrigkeiten mit jüdischen Geldleihern eingingen. Es sei offenkundig, „quod dispensetur in usura est contra ius divinum et naturale que sunt immutabilia“ 91. In ihren performativen und diskursiven Elementen zeigt sich eine vielschichtige Medialität der spätmittelalterlichen Predigt. Beide Dimensionen hatten zweifellos Teil an ihrer öffentlichen Wahrnehmung und Wirksamkeit. Neben der pastoralen Strategie der Angst sollte die gepredigte Gesetzesgerechtigkeit Herrschaftsträger zur Erfüllung der religiös-theologischen Ordnungsvorstellungen der Prediger bringen. Inwieweit dies gelang, gilt es nun zu analysieren.

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Giacomo Ongarelli, De malitiis, Prologus, fol. 34v/35r: „(...) Pater Iudex (...) sit virtus iustitie qua te vestitum et per ornatum esse monstrabis (...)“. Zur plenitudo potestatis des Papstes vgl. ebenda, L. III, c. 53, fol. 129r. Aus ihr ergebe sich, daß der Papst „(...) limitare, distinguere et declarare Ius divinum (...)“ könne. Vgl. ebenda, L. III, c. 54, fol. 130r. Jedoch setzte Ongarelli der päpstlichen Machtfülle Grenzen. Vgl. ebenda, L. III, c. 44, fol. 116r: „(...) quo faciunt actum legi divine et naturali contrarium potestas Pape non potest excusare (...)“. Ebenda, L. III, c. 54, fol. 132v.

3. Zwischen Geltungsanspruch und Wirkung – Padua im Zeichen antijüdischer Predigten Zur politischen Relevanz antijüdischer Predigten lassen sich noch keine generalisierbaren Aussagen treffen. Anhand der bisherigen wenigen Forschungsarbeiten dazu zeichnet sich jedoch ein Antagonismus zwischen kurzfristigen Erfolgen der Prediger und ihren längerfristigen Mißerfolgen ab, woraus sich zum Teil die Hartnäckigkeit erklärt, mit der die Franziskaner ihre judenfeindlichen Positionen vorbrachten. Vom 20. April bis Anfang Juni 1425 hielt Bernardino da Siena 50 Predigten in seiner Heimatstadt. Nachdem Bernardino den umfangreichen Predigtzyklus beendet hatte, erließ der Stadtrat von Siena die sogenannten ‚Riformagioni di frate Bernardino‘. Die Reformstatuten sahen unter anderem ein umfassendes Wucherverbot vor. 1 Doch der Erfolg des Predigers war nur von kurzer Dauer. Zwei Jahre später predigte Bernardino erneut in Siena. Er sah sich gezwungen, wiederum gegen den Wucher in der Stadt zu eifern. Eindringlich warnte er auf dem Campo vor dem palazzo pubblico seine Zuhörer, die jüdische Geldleihe nicht zuzulassen. „Ich sage dies nicht aus Haß noch irgend in der Absicht“, so Bernardino, „jemand zu schaden und ich will auch keinen Namen dabei nennen; ich führe bloß den Fall an, wie er liegt: wenn ihr beschlossen habt, daß der Jude in eurem Auftrag oder mit eurer Unterstützung hier in Siena Wuchergeschäfte treiben soll, so ist jeder, der dazu seine Stimme hergab, der großen Exkommunikation verfallen.“ Der wortgewandte Franziskanerobservant, der so häufig das Bild einer wohlgeordneten universitas civium verkündete, wurde noch deutlicher. Mahnend hob er an: „Hast du mich verstanden? Ich will dir auch zeigen, was das für Folgen hat, wenn ihr euch den Juden in eurem Haus haltet. Zweierlei wird geschehen: erstens geht darob eure Stadt zu Grunde und zweitens steht darauf die Exkommunikation des Papstes, mit der du nicht selig werden kannst.“ 2 Die Drohungen Bernardinos verfingen langfristig aber nicht. 1439 erließ der Stadtrat von Siena eine Verordnung, wonach die Juden ein Zeichen tragen mußten, das sie von den Christen unterscheidbar machte. Jüdische Geldleiher wurden von dieser Bestimmung jedoch ausgenommen. Stattdessen erhielten sie in den

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Der Text der Riformagioni di frate Bernardino bei FELICE ALESSIO, Storia di San Bernardino e del suo tempo, Mondovi 1899, S. 211-213. Zitat entnommen bei HEFELE, Bernhardin, S. 50. Die Predigten, die Bernardino da Siena 1427 in seiner Heimatstadt gehalten hat, liegen mittlerweile in einer modernen Edition vor: Bernardino da Siena, Prediche volgari sul Campo di Siena 1427, 2 Bde., hg. von Carlo Delcorno, Mailand 1989.

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Predigt im Kontext politischer Praxis

folgenden Jahrzehnten zusätzliche Privilegien bis hin zur Verleihung des Bürgerrechtes 1457. 3 Parallelen zu den Ereignissen in Siena finden sich für Perugia, wo Bernardino da Siena zwischen dem 19. September 1425 bis Ende Oktober, vielleicht sogar bis Mitte November zahlreiche Predigten hielt. Am 4. November 1425 erließ der Stadtrat von Perugia die ‚Statuta Sancti Bernardini‘, die unter anderem ein striktes Wucherverbot für jedermann vorsahen. Kein Jude dürfe Christen auf Zins Darlehen gewähren. Verstoße ein Jude gegen diese Bestimmung, so soll ihm vom Podestà der Stadt der rechte Fuß abgetrennt werden. Könne man seiner nicht habhaft werden, so solle man ihn mit einem Bann belegen; für den Fall, das er nach Perugia zurückkehre, bleibt die Amputation des rechten Fußes in Aussicht gestellt. Seine Familie ist zudem aus dem Herrschaftsgebiet der Stadt auszuweisen. 4 Letztlich zeitigten die ‚Statuta‘ ebenso wenig wie die Sieneser ‚Riformagioni‘ durchschlagende Wirkung. Spätestens seit 1428 gingen Juden wie Christen in Perugia erneut dem Kreditgewerbe nach. 5 Kurzfristige Erfolge waren eng mit der Anwesenheit der Prediger vor Ort verbunden. 1468 konfrontierte Michele Carcano da Milano den Rat von Rieti mit einem vielschichtigen sozialethischen Reformprogramm, das auch das christlich-jüdische Zusammenleben in der Stadt betraf. Die anwesenden Ratsherren schwiegen sich zunächst aus. Einzig der Rechtsgelehrte Piersante Servi ergriff das Wort. Er schlug die Gründung eines Ausschusses vor, der über die Forderungen des Predigers verhandeln sollte. Die ersten drei Reformpunkte – die Einrichtung eines Festtages zu Ehren des nunmehr heiligen Bernardino da Siena, das Karnevalswesen und die Hochzeitsbräuche in der Stadt – arbeitete das Gremium, dem Michele Carcano da Milano selbst angehörte, rasch im Sinne 3

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Zur Geschichte jüdischer Banken und Pfandleihanstalten in Siena SOFIA BOESCH GAJANO, Il Comune di Siena e il prestito ebraico nei secoli XIV e XV. Fonti e problemi, in: Aspetti e problemi della presenza ebraica nell’Italia centro-settentrionale (sec. XIV e XV), hg. von ders., Rom 1983, S. 177-225 und MICHELE CASSANDRO, Gli ebrei e il prestito ebraico a Siena nel Cinquecento, Mailand 1979. „Insuper statuimus ad omnem dictorum usurariorum malitiam et perfidiam extirpandam, quod de cetero nullus hebreus mutuo vel in depositum vel alio titulo contractus pecuniam recipiat ab aliquo chistiano sub usuris; et quicumque hebreus contrafecerit, ipso facto, si capi poterit, personaliter puniatur pena dextri pedis, qui sibi de facto debeat amputari per dominem Potestatem civitatis Perusii qui pro tempore erit: et si capi non poterit, in banno dicti pedis sibi amputandi ponatur; ita quod quicunque venerit in fortiam comunis Perusii sibi debeat pes dexter amputari; et nichilominus tota sua familia a civitate, a territorio et districtu perusino expellatur.“ Zitat entnommen ANTONIO FANTOZZI, Documenta perusina de S. Bernardino Senensi, in: Archivum Franciscanum Historicum 15 (1922), S. 122. Zum Einfluß der Predigten Bernardinos da Siena auf die städtische Gesetzgebung in Perugia CLAUDIA CARDINALI, Il santo e la norma. Bernardino da Siena e gli statuti perugini del 1425, in: Gioco e giustizia nell’Italia di Comune, hg. von Gherardo Ortalli, Treviso-Rom 1993, S. 182-191. MORMANDO, Preacher’s Demons, S. 204.

Padua im Zeichen antijüdischer Predigten

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des Predigers ab. Die anderen Punkte waren Gegenstand von Diskussionen, nachdem der Franziskanerobservant die Stadt verlassen hatte. Über die Frage des Umgangs von Christen mit Juden faßten die städtischen Repräsentanten keinen Beschluß mehr, obschon in den Ratsbüchern Platz für entsprechende Reformstatuten gelassen worden war. 6 Andernorts offenbart sich, warum städtische Führungsschichten dem theologischen Rigorismus der Prediger widerstanden. Trotz der Forderungen von Predigern, die jüdische Geldleihe in der Stadt zu unterbinden, erörterten die Ratsherren von Brescia 1434, Juden die Zinsnahme zu gestatten. Sie verwarfen die Überlegung mit dem Argument, es sei gegen geltendes kanonisches Recht, daß Juden von Christen Zins nehmen. 1441 hingegen erlaubte der Rat Juden für eine kurze Zeit ihr Kreditgeschäft mit dem Hinweis, sie seien aufgrund ihres falschen Glaubens ohnehin völlig verdammt. Entscheidend war jedoch der Gedanke, das jüdische Kreditgeschäft sei zum Nutzen des städtischen Gemeinwohls. Die städtischen Repräsentaten blieben jedoch verunsichert. Sie ließen ihre Entscheidung von Rechtsgelehrten überprüfen. Nach Einholung der juristischen Gutachten nahm der Rat die Erlaubnis der jüdischen Geldleihe zurück. Die Unsicherheiten im Rat, die noch die nächsten Jahre andauerten, offenbarten zugleich Meinungsunterschiede und Machtansprüche innerhalb der stadtbürgerlichen Führungsschichten. Als Ausdruck eines Herrschaftskonflikts läßt sich auch die einheitliche und entschiedene antijüdische Haltung der Stadt ab 1462 interpretieren. Ihr Rigorismus verdankte sich nicht allein den religiöstheologischen Überzeugungen der Prediger; er war nun Teil der politischen Auseinandersetzung mit Venedig, das über Brescia herrschte. Die gewählten Beispiele weisen auf unterschiedliche Positionen hin, die theologischen Entscheidungsgründen oder politischen Erwägungen folgten. Es gilt nun, Wirklichkeitsbezüge und reale Wirkungen antijüdischer Predigten vertieft am Beispiel Paduas darzustellen. Die mittelalterliche Stadtgesellschaft Paduas zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert ist zu Recht als eine Gesellschaft im Wandel charakterisiert worden. 7 Zentrale Einschnitte in das städtische Leben vollzogen sich im Quattrocento. Nachdem Ende 1405 das Heer Francescos Novello da Carrara der Streitmacht Venedigs unterlegen war, trat an die Stelle der Signoria der Carrara, die in Ansätzen seit 1318, vor allem aber seit der Mitte des 14. 6 7

ANGELO SACCHETTI SASSETTI, Fra Michele da Milano, predicatore e riformatore a Rieti, in: Archivum Franciscanum Historicum 59 (1966), S. 456-462. SILVANA COLLODO, Una società in trasformazione. Padova tra XI e XV secolo, Padua 1990. Nach wie vor hilfreich zur Einführung in die Geschichte der mittelalterlichen Stadtgesellschaft Paduas sind die entsprechenden Passagen in den älteren Arbeiten von GIUSEPPE CAPPELLETTI, Storia di Padova, 2 Bde., Padua 1874 und ATTILIO SIMIONI, Storia di Padova. Dalle origini alla fine del secolo XVIII, Padua 1968.

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Predigt im Kontext politischer Praxis

Jahrhunderts die Geschicke der ehemals kommunal verfaßten Stadt sowohl nach innen als auch nach außen maßgeblich bestimmt hatten 8, die venezianische Herrschaft über Padua. 9 Die am 30. Januar 1406 veröffentlichte Bolla d’Oro beurkundete den Herrschaftsanspruch Venedigs über die Stadt. Damit teilte Padua im Zuge der Expansionspolitik Venedigs, das die Carrara seit dem späten 14. Jahrhundert zudem immer wieder provoziert und herausgefordert hatten, das Schicksal der anderen Städte im venezianischen Hinterland, der sogenannten terraferma. Venedig organisierte das ehemalige Herrschaftsgebiet der Carrara in sieben Podesterià: Padua, Montagnana, Monselice, Cittadellà, Piove di Sacco, Campo San Piero, Castelbaldo und Este. 10 Die politische Spitze Paduas bildeten die zwei rettori, zum einen der Podestà, dem die Rechtssprechung oblag, zum anderen der Capitaneo, der militärische Aufgaben wahrnahm. Sie wurden von Venedig bestimmt, kontrolliert und entstammten durchgehend dem venezianischen Senat. Ihre Amtszeit betrug jeweils sechs Monate. Zahlreiche Podestà Paduas stiegen später zu Dogen Venedigs auf. 11 Die zwei cammerlenghi, die den Haushalt der Stadt führten, und die zwei castellani, die die städtischen Wehranlagen versahen, kamen ebenfalls aus einflußreichen venezianischen Familien. 12 Venedig versuchte, seine Herrschaft über Padua zusätzlich abzusichern, indem es die bereits von den Carrara vorgenommene Politisierung kirchlicher Ämter und Pfründe beibehielt. 13 So bekleideten in der Zeit von 1405 bis 1509 ununterbrochen Mitglieder senatssässiger Familien Venedigs das Bischofsamt in der Diözese 8

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BENJAMIN G. KOHL, Padua under the Carrara, Baltimore 1998. Vgl. auch die entsprechenden Aufsätze in Siena, Florence, and Padua: Art, Society and Religion, 12801400, 2 Bde., hg. von Diana Norman, New Haven 1995. Zur Zeit kommunaler Herrschaft in Padua JOHN K. HYDE, Padua in the Age of Dante, Manchester 1966. Den für die italienischen Stadtgesellschaften typischen Übergang von der Kommune zur Signorie beschrieb für Padua SILVANA COLLODO, Il ceto dominante padovano dal comune alla signoria (secoli XII-XIV), in: Istituzioni, società e potere nella Marca Trevigiana e Veronese (secoli XIII-XIV). Sulle tracce di G.B. Verci. Atti del Convegno – Treviso, 25.-27.9. 1986, hg. von Gherardo Ortali und Michael Knapton, Rom 1988, S. 25-39. MARIA BORGHERINI, Il governo di Venezia in Padova, Padua 1909. Zum Territorium Paduas vgl. SANTE BORTOLAMI, Pieve e ‚Territorium civitatis‘ nel Medioevo, ricerche sul campione padovano, in: Pievi, parocchie, e clero nel Veneto dal X al XV secolo, hg. von Paolo Sambin, Venedig 1987, S. 1-94. Vgl. auch ANDREA GLORIA, Il territorio padovano illustrato, 4 Bde., Padua 1862/63 (ND Bologna 1974). ANDREA GLORIA, Dei podestà e capitani di Padova dal 1405 al 1509. Serie cronologica provata coi documenti, Padua 1860. Über Aufbau der politischen Verfaßtheit Paduas im 15. Jahrhundert BENJAMIN G. KOHL, Government and Society in Renaissance Padua, in: The Journal of Medieval and Renaissance Studies 2 (1972), S. 205-221. ANTONIO RIGON, La chiesa nell’età comunale e carrarese, in: Diocesi di Padova, hg. von Pierantonio Gios, Padua 1996, S. 117-159.

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Padua. Kirchliche und monastische Reforminitiativen förderte Venedig zumeist großzügig, solange sie die politische Ordnung nicht gefährdeten. 14 Der Universität als geistigem und intellektuellem Mittelpunkt der Stadt stand Venedig ähnlich positiv gegenüber wie zuvor die Vertreter der Kommune und die Signoria. Allerdings achtete Venedig streng darauf, daß die Alma mater nicht zu einem Ort übersteigerten stadtbürgerlichen Selbstbewußtseins und Autonomiebestrebungen wurde. So zwang der venezianische Senat jene Universitätsangehörige, die 1439 an einer Verschwörung gegen Venedig beteiligt waren, ins Exil. Das 1468 von den Mitgliedern des consiglio maggiore geäußerte Verlangen, selbständig Professoren aus den Reihen der Bürger Paduas zu benennen, die an der Universität weltliches Recht lehren sollten, beschied die Serenissima abschlägig. 15 Während Venedig sich die Besetzung und Kontrolle der maßgeblichen politischen Ämter in Padua vorbehielt, blieb den Bürgern der Stadt nur eine begrenzte politische Mitbestimmung im Rahmen der lokalen Verwaltung und der innerstädtischen Rechtssprechung. Das repräsentative politische Organ der Bürger war seit kommunalen Zeiten der consiglio maggiore, dessen politischer Einfluß von den Carrara während ihrer Signoria stark beschnitten worden war. Venedig hatte kein Interesse an der Restauration eines selbstbewußten, politisch eigenständigen Verfassungsorgans der Paduaner Bürgerschaft. Es blieb dem Podestà vorbehalten, aus einem Personenkreis, den die deputati ad utilia der Stadt benannt hatten, jene Männer auszuwählen, die Sitz und Stimme im großen Rat hatten. Während des 15. Jahrhunderts umfaßte der consiglio maggiore zuerst 48, dann 50, seit 1446 100 Personen. 16 Mit der personellen Ausdehnung reagierte Venedig auf die offene Rebellion von 1435 und die frühzeitig aufgedeckte Verschwörung von 1439, als Mitglieder und Anhänger der Carrara nochmals verzweifelt versuchten, den politischen Status quo der annähernd 100 Jahre vor 1405 wiederherzustellen. 17 Die Ratsmitglieder rekrutierten sich aus den vier 14 15

16 17

PIERANTONIO GIOS, Disciplinamento ecclesiastico durante il dominio della Repubblica Veneta, in: Diocesi di Padova, hg. von dems., S. 165. Zur Geschichte der Univerität Paduas DONATO GALLO, Università e Signoria a Padova dal XIV al XV secolo, Trieste 1998. Vgl. auch GIUSEPPINA DE SANDRE, Dottori, Università, Comune a Padova nel Quattrocento, in: Quaderni per la storia dell’Università di Padova 1 (1968), S. 15-47 und FRANÇOIS DEPUIGRENET DESROUSSILLES, L’Università di Padova dal 1405 al Concilio di Trento, in: Storia della cultura veneta, Bd. 3, 2: Dal primo Quattrocento al Concilio di Trento, hg. von Girolamo Arnaldi und Manlio Pastore Stocchi, Vicenza 1980, S. 607-647. Über die Verschwörung gegen Venedig, an der Universitätsangehörige teilnahmen DE SANDRE, Dottori, Università, Commune, S. 25. SIMIONI, Storia di Padova, S. 858 Zum Aufstand von 1435 E. PIVA, Venezia, Scaligeri e Carraresi. Storia di una persecuzione politica del XV secolo, Rovigo 1899, S. 91-105 und LUDWIG BERTALOT, Padua unter venetianischer Herrschaft. 1435, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 24 (1932/33), S. 188-206. Schon zuvor kam es

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städtischen quartieri Ponte Molino, Torricelle, Altinate und Duomo, die seit jeher die Basis der politischen Repräsentanz der Bürger Paduas bildeten. Die Mitgliedschaft im großen Rat war bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts auf ein Jahr beschränkt. Allerdings wurde das Wahlquorum oftmals nicht erreicht, so daß Venedig, um Abhilfe bemüht, zuerst die Teilnahme der ausgewählten Ratsherren an den Ratsversammlungen verpflichtend vorschrieb und seit 1467 dazu überging, die jährliche Alternation zu lockern. 18 Den zwölf, ebenfalls nach den städtischen Vierteln aufgeteilten und für ein Jahr bestellten deputati ad utilia, unter denen sich häufig akademisch ausgebildete Juristen befanden, oblag nicht nur das Vorschlagsrecht für die Ratsbesetzung. Ihre Aufgabe war es zudem, im kleinen Rat, dem sogenannten Consiglio dei sedici, gemeinsam mit den deputati ad ecclesias, die sich Fragen der städtischen Kirchenverwaltung widmeten, und einigen nicht näher bestimmten boni cives jene Sachverhalte vorab zu erörtern und festzulegen, die danach im großen Rat zur abschließenden Verhandlung gebracht werden sollten. Doch war auch der 16er Rat keine autonome Angelegenheit Paduaner Bürger. Den Vorsitz hielt der von Venedig bestimmte Podestà. Im 15. Jahrhundert änderte sich jedoch nicht nur die politische Verfaßtheit der Stadt. Padua erlebte zudem tiefgehende demographische, ökonomische und sozialstrukturelle Verschiebungen. Der Beginn des 15. Jahrhunderts brachte einen dramatischen Einbruch der Einwohnerzahlen. Zählte Padua am Ende des 14. Jahrhunderts noch 32000 Einwohner, so lebten 1411 gar unter Einschluß von Teilen des an die Stadtmauer heranreichenden Umlands nur noch etwas mehr als 18000 Menschen in und an der Stadt. Bis 1430 sank die Einwohnerzahl sogar auf ca. 16800 ab. Für 1435 werden 18320, für 1481 ca. 19000 Einwohner gezählt. Erst um 1500 ist mit ca. 24000 Bewohnern der Stadt ein signifikanter Anstieg zu verzeichnen, der allerdings bei weitem nicht an den Wert des ausgehenden 14. Jahrhunderts heranreicht. 19 Die Ursachen für die demographische Krise waren vielfältig. Zum einen litt die Stadt an den Folgen der militärischen Auseinandersetzung mit Venedig an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert. Während des gesamten 15. Jahrhunderts ereigneten sich zudem

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zu Verschwörungen, mit denen die Carrara die militärische Niederlage revidieren wollten. Vgl. PIVA, Venezia, Scaligieri e Carraresi, S. 33 und ROBERTO CESSI, Congiure e congiurati scaligeri e carraresi 1406-1412, in: Atti dell’Academia d’agricoltura, scienze, lettere, arti e commercio di Verona 10 (1909), S. 34. KOHL, Government and Society, S. 218. Die Bevölkerungszahlen bei GIOS, Disciplinamento, S. 182. Vgl. auch KARL JULIUS BELOCH, Bevölkerungsgeschichte Italiens, Bd. 3, Berlin 1961, S. 31-33 u. 65-73. Zur demographischen Entwicklung in Padua während des 15. Jahrhunderts vgl. auch SILVANA COLLODO, Note per lo studio della popolazione e della società di Padova nel Quattrocento, in: „Viridarium floridum“. Studi di storia veneta offerti dagli allievi a Paolo Sambin, hg. von Maria Chiara Billanovich, Giorgio Cracco und Antonio Rigon, Padua 1984, S. 159-189.

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immer wieder Pestumzüge, die nicht nur die Einwohnerzahl reduzierten, sondern für Teuerungen sorgten, die das wirtschaftliche Leben der Stadt stark belasteten. 20 Die ökonomische Entwicklung der Stadt, die vor allem für ihr Woll- und Tuchgewerbe und den damit verbundenen Handel bekannt war, 21 verlief als Folge des Bevölkerungseinbruchs und der Preissteigerungen tendenziell krisenhaft. Die wirtschaftliche Depression verstärkte selbst noch einmal den Rückgang der Bevölkerung. Die obrigkeitlichen Versuche, die großen Bevölkerungsverluste durch vermehrte Zuwanderung auszugleichen, hatte nur geringen Erfolg, da die Neuankömmlinge angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation in Stadt und Umland nach kurzer Zeit oftmals weiterzogen. Obschon Padua als bedeutende Universitätsstadt schon immer mit Fremden und Migration konfrontiert war, belastete die enorme Bevölkerungsfluktuation die im Zeichen von demographischer und wirtschaftlicher Krise ohnehin fragile Sozialstruktur der Stadt. Ihr traditionelles Gefüge begann bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts brüchig zu werden, als venezianische Familien zumeist im Umland Paduas, aber auch in der Stadt selbst Immobilienbesitz erwarben. Alles in allem bietet sich für Padua im 15. Jahrhundert das Bild einer spätmittelalterlichen Stadtgesellschaft, die im Zeichen zahlreicher krisenhafter Entwicklungen stand. Die Stadt an der Brenta, so eine drastische Umschreibung, sei von einer Atmosphäre der Unsicherheit und des Sterbens des politischen und wirtschaftlichen Lebens geprägt gewesen, in der die Mehrzahl der Einwohner von Stadt und Umland zur Behebung existentieller Nöte immer wieder auf die Vergabe kleinerer Kredite gegen Pfandleistung angewiesen war. Während zur Zeit der Komune noch religiös illegitime christliche Kreditoren im großen Stil Geld gegen Zins liehen, so lag das Kleinkreditgewerbe seit dem letzten Drittel des 14. Jahrhunderts hauptsächlich in den Händen jüdischer Bankiers. 22 20

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EDGARDO MORPURGO, Lo studio di Padova, le epidemie ed i contagi durante il governo della repubblica veneta, in: Memorie e documenti per la storia della Università di Padova 1 (1922), S. 105-240. MARIA BORGHERINI, L’arte della lana in Padova durante il governo della Repubblica di Venezia (1405-1797), Venedig 1964. Einen Überblick über das Woll- und Tuchgewerbe im Veneto bei SILVANA COLLODO, La produzione tessile nel Veneto medievale, in: Tessuti nel Veneto. Venezia e la Terraferma, hg. von Giuliana Ericani und Paola Frattaroli, Verona 1993, S. 35-56. Die Wirtschaftsgeschichte Paduas ist bisher nur ansatzweise erforscht. Einige Hinweise bietet MARIA CHIARA BILLANOVICH, Per la storia del lavoro nel Quattrocento: il maglio di Padova, in: „Viridarium Floridum“. Studi di storia veneta offerti dagli allievi a Paolo Sambin, hg. von ders., Girogio Cracco und Antonio Rigon, Padua 1984, S. 231-253. Vgl. FRANCESCO ZEN BENETTI, Prestatori ebraici e cristiani nel Padovano fra Trecento e Quattrocento, in: Gli Ebrei e Venezia, secoli XIV-XVIII. Atti del Convegno, Venedig – Isola di San Giorgio, 5.-10-6. 1983, hg. von Gaetano Cozzi, Mailand 1987, S. 629-650.

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Juden lassen sich für Padua erstmals vereinzelt am Ende des 13. Jahrhunderts nachweisen. 23 Ihre Zahl stieg seit der Mitte des 14. Jahrhunderts in Folge der Wanderungen italienischer Juden von Rom und den Marken in die oberitalienischen Stadtgesellschaften und aschkenasischer Juden aus Bayern und Österreich ins Friaul und Veneto deutlich an. Der Friedhof, den sie seit Ende des 14. Jahrhunderts in Padua besaßen und Räume, in denen sie, getrennt nach den jeweiligen Riten, ihre synagogalen Gottesdienste abhalten konnten, waren wesentliche Bestandteile des jüdischen Gemeindelebens. Ihren Lebensunterhalt erwirtschafteten die Juden in Padua durch Kleinhandel mit Gebrauchtwaren; für einige Produkte war es ihnen auch gestattet, neuwertige Waren umzusetzen. Am besten überliefert sind jedoch ihre Kreditgeschäfte, zu deren Erfolg maßgeblich die Bildung von Bankgesellschaften mit einem ausreichenden Kapitalstock beitrugen. Eine erste Gesellschaftsbildung erfolgte noch vor 1369, der sich rasch die Gründung weiterer jüdische Bankhäuser in der Stadt anschloß, die ihre Tätigkeit auch auf das Umland Paduas, auf Montagnana, Este und Piove de Sacco ausdehnten. 24 Die Vergabe von Kleinkrediten gegen Pfand machte die jüdischen Banken attraktiv für Bewohner von Stadt und Umland, deren Einkommen begrenzt waren. Zu ihrer Kundschaft zählten alle soziale Schichten der städtischen Einwohnerschaft. Bürger nahmen das Kreditgeschäft der Juden ebenso in Anspruch wie Soldaten oder zahlreiche Studenten. Die Carrara erkannten die Notwendigkeit der jüdischen Banken und privilegierten diese umfangreich, zumal sie von den Abgabeleistungen der Juden finanziell profitierten. Zugleich legten sie die Geschäftsbedingungen fest. Der Zinssatz, den Juden auf das geliehene Geld legen konnten, war während der Signoria der Carrara auf 30% beschränkt. Das verpfändete Gut mußte zuerst ein Jahr, später 15 Monate aufbewahrt werden, ehe es, nachdem es drei Mal öffentlich ausgerufen worden war, zur Versteigerung feilgeboten werden konnte. Konflikte zwischen Juden und Christen in Padua sind für das ausgehende 14. Jahrhundert nicht überliefert. Es bietet sich vielmehr das Bild einer friedlichen Koexistenz der beiden religiösen Gruppen. Juden war der Besitz von Immobilien gestattet. Die von der Kirche seit dem 13. Jahrhundert erhobenen Forderungen nach dem Verbot des jüdischen Wuchers oder der 23

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Zur Geschichte der Juden in Padua ANTONIO CISCATO, Gli Ebrei in Padova (13001800). Monografia storica documentata, Padua 1901; PIER CESARE IOLY ZORATTINI, Gli ebrei a Venezia, Padova e Verona, in: Storia della cultura veneta, Bd. 3, 2: Dal primo Quattrocento al Concilio di Trento, hg. von Girolamo Arnaldi und Manlio Pastore Stocchi, Vicenza 1980, S. 537-576. DAVID ZAGGAI CARPI, The Jews of Padua during the Renaissance (1369-1509), Jerusalem 1967. Neben den Ausführungen bei CISCATO, Gli Ebrei siehe Philippe Braunstein, Le prêt sur gages à Padou et dans le Padouan au milieu du XVe siècle, in: Gli Ebrei e Venezia, secoli XIV-XVIII. Atti del Convegno, Venedig – Isola di San Giorgio, 5.-10.6. 1983, hg. von Gaetano Cozzi, Mailand 1987, S. 651-669.

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Kennzeichnung der Juden, um sie von Christen öffentlich unterscheidbar zu machen, fanden keine Resonanz in der städtischen Politik. Im krisenhaften 15. Jahrhundert verschlechterten sich die Lebensbedingungen der Juden in Padua. Nun sind die Ratsprotokolle voll von konfliktreichen Auseinandersetzungen zwischen stadtsässigen Juden und den politischen Amtsträgern. Damit entspricht die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Padua dem Schicksal anderer jüdischer Siedlungen in den ober- und mittelitalienischen Städten jener Zeit. Als Ursache für diese Entwicklung wurden wie andernorts auch schon seit langem antijüdische Predigten von Franziskanern ausgemacht. 25 Allerdings fehlen bis heute befriedigende Analysen über die Rolle von Franziskanerpredigern in Padua als politischem Movens der zunehmenden Marginalisierung jüdischen Lebens in der städtischen Gesellschaft des 15. Jahrhunderts. Während des 15. Jahrhunderts war Padua ein Ort intensiver franziskanischer Predigt. Franziskanermönche predigten regelmäßig in der Basilica di San Antonio, an die sich der Konvent der Franziskanerkonventualen anschloß, und in der nur wenig entfernt gelegenen Kirche San Francesco Grande, die seit 1420 zur Heimat für den observanten Ordenszweig in der Stadt wurde. Neben der Kanzel in ihren Ordenskirchen bestiegen die berühmtesten franziskanischen Volksprediger jener Zeit, die rastlos von Stadt zu Stadt zogen, den Predigtstuhl im Duomo oder verkündeten das verbum dei sprachgewaltig und gestenreich im Freien, auf den Kirchhöfen oder der Piazza dei Signoria, dem Zentrum des politischen Lebens in Padua. 26 Den Anfang machte Bernardino da Siena, der sich seit 1405 dem officium praedicandi verschrieben hatte. 27 Als sich der berühmte Prediger 1423 der Stadt an der Brenta näherte, um dort die Fastenpredigten zu halten, ging ihm die communitas entgegen, an ihrer Spitze die rettori, der Podestà und Capitaneo. Ihnen folgten die Ratsherren, dahinter kamen zahlreiche Bürger 25 26

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CISCATO, Gli Ebrei, S. 109. Hinweise zur franziskanischen Predigt in Padua während des 15. Jahrhunderts bei DONATO GALLO, Predicatori francecani nella cattedrale di Padova durante il Quattrocento, in: Predicazione francescana e società veneta nel Quattrocento. Committenza, ascolto, ricezione. Atti del II Convegno internazionale di studi francescani, Padua, 26.-28.3. 1987, hg. von Giorgio Cracco, Padua 1995, S. 145-183. Vgl. auch LIVIO Chudoba/ANTONIO Sartori, La predicazione francescana al Santo, in: Liturgia, pietà e ministeri al Santo, hg. von Antonio Poppi, Vicenza 1978, S. 317-401. Zu San Francesco Grande als Zentrum der franziskanischen Observanz in Padua vgl. SILVANA COLLODO, Il convento di S. Francesco e l’osservanza francescana a Padova nel ‘400, in: Riforma della chiesa, cultura e spiritualità nel Quattrocento veneto. Atti del Convegno per il VI centenario della nascita di Ludovico Barbo (1382-1443), 19-24 settembre 1982, hg. von Francesco G.B. Trolese, Cesena 1984, S. 359-369. Eine Übersicht über die Predigten Bernardinos da Siena in Padua bieten A.M. BERENGO MORTE, San Bernardino da Siena a Padova, in: Le Venezie francescane 16 (1949), S. 140143 und zuletzt ANDREA CALORE, Presenza di S. Bernardino da Siena nella città di Padova e territorio, Padua 1988.

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Predigt im Kontext politischer Praxis

und Einwohner Paduas. In dieser Formation geleiteten sie Bernardino da Siena in die Stadt. Nachdem er von der städtischen Obrigkeit ehrenvoll eingeholt worden war, predigte er die Fasten in Anwesenheit der rettori und Ratsherren auf der Piazza Signoria, dem politischen Zentrum der Stadt. 28 In zwei Predigten legte Bernardino da Siena ausführlich dar, wie Christen sich gegenüber Juden verhalten sollten. Als er über den Erwerb der göttlichen Liebe (De emenda charitate divina) sprach, erinnerte er an eine allgemeine Liebe (amor generalis), die es Christen zur Pflicht mache, Juden mit Wohlwollen zu begegnen. Allerdings dürfe, so Bernardino da Siena, Juden keine besondere Liebe (amor specialis) von Christen zu Teil werden. Vielmehr müsse streng darauf geachtet werden, die kirchlichen Judengesetze, wie sie im ‚Decretum Gratiani‘ und im ‚Liber Extra‘ vorgeschrieben sind, einzuhalten. Bernardino da Siena begann klassisch: Christen, die mit Juden gemeinsam speisen, sündigten ebenso wie ihre Glaubensbrüder, die in Badehäuser gingen, die auch von altgläubigen Israeliten aufgesucht werden, oder von Juden Medizin annehmen bzw. jüdische Ärzte im Krankheitsfall konsultieren. Mit Blick auf den nahen Ostertermin wies Bernardino da Siena darauf hin, daß Juden während der Kartage in ihren Häusern bleiben und sich nicht in der Öffentlichkeit aufhalten sollten, noch mit Worten das Leiden Christi, dessen die Christen in jenen Tagen besonders gedenken, schmähten. Im Verlauf seiner Predigt beließ es der observante Franziskaner jedoch nicht allein bei der Aufzählung weiterer einschlägiger Bestimmungen des ius canonicum für das zeitgenössische christlich-jüdische Zusammenleben, wie das Verbot, von Juden ungesäuertes Brot anzunehmen, oder das Gebot, von Juden auch den Zehnten zu verlangen. Ganz konkret ging er auf widerrechtliches Handeln in Städten des Venetos ein. Er wisse, so Fra Bernardino, daß in Padua Juden weder die Erweiterung bestehender noch die Errichtung neuer Synagogen untersagt worden wäre. Er zeigte sich zudem verwundert über Nachlässigkeiten in Vicenza und Verona, wo Juden unter Christen lebten, ohne sich durch ein öffentlich sichtbares Zeichen als Juden kenntlich zu machen; dadurch entstünde die Gefahr unzulässiger sexueller Kontakte zwischen jüdischen Männern und christlichen Frauen. Die Nichteinhaltung der Kennzeichnungspflicht von Juden sei umso erstaunlicher, als diese doch ihre religiösen Überzeugungen dem christlichen Glauben für überlegen hielten, so daß sie doch eigentlich ein eigenes Interesse haben müßten, sich von Christen wahrnehmbar zu unterscheiden. In seine umfangreichen Ausführungen zum signum iudaeorum integrierte Bernardino da Siena auch das in den ‚Liber Extra‘ eingegangene Verbot für Christinnen, sich allzu häufig in den Häusern der Juden aufzuhalten, um ihnen zu Diensten zu sein, ihre Kinder zu waschen oder zu stillen. Die bis dahin 28

MORMANDO, Preacher’s Demons, S. 178.

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vorgebrachten Forderungen nach einer sozialen Segregation von Juden und Christen wiederholte der Franziskanerobservant im Zusammenhang mit seinen ungemein breiten Ausführungen zu Fragen des Umgangs mit Wucherern, wobei er eine undifferenzierte Gleichsetzung von iudaei und usurarii jedoch vermied. Sein Interesse galt vor allem der Frage, wie Christen sich verhalten sollten, die Geld oder Sachgegenstände erhalten hatten, die von Juden oder Christen aus Wuchergeschäften gewonnen worden sind. Mit Thomas von Aquin gab er eine unmißverständliche Antwort: Christen, die nach ihren religiösen Geboten und gemäß katholischer Sittlichkeit lebten, sei es untersagt, derartige Dinge anzunehmen. Vielmehr müssten sie dafür Sorge tragen, aufgrund von Wucher unrechtmäßig erworbenen Gewinn den ehedem Übervorteilten zurückzuerstatten. Um Wucherpraxis zukünftig zu verhindern, seien Christen zudem gehalten, weder Wucher treibenden Juden oder Christen Häuser zu vermieten, in denen sie ihrem sündhaften Geschäft weiterhin nachgehen könnten. Bernardino da Siena legte zum Schluß seine Motive dar, die ihn leiteten, die kirchliche Judengesetzgebung seinem Predigtpublikum nahezubringen: Wegen der großen Zahl an Juden, die, so scheine es ihm, Padua regierten, habe er all dies vorgebracht, um den Eifer der Christen zu erhöhen, sich vor allzu engem Umgang mit Juden zu hüten. 29 Ehe Bernardino da Siena am 19. April 1423 unter tränenreicher Anteilnahme der Bürger und Einwohner Paduas die Stadt verließ, predigte er zuvor abschließend über die Hinwendung zu Jesus Christus (De conversione ad Jesum). Dabei ermahnte er sein christliches Predigtpublikum noch einmal, die bestehende, widerrechtliche Privilegierung der stadtsässigen Juden, die nicht der Kennzeichnungspflicht unterlagen und mit Zustimmung der städtischen Obrigkeit ihren Kreditgeschäften nachgingen, aufzuheben. Er erinnerte nochmals an die einschlägigen kirchenrechtlichen Bestimmungen, die er bereits in seiner Predigt über den Erwerb der göttlichen Liebe vorgetragen hatte. Mit drastischen Bildern versuchte er zudem anschaulich zu machen, warum Christen sich von Juden fernhalten sollten. Christen, so Bernardino da Siena, dürften weder liturgische Gefäße an Juden verpfänden, noch ehedem verpfändete sakrale Behältnisse von ihnen zurücknehmen, verrichteten diese doch dort ihre Notdurft hinein, um den christlichen Glauben zu schmähen und zu verspotten. Juden, davon gebe das Beispiel eines jüdischen Arztes in Avignon Gewähr, der auf dem Totenbett bekannte, durch seine Medizin zahlreiche Christen getötet zu haben, trachteten danach, Christen und die societas christiana zu verderben. 30 Er drohte mit göttlichen Strafen, falls Juden nicht in 29

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Bernardino da Siena, De emenda charitate divina, in: ders., Opera Omnia, Bd. 3, hg. von Johannes de la Haye, Venedig 1745, fol. 334b. Vgl. MORMANDO, Preacher’s Demons, S. 240. MORMANDO, Preacher’s Demons, S. 178.

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Predigt im Kontext politischer Praxis

ihre Schranken gewiesen würden und erinnerte die städtische Obrigkeit an ihre Verpflichtung, Recht zu bewahren und Rechtsbruch zu strafen. Unmittelbaren Erfolg erzielte Bernardino da Siena nicht. Einige Jahre später, am 28. Mai 1430, beschloß zwar der städtische Rat, Juden das Tragen eines Zeichens aufzuerlegen, erlaubte ihnen aber ihre Zinsgeschäfte weiterzuführen, seien diese doch gut und notwendig (bonum ac necessarium) für die Stadt. 31 Die Vorstellung von einer ökonomischen Notwendigkeit der jüdischen Geldleihe für das bonum commune, die die franziskanischen Prediger immer wieder bestritten, bestimmte die Haltung des städtischen Rates bereits 1415 in einer Auseinandersetzung mit Venedig, das die Zinssätze der Juden beschränken wollte. Als die jüdischen Kreditoren daraufhin drohten, ihre Banken zu schließen und Stadt und Territorium zu verlassen, protestierte der Rat von Padua erfolgreich gegen die venezianische Politik und betonte die necessitas der jüdischen Zinsleihe für die Stadt. 32 Den Ratsbeschluß vom 28. Mai 1430 bestätigte Venedig mit einer Dogale vom 6. Juli 1430. Die Kennzeichnung der Juden sei notwendig, da zahlreiche Mißstände und Ärgernisse entstünden, wenn Juden sich nicht von Christen unterscheiden würden. 33 Die Juden widersetzten sich der ihnen gebotenen Kennzeichnungspflicht und verwiesen auf die condotta, die sie mit dem Rat und mit Zustimmung des venezianischen Senats einige Jahre zuvor geschlossen hatten. Darin sei es ihnen gestattet worden, sich nicht als Juden öffentlich kenntlich machen zu müssen. Am 15. April 1431 wies der Rat den jüdischen Protest ab. Venedig stimmte dem in einer Dogale zu, teilte jedoch darin die Auffassung Paduas hinsichtlich des Nutzens der jüdischen Zinsleihe: „Pro comoditate civium sit necessarium habendo Judeos (...) qui tenent bancos et fenerantur in Padua.“ 34 In den nächsten zwei Jahrzehnten schloß der Rat mit Zustimmung Venedigs immer wieder Verträge mit den Juden, die ihnen die Zinsleihe gestattete. Konfliktfrei war das Verhältnis zwischen den städtischen Amtsträgern und der jüdischen Gemeinde jedoch nicht. 1436 klagte der Rat nun selbst über zu hohe Zinssätze der jüdischen Zinsleiher. Gleichwohl erneuerte er die condotta: „Et civitas nostra sine mutuatoribus stare non possit.“ 35 Dennoch ließ der Rat seitdem nichts unversucht, die jüdische Geldleihe stärker zu kontrollieren und zu reglementieren. Akribisch achtete die Stadt darauf, daß die jeweils für drei Jahre geschlossenen condotte nicht verletzt wurden. Während der Vertragsverhandlungen 1443 bezichtigte der Rat die Juden des Vertragsbruchs. Sie täten dies, um den christlichen Glauben zu demütigen und zu verletzen; eine 31 32 33 34 35

ASP, Ducali 4, fol. 57v. ASP, Ducali 2, fol. 39v. ASP, Ducali 2, fol. 114v: „(...) quod multa inconvenciora ut scandala veniunt ex eo quod Judei non difereunt christianis (...)“. ASP, Ducali 4, fol. 115r. ASP, Atti del Consiglio 4, fol. 314r.

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Anschuldigung, die auch die franziskanischen Prediger – wie gezeigt – äußerten. 36 Auffallend ist hier die zeitliche Nähe zu den Fastenpredigten, die Bernardino da Siena 1443 in der Stadt gehalten hatte. 37 Gleichwohl übernahm der Rat noch nicht den franziskanischen Antijudaismus mit letzter Konsequenz, der Ausweisung der jüdischen Kreditoren, sondern versuchte lediglich, günstige Vertragsabschlüsse für die Stadt auszuhandeln. Im Jahr 1447 und noch einmal 1450, jetzt sogar für eine Laufzeit von fünf Jahren, schloß der Rat condotte mit den Juden. Zwischen Dezember 1450 und der ersten Januarhälfte 1451 predigte Giovanni da Capestrano in Padua. Seine Predigten sind nicht überliefert; ihr antijüdischer Inhalt läßt sich jedoch über eine kritische Respons des Juristen Angelo da Castro († 1485), der an der Universität Paduas kanonisches und weltliches Recht lehrte, erschließen. 38 Capestrano trug die kirchliche Judengesetzgebung vor. Besondere Aufmerksamkeit schenkte er dabei dem Verbot der usura. 39 Im Gefolge Giovannis da Capestrano befand sich auch Roberto Caracciolo da Lecce. 40 Fra Roberto wollte zu Beginn des Jahres 1451 bereits in Bologna predigen, doch entschuldigte er in einem Brief an die Fabrikatur von S. Petronio in Bologna seine Verspätung. Das Volk in Padua sei so eifrig und begierig, das Wort Gottes zu hören, daß es Giovanni da Capestrano gefallen hätte, länger in der Stadt an der Brenta zu bleiben. Der Entscheidung ‚seines Vaters‘ müsse er Folge leisten. 41 36 37

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40 41

ASP, Atti del Consiglio 5, fol. 90r. Bernardino da Siena nahm 1443 auch am Generalkapitel der Franziskaner in Padua teil, das am 16. Juni zu Ende ging. Er hielt sich darüber noch bis zum 1. Juli in der Stadt auf. Die letzten beiden Predigten, die Bernardino im Juni hielt, edierte SERAFINO BASTANZIO, Le ultime due prediche di S. Bernardino recitate a Padova nel giugno del 1443, in: Bullettino di Studi Bernardiniani 8 (1942), S. 3-29. Darin findet sich jedoch kein Hinweis auf die usurarii iudaeorum. Die Fastenpredigten reportierte erneut der Jurist Porcegli. Die Mitschrift, die heute in der Biblioteca Civica von Bergamo, MS Cod. MA 302, aufbewahrt wird, konnte ich leider nicht einsehen; dennoch ist anzunehmen, daß Bernardino das Problem der jüdischen Geldleihe erneut ansprach. Zu Angelo da Castro vgl. BELLONI, Professori giuristi, S. 119-123. Università di Padova, Ms. 568, fol. 163r-179r. Capestrano griff nicht nur die jüdische Zinsleihe an, sondern bekämpfte auch christliche Kreditoren. Capestrano hielt sich, schenkt man einer Chronik aus Vicenza Glauben, bis zum 13. Januar in Padua auf; von dort brach er dann nach Vicenza auf. Vgl. auch SIMIONI, Storia di Padova, S. 856. GALLO, Predicatori francescani, S. 165. „Est utique hic populus paduanus in multo fervore et avide omnes audiunt verbun Dei. Placet ex hoc patri meo fr. Ioannis de Capistrano ligare usque ad Septuagesimam, ut a Padua non discenderem (...) Non sum ego in potestate mea, sed praeceptis ducor superiorum.“ Zitiert nach Visani Ravaioli, Testimonianze, S. 189. Zu den Predigten in S. Petronio in Bologna vgl. CELESTINO PIANA, Lettera inedita di san bernardino da Siena e altra corrispondenza per la storia del pulpito di S. Petronio a Bologna nel ‘400, in: Archivum Franciscanum Historicum 47 (1954), S. 69-71.

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Predigt im Kontext politischer Praxis

Roberto nutzte den verlängerten Aufenthalt in Padua, um selbst zu predigen. Am 10. Januar 1451 belehrte er über die Sünde der Habsucht (avaritia), derer sich Wucherer schuldig machten. Seine Predigten beeindruckten den Rat derart, daß dieser sich, nachdem Capestrano für die anstehende vorösterliche Fastenzeit abgesagt hatte, um Roberto Caracciolo da Lecce als Fastenprediger bemühte. 42 Es dauerte jedoch noch zwei Jahre, ehe der Rat von der Praxis abwich, Juden zu gestatten, in der Stadt auf Zins zu leihen. Nach drei Jahrzehnten, in denen die franziskanischen Prediger immer wieder das Verbot der jüdischen Zinsleihe gefordert hatten, gab der Rat seine Zurückhaltung demgegenüber auf. Am 15. Mai 1453 beschloß der consiglio maggiore einstimmig, in Venedig um die Schließung der jüdischen Banken in Padua und um die Ausweisung der jüdischen Bankiers aus Stadt und Territorium nachzufragen. Dabei beriefen sich die Ratsherren auf die Prediger; diese hätten göttliche Strafen für den Fall prophezeit, falls die Stadt die Judeos fenerantes nicht ausweise. 43 Am 28. Mai 1453 stimmte Venedig zu, gebot aber, erst nach Ablauf der bestehenden condotta 1455 Juden die Zinsleihe nicht mehr zu gestatten. Dazwischen bestärkten Predigten Micheles Carcano da Milano und Robertos Caracciolo da Lecce den Rat in seiner Entscheidung. 44 Roberto, der sich seit Ende Januar in der Stadt aufhielt, bot seinem Publikum wie schon 1451 wortgewaltige und spektakuläre Auftritte. 45 Der Franziskanerprediger verurteilte 42

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ASP, Atti del Consiglio 6, fol. 9r. Ob Roberto Caracciolo da Lecce tatsächlich die Quadragesmia-Predigten 1451 in Padua gehalten hat und wenn ja, was er verkündete, ist nicht überliefert. ASP, Atti del Consiglio 6, fol. 142r: „(...) propter Judeos fenerantes sit discipata (...) propter predicta nobis predicatores iudicium dei (...)“. GALLO, Predicatori francescani, S. 166, Zu den Fastenpredigten, die Roberto Caracciolo da Lecce 1455 in Padua hielt ORIANA VISANI, Pubblico e temi del quaresimale padovano del 1455 di Roberto Caracciolo da Lecce, in: Giornale storico della letteratura italiana 157 (1980), S. 541-556; DIES., Per le fonti del quaresimale padovano del 1455 di Roberto da Lecce. Correzioni e aggiunte, in: Il Santo 24 (1984), S. 605-609 und DIES., Un nuovo testimone del Quaresimale padovano del 1455 di Roberto da Lecce, in: Il Santo 30 (1990), S. 157-179. 1451 hielt er seinem Publikum einen Totenschädel entgegen, um es an die Vergänglichkeit alles Weltlichen zu erinnern. Hier läßt sich das oben beschriebene Wechselspiel zwischen dem Zeigen von Gegenständen und Schreien erneut beobachten. „Quibus dicit, accepit in manibus unum caput cadaveris et, populo ostendens, cepit dicere: ‚Ubi tue divitie, ubi pallatie, ubi ludi, ubi tripudia (...) ubi oculi, ubi nares, ubi capilli pulcri, ubi aures (...) O iuvenes, o veteres, o domina frontosa, o slisata, ego sicut vos fui, ego oculus, manus, linguam, parentes, filios, amicos, possessiones et domos ammisi, et post me reliqui, et sicut ego sum, in brevi spatio eritis.‘ O pompa mundana, cave ne damnetur anima. Et tu, o vanagloriosa, aspice hoc caput et considera cum tua zamfarda ad quid venies (...) Et populus clamare cepit: ‚Sancte Antonie ora pro nobis‘ et ‚Misericordia, misericordia‘.“ Als er 1451 ein Bild des soeben kanonisierten Bernardinos da Siena hochhielt und bat, der Heilige möge für die Umstehenden beten, schrie das Publikum „Ihesu, Ihesu, Ihesu“. 1455 stilisierte er sich als leidender Christus. Der Reportator hielt fest: „Et his per predicatorem fratrem Robertum dictis, cepit in manibus quandam coronam spineam, quam

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in seinen Fastenpredigten nicht nur den jüdischen Wucher; er polemisierte gegen die jüdische Ablehnung der christlichen Bilderverehrung und präsentierte in einer Beispielgeschichte, die er den ‚Vitae patrum‘ entnommen hatte, Juden als Parteigänger des Teufels. 46 Am Karfreitag, dem 28. März, schilderte er in erschütternden Worten die Schuld der Juden an der Kreuzigung Christi. 47 Der städtische Rat übernahm nicht nur die Argumente der Prediger, sondern bediente sich zunehmend auch ihrer Sprache. Nur wenige Tage, nachdem Roberto Caracciolo da Lecce das Leiden Christi dargestellt hatte, faßte der consiglio maggiore den Entschluß, sich die Ausweisung der jüdischen Zinsleiher vom Papst bestätigen zu lassen. Dabei urkundete er: „Die Juden sind die Feinde unseres Herrn, Jesus Christus.“ 48 Der Stadtrat ließ sich bei seiner Entscheidung von den theologischen Forderungen der franziskanischen Prediger leiten; im April 1456 schickte er eine Abordnung nach Venedig. Ziel war nicht der Dogenpalast, sondern das Kloster, in dem sich Antonio da Bitonto, der wohl kurz zuvor in Padua gepredigt hatte, aufhielt. Sie erbaten den Ratschlag des Predigers, wie man sich gegen Venedig behaupten könne, befürchtete man in Padua doch, die Serenissima könne die jüdische Geldleihe wieder zulassen. Der consiglio maggiore folgte der Empfehlung Fra Antonios, Rechtsgutachten einzuholen, die dem Standpunkt Paduas juristisches Gewicht geben könnten. Das entsprechende Gutachten erstellte kurz darauf der an der Universität von Padua lehrende Kanonist und Zivilrechtler Lauro Palazzolo († 1465), der selbst zu den Gesandten gehörte, die der Rat Paduas zu Antonio da Bitonto geschickt hatte. Er bekräftigte in seinem Consilium de mense aprilis 1456 die Auffassung der Stadt von der Illegitimität der jüdischen Geldleihe. 49

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sibi super caput posuit, deinde cepit crucem populo ostendens et dicens: ‚Ecce crucem‘. Item spongiam, quam sibi ad os posuit, dicens: ‚Videte quantam pro vobis facere volui, o peccatores, o peccatores obstinati; nam pro vobis sanguinem meum dare volui ut latus meum aperiretur pro vestra redemptione‘. Item populo lanciam ostendit, quam ad latus suum actualiter posuit ut ipse perforatus lancea videretur; et totus populus plorabat clamans: ‚Misericordia‘, ac in eadem devotione perseverans, continua voce clamabat: ‚Misericordia, misericordia‘ (...) Et totus populus pectus sibi percutiebat clamans et vociferans: ‚Misericordia, misericordia, misericordia‘.“ Zitiert nach VISANI RAVAIOLI, Testimonianze, S. 191f. Roberto Caracciolo da Lecce, Quaresimale padovano 1455, S. 138f. u. 293f. Ebenda, S. 237-241. ASP, Atti del Consiglio 6, fol. 198v. Biblioteca Nazionale Marciana di Venezia, MS lat CL V, fol. 191r. Lauro Palazzolo bietet neben einer umfangreichen juristischen Argumentation einen Einblick in die Gesandtschaft Paduas zu Antonio da Bitonto. Ebenda, fol. 190v/191r: „Et dum (...) essemus pro communitate nostra padue, cum aliis civilis et doctoribus plurimis, inter quos ego eram Et advocatus communis nostri padue. Coram Reverendo patrem domino Frate Antonio de Betonta in cella sua, qui predicaverat super hoc passa!“ Zu Lauro Palazzolo vgl. BELLONI, Professori giuristi, S. 269-274.

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Erfolgreich war die städtische Politik nur zum Teil. Zwar verzichtete Venedig darauf, Juden die Zinsleihe in Padua selbst zu erlauben; im Umland Paduas hingegen übten sie ihr Kreditgeschäft alsbald wieder aus, nachdem der Doge Francisco Foscari am 12. Juli 1456 die Eröffnung jüdischer Banken im contado paduano zugelassen hatte. 50 Im consiglio maggiore wurde man in den folgenden Jahren dennoch nicht müde, die Politik Venedigs anzugreifen. Die einschlägigen Ratsbeschlüsse spiegeln auf der einen Seite eine religiös-ethische Orientierung, die von der großen Mehrheit der Ratsherren geteilt wurde. 51 Der Streit um den Status der Juden war Teil der politischen Auseinandersetzung zwischen Venedig und Padua. Michele Carcano da Milano hielt 1469 die Fastenpredigten in Padua. Dabei schärfte er noch einmal das Verbot der jüdischen Zinsleihe ein. Er warb für die Einrichtung einer gemeinnützigen Monte di Pietà, die den Kreditbedarf bedürftiger Christen sicherstellen sollte. Auf der einen Seite stand der illegitime jüdische Wucher, auf der anderen Seite die gerechte, caritative Geldleihe. Als sich der Rat der Stadt am 5. April 1469 versammelte, diskutierten die Ratsherren die Forderungen Micheles Carcano da Milano. In der Sprache und der Argumentation folgten sie den Predigten des observanten Franziskaners. Die Stadtgemeinde begehe eine Todsünde und handle contra iurem conservationis, wenn sie jüdische Kreditoren in der Stadt oder dem Umland dulde. Der Stadt drohe die Exkommunikation durch den Papst und schreckliche göttliche Strafen. Einstimmig beschloß der Rat, in Venedig die Erlaubnis einzuholen, eine Monte di Pietà zu errichten. 52 Venedig stimmte zu, unter dem Vorbehalt, die Stadt müsse für den finanziellen Verlust aufkommen, den Venedig durch die Schließung der jüdischen Banken erleiden würde. Sofort setzte der consiglio maggiore eine Kommission ein, die die Statuten für die Monte di Pietà ausarbeiten sollte. Gleichzeitig begann der Rat, Geld für ihren Kapitalstock zu sammeln. Ihre Arbeit nahm die kommunale Pfandleihanstalt jedoch nicht auf. Die Ursachen dafür lassen sich nur schwer rekonstruieren. Die finanzielle Ausstattung der Monte di Pietà war wohl unzureichend, um den Betrieb aufzunehmen und den Erfolg zu sichern. 53 Wenn auch der Rat der Stadt 50 51

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ASP, Ducali 2, fol. 150v. ASP, Atti del Consiglio 6, fol. 493v; Atti del Consiglio 7, fol. 5v-6v, 11v, 202v u. 229v230v. Da die Abstimmungsergebnisse nur numerisch, nicht aber namentlich aufgeführt sind, läßt sich nicht feststellen, wer die Wenigen waren, zumeist acht oder neun Stimmen, die im Sinne Venedigs entschieden. ASP, Atti del Consiglio 7, fol. 316r/v. Die ausgearbeiteten Statuten bei Paolo Saviolo, Leggi del Santo Monte di Pietà di Padova, Padua 1647. Zur Geschichte der Monte di Pietà in Padua vgl. AMOS MATTEI, Della fondazione del Monte di Pietà di Padova e dei primordi della sua gestione, Padua 1903 und JACOPO MORO, Il Monte di Pietà di Padova 1469-1923, Padua 1923. Über die Bemühungen, ausreichend Kapital für die Monte di Pietà zu bekommen einige Hinweise

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einstimmig den Forderungen Micheles Carcano da Milano folgte, regten sich doch zugleich auch Stimmen, die dafür plädierten, Juden weiterhin die Ausübung ihrer Zinsgeschäfte in der Stadt zu erlauben. So standen sich Theologen und Juristen gegenüber, wobei die Front nicht einheitlich verlief. Der Jurist Angelo da Castro wandte sich in einem consilium gegen ein früheres, nicht mehr genau datierbares Rechtsgutachten seines Kollegen Alessandro da Nevo († 1485), in dem dieser fünf Fragen behandelt hatte: 1. Ob Juden sündigen, die Christen auf Zins liehen; 2. Ob die Kirche eine solche Sünde, die zweite Frage gibt bereits die Antwort auf die erste, verhindern müsse; 3. Ob die Kirche eine solche Praxis dulden müsse propter maius malum vitandum vel propter maius boni quod exinde verisimiliter sequi; 4. Ob weltliche Herrschaftsträger Juden die Erlaubnis zur Zinsleihe erteilen dürfen; 5. Ob der Papst Dispens in diesem Fall erteilen dürfe. Nevo verurteilte die jüdische Zinsleihe grundlegend mit jenen Argumenten, deren sich auch die franziskanischen Prediger bedienten. Weltlichen Herrschaftsträgern, die Juden gestatteten, Zins zu leihen und sich dabei auf necessitas beriefen, widersprach er. 54 Angelo da Castro machte dagegen zahlreiche Einsprüche (apostillae) geltend, die er anschließend in einem consilium weiter ausführte. Castro griff nicht nur Nevo an, sondern bezog seine Kritik auch auf die Prediger, die täglich predigten, die städtischen Magistrate dürften den Juden ihre Geldgeschäfte nicht erlauben. 55 Castro war anderer Meinung.

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bei GIUSEPPINA DE SANDRE, Monte di Pietà in Padova. Spunti per una analisi di ambiente, in: Quaderni per la storia dell’Università di Padova 1 (1968), S. 83-89. Università di Padova, Ms. 1268, fol. 1r-10v. Das consilium wurde später zusammen mit weiteren Rechtsgutachten Nevos, die im Kontext der Auseinandersetzung um die Monte di Pietà in Padua in den Jahren 1469-1472 entstanden häufig im Anschluß an das ‚Supplementum Summae Pisanellae‘ Niccolos da Osimo gedruckt. Zu Nevo vgl. BELLONI, Professori giuristi, S. 107-110. Die Datierung des consilium Nevos, dem in der Auseinandersetzung in Padua zwischen 1469 und 1472 noch drei weitere folgten, ist bis heute noch nicht abschließend geklärt, die Vorschläge reichen von 1441 bis in das Jahr 1469. Vgl. POLIAKOV, Les banchieri juifs, S. 59; MARIANO NARDELLO, Il prestito ad usura a Vicenza e la vicenda degli Ebrei nei secoli XIV e XV, in: Odeo Olimpico 13/14 (1977/78), S. 96-103. Zu den widersprüchlichen Consilia, die in Padua zwischen 1469 und 1472 ausgetauscht wurden, vgl. HELENE ANGIOLINI, Polemica antiusuraria e propaganda antiebraica nel Quattrocento (Prime notizie per l’edizione dei Consilia contra Iudaeos fenerantes di Alessandro da Nevo e dei Consilia de usuris di Angelo da Castro, in: Il pensiero politico 19 (1986), S. 311-318. Aus der angekündigten Edition ist bis heute nichts geworden. Università di Padova, Ms. 1268, fol. 11r-12v. Fol. 11r: „(...) queritur et dubitatur an communitas (...) sine licentia et permissione sedis apostolice possit et sine peccato inducere iudeos ad publice fenerando in terra sua (...) Et (...) notabiles predicatores predicaverunt et predicant quottidie quod non.“ Die Bibliothek der Rijksuniversiteit Leiden bewahrt ebenfalls eine Handschrift des Rechtsgutachten Castros auf, das ediert wurde von FRANCO TODESCAN/GILDA MANTOVANI, Il „Consilium de usuris“ di Angelo da Castro, in: Atti e memorie dell’accademia patavina di scienze, lettere ed arti 96 (1983/84), S. 173-187.

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Weltliche Herrschaftsträger sündigten keineswegs, falls sie mit Zustimmung des Papstes Juden ex causa publice utilitatis et ad subveniendum necessitatibus erlaubten, auf Zins zu leihen. 56 Einer rigoristischen theologischen Position trat er mit Pietro da Ancharano entgegen. Dieser hatte in einem consilium geurteilt, daß nicht Theologen, sondern Kanonisten befugt seien, in Fällen von usura Recht auszulegen und damit anwendbar zu machen. 57 In die Diskussion schalteten sich zwei Theologen und Prediger ein, die unterschiedliche Positionen vertraten: Michele Carcano da Milano und der Prior des Paduaner Servitenkonvents Galvano da Padova. 58 Fra Michele antwortete auf das ‚consilium de usuris‘ Angelos da Castro; es sei Sache der heiligen Theologie zu bestimmen, welche Gesetze wie zu halten seien. Notwendigkeit rechtfertige keine Todsünde, die jede Form von Wucher, so auch der jüdische, darstelle. 59 Alessandro da Nevo stimmte in einem zweiten consilium, in dem er sich gegen Angelos da Castro Einwände stellte, Michele Carcano da Milano zu. Dessen Ausführungen entsprächen völlig Theologie und Kanonistik. Er berichtete auch, Fra Michele und Angelo da Castro hätten über die strittigen Fragen disputiert. Am Ende der Disputation habe der Jurist seinen falschen Standpunkt eingeräumt und dem Prediger gelobt, Buße für seine Irrtümer zu tun. Jedoch habe er sein Versprechen nicht eingelöst. Nevo bezeichnete Angelo da Castro daraufhin als Häretiker. 60 Ebenso verurteilte er Galvano da Padova, der wie Castro der Auffassung war, die Stadt könne aufgrund ökonomischer Notwendigkeit und Nutzen für das bonum commune den Juden ruhig gestatten, ihre Kreditgeschäfte auszuüben. Er schlug vor, daß die Stadt, die jüdischen Banken, die sie nicht innerhalb ihrer Mauern haben wollte, zumindest im Umland zulassen sollte. 61 Der politische Hintergrund der Consilia jener Zeit läßt sich nur sehr schwer rekonstruieren. Anhaltspunkte dafür, daß die Theologen und Juristen nicht nur 56 57

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Angelo da Castro, Consilium de usuris, S. 184. Ebenda, S. 185f.: „(...) et hoc est etiam de mente Petri de Ancharano in (...) suo consilio CCXXXV, ubi videtur velle quod princeps temporalis non possit permittere Iudeis per decretum suum quod possint exercere fenus, eciam propter bonum publicum, quia hoc decernere (...) Et si aliqui forent sacre theologie professores qui aliter teneant, standum est potius opinioni canonistarum, ut plene disputando concludit Petrus de Ancharano in quadam sua eliganti disputacione (...) in qua tractat an decisio questionum emergenicum in causa usurarum spectet ad sacre theologie magistros, an autem ad doctores iuris canonici et civilis, et dicit quod prima facie dicendum videtur quod spectet ad magistros sacre theologie (...) Contrarium tamen ipse determinat, quod (...) spectet ad doctores iuris canonici (...) “. Zu Galvano da Padova sind nur spärliche Nachrichten überliefert. Vgl. LUCIANO BERTAZZO/DAVIDE MARIA MONTAGNA, Santa Maria dei Servi a Padova, Vicenza 1983, S. 65. Vgl. PETER CORNELIS BOEREN, Les „Apostillae“ de Michele Carcano da Milan, O.F.M., au „Consilium de usuris“ d’Angel de Castro, in: Archivum Franciscanum Historicum 63 (1970), S. 174-180. MENEGHIN, Bernardino da Feltre, S. 272-277. Das Consilium Galvano da Padovas in Università di Padova, Ms. 1268, fol. 40v-45r.

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aus eigenem Antrieb argumentierten, finden sich in den letzten beiden Rechtsgutachten Alessandros da Nevo, in denen er seinen Standpunkt gegenüber Galvano da Padova verteidigte. Er warf dem Serviten vor, er habe für seine Stellungnahme Geld erhalten. Wer die Auftraggeber gewesen seien, sagte er nicht, stellte jedoch einen Bezug zum städtischen Rat her. Es seien nun mehr als 14 Jahre vergangen, seit die Stadt die jüdischen Kreditoren ausgewiesen habe. Er bezweifelte jedoch, daß der consiglio maggiore sich wirklich von religösen Motiven bewegen ließ. Vielmehr ginge es auch ihm nur darum, die Zinssätze der Juden zu drücken und möglichst günstige Vertragsabschlüsse mit der jüdischen Gemeinde zu erzielen. Gelänge dies, so würde der Rat zweifellos Juden wieder gestatten, in Stadt und Umland ihr sündhaftes Wuchergeschäft zu treiben. 62 Die Befürchtung Nevos war wohl nicht unberechtigt. Trotz des Scheiterns der Monte di Pietà, die die Bürger und Einwohner der Stadt mit dringend benötigten Kleinkrediten versorgt hätte, blieb der consiglio maggiore in den nächsten Jahren bei seiner harten Position gegen die Judeos feneratores, die regelmäßig Thema der Ratsversammlungen waren. 63 Am 19. April 1471 nahm sich der Rat erneut der jüdischen Zinsleihe an und bekräftigte: „Haec civitas nullatenus astringatur ad conducendum Judeos fenerantes.“ 64 Juden ihr Wuchergschäft zu gestatten, bedeute die Verachtung Gottes, die Schmähung des christlichen Glaubens, die Gefährdung des christlichen Seelenheils und den Verlust des bonum commune. Im Ratsbeschluß findet sich ein Verweis auf die theologisch-juristische Kontroverse innerhalb der Stadt, die sich in Ansätzen im Abstimmungsergebnis widerspiegelt. Es fiel mit 62 Ja- und sieben Neinstimmen zwar noch deutlich, aber nicht mehr so einmütig wie zwei Jahre zuvor aus, als der Rat die Errichtung einer Monte di Pietà beschlossen hatte. Zu Beginn des Jahres 1483 war der Rat vollends zerstritten. 44 Ratsherren stimmten dafür, erneut eine Gesandtschaft nach Venedig zu schicken, da die Juden weiterhin im Umland, nun aber auch unerlaubterweise wieder in der Stadt ihren Geldgeschäften nachgingen. Mit 45 Stimmen wurde der Antrag zurückgewiesen. Die Diskussion im Rat offenbart, daß die Ratsherren nicht nur den franziskanischen Forderungen Folge leisten, sondern sich gleichzeitig gegen die ihrer Ansicht nach willkürliche Politik Venedigs zur Wehr setzen wollten. Als Problem benannte der Rat nicht die jüdische Geldleihe, sondern daß Venedig ohne seine Konsultation und Zustimmung Entscheidungen für die Stadt träfe. 65 Die Frage der jüdischen Zinsleihe war Mittel zum Zweck; sie fügte 62 63 64 65

Die weiteren Consilia Nevos, in denen er sich mit Galvano da Padova auseinandersetzte ebenda, fol. 30r-40v u. 45r-46r. ASP, Atti del Consiglio 7, fol. 331r, fol. 336v-338r u. fol. 342r. ASP, Atti del Consiglio 8, fol. 64v. ASP, Atti del Consiglio 9, fol. 350v-352r, bes. 352r: „(...) contra voluntatem istius Mandato communitatis. Et tamen ut experientia docit sit necessarium huic Mandato communitatis (...)“.

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Predigt im Kontext politischer Praxis

sich in den Kontext zahlreicher Eingaben Paduas an die Serenissima, mit der der städtische Rat in jener Zeit versuchte, aus der engen Umklammerung Venedigs auszubrechen und politische Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu gewinnen. 66 Der Rat setzte in den nächsten Jahren seine Bemühungen in dieser Richtung fort. Als Venedig 1486 beabsichtigte, drei jüdische Banken in Padua zuzulassen, vermischten sich im Protest des consiglio maggiore theologische Argumentation mit politischem Kalkül. 67 Diese Situation nutzte der Bischof der Stadt Pietro Barozzi, der seit Beginn seines Pontifikats 1487 eine rege Reformtätigkeit in Gang gesetzt und propagiert hatte, man müsse im Fall der Juden auf die strenge Einhaltung der kirchlichen Judengesetzgebung achten. 68 Er kam mit dem Rat überein, einen erneuten Versuch für eine Monte di Pietà zu unternehmen. Der consiglio maggiore stellte sofort eine größere Geldsumme bereit. Venedig, das in jenen Jahre auch andernorts in der terraferma der Errichtung von Monti di Pietà zugestimmt hatte, nicht ohne sich Abstandszahlungen für den Verzicht, jüdische Banken zu privilegieren, geben zu lassen, stimmte ebenfalls zu. Daraufhin bat Barozzi von Angelo Carletti, der damals Vikar der venezianischen Provinz der Franziskanerobservanten war, Bernardino da Feltre als Prediger für die Stadt. Am 26. Juni 1491 predigte dieser auf der Piazza dei Signori, wo bereits Bernardino da Siena fast 70 Jahre zuvor gegen die jüdische Zinsleihe geeifert hatte. Nach der Predigt hielt Pietro Barozzi eine Messe und segnete die Statuten der Monte di Pietà. Während der nächsten Tage rief Fra Bernardino sein Publikum zu weiteren Spenden für die kommunale Pfandleihanstalt auf. Am 31. Juni wurde das Gebäude der Monte di Pietà, das zwischen Duomo und dem Palazzo communale lag, feierlich geweiht. Im Anschluß zog eine große Prozession durch Padua, in der sich die communitas als societas christiana einträchtig darstellte. Bernardino da Feltre führte sie mit dem Bischof an. Ihnen folgten als Zeichen der Buße weißgekleidete Kinder. Dahinter ging der Rat, an seiner Spitze die rettori. Zahlreiche Bürger und Einwohner Paduas folgten ihnen. 69 Im Ergebnis vereint, ließen sich die Akteure, Prediger, Bischof, venezianische Amtsträger und die Repräsentanten der städtischen Gemeinde doch von je eigenen Motiven leiten. 66

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Die Atti del Consiglio aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts offenbaren eindeutig dieses Bemühen. Zentraler Streitpunkt war immer wieder das von Venedig angeblich verletzte städtische Recht. ASP, Atti del Consiglio 10, fol. 147v-148r. Ähnlich so auch zwei Jahre später. Vgl. ebenda, fol. 164r-166v. PIERANTONIO GIOS, L’attività pastorale del vescovo Pietro Barozzi a Padova (14871507), Padua 1977. Zur Haltung Barozzis gegenüber den Juden ebenda, S. 311-332. Zur Prozession vgl. VITTORINO MENEGHIN, Il „Mons Euganeus“ di Giovanni Barozzi. Poemetto sull’erezione del Monte di Pietà di Padova (1491), in: Fonti e ricerche di storia ecclesiastica padovano 2 (1969), S. 107-216, bes. S. 136f.

IV. Schluß

Am Ende einer Arbeit, die den Antijudaismus italienischer Franziskanerprediger im Kontext politischer Kommunikation und Praxis des späten Mittelalters zum Gegenstand hat, gilt es, ihre Ergebnisse als Antworten auf die eingangs gestellten Leitfragen der Untersuchung kurz zusammenzufassen. Um die Frage angemessen zu beantworten, ob die Prediger im spätmittelalterlichen Italien ein Programm sozialer Segregation von Juden lancierten, das dem traditionellen Toleranzgebot zuwiderlief und damit der Exklusion jüdischen Lebens aus der christlichen Mehrheitsgesellschaft das Wort redete, war es unverzichtbar, Diskurse der klassischen christlichen Theologie, ihre Beständigkeit, ihre Entwicklung und ihre Veränderung aufzuarbeiten. In ihrer gemeinsamen Geschichte grenzten sich Juden und Christen gegeneinander ab. Die Abgrenzung zum jeweils ‚Anderen‘ war konstitutiv für die eigene religiöse Konzeption. Konfrontationskulturen, die Judentum und Christentum verkörpern, bedürfen distanzierender Unterscheidung, um sich ihrer Identität zu vergewissern. Mit den neuen missionarischen Handlungsinitiativen von Seiten der christlichen Kirche seit dem 13. Jahrhundert endete die Distanznahme nicht, implizieren Zwangspredigten als nun gängige Normen kirchlicher Praxis doch ein Gefälle von Über- und Unterlegenheit. In ihnen drückt sich ein verstärkter Antijudaismus aus, der auf die soziale Ausgrenzung jüdischen Lebens in der christlichen Gesellschaft zielt, formuliert Mission doch Exklusion mit dem Ziel, ihre Inklusionsbemühungen an dem zuvor Ausgeschlossenen zu vollziehen. Die Franziskanerprediger im spätmittelalterlichen Italien verhielten sich gegenüber Judenpredigten auffallend zurückhaltend. Es lassen sich Argumente finden, aufgrund derer sich franziskanische Prediger ihr Publikum wählten und sich damit gegen Missionspredigten entschieden. Die Gründe waren theologische. Die franziskanische Position war jedoch bereits in diesem Diskurs nicht einheitlich. Michele Carcano da Milano, Roberto Caracciolo da Lecce oder Bernardino da Feltre etwa argumentierten eschatologisch und beriefen sich auf Paulus; sie vertrauten auf die endzeitliche Bekehrung der Juden. Solange Juden aus biblischer Verstocktheit den wahren Glauben nicht erkannten, bestand die Hoffnung christlicher Theologen, sie dank autoritativer Schriften und dank einer ihnen eigentlich innewohnenden Vernunft zur kirchlichen Heilsgemeinschaft zu bringen. Hatte sich die Verstocktheit aus der Sicht franziskanischer Prediger im späten Mittelalter in willentliche und boshafte Ablehnung gewandelt, schienen jegliche Bekehrungsbestrebungen unnütz und zum Scheitern verurteilt. Was in der Sicht Bernardinos da Busti und Giacomo Ongarellis Juden belastet und negativ qualifiziert sind nicht mehr allein

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Schluß

Blindheit und Verstocktheit, sondern ihre Vernunftlosigkeit und Böswilligkeit. Verzichteten franziskanische Prediger auf Missionsbemühungen und gaben die Schuld den Juden selbst, grenzten sie sie in doppelter Weise aus. Die franziskanischen Prediger versuchten nicht, Juden von christlichen religiösen Standpunkten zu überzeugen, sondern zielten auf die Schärfung der christlichen Identität, wenn sie theologische und sozialethische Auffassungen kenntlich machten, die Christen und Juden voneinander trennten. Wann und wo immer von Juden die Rede war, wurde ihnen eine kollektive Identität unterstellt. Unter völliger Ausblendung individueller Unterschiede wurde das Judentum als Kollektivsingular gesehen, dem ein variabler Set von Eigenschaften zugeschrieben wurde. Diese sollten auf der einen Seite paränetisch wirken. Antijüdische Darstellungen sollten dem christlichen Predigtpublikum als Spiegel eigene Sündhaftigkeit vor Augen halten. Anhand der pejorativen Schilderung der anderen, jüdischen Glaubens- und Lebenswelt entwarfen die Prediger zugleich ein positives, eigenes christliches Gegenbild. Um die Überlegenheit des christlichen Glaubens inhaltlich zu begründen, beriefen sich die Prediger auf klassische theologisch-historische Argumente. Jene, welche notwendig waren, die religiösen Standpunkte und Überzeugungen des alttestamentlichen Gottesvolkes zu bekämpfen, formten und stabilisierten die christliche Identität. Die Juden lebten seit der Zerstörung ihres Tempels zerstreut, in andauernder Gefangenschaft und Schande unter den Völkern der Welt. Ihr Unglück, gedeutet als die Rache Gottes für den Mord an seinem Sohn, erbringe den Beweis für die veritas christiana. Dem Niedergang des jüdischen Volkes stehe der Aufstieg der christlichen Glaubensgemeinschaft gegenüber. Die franziskanischen Prediger waren Teil konkurrierender Exegesen heiliger Schriften; umfangreich folgten sie dem Prinzip ex iudaicis contra iudaeos. Hier war Philologie der Schauplatz, auf dem um Deutungshoheiten gestritten wurde Trotz gemeinsamer Textbezüge ließen sich die tiefgreifenden Gegensätze zwischen der veritas christiana und der veritas hebraica auf Grund unvereinbarer hermeneutischer Gegensätze nicht überwinden. Der Diskurs offenbart unterschiedliches Schriftverständnis, wodurch über kontroverstheologische Themen wie Jungfrauengeburt, Messianität Jesu oder Dreifaltigkeit Gottes schlechterdings kein Einvernehmen zu erzielen war: Typologische Exegese, wie sie von christlichen Bibelauslegern gepflegt wurde, und historisch-literarische Exegese, welche die Textauslegung jüdischer Gottesgelehrter bestimmte, erwiesen sich als schlechterdings unvereinbar. Der franziskanische Antijudaismus erschöpfte sich nicht im funktionalen Aspekt der Profilierung christlicher Identität. Die Predigten sollten die soziale Kohäsion der societas christiana stiften und leiteten Christen hierfür detailliert an, wie sie sich gegenüber Juden zu verhalten hatten. Die kirchliche Judengesetzgebung wies die Grenzen des christlich-jüdischen Zusammenlebens aus. Das kanonische Recht kodifizierte theologische Argumente und bildete den

Schluß

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Rahmen des Verhältnisses von Christen und Juden. Es bestimmte die Juden zu Dienern der Christen und trug Sorge für deren Rechtgläubigkeit, indem es Schutz vor einer Judaisierung bot. Es konnte eine Kennzeichnung von Juden bedeuten, es konnte bedeuten, Christen zu verbieten, mit Juden zu essen, zu baden, zu wohnen oder sich von ihren Ärzten behandeln zu lassen. Ihre Knechtschaft stellte die Juden außerhalb der Hierarchie. Eine solche Rechtsminderung und soziale Ausgrenzung vertrug sich in der Sicht christlicher Theologen und kirchlicher Rechtslehrer durchaus mit dem Grundsatz einer tolerantia iudaeorum, die sich aus dem Gedanken der Zeugenschaft der Juden für die Wahrheit des christlichen Glaubens und der Hoffnung auf ihre endzeitliche Bekehrung speiste. Toleranz ist nie gleichberechtigte Anerkennung des Anderen. Es handelte sich beim Verhältnis von Christen und Juden im Mittelalter, wie auch die Predigten deutlich machen, immer um ein Machtgefälle einer Mehrheitsgesellschaft gegenüber einer Minderheit und ein Inferioritätsverhältnis des Tolerierten. Die franziskanischen Prediger kannten das Duldungsgebot; dennoch gelangten sie in ihren Predigten über die Grenze des Tolerierbaren hinaus. Trotz der Bemühungen, der unitas christiana auch mit einer einheitlichen Position gegenüber den Juden in Theologie und Kanonistik zu entsprechen, unterlagen deren Deutung einer variationsreichen Eigendynamik und ergaben unterschiedliche Standpunkte. Es läßt sich nicht einer Systematik unterordnen oder vereinheitlichen. Die Formulierung einer stringenten theologischen, kanonistischen und ekklesiologischen Position ist die eine Sache, die Deutung dieser loci classici durch die franziskanischen Prediger eine andere. Ließ das ius canonicum Interpretationsspielraum für den christlichen Umgang mit Juden zu, wählten die franziskanischen Prediger ausnahmslos den strengeren Standpunkt. Im Laufe des 15. Jahrhunderts wagten sie sich über Festlegungen der Kanonistik hinaus. Während die Prediger zuvor aus Gründen der Glaubensfreiheit und des Elternrechts die Zwangstaufe jüdischer Kinder ablehnten, plädierten Angelo Carletti und Giacomo Ongarelli nun unter Berufung auf Johannes Duns Scotus für die Rechtmäßigkeit einer coactio conditionalis in Glaubensfragen. Parallel zur Mißachtung von bestehendem Kirchenrecht läßt sich die Radikalisierung des franziskanischen Antijudaismus in den gepredigten Judenbildern feststellen. In teils alten, aber auch neuen Stereotypen wird ein verbrecherisches Judenbild entworfen, das Ausdruck einer aber auch Mittel für eine strenge Haltung gegenüber Juden war. Die Akzentverschiebung in der Fassung alter Topoi als auch die Erweiterung der traditionellen antijüdischen Terminologie ergeben die zunehmende Radikalisierung. Die angebliche Vernunftlosigkeit der Juden, vor allem aber ihre Böswilligkeit, die sie für die christliche Glaubenswahrheit unzugänglich machten, tauchen in den unbewiesen Fakten durch Fiktionen ersetzenden Inkriminierungen von Juden erneut auf. Diese verliehen jeglichem Argument zusätzliches Gewicht, da

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Franziskaner das Medium der Predigt nutzten, um das jüdische Leben inmitten der christlichen Gesellschaft als Gefahr darzustellen. Die Juden in ihrer Andersheit drohten die christliche Gemeinschaft zu gefährden, zwischenmenschliche Zwietracht zu säen und den Ruin des Gemeinwesens zu befördern. Unbeirrt verfolgten die Prediger ihrem Modell einer societas christiana. In ihr sollte alles gemeinschaftliche Leben religiös-ethisch integriert sein. Geordnet durch Hierarchie, geleitet von ethischen Geboten seien alle Christen Teile des mystischen Körpers Christi. Von seinem Haupt fließe die Gnade in die ganze Kirche. Die allgemeine Kirche, gleichgesetzt mit corpus Christi, garantierte und kontrollierte die eine Heilsgewißheit aller Gläubigen: Die Liebe Christi verbindet alle Teile seines mystischen Körpers untereinander und mit Christus. Wer beständig in der Kirche bleibt, ist innig mit Christus vereint. Wer ihn aber in Form der Hostie schändete, wer seiner figürlichen und bildlichen Darstellung Schaden zufügte, bedrohte die ganze christliche Gemeinschaft; wer Christen in Armut bringt, wer ihnen das Blut aussaugt, es anschließend trinkt und ißt und wer Christen an seiner Statt rituell tötet, tut es ihm an. Kann jemand, der die christliche Gemeinschaft in den Darstellungen der franziskanischen Prediger zu verderben trachtete, noch mit Duldung rechnen? Wie soll jemand, der sich der christlichen Brüderlichkeitsethik willentlich widersetzt, der sich der caritas aggressiv feindlich gegenüber verhält und sich zahlreicher Verbrechen an der societas christiana schuldig gemacht hat, behandelt werden? Mit ihren daran anschließenden Ausweisungsforderungen, die sie auch entgegen der herkömmlichen Rechtspraxis mit einer Ausdehnung kirchlicher Rechtskompetenz und Sanktionsmacht durchzusetzen versuchten, gelangten die Prediger an eine Grenze der Juden bislang gewährten Duldung, die zuvor eine cohabitatio von Juden und Christen ermöglicht hatte. Die kollektive Verurteilung Judeum esse est delictum vollzieht den Schritt zur Intoleranz oder in der Sprache von heute: Keine Toleranz den Feinden der Toleranz. Werden alle Juden aufgrund ihres Jüdischseins ins Unrecht gesetzt, sind Christen vom Gebot entbunden, ihnen mit Duldsamkeit zu begegnen. Die Dauer und Entwicklung des antijüdischen Diskurses, der sich in den Predigten identifizieren läßt, zeigt, daß unmittelbare, situative Ursachen geringen Ausschlag für ihn geben. Der verschärfte Antijudaismus der Franziskanerprediger ist auch nicht allein einem Konflikt zwischen christlicher und jüdischer Wirtschaftsethik geschuldet. Konzeption und Ausformulierung der gepredigten Judenfeindschaft folgen primär der Eigenlogik christlicher Brüderlichkeitsethik; eng mit ihr verbunden sind Identitäts- und Exklusionsbestrebungen als wechselseitige Phänomene, die im Untersuchungszeitraum in unterschiedlicher Intensität vorkommen, sich zweifelsfrei aber zum Ende hin steigern. Christliche Feindesliebe gebot, Juden in Notsituationen Hilfe zukommen zu lassen. In dem von den franziskanischen Predigern propagierten Gedanken der Brüderlichkeit hatte die Nothilfe ihren

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Platz neben dem Bestreben jene universal durchzusetzen. Die innerlichen Heilsgüter sollten, so das theologische Motiv, über alle Schranken hinweg allen zugute kommen. Von dem Bemühen, Juden zu missionieren, ließen die Prediger ab, als sich die ursprüngliche Verstocktheit und Blindheit der Juden in einen vernunftlosen, innengeleiteten Widerstand, einer intentionalen Ablehnung wandelte. Parallel zu der nun ersichtlichen Chancenlosigkeit einer Missionierung, kam es zu einem potenzierten Antijudaismus in den franziskanischen Predigten. Diese Entwicklung gipfelte in dem Kollektivsingular Judeum esse est delictum. Die Juden, die jetzt für immer außerhalb der Schranken der societas christiana standen, sollten für die Verbrechen, die sie an eben jener verübten, unbedingt bestraft werden. Ziel der franziskanischen Argumentation war jetzt das theologisch begründete Konzept der iustitia legalis als strafender Gerechtigkeit. Theologie, Kanonistik und weltliches Recht sollten zum Zwecke der Kontrolle über die Vollzugsgewalt zusammengeführt werden. Legt man die Typologie sozialen Handelns von Max Weber zu Grunde, so handeln die Franziskaner in ihren Predigten durchgängig wertrational, denn zu keinem Zeitpunkt wird der unbedingte „Eigenwert eines bestimmten Sichverhaltens rein als solchen und unabhängig vom Erfolg“ 1 bezweifelt. Theologisches Argument, kanonisches Recht und ekklesiologisches Gemeinschaftsideal verbinden sich zur „Wichtigkeit einer ‚Sache‘“, 2 der universalen Durchsetzung christlicher Heilsgüter. Darüber hinaus agierten die Prediger traditional, wobei ihre „Bindung an das Gewohnte“ 3 gerade eine bewußte Wertorientierung darstellte, denn der Rückbezug auf Überlieferung und autoritative Schriften galt ihnen als Nachweis der Legitimität und Wahrheit des eigenen Handelns. Lieferte und stabilisierte die Wertorientierung der Prediger Rationalisierungen und Rechtfertigungen menschlichen Verhaltens und Handelns? Setzte sich, so die zweite Leitfrage der Arbeit, in der spätmittelalterlichen Gesellschaft ein mehrheitlich akzeptiertes, über Predigten vermitteltes Judenbild durch, von dem handlungsanleitende Wirkungen ausgingen? Letztlich galt mein Interesse der Frage, ob Prediger durch ihre Predigttätigkeiten dazu beitrugen, jüdische Minderheiten aus christlichen Stadtgesellschaften des späten Mittelalters auszugrenzen. Im Spannungsfeld von Predigt und politischer Ordnung geriet das Verhältnis von Predigern und politischen Herrschaftsträgern in den Blick. Die Prediger standen in einem engen Verhältnis zu den städtischen Amts- und Herrschaftsträgern, die die Prediger gezielt in die Stadt riefen, an ihren Botschaften interessiert waren und versuchten, diese nach einer spezifischen Choreografie zu inszenieren und zu 1 2 3

WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 12. EBENDA. EBENDA.

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kontrollieren. Das Verhältnis von Predigern und städtischer Obrigkeit war sowohl durch Einvernehmen als auch durch Widerspruch gekennzeichnet. Städtische Obrigkeiten teilten nicht immer den Erwartungsdruck und Normzwang rigoristischer Prediger. In der politischen Kommunikation und Praxis des späten Mittelalters lassen sich Prediger nicht auf ein Instrument von Amts- und Herrschaftsträgern reduzieren. Sie erweisen sich im Ergebnis aber auch nicht als jene charismatische Heilspropheten, deren antijüdischen Konstruktionen die Städte bedingungslos folgten. Prediger, die auf der Ebene der Performanz durch Symbole und Gesten dem gesprochenen Wort ein höheres Maß an Geltungskraft zu verschaffen suchten, nutzten im diskursiven Bereich eine pastorale Strategie der Angst und die Stilisierung von strafender Gerechtigkeit als Ideal herrschaftlichen Handelns um widerständige Herrschaftsträger von ihrer antijüdische Botschaft zu überzeugen. Ihrem theologischen Konzept versuchten sie über Recht politische Geltung zu verschaffen. Die Prediger versuchten, ihre Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit als Koordinationsmechanismus von Ordnungsvorstellungen zu instrumentalisieren. Ihrem Appell sollten Taten folgen. Er führte aber nicht dazu, daß städtische Obrigkeiten nun ihre theologischen Positionen teilten und den daraus abgeleiteten Forderungen Folge leisteten. Im Denken und Argumentieren städtischer Herrschafts- und Amtsträger im spätmittelalterlichen Padua überlappen sich politische Erwägungen und theologische Entscheidungsgründe. Befolgten sie allein den ethischen Rigorismus der Prediger, ergaben sich unmittelbar ökonomische Probleme für die Stadt; folgten sie ihm nicht, drohte Unheil. Die weltlichen Obrigkeiten in Padua verfolgten politische und ökonomische neben religiösen Interessen. Sie handelten und argumentierten gleichermaßen zweckrational wie wertrational, sie wägten den Nutzen der jüdischen Geldleihe für das Wohl der Stadt und ihr wirtschaftliches Gedeihen ab, ebenso wie sie ein politisches Kalkül bei der Ausweisung der Juden verfolgten, obwohl sie in der Entscheidungsfindung der Sprache der Prediger folgten. Hier zeigt sich ein vielschichtiger antagonistischer städtischer Kontext, in dem Konfrontationen und Widersprüche zwischen sich ausdifferenzierender sozialer Sphären und divergierender Interessen der Akteure deutlich werden. Die Argumente der Prediger waren in einem hohen „Maß von reiner Eigengesetzlichkeit“ 4 der religiösen Sphäre geschuldet. Sie setzten ihr Modell der societas christiana gleich mit dem bonum commune als Richtlinie politischer Entscheidungen. Für städtische Ratsherren hatte das Gemeinwohl ebenfalls eine religiöse Dimension. Sie faßten ihre Entschlüsse jedoch auch nach Maßgabe von necessitas und utilitas. Mit dem ethischen Rigorismus der Prediger kollidierte das Interesse der Städte, welche die jüdische Geldleihe als 4

WEBER, Religionssoziologie I, S. 238.

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ökonomische Notwendigkeit und öffentlichen Nutzen erachteten. Je nach Heilszielen und Heilswegen in den Erlösungsreligionen geraten die einander häufig widersprechenden Interessenlagen und „Interessensphären“ 5 laut Max Weber in Konflikt, insbesondere die ökonomischen mit den ideellen Wertsetzungen: „Die einzelnen Wertsphären sind dabei wie man leicht sieht, in einer rationalen Geschlossenheit herauspräpariert, wie sie in der Realität selten auftreten, aber allerdings: auftreten können und in historisch wichtiger Art aufgetreten sind.“ 6

5 6

EBENDA, S. 241. EBENDA, S. 537.

V. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Ungedruckte Quellen Archivio di Stato di Padova (ASP): Atti del Consiglio Atti del Consiglio, 1: Rubrica Actorum Consilii 1432-1641 Atti del Consiglio, 2: Indice dei temi degli Atti del Consiglio 1433-1780 Atti del Consiglio, 3: Reportorio e indice degli Atti del Consiglio del Comun 14301805 Atti del Consiglio, 4-13: 1430-1530 Deputati ad utilia Deputati ad utilia, 1-6: 1419-1528 Deputati ad utilia, 20: Estraordinario 1°, 1520-1535 Deputati ad utilia, 26: Reservationes deputatorum – Cause riservate, 1495-1542 Deputati ad utilia, 96: Registro lettere della cancelleria della comunità di Padova e dei deputati ad utilia 1°, 1424-1425, 1525-1528

Ducali Ducali, 1: Indice con alfabeto delle ducali alla Cancelleria civica, 1405-1680, con aggiunte 1405-1782 Ducali, 2: Registro I°, Rubeo, 1406-1473 Ducali, 3: Registro II°, Libre verde, 1471-1521 Ducali, 4: Registro III°, C.D., 1405-1468, enthält auch Atti del Consiglio 1420-1426 Ducali, 5: Registro IV°, D, 1519-1544 Ducali, 20: Registro estraordinario, 1496-1733

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Ducali, 35: Registro Ducali e terminazioni spettanti alla Cancelleria pretoria, Offici vecchi, 1431-1432 Ducali, 36: Ducali alla Camera fiscale, Registro B, 1515-1526 Ducali, 71: Raccolta Ducali Venete ai Rettori di Padova, Registro A, 1418-1470 Ducali, 72: Raccolta Ducali Venete ai Rettori di Padova, Registro B, 1451-1475 Ducali, 73: Raccolta Ducali Venete ai Rettori di Padova, Registro C, 1475-1484 Ducali, 74: Raccolta Ducali Venete ai Rettori di Padova, Registro D, 1484-1486 Ducali, 75: Raccolta Ducali Venete ai Rettori di Padova, Registro E, 1486-1492 Ducali, 76: Raccolta Ducali Venete ai Rettori di Padova, Registro F, 1492-1503 Ducali, 77: Raccolta Ducali Venete ai Rettori di Padova, Registro G, 1503-1518 Ducali, 78: Raccolta Ducali Venete ai Rettori di Padova, Registro H, 1518-1523 Ducali, 111: Registro Ducali e parti – Liber partium domini Laurentii Sascellae, sec. XV°-XVI° Ducali, 112: Registro Ducali e altro in materia di gravezze, 1451-1680 Ducali, 121: Ducali originali dirette ai Rettori di Padova, 1487-1499, 1529-1558

Rettori Rettori, 1: Filza di lettere ai Rettori di Padova, 1500-1506

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IV.

Orts-, Personen- und Sachregister

Ortsregister Assisi Bamberg Barcelona Basel Bologna Brescia

159-160, 202 66 70 65, 67 135, 137, 141, 150, 233 12, 165, 192, 223

Campo San Piero Castelbaldo Cittadellà Damiette Este

224 224 224 68 224, 228

Fermo 212 Ferrara 49 Florenz 18, 47, 50, 51, 124, 175, 193-194, 213 Jerusalem Magdeburg Mailand Mantua Marostica Monselice Montagnana Norwich

65, 87, 92, 97, 99 189 182, 194 1, 50, 145, 192, 194 166, 179 224 224, 228 164

77, 170, 188-189, 202

Nürnberg Orvieto

30, 203

Padua 30, 38, 48-50, 52, 124, 161, 174, 201, 221-237, 240, 246 Paris 61, 72, 75, 110-111, 125, 127, 130, 137 Pavia 80, 82, 210 Portobuffolè 166 Regensburg Rieti Rom Siena Terni Toledo Trient

66 222 76, 171, 201-203, 228

30, 124, 202, 208, 221-222 49 95, 135, 147 163-166, 180

Venedig 164, 190-194, 209, 223240 Verona 164-165, 188, 191, 192, 219, 230 Vicenza 30, 51, 179, 210, 230, 233 Volterra 166, 193 Wien 65, 76-77, 161, 202 Wiener Neustadt 76

Personenregister Abu Jakub 69 Accursius 141-142 Agobard von Lyon 167 Agostino Barbarigo 192 Alanus ab Insulis 56, 83, 110, 111, 112, 119 Albrecht V. von Österreich 65 Alessandro da Nevo 237-238 Alessandro Tartagnani 145-146 Alexander von Hales 125-126, 131, 158, 169, 170, 182 Alfonso da Spina 17, 50, 83, 84, 89, 125, 131, 161, 162, 166, 170 Agostino Barbarigo 192 Andrea Barbazza 143 Andrea da Faenza 160 Andrea Vendramin 164, 191 Angelo Carletti da Chivasso 47-49, 137-138, 141, 143-147, 151, 179, 195, 215-217, 240, 243 Angelo da Castro 233, 237, 238 Antonino Pierozzi (di Firenze) 152 Antonio da Bitonto 42, 43, 81, 82, 126, 147, 148, 235, 252, 267, 280 Antonio da Cremona 169 Antonio da Vercelli 44 Aristoteles 140, 174, 175, 204, 211 Augustinus 53-54, 59, 81, 86, 89, 95, 105, 122-123, 125, 129-130, 197, 205 Baldus de Ubaldis 142, 218 Baptista Trovamala 47-48, 132133, 138, 146-148, 150, 180, 195 Bernardino da Busti 26-27, 42, 44, 78-80, 84-85, 103, 127, 128, 160, 167-168, 171, 173, 182, 183, 241

Bernardino da Feltre 12, 42, 80, 8283, 85, 105, 116, 160, 163-164, 171, 192, 193, 194, 209, 210, 214, 240-241 Bernardino da Siena 16-18, 25-26, 30, 42, 48, 52, 75, 79, 80, 124, 125, 128, 141, 159, 161, 169, 189, 197, 201, 202, 203, 204, 206, 208, 210, 211, 212, 213, 221, 222, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 240 Bernardino Scardeone 49 Bernhard von Clairvaux 81 Bernhard von Parma 137 Bonaventura 72, 174-175 Cicero Cristoforo Soldo Cyprian von Karthago

215 188 121

Elij Kapsali

178

Flavius Josephus 94, 95 Fortunato Coppoli da Perugia 159160 Francesco Foscari 236 Francesco Gonzaga 192 Francesco Novello da Carrara 223 Francesco Raimondo 165 215 Franciscus Maironis Franziskus von Assisi 15, 67 Frederico Gonzaga 192 Gabriel de Verona 76 Galeazzo Maria Sforza 190, 194 Galvano da Padova 238, 239 Gamaliel II. von Jabne 167 Gerardo di Borgo San Domenico 74 Gerhard von Sens 141

299

Register

Giacomo della Marca 42, 51, 104, 159, 163, 187, 194, 212 Giacomo Ongarelli 48-52, 84-85, 133, 145, 152-154, 158, 159-163, 166- 168, 170, 172, 175, 178-181, 210, 214-215, 219, 241, 243 Giovanni da Capestrano 14, 17, 42, 75, 77-78, 116, 142, 161, 188, 194, 201- 203, 205, 218, 233 Goffredo da Trani 128 Gratian 56-57 Gregor von Tours 176 Guido da Baysio 150-151, 153

Justinus

100, 167

Karl der Große

107

Lactantius Lauro Palazzolo Ludovico Maria Sforza

122 235 160

Marco da Montegallo 14, 45, 132, 133, 166, 179 Meir ben Baruch 177 Melek el-Kamil 68 Michele Carcano da Milano 42, 78, 80, 85, 103, 105, 123, 165-166, 169, 190-192, 194, 211-214, 222, 236, 238, 241

Hans Folz 170 Hartung Cammermeister 205 Heinrich von Schlettstadt 166 Hieronymus 90-91, 93, 102-103, 167, 216 Hieronymus de Santa Fide 64 Hieronymus Tornieli 216 Hostiensis (Heinrich von Segusia) 127, 128, 129, 137-138, 153 Hugo von Digne 74 Hugo von St. Viktor 81 Huguccio 148, 153 Humbert von Romans 113- 115

Nicolas Donin 60, 167 Niccolo da Mantova 164 Niccolo da Osimo 47-48, 128, 140, 214, 237 Nikolaus von Dinkelsbühl 65 Nikolaus von Lyra 72, 86, 88, 9091, 94, 98-99, 101- 103

Jakob ben Reuben 72 Joachim von Fiore 73, 74 Johann Ulrich Surgant 67 Johannes Andreae 127, 137, 150 Johannes Duns Scotus 151, 153154, 183, 243 Johannes Hinderbach 165, 166 Johannes Pfefferkorn 62, 66, 131 Johannes Winterthur 178 Joseph Albo 97 Justinian 141

Panormitanus (Nikolaus de Tudeschis) 127, 137, 138, 146, 150 Paolo di Benedetto di Cola dello Mastro 75 Paolo di Castro 143 Paolo di Tommaso Montauri 202 Päpste Alexander III. (1159-1181) 120, 135, 136, 137, 146 Benedikt XIII., Gegenpapst, (13941423) 64, 131

Odo von Tusculum Origines

61 99, 102, 167

300

Register

Bonifaz VIII. (1294-1303) 195 Calixt II. (1119-1124) 116, 147 Felix V., Gegenpapst, (1439-1449) 116, 119, 121, 159, 190 Gregor I. (der Große) (590-604) 56, 81, 110, 146 Gregor IX. (1227-1241) 60, 120 Honorius III. (1216-1227) 68 Innozenz III. (1198-1216) 60, 108, 121, 130, 135, 136, 137, 143, 148 Innozenz IV. (1243-1254)60, 61, 69 Leo X. (1513-1521) 50, 181, 208, 219 Martin V. (1417-1431) 116, 118120, 121, 162, 190 Nikolaus III. (1277-1280) 69-70 Nikolaus V. (1447-1455) 116, 119, 120, 121, 202 Pius II. (1458-1464) 116, 119 Sixtus IV. (1471-1484) 121, 164, 191 Paulus a Santa Maria 92 Paulus Diaconus 107 Peter Schwarz 66 Petrus Cantor 110 Petrus Damian 54 Petrus de Palude 152 Petrus Johannis Olivi 72-74 Pietro de Ancharano 143 Pietro Barozzi 240 Pietro Mocenigo 164, 191 Raimundus Lullus

62-63

Raimundus Martini 70- 72, 86, 91 Raimundus von Penaforte 70, 120 Raschi (Salomon ben Isaak) 91, 94, 98 Roberto Caracciolo da Lecce 17, 43, 45, 78- 80, 85- 106, 123, 126, 131-133, 139, 141, 147-149, 161, 166, 171, 174, 194, 201, 202, 203, 205, 209, 216, 233- 235, 241 Rudolf von Schlettstadt 177 Salomon ben Abraham Aderet 70 Simone d’Ancona 190 Seneca 71, 215 Stephan Bodecker 66 Stephano Sicco 192 Tertullian 129 Theobald von Sézanne 161 Thomas de Chobham 57- 60, 62, 111, 113-114 Thomas von Aquin 6, 71, 81-82, 85, 95, 126-127, 131, 139-140, 149, 153, 170, 183, 212-213, 231 Timoteo da Lucca 193, 209 Tommaso Nieto 203 Ulpian

211

Viktor von Carben 66 Vinzenz Ferrer 5, 64, 79, 187, 197 Vinzenz von Beauvais 166 Wilhelm Peraldus Wilhelm von Rennes

81 150

Sachregister Adversus-Iudaeos

54, 66, 122, 129 Ämterverbot 135 Antijudaismus 4-12, 17-18, 2428, 38, 41, 53-54, 77, 86, 130, 146147, 155, 157-158, 163, 172, 206, 233, 241-244 antijüdische Vorstellungen Bilderfrevel 175, 176, 178, 244 Blasphemievorwurf 96, 157, 160- 161, 167-174, 178-179, 181-184, 187, 209, 231 Böswilligkeit der Juden 71, 84, 155, 171, 241-243 Brunnenvergiftungsbeschuldigungen 117, 156, 162163, 184 Giftmörder 134, 157, 161-162, 173-174, 230, 231 Gottesmordvorwurf 18, 46, 105, 130, 155, 156, 235 Hostienfrevelvorwurf 156-157, 173, 176, 178 Judaisierungsvorwurf 133-134, 136-137, 243 Ritualmordvorwurf 156-158, 163166, 180 Vernunftlosigkeit 155, 242-243 Verstocktheit der Juden 69, 86, 129, 155, 241, 245 Wuchervorwurf 12, 15-18, 138145, 156-160, 172, 180-181, 184, 208-210, 220-222, 218, 228, 231, 233-235 Antisemitismus 3-4, 22-23, 27, 125 Armut 15, 159, 244 franziskanisches Armutsideal 15, 16 Augustinus 53-54, 59, 81, 86, 89, 95, 105, 119, 122-123, 125, 129130, 197, 205 De civitate Dei 95, 122 De vera religione 53, 86

Ausgehverbot

46, 230

Bibel Bibelüberlieferungen 90-91, 93-94, 96-98, 100 christliches Schriftverständnis 86, 89, 92-93, 101 jüdisches Schriftverständnis 84, 89-90, 103 Schriftsinn 72-73, 86, 90 Bibelstellen Daniel 2,31-44 88 Daniel 7,13 92 Daniel 9,24-27 89 Deuteronomium 15,3 139 Exodus 2,8 101 Genesis 24,16 101 Genesis 49,10 88-92 Haggai 2,6 92 Haggai 2,9 92 II Timotheus 4,2 83 Jeremia 23,5 92, 94 Jeremia 23,6 92 Jesaja 11,6-8 92 Jesaja 2,2 92 92 Jesaja 2,3 Jesaja 2,4 92 Jesaja 30,26 92 Jesaja 6,9 84 Jesaja 7,14 96-103, 122 Jesaja 8,1-4 98 Jesaja 8,8 98 Jesaja 9,6 93-94 Lukas 19,41 65 Matthäus 28,19-20 54 Matthäus 7,6 57 Psalme 58,12 126-127 Zacharia 6,12 92 Blasphemie 169-174, 160, 178-179, 181-183, 209 Bonaventura Collationes in Hexameron 72

302 bonum commune 116, 144, 158-159, 208, 212, 223, 232, 238-239, 246 Buße 2, 25-27, 42, 67-68, 78, 86, 104, 197, 205-207, 238, 240 Bußfrömmigkeit 26-27 Charisma 39-40, 207, 208, 246 Christologie jüdische Vorbehalte 53, 91-93, 97 jungfräuliche Geburt Jesu 86, 96, 103, 125 Messianität Jesu 50, 53, 55, 6465, 69, 71-72, 75, 78, 86-87, 9293, 103-105, 155-156, 170-171, 242 Natur Jesu 24, 53, 55, 63, 72, 86, 87-88, 93-96, 100-101, 155 Disputation 55-56, 61, 64, 78, 85, 97, 238 Barcelona 1284 70 Paris 1240 61 Tortosa 1413/14 64 Eschatologie 53, 55, 60, 64, 7274, 92, 121, 153, 190, 241 endzeitliche Bekehrung der Juden 54, 59, 64, 72-74, 80, 85, 92, 121, 123, 125, 153, 190, 241 Exklusion 9, 13, 18, 21, 25, 32, 158, 183, 241 Exkommunikation 117, 143, 191, 208-209, 221, 236 Gefangenschaft der Juden 65, 86, 90, 162, 242 Geldwirtschaft 15-16 jüdische Geldleihe 14-17, 66, 138139, 143, 145, 156, 158-159, 172, 180, 208-210, 218, 221, 223, 231-233, 235,-239, 246

Register

Notwendigkeit der jüdischen Geldleihe 115, 133, 232, 237, 246 Gemeinwohl siehe bonum commune Gerechtigkeit 4, 181, 208, 211212, 214-215, 245, 246 allgemeine Gerechtigkeit 3, 63, 107, 124-125, 128, 211-212, 214, 230 antijüdischer Geschichtsbeweis 87 ausgleichende Gerechtigkeit 211 Gesetzesgerechtigkeit 211-212, 214, 220 Strenge des Rechts 211-214, 245 natürliche Gerechtigkeit 149, 153 Tugend der Gerechtigkeit 81, 104, 107, 111, 206, 211-212, 214, 219 politische Tugend 215 verteilende Gerechtigkeit 211 Geschichtstheologie 73, 86, 87, 92 Glaubenszwang 57-59, 62-63, 70, 147-148, 150-151 Gottesstrafen 21, 71, 209, 210, 215, 231, 234, 236 Gottesvolk 53, 72, 129 Christen als Gottesvolk 3 Juden als Gottesvolk 3, 121 Gottesvorstellungen 170-171 Häresie 22, 54, 57, 67, 74-75, 81-83, 93, 116, 147, 168, 201, 238 Heiden 53-54, 56, 66, 68, 73, 81, 83, 89, 129, 147 Inklusion

9, 18, 20, 32, 241, 272

Jerusalem 65, 91, 97, 166, 170, 192, 228 Zerstörung des Tempels 65, 86, 242

303

Register

Jesus 17, 50, 53, 65, 69, 72, 74, 86-87, 89, 92-102, 155, 170-173, 202, 205, 231, 235 jüdische Herkunft 125-126 siehe Christologie siehe antijüdische Vorstellungen, Blasphemievorwurf Judenausweisungen 27, 50, 158, 182, 246 Judenverfolgungen 7, 24, 64, 77, 117, 135, 156, 164, 176, 177 jüdische Reinheitsvorschriften 134 Kennzeichnung der Juden 135, 229232 Knechtschaft der Juden 129-134, 136, 150, 153, 156, 179, 243 Konvertiten 62, 64, 66, 76, 92, 131, 147, 160, 167, 172, 177 Konzilien Konzil von Basel 65, 131 drittes Laterankonzil 136 viertes Laterankonzil 108, 130, 135-136, 143 drittes Konzil von Toledo 135 viertes Konzil von Toledo 147 Konzil von Vienne 63 Marginalisierung 4, 9, 13, 19-20, 25, 229 Maria 2-3, 5, 8, 30, 35, 41, 92, 95-97, 99-104, 125-126, 160, 171174, 176, 179, 194, 201-203, 206, 224, 226-227, 238 siehe Mariologie siehe antijüdische Vorstellungen, Blasphemievorwurf Mariologie 78, 85 Gottesmutterschaft 3, 96, 176, 206 Jungfräulichkeit Marias 25, 88, 9597, 99, 100-101, 103-104

unbefleckten Empfängnis 173 Mentalität 10, 168, 185-186, 282 Monte di Pietà 14, 30, 44-45, 49, 192-193, 210, 236-237, 239-240 Ostern

46, 135, 177, 230, 287

Padua 221, 223-237, 240, 246 Demographie 226-227, 230-231, 239-240 Diözese 224, 240 Herrschaft der Carrara 223-228, 230, 265, 270 jüdische Gemeinde 221-223, 228, 230-237, 239-244 Orte Basilica di San Antonio 229 Duomo 160, 203, 226, 229, 240 Piazza dei Signoria 229 San Francesco Grande 229 städtische Ämter cammerlenghi 224 capitaneo 224, 229 castellani 224 consiglio maggiore 5, 93, 189, 194, 210, 222-223, 225226, 232-236, 239-240 deputati ad ecclesias 226 deputati ad utilia 225-226, 248 Podestà 222, 224-226, 229 rettori 188, 191-192, 224, 229, 240 städtische Unruhen 225-226 226, 229, 240 städtische Viertel Universität 225, 233, 235, 255, 275 Venedig 223-228, 231-232, 234-236, 239-240 Passionsfrömmigkeit 46, 93, 135, 155-156, 169, 175, 205

304 Pastoralliteratur 15, 23, 26-27, 41, 44-46, 52, 109, 140, 162, 183, 185, 211 Beichtsummen 47-48, 52, 262 Drucke 34, 43-44 Predigtsammlungen 43, 47, 79, 124, 200, 204 reportatio 43, 201, 267, 280 Pessach 163 Predigt Diskursivität 17, 20-21, 23, 26, 35, 56, 139, 157, 183, 200, 241, 242, 244 Homilie 24, 107, 110 Medium politischer Kommunikation 10, 35, 40, 112, 115 Moraldidaxe 35, 110, 111 Performanz 28, 199, 201, 246 Prophetie 39, 73, 89, 91, 93, 96-97, 100, 112, 129, 207 Ritual 34, 38, 157, 165, 191, 199-200, 203 sermo modernus 24, 98, 100, 110, 112, 115, 153 Predigtpublikum 2, 15, 24, 27-28, 35, 44, 72, 75, 77, 80, 83, 96, 103, 111-115, 134, 156, 159, 161, 171, 185, 189, 197-206, 208, 210, 213, 221, 231, 234, 240-242 Raimundus Martini Capistrum Iudaeorum 91 Pugio fidei adversus Mauros et Iudaeos 71 Recht 19, 57, 123, 141, 142, 146, 149, 181-182, 187, 208, 213218, 223, 225, 232-233, 238, 240, 242, 245-246 Corpus iuris canonici 60, 119, 127, 128, 130, 137, 144, 146, 148, 161, 180, 208, 216, 243, 258 Clementinae 143, 250

Register

Decretum Gratiani 56-58, 60, 120, 127-128, 134, 143-144, 147-148, 152, 174, 230 Liber Extra 120, 127-128, 130, 134-137, 143, 146, 148, 230 Liber Sextus 143 Corpus iuris civilis 142, 216, 218-219 göttliches Recht 142, 145, 216-218 natürliches Recht 140, 145, 149, 152, 216-218 positives Recht 216, 218 Reformstatuten 221-222 Ritual 157, 165, 191, 199-200, 203 siehe Predigt, Performanz

s candalum

126, 190, 194 servitus iudaeorum siehe Knechtschaft der Juden sexuelle Beziehungen 230 Sicut-Iudaeis-Bulle 116, 120 Simon von Trient Kult 164-165, 191 societas christiana 13, 18, 55, 113, 115-116, 135, 158, 172, 208, 214, 231, 240, 242, 244-246 Stigmatisierung 13, 19, 22, 25, 32, 55, 157, 169 Sünde 80, 82, 85, 105, 141, 170, 234, 237 Sündenbock 24, 26 Synagoge 61, 117, 120, 146147, 173, 175, 230 Talmud 61, 65, 161, 171 Konfiskation und Verbrennung 60, 61, 161, 170 talmudische Literatur 55, 60, 64, 67, 70, 72, 91, 161, 171 Taufe 60, 64, 66, 76, 80, 87, 104105, 121, 148-150, 152-154

305

Register

Taufe von Juden 60, 64, 66, 68, 75, 80, 87, 102, 104-105, 121, 148-150, 152-154 Zwangstaufe 147-154, 183, 243 Thomas von Aquin 6, 71, 81-82, 85, 95, 126-127, 131, 139-140, 149, 153, 170, 183, 212-213, 231 Summa contra gentiles 71 Toleranz 4, 54, 118, 120-121, 123, 128, 132, 144, 182-183, 243-244 tolerantia iudaeorum 9, 38, 58, 60, 72, 118-119, 121, 123, 125, 127128, 131, 144-145, 152, 156, 161, 183, 241, 243

Trinität

53, 55, 63, 72, 78, 170

Wille 82-85, 121-122, 149, 152-153, 179, 209, 211, 217, 244 Wirtschaftsethik 15, 17-18, 138, 158, 244 jüdische Wirtschaftsethik 15 Zeugenschaft (der Juden für den christlichen Glauben) 121-123, 125-126, 129, 190, 243 Zwangspredigt 56, 59-60, 62, 241

Norm und struk tur Studien zum sozialen ­W andel in Mit tel alter und Früher Neuzeit Herausgegeben von Gert M ­ elville in Verbindung mit Gerd Althoff, Heinz Duchhardt, ­P eter Landau und Klaus Schreiner

Eine Auswahl

Bd. 27  | Ulrich Rosseaux Freiräume

Bd. 23  |  Peter von Moos (Hg.)

Unterhaltung, Vergnügen und

Unverwechselbarkeit

Erholung in Dresden 1694–1830

Persönliche Identität und

2007. VI, 416 S. 16 s/w-Abb. auf 16 Taf.

Identifikation in der vor­m odernen

Gb.  |  ISBN 978-3-412-00506-1

Gesellschaft 2004. XXVI, 465 S. 9 s/w-Abb. Gb.

Bd. 28  | Friederike Neumann

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Öffentliche Sünder in der Kirche

Bd. 24  |  Christine Pflüger

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Kommissare und

2008. 200 S. Gb.  |  ISBN 978-3-412-21706-8

des späten Mittel­a lters

Korrespondenzen Politische Kommunikation im Alten

Bd. 29  | Brigitte Kasten (Hg.)

Reich (1552–1558)

Herrscher- und Fürsten­

2005. 365 S. Gb.  |  ISBN 978-3-412-13404-4

testamente im west­e uropäischen Mittelalter

Bd. 25  | Antje Flüchter

2008. XI, 864 S. Gb.

Der Zölibat zwischen

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Devianz und Norm Kirchenpolitik und Gemeindealltag

Bd. 30  | Stefan Dicker

in den Herzog­tümern Jülich und

Landesbewusstsein und

Berg im 16. und 17. Jahrhundert

Zeitgeschehen

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Studien zur bayerischen Chroni­

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stik des 15. Jahrhunderts 2008. 453 S. 4 s/w-Abb. auf 4 Taf. Gb.

Bd. 26  |  Klaus Oschema

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Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund

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Studien zum Spannungsfeld von

Das Blut der Märtyrer

Emotion und Institution

Genese, Bedeutung und Funktion

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böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

Norm und struk tur Studien zum sozialen ­W andel in Mit tel alter und Früher Neuzeit

Bd. 32  | Wolfgang Forster

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Bd. 1: Zivil- und Zivilprozess­recht

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Bd. 33  | Ulrich Niggemann

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Bd. 35  |  Michael Hohlstein

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Soziale Ausgrenzung im Medium

Rituale, Zeichen, Bilder

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